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Jt^ara. Nun |fork
BOUGHT WITH THE INCOME OF THE
SAGE ENDOWMENT FUND
THE GIFT OF
HENRY W. SAGE
1891
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tumed at end of College
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Students must return all
books before leaving town.
Officers should arrange for
the return of books wanted
during their absence from
Volumes of periodicals
. and of pamphlet? are held
in the library as much as
. possihle. For special pur-
poses they are given out for
a limited time.
. Borrowers should not use
their library Privileges for
. the.benefit of other persons.
Books of special value
and gift books, when the
. giver wishes it. are not
allowed to circulate.
. Readers are asked to re-
port all cases of books
. marked or mutilated.
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ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
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ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE
ORGAN DER GESELLSCHAFT DER BIBLIOPHILEN (E. V.)
DES VEREINS DEUTSCHER BUCHGEWERBEKÜNSTLER (E.V.) UND DER
WIENER BIBLIOPHILEN-GESELLSCHAFT
BEGRÜNDET VON FEDOR VON ZOBELTITZ
NEUE FOLGE
HERAUSGEGEBEN
CARL SCHÜDDEKOPF und GEORG W1TKOWSKI
VIERTER JAHRGANG
ERSTE HÄLFTE -
VERLAG UND DRUCK VON W. DRUGULIN IN LEIPZIG
1912
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Inhaltsverzeichnis,
I. Hauptblatt.
Seite
Bogeng, Dr. G. A. Erich: Die Biblioth&que du Louvre.159
Buchwald, Dr. Reinhard: Lessing und Ernestine Christine Reiske.164
Collin, Ernst: Die künstlerischen Ideale von William Morris. 60
Ebstein, Dr. Erich 1 Die Amtmänner Bürger und Scheufier.181
FeldhauSyfranz M.: Eine Kupferdruckpresse von 1617. 56
Heine, Heinrich: Ein unvollständiges Gedicht. 30—32
Hiinich, Dr. Fritz Adolf: Neue Goetheana. 91
— Neue Wertheriana.183
Konrad, Dr. Karl: Angekettete Bücher. 21
Leitzmann, Prof. Dr. Albert: Neues von Lichtenberg.75, 123, 172
Löffler, Dr. Karl: Eine schwäbische Bibliophilenfamilie aus dem XVII. Jahrhundert und ihre
Sammlung. 69
Osbora, Max: Deutsche Buchkünstler der Gegenwart. V. Emil Rudolf Weiß.133
Schaaffs, Dr. Georg: Zwei unbekannte Briefe von Bürger. 57
Schleinitz, Prof. Freiherr Otto von: Walter Crane als Buchillustrator. 97
Schmidt, Dr. Adolf: Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.104
Schölte, J. H.: Johann Jacob von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. Mit
20 Abbildungen und drei Tafeln.1, 33
Sembritzki, Johannes: Einige Ergänzungen zu der Trenck-Bibliographie von Gugitz und
v. Portheim.180
Steig, Prof. Dr. Reinhold: Die Brüder Grimm und die Weimarische Bibliothek . . 25—30, 33
Uzanne, Octave: Die Bibliotheken der Zukunft. 65
Abbildungen.
Seile
Beernhäuter, Holzschnitt aus dem Ersten (1670). Nach
dem Original in der Universitätsbibliothek Göttingen 9
Crane , Walter: Amsterdamer Bibel. Adam und Eva
nach der Vertreibung aus dem Paradies .... 99
— „Die lustigen Weiber von Windsor 4 * .... ioi, 103
— Erinnerungsmedaille für den Kongreß zur Ver¬
brüderung aller Völker. Vorder- u. Rückseite . . 100
— Gedächtnisblatt zur Centenarfeier des Dichters
Browning. 98
— Programm zu einem Weihnachts-Kinderfest . . . 105
— Selbstporträt, den Ufficien in Florenz gestiftet . 17
„Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche** (1670),
Kupfertitel der. Nach dem Original in der Her¬
zoglichen Bibliothek in Meiningen (*/1 Gr.) ... 52
„Ewigwährenden Kalenders“ (1670 u. 1677), Kupfertitel
des. Nach dem Original in der Großherzoglich.
Bibliothek in Weimar (*/i Gr.). 46
Felszecker, Wolff Eberhard: Porträt von Johann Alex.
Böner (1647—1720). Nach dem Original im Ger¬
manischen Museum in Nürnberg (*/t Gr.) .... 19
Seite
Kupferdruckpresse von 1617. 56
„Rathstübei Plutonis“, (1672) Kupfertitel des. Nach
dem Original im Besitz von Dr. A. Bechtold,
Freiburg i. Br. (*/ x Gr.). 54
Reiske , Ernestine Christine: Silhouette aus Geislers
„Galerie edler deutscher Frauenzimmer**. Vierfarb. 165
„Simplicissimus", Ausgabe A (1669), Kupfertitel des.
Nach dem Original in der Königlichen Hof- und
Staatsbibliothek in München ( r /i Gr.) ...... 50
„Simplicissimus* 4 , Ausgabe B (1669), Kupfertitel des.
Nach dem Original in der Herzoglichen Biblio¬
thek in Wolfenbüttel p/i Gr.) . ..49
„Simplicissimus**, Ausgabe C (1670), Titelkupfer zum.
Nach dem Original in der Groß herzoglichen Biblio¬
thek in Weimar (*/ x Gr.) . . .*. 43
„Simplicissimus**, Ausgabe D( 1671), Radierung aus dem.
Nach dem Original in der Herzoglichen Biblio¬
thek in Meiningen (*/i Gr.) . 34, 35, 36, 37, 38, 39
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Inhaltsverzeichnis.
VI
Seile
„Simplicissimi wunderlicher Gauckel-Tasche" (1670),
Holzschnitt aus. Nach dem Abdruck in der „Ersten
Gesamtausgabe (1683/1684) (1/1 Gr.) . . 12, 13, 14, 15
„Verkehrten Welt'*, Titelkupfer zur (1672). Nach dem
Original in der königlichen Bibliothek in Berlin
(Vx Gr.). 3
„Verkehrten Welt“, (17. Jahrh.) Bilderbogen der. Nach
dem Original in der Kartensammlung der König¬
lichen Bibliothek in Berlin (i/ x Gr.).. 4, 5
„Viridarium Historicum" (um 1670), Titelkupfer zum.
Nach dem Original in der Großherzoglichen Biblio¬
thek in Weimar (1/1 Gr.). 47
Weiß, E. R.: Doppeltitel zuGiordano Bruno, Gesammelte
Werke (Eugen Diederichs, Verlag). Zweifarbig . 137
— Einbandzeichnung zu Otto Julius Bierbaum Gu¬
geline. Dreifarbig.135
— Einbandzeichnung. Chinesische Geister- u. Liebes¬
geschichten (Literarische Anstalt Rütten & Loening) 144
— Einbände für den Verlag S. Fischer.148
— Einband für die Geschenkausgabe der Tempel-
klassikcr. Goethe, Westöstlicher Divan .... 146
— Einband für die Geschenkausgabe der Tempel¬
klassiker. Goethe, Gedichte.146
— Einbandzeichnung zu Richard Delimel, Lebens¬
blätter (Schuster & Loeff ler, Verlag).136
— Einbände für den Verlag von Eugen Diederichs 136
— Einband. Goethe, Liebesgedichte.153
— Einband. Goethe, Wilhelm Meisters theatralische
Sendung (J. G. Cotta) ..153
— Einbandzeichnung zu G. Hauptmann, Ratten (S.
Fischer, Verlag).143
— Einband. Hugo von Hofmannsthal (Insel-Verlag) 152
— Einbände für den Insel-Verlag.149
— Einbandzeichnung Lao Tse, Die Bahn und der
rechte Weg (Insel-Verlag).144
— Halblederband der Tempelklassiker. Goethe, Werke 147
— Hamletausgabe für Eugen Diederichs . . • . . 157
— Kopfleiste aus der Zeitschrift „Pan' 1 1895, Jahrg. II X33
— Leinenband der Tempclklassiker. Schiller, Sämt¬
liche Werke. 147
— Leinbände für den Tempel-Verlag.158
Seite
Heiß, E. R.: Luxusbände der Tempelklassiker ... 159
— Signet Julius Bard, Verlag.156
— Signet Georg Dr. W. Callwev, München .... 156
— Signet Eugen Diederichs, drei verschiedene . . 156
— Signet S. Fischer, Verlag, sieben verschiedene . . 156
— Signet Reimar Hobbing, Verlag.156
— Signet Kaiser Friedrich-Museum, Berlin .... 156
— Signet Rütten & Loening, Frankfurt a. M. . . . . 156
— Signet Hermann & Friedrich SchafTstein, Cöln . . 156
— Signet Schuster & Loeffler, Verlag. Für Alfred
Mombert, Werke.156
— Signet Tempel-Verlag.156
— Titel. Hans Bcthge, Die Chinesische Flöte (Insel-
Verlag). Zweifarbig.139
— Titel. Die Geschichten des Rabbi Nachmann, nach¬
erzählt von Martin Huber (Literarische Anstalt
Rütten & Loening). Zweifarbig ..140
— Titel. Grimmelshausen, Simplicissimus (Insel-Ver¬
lag, Leipzig). Zweifarbig.141
— Titel zu Leonardo da Vinci (Eugen Diederichs).
Zweifarbig.134
— Titel. G. Hauptmann, Gabriel Schillings Flucht
(S. Fischer, Verlag) . ..150
— Titel. G. Hauptmann, Die Ratten (S. Fischer,
Verlag). Zweifarbig.151
— Titel. Moritz Heimann, Der Feind und der Bruder
(S. Fischer, Verlag).151
— Titel. Helene Voigt-Dicderichs, Dreiviertel Stund
vor Tag (Eugen Diederichs Verlag). Zweifarbig . 138
— Titel. Helene Voigt-Diederichs, Schleswig Hol¬
steiner Landsleute (Eugen Diederichs Verlag). Zweif. 138
— Titel. Emil Rudolf "Weiß, Der Wanderer (Julius
Bard, Verlag). Zweifarbig.139
— Umschlagzeichnung, Der Ciceron (Verlag Klink*
hardt cS: Hiermann).I42
— Umschlagzeichnung für den Insel-Verlag. Zweifrb. 143
— Umschlagzeichnung, Der Lindenbaum (S. Fischer,
Verlag).145
— Vorsatz zu Otto Julius Bierbaum,Gugeline. Zweifrb. 135
— Weiß • Fraktur. Probeseite aus den Tempel¬
klassikern .. . . 154, 155
Beilagen.
Seite
Bilderbogen der „Verkehrten Welt** (17. Juhrh.). Nach
dem Original in der Kartensammlung der König¬
lichen Bibliothek in Berlin (x/ x Gr.). 7
Crane , Walter: „Der mit weitaufgerissenem Maule gäh¬
nende, watschelnde Frosch' 1 . Titelblatt. Zweifarbige
Tafel.. . 112, 113
— „Eins, zw ei. Du schnalle meine Schuh". Titelblatt
Zweifarbige Tafel.104, 105
— „Eins, zwei, Du schnalle meine Schuh 1“ Vorrede
zu seinem Kinderbuch. Zweifarbig.107, 109
— „König Arthurs Ritter", Sir Ceraint und Lady Enid
in der verlassenen römischen Stadt Vierfarb.Taf. 100,101
— „König Arthurs Ritter". König Arthur versichert
dem jungen verwundeten Ritter Owen, der ihm
das Leben gerettet, seine ständige Gnade. Vierfarbige
Tafel.108, 109
Seite
Flugblatt der „Wunderbarlichen Werkstatt des Welt¬
streichenden Artzts Simplicissimi" (17. Jahrh.).
Nach dem Original in der Marienbibliothek zu
Halle a. S. (Vi Gr.). 21
Flugblatt der „'Wunderbarlichen Werkstatt des Welt¬
streichenden Artzts Simplicissimi" (17. Jahrh.),
Nach dem Original im Königlichen Kupferstich-
babinett in Berlin (i.'i Gr.). 21
Weiß, E. R?: Umschlag. Goethe, Liebesgedichte (Insel-
Verlag) Tafel mit aufgelegtem Umschlag . . 144, 145
— Umschlag. MartinBuber,DieLegende desBaalschem.
Golddruck auf Originalkarton.136, 137
— Weiß-Fraktur. Titelseite, auf Tafel aufgelegt.
Zweifarbig.132, 133
— Weiß-Fraktur der Bauerschen Gießerei. Tafel mit
aufgelegter Probe.X 40, 141, 148, 149
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Inhaltsverzeichnis.
VII
II. Beiblatt
Gesellschaft der Bibliophilen.
Seite I, 131, 132.
Wiener Bibliophilen-Gesellschaft.
Seite 2, 91.
Briefe.
Seite Seite
Amsterdamer Brief von M. D . Henkel 12, 49, 98, 136, 187 New Yorker Brief von Ernst Eiselc .17, 52, 139
Kopenhagener Brief von Victor Madseti ...... 186 Pariser Brief von Otto Grautoff . . . 4, 41, 91, 132, 173
Londoner Brief von 0 . v. Schleinitz . 6 , 43, 93, 134/ 178 Römischer Brief von Ewald Rappaport . 10, 47, 96, 184
Moskauer Brief von Arthur Luther . 15 Wiener Brief von Hans Feigl .8, 45, 95, 181
Rundschau der Presse.
Von Prof. Dr. Adalbert Hortzschansky.
Seite 19, 53, 101, 140, 213.
Von den Auktionen.
Seite
Boeroer, C. G., Leipzig . 23
Breslauer, Martin, Berlin .104
Burckhardt, Max.105
Galerie Helbing, München . 23
Heller & Co., Hugo, Wien .. 105
Neue erschienene und
Seite
Alexander II. und sein Hof.145
Alte Glasgemälde im Schloß Hohenschwangau. Eine
Sammlung König Maximilians II. von Bayern.
Herausgegeben von Oskar Zettler. Bearbeitet von
J. S. Fischer.153
Altfränkische Bilder 1912 von Dr. Theodor Henner . 209
Altmeister der Kunst (W. Spemann, Stuttgart 1912) . 65
Aucassin et Nicolette. Herausgegeben in 250 nume¬
rierten Exemplaren von Georges A. Toumoux . 148
Bach, Max: Die Stammburg Wirtenberg.196
Bachem, Karl: Josef Bachem und die Entwicklung der
katholischen Presse in Deutschland.202
Böhler , Eduard: Lebenserinnerungen. Herausgegeben
und ergänzt von Eduard Bähler ..212
Baggesens, Jens: Parthenais. Eine literarhistorische
Untersuchung von Otto Zürcher.114
Bayros , Franz von: Separatabdruck aus Annuario della
Societä fra gli amatori de Ex-Libris.111
Benz, Richard: Die deutschen Volksbücher. 23
Bergmann , Dr. Emst: Die Begründung der deutschen
Ästhetik durch Alex. Gottlieb Baumgarten und
Georg Friedrich Meyer (Verlag v. Röder & Schunke, ■
Leipzig 1911). 70
Berühmte. Kunststätten. Basel von Martin Wackemagel.
Mit 127 Abbildungen.150
Berühmte Kunststätten. Ulm von Ludwig Fischer. Mit
130 Abbildungen. 150
Beschreibung der ägyptischen Sammlung des Nieder¬
ländischen Reichsmuseums der Altertümer in Lei¬
den. Die Denkmäler des Neuen Reiches. I. Abt
Gräber von Dr.P. A. A. Böser (Mart Nyhoff, Haag) 58
Bibliographie Verlainienne. Contribution critique ä
l’ötude des littöratures ötrang&res et comparees
par Georges A. Toumoux. Pröface de F. Piquet 151
Bibliotheca Germanorum Erotica et Curiosa .... 110
Seite
Hoe-Sammlung. 57
Perl, Max, Berlin .23, 105
Sotheby, Wilkinson & Hodge, London .104
Steiner, Franz, Meran . 57
Stroehlin, Dr. Emst, Genf .144
angekündigte Bücher.
Seite
Bibliothek Stroehlin.144
Biedermann, Flodoard von: Goethes Gespräche ... 201
— Heinrich von Kleists Gespräche.201
Bierbaum, Otto Julius: Gesammelte Werke.112
Bilderatlas zur Musikgeschichte (Schuster & Loeffler,
Berlin 1912). 74
Bogeng, G. A. E.: Jahrbuch für Bücherkunde und -Lieb¬
haberei . 110
Bohnenblust, Gottfried: Gedichte.210
Börnes Werke (Bong & Co., Verlag). 24
Boy-Ed, Ida: Charlotte von Kalb. Eine psychologische
Studie.. . . . . 108
Brandi, Prof. Dr. Karl: Unsere Schrift.107
Brentanos sämtliche Werke (Georg Müller, München) . 24
Breydenbach, Bernhard von, and his joumey to the
Holy Land 1483—1484.203
Briefe über einen deutschen Roman. Julius Rodenberg
an Enrica von Handel-Mazzetti. Mit einem An¬
hang : Die Schlußkapitel der armen Margarete nach
dem Erstabdruck.149
Büchner, Eberhard: Das Neueste von gestern. Kultur¬
geschichtlich interessante Dokumente aus alten
deutschen Zeitungen ..109
Buonarroti, Michelagniolo: Dipte af— iUdvalg ogOver-
saettelse ved Johannes Dam.108
Buse, Dr. Bruno: Wie studiert man neuere Sprachen? 197
Byrons Werke.192
Cagliostro, Graf: Der König der Kuppler und Schwarz¬
künstler, seine magischen Operationen von ihm
selbst erzählt.113
Catalogus van boeken in Noord-Neederland versehenen
van den vroegsten tyd tot op hedenj VHI. Kunst 145
Catalogus van boeken in Noord-Nederland versehenen
van den vroegsten tijd tot op heden. (Martinas
Nijhoff, 'S Grevenhagen). 26
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VIII
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Clemen , Otto: Zwickaucr Faksimiledrücke.in
— Handschriftenproben aus der Reformationszcit . 111
Dantes poetischeWerke (Herdersche Verlagsbuchhandlng.) 25
Davenport , Cyril: Cameo book-stamps fignred and
described by.105
Der bnrgundische Paramentenschatz des Ordens vom
Goldenen Vließe (Verlag von Anton Schroll & Co.,
Wien 1912). 66
Der lose Vogel (Demeter-Verlag, Leipzig). 70
Deutsche Schrifttafeln des IX. bis XVI. Jahrhunderts
aus Handschriften der Königlichen Hof- und Staats¬
bibliothek in München. Herausgegeben von Erich
Petzet und Otto Glauning.199
Duret, Theodore: Die beiden Napoleons und die Napo¬
leonlegende (Paul Cassirer, Berlin 1911) . . . . 62
Eckermann, Gespräche mit Goethe (Tempel-Verlag) . 25
Ehrenberg , Hans: Die Geschichte des Menschen un¬
serer Zeit.14 7
Ehrenstein, Albert: Der Selbstmord eines Katers . . 149
Elisabeth und ihr deutscher Garten (Julius Zeitler, Leipzig) 71
Ernst, Paul: Das Buch der Liebe.202
Essig, Hermann: Furchtlos und treu.113
Ezuers, Hanns Heinr.: Alraune, die Geschichte eines
lebenden Wesens (Georg Müller, München) ... 67
Festschrift zur Feier des 25 jährigen Bestandes des fach¬
technischen Klubs der Beamten und Faktoren der
Kaiserlich und Königlichen Hof- und Staats¬
druckerei 1886/1911.114
Flake , Otto: Schritt für Schritt. Roman. 155
F/auberts , Gustav: Jugenddichtungen (J. C. C. Brnns
Verlag, Minden) .. 26
Fouqul , Friedrich Baron de la Motte-, Auswahl seiner
Werke (Bongs Goldene Klassikerbibliothek) . . 24
— Undine. Eine Erzählung. Mit 15 farbigen Voll¬
bildern und Buchschmuck von Arthur Rackham. 197
Franziskus von Assisi, Die Blümlein des (Insel-Verlag,
Leipzig 19II). 72
Frankel, Jonus: J. V. Widmann.211
Freiligraths Gedichte und Übersetzungen in Auswahl
von Paul Zannert.193
Ganz, Paul: Hans Holbein der Jüngere.194
Gardlhausen, Victor: Das Buchwesen im Altertum und
im byzantinischen Mittelalter (Veit & Co., Leipzig) 62
Geschichte der öffentlichen Bibliothek der Stadt Boston 73
Gleichen-Rußwurm, Alexander von: Freundschaft. Eine
psychologische Forschungsreise.206
Goethe , Neu eröffnetes moralisch-politisches Puppenspiel 23
— Propyläenausgabe (Georg Müller, Verlag) ... 24
Go%h, Vincent van: Teekeningen . . . .198
Greinz, Rudolf: Hin ist hin! Lustige Marterln ... ic6
Grillparzer-Ausgabe der Stadt Wien.191
Grillparzers Liebesroman. Die Schwestern Fröhlich.
Roman aus Wiens klassischer Zeit von Joseph
Aug. Lux.193
Grimm, Ludwig Emil: Erinnerungen aus meinem Leben 109
Hamerlings sämtliche Werke (Max Hesse, Verlag) . . 23
Hanrieder, Norbert, in seinen Dichtungen. Studie von
Georg Bruder.200
Hart, Hans: Kupidos Bote. Eine frohe Rokokogeschichte
vom Rhein. Mit vier Vollbildern und Buchschmuck
von Franz von Bayros.150
Harimann, Alma von: Zwischen Dichtung und Philo¬
sophie (Verlag DeutscheBücherei,OttoKools, Berlin) 61
Ilaußtmann, Carl: Nächte (Ernst Rowohlt, Verlag,
Leipzig 1912). 69
Seite
Ilausradt, Der. Ein Baseler Gedicht vom Jahre 1569.
In Faksimiledruck herausgegeben von Dr. E. Major 150
Hel-lei', Friedrich: Säkular-Ausgabe. 194
Hebel Johann Peter: Seine Werke (Tempel-Verlag) . 25
Hecht, Georg: Der neue Jude (Gustav Engel, Verlag,
Leipzig 1911). 67
J/einicke, Samuel: GesammcPe Schriften.Herausgegcben
von Georg und Paul Schumann.2GO
Heine, Heinrich: Gesamtausgabe (Insel-Verlag) ... 25
Ilelsingör. Text von Laurits Pcdersen. Zeichnungen
von Kr. Kongsiad.148
Helvetische Revolution im Lichte der deutsch-schwei¬
zerischen Dichtung von Dr. Ernst Trösch . . . 209
Henckell , Karl: Im Weitergehn (Verlag Die Lese,
München 1911). 73
Herzog , Oswald: Die stilistische Entwicklung der bil¬
denden Künste.197
Höcker, Paul Oskar: Die lachende Maske. Roman . 154
Hof)mann, E. T. A.: Sämtliche Werke (Georg Müller,
München ). *5
Heliand, Dr. H.: Moritz von Schwind (Allgemeine Ver¬
einigung für ehr. Kunst, München 1911) . . . , 64
Holländer, Eugen: Plastik und Medizin (Verlag von
Ferdinand Enke, Stuttgart). 64
Horst, Karl: Barockprobleme.210
Hourtiq, Louis: Geschichte der Kunst in Frankreich
(Verlag Julius IIofTmann, Stuttgart 1912) . . . . 64
Heus man, Laurence: Blinde Liebe. Eine Geschichte
aus den höchsten Kreisen, sehr frei nach dem
Englischen übersetzt von Richard Dehmel . . . 202
Immermann, Werke.I92
jackson, E. Nevill: The history of Silhouettes . . . 148
Jegerlehner, Johannes: Marignano.211
Kern, G. J.: Karl Blechen, sein Leben und sein Werk 193
Klassiker der Kunst, Bd. XX (Deutsche Verlagsanstalt,
Stuttgart 1912). 66
Klaußmann, Oskar: Oberschlesien vor 55 Jahren und
wie ich es wiederfand.199
Kraeger , Heinrich: Vortrage und Kritiken (Schulzesche
Hofbuchhandlung und Hofbuchdruckerei, Rudolf
Schwartz, Oldenburg und Leipzig) ...... 6l
Kresse, Oskar: Die Überwinder des Todes.208
Krieg der Fünfkäser und Bierhengste, Der. Der Wild-
und Rheingraf Karl Magnus vom Magister Lauk-
hard. Herausgeben von Dr. Viktor Petersen . . 196
Kudrun : Hvperion-Verlag Hans von Weber, München 26
Kügelgen, Wilhelm von: Die Jugenderinnerungen eines
alten Mannes.109
Kurz, Hermann: Fortunatus.211
Lagerlöf, Selma: Gesammelte Werke.195
Lambert, Andrö: Aus dem alten Rom. 23
Larsson, Karl: Das Modell. III
Leitzmann, Else: Zwölf Nächte. Märchen ....". 106
Lenau, Nikolaus: Sämtliche Werke (Insel-Verlag) . . 25
Lenau-Ausgaben von Eduard Castle.195
Lezy, Hermann: Die stille Frau (Bruno Cassirer, Berlin) 68
Lichtzuark, Alfred: DeutscheKönigsstädte(BrunoCassirer,
Berlin 1912). 6l
Liliencron, Detlev von: Gesammelte W r erke.152
Li sauer, Emst: Der Strom. Neue Geschichte ... 112
Literarischer Ratgeber für die Katholiken Deutschlands.
Herausgegeben von Dr. Max Ettlinger (Verlag
Jos. Kösel, Kempten und München). 63
Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Land¬
schaften von Josef Nadler .......... 199
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Inhaltsverzeichnis.
IX
Seite
JJtzmann : Heft I. VII. Jahrgang 1912 ....... 154
Malerisches aus Salzburg (Hermann Kerber, k. u. k.
Hofbuchhändler, Salzburg). 73
Meyers Konversationslexikon.109
Mielke , Helmuth: Der deutsche Roman.206
Molifres sämtliche Werke (Max Hesse. Verlag) ... 24
Morikes sämtliche Werke (Tempel-Verlag). 25
Nas reddin : Der Hodscha. Gesammelt und herausgegeben
von Albert Wesselski.108
Neumann, Balthasar: Briefe von seiner Pariser Studien¬
reise 1723 146
Neuwirth, Josef* Illustrierte Kunstgeschichte .... 112
Nordische Dichtung, übersetzt und eingeleitet von Her¬
mann Neumann.209
Pauli , Gustav: Max Liebermann.194
Rabelais , de Francois: Oeuvres. Edition critique . . 107
Rauth, Leo: Tänze..
Raschers Jahrbuch für Schweizer Art und Kunst. Heraus¬
gegeben von Konrad Falke.211
Reuter , Fritz: Hanne Nüte un de lütte Pudel ’ne Vagel¬
und Minschengeschicht. Privatdruck.112
Richter, Ludwig: Lebenserinnerungen eines deutschen
Malers.109
Sage, Le: Der hinkende Teufel, übersetzt von G. Fink.
Neu herausgegeben und eingeleitet von O. Flake 147
Sassa yo yassa, Text von Bernhard Kellermann (Paul
Cassirer, Verlag, Berlin). 68
Schackgalerie, Die, von Fritz Burger.147
Schäfer , Wilhelm: Karl Stauffers Lebensgang (Georg
Müller, München 1912). 69
Scharfenstein, Helene: Aus dem Tagebuch einer deut¬
schen Schauspielerin.209
Schendel, Artur von: Shakespeare (Amsterdam, W. Ver-
sluys 1910). 59
Schiller : Horenausgabe (Georg Müller, München) . . 24
Schlegels Briefe an Frau Christine von Stransky^ Heraus¬
gegeben von M. Bottmanner.207
Schoeler, Heinrich von: Rafael von Urbino. Kunst-
geschichtlicher Roman.197
Schroeder, Leopold von: Die Vollendung des arischen
Mysteriums in Bayreuth (J. F. Lehmanns Verlag,
München 1912). 65
Schulenburg , Werner von der: Die Gastronomie oder
der Gutsherr bei Tische. Nach dem Französischen 196
Schweizerischen Eidgenossenschaft, Politisches Jahr¬
buch der. Begründet von Dr. Carl Hiltz, fort¬
gesetzt von Dr. W. Burckhardt.212
Seite
Sentroul, Charles: Kant und Aristoteles (Verlag Kösel,
Kempten und München). 63
Sienhiezvicz, Henryk, Lebenswirbel (Verlag der Jos.
Köselschen Buchhandlung, Kempten und München) 71
Smith , Alphonso: Die amerikanische Literatur ... 192
Soldan-Heppe, Geschichte der Hexenprozesse .... 204
Sorge , Wolfgang: Des scharfsinnigen Junkers Don Qui¬
xote Leben und Heldentaten. Bearbeitet von . . 205
— Die Abenteuer des Chevaliers von Faublas. Be¬
arbeitet von.205
Springer , Anton: Handbuch der Kunstgeschichte . . 200
Stelzhammers , Franz, ausgewählteWerke. Herausgegeben
und mit Einleitung versehen von Leopold Hörmann 201
Storch , Willy F.: Vom Geist moderner Schriftkunst
(Heidelberger Zeitung). 62
Stretcwels, Styn.: Het Kerstekind (Amsterdam van Veen) 60
Stuttgarter Bibliothekenfuhrer. Herausgegeben von Carl
Lange (W. Kohlhammer, Stuttgart 1912) .... 60
Suckier, Wolfram: Gottscheds Korrespondenten ... 155
Sudhoff, Karl: Graphische und typographische Erstlinge
der Syphilisliteratur ..194
Tolstoi, Leo: Die lebende Leiche. Drama in zwölf Bil¬
dern. Berechtigte Übersetzung von Dr. Adolf Heß 151
Tschudi, In memoriam Hugo von. Die Reden bei der
Bestattung (Insel-Verlag, Leipzig 1911) .... 63
Turi t Johan: Das Buch der Lappen. Herausgegeben
von Emilie Demant.205
Tyll Vienspiegel, zwölf Holzschnitte zu de Costers
Vienspiegel von Walther Klemm.111
Uhland ', Ludwig: Sammelband fliegender Blätter aus
der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts. Heraus¬
gegeben von Emil Karl Blüml.196
Uhlen, G. v.: Träumers Lieder.106
Unger , Arthur W.: Die Herstellung von Büchern, Illu¬
strationen, Akzidenzen.198
Vergessene Lieder und Verse. Mit Zeichnungen von
Alphons Woelfle.109
Voigt, Julius: Goethe und Ilmenau.204
Wackenroder, Wilhelm Heinrich (Eugen Diederichs, Jena) 26
Weidling, Friedrich: Schaidenreißers Odyssea .... 208
Widmann, Josef Viktor: Gedichte.210
Zimmermann, Heinrich. Watteau.194
Zürichs Vergangenheit, Aus. Von F. Schultheß-Meyer,
J. Hardmey er-Jenny, Konrad Eschcr, Olga Amberger 211
Kleine Mitteilungen.
Seite
Alicke, Paul: Antiquariatskatalog 110. 78
Antike Schriftstücke in Ober-Ägypten gefunden ... 29
Aus einem Bethaus in Leipzig ein altes Notenbuch ge¬
stohlen . 29
Ausstellung von Schülerarbeiten der Akademie der
graphischen Künste und Buchgewerbe. 27
Bibelkatalog der British and Foreign Bible Society . 219
Bibliographische Gesellschaft, englische. Neue Publikation 224
Bibliophiliana.221
Bibliotheken im Staate New York. 76
Boerner, C. G., Leipzig. 77
Bostoner öffentliche Bibliothek, 60. Jahresbericht . . 225
Buchdruck, Die Kunst im neueren englischen .... 116
Buchdruckausstellung in London. 162
Seite
Bücherrangierung an Bibliotheken.161
Bücherei Maiandros. 77
Bücherfreunde in Hamburg, Gesellschaft der .... 115
Bücherfreunde, Zur Geschichte der.118
Cohen, Der neue.226
Deutscher Verlegerverein gegen Ausbeutung von Schrift¬
stellern und Dilettanten.159
Düsseldorf Artists Album, The: Ein Unikum? ... 161
Ehmcke, F. H.: Die drei Ausdrucksformen der deutschen
Schrift: Textur-Schwabacher-Fraktur.161
Einbandstoffe, Bekanntmachungen der Kommission für 119
Elsässische Literaturgesellschaft.225
Englische, auf dem Kontinent gedruckte Bücher in der
Reformationszeit.160
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CORNELL UNÜVERSm 1
X
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Ganymedes-Presse.115
Germanisches Nationalmuseuni. Nürnberg. 28
Gesellschaft für clsässische Literatur, Straßburg ... 77
Gilhofer & Ranschburg, Wien. 77
Gutenberg-Gesellschaft . ..224
Hayn , Hugo: Bibliotheca Germanorum Erotica ... 77
Humboldts, "Wilhelm von, Bibliothek gefunden ... 29
Huthsammlung, New York. 28
Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik,
Leipzig 1914.U 5 . 157 , 22$
Jahrbuch für Bücherkunde und Liebhaberei (Max Harr-
witz, Nikolassee). 77
Kassel, Tausendjahrfeier der Residenz — im Sept. 1913 116
Kleistx Penthesilea, tschechich. 77
Königliche Graphische Sammlung in München ... 27
Kunst* und kulturgeschichtliche Ausstellung zur Jahr¬
hundertfeier der Freiheitskriege in Breslau ... 77
Literatur
Seite
Alberts , O. A.: „Manicure“, beschlagnahmt.120
Allgemeine Gesichtspunkte für die Verteidigung in
Sachen des S 184,1 des Strafgesetzbuches ... 122
„Amerika beim Erziehen“, beschlagnahmt.121
„Andachtsübungen des Herrn Heinrich Roch und der
Frau Herzogin von Condore“, beschlagnahmt. , 30
„Aus dem Tagebuch eines Homosexuellen“ (Bernhards
Verlag, Stuttgart) beschlagnahmt. 29
„Ausgang, Der“, beschlagnahmt. 78
Beng, Irene: „Amor Imperator“, beschlagnahmt . . 229
Bemard , Tristan: „Zwei Frauenfreunde“ (G. Grimm,
Budapest) beschlagnahmt. 29
Beschlagnahmungen, Verschiedene.163, 164
Blei, Franz: „Das Lustwäldchen“.164
Boccaccio, Giovanni: „Dekameron“, in Leipzig beschl. 78
Bombach , Kurt: „Meine grausame süße Reitpeitsche“,
beschlagnahmt .....' .121
Bremms , A 16 ra: „Le Journal d'une Flagcl6e“, beschl. 229
„Briefe der kleinen Gräfin“, beschlagnahmt .... 29
Bröhmek, R.: „Fräulein Lehrerin“, beschlagnahmt . . 120
— „Gefährliche Buße“, beschlagnahmt . . . . 120, 229
— „Qualvolle Stunden“, beschlagnahmt.120
„Curiosa der Weltliteratur“, beschlagnahmt. 30
„Cythere“, beschlagnahmt. 29
„Das Handwerkszeug des Schriftstellers“.164
„Denkmäler des Geheimkults der römischen Damen“,
beschlagnahmt. 29
„Der Komet“, München Nr. 4, beschlagnahmt ... 29
„Der Mann in Purpur und anderes“ (G. Grimm, Buda¬
pest), beschlagnahmt. 29
„Der Tarif der Dirnen von Venedig“, beschlagnahmt 30
Die Beschlagnahme des Romans „Die Gräfin“ von A.
Kupin (Georg Müller, München) wurde aufgehoben 30
„Die Posteriora und die Priora“, beschlagnahmt ... 30
„Die Schönheit der Frauen“. Neue Folge. 1. Lief.
(Hermann Schmidt, Berlin), beschlagnahmt ... 29
Dolorosa, „Ihr Herr“, beschlagnahmt.229
„Durchtollte Nächte“, beschlagnahmt. 78
Essle, Feodor, beschlagnahmt.229
„L’Etude Acadömique“, beschlagnahmt.121
„Eva im Paradies“, beschlagnahmt.120
Faschingsnummer der „Berliner Blauesten Nachrichten“,
beschlagnahmt. 29
Seite
Maximilian* Gesellschaft E. V.220
Mißstände im Betriebe und bei der Benutzung der
Königlichen Bibliothek in Berlin.115
Niederdeutsche Bibliographie.115
Persische Miniaturen. 74
Plakalfrcunde, Verein der.224
Rousseau*Ausstellung in der Pariser Nationalbibliothck i6l
Knulandson, Thomas: Im Buchgewerbemuseum Leipzig 26
Schundliteratur.221
Schur, Ernst f. 28
The Revival of Printing. A bibliographical Catalogue
of Werks issued by the chief modern english
presses with an introduktion by Robert Stelle . . 117
Theater-Museum, Ein amerikanisches.15S
Vulgata-Kommission, Die Arbeiten der.156
Wcrthcr-Schriften zum Verkauf ausgeboten. 77
und Justiz.
Seite
„Flagellations-Erfahningcn“, bcschagnahmt.121
„Der Floh“, beschlagnahmt. 78
„Der Floh“, auf zwei Jahre verboten. 78
„Francisco Delicado“, beschlagnahmt. 30
Kose, Woldcmar: „Liebe und Schönheit“, beschtagn. 229
„Le Frou-Frou“, Nr. 597, beschlagnahmt. 78
„Geschichten aus Aretino“, beschlagnahmt. 30
„Geschlechtsleben in Glauben, Sitte, Brauch und Ge¬
wohnheit der Japaner“ vor Gericht.121
„Gestalt des Menschen und ihre Schönheit, Die“, beschl. 121
„Glühlichter“, beschlagnahmt. 78
„G’schamige, Die“, beschlagnahmt.229
Hirsch, K. H. : „Ein alter Mordskerl“ (G. Grimm, Buda¬
pest), beschlagnahmt. 29
Hoya, Hans: „Cliaine anglaise“ (G. Grimm), besclilagn. 29
Hummer, W.: „20 weibliche Aktstudien“, bcschlagn. 120
Hy an , Hans: Beschlagnahme des Romans „Die Ver¬
führten“ aufgehoben.121
Inhaber eines Dresdner Verlages wegen Verbreitung
eines Prospektes verurteilt. 78
„Jean qui rit“, 5. Nov. 1911 beschlagnahmt .... 78
„Jean qui rit“, Nr. 587 beschlagnahmt ....... 229
„Jean qui rit“, Witzpetarde (G. Grimm, Budapest) beschl. 29
Johnson , J.: „Memoiren der Schwester Angelika“, beschl. 121
„Kaviar-Kalender 1901“, beschlagnahmt.120
Keller , Alexander: „Die Liebe im Altertum“, beschl. 120
„Komtesse Marga“, beschlagnahmt.120
„Künstlerakt, Der“, beschlagnahmt.121
Landgericht Berlin I sprach Dr. Herbert Eulenberg,
den Redakteur Herzog und den Verleger Paul
Cassirer frei. 31
Lassac , Dr.: „Sanatorium Birkenheide“, beschlagnahmt 121
Laurent , E.: „Sexuelle Verirrungen usw.“, beschlagn. 78
„Le Frou-Frou“, Nr. 589, beschlagnahmt. 29
„Liebesbrief, Ein origineller“, beschlagnahmt .... 229
„Lillis Schelmenstreiche“, beschlagnahmt.120
Londoner Behörden gegen Schmutzliteratur.165
„Madonna Nero von R. B.“, beschlagnahmt .... 229
„Mathilde, Die schone“, beschlagnahmt. 78
Moloch, A.: „Das Menschensystem“ wieder freigegeben 164
— „Das Paradies der Liebe und Ehe“, wieder freigegeb. 164
„Nackte Schönheit“, 1., 4., 5., 11. Lief, (Hermann
Schmidt, Berlin) beschlagnahmt. 29
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CORNELL UNiVERSITV
Inhaltsverzeichnis.
XI
Seite
„Nackte Schönheit“, beschlagnahmt.120
Neumann, E.: „John Bull beim Erziehen“, beschlagn. 121
Pariser Staatsanwaltschaft geht strenger gegen die Buch¬
händler vor, die mit pornographischen Werken
handeln. 32
Prozeß gegen den Verlagsbuchhändler Karl Wilh. Stern
hat begonnen. 30
„Pschütt“, beschlagnahmt. 30
„Pschütt“, Nr. 10, beschlagnahmt. 78
Rod: „Miss. John Bulls Erziehung“, beschlagnahmt . 229
Riesenlager unsittlicher Bücher beschlagnahmt ... 78
Rüdiger, Anton: „Aus harter Jugendzeit“, beschlagnahmt 121
„Ruf an die Frauen“, beschlagnahmt. 78
Sadow, M.: „Die Prügelzucht in der Türkei und im
Orient“, beschlagnahmt.121
SaUmrg , Edith: „Wenn Könige lieben“, beschlagnahmt 29
Schneider , M.: „Farbige Freilichtakte“, beschlagnahmt 120
Schlichtegroll, C. F. von: „Ein Sadist im Priesterrock“,
beschlagnahmt.121
Sckloemp, Felix: „Der perverse Maikäfer“, beschlagn. 120
„Schönheit der Frauen, Die“, beschlagnahmt .... 120
„Schönheit, In paradiesischer“, beschlagnahmt ... 78
„Sekt“, zahlreiche Nummern des 6. bis 8. Jahrgangs
beschlagnahmt.29, 78, 120
„Sekt“ IX, 28, beschlagnahmt.120
Stern , Carl Wilhelm.165
Sudermann : „Heimat“, in Tokio verboten.164
„Tagebuch eines Flohs“, beschlagnahmt.229
Seite
Taylor, William: „Als Quarteronen verkauft“, beschl. 121
— „Am Abgrunde der Schande“, beschlagnahmt. . 121
— „Das Tagebuch des Sklavenhalters“, beschlagnahmt 121
— „Der Schrecken von Cavemo“, beschlagnahmt . 121
— „Die Sklavinnen der Indianer“, beschlagnahmt . 121
— „Die stolzen Herrinnen von Western-Port“, beschl. 121
— „Im Hause des Sldaven-Reverend“, beschlagnahmt 120
— „In der Schule der Demut“, beschlagnahmt . . 121
— „Quengnezza“, beschlagnahmt.121
— „Sklavenliebe“, beschlagnahmt.120
— „Unter der Peitsche Donna Isabellas“ beschlagn. 121
— „Unter Maronnegem“, beschlagnahmt.121
Tralow , Joh.: „Kain der Heiland“ (Concordia, Berlin)
beschlagnahmt. 29
Ungewitter , Richard: „Kultur und Nacktheit“, beschl. 229
Unzüchtige Bilder und Schriften beschlagnahmt ... 122
„Venus Rosenkränzlein“, beschlagnahmt. 29
Versteigerung von Zeichnungen Fölicien Rops verboten 31
„Vie en Culotte rouge, La“, Nr. 510, beschlagnahmt 78
„Vie en Culotte rouge, La“, auf zwei Jahre verboten 121
Waldagun, Pierre: „Die Lehren Lisbeth Lottias“ (G.
Grimm, Budapest), beschlagnahmt. 29
„Wiener Akt, Der“, beschlagnahmt. 78
„Wiener Karikaturen“, Nr. 68 beschlagnahmt ... 29
„Wiener Karikaturen“, Nr. 10, beschlagnahmt ... 78
„Wiener kleines Witzblatt“, 1911, 23—28, 35, 36,38,
39» 4L 43—52; 1912, 1—9, beschlagnahmt . . 78
Willy: Pimprenette“ (G. Grimm, Budapest), beschlagn. 29
Kataloge.
Seite
Alicke, Paul, Dresden .122
Baer & Co., Joseph, Frankfurt a. M .32, 79, 165
Beyers Nachf., Ed., Wien I .122
Boemer, C. G., Leipzig ..32, 79
Dieterichsche Universitätsbuchhandlung, Becker & Eid-
ner, Göttingen .32, 79
Eytelhuber, Victor, Wien VIII11 . 79
Flandria, Courtrai . 79
Fock G. m. b. H., Gustav, Leipzig .122
Foth, W., Nachf. Max Engel, München .165
Gamber, J., Paris IVe .123, 166
Geering, Adolf, Basel .79, 166
Gilhofer & Ranschburg, Wien I .79, 123, 166
Göttinger Antiquariat, Dr. Friedr. Wecken, Göttingen 123
Götz, Max, München .32, 79
Graupe, Paul, Berlin .. 32, 79, 166
Gsellius, Berlin W .8 .79
Harrassowitz, Otto, Leipzig .32, 80, 123
Harrwitz, Max, Nikolassee bei Berlin .80, 123
Haschke, F. W., Leipzig . 80
Hauptvogel Nachf., M., Leipzig . 123
Heartman, Chas. Fred., New York City .166
Heims, Wilhelm, Leipzig . 80
Heß, B., München . ..32, 80
Hiersemann, Karl W., Leipzig .80, 123, 166
Hönisch, Rud., Leipzig .32, 80, 123
Hueber, Max, München .123
Hugendubel, Heinrich, München ... 32, 80, 123, 166
Jaeckel, Max, G. m. b. II., Potsdam .. 32, 80
Jolowicz, Joseph, Posen . 80
Seite
Junk, W., Berlin W. 15 .123
Kampffmeyer, Th., Berlin S.W. 48 .32, 80, 123
Klincksieck, C., Paris VII .123
Klüber, Friedrich, Passau .166
Klübers Nachf., Fr., Nähr & Funk, München ... 33, 80
Koebnersche Buchhandlung, Breslau I .123
Lehmann, F., Frankfurt a. Al. . 80
Lcvi, R., Stuttgart .123
Limburger Antiquariat und Verlag, Limburg a. d. Lahn 166
List & Francke, Leipzig .123
Lommer, Hans, Gotha . 80
Lorentz, Alfred, Leipzig .33, 80, 123
Lüneburg, Dr. H., München .123
Mayer & Müller, Berlin N W .33, 81, 166
Meyer, Edmund, Berlin W. 35 .123
Meyer, Friedrich, Leipzig .33, 81, 124, 166
Meuel & Co., Charles, London WC. . 81
Mueller, J. Eckard, Halle a. S. ...... . 33, 81
Mulot, J. B., Paris . 81
Neumayer & Co., F. B„ London WC. .166
Nijhoff, Martinas, La Haye .8r, 124
Olschki, Leo S., Florenz .8l, 124
Quaritch, Bernhard, London .81, 124
Ragoczy, F., Freiburg i. B. .124
Rappaport, D. E., Rom .81, 124, 166
Rauthe, Oskar, Friedenau bei Berlin ...... 33, 81
Rheinisches Buch- und Kunst-Antiquariat Dr. E. Nolte,
Bonn .33, 81, 124
Rosenthal, Ludwig, München .. 33» 81
Scheible, J., Stuttgart . 81
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CORNELL UNIVERSUM
XII
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Scheltema & Holkema, Amsterdam . 81
Schoder, G., Turin .124
Schönhuth, Ottomar, Nachf., München .33» 81
Schöningh, Heinrich, Münster i. W. .166
Schweizer & Mohr, Berlin IV. 35 . 81
Seligsberg, L., Bayreuth .81, 124
Skopnik, Conrad, Berlin NW. .124
Solovieff, N., St. Petersburg . 8l
Stargardt, J. A., Berlin l V. 3$ . 81
Stark, Ludwig, München .. . Si, 124
Seite
Streisand, Hugo, Berlin W. 50 .33, 82, 124
Strohmetz, R., Ulm a. D . 82
Süddeutsches Antiquariat, München .166
Süßenguth, Heinrich, Berlin .82, 166
Teufen’s Nachfolger, C., Wien 11 '1 .82, 124
Waldau, F., Fürstemvalde a d. Sy ree . 82
Weigel, Adolf, Leipzig .33» 82, 124
Weiter, H., Paris .124, 166
Zahn, v., & Jaensch, Dresden .124
Ziegert, Max, Frankfurt a. M. .33, 82
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CORNELL UNIVERSUM
Namen-Register
zur
Zeitschrift für Bücherfreunde
Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1912/1913
Band I.
Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf das Beiblatt.
A
A—Q-Verlag 14S.
Abbt. Frau Felizitas geb. Knecht
Abbey, E. A. 18.
Abt, Karl Friedrich 173.
Achenwall, Gottfried 125.
Adam, Carl 11.
Adam. Paul 92.
Adam, Victor 136.
Adams. Joseph A. 18.
Adler. Dr. Friedrich 9.
Aegidius, P. 99.
Aesop 7a.
Alfiere, F. iqr.
Agrate. Marco d* 64.
Aquiuo, Thomas von 70.
Aimee, Henri 43.
Aitstnger, M. igu.
Aken, Jan van ;,v.
Albalat, Antoine 43.
Albert. K. K. Prof. A. 114.
Alberts, O. A. jjo-
Ale an rtf.
Alden, H. M. 18.
Alesinsky, Gregor 133.
Alexander, J. W. j8 .
Alfons II 14 5.
Alicke, Paul 78.
Allard, Roger 9 3
Allen, J. L. 13.
Alliaco, Peter de 70.
Allis, W. W. 33.
Allorge, Henri 5, 41 , 92.
Alsinn 91.
Altdorfer, Albrecht 7.
Alton, d* 183.
Alxinger 184.
Amadis 72.
Amberger, Olga 211.
Ambrevillc, d’ 161.
Ameilhon, Hubert Pascal iöx.
Amelung, Heini 24, 87.
Amiel, Denys 42.
Amiet, Cuno 133.
Amman, Jost 9, 10, ia, 14, 15,
16, 17.
Amorbach. Joh. de 190-
Andeard, Maurice 92.
Andeoud ji.
Änderte, Fr. 8.
Andersen, Waldemar roS, 150.
Andler, Prol Charles 30.
D*Annunzio 8. 12.
Ansorge, Wolfgang 113.
Anun iSj.
Anweil, Stallmeister von 7 2.
Apel, Paul 0.
Apollinaire, Guillaume 6.
Aquino, Thomas de roo.
Arbois de Jubainville 122.
Archer, William 130 .
Arcos, Rene 4, 41, 4 , 43.
Ardeche, Laurent de V 134.
Arendt, Antiquar 26
Aretino ij.
Aretino, Pietro 163.
Ariosto 06 .
Ärgerer, A. C. 114.
Atmbruster, Karl 43.
Arndt h.3.
Arnim 2=f.
Arnim, Bettina von 193.
Arnim, Frau von 30.
Arnold, Christ, 190.
Arnold, Edward 103.
Arnz & Comp. 147.
Aron 103.
Ashbee, C. R. 117.
Ashburton, Lady 136.
Asper, Hans 144.
Association modern Historie Re¬
cords 139.
Atherton, G. 19,
Aubert 174, 193.
Audubon rj<>.
Auernheiiner, Raoul 96.
Auguste, Philippe 5.
St. Augustine 9.
Aurel 03.
Aureviliy, Barbcy d’ 13j.
Avenarius, Eduard 208-
Avenarius, Ferdinand 109.
d’Avril, Rene 43.
B
Bach, Max 196.
Bachem, J. P. 202.
Bachem, Josef 202.
Bachem. Karl 202.
Baciocchi, Felix 134.
Backmann, Reinhold 191.
Bacon 38.
Baener, J. A. 19.
Baer & Co., Josef m;jr, 57,
163.
Bagge 186.
Baggesen, Jens 114.
Bahler, Eduard 212.
Bahr, Hermann 2, 95, 103.
Baillin, Pieter de 137
Bakst, Leon :j;.
ßalbis, Johannes de 57.
Baidinger 90
Baidinger, Prof. Ernst Gottfried
89.
Baldinger-Stuttgart, v. 23.
Baldinuccis. Filippo q8.
Baidung, Hans 7, 139, 137.
Balfour, A. J. 1S0.
Ballenstedt 13.
Balzac, Honore 5. < 5 , 42, 134, 136.
Band & Co., H. 119.
Bang, Herman 42 , 6j.
Banks, Joseph 176.
Barbier, Antoine Alexander 161.
Barbier, Louis 161.
Barclay, Sir Thomas 180.
Bard, Julius 139, 156.
Barnstein, A. I 1 . v 22.
B.uoccio 98.
Barre, Andre 4.
Barrcs, Maurice 42. 92, 93-
Bartholomaeus de Cremona 190.
Bartholome 174.
Bartolommeo, Fra 98.
Bartsch, Rudolf Hans 133, 193.
Basedow 205.
Basile, G. B. 27.
Baskerville, John 116.
Bataille, Henry 42.
Bates, Joshua 73.
Batzer. Dr. Ernst 11.
Baudelaire, Charles /2, 134, 132.
Baudissin, Wolf, Grafen 24.
Baudouin, S. K. 191.
Bauer 152.
Bauer, Franz i8r.
Bauer, Gebr. 148.
Bauer, Marius 99.
Bauer, Max 204-
Bauernfeld 9.
Bauernfeld, Eduard v. 1S2.
Bauernfeld, Josef Edler v. 182.
Baumgarten, Alex. Gottlieb 70,
162, 204 .
Baur, Pfarrer 176.
Bauzonnet 134.
Bayer, Josef 183.
Bayros, Franz von nr, 13t.
Bazaillas, Albert 276.
Bazainc 43.
Bazoljette jr.
Beaconsfield, Graf S.
Beate, John 38.
Beardsley, Aubrey 124; 139, 163.
Beauduin, Nicolas 4.
Beaumarchais 160; 8, 03, T34.
Beaumont 58.
Bechtold 10.
Bechtold. Christian von 122.
Bechtold, Dr. A. 40.
Becker 14. 16. 18, 83.
Becker, Jakob 194.
Becker, Dr. Philipp August 24.
Beethoven, L. v. 02, 104, 182.
Beham, Hans Sebald 4; 77 /» /j 6 .
Behmer, Marcus 163.
Behr, B. 104.
Behrens, C. Erich /<,6.
Belgioioso, C. 49.
Bell & Sons 102.
Bellaert 190.
Bellenger 174.
Bellery-Dcsfontaines 174.
Belli-Oontard, Marill tu 9,
Belot, Jean 144.
Belotto 9 6.
Bemcke, Fr. A 1S9.
Benard, J. M. 93.
Benecke 25.
Benorett, Arnold 19.
Benz, Richard 23.
Beranger 5, 5 , 134, 177.
Berchem, N. 98 .
Berchoux, Joseph 196.
Berenson 66.
Berer, A. van 162.
Bergmann, Dr. Ernst 70, 190.
Bergson 176.
Berkeley 48.
Berlage, H. B. 100.
Berlioz, Hektor 43, 133 , 177.
Bernard, Jean Marx 93.
Bernhard, Lucian 223.
Bemoulli, Johann 176.
Bernstein, Simon 108.
Bersancourr, Albert de 4, 93.
Bertelli, Ferdinando 8.
Bertini. G. 49.
Bertuch 26
Besnard, Albert gj.
Besold 74, 75.
Besson, jac. 190.
Bethge, Hans 149, 154.
Bethmann Hollweg 103.
Bettelheim, Anton 9.
Beurmann, Eduard in.
Beuth, Geh. Finanzrat 193.
Beuve, St. 93.
Bianchi, Mose 49.
Bicken, Philipp von 203.
Biedermann, Freiherr Flodoard
von 201.
Bielschowsky 13.
Biennoury 160.
Bierbaum, Otto Julius 135; 112.
Bierce, Ambrose 79.
Billy, Andre 6 .
Binding, Rudolf G. 72.
Binz, Prof. Dr. 223.
Birkedal 209.
Bjerregaard 209*
Björkman, Edwin 79.
Bjömson 20 9.
Black, A. & C. 9 4.
Black, Joseph 129.
Blakes, William 139.
Blades, William 22.
Blaesch, Hans 212.
Blaeu 57.
Blauw, D. & C. 167, 170.
Blaze, H. 6 .
Blechen, Karl 193.
Blei, Franz 163, 7o. 164-
Bloch, Jean Richard 41, 42, 92.
Blond, Le 131.
Blondel, J. F. 134, 797.
Bloß, Marcus, Fulda 20.
Blumenbach, Johann, Friedrich
177.
Blümmel, Emil Karl 796.
Bobertag 39.
. Digitized by
Gck igle
Original fro-m
€fxWEtl U Nl VERS 1TY
II
Namen-Register 1912/13. Band I.
Boccaccio 12, 136, 148.
Boccamazzo 12.
Böcklin, Arnold 148, 151; 124,
103.
Bocquet, T34.
Bodmer i 02.
Bodoni, 116.
Bodoni, Giambattista 1S6.
Boekenvogen, Dr. G. J. 4, 5. 6.
Boer, T. J. iou.
Boerncr, C. G. 23, 31, 77.
Boesch, H. 2.
Boeser, Dr. P. A. A. 3S.
Boethius 790.
Boffrand 14 p.
Bogeng. Dr. G. A. Erich 159—164 ;
pl, 1IO, 2 20 .
Böhmer, Georg Ludwig 124.
Böhmer, Dr. Johann Franz Wil¬
helm 1^8.
Böhmer, Ludwig Bcchtold 124.
Bohncnblust, Gottfried 2.10,
Bohse, Äugest (Talander) 59.
Boie, Heinrich Christian 78, 79
„ I2 4 -
Bodleau 4, 134.
Bois, Michel du 144.
Boilc, Wilhelm 779.
Bolte, J. 4.
Bombach, Kurt 120.
Bonaparte, Jeröme 43.
Bonaparte, Pauline 134-
Bonard gö.
Bonazzi, Giuliano 4S.
Böner, Johann Alexander 18, 19,
42.
Bong, Richard 103.
Bong & Co. 24, 792.
Bonifacius VIll r< t o.
Bonjean, Louis Bernard 43.
Bonnet, Abbe Joseph 3.
Bonn.er, Albert //;.
Bonz, A. ny>.
Borchüug, Prof. Dr. 113.
Bordes, Ad. / %<.
Bordes, Charles 5.
Borghini g8.
Borgia, Alexander 143.
Bormann, Edwin i,<>.
Born, Ignaz Edier von 173.
Börne 24.
Borne, Theodoricus de 188.
Borngraber, Wilhelm 113, 103,
IÖ4, 202. 2! '.
Bornstedt, Adalbert von zu, zi2.
Bosso 6 .
Bossuet 162.
Both, Giovanni gS.
Botticelli, Sandro gS.
Boucher 6 , 134.
Boulenger, Jacques 107.
Boulle 133.
Bourgeois, Leon 43.
Boussut, N. de 99.
Boutroux, Emile ijj.
Bowie, t'. 7 ,*9-
Bowker, K. K. 33.
Boy-Ed, Ida lor,
Boysen, C. 204.
Boz t;j.
Bracke 93.
Bradley, William Aspenwall 140.
Brahe. Tycho 187.
Brahm, Otto Og.
Bramante 24.
Brandenburg, Hans 112.
Brandenburg. Hildprand igo.
Brandes, E. 185.
Brandes, Georges ry.
Brandlmayr, K. K. Prof. Georg
114.
Brandi, Prof. Dr. Karl 107.
Brant, Sebastian 15; /, 77, 194,
225.
BraitmuUer, Wilhelm 96.
Braun qr.
Brechtei, Dr. Martinus 23.
Brederodc 5; 138.
Bredt, Dr. 27.
Breidenbach 72.
Breitinger 162.
Brenner, Gabriele 1(3.
Brentano, Clemens 25, 24, 183,
207.
Brenz 72.
Breslauer, Martin 104.
Breu, J-jrg 777, 134.
Breuel. Karl 1 >o.
P.rcughel der Alter'* 98.
Breydenbach, Bernhard von 203.
Lridgman, Mr. H. L- 13g.
Brie, Friedrich igj.
Brill, Paolo 98.
Brill, Matteo 0 8.
Brink & de Vries, ten iSg.
Brjussow, Valer 17.
Brockhaus, F. A. 109. 181.
Brockhaus-Jefron 17.
Brockmann, Johann Fran* Hie¬
ronymus 78.
Brodier, Henri 144.
Broersz, Joost igo.
Breihmek, R. 120, 163.
Brown 44.
Brown, A. A. 4 2.
Brown, Ferd. Madox 63.
Browning, Robert 93, 104 •
Brücke, E. 04.
Bruckner, Amon 182.
Brügge, 14.
Brunet 133, igo.
Brüning, Br. Walter von 220.
Bruno, Giordano 47 , 48, 137.
Bruns Verlag. J. C. C. 26.
Büchner, Eberhard 10g,
Büchner, K. 105.
Büchner, Ludwig 10.
Büchner, Wilhelm 119.
Buchwald, Dr. Reinhard 34, 104
bis 171.
Budge. E. A. Wallis 9g.
Buff. Ix»tte :So-
Buisson, Ferdinand 5.
Bunse, Dr. Bruno 797.
Buusen, Christian Karl Josias
Freiherr von 108, 120; 212.
Buonarroti, Michelagmolo 108.
Busching 202.
Büttner, Christian Wilhelm 172.
Büttner, Prof. 133.
Burckhard, Hofrat Max 43, 95,
I03, 2U2.
Burckhardt, Daniel 703.
Burckhardt, Dr. W. 212.
Bürdet 6.
Burgault-Desmarets 162.
Burger, Fiitz 148.
Burger, Gottfried August 57—59,
87, 89, 123. 178, 181. 182.
Burgesdyk & Niermans 14
Burgkniair, Hans in, 7.7, 134.
Burgoyue, John 77.
Burkmair 7.
Burley 70.
Burmer. L. 6.
Burn, Robert 33.
Burne-Jones, Edward 60, 63, 98.
Bums, Robert 28 .
Butler, Nicholas Murray 102.
Byron, Lord 77, 7-92.
c
Cabe, Joseph Mc. 133.
Cable, G. W. 79.
Caesar 72.
Caflfarelli 7 84.
Cagliostro, Graf 113.
Calame 6.
Caliari, Gabriele 64.
Callet, Auguste 5.
Callor, Jacques gS, 137.
Callwey, Georg I). W. 156.
Ca man-Levy, Verlag 31; 7 33.
Cahier, Ch. O. 43.
Calvin 144.
Caualctto i 6.
Cauet, Louis 43.
Capra, F. 48.
Caprin, Giulio 97.
Caraociolo 12.
Carducci 4g.
Carlsen, Julie von 122.
Carlyle, Thomas 108, 120; 33,
(11. 93, 11g, 136.
Carnegie 131.
Carolsfeld, Schnorr von 797.
Carrel, August Armand 111.
Cars, Laurent 6.
Casanova 77, 113.
Cases, Las 134.
Caslon, William ri6.
Caspaccio gS.
Cassel und Co. 100, 102.
Cassirer, Bruno 6:, 68, 103.
Cassirer, Paul 62, öS. 113 , 136.
Castell, Alexander 212.
Castelli, T. F. 1S3.
Castiaux. Paul 4, 5, 43, gj.
Castle, Eduard 23. 795
Caston 95.
Cattie 13.
Cavalcaselle 66.
Cavendish, Thomas 13.
Caxton, William 44, 43, 37, 103.
1S0.
Cecchi, E. 48.
Celhus, Prof. Kberhardus 70, 73.
Cercean, Du 133.
Cervantes 114, 148.
Chadel, Judith 9 2.
Chalupt. Rene 4.
Chambers, R. W. 79,
Chamisso 92.
Champion, H. 92, 107.
Champollion 6, 1S0.
Champs 93.
Chapelain, Jean 5.
Charlet 134.
Charron 66.
Chastillon igo.
Chateaubriand 42, 177.
Chatelain, Emile 43.
Chatelier, A. le 42.
Chaito & Windus 9,/.
Chemnitius, Andreas 7t.
Chennevicres, G. 55 41, 42.
Chevigne, Comte de 134.
Childe, Henry 93.
Chodecha, Malheo di igo.
Chodowiecki, Daniel 7, 79; 17,
*2. I2J.
ChotTard 0.
Choiseul 134.
Chomjakew. A. S. 76.
Chouet, Jacques 144.
Christen, Adu 46.
Christensen, Dr. Marius 187.
Christie 8.
Christoph, Herzog von Württem¬
berg 7 . 73.
Chronicle, San Francisco 18.
Chrysandcr, Fr. 164.
Church.ll Winsion 79.
Cian, Vittorio 97-
Cicero 6 1, 72.
Claprolh, Justus 127.
Claudel, Paul 3, 42.
Clayton, Hami'ton 140.
Cleef, M. v. 8.
Clemen, Prof. Otto ui.
Clemenceau 92.
Clement-Jaiiiu 173. '
Clonard, Henri 93.
Clorio, Giulio 44.
Clou^ot, Henri 107.
Cochin. Dcnys 43.
Cock, Simon 187.
Cohn, Albert 27, 182.
Coing 114 •
Cole, Miss L- Aveuill 32.
Colin 174.
Collaert, Adr. 137.
Collas, Georges 3.
Collata, Graf 73.
Colle 162.
Coilctet, Guillaume 162.
Collin, Ernst 6 >—64.
Comparelii, Prof. H4.
Concourt, Bruder 795.
Concourt, Jules 41.
Condivi, Hornes von 7.
Conlay, James de <14.
Conrad, Michael Geurg 14, 1:2,
Cook, James 84, 176; 0 >.
Cooper, Frederic Eaber ;9.
Copeau, lacques 5. < j.
Coppee, Francois 5.
Coren, Paul gj.
Corneille 66.
Cornelisz, Jacob 99.
Comwallis West, George 44.
Corot 44.
Correggio o 5 .
Corver, Eimon 1S8.
Cosimo, Piero di 9 8.
Coston William im.
Cotta. J. G. 153; 79/.
Cotte, Robert de 147.
Cottinet, Emile 02.
Courtoys, Gyrou ie igo.
Couvray, Louvet de 203.
Coya 6.
Coypel 6.
Craddock, C. E ig.
Craig, Edward Gordon 13g.
Cramer, Carl Gottlob 770.
Cramer, Karl Friedrich 124; 114,
Cranach. Lucas 7, 772, 184.
Crane, Waltez 97 — 104.
Crawford, Graf von 8.
Credaro 48.
Crespin, Jean 144.
Creuziger 169.
Croce, B. 48.
Crosby. Sir E. 136.
Crowc 06.
Crawford Marion ig.
Cruikshank 77, 13g. 18g.
Crusms, Martin 73,
Curmer 134.
Curtis, G. W. 75.
Cuzm 93, 134. 13g.
D
Daelen, Ed. 120.
Dahl 16.
Dahlmann 29.
Dahn, Felix 8.
Dahze, Rene ö.
Dam, Johannes 108; 1S6.
Damasus 740.
Darnpier, W. 14.
Danesi 10.
Dante Alighieri zi, 19, 25, 6b,
Danzel 164 ; 762 .
Darlow, T. H. 21g.
Darly 32.
Darwin 13.
Dautnier o.
Dauthendey 63; 7/2.
Davenport, Cyril 103.
Davies Hugh Wo. 203.
Day, Lewis F. 63.
Debancourt, P. JL. 6-
Decourdcmanche, J A. lug.
Deetjen, Werner 792.
Dehmel, Richard 12, 17, 68, 1364
Deibel, Franz 25
Delacroix 5, o, 93, 95, Z51.
Dciagrave 134.
D-h 41 e jjj.
L»cltf, Wiltcm Jacobsz 736.
Deloche 174.
Delurme, Marion 163.
Delphin-Verlag Z484 134.
Delpy 6.
Demainbray, Stephen Charles
Triboudet 89.
Demant, Emilie 203.
Demeter 70.
Demosthenes 6 j.
Dencke-Wachtcr, Hedwig 71.
Dcnnig, Fmk & Comp. zzo.
Dcnon, Vivant 753.
Denuelle 160.
Deram, Andre 41.
Derome 177.
Descartes xz, 48,6b.
Descharrnes, R. 9 3
Desclee & Co. 1S3.
Dc»emie 134.
Dcsvoyes. Albert o,\
Deutsch, O E. 182.
Deutsche Verlags-Anstalt 194.
Deveria 6; 134.
Devnent 78.
Dewcy, Admiral 13g.
Dibdins 180.
Dickens 10, 18, 53, zo8; 13g.
Dickinson 9 4.
Diederichs, Fugen 33, a6, 72,
zo6, 108, 112, Z34, 137, 142)
156. 157, 158.
Diederichs, Helene Voigt- 138.
Dicffenbach 5.
Dierx, Leon 132, 173.
Dieterich, Fredcrike 87.
Dieterich, Jos. Chr. 75, 78, 82,
864775, 125.
Dieterich-Weicher 14g.
Dietrich, August 59, 79, 8o‘ ; 133.
Dietrich, Georg W. 797.
Dietzgen iou.
Dillmann, Dr. 2?.
Dickmut, Conr. /90.
Disraeli 7.
Doesborch. Jan van 984 187.
Dogdon, Campbell 90.
Dohm 78.
Dohm, H. R. 120.
Dolorosa 763.
Dominique, F'romentin 6.
Donald gö.
Donnay if^-
Donop. L. von 79J.
Dorat 95 ; igo.
Dor£, G 134 ; 6.
Dores, Gustav 205.
Dorpe. Koiant van den 759.
Dorveaux, Paul 107.
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Original from
CORNELL UNSVERSITY
Namen* Register 1912/13. Band I.
III
Dorvigny 234.
Dossi, Dosso )8.
Double, L. z6o.
Doudan, Ximenes 136.
Douglas, Wiggin Kate 79.
Drackhen, Frantz 72.
Drake, Francis 13.
Drescher 4.
Dresser 8.
Drngulin 8, 77, xio, 152, 161.
Duckworth & Co. 7.
Duff, E. Gordon 94,
Dufour, Franz 03.
Dufour, Theopktle 144.
Dugekinck 18.
Duhamel, Georges 4 ,5, 41, 2; 92.
Dumas 113 .
Dumesnil, R. 93.
Dumur, Louis 136.
Duncan, Andreas 129.
Duncker, Alexander 108.
Duncker 134.
Duncker & Humblot 160.
Dunk, J. H. 57.
Dunki 134.
Düntzer 173,
Dupont, Mm. Emile 238.
Dupont, Pieter 99; 133.
Dürer. Albrecht 6, 7, 23, 73, 96,
98. na, 136, 137, 140,144; 184.
Dürer, Theodore 62.
Dutailiy 6.
Dybeck 209.
Dyck, van 147} 149-
Dytenbergii-Johan 160.
E
187-
Ebell 87.
Eberhard der Greiner 71.
Eberhard im Bart 70, 71.
Eben, F. A. 707.
Ebstein, Dr. Erich 59, 64. 87, 90.
149, i8x. 182, 194.
Ebstein, W. 64.
Eckard, Br. 63.
Eckehard 156.
Eckermann 17, 201; 25.
Eckert van Homberch, Henrick
98; 790.
Eckstein, Richard 720.
Ecorcheville, J. 176.
Eder, Hofrat Dr.
Effert 777.
Egenolph, Christian uz.
Egidy, Christoph Moritz von 16 6,
169, 170.
Eggimann, Ch. 41.
Ehmke, F. H. 26; i6r.
Ehrenberg, Hans 148.
Ehrenstein, Albert 130.
Ehrle, Francisco zo-
Ehrle, P. zo.
Ehrmann 59, 182.
Eibl, Hans 8.
Eichendorff 9.
Eichert 47.
Eichthal, Eugene d’ 5.
Eisele. Ernst 79.
Eisen Z34.
Eisenstein, J. 3.
Eider & Co., Paul z8.
Eliason, Eduord in
Elliot, George August 123.
Elshciiuer, Adam 97; 7.
Eigner, Fanni 9.
Elster 31.
Emont, Marcillus zoo.
Emerson 61; rj9.
Emmerich, Katharina 207.
Engel. Gustav 67.
Engel-Reimers, Charlotte 209.
Engelhorn. Kommerzienrat 776.
Enke, Ferdinand 64.
Ennenckel, Freiherr 73.
Enschede en Zonen 26; Z49.
Epstein, J. H. zzg. m
Erens, Frans 12; 30.
Ernesti, D. i 63 .
Ernesti, J. H. G. 20.
Ernst, Otto 206.
Ernst, Dr. Paul 202.
Ernst, W. 183; 96.
Escher, Konrad 21z.
Espagnat, George d’ gi.
Essig, Hermann 223-
Estaing, Charles He
■ector Graf d’
Etienne, Jacques 174.
Ettlinger, Dr. Max 36.
Eucken Z33.
Eulenberg 63.
Euripides 66.
Evans, Sir Artur 779. ;
Evers, H. H. 204.
Ewald, Johannes 187.
Ewers, Hans Hein 07. 165.
F
Fabri 747.
Fabri, Felix 70, 203.
Fabritius, Care! 1S9.
Fagnet, Emile 5; 43.
Faipoult Z34.
Fasquelle 7j2.
Faublas 136, 705.
Faure, Gabriel 776.
Fazy, Hewey 224.
Feder, Prof. Johann Geofg Hein¬
rich 80, 82.
Federer, Heinrich 2/0.
Fedorow, Iwan z6.
Feichtinger 7 82.
Feigl, Hans 2, 3, 10, 47, 91, 96.
184; 797.
Felszecker, Adam Jonathan 20.
Felßeckcr, Wolff Eberhard, Nürn¬
berg 10. x 7 , x8, 19, 33, 43, 45,
47 . 56 , 57 -
F£nelon 66.
Foe, De 32.
Fernow 27.
Ferrari, Gundenzio 98.
Fern. P. N. 98.
Fessard 7 33.
Fichte 48.
Ficinus. Marsiliut 70.
Ficker, Johannes 777.
Figniere. Eugine 42; 92.
Fillion, Johann 45, 49.
Fink, E. Z48.
Finot, Jean 5, 93; 133.
Fischart 4.
Fischer,. G. 143, 145, 148, 150,
* 54 » 156;
Fischer, Johann Heinrich 124.
Fischer. J. L, 151; 7 34.
Fischer, Ottokar 37.
Fischer. Theodor 7 32.
Fitch, Georg Hamlin zS.
Fitzgerald 33.
Flaischlen, Cäsar 206.
Flake, Otto 1485 756.
Flammarin, Camille 6, 4z , 43.
Flaskamp, Christoph 63.
Flat, Paul 776,
Flaubert 6, 26, 43, 93.
Flayder. Prof. 74.
Fletcher 38.
Florian, Ernest Z74.
Fontaine, La 6, 95, zoo, Z33.
Fontane zro , 293.
Fonteyne, Jules 60.
Forgan, Andre 93.
Förster, Georg 123, 125, X27.130,
* 74 . * 77 -
Förster, Johann Georg Adam 84.
Förster, Johann Reinhold 84,
125.
Förster, Richard 105, 165, 167,
171.
Fort, Paul 4, 3, 4z, 92, 93, 173.
Foscolo, Upolo 98.
Foth, Nachf. Max Engel in
München W. 766.
Foucquet 43.
Fouque, Friedrich Baron de la
Motte 1054 797.
Fox 760.
Fradeletto, Antonio 97.
Fraesi, Robert 277.
Fragonard 6.
Francais 234.
France Anatole 92; 273, 274.
Franck, Henri 41, 43; 776.
Francke, A. 272.
Frangenheim 64.
Frangipani, Graf 73.
Frankel, Jonas 25; 22z.
Frankel, Dr. Johann Kaspar 85.
Frankel, Ludwig xix.
Frantzen, Dr. 188.
Franz, G. 31.
Franziskus, Amadeus 263.
Frauenfeld, Huber & Co. 220-
Fridcric 274 .
Freiligrath 1x9, X47, 193; 294.
Freudenberger 234.
Freund, Dr. Sigmund 183; 46.
Friedrich 293.
Friedrich, Herzog von Württem¬
berg 71.
Friedrich, Paul 205.
Frischlein 72.
Fritsch. Dr. Gustav 220.
Frohnknecht, Felix 129.
Froment 174.
Fromentin 3.
Fry, Francis 279.
Fryxell 209.
Fues, L. F., Tübingen 21.
Füeüli, H. 47.
Füssli, Oreu 222.
Fust 72.
G
Gaal, Jac. Cornelius 137.
Gabelentz, Georg von der 220.
Gaddi 98.
Gage 77.
Gaiffe, Adolphe 144.
Gaillard, E. 42.
Gainsborough 44.
Gaismaier Prof., Wien 9.
Galilei, Galileo 77.
Galliua, Gallo 49.
Gallus & Simon de Luca, Udalri-
cus 790.
Galsworthy, John 79.
Gamba, Carlo 98.
Gamber, Paris, J. 266.
Garnier 233, 234.
Gammelli, Dr. Lorenzo 284.
Gamurrini 283.
Ganz, Paul 66, 194, 293.
Gardano, Antonio 287.
Gardner, E. G. 240.
Gardthausen, Victor 62.
Gargano, G. C. 97.
Gargiulo, A. 48.
Garibaldi 98.
Garrick, David 128.
Gärtner, Wilhelm 194.
Gasquet, Abbey 756.
Gatine 6.
Gatterer, Johann Christoph 27,
263.
Gaurtcus 22.
Gauthier, Jean 93.
Gauthier, Th. 160; 277.
Gautier. Houssage Theophile 134.
Gavarai 224.
Gebauer, Joh. Jac. 91.
Geering in Basel, Adolf 166.
Geiger 24, 96, 166.
Geiler von Kaisersperg 15.
Geisler, Adam Friedrich 166.
Geißler, Karl Heinrich 131.
Geliert 162.
Gelmo, Dr, Paul 224.
Genlis, de 162.
Gensei, Walter 25.
Genta 9.
Gentile, G. 48.
Genzsch & Heyse 188.
Georg IIl von England 78.
George 63.
George, Stefan 72.
Gerard 160.
Gerber, Hedwig 8-
Gerlach, D. F.. Halle 5.
Gennain, A. de Saint 276.
Gerold 46.
Gerold, Carl 8 .
Gerson, Johannes 2S7.
Gerstung, Wilhelm 222.
Geßner 72.
Geymüller 9 8.
Ghelen, Jan von 288.
Ghendt 6.
Ghenn 236.
Gh&on, Henri 42, 276.
Ghil, Ren6 5. 233.
Gides, Andre 42.
Gilbert 162.
Gilbert, Henry 104.
Gilbert, Sir John 77.
Gildemeister 797.
Gilder, R. W. 79.
Gignoux, Jean 234.
Gilhofer & Ranschburg 77, 766.
Gillot, Marguerite 42.
Giltonin, Reni 93.
Gioberti 48.
Giorgione 63.
Giotto 72.
Giovanni della Casa 240.
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Gck igle
Girsch, F. xo8.
Gobhard, Tobias 82.
Göbhard 77.
Godet, Pierre 233.
Godfrey. Walter H. 239.
Godspeed Co., Ch. 33.
Goedeke 770.
Goekingk, Leopold Friedrich
Günther von 130.
Goethe 1, 5. 6, 17, 25. 64, 91—96.
151, 152, 154. 173. 174. 175,
X78, 189. 192, I93. 201} 6, 72 ,
r 3 * 24. 23, 49 , 5 1 » 52. 6z, 75. 78,
208, 223. 224, 129, I33, 133, 7 ,' Ö ,
238, 248, 249, l66, 179, 284,
201, 20J.
Goethe, Ottilie von 23 .
Götz, Max 31.
Goetzc 4.
Gogh, Vincent van ko, 198.
Goldfriedrich. Dr. H. 223.
Goldmann, Halm 10.
Goldoni 77.
Goldsmith 136.
Goldsmith, O. 38.
Goldsmith, von 33.
Golland 5«.
Goltzius, Hendrik 237.
Goncourt, Edmond de 164.
Gonin 48.
Görres, G. 283.
Gossez, A. M. 4.
Gotendorf, Alfred N. 770.
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Götter, Luise 17 4.
Gottlieb, Dr. Tn. 3. 8.
Gottsched 70, 263.
Gottsched-Verlag 762.
Gourbould 134.
Goya, Francisco 233.
Glasgow, Ellen 19.
Glauning, Otto 299.
Gleichen-Rußwurm, Alexander
V. 2 ü 9 .
Gleim 80.
Glossy. Carl.797.
Glück, Guido 47.
Glück, Gu>tav 96.
Gmelin, Prof. 175.
Graf-Freiberg. Oskar 73.
Graff, Anton 7, 224.
Grandville 6.
Granet, Frangois Maria 42.
Grant. General 239.
Graphische Sammlung München,
Königliche 27.
Grasset, 174.
Graupe. Paul 32, 166.
Grautoff, Otto 6, 30, 43 • 9 2, 93 •
r 34 , i/8-
Gray 139.
Green, B. 220.
Green, Valentin 94-
Greenaway. Kate xoo.
Grceve, Dr. H. E. 243.
Greifenhagen. Walter M. / 04.
Greinz, Rudolf 206.
Greshoff, J. zS8.
Griffin 92.
Griffin, Vielle 132.
Grillparzer 9, 47, 292, 293.
Grimm 8. 123, 1755 184■
Grimm, Dorothea 29.
Grimm, Ferdinand 709.
Grimm, Gustav 720.
Grimm, Jacob 25—30; 709.
Grimm, Ludwig 25—30; 209.
Grimm, Wilhelm 25—30; suq.
Grimmelshausen, Johann Jacob
Christoph von 1 — 21. 33—56.
Grimm-Sachsenberg. R. 1:3.
Grisebach, Eduard 2, 82, 282.
Grober Club 17, 3$.
Gronau, G. 63.
Grote, G. 210, 222.
Grothaus, Nicolaus Anton Hein¬
rich Julius von 78.
Grober, L. 9.
Groel 03.
Grondtvig. Svend 1S7.
Gronewaid, Matthias 772.
Grüninger, Johannes 790.
Grünspeck, Joseph 294.
Grünstein, Leo 249.
Grünwald, Mathias 7.
Grüwel, Dr. G. A. 3.
Gruyter, Dr. Volter de 220.
Guardi 96.
Guirin, Charles 4.
Gugitz, Gustav x8o, x8i; 2S3.
Guhraner 164.
Guiffrey, Jeaxt 42.
Original from
CORNELL UNfVERSSTV
IV
Namen-Register 1912/13. Band I.
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Gyldendalske Boghandel 14g.
H
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Hackel 13.
Hadank, O. W. H. 202.
Haecht, W. 8-
Haessel, H. 1/4, 20g.
Hagedorn, Senatssekrctiir Dr. 775.
Ha zemann, G. A. 1S7.
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Hain 207.
Halbe, Max 63.
Haller, Albrecht von 82; 114.
Halley, Edmund 1x7.
Halm, Friedrich 4?.
Halsey, Rosalie J. 5 3 .
Hamburger, G. Chr. 57.
Hamelsveld, Y. van 52.
Hamin, Wilhelm 121.
Hampe, Theodor 18, 21.
Handcl-Mazzetti, Enrica von 1 50,
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Hanneken 166.
Hanotaux, Gabriel 9,\
Hanrieder, Norbert 200.
Hansen, D. 163.
Han yü 43.
Haper 52.
Harancourt, Edmond 43.
Hardie, Martin 94.
Hardmeyer-Jenny, J. 211.
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Hartmann, Eduard von 61.
Hartmann, Hugo 7/5.
Hartmann, Johann Friedrich 79.
Harwey. G. rS.
Hasenclever ig4.
Hasius 12.
Hauff, Wilhelm 70g, 183.
Haug 59, 182.
Hauptmann, Carl f.g.
Hauptmann, Gerhart 143, 149,150,
151 ; 7 o< 5 , 201.
Hanrcade, Olivicr 03.
Ilausbuchmeister 65.
Hause, Carl 795.
Hawey, Col. 52.
Haydn, Josef 9, 1S2.
Hayen, Laurens /SS.
Haycu, von der 202.
Hayn, Hugo 77, 1/0.
Hayne 221.
Health, J. 52.
Heartmann, Chas. Fred 14S, 166.
Heatb, W. Robinson 95.
Hebbel, Friedrich 138, 183, 104.
Hebel 152.
Hebel, Johann Peter 25.
Hubert 100.
Hecht, Etienne 30.
Hecht, Georg 67.
Hecker, Friedrich 14.
Hedin, Swen von 135.
Heermann, E. 8.
Hegel 3t; 48, 100.
Heiberg, Tunnar 42.
Heilmayer, Joseph A. 114.
Heim 9 3.
Heimann, Moritz 150.
Heine, Heinrich 30—32, 106,110,
X£2, 154; 25. 184.
Heinemann, Emst //o.
Heinicke, Samuel 200.
Heinrich II. 73.
Heinrich III. 71.
Heinrich IV. 71.
Heinrich, Herzog von Mayenne 73.
Heinrichs, 1 udwig 63.
Heitz, J. H. 757.
Helbing. Galerie 23.
Heller, Hugo 04.
Heller & Cie., "Wien. Hugo 46,
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Henckel, Karl 73.
Henkel. M. D.
> 4 - 5 -> 59 • 6o »
/3s, zgz. zgo , 22g.
Henner, Dr. Theodor 209.
Henning, Hans z/g.
Henrici 181.
Henry, O. zg.
Heppe, Heinrich 204.
Hepplewhite & Co., A. zgo.
Herbart 4S.
Herder 6 1; /;, znz-
Herdersche Verlagsbuchhandlung
Hermann, Prof. Johann /j.
Hermann, J. M. zgz.
Hermann, Karl Z14.
Herold, Ferdinand 5.
Hcrp, Henricus 790.
Herpin, E. 42.
Herrick. Robert zg.
Herschel, Friedrich Wilhelm 88,
89. 126. 129.
Herz. Roderich z6 j.
Herzfeld, Marie 14z.
Herzl, Theodor 90.
Herzog, Oswald 795.
H.-siod 174.
Heß, Dr. Adolf 132.
Heß, B. 7z.
Heß, J. J. 2i2.
Hesse, B. 23.
Hesse, Max 58, 182.
Hesse & Becker 24 , zog, 201.
Heurck, van 4, 6.
Heußler, Leonhardt, Nürnberg 10.
Hevesi 183.
Heyden, Jan van der iSg.
Heymel, Alfred Walter 135.
Heyne 177.
Heyne, Prof. Christian Gottlob 80,
82.
Heyne, Karl 177.
Heyne, Therese 177.
Heyse, J. G. 96.
Hieronymus 1^7.
Hiersemann, Rarl W. z66.
Higden 157.
Hill, G. F. oj.
Hilty. Dr. Carl 212.
Himmelbaur, Dr. zSz.
Hinchley, J. F. 33.
Hipocrates 12.
Hirsch, Emil 181.
Hirschberg, Leopold 1/2.
Hirsching 166.
Hirth, Dr. Paul 120.
Hirth, Fr. 47.
Hirtb. Georg. München 10.
Hi*. Eduard 795.
Hitschmann, Dr. Eduard 46.
Hobbes 4S.
Höcker, Paul Oskar 754.
Hodges, Charles Howard Z37.
Hoe, Robert n, 22z.
Hofer, Conrad 24.
Hoffmann, E. T. A. 25.
Hoffmann, Camill 46.
Hoffmann, Julius 64, 206.
Hoffmannswaldau Z4.
Höfkcn, R. v. S.
Hofmannsthal, Hugo von 154; 8.
Hofstaetter 78.
Hogarth, William 126; 52.
Holbein, Hans 7, S. 131.
Holbein d. J., Hans 60, 133, 194,
i<>S-
Holbing, Reimer 156.
Hölderlin 156; 108.
Holland, Dr. H. 64.
Holländer, Eugen 64.
Holm, Viggo V. z86.
Holmes Z37.
Holroyd, Charles 7.
Holt & Co., Henry 79.
Hoinberch, II. Eckert van 790.
Homer 66, 72.
Homer, Dr. E. 182.
Homer, Winslow z8.
Honig & Zoonen. J. 168.
llöniger. Nicolaus 15.
Hönisch, Rud. J7.
Honrath, G. 779.
Hoochstraten, Michael van 95.
llooft. C. G. ’t zSg.
Hoogcndyk Z37.
Hopfner. 1 ‘rofessor 178.
Hopfner. Dr. L. J. F. 179.
lloraz 66, 88.
Hörmaun, Leopold 207.
Horn, W. I) von 3z.
Hornby, C. H. St. John 7/7.
Horny / 03.
Horrwitz, Max 77.
Horst, Carl 2/0.
Hoseman 124.
Houben in, 122.
Houdmont-Carbonez, Josef 00.
Houghton Miflhn & Co. 98; 32, 33.
Hourticq, Louis 64.
Hoursman, Laurence 202.
Houssaye, Henri z33.
Houston, Richard 7,-6.
Howe, Admiral Richard Z23
Howell, William Dean z8, 32.
Howitt, Mrs. Mary 147.
Hübbe, J. H. 3:.
Hübner. Oberstleutnant 44.
Huch, Woldeinar 779.
Huchs 63.
Huet 93, Z34.
Hugendubel, Heinrich 31, röö-
Hugford 98.
Hugo, Victor 4, 6, 62, 93, 773.
Hülle, A. van zgo.
Humboldt, Wilhelm von 29.
Hume 48.
d’Humieres, Robert 42.
Hummel, Rektor 23.
Hummer, W. Z2 n
Hünich. I)r. Fritz Adolf 91—96,
183—188; TO 9-
Hunt, Holinan 9S.
Hupfuff, Matthias zu, 790.
Huth 28, 38. 104.
Hyan, Hans /2l.
Hybemensis, Th. A. 790.
Hyde 52.
Hynck, Alois Z20.
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Ibsen 42, 20g.
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Ingres 44.
Insel-Verlag 12, 13, 14,15, 34, 136,
141. 143, 144, 149. 152, 153, 154
23. 63, 72, 131, Z03.
Iohannot, Tonny 6.
Ippel 29.
lrdand 73%,
Iribe 97.
Isabey 760.
Ischer 86.
Irvine, William 129.
J
Jabionski, Pierre Charles 92.
Jack, T. C. Z04.
Jackson, E. Nevill 149.
Jacob, Max 4z.
Jacobi, Charles T. 777.
Jacobs, Monty 23.
Jacobsen. Jens P. 63.
Jacobsson 5.
Jacquemont 3.
Jaeckel. G. m. b. H., Max 3:.
Jaggard, John 38.
Jahn. Hermann Eduard 7 63.
Jakob, Julius z8i-
James, William 79.
Jammes, Francis 41, 97.
Janowitz. Friedrich von 74.
Jasper, Friedrich Z14.
Jasykow, D. 76 .
Jeffcrson 792.
Jegerlehner, Johannes 27/.
Jckyll, Dr. 52.
jensen, Johannes V. 6z.
Jensen, Wilhelm xo.
Jenson, N. 57, zgo.
Johann Friedrich, Herzog von
Württemberg 71.
Johannesson. Prof. Dr. Fritz 72.
Johannot, T. 32. Z34.
Johnson. J. 720.
Johnson, Samuel 128.
Jombert, Ch. A. 134.
Jonson, Richard gg.
Jordan, Wilhelm Z04.
Josi, C. 146.
Jouve, J. J. 5.
Jouve, P. J, 9 3.
Jouve & Cie. 4.
Jovio, P /•).<>.
Juch, Ernst cs.
Junker, Karl 40.
Justi 66.
Juvenal 172.
K
Kahlbeck, Max 26.
Kahn, Gustave 5.
Kahmveiler, Henry, Verlag, 41.
Kang-Hsi 44.
Kainz, Joseph znj.
Kaisersperger 72.
Kalb, Charlotte von 10S.
Kalckreuth, Graf 134.
Kalischer, Erwin 24.
Kaltcnnofer 76.
Karner, Jann 42.
Kammei 165.
Kampfmeyer, Th. 3 .
Kant 43., zuo.
Kanth, Gustav 74.
Kaplan, Leo 183.
Karl August 1S0.
Karl V. 71.
Kasanova zzo.
Kästner, Prof. Abraham Gotthelf
81, 83, 130.
Kate. J. J. L. Ten 30.
Kaufmann, Dr. Karl Maria 29.
Kayser, Albrecht Christoph 92,
Keats 98; z;q.
Keene, Charles 98.
Keller, Adelbcrt von 21, 40.
Keller, Alexander 72 u.
Keller, Gottfiied 69, 1S4. 20z.
Kellermann, Bernhard 08.
Kellner, L .eon 77.
Kempe, Hermann 114.
Kempen, Aruoldus zSS.
Kemperheide, Rene 93.
Kempis, Thomas a zSg.
Kennerly, Mitchel 79.
Kenyon, F. G. 44.
Kerber, Hermann 73.
Kern, G. J. 193.
Kerr, Alfred 2zz.
Keyser. Pieter de i'-S.
Keyserling, Graf 63.
Kießner. Johannes 204.
Kiepenheuer, Gustav /gg.
Kipling, Rudgard 42, 9 3.
Kirchner, Joseph
Kirchner, Raph. Eugen 76?.
Kisselew, N. P. 77.
Kiyonobu 44.
Klaars, Alfred 24.
Klarmann zuS.
Klaußmanu, Oskar 799.
Kleiner, S. 790.
Kleist, Heinrich von 157, 154;
77 . zj8, 20z,
Klemm, Walther 7/7.
Klenkens 790.
Kley, Heinrich 05.
Klimu, Dr. Anton 9 3.
Klindworth 177.
Klinger, Julius 223 ,
Klinger, Prof. Max 34; 96.
Klingspor, Karl zz3.
KUnkhardt & Iiicrmann 14t.
Klinkhofer, Karl zjg.
Klopstock 124, 165; 77.
Klotz 165.
Klüber, Friedrich 769.
Knapp, Wilhelm 798.
Knigge 92.
Kobeko, D. 13.
Koberger, Ant. 72; z<.o.
Koch, Alexander 207.
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Koegler, Hiyis /, 795.
Koeln, Wigand Z44.
König. Eva 164.
Körner /05, 1/4.
Körte 80; 13.
Kösel 1^0.
Kösel, Jos. 63.
Köselsche Buchb., Jos. 71.
Kösel, Verlag 63.
Kohlbrugge 7 3.
Kohlhammer, W. 60.
Kohut, Adolph /' ?.
Kokoschku, Oskar 7 30.
Kolbe, Georg 64.
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CORNELL UNIVERSITY
Namen-Register 1912/13. Band I.
V
KollofT. Eduard 112.
Komegen, Karl 183.
Konewka 17.
Kongs t ad, kr. 7^9, 186.
Konrad, Dr. Karl ai—25.
Konto, Dr. Alexander 139.
Koobs, Otto 6/.
Kopelke Dr 163.
Kosch, Wilhelm 313.
Koßmann r3.
Kotiebue 93; 70 <-
Kraeger, Heinrich 6r.
Krahl, E. 8.
Krais, Kommerzienrat r/6.
Krahk, Richard v. 2.
Kraus, Baronin 181.
Krauß, Dr. Friedrich ist.
Kresse, Oskar 308.
Kretzer, Max 110.
Kroeber, Hans Timotheus 14g.
Kroker ij<).
Krüger 13.
Krünitz 6.
Kudrun 26.
Kubatz, E. J. /oo.
Kügelgen, Anna von 109.
Kügelgen. Wilhelm von 709.
Kugler 151; 6. 193.
Kuhn, Karl 104 , 799.
Kuisner, Michael 190.
Kulenkamp, Prof. Luder 78.
Kümel, Dr. Heinrich 104.
Kürnberger 47. 96.
Kurz, Heinrich 9, 34.
Kurz, Hermann 211.
L
Labiche, J. B. 159.
Laclos 17.
Lacsoi, Paul 707.
Lafayette $3.
Lafond, Paul 133.
Lafontaine C6; 136.
Lagerlöf, Selma 795.
Lairesse 146.
Lalande, Joseph Jerome de 177.
Lalli, Roger 6.
Lamarck 13.
Lamartine, Alphonse de 134.
Lamb, Charles <3.
Lambert, Andreaj.
Lambos, P. 122.
Lambs, Charles 8.
Lamennais 777.
Lami, Eug. 134.
Lamprecht, Dr. 223,
Lamprecht, Karl 799.
Landauer, J. 779.
Landier 12.
Lange 13.
Lange, Karl 60.
Lange, L. 4/.
Langen, Albert 709, 795.
Langhlans. Mac 96.
Langlois. N. 133.
Lanken-Wakenitz, von 39.
Laune, Adolphe 93.
Lantö 6.
Lapis. A. 43.
Larisch, v. 18t.
Larsson, Carl 777, 196.
Lassac, Dr. 120.
Laßberg, Christel von 183.
Laterza e Figli 48.
Laube, Heinrich 797.
Lauchert 89, 130, 172.
Laukhard 178; 795.
Lautensack, Heinrich 77.
Lautrec 96.
Lavater 77, 80.
Lavedan, Pierre 42.
Lavery 44.
La wies s 98.
Lawrence, Mr. 183.
Layus, M. Lucien 138.
Lebeau, Ch. 799.
Leblond, Any 92.
Lebesgue, Phileas 4, 42.
Leconte de Lisle 775.
Leech, John 98.
Leer. L. van 39.
Lefebre 134.
Lefranc, Abel 107.
Legrand Chabrier 5.
Legrand, E. C. A. 6.
Legrand, L. 97, 134.
Lehmann, J. F. 63.
Leibi 79/.
Leibniz 48.
Leidinger, Dr. Georg 28.
Leighton, J. and J. 203.
Leitzmann, Prof. Dr. Albert 75—
9 L U*. i;a—180 j 23.
Leitzmann, Eise 706.
Lemaitre, Jules 133.
Lemercier 147.
Lemon, Ernest 176.
Lenau, Nikolaus 23, 47.
Lenthe, Albrecht Friedrich von
80.
Lenz 86.
Lepape 97.
Lepötre 160.
Leplcii 6 .
Löpreux, G. 43.
Leonhardt, Dr. jur. W. 121,
Leonhart, Carl 58.
Leopold, Kaiser 73.
Lcriche 64.
Leroux 174.
Lesage 134.
Leß, Prof. Gottfried 81.
Lessing 78, 79, 164—171, 175; 61.
Lessing, Karl 164.
Letellier 134.
Lctourneur 160.
Lcttersnider, Jan 7^9
Lettersnyder, Hendrik Pieters
zoon iSS.
Leuthold 210.
Levi, Dr. Giacomo 184.
Levi, Pierre Marcel 41.
Levy, Herman 68.
Leyden, Lucas van 137.
Leyen, Friedrich von der 26.
Lhotzky, Dr. Alphons 96.
Lichtenberg 58, 75—91, 123 bis
1«, 172—180.
Lichtenberg, Friedrich Christian
128.
Lichtenberg, Georg Christoph ti8.
Lichtenberg, Ludwig Christian 86.
Lichtwark, Alfred 61.
Licio, Robertus Caracciolus 790.
Liebermann, Max 63, 194.
Lilford 8.
Liliencron, Detlev von 7-y.
Limburger Antiquariat & Verlag
166.
Lindau : 10.
Linke. Richard 760.
Linschoten. Jan Huygen van 14.
Linton, William James 97.
Lipperheide 7.?.
Lippi, Filippino 98.
Liscow, Christian Ludwig 18, 175,
Lisle. l.ecomte de 134.
Lissauer, Ernst 112.
Liszt 777, 183.
Liw, Jean 176.
Lochner 63.
Loeber, G. z88.
Loeper 32.
Loeser, ‘Carlo 98.
Löffler, Bibliothekar Dr. Karl 69
— 75 -
Lohmeyer, Karl 147.
Löhr, Maja 24.
Lombardo-Radice, G. 48.
Londres, Albert 5.
Longftllow ijn.
Longmans & Co. X02.
Looy, Jac. van 30, 31.
Löper, Gotthelf Albrecht Fried¬
rich 166.
I orrain, Claude 98.
Lorani. Aldo 97.
Lorenzoni, Giovanni 189.
Losacco, M . 48.
Lote, Georges 3.
Lotto, Lorenzo 44.
Loubier, Prof. Dr. Jean to r . 119,
220.
Louys, Pierre 163.
Louis XVL 134.
Louis, Paul 43.
Louvet 136.
Löwenthal, Sophie 795.
Löwy, J. i 49 .
Luca, Pasquale de 48.
Ludwig, Herzog von Württem¬
berg 71, 73.
Ludwig von Württemberg 70.
Ludwig Friedrich, Herzog von
Württemberg 71.
Ludwig, Dr. Rudolf x8o.
Ludwig, Dr. Vincenz Oskar 96.
Ludwig & Mayer, Frankfurt a. M.
181.
Luft aus Marburg. Hans 760.
Lukaschewitsch, Iwan 16.
Luppenberg, J. M. 775,
Luppenberg, J. M. 7/5.
Luther, Arthur 7^; 77, 184.
Luther, Dr. Martin 72; ni.
Lutz, Robert 199, 209.
Lux, Joseph Atig. 103.
M
Maassen, Carl Georg von 23.
Maassen, Henry 4.
Mac Langhlans 96.
Macmillan & Co. 117.
Madan, Falconer 7. 17S.
Madsen, Victor 1S7.
Maeterlinck 67.
Magellan, Joao Hyacinte de 14,
126.
Magnus Albertus 70.
Maillard, F. 107.
Maistre, Joseph de 42.
Majoli 98.
Maj jor, Dr. E. 747.
Mallarme, Stephan 4, 12, 232,
Maflet, Gilbes 161.
Maltzhahn 2.
Malvezzi 98.
Man, Wolfgang von nt.
Mandeville, Ritter von 70.
Manet, 194.
Mansart 133.
Manzoni 48, 4 9.
Mardons, Lucie Delame 92.
Mare, Andre qr.
Margueritte, Victor 163.
Marie Amalie, Königin 134.
Marie-Antoinette 134.
Mariette 98, 111, H4-
Mariliier /90.
Marinetti, Fr. T. 92,
Marius 92.
Marot 133.
Martial 72.
Marlin, E. 122.
Marsand, Prof. Antonio 162.
Mascart, Jean 43.
Mascha, Dr. Ottokar 3. 97.
Mascras, Alphonse 177.
Mask, the 139.
Masqueller 1^4.
Masson, Paul Marie 176.
Matham, Adr. 14.
Mathews, Elkin 102.
Mathien, Heinrich Friedrich
Leopold 80.
Matthews, Brander 138.
Ma-Tuanlin 44.
Maupassant, 100. 137.
Maurer, Franz 1/4.
Maurier, Du 98 1 18.
Maury, Lucien 5.
Mauthner uo.
Max, Joseph 03.
Mayer & Müller 166.
Mayer, Alfred Richard 77.
Maync, Harry 192.
Mazzini 98.
Meame, Samuel 704.
Mediavilla, Kichardus de 190.
Medici, Leopold dei 9?.
Meer, Jac. jacs. van der 190.
Meier-Gräfe, Julius 63.
Meijer. Joh. 19.
Meiner 88.
Meiner«, Prof. Christoph 89, 82.
Meisenbach, Riffarth & Co. 1S9.
Meissonier 6. 134.
Meister, Albrecht Ludwig Fried¬
rich 90.
Melanchthon 12.
Memorandum 40.
Mendelssohn, Moses 79.
Mengs, Anton Raphael 7.
Menzel 151 t 90, 124. 193.
Mercereau, Alexandre 42.
Mercier, Sebastian 65; 03, 134.
Merck, Johann Heinrich 108;
779.
Merck!in, Ludwig 64.
Meredith 7^9.
Mlrimee 6, 177.
Merrill, Stuart 4.
Messer & Co., Karl 120.
Metternich 9.
Metz. Friedrich 122.
Metzinger, Jean 42.
Meunier 134.
Meusebach. Frau von 29.
Meyer, C. F. 270.
Meyer, Dr. N. 96.
Meyer, F. L. W. 58.
Meyer, Friedrich 706.
Meyer, Georg Friedrich 70.
Meyer, Richard M 133, 189.
Meyer & Jessen 40.
Michaelis 166; 200.
Michaelis, Christian Friedrich
12p
Michaelis, Johann David 124, 132.
Michacllis. Karolinc 174.
Michalek r8r.
Michand 196.
Michel, Gaspard 93.
Michel, Marius qr.
Michelangelo 7, 44 , 98, 132.
Michclozzi q8.
Mielke, Hellmuth 206.
Mikhael, Ephraim 4.
Milani, Prof. 7^5.
Miliani ir.
Millais 98.
Miller, Johann Martin 187.
Millet 44.
Milton 66; 19, 33, rjg.
Minlos, W. J. 180.
Minor, Hofrat Prof. Dr. Jakob
2.
Mirabeau, Oktave < 9 , 720.
Moja 49.
Moliere 6. /;, 24, 42. 133. 134.
Molmcnti, Pompeo <r/.
Mombert 12.
Monboddo, Burnet 13.
Mond, Frau Ludwig 1S0.
Mond, Sir Alfred /So.
Monnier 38, 134.
Monnier, Gavarni 6.
Monnier, H. 6.
Montaigne 66.
Monten, D. 790.
Montesquieu 134.
Montfort, F. Ä. de 133.
Montjermont 134.
Montgolficr, Joseph Michel 174.
Moreas, Jean 72, 9 3. 133, 173-
Moreau 160 ; 0, 134.
Morel, Eugene 5.
Morellet 162.
Morelli. 66 . q$.
Morgan, Augustus de 7/0.
Morgan, J. Pierpont 33, 137.
Morghen, F. 5/.
Möricke 152; 24.
Morlierö, Angola 163.
Morosini. Francesco 96 .
Morris, Marshall, Faulkner & Co.
63.
Morris, William 60—64, 97; 49
n6. 117. 201.
Morrison, George 125.
Mortier 100.
Moser, Max 24.
Mosher, Thomas B. 7/7.
Motley, H. L. 18.
Motte Fouque, Friedrich Baron
de la 24.
Mottelcy, Ch. 163.
Mouilleron 147.
Moureu 176.
Moule, H. F. 270 .
Mozart 1S2.
Mozart, Leopold 104.
Mozart, W. A. 104-
Muccio 1S3.
Mühlau 4.
Müller, August 111, 166.
Müller, Carl Hermann 166.
Müller, Felix, Referendar 166,
170.
Müller, Dr. Friedrich 166.
Müller & Co. Frederik 13, 137,
189.
Müller, Georg 180; 24, 24. 67,
6q, 77, no, 112, 120, 14S, 130,
iSj. 202, 2QJ-
Müller, Gottlieb 166.
Müller, Niklas 111.
Müller, Kommerzienrat Wilhelm
2.
Müller, Wilhelm, Kaiserlicher
Rat 114.
Multscher 130.
Mumbauer 6 3.
Munch 200.
Murer, Christoph 134.
Murer, Josias 134.
Murner, Thomas irr.
Mürzcl. Prof. Dr. 775.
Musaget 77.
Musgrove, E, R. 13
Müsset 6, 177.
Muth, Karl 1S2.
Muther 777.
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CORNELL UNIVERSITY
VI
Namen-Register 1912/13. Band I.
N
Nadler, Josef 799.
Napoleon 134
Nasreddin, Hodscha roS.
Nast, Th. 18.
Nathell, Paul 8.
Naudin, Bernhard 9/, 92.
Naue, Julius 123.
Navarra, Margarethe v. 134.
Nekrassow, K. F 77.
Nelsen, Rudolf 120.
Nerval, Gerand de 32, 134.
Nesi, Prof. Amedeo 11.
Netter & Eisig 7/9.
Neumann, Balthasar 147.
Neumann, Ernst 120, r>3 , 223.
Neumann, Hermann 20g.
Neumann, J. J. N. 189.
Ncumayer & Co., F. B. i 65 .
Neuwirth, Josef 112.
Nicard, Pol 777.
Nicolai, Christoph Friedrich 78,
79. 128.
Nicolini, F. 48.
Niebuhr, C. 170.
Niebuhr, Karsten 125.
Niemeyer, A. H. 31.
Nietzsche 12, 61, 14$* igS.
Nikolai 80.
Nitzsch 166.
Nodier, Charles 770, 134.
Nodnagel, August 106.
Nolthenius, Tutein 18p
Noot, Thomas van der 99.
Norbert, M. 77.
Nordhausen, H. 14.
Nörrenberg, Dr. Constantia 147.
Norris, Frank 79.
Norvius 134.
Nostitz, l 3 r. Quem von 114.
Notre, Le 113.
Nouet, Noel5.
Noulhac 134.
Novalis 61.
Novay, Lorenz 1S2.
Nyhoff. Martinus 14. <8, 187.
Nyhoff, W. 9„v.
Nyon 16a.
o
Oastzannen, Jacob Cornelis van
' 37 -
Ochsenbach, Friederich 74.
Ochsenbach. Johann Friedrich 74.
Ochsenbach, Johann Hermann 73.
Ochsenbach, Schloßhauptmann
Nikolaus 69—75.
Odile, Claude 41, g2.
Oehl, Wilhelm 24.
Oehmigcke, Ferdinand 187.
Oldenburg, Graf Anton Günther
von 136.
Olrik, Axel 1S7.
Olschki, Leo //. 07.
Okinczyc, Georgis de 6.
Opdam 125.
Opizzoni diTorra, Luigi Amadeo
Rati in.
Ortolf 70.
Orvieto, Angelo 1S4.
Orvisto, Angido 97.
Osann, Dr. 87.
Osborn, Dr. Max 133—159; 200.
Osbourne, K. D. 32.
Ostini, Freiherr von m.
Ostrowski 16.
Oswald, Eugen 1S0.
Ostwald, Wilhelm 11S.
Ottmann, Victor 770.
Otto, J. G. 185.
Ouillard, Pierre 4, 5.
Ovid 66, 72; 72, 134.
P
Paalzow, Prof. Dr. 779.
Pabst, Johann 181.
Padora /97.
Paffraet, Albert 18S.
Pa ? e. Th. N. 79.
Painlevi 174.
Palezieux, Eugenie von 122.
Palladius, Petrus 187.
Panckoucke 162.
Pan der 13.
Panizzi 98.
Pannartz 777.
Pannigianino 9 8.
Pan-Verlag 122.
Panzer 12.
Paris, Ix>uis 162.
Parson 757.
Pascoli, Giovanni 4g, 97.
Passavanti 12.
Pas~e, Crispin de 790.
Passo 143.
Passow, W. A. 18.
Passy, Georg 46.
Passys. Frederic 13t.
Paszkowski, W. 79.».
Pattberg /So.
Paul, Emile 42.
Paul, Jean 70,*?, 201.
Paul, Prof. D. C. 167.
Pauli, Gustav 104.
Pautre, Jean de 790.
Pautre, l.e 133, 100.
Payer v. Thum, Dr. 2. 3.
Peabody, Robert Swain 13g.
Peary, Admiral 749.
Peckitt, W. H. S. ‘
Pedersen. Laurits 749.
Pellegrini S.
Pclletan, Emile 77.?, 174.
Peoril of the Peak 7#.
Pcrcier ico.
Perl, Max 23, 103.
Pernerstorfer, Engelbert 2.
Perot, Francis 776.
Perreau, Eugene 5.
Perrichon 174.
Perrin & Cie. 5, 92, 722.
Perrisin 6.
Perugino 44.
Petersen, Julius 25.
Petersen, Lauritz *i 86.
Petersen. Dr. Viktor ig6.
Pether, William 137.
Petit & Michel le Noir, Jehan
790.
Petrarca 162.
Petrie, Flinders 779.
Petrucci iSr.
Petzet, Erich 22; 799.
Petzold, Alfons 9.
Pezzl. J. 18 ?.
Pfaff 9. '
Pfaff-Bader, C. 7?.
Pfeffel, J. A. 790.
Pfenninger, Otto 106.
Pfister, Alexander 212.
Phalangc 3.
Philadelphia, Jakob 82.
Philipp. D. G. 70.
Phihppi, Adolf 200.
Philipps 44.
Phönix-Verlag 799.
Photorin, Konrad 77.
Piacentini, Marcello 48.
Picart 7oo.
Pichler, Karoline /S3.
Pico della Mirandolia 140.
Piersons Verlag, E. 160.
Pigoncet, Philippe iSS.
Pilcher 9 4.
Pimmer, V. H. 77.
Pinelli, B. 4g.
Pinero, A. 13g.
Pinwell q8.
Piquet, F. 752.
Pissarro, Lucien 777.
Pistelli, Prof. 1S4.
Pitollet, Camille /y.
Pius X. 757
Plan. P. P. 131
Plantin 14g, ist, igo.
Plato 06 .
Plattard, Jean 107.
Play-Making 13g.
Pleyel 182.
Ploegsma, J. 14.
Ploycr. Barbara 182.
Pion & Cie. 5.
Plutarch 66, 72.
Plutargue 6.
Podrccca, Prof. Vittorio 47.
Poe 02.
Poe, Edgar ico. 134, 792.
Poelemburg, C. t/8.
Poeschel & Trcpte 4 0, 220.
Poetry, the White Hills in 13g.
Poggi. Giovanni gS.
Pomcare, H. 43.
Poirel, Dominique 133.
Pollainolo gS.
Pollajuolo, Antonio 44.
Pollard, A.W. 44 , 760.
Poncet 64.
Pontotormo g8.
Pope 66.
Pope, Alex. 5?.
Popen 172.
Pordemone gS.
Portheim, v. 180. i8r.
Posadowsky, Graf iSo.
Pottcr. Paul 137,
Poussin, Nicolas 44.
Powers, L. M. 70.
Poynter öS.
Prader, Georg 200.
Preetorius, Emil 148, 163.
Preller, Fritz 185.
Previati 48.
Prevost, Abbe 134.
Prezzolini, G. 48.
Price, James 175.
Priestley, Joseph 129.
Primaticcio r,S.
Primer, J. 2:0.
Prochaska, Karl 201.
Piocope-Leronx /y.
Proctor, Robert 117.
Prcclß, Johannes 122.
Prudhomme, Sully 5.
Puchstein. O. 122.
Pujol, Abel de 160.
Pultz von Carlsen. Ulrich 122.
Puschkin, Alexander 75, 77.
Puttkammer & Mühlbrecht 160.
Pyle, Howard 18.
Q
Quaritch 8, 43. 9 4. 1S0.
Quaritch, ßeräard 37.
Quanten 200.
Querelles, de 6.
Quintilius 66 .
R
Rabelais, Francois 107. 162; 136.
Rabenlechner, Michael Maria 1,21.
Machilde 92.
Racine, Jean 5, 43, 66, 174.
Rackhain, Arthur 797.
Raffael 60.
Raffaelo 0 8.
Raffet, Auguste 134, 137.
Rahlfs 136, 137.
Raimund 9.
Rambcrg, Gerhard 8.
Ramberg, Johann Daniel 77, 79.
Rambcrg, Johann Heinrich 77,
Ramler 178.
Ramsay. Prof. Sir, W. M. 133.
Rank, Otto 46, 183.
Raphael 44.
Rappaport, Ewald 12. 4g, 9 S, r66,
iS 6.
Rasscnfosse 13 /.
Rascher & Co. 277.
Ratdolt 12.
Rathcry, E. J. B. 159.
Rauth. Leo m.
Rehoul, Jean 176.
Redoute 16z.
Regmer, Henri de 3, 41. 13 ?, 775.
Rcguier Laclos, Henri de gj.
Rehberg, August Wilhelm 128.
Reich, Philipp Erasmus 82.
Reichstadt. Herzog v. 134.
Reifferscheid, A. 722.
Reinecke, Assessor Dr. 775.
Reinecke, Otto 114.
Reinhardt 103.
Reinhart, C. S. iS.
Reinhold, Christian Ludolf 130.
Reiske, Ernestine Christine 164
bis 171.
Reiske, Johann Jakob 164, 165.
Reißner, Carl 200.
Rembrandt 10, 23, i Q g.
Remington. Frederic 18.
Renan 4.
Renard, Jules 133.
Renner, Fr. iqo.
Renoir 133 , 104.
Rentsch, Eugen 209, 21c, zu.
Reß, Superintendent 79.
Rest, Dr. S. 23.
Reuß, Jeremias David 124.
Reuter, Fritz 772.
Reuwich, Erhard 203.
Review. North American 79.
Reynold 5, 44, 124.
Ricard 133.
Richard. Jules 100.
Richardson 66.
Kichelicux 750.
Richepins. Jean 174.
Richter, August Gottlob 124.
Richter, Ludwig 10g, 124, 147,
i< 3.
Ricketts. Charles 117.
Ridinger, Johann Elias 32. 137,
707 .
Riemenschneider 30.
Riemer *9.
Rico, Marcel 92.
Riepenhausen 59; 136.
Rigaud, Stepheu Louis 89.
Ritscher, Christian 92.
Ri viere, Jacques 42, 43, >13.
Roberts, J. 38.
RochegroßeT Georges 6.
Rod, Edouard 3.
Rodenberg. Julius /50
Roder & Schunke 70, m.
Rodm i)2, ry.
Rodocanachi, Einst 11.
Roedervon Diersburg,Freiherr 11 .
Roethe, Professor Dr. 165.
Römhildt-Heilbronn 779.
Rogers, Mr. 7/7.
Roinard 4.
Roldes. Maxence 03.
Rolland, Romain 5, 92, 9J, 132,
Rofmer, 1 ucien 6 .
Romain, Jules 4, 3, 41, 42, 4 3,
9 2, Qj.
Romauin 97.
Romano. Giulio 163.
Rommel, Otto 47.
Rondeau, Gaetan 43.
Ronsard r34.
Roos, S. H. de 40.
Roos & Cie., C. F. 57.
Rops, Felicicn 163.
Rosegger 200.
Rosenthal 133.
Rosier, Jean Francois Pilatre de
* 77 -
Rosny, J. H. 133.
Ross, E. Aisworth 140.
Roßbergsche Buchhandlung 777.
Rossetti, Gabriel 63.
Rossi, Alessandro 0 4.
Rossi, De 10 , 12.
Rossi, Vittorio 97.
Rosso, Del 183.
Rostand, Edmond 4 , 02.
Rothschild, Baron Alfred 180.
Rottmanner, M. 207.
Rousseau. Jean Jacques 66; 43.
'3s< 'M* 7 r/-
Roussct, F.mile 6.
Roux. Saint Paul 4.
Roville. E. igo.
Rowlandson, Thomas 26, 13g.
Rowohlt, Ernst 60, /29, 132.
Royaards, Willem 13S, iSg.
Royere, Jean 43.
Ruban 04.
Rubens 44.
Rückert 103.
Rüdiger, Anton 720.
Rudloff, Wilhelm August 29, 131.
Ruest, Dr. Anselm 77.
Rüger, Georg Conrad, Altenburg
20.
Rugges, Heinrich von 709.
Rühle von Lilienstern 1S0.
Rumpf-Potsdam, Fritz 23.
Runeberg 20g.
Runge iQi.
Ruskin, John 60, 97; 67, 7j6.
Fuß, Rudolf 1S1.
Rütten & Loening 133, 140 , 144,
136, 203.
Ruysdael, Jac. /So.
Ruyter, Michiel Adriaanszoon de
i*5-
Ryba, Adolf 96.
Ryland. Mr. 133.
s
Saar, Ferdinand v. 182.
Sabin S.
Sachs, Dr. Hans 46, 223.
Sachs, Hans 4; 40, 72, 134 , rSj.
Sade, Marquis de 163.
Sadger, Dr. J. 1S3.
Sadow, M. 720, 163.
Sage, Le ij8.
Sagredo 97.
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CORNELL UNiVERSITY
Namenregister 1912/13. Band I.
VII
Said-Ructe, Rudolf 180.
Sain£an, Lazare 207.
Sainte Beuve 777.
Saint-Genie 16a.
Saint-Pierre, B. de 134.
Saint-Point, Valentine de 92.
Salle, La 134.
Sallust 72.
Salmon, Andre 6.
Salten, Felix o, 47, 202.
Salviati, Ceccnino 98.
Salxer, Eugen 21z.
Sambucus. J. igo.
Sand, George 43.
Sandersen, T. J. Cobden 117.
Sandrart, Jacob 236.
Sandys 98.
Sansot & Cie., E. 5, 42, 132.
Santarelli, Emüio 98.
Saphir, M. E. 47.
Sardi, S. 19z.
Sarto, Andrea del 9S.
Sattler, Joseph 220.
Sauer. August zgz. 200.
Sauer, Prof. 2.
Sauerländer, Johann David 105,
zu.
Sauter, Constantin 25.
Sauter, Ferdinand 46.
Savoldo 98-
Savonarola 143.
Scaicchi, Gotufrcdo zo,
Schaaffs, Dr. Georg 57—59. 181.
Schäfer, Wilhelm 69.
Schaffner 75/.
Schaffsteiu, Hermann & Friedrich
156-
Schapire, Dr. Rosa Z93, 293.
Scharfenstein, Helene 209.
Schäufelin, Johann zzx.
Schauenburg, Freiherr von 11.
Schauenburg, Hans Reinhard von
11. 45
Schauenburg. Legationsrat Frei¬
herr Dr. Rudolf von xi.
Schaukal 67.
Schawenburg, Hanß Re nhard von
Schedel 184.
Scheffel 7 84.
Scheffler Z94.
Scheibe, Hermann ZZ4.
Schellig, Konrad Z94.
Schelling 48. *
Scheiternd, C. S. Adama van 30,
Scfiencker 6.
Schcndel, Artur van 59.
Schenkendorf 103.
Scherlestein. Baron von z8$.
Schernhagen, Johann Andreas 75,
8ü, 124.
Scheuffler, Amtmann 57.
Scheufler 181, 182.
Scheuren, C. Z47.
Bchiffmann, Dr. Konrad 95,
Schiller, Friedrich von 59, 95,
15 *. 154 i / 4 . 17» 5 *> 6/ >
104, zo8, ZS4, Z92.
Schinnerer, Dr. 224.
Schlegel, August Wilhelm 128.
Schlegel, Dorothea 203.
Schlegel, Friedrich 77, 202, 207.
Schlägel. J. E. 762.
Schleich, Christine Freiin von 207.
Schleierniacher 795.
SchlciniU, Prof. Otto von 97—104;
8, 48 , 95 * *3(>. r86.
Schhchtegroil, Karl Felix von zio,
ZÖ4.
Schloemp, Felix Z20.
Schlosser, Julius v. 66.
Schlözer, August Ludwig 172.
Schmidt 13,
Schmidt, Dr. Adolf 104—193.
Schmidt-Degener, F. Z89.
Schmidt, Expeditus 63.
Schmidt, G. J. zo.
Schmidt, Heinrich Alfred 795.
Schmidt, Hermann 720.
Schmidt, Otto 727.
Schmidt, W. 18; 66.
Schmidtbonn 772.
Schneider. E. 727 .
Schneider, M. Z20.
Schnell. Karl 2x2.
Schnitzler 9.
Schock, P. Josef 8.
Schoder, G. ///•
Schoeler, Heinrich von 797.
Schölte, Prof. J. H. t-21, 33-
58,* / 88 -
Schönborn. Erzbischof Johann
Philipp Franz von Z47.
Schönfeld 187.
Schongauer, Martin 7, 65, Z34.
Schönherr z8z.
Schönholz 283.
Schöningh, Heinrich z66.
Schönlein 64.
Schönsperger d. Jung., Hans zzz.
Schopenhauer roo, 133.
Schorn, Dr. H. T. 44.
Schreiber, H. 23.
Schreyvogel. Josef 797.
Schroeder, Leopold von ö 5 -
Schroll & Co., Anton 66.
Schröter-Dresden, E. 23.
Schrott, Dr. Paul K. von ZZ4.
Schubart, Dr. J. H. Chrn. 28, 59,
182.
Schuchlin 232.
SchüddekopL Prof. Dr. Carl 58,
75. 178. 182; 7, 2, 24, 25.
Schulenburg. Werner von der 79Ö.
Schüler, Christian izi.
Schultheß-Mcyer, F. 2/7.
Schultz, Prof. Franz 77.
Schultz, Wilhelm 44.
Schulze & Co. 752, 797.
Schulzesche Hofbuchhandlung u.
Hofbuchdruckerei 6z.
Schumann, Georg 200.
Schumann, Paul 200.
Schumann, Robert 43.
Schur, Ernst 28, zzz.
Schüssler, Johannes 7.99.
Schuster & Loefflcr 135, 158; 74,
Schwab, G. <7.
Schwaiger, Hans Z83.
Schwamm, L. Z47.
Schwanz. Rudoll 6z.
Schwarimaier 70.
Schwenke, Dr. Paul 320.
Schwerin, John 20$.
Schwerins 793.
Schwind 224
Schwind. Moritz v. 64, 182.
Scott, Walter 60.
Seche, Alphonse 132.
Seemann, E. A. 730, 200.
Scgny, Rene 3.
Seiht, Wilhelm 16.
Selchow, Prof. Johann Heinrich
Christian von 89.
Sembritzki, Johannes 180, 181.
Semler, J. S. 24.
Semper zog.
Senftl, Ludwig 737.
Serre, Joseph 93.
Sentroul, Charles 63.
Seversen, Jan 790.
Sevin, Graf 73.
Seybold, Fr. 1x8.
Shakespeare 66; 8 , 77, 7 8, 44,
45 * 5 °* 53 , 58, 59* 94 - 117, Z33,
139 , 15b* I 97 ‘
Sharp, Granville 220.
Shaw, G. Bernard 9, 42. 43t 96,
139 ■
Shelley 7J9.
Siebmacher. J. 790.
Sienkiewicz, Henryk 77.
Silber, Eucharius 38.
Silhon, Jean de 43.
Silvestre, Israel 790»
Simeon, G. 790.
Simmel, Georg zoo.
Simmen, Johann Hermann 88.
Simoneau, Jules 32.
Simonnean 790.
Simonnet 6.
Simons, Anna 163.
Singer, Dr. Hans 6.
Singer, J. 96.
Slevogt Max 93, 96.
Smalian, Hermann 124-
Smith 760.
Smith, Alphonso 792.
Smith, Orrvin 97.
Senecas Morals z8.
Snob 77.
Soden. Professor von 165.
Sodoma 18.
Soldau Heppe 204.
Solms-Mintzerberg, Graf Johann
von 203.
Somxnanva. Giorgio 294.
Sommering, Samuel Thomas 76,
„ 174 . * 7 >
Somoff. Constantin Z63.
Sonntag; Carl 77.
Sophokles 66; 12.
Sophie Charlotte von Mecklen-
burg-Strelitx 78.
Sorel, Cecile 6.
Sorge, Wollgang 205,
Soter 767.
Sotheby 8, 44, 95, 7 02, 104, Z76.
Soussain, A. 76.
Souza, Robert de 4 , 5.
Spampanato, v. 47, 48.
Spangenberg 72.
Speckter. Otto 775, Z24.
Speidel 96.
Spemann, W. 63.
Spencer 133. 139.
Speyer, Sir Edgar zSo.
Spingarn, J. E. 140,
Spire, Andre 5, 4z , 42.
Spitta. August 779.
Spitteler, Carl 2x4, 21z.
Sprengel, Prof. Matthias Christian
78. 82.
Springer, Anton 200.
Springer. Max 282.
Staakmann, L. 706, 73/, 210.
Stägemann 703.
Stahl, Fritz zzz.
Stanley, Th. 7 40.
Stapfer, Albert 6.
Stauffer, Karl 69.
Stead, Mr. 136.
Stead. W. P. 95.
Stechard, Maria Dorothea 87.
Steele, R. 760.
Steen, Jan 93. 138.
Steffamno della Bella 98.
Steig, Prof. Dr. Reinhold 25—30.
Stein, Charlotte von 126, 174.
Stein, Fritz von X74.
Stein, Leo 8 .
Stein, Dr. Ludwig z8o.
Steiner, Franz 37, 183.
Steinlcin, Stephan 194.
Steinlen 9;, .37 174.
Stelle, Robert 777.
Stelzhammer, Franz 46, 20z.
Stendhal 3, 6 , 9.
Steppuhn, Dr. Friedrich 77.
Stern, Adolf zcq.
Stern, Carl Wilhelm 165.
Stevenson, Robert Louis 32, 139.
Stieler, Karl 22.
Stockum, van 13.
Stoffiet. Jean Nicolas 43.
Stoll. Prof. Adolf 109.
Stoop, Dirk Z37.
Storck, A. 57.
Storck, Willy F. 62.
Stradann xjj.
Stradanus 137.
Stransky, Frau Christine von 207.
Stransky, Otto von 207.
Strauß, D. F. 59.
Strauß, Emil 25.
Strecker. Johann Ludwig 108.
Street. G. E. 60.
Strentz, Henri 4.
Strenvels, Styn 60.
Strindberg 79, Z40.
Strodtmann 31, 58, 59, 181.
Stroehlin, Prot 6.
Stroehlin, Dr. Ernst 244.
Stromboli, Prof. 284.
Studniczka, Prof. 64.
Stülpnagel, Ernst 283.
Suar&s 3.
Suchier, Wolfram 762.
Suchtelen, Nico von zjS.
Sudermann 164.
Sudhoff. Dr. 223.
Sudhoff, Karl 294.
Suhro, P. F. 169.
Sun 28.
Suphan 797.
Suschitzky, Gebr. 9.
Süßenguth, Heinrich 766.
Susterman, G. 98.
Svoboda, Prof. Milan 77.
Swanevelt, H, 98.
Sweynheym 7/7.
Sweynheym & Pannartz 37.
Swift 134.
Symonds, Arthur 240.
Syrlin 737.
T
Tachauer, Heinrich 2.
Taft, Präsident 32.
Talander (August Bohse) 59.
Talma, Francois 43.
Tarkington, Booth 79.
Tascherau 163.
Tasso 66.
Tauler 72.
Tauer. Johann 43.
Tausche 13.
Tausig, Paul 9, zSj.
Taylor, William 120, 222, 264.
Teichner 26.
Teissedre, Gustav 64.
Tempel-V erlag 146, 147, 158; 25.
Tempesta, Antonio 737.
Teniel 98.
Teniers, D. 289.
Tennyson 97.
Terenz 70, 72.
Teuffel, Andreas 73.
Teupken, J. E. 797.
Thakeray 139» 17. 33.
Tharaud, Jean 3.
Tharaud, Jerome 5.
Theophilaktoff. H. 263.
Theramo, Jacques de 790.
Thibaron 144.
Thibaudet, Albert 93.
Thieme 18.
Thieme, G. J. 49.
Thoma, Hans X34.
Thouvemn 134.
Ticknov, George 73.
Tieck, Ludwig 792. 203.
Tiemann. Prof. Walter 3^; 49.
Tiepen, C. Harms 49.
Tiepolo 44.
Tiersort, J. 276.
Tilgbcr, A. zz, 48.
Tinayre 247.
Tintoretto 98.
Tissot, Ernest 3.
Tissot, J. 8.
Tittmaun, Julius 9, 14.
Tizian 98.
Tobler 203.
Tocco, Felice 47.
Toelken, Prof. 203.
Tolstoi, Leo 76, 42, 6z, 132. 232.
Tonstall, Cuthbert 7.
Töpffer 6 .
Toiaiu 97.
Tortorel 6.
Tory, Geoffroy 289.
Toulmin, H. A. 79.
Toumes, Jean de 6.
Tournes, Samuel de 244.
Tournaux, Georges A. 249, 232.
Toussaint, Maurice 93.
Träger, Albert 43.
Trapp, Hede v. 8.
Trautz-Bauzonnet 38. Z44.
Trebitzsch, Siegfried 9.
Trenck, Friedrich Fre.herr von
Z04, 180 — 181.
Trenkwald, Prof. 283.
Treßlcr 8 .
Trevieres, Pierre de 0?.
Troilo von Lessot, Johann Gott¬
fried 77.
Troll-Borostyani, Irma v. 9.
Tromlitz, A. 57.
Tromp, Cornelis Graf von 125.
Trösch, Dr. Ernst 209.
Triibncr & Co. 147.
Tschudi, Hugo von 63.
Tschu-Hsi 44.
Tshien-Lung 44.
Tudesq, Archri 6.
Tünger, Augustin 70,
Turgenjew / 6 . 700.
Turi, Johan Olafson 205.
Turner 17; 203.
Turrecremata, Johannes de 289.
Twain, Mark z8.
Tyndale 760.
u
Uccello, Paolo 98.
Uhl, Wilhelm 208.
Uhland, Ludwig 152, 154; 196.
Uhlen. S. v. 206.
Ullmann, F. zzz.
Ulrich, Herzog von Württemberg
7*.
Ulsenius 294.
Unger, Arthur W. 198.
Unger, K. K. Prof. Artur W. 214,
z8z.
Updike, Mr. 777.
Ursula, Herzogin 71.
Utino, Leonardus de igu-
Uzanne, Octave 65—69.
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CORNELL UNIVERSUM
VIII
Namen-Register 1912/13. Band I.
V
Vaccari 8.
Vachon, Marius 159, 163.
Vaganay, Hugues 43,
V.ullat, Leandre 02.
Valentin, Wilh. iiq.
Valentiner, Wilhelm R. 74.
Valery 161.
Valette, Alfred 132.
V all es, Jules 93.
Valli, Luigi 97.
Vandenhoeck und Ruprecht 107.
Vanderkmdere, L. 123.
Vanvitelli, Gaspare 9S.
Variot, Jean 93.
Varlct, Theo 5, 42, 43.
Varogmc, Jacobus de 95.
Varrentrapp 138.
Varthema 12.
Vasari 9*.
Vasse 6 .
Vattemare, Alexander 73.
Vauvenargue 162.
Veen, L. J. 795.
Veen, van 60.
Veit & Comp. 6 2.
Velde, J. v. 14(3.
Venne, A. v. d. 190.
Veranzio, Fausto 56.
Vergennes, Charles Gravier Graf
von 91.
Verhaeren, Emile 4, 5, 92, 112,
132, 18 9.
Verlaine, 12 , 137, 132.
Verne, Jules 63; 208.
Vernet. Carle 0. 137.
Veronese, Paul 44 •
Verrocchio, Andrea del 9S.
Versluys, W. 59.
Veyssie, Robert 92. •
Vibert 174.
Vico 48.
Victoria von England 134.
Vidier, A.
Vidossich, G. 48.
Viebig, M. Ernst Traugott 170,
171.
Viele-Griffin, Francis 5, 42, 93.
Viennot, W. 92.
Vierge 174.
Vieweg, friedrich 180.
Vigne, Pietro della 113 .
Vignon, Claude 160, 163.
Vigny, Alfred de 6. 43. 177 -
Vildrac, Charles 42, 43; 4, 41 ,
9 2.
Vdlon, F. 92 , 174.
Vincentius, B. 191.
Vinci, Leonardo da 9S.
Vincigucrra, M. 48.
Violet, Wilhelm 197.
Viollet-Le-Duc 163.
Visan, T. de 93.
Visconti 160.
Vitelli, G. 97.
Vitelli, Prof. 184.
Vito, Ettore 97.
Vitruv 72.
Vogelweide, Walter von der 50.
Voigt 13.
Voigt, Julius 204.
Voigt, Geheimer Rat von 26.
Voirol, Sebastian 42.
Voisin, Joseph 5.
Volkmann, Dr. Lt 113, 416, 1S1.
Volpi, Giuseppe 97.
Voltaire, 5, 43. 66, 134, 160 , 162.
Voogs, C. G. N. de ico■
Voragine, Jacobus de 190 .
Vorsterman, Willem öS.
Voß, Johann Heinrich 123. 125;
114, 209.
Voß, Julius 93.
Vossen 59.
Vredeman de Vriese 190.
Vries, R. W. P. de 5 t.
Vulpius 26.
w
Wachenrodei, Wilhelm Heinrich
’ 26.
Wackernagel, Martin 131.
Wadiin, Horace G. 73.
VVagenvoort, Maurits 100.
Wagner, Richard ./j, 104 , 184.
Waldman. Dr. Emil 02, 95.
Walker, Emery 64; 117.
Wallis, W. 92, 94.
Walhshausser, Joh. B. 43.
Walpurgis Verlag 23.]
Walser, Karl öS, 202.
Waller, Bernhard 70,
Walther, Oskar 7.
Walther, Pater Paul 203.
Walton 8, 33.
Walton, J. s 8.
Walzel, Prof. Dr. Oskar F. 1/4,
209.
Ward. A. W. /So.
Ward. L. 8.
Warner & Co., F. 44.
Warner, Philip Lee 117.
Waroquicr <//.
Warton, Edith ;o.
W r assermann, Jakob 9.
Watson, J. 94.
Watteau 194.
Watts 98.
Weber, Hans von 26, 1S9.
Weuer, K. M. von 43.
Wecken, Dr. Friedr. 123.
Wedckind, Prof. hx.
Weidling, Friedrich 208.
Weidlmeyer-Woipswede, Carl 72.
Weidmann ;n2.
Weidmannsche Buchhandlung 72.
Weigel, Adolf 124.
Weilin, Prof. Dr. Alexander
Ritter von j.
Weilen, Josef v. 191.
Weilen, Prof. R. v. 3.
Weinmann, J. G 32.
Weinstein, Joseph 779.
Weiß, Emil Rudolf 133—159; 23,
70,
Weiß, Dr. Otto 31.
Weitenhiller, M. v. 8.
Wekherlin, Wilhelm Ludwig 83.
Welhaven 209,
Wells 5.
Weiter, H. 4.
Wenck 178.
Wendeier, Camillus 4.
Wendt, Dr. Gustav 43.
Wengerow, S. A. 17.
Wenner 178.
Wergeland 209.
Wermuth, Wirkl. Geh. Reg. Rat
/So.
Werner, Hofrat Prof. Dr. Richard
M. 2. 3, 1 qj.
Wernsdorf it6.
Wertheimslein, Franzi von 1S2.
Wesselski, Albert 10S.
Wessenberg, J. H. v. 92, 93, 94,
95 -
Weule, Br. 121, 223.
Weyerman, J. Campo 190.
Weygandsche Buchhandlung 92.
Weyhe, Hans 192.
Whistler 98.
Whitmann 41.
Whitmayr, Walt 4.
Whittier 139.
Whittingham, Charles nö.
Wickersheimer, Dr. Ernst 43.
Widmann, Josef Viktor 210, 211.
Widner. H. Elkins 739.
Wicgandt, Ernst 200.
Wiel & Co., G. van der /SS.
Wieland 52, £'■>, 797.
Wiclsen, Dr. Grüner 187.
Wierix. A. 8.
Wiener, Hicronimus 137.
Wigand, Otto m { 10 9.
Wihl. Ludwig 110.
Wildbrett. Carl 119.
Wilkcn, F. 23, 24, 25.
Wilkinson 104.
Willette 7 74.
Wilson, John 28.
Wimphcling, Konrad 194.
Winckclmann J. 31.
Winkelmann, Otto 7/7.
Winkler, Dr. Arnold 1S2.
Witkowski, Prof. Dr. Georg 2,
JOS, iSq. 206, 2uS , 2uq, 223.
Wir, Fred de 57.
Witscn 31, 99.
Witte, Em. de 189.
Wittekindt, Johann Georg Emst
185 186, 188.
Wittmaun, Hugo 2.
Wittner, Otto 7^3.
Witz, Konrad 04, 75/.
Wisselingh, E. J. v. 99.
Wi'ter, Owen 79.
Woelfle, Alphons 709, 706, 202.
Woerden, Hugo Jansz van 99,
1 SS.
Wohnackher, Dr. Paul xi.
Wojenski, K. 7 s,.
Wolfram von Eschenbach 27.
Woltmann 194.
Wolf. Chr. 1Ö2.
Wolf, Hugo iS2.
Wolff 77, 131, 175; 776. 20 9.
Wolff, J)r. Hans 27.
Wolff. Kurt 113.
Wolff-Metternich, Graf Paul 7,
Wonsam. Anton ror.
Wurzbach, Dr. Alfred v. 182; 10
Wycliffe 44.
Wyß K. J. 272.
X
Xenien- Verlag 204.
Y
Young 66, 165.
z
Zainer, Joh. 190.
Zaracke 15.
Zaunert, Paul 193.
Zehmen, Oberleutnant von 167.
Zeitblom 7 3t-
Zeitler, Julius 7/.
Zeitlin, Leon 24.
Zeltler, Oskar 134.
Ziehen. Konrad Siegmund 127.
Ziesemer, Walther 24-
Ziffcrer, Paul 26.
Zimmermann 80, 82, £6.
Zimmermann, Christian Heinrich
, x 7^*
Zinunermann, Ernst 178.
Zimmermann, Johann Georg 78.
Zimmermann, Heinrich 797.
Zimmermann, Leutnant von 75,
178.
Zietz, Chr. 31.
Zobcltitz, Fedor von 7/2.
Zola, Emile 07, 173.
Zoozmann, Richard 23.
Zschock, Louise Charlotte von
182.
Zuloaga, Ignacio 92.
Zürcher, Otto 114.
Zwart, W. de 99.
Zweiniger, Artur 64.
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CORNELL UNfVERSSTV
. Schlagwort-Register
zur
Zeitschrift für Bücherfreunde.
Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1912/1913.
Band I.
Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf das Beiblatt.
A
Amateur d* Autographes, L’ 3.
Akademie der Wissenschaften,
Berliner 29.
Alexander VI. und sein Hof 143.
.Allgemeines Lexikon der bilden¬
den Künstler von der Antike
bis zur Gegenwart 180.
America, changing 140 -
America, Studies in contempary
r 39 -
Angekettete Bücher 21—85.
Anglo-Sächsische Chronik 168.
Antiqua oder Fraktur 107.
Art decoratif, L* gj, 133.
Art et les Artistes 133.
Artiste* et Penseurs 174.
Art und Decoration gj.
Arzneibücher 70.
Ashendene-Press T17.
Athenäum 4$.
Ausstellung für Buchgewerbe und
Graphik in Leipzig 1914, Inter¬
nationale 137.
Autographen 134.
B
Ballartyne-Press 7/7.
Batidcaux d’or 4, 177.
Bauernfeld-Stiftung 9.
Berliner Akademie igi.
Berühmte Besucher Badens 183.
Bibelkatalog der British and
Foreign Bible Society 21g.
Bibliographische Gesellschaft,
Engysche 224.
Bibliographisches Institut iq2.
Bibliophilenfamilie, Eine schwä¬
bische 69—75.
Bibliophilcn-Gesellschaft, Wiener
TO, Ol.
Bibliophiliana 22/.
Biblioteca Vittorio Emanuele 48.
Bibliotheka Spenccriana 180.
Bibliotheken der Zukunft 65—69.
Bibliotheken im Staate New York
t6.
Bibliothek.Königliche zu Berlin, 2;
1:3, 192 ■
Bibliothek Stroehün 144.
Bibliotheque du Louvre 159—164.
Bodleian Library, Oxford 57.
Bong. Goldene Klassikerbiblio¬
thek 24.
Book, An architekts sketch 13g.
Bookman, 52, 140.
Bostoner öffentliche Bibliothek
223.
Breviarium, Gnmmant 134.
British and Foreign Bible Society
sjg.
British Museum 43, 134,
Buchdruckausstellung in London
167. _
Bucheinbände 15a; 52.
Bücherauktionen 133I134,136 , 144.
Bücherei Maiandros 77.
Bücherformate 118.
Buchgewerbe 187.
Buchgewerbeausstellung, Inter¬
nationale, Leipzig 1914 j8t , 224.
c
Cabinet Gaiffe T44.
Cahiers du Centre, Les 5, 92, 176.
Cambridge University Press 117.
Canterbury Tales 180,
Caslon Type 117 .
Catalogus van boeken in Noord-
Neederland versehenen van den
vroegsten tydtotop heden /^5.
Chinesische Flöte 159.
Choisir 176.
Chronike von Brabant 189.
Chronique de Sb Denis 180.
Cid 170.
Clarendon-Press 7,
College, University 178.
Comfort found in cood old books
t8 .
Confession de la foy 144.
Crusoe, Robinson 19, 52.
Cuala-Press 117.
D
Daniel-Press 117.
Denkwürdigkeiten aus Alt-Öster¬
reich 183.
Deutscher Werkbund 16 /.
Didot Tarne, P. 6.
Dieterichsche Universitäts-Buch¬
handlung 31.
Discours eupon Love, A Platonick
140.
Divina Comedia 180.
Don Quixote iq, 180
Doves Press 117.
Drouot, Hotel 133.
Düsseldorf Artists Album, The
147.
E
Eckermann,Gespräche mit Goethe
17, 201 ; 25.
Effort 41.
Einbände 38, 117, 134.
Einbandstoffe 119.
Emporium 48 .
Endeavourtype 117.
Erogny-Press 117.
Essex-House-Press 117.
Eulenberg, Der Dramatiker 755.
Exlibris igo.
F
Faust 30.
Fechtbuch 72.
Federgrotesk 1S1.
Fell-Type 117.
Feu, Le 133.
Florence Press 117.
Fraktur oder Antiqua 107.
G
Gallery, Leicester 44.
Ganymedes-Presse 7/5.
Germ, The 102.
Germanisches Museum, Nürn¬
berg 2. 7, 18. 19.
Gesellschaft für biblische Ar¬
chäologie 133.
Gid i2.
Gil Blas 137.
Goetheana 91—96.
Goethe-Gesellschaft, englische
1S0.
Goethe-Society 24
Goethe und die Französische Re¬
volution 1S0.
Good Words 98.
Grande Revue 5. 42, 03, 133.
Graphischen Künste, Die 95.
Grillparzer-Ausgabe 191.
Grimmelshausen-Illustrationen 1
bis 21
Grimms Wörterbuch 5.
Groot-Nederland 100.
Gugeline 135.
Gymnasium zu Ingolstadt 70.
H
Hamerlings-Werke 23.
Handschriften igg.
Harpers Bazar 18.
Harpers illustrated Family Bible
t8.
Harpers Magazine 18.
Harpers Weckly 18.
Heidelberger Zeitungen 62.
Heimat 164.
Hellenistische Gesellschaft 133.
Hetärengespräche des Lucian, Die
163.
Hexenprozesse 204.
Hochland 182.
Hoe-Sammlung 57.
Hofbibliothek zu Stuttgart 6g.
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Gck igle
Hof- und Staatsdruckerei, K. u. K.,
Wien 114.
Holländische Lettern 4g.
Holzschnitt 97, m.
Homes du jour, Les 6.
Huth-Bibliothck 44, 180.
I
Illustrastrated, London News 97.
Imago 46.
Independance, L* gj, 177.
Inkunabel 72, 184, 18g.
Institution chretienne 144.
Internationale Ausstellung für
Buchgewerbe und Graphik in
Leipzig 19x4 113.
J
Januspresse 4g.
Japanese painting, on the laws of
tjn*
Jensontype 117.
Journeys to Venice and to the
Low Countries 140.
Jugend 137.
K
Kalender, 1.
Kaiser Friedrich-Museum 156.
Keimscott Press 63, 64, 102 ; 116,
117.
Kings Library 47.
Klassiker-Ausgabe, Meyers ig2.
Klassiker-Bibliothek, Goldene
IQ 2 .
Kunkelbriefe 5.
Kunst en Kunstleven 4g.
Kupferdruckpresse 56.
Kupferstichkabinett, Königliches,
Berlin 2.
Kürschners Nationalliteratur 2.
L
Landesbibliothek, Fulda 69.
Landesbibliothek, Stuttgart 69.
Languet and Sir Philip Sidney
Correspondence, Hubert 140.
Leder 11g.
Legend of Robert Duke of Nor¬
mandy, Tragicali 180.
Legenda aurea igo.
Leiht üotheken 43.
Lenau-Ausgabe 795.
Lese, Die 73.
l.iasons dangereuses 17.
Literarischer Verein 207.
Original from
CORNELL UNIVERSITY
X
Schlagwort-Register 1912/13. Band I.
Literaturgeschichte der deutschen
Stamme und Landschatten 799.
Livre. Le 173.
Lucinde 77.
Lustwäldchen, Das 164.
M
Magazyn voor Schilder en teeken-
kunst ij<y.
Malerei, Deutsche 133.
Manualdruck 777.
Marzocco 47, 97.
Maske, Die lachende 775.
Maximilian-Gesellschaft, E. 1. 220.
Medici Society Ltd., London 777.
Meister, Wilhelm 17.
Mer eure de France 4, 41 , 9^. 132,
ijji 77^, 1S2.
Merrymount-Press 777.
Meyers Klassiker-Ausgaben 792.
Miniaturen, Persische 74.
Modernes Verlagsbureau, Kurt
Wigand 760.
Monatsschrift für Bücherfreunde
7 tfii.
Mondflecken 132.
Mosher Press 777.
Musenalmanach, Göttinger 87.
Musikgeschichtliche Denkmäler
l8r.
Musiknotendruck 777.
N
Narrenschiff /, 75, 77, 225.
Nation, The 136, 160.
Nationalbibliothek, Pariser 162.
Neue Rundschau 63.
New Forest, The 98.
New York Public Library 759.
Nieuwe Gids 30, 700.
North American Review 52.
Nouvellc Revue Fran^aise 5, 42,
<> 3 -
o
Office de la Sainte Vierge 777.
Oldstyle 77.
Onze Kunst 4g.
Ostraka 29.
Otter Type 777.
Our mutual friend 18.
P
Pablo de Sigovie 174.
Pan 134; 5. 9/
Papier 7/9.
Passion, La 174.
Pergament 210.
Pentateuch 700.
Persisches Manuskript 134.
Petit Parisien, Le 4.
Phalange 43, 133. 177.
Plejade, La 4
PrärafFaeliten 60.
Press, The early Oxford 178.
Preßvereinsdruckerei 200.
Province, La 13}.
Punch 9$.
Puppenspiel von Goethe, Neu¬
eröffnetes moralisch-politisches
*?•
R
Raschers Jahrbuch 277.
Revue bleue 3, 42, 9 3, 133, 176.
Revue Francalse, Nouveile 777.
Revue. Grande 779.
Revue du Temps present 4, 5.
Review, North American /8-
Riccardi Press 777.
Riverside Press 52, 777.
Rockenbrief 5.
Rom, Aus dem alten 23.
Rousseau Ausstellung 162.
Royal Society of Literature 133.
Rubayat ijg.
Rudolfinische Drucke 772.
Ruxners Turnierbuch 70.
s
Schai-kgalerie 14S.
Schattenriß 140.
Schillers Werke 24.
Schrifttafeln des IX. bis XVI.
Jahrhunderts iqq.
Schritt für Schritt 7 36.
Schundliteratur 182.
Schund- und Schmutzliteratur 43,
220.
Seels World’* Press 7.
Seidlitz-Pilgramshain u. Främbs-
Neuwied, von 23.
Silhouetten 14t).
Simplizissimus 137.
Süddeutsches Antiquariat 7 66.
South Kensington Museum 44.
Speculum Sapientiae 7> .
Springer» Kunstgeschichte 200.
Stadtbibliothek Nürnberg 18.
Stundenbuch 18’g.
Subiaco-Type 777.
T
Tempel-Ausgaben 149, 154, 155,
158. 15 9i 62.
Teuerdank 72.
Theatermuseum, Amerikanisches
7 38.
Trachtenbuch 72.
Tristan und Isalde 23.
u
Universalhistorischer Atlas 1S0.
Universitätsbibliothek Tübingen
21.
V
Vale Press 117.
Verzeichnie der wichtigsten Mi¬
niaturenhandschriften d. könig¬
lich. Hof- und Staatsbibliothek
München 28.
Vogel, Der lose 70.
Vulgata 136.
w
Wappenbuch 72.
Weißfraktur 148, 149 154. 155; 62.
Wertheriana iB;-x88.
Wiener Bibliophilen-Gesellschaft
7 5 7.
Wiener Graphische Gesellschaft
iS 7.
Witte mier. De iS$.
Wockenbrief 3.
z
Zauberring, Der 24.
Zeitschrift des Vereins für Volks¬
kunde 4.
Zwiebelfisch 188.
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Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen
und die Illustrationen seiner Werke.
Von
J. H. Schölte in Amsterdam.
Mit 7 Abbildungen und 2 Tafeln.
L
W orte und Bild sind Korrelate, die sich immerfort suchen, wie wir an Tropen und Gleich¬
nissen genugsam gewahr werden. So von jeher, was dem Ohr nach innen gesagt
oder gesungen war, sollte dem Auge gleichfalls entgegen kommen. Und so sehen
wir in kindlicher Zeit in Gesetzbuch und Heilsordnung, in Bibel und Fibel, sich Wort und Bild
immerfort balanciren.“ Dieses Balancement zwischen Wort und Bild, von dem Goethe spricht,
diese gegenseitigen Beziehungen zwischen dem geschriebenen beziehungsweise gedruckten Text
und der bildlichen Vorstellung ist in hohem Grade für Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen
bezeichnend; nicht bloß, daß er fortwährend bemüht ist, durch „wol inventirte Kupfferstück“ die
Wirkung seiner Schüderungen zu heben, sondern manchmal geht auch von einer plastischen
Vorstellung der Impuls zu einer Auseinandersetzung oder Schilderung aus. Eine Erzählung aus
seinem „Ewigwährenden Calender“ — dieser fiir die Grimmelshausenforschung so bedeutungs¬
vollen Schrift — möge das verdeutlichen: „dieweÜ ich den Abend zuvor“ — so erzählt der
Verfasser eine Geschichte aus seinem Leben — „etlichen glatthärigen jungen Schwämen zu gefallen
mit meinem Hauswirth in eine Kunckelstuben zu Liecht gangen war, und (in) der alleranmuhtigsten
Dime-Kunckel ein Kupfferstück auf einem Bogen Papier gefunden, worüber ich mich eben so
sehr ab über die liebliche Spinnerin selbst vemarrete; Denn weü ich noch kein solches Exem¬
plar gesehen, kam mirs so frembd vor, und nachdem ichs mit Consens seiner Possessorin
herab genommen, setzte ich mich darhinter, und carresirte an statt der schönen Spinnerin
in jhren Kunckel-Brieff, und lobte bey mir selbst die artliche Invention des Autoris, indem
mich bedünckete, die verkehrte Welt könte sinnreicher, kürtzer und besser nicht abgemahlet
werden, als sie auff selbigem Brieffe entworffen war; Ja, ich bildete mir die Sach so steiff
ein, daß mir auch darvon träumte, dann da kam mir vor, wie der Ochse dem Metzger
metzelte, das Wild den Jäger fällete, die Fisch den Fischer frassen, der Esel den Menschen
ritte, der Lay dem Pfaffen predigte, das Pferd den Reuter tummelte, der Arme dem Reichen
gäbe“ — nicht „gace“, wie Kurz in seiner Grimmelshausenausgabe, Band IV, Seite 214, nach
der ersten Ausgabe des Calenders abdruckt und als „g’ätzte, das heißt zu essen gab, speiste“
erklärt — „der Bauer kriegte und der Soldat pflügte“ (Ausgabe 1677, Seite 108.)
Es ist deutlich, daß sich die mitgeteilte Stelle auf die Entstehung von Grimmelshausens
phantastisch-satirischer Sittenschilderung von der Verkehrten Welt bezieht: „Des Abenteuerlichen
Simplicü Verkehrte Welt, Nicht, wie es scheinet, dem Leser allein zur Lust und Kurtzweil:
Sondern auch zu dessen aufferbaulichem Nutz annemlich entworffen von Simon Lengfrisch
— er meint „Leugfrisch“ — von Hartenfels.“ Die Schrift war bis vor verhältnismäßig kurzer
Zeit nur in der Fassung der Gesamtausgaben bekannt — noch Bobertag schreibt in seiner
z. f. B. 1912/1913. 1
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2 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
Ausgabe von Grimmelshausens Werken (Kürschners National-Litteratur), Band HI, Einleitung
Seite 13: „Eine Einzelausgabe scheint nicht bekannt zu sein" — es findet sich aber jetzt ein
Exemplar in der Kgl. Bibliothek in Berlin, dessen Titelkupfer ich nebenstehend wiedergebe.
(VgL auch „Zeitschrift flir Bücherfreunde" Jahrgang H Seite 149). Man sieht, daß fast alle
Vorstellungen des Kupfertitels uns schon aus der Beschreibung im Calender bekannt sind:
der Ochs und der Metzger, das Wild und der Jäger, der Bauer und der Soldat, der Arme
und der Reiche. Die Erklärung des Titelkupfers hält sich natürlich eng an das in Rede
stehende Bild:
Der Hirsch den kühnen Jäger legt.
Der Ochs manchmahl den Metzger schlägt,
Der Arm dem Reichen Steuer trägt,
Zur Arbeit der Soldat sich regt,
Der Bauer in Waffen sich bewegt,
Solch Ding die Welt zu üben pflegt
Ist es also nicht im geringsten zweifelhaft, daß die Erzählung von dem „Kunckel-Brieff
der schönen Spinnerin" in Grimmelshausens Calender zu seiner „Verkehrten Welt" in Beziehung
gebracht werden muß, so erhebt sich jetzt eine andere Frage, nämlich, ob wir für die Er¬
zählung auch Beziehung zur Wirklichkeit vorauszusetzen haben. Da ist nun zweierlei zu unter¬
scheiden: erstens ob wir annehmen müssen, daß die Anregung zu Grimmelshausens „Verkehrter
Welt" tatsächlich von einem Kupferstich ausgegangen sei, zweitens ob die Umstände, unter denen
er das Kupferstück aufgefunden haben will, mit der Wahrheit übereinstimmen. Daß Grimmels¬
hausen mit seiner Erzählung eine bewußte Anspielung auf seine „Verkehrte Welt" machte, kann
man nicht bezweifeln; wenn man dabei weiter beachtet, daß der Calender überhaupt viel
Persönliches und auch Kontrollierbar-Wahres enthält, wenn man bedenkt, daß ähnliche Kupfer¬
blätter von der „Verkehrten Welt" auch zu seiner Zeit nicht selten waren und sich fürs XVIL
Jahrhundert ein paar starkverwandte Darstellungen nachweisen lassen, dann ist die Annahme
berechtigt, daß eine bildliche Vorstellung von der „Verkehrten Welf 1 bei Konzeption oder Aus¬
führung der Grimmelshausenschen Schrift eine Rolle gespielt haben wird. Die andere Frage,
ob man den näheren Umständen, unter denen der Fund geschehen sein soll, auch Glauben bei¬
messen darf, scheint mir äußerst zweifelhaft; der humoristische Gegensatz zwischen dem leb¬
haften Interesse des jungen Mannes für das tote Bild und der Vernachlässigung der schönen
Besitzerin weist hier meines Erachtens auf eine rein-literarische Einkleidung hin. Nur ist es
möglich, daß Grimmelshausen für die Lokalisierung seiner anekdotenhaften Erzählung in einer
Spinnstube eine bestimmte Veranlassung hatte. Die Bezeichnung „Kunckel-Brieff“ könnte uns
da den Weg zeigen.
Über dieses Wort „ Kunckel-Brieff* findet sich an der Stelle, wo man zunächst sich zu
orientieren geneigt ist — dem vorzüglichen K-Band des großen deutschen Wörterbuchs —
leider nichts. Es läßt sich aber wohl etwas darüber nachweisen. Eine zweite Stelle, aus der
mir das Wort bekannt ist, bildet zu der Grimmelshausenschen Erzählung eine erwünschte Er¬
gänzung, da es da wirklich als Bezeichnung eines Kupferstichs — eine richtigere Vorstellung
bekommt man vielleicht durch das Wort Bilderbogen, wenn man nur nicht außer acht läßt, daß
es sich um ein in Kupfer gestochenes Blatt handelt — verwendet wird. Von diesem „Kunckel-
Brieff“ ist sowohl in dem Germanischen Museum in Nürnberg als im Königlichen Kupferstich¬
kabinett in Berlin ein Exemplar vorhanden; er enthält in vier Reihen sechzehn kleine Bilder,
die durch die Unterschriften genügend charakterisiert werden:
Ein dorff in einem Bauren saß,
Der gerne leffel mit milch aß,
Sampt einem grossen Wecke,
Vier häuser hat sein Ecke,
Vier wagen spandt er für sein pferdt,
Sein küch stunde mitten in dem herd,
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Titelkupfer zur „Verkehrten Welt" (1672). Nach dem Original in der Königlichen Bibliothek in Berlin. ('/1 Größe.)
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4 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
Vol stadel war sein hewe,
Sein hoff lag in dem strewe,
Sein stall stundt mitten in dem Roß,
Sein offen in das brod er schoß,
Auß keß macht er gutt Milche,
Von Juppen war sein zwilche,
Er schlug die haw auß der gruben,
Vnd Feldacker auß den Rüben,
Mitt garben Tröscht er Flegel,
Auff der spitz stellt sein kegeL
Auch hier handelt es sich, wie man sieht, um eine Art „Verkehrte Welt“, wenn auch die
Art der Vorstellungen eine ganz andere ist Der Titel dieses Blatts, von dem sich eine Nach¬
bildung bei H. Boesch, Kinderleben in der deutschen Vergangenheit, 1900, Tafel zu Seite 72,
und in dem neuerdings erschienenen reichhaltigen Werk von Van Heurck und Boekenoogen:
Histoire de PImagerie Populaire Flamande et de ses Rapports avec les Imageries £trangires,
Bruxelles, 1910, p. 609, findet, lautet: „Ein Newer Kunckelbrieff Die widersinnige Weldt genandt“.
Diese „widersinnige Welt“ hat eine literarisch interessante Vorgeschichte; derselbe Gegen¬
stand findet sich nämlich schon in stark übereinstimmender Form bei Hans Sachs in dem Ge¬
dicht: „Der verkert pawer“, 1531.
Ein dorf in einem pauren sas,
Der geren müch vnd loffel as
Mit einem grosen wecke;
Vier wegen spant er an ein pfert.
Sein küch stant miten in dem hert,
Vier haws so het sein ecke;
Wol vmb sein zaun so ging ein hof,
Aus kes macht er vil milich,
In das prot schos er sein packof;
Von gippen war sein zwilich.
Miten in seinem offen stand sein stueben,
Feit grueb er aus den rueben,
Vol stadel lag sein hay,
Aß zwey pad auf ein ay.
Das Gedicht besteht aus drei Strophen und findet sich in der Ausgabe von Goetze und
Drescher: Sämtliche Fabeln und Schwänke von Hans Sachs, im dritten Band unter Nummer 23.
Ob eine zeichnerische Vorlage dieses Stoffs zu Hans Sachsens Zeit schon existierte, ist nicht
nachgewiesen; denkbar ist es immerhin, daß Hans Sachs in einem humoristischen Holzschnitt
Anregung für sein Gedicht gefunden hat, sicher ist es jedenfalls, daß umgekehrt der Wortlaut
des Hans Sächsischen Gedichts die bildliche Darstellung dieser „Widersinnigen Welt“ beeinflußt
hat Daß das oben beschriebene Kupferblatt aus dem XVII. Jahrhundert auf eine ältere Vor¬
lage zurückgeht, kommt mir in diesem Zusammenhang wahrscheinlich vor. (Vgl. auch ,Bilder¬
gedichte des XVn. Jahrhunderts, gesammelt von Camillus Wendeier“, nach dem Tod Wendelers
veröffentlicht in der „Zeitschrift des Vereins flir Volkskunde“ von J. Bolte, XV. Jahrgang, Seite
27fr. und Seite 150fr.)
Aus den beiden Kunkelbriefen aus dem XVII. Jahrhundert, die wir oben kennen gelernt
haben, geht also mit Gewißheit hervor, daß Bilderbogen in der Spinnstube eine bestimmte Ver¬
wendung fanden; aus Grimmelshausens Erzählung ergibt sich weiter, daß der Kunkelbrief
irgendwo befestigt war, denn er sagt: „nachdem ichs mit Consens seiner Possessorin herab ge¬
nommen“. Woher er es genommen hat, sagt er nicht; er durfte das bei seinen Lesern als
bekannt voraussetzen. Wir, die wir über so vieles, was Sitten und Gebräuche der Spinnstube
betrifft, trotz Beham und Fischart, trotz Scherzgedichten und Kupferstichen, nur unvollständig
orientiert sind, stoßen bei der genauen Deutung dieses Wortes auf Schwierigkeiten. Das Wort
„Brief 11 kann zur Verdeutlichung des Begriffs nur wenig beitragen; es ist etymologisch be-
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Qrigiral frorn
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 5
kanntlich die germanische Entwicklung einer gedehnten Form des lateinischen „brevis“ (zu
ergänzen etwa „libellus“) und heißt ursprünglich „kurzes Schreiben, Urkunde“; durch Begriffs¬
erweiterung wird es dann für „Geschriebenes“ überhaupt verwandt, und daneben auch für
„Gezeichnetes“ respektive „Gestochenes“; Grimms Wörterbuch gibt dafür folgende Umschrei¬
bung: „bemahltes pergament oder papier, 1 wie im mittelalter große buchstaben und Ver¬
zierungen zu der schrift gemahlt wurden, und die Wörter mahlen und schreiben sich
berühren.“ — Mehr Stütze haben wir von dem bestimmenden Teil des Kompositums zu er¬
warten; „Kunkel“ ist bekanntlich für den südwestlichen Teil von Deutschland die gewöhnliche
Bezeichnung für den zu spinnenden Flachs mit oder ohne Kunkelstock oder auch für den Stock
selbst also derselbe Begriff, der in andern Gegenden Deutschlands durch „Rocken“ und in
einem kleineren Teil von Niederdeutschland durch „Wocken“ angedeutet wird. Für „Kunkel¬
brief* darf man also auch „Rockenbrief* bezw. „Wockenbrief* — beide Formen finden sich —
einsetzen und das eine durch das andere erklären. Das Wort „Rockenbrief* ist mehrfach be¬
legt; in Diefenbachs Glossarium latino-germanicum, Frankfurt a. M., 1857 wird es mit „coli-
folium“ übersetzt und in Jacobssons Technologischem Wörterbuch, Berlin 1781-1795 findet
man eine Erklärung; man hat darunter ein Blatt steifes Papier zu verstehen, welches um den
Flachs am Spinnrocken gebunden wurde, um ihn vor dem Zerzausen zu bewahren. (Vgl.
Grimms Wörterbuch L v. Rockenbrief, Rockenpapier, Rockenfell, Rockenblatt.) Daß das
Wort „Rockenbrief“ auch mit Bezug auf büdliche Darstellungen in der Spinnstube ge¬
braucht worden ist, kommt mir wahrscheinlich vor, um so mehr als mir für das Wort
„Wockenbrief* eine beweiskräftige Stelle bekannt ist „Dieses Wockenbriefchen bestes Kind
wird Dir heut zugeschickt; Nimmst Du ihn gütig auf, so bin ich ganz beglückt**, so heißt es
auf einem mit Rosen- und Blättergirlanden geschmückten Blatt, das im Anfang des XIX.
Jahrhunderts in der Offizin von D. F. Gerlach in Halle a. S. gedruckt wurde. Es handelt sich
hier um eine ganz andere Art Arbeit und die Verwendung dieses „Wockenbriefchens“ wird auch
eine ganz andere gewesen sein, aber bei der Erklärung der Bezeichnung „Wockenbriefchen“ wird
man die Bedeutung des Wortes „Kunkelbrief** nicht vernachlässigen dürfen. Von dem „Wocken¬
brief** aus dem Verlag Gerlach werden vermutlich noch viele Exemplare bewahrt sein; mir liegt
eins vor aus der reichen Sammlung Bilderbogen von Dr. G. J. Boekenoogen in Leiden (Holland);
die Beschreibung findet sich in dem oben zitierten Werk von Van Heurck und Boekenoogen,
L’Imagerie Flamande, Seite 614 und 626. Es wäre erwünscht, wenn Gelehrte und Sammler
über die Begriffe „Kunkelbrief, Rockenbrief, Wockenbrief** Näheres zur Veranschaulichung
unserer Vorstellung beibringen könnten, daß sie im Anschluß an das obenstehend Mitgeteilte
ihre Ergänzungen veröffentlichten.
Zur Verdeutlichung des Begriffes „Colifolium“ erlaube ich mir noch ein paar Stellen aus
der Beschreibung der Spinnstube zu zitieren, die sich in Goethes Wilhelm Meisters Wandeijahren
(Drittes Buch, fünftes Kapitel, Lenardos Tagebuch) befinden: „Die Spinnende sitzt vor dem Rade,
nicht zu hoch; Mehrere hielten dasselbe mit über einander gelegten Füßen in festem Stande,
Andere nur mit dem rechten Fuß, den linken zurücksetzend. Mit der rechten Hand dreht sie
die Scheibe und langt aus, so weit und so hoch sie nur reichen kann, wodurch schöne Be-
1 Aach im Holländischen hat das Wort „brief“ dieselbe Entwicklung durchgemacht; das „Woordenboek der
Nederlandsche Taal“ sagt darüber ungefähr Folgendes: „Die allgemeine Bedeutung: beschriebenes oder bedrucktes Blatt
Pergament oder Papier konnte auch auf Kupferdruck angewandt werden; so scheint „brief 4 * früher überhaupt in der Be¬
deutung Bild, sei es Kupferstich, Holzschnitt oder Radierung, sei es farbig oder schwarz, sei es mit oder ohne Unter¬
schrift in Buchdruck, gebraucht worden zu sein. Das Wort wurde mithin für diejenigen Bilder respektive Bilderbogen
gebraucht, die von alters her unter dem Volk verbreitet waren und als Wandschmuck benutzt wurden; ob es auch für ein
Gemälde auf Leinwand oder Holz angewandt wurde, läßt sich aus den erhaltenen Stellen nicht ermitteln. 44 Das genannte
Wörterbuch zitiert unter anderem eine Stelle aus Bredero (1585—1618): „Maer watte moye brieven heb gy hier!
jemy, dit is ien reyn taferiell 44 — Als deutsche Parallele könnte man daneben folgendes Beispiel aus Paulis „Schimpf
und Ernst 44 stellen: „da knüwt sie nider für ein brieff, da was ein crncifix an gemalt 44 — Vgl. auch die in der Kultur¬
geschichte so bekannte Bezeichnung „Briefmaler“, wofür ich nachstehende Stelle aus Fischarts Gargantua anführe: „eben
wie ein predigkauzischer briefmaler malet und dicht 44
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6 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
wegungen entstehen und eine schlanke Gestalt sich durch zierliche Wendung des Körpers
und runde Fülle der Arme gar vortheilhaft auszeichnet; die Richtung besonders der letzten
Spinnweise gewährt einen sehr malerischen Kontrast, so daß unsere schönsten Damen an wahrem
Reiz und Anmuth zu verlieren nicht furchten dürften, wenn sie einmal anstatt der Guitarre das
Spinnrad handhaben wollten. . . . Dem beschriebenen Rädligam ist jedoch das Briefgam
vorzuziehen. Hiezu wird die beste Baumwolle genommen, welche längere Haare hat als die
andere. Ist sie rein gelesen, so bringt man sie, anstatt zu krämpeln, auf Kämme, welche aus
einfachen Reihen langer stählerner Nadeln bestehen, und kämmt sie; alsdann wird das längere
und feinere Theil derselben mit einem stumpfen Messer bänderweise (das Kunstwort heißt ein
Schnitz) abgenommen, zusammengewickelt und in eine Papierdüte gethan, und diese nachher an
der Kunkel befestigt Aus einer solchen Düte nun wird mit der Spindel von der Hand ge¬
sponnen; daher heißt es aus dem Brief spinnen, und das gewonnene Garn Briefgam.“
Ich möchte nun für die Ausdrücke „Kunkelbrief“, „aus dem Brief spinnen **, „Briefgam?*
folgende Bedeutungsentwicklung vermuten. Die ursprüngliche Bezeichnung fiir die Düte am
Kunkelstock mag „Kunkelblatt* oder „Kunkelpapier**, vielleicht auch „Kunkelband** oder
„Kunkelschnur** gewesen sein, und die Bezeichnung „Kunkelbrief** wird erst dann aufgekommen
sein, als man für die Düte nicht beliebiges Papier, sondern vorzugsweise bezeichnetes oder be¬
drucktes verwandte. War zunächst also der Begriff „Brief* der hinzukommende Bestandteil,
so wird allmählich vermutlich das Wort „Kunkelbrief* die gewöhnliche Bezeichnung geworden
sein, wobei das Kennzeichen des Bemalten nicht mehr als wesentlich empfunden wurde;
so gewöhnlich wurde die Bezeichnung „Kunkelbrief*, daß man in gewissen Verbindungen
den bestimmenden Teil fortlassen und einfach „aus dem Brief spinnen** ohne Furcht vor
Mißverständnis sagen konnte, so daß das aus dem Brief gesponnene Gam den Namen
„Briefgam** erhielt Die Weiterentwicklung, daß der „Brief* dann auch fiir die Quantität
des Gams gebraucht wurde, findet vielleicht eine Fortsetzung in dem Ausdruck „ein Brief
Stecknadeln**, es sei denn, daß man hier Anlehnung an die alltägliche Bedeutung von
Brief mit besonderer Beziehung auf das Gefaltetwerden annehmen will. Es braucht wohl
kaum bemerkt zu werden, daß das vom Kunkelbrief Gesagte sich mutatis mutandis auch
auf Rockenbrief respektive Wockenbrief anwenden läßt, und daß Ausdrücke wie die von Goethe
erklärten sich ebensowohl in einem Gebiet, wo man von Rocken oder Wocken sprach, ent¬
wickelt haben können, als in den Gegenden, wo Kunkel die gewöhnliche Bezeichnung war.
Die oben angeregte Frage, woher der junge Mann in „der alleranmuhtigsten Dime-Kunckel“
den Kunkelbrief genommen habe, läßt sich also jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit dahin
beantworten, daß er ihn von dem Kunkelstock herabnahm. Weitere Fragen, wie der Kunkel¬
brief an dem Kunkelstock befestigt war, und wie man es sich vorstellen muß, daß der Kunkel¬
brief trotz der Dütenform genau zu betrachten war, vermag ich nicht zu beantworten. Auch
über die interessante Frage, ob der Kunkelbrief nicht auch, wie so manches in der Spinnstube,
in dem Verkehr zwischen den jungen Mädchen und den jungen Männern, eine besondre Be¬
deutung gehabt hat, wäre mehr Licht erwünscht. Denkbar ist es, daß ein hübsch gezeichneter,
ein witzig entworfener Kunkelbrief ein beliebtes Geschenk fiir eine begünstigte Spinnerin gewesen
ist; die spätere Entwicklung des „Wockenbriefchens“, die ich oben andeutete, und bei der wir
sehen, daß sich der junge Mann auf dem Wockenbrief an die Spinnerin richtete, sei es, um
sich Einlaß fiir die Spinnstube zu erbitten, sei es, um seine Liebe zu erklären (Van Heurck
und Boekenoogen, a. a. O. Seite 626), läßt es vermuten. 1
z Zu obenstehender Vermutung stimmt die Erklärung des Wortes Spinnrockenblatt aus Krimi tz’ „Ökonomisch¬
technologischer Encyclopädie“, 159. Theil, Berlin 1833, Seite 99: „ein Blatt Papier, welches entweder nur einfarbig ist,
oder mit verschiedenen bunten Schnörkeln, Figuren etc. ist bemalt worden, und um den Flachs etc. anf dem Rocken
gewunden und mit einem Bande befestiget wird. • . dergleichen Rockenblätter werden auch wohl mit Leinwand gefuttert
und mit farbigem Bande rund herum eingefaßt So wie man sie ehemals auch mit Gold, Silber, Flittem etc. verziert
fand, an deren Stelle jetzt eine einfache Malerey getreten ist; obgleich es auf dem Lande noch hin und wider sehr bunte
und mit Silber und Gold geschmückte Rockenblätter giebt, welche den Spinnerinnen von ihren Freunden und Geliebten
verehrt werden.“
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 7
Es wäre interessant, wenn sich ein Exemplar des Kunkelbriefs, den Grimmelshausen in
der Stelle aus seinem Kalender beschreibt, auffinden ließe. Kurz sagt mit Bezug darauf: „Bilder¬
bogen, auf denen die „Verkehrte Welt“ dargestellt wird, wo zum Beispiel das Schwein den
Metzger schlachtet, das Kind den Greis wiegt usw. kommen schon früh vor, doch kann ich
leider Näheres nicht nachweisen.“ (Band IV, Seite 442). Das Germanische Museum in Nürn¬
berg bewahrt ein Blatt aus dem XVII. Jahrhundert, das unter seinen 25 Einzelbüdem einige
von den von Grimmelshausen erwähnten enthält; ein jüngerer und in Einzelheiten etwas
abweichender Druck dieser „Verkehrten Welt“ mit dem Stechervermerk: „Paulus Fürst excudit“
ist im Besitz des Herzoglichen Museums in Braunschweig und wird von Bolte in der oben
zitierten Veröffentlichung von Wendelers hinterlassener Studie über die „Bildergedichte des
XVII Jahrhunderts“ beschrieben; ein drittes Exemplar befindet sich in der Kartensammlung in
der Königlichen Bibliothek in Berlin. Nach diesem Exemplar ist das Faksimile angefertigt
worden, das als Beilage I dieses Heft begleitet. Wenn es auch nicht auf dasselbe Exemplar
zurückgeht, das Grimmelshausen Vorgelegen haben mag, so gibt es doch von dem Blatt,
das ihn so stark interessierte, eine annähernd richtige greifbare Vorstellung.
Außer der „Verkehrten Welf* bewahrt das Germanische Museum in Nürnberg noch zwei
Blätter, die offenbar desselben Ursprungs sind: „Die Widerwertige Welt“ und „Die Torechte
Welt“. Die „Widerwertige Welt“ zeigt, wie aus nachstehender Mitteüung der Unterschriften
genügend hervorgeht, mit der „Verkehrten Welt“ stofflich eine große Übereinstimmung:
1. Ein zigainerin last ihr warsagen.
2. Der glehrte thut den bauren fragen.
3. Ein alter thut wol kindisch thaten.
4. Das Kind dem alten gibt auf zurathen.
5. Der knecht sicht zu, der Herr arbeit.
6. Der Esel seinen meister reitt.
7. Die Fraw der magdt folgt vnd serviert.
8. Der baur der pflügt, der Ochs regiert.
9. Die Kuh dem Esel auflf hoviert
10. Der wagen hie die Ochsen füert
11. Die Saw dem Metzger sengt vnd plagt
12. Der Esel seinen Meister zwagt.
13. Auff dissem Meer dieser hie Mäht
14. Auff grüner heidt zu Fisschen geht.
15. Der Fisch den fisscher offt erlangt.
16. Das hun den Hünerfänger fangt
17. Ein hauß auff dem Eijß dieser bawt
18. Ein grub er in dem waßer hawt.
19. Der Han den Fuchsen überlist
20. Die Mauß der Katzn ein falstrick rüst.
21. Das hun hie nach dem Habicht flücht (zu lesen: fleucht).
22. Die Daube nach dem Falken steigt
23. Der hund vorm Haasen forchtsam laufft
24. Der Raab sich mit dem Adler Raufft
25. Daß königlein ihn auch erschreckt.
26. Die Geiß den Löwen hart anbleckt
27. Der Amboß fleugt nun unverhofft.
28. Der mülstein schwimt empor gar offt
29. Der thura hie in der klocken schwanckt.
30. Der Galgen an dem diebe hangt.
Ein späterer, etwas abweichender Druck befindet sich in dem Herzoglichen Museum in
Braunschweig und wird von Wendeler-Bolte a. a. O. beschrieben. Das Kupferblatt von der
„Torechten Welt“ hat einen ausgesprochen satirischen Charakter und geißelt die verschiedenen
Torheiten der Menschen.
Vermutlich werden die bildlichen Darstellungen der „Verkehrten Welt“ wohl noch
weiter als in den Anfang des XVH Jahrhunderts hinein zurückgehen; wie wir gesehen haben,
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8 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
wird in der Literatur (Hans Sachs) das Thema schon viel früher in mannigfaltiger Ausarbeitung
behandelt — Einzelzüge lassen sich noch viel weiter zurückverfolgen, vgl. Bolte, Zeitschrift des
Vereins für Volkskunde, Jahrgang XV, Seite 158fr. —; und in anderen europäischen Ländern
haben sich Darstellungen aus dem XVI. Jahrhundert bewahrt Für Holland kenne ich ein Bild
aus dem Jahre 1579, welches das „Prentenkabinet“ des Reichsmuseums in Amsterdam besitzt
und das bei Drugulin im „Atlas Historique“ unter Nr. 563 verzeichnet wird. Es hat nicht die
charakteristische bilderbogenartige Einteilung der besprochenen Bilder, sondern enthält eine
Komposition, eine Satire auf den religiös-politischen Zustand in Holland; Heuchelei und Despotismus
haben die Weltkugel (mit dem Jahr 1567) umgestürzt, Treue und Liebe schlafen, in der Feme
sieht man eine Landschaft auf den Kopf gestellt. Das Blatt hat die Bezeichnungen: M. v. Cleef
nv., W. Haecht comp., A. Wierix sc. — Auch in Italien greifen die Darstellungen der „Ver¬
kehrten Welt“ bis in das XVI. Jahrhundert zurück; das Königliche Kupferstichkabinett in Berlin
besitzt einen großen Kupferstich von Ferdinando Bertelli mit der Überschrift: II mondo alla
riversa, auf dem sich fünf Reihen Bilder, unter anderem der reitende Knecht und der
gehende König befinden. Und Van Heurck und Boekenoogen machen auf einen Katalog der
Firma Vaccari aus dem Jahr 1614 aufmerksam, in dem auch eine Darstellung der „Verkehrten
Welt“ Vorkommen soll.
Eine viel größere Entwicklung haben die Darstellungen' der „Verkehrten Welt“
natürlich nach dem XVII. Jahrhundert erfahren; im XVIIL Jahrhundert sind sie in allen
europäischen Ländern häufig; sie haben dann schließlich die Wandlung durchgemacht,
welche alle Kupferstiche und Holzschnitte dieser scherzhaften Gattung über sich haben
ergehen lassen müssen, daß sie nämlich das Interesse der Erwachsenen auf die Dauer nicht
mehr zu fesseln vermochten, und nur noch zur Unterhaltung der heranwachsenden Generation
als KinderbÜderbogen ihren Zweck erfüllten. In dieser Gestalt lebten die Vorstellungen von
der „Verkehrten Welt“ noch in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, sind sie vielleicht
noch nicht ausgestorben oder werden sie sonst leicht wieder aus zeitweiliger Vergessenheit
auferstehen.
Ist also der Einfluß dieser Vorstellung von der „Verkehrten Welt“ auf die Grimmels-
hausensche Schrift unzweifelhaft, so soll damit nicht gesagt sein, daß sich der Inhalt dieser
Schrift ohne weiteres aus diesen Vorstellungen entwickelt hätte; im Gegenteil bin ich mehr ge¬
neigt, anderen Einflüssen, zum Beispiel dem Moscherosch’s, größere Bedeutung in dieser Hinsicht
einzuräumen; daneben enthält die Schrift auch Motive, die sich in Grimmelshausens Erstlings¬
werken, den satirischen Gesichten und Traumgeschichten, finden. Die Verknüpfung mit den
bildlichen Darstellungen der „Verkehrten Welt“ scheint mir also eine sekundäre zu sein; ob der
Zufall, daß ein bestimmtes Kupferblatt dem Dichter während seiner Arbeit an dieser Schrift
unter die Augen gekommen sein mag, dabei modifizierend eingegriffen hat, oder ob von vorn¬
herein eine seitliche Berührung mit diesem Stoff geplant gewesen ist, läßt sich schwer ent¬
scheiden; bezeichnend bleibt jedenfalls, daß der Titel eine bewußte Anlehnung an die Dar¬
stellungen von der „Verkehrten Welt“ ausdrückt. Wie also einerseits die bildliche Darstellung von
der „Verkehrten Welt“ die Grimmelshausensche Schrift der Einkleidung nach beeinflußt hat, so
hat der Dichter andrerseits die Wirkung dieser Einkleidung durch sein charakteristisches Titel¬
kupfer mit der Seite 2 mitgeteilten Erläuterung zu heben gesucht. Mit diesem Titelkupfer der
„Verkehrten Welt“ (Faksimile-Reproduktion Seite 3) und den dazu gehörigen Versen ist also
der Ring geschlossen.
n.
Eine ähnliche korrelative Beziehung findet sich bei einer früheren Schrift „Der Erste
Beemhäuter“, einer Erzählung über das bekannte Motiv von dem Mann, der sich infolge
eines Versprechens jahrelang nicht reinigen darf. Dieses weitverbreitete Sagenmotiv, das seine
bekannteste Bearbeitung wohl in Grimms „Kinder- und Hausmärchen“, Nr. 100 und 101, ge¬
funden hat, wird von Grimmelshausen an die Schlacht bei Nikopoüs (1396) angeknüpft. Er
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 9
erzählt, wie ein aus dieser Schlacht entronnener Landsknecht so arm geworden sei, daß er
sich dem Teufel ergeben und versprochen habe, ihm sieben Jahre zu dienen, dadurch daß er
sich während dieser Zeit nicht reinige, niemals bete, jede Nacht in der Gespensterstunde eine
Stunde Schildwache stehe und eine Bärenhaut als ausschließliche Kleidung und als Bettzeug
gebrauche. Der Bärenhäuter hält sein Versprechen und wird dafür am Ende der sieben
Jahre belohnt. Ein vornehmer Herr besitzt drei schöne Töchter, die sich so ähnlich sehen,
daß sogar die Mutter sie oft nicht zu unterscheiden vermag. Wenn es dem Bärenhäuter
gelingt, sie auseinanderzukennen, soll er eine zur Frau wählen dürfen, wo nicht, so soll er
samt seinem Eigentum dem betreffenden Herrn mit Leib und Leben verfallen sein. Der
unerkannt, zwischen die
zwei ältesten Töchter
gesetzt: er gibt sich
aber zu erkennen und
heiratet zur Enttäu¬
schung der zwei älteren
die jüngste Tochter.
Grimmelshausen
will durch diese Er¬
zählung den „Ursprung
des Namens Beern-
häuter“ aufgedeckt
haben, wie sich aus
der Einleitung seiner
Erzählung zeigt: „Aber
auff demSchloß Hohen-
Roth hat sich ein uhr¬
altes Gemähld gefun¬
den, davon auch bey-
gefügtes Bildnüß copirt
worden, mit nach¬
folgendem Bericht, wo¬
raus dieser Name ent¬
sprungen“. Über die
Deutung dieses„Hohen-
Roth“ sind die Mei-
__1 _r._• ui* U „ „ Holischnitt aus dem „Ersten Beernhäuter** (1670).
nerschaft reichlich aus- Nach dcm 0riginal in der umvcrsität*bibiiothek-Göumgen. nungen sehr geteilt,
statten. Darauf kommt (Jost Ammans Kartenspielbuch. 1588. Blatt 5a) Heinrich Kurz, Simpli-
er zurück und wird, ( /l Grolic ' ) dänische Schriften IV,
Seite 454, fragt: „Ist es das Dorf Hohenrod ein Hannover, Landdrostei Hildesheim, oder das Dorf
gleichen Namens in Kurhessen, Landgerichts Rinteln, oder Hohenroth in Bayern, Provinz Unter¬
franken, Landgerichts Neustadt?“ — Julius Tittmann sagt, Simplicianische Schriften I, Seite 247: „Sollte
eine bestimmte Örtlichkeit gemeint sein, so ist dieselbe in der Nähe des Rheins zu suchen; ein kleines
Dorf des Namens liegt in Nassau, Amt Herborn“. — Professor Gaismaier aus Wien, der in einer inter¬
essanten folkloristischen Studie „Die Bärenhäuter-Sage“ (Jahresberichte des K. K. Staatsgymnasiums
Ried für 1903/04) auf Grund von Pfaffs Ausgabe von Arnims „Trösteinsamkeit“ (Freiburg i. B,
zweite Auflage 1890, Seite 218) noch eine neue Lokalisierung, eine Burg „Hohinrot“, bei
Obrigheim, gegenüber Neckarelz, anführt, sagt mit Bezug auf diese Lokalisierung: „Mit der
Ortsangabe Grimmelshausens läßt sich kaum viel anfangen, wenn man nicht überhaupt viel¬
mehr annehmen muß, daß man es hier mit einer Fiktion zu tun habe. Denn es ist ja keine
Seltenheit, daß gerade in der volkstümlichen Literatur die Autoren vorgeben, ein Buch oder
eine Handschrift in irgendeinem Schlosse gefunden zu haben, das sie nun an den Tag brächten“.
Z. f. B. 1912/1913. 2
3Dce crffcn Berobflutere Bifomid
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io Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
Daß die Angabe Grimmelshausens, wenigstens teilweise, fiktiv ist, wird durch die Tat¬
sachen bestätigt: „bey gefugtes Bildnüß“, welches einen Landsknecht darstellt, der in der rechten
Hand eine Pistole hält, während er die linke erhebt, ist keineswegs eine Kopie eines uralten
Gemäldes auf Schloß Hohen-Roth, sondern ein Holzschnitt von dem bekannten Nürnberger
Zeichner Jost Amman (1539—1591). Im Jahre 1588 war im Verlag von Leonhardt Heußler, Nürn¬
berg, ein Werk erschienen: „Künstliche vnd wolgerissene Figuren in ein new Kartenspiel, durch
den Kunstreichen vnd weitberümten Jost Amman, Burger in Nürnberg 4 *. Von diesem Kartenspiel¬
buch, auf das wir bei einem andern Werke Grimmelshausens noch zurückzukommen haben,
gab Georg Hirth in München im Jahre 1880 in seiner „Liebhaber-Bibliothek alter Illustratoren
in Facsimile-Reproduction“ eine Neuausgabe: „Jost Amman's Kartenspielbuch 44 . Blatt 50 dieser
„künstlichen vnd wolgerissenen Figuren 44 ist das obenerwähnte Landsknechtsbild; von demselben
Holzstock, von dem dieses Kartenspielblatt genommen wurde, stammt „Des ersten Bemhäuters
Büdnus 44 (Reproduktion S. 9), womit der Verleger, ohne Zweifel Wolf! Eberhard Felßecker in
Nürnberg, die Grimmelshausensche Schrift illustrierte.
Ist damit nachgewiesen, daß die Angabe über das „uhralte Gemähld 44 auf Schloß Hohen-Roth
als eine Täuschung anzusehen ist, so bleibt es immerhin möglich, daß Grimmelshausen fiir die
Lokalisierung seiner Erzählung auf Schloß „Hohen-Roth 44 bestimmte Gründe hatte. Welches Schloß
„Hohen-Roth 44 von Grimmelshausen gemeint wurde, dürfte jetzt nach den reichem Kenntnissen,
die wir, dank den Funden in Schauenburgischen Familien- und Badischen und Bayrischen
Landesarchiven (zu vergleichen diese Zeitschrift, Neue Folge, II. 2, Bechtold, Grimmelshausen-
Urkunden) besitzen, kaum mehr zweifelhaft sein. Wissen wir nun doch, daß Grimmelshausens
Leben aufs engste mit der mittelbadischen Gegend: Offenburg, Oberkirch, Renchen verknüpft
ist. 1 Unweit dieser Ortschaften erheben sich die Trümmer einer Burg, von welcher Wilhelm
Jensen in seinem bekannten Werk „Der Schwarzwald 44 (dritte Auflage, Seite 141) folgende
Schilderung gibt: „Die Hornisgrinde fällt steil ab, dann erhebt sich ihr gegenüber wieder eine
mit gewaltigem Granitgeblöck überdeckte Berghöhe bis zu 762 m, die auf schroffem Fels
den letzten kargen Überrest der ehemaligen Burg Hohenrode, gewöhnlich „das Brigitten¬
schloß 44 genannt, aufragen läßt Es war wohl die höchst belegene Burg des gesamten
Schwarzwaldes, mit Ausnahme solcher, die sich auf dem südlichen Hochlande desselben da und
dort auf geringen Angipfelungen finden. Von Achem aus gesehen, ragt sie mächtig, wie fast
zu der Hornisgrinde, empor. — Hohenrode gilt als die älteste Stammburg des Geschlechts der
Roeder (wohl schon im XI. Jahrhundert erbaut), das, ursprünglich im Elsaß seßhaft, wo noch
die Namen Rödern, Rodern, Hohenrodem, Rodersdorf daran erinnern, später mehrere Schlösser
in der alten Ortenau besaß. Jedenfalls war Hohenrode ein Felsenhorst frühester, ursprüng¬
lichster und unzugänglichster Art. Kaum ist zu begreifen, wie die Bewohner selbst einen Zu¬
gang gefunden, es sieht aus, als könne fast nichts als ein Bergfried auf der Schroffe Platz ge¬
habt haben-. Natürlich umkreist die Sage die wolkenhoch ragenden alten Trümmer mit
besonderer Vorliebe, und zwar die zwiefache von einer Brigitte, einer guten und einer bösen;
daher der Name „Brigittenschloß 14 . Die Burg lag danach zu Anfang drunten am Fuß des
Berges, als Eigentum einer Zauberkünste betreibenden Edelfrau Brigitte, welche Gewitter, Über¬
schwemmungen und Seuchen veranlaßte und, deshalb von den Umwohnern bedroht, sich durch
Teufelskunst mitsamt ihrem Schloß auf die Felsenspitze emporhob. — Die zweite Brigitte war
die Frau des letzten Burgherrn von Hohenrode, die er aus Liebe zu einem schönen Edelfräulein
Gertrud von Bosenstein ermorden zu lassen befahl. Doch wie seine Trauung mit der letzteren
stattfinden sollte, trat die nur Totgeglaubte plötzlich inmitten der Hochzeitsgäste zwischen sie,
so daß ihr Gatte, starr vor Schreck, überwältigt ihr zu Füßen fiel und ihre Vergebung erflehte.
Diese gewährte sie, doch blieb sie nicht mehr bei ihm, sondern ging in ein Kloster, wo sie,
nach ihrem Tode wie eine Heilige verehrt, starb, während er gleichfalls den Rest seines
Lebens bei einem Klausner in der Waldeinsamkeit verbrachte. 44
* Näheres über diese Beziehungen findet man in meinem Werk: „Probleme der Grimmelshausenforschung*', Band I,
Groningen 1912.
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 11
Dieses von der Sage „mit besonderer Vorliebe" umkreiste „Hohen-Roth" wird Grimmels¬
hausen gemeint haben: es lag nur einige Stunden von den Örtern entfernt, wo er den größten
Teil seines Lebens verbrachte, so daß es fiir diese Gegend ohne Zweifel das Schloß Hohen-
Roth Kat ££°X^1 V war; außerdem hatte Grimmelshausen zu den Besitzern von Hohen-Roth, den
Freiherren Roeder von Diersburg, durch seine Brotherren, die Freiherren von Schauenburg,
persönliche Beziehungen gehabt Das Freiherrlich von Schauenburgische Familienarchiv in
Gaisbach, fiir dessen Benutzung ich Herrn Legationsrat Freiherm Dr. Rudolf von Schauen¬
burg in Palermo zu verbindlichstem Dank verpflichtet bin, enthält unter anderem eine von
Grimmelshausen geschriebene Urkunde, die als Beilage zu einem Lehensgesuch von Hans
Reinhard von Schauenburg 1 aus der Luxemburger Linie bestimmt war, und in welchem
die Ausbezahlung eines Lehens beantragt wird, das die Freiherren von Schauenburg und
die Freiherren Roeder von Diersburg durch Vererbung eine Zeitlang gemeinschaftlich be¬
saßen. Die von Grimmelshausen auf Grund älterer Rechnungsauszüge aufgesetzte Urkunde
hatte den Zweck, die Verpflichtung der Markgrafschaft Baden darzutun, den Freiherren
von Schauenburg jährlich 50 fl. Manngeld zu bezahlen und die Verwirrung zu lösen, die mit
Bezug auf die Ausbezahlung dieses Manngelds zwischen der Baden-Badenschen und der Karls-
burgschen Landschreiberei existierte. Die Ursache dieser Verwirrung war nach Grimmels¬
hausens, respektive Von Schauenburgs Angabe, daß am Ende des XVL Jahrhunderts aus Be¬
quemlichkeit ein Tausch bei der Ausbezahlung stattgefunden habe; auf der einen Seite stehen
da die Freiherren von Schauenburg, die für 50 fl. und die Freiherren Roeder von Diersburg,
die für 10 fl. an der Ausbezahlung beteiligt sind, auf der andern Seite die Erben eines Dr. Paul
Wohnackher, die zusammen 60 fl. jährlich zu fordern hatten; da nun „die von Schawenburg und
Röderische den oberbadischen Landtschreybereyen Näher gesessen", und andrerseits eine Familien¬
beziehung zwischen dem unterbadischen Landschreiber und Dr. Paul Wohnackhers Erben
bestand, sei der Lehenszins „ad interim" ausgetauscht worden; nach dem Tod des unterbadischen
Landschreibers sei die Auswechslung „wider cassirt" worden, so daß — so lautet die Beweis¬
führung Hans Reinhard von Schauenburgs beziehungsweise die seines Schaffners Von Grimmels¬
hausen — nun „Die Schawenburgischen und Röderischen 60 fl." wieder „von Carolspurgischen
gefellen zu entrichten vnd selbiger Landtschreyberey-Rechnung einzuverleyben" seien.*
Darf man also mit Bezug auf den angeblichen Fund des Bärenhäuterbildnisses auf
Schloß Hohen-Roth zwei Fragen als gelöst betrachten, nämlich die: welches Hohen-Roth
gemeint sei, und die: was der Ursprung des beigefugten Bildes sei, so muß eine dritte Frage, ob
Grimmelshausen eine besondere Veranlassung gehabt habe, seine Erzählung zu dem Schloß der
Roeder von Diersburg in Beziehung zu bringen, noch offen bleiben. Vielleicht dürfte
die Parallele zwischen dem Auffinden des fliegenden Blatts von der „Verkehrten Welt" und
dem angeblichen Auffinden des Bärenhäuterbildnisses zu der Hypothese fuhren, daß Grimmels¬
hausens Technik es mit sich brachte, bei der Erzählung der Veranlassung seiner Schriften
möglichst konkret zu sein; bei der „Verkehrten Welt" könnte man, wie gesagt, die Begründung
der fiktiven Lokalisierung in dem humoristischen Gegensatz erblicken, daß der junge Mann, der
bei einer „lieblichen" Spinnerin „zu Liecht geht", mehr Interesse für das tote Blatt, als für die
„alleranmuhtigste Possessorin" zeigt; bei der Lokalisierung der Bärenhäutersage wäre es leicht
denkbar, daß der Renchener Schultheiß und frühere Schauenburgische Schaffner ohne spezielle
Veranlassung das ihm so bekannte, durch seine Lage imponierende und außerdem die Volks¬
phantasie beschäftigende Schloß Hohen-Roth im Achertal als Ausgangspunkt seiner Bären¬
häutererzählung auswählte.
* Vgl. Dr. Emst Batzer: „Johann Reinhard von Schanenbnrg der Jüngere**, Die Ortenau 1910/11, Seite 103—114.
• Von Schanenburgisches Familienarchiv in Gaisbach, Corp. V., Fase. 15, „Badisch Lehen, der 50 fl. Manngeld
betreffender Bericht von dessen Beschaffenheit**, 1652—1658; die hier vorhandenen Angaben werden durch Urkunden
vervollständigt, die sich im Großh. Bad. General-Landesarchiv in Karlsruhe befinden: „Activlehen von Schauenburg**,
1636—1659.
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12 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
III.
Der „Erste Beemhäuter“ erschien zusammen, wie es die Titelangabe dieser Schrift beweist
und uns die erhaltenen Exemplare (vgl. meine „Probleme der Grimmelshausenforschung“ I,
Seite 44) bestätigen, mit der „Gauckel-Tasche“. Auf dem Titel des beide Schriften enthaltenden
kleinen Bandes aus dem Jahre 1670 heißt es nämlich: „Der Erste Beernhäuter, Nicht ohne
sonderbare darunter verborgene Lehrreiche Geheimnus, so wol allen denen die so zuschelten
pflegen, und sich so schelten lassen, als auch sonst jedermann (vor dißmal zwar nur vom
Ursprung dieses schönen Ehren-Tituls) andern zum Exempel vorgestellet, Sampt Simplicissimi
Gauckeltasche. Von Illite rato Ignorantio, zugenannt Idiota“, wobei dann die an zweiter Stelle
genannte Schrift noch den besondern Titel führt: „Simplicissimi wunderliche Gauckel-Tasche,
Allen Gaucklern, Marckschreyern, Spielleuten, in Summa allen denen nöhtig und nützlich, die
auf offenen Märckten gern einen Umbstand herbey brächten, oder sonst eine' Gesellschaft lustig
durch „anrichtete“.
Eine Schilderung,
wie das Buch ge¬
braucht werden
kann, eine Volks¬
menge zeitweilig zu
beschäftigen, gibt
Grimmelshausen im
siebenten Kapitel
seines Springinsfeld.
Überhaupt hängt die
„Gauckel - Tasche“
mit letztgenannter
Schrift in auffälliger
Weise zusammen:
zuerst benutzt Sim-
plicissimus das Buch
in der Ausübung
seines damaligen Be¬
rufs als Straßenver¬
käufer, dann schenkt er es dem Springinsfeld in der Hoffnung, ihn durch die guten Lehren,
die er ihm dabei gibt, innerlich zu bessern, und schließlich sehen wir, wie Springinsfeld dann
das Buch einem Dritten erklärt, und dabei zeigt, daß er den Gebrauch richtig erfaßt und sich
die Lehren, die Simplicissimus damit verband, zu Herzen genommen hatte. Vermutlich sind „Beem¬
häuter“ und „Gauckel-Tasche“ einerseits und „Springinsfeld“ andrerseits ungefähr gleichzeitig ent¬
standen; eine Bestätigung dafür könnte man in dem Umstand sehen, daß der Dichter die Aus¬
drücke, „auf der faulen Bärenhaut liegen“, „ein geringer Bärenhäuter sein“ (die überhaupt zu seinen
Lieblingsausdrücken gehören) im Springinsfeld mit einer gewissen Vorliebe anzuwenden scheint.
Auch die Stellen, wo Springinsfeld sagt, daß er in seiner Jugend von seinem Vater „mit einer
Gauckeltaschen“ ausgerüstet worden sei und später, daß er „zu seiner Gauckeltaschen etliche
Puppen“ bekommen habe, während Springinsfeld sich nach Jahren den Gebrauch der „Gauckel¬
tasche“ noch erklären lassen muß, zeigen, wie die „Gauckel-Tasche“ fortwährend in den
„Springinsfeld“ hineinspielt. Auch die angebliche Entstehung der gedruckten Ausgabe dieser
Schrift bestätigt den innigen Zusammenhang mit dem Springinsfeld; Grimmelshausen läßt den
sogenannten Autor von „Courasche“ und „Springinsfeld“ nach der Erklärung der Gauckel¬
tasche, der er beigewohnt hat, sagen, daß er so gut zugesehen habe, als Simplicius dem Spring¬
insfeld das Buch zeigte, daß er auch imstande sei, eine Gauckeltasche zu fabrizieren, „wie ich
dann“, so fährt er fort, „etliche Tage hernach thät, um solche Simplicianische Gauckeltasch
zu machen haben.
Verwunderlich und
lustigzusehen. Ent-
worffen durch obi¬
gen Autorem. Ge¬
druckt imjahr, 1670“.
Diese „Gauckel-
Tasche“ ist ein mit
Holzschnitten ge¬
schmücktes Buch,
das der „Weltbe-
ruffene Abentheur-
liche Simplicissi¬
mus“, dem Vorwort
zufolge, „wie einer
Gau ckel-T aschen
gebraucht hat“, aus
der er dem Volk
wahrsagte und man¬
che Kurzweil da-
Holzschnitt aus „Simplicissimi wunderlicher Gauckel-Tasche** (1670).
Nach dem Abdruck in der „Ersten Gesamtausgabe“ (1683/1684).
(Jost Amman's Kartenspielbuch, 1588, Blatt 6.)
Klischee des Insel-Verlags in Leipzig.
('/» Größe.)
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 13
der gantzen Welt gemain zu machen“. So wirft meines Erachtens dieses Hineinspielen der
„Gauckeltasche“ in Springinsfelds Lebensgeschichte ein interessantes Streiflicht auf Grimmels¬
hausens Arbeitsweise; überhaupt scheint mir der Springinsfeld durch den stofflichen Zusammen¬
hang mit der „Courasche“ und dem „Simplicissimus“ einerseits, mit dem „Vogelnest“ andrerseits^
wie auch durch das viele Persönliche, das wir sowohl in der Milieuschilderung im Anfang, wie
in der Erzählung von Springinsfelds letzten Erlebnissen im Dreißigjährigen Krieg bei Wasser¬
burg, einer Festung auf einer Insel im Inn, annehmen dürfen, für die Kenntnis von Grimmels¬
hausens schriftstellerischer Technik von großer Wichtigkeit.
Die Art, wie Simplicissimus auf dem Marktplatz einer größeren Stadt — ich habe in meinen
Problemen I, Seite 175, den Nachweis zu führen versucht, daß Grimmelshausen dabei wohl an Stra߬
burg gedacht hat — durch Vorzeigung seiner „Gauckeltasche“ die Umstehenden zu ergötzen
cissimus die Menge
an: „Ihr Herren, ich
bin kein Schreyer,
kein Storger, kein
Quacksalber, kein
Arzt, sonder ein
Künstler! Ich kann
zwar nit hexen, aber
meine Künste seynd
so wunderbarlich,
daß sie von vilen
vor Zauberey ge¬
halten werden; daß
aber solches nit wahr
sey, sonder alles
natürlicher weis zu¬
gehe, ist aus gegen¬
wertigem Buche zu
ersehen, als worin¬
nen sich genügsame
glaubwürdige Ur¬
kunden und Zeug-
nussen dessentwe¬
gen befinden wer¬
den“. Wie er, der „Artifex“, dem Publikum sein Zauberbuch zeigt, läßt er nur die weißen Blätter
sehen. Darauf läßt er zwei Stutzer in das Buch hineinblasen, von denen der eine offenbar
den Krieg, der andre die Liebe liebt. Für ersteren ist das Doppelblatt „Die Soldaten und
Kriegs-Gurgeln betreffend“ bestimmt, für letzteren das Doppelblatt „Die Courtisanen und
Jungfern-Knechte betreffend“. Von den zwei „kriegerischen“ Bildern enthält das eine eine
Zusammenstellung damals gebräuchlicher Waffen: eine Kanone, Gewehre, Morgensterne, eine
Hellebarde, eine Lanze, Schwerter und in der Mitte ein paar Pauken; das andre zeigt eine
Gruppe von Zelten mit den Überschriften „Venus, Firbas, Stet, Ere, Trüw, Abenthür, Scham,
Gut, Zucht, Liebe“. Von beiden Bildern sind mir die Vorlagen unbekannt, ersteres dürfte
speziell für diese Ausgabe geschnitten worden sein, für letzteres ist der Holzstock wohl
von einer früheren Ausgabe her im Besitz des Verlegers gewesen. Die zwei „galanten“
Bilder stammen, wie das Bild des „Ersten Beernhäuters“, aus dem schon erwähnten Karten¬
spielbuch Jost Ammans; das erste Bild (Kartenspielbuch Blatt 5) stellt einen Spielmann mit
Pfeife und Handtrommel neben einem Liebespaar vor; auf dem andern Bild (Kartenspielbuch
Blatt 29) nimmt ein Herr zu Pferd Abschied von einer Dame; in der Gesamtausgabe 1683—84
ist das Bild mit dem Liebespaar durch ein anderes Spielmannsbild (Kartenspielbuch
suchte, um nachher
an ihnen kauflustige
Abnehmer seiner
Ware zu finden, gibt
eine kulturhistorisch
interessante Schilde¬
rung und zu gleicher
Zeit eine gute Be¬
schreibung der be¬
treffenden Schrift.
Nachdem derSpring-
insfeld durch Geigen
und Singen, durch
Nachahmung von
„allerhand Thierer
Geschrey, von dem
lieblichen Waldge¬
sang der Nachti¬
gallen an bis auff
das fürchterlich Ge¬
heul der Wölffe“
mehr als 600 Men¬
schen beisammen
hatte, redet Simpli-
^'PXE'b
Holzschnitt aus „Simplicissimi wunderlicher Gauckel-Tasche“ (1670).
Nach dem Abdruck in der „Ersten Gesamtausgabe“ (1683/1684).
Klischee des Insel-Verlags in Leipzig.
('/i Größe.)
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14 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
Blatt 19) ersetzt; die Gründe dafür lassen sich wohl nicht mehr auffinden. — Nach den Stutzern
läßt Simplicissimus einen angesehenen Bürger hineinblasen, der auf eine bedeutende Erbschaft
hofft; „hernach umblättert er das Buch und wise ihm und dem Umstand lauter Thaler und
Ducaten“. Die betreffenden Bilder stammen vermutlich aus einem numismatischen Werk; es
wäre schwierig und wenig lohnend, nach der Vorlage zu suchen. — Dem Geldgierigen folgt
der Spieler, dem „eitel Würffel und Karten“ erscheinen. Die beiden Bilder „die Gauckler,
Spitzbuben und Spieler betreffend“ stammen, was den untern Teil betrifft, wieder aus Ammans
Kartenspielbuch (Blatt 8 und 45): „Eine Frau“ — so beschreibt Becker in seinem bekannten
Werk „Jost Amman, Zeichner und Formschneider, Kupferätzer und Stecher“, Leipzig 1854,
das eine Bild — „kauft von einem Manne einen Hahn, während hinter ihrem Rücken ein Knabe
ihr den Geldbeutel abschneidet“, das andre Bild zeigt zwei Männer beim Brettspiel. Bezeichnend
ist es, daß zu Grimmelshausens Zeit das Gefühl für die ursprüngliche Bedeutung der Amman¬
schen Spielkarten- auf die Verwendung
blätter völlig ver- 85 -ftfW S® für die Gauckel-
loren gegangen war; ggc jgg Tasche, so abge-
es wurde nämlich ^ xra schnitten worden
für nötig gehalten, waren, daß die spe-
auf der obern Hälfte \ jpj* ziehen Spielkarten¬
des Bildes die da- ***** andeutungen weg¬
malsgebräuchlichen ^ gefallen und nur
Figuren zweier Spiel- (§§ , die bildlichen Dar¬
karten (Eichel und B8 Stellungen übrig ge-
Herz) hinzuzufügen. ßg&j ~T/ J blieben waren. Bei
Wir dürfen hieraus ggj den ®^ ern » wo die
vielleicht den Schluß R?) Bezeichnung des
ziehen, daß die 01 1 J' flr && Spielkartenwertes
Ammanschen Holz- ' lA ^ iT noch als integrieren-
stöcke, die zu Grim- m ^ W- -*4 der Teil des Bildes
melshausens Zeit jgg \\ vorhanden war, —
den obern Teil, wel- jrjgc zum Beispiel der
eher in der Regel ~~ JV^f" ^ iqoi „Humpen“, über den
die Angabe des ßS —7 . , ■ ßon der „Beernhäuter“
Karten Wertes ent- Holzschnitt aus „Simplicissimi wunderlicher Gauckel-Tasche“ (1670). hinWegSChreitet (Vgl
Nach dem Abdruck in der „Ersten Gesamtausgabe“ (1683/1684). .
hielt, nicht mehr be- ( j ost Ammans Kartenspielbuch, 1588. Blatt 44.) die Reproduktion
saßen, schon früher, Klischee des insei-veriags in Leipzig. au f Seite 9), die
also ohne Beziehung ( ' GroL,e * zwe i „Becher“, die
der Koch auf dem Bild „An die Umstehenden“ bei sich hat —, hat man damals offenbar diese
Andeutung nicht mehr verstanden. Bei einem der Bilder „die Possenreißer und Schalcks-
Narren betreffend“ sind in der Originalausgabe der Gauckel-Tasche die zwei „Druckerballen“
noch beibehalten; als die Holzstöcke für die Erste Gesamtausgabe (1683/84) aufs neue verwendet
wurden, hat man offenbar versucht, die Druckerballen zu entfernen; die Abtrennung ist aber
nicht gut gelungen, so daß die untern Teile als störende Objekte noch auf dem Holzschnitt
sichtbar sind (vgl. die Reproduktion auf Seite 12). Zur Erklärung füge ich hier hinzu, daß
Amman die vier Farben des Kartenspiels durch „Buchdruckerballen“, „Bücher“, „Becher“ und
„Humpen“ vorgestellt hat.
Nach dem Spieler läßt Simplicissimus, der Erzählung im Springinsfeld zufolge, einen
Mann hineinblasen, den er als Narren hinstellen will; er schlägt das Doppelblatt „die Possen¬
reißer und Schalcks-Narren betreffend“ auf. Das erste schon oben angedeutete Bild zeigt, wie
ein Narr von einer nackten Frau in eine Badewanne gezogen wird. Es ist unbegreiflich, wie
Tittmann, Simplicianische Schriften I, Seite 262, hierfür die Erklärung geben kann: „Ein nackter
Ma?in auf dem Rand einer Badewanne sitzend, der einen bekleideten Narren mit Kappe hinein-
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 15
zwängt“; wenn ihm das Bild nicht deutlich genug war (vgl. die Reproduktion auf Seite 12),
so hätte doch das erklärende Gedicht zu Ammans Spielkartenblatt ihn eines Bessern belehren
können:
Gleich wie ein vnuernünfftig Thier,
Seins Bulen Schönheit oder Zier
Gar nicht thut achten, sondern sich,
Eim jedem macht vnterthänig.
Also auch ein ehbrechrisch Weib,
Ihren geraden stoltzen leib
Wie dise Figur zeyget an,
Oflft eim Narren macht vnterthan.
sehen Wert, aber gg
eine um so inter- rjgx
essantere Vorge- gg*
schichte. Im Jahre
1494 gab Sebastian
Brant sein „Narren- ßSS
schiff“ heraus, „das 83
Werk“, wie Zarncke 83
in der Einleitung es
seiner Ausgabe sagt,
„welches nach jahr- es
hundertlangem ver- 83
fall die deutsche gg*
poesie wieder zu xj«
achtung im in- und
auslande erhob“; _ __ Diesen Holz¬
unter den Holz- schnitt hat sich ein
schnitten, womit die MS wenig geübter Zeich-
Erstausgabe dieses ^ §|k «l|l ner zur Vorlage ge-
Werkes geschmückt %_ nommen und so das
war, und die teil- Bild gezeichnet das,
weise ZU den schön- Holzschnitt aus „Simplici»imi wunderlicher Gauckel-Tasche“ (1670). Vermutlich erst in
sten des XV. Jahr- Nach dcm Abdruck in der ..Ersten Gesamtausgabe“ (1683/1684). zweiterVerwendung,
. (Jost Amman's Kartenspielbuch. 1588. Blatt 42.) . ®
hunderts gehören, Klischee des Insei-Veriags in Leipzig. in der „Gauckel-
stellt einer einen (,/l Gröfte * ) Tasche“ Aufnahme
fand: alle Einzelheiten des ursprünglichen Holzschnitts, die drei Vögel, die Haltung des
Narren, das größere Tor zur Rechten, das kleinere zur Linken, die Häuser im Hintergrund,
finden sich, vergröbert, auf dem Bild der „Gauckel-Tasche“ wieder. Bezeichnend ist dabei der
Umstand, daß der Nachzeichner „Cras“ in „Crab“ verändert; genauere Kenntnisse von dem
Narrenschiff scheint er also nicht gehabt zu haben, sonst hätte die betreffende Stelle des
Textes ihn vor diesem Irrtum bewahrt. Die Erklärung desselben wird wohl darin zu suchen
sein, daß er das Schluß-s respektive ß für b angesehen hat, und die ihm vermutlich geläufige
dialektische Bezeichnung „Krabben“ respektive „Krappen“ für Raben die Idee eines Irrtums gar
nicht in ihm aufkommen ließ. Eine andere Deutung dieser veränderten Inschrift, eine absicht¬
liche Veränderung in „crab, crab, crab“, wofür dann wohl „grab, grab, grab“ zu lesen wäre
— in Anlehnung an Geiler von Kaiserspergs Ausführung dieser Stelle: „dum juvenis est,
cantat tibi: cras cras; dum senex est, cantat: grap, grap“ — scheint mir kaum annehmbar,
um so weniger, als auch die Ausgabe Nicolaus Hönigers von Tauber-Königshoffen, die
den Versen Brants jedesmal den Kommentar Geilers beifügt, auf dem betreffenden Bild,
wwt'
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16 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
das in der Vorstellung erheblich von dem Original abweicht, die Inschrift „Cras, cras, cras“
beibehält.
Nachdem Simplicissimus die Umstehenden über die Stutzer, den Geizhals, den Spieler und den
Narren hat lachen lassen, zeigt er dann einem unter ihnen die Bilder, die „Weinschläuch und Bier-
Brüder betreffend“, zwei schöne und interessante Ammansche Holzschnitte, deren Reproduktionen
sich auf Seite 14 und 15 befinden. Das linke Bild auf Seite 14 (Ammans Kartenspielbuch Blatt 44)
zeigt Bacchus auf einer Tonne stehend, daneben steht links ein Weinbauer, der ihm Trauben anbietet,
rechts ein Satyr; auf dem andern Bild (Kartenspielbuch Blatt 42) sieht man links eine Frau, die
aus einem Humpen trinkt, rechts einen Mann, der ein „Zwiebelglas“ in der Hand hält Über
dieses Bild und die Verwendung des „Zwiebelglases“ macht Wilhelm Seibt, der erste, der über
die lange Zeit unbekannte Originalausgabe der „Gauckel-Tasche“, wovon er ein Exemplar besaß,
genau berichtet, auch auf die Beziehung zu Jost Ammans Kartenspielbuch aufmerksam macht,
in Nummer 230 der „Frankfurter Zeitung“ vom Jahre 1876 interessante Bemerkungen. Von
den fünf Humpen als Kartenzeichen sind auf dem linken Bild zwei übrig geblieben; auf dem
rechten Bild sind sämtliche Humpen weggefallen; die Ranken, die sie umgaben, sind gleichfalls
geschickt von dem Holzstock abgetrennt.
Der letzte, den Simplicissimus in sein Buch hineinblasen läßt, ist ein junger Student; da
zeigen sich „lauter Schriften“. Darauf muß sich wohl das Bild beziehen, das einen Gelehrten
zeigt, der von Grillen geplagt wird, ein Holzschnitt aus dem Kartenspielbuch Blatt 17; fiir die
Beschreibung des Bildes zitiere ich das mehrerwähnte Buch von Becker: „Ein Gelehrter am
Schreibtisch unter Büchern, mit einem Fliegenwedel in der Hand, um die Mücken (Grillen) ab¬
zuwehren; neben ihm auf einem Tisch ein großer Humpen mit Buckeln und ein Apfel“. Das
Bild hat für die „Gauckel-Tasche“ offenbar nicht dieselbe Bedeutung als die andern, es hat keine
poetische Unterschrift, sondern bildet eine Illustration zu dem Vorwort: „Der Autor an den
Käuffer und sonst Jederman“, in dem er sagt, daß er früher seine „Gauckel-Tasche“ dazu be¬
nutzt habe, „das Voick dardurch zu seinem Stand zu bringen“, daß er aber jetzt, als man ihm
„in die Karte gesehen“ und er „nunmehr solche seine Profession abgelegt“ habe, auf Zureden
guter Freunde „dieses sein wunderbarliches Gauckelbuch“ herausgegeben habe, „damit sich auch
ohne ihn ehrliche und lustige Köpffe in ihren Zusammenkünften mit einander dardurch ergetzen
könten“.
Noch einige Bilder des interessanten Werkchens sind im Obenstehenden nicht be¬
rücksichtigt worden. Außer dem Bildnis des „ersten Beemhäuters“ hat diese Schrift auf dem
Titelblatt noch einen Holzschnitt: drei Musikanten mit Flöte, Baß und Harfe; das Bild ist
ein Abdruck des Holzstocks, der zu Blatt 28 von Ammans Kartenspielbuch gedient hatte.
Das Titelbild der „Gauckel-Tasche“, einen Jäger mit vier Hunden darstellend, hat denselben
Ursprung (Blatt 32). Nach dem oben schon beschriebenen Bild des Gelehrten folgt dann das
Blatt „An die Umstehenden“, auf dem ein Koch, umgeben von Küchengeräten, zu sehen ist
(Ammans Kartenspielbuch, Blatt 33); die Beziehung dieses Bildes zum Text ist nicht sehr
deutlich, man wird dabei wohl an den Vergleich zwischen geistiger und körperlicher Nahrung
zu denken haben: wie ein Koch Speisen hat, die mehr oder weniger gut gefallen, so hat auch
die Gaukel-Tasche Bilder, die einem mehr oder weniger angenehm sein können. — Es folgt
dann eine Vorrede: „Gebrauch dieses Buches, so in der linken Hand gehalten werden soll“
Die zwei Holzschnitte am Anfang und am Ende der Vorrede sind die untern Teile von
Blatt 7 und 4 von Ammans Kartenspielbuch: „ein Mann mit einem Korb in der Linken be¬
droht eine Frau, welche abwehrend den Arm gegen ihn ausstreckt, mit einem Prügel, den er
in der Rechten hält“ und „zwei Männer mit einer Tragbahre mit einem Ballen Papier; darauf
ein großer Humpen mit Buckeln“; die Bedeutung des ersten Holzschnitts scheint mir eine ähn¬
liche zu sein, wie das Bild „an die Umstehenden“, während der zweite Holzschnitt wohl nur
die Entstehung des Buches andeuten soll. — Am Schluß des Buches steht dann noch auf
dem Blatt „Des Autoris poetische Erinnerung an den Leser“ ein Holzschnitt (Kartenspielbuch
Blatt 20), auf dem eine Dame die Orgel spielt, wobei ein Knabe die Bälge zieht.
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 17
Die Gedichte unter den verschiedenen Figuren der „Gauckel-Tasche“ sind durchweg recht
mangelhaft; was uns die Schrift interessant macht, ist, von kulturhistorischem Gesichtspunkt
aus, die naive Art, wie sich die Umstehenden mit solchem Büchlein amüsierten, und daneben,
vom kunstgeschichtlichen Standpunkt, die überraschende Weise, wie die Holzstöcke, die
zu Jost Ammans Kartenblättern gedient hatten, hier, fast ein Jahrhundert später, wohl gleich¬
falls in Nürnberg — es liegen genügend Gründe vor, Wolff Eberhard Felszecker für den
Verleger zu halten — ihre Verwendung fanden. Eine interessante Frage ist dabei die, ob
man annehmen muß, daß die Bilder die Gedichte der „Gauckel-Tasche“ veranlaßt haben, oder
ob sie nur als Illustrationen aufzufassen sind. Ich glaube nicht, daß Grimmelshausen seine
Unterschriften im Anschluß an die Bilder verfaßt hat, er würde dann mehr auf Einzelheiten
der Vorstellung eingegangen sein; es würden auch nicht so starke Diskrepanzen zwischen Wort
und Bild Vorkommen; dies fällt um so mehr ins Auge, wenn die Gebrauchsanweisung der „Gauckel-
Tasche“ und die Schilderungen im Springinsfeld zum Vergleich herangezogen werden. Danach hätte
man bei den Narren, statt der oben besprochenen und reproduzierten Bilder, „lauter Haasen-, Esels¬
und Narrenköpfe“ erwarten dürfen; auch die Unterschriften stehen zu den Narrenbildern in keinem
innigen Verhältnis; ähnlich ist es mit den Bildern „Die Weinschläuch und Bier-Brüder betreffend“:
die Gebrauchsanweisung und die Erzählungen im Springinsfeld sprechen hier von „sonst
nichts als Trinckgeschirr“, die Bilder stimmen hierzu nicht; der Verleger hat dann, um eine
etwas bessere Beziehung herzustellen, noch zwei Gefäße unter dem einen Bild abdrucken lassen
(Vgl. die Reproduktion auf Seite 15). Zu beachten ist dabei ferner, daß diese Diskrepanz sich
nicht bei den Bildern findet, auf denen keine Personen Vorkommen, die nämlich nicht auf eine
bestimmte Vorlage zurückgehen und sich nicht durch eine interessante Vorvergangenheit
auszeichnen, zum Beispiel auf den Bildern der Waffen und Münzen. Auch in der schon
herangezogenen Stelle aus dem Springinsfeld, wo gesagt wird, daß er „zu seiner Gauckel-
taschen etliche Puppen bekommen“ habe, liegt eine Bestätigung dieser Ansicht. Natürlich
darf man dies auch auf das Bärenhäuterbildnis ausdehnen, so daß man auch darin nur eine
nachträglich zu der Erzählung ausgesuchte Illustration zu sehen hat.
Der Verleger von Grimmelshausens Werken fand die Ammanschen Holzstöcke für die
Illustrierung der Grimmelshausenschen Schriften offenbar sehr geeignet; denn in mehreren
Werken bringt er sie an: Blatt 21 aus Ammans Kartenspielbuch, ein Mann und eine Frau, aus
einem Notenblatt singend, fand sogar zweimal Verwendung: auf dem Titelblatt der „Verkehrten
Welt“ (1672) und auf dem Titelblatt einer Ausgabe des „Keuschen Joseph“ (1671). Geradezu
humoristisch ist die Verwendung des Blattes 24, das einen angehenden Studenten vorstellt und
als Porträt des „treuen Josephs-Schaffners“ Musai dienen mußte.
IV.
Für die Beziehung zwischen Bild und Wort kommen bei Grimmelshausen auch die Unter¬
schriften in Betracht, die er für die Bilder vornehmer Herren verfaßt zu haben scheint. Das
geht wohl aus einer Stelle aus der „Reiß-Beschreibung nach der obem neuen Monds-Welt“
(Erste Gesamtausgabe Band III, Seite 801) hervor: „Ich halte dennoch viel von einem
guten Poeten, der eben so selten zu finden ist als ein guter General, denn er wehlet ihm einen
Herrn zu loben, der es würdig ist und wann je ein jeder nicht allerdings wäre, wie er ihn be¬
schreibt, so bedeut er ihn doch, wie er seyn solte; des Poeten Belohnung ist, daß er das Lob
wol gestellt hat und ist vergnügt in ihm selbst, daß seine Lobung gelobet wird. Ich habe
meines Tags dergleichen viel geschrieben, und bin allezeit meines Zwecks theilhafftig worden,
daß ich nichts bekommen, weil ich nichts begehrt habe; wann es mancher auch dahin stellete,
so würde er zwar nicht reicher werden, aber auch über niemand zu klagen haben, weil man
ihme nicht mehr giebt als er begehret“. Von diesen Unterschriften ist uns eine bewahrt ge¬
blieben, sie steht unter dem Bild seines Verlegers „Wolff Eberhard Felszecker von Bamberg,
gebom A. 1626 den 8. 18. JanuariL Buchdrucker in Nürnberg“, und lautet:
Z. f. B. 1912/1913. 3
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iS Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
Der vieler Nahmen Ruhm durch manche Welt geschicket,
Des Nahm und Bildous wird auf diesen Blat erblicket,
Du, Neider, neide nur! Ihn fehlts an Sorgen nie:
Was Gott Jhn gönnt, das kommt durch Wachsamkeit und Müh.
Zu stets beharrlicher Gunst Bezeugung aufgesetzt von
Joh. Jacob Christoff von Grimmelshausen.
Die erste Nachricht von der Existenz dieses für die Grimmelshausenforschung so
interessanten Kupferstichs ist schon von W. A. Passow erbracht worden, in einem Nachtrag
zu seinen verdienstlichen Aufsätzen „Christoffel von Grimmelshausen, der Verfasser des Aben¬
teuerlichen Simplicissimus“ in den Blättern für literarische Unterhaltung, 1843, Nr. 259, 260,
26 r, 262,263, 264. Der erste Nachtrag, der das obenerwähnte Bild bespricht, findet sich im Jahrgang
1844, Nr. 119; ein zweiter über die Renchener Mühlenordnung und die Todeseintragung im
Renchener Kirchenbuch, Jahrgang 1847, Nr. 273 Von dem Bild selbst befinden sich Exemplare
im Germanischen Museum und in der Stadtbibliothek in Nürnberg; da es in weiteren Kreisen
Interesse erregen dürfte und auch als Porträt nicht ohne Verdienst ist, lasse ich eine Reproduktion
desselben folgen (vgL S. 19).
Den Namen des Stechers, in diesem Falle wohl auch des Zeichners, findet man rechts
unten: I. A. Böner. Der Träger dieses Namens, der Nürnberger Kupferstecher, Radierer und
Zeichner Johann Alexander Böner (1647—1720) war ein außerordentlich produktiver, talent¬
voller, aber manchmal etwas handwerksmäßig schaffender Künstler, dessen bekannteste Arbeiten
die reichhaltigen Prospektenfolgen „Des heiligen Römischen Reichs Stadt Nürnberg Zierdte, etc.“
(erste Ausgabe ohne Jahr, zweite 1702, dritte 1708, vierte 1722); die Trachtenbilder „Wahre
Abbildung derer Trachten und Handwercks-Umbzügen in .... Nürnberg“ (erste Ausgabe 1688,
zweite 1689, dritte 1690, vierte 1700) und „Neu-Figuren ABC-Büchlein, mit Nürnberger Kleider¬
trachten gezieret“, (Nürnberg, ohne Jahr), sind. Daneben hat er eine große Anzahl Porträte
berühmter Nürnberger Zeitgenossen gestochen. (Näheres in dem Artikel von W. Schmidt im
dritten Band der Allgemeinen Deutschen Biographie, Seite 122; und in dem sachkundigen
Aufsatz im vierten Band des Allgemeinen Lexikons der bildenden Künste von Thieme und
Becker, Leipzig 1910, Seite 203, gez. Th. Hampe ) Das vorliegende Porträt Böners stammt aus
seiner ersten Künstlerzeit; da aus den hinzugefügten Versen hervorgeht, daß sie für die Ver¬
breitung des Bildes als Kupferstich bestimmt waren, und wir also für die Entstehung der Versr
zeilen und des Stichs ungefähr dieselbe Zeit annehmen dürfen, besitzen wir in dem Tod des
Dichters einen Terminus ante quem. Grimmelshausen starb bekanntlich am 17. August 1676;
das Bild Felszeckers muß also aus den zwanziger Jahren des Künstlers stammen. — Inwieweit
Böner sich an der Illustrierung der in Felszeckers Verlag erschienenen Grimmelshausenschen
Werke beteiligt hat, läßt sich schwer ermitteln, da die Stiche, beziehungsweise Radierungen,
— beide Arten finden sich — durchweg keine diesbezügliche Angabe enthalten. Es ist aller¬
dings möglich, daß Böner sich an der Herstellung der ersten Gesamtausgabe (1683—1684),
deren Bilder künstlerisch höher stehen als die der Einzelausgaben, beteiligt hat; jedenfalls
stammt das Titelkupfer des ersten Bandes von seiner Hand. Es ist ein Doppelkupfer; auf dem
linken Blatt sieht man die fünf Medaillonporträte des alten Simplicissimus, des Knans und der
Meuder, des jungen Simplicissimus und des frommen Ursule, weiter die bekannten Symbole:
Helm mit Kalbskopf, Wappenschild mit den drei Masken, Degen und Dreschflegel, Zirkel,
Rosenkranz, Tintenfaß und Feder, und unten die Verse:
Simplicius sein Sohn sein Knan, und die Meuder stehen,
Samt der frommen Ursel hie wie sie Natural aussehen;
das rechte Blatt zeigt zwischen symbolischen Figuren und Schnörkeln den Gesamttitel des
Werkes: „Deß Teutschen Simplicissimi Redi-vivi Lust- und Lehr-reicher Schrifften-Marck. Ver-
legts Joh. Jonathan Felszecker.“ Es ist bedeutend besser ausgeführt als das entsprechende
Titelkupfer der Simplicissimus-Ausgaben C und D und hat ausnahmsweise eine Bezeichnung
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 19
des Künstlers: J. A. Baener fec. Neben Baener und dem gewöhnlichen Boener findet sich auch
Bonner. Daß man nicht alle Kupfer dieser Gesamtausgabe dem Stecher des Titelkupfers zu¬
schreiben darf, geht schon daraus hervor, daß sich im dritten Band ein Kupfer findet, das
die Bezeichnung Joh. Meijer fecit trägt. — Jedenfalls darf es als ein Zeichen der besondern
Porträt Wolff Eberhard Felszeckers von Johann Alexander Böner (1647—1720).
Nach dem Original im Germanischen Museum in Nürnberg.
Sorgfalt für die erste Gesamtausgabe der Grimmelshausenschen Schriften betrachtet werden,
daß der Verleger den damals schon angesehenen Künstler Johann Alexander Böner dafür zu
verpflichten suchte.
Es bleibt mir jetzt noch übrig, in diesem Zusammenhang etwas über den Mann zu sagen,
„des Nahm und Bildnus auf diesen Blat erblicket wird“. Wie das obenerwähnte Bild angibt,
wurde Wolff Eberhard Felszecker im Jahre 1626 geboren; seine Offizin in Nürnberg gründete
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20 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
er, wie ich aus einem Werk über Nürnberger Buchdrucker, „J. H. G. Emesti: Die wol-einge¬
richtete Buchdruckerey, Nürnberg, 1724“, Blatt g 4 verso entnehme, im Jahre 1658. Grimmels-
hausensche Werke, die seinen Verlegernamen tragen, sind: Dietwald und Amelinde, 1670;
Ratio Status, 1670, wo er auch als Drucker bezeichnet wird; Joseph, 1670; id. 1671; id. 1675*,
Simplicissimus 1671 D und id. J. Daß es auch vorkam, daß der Verleger Felszecker anderswo
drucken ließ, geht aus der Andeutung am Schluß des „Ewigwährenden Calenders“ hervor; in
der ersten Auflage, 1670, heißt es daselbst: „In Nürnberg verlegt und zu finden bey Wolf
Eberhard Felszecker, Gedruckt in der Fürstlichen Residentz-Stadt Fulda bei Marcum Bloß“
und in der zweiten, 1677: „In Nürnberg verlegt und zu finden bey Wolff Eberhard Felszecker,
gedruckt zu Altenburg bei Georg Conrad Rüger“. Es ist nicht mit Sicherheit festzustellen,
warum Felszecker bei diesem Werk andere mit dem Druck beauftragte, aber die Vermutung
liegt nahe, daß für diesen komplizierten sechsspaltigen Druck mit den vielen Zeichnungen und
astronomischen Zeichen Felszeckers Druckerei nicht eingerichtet war. In meinen „Problemen
der Grimmelshausenforschung“, I, Seite 62 flg. habe ich ausführlich zu begründen gesucht, warum
ich die Angabe Emestis: „Wolff Eberhard Felszecker starb Anno 1670, und hinterließ die Offizin
mit allem wol versehen, wie auch den Buchhandel, seinem Sohn Johann Jonathan, welcher
Anno 1693 das Werk auf seine Söhne und Erben vererbete, bis Anno 1710 der annoch lebende
Sohn Adam Jonathan Felszecker dasselbe zu besorgen übernommen“ mit Bezug auf den Tod
des Wolff Eberhard für nicht zuverlässig halte; ich kann mich also hier auf die Mitteilung
beschränken, daß meine dahin zielenden Untersuchungen als Resultat ergeben haben, daß wir
als das Todesjahr Wolff Eberhard Felszeckers nicht 1670, sondern 1680 anzunehmen haben.
Daneben habe ich die Vermutung ausgesprochen, wie es allerdings möglich wäre, daß Emestis
Angabe, daß im Jahr 1670 in der Offizin Felszecker eine Firmenänderung stattfand, nicht völlig
unbegründet sei, insoweit, als vielleicht in diesem Jahr der Sohn Johann Jonathan Felszecker in
die Firma mit aufgenommen wurde; wenigstens scheint mir das Buchdruckerzeichen, das in
einigen von seinen Ausgaben, nicht in allen, aber zum Beispiel in Dietwald und Amelinde 1670,
Ratio Status 1670 und Calender 1670 und 1677, vorkommt, darauf hinzuweisen, daß damals
der Sohn, wenn er auch nicht auf dem Titelblatt genannt wird, mit an der Firma beteiligt war.
Das Buchdruckerzeichen zeigt ein aufgeschlagenes Buch, auf dem fünf Buchstaben stehen: in
der Mitte ein F, darunter und darüber ein W und ein E, links und rechts ein J; was man
doch wohl als: Felszecker, Wolff Eberhard und Johann Jonathan zu deuten hat Das Figürchen,
das man über dem E erblickt, halte ich für eine Andeutung des Begriffs „Eck“, um so eher,
als der Hintergund, gegen den das Buch ruht, ohne Zweifel als ein „Fels“ anzusehen ist Zu
beiden Seiten des Mittelstücks sieht man, gleichsam als Schildhalter, zwei Frauenfiguren als
Symbole buchhändlerischer Tugenden und über dem Mittelstück das „Vigilantia et labore“,
womit auch Böner das Porträt Felszeckers gekennzeichnet hat — Auch später haben die
Felszecker zur Verbreitung von Grimmelshausens Werken viel beigetragen: der schon erwähnte
Johann Jonathan Felszecker veranstaltete die erste und auch wohl die zweite Gesamtausgabe 1 ;
dessen Sohn, Adam Jonathan Felszecker, ließ die drei stattlichen Bände der Gesamtausgabe
1713 noch einmal wieder in die Welt hinauswandern. Aber am wichtigsten bleibt für die
Grimmelshausenfreunde der erste Felszecker, zu dem Johann Jacob Christoph wohl in persön¬
licher Beziehung gestanden haben mag; und es ist ein interessantes Dokument, das Böners
Kunst in dem Seite 19 reproduzierten Kupferstich auf die Nachwelt vererbt hat, indem er die
Züge des Verlegers und die Worte des Dichters auf einem Blatt vereinigte.
Eine anders geartete Verbindung von Bild und Text auf einem Blatt finden wir bei dem
Flugblatt: „Abbildung der wunderbarlichen Werckstatt des Weltstreichenden Artzts Simplicissimi,
Darinnen Er als ein landstörtzender Vagant aus eigener Experientz und Practic zuvememen
gibt, Wie etlicher Leute imaginirte Haupt-Kranckheiten zu Curiren seyn möchten. Allen Sorg-
1 Über das Verhältnis der posthumen Gesamtausgaben zueinander verweise ich .auf meine mehrerwähnten „Pro¬
bleme der Grimmelshausenforschung“, Band I, S. I—57.
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Flugblatt Oer „WunDerbarlicben Wercffktt Oes Welt
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B 1912 1913, i, zu Seite 2X.
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istoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
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Konrad, Angekettete Bücher.
21
faltigen Haus-Vättem und Hausmüttern, vor ihre Kinder und Gesinde höchstdienlich, Sinnreich,
nützlich und fleißig zugebrauchen.“ Die erste Nachricht über dieses Flugblatt verdanken wir
Adelbert von Keller, der ein Exemplar in der Universitätsbibliothek in Tübingen vorfand, und
den Text — leider ohne das Bild 1 — im Jahre 1862 in Broschürenform herausgab: „Simpli-
cissimus als Arzt, ein Flugblatt von Grimmelshausen“, gedruckt bei L. F. Fues in Tübingen.
Das Tübinger Exemplar ist seitdem, wie sich mir aus einer Korrespondenz mit der Bibliothek
ergab, abhanden gekommen; es findet sich aber im Kupferstichkabinett in Berlin ein Flugblatt
mit genau demselben Titel, das man wohl als identisch ansehen darf. Daß der Text des
Flugblatts zweifelsohne von Grimmelshausens Hand herrührt, geht besser noch als aus der
Erwähnung des Simplicius Simplicissimus, aus der Tatsache hervor, daß sich der Text, gleich¬
falls ohne Bild, als Nachtrag zu den Continuationen des Simplicissimus am Ende der Simpli¬
cissimus-Ausgabe D aus dem Jahre 1671 unter dem Titel „Zugab des wunderbarlichen Welt¬
streichenden Artzts Simplicissimi“ findet und als solcher auch in den Ausgaben von Kurz
(II, Seite 309), Bobertag (II, Seite 345) und Keller (II, Seite 1043) abgedruckt wurde. In der
Tat gehört der Inhalt des Flugblatts mit den Kontinuationen, überhaupt mit Simplicissimus’
Tätigkeit als landfahrender Arzt, Theriakkrämer und Kalenderverkäufer, zusammen. Auf dem
Kupferstich erblickt man die Verschönerungs Werkstatt des Wunderarztes, in deren Mitte der
große „Distilir-Ofen“ alle „Würm, Mucken, Grillen, Dauben“ aus dem Kopf heraus „gleichsam
wie Rauch, Nebel und Wolcken“ verschwinden läßt; darum herum sieht man Schleif-, Hobel¬
und Streckapparate, wodurch alle möglichen körperlichen Fehler radikal beseitigt werden.
Über die Entstehung des Stiches ist weiter nichts bekannt; der hinzugefügte Text bezweckt
eine Verspottung der Wunderkuren landfahrender Charlatane und herumziehender Quacksalber.
Das fliegende Blatt scheint mir für das Bild von Grimmelshausens literarischer Tätigkeit außer¬
ordentlich bedeutend; wenn wir auch nicht mehr glauben, daß Grimmelshausen selbst ein land¬
fahrender Storger gewesen ist, so liegen genug Anzeichen dafür vor, daß er den „Fahrenden
Leuten“ seinerzeit ein außergewöhnliches Interesse entgegentrug; ich halte es sogar für wahr¬
scheinlich, daß er bestimmte Typen persönlich gekannt, vielleicht sogar studiert hat. Dies hängt
mit meiner Auffassung zusammen, daß man Grimmelshausen immer weniger als Abenteurer,
immer mehr als Literaten betrachten muß; wenn sich die Fäden, die ich in meinen „Problemen“
anzuknüpfen versucht habe, weiter fortspinnen lassen, so glaube ich, daß neben dem vielen
Autobiographischen und Entlehnten in den Grimmelshausenschen Schriften, sich eine ziemlich
selbständige Abenteurerfigur herausschälen läßt. Nicht bloß für Grimmelshausens literarhistorische
Stellung, sondern auch für die kulturhistorisch so bemerkenswerte Erscheinung des Vagabunden¬
tums des XVII. Jahrhunderts scheint mir die „Abbildung der wunderbarlichen Werckstatt des
Weltstreichenden Artzts Simplicissimi“ von allgemeinerem Interesse zu sein. Eine Faksimile-
Reproduktion begleitet als Beilage diese Arbeit. (Schluß folgt.)
Angekettete Bücher.
Von
Dr. Karl Konrad in Breslau.
I n Schankstuben niederer Gattung ist es üblich, Messer und Gabeln durch Ankettung vor
Entwendung zu sichern. In alten Bibliotheken hielt man dieselbe Schutzmaßregel dem
geistigen Tischgerät gegenüber für angebracht. Ursprünglich bewahrte man die Bücher in
Kästen und Truhen sorgfältig verschlossen auf. Später, als etwa um die Mitte des XIV. Jahr-
1 Umgekehrt veröffentlicht Theodor Hampe das Bild ohne Text in seinem interessanten Werk: „Fahrende Leute“,
Band X der Monographien zur deutschen Kulturgeschichte, Leipzig 1902, Seite 106.
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CORNELL UNÜVERSm 1
22
Konrad, Angekettete Bücher.
hunderts einzelne Kirchen durch Fürsten und Bischöfe mit Büchern beschenkt wurden, schuf
man besondere Bibliothekssäle und stellte die Werke unter Kettenschutz. Noch heut läßt sich
aus den Beständen einzelner Büchereien erkennen, welche Bücher so an die Kette gelegt waren.
Meist ist freilich diese selbst nicht mehr da, sondern nur noch deren Schlußstück am Ein¬
banddeckel. Oft fehlt auch dieses, und nur die zurückgebliebenen Rostspuren und Löcher am
Einband zeigen an, wo früher die Ketten befestigt waren. Nicht nur Handschriften (wie zum
Beispiel in der Königlichen Universitätsbibliothek zu Breslau) und Inkunabeln (so zum Beispiel
in der Hof- und Staatsbibliothek in München und in der Stadtbibliothek in Breslau), sondern
gelegentlich sogar spätere Drucke lassen auf diese Weise die alte Übung erkennen, die für die
Besucher der Bibliotheken alles andere als bequem gewesen sein muß. — Ganz eigene Ge¬
danken beschleichen uns, wenn wir die rostigen Zeugen der Vergangenheit durch unsere Hände
gleiten lassen. Hallende Büchersäle, die ob ihrer dicken Mauern und kleinen Fenster fast den
ganzen Tag in kühler Dämmerung liegen, steigen vor unserm Innenauge auf. Wir sehen, wie
ernste Mönche, so Martin Luther, hinter deren Stirn sich unirdische Gedanken ballen, über die
angeschmiedeten Bücher gebeugt sitzen, wie bleiche Gelehrte in Talar und Barett sich in
die alten, so seltsam behüteten Folianten einbohren, wie die Sabbatstille nur da und dort
durch ein knisterndes Blättern unterbrochen wird, wie die Wogen des Alltags vergeblich um
diesen friedlichen Hafen branden. Tempi passati...
Zwei Gründe mögen, soweit die spärlich rinnenden Quellen es erkennen lassen, die ge¬
schilderte Maßnahme veranlaßt haben. Das Streben, wertvolle Werke zu schützen und die Not¬
wendigkeit, bestimmte Werke der allgemeinen Benutzung vorzubehalten, für eine Präsetizbibliothek
zu sorgen. Vor der Erfindung der „Schwarzkunst“ waren die Bücher zu wertvoll, als daß sie jeder
Bildungsbeflissene erwerben konnte. Lieh man zum Beispiel ursprünglich in den englischen Colleges
die Bücher für ein Jahr an die Studenten aus, so sah man sich in Kürze aus Billigkeitsgründen
veranlaßt, mit Hilfe der Ankettung die wissenschaftlichen Werke jedem Interessenten zugänglich
zu machen. Daß noch andere Erwägungen mit hineingespielt haben, ist wahrscheinlich, läßt sich
aber nicht immer mit Sicherheit erschließen. Karl Stieler (Gartenlaube 1878, S. 662) erzählt,
daß im Kloster Benediktbeuren(Bura) in den bayrischen Voralpen der Codex buranus „strenge
verschlossen“ gewesen sei und an einem „eisernen Kettlein“ gehangen habe. Er schwelgt
dabei in der romantischen Vorstellung, wie in der weltentlegenen Möncherei die lebensprühenden
Lieder unter Schloß und Riegel gehalten werden mußten, etwa wie ein Plautus im Nonnen¬
kloster oder Dr. Fausti Hollenzwang, damit nicht jeder unberufene Neuling darin blättere und
seine Seele mit sündigen Vorstellungen fülle, und wie nur die würdigen Alten, denen der Teufel
nicht mehr so leicht ein Garn stellen konnte, in lauer Sommernacht manch köstlich Stündlein
damit vertaten. Eduard Grützner-Stimmung — aber Poesie ohne Wirklichkeit. Schon A. P.
v. Bämstein (Carmina burana selecta, 1879, S. 3 A.) hat in den ihm zugänglich gewesenen
reichen Quellen nichts hierüber gefunden. Und auf eine Anfrage bei der Leitung der Königlichen
Hof- und Staatsbibliothek in München, die jetzt den Hort der wunderbaren Vagantendichtung
herbergt, erhielt ich durch den Vorsteher der Handschriftenabteilung Erich Petzet den Bescheid,
daß sich jene Behauptung durch nichts erweisen lasse; der Einband sei viel neueren Datums
und könne mit jener alten Sitte der Ankettung nichts zu tun gehabt haben.
Was die Technik des Ankettens anlangt, so hat William Blades in zwei Heften seiner
„Biographical Miscellanies“ (Nr. 2—5, London, July und August 1890) „Books in chains“ wert¬
volle Aufschlüsse in Wort und Bild gegeben. Die Ketten bestehen aus „rod-iron“ (Stabeisen),
die einzelnen Glieder in Form einer 8, das eine Ende der Verstärkung wegen um die Mitte
gebogen. Jede Kette (es handelt sich zumeist nur um englische Bibliotheken) ist ungefähr drei
Fuß lang und hat an einem Ende einen Ring nach Art eines Gardinenringes, der, an einem
Eisenstabe gleitend, beträchtlichen Spielraum gewährt. So kann man jedes Buch von seinem
Standplatze zu einem Pulte in einer kleinen Entfernung nehmen und es benutzen, ohne es fort¬
schaffen zu können. An dem Buche ist die Kette an einer Seite des mit einem Eisenplättchen
beschlagenen Einbandes befestigt Vorteile und Nachteile stehen sich bei dieser Methode
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Konrad, Angekettete Bücher.
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gegenüber: Wenn die Werke auch kaum entwendet werden konnten, so litten sie doch, wie
der Augenschein lehrt, durch die Wucht des unverhältnismäßig schweren Anhängsels. Während
die Catenaten der englischen Bibliotheken übereinander in mehreren Reihen auf Bücherbrettern
standen, was den Gebrauch unbedingt erschwerte, so geht aus den Abbildungen der Universitäts¬
bibliothek in Leyden und der Laurentiana in Florenz die praktischere Methode hervor, daß
nur eine Reihe vorhanden war, die sich unterhalb der Pulte befand.
Die Vorschriften über die alte bibliothekstechnische Gepflogenheit bieten manche wert¬
volle Belehrung.
In der Bibliothek des „Spitals zum heiligen Geist“ in Nürnberg bestand zum Beispiel nach
dem zugehörigen „Laitbuch“ während des XV. Jahrhunderts die Verordnung: „So sol der
Spitalmeister die slüzzel behalten zu den do die pücher an den keten hangen“.
Von besonderem Interesse sind hier einige Einzelheiten aus der Geschichte der Universitäts¬
bücherei in Freiburg i. B. H. Schreiber erwähnt in seiner „Geschichte der Alb.-Ludw.-Universität“
(1857) eine (ungedruckte) Rede des Rektors Hummel aus dem Jahre 1460, worin auch der
Bibliothek gedacht wird: „Und damit Niemand einen Andern bei der Benutzung störe, liegen
die kostbaren Werke an Ketten, umgeben von Tischen und Bänken“. Es ist nicht leicht, sich
einen solchen Zweck der Ankettung vorzustellen, so daß wir wohl füglich annehmen dürfen, es
handle sich hier um eine sophistische Verbrämung der alten durch die Besorgnis vor Ent¬
wendung diktierten Schutzmaßregel. — Die Artisten (Philosophen-) fakultät hatte von ihrer
Stiftung an eine eigene Bibliothek gegründet, einen Magister aus ihrem Rate mit der Aufsicht
betraut und schon im Jahre 1462 für Bücherei und Instrumentensammlung ein Zimmer in ihrer
Burse ausgemittelt Der Bibliothekar war streng angewiesen, keins der wichtigeren angeketteten
Bücher nach auswärts zu verleihen, „nur minder wichtige durften regierenden Fakultäts-Mit¬
gliedern, in gleicher Weise durfte auch nur solchen der Schlüssel zur Bibliothek gegen eine
Gebühr von acht Pfennigen eingehändigt werden“. Die hier angezogenen Stellen aus den
Satzungen der Artistenfakultät vom Jahre 1467 lauten (wie mir der Bibliotheksassistent Dr.
S. Rest gefällig mitteilt — ich gebe der Einfachheit halber gleich die Übersetzung): „Es wurde
zum zweiten beschlossen, daß der Bücherwart zwei gleiche rottuli (Rädchen-Verzeichnisse?)
anfertigen sollte, die alle Bücher enthielten, ob angekettet oder nicht, wovon das eine dem
Bücherwart, das andere dem Prodekan der Fakultät ausgehändigt werden sollte. — Zum dritten
wurde beschlossen, daß der Bücherwart fürder keinem mehr ein angekettetes Buch aus der
Bibliothek leihen, hergeben oder auf irgendeine Weise entfernen dürfe, ohne ausdrückliche Ge¬
nehmigung der Fakultät, andere aber, die nicht angekettet sind, kann er gegen Bürgschein
herleihen“. — Leider ist es Dr. Rest bis heute nicht gelungen, diese geheimnisvollen „Rottuli“
aufzufinden, die wohl gezeigt hätten, welche Bücher zur Präsenzbibliothek gehören sollten, ob
es besonders wertvolle oder aber Handbücher waren.
In den Rechnungen des Syndikus fand sich (gleichfalls durch Nachforschen Dr. Rests) zu dem
Jahre 1495/96 eine Stelle, aus der hervorgeht, daß „um 60 Kattenen zü den buocher doctoris Rot-
pletz (der seine Bibliothek der Universität vermacht hatte) 2 fl.“ in Gold ausgeworfen wurden.
Auch die Geschichte der Heidelberger Büchersammlungen (über die F. Wilken 1817
gehandelt hat) bietet uns mehrere bemerkenswerte Beispiele. Wir erfahren, daß die Codices,
die nicht in Schränken aufgestellt, sondern auf Pulten ausgelegt waren, dadurch vor Entwendung
geschützt wurden, daß sie im Bereiche jedes Pultes durch eine Kette verbunden waren, die
wahrscheinlich durch ein Schloß an dem Pulte befestigt war (Wilken S. 174 f.). Bei Gelegen¬
heit einer Sitzung der philosophischen Fakultät im Jahre 1545, die aus Anlaß einer Bücher¬
schenkung tagte, wurde beschlossen (ich gebe wieder gleich die Verdeutschung): „Und da die
Bücher, die D. Martinus Brechtei, der Theologie Licentiat, durch Gelehrsamkeit und Unbescholten¬
heit gleicherweise berühmt, der Fakultät geschenkt hatte, noch nicht durch Ketten angeschlossen
waren, beschloß man einstimmig, dem Manne, der unserem Gemeinwesen so sehr geneigt war,
ehestens zu willfahren“ (Wilken S. 90). — Die ältere Bibliothek der Heil. Geistkirche in Heidel¬
berg war in derselben Weise geordnet. In der Vermächtnisurkunde hatte Kurfürst Ludwig III. unter
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Konrad, Angekettete Bücher.
anderem bestimmt, „daß die erwähnten Bücher alle ... in der Bücherei der Kirche z. h. G. aufgestellt
und zusammengekettet werden sollten und, so zusammengekettet, ständig in der gen. Bücherei
zu bleiben hätten“. — Auch in der 1524 von Eberbach gestifteten Büchersammlung der Neuen
Burse war eine Vorschrift des Inhalts: „... deßhalb sollen diesilbigen Bücher, der er (der Schüler
des Stipendiums) nit nottdürftiglich bedarff, Inn das klein liberey kemmerlein Inn der newen
bursch an Ketten gelegt, damit sie nit verendert oder verloren werden vnd die Regenten den
Schlüssel darzu haben biß der Schüler derselbigen nottürftig sey“ (Wilken S. 145 f. A.).
Besonders waren es Kirchen - und Klosterbibliotheken, die ja in der älteren Zeit fast aus¬
schließlich als Büchersammlungen in Frage kommen, die des Kettenschutzes sich bedienten.
So stammen auch die libri catenati der Universitätsbibliothek in Rostock, meist Inkunabeln, in
der Regel aus alten Kirchenschätzen. Und in der Kirchenbibliothek zu Goldberg in Schlesien,
die in einem Turmstübchen der alten Stadtkirche untergebracht ist, sind die meisten Bücher,
einst ihrer Seltenheit wegen an Ketten gelegt, noch jetzt zu sehen. Auch zahlreiche englische
Kirchenbibliotheken rufen durch ihre mit schweren Ketten an Gestelle angeschlossenen Bücher
noch heut die Erinnerung an die Vergangenheit wach. Blades berichtet, daß, wenn einer
mittelalterlichen Bibliothek ein Buch gestiftet ward, zuerst eine Kette dazu gekauft wurde und,
wenn es besonders wertvoll war, ein paar Haken. Dann wurde der Schmidt bestellt, es anzu¬
schmieden, und zuletzt ein Maler, um Titel und Rubrum auf den Schnitt zu schreiben. Zahl¬
reiche Kirchen weisen die Spuren des ehemaligen Usus noch heut auf, desgleichen die meisten
Colleges. Blades bringt ein Verzeichnis sämtlicher ihm erreichbarer Catenaten, das für den
Bibliophilen hohen Wert hat. In den Rechnungen vieler Colleges finden sich noch heut Posten
über Ketten und Eisenstäbe, Ringe und Schmiedelohn. (Vergleiche auch Arch. d. Vereins f. d. Gesch.
d. Herzogt. Lauenburg VII, S. I28f.) Die Kathedrale zu Hereford vor allen, die um 1100 in
Bau genommen wurde, enthält 2000 meist theologische Werke, darunter sehr seltene Manuskripte,
und 26 Ausgaben der Bibel in verschiedenen Sprachen. Desgleichen waren in der sogenannten
„Gärbekammer“ (Sakristei) der Kirche zu Mölln im Lauenburgischen früher zahlreiche Bücher
unter Kettenverschluß, großenteils aus der Bücherei des nahen Brigittenklosters Marienwold
dahin geschafft, kurz bevor das Kloster um die Mitte des XVI. Jahrhunderts zerstört wurde.
Die zur Rede stehende Art der Sicherung läßt sich, wie schon erwähnt, hie und da auch
aus neuerer Zeit nachweisen. So spricht zum Beispiel der Haifische Theologe J. S. Semler in seiner
Lebensbeschreibung (1781, I, 15) davon, daß in der Schulbücherei in Zelle bei Suhl aus der
Zeit des Klosters noch viele Bücher mit kleinen Ketten verwahrt seien. Zur Zeit des Streites
zwischen Nominafisten und Realisten waren, wie er aus seinen Beobachtungen schließt, oft
Bücher der einen Partei durch Kettensicherung geschützt, — vermutlich wohl, um sie gegen
Entwendung oder Unbrauchbarmachung durch die Gegner zu wahren.
In England wurde im XVI. Jahrhundert in jeder Kirche — eine interessante Einzelheit in
der Geschichte des Bibellesens — ein Exemplar der Bibel von Coverdale großen Formats auf¬
gelegt, um den Gläubigen Gelegenheit zu geben, sie zu lesen; Eduard VI hatte nach einer
Visitation von 1547 die Anweisung gegeben, daß binnen drei Monaten jede Gemeinde dafür zu
sorgen hätte, daß binnen zwölf Monaten die „Paraphrasis“ von Erasmus in gleicher Weise zu¬
gänglich gemacht werden sollte. Wenngleich auch von einer Ankettung in diesem Erlasse so¬
wie dem der Königin Elisabeth von 1559 nicht die Rede ist, so werden doch die Kirchenvorsteher
von selbst die allgemeinübliche Methode, das Büchereigentum zu schützen, angewandt haben.
Während ursprünglich nur die Bibel und die „Paraphrasis“ den Pfarrkindem, die des Lesens
kundig waren, zur Einsicht dargeboten wurden, kamen mit der Zeit noch Fox* „Book of
Martyrs“ sowie die verschiedenen Werke des Bischofs Jewel und anderer Theologen hinzu.
Daß auch die Sage durch den geschilderten Usus Nahrung erhielt, geht aus einer drolligen
Anekdote hervor, die sich (nach Blades a. a. O. II, 10) an die Kirche von St. Wallberg bei
Zütphen in Holland knüpft Dort befindet sich eine große Sammlung von Büchern, die ur¬
sprünglich seltsamerweise ohne Kettenschutz waren und ob ihrer religiösen Richtung den Zorn
des — Teufels erregten, der zu öfterenmalen Zutritt gewann und die besten von ihnen stahl
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Steig, Die Brüder Grimm und die Weimarische Bibliothek.
25
Der Tatbestand war unbestreitbar, denn die Spuren seiner Klauenfüße auf den Fliesen ließen
deutlich nicht nur die Persönlichkeit des Diebes erkennen, sondern auch den Weg, den er bei
seinen gotteslästerlichen Besuchen eingeschlagen hatte. Die Sache war ernst, denn keiner
konnte sagen, wie die Plünderungen aufhören würden. Deshalb wurde Rat gehalten und der
Beschluß gefaßt, den ganzen Rest durch Ketten zu sichern, die mit Weihwasser besprengt waren,
worauf Seine Satanische Majestät Sich vorsichtig femhielt. Und seitdem sind die Bücher dort
verblieben, ohne daß sie jemand, die allgegenwärtigen Reisenden ausgenommen, gestört hätte ...
Von einer derartigen handgreiflichen Büchersperre ist jetzt nicht mehr die Rede, so daß
wir nicht mit Musander („Der Studente in seinen Probejahren“ 1739) darüber zu klagen brauchen,
daß „die Bücher wie arme Gefangene an unmenschlichen großen Ketten liegen oder mit eisernen
Gegittem so scharff verwahret werden“. Die fortschreitende Geistesbüdung hat im Verein mit
der Buchdruckerkunst die Ketten gesprengt; ein allgemein zugängliches Buch ist nach Blades’
treffendem Vergleich ein starker Mann, ein angekettetes ist wie Simson unter den Philistern.
Trotzdem wären die Eisenbande gegenüber den Büchermardem, die nach wie vor in unseren
Lesesälen nisten, recht wohl noch am Platze. Der Überwachungsdienst hat aber mildere
Formen angenommen. Mutatis mutandis ist die alte Sitte freilich auch heut noch im Schwange;
zensurierte und konfiszierte Schriftsteller werden mit einem Seitenblick auf den Herrn Staats-
anwalt bestätigen, daß „nicht alle frei sind, die ihrer Ketten spotten“.
Die Brüder Grimm und die Weimarische Bibliothek.
Von
Professor Dr. Reinhold Steig in Berlin.
D ie Brüder Grimm sind ihr Leben hindurch unübertroffene Bücherfreunde gewesen, nicht
nur als Gelehrte, sondern auch als Sammler eigener Bücherschätze und als Verwalter
öffentlicher Bibliotheken. Es hat etwas Rührendes in ihren Jugendbriefen zu lesen,
wie sie schon als Studenten mit schmalen Mitteln planvoll sich Bücher anschafften, die sie unab¬
lässig dem Gange ihrer Studien gemäß vermehrten. Ihr eigener Vorrat an Büchern wäre
aber fiir ihre Arbeiten nicht ausreichend gewesen, hätten ihnen nicht zugleich die Bibliotheken
in Kassel und Göttingen, an denen sie zusammen, Jacob 30, Wilhelm fast 25 Jahre als Biblio¬
thekare angestellt waren, zu unbeschränkter Verfügung gestanden. Nach der früheren Art der
Bibliothekare betrachteten sie sich nicht nur als Hüter der ihnen amtlich anvertrauten Bücher,
sondern zugleich auch als ihre vorzüglichsten Benutzer. Ihre Schriften weisen aus, was ihnen
die Bibliotheken zu Kassel und Göttingen an Wissens- und Arbeitsstoff geboten haben. Mit
der Kasseler Bibliothek waren sie von Anfang an gleichsam verwachsen, mit der zu Göttingen
trat Jacob schon in der westfälischen Zeit als Staatsratsauditor und Bibliothekar des Königs,
besonders durch Benecke, in Verbindung. Seine amtliche Stellung erleichterte ihm die An¬
knüpfung mit der Bibliothek in Heidelberg durch Wilken und die mit den Bibliotheken zu
Weimar und Jena durch Goethe. Sie alle enthielten gedruckte und handschriftliche Bücher,
die die Brüder für ihre Arbeiten brauchten. Es wären in diesem Zusammenhänge auch wohl
noch andere Bibliotheken geringerer Bedeutung zu nennen. Aber um Goethes willen, unter
dessen -Schirm die Brüder Grimm ihre literarischen Anfänge stellten, den sie auch nach seinem
Tode als den Stern der deutschen Dichtung verehrten, wird eine Darstellung ihrer Beziehungen
zur Weimarischen Bibliothek während und nach der Goethezeit gerechtfertigt sein.
I.
Als erster von den drei Brüdern Jacob, Wilhelm und Ludwig Grimm erschien Wilhelm
in Weimar. Sie waren sämtlich durch ihre Brentano-Amim-Savignysche Freundschaft Goethe
wohl empfohlen, und Wilhelm sah sich 1809 von ihm und den Seinigen recht gut aufgenommea
Z. f. B. 1912/1913. 4
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Steig, Die Brüder Grimm und die Weimarische Bibliothek.
Er galt als ein angehender junger Gelehrter, der schon in den Heideibergischen Zeitschriften
Proben seines Wissens und Könnens abgelegt hatte, und dem die königlich westfälische Dienst¬
stellung seines Bruders Jacob ebenfalls eine Art beamtenmäßigen Rückhalts gab. Er besuchte
auch in bestimmter Arbeitsabsicht die Bibliothek in Weimar, der Goethes Schwager Vulpius
Vorstand. Indessen fand er keine Bücher, die er mit Jacob brauchen konnte, dagegen zwei
Manuskripte, eins mit Fabliaux und Erzählungen von Teichner und andern, sowie eine Samm¬
lung Lieder, unter denen es auch dem ersten Anschein nach an guten Minneliedem nicht fehlte.
Aber die Benutzung machte Schwierigkeit Die Bibliotheksordnung gestattete nicht, die Hand¬
schriften mit in die Wohnung zu nehmen, und Wilhelm hätte verzichten müssen, wenn nicht
durch Goethes Vermittelung die Übersendung der Handschriften ermöglicht worden wäre. Der
Akt ging aber in streng formeller Weise vor sich. Jacob, nicht Wilhelm mußte ein Gesuch
einreichen. Goethe befürwortete es beim Geheimen Rat von Voigt, nicht allein aus Teilnahme
an den jungen Grimms, sondern auch aus Politik, da ihm von Göttingen aus alle und jede
Bücher auf sein Verlangen bis auf die neuesten Zeiten (das heißt bis auf die königlich westfälischen
Zeiten) mitgeteilt worden seien, wogegen er dorthin (das heißt nach dem Königreich West¬
falen) auch etwas Freundliches zu erzeigen wünsche. Das Gesuch wurde genehmigt. Unter
Goethes persönlicher Bürgschaft und mit einem Begleitbriefe von ihm (Goethe und die Brüder
Grimm Seite 64) gingen die Handschriften am 19. Januar 1810 nach Kassel an Jacobs dienst¬
liche Adresse ab. Dem früher gelieferten Nachweise, wie und wo die Brüder Grimm in ihren
Büchern von den weimarischen Handschriften Gebrauch gemacht haben, namentlich in der
Schrift über den altdeutschen Meistergesang und in den Altdeutschen Wäldern, füge ich noch die
Mitteilung hinzu, daß sich in ihrem Nachlasse auch eine von Wilhelms Hand gefertigte Abschrift
der wichtigeren Inhaltsstücke vorgefunden hat.
Die Rückgabe dauerte Goethe aber zu lange. Selbst abgeneigt, die Empfänger zu
mahnen, übertrug er dies unangenehme Geschäft dem Bibliothekar Vulpius. Im Begriff, nach
Karlsbad zu reisen, schrieb er diesem am 13. Mai 1810 (Weimarer Ausgabe IV 21,293):
„Sollte Herr Staatsratsauditor Grimm in Cassel jene ihm zugesendeten Manuskripte zur rechten
Zeit nicht zurückschicken, so erinnern Sie solche höflich und beziehen Sich darauf, daß ich nicht
gegenwärtig bin“. Das letzte Sätzchen beweist, daß Goethe auch die kleine Kunst verstand,
das Fatale einer Sache, das er sich femhalten wollte, einem nachgeordneten Beamten aufzulasten.
Ehe aber eine Mahnung erlassen wurde, kamen die Handschriften von Kassel zurück, mit
folgendem Briefe an Vulpius (dessen Mitteilung ich Herrn Max Kahlbeck in Wien verdanke):
Wohlgeborener # Cassel, am 8. Jun. 1810.
Hochgeehrtester Herr.
Ew. Wohlgeboren übersende ich hierbei die beiden Manuscripte zurück, mit der Bitte, mir den richtigen
Empfang derselben, nur mit ein paar Worten, zu bescheinigen. Zugleich ersuche ich Sie, die Einlage an
S. Excellenz abgeben zu laßen.
Mit vollkommener Hochachtung
Ew. Wohlgeb. gehors. D(iene)r W. C. Grimm.
Die Einlage ist das ausführlichere Schreiben Wilhelm Grimms vom gleichen Tage an Goethe
(Goethe und die Brüder Grimm, Seite 67); hätte Vulpius schon gemahnt und Goethes Ab¬
wesenheit erwähnt, so würde Grimm nicht eine Einlage an Goethe beigeschlossen haben.
Im Sommer des nächsten Jahres machte Jacob Grimm aus persönlichem Anlaß eine
sächsisch-thüringische Studienreise und berührte Weimar. Über seinen dortigen Aufenthalt be¬
richtete er Wilhelm aus Dresden am 5 * Juni 1B11*: „In Weimar war Göthe schon vierzehn Tage
fort, der Herzog soeben, Madame Schopenhauer verreiste noch denselben Tag, daher ich nicht
hinging; andere wie Majer, Schütz und Falk mochte ich nicht besuchen. Bios der alte Bertuch
war da, der mir ganz im Stil seines Sohns erzählte, daß dieser nach Dessau gegangen wäre,
* Diese Briefstelle, die dem Grimmschen „Briefwechsel ans der Jugendzeit“ fehlt, gebe ich hier nach dem Original;
über des faßreisenden Antiquars Arendt Verhältnis zu Weimar darf ich auf „Goethe und die Brüder Grimm**, Seite 42, 44,
▼erweisen.
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Steig, Die Brüder Grimm und die Weimarische Bibliothek.
2 7
um seine gute Frau zu holen. Vulpius ist sehr fatal, war aber neben einer gewissen Ein¬
bildung, womit er an seine planlosen Excerpte und sein rühmliches Gedächtnis denkt, äußerst
höflich. Von Arendts wunderbarer Gelehrsamkeit in allen Fächern hat er mir viel erzählt, die
ganze Göttinger Bibliothek ist nach Arendt eine bloße Lumperei gegen Upsala. Übrigens ist
sein Codex der Edda wirklich auf Pergament und also keine schlechte Copie, schreib doch
dem Rask darüber, wie mag er wohl dazu gekommen sein?“ Er hatte sich aber von der
Weimarer Bibliothek eine bestimmte Ausgabe des Pentamerone von Basile geborgt, die er unter¬
wegs durchzulesen und auf der Rückreise abzugeben gedachte. Er und Wilhelm bedurften der
Ausgaben des Basile fiir ihre Märchen, und im dritten Bande (1822 Seite 276) kann man einen
Bericht über die Weimarischen, von Femow auf die dortige Großherzogliche Bibliothek ge¬
brachten Ausgaben lesen. Aber anstatt des Buches empfing Vulpius folgenden Brief (dessen
Abschrift ich Herrn Albert Cohn verdanke):
An/ Herrn Bibiiothecar/ Doctor Vulpiusj Wohlgeb./ Weimar, j frei. Gotha am 26 , en xgu
Auf meiner Rückreise von Dresden kam ich bei Nacht und so schnell über Weimar, daß es mir nicht
erlaubt war, Ihnen, hochgeschätzter Herr Bibiiothecar, aufzuwarten und Ihnen eine kleine Bitte vorzulegen,
welche ich nun, weü ich in Gotha einige Tage raste, nicht einmal bis nach Caßel verschieben will. Sie ist: mir
das güdgst geliehene Buch: ü Pentamerone del cavalier G. B. Basüe, overo lo cunto de li cunte. Napole 1714.
12®° noch einige Zeit zu laßen; ich dachte es in Dresden auszulesen, habe aber dort so viel zu thun gefunden,
daß ich gar nicht daran kommen konnte; Ihre gefällige Verstattung, dieses nicht gemeine, und mir in mehr als
einer Hinsicht merkwürdige Buch zu gebrauchen, würde also keinen Erfolg für mich haben, wenn Sie nicht
den Termin prorogiren wollten; welches wohl um so statthafter ist, da Sie noch eine andere Ausgabe in neapo¬
litanischem und dazu eine in bolognesischen Dialect auf der Bibliothek besitzen. Die letztgenannte würde mir
leichtlich minder Schwierigkeit beim Verständnis machen, als es der neapolitanische Text thut, besonders ohne
Galianis vocabulario; um welches ich jedoch, der bekannten Bibliotheksregel eingedenk, nicht zu bitten wage.
In Jena konnte ich mich umgekehrt erst bei meiner Rückkunft verweilen und Herr Färber hat mir die
Schloßbibliothek, die wirklich im glottischen und botanischen Fach recht schöne Sachen enthält, bereitwilligst
gezeigt. Freilich hat mich die Universitätsbibliothek mehr beschäftigt, deren neuer Verwalter, Prof Gülden¬
apfel, mir äuserst gefällig und behüflich war.
Wenn sich Gelegenheit zeigen sollte, wo ich Ihnen, hochgeehrtester Herr, mit meinem geringen Dienst
an Hand gehen kann, so rechne ich darauf, daß Sie mich nicht verschonen. Ich habe die Ehre mit besonderer
Hochachtung zu seyn Ew. Wohlgeb. gehors. D(iene)r Grimm.
N. S.
Sollte Ihnen gelegentlich das mir vorgezeigte, von einer Bücherdecke abgelöste Pergamentblatt Vor¬
kommen, welches ich gleich für eine altdeutsche Bearbeitung des trojan. Kriegs erkannte und das mit den
Worten angeht:
Daz buch kan auch mer sagen
eyn konig sant den ersten wagen pp
so wünschte ich sehr zu wißen, (denn ich habe mir in der damaligen Eüe nur die 23 ersten Zeilen copirt) ob
bald darauf ein neuer Abschnitt folgt, etwa mit folgenden Worten:
Ecuba vil sorgen pflag
do si bi hertzeliebe lag
an Priamo irem werden man
gros wunder twingen do began
das wunderschöne süße wib
so das ir kusch er süßer lib
von schrecken jamers not gewan
sy ducht ein vackel wunnesan
wer ir gewachsen an der stunt ppp.
In diesem Fall wäre das Fragment bestimmt aus dem Wolfram-Eschenbachischen troj. Krieg. Ich nehme obige
Stelle aus der Dresdner Abschrift des alten codids gotwicens., der etwa 26,000 Reimzeüen hat, so daß Ihnen
manche Blätter fehlen. Merkwürdig aber wäre, daß Ihr Fragment gerade noch einige Vorworte aufbewahrte,
denn jene Handschrift hebt gleich mit: Ecuba vil pp an.
Sehr erbaut scheint Vulpius von Jacob Grimms neuerlichem Überschreiten der Leihfrist
nicht gewesen zu sein. Die Antwort lautet ziemlich kurzsilbig:
Weimar, d. 9. Jul 1811.
Wenn Ew. Wohlgeboren von den Mscpt. Blättern die ereteren 23 Verse kopirt haben, so heißt der 24ste,
25ste nicht Ecuba vÜ sorgen pflag,
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Steig, Die Brüder Grimm und die Weimarische Bibliothek.
sondern Syn schon Wip hiz Ekkuba
Die was reyne vnd kusch da.
Eynes nachtez die frauwe enslif
Eyn troum in ir herze lif u. s. w.
Sie werden die Gefälligkeit haben des Basile Pentamerone zurückzusenden, so bald es Ihnen möglich ist
Ew. Wohlgeboren gehors. Diener Vulpius.
Aber Jacob Grimm sandte den Basile sobald doch nicht zurück; wahrscheinlich am Jahres¬
schlüsse gemahnt, suchte er um weitere Verlängerung der Leihfrist nach, unter Mitsendung
eines neuen Leihscheines. Worauf er von Vulpius das folgende ärgerliche Schreiben zurück¬
erhielt: Weimar, den 26. Febr. 1812.
Ich sende Ihnen hierbei Ihren alten Schein über des Basile Pentamerone zurück, und habe freilich nicht
geglaubt daß Ihnen das Buch so lange nöthig wär, da Sie es nur auf einige Wochen verlangten. Nun freilich
ist es etwas lange, von vier Wochen her, daß Sie daßelbe noch x / 2 Jahr zu behalten wünschen, ich muß es
also Ihnen überlassen, mir daßelbe so bald als es Ihnen möglich ist zurückzusenden, denn wenn es noch ein*
mal von einem andern verlangt wird, so bin ich der Gefahr ausgesetzt, daß ich Verantwortung habe, da Sie nicht
wie ich Ihnen rieth, den gesetzlichen Weg einschlugen, und Ihr Gesuch schriftlich der Bibliotheks-Commission
vortrugen, weil Sie, wie Sie sagten, das Werk so bald wieder zurückgeben wollten. Ich überlasse daher alles
Ihrer eigenen Ansicht und Einsicht, da der Fall mir noch nicht vorgekommen ist, auch nicht wieder Vorkommen
durfte. Mich bestens empfehlend Dero ergebenster Diener Vulpius.
Hiermit endigen die nachweisbaren, unmittelbaren Beziehungen zwischen Vulpius und den
Brüdern Grimm. Grimms Arbeiten konnten auch aus Weimariscjien Büchern und Handschriften
keine Nahrung mehr ziehen, und der „Bibliothekar des Romantisch-Wunderbaren“, wie ihn Wil¬
helm 1817 öffentlich bezeichnete, war ihnen persönlich nicht besonders ans Herz gewachsen.
n.
ln Goethes allerletzte Lebenszeit fiel die Übersiedelung der Brüder Grimm von Kassel an
die Bibliothek zu Göttingen. Er war fünf Jahre tot, als die sogenannten Göttinger Sieben, darunter
die Brüder Grimm, aus politischen Gründen ihrer Ämter entsetzt wurden. Die großartige Teil¬
nahme, die sich allenthalben für die Göttinger Sieben kund tat, fand auch in der Weimarischen
Gesellschaft ihren Widerhall. Goethes Schwiegertochter erklärte sich öffentlich für sie.
Im Grimmschen Nachlasse befindet sich ein (soviel ich weiß) imbekanntes Gedicht der
Frau Ottilie von Goethe, das Jacob, als er 1838 amtlos in Kassel lebte, von Dr. J. H. Chm.
Schubart, dem nachmaligen Kasseler Bibliothekar, zugeschickt bekam. „Auf der letzten
Maskerade in Weimar“, schrieb ihm dieser am 30. April 1838, „circulirte beiliegendes Gedicht,
fiir dessen Verfasserin Fr. v. Göthe gehalten wird. Da ich glaubte, daß dasselbe fiir Sie von
einigem Interesse sein könnte, habe ich es mir geben lassen, um es Ihnen mitzutheilen.“ Das
Gedicht lautet: ~ ~ . .. , c . ,
Traurige Geschichte der Sieben.
(In Weimar auf einer Maskerade ausgetheilt)
Kingleku, ich glaub in China,
Wo man stets gar sehr bemüht,
Daß kein Saamenkom Gedanke
In dem Kopfe Funken sprüht,
Dachte drauf, des Reichs Gesetze
Umzustoßen keck und frei,
Daß sein unumschränkter Wille
Künftig ohne Fessel sei.
Des Confucius große Seele
War schon längst der Erd* entflohn,
Doch noch liebt er seine Brüder,
Nahte sich des Fo-to Thron,
Fleht um Segen fiir sein Land,
Und des Fo-to hohe Gottheit
Reicht gewährend ihm die Hand:
„Als den Lohn für hehre Tugend
Sollst du wirken fort auf Erden;
Sieben deiner weisen Lehren
Sollen plötzlich Menschen werden.**
So entstanden sieben Männer
Reich an Muth und Kraft und Wahrheit,
Standhaft und voll hoher Mäß’gung,
Feurig, doch voll milder Klarheit
Aber Kingleku verblendet.
Hat sie aus dem Reich vertrieben, —
Ist ihr Wirken dort geendet,
Sind sie doch der Welt geblieben, —
Hat verbannt die Götterfunken,
Die in Form der Menschen kamen,
Und es deckt nun seinen Namen
Stets mit Schmach Historia. 1
* Jacob Grimm hat über das erste Wort geschrieben: „Kinglefu“, und unter das ganze Gedicht: „verfaßt von Frau
von Göthe“. — Ein Einzeldruck (1 Blatt 8°), mit andern Maskengedichten zusammengebunden, befindet sich im Goethe-
Schiller-Archiv. (D. Red.)
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Steig, Die Brüder Grimm und die Weimarische Bibliothek.
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Der Meinung dieses weimarischen Gedichtes entspricht auch eine briefliche Mitteilung des da¬
mals jugendlichen RudlofF aus Berlin, 12. August 1838 (ungedruckt), an die Frau Dorothea
Grimm, die Frau v. Meusebach rate Jacob und Wilhelm, bis die Berufung nach Berlin erfolgen
könne, zu interimistischem Aufenthalte in Jena: „Sie wissen wohl, wie die Großfürstin von Weimar
— oder Großherzogin, wenn man nicht Berlinisch reden will — im Sommer den Sieben das
Wort geredet hat; sie ist eine gescheute Frau und gewiß nicht abgeneigt, ihr kleines Land
durch Deutschlands erste Gelehrte noch einmal zu verherrlichen." Wie eine etwaige Verwen¬
dung der Brüder Grimm im Weimarischen Staatsdienste gedacht war, konnte nicht zweifelhaft
sein. Nach Vulpius war Riemer, Goethes ehemaliger Sekretär und ständiger Hausgast, Biblio¬
thekar in Weimar geworden. Träte der Fall ein, daß seine Stelle neu zu besetzen wäre, worauf
man schon damals zu rechnen schien, so sollten die Brüder Grimm an die Bibliothek berufen
werden. Muße zu eignen Arbeiten würden sie dann im Überfluß haben und in dieser Hinsicht
viel besser als in Göttingen, ja in Kassel gestellt sein.
Diese Aussicht schien sich schnell zu verwirklichen. Am 24. Januar 1840 schrieb Dahl¬
mann aus Jena an Jacob (Ippel 1, 375): „Vor ein paar Tagen ist Riemer in Weimar gestorben.
Sie können sich denken, wie mir der alte Plan durch den Kopf geht, Sie beide durch diesen
Anlaß nach Weimar versetzt zu sehen. Blutwenig Amtsgeschäfte und eine doch immer acht¬
bare Bibliothek zu Ihrem Gebrauche; der eigentliche Gehalt ist freilich nur 800 Taler; Riemer
hat auf anderem Wege mehr gehabt. Der Kanzler Müller tut gewiß das Äußerste dazu.
Weisen Sie, wenn er kommen sollte, was doch nicht unmöglich ist, es doch ja nicht ab, und
lassen Sie mich gleich von etwanigen Anstößen wissen." Die Todesnachricht war jedoch
verfrüht, und Jacob bemerkte darauf launig: ,Riemern wollen wir von Herzen das längste Leben
gönnen." Riemer hatte im Gegenteil noch Leben genug, ein neues Buch, die „Mittheilungen
über Goethe", herauszubringen, worin mit alter Mißgunst Bettina wegen ihres neuen Buches
„Goethes Briefwechsel mit einem Kinde" hergenommen war, die sich darüber bei Jacob Grimm
beklagte. Ein guter Scherz ist es von Jacob, wenn er daraufhin Dahlmann schreibt: „Wäre
ich vor zwei Jahren nach seinem Tode Bibliothekar in Weimar geworden, so hätte das ihr
wahrscheinlich den Ärger erspart." Die Stelle darf eben nur als Scherz, nicht wörtlich (wie
geschehen ist) verstanden werden.
Riemer starb wirklich am 20. Dezember 1845. Es ist verwunderlich genug: während er
seinem Unbehagen gegen die Frau von Arnim Luft machte, stand der Erbgroßherzog Karl
Alexander in vertrautestem Verkehr und Gedankenaustausch mit ihr. Wäre dergleichen Un¬
stimmigkeit wohl zu Goethes Lebzeiten möglich gewesen? Die Frau von Arnim hatte sich
früher offenbar auch dem Erbgroßherzog gegenüber ihrer Freunde Grimm mit Eifer angenommen.
So kam es, daß er ihr am 19. Januar 1846 einen (ungedruckten) Brief schreiben konnte, in dem
er zweimal in bedeutsamer Weise der Brüder Grimm erwähnte. Erstens: er lasse ein dickes
Buch über die Geschichte der Wartburg schreiben. Es solle seinen Restaurationsarbeiten auf
seinem alten Stammschlosse ab Supplement dienen. Die Geschichte der Minnesänger werde
dabei natürlich nicht fehlen, und eifrig lasse er Notizen über dieselben und ihre Werke sammeln:
„wo könnte ich aber mehr Nachrichten einsammeln, wo leichter zu meinem Zwecke kommen,
als bei dem gefeierten Brüderpaar Grimm, die so rühmlich sich auch gerade mit diesem Theile
unserer Litteratur beschäftigt haben, und an deren bloße Namen sich die ganze weite Welt
der Phantasie und der Träume des Mittelalters zu knüpfen scheint. Da Sie die beiden Herrn
Grimm wohl kennen, ich denselben aber fremd bin, so bitte ich Sie, so gütig sein zu wollen,
mir zu meinem Zwecke zu verhelfen und die Herrn zu ersuchen, ob und welche Werke dieser
Zeit der Minnesänger nicht publicirt, ob und welche Notizen, auf die alten Meister bezüglich,
den schon bekannten Nachrichten nachzutragen, anzunehmen seien."
Und zweitens schreibt der Erbgroßherzog: „Durch den Tod des Oberbibliothekars Riemer
haben wir einen Verlust erlitten, dem Sie auch Ihren Antheil gewiß nicht versagt haben werden,
da das Leben des Verstorbenen sich an das Goethes knüpfte. Von Herzen hoffe und wünsche
ich, daß die beste Wahl, die dem Namen Weimars würdigste, den Verlust ersetzen könnte.
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30
Ein unvollständiges Gedicht von Heinrich Heine.
Wie wünschte ich die Gebrüder Grimm in Weimar. Mit aufrichtigster Anerkennung und Liebe
sollten und würden sie aufgenommen werden “ So war hier der lange gepflegte Plan, die
Brüder Grimm an die Weimarische Bibliothek zu ziehen, von höchster Stelle des Staates an¬
genommen und zu entschiedenem Ausdrucke gebracht worden.
Die Anfrage des Erbgroßherzogs kam, wenn man die damalige Lage der Brüder Grimm
ins Auge faßt, zu spät für sie. Sie waren nun schon seit sechs Jahren in Berlin angesessen;
ihre Berufung faßten sie immer als einen persönlichen Akt des Königs Friedrich Wilhelm IV.
auf, dem sie sich treu verpflichtet fühlten. Sie konnten sich daher nicht zur Annahme
des Weimarischen Rufes entschließen. Bettina hat den Auftrag des Erbgroßherzogs
ausgerichtet; Beweis dafür ist, daß Jacob Grimm sich mit eigener Hand eine Abschrift des
erbgroßherzoglichen Briefes genommen hat, die der Nachlaß aufbewahrt Das Ergebnis der
für Grimms gewiß nur kurzen Überlegung entnehme ich einem (ungedruckten) Briefe Bettinens
an ihren ältesten Sohn, dem sie mitteilte: „Gestern schrieb mir der Erbgroßherzog von Weimar
(d. h. empfing ich den Brief des Erbgroßherzogs von Weimar), mit der Bitte, den Grimm den
Antrag zu machen, in Weimar den Platz als Oberbibliothekare anzunehmen. Es ist doch
selten, daß immer mir die Chancen ihrer Geschicke in die Hände kommen. Sie haben in
Gnaden abgeschlagen mit der Bemerkung, vor sechs Jahren würden sie es mit Dank ange¬
nommen haben, aber jetzt seien sie zu sehr an den König attachirt.“
Damit sind der Brüder Grimm Beziehungen zur Weimarischen Bibliothek zu Ende. Ver¬
übelt hat man ihnen an maßgebender Stelle ihre Haltung nicht, ebensowenig Herrn an Grimm,
als der Versuch mißlang, ihn in jungen Jahren in den weimarischen Dienst zu ziehen. Im Gegen¬
teil sind die weimarischen Herrschaften bis zuletzt gegen ihn von persönlichem Wohlwollen
beseelt gewesen und haben in vielen wichtigen Fragen, die Dinge wie Personen betrafen, seine
Ansicht eingeholt und ihre Entscheidung danach getroffen.
Ein unvollständiges Gedicht von Heinrich Heine.
(Nachdruck verboten.)
D urch die liebenswürdige Vermittlung von Herrn Charles AndUr , Professor an der Sorbonne
in Paris, sind wir in der Lage unsem Lesern ein bisher nur als Fragment bekanntes Heinesches
Gedicht vollständig mitzuteilen, welches er, gemeinsam mit unserm Mitarbeiter Herrn
Otto Grautoff, im Besitze der Witwe des Herrn Etienne Hecht in Paris (Boulevard Haussmann
140) entdeckte. Das Manuskript besteht aus zehn Blättern von verschiedenem Format, voll¬
ständigen Blättern in Großquart und halben, zerrissenen in Oktav; die Verse sind mit Bleistift
in einer bis zu den letzten Worten festen und schönen Schrift geschrieben. Der Anfang des
Gedichtes ist unter dem Titel „Zur Teleologie“ seit Strodtmanns Ausgabe der „Letzten Gedichte“,
Hamburg 1869, Seite 140, bekannt, vgl Elsters Ausgabe II, 75, Tempel-Ausgabe II, 151. Unser
Manuskript enthält als Schluß 45 bisher unveröffentlichte Verse; daneben aber eine große
Anzahl von Streichungen und Korrekturen, durch die Heine nach seiner auch sonst bekannten
Art den ersten Entwurf veränderte und die in unserm Abdruck buchstabengetreu wiedergegeben
sind. An einigen Stellen erkennt man, daß der Dichter mit dem Radiermesser Worte aus¬
gekratzt hat, um die Verbesserungen darüber zu schreiben. Das Manuskript gehörte ursprünglich
dem Verlagshaus Calman-Levy; auf verschiedenen Blättern findet sich der Name des früheren
Chefs von Calman-Levys eigener Hand eingetragen.
Die Verse 105 ff. enthalten, nach gütiger Mitteüung des Herrn Dr. Otto Weiß in Weimar,
eine offenbare Anspielung auf die Hegelsche Philosophie, welche gerade durch die Vereinigung
polar entgegengesetzter Funktionen die höhere Stufe und somit den Sinn der Teleologie erklärt
So weist Hegel zum Beispiel in seiner Naturphilosophie (Encyklop. ed. Mich. II, 585) auf den Gegensatz
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Ein unvollständiges Gedicht von Heinrich Heine.
3 i
der animalen und ideellen Funktion des Mundes (Essen, Trinken und Lachen, Sprechen, Küssen)
und der Augen (Sehen und Weinen) hin. Auch diese Beziehungen dürften die Mitteilung der
bisher unbekannten Schlußverse rechtfertigen.
[Blatt 1] Beine hat uns zwey gegeben
Gott der Herr, um fortzustreben,
Wollte nicht daß an der Scholle
Unsre Menschheit kleben solle.
5 Um ein Stillstandsknecht zu seyn
Gnügte uns ein einzges Bein.
Augen gab uns Gott ein Paar
Daß wir schauen rein und klar;
Um zu glauben was wir lesen,
10 War ein Auge g’nug gewesen.
Gott gab uns die Augen beide,
Daß wir schauen und begaffen
Wie er hübsch die Welt erschaffen
Zu des Menschen Augenweide;
15 Doch beim Gaffen in den Gassen
Sollen wir die Augen brauchen
Und uns dort nicht treten lassen
Auf die armen Hühneraugen,
Die uns ganz besonders plagen
20 Wenn wir enge Stiefel tragen.
Gott versah uns mit zwey Händen
Daß wir doppelt gutes spenden.
Nicht um doppelt zuzugreifen
Und die Beute aufzuhäufen
25 In den großen Eisentruhn,
Wie gewisse Leute thun —
(Ihren Namen auszusprechen
Dürfen wir uns nicht erfrechen, —
Hängen würden wir sie gern
30 Doch sie sind so große Herrn,
Phüantropen, Ehrenmänner,
Manche sind auch unsre Gönner,
Und man macht aus deutschen Eichen
Keine Galgen für die Reichen.)
35 Gott gab uns nur eine Nase
Weü wir zwey in einem Glase
Nicht hineinzubringen wüßten,
Und den Wein verschlappem müßten.
[Blatt 2] Gott gab uns nur einen Mund
40 Weil zwey Mäuler ungesund.
Mit dem einen Maule schon
Schwätzt zu viel der Erdensohn.
Wenn er doppeltmäulig wär
Fräß* und lög’ er auch noch mehr.
45 Hat er jetzt das Maul voll Brey
Muß er schweigen unterdessen,
Hätt’ er aber Mäuler zwey,
Löge er sogar beim Fressen.
[Blatt 3] Mit zwei Ohren hat versehn
50 Uns der Herr. Vorzüglich schön
Ist dabey die Symetrie.
Sind nicht ganz so lang wie die,
So er unsern grauen braven
Kameraden anerschaffen.
55 Ohren gab uns Gott die beiden,
Um von Mozart, Gluck und Haiden,
Meisterstücke anzuhören —
Gäb es nur Tonkunst-Kolik
Und Hämorrhoidal-Musik
60 Von dem großen Meyerbeer
Schon ein Ohr hinlänglich wär!
[Blatt 4] Als zur blonden Teutolinde
Ich in solcher. Weise sprach,
Seufzte sie und sagte.* Achl
65 Grübeln über Gottes Gründe,
Kritisiren unsern Schöpfer,
2 um nach gestrichnem damit
10 Darnach gestrichen:
Mit den beiden <über Ueberi> Augen <beiden> jetzt
Bücken <uber Schauen > wir in weite Ferne aus bis
<nach> in den Himmel <in die lVeiie>
Und am Himmel uns ergötzt
Sonne, Mond und auch die Sterne.
Die endgiltige Fassung von V. 11—20 auf einem besondern
halben Blatt
11 Nach gestrichnem: Augen gab uns Gott die beide
15 Nach gestrichnem: <Ganz> In den Kopf setzt er
Gant besonders hat er Augen
{Die des Kopfes ) U ns geg<eben />
Be
23 Nach gestrichnem:
Nicht um doppelt einzustecien
Fremde Hab in unsren Säcken.
{Diesen Missbrauch beider Hand
Rügt das neue <über alte> Testament,
Und es sagt uns, dass <über das neue sagt :> der Frommen
Linke <für Rechtey Hand niemals erfahre <nach erfahre
Was die rechte Hand genommen nie>
Weiß nicht, ob ich recht zitire <nach Ich citierey.)
Die endgiltige Fassung von Vers 23—34 auf einem be-
sondem halben Blatt
23 Nicht nach gestrichnem Um zuzugreifen nach ge¬
strichnem einzustecken
31 Philantropen nach gestrichnem Si<nd?>
45 Hat nach gestrichnem Hott
48 Hier folgt die gestrichne Strophe:
Gleichfalls nur ein einiges Glied
Gab dem Menschen Gott damit
Er fortpflanze seine Rage
Und zugleich sein Wasser lasse.
56 Gluck und nach gestrichnem Haendel, dieses über
Gluck u.; darauf folgt:
Anzuhören die Musik
Gäb es nur die Gluck, R und Weber die Musik
<Einge> Alle Tage anzukören
Gäb* es nur der Meyerbeere
Anzu<Jiöreri> Tonkunstwerke
59 Hemeroihdal-Musik
62 Nach gestrichnem: So zur blonden Teutotindc
Sprach ich
65 Zuerst: Wunderbar sind Gottes Gründe
Wenn der <Wahrlich wenn der>
Seh ich wie der <über ein> Menschenkopf
Kriäsiret <so> unsern Schöpfer
Seh ich einen <über wie der> Menschenkopf
Krisisiren <.d> unsern Schöpfer,
Welcher kritisirt d<jeri>
<Wenn> Doch der arme Menschenkopf
Kritisiret unsern
65 Grübeln über für gestrichnes Kritisieren
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32
Ein unvollständiges Gedicht von Heinrich Heine.
Achl das ist ab ob der Topf
Klüger seyn wollt als der Töpfer!
Doch der Mensch fragt stets: Warum?
70 Wenn er sieht daß etwas dumm.
Blatt 5] Freund ich hab dir zugehört
Und du hast mir gut erklärt
Wie zum wehesten Behuf
Gott dem Menschen zwiefach schuf
75 Augen, Ohren, Arm’ und Bein,
Während er ihm gab nur ein
Exemplar von Nas’ und Mund —
Doch nun sage mir den Grund:
Gott der Schöpfer der Natur
80 Warum schuf er einfach nur
Das skabröse Requisit
Das der Mann gebraucht damit
Er fortpflanze seine Race
Und zugleich sein Wasser la§se.
85 Theurer Freund, ein Duplikat
Wäre wahrlich hier von Nöthen
Um Funkzionen zu vertreten
Die so wichtig für den Staat
Wie für’s Individuum,
90 Kurz fürs ganze Publikum.
Eine Jungfrau von Gemüth
Muß sich schämen, wenn sie sieht
Wie ihr höchstes Ideal
Wird entweiht so trivial!
95 Wie der Hochaltar der Minne
Wird zur ganz gemeinen Rinne!
Psyche schaudert, denn der kleine
Gott Amur der Finstemiss
Er verwandelt sich beim Scheine
100 Ihrer Lamp’ — in Mankepiss.
Abo Teutolinde sprach,
Und ich sagte ihr: Gemach!
Unklug wie die Weiber sind,
Du verstehst nicht, liebes Kind,
105 Zwei Funkzionen die so gräulich
Und so schimpflich und abscheulich
Mit einander kontrastieren
Und die Menschheit sehr blamieren.
[Blatt 6] Gottes Nützlichkeitssystem,
110 Sein Oekonomie-Problem
Ist daß wechselnd die Maschienen
Jeglichem Bedürfniß dienen,
Den prophanen wie den heilgen,
Den pikanten, wie langweilgen, —
115 Alles wird simplifizirt;
Klug ist alles kombinirt:
Was dem Menschen dient zum Seichen
Damit schafft er Seinesgleichen.
[Blatt 7] Auf demselben Dudelsack
120 Spielt dasselbe Lumpenpack.
Feine Pfote, derbe Patsche,
Fiddelt auf derselben Bratsche
Springt und singt und gähnt ein jeder,
Und derselbe Omnibus
125 Führt uns nach dem Tartarus.
67 Ach! nach gestrichnem Als
69 Doch nach gestrichnem Aber ya
71 Freund nach gestrichnem Ja
74 Zuerst: Gott in der b/o<ß /> uns
Gott der Schöpfer doppelt schuf
Augen, Ohren , Arm u. Beine
Das mag <:xuährend er nur>
Gott der Schöpfer der Natur
Zwiefach, doppelfaltig schuf
78 Zuerst: Doch nun sage mir — der Schöpfer der Natur,
Sage mir
82 Zuerst: Das der Mann
Das dem Manne dient
85 Zuerst: Ach , es war ein dugplicaO
O, mein W Wahrlich , 0 mein
88 Zuerst: Die zugleich wie für den Staat
92 Muss nach gestrichnem Schämt
97 kleine nach gestrichnem Gott
98 Zuerst: der ein, dann: Ihrer süssen Finsl<erniß>
101 Teutolinde nach gestrichnem Th
105—107 Zuerst: Und dabey
Zwey Funktionen , die gleichzeitig
Sich blamieren beiderseitig ,
Durch den schnödesten Contrast!
105 so graulich nach gestrichnem zugleich
108 Und nach gestrichnem Dass wir sehr nach ge¬
strichnem höchst über fast
111 Ist dass wechselnd für gestrichnes Wo abwechselnd <dic
einfachsten > Maschinen
112 Zuerst: Zu verschieden Zwecken , dann: Combin<irten>,
endlich: Ganz verschiednen Zwecken dienen
n 3 wie über und
114 Den Pikanten wie aus Amüsanten und
115 simplifizirt nach gestrichnem so
117—125 Nach gestrichnem
Menschen zeugt man , urinirt
Auf derselben Violine
Spielt J'anofka, Paganini
Mozart und den ßären-Meyer
Gleichfalls auf derselben Leyer <zuerst ßühne>
Spielt man Meyerbeer, Rossini,
Alles musizirt <über komponirfy und fiddelt
Die Extreme sind vermittelt
Und derselbe Omnibus
Führt uns nach dem Tartarus.
122—123 Hier scheint ein Vers (mit dem Reim auf jeder )
zu fehlen.
Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen
und die Illustrationen seiner Werke.
Von
J. H. Schölte in Amsterdam.
Mit 13 Abbildungen.
V.
S tand bei den obenerwähnten Schriften das Bild-entweder im ersten Plan oder übertraf es
den Text an Bedeutung, — in der Regel ist dem Dichter Grimmelshausen natürlich das
Wort Hauptsache und bildet das Kupfer nur eine Zugabe. Deutlich ist das beim „Simpli-
cissimus“; nachdem einige Drucke eine rasche Verbreitung gefunden hatten, kamen Verfasser
und Verleger überein, durch das Aufnehmen von „20 anmuthigen Kupffem“ den Vertrieb des
Werkes noch zu fördern. Es ist dies der „gantz neu eingerichtete, allenthalben viel verbesserte
Abentheuerliche Simplicius Simplicissimus“, der im Jahre 1671 bei W. E. Felszecker in Nürn¬
berg erschien, eine für die Textkritik der Simplicissimusdrucke höchst wichtige Ausgabe, eben
wegen der erwähnten zwanzig Kupfer. „Gibt mich dannoch nicht Wunder“, sagt Grimmelshausen
mit Bezug auf diese Bilder in seinem Wunderbarlichen Vogelnest (Erster Theil, Kapitel 11, Aus¬
gabe des Litterarischen Vereins zu Stuttgart, Band III, Seite 413), „daß der alte Simplicissimus
in alle Kupfferstück, so sich in seiner Lebens-Beschreibung befinden, gesetzt Hat: Der Wahn
betrügt, vomemlich wann ich mich erinnere, daß ich auf dieser Reise einsmals seinen Sohn beym
Leben erhalten, weßwegen er dann diesen Spruch vielleicht so oft andet und vor sein Symbolum
erwehlet hat, als nemlich ein Eyfersichtiger Hanrey ihn und sein eigen Weib Ehebruchs halben
anklagte, welche Histori dann, wie unten folgen wird, meine obige Meinung von Ursach der
Menschlichen Urtheil Betrug bezeugen wird“. Dieser Passus bildet eine vorläufige Hindeutung
auf die Ereignisse, die Grimmelshausen im 14. und 15. Kapitel des Vogelnests erzählt, wo der
junge Simplicius zweimal einem unschuldigen Verdacht anheimfällt, zunächst, als er von
eifersüchtigen Mönchen im Kloster angeschwärzt wird, dann, als ein unbegründeter Argwohn
eines eifersüchtigen Gatten ihn in große Schwierigkeiten bringt. Die Episode im Kloster
hat vermutlich einen historischen Hintergrund, weswegen dem Verfasser die Erzählung und
der dabei ausgesprochene Grundgedanke so besonders wichtig sind. Schon Tittmann
machte darauf aufmerksam, als er in der Einleitung seiner „Simplicianischen Schriften“
(Band II, Einleitung Seite 11) sagt: „Das Schicksal des jungen Simplicius im Kloster, die
verleumderische Verdächtigung desselben durch neidische Mönche, scheint auf einem that-
sächlichen, den Vater tief berührenden Ereigniß zu beruhen. Für eine Erfindung wäre sie
. an sich zu unbedeutend. In der Scene mit der Wirthin und deren Folgen hätten wir dann
eine burleske Illustration des Gemeinplatzes zu erblicken, daß für den schwersten Verdacht
der leichteste Anhaltspunkt genügen kann“. Und Bechtold geht noch einen Schritt weiter,
wenn er die Episode in Allerheiligen im Schwarzwald zu lokalisieren versucht 1 , und im An¬
schluß daran die Vermutung ausspricht, daß Grimmelshausens Sohn das Gymnasium des
Klosters besucht haben wird.
Aus der dem Vogelnest Kapitel 11 entnommenen Stelle geht zweierlei mit Sicherheit
hervor: erstens, daß die Bilder mit der Inschrift „Der Wahn betreügt“ einer von Grimmels-
* „Zeitschrift für Bücherfreunde“, N. F. II, Seite 58.
Z. f. B. 1912/1913. 5
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34 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
16), wo er sagt: „Auch die
Bilderder Originalausgaben
verdienten nicht, wieder¬
holt zu werden“. Vom
künstlerischen Standpunkt
vertragen diese Behauptun¬
gen keinen Widerspruch:
als Buchschmuck steht
ein Titelblatt von Walter
Tiemann ungleich höher,
an eine Ver-
VtrOVahn fictrtußt'
dar! man
gleichung der unbeholfenen
Radierungen einer offen¬
bar nicht berufsmäßigen
Hand und der vollendeten
Radierungen eines Klinger
(„Intermezzi“) gar nicht den¬
ken. Die Bedeutung der
Simplicissimus-Bilder liegt
eben nicht in ihrer Aus¬
führung, sondern in ihrer
Idee. Sie hängen unmittel¬
bar mit dem Text zusam¬
men und sind aus denselben
Anschauungen erwachsen,
aus denen derText entstand.
Es ist eine an sich äußerst interessante Aufgabe, zu verfolgen, wie der Illustrator seine Bilder zu
gleicher Zeit als Ergänzungen des Textes und als aus dem Text geschöpfte Begründungen seines
Grundsatzes „der Wahn betrügt“ hat dienen lassen. Sie verraten ein so intimes Vertrautsein mit
dem Text, ein so inniges Versenken in die Gedanken- und Gefühlswelt des Dichters, daß dies allein
schon die Herausgeber hätte stutzig machen sollen. Untenstehende Andeutungen mögen die Zu¬
sammengehörigkeit mit dem Werke wie mit dem Grundsatz „der Wahn betrügt“ begründen.
Liber i, caput 6 : Simplicissimus, der von seinem Knan eine Beschreibung des Wolfes ge¬
hört hat, hält den beteyiden Einsiedler, dem er das Leben verdankt und dem er noch vieles zu
verdanken haben wird, für einen Wolf:
Radierung aus dem ..Simplicissimus**. Ausgabe D (1671).
Nach dem Original in der Herzoglichen Bibliothek in
Meiningen, ('/i GrößeJ
Der Thor sucht Trost in Eitelkeit
Der Klug in Gott die Himmlisch freud.
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CORNEIL UN1VERSITY
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 35
Liber 1, caput ig: Simplicissimus hält den Offizier , dem er in Hanau Rede und Antwort
stehen muß, seiner Kleidung und Barttracht wegen für einen Hermaphroditen (eine Reproduktion
des zeichnerisch und kulturhistorisch interessanten Bildes findet sich auf Seite 34):
Alßdan dein Vrtheil am Ehisten Leügt,
Wan dich deines Nechsten Kleidung betreügt.
Liber 2, caput 7: Simplicissimus, der von seiner Umgebung für einen Harren gehalten
wird , benutzt die Gelegenheit, den Anwesenden harte Wahrheiten zu sagen und sich über sie
lustig zu machen:
Zusehender, gebe dein Vrthel
hervor;
Wer ist vnder diesen der
gröseste Thor.
Liber 2, caput 77:
Simplicissimus nähert sich
zwei Holzhauern, um ihnen
von einer erbeuteten Geld¬
summe eine Ha?idvoll Du¬
katen zu geben , aber diese
entfliehen , weil ihnen die
Sache nicht geheuer ist:
Vmbs holde Golt wagt man¬
cher Leib und Leben
Vnd diese gehn durch da ichs
Ihn wolt geben.
Liber 2, caput 22:
Der junge Hertzbruder wird
in große Schwierigkeiten
gebracht, dadurch daß ein
vergoldeter Becher, der zum
Zweck der Verdächtigung
von dem bösen Olivier ge¬
stohlen worden war, bei
ihm wiedergefunden wird
(vgl. nebenstehende Repro¬
duktion) :
Die vnschuld wird mit
Straff belegt,
Wo sich der Neid und
Mißgunst Regt.
- iß '
Radierung aus dem „Simplicissimus“. Ausgabe O (1671).
Nach dem Original in der Herzoglichen Bibliothek in
Meiningen. (*/» Größe.)
Diese Szene, wo aus
„Neid und Mißgunst“ der
junge Hertzbruder in un¬
schuldigen Verdacht gerät,
hat eine gewisse Ähnlich¬
keit mit der Seite 33 be¬
sprochenen Episode aus
dem Vogelnest, wo aus
Neid und Mißgunst zwei
Mönche den jungen Sim¬
plicissimus verdächtigen,
der deswegen aus dem
Kloster fortgeschickt wird.
Liber 2, caput 31:
Simplicissimus als „Jäger
von Soest“ rettet sich
beim „Speckdiebstahl“ aus
einer mißlichen Lage, da¬
durch daß er den Teufel
spielt:
Die Fromkeit ist balt
Zubetriegen
Wann die Boßheit anfängt
Zulügen.
Liber 3, caput 2:
Simplicissimus, der „Jäger
von Soest“, überlistet den
bösen Olivier, der ihm als
der „Jäger von Werle“ un¬
erlaubte Konkurrenz macht
und läßt ihm von seinen
Gesellen, die sich als Teufel vermummt haben , eine derbe Abstrafung geben:
Wiltu dein Listigen Feinde besiegen,
So mustu Ihn auch mit Lüsten bekriegen.
Liber 3 , caput 8: Bei der Bestürmung eines Städtchens und der darauffolgenden Durch¬
suchung eines Hauses bekommt Simplicissimus einen großen Schrecken, als er in einem Trog
einen Mohren entdeckt, den er zuerst für den „Lucifer selbst“ ansieht:
Der Nackent Erschreckte, Erwachent vom Schlaffen,
Erschrecket mit Zittern die Sighaffte Waffen.
Liber 3, caput 21: Ein Obrist-Leutnant, der begreiflicher- aber doch irrtümlicherweise
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36 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
meint , Simplicissimus habe seine Tochter verführt , läßt das junge Paar stehenden Fußes im
jungfräulichen Bette, wie die Reproduktion auf dieser Seite zeigt, kopulieren:
Offt mancher Verboster, der nur denckt Zuschertzen,
Muß endlich mit ernste Es meinen von Hertzen.
Was darflf es mit Waffen Zu
dingen ZuZwingen,
Darnach doch so mancher
von selbsten thut Ringen.
Liber 4 , caput jo:
Simplicissimus, der mit
seinen Gefährten einRhein-
schijf plündern wollte , ge¬
rät ins Wasser (vgl. die
Abbildung auf Seite 37)
und wird in äußerster
Lebensgefahr von der
Bemannung eben dieses
Schiffes unter großen
Schwierigkeiten gerettet;
um sein Leben zu er¬
halten, sucht er durch
lügnerische Erzählungen
das Mitleid der Beman¬
nung zu erregen:
Schaw! denen ich wolt nach
dem Ihrigen Streben,
Dieselbe erhalten mir Jetzund
das Leben.
Liber 4, caput 22:
Olivier erzählt, wie er,
um die Forderung seiner
Maitresse zu erfüllen und
zu gleicher Zeit „eine treff¬
liche Kurtzweil“ ZU haben, Radierung au» dem „Simplicissimus“, Ausgabe D (1671). das ander thut nur SChertzen.
Tr . . TT . Nach dem Original in der Herzoglichen Bibliothek in Meiningen. r , .
eine Katze den Hunden (1/l GröDe) Liber 5, caput 7.
preisgegeben habe; die Simplicissimus hält das
Mädchen im Sauerbrunn für ein unschuldiges, sprödes , einfaches Landmädchen ; zu spät bemerkt
er, daß er sich eine lockere, verschwenderische Dirne ins Haus geholt hat:
Begierde der Augen betrüben die Hertzen,
Erregen nachrewen, Geberen nur Schmertzen.
Liber 5, caput 8: Simplicissimus, der Kavalier im Sauerbrunn, begegnet einem Bauern, der
eine Ziege zu verkaufen hat; es stehen sich unerkannt der reich gewordene Bauernjunge und
sein armer Pflegevater aus dem Spessart gegenüber:
Die Zeit verändert vns, das Kind Macht sie Zum Mann,
Einen bringt sie vom Glück, den anderen bringt sie dran.
Liber 5, caput 18: Simplicissimus, der durch die Zauberkraft des Mummelseeprinzen auf
1
iUuVcni'HU'bnuttmtli’O-mnuc wnijft'fv
Original ffom
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 37
einem ihm fremden Grundstück einen Sauerbrunnen aus der Erde erweckt hat, will ihn den
erstaunten Bauern schenken, aber diese verschmähen seine Gabe , die ihnen doch zum Woldstand
hätte verhelfen können :
Wo Einig Mißtrauen die Leuthe vergifftet,
Da wird weder Freundtschafft noch Glücke gestiflftet.
Liber 6, caput 18: Simplicissimus , der in Ägypten von arabischen Räubern gefangen ge¬
nommen worden ist, ivird von diesen Räubern als „wilder Mann“ den Menschen gezeigt'.
Zusammensetzung von
zwei Vorstellungen ist;
oben sieht man einen
Tisch mit Büchern und
dahinter auf einer Bank
den Verkäufer, umgeben
von Zuschauern; der un¬
tere Teil des Bildes zeigt
eine Gespenstererschei¬
nung in einem Stall.
Das obere Bild bezieht
sich auf eine Stelle aus
der ersten Continuatio ,
wo Simplicissimus von
seiner Tätigkeit als Kalen¬
dermacher und Kalender¬
verkäufer erzählt: „Wie
nun der angeneme Tag
erschienen war, daran ich
meiner Sache eine löbliche
Probe thun solte, da be¬
flisse ich mich nicht anders,
als ein Meistersänger,
meine Kähle hell und ge-
lauffig außzurüsten, zu dem
Ende mir dann mein Wirth
mit einem Paar Kannen
Bier trefflich behülflich
war. Also ausgestaffiret
und wol versehen machte
ich mich im Namen Mer-
curii des Gottes aller Quacksalber und Leutbetrüger auf den Marckt, legte meine herrliche
Autores auf das zierlichste aus, verfügte mich auf meine Banck als auf einen Predigstuhl und
machte solche Minen mit Hin- und Herstreichung meines Barts, der meinen Mund und Kühn
als ein vestes Pollwerck umschantzet hatte, daß auch die meisten vorüber gehenden Leute nur
demselben zu gefallen stille stunden, um zu sehen, was ich doch endlich nach langem reuspern
anfangen und verrichten würde. Die Anzahl Zuschauer gemahnte mich nicht anders als ein
grosser Hauffe Fliegen um einen Milchtopff. Als ich nun meine Nachtigallen Stimm annehm¬
lich und hell genug erschallen Hesse, da fieng einer unter dem Hauffen, seines Handwercks ein
Schlotfeger, also von Hertzen über meine liebliche Stimme an zu lachen, daß er das Maul aus
der Gabel brachte und also nicht mehr zusammen bringen konteV Diesen Schlotfeger sieht
x Man vergleiche hiermit die parallellaufende Schilderung im siebenten Kapitel des Springinsfeld, auf welche
Episode ich in dieser Arbeit schon einmal, gelegentlich meiner Besprechung der „Gauckel-Tasche“ (Seite 12), hingewiesen
habe. Da ist es Springinsfeld, der „allerhand Thierer Geschrei, von dem lieblichen Waldgesang der Nachtigallen an
Gewinnsucht mit betrug, waß
thut doch diese nicht,
Sie macht dich gantz Zu
nichts vnnd ein Schelmstück
außbricht.
Radierung aus dem ..Simplicissimus“, Ausgabe D (1671).
Nach dem Original in der Herzoglichen Bibliothek in
Meiningen. (*/» Größe.)
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38 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke,
man links im Vordergrund des Bildes und auf ihn beziehen sich die unter dem Bild befind¬
lichen Verszeilen:
Simplicissimus kan machen
Daß man unerhört mus Lachen
Ein Schlotfeger ob den Dingen
Kan das Maul nicht mehr Zubringen.
Die untere Hälfte dieses Bildes, das Gespenst im Stall, bezieht sich auf eine Stelle aus
der zweiten Continuatio. Simplicissimus, als fahrender Arzt oder vielmehr Quacksalber, kommt
in die Nähe von Frank- _ Haar regten sich meinem
furt, wo er für sein Nacht- f| I l V Beduncken nach auf dem
lager in einem Stall vor- I Kopflf, als wolten sie
lieb nehmen muß. „Da lebendig werden, oder als
es aber nach Mitternacht Äl ^ wann mir ein Haufifen
würde, erweckte mich ^ Würm darauf herum krie-
ein Gerümpel, welches JxT/ chen; die Pferdte hupfiften
die Pferdte machten, und ' ' *'' zuruck und machten neben
als ich die Augen auf- ihren Reuspern ein groß
thät, erschreckte mich Gerappel mit den Ketten,
ein Geist eines dicken H.. ^ daran sie gebunden wa-
Corpulenten Weibsbildes, m ^&L V\A\vnVi I ren“. Dies alles sieht
welches ein dunckelbren- man auf dem Bild, das
nende Kertze in der Hand f die Unterschrift hat:
Simplicissimus beij Nacht
Hört, daß poltern wird ge¬
macht,
Ein gespenst Er vor Ihm
siehet,
Morgens Er den Schatz heim
Ziehet.
<ci«t wlt:. n<\ Wl* (?,-<& l^c*>cr«Vi6ui r$<rt/"
Radierung aus dem „Simplicissimus“. Ausgabe D (1671).
Nach dem Original in der Herzoglichen Bibliothek in
Meiningen. (*/i Größe.)
bis aufT das forchterlich Geheul der Wölffe, beydes inclusive“ nachahmt und so den erwünschten „Umstand“ herbeilockt.
Mit Bezug auf meine Seite 21 ausgesprochene Behauptung, daß Grimmelshausen bei seiner Schilderung des Vagabunden¬
tums bestimmte Typen im Auge hatte, scheint mir dieser gemeinsame Zug bei Simplicissimus und Springinsfeld äußerst
wichtig. In diesem Zusammenhang zitiere ich aus meinen „Problemen der Grimmelshausenforschung“ Folgendes: „Der
landfahrende Storger und Leutebetrüger, Theriakkrämer und Steinschneider, Zeitungssinger und Kalenderverkäufer war
für den Schriftsteller Grimmelshausen eine scharf geschaute und in Handlungen und Eigentümlichkeiten genau begrenzte
Figur, die er planmäßig und bewußt für seine schriftstellerische Tätigkeit verwertete“ (Seite 249). In diesem Licht
wird das reproduzierte Fliegende Blatt: „Abbildung der wunderbarlichen Werckstatt des Weltstreichenden Artzts Simpli-
cissimi“ für das Bild von Grimmelshausens literarischer Arbeitstechnik noch bedeutungsvoller.
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usw.
Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 39
Bobertag bezieht in seiner Grimmelshausen-Ausgabe in der deutschen National-Litteratur dieses
CoutC.
Kupfer, wie es die Reihen¬
folge seiner Bilder beweist
— er setzt das Bild zwi¬
schen die Kupfer Liber 5,
caput 18 und Liber 6, ca-
put 18 auf Seite 195 seines
zweiten Bandes — auf
den Anfang des Sechsten
Buchs, offenbar auf fol¬
gende Stelle: „Daselbst*
hat der geliebte Leser
verstanden, daß ich wie¬
derum ein Einsidler wor¬
den, auch warum solches
geschehen: gebühret mir
derowegen, nunmehr zu
erzehlen, wie ich mich
in solchem Stand ver¬
halten.“ . „Eins¬
mahls faullentzte ich unter
einer Thanne im Schatten,
und gab meinen unnützen
Gedancken Gehör.
Womit einer wachend
handieret, damit pflegt
einer gemeiniglich auch
traumend vexirt zu wer-
, , ., Pteuiu iiimlt . .»•-nuirlvi!
den, und solches wider- — _
fuhr mir damals auch ; Radierung aus dem „Simplicissimus“, Ausgabe D
dann SO bald ich die N.ch d.m Ori*in.l m der H'r.oglichen Biblioh«
Meiningen, ('/i Große.)
Augen zugethan hatte,
cissimus umgeben, direkt an teuflische Vorstellungen erinnern
tntJHiruiumi** Mt 1
Vidittnei
*P*e.U/»n '• Ivit^f-rtiarlv
Radierung aus dem „Simplicissimus“, Ausgabe D (1671)
Nach dem Original in der Herzoglichen Bibliothek in
Meiningen. (*/i Größe.)
sähe ich in einer tieffen
abscheulichen Grufft das
klingende höllische Heer
und unter denenselben
den Groß-Fürsten Lucifer
zwar auf seinem Regi-
ments-Stul sitzen, aber mit
einer Ketten angebunden,
daß er seines Gefallens
in der Welt nicht wüten
könte: die viele der hölli¬
schen Geister, mit denen
er umgeben, begnügten
durch ihr fleissiges Auf¬
warten die Grösse seiner
höllischen Macht. Als ich
nun dieses Hof-Gesind be¬
trachtete, kam unver¬
sehens ein schneller Postil¬
lion durch die Lufilt ge¬
flogen, der ließ sich vorm
Lucifer nider und sagte“
Für Bobertags Auf¬
fassung spricht, daß im
Text wie in der Unter-
. 1 schrift vom Einsiedler¬
tum des Simplicissimus
>«) die Rede ist, und daß
die Gestalten, die den
ausgestreckten Simpli¬
lm übrigen widerspricht sich
manches. Das Bild zeigt weder eine höllische Gruft — die Ausgabe E, die an dieser Stelle in
auffälliger Weise von der obenstehenden nach D respektive A zitierten Lesart abweicht, spricht
von einer „tieffen abscheulichen Klingen“ (Talschlucht), welche Fassung ich für die ursprüng¬
lichere halte — noch die Tanne, unter der Simplicissimus eingeschlafen ist. Auch die Be¬
schreibung des höllischen Großfürsten stimmt nicht, da keiner von den Geistern auf einem
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* Das heißt im Fünften Buch des Simplicissimus. Die hier zitierte Stelle findet sich im ersten Kapitel des
Sechsten Buchs, Ausgabe Kurz II Seite 125, beziehungsweise Bobertag II Seite 194, beziehungsweise Keller II Seite 826;
die Fortsetzung im zweiten Kapitel des Sechsten Buchs, Kurz II Seite 127, beziehungsweise Bobertag II Seite 197,
beziehungsweise Keller II Seite 830.
Das bisher noch nicht erwähnte Bild (vgl. die Reproduktion auf dieser Seite) erfordert
eine ausführlichere Besprechung, da die Beziehung zum Text keineswegs feststeht. Es zeigt
einen kleinen von Bäumen umgebenen Platz, eine liegende menschliche Gestalt und einige
stehende und sich bewegende höllische Figuren. Die Unterschrift lautet:
Simplicissimus ist worden
Ein glied im Einsiedler Orden
Sieht viel ungeheure Sachen
Die Ihm angst und bange machen.
40 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
„Regiments-Stul“ sitzt, noch einer durch eine „Kette“ in seinen Bewegungen gehemmt wird.
Alles zusammengenommen, glaube ich, daß Bobertags Auffassung von diesem Bild eine falsche
ist, weshalb ich sie durch eine befriedigendere Deutung ersetzen möchte.
„Als ich einsmals ungefähr auf einer Insul, deren ich gleichsam wie im Schlauraffenland gelebt,
mich mit Fischen um etwas zu viel bemühet und nach eingenommenem Trunck Palmwein
meiner Gewonheit nach unter einen lustigen Baum in Schatten schlaffen gelegt hatte,“ — so
fängt Grimmelshausen die andere Continuation seiner Simplicianischen Wundergeschichten an —
„da weckten mich sechs abscheuliche Männer mit grosser Ungestümme ohnversehens auf, welche
ich ihrer heßlichen Gestalt wegen, die so wol in ihren Angesichtern, als der Proportion ihrer
Leiber erschiene, anfänglich vor böse Geister hielte und dessentwegen wol 1000 Creutz vor
mich machte/* Hier stimmt die Szenerie besser als bei der oben zitierten Beziehung, die
Landschaft hat einen südländischen Charakter; auch manche von Grimmelshausen beschriebene
Einzelheit, „sie kollerten mit mir und unter sich selbsten eine Sprache daher, wie erzömete
Kalekuttische Haanen“, gaben mir „ungeheure Rippstösse“, korrespondiert mit der Vorstellung auf
dem Kupfer; das Auffällige ist bloß, daß der Illustrator nicht die Wirklichkeit zum Gegenstand des
Bildes genommen hat, sondern daß er die subjektive Vorstellung, die Simplicissimus im Moment
des Erwachens von den Männern bekommt, auf dem Bild zum Ausdruck bringt In Wirklich¬
keit wird Simplicissimus nicht von Teufeln, sondern von Wilden überfallen; er hält sie aber,
wie er sagt, anfänglich für böse Geister, und diesen Moment hält der Zeichner fest Diese
Auffassung findet in den äußeren Umständen mehr als eine Stütze. Die Bilder haben rechts
oben, über oder in dem Kupfer, eine Andeutung, zu welchem Buch und Kapitel sie gehören;
die Angabe auf dem in Rede stehenden Bild ist wohl nicht anders als als „ 2 . Continuatio“ zu
deuten. Auch durch das Fehlen des Leitmotivs „Der Wahn betreügt“ gehört <ias Bild mehr
mit dem Doppelbild der ersten und zweiten Continuation zusammen, als daß man anzunehmen
hätte, daß die Reihe der oben beschriebenen achtzehn Bilder dadurch hätte unterbrochen werden
sollen. Schließlich weicht auch der Charakter der Unterschriften der zuletzt beschriebenen Bilder
von den achtzehn zuerst beschriebenen ab; die achtzehn Bilder haben als Unterschriften die mit¬
geteilten Reimpaare mit jambischem Versmaß; die drei Unterschriften auf dem Doppelbild und
dem Bild, das ich auf den Anfang der zweiten Continuation beziehen möchte, sind trochäische
Vierfüßler; alle drei Strophen fangen mit dem metrisch bezeichnenden Wort Simplicissimus
an, während in den andern Unterschriften der Name des Helden nicht vorkommt; im
Gegenteil sind diese möglichst allgemein gehalten. Alles in allem scheint es mir nicht
zweifelhaft, daß die zwei zuletzt beschriebenen Bilder unter sich eng zusammengehören.
Auch Adelbert von Keller, der sich sonst um die Kupfer sehr wenig kümmert, hat es
in unbefangen - richtiger Auffassung mit dem Doppelbild in Zusammenhang gebracht, wie
aus Seite 1005 seiner Simplicissimus-Ausgabe hervorgeht — Ich vermute, daß die zu den
Continuationen gehörigen Bilder später als die andern entstanden sind; vielleicht erst in dem
Augenblick, wo der Dichter sich entschloß, die drei Continuationen, für die er anfänglich wohl
eine andre Verwendung im Auge hatte, (vgl meine „Probleme der Grimmelshausenforschung** I,
Seite 249) seiner Simplicissimus-Ausgabe beizufügen.
Der innige Zusammenhang, welcher bei den achtzehn zuerst besprochenen Bildern zwischen
Text und Bild einerseits und andrerseits zwischen den Bildern unter sich mit Bezug auf den
gemeinschaftlichen Grundgedanken besteht, fuhrt mich zu der Hypothese, daß der Dichter an
der Illustrierung seines Werkes einen intensiven Anteil genommen habe, daß sicher die
Konzeption der Bilder, vielleicht aber auch ein Teil der Ausführung derselben von ihm stamme.
Daß Grimmelshausen sich als Sekretär des Offenburgischen Regiments zeichnerisch
betätigt habe, hat Dr. A. Bechtold in dieser Zeitschrift (Neue Folge II, Seite 59) wahrscheinlich
zu machen gesucht. Es handelt sich um vier Zeichnungen, die unter den Akten des Dreißig¬
jährigen Krieges im Reichsarchiv zu München in Tom. 576 unter Nr. 30 und 31, 53 und 54
bewahrt werden; sie bilden Beilagen zu der Korrespondenz des Obersten Hans Reinhard von
Schauenburg an den Kurfürsten Maximilian Emanuel von Bayern (1573—-1651), den Gründer
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 41
der katholischen Liga. Als Kommandant von Ofifenburg hatte der Oberst von Schauenburg
dem Kurfürsten regelmäßig Kriegsberichte zu senden; diese von dem Obersten Unterzeichneten
Kriegsberichte sind, wie die Schriftvergleichung unwiderleglich bezeugt, von seinem Sekretär Johann
Jacob Christoph von Grimmelshausen geschrieben. Wieweit wir hier einfaches Diktat oder größere
Selbständigkeit des Sekretärs anzunehmen haben, bedarf noch einer nähern Untersuchung.
In einem Schreiben vom 25. Januar 1645 bespricht der Oberst den Stand der Fortifikation der
Festung Offenburg und Verbesserungsvorschläge für dieselbe; die zwei Beilagen, von denen die
erste von Walter in seiner „Geschichte der Stadt Offenburg“ (1880 flg.), dann von Wingenroth in
den „Kunstdenkmälem des Kreises Offenburg“, auch von Bechtold in dieser Zeitschrift (N. F
II, Beilage zum zweiten Heft) und schließlich von Batzer in der „Ortenau“ (1910/11) ver¬
öffentlicht wurde, sind zunächst ein „Abriß hießigen Postens, wie derselbe Sich anietzo be¬
findet“, und sodann ein „Abriß, wie ermelter Posten meines geringfüegigen erachtens vollents
Zue fortificirn were.“ Die zwei andern Zeichnungen, von denen erstere gleichfalls von
Wingenroth und Bechtold an den erwähnten Stellen der Öffentlichkeit übergeben wurde,
sind Ansichten von Hohengeroldseck, das auch zum Schauenburgischen Regimentskommando
gehörte.*
Die von Wingenroth angedeutete und von Bechtold näher ausgeführte Hypothese,
daß die Zeichnungen von Grimmelshausens Hand herrühren, hat eine große Wahrscheinlich¬
keit fiir sich. Die Schrift der Briefe wiederholt sich in den Erklärungen auf den Zeichnungen:
auch Tinte und Federführung weisen auf den Zusammenhang mit dem von Grimmelshausen
geschriebenen Text hin. Für den Plan von Offenburg scheint der Zeichner eine ältere
Vorlage benutzt zu haben; verschiedene Teile der Zeichnung sind, was perspektivische
Richtigkeit und überhaupt zeichnerisches Talent anbelangt, durchaus nicht gleichwertig; die
Teile, wo der Zeichner die Vorlage verläßt, besonders offenbar auf der Kinzigseite, im
Westen, haben für die Kenntnis von Grimmelshausens Zeichenkunst den meisten Wert.
Daß der Plan von einem Dilettanten gezeichnet respektive nachgezeichnet wurde, geht ja zur
Genüge aus dem Schreiben an den Kurfürsten Maximilian von Bayern, wozu die Zeichnung eine
Beilage bildet, hervor. Da der bis jetzt unveröffentlichte Brief in mancher Hinsicht interessant
ist, teile ich ihn in extenso mit:
Durchleüchtigster Churfürst, Gnedigster Herr,
Ew. Churfürstl. Durchl. an mich abgelassen Gnedigstes rescript auß München vom 13. Januarij dißes
negst angetrettenen 1645. Jahres hab Jch Vnderthenigst empfangen, Vnnd darauß dero Gnedigstes Gesinnen
Gehorsambist vernommen; Jenem dan Zue schuldigstem folg Ew. Churfürstl. Durchl. Jch hiebeij durch
vnderschidliche beijlagen, alß mit lit. A den Abriß hießigen Postens, wie derselbe Sich anietzo
befindet, so guet Es alhier gemacht werden könden; So dan mit Lit. B wie ermelter Posten meines
geringfüegigen erachtens vollents Zue fortificirn were; mit Lit. C waß ane Stückh vnnd munition
Vorhanden, waß dauon der Röm. Kaijs. Maij., wie auch Ew. Churfürstl. Durchl. vnnd dann auch hießiger
Statt Offenburg Zuegehörig, vnnd mit Lit D eine specification alhießiger Guarnison Gnedigst begehrtermassen
Gehorsambist überschickhe; da nun Ew. Churfurstl. Durchl. Gnedigste Intention in Ein' oder anderem Jch nicht
erreichen solte, Erwarte Jch dero fernere Gnedigste information vnnd befelche, deme alß dan gleichfahls von mir
Gehorsambist nach gelebt werden solle;
Sonsten erfordert dießer an Sich selbsten zimblich weitläuffiger Posten Zue seiner nothwendigen besatzung
auf begebende Occasion (wan sonsten alle Übrige requisiten Vorhanden) weniger nicht als Ein taußent Mann,
Vnd kan Ew. Churfurstl. Durchl. Jch Vnderthenigst Versichern, daß, so lang Jch alhier commandire, die Not-
turfften Vnd abgang ermelten Postens beij dem Kaij. hoff gleichsamb ohne Vnderlaß nicht allein durch
schrifftliche remonstrationes sondern auch Zue mehrmahlen durch Vnderschidliche mit meinen großen Costen
dahin abgeschickte Officier (allermassen Sich der Vrsachen nach auf diße Stundt Ein hauptman meines Regi¬
ments darunder aufhalten vnnd eijffrig sollicitiren thuet) mündtlich aller- Vnd Vnderthenigst Vortragen lassen, So
hat jedoch, solches alles biß dahero wenig unterfangen mögen, dahero der Posten gleichsamb continuirlich,
sonderlich aber beij ietziger Ew. Churfurstl. Durchl. negsthin Vnderthenigst Überschribener beschaffenheit, in
höchster gefahr; Zuemahlen Ew. Churfurstl. Durchl. auß denen beijlagen F und G Gnedigst Zue ersehen.
1 Ausführlichere Angaben bezüglich des Schauenburgischen Regiments finden sich in meinen „Problemen der
Grimmelshausenforschung** I, Seite 23lfigg.
Z. f. B. 1912/1913. 6
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42 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
waA mir vod einem Vertrawten correspondenten auA StraAburg feindtshalber notificirt worden, Welches von
dero GeneralVeldtmarschalckh, Freijberren Von Mercij, Jch auch also bald berichtet; Vnnd demnach Jch der
Post Eins vnnd anders aufTzuegeben bedenckhens getragen, A 1 A hab Ew. Churfürstl. Durchl. solches durch
aigenen Gehorsambist übersenden, vnnd Zuegleich demselben Zue Churfürstl. Hulden und Gnaden mich Vnder-
thenigst empfehlen sollen.
Offenburg, den 25. Januarij Anno 1645.
Ew. Churfürstl. Durchl.
Vnderthenigster vnd Gehorsambster
HanA Reinhard von Schawenburg.
P. S.
Auch Gnedigster Churfürst vnnd Herr.
Gleich nach Verfertigung diAes, werde Jch per Expressum von Meinem Correspondenten auA StraAburg
berichtet, daß der duc d’Anguin mit 12000 Mann in HerauAmarch bereits vor seine Persohn beij Thues Vnnd
die Vortrappen beij Pfaltzburg angelangt, were aber ohn Vorsehens contramandirt worden, stehet also die Ge-
wiAheit Eins oder ander mit nechstem Zue vememmen.
Dem Schreiben sind außer den beiden Plänen von Offenburg samt einer „Außlegung der
in dießen Abrissen mit lit. A. und B notirter Ziffer“ eine Spezifikation der Mannschaft von
Offenburg und zwei Extrakte aus Schreiben der „Vertrawten Persohn aus Straßburg“ beigefügt
Alles ist von Grimmelshausen geschrieben worden, mit Ausnahme der Unterzeichnung Hanß
Reinhard von Schawenburg und der drei vorhergehenden Worte. Da der Kommandant von
Offenburg bei den Plänen besonders hervorhebt „so guet Es alhier gemacht werden könden“,
ist es wohl sicher, daß sie im Bureau des Kommandanten entstanden sind. Die Möglichkeit,
daß der Kommandant selbst die Zeichnungen verfertigt haben könnte, fällt schon dadurch weg,
daß die Federführung Hans Reinhards eine viel spitzigere und ungelenkere ist als die, welche
die Zeichnungen verraten.
Bechtold hat auf Seite 60, Jahrgang II der Neuen Folge dieser Zeitschrift, Fußnote, darauf
hingewiesen, daß Grimmelshausen seinem Simplicissimus und damit wohl sich selbst Ingenieur¬
kenntnisse nachrühmt Besonders beweiskräftig scheint mir hier die Stelle im vierten Kapitel
des Fünften Buchs, wo die Lokalisierung in Bad Griesbach, damals oft „der Schawenburgische
Brunnen“ genannt, stark auf persönliche Erlebnisse des Helden hinweist („Probleme I“ Seite233flgg.).
Simplicissimus wird da folgendermaßen charakterisiert: „er sei nit allein ein guter Soldat, der Pulver
riechen könte, sondern auch ein zimlicher Reuter, ein perfecter Fechter, ein trefflicher Büchsenmeister
und Feurwercker und über diß alles einer, der einem Ingenieur nichts nachgeben würde** Daneben
dürften auch die Stelle Buch I, Kap. 21 (Ausg. Keller I, Seite 127), wo Grimmelshausen mehr
als oberflächliche Kenntnisse von Malertechnik zeigt, und die Stelle Buch V, Kap. 12 (Ausg.
Keller II, Seite 740), wo Grimmelshausen seinem Helden geometrische Fertigkeit zuschreibt, ins
Gewicht fallen. Schließlich scheint mir in diesem Zusammenhang das Titelkupfer mit den Me¬
daillonporträten von Bedeutung zu sein, welches ich bei meiner Besprechung von J. A. Böner auf
Seite 18 erwähnte, und das sich in ursprünglicherer Form in den Simplicissimus-Ausgaben C und D
findet. Außer den fünf bekannten Medaillons sind auf diesem Stich folgende Wappen und
Embleme abgebildet: links oben ein geschlossener Helm und über diesem eine Figur ohne Arme,
deren Kopf von der Haut eines Kalbskopfes mit langen Ohren eingehüllt ist, so daß nur das
Gesicht zu sehen ist; rechts oben ein in drei Felder eingeteiltes Wappen mit je einer Maske;
in der Mitte ein Schwert und ein Dreschflegel kreuzweis gelegt, welche da, wo sie sich berühren,
durch einen Rosenkranz gezogen sind; über demselben der Kalbskopf, aber hohl und ohne
Gesicht; zwischen Dreschflegel und Schwert unten Tintenfaß und Federkiel, oben ein aus¬
gespannter Zirkel. (Eine Reproduktion dieses Bildes folgt nebenstehend auf Seite 43.) Aus
zwei Elementen setzen sich diese Wappenzeichen und Embleme zusammen: Scherz und Emst.
Die „drey rothen Larven in einem weissen Feld“ und auf dem Helm das „Brustbild eines jungen
Narm in Kälbernem Habit, mit einem paar Hasen-Ohren“ (Simplicissimus, Buch I, Kap. 11,
Ausgabe Keller I, Seite 437) vertreten das scherzhaft-närrische Element; der Degen und der
Dreschflegel, Federkiel, Tinte und Zirkel verdienen eher ernst genommen zu werden: von
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•*<.* •
Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 43
Alle diese Er¬
wägungen drängten
mich zu der Annahme,
daß die Radierungen
der Simplicissimus-
Ausgabe D für unsre
Kenntnis vonGrimmels-
hausens Persönlichkeit
eine größere Bedeutung
haben, als man ihnen
bisher beigemessen hat.
Liegt nicht die Ver¬
mutung nahe, daß der
Mann, der, wie wir an¬
nehmen dürfen, im¬
stande war die Briefe
seines Kriegsherrn
nötigenfalls mit Zeich¬
nungen zu versehen,
wovon die Reproduk¬
tionen in dieser Zeit¬
schrift (Neue Folge II,
Seite 57 und Beilage
zum zweiten Heft) ein
Bild geben, auch für
sein Hauptwerk Feder
und Zirkel, Schreib¬
und Zeichenkunst ver¬
einigt habe?
Die Vergleichung
der vier handschriftlich
überlieferten Zeichnun- Nilch caput 3 : (Bobertag I,
genausdemMünchener (V* Größe.) Seite 199) mit mehre-
Reichsarchiv mit den ren perspektivischen
Fehlern. Im allgemeinen darf man ruhig behaupten, daß die zeichnerische Fertigkeit bei
mehreren Simplicissimus-Radierungen — daß sie mit der Radiernadel verfertigt sind, kann
nicht zweifelhaft sein, wenn auch hier und da besonders markante Striche mit dem Grabstichel
nachgraviert wurden — nicht höher zu stellen sei als die Münchener Zeichnungen. Und
da Felszecker sonst für seine Ausgaben über gute Zeichner und Stecher verfügte (man denke
nur an die Gesamtausgabe und die Beteiligung Böners an derselben), ist man versucht, in
mancher Unzulänglichkeit der Bilder die Dilettantenhand des Verfassers zu sehen. Vielleicht
dürfte auch das Fehlen jeder Namenszeichnung auf den Bildern mit ins Gewicht fallen, wie
ferner der Umstand, daß der Verleger bei der Herstellung der obenerwähnten posthumen
Gesamtausgabe die Radierungen ausnahmslos durch völlig andre ersetzte. Im Zusammenhang
\xtvxmi
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44 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
damit hat der Herausgeber der Gesamtausgabe die oben zitierte Stelle aus dem Vogel¬
nest I, Kap. ii geändert: „Gibt mich dannoch nicht Wunder, daß der alte Simplicissimus
Jiiebevor in seinen ersten Exemplaren“ — dem Herausgeber waren die Ausgaben A und B,
welche der illustrierten Ausgabe vorangingen, offenbar nicht bekannt — „in alle Kupfferstück so
sich in der Lebens-Beschreibung befinden, gesetzt hat: Der Wahn betreugt.“ Schließlich darf
man nicht unbeachtet lassen, daß diese Worte, auch rein plastisch betrachtet, mit dem Stich
so sehr eine Einheit bilden, daß man an ein späteres Hinzufügen nicht denken kann; Text,
Grundgedanke und Ausführung sind so innig verschmolzen, daß man sie gern auf einen Mittel¬
punkt zurückfuhren möchte.
Da drängt sich uns denn unwillkürlich die Frage auf, ob Grimmelshausen sich nicht über
sein Verhältnis zu diesen Radierungen ausgesprochen habe, und zwar zunächst, ob sich aus der
Seite 33 angeführten Stelle: „Gibt mich dannoch nicht Wunder, daß der alte Simplicissimus in alle
Kupfferstück, so sich in seiner Lebens-Beschreibung befinden, gesetzt hat: Der Wahn betrügt“
nicht bestimmtere Anhaltspunkte gewinnen lassen. Wenn man sich bei der Erklärung dieser
Stelle an den Buchstaben hält, dann allerdings, denn dann enthielte die Stelle die direkte Aus¬
sage, daß der Verfasser selbst diese Worte in die Bilder hineingesetzt, also auch die Bilder
wohl eigenhändig komponiert hätte. Dennoch möchte ich auf diese Deutung nicht allzu großen
Wert legen.
Eine andre Stelle, die in diesem Zusammenhang zu analysieren ist, findet sich in der
,,Wolgemeinten Vorerinnerung an die Großgünstige Leser“, womit Grimmelshausen die Aus¬
gabe D, die erste, welche die „20 anmuthigen Kupffer“ enthält, einleitet. „Hiermit erscheinet
meine Neue gantz umbgegoßne, mit schönen von mir, meinem Knan, Meuder, Ursule und Sohn
Simplicio inventirten Kupfferstücken ausgezirte, Lusterweckende und sehr nachdenckliche Lebens-
Beschreibung, worzu mich ein kühner und recht verwegner Nachdrucker veranlasset, in dem er
meinem Herrn Verleger seine höchstruhmwürdige Mühe und Unkosten, Fleis und Arbeit, die er
in erster Einrichtung und annemlicher Vorstellung dieses meines ihme allein mitgetheilten
Werckleins, und den daraus erhobenen geringfügigen Gewinn, weiß nicht ob aus selbst eignem
neidischen Hertzen, oder, wie ich eher darvor halte, aus tollkühner Anreitzung etlicher Miß-
gonner verwegner weiß sich unterstanden, aus den Händen zu reissen, und gantz unrechtmässig
ihme selbst zuzueignen.“ Theoretisch sind zwei Erklärungen der in Betracht kommenden Worte
möglich. Man könnte die „schönen von mir, meinem Knan , Meuder , Ursule und Sohn Simplicio
inventirten Kupfferstücke“ auf die fünf Medaillons des Titelkupfers beziehen; „von“ hieße dann
ungefähr soviel wie „über“, und „inventirt“ hieße einfach „gezeichnet“. Es wäre dafür zu sagen,
daß die fünf genannten Personen gerade den fünf Medaillons des Titelkupfers entsprechen; dagegen
möchte ich anführen, daß diese Deutung sich mit meinem Sprachgefühl weder für das jetzige
noch für das damalige Deutsch verträgt; weiter, daß die Bezeichnung „Kupfferstücke“ für ein
Kupfer, sei es denn auch mit fünf Medaillons, doch weniger passend ist, und endlich, daß die Be¬
zeichnung „schöne“ in dieser Anwendung doch viel weniger Berechtigung hat — voni Standpunkt
des Autors wohlverstanden — als wenn man dieses Wort auf die zwanzig Radierungen bezieht.
Letztere Erklärung scheint mir denn auch annehmbarer; sprachlich ist nichts dagegen einzuwenden,
denn der Urheber der Handlung wird bei Grimmelshausen fast noch häufiger mit „von“ als mit
„durch“ bezeichnet, und inventieren war bekanntlich der technische Ausdruck, dessen sich der
Zeichner bediente, umseine Arbeit im Gegensatz zu der des Stechers anzudeuten; allerdings findet
sich „invenit“ auch neben „delineavit“ auf demselben Blatt, und hat man dann also den „Ent¬
werfer“ dem „Zeichner“ gegenüberzustellen; dies hat aber auf die Wahrscheinlichkeit der Deutung
keinen Einfluß, wohl natürlich auf die Konsequenzen, die man, diese Deutung einmal angenommen,
für Grimmelshausens Anteil daraus ziehen kann. Daß zu der Zeit „inventieren“ oft einen
bedeutenden Teil der technischen Ausübung in sich schloß, geht zum Beispiel daraus hervor,
daß das Titelblatt des Wunderbarlichen Vogelnests in der Gesamtausgabe 1683/1684 (Band II,
Seite 281 und Seite 437) von den „Kupffer-Inventiones“ spricht, womit das Buch geschmückt
ist. Nimmt man also für die in Rede stehende Stelle die zuletzt besprochene Deutung an, so
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 45
ist sie eine nicht zu unterschätzende Stütze für die Hypothese, daß Grimmelshausen für die
Radierungen seines Simplicissimus die Zeichnungen selbst hergestellt habe . Es könnte vielleicht
befremdend erscheinen, daß Grimmelshausen nicht bloß seinem Haupthelden, sondern der ganzen
Simplicissimusfamilie die Urheberschaft der Zeichnungen zuerkenne; indessen scheint mir das
Hcranziehen der vollzähligen Simplicissimusfamilie auch hier ein bewußter Kunstgriff zu sein,
die Zusammengehörigkeit des Werkes mit allem, was zur Simplicissimusfigur gehört, zu ver¬
anschaulichen. (Vgl. zum Beispiel Springinsfeld Kapitel 9 und die Einkleidung vom Erfinder
des Calenders.) Es hat auch etwas Humoristisches und zugleich etwas Rührendes an sich,
wenn man sich die ganze Simplicissimusfamilie um den Familientisch vereinigt vorstellt, Bilder
zeichnend für das Buch, um mit gemeinsamen Kräften den „Nachspickern“ das Handwerk zu
legen. So macht auch die Mitarbeiterschaft des Sohnes, der im Dienste derselben guten Sache
seine „Nägelbeschneidung“ verfaßt, einen ähnlichen Eindruck. — Als Argument dafür, daß
Grimmelshausen mit den „von mir usw. inventirten Kupfferstücken“ nicht das Titelkupfer, sondern
die zwanzig „anmuthigen Kupffer“ meint, möchte ich noch anführen, daß, wo es ihm offenbar
darum zu tun ist, seine Ausgabe herauszustreichen, er doch auch an dieser Stelle nicht versäumen
würde, auf die zwanzig Illustrationen, die er auch auf dem Titelblatt besonders erwähnt, aufmerksam
zu machen. Schließlich weise ich noch darauf hin, daß das Titelkupfer mit den fünf Medaillon¬
bildern sich nicht bloß in der Ausgabe D, sondern auch in der Ausgabe C befindet; wenn man
mit mir der Meinung ist, daß diese Ausgabe C nicht als unberechtigter Nachdruck, sondern als
rechtmäßige und frühere Ausgabe — vgl. „Probleme“ I, Seite 245 — angesehen werden muß,
so wird man es für undenkbar halten, daß Grimmelshausen bei der ziveiten Veröffentlichung
dieses Titelkupfers und der ersten Veröffentlichung der zwanzig Radierungen, dieses Titelkupfer
wohl und die Radierungen in seinem Vorwort nicht erwähnen sollte.
Alles zusammenfassend, was ich im Vorhergehenden über die Radierungen der Simpli¬
cissimus-Ausgabe D gesagt habe, ergibt sich für mich die größte Wahrscheinlichkeit, daß Grimmels¬
hausen mehr als die Angabe des Grundgedankens allein geliefert hat, daß wohl die Zeichnung,
die dem Stecher vorlag, vom Autor, vielleicht unter Zuhilfenahme älterer Vorlagen, hergestellt
worden ist
VI.
Als Schlußabschnitt dieser Arbeit habe ich über die wichtigsten Titelkupfer, womit die
Grimmelshausenschen Originaldrucke geschmückt sind, noch einige Worte zu sagen. Von
seinem Hauptwerk, dem Simplicissimus, ausgehend, erinnere ich zuerst an das Seite 42 flgg.
beschriebene und Seite 43 reproduzierte Bild:
Simplicissimus sein Sohn, Sein Knan und die Meuder, stehen,
Sambt der frommen Ursel hier, wie sie Natural aussehen.
Dieses Kupfer findet sich in den zwei Ausgaben: „Der Abentheurliche Wiederum gantz neu
umgegossene Und Mit seinem ewigwehrenden wunder-barlichen Calender, auch anderen zu seinem
Lebens-Lauff gehörigen Neben-Historien, vermehrte und verbesserte Simplicissimus Teutsch.
Mompelgart, Gedruckt bey Johann Fillion, Im Jahr 1670.“ (Ausgabe C), und: „Gantz neu ein¬
gerichteter allenthalben viel verbesserter Abentheurlicher Simplicius Simplicissimus. Gedruckt bey
Johann Fillion, Nürnberg zu finden bey W. E. Felszeckern.“ (Ausgabe D). Es ist für mich nicht
zweifelhaft, daß die Kupfer, die ich aus C- und D-Exemplaren unter den Augen gehabt habe,
von derselben Platte genommen worden sind und die Platte bei den D-Kupfern einen ab¬
genutzteren Eindruck macht Für die Frage nach den Beziehungen zwischen den verschiedenen
Simplicissimus - Ausgaben — eine Frage, die ich in dieser Arbeit nur gelegentlich streife —
sind natürlich die Verhältnisse der Titelkupfer unter sich von Bedeutung; allerdings ist es bei
diesen verwickelten, so schwankenden und vielfach falsch beleuchteten Verhältnissen geboten,
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Kupfertitel des ..Ewigwahrenden Calendcrs" (1670 und 1677). Nach dem Original in der Großherzoglichen Bibliothek in Weimar, ('/i Größe.)
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 47
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definitive Schlüsse erst dann zu ziehen, wenn mehrere — innere und äußere — Merkmale überein¬
stimmend zu dem Schluß berechtigen.
Dieselben Medaillons und Embleme finden sich in stark verwandter Ausführung, aber anderer
Anordnung auf dem Seite 46 reproduzierten Titelkupfer des „Ewigwährenden Calenders“. Die
Schlange auf der unteren Hälfte des Bildes ist ein Symbol derZeit; die vier Figuren auf ihr repräsen¬
tieren natürlich die vier Jahreszeiten, links und rechts oben Frühling und Sommer, links und rechts
unten Herbst und Winter. In dem Kreis fällt als Hauptfigur der junge Simplicius auf, der auf einen
großen Stoß Kalender hinweist. Den übrigen Raum des Kreises füllt eine bunte Menge Gestalten,
unter denen der Knan und meinesErachtens besonders
die Meuder, König und
Kaiser, Krieger und Mönch,
Mohr und Muselmann usw.
zu erkennen sind. Für die
Deutung der Embleme kann
ich nach dem oben Mit¬
geteilten verweisen, wobei
ich bloß erwähnen möchte,
daß der Zirkel, den ich
oben argumentierend her¬
vorgehoben habe, auf dem
Titelkupfer des Calenders
nicht vorkommt, also auf
diesem fortgelassen be¬
ziehungsweise auf dem des
Simplicissimus hinzugefügt
worden ist. Dies stellt uns
vor die Frage, welche An¬
ordnung wir als ursprüng¬
licher anzusehen haben.
Legt man die zwei Kupfer
nebeneinander, so läßt es
sich eher denken, daß aus
der größeren Komposition
reduzierend und arrangie¬
rend das kleinere entstan¬
den ist, als daß das kleinere
Kupfer der Ausgangspunkt Titelkupfer zum „vtndanum Hittoricum** (um 1670). auf dem Calender-Kupfer
1 <=»01 Nach dem Original in der Großherioglichen Bibliothek .
für die größere Komposition in Weimar. (■/» Größe.) die Originalgruppierung
gewesen wäre; dabei fällt durchblicken lassen.
Die fünf Medaillons, die also wohl zunächst für den Calender gedient haben, die dann für
die Simplicissimus-Ausgabe C und D in anderer Gruppierung verwertet wurden, die später von
Böner auf dem mehrfach erwähnten Titelkupfer des Ersten Bandes der Gesamtausgabe 1683/1684
mit herübergenommen werden sollten, haben eine merkwürdige Weiterentwicklung gehabt. Das
auf dieser Seite reproduzierte Kupfer, wo man auf dem obern Teil die fünf Medaillons und das
Wappen, auf dem untern den im Lenötreschen Stil angelegten Lustgarten sieht, ist das Titel¬
kupfer eines Werkes: „Viridarium Historicum das ist Historischer Lustgarten, aus welchem An
statt heilsamer, frischer Menschen und Vieh erquickender Gewächse, hundert außerlesener Geist-
Hertz und Gemüth erfreuender Geschichten Mit höchstanmuhtigem Wachsthum hervor kommen, Und
sich einem jeden Historien-Liebhaber mit sonderlicher Belustigung praesentiren durch Vorschub
und Anleitung, deß weit und breit Berühmten Simplicii Simplicissimi. zu finden bey Wolff
Eb. Felszecker/* Die fünf Medaillons und das Wappen mit den drei Masken samt dem mehr-
S im f lt» lo» muk tnylUch
*»i» fU~.lt Ur ktwCTtfrt«
ins Gewicht, daß die An¬
ordnung des Wappens
„drey rothe Larven in einem
weissen Feld und auff dem
Helm ein Brustbild eines
jungen Narrn in Kälbernem
Habit, mit einem paar
Hasen-Ohren, vornen mit
Schellen geziert“ (vgl. oben
Seite 42) auf dem Kupfer
des Calenders als die natür¬
liche Form, die Trennung
des Helmes vom Wappen¬
schild auf dem Simplicissi-
mus-Kupfer als eine not¬
gedrungene Teilung anzu¬
sehen ist; auch beim Zirkel
läßt es sich eher denken —
und ist es zugleich be¬
zeichnender — daß er er¬
gänzend hinzugefügt wird,
als daß er aus einem
vermutlich wohlüberlegten
Arrangement nachträglich
entfernt worden wäre. Auch
dürfte die geschmackvollere
Anordnung der Medaillons
48 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
fach beschriebenen Helm sind offenbar unter dem Bestreben nachgezeichnet, die Ähnlichkeit mit
dem Vorbild, dem Titelkupfer des Simplicissimus oder wahrscheinlicher dem des Calenders, soviel
wie möglich festzuhalten; der untere Teil des Kupfers stellt den Zusammenhang zwischen dem
Bild und dem Titel des Buches dar. Die Verwendung der fünf Medaillons und des Simplici-
anischen Wappens (Simplicissimus Buch III, Kapitel 11, Ausgabe Keller I, Seite 437) auf dem
Titelkupfer des „Viridarium“ muß offenbar mit der Titelerwähnung „durch Vorschub und An¬
leitung deß weit und breit Berühmten Simplicii Simplicissimi“ parallel laufen. Es fragt sich also
zuerst, in welcher Beziehung mag dieses „Viridarium Historicum“ zum weit und breit berühmten
Simplicissimus, das heißt zu Grimmelshausen stehen? Hat der Inhalt der Schrift etwas Simplici-
anisches an sich, oder darf man in dem Autor sogar Grimmelshausen selbst vermuten? Wie
ich in meinen „Problemen der Grimmelshausenforschung“ (Seite 118 ft.) ausführlich nach¬
gewiesen habe, liegen genügend Gründe vor, anzunehmen, daß die Schrift weder mit den Simplici-
anischen Schriften noch mit Grimmelshausen irgend etwas zu schaffen habe. Auffallend bleibt
es bei diesem Resultat, daß das Titelblatt den „Vorschub“ und die „Anleitung“ des weit und
breit berühmten Simplicii Simplicissimi erwähnt und das Titelkupfer sogar das Wappen des
Simplicissimus, sein Bild und die seiner nächsten Verwandten bringt Denkbar wäre es, daß
Grimmelshausen einem Schützling, Bekannten oder Verwandten, Anleitung und Vorschub in
schriftstellerischer Arbeit gegeben hätte, aber höchst unwahrscheinlich bleibt es denn doch, daß er
diesem die Verfügung über das Wappen und das Bild seines Haupthelden, über die Abbildungen
von dessen nächsten Anverwandten, unter Hinzufiigung ihrer so charakteristischen Bezeichnungen,
eingeräumt haben sollte. Eher glaube ich, daß wir die Lösung des Rätsels in dem Namen
des Verlegers zu suchen haben, mit andern Worten, daß Felszecker einen buchhändlerischen
Vorteil darin sah, diese Anekdotensammlung mit der Bezeichnung „durch Vorschub und An¬
leitung deß weit und breit Berühmten Simplicii Simplicissimi“ und mit einer Erinnerung an das
besprochene Kupfer des Simplicissimus und des Calenders auszustatten. Inwieweit dies im Ein¬
verständnis mit dem geistigen Vater der Simplicissimusfamilie geschehen sein mag, läßt sich
nicht mehr erforschen. In diesem Sinne ausgelegt ist das Titelkupfer und das Titelblatt des
„Viridarium“ ein kräftiger Beweis für die buchhändlerische Bedeutung des Grimmelshausenschen
Simplicissimus; zu gleicher Zeit wirft es ein interessantes Streiflicht auf die Art, wie im XVII. Jahr¬
hundert — in nicht allzu feinfühliger Weise — Reklame gemacht wurde. Jedenfalls mag man
in dem Titelblatt und dem Titelkupfer dieser Schrift eine direkte Anlehnung an die Grimmeis -
hausensche Simplicissimusfigur erblicken, und hat die Schrift für die Fortführung einer etwaigen
ständigen Simpliciusfigur , für die ich Seite 218 meiner „Probleme“ einige Linien gezogen habe,
keinen selbständigen Wert.
Bekannter als das Titelkupfer mit den fünf Medaillons ist der Kupfertitel des Simplicissimus
geworden, der dieses Buch in allen uns überlieferten vollständigen Originalexemplaren begleitet
Er findet sich mit zweierlei Überschrift: „der Abenteüerliche Simplicissimus Teütsch“ und
„Abenteuerlicher Simplicissimus“, und entsprechend mit in kleinen Abweichungen systematisch
verschiedenen Versen, die ich zur Vergleichung nebeneinander abdrucke:
der Abenteüerliche
Simplicissimus Teütsch
Ich wurde durchs Fe wer wie Phoenix geborn.
Ich flog durch die Lüffte! wurd doch nit verlom,
Ich wandert durchs Wasser, Ich raißt über Landt,
in solchem Umbschwermen macht ich mir bekandt,
was mich offt betrüebet und selten ergetzt,
was war das ? Ich habs in diß Buche gesetzt,
damit sich der Leser gleich wie ich itzt thue,
entferne der Thorheit und lebe in Rhue.
Abenteuerlicher
Simplicissimus.
Ich ward gleich wie Phoenix durchs Feuer geboren
Ich flog durch die Lüftte ? ward doch nicht verloren
Ich wandert im waßer ich streiffte Zu Land,
in solchem Umschwermen macht ich mir bekant
was oft mich betrübet und selten ergetzet.
was war das? Ich habs in dies Buch hier gesetzet,
Damit sich der Leser gleich wie ich itzt thu,
entferne der Torheit, und Lebe in Ruh.
Der Kupfertitel „der Abenteüerliche Simplicissimus Teütsch“ (Ich wurde usw.) findet sich
in den Ausgaben: „Der Abentheurliche Simplicissimus Teütsch“ Mompelgart, Gedruckt bey
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 49
Johann Fillion, Im Jahr 1669 (Ausgabe B), und in den oben angeführten Ausgaben C und D,
und zwar, wie ich auf Grund von vielerlei Anzeichen — Anzahl der Schraffierungsstriche in einem
bestimmten Teil, abgebrochene Striche, unregelmäßige Zwischenräume zwischen den Buchstaben
und ähnliches — konstatiert habe, stets von derselben Platte. Eine Faksimile-Reproduktion
begleitet diese Arbeit auf dieser Seite. Der Kupfertitel „Abenteuerlicher Simplicissimus“ (Ich
ward usw.) findet sich in der Ausgabe „Neueingerichter und vielverbesserter Abentheurlicher
Simplicissimus“, Mompelgart, Gedruckt bey Johann Fillion, Im Jahr 1669 (Ausgabe A). Der
hat in ihrer Häßlichkeit
etwas sehr Typisches,
ist aber in Einzelheiten
schwer zu deuten. Aus¬
gehend von der seit
alters beliebten Phan¬
tasiebetätigung, die aus
Vertretern der ver¬
schiedenen Tierklassen
Zwitterwesen bildete,
hat der Inventor dieses
Bildes — ob Grimmels¬
hausen eine detaillierte
Ideenangabe oder gar
eine Zeichnung zu die¬
sem Stich geliefert hat,
wird sich schwer er¬
mitteln lassen — Kör¬
perteile von Teufel und
Mensch (sowohl Mann
wie Frau), Vogel und
Fisch zu einer grotesken
Gestalt zusammenge¬
setzt, wobei er sich
wohl von der IdeeJiat
leiten lassen, daß sein
Geschöpf gleichsam in
allen vier Elementen
zu Hause ist: durchs
Feuer geboren, fliegt
es durch die Lüfte,
wandert es durchs
Wasser, reist es übers
Land. Was dieses
der Welt gesehen und erlebt hat, zeigt uns das hingehaltene Buch. Die
'licislimws
Kupfertitel des „Simplicissimus", Ausgabe B (1669).
Nach dem Original in der Herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel.
(V* Größe.)
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50 Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke.
die Vorstellung des Wickelkindes (Buch V, Kapitel 9), der Salbenbüchse (Buch IV, Kapitel 8)
und der Narrenkappe (Buch II, Kapitel 3) scheinen darauf hinzuweisen; dann wäre der
Baum wohl nach Buch I, Kapitel 16 zu deuten, die Stadt könnte Hanau sein, in dem Schiff
hätte man das Rheinschiff von Buch IV, Kapitel 10 zu sehen, oder, wenn man auch das
sechste Buch zur Deutung mit heranziehen wollte — was ich, da das Kupfer sich auch schon
in der fünf Bücher enthaltenden Ausgabe B findet, lieber nicht tun möchte — das Schiff, auf
dem er im Großen Ozean Schiffbruch leidet. Bei dieser Erklärungsweise liegt eine bestimmte
Schwierigkeit meines Erachtens bloß vor mit Bezug auf die Figur rechts unten, die ich für einen
gebratenen Vogel halte,
ohne daß ich damit für
die Spezialerklärung et¬
was Befriedigendes an¬
zufangen wüßte. Die
andern Figuren sind
auch episodisch leicht
zu deuten. Auf die weit¬
absagende Stimmung
und die menschliche
Torheit verachtende
Tendenz des Werkes
weist vielleicht in der
Zeichnung der Umstand
hin, daß Masken von
der Figur zertreten wer¬
den, womit in dem er¬
klärenden Gedicht die
Schlußverse harmonie¬
ren :
damit sich der Leser gleich
wie ich itzt thue,
entferne der Thorheit und
lebe in Rhue.
Was nun dieFrage
der Priorität der Titel¬
kupfer betrifft, so bietet
die Deutlichkeit der
Vorstellungen wenig
oder keine Anhalts¬
punkte; allerdings sind
Kupfertitcl des „Simplicissimus“, Ausgabe A (1669).
Nach dem Original in der Königlichen Hof- und Staatsbibliothek
in München (*/» Größe.)
bei dem Titelkupfer,
das wir noch nicht in
Einzelheiten beschrieben
haben, dem mit dem
Titel „Abenteuerlicher
Simplicissimus“, auf dem
Blatt rechts einige Fi¬
guren anders dargestellt.
An der Stelle der Stadt
sieht man einen Zauber¬
ring; der Komplex von
Salbenbüchse und Baum
stellt sich hier als Brenn¬
stoff enthaltendes Gefäß
mit emporschlagender
Flamme dar. An und
für sich ist es ebenso
gut denkbar, daß das
brennende Gefäß und
der brennende Ring das
Ursprüngliche sind, als
daß man sie als Über¬
arbeitung anzusehen hat;
allerdings scheinen mir
für die Spezialerklärung
die Vorstellungen auf
dem rechten Blatt des
Buches beim „Abenteüer-
lichen Simplicissimus
Teütsch“ etwas cha¬
rakteristischer.
Mit Sicherheit läßt sich aus den Kupferstichen allein die Prioritätsfrage derselben kaum
lösen; die bessere Raumverteilung auf dem Bild „Simplicissimus Teütsch“, zum Beispiel der
Abstand zwischen Schwanz und Schulter und Schwanz und Kopf, die richtigere Zuspitzung des
Flügels, verleihen diesem Kupfer eher den Anschein der Ursprünglichkeit; entsprechend erregt
auch die Plazierung der Einzelgegenstände auf den Blättern des Buches die Vorstellung, als ob
beim „Simplicissimus“ ein Nachzeichner die Gegenstände etwas vergröbert und dabei dem Raum¬
verhältnis hier und da geschadet hätte: die Figuren auf dem Buch des „Simplicissimus Teütsch“
sind alle durchgängig frei von einander, auf dem Buch des „Simplicissimus“ scheinen sie sich
zu drängen. Wenn ich meiner Argumentierung in dieser Hinsicht auch nicht allzugroße Beweis¬
kraft zuschreiben möchte, so scheint es mir doch eher annehmbar, daß der Kupferstich „Simpli¬
cissimus Teütsch“ für den andern die Vorlage abgegeben hat, als umgekehrt.
Von den Titelblättern der andern Schriften, die ich nicht vorhabe, alle in Einzelheiten zu
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 51
besprechen, möchte ich als allgemeines Charakteristikum hervorheben, daß sie ein besonderes
Vertrautsein mit dem intimen Geist der Schilderungen verraten und durchgängig mit treffendem
Scharfblick aus dem Verlauf einer Erzählung den bezeichnendsten Moment herausgreifen. Dies
scheint mir darauf hinzuweisen, daß der Verfasser selbst die Frage nach der für die Titelkupfer
geeigneten Vorstellung in sich erwogen und durch eine detaillierte Ideenangabe, vielleicht gar
durch Lieferung einer Skizze, sich an der Herstellung der Titelkupfer beteiligt hat Daß ich
bei der Herstellung dieser Titelkupfer dem Verfasser nicht denselben Anteil zuschreiben möchte,
wie bei den zwanzig Radierungen des Simplicissimus Ausgabe D, liegt daran, daß die Titel¬
kupfer im allgemeinen eine gleichmäßig bessere Technik verraten. In sehr hohem Maße gilt
das zum Beispiel von dem schön komponierten, Seite 52 mitgeteilten Titelbild der „Landstörtzerin
Courasche“, das in Vorwurf und Ausführung flüchtig an die Callotschen Zigeunerbilder erinnert.
Es stellt die „Courasche“ als Zigeunerkönigin dar, wie sie von dem „Schreiber“, den sie „dem
weit und breit bekanten Simplicissimo zum Verdruß und Widerwülen“ ihre Schicksale aufschreiben
läßt, geschildert wird; die Stelle findet sich im „Springinsfeld“, wo der erwähnte junge Mann,
der lebenskundige Simplicissimus und der immer mehr heruntergekommene Springinsfeld sich zu¬
sammenfinden, und der Schriftsteller, aus dessen Feder sowohl der „Simplicissimus“ wie der
„Trutz-Simplex“ geflossen waren, das Fazit zieht, ob dem männlichen oder dem weiblichen Haupt¬
helden der Sieg auf dem Gebiet der Intrige gebühre. Wir erfahren da, wie der Schreiber
„negstverstrichnen Herbst“ unter einen Zigeunertrupp geraten und mit der „Courasche“ bekannt
geworden sei; „sihe“, so fahrt der junge Mann fort, „da kam ein prächtige Zigeinerin auf einem
Maulesel daher geritten, dergleichen ich mein Tage nicht gesehen noch von einer solchen gehöret
hatte, Wessentwegen ich sie dann, wo nicht gar vor die Königin, doch wenigst vor eine vor¬
nehme Fürstin aller anderer Zigeunerinnen halten muste. Sie schiene eine Person von ungefehr
sechzig Jahren zu seyn, aber wie ich seithero nachgerechnet, so ist sie ein Jahr oder sechs älter.
Sie hatte nicht so gar, wie die andere, ein bechschwartzes Haar, sonder etwas falb, und dasselbe
mit einer Schnur von Gold und Edelgesteinen wie mit einer Cron zusammen gefasst, an dessen
Statt andere Zigeunerin nur einen schlechten Bendel oder, wanns wol abgehet, einen Flor oder
Schleyer oder auch wol gar nur eine Weide zu brauchen pflegen. In ihrem annoch frischem
Angesicht sähe man, daß sie in ihrer Jugend nicht heßlich gewesen. In den Ohren trug sie ein
par Gehenck von Gold und geschmeltzter Arbeit mit Diamanten besetzt und um den Hals eine
Schnur voll Zahl-Perlen, deren sich keine Fürstin hätte schämen dörffen. Ihre Serge war von
keinem groben Teppich, sonder von Scharlach und durchaus mit grünem Plisch-Samet gefüttert,
Nebenher aber, wie ihr Rock, der von kostbarem grünem Englischen Tuch war, mit silbernen
Pasamenten verpremt Sie hatte weder Brust noch Wams an, aber wol ein par lustiger Polnischer
Stifel; ihr Hemd war Schneeweis, von reinem Auracher Leinwath, überall um die Näthe mit
schwartzer Seiden auf die Böhmische Manier ausgenehet, woraus sie hervor schiene, wie eine
Heidelbeer in einer Milch. So trug sie auch ihr langes Zigeuner-Messer nicht verborgen underm
Rock, sondern öffentlich, weil sichs seiner Schöne wegen wol damit prangen liesse; und wann
ich die Wahrheit bekennen soll, so bedunckt mich noch, der alten Schachtel seye dieser Habit
zu Esel (hätte schier: zu Pferd gesagt) überaus wol angestanden, wie ich sie dann auch noch
bis auf diese Stund in meiner Einbildung sehen kann, wann ich will.“ (Springinsfeld Kapitel IV.)
Mit dieser lebhaften, fast enthusiastischen Beschreibung der alternden, aber auch jetzt noch reiz¬
vollen Abenteurerin steht das Titelbild in völligem Einklang.
Auf dem Bild erregt weiter eine Nebenfigur, ein phantastisch gekleideter, lebenslustiger
junger Zigeuner unsre Aufmerksamkeit; es ist wohl der „Leutenant“, mit dem die Courasche
als Zigeunerkönigin zusammenlebt. Der vom Zeichner festgehaltene Moment, wo sie aus ihrem
Mantelsack Toilettengegenstände wie Puderquasten und Spiegel, Brennscheren und Kämme, Schmink¬
töpfe und Salbenbüchsen herausstreut, entspricht ihrer Äußerung im 27. Kapitel ihrer Lebens¬
beschreibung: „Und in dem ich bey ihnen einen Leutenant antraffe, der gleich meiner guten
Qualitäten und trefflichen Hand zum stehlen, wie auch etwas Geldes hinter mir wahr nam, samt
andern mehr Tugenden, deren sich diese Art Leuth gebrauchen, Siehe! so wurde ich gleich sein
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Kupfertitel der „Ertzbetrügei
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und Landstörtzerin Courasche“ (1670). Nach dem Original in der Herzoglichen
Bibliothek in Meiningen, (’/i Größe.)
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 53
Weib, und hatte diesen Vortheil, daß ich weder Oleum Talei noch ander Schmirsel mehr bedorffte,
mich weiß und schön zu machen, weil so wohl mein Stand selbsten als mein Mann die jenige
Coleur von mir erforderte, die man des Teuffels Leibfarb nennet“ Dazu stimmt die „Erklärung
des Kupffers Oder die Den geneigten Leser anredende Courage:
Ob ich der Thorheit Kram hier gleich herunter streue,
So wirft" ichs drum nicht weg, umb daß es mich gereue,
Daß Ich Ihn hiebevor geliebet und gebraucht,
Sondern dieweil Er jetzt zu meinem Standt nichts taugt.
Haar-Puder brauch ich nicht, noch Schminck, noch Haar zukräusen.
Mein gantzer Anstrich ist nur Salbe zu den Läusen.
Tracht sonsten nur nach Gelt und mach mir das zu nutz
Und was Ich möge thun dem Symplid zu Trutz.“
Der Hintergrund des Bildes zeigt vereinzelte Gruppen wandernder Zigeuner, die vor einer
hügeligen Landschaft vorbeiziehen. Das den oberen Teil des Kupfers im Halbkreis füllende und
das Spruchband umgebende fliegende Getier, Basilisken und Insekten, Fledermäuse und Eulen,
zur Seite ein Hirschgeweih, soll die Lebensführung der Courasche, ihre unlauteren Gedanken,
ihr unbefriedigtes Gemütsleben, ihr nagendes Gewissen vorstellen. 1
Das von uns beschriebene und Seite 52 reproduzierte Titelkupfer findet sich in beiden Aus¬
gaben der „Courasche“. Es gibt nämlich, ähnlich wie vom „Springinsfeld“, zwei stark überein¬
stimmende Ausgaben, beide aus dem Jahr 1670, und nicht wie Keller, Kurz und Bobertag
meinten, vom „Springinsfeld“ zwei, und von der „Courasche“ nur eine Ausgabe. Bei der Unter¬
suchung verschiedener Grimmelshausen-Originale, die ich zum Zweck der vorliegenden Arbeit
vomahm*, zeigten sich mir zwischen dem Exemplar der „Courasche“ aus der Universitätsbibliothek
Göttingen (Fab. Rom. 6, 1755) und einem Exemplar der Herzogi. Sachsen-Meiningischen Bibliothek
(Dd 484) trotz der großen Übereinstimmung so zahlreiche Unterschiede, die durch das ganze
Buch hindurchgehen, daß ich darin Vertreter zweier von Haus aus verschiedenen Drucke zu
sehen hatte. Neben zahlreichen orthographischen Verschiedenheiten, von denen einige mit auf
die Priorität des Göttinger Exemplars hinzuweisen scheinen, und einigen fehlerhaften Kustoden,
von denen der auf H 7a (Seite 177) in der Meininger Ausgabe auf Nachdruck aus der durch
das Göttinger Exemplar repräsentierten Vorlage hindeuten könnte, unterscheiden die Ausgaben
sich durch falsche Paginierung auf Bogen K und L: beim Göttinger Exemplar springt die Seiten¬
zählung von 232 auf 239; beim Meininger Exemplar findet man hier eine grillige Paginierung:
2 3 i» 232, 233, 234, 241, 236, 243, 244 usw., die sich nur dadurch erklären läßt, daß zwei Prinzipien:
das Bestreben , richtig zu paginieren (also auf Seite 232, Seite 233 und Seite 234 folgen zu lassen)
und die unbewußte Anlehnung an das falsch paginierte Original (wodurch auf Seite 234 plötzlich
* Ich mache hier auf die verwandte Vorstellung auf der „Abbildung der wunderbar liehen Werckstatt des Welt¬
streichenden Artzts Simplicissimi“ aufmerksam. Bezüglich dieser „Abbildung** ist noch nachzuholen, daß dem Aprilheft
dieser Zeitschrift nicht bloß ein Faksimile des dort erwähnten Berliner Exemplars, sondern auch eine Reproduktion nach
einem Exemplar aus der Marienbibliothek zu Halle a. S. beigegeben worden ist. Es war dies erwünscht, da beide
Blätter sich gewissermaßen ergänzen: das Hallenser Exemplar zeigt eine etwas lädierte und mangelhaft ausgebesserte
Stelle in der Ecke links oben, dem Berliner Exemplar fehlt aber der für dieses Blatt so wichtige Text wie die hübsche
Randverzierung. Im Zusammenhang damit muß die Angabe zu Anfang meiner Arbeit lauten: „Mit 20 Abbildungen und
3 Tafeln**; gleichzeitig berichtige ich ein paar Druckfehler im Aprilheft, die sich im letzten Augenblick eingeschlichen
haben: Seite 8 Zeile II ist für „nv*‘ zu lesen „inv“, Seite 9 Zeile 39 „in** für „ein**, Seite 13 Zeile 17 „Artzt** für „Arzt“.
* Außer den an betreffender Stelle genannten und besonders auch den unter den Abbildungen erwähnten öffent¬
lichen Bibliotheken, Archiven, Museen und Privatsammlungen sind noch folgende Anstalten meinen Untersuchungen förder¬
lich gewesen: Universiteits-Bibliotheek Amsterdam, Koninklijke Bibliotheek ’s Gravenhage, Hof- und Landesbibliothek
Karlsruhe, Universitäts- und Landesbibliothek Straßburg i. E., Germanisches Museum Meiningen, Universitätsbibliothek
Leipzig, Stadtbibliothek Leipzig, Königliche Landes-Bibliothek Stuttgart, Stadtbibliothek Ulm, Stadtbibliothek Frankfurt a. M.;
Großherzoglich Badisches General-Landesarchiv Karlsruhe, Bezirksarchiv Straßburg i. E., Königlich Bayerisches Kreis¬
archiv Nürnberg, Kaiserlich und Königliches Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Kaiserlich und Königliches Kriegs¬
archiv Wien, Biblioth&que Royale de Belgique Brussel. Für das meinen Untersuchungen von so verschiedener Seite
erwiesene Entgegenkommen fühle ich mich zu bleibendem Dank verpflichtet.
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Kupfertitel des „Rathstübel Plutonis“ (1672). Nach dem Original im fiesitz von Dr. A Bechtold, Freiburg i. Br ('/» Grö&e.)
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Schölte, Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen und die Illustrationen seiner Werke. 55
Seite 241, auf Seite 236 plötzlich Seite 243 folgt) in Kollision kamen. Ist es meiner Meinung
nach auf Grund dieser Beweisführung nicht zweifelhaft, daß dem Druck des Göttinger Exemplars
der „Courasche“ die Priorität zuerkannt werden muß, so bin ich überzeugt, daß das Verhältnis
zwischen den „Springinsfeld“-Ausgaben, die in beiden Exemplaren mit den angedeuteten Aus¬
gaben der „Courasche“ zusammengebunden sind, dasselbe ist; aus zahlreichen Einzelheiten des
Druckes, besonders aus der Anwendung bestimmter Drucktypen, ist mit Sicherheit folgende
Proportion aufzustellen:
Springinsfeld Meiningen : Springuisfeld Göttingen — Conrasche Meiningen : Courasche Göttingen.
Ich komme hier zu dem entgegengesetzten Resultat als Kurz, der das Münchener Exemplar (Wm),
womit nach seiner Wiedergabe zu urteilen das Meininger Exemplar übereinstimmt, für das
ursprünglichere hält. Beim „Springinsfeld“ an sich läßt sich diese Frage nur durch Argumente
der inneren Kritik entscheiden; Kurz’ Hauptargument (Band III, Einleitung Seite 11), die Tat¬
sache, daß die Gesamtausgabe 1683 nach Wm druckt, beweise die Priorität dieser Ausgabe, ist
nicht stichhaltig, denn wenn man beide Ausgaben als rechtmäßige Drucke betrachtet — wofür
meines Erachtens alles spricht — läßt sich dieser Umstand mit ebenso viel Berechtigung dafür
anftihren, daß Wm die letzte rechtmäßige Ausgabe sei, daß nämlich, ähnlich wie beim „Simpli-
cissimus“ auch beim „Springinsfeld“ die letzte und nicht die erste rechtmäßige Ausgabe dem
Text der Ersten Gesamtausgabe zugrunde gelegt worden ist. Auf die hier angeregte Prioritäts¬
frage werde ich noch an geeigneterer Stelle, nachdem ich sämtliche bekannte Ausgaben soviel
wie möglich in den Kreis meiner Untersuchungen hineingezogen habe, ausführlich zurückkommen.
Zur Stütze meiner Ansicht, daß wir es sowohl beim „Springinsfeld“ als bei der „Courasche“ mit
zwei rechtmäßigeti Drucken zu tun haben, hebe ich noch hervor, daß das Titelkupfer von beiden
Ausgaben zweifellos auf je dieselbe Kupferplatte zurückgeht
Ungefähr so, wie die Courasche auf dem oben reproduzierten Titelkupfer festgehalten wird,
erscheint sie auch in einer späteren Grimmelshausenschen Schrift, wo sich die wichtigsten
Simplicianischen Figuren zusammenfinden, und zu welcher Gesellschaft auch die Courasche als
alte Zigeunerin auf ihrem Maulesel dahergeritten kommt; sie nimmt teil an der Versammlung,
in der wir außer ihr als alte Bekannte den Simplicissimus selbst mit Knan und Meuder und
den Springinsfeld antreffen. Der Titel lautet: „Rathstübel Plutonis Oder Kunst Reich zu
werden, Durch vierzehen underschiedlicher namhafften Personen richtige Meynungen in gewisse
Reguln verabfasset, und auß Simplicissimi Brunnquell selbsten geschöpfft, auch auffrecht Simpli-
cianisch beschrieben Von Erich Stainfels von Grufensholm, Sambt Simplicissimi Diseurs, Wie
man hingegen bald auffwannen: und mit seinem Vorrath fertig werden soll. Getruckt in Samarien,
Jm Jahr 1672“. Die dieser Schrift beigegebene Kupfertafel stellt die vierzehn Personen, die an
den Verhandlungen übers Reichwerden teilnehmen, unter einem Baum sitzend dar. Eine
Faksimile-Reproduktion dieses wegen der Zusammenstellung der Personen wichtigen Kupfers
findet sich auf Seite 54. Den Vorsitz führt ein reicher Kavalier Martius Secundatus (I); ihm
zur Rechten sitzen seine Gastgeber Alcmaeon Atheniensis (2), dessen Frau Cidona Corinthia (3)
und Tochter Jungfraw Spes (4). Neben ihr sitzt „Der Satyrice Gesinnte“ abentheurliche Simpli¬
cissimus (5), als alter Mann mit grauem Bart vorgestellt Er vertritt in diesem Kreis das
abgeklärt - philosophische Element und wird sowohl durch eine bezeichnende Handbewegung
wie durch den ihn begleitenden Folianten als gedankenvoller, wissensreicher Mann ge¬
kennzeichnet. Dann folgt ein Handelsherr Collybius (6), als Repräsentant des Kaufmannsstandes
und darauf der alte Knan (7), hier der typische altmodische, kleinlich-sparsame Bauer. Die
folgende Figur (8), die uns den Rücken zukehrt, ist der angebliche Verfasser dieses „Tractätels“.
Neben ihm sitzt die an ihrem schönen offenen Haar und Band, sowie ihrer gestreiften „Serge“
(vgl. Seite 51) kenntliche Courasche (13); als Nachbarn hat sie auf Anordnung des Vorsitzenden
ihren alten Kumpan, den Stelzfuß Springinsfeld (14). Es folgt dann als Vertreter des Handwerker¬
standes ein gewisser Laborinus (9); darauf die alte Meüder (10), eine Komödiantin Coryphaea (11)
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Feldhaus, Eine Kupferdruckpresse von 1617.
und endlich Aaron, „ein sechtzig jähriger Jud“ (12), womit der Kreis geschlossen ist. Die vier¬
zehn Mitglieder des Kreises verhandeln zuerst über die Mittel, reich zu werden und dann über
die Arten, wie man in angenehmer Weise sein Geld wieder los werden kann; der Verfasser
findet dabei Gelegenheit, die Einseitigkeit der Standesinteressen zu schildern und dabei sowohl
den Golddurst wie die Verschwendungssucht satirisch zu beleuchten.
Wie im „Rathstübel Plutonis“ sich die wichtigsten Gestalten der Simplicianischen Schriften,
mehr oder weniger ungesucht, zu der oben angedeuteten Beratung zusammenfinden, bei der
jeder in der Stellung, die er zu einer wichtigen sozialen Frage einnimmt, sich selbst charakterisiert,
so bringt auch die besprochene Kupfertafel noch einmal eine Zusammenstellung mehrerer Haupt¬
personen, die man auf anderen Titelbildern getrennt (Courasche, Springinsfeld) oder gruppen¬
weise vereinigt (Medaillonbilder zum Simplicissimus und Calender) abgebildet findet.
Eine Kupferdruckpresse von 1617.
Von
Franz M. Feldhaus in Friedenau.
I n einem höchst merkwürdigen und heute äußerst seltenen Buch über Maschinen findet sich
eine Kupferdruckpresse angegeben, deren Grundgedanke wesentlich von dem der gebräuch¬
lichen Pressen abwich. Man findet sie in dem Buch „Machine Novae“, das ums Jahr 1617
von dem Italiener Fausto Veranzio in Venedig erschien. Die sechsundvierzigste, sehr große
Kupfertafel dieses Buches zeigt eine Vorrichtung, die gewissermaßen als älteste, rotierende
Presse gelten kann. Veranzio, der seinen Namen im Titel in der lateinischen Form Verantius
schrieb, gab den neunundvierzig Kupfertafeln seines Werkes alle Erklärungen sowohl in franzö¬
sischer wie deutscher, spanischer, italienischer und lateinischer Sprache bei. Man kannte aber
damals in Venedig recht schlecht die transalpinische Sprache und verfügte auch nicht über
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Schaaflfs, Zwei unbekannte Briefe von Bürger.
5 7
deren eigentümliche Typen. Besonders fehlte dem Setzer der Buchstabe W. Es kam dadurch
zu unserer Abbildung folgender merkwürdige Text zustande:
EIN RAD FVER DIE KVPFERDRVCKER.
Ich hab offt gesehen, wie so wol die Buchdrucker, alf die, so manicherlei gestochene
Kupfer auff daf papier drucken, solchef mit grosser muehe verrichte, und doch solche nit alzeit
gleich, sondern ietz boesser, ietz übler gerathe wegen der unstaetigkeit der instrument, und
vngleicheit der krefften Hab dero wege ein Rad zu diesem ende sehr tauglich erfunden,
welche so manf inf werk richtet, auch wn ieden Knaben kan getriben werden, und daf ef
auch die bilder allezeit gleich wirfft.
Zwei unbekannte Briefe von Bürger.
Mitgeteilt von
Dr. Georg Schaaffs in St Andrews.
I. An Scheufier.
Ein Doppelblatt in fol., weißen Papieres mit einem von Arabesken umgebenen hängenden Horn als
Wasserzeichen, im Besitz der Bodleian Library zu Oxford: Ms. Montagu d. 20.
P. P.
Madame □, welche hier nicht so gute zärtliche Pflege, als zu Wittmarshof gefunden, hat sich bald wieder
aus dem Staube gemacht. Von der rothen Ruhr ist auch alles längst bis auf meinen Schwager wieder befreiet.
Dieser aber ist so auf das äuserste gebracht, daß wol nicht mehr die Frage ist: Ob er wieder auf kommen,
sondern wie lange er es noch treiben könne ? Wenn Sie hätten kommen wollen, so hätten Sie es hübsch eher
thun sollen. Denn nun scheint es ja vor künftigem Sommer gar nicht wieder aufhören zu wollen, mit Stürmen
und Schlackern. Das sind höchst trübseelige Aspecten für diejenigen, die noch Gromt und Haber draußen haben.
Das Politische Journal erfolgt anbei zurück. Kann ich nicht die Folge davon bekommen? Von den
übrigen ist mir die hessische Medicinal Ordnung am nächsten bei der Hand, die also auch zurückerfolgt. Ich
habe einen ganzen Verschlag Bücher seit ich in Appenrode bin noch nicht ausgepackt, worunter vielleicht die
übrigen fremden Schäflein mitstecken werden. Vossens Übersezung der 1001 Nacht habe ich nicht mehr bei
der Hand. Was soll ich auch damit, da sie nichts ist, als eine wörtliche nur in besserm deutsch abgefaßte
Übersetzung der französischen. Dafür liest sich die in dem alten Saalbaderteütsch viel anmuthiger.
Hole der Henker das 1001 Bescheid machen. Ich kan jetzt beinahe keine Citation mehr ausgeben,
ohne zu borgen und hernach die 3 ngr. terminsweise bezahlt zu nehmen. Dafür lobe ich mir Versmachen,
Musenalm. und Tausendeine Nacht. Dafür sezt es denn doch Louisdore. Es hat sich schon eine hübsche
Anzahl Subscribenten auf 1001 Nacht gemeldet, die ja leicht irgend ein oder anderes Excitatorium poenale
[leicht] übertragen können.
Wissen sie schon, daß wir nun endlich unsem Leonhartschen ErbschaftsPrceß gewonnen haben ? Da¬
durch werde ich dem Himmel sey Dank! eines großen Theils Mühe und Sorgen quit.
V&lefacio
tibi
G A Bürger.
A. d. 27 Septer
1781.
[vitrte Seite des Doppelblatts •* Reste des Siegels, darunter die Adresse:]
An
Herrn Amtmann Scheufier
Hochedelgebn
Wettmarshof
Z. f. B. 1912 1913. 8
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5 »
Schaaffs, Zwei unbekannte Briefe von Bürger.
II. An ?
Ein weißes Blatt in 4 0 , ebenfalls in Oxford.
Lieber Freund
Jeder Tag, den ich hier verlebe, gibt dem Wunsche, der so allgemein geliebten und verehrten Frau
Herzoginn persönlich aufwarten zu dürfen, neue Nahrung und Stärke. Ich möchte nicht gern das Land ver¬
laßen, und genöthigt seyn, mir selbst den Vorwurf zu machen, daß ich nicht alles mögliche versucht hätte, die
liebenswürdigste Fürstinn näher kennen zu lernen. Bisher hat sichs immer nicht fügen wollen, mich mündlich
hierüber mit Ihnen zu besprechen. Verzeihen Sie mirs daher, daß ich Sie mit der schriftlichen Rathfrage be¬
hellige: Auf welche schickliche Art ich mir wohl die so sehnlich gewünschte Erlaubniß auswirke? — Ist sonst
noch etwas hierbey zu beobachten, so schmeichle ich mir, daß Ihre Freundschaft, welcher ich vertraue, mich
nicht unbelohnt laßen wird.
Immer und ganz
St. d. 7. October 1790. der Ihrige
G A Bürger.
Der Briefe an Scheufier, die sich erhalten haben, sind nur wenige, es müssen viel mehr ge¬
wesen sein: Bei Strodtmann stehen neun; von einem zehnten gab Schüddekopf Euphorion
3. Erg. 130 Nachricht, er wird einer der letzten gewesen sein, die Bürger überhaupt geschrieben
hat Scheufier war kurfürstlich hessischer Amtmann auf Wittmarshof, dem am Fuß der Gleichen
im Gartetal gelegenen Gute. An Jahren und Erfahrung weit älter, ist er dem jugendlichen
Kollegen in der Nachbarschaft häufig mit gutem Rat zur Seite gestanden, hat ihm auch mehr¬
fach, wenn er in finanzieller Verlegenheit war, mit größeren oder kleineren Summen ausge¬
holfen. Im Tarock und L’hombre sind sie manchen Taler aneinander losgeworden. Ihr Ver¬
hältnis scheint immer gleich gut geblieben zu sein. Briefe Scheuflers an Bürger haben sich
offenbar überhaupt nicht erhalten. — Der oben, so viel ich weiß, zum erstenmal bekannt werdende
läßt uns tief in die Sorgen und Schmerzen hineinblicken, die der unbesonnene Mann mit dem
Eintritt in die Familie Leonhart auf sich genommen hatte. Deren Verhältnisse waren, wie die
seiner eigenen, von vornherein durchaus günstig gewesen: erst im Laufe der Zeit änderten sie
sich infolge schlechten Wirtschaftens aller Beteiligten, und als der alte Leonhart 1777 starb
und Bürger das Oberhaupt der Familie wurde, sah er sich einer überaus kompliziert gewordenen
Lage gegenüber, die durch den Vormundschaftsprozeß noch unangenehmer wurde. Seine Be¬
endigung war ein Lichtblick in den trüben Tagen, die das Haus sah, als der Brief geschrieben
wurde: Carl Leonhart, der älteste Sohn der Familie, nur wenig jünger als Bürger, starb schon
zwei Tage darauf, die epidemisch auftretende Krankheit, von der wir hier hören, hatte dem
Lungenkranken den Rest gegeben. Auch die Schwierigkeiten und der Ärger, die das Amt mit
sich brachte, waren nicht geringer geworden: paßte Bürger mit seiner Gutmütigkeit überhaupt
schlecht zum Exekutivbeamten, so verstanden die Gerichtseingesessenen sie gehörig auszunutzen.
Daß die dichterische Produktion und die Herausgabe des Almanachs lukrativer waren als die
amtliche Tätigkeit, hat er auch sonst oft ausgesprochen. Wider alles Erwarten war der ersten
Gedichtsammlung ein glänzender Erfolg beschieden gewesen, die bloße, nur von einer kleinen
Probe begleitete Anfrage an das Publikum, ob es einen solchen Homer haben wolle, hatte in
Weimar zu einer beträchtlichen Sammlung geführt, die Herausgabe des Musenalmanachs bot
jahraus jahrein und in bedeutender Höhe eine sichere finanzielle Basis für den Hausstand.
Wären nur auch alle Unternehmungen mit eben der Sicherheit ausgeführt, mit der sie ange¬
kündigt worden! Dem deutschen Homer war die Vollendung nicht beschieden gewesen, obwohl
die Weimarer Louisd’ors eingelaufen und längst ausgegeben waren; aus der Modernisierung von
Rollenhagens „Froschmäuseler“ schien auch nichts werden zu wollen, und ebenso sollte es dem
Unternehmen ergehen, das im Mai des Jahres 1781 in Lichtenberg und Försters Göttingischem
Magazin mit dem üblichen Stimmaufwand angekündigt war, und auf das unser Brief Bezug
nimmt: der Bearbeitung von Gollands Übersetzung der „Arabischen Nächte“. Eure Stärke be¬
stand zon jeher in Ankündigungen, schrieb ein paar Jahre später F. L. W. Meyer, als er wieder
einmal eine solche in die Hände bekommen hatte. — Die Ankündigung von „Tausend und
einer Nachf' ist, so viel ich weiß, nur in Max Hesses Ausgabe (3, 184) wieder abgedruckt
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Schaaffs, Zwei unbekannte Briefe von Bürger.
59
worden: dort finden sich Angaben, die zur Erläuterung von Einzelheiten des Briefs dienen.
Vossens Übersetzung erschien in sechs Bänden von 1781 an: auf den ersten bezieht sich
Bürgers Bemerkung; Scheufier wird ihn um den Band gebeten gehabt haben. Mit der in dem
alten Saalbaderteütsck — man beachte die Schreibung des Wortes und vergleiche Grimm Wb. 8,
1682 — vorliegenden Übersetzung ist die von dem Liegnitzer August Bohse unter dem Pseu¬
donym Talander in sechs Bänden von 1730 ab herausgegebene gemeint Daß Bürger in seiner
Ankündigung behauptet hatte, der erste Band seiner Bearbeitung — bald in Versen bald in
Prosa / — sei schon unter der Presse, war natürlich, trotz der Verwahrung, es solle damit
Vossens Arbeit durchaus nicht der Markt verdorben werden, nichts als eine Finte gewesen:
Man wollte Voß wahrscheinlich überhaupt von seinem Unternehmen abbringen. Solche Dinge
kommen ja auch heute noch vor. Wäre wirklich ein Band schon fast fertig gewesen und
dann infolge von Bürgers Lässigkeit doch nicht vollendet worden: Was würde er alles und wie
oft von Dietrich zu hören bekommen haben! Aber nicht ein Wort davon findet sich in dem
Briefwechsel — Wer mit der zu Anfang erwähnten Dame gemeint ist, weiß ich nicht.
Auch der zweite Brief wird willkommen sein: Er bietet uns einen charakteristischen, wenn
schon wohlbekannten Zug in Bürgers Art und zugleich ein paar Einzelheiten von der verhängnis¬
vollen Stuttgarter Reise, von der wir so wenig Nachricht haben. Denn der Brief, der sie ge¬
wiß in größerer Fülle geboten hat, am 11. Oktober an Dietrich gerichtet — vgl Strodtmann
4, 83; es hätte den Wert von Ebsteins Sammlung erheblich erhöht, wenn auch die nicht
erhaltenen Briefe namhaft gemacht wären — dieser Brief scheint nicht mehr vorhanden oder
wenigstens nicht bekannt zu sein. Bürger ist bekanntlich zweimal in Stuttgart gewesen, im
März und April 1790 zur Brautschau, im September und Oktober zur Hochzeit: kurz nach
letzterer ist der Brief geschrieben. Aber an wen? Man denkt zuerst an Schubart. Mit dem
war er schon im April intim bekannt geworden, wie aus D. F. Strauß, Schubarts Leben in
seinen Briefen (— Gesammelte Schriften, 9. Band) 2, 281 f., zu ersehen ist: Bürger war nur
einige Tage hier-, doch sprach ich ihn täglich ein paar Stunden . Er gewinnt noch durch per¬
sönliche Bekanntschaft\ und man sieht es wohl, daß er das ätherische Dichtergepräge habe —
jenes umuidersteldiche Feuer, das im Auge spricht, auf den Wangen blinkt, und den Dichter -
hanch zur Loh macht? Bürgers Brief an Riepenhausen vom 11. Oktober (Str. 4,83) beginnt:
Umflüstert von den Freuden der Liebe, umrauscht von den Freuden des Weins kann ich deiner
zwar täglich gedenken. . . ..- Wer denkt da nicht an Schubarts nach der Befreiung beginnendes
Trinkleben, das jeden Besucher in seine Kreise zu ziehen bemüht war! Ferner hatte ein paar
Tage vorher, wenige nach der Hochzeit, Schubart an seinen Sohn geschrieben: Komm so bald
als möglich ist ; dein Lieblingsdichter Bürger ist noch hier, und erwartet dich mit Sehnsucht
(2, 286), und Ludwig traf ihn, wie ungefähr schon aus Strodtmann 4, 83. 84 verglichen mit
Schubart 2, 288, mit Sicherheit aber aus Strodtmann 4, 212 hervorgeht, wirklich noch in Stuttgart
an. a Anderseits standen die Schubarts in gewissen Beziehungen zum Hof. Aber beweisen kann
das alles nicht, daß Schubart der Mann gewesen ist, an den sich Bürger mit der Bitte um Ein¬
führung bei der Herzogin gewendet hat: es könnte gradeso gut Ehrmann oder Haug gewesen sein.
* Merkwürdig verschieden lautet eines andern Schwaben Urteil, der ihn zwar nicht als glücklichen Bräutigam,
aber auch in gehobener Stimmung und ein Jahr vorher, kennen gelernt hatte: Bürger war vor einigen Tagen Mer und
ich habe die wenige Zeit, die er da war , in seiner Gesellschaft angebracht ,. Er hat gar nichts austeichnendes . . . der
Karakter von Popularität, der in seinen Gedichten herrscht, verleugnet sich auch nicht in seinem persönlichen Umgang, und
hier, wie dort, verliert er sich zuweilen in das Platte . Das Feuer der Begeisterung scheint in ihm zu einer ruhigen Arbeits¬
lampe herabgekommen zu seyn. Der Frühling seines Geists ist vorüber und es ist leider bekannt genug, daß Dichter am
frühesten verblühen. Man vergleiche die beiden Stellen Wort für Wort: Sieht es nicht aus, als ob Schubart Schillers
Urteil im Sinne habend jedem einzelnen Zuge darin widersprechen wolle? Aber es sieht eben nur so aus.
3 Am XI. Oktober schreibt Bürger an Riepenhausen, er treffe wahrscheinlich auf den 26. schon in Güttingen
ein. Aber am 20. ist das Paar erst in Heidelberg angelangt, kann also am 26. noch nicht nach G. gekommen sein.
Vielleicht hat Bürger auf den jungen Schubart in Stuttgart eigens gewartet Am 23. October schreibt der Alte an
Wenn er in Frankfurt: Mein Sohn, der würklich hier ist . .. Ludwig Schubarts Brief an Bürger vom 5. September 1792
beginnt: Auch ohne die Ehre Ihrer persönlichen Bekanntschaft hätte ich keine andere Anrede für Sie finden können ...
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Die künstlerischen Ideale von William Morris.
Von
Ernst Collin in Berlin.
W enn wir auf die Spanne Zeit zurückblicken, die zwischen heute und dem Tode von William Morris
vergangen ist, so sehen wir eine Zeit, die reich an Kämpfen und Wandlungen auf dem Gebiete der
Kunst und des Kunstgewerbes ist, aber zugleich auch reich an Fortschritten und Errungenschaften.
Man ist zwar, namentlich was das Kunstgewerbe anbetrifft, nicht immer auf den Spuren von Morris
gewandelt, sondern hat andere Wege eingeschlagen. Und wenn auch die Richtigkeit der von Morris verfolgten
Ziele nicht immer unbestritten blieb, so hat sich doch eines erhalten und in dem Kunststreben der letzten Zeit
deutlich bemerkbar gemacht, nämlich die Ideale, die Morris vorgeschwebt haben, die sein Schaffen befruchtet
und ihn zu dem größten Kunstreformator aller Zeiten gemacht haben.
Und wenn wir uns diese Ideale näher betrachten, dann werden wir nicht nur gepackt von den tiefen
und ehrlichen Gedanken, die diesen Mann beseelten, sondern wir fühlen uns mehr vielleicht noch angezogen
von seiner Persönlichkeit. Wir sehen dann, wie seine künstlerischen und kunstgewerblichen Aspirationen aus
seinem Charakter und vor allem aus seinen sozialen Ansichten heraus geboren wurden.
Männer von der Art William Morris’ hat die Welt immer nur wenige gekannt; denn aus der Zahl der
Genies und Talente, die die Welt zu Tausenden erzeugt, ragen sie hervor als mächtige Kolosse, vor deren
Größe wir erstaunt stehen, und deren Schaffen wir mit unseren Sinnen kaum begreifen. Ein Merkmal dieser
Größten unter den Großen ist unzweifelhaft ihre Vielseitigkeit. Bewundernd müssen wir stehen vor den mannig¬
faltigen Interessen dieses Mannes, vor seinem tiefgehenden Verständnis und vor seiner wunderbaren Persönlich¬
keit, die gleichsam die Folie für seine Ideale bildet.
Das Hervorstechendste an dem Wirken von Morris ist seine ausschließliche, man kann ruhig sagen, ein¬
seitige Vorliebe für die Kunst des XV. Jahrhunderts. Alles, was mit dieser Zeit zusammenhängt, findet er nach¬
ahmenswert, die Kunst, die Sprache und die Arbeitsweise, und alles geht ihm in Fleisch und Blut über. Seine
Entwürfe tragen sämtlich den Stempel jener Zeit, wenn er selbst auch hoch über dem Verdachte steht, nur
nachgeahmt zu haben. Eine Folge dieser Vorliebe für das Mittelalter, „die Periode, in der die Kunst allen
Menschen gemeinsam war“, ist seine Verachtung des gegenwärtigen Zeitalters, das ihm häßlich und kunstlos
erscheint. Zwischen dem Mittelalter und der heutigen Zeit kennt er keine Kunstform, die Wert hat Es kommt
ihm vor, als ob wir einer Vernichtung aller Kunst und Schönheit entgegengingen, und entsetzt steht er dabei
mit dem heißen Bestreben zu helfen nach seinen Kräften und den Verfall aufzuhalten, wenn das noch mög¬
lich ist.
Die mannigfachen Anregungen, die Morris für seine Ideen fand, müssen bei ihm auf einen besonders
fruchtbaren Boden gefallen sein. Von den Romanen Walter Scotts fühlt er sich mächtig angezogen, ein Werk
John Ruskins über gotische Architektur bestärkt ihn in seiner Vorliebe für diese. Er nimmt Unterricht in der
Architektur bei dem Gotiker G. E. Street, den er aber vor Ablauf der vereinbarten Zeit verläßt, um eigene
Wege zu gehen. Seine Studienzeit in Oxford fällt mit der von Edward Burne-Jones zusammen, mit dem ihn
bald eine enge Freundschaft verbindet, die sein ganzes Leben hindurch währt Beide, beseelt von den gleichen
Ideen, haben sich gegenseitig angeregt, und es ist sicher, daß ein nicht geringer Teil von dem, was jeder ge¬
leistet hat, der Einwirkung des Freundes zu verdanken ist
Durch Burne-Jones kommt er mit den Präraffaeliten in Berührung, jener Künstlerschar, die auf den
Spuren der Maler vor Raffael wandelte. Daß Morris und die Präraffaeliten zusammenpaßten, ist selbstver¬
ständlich, und daß sie zusammenkamen, mutet uns ganz natürlich an. Auch sie lieben das Mittelalter so, wie sie
es sich zurechtgelegt haben, wenn es auch von dem der Wirklichkeit weit abwich. Morris, der Dichter, schreibt
seine Gedichte in demselben Stile, wie die Präraffaeliten ihre Bilder malten. Die Illustrationen der Präraffae¬
liten zu den Dichtwerken von Morris sind das Ergebnis eines künstlerischen Gedankens.
Die Beschäftigung Morris’ mit der Architektur war keine zufällige. Er wollte das Kunstempfinden der
Zeit heben und die Wohnungen der Menschen verschönern. Deshalb mußte sein Schaffen von der Architektur
ausgehen, die für ihn die Grundlage und die Krone aller Künste war. Und es zeigt das tiefe und allseitige Ver¬
ständnis von Morris, das ihn über seine Freunde und Zeitgenossen erhob, wie ihn sein Forschen von der Archi¬
tektur zu all dem führte, was er zur Verschönerung des menschlichen Lebens und zur Besserung der bestehenden
Zustände für notwendig hielt Auch auf dem Gebiete der Architektur bedeutet ihm die heutige Zeit nichts, er
findet sie gedankenlos, da sie nur pedantische, häßliche Nachahmungen klassischer Architektur kenne. Für ihn
ist der gotische der erste und letzte aller architektonischen Stile, den er für schön hält Nach seinen eigenen
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Collin, Die künstlerischen Ideale von William Morris.
61
Worten ist die gotische Architektur die vollendetste Kunstform, die die Welt gesehen hat. Hand in Hand damit
geht natürlich seine Vorliebe für alte Bauten. Auf seinen Reisen ziehen ihn die kleinen, alten Kirchen, die über
das ganze englische Land verstreut sind, besonders an. So hat er sein ganzes Leben lang der englischen Ge¬
sellschaft zum Schutze alter Bauten sein regstes Interesse gewidmet. Er ist ihr Geschäftsführer gewesen, hat
Vorträge gehalten für sie, kurz, er hat in seinem arbeitsreichen Leben nie die Sorge für diese Gesellschaft ver¬
gessen und hat ihr in seinem wundervollen Buche „Nachrichten von Nirgendwo" (News from nowhere) ein
Denkmal der Liebe gesetzt. „Als," so berichtet einer der Bewohner von Nirgendwo im Jahre 2003, „einige von
uns die Parlamentsgebäude niederreißen wollten, da war, so erzählt man mir, so eine sonderbare antiquarische
Gesellschaft, die manches Gute in vergangenen Zeiten getan hatte. Die protestierte dagegen und war so ener¬
gisch und wußte so gute Gründe anzuführen, daß man die Gebäude stehen ließ."
Diese Liebe zur Architektur ist die Wurzel seiner Ideen und seines Wirkens geworden. Es kennzeichnet
Morris, daß er eine einmal gefaßte Idee logisch weiter dachte und nach ihr sein Schaffen einrichtete. So er¬
scheint es uns, wenn wir die Gedanken dieses Mannes verfolgen, ganz selbstverständlich, daß ihn seine künst¬
lerischen Bestrebungen zum Sozialismus führten. Morris war ein Enthusiast, und in diesem Enthusiasmus, der
sich aus kühler Überlegung ergibt, und der vor den äußersten Konsequenzen nicht zurückscheut, war er ein
echter Sohn seines Landes.
Nun kommt Morris weiter zu der Forderung, daß alle Kunst, also auch die Architektur, ornamental sein
muß. Der Präraffaelit spricht aus ihm, wenn er sagt, daß kein Gemälde vollkommen sei, wenn es nicht etwas
mehr sei als eine bloße Darstellung der Natur oder der Erzähler einer Geschichte, d. h. wenn es nicht orna¬
mental sei. In seiner Vorliebe für reiche Dekoration, die sich in allen seinen Werken ausspricht, folgt er wieder
eng den alten Meistern. Es ist bezeichnend für seine Liebe zum Mittelalter, daß er der vornehmen, an Orna¬
menten armen griechischen Architektur völlig ablehnend gegenüberstand. Er haßt das Schmucklose und sieht
in ihm eine Gefahr für die Menschheit.
Die Begriffe Schönheit, Kunst und Dekoration verschmelzen sich bei ihm. Es spricht selbst von Schön¬
heit als von Dekoration im besten Sinne des Wortes. Um sein Verlangen nach Dekoration und damit sein Ver¬
langen nach Kunst deutlich zu machen, wollen wir ihn selbst sprechen lassen: „Der Zweck, Kunst bei den nütz¬
lichen Dingen anzuwenden," führte er einst in einem Vortrage aus, „ist zweifach, erstens, die Werke der Men¬
schen zu verschönern, die sonst häßlich sein würden, und zweitens, der Arbeit selbst Freude hinzuzufügen, weil
sie sonst qualvoll und verächtlich wäre. Nun, als ersten Zweck habe ich angeführt, daß das Erzeugnis unserer
Arbeit ohne Anwendung von Kunst häßlich wäre, und ich gebrauche das Wort häßlich (ugly), als das stärkste
und deutlichste Wort der englischen Sprache. Denn die Werke der Menschen können nicht eine bloße Ver¬
neinung der Schönheit (a mere negation of beauty) sein. — Denn wenn wir aufhören würden, Kunst bei unsern
Gebrauchsgegenständen anzuwenden, dann werden es nicht bloße Gebrauchsgegenstände sein, sondern solche,
die in sich denselben Schaden tragen, wie Bettdecken, behaftet mit Pocken oder mit Scharlach. Jeder
Schritt in solchem materiellen Leben und jeder Fortschritt würde zum intellektuellen Tod der menschlichen
Rasseführen."
Diesen intellektuellen Tod fürchtet er, wie ein anderer eine Krankheit furchtet. Aus dieser Furcht heraus
lassen sich denn auch sein Enthusiasmus und seine nie ermüdende Arbeitskraft erklären. Auf mannigfache Weise
sinnt er darüber nach, der Menschheit die Schönheit zu erhalten. „Wenn eine Eisenbahn", so meint er, „von
einem Ort zum andern fahren müsse, dann sollte es selbstverständlich sein, daß dabei so wenig wie möglich
natürliche Schönheit beschädigt werde, selbst wenn die Strecke dadurch teurer käme."
Dem Kampf für die Schönheit und für die Wiedereinsetzung der Künste und des Kunstgewerbes hat er
sein Leben geweiht Mit einem Enthusiasmus, der von Fanatismus nicht weit entfernt ist, hat er seine Ideen ver¬
fochten. Dieser Kampf für seine Ideale macht ihm das Leben lebenswert Man merkt, mit welcher Energie er
zu Werke gegangen ist, wenn man die Worte liest: „Was ist denn wert auf der Erde gesehen zu werden?
Alles. Dieses zu lieben und zu fördern, jenes zu hassen und zu vernichten." Dadurch, daß er sich auf einen
Kunststil festgelegt hat, wird er einseitig in seinem Urteil „Was wir nicht schön finden, ist häßlich", erklärt er,
„und was nicht schön ist, hat kein Recht zu existieren."
Diese Einseitigkeit berührt uns aber nicht imangenehm, sondern wir verstehen sie als einen Teil seines
sympathischen Wesens, als etwas Selbstverständliches an dieser Stürmer- und Drängematur.
Den hauptsächlichsten Grund an dem Niedergange unseres Schönheitsideales sieht er in den heutigen
sozialen Zuständen, in der Abhängigkeit des Arbeiters vom Unternehmer und in der Gewinnsucht des
letzteren.
Es ist oft bemerkt worden, daß alles, was Morris schuf und alle seine Interessen, der reinste Ausdruck
seiner Persönlichkeit sind, und daß der Dichter in ihm nicht vom Handwerker, und der Handwerker nicht vom
Sozialpolitiker zu trennen ist Wenn wir hören, daß er für seine sozialistischen Ideen durch Schriften, Vorträge
und Reden auf offener Straße eingetreten ist, so finden wir das ganz selbstverständlich. Denn ebenso, wie er für
seine Ansichten über Kunst und Handwerk mit Worten und Taten eintrat, mußte er es auch für seine politischen
Interessen tun. — Es ist ja auch ganz klar, daß einen Menschen wie Morris, der stets nach Schönheit begehrte,
und sie allen mitzuteüen suchte, das Elend und die Unsauberkeit, wovon er sich umgeben sah, zum Nachdenken
und zum Verlangen nach Abhilfe reizen mußten.
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62
Collin, Die künstlerischen Ideale von William Morris.
An mehr als einer Stelle hat er seinem Hasse über unsere Gesellschaftsordnung Ausdruck gegeben. Er
behauptet, daß ein allgemeines Verlangen nach den Künsten nicht eher eintreten werde, bis wir der Zivilisation
andere Lebensformen gegeben haben. Die Tyrannei des Staates hat nach Morris auch unser heutiges kommer¬
zielles System im Gefolge. Das unsinnig viele Produzieren von nutzlosen, häßlichen Dingen haßt er, da er doch
verlangt, daß jeder Gegenstand mit Liebe gefertigt werde.
„Es ist nicht diese oder jene bestimmte Maschine,“ meint er, „von der wir uns befreien wollen, sondern
die große, unfaßbare Maschine kaufmännischer Tyrannei, die unser aller Leben bedrückt — Denn dieses mecha¬
nische und grausame Produktions-System, das ich verurteilt habe, ist so innig verwachsen mit der Gesellschaft,
von der wir alle einen Teil bilden, daß es manchmal ihre Ursache, manchmal ihre Wirkung zu sein scheint“
Aus seinem Kampfe für Schönheit und Kunst heraus ergibt sich sein Kampf gegen die heutige Gesellschafts¬
ordnung.
Die große Änderung der Dinge, wie er sie ersehnte, hat er vorausgeahnt, in seinen „News from nowhere“,
in denen er sich eine Welt schafft, wie er sie haben will, und Menschen, wie er sie lieb hat Alle Armut und
alle Feindschaft sind verschwunden. Arbeit ist Vergnügen, und Vergnügen Arbeit geworden. — Die Zivilisation
des XIX. Jahrhunderts ist vernichtet und vergessen. Keine Maschinen sind zu erblicken. Was verfertigt wird,
sind Kunstwerke. Geld existiert nicht mehr, ein jeder nimmt sich, ohne zu fragen, das aus den Läden, wonach
er Bedarf hat. — Aus seinem Buche spricht der Volksfreund und der Dichter, und nicht zuletzt der Künstler.
Und seltsamerweise! die Menschen aus „Nowhere“ wissen nicht viel vom XIX. Jahrhundert und dem,
was es geleistet hat Sie schätzen das Mittelalter und sind in ihrer Kunst und in ihrer Arbeitsweise zu ihm
zurückgekehrt
Wir sehen hier, wie konsequent Morris ist; er kann sich eine zukünftige Gesellschaft gar nicht anders
vorstellen, als auf den Wegen des XV. Jahrhunderts. Vorbildlich ist ihm auch die Arbeitsweise des Mittelalters,
in der jeder Gebrauchsgegenstand mit künstlerischem Verständnis gefertigt wurde.
Bei dieser Liebe für alles, was mittelalterlich ist, und bei seinem Vorurteile gegen alles Neuzeitliche be¬
fremdet uns sein Haß gegen die Maschinen durchaus nicht. Der Fanatiker spricht aus ihm, wenn er sagt:
„Lehnt Euch auf, soviel als möglich gegen alle Maschinenarbeit. Aber wenn Ihr dafür zu entwerfen habt, laßt
an Eurem Entwürfe deutlich sehen, wofür er ist Macht ihn mechanisch aus Rache und gleichzeitig so einfach
wie möglich.“
Wenn wir hier einen Augenblick verweilen und einen Rückblick auf Morris’ Ideale werfen, die uns bisher
begegnet sind, so können wir sie kurz zusammenfassen: Liebe für gotische Kunst und mittelalterliche Arbeits¬
weise, Widerwillen gegen die moderne Kultur, die Sehnsucht nach einer neuen Kunst auf der Grundlage des
XV. Jahrhunderts.
Es ist klar, daß Morris hier in Vielem geirrt hat, und daß er in seinem Urteile oft recht einseitig gewesen
ist Sein Abscheu gegen alles Moderne und namentlich gegen die Maschinen, die er allerdings nicht ganz ab-
schaffen will, entbehrt nicht einer gewissen Naivität. Wir werden ihm nicht beistimmen können, daß ein auf der
Maschine hergestellter Gegenstand nicht schön sein kann. Es kommt uns ferner ganz sonderbar vor, daß ein
geistig so hochstehender Mensch wie Morris gar keinen Sinn hatte für die modernen Errungenschaften, und daß
er sich von vornherein feindselig gegen alles verschloß, was das XIX. Jahrhundert geleistet hat. Es ist über¬
flüssig zu beweisen, daß eine Arbeitsweise wie die des Mittelalters nicht mehr für unsere Zeit paßt und nie ein¬
zuführen sein wird. Aber wenn wir auch Morris nicht immer beipflichten können, so müssen wir doch aner¬
kennen, daß eben seine Irrtümer ihn zu dem großen Künstler und Reformator gemacht haben. Seine Einseitig¬
keit — es ist sonderbar, daß man bei einem so vielseitigen Genie von Einseitigkeit reden muß — hat seine
Werke so vollendet gemacht.
Und noch etwas, das in manchen Punkten unsem Widerspruch herausfordem wird, soll hier erwähnt
werden. Seine sozialistischen Ideen ließen ihn den Reichen verachten und in dem Unbegüterten, dem Arbeiter,
den Menschen der Zukunft sehen, der die Kunst der Welt wiedergeben soll. In einem Vortrage „Art and its
Producers“ läßt er sich darüber folgendermaßen aus:
„Ich habe es soeben gesagt, und ich wiederhole es mit all dem Nachdruck, dessen ich fähig bin, daß die
besten Arbeitgeber, oder sagen wir Kunden der Arbeiter, die Arbeiter selbst sind; wenn sie keine Kunden
weiter hätten, würde ich völliges Zutrauen haben, daß sie nur beschäftigt wären, nützliche Dinge zu erzeugen.
Heute müssen sie ihre Arbeitskraft auf folgende Weise verschwenden: erstens unwürdige Dinge zu fertigen, die
sie infolge ihrer unwürdigen Lage verwenden müssen, zweitens solche Waren herzustellen, die die reichen
Klassen nicht zum Gebrauch verlangen, und für die ebenfalls keine Nachfrage sein sollte. Das heißt, daß bei
einer gerechteren Verteilung der Güter keine Nachfrage für wertlose Dinge sein würde und ebenfalls nicht für
so viele Gegenstände des Luxus. Die Arbeiter würden zuerst Waren für ihren eigenen Gebrauch herstellen und
für die Reichen würde nicht viel Zeit übrig bleiben. Und wenn wirklich die Nachfrage nach diesen nutzlosen
Dingen so groß sein sollte, dann würden sie sehr teuer kommen.“ — Hiergegen ist einzuwenden, daß dieses un¬
bedingte Vertrauen in den Geschmack der Arbeiter durch nichts begründet ist. Es ist natürlich, daß bei einer
gerechteren Verteilung der Güter auch viele häßliche und wertlose Dinge verschwinden würden, ebenso wie
dann die Menschen nicht mehr gezwungen wären, in menschenunwürdigen Wohnungen zu hausen. Daß aber
diejenigen, die früher Arbeiter waren, und die dann die Herren sein würden, gleich jene hohe Kultur hätten,
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Collin, Die künstlerischen Ideale von William Morris.
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um auf unsem Geschmack bestimmend wirken zu können, das glaube ich nicht Auch gerät Morris hierbei in
den Fehler, den alle Sozialisten machen, nämlich gegen die Dinge des Luxus zu Felde zu ziehen und sie als
überflüssig hinzustellen. Das ist schon deshalb verfehlt, weil eine Unterscheidung zwischen nützlichen und luxu¬
riösen Dingen niemals gemacht werden kann. — Morris hätte Gelegenheit gehabt, seinen Glauben an die Arbeiter
zu beweisen, aber er nutzte diese Gelegenheit nicht aus. Er hatte verlangt, daß die Arbeiter, die jetzt Maschinen
sind, Künstler seien, wie unscheinbar sie als solche auch sein mögen. Als Herausgeber von Büchern hätte er
dem Volke viel Kunst geben können. Aber seine Bücher, die er auf der Kelmscott-Press druckte, erschienen
nur in beschränkter Auflage. Lewis F. Day, einer seiner Freunde und Biographen, bemerkt sehr richtig hierüber:
„Auch hier, gleichsam wie durch ein eisernes Verhängnis gezwungen, arbeitete er für die Wenigen. Er hatte
nicht Vertrauen genug zum großen Publikum, um etwas anderes als beschränkte Ausgaben zu veranstalten.
Es ist nur zu sehr zu bedauern, daß gerade beim Buchdruck, wohl dem leichtesten Wege, das intellektuelle
Leben der Millionen zu heben, der Sozialist nicht den Mut fand, seinem Ideal der Kunst für das Volk
treu zu bleiben/ 1
Das ist wirklich zu bedauern, um so mehr als die Nachfolger Morris' auf denselben engherzigen Wegen
wandelten und das „book beautiful“, für das sich Morris und die um ihn so begeisterten, bis heute noch nicht
in die Hütten der Arbeiter gedrungen ist
Bei unserer Kritik dürfen wir aber nicht vergessen, daß seine Liebe zum Volk und das Verlangen, den
Armen durch die Kunst emporzuheben, der Impuls zu alledem gewesen ist, was er geleistet hat Er baut darauf,
daß die Kunst für das Volk, die er erstrebt, einmal kommen wird, und er weiß von ihr zu sagen: „Sie wird
nicht nach der Person fragen, sondern alle können an ihr teilnehmen, gelernte und ungelernte; und sie wird
eine Sprache reden, die wir alle verstehen können. Sie wird der Tod sein der Unwissenheit, Unehrlichkeit und
Tyrannei“
Um ein vollständiges Büd zu geben von der Persönlichkeit dieses Mannes und von seinen Idealen, die
aus seinem reichen Erleben heraus beurteilt werden müssen, haben wir uns mit dem Handwerker Morris zu
beschäftigen. Denn auf allen Gebieten des Kunsthandwerks, denen er sein Interesse zugewandt, ist er selbst
tätig gewesen und hat auch hier Unübertreffliches geleistet. Erstaunt fragen wir, die wir wissen, was er alles in
den 62 Jahren seines Lebens geleistet hat, wie es ihm möglich war, so viel zu tun. Er hat alle Handwerke, mit
denen er sich beschäftigt, selbst gelernt und hat in kürzester Zeit begriffen und gemeistert, wozu ein anderer
jahrelange Praxis brauchte. „Ihr hättet ihn eines Tages auf der Straße treffen können,“ sagt Lewis F. Day, „mit
farbigen Händen, denn er war ein geborener Arbeiter, niemals besorgt, seine Hände nicht zu beschmutzen.
Und er war viel zu lebhaft, um zuzusehen, wie jemand an etwas herumbastelte, was er selbst besser machen
konnte, um ihm nicht zu zeigen, wie es besser zu machen sei.“
Nichts war ihm verhaßter, als untätig zu sein: ,,zu leben wie ein gentleman — das heißt nichts zu tun.“
Und er spricht von der Bitterkeit, die einen ungeduldigen Mann manchmal befallt, wenn er fühlt, wie wenig er
tun kann für die Sache, die ihm am Herzen liegt.
Wenn wir sehen, wie Morris sich mit den einzelnen Handwerken beschäftigt, und welche Prinzipien ihn
dabei leiteten, erhalten wir Beweise für die Ehrlichkeit und den praktischen Idealismus, die sein Schaffen kenn¬
zeichnen. Seine Liebe zum Handwerk kommt in das richtige Fahrwasser, als er 1863 mit einer Anzahl von Freunden,
unter denen sich Dante, Gabriel Rossetti, Ford Madox Brown, Edward Bume-Jones befanden, eine Fabrik
gründete zur Herstellung bemalter Fliesen, Glasmalereien, Webereien, Möbel, Gläser und Papiertapeten. Die
Firma führte den Namen Morris, Marshall, Faulkner & Co. Das Ganze war ursprünglich eine Art Verein, in dem
jeder seine Entwürfe zu liefern hatte, und in dem der Nutzen, wenn es einen solchen gab, unter die Mitglieder
verteilt wurde. Was Morris nun in dieser Firma geleistet hat, — er war wohl das rührigste Mitglied — das hat
ihn zu dem hervorragendsten Kunsthandwerker gemacht
Zuerst zog ihn die Keramik an, denn „alle Völker, selbst die barbarischsten, haben sich mit ihr beschäf¬
tigt Aber keines hat jemals verfehlt, sie nach richtigen Grundsätzen auszuführen und keines hat so gemeine
und häßliche Formen geschaffen, wie die moderne Zeit Es scheint, als sei häßliche Keramik eine der bemerkens¬
wertesten Erfindungen unserer Zivilisation.“
Trotzdem er ein ausgesprochener Feind der Maschine ist, sieht er doch ein, daß Papiertapeten nur auf
mechanischem Wege hergestellt werden können, und er verlangt, daß diese Maschinenarbeit auch im Entwürfe
sichtbar sei
Durch einen sonderbaren Zufall, der den offenen Blick dieses Mannes zeigt, ist er dazu gekommen, sich
mit der Weberei zu beschäftigen. Er sah einen Mann in der Straße, der Webstühle als Spielzeug verkaufte.
Das interessierte ihn, und er verschaffte sich einen richtigen Webstuhl, an dem er selbst seine Versuche be¬
gann. Der Webstuhl stand in seinem Schlafzimmer, und in seinen schlaflosen Stunden arbeitete er an ihm. Das
Weben brachte ihn aufs Färben, denn er brauchte Seide von einer bestimmten Färbung, und da er diese nir¬
gends bekommen konnte, machte er sich selbst daran, sie sich herzustellen. Er brachte es im Färben zur Voll¬
endung, und mit Stolz sagte er einmal von sich bei einem Vortrage, daß er als Färber von Beruf spreche. „Die
Kunst des Färbens“, meinte er, „brachte mich natürlich auf die niedrige, aber nützliche Kunst des Bedruckens
von Stoffen.“ Die Herstellung von Teppichen interessierte ihn ebenfalls, und er fing mit einem regelrechten
Studium eines alten persischen Teppichs an, dessen Herstellung er nach allen Seiten hin durchforschte. Er
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Collin, Die künstlerischen Ideale von William Morris.
ruhte nicht eher, als bis er es selbst zum Teppichwirker gebracht hatte. Wenn wir nun noch hinzufugen, daß
er auch die Glasmalerei zu einem Felde seiner Tätigkeit gemacht hat, dann bekommen wir einen ungefähren
Begriff von seinem Fleiße und seinem nimmermüden Genie.
Morris war nicht nur der geborene Künstler, er war auch der geborene Handwerker. Seine Hände, die
schon, als er Knabe war, stets eine Beschäftigung suchten, haben während seines ganzen Lebens nicht geruht
Die Sehnsucht seines ganzen Lebens inmitten all der Beschäftigung mit den Handwerken war, die Kunst
des alten Buchdrucks wieder aufleben zu lassen und dem damiederliegenden Buchgewerbe neue Bahnen zu
weisen. Es konnte einem Menschen wie Morris, der selbst Bücher schrieb, nicht entgangen sein, daß hier noch
fast alles ?u tun blieb, und daß er hier ein unendliches Feld zur Betätigung seiner Kunst fand. Schon im Jahre
1866 planten er und seine Freunde eine Ausgabe des „Earthly Paradise“. Man kam nicht weiter als bis zur
Anfertigung der Holzschnitte, von denen der größte Teil von Morris gezeichnet war. Diese ersten Versuche
zeigen schon ganz deutlich, daß Morris die Idee mit sich herumtrug, die frühesten Drucke wieder aufleben zu
lassen. Im Jahre 1888 lernte Morris durch einen Zufall Emery Walker kennen, der selbst ein erfahrener Buch¬
drucker war. Angeregt durch ihn griff nun Morris die Idee des Buchdrucks wieder auf, und sie gründeten
beide die Kelmscott-Press, von der aus Morris die Bücher in die Welt sandte, die das ganze moderne Buch¬
gewerbe aufgerüttelt und es zu dem gemacht haben, was es heute ist. Morris sammelte mit Eifer alte wertvolle
Drucke, an denen er studierte, und vom Jahre 1890 an hat er sein ganzes Wirken seiner geliebten Kelmscott-
Press geweiht Er hat 52 Werke in 66 Bänden auf der Handpresse gedruckt und hat 384 Initialen für diese
Bücher entworfen. Aber mehr noch als die Zahlen sprechen die Prinzipien, die ihn geleitet haben, und die uns
einen Einblick in die Werkstätte seines Geistes gewähren. —
Mit der ihm eigenen Genauigkeit und Ehrlichkeit denkt er die einzelnen Teile des Buches durch. Er
fängt an beim Papier, von dem er das Prinzip aufstellt, daß es mit der Hand gearbeitet sein muß, und daß er
genau nach der Arbeitsweise der Papiermacher des XV. Jahrhunderts herstellt, Er geht dann weiter zu den
Typen über, studiert die Kalligraphie des Mittelalters, schreibt unablässig einzelne Buchstaben nach und bildet
dann selbst neue Typen, die ihre Bedeutung bis heute behalten haben. Die Anordnung des Drucks auf der
Seite, der Abstand der einzelnen Buchstaben, Wörter und Zeilen von einander, alles macht er zum Gegenstand
seines Nachdenkens, und für alles findet er mustergültige Lösungen. Er entwirft die Umrahmung zu den
Büchern und schafft Kunstwerke hierin. In diesen letzten sechs Jahren seines Lebens, die der Kelmscott-Piess
gehörten, ist der Traum seiner Jugend, selbst Bücher zu drucken, zur Wahrheit geworden. Was er in der
Kelmscott-Press geschaffen, das bedeutet die Krönung seines Lebensw^erkes, denn hier strömen noch einmal alle
seine Fähigkeiten zusammen. Sein geliebtes Mittelalter hat er sich auch hier zum Vorbild genommen, und er
ist hier mehr als in seinen andern Werken über dasselbe hinausgewachsen. Heute ist vieles, w'as er gewollt hat,
überwunden, und wir drucken unsere Bücher meist anders als er. Das vermindert seinen Wert nicht, weil er ja
Wegweiser und Bahnbrecher gewesen ist In der Kelmscott-Press lebte Morris noch einmal all die Ideale durch,
die das Schaffen seines ganzen Lebens bestimmt haben, und wir werden ganz unbewußt, wenn wir sein Wirken
verfolgen, zu dem Menschen Morris geführt, vor dem jede Kritik verstummt, dessen Liebe und Begeisterung
aus allen seinen Werken strömt. Bei allem, was wir ihn tun sahen, haben wir seine Überzeugungstreue kennen
gelernt.
Was er sprach, waren seine Gedanken und was er tat, war das, wozu ihn seine Gedanken führten. Deshalb ist
es auch überflüssig, noch einmal aufzuzählen, dies und das waren seine Ideen, jenes hat er geleistet Da ist eins
nicht von dem andern zu trennen. Bei Morris gab es nichts Wichtiges und weniger Wichtiges. Alles was er
wollte, erschien ihm gleich notwendig für die Menschheit und das Fehlschlagen der einen Idee genau so be¬
klagenswert wie der anderen. In seiner Künstlerschaft und in seiner Vielseitigkeit glich er dem größten Deut¬
schen: Goethe. Er ist einer von den Wenigen, auf die das Goethesche Wort paßt: „Den lieb ich, der Unmög¬
liches begehrt“
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für di« Redaktion verantwortlich Prol. Dr. Carl SchüdcUkop y - -Weimar. Cranachstr. 38. Druck u. Verlag von IV. DrugNlin Leipzig, Königzur 10.
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Die Bibliotheken der Zukunft.
Von
Octave Uzanne in Paris.
D ie Bibliophilen sind den Weisen zuzurechnen; das „morgen“ scheint sie kaum zu be-
| unruhigen. Nur in großen Zwischenräumen beschäftigt sie der Gedanke an den Tod,
an die Auktion nach ihrem Ableben, an das Geschick der Bücher, die sie gesammelt
haben. Sie gleichen Epikureern, welche sich nicht den Genuß des Augenblicks durch die
Furcht des Kommenden trüben wollen. Es bedeutet schon viel, wenn die Eitelkeit des Besitzes
sie treibt, die ehrenvollsten Bedingungen auszukalkulieren, unter denen die seltensten Exemplare
fortgegeben werden könnten; Exemplare, die sie im günstigen Moment erworben und durch
den besten Handwerker haben einkleiden lassen, ehe dieser in der Mode war und sich seine
Einbände mit gleich schweren Kassenscheinen zahlen ließ.
Der Bibliophile lebt also vergnügt zwischen seinen Büchern, festlich gestimmt, wie ein
Liebhaber in den Armen seines Schatzes; er liebt es, dieser Zukunft, diesem „morgen“ gegenüber
blind zu sein, während unruhigere Seelen scharf hinäugen und ihre Geheimnisse zu enthüllen
suchen. Aber selbst auf das Risiko hin, Glückliche — Beati possidentes — aufzustören aus
ihrem hypnotischen Traum und Nachtwandler zu wecken, welche, gleich allen Sterblichen, sich
hart am Rand unsichtbarer Abgründe bewegen, ist es uns erlaubt, zu fragen, was die Nachwelt
mit unsren lieben derzeitigen Büchern Vorhaben wird und welchen Empfang die Veröffentlichungen
dieses fin-de-si^cle von unsern Kindeskindem zu gewärtigen haben werden.
Viele Liebhaber werden antworten: „Was geht das uns an? Nach uns der Untergang
des Buches! Kümmern wir uns um das Schicksal des Glases, aus dem wir Champagnerrausch
schlürften
Wir können ihnen diese herrliche Sorglosigkeit nicht zum Vorwurf machen und diese
Uneigennützigkeit, welche wir übrigens teilen. Aber uns treibt dennoch die Neugier, die quälende
Gefährtin unsrer Einbildungskraft, uns auszumalen, wie wohl der edle Sport der Bibliophilie in
ungefähr hundert Jahren, so um 1980, beschaffen sein könnte. — Es ist dieselbe Sache, wie
die Geschichte der Mauer, welche uns den Weg versperrt; während kurzer Minuten suchen
wir zu erfahren, was wohl hinter diesem steinernen Wall geschehen mag. So ist auch unsere
geistige Kleinigkeitskrämerei.
» #
#
Sebastian Mercier, der Verfasser des „Tableau de Paris“, der merkwürdigste Vorläufer
unsrer heutigen Ideen, sah in einer außerordentlich klaren Vision unsre Sitten und Gebräuche.
Er versuchte vor schon 135 Jahren, 1775, in einem phantastischen Buch, das interessanter ist
ab alle Werke Jules Vernes zusammen, unsre Art und Weise im XXV. Jahrhundert nach
Christus zu schildern. Das Buch heißt „L'An deux mille quatre cent quarante“.
Ein Kapitel der alten Scharteke ist besonders interessant; es behandelt die Bibliothek
des Königs, die heutige Biblioth&que Nationale, wo sich Exemplare sämtlicher an jedem Tage
erschienener Bücher und Zeitungen anhäufen. In seinem Traum gelangt Mercier an die Tore
unseres literarischen Ruhmestempeb. Er bereitet sich vor, endlose Galerien zu durchwandern,
starke, vielfach übereinander gereihte Bücherkolonnen zu durchblättem, und sieht zu seinem
z. f. b. 1912/191 3. 9
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Uzanne, Die Bibliotheken der Zukunft
großen Erstaunen ein bescheidnes kleines Gebäude an Stelle des mächtigen Palastes. Er tritt
ein und findet in der Mittelhalle nur fünf kleine vergitterte Schränke. Weiter nichts. Im
ersten werden die alten Griechen, darunter Homer, Sophokles, Euripides, Demosthenes, Plato
und Plutarch, aufbewahrt.
Im zweiten Schrank konstatiert er die Anwesenheit von Virgils und Plinius’ sämtlichen
Werken, von Titus Livius und von zahlreichen Fragmenten Ciceros, Ovids, Horaz’ und Quintilius’.
Die dritte Bibliothek trägt die Flagge Englands; in ihr findet er alle Philosophen, welche
der kriegerischen, handelsreichen und politischen Insel entsprossen waren: Milton, Shakespeare,
Pope, Young und Richardson.
Das vierte Abteil gehörte der italienischen Literatur und er unterschied neben Ariosto,
Tasso und Dante viele große Lyriker dieses philosophischen, träumerischen und politischen Volkes.
Das fünfte Spind — man errät es — beherbergte die französischen Schriftsteller und zwar
war ihre Anzahl nicht groß: Descartes, Montaigne und Charron, ferner F&iäon, Corneille, Racine,
Moliere; Lafontaine und Voltaire in skelettartig reduziertem Zustand und einen tüchtig zusammen¬
gestrichenen Rousseau.
Da ruft Sebastian Mercier aus: „Aber was ist mit den Tausenden von Schriftstellern, den
Millionen von Büchern geschehen, die zu meiner Zeit und vorher veröffentlicht wurden, unbe¬
schadet derjenigen, welche zwischen 1775 und 2440 das Licht der Welt erblicken mußten? Wo
sind die vielen Ausgaben unserer berühmten Männer? Wo die, die ich kannte; wo die, die
mir noch fremd sind?“
Und der Bibliothekar spricht ernst: „Zu Eurer Zeit schrieb man zuerst und dachte dann;
unsere Schriftsteller befolgen das entgegengesetzte Prinzip — wir haben alle Autoren geopfert,
welche ihre Gedanken unter einem Schwall von Worten und unnützen Phrasen verbargen.
Nichts erschwert so das Einverständnis, als die Menge der Bücher. Eine zahlreiche Bibliothek
ist ein Tummelplatz der größten Extravaganzen und steter Wiederholungen; da unserer Tage Zahl
aber beschränkt ist und wir sie nicht in splintisierender Philosophie auf brauchen wollen, so
haben wir unter allgemeiner Zustimmung alle frivolen, nutzlosen und gefährlichen Bücher in
einer großen Ebene angehäuft, haben eine Pyramide, so hoch wie der Turm zu Babel, daraus
geformt und haben diese entsetzliche Menge angezündet, als Sühneopfer der Wahrheit, dem
gesunden Menschenverstand und dem rechten Geschmack.“
# #
«
Glaubt Ihr, daß diese Hypothesen, alle durch die Menschen geschriebenen Dummheiten
und Leichtfertigkeiten mittels der Flammen zu zerstören, ganz wahnsinnig und unglaublich seien?
Glaubt Ihr nicht, daß, weil der Platz zur Aufbewahrung fehlen wird, unaufhaltsam der Tag
naht, an dem wir alle Druckwerke zerstören müssen, noch ehe zwei Jahrhunderte beendet sind?
Und selbst wenn man es nicht täte, wie wenige der Werke, die uns heute entzücken,
würden des Überlebens würdig befunden werden. Die Vergessenheit aber ist schon das zer¬
störende, ausgleichende Element
Revolution ist in allem; sowohl auf der Erdoberfläche, als in den Varianten der Ästhetik,
welche unsere Geister lenkt Die heutige Generation wird durch die folgende verlacht werden.
Ebenso wie wir die Literatur unserer Vorfahren verhöhnen, ebenso werden unsere Nachfolger
ausgiebig über die unsere spotten, wenn sie nämlich noch Muße genug haben, sich mit uns zu
beschäftigen, was uns ziemlich fraglich scheinen muß, wenn wir es recht bedenken.
Haben wir eine Ahnung davon, was morgen sein wird?
Unsere Bücher, die wir für Meisterwerke halten, die wir mit eitler Freude schmücken und
sorgfältig in unseren Behausungen aufheben, haben nicht mehr Bedeutung und Dauer als wo¬
selbst. Widerstehen sie der Zeit, so gehen sie in die Hände folgender Generationen über als
seltene Bibelots, die man flüchtig durchblättert, aber nicht liest.
* *
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Uzanne, Die Bibliotheken der Zukunft
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Wie werden sich die künftigen Bibliophilen amüsieren? Welches werden ihre bevorzugten
Spielereien sein? In welche neue Eitelkeitssauce werden sie ihre Leidenschaft für das Buch
tauchen? Möge es uns gefallen, diese Punkte schnell ins Auge zu fassen.
Um materiell zu sprechen, bieten sich zwei Hypothesen: die erste gestattet die Abschaf¬
fung des Druckes durch bewegliche Typen und die bisher gemeingültige Form des gedruckten
Buches in bestimmter Größe gefaltet und geheftet
Die zweite Hypothese läßt uns an eine Fortdauer der Typographie mit jetzt schon vor¬
gesehenen Verbesserungen für Abzug und Bildschmuck glauben.
In beiden Fällen wird die Bibliomanie fortexistieren. Das Buch wird späterhin so gut wie
heute kollektioniert werden, und selbst eine Änderung des typographischen BÜdes würde nur
die Suche nach schönen Druckexemplaren vom Ende des XIX. Jahrhunderts eifriger machen,
denn man würde sie von da ab gleich wie seltene Bibelots und die letzten Beweise einer ver¬
schwundenen Kunst achten. Man hat die Inkunabeln gesammelt, das heißt die Wiegenleistungen
der Druckerkunst; man wird nicht weniger leidenschaftlich die „Funebralen“, das heißt die
Exemplare des Todeskampfes der Rotationspressen sammeln, die Exemplare, die die letzten
Drehungen der beweglichen Rollen mitmachten.
Andererseits werden die Weisen die Zuflucht des „Home“, die Thebaide der Bibliothek,
die zurückgezogene, wenig ausgebende und wenig Kraft verlangende Lebensweise desto höher
schätzen, als das Zukunftsleben fieberiger, kampfreicher, beschäftigter, schwerer zu erhalten und
zu erarbeiten sein wird.
Für diese phüosophischen Verehrer geistigen Rausches, für diese neugierigen Rückwärts¬
blicker wird es schwer sein, eine Wahl zwischen den grausigen Trümmern von Werken zu
treffen, welche das XIX. Jahrhundert von Frankreich, England, Deutschland und Amerika aus
auf den literarischen Markt an aller Welten Enden geworfen hat Millionen oder gar Milliarden
von Werken werden um die Aufmerksamkeit der Nachwelt kämpfen. Wenn es auch einen
Malthus gab, der — unwissentlich scheints — auf die Produktion der Rasse verheerend wirkte,
so fand sich doch bisher kein Priester der die Abstinenz gegen geistige Erzeugnisse verteidigte,
und niemand hat auch nur die kleinste Sperre über Bücher verhängt Deshalb wurde auch
das Wort der Heiligen Schrift: „Wachset und vermehret Euch!“ mit Übertreibung von den
Scharen zwitterhafter Schriftsteller befolgt, der Blaustrümpfe gar nicht zu gedenken.
Wir glauben, daß die Bibliotheken der Zukunft nur eine sehr weise Auswahl an Büchern
enthalten werden. Da gibt es keine Romane, wenig Gedichtsammlungen, einzelne Geschichts¬
leitfäden, zahlreiche Biographien, ganze Reihen von Spezial-Diktionären; und Auskunftsbücher
so zahlreich als möglich. Diesem notwendigen Kapital wird man eine Apotheke der Seele
beifugen, das heißt eine Auswahl „Black and White“-Moralisten, Optimisten und Pessimisten,
welche der inneren Erleuchtung entsprechend gelesen werden sollen. Auch richtet sich die
Lektüre nach dem Thermometerstand der Psyche, dem Niveau des Trübsinns und der wüden
Freude.
Auf ewig werden die Romane verbannt werden, diese Täuscher der EinbSdungskraft und
Verschwender der Zeit. Theaterstücke wird man wohl noch dargestellt sehen, aber man wird
sie nicht mehr lesen. Der zum Praktiker gewordene Bibliophile wird alsdann seine Bibliothek
als eine enorme Zentrale aller Literaturen ansehen, als einen Führer durch die allgemeinen
Kenntnisse der Bibliographie, als eine klare Quelle aller nur erdenklichen literarischen Mitteilungen.
Man wird Indexe und Diktionäre aller Art sammeln; gedrängte Enzyklopädien, Glossarien
zu Worten und Dingen, Kompendien moderner Wissenschaften, damit man in einem behaglichen
Kämmerlein so recht zur Hand eine Bibliothek habe, die als Auskunftsbureau für alle Literaturen
der Welt diene. Die Bücher werden gut gebunden und auf dem Rücken mit Allegorien oder
Symbolen versehen sein, um schnell herausgefunden zu werden.
Mir scheint, daß kein Bibliophile der Zukunft mehr diese lästigen Mengen von Büchern
besitzen wird, welche um so weniger leicht Auskunft geben, als ihnen der notwendige Schlüssel,
Inhaltsangaben und Indexe, fehlt
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Uzanne, Die Bibliotheken der Zukunft
Aber da Wißbegierde, Liebe zum Studium, Leidenschaft für Kunstschriften nicht ganz
verschwinden werden, wird der Gelehrte des XX. oder selbst XXL Jahrhunderts Mitglied irgend¬
eines großen Vereins sein, einer Art „Polybiblion-Club“, wo er je nach Wunsch in prächtigen
stillen Sälen oder zu Hause bei sich alle die Werke lesen kann, deren Existenz die Indexe ihm
verraten haben. Um diese „Polybiblion-Clubs“ zu gründen, würde das Kapital von zwei oder
dreitausend Mitgliedern genügen, welche, um der Ruhe und auch der Ersparnis willen, — nach¬
dem sie die enormen Preise berechnet haben, welche ihre Schwartenliebe sie in Freiheit dressiert
kosten würde — es nicht übertrieben finden werden, einen alljährlichen Beitrag von tausend
Franken einzuzahlen. So würde man diesem Tempel des Wissens die Rente von zwei bis drei
Millionen schaffen, die zum Ankauf und zur Pflege der Bücher und zur Entschädigung der An¬
gestellten notwendig ist
# *
Man begreift, welche Erleichterung es fiir den Bibliophilen sein wird, der Sorge um eine
große Bibliothek enthoben zu sein. Er erhält telephonisch von seinem Verein alle Aufschlüsse
und beim leisesten Wunsch die Sicherheit, die Bücher gesandt zu erhalten. Er bedarf nur eines
einzigen Schrankes, der das Material zum Spornen seines Geistes auf allen denkbaren Gebieten
der Literatur, der Geschichte, der Wissenschaft, der Theologie oder der Reisebeschreibungen
enthält.
In Anbetracht dessen, daß die Liebe zum Buch dem Wunsch des Besitzens eng verbunden
ist so es dem „Polybiblion-Club Fellow“ Vorbehalten bleiben, in seltenen Fällen Kunstwerke
von Büchern zu erwerben. Von diesen werden etwa ioo Exemplare abgezogen werden, der
Band zu 500 bis 1000 Fr., welche das Höchste darstellen sollen, was moderner Geschmack in
der Wiedergabe durch erstklassige Künstler in der feinsten bibliotechnischen Ausführung zu
leisten vermag.
Um nun die jungen Künstler und Anfänger unter den Herausgebern zu unterstützen,
könnte man diese Ausgaben als Wettbewerbe ausschreiben. Man wählt verschiedene Sujets
aus den augenblicklich berühmten Werken; erfolgreiche und bekannte Künstler sind aus¬
geschlossen. Der Zweck ist einen genialen Verschönerer des Buches aus seinem Dunkel hervor
in die aristokratische Gesellschaft geschmackvoller Leute zu ziehen.
Diese zeitgenössischen Leistungen, echte Schreine der Kunst werden nicht die Bibliothek
des Zukunftsmenschen überlasten. Im ganzen Jahre werden höchstens zwei oder drei für würdig
gehalten werden, auf den Gestellen aus kostbaren Hölzern Platz zu finden. So bildet sich aus
einzelnen Persönlichkeiten langsam eine Schmuckkette.
* *
Aber unsere heutigen Bücher, die wir lieben und hätscheln, die wir in Maroquin mit Mo¬
saiken binden lassen, durch Autographen und Originalzeichnungen bereichern, deren Ränder
hübsche Aquarellen und deren Exlibris so hohe Namen ehemaliger Besitzer schmücken, unsere
lieben Bücher vom Ende dieses Jahrhunderts, was wird aus ihnen werden?
Wehe, bis auf wenige Ausnahmen fürchten wir ihr Schicksal zu erraten! — Die Zeit wird
ihren schlechten Bestandteilen Gerechtigkeit widerfahren lassen; das Baumwollpapier, die schlechte
Schwärze weiht sie einem schnellen Untergang. So wie es in den Prophezeiungen heißt:
Tausende und Abertausende werden zu Staube werden, ganze Ausgaben werden verschlungen
werden. Von allen unseren Romanen, von all unserer Tagesliteratur und Ausschußware wird
nichts übrig bleiben als etwa ein paar große, farblos gewordene Japanpapiere und gewisse
„Holländer“, die zwar scheußlich vergilbt, aber doch noch präsentabel sein werden.
Kaum kann man annehmen, daß die Luxusausgaben viel mehr Widerstandskraft besitzen;
das wenige, was bleibt, wird zerstreut werden, den Bewegungen sozialer Revolutionen oder den
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Löffler, Eine schwäbische Bibliophilenfamilie aus dem XVIL Jahrhundert und ihre Sammlung. 69
Veränderungen der Zivilisationszentren folgend. Berlin, Paris, Leipzig, London, das sind die
heutigen „Bibliopoleis“. Doch wo wird die Bibliopolis des Jahres 1995 oder 2000 liegen?
In mehr oder weniger ferner Zeit wird die französische eine tote Sprache sein, welche
nur noch von einigen keltisch gebliebenen Geistern mit Genuß gelesen wird, welche sich noch
dem unerbittlichen und logischen Druck der Anglo-Saxonen entzogen haben. O, das wären
schöne Zukunftsbilder für unsere geliebten Bücher!
Doch wir sind zu kurz gesichtet, um mit Schärfe so weit hinaus zu blicken!
Eine schwäbische Bibliophilenfamilie aus dem XVII. Jahrhundert
und ihre Sammlung.
Von
Bibliothekar Dr. Karl Löffler in Stuttgart
U nsere Zeit ist vielleicht geneigt, die Bibliophilie als eine neuere Erscheinung anzusehen,
besonders eine gewisse Richtung in ihr, die mehr zur Bibliomanie hinüberzielt und die
die natürliche Freude am Buch, an seinem Inhalt wie an seiner äußeren Form, ge¬
legentlich umwandelt zur Gier nach möglichst vielen Büchern und besonders solchen, die durch
Seltenheit oder sonstige Merkwürdigkeit vor andern reizen. Solche Büchersammler werden
gerne zu Raritätensammlem, und ihr Sammlertrieb wird meist nicht allein nach Büchern jagen.
Derartige Liebhaber gab es aber auch schon in früheren Jahrhunderten, und wir finden im
Schwabenland an der Wende vom XVL zum XVII. Jahrhundert gleich eine ganze Familie,
Großvater, Vater und Sohn, die eine solche Sammlerneigung hatten, freilich in der Hauptsache
innerhalb der Grenzen einer gesunden, erfreulichen Liebhaberei. Sie brachten eine Sammlung
von Büchern und von merkwürdigen und seltenen Gegenständen zusammen, bei deren Anblick
unsem Bücherfreunden, Altertümersammlem und Raritätenjägem heute noch das Herz im Leibe
lachen würde. Und dabei ist es fast als eine Ironie anzusehen, daß der Hauptstock der Samm¬
lung nicht etwa von einem Bücherwurm oder Studierstubenhocker, sondern von einem unruhigen
abenteuerlustigen Kriegsmann angelegt worden ist.
Doch bevor wir uns den Persönlichkeiten der Sammler zuwenden, wollen wir zunächst
einmal ihre Sammlung selbst etwas näher ansehen. Sie ist freilich nicht mehr schön beisammen
in einem Ausstellungsraum bequem zu bewundern. Anderthalb Jahrhunderte blieb sie unberührt,
allerdings auch fiir die weitere Öffentlichkeit fast verborgen; dann aber führte sie die Säkulari¬
sation größeren öffentlichen Sammlungen zu. So sind heutzutage die Handschriften und Bücher
in den zwei Stuttgarter Bibliotheken, der Hofbibliothek und der Landesbibliothek, einiges wenige
auch in der Ständischen Landesbibliothek in Fulda zu finden; die übrigen Teile der alten Samm¬
lung werden wohl in der Staatssammlung vaterländischer Altertümer und dem Naturalienkabinett
in Stuttgart zu suchen sein. In diesen Sammlungen sind natürlich die einzelnen Stücke getrennt
unter die übrigen Bestände eingereiht, und es wäre keine leichte Aufgabe sie herauszusuchen
und so die alte Sammlung wiederherzustellen. Doch gibt es glücklicherweise ein einfacheres
Mittel ein Bild von ihr zu entwerfen. Derjenige, der den größten Teil der ganzen Sammlung
zusammengebracht hat, der Tübinger Schloßhauptmann Nikolaus Ochsenbach, hat nämlich selbst
am Ende seines Lebens eine genaue Aufnahme derselben vorgenommen, der er den Titel gegeben
hat: „Beschreubung meiner Rüstcamer wie ich dieselbig Anno 1625 bey handen gehabt“. Dieses
eigenartige Inventarbuch, in seiner überlangen schmalen Form einem Wirts- oder Haushaltungs
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70 Löffler, Eine schwäbische Bibliophilenfamilie aus dem XVH. Jahrhundert und ihre Sammlung.
buch nachgebildet, bewahrt die Stuttgarter Landesbibliothek auf; es ermöglicht uns auf ein¬
fachem Wege eine Vorstellung davon zu gewinnen, was für Schätze in dieser Ochsenbach-
Sammlung aufgespeichert waren.
Wenden wir uns zuerst dem in erster Linie interessierenden Teil der Sammlung, der
Bibliothek, zu, so finden wir zunächst eine Handschriftensammlung von ganz achtbarem Umfang
vor, allerdings keine Stücke von besonders hohem Alter. In der theologischen Gruppe ist die
älteste Handschrift aus dem XIV. Jahrhundert eine Schrift von Thomas von Aquino wider die
Ketzer. Zwei weitere gehören dem XV. Jahrhundert an; die eine, aus dem Kloster Tegernsee
stammend, hat kirchengeschichtlichen Inhalt, der sich zum Teil auf das Konstanzer Konzil be¬
zieht, die andere enthält Erbauungsliteratur. Im XVI. Jahrhundert entstand ein Sammelband
mit Stücken von Peter de Alliaco, Felix Fabri und anderen, und zwei Gebetbücher. Das Fach der
Philosophie ist vertreten durch eine Handschrift von Burley, über die Philosophie, aus dem
XV. Jahrhundert; aus der gleichen Zeit stammt de secretis mulierum von Albertus Magnus, und
aus dem XVII. Jahrhundert Hessii et Studionis prophetica. Dieser Gruppe schließen sich einige
Chroniken an, aus dem XV. und XVI. Jahrhundert: eine Chronik der Kaiser und Päpste,
Reisachs Kaiserchronik, eine solche von Nürnberg und Bamberg. Weiterhin sei hier genannt
Rüxners Tumierbuch, die Reisebeschreibung vom Ritter von Mandeville, und endlich eine Be¬
schreibung der Merkwürdigkeiten von Florenz, die aber erst aus dem XVII. Jahrhundert stammt
Zwei Arzneibücher, eines davon das bekannte von Ortolf, gehören noch dem XV. Jahrhundert
an. Mehr urkundliches Interesse haben Schreiben von Schwarzmaier, dem Rat des Kardinals
Andreas von Österreich, juristische Miszellen von Bernhard Walter, einem hohen österreichischen
Richter des XVI. Jahrhunderts, Kaufbriefe vom Kloster Schamhaupt, Streitschriften aus Alt-
Ötting vom XVI. und die Statuten des Gymnasiums von Ingolstadt vom XV. Jahrhundert. So¬
gar eine Klassikerhandschrift hat sich in die Sammlung verirrt, die Komödien des Terenz, aus
dem XIV. Jahrhundert Für Württemberg haben besonderes Interesse zwei Handschriften mit
bemaltem Widmungsblatt, die Eberhard im Bart verehrt waren, die Vergleichung der Sonne mit
Gott, von Marsilius Ficinus, und die Fazetien von Augustin Tünger. Aus dem gleichen Grund
sei hier noch angereiht ein Titularbuch, das für den Prinzen und nachmaligen Herzog Ludwig
von Württemberg geschrieben worden war. Sind diese 27 Handschriften, vielleicht mit Aus¬
nahme von Tüngers Fazetien, nach ihrem Inhalt nicht gerade von besonders hoher Bedeutung,
so stellen einige schöne Stammbücher eher Wertstücke der Handschriftensammlung dar. Sie
stammen alle aus der Sammlerfamilie selbst und sind in besonderem Maße Zeugnisse des
Sammlerfleißes, der es sich nicht verdrießen läßt, überall Unterschriften, Einträge und Büder zu
erbitten und erbetteln; sie mögen darum noch etwas näher betrachtet werden. Das schönste
davon gehörte dem Hauptvertreter der Familie, dem schon genannten Nikolaus Ochsenbach. In
den vorderen Deckel hat er sein Wappen gemalt und darüber das Spruchband geschrieben:
Certandum est, nulli veniunt sine Marte triumphi.
Et non certanti nulla corona datur.
1597 .
Unter dem Wappen steht der deutsche Wahlspruch:
In Unglück hab ains löwen muet
Vertrau gott, es würdt werden guet
Niclas Ochsenbach Haubttman auff Tüwingen.
Dann folgt, nach einem gedruckten Lebensgang des Besitzers, den der Tübinger Professor
Eberhardus Cellius in lateinischen Distichen gedichtet, sein Brustbild, das Ochsenbach offenbar
selbst mit Aquarellfarben bemalt hat Auch weiterhin zeigt das Stammbuch viele Proben davon,
daß die Hand, die so lange das Schwert geführt hatte, auch den Pinsel des Malers wohl zu
handhaben wußte. Ochsenbach hat in den ersten Teil des Stammbuchs, offenbar nach Stichen
oder Bildern der Zeit, eine ganze Reihe von fürstlichen Zeitgenossen und deren Vorfahren ein-
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Löffler, Eine schwäbische Bibliophilenfamilie aus dem XVII. Jahrhundert und ihre Sammlung. 71
gemalt. Da prangen zunächst Glieder des Württembergischen Fürstenhauses, Herzogin Ursula,
Eberhard der Greiner, Eberhard im Bart und seine Gemahlin Barbara, Herzog Ulrich,
Herzog Christoph mit einem darunter geklebten eigenhändigen Namenszug, der irgendwo
weggeschnitten worden war, und zuletzt Herzog Ludwig. Aber auch Karl V. findet sich,
dann Heinrich IIL und Heinrich IV. von Frankreich, und endlich der Herzog von Guise
mit einem Dolch durch den Hals. Den Ehrenplatz unter den eigentlichen Einträgen nimmt,
wie sich gebührt, der Eintrag des zur Zeit der Anlegung des Stammbuchs regierenden württem¬
bergischen Fürsten ein; Herzog Friedrich hat unter sein Bild seine eigenhändige Unterschrift
gewidmet Ihm folgt sein Sohn, Herzog Johann Friedrich mit Bild und Unterschrift. Dessen
Bruder, Herzog Ludwig Friedrich, hat, mit seinem Namenszug versehen, ein sehr interessantes
Bild gestiftet; es zeigt einen feierlichen Tumierfestzug, und darin eine große Anzahl von Teil¬
nehmern an dem Turnier, das an Fastnacht 1605 auf der Rennbahn des Collegium IUustre zu
Tübingen abgehalten worden war. Auch sonst birgt das Stammbuch noch gar manche Er¬
innerung an diese Tübinger Fürstenschule. Eine ganze Reihe von Fürstlichkeiten und adligen
Herren haben als Zöglinge des Collegium Illustre ihren Tribut ins Ochsenbachische Stammbuch
zahlen müssen; wir finden da einen Landgrafen von Hessen, einen Markgrafen von Brandenburg,
einen Herzog von Braunschweig, einen Pfalzgrafen zu Rhein, einen'Grafen von Hohenzollem, und
viele andere Mitglieder des hohen und niederen Adels jener Zeit. Natürlich fehlen auch Tü¬
binger Professoren und andere Notabein des damaligen Württemberg nicht So ist dieses
Stammbuch, ein Denkmal aus der Blütezeit des Collegium Illustre, ein Gegenstück zu dem
Stammbuch des Andreas Chemnitius, das jetzt im Besitz des Hamburgischen Museums für
Handel und Gewerbe sich befindet, und es ist für Württemberg um so wertvoller, als es dem
Heimatland erhalten geblieben ist N
Noch ein weiteres Zeugnis für die künstlerische Neigung des Tübinger Schloßhauptmanns
haben wir in seinem zweiten Stammbuch. Er hat darein Brustbilder von Fürsten aus seinem
heimatlichen Herrscherhaus eingeklebt, die er wohl nach Vorlagen selbst gemalt oder gezeichnet
hat. Im zweiten Teil des Buches finden wir Bilder von Schlössern und Burgen der Heimat, wie
Urach, Neufen, Württemberg, Teck, Tübingen, Zollern, oder auch der Fremde, wie Richmond,
Windsor, Louvre, und andere; endlich auch sonst interessante Denkmale, die Ochsenbach auf seinen
Reisen und Kriegsfahrten gesehen hat Von der wechselvollsten dieser Soldatenfahrten, dem
Feldzug in Frankreich während der Jahre 1589—93, hat er selbst ein interessantes Tagebuch
hinterlassen, das durch seine kulturgeschichtlich sehr wertvolle Schilderung vielleicht das wich¬
tigste Stück dieser ganzen Handschriftensammlung darstellt
Ein ähnliches Denkmal, ein kleines dickes Notizbuch in ganz kleinem Format mit allen
möglichen Einträgen stammt von seinem Vater. Eine schöne Ergänzung zum Stammbuch von
Nikolaus Ochsenbach endlich bildet dasjenige seines Sohnes. Wir finden darin wieder viele In¬
sassen des Collegium Illustre vertreten, die ein Menschenalter nach jenen ersten das Tübinger
Studentenleben genossen; manchmal treffen wir hier den Sohn, dessen Vater wir bei Nikolaus
kennen gelernt hatten. Viele Einträge weisen aber auch über Tübingen hinaus; sie hatte sich
der jüngere Ochsenbach auf seinen großen Reisen verehren lassen. Von Wien fuhren uns Ein¬
träge nach Paris, andere nach Rom, und mancher berühmte Name aus der ersten Hälfte des
XVIL Jahrhunderts grüßt uns aus diesen Blättern und zeugt vom weiten Bekannten- und
Freundeskreis, dessen sich der Stammbuchbesitzer in der damaligen Gelehrtenwelt erfreuen
durfte.
Gehen wir von den Handschriften, unter denen ja wohl die von der Sammlerfamilie selbst
geschaffenen mit die wertvollsten sein werden, weiter zu den gedruckten Büchern, so erzählt
uns darüber Nikolaus Ochsenbach in seinem Inventarbuch stolz, daß er deren über 600 besessen
habe, „darunder Deüttsch, Latinisch, Griechisch, Hebreüsch, Spannisch, Italianisch, Französisch,
Arabisch, Syrisch, Englisch und Türckisch“. Wir sind hier mehr auf sein Verzeichnis angewiesen,
als bei den Handschriften, die — bei Ochsenbach übrigens nicht besonders aufgeführt — wegen
ihrer kleineren Anzahl, durch bestimmte Einträge gekennzeichnet, sich leichter in ihren jetzigen
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72 Löffler, Eine schwäbische Bibliophilenfamilie aus dem XVH Jahrhundert und ihre Sammlung
Standorten zusammenfinden ließen. Leider nennt das Verzeichnis weder Erscheinungsort, noch
-jahr der Bücher, und scheidet natürlich noch nicht nach Inkunabeln und späteren Drucken.
Nur ein Buch ist hervorgehoben: „Nota ain Bergamentin Buech von dem ersten Exemplar so
getruckt worden, und zwar Cicero, De officüs et paradoxis. Fust, Mainz 1465“. Diese Inkunabel
befindet sich heute in der Landesbibliothek in Fulda. Andere besitzt die Stuttgarter Landes¬
bibliothek, z. B. den Ulmer Druck von 1485, Buch der Weisen, die Koberger Bibel von 1483
mit einem eingemalten Bild von Eberhard im Bart. Dagegen läßt sich nicht mehr feststellen
die von Ochsenbach aufgefiihrte „Bibel in Median, illuminiert Hertzog Christoph zu Württem¬
berg“. Im ganzen zählt das Verzeichnis 24 Bibeln, lateinische, griechische, deutsche und franzö¬
sische ; ein arabisches Neues Testament wird noch besonders aufgefiihrt Den Bibeln folgt eine
große Anzahl von Postillen und sonstige theologische Literatur, von Luther, Melanchthon, Brenz,
Tauler, Kaisersperger, Spangenberg und vielen andern; dabei steht auch ein türkisches Gebet¬
büchlein. Dann kommen Chroniken von allen möglichen Ländern, weiterhin Münsters Cosmo-
graphie, Reisebücher, besonders Reisen zum heiligen Grab, aber auch z. B. nach Indien; unter
den Reisebüchem fehlt natürlich Breidenbach nicht Es folgt ein Planetenbuch, dem sich medi¬
zinische Werke anschließen, weiterhin Geßners Tierbuch, mit dem Zusatz von Ochsenbach: „daran
ich selber zwei Jahre illuminiert“. Juristische Bücher führt das Verzeichnis nicht viele auf;
Ochsenbach bemerkt dazu, er habe sie seinem Sohn übergeben. Da später die beiden Biblio¬
theken überhaupt vereinigt wurden, so können wir diese juristischen Werke hier natürlich
auch unter die Bestandteüe der besprochenen Sammlung einreihen. Im Gebiet der
schönen Literatur finden wir Hans Sachs, Frischlein, Teuerdank; ferner die Gesta Romanorum
und von Amadis allein 24 Bücher in größerem und 26 in kleinerem Format. Die Klassiker
sind zahlreich vertreten, zum Teil in mehreren Ausgaben und Formaten, vielfach auch in deut¬
scher Übersetzung: Homer, Plutarch, Ovid, Cicero in einer Ausgabe, die aus dem Besitz von
Eberhard im Bart stammte, Caesar, Sallust, Terenz, Martial, Aesop, Vitruv. Endlich finden
wir noch ein Trachtenbuch, und eine Reihe von Wappenbüchem und Fechtbüchem.
Das war gewiß fiir eine Büchersammlung eines Privatmannes aus jener Zeit ein recht
kostbarer Schatz; und doch mochte wohl das Herz des Besitzers mehr an dem andern Teil
seiner Sammlung gehängt haben. Er führt in seiner „Rüstkammer“ seine Bücher erst am
Schluß auf und bringt, wie ja schon der Titel des Verzeichnisses erraten läßt, an erster Stelle
seine Waffensammlung. Stolz beginnt da der alte Kriegsmann mit einem Ehrenstück: „Erstlich
mein Fenlin so ich in Franckhreich alß fendrich getragen, darauff der spitz von süber vergult
alß ein durchgebrochener heim darauff ein französisch Lilien“. Dann folgt ein ganzes Arsenal:
21 Dolche aus allem möglichen Material, darunter 2 chinesische; 30 Seitenwehren, von denen
14 vergoldet waren und 6ine besondere Bedeutung hatte, da sie von Kaiser Karl V. stammte;
21 Stücklin auff Reder sambt den Bölem; viele Kürasse und Rüstungen, alte Ritterschilde,
Spieße und Partisanen, endlich 28 Handrohre, Pistolen und Büchsen mit 14 Pulverfläschchen.
Aus der Waffenkammer kommen wir weiter zur Sammlung der Kuriositäten. Da gibts zunächst
allerlei Meersachen: „ain Obermaul von einem großen meerfisch daran 28 große Zähn alß Wolf¬
zähn, welches Stuckh mier Herzog Joan Fridrich zu Württemberg verehrt im beisein deß her-
zogs von Braunschweig und dreuer herzoge von Saxen“; weiterhin einen Meerhund, Meerdrachen,
Meerigel, Meerkrebs, Meerroß, Meerstem, Meerspinnen, sogar einen Meerfisch, was etwas ganz
Besonderes gewesen sein muß, da er ausdrücklich aufgefiihrt wird, endlich eine ägyptische Eid¬
echse, die von Jerusalem mitgebracht worden war, und zum Schluß 2 große Meerschnecken,
damit die Indianer an statt glokhen zu Kirchen blassen. Zu diesen „Meersachen“ gehörte
auch „ein Stuckh von deß Frantz Drackhen Schif damit er die gantz weltt umfam, welches Herr
Stallmeister von Anweil mit aigner Hand vom schiff gesegt und mir geschenkt“. Diesen Natur¬
wundern folgte eine schöne Sammlung von Werken menschlicher Kunst aus allerlei wertvollem
Material, hauptsächlich aus Elfenbein: eine Truhe, viele Becher, Löffel und Messer, darunter ein
Messer, dessen Heft den Jonas, dessen Scheide den Walfisch darstellte; 26 Kruzifixe, geschnitzte
Figurentafeln und alle möglichen figürlichen und plastischen Darstellungen und Altertümer. Von
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Löffler, Eine schwäbische Bibliophilenfamilie aus dem XVII. Jahrhundert und ihre Sammlung. 73
eigentlichen Bildern und Porträts zählt das Verzeichnis 30 auf; unter den Stücken befanden sich
viele Dürerwerke. Dann gabs aber auch noch einen ganzen Kasten voll von Kannen, andern
Trinkgefaßen, Schalen und Büchslein, und noch verschiedene „Ledlin“ mit Medaillen, Miniaturen,
Schmuckgegenständen und dergleichen. Im einzelnen wird nicht alles aufgeführt, und noch we¬
niger könnte es hier genannt werden. Zum Schluß sei nur noch als besonderes Kuriosum er¬
wähnt: „ain Striegel, damit ain Kauffmann ain andern, so mit seinem weib gebadt, zu todt ge¬
striegelt; ist ainer vom adel gewest“
Als über 60 Jahre nach Aufnahme des Verzeichnisses Pregizer die Sammlung von Kurio¬
sitäten sah, war noch manches hinzugekommen, was offenbar der Sohn von Nikolaus gesammelt
hatte; z. B. der Säbel, mit dem der jüngere Graf Sevin dem Kaiser Leopold nach dem Leben
getrachtet habe; ein paar ungarische Pantoffeln, in denen Graf Frangipani zu seiner Richtstätte
gegangen sei; und sogar das Schwert, mit dem Petrus dem Malchus das Ohr abgehauen haben
soll. Diese besonderen Heiligtümer waren dabei, seit die ganze Sammlung ihre Heimat in einem
schwäbischen Kloster gefunden hatte, wovon nachher noch die Rede sein solL
Wer hat nun alle diese Schätze gesammelt? Wie schon eingangs angedeutet wurde, haben
wir es mit einem ganzen Sammlergeschlecht, der Familie Ochsenbach , zu tun. Hauptvertreter
ist der schon öfters genannte Tübinger Schloßhauptmann Nikolaus Ochsenbach. Aber schon
sein Vater, Johann Hermann Ochsenbach, hatte den Grund zur Sammlung gelegt. Schon
dieser älteste Ochsenbach stammte aus Tübingen, wo er sich seine wissenschaftliche Ausbildung
und den Grad eines licentiatus juris erwarb. Dann aber wendet er sich der militärischen Lauf¬
bahn zu, ficht in Frankreich und Belgien, wo er sich auszeichnet und es bis zum Obersten
bringt Nach dem Tod von Heinrich II. kehrt er in die Heimat zurück und findet ein Plätz¬
chen in der Tübinger Burg des Herzogs Christoph, der ihn bald darauf zu seinem Burgvogt er¬
nennt Dieses Amt behält er auch bei unter Herzog Ludwig, bis ihn der Tod in der ersten
Hälfte des letzten Jahrzehnts vom XVI. Jahrhundert abberuft. Jedenfalls war er Vertrauensper¬
son bei den Herzogen gewesen, denn im Auftrag seines Fürstenhauses hatte er sich in die ge¬
heimen Kreise des Tridentiner Konzils eingeschlichen. Als Tübinger Burgvogt hatte er natürlich
auch Beziehungen zur Tübinger Gelehrtenwelt, und durfte sich eines schwungvollen Hymnus
erfreuen aus der Feder von Martin Crusius, eines Hymnus, den dieser Vertreter der griechischen
Sprache an der Württembergischen Universität nicht bloß in lateinischer, sondern parallel auch in
griechischer Sprache zu dichten sich verpflichtet fühlte. Crusius hatte vielleicht besondere Be¬
ziehungen zu Ochsenbach, denn er erzählt uns, daß dieser ihm die Benützung der griechischen
Handschriften von der Tübinger Bibliothek vermittelt habe, die ja dann später nach München
geraubt wurden. Daß dieser älteste Ochsenbach schon als Sammler tätig gewesen wäre, ist
nirgends berichtet. Aber jedenfalls kamen einige Stücke der Sammlung schon aus seiner Hand,
z. B. das oben erwähnte Titularbuch für württembergische Fürsten und außerdem hat er ja durch
sein Notizbuch selbst einen Beitrag zur Sammlung gestiftet.
Ein ähnliches Bild, nur in größeren Verhältnissen, bietet das Leben seines Sohnes Nikolaus,
des Hauptsammlers, bei dem aber die soldatische Seite zunächst noch mehr in den Vorder¬
grund tritt Geboren 1562, war Nikolaus in Tübingen ausgebildet worden, wo unter anderem
der Professor Cellius, der Hofdichter der Universität, zu seinen Lehrern gehörte. Noch in
jungen Jahren ging er nach Österreich und bekam dort vom Freiherm Ennenckel, von dem ein
Sohn in Tübingen studierte, das Ritterschwert Dann begann er seine Kriegsfahrten in dem
deutschen Fähnlein des Freiherm Andreas Teuffel gegen die Türken, ließ sich aber nach vier
Jahren als Landsknecht für die Liguisten anwerben, als in Frankreich zwischen ihnen und der
königlichen Partei Krieg ausbrach. Tapfer kämpfte er als Fähnrich mit zuerst unter dem Grafen
Collata, dann unter dem Herzog Heinrich von Mayenne. Ein lebensvolles Bild dieser Zeiten
entwirft sein Tagebuch, alle Seiten des rauhen und rohen Söldnerlebens zeigend, wie man auf
seinen Sold warten muß, jubelt, wenn er kommt, ihn gleich verspielt, sich durch Beutemachen
schadlos hält Auch gefangen wurde Ochsenbach einmal, doch konnte er wieder entfliehen,
freilich nur um bald darauf, bei der Belagerung von Paris, den Hungertod in nächster Nähe zu
z. f. B. 1912/1913. 10
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74 Löffler, Eine schwäbische Bibliophilenfamilie aus dem XVII. Jahrhundert und ihre Sammlung.
sehen. Alle diese Leiden und Freuden des Soldatenlebens hatten ein Ende, als Herbst 1593
der Krieg aufhörte. Auf dürrem Klepper mit leichtem Beutel ritt Ochsenbach heim und kam
aus dem wilden Kriegsleben wieder in die akademische Luft der Heimatstadt Ob er seinen
Vater noch am Leben getroffen, ist unsicher; jedenfalls war auf dem Posten des Burgvogts ein
anderer. Auch sein Bruder Friederich, der fast nie daheim gewesen war und auch immer auf
Kriegsfahrten, zuerst in den Türkenkriegen, dann im Mansfeldischen, sich herumgeschlagen hatte,
scheint damals schon tot gewesen zu sein. Aber vom Herzog Friedrich wurde der Heim¬
kehrende gnädig aufgenommen; daß er früher gegen das ausdrückliche Verbot des Landes-
fiirsten in fremde Kriegsdienste getreten war, wurde ihm nicht nachgetragen. Der Herzog
schätzte den tüchtigen Kriegsmann, und daß dieser zugleich Freude an Kunst und Wissenschaft
hatte, wie sich bald herausstellte, war jedenfalls seinem Herrn nicht unangenehm, der ja selbst
auch solche Neigungen hatte.
Es wurde Ochsenbach die Tübinger Schloßvogtstelle in Aussicht gestellt und ein paar
Jahre darauf, 1596, wurde er auch wirklich zum Schloßhauptmann bestellt. Nun hatte er
den Posten seines Vaters inne, und konnte alle die alten Beziehungen zur Tübinger Universität
und zum Collegium ülustre, die ja früher schon bestanden hatten, wieder anknüpfen. Und
sie wurden natürlich auch für seine Sammlungen ausgenützt Daneben brachte die Ver¬
trauensstellung vom Herrscherhaus viele Zuwendungen. Von verschiedenen Stücken seiner
Sammlung berichtet ja Ochsenbach selbst in seinem Verzeichnis, er habe sie von den Herzogen
erhalten. Andere waren jedenfalls nachweislich früher in ihrem Besitz; ob freilich alle, wie z. B.
die Handschriften von Ficinus und Tünger, auf dem geraden Wege des eigentlichen Geschenkes
sich in der Sammlung eingefunden hatten, könnte doch fraglich erscheinen. Der Württem-
bergische Rat Friedrich von Janowitz, der in einem dichterischen Nachruf für Nikolaus die
Sammlung selbst auch besingt, weist halb scherzhaft darauf hin, wie dieser mit allen Mitteln seine
Bücher gesammelt habe, mit List und Bitten. Janowitz selbst hatte z. B. der Frau von Niko¬
laus eine seltene Bibel geschenkt. Andere Seltenheiten, z. B. die Ciceroausgabe von 1465,
stammte von Ochsenbachs Verwandten Besold, der selbst ein großer Gelehrter war. Besonders
viel aber bekam Ochsenbach durch den Verkehr mit all den hohen Herrn des Collegium ülustre,
die ihm gar manches Stück verehrten, was er oft erwähnt Gelegentlich ließ er sich auch auf
Tausch oder Kauf mit ihnen ein, z. B. will ein Herzog von Sachsen ein Buch mit Kupferstichen
von alten Meistern für 50 Gulden abkaufen, worauf aber Ochsenbach in diesem Fall nicht ein¬
geht Die Sammlung war natürlich allmählich in Tübinger Kreisen wohl bekannt geworden und
mancher Gelehrte hat sie in mehr oder weniger schwungvollen Hymnen besungen. Ja einzelne
Gegenstände daraus fanden eigene Dichter, so hat der Tübinger Professor Flayder auf das Stück
von Drakes Schiff acht Distichen verbrochen.
Alles, was Nikolaus Ochsenbach so an Büchern sammelte, konnte er ja freilich nicht mehr
lesen, doch hat er offenbar als Tübinger Burgvogt seine geistige Ausbildung eifrig weiter geför¬
dert Besonders scheint er sich da der theologischen Literatur zugewandt zu haben, obgleich er
seinerzeit als Protestant kein Bedenken getragen hatte, für die katholische Sache zu fechten.
Aber später, in der Grabrede seiner Witwe, wird vom Geistlichen gerühmt, daß Nikolaus die
Bücher Luthers ganz durchgelesen habe; „dieser Soldat mag wohl uns Prophetenkinder, studiosis
theologiae, den Trotz bieten“.
Als Nikolaus 1626, im Alter von 63 Jahren, starb, ging die Sammlung in die Hände seines
Sohnes Johann Friedrich über. In ihm scheint das Soldatenblut der Familie ganz zu fehlen;
er widmete sich ganz gelehrter Ausbildung und wird als „linguarum callentissimus“ gerühmt
Er hatte einen regen und ausgedehnten Verkehr mit Gelehrten seiner Zeit und brachte einen
großen Teil seines Lebens auf weiten Reisen zu. Hauptsächlich scheint er seine Studien dem
juristischen Gebiet zugewandt zu haben. Schon im Bücherverzeichnis von Nikolaus ist ge¬
sagt, daß die juristischen Bücher dem Sohne übergeben worden seien. Aber jedenfalls hat auch
Johann Friedrich Ochsenbach die Familiensammlung emsig vermehrt, und zwar nicht bloß die
Bibliothek. Besonders was von Österreich stammt, scheint von ihm beigesteuert worden zu sein,
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
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der zum Habsburgerstaat mancherlei Beziehungen hatte. Gegen Ende seines Lebens ist Johann
Friedrich Ochsenbach zur katholischen Konfession übergetreten, vielleicht beeinflußt von seinem
Vetter Besold, der selbst den gleichen Schritt getan hatte. Einige Jahre vor seinem Tode hat
er dann, müde von seinen Reisen, im Kloster Weingarten eine Ruheplätzchen gesucht, und hat
1658, als er starb, seinen ganzen Besitz und damit auch die große Ochsenbachische Sammlung
diesem Kloster vermacht Hier blieb nun die ganze Sammlung, die Bibliothek unter die alte
Klosterbibliothek eingereiht, die übrigen Teile der Sammlung gleichfalls in den Räumen der
Bibliothek aufbewahrt, bis im Jahre 1812 alles mit der Klosterbibliothek selbst den staatlichen
Sammlungen Württembergs einverleibt wurde mit Ausnahme von wenigen Stücken, die 1802
nach Fulda geschafft worden waren.
Neues von Lichtenberg.
Mitgeteilt von
Professor Dr. Albert Leitzmann in Jena. .
I.
S eit Carl Schüddekopf und ich die bis dahin bekannten Briefe des berühmten Göttinger Satirikers
und Professors der Physik gesammelt haben (drei Bände, Leipzig 1901—4), sind hie und
da vereinzelte Schreiben des merkwürdigen Mannes, auch wohl einmal eine kleinere
Gruppe an denselben Adressaten gerichteter Briefe aufgefunden und veröffentlicht worden,
ohne daß man hoffen durfte, der zusammengebrachte Schatz, dessen Lücken uns Herausgebern
natürlich am besten bekannt waren, aber nach menschlichem Ermessen schwerlich ausfüllbar
erschienen, werde sich noch erheblich vermehren. Hatten wir doch eine ganze Reihe von
Wegen, auf denen man zu unbekannten Manuskripten zu gelangen annehmen konnte, bis
zum Ende verfolgt und waren dabei teils vor ebenso kurzsichtig wie beharrlich verschlossene
Türen gekommen, teüs zu der Überzeugung gelangt, daß alles Suchen vergeblich bleiben mußte,
da das Gesuchte aller Wahrscheinlichkeit nach, mit oder ohne Absicht, vernichtet worden war.
Um so mehr war ich überrascht, vor einigen Wochen von Herrn Leutnant von Zimmermann
in Hannover die Nachricht zu empfangen, daß sich im Besitze seiner Familie über anderthalb-
hundert Briefe Lichtenbergs an Schemhagen befänden, deren wissenschaftliche Durchsicht und
Verwertung man mir gern überlasse. Für diese Liberalität spreche ich Herrn von Zimmermann
auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aus, dem sich alle diejenigen gewiß anschließen
werden, denen Lichtenberg, der Mann, der nach Goethes Wort ein wahres Studium wie wenige
verdient und der es wie wenige belohnt, in seinen Schriften und Briefen ans Herz gewachsen ist
Wer war der Adressat der Briefe, aus denen die literargeschichtlich, psychologisch und
kulturgeschichtlich wichtigen und interessanten Abschnitte im folgenden mitgeteilt werden?
Johann Andreas Schernhagen war Klosterregistrator und später Geheimer Kanzleisekretär
in Hannover. Bei Gelegenheit eines Besuchs, den Lichtenberg als junger Professor in der
Landeshauptstadt machte, lernte er ihn und seine Frau in den letzten Tagen des Dezember 1771
kennen und war gleich sehr von dem ernsten und doch freundlichen Manne angetan. An seinen
Freund Dieterich schrieb er damals (Briefe 1,16): „Er ist einer von den liebreichsten und zutunlichsten
Leuten, die ich kenne, und besitzt in mechanischen und astronomischen Dingen Einsichten, worüber
ich erstaunt bin.“ Als er dann im Frühjahr und Sommer 1772 zu längerem Aufenthalt nach Han¬
nover kam, um die geographische Lage der Stadt genauer zu berechnen, traf er häufiger mit
Schemhagen zusammen, auf Besuchen wie auf gemeinsamen Spaziergängen, ohne daß doch die
Beziehungen damals schon, wie es scheint, aus dem Stadium der guten Bekanntschaft in das
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CORNELL UNÜVERSm 1
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
der Freundschaft übergegangen wären. Daß beide Männer aber schon damals der geistigen Be¬
rührungspunkte immer mehr hatten und bekamen, geht aus den Worten hervor, mit denen Lichtenberg
am 14. Mai einem andern Göttinger Freunde, dem Universitätszeichenmeister Kaltenhofer, einen
bevorstehenden Besuch Schemhagens in der gemeinsamen Heimat ankündigt (ebenda 1, 47): „Wenn
die Witterung mir günstiger wird als bisher, so hohe ich dem Ruf der Nachtigallen Ihres Gartens
etwa zu Anfang des Julius zu folgen, da ich Ihnen, vermutlich in Gesellschaft des Herrn Ge¬
heimen Sekretär Schemhagens, aufwarten werde. Er will mit mir gehen, wenn ihn nichts Wich¬
tiges abhält, um alle die Leute persönlich kennen zu lernen, von denen er schon so viel gehört
hat Sie werden in ihm einen wahren Freund kennen lernen, einen Mann von einer jetzt un¬
gewöhnlichen Ehrlichkeit, einen Kenner von Künsten, der kein Wort braucht, das er nicht versteht,
und dabei geradeweg ist, wenn Sie mir es nicht übelnehmen wollen, so setze ich hinzu, der so
ist wie Sie/ 4 Nach seiner Rückkehr nach Göttingen erhielt Lichtenberg die Weisung, seine
astronomischen Ortsbestimmungen in Osnabrück und Stade fortzusetzen, und ging, nach¬
dem er im August 1772 wieder ein paar Wochen in Hannover Station gemacht hatte, im
September des Jahres ins Land der Schinken und des Pumpernickels, nach Osnabrück, wo er
bis zum Februar 1773 blieb, um dann, wieder über Hannover, Göttingen und abermals
Hannover, im Mai nach Stade sich zu wenden. Ob schon während der Osnabrücker Zeit
ein Briefwechsel zwischen ihm und Schemhagen bestanden hat, ist nicht sicher: erhalten ist
davon nichts. Der erste der erhaltenen Briefe Lichtenbergs an den hannoverschen Freund ist
aus Stade vom 19. Juli 1773 datiert und beschreibt seine ergötzliche Fahrt im Segelboot nach
Helgoland (ebenda 1, 146).
Lichtenbergs Briefe an Schemhagen sind leider nur sehr lückenhaft erhalten: aus Stade
haben wir nur zwei, von der großen englischen Reise, die vom September 1774 bis Ende des
Jahres 1775 sich erstreckte, nur einen einzigen, obwohl zweifellos mehr geschrieben worden sind.
Nach der Rückehr aus England setzt dann mit dem Jahre 1776 ein sehr reger Briefwechsel beider
Männer ein: Lichtenberg hat die folgenden Jahre hindurch kaum einen Posttag vorübergehen
lassen, ohne kürzere oder längere Schreiben, wenn auch oft nur von einer oder einer halben
Großquartseite, nach Hannover abgehen zu lassen, d. h. er schrieb die Woche zwei- oder drei¬
mal, im Jahre durchschnittlich etwa 100—125 mal Der Kreis dieser oft sehr summarischen
Nachrichten ist so weit, als man sich nur vorstellen kann, zumal ja in jenen Tagen der freund¬
schaftliche Brief vielfach auch die Rolle der Zeitung vertreten mußte: Personalien aus der Stadt
und Universität Göttingen wechseln mit politischen Nachrichten oder Gerüchten, Wetternotizen
mit Berichten über eigene Arbeiten oder Experimente, Urteile über Lektüre und Menschen mit
kleinen Anekdoten, wie sie etwa ein Lokalblatt unter der Rubrik „Vermischte Nachrichten“ zu
bringen pflegt, Aufträge aller Art mit ernsten oder satirischen Betrachtungen. Der trotz der
häufigen Korrespondenz streng festgehaltene Kurialton der Anrede und Schlußformel darf uns
nicht an der Intimität der Freundschaft irre machen. So ist fast ein Dezennium in regstem Ge¬
dankenaustausch verflossen, ohne daß beide Männer sich öfter als gelegentlich und auch dann
nur ganz kurze Zeit wiedergesehen hätten: Lichtenberg hat Göttingen auch in den akademischen
Ferien nur äußerst selten verlassen und Schemhagen wurde schon durch sein Amt an längeren
und häufigeren Reisen verhindert
Lichtenbergs Briefe sind jahrgangweise oder halbjahrgangweise abhanden gekommen.
Wir kannten bisher, von vereinzelten Briefen abgesehen, in ziemlich zusammenhängender Folge
seine Briefe aus dem Juli und August 1776, Oktober 1776 bis Februar 1777, Juni bis Oktober
1778, Oktober bis Dezember 1779, Juni, Oktober und November 1780, im ganzen gerade
hundert Nummern. Dazu treten nun Briefe, wiederum von vereinzelten Stücken abgesehen,
aus dem Januar bis Mai 1778, Juli bis Dezember 1782 und aus dem ganzen Jahre 1783, im
ganzen 170 Nummern.
In den letzten Tagen des Februar 1785 ist Schemhagen plötzlich nach nur fünftägiger
Krankheit an einem bösartigen Gallenfieber gestorben, alle seine zahlreichen Freunde in tiefer
Trauer zurücklassend. Lichtenberg widmet ihm am 7. März in einem Briefe an Sömmerring
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
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folgenden Nachruf, der noch einmal das sympathische Bild des ehrenfesten, gütigen Mannes
vor Augen stellt (Briefe 2, 212): „Denken Sie um Gotteswillen hin, unser vortrefflicher Schem-
hagen ist tot, der Mann, der 13 Jahre hindurch mein Freund so mit der Tat war, daß ein
Vater an mir weniger hätte tun können, ohne sich eines Mangels an Liebe schuldig zu machen...
Der Verlust für mich und vielleicht für die Universität ist unersetzlich: er tat bei letzterer eine
unzählige Menge Gutes, welches niemand von ihm fordern konnte; weil die Minister seines
ganz unbescholtenen Betragens und seiner edeln und unermüdeten Tätigkeit wegen, wobei auch
nicht ein Funke von Interesse hervorleuchtete, vieles von ihm gesagt annahmen und unter¬
stützten, was sie andern vielleicht abgeschlagen hätten, so ward vieles durch ihn zu Stand ge¬
bracht Jedoch ich sage nichts weiter: es wird mir schwer, ohne Tränen fortzufahren.“ Am
gleichen Tage schreibt er an Wolflf, einen gemeinsamen hannoverschen Freund (ebenda 2,214):
„Ich will und kann Ihnen nicht beschreiben, wie sehr mich unsres Schemhagens Tod affiziert
hat, weil ich es nicht ohne die schmerzhaftesten Tränen könnte. Bleiben Sie nur mein Freund,
so lange wir zusammen leben.“
Von seinen Briefen fürchtete Lichtenberg nach dem Tode seines Freundes, daß sie in un-
rechte Hände fallen und zu Indiskretionen benutzt werden könnten. Gleich nach Empfang
der Todesnachricht schreibt er an den gemeinsamen Freund Ramberg am 28. Februar (Briefe
2, 212): „Sie wissen, was für eine Korrespondenz ich und der Selige geführt haben. Ich habe
mich zwar sehr in acht genommen, indessen haben mich selbst seine Fragen öfters zu Freiheiten
verleitet, die ich nicht gern bekannt wünschte ... Reden Sie es mit der Frau Geheimdesekretär ab,
daß meine Briefe verbrannt werden, wenigstens nicht unter die Leute kommen. Mein Verlust
ist ohnehin groß genug.“ Dies vom Autor gewünschte Autodafe hat, wenn es überhaupt statt¬
fand, jedenfalls nur für einen Teil der Briefe stattgefunden: was uns heute noch fehlt, kann aber
auch auf andrem Wege in Verlust geraten sein oder sich noch irgendwo im verborgenen ver¬
stecken. Der Gedanke einer Indiskretion braucht uns Spätgeborene, die wir sie ja zu Lichten-
bergs ehrendem Gedächtnis begehen, nicht zu bedrücken.
1778.
12. Jenner.
Von meiner Physiognomick 1 ist die Einleitung 9 bereits abgedruckt Gefallt mir aber nun gar nicht mehr.
Derb ist sie allemal. Ich glaube es geht mir mit den 30000 Bauern die gegen mich sind, wie dem General
Burgoyne.J Allein so lange die General Adjutanten Photorin und Eckard* noch leben furchte ich keine
Schwärmer. Ew. Wohlgebohren und HErr Kriegs-Sekretär* sollen gleich ein Exemplar bekommen, so bald alles
fertig ist.
* Der von Lichtenberg herausgegebene „Göttinger Taschenkalender 11 brachte in dem im Herbst 1777 erschienenen
Jahrgang 1778 seine gegen Lavaters physiognomische Bestrebungen und ihre gedankenlose Nachbetung bei vielen Gebil¬
deten gerichtete Abhandlung „Über Physiognomik 11 . Von dieser veranstaltete er dann „auf Verlangen von Personen von
allerlei Stand und Einsicht vom Minister durch den Professor durch bis zum Verleger 11 (Briefe 1,289) einen vermehrten
Abdruck unter dem den Titel von Lavaters Werk parodierenden Titel „Über Physiognomik wider die Physiognomen, zu Be¬
förderung der Menschenliebe und Menschenkenntnis“ (Vermischte Schriften 4, 3); der Druck hatte nach Neujahr begonnen.
Eine Geschichte seiner physiognomischen Fehde gibt Lichtenberg in einer erst aus dem Nachlaß bekannt gewordenen,
ursprünglich gleichfalls für die Öffentlichkeit bestimmten Arbeit aus dem Jahre 1779 (ebenda 4, 75); vgl. auch meine
Darstellung Aus Lichtenbergs Nachlaß S. 219.
2 Diese „Einleitung“ (Vermischte Schriften 4, 7), die Lichtenbergs persönliche Stellung zur Physiognomik vor der
Fehde mit Lavater und seinen Anhängern beleuchtet, ist erst in der Buchausgabe der Abhandlung beigefugt worden.
3 John Burgoyne (1722—92), englischer General, seit 1774 auf dem amerikanischen Kriegsschauplatz zur Unter¬
stützung des Generals Gage, mußte am 17. Oktober 1777 bei Saratoga mit 5000 Mann vor den Amerikanern kapitulieren,
was ihm nach seiner Rückkehr heftige Angriffe zuzog.
4 Diese beiden Pseudonyme hatte Lichtenberg bei früheren satirischen Schriften verwendet, Konrad Photorin 1773
im „Timorus“ (Vermischte Schriften 3,79), Friedrich Eckard 1776 in den beiden gegen den Nachdrucker Göbhard gerich¬
teten Episteln (ebenda 3, 139. 163).
5 Der Kriegssekretär Johann Daniel Ramberg in Hannover, der Vater des bekannten Malers Johann Heinrich
Ramberg, war seit Lichtenbergs längerem Aufenthalt im Frühjahr 1772 einer seiner besten Freunde dort, an den er eine
große Anzahl Briefe gerichtet hat
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
78
19. Jenner.
Gestern als am Geburts-Tag der Königin 1 2 3 4 5 hat HErr von Grotthaus * ein Souper für 36 Personen gegeben,
ich war auch mit dabey, es gieng ziemlich bunt zu. Es waren auch einige Damen aber lauter ausländische,
ich meine von Nordheim und Weende. Die übrigen waren alle Officiere und Engländer, von der Universität
waren Kulenkamp,* ich und Sprengel s die eintzigen. WeÜ es sehr glatt war, und, ausser dem, bey einigen die
Seele etwas nachlässig regierte, und sich um so entfernte Provintzen als die Füße wenig mehr bekümmerte, so
legten sie sich beym nach Hause gehen hin, wo sie sonst kaum hingetretten hätten, ln der That waren wir
sehr vergnügt, auch wurde viel Weißheit gelehrt, hauptsächlich über den Amerikanischen Krieg, den wir sicher¬
lich ins Reine gebracht hätten, wenn die Punsch Bowle und die Uhr nicht in die Quere gekommen wären. So
kam es zu nichts entscheidenden und wir mussten die Sachen lassen wie wir sie gefunden hatten.
Haben Ew. Wohlgebohren auch gelesen was man von HErm Brockmann 6 7 von Berlin aus schreibt, ich
mögte ihn doch wohl ein mal sehen, nicht aus Zerstreuungs-Liebe sondern blos als Philosoph. Wir haben sonst
die Freude doch alle 10 Jahr hier gehabt. Warum schenckt man sie uns nicht einmal wieder?
Nunmehr sind 3 Bogen von der Physiognomick abgedruckt und doch bin ich erst auf der I2ten Seite
des Calenders. Ew. Wohlgebohren sehen also daß die Zusätze beträchtlich an der Zahl sind, wenn sie es auch
nur an Gewicht wären.
22. Jenner.
Heute ist der 4te Bogen der Physiognomick fertig geworden. Heute über acht Tage dencke ich sie
Ew. Wohlgebohren wohl übersenden zu können, wenn sich nicht neue Hindernisse ereignen. Zuverlässig aber
doch mit der darauf folgenden Post
26. Jenner.
Im Januarius des Museums 7 ist doch nichts wider mich erschienen, sie warten vermuthlich auf den 2ten
Abdruck, der nun meines Übeln Befindens wegen auch ein wenig geruht hat Der fünfte Bogen ist indessen
auch bald gesezt. Nikolai in Berlin 8 hat wieder einen Transport Calender kommen lassen. Dieses freut mich
hauptsächlich Dietrichs 9 wegen. Er wird künfftiges Jahr 10000. drucken, und ich genieße auch Vortheil wenn
es gut geht Wir haben dieses Jahr dem Lauenburger und Gothaer ein wenig auf den Kopf gekniet sie rüsten
sich alle sehr starck und vermuthlich wird uns im Jahr 1779 auf den Kopf gekniet werden. Am Ende schadets
nicht Deutschland profitirt doch dabey.
29. Jenner.
Wenn es möglich ist so will ich Ew. Wohlgebohren die Exemplare von der Physiognomick künftigen
Dienstag schicken. Gewiß kan ich es aber nicht versprechen, weil es bisher allerley Aufschub gegeben hat
HErm Zimmermanns Avertissement 10 habe ich gelesen. Der erste Absatz sieht ihm so recht ähnlich.
1 Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, Gemahlin Georgs IQ. von England.
2 Nicolaus Anton Heinrich Julius von Grothaus (1747—1801), damals Oberadjutant in Hannover, der durch sein
abenteuerliches und projektenreiches Leben viel Aufsehen erregte, begegnet auch mehrfach in Goethes Leben (Werke 33,
26; Briefe 4, 56).
3 Orte in der unmittelbaren Nachbarschaft von Göttingen.
4 Luder Kulenkamp (1724—94), Theologe, Professor der Philosophie in Göttingen. Eine Charakteristik von ihm
aus Lichtenbergs Feder ist in den Briefen I, 404 gedruckt.
5 Matthias Christian Sprengel (1746—1803). Historiker, Professor der Philosophie in Göttingen, später in Halle.
6 Johann Franz Hieronymus Brockmann (1745—1812), einer der bedeutendsten deutschen Schauspieler, seit 1771
bei Schröders Truppe in Hamburg, hatte um Neujahr 1778 auf der Durchreise nach Wien in Berlin unter größtem Enthu¬
siasmus den Hamlet gespielt (Devrient, Geschichte der deutschen Schauspielkunst 1, 460).
7 Die von Boie und Dohm seit 1776 herausgegebene Monatsschrift „Deutsches Museum“; ihre Geschichte hat Hof-
staetter in seiner Schrift „Das deutsche Museum (1776—88) und das Neue dentsche Museum (1789—91)“ (Leipzig 1908)
eingehend behandelt.
8 Der bekannte Buchhändler und Schriftsteller Christoph Friedrich Nicolai (1733—1811), der Freund Lessings, der
Gegner der klassischen und romantischen Dichter.
9 Johann Christian Dieterich (1722—1800), Buchhändler in Göttingen, Lichtenbergs intimer Freund und Hauswirt,
war der Verleger der Antiphysiognomik und der meisten andern Schriften Lichtenbergs.
xo Johann Georg Zimmermann (1728—95) Leibarzt in Hannover, bildete das Hauptstichblatt des lichtenbergischen
Witzes seit der physiognomischenFehde: eine besondere vernichtende Schrift gegen ihn, die geplant war und deren Druck
schon begonnen hatte, ist freilich niemals erschienen und kann auch aus den reichen im Nachlaß erhaltenen Materiahen
nicht als Ganzes rekonstruiert werden (vgl darüber meine Darstellung Aus Lichtenbergs Nachlaß S. 225), aber seine
Briefe und besonders die Aphorismenbücher (meine auf den Handschriften beruhende chronologische Ausgabe erschien
Berlin 1902—8) geben ein klares Bild der Stimmung, die bei Lichtenberg immer, wenn auch schwankend im Grade ihrer
Heftigkeit, gegen ihn herrschte. Welches Avertissement Zimmermanns hier gemeint ist, habe ich nicht feststellen können.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
79
Er sucht selbst Ehre in der Schande ehmals vorzüglich schlecht geschrieben zu haben. Ich verspreche mir
auch von dieser seiner künftigen Arbeit nicht viel. Er hört sich selbst so gern in allen seinen Schriftten.
Haben Ew. Wohlgebohren schon Leasings Harmonie der Evangelisten gelesen? Es ist arg. Er wird
vielen Schaden damit thun. Was ich meine ist unter dem Titul Duplick gedruckt. 1
2. Februar.
Mit der fahrenden Post werden Ew. Wohlgebohren entweder schon erhalten haben, oder doch gewiß
erhalten, 3 Exemplare von meiner Physiognomick. Ich hatte eine Menge Titul dazu beysammen, und jezt, da
alles abgedruckt ist, kommt mir es vor, als wenn ich gerade den schlechtesten gewählt hätte. In meinen Ge-
dancken solte der Titul so klingen als zE. Ueber Astronomie wider die Astrologen. Doch das thut nichts,
wenn nur das übrige taugt. HErr Boie schreibt mir nun, daß der Contra-Aufsatz in den März des Museums
kommen würde. Er muß sehr grob seyn, weil selbst Boie Entschuldigungen deswegen macht, daß ich es ihm
nicht übel nehmen würde, weil er es nicht hätte abschlagen können. Ich habe ihm geantwortet:^Er solte es
ja einrücken lassen, weil, wenn ich je etwas gutes schriebe, es gewiss alsdann wäre, wenn ich auf Empfindlich¬
keiten antwortete.
Ich habe das Werk Dietrichen dedicirt, um ihm, durch die Dedicadon, die cur von Bagatelle wieder zu
geben, die es mit dem Calender Titul verlohren hat, ohne ihn durch etwas anderes zu ersetzen. 3
5. Februar.
Die Physiognomick fängt schon hier an einigen Lärmen zu machen, der theils wider mich, gröstentheils
aber für mich ist. Ich bin begierig, wie sie von den Auserwählten und den Semidtis aufgenommen werden
wird. Ich werde nun alles stille und gelassen abwarten, und wenn sie glauben sie hätten gesiegt, so will ich
mit gutem Vorbedacht, so kernhafft und so witzig als meine gantzen Kräffte zulassen, mit meinem Nahmen auf
dem Titulblatt, losschlagen, und ich hoffe es soll Ew. Wohlgebohren alsdann gefallen. Und jenes allein will ich
für die Gegenschrift! erkennen.
Sie haben sehr recht darin, dass Sie solche Sachen nicht lesen, wie Lessings Duplick. Ich lese sie blos
als Professor, und bin überhaupt seit langer Zeit so gewiß überzeugt, dass man jeden Satz, der sein Geschlecht
nicht in recia descendcntc vom Euclid ableitet, zweifelhaft! machen kan, daß mich dieses wenig irre macht; auch
lehrt mich mein Gefühl, daß, wenn mir heute jemand demonstrirte, alle Christliche Religion wäre falsch, ich gewiß
eben so forthandeln würde, wie bisher, und mich immer bemühen mich nicht von Leidenschafften hinreisen
zu lassen.
8. Februar.
Daß Mendelssohn 3 der Verfasser der Museum Schrift! seyn soll, ist wohl wieder ein feiner Streich unsers
gemeinschaftlichen guten Freundes*, dessen Muthwillen ich gantz darin erkenne. Wenn er künfttig meine Fabrick
nicht ungestört läßt, so will ich ihm einmal einen muthwilligen Streich von meiner faqon spielen. Ich will nem-
lich machen, daß Hartmann 5 mit einem Anti-Ramberg auftritt. Indessen, solte es an dem seyn, daß Mendels¬
sohn Lavaters Judenstreich gegen ihn 6 mit einem Christlichen erwidern solte, so werde ich dem ohngeachtet
nicht stille schweigen.
* Lessings gegen den Superintendenten Reß gerichtete Schrift „Eine Doplik“ erschien Braunschweig 1778 (Sämtliche
Schriften 13, 19) ond behandelt die Widersprüche in den Berichten der Evangelisten über die Auferstehungsgeschichte.
* Lichtenberg schreibt ganz ähnlich am 15. Februar an Nicolai (Briefe I, 291) : „Durch die Zueignungsschrift an
Dietrich habe ich dem Werkchen die Miene von Bagatelle wiederzugeben versucht, die es mit dem seidenen Band (der
Kalenderausstattung) zugleich verloren hatte“. Die Widmung „An den Verleger“ selbst beginnt mit den Worten: „Dir,
guter Mann, führe ich hier auf dein Verlangen zum zweitenmal ein Geschöpf vor, das dir in seiner Kindheit viel Vergnügen
gemacht hat Du kleidetest es damals in Gold und Seide und so gefiel es: jetzt, etwas mehr erwachsen, aber noch nicht
viel weiser, hat es jenen Flitterstaat abgelegt und wird schwerlich mehr gefallen“ und verspricht für den „nächsten Be¬
such“ den „vorteilhaftesten Putz“ von Chodowieckis Hand (Vermischte Schriften 4, 5).
3 Moses Mendelssohn (1729—86), der bekannte Philosoph und Freund Lessings. Das Gerücht, daß er mit einer
Abhandlung in den physiognomischen Streit eingreifen werde, entsprach, wie sich dann bald zeigte, der Wahrheit An Nicolai
schrieb Lichtenberg noch am 15. Februar (Briefe 1, 290): „Jemand ans Hannover hat mir gemeldet, daß Herr Men¬
delssohn etwas gegen mich deswegen schreiben würde. Ich kann es kaum glauben: wahrhaftig die Abhandlung ist seiner
Aufmerksamkeit nicht würdig“.
4 Ramberg.
5 Johann Friedrich Hartmann war Registrator in Hannover; Lichtenberg ironisiert mehrfach seine physikalischen
Schriften und legt ihm den Spitznamen Johannes Electrophorus bei (Briefe I, 305. 306. 361. 369. 2, 293. 3, 348).
$ Lavater hatte in seiner 1770 erschienenen Schrift „Zueignungschreiben des Herrn Lavaters in Zürich an Herrn
Moses Mendelssohn in Berlin“ Mendelssohn aufgefordert, entweder Bonnets Beweise für die Wahrheit des Christentums
zu entkräften oder Christ zu werden, worauf Mendelssohn im gleichen Jahre mit seinem „Schreiben an den Herrn
Diakonus Lavater zu Zürich“ ablehnend antwortete (Gesammelte Schriften 3, 37). Auf diese Angelegenheit bezog sich
Lichtenbergs Satire „Timorus“.
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8o
Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
Ich schreibe heute auch dem muthwiiligen Mann, werde aber nichts von der Mendelssohnschen Historie
sagen, und übergebe das Schwerdt der Gerechtigkeit gegen ihn Ew. Wohlgebohren.
io. Februar.
Ob ich gleich gestern erst geschrieben habe, so schreibe ich doch schon wieder. Der Anfang von HErra
Lavaters Fragmenten 1 ist nun zum Theil heraus, und der Schauplatz ohne weitere Vorrede wird mit mir eröffnet,
und zwar widerlegt er den Calender auf 38 Seiten in 4*° und mehreren Kupfertafeln, er lobt grob und tadelt grob.
Er hat nicht gemerckt, daß mein Hauptsatz ist, daß man aus gewissen gegebenen Leidenschafften ein Gesicht
zeichnen könte, aber aus einem so gegebenen Gesicht nicht rückwärts schließen könte. So bald ich den Fehler
an ihm bemerckte, so habe ich wegen andrer Arbeit die genauere Prüfung auf 14 Tage verschoben. Zuweilen
habe ich mich über den sonderbaren Mann recht herzlich satt gelacht Er nennt mich bald einen tiefsinnigen,
würdigen Mann, von hinreisender Beredsamkeit, und unwiderstehlichem Witz, gegen welchen dieses sein Werck
ob es gleich die Wahrheit für sich habe eine elende Figur machen müsse, einen durchdringenden Beobachter,
und bald darauf einen Wizler, den man so wenig packen könne, als einen Aal am Schwantz, einen Mann der
Dinge spricht, wobey die Phüosophie errröthet, der nicht weiß wo er hindenckt, sich überall widerspricht, und
so giebt er durch das ganze Stücke mit der lincken Zuckermandeln, und mit der rechten besprüzt er mich.
Meine Antwort darauf wird nun unmittelbar an HErrn Lavater gehen. 3
12. Februar.
Herr Prof. Feder* hat mir gerathen, anstatt das Werckgen über die Physiognomick schon jezt umzu¬
arbeiten, lieber Nachträge dazu zu liefern, und dieses will ich thun, es wird also vielleicht noch vor Ostern ein
zweytes Fragment erscheinen, und darin will ich auch Arbeiten anderer aufnehmen, wenn sich welche finden. 4
HErr Gleim hat mir eine unvermuthete Ehre gethan, er hat einen Saal in seinem Hause den er den
Musentempel nennt, worin er Bildnisse von Gelehrten aufhängt* Für diesen Tempel werde ich auf HErrn
Gleims Kosten hier von HErrn Mathieu 6 gemahlt Gleiche Ehre aber mit ungleich gröserm Anspruch darauf
haben HErr Hof Rath Heyne, 7 HErr Meiners 8 und HErr Feder erhalten. Es wird eine kostbare Tapete werden.
15. Februar.
Es freut mich sehr, daß es doch mit dem HErrn Cammerpräsidenten 9 noch nicht so weit ist, als ich
gefürchtet habe, auch ist mir der Beyfall der HErrn Geheimde Räthe kein geringes Vergnügen bey dem Krieg
mit Lavatern, der wahrscheinlicher Weise noch erst recht angehen wird.
Ich dächte nicht, daß Mendelsohn die Abhandlung einiger Aufmerksamkeit gewürdigt haben würde, die
wenigstens in manchen Stellen drüber hin geschrieben ist. Dietrich gewinnt bey der Afiaire und seine 8000 Ca*
lender sind bis auf sehr wenige alle fort. Es sind sogar welche von Lausanne verschrieben worden.
Hier schicke ich Ew. Wohlgebohren meine Silhouette, sie ist mit vieler Sorgfalt gemacht Daß man sie
nicht gleich erkennt, rührt daher weil bey meinem Gesicht das Charakteristische nicht im Umriß des Profils liegt
* Der vierte, 1778 erschienene Band von Lavaters „Physiognomischen Fragmenten zur Beförderung der Menschen¬
kenntnis und Menschenliebe“ beginnt mit „Anmerkungen zu einer Abhandlung über Physiognomik im Göttinger Taschen¬
kalender aufs Jahr 1778“ (S. 3), die eine schwache, viele Mißverständnisse enthaltende und den Hauptpunkt verfehlende
Polemik gegen Lichtenberg enthalten. Die lobenden Bemerkungen über ihn stehen in den einleitenden Absätzen als eine
ziemlich plumpe Captatio benevolentiae, die ausfallenden Wendungen mehr gegen das Ende: „Ein Witzler, der alle Er¬
fahrungen mit verschlossenem Blicke vorübergeht“ (S. 31); „Witz mit Vernunft beantworten, sagt ein witziger Schrift¬
steller, heißt einen Aal beim Schwänze festhalten wollen“ (S. 32); „Philosophie, errötest du nicht bei dieser unbe¬
greiflichen Vergleichung?“ (S. 30).
2 Am 15. Februar schreibt Lichtenberg an Nicolai (Briefe 1,290): „Ich werde ihm vor der Mitte des Sommers
nicht antworten, aber alsdann soll es auch mit aller der Kraft geschehen, deren mein schwaches Nervensystem fähig ist, und
alsdann will ich auch tun, was ich bisher noch nicht getan habe, und mich gegen sein Werk selbst wenden, in welchem
hier und da zwar, wie Sie werden gefunden haben, etwas gutes steht, aber worin auch solche Rasereien Vorkommen, daß
mir um des guten Mannes Verstand täglich banger wird“. Dieser Gedanke einer polemischen Schrift gegen Lavater
selbst kam dann nicht zur Ausführung (vgl. aber Vermischte Schriften 4, 99 und Aus Lichtenbergs Nachlaß S. 94).
3 Johann Georg Heinrich Feder (1740—1821), Professor der Philosophie in Göttingen.
4 Auch dieser Plan wurde dann durch die Gegenpublikationen Zimmermanns im März- und Aprilstück des Deut¬
schen Museums in den Hintergrund gedrängt
3 Über des Dichters Gleim Musentempel, in dem schließlich 118 Porträts bedeutender Zeitgenossen vereinigt
waren, berichtet Körte in Gleims Leben S. 437. Bilder von Feder und Meiners sind dort (S. 449) verzeichnet,
nicht aber solche von Lichtenberg und Heyne.
6 Heinrich Friedrich Leopold Mathieu (1750—78), Porträt- und Historienmaler.
7 Christian Gottlob Heyne (1729—1812), klassischer Philologe und Altertumsforscher, Professor der Philosophie in
Göttingen, war eine der größten Berühmtheiten der Universität; neben seiner Professur war er auch beständiger Sekretär
der Sozietät der Wissenschaften und Redakteur der Göttingischen gelehrten Anzeigen.
8 Christoph Meiners ( 1747 —1810), Professor der Phisosophie in Göttingen.
9 Albrecht Friedrich von Lenthe.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
81
Wir gehen am Rande groser Entdeckungen herum. Künftigen Sonnabend werde ich in Königlicher
Societät über meine Versuche vorlesen, nicht blos eine Liste sondern ich werde eine brauchbare Anwendung
machen. Wenn meine Versuche erst unter andere Leute kommen, die mehr Geld, mehr Zeit und mehr Uebung
haben, als ich, so wird manches entdeckt werden, denn ich glaube dadurch einen gantz neuen Weg eröffnet zu
haben die Beschaffenheit und Bewegung der elecktrischen Materie zu untersuchen. Ich dencke immer ich tappe
an etwas sehr grosem nahe herum und versuche zuweilen des Sonnabends und Sonntags von Morgen bis in die
Nacht, daß ich so müde bin, ab wenn ich von der Fuchsjagd käme.
23. Februar.
Am vergangenen Sonnabend habe ich vorgelesen, 1 ich hatte wenige Personen invitirt, allein die Menge
wurde so gros am Ende, daß auch die Catheder voll stunden. Ew. Wohlgebohren werden abo leicht erachten,
daß nicht alle Experimente gelingen konten, da das Wasser von den Fenstern förmlich floß. Indessen da mir
die hauptsächlichsten alle gelangen, so bin ich völlig zufrieden. Ab ich sagte ich wolte nun, in einem Zug, ein
GR schreiben, das selbst Francklin respeckdren würde, da hätten Sie sehen sollen, wie alles drückte, und ab es
mir ohne Anstoß gelang, so legten einige die Hände vor Verwunderung zusammen.
Kästners 2 Nahmen nemlich nur das K mit einem Krantz durch Elecktridtät geschrieben habe ich ihm
hinter Glas in einer goldenen Rahme geschenckt, er war gantz auser sich darüber. Ich kündigte ihm nachher
an, daß ich über die hauptsächlichsten Capitel der Physick öffentlich künfftigen Sommer lesen würde, hierauf
sagte er er wolte zwar selbst die Physick künffdgen Sommer lesen, allein wenn ich sie künffdg lesen wolte,
so wolte er mir sie gantz abtretten, übrigens hätte er nichts dagegen, daß ich über einige Capitel künffdgen
Sommer läse. Ihnen erlaube ich dieses, aber eine unmathematische Physick müssen wir hier nicht mehr auf-
kommen lassen. Was sagen Ew. Wohlgebohren dazu ?
26. Februar.
HErr Mathieu bt eben, da er mich für den Musentempel mahlen solte, tödlich kranck geworden, und bt
fast ohne alle Hofhung.3 Ich werde also dieses mal nicht in das Heiligtum eingehen.
Seit dem ich Kästnern seinen Nahmen gegeben, habe ich das elecktrische Schreiben zu einem viel großem
Grad von Vollkommenheit gebracht, und Ew. Wohlgebohren Nähme wird daher vermuthlich besser ausfallen.
Ich schreibe auch nun auf eine gantz eigne Art mit negativer Elecktridtät, welches sich herrlich ausnimt und
nicht wie Equisetum ♦ sondern wie Perlenschnure aussieht.
Hat man denn auch Furcht vor dem grosen Cometen in Hannover, hier hat das Gerücht so sehr über
Hand genommen, daß ich endlich die Feder dagegen ergriffen und einen Aufsatz in das hiesige Intelligentz-
blatt eingerückt habe*. Man hat es mit Fleiß in das Intelligentzblatt und nicht in die Nebenstunden 6 7
eingedickt, weU die leztern schon voraus abgedruckt sind, und abo die Sache nicht geschwind genug bekannt
geworden wäre. Einige Nachrichten, die ich gebe, werden Ew. Wohlgeboren nicht unangenehm seyn. Denn
so wie auch hinter dem blindesten Lärmen etwas steckt, so steckt auch hinter diesem Gerücht etwas, aber sehr
wenig. Ich habe den Aufsatz in der grösten Eile geschrieben, und Sie werden über die Wendungen lachen.
Ein Vierthel spotte ich, 3 / 4 bin ich ernsthaft von No. 1 und 4 5 3 / 4 ernsthaft von No. 2., ich meine andächtig. Ich
fange nemlich an wie Liscov ,7 fahre fort wie ein Magister Philosophiae und schließe wie Dr. Less. 8 * *
1 Am 21. Februar hatte Lichtenberg in der Sozietät der Wissenschaften seine erste Abhandlung „Di neva methodo
naturam ac motum fluidi ilectrici investigandi ft gelesen, die dann im achten Bande der Kommentarien der Sozietät ge¬
druckt wurde; eine deutsche Übersetzung findet sich in den Physikalischen und mathematischen Schriften 4,47. Die
elektrischen Schreibversuche sind darin nicht besprochen.
2 Abraham Gotthelf Kästner (1719—1800), Mathematiker, Professor der Philosophie in Göttingen. Bei aller Hoch¬
schätzung, die er für seinen jüngeren Fachkollegen Lichtenberg empfand, kam es doch nie zwischen beiden zu einem
längere Zeit ungetrübten Verhältnis, da Kästner maßlos eitel, ungeheuer leicht verletzlich und Einflüsterungen sehr zu¬
gänglich war. Lichtenbergs Briefe und viele Stellen seiner Aphorismenbücher beleuchten die Beziehungen beider Männer
sehr deutlich und zeigen, wie Lichtenberg sich vergeblich bemühte, jene Einflüsse zu paralysieren.
3 Ein späterer Brief meldet den Tod des jungen Malers.
4 Schachtelhalm: Lichtenberg selbst vergleicht einige seiner elektrischen Figuren damit (Physikalische und mathe¬
matische Schriften 4, 75).
5 Lichtenbergs Aufsatz „Etwas über den fürchterlichen Kometen, welcher einem allgemeinen Gerücht zufolge um
die Zeit des ersten Aprils unsre Erde abholen wird 11 erschien in den Göttingischen Anzeigen von gemeinnützigen Sachen
vom 28. Februar (Vermischte Schriften 5, 144),
6 Die Zeitschrift „Göttingische Nebenstunden“ wurde 1777 von Professor Wedelrind herausgegeben, der am
12. Januar gestorben war.
7 Der Satiriker Christian Ludwig Liscow (1701—60) war Lichtenberg wohlbekannt und ist auf seine eigene sati¬
rische Schriftstellerei von nachhaltigem Einfluß gewesen, wie besonders aus Stellen der Aphorismenbücher sich ergibt; eine
genauere Untersuchung wäre sehr zu wünschen.
8 Gottfried Leß (1736—97), Professor der Theologie in Göttingen, wird von Lichtenberg fast immer wie hier mit
starker Ironie genannt (vgl. Aus Lichtenbergs Nachlaß S. 204).
Z. f B. 1912/1913. II
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
9. März.
Nun haben Ew. Wohlgebohren wohl die Einleitung des Schweitzer-Tölpels zu Mendelsohns Abhandlung
gelesen. 1 Ich wolte 10 gegen eins wetten der Schweizer Corporal, der sich mit der Hellebarde vorangestellt
hat, hat sie nicht verstanden. Mendelsohn hat blos deutlich entwickelt, was ich nicht durch 1) 2) 3) entwickeln
konte und durfte, sonst wären Dieterich 3000 Calender liegen geblieben. Ich werde nun gewiß Zimmermann
ohne alle Zurückhaltung behandeln, und mit innigem Vergnügen seinen Nahmen dem ehrwürdigen Nahmen von
Göbhard 2 3 4 und Philadelphia 3 beyfügen.
xi. März.
Bey dem Fehlen groser Leute fällt mir der grose Zimmermann wieder ein. Ich bin nun fest entschlossen
nichts gegen ihn drucken zu lassen. Er ist mir in der That zu grob. Vielleicht erbarmt sich ein fremder über
mich, ich habe schon so etwas flüstern hören.
15. März.
Es ist mir gewissermaßen leid, daß die HErm Minister mir grose Bescheidenheit gegen Zimmermann be¬
fehlen. Er hat mich ohne Ursache sehr grob beleidigt, und ein solcher stoltzer Dummkopf verdient die nachdrück¬
lichste Züchtigung, und was mir fast nahe geht, ist, daß HErr Heyne in Verteidigung der Billigkeit des Zimmer-
mannischen Verfahrens gegen mich neulich auf einem Bai sehr weit gegangen seyn soll. Ich bin in der Sache
noch nicht recht unterrichtet, und es bleibt ein Geheimniß, mich wundert dieses sehr von einem Mann der mich
neulich, da ich gegen einige Mitglieder in der Societät schrieb, die einen Vorschlag wegen der Zeitung gethan
hatten, der ihr Untergang gewesen wäre, schriftlich und ziemlich verstehend gelobt hatte.* Alle Leute hier
sind für mich. HErr Heyne versteht die Sache also wohl nicht und ist außerdem ein blinder Verehrer von
Reich in Leipzig. 5
18. März.
Man hat meine Silhouette ohne mein Vorwissen nicht sehr glücklich in Kupfer gestochen. 6 Hier komt
ein Exemplar. Meiners ist mit mir eins daß Zimmermanns Einleitung und Mendelsohns Eintheüung beyde sehr
absurd sind. Ich glaube er schreibt dagegen. 7
19. März.
Ich werde einen kräftigen Aufsatz gegen Zimmermann in unserm Club 8 vorlesen, um dessen wichtige
Meinung darüber zu hören. Alle glauben er verdiene gar keine Schonung, da sein gantzer Ruhm sich mehr
auf glückliche Connexionen als Verdienste gründet Mendelsohns Aufsaz ist gar nicht wider mich, obgleich der
armseelige Hamburger Zeitungsschreiber es glaubt, so bald er nur eingesteht es gebe häufige Collisionen, so ist
meine Sache gewonnen. Ich sage ja ausdrücklich: wenn es keine Collisionen gäbe (ich nenne es in reiner
Himmels Luft erzeugt seyn) 9 * * * * so wäre Physiognomick wahr: so daß Zimmermanns Einleitung nicht allein, was
alle zugeben, eine Probe von eminenter Impertinenz, sondern auch von imerhörter Unwissenheit ist, dieses
1 Mendelssohns Abhandlung „Über einige Einwürfe gegen die Physiognomik and vorzüglich gegen die von Herrn
Lavater behauptete Harmonie zwischen Schönheit and Tugend“ (in den Gesammelten Schriften fehlt der Aufsatz) erschien
im Märzstack des Deutschen Museams (I, 193), eingeleitet durch eine längere anonyme Vorrede Zimmermanns. Lichten¬
berg nennt diesen den Schweizertölpel, da er aus Brugg im Kanton Bern gebürtig and längere Zeit vor seiner Berufung
nach Hannover dort Stadtphysikos gewesen war.
• Tobias Göbhard war ein Nachdracker in Bamberg, gegen den Lichtenberg 1776 eine satirische Epistel verfaßt
hatte (Vermischte Schriften 3, 137).
3 Jakob Philadelphia war ein berühmter Taschenspieler, den Lichtenberg bei seiner Anwesenheit in Göttingen im
Janoar 1777 durch den „Anschlagzettel im Namen von Philadelphia 14 (ebenda 3, 181) verspottet hatte.
4 Über die nach dem Tode Albrecht von Hallers hervorgetretenen mannigfachen Vorschläge zu einer Reform der
Göttingischen gelehrten Anzeigen orientiert kurz Roethe in der Historischen Festschrift der Göttinger Gesellschaft der
Wissenschaften S. 66 $. Um welchen Vorschlag es sich hier speziell handelt, ist mir nicht bekannt.
5 Philipp Erasmns Reich war Verlagsbuchhändler in Leipzig and Lavaters Verleger.
6 Über die Bilder, die wir von Lichtenberg besitzen, orientiert Grisebach in seiner Ausgabe der Briefe Lichtenbergs
an Dieterich S. 128.
7 Das ist nicht geschehen.
8 Im Winter 1776 hatte Lichtenberg zusammen mit Feder, Meiners und Spreugel einen Klab gestiftet, der sich
alle Freitag abend zam Abendessen mit folgender Unterhaltung versammelte and auch Gäste zuließ (Briefe I, 271).
9 „Entwickelten sich unsre Körper in der reinsten Himmelsluft, bloß durch die Bewegungen ihrer Seelen modifiziert
und durch keine äußere Kräfte gestört, und bequemte sich die Seele wiederum rückwärts mit analogischer Biegsamkeit
nach den Gesetzen, denen der Körper unterworfen ist, so würde die herrschende Leidenschaft und das vorzügliche Talent,
ich leugne es nicht, bei verschiedenen Graden und Mischungen verschiedene Gesichtsformen hervorbringen, so wie ver¬
schiedene Salze in verschiedene Formen anschießen, wenn sie nicht gestört werden 44 heißt es in der Antiphysiognomik
(Vermischte Schriften 4, 22; vgl. auch Aus Lichtenbergs Nachlaß S. 92).
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werde ich ihm hauptsächlich beweisen, und das mag ihn wohl am meisten kräncken, denn bey den Schweitzern
ist ein kleiner Strich von Grobheit noch immer ein Zeichen von Republikanischer Artigkeit, und ihnen das vor¬
zuwerfen, kränckt sie nicht mehr, als wenn ich einem englischen Makaroni 1 vorwerfe er habe sich parfumirt
Von Mösern aus Osnabrück habe ich, ohne an ihn zu schreiben, einen vortrefflichen Brief wegen meiner
Physiognomick erhalten, darin er mich in meiner Meinung noch durch ein gantz neues Argument bestärckt, 2
das ich Ew. Wohlgebohren zu einer andern Zeit schreiben will, und dieses ist ein Mann der mehr werth ist, als
alle die jezt in der gantzen Schweitz für die Presse schreiben.
So eben geht Prinz Carl von Hessen 3 unter meinem Fenster weg in einem Gedränge von Menschen wie
ich auf Helgoland nach der Bibliotheck und der Societät, wo HErr von Grothaus* vorlesen wird.
26. März.
HErr von Grothaus hat etwas de re militari vorgelesen, den eigentlichen TituI weiß ich nicht, denn ich
war nicht gegenwärtig, den eben erwähnten hat er mir in einer Gesellschafft angegeben. Es soll etwas sehr
braves gewesen seyn, er will, die Soldaten sollen hauptsächlich laufen und schwimmen lernen. Stehen wäre
besser. Indessen werden Sie über folgende Nachricht erstaunen. Durch Empfehlung des ErbPrintzen von
Braunschweig hat Grothaus einen Ruf nach Berlin vom König erhalten eine Legion zu errichten, welche Legio
Grothusiana (besser wäre es Caji Pomponii Grothus) heisen wird, er hat schon seit einigen Wochen im Accord
gestanden, und nun hat man ihm alles verwilligt, die Soldaten werden fast römisch gekleidet gehen, nur
2 Hemden haben und die Nase mit den Fingern putzen, wie HErr von Grothaus thut Im Ernst, das leztere
steht mit unter den Artickeln. Die Legion wird aus 1300 Mann bestehen und er soll alle Officier selbst
ernennen. Morgen früh geht er ab. In dem Brief des Erbprintzen stehen die Worte et aprls la Campagne so
daß es also wohl zu Schlägen kommen wird. Was sagen Ew. Wohlgeboren zu diesem Vorfall? Gewiß ist alles,
darauf können Sie sich verlassen .5
Zu dem neuen TituI des HErra Zimmermann 6 werde ich ehestens noch ein Paar zufugen und mit Be¬
soldung, die ihm vielleicht nicht so angenehm seyn werden, als der von London erhaltene.
6. April.
Meine künftige Addrese an HErrn Zimmermann wird im May des Museums erscheinen. Ich wünsche,
daß sie ihm bey seinen Capereyen in Pyrmont 7 wohl bekommen möge. Ich habe doch nicht umhin gekonnt
auch HErra Mendelsohn verstehn zu gehen, wie viel mehr ich von ihm erwartet als gefunden hätte. Auch
fürchte ich für HErrn Zimmermann daß ihm Kästner etwas abgeben wird, bey der ersten Gelegenheit Er kan
sich in acht nehmen, wenn ihm der eines seiner Mühlsteinschweren Sinngedichte an den Hals hängt, so ist er
▼erlohren. 8
Wenn Ew. Wohlgebohren ein Buch: Anselmus Rabiosus Reise durch Oberdeutschland 9 in Hannover
finden können so lassen Sie es sich geben. Es ist vortrefflich geschrieben, und wenn der Verfasser auch nicht
immer die Wahrheit sagt, so ist doch sein Muth zu verehren. Es ist nichts empfindsames, sondern gantz poli¬
tisch und giebt gute Nachrichten aufs kräffrigste ausgedruckt Ich habe mich des herzlichsten Lachens nicht
erwehren können, wo er eine ernstliche Schwäbische Verordnung anfuhrt, worin demjenigen eine grose Be¬
lohnung versprochen wird, der ein Gespenst, todt oder lebendig, liefern würde. Von Bayern sagt er, daß da die
Landstrasen mit Galgen bepflanzt wären, wie an andern Orten mit Maulbeerbäumen. Es soll wahr seyn.
* Geck, Stutzer.
* Dieser Brief Mosers an Lichtenberg ist leider nicht erhalten. Am 23. April schreibt Lichtenberg ganz ähnlich
an Boie (Briefe I, 292): „Möser stimmt meinem System ganz bei und bestätigt es mit neuen Beweisen und dieser ist mir
mehr wert, zumal da ich sein Urteil gar nicht eingeholt habe, als alle Physiognomen zusammengenommen“; auch im
Aphorismenbuch F 889 dürfte er gemeint sein.
3 Karl Landgraf von Hessen-Kassel ( 1744 —1836), ein Freund und Verehrer Lavaters, war dänischer Feldmarschall
und lebte in Schleswig.
4 Vgl. oben S. 78 Anm. 2 Einen ausführlichen Bericht über die bald darauf auch im Druck erschienene Rede von
Grothaus (,,Oratio de re militari ") enthalten die Göttingischen gelehrten Anzeigen vom 16. April (S. 369).
5 In einem späteren Briefe berichtet Lichtenberg, daß durch einen königlichen Kurier die geschehene Berufung
nach Berlin wieder rückgängig gemacht worden sei.
6 Zimmennann war „in Betracht seiner besonderen Geschicklichkeit und leistenden ersprießlichen Dienste“ vom
König Georg III. von England zum Hofrat ernannt worden (Ischer, Zimmermanns Leben und Werke, S. 162).
7 Zimmermann besuchte sehr häufig das Bad Pyrmont, wo er natürlich viele neue Bekanntschaften schloß und da¬
durch auch neue Konsultationspraxis erhielt.
8 Über Zimmermanns Fehden mit Kästner orientiert Ischer, Zimmermanns Leben und Werke S. 319 (vgl. auch
Aus Lichtenbergs Nachlaß S. 225). Kästners Epigramme auf Zimmermann, die natürlich nicht ausblieben, bespricht
jetzt erschöpfend Becker, A. G. Kästners Epigramme, Chronologie und Kommentar S. 183.
9 Der Verfasser dieses Salzburg und Leipzig (eigentlich Nördlingen) 1778 erschienenen Buches, das sofort vom
Augsburger Magistrat als Pasquill konfisziert wurde, ist Wilhelm Ludwig Wekhrlin (Ebeling, Wekhrlin S. 13; Böhm,
Ludwig Wekhrlin, S. 73).
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
9. April.
Meine Addresse an HErrn Zimmermann 1 * 3 4 5 wird hoffentlich im May des Deutschen Museums erscheinen,
aber dem ungeachtet noch besonders gedruckt werden. Ich fange darin ironisch an und auf eine Art, die, ohne
Zimmermann zu erbittern, ihn schmertzen muß. Einiges habe ich vorgelesen, es wird ungewöhnlich approbirt,
jemand hat gesagt ich hätte noch nichts geschrieben, das diesem gleich käme. Ich glaube es aber nicht Es
gefällt nur, weil Zimmermann hier niemand gut ist, als einige Leute die sich mehr durch vermeintliche Politesse
als Wahrheitsliebe leiten lassen.
12. April.
Im April des Museums, in welchem Lavaters Aufsatz gegen mich abgedruckt ist, sind Noten, die, wie ich
höre (allein noch nicht gesehen habe), wieder mit der Hellebarte geschrieben sind.* Sie sollen ärger seyn als
alles. Der Schweitzer ladet schwere Gewichte auf sich, die nicht ausbleiben werden. Meine Schrifft gegen ihn
wird selbst das Göbhardische Tracktament* übersteigen. Allein vor ein Paar Stunden habe ich etwas gehört,
das mich in Erstaunen gesezt hat. Ein Mann, den ich für meinen besten Freund hielt,* hat, wie ich von
sicherer Hand weiß, ein Billet, das ich an ihn wegen Zimmermann geschrieben habe, an Zimmermann geschickt
Können Sie sich eine solche Niederträchtigkeit dencken? Ich mercke wohl, es wird in diesem Streit gehen
wie in Amerika, er fangt mit Thee an und endigt in Königreichen. Hiervon bald mehr. Es ist alles Neid.
Der jüngere Förster hat sich gegen seine Göttingischen Recensenten geregt und mir das Manuscript zu¬
geschickt, es drucken zu lassen.* Ich muß es thun, aber um nicht als Feind der Societät zu scheinen werde ich
eine Copie davon an HErrn HofRath Heyne schicken, ehe ich etwas unternehme. 6 7
15. April
Nunmehr habe ich auch den April des Museums gelesen, und ich habe dem guten Boie Unrecht gethan.
Der Brief, den er von mir eingerückt hat ,7 ist nicht der, den ich erwartete, es sind nur einige litterariscbe
Nachrichten von Förster, mit denen mag er meinetwegen machen, was er will Aber was sagen Sie zu den
Noten von Zimmermann? Sie sind in der That nicht übel, ich habe über das Niedersitzen neben dem Teufel 8
würcklich so herzlich*gelacht, als irgend über etwas im Vademecum. 9 Was die Grobheit angenehm ist, wenn
sie nicht witzig ist Und gar über den Studentenbeyfall 10 Ich glaube in der That es hat sich nie jemand
weniger drum bekümmert, als ich, das wissen hier zum Unglück für den Schlucker alle Leute, ich kan Ew.
Wohlgebohren aufrichtig versichern, daß er hier sogar bey allen Anhängern Lavaters, auch in Gotha den Credit
verlohren hat. Denn sie haben alle geglaubt Zimmermann sey ein Mann, der wenigstens seine und ihre
Schwachheiten mit beisender Satyre vertheidigen könne, und nun finden sie, daß ihr gantzer Vertheidiger aus
einem Tropf besteht, der eben so elend ist, als sie selbst Zimmermann glaubt vielleicht nicht, daß ich ihm so
begegnen würde, als ich ihm begegnen werde. Meine Schrifft wird apart gedruckt, 11 sie würde zu groß für das
1 Ein Stück dieses dann unterdrückten Aufsatzes ist erhalten und Aus Lichtenbergs Nachlaß S. 84 abgedruckt;
er sollte den Titel fuhren „Wider Physiognostik, eine Apologie“.
* Im Aprilstück des Deutschen Museums erschien (1, 289) ein Auszugaus Lavaters oben S. 80 Anm. x erwähnter Polemik
gegen Lichtenbergs Antiphysiognomik auf Betreiben Zimmermanns, der Lavater dazu überredet hatte und seinerseits eine
Reihe anonymer bissiger und beleidigender Anmerkungen beifügte, die sehr unvorteilhaft von Lavaters verhältnismäßig
ruhigem Stil abstechen.
3 Vgl. oben S. 82 Anm. 2.
4 Wer hiermit gemeint ist, habe ich nicht feststellen können.
5 Johann Georg Adam Förster (1754—94)# der bekannte Naturforscherund politische Schriftsteller, hatte mit seinem
Vater Johann Reinhold Förster den Kapitän James Cook 1772—75 auf seiner zweiten Reise um die Welt begleitet und eine Be¬
schreibung dieser Reise London 1777 in englischer (später, Berlin 1778—80 auch in deutscher) Sprache erscheinen lassen.
Gegen die Rezension dieses Werks in den Göttingischen gelehrten Anzeigen (1778 Zugabe S. 148. 177) wendet sich
seine „Antwort an die Göttingischen Rezensenten“, die Göttingen 1778 im Druck erschien.
ü Lichtenbergs Brief an Heyne vom 12. April, mit dem er ihm Försters Manuskript überschickte, ist erhalten
(Briefe 1, 291).
7 Vgl. Deutsches Museum 1778 1, 382. Der Brief ist vom 9. März datiert.
8 „Durch Sittsamkeit und Sanftmut solltest du (Lavater) dir deinen heißatmenden Gegner zum Freunde machen:
und weißt du, daß er sich eher zum Teufel freundschaftlich hinsetzen würde als zu dir?“ (S. 317 Anm.).
9 Das „Vademecum für lustige Leute* * (Berlin 1764—92) war eine von Lichtenberg öfters zitierte Anekdotensammlung.
xo „Er ist dein ungewinnbarer Feind, nicht etwa, weil er dich haßt, sondern weil ein Einfall, worüber sechs Stu¬
denten lachen, für ihn ebenso wichtig ist als für dich alle Glückseligkeiten des künftigen Lebens** (S. 317 Anm.).
xx Diese Schrift führte den Titel: „Konrad Photorin an Tobias Göbhard, des letzteren Einleitung zu einer Mendels-
sohnischen und Noten zu einer Lavaterischen Abhandlung in den stürmischen Monaten des Deutschen Museums betreffend**; der
Druck wurde im Mai begonnen, aber dann wieder kassiert, so daß das vollendeteStück erst aus dem Nachlaß Lichtenbergs
ans licht trat (Vermischte Schriften 4,84). In diesem Zusammenhang ist auch Lichtenbergs Brief an Boie vom 23. April
(Briefe 1, 292) zu beachten, der Zimmermanns Charakter und Handlungsweise einer ausführlichen ebenso schonungslosen wie
gerechten Beurteilung unterzieht; der Abdruck an dieser Stelle, so wünschenswert er wäre, verbietet sich durch seine Länge.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
35
Museum, und vielleicht doch nicht in den May kommen. Außerdem mag ich nicht mehr an einem Journal
arbeiten, in welchem solchen alten Knaben erlaubt ist solchen Schmutz nach mir zu werfen.
23. April
Ich glaube wohl, daß Zimmermann schon triumphirt, du gerechter Gott, wenn alle meine Feinde so
schrieben wie er, so könte man sie schon mit Stillschweigen widerlegen. Meine Schrifft ist fertig, es fehlt ihr
nur die lezte Hand, und weil doch nun die neuen Noten erschienen sind, so müssen einige Zusätze gemacht
werden, woran ich nicht gerne gehe. Allein je später je schwerer für ihn. Hier sagt jederman, daß man sich
so etwas elendes unter Zimmermann nicht gedacht hätte, und man findet es wunderbar, wie er sich bey einer
solchen Anlage so lange dort habe erhalten können. Sein Vorwurf, daß ich Studentenbeyfall zu erschnappen
suchte, klingt fast wie Ironie, ob er es gleich ernstlich meint. Ich bin wie jederman weiß Studenten ausge¬
wichen, und als ich öffentlich laß habe ich meine Vorlesung nie mit einem bon mot entehrt — Allein er wird
gezüchtigt werden, daß er gewiß daran gedencken wird so lange er lebt. Ich fürchte nur ich gehe zu weit und
deswegen laß ich das Bier ein wenig über den Hefen stehen um sich zu setzen. Alsdann will ich das feinste ab¬
zapfen, das aber immer noch bitter genug schmecken soll. Im May des Museums ist wieder etwas wider mich,
wegen der Zuschrifft an Dieterich. 1 Lavaters Schrifft war schon 3 mal gedruckt, ehe sie einmal recht ge¬
lesen war.
27. April.
Am vergangenen Freytag erhielt ich einen unerwarteten Brief von Nikolai in Berlin, darin ist eine Stelle,
die mir nicht wenig Vergnügen gemacht hat, und also Ew. Wohlgebohren ebenfalls machen wird. Ich schreibe
sie ab ohne einen Buchstaben zu verändern. Ich erinnere dieses deswegen, weil sie öffentlich erscheinen wird,
aber mit etwas veränderten Buchstaben:
„Die Abhandlung von HErrn Moses, die in einem der lezten Stücke des deutschen Museums stehet, ist
nichts weniger als gegen Sie geschrieben, obwohl der Thor (: Nikolai weiß nicht daß es Zimmermann ist, das
macht die Sache desto lustiger:) der einen Vorbericht dazu gemacht hat, einen solchen Winck giebt Diese Ab¬
handlung entstand schon vor anderthalb Jahren, ehe der Dietrichsche Calender herauskam, bey Gelegenheit
meiner Unterredungen mit HErrn Moses über diese Materie: Er berichtigte nach seiner gewöhnlichen präcisen
Art meine Zweifel über Lavaters Geschwäz von der Schönheit. Ich glaube übrigens es sey diese Abhandlung
gar nicht wider Sie, sondern widerlege vielmehr Lavaters Gedancken über die Schönheit physiognomisch be¬
trachtet auf das completeste; denn wenn man HErrn Moses Sätze in ihrer Präcision annimmt, so sieht man,
daß Lavater hierin würklich radotirt hat pp.“ a
Was sagen Ew. Wohlgebohren hierzu? Ich werde gewiß Gebrauch davon machen, doch ohne die Wörter
Nikolai , Thor , Geschwäz und radotirt zu gebrauchen damit ich mir nicht mehr Feinde mache .3
Heute hatte ich einen närrischen Vorfall. Dr. Fränckel, 4 einer von den Juden, die Lavater getauft hat,
kam auf seiner Reise nach Petersburg zu mir. Man hatte ihm gesagt, ich hätte meine Mettwürste s gegen ihn
gehackt. Ich versicherte ihm aufrichtig, sie wären für Leute gesaltzen worden, deren er sich schämen würde,
und die hier bekannt genug wären. So wurden wir gute Freunde. Er schenckte mir seine Dissertation, und er
ist in der That ein wackerer Kerl, der wahren bon sens hat Er saß auf 4 Stunden bey mir. Merckwürdig ist,
er war bey Lavatern, ab er meinen Calender zum erstenmal laß, und erzählte mir einige Aneckdoten. Lavater
ist würcklich ein wohlmeinender Mann, nur nicht recht gantz klug. Zimmermann kennt er doch auch, so wie wir
* In einem anonymen Aufsatz „Etwas Physiognomisches über Ausdünstungen* 4 im Maistück des Deutschen Museums
(I, 447) findet sich der Satz (S. 448): „Wer kann über ein verliebtes Paar lachen, da die Ausdünstungen von zwei schönen
Seelen sich wie die Seelen Lichtenbergs und Dieterichs oder wie die beiden Zipfel an dem Schoße eines Unterrocks in
einander haken?**
2 Nicolais Brief ist vom 15. April und vollständig in den Vermischten Schriften 8, 1x6 abgedruckt Daß Mendels¬
sohns Abhandlung mit der physiognomischen Fehde zwischen Lichtenberg, Lavater und Zimmermann von Haus aus
nichts zu tun hat, geht auch aus Mendelssohns Brief an Zimmermann vom 12. Mai (Gesammelte Schriften 5, 546) klar
hervor, in dem er ihm zugleich seine offene Mißbilligung seines Verhaltens anssprach: „Lichtenberg hat Ihren Freund,
wenigstens öffentlich, gar nicht unglimpflich behandelt und die weise Mäßigung, mit welcher Lavater selbst ihm geantwortet
hat, berechtigt seine Freunde auf keine Weise, den Streit durch ihre Dazwischenkunft erbittert zu machen. Sie haben
also wirklich den ersten Schritt zum Zwiste getan und es geziemt Ihnen auf alle Weise, auch den ersten Schritt zur
Wiederaussöhnung zu tun. Ihre Ehre kann unmöglich dabei verlieren und Ihre Ruhe nicht anders als gewinnen.**
i In Lichtenbergs Abhandlung ist dieser Passus aus Nicolais Brief tatsächlich im vollen Wortlaut aufgenommen
worden (Vermischte Schriften 4, 92), nur daß statt „Tor** „Mann (dieses Wort schiebe ich ein, denn es steht ein andres
da, das sich nicht mit einem M anfangt, ich aber nicht lesen kann)**, statt „Geschwätz** „Behauptung**, statt „radotirt**
„geträumet** gesetzt und Nicolai nicht genannt, sondern nur ab „ein berühmter berlinischer Gelehrter*' bezeichnet ist.
4 Johann Kaspar Fränkel war Militärarzt in russischen Diensten.
5 Lichtenbergs Satire „Timorus** hat den Untertitel: „Verteidigung zweier Israeliten, die, durch die Kräftigkeit der
Lavaterischen Beweisgründe und der göttingischen Mettwürste bewogen, den wahren Glauben angenommen haben"
(ebenda 3, 79).
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
ihn kennen. Der Mann hat mir in der That viel Vergnügen gemacht Er ist ein tiefsinniger Mathematiker, und
spricht so vom Stamm ohne Vorurtheü weg, daß ich glaube Ew. Wohlgebohren würden ihn approbien.
30. April
Jede rin an räth mir mit meiner Antwort nicht zu eilen, aus dreyerley Ursachen 1) weü man alles besser
überlegt 2) weil die Leute sich immer je öffter sie Zimmermanns Noten lesen einen schlechtem Begrif von ihm
machen und immer eine größere Receptabilität der Gegengründe erhalten und 3) weil es dem Zimmermann
weit hefftiger auffallen muß, wenn er die Antwort zu einer Zeit unvermuthet erhält, da er bereits glaubt er wäre
außer dem Schuß. Hier haben seine Noten grade das Widerspiel von dem bewürckt, was sie bewürcken solten,
man hat mich dabey vergessen, und nennt Zimmermann, der sonst immer Leib Medicus hieß, und den der
König zum Hof Rath gemacht hat, jezt blos Kerl.
Jemand hat mir gesagt, daß die Noten vielen Beyfall unter einer gewissen Classe, zumal den gespaltenen
erhalten haben sollen. 1 2 3 Ist das wohl wahr, für jeden Unterricht in dieser Sache werde ich Ew. Wohlgebohren
sehr verbindlich dancken, da es immer gut ist zu wissen wo und mit wem man ficht
5. May.
HErrn Zimmermanns Ausfälle sind freylich so grob, daß ich noch gestern meiner Schlifft eine gantz neue
Wendung gegeben habe, die, wenn sie nur nicht gar zu hefftig ist, Eindruck machen soll. Man wird diese Woche
anfangen daran zu drucken, ich habe nur jezt so viel fremde Arbeit. Eins freut mich, meine Zeichnungen zu
den Commentarien* sticht Heyd* selbst in Augspurg in schwartzer Kunst. Ich habe übrigens meinen Plan ge¬
ändert, und gebe in dieser ersten Abhandlung nur einige Versuche, die Muthmaßungen darüber und die Hypo¬
thesen werden in eine zweyte* kommen.
Was sagen Sie zu Zimmermanns Abhandlung im neusten Stück des Museums, wo er den kleinen Mamsels
öffentlich Anleitung giebt, wie sie sich soulaschiren sollen?* Die Aufseher über die Mamsels werden ohnehin
schon seine Vorsorge gebraucht haben, also profitirt niemand als die Mamsels selbst dabey.
14. May.
Ein Bogen von meiner Schrifft ist gedruckt, nemlich gantz auscorrigirt, ich habe aber die lezte Correcktur
noch bey mir, indem ich noch immer Bedencken trage sie so abdrucken zu lassen. Sie ist hier und da zu arg,
wird sie aber auch so nicht abgedruckt, so sollen doch Ew. Wohlgebohren diesen Bogen über kurtz oder lang
einmal sehen. 6
HErr Wieland hat mir Reparation gemacht, im April des Merkur steht S. 80 eine Recension meines
Büchelchens, die sehr starck gegen die im vorigen November läuft, wovon Lenz, ein eben so empfindsamer
wortreicher Tropf als Zimmermann, der Verfasser ist 7 So schreibt ein Z. . . . und ein ... .z gegen mich.
18. May.
Er freut mich sehr für meine Sache, daß man in Hannover so sehr gegen den groben Mann ist Es freut
mich indesssen auch daß ich mehr Empfindlichkeit für andere Leute besitze. Es geht mir in der That hart ein
1 Diesen Satz vermag ich nicht zu erklären.
2 Vgl. oben S. 81 Anm. 1.
3 Johann Elias Haid (1739—1809), berühmter Kupferstecher.
4 Lichtenberg las seine zweite Abhandlung „De nova mtthodo naiutarn ac motnm fluidi eUctrici investigandi“ am
19. Dezember 1778 in der Göttinger Sozietät der Wissenschaften: sie erschien dann im ersten Bande der Kommentationen
der Sozietät gedruckt, eine deutsche Übersetzung steht in den Physikalischen und mathematischen Schriften 4, 81.
5 Zimmermanns Abhandlung im Maistück des Deutschen Museums (I, 452) führt den Titel: „Warnung an Eltern,
Erzieher und Kinderfreunde wegen der Selbstbefleckung, zumal bei ganz jungen Mädchen“. Eine ausführliche Schilderung
des Verfahrens der Onanie bei einer Fünfjährigen schließt hier mit dem Satze (S. 457): »»Die Kinder haben sich
dadurch auch immer sehr sonlaschiert“. Mit Recht sagt Zimmermanns Biograph Ischer (Zimmermanns Leben und Werke
S. 318): „Man begreift heutzutage nicht recht, wie ein derartiger Aufsatz in eine vorwiegend bellettristische Zeit¬
schrift kommt 41 .
6 Wie Dieterich in einem nach Lichtenbergs Tode an seinen überlebenden Bruder Ludwig Christian gerichteten
Briefe erzählt, ist es Schemhagen gewesen, auf dessen Anraten die Veröffentlichung der Schrift gegen Zimmermann
unterblieb und die gedruckten Exemplare des ersten Bogens ausnahmslos vernichtet wurden (Briefe 3, 345).
7 Die an der zitierten Stelle gedruckte, mit M. Unterzeichnete kurze Rezension der Antiphysiognomik ist nicht
von Wieland, wie Lichtenberg glaubte („Herr Hofrat Wieland .... hat mir .... ganz unaufgefordert deswegen alle die Ge¬
rechtigkeit wiederfahren lassen, die ich von einem so einsichtsvollen und unparteiischen Manne verlangen konnte“ Ver¬
mischte Schriften 4, 79 Anm). Lenzens Aufsatz im Novemberstück des Teutschen Merkurs von 1777 (4. 106) trägt
den Titel: „Nachruf zu der im göttingischen Almanach Jahrs 1778 an das Publikum gehaltenen Rede über Physiognomik 4 5 *
Gesammelte Schriften 4, 270 Blei). Lichtenberg hielt, wie aus seiner kurzen Abfertigung in der Antiphysiognomik
Vermischte Schriften 4, 16; vgl. aber auch S. 79) hervorgeht, Zimmermann für den Verfasser; doch steht Lenzens
Autorschaft durch einen Brief Lavaters an Zimmermann fest (Lenz, Gesammelte Schriften 4, 395 )*
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
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einem Mann, gegen den ich nie etwas öffentlich unternommen haben würde, nun grob zu begegnen. Es wird
aber von einem andern geschehen, 1 und zwar so, daß selbst die ernstliche Belehrung ein Ansehen kriegt, als
halte man ihn derselben kaum würdig.
8. October.
Bey der lezten langen Nacht der Juden,* da sie den Gottesdienst in ihren Sterbekleidem verrichten,
wohnte ich demselben eine Stunde lang bey. Die Ceremonien hatten eine sonderbare Würckung auf mich, ich
hätte bald lachen und bald weinen mögen, weil ich aber allein war, so kam es zu keinem von beyden. Unter¬
dessen gerührt hat es mich im gantzen doch. Man hörte die Weiber, die in einer besondem Rauchkammer
saßen, zuweilen schluchzen, als ich nach Hause kam, war mir der Kopf wie umgedreht, und die gantze Nacht
träumte ich und phantasirte ich von diesem Gottesdienst Wenn man so etwas früh genug in der Welt hört, so
ist es kein Wunder, daß es einen hartnäckig dafür einnehmen muß, denn da verliehrt sich das Gefühl für das
lächerliche darin gantz.
1782.
18. Julii.
Unser ehrlicher, alter, eiserner Wagenmeister,* ein Mann von gantz eignem Charackter, der auch des¬
wegen das Glück gehabt hat silhouettirt zu werden, hat sich auf den Postwagen gesezt, der nach der Ewigkeit
hier jezt fast täglich abgeht, und ist würcklich gestern früh abgefahren. Es sollte würcklich kein Posthorn in
Deutschland blasen, diese gantzen 4 Wochen. Denn einen solchen Kerl bekommt das Departement nicht
wieder. Sein Tod hat mich förmlich gerührt.
8. August.
Am Montag war es mir gäntzlich unmöglich Ihnen auch nur eine Sylbe zu schreiben und zwar aus Weh-
muth über den Verlust einer Person, die ich vom n ten Jahre an erzogen und nun fast 3 Jahr bey mir hatte/
Was die Stadt auch von dieser Verbindung gedacht haben mag, so kan ich Ew. Wohlgebohren versichern, daß
mir eine Person von der Sanfftmuth, der Sorgfalt in allen Verrichtungen, der Bescheidenheit, die selbst die
häßlichste geziert haben würde, ob diese gleich von groser Schönheit war, nie vorgekommen ist. Ihre Kranck-
heit war die Rose am Kopf, die vermuthlich durch Unwissenheit unsrer Aerzte zurücktrat, und ihrem Leben in
8 Tagen ein Ende machte. Ich sah die Gefahr voraus, und warnte und bat Ich wurde aber ausgelacht. Sie
wurde 17 Jahr und 39 Tage alt, war die Gesundheit selber und ist nie kranck gewesen, als an den Pocken. Am
Mittewochen, als gestern Morgen wurde sie begraben, und kaum war sie 2 Stunden unter der Erde, so starb
Mamsel Dieterich, 5 ein solches Leidhaus können Sie sich nicht dencken. Die gantze Stadt ist voll davon, daß
* An wen Lichtenberg hier denkt, weiß ich nicht: tatsächlich hat sich öffentlich niemand seiner gegen Zimmer¬
manns beleidigende Angriffe angenommen.
2 Lange Nacht oder langer Tag ist in manchen Gegenden die volkstümliche Bezeichnung des großen jüdischen
Versöhnungsfestes, das am io. Tischri (Anfang Oktober) gefeiert wird.
3 Des „vierschrötigen“ Wagenmeisters Bruns gedenkt Lichtenberg auch in einem späteren Aphorismenbuch (J 83),
wo er sein „viereckiges Gesicht** mit dem seines kleinen Sohnes vergleicht, wenn er weint. Der Witz vom Postwagen
kehrt ohne Beziehung auf Bruns auch in einem Briefe Lichtenbergs an Ebell vom 26. Oktober wieder (Briefe 2, 54):
„Ich hatte auch auf dem großen Postwagen ein Plätzchen bereits bestellt und wäre wirklich hinabgefahren, wenn mich
nicht ein geschickter Praktikus, Dr. Osann, auf der zweiten Station angehalten und wieder zurückgebracht hätte.**
4 Seine seit 1777 datierenden Beziehungen zu der „kleinen Stechardin**, Maria Dorothea Stechard, der Tochter
eines Göttinger Leinewebers, die er zuerst als blumenverkaufendes Kind sah und dann in sein Haus nahm, um sie im
Schreiben und Rechnen zu unterrichten (vgl. Briefe 1, 294) und ihr dann die Pflege seines physikalischen Kabinetts anzu¬
vertrauen, schildert Lichtenberg selbst am eingehendsten in einem rührenden Briefe, den er Anfang des Jahres 1783
seinem alten Schulfreunde Amelung geschrieben hat (ebenda 3, 291). Dort heißt es (S. 292): „Sie blieb von Ostern
1780 an ganz bei mir. Ihre Neigung zu dieser Lebensart war so unbändig, daß sie nicht einmal die Treppe hinunter-
kun, als wenn sie in die Kirche und zum Abendmahl ging; sie war nicht wegzubringen. Wir waren beständig bei¬
sammen. Wenn sie in der Kirche war, so war es mir, als hätte ich meine Augen und alle meine Sinnen weggeschickt.
Mit einem Wort sie war ohne priesterliche Einsegnung (verzeihen Sie mir, bester, liebster Mann, diesen Ausdruck) meine
Frau. Indessen konnte ich diesen Engel, der eine solche Verbindung eingegangen war, nicht ohne die größte Rührung
ansehen. Daß sie mir alles aufgeopfert hatte, ohne vielleicht ganz die Wichtigkeit davon zu fühlen, war mir unerträglich.
Ich nahm sie also mit an Tisch, wenn Freunde bei mir speisten, und gab ihr durchaus die Kleidung, die ihre Lage
erforderte, und liebte sie mit jedem Tage mehr. Meine ernstliche Absicht war, mich mit ihr auch vor der Welt zu
verbinden, woran sie nun nach und nach mich zuweilen zu erinnern anfing.** Ihres traurigen Todes gedenken auch
Briefe Lichtenbergs an Meister und Wolff aus diesen Augusttagen (Briefe 2, 43. 44) und noch in seinen Tagebüchern der
neunziger Jahre ist der Todestag jedesmal durch den meist mit griechischen Lettern geschriebenen Eintrag „Stechardin**
bezeichnet Vgl. auch die Einleitung zu Ebsteins Schrift „Lichtenbergs Mädchen** (München 1907).
5 Über Friederike Dieterichs Krankheit und ihren Tod haben wir einige schöne Trostbriefe Bürgers an den Vater,
mit dem er eng befreundet war (Briefe von und an Bürger 3, 81. 82. 84. 91); Philippine Gatterer hat den trauernden
Eltern ein Trostgedicht gewidmet, das im Göttinger Musenalmanach für 1783 erschien.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
zwey junge und gewiß der schönsten und gesündesten Mädchen die sehr viel auf einander hielten und täglich
3 mal nach einander fragen liesen fast zu gleicher Zeit in die Ewigkeit gegangen sind.
12. August
Die Verwüstungen, die der Tod in unserm Hause angerichtet hat, sind der Gegenstand des allgemeinen
Gesprächs. Hätte mir jemand im Julius gesagt, im August werden 2 Leute von den 42 begraben, die in deinem
Hause wohnen, so hätte ich fürwahr auf diese beyden jungen blühenden Personen zulezt gerathen. Ich bin
einsweilen auf eine andre Etage gezogen, und ich und HErr Dieterich schlafen auf derselben Stube.
5. September.
Ich sehe also doch daß der Tod seinen Charackter noch nicht verändert hat von den Zeiten her, da ihn
Horatz schilderte.
Aequo pulsat pede paupcrum tabemas
Regumque turres . 1
Zu deutsch: Wenn es ihm um einen Besuch zu thun ist, so ist für ihn St. James's* und Schmahlens Laden 3
einerley.
Hier habe ich die Ehre Ew. Wohlgebohren das äußerst gut getroffene Porträt eines Obersächsischen
Original-Kopfe, als ein physiognomisches Räthsel zu übersenden. Wenn Ew. Wohlgebohren Lavaters 4 Quar¬
tanten 4 studirt haben, wie ich daran nicht zweifle, daß Sie dieselben verbotenus auswendig wissen, so werden Sie
an dem Bug der Stirne nicht verkennen das hohe Dichter Genie des künffdgen Sängers der Independentz von
Amerika, und erhabnen Schleichhändler-Talents. Ueber der Nase schwebt sichtbarlich Atmosphäre von
Künstler-Drang und Zweckbohrender steifer Entschlossenheit. Im Auge liegt Flintenschloß Spannung wartend
nur auf den Finger der Gelegenheit, der losdrückt. Gestochen ist schon. Nun was war der Mann?
Ist er ein Erretter seines Volcks?
Oder Volcksdichter?
Oder Schwärmer?
Oder Mörder? oder Longitudinist, oder Cirkulquadrirer, oder Urin- oder Silhouetten Beseher? Karren¬
gefangener oder Professor Philosophiae ?
Die Auflösung liegt in versiegeltem Zettul bey 5 , den ich aber nicht eher zu eröffnen bitte, bis Ew. Wohl¬
gebohren etwas gerathen haben.
9. September.
In der Nacht vom Donnerstag auf den Freytag Morgens um 2 Uhr bin ich endlich so glücklich gewesen
den neuen Planeten 6 zu finden .... Ew. Wohlgebohren können nicht glauben was dieser Anblick für einen
Eindruck auf mich gemacht hat. Ich weiß gewiß, Thaies, Eratosthenes, Aristarch, Tycho, Copemikus, Galiläi und
Newton hätten mir gewiß die Visite in diesen Nächten nicht abgeschlagen, wenn ich sie hätte einladen können.
* Horaz, Oden I, 4, 13 (vorausgeht t pdüida mors “). Diese Stelle seines antiken Lieblingsdichters zitiert Lichten¬
berg sehr häufig.
* Der königliche Palast in London.
3 So hieß nach dem früheren Besitzer Dieterichs Haus, in dem Lichtenberg wohnte (Meiners, Kurze Geschichte
und Beschreibung der Stadt Göttingen S. 133).
4 „Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe“ (Leipzig und Winter-
thor 1775 — 1778 ).
5 Dieser Beischluß enthält folgendes: „Johann Hermann Simmen, vormals Unterofficier in Preußischen Diensten
wurde am vergangenen Freytag den 30. August in einem Städtchen bey Gotha von unten herauf gerädert, nachdem er
9 verschiedener Mordthaten überfuhrt und wegen noch 4 anderer in Verdacht gewesen ist Den letzten Mord begieng
er an seiner Frauen Schwester, deren Kind er, weil es rief, an einem Bein anfaßte und mit dem Kopf gegen den Ofen
schlug und für todt liegen ließ, indessen das Kind kam wieder zu sich mit dem Verlust von einem Auge, welches ihm
aus dem Kopf geflogen, und ist nun im Hospital zu Gotha. Der Hertzog hat ihn zeichnen und auch sein Leben auf¬
zeichnen lassen, welches gedruckt werden wird, bis dahin muß ich wohl die übrigen Nachrichten ruhen lassen, die ich
habe, weil manches in den Sagen zwar ungewiß, aber doch so weit gewiß ist, dfß er einer der grösten Bösewichter
und Mörder gewesen ist, deren man sich erinnert In der Silhouette sieht er aus wie der seelige Wagenmeister.“ Den¬
selben Scherz wie mit Schemhagen machte sich Lichtenberg auch mit Meister: das undatierte Billett an ihn, in dem er
um eine physiognomische Beurteilung von Simmens Kopf mit ganz ähnlichen Wendungen wie hier bittet (lichtenbergs
Mädchen S. 55), und die der unsrigen fast gleichlautende Aufklärung (ebenda S. 57) dürften daher wohl gleichfalls
in die ersten Septembertage 1782 zu setzen sein. Über den seligen Wagenmeister vgl. oben S. 87 Anm. 3.
6 Den Uranus, den als damals sonnenfemsten Planeten Herschel am 13. März 1781 entdeckt hatte. An Wolff
schreibt Lichtenberg am 12. September (Briefe 2, 48): „Nunmehr haben meine Augen auch den neuen Planeten gesehen,
ich habe ihn dreimal observiert. Was dieses für ein Dezennium ist! Man schmilzt Uhrfedern durch Elektrizität, man
macht in England Gold, findet einen neuen Planeten und Bergschütz verbreitet das Licht der Metallschmelzung im
Hannoverschen!“
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Leitemann, Neues von Lichtenberg.
89
16. September.
Simmen ist ein rechter Probierstein für die Physiognomen. Hier sagte jemand die Stirne verrathe einen
Dichter. Es ist sehr lustig. Einer hielte ihn gar für einen Herrnhuter. Ich fragte wo das Zeichen des Lammes
wäre, er sagte hinten im Nacken und in dem seidenen sich einschmiegenden Haar. Ew. Wohlgebohren solten
nur die Silhouette sehen, die ist noch viel ehrbarer, denn da fallen die langen Nasen Flügel weg und die Ober¬
lippe scheint im Schatten nahe an der Spitze der Nase zu liegen.
26. September.
Das sieht freylich dem Erz-Lufft Selchow 1 ähnlich. ... So viel ist gewiß, er ist ein unermüdeter Mann
und von vortrefflichem Kopf, aber das erste Beyspiel in der Welt das mir bekannt geworden ist von einer
Person die grose Kenn miß mit einem Grad von Windbeuteley verbindet, der glaube ich nur alle. 100 Jahr ge¬
sehen wird. Seine Lügen und Prahlereyen sind unerhört, und er spricht sogar von seinen Verdiensten mit
seinem Barbier. Der Pursche rasirt mich auch und der hat es mir wieder erzählt, daß er ihm gesagt hätte es
wäre ihm unmöglich es unter den Hotentotten, den hiesigen Professoren, auszuhalten; er habe schon 30 Vocationen
gehabt, als Reichshofrath, als Cammergerichtsassessor, als Minister pp., ich sagte ich hätte gehört, daß er auch
kürtzlich eben Ruf erhalten hätte, an die Stelle des ertrunckenen Admiral Kempenfeldt Wenn er dieses wieder
erfahrt, so werde ich es bekommen.
Es war mir ebe wahre Freude zu vernehmen, daß HErr Herschel* mehr Ruhe auf des Königs Obser-
vatorio erhalten wird. Demabbray 3 ist todt, nachdem glaube ich sebe Seele schon 50 Jahre von ihm gewichen
war. Ich hoffe auch HErr Herschel wird den bfamen Rigaud 4 die Observatoriums-Uhle 5 (denn er verstund
nichts als Spbneweben abwischen) verdrängt haben. Nichts schmerzt mich mehr, als daß ich dem nichts¬
würdigen Franzosen nicht die Wahrheit gesagt habe. Ich habe würcklich von ihm ausgestanden. Auf des
Königs Observatorio ereignet sich also diesesmal etwas, was man manchen Thronen von Europa b der Litaney
zu erbitten suchen solte, daß nemlich eb gescheuter Mann ebem Hasenfuß succedirt
3. October.
Ich mache selten Sbngedichte 6 . allem bey Selchows Ruf konte ich es nicht unterlassen.
Frage und Antwort bey einer neu liehen Vocation.
Frage: Warum mag der Landgraf den Mann wohl vociren?
Antwort: Sebe Grotte des Aeolus auszustaffiren .7
Es ist nemlich ebe solche Grotte auf dem weisen Stern.® Vielleicht könte es nicht schaden die lectionem
variantem hbzuzufügen die Männer vociren ? und den HErrn Hof Rath und Leibarzt Baldbger? auch noch mit
hereinzubrbgen.
x Johann Heinrich Christian von Selchow (1732—9$), Professor der Jurisprudenz b Göttingen, folgte 1782
ebem Rnf als Geheimer Rat und Vizekanzler an die Universität Marburg.
* Friedrich Wilhelm Herschel (1738 —1822), der berühmte Astronom, erhielt nach der Entdeckung des Uranus, den
er nach König Georg III. von England Georgium sidus genannt hatte, von diesem eben Jahresgehalt, der es ihm
ermöglichte, sebe Organistenstelle b Bath aufzugeben und sich ganz der Sternkunde zu widmen; er zog zunächst nach
Datchet bei Windsor. An den königlichen Sternwarten b Greenwich und Kew ist er nicht angestellt gewesen.
r
3 Stephen Charles Triboudet Demabbray (1710—82), Astronom b Richmond
4 Stephen Louis Rigaud, Direktor der Sternwarte in Kew.
5 Uhle ■= langer Besen.
6 Die b den Göttinger Musenalmanachen für 1784, 1785 und 1787 erschienenen Sinngedichte Lichtenbergs sind
bei Lanchert, Lichtenbergs schriftstellerische Tätigkeit S. 186. 190 zusammen wieder abgedruckt worden, einige weitere
bis dahb unbekannte habe ich Aus Lichtenbergs Nachlaß S. 121. 128. 129 veröffentlicht
7 Vielleicht bezieht sich auf dies Epigramm, falls es unter denen war, die Lichtenberg Anfang Oktober an
Dieterich schickte (Briefe 2, 49), Bürgers Urteil b sebem Briefe an Dieterich vom 12. Oktober (Briefe von und an
Bürger 3, 98): „Ist mir kürzlich recht wahres Epigrammensalz vor die Nase gekommen, so sbd es die beiden Lichten-
bergischen Einf älle. Ach, daß er doch nicht mehr dergleichen giebtt Denn sie kommen ihm wahrlich nicht saurer als
das Ausspncken an und so oft er des Tags ausspuckt, so viel hat er auch solcher Ebfalle.'*
8 Weißensteb hieß damals das jetzige Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel.
9 Ernst Gottfried Baidinger (1738—1804), Professor der Medizb b Göttingen, war 1782 ebem Ruf als Hofrat
nnd erster Leibarzt des Landgrafen nach Kassel gefolgt. Er und sebe Familie hatten zu Lichtenbergs und Dieterichs
Göttbger Freundeskreise gehört.
Z. f. B. 1912,1913. 12
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90
Leitzmann, Neues von Lichtenberg.
io. October.
Ew. Wohlgebohren werden mit Vergnügen gesehen haben was die schwimmenden Batterien ausgerichtet
haben. 1 Diese Batterien sind sehr offt der Gegenstand sehr emsthaffter Unterredungen zwischen mir und HErm
Prof. Meister* gewesen, und wir haben alles das vorausgesehn; denn HErr Prof Meister hat gewiß alles ge¬
lesen, was dahin gehört, und vollkommen inne, was nöthig ist ein solches Unternehmen zu beurtheilen. Es mag
jetzt lächerlich klingen, aber versichern kan ich Ew. Wohlgebohren, daß wir das alles voraus gemuthmaset
haben. Wir haben hier so ziemlich deutliche Ideen von Gibraltar und ich wolte wohl ein Publikum über dessen
Festigkeit lesen, seit dem ich einen vortrefflichen Plan davon in Händen gehabt habe.
14. October.
Sie haben wohl recht, die schwimmenden Batterien sind leider gesuncken, und der Verlust soll dem von
15 Kriegsschiffen gleichen, das ist ohngefehr so viel Geld, als Göttingen werth ist; die Leute nicht gerechnet,
die Arme und Beine verlohren haben; und das um eines solchen Steinfelsens willen, Ich glaube immer, wenn
der seelig wird, der so etwas angiebt oder auszuführen erlaubt, so wird der Teufel seelig. Es ist abscheulig was
sich die Menschen mißbrauchen lassen, und ich glaube daß diese Erscheinungen in klügeren Zeiten, wenn sie
je kommen, eben so aussehen werden, als daß sich in Indien die Weiber mit ihren verstorbenen Männern ver¬
brennen lassen. Es ist eine unbegreifliche Thorheit, die nur durch die Gewohnheit erträglich wird.-Die
Geschichte mit den sinckenden Batterien haben wir hier längst voraus gesehen. Es ist eine schimpfliche Be¬
gebenheit für die Franzosen, die nicht einem Unglück sondern der schändlich schlechten und mit grober Un¬
wissenheit veranstalteten Einrichtung zuzuschreiben ist
17. October.
Man redet hier sehr viel von einem Ausfall des Elliot, der ebenfalls sehr übel für die Belagerer ausge¬
fallen seyn soll. Ich habe nun eine Abbildung der sinckenden Batterien gesehen. Es sind abscheulige Dinger,
und es macht dem frantzösischen Genie, worunter ich hier blos die Ingenieurkunst verstehe, wenig Ehre daß
das Unglück nicht sowohl besonderen Umständen, als vielmehr der schlechten Erfindung zugeschrieben werden
muß. Die armen Tröpfe haben ebenfalls die gute Würckung, die ihre Batterien in den ersten Stunden hatten,
sehr falsch erklärt, und nicht gemerckt, daß sie Elliot blos gewähren ließ, so lange bis alle fest saßen, denn hätte
er die ersten gleich in Brand gesteckt, so wären die andern nicht gekommen. Dieses ist ein sehr gemeiner Griff
bey Belagerungen, allein man sucht jezt frantzösischer Seits alles hervor um die Wunde zu salben, und weiß es
vielleicht im Hertzen selbst besser. Mich verlangt nur jezt auf die englischen Nachrichten, da die Franzosen
eben so wenig getreue Erzähler ihres Unglücks als ihrer Vortheile sind.
Gestern war die Landgräfin von Cassel hier. HErr Selchow courte in Hessischer Uniform, grün mit roth,
und er und sein Bedienter giengen Chapeau bas , wie ein Zahnarzt und sein Affen-Träger.* Es ist ein abscheu¬
licher Mensch. Dietrich behauptet noch immer steif und fest, er gienge nicht weg, und ich solte es fast auch
nicht glauben. Er kan hier nicht weg, wegen Schulden, und wird also vielleicht dort Bedingungen von Vorschuß
machen, die man nicht eingehen wird. Von Baidinger ist mir im Vertrauen gesagt worden, daß er schon Lust
bezeigt habe, Professor in Marburg zu werden, das ist sehr böse, und daß man ihm die Reue von hier wegge¬
gangen zu seyn anmercken könne, das ist sehr gut.
21. October.
Dencken Sie ums Himmels willen, HErr Lavater hat sein Urtheil über Hermann Simmens Kopf gegeben
und dieses Urtheil ist gedruckt. Er hält ihn für einen grosen Mann , aber vermißt innere Liebe bey ihm, und
sezt hinzu: darff ichs wagen zu sagen, daß er vielleicht der Stiffter einer mir unbekannten Religiösen Seckte ist?
Der Herausgeber von Simmens Leben ist ein gewisser HErr Stuß 4 , ein einfältiger Pinsel, der würcklich in dem
Manne alles findet, was Lavater will, dencken Sie nur hin. Gut ists, daß diese Einfalt ihn verleitet hat uns
Lavaters Urtheil im Druck zu liefern. Etwas muß indessen von meiner ehmaligen Nachricht subtrahirt werden.
Sie war nicht von meinem Bruder 5 , der ist ein solcher antiphysiognomischer Misanthrope, daß ich nichts von
* Die berühmte Belagerung von Gibraltar, das General Elliot verteidigte, dauerte von 1779—82. Im April und
Mai 1781 beschossen die Belagerer die Stadt mit über 56000 Kugeln und über 20000 Bomben, die vielen Schaden
anrichteten, aber die Festungswerke fast unversehrt ließen. 1782 hatten die Spanier in Algeciras bombenfeste
schwimmende Batterien nach dem Plane des französischen Ingenieurs d’Arcon errichtet, die aber von den Engländern in
Brand geschossen wurden. Trotzdem eröffnete der Befehlshaber des französischen Hilfskorps, der Herzog von Crillon,
am 7. September einen Sturmangriff, der jedoch erfolglos war. Trotz aller zu Wasser und zu Lande herangezogenen
Streitkräfte mußte die Belagerung Ende Oktober aufgehoben werden und Gibraltar blieb in englischen Händen.
* Albrecht Ludwig Friedrich Meister (1724—88), Mathematiker, Professor der Philosophie in Göttingen, Lichten-
bergs alter Lehrer und Freund. Eine Reihe Briefe Lichtenbergs an ihn hat neuerdings Ebstein in seiner Schrift
„Lichtenbergs Mädchen“ (München 1907) herausgegeben.
3 Träger des Instrumentenkastens?
4 Die Schrift von Stuß „Über den hingerichteten Mörder Simmen“ erschien ohne den Namen des Verfassers
Gotha 1782.
5 Lichtenbergs Bruder Ludwig Christian (1739—1812) war Legationsrat in Gotha.
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Hünich, Neue Goetheana.
9i
ihm hierüber erfahre. Gerichtlich sind eigentlich nur 3 Mordthaten erwiesen, die er an einem Abend verübt
hat, sonst aber hat er sich in müßigen Stunden verlauten lassen, daß er mehrere mit dem Messer tracktirt
habe, daher entstund das sehr glaubwürdige Gerücht, der empfindsame Hasenfuß macht sich aber dieses
zu Nutz.
28. October.
Mit Baldingem soll es äußerst elend stehn. Das ist der Lohn für die Leute, die keine Liebe für eine Uni¬
versität haben, wo sie einmal waren. Ein rechtschaffener Mann verläßt keine Stelle um etwas fetter schmeltzen
zu können. So etwas ist die Fracht nicht werth.
31. October.
Es sind doch wahrlich herrliche Leute die Frantzosen, ich liebe sie fürwahr, nur den Vergennes, 1
d’Estaing*, Graf von Artois 3 und dann No. XV auf dem Thron* nicht.
(Fortsetznng folgt.)
Neue Goetheana.
Von
Dr. Fritz Adolf Hünich in Leipzig.
N eue Beiträge zum Kapitel: Goethe im Urteile seiner Zeitgenossen kann ich in den
folgenden Mitteilungen liefern.
1. Einen Aufsatz „Ueber die weiblichen Charaktere in dem deutschen Trauerspiele,
Göz von Berlichingen, mit der eisernen Hand“ brachte „Die Akademie der Grazien . Eine
Wochenschrift zur Unterhaltung des schönen Geschlechts. Erster Theil. HALLE, bey J. J.
Gebauers Witwe und Joh. Jac. Gebauer. 1774“ im 18. und 19. Stück von Seite 273—304.
Er ist eine Abwehr der Behauptung des Rezensenten im „Teutschen Merkur“, wonach die
Charaktere der Frauenzimmer dem Verfasser weniger geglückt seien, als die männlichen (Braun,
„Goethe im Urtheile seiner Zeitgenossen“, Erster Band, Seite 19) und eine Begründung der
entgegengesetzten Ansicht durch Belege aus dem Schauspiel. Ich gebe hier die abweichende
Charakteristik der Elisabeth und Maria, wie auch die im wesentlichen übereinstimmende der
Adelheid wieder.
„Elisabeth ist, wie sie Göz selbst gegen den Bruder Martin nennt, „ein fürtrefliches Weib“. Sie besitzt
gerade die Eigenschaften, die sich zu dem Charakter eines so muthigen, rastlosen, jeder Gefahr trotzenden und
doch dabey großmüthigen und patriotischen Krie-[275]gers schicken. Sie ist von gesetzter Gemüthsart, voll von
zärtlicher Liebe für ihren Gemal, und doch nicht so weichlich, daß sie sich nicht seiner Tapferkeit freuen sollte,
wenn sie auch darüber seiner entbehren muß. Ihre Liebe ist auf wahre und dauerhafte Grundsätze weit mehr
als auf Empfindung gebauet. Daher zeigt sie sich nicht in tändelnden oder girrenden Liebkosungen, sondern
in wirklichen Thaten. Man sieht es, daß sie das Unglück ihres Gemals mehr schmerzt, weil Er, als weil sie zu¬
gleich mit unglücklich wird; auch macht ihr alles übrige Unglück weit weniger Bekümmemiß, als die Kränkung
der Ehre, welche Berlichingen erfahren muß. Man kan sich, glaub ich, keinen bessern Charakter für die Frau
eines Helden, wie Berlichingen war, denken, als den Charakter dieser Elisabeth.
x Charles Gravier Graf von Vergennes (1717—87), Minister des Auswärtigen unter Ludwig XVI., schloß 1778 den
Allianztraktat Frankreichs mit den Vereinigten Staaten und vereitelte 1779 mit Friedrich dem Großen Josefs II. Ab¬
sichten auf Bayern.
* Charles Hector Graf d’Estaing (1729—94) befehligte die französische Flotte im amerikanischen Unabhängig¬
keitskriege.
3 Der spätere König Karl X. von Frankreich (1757—1836), Bruder Ludwigs XVT. und XVIII., der geistig ziem¬
lich beschränkt und durch die frivole Atmosphäre am Hofe seines Großvaters Ludwig XV. verdorben worden war.
4 König Ludwig XV. (1715—74-)-
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92
Hünich, Neue Goetheana.
Marie hat ein natürlich gutes Herz; das jedem Eindrücke von Zärtlichkeit nachgiebt; aber es fehlt ihr
dabey an der feinen Klugheit des Verstandes, die eine ächte tugendhafte Liebe, von der vorübergehenden
Leidenschaft eines empfindsamen Bösewichts, zu unterscheiden weiß. Wie sie leicht bewegt wird, so vergehn
auch die Spuren des Unglücks in ihrem Herzen sehr bald, wenn eine andre Ursach in ihm eine neue Be¬
wegung hervorbringt. Stärke der Seele besitzt sie nicht; allem bey aller Beweglichkeit ihres Herzens ist sie
doch nur für moralische Güte empfindlich. Mit einem Worte, sie ist nicht unwürdig Gözens Schwester zu seyn;
aber seine Gemalin zu seyn, hätte sie zu wenig von seinem Geiste gehabt
Adelheid trägt in ihrem schönen Körper eine schwarze Seele. Sie ist stolz, herrschsüchtig, boshaft, [304]
voll Ränke, treulos und falsch. Sie zieht Weislingen in ihr Netz, nicht weil sie ihn liebt, sondern weil sie ihn zu
ihren Absichten zu brauchen gedenkt Mit geflissentlicher Verschlagenheit, weiß sie den Weislingen in die Enge
zu treiben; ihm die Ritterpflicht lächerlich zu machen; ihm Gleichgültigkeit, Kaltsinn, Verachtung, und endlich
Feindschaft gegen Berlichingen, seinen besten Freund, einzuflössen. Unterdessen fangt sie an einen Brief¬
wechsel mit dem kaiserlichen Prinzen Karl zu unterhalten. Sie braucht Weislingens Pagen, den Franz, zum
Unterhändler. Dieser ist heftig in sie verliebt, und sie macht ihm Hoffnung. Sie zeigt sich überall als eine ver¬
schmitzte Buhlerin, bis sie endlich, da Weislingen aus Eifersucht, sie gern vom Hofe wegziehn will, und weil
Bitten nichts verfangen, ernsthafte Vorstellungen braucht, das Maaß ihrer Bosheit voll macht, und Weislingen
durch seinen Knaben mit Gift vergeben läßt. In den Scenen, wo sie vorkömmt, entwickelt sich ihr Charakter
sehr natürlich.'*
Über „Götz“ und seine Nachfolge schreibt Knigge („Ueber Schriftsteller und Schrift-
stellerey. Hannover, bey Christian Ritscher, 1793.“ Seite 242—243):
„Während der Zeit, da die Anglomanie unser Publicum ergriffen hatte, erweckte Göthens Götz von
Berlichingen bey den Dichterlein unsrer Nation den Kitzel, altteutsche Geschichten, besonders aus dem mittlem
Zeitalter, auf die Bühne zu bringen. Göthe hatte seinen Götz offenbar nicht in der Absicht geschrieben, daß er
aufgefuhrt werden sollte; als dramatisch bearbeitete Geschichte zum Lesen aber war es ein Meisterstück, voll
Darstellung, Kraft und Interesse. Allein, wie es denn den Nachahmern geht, es war leichter, Schauspiele zu
schreiben, die an Unregelmäßigkeit jenem Stücke gleichkamen, ja! es darinn übertrafen, als mit Göthens
Geiste aus einem so rauhen Stoffe ein theatralisches gutes Product für unser Zeitalter zu bereiten; und so er¬
schienen dann alle die unzähligen Ritter- und Spectakel-Stücke, womit wir seit einer Reyhe von Jahren sind
beimglückt worden. Mein Widerwülen gegen diese Misgeburten ist größer, wie ich ihn zu schildern im Stande
bin. Welchen Genuß, welchen Nutzen, welches sittliche Vergnügen kann wohl einem Volke, das auf einer so
hohen Stufte von Cultur steht, wie das teutsche, [243] durch die Vorstellung solcher Scenen aus den Zeiten des
Faustrechts, aus den finstern Jahrhunderten erwachsen, in welchen Pfaflferey, Adels-Vorurtheile, falsche Begriffe
von Ehre und überall plumpe Rohheit herrschend waren? Und dabey noch die Ungeschicklichkeit in Anschlag
gebracht, mit welcher die Herrn ein solches Süjet bearbeiten, ohne Einheit des Plans, welches auch der un¬
glücklich gewählte Stoff oft gar nicht gestattet; ein verwirrtes Durcheinanderlaufen einer unzähligen Menge un¬
bedeutender Personen! Und die Sprache, welche diese Menschen reden, die dann mehrentheils ein abge¬
schmackter Mischmasch von altem Ritter-Jargon und moderner Conversationssprache istl Ueberlegt man nun
noch dabey, wie lächerlich es herauskommt, wenn auf unsera kleinen Theatern Belagerungen, Turniere,
Fürsten-Versammlungen und dergleichen vorgestellt werden; so ist nicht abzusehn, wie Menschen von gesunder
Vernunft an Schauspielen von der Art Geschmack finden, wie sogar diese Armseligkeiten die bessern regel¬
mäßigen Schauspiele und die altem Meisterwerke haben verdrängen können."
Wenig anders äußert sich /. H. v. Wassenberg („Ueber den sittlichen Einfluß der
Schaubühne. Zweite, sehr vermehrte und verbesserte Ausgabe. Konstanz, bei W. Wallis. 1825.“
Seite 99):
„Die sogenannten Ritterspiele sind gewöhnlich nichts weniger, als Schulen der Urbanität. [Anmerkung:]
Wie weit steht Courtoisie noch hinter Urbanität / Wie viele haben jene ohne diese / Wie viele prunken sogar
mit schlecht bemäntelter Roheit! Selbst an Göthe’s Götz von Berlichingen, diesem sonst anziehenden Sitten¬
gemälde, klebt diese[r] Makel."
2. Eine längere Analyse des „Clavigo“ enthalten A. Chr. Kaysers „Skizzen und kleine Ge¬
schichten. Von dem Verfasser der Adolfs gesammleten Briefe. Leipzig in der Weygandschen
Buchhandlung. 178a“ von Seite 83—93. An sich von geringer Bedeutung, gewinnt sie doch
dadurch an Wert, daß der Verfasser sich auf eine ebenfalls bisher unbekannte Anzeige in den
„Bairischen Beyträgen zur schönen und nüzlichen Litteratur“ bezieht, die nach dem mitgeteilten
Auszug wertvoller als seine eigene Betrachtung zu sein scheint und hiermit also zu weiterer
Nachforschung preisgegeben sei
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Hünich, Neue Goetheana.
93
3. Ein auffällig absprechendes Urteil über „Egmont“ fällt /. H. v. Wessettberg a. a. O.
Seite 21—25, nachdem er die Wirkung des „sublimirten, feinen Giftes“ von Kotzebues Dichtungen
gezeigt hat:
„Noch weit schmerzlicher ist es jedoch für den biedern Deutschen, wenn sein genialer Lieblings-Dichter,
wenn Göthe seinem Helden für Recht, Wahrheit und Tugend unvermerkt mit einer seltsam holden Natürlich¬
keit die Lorbeeren vom Haupte pflückt und sie gegen Rosen von Paphos austauscht Wie erbärmlich figurirt
sein Egmont mit der Liebe zu dem Bürgermädchen Klara, die noch dazu neben ihm einen andern Liebhaber
hat, in dem Augenbücke, wo sein Volk ihn zur Befreiung von einer unerträglich gewordenen Tyrannei aufruft!
Diese Darstellung ist in einem historischen Stücke umso auffallender, als sie in der Geschichte keinen Fuß hat,
sondern reine Erfindung des [22] Dichters ist. Wozu diese Erniedrigung des Helden, der aufrichtig die Frei¬
heiten seines Vaterlandes zu erhalten wünschte? Der Dichter möchte zwar durch den Kontrast zwischen der
unerschrockenen und unbedingten Hingebung des Mädchens für den von ihr geliebten Helden im Moment,
wo seine Hinrichtung beschlossen scheint, mit dem zaghaften, unthätigen Kaltsinn der durch Alba einge¬
schüchterten Bürger von Brüssel, die ihn sonst und noch kurz zuvor als ihren Abgott feierten, das Interesse für
Egmont erhöhen. Aber dient die Liebeständelei mit dem Bürgermädchen, die in Göthe’s Drama den [An¬
merkung:] Mit einer Pfalzgräfin am Rhein glückÜch verehlichten Egmont, den Vater vieler Kinder, in dem
Zeitpunkt der höchsten Krise des belgischen Freiheitskampfes so unheldenmäßig beschäftigt, dem Kaltsinn der
Bürgerschaft von Brüssel nach seiner Festnehmung durch Alba nicht vielmehr zu einer Entschuldigung? — Der
Dichter nimmt seinem Helden Gemahlin und Kinder, und dem Zuschauer das rührende Bild eines Vaters, eines
Hebenden Gemahls, das so trefflich hätte benutzt werden [23] können, um seinen Charakter zu heben, und
Theilnahme für ihn zu erregen. Dafür legt er ihn in den Schoos der Geliebten eines braven Bürgersohns, dessen
Glück dadurch zerstört wird. Und macht verbotene Geschlechtsneigung, als Triebfeder des Besten und Edel¬
sten dargestellt, nicht dieses selbst verdächtig, indem es darauf ein zweideutiges Licht wirft? Noch unge¬
ziemender ist, daß der Dichter das inzwischen am freiwillig genommenen Gift gestorbene Klärchen dem Eg¬
mont in der letzten Nacht vor seiner Hinrichtung im Traum erscheinen läßt, um ihm den künftigen Triumph
der Sache der Freiheit, für die er sterben soll, zu verkünden. Oder soll etwa Klärchens verklärte Erscheinung
in der Gestalt der Freiheit das PubUkum dafür entschädigen, daß die Scene, wo der Held der Freiheit in
Klärchens Schoos ruhte und tändelte, den Enthusiasmus für ihn so unschicklich abgekühlt hat? — Dann wäre
die Entschädigung beinahe noch ärger als der Schaden. — Warum legt denn der Dichter Schwäche über
Schwäche seinem Helden bei, sowohl in seinem Benehmen als in seinen Reden? Warum läßt er ihm nicht ein¬
mal so viel Größe und Emst, als nöthig wäre, um den vielen Menschlichkeiten [24] das Interesse zu verschaffen,
das die sogenannte Humanität an hochstehenden Personen einzuflößen pflegt? Durch welche strahlende That,
durch welches große Verdienst erwirbt sich der Göthesche Egmont ein Recht auf Nachsicht? Von seinen Ver¬
diensten wird auf der Bühne nichts kund, als blos vom Hörensagen; seine Schwachheiten hingegen sehen wir
mit unsem Augen. Alles weiset auf diesen Egmont hin, als auf die letzte Stütze der Nation, und was thut er
eigentHch Großes, um ein so ehrenvolles Vertrauen zu rechtfertigen? . . Auch die so ernste Aufforderung Wü-
helms von Oranien weckt bei ihm keinen andern Gedanken, als nach Zerstreuung beim Liebchen, um die
sinnenden Runzeln von seiner Stirn wegzubaden. — [Anmerkung:] Vgl. Fr. Schiller über Göthds Egmont , in den
kleinem prosaischen Schriften. Leipzig 1802 . IV. 24g — 267 .
O wie wäre doch dieser Egmont mit seinem Klärchen, dieser Held ohne Größe, Würde und Anstand zu
Athen ausgezischt worden 1 . . . Bei den Griechen fand es scharfe Rüge, wenn der Charakter selbst nur einer
untergeordneten Person [25] auf der Bühne befleckt wurde, ohne daß der Dichter durchaus dazu genöthigt war.
[Anmerkung:] Aristot. Poetik c. ij. Am wenigsten war es aber erlaubt, die Denkart und Sitten der Helden selbst
herabzusetzen. Wie sehr ward es dem Euripides nicht verargt, als er die von schändücher Liebe zu ihrem
Stiefsohn Hypolytus entbrannte Phädra aufe Theater brachte! Man hielt es für gefahrUch dem Laster die Unter¬
stützung großer Beispiele zu leihen. [Anmerkung:] Des Aristoph . Frösche v. 1052: „ Bergen muß , wer ein
Dichter ist, das Bösartige, nicht hervorziehen, noch zur Schau stellen dem Volk . Denn sieh, unmündige Knäb-
lein zu verständigen, sind Lehrmeister bestellt; den Erwachsenen aber die Dichter\ u Der rauschende Beifall,
den Dramen im Geiste von Göthe’s Egmont bei uns erhielten, bezeugt nur eine gewisse Sympathie in der Denk-
und Empfindungsweise der Zeitgenossen und des Dichters, oder vielmehr seiner Helden.'*
4. Bemerkenswerte Äußerungen über „Torquato Tasso“ finden sich in den „Satyren und
Launen die Zeit beachtend. Von Julius von Voß. Erstes — Zweites Bändchen. Breslau 1813.
Kunst und Industrie-Comptoir. (Joseph Max und Comp.)“ Es heißt da im ersten Bändchen
Seite 167 f.:
„Neulich gab es daselbst [in Berlin] einen kritischen Spaß. Torquato Tasso wurde gegeben. Nun, jubelte
ein Rezensent, ist der junge Morgen eines edlen Kunstsinns endlich angebrochen. Die vorige Generation war
einer solchen Darstellung nicht werth, verstand sich nicht darauf, doch Heil der Kirnst, sie Hegt im Grabe.
Weil demungeachtet aber die Zeitgenossen nicht häufig sich einfanden, und manche darunter vermeinten, das
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94
Hünich, Neue Goetheana.
Stück habe ein schon seit dreißig Jahren anerkanntes, hohes poetisches, doch ein nur geringes dramatisches
Verdienst, also, daß Torquato Tasso bald wie-[i68]der zur Ruhe ging, so ist der jetzt lebenden Generation
zu Berlin, falls sie jenem Rezensenten huldigen will, nichts anderes zu rathen, als daß sie — ihn selbst und seine
ähnlich empfindende Freunde ausgenommen — sich aufhängt, und einem kunstsinnigeren Geschlechte Platz
macht. Der Thiergarten wird eben Bäume genug dazu enthalten.“
Im zweiten Bändchen Seite 138:
„. ... ist doch auch, obgleich schon dreißig Jahre seit seiner Verfertigung entflohen sind, in der großen
Stadt Berlin, nur erst ein einziger hoher Geist zu finden, der das Schöne in Göthens Tasso so recht begreift, wie
man's begreifen muß. Die andern 180000 können es immer noch nicht wegkriegen.“
5. Aus I. H . v. Wessenbergs Versuch „Ueber den sittlichen Einfluß der Romane“ (Con-
stanz bei W. Wallis. 1826) sind zwei Urteile über „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ heranzuziehen:
Seite 142f.: „Wer die Unarten und Bizarrerien einer Gesellschaft wandernder Schauspieler und ihr phan¬
tastisches Treiben will kennen lernen, der lese mit einem Rückblick auf die frühem Schilderungen des Le Sage
den ersten Theü von Wilhelm Meisters Lehrjahren. Es ist ein Gemälde von Meisterhand, zu welchem dieser
Roman noch manche köstliche Seitenstücke aufstellt, die jedoch nur derjenige ganz zu würdigen versteht, der
die hohem Stufen der Ausbildung schon erstiegen hat Ueber das Gebiet des [143] Schönen verbreitet die eben
so sehr didaktische als erzählende Dichtung Blitze des Genie’s.“
Seite 150f.: „Auch Göthe [wie Walter Scott] scheut in seinem Wilhelm Meister den Reiz des Geheimniß-
vollen nicht. Er gebraucht ihn aber mit vielem Scharfsinn, nur als untergeord-[i5i]netes Mittel, — ob jedoch
zu einem hohem Ziel, als einer inner den Schranken der Sinnlichkeit sich bildenden Weisheit? darüber läßt
uns der Dichter ungewiß. Das große Räthsel in des Menschen Brust zu lösen — diese Aufgabe schien ihm
wohl zu hoch. Doch scheint er mancherlei Schlüssel zu diesem Behuf zu probieren.“
6. In diesem Zusammenhang darf ich wohl auf meine Bekanntmachung der „Fragmente
über Recensenten-Unfug“ von Kotzebue (Seite 147 des Beiblattes vom II. Jahrgang dieser
Zeitschrift) mit ihren offenen und versteckten Ausfällen gegen Goethe hinweisen, wozu ich
um so mehr Recht zu haben glaube, als der neueste Bearbeiter des Themas*. Goethe und
August von Kotzebue, Gerhard Stenger, in seiner Darstellung (22. Band der „Breslauer Bei¬
träge zur Literaturgeschichte“) der Bezüge mit keinem Worte gedacht hat.
7. In jedem Betracht merkwürdig und als das Erheblichste des von mir hier Beige¬
brachten erscheint mir, was I. H. v. Wesscnbcrg auf Seite 75—78 seines Versuchs „Ueber
den sittlichen Einfluß der Schaubühne“ von „Faust“ sagt:
„Die Sage von Doktor Faust ist mehrmal [Anmerkung:] Von Maler Müller, von Klinger und Andern;
aber wenig befriedigend. Ueber Müllers und Klingers Faust enthält Treffendes Franz Horn: Die Poesie und
Beredsamkeit der Deutschen. Berlin 1824. III. 303 und 312. Jetzt , heißt es, wollen Maria v. Weber und
Rossini sich für die Oper auch an dem Faust versuchen. Ueber Klingemanns Faust , für die [76] Bühne
bearbeitet , lese man ihn selbst in Kunst und Natur. 1819. I. 23 fg. [76] für die Bühne bearbeitet worden. Sie
ist aber für sie weniger geeignet, als für das dialogisirende und erzählende Lehrgedicht. An Schauerlichem ist
die Sage allerdings reich. Aber was soll der Teufel auf der Bühne? — Von Göthe’s Faust kann hier nur in so
ferne die Rede seyn, als der Geist dieses alle Schranken kühn überfliegenden Drama’s auf manche Werke, die
die Bühne betreten, Einfluß erhielt. Geist und Herz allen Lockungen zur Verirrung und zum Bösen blosgestellt
und ihnen unterliegend, dies ist der Gegenstand des Stücks. Alles, was darin vorgeht, entsteigt dem Abgrund
der finstern Mächte. Mephistopheles (das böse Prinzip) herrscht darin mit Allgewalt. Die Züge satanischer
Virtuosität und menschlicher Schwäche sind mit Witz und Scharfsinn meisterhaft gezeichnet, und neben ein¬
ander gestellt Aber dies ist auch Alles. Von einer Erhebung des guten Prinzips über das böse, von der
bessern, höhern Kraft im Menschen, von der Macht seines Willens, von seiner Verwandschaft mit Gott zeigen
sich nur zuweüen leise [77] Spuren; aber gleich werden sie wieder verwischt. Daher schreibt eine geistreiche
Frau: [Anmerkung:] Mad. de Stael-Holstein de IAllemagne. T. I. ch. 23. p. 487. „Die ganze Schöpfung er¬
scheint hier als ein schlechtes Werk, zu dessen Zensor der Teufel sich aufwirft.“ Uebrigens sind die Erbärm¬
lichkeiten der Zeitgenossen darin mit treuer Wahrheit abgespiegelt. Schade, daß das Gute, Wahre und Rechte
darin nirgend mit wahrem Emst in Schutz genommen wird! Indessen wird der tiefer Forschende im Faust
eine Bestätigung finden, daß alles Wissen und alle Kultur bei völligem Mangel an Demuth und Glauben zu
nichts führe, als allen Täuschungen des Geistes der Lüge zu überliefern. — Wird Beaumarchais Hochzeit des
Figaro als Seitenstück zu Göthe’s Faust betrachtet; so muß freÜich dieser auch in sittlicher Hinsicht sehr ge¬
winnen. Selbst in der Heimath der Frivolität, die bis zur ruchlosen, abgefeimten, alles Heilige und Edle kalt
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Hünich, Neue Goetheana.
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verhöhnenden Schlechtigkeit ausartet, ist Nichts erschienen, das diese arge, gleißende Verruchtheit mit so
leichtem Witz sieg-[78] reich über die Pedanterie der Tugend und Ehrlichkeit dargestellt hat. In Göthe's Faust
wird mehr die ernste Tiefe, in Beaumarchais Figaro die gefällig heitere Aussenseite der äussersten Verdorben¬
heit zur klaren lebendigen Anschauung gebracht“
8 . Endlich sei aus dem Versuch „Ueber den sittlichen Einfluß der Romane“ von L H.
v. Wessenberg das Urteil über die „Wahlverwandtschaften“ angeführt:
„Der Lebensgeist achter Sittlichkeit und Tugend scheint aber Vielen noch mehr [als durch die Briefe
der Ninon de Lenclos und die Liaisons dangereuses des Laclos] gefährdet durch die weit züchtigem Wahl¬
verwandtschaften, einem der Form nach klassischen Roman von Göthe, wo mit großem Talent und gewandter
Kunst der Mensch als bloßes Clavicordium, ein unfreies Saitenspiel dargestellt wird, auf welchem die äussere
Welt und die Umstände die Harmonien und Disharmonien hervorlocken, die das Gewebe des Lebens bilden
und ihm den Namen eines [110] guten oder schlechten, tugend- oder lasterhaften verschaffen. Nach dieser
Theorie, die man in dem Roman des Dichters von Herrmann und Dorothea, diesem einfachen, reinen Gemälde
deutschen Bürger- und Vaterlandssinns und des holden Familienlebens, nur ungern gewahrt, zeigt sich die
Tugendkraft, besonders des weiblichen Geschlechts, in einem sehr zweifelhaften Lichte, und das Band der Ehe
wird äußerst locker. Ihr unerwünschtes tragisches Schicksal verdienen die in dem Roman spielenden Personen
gar wohl. Oder was Besseres gebührt denn solchen Menschen, die, sich selbst genügend, in’s Blaue hineinleben,
und die reichen Gaben, womit sie begünstigt sind, nur insofern beachten, als ihr Herz einzig einen ruhlosen
Wunsch fühlt, sich das Leben recht behaglich und angenehm einzurichten; einen Wunsch, dem alles andere
untergeordnet wird? Nur das bessere Wesen Ottiliens erhebt sich darüber. Obgleich auch sie in der äusseren
Erscheinung, man weiß nicht recht, in der Schwäche oder in der Sophistik, untergeht. Sonst zeigt sich nirgend
der Morgenschein eines edlem Bedürfnisses, einer höhern Sehnsucht; vielmehr sind die Hauptpersonen stets
mehr zum abergläubischen Wahn als [m] zum frommen Glauben geneigt. Indessen will der Dichter uns Mit¬
leid zu den durch ihre Schuld Verlornen einflößen, indem er ihr Schicksal, ihre Gemüthsstimmung, ihre Liebe
lediglich als das Ergebniß der Verhältnisse zwischen den Individuen und den Umständen erblicken läßt Auch
sieht man es ihnen an, daß das Heiligste in ihrem Herzen ein Windfähnlein sey. Ein geistreicher Kunstrichter
[Anmerkung:] Franz Horn , Poesie und Beredsamkeit der Deutschen. III. 251. möchte zwar dem Roman einen
weit edleren Gesichtspunkt abgewinnen. „Derselbe male uns“, sagt er, „sowohl den Unfrieden und die Unklar¬
heit, als die reine Himmelsluft und die schöne Tugend, die sich der Mensch aneignen kann; er zeige uns, daß,
was Leben hat, auch Leben werde, und was den Tod und die Sünde aufgenommen, sey es auch die zarteste
und feinste, sterben und untergehen müsse" Diese Deutung, an sich höchst erfreulich, läßt sich auch aus dem
Gange der Begebenheit herausnehmen. Denn die geschilderte Denk- und Lebensweise enthält den Keim des
Todes in sich, und da das Herz die Quelle des wahren Lebens ist; so ist es sehr [112] erklärbar, daß, wer es
nicht behütet, zu Grunde gehe. [Anmerkung:] Sprüchw. IV. 23. Matth. XV. 18. Aber, läge auch diese Deutung
im Sinne des Dichters, läßt sich wohl erwarten, daß viele Leser dieselbe auffassen und anerkennen werden?
Werden nicht bei weitem die meisten eine bequeme Entschuldigungslehre in Göthe’s chymischen Wahlverwandt¬
schaften der Seelen finden? — Ein enthusiastischer Freund der Göthe’schen Muse behauptet zwar; daß es kaum
eine größere und durchgreifendere Vertheidigung der Ehe gebe, als gerade die Wahlverwandtschaften, in denen
ihr alle Helden und Heldinnen des Stücks (wegen Verletzung ihres heiligen Bandes) zum Opfer gebracht werden. Für
den tiefem Forscher allerdings, und zwar eben so, wie Machiavells Buch vom Fürsten ein Gegengift der Tyrannei
werden kann. Was Mittler (der von keinem Theil beachtete Sonderling) über die Ehe sagt, ist eben so wahr
als schön. Aber was frommen alle diese Lehren, wenn der menschliche Wille wie eine Drahtpuppe von der
Macht der Umstände gegängelt wird? Wohl kommt auch in diesem Roman, dem in Hinsicht des ausgebildeten
Styls [113] der Preis gebührt, manches Goldkom schätzbarer Wahrheit zum Vorschein, so wie mancher feine
Blick tiefer Menschenkunde. Wie war’ er sonst ein Werk von Göthe? Aber der sittliche Eindruck geht in
dem Geiste des Ganzen, der die Quelle aller Moral verdächtig macht, verloren. Am klarsten spricht sich
dieser Geist in einer Aeusserung Charlottens (Thl. II., S. 262) aus: „Es sind gewisse Dinge, die sich das
Schicksal hartnäckig vomimmt, vergebens, daß Vernunft und Tugend, Pflicht und alles Heilige sich ihm in den
Weg stellen; es soll etwas geschehen, was ihm recht ist, was uns nicht recht scheint; und so greift es zuletzt
durch, wir mögen uns gebärden, wie wir wollen.“ Hiernach erscheint das Leben, wie Frau von Stael [An¬
merkung:] De tAllemagne. Paris 1820. II. 92. in ihrer Beurtheilung dieses Romans bemerkt, als etwas
ziemlich Gleichgültiges, es werde wie immer hingebracht; traurig, wenn man es tief ergründet, ziemlich ange¬
nehm, wenn man darüber weggleitet; sittlichen Krankheiten unterworfen, die man heilen muß, wenn man kann,
an denen man aber sterben muß, kann man nicht davon genesen. — Bei so geistreichen [114] Schriften, wie die
von Göthe, kommt indessen sehr viel auf die Sinnesart und die Sehweise des Lesers an. Für den, dessen Seele
von erprobter Weisheit geläutert und gekräftigt ist, können sie nur belehrend und bildend seyn. War* es aber
deshalb der moralischen Kritik erlaubt, ihr Gefährliches für andere Seelen zu verhehlen? [Anmerkung:]
Uebrigens möchte man fast wünschen , daß, wer den Göthe sehen Roman zu lesen sich vomimmt, sich vorher
über dessen erbauliche Deutung bei Eckermann , in seinen scharfsinnigen Beiträgen zur Poesie mit besonderer
Hinweisung auf Göthe (Stuttgard 1824), Raths erhole.
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96
Hünich, Neue Goetheana.
II.
Die „Gedichte von Dr. N. Meyer . Bremen, gedruckt bei J. G. Heyse. 1814.“ enthalten
auf Seite 305f. eines mit der Überschrift: „Der Adler. An A. v. G.“ das allen seinen Be¬
zügen nach (Nikolaus Meyer stand, wie man weiß, dem Goethischen Hause sehr nahe*) an
keinen andern als an August von Goethe gerichtet sein kann. Überdies bedient sich der Ver¬
fasser desselben Bildes, das er für seine Eintragung in Augusts Stammbuch verwendet hatte
(siehe Ludwig Geiger, „Goethe und die Seinen“, Seite 121). Die Außerordentlichkeit des Zu¬
sammenhanges und die Seltenheit des Buches, auf das bisher vermutlich so gut wie gar nicht
geachtet worden ist, rechtfertigen wohl den erneuten Abdruck des Gedichtes, der hier folgt:
Der Adler.
An A. v. G.
Hoch von des Felsen höchster Spitze
Erhob ein Adler seinen Flug,
Der ihn zum Sitz der Götter trug.
Er schwang die Flügel; gleich dem Blitze
Durchschnitt er leicht die gröbre Luft,
Daß ihn der Erde feuchter Duft
Nicht mehr umfieng. Die Schwingen malen
Sich purpurn von der Sonne Strahlen;
Doch schaut er noch, mit liebevollem Blick,
Nach seinem Horst, den er verließ, zurück.
Hier lag sein Sohn, ein junger Aar,
Der zwar noch jung, doch schon an Muthe
Dem Vater, wie an edlen Blute,
In allem zu vergleichen war.
„Ha! rief der, schlagend seine Schwingen:
Warum ist mir nicht auch die Kraft verliehn,
Gleich ihm zur Sonne hinzudringen?
Glüht sie denn nur allein für ihn?
Warum muß ich auf dieser Erde weilen,
Soll ich nicht auch des Lichtes Strahlen theilen,
Und dem Olymp entgegen diehn? —
[306] Der Adler hört mit Lust des Sohnes Klagen,
Senkt seinen Flug, und ruft ihm tröstend zu:
„Verweile noch, mein Sohn, in deiner Ruh,
Bald wird auch dich der reine Aether tragen.
Die Sehnsucht, die dir jetzt den Busen füllt,
Wird oben nur, und nirgend sonst gestillt!
* Das „Verzeichniß der Subscribenten“ fuhrt unter Weimar auch die Frau Geheime Räthin von Göthe und den
Herrn Kammer-Assessor von Göthe, Offizier bei den freiwilligen Jägern [!] auf. — Nikolaus Meyer übersendet ein Velin¬
exemplar seiner Gedichte, das sich noch in Goethes Bibliothek befindet, am 25. April 1814 (Eingegangene Briefe 1814, 168);
Goethe dankt erst am 18. Januar 1815 (Briefe XXV, 162). D. Red.
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Carl ScKüddekop /*Weimar, Cranachstr. 38. Druck u. Verlag von IV. DruptU*- Leipzig, Köuigtur. 10.
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Walter Crane als Buchillustrator.
Von
Professor Freiherr Otto von Schleinitz in London.
Mit io Abbildungen und 4 Tafeln.
W alter Crane sagt scherzweise von sich selbst: „Ebensogut wie das Schicksal Leute
mit einem silbernem Löffel in dem Mund zur Welt kommen läßt, ebensogut mag es
möglich sein, daß ich mit Bleistift und Papier geboren bin. Jedenfalls, da ich der
Sohn eines Malers bin, kann ich mir meine Jugendjahre nicht anders in Erinnerung bringen
als durch jene zum Zeichnen nötigen Requisiten!“
Schon 1859, im Alter von vierzehn Jahren beschäftigte sich Crane damit, Tennyson’s
„Lady of S/ialott“ durch ein koloriertes Blatt zu illustrieren, eine Arbeit, die bald darauf Ruskin
und William James Linton zu Gesicht kam. Beide lobten nicht nur die Zeichnung des jungen
Künstlers außerordentlich, sondern Linton war derartig von letzterer entzückt, daß er Crane
sofort auf drei Jahre zur Hilfeleistung in seinem Atelier engagierte. Linton zeichnete sich aus
als Holzstecher, Drucker, Poet, Schriftsteller und Politiker. Seit 1842 wurde er Geschäftsteil¬
haber der sehr bedeutenden Firma Orrin Smith, mit der er gemeinsam interessante Arbeiten
in den „ Illustrated London News?* veröffentlichte. Linton erlangte nach und nach den Ruf als
ein erster Meister im Holzschnitt, so namentlich durch die Illustrationen in dem Blatte „Pen
and Pencil der Bü¬
cher „ A History of
I I ood engraving**,
„Practical Hbits on
II ood engraving“ und
„A Manuel of the Art
of Wood engraving“,
sämtlich Werke, die
als mustergültig gel¬
ten und bis zur heuti¬
gen Zeit viel von
Fachleuten benutzt
werden! Linton war
der Vertreter einer
Schule, die noch in
tatsächlicher alter
Manier die Tradition
aufrecht erhielt, und
in diesem Stile den
Holzschnitt ausführte.
Die ganze Atmo¬
sphäre und das künst¬
lerische Milieu, in dem
Crane sich hier be¬
fand, drängte ihn zur
Z. f. B. 1912/1913.
Abb. 1. Walter Crane’s für die Uffizien in Florenz gestiftetes Selbstporträt.
Beschäftigung mit der
Buchillustration. Er
besaß die Gelegen¬
heit in dem Atelier
Linton’s den gedach¬
ten Kunstzweig vom
damaligen englischen
Mittelpunkt aus ken¬
nen zu lernen. Außer
dem gehörte Ruskin
zu seinen Vorbildern
und William Morris
zu seinen Freunden.
Das von ersterem ver¬
faßte Buch „ Elements
of Drawing“ schätzte
Crane besonders
hoch. Dann wirkte
der Maler Turner
mächtig auf des jun¬
gen Künstlers Phanta¬
sie, so vornehmlich
durch sein y ,Liber Stu¬
diorum** y eine Samm¬
lung von Stichen,
U
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von Schleinitz, Walter Crane als Buchillustrator.
Radierungen und Schwarzkunst¬
blattern. Jedenfalls hat Walter Crane
in Turners Werken stets den Reich¬
tum der Komposition, Erfindung und
Motive bewundert.
Den ersten Beitrag für das
im Jahre 1859 ins Leben gerufene
illustrierte Journal „Chice a Weeh“,
lieferte Crane 1861, also mit sechzehn
Jahren. Was diese Tatsache aber
zu bedeuten hatte, wird leicht be¬
greiflich wenn man erfährt, daß die
angesehensten Künstler ihrer Zeit
Mitarbeiter für das envähnte Blatt
waren. So nenne ich nur von un¬
gefähr: Du Maurier, Houghton, Hol-
man Hunt, Charles Keene, John
Leech, Lawless, Millais, Pinwell,
Poynter, Sandys, Teniel und Whist¬
ler. Teniel und Leech repräsentierten
unbedingt den alten, die übrigen
Illustratoren mehr den neuen, moder¬
nen Stil in der englischen Buch¬
dekoration.
Im Jahre 1861 ist die Lehrzeit
Cranes bei Linton beendet, mit dem
er aber in dauernder naher Beziehung
weiter verblieb. Er hatte bei ihm die
Technik des Schnittes und Druckes
bis in die kleinsten Details kennen
gelernt, ein Umstand, der ihm später
zu großem Nutzen gereichte. Zu
den Freunden des Lintonschen Hau¬
ses gehörten außer Mazzini und
Garibaldi noch drei italienische,
politische Flüchtlinge: Ugolo Foscolo, der Vater Rossettis und der nachmals so berühmt ge¬
wordene Oberbibliothekar im British Museum Panizzi. Durch diese wurde Walter Crane mit
den italienischen Klassikern bekannt gemacht, namentlich aber auf das Studium Dantes hin¬
gewiesen.
Mit siebzehn Jahren lieferte Crane Illustrationen für „Good llords“, „Punch“ und „The New
Forest“.
In jener Epoche sind es unter den englischen Dichtern hauptsächlich Tennyson und
Keats, die den Jüngling anziehen. Im Gegensätze zu seinem Freunde Burne-Jones, der ein ge-
borner Pessimist war, huldigt Walter Crane dem gleichen Optimismus wie Tennyson selbst
Dieser, Watts und Crane stehen sowohl in ihren Ansichten als Menschen wie in ihrer künst¬
lerischen Ausdrucksweise Burne-Jones insofern gegenüber, als es ihnen Bedürfnis gewesen ist
in künstlerischer Form ihre Weltanschauung zu verkünden und ihr Glaubensbekenntnis abzu¬
legen, das unter Verwerfung jeder dogmatischen Gestaltung den reinen ethischen Kern aller
Religionen wiederspiegelt Sie wollen vor allem Apostel der Humanität sein und die Sache für
die leidende Menschheit führen, und es steckt in ihnen ein gut Stück von Herderschem
Universalismus und Schleiermacherscher Religionsphilosophie.
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Abb. 3. Adam und Eva nach der Vertreibung aus dem Paradies. Illustration Cranes für die Amsterdamer Bibel.
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IOO
von Schleinitz, Walter Crane als Buchillustrator.
Abb. 4.
Erinnerungs-Medaille für den Kongreß zur Verbrüderung
aller Völker. Vorderseite.
Von 1865 bis 1876 entstanden von Crane’s
Hand etwa durchschnittlich in jedem Jahre
zwei oder drei illustrierte Bilder-, Kinder-, Mär¬
chen und ABC-Bücher. Diejenigen unter ihnen,
die bis auf den heutigen Tag ihren Zauber
und Reiz für die Jugend unvermindert erhalten
haben, sind: „7 he Song of Sixpence“, „Blaubart“ %
„Baly's own Alphabet „ The sleeping Beauty “
(Dornröschen), „Babys Opera“ und „ Babys
Bouquet '. „Schon früh“, so erzählt Walter
Crane inbezug auf diese Werke in seiner Auto¬
biographie, „beklagten sich die Buchhändler,
dal) meine Farben nicht das seien, woran man
sich gewöhnt habe, d. h. sie wirkten nicht
lebhaft genug! Die damaligen Käufer suchten
Giftgrün und Scharlachrot, was sie bei mir und
meinen Freunden nicht fanden. Wir hielten
uns aber, und jetzt, fürchte ich, sind unsere
frühesten Bilderbücher vielleicht sogar allzu¬
kräftig und barbarisch für ein Publikum, das
durch die lange Reihe der Verfeinerungen
der mir persönlich so nahe stehenden, lieben Kollegen Randolph Caldecott und Kate Greenaway
verwöhnt worden ist.“
Ferner besitzen die beiden nachstehenden, 1870 erschienenen Bücher ein Anrecht nicht
in Vergessenheit zu geraten: „ The Merrie Heart\ eine Sammlung von Kinderstubreimen und
„King Gab i( (Cassel und Co.). Von dem unerschöpflichen Phantasiereichtum des Künstlers er¬
hält man eine Vorstellung, wenn man erwägt, daß kurz hintereinander die illustrierten Bücher
mit folgenden Titeln veröffentlicht wurden: „ 77 /A little Big went to Market ‘ und „ King Luckie
boy “ („Dies kleine Schwein ging zu Markte“ und „Das Glückskind“). Als eine der humorvollsten
Erzählungen muß endlich genannt werden: n The House that Jack built* (das von Hans erbaute
Haus) „Frau Trot und ihre komische Katze “ und „Rotkehlchen“ . Die Figuren in diesen Büchern
sind mit kräftigen Strichen, scharf begrenzt
und meist so groß gezeichnet, wie es der Raum
nur irgend gestattet, ohne die Gesetze der
Perspektive zu verletzen. Allgemein gesprochen
kann man behaupten: die Harmonie der Illustra¬
tion mit dem englischen Buche, und dies als
ein einheitliches Ganzes dargestellt, und vor¬
bildlich in dieser Beziehung gewirkt zu haben,
ist das Verdienst der Praeraphaeliten. Vor
allem aber gebührt Burne-Jones, Morris und
Walter Crane in der Entwickelung und Ge¬
schichte des illustrierten Buches ein unvergäng¬
liches Ruhmesblatt. Walter Crane urteilt in
seinem Essay: „ The English Revival of deco-
rative Art“ wie folgt über die Praeraphaelitische
Bewegung: „Um den Ursprung in unserer
Renaissance zu bezeichnen, müssen wir bis
auf die Tage der Praeraphaelitischen Vereini¬
gung zurückgehen .... Sie fügten ihren Werken
ö . ai i • 1 Abb. 5- Erinnerungs-Medaille für den KongreD xur Verbrüderung
die Macht der modernen Analyse hinzu und aller Völker. Rückseite.
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Tafel 4. „König Arthur’s Ritter*. Sir Ceraint und Lady Enid in der verlassenen römischen Stadt.
Z. f. B. IV. Ja!
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Zu „Walter Craneaijs l'uchillustrator“.
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Abb. 6 . Aus „Die lustigen Weiber ton Windsor“, Akt. III, Srene 3.
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FAx-STAFr 1 love fhee: lieln m« away; lef me crcep
HP** in. taere ; l’Jl never- — 1^—, AcTui. <Jt
102
von Schleinitz, Walter Crane als Buchillustrafbr.
schenkten ihre Aufmerksamkeit ebensosehr allen Zweigen der Zeichnung wie der Malerei!“
Obgleich die formelle Gründung des Praeraphaelismus im Jahre 1848 stattfand, so datiert Crane
seine künstlerische Geburt doch erst auf den Beginn des Jahres 1850, das heißt, seit dem Erscheinen
der illustrierten Zeitschrift „ The Germ“ (der Keim). Heute ist ein vollständiges Exemplar der,
meiner Ansicht nach, denn doch etwas zu hoch eingeschätzten Zeitschrift „ The Germ“ nur sehr
schwer zu bekommen. Richtig bleibt es ja allerdings, daß es bis zu jener Zeit niemand ein¬
gefallen war, die äußere Gestalt eines Buches, oder einer Zeitschrift mit ihrem Inhalt und ihren
Illustrationen, sowie durch den Druck harmonisch zu gestalten.
Walter Crane ist in seiner Behandlungsweise des Buches viel biegsamer wie Morris, das
heißt, liegt ein antiker, klassischer Gegenstand vor, so fällt das Werk auch äußerlich und in der
Illustration so aus, wie zum Beispiel in „Eckoes of Hellas “, oder wenn umgekehrt ihm die Auf¬
gabe gestellt wird, eine Arbeit wie „Book of Wedding Days “ (Longmans & Co.), einen Notiz¬
kalender für Hochzeiten herzustellen, so ist die Randzeichnung, dem modernen Gegenstand ent¬
sprechend, auch in freieren Zügen gehalten. Ein wirkliches Problem löste der Künstler in seinem
„ Wonder Book * 1
Nachdem der Meister 1886 die Vorlagen für „ The Baby's own Aesop“ gezeichnet hatte,
entstand eine Serie von sehr beliebten Büchern, so unter andern: „ A Romance of Three R*s tt ,
die eine Phantasie über die Motive des Lesens, Schreibens und Rechnens darstellen. Dann folgt:
„Legends for Lioneil“ und 1889 durch die Verlagsfirma Cassel & Co. „Flora's Feast\ ein Werk,
in dem die Blumen personifiziert auftreten, etwa eine Art von Illustration wie in „Les fleurs
animees “. Die bezüglichen Probedrucke kolorierte Crane dann selbst als Vorlage für den Bunt¬
druck. Es ist ein Buch, das sich als Liebling auch des erwachsenen Publikums erwiesen hat
Gleichfalls kam 1891 „Renascence“ bei der Verlagsfirma Elkin Mathews heraus. Die
geistige Urheberschaft dieser metrischen Dichtung nebst ihrer Illustration gehört Crane ganz
allein. Rossetti, der Maler-Poet, kann sich überhaupt einen Maler gar nicht anders vorstellen,
als daß er zugleich auch ein Dichter sein muß. Crane bezeichnet den Genannten als den ein¬
zigen Praeraphaeliten unter den Malern jener Epoche, der dekorative Anlage besaß. Hinsicht¬
lich des dichterischen Talents gleichen beide Künstler William Morris, mit dem Crane ebenso
in diesem Jahre „The glittering Plain“ illustrierte. Der letztere zeichnete die eigentlichen Bilder,
während Morris die ornamentalen Randleisten, das Titelblatt und die Initialen entwarf. Gedruckt
wurde das Buch in der „ Keimscott Press“. Auf einer Auktion bei Sotheby wurde das Werk
mit 2280 Mark bezahlt. Es war dies der höchste Preis für ein aus der genannten Druckerei
hervorgegangenes Buch. Trotzdem nun die bezügliche Illustration so gelungen ausfiel, zog
Morris ihren Urheber doch zu keiner ähnlichen Arbeit mehr heran, vielmehr trat Bume-Jones an
seine Stelle. Zur Erklärung dieses Umstandes sagt Crane offen genug: „Ich glaube, ich war
Morris zu wenig gotisch veranlagt!“
Zu Weihnachten 1895 wurden „Aschenbrödel“ und „Puss in Boots“, vermehrt, in einer
Neuausgabe verlegt, beides Werke, die an das Kinderherz nicht vergebens appellierten. Eine
der wichtigsten Arbeiten Crane’s erschien 1898 bei Bell & Sons „ The Bases of Design“ (die
Grundlagen der Zeichenkunst), und hat sich diese namentlich für Kunstgewerbe-Schüler als un¬
entbehrlich erwiesen. In demselben Verlage kam 1900 „Line and Form“ heraus, in welchem
der Künstler hochinteressante Auseinandersetzungen über Naturalismus, Realismus und Idealis¬
mus in allgemein verständlicher Weise vorträgt Unterbrechungen erleiden alle diese Werke
durch Herstellung von Malereien, Zeichnungen und kunstgewerblichen Objekten.
Im Aufträge der Bibelgesellschaft in Amsterdam, fertigte Crane für eine in vier Sprachen
erscheinende Bibel, die hier zur Ansicht gebrachte Federzeichnung an: „Adam und Eva nach
der Vertreibung aus dem Paradiese “ (Abb. 3). In derselben Manier wurde die Illustration zu
Shakespeare’s „Die lustigen Weiber von Windsor“ ausgeführt. Als Proben folgen hier die beiden
Blätter aus Akt III, Szene 3 und 4. In der ersteren sagt Falstaff zu Frau Page: „Ich liebe
dich, — hilf mir nur weg! laß mich da hinein kriechen!“ Szene 4 enthält Anna’s Ausspruch:
„Wer weiß, er hat wohl Recht?“ (Abb. 6 und 7).
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
Gleichfalls in Schwarz und Weih ist ein Gedächtnisblatt zur Centenar-Feier des Dichters
Browning gehalten (Abb. 2), und ferner eine Erimterungs-Medaille für den Kongreß zur Ver¬
brüderung aller Völker (Abb. 4 und 5), sowie endlich ein hübsch entworfenes und gezeichnetes
„Programm zu entern Weihnackts-Kinderfest“ (Abb. 8).
Von den kürzlich mit farbigen Illustrationen erschienenen, reizenden, humoristischen Bilder¬
büchern, erwähne ich vor Allem: „One, /wo , buckle my Shoe <( (Abb. 9 und Tafel 1 ugd 2) und „A Gap-
mg- Wide-Mouth Waddling Frog* i (Abb. io). Eins der wundervollsten, je in Farben von Crane
illustrierten Büchern, betitelt sich: „King Arthur's Knights, by Henry Gilbert. With 16 Illu¬
strations hi Colour by Walter Crane. Edinburgh & London: T. C. & E. C. Jack. ign u . Die
beiden hier wiedergegebenen Illustrationen stellen die Szene dar ,young Owen appeals to the
King“ (Tafel 3) und „Sir Gerat nt and the Lady Enid in the deserted Roman Towti “ (Tafel 4).
Dies ist ein so schönes Werk, dah nicht nur Knaben und Mädchen, für die es ursprünglich
gedacht und verfaht wurde, sondern auch die Gelehrtesten der Gelehrten ihre wahrhafte Freude
daran haben! Das hier zur Illustration gelangte Selbstporträt fertigte Crane infolge einer Auf¬
forderung der Uffizien in Florenz für dies Institut an, eine bekanntlich jeden Künstler mit Stolz
erfüllende hohe Auszeichnung und Ehrung.
Walter Crane schafft auch heute noch unentwegt in alter Tatkraft fort, so daß uns
in nicht gar ferner Zeit wiederum einige prachtvolle Werke beschieden werden sollen!
Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
Von
Hofbibliotheksdirektor Dr. Adolf Schmidt in Darmstadt.
I m Jahre 1837 hatte ein junger Darmstädter, Dr. Heinrich Künzel, der, am 28. Dezember 1810
geboren, sich dem Studium der Theologie, Philosophie und Literatur gewidmet hatte und
dann einige Jahre in seiner Vaterstadt als Lehrer an Instituten und als Hilfsarbeiter an der
Großherzoglichen Hofbibliothek tätig gewesen war, den Plan gefaßt, eine Sammlung von
Musterbeispielen deutscher Prosa von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart zu veranstalten, in
deren Anhang er kurze biographische Mitteilungen über die aufgenommenen Schriftsteller mit
knapper Würdigung ihrer Leistungen bringen wollte. Um bei lebenden Schrifstellem hierfür
zuverlässige Unterlagen zu gewinnen, hatte er den praktischen Weg eingeschlagen, jene selbst
um die nötigen Angaben zu bittten. Eine Antwort ist erhalten und zwar die Karl Gutzkows,
die folgendermaßen lautet:
Herrn Dr. Küntzel in Darmstadt.
Geehrter Herr!
Für die Auszeichnung, mit der Sie mich bedenken wollen, sehr verpflichtet, sag’ ich Ihnen gern, daß ich
am 17. März 1811 das Licht dieser trüben Welt erblickt habe.
Von den Napolconiden sollten Sie manches über Bord werfen, da es nur biographischer und Notizen¬
ballast ist. Einzelne Parthien aus den Off. Charakteren z. B. Einleitung zu Mehemet Ali, einige Stellen
aus Martinez della Rosa und dazu Einiges aus den Napoleoniden Hürde, glaub’ ich, besser für mich zeugen, als
ein ganzes Stück.
Bei dieser Gelegenheit erlaub’ ich mir die Voraussetzung, daß Sie in Darmstadt den Herrn K. Büchner
kennen und bitte Sie, in betreff der Waden , in welche er mir gern zu beißen pflegt, ihm doch gefälligst zu
sagen, daß das junge Deutschland vor einigen Tagen trotz dieser Waden das erste Ei zur Welt gebracht hat:
einen kräftigen Knaben nämlich, von dem meine Frau entbunden ist.
Mit der Bitte, mir diesen Auftrag nicht übel zu nehmen und dem Wunsche, Ihrem verdienstlichen Werke
bald als Kritiker begegnen zu dürfen
Frankfurt, d. 1. Mai 37. Ihr ergebenster Gutzkow.
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LONDON: JOHN LANE
THEBODLEYHEAD
NEW YORK; JOHNLANE COMPX
Tafel i. „Eins, zwei. Du, schnalle meine Schuh!" Titelblatt.
Z. f. B. IV. Ji
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Zu „Walter Crane als Buchillustrator".
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CORNELL UNiVERSIT^
Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
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CHRISTMAS • FAIR.Y- FETE
FOK- CH1LDKEN. ■ OF ALL' AGES
HOTEL' CECIL JAKUAKf-5-1911-3 td7p«
PRO GRAMME
Abb. 8. Ein von Walter Crane entworfenes Programm zu einem Weihnachts-Kinderfest.
Künzels Werk ist im folgenden Jahre bei Johann David Sauerländer in Frankfurt a. M.
unter dem Titel „Drei Bücher deutscher Prosa in Sprach- und Stylproben von Ulphilas bis auf
die Gegenwart“ in drei Teilen erschienen und von der Kritik gut aufgenommen worden. 1868
erschien eine zweite (Titel-)Ausgabe als „Hausschatz deutscher Prosa vom Entstehen bis auf
die Gegenwart“. Von Gutzkow hatte Künzel im dritten Bande gebracht: „Der Styl Göthes“
und „Die Bedeutung Göthes für die deutsche Literatur“ (beide aus dem Werk „Über Göthe im
Wendepunkt zweier Jahrhunderte“. Berlin 1836), sowie „Die Napoleoniden“ (aus „Öffentliche
Charaktere“. Hamburg 1835. Erster Teil).
Der Justizrat Karl Büchner in Darmstadt, an den Künzel einen Auftrag Gutzkows aus-
richten sollte, hatte sich mit Gutzkow zuerst in einem in der Hamburger Zeitschrift „Literarische
und Kritische Blätter der Börsen-Halle“ Nr. 1138— 1141 vom 23. bis 30. Dezember 1835 er¬
schienenen Aufsatz „Die Menzel-Gutzkowsche Fehde“ beschäftigt, der ziemlich unbefangen Ent¬
stehung und Entwickelung dieses Streites darstellte. Gutzkow antwortete gereizt im „Tele¬
graph“ und warf Büchner vor, er beschäftige sich bald im „Phoenix“, bald in der Hamburger
Z. f. B. 1912/1913. 14
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands/
„Börsen-Halle“ damit, alle nur möglichen Gerüchte, die über ihn in die Welt ausgegangen seien,
zu registrieren und eine laufende Literaturchronik aus Klatschereien eusammenzusetzen. Die
beiden Gegner erhitzten sich immer mehr und ließen sich auch zu ziemlich kleinlichen persön¬
lichen Stichen herab, zu denen auch Büchners Anspielung auf Gutzkows dürftige Waden ge¬
hörte, die in den „Blättern“ Nr. 1295 vom 24. Dezember 1836 recht an den Haaren herbei¬
gezogen war. Büchners Rechtfertigung in Nr. 1323 vom 27. Februar 1837, in der er die
Angelegenheit nochmals mit Behagen breit tritt, war auch nicht gerade geeignet, Gutzkow zu
besänftigen.
Im Frühjahr desselben Jahres begab sich Künzel, der schon größere Reisen in Deutsch¬
land, der Schweiz und Oberitalien gemacht batte, nach Paris, wo er mit vielen dort weilenden
deutschen Landsleuten und ausgezeichneten französischen Gelehrten und Künstlern in Be¬
ziehungen trat. Der Aufenthalt in der Hauptstadt Frankreichs sagte ihm aber auf die Dauer
nicht zu, er wandte sich daher im Jahre 1838 nach London, das er durch einen früheren
kürzeren Aufenthalt schon kannte. Bei seiner Abreise von Paris schrieb ihm Heinrich Heine in
sein Stammbuch die Verse:
Du reißt dich los von braunen Hälsen,
Du fliehst die gallischen Brünetten,
Doch hinter Albions weißen Felsen
Schon harren deiner blonde Ketten I
Leb wohll Erlaubt’s die neue Herrschaft drüben,
Bleib eingedenk der Freunde, die dich lieben.
Paris, den 29. Januar 1838. Heinrich Heine.
Wie sehr Heine ihn schätzte, ergibt sich auch aus einem kurzen Schreiben, leider dem
einzigen, das sich bei Künzels handschriftlichem Nachlaß, der sich jetzt in der Großherzoglichen
Hofbibliothek in Darmstadt befindet, erhalten hat. Künzel selbst hatte schon manche Briefe
berühmter Zeitgenossen als Autographen verschenkt, und nach seinem Tode scheint noch mehr
abhanden gekommen zu sein.
Liebster Künzel! Paris, den 18. Mey 1838.
Ich weiß nicht wann Ihnen diese Zeilen zu Gesicht kommen und will Ihnen daher bloß die nächste Ver¬
anlassung derselben wissen lassen. Sie sollen nemlich als Empfehlungschreiben für eine junge Dame dienen,
die nach London reist um dort für ihre Talente eine verdientere Wirksamkeit, als Paris ihr bisher geboten, zu
suchen. Sie will Unterricht geben, namentlich in der Musik. Sie sind gewiß dort schon so bekannt, daß Sie
ihr Stunden verschaffen und ihr überhaupt in dieser Beziehung nützlich seyn können. Es ist ein gutes Werk
und Sie werden sich leicht selbst überzeugen, daß die Person Ihre Theilnahme und Verwendung verdient —
Ich habe sie zu gleicher Zeit an Moscheies empfolen.
Da ich Ihnen dieser Tage per Post schreibe, so will ich diesem Briefe nichts mehr hinzusetzen als die
Versicherung meiner herzlichsten Freundschaft Seyen Sie überzeugt, daß ich an wenige Landsleute mit so
großer Freude denke, wie an Sie, lieber Künzel! Bewahren Sie mir Ihre liebreiche Gesinnung.
Heinrich Heine.
Die empfohlene junge Dame hat unter diesen Brief am 13. Juni 1838 folgendes ge¬
schrieben: La date de cette lettre est bien ancienne, n'est-ce pas, Monsieur? ü y a effectivement
long tems que je Tai entre les mains, mais il n'y a que dix jours que j’ai quitt£ Paris et lors-
que je suis partie Mr. Heind soufirait tant de ses yeux et de sa tete, que les m&decins lui
avaient d£fendu d’6crire et de lire, ce qui fait qu’il n’a pas pu renouveller sa recommandation
pr£s de vous en ma faveur. — Der Rest dieses Zusatzes, in dem die Dame, Fräulein I. du-
Motet, Künzel bittet, sich für sie zu verwenden, ist hier ohne Interesse.
Einige Jahre nach seinem Pariser Aufenthalt hat Künzel die Eindrücke, die er im persön¬
lichen Verkehr von Heine als Mensch empfangen hatte, in einem ausführlichen Schreiben an
August Nodnagel in Darmstadt zusammengefaßt, das ohne Nennung seines Namens in Nod-
nagels Werk „Deutsche Dichter der Gegenwart“ (Darmstadt 1842, Seite 248—250) abgedruckt
ist. Die für Heine sehr günstige Würdigung schließt mit den von Nodnagel weggelassenen
Worten: Heine ist, wie jeder Mensch, ein Produkt seiner Verhältnisse und seiner Zeit. Wie er
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107
S -ELL,I raust buckle to,anb put 2 t^oobface/
'(-pre-face) on the matter as I have to introbuce-
, me latest abbition to the almaby consiberable^
. family of Grane-reprint*. «
Here we have those beli^htful r^marolcs ONE,TWO,
BUCKLE m SHOE GAPlRGWIDEMoA
^ADDLINGFROG* but whafit may be askeb, bMY
MOTHER. \>wd in 6ucb Company ? 1 jhreubly 5 us=
•pect, if we knew the fruth, that she is really the author oF
both. It is probable., however, that both le^enbs have been
transmitteb through a lon*£ line cf motherc, a#i 5 t&,per=
*haps, by nurses, but 1 hab fhem birect from my Kölner.
. A pleasin^ romance of bomestic incibent Tuns Ihroiefa
One,'fco,buckle my shoe’’ vchilethe “ Wabblind Frogcp
Shows a ridi arib sumptuous ima^ination, if aflittle in?
coRse^uenir^except numtricaJly ; but ifhe set* tu atfhpe with
astonishmeat, nis own Wibe-T'X.outh’seems capacious^
enough to swallow all the matvels by lanb or 5ea whick
he ejuimerates.
The-se two art c^uitc early Cfanet - almost pre-histeme
Cplease notice.houjever, the up-to-baie. abbilions):
rWFioihvr is mib-Victoriari r)ust after crinolines
häo gone, out-but mothers are always in Fashion,
Abb. 9. Vorrede Walter Crane's zu seinen Kinderbüchern: „Eins, zwei. Du, schnalle meine Schuh!**
„Der mit weit aufgerissenem Maule gähnende, watschelnde Frosch**.
sich oft in seinen Liedern in seligen Träumen wiegt, dann aber plötzlich aus seinem Himmel
sich selbst hinabstürzt und sich dem bittersten Hohn, überläßt, das alles hat er als Mensch
durchfiihlt und durchlebt. Trägt er aber auch oft die Hölle in seiner Brust, so kann er sich
doch stets auch wieder den Himmel aufschließen, denn in allen Stürmen und Lagen seines
Lebens ist er Dichter geblieben.
In London, wo er nun einen längeren Aufenthalt nahm, der dann und wann durch eine
Reise in die Heimat unterbrochen wurde, gelang es Künzel rasch, als Lehrer und Mitarbeiter
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
angesehener deutscher und englischer Blätter eine angenehme, einträgliche und geachtete
Stellung zu erwerben. Auch hier kam er mit den ausgezeichnetsten Staatsmännern, Geist¬
lichen, Gelehrten und Schriftstellern in vielfache Berührung, die er zu einer Vermittelung zwischen
deutschem und englischem Geistesleben nutzbar zu machen sich bemühte. Von großem Vor¬
teil dabei waren ihm namentlich seine freundschaftlichen Beziehungen zu dem späteren
preußischen Gesandten Christian Karl Josias Freiherm von Bunsen und sein Verkehr in
dessen gastlichem Hause. Ich kann es mir nicht versagen, hier aus jenen Tagen wenigstens
zwei Briefe hervorragender Engländer mitzuteilen, von denen der eine durch seinen Inhalt
gerade heute wieder zeitgemäß geworden ist, da in England und in Deutschland einzelne Per¬
sönlichkeiten wie zu diesem Zweck gegründete Vereinigungen sich bemühen, die Entfremdung
zwischen beiden Nationen zu beseitigen. Wenn wir in einem Schreiben des Deutsch-Englischen
Verständigungs-Komitees an die Anglo-German Friendship-Society in London die Worte lesen:
„Als eines der vornehmsten Ziele erscheint uns die Verbreitung einer besseren und aus¬
giebigeren gegenseitigen Kenntnis der beiden Länder“ (vgl. „Frankfurter Zeitung“ vom
13. Februar 1912. Erstes Morgenblatt Seite 1), so begegnen uns darin dieselben Gedanken, die
vor mehr ab siebzig Jahren auch Dr. Künzel bei seinen Bestrebungen geleitet haben, und die
ihren Widerhall finden in einem schönen Briefe eines damaligen Freundes deutschen Wesens in
England, des großen Schotten Thomas Carlyle.
Dear Sir.
Newby, Annan, N. B. 12 Aug*, 1841 —
Your letter with the Portrait of Merck has found me here. I have often heard of the sardomc Merck,
have read some of his letters; but never had any likeness of bis face before. 1 return you thanks for this view
of him.
It is not very clear to me what benefit my good wishes for your new international literary jouraal, the
Britannia , can bring you: but, at any rate, without volition of mine, you have them. Such enterprises may be
conducted with all degrees of merit, with all degrees of faithfulness, openmindedness and insight; but with almost
any degree, their tendency is sure to be useful. 1 t will give me real pleasure to hear that you succeed. He that
honestly interprets between his own country and another, that makes his own country widerstand another, is
doing in all manner of senses, a good Service. 1 t is with Nadons as with men: if they knew each other, if each
clearly saw what the other meant, there could be no hosdlity among them, they would find that at bottom they
were all cooperating. Heartily wishing you good speed, Yours very truly T. Carlyle.
Born 4* December 1795 in the village of Ecclefechan, Dumfriesshire, Scotland; of Peasant parents in
tolerable circumstances, and distinguished, both of them, for faculty and worth. Educated at Edinburgh Uni-
versity, with a view first to the church, but quitted that; then to the law, but quitted that also: quitted several
things; came at last to literature. Had leamed German (a very rare language in England then) about 1820,
from a comrade who had been to Göttingen. Published etc. etc. Thanks Goethe and certain other Germans
always for much. Has nearly quitted all study of German these seven years and altogether quitted all Verbreitung
of it, or speak about it, seeing that go on fast enough without him. Has written two Book«: Sartor Resartus ;
and The French Revolution ; — which two let any one that wants to know him see. T. Carlyle.
Bei Künzels Nachlaß fanden sich noch zwei Abzüge des Bildnisses Johann Heinrich Mercks in
dem Stiche von F. Girsch nach der im Großherzoglichen Museum in Darmstadt befindlichen Hillschen
Kopie des 1772 durch den hessischen Hofmaler Johann Ludwig Strecker gemalten Ölbildes. Es
ist daher wahrscheinlich, daß Künzel Carlyle dieses Blatt geschenkt hat, zu dessen Anfertigung
der junge 1838 im Alter von 17 Jahren von Friedberg nach Darmstadt gekommene Künstler
vielleicht durch Künzel selbst veranlaßt worden ist Dafiir spräche auch, daß dieser um die¬
selbe Zeit sein eigenes Bildnis durch Girsch in Kupfer hat stechen lassen. Girschs Merck wäre
in diesem Falle zwischen 1838 und Sommer 1841 entstanden.
Die biographischen Angaben auf einem besonderen, dem Briefe beigelegten Blatt hat Carlyle
offenbar auf eine an ihn gerichtete Bitte Künzels als Grundlage für einen Zeitungs- und Zeit-
schriften-Aufsatz geschrieben. Demselben Streben nach Genauigkeit verdanken wir einen aus¬
führlichen Brief von Charles Dickens über sich selbst, der zwar jetzt keine sonst unbekannten
Angaben über des Dichters Leben bringt, den man aber doch im Jahre der hundertsten Wieder-
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Tafel . „Kon g Arthur's Ritter“. Titelblatt.
König Arthur xeritchcrt <!em ning- n, verwundeten Kitter Owen, der ihm das Leben gerettet, seine ständige Gnade
Z f. B. IV. Jahrgang 1912 1913.
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Zu „Walter Graue als Buchillustrator".
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tless them,- anbyou aho.^cardiilbmr,vvhdh£r of„
the olb or tht nzxv \worlb, who,liavin^ chosen. youir^
IpzvexAs wisely, Have become passessors oFihls ooolc
riiay^your sh.oc3 mvcr want buddin^, anb iTby a?
•iw Tni5chancc youshoulb louc ont,Tn^ GoobLucK
alwayj finb a spare one fbr you/arib so sdryou on,
your fed: a^knx. '
Abb. 10. Vorrede Waller Crane’s xu seinen Kinder-Bilderböchem » JEiss, zwei. Du, schnalle meine Schuh!**
»Der mit weit aufgerissenem Maule gähnende, watschelode Frosch**.
kehr seines Geburtstages mit Vergnügen lesen wird Den Herausgeberinnen der „Letters of
Charles Dickens. Edited by his sister-in-law and his eldest daughter. In three volumes. London
1879—1880“ ist er entgangen. Wie viele Dickensbriefe jener Zeit ist auch dieser sorglos nur
durch Wochentag und Tageszeit datiert, daß er aber 1838 und in London geschrieben ist,
ergibt sich aus dem Inhalt Künzel hat ihn gleich zu einer kurzen Lebensbeschreibung und
einer hübschen Würdigung des Dichters verwertet, die er am 18. September 1838 an den Ver¬
leger Brockhaus in Leipzig geschickt hat; sie ist im ersten Bande des Brockhaus'schen „Kon-
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HO
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versations-Lexikons der Gegenwart. In vier Bänden“. Seite 1034—1036. Ende 1838 gedruckt
worden. Die beiden ersten Sätze des Briefes beziehen sich offenbar auf ein Probeheft dieses
Lexikons, über das Künzei Dickens* Urteil erbeten hatte.
My Dear Sir.
Doughty Street Monday Evening
Pray keep the English authors as long as you please. I only wish the collection were a more comprehen-
sive and interesdng one.
I am ashamed to confess that — in the hurry of many engagements — I have quite forgotten your request
That I may forget it no longer, I will teil you „all 1 know“ at once.
I was born at Portsmouth, an English seaport town principally remarkable for mud, Jews, and Sailors,
on the 7 * of February 1812 . My father holding in those days a Situation under Government in the Navy Pay
Office, which called him in the discharge of his duty to different places, I came to London a child of two years
old, left it again at six, and then left it again for another Sea Port town — Chatham, where 1 remained some
six or seven years, and then came back to London with my parents and half a dozen brothers and sisters, where-
of I was second in seniority.
I had begun an irregulär rambling education under a clergyman at Chatham, and I finished it at a good
school in London — tolerably early, for my father was not a rieh man, and 1 had to begin the world. So 1
began it in a Lawyers Office — which is a very little world, and a ve»y dull one — and leaving it at the expi-
ration of two years, devoted myself for some time to the acquirement of such general literature as 1 could pick
up in the Library of the British Museum, — and to the study of Short Hand, with a view to trying
what 1 could do as a reporter — not for the Newspapers, but legal authorities in our Ecclesiastical Courts. I was
very successfull in this pursuit — was induced to join the Mirror öf Parliaroent, a publicaüon which was at that
time devoted solely to the Debates — and afterwards to attach myself to The Morning Chronide where I remained
until the four or five first numbers of the Pickwick Papers had appeared, and in the columns of which Journal
most of my shorter Sketches were originally published. Some few appeared in the old Monthly Magazine. I may
teil you that I was considered very remarkable at the Chronide, for an extraordinary facility in wridng and so
forth — that I was very liberally paid during my whole connection with the paper — and that when I quitted it,
Pickwick was rapidly approaching the zenith of its fame and popularity . 1
The rest of my career up to this time, you know. I may add for your guidance in any little notes you may
throw together of my „Life and adventures" that 1 was a great reader as a child, being well versed in most of
our English Novelists before I was 10 years old — that I wrote tragedies and got other children to act them
— that 1 won prizes at school; and great fame — that I am positively assured I was a very clever boy — that
I am now married to the eldest daughter of Mr. Hogarth of Edinburgh, a gentleman who has published two
well known works on music and was a great friend and companion of Sir Walter Scott's — and that, being
now in my twenty seventh year, I hope with God’s blessing to retain my health, spirits, fancy, and perseverance
(such as they are) for many years to come.
As to my means of Observation they have been pretty extensive. 1 have been abroad in the world from
a mere child, and have lived in London and travelled by fits and Starts through a great part of England, a little
of Scotland, and less of France, with my eyes open. Heaven send that some kind wind may ere long blow me
to Germ any I
There — 1 have said more about myself in this one note than 1 should venture to say elsewhere in twenty
years. If you can make anything of such a jumble of matter, and — more than all — interest anybody in it, your
ability my dear Sir will have exalted your subject
Believe me
Very truly yours
Charles Dickens.
D. Küenzel.
If it be any consolation to the German Ladies to know that I have two children, pray teil them so.
Aus der Zeit von Künzels Londoner Aufenthalt in den Jahren 1838 und 1839 stammen
einige fiir die Geschichte des Jungen Deutschlands nicht uninteressante Briefe Ludwig Wihls,
mit dem Künzei in Paris ganz besonders, befreundet gewesen zu sein scheint Ludwig Wihl
(1807—1882), der ursprünglich orientalische Philologie studiert hatte, dann aber, weil er als Jude
auf eine Professur in seinem Vaterlande Preußen nicht hoffen durfte, sich der Dichtkunst und
Schriftstellerei zugewandt hatte, ohne es aber auf beiden Gebieten zu hervorragenden Leistungen
zu bringen, stand damals in engen Beziehungen zu Gutzkow und Heine und seinen redseligen
1 The Sketches, I should have told you, had been previously collected and published with amazing success,
and have since gone through many editions.
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
in
Briefen an Künzel verdanken wir manche Mitteilung über beide Dichter. Die Freundschaft mit
diesen ging bald darauf in die Brüche, und Heine, der durch einen biographischen Artikel Wihls
über ihn in Gutzkows „Telegraph“ schwer gekränkt war, äußerte sich in sehr scharfen Worten
über den ehemaligen Freund, wie man in Englers Abhandlung in der „Vierteljahrschrift für
Literaturgeschichte“ 1892. 5,322 und in Ludwig Fränkels Darstellung in der „Allgemeinen
Deutschen Biographie“ 42, 471 nachlesen mag.
Wihls Briefen schicke ich ein paar Worte voraus über den darin erwähnten Kreis junger
Deutscher in Paris und London, deren Sammelpunkt in Paris das Lesekabinett der Herren Baer
und Ebbinghausen gewesen zu sein scheint Es gehörten ihm an die beiden Darmstädter Alters*
genossen Künzels, der Zeichner und Lithograph Christian Schüler (geboren 1811) und der Mu¬
siker August Müller (geboren 1810, gestorben 1867 als Hofkonzertmeister zu Darmstadt), der
als der bedeutendste Virtuos seiner Zeit auf dem Kontrabaß galt. Niklas Müller (1809 zu
Langenau bei Ulm geboren, gestorben 1875 zu New York) war Buchdrucker und ein begabter
Liederdichter, er hielt sich damals zu seiner weiteren Ausbildung längere Zeit in London und
Paris auf. Künzel stand auch noch später in Beziehungen zu ihm. Elson ist der Violinspieler
und Komponist Eduard Eliason (geboren 1811 zu Frankenthal), der sich nach einem längeren
Aufenthalt in England und Frankreich 1842 als Musiklehrer in Frankfurt a. M. niederließ. Mit
dem Pariser Advokaten Pol Nicard (geboren 1805) waren diese jungen Deutschen jedenfalls
durch seine deutschen Sprachstudien, die er später als Übersetzer verwertete, bekannt geworden.
Wihl vermittelte die Bekanntschaft mit dem berühmtesten Deutschen in Paris, Heinrich Herne,
der, wie Künzel sagt, „stets half, wo er konnte, und in das Lebensschicksal vieler Landsleute in
der Fremde wohltätig eingriff.“ Niklas Müller schrieb an Künzel im Juni 1838, als er auf der
Rückreise von London sich in Paris aufhielt: „Wihl hat mich wirklich recht freundlich auf¬
genommen, auch Heine, mit dem er mich bekannt gemacht hat, und dem ich Ihren Brief
gegeben.“
Zu den deutschen Schriftstellern, die sich damals in Paris aufhielten, gehörten auch einige
zweifelhafte Persönlichkeiten, wie der in dem ersten Briefe Wihls erwähnte Adelbert von Bom-
stedt. Dessen Gegner Eduard Beurmann war aber gerade am wenigsten befugt, ihm die deut¬
schen Regierungen geleisteten Spitzeldienste vorzuwerfen, denn er selbst lieferte dem öster¬
reichischen Ministerium sogenannte „Konfidentenberichte“ über das Junge Deutschland. (Vgl.
Houben, Jungdeutscher Sturm und Drang. Leipzig 1911. Seite 156, 161.)
Künzels frühere Beziehungen zu Bornstedt werden für das Jahr 1836 durch zwei Briefe
von dessen Hand an „Monsieur le Dr. Künzel, Rddacteur du journal le Phönix. Darmstadt.“
bezeugt. In dem einen gibt der Schreiber Künzel einige Winke für eine Besprechung seiner
1836 bei O. Wigand in Leipzig erschienenen „Pariser Silhouetten“, der zweite handelt von dem
auf Künzels Vermittelung durch den Verleger des „Phoenix“, J. D. Sauerländer in Frankfurt,
übernommenen Verlag eines 1837 daselbst unter dem Titel „Basreliefs“ erschienenen Werkes
Bomstedts. Die Briefe sind in verschiedenen Beziehungen von Interesse; ganz modern erscheinen
z. B. Bomstedts Anschauungen von einer guten Buchausstattung und seine Abneigung gegen
Blümchen und Schnörkel.
Frankfurt, den 2i tw> Juli 1836.
Mein weither Herr.
Ihrer Erlaubnis zufolge erlaube ich mir, Ihnen einige Notizen hier zu übersenden, und bäte Sie recht sehr,
von meinem Buche in den nächsten Nummern zu sprechen. Sie würden mich verbinden, wenn Sie ein Capitel
auszögen und in einer Anmerkung hinzufugten:
i°, daß diese 2 te Lieferung als Vervollständigung der Schilderung des Pariser Lebens mit der i ten ver¬
bunden ein wohlgenügendes Buch für den Reisenden nach Paris ist,
2°, daß ich eine Spezialität in der Literatur erwählt habe, die Schüderung des französischen Lebens, Sie
mögen selbst beurtheilen, in wie fern es mir gelungen,
3°, daß mein Buch in Österreich verboten worden ist, warum.
4° Was nun die Haussuchung anno 1835 betrifft, so liegt diese gar nicht in Verbindung mit dieser 2 Un Liefe¬
rung, hingegen hatte ich im Anfang August Armand Carrel, Redacteur des National einen Brief aus Berlin
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
vom 22 l “ Juli mitgetheilt, worin von Fieschi’s Attentat die Rede war, und worin eine bedeutende Person aus
Berlin schrieb: Man furchte in Preußen zum Julifeste ein Attentat auf des Königs Leben. Carrel druckte mit
meiner Erlaubniß das Schreiben ab, und als die Pairskammer erfuhr, daß Herr v. Bornstedt einen solchen Brief
erhalten, wurde eine Haussuchung bei ihm vorgenommen. Die Polizei hatte selbst den bewußten Brief in Händen,
konnte jedoch den deutschen Inhalt nicht lesen, und Herr v. Bornstedt erklärte, ihn verbrannt zu haben, um
seinen Correspondenten nicht zu compromittiren. Das Manuscript der Pariser Silhouetten hingegen mit den
vielen französischen politischen Namen schien der Polizei staatsgefahrlich. Später sahen sie den Irrthum ein,
und obgleich sie einen Agenten gewählt hatten, der deutsch zu verstehen vorgab, war die französische Polizei
dennoch von dem jungen Deutschen höchlichst mystifizirt worden, und deren mesaventure zirkulirte mit allerlei
Spottversen in allen Pariser Salons.
Beurtheilen Sie mich, weither Herr Redacteur, mit Christfreundschaftlicher Schonung und nehmen Sie
nur in Paris bei Ihrer Ankunft meine Localkenntniß gehörig in Anspruch.
Könnten Sie durch Ihre Verbindungen mit andern deutschen Zeitungen und durch ein Paar Worte an
Gutzkof mir nützlich sein und zur Bekanntmachung meines Buchs etwas beitragen, so wäre ich Ihnen vielfach
verbunden. Somit mich Jhnen angelegentlichst empfehlend, habe ich die Ehre zu sein
Ihr ganz ergebenster A. v. Bornstedt
Dem Briefe lag eine Vollmacht bei, die Herrn Doktor Künzel, Redakteur des „Phönix“
ermächtigte, sämtliche für Herrn Adelbert von Bornstedt bei der Post in Frankfurt a. M.
anlangenden Briefe in Empfang zu nehmen.
Mein werther Dr. KünzeL
Paris, den 1$*** Dezember 1836.
Erst heut beantworte ich Ihr freundliches Schreiben. Den von Ihnen Unterzeichneten Contrakt nehme ich
natürlich an, jedoch muß ich betreffs der Zahlung der 540 Gulden folgendes ausmachen: H. Sauerlaender stellt
mir zwei Wechsel aus, der erste 14 Tage nach Ablieferung des Mpts zahlbar, der zweite den 15**® Mai. Diese
beiden von H. S. auf ein Pariser Banquierhaus gezahlten Wechsel übersendet mir Herr Sauerlaender sogleich
nach Empfang des Manuscripts. Ich will nämlich die Wechsel hier auf dem Platz gleich negoziren, und wenn
ich auch an dem auf 5 Monate gestellten etwas verliere, so ist mir das gleich. Diese beiden Wechsel müssen
aber in aller Handelsform je payerai ä M. de Bornstedt ou ä son ordre von einem soliden Banquierhause in
Frankfurt auf ein solides in Paris, z. B. Rougemont et Löwenberg oder Mailet fr&res.
Ich verlange diese Wechsel also, weil ich am i Un oder i$ tem April Paris für den ganzen Sommer und
Herbst verlasse und mein Geld nöthig habe.
Zweitens muß ich 25 Exemplare statt 12 portofrei nach Paris und ein Exemplar per Post portofrei sogleich
nach dem Erscheinen des Buches erhalten. Da Herr Sauerlaender mir kein Honorar im Phönix zahlt, so wird
er deshalb keine Schwierigkeit machen, um so mehr, da ich diese Exemplare nur zum Besten des Buches nach
Genf, Bern, Dijon und hier in Paris vertheilen will.
Übrigens, hoffe ich, wird H. S. das Buch elegant ausstatten, nicht so gemein und eng drucken, wie das
in Deutschland gewöhnlich geschieht, hübsches Papier; den Umschlag ohne alle Zierrath und blos mit gothischer
Schrift: Basreliefs von Adelbert von Bornstedt Das Titelblatt Basr. aus Frankreich, der Schweiz und Deutschland
v. A. v. B. Bei Leibe keine Blümchen und Schnörkel auf dem Umschläge, man kann so ein Buch wie meine
Silhouetten mit dem Kreuzchen ist, hier keiner Dame geben, weil es so gemein und geschmacklos gedruckt,
wenig weissen (Rand) und kein weisses Blatt bei den Kapiteln hat. In 3 Wochen hoffe ich das Mpt. abgeschrieben
zu haben, eine Höllenqual für mich den noch immer Kranken und wenn auch Ausgehenden doch Mißmuthigea.
Legen Sie Sauerlaender die Sauberkeit der zwei Bände recht ans Herz. Es wird sehr viel Material darin sein
und auch einige Imaginazion. Alle Verse habe ich ausgemerzt
Herrn Kollow (Eduard Kolloff) habe ich nicht besuchen können, da ich nicht gerne meine Bekanntschaften
ausdehne, er hat einem meiner Freunde schon oft gesagt, er werde zu mir kommen, hat sich aber noch nicht
blicken lassen.
Im April werde ich Ihrer Kritik zu Folge mich auf dem Lande concentriren und 7 Jahre in Frankreich
oder sonst etwas Reelles arbeiten.
Uebrigens bin ich sehr unglücklich, ich habe Niemand, der sich in Deutschland für mich interessirt und
mir dazu behüflich ist, etwas in Ruf zu kommen. Ich denke, Sauerlaenders Verlag hilft dazu. Weder Herr
Carovl, noch das Hamburger Blatt, noch die elegante Welt, noch Gutzkow haben ein freundliches Wort über
meine Silhouetten gesagt, und ich lebe doch nun in Paris von meiner Arbeit ohne Hülfe von meiner nicht wohl¬
habenden Verwandtschaft.
Adieu — Herrn Duller grüßen Sie verbindlichst von mir.
Sie sind glücklich, Sie haben eine Familie und dürfen von Deutschland nach Frankreich nach Belieben
reisen.
Adieu — ich bin zur Correspondenz untauglich.
Ihr dankbar ergebener A. v. Bornstedt 26, rue Feydeau.
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A
GAPING-
AVIDE-MOUTH-
THE BODLEY HEAD.
NEW YORK:JOHN-LANE/ COMPX
Tafel 2 . „Der mit weit aufgerissenem Maule gähnende, watschelnde Frosch”. Titelblatt.
Z. f. B. IV. Jahrgang 1913/1913.
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Zu ..Walter Crane als Buchillustrator*.
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
ii 3
Wihls Briefe lauten:
Paris Ostersonntag den 15. April 1838.
Liebster Freund. Leider muß ich meine erste Antwort schon mit einer Entschuldigung anfangen. Es
ist mir mißlich, aber die Umstände haben es nicht anders gewollt. Seitdem du Paris verlassen, fühle ich die¬
selbe Vereinsamung, die dir den hiesigen Aufenthalt so unangenehm gemacht hat Mir fehlt der Freund, dem
ich mich wie ich denke, fühle und handle ohne Rückhalt mitteüen kann. Wie oft habe ich mit gemischter
Empfindung, mit frohem und traurigen Herzen an dich gedacht. Freuen müßte es mich wohl, daß du dich
heimisch und glücklich in London fühlst, aber auch betrüben, daß du das Alles nicht in der Nähe finden
konntest Du weißt, daß ich hier mit keinem andern Deutschen, als mit Heine in naher Beziehung stehe. Diese
Beziehung hat sich immer mehr gefestigt, aber dennoch ist unsre Individualität zu verschieden, als daß sich hier
ein tieferes Herzensverhältnis gestalten könnte. Zu diesem Gefühle der Verlassenheit kommen noch mancher¬
lei andre Verdrießüchkeiten hinzu, und meine Antwort würde gar zu unangenehm mit deinem lieben Schreiben
contrastirt haben. Das hielt mich ab, und du wirst mich entschuldigen, wenn ich einen in dieser Rücksicht
günstigeren Augenblick habe abwarten wollen. Vergebens, auch heute bin ich nicht frei und du mußt mich
doch zuletzt nehmen, wie ich eben bin. Du hattest Recht, Freund, daß du dich von dem H“* v. Bornstedt sobald
zurück zogst; du weißt aber auch, daß der Mensch sich mir aufgedrungen. Ich habe mich aufrichtig gegen
ihn über seine schlechten Arbeiten ausgesprochen; das mochte ihn mit der Länge der Zeit verdrießen. Er nahm
wahrscheinlich in Folge davon Anlaß, mich auf eine pöbelhafte Weise zu verletzen. Ich habe, da ich mich mit
einem Menschen, von dem man das Schlimmste sagt — Beurmann hat ihn jetzt sogar öffentlich einen
Mouchard genannt, dem er zu widersprechen nicht einmal den Muth hat — nicht schlagen konnte, ihn verklagen
wollen, aber die Deutschen haben mich gebeten, die Sache nicht zur Öffentlichkeit zu bringen. Der einzige,
negative, doch bedeutende Gewinn bei der Geschichte, ist, daß ich den Menschen vom Halse habe. — Eine
andre Verdrießlichkeit war die, daß mein mattre d’hötel mich um einige 50 frcs. betrügen wollte. Ich habe frei¬
lich den Prozeß gewonnen, aber es bleibt immerhin fatal und macht mir den Aufenthalt nicht angenehmer.
Mein Hamburger Freund hat mir inzwischen, ahnte, einen aufmunteraden Brief geschrieben (auch dieser ist noch
unbeantwortet), den ich dir mit Ausnahme einer Stelle, welche zwei andre Persönlichkeiten betrifft, wörtlich hier
einschalten will, da ich weiß, daß dir der Inhalt und die Art und Weise der Abfassung, Zusagen wird. „Liebster
Wihl, ich wünschte fast, Ihre Briefe enthielten keine Beyträge für den Telegraphen, denn da diese selten
kommen, so kommen auch Ihre Briefe selten, was mich ärgert, da ich sie so gern lese. Ihr „Spiegel“,
in dem Sie sich aber zuviel selbst erblikken, nämlich in der Abfassung, die ich gestrichen, hat allge¬
mein angesprochen; Ihre neue Mittheilung wird Ihnen die erworbenen Freunde erhalten. Der kleine Artikel ist
wohlthuend zu lesen, höchstens wehethuend für Goldhammel und Götze, die mir, wenn er in diesen Tagen zum
Drucke kömmt, nach 14, wo ich in Frankfurt seyn werde, vielleicht zu Leibe rücken. Einer dieser meisterhaften
Kniestücke, Götze, ist glaub' ich, Abonnent des Telegraphen. Les' ich darum Joumäller, um mei eigen Schand’
tl erblicke. Sie sind ein böser Mensch, Wihl! — Wissen Sie, daß heut mein Geburtstag ist, daß ich 27 Jahr
alt bin u. Sie im vorigen Jahre die kochkünstlerischen Versuche meiner Frau verzehren halfen an ,,'ner große
Familietafel, wie d’ Frankforter sagge“ oder wie Bettina sagt, denn die spricht ärger als eine Bockenheimerin.
Wihl, hätte ich Sie hier, welche Freude! Umgang gnug, aber wenig Poesie darunter. Literaten und Journalisten
gnug, aber mehr Vieh, als Mensch, geschweige Dichter! Vagabondirende Lokalskribler, bankerotte deutsche
Flüchtlinge, die mit dem Londoner Dampfschiff unter falschem Namen sich her wagen in ein neutrales Gebiet
und den Beutel „der guten Sache" wegen brandschatzen, einige kahlköpfige alte Burschenschäftler, die sich mit
kalten Phrasen und heißem Grog am Leben erhalten, selbst mit etc. etc.-, so wüßt' ich nur Sie,
den ich gern bei mir hätte, und sollt' es Ihnen in Paris zu schlecht gehen, sollten sich keine dauernden Ver¬
bindungen, die Ihnen die Zukunft sicher stellen, eröffnen, so gehen Sie nach Havre und kommen her, es soll
sich schon Rat finden. — Daß Sie an Heine halten, ist Recht. So hätt* ich mir gewünscht, 4 Wochen meines
Lebens mit Börne zubringen zu dürfen. Große Männer strömen ein Arom aus, das sich gar nicht definiren läßt.
Die deutsche Zeitung wäre nach so vielen gescheiterten Versuchen eine Thorheit. Böme's Balance konnte dicht
an der französischen Grenze, wo ihr eigentliches Terrain war, nicht reüssiren; wie viel weniger ein Journal, das
Heine herausgiebt, Heine, der mehr in Ungarn als in Rheinbayem sein Publikum hat. Wenn Heine von
Preußen eine Concession bekommen kann, so soll er sie lieber für seine sämmtl Schriften als für ein Journal
benutzen. Ich denke auch, der Plan ist nur eine Scheinposition, die Heine einnehmen will, um seine in
Deutschland sich mehrenden Gegner zu schrecken. Diese Gegner sind allerdings deshalb beachtenswerth, weil
es keine Professoren und Beamte, sondern junger literar. Nachwuchs sind; doch dienen sie lediglich nur, um
Heine als objektiver und langer Abhandlungen würdige Erscheinung zu fixiren. Der Gewinn ist viell. größer als
der Nachtheil u. H. hätte den besten Vertheidiger, wenn er etwas Gescheites einmal wieder los ließe und nicht
wahr würde, was ich zum Scherz in mein Ihnen wohlbekanntes NotizenfoÜo geschrieben habe:
Heines Salon N£. 4 wird bringen: erstens ein Dutzend
Lieder, das einmal bereits stand im Salon N£. 1.
Dann die Gellert’schen Fabeln und Anekdoten von Müchler,
Ferner ein klein ABC für den Schulengebrauch;
Z. f. B. 1912/1913. 15
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
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Endlich zuletzt ein Excerpt aus Bröders lateinischer Grammatik,
Mensa durchdeklinirt — Alles zusammen, damit
Man die Censur auch vermeide, auf 20 Bogen 1 — nicht drunter!
Möchte sich auch vielleicht eignen zum Weihnachtsgeschenk!
Über das, was Sie von A. v. B. schreiben, erstaun’ ich. Der Mensch ist mir so widerlich, daß ich gegen
ihn eine Polemik eröffnen lassen werde, die, es thut mir leid, ihn vielleicht um s. Stellung an der A. Z. bringt.
Mögen dort andere ankommen, die es nöthiger haben und nicht den Vorzug voraus, daß sie Preußen bezahlt
Ich bin zu gut honorirten Artikeln für ein Convers. Lexikon aufgefordert; ich habe nicht Zeit, werd’ es
ablehnen und Sie vorschlagen. In 14 Tagen bin ich nicht mehr hier. Ich hole Weib und Kind u. bleibe 4 Wochen
von hier fort Adressiren Sie also Ihren nächsten Brief nach Ffurt Leben Sie wohl u. bleiben Sie treu Ihrem
Gutzkow. Hamb. 17. März 1838.“ —
An meinem Artikel hat G. weniger ausgelassen, als ich befurchtet hatte. Alles macht sich recht gut und
ich wünschte, daß du ihn als deutsche Stilprobe mit aufnehmen möchtest Dein Buch findet verdienten Anklang.
Im Phönix ist dasselbe von Nodnagel u. v. Genzel im Freimüthigen mit Liebe und Anerkennung besprochen.
Mein zweiter in G. Brief erwähnter Artikel: Träume aus der Heimat in Paris, wo ich den H“* D r - Goldhammel
(Advokat D r - Goldschmid) und den Banquier Moses Götze (Moritz Getz) porträtirt habe, ist mir in manchem
Betracht noch lieber als mein ersterer, da er mit Humor und Phantasie abgefaßt ist Ich würde dir gern beide
Artikel mittheilen, wenn ich sie abgeschrieben oder einen Abdruck derselben hätte. Du willst ohnehin Gutzkow
mancherlei Mittheilungen über Paris machen, ich habe ihm bereits davon Anzeige gemacht, lasse dir dieselben
mit Buchhändlergelegenheit kommen. In meiner Mißstimmung schreib* ich wenig, an Größeres darf ich nicht
denken; vor einigen Tagen beim Anblick des ersten Grüns im Tuileriengarten — heute ist klägliches Winter¬
wetter — sind folgende 3 Lieder entstanden. Ich theile sie dir allein mit, du mögest daran sehen, was du mir
gilst Der heutige Phönix bringt auch 9 Gedichte von mir.
I.
1. Ein ungestümes Sehnen
Zieht mich zum grünen Wald,
Als müßt’ im Wald ich finden
Der Liebsten Aufenthalt!
2. Bei jedem Blätterrauschen
Rauscht es in mich hinein:
Sie kommt daher gegangen,
Es muß die Liebste sein!
3. Bei jedem süßen Tone,
Der aus der Ferne klingt,
Denk’ ich das sind die Grüße,
Die mir die Liebste bringt.
II.
1. Ach, wie lang muß ich mich sehnen
Nach dem schönen andern Ich,
Daß es mit der Liebesfülle
Liebevoll ergänze mich.
2. Meine Jugend wird, ach, schwinden,
Immer steh’ ich noch allein,
Hab’ mein Theü noch nicht gefunden,
Wessen Schuld mag es wohl sein.
III.
Wo ruhen die Gebüde aus
Die unserm Geist entsteigen,
Fliegen sie zum Himmel auf
In der Sterne Reigen ?
Fliegen sie zur Erde hin
Als Blumen zu erblühen?
Ich denke her und denke hin,
Weiß nicht, wohin sie ziehen?
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
“5
Theile mir nächstens recht viel über deine schriftstellerischen Arbeiten mit. Ich brauche es dir wohl
nicht erst zu sagen, wie sehr es mich freut, daß du so viele u. schöne literär. Anknüpfungspunkte hast Elson
grüße mir oft, warum hat er kein freundliches Wort bisher an mich gerichtet Von Sabel sagst du mir gar
nichts; er wird dir auch recht Zusagen. Sehr lieb ist es mir, daß sich Frau Moscheies noch meiner mit Anhäng¬
lichkeit erinnert. Grüße diese Familie herzlich. Ich bitte dich, von Zeit zu Zeit auch meine Verwandte zu be¬
suchen, vielleicht legen sie einige Zeilen an mich deinem nächsten Schreiben bei. — Müller und Schüler-haben
sich sehr mit Allem, was ich ihnen von dir mitgetheilt, gefreut Schüler wird erstens schreiben, Müller möchte
wissen, welche Aussichten sich ihm darbieten, wenn er nach London kommen würde u. ob du ihm wohl sehr
förderlich sein könntest Dein Zusammenkommen mit Niklas Müller ist mir erwünscht; ich hatte es vergessen,
dir einige Zeilen für ihn mitzugeben. Sage ihm, daß ich mich sehr freuen würde, ihn bald hier zu sehen. Doch
wer weiß? Verläßt der Unmuth mich nicht bald, thue ich, wie Gutzkow es wünscht und kehre nach Deutsch¬
land zurück, nicht nach Frankl, sondern nach Hamburg.
Heine will schreiben, ich habe ihn sehr oft daran erinnert. Es geht ihm wie mir, aber er meint es sehr
gut mit dir. Die Post geht ab u. länger wül ich mich dir nicht entziehen. Thue mir die Liebe u. schreibe gleich
nach Empfang; du hast jetzt mancherlei auf dem Herzen. Doch Eins noch, das ist fast vergessen hätte. Pol
Nicard hat mich erst vor etwa 8 Tagen zu seinen Eltern zum Abendessen eingeladen. Er hatte sich inzwischen
verheirathet. Dieses Geschäft hatte ihn in Anspruch genommen. Ich habe seine Frau nichts weniger als schön
gefunden und er hat sie, wie es mir vorkam, auch nicht mit besonderer Neigung den Abend behandelt
H. Chotaski ist sehr krank; ich glaube nicht an seinem Aufkommen, er verläßt das Bett nicht und so nützt ihm
die Bekanntschaft mit Verwandten Mr. Nie. nicht Die Post geht ab, daher schließe ich mit der innigsten Bitte
mir umgehend so ausführlich als möglich über alles dich Betreffende zu schreiben.
Dein Freund L. Wihl.
Gutzkow hat das in den obigen satirischen Versen ausgesprochene Urteil über Heines
damaliges Schaffen nicht nur seinem Tagebuch und dem Freunde anvertraut, sondern auch in
einem am 6. August 1838 an Heine gerichteten Briefe diesem selbst gegenüber kein Hehl
daraus gemacht, daß es ihm im eigensten Interesse Heines nicht recht gefallen wolle, wenn der
beliebte Dichter der „Reisebilder“ sich immer nur aus schon abgelegten Sachen neue Kleider
zurechtschneide, statt mit wirklich neuen Werken hervorzutreten, die auf der Höhe seiner
früheren Leistungen stünden. (Houben, Jungdeutscher Sturm und Drang. Leipzig 1911.
Seite 165.) Das Epigramm „Heines Produktivität“ ließ er später mit geändertem Schluß im
„Telegraph fiir Deutschland“, Juli 1839, Nr. 108 abdrucken, es ist auch in seine „Ge¬
sammelten Werke“ 1845 I, 269 und 1872 I, 317 aufgenommen worden. (Vgl. dazu Houben
a. a. O. Seite 173.)
Havre 19. Mai 1838.
Herzgeliebter Freund.
Nur einen Sprung über Meer und ich wäre bei dir. Das ist nun aber, leider, dem Briefe, nicht mir ver¬
gönnt Möge er dir statt meiner meine herzlichsten Grüße hinüber tragen.
Ich habe endlich der wiederholten Aufforderung meines Freundes Gutzkow gefolgt und eile diesen Nach¬
mittag 5 Uhr mit dem Dampfschiff nach Hamburg. Welch frohes Wiedersehn. Für heute begnüge dich mit
diesen wenigen Notizen. Niel. Müller hat mir deine beiden lieben Briefe überbracht. Ich habe ihm, so viel ich
konnte, meine letzten Augenblicke vor der Abreise gewidmet Ich kann dir nicht sagen, wie freundlich sich die
H n Bär u. Ebbinghausen mir bewiesen haben. Sie haben mir vorgestern ein sehr großes Abendessen — Bordeaux
u. Champagner war die Hülle u. Fülle — gegeben. Ein schöner Kreis Deutscher, unter andern auch Müller,
war zugegen. Es war ein schöner Augenblick für mich.
Du kannst denken, wie sehr ich mich freue, recht bald einen Freund wieder zu sehen, den du jetzt nicht
nur als einen der bedeutendsten Schriftsteller, sondern auch als Menschen nach Gebühr zu würdigen verstehst.
Schade, daß ich nicht die Zeit habe, dir seinen jüngsten Brief abschriftlich mitzutheilen.
Elsons Briefe u. das dem ersten an mich beigelegte Gedicht haben mir viele Freude verursacht Bin
ich an meinem neuen Bestimmungsorte, sollen seine Briefe auf das Freundschaftlichste erwiedert werden.
Bär u. Ebbinghausen werden dir erstens die Grammatik schicken. Von Hamburg aus erhältst du meine
Gedichte.
In Eile dein L. Wihl.
Warum erfahre ich von H n Sabel nichts? Frage doch Elson einmal.
Hamburg 1. October 1838.
Liebster Freund.
Ich hätte dir, wärst du bei mir, tausenderlei zu sagen; die Feder aber ist für mich eine schlechte Ver¬
mittlerin. Ach, brauche ich dir das erst zu sagen; hast du es nicht tief empfinden müssen und werde ich mein
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
Stillschweigen entschuldigen können. Ich habe mehr dabei gelitten als du glaubst, aber ist man einmal ins
Stocken gerathen, weiß man nicht, wie und wo anzufangen. Ich glaube an deine Freundschaft; nimm den
Freund wie er ist
Fühlst du dich noch so glücklich wie im Anfang ? Du kommst von einer Reise. Elson schrieb es mir,
daß du London für 6 Wochen verlassen hättest, ohne zu sagen, wohin dich die Füße oder der Wagen, oder das
Dampfschiff getragen. Ich bitte um baldige ausführliche Mittheilung. Du hast gewiß manches Interessante
liegen, willst du es veröffentlichen, schicke es nur für den Telegraphen.
Ich muß mich eilen und bin kurz, die Gelegenheit drängt. Schreibe baldmöglichst Antwort, beschäme
michl — Bald erhältst du ausführliche Nachricht u. Gedichte. Dein Freund L. Wihl
Einige Proben neuerer Gedichte.
I.
Ein frisches Leben haucht der Fluß stets ein
Von Berg und Thal und Kluft und Stein;
Er spiegelt treu den Himmel wieder,
Indeß ich traurig blicke nieder.
Ich bin gebannt in engen Raum,
Ich sehe schwarz den Himmelssaum;
Der Menschen Thun ist mir zuwider,
Drum blick' ich traurig vor mir nieder.
Gibt’s irgendwo ein beß’res Land?
Was hilft’s, ich bin ja festgebannt;
Die alte Hoffnung kehrt nicht wieder,
Ich blicke traurig vor mir nieder.
Ein grünes Blatt fällt in den Fluß,
Wer weiß, wo es verwelken muß?
Ein solches Blatt find ich nicht wieder,
D'rum blick’ ich traurig vor mir nieder.
II.
Ruft mich nicht!
Füllt die hohen Goldpokale
Mit Johannesberger an,
Labt euch an dem feinsten Mahle
Was man nur bereiten kann,
Fehlt die Eine bei der Freude,
Die mit Liedern mich erfreut,
Ruft mich nicht, in meinem Leide
Blüht mir größ’re Seligkeit!
Nein, ich bleibe still zu Hause
Ohne Goldpokal und Wein,
Wartend bis in meine Klause
Sie geräuschlos tritt herein.
Was so arm und eng für beide
Wird uns plötzlich reich und weit,
Ruft mich nicht, in meinem Leide
Blüht mir größ’re Seligkeit!
Spurlos schwinden dem die Stunden,
Den die Hohe nicht bekränzt,
Nur der Wein kann mir recht munden,
Den mir ihre Hand kredenzt.
Nein, das bleibt nur eine Haide,
Wo sie keine Rosen streut;
Ruft mich nicht, in meinem Leide
Blüht mir größ’re Seligkeit
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
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III.
Gefühle der Unsterblichkeit.
Es weht mich an ein Frühlingshauch
Aus herbstlich gelben Blättern,
Wie meiner Jugend Wonne auch
Mir lacht aus Sturmeswettem;
Auch in der Nacht gewahr* ich Licht,
Es hüllt sich ein, doch stirbt es nicht!
O welchen Trost gewährt das mir!
Ich lebe fort im Staube,
Wo ist das Jenseits, wo das Hier,
Stärkt mich ein solcher Glaube? —
Auch in der Nacht gewahr ich Licht,
Eis hüllt sich ein, doch stirbt es nicht!
IV.
Beim Meeresleuchten.
Liebe Namen schrieb ich gern in’s Meer,
Goldhell flammten sie hervor.
Doch betrübte mich’s gar sehr,
Daß die Spur sich bald verlor.
Fester ist die Schrift gelegt
In des Herzens Ebb’ und Fluth,
Manche Welle sich bewegt,
Wo sie ungestört noch ruht
Grüße bestens die liebe Familie Moscheies. Mit ihren hiesigen Verwandten steh’Tch in freundschaftlicher
Beziehung. Theile vorstehende Gedichte mit, vielleicht ist Herr Moscheies geneigt, eins oder das andere zu
componiren.
Hamburg 29. Febr. 1839.
Treuer, herzgeliebter Freund.
Brauche ich dir wohl zu sagen, wie sehr mich dein Brief, den ich nach langem Harren und Warten
empfangen habe, erfreut hat! Wenn auch diese meine Antwort über Gebühren lang verbleibt, so schreibe diese
Verspätung dem selben Grunde zu, warum ich die deinige so lang entbehren mußte. Erst vor einigen Tagen
sind mir deine lieben Zeilen zu Gesicht gekommen. Ob die Gelegenheit, womit dieselben geworden, oder die
schlechte Jahreszeit, die stürmische Witterung schuld daran ist, kann ich mir ebensowenig als du erklären. So
sind wir beide durch Zufälligkeiten lange Zeit um einen Genuß gekommen, den wir beide nicht gering anschlagen.
Hunderte Mal habe ich an dich gedacht und auch mit meinen hiesigen Freunden von dir gesprochen; aber
immer vergebens auf eine Kunde von dir gewartet. Mein Herz ist dir immer gut geblieben; du weißt es, ich
bin selbst ein zu langsamer, träger Schreiber, als daß ich Briefversäumnisse nicht mit Nachsicht ertragen könnte
und müßte — nur damals wußte ich mich nicht zurecht zu finden, als du an Gutzkow schriebst und an mich
keine Zeile beilegtest Leider hatte ich selbst zu spät deinen zweimonatlichen Aufenthalt in Darmstadt erfahren,
sonst würde ich mich dahin an dich gewandt haben.
Gutzkow’s Antwort folgt hierbei; du siehst aus ihr, daß er sich dir mit Liebe zu wendet So ist kein Grund
vorhanden, daß du mit deinen Beiträgen zum Telegraphen länger hinter dem Berge hältst. Über Duller schweigt
er. Glaube mir, ich habe dein Gesuch in Betreff des letztem auf das Dringendste unterstützt, aber vergebens.
Gutzkow stellt Duller als Schriftsteller zu tief, als daß es zwischen beiden jemals zu einem Verständniß kommen
könnte. Unter solchen Umständen ist, wie du leicht einsiehst, alles Zureden überflüssig und erfolglos. — Von
Gutzkow wird nächstens ein bühnengerechtes Drama: König Saul bei Hoffmann und Campe erscheinen, das ich
in jeder Beziehung für ausgezeichnet und vollendet halte. Alles ist Leben und Handlung, Fleisch und Blut,
reine ungetrübte Poesie, aus derselben Quelle geschöpft, aus welcher Shakespeare und Göthe ihre unvergäng¬
lichen Welten hervorgezaubert haben.
Doch bevor ich eine Zeile weiter schreibe, meinen herzlichst innigen Dank für die Freundschaft, womit
du mir neben Heine — letzterer wird dir das gewiß recht übel aufnehmen — die treffliche Novelle Adolph
gewidmet hast. Gestern ist das artig ausgestattete Büchlein bei Hofim. & Campe eingetroffen: Die „Fliegenden
Blätter" scheinen noch nicht ausgegeben. Sollte Sauerländer mir dieselben nicht zuschicken, will ich deiner
Aufforderung nachkommen. Ich gedenke diese Erscheinungen im Hamburger Correspondenten zu besprechen
und dadurch einigermassen deine Liebe zu erwiedern. — Der Beifall, den du meinem dichterischen Streben mit
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
so vieler Wärme ertheilet, ist mir wohlthuend und erwünscht. Dieser Tage ist auch: Deutsche Sagen und
Legenden hrsgegeben von A. Nodnagel hier angekommen. Die Sammlung bringt dein Theophrastus Paracelsus;
von mir „Prinzessin Ilse“, „der dankbare Zwerg“ und „die blasse Jungfrau“. Deine „Drei Bücher deutscher
Prosa“ haben sich eines allgemeinen Beifalls zu erfreuen und haben deinem Namen einen schönen Klang gegeben.
Über deine Aussichten hast du mir nur Mancherlei flüchtig und unbestimmt angedeutet; jetzt sage mir
— in der Zwischenzeit hat sich wahrscheinlich Eines oder das Andre entschieden — wie es um deine Hoffnungen
steht und worin sie sich namentlich concentriren. — Ich — du fragst nach mir — befinde mich insofern in
heiterer, glücklicher Stimmung, als meine Leistungen von Tag zu Tag immer mehr Theilnahme finden. Das
sehe ich aus Beurtheüungen und Zuschriften. Was soll ich es dem theilnehmenden Freunde verschweigen; meine
literarischen Streifzüge im Hamb. Correspondenten, mein Gedicht: Die Juli-Opfer und meine polemischen
Artikel gegen Gervinus im Jahrbuch der Literatur haben mir den Weg zum Herzen des grossem Publikums
eröffnet Was sind wir arme Schriftsteller — und namentlich ein vom Staat verstossener, ein Paria wie ich —
ohne) diesen Anhaltspunkt? — Du bist und bleibst mir ein treuer Herzensfreund, darum auch sollst du dich mit
mir freuen. Ich will dir sogar die Mühe nicht ersparen dir das Urtheil von Carl Gödeke über meine Juli-Opfer im
gestr. Hamb. Correspond, hier abzuschreiben: „Einer der strebungsvollsten Dichter aus der sogenannten jungen
Schule ist der Verfasser der bezeichneten Dichtung. Mit grosser Wärme, glücklicher Gestaltungskraft und Viel¬
seitigkeit der Auffassung wählt er sich vorzugsweise Fragen der Gegenwart und die Quellen, aus denen jene
Fragen hervorströmen, zu Stoffen seiner Poesie. Eine schon vor längerer Zeit von ihm veröffentlichte Gedicht¬
sammlung legt hierüber das redendste und erfreulichste Zeugniß ab. Jene liebevolle Hingebung an die großen
Gedanken in der neuen Zeit, jenes Anschmiegen, das dem Stoffe indeß die Ruhe des Beherrschens nicht zum
Opfer bringt, offenbart sich widerum in den „Juli-Opfem“. In festumgränzten Gestalten verkörpert der Poet
hier seine Betrachtungen über die Bedeutung der Julitage; während er anscheinend absichtslos einzelne Indi¬
viduen aufgreift, erfasst er in ihnen, die sich bald zum festen Kreise zusammenrunden, den tiefen Grund der
Erscheinungen, und indem er Wesen mit eigentümlicher Physionomie vor uns handeln und leiden lässt, schafft
er jene Empfindungen in uns, die nur das unmittelbare Ergebniß eines kräftigenden, poetischen Genusses sein
können. Vor der gewaltigen Kraft des Gedankens, aus dem die drey Tage welthistorischer Bedeutung hervor¬
gingen, des Gedankens der Freiheit und der Würde der Nation, verschwinden die Fesseln, welche an die ver¬
härteten Vorurtheile des Ranges (sich) knüpften; die Schwäche des Geschlechtes erstarkt zu bewunderungs¬
würdigem Muthe, und mitten in der Verwirrung der Verhältnisse, aus welcher, wie aus der eingerissenen Scholle
die Saat, eine neue gesunde Ordnung hervorwächst, vermag die Liebe ihre sanften, wohlthätig versöhnenden
Bande zu schlingen. Die gesonderten Kreise der bürgerlichen Gesellschaft lösen sich, um sich zu einem großen
Alles umfassenden Ringe zusammenzuschließen; die spröde Härte, die beschränktere Heimatliebe, idyllisches
Genügen — sie gehen alle in schöner Liebe zu dem Träger des Hauptgedankens geistig auf, und alte einfache
und neue feurige Regungen, früher feindlich einander gegenüberstehend, versöhnen sich in gemeinsamer Glut.
— Aus diesen Gesichtspunkten haben wir die Gestalten und Scenen dieser Dichtung betrachtet u. möchten den
Genuß, den wir selbst davon hatten, auch bei Andern erwecken. Die Form zeigt zwar mitunter Rauheit, allein
wir halten diese Rauheit für die des Edelsteines, den die Zeit schleifen wird. Die nicht durch Zufall eingefloch¬
tenen, sondern durch eine innere Nothwendigkeit bedingten Lieder machen in ihren einfachen Weisen, deren
Musik wir durchklingen hören, den Eindruck tiefer Wehmuth, wie ihn der Dichter zu erwecken beabsichtigte."
— Nicht wahr, das ist eine ermunternde Kritik u. was mir das Liebste ist, eine wahre mir auch bei der Auf¬
fassung vorschwebende Auffassung. Leider bin ich schon bis zur letzten Seite gekommen und es fallt mir
schwer, abbrechen zu müssen. Gern würde ich dir manches Neuere schicken. Ich sitze jetzt über einer
Geschichte der deutschen National-Literatur von ihren ersten Anfängen bis auf unsre Tage. Die ersten 8 Bogen
sind zum Druck bereit u. werden erstens bei Campe erscheinen. Ganz neue Resultate, du sollst sie bald über
Meer erhalten. Schreibe gleich nach Empfang recht ausführlich. Auch von Elson, dem ich die Hand schüttle
erwarte ich einige Details. Siehst du Moscheies und Frau? Grüsse sie. Wenn er will, schicke ich ihm einige
Lieder zur Composition. Die Componisten beissen jetzt an. Mein „Trauernder Rabbi“ wird jetzt zum 3 ten Male
componirt erscheinen. Nebenbei ein Cyklus anderer Lieder hierselbst bei Böhme, Auch meinen Verwandten
für heute nur einen Gruß. Noch einmal reiche ich dir Hand und Herz dein L. Wihl.
Auf die leere Rückseite des seinem Briefe beiliegenden Schreibens Gutzkows schrieb Wihl:
Hierbei noch ein Frühlingsbild von Ludwig Wihl.
Schon reget in den Bäumen
Ein junges Leben sich;
Schon flüstert’s in den Keimen
Gar süß und wunderlich.
Es ist, als ob aus Banden
Die Erde sich befreit
Und grünende Guirlanden
Sich windet um ihr Kleid.
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
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Die Ströme sind berauschet
Von jungem Lebensmuth,
Aus tausend Wellen lauschet
Der Fische muntre Brut
Es kommt aus fernem Süden
Das Schwalbenvolk gemach
Und suchet Glück und Frieden
Am ländlichstillen Dach.
Es dringt in mich das Leben
Mit Wonnefülle ein:
Wer solch ein Werk kann weben,
Der muß ein Meister sein.
Hamb. 4. Febr. 1839.
Ich erbitte mir dein Urtheü über dieses Gedicht u. m. Aufsatz im Jahrbuch. Vielleicht ist Moscheies
geneigt, jenes zu componiren.
Wihls „Geschichte der deutschen National-Literatur“, die nach der Ansicht des von sich
selbst sehr eingenommenen Verfassers „ganz neue Resultate" bringen sollte, erwies sich als ein
gänzlich minderwertiges und verfehltes Machwerk, das mit Recht der verdienten Vergessenheit
anheimgefallen ist Aus späterer Zeit ist nur noch ein Brief erhalten, den der nach Paris
zurückgekehrte Wihl am 26. Juni 1852 an Künzel gerichtet hat. Der Versuch, mit dem alten
Freunde wieder anzuknüpfen, dürfte nicht zu neuem Verkehr beider geführt haben, da Künzel
Wihls Bitte, ein von ihm verfaßtes Drama durch seine Beziehungen zu hervorragenden Schau¬
spielern zur Bühne zu bringen, wohl nicht erfüllen konnte oder wollte.
Zur Erläuterung von Wihls Brief vom 29. Februar 1839 fuge ich noch bei, daß Künzel
die darin erwähnte Novelle „Adolph", Frankfurt 1839, nac ^ dem gleichnamigen Werke Benjamin
Constants übersetzt hatte, und daß seine Gedichtsammlung „Fliegende Blätter" ebenda 1839
erschienen ist. Über Gutzkows Zerwürfnis mit Duller, das bei ihrer gemeinsamen Herausgabe
des „Phoenix" entstanden war, vergleiche man Houbens „Zeitschriften des Jungen Deutsch¬
lands" 2, 413—417.
Das dem Briefe Wihls beigelegte Schreiben Gutzkows lautet:
Lieber Herr Künzell
Ich hätte Ihnen längst auf Ihren freundlichen und inhaltreichen Brief aus Darmstadt antworten sollen;
doch haben Sie gewiß mit meiner vielfach in Anspruch genommenen Zeit Nachsicht und nehmen vorlieb mit
diesen wenigen Zeilen, die ich Ihnen als Boten eines freundschaftlichen Grußes sende I Ihr Buch über die Prosa
hab’ ich im Telegr. angezeigt, mit der Hoffnung, daß Sie mir die kleinen Rügen, die ich mir hier und da er¬
laubte, nicht verübeln werden. Sie stellen Mundt zu hoch und führen mir Stylmuster auf, die keine sind, mit
Leuten, die wie z. B. Bacherer, Adrian, die verschiedenen fürstlichen Personen nie in Betracht hätten kommen
sollen. Deßgleichen gehören Stellen aus Dramen nicht in eine Beispielsammlung für die Prosa und den Styl.
Ich weiß nicht, lesen Sie in London den Telegraphen? Der Plan mit einem German Review ist vortrefflich
und wünsch’ ich Ihnen Ausdauer dazu, ihn ins Werk zu setzen. Die Deutschen sind so abhängig vom Auslande,
daß man daheim erst anerkannt wird, wenn die Fremde von einem gesprochen. Darum müßten Sie aber auch
die Theilnahme deutscher Schriftsteller am Review sehr verborgen halten; sonst imponirt das Unternehmen uns
nicht mehr. Sie versprechen mir, meiner in einem Englischen Blatte Erwähnung zu thun. Ich würde Ihnen sehr
dafür danken müssen, dann aber auch bitten, mir die betreffende Zeitschrift zukommen zu lassen. Gern würd*
ich Ihnen, wenn dies ernstlich Ihre Absicht ist, Materialien schicken. Ihren versprochenen Beyträgen für den
Telegr. seh’ ich mit Vergnügen entgegen. Könnt’ ich nicht von Ihnen einen ausführlichen und gründlichen
Artikel erhalten: Deutsche Literatur in England? Sie sehen, daß die Möglichkeit zu mancherlei Beziehungen
zwischen uns da ist und wünsch’ ich nur, daß Sie sie mit soviel Theilnahme ergreifen mögen wie
Hamburg 29. Febr. 39. Ihr aufrichtig ergebener Gutzkow.
Künzel hatte sich schon im Jahre 1838, wie sich aus einem Briefe Freiligraths vom
4. Oktober (Wilhelm Büchner, Ferdinand Freiligrath. Lahr 1882. I, 288) ergibt, mit dem Ge-
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
danken getragen, in London eine Zeitschrift „German Review“ herauszugeben, die in England
die Kenntnis von deutscher Literatur und deutschem Leben verbreiten sollte. Der Plan fand
bei deutschen Schriftstellern, um deren Mitarbeit er warb, vielen Beifall, wie auch aus Gutzkows
Brief zu ersehen ist; da Künzel aber auf die Dauer das englische Klima nicht vertrug und
trotz glänzenden Anerbieten in die Heimat zurückkehrte, mußte er auf die Ausführung ver¬
zichten. Bei seiner großen Verehrung englischer Literatur suchte er nun seine Absicht, zwischen
beiden Nationen zu vermitteln, gerade auf umgekehrtem Wege zu erreichen, indem er in
Deutschland eine Zeitschrift herauszugeben beschloß, deren Zweck und Inhalt der Titel
„Britannia, eine Wochenschrift für englische Literatur und englisches Gesamtleben“ zum Aus¬
druck bringt Es gelang ihm, in der Buchhandlung Dennig, Fink & Comp, in Pforzheim einen
Verlag und in Ferdinand Freiligrath einen Mitherausgeber zu finden, der, seit langem mit eng¬
lischer Literatur vertraut, den Gedanken, der ihm eine gesicherte Zukunft zu eröffnen schien,
mit Freuden aufgriff und zur Förderung der Sache im Mai 1841 sogar seinen Wohnsitz nach
Darmstadt verlegte. Im Sommer dieses Jahres reiste Künzel wieder nach England, um dort
mit hervorragenden Schriftstellern persönlich über ihre Mitarbeit zu verhandeln, seine Pläne
fanden auch in England wie in Deutschland vielen Anklang, wie der oben abgedruckte Brief
Carlyles beweist Bunsen schrieb ihm am 6. Oktober 1841: „Dem Erscheinen der Britannia
sehe ich mit Ungeduld entgegen“. Aber im letzten Augenblick, die erste Nummer lag Ende
November schon zur Ausgabe bereit, verloren die Verleger den Mut und traten zurück. In der
„Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung“ vom 27. Januar, Seite 214 mußten Künzel und
Freiligrath dem Publikum die Mitteilung machen, daß der so vielversprechende Plan endgültig
aufgegeben sei. (Vgl. auch Büchner a. a. O. Seite 387 ff.)
Der „freundschaftliche Gruß“, den Gutzkow am 29. Februar an Künzel gesendet hatte,
scheint zu näheren Beziehungen zwischen beiden geführt zu haben, deren Spuren aber leider
in Künzels Nachlaß nicht erhalten sind. Später muß eine langjährige Unterbrechung ihres
Verkehrs eingetreten sein, erst im Jahre 1864 trafen sie sich auf einer Reise Gutzkows per¬
sönlich wieder und schlossen sich nun enger aneinander an als vorher, wie wir aus einem am
3. Sptember aus Weimar geschriebenen Briefe Gutzkows an Künzel ersehen, dessen Anfang
folgendermaßen lautet:
Theurer Freund I
Nach der herzlichen Anknüpfung unsres Jetzt an unser Einst drängt es mich wahrhaft, dich zu ver¬
sichern, daß mir der Austausch des brüderlichen Namens an jenem schönen Tage wie eine NothWendigkeit
erschienen ist. Der Strom der Zeit eilt dahin; was können wir im Vergänglichen als Bleibendes festhalten, wenn
nicht die Befriedigung der Regungen des Gemüths? Die Stimmung, die mich ergriff, als ich dich nach sovielen
Jahren wiedersah, erhöhte sich durch den Hinblick auf deine treffliche Gattin, die einer mit Wehmuth abge¬
schlossenen Zeit meines Lebens so nahe stand!
Der Brief schließt mit den Worten:
Laß mich auch zuweilen etwas von deinen literarischen Unternehmungen hören u. gieb mir überhaupt
die Aussicht, daß ich recht oft in dein inneres u. äußeres Leben blicken darf.
In treuer herzlicher Gesinnung dein Gutzkow.
Es war die Zeit von Gutzkows Kämpfen mit dem Verwaltungsrat der Schillerstiftung.
Von diesem Zerwürfnis, das den reizbaren Mann körperlich und geistig aufrieb, handelt der
übrige Inhalt dieses Schreibens und dreier weiterer vom 16. September bis zum 13. Oktober
geschriebenen Briefe, deren Schriftzüge schon die ganze Aufregung des verzweifelt um die Er¬
haltung der ersehnten Lebensstellung kämpfenden Mannes erkennen lassen. Der Briefwechsel,
soweit er hier noch vorhanden ist, klingt in einem ergreifenden Briefe aus, den der nach der
schrecklichen Katastrophe in Friedberg langsam genesende Gutzkow kurz vor seiner Entlassung
aus der Irrenanstalt dankerfüllt an Künzel gerichtet hat, als Antwort auf dessen freundliche
Einladung, zu ihm nach Darmstadt zu kommen und sich dort an Vorträgen zu beteiligen, die
auf Künzels Veranlassung von einer Reihe einheimischer und auswärtiger Gelehrten im Anfang
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
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des Jahres 1866 gehalten werden sollten. Wir erfahren aus dem Briefe, daß Künzel auch
David Friedrich Strauß, der im Jahre 1865 seinen Wohnsitz in Darmstadt genommen hatte,
fiir seinen Plan zu interessieren gewußt hat. An den Vorträgen hat Strauß aber nicht mitge¬
wirkt Der Schluß des Briefes bezieht sich auf den Bruder der Frau Künzel, Wilhelm Hamm,
der 1820 zu Darmstadt geboren war und 1880 als Ministerialrat und Chef des Departements
fiir Landwirtschaft in Wien gestorben ist Damals war er Besitzer einer Fabrik für landwirt¬
schaftliche Geräte und Maschinen in Eutritzsch bei Leipzig.
Theuerster, vergieb, daß ich dir erst heute auf deine so überaus freundlichen Zeilen antworte. Bin ich
auch im vollen Zuge, mich wieder wie in alter Zeit mit meben Angehörigen, mit der guten Julie, die sich mir
wie die treueste Schwester erweist, durch Correspondenz zu verständigen, so wird mir doch die erstmalige
Wiederanknüpfung an die Freunde immer schwer. Denn jedem glaube ich dann die Schilderung des Erlebten,
die Darlegung dessen, was ich noch glaube vom Leben erwarten zu dürfen, schuldig zu sein; Schmerz und
Wehmuth übermannen mich beim Vergleiche von Sonst und Jetzt. Es giebt m der Freundschaft kern Maaß,
das für alle paßt, sonst würde ich mir fast möchte ich sagen durch ein Formular der Wiederbegrüßung helfen.
Wie die Freundschaft nur die Verknüpfung des Individuellsten in zwei Seelen ist, so wird sich das Aussprechen
von Freud und Leid auch jedesmal individuell anders bedingen — vollends bei solchem Infandum, wie ich er¬
lebte, und so hab’ ich mich denn, deber großen Güte und mir so schnell wieder gewonnenen Herzlichkeit gegen¬
über, nicht alsbald sammeb können.
Daß ich nicht gewillt seb durfte, der ehrenvollen Aufforderung, mich dem Kreise anzuschließen, der
diesen Wbter b Darmstadt eb so schönes Vorhaben ausführt, Folge zu leisten, sagtest du dir wol selbst, lieber
Freund, nachdem du die Umstände näher erwogen. In einer Stimmung, wie sie Lessbg bezeichnet, wenn er
den Prinzen b Emilia Galotti zu Marbelli sagen läßt: „Gehe hb, dich auf ewig zu verbergen/ 1 kann ich nicht
vor die Menge treten. Noch habe ich, wenn ich nur allem an mebe Friedberger Verzweiflungsnacht denke,
die Scheu, es müßte Jedem, der mir begegnet, zu Muth seb, wie Macbeth, wo er Banquos Aussehen an seber
Tafel schildert — Theater, Conzerte, Vorlesungen, alles das wird noch auf lange, wenn ich eb Lange mit mebem
angegriffenen, wo nicht zerstörten Körper erlebe, an meb Ohr tönen wie b nächtlicher Stille das dumpfe Hallen
der fernen Meeresbrandung. Wie aus ebem so trübe bedbgten Verhältnis zum wiedergewonnenen Daseb, ja
ich bekenne es fast mit Beschämung zum wiedergewonnenen Behagen am Dasein, die alte Thätigkeit sich ent-
wickeln soll, vor allem die nur allem durch Rückkehr zur gewohnten Arbeit gegebene Bürgschaft für die Er¬
haltung meber Familie, ich weiß es noch nicht Ich höre von Theatervorstellungen u. Sammlungen, die mir die
ersten Lebenssorgen abnehmen sollen; man verfahrt aber damit, vielleicht um mir die Beschämung zu ersparen,
so geheimnißvoll, daß ich nicht einmal weiß, wem ich außer Dawison und Devrient b specie zu danken habe.
Man weiß, denke ich, seit Wochen, daß ich nun den hiesigen Aufenthalt verlassen soll u. bis zur Stunde bb ich
noch von den unter sich unebigen Bewahrern des Gesammelten ohne Aufklärung oder ermunternden Zuspruch.
Die Wirkung davon auf mich ist trübe genug.
Willst du dir, lieber Freund, und durch deine Überredung auch debe treffliche herzige Frau den Glauben
erhalten, daß sich durch das traurige Dunkel mebes labyrbthischen Irrgangs eb Lichtstrahl hbdurchzieht, der
den Freunden die alte Gesinnung erhalten darf, so danke ich dir innig dafür.
Erfreulich überrascht hat mich die Straußische Mitwirkung bei deinem Plan. Ich will dir bei dieser Ge¬
legenheit über Strauß etwas mittheilen, was dir vielleicht neu ist. Solltest du ihn ebmal zu Mittag an deben
gastlichen Tisch laden, so theile ich dir und deber lieben Frau mit, daß er nicht blos eb Liebhaber, sondern
eb leidenschaftlicher Liebhaber ebes der schwersten Gerichte ist — Aal. Daß seb Magen viel verdauen kann,
hat er seit sebem „Leben Jesu“ bewiesen I Er ißt Aal nicht nur als 2tes oder 3tes Gericht, sondern Aal im
ersten u. im zweiten u. im dritten Gange, nach allen Variationen der Zubereitung, gebraten, geräuchert, ge¬
kocht, au gratb, ä la tartare, en matelotte, wie nur eb gutes Kochbuch vorschreibt Vielleicht entsinnt er sich
ebes bescheidnen Mittagsmahls, das ihm ebmal in annähernder Weise mebe Frau b Dresden bereitete. Von
Mitgeladenen konnte leider nur eb orthodoxer Jude kommen, den ich auf die Berühmtheit, die er bewunderte,
ebgeladen hatte. Aber gerade den Aal hat Moses nächst den bekannten andern fetten Quadrupeden seben
Gläubigen aufs strengste verboten, wodurch sich dann zwischen Appetit hier und absoluter Abstinenz dort der
komischste Contrast ergab. Ich las dieser Tage ebe Erinnerung an eben Besuch, den Strauß b Weimar und
Jena machte. Als ich nach Weimar kam, war gerade die Stelle eines Oberbibliothekars vakant u. ich gbg b
direkter Eingabe an den Großherzog, er möchte die Stelle Strauß und damit eb schönes Beispiel von Vorurtheils-
losigkeit geben. Der Großherzog drückte mir mit einem aufrichtig schmerzlichen „Zu spät“ seb Bedauern aus.
Die Stelle war schon an Schöll vergeben.
* Du siehst mich ins Plaudern kommen, gerade als säße ich schon b debem schönen Thurm, b den du
mich einladest. Den unheimlichen Gast wird deb Haus aber so bald nicht beherbergen können. Eher möchte
ich wünschen, dich b der Schweiz zu sehen, wenn du dir dahb ebe Frühlbgsferienreise gestatten könntest
Jedenfalls erhalte mir die freundliche Gesinnung, der ich auch diese treugemebte Einladung zu verdanken habe.
Z. f. B. 1912/1913. 16
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Schmidt, Aus den Kreisen des Jungen Deutschlands.
Gruß deiner lieben Gattin (vor einigen Wochen brummte hier im Dorf eine die stolze Firma ihres Bruders
tragende Dreschmaschine — aber das Brummen soll auf die immer so freundliche liebe Freundin — beileibe I —
ohne alle Bezüglichkeit sein — I!) u. unserer Julie, der ich morgen schreibe.
ln Liebe Dein vielgeprüfter
St Gilgenberg 7. Dez. 65. Gutzkow.
Die treue Freundin in Darmstadt, deren Gutzkow in diesem Briefe gedenkt, war Julie
von Carlsen. In Darmstadt am 25. März 1817 geboren, hatte sie als Tochter des Obersten und
Regimentskommandeurs in Offenbach Ulrich Pultz von Carlsen die Bekanntschaft von Amalie
Klönne, der Pflegetochter des schwedischen Generalkonsuls Freinsheim in Frankfurt, bei den regen
gesellschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Mainstädten wohl schon früher gemacht und
nach Amaliens Heirat mit Gutzkow die Freundschaft auch auf diesen übertragen. (VgL Houben,
Gutzkow-Funde. Berlin 1901. Seite 363.) Der Verkehr dauerte auch fort, als ihr Vater im Oktober
1837 als Stadtkommandant nach Darmstadt versetzt wurde, wo er neunzigjährig als General¬
leutnant erst am 15. April 1863 gestorben ist Ihre literarischen Neigungen und ihre Vorliebe
für das Theater brachten Julie von Carlsen hier auch in Beziehungen zu Künzel und seiner Frau.
Meine Nachforschungen nach dem Verbleib der von Gutzkow an sie gerichteten Briefe ergaben,
daß diese Schriftstücke nach Juliens am 18. April 1880 erfolgten Tode in Verwahr ihres Bruders
Hermann von Carlsen verblieben, und, als dieser am 15. Mai 1887 ebenfalls unverheiratet starb,
in Besitz eines Verwandten, des Majors a. D. Christian von Bechtold in Darmstadt, gekommen
sind, der sie dem ihm befreundeten Johannes Proelß, dem Verfasser des Werkes „Das junge
Deutschland“, Frankfurt 1891, überlassen hat Aus dessen Nachlaß hat H. H. Houben die Gutz¬
kow betreffenden Schriftstücke erworben, die Briefe an Julie befanden sich aber nicht darunter.
Da nicht anzunehmen ist, daß Proelß sie vernichtet hat, und da sie, wenn er sie irgend sonst wohin
gegeben hätte, unterdessen wohl schon einmal wieder zum Vorschein gekommen wären, dürfen
wir annehmen, daß sie noch an einer verborgenen Stelle bei den Proelßschen Papieren liegen
und gelegentlich wieder auftauchen. Hoffentlich noch frühe genug, um für Houbens Gutzkow-
Biographie nutzbar gemacht werden zu können.
Major von Bechtold war durch Julie von Carlsen ebenfalls mit Gutzkow bekannt geworden
und hatte ihn, als er nach dem Selbstmordversuch in Friedberg, seiner damaligen Garnison,
im Krankenhaus lag, dort besucht In seinem Besitz befindet sich noch ein Stammbuchblatt,
das Gutzkow seiner Braut, Fräulein Eugenie von Paldzieux aus Vevey, gewidmet hat und das
folgendermaßen lautet: Wer in einer schönen und reichen Natur lebt, wird leichter lernen, das
wahre Glück zu erkennen und zu verbreiten. K(esselstadt). 9. Nov. 66. Karl Gutzkow.
Ein paar Worte über das spätere Leben und Wirken Heinrich Künzels, an den die
meisten hier abgedruckten Briefe gerichtet waren, mögen diese Mitteilungen beschließen. Als
er aus England in seine Heimat zurückgekehrt war, fand er im Jahre 1842 eine Anstellung an
dem Gymnasium zu Worms, 1843 wurde er an die Höhere Gewerbeschule zu Darmstadt, die
Vorläuferin der heutigen Technischen Hochschule, versetzt An dieser Anstalt wirkte er als
Lehrer der Geschichte und Literatur bis zu seiner am 2. Mai 1869 auf sein Nachsuchen
erfolgten Versetzung in den Ruhestand. Sein hübsches poetisches Talent, das zuerst in seinem
mit Friedrich Metz herausgegebenen „Musenalmanach für 1833“ und in der in dem Briefe
Wihls vom 29. Februar 1839 erwähnten Gedichtsammlung „Fliegende Blätter“ zum Ausdruck
gekommen war, benutzte er später fast nur zu Gelegenheitsdichtungen bei Festlichkeiten im
Familienkreise und bei öffentlichen Angelegenheiten, sowie vor allem im Dienste des Frei¬
maurerordens und der Darmstädter Loge, der er schon in jungen Jahren beigetreten war und
lange als Meister vom Stuhle Vorstand. Maurerischen Angelegenheiten galten auch viele seiner
Veröffentlichungen, die sich im übrigen hauptsächlich auf dem Gebiete der Geschichte, nament¬
lich seines Heimatlandes Hessen, bewegten. Eine reiche gemeinnützige Tätigkeit entfaltete er
in seiner Vaterstadt auch auf dem Gebiete der Wohltätigkeits- und Bildungsvereine. Seine
Vorliebe für England veranlaßte ihn zu wiederholten Reisen dorthin und zu manchen Unter-
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. II
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nehmungen literarischer und künstlerischer Art, zu denen vor allem das im Juni 1852 von ihm
geleitete Gastspiel hervorragender deutscher Schauspieler in London, das einen glänzenden
Erfolg hatte, gehörte. Künzel starb plötzlich am 11. November 1873. Sein Leben bis zum
Jahre 1843 hat er selbst in H. E. Scribas „Biographisch-literärischem Lexikon der Schriftsteller
des Großherzogtums Hessen“, Darmstadt 1843, 2, 421—424 beschrieben, nach seinem Tode hat
sein Schwager Wilhelm Hamm unter dem Titel „Ein Pionier deutscher Kunst“ in der „Garten¬
laube“ 1875 Seite 368—371 einen Nachruf veröffentlicht
Neues von Lichtenberg. II
Mitgeteilt von
Professor Dr. Albert Leitzmann in Jena.
[Fortsetzung.]
11. November.
Das Magazin und zwar 2 Stücke auf einmal werden ehestens fertig. 1 Ich habe dem Schlüffel 2 Voß darin
auf fast 4 Bogen geantwortet, und die gantze Sache in ihr gehöriges Licht gestellt 3 Ew. Wohlgebohren werden
daraus sehen, was das für ein Früchtchen ist, dieser Voß. . . . Die Wahrheit zu sagen meine kräncklichen Um¬
stände haben mich öffters abgeneigt gemacht an die Widerlegung des Pedanten zu gehen.
14. November.
Das ist freylich mit Howe 4 eine herrliche Sache. Ich kan ohne Vergnügen nicht an Elliot 5 gedencken,
ob ich eben sonst gleich kein Bewunderer von Helden bin, wenigstens von Conqueranten nicht Ich glaube
dem Mann muß sterben so viel seyn, als mir zur Ader lassen. Ich habe neulich einen Brief von einer Dame
aus Gibraltar gelesen, es ist gantz fürchterlich, was da für Auftritte passiren. Sie wurde unter andern in einen
Thurm gerettet, was dort retten heißt, nemlich zwischen ihr und dem Tod war nur ein Fuß Zwischenraum, da
vorher 2 Zolle waren. Als sie in den Thurm kam, roch es entsetzlich, sie fragte was das wäre, und ein gut-
hertziger Kerl sagte ihr so eben wäre eine Kugel durchgeflogen und hätte einen Kerl mitten von einander ge¬
nommen. Aus diesem Thurm muste sie wieder heraus unter ein Zelt; auf dem Weg dahin, da die Bomben um
sie her flogen, hielt sie ihr Kind in die Höhe und bat Gott, er möge sie doch zu gleicher Zeit wegnehmen, wenn
er sie wegnehmen wolte. In das benachbarte Zelt von ihr flog eine Bombe und zerschlug eine gantze Famüie.
Endlich nach vielem Probiren entkam sie glücklich nach England.
HErr Dieterich wird mit Amtmann Bürger nach Celle und Hamburg gehen 6 und also bey Ew. Wohlge¬
bohren zusprechen.
17. November.
Ich bin fast noch nie mit jemanden so umgegangen als mit Voßen, selbst Göbhard? ist noch gelinder
tracktirt, denn das Rindvieh hat mir meine Meinungen angedichtet, blos um sie widerlegen zu können, förmlich
angedichtet.
* Von dem von Lichtenberg in Gemeinschaft mit Georg Förster seit 1780 heransgegebenen „Göttingischen Magazin
der Wissenschaften und Literatur" erschienen damals das erste and zweite Stück des dritten Jahrgangs.
2 Schlüffel = grober, ungehobelter Mensch (vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch 9, 810).
3 Seit 1781 war Lichtenberg mit dem Homerübersetzer Johann Heinrich Voß in einer literarischen Fehde, die
von beiden Seiten recht derbe Formen annahm: ursprünglich von einer Diskussion über die Aussprache des griechischen
rj ausgehend, kam sie bald zu einer gegenseitigen herben Verunglimpfung der Charaktere und endete in unerfreulicher
Resultatlosigkeit Lichtenberg selbst gab später zu, im Ton sich vergriffen zu haben, wenn er auch sein sachliches Recht
stets verteidigte (Briefe 2,210.219). Oben ist sein zweiter gegen Voß gerichteter, im ersten Stück des Magazins
erschienener Aufsatz „Über Herrn Voßens Verteidigung gegen mich im März (Lenzmonat) des Deutschen Museums 1782"
(Vermischte Schriften 4, 266) gemeint
4 Dem englischen Admiral Richard Howe (1726—99) war es gelungen, das von den Franzosen und Spaniern be¬
lagerte Gibraltar zu verproviantieren.
5 George August Elliot (1712—90) war Gouverneur von Gibraltar.
* Diese bald nach dem 10. November unternommene Reise dauerte eine Woche und tat dem Dichter nach den
Aufregungen des Sommers sehr wohl (Wurzbach, Gottfried August Bürger S. 188).
7 Vgl. oben S. 82 Anm. 2.
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Wir haben ja einen neuen Professor Fischer 1 * 3 erhalten. Ich kenne ihn nicht blos persönlich, sondern
sehr genau. Er ist ein sehr feiner, subtiler Mensch, ich glaube er sezt am Ende alle unsere Prackticos aufs
Brett Er hat Physic und ein Publikum über physische Astronomie bey mir gehört, und hat mich neulich besucht
ob er gleich nur 24 Stunden hier war.
HErr Reuß* ist noch nicht da. Daß der junge Michälis^ Professor geworden ist, ist wohl nicht an dem,
weil an dem nichts ist Richter 4 5 verreißt schon wieder nach Mayntz. Das ist nicht recht
21. November.
Die Stücke von HErm H. RambergS sind sehr artig. Mich hat etwas sehr gerührt, das vermuthlich
keines Menschen Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird, und das waren die Häuser mit der eigenen Art von
Schornsteinen. Es that mir ordentlich mein Hertz weh, und ich dachte ich wäre nun wieder an dem Ort, an
dem ich allein zu leben und zu sterben wünschte. 6 7 8 9 10 Bey den Knaben müssen sich nun Ew. Wohlgebohren
dencken, daß einige ihre Gesichter Himmelblau anmahlen und die Backen weiß schmincken und dabey mit
Goldpapiemen Borten reich besezte Kleider und Hüte tragen. Die reitende Dame ist recht erzenglisch.
Mit Ihrer gütigen Erlaubniß will ich sie nur einigen Freunden zeigen und alsdann mit dem verbindlichsten Danck
zurücksenden.
25. November.
Ich begreife nicht wie der alte Böhmer 7 so etwas verlangen kan. Er wird doch nicht die gantze Univer¬
sität mit Böhmeris besetzen lassen wollen. Er scheint mir überhaupt in Söhnen nicht so glücklich gewesen zu
seyn, als in Töchtern und Compendiis.
Es wird heule am lezten Blatt des Magazins gesezt. Jezt da ich fertig bin finde ich hundert Dinge, die
ich noch hätte sagen können. Ich habe auch dem jungen Cramer , Boien und dem Medecin de Ventre de sa
Majestd zu Hannover etwas abgegeben. Es war nicht zu vermeiden.®
Heute Morgen hatten wir Schlitten, es waren aber noch nicht die rechten Nachtvögel, die flogen;
sondern von den braunen Tagvögeln die geschwind herauskommen und deren Flügel sogleich in Gumprechts?
Cabinet aufgespieset werden.
2. December.
Tausend Danck für die schönen Zeichnungen. Ich habe über die Carricaturen gantz laut gelacht, und
ich sehe, daß der kleine Raphael schon ein wahrer Engländer ist; die frantzösischen Courierbeine sind wahrer
englischer National Geschmack, so gut als das Gesicht des Grafen d’Estaing. 19 Sie sind sehr schön. Ich habe
mich mit einigen meiner Freunde recht ergözt daran, und die hiesigen Engländer walfahrten recht darnach.
Frey lieh ist die Original Zeichnung von dem Milchmädchen besser als die Copie. Man kan in lezterer sogar
1 Johann Heinrich Fischer (1759—1814) hatte nach seiner Göttinger Promotion 1781 eine längere gelehrte Reise
nach Holland und Frankreich unternommen, während welcher er zum außerordentlichen Professor der Medizin ernannt
wurde, eine Stellung, die er jedoch erst 1785 nach Abschluß seiner Reise antrat.
* Jeremias David Reuß (1750—1837), Unterbibliothekar in Tübingen, war als Kustos der Universitätsbibliothek
und außerordentlicher Professor der Philosophie nach Göttingen berufen worden.
3 Christian Friedrich Michaelis (1754—1814), ein Sohn des berühmten Göttinger Orientalisten Johann David
Michaelis, stand als Arzt bei den hessischen Truppen in Nordamerika und wurde nach seiner Rückkehr Professor der
Medizin in Kassel.
4 August Gottlob Richter (1742—1812), Professor der Medizin in Göttingen, war ein berühmter Arzt und Operateur.
5 Johann Heinrich Ramberg (1763—1840), der Sohn des mit Lichtenberg und Schemhagen befreundeten Kriegs¬
sekretärs in Hannover (vgl. oben S. 77 Anm. 5), bildete sich dann auf der Londoner Malerakademie unter Reynolds aus und
lebte nach einer längeren italienischen Reise als geachteter Historien- und Genremaler in seiner Vaterstadt. Lichtenberg
und seine andern hannoverschen Freunde haben ihn, den „kleinen Rafael“ (Briefe 1, 275. 284. 314. 328. 2, 184), wohl
stark überschätzt
6 Welcher Ort ist das? England?
7 Georg Ludwig Böhmer (17 1 5— 97 )» Professor der Jurisprudenz in Göttingen, war eine der Berühmtheiten der
Universität. Er hatte sieben Söhne, von denen damals bereits drei Dozenten in Götüngen waren: hier handelt es sich
wohl um Just Ludwig Bechtold Böhmer, der juristischer Privatdozent war und 1783 als Hof- und Kanzleirat nach
Hannover kam.
8 In dem oben S. 98 Anm. 3 nachgewiesenen Aufsatz Lichtenbergs gegen Voß findet sich ein Stich auf Klopstocks
Panegyristen Karl Friedrich Cramer (1752—1807) und sein weitläufiges Werk (Vermischte Schriften 4, 305) sowie gegen
den Schluß eine längere Stelle gegen Voßens Schwager Heinrich Christian Boie (1744—1806), in dem ihm besonders
zum Vorwurf gemacht wird, daß er Angriffe Zimmermanns gegen seinen Freund und Mitarbeiter Lichtenberg („einige
Zeüen Medianprose, die jemand zur Zeit des roten Kamms geschrieben hatte“) in seine Zeitschrift aufnahm (ebenda S. 329).
9 Der Schutzjude Moses Gumprecht betrieb in Göttingen den größten Geld-, Wechsel- und Tauschhandel (Meiners,
Kurze Geschichte und Beschreibung der Stadt Göttingen S. 197).
10 Vgl oben S. 91 Anm. a.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. II
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fehlerhafte Richtungen im Schatten entdecken. Das flüchtigste unter allen: die Schlacht bey Rosbach hat
mich sicherlich nicht am wenigsten gefreut Man glaubt es schneyte Frantzosen und büzte Preußen. Das ist
Recht Die Hartz Prospeckte sind vortrefflich. Ich werde sie mit erster Post wieder zurückschicken.
Der Uhu auf den Schmeltztiegeln ist doch wohl das Leichhuhn das auf der Goldversprechenden
Physiognomick ruht?
12. December.
Mich wundert nur noch, daß die Scharfrichter wenigstens zuweilen gut machen. Denn ich weiß es, was
es heißt, einen schweren Versuch in Gegenwart von vielen Menschen zu machen, und ich kan doch noch vorher
probiren, aber mit Menschenköpfen lassen sich keine Versuche anstellen, und dabey ist es doch immer ein sehr
verschiedener Fall ob ich einen Kohlkopf spalte, oder einem Hund den Kopf abhaue oder einem Menschen.
Daß die Aerzte in ihren Executionen so glücklich sind wundert mich gar nicht, das thut alles die güldne Praxis.
19. December.
Es ist freylich vieles in dem Anti-Vossenius, z das etwas hart ist, allein es ist nicht anders möglich bey
einem solchen Menschen. Er wird mich dafür schon wieder nach seiner Art zusammen nehmen, 2 allein ich
werde seine Schrifft gar nicht lesen. Unter der Zeit des rothen Kamms 3 verstehe ich den Augenblick des
rothen Kamms, ich meine er habe es in einem Anfall von Physiognomisch-patriotischer Hitze geschrieben, denn
der Mann denckt alle Stunden anders.
23. December.
HErr Gordon allhier hat auch Nachrichten aus London, daß es mit dem Universal-Frieden nicht so nahe
ist, als man sich wohl geschmeichelt hat. Artig wäre es wenn die Amerikaner einen Separat Frieden ein-
giengen. 4 Ich glaube da würden wir Wunder hören: Martinique und die Havannah mögten wohl die ersten
Früchte davon seyn. Daß die Spanier die Independentz nicht anerkennen wollen freut mich sehr. Der seeiige
Achen wall 5 prophezeyhte, als ich die Staaten-Geschichte bey ihm hörte, dem Spanischen Reich in Amerika den
Untergang durch die Colonien. Der Zeitpunckt scheint mercklich näher zu rücken, und dieses scheinen die
Spanier wohl zu fühlen. Sie sind gewiß verlohren, so bald die Amerikaner sich zu fühlen anfangen. Ein
kriegerisches, abgehärtetes, emsiges Volck das zwar Lebensmittel, aber keine edle Metalle hat, und neben einem
faulen, sklavischen wohnt, das durch edle Metalle faul geworden ist, muß sich am Ende zum Meister des andern
machen. Lächeln Ew. Wohlgebohren nicht zuweilen auch über Myn Heer den Holländer, dessen gantze Thätig-
keit sich jezt auf den Fähndrich de Wytt und den Gärtner van Brackei einzuschräncken scheint? Was diese
Nation herunter gekommen ist, wenn man den jezigen Krämer mit dem zur Zeit der Ruyter, Tromp und
Opdam 6 vergleicht! Ich mögte wohl wissen was die Ursache ist
Der alte Förster 1 ist ein gäntzlich unverträglicher Mann .... Es scheint sein Vergnügen zu seyn sich
mit allen seinen Freunden zu Überwerfen, am Ende aber furchte ich wird er nichts mehr haben womit er sich
Überwerfen kan.
26. December.
Wird denn der junge HErr Ramberg noch lange in London bleiben, oder wird er nicht einmal eine
Tour nach Italien oder Dresden machen? Er müßte von London nach Livorno gehen und wenn er anders
nicht in der Nacht vorbey käme uns eine Zeichnung von Gibraltar liefern in seiner Hartz Manier. Die im Nie-
buhr 8 ist aus einer gar zu grosen Feme gemacht Ich habe eine gesehen, die der General Morrison ,9 ein ge-
bohmer Zeichner, der die Leiche des Hertzogs von Yorck von Monaco nach England führen half und in
Gibraltar anlegte, gemacht Sie war in Farben, leicht verwaschen und ich erinnere mich mit Vergnügen daran,
sie war in einem Boot entworfen, etwa an dem Ort in dessen Nadir jezt ein Theil der sinckenden Batterien
* Gemeint ist die zweite, oben S. 98 Anm. 3 nachgewiesene Abhandlung Lichtenbergs gegen Voß.
2 Voß antwortete tatsächlich noch einmal mit dem Aufsatz „Ehrenrettung gegen den Herrn Professor Lichten-
berg*', der im Aprilstnck des Deutschen Museums 1783 (I, 340) erschien (vgl. auch Herbst Johann Heinrich Voß 1,246).
3 Die Stelle seines Aufsatzes, auf die Lichtenberg hier anspielt geht gegen Zimmermann und ist oben S. 124
Anm. 8 im Wortlaut mitgeteilt
4 Die Präliminar-Fricdensardkel zwischen England und den als unabhängig anerkannten amerikanischen Kolonien
wurden am 30. November vereinbart während der definitive Friede am 19. April 1783 in Versailles abgeschlossen wurde.
5 Gottfried Achenwall (1719—72), Historiker und Statistiker, war Professor der Jurisprudenz in Göttingen gewesen.
6 Michiel Adriaanszoon de Ruyter (1607—76) und Comelis Graf von Tromp (1629—91), die beiden berühmtesten
Admirale der holländischen Flotte in dem Jahrhundert ihrer größten Seegeltung. Über Opdam habe ich nichts ermitteln können.
7 Johann Reinhold Förster (1729—98), der Vater Georg Försters, Cooks Begleiter auf seiner zweiten Reise um
die Welt, war seit 1780 Professor der Naturgeschichte in Halle. Seines „Verdrusses über den alten Förster«* gedenkt
Lichtenberg auch in einem undatierten BUlett an Dieterich aus dem Herbst 1782 (Briefe 2, 48).
8 Eine Ansicht von Gibraltar ist als erste Kupfertafel Karsten Niebuhrs „Reisebeschreibung nach Arabien und
andern umliegenden Ländern * 4 (Kopenhagen 1774) beigegeben.
9 George Morrison (1704—99) geleitete im Jahre 1767 die Leiche des Herzogs von York von Monaco nach London.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. II
eingewässert liegt Es ist ein seltsamer Anblick. Was wir jezt haben ist meistens vernürnbergtes Zeug in der
Gänsespiel Manier. 1
Haben wohl Ew. Wohlgebohren Lavaters Pontius Pilatus 2 gelesen? Etwas abscheulicheres läßt sich für-
wahr und in Ehren nicht gedencken. Selbst die, die sonst noch was von dem Manne hofften, zweifeln jezt ob er
seine gesunde Vemunfft bis an sein Ende fortschleppen wird. Das Werck ist nicht blos schwärmerisch, sondern
im höchsten Grad kindisch und die Symptomen des nach und nach schwindenden bon sens finden sich auf
allen Seiten.
30. December.
In den Brief an den HErra Herschein würde ich einen gantz dünnen an den berühmten Magellan* legen,
der mir, ohne daß ich je mit ihm gesprochen, zugleich mit Herschels Gesehenck alle seine Schrifften zu¬
geschickt hat mit einem ex dono auctoris dabey geschrieben .... Wie ich zu diesen angenehmen Geschencken
komme sehe ich kaum ein, da ich immer dachte, daß einen Büchsenschuß über die deutsche Gräntze kein
Mensch, meine Freunde ausgenommen, an mich dächte.
Ew. Wohlgebohren lege ich hier einen Kupferstich bey der, wenn Sie ihn noch nicht gesehen haben,
Ihnen doch einiges lächeln ablocken wird. Er ist zwar auch im Stil der Gänsespiele* allein ein gantz
schlechter Mensch hat ihn doch nicht gemacht Man muß grade so aussehen wie der Richter um nicht durch
das flehen der armen Teufel gerührt zu werden. Das Süjet ist übrigens eines Hogarths 6 oder des HErm
Rambergs nicht unwürdig wenn nur die Ideen Sammlung nicht mit so vieler Gefahr verbunden wäre. Das
darauf gemachte Lied schicke ich blos der beyden lezten Zeilen wegen mit, woraus man sieht was man in Wien
drucken darf, denn dieses Zeug wird in Wien öffentlich verkauft Der Kayser hatte einen sehr guten Einfall bey
einer ähnlichen Gelegenheit Als er die Preß Freyheit gestattete kam gleich gantz abscheuliches Zeug in
Menge zum Vorschein. Der Minister fragte ihn was zu thun wäre. O, sagte er lächelnd, unsere Pressen haben
so lange Obstruktionen gehabt daß es kein Wunder ist wenn das erste das weggeht, nachdem ich Lufft
gemacht habe, unverdautes garstiges Zeug ist Freylich muß man dieses Gleichniß nicht so genau nehmen
(omne simile claudicat) sonst mögte man, auch nach der Genesung, nicht viel sonderliches von den Wiener-
ischen Pressen zu gewarten haben. Er müste denn blos die Verstopfung der Schnepfen pp. gemeint haben.
Solte es mit der Independentz von Amerika seine Richtigkeit haben, so wünsche ich die Folgen zu er¬
leben. Es wird eine förmliche Völcker-Wanderung dorthin geschehen. Vielleicht erleben wir noch Vocationen
Göttin gisch er Professoren nach der Alma Philadelpkica und sehen Philadelphische Buchhändler auf der Leip¬
ziger Messe.
1783.
2. Jenner.
Wenn Sie den Pontius Pilatus selbst nicht lesen wollen, so wolte ich bitten, wenigstens die Recension
davon in der allgemeinen deutschen Bibliotheck zu lesen, sie ist vortrefflich.?
9. Jenner.
HErr Förster aus Cassel meldet mir, daß er wieder neue Hoffnung habe nach Italien zu gehen. Er ist
nach Bologna eingeladen, ob er aber gehen wird ist noch nicht gewiß. 8
z Es gab damals mehrere Gesellschaftsspiele, die den Namen Gänsespiel trugen: bei allen war eine Spieltafel mit gemalten
Gänsen und andern Malereien auf dem Spieltisch ausgebreitet, zum Spielen dienten Würfel oder Rechenpfennige (Grimm,
Deutsches Wörterbuch 4, 1, 1278). Lichtenberg erwähnt das Spiel auch zweimal in den Aphorismenbüchem (D 378, J 399).
2 Lavaters „Pontius Pilatus oder die Bibel im kleinen und der Mensch im großen“ erschien in vier Bändchen Zürich
1782—85. Eine längere, scharf ablehnende Charakteristik des sonderbaren Werkes gibt Goethe in einem Briefe an Frau von
Stein vom 6. April) Briefe 5, 299) und in zwei Briefen an Lavater selbst vom 29. Juli und 9. August 1782 (ebenda 6, 20. 37).
3 Lichtenbergs erster Brief an Herschel vom 12. Januar 1783, in dem er sich für die Übersendung seiner astro¬
nomischen Abhandlung über die Parallaxe der Fixsterne bedankt, vom Uranus spricht, den Adressaten um eine kurze
Übersicht seiner wichtigsten Lebensereignisse für das Göttingische Magazin bittet und schließlich sein Bedauern aus¬
spricht, ihn 1775 m Bath nicht besucht zu haben, ist erhalten (Briefe 2, 64).
4 Joao Hyacinte de Magellan (1722—90), Physiker, war eins der berühmtesten Mitglieder der Londoner Gesell¬
schaft der Wissenschaften.
3 Vgl. oben Anm. I.
6 William Hogarth (1697—1764), der berühmte englische Genremaler, dessen Kupferstiche Lichtenberg in einzelnen
Aufsätzen des Göttinger Taschenkalenders seit 1784 und dann in ausführlicherer Art in Buchform seit 1794 erläutert hat.
7 Diese Rezension der Allgemeinen deutschen Bibliothek (51, 99), die nicht unterzeichnet ist, sieht in Lavaters
Werk „den besten Kommentar zur Fabel vom gebärenden Berge“ (S. 101) und schließt mit den Worten (S. 113):
„Rezensent fugt nichts hinzu, als daß er bedauert, daß Herr Lavater sich in dieser kleinen Schrift auf einer so nachteiligen
Seite gezeigt hat, und wünscht, daß er sich durch die Fortsetzung dieses elenden Geschreibs oder andre Schriften dieser
Art nicht ganz um die Achtnng des vernünftigen Teils der Lesewelt bringen möge.“
8 Aus dieser Reise Georg Försters nach Italien ist so wenig etwas geworden wie aus einem ähnlichen drei Jahre
zurückliegenden Plane, als Begleiter eines Berliner Arztes Fliess nach dem Süden zu gehen (Briefwechsel mit Sömmerring
S. 231; Lichtenbergs Briefe I, 351. 353).
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. II
127
Zum Pontius Pilatus gratulire ich. Da müssen sich Ew. Wohlgebohren ein Pfeifgen dazu anmachen, es
ist würcklich stärckender als der beste Porter, so etwas zu lesen.
27. Jenner.
Ich glaube dem guten Mann [Gatterer] 1 verdreht seine meteorologische Physiognomick* noch endlich
den Kopf auch, und er wird einen Pontius Pilatus gebähren.
30. Jenner.
Die Nachricht von HErra Claproths Erhöhung 3 hat mich ebenfalls sehr gefreut Er ist würcklich ein
sehr nützlicher'und vortrefflicher Mann in aller Rücksicht, ich glaube Leute von der Rechtschaffenheit und dem
Hertzen hier in Göttingen lassen sich wohl alle um einen Caffeetisch setzen.
Ich glaube der Mann [Gatterer] ist etwas gegen mich aufgebracht, denn ich habe nunmehr Ursache zu
vermuthen, daß er der Mann war, der schrieb er habe an Ziehen ♦ gedacht als es vor ein Paar Jahren stürmte,
und daß sich Ziehen nur in dem Ort geirrt habe.
6. Februar,
Freylich verdient ein Mann wie Gatterer nicht, daß man ihn um etwas anspricht Er ist ein gantz ab-
scheuliger Pedant, und auf seinen meteorologischen Wirrwarr so stoltz, als Voß auf sein bäh .5 Er glaubt die
Lage des Sonnen Aequators gegen die Ecliptic habe einen Einfluß auf unsere Atmosphäre, das ist würcklich
abscheulig, und dieser Satz allein hat gemacht, daß ich das übrige nicht lesen mogte. Es ist gar ein elender
Gedancke.
Stellen sich Ew. Wohlgebohren vor was Baidinger gemacht hat. Er läßt im neusten Stück seines Maga¬
zins für Aerzte, ohne mich zu fragen , meine Schwantz-Physiognomick, 6 und wie seine Frau mir selbst zu ver¬
stehen giebt aus Rache gegen Zimmermann abdrucken. Gottlob mein Nähme steht nicht drunter. Ohne zu
lächeln werden sie Ew. Wohlgebohren wohl schwerlich lesen, allein ich bitte doch Ew. Wohlgebohren Dero
Freunden zu sagen, daß ich keinen Antheü an der Publicirung habe, daß ich es anno 1777 geschrieben habe, 7
wo der Spott noch taugte, der jezt zu spät kommt, und das 3*«“ vieles sehr verdruckt ist Es ist in der That
jezt so wie es da steht zugleich eine Satyre auf Baldingers Magazin und auf Hallern dessen in Baldingers Ein¬
leitung Erwähnung geschieht 8 Er sagt ich habe vor langer Zeit die Publicirung erlaubt Ich entsinne mich
dessen nicht Da aber Baidinger nicht vorsätzlich lügt, so kan es seyn, daß ich in der lustigen Gesellschafft, für
die ich es geschrieben, einmal sagte, ich mache mir nichts daraus, wenn es gedruckt würde.* Zimmermann
wird vermuthlich sehr scheel darauf herab sehen.
Ich bin ernstlich gewilligt, die Briefe über Garrick 10 besonders herauszugeben, nicht allein weil ich von
* Johann Christoph Gatterer (1727—99), Historiker nnd Geograph, Professor der Philosophie in Göttingen.
* Seine meteorologischen Anschauungen hatte Gatterer in seiner Abhandlung „De anno meieorobgico fundamentale "
(Göttingen 1780) niedergelegt; eine weitere Ausführung seiner dort behandelten Ideen ist nicht erschienen, scheint aber
nach den obigen Worten geplant gewesen zu sein.
3 Justus Claproth (1728—1805), Professor der Jurisprudenz in Göttingen, war zum Hofrat ernannt worden.
4 Konrad Siegmund Ziehen (1727—80), Hauptprediger in Zellerfeld am Harz, hatte sich durch sonderbare Weis*
sagungen nahe bevorstehender großer Erdrevolutionen einen Namen gemacht, gegen die Lichtenberg schon 1780 einen
Aufsatz „Über die Weissagungen des verstorbenen Herrn Superintendenten Ziehen zu Zellerfeld“ in die Göttingischen
Anzeigen von gemeinnützigen Sachen geschrieben hatte (Vermischte Schriften 5, 3). 1782 folgte dann im zweiten Jahr*
gang des Göttingischen Magazins „Noch ein Wort über Herrn Ziehens Weissagungen“ (ebenda 5, 14): dort findet sich
(S. 24) die Stelle zitiert, die von einem „profunden Gelehrten zu Göttingen“ berichtet, was Lichtenberg oben anfuhrt.
5 Lichtenberg hatte im Motto seines oben S. 123 Anm. 3 nachgewiesenen zweiten Aufsatzesgegen Voß dessen Ansicht,
das griechische r\ sei wie unser ä ausgesprochen worden, durch das witzig veränderte Hamlet-Zitat „To bah or not b bah ,
that is the question“ verspottet (Vermischte Schriften 4, 266).
6 Lichtenbergs „Fragment von Schwänzen“ erschien im fünften Bande von Baldingers „Neuem Magazin für Ärzte“»
den es eröffnet (Vermischte Schriften 4, 109).
7 Daß dieser Lichtenbergsche Scherz in so frühe Zeit gehören müsse, war immer vermutet worden; einen ur¬
kundlichen Beleg dafür brachte, worauf ich im Euphorion 15, 66 hingewiesen habe, zuerst ein Billet Lichtenbergs an
Hindenburg aus dem Januar 1778 (Ebstein, Aus Lichtenbergs Korrespondenz S. 41)» zu dem nun dieser zweite, ganz
unzweideutige hinzukommt
8 Baldingers einleitende Worte sind bei Lauchert, Lichtenbergs schriftstellerische Tätigkeit S. 90 wieder abge*
druckt: der Schlußsatz weist darauf hin, daß selbst Haller in seiner großen Physiologie die Physiognomik als einen Teil
dieser Wissenschaft ansehe (vgl. Elementa physiobgiae corporis hutnani 5, 590. 591).
9 „Der Verfasser erlaubte schon längst daß seine Einfalle gedruckt würden“ heißt es in Baldingers Vorbericht.
Die „lustige Gesellschaft 41 , für die Lichtenberg den Scherz niederschrieb, ist wohl der bei Dieterich verkehrende Freundes¬
kreis, zu dem auch Baidingerund seine Frau gehörten.
m> Lichtenbergs die englische Bühne behandelnde „Briefe aus England 44 , ursprünglich im Herbst 1775 aus London
an Boie gerichtet, waren im Deutschen Museum im Juni und November 1776 und im Januar und Mai 1778 erschienen
(Vermischte Schriften 3,197); den größten Raum nimmt darin die Charakteristik David Garricks ein, des größten Schau*
Spielers, den London damals besaß.
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einigen vortrefflichen Männern dazu ernstlich aufgefordert bin, sondern, weil mir mein Darmstädtischer Bruder 1
vor etwa x / 2 Jahr schrieb, daß ein Franckfurdscher Buchhändler willens wäre, sie so grade weg abzudrucken,
und diesem Unternehmen vorzubeugen habe ich die Versicherung in dem Aufsatz gegen Voß 2 ausgestellt
17. Februar.
Ew. Wohlgebohren habe ich die Ehre hierbey Baldingers Magazin (mein eignes mir von der Frau
Professorin selbst geschencktes Exemplar) zu überreichen. Es steht Ew. Wohlgebohren gantz zu Diensten, ich
habe einige Druckfehler corrigirt und der lächerlichen Vorrede einige Anmerckungen beygefugt Der Mann
kan nicht 3 Zeilen Zusammenhängen ohne einfaltige Streiche zu machen.
3. März.
Ich glaube, daß HErr Rehberg 3 gut wird, wenn er nicht für Geld schreiben muß. Der Brief von
Nikolai 4 ist sehr interessant .... Förster thut gar nichts fürs Magazin. Was der junge Dr. Böhmer* für ein
Glück gemacht hat, er ist aber auch der beste unter seinen Geschwistern, ein würcklich vortrefflicher Mensch
von Kopf und von Hertzen.
Dietrich druckt jezt die vortreffliche Johnsohnsche Ausgabe von englischen Dichtem in 68 Bändchen
mit den Lebensbeschreibungen 6 nach, die Muster einer feinen Critick sind, und zwar fast um ein Spottgeld, das
zumal nur nach und nach aus dem Beutel kommt .... Ich habe die lezte Revision übernommen, die mir
wenig Mühe macht. Der Druck ist vortrefflich und soll gewiß so correckt werden als möglich.
6. März.
Es ist besonders wie die Schwantz Physiognomick gefallen muß, mit jedem Posttag muß Dietrich welche
verschicken. Man sieht daraus was man thun muß um Applausum zu haben. Gottlob, daß ich es nicht nöthig
habe mir ihn auf diese Weise in meinen Collegiis zu verschaffen, ich ziehe die Purschen nicht an ihren
eignen Schwäntzen herein, und noch viel weniger an Sauschwäntzen. Dieterich sagt immer ich könte einen
Buchhändler glücklich machen, aber mich zugleich unglücklich pflege ich ihm zu antworten. Mir ist immer
bange, daß ehestens einmal noch so etwas von mir erscheint, das ich ebenfalls um jene Zeit geschrieben habe,
und das war eine Physiognomick der 12 Bilder in den l’hombre Karten/ die auch nicht mehr in meinen
Händen ist. Solte es mir möglich seyn, sie wieder zu bekommen, so will ich sie Ew. Wohlgebohren mittheilen
um Ihnen vielleicht eine angenehme Vierthelstunde zu machen. Ich ziehe sie der Schwantzphysiognomick vor,
weil es zugleich eine Satyre auf die Leute ist die mit Winckelmannischer Phraseologie Kunstwercke beurtheilen,
wovon sie nichts verstehen. Ich dancke Ew. Wohlgebohren recht sehr, daß Sie den Leuten meinen Unwillen
kund thun, wenn ich solche Dinge wolte gedruckt haben, so hätte dieses im Hause geschehen können, wo ich
gewiß für jeden Sauschwantz den Werth eins Schweins hätte erhalten können (die kleinen ffeylich nicht
* Lichtenbergs Bruder Friedrich Christian (1734—90) war Geheimer Tribunalrat in Darmstadt.
* „Sie (die Briefe aus England) haben hier und da einen für mich schmeichelhaften Beifall erhalten und ich bin
Willens, sie auf vielfältiges Verlangen vermehrt und hie und da geändert dem Publikum noch einmal vorzulegen“ Ver¬
mischte Schriften 4, 307. Dieser Plan ist nicht zur Ausführung gekommen, obwohl Lichtenberg des geplanten Frank¬
furter Nachdrucks auch sonst gedenkt (Briefe 2, 211. 225. 231).
3 August Wilhelm Rehberg (1757—1836), der sich später als politischer Schriftsteller einen Namen gemacht hat,
hatte eben zwei Aufsätze im Göttingischen Magazin erscheinen lassen, ein „Leben des Kaiser Rudolf von Habsburg 4 *
( 3 » 453 ) und „Aus einem Schreiben an Professor Lichtenberg 4 ' (3, 576)» das letztere, vom 28. Februar datiert, bezieht
sich auf den in der folgenden Anm erkung nachgewiesenen Brief Nicolais. Früher hielt Lichtenberg sehr wenig von Reh¬
berg (Briefe 1, 327).
4 Von Nicolai erschien im Göttingischen Magazin (3, 387) ein „Schreiben an den Herrn Professor Lichtenberg
in Göttingen“, datiert vom 29. Weinmonat 1782, über die Literaturbriefe und seinen Anteil daran, in dem er ein Ver¬
sehen in einem früheren Aufsatze von Rehberg über die deutsche Literatur (ebenda 2, 157) berichtigt. Lichtenberg
schreibt ihm am 21. November 1782 (Briefe 2,57): „Das Ganze ist äußerst interessant und in dieser Rücksicht ist es mir
auch nicht leid ein kleines Versehen begangen zu haben; ich wünsche, daß nicht oft Fehltritte von mir solche Vorteile
für das Publikum veranlassen, ich möchte mich sonst leicht solcher Dinge befleißigen“.
5 Hier ist wohl Johann Franz Wilhelm Böhmer (1757—88) gemeint, ein Sohn des juristischen Professors (vgl.
oben S. 124 Anm. 7), der als erster Gatte von Karoline Michaelis, der späteren Frau August Wilhelm Schlegels und Schellings,
bekannt ist.
6 Von diesem Nachdruck von Samuel Johnsons „ Works of the english poets with prefaces biograpkical and criiical“
(London 1779—81) sind nur zwei Bände Milton erschienen. Diesem Werke Johnsons hatte Lichtenberg schon früher
seine im dritten Jahrgang des Göttingischen Magazins erschienene „Nachricht von Popes Leben und Schriften“ (Ver¬
mischte Schriften 5, 33) entnommen, die er mit den Sätzen einleitete: „Wenig Werke sind in den neusten Zeiten in
England mit dem Beifall aufgenommen worden, womit man Johnsons Leben von englischen Dichtem durchaus aufge-
nommen hat. Dieses Glück werden sie überall haben, wo man gesunde Kritik, in bündigem, präzisem, wohlklingendem,
also fast vollkommenem Ausdruck vorgetragen, zu schätzen weiß. Unstreitig ist dieses das herrlichste Produkt dieses
außerordentlichen Mannes“ (vgl. auch Briefe 2, 81).
7 Diese physiognomische Satire scheint leider gänzlich verloren gegangen zu sein.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. II •
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rechnet). In einer gelehrten Zeitung soll, wie mir gesagt worden ist, stehen daß dieses Fragment einem Frauen¬
zimmer zu gefallen geschrieben worden sey dem es viel Vergnügen gemacht hätte, dieses ist vortrefflich und
ein derber Hieb auf Madame Baidinger, 1 wofür ich wohl dem Verfasser dancken mögte, wenn ich ihn kennte.
Denn es ist wahr, und sie hat allein am Druck schuld.
10. März.
Man sagt hier gantz allgemein daß der Edinburgische Duncan* hier Professor werden wird. Ist das wohl
an dem? Er ist ein vortrefflicher Mann. ... Ich wünschte mir in der Welt keinen besseren Gesellschafter.
Er ist ein Schüler von Priestley 3 und ein Freund von Irwine ♦ und Black 5 . Ich würde gantz neu aufleben, wenn
so ein Mann hieher käme. Ew. Wohlgebohren können nicht glauben, was hier die Gesellschaft elend ist.
Lauter Stoltz, Besoldungsvermehrung und Büchergeschwätz; keiner verwendet etwas auf Versuche, Louisd’or
und Kopfzeug für ihre Weiber, und Vorzug durch Kleidung auf Bällen und Assembleen ist alles was die meisten
suchen. Wenn ich mir ein Instrument für 20 Thaler anschaffe, so schaudert ihnen die Haut, das wäre viel Geld.
13. März.
Mit der lezten englischen Post habe ich einen sehr verbindlichen Brief von dem Planeten Entdecker
Herschel aus Datchet bey Windsor erhalten, worin er mir eine Nachricht von seinen hauptsächlichsten und
interessantesten Lebensumständen giebt, mit der ausdrücklichen Erlaubnis sie in unserm Magazin bekannt zu
machen. Er schreibt englisch und zwar gantz ohne Widerrede vortrefflich, ich habe seinen Brief diesen Morgen
übersezt und er ist schon im Druck. 6
Ich glaube ich werde mich endlich genöthigt sehen eine Schwantz Physiognomick für das Frauenzimmer
zu schreiben, denn eine für Kinder wäre wohl zu früh. Indessen sollen doch dencke ich die Kinder endlich so
klug werden, daß sie auch so was vertragen können. Ich habe Herschels Brief dem Hof Rath Kästner zuge¬
schickt Sie können nicht glauben was der Mann stichelt Es ist unerträglich. Er will haben ich soll einige
Noten dazu machen, wovor mich der Himmel bewahre. Herschel scheint etwas eitel zu seyn, aber Kästner ist
es viel mehr. Doch ich lege sein Billet bey. Kästner kränckelt starck, und ich fürchte er macht es nicht mehr
lange. Die ewigen Kränckler kränckeln ewig, allein die sonst gesunden öffters nur kurtze Zeit
20. März.
Was das für ein Unterschied ist zwischen unsem Aerzten und solchen Leuten. Wenn man sie spricht, so
ist die Unterhaltung Stadtgeschichten oder Vademecum’s Histörchen .7 Es ist wenig oder nichts zu lernen.
Was Kästnern wohl am meisten verdrossen hat, ist daß ihm Herschel seine Schriften nicht zugeschickt
hat. Bedencken Ew. Wohlgebohren wenn ich Herschels wohlgemeinten Brief mit Anmerckungen herausgegeben
hätte. Man kan sich nichts abscheuligeres dencken, aber Kästner hat sich auch nur dieser Wendung be¬
dient um seine Anmerckungen anzubringen. Im Emst kan kein vernünftiger Mensch so etwas vom andern
verlangen.
3. April.
Ich hoffe, daß Ew. Wohlgebohren mit der Dienstags Post das Magazin 8 erhalten sollen. Mannigfaltig¬
keit ist diesesmal genug darin. Fast alles von mir, und an mich. Förster thut nichts und ich werde ihn glaube
ich abdancken müssen.
* Friederike Baidinger, die Fran des oben S. 89 Anm. 9 genannten Arztes, hat anch sonst anregend anf Lichtenbergs
schriftstellerische Tätigkeit eingewirkt: ein Brief an sie, datiert vom 19. und 20. Februar 1777» ist, wie sich aus den
Aphorismenbüchern (F 439. 464. 662) ergab, der aus dem Nachlaß hervorgetretene Aufsatz „Über die Macht der
Liebe“ (Vermischte Schriften 2, 234), der sich gegen gewisse Anschauungen der Genieperiode richtet
• Andreas Duncan (1744—1828) war ein berühmter Arzt und Professor der Medizin in Edinburgh; seine Berufung
nach Göttingen war nur ein Gerücht, dessen Lichtenberg auch in einem Briefe an seinen Neffen Friedrich August vom
29. März gedenkt (Briefe 2, 72).
3 Joseph Priestley (1733—1804), Pastor einer Dissentergemeinde in Birmingham, der bekannte Entdecker des
Sauerstoffs, Ammoniaks und Kohlenoxyds, gleich hervorragend als Physiker und Chemiker wie als Philosoph und
Theolog.
4 William Irvine (1743—87), Professor der Chemie und Medizin in Glasgow.
5 Joseph Black (1728—99), Professor der Chemie in Edinburgh, war der Entdecker der Kohlensäure und der
latenten Wärme.
6 Herschels Brief an Lichtenberg ist vom 15. Februar datiert: der autobiographische Teil desselben ist unter dem
Titel „Nachricht von den Lebensumständen Herrn Wilhelm Herschels, des Entdeckers des neuen Sterns, aus einem Send¬
schreiben desselben an Professor Lichtenberg“ im Göttingischen Magazin 3, 584 abgedruckt
7 VgL oben S. 84 Anm. 9.
8 Gemeint ist das vierte Stück des dritten Jahrgangs, dessen Inhalt Lauchert, Lichtenbergs schriftstellerische Tätig¬
keit S. 84 verzeichnet.
Z. f. B. 1912/1913. 17
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. II
14. April.
Den Verfasser des Gedichts von Gibraltar 1 weiß ich mit Gewißheit nicht anzugeben, die meisten glauben
es sey Bürger 2 , dieser lobt zwar das Gedicht sehr, und recitirt es allen Leuten, wirft auch sonst die Sache nicht
sehr von sich weg, hat aber doch Dietrichen im Vertrauen gesagt er sey es nicht. Andere halten HErm
GöckingJ für den Verfasser. Sobald ich etwas davon erfahre werde ich es Ew. Wohlgebohren sogleich melden.
Was mich hauptsächlich freut, ist, daß dieses Stück im gantzen durchgängig Beyfall erhält Was Förster thut
weiß der liebe Himmel, er übersezt, glaube ich, oder macht Gold, daß es ihm mit dem erstem glückt, daran
zweifle ich nicht, allein an dem leztem zweifle ich sehr, und habe die gröste Ursache dazu.*
17. April.
Ew. Wohlgebohren müssen sich indessen mit den unglücklichen trösten, die ihr schwer erworbenes Geld
offt durch den Banckrot von vermeintlichen Freunden verliehren. Meine arme Mutter hat durch einen solchen
Fall 1200 Thaler, welche bey weitem dengrösten Teü unseres Vermögens ausmachten, verlohren, und das durch
einen Mann, dem es niemand in der Welt angesehen hätte, ja der auch zuverlässig mehr unglücklich als nieder¬
trächtig war, und der die Interessen bey Lebzeiten püncktlich entrichtete. Dieses war ein Riß den wir sogar
bis auf unseren allzeit mäßigen Tisch verspürten. Wir sind jezt Gottlob alle versorgt, die mehrsten im HimmeL
und die andern auf der Welt so, daß sie mit Recht nicht klagen können.
21. April.
HErr Amtmann, Bürger, den ich selbst in diesen Tagen gesprochen, läugnet das Gedicht rund ab, ver¬
sichert aber heüig, daß er sich dessen gar nicht schämen würde und wünschte es sogar gemacht zu haben.
Er weiß gar nicht auf wen er in der Welt rathen soll, kennt auch die Hand nicht, da er wegen seines Musen¬
almanachs die Hände der meisten deutschen Dichter kennt.
12. May.
Magister Reinhold 5 wird sich freuen, daß man ihn und Bürgern für den Verfasser eines und eben des¬
selben Gedichts hält Allein ich habe in den Gothaischen Zeitungen, oder in einer andern gesehen, daß HErr
Reinhold an einem Heldengedicht auf die Belagerung von Gibraltar arbeite. Dieses hat vermuthlich zu diesem
Misverständniß Anlaß gegeben.
19. May.
Ich will es also nur Ew. Wohlgebohren gestehen, daß ich das Gedicht gemacht habe. 6 Weil es eine
Spielerey ist, die blos aus meinem unbändigen Eifer über die scandaleuse Geschichte und frantzösische Wind-
beuteley entstanden ist, so habe ich es niemanden sagen wollen. Auch habe ich viel zu wenig Zeit darauf ver¬
wendet. Ich habe einmal in 2 Stunden vor Tag 14 Strophen gemacht, wäre es ausgearbeiteter so hätte ich mich
eher dazu bekannt
25. May.
Daß der Bischof! 7 dem Potsdamer Groß Auge gefallen würde, daran habe ich nie gezweifelt Die Nach¬
richt wird viel Freude in St James’s® machen, auch wird der Bischoff gewiß Dinge sehen, die er in Hydepark
nicht leicht sehen wird.
s Das eben genannte Stuck des Göttingischen Magazins brachte (S. 615) auch ein anonymes satirisches Gedicht
mit dem Titel: „Simple, jedoch authentische Relation von den curieusen schwimmenden Batterien, wie solche anno 1782
am 13. und 14. Septrmbris unvermutet zu schwimmen aufgehört, nebst dem, was sich auf dem Felsen Calpe, gemeinig¬
lich der Fels von Gibraltar genannt, und um denselben sowohl in der Luft als auf dem Wasser zugetragen, durch
Emanuelem Candidum, candidat en polsie allemande , ä Gibraltar“ (Vermischte Schriften 5, 113; zur Sache vgL oben
S. 90 Anm. 1). Verfasser dieses Gedichts war Lichtenberg selbst.
a So schreibt zum Beispiel Biester an Burger am 2. September (Briefe von und an Börger 3,120): „Warum
hast du uns nicht dein Gibraltar gegeben?* 4 Ein briefliches Urteil Börgers über Lichtenbergs Gedicht ist mir nicht bekannt»
3 Leopold Friedrich Günther von Goeldngk (1748—1828), Kanzleidirektor in Ellrich, bekannt besonders durch
seine „Lieder zweier Liebenden 44 und andre Gedichte.
4 Georg Förster gehörte jahrelang dem Rosenkreuzerorden in Kassel an, der sich unter andern mit der Konstruktion
des Steins der Weisen und mit Versuchen zur Synthese des Goldes beschäftigte, löste sich aber gerade in dieser Zeit
aus dem Geheimbund los.
5 Christian Ludolf Reinhold (1737—91), Professor der Mathematik am Gymnasium in Osnabrück, war schon zu
Lichtenbergs Osnabrücker Zeit ein Gegenstand seiner Satire (Briefe I, 100. 103. 183. 283). Sein Heldengedicht
„Gibraltar und die Karibischen Inseln 44 erschien mit der Ortsangabe „London und Paris 44 im Jahre 1785—86.
6 Am I. Mai schreibt Lichtenberg an Wolff (Briefe 2, 76): „Was Sie für ein Mann sind! Sie haben nicht allein
den Verfasser des Gedichts erraten, sondern auch das Lied, das ich mir nebst einem andern, welches nicht im hiesigen
Gesangbuch steht, seit jeher zum Muster bei Mordgeschichten gewählt habe. Das letztere fangt sich an: Erschrecklich ist
es, daß man nicht der Höllenqual betrachtet .... Ew. Wohlgeboren sind so gütig und sagen nicht, daß ich es Ihnen
eingestanden. Ihr Beifall ist mir indessen ganz unschätzbar gewesen. 44
7 Prinz Friedrich von England (1763—1827), Bischof von Osnabrück, ein Sohn Georgs III. von England, reiste
damals nach Potsdam zu Friedrich dem Großen.
8 Name des Königlichen Palasts in London.
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29. May.
Von dem Schreiben der Königin an HErm Hof Rath Heyne habe ich hier nichts gehört, und war mir
also sehr angenehm etwas davon von Ew. Wohlgebohren zu vernehmen. Es verräth sehr viel Achtung der
Königin für die Deutschen, denn ich glaube doch, daß, trotz unsres entsezlichen Eifers aus den Kindern Engel
zu machen, die Engländer uns in dieser Art Schrifften, zumal was den Vortrag betrifft, sehr überlegen sind.
Am Sonntag besuchte mich HErr Amtmann Bürger, und sagte mir, daß er, nun, da das Gedicht auf die
schwimmenden Batterien durch die Leipziger Messe mehr in den Umlauf gekommen, fast Posttäglich Gratu-
latdons- und Dancksagungs-Schreiben wegen des vortrefflichen Gedichtes erhielte. HErr Dieterich gesteht nun,
daß er es dem HErm Hof Rath Rudloff 1 verrathen.
2. Junii.
Haben Ew. Wohlgebohren wohl des Cantzley-Direcktor Göckmgks Plan zu einem neuen Journal* gelesen?
Es ist der Mühe werth, daß sich Dieselben den Plan vom Intelligentz Comtoir holen lassen, man kan sich
nichts rasenderes dencken. Wenn ich so was lese, so dencke ich immer an HErm Kriegssekretärs 3 5 tÄ Facultät
die sens commun lehren soll. Mir ist es unbegreiflich wie solche unüberlegte Köpfe Cantzleyen dirigiren können.
Aber wer weiß auch wie jene Cantzleyen dirigirt werden. Nicht meine Küchenrechnung die sich des Viertel¬
jahrs auf 25 Thaler banco belauft, wolte ich einem solchen Direcktor zur Direcktion geben.
9. Junii.
Es freut mich sehr, daß Ew. Wohlgebohren HErm Göckingks Avertissement eben so wie ich gefunden
haben. Es ist gantz abscheulig.
Daß HErr Duncan nicht kommt, bedaure ich doch. HErm Geißler* habe ich nun kennen lernen, es
ist ein gar vortrefflicher Mann, in allen Stücken, gründliche Gelehrsamkeit angenommen, das Gegentheil von
seinem lufftigen Vorgängers.
12. Junii.
Gestern Abend habe ich in Gesellschafft des HErm Hof Rath Kästner mit Madame Baidinger bey HErm
Dietrich gespeiset, sie scheint denn doch im Emst Göttingen dem Cassel vorzuziehn. Kästner ist unglaublich um
die Frau her. Bey einem Paar andern Personen würde die Chronique scandaleuse ohnstreitig schon allerley erzählen.
19. Junii.
Am Montag wurde ich in meiner Schreibstunde von einigen fremden Cavalieren überfallen, die sogar
eine Dame im Amazonen Habit mitbrachten, welches für mich in meinem zerrissenen Schlaf Rock das aller-
abscheuligste ist, was mir begegnen kan. Da war also an kein Schreiben zu gedencken. Es waren vortreffliche
Leute. Gestern brachten sie die Zeit von 6 bis 10 Uhr des Abends bey mir auf Zwieback, Kirschen, süßen
Wein, Stincklufft, elecktrische Stöße, dephlogistisirte Lufft, geschmoltzenen Stahl pp. zu.
Was die Menschen verschieden über dieselben Dinge dencken, Voß hat sich über meine Theorie der
Mondsflecken lustig gemacht 6 und in der allgemeinen deutschen Bibliothek wird von meinem Gedancken gesagt,
er sey sehr wichtig und könte künfftig vielleicht in der Lehre von der Beschaffenheit des Mondes Epoche machen.?
Da nun HErr Voß von der Sache grade nichts versteht, so wird er doch sein Gesicht ein wenig hierbey verziehen.
In dem nächsten Stück des hiesigen Magazins werden Ew. Wohlgebohren eine Correspondenz zwischen
mir und dem HErm Ritter Michälis 8 finden, die auf sein ausdrückliches Verlangen gedruckt wird. Der Mann
* Wilhelm August Rudloff (1747—1823) war Geheimer Sekretär und Archivar in Hannover.
* Goeldngks „Journal von und für Deutschland“ begann 1784 zu erscheinen. Mit Lichtenbergs Urteil vergleiche
man die eingehenden Ausführungen Burgers in seinen Briefen an Goekingk vom 6. und 19. Juni (Vierteljahrsschrift für
Literaturgeschichte 3, 440. 442), der das Projekt herrlich findet, aber an dem Stil der Ankündigung allerhand auszusetzen hat.
3 Ramberg.
4 Karl Heinrich Geißler (1742—89) war als Professor der Jurisprudenz von Marburg nach Göttingen berufen
worden, das er aber schon im nächsten Jahre verließ, um einem Rufe nach Wittenberg zu folgen.
5 Selchow (vgl. oben S. 89 Anm. 1).
* Seine Theorie über die Mondfiecken, im wesentlichen des Inhalts, daß man sich die Entstehung der Mondberge
wegen ihrer ringförmigen Gestalt ähnlich wie die der ganz ähnlich geformten Vulkane der Erde vorzustellen habe, hatte
Lichtenberg in einem Aufsatz „Einige Betrachtungen über die Mondsflecken“ im zweiten Jahrgang des Göttingischen
Magazins auseinandeigesetzt, in dem er eine ältere, im Göttingischen Taschenkalender für 1779 erschienene Arbeit „Ein
paar Neuigkeiten vom Monde“ mit Zusätzen wiederholte (Physikalische und mathematische Schriften I, 204). Voßens Spott
über diese Theorie findet sich in seiner Gegenschrift „Verteidigung gegen Herrn Professor Lichtenberg 4 *, die im März¬
stück des Deutschen Museums 1782 (I, 213) erschien, worauf wieder Lichtenberg replizierte (Vermischte Schriften 4, 299).
7 Die Allgemeine deutsche Bibliothek gedenkt der Theorie Lichtenbergs gelegentlich (48, 482) in einer Rezension;
doch stimmt der Wortlaut nicht zu dem obigen Zitat und Lichtenberg dürfte eine andre gelegentliche Erwähnung im
Sinne haben, die ich aber nicht habe finden können.
* Johann David Michaelis (1717—91), der berühmte Orientalist, war Professor der Philosophie in Göttingen. Im
fünften Stück des dritten Jahrgangs des Göttingischen Magazins erschien der „Briefwechsel zwischen dem Herrn Ritter
Michaelis und Herrn Professor Lichtenberg über die Absicht oder Folgen der Spitzen auf Salomons Tempel 44 (Physikalische
und mathematische Schriften 3,251); Michaelis war geneigt, sie für Gewitterableiter zu halten.
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132
Leitzmann, Neues von Lichtenberg. II
schweift würcklich in seinen Theorien und Bibel Erklärungen aus, aber durch alle seine Possen schimmert
immer, wie mich dünckt, der grose Mann durch. Er scheint mir außerordentlich gewogen zu seyn. Auch
von Kästnern kommt etwas in dieses Stück 1 , so daß es also diesesmal auch in einer andern Rücksicht
Göttingisch seyn wird.
26. Junii.
Eins der Gewitter, wovon ich Ew. Wohlgebohren neulich erzählt, hat zu Einbeck eingeschlagen, aber
keinen Schaden gethan. Wenn man einmal, so wie man eine Gesellschafft de Propaganda fide hat, eine de
avertendo fulmine stillten wolte, so müste man sie zu Einbeck etabliren, ich glaube nicht daß der Ort im
Hannoverschen seines gleichen in Blitz-Sachen hat
Wer weiß ob nicht die Asche des Vesuvs zuweilen bis zu uns kommt. Diese aufzufangen wäre ein Ver¬
such, den ich einmal dem Magister Eberhard* vorschlagen will, man müste ein Paar Tischtücher auf dem Ham¬
berge ausbreiten, und alsdann den Staub darauf chemisch und mikroskopisch untersuchen.
Die reisenden Sächsischen Cavaliere haben mich bey ihrer Retour von Cassel noch einmal besucht, und
einer darunter ließ sich auf einer von ihm selbst verfertigten Harmonika bey mir hören. Was das für eine
Musik war! Er griff Accorde, die mir durch die gantze Seele giengen. Die Glocken waren alle inwendig mit
Gummilack gefirnißt, um den allzu grosen Nachklang zu hemmen, und die Semitonia inwendig auf dem Rande
vergoldet, welches der Maschine auch ein schönes Ansehen gab. Ich muß gestehen, ich habe nie in meinem
Leben etwas anmuthigeres gehört Ueberhaupt kan ich Ew. Wohlgebohren nicht sagen, was für vortreffliche
Leute dieses sind. Sie haben sehr grose Kenntnisse und eine außerordentliche Wißbegierde, führen einen
Mahler bey sich blos um Prospeckte zu zeichnen, und in der Laußnitz sollen ihre Güter rechte Muster von vor¬
trefflichen Einrichtungen seyn. Ich habe mich auch noch einmal 4 Stunden hinter einander recht angegriffen,
und mit Vergnügen das Geständniß nicht blos von ihnen gehört, sondern auch in ihren Augen gelesen, daß,
wenn man gleich Dresden Leipzig und Halle auswendig kan, man doch immer in Göttingen noch etwas
lernen könne.
Der Sieben und achtzigjährige Holl mann, 3 und Senior der gantzen Universität wie er sich selbst nennt,
hat kürtzlich ein Buch über die Barometer und Thermometer drucken lassen ,4 worin er einen gantz abscheuligen
Ausfall auf Kästnern thut, und ihm auf eine verdrießliche Weise den fireylich grosen Mayer 5 entgegensezt, und
ihn dabey einen mathematischen Charlatan und Mikromegas 6 nennt Die Orthographen und Wetterpropheten
kriegen es auch recht derb zugezählt, und dieses, wie mich dünckt, nicht so gantz mit Unrecht. Es ist zum
Erstaunen was der Mann noch für Feuer hat. Neulich fragte jemand den alten berühmten Schauspieler
Macklin7 in London: wie alt er sey? worauf er antwortete: ich bin in diesem Jahrhundert nicht gebohren, und
dencke auch nicht darin zu sterben. Hollmann hat würcklich Munterkeit genug so etwas nicht allein zu sagen,
sondern auch zu thun, ein Mann dem anno 66 ein Lungengeschwür aufbrach wobey ihm der Eiter Quartierweise
aus dem Hals ströhmte.
* Das eben genannte Stuck des Göttmgischen Magazins enthält zwei Aufsätze von Kästner, die „Erläuterung der
Theorie von Herrn Herschels Lampenmikronieter 41 (3, 637) und eine „Nachricht, was zur Beobachtung der Mondfinsternis
den 18. März 1783 auf der göttmgischen Sternwarte getan worden** (3, 655).
a Johann Paul Eberhard (1723—95), Mathematiker, war Privatdozent der Philosophie in Göttingen. In einem
Briefe an Kaltenhofer vom 17. Oktober 1773 sagt Lichtenberg (Briefe 1, 179): „Der gute Magister Eberhard ist mit
seinen Entdeckungen für mich jederzeit ein herrliches Gericht bei meinen Gedankenfesten, wie Herr Moser sagt, gewesen**.
3 Samuel Christian Hollmann (1696—1787), Physiker, war Professor der Philosophie in Göttingen seit Gründung
der Universität, kurz vor deren fünfzigjähriger Jubelfeier er starb. Eine köstliche Probe des Stils und der Sprache seiner
Vorlesungen, in denen die Experimente in der Regel mißlangen, gibt Lichtenberg in einem Briefe an Blumenbach vom
Ende des Jahres 1787, dem auch prächtige Skizzen seines Kopfes in verschiedenen Gemfitsstimmungen beigegeben sind
(Briefe 3, 252).
4 Hollmanns Schrift „Nötiger Unterricht von Barometern und Thermometern nebst zuverlässiger Nachricht von den
seit 1743 und 1752 in Göttingen verfertigten beiden Arten** erschien Göttingen 1783.
5 Tobias Mayer (1723—62), der berühmte Astronom und Herausgeber der Mondstafeln, war Professor der Philo¬
sophie in Göttingen gewesen.
6 Klemer Gernegroß: diesen Namen fuhrt eine satirische Erzählung Voltaires. Hollmanns anonymer Ausfall gegen
Kästner findet sich S. 105 Anm., wo er von Tobias Mayer sagt: „Er hat auch nie sogenannte Sinn-(Schimpf-
und Schmäh*)gedichte, selbst auf seine Kollegen, verfertiget und solche heimlich und öffentlich, schriftlich und gedruckt
in der Welt überall ausgestreuet, alle diejenigen auch nie mit einiger Verachtung angesehen, die nicht von der Rechnung
des Unendlichen (einem wahren Spiel des Witzes) ein groß Geschrei gemacht, wo man mit andern bekannten mathe¬
matischen Gründen auskommen können. Ebendadurch hat er aber auch bei seinen vielen tiefen Einsichten verhütet, daß
man ihn für keinen mathematischen Charlatan und Mikromegas zu halten Urs ach gehabt hat 4 *
7 Charles Macklin (1697—1797), berühmter englischer Schauspieler, besonders als Shylock; Lichtenberg charakterisiert
ihn in den Briefen aus England (Vermischte Schriften 3, 266). [Schluß folgt.]
Alk Rechte Vorbehalten . — Nachdruck verboten .
Für die Redaktion verantwortlich Prot Dr. Carl SthHddtkepj- Weimar, Cranachstr. 38. Druck u. Verlag von W. Drvgnim Leipzig, JCönigstr. za
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Leipzig, i o. September 1911
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Mit diesem Heft fchließt dos zweite Quartal der „Zeitfchrift
für Bücherfreunde". Ich bitte Sie deshalb mir den Betrog für
dos nödi|te Quortol möglich (f bald auf mein Poftfchedckonto
Leipzig No. 10434 einzuzahlen. Wenn Sie |idi des Po|t|diecks
am Schluffe diefes Heftes bedienen, hoben Sie kein Porto zu
zahlen. - Die Betröge, die für dos veifoffene Quartal nodi
nidit eingegangen |ind, werde idi mir erlauben am 24.September
per Niadinahme zuzüglich Spesen von 40 Pf. zu erheben unter
gleichzeitiger Benachrichtigung durch Postkarte.
Hodiachtungsvoll
V. DRUGUÜN
VERLAG
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CQRNELL IJNWE RSITY
ODO e i § = 5" r a f t u r
©ie Schrift des
'£etnpel=9Derlags
Gntroorfen oon
Profeffor C. <R. QDeifc
<BecHn
33auerfrf)e Gießerei
'Jranffurt am QKam und QSarcelona
Gegründet im Joljre 1837
s
Kopf Uiste
aus der
Zeitschrift
Pan II i8g$
SeiU 88
Deutsche Buchkünstler der Gegenwart.
V. Emil Rudolf Weiß.
Von
Dr. Max Osborn in Berlin.
Mit 57 Abbildungen und 5 Tafeln.
E s scheint, als hätten wir uns durch die kilometerdicke Kunstbreimauer, die das Land der
deutschen Zukunftskultur, ähnlich wie die Hirsebreimauer das Schlaraffenland, umgibt, nun
bald durchgebissen. Wenigstens haben einige Leute mit besonders kräftigen Zähnen und
übernormalen Verdauungsorganen schon Bresche gegessen, und wenn die Wege, die sich damit
ins Innere ergeben, auch noch eng sind und nicht viel Nachrückende in kurzer Frist durch¬
lassen können, so ist doch der erste Anfang der mühevollen Eroberungsarbeit immerhin geleistet.
Der Unkunst wollten wir entfliehn und glitten in die Überkunst, aus der es jetzt zur
Kunst gelangen heißt. Aus dem Ungeschmack taumelten wir in eine Orgie des Geschmacks,
der sich damit selbst wieder auf loste; denn diese feinste Kulturblüte wird durch Hypertrophie
erdrosselt. Wir hatten zu Schmuck und Gebrauch gleichgültige, unsinnige und häßliche Dinge.
Nun sollten sie gleich alle bedeutungsvoll, sinnreich und schön sein und sollten das noch dazu
möglichst laut betonen. Dabei wurde im Einzelnen Ausgezeichnetes geleistet; aber der Gesamt¬
eindruck ringsum war der einer Überfülle, eines beengenden, luftraubenden Allzuviel und einer
peinlichen Bewußtheit, die das Selbstverständliche eines wirklichen Geschmacksregiments nicht
aufkommen ließ.
Diese Übergangszeit — die wir trotzdem nicht schmähen wollen; da sie uns eine be¬
glückende Fülle von Anregungen und Genüssen gebracht — neigt sich langsam ihrem Ende
zu. Feste Gesetze beginnen sich herauszubilden, die ein Arsenal von Formen begründen.
Von weitem leuchtet uns auf, was man die Objektivität kunsthandwerklicher Blüteepochen
nennen könnte, wenn das Subjektive der einzelnen künstlerischen Mitstreiter vor der allgemeinen
Zeitkonvention (im eigentlichen und höchsten Sinne des Wortes) verschwindet. Das „persön¬
liche Sofa“, das „individuelle Eckschränkchen“ stirbt aus. Dafür meldet sich zum Wort, oder
läßt sich wenigstens ankündigen: der Stil der Epoche, den nicht Menschen von Fleisch und
Blut, sondern ein Abstraktum, die Gegenwart selbst, geschaffen zu haben scheint.
Z. f. B. 1912/1913. 18
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Original fro-m
CORNEIL UNIVERSITY
MIM
■MzWk&s.
m
ml
Osborn, Emil Rudolf Weiß
Die moderne deut¬
sche Buchkunst spiegelt
diese Wandlung viel¬
leicht am klarsten wieder.
Schon weil in dieser
Provinz besonders zweck¬
bewußt und erfolgreich
gearbeitet wurde. Nir¬
gends sind festere, greif¬
barere R esultate erreicht.
Und der Künstler, dem
diese Betrachtungen gel¬
ten, faßt abermals alles,
was hier gesucht und
angestrebt wurde, in sich
zusammen. Die Wand¬
lungen, die er durch¬
gemacht, demonstrieren
beispielmäßig die Ge¬
samtentwicklung seit
fünfzehn Jahren.
Der Maler Emil
Rudolph Weiß , 1875 zu
Lahr in Baden geboren,
sitzt auf der Akademie in
Karlsruhe und schwingt
als Schüler des Grafen
Kalckreuth und Hans
Thomas den Pinsel. Er
gehört nach Abstam¬
mung und Art zu den
Süddeutschen, die in
den neunziger Jahren,
im Gegensatz zu den
norddeutschen Impres-
von stilisie-
Titel für
Eugen
DiederichSy
Verla .■
11EONÄRDO
iS DAVINCI
DER/DENKER/FOR
SCHER/UND/POET.
NÄCH/DEN/VEROEFFENT.
LICHTEM/HANDSCHRIFTEN
ÄUSWAHL/ÜBERSETZUNG
8EINLEITUNG/VON/VAÄ
RIE/HERZFELD/3.UMGE?
ARBEITETE/AUFL./JEMÄ 1911
EUGEMMEDERICHS/YERIAG
sionisten
E R 'X '
renden Tendenzen erfaßt
wurden. Das führte zunächst in der Malerei selbst zum Stimmungsmäßigen, Lyrischen, aber dann
aus der Malerei heraus zu einer auf Erneuerung des gesamten äußeren Lebens gerichteten Reform¬
arbeit im Großen. Der junge Badenser nimmt leidenschaftlichen Anteil an dieser Bewegung
und gerät, wie viele in der Mitte der neunziger Jahre, vor allem auf das Nachbargebiet der
graphischen Zierkunst. Namentlich der „Pan“ gab damals allen diesen Wünschen einen Brenn¬
punkt, und es ist bezeichnend, daß Weiß, in dem literarische Neigungen mit künstlerischen
stritten, und der so mit der Redaktion des „Pan“ in Verbindung kam, durch die schöne Dis¬
position seiner Handschrift auf Briefbogen und Adressen die Aufmerksamkeit Otto Julius Bier¬
baums erregt, der ihn mit klugem Blick auf die Buchkunst weist
Unter „Buchkunst“ aber verstand man damals, durchaus im Sinne der allgemeinen Zeit¬
bewegung: künstlerische Verschönerung des Buches. Umschlag, Titelblatt, Einband, Zierleisten,
Vignetten, Kopfstücke, kurz Bildmäßiges — darum bemühte man sich. Nicht die Gestaltung:
die Ausstattung des Buches war das Wichtigste. Diese Anschauung bestimmte auch die Art,
in der sich E. R. Weiß beteiligte. Das gedruckte Buch war vorhanden: nun sollte es geschmückt
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Vorsatz zu
Bierbaum
GUGELINE,
Schuster
Loeffler,
Berlin,
und unten
Einband
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136
Osbom, Emil Rudolf Weiß.
Einbände
für Eugen
Diederichs,
Verlag, Jena
6oct§es
grifft
cn
Cjjariott*
oonötrin
6öi’tf)«s
Griffe
an
Charlotte
tvnetrin
6 oct§fs
^Briefe
an
Gjarlotti
werden. Gewiß bemühte man sich schon, zwischen dem Objekt der Ausschmückung und der Aus¬
schmückung selbst einen Einklang herzustellen. Man begann auf „anständigen Satz“, guten Druck,
wohlbedachte Gestaltung des Seitenbildes zu achten. Doch das geschah im Grunde noch unsyste¬
matisch, ohne Plan und Gefühl für die Gesetzmäßigkeit des Geschmacks, der hier zu walten hätte.
Aber Weiß gehörte von vornherein zu denen, die auch in diesem ersten Stadium der
, , modernen deutschen Buch-
Emband- ... n
Dehnung kunst bereits mit großer
für den Verlag Klarheit den notwendigen
Schuster 6 ° Weg erkannten: den Weg
Lo'ffkr» des Holzschnitts. Das war
Berlin ^ uns n j c j lt g erac J e eine
neue Entdeckung; schon die
englischen Präraffaeliten
hatten auf ihn gedeutet.
Aber, ganz abgesehen von
ihren gemäldehaften Bild¬
einfügungen und ihrer sü߬
britischen Sentimentalität:
sie vermengten die eckig¬
spitzige Gotik, von der sie
nicht loskommen konnten,
mit xylographischen Linien¬
vorstellungen, und das gab
Mißklänge. Gotik ist die Zeit
der Feder und der Schreib¬
kunst, der Miniatoren und
Illuminatoren. Irgendwo gibt
es eine unauflösbare Disso¬
nanz, wenn man sie mit
Holzschnitt und Buchkunst
zusammenbringt,die in jedem
Winkelchen Erzeugnis der
Renaissance sind. Sie hän¬
gen mit ganz andern Begriffen
zeichnerischenSchmuckes zu¬
sammen. Gotik ist: Schlank¬
heit, Ragendes, Aufwärts¬
strebendes. Renaissance ist:
sicher Ruhendes, erdhaft
Gefestetes, Kraft, Fülle,
Reichtum und Fruchtbar¬
keit. Dort ist etwas Speku¬
latives, Geistiges; hier etwas
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CORNELL UNfVERSiTY
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MARTIN BUBER
DELEGENDE
DESBAAb
SCHEM
LITERARISCHE ANSTALT/
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CORNELL UNIVERSITY
SRerfcgfWi
SSetia und £? \%\%/x^o5.
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Titelzeichnun g
für den Insel-
Verlag t Leipzig
und für Julius
Bard, Verlag,
Berlin
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CORNELL UNfVERSmf
140
Osborn, Emil Rudolf Weiß.
Titelfür die
Literarische
Anstalt
Riitten 6°
Loening,
Frankfurt a.M.
DIE GESCHICHTEN
DES
RABBI
NÄCHMÄN
1HV\NACHERZ£HLTVQN
MARTIN BUBER
i m imwtj'avj Kt «i i stavki ry h i
Körperliches, Sinnliches. Die ganze
Art des Striches und der zeichne¬
rischen Vereinfachung wird von diesen
Unterschieden berührt.
Weiß wandelte nach kurzenÜbungen
im blumenfrohen „Jugendstil“ sofort auf
Bahnen der Renaissance. Hinzu kamen
die japanischen Anregungen, die damals
überall luftreinigend wirkten. Hier wie
dort ward er auf eine Behandlung des
Holzschnitts und der Holzschnittart ge¬
wiesen, die kurzerhand in den Kern
dieser Kunstübung führte. So entstan¬
den seine ersten Bucharbeiten. Kräftige
Linien, klare, energisch gegeneinander
abgehobene Flächen in ausdrucksvollen
Lokalfarben, entschlossene Umrisse.
Alles in einer schnell übersehbaren
Einfachheit gehalten und so individuell
im Vortrag, daß der Anschluß an die
großen Muster, die ihm vorschweben
mochten, nirgends zur Nachahmung,
sondern immer zu einer inneren Ver¬
arbeitung und Modernisierung aus eignem
Geist wurde.
Wichtig aber war von Anfang
an, daß hier als Helfer der Verfasser
und Verleger ein Künstler auftrat, der
selbst ein persönliches Verhältnis zu
ihren Werken hatte, und aus ver¬
ständnisvollem Mitempfinden befähigt
war, dem Buche sein Kleid zu schaffen.
Man merkt überall, daß ein feinfühliger,
kultivierter Mensch an der Arbeit war,
der sein Amt nicht von außen her
anfaßte, sondern durch die Lektüre seine Anregungen erhielt. So schlossen sich die ersten
Sachen von Weiß, die allgemein auffielen, eng dem Charakter der modernen Dichtungen
an, die ihm anvertraut wurden. Ich denke da etwa an den Umschlag zu Bierbaums „Gugeline“:
ein dekoratives Bildblatt, in drei Farben (schwarz, grün, gelb) gedruckt, in geschlossener Form
mit weichen Konturen; Holzschnittvögel, die aufeinander zu schießen; kapriziös verteilte ovale
Flächen für die Schrift; auf der Rückseite eine stilisierte Baumgruppe, von gelbem Flatterband
wie ein Bukett zusammengehalten, während ein Vogel in das Grün der Baumflächen hineinfliegt
— eine besonders reizende, famos geschlossene Komposition. Man sprach dabei von „absicht¬
licher Primitivität“. Aber Weiß hatte nur den dekorativen Ausdruck für Bierbaums Dichtung
gegeben, die ganz von einer bewußten volkstümlichen Einfachheit, einer reichlich preziösen, wenn
auch anmutigen Stilisierung lebte. Auch die Ankündigung des Buches deutete außerordentlich
geschickt auf diese Art hin. Man war damals im allgemeinen noch zu sehr an den völlig bild¬
haften Umschlag gewöhnt, wie ihn die Franzosen darboten, und wie er in Deutschland in jenen
ersten Zeiten der „Jugend“ vielfach akzeptiert wurde. Daher fühlten sich manche durch Weiß’
strenge Auffassung befremdet. In Wirklichkeit aber führte gerade diese herbere Manier den
Künstler auf den richtigen Weg.
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— 29 —
An einem Sonntagmorgen im Slonat 3 Jtai erhob fid)
Cmanuel Quint oon feiner ßagerftätte auf dem QSoden
dee Beinen £)ütt ebene, dae der Sater mit fel>r geringem
Otedjt fein Cigen nannte. Cr wufd) fid) mit Barem ©e*
birgemaffer draußen am Steintrog, indem er die bohlen
£)ände unter den friftallenen Strahl hielt, der auo einer
bö^emen, oermorfd)ten und bemooften Qtinne flofj. Cr
batte die 9 tad)t faum ein menig gefdjlafen und fcbritt
nun, ohne die Seinen 3U wedJen, oder etmae 3U fid) 3U
nehmen, in der 9 tid)tung gegen Qfteicbenbad). Cin altee
QDefb, dae auf einem Feldweg ihm entgegenfam, blieb
fteben, ale fie oon fern feiner anffd)tfg wurde. Senn
Cmanuel ging mit feinem langen, wiegenden Schritt und
in einer fonderbar würdigen Haltung, die mit feinen un»
befleideten Jüfcen, feinem unbedeckten Kopf, fowie mit
der Armfeligfeit feiner <8eflef düng überhaupt im QDider*
fprud) ftand. Ale er oorüber Cam, ging fie ein fleinee
Stücf, blieb wiederum fteben und fab ih m nad). ^ie
gegen die elfte Stunde hielt Cmanuel fid) fern non den
Stenfdjen in den Feldern auf. Aledann überfdjritt er die
Beine £)ol3brücfe, die über den QSach führte, und ging
gerade3u bie 3um Starftplatj dee Beinen $le<fene, der
fehr belebt war, weil die proteftantifd)e Kirche fich eben
leerte. Ser arme Stenfd) ftieg nun auf einen Stein, wobei
er fid) mit der Cinfen an einem Catemenpfahl fefthielt,
und nachdem er fich f° und durch 3efd)en der Stenge
bemerflid) gemacht batte und allee erftaunt, beluftigt
oder neugierig bequfam oder wenigftene non fern brr»
WÜpPraAtätBauerscken Giiß*r&,.
Titelzeichnung
für den Ittsel-
Verlag , Leipzig
%-♦> 4 L i it '&i w -jf'i* m
4* & 4 4 & % b & ör-'i
©etabenteueE
UclxSlmplldijl
muö - /toßänbctv
etftttßünb.rdpjiq
imjtif^lücrloq—
mcratnu '
Z. f. B. 1912/1913.
19
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142
Osbom, Emil Rudolf Weiß.
So gelangte er zu einer
nun immer entschiedeneren Re¬
naissancehaltung. Am klarsten
wird das beim Titelblatt eines
Werkes, das selbst aus der
Renaissancewelt stammt: bei
Marie Herzfelds Ausgabe von
Leonardos schriftlichem Ver¬
mächtnis im Verlage von Diede-
richs (1904). Es ist ein pracht¬
volles Schriftviereck, das in
schönen, sich verjüngenden
Lettern aufsteigt. Ein fester
Rahmen zieht sich herum. Aus
dem Schwarz leuchtet ein Ini¬
tial L rot heraus. Von nun an
spielen renaissanceartige Holz¬
schnitt-Textstellen und -Bild¬
stücke eine große Rolle. Man
sieht Leisten,Vignetten, Schlu߬
stücke, rein dekorative Flächen,
gedrängtes Blätterwerk,Blumen,
oft Rosen, Girlanden, alles in
festen, kräftig vereinfachenden
Linien, von Hause aus für den
Druck und nur für den Druck
gedacht, aus dem Wesen des
Buches hervorgewachsen. Sie
ergeben ein schönes Spiel stili¬
sierender Zeichnung fürs Auge
und einen ungemein wirksamen
Kontrast zu der benachbarten
weißen oder farbigen Papierfläche. Namentlich bekannt wurden die Weißschen Blumen- und
Fruchtkörbe — Spätrenaissancemotive, die dann bald einen barocken, bald einen rokokohaften
Charakter annehmen, bald zu dem Neubarock und Neurokoko um die Mitte des XIX. Jahr¬
hunderts Beziehungen unterhalten, und die doch immer ganz modern empfunden sind. Sie
lassen schon die jüngsten allgemeineren kunstgewerblichen Tendenzen anklingen, die wieder
auf reichere Fülle, kokette Üppigkeit und undoktrinäre Heiterkeit der Ziermotive ausgehen.
Daher agiert auch die Rose hier eine so maßgebende Rolle.
Aber immer wichtiger wird für Weiß nun das Streben zum Allerwichtigsten, zum „Eigent¬
lichsten“ der Buchkunst: zur Gestaltung der Schrift, des Satzes, der Lettern, des Seitenbildes,
des Einbandes. Man übertreibt nicht, wenn man sagt, daß er hier zum Führer in Deutschland
wurde und schon bis heute eine Kulturarbeit geleistet hat, die höchsten Preises wert ist. Jetzt
ging er den Weg vom Persönlich-Künstlerischen zum Typisch-Geschmackvollen, wobei das In¬
dividuum des Künstlers zurücktritt So entstehen nun unter seiner Hand und unter seiner Auf¬
sicht Bücher über Bücher, bei denen man gar nicht fragt: wer hat dies gemacht?, sondern nur
sagt: wie schön ist dieses Buch — das Endziel jeder kunsthandwerklichen Leistung.
Bei den geschriebenen Texten der Titelblätter und Kapitelüberschriften entwickelte er
sich zum Beherrscher der Buchstaben. Mit der Freude alter Mönche an kalligraphischer Klein¬
kunst ging er daran, in Fraktur-, noch lieber in monumentalen Antiqualettern Kopfseiten zu
entwerfen, die Deutlichkeit der sachlichen Mitteilung mit schöner Klarheit der Liniendisposition,
Umschlagfür
den Verlag
Klink har dl
& Biermann,
Leipzig
DER.
QCERCNE
HALBMONATSSCHRIFT
FUrTDIE INTERESSEN DES
KUNSTFORSCHERS
UND SAMMLERS
EIAHRGANG-HEFT 5^=—-—-MÄRZ 1910
VERLAG KIJNKHARlTrCrBIERMANNLEIPZIG
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Umschlag -
Zeichnung für
den Insel-Ver¬
lag, Leipzig
unten
Einband¬
zeichnung
für S. Fischer
Verlag, Berlin
art £>aupfmann
mann
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CORNELL UNIVERSITY
DIE BAHN
UND
DER RECHTE WEG
Einbandzeich¬
nung für die
literarische
Anstalt Rütten
<5° Loening,
Frankfurt a.M.
und unten für
den Insel-J 'er¬
lag, I^eipzig
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Original frorn
CORNELLUNIVERSITY
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Umschlagteichnung für den Verlag S. Fischer, Berlin
Einbände der
„Geschenk -
ausgabe *'
der Klassiker
des „ Tempel -
Verlags
Leipzig
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CORNELL UNiVERSSTY
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14 °i § >
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Leinen - und
Halblederband
der Klassiker
des „Tempel •
148
Osborn, Emil Rudolf Weiß.
Bucheinbände
aus dem Verlag
S. Fischer,
Berlin
niptmiinnl
der Flächenanordnung, der Verteilung aller Einzelheiten im Raume des Seitenrechtecks ver¬
binden. Zugleich gewann Weiß ein immer näheres Verhältnis zu den gedruckten Lettern. Er
studierte mit der Leidenschaft eines fanatischen Bibliophilen die kostbaren Bücher des XVIII.
und aus dem Beginn des XIX. Jahrhunderts. Die Ungerschen, die Didotschen, die Altschwa¬
bacher Schriften entzückten ihn; sie fanden Aufnahme in den Büchern, die ihm anvertraut wurden.
Bis er selbst sich reif genug fühlte, in den Reigen der alten Offizinmeister einzutreten. Und aus
jahrelanger mühevoller Arbeit ging nun seine „ Weiß-Fraktur 11 hervor, die diesen Teil seiner bis¬
herigen Lebensarbeit krönen sollte.
Diese Frakturschrift, zu deren Herstellung sich Weiß mit der Schriftgießerei von Gebrüder
Bauer in Frankfurt a. M. verband, sucht die charakteristische Eigentümlichkeit der uns geläufigen
Letternform mit der Klarheit und den sonstigen Vorteilen der Antiqua zu verbinden. Das Ziel
war vor allem: alles Preziöse, Gezierte, allzu Individuelle zu vermeiden, aber zugleich auch das
Gewöhnliche, Harte und Deformierte der landläufigen Systeme. Der Druckbuchstabe soll gewiß
nicht alle Unarten bewahren, die er im Laufe vieler geschmackloser Jahrzehnte angenommen
hat. Aber er darf auch seine Wohlgeformtheit nicht allzu aufdringlich betonen, darf sozusagen
nicht „zu schon“ sein. Es handelt sich darum, daß er seine natürlichen Elemente in möglichst
harmonischer Zusammenstellung aller Teile und Teilchen, Winkel und Liniendistanzen präsentiert.
Macht er das anspruchsvoll und hyperselbstbewußt, so vergißt er sein Amt: dem Text
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Dopprlcicero (04 Panfte).
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OQTateric und Gedächtnis
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©as 2Defcn der ^Religion
Doppdmittel (00 Ponttc).
3umiUen=©ibliotbe?
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fandet und öctocrbc
£)eutfcf)er QDDerfbund
Q3alladen und Rieder
fAnderfens CQtärcbeu
Vvritif der Pbttofopbic
Osborn, Emil Rudolf Weiß.
149
Bücher aus
dem Insel-
Verlag,
Leipzig
STEFAN
j ZWEIG
EMILE
hüRHÄREK
BEDIER
bescheidentlich zu dienen. Der Leser kann über den gar zu schönen Druck genau so gut stolpern
wie über den häßlichen. Sein Auge will, mit dem Unterbewußtsein, eine dekorative Schwarz-
Weiß-Anordnung von angenehmen Verhältnissen zu genießen, über die Lettern hingleiten.
Mir scheint, die Weiß-Fraktur wird diesen Forderungen mit wunderbarer Treffsicherheit
gerecht und ihre Grundgestalt bewährt sich ausgezeichnet durch alle Grade. Daneben ver¬
bindet sie eine niemals, auch im Nonpareille nicht versagende Lesbarkeit mit der Möglichkeit
eines festen Zusammendrängens der Typen, wodurch das einzelne Wort als ein festes
und geschlossenes Ganze erscheint, das sich von seinen Nachbarn wirksam abhebt. In den
„Tempel“-Ausgaben der Klassiker hat die Fraktur ihre Probe glänzend bestanden. Noch schöner
freilich als hier, wo wir sie nur in stereotypiertem Satz kennen lernen, wirkt sie im Handsatz;
man vergleiche dazu etwa eine Seite aus Gerhart Hauptmanns „Emanuel Quint“. Es ist
anzunehmen, daß die ursprüngliche Zeichnung der Schrift sich noch feiner und ausgeglichener
präsentierte; denn irgend etwas wird auf dem Wege von der Künstlervorlage über den Stempel¬
schneider bis zum Guß immer verloren gehen. Aber auch die erzieherische Arbeit, die Weiß hier
geleistet hat, verdient einen besonderen Hinweis: wie er sich mit unermüdlicher Energie seine
Z. f. B. 1912/1913. 20
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Osbom, Emil Rudolf Weiß.
150
handwerklichen Helfer heranbildete, um sie
ganz seinem Zweck gefügig zu machen und
mit dem Sinn seiner Absichten zu erfüllen.
In dieser Art ging Weiß nun auch an
die Arbeit, als es sich darum handelte, flir
die Anwendung der Satzspiegel bei Titeln,
Kopfstücken und fortlaufendem Text zu festen
ästhetischen Normen zu gelangen. Man spürt
hier deutlich wieder den Einfluß der guten
deutschen Bücher aus der Rokoko- und
Klassizistenzeit. Namentlich in den Bänden,
die Weiß jetzt in immer steigender Zahl für
den Insel-Verlag in Leipzig besorgte, spielt
dies große Vorbild eine entscheidende Rolle.
Er studierte mit leidenschaftlicher Inbrunst
die Künste, die damals allen Buchdruckern
im Blute lagen, die sie instinktiv anzuwenden
wußten, ohne daß sie sich anzustrengen brauch¬
ten, und ohne daß sie ein besonderes Verdienst
für sich in Anspruch nahmen: die Organisation
der Flächen, der großen Zwischenräume und
kleinen Spatien, die unschematische, sinnvoll
empfundene Achsenanordnung. Das sind die
Fundamente, auf denen die wundervolle No¬
blesse jener alten Bände beruht Man darf
getrost sagen, daß niemand sie in unserer
Zeit mit so systematischer Zähigkeit und so
glücklichem Gelingen zu erneuen strebte wie
E. R. Weiß.
Die Seiten eines Korrekturbogens aus
der herrlichen Hamletausgabe des Verlags
Eugen Diederichs in Jena (siehe Abbildungen
Seite 157) mögen als Beispiel dienen für die grübelnde, fanatische Unermüdlichkeit, mit der hier der
Drucker zur denkbar besten Leistung erzogen, gezwungen wurde. Unwillkürlich denkt man an die
Korrekturdrucke von Menzels Holzschnitten zum Kugler und zu den Werken Friedrichs des Großen,
welche die Nationalgalerie aufbewahrt. Zwei Zeitalter grüßen sich hier. Das der „illustrierten
Ausgaben“, wo der Begriff des Bücherschmucks sich mit dem Bildschmuck erschöpfte, und das
der reinen Buchkunst, die ihre Aufgabe in der Veredelung des Handwerklichen sieht und
kaum drüber hinaus denkt, jedenfalls alles andere erst in zweiter Linie in Betracht zieht. Die
beiden Welten treffen dann zusammen in der unvergleichlichen Publikation des Insel-Verlages, die
Goethes italienische Reise mit den Zeichnungen des Dichters selbst und seiner Freunde bringt,
wie in der Faustausgabe, die der gleiche Verlag jetzt vorbereitet: mit Delacroix’ Lithographien.
Hier wie dort herrscht Weißens reifste Sicherheit im durchgeführten typographischen Arrange¬
ment. Ich wüßte dabei tatsächlich kein Detail, das man sich anders denken und wünschen
könnte. Die große Boccaccioausgabe mit der monumentalen Linearaufteilung des Titelblattes
gliedert sich würdig an.
Zur Druckschrift gehört auch das Arsenal der typographischen Zierstücke, das Weiß
seiner Fraktur beigefügt hat, die schlichten, zusammensetzbaren Sternchen und Röschen, Schluß-
und Kopf- und Eckstücke, bei denen wieder Rokoko-, klassizistische und frühe Biedermeiererinne¬
rungen auftauchen. Ein Riesenvorrat, der hier dem Drucker zu freier Verwendung dargeboten
wird. Und es gehört dazu ferner ein Kursiv-System — für Fraktur eine kniff liehe Aufgabe —
Titel für
S. Fischer ,
Verlag , Berlin
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DER FEIND
Zwei Titel
für S. Fischer ,
Verlag , Berlin
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152
Osborn, Emil Rudolf Weiß.
über das sich der Künstler eben jetzt mit den Stempelschneidern von Gebrüder Bauer den Kopf
zerbricht.
Zur reinen Buchkunst aber gehört auch der Einband. Wieder ein besonderes Ressort
Weißscher Tätigkeit. Hier hat der Maler in ihm dem Buchkünstler genützt und ihn zu den
delikatesten Farbenzusammenstellungen befähigt, die der moderne Markt kennt. Ganz streng
aber wird auch hier das Handwerkliche als einziger Faktor respektiert, von dem Vorschriften
angenommen.werden. Die sachgemäße Verarbeitung des Leders, wozu neben der Behandlung
der glatten oder leicht geprägten, aufgerauhten Oberfläche die Färbung gehört, beherrscht
den Band. Klare Prägung der Rückenschrift in Gold zwischen den organisch eingefügten
Bünden, kleine, scharf und fest geschnittene Stempel, die feine, den Kenner sofort orientierende
Symbole zeigen — so etwa bei der Goetheausgabe je nach dem Bandinhalt wiederkehrende
winzige Masken, Lyren, Helme, Capitolsäulen, Ahrenbündel, Denksteine, Flügelrösse und so fort
— kommen hinzu, ordnen sich aber jenen wichtigeren Elementen unter.
Man stelle sich einmal eine Anzahl von Weißschen Luxusbänden der Tempelausgabe
nebeneinander, und man hat ein Stilleben von einem farbigen Reiz, daran man sich als an
einem seltenen Augenschmaus ergötzt. Goethe: dunkelblaues Leder mit braunem Rückenschild¬
chen. Schiller: rot mit grün. Heine: schwarzgrün mit gelb. Kleist: braun mit dunkelblau.
Möricke: gelb mit hellblau. Hebel: ein leise marmoriertes Braun mit rot. Uhland: violett-bordeaux¬
rot mit grünschwarz. Das Nibelungenlied: gelblich weiß mit dunkelblau. Eine köstliche Reihe .. .
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CORNELL UNIVERSUM
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Einband
für die
f. G. Cottasche
Buchhandlung
Stuttgart und
für den
Insel-Verlag,
Leipzig.
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154
Osbom, Emil Rudolf Weiß.
Probeseite aus €ntfd)uldigung
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VerCblnefe in ^otn
Ginen Cbinefen fab id> in Qtom: die gefamten Gebäude
Alter und neuerer 3 e ^ febienen ibm läftig und fd)roer.
„Ad)l" fo feuf 3 t’er, „die Armen! i<b hoffe, fiefollenbegreifen,
QDie erft Säulcben oon §ol 3 tragen dee Vacbee Ge 3 elt,
Vafc an hatten und Pappen, Gefcbnit) und bunter Vergoldung
Sieb dee gebildeten Auge feinerer Sinn nur erfreut."
Siebe, da glaubt’ id) im Q3ilde fo manchen Scbmdrmer 3 U flauen,
Ver fein luftig Gefpinft mit der foliden 3latur
Groigem Teppich ucrgleicbt, den echten reinen Gefunden
Kran? nennt, dafe ja nur Cr beifee, der Kraute, gefund.
Spiegel der Ulufe
Si<b 3 « fcbmtUfen begierig, oerfolgte den rinnenden Q3acb cinft
Jrüb die THufe hinab, fie fuebte die rubigfte Stelle.
Cilend und raufd>end indee oer 3 og die febroanfende $läcbc
Stete das bemeglicbe Q3ild; die Göttin wandte fid> 3 ömend.
Vod) der Q3ad) rief hinter ihr drein und höhnte fie: „freilich
lllagft du die QDabrbcit nicht febn, roie rein dir mein Spiegel
fie 3 eiget!"
Aber indeffen ft and fie febon fern, am QDinfel dee Seeee,
3bccrGeftalt fid) erfreuend, und röcfte den Kran 3 ficb 3 ured)te.
Pböboe und bermee
Veloe’ emfter Vebcrrfcbcr und Tftajae Sohn, der gewandte,
hechteten heftig, ee toünfd)t’ jeder den herrlichen Preie.
§ermce oerlangte die £eier, die £eier oerlangt’ auch Apollon,
Vod) oergeblicb erfüllt Hoffnung den beiden dae §er 3 :
Venn rafcb dränget ficb Aree heran, getoaltfam entfd>eidend,
Schlägt dae goldene Spiel mild mit dem Cifen ent 3 toei.
7
Einflußreicher aber noch sind die
einfacheren Einbände: die Leinendeckel
der Tempelausgabe und die ganz billigen,
aber durchaus soliden und in der Wirkung
vorzüglichen Pappbände der billigen Bände
des Inselverlages mit den ovalen Rücken¬
schildchen in anderer Farbe. Dazu die
schlichten Schnitte, die mit den Ein¬
bänden einen schönen Zweiklang von
sorgsam abgestimmten Lokalfarben er¬
geben : bei jenen Leinenbänden des „Tem¬
pel“, die alle die gleichen feinen Omament-
bänder des Rückens und das ovale Ver¬
lagssignet als Stempel des Deckels in
Golddruck zeigen: Schiller rot mit bläu¬
lichem Schnitt, Heine grün mit hellbraun,
Kleist braungelb mit grün, das Nibelungen¬
lied dunkelblau mit grün, Uhland braun
mit grün. Oder bei den Pappbänden:
beim Volks-Goethe (Insel-Verlag) hell¬
braunes Papier, hellbrauner Schnitt, rot¬
braunes Rückenschild; bei Hofmannsthals
prosaischen Schriften — in S. Fischers
Verlag, der als bedeutsamer Auftrag¬
geber Weißens hinzukommt — gelbe
Pappe, weißes Schild, roter Schnitt; in
Hartlebens gesammelten Werken (eben¬
dort) grüner Pappband, weißes Schild mit
schwarzem und rotem Aufdruck, gelber
Schnitt Die aparten Seidenbändchen für
einzelne lyrische Schriften zeigen schon
von außen an, daß hier eine besondere
Zierlichkeit des Inhalts sich birgt.
Nicht vergessen sei daneben die
Hans Sachs-Ausgabe des Inselverlags:
die Bände in braunem Schweinsleder mit
Blinddruck auf dem Rücken; das Vorsatzpapier ein kräftig stilisiertes Blumenmuster in Holz¬
schnitt, von zwei Stöcken braun, Ton in Ton, gedruckt; im Buche selbst zwischen prächtig
schwarzem Satz alte Holzschnitte, handkoloriert.
Oder es melden sich wieder andere Stücke. Wie feinfühlig ist der grüne Band des „West¬
östlichen Divan“ gehalten, der an die Farbentönungen persischer Poterien denken läßt. Welche
Zartheit vereint sich in dem Bande „Goethes Liebesgedichte“: rotes Leder, leichte, klassizistisch
gestimmte Ranken und eine schwebende Amorette als Stempel auf dem Deckel, auf dem Rücken
ein blaues Lederschildchen. Wie präludiert ein ernstes Schwarzgrün mit sparsamem Golddekor
der Stimmung in Hofmannsthal „Tor und Tod“.
Gewiß hat auch der Zeichner Weiß in seinen späteren Buchkunstarbeiten nicht geschwiegen.
Der zarte Hofmannsthal-Band, der soeben genannt wurde, enthält in der Luxusausgabe drei
delikate kleine Radierungen von seiner Hand. Hans Bethges „Chinesische Flöte“ trägt auf dem
Titel die entzückende Gestalt einer graziösen Tochter des Reichs der Mitte, die in den
sparsamen Linien eines ostasiatischen Holzschnitts wie eine feine, verwehende Erscheinung, und
doch ganz unbildlich, ganz als Vignette, als Ornament in die Schrift des Blattes gestellt,
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CORNELL UNIVERSITY
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S. Fischer, Verlag, Berlin
S. Fischer, Verlag, Berlin
S. Fischer, Verlag, Berlin
Hermann & Friedrich
Schaffstein, Cöln
Signet für die Werke Alfred Momberts
Schuster & Loeffler Verlag. Berlin
Reimar Hobbing
Verlag, Berlin
Meister Eckehard bei
Eugen Diederichs, Jena
Tempel-Verlag,
Leipzig
Rütten & Loening,
Frankfurt a. M.
Julius Bard, Verlag, Berlin
Publikation des Kaiser-Friedrich-
Museums bei Julius Bard, Berlin
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CORNELL UNIVER5ITY
I T orproben für
die Luxusaus¬
gabe des Ham¬
let, Verlag
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158
Osbom, Emil Rudolf Weiß.
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vorüberschwebt. Auch die Renaissanceart in festen, energischen Holzschnittstrichen taucht
gelegentlich wieder auf, wenn das Thema dazu reizt. Von allen Kunstwelten und Kulturen
strömen Anregungen herzu, die willig empfangen und genutzt werden. Doch das alles erscheint
nun doch mehr und mehr als Nebenwerk. Der Schwerpunkt ruht in dem großen reformerischen
Wirken für die wesentlichen Formprobleme des Buches als eines gewerblichen Erzeugnisses, die
ohne Aufhebens in natürlichem, organischem Gang in die Sphäre eines von aller Unruhe und
Effektsucht befreiten Geschmacks emporgeführt werden. So steht E. R. Weiß der Buchkünstler
zugleich vor uns wie ein lächelnder Repräsentant der letzten Wünsche, die wir an alles knüpfen,
was uns die Kultur des Sichtbaren, die redliche künstlerische Veredelung unserer gesamten
Außenwelt heute und morgen zu geben hat.
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CORNELL UNÜVERSrTf
Bogeng, Die Bibliothcque du Louvre.
159
Luxusbänae
der Tempel'
klassiker
Die Bibliothcque du Louvre.
Von
Dr. G. A. Erich Bogeng in Berlin.
D ie Büchersammlung des Louvre 1 ist nur eine Erinnerung. In der Nacht vom 23. zum
24. Mai 1871 haben die Brandstifter der Commune, nachdem sie die Tuilerien und das
Palais Royal angezündet hatten, ihre unheiligen Flammen auch in die im XIX. Jahr¬
hundert weltberühmt gewesenen Büchersäle des alten Pariser Königsschlosses getragen. Am
Morgen, zwischen vier und fünf, loderte das dem Barbaren Freiheit geweihte Opferfeuer auf.
Als es erloschen war, ließ es nur ein paar beschmutzte und halbverbrannte Bücherreste auf
großen Aschenhaufen zurück, die mit ein paar zufällig entfernten, ausgeliehenen oder zum
Buchbinder gegebenen Bänden in die Bibliothek des Arsenals gebracht wurden und dort als
* Über sie handeln: E. J. B. Rathery, Notice historique sur Pancien Cabinet du Roi et sur la bibliotheque
imperiale du Louvre. Paris 1863 (S. A. Bulletin du Bibliophile); M. Vachon, La Bibliotheque du Louvre et la
Collection bibliographique Motteley. Paris 1879; ferner: J. B. Labiche, Notice sur les d£pöts litt^raires. Paris 1880.
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Bogeng, Die Biblioth&que du Louvre.
, 6o
Überrest der Louvrebibliothek vorläufige Unterkunft fanden. Ferner blieben noch einige andere,
zur Louvrebibliothek gehörende, aber in änderen Räumen des Louvre aufbewahrte Cimelien er¬
halten. Als man nämlich das Musee des Souverains einrichtete, suchte man in allen öffent¬
lichen Sammlungen dem Besitze französischer Herrscher entstammende Gegenstände. So ge¬
langten auch ein paar Bände aus der Bibliotheque du Louvre in dieses Museum (und wurden
dadurch gerettet) das berühmte Heures de Charlemagne genannte Evangelienbuch, eine Pracht¬
handschrift, die der Kaiser gelegentlich der Taufe seines Sohnes Pipin der Abtei de Saint-Semin
in Toulouse zum Geschenk gemacht hatte und die die Stadt Toulouse 1811 Napoleon L kurze
Zeit nach der Geburt des Königs von Rom überreicht hatte; die Profession de foi des cotnman-
deurs de Vordre du Saint-Esprit, mit einigen Zeilen Heinrichs III. und den Unterschriften der
Ordensmeister von 1578 bis 1789 (beide heute in der Bibliotheque nationale); Le Sacre de
Napoleon /. mit den Originalzeichnungen von Isabey, Percier und Fontaine und die Ouvres
d’Ossian, die Übersetzung von Letourneur in dem Napoleon I. überreichten Exemplar, das da¬
durch merkwürdig ist, daß es eine Zeichnung Isabeys nach einem von König Karl Johann von
Schweden erworbenen, aber mit dem Transportschiffe untergegangenem Gemälde G^rards enthält 1
Der repräsentativen Bedeutung der Bibliotheque du Louvre entsprach ihre Ausstattung.
Über eine prachtvolle, mit Skulpturen von M me Claude Vignon geschmückte Freitreppe gelangte
man in die der allgemeinen Benutzung zugänglich gemachten Lesesäle, von denen der erste
mit Brünes die neun Musen darstellendem Deckengemälde verziert war. Der große Saal, in drei
Schiffe geteilt, wurde im Mittelraume von zwölf großen Pfeilern getragen, während die beiden
durch eichenhölzerne Scheidewände abgeteilten Nebenräume die Bücherwände bildeten. Seine
allegorischen Deckengemälde, von Biennoury, Theologie — Jurisprudence — Sciences et Arts —
Litt^rature e? Poesie — Geographie et Histoire — Histoire gönerale versinnbildlichend, ent¬
sprachen den der Einteilung des Bibliothekskataloges. Von Denuelle stammende Medaillon¬
bildnisse berühmter Schriftsteller verbanden sich mit ihnen zu dem weiteren malerischen Schmuck
dieser Galerie, an die ein großer, auf die Cour Napoleon hinausgehender Ehrensaal stieß, dessen
Deckengemälde eine Wiederholung des von Abel de Pujol 1819 für die große von Percier und
Fontaine aufgeführte, später von Visconti niedergelegte Freitreppe des Louvre gemalten Freskos
war. Über den beiden prachtvollen, in Holzbildhauerei von Lepetre ausgeführten Kaminen
waren Heberts Bildnisse von Napoleon I. und Napoleon III. angebracht, die noch durch die
ausführliche Beschreibung, die Th£ophile Gautier von ihnen in seinem Salon de 1866 gab, be¬
rühmt sind.
Der Inhalt der Bibliotheque du Louvre zeigte, bei aller äußeren Abrundung, nicht den Zu¬
sammenhang, den sonst Büchersammlungen ihres Umfanges zu haben pflegen, weil sowohl die
Entstehung wie die Vermehrung und die besonderen Zwecke der Louvrebibliothek fiir sie nicht
die Grundlage eines allgemein feststehenden Planes geben konnten. Begründet wurde die
Bibliotheque du Louvre eigentlich erst in der Zeit nach der Restauration, wenn auch ihre
» Es ist oft aber irrtümlich berichtet worden, Petroleummänner hätten vor der Brandlegung einige Kostbarkeiten
der Bibliotheque du Louvre „gerettet**. Daß die Legendenbildung bei dem Untergang zahlreicher Bücherschätze durch
die Aufdeckung von allerlei „Spuren“ einen Bibliophilentrost suchte, ist erklärlich. In diesem Zusammenhänge muß
deshalb auch kurz die Geschichte des berühmten, in Quarto auf holländischem Papier gedruckten Exemplares der Kehler
Ausgabe der Oeuvres Voltaires erwähnt werden, dem Beaumarchais die Zeichnungen Moreaus hatte einbinden lassen, um
es der Kaiserin Katharina II. von Rußland zu überreichen. 1860 von dem Pariser Altbuchhändler Fontaine wieder ent¬
deckt, war es von diesem für 18000 Franken an den bekannten Sammler B<>“ L. Double verkauft worden und bei der
Versteigerung von dessen Büchersammlung für 10000 Franken ausgeboten und für die Kaiserin Eugenie erworben
worden. Der Baron hatte allerdings die Absicht gehabt, das Exemplar zurückzukaufen: da aber niemand aus Galanterie
gegen die Kaiserin bieten wollte und der Versteigerungsleiter den Wunsch B on Doubles vergessen hatte, gelangte das
Exemplar in die Tuilerien, um mit ihnen zu verbrennen. Vergeblich bot ein Sammler nach dem 4. September 40000
Franken für das verschwundene Unikum. Zwar macht Jules Richard (L’art de former une bibliotheque. Paris 1883.
Seite 35) die geheimnisvolle Andeutung: „Je crois savoir qu’un communard soigneux, pr£voyant l’incendie, avait soustrait
le Voltaire des imperatrices Catherine II. et Eugenie et que gräce ä lui il figure aujourd’hui dans une illustre biblio¬
theque de Berlin“, aber leider hat sich üiese immerhin nicht uninteressante Vermutung bisher nicht bewahrheitet und die
siebzig angeblich bei Seite geschafften kostbaren Quartanten sind seit 1871 von niemanden wieder gesehen worden.
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Bogeng, Die Biblioth&que du Louvre.
161
eigentlichen Anfänge etwas weiter zurückreichen. Ihre Vorgängerinnen, die alten im Louvre
aufgestellt gewesenen Büchersammlungen, waren aus ihm längst entfernt, 1 als man um die
Wende des XVIII. Jahrhunderts im Louvre, das seit 1793 das nationale Hauptmuseum in Paris
war, die geeignete Stelle für die Unterbringung einer größeren Bibliothek erkannte.
A. A. Barbier 2 ist der eigentliche Begründer der Louvrebibliothek. Er hatte mit Hubert
Pascal Ameilhon seit 1798 die Ordnung und Verwertung der deponierten Bücher als Mitglied
der Section de bibliographie geleitet, in welcher Eigenschaft er die dann zum größten Teil
nach dem 18. Brumaire unter den Consuln geteilte Bibliotheque du Directoire und dann aus
den Überbleibseln dieser Sammlung die Bibliotheque du Conseil d’Etat gebildet hatte, deren
Katalog er 1803 in zwei Bänden veröffentlichte. Die ursprünglich in den Tuilerien unterge¬
brachte Büchersammlung des Staatsrats wurde 1807 zum größten Teile nach Fontainebleau ge¬
schafft und der zurückgebliebene Rest bildete den eigentlichen Grundstock der Bibliotheque du
Louvre. A. Barbier hatte 1807 ein Magazin für die kaiserlichen Bibliotheken gegründet, wohin
auch die in den Besitz des Kaisers übergegangene Sammlung eines Herrn d’Ambreville ge¬
kommen war, der es verstanden hatte, sich aus dem Depot de la Culture Saint-Catherine eine
kostbare Liebhaberbücherei auszusuchen. So entstand in der Zeit der Restauration mit Be¬
nutzung der Bücher dieses Magazins, die den Grundstock der Bibliotheken Napoleons I. gebildet
hatten, der Bibliotheque du Conseil und der Bibliotheque particuliere du Roi, die nun wieder
mit dem alten Namen als Bibliotheque du Cabinet du Roi bezeichnete Sammlung. Unter der
Regierung des Bürgerkönigs wurde sie dann abermals umgetauft und hieß nun Bibliotheque du
Louvre. In dieser Zeit wurde sie auch in den nach der Wasserseite gelegenen Räumlichkeiten
des Louvre untergebracht. Ihre starke Vermehrung sowohl durch Erwerbungen und Geschenke
der Könige und des Kaisers Napoleon III. wie durch Ergänzungen aus dem Bestände anderer
Bibliotheken (der Tuilerien-Bibliothek, der Elys6e-Bibliothek usw.) hatte die nach dem 4. Sep¬
tember den Mus^es du Louvre angegliederte Büchersammlung, die damals (und bis zu ihrer
Vernichtung) von dem Sohne A. A. Barbiers, Louis Barbier, verwaltet wurde, auf rund 100000
Bände anwachsen lassen.
Ursprünglich eine Amtsbibliothek, dann die große Privatbibliothek der Könige Louis XVIII.,
Karl X. und Louis-Philippe sowie des Kaisers Napoleon III., die vor allem auch die großen,
umfangreichen Veröffentlichungen aufzunehmen hatte, traten zu dem in der Hauptsache aus
geschichts- und rechtswissenschaftlichen Büchern gebildeten durch Staatsschriften und ähnliche
offizielle Publikationen ergänzten Grundstöcke die kostbaren Galeriewerke und ihnen ähnliche
Veröffentlichungen über Kunst, Festlichkeiten usw. Unter Louis XVIII. waren, der Vorliebe
dieses Königs entsprechend, zahlreiche lateinische und französische Klassiker hinzugekommen,
die Kaiser Napoleon I. und III. sowie mehrere Prinzen des Hauses Orleans hatten das Zustande¬
kommen einer reichen kriegswissenschaftlichen Abteilung gefördert Endlich hatte die persön¬
liche Teilnahme einiger Bibliothekare die besondere Pflege einzelner Abteilungen begünstigt.
So war durch Valery die. schon in der Zeit des ersten Kaiserreiches sehr beträchtliche Ab-
* Schon Karl V., der Gelehrte (gestorben 1380), hatte seinen sehr reichen, fast 1000 Bände umfassenden, 1373
von Gilles Mailet verzeichneten Bücherbesitz im später Tour de la.librairie genannten Tour de la Fauconnerie des Louvre
untergebracht. Sowohl diese erste Louvrebibliothek wie auch eine spätere, das noch nach der Begründung der Biblio¬
theque du Roi fortbestehende und erst in der Revolutionszeit ganz aufgelöste Cabinet des livres du Louvre haben ein
sehr wechselvolles Schicksal gehabt.
a Antoine Alexandre Barbier, am 11. Januar 1765 zu Coulommiers geboren, war zuerst Geistlicher gewesen und
1794 nach Paris gekommen. Seitdem war er als Bibliothekar tätig, zunächst als Mitglied der Kommission, die die in
den aufgehobenen Klöstern und Schlössern befindlichen Gegenstände der Kunst und Wissenschaft sammeln sollte, dann
als Aufseher der von ihm gebildeten Bibliothek des Staatsrats (1798), als Bibliothekar und literarischer Vertrauensmann
Napoleons. Nach Napoleons Sturz wieder Bibliothekar der Bibliothek des Staatsrats wurde er mit deren Umbildung in die
Bibliothek des Königs betraut. Seitdem Verwalter der Königlichen Privatbibliotheken starb er am 6. Dezember 1825,
nachdem er 1822 wegen eines Streites mit einem Minister seiner Stellung enthoben worden war. Einen Namen erwarb
sich Barbier auch als Bibliograph, insbesondere durch sein Hauptwerk: Dictionnaire des ouvrages anonymes et pseudo¬
nymes. Paris 1806—8. IV. u. ö.
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\Ö2
Bogeng, Die Bibliotheque da Louvre.
teilung der italienischen Literatur besonders erweitert und nach seinem Tode auch mit einer
Auswahl italienischer Bücher aus seiner Privatbibliothek vermehrt worden.
Unter den Handschriften und Druckwerken der Louvrebibliothek befand sich eine große
Zahl von Kostbarkeiten, die, teils wegen ihres Inhaltes, teils wegen ihrer Ausstattung unersetz¬
lich waren. Ihre Aufzählung würde hier zu weit führen und nur einige Originale sollen kurze
Erwähnung finden, weil sie noch häufig genannt werden. Mit der Louvrebibliothek gingen ver¬
loren der Briefwechsel und die Manuskripte von Vauvetiargues (die glücklicherweise noch Gilbert
seiner Paris 1852 in zwei Bänden erschienenen Ausgabe der Oeuvres dieses Philosophen zu
Grunde gelegt hatte), und die Vies des poetes francais par ordre chronologique depuis 120g jus
qtien 1647, P ar Guülaume Colletet , fünf Quartbände Handschrift des Verfassers. (Neuerdings
hat unter Benutzung einer Handschrift und sonstiger auf das verlorene Original zurückgehender
Quellen A. van Bever die Restitution von 212 der 442 Vies unternommen und beginnt seine
Ausgabe in fünf Bänden herauszugeben.) Der Verlust des Rabelais in vier Duodezbänden, den
der Abb6 Morellet mit zahlreichen Anmerkungen bereichert hatte und der gegen einige
Dubletten der Louvrebibliothek von Herrn Burgault-Desmarets überlassen worden war, wird von
manchen Forschern ebenso beklagt, wie von vielen Kunstfreunden der Verlust der großen,
repräsentativen Prachtwerke bedauert wird, an denen die Bibliotheque du Louvre besonders
reich war und von denen sie viele in einzigartiger Ausstattung, mit beigefügten Original¬
zeichnungen vermehrt, besaß. Gerade diese Werke (unter denen sich zum Beispiel fast alle
Veröffentlichungen von Redoute in der eben erwähnten Ausstattung befanden) würden eine sehr
lange melancholische Liste liefern. Daß die für diese Prachtwerke gemachten Aufwendungen
zum Teil ganz außerordentliche gewesen sind, erweist schon der von Karl X. für das Perga¬
mentexemplar der bei Panckoucke in 27 Bänden erschienenen Victoires et conquetes des Francais
gezahlte Preis, rund 55000 Franken. Das von Louis Paris veröffentlichte unvollständige Ver¬
zeichnis der Handschriften der Bibliotheque du Louvre umfaßt 348 Nummern, unter denen ab
von besonderem bibliophil-literarischen Interesse wenigstens einige hervorgehoben seien, wie
das Handexemplar der 1671 in zwölf Abzügen hergestellten edition originale dite d’amis von
Bossuets Exposition de l'eglise catJiolique , Les Huit Herbiers der M mg de Genlis, ein Quartant
mit Originalzeichnungen (über den ausführlicher M me de Genlis selbst im fünften Bande ihrer
Memoiren berichtet), die Archives du grand maitre des ceretnonies; correspondatices et proces -
verbaux des ceremonies et audiences diplomatiques depuis 1805 jusqu'en 1813 , 14 unter Louis-
Phüippe aus der Bücherei des comte de Segur, des grand maitre des edrdmonies am Hofe
Napoleons I. erworbene Quartanten, das Journal kistorique et litteraire de CoÜe (1748—1772)
in neun Bänden.
Unter den verschiedenen in die Bibliotheque du Louvre aufgenommenen Sondersamm¬
lungen waren die bemerkenswertesten die folgenden. Zunächst die Collection de Saint-Genis,
aus dem Besitze der zum Parlamentsadel gehörenden Familie dieses Namens und des Rechts¬
gelehrten Gillet — eine von 305—1789 reichende Urkundensammlung zur französischen Ge¬
schichte, die teils, besonders für die Zeit bis etwa 1650 aus ausführlichen Quellennachweisen,
teils aus Zusammenstellungen von Drucken und Handschriften gebildet rund 800 Sammelbände
und Sammelkästen umfaßte, deren bequeme Benutzung ein über 85 Bände sich verteilendes
Register erlaubte. Sodann die 1826 von Karl X. erworbene Petrarcabibliothek des Professors
Antonio Marsand mit 736 Werken in 862 Bänden, darunter auch einige wichtige Handschriften.
Ferner die als Recueil A bezeichnete Sammlung, die von dem Buchhändler Nyon begründet
und von den Bibliothekaren der Louvrebibliothek auf 1000 Bände gebracht worden war. Sie
enthielt Drucke geringeren und geringsten Umfanges über die verschiedensten Materien und
war eine Art Flugschriften-, Dissertationen-, Einblattdruck-Auswahl und sowohl wegen der vielen
Drucke ephemeren Charakters, die sie enthielt, als auch wegen ihrer etwas bunten Zusammen¬
stellung ein wertvoller Fundort allerlei verlorener Nachrichten. Endlich der Recueil sur la Re¬
volution, 768 Sammelbände und Sammelkästen, eine ungemein vollständige Aufhäufung von
Revolutionsschriften, über die bis ins Einzelne gehende Nachweisungen im Kataloge vorhanden
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Bogeng, Die Biblioth&que du Louvre.
163
waren und die durch das 131 Sammelbände umfassende von Viollet-Le-Duc erworbene soge¬
nannte Theätre revolutionnaire ergänzt wurde, das aber neben sehr zahlreichen Bühnen¬
dichtungen der Jahre 1788 bis 1825 auch andere kleine Drucke mannigfachen Inhalts der
gleichen Zeit enthielt Neben diesen mehr als verloren gegangene wissenschaftliche Werte zu
beklagenden Sondersammlungen barg die Biblioth&que du Louvre aber noch eine als Ganzes
erhaltene Bibliothek, die zu den bedeutendsten französischen in der ersten Hälfte des XIX. Jahr¬
hunderts gebildeten Liebhaberbüchereien gehört hat, die Collection Motteley.
Motteley war ein Elzevieromane und auch als Schriftsteller anerkannte Elzevierautorität,
der seine in vierzigjährigen, ihn durch ganz Europa führenden Bücherreisen zusammengebrachte
Elzeviersammlung so eingeteilt hatte: I. Authentische Elzevierdrucke mit oder ohne Drucker¬
bezeichnung, der Zeit nach und nach Druckereien (Amsterdam, Leiden, Utrecht) geordnet
IL Falsche Elzevierdrucke aus verschiedenen Werkstätten Hollands, Belgiens, Deutschlands und
Frankreichs. III. Nachahmungen der Elzevierdrucke. — Kostbare Handschriften, wertvolle Ein¬
bände, berühmte Provenienzen waren seine anderen hauptsächlichen Sammelgebiete, und unter
den 2000 Bänden seiner bibliographischen Kollektion, wie er sie nannte, waren fast alle Kabinett¬
stücke, die bei seinen immerhin bescheidenen Vermögensverhältnissen in seinen Besitz zu
bringen ein unermüdlicher Sammeleifer, das Ausspüren der guten Gelegenheiten und vor
allen Dingen seine Zeit, in der Kostbarkeiten dieser Art noch billig waren, ihm ermöglicht
hatten. Leider ist ein gerade bei einer derartigen Zusammensetzung der Sammlung unentbehr¬
liches ausführliches beschreibendes Verzeichnis nicht vorhanden, die von Marius Vachon auf
Grund einiger Aufzeichnungen Motteleys zusammengestellte Bücherliste kann nur ungefähr über
den Inhalt der Kollektion Motteley unterrichten.
Als Motteley 1856 starb, hinterließ er diese Verfügung über seinen Bücherbesitz: Je donne
de mon vivant, et en cas de mort pr£matur£e je l&gue ä la nation frangaise, sons les auspices
de M. le pr&ident de la Republique, ma remarquable biblioth&que ä condition:
l°. Que le gouvernement la fera placer dans une galerie ou salon portant cette inscription:
Mnsee bibliographiqne forme par le bibliophile Ck. Motteley ;
2°. Qu’il n’y sera introduit d'autre livre ou manuscrit que ceux que le donateur y pourra
ajouter de son vivant;
3 0 . Qu’il sera construit, dans le local, ou eile sera ötablie, une longne montre en acajou,
avec glaces, propre ä recevoir le plus nombreux et le plus beau musee de reliures ex^cutees
depuis Louis XII. et Anne de Bretagne, jusqu’ä nos jours, qu’il y ait bien certainement en
Europe.
* *
*
Quant ä moi ou ä ma famille, je laisse ä la g£n6rosit£ du gouvernement d'agir comme
il Tentendra, lui offirant en outre, autant que mon age et mes forces me le permettront,
d’etre le conservateur honoraire de ce musöe, jusqu’ä mon d£c&s, mais avec l’aide d’un employe
ou sous-conservateur, retribu£, qui pourra me suppiger au besoin.
Da die Annahme des Legats aus irgendwelchen Gründen von dem damaligen Leiter der
Biblioth&que nationale Herrn Taschereau abgelehnt worden war, wurde die Kollektion Motteley
zunächst vorläufig in einem Saale des Louvre untergebracht und sodann die Bestimmung ge¬
troffen, daß sie dem Wunsche des Sammlers gemäß unter Erhaltung ihrer Selbständigkeit der
Biblioth^que du Louvre einzugliedern sei; Cimelienvitrinen wurden nach Motteleys Willen aufge¬
stellt und eine (von M me Claude Vignon in Marmor ausgeführte) Büste zum Mittelpunkt der
Schausammlung gemacht, die nur noch wenige Jahre die Augen der Bibliophilen entzücken
sollte. Die Sammlung Motteleys, die er als Ganzes erhalten wollte, ist als Ganzes unter¬
gegangen. Man hat den Verlust ihrer vielen Schätze immer wieder beklagt, hat immer wieder
hervorgehoben, daß das traurige Schicksal der Kollektion Motteley ihr erspart geblieben wäre,
wenn sie, in einer glänzenden Versteigerung aufgelöst, sich in anderen, ihr ähnlichen Lieb¬
haberbüchereien mit jedem einzelnen Bande das von dem Sammler ersehnte Gedenken seines
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IÖ 4
Buchwald, Lessing und Ernestine Christine Reiske.
Namens gesichert hätte. Das ist eine Auffassung, die Edmond de Goncourt in die schönen
Worte gekleidet hat: Ma volonte est, que mes dessins, mes estampes, mes bibelots, mes livres,
enfin les choses d’art qui ont fait le bonheur de ma vie n’aient pas la froide tombe d’un mus£e,
et le regard bete du passant indifferent, et je demande qu’elles seront toutes £parpill£es sous
les coups de marteau du commissaire-priseur et que la jouissance que m’a procur£e l’acqui-
sition de chacune d’elles, soit redonnöe, pour chacune d’elles, ä un heritier de mes gouts.
Und doch, mag auch Ehrgeiz, ja Eitelkeit Ch. Motteleys Bestimmungen über das Weiter¬
bestehen seiner Sammlung veranlaßt haben, seine Absicht, sie der Allgemeinheit zu erhalten,
soll nicht vergessen sein, wenn auch die Kollektion Motteley selbst vergessen ist
Lessing und Ernestine Christine Reiske.
Ungedruckte Dokumente.
Mitgeteilt von
Dr. Reinhard Buchwald in Leipzig.
D as erste der Dokumente, die ich hier der Öffentlichkeit übergeben darf, Lessings Brief
I an die Reiskin vom 18. Dezember 1777, kann als eines der charakteristischsten Beispiele
Lessingischer Briefkunst gelten und erhellt zugleich zum ersten Male eine sehr
merkwürdige Episode im Leben - des Dichters. Kurz vor Eva Königs Tode findet zwischen
ihm und der zweiten Frau, die sein Herz hatte gewinnen wollen, diese Auseinandersetzung
statt, die freilich ein endgültiger Bruch nicht gewesen zu sein scheint. Allerdings die „von ihm
selbst aufgesetzte Lebensbeschreibung“ Johann Jakob Reiskes, um die sich der Streit bewegt,
hat die Gattin selbst herausgegeben, mit eigenen kurzen Ergänzungen statt der stattlichen
Supplemente, die Lessing in Aussicht gestellt hatte; sie selber verfaßte auch das Verzeichnis der
hinterlassenen Handschriften, in dessen Anlage wir auch nach unserer neuen Quelle, die mit
der Reiskeschen Vorrede zur „Lebensbeschreibung“ fast wörtlich übereinstimmt, des Freundes
Hand zu erkennen haben. Jedoch erschien dieses Werk erst 1783 im Buchhandel, und wir
werden annehmen müssen, daß Frau Reiske Ende 1777 zwar die arabischen und griechischen
Manuskripte, wie Lessing ihr in seinem Brief mitteilte, zurückerhielt, aber auf die Dokumente
Sur Biographie sogleich verzichtet hat, sie vielmehr in Wolfenbüttel beließ. Die Manuskripte
wurden ja schon 1779 nach Dänemark verkauft (vgl. das dritte der hier veröffentlichten Schrift¬
stücke); auf die letztere Hypothese dagegen führt uns der als Nr. 2 gedruckte Brief, den Karl
Lessing nach dem Tode seines Bruders an Frau Reiske richtete und der mit dem von Fr.
Chrysander zuerst bekannt gemachten aktenmäßigen „Verzeichnis der Lessingischen Manuskripte“
zusammen gehalten werden muß („Westermanns Monatshefte“, Dezember 1856 = Danzel-
Guhrauers Lessing II 679, 2. Auflage). Wir nehmen also an, daß sich Lessing und die Reiskin
auf eine Arbeitsteilung für die Reiske-Biographie einigten; ihm fiel der biographische, ihr der
bibliographische Teil zu; aber Fragmentenstreit, Nathan und Krankheit hinderten ihn, auch diese
beschränkte Aufgabe zu erfüllen. An einen unheilbaren Bruch zwischen den beiden großen
Menschen zu denken, verbietet uns endlich auch die auf den 13. März 1778 datierte Vorrede
zu der Reiskin Buch „Hellas“ (Erster Band, Mitau 1778), die folgendermaßen beginnt: „Den
Titel dieser Übersetzungen werde ich nicht besser rechtfertigen können, als wenn ich sage, daß
er ihnen von meinem werthen Freunde, dem Herrn Hofrath Lessing, gegeben worden,“ und
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1 66
Buchwald, Lessing und Ernestine Christine Reiske.
Ich kenne Youngs Schönheiten; aber ich liebe ihn nicht, wenigstens liebe ich ihn in den Nacht¬
gedanken nicht Doch ich vergesse meinen Motanabbi darüber gar. Ein Dichter also, der,
seiner großen Fehler ungeachtet, dennoch ganz Feuer, ganz Gedanke ist, der hat sich schon
von manchen Gefühl- und Gedankenlosen, an deren Thüre er anklopfte, verschmähen und ab¬
weisen lassen müssen!“ Das hat Reiske in dem Jahre geschrieben, da Goethe.als Student
nach Leipzig kam, wohl ohne ihm hier zu begegnen; in den Noten zum Divan tut er ihn
später ziemlich kurz, in einem Satze mit seinem Gegner Michaelis, ab.
All das fordert auch für die Reisldn ein größeres Interesse, als ihr bis heute, trotz Geigers
fast nur auf Försters Briefsammlung beruhender Biographie („Dichter und Frauen“, Neue Samm¬
lung, Berlin 1899, Seite 226 ff.), zuteü geworden ist Förster läßt seiner Sammlung der Reiske-
Briefe mit Recht einen Anhang von Briefen der „geschickten Freundin“ (diesen Ausdruck
braucht auch ihr Gatte) folgen; durch einen sehr glücklichen Zufall kann ich demnächst die
42 geschäftsmäßigen und meist unpersönlichen Stücke, auf die Förster sich beschränken mußte,
durch drei wesentlich lebendigere Briefe ergänzen. Diese gehören jedoch nicht zu den Reiske-
Dokumenten aus dem Egidyschen Nachlaß, die hier geschlossen auftreten und die freilich mehr
zur Kenntnis ihres äußeren Lebensganges beitragen; auch verlangen diese letzteren, um nach
ihrem Werte geschätzt zu werden, den Vergleich mit den wenigen Quellen, die bisher in bezug
auf die Alterstage der merkwürdigen Frau für uns flössen. Teilweise sind sie sogar genealo¬
gischen Inhalts und erhellen bloß die Müllersche Familiengeschichte — Frau Reiske war eine Tochter
des Kemberger Superintendenten Augustus Müller. Diese genealogischen Stellen gebe ich gekürzt
wieder; ganz unterdrücken mochte ich sie jedoch nicht, weü auch die Müllerschen Verwandten,
die Nitzsch, Hanneken, Wernsdorf, keine geringe Rolle in der Kulturgeschichte ihres Zeitalters
gespielt haben und weil das Interesse für diese Dinge Reiske und seine Frau in hervorragendem
Grade beherrscht hat. Zur Reiskeschen Hochzeit ließ Ernestine Christines Bruder Gottlieb
Müller, Probst und Superintendent zu Kemberg, seines Vaters Nachfolger, ein Quartheft „Die
Geschichte seiner Vorältem“ drucken (Leipzig, gedruckt bey Gotthelf Albrecht Friedrich Löper
[1764; 20 S.]), das heute nicht mehr vollständig aufzuflnden ist; von den zwei vorhandenen
Exemplaren enthält das der Universitätsbibliothek zu Leipzig die Seiten 1—16, das zweite,
im Besitz des Königl. Bibliothekars Dr. Friedrich Müller in Berlin, das Titelblatt und die
Seiten 17—20. Beide hat ein heute lebender Nachkomme des Verfassers, Referendar Felix
Müller, kombiniert und das vollständige Faksimile der von ihm verfaßten vorzüglichen Familien¬
geschichte beigegeben (Nachrichten über die Familie Müller vonn der Neustadt auff der Heide.
Berlin 1911 bei Carl Hermann Müller). Von Frau Reiske erzählt ihr Bruder in der Vorrede
dieser seiner Gratulationsschrift, sie habe „bisher unter anderen Wissenschaften insonderheit zur
Genealogie eine große Neigung gehabt, und eine nicht gemeine Stärke darinnen erlanget“ —
(ähnliche Angaben in Adam Friedrich Geislers Gallerie edler deutscher Frauenzimmer II 1785,
woher auch unser Bild entnommen ist, und in Hirschings Historisch-literarischem Handbuch IX 2,
Seite 48 ff.) — und als sichtbarer Beweis können uns ihre Anmerkungen zu ihres Gatten
„Lebensbeschreibung“ gelten.
Die fast lückenlose Mitteüung der folgenden Nummern I bis VI hat jedoch noch einen be¬
sonderen Zweck. Wir können nämlich aus ihnen den ziemlich zwingenden Beweis fuhren, daß
wir in Lessings Brief (Nr. 1) den einzigen Rest seiner Korrespondenz mit Ernestine Christine
Reiske besitzen. Der glückliche Fund dieses Schriftstückes fuhrt uns nicht auf die Fährte nach
dem Verstecke der übrigen, sondern verschafft uns vielmehr die Gewißheit, daß sie von einem der
Egidyschen Erben, wahrscheinlich von der Reiskin Adoptivsohn Christoph Moritz von Egidy,
vernichtet worden sind.
Es ergibt sich dies daraus, daß sich diese sechs Schriftstücke mit anderen ganz persönlichen
Papieren, zum Beispiel Hochzeitsgedichten, Universitätszeugnissen, Verzeichnissen von Schmuck¬
gegenständen zusammen als Packet verschnürt auf Schloß Kreinitz bei Strehla im Königreich
Sachsen, einem Egidyschen Gute, vorfanden. Und es kann kein Zweifel darüber bestehen,
daß sie mit dem vollen Bewußtsein ihres Wertes ausgewählt und gemeinsam aufgehoben worden
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Buchwald, Lessing und Ernestine Christine Reiske.
167
sind. Dem Verhältnis zu Lessing gelten die ersten beiden Reliquien; aber vielleicht waren sie
dem Aufbewahrer noch wichtiger als Dokumente flir die Geschichte des Nachlasses Johann
Jakob Reiskes, auf den sich das dritte Schriftstück bezieht Das vierte betrifft die Anstellung
Egidys im sächsischen Staatsdienst, ein auf das Leben von Adoptivmutter und Sohn gleich
einflußreiches Geschehnis. Es folgt eine noch von Reiske selbst eingeholte Auskunft über
mütterliche Verwandte seiner Frau in Norddeutschland; und endlich das Begleitschreiben bei
der Übersendung ihres Nachlasses an Egidy, mit Notizen über Angehörige im heimatlichen
Kemberg.
Es ist durchaus möglich, daß die Briefe Lessings sowie ihre eigenen an Lessing, die sie
nach seinem Tode zurückforderte (vgl. außer unserem Brief Nr. 2 noch Förster a. a. O. Seite 912
und Danzel-Guhrauer II Seite 679f., 2. Auflage), von Frau Reiske mit der einzigen Ausnahme
unserer Nr. I selber vernichtet worden sind; es besteht aber auch die Möglichkeit, daß sie sich
noch unter den in Nr. VI erwähnten Skripturen befanden und mit denen in Egidys Besitz
gelangten. An der Hand von Nr. VI hätte dieser die Sendung ausgepackt und sofort oder bei
einem Wechsel seines Wohnsitzes, wie er ihn mehrfach in seinem Leben vomahm, beseitigt,
was ihm unwichtig schien. Nach Kreinitz scheint unser Konvolut erst unter dem letztver¬
storbenen Herrn von Egidy, zu dessen persönlichen Besitz es gehörte, gelangt zu sein.
Aber dem sei wie ihm wolle: die Hoffnung auf den Lessing-Reiske-Briefwechsel werden
wir aufgeben müssen. FreÜich hat sich noch ein zweiter Brief Lessings an sie erhalten (vom
27. März 1777); doch glaube ich, kann diese Tatsache unsere Schlußfolgerungen nicht erschüttern.
Denn nicht nur in Kreinitz hat sich nichts weiter gefunden, sondern ebensowenig auch auf an¬
deren Gütern, die der Drost von Egidy bewirtschaftet hat und über die mir auf meine Anfragen
die bestimmtesten Auskünfte erteilt worden sind; es sind dies Campen bei Braunschweig, Lösnig
bei Mühlberg, Naunhof (wo er starb) und Otterschütz, dessen Stelle heute ein Truppenübungs¬
platz einnimmt Der gegenwärtige Besitzer dieser Schriftstücke ist Herr Oberleutnant von Zehmen
in Borna; die erste Kenntnis von ihnen erhielt ich durch Herrn Missionsdirektor Professor
D. C. Paul in Leipzig, damals Pfarrer in Lorenzlrirch bei Strehla.
I.
Gotthold Ephraim Lessing an Ernestine Christine Reiske. 1 * 3
Madame,
Ich habe freylich sehr unrecht gethan, daß ich allezeit mein Versprechen nach meinem
guten Willen blos eingerichtet; u. Sie köiien auch nicht dafür, daß Sie sich von meiner gegen¬
wärtigen Lage keinen Begriff machen köiien, in welcher ich an vier Orten wohne, ohne an
Einem zu wohnen. —
— Hierbey folgt also die erste Kiste der Mss, u. das übrige körnt über acht Tage gewiß. —
Ob ich sie so gebraucht habe, wie ich sie zu einem umständlichen Verzeichnisse, das ich unseres
Freundes* Leben unter meinem Namen beyfiigen könte, gebraucht zu haben wünschte? Nein. —
Aber ich will lieber von diesem Vorhaben ganz abgehen, als mir von Ihnen noch einen solchen
Brief zuziehen, als der letzte.
Ob Ihr Vertrauen auf meine Rechtschaffenheit Thorheit war: kan ich nicht sagen. Aber
meine Rechtschaffenheit soll sicherlich zu allen Zeiten 3 u. in allen Stücken Rechtschaffenheit
bleiben: des bin ich gewiß.
Das Buch oder das Blat, welches ich wissendlich von den mir an vertrauten Mss behalte:
1 Ein Bogen in Kleinfolio, 4 Seiten, 19,2 cm breit, 23,8 cm hoch; davon die zwei ersten beschrieben; anf der vierten
eine rote Färb- oder Siegelspar. Wasserzeichen: D & C Blauw.
* unseres Freundes über gestrichenem seinem.
3 Z aus S.
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Buchwald, Lessing und Ernestine Christine Reiske.
(welche, wenn ich damit nach Ihrem ersten Willen gehandelt hätte, jetzt weder mehr in Ihren
noch in meinen Händen wären) soll mir ewig auf der Seele brenen. 1
So auch der Pfenig! — Sie haben mir nach u. nach an die 900 && baar Übermacht.
Hierzu körnen die Interessen von dieser Summe auf bisherige zwey* Jahr u. verschiedne Bücher *:
so daß ich alles auf 1100 ^ baar rechne. 4 Über diese eilfhundert Thaler will ich Ihnen, auf
Ihre erste Antwort, eine Obligation senden, und Ihnen das Kapital jährlich zu 5 proct verinterissen*.
Es ist mir sehr leid, daß ich in diesem Augenblicke nicht mehr thun kan: auch genöthigt seyn
werde, die Obligation selbst auf einige Jahre zu stellen. —
Freylich werde ich auch so noch Ihnen grosse Verbindlichkeit haben; u. so grosse, daß
ich sie nie würde übemomen haben, wenn ich voraus hätte sehen könen, was ich nun wohl
begreiffe, das Sie selbst nicht vorausgesehen haben.
Was in beykomender ersten Kiste sich befindet, ist auf beyliegenden Bogen specificirt,
den ich mir nach richtigem Empfang, quittirt wieder zurück erbitte. Aus ein Paar andern
Blättern, die ich beyschliesse, werden Sie ersehen, wie ich ohngefähr mein umständliches Ver¬
zeichniß eingerichtet hatte, daß ich eben aufs Reine zu schreiben im Begriff war, als ich dero
letzten Brief erhielt
Injleß, meine Freundin — den so will ich Sie doch noch imer nenen, troz 6 Ihrer sich so
bescheiden zurückziehenden Titulatur des Hofraths — wenn es Ihnen scheinen sollte, als ob ich
aufgebracht sey, als ob ich diese Gelegenheit ergreiffen wolle, mit Ihnen zu brechen: so irren
Sie sich wiederum in mir. — Wenn wir von dieser Seite, von der ich sehr betauere, daß jemals
zwischen uns die Rede davon gewesen, mit einander in Richtigkeit sind: so wird es nur von
Ihnen abhangen, ob ich noch künftig eine Stelle unter Ihren Freunden haben soll.
Wolfenb. den i8*£? December 1777.
Gotth. Ephr, Lessing.
II.
Karl Lessing an Ernestine Christine Reiske. 7
Wohlgebome Frau,
Hochzuehrende Frau Doktorinn,
Ew. Wohlgebom Verlangen, die Schriften, so mein verstorbner Bruder zur Lebensbeschreibung Ihres
seeligenGemals gehabt, wieder auszuliefem finde ich sehr billig. Sie sind in einer besonderen Kommode verwahrt,
und allen, so bey meiner Anwesenheit in Wolfenbüttel mit inventiren halfen, habe ich es ausdrücklich gesagt. Ich
hoffe, daß man auch von Gerichtswegen keinen Anstand nehmen wird, sie Ihnen, Madam, verabfolgen zu lassen;
so bald Sies verlangen. Sollte es aber wegen der versiegelten Stube, worinn sie sich befinden, für jetzt nicht
geschehen können: so können Sie sich doch in 2 Monaten, als der Zeit, da ich mich mit meinem Geschwister
erklären muß, ob ich die Erbschaft antreten will oder nicht, darauf Rechnung machen.
Mit Dero Briefen an meinen Bruder würde es eben so gehalten werden können, wenn solche nicht erst
aus den übrigen Briefschaften herauszusuchen wären. Jetzt sind Sie nebst meines Bruders übrigen Schriften in
einer großen Kiste, die ich dem Herrn von Döring 8 versiegelt übergeben habe, weü ich sie vor der Neugierde
in seiner alten Wohnung, wo die übrigen Sachen aufbewahrt worden, nicht sicher genug hielt Ich gebe Ihnen
* Erklärt sich vielleicht aus den folgenden Sätzen der „Lebensbeschreibung“ (Seite 144): „Er [Reiske] hatte den
Hofrath Lessing zu Wolfenbüttel von ganzem Herzen geschätzt, und dieser berühmte Gelehrte war auch sein warmer
inniger Freund. Ihm vertrauete ich also die so theuera Papiere an, als ich, krank am Leib und Gemüthe, mir das Grab
nahe dachte. — Kaum waren sie in dieses Freundes Händen, als sich D. Emesti gegen mich erbot, sie in Verwahrung
zu nehmen, und für ihren vortheilhaften Verkauf besorgt zu seyn. Meine Antwort, daß ich sie nicht mehr hätte, raubte
mir auf einmal die väterliche Fürsorge, die er mir nur so eben angetragen hatte.“ — Lessings Wunsch, einiges zurück
zu behalten, in seinem Brief vom 27. März 1777.
* z aus Z.
3 Vgl. die Bibliotheksakten: Serapeum 1844, Seite 233 und Danzel-Guhrauer 2 II, 677 f.
4 Danach gestrichen Dief oder Daf.
5 So deutlich, obwohl man „verinter^ssen“ vermutet.
6 Über gestrichenem ohne.
7 Kleinfolio, 4 Seiten, davon zwei beschrieben; breit 18,8 cm, hoch 23,2 cm; Wasserzeichen: J. Honig & Zoonen.
8 Danzel-Guhrauer II, 598 und 679, 2. Auflage.
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Buchwald, Lessing und Ernestine Christine Reiske.
169
mein Wort, Madam, daß Sie niemand als Sie selbst erhalten soll; noch weniger soll ein Gebrauch davon, ohne
Ihren Wissen und Bewilligen, gemacht werden.
Von Dero Aufsatz: der Weiberfeind, können Sie die Auslieferung mit den übrigen Sachen erwarten.
Für das gütige Anerbieten Ew. Wohlgeborn, mir Briefe, so mein Bruder an Verschiedene geschrieben,
verschaffen zu wollen, danke ich recht sehr; und ich werde mich desselben bedienen, so bald ich davon etwas
herauszugeben anfangen möchte. Ich habe mir dabei zur Hauptregel gemacht, ohne Bewilligung der Verfasser
nicht eine Zeile davon drucken zu lassen.
Zu Dero neuer Ortveränderung 1 gratuliere ich Ihnen von ganzem Herzen, und wünsche Ihnen alles
daraus gehofftes Vergnügen: mit der größten Hochachtung, die ich für eine so verdiente Dame, als Sie, allzeit
gehegt, verharrend
Breslau Ew. Wohlgeboren
den io !55 Mäji ganz gehorsamster
1781 Lessing.
m.
Kaufvertrag. 2
Ich Peter Fridrich Subm Ihro Majest des Königs von Dänemarck Norwegen etc. bestellter Kamerherr
gebe hiemit der Frau Doctorin E. C. Reiske die völlige Versicherung: daß Sie für den hinterlassenen und von
mir erstandenen Handschriften Ihres N: Mannes jährlich, so lange Sie lebt die Sume 200 Rth Sächsischen
Courant, schreibt zweyhundert Reichsthaler, von mir, und falls ich mit den Tode abgehen solte, von meinen
Erben erhalten werde, so: daß erwähnte Sume Ihr in 2 Terminen nehml. zum uüü? Juni und December
jedesmahl hundert Reichsthaler durch Anweissung auf ein in Leipzig für süffisant erachtetes Handlungs Contoir
ausbezahlt werden. Und soll, falls die Frau Doctorin Reiske binnen zehn Jahren stürbe, d. Hr. Christoph Moritz
v. Egidy aus dem Hause Ottersitz noch zehn Jahren von Ihrem Tode gerechnet, die obenerwähnte zweyhundert
Reichsthaler Sächsischen Courants behalten, und Ihm solche auf vorgedachter weise ausbezahlt worden.
Diese auf gestempeltes Papier ausgefertigte und mit eigenhändiger Unterschrift und Pittscbaft versehene
Versicherung wird von mir, und wenn ich binnen der Zeit sterben solte, von meinen Erben unverbrücklich [ 1 ] ge¬
halten, und der Frau Doctorin Reiske sowohl als dem Herrn Egidy zu völliger Sicherheit wegen Empfangs der
obenerwähnten Summe dienen.
Kopenhagen d. i 81 S 5 Maj P F Suhm
1779 [Siegel]
IV.
Creuziger an Egidy. 3 4
H och wohlgebohrener,
Hochgeehrtester Herr,
Die drey Fragen, welche Euer Hochwohlgeboren geehrteste Zuschrift vom i8!2? dieses enthält, kan ich
freylich so vollständig nicht beantworten, als ich zu Ihrer eigenen Befriedigung wünschte. Folgendes ist alles,
was ich darüber zu sagen weis.*
[Die Entscheidung über seine Bewerbung um eine „Assessur auf das adlige Latus“ könne erst nach den
Ferien fallen; wann, das lasse sich nicht sagen. Von Hindernissen sei nichts bekannt; in Absicht der Priorität
würde die Verzögerung nicht schädlich sein.]
Ich fühle das Unangenehme, das der Verzug der endlichen Resolution für Euer Hochwohlgebohren haben
muß, gar sehr; u. werde mich eben so sehr freuen, wen dieser Verzug nicht lange mehr dauert. Für Ihr geneigtes
Andenken an meine Frau dankt Ihnen diese verbundenst, u. empfiehlt sich nebst mir der Frau Doct. Reiske
gehorsamst. Mit vieler Hochachtung verbleibe ich
Dresden Euer Hochwohlgebohren
am 16. März gehorsamster Diener
1780 Creuziger.
1 Von Dresden nach Bornum bei Braunschweig.
* I Foliobogen mit folgenden amtlichen Bezeichnungen: Nr. 11968. No. 4. [Wappen]. Fire og Tyve Skilling.
1779. Müller. E Tome.
3 4 Seiten Kleinfolio, davon zwei beschrieben; breit 19 cm, hoch 26 cm; Wasserzeichen: Dolch, gekreuzt mit
Scheide; auf Seite 4 Adresse: An des Herrn von Egidy Hochwohlgebohren in Leipzig.
4 Über Egidys Anstellung, sowie die Aufgabe der juristischen Laufbahn und seinen Übergang zur Landwirtschaft:
Frau Reiske d. 29. VIL 1782 (Förster, Seite 904).
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170
Buchwald, Lessing und Ernestine Christine Reiske.
V.
Carsten Niebuhr an J. J. Reiske . 1
[Entschuldigt sich, daß er seine Zurückkunft nach Kopenhagen 2 noch nicht angezeigt habe, da ihm drei
Wochen darnach seine Frau „eine junge Tochter gebracht habe“. Sodann sei er auf seiner Rückkehr nicht
durch Lübeck gekommen und habe einen Brief an Herrn Köhler 3 nicht abgeben können. Er will ihn sogleich
hinschicken.] „Den Zettel des H. K. worauf er mir den 3. Band von Hudsons Geographie geben sollte, werde
ich an einen Freund in Lübeck senden, der den erwähnten Band fodern soll, und wenn er ihn nicht erhält, so
werde ich den Zettel bey Gelegenheit wieder zurück senden.
Sodann Seite 2 Mitte:
Des Dr. Münters Frau Mutter aus Lübeck ist jetzt hier. Bey dieser habe ich mich nach den Anver¬
wandten Dero Frau Liebsten erkundigt, allein sie hat mir keine hinlängliche Nachricht davon'geben können. Ihr
Mann hat keine Schwestern gehabt, aber seines Vaters Bruder war Prediger in der Nähe von Lübeck, und
dieser hat einige Töchter hinterlassen, wovon sie nicht weiß wohin sie verheyrathet worden. Vielleicht war also
eine von diesen die Grosmutter♦ der Frau Doctorin. Sie ist wahrscheinlich auch von der Familie eines ehe¬
maligen Bürgermeisters Müller in Lübeck; denn dieser war nahe mit dem Superintendenten Hankenius ver¬
wandt. Der Bürgermeister Müller hat zwey Töchter nachgelassen, die verheyrathet worden, aber gestorben sind,
doch Kinder hinterlassen haben. Auch in Hamburg ist ein Dr. Hankenius. Der Münter den die Frau Doctorin
in Wittenberg gekannt hat, ist ein Halbbruder des hiesigen Doctor Münters. Er ist Prediger in Stockholm ge¬
wesen, lebt aber jetzt in schlechten Umständen in Lübeck.
Wenn die Frau Doctorin sich noch einiger Umstände von Ihren Verwandten in Lübeck erinnert, so bitte
ich, sie mir zu schreiben, ich habe einen Freund in Lübeck der sich gerne darnach weiter erkundigen wird.
Zu Hannover hörte ich daß zu Uslar ein Prediger und zu Nordthausen ein Kaufmann gewesen die Münter
geheißen haben. Von diesen hatte der hiesige Dr. Münter gar keine Nachricht.
[Seite 3 Mitte bis Schluß: Bitte, durch den Dr. Eck in Leipzig, der da die Subskribenten zu Klopstocks
Gelehrten-Republik gesammelt, dasselbe für seine Beschreibung Arabiens tun zu lassen.]
Ihrer Frau Gemahlin bitte ich mich vielmal zu empfehlen und verbleibe mit der größten Hochachtung
und Anwünschung einer besseren Gesundheit
Deroselben
Kopenhagen ergebenster Diener
d. 31. August 1774. C. Niebuhr
VL
E. T. Viebig an E. M. v. Egidy.s
Hochwohlgebohrener Herr,
Gnädiger Herr u. Gönnerl
Ew. Hochwohlgeb. Gnaden gütigem Auftrag gemäß habe ich mit Beyhülfe des Herrn Walters die sämmt-
liehen Bücher u. Scripturen so gut u. sorgfältig eingepackt, als mirs nur imer möglich war. Und da der noch
übrige Raum des Kastens mit Brettern ausgefüllt worden ist, so hoffe ich, daß alles was in diesem Kasten be¬
findlich ist, zu Ihrer Zufriedenheit bey Ihnen ankomen wird. Die Briefschaften sind ungelesen aus den Behält¬
nissen, wie sie seit der Versieglung gelegen haben, zusamen gesucht u. über u. unter die Bücher gelegt worden.
Es ist aber auch nun gewis kein einziges Blatt Pappier das nur den geringsten Werth hatte, außer den Kauf¬
briefen, zurückgeblieben, sondern alles auf das sorgfältigste zusamen gesucht u. mit eingepackt worden. Die
Kaufbriefe sind zusamengepackt u. in die Schreibekomode gelegt worden. Ganz in der obersten Schicht Bücher
werden Ew. Hochwohlgeb. ein in Pappe gebundenes mit blauem Pappier überzogenes Büchlichen finden, in
welchem, wie ich gesehen, die Fr. D. R. ihren Bücher Kauf u. Verkauf annotirt haben; dieses könnte vielleicht
wegen noch außenstehender Reste u. dergl. Bemerkungen einer vorzüglichen Aufmerksamkeit werth seyn u.
wollte nur Dieselben beym Auspacken im voraus darauf aufmerksam machen. Noch muß ich in Ansehung der
Bücher bemercken, daß Sie in der obersten S[ch]icht unter andern 3 diverse Bände von Gellerts Schriften finden
werden; die fehlenden Bände hat die sei. Fr. D. R. meiner ältesten Tocher 6 , der sie auch einigen Unterricht
im Nähen gegeben, nach u. nach zum Lesen gegeben; Besonders die Fabeln, einen Band von der Moral, den
* I Bogen Kleinfolio, 4 Seiten, 18,9 cm breit, 23,1 cm hoch, Wasserzeichen: D & C Blauw. Links nnten: Herr
Dr. Reiske in Leipzig.
* Über seinen Aufenthalt in Leipzig: Reiske 8. Oktober 1767 (Förster Seite 755) und C. Niebuhr, Beschreibung
von Arabien, Kopenhagen 1772, Seite XXV (Exzerpt aus einem Brief Brief Reiskens) und Seite 96.
3 Prof, in Kiel, später in Königsberg (Lebensbeschreibung 105)?
4 Catharina Eleonora von Nitzsch geb. Hanneken? Vgl Gottlieb Müller, Geschichte seiner Vorältem, Seite 18.
5 4 Seiten Folio.
6 Die sämtlichen vorkommenden Personen sind in dem angeführten Buch von Felix Müller zu finden.
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Buchwald, Lessing und Ernestine Christine Reiske.
171
sie vermuthlich für das Mädchen am schicklichsten gehalten. Als ich es einmahl erinerte, als uns die sei. Fr.
D. R. besuchte, daß wir noch einige Theile von Gellerts Schriften hätten, so sagte die sei. Fr. D. R. sie kößen
sie behalten, die übrigen sollen sie auch bekomen. Da dieses aber nicht geschehen ist, da es kurz vor ihrem
Ende war, u. ich sie auch nicht wieder daran erinert habe, u. beym Einpacken diese übrigen Bände auffand, so
entschloß ich mich Ihnen solches umständlich zu benachrichtigen u. die besagenden Bände mitzuüberschicken
— u. es Dero gütigem Ermessen ganz zu überlassen, ob dieselben solche behalten um das Werk ganz zu haben,
oder ob Sie die noch fehlenden nebst den beykomenden meinem Kinde schenken wollen. Auf alle Fälle wollte
ich doch nicht, daß dieselben unter diesen Umständen ein unvollständiges Werk haben sollten. Wollen Sie es
aber meinem Kinde unter diesen Umständen die der Wahrheit gemäß sind, wie ich sie Ihnen offenherzig ge¬
schrieben habe, vollständig oder etwas anderes an dessen Statt gnädigst schenken, so nehme ichs von Ihnen mit
eben der Dankbarkeit an, als ich es von der sei. Fr. D. Reiske angenomen habe. Sonst ist mir nicht bekannt
daß die sei. Tante hier jemanden ein Buch geschenkt, noch weniger verborgt hätte, welches sie gewöhnlich gar
nicht that Sie müssen also alle, so wie sie sind inventirt worden, in der Kiste befindlich seyn. So ist auch von
den ungebundenen Büchern auch nicht ein Blatt verrückt worden. Mit der Lebensbeschreibung des sei. D. R. 1
habe ich die Seitenwände des Kastens belegt, damit sich die Bücher nicht rücken sollen. Kurz, ich habe es
nicht besser zu machen gewußt, als wir es gemacht u. eingepackt haben; Und sollte mich freuen, wenn es mit
Dero Zufriedenheit beehrt würde. Von den noch übrigen Sachen wäre der neue Besitzer Mstr. Paanier nun-
mehro so bald als möglich gerne befreyt, damit er sich mit seiner zahlreichen Familie einrichten kann, da die
Fr. M. Wilmersdorfin in die obere Stube, da sie in der ganzen Stadt kein schickliches Logie finden konnte, da
ich selber für sie nach einer Miethe herum gelaufen bin, nolens volens, zur Miethe ziehen u. 10 jährl. Miethe
geben muß. Ich wiederrieth es ihr sehr, diese große Stube wegen der vielen Miethe u. des noch weit kost¬
bareren Holzes zu beziehen; Sie hat sich auch alle Mühe nach einem kleineren u. wohlfeileren Stübchen gegeben
u. ich habe es ebenfalls nicht mangeln lassen; Aber vergebens. In ein ganz schlechtes u. abgelegenes Loch konnte
u. wollte sie doch nicht ziehen u. die kleine Stube die sie jezt bewohnt, braucht der Wirth zur höchsten Noth.
Ich wollte sehr wünschen u. habe es schon hundertmahl gewünscht, daß die gute sei. Tante die alte Funkin a
nicht veranlaßt hätte ihr Häußchen zu verkaufen, da die Miethen hier jährlich theurer u. bey der zunehmenden
Volcksmenge rarer werden; denn das Logie u. Holz wird die arme Wilmersdorfin am meisten drücken. [Egidy
möge als Haupterbe mehrere von derReiskin für ihre Angehörigen bestimmte Legate abändern und verbessern.]
So hat mir auch die Fr. M. Müllerin, auf meine Vorstellung, gemeldet, daß wen ich glaubte, daß Ew. Hochwohlgeb.
an ihr, als einer alten Wittwe, die seit 10. Jahren sehr vieles zugesezt hätte u. nur nothdürftig zu leben hätte,
oder an ihren Kindern, oder Kindeskindern, wie ich ihr versichert großmüthig u. wohlthätig handeln würden,
sie von ihrer (ohne unser Vorwissen durch einen Advocaten gemachten) Forderung in dieser Rücksicht abgehen
u. es Dero Großmuth überlassen wollte, was Sie ihr als ein Andenken an ihre leibliche Schwester, gütigst mit¬
theilen wollten und in dieser Rücksicht ihre gemachten Ansprüche zurücknehmen. Es hat die gute alte Mutter
sehr gekränkt, daß sie von Ihnen keiner Antwort ist gewürdiget worden u. daß sie die einzige Schwester der
sei. Fr. D. R. auch nicht das kleinste Andenken haben sollte. Diesen Vorstellungen habe ich durch Versicherung
ihrer geäußerten großmüthigen Gesinnungen möglichst, soweit sichs bey einer alten Frau von 80. Jahren thun
läßt, schriftlich zu be[ge]gnen gesucht, daß sie nun auf Dero Gnade u. Wohlwollen das beste Vertrauen hat. Die
gute alte Mutter hat, in ihrem hohen kumervollen Alter durch den plözlichen Todt ihres Sohnes des Superint.
Wachßmuths, der eine starke unversorgte Familie in bekümerten Umständen verläßt, vor wenig Wochen einen
großen Schreck gehabt. Gott gebe nur daß meine Schwiegermutter, die Fr. Superint Kranoldin, die auch schon
lange Wittwe ist, noch lange lebt; bey dieser hält sich die Frau M. Müllerin, als ihrer noch einzigen Tochter
auf Unsere ganze Familie ist, außer dem H. P. M. Müller in Segresen, arm u. jede Unterstüzung die wir von
Dero Großmuth erhalten wird Ihnen Gott gewis belohnen; denn ich wißte auch nicht einen einzigen Bemittelten
in unsrer ganzen Famiüe, die meisten sind arm, haben viel FamiÜe, oder doch nur ihr höchst nöthiges Aus-
komen. Doch ich wÜl nicht klagen, noch weniger Ew. Hochwohlgeb. länger damit unterhalten. Ich habe das
unbegrenzte u. sicherste Vertrauen Sie werden an mir u. meinem Kinde gewis, nach Dero Versprechen so
handeln, daß wir mit Dero Billigkeit zufrieden seyn können. Ich empfehle mich u. die Meinigen zu Dero u. Fr.
Gemahlin Gnade u. Wohlwollen und bin mit der größten Ehrerbietung Lebenslang
Kemberg, Ew. Hochwohlgeb.
am 29. Maji ganz gehorsamster Diener
1799. M. Ernst Traugott Viebig.
1 Gemeint ist das Manuskript, das ebenfalls verloren zu sein scheint. Im Druck sind, wie die R. angibt, „einige
wenige Stellen abgekürzt, einige zu starke Ausbrüche der Hypochondrie, oder vielmehr der Unzufriedenheit, bey Er¬
innerung der erlittenen Ungerechtigkeiten, weggestrichen.“
* Der Reiske Schwester Eleonora Catharina; über sie Felix Müller und Reiskes Brief bei Förster Nr. 296, Seite 642.
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Neues von Lichtenberg. UI
Mitgeteilt von
Professor Dr. Albert Leitzmann in Jena.
[Schluß.]
7. Juiii [1783].
Es ist unglaublich was ich überlaufen werde. Kaum habe ich noch jezt Zeit an Sie zu schreiben. Die
fremden Professoren schwärmen jezt wie die Schnepfen, und ob ich mich gleich gar nicht auf den Anstand
stelle, so kommen sie mir doch immer in den Schuß.
HErr Büttner* soll gewiß von hier gehen. Schlötzer* hat die Nachricht mitgebracht, ob aber nach Jena
oder nach Weimar, weiß ich nicht. Ich habe es sehr lange schon gewußt und immer vergessen zu schreiben.
Indessen mit ein Paar guten Groschen Zulage wäre er wohl zu halten. Denn er geht doch ungern weg, er hat
hier viele Freunde, die ihm seine Schwächen zu gute halten, wo er sich erst wieder festsetzen muß, könte es ihm
mislingen. In den Jahren muß man locum nicht mehr mutiren, es fallt gemeiniglich so aus wie das verpflantzen
alter Bäume. Hora ruit.
10. Juiii.
Heute Morgen ist hier ein Courier von Berlin durchpassirt, der die Nachricht nach Cassel bringt, daß
den König von Preußen der Schlag gerührt habe, andere Umstände sind nicht bekannt
4. August
Es passiren in unsrer Nachbarschafft die fürchterlichsten Donnerwetter, wovon wir, dem Himmel sey
Danck, nur den kühlenden und erquickenden Regen haben. Diesen Morgen um 5 Uhr sah ich einen gantz
fürchterlichen Strahl grade hinter Clausberg herunter fahren. Ich zählte 14 Secunden bis zum Donner und
doch war dieser so hefftig, daß die Dielen unter meinen Füßen zitterten. Es war unbeschreiblich majestätisch
und das blasen vom Thurm: Nun dancket alle Gott pp. nahm sich sehr gut dabey aus.
In den heutigen Göttingischen Zeitungen wird mein satirisches Gedicht, 3 das vor den schwimmenden
Batterien * steht, denen von Juvenal und Pope an die Seite gesezt .5 Das ist süßer Weyhrauch. Auch die
schwimmenden Batterien kriegen ihr Lob. 6
* Christian Wilhelm Büttner (1716—*1801), Natur- und Sprachforscher, Professor der Philosophie in Göttingen,
siedelte 1783 nach Jena über, wo seine große Bibliothek nach seinem Tode mit der Universitätsbibliothek vereinigt
wurde; vgl. darüber Goethes ergötzlichen Bericht in den Annalen von 1802 (Werke 35, 130). Eine Charakteristik des
sehr eigenartigen Mannes von Lichtenberg ist in den Briefen 1, 403 abgedruckt.
2 August Ludwig Schlözer (1735—1809), der berühmte Historiker und Publizist, war Professor der Philosophie in
Göttin gen.
3 Am Schlüsse seines Aufsatzes „Professor Lichtenbergs Antwort auf das Sendschreiben eines Ungenannten über
die Schwärmerei unsrer Zeiten“, der im vierten Stück des dritten Jahrgangs des Göttingischen Magazins erschien (Ver¬
mischte Schriften 5, 87), steht ein längeres satirisches Gedicht in Alexandrinern, das Lichtenberg einem bescheidenen
Freunde zuschreibt, das aber von ihm selbst verfaßt ist (vgl. Lauchert, Lichtenbergs schriftstellerische Tätigkeit S. 87).
4 Vgl. oben S. 90 Anm. I.
5 In den Göttingischen gelehrten Anzeigen vom 2. August heißt es in einer Kritik des betreffenden Stucks des
Göttingischen Magazins (S. 1230): „Die Gemälde der herrschenden Torheiten unsrer Literatur in alexandrinischen
Versen stellen den unbekannt sein wollenden Verfasser neben Juvenal und Popen; mit ihrer Fortsetzung würden sich die
Herausgeber um sachkundige Leser sehr verdient machen“.
6 Über dies Gedicht urteilt dieselbe Kritik (ebenda): „Den Beschluß dieses Stücks macht ein echt komisches Ge¬
dicht über die verunglückten schwimmenden Batterien, dessen Verfasser unsres Bedünkens mit völligem Rechte auf die in
der Vorrede erwähnte Erweiterung im Plane des Magazins Anspruch machen konnte“. Diese Vorrede beginnt: „Wir
haben dem dringenden Verlangen einiger Herren Subskribenten sowohl als des Herrn Verlegers diesesmal weiter nachge¬
geben . . . und nicht allein mehrere minder ernsthafte Stücke, sondern sogar diese in Versen aufgenommen. Der Ge¬
schmack der Zeiten scheint dieses zu erfordern. Ein ernsthaftes Journal, und wäre es auch vom reichsten Gehalt, lieferte
es auch lauter gediegenes wissenschaftliches Gold, würde nur desto geschwinder sinken: also was kann es schaden, daß
man ihm zuweilen etwas spezifisch Leichteres anknüpft, um es flott zu erhalten, wenn es nur nicht immer Kork und
Windblasen sind?“
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. III
173
14. August.
O! Etwas! Gestern haben sich bey mir schon 2 Pursche zur Physic auf den Winter aufgeschrieben, ich
konte mich kaum des lächelns enthalten. Ein Student, dem ich es heute aus Schertz erzählte, sagte mir, er
glaube endlich würden bey mir noch Pursche für ihre künfftigen Kinder belegen.
1. September,
In Wien ist eine verhenckerte und sehr sinnreiche Schrifft herausgekommen, die heißt: Specimen
Motiachologiae methodo Linnaeana ,. Der Verfasser sezt die Mönche zwischen die Menschen und Affen und
beschreibt sie mit Linnaeischen Ausdrücken. Es ist eine herrliche Satire; der Verfasser soll der berühmte
HErr von Born seyn. 1
4. September.
Von HErm Professor Büttner höre ich, daß ihm in Weimar außerordentliche Ehre wiederfährt, und daß
er noch ungewiß ist, wie bald er wiederkommen wird. 2 3 Da er einen sehr guten Appetit hat, hier aber meistens
Cartoffel und wohlfeiles Obst genießt, und höchstens eine Gans die in der Judenschule zurecht gemacht wird,
wo die Köchin die Bratpfanne mit solcher Ruhe aus der Gosse spühlt, als wäre es der Jordan oder der Bach
Kidron, so wird er sich am Hofe gewiß brav mästen.
15. September.
Ich weiß nicht, ich bin schon seit 8 Tagen mit entsezlichen Kopfschmertzen in dem lincken Nacken
Knochen geplagt, die zuweilen so zunehmen, daß ich mich gar nicht zu fassen weiß, und dann habe ich wieder
etwas Ruhe. Zum Glück fällt diese Zeit in die Mitte des Nachmittags, so daß es mich an meinen Vorlesungen
nicht hindert Was daraus werden will, kan ich in Wahrheit nicht sagen. Es ist gar besonders, ich schlafe
gut, mein Appetit ist auch nicht schlechter als sonst, nur mercke ich daß ich starck abnehme. Sehr sonderbar
ist es ebenfalls, daß mein Gedächtniß sich völlig verjüngt hat, es sind mir Nahmen von gantz unbeträchtlichen
Menschen beygefallen, die ich offt um mein Gedächtniß zu üben, wenn ich nicht schlafen konte, vergeblich
gesucht habe, und zwar fielen sie mir so leicht bey, als wenn sie mir eingegeben würden. Diesen lezten Um¬
stand wolte ich gerne ertragen t wenn nur diese Empfindlichkeit nicht mit so grosen Schmertzen verbunden wäre .3
18. September.
Gestern ist die gute Madam Abbt die Schauspielerin allhier gestorben, sie war recht zu bedauern; ihr
Leben war ein wahres Trauerspiel auf die lezt 4 5 ^
22. September.
Ja! warten Ew. Wohlgebohren nur. Ich werde Sie auch einmal überfallen oder überfallen lassen, weil
Sie mir niemals meine Hospites anmelden und zwar noch dazu solche nicht mit so grosen Augen wie der leztere,
der mir gradezu ins Gesicht sagte, daß er sich hätte in meinem Collegio in einen Winckel setzen und hernach
auslachen wollen. Hätte ich es aber vorher gewußt, so hätte ich contrasappirt,* und eine elecktrische Mine
1 Ignaz Edler von Born (1742—91), Bergrat in Wien, war ein Hauptvertreter der josefinischen Aufklärung. Sein
Wien 1783 unter dem Pseudonym Johannes Physiophilus erschienenes Buch erwähnt Lichtenberg auch sonst mehrfach
(vgl. meine Anmerkung zum Aphorismenbuch I 1 147 )-
* Büttner, der seit Anfang Juni in 'Weimar war und im herzoglichen Schlosse wohnte (Düntzer, Goethe und Karl
August S. 192), kam nicht mehr nach Göttingen zurück, sondern siedelte sich im Laufe des Sommers in Jena an.
3 Ich habe diese Stelle darum aufgenommen, weil sie die älteste ausführliche Notiz über die krankhaften Zustände
Lichtenbergs ist, die im letzten Jahrzehnt seines Lebens ihm so stark zusetzten und deren genaue Beobachtung und
Schilderung in seinen Tagebüchern einen so breiten Raum einnehmeu. Ebstein faßt die Krankheit, die Lichtenberg ge¬
wöhnlich „Nervenkrankheit“ nennt und deren Symptome in den verschiedensten Formen auftraten, in einem kürzlich
erschienenen Artikel („Süddeutsche Monatshefte“ vom Dezember 1911 S. 354) im wesentlichen als „Folge einer ihachi-
tischen Wirbelsäulenverkrümmung“ auf, betont allerdings, daß Lichtenberg stark hypochondrisch veranlagt gewesen ist,
was mit den Jahren natürlich mehr zu- als abnahm.
4 Felizitas Abt, geb. Knecht (1746—83), hatte als Gattin Karl Friedrich Abts ein ruheloses Wanderleben
geführt und sich, schwindsüchtig wie sie war, ohne sich je Schonung leisten zu können, früh zu nichte gearbeitet. Zu
diesen Anstrengungen war seelischer Kummer hinzugekommen, da ihr Gatte, zwar ein vortrefflicher Schauspieler, aber
ein sittenloser und im höchsten Grade leidenschaftlicher und leichtsinniger Mensch, sie fast zu Tode gequält hatte. Sie
war der erste weibliche Hamlet Ein Bild von ihr ist der Lebensskizze Steins beigegeben (Deutsche Schauspieler I, l).
5 Eine Gegenmine gegraben.
Z. f. B. 1912/1913. 23
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*74
Leitzmann, Neues von Lichtenberg. III
unter seinem Platz springen lassen, denn würcklich lasse ich nicht mit mir schertzen. Künftig soll mir der
Thorschreiber allemal melden, wenn jemand mit einer Habichts Nase und grosen Augen zum Thor herein
kommt
29. September.
Am Sonnabend Abend habe ich einer sehr illüstren Gesellschaft ein Collegium gelesen. Dem alten
Grafen von Hardenberg (der mir ein sehr kluger Kopf zu seyn schien) 2) seiner Gemahlin 3) seiner Tochter und
ihrem Gemahl 4) der Gräfin Reventlau 5) und 6) zweenen Grafen von Moltke, und den 7 ten rathen Sie wohl
nicht, dem berühmten HErrn Göthe, nunmehr HErm Geheimden Rath von Göthe aus Weimar, der noch
2 junge Leute bey sich hatte. 1 2 3 4 5 Ich konte es nicht abschlagen, es kostet mich aber in der That etwas. Indessen
macht die Sache Aufsehen, denn ich erkläre jedesmal alles nach dem Verstand der Gesellschaft, und ihren
Fähigkeiten; daß ich der dephlogistisirten Luft* nicht geschont habe werden Ew. Wohlgebohren daraus sehen,
daß ich 36 Quartier verbraucht habe.
Künftigen Sonntag kommen die HErren Prof. Förster und Sömmering J zu mir auf 10 oder 12 Tage, das
soll mir eine recht hertzliche Gesellschaft seyn, Sömmering ist ein sehr heller Kopf. Sie logiren bey Dieterich
und essen bey mir, wenn sie sonst niemand invitirt
9. October.
HErr Prof. Förster empfiehlt sich Ew. Wohlgebohren gehorsamst, er und Sömmering sind nun schon
seit Sonntag bey mir. Wir haben schon außerordentlich starck auf Montgolfiers Erfindung* gearbeitet, und
grose Blasen angefangen, die zwar nicht von selbst steigen, aber doch in die Höhe geblasen werden konten wie
Seifenblasen .5
12. October.
Was sagen Ew. Wohlgebohren zu dem infamen Urtheil der Londonschen Societät über Montgolfiers
Versuch? 6 Das ist nichts als englisch hochmütige Societäts-Cabale; sie schämen sich, daß sie die Sache nicht
erfunden haben, und das illüstre Corps will nicht gern etwas nachmachen, was die Frantzosen diese damned
physical blackguards on the other side of the Channel zuerst gemacht haben. Ich respecktire Urtheile von
solchen Societäten sehr, wenn sie sich auf unwidersprechliche Versuche gründen, allein w enn die Londonsche
Societät sagt: Montgolfiers Versuche können keinen Nutzen haben, so hat das bey mir nicht mehr Gewicht als
wenn die Nürnberger Honigkuchen Becker-Gilde das sagte. Kein vernünftiger Mann wird je sagen: diese Er¬
findung hat keinen Nutzen. Wir sind hier unermüdet beschäftigt den Versuch zu machen, die gantze seriem
meiner Bemühungen, die würcklich etwas kostbar sind, sollen Ew. Wohlgebohren in Zeit von 8 Tagen hören.
Ich habe seit gestern eine gantz eigne Meinung von des Herrn Montgolfiers Versuch, wovon ich ebenfalls
künftig etwas melden will. Ich glaube gar nicht, daß er infiammnable Luft gebraucht hat.
1 Goethe hatte Anfang September mit dem jungen Fritz von Stein (wer der zweite junge Mann in seiner Be¬
gleitung war, habe ich nicht feststellen können) eine Harzreise unternommen, die ihn auf dem Rückweg über Göttingen
und Kassel führte. Am 28. September schreibt er aus Göttingen an Charlotte von Stein (Briefe 6, 202): „Ich habe mir
vorgenommen, alle Professoren zu besuchen, und du kannst denken, was das zu laufen gibt, um in ein paar Tagen
herumzukommen'*. Nach seiner Abreise berichtet Karoline Michaelis am 30. September ihrer Freundin Luise Götter
(Karoline 1, 312): „Jedermann ist zufrieden mit ihm und alle unsre schnurgerechten Herren Professoren sind dahin ge¬
bracht, den Verfasser des Werther für einen soliden, hochachtungswürdigen Mann zu halten/*
2 Unter Phlogiston verstand man nach der damals geltenden chemischen Theorie einen hypothetischen Bestandteil
der brennbaren Körper, der bei der Verbrennung oder Oxydation entweicht. Dephlogistisierte Luft entspricht etwa dem,
w as wir heute reinen Sauerstoff nennen (vgl. Lichtenberg, Anfangsgründe der Naturlehre 6 S. 203).
3 Samuel Thomas Sömmerring (1755—1830), der berühmte Anatom, war Professor am Carolinum in Kassel und
Georg Försters intimster Freund.
4 Joseph Michel Montgolfier (1740—1810), Papierfabrikant in Annonay, hatte soeben in Gemeinschaft mit seinem
Bruder Jacques Etienne (1745—99) den ersten durch erwärmte Luft zum Steigen gebrachten Luftballon konstruiert, der
erste öffentliche Aufstieg hatte am 5. Juni stattgefunden.
5 Über die damaligen gemeinsamen Versuche der drei Freunde mit kleinen Luftballons, die sie dann getrennt in
Kassel und Göttingen fortsetzten, berichten auch Briefe Försters (Briefwechsel 1, 349. 356).
6 Einen Abdruck des Urteils der Londoner Gesellschaft der Wissenschaften über Montgolfiers Versuche habe ich
nicht auffinden können; auch die Geschichten der Aerostatik von Cavallo und Kramp erwähnen es mit keinem Worte.
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*75
Der Goldmacher Price hat seine Haupt Retorte zersprengt, nemlich sich selbst mit Lorbeer Wasser-
vergifftet, und so ist die Comödie aus. 1
23. October.
Ich weiß nicht, ob ich Ew. Wohlgebohren schon HErrn Prof. Försters und Sömmerings Empfehlungen
gemeldet habe, die sie mir wiederholtemale aufgetragen haben. Dieses sind 2 vortreffliche Leute. Förster hat
sich gantz geändert, 2 und ist einer der arbeitsamsten Menschen, die ich kenne. Sömmering ist quoad anaiomiam
ein ungewöhnlicher Kopf. Ew. Wohlgebohren können sich einen solchen Besuch wie den nicht vorstellen, wir
haben den gantzen Tag disputirt, experimentirt, anatomirt pp. ohne Ende. Einmal stund eine Schüssel mit
Hecht gekocht auf dem Tisch, während an der Ecke die Gehörnerven an dem noch rohen Kopf demonstrirt
wurden, und auf dem Camin Feuer ein Firniß kochte.
Ich sehe mein Brief fängt an überzukochen und daher muß ich mich Ew. Wohlgebohren und allen
Freunden gehorsamst empfehlen.
27. October.
Heute habe ich einige Kupferstiche gesehen, die Montgolfiers und Roberts 3 Versuche vorstellen. Es sind
erstaunliche Anstalten. Einer darunter ist sehr schön und fast Hogarthisch. Er stellt die Bauern von Gon esse
vor, wie sie sich der herabgefallenen Kugel des Robert bemächtigen. Es sieht grade aus, als fänden einige
Neu Seeländer ein Kriegsschiff. Sogar die Sanctissima Ecclesia steht da und predigt Philosophie, die nicht viel
mehr werth sein mogte, als der Bauren ihre, nur verbrämter. Mehrere halten die Nasen zu und das ist nicht
unrecht, und zeigt wie viel weiter der Trieb geht als der Verstand, etwas vernünfftigeres wäre unmöglich zu
thun. Die Nase gieng ihren Gang richtig und sicher, die Philosophie schlegelte.*
30. October.
Ich habe nun 2 Personen gesprochen die Montgolfiers und Roberts Versuch mit angesehen haben, nem¬
lich das Aufsteigen des Cörpers. Es verbreitete sich ein Geruch von gebranntem Stroh und als der Cörper auf¬
flog, stieg ein dicker Dampf nach. Das ist es grade was ich wolte. Der gute Mann muß seine Körper groß
machen, im kleinen geht es bey ihm nicht, denn kleine Körper erkalten ihm zu geschwind. Man schäzte die
Zuschauer auf 300000 (schreibe eine 3 mit 5 Nullen). Von Morgens 6 Uhr an bis um halb 1 war die Strase
von Paris nach Versailles mit Menschen bedeckt. Er stieg nicht höher als 293 Toisen, da der andere mit
inflammabler LufftS durch die Wolcken drang und gantz verschwand. Da hätte man wohl die Engelchen
können singen hören.
3. November.
Hier lege ich ein schönes Bildchen von Montgolfier’s Maschine im Augenblick ihrer Entbindung bey.
Unten an hängt der Korb mit dem Hammel, Hahn und Ente. Die Maschine war 60 Fuß hoch und 40 hatte
sie im Durchmesser, sie war blau gemahlt und der Nähme des Königs und die Festons waren Gold.
20. November.
Endlich ist es uns hier gelungen eine außerordendiche grose Schweinsblase, 14 Zoll hoch und 10 Zoll
weit, zum steigen zu bringen. Als sie gefüllt war, stieg sie mit solcher Schnelligkeit auf, daß sie einen grosen
* James Price (1752—83), Arzt in Guildford, hatte im Jahre 1782 eine Reihe von erfolgreichen Versuchen ange¬
stellt, ans Quecksilber Gold herzustellen, die von wissenschaftlichen Autoritäten als einwandsfrei erklärt wurden, und darüber
eine Schrift veröffentlicht; eine genaue Darstellung dieser Angelegenheit gibt Lichtenberg in einem Briefe an Wolff
vom 14. Oktober 1782 (Briefe 2, 52). Mit diesen Versuchen, die eine Weile lang sehr ernst genommen wurden, be¬
schäftigen sich zwei Aufsätze im Göttingischen Magazin: „Vom Goldmachen des Dr. Price, ein Auszug des Herrn
Professor Gmelin aus des Doktors Schrift“ (3, 410) und „Auszug eines Schreibens aus London an Professor Lichtenberg,
worin eine Nachricht vom Goldmacher Price vorkommt“ (3, 579). Der energischen Aufforderung, seine Versuche unter
wissenschaftlicher Kontrolle zu wiederholen, entzog er sich im August 1783 durch Selbstmord: einen ihm aus England
darüber zugegangenen Bericht veröffentlichte Lichtenberg wiederum im Magazin unter dem Titel „Schreiben an Pro¬
fessor Lichtenberg, Dr. Prices Tod betreffend“ (3, 886; vgl. auch Försters Briefwechsel 1, 348), in dem es gleichfalls
heißt (S. 889) „Finiia l la comcdia, aber w r er wird hier sagen: vos plaudite?‘\
• Seit seiner definitiven Loslösung vom Rosenkreuzerorden, dem er in Gemeinschaft mit Sömmerring eine Reihe
von Jahren angehört hatte (vgl. oben S. 130 Anm. 4).
3 Über Roberts Versuche vgl. Kramp Geschichte der Aerostatik I, 10.
4 Schlegeln = fehlen, sich irren (Grimm, Deutsches Wörterbuch 9. 345 )* Lichtenberg hat den Ausdruck, der
übrigens auch bei Lessing und Goethe belegt ist, vielleicht den Satiren Liscows (vgl. oben S. 81 Anm. 7) entnommen.
5 Unter inflammabler Luft verstand die damalige chemische Theorie ungefähr das, was wir jetzt reinen Wasser¬
stoff nennen.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. III
Korck und einen 16 Fuß langen starcken Seidenfaden mit sich fortriß, und dem ohngeachtet keine 2 Secunden
brauchte an die Decke zu kommen, an welche sie so starck anstieß, daß sie fast Handbreit zurückprallte, wieder
anstieß, und so fort bis sie endlich festsaß. Es ist ein gantz unglaublich schöner Anblick. Nach */ 4 Stunden
wurde ihr der Korck zu schwer und sie sanck langsam wieder bis der Korck aufsaß und so stund sie 2 x / a Stunde
etwa 8 Fuß über dem Boden, denn 8 Fuß des Fadens waren um den Korck gewickelt Ew. Wohlgebohren
können sich nichts schöneres dencken als dieses, bey dem geringsten Hauch oscillirte sie langsam .... Dieses
ist das majestätischste Elecktroskop, das ich in meinem Leben gesehen habe. Am Ende wurden ihr auch diese
8 Fuß Faden zu schwer, sie sanck also, allein kaum ruhte ein kleines Theilchen von dem Faden an der Erde
so stand sie wieder still. Sezte sich eine Fliege darauf so sanck sie und wenn die Fliege wegflog, stieg sie
wieder, 1 als sie nun nach einer gantzen Stunde etwa bis auf 2 Fuß nach der Erde gekommen war schnitte ich
den Seidenfaden kurtz vor der Blase ab, und in 3 Secunden saß sie wieder an der Decke, endlich kam sie auch
da herab, bis zu diesem Augenblick von dem ersten aufsteigen an waren grade 4*/ a Stunde verflossen, und doch
war sie weder gefirnißt noch geölt. Auf der Erde gab es noch ein vortreffliches Schauspiel, wenn ich mit
meinem Schlafrock an ihr etwas schnell vorbey gieng, so hob sie sich gleich wieder und folgte mir. Ueber-
haupt schlich sie auf eine so seltsame Weise in der Stube herum gantz ohne zu rollen, bald an der Erde
hüpfend bald wieder gantz schwebend, so wie sie ein Zug Lüfftchen traf, immer mit der Spitze nach der Erde
gekehrt, daß allen Leuten, die es sahen, nothwendig ein Gespenst einfallen muste, und ich glaube man könte
jemanden, der ein Nachtlicht brennte und furchtsam wäre, mit einem solchen Ding den Tod an Hals schrecken.
Da ich keinen festen Schranck habe, der für ein solches zartes aufgeblasenes Ding Raum hatte, so hieng ich sie,
um sie vor Mäusen zu sichern, grade von der Decke herab auf, auch da zeigte sie, daß sie nicht zum piebs
vesicarum gehörte, sondern hieng auf eine eigene Weise da, die mich würcklich lachen machte, nemlich nicht
wie die Canaille von Schweinsblasen thut, sondern horizontal. Ich konte nicht abzwarten, wann sie gantz
herunter kommen würde, und legte mich nieder, um 2 Uhr stund ich auf, da hieng sie grade herab. Auf die
lezt schrumpfte sie starck zusammen, denn die inflammable Luflft dringt durch das dünne Häutchen durch ohne
die äußere Lufft hinein zu lassen. Wohnten Ew. Wohlgebohren nur eine Meile von hier, so hätte ich den Schertz
gespielt und Ihnen eine in einer Schublade zugeschickt, die dann gleich bey Eröffnung des Deckels nach der
Decke geflogen wäre. So wie die Sachen jezt stehen, geht es nicht; was aber die gefirnißten thun werden, will
ich mit der Zeit sehen. Bey dem ersten stillen Tag, wo gar kein Lüfftchen weht, wül ich eine etwas angemahltc
im freyen steigen lassen, sie wird gewiß ehe 2 Minuten vergehen aus dem Gesicht seyn.
O wenn Sie doch eine solche Blase könten zu Stande bringen, sie würde Ihnen doch gewiß eine grosc
Unterhaltung gewähren. Morgen gedencke ich den Versuch im Collegio zu machen.
27. November.
In Cassel hat man 300 Thaler für einen Ballon subskribirt. Ich habe heute einen Expressen mit meiner
Anweisung hinüber geschickt, aber ernstlich angerathen entweder meinen Versuch abzuwarten, oder einen im
kleinen zu unternehmen. Ich lege HErrn Försters Brief bey* woraus Sie das abscheulige Ürtheil von Banks*
lesen werden. Es ist blos Nationalhaß, das beste ist, daß sich kein Mensch, der selbst denckt, um die Urtheile
neidischer Societäten bekümmern wird.
1. December.
Ums Himmelswillen lassen sich Ew. Wohlgebohren doch ja den eilften Band von Bernoulli’s Reisen
Sammlung * geben, darin steht ein Brief über die SÜberstufe, der abscheulig ist Bernoulli ist ein wahrer
* In einem undatierten Briefe an Wolff aus dem November über denselben Ballonversuch schreibt lichtenberg
(Briefe 2, 59; der Brief ist dort irrtümlich ins Jahr 1782 gesetzt worden): „Lustig ist es alsdann Zusehen, wie sie durch
die Luft gesteuert werden und zwar von wem? von den Fliegen. Hier habe ich gesehen, daß unter den Fliegen das
weibliche Geschlecht, bis jetzt wenigstens, beherzter ist als die Damen in Frankreich, denn sie setzten sich ungescheut auf
die Blase. Dieses war leicht auszufinden: ich habe es aus gewissen Vorfällen geschlossen, die ich nicht erzählen mag
aus Furcht Ew. Wohlgeboren keusche Ohren zu beleidigen. Bei jeder verübten Unzucht sank die Blase in den Abgrund.
O, wenn es doch mit unserm Erdball ebenso wärel so würde doch endlich dem leidigen Huren und Buben, mit Respekt
zu sagen, endlich gesteuert werden.'*
2 Dieser Brief Försters an Lichtenberg ist nicht erhalten.
3 Joseph Banks (1743—1820), der berühmte Naturforscher, Cooks Begleiter auf seiner ersten Reise um die
Welt, w f ar Präsident der Londoner Gesellschaft der Wissenschaften und Verfasser des oben S. 174 Anm. 6 erwähnten
Gutachtens gegen Montgolfier.
4 Johann Bernoulli (1744—1807), Astronom der Berliner Akademie der Wissenschaften, entstammte einer berühmten
Baseler Mathematikerfamilie. In seiner Sammlung kurzer Reisebeschreibungen 11, 422 findet sich ein „Auszug zweier
Briefe aus Göttingen", vom Februar und April datiert, in denen von dem viel Aufsehen erregenden Diebstahl einer
großen Silberstufe aus dem dortigen Museum erzählt, in ziemlich gehässiger Weise dem Konservator der Anstalt, Blumen¬
bach, sträfliche Nachlässigkeit vorgeworfen und auch der Regierung eine Rüge deswegen erteilt wird.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. III
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Halluncke. Er ist der erste dieses Nahmens, der mit unnützen Aneckdoten trödelt, und zur Ehre dieses
Nahmens vertnuthlich der lezte. Es wird viel skandaleuses gegen Göttingen gesagt: Alle Kunstsachen würden
elend verwahrt. Wenn Blumenbach* nicht Heynes Schwager wäre so hätte (der Mann, der den Brief schreibt)
er nicht mit ihm theilen mögen. Er thue jezt (er will sagen, statt gestraft zu werden) eine Reise wozu noch
Königliche Regierung sogar die Kosten hergebe.* Ist das nicht abscheulig? Es wird dem guten Blumenbach
sein Kindbett* sehr versaltzen. Alles beneidet jezt Göttingen. Heyne hat seinen Sohn 4 nach Cassel geschickt,
dieses macht viel Aufsehen. Man ist dort eifrig dran, die sehr gute Medicinische Facultät zu heben, und sobald
der junge Michälis 5 aus Neu-York kommt, wird die Charitd daselbst noch verbessert werden.
ii. December.
Von dem jungen Friederichs habe ich einen angenehmen Brief aus Paris gelesen. Er hat den Versuch
mit angesehen, da Pilatre de Rosier 6 und der Marquis d’Arlandes durch die Lufft flogen und 5000 Toisen in
etwa 24 Minuten zurücklegten. Wie sie etwa 300 Fuß hoch waren ließ ihr starcker Schwindel nach, und als sie
bey der Retour wieder in diese Höhe kamen kam auch der Schwindel wieder. Die Sache läßt sich leicht
erklären, nachdem sie nemlich Häußer, Menschen, Kirchspitzen wieder erkennen konten auf die sie fallen
konten mußte nothwendig die Furcht wieder aufwachen. Eine gantz vortreffliche Bemerckung ist, als sie in der
grösten Höhe waren, verspürten sie ein sehr starckes Echo, wenn sie nur redeten. Ist das nicht herrlich? Wenn
Ew. Wohlgebohren einige recht grose Schweinsblasen zu Hannover habhafft werden könten, so geschähe mir
damit ein außerordentlicher Dienst.? Hier ist nichts mehr. Die Leute brauchen sie, anstatt sie zu Montgolfier*
sehen Versuchen herzugeben, lieber zu terrestrischen Metwürsten.
15. December.
Meine Kugel ist schon seit 8 Tagen fertig 8 . Allein der Anstalten wegen muß ich alles auf die Weyhnachts
Ferien versparen. Ich habe keinen Raum, als mein Auditorium, und das kan ich vor Schluß des Collegii zu
solchen Operationen nicht gebrauchen.... Hätte ich mehr Raum gehabt, so wäre ich doch der erste in Deutsch¬
land gewesen, der es zu Stande gebracht hätte, vielleicht bin ich es noch. Sind das nicht abscheuliche Ge¬
schichten? Mit der lezten Maschine zu Paris wolte de La Lande? in die Höhe fliegen. Er unterließ es aber.
Halley xo versuchte so die Taucher Glocke, eine weit gefährlichere Operation, und an Halley’s Leben war mehr
gelegen als an de La Lande's. Sie flogen 9 frantzösische Meilen weit, das ist weiter als Calais von Dover.
18. December.
Ew. Wohlgebohren können nicht glauben was meine aerostatische Maschine für ein prachtvolles Ding ist.
Sechs Fuß hoch und 4 dick; wenn sie aufgeblasen ist, hat sie eine herrliche Form, denn die Böden runden sich
ab .... Ich muß zum füllen mein Auditorium frey haben.
Ehe Ostern oder Pfingsten herbey kommen, soll Göttingen vermuthlich etwas sehn. Klindworth** ist ent¬
schlossen mit in die Höhe zu gehen. Gantz gewiß kam das Echo von der Erde.
* Johann Friedrich Blnmenbach (1752—1840), der berühmte Anthropolog, war Professor der Medizin in Göttingen.
Seine und Heynes Frau waren Schwestern, Töchter des Universitätskurators Brandes in Hannover.
* Blumenbach befand sich damals auf einer w issenschaftlichen Reise nach der Schweiz, auf der ihn Therese Heyne,
Heynes Tochter, die spätere Frau Georg Försters, begleitete.
3 Frau Blumenbach hatte kurz vorher eine Tochter geboren.
4 Karl Heyne studierte Medizin.
5 Vgl. oben S. 124 Anm. 3.
6 Jean Francois Pilatre de Rosier (1756—85) ein junger Pariser Physiker, beteiligte sich mit kühnem Wagemut an
den aeronautischen Versuchen, indem er als erster Mensch mit einem Ballon auffuhr, und verunglückte bald darauf bei
dem Versuch über den Kanal nach England zu fliegen. Seinen hier erwähnten Aufstieg vom 27. November schildert
Cavallo, Geschichte und Praxis der Aerostatik S. 57.
7 Dieselbe Bitte kehrt auch in gleichzeitigen Briefen Lichtenbergs an Wolff wieder (Briefe 2, 58. 60).
* An Wolff schreibt Lichtenberg am Ende des Monats (Briefe 2, 61): „Schon seit einigen Wochen ist meine große
aerostatische Maschine fertig. Sie kostet mich am Ende über 40 Taler. Ich wäre der erste in Deutschland gewesen,
der so etwas zu stand gebracht hätte, allein ich habe hier keinen Platz und mußte die Ferien abwarten, um mein Audi¬
torium beim Füllen zu gebrauchen“.
9 Joseph Jerome de Lalande (1732 — 1807) war Professor der Astronomie am College de France in Paris.
10 Edmund Halley (1656—1742), der berühmte Astronom und Kometenentdecker, war Direktor der Sternwarte in
Greenwich gewesen.
11 Uhrmacher und Mechaniker in Göttingen, Lichtenbergs Gehilfe bei der Konstruktion von Apparaten und bei
Experimenten.
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. III
II.
Diesen bunten Mitteilungen aus ungedruckten Briefen Lichtenbergs möge noch ein Hinweis
auf eine gedruckte Schrift angereiht werden, die Schüddekopf und mir unbekannt geblieben war;
den Hinweis darauf und die Einsicht verdanke ich gleichfalls Herrn Leutnant von Zimmermann.
Nachforschungen nach den Originalen der hier erwähnten Briefe Lichtenbergs in der Familie
des Adressaten, die auf meine Bitte angestellt worden sind, haben leider nicht zu dem ge¬
wünschten Resultat geführt: es entgehen uns damit die schönen Urkunden einer intimen Jugend¬
freundschaft des großen Gelehrten, die er in wehmütiger Anhänglichkeit bis ans Ende ge¬
pflegt hat.
Die folgenden Stellen sind Ernst Zimmermanns Schrift „Lebens- und Charakterschilderung
des verstorbenen großherzoglich hessischen Superintendenten Christian Heinrich Zimmermann in
Darmstadt“ (Darmstadt 1807) entnommen, einem pietätvollen Denkmal, das ein Neffe dem
verehrten Oheim gewidmet hat 1740 als siebentes von 21 Kindern eines Gerichtssekretärs in
Darmstadt geboren, zeichnete sich Zimmermann schon als Schüler des dortigen, unter Wencks
Leitung blühenden Gymnasiums durch vielseitige Wißbegierde, die sich in gleicher Weise auf
die alten Sprachen und Literaturen wie auf die mathematischen und historischen Wissenschaften
erstreckte, und durch ein nicht geringes dichterisches Talent aus, zu dessen Pflege der Direktor
Wenck eifrig aufzumuntem sich zur Aufgabe gestellt hatte. Auf der Universität Gießen, die er
1759 bezog, schloß er bald einen innigen Freundschaftsbund mit zwei andern ebenso strebsamen
und vielseitig interessierten Jünglingen, dem aus Goethes Leben bekannten späteren juristischen
Professor Höpfnen, auf dessen gründliches Wissen und feines Benehmen er bei Gelegenheit einer
Stipendiatenprüfung aufmerksam geworden war, und dem späteren Gießener Superintendenten
Müller. Die drei Freunde waren unzertrennlich: sie gingen stets zusammen spazieren, lasen
miteinander die Meisterwerke der griechischen und römischen, deutschen und englischen Literatur,
phüosophierten und disputierten zusammen und verbrachten die Sonntage in gemeinsamen reli¬
giösen Übungen, Vorlesungen und Gesprächen. Von der rohen und unmoralischen Haltung der
Gießener Akademiker, wie sie uns aus Laukhards Schilderungen geläufig ist, hoben sie sich
durch tadelloses Auftreten und Sinn für höhere Kultur des Geistes und Herzens aufs vorteil¬
hafteste ab, so daß man behauptete, es habe mit ihnen in der Kulturgeschichte Gießens eine
neue Epoche begonnen. Speziell galt Zimmermann für eine Zierde der Universität und viele
Studenten suchten bei ihm wie bei einem Professor Rat und Belehrung in wissenschaftlichen
Angelegenheiten. Als Mitglieder der kürzlich begründeten Deutschen Gesellschaft schrieben die
Freunde gemeinsam das Gießener Wochenblatt, in dem also auch Zimmermanns Jugendarbeiten
in Versen und Prosa enthalten sind. 1765 berief man ihn unter Verzicht auf die übliche und
von ihm selbst gewünschte Prüfung als Informator der fürstlichen Edelknaben nach Darmstadt
zurück, eine Stellung, in der er auf die Seelen der seiner Aufsicht anvertrauten jungen Adligen
mit dem sichtbarsten Erfolge bildend einwirkte. Nach dem Tode des Landgrafen Ludwig VIII.
wurde ihm 1768 die Erziehung des Prinzen Friedrich übertragen, die er aber nur ein Jahr lang
leitete. 1769 ging er als Prediger nach Allendorf an der Lumda, verheiratete sich dort mit der
Tochter des verstorbenen Pfarrers Baur in Bessungen, wurde aber schon 1770 nach Bickenbach
an der Bergstraße versetzt, wo er, seit 1784 auch noch mit dem Inspektorat der Diözesen
Zwingenberg und Seeheim betraut, den größten Teil seines Lebens in reichgesegneter Wirksam¬
keit verbracht hat Literarisch trat er 1783 mit einer metrischen Übersetzung der vorzüglich¬
sten Sinngedichte seines Lieblingsdichters Martial hervor, die Ramler beinahe ganz der Auf¬
nahme in seine Auswahl der martialischen Epigramme würdigte. Als ein Schüler des großen
römischen Epigrammatisten zeigt er sich auch in seinen eigenen Sinngedichten, deren er all¬
mählich mehr als dreihundert verfaßte: einzelne davon erschienen im Bürgerschen Musenalmanach
für 1783 (vgl. Briefe von und an Bürger 3,76) und in andern poetischen Sammlungen der
Zeit, andere teilt der Neffe in seiner Gedenkschrift (Seite 43—47) mit, die meisten blieben
urigedruckt. Außerdem hat er in der bei Varrentrapp und Wenner in Frankfurt seit 1778
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Leitzmann, Neues von Lichtenberg. III
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erschienenen „Deutschen Enzyklopädie“ die ästhetischen Artikel bearbeitet sowie vereinzelte
Predigten und geistliche Lieder im Darmstädter Schlosskirchengesangbuch drucken lassen. Im
Jahre 1800 erhielt er auf seine Bitte, da seine stark angewachsene Familie eine Verbesserung
seiner äußeren Lage gebieterisch forderte, die erledigte Pfarrei Pfungstadt, hatte sich aber dort kaum
eingelebt, als ihn sein Landesvater 1802 zum Superintendenten des Fürstentums Starkenburg und
zum Mitglied des Kirchen- und Schulrats ernannte, was seine Übersiedelung nach Darmstadt
im Gefolge hatte. Obwohl ihm seine Gesundheit und seine Lebensweise noch einen langen und
reichen Lebensabend zu versprechen schienen, starb er nach kurzer Krankheit schon im
August 1806.
In Lichtenbergs Briefen wird die Persönlichkeit dieses intimen Jugendfreundes nirgends
erwähnt: um so dankbarer müssen wir fiir die Nachrichten sein, die an den folgenden drei
Stellen der Gedächtnisschrift uns über die Verbindung Lichtenbergs mit Zimmermann gegeben
werden, zumal zwei davon längere Sätze aus Briefen Lichtenbergs enthalten:
(Seite 17.) Im Jahr 1761 mußte sich mein Oheim von seinen Freunden Müller und Höpfher auf ein
halbes Jahr trennen, weil ihn sein Vater der kriegerischen Unruhen wegen von Gießen zurückberufen hatte.
Aber die Freundschaft Lichtenbergs, des nachher so berühmt gewordenen Göttinger Professors, ließ ihm die
Tage dieses Semesters wie Augenblicke verschwinden. Dieser außerordentliche Jüngling befand sich damals
noch in Darmstadt Von seiner frühesten Jugend an war er der innigste Freund meines Oheims. Diese Freund¬
schaft wurde nie unterbrochen und die unten folgenden schätzbaren Briefe des großen Mannes werden den
Leser von der Wärme derselben auf die rührendste Weise überzeugen. Zimmermann verlebte den Winter, den
er in Darmstadt zubringen mußte, mit Lichtenberg auf eine Art, die ihm immer unvergeßlich blieb. Es verging
kein Abend, den jener nicht in meinem großväterlichen Hause bei meinem Oheim zugebracht hätte. Sie be¬
schäftigten sich besonders mit Homer und mit der Mathematik. In dem ersteren machte mein Oheim, in der
letzteren Lichtenberg den Professor. Die beiden Jünglinge lernten sich unendlich viel ab und die soliden Kennt¬
nisse, die Zimmermann in der Mathematik schon besaß, wurden durch den Umgang mit Lichtenberg aus¬
nehmend erweitert
(Seite 34.) Lichtenberg in Göttingen, obgleich weiter [als Hopfner] von ihm getrennt, blieb meinem
Oheim stets mit der herzlichsten Liebe zugetan. Alle seine Briefe, die er an Zimmermann schrieb, atmen die
zärtlichste Freundschaft In einigen derselben spricht er mit einer Empfindung, die das Herz jedes gefühlvollen
Lesers in Darmstadt bis zur Wehmut schmelzen und noch für den Schatten des edeln, freundschaftlichen, außer¬
ordentlichen Mannes mit inniger Hochachtung erfüllen muß. „Träum' ich mich hin zu dir in deines Herrn
Vaters Haus in der Schloßgasse“, schreibt er in einem Briefe vom Jahr 1793*, »»° dann höre ich das Glockenspiel:
O Mensch, bewein dein Sünden groß usw. und ich beweine die Flucht jenes güldenen Alters unsers Lebens,
jener Tage und Stunden in deiner Gesellschaft, die mir das Gold unsers Königs nicht aufwiegen könnte; ich höre
das Feiergeläute am heüigen Christabend und den heftigen, unvergeßlichen Klang der großen Glocke. Welch
ein Zug eröffnet sich da vor meiner Phantasie von Freunden und Gespielen unsrer Jugend 1 — So und in dieser
Stimmung habe ich deinen neulichen herrlichen Brief gelesen und wieder gelesen und durchgeträumt mit einer
unbeschreiblichen Empfindung, die ich Wehmut nennen möchte, wenn sie nicht so viel reizendes für mich hätte.“
Lichtenberg interessierte sich für alles, was meinen Oheim betraf. „Großer Gott! was habt ihr indessen
dort erlebt!“ heißt es in einem andern Briefe vom Jahr 1796. „Eine vollständige Erzählung von dem, was du
vermutlich erlitten hast, erwarte und wünsche ich nicht einmal von dir: du würdest mein Herz zu tief verwunden.
Allein dürfte ich wohl nur um ein paar Hauptzüge bitten, wenn einmal deine innere Ruhe verstauet, eine kleine
Gedankenreise durch die hoffentlich nun ganz zurückgelegte Wüste zu unternehmen? Wie oft habe ich an dich,
an dein Bickenbach und an Seeheim, an Darmstadt und an die Schloßgasse gedacht! Du warst immer die
Person, die sich meine Phantasie wählte, wenn ich die Angst und alles Leiden, das mein armes Vaterland be¬
troffen haben muß, meinem Herzen so nahe als möglich legen wollte.“
Im Jahr 1797 schrieb ihm Lichtenberg seinen letzten Brief, dessen überaus rührenden Schluß man fast
auf Abschied und Ahndung eines baldigen Todes deuten möchte: „Wie lebst du denn, mein bester, mein un¬
vergeßlichster Freund? Gieb mir doch eine kurze Geschichte, bloß in Aphorismen, von deinem Leben in diesem
Jahre. Was interessiert mich von dir nicht? — Schwebt ihr denn da draußen noch immer zwischen Furcht
und Hoffnung? Wir fangen leider! jetzt erst recht an zu schweben. — Der Tod unsers guten Höpfners* ist
mir, auch selbst schon um deinetwillen, sehr nahe gegangen. Wer in der Welt hätte denken sollen, daß ich
ihn überleben würde, ich? Die Wenckische Schrift 3 ist wirklich gut geschrieben. Mit großer Rührung habe
z Der einzige in Lichtenbergs Tagebüchern erwähnte Brief an Zimmermann ist vom 26. November 1793.
* Höpfner war am 2. April 1797 gestorben.
3 Leben and Charakter des verstorbenen hessen-darmstädtischen geheimen Tribunalrats Dr. L. J. F. Höpfner
(Frankfurt 1797).
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CORNELL UNIVERSITY
180 Sembritzki, Einige Ergänzungen zu der Trenck-Bibliographie von Gugitz und v. Portheim.
ich die schönen Zeilen von dir darin gelesen. — Lebe wohl, mein bester, mein ältester Freund 1 Lebe wohl!
Wir sehen uns in diesem Leben nicht wieder: aber mein letzter Pulsschlag schlägt noch für dich, und wenn ihn
mein Arzt verstände, er müßte bezeugen, daß er noch für dich geschlagen hätte. Adieu! Adieu!“
(Seite 47.) Lichtenberg und Zimmermann unterhielten sich in ihren Zuschriften oft über Gegenstände der
Literatur und belachten und bemitleideten die in so viele Fächer derselben ein geschlichenen Albernheiten und
Abgeschmacktheiten. Besonders beklagte Lichtenberg die Philosophie, die Poesie und die deutsche Sprache.
„Das tät und tut, wozu sich einige der jetzigen Dichter emporschwingen 1 ’, schrieb er einst meinem Oheim,
„verdient eine Satire. Verfertige mir doch ein Sinngedicht gegen diese Schuster - und Schneiderelegans. Ich
werde, wenn du mirs erlaubst, irgendwo Gebrauch davon machen.“ Mein Oheim schickte ihm bald darauf
folgendes Epigramm, zu dessen Erfindung ihn Lichtenbergs eben angeführte unterstrichene Bemerkung veran¬
laßt zu haben scheint:
Die Handwerkspursche im Deutschen Reich contra einige neuere Dichter .
Bekanntlich war das Tät, das Tut und Tun im Reden
längst unser Eigentum:
Nun suchen in dem Tun so manche Herrn Poeten
gar sonderbaren Ruhm.
Wenns fort so gehen tut, wer mag in unsern Zeiten
Uns Handwerkspursche tun von Dichtem unterscheiden?
Einige Ergänzungen
zu der Trenck-Bibliographie von Gugitz und v. Portheim.
Von
Johannes Sembritzki in Memel.
D ie Herren Verfasser dieser sehr dankenswerten Bibliographie 1 meines ostpreußischen Lands-
Cannes haben sie, zu bescheiden, nur einen Versuch genannt, der auf absolute Voll¬
ständigkeit keinen Anspruch machen wolle; sie werden daher gewiß gern gestatten, daß
ich mir erlaube, hier einige Ergänzungen dazu zu veröffentlichen, die den Trenck-Freunden vielleicht
willkommen sein dürften und nur der Sache selbst dienen wollen.
4. hat 12 Blatt, 296 Seiten.
Verschieden von 4 ., 5. tmd 6. ist folgende Ausgabe (mein Exemplar stammt aus dem Besitz
von W. J. Minlos):
Friedrich Freyherm von der Trenck merkwürdige Lebensgeschichte. Berlin, bey Friedrich
Vieweg dem älteren. 1787. 8°.
Erster Theil. Flectere si nequeo Superos Acheronta movebo. Neue mit Zusätzen
vermehrte und verbesserte Auflage mit Kupfern. Mit Königl. Preuß. allergnädigstem
Privilegio. (9 Blatt, 254 Seiten.)
Mit zwei Kupfern: G. & P. 18a (als Titelkupfer) und 22 (hinter dem Vorbericht).
Zweiter Theil. Tandem bona causa triumphat. [Privileg-Vermerk fehlt] (237 Seiten
und eine Seite „Erklärung der Fesseln und des Kerkers“.)
Dritter und letzter Theil. Mit allergnädigsten Privilegiis. (11 Blatt, 330 Seiten.)
Die Widmung dieses Bandes „An Se. Königl. Majestät von Preußen Friedrich Wilhelm II.“
ist vom 1. August 1787 datiert
Die Seitenzahl im ersten und zweiten Teile ist dadurch geringer geworden, als in 4 ., daß
zum Teil kleinerer Druck gewählt ist (der „Vorbericht“ umfaßt zum Beispiel in 4. 3 x / 4 Seite,
hier nur gerade 2 Seiten), große Stücke des Textes in 4. hier als in Petit gedruckte Fußnoten
gebracht und endlich einzelne unwesentliche Stellen fortgelassen sind. Der Text ist vielfach
1 Erschienen im Verlag von Dr. Rudolf Ludwig in Wien (1912). Zugleich hat G. Gugitz bei Georg Müller in
München einen ausgezeichneten Neudruck von Trencks „Lebensgeschichte“ in zwei Bänden herausgegeben, auf den wir
noch zurückkommen werden.
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Ebstein, Die Amtmänner Bürger und Scheufier.
181
verbessert, zum Beispiel steht in 4. im Vorbericht: „wo ich wirklich den Tod suchte, und ver¬
zweifelnd ^//schloß“, hier dagegen richtig: „^schloß“.
14 . Mein Exemplar hat ein Titelkupfer und zwar G. & P. 16.
16. und 153 . Mein Exemplar hat zwei Titelblätter. Der Haupttitel ist der unter 16. wieder¬
gegebene; der Name lautet auf ihm „Friedrichs Freiherm von der Trenk“ [sic], auch hat er
das Motto: „Flectere si nequeo superos, Acheronta movebo“. Der Sondertitel lautet wie unter
153, nur hat er „jungedlichen [sic] Brauseköpfen“, „tükischen [sic] Höflingen“ und „Trenk“ [sic].
(2 Blatt, 124 Seiten). 8°. Das „Alphabetische Verzeichnis der Romane und Schauspiele“
(Leipzig 1819; Abdruck aus dem allgemeinen Bücher-Lexikon) gibt Seite 82 an: „Geniestreich
aller Geniestreiche etc. (ist Leben des Frhm. Fr. v. d. Trenk 5r.) 8. Bautzen , Arnold , 796.“
j8. Der Titel lautet: „Friedrichs Frhm. von der Trenck KaiserL Königl. Obristwacht¬
meisters Samlung [sic] vermischter Gedichte welche in seinem zehnjährigen Gefängnis in
Magdeburg geschrieben wurden. Flectere si nequeo superos, Acheronta movebo. Franckfurt
und Leipzig, 1769“. Hat 20 Blatt und 279 Seiten.
ui. Im Titel heißt es „Guardian“, „Menschen-Verstandes“ und „Fryh.“ statt „Freyh“. Mein
Exemplar hat 76 Seiten, und da Petzhol dt ebensoviel angibt, dürfte „46“ wohl ein Druckfehler sein.
75. Meusel hat im Titel: „Charakterzüge des berüchtigten Freyherrn“ und „Entlarvung des
Poltrons t{ und als Impressum: Leipzig 1793. Vielleicht hat der Verfasser das Buch zuerst im
Selbstverläge 1793 herausgegeben, und als 1794 die Rengersche Buchhandlung in Halle den
Vertrieb übernahm, diese den Titel gemildert. — Endlich erwähnt Meusel (5. Auflage, IV, 300)
noch folgenden Aufsatz: „Trenk in der Unterwelt, ein Todtengespräch in Lucianischer Manier,
von Joh. Nicolaus Kümpel\ im „Zuschauer und Moqueur“, Band 4, St 21, 1794“. — (Maltzahns
Bücherschatz III, 2338 führt unter „Frd. von Trenk“ auf: „Die Seelen-Mörder, oder Die Jesuiten
bey dem Portugiesischen Königs-Mord, Ein Trauer-Spiel in drey Handlungen, von einem Preußen.
1759“, 86 S. 8°, o. O. Ich besitze ein Exemplar aus der Bibliothek von Ph. Nathusius. D. Red.)
Die Amtmänner Bürger und Scheufier.
Von
Dr. Erich Ebstein in Leipzig.
torg Schaags schreibt in seiner letzten Arbeit im Maiheft dieser Zeitschrift Seite 58, daß der Briefe von
Bürger an Scheufier nur wenige sind, die sich erhalten haben. Bei Strodtmann (4 Bände, 1874) zählt er
neun, ich elf. Es sind:
1. Strodtmann
1.138 ... .
vom 22. August 1773.
2.
f>
1,217 ....
vom 16. November 1774.
3 .
11
I. 273 ... •
vom 1. Februar 1776.
4 -
it
1,328 ... .
vom Sommer 1776.
5 -
>1
1,338 ... •
vom 10. September 1776. 1
6.
n
11,335 ••• •
vom (?) Januar 1779.
7 -
n
II, 339 • • • •
vom 17. Januar 1779.
8.
n
11,343 . . . .
vom 30. Januar 1779.
9 .
n
III, 112 . . . .
vom 13. April 1783.*
IO.
n
III, 116 . . . .
vom 26. Juni 1783.
11.
n
III, 164 ••• •
vom 10. Januar 1786.*
* Ist zuletzt bei Henrici in Katalog IX, Nr. 57 [1912] wieder aofgetaucht.
a Das Original, das ich dank der Freundlichkeit des Herrn Emil Hirsch in München einsehen konnte (ein Blatt
beschrieben, Folio), hat die Adresse: „An den HErm Amtmann Scheufier in Wittmarshof“, und nach dem ersten Ab¬
satz bei Strodtmann ist einzuschalten: yy Die Stücke , welche sich von dem politischen Journal hier ßnden, überkommen
hierneben “. In dem von Schaags mitgeteilten Briefe wird „das politische Journal“ auch erwähnt.
3 Von mir neu kollationiert mit dem Original bei Brockhaus.
Z. f. B. 1912/1913. 2 4
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182
Ebstein, Die Amtmänner Bürger und Scheufier.
Dazu kommt als zwölfter ein von mir aufgefundener und bisher unbekannter Brief, der der Diederichschen
Sammlung entstammt und sich auf der Bibliothek in Amsterdam befindet, wo ich ihn 1909 selbst kopiert habe:
P. P.
Mein hochzuehrender Herr Nachbar.
Nachdem ich die Geiliehäusischen Kirchen acten nachgesehen, so hat sich nichts gefunden, daß Eggert
meiner Kirche etwas schuldig wäre; dahero Sie denn keine weitere Notiz davon zu nehmen brauchen.
Immittelst statte ich den verbindlichsten Dank für die gütigst deshalb getragene Sorge und Mühe ab; die ich
gern jederzeit zu reciprocixtn beflißen seyn werde.-
Von den nächtlichen Gängen des Wolfs im Schafskleide habe ich zwar noch nichts vernommen, aber
seine böse Tücken und Ränke kann ich mir lebendig genug vor Augen stellen. Daher will ichs nicht abschwören,
daß er einen Einfall projectixz . Mit so vieler reeller Freundschaft ich ihn auch immer unterstützet und ver-
theydigt habe, so wird mich doch endlich seine Undankbarbeit zwingen, meine Stimme mit derjenigen zu ver¬
einigen, welche mit wohlverdienten Knitteln hinter ihm her sind und das Zetergeschrcy: Schlagt sie tod, die
Bestie, die nichts als Unheil anstiftet! über ihr erheben.-
Der Wink, den Sie mir mit Ihrer Nachricht gegeben, soll mir ein Zeugniß Ihrer aufmerksamen Freund¬
schafft, die ich jederzeit dankbarlich erwiedem werde, seyn und bleiben.
Vale faveque
W[öllmershausen] d. 14. Jan. 1775. Tuo
G. A . B.
Als ij. erhaltener Brief figuriert der vom 16. März 1778, worin Bürger die Geburt von Marianne Friederike
anzeigt. (Vgl. Erich Ebstein, „Süddeutsche Monatshefte“, 1907, Sonderabdruck Seite 6.)
Als 14. Dokument des Verkehrs kommt in Betracht die bisher ungedruckte Empfangsbestätigung Bürgers
vom 8. März 1780, die sich auf der Göttinger Bibliothek befindet:
Heute habe ich Endesunterschriebener von dem Herrn Amtmann Scheufier Anlehensweise gegen Ver¬
zinsung von 5 P. Cent auf vier bis fünf Monath empfangen
Zwanzig Stück Carolinen
Neunzig Stück französische Laubthaler
welches bis zu Ausstellung eines förmlichen Schuldscheines hiermit bescheinigt wird.
Wittmarshof, den 8 een März 1780. Gottfried August Bürger .
Desgleichen habe ich noch zwei und zwanzig Reichstaler in Courant Münzen empfangen. Wittmarshof,
den 8 ten März 1780 Gottfried August Bürger .
Als Nr. is kommt hinzu der von Bolte im Archiv für Literaturgeschichte Band 14, Seite 65 mitgeteilte
Brief vom 21. Juli 1781 aus Appenrode, der sich in der Biblioth&que de Bourgogne in Brüssel befindet, wo ihn
Herr Dr. Fritz Norden seiner Zeit für mich kopiert hat, da er ihn für unbekannt hielt.
Nr. 16 wäre der von Schaaffs (a. a. O.) mitgeteilte vom 27. September 1781 .
Was nun den von Schüddekopf notierten Brief anlangt (im Euphorion 3. Ergänzungs-Heft Seite 130), so
meint Schaaffs: „er wird einer der letzten gewesen sein, die Bürger überhaupt geschrieben hat“. Wie Schaaffs
zu diesem Ausspruch kommt, kann ich mir nur durch einen Irrtum erklären. Da Bürger am 8. Juni 1794 starb
und die Noti* von Schüddekopf einwandfrei lautet: Bürger „an Scheufier, undatiert (i x / a Seite Folio) Cohn’s
Auktionskatalog vom 22. Mai 1894. Nr. 9", so hat Schaaffs flüchtig gelesen, und daher: der sogenannte letzte
Brief Bürgers 1
Von der allgemeinen „Landplage der Ruhr“ redet Bürger auch am 3. September 1781. (Vgl. Strodt-
mann III, Seite 58.) — „Stürmen und Schlackern“ erinnert mich an Bürgers Macbeth-Übersetzung, zuerst in
der „Berliner Literatur- und Theaterzeitung“ vom 21. Oktober 1780 abgedruckt. (Vgl. E. Ebstein, „Zeitschrift
für Bücherfreunde“ III, Seite 398 fr.) — Bürger’s Ankündigung von „Tausend und einer Nacht“ druckte zuerst
Eduard Grisebach (Bürger, fünfte Auflage) 1894, Seite 304—308 ab, und nicht W. v. Wurzbach in Max
Hesse's 1902 erschienenen Ausgabe, wie Schaaffs sagt (a. a. O. Seite 58).
Zu dem Brief Bürgers an einen unbekannten Freund 1 (wobei Schaaffs an Schubart, Ehrmann oder Haug
denkt), erwähne ich die zehn Tage später (Stuttgart, den 17. Oktober 1790) gemachten Einträge von Bürger und
Frau Elise in das Stammbuch der Frau Louise Charlotte von Zschock („Süddeutsche Monatshefte“ 1907 a. a.O.
Sonderabdruck Seite 18).
* „Zeitschrift für Bücherfreunde“ a. a. O. Seite 58.
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Neue Wertheriana.
Andere Folge.
Von
Dr. Fritz Adolf Hünich in Leipzig.
I.
Tf €r *h er und das Frauenzimmer. Ich will hier nicht das Bekannte wiederholen: etwa die rührende
1 / 1 / Geschichte von den Leiden der jungen Fanny von Ickstadt, oder das beklagenswerte Schicksal der
Christel von Laßberg — Katastrophen, wie sie sich vor- und nachdem oft vollzogen haben, ohne durch
eine besondere Verkettung von Zufällen der Geschichte anzugehören: ich will vielmehr ganz allgemein und an
der Hand einiger neuen Zeugnisse aus der Zeit die Voraussetzungen schildern, unter denen der Wertherroman
als tragisches Motiv in das Leben der Frauen eingriff. Für die einfachste der dabei aufzu werfen den Möglich¬
keiten, den weiblichen Werther, werden die eingangs gestreiften Tragödien als Beispiele genügen; komplizierter
im seelischen Problem sind die Fälle, in denen der Wertherroman auf verheiratete, enttäuschte Frauen traf, die
seinen Helden zum Gegenstand ihrer Vergleiche und Wünsche machten (nicht bedenkend, daß Werther als
Ehemann in dem Maße erkalten würde, als er einst Glut war). Wir wissen nicht viel über die aufrührerische
und zerstörende Wirkung des Romans in den Ehen. Darum ist vielleicht die folgende Mitteilung doppelt will¬
kommen. In dem „Bildungsjournal für Frauenzimmer zur Beförderung des Guten für beide Geschlechter.
Zweiter Band. Julius bis December 1787. Zittau und Leipzig, bei Johann David Schöps, Buchhändler“ fand
ich unter der Rubrik „Eheliches Fach“ einen Brief von Albertine von S— an Emilie von G—, aus dem ich die in
dieser Beziehung wichtigsten Stellen heraushebe: „Meine Liebei Also hast Du mir es in der That angesehn,
daß ich auf dem lezten Picknick mißvergnügt war? ja, meine Beste! ich war es im höchsten Grade — und
wenn Du vergnügt bleiben willst, so rathe ich Dir, heirathe ja nicht. Ach was sind die Männer für wider-
sinnische Geschöpfe! wie sind sie doch so veränderlich! — Vor unserer Verbindung mit ihnen die gefälligsten
zärtlichsten Liebhaber mit dem wärmsten gefühlvollsten Herzen, ganz wie wir sie wünschen! — aber nachher
kalt, finster, unachtsam, und was weiß ich mehr — Warum bin ich doch nicht so glücklich gewesen, einen
Gegenstand zu finden, wie ihn die Verfasser der Romane abbilden 1 Wie grausam sind diese Leute gegen uns,
daß sie uns in ihren Schriften vollkommene Gemälde vorstellen, nach denen wir nothwendig lüstern werden
müssen, und dessen Urbild wir doch bei dem ganzen männlichen Geschlechte nicht finden. Wie glücklich wäre
ich gewesen, wenn ich einen Werther, oder seines Gleichen zum Manne bekommen hätte. — Ich sage Dir,
meine Liebe, wirf den Plunder aus Deiner [368] Bibliothek alle ins Feuer, er taugt nichts, als uns unglücklich
zu machen. Welche süsse Bilder entwarf ich mir sonst von gleichgestimmten Seelen, von sympathisirenden
Herzen, wie dachte ich an der Hand eines feurigen Jünglings die sanfte Rosenbahn zu wallen, und an seinem
Busen nur in zärtlichen Gefühlen hinzuschmelzen — Aber wie betrogen bin ich! Mein unempfindlicher Gatte
weiß von alle diesen wonnereichen Empfindungen nichts; dagegen fängt er schon an, mir von Pflichten, die wir
einander schuldig wären, ja selbst die wir dem Staate leisten müssen, vorzupredigen. Seine Geschäfte gehen
ihm vor der zärtlichsten Unterhaltung mit mir vor, und wenn ich glaube, daß ich ganz meine süssen Phantasien
in seine Seele ergießen könnte, so sizt er kalt und nachdenkend da, oder lacht mich aus, und schilt mich ein
tändelndes Wesen . . . [369] . . . Seine Sprache vor dem Besiz meiner Person ist himmelweit von seinem
jezigen Betragen [370] verschieden. Zwar scheint er mich noch zu lieben, aber wie selten sagt er mir dies, wie
oft erwiedert er mir die zärtlichsten Liebkosungen kalt und mit Zerstreuung; auf meine Klagen über seine
Frostigkeit weiß er nichts als seine überhäuften Geschäfte zur Entschuldigung anzuführen, und daß überhaupt
die Zeit zum Tändeln verstrichen sei — traurige Aussicht in die ZukunftI — ... Wie langweilig, wie einförmig
wird nun mein Leben seyn! — ... Ach, meine Liebei nur in den Stunden, die ich der Lektüre eines solchen
Buches widmen kann, welches für empfindsame gefühlvolle Seelen geschrieben ist, werde ich mir selbst leben;
nur alsdenn, wenn ich im Schauplazsaal die rührendsten Vorstellungen eines zärtlichen aber vielleicht unglück¬
lich liebenden Paares sehen werde, wird mein schlafendes Gefühl aufwachen, und mein empfindsames Herz
wieder lauter klopfen; ich werde dann meine Thränen in die ihrigen mischen, und so die süssen Schmerzen der
Liebe noch einmal schmeckenl . . . [371] Nun, meine Liebe! eile doch, mich zu trösten, Du allein bist im
Stande, meine harte Lage mit zu fühlen . . . Ich erwarte Dich mit der größten Sehnsucht, und bin zeitlebens
Deine ewig ergebene Albertine von S“
Es ist hier nicht meine Aufgabe, die Bilder auszumalen, die diese Klagen einer mehr unverständigen als
unverstandenen Frau von dem Zustande der Gesellschaft entwerfen, deren Vertreterin Albertine von S. war.
Genug, daß wir aus dem Nachwort erfahren, wie sie endlich doch noch eine vernünftige Frau geworden ist,
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184
Hünich, Neue Wertheriana.
dem Herausgeber diesen Brief zur Warnung ihrer Mitschwestem einschickt und ihnen zuruft: „Fliehet, meine
Theuren, alle Gesellschaften, alle Bücher und Schauspiele, die eure Empfindsamkeit zu sehr reizen können . . .
Beschäftigt euch mit ernsthaften und niizlichen Arbeiten, Langeweile ist die Mutter mancher Thorheit! aber
überspannet eure Erwartungen in der Ehe nicht, zu große Forderungen zerstören euer wahres Glück, und
würden euch zu so thörichten Klagen verleiten, als ich in vorstehendem Briefe geführet habe . . .“ Mit viel¬
fach gleichen Worten lesen wir dieselbe Warnung in den „Moralischen Vorlesungen über die Pflichten der
Keuschheit und des ehelichen Vertrags, vomämlich von Seiten ihrer Wichtigkeit für junges Frauenzimmer be¬
trachtet“ von Friedrich August Fritsch (Altenburg, in der Richterschen Buchhandlung. 1795): „Vor allen fliehen
Sie, warum ich Sie oft so inständig bitte, die Lektüre romanhafter Bücher, und ich möchte noch hinzusetzen,
anakreontischer Dichter! 1 Sie lernen aus ihnen durchaus nichts, als die mögliche Zusammensetzung einer
bilderreichen Einbildungskraft, die keinen andern Zweck hat, als angenehm zu täuschen. . . [52] . , , Der Un-
erfahrne, der den Kopf mit solchen Bildern angefüllt hat, sucht nun überall zu viel oder zu wenig im Menschen,
und erschwert sich die wahre Kenntnis desselben. Aber das Schlimmste ist, man verstimmt seine Einbildungs¬
kraft und verzärtelt sein Herz; man gewöhnt seine Vorstellungen an dergleichen Ueberspannungen, die man für
wahr und für schön hält; man fängt an sie in der Wirklichkeit zu erwarten; man bildet sich ein hohes Ideal von
Menschenwerth und Menschenglück; das Gewöhnliche ist uns zu einförmig, zu schleppend, zu ermüdend, die
Begebenheiten schleichen einen unerträglichen Schneckengang; man will fortgerissen seyn in der Welt, wie im
Buche; man will den geglaubten Fehler verbessern und wird ein* Hitzkopf; man sucht alles um sich [53] her zu
elektrisiren, daß Schlag auf Schlag kommt, und wird unerträglich. Der Mensch, der uns gefallen soll, muß ein
Grandison seyn, wir lassen den ehrlichen Puff stehen und rennen in die Arme des Herrn Selten. 9 Wer uns hier
mit seinem kalten Vernünfteln in den Weg tritt, der ist ein Altagsmensch und unser Feind. Es ist ja so schön
Werthers Lotte zu seyn! . .
Prophylaktische Mittel sind es also, die angewandt werden, um einer nach zu hoch gespannten Er¬
wartungen unausbleiblichen Enttäuschung zu steuern; dieselben Absichten liegen zugrunde, wenn dem Werther-
fieber verfallene Mädchen der Lächerlichkeit preisgegeben werden, wie in dem folgenden Romane, der sich
auch bisher aller Forschung entzogen hat Er ist betitelt:
Lebenslauf meiner Tochter Therese von Silberbach. Teutschlands edelsten Töchtern gewidmet.
Erster — Zweiter und lezter Theil. [Vignette.] Berlin, bei Friedrich Maurer. 1782—1783.
und unter Fiktion der Autorschaft des Vaters der Heldin nach Kaysers Büch er-Lexikon von Joh. Jak. Nath.
Neumann verfaßt. Zu Anfang des zweiten Teiles wird der Besuch der Silberbachs bei einem alten Freunde der
Familie, dem Amtsrat Heufeld, geschildert, der mit seinen beiden Töchtern in Bleienbrück wohnt Er hat mit
ihnen seine liebe Not, denn sie sind, angesteckt von seinem Aktuarius mit dem bezeichnenden Namen Winsel ,3
zu Wertherschwärmerinnen geworden, die ihrem Abgott in der Mitte eines grünen Grasplatzes ein Denkmal
mit der Inschrift „Dem edeln, lieben Dulderl“ errichtet haben und dort seinem Andenken ihre Tränenopfer
darbringen:
„Ach! . . hier wollen wir unsre Tage in süsser Wollust verweinen: schluchzte Juliane. Schon die
Morgensonne find’ uns hier in Thränen!“
„Und der Abendstern hör’ uns stets, wie heute, um ihn jammern, um den edeln Dulder,“ fuhr Fried-
rike fort —
Der Verfasser kontrastiert nun diese beiden überspannten Geschöpfe mit der gesundempfindenden Therese
von Silberbach, die auch die „Leiden des jungen Werthers“ gelesen hat, aber als „eine der besten Warnungen
vor den Thorheiten beyder Geschlechter“ betrachtet. Nach einer eindringlichen Vermahnung, die ihnen durch
den Herrn von Silberbach zuteil wird, schließt die Persiflage, nicht ohne vorher noch den Erfolg«dieser wohl¬
tätigen Einflüsse wenigstens auf eine der Schwestern sichtbar gemacht zu haben, denn als Herr Winsel wieder
1 Das Gegenstück dazu bildet Alxingers Gedicht „An den Unbestand“ (Sämmtliche Gedichte. Erster Theil. 1788.
Seite 54—57), worin anakreontische Flatterhaftigkeit als Schutz gegen wertherisch-unglückliche Liebe empfohlen wird;
Seite 56:
Du bringst beklemmten Herzen Oft hast du Giftphiolen
Zufriedenheit und Ruh, Verschüttet und den Hahn
Du linderst ihre Schmerzen, Auf 'Werthrischen Pistolen
Heilst ihre Wunden zu. Oft in die Ruh gethan.
2 In „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen“.
3 Der Amtsrat charakterisiert einmal diese Wertherkarikatur so: „Er führt recht den Namen mit der That; denn
das Winseln ist sein Element. Sonst ist er doch auf der Welt Gottes zu nichts nütze. Alle Arbeit läßt er liegen. Sie
ist gar nicht für ein fühlendes Herz, spricht er. Und wenn er nicht über seinen Büchern brütet: so klettert er dort auf
unsem Bergen herum und plaudert mit sich selber. Mögt 1 er doch bis an den jüngsten Tag über seinen B.üchem brüten
und mit sich selber plaudern, und meinetwegen quengeln, so viel er wollte, wenns ihm so gefallt 1 Aber so hat er mir
auch meinen armen unschuldigen Kindern den Kopf mit verrükt gemacht; und mein Unstern muß ihn mir ins Haus ge¬
führt haben. Kaum war er mit den Mädchen unter einem Dache, so hatt’ er sie auch wie behext.“
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CORNELL UNfVERSSTY
Hünich, Neue Wertheriana.
185
einmal vor den Bildnissen Werthers und Lottens zu jammern anfängt: „Ausgelitten hast du, ausgerungen' , , ,
nimmt Juliane die Kupferstiche von der Wand und entgegnet auf seinen erstaunten und verwunderten Einwand:
„Was kan das helfen, Herr Winsell daß wir Werthem nur immer beklagen? Wir thun besser, wir
hüten uns, daß wir nicht in seine Thorheiten verfallen,“
Der lehrhafte Zug solcher absichdichen Zerrbilder ist augenscheinlich, und wenn auch ihr künstlerischer Ge¬
halt außerhalb jeder Diskussion steht, so darf doch der Nutzen, den sie als Korrektiv der Empfindungen ausge¬
übt haben mögen, nicht zu niedrig veranschlagt werden.
Nach allem bisher Gehörten muß das folgende Urteil befremden. Man findet es auf Seite 167—168
des Buches:
Ueber die Weiber. Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1787.*
Es lautet:
„Der Werther ist, nachdem seine Modeperiode vorüber gegangen, nun gar nicht für Weiber. Werthers
Empfindungen können sie durchaus nicht nachempfinden. Wie könnten sie die Stärke, die Heftigkeit des
Naturgefühls begreifen! Es ist gut, daß er sich, ihrer Meynung nach, nur aus Liebe erschießt, sonst wäre
er gar ein Ungeheuer, weil man sich nur aus Liebe umbringen darf, und immer auch nur aus [168] Liebe
zum Selbstmörder wird. Wie klein erscheint nicht meistens Lotte in ihren Augen, weil sie nur eine so
untergeordnete Rolle spielt und ihr Charakter nur um etwas veredlete Natur ist?“
II.
Neue Wertheriaden. Hauptsächlich durch Anwendung der von mir im fünften Abschnitt der ersten Reihe
meiner Mitteilungen 3 aufgestellten Kriterien und überhaupt bei einiger Spür- und Aufmerksamkeit war es nicht
schwer, eine Anzahl von Romanen aus den Jahren 1782 bis 1792 der Gefolgschaft des Wertherromans zuzuweisen.
Ich halte es umsomehr für notwendig, in jedem einzelnen Falle den Beweis der Zugehörigkeit zu erbringen, als
man in der letzten Zeit bei der Durchsicht von Antiquariatskatalogen wiederholt die Beobachtung machen
konnte, daß aus merkantüem Interesse beliebigen Romanen zwischen 1775 und 1825 der Charakter von
Wertheriaden ohne Berechtigung dazu beigelegt worden war. Andererseits aber ist ebensowenig einzusehen,
warum die Zahl der Wertheriaden mit den (zumeist aus Appells Buche) bekannten erschöpft sein solle. Um
eines Großen wülen, dessen Banne sie verfallen waren, werden Kleine wichtig, ihre Werke nach einem Jahr¬
hundert noch dem Dunkel entzogen, begehrt und hoch bezahlt: so wunderlich spielt das Schicksal mit Menschen
und Büchern.
Die erste der nun zu besprechenden Wertheriaden ist betitelt:
Friz Preller, ein Liebesroman, wie sich noch täglich unterm Mond welche zutragen 4
und wurde schon öfters mit meinem Texte in Katalogen ausgeboten, ja sogar bereits in die dritte neu bearbeitete
Auflage von Goedekes Grundriß aufgenommen (Vierter Band. III. Abteilung. Erstes Heft. Seite 189.
Nummer 68), nachdem eine Dublette meiner Sammlung inC. G. Boemers hundertster Auktion als Nummer 198
versteigert worden war. Irgendwo scheint noch ein Verlagsrest zu lagern. Habent sua fata libelli!
Der Roman ist in Briefen abgefaßt; dieses ist sein Inhalt: Friz Preller, ein Jenenser Student, wird, der
Not gehorchend und einer Neigung folgend, Schauspieler in K— (Kassel?), wo er sich in eine sechszehnjährige
Kollegin, namens Sophie, verliebt; aber nicht wie früher, da jedes rosenwangige Mädchen Eindruck auf ihn
machte, jeder volle Busen, jedes knappe Füßchen ihn in Flammen setzte: „reine keusche Flammen", schreibt
er an seinen Freund Schröder, „haben buhlerisches Feuer verdrängt; seitdem ich Werthers Leiden und Sieg-
warts Geschichte gelesen habe, bin ich ganz umgestimmt. Jeden sanften Eindrücken offen, geniese ich mit
meiner Sophie die Schönheiten der Natur; jede aufkeimende Rose, jede holdschlagende Nachtigall kan unsera
Busen mit Wonne anfüllen; jedes welkende Blümgen, jedes fallende Blatt kan uns zum wehmüthig-feierlichem (!)
stimmen.“ Ihrer Liebe drohen jedoch Hindernisse in Gestalt von Sophiens Vater, dem ein früherer Kommilitone
Friz Prellers dessen Burschenleben in Jena, „das freilich etwas lokker und ausschweifend war,“ geschildert hat
und der nun gegen ihn aufgebracht ist Daneben erschüttern ihn (begründete) Gerüchte von der Untreue seiner
Geliebten im Glauben an sie, und er ist nahe daran, eine Wertherische Geschichte zu spielen. „Es muß ein
herrlich sanfter Tod seyn, die Adern aufzureisen, unds Blut an die Decke sprizen zu sehen, das ganz vor den
Engel zu fließen bereit war." Auch von Erhängen, Erschießen, Ersäufen schreibt er. Zuletzt faßt er den Ent¬
schluß, mit Sophie zu entfliehen. Die Flucht mißlingt, doch hat er dabei Gelegenheit gehabt, mit der Geliebten
in sehr nahe Beziehungen zu treten. Er verläßt K— und geht nach M— (Mannheim) zu einer anderen Schau-
* Das vielgestmgene Lied „Lotte bei Werthers Grabe“ ist von Johann Heinrich (nach anderen Carl Emst)
Freiherm von Reitzenstein gedichtet. (Abgedruckt in Gustav Wustmanns Liederbuch „Als der Großvater die Großmutter
nahm“ 4 , Seite 288—289.)
* Nach Kayser von E. Brandes, nach Holzmann-Bohatta von Georg Friedrich Brandes verfaßt
3 Siehe „Zeitschrift für Bücherfreunde“ N. F. II. Seite 299 f.
4 Enthalten in: Ganymed für die Lesewelt. Dritter Band. Eisenach, bei Johann Georg Emst Wittekindt 1782.
Seite 1—96. Verfasser ist, nach Holzmann-Bohatta, J. G. Otto.
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i8 6
Hünich, Neue Wertheriana.
Spielergesellschaft. Wie die Aufenthaltsorte, so wechselt er die Gegenstände seiner Neigung, die aber diesmal
unerwidert bleibt. Sophie, deren Liebesverhältnisse Folgen haben, reist ihm nach und bittet ihn flehentlich, sie
nicht der Schande preiszugeben. Ein Zufall führt ihn mit einem Freunde zusammen, der, als Werber ausgesandt,
ihm rät, wie er eine Stelle an Basedows Philantropin in Dessau anzunehmen; er willigt ein, und so werden am
Ende Friz und Sophie doch noch ein Paar. Die Wertherischen Züge des Romans liegen am Tage: der Held
ist von Wertherempfindsamkeit und, wenn er unglücklich liebt, von Wertherfieber befallen. Dem Anschein nach
sind tatsächliche Geschehnisse ohne viel Verschleierung wiedergegeben, aber es verlohnt sich nicht, den Spuren
bis auf die wahren Namen und Zusammenhänge zu folgen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem folgenden Romane desselben Verfassers:
Hans von Metebach eine interessante Geschichte aus dem Jahre 1781. Eisenach, in der Witte-
kindtischen Hofbuchhandlung. 1782.
Der Notwendigkeit, seinen Inhalt nachzuerzählen, bin ich dadurch überhoben, daß er eigentlich keine
Wertheriade ist; ich erwähne ihn hier nur deshalb, weil an einer Stelle (im zwölften Briefe) von einem neuen .
Werther die Rede ist, der sich entleibt, nachdem er noch das Fest der Vermählung seiner Geliebten mit dem
ihr aufgezwungenen Manne mitgefeiert hat Die Schilderung fallt schließlich ganz in den Ton von Goethes
sachlichem Bericht über die letzten Stunden Werthers:
„Am Abend tanzte er noch mit ihr, und schien übertrieben lustig zu seyn. Nach zwölfen gieng er
nach Hause, wo er seine Stube zu heizen hinterlassen hatte, er fand sie warm. Er suchte seine Papiere
zusammen, siegelte sie und addressirte sie an P—, einen eben so starken Kopfhänger. Werthers Leiden war
jederzeit sein Lieblingsbuch, und in diesen hatte er auch noch einige Seiten gelesen und sich darauf ent¬
leibt, ob mit einer Pistole, oder Degen, das hat man nicht erfahren können.“
Ich übergehe einige in andere Briefe eingestreute Äußerungen, die sich gegen die Nachbeter und Nach¬
ahmer Werthers in Dichtung und Leben richten und ohne Zweifel die Meinung des Verfassers darstellen, da
sie mit der gesunden Tendenz seiner Romane übereinstimmen, und wende mich zu dem dritten der mir vor¬
liegenden Werke, hinter dessen Titel:
Auguste und Friedrike oder die zwo Kusinen. Ein Bilderbuch für alle Stände. Nach der Zeichnung
eines pommerschen Junkers. Erster — Zweiter TheiL [Vignette.] Küstrin, bey Ferdinand Oehmigcke. 1786. 1
wohl niemand eine Wertheriade vermuten würde. Auch der erste Teil verspricht noch nichts. Er ist nur Vor¬
bereitung: wir lernen in dem Herrn von Abendschein den Typus des natürlich empfindenden und gerade-.
denkenden Landjunkers kennen und lesen von seiner Bekanntschaft mit Friedrike (von Blühwangen auf Lilien¬
kelch), die später seine Frau wird, und mit dem Predigtamtskandidaten Moritz Frank, der seiner toten Geliebten,
Philippine Auguste Baronesse von Hochgefühl, Friedrikens Kusine, nachtrauert. Den Herzensroman dieser
beiden Liebenden, der Hauptsache nach in Briefen und Aufzeichnungen Augustens und ihres Vetters, des Herrn
von Vielmark, enthält der zweite Teil.* Nur um zu tändeln und sich zu unterhalten, ist die Baronesse auf die
Annäherungsversuche des jungen Theologen eingegangen. Der Funke aber wird zur Flamme und diese immer
stärker entfacht, als er fern von ihr und sie mit dem Hauptmannn von Florian vermählt ist, der sie als Vierzehn¬
jährige verführt und zur Mutter gemacht hatte, nun aber, nach fünf Jahren, nur ihren Reichtum begehrt und
sie als seine Frau in gemeinster Weise beschimpft. Sie nährt ihre Leidenschaft für den Geliebten, den auch der
Vetter auf dem Laufenden erhält, durch heimliche Briefe an ihn und betreibt indessen die Scheidung, in die der
Hauptmann erst widerstrebend, dann anscheinend einwilligt. Es gelingt ihm aber, Auguste auf das Jagdschloß
eines Freundes nach Polen zu entführen, wo sie der Vetter mit vieler Mühe aufspürt, nachdem er dem Böse¬
wicht die Beute schon auf dem Wege dahin beinahe abgejagt hätte. Der Hauptmann, bei diesem Überfalle
schwer verwundet und nun dem Tode nahe, bereut und sträubt sich nicht länger gegen die Scheidung. Er er
holt sich wieder, Auguste aber stirbt, dem Übermaß des ihr beschiedenen Leides und den Strapazen nicht ge¬
wachsen, die sie während der Entführung hatte ausstehen müssen. „Dießmal war/* so schreibt der Herr
von Vielmark am Schlüsse des Briefes, in dem er Frank den Tod der Geliebten berichtet, „die Art des
Ausgangs aus der Welt ausgenommen, das Schiksal des liebenden Mädchens, was einst, wie ich irgendwo ge¬
lesen habe, das Schiksal des liebenden Jünglings war. Damals sang der Dichter *
Jeder Jüngling wünscht sich, so zu lieben,
jedes Mädchen, so geliebt zu seyn.
Das sang der Mann den Jünglingen und Mädchen ganz aus der Seele.“
Hiernach werden die An- und Gleichklänge im Wortlaut, die Ähnlichkeiten und Entsprechungen in
Situationen, denen der mit „Werther“ vertraute Leser wiederholt begegnet, nicht weiter überraschen. Über die
Absichten des Verfassers ließe uns der Name der Heldin keinen Augenblick im Unklaren, wenn wir nicht schon
durch die häufigen Ausfälle des ersten Teiles gegen alles empfindsame Wesen unterrichtet wären. Friedrike nun
* Von J. J. N. Neumann.
* Frank hat die Papiere dem Herrn von Abendschein, seinem künftigen Patron, übergeben, um ihn in sein
Schicksal einzuweihen.
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Hünich, Neue Wertheriana.
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ist ihrem Empfinden nach als Gegensatz zu der jungen Wertherin gedacht, der Herr von Abendschein als
Kontrast zu Frank: in diesem Sinne lauten auch die Worte, mit denen er in einer Schlußbemerkung zur Wider¬
legung der Ansicht des Herrn von Vielmark sein Liebesverhältnis charakterisiert:
„Seitdem Werthers Geist in unserm deutschen Vaterlande umgeht, wünschte, Gott sey’s geklagt! wohl
mancher Jüngling und manches Mädchen so zu lieben und geliebt zu werden, daß es dabei wakker zu leiden
und zu jammern giebt und wenn’s übergenug zu leiden und zu jammern gegeben hat, ein oder das andre Theil
hofnungslos niedersinkt und ein gar schmähliches Ende nimmt; aber, Gott sei's gedankt! bei weitem nicht jeder
und jedes. Nur von meiner hinterpommerschen Wenigkeit zu sagen, so kan ich heilig schwören, daß der¬
gleichen mir nie mit einer Sylbe eingefallen ist Ich liebte meine Friedrike . . . gewiß warm und innig; ohn-
geachtet ich nicht von mir rühmen kan, daß mir davon das Innerste zerschmolzen und das Hirn wirrig geworden
wäre. Hätt' ich aber gewußt, sie sei bereits das rechtskräftige Eigenthum eines andern, wenn schon dieser andre
nicht eben ein Edler meines Gelichters gewesen wäre: so würde ich ihretwegen keinen Finger gereget haben.
Meine ganze Ruhe hätt* ich in keinem Fall aufs Spiel gesetzt, um zu ihrem Besitz zu gelangen. Wie ich mich
fühle, wird ich auch sicher nie mein Lebenslicht weder selbst mir ausgeblasen, noch der Gefahr, von jemand
anderm mit ausblasen zu werden, blosgestellet haben, wenn meine warme innige Liebe schlechterdings nicht
gekrönt werden sollen. Meine Friedrike denkt mit mir gleichförmig. Und, wie mich dünkt, befanden wir uns
beide dabei um desto besser."
Auch eine Wertheriade, ohne daß der Name Werther fiele, aber ohne dieses Vorbild nicht denkbar, ist
ein anderer Roman desselben Verfassers, die Geschichte von der Liebe eines schwärmerischen Mädchens zu
einem Offizier, der am Ende eine andere heiratet, worüber die Verlassene den Verstand verliert:
Mamsell Fiekchen und ihr Vielgetreuer. Ein Erbauungsbüchlein für gefühlvolle Mädchen. Küstrin,
bei Ferdinand Oehmigcke. 1785.
Hier verrät schon der Titel die Gegnerschaft, und es fehlt auch fernerhin nicht an Spott über die Verstiegen¬
heiten eines durch die Lektüre von „Siegwart", „Adolfs gesammleten Briefen" 1 und ähnlichen Sentimentalitäten
verzärtelten Gemütes. Auffällig ist dabei die gleiche Bewertung der Gefühlswelt dieser Romane mit der von
Goeckingks „Liedern zweier Liebenden" und Klamer Schmidts Elegieen — Dichtungen gewiß voll überschwäng¬
licher, doch aus unverdorbenen Instinkten entsprungener Liebe.
Nach dieser Abweichung von der Chronologie aus sachlichen Gründen kehre ich mit dem folgenden Roman
eines unbekannten Autors zu ihr zurück:
Karl und Elise, oder die schwachen Mädchen. [Motto.] Leipzig, in der von Schönfeldschen Hand¬
lung. 1787.
Ich muß ihn trotz seines kolportagehaften Titels und krausen Inhalts eine Wertheriade nennen. Der
Held ist ein unglücklich Liebender: Intriguen eines Rivalen und dessen Schwester, die ihn zu besitzen trachtet,
vereiteln die Vereinigung mit der Geliebten. Eben als alles sich günstig für ihn zu entscheiden scheint, fallt
ihn die Kugel, die die Verschmähte der Nebenbuhlerin bestimmt hatte. Mehr aber noch als durch sein Schick¬
sal, ist er durch seine Briefe an die Geliebte und einen Freund in die Nähe Werthers gerückt. Ich teile daraus
einige der Stellen mit, in denen Werthers Tonfall am vernehmlichsten nachklingt:
„Die Gegend allhier ist herrlich, ganz zur Schwärmerey und für ein gefangenes Herz gebildet, da ist kein
Thal, kein Hügel, den ich nicht schon durchstrichen, und wenn ich so Felsen und Berge hinangeklettert bin,
sink ich auf eben Stern hin, und freue mich des Sumsens und Lebens der Geschöpfe unter einander, und wenn
ich ausgeruht, da schleich ich endlich b eb ausgehöhltes Ebgeweide ebes alten grauen Bruchstückes, dessen
moosigtes Haupt mir meb erkohrtes Lieblbgsplätzchen so schaurig und finster schattirt, daß selten der Fuß
ebes Wanderers sich daher wagt; da bb ich ebsam, hohe Eichen und Buchen versagen der mittägigen Sonne
den Zutritt, welche im wallenden Grase Tausendschön und Vergißmeinnicht um- [m] kränzen; Petrarch, Ossian
leisten mir Gesellschaft — Acht könntest du, du [die] mir alles, das Ziel aller meber Wünsche, meber Hoffnungen
ist, könntest du mich da ebmal b mebem süssen Taumel belauschen! . .
„Den nämlichen Abend, als ich b der Stadt ankam, gieng ich, um nicht ganz die schwarze Melancholie
zu nähren, bs Schauspielhaus Wie ward mebem gepreßten Herzen leichter, als ich b[s] Parter trat,und Elisen
erblickte . . . [125] . . . Die Komödie gieng an, und ich setzte mich b ebe Ecke des Parters Elisens Loge
gegenüber ... Du hättest mich sehen sollen, was ich für alberne Figur machte; ich hörte und sah von dem
ganzen Schauspiele nichts. ..." 3
„Karl, sagte Elise, unsere Gemüther bedarfen(l) Stärkung, unsere Seelen Erholung — ich will dir was
Vorspielen.
Damit führte sie mich an ihr Zimmer, und schlug mebe Lieblbgsstücke am Fortepiano; meb Geist ver¬
sank ganz b den Strom [148] von Empfindungen, den ihr auf den Flügeln der Phantasie aufwallender Geist über
mich ausgoß . . ."♦
* „Siegwart“ von Johann Martb Miller. „Adolfs gesammlete Briefe“ von Albrecht Christoph Kayser.
* Vgl. hierzu „Weither“ (I. Ausgabe), Seite 7—9.
3 „Werther“, Seite 63.
* „Werthei 4 *, Seite 43.
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Hünich, Neue Wertheriana.
Auch dieser Roman will nicht nur unterhalten, sondern vor allem belehren und warnen: „man stelle ein
Mädchen, einen Jüngling her,“ so sagt die Vorrede, „die eine sorgfältige Erziehung tugendhaft und gut bildete/
man entdecke und bezeichne jeden Schritt, der sie der Verführung nahe bringt, schildere mit starken Zügen die
verderblichen Folgen; welches Herz, das nicht äußerst vergiftet, und verdorben ist, wird nicht zurücke beben,
nicht Lehren für sein künftiges Leben daraus ziehen?“
Satirisch-komischer Art und darum zu der Gattung Wertherkarikaturen gehörig ist der Roman:
Adölfgen, Frizgen und die Parforcepeitsche. Eine Wahrheit für manchen Jüngling geschrieben. 1
Er behandelt, um einmal das Ende vorauszunehmen, die Heüung des Wertherschwärmers Adolf Werner,
eines der Medizin und Weltweisheit beflissenen jungen Mannes, von seiner Krankheit durch die Hetzpeitsche
des Vaters in dem Augenblicke, als er sich zum Weggang aus der Welt anschickt, da ihm Frizgen untreu ge¬
worden ist. (Frizgen Kroseck ist die Zofe der Baronesse von Tiefenwald.) Am Anfang ihrer Bekanntschaft war
die kleine Kokette nicht so herzlos gewesen, wenn auch da schon ungleich in ihrem Verhalten, sodaß er in
seinem Tagebuche wertherisch klagte:
„Könntest du, lieblicher Traumgott 1 wenn sie von sanftem Schlummer eingewiegt, ruht, mich ihr vor¬
stellen, wie ich ihrentwegen leide und traure!!“
„Wie ich mich quäle, wie ich unglücklich bin!“
Bald fühlte er, daß Frizgen sich immer mehr von ihm ab wandte; das Leben wurde ihm zur Last und er
drohte der Kaltsinnigen, sich zu erschießen: eine Drohung, die er wahr zu machen gedachte, als er die Unge¬
treue im Arm des Neffen der Baronesse „gesättigt vom Vollgenuß der Liebe“, überrascht hatte. Er erinnerte
sich, daß eine Freundin Frizgens von ihrem Vater, einem Regimentschirurgus, zwei Pistolen geerbt habe und
bat sich von ihr das Mord Werkzeug aus:
„Wollen Sie mir wohl, sprach er, bis übermorgen ihre Pistolen leihen? ich habe eine kleine Reise vor, es
bangt mir vor dem Wald, den ich passiren muß; sollt ich unglücklich seyn, so bezahlt sie ihnen mein Vater.
Willig reichte das Mädgen das Mordgewehr — Adolf drückte die Hand, die sie ihm reichte, und bat den Staub
von dem Gewehr abzu—wischen. Leben Sie wohl, sagt’ er: mit verstellter zitternder Stimme. Leben Sie recht
wohl! — Noch einmal wand’ er sich in der Thür um, noch einmal sagt’ er ein warmes Lebewohl, — und noch
einmal! — sollt sie nun nichts merken? — Leben Sie wohl! die Pistolen will ich holen lassen. (Mitnehmen
dürft' er sie nicht, da wäre die Idee nur halb ausgeführt gewesen.)“
Nach Hause gekommen, schrieb er als treuer Schüler Werthers das folgende Billet:
„Wollen Sie mir nicht zu einer kleinen Reise ihre Pistolen leihen? Sie sollen sie unverlezt zurück erhalten.
Leben Sie recht wohl 1 — recht wohl! Ihr A. W.
An Jgfr. Hanette Preller.“ *
Er hegte dabei den stillen Wunsch, daß Frizgen es am nächsten Tage bei einem Besuche der Freundin
finden und lesen möchte. Dann nahm er in einem herzzerreißenden Briefe Abschied von seinem „theuresten
unvergeßlichsten — auch jenseit des Grabes ewig geliebten Mädgen“, versäumte jedoch nicht, in einer Nach¬
schrift Zeit und Ort der Ausführung seines Entschlusses genau anzugeben:
„Morgen Abend 9 Uhr befreit mich in der kleinen Lindenallee im Park eine barmherzige Pistole von
aller Erdenlast“
Weniger leicht fand er den Ton für den Brief an seinen Vater, vor dem er „nicht empfindsam, sondern
wie ein Mann, gesezt und trotzig erscheinen“ wollte. Am andern Morgen ließ er nur den Brief an Frizgen sofort
bestellen, der, während sie ihn las, dem glücklicheren Nebenbuhler in die Hände fiel und von da an die
Baronesse gelangte, die den Vater von dem Vorhaben des Sohnes in Kenntnis setzte. Von dem Ausgang sind
wir schon unterrichtet; die Kur hat geholfen; aus dem Affen Werthers wird „durch die Erinnerung an seine
vorigen Thorheiten — ein vernünftiger — glücklicher Mensch.“
x Ebenfalls in der Sammlung: Ganymed für die Lesewelt Vierzehnter Band. [Motto.] Eisenach bey Job.
Georg Ernst Wittekindt. 1792. Seite 3—144.
2 „Werther“, Seite 213.
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Pro L Dr. Carl Schiiddtkepf- Weimar, Cranachttr. 38. Druck u. Verlag von W. Drupdin Leipsig, Königstr io.
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BEIBLATT DER
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
NEUE FOLGE
IV. Jahrgang. __ Heft ,
Herausgegeben von Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-Gohlis, Ehrensteinstr. 20, Manuskripte an diesen erbeten.
Inserate direkt an den Verlag W, Drugulin , Leipzig, Königstraße 10.
Inseratbedingungen:
V» Seite 60 Mark x / 4 Seite .
l / 2 Seite.30 Mark */ 8 Seite .
15 Mark
8 Mark
Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespalt. Petitzeile 50 Pf., für Mitglieder der Gesellschaft der
Bibliophilen 30 Pf. — Beilagegebuhr 25 Mark. — Insertionsschluß für Heft 2 am 13. April.
Gesellschaft der Bibliophilen.
Als neue Mitglieder sind der Gesellschaft für das Jahr 1912 beigetreten:
I. Stadtbibliothek , Danzig.
8. Treptow-Sternwarte (Direktor Dr. Friedrich Archenhold),
Berlin-Tieptow.
II. Georg Ed. Marwitz , stud. jur., Dresden-A., Reißiger Str. 4.
147. Dr. Walter Riezler, Direktor des Städtischen Museums,
Stettin.
172. Dr. jur. Waller Heun, Kgl. Kammergerichtsreferendar,
Berlin NW. 21, Perlebergerstr. 36 aW.
288. Dr. Walter Grundig, Landrichter, Bochum, Bergstr. 125.
292. August Lattmann, Hamburg, Harvestehuder Weg 39.
297. Fritz Dümling (i. Fa. J. G. Dümling), Schönebeck
a. d. Elbe, Böttcherstr. 57.
302. Hermann Volkmann, Bremen, Contrescarpe 120.
323. Dr. med. Willy Kuhnemann , Cöln-Bayenthal, Golt-
steinstr. 26.
331. Dr. med. Paul Wolg, Assistenzarzt, Berlin N. 65, Ru¬
dolf Virchow-Krankenhaus.
440. Karl R. Fischer, k. k. Konservator und Bürgerschul¬
lehrer, Gablonz a. N., Böhmen, Gebirgsstr. 45.
504. Max Niderlechner , Buchhändler (i. Fa. Joseph Baer
& Co.), Frankfurt a. M., Weberstr. 65 K.
556. Dr. jur. Carl Kastan, Gerichtsassessor, Berlln-Wilmers-
dorf, Xantenerstr. 20.
557. Wilhelm Halberstam, Berlin W., Ranke Str. 7.
558. Dr. Hermann Kellermann , Verlagsbuchhändler (i. Fa.
Alexander Dunckers Verlag), Weimar, Luisenstr. 13,
692. Frau Elisabeth Steche, Gaschwitz b. Leipzig.
729. Arthur Zweiniger, Bildhauer, Dresden-Gruna, Boden¬
bacher Str. 12.
869. Georg Polzschusler, Kgl. Postsekretär, Bamberg, Katha-
rinenstr. 17.
897. Dr. Paul Trmius, Berlin W., So, Marbuger Str. 6.
Außer den bereits angekündigten beiden Publikationen für 1912 hat der Vorstand noch
eine dritte als Jahresgabe an die Mitglieder zu verteilen beschlossen; es ist uns gelungen, dafür
das neueste ungedruckte Drama von Dr. Paul Emst , „Ariadne auf Naxos“, zu gewinnen. — Die
Versendung sämtlicher Publikationen wird voraussichtlich Ende September und Anfang Oktober
erfolgen.
Ein Prospekt über die Sonder-Publikation für 1912, „Sebastian Brants Narrenschiff“,
in Faksimile - Reproduktion nach der ersten deutschen Ausgabe, Basel 1494, herausgegeben
von Hans Koegier, wird unsem Mitgliedern demnächst zugehen.
Der Vorstand der Gesellschaft der Bibliophilen
WEIMAR, Cranachstr. 38. I. A.
Prof. Dr. Carl Schiiddekopf.
Z. f. B. 1912/1913.
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2
Wiener Bibliophilen-Gesellschaft
Wiener Bibliophilen-Gesellschaft.
Nach langen, sorgfältigen Vorbereitungen ist in Wien Anfang März eine neue große lite¬
rarisch-bibliophile Vereinigung ins Leben getreten: Die Wiener Bibliophilen-Gesellschaft. Ursprüng¬
lich war geplant, auch in Wien nur eine Art Tochtergesellschaft oder Zweigvereinigung unserer
Muttergesellschaft ins Leben zu rufen; doch erwies sich gleich bei den ersten Schritten der
Rahmen zu enge. Dazu kam, daß auch die österreichischen Vereinsgesetze einem mehr losen
Zusammenschlüsse, wie anderwärts, im Wege standen. So ergab sich denn, gleich nachdem
der erste von den Herren Hofrat Professor Dr. Jakob Minor , Kustos Dr. Payer v. Thum, den
Schriftstellern Engelbert Pemerstorfer und Hans Feigl gezeichnete Aufruf an Wiener Biblio¬
philen ergangen war, die Notwendigkeit, den Gedanken, den Kreis der zukünftigen Vereinsmit¬
glieder auf die Zugehörigkeit zur Weimarer „Gesellschaft der Bibliophilen“ zu beschränken,
fallen zu lassen.
Am 3. März konnte endlich die konstituierende Generalversammlung der unter dem Namen
„Wiener Bibliophilen-Gesellschaft“ ins Leben tretenden neuen Vereinigung stattfinden. Sie wurde
im Saale des Wissenschaftlichen Klubs abgehalten und war sehr gut besucht Zum Beitritt
hatte sich eine überraschend große Anzahl Mitglieder gemeldet, die entweder persönlich in der
Versammlung erschienen waren oder durch Begrüßungsschreiben ihren Anschluß an die Gesell¬
schaft erklärten, darunter viele bekannte namhafte Wiener und auswärtige Gelehrte, Schriftsteller,
Professoren usw., so Hofrat Minor, Hermann Bahr, Hugo Wittmann, Professor Sauer (Prag),
Richard v. Kralik , Professor Dr. Georg Witkowski (Leipzig), Professor Dr. Carl Schüddekopf
(Weimar) und viele andere mehr. Auch unsere hervorragendsten öffentlichen Bibliotheksinstitute,
die Hofbibliothek, die Universitätsbibliotheken in Wien, Prag, Graz, die kaiserliche Familienfidei-
kommißbibliothek usw. traten der Vereinigung bei und hatten in die Versammlung Delegierte
entsendet. Ebenso sah man in der Versammlung die Inhaber unserer angesehensten Verlags- und
Buchhandlungsfirmen, die gleichfalls in stattlicher Anzahl ihre Mitgliedschaft anmeldeten, darunter
sowohl der Vorstand des Gremiums der Buchhändler Heinrich Tachauer als auch der Vor¬
sitzende des Vereines der österreichisch-ungarischen Buchhändler Kommerzialrat Wilhelm Müller.
Nach einer kurzen, beifällig aufgenommenen Eröffnungsansprache des zur Leitung der
Versammlung gewählten Hofrates Universitätsprofessors Dr. Richard M. Werner, der betonte,
daß Wien stets eine Stätte der Bibliophilie gewesen sei und daß sich auf Wiener Boden in
allen Gesellschaftsschichten — vom Kaiser Franz bis zum berühmten Wirt von Margareten, dem
Gastwirt Haydinger — von jeher eifrige Bibliophilen betätigt haben, erstattete namens der
Proponenten Schriftsteller Hans Feigl das Referat über die Ziele und Zwecke der Gesellschaft.
Er legte von vornherein Verwahrung gegen den in letzter Zeit von pornographischen Spekulanten
geübten Mißbrauch ein, zur Täuschung des Publikums den alten angesehenen Namen der Biblio¬
philie für unsaubere Geschäfte als Deckmantel zu benützen. Die Bibliophilie, insbesondere die
deutsche, sei mehr als eine bloße Bücherliebhaberei oder ein bloßer Sammelsport. Immer sei
es ein Ruhmestitel der deutschen Bibliophilie gewesen, die Männer wie Maltzhahn, Eduard
Grisebach und viele andere zu ihren eifrigsten Bekennem zählen durfte, zur Förderung der
Literaturwissenschaft Erhebliches geleistet zu haben. Die Wiener Bibliophilen-Gesellschaft werde
sich wohl alle Zweige der Bibliophilie angelegen sein lassen, daher auch der Kunst des äußeren
Buchwesens ihr Augenmerk zuwenden. Form und Inhalt eines Buchwerkes müßten aber in
einem richtigen Verhältnis stehen, nur ein gediegener Inhalt verdiene ein künstlerisches Gewand.
Insbesondere werde man sich hüten müssen, in den Fehler zum Beispiel der französischen
Bibliophilie zu verfallen, die sich leider stark in Äußerlichkeiten verloren habe. Jedes Jahr werde
die Wiener Bibliophilen-Gesellschaft an ihre Mitglieder eine nicht im Buchhandel erscheinende ,
würdig ausgestattete und inhaltlich wertvolle Publikation zur Verteilung bringen, wobei sie vor¬
nehmlich aus dem Gebiete des deutsch-österreichischen Schrifttums schöpfen’ wird, außerdem
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Wiener Bibliophilen-Gesellschaft
i
Vorträge und regelmäßige gesellige Zusammenkünfte veranstalten. Eine der nächsten Aufgaben
der Vereinigung werde darin bestehen, die Weimarer Gesellschaft der Bibliophilen, die heuer
ihre Haupttagung zum erstenmal außerhalb des Deutschen Reiches, und zwar Ende September
in Wien abhalten wird, einen würdigen Empfang zu bereiten.
An das Referat schloß sich eine lebhafte Debatte, an der sich die Herren Dr. G. A . Crüwel,
Dr. Gottlieb (Vertreter der Hofbibliothek), Hofrat Professor Dr. Werner, Hugo Thimig ; Professor
R. v. Weilen , Dr. v. Payer, J. Eisenstein, Professor Dr. Rabenlechner, Dr. Mascha und der Be¬
richterstatter beteiligten. Es wurde beschlossen, die den Proponenten vorgelegten und genehmigten
Statuten dahin abzuändem, daß die alle Jahre stattfindende Generalversammlung über die Höhe
des Jahresbeitrages der ordentlichen Mitglieder Beschluß zu fassen hat. ‘ Der Jahresbeitrag
für 1912 wurde mit Kr . 7.— festgesetzt . Stifter wird, wer einen Beitrag von 1000 Kr. auf
einmal oder durch fünf Jahre hindurch je 200 Kr., Mitglied auf Lebenszeit, wer mindestens
200 Kr. bezahlt Auch außerhalb Wiens und Österreich - Ungarns Wohnhafte können Mitglieder
der Gesellschaft werden . Vorläufig ist an eine Beschränkung der Mitglieder zahl nicht gedacht .
Die'einstimmig unter lebhaftem Beifall vorgenommenen Vorstandswahlen hatten folgendes
Ergebnis. Es wurden gewählt: zum ersten Vorsitzenden Hofburgschauspieler Hugo Thimig, zum
zweiten Vorsitzenden Schriftsteller Hans Feigl, weiter die Herren o. ö. Universitätsprofessor
Dr. Alexander Ritter von Weilen (Schriftführer), Dr. Ottokar Mascha (Schatzmeister), Kustos
Dr. Payer R. v. Thum, Schriftsteller und Vizepräsident des österreichischen Abgeordnetenhauses
Engelbert Pemerstorfer , Professor Dr. Michael Maria Rabenlechner , o. Universitätsprofessor
Hofrat Dr. Richard Maria Werner und außerdem — als sinnfälliges Zeichen der ideellen Ge¬
meinsamkeit mit der „Gesellschaft der Bibliophilen" (Weimar) — der Sekretär dieser Gesellschaft
Professor Dr. Carl Schüddekopf vom Goethe- und Schillerarchiv in Weimar. Von besonders
lebhaften Beifallskundgebungen begrüßt, übernahm sodann Hugo Thimig den Vorsitz, um in
einer kurzen, warm aufgenommenen Ansprache für seine Wahl zum ersten Vorsitzenden zu
danken.
Am 12. März fand unter dem Präsidium des stellvertretenden Vorsitzenden eine Vorstands¬
sitzung statt, an der sämtliche in Wien wohnende Vorstandsmitglieder mit Ausnahme des
gerade auswärts weilenden ersten Vorsitzenden teilnahmen. Nach Erledigung zahlreicher
geschäftlicher Angelegenheiten wurde der Beschluß gefaßt, die „ Zeitschrift für Bücherfreunde“
zum Organ# der Wiener Bibliophilen Gesellschaft zu bestimmen. Die Verständigung mit den
Herausgebern lag bereits vor. Es folgte sodann die Einsetzung eines literarischen Arbeits¬
ausschusses , dem die beiden Vorsitzenden Hugo Thimig und Hans Feigl, sowie die Herren
Dr. v. Payer, Hofrat Professor Dr. Werner und Professor Dr. v. Weilen angehören. Die weitere
Beratung galt der Vorbereitung der Ende September 1912 in Wien stattfindenden General¬
versammlung der „Gesellschaft der Bibliophilen". Um einen stärkeren Besuch Wiens seitens der
auswärtigen Gesellschaftsmitglieder zu erwirken, soll früher als sonst eine Propaganda für die
Wiener Tagung eingeleitet und zu diesem Zwecke an den Sekretär der Gesellschaft Prof.
Dr. Carl Schüddekopf mit geeigneten Vorschlägen herangetreten werden. Der erste gesellige
Abend der Wiener Bibliophilen-Gesellschaft wurde für den 16. April festgesetzt.
Bis Anfang März hatten sich bereits^ ungefähr 140 Mitglieder zum Beitritte gemeldet;
täglich laufen weitere Beitrittserklärungen ein.
Alle Zuschriften, Beitrittserklärungen sind an den zweiten Vorsitzenden der Gesellschaft
Hans Feigl, Schriftsteller, Wien IV, Johann Straußgasse 38 zu richten.
Der Vorstand der Wiener Bibliophilen-Gesellschaft
I. A.: Hans Feigl
stellvertretender Vorsitzender.
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Pariser Brief
Pariser
Der Dichter Charles Gutritt, dem im vorigen Jahre
in seinem Geburtsorte Lunöville ein Denkmal er¬
richtet wurde, hat seit seinem am 17. Juni 1907 er¬
folgten Tode für französische Verhältnisse eine immer¬
hin nicht gewöhnliche Popularität gewonnen. Selbst
Volkszeitungen wie „Le Petit Parisien“ feierten ihn im
vorigen Sommer und druckten Gedichte von ihm
nach, was auch dem Absatz seiner lyrischen Samm¬
lungen wesentlich zustatten kam. Ein jüngerer Kri¬
tiker Albert de Bersaucourt hat dem früh verstorbenen
Dichter, dessen zweites und drittes Gedichtbuch übri¬
gens 1894 in München erschien, eine Gesamtdarstel¬
lung gewidmet, die soeben im Verlage der „Revue
du Temps present“ in Buchform erschien. Francis
Jammes, einer der nächsten Freunde und begeisterter
Verehrer Guörins, hat dem Buch ein kurzes Vorwort
vorangestellt. Mit eindringendem Verständnis und
freundschaftlicher Liebe hat Bersaucourt das Leben
und die Werke Gudrins analysiert Er war ein un¬
ruhiger, am Leben leidender Mensch, dessen erste
Anfänge stümperhaft waren und nicht die Erfüllung
ahnen ließen, die seine spätere Lyrik brachte, die im
„Mercure de France“ erschien. Aus der Bitterkeit
schwerer, schmerzensreicher Jahre rettete er sich in
die Religiosität, die ihm Friede und Ruhe von seiner
Zerrissenheit brachten. Die Faksimilereproduktionen
zweier Manuskripte, die Bersaucourts Buch beigegeben
sind, zeigen, wie schwer und mühselig der Verstorbene
arbeitete, wie vielfach er seine Gedichte durchfeilte.
Am 6. März ist ganz unerwartet der Dichter und
Kritiker für Lyrik im „Mercure de France“, Pierre
Ouillard , gestorben. Er wurde am 14. Juli 1864 in
Paris geboren, gründete nach Beendigung seiner Stu¬
dien mit Ephraim Mikhael und Saint Paul Roux „La
Pldjade“, lebte längere Zeit als französischer Lehrer
in Konstantinopel, wurde Kriegskorrespondent der
„Illustration“, gründete nach seiner Rückkehr nach
Frankreich eine Zeitschrift „Pro Armenia“, trat für die
Finnländer ein und wurde endlich Mitarbeiter des
„Mercure de France“, als welcher er in seinen monat¬
lichen Betrachtungen über die französische Lyrik das
Bedeutendste leistete. Er hat mehrere griechische
Tragödien ins Französische übersetzt, ein Mysterien¬
spiel: „La fille aux mains coupöes“ und seine Ge¬
dichte in einem Bande unter dem Titel „La Lyre
höroique et dolente“ vereinigt.
Ich glaube, es wird gegenwärtig in keinem Lande
soviel über die Lyrik theorisiert und ästhetisiert wie
in Frankreich. Jeder Monat bringt neue Bücher über
dieses Thema. Im Jahre 1910 hielt Philtas Lebesgue
in der Gesellschaft für moderne Malerei einen Vor¬
trag über Walt Whitman, A. Al. Gossez einen Vortrag
über le dynanisme poetique: Verhaeren, Romains,
Duhamel, Vildrac usw. und Henri Strentz einen Vor¬
trag über den normannischen Dichter Roinard. Diese
drei Vorträge sind jetzt unter dem Titel: „Essai d’ex-
pansion d’une esthötique 1 ' in 250 Exemplaren mit
Porträtbeilagen in „Le Havre aux ödidons de Ia Pro-
vince“ erschienen. Die eingehenden drei Studien
Brief.
bieten im großen und ganzen wenig Neues. Im ein¬
zelnen sind einige neue Hinweise, neue Namen und
Gedanken von Interesse. Die Studie über Roinard
ist die umfassendste, die je über diesen Dichter
erschien.
In Li£ge erschien in den „Edirions de la sautereile
verte“ von Henry Maassen eine Studie über Nicolas
Beauduin und la po^sie paroxyste, deren erster Ein¬
druck recht vorzüglich ist Man glaubt einen neuen
Dichter und neue Kunst kennen zu lernen, bis dem
Leser bei weiterer Lektüre allerhand Erinnerungen
und Anklänge auffallen. Und in der Tat man hat es
mit einem geradezu beispiellosen Plagiator zu tun.
Der „Mercure de France“ im August 1911 und die
„Bandeaux d’or“ im Januar und Februar 1912 haben
Beauduin etwa hundert Plagiate aus Boileau, Hugo,
Renan, Rostand, Paul Fort, Renö Arcos, Paul Castiaux,
Stöphan Mallarmd und A. nachgewiesen. Aus diesem
Brei hat dieser gemütvolle Provinzler sich eine „neue“
Kunst zusammengerührt.
Robert de Sousa hat im Verlage von H. Weiter
seine Studien über die Lyrik unter dem Titel „Du
rythme en fran^ais“ vereinigt Leider verrennt dieser
begabte Kritiker sich mehr und mehr in eine törichte
Einseitigkeit. Einst zählte de Souza zu den führenden
Kritikern seiner Zeit Aber seitdem er seine Kritik
bis in die Lautbildung und die physikalische Wirkung
der Schallwellen zu vertiefen versucht, erweist sich
seine mangelnde Kenntnis fremder Sprachen, die für
derardge Studien vergleichsweise herangezogen wer¬
den müssen, als hemmend. Und zu oft versucht Ro¬
bert de Souza mit seinen Theorien die Güte seiner
eigenen Lyrik zu beweisen. Leider ist er aber ein
recht schlechter Dichter, den man mit den Führern
und Talenten der zeitgenössischen Dichtkunst in
Frankreich nicht in einem Atem nennen kann.
Ein in Frankreich naturalisierter Slave Andrt
Barre hat eine 700 Seiten umfassende Doktorthese
über den Symbolismus verfaßt: „Le Symbolisme, essai
historique sur le mouvement symboliste en France de
1885 h. 1900 suivi d’une Bibliographie de la poösie
symboliste“ (Jouve & Cie, Paris 12 Francs). In diesem
umfassenden Werke ist zum ersten Male der Versuch
gemacht worden, die Entwicklung des Symbolismus
historisch darzustellen. Das Buch enthält manche
wertvolle Einzelheiten, gibt aber im allgemeinen ein
unzulängliches und lückenhaftes Bild dieser weit ver¬
zweigten Geistesströmung. Da der Verfasser aus dem
ungeheueren Material von Büchern, Flugschriften,
Tageszeitungen und Zeitschriften eine willkürliche und
unkritische Auswahl getroffen hat, auf der er seine
These aufgebaut hat, ist er mehrfach zu schiefen und
einseitigen Urteilen verführt worden, die dem Ent¬
wicklungsgang dieser Bewegung nicht gerecht werden.
Willkürlich und ungerechtfertigt ist auch die Be¬
schränkung der Darstellung auf die Jahre 1885 bis
1900. In einigen Kapiteln merkt der aufmerksame
Leser die wörtliche Verwertung von Informationen
aus den Dichterkreisen, die kritisch gelesen natürlich
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Pariser Brief
5
wertvoll sind. Daß diese Informationen aber nicht
selbständig und kritisch von Barre verarbeitet worden
sind, ersieht man, wenn man die Kapitel Rend Ghil
(zwölf Seiten), Emile Verhaeren (vier Seiten und fünf
Seiten Zitate) und Gustave Kahn (15 Seiten) vergleicht
Vor Verhaeren versagte Barre völlig, während er den
Ghilschen und Kahnschen Theorien einen über die
Gebühr breiten Platz einräumte. Paul Fort und Paul
Claudel fehlen in dem kritischen Teile des Buches
gänzlich, weil Faguet dem Doktoranden nicht erlauben
wollte, diese beiden Dichter mit aufzunehmen. Auch
die Bibliographie ist leider unzulänglich. Wert hat
nur die Bibliographie der Dichter selbst. Die in
Frankreich erschienenen kritischen Arbeiten über den
Symbolismus sind nur teilweise aufgenommen worden.
Ganz unzulänglich ist die ausländische Bibliographie.
Barre bat nur aufgenommen, was der Zufall ihm zu¬
trug. Unter den deutschen Aufsätzen sind beispiels¬
weise zwei Aufsätze von mir verzeichnet, die ich nie
geschrieben, ja niemals zu schreiben beabsichtigt habe.
Diese Angaben können nur von dem ehrgeizigen
Rend Ghil ungeprüft übernommen worden sein, der
die Literatur über ihn gerne umfangreicher machen
wollte. Dieses Detail ist charakteristisch für das ge¬
samte Werk.
Georges Collas hat im Verlage von Perrin & Cie.
eine umfassende Biographie Jean Chapelains (1593
bis 1674) herausgegeben, die sich auf die 1884 und
1894 herausgegebenen Briefe und auf bisher unver¬
öffentlichte Dokumente des Dichters stützt, das Privat¬
leben Chapelains behandelt, eine kritische Wür¬
digung seiner Werke und eine räsonierende Biblio¬
graphie enthält. Das 477 Seiten enthaltende Werk
bringt außer Einzelheiten kaum etwas Neues, und
der Verfasser gelangt auch zu keinem anderen Urteil,
wie Mühlau es vor 25 Jahren in Deutschland über
diesen mittelmäßigen Dichter gefällt hat.
Ein junger Dichter Noel Nouet hat im Verlag der
„Revue du Temps prdsent“ unter dem Titel „Le
Coeur avide d’infini“ eine Sammlung begabter Dich¬
tungen herausgegeben, die für die Zukunft Hoffnungen
erwecken.
„La marche ä l'etoile“ eine zusammenhängende
Dichtung von Albert Londres (Sansot & Cie.) ist
ein Gemisch von gereimten Niedlichkeiten und Bana¬
litäten.
Henri Allorge hat unter dem Titel „L’essor dtemel“
im Verlage von Pion & Cie. eine neue Gedichtsamm¬
lung herausgegeben, in der viele Gedichte durch ihre
blumige Sprache gefallen. Allorge ist ein differen¬
ziertes Temperament, das mit schöner Begabung
Empfindungen in Verse zu transponieren weiß. Allorge
ist den begabtesten Dichtem jenes Kreises zuzu¬
rechnen, der in traditionellen Geleisen Sully Prud-
homme und Francis Coppde nacheifert.
Aus der Zeitschriftenliteratur ist vor allem die-
Veröffentlichung eines unbekannten Manuskriptes von
Jean Racine hervorzuheben, das der Abbö Joseph
Bonnet in Petersburg entdeckte, wo es sich seit 1796
befand, nachdem es zwischen 1716 und 1724 von dem
Prälaten Zalusky von Paris nach Rußland verkauft
war, Die interessanten Aphorismen und Maximen
erschienen in der „Revue“. In der gleichen Zeit¬
schrift veröffentlichte Jean Finot eine psychologische
Studie über die sexuellen Fragen unserer Zeit; ferner
von Emile Faguet „La Societe ffan$aise au temps
de Philippe Auguste“, Briefe von Fromentin usw.
In der „Grande Revue“ erschien von Ferdinand
Buisson eine Studie über die Jugenderziehung, von
Robert de Souza eine kritische Würdigung Henri de
Regniers anläßlich seiner Aufnahme in die Akademie,
von Ernest Tissot eine Studie über Edouard Rod,
sowie unbekannte Briefe von Voltaire .
„La Nouvelle Revue fran^aise“ beendete den Ab¬
druck des neuen Dramas von Paul Claudel „L’annonce
faite ä Marie“ und veröffentlichte eine Studie von
Jacques Copeau über Suarös, der kürzlich zum Ritter
der Ehrenlegion ernannt wurde; von Legrand-Chabrier :
„Le Loisir de Cagliari“, von Jerome et Jean Tharaud*:
„La Fete Arabe“, eine farbenreiche Schilderung aus
Tripolitanien.
In der „Phalange“ widmete Ren/ Chalupt dem
kürzlich verstorbenen Charles Bordes, einem bedeuten¬
den Förderer und Freunde der Kunst und Bibliophilie
einen ausführlichen Nachruf. Ferner veröffentlichte
dort Georges Lote wertvolle und tief schürfende Stu¬
dien zur Prosodie: „Le numdrisme et 1 ’egalite nu-
merique des vers“, Stuart Merrill widmete seinem
Freunde, dem verstorbenen Dichter Pierre Ouillard,
einen Nachruf. In der gleichen Nummer neue Lyrik
von Verhaeren, Viel/-Griffin, Spire und de Sousa.
Die „Bandeaux d’or“ brachten neue Lyrik von
Georges Duhamel, Paul Castiaux, Jules Romains ,
eine Studie von Theo Varlet über den Haschisch so¬
wie eine Studie von J. J ’. Jouve über G. Chenneviörcs
Printemps.
Im „Mercure de France“ erschien eine ausführ¬
liche Biographie Pierre Ouillards von Ferdinand
Hörold, eine Studie über Wells von Ren/ Segny, ein
unbekanntes Manuskript von Reynolds: „La direction
des talents“ sowie die Jahresbilanz des Büchermarktes
in Frankreich mit ausführlicher Statistik und kritischer
Würdigung von Eugdne Morel. — Aus der „Revue
bleue“ ist hervorzuheben: eine Studie über Stendhals
politische Ökonomie von Eugene d' Eichthal, ein un¬
bekannter Brief Sully Prudhommes über die italie¬
nische Malerei, sowie eine eingehende Würdigung von
Romain Rollands letztem Roman von Luden Maury .
„Les Cahiers du Centre“ haben als vorletzte Lieferung
von Eug/ne Perreau: „Dirigeables et aöroplanes“ und
als letzte unter dem Titel „Entre Loire et Allier“ die
kurze Geschichte einer Halbbauernfamilie veröffent¬
licht, die von Joseph Voisin, einem jungen, bourbon-
näsischen Bauernsohn «indringlich und in schönem,
klarem Stil geschrieben worden ist. — Die erste Num¬
mer des neuen Jahrgangs des „Pan“ brachte eine
alte, berühmte Studie zur Sprachwissenschaft von
Auguste Callet „Etudes et mdditations linguistiques“
(1853) zum Wiederabdruck. — „L’amateur d'Auto-
graphes“ veröffentlichte bisher unbekannte Briefe von
Stendhal von Jacquemont, Delacroix, Balzac und
B/ranger. Die gleiche Zeitschrift widmete ihrem
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CORNELL UNIVERSITY
6
Londoner Brief
Mitarbeiter, dem in Rom verstorbenen Autographen¬
sammler Delpy, einen längeren Nachruf. — „Les Ho-
mes du jour“ veröffentlichten letzthin Bildnisse und
Biographien von Camille Flammarion, Cöcile Sorel
und Emile Rousset. — In den letzten Monaten ist
eine lange Reihe neuer, kleiner Zeitschriften begründet
worden. Aus dieser Überfülle seien hervorgehoben:
„Les Soiröes de Paris“ herausgegeben von Guillaume
Apollinaire, AndrI Billy, RenI Dalize, Andrl Salmon
und AndrI Tudesq; ferner „La Flora“, herausgegeben
von Georges de Okinczyc, Luden Roltner und Roger
Lallt. Diese drei Herren wollen in ihrem Blatt die
Grazie pflegen.
Im letzten Monat fanden eine Reihe interessanter
Auktionen statt, von denen bei der Überfülle an Ma¬
terial hier nur die bedeutendsten charakterisiert wer¬
den können.
Die Bibliothek E. C. A. Legrand, die anfangs
Februar im Hotel Drouot versteigert wurde, brachte
insgesamt 228715 Fr. ein. Von einzelnen Verkäufen
notieren wir: Goya, Caprichos, Madrid 1799: 1555 Fr.
— Ilero et Leandre, par le Chevalier de Qulretles,
mit kolorierten Stichen von P. L. Debaucourt, P. Di-
dot l’aine 1801: 1300 Fr. — La Fontaine, Contes et
Nouveiles. P. Didot l’alne 1795, zwei Bände, mit
Fleurons von Choftärd und Figuren nach Fragonard:
2120 Fr. — La Fontaine , Werke, 1803. (Bozerian):
1001 Fr. — Möllere, Werke, Paris 1734, sechs Leder¬
bände aus der Zeit, mit Porträtstich nach Coypel von
Lepicie und 33 Illustrationen nach Boucher gestochen
von Laurent Cars: 1400 Fr. — Balzac, Contes Drola-
tiques, illustriert von G. Dore, 1855: 360 Fr. — BI-
ranger, Chansons, Vignetten von Deveria, kolorierte
Zeichnungen von H. Monnier: 900 Fr. — Daumier,
Robert Macaire, Galerie morale des voleurs, sp^cula-
tcurs, dupeurs, tireurs, divers: 1200 Fr. — Les Fran-
$ais peints par eux-memes, Zeichnungen von Gavami
Monnier, Meissonier, Daumier usw. L. Burmer, 1840
bis 1841. Le Prisme. Gravures hors texte en deux etats:
980 Fr. — Kugler, Geschichte Friedrichs des Großen:
500 Fr. — Goethe, Faust, französische Übersetzung
von Albert Stapfer, Porträt Goethes und Zeichnungen
nach einzelnen Szenen von Delacroix: 889 Fr. — Le
Faust de Goethe, Übertragung von H. Blaze, illustriert
von Tonny Iohannot (Mercier): 260 Fr. — Goethe, Les
souflrances du jeune Werther (Cuzin). Illustrationen
von Moreau, gestochen von Ghendt und Simonnet:
400 Fr. — Goethe, Les souflrances etc. Mit vier Zeich¬
nungen von Tonny Iohannot; gestochen von Bürdet
Vor der Schrift, auf China montiert: 435 Fr. — Grand-
ville, Les Metamorphoses du jour. Bulla 1829; 1600 Fr.
— La Mösang£re. Le bon Genre. Observations sur
les modes et les usages de Paris pour servir d'expli-
cadon aux 115 caricatures publiöes sous le ritre de
Bon Genre, depuis le commencement du dix-neuvi&me
si£cle. Dessinö par Carle Vemet, Bosio, Lantö, Du-
tailly usw., et gravö par Gadne et Schencker. 1827.
Zeiteinband. Eine vollständige Sammlung der 115
Tafeln, handkoloriert: 4550 Fr. — Töpffer, Voyages
en zigzag, illustriert vom Autor und Calame: 1000 Fr.
— Vemet (Carle ), Les cris de Paris: 1500 Fr. —
Flaubert, Hdrodias. Komposidonen von Georges
Rochegrosse, gestochen von Champollion: 1330 Fr. —
Balzac, Beatrix ou les amours forcös, 1840, gebunden:
216 Fr. — Balzac , Physiologie du mariage, Canel
1830, gebunden: 395 Fr. — Barbey dAureville, L’En-
sorcelee Cadot 1855: 750 Fr. — Fromendn Dominique,
1863, broschiert auf holländisch Bütten, mit Widmung
an Cazin: 1560 Fr. — V. Hugo, Le Rhin, 1842, geb.:
245 Fr. — Merimle , Carmen 1846, geh.: 510 Fr. —
Müsset , La Confession d’un enfant du siöcle 1836,
geb.: 1150 Fr. — Müsset, Les deux Matcresses. Frd-
deric et Bemerette 1840, geb.: 1100 Fr. — Müsset,
Un spectacle dans un fauteuil, Eug. Reudnel, 1833 und
1834, acht Bände: 1800 Fr. — Stendhal, La chartreuse
de Parme 1839, zwei Bände: 1355 Fr. — Vigny (A . de),
Servitude et grandeur militaires 1835: 1355 Fr.
V on der Aukdon der vorwiegend theologischen Bücher¬
sammlung des Genfer Universitätsprofessors Stroehlin,
(Hotel Drouot, 12.—16. Februar) mit denfi Gesamt¬
ergebnis von 151314 Fr. seien erwähnt: Biblia sacra
ladna 1542, Lyoner Einband des XVI. Jahrhunderts:
3400 Fr. — Manuale ad usum Lausanensem, Genf,
Jean Belot 1500, mit Holzschnitten: 2000 Fr. — Latei¬
nisches Livre d’heures, Ms. des XV. Jahrhunderts auf
Velin, mit Miniaturen: 2060 Fr. — Albrecht Dürer,
Marienleben, 19 Blätter, Nürnberg: 1550 Fr. — Dürer ,
Kleine Passion, Nürnberg 1511, 36 Holzschnitte:
3650 Fr. — 990 „Album amicorum de Jean Durant“
1583—1592, die Seiten mit dem Rahmen des Jean de
Toumes zu Ovids Metamorphosen geschmückt; über
100 Autographen berühmter Persönlichkeiten des XVI.
Jahrhunderts: 3000 Fr.
Am 22. Februar wurde eine anonyme Sammlung
alter Manuskripte und Bücher versteigert, die, 400
Nummern umfassend, 29342 Fr. erbrachte. Eiqzeln
seien hervorgehoben: Vass /, Carmita ladna. Manu¬
skript des XVI. Jahrhunderts mit Handzeichnungen
und zwei Miniaturen 600 Fr. — Tortorel und J. Per-
risin, 40 Holzschnitte und Radierungen, Szenen aus
französischen Kriegen, Ermordungen und Revolten in
Frankreich darstellend 500 Fr..— Plutarque, les vies
des hommes par Vascosan 1657, 7 Bände, 330 Fr.
Paris, Anfang März. Otto Grautoff.
Londoner Brief.
Gerade in letzter Zeit erschienen in England eine
ganze Reihe von interessanten und gehaltvollen
Werken, von denen ich hier an erster Stelle nament¬
lich erwähne: „Stories of the German Artists by Pro¬
fessor Dr. Hans Singer, with Illustrations. London.
Chatto and IVindus*'. Das vorliegende schön aus¬
gestattete und reich illustrierte Buch stützt sich vor¬
nehmlich auf Sandrarts Werk „Teutsche Akademie“.
Letzteres wird aber nicht nur ergänzt, sondern in
einzelnen Teilen wesentlich überholt durch die ge-
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CORNELL UNiVERSITY
Londoner Brief
7
schickte, von hoher^Sachkenntnis zeugende, 'vom
Autor vorgenommene Gruppierung und Sichtung des
Stoffes, dem eine Menge Neues von Belang hinzugefügt,
Minderwertiges fortgelassen, vor allem aber tatsächliche
Irrtümer berichtigt wurden. Dr. Singer hat das ge¬
waltige Material sachgemäß wie folgt gegliedert: die
kölnische Schule, Martin Schongauer und Albrecht
Dürer. Diesen außerordentlich interessanten und für
alle Kunstforscher wissenswerten Kapiteln schließt sich
an: Burkmair, Hans Baidung und Mathias Grünwald.
Eine Fülle zum Teil bisher so gut wie unbekannter,
aber nicht nur für die Spezialkunstgeschichte, sondern
auch für die allgemeine historische Epoche, wichtiger
Details enthalten die Abschnitte: Albrecht Altdorfer
und die Nürnberger Kleinmeister, die beiden Cra-
nachs, die beiden Holbeins und Adam Elsheimer.
Den vortrefflichen Schluß bilden dann die Bemer¬
kungen über das künstlerische Schaffen und Privat¬
leben von Anton Raphael Mengs, Chodowiecki und
Anton Graff. Die Bordüre zum Titelblatt des Buches
besteht in einer verkleinerten Reproduktion der Titel¬
seite nach Holbein: „De Arte Supputandi“ von
Bischof Cuthbert Tonstall, anno 1522. Alles in
allem haben wir ein höchst bemerkenswertes Werk
vor uns.
Eine neue und tatsächlich sehr verbesserte Auflage
von „Michelangelo , by Sir Charles Holroyd London.
Duckworth &• Co“ (5 Shilling net) wurde ebenfalls kürz¬
lich publiziert Der Verfasser hatte den Vorteil, sich auf
die neue Übersetzung Homes von Condivis „Leben
Michelangelo Buonarrotis“ beziehen zu können, und
ihm standen außerdem als Direktor der „National
Galery“ in Trafalgar Sqare zu dem gedachten Zweck
noch manche andern Hilfsmittel zur Verfügung. Für
die kritische Objektivität von Sir Charles Holroyd
spricht es sicherlich, daß er seine Schrift auch da¬
durch zu einem wirklichen Musterwerke erhob, indem
er sich entschloß, die „Leda“ seiner eigenen Galerie
nicht mehr zu den authentischen Arbeiten Michel¬
angelos zu zählen. Dagegen hat er den verbürgten
Werken des letzteren die unvollendete Pietä, die sich
noch bis vor kurzem zu Rom im Hofe des Palastes
Rondini befand, hinzugefügt.
Vollständig erfüllt hat auch der zweite Teil des
nachstehenden Buches die auf dasselbe gesetzten
Erwartungen:' Oxford Books: A Bibliography of
printed Works relating to the University and City of
Oxford, or printed or published there, with Appen -
die es, Annah and Illustrations. Vol. II. Oxford
Literaiure, 1450—1640, and 1641—50. By Falconer
Madan . Oxford Clarendon Press.“ Im ganzen
wurden in dem genannten Buche <2065 Eintragungen
näher behandelt, die einen ungemein hervorragenden
Beitrag zur Geschichte der Universität Oxford liefern.
Über den heutigen Stand des englischen Journa¬
lismus gibt uns genaue Auskunft: „Seels Worlds Press**
in dem Kapitel „Journalis as a Career, Old Styl and
New“. Ferner in den Abschriften der anekdotischen
Geschichte der britischen Presse, in dem „Leben
Disraelis“ und in dem über die „Times“ handelnden
Aufsatz. Augenblicklich erscheinen in England 2890
Zeitungen, von denen allein in London 735 veröffent¬
licht werden.
In dem „Public Record Office' 4 , dem Staatsarchiv
Englands, wurden vor nicht allzu langer Zeit hoch¬
interessante Dokumente entdeckt, die zugleich einen
wichtigen Aufschluß darüber geben, welche von
den ersten englischen Königen und Prinzen von Ge¬
blüt überhaupt schreiben konnten und wie deren
Handschrift beschaffen war. Das Resultat der be¬
züglichen Untersuchungen bildet ein mit der Repro¬
duktion zahlreicher Schriftproben der Regenten ver¬
sehenes und in Faksimile wiedergegebenes Hand¬
schriftenwerk, betitelt: „The Handwriting of the Kings
and Queens of England. By W. f. Hardy. The
Religious Tract Society“. Der Verfasser ist der An¬
sicht, daß die „Magna Charta“, der große englische,
von den Baronen dem König Johann abgetrotzte Frei¬
brief, nicht des letzteren eigene Unterschrift aufweist,
sondern daß diese vielmehr zuvor von einem Geist¬
lichen angefertigt wurde. Die erste hier wirklich als
beglaubigt anzusehende Namensunterschrift ist die des
Schwarzen Prinzen. Heinrich VIII. Handschrift
wechselte in den verschiedenen Phasen seines Lebens
und gewährt den Graphologen ein ebenso umfang¬
reiches Studium wie Napoleons Handschrift, auf
Grundlage derer allein der Abbö Michon eine Lebens¬
geschichte des Kaisers schrieb. Von sämtlichen
Frauen Heinrich VIII. liegen Schriftproben vor. Die
Königin Victoria unterschrieb ihren ersten Brief im
Alter von vier Jahren. Als ein frühzeitiges Handels¬
genie erwies sich der zehnjährige Sohn der Prinzessin
Beatrice, der sich an die Königin Victoria mit dem
Gesuch um einen Zuschuß von einem Pfund für sein
Taschengeld wandte, aber abschläglich beschieden
wurde. Darauf gelangte Zug um Zug folgendes
Schreiben an die Königin: „Liebe Großmama! Ich
danke dir sehr für deinen Brief. Es war wirklich
sehr nett, mir so zu schreiben. Ich habe den Brief
sofort für vier Pfund zehn Schilling an einen Hand¬
schriftensammler verkauft. Dein getreuer Enkel.“
Die uralte Kathedrale von Peterborough besitzt
eine schöne und sehr wertvolle Bibliothek von etwa
8000 Bänden, unter denen sich Inkunabeln und Werke
seltenster Art befinden. Durch Zufall wurde vor
einigen Tagen die bedauerliche Entdeckung gemacht,
daß ein junger Mann etwa 80 der bedeutendsten
Werke entwendet und nach verschiedenen Seiten hin
verkauft hat Eine Warnung vor Ankauf befindet sich
in den englischen Blättern und die gerichtliche Ver¬
folgung ist bereits im Gange.
Aus der dramatischen Welt ist zu berichten, daß
der hiesige deutsche Botschafter, Graf Paul Wolff-
Mettemich, das besondere Protektorat über die Fest¬
vorstellung von ,Alt-Heidelberg“ übernommen hat,
die zum Besten des Deutschen Wohltätigkeits-Vereins
am 31. dieses Monats in dem „New Princes-Theatre“
stattfinden wird. Die Ausführung liegt in der Hand
des „Deutschen Bühnen-Vereins London“. Derselben
Privatgesellschaft steht Sonntags zu dramatischen
Aufführungen das „Court Theater“ zur Verfügung.
| Hier wurde „Das Opferlamm“ von Oskar Walther
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CORNELL UNIVERSUM
8
Wiener Brief
und Leo Stein, unter Mitwirkung von Herrn Paul
Nathell vom Berliner Schiller-Theater gegeben, in
dessen Händen sich die Hauptrolle befand.
Am i. Mai dieses Jahres wird in Margate zur
Feier des 50jährigen Bestehens der Philatelischen Ge¬
sellschaft, der Philatelische Kongreß Großbritanniens
tagen. Hierbei wird eine Ausstellung von Brief¬
marken vorgesehen, und soll außerdem alles nur auf
den Gegenstand Bezügliche von Druckwerken, Kata¬
logen und Zeitschriften zur Stelle sein, kurzum, die
gesamte betreffende Literatur lückenlos zur Vertretung
gelangen. Ferner läßt der Kongreß eine Erinnerungs¬
marke drucken. Der Präsident der Gesellschaft, der
Graf von Crawford, der zugleich der bedeutendste
Sammler Englands ist, hat seine Kollektion, mit Aus¬
nahme der englischen und amerikanischen Marken an
Mr. W. H. Peckitt, London, 47. Strand, verkauft.
Unter den von der Firma Sotheby veranstalteten
Bücherauktionen sind mehrere zu verzeichnen, die
sehr günstige Resultate aufweisen. So wurden unter
anderen folgende Preise gezahlt: „Dresser „Birds of
Europe“ acht Bände. 1871—81, 750 M. IJlford
„Birds of the British Jslands“, acht Bände, 1891—7,
1000 M., Holbein „Historiarium Veteris instrumenti
Icones", 1538, 1020 M. Ein Psalter auf Velin, ein
schön illuminiertes Manuskript aus dem XIII. Jahr¬
hundert, hergestellt von einem vlämischen Künstler,
15000 M. (Sabin). „Leben der Heiligen“, deutsch, ein
Manuskript aus dem XV. Jahrhundert, 1S00 M.
Beaumarchais Original-Handschrift von „Le Mariage
de Figaro“, 2020 M. (Sabin). „Book of Martyrs“,
Bunyans Exemplar, 12000 M. Für das einzig bekannte
intakte Exemplar von Charles Lambs „King and Queen
of Hearts“, zahlte Mr. Sabin den Rekordpreis von
7000 M. Eine unvollständige erste Folio-Ausgabe
Shakespeares erstand Quaritch für 10000 M. Die erste
Ausgabe von Waltons „Compleat Angler“ erreichte
15000 M. Eine Sammlung autographischer Briefe
Mirabeaus erwarb Mr. Hornstein für 1560 M.
Bei Christie fand Anfang März eine Auktion von
Original-Zeichnungen statt, die von 1869—1S99 als
Vorlagen zur Illustration von „Vanity Fair“ gedient
hatten. Folgende Porträts wurden am höchsten be¬
wertet: Pellegrinis Porträt vom Grafen Beaconsfield“
(Disraeli) 540 M. L. Ward „Lord Randolph Chur¬
chill“ 500 M. L. Ward „Joseph Chamberlain“
360 M. J. Tissot „Der fähigste Staatsmann in Europa“
(Bismarck) 300 M. Tissot „Darwin“, 200 M. und
Pellegrini „Der Herzog von Connaught“ 150 M.
Die englische Tages- und periodische Presse
brachte dem verstorbenen Felix Dahn einen sehr
ehrenden Nachruf. In der Meinung der hiesigen
Kritik steht sein Buch „Der Kampf um Rom“ am
höchsten, und wird ganz besonders sein Patriotismus
allseitig gerühmt und anerkannt. Viele englische
Autographensammler wandten sich an Dahn um seine
Handschrift zu besitzen; einigen davon gelang es
auch, sein Autograph in der von ihm beliebten Form
zu erhalten: „Der größte Schatz des Mannes ist sein
Vaterland!“
London, Anfang März.
O. v. Schleinits.
Wiener Brief.
Das soeben erschienene IX. Jahrbuch (1911) der
tr e ff lieh geleite ten Österreichischen Exlibris - Gesellschaft
macht einem wieder Freude. Es präsentiert sich, wie
stets, in vornehmem Gewände, und ist außerdem
diesmal in besonders starkem Umfange erschienen.
Aus dem reichen Inhalte möchte ich vor allem den
warm empfundenen Nachruf erwähnen, den R. v.
Höfken dem verstorbenen Präsidenten der Öster¬
reichischen Exlibris-Gesellschaft M. v. Weitenhiller
widmet Dem schließt sich ein Aufsatz E. Krahls an,
der Weitenhiller als Künstler würdigt Der verstor¬
bene Präsident der Österreichischen Exlibris-Gesell¬
schaft war nicht allein auf dem Gebiete heraldischer
Kunst und Wissenschaft hervorragend tätig, sondern
auch als Zeichner, Radierer usw. auf landschaftlichem,
architektonischem, figuralem und auf dem Gebiete
der Exlibris-Kunst. Den beiden Aufsätzen sind eine
Porträtradierung von E. Heermann und 14 Abbil¬
dungen beigegeben. Es folgen dann Artikel über die
Supralibros des Stiftes Seitenstetten (von P. Josef
Schock), über drei alte Bucheignerzeichen Trients
(von J. Anderle), über drei alte Bücherzeichen (von
Dr. Th. Gottlieb), ein Aufsatz über das „Eigenblatt“
als Tauschobjekt (von Alfred Coßmann), Würdigungen
über die Exlibriskünstlerinnen Hedwig Gerber und
Hede v. Trapp, über Hans Eibl und Treßlers Girardi¬
blatt (aus der Feder des Jahrbuch-Redakteurs Gerhard
Ramberg), über Neuerscheinungen österreichischer
Exlibris (von Fr. Anderle) usw. Das Jahrbuch, das
von der Buchdruckerei Carl Gerolds Sohn in Wien
VIII hergestellt wurde, ist mit Abbildungen, ein¬
geklebten Beilagen, farbigen Kunstblättern, Rötel-
drucken, Zweifarbendrucken, Heliogravüren usw. ver¬
schwenderisch ausgestattet. Man muß sich fast wun¬
dem, daß die Gesellschaft um den geringen Jahres¬
beitrag von 10 Kr. eine so prächtige Gabe an die
Mitglieder unentgeltlich verteilen kann. Die Öster¬
reichische Exlibris-Gesellschaft nimmt auch außerhalb
Österreichs Ansässige als Mitglieder auf.
Ein Schildbürgerstückchen schlimmster Art hat
sich kürzlich ein Wiener Lese- und Bibliotheksverein
geleistet. DAnnunzios Schmähgedicht gegen Öster¬
reich und dessen Herrscher (siehe den Wiener Brief
im Märzhefte d. J.) hat in Wien nicht allein Dichter
wie Hugo v. Hofmannsthal zu energischer Abwehr
veranlaßt, sondern auch bei mehr oder weniger be¬
rufenen Personen eine zum Teil recht im verständliche
Aufregung verursacht. Auch der Verein „ Wiener
Zentral Bibliothek“ (das größte Wiener Lese- und Aus¬
leihe-Institut) glaubte mit seiner patriotischen Empö¬
rung nicht Zurückbleiben zu müssen und faßte in der
Generalversammlung den Beschluß, Gabriele dAnnun -
zios Werke aus den Listen der Bibliothek zu streichen.
So wird in Österreich mitunter in Patriotismus ge-
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CORNELL UNIVERSUM
Wiener Brief
9
macht Es wäre noch verständlich, wenn die Herren
der Zentralbibliothek das strittige Pamphlet aus den
Beständen des Institutes verbannt hätten. (Das aber
haben sie wahrscheinlich nie zu Gesichte bekommen.)
Nein, der ganze d’Annunzio wird verbrannt. Daß
sich der italienische Dichter selbst in den letzten
Jahren manchmal in recht bedenklicher Weise zum
Herold der Gassenstimmungen herabgewürdigt hat,
berechtigt noch niemand, über seine Werke als
Ganzes den Stab zu brechen. Trotz dem häufigen
Schwulst der Sprache, die gerne in gesuchtestem
schweren Brokat einherschreitet, ist d’Annunzio auch
ohne die ausdrückliche Bestätigung der Herren von
der Zentralbibliothek ein Dichter. In der erwähnten
Generalversammlung fand sich wenigstens ein Mitglied,
das die Dummheit nicht mitmachen wollte. Freilich,
dessen Proteste gegen die himrissige Aktion fanden
nur taube Ohren.
Stendhal - Verehrer seien auf einen Aufsatz auf¬
merksam gemacht, (Literaturblatt d. „N. Fr. Presse“
vom 3. März Nr. 17072,) in dem Anton Bettelheim
bisher unveröffentlichte Mitteilungen über Stendhal-
Beyles Triester Konsulat bringt. Sie sind aus öster¬
reichischen Polizei - und Zensurakten geschöpft. 1830
wurde Stendhal zum Konsul in Triest ernannt. Metter¬
nich versagte ihm das Exequatur. In den von Bettel¬
heim veröffentlichten Polizeiberichten werden Stendhals
Persönlichkeit und Werke polizeikritisch beleuchtet.
Ergebnis: den „Atheisten“ und „Ketzer“ Stendhal
kann man als Generalkonsul nicht brauchen. — Die
Veröffentlichung der gesamten darüber handelnden
Akten soll in den „Süddeutschen Monatsheften“ er¬
folgen.
Das Kuratorium der Bauemfeld-Stiftung hat fol¬
genden Schriftstellern Ehrengaben im Betrage von
1000 Kr. erteilt: Paul Apel in Wolfgang in Graubün¬
den für sein Traumspiel „Hans Sonnenstößers Himmel¬
fahrt“, dem Novellisten Felix Salten und dem Roman¬
schriftsteller Jakob Wassermann in Wien, dem Lyriker
Dr. Friedrich Adler in Prag und Siegfried Trebitzsch
für seine Novelle „Des Feldherm erster Traum“.
Der letztgenannte Wiener Schriftsteller ehrte sich
überdies dadurch, daß er die Hälfte seiner Ehren¬
gabe dem in gedrückten Verhältnissen lebenden, außer¬
dem kränklichen, aus Proletarierkreisen stammenden
Dichter Alfons Petzold zukommen ließ, dessen eben
in geschmackvoller Ausstattung erschienener neuer
Skizzenband „ Memoiren eines Auges “ (Anzengruber-
Verlag, Brüder Süschitzky t Wien X) allseits große
Beachtung findet Schon die erste Gedichtsammlung
des 1882 geborenen Alfons Petzold „ Trotz alledem"
hat man mit tiefer Bewegung gelesen. Ein hartes
Proletarierleben war bisher sein Los. Als Lehrling
in einer Metallschleiferei begann er, um nacheinander
Kellner, Packer, Fensterputzer, Geschäftsdiener, Bau¬
arbeiter usw. zu werden. Seine Mutter brach sich
eines Tages bei der Arbeit beide Hände. Petzold,
der oft posten- und brotlos war, erkrankte überdies
vor einigen Jahren an einer schweren Lungenentzün¬
dung, die ihn arbeitsunfähig machte. Nun nahmen
sich endlich Freunde, die seinen dichterischen Wert
Z. f. B. 1912/1913.
erkannten, seiner an. Gewiß soll die Bedeutung des
Dichters nicht überschätzt werden, vieles ist noch
ungefüge, ungelenk, allzu qualvoll und unrein im
künstlerischen Sinne. Auch die Tendenz, so sehr sich
Petzold vielleicht auch Mühe geben mag, sie zu unter¬
drücken, schlägt allzu oft noch durch. Allein ein
dichterische Kraft ist dieses Proletarierkind, dessen
Verse und Skizzen aus dem Leben des Arbeiters ent¬
nommen sind, unzweifelhaft.
Ein grünes Heft liegt vor mir im altmodischen
Format der Liederhefte, wie sie zur Zeit Schuberts
üblich waren. Den Umschlag ziert ein Faksimile der
ersten Takte eines Kanons auf einen den meisten
Wienern wohlbekannten Ausflugsort, nämlich die
Krainerhütte bei Baden. Das Heft trägt den Titel
„Berühmte Besucher Badens “ und stellt die fleißige
Arbeit eines Badener Lokalchronisten, Paul Tausig,
dar, der an der Hand der Kurlisten des alten und
vielbesuchten Schwefelbades Baden sich die Mühe
nicht hat verdrießen lassen, uns genau über Aufent¬
haltsdauer und Zweck des Besuches der Heilquellen
seitens berühmter Künstler, Dichter, Musiker usw.
zu unterrichten. Von den vielen Fürstlichkeiten ganz
abgesehen, marschiert natürlich fast das gesamte vor¬
märzliche Wien und Österreich auf, soweit es auf
irgendeinem Gebiete der Kunst oder Wissenschaft
Ruf besaß. Namen hier aufzuzählen, hieße alle Be¬
rühmtheiten der Zeit nennen. Natürlich weilte auch
Eichendorff hier, Fanni Elßner, Gentz, Raimund»
Grillparzer, Bauemfeld usw. Von späteren sei L. Gru-
ber erwähnt, der hier um 1867 als Statist im Stadt¬
theater auftrat, um später als Ludwig Anzengruber
in ganz anderer Weise am Theater beschäftigt zu
sein. Auch der Enkel Goethes, Legationsrat Goethe,
befindet sich in der alphabetisch geordneten Liste,
die kurz und trocken eigentlich nur reine Daten ver¬
zeichnet. Man sollte gar nicht glauben, was findige
Chronisten mehr oder weniger berühmter Orte (in
Baden spielt ja größtenteils auch Schnitzlers „Weites
Land“) mit Kur- und Fremdenlisten alles anzufangen
wissen. Das hübsche Heft, das sich als Beitrag zur
Stadtgeschichte Badens bezeichnet, ist nur in einer be¬
schränkten Auf läge von hundert Exemplaren erschienen.
Die Originalpartitur von Josef Haydns Oratorium
t Jl ritomo di Tobia", zweiter Teil, ist durch die Gesell¬
schaft der Musikfreunde für deren berühmte Samm¬
lung von Handschriften der großen Meister der Ton¬
kunst käuflich erworben worden. Der kostbare Band
besteht aus hundert von Haydn mit seiner zierlichen
und deutlichen Notenschrift bedeckten Blättern und
war zu Haydns Zeiten im Besitze einer Marchioneß
of Bute, einer Dame aus der Familie des bekannten
englischen Staatsmannes dieses Namens.
In Salzburg ist Mitte Februar die Schriftstellerin
Irma v. Troll-Borostyani gestorben. Fast niemand
hat vom Tode dieser Frau Notiz genommen. Und
doch war die Verstorbene einmal eine vielgenannte
Schriftstellerin. In der Sturm- und Drangperiode der
Frauenbewegung trat sie mit zahlreichen, heute freilich
ziemlich überholten Schriften für die „ Gleichstellung
der Geschlechter " ein, wie sich ihr Hauptwerk nannte,
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CORNELL UNIVERSITY
IO
Römischer Brief
zu der Ludwig Büchner das Vorwort schrieb. Auch
auf dem Gebiete der Novelle und des Romans hat
sich die ihrer Zeit viele Anhänger besitzende Schrift¬
stellerin nicht ohne Begabung versucht. In den letzten
Jahren war ihr Name ganz verschollen.
Im Dorotheum fand in den Tagen vom 5. bis
zum 10. Februar die Versteigerung der Kupferstich*
Sammlung des Kunsthistorikers Dr. Alfred v. IVurz -
bach statt, die eine beträchtliche Anzahl vorzüglicher
und höchst seltener Blätter aller Schulen, vornehmlich
der niederländischen Maler und Radierer des XVII.
Jahrhunderts enthielt. Der darüber seinerzeit aus¬
gegebene Katalog verzeichnet ungefähr 500 Blätter
der Werke Rembrandts und seiner Schüler, ferner
eine Anzahl von Blättern des berühmten Rembrandt-
stechers G. J. Schmidt (40 Blätter), ein reichhaltiges
Ostadewcrk usw. Ich verweise bei der nachfolgenden
Anführung der Aukuonsergebnisse auf die Nummern
dieses durch die -Firma Halm 6 t 3 Goldmann ausge¬
gebenen Kataloges. Die wichtigsten Ergebnisse waren
nachstehende:
Nr. 28 — Kr. 35; Nr. 33 — Kr. 90; Nr. 56 —
Kr. 85; Nr. 57 — Kr. 360; Nr. 68 — Kr. 42; Nr. 69
— Kr. 60; Nr. 94 — Kr. 46; Nr. 98 — Kr. 47;
Nr. 102 — Kr. 56; Nr. 192 — Kr. 44; Nr. 220 —
Kr. 62; Nr. 276 — Kr. 62; Nr. 277 — Kr. 62; Nr. 278
— Kr. 62; Nr. 333 u. Nr. 334 — je Kr. 50; Nr. 366
— Kr. 130; Nr. 419 — Kr. 100; Nr. 444 — Kr. 110;
Nr. 445 — Kr. 185; Nr. 564 — Kr. 82; Nr. 596 —
Kr. 140.
Nr. 663 — Kr. 64; Nr. 926, 927 — Kr. 70; Nr. 938
— Kr. 42; Nr. 960 — Kr. 50; Nr. 974 — Kr. 62;
Nr. 1077 — Kr. 68; Nr. 1083 — Kr. 50; Nr. 1086, 1087
— Kr. 59; Nr. 1088, 1089 — Kr. 54; Nr. 1093 —
Kr. 51; Nr. 1095 — Kr. 70; Nr. 1098 — Kr. 62;
Nr. 1101 — Kr. 50; Nr. 1108 — Kr. 90; Nr. 1113 —
Kr. 58; Nr. 1114 — Kr. 68; Nr. 1133, 1134, 1135 —
Kr. 150; Nr. 1158 u. 1159 — Kr. 110; Nr. 1160 —
Kr. 84; Nr. 1162 — Kr. 145; Nr. 1176, 1177 —
Kr. 260; Nr. 1197 — Kr. 90; Nr. 1200 — Kr. 100;
Nr. 1208, 1209, 1210 — Kr. 140; Nr. 1211 — Kr. 325;
Nr. 1255 — Kr. 175; Nr. 1256 — Kr. 75; Nr. 1257
— Kr. 110; Nr. 1281 — Kr. 95; Nr. 1282 — Kr. 205;
Nr. 1286 — Kr. 70; Nr. 1287, 1288 — Kr. 70; Nr. 1290
— Kr. 70; Nr. 1294 — Kr. 160; Nr. 1349 — Kr. 120;
Nr. 1350 — 100; Nr. 1352 — Kr. 280; Nr. 1377 —
Kr. 85; Nr. 1387 — Kr. 315; Nr. 1416 — Kr. 135;
Nr. 1417 — Kr. 450; Nr. 1427 — Kr. 270; Nr. 1452
— Kr. 70; Nr. 1461 — Kr. 150; Nr. 1473, 1474 —
Kr. 78; Nr. 1475 — Kr. 72; Nr. 1575, 1576 — Kr. 75.
Über die Gründungsversammlung der Wiener
Bibliophilen-Gesellschaft wird an anderer Stelle dieses
Beiblattes berichtet.
Wien, am 8. März 1912. Hans Feig 1 .
Römischer Brief.
Zu den beiden wichtigen Werken über die
Bibliographie der Topographie von Rom De Rosst',
Plante iconografiche e prospettiche di Roma anteriori
al secolo XVI und Rocchi, Piante di Roma nel
secolo XVI, wird sich in kurzem ein drittes be¬
deutendes Werk aus der Feder des P. Ehrle, des
wegen seiner Kenntnisse allgemein geachteten Biblio¬
thekars der Biblioteca Vaticana, gesellen. Diese
großartig angelegte Publikation wird in der Kunst¬
anstalt von Danesi in Rom hergestellt und wird den
Titel führen: „Le piante maggiori dei secoli XVI e
XVII, riprodotte in fototipia a cura della Biblioteca
Vaticana Sie wird folgende Bände umfassen, von
denen der erste und zweite bereits erschienen sind:
1. Roma al iempo di Giulio III. — La pianta di
Roma de Leonardo Bufalini del 1551, riprodotta per
la prima volta dalla stampa originale. Roma, 1911
(Preis Lire 20,—). 2. Roma prima di Sisto V. — La
pianta di Roma Du Pt?rac-Lafrery del 1577. Contributo
alla storia del commercio delle stampe a Roma nel
secolo XVI e XVII. Roma, 1908 (Preis Lire 15,—).
3. Roma al ternfo di Paolo V. — La. Pianta di An¬
tonio Tempesta dei 1606 (in Vorbereitung). 4. Roma
al te?npo di Urbano VIII. (1623—1644). — La pianta
di Roma Maggi-Maupin-Losi, di quarantotto fogli,
riprodotta da uno dei tre esemplari completi, fin
adesso conosciuti. 5. Roma al tempo di Urbano VIII.
(1623—1644). — La Pianta di Roma pubblicata da
Goert van Schaych (Gottifredo Scaicchi) nel 1630 (in
Vorbereitung). 6. Roma al tempo di Innocenso XL —
La pianta di Roma di Giovanni Batt. Falda del 1676
(in Vorbereitung). — Zu diesen sechs Bänden werden
dann noch zwei Supplementbände kommen: 1. La
grande veduta Maggi-Mascardi (1615) del Tempio e
del Palazzo Vaticano, stampata coi rami originale e
con introduzione di Francesco Ehrle, S. J. Roma 1911.
2. La pianta della Campagna Romana del 1547, in sei
fogli, riprodotta in fototipia dalla copia Vaticana,
unica finora, con introduzione di Tommaso Ashby
(in Vorbereitung).
Professor Guido Busdco hat zu seiner Alfieri-
Bibliographie nunmehr ein Supplement erscheinen
lassen: Supplemento alla bibliografia di Vittorio
Alfieri. Domodossola , Tipografia Orsolana, 1911.
36 Seiten. 8°. Dies Supplement ist in zwei Teile ein¬
geteilt: 1. Bibliografia delle opere dell Alfieri und
2. Bibliografia della Critica, in denen zusammen 712
Nummern aufgezählt und beschrieben werden.
Im Jahre 1910 wurden — wie aus dem Bollettino
della proprietä intellettuale hervorgeht — im ganzen
883 Werke bei dem italienischen Ministerium für
Ackerbau, Industrie und Handel hinterlegt Hiervon
waren 770 Originale, 88 Übersetzungen und 25 Werke
in fremden Sprachen. Diese Statistik weist ein be¬
deutendes Mehr gegen die Vorjahre auf: Im Laufe
von zehn Jahren hat sich die Zahl der hinterlegten
Werke nahezu verdoppelt. Von jedem in Italien
erscheinenden Buche muß ein Exemplar bei dem ge¬
nannten Ministerium deponiert werden.
In Genua ist der 100. Geburtstag Charles Dickens
festlich begangen worden. Das Haus, in dem der
Dichter im Jahre 1844 gewohnt hatte, schmückt eine
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CORNELL UNIVERSUM
kdmischer Brief
tt
# Marmortafel; am 7. Februar begab sich nun der
Bürgermeister mit einer Abordnung des Gemeinde¬
rates dahin, um an dieser Tafel einen ehernen Kranz
anzubringen. Die Tafel trägt die Inschrift: In questa
Villa dal prisco rosso delle sue mura „Pink Jail" ebbe
gradita dimora Carlo Dickens geniale e profondo ri-
velatore del sentimento moderno* 4 (In dieser Villa, die
nach dem alten Rot ihrer Mauern den Namen „Pink
Jail" führt, verlebte Charles Dickens, der geniale und
tiefe Envecker des modernen Empfindens, einst an¬
genehme Tage). Auf dem Kranze stehen die Worte:
„Genova a Carlo Dickens , 7. febbraio 1912 Im Ge¬
meinderat hielt dann der Bürgermeister bei Eröffnung
der Sitzung eine ausgezeichnete kurze Gedächtnisrede,
die von der Versammlung und dem Publikum mit
lebhaftem Beifall aufgenommen wurde.
Einer der letzten Bände der bedeutenden bei
Laterza in Bari erscheinenden Sammlung „ Classici della
filosofia m oder na“ enthält zum ersten Male in italieni¬
scher Übersetzung die beiden philosophischen Haupt¬
schriften Reni Descar tes '.- „Discours de la mit ho de
pour bien conduire sa raison et chercher la viriti
dans les Sciences" und „Meditationes de prima philo-
sophia Über diese wichtige Neuerscheinung lese
ich in der Nuova Antologia: A. Tilgher hat eine ge¬
treue und mit gelehrten Anmerkungen versehene
Übersetzung von Descartes’ Discorso sul metodo und
Meditaxioni filosofiche besorgt, denen er eine Ein¬
leitung über die Entstehung und Geschichte dieser
für die Entwickelung des modernen philosophischen
Gedankens so hervorragend wichtigen Werke voraus¬
schickt Die Arbeit Tilghers ist durch die vor kurzem
vollendete Nationalausgabe der Werke Descartes’ und
durch die Biographie des Philosophen von Carl Adam
sehr erleichtert worden; aber das nimmt der Ver¬
öffentlichung Tilghers nichts von ihrem Wert und ihrer
Bedeutung für das gegenwärtige Wiederaufleben der
philosophischen Studien in Italien. Diese Werke
Descartes’ waren tatsächlich noch niemals vollständig
ins Italienische übersetzt worden und wurden von den
wenigen Philosophen von Fach im Urtext, das heißt
französisch — wie der Discorso — oder lateinisch —
wie die Meditaxioni — gelesen, und so war ihre Auf¬
nahme in die Sammlung Laterza, in italienischer
Übersetzung, ein sehr verständiges Unternehmen.
Besonders der Discorso ist von grundlegender Wich¬
tigkeit für die Geschichte der modernen Philosophie
und der mathematischen Wissenschaften. Tilgher
hat auf Grund genauer Berechnungen festgestellt,
daß sich Descartes mit den mathematischen Ideen,
die er darin niedergelegt hat, im Winter 1619—20 vor¬
nehmlich beschäftigte; das ist um die gleiche Zeit,
als man in Rom seinen großen Zeitgenossen Galileo
Galilei ’, den Umstürzer des Aristotelischen Systems,
verurteilte.
Emst Rodocanachi , dem wir schon so manche
treffliche Arbeit über die italienische Renaissance
verdanken, hat bei Hachette in Paris ein neues,
prächtiges Werk veröffentlicht: tt Rome au temps de
Jules II, et de Lion X" Der Verfasser untersucht
mit seltener Kenntnis die so merkwürdige und kom¬
plizierte römische Gesellschaft der Renaissance, die
Zusammensetzung des heiligen Kollegs, die wirtschaft¬
lichen Verhältnisse der Kardinäle, ihr öffentliches und
privates Leben, das Leben der beiden größten Re¬
naissancepäpste, ihre Reisen, Vergnügungen, Jagden,
Bankette usw. Von besonderem Interesse ist das
Kapitel über die Veränderungen der Stadt Rom unter
Julius II. und Leo X., das, wie das ganze Werk, sehr
reich mit ausgezeichneten auf Originale zurückgehen¬
den Abbildungen illustriert ist.
Wenn auch infolge verschiedener Umstände ein
wenig verspätet, so soll doch auch an dieser Stelle
auf die Ende vorigen Jahres bei Olschki in Florenz
erschienene Monumentalausgabe von Dantes Divina
Commedia gebührend hingewiesen werden. Diese
Ausgabe ist mit einem ungeheuren Aufwand von
Mühe, Zeit und Geld hergestellt und verrät sachlich
wie typographisch die reichen Kenntnisse und den
sicheren Geschmack des Herausgebers. Wer jemals
in Italien Druckwerke herzustellen hatte und weiß,
mit welchen Schwierigkeiten man zu kämpfen hat,
besonders, wo es sich um nicht ganz alltägliche Ar¬
beiten handelt, wird dieses große, mühevolle Druck¬
werk noch ganz besonders zu würdigen wissen. Und
das muß rückhaltlos anerkannt werden — mag auch
der oder jener dies oder das nicht gutheißen, der
Geschmack ist ja nun mal ein gar persönliches Ding
— die typographische Ausführung ist hervorragend,
und nach meiner Überzeugung wird jeder, der über¬
haupt von dem Geist alter und der Technik moderner
Drucke ein wenig versteht, wenn er alles nur in allem
nimmt, diese neue Dante-Monumentalausgabe als eine
Publikation allerersten Ranges ansehen müssen.
Das Papier ist eigens für diese Ausgabe von der
Firma Miliani in Fabriano hergestellt worden und
zeigt als Wasserzeichen das Porträt Dantes und das
Signet des Verlegers. Der Druck — schwarz und
rot — ist in zwei Kolonnen angeordnet, von denen
die eine den Text, die andere (in kleinerer Schrift)
den Kommentar enthält, und ist mit schönen Initialen
geschmückt. Die Gesänge, deren Text nach den
neusten Ergebnissen der Danteforschung gewissenhaft
korrigiert ist, sind außerdem von prachtvollen Holz¬
schnitten begleitet, getreuen Nachbildungen der 101
Figuren, die die berühmte Venezianer Ausgabe von
1491 illustrieren. Der Band umfaßt 600 Seiten
in großem Folioformat und ist in einer einmaligen
Ausgabe von 300 Exemplaren hergestellt, die fort¬
laufend und mit dem gedruckten Namen des Sub¬
skribenten versehen sind. Der Einband ist aus
braunem Leder gearbeitet, mit reichen Blindpressun¬
gen geschmückt und mit Schließen und Bronze¬
beschlägen an den Ecken und in der Mitte versehen
— das Bronzemedaillon in der Mitte der Einband¬
decke zeigt das Porträt Dantes. — Außer den 300
Exemplaren auf Papier sind sechs auf Pergament
abgezogen worden, in denen die Initialen zu Anfang
eines jeden Gesanges und die Namen oder das
Wappen oder Ex-libris des Subskribenten von dem
Florentiner Miniator Professor Amedeo Nesi in Gold
und Farben miniert sind. Diese Miniaturen sind in
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CORNELL UNIVERSITY
12
Amsterdamer Brief
Anlehnung an die Ornamente in den Handschriften
in der Laurenziana in Florenz ausgeführt. Die Ein¬
bände dieser Exemplare sind mit Schließen und Be¬
schlägen in massivem Silber versehen. Die Ausgabe,
der eine Vorrede von Gabriele dAnnunzio vorangeht,
ist dem König von Italien gewidmet Der Preis be¬
trägt 600 Lire, für das Pergamentexemplar 3000 Lire.
Die an Versteigerungen arme Saison wurde
durch eine zehn Tage dauernde Auktion bei Rossi
auch nicht sonderlich belebt Immerhin bot der
erste Tag — die folgenden neun waren wenig inter¬
essant — manch’ wichtiges und viel umworbenes
Stück. Ich gebe nachstehend eine kleine Auswahl
der erzielten Preise: Gauricus, De sculptura Florenz,
Junta, 1504. L. 42.—. Ofßciutn S.Januarii. Neapel,
1525. L. 42.—. Sophocles, Tragodiae. Venedig, Aldus,
1502. L. 95.—. Donatus, In Ovidium fabulae. s. 1 . n. d.
(wahrscheinlich: Louvain, Johannes de Westphalia,
XV. Jahrhundert) L. 125.—. Theobaideo, Sonetti,
capitoli e rime chiamate opere datnore. Modena,
Dom. Rocociolo, 1498. L. 82.— . Boccaccio , Deca-
merone. Firenze, Junta, 1527 (der sehr seltene Ori¬
ginaldruck). L. 150.— . Boccamazzo, Trat tato della
caccia. Roma 1548, L. 250. —. Passavanii, Specchio
di vera penitentia. Firenze 1495, L. 230.— . Chariteo.
Opere. Neapel, Sigism. Mayr, 1509. L. 100.— . Hasius,
In artem chiromanticam. Augsburg 1509. L. 78.—.
Landino , Formulario di lettere . s. 1 . n. d. (Florenz
cirka 1490). L. 22a—. Hipocrates , Opusc. reper- •
torii in mutationes aeris etc. Venedig, Ratdolt 1485.
L. 52.—-. Pescatore , Vendetta die Ruggiero. Venedig
1557. L. 75.—. Alchabitius, Ubellus ysagogicus .
Venedig, Ratdolt, 1685. L. 69.-—. Demi, Orlando
innamorato. Venedig 1545. L. 56.—. Biblia lat in a.
Venedig, Junta, 1511. L. 150.—. Caracciolo, De
timore divinorum judiciorum. Venedig 1475. L. 120.—.
Oliva, Ucelleria. Roma 1622. L. 53.—. Primo libro
de Don Polindo. Toledo 1526. (Außerordentlich
seltener Ritterroman.) L. 1210.—. Sabadino, Libro
di Novelle, intitol. Le Porretane . Bologna, Henr. de
Colonia, 1483. L. 315.—. Varthema , Itinerarium.
s. 1 . ni. d. (Mailand 15 ii). L. 165.—. Itinerarium
Portugallensium e Lusitania in Indiam etc. (Mailand
1508). L. 600.—. Faber , Arithmetik2. Paris 1496.
L. 195.—. Aristoteles, Organon (graece). Venedig,
Aldus, 1495. L. 320.—. Panzer , Annales typographici.
XI Bände. L. 525.—. Ovid, Metamorphosen. Ve¬
nedig 1509. (Mit prächtigen Holzschnitten). L. 335.—.
Ramusio , Navigationi et viaggi. 1583—1606. L. 150.—.
Tasso, Gerusalemme liberata. Venedig 1745. Grob-
Folio mit vielen Figuren. L. 170.—.
Vom 18. bis 20. März kommt bei der gleichen
Firma eine wertvolle Sammlung alter Werke über
Fechtkunst und Duell zur Versteigerung.
Rom, Anfang März 1912.
Ewald Rappaport.
Amsterdamer Brief.
Im Dezemberheft des „Gids u schreibt Franz Erens
über Stefan George und einiges andere mehr; deshalb
hat er als Titel „Mymmeringen“ (Träumereien) ge¬
wählt Den Ausgangs- und Endpunkt seiner Be¬
trachtungen bildet die letzte Gedichtsammlung von
Stefan George „Der siebente Ring". Als eine der
Haupteigenschaften der Georgeschen Muse bezeichnet
Erens hier den Stolz, den geistigen Hochmut der
zwischen den wenigen Eingeweihten und der großen
dumpfen Menge so streng scheidet, und er vermißt
die Liebe. Er charakterisiert dann die Kunst Ge¬
orges als eine intellektuelle, die Reflexion hat die
Oberhand, ohne daß jedoch irgendwie „moderne“ Ge¬
danken ausgesprochen werden, wie bei Mombert oder
Dehmel. Denn das Streben nach Tageserfolg, den
die Behandlung moderner Probleme so leicht erzielt
ist George fremd. Er findet auch Verwandtschaft
mit Nietzsche, besonders mit dem Zarathustra „wo
die Ideen in herrlichen Salvos von Farbe und Glanz,
aber auch in Verwirrung auf- und abwogen.“ Dann
streift Erens das Verhältnis Georges zu anderen Er¬
scheinungen der neueren Literatur, zu Mallarmi und
Verlaine. Er meint, daß George sich mit Mall arm I
in seiner Flucht vor dem Alltag, vor dem Banalen
und Konventionellen im Gefühlsleben und im sprach¬
lichen Ausdruck berühre. Aber bei dem Franzosen
ist weniger Selbstüberhebung und weniger Absicht¬
lichkeit. Von der Bescheidenheit Verlaines findet
sich bei George keine Spur. Verlaines Gedichte sind
wie eine große, ganz in Demut abgelegte Beichte und,
weil nichts als die Liebe zur Frau sein Leben erfüllte,
durchströmt all seine Verse eine Wärme, die wir bei
George vergebens suchen. Verlaine hatte nicht nötig,
sich über andere zu erheben. Er klagte in Einsam¬
keit und sang seinen Schmerz aus in einer großen
Ruhe. Mallarmi und Morias , ja auch Baudelaire
haben den Hochmut besungen und ihr eigenes Ich
ins Ungemessene gesteigert, wie neben Dehmel in
Deutschland besonders George. Ganz anders empfan¬
den Goethe und Schiller, die ihr Ich mit der ganzen
Menschheit verfließen ließen. Trotzdem versagt aber
Erens dem Dichter nicht seine höchste Bewunderung,
und er ist geneigt, ihn von allen lebenden deutschen
Dichtern für die bedeutsamste Erscheinung anzusehen.
Neben manchem Anregenden und Treffenden enthält
der Artikel von Erens auch viel Schiefes und Ober¬
flächliches, und der Autor wiederholt sich öfters; ich
habe die Hauptgedanken deshalb in einer anderen
Reihenfolge wiedergegeben, Jedenfalls ist es aber
für den in Holland herrschenden Geschmack typisch,
daß diesem in Deutschland nur von einer kleinen,
etwas abseits stehenden Gemeinde verehrten Dichter
in einer so konservativen Zeitschrift wie „De Gids"
ein so ausführlicher und anerkennender Aufsatz ge¬
widmet wird.
In demselben Heft des „Gids“ setzt Kohlbrugge
seine Studien über den Naturforscher Goethe fort:
„ War Goethes Naturbetrachtung eine teleologische oder
eine mechanischeP* Der erste Artikel war im Juliheft
erschienen. (Vergl. unser Referat im Oktoberheft,
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CORNELL UNfVERSITY
Amsterdamer Brief
13
Seite 252.) Kohlbrugge sucht in dieser Fortsetzung,
gestützt durch ein umfangreiches Material, den Be¬
weis zu erbringen, daß die seiner Ansicht nach heute
herrschende Meinung, als ob Goethe einer mechani¬
schen Weltanschauung gehuldigt habe, falsch sei. Mit
Bielschowsky, der schrieb: „Die Welt war in teleolo¬
gische Denkweise verfallen, nur Goethe nicht", ist er
nicht eins. Wohl aber stimmt er mit Lange , dem Ver¬
fasser der Geschichte des Materialismus überein, und
mit Magnus (Goethe als Naturforscher), den er aber
sonst wenig zuverlässig findet. Mit einer mechani¬
schen Welterklärung scheint ihm der Pantheismus
Goethes im Widerspruch zu stehen, der in den Ge¬
sprächen mit Eckermann sogar zum Teil ganz christ¬
liche Formen annimmt. Aber auch in seinen natur¬
wissenschaftlichen Schriften, und darauf kommt es in
erster Reihe an, hat sich Goethe von teleologischen
Gedanken nicht freizuhalten gewußt. Wogegen er
sich allein wandte, war die ganz platte teleologische
Betrachtungsweise, nach der alles zum Gebrauche des
Menschen geschaffen ist und eine Erscheinung „er¬
klärt“ war, wenn der Nutzen für den Menschen nach¬
gewiesen war. Dann kommt Kohlbrugge auf Goethe
und den Darwinismus zu sprechen. Nachdem er
kurz dargelegt, daß die Grundgedanken Darwins
schon vor Darwin zu Goethes Lebzeiten von ver¬
schiedenen Naturforschern verfochten wurden, prä¬
zisiert er die Frage nach dem Verhältnis Goethes zu
Darwin dahin: Glaubte Goethe an die Abstammungs¬
theorie in einem weiteren Sinn? Diese Frage verneint
Kohlbrugge. Häckel hat darauf bekanntlich bejahend
geantwortet, aber Häckel ist schon längst von Koss -
mann, Schmidt und Cattie widerlegt. — Man hat die
evoludonisdschcn Ideen, die sich bei Goethe finden,
durch den Einfluß Herders zu erklären versucht, das
scheint Kohlbrugge verkehrt. Er sieht vielmehr in
dem seit 1768 in Straßburg wirkenden Professor Jo¬
hann Hermann den geistigen Urheber solcher Ge¬
danken. Das Werk, in dem Hermann seine Ent¬
wicklungstheorie zuerst vor einem größeren Leser¬
kreise auseinandersetzt, erschien allerdings nach
Goethes Straßburger Aufenthalt, im Jahre 1783.
Eine Zeidang schien es, als ob Goethe eine ge¬
meinsame Abstammung von Tier und Mensch für
möglich halte. Das war besonders in der Periode,
wo er sich mit dem Zwischenkieferknochen beschäf-
tigte (1784). Interessant ist es, daß in demselben
Jahre auch die deutsche Übersetzung des Werkes des
Schotten Bumet Monboddo, der prädarwinistische Ge¬
danken vertrat, mit einer Vorrede von Herder erschien.
Daß Goethe sich aber von der Deszendenztheorie
bald ab wandte, bringt Kohlbrugge mit seinem ein¬
gehenderen Studium Kants und dem Einflüsse des
Kantianers Schiller in Zusammenhang. Die später
erscheinenden Schriften anderer Vertreter dieser
Theorie blieben ohne Einfluß auf Goethe, so die
„Zoonomia “ des alten Darwin, die Werke Lamarcks,
und die Aufsätze von Ballenstedt, Krüger, Tausche,
Körte , die vergleichende Osteologie von Pander &■*
dt Alton 1821—1828. Nur in der Besprechung Goethes
der zuletzt genannten Schrift findet sich ein Satz, der
| als eine Anerkennung der Veränderlichkeit der Gattung
gedeutet werden könnte; aber derselbe bezieht sich
nur auf die Klasse der Nagetiere. Auch die prädar-
winistischen Ideen Voigts gingen spurlos an Goethe
vorüber, obwohl Goethe seine Werke bespricht.
Goethe hielt an dem Dogma der UnVeränderlichkeit
der Gattungen (species) fest. Kohlbrugge kommt zu
dem Schluß, daß Goethe als Naturforscher nicht auf
der Höhe seiner Zeit stand. Er spielte ebensowenig
eine führende Rolle, außer darin, daß er einer der
Begründer der ungesunden, unnatürlichen Natur¬
philosophie war.
Von wichtigen Katalogen, die in der letzten Zeit
erschienen sind, verdienen zwei besondere Erwähnung,
Der eine ist von van Stockums Antiquariat im Haag,
Prinsegracht 15, herausgegeben und handelt über
Flugschriften, die Bezug haben auf die Geschichte
der Vereinigten Niederlande, besonders ihre Handels¬
und Kolonialpolitik von 1588 bis zum Ende der Re¬
publik. {A catalogue of pamphlets relating to the
United Netherlands, their history, commerce , wars
at sea and on /and, 60 pag.) Eine der interessantesten
Nummern des Katalogs ist eine vollständige Samm¬
lung von 38 Flugschriften, die in den Jahren 1607
bis 1608 gegen den Frieden mit Spanien veröffentlicht
wurden, und die wertvolles Material für die Geschichte
des frühen Handels der Holländer mit Amerika ent¬
halten; die merkwürdigsten sind von W. Usselincx,
dem Begründer der holländischen Westindischen
Compagnie verfaßt (Nr. 15, Preis 500 fl.). Von drei
andern wichtigen Stücken sind die Titelblätter in dem
Katalog reproduziert. Ein sehr seltenes Dokument
ist der Abdruck eines Patents, an der Westseite des
Amazonenstromes bis an den Orangefluß eine Kolonie
zu gründen, das die Generalstaaten 1689 einem ge¬
wissen Jan Reeps verliehen (Nr. 278, Preis 250 fl.),
das Titelblatt ist reproduziert.
Der zweite, umfangreichere und schön ausgestattete,
auf rauhes Papier mit breitem Rand gedruckte Ka¬
talog ist von der Amsterdamer Firma Fred. Müller
6r* Co. herausgegeben. ( Catalogue annuel de livres
et de documents sur la cartographie, la gfographie,
les voyages XV — XIX. siedest) Derselbe enthält auf
184 Seiten 1230 Nummern. Das kostbarste Buch
dieser Sammlung ist eine 14S6 in Ulm gedruckte
lateinische Ausgabe der Geographie des Ptolomäus
mit 32 Karten; es ist die vierte Ausgabe dieses
Werkes, das für die Geschichte der Kartographie
vom größten Interesse ist. Während nämlich in den
italienischen Ausgaben .des Ptolomäus die Karten auf
Kupfer gestochen und nicht koloriert sind, sind sie in
dieser deutschen Ausgabe in Holz geschnitten und
koloriert Das Exemplar befindet sich noch in
dem alten mit Schweinsleder überzogenen Holzband
(Nr. 5001, Preis 1200 fl.). Die erste lateinische Aus¬
gabe des Wagenaar , Speculum nauticum, Leiden 1386,
in einem modernen Einband, ist für 250 fl. käuflich
(Nr. 5008); die elf bändige Cosmographie von J. Blaeu
in lateinischer Sprache aus den Jahren 1662—1665 für
750 fl. (Nr. 5019). Der Preis der Reisebeschreibung
von Thomas Cavendish und Francis Drake (Nr. 5149,
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CORNELL UNÜVERSm 1
14
Amsterdamer Brief
600 fl.) mit holländischem Text, zwei Jahre vor der
englischen Ausgabe, 159S von Cornelis Claeß in
Amsterdam veröffentlicht, ist wohl für amerikanische
Käufer berechnet. Die englische Ausgabe der Reisen
des Jan Huygen van Linschoten nach Ost* und West¬
indien (Nr. 5155) von 1398 ist mit 900 fl. verzeichnet.
— Deutsche wird es interessieren, daß sich in den
Katalog auch drei Lithographien mit Abbildungen aus
dem Leben des einst so populären, jetzt aber ganz
in Vergessenheit geratenen badischen Revolutions¬
helden Friedrich Hecker verirrt haben; sie werden
unter dem Schlagwort Illinois , wo sich Hecker nach
seiner Flucht ansiedelte, für 40 fl. angeboten (Nr. 5221).
— Ein Werk, das für die früheste Geschichte des
spanischen Amerika von großer Wichtigkeit ist, die
erste Originalausgabe der vollständigen Abhandlungen
von Bartolomeo de Las Casus (Nr. 5309) ist für 1000 fl.
käuflich; dasselbe enthält die ersten genaueren Mit¬
teilungen über die Eingeborenen der spanischen
Kolonien und gibt ausführliche Schilderungen der von
den Spaniern bei der Eroberung verübten Greuel
Es sind im ganzen neun Teile in einem Band, 1332
bis 1333 in Sevilla erschienen. Ein unverhältnismäßig
hoher Preis, 350 fl., wird gefordert für Nr. 5384:
Barlaeus , Rcrum per octo-ennium in Brasilia et alibi
nuper gestarum, sub praefectura Cornitis I. Mauritii
Nassaviae . . . liistoria, Amsterdam , I. Blaeu 1647,
unverhältnismäßig, auch wenn man berücksichtigt, daß
es eine Ausgabe auf großem Papier und in reichem
Einband ist und die Tafeln und Karten koloriert sind.
Dasselbe Werk erzielte auf einer Auktion bei R. W.
P. de Vries im Juni 1911 den bescheidenen Preis von
62 fl. Die Originalausgabe der Reise um die Welt
von Magellan in lateinischer Sprache 1323 in Rom
erschienen, in rotem Maroquineinband (Nr. 5579)
kostet 1200 fl. Erwähnung verdienen dann noch
Nr. 5640, eine Ansicht des Palastes des Sultans von
Marokko, ein Stich von Adr. Matham (259,5 X 53)
300 fl.; Nr. 5654, der erste Bericht von der Expedition
Kaiser Karls V. nach Tunis , 1535 in Nürnberg heraus¬
gegeben, 8 Seiten in 4 0 50 fl.; Nr. 5805, W. Dampier,
Neue Reise um die Welt, Leipzig 170S, 8°, nicht
erwähnt in der Bibliographie von Mendelssohn, 30 fl.,
und Nr. 6077, Epistola . . . Emanuelis Regis Por¬
tugals . . . De victoriis habids in India & Malacha
[Rome?], 1513, die Originalausgabe der ersten Be¬
schreibung der Expeditionen Albuquerques nach Ost¬
indien von 1510—1512, 500 fl.
Die Justiz, die sich hier in Holland gegenüber
obszöner Literatur bisher immer sehr tolerant gezeigt
hatte, scheint sich jetzt auf Grund eines neuen Sitt¬
lichkeitsgesetzes, das aber nur den Zweck hat, die
Jugend vor Verführung zu schützen, verpflichtet zu
fühlen, auch auf die auf Auktionen vorkommenden
Bücher ihr Augenmerk zu richten. Sie betritt damit
ein sehr schwieriges Feld, besonders wo es sich um
ältere Literatur handelt, die man nicht mit der eng¬
brüstigen Moral unserer Tage messen kann. In den
„Weisheitstempel'* des bekannten Leidener Anti¬
quariats von Burgesdyk Gr* Niermans (das Haus
führt den Namen Templum Salomonis) hat die Po¬
lizei schon einen Einfall getan und sie hat eine ganze
Reihe Werke, die im Aukuonskatalog vom 4.—14. De¬
zember 1911 unter der Rubrik „Facdties" vorkamen,
Nr. 5036 und 5070—5100) vorläufig beschlagnahmt
Die Mehrzahl sind französische Bücher aus dem
XVIII. Jahrhundert die in den Anmerkungen des
Katalogs als „libre“ oder „piquant" bezeichnet werden.
Die Ironie des Schicksals will es nun, daß sich auch
einige Bücher darunter befinden, die in Holland in
früheren, weniger strengen Zeiten herausgegeben sind,
wie Histoire dEloise et dAb/lard avec la lettre
passionle quelle lui Icrivit. La Haye 1694, 12. (Nr. 5072)
und ( Heinsius , N.) L'avanturier Hollandais ou la vie
et les avantures divertissantes et extraordinaires dun
Hollandais. Amsterdam 1767, 12. (Nr. 5081). Ein
anderes durfte 1786 in Maastricht erscheinen (Nr. 5001).
Aber die Zeiten ändern sich. Auch vor ein paar
deutschen Werken wollte die Obrigkeit die reinen
Gemüter ihrer Untertanen bewahren: den Dichtungen
und Gesprächen des Göttlichen Aretino , in der Be¬
arbeitung von Conrad, 1904. und man staune, vor der
von H. Nordkausen , Berlin 1905 herausgegebenen
Ars amandi, von Hoffmannswaldau bis Schiller.
Die im Verlag von Marrinus Nyhoflf seit 1903
erscheinende holländische Zeitschrift „ Tydschrift voor
Boek - en Bibliothcehuezen '' wird seit dem neuen Jahre
unter einem andern Titel und in einem handlicheren
Format herausgegeben. Sie heißt jetzt: „Het Boek'\
und ist aus einer Vierteljahrsschrift eine Monatsschrift
geworden; nur in den Monaten August und September
pausiert sie. Die Zeitschrift präsentiert sich äußerlich
jetzt viel besser als früher, und macht einen an¬
genehmen Eindruck; Redaktion und Mitarbeiter sind
dieselben geblieben. Infolge des häufigeren Er¬
scheinens soll künftighin auch über aktuelle Er¬
scheinungen, neue Ausgaben, Kataloge und Auktionen
berichtet werden. Auch die andere holländische, dem
Buch- und Bibliothekswesen dienende Zeitschrift „De
Boekzaal“, die jetzt ihren sechsten Jahrgang beginnt,
hat ihr Programm vergrößert und erscheint in sorg¬
fältigerer Ausstattung; der Druck ist größer geworden,
die Seite ist nicht mehr in Spalten geteilt, aber dafür
mit einem breiten Rand umgeben, wodurch der Ge¬
samteindruck ein vornehmerer geworden ist; das einzelne
Heft hat fast den doppelten Umfang von früher; neu
sind die sehr ausführlichen Rubriken Bücher- und
Zeitschriften, Musik- und Kunst-Rundschau. Redakteur
und Verleger (J. Ploegsma in Zwolle) sind dieselben
geblieben.
Zum Schluß möchte ich noch die für holländisches
Kunstleben interessierten Leser auf die sehr nützliche
französische Zeitschrift „Repertoire dart et dar ehi-
ologie u , Paris, 19 Rue Spontini, aufmerksam machen,
die seit einiger Zeit eine fast vollständige Übersicht
über den Inhalt der wichtigsten holländischen Zeit¬
schriften gibt, soweit sie Aufsätze über Kunst ent¬
halten; besonders für moderne holländische Kunst ist
das Repertoire eine wahre Fundgrube; es ist auch stets
angegeben, ob der Artikel illustriert ist
Amsterdam, Mitte Februar. M. D. Henkel
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CORNELL UNIVERSITY
Moskauer Brief
iS
Moskauer Brief.
In Rußland bereitet man sich eifrig zur Jahrhun¬
dertfeier des „vaterländischen“ Krieges gegen Na¬
poleon vor. In Moskau soll ein „Museum des Jahres
1812“ eröffnet werden und fast täglich bringen die
Zeitungen Nachrichten über neue Stiftungen für dieses
Museum. Viele der gespendeten Gegenstände sind
auch für den Bibliophilen von nicht geringem Inter¬
esse, — so verschiedene französische Landkarten, deren
sich die Führer der großen Armee zur Orientierung
bedienten, und die als Beutestücke in die Hände der
Sieger gerieten. Eine Zusammenstellung sämtlicher
auf den Franzosenkrieg bezüglicher Beiträge russischer
Zeitschriften von 1811 bis 1911 bringt K. Wojenski
im „Bibliophile Russe“ — eine nicht genug zu lobende,
ungemein gewissenhafte Arbeit Die Direktion der
russischen Hof bühnen hat schon im vorigen Jahr ein
Preisausschreiben für das beste Drama aus dem Jahre
1812 erlassen — ob es viel Erfolg haben wird, mag
dahingestellt bleiben; vorläufig hört man noch nichts
von zu erwartenden dichterischen Großtaten. Es kann
immer noch passieren, daß die eine oder die andere
Bühne das Gedächtnis an die große Zeit durch eine
Aufführung der „Madame Sans-G6ne“ ehrt.
Denn die Zeiten haben sich gewaltig geändert.
Als erste Erinnerung an das Jahr 1812 haben wir
vorläufig in Petersburg eine „Jahrhundertausstellung
französischer Malerei von 1812—1912“, deren Zu¬
standekommen der Redakdon der ausgezeichneten
Kunstzeitschrift „Apollon“ und dem „Institut Frangais
de St. Petersbourg“ zu danken ist. Von David und
Delacroix bis zu Felix Valloton und Odilon Redon
sind alle bedeutenden französischen Künstler in muster¬
gültiger Weise vertreten. Vieles ist aus Frankreich
herübergebracht, vieles von dem Schönsten stammt
aber auch aus russischem Privatbesitz. Ob wir jemals
eine derartige Ausstellung deutscher Kunst in Rußland
erleben werden? Ein paar Versuche sind in frühem
Jahren ja gemacht worden, aber die dokumentierten
sich so deutlich als rein geschäftliche Unternehmungen,
daß von ihnen keinerlei tiefere künstlerische Wir¬
kungen ausgehen konnten.
Auch in einer andern Sache haben wir Deutschen
uns von den Franzosen überholen lassen. Zwischen
Frankreich und Rußland ist im Dezember eine lite¬
rarische Konvention abgeschlossen worden, die den
Schriftstellern beider Länder das Eigentumsrecht auf
ihre Werke im fremden Lande für die Dauer von
zehn Jahren sichert Das Zustandekommen dieser
Vereinbarung ist ausschließlich ein Verdienst der fran¬
zösischen Schriftsteller, die die Frage immer, wieder
aufwarfen und keine Ruhe gaben, als bis sie erreicht
hatten, was sie wollten. In Rußland hat man sich
gegen die Konvention aus allen Kräften gesträubt
und da sie nun doch abgeschlossen werden mußte,
fließen die Krokodilstränen in Strömen. Wir aber
fragen wieder: wo bleibt Deutschland? Es wird in
Rußland ungleich mehr aus dem Deutschen übersetzt,
als aus dem Französischen, und man wird jetzt,
wo Frankreich die Grenze abgesperrt hat, sich erst
recht auf die deutschen Bücher werfen. Über das
Wie der Übersetzungen möchte man lieber gar nicht
reden, besonders die Verfasser populärwissenschaft¬
licher Schriften müssen sich, ohne etwas davon zu
ahnen, oft ganz Unglaubliches gefallen lassen. Dabei
verstehen es die populären russischen Schriftsteller,
deren Namen auch im Auslande einen guten Klang
haben, sehr wohl, die Lücken der deutschen Preßgesetz-
gesetzgebung zu ihren Gunsten auszunutzen. Es ist
ja am Ende auch nicht schwer, das Titelblatt seines
Romans in Berlin drucken und ein paar Exemplare
des Buches in den Schaufenstern deutscher Buch¬
handlungen auslegen zu lassen.
Eine Ausstellung für Buch- und Plakatkunst —
wenn ich nicht irre, die erste dieser Art in Rußland
— fand im Dezember in Petersburg im Anschluß an
den Künstlerkongreß statt. Die Petersburger Aka¬
demie der Wissenschaften hatte der Ausstellung eine
ganze Reihe wertvoller alter Bücher aus ihrem Besitz
zur Verfügung gestellt. Unter den Erstdrucken konnte
man hier auch die Apostelgeschichte von 1564, das
erste in Moskau gedruckte Buch, sowie die ostroshsker
Bibel von 1581 sehen — beides aus der Bibliothek
der Akademie; von Büchern des XVIII. Jahrhunderts
fand sich hier unter anderem ein Lehrbuch der Arith¬
metik aus dem Jahre 1728, das eigens für den jungen
Zaren Peter II. verfaßt und gedruckt worden war,
und sehr interessante illustrierte Schilderungen der
Krönungsfeierlichkeiten zu Ehren der Zarinnen Anna,
Elisabeth und Katharina II. (aus Privatbesitz).
Im Oktober 1911 waren hundert Jahre seit der
Eröffnung einer der berühmtesten Lehranstalten Ru߬
lands verflossen — des Kaiserlichen Lyzeums in Zars¬
koje Selo (das heute als „Alexanderlyzeum“ — Gym¬
nasium mit daran gegliederten juristischen Hochschul¬
kursen— noch in Petersburg fortbesteht). Aus dieser
Anstalt sind eine ganze Reihe bedeutender Männer
hervorgegangen, vor allem Schriftsteller und Gelehrte.
Selbstverständlich denkt man, wenn vom Lyzeum die
Rede ist, zu allererst an Alexander Puschkin , der mit
den ebenfalls rühmlichst bekannten Dichtem Delwig
und I Hitschewski, dem späteren „Dekabristen“ Küchel¬
bäcker und anderen zum ersten Coetus der Schule
gehörte; doch hatte das Lyzeum auch späterhin noch
manchen Zögling aufzuweisen, der ihm Ehre machte
— so den Sprachforscher Jakob Grot, den Dichter
Mey und viele andere. Eine Geschichte des Ly¬
zeums in seiner Glanzzeit von 1811—1843, verfaßt von
dem greisen russischen Historiker D. Kobeko, der
selbst einst „Lyzeist 1 * war, ist soeben erschienen. Der
553 Seiten starke, typographisch und buchkünstlerisch
musterhafte Band ist weit mehr als eine bloße „Fest¬
schrift“, er enthält eine Fülle oft mit großer Mühe
zusammengetragenen, fleißig gesichteten und muster¬
haft verarbeiteten kultur- und literaturgeschichtlichen
Materials. Mit vollem Recht greift der Historiker
dort, wo es sich um die hervorragendsten Zöglinge
des Lyzeums handelt, über die Grenzen der Anstalts¬
geschichte hinaus und skizziert auch das spätere Leben
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CORNELL UNIVERSUM
16
Moskauer Brief
und Wirken der einzelnen Personen, so daß wir in
Summa ein ganz bedeutendes Stück russischer Geistes¬
geschichte durch diese schöne und gründliche Arbeit
kennen lernen.
Noch eine andere Jahrhundertfeier brachte der
verflossene Winter — das Jubiläum der Moskauer
„Gesellschaft von Freunden der russischen Literatur“,
der ältesten unter den bestehenden literarischen Ver¬
einigungen des Zarenreiches, iS11 wurde die Gesell¬
schaft an der Moskauer Universität zu dem Zweck ge¬
gründet, „die Kenntnis der Regeln und Muster eines
gesunden Schrifttums zu verbreiten und dem Publikum
wohlbearbeitete Werke in Versen und Prosa zu ver¬
mitteln.“ Im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens trugen
die Bestrebungen der Gesellschaft einen durchaus
konservativen Charakter, erst Ende der zwanziger
Jahre finden wir auch jüngere Dichter wie Puschkin
und Baratynski unter ihren Mitgliedern, die sich da
aber scheinbar nicht sehr wohl gefühlt haben. In
den dreißiger Jahren fristet die Gesellschaft nur noch
ein Scheindasein. Neues Leben kommt in den er¬
schlafften Organismus erst durch die 1858 erfolgte
Wahl des bekannten slawophilen Dichters und Philo¬
sophen A. S. Chomjakow zum Vorsitzenden. Chom-
jakows Bestreben war, aus der Gesellschaft eine „freie
Akademie" im Gegensatz zu der „offiziellen" in Peters¬
burg zu machen. Zu diesem Zweck wurden die
Satzungen der Gesellschaft 1866 bedeutend erweitert.
In diese Zeit fallen auch die wichtigsten literarisch-
wissenschaftlichen Publikationen der Gesellschaft, wie
zum Beispiel das große Wörterbuch der russischen
Sprache von Dahl. Turgenjew, Ostrowski, Tolstoi —
kurz alles, was Rußland damals an hervorragenden
Schriftstellern aufzuweisen hatte, gehörte in den sech¬
ziger und siebziger Jahren zu den Mitgliedern der
Gesellschaft. Den Bemühungen der Gesellschaft ist
auch die Errichtung der beiden Dichterdenkmäler
Moskaus zu danken — des 1881 enthüllten Puschkin¬
denkmals, und des Gogoldenkmals, dessen Enthüllung
1909, zur ioö. Geburtstagsfeier des Dichters, stattfand.
In den neunziger Jahren hatte auch diese Gesellschaft
die unvermeidlichen Kämpfe mit Polizei und Zensur
auszufechten, die oft ein schlimmes Ende zu nehmen
drohten. So wäre die Gesellschaft 1899 wegen einer
Festrede zur Puschkin-Zentenarfeier beinahe aufge¬
löst worden. Harmloser schon erscheint ein eben¬
falls in den 1890 er Jahren erfolgtes Verbot der Poli¬
zei: es dürfe in den Sitzungen der Gesellschaft nichts
von oder über Leo Tolstoi und Wladimir Soiowjow
verlesen werden.
Zur Hundertjahrfeier ist eine Geschichte der Ge¬
sellschaft und ein von dem Moskauer Universitäts¬
bibliothekar D. Jasykow mit großem Fleiß zusammen¬
gestelltes Lexikon der Mitglieder der Gesellschaft
von 1811 bis 1911 erschienen, welch letzteres
mit seinen reichen und genauen bibliographischen
Angaben sehr wohl einen vorläufigen Ersatz für das
noch immer ausstehende russische Schriftsteller-Lexi¬
kon bieten kann. Von besonderm Interesse sind die
autobiographischen Mitteilungen der gegenwärtigen
Mitglieder der Gesellschaft
Wie es um das Bibliothekswesen in Rußland be¬
stellt ist, wird durch folgende Tatsache illustriert:
das Moskauer Rumjanzew-Museum, das die zweit¬
größte öffentliche Bibliothek Rußlands besitzt, ist in
diesem Winter endlich mit der Ordnung und Auf¬
stehung der in den siebziger (!) Jahren erworbenen
Büchersammlung des kleinrussischen Bibliophilen
Iwan Lukasche witsch fertig geworden. Ein gutes
Vierteljahrhundert haben die Bücher in wirrem
Durcheinander in den Bodenkammern des Museums
gelegen. Dabei enthält die Sammlung so gut wie
alle russischen Erstdrucke, die der bekannte Iwan
Fedorow einst auf seiner Handpresse anfertigte; fer¬
ner eine Fülle Moskauer Bücher aus der ersten
Hälfte des XVII. Jahrhunderts in alten slawischen
Lettern, an deren Stehe unter Peter dem Großen
die neuen, der Antiqua angenäherten Typen traten,
zahlreiche altslawische und altrussische Handschrif¬
ten usw. usw.
Die ausgezeichnet redigierte russische Zeitschrift
für Bücherfreunde „Le bibliophile russt* habe ich
schon in meinem letzten Moskauer Briefe erwähnt.
Aus der Menge wertvollen Materials, die die jüng¬
sten Hefte bringen, sei auf die sehr interessanten
Mitteilungen des Novemberheftes über ein Pracht¬
werk hingewiesen, das die polnischen Jesuiten dem
falschen Demetrius überreichten und das sich gegen¬
wärtig in der Bibliothek der St Petersburger katho¬
lischen geistlichen Akademie befindet Es ist eine
reich illustrierte Beschreibung Jerusalems in drei
Foliobänden. Der volle Titel lautet: „Tomi tres
apparatus urbis ac templi Hierosolymitani Joannis
Baptistae Villalpandi Cordubensis e sodetate Jesu
collato Studio cum H. Prado ex eadem sodetate.
Romae. Superiorum permissu. Typis IUefonsi Ciac-
coni, excudebat Carolus Vullietus anno Domini
MDCIIII.“
Gebunden sind alle drei Bände in rotes Maro¬
quinleder. Vorder- und Rückseite des Deckels sind
mit reicher Goldpressung geziert — und zwar zeigt
die Mitte den russischen zweiköpfigen Adler mit der
Kaiserkrone, darüber einen Christuskopf, unten ein
Kruzifix, rundherum die Symbole der Evangelisten,
zehn polnische Adler, das Monogramm des Jesuiten¬
ordens JHS, zwei Pelikane und in den vier Ecken
die Gestalt des Hl. Georg zu Pferde. Um den
äußern Rand eines jeden Einbandes läuft eine Wid-
mungsinschrift, und zwar bei dem einen Bande in
russischer, dem andern in lateinischer, dem dritten
in griechischer Sprache. Der lateinische Text lau¬
tet: „Serenissimo et inclitissimo monarchae Demetrio
Joannis JDei gratia imperatori et magno duci totius
Russiae et omnium Tatarium regnorum et aliorum
plurimorum dominiorum monarchiae Moscoviticae
subjectorum Domino et Regi patres sosietatis (!) Jesu
Roma dono mittunt“ Das Titelblatt des ersten Ban¬
des trägt den Vermerk: „Inscriptus catalogo libro-
rum Collegii Wilnensis Societatis Jesu, anno D-ni
1606.“
Bekanntlich'* war der falsche Demetrius in Polen
zur römischen Kirche übergetreten und soll auch die
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CORNELL UNIVERSUM
New Yorker Brief
17
Absicht gehabt haben, sein Volk zum Katholizismus
zu bekehren. Die römische Geistlichkeit suchte sich
auch sonst ihm gegenüber liebenswürdig zu erweisen;
so wissen wir von einer lateinischen Bibel, die ihm
der Nuntius Rangoni zugleich mit der Mitteilung über
die Wahl Pauls V. zum Papst schickte. Die Hoff¬
nungen der Jesuiten auf eine Bekehrung Rußlands
wurden aber durch den schnellen Sturz des Usur¬
pators vereitelt.
Aus dem Januarheft der Zeitschrift sei ein hüb¬
scher Aufsatz über Daniel Chodowiecki hervorgehoben,
dem die beigegebenen Illustrationen noch einen be-
sondem Reiz verleihen — es sind nämlich fast aus¬
schließlich Stiche des Meisters, die sich auf Rußland
beziehen. So das große Blatt von 1758 „Russische
Gefangene“ und eine Menge kleiner Bildchen zur
Geschichte Peters des Großen aus dem „Göttinger
Taschenkalender“ von 1790.
Auf einige angekündigte Neuerscheinungen möchte
ich noch hinweisen. Der Petersburger Verlag Brock-
haus-Jefron plant eine große russische Moliere-Aus¬
gabe, die sich den vom selben Verlage gebrachten
großen Ausgaben der Werke Shakespeares, Schillers,
Byrons und Puschkins anreihen soll. Die Leitung
soll auch diesmal wieder in den Händen des ver¬
dienten Literarhistorikers 5 . A. Wengerow liegen. Da
ist nun wohl zu erwarten, daß wir durchaus korrekte
Texte und ausgezeichnete literarhistorische Einleitun¬
gen und Kommentare bekommen werden. Dagegen
dürfte die Illustrierung den Bibliophilen wohl wenig
erfreuen — wenn nämlich an dem Prinzip der vorher¬
gegangenen Ausgaben festgehalten wird. Dort wollte
man vor allem durch die Fülle des Iilustradons-
materials imponieren — und man brachte in buntem
Durcheinander alles, was man nur erlangen konnte.
So sah man denn etwa in der Schiller-Ausgabe Vig¬
netten und Titelbildchen der Erstausgaben neben den
Illustrationen aus der „Prachtausgabe“ der Deutschen
Verlags-Anstalt, in der Shakespeare-Ausgabe die ganze
Boydelsche Sammlung neben den Zeichnungen Sir
John Gilberts, Konewkas Silhouetten zum Sommer¬
nachtstraum neben Schauspielerporträts aus Leon
Kellners Shakespeare-Biographie und allerlei moder¬
nen Kitsch in tadelloser phototypischer Wiedergabe.
Hoffentlich weiß man bei Moliöre mehr Maß zu
halten.
Ein Beweis, daß das Intejesse für ältere Lite¬
ratur in gefälligen Ausgaben auch in Rußland in
stetem Wachsen ist, sind die neuen Unternehmungen
einiger junger Verlagsgesellschaften, so des an dieser
Stelle schon einmal erwähnten Moskauer „ Musaget
Er kündigt eine russische Ausgabe von Friedrich
Schlegels „Lucinde“, mit Einleitung von Dr. Fried¬
rich Steppuhn, „Wilhelm Meisters theatralische Sen¬
dung“ und eine Auswahl provcnzalischer Lyrik des
XII. und XIII. Jahrhunderts an, die ein sehr be¬
gabter junger Neuphilologe, N. P. Kisselew, besorgt.
Ein eben erst gegründeter Verlag, K. F. Nekrassow
in Moskau, plant eine Serie von Literaturwerken des
XVIII. Jahrhunderts in guten russischen Übersetzun¬
gen mit literarhistorischen Einleitungen. Zuerst sollen
Laclos’ „Liaisons dangereuses“, eine Auswahl fran¬
zösischer Lyrik (übersetzt von Valer Brjussow), einige
Komödien Goldonis, Casanovas Memoiren im Aus¬
zuge (eine vollständige Übertragung ist in Rußland
nicht möglich), sowie ein paar Werke der deutschen
Stürmer und Dränger erscheinen. Derselbe Verlag
bringt auch die gesammelten Werke Richard Dek -
tnels in autorisierter Übersetzung auf den Markt Er¬
schienen ist vorläufig ein Band Novellen, der einen
sehr guten Eindruck macht. Wenn es dem Heraus¬
geber gelänge, für die Lyrik Dehmels geeignete Über¬
setzer zu finden, so wäre sowohl dem russischen Lese¬
publikum, als dem deutschen Dichter ein nicht un¬
erheblicher Dienst geleistet.
Ende Februar 1912. Arthur Luther.
New Yorker Brief.
In den Räumen des Grolier Club findet zurzeit
eine Ausstellung aus Anlaß der Jahrhundertfeier von
IV. M. Thackeray statt, die durch die Mitwirkung der
Mitglieder und ihrer Freunde sehr umfangreich Und
wertvoll wurde. Alle Werke von Thackeray sind in
Erstausgaben vertreten, von den ersten Versuchen im
„Snob“ aus seiner Studienzeit in Cambridge bis zu
den „Adventures of Philip on his way through the
World“, dem letzten Werk, das zu seinen Lebzeiten
veröffentlicht wurde. Manches Original-Manuskript
war darunter und viele Originalzeichnungen von
Thackeray und G. Cruikshank, der einzelne seiner
Werke illustrierte; außerdem eine Sammlung Briefe
und Zeichnungen, die noch nirgends veröffentlicht
wurden. Den Schluß der Ausstellung bildete eine
kleine Auswahl Schriften und Aufsätze über Thackeray.
Die Jahresversammlung des Grolier Club fand am
25. Januar statt; unter andern wurden dabei zwei
Exemplare von „Notable Printers of Italy in the
fifteenth Century“ auf Japanpapier zu 55 Dollars und
Z. f. B. 1912^1913.
50 Dollars verauktioniert; die Longfellow Plakette
des Clubs in Silber brachte 50 Dollars.
Selten genug kommt es vor, daß ein Verlagshaus
hier 100 Jahre im Besitz einer und derselben Familie
bleibt, hier in Amerika ist es nur eine Firma, die in
einer kurzen Spanne Zeit ihr ioojähriges Bestehen
feiern darf: Harßer &* Brothers. Eine Gedächtnis¬
schrift, die soeben von einem der jetzigen Mitinhaber
und Enkel eines der Gründer, J. Henry Harßer, unter
dem Titel „The House of Harpers. A Century of
Publishing in Franklin Square“ veröffentlicht wurde
und den stattlichen Umfang von beinahe 700 Seiten
hat, dürfte in weiteren Kreisen Interesse erregen; ist
doch die Verlagstätigkeit dieses Hauses, das während
des ganzen Jahrhunderts eine führende Rolle gespielt
hat, innig mit der Entwicklung der amerikanischen
Literatur des XIX. Jahrhunderts verbunden. Ein
Überblick über den Verlagskatalog der Firma und
über die Liste ihrer Mitarbeiter an den verschiedenen
periodischen Druckschriften beweist dies zur Genüge.
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CORNELL UNIVERSUM
i8
New Yorker Brief
Im Rahmen dieses Briefes kann der Wert des
Buches nicht genügend gewürdigt werden; es mögen
daher nur einige Perioden oder spezielle Momente
herausgegriffen werden, um so mehr, als das Buch voll
persönlicher Erinnerungen an die Autoren und Mit¬
arbeiter des Hauses ist, wobei ihnen meist ein schönes
Denkmal der guten wechselseitigen Beziehungen ge¬
setzt wird.
Mit einer einzigen Handpresse fing James Harper
im Jahre 1817 eine eigene Druckerei an; als erstes
Werk druckte er „Seneca's Morals“ für den Buch¬
händler Duyckinck; als erstes eigenes Verlagswerk
Lockcs „Essay upon the human understanding“ aller¬
dings erst, nachdem ihm eine Anzahl Sortimenter
durch Vorausbestellungen die Kosten der Auflage ge¬
sichert hatten. Durch diese Vorausbestellungen
erwarben sie sich nach damaligem Brauche das Recht
als Mitverleger auf dem Titelblatte genannt zu werden.
Dieselbe Vertriebsart wurde noch für eine Reihe
weiterer Veröffentlichungen beibehalten. Nach und
nach bis zu dem Jahre 1825 haben sich seine Bruder
John, Joseph Weslcy und Fletcher zu ihm gesellt und
jeder hat in der tatkräftigsten Weise am Ausbau des
stetig wachsenden Geschäftes mitgeholfen, so daß im
Jahre 1853, wo eine Feuersbrunst das Werk so vieler
Jahre in wenigen Stunden zerstörte (die Gebäulichkeiten
der Firma umfaßten damals insgesamt elf aneinander
stoßende Häuser), die Verlagsliste insgesamt 1349
Werke in 2028 Bänden aufführte, wovon 722 Original¬
werke und 827 Nachdrucke.
Interessant sind die Berichte über die Zeit, da es
noch kein schützendes Copyright gab, wo es jedem
freistand, das einmal anderswo Gedruckte frei nach¬
zudrucken; fast unmögliche Kunststückchen wurden da
ausgeführt, um den Rivalen den Rang abzulaufen. So
wurde z. B. „Peveril of the Peak“ aus den Waverley
Novels Scotts vollständig gedruckt und geheftet inner¬
halb 21 Stunden nach Empfang des Londoner Ab¬
drucks auf den Markt gebracht; schließlich wurden
aber die Kosten für solche Unternehmungen durch
die Konkurrenz so in die Höhe und der Preis so
herabgctricben, daß die meisten Nachdrucker ihr Ge¬
schäft des geringen Gewinnes wegen aufgeben mußten.
Die unerquicklichen Zustände, die durch das Fehlen
eines Urheberrechtsschutzes hier für lange Jahre
herrschten, ziehen sich wie ein roter Faden durch
das Buch, von den Versuchen Charles Dickens’ bis zu
den neuesten Gesetzesvorlagen, und manch wichtiges
Dokument zur Geschichte des Urheberrechts in
Amerika kann darin gefunden werden.
In die Blütezeit des Plauses fällt die Gründung
von drei periodischen Druckschriften, welche alle zu
seinem Erfolg viel beigetragen haben; Harpers „Ma¬
gazine", im Juni 1850 gegründet; Harpers „Weekly"
im Januar 1857; und Harpers „Bazar*' im November
1867. Die ersten beiden spielten eine große Rolle im
geistigen Leben der zweiten Hälfte des vorigen Jahr¬
hunderts; fast jeder Schriftsteller von Bedeutung hat
zu der einen oder andern Zeit Beiträge zu ihnen ge¬
liefert; besonders verdient gemacht haben sich G.
W. Curtis, Th. Nast und //. M. Alden. Harpers
„Weekly“ hat einerseits die Rolle eines unbeteiligten
wöchentlichen Berichterstatters (mit Bildern) gespielt,
andererseits hat es aber auch eine direkte politische
Richtung verfolgt und infolgedessen manchen harten
Kampf zu bestehen gehabt. Nach dem Bürgerkrieg
fiel infolge der polirischen Anschauungen, die das
Blatt vertrat, die Abonnentenzahl so, daß es beinahe
aufgegeben worden w ärc, und nur die Veröffentlichung
von Dickens’ „Our mutual friend“, der in Serien im
Weekly erschien, soll die Abonnentenzahl wieder auf
die alte Höhe gebracht haben. Bei einer anderen
Gelegenheit in den siebziger Jahren war es das
„Weekly“ und ganz speziell der Zeichner Th. Nast , der
durch seine Karikaturen das Publikum derart auf-
rüttehc, daß es aufstand und den bekannten Tweed-
Ring, der den Stadtsäckel um Millionen jährlich durch
Ämter - Verschacherung usw. erleichterte, zu Fall
brachte.
„Harpers Bazar“, im Verein mit dem Lipper-
heideschen „Bazar 4 * herausgegeben, war das erste
Modejoumal in Amerika. In den Jahren 1879—1899
veröffentlichte die Firma noch eine Wochenschrift für
Kinder, und seit 1899 erscheint eine weitere Monats¬
schrift, die North American Review , bei ihr.
Harpers haben es verstanden, sich mit einem
guten Stab von Künstlern zn umgeben und sich tech¬
nisch immer auf der Höhe der Zeit gehalten. Ein
Monument künstlerischer Illustrationen ist „ Harpers
illustrated Family Bible" mit Holzschnitten von Joseph
A. Adams, welche in großen Quantitäten verbreitet
w urde. Andere Künstler im Dienste der Firma waren
der im vorigen Jahre verstorbene Howard Pyle ,
C. S. Reinhart , E. A. Abbey, der unter andern
Shakespeares Werke illustrierte, /. IV. Alexander,
Winslo’iv Homer, Frederic Renting ton, durch seine
Bilder aus dem Indianerleben berühmt geworden,
Du Maurier und andere mehr. Von den Schrift¬
stellern aus dem Harperschen Verlage ist Mark Twain ,
der mit dem Geschäft aufs innigste verbunden war,
am besten bekannt.
Das Buch schließt mit einem Überblick über die
neueste Phase des Geschäftes unter der Leitung von
G. Han>ey , der seit einer Reihe von Jahren seine
Geschicke bestimmt und die Traditionen der Gründer
hochhält.
Das hochinteressante Buch ist ausgestattet mit
den Porträts der Gründer und einer Anzahl anderer
Mitarbeiter und Autoren wie Mark Twain, W. D. Ho-
wells, J. L. Motley, G. W. Curtis usw. Ein Sach¬
register erhöht seine Brauchbarkeit als Nachschlage¬
werk.
Ein hübsch ausgestattetes Büchlein über Bücher
kommt mir eben aus San Francisco unter die Augen.
Die Firma Paul Eider & Co. hat einen Teil der
Beiträge von George Hamlin Fitch, dem literarischen
Kritiker des San Francisco Chronicle, unter dem Titel
„Comfort found in good old Books“ gesammelt und
in einem handlichen, sehr schön und geschmackvoll
gedruckten und recht passend illustrierten Bändchen
herausgegeben. Es ist ein angenehmes Plaudern von
schönen alten Büchern, die einen bleibenden Einfluß
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Rundschau der Presse
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auf die Welt gehabt haben; von der Bibel, von den
alten Klassikern, von 1001 Nacht, St. Augustin und
Don Quixote, Robinson Crusoe und Gullivers Reisen,
Dante und Milton und anderen Grüben der Welt¬
literatur; das Büchelchen dürfte mit zum Besten ge¬
hören, was je in dieser Art geschrieben wurde, um
die Freude an schönen und guten Büchern in weitere
Kreise zu bringen.
Edwin Björkman , ein literarischer Kritiker schwe¬
discher Abkunft, der schon viel zum Verständnis der
nordischen Schriftsteller in Amerika beigetragen hat,
bringt zurzeit eine Übertragung der Werke Strind-
bergs ins Englische heraus, zugleich mit einer gründ¬
lichen Studie über Strindberg; eine Sammlung Essays
von Björkman ist soeben bei Mitchell Kennerly er¬
schienen unter dem Titel „Is there anything new
under the sun". Er beschäftigt sich da unter anderm
mit G. B. Shaw, John Galsworthy und William James.
Eine gute Übersicht über die moderne ameri¬
kanische Erzählungsliteratur bietet das bei Henry
Holt & Co. erschienene Buch von Frederic Taber
Cooper , Some American Story Tellers. Es ist eine
Sammlung kritischer und biographischer Skizzen nach¬
stehender erfolgreicher amerikanischer Schriftsteller
und ein wertvolles Supplement zu allen einschlägigen
Literaturgeschichten: MarionCrawford, Robert Herrick,
Ellen Glasgow, R. W. Chambers, G. Atherton, Win-
ston Churchill, Kate Douglas Wiggin, D. G. Philipps,
Frank Norris, O. Henry, Owen Wister, Booth Tar-
kington, Edith Warton und Ambrose Bierce. Eine
Abhandlung über fünf andere moderne amerikanische
Schriftsteller — Th. N. Page, C. E. Craddock, G.
W. Gable, J. L. Allen und J. C. Harris — hat H.
A. Toulmin unter dem Titel Social Historians bei
Badger in Boston veröffentlicht.
Bei dem Brande des Equitable-Gebäudes wurde
die Bibliothek der Gesellschaft, die eine der wich¬
tigsten Sammlungen rechtswissenschaftlicher Werke
war, schwer beschädigt. Zirka 4000 Bände wurden
Zeitungsberichten zufolge fest zusammengefroren aus
dem Eis herausgehackt, und es soll nach den An¬
gaben der Buchbinderei, welche es unternommen hat,
die Bände wiederherzustellen, mindestens zwei Monate
dauern, bis die Werke aufgetaut und nachher vom
Wasser gereinigt werden können, doch hofft man
auf diese Weise noch die meisten retten zu können.
Aus der periodischen Literatur wären folgende
Aufsätze zu erwähnen: „North American Review 4 *, Fe¬
bruar)': Arnold Bennett , The Future of the American
Novel; „Forum“, February: E. Björkman , A. Strind-
berg; „Book News Monthly“, February: vollständiger
Bericht über die Gedenkfeier für R. IV. Gilder in
Philadelphia; „TwendcthCentury Magazine", February:
L. M. Poiuers, Superior Civilization of Germany.
Der Aukdonsmarkt ist recht lebhaft zurzeit und
wurden für gute Sachen im allgemeinen gute Preise
erzielt, obwohl viele umfangreiche Sammlungen in
den letzten paar Wochen auf den Markt kamen.
Der dritte Teil der Sammlung Hoe kommt im April
zur Versteigerung.
New York, Ende Februar 1912.
Ernst Eisele.
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert Hortzschansky in Groß-Lichterfelde.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen zu
verzeichnen, soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Adresse
des Bearbeiters in Groß-Lichterfelde bei Berlin, Moltkestr. 40, erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Allgemeines.
Behrend, F., German manuscripts ofthe middle ages.
(Bericht über die Deutsche Kommission.)
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Handschriften-Untemehmen im Kaukasus.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912. S.
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igitur.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912. S.
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Prinet, M., Un armorial des minnesinger conservä
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Rundschau der Presse
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Österreich. Exlibris • Gesellschaft. Jahrbuch. 9.
1911 (1912). S. 100—102.
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G--k, Hede von Trapp.
Österreich. Exlibris - Gesellschaft. Jahrbuch. 9.
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laus von Haunoldt f 1612.)
Österreich. Exlibris - Gesellschaft. Jahrbuch. 9.
1911 (1912). S. 38—59 mit 9 Abbild., 1 Taf.
Höfken, R. v., Moritz von Weitenhillcr 7.
Österreich. Exlibris - Gesellschaft. Jahrbuch. 9.
1911 (1912). S. 1—9 mit 1 Taf.
Hübner, E. F., (Fragment aus einem Trinkspruch
von Dr. L.)
Österreich. Exlibris - Gesellschaft. Jahrbuch. 9.
1911 (1912). S. 63—65 mit 2 Abbild., 1 Taf.
Krahl, E., Wcittenhiller als Künstler.
Österreich. Exlibris - Gesellschaft. Jahrbuch. 9.
1911 (1912). S. 10—16 mit 15 Abbild.
Rbg., Vier neue Blätter von Ernst Krahl.
Österreich. Exlibris - Gesellschaft. Jahrbuch. 9.
1911 (1912). S. 97—99 mit 3 Abbild., 1 Taf.
Rbg., Allerlei neue Exlibris.
Österreich. Exlibris - Gesellschaft. Jahrbuch. 9.
1911 (1912). S. 84—89 mit 4 Abbild., 2 Taf.
Rbg., Arthur Kurtz.
Österreich. Exlibris - Gesellschaft. Jahrbuch. 9.
1911 (1912). S. 92—96 mit 2 Abbild., 1 Taf.
Ross, A., Hedwig Gerber.
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Schock, J., Die Supralibros des Stiftes Seitenstetten.
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Sobotka, G., Sechs Exlibris von Walther Sobotka
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Symmachos, Hans Eibl. (Exlibris.)
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Rundschau der Presse
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Friemar, Billige Ausgaben.
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
S. 2754—2756.
Huth, F., Brauchen wir eine Deutsche Autoren- und
Verleger-Kammer?
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
S. 2437—2439.
Zeitungswesen. Pressrecht. Zensur.
Funck, A., Le Joumalisme au Luxembourg. Pages
retrospectives.
Les Marches de fEst. 3. 1911/12. S. 594—608
mit 2 Abbild.
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(Augsburger Zeitung betreffend.)
Bayerland. 23. 1912. S. 193—194.
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(Wird fortges.)
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Benzmann, H., Die Ballade und Romanze der Ro¬
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Dreyer, A., Der Münchener Dichterbund der „Kro¬
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Bayerland. 23. 1911/12. S. 189—192. 210—214.
258—261. 279-^281. 295—298. 322—325. 340—344.
364—366. 382—384. 403 - 405 mit 13 Abbild.
E in stein, C , Brief über den Roman.
Pan. 2. 1912. Nr. 16. S. 477—482.
Franck, H., Neue deutsche Dramen. (VI.)
Eckart. 6. 1911/12. S. 313—327.
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Kettner, Altdeutsche Literatur im Städtischen Archiv.
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Konservative Monatsschrift. 1912. Februar. S.
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und Tiedges zum Nicolaihause.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 10
vom 10. März.
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der alten Bühne.
Über den Wassern. 5. 1912. S.iio— 113. 146—151
mit 14 Abbild.
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Arndt: Rassow, Ein deutscher Mann. Ungedruckte
Briefe von E. M. Arndt an Dr. Trinius in St. Peters¬
burg.
Tägliche Rundschau. 1912. Unterhaltungsbeilage
Nr. 52 — 55 vom 1. 2. 4. 5. März,
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CORNELL UNfVERSmf
22
Rundschau der Presse
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Neue Rundschau. 1912. März. S. 420—426.
Björnson: Remusat, M., Lettres de Björnstjerne Björn-
son d sa fille.
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De Foe: Pi Ion, E., Daniel de Foe.
Nouvelle Revue fran^aise. 1912. Februar. S.
141—217.
Dethlefs: Spiero, H., Sophie Dethlefs. Eine ver¬
gessene Dichterin.
Konservative Monatsschrift. 1912. März. S. 645
—648.
Dickens: N. G., Charles Dickens.
Nieuwe Gids. 1912. März. S. 490—498.
—: Ludwig, A., Charles Dickens.
Eckart. 6. 1911/12. S. 287—297.
Droste: Gotthard, J., Neues über Annette von Droste
und ihren Freundeskreis. Mit ungedrucktem Material.
V. VI.
Westfalisches Magazin. N. F. 3. 1912. S. 159
—166. 1 73 — 1 79 -
Ettlinger: Josef Ettlinger.
Literarisches Echo. 1912. März 1. Sp. 739—746
mit 1 Portr.
Eulenberg: Deibel, F., Ein „Enkel" der Romantik.
(Herbert Eulenberg: Katinka die Fliege.)
Literarisches Echo. 1912, März 1. Sp. 761—765.
Falke: Biese, A., Der Lyriker Gustav Falke.
Konservative Monatsschrift. 1912. Februar. S.
530 — 533 -
Fontane: Herwig, F., Fontane. (Schluß.)
Überden Wassern. 5. 1912. S. 114— 11S.
Frenssen: Storck, K., Der neue Frenssen.
Der Türmer. 1912. März. S. 863—867.
Goethe: Steig, R., Von August v. Goethe als Heidel¬
berger Studenten.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 10
vom 10. März.
—: Stockmann, A., Goethe im Lichte der Biblio¬
graphie.
Stimmen aus Maria-Laach. 1912. H. 3. S. 298
•—304.
Greif: Ko sch, W., Martin Greif, die österreichische
Neutralitätserklärung und Napoleon III.
Westermanns Monatshefte. 1912. März. S. 48-52.
Jacobi: Wilhelm Jacobi. Ein hessischer Arzt und
Dichter.
Hessenland. 26. 1912. S. 56-58. (Schluß folgt.)
Kellermann: Puetzfeld, K., Die Romane Bernhard
Kellermanns.
Mitteilungen der literarhistorischen Gesellschaft
Bonn. 6. 1911. S. 193—213.
Keyserling: Bang, H., Graf Eduard Keyserling.
Neue Rundschau . 1912. März. S. 427—430.
Kierkegaard: Wien, A., „Jener Einzelne“. Zur Ein¬
führung in das Studium Kierkegaards.
Der Zeitgeist. Beiblatt zum Berliner Tageblatt
1912. Nr. 8 vom 19. Februar.
Kleist: Minde-Pouet, G., Epilog zur Feier des 100.
Todestages Heinrich von Kleists.
Westfälisches Magazin. N. F. 3. 1912. S. 153
— ! 57 -
— : Wipp ermann, F„ Heinrich von Kleist.
Bücherwelt. 9. 1911/12. S. 83—87. (Wird
fortges.)
Knnad: Grobe-Wutischky, A., Paul Kunad f.
Xenien. 5. 1912. S. 67—70.
Meyer: Weland, K., Auf Conrad Ferdinand Meyers
Spuren. Eine Reiseskizze.
Grenzboten. 1912. Nr. 7. S. 334—340.
Meyrink: Scheller, W., Gustav Meyrink.
Pan. 2. 1912. Nr. 13. S. 391 — 395 -
Mörike: Klöß, H., Eduard Mörike.
Die Karpathen. 5. 1912. S. 305—312. (Schluß
folgt.)
—: Windegg, W. E., Aus Eduard Mörikes Braut¬
zeit. Mit einem neu aufgefundenen Gedicht Mörikes.
Westermanns Monatshefte. 1912. März. S. 123
—124 mit 1 Portr.
Nietzsche: Faguet, E., Nietzsche et les femmes.
Revue des Deux Mondes. 1912. März 1. S. 81—95.
—: Strecker, K., Nietzsches Deutschtum.
Tägliche Rundschau. 1912. Unterhaltungsbeilage
Nr. 44 vom 21. Februar.
Rolland: Le Cardonnel, G., Ein jungfranzösischer
Roman. (Romain Rolland; Der brennende Busch.)
Pan. 2. 1912. Nr. 14. S. 410—414.
Rosenow: Schmidt, C., Emil Rosenow.
Literarisches Echo. 1912. März 15. Sp. 819—824.
Schiller: Müller, E., Die inneren Beziehungen von
Schillers „Kabale und Liebe“ und „Don Carlos“.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 7
vom 18. Februar.
Schmidt: Dreyer, A., Ein bayerischer Volksdichter.
Zum 80. Geburtstage Maximilian Schmidts (25. Fe¬
bruar 1912).
Bayerland. 23. 1911/12. S. 428—430 mit x Por¬
trät.
Shakespeare: Miller, A. E., Die erste deutsche Über¬
setzung von Shakespeares „Romeo and Juliet“.
Journal of English and Germanic Philology. 11.
1912. S. 30—60.
Stenb: Dreyer, A„ Ludwig Steub als belletristischer
Schriftsteller. Zum 100. Geburtsfeste des Dichters
(20. Februar 1912).
Bayerland. 23. 1911/12. S. 407—409. 426—428
mit 1 Porträt.
StOim: Böhme, F., Vergessene Geschichten Theodor
Storms.
Westermanns Monatshefte. 1912. März. S. 116
—128.
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Von den Auktionen — Neu erschienene und angekündigte Bücher
23
Tolstoi: Heimann, M., Tolstois Nachlaß.
Neue Rundschau. 1912. März. S. 434—439.
-: Poppenberg, F., Tolstois Nachlaß.
Literarisches Echo. 1912. März 15. Sp. 811—815.
—: Schumann, W., Tolstoi und sein Nachlaß.
Kunstwart. 1912. H. 12. S. 364—381.
Yerhaeren: Franck, H., Zu Verhaerens Deutschlands¬
reise.
Gegenwart. 41. 1912. S. 149—152.
Wells: Seguy, R., H.-G. Wells et la pensee contem-
poraine.
AI er eure de France. 1912. Februar 16. S. 673—699.
Von den Auktionen.
Ende April versteigert Max Perl in Berlin die
Bibliothek eines bekannten Wiener Bibliophilen, An¬
fang Mai die Ex-libris-Sammlung Dr. Dillmann f,
Wien, alte deutsche Ex-libris vom Jahre 1470—1900,
deutsche, englische, amerikanische, französische und
Schweizer Ex-libris des XVII.—XIX. Jahrhunderts,
deutsche Ex libris aus dem XIX. und XX. Jahrhundert
in Holzschnitt, Lithographie und Radierung von ersten
Künstlern in meist signierten Abdrücken.
Vom 20. bis 25. Mai kommen bei C. G. Boemer
in Leipzig unter den Hammer die kostbaren und um¬
fangreichen Kupferstichsammlungen des Kammerherm
von Seidlitz-Pilgramshain und Främbs-Neuwied, kost¬
bare Kupferstiche vom XV.—XVIII. Jahrhundert,
deutsche und italienische Inkunabeln, Dürer und Rern-
brandt usw.
Am 2. April verauktioniert die Galerie Helbing in
München alte japanische Farbenholzschnitte, vom
6.—11. Mai H. G. Gutekunst in Stuttgart die Samm¬
lungen Hofmarschall v. Baidinger-Stuttgari, E.Schröter-
Dresden, Fritz Rumpf Potsdam, II. Teil: Kupferstiche,
Holzschnitte und Radierungen alter Meister, dabei
bedeutende Werke von Dürer und Rembrandt, Original¬
radierungen, Handzeichnungen des XIX. Jahrhunderts.
Neu erschienene und
Die deutschen Volksbücher, herausgegeben von
Richard Benz. Band 3: Tristan und Isalde. Jena bei
Eugen Diederichs 1912.
Als Fortsetzung der früher (siehe Beiblatt Juli 1921,
S. 155) angezeigten schönen Benz’schen Volksbücher
erscheint dieser dritte Band, der den ältesten Druck
der Historie von Tristan und Isalde, erschienen bei
Anton Sorg in Augsburg 1484, geschickt erneuert. Der
Rhythmus der Sprache ist mit feinem Ohr aufgefangen
und wiedergegeben. Die äußere Erscheinung unter¬
stützt den suggestiven Eindruck, der mit soviel Bewußt¬
sein dem primitiven und naiven Wesen dieser alten
Geschichten angenähert ist, die aus der Zierkunst der
Ritterepen das starke menschliche Stützwerk bewun¬
dernswert herauszuschälen wußten. In der Drugulin*
Fraktur und dem schönen, wie die gesamte Ausstattung
von dem Herausgeber entworfenen Einband zählen
diese Bücher zu dem Besten, was wir jetzt an echter,
formreiner Buchkunst haben. G. W.
Neu eröffnetes moralisch-politisches Puppenspiel
von Goethe. Et prodesse volunt Et delectare poetae.
Walpurgis-Verlag, Schierke am Brocken.
Einer der überflüssigsten unter allen überflüssigen
Neudrucken. Der Pferdefuß guckt am Schlüsse heraus,
wo die Bruchstücke und das Personenverzeichnis von
„Hanswursts Hochzeit " an gehängt sind. Die über¬
mütigen Derbheiten sollen offenbar die Käuferscharen
locken; es ist nur zu wünschen, daß diese Absicht, mit
der ein neuer Verlag sich nicht eben rühmlich einführt,
erfolglos bleibe. A—s.
Aus dem alten Rom. Zwölf Aquarelle von AndrI
Latnbert. Stuttgart, J. Hoffmann.
Hier ist ein Maler, der uns einreden möchte, daß
angekündigte Bücher.
im alten Rom die Sonne nicht geleuchtet und darum
auch das Wasser nicht geglänzt, der Marmor nicht ge¬
spiegelt, der Purpur nicht gestrahlt habe. Die Menschen
aber waren so: sie hatten aschfahle Leiber und regel¬
mäßig geschnittene, ausdruckslose Gesichter; stumm,
dumpf und träg brachten sie ihr Leben dahin; die
Gottheit, zu der sie beteten, hieß Venus, war aber
nicht die Göttin glühender Sinnlichkeit oder verzehren¬
der Leidenschaft, sondern matter Lüsternheit. Männ¬
lein und Weiblein, Freier und Knecht zeigten sich im
Haus wie draußen gern nackt oder halbnackt; auch
verstanden sie sich darauf, die Gewänder in Verruf zu
bringen, indem sie durch knittrigen kleinlichen Falten¬
wurf die Schönheit selbst der kostbarsten Stoffe ver¬
darben; ihre Bewegungen litten an einer seltsam kon¬
trakten Steifheit, die von Würde weiter noch entfernt
war als von Anmut. Dies alles möchte ein gelehrter
Maler (unterstützt von einem wirklich vortrefflichen
Drucker) uns einreden: wir aber glauben ihm nicht.
Neue Klassikerausgaben.
In der Reihe der Hesseschen Klassiker sind Hamer-
lings sämtliche Werke in 16 Bändchen erschienen, mit
einem Lebensbild und Einleitungen, herausgegeben von
Michael Maria Rabenlechner. Es bedeutet keinen
Mangel, daß von den zahlreichen Zeitschriftenaufsätzen
nur ein Teil und von der „Atomistik des Willens“ ein
einziges Kapitel aufgenommen wurde; bietet doch die
Ausgabe ein vollständig genügendes Gesamtbüd des
Schaffens und der Eigenart dieses starken Talents, das
mit dem „Ahasver in Rom“ und der „Aspasia“ den
Beweis lieferte, wie antike Motive im Gegensatz zum
archäologischen Professorenroman dichterisch befruch¬
tet werden könnten. Das Zeitalter Schopenhauers und
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
Eduard von Hartmanns hat sich nirgends reiner nieder¬
geschlagen als in der Poesie Hamerlings und des
scheinbar so unähnlichen Wilhelm Busch. Hamerlings
„Stationen meiner Lebenspilgerschaft“ und die übrigen
autobiographischen Schriften strotzen freilich zu aus¬
schließlich von Poeteneitelkeit, als daß sie dafür zeugen
könnten. Er sagt, der Widerwille gegen das Unwahre,
gegen Ungenauigkeit, Schönfärberei und Phrasentum
in der biographischen Literatur sei es hauptsächlich
gewesen, der den Entschluß in ihm reifen ließ, die
„kurze“ Schilderung seines eigenen Lebens (303 Diuck-
seiten) in Angriff zu nehmen. Aber hier heißt Leben
von dem Werden des ersten Buches an wirklich nicht
mehr als Schreiben, Druckenlassen, Rezensiertwerden
und jedes Wort des Lobes und Tadels begierig auf¬
fangen. So ist in dieser Selbstbiographie kaum etwas
zeitgeschichtlich Wichtiges zu finden, höchstens die
Schilderung des Jahres 1S48, das der „grüne Dichter-
jiingling“ als Mitglied der akademischen Legion in
Wien erlebte. Es versteht sich ja von selbst, daß der
Dichter nicht sich selbst sub specie aeterni erblicken
kann, aber es bleibt doch auffallend, wie literatenhaft
Hamerling die Welt betrachtete. Auch die Biographie
des Herausgebers ordnet das Schaffen Hamerlings
nicht in einen größeren historischen Zusammenhang ein
und hält allzu unkritisch den Ton unbedingter Lob¬
preisung fest. Der Druck der Ausgabe ist klar und
scharf, freilich, ebenso wie der Einband, von keinem
Hauch buchkünstlerischen Empfindens gestreift.
In demselben Gewand bringt der Verlag Hesse
Becker in Leipzig auch Moli eres sämtliche Werke in
sechs Bänden, übersetzt von Wolf Grafen Baudissin ,
(durch neue Übersetzungen ergänzt), herausgegeben
von Professor Dr. Philipp August Becker. Unter den
drei neuen deutschen Moliercau -gaben ist diese inhalt¬
lich die gediegenste. Sie ist die erste vollständige, aufs
sorgsamste kommentiert und cingeleitet unter vollstän¬
diger Benutzung der gesamten Literatur, mit allen Bei¬
gaben Molieres zu den Originaldrucken ^ausgestattet.
Die Übersetzungen Baudissins, deren feinfühlige Eigen¬
art von jeher anerkannt wurde, haben durch die Über¬
arbeitung des Herausgebers noch gewonnen. Das
Fehlende ist durch ihn selbst, Max Moser und Maja
Lohr hinzugefügt worden.
Unter den Begriff der Klassiker fällt jetzt jeder
Dichtemame älterer Zeit, der mit noch so schwachem
Klange in die Gegenwart fortlebt. Friedrich Baron de
la Motte Fouque verdankt es wohl ausschließlich der
„Undine“, daß er außerhalb des Kreises der Literar¬
historiker noch nicht ganz vergessen ist; und schwer¬
lich wird die neue reichliche Auswahl seiner Werke in
Bongs Goldener Klassikerbibliothek den veralteten gro¬
ßen Roman „Der Zauberring“ mit seinem fabelhaften
Rittertum wieder erwecken. Leichter genießbar als er
sind die kleinen Erzählungen, namentlich „Das Galgen¬
männlein“, und manche der Gedichte des Vielschreibers
bezeugen, daß ihm nur die Sammlung fehlte, um Wert¬
volleres zu schaffen. Auch einzelne Partien in der ersten
Dramatisierung der Nibelungensage, die das XIX. Jahr¬
hundert hervorbrachte, gleich den späteren von Wag¬
ner und Hebbel eine Trilogie, betitelt „Der Held des
Nordens“, bleibt schon um der Nachfolger willen be¬
achtenswert, wenn auch von dem Helden Sigurd immer
das witzige Urteil Heinrich Heines gelten wird: „Er
ist so stark wie die Felsen von Norweg und ungestüm
wie das Meer, das sie umrauscht Er hat so viel Mut
wie hundert Löwen und so viel Verstand wie zwei Esel“.
Der Herausgeber Walther Ziesemer waltete seines
Amts gewissenhaft und ohne die so häufige Verblendung,
wenn er auch, wie recht und billig, alles vorbringt, was
zugunsten des übernommenen Mandats sprechen kann.
Man freut sich doch, in dem sorgsam und klar ge¬
druckten, dabei auch äußerlich recht gefälligen Bande
von über 900 Seiten für den bescheidenen Preis von
M. 2.50 nun auch diesen Dichter bequem zur Hand zu
haben.
Groß ist die neue historisch-kritische Ausgabe
von Bornes Werken angelegt, die, ebenfalls im Verlag
von Bong Co. t von Ludwig Geiger in Verbindung
mit anderen besorgt wird. Sie will die erste wissen¬
schaftliche sein und auch die Briefe darbieten. Bis
jetzt sind drei Bände erschienen, auf dem Titel des
ersten prangen nicht weniger als vier Bearbeiter: ab¬
gesehen von der Einleitung Alfred Klaars — Ludwig
Geige?, Leon Zeitlin und Erwin Kalischer. Er ent¬
hält die Jugendschriften und den ersten Teil der drama¬
turgischen Blätter, die in dem zweiten Bande beendigt
sind. Plier beginnen dann die reizvollen vermischten
Aufsätze und werden im dritten Bande fortgeführt. Die
Ausgabe erweckt in jeder Beziehung einen günstigen
Eindruck.
Die erstaunliche Energie des Verlags Georg Müller
in München läßt neben einander eine ganze Reihe von
Gesamtausgaben schnell fortschreiten. Der Propyläen -
Goethe , dessen Schönheit wir schon des öfteren rühmten,
steht bereits beim zwölften Band, der in der bekannten
chronologischen Anordnung Erzeugnisse der Jahre 1798
und 1799 bringt. Die Horenausgabe von Schillers
Werken gelangte mit dem fünften Bande bis zu den in
Weimar 1788 und in Jena vor Schillers schwerer Krank¬
heit entstandenen Schöpfungen. Den größten Teil füllt
die „Geschichte des Abfalls der Niederlande“. Zum
Glück ist jetzt auch endlich mit dem schlechten Grund¬
satz der Anonymität gebrochen worden. Der befähigte
und gewissenhafte Herausgeber Conrad Hofer wird
genannt und trägt mit der Verantwortung auch die
Ehre seiner außen und innen gediegenen Leistung.
Von Clemens Brentanos sämtlichen Werken , die
Carl Schüddekopf für Georg Müller besorgt, liegen
wieder zwei neue Bände vor. Der 13., enthaltend
die „spanischen Novellen“ und den „Goldfaden“,
geschmückt mit den alten Holzschnitten, wurde von
Heinz Amelung und dem Herausgeber selbst bearbeitet.
Die Frage, ob Brentano oder seine Gattin Sophie die
spanischen Novellen geliefert habe, wird dahin entschie-
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
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den, daß Sophie einige der Novellen ganz oder teilweise
wortgetreu übertragen, und daß Clemens den so entstan¬
denen Text überarbeitet hat. Sehr nützlich ist die Zu¬
sammenstellung aller Zeugnisse für die Aufnahme des
von den Gegnern der Romantik heftig befehdeten
Buches. Der erste Teil des 14. Bandes bringt, besorgt
von Wilhelm Oehl und CarlSchüddekopf, den Anfang der
religiösen Schriften. In der umfangreichen Einleitung
Oehls zu der wenig beachteten, aber bedeutsamen
Schrift „Die Barmherzigen Schwestern in bezug auf
Armen- und Krankenpflege“ sei bemerkt, daß Dohmke
(S. VII) ein Femininum ist Das „Lebenswerk“ des
katholischen Brentano, die Passionsgeschichte der Anna
Katharina Emmerich, hat als Erbauungsbuch weit über
das deutsche Sprachgebiet hinaus gewirkt und verdient
deshalb wohl die Bezeichnung als „ein europäischer
Kulturfaktor von unübersehbarer ästhetischer und ethi¬
scher Bedeutung“. Das einseitig ablehnende, zum
großen TeÜ wohl befangene Urteil der zünftigen Lite¬
raturgeschichte über dieses merkwürdige und bedeu¬
tende Buch wird zu revidieren sein.
Auch von E. T. A. Hoffmanns sämtlichen Werken,
die Carl Georg von Maassen bei Georg Müller mit dem
höchsten buchtechnischen und wissenschaftlichen Auf¬
wand ediert, ist wieder ein Band, der sechste, er¬
schienen. Er entspricht dem zweiten Teil der Serapions-
Brüder; der erste mit der Gesamteinleitung wird erst
am Schlüsse geliefert werden. Hohe Anerkennung
verdient auch hier die Sorgfalt der Textkritik und die
Fülle der erläuternden Beigaben.
Immer weiter gestaltet der Tempel-Verlag seine
Klassikerreihe aus. Der Schiller ist zu Ende geführt
worden, und gleichzeitig liegen schon Mörikes sämt¬
liche Werke in Franz Deibels Redaktion vollständig
vor. Vielleicht hat sich die Weiß-Fraktur noch keinem
der Dichter dieser Sammlung so stilgerecht ange¬
schmiegt wie diesem romantischen Vorläufer der Mo¬
derne. Auch der Halbpergamentband wirkt durch den
Farbenzweiklang Weiß-Blau besonders anmutig. Fein
ist auch der Akkord des einzigen braungelben Bandes
mit rotem Schnitt, in dem die Tempel-Klassiker Johann
Peter Hebels Gedichte und das „Schatzkästlein des
Rheinischen Hausfreundes“ darbieten. Emil Strauß,
einer der besten unter den heutigen alemannischen
Dichtern, hat den Druck überwacht, und unter dem be¬
scheidenen Titel „Hebel in seinen Briefen. Mit Erläu¬
terungen“ eine anmutige Biographie gegeben. Auch
Eckermanns Gespräche mit Goethe durften unter den
Tempel-Klassikern nicht fehlen. Monty Jacobs fügt zu
ihnen aus dem Nachlaß Eckermanns die Äußerungen
über den zweiten Teil des „Faust“ und Proben aus
Sorets „Conversations avec Goethe“, die erst jüngst im
französischen Urtext zugänglich wurden. Das Nach¬
wort wird dem Verdienste Eckermanns völlig gerecht
und gibt ihm doch nicht mehr als ihm zukommt. Auch
die Entstehung der „Gespräche“ unter den Auspizien
des Meisters ist richtig dargestellt, ihr künstlerisches
Z. f. B. 1912/1913.
Wiedergeben von Goethes Tonfall mit Recht gerühmt.
Ein reichhaltiges Register erhöht den Wert der schönen
Leistung.
Der Insel-Verlag in Leipzig bot den zweiten und
dritten Band von Nikolaus Lenaus sämtlichen Werketi
und Briefen in sechs Bänden, herausgegeben von
Eduard Castle . Der zweite Band enthält die epischen
Dichtungen: „Faust“, „Helena“, „Savonarola“, „Die
Albigenser“ und das „Don Juan “-Fragment; eine schöne
Silhouette Lenaus und ein vortrefflich wiedergegebenes
Blatt der Fausthandschrift schmücken ihn. Der dritte
Band bringt den ersten Teil der Briefe, bis zum März
1836 reichend. Der Brief an die Mutter und das schöne
Knabenbildnis des Dichters sind sehr erfreuliche Zu¬
gaben. Über das Äußere dieser schönen Ausgabe
haben wir schon bei Gelegenheit des ersten Bandes
gesprochen (vergleiche Beiblatt, April 1911, Seite 28).
Der Druck in der Unger-Fraktur macht sie zu einem
würdigen Seitenstück unseres besonderen Lieblings,
des Insel-Kleist, und in dem schönen, von E. R. Weiß
gezeichneten Lederbande erhielt sie ein besonders
prächtiges Gewand. Soweit ohne den kritischen Appa¬
rat, den erst der sechste Band bringen soll, geurteilt*
werden kann, entspricht die Sorgfalt der Bearbeitung
diesem Gewände.
Ebenso liegt von der neuen Gesamtausgabe Hein¬
rich Heines, die Oskar Walzel für den Insel- Verlag be¬
sorgt, als Fortsetzung der zweite, sechste, siebente und
neunte Band vor, jeder zu dem bÜligen Preise von
M. 3.—, solide in Halbpergament gebunden. Band 2
bringt die „Neuen Gedichte“, „AttaTroll“ und „Deutsch¬
land“; der sechste und siebente den Anfang der Pariser
Prosa, der neunte die „Lutezia“ und eine Anzahl klei¬
nerer Aufsätze. Die Arbeit der Herausgeber, zu denen
Jonas Fränkel, Walther Gensei, Albert Leitzmann und
Julius Petersen zählen, erweist sich als gründlich und
geschmackvoll, zumal durch die außerordentliche
Knappheit des Kommentars. Wenn das Folgende, wie
nicht zu bezweifeln ist, dem ersten Drittel entspricht,
wird sich diese Ausgabe durch ihren streng wissen¬
schaftlichen Charakter die erste Stelle neben der von
Elster erringen, während sie durch ihre Ausstattung
ohne Zweifel allen früheren überlegen ist.
Die Herdersche Verlagshandlung in Freiburg im
Breisgau brachte in zweiter umgearbeiteter Auflage
Dantes poetische Werke in vier Bänden. Der italienische
Text ist der formschönen und als meisterhaft allgemein
anerkannten Übertragung Richard Zoozmanns Seite für
Seite gegenüber gestellt, was neben der Vollständigkeit,
die keine frühere deutsche Danteübersetzung bot, dem
großen Unternehmen schon allgemeinen Beifall sichern
wird. Die feinsinnigen, vor allem vom ästhetischen
Standpunkt aus die Werke würdigenden Einführungen
Constantin Sauters und die ausführlichen Anmerkungen
und Register sind die willkommensten Zugaben. Buch¬
technisch interessant ist die Art, wie der Kommentar
den Bänden eingefügt wurde. Er bildet in jedem der
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Kleine Mitteilungen
Bände ein Sonderheft, das durch einen starken Lein¬
wandfalz mit dem Außenrande des hinteren Buchdeckels
verbunden ist und herausgeklappt werden kann. So
wird dem Leser alles lästige Vor- und Zurückblättem
erspart und er kann den Blick mit Leichtigkeit von dem
Text auf die Erläuterungen hinüberlenken. Neben allen
andern vortrefflichen Eigenschaften dieser Ausgabe
muß auch ihr sehr mäßiger Preis (M. 20.— in Leinen,
M. 30.— in Pergament für vier starke Bände) gerühmt
werden.
Bedingt darf in die Reihe der Klassiker auch der
jung verstorbene Wilhelm Heinrich Wackenroder auf¬
genommen werden. Man weiß, daß von den „Herzens¬
ergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ und
den „Phantasieen über die Kunst“ Wirkungen ausge¬
gangen sind, die sich über das gesamte Kunstbereich
der folgenden Zeit erstreckt haben, und daß der von
Wackenroder inspirierte Roman Ludwig Tiecks, „Franz
Stembalds Wanderungen“ die Grundlage des Nazarener-
tums in der Malerei wurde. Wackenroder hat nicht
nur den Begriff der „Kunstfrömmigkeit“ geprägt, er ist
nicht nur der Entdecker Nürnbergs, er wußte auch die
Sprache als Künstler zum Ausdruck feinster Innerlich¬
keit zu formen und in ihr das Bild seiner reinen, weh¬
mütigen Jugend abzuprägen. Wir danken Friedrich
von der Leyen und dem Verlag Eugen Diederichs in
Jena für die zwei zierlichen Bände, in denen sie uns die
Werke und Briefe Wackenroders gegeben haben; wie
man es bei den Ausgaben des Verlags Diederichs ge¬
wohnt ist, ohne alle gelehrten Zugaben, jedoch mit
jener gewissenhaften Sorgfalt, zu der das Amt des lite¬
rarischen Testamentsvollstreckers in jedem Falle ver¬
pflichten sollte, und mit der Liebe, die nur aus innigem
Einfühlen in den Gegenstand erwachsen kann.
Ein wenig von der Blindheit jeder echten Liebe
darf auch dem Herausgeber zugestanden werden und
am meisten, wenn es eine erste Liebe ist. Von solcher,
aus zärtlicher Anbetung und dem heimlichen Stolz des
beglückten Anbeters gemischten Empfindung zeugt die
schwungvolle Einleitung Paul Zifferers zu seiner Über¬
setzung der Jugenddichtungen Gustav Flauberts. Zum
ersten Male werden wir mit den Anfängen des großen
Romancier^ beschenkt, und erstaunt entdecken wir
nichts von jener impassibiliU t die seinen reifen Werken
oberstes Gesetz war. Ein leidenschaftliches Feuer tobt
sich in der grellen Theatralik historischer Szenen aus,
für die der ältere Alexander Dumas und Victor Hugo,
Vitet und M^rimde die Muster hergaben. Auf der
Bühne erblickt man diesen Stil nur noch im „Trouba¬
dour“ und den Opern Meyerbers, in der Erzählungs¬
kunst ist er ganz verschwunden. Aber der Kinemato-
graph lockt durch ihn die Massen (und nicht nur die
künstlerisch Unempfindlichen) in unseren Tagen von
neuem mit unwiderstehlichem Reiz. So wird auch dieser
starke Band in seinem ersten Teil, den „Historien und
Legenden“, jetzt wieder vielen Lesern als eine die Ner¬
ven spannende Unterhaltungslektüre willkommen sein,
nicht minder der zweite, „Erzählungen und Visionen“,
der, voll stärkeren persönlichen Gehalts, in die dunklen
Pfade Edgar Poes und Baudelaires einlenkt. Als ein
glänzendes Virtuosenstück sei hier namentlich die Novelle
„Bücherl“, die Tragödie eines Bibliomanen, hervorge¬
hoben. J. C. C. Bruns ' Verlag in Minden , dem wir die
große Gesamtausgabe Flauberts verdanken, hat diesen
Band unter der Leitung von F. H. Ehmke auf ein schö¬
nes van Gelder-Bütten drucken und in einen Halbfranz¬
band mit ungewöhnlich dekorativem Rücken binden
lassen.
Als Seitenstück zu der monumentalen Ausgabe des
Nibelungenliedes hat der Hyperion-Verlag Hans von
Weber in München bei EnschecU en Zonen in Haar¬
lem die Kudrun drucken lassen. Dieselbe wundervolle
Gotisch, dieselbe typographische Schönheit, frei von
jeder ornamentalen Beimischung, und dieselbe Würde
des Gesamteindrucks machen diesen Band zu einem
ebenso unentbehrlichen Besitz für den Bücherfreund
wie seinen Vorgänger. P—e.
Catalogus van boeken in Noord - Nederland ver¬
sehenen van den vroegeten tijd tot op heden. Samen-
gestelt door deTeutoonstellings-Commissie der nationale
Teutoonstelling van het boek, juni—augustus 191a
Uitgave van de vereeniging ter beoordering van de
belangen des boekhandels. 'S Gravenhage, Martinas
Nijhoff, 1911. Wie der Titel angibt, ist dieser um¬
fangreiche Gesamtkatalog der niederländischen Lite¬
ratur (im heutigen Sinne) eine Frucht der Buchaus¬
stellung , die bei Gelegenheit des internationalen
Verlegerkongresses im vorigen Jahre in Amsterdam
veranstaltet wurde. Die Einteüung ist dem sogenannten
Dezimalsystem entlehnt und innerhalb jeder Rubrik
chronologisch. Für häufiger erschienene Bücher werden
nur die ersten Ausgaben genannt So empfangt man
für aUe Wissenschaftsgebiete ein Bild ihrer Entwicklung
in Holland von der Erfindung der Buchdruckerkunst
bis 1910, wenn auch kleinere Gelegenheitsschriften,
Schulbücher, alle Zeitschriftenaufsätze und Sonderab¬
drücke fehlen. Als Grundlage einer späteren allgemeinen
niederländischen Bibliographie und als Nachschlage-
buch verdient das Werk, das durch Zusammenwirken
zahlreicher Kräfte entstanden ist, Dank. Noch nütz¬
licher würde es freilich sein, wenn die Abteilungen nicht
einzeln paginiert wären, und wenn ein Generalregister
der Namen die zehn Personenregister zusammenfaßte.
Der Preis beträgt M. 30.— G. W.
Kleine Mitteilungen.
Im Buchgewerbemuseum zu Leipzig ist eine reiche
Auswahl aus dem Karikaturenwerk des englischen
Zeichners Thomas Rowlandson (1756—1827) ausgestellt.
Sie stammt aus dem Besitz des bekannten Sammlers
und Schriftstellers Eduard Fuchs. Bei dem Nebenein¬
ander so vieler Blätter merkt man doch, daßRowlandsons
Ausdrucksfähigkeit ziemlich beschränkt war, daß es
nur eine einzige Seite des vielgestaltigen Lebens war,
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Kleine Mitteilungen
2 7
deren äußerliche Komik ihn reizte. Er war kein Satiriker,
kein Ankläger, sondern ein gutmütiger Humorist, und
dabei oberflächlich, leidenschaftslos, nur neugierig, so
wie seine Helden, die sofort das Fernrohr zur Hand
haben, wenn es „etwas zu sehen' 1 gibt. Seine Kunst
erschöpft sich in der Modelaune und dem öffentlichen
Gebahren seiner Zeit. Man liebte große körperliche
Üppigkeit, die man freimütigst zur Schau trug. Hier
setzt Rowlandson ein. Er komponiert schreckliche oder
ulkige Geschichten, lächerliche Situationen, um seine
Nacktheiten dokumentieren zu können. Und es macht
ihm Spaß, dem Beschauer auch, denn er beleidigt nicht,
er ist wie gesagt innerlich harmlos. Schon die Verall¬
gemeinerung seiner Typen enthebt seine Darstellung
einer eindringenderen, spezielleren Charakteristik. Es
ist immer wieder der komische Alte mit der unter¬
setzten Statur, dem großen Kopf, der bizarren Nasen-
und Mundform, sein Typus des Genießers, dann die
junge, hübsche Frau mit der quellenden Leibesfülle
und dazu ein paar Statisten. Seine künsderischen Aus¬
drucksmittel sind im gleichen Maße reduziert. Seine
Linie an sich spricht nicht, sie dient nur zur Bestimmung
und Begrenzung einer Fläche, deren leuchtende
Färbung die sinnlichen Eindrücke vermitteln soll. Da¬
her bevorzugt Rowlandson die Aquatintamanier, die in
seiner Behandlung stets auf Kolorierung Bedacht
nimmt. Am höchsten aber könnte man seine formale
Gestaltungskraft einschätzen, die die schwierigsten Be-
wegungsmodve zu meistern versteht. Seine Fleisch¬
massen sind immer in Aufruhr; ein ewiges Drängen,
Stoßen, Fallen verleiht seinen Darstellungen eine köst¬
liche Lebendigkeit.
Aus Rowlandsons Stoffgebiet seien einige Haupt¬
momente gegeben. Selbst das schrecklichste Unglück
faßt er immer von der komischen Seite an und benutzt
es nur als Vorwand. Eine Feuersbrunst bietet ja Ge¬
legenheit genug, die Menschen im Nachthemd zu
zeigen. Manche schöne Jungfrau wird heldenmütigst
gerettet, manche muß aber auch eine Leiter herunter¬
steigen, die eifrig von zwei glotzenden Kerlen gehalten
wird. Oder der sehr bekannte Absturz von der steilen
Treppe, exhibition Stare case, wo es in der Begeisterung
des Zusehens den Herren natürlich nicht einfällt, den
halbnackten Schönen wieder aufzuhelfen. Trotz der
heiklen Situation ist die Darstellung so grotesk, daß
man es als das nimmt, was es sein soll, als einen
Scherz in rein künstlerischer Behandlung. Den kleineren
Fährlichk eiten des menschlichen Lebens gewinnt
Rowlandson auch immer die pikant humoristische Seite
ab. Frauen, die aus einem Wagen fallen oder mit dem
Rock hängen bleiben, bieten in ihrem Unglück den
Zuschauern immer Stoff zum Lachen. Alles rennt her¬
bei, um sich ja nichts von dem Anblick entgehen zu
lassen. An den Haaren muß die Gattin ihren über¬
eifrigen Mann fortzerren. Unter dem Wagen kauern
die guten Leute, um einer Frau beim Einsteigen zuzu¬
sehen.
Die Modetorheiten, an denen die damalige Zeit
sehr reich war, boten auch gegnügend Stoff dem
witzigen Schilderer. The bum shop, beim Steißschneider,
karikiert sehr treffend, welchen Verunstaltungen man
seinem Körper schuldig zu sein glaubte^ Es gibt sehr
viele Blätter Rowlandsons, die dieses Gebiet in allen
seinen Unglaublichkeiten behandeln. Es gelingt ihm
auch manche hübsche Szene genrehafter Art Reizend
ist die junge Frau, die ihrem tölpelhaften Gatten beim
Rasieren den Spiegel hält. Zum Schlüsse mag noch
auf ein Blatt hingewiesen werden, das einen Schlächter
darstellt, wie er einem Stück Vieh die Eingeweide
ausnimmt. Dieser brutale Kerl mit dem Messer im
Maule—die Hände braucht er zur Arbeitsverrichtung —
hat etwas von der typischen Größe und Kraft, die die
Kunst eines Daumier vorausahnen läßt
In den unteren Räumen des Buchgewerbehauses
zeigt die Königliche Akademie für graphische Künste
und Buchgewerbe ihre Schülerarbeiten. Man gewinnt
den bestimmten Eindruck, daß den jungen Leuten
lebendige Kunstwerte vermittelt werden, daß sie nicht
in akademischem Formalismus großgezogen und von
den Anschauungen und Forderungen unserer Zeit fern-
gehalten werden. Es genügt schon, die Studien der
vorbereitenden Klassen anzusehen, die Akt- und
Porträtzeichnungen, die Tempera- und Ölmalereien,
die im Farbenauftrag und in der Verwendung reiner,
leuchtender Farben sich ganz bewußt den neuen
künstlerischen Zielen anschließen.
Das eigentliche Arbeitsfeld liegt aber in den Werk¬
stätten, wo alle Zweige der Graphik und des Buch¬
gewerbes mit besonderer Berücksichtigung und Sorg¬
falt ihrer technischen Herstellung gelehrt werden. Die
ausgestellten Arbeiten geben einen guten Überblick
über die Mannigfaltigkeit der Unterrichtsgegenstände
und über die erfolgreiche Tätigkeit des künstlerischen
Nachwuchses. Dr. Hans Wolff.
Die rührige Direktion der Königlichen Graphischen
Sammlung in München hat durch Dr. Bredt einen
Sachkatalog der reichen Sammlung hersteilen lassen,
der ein Muster von Klarheit und Bequemlichkeit, und
der wirklich imstande ist, jedem in Schnelligkeit zu
dem Material der Sammlung zu verhelfen, das er gerade
nötig hat Wie nützlich ein solcher Katalog speziell in
München ist, wo zahllose Kunststudierende und Kunst¬
interessenten, aber auch die Handwerker vielfach auf
die Schätze der Königlichen Graphischen Sammlung an¬
gewiesen sind, braucht wohl nicht hervorgehoben zu
werden. Dr. Bredt hat einen Stichwort-Katalog verfaßt,
der in 300 Stichwörtern alles das kategorisiert, was in
der Sammlung enthalten ist Wie sehr diese Ein¬
teilung ins Detail geht, mögen solche Stichwörter, wie
„ Akrobaten ", „ Apokalypsen“, „Autosport 11 , „Backfische“,
„Clat'robscur“, „Korpsstudenten“ % „Kostümfeste“, „ Wa¬
gen“, „ Wahrsagen aus Karten „ Wasserspeier “ und
andere mehr dartun. Diese Stichwörter verweisen auf 300
Zettel-Abteilungen, die in zwölf nach Gruppen geordneten
undüberschriebenen Zettel-Kästen verteilt sind; daneben
aber findet sich auch noch an den Wänden aufgehängt
eine Zeit- und Stiltafel, die wiederum auf die einzelnen
Abteilungen verweist Dabei sind die Zeiten oder
Perioden durch eine Anzahl die Länge der Tafel herab¬
laufende Periodenbezeichnungen aufgeteilt, die von
„vorgeschichtlich“ bis ins „XX. Jahrhundert“ führen.
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Kleine Mitteilungen
Die Breite der Tafel entlang laufen die Kunstarten, wie
Zeichnung, Kupferstich, Holzschnitt usw. Zeit- und
Stiltafel und Stichwort-Katalog reichen sich dann wieder
die Hände, indem zum Beispiel im Stichwortkatalog
bei Stilbezeichnungen wie Altchristliches, Byzantinisches
und dergleichen auf die Zeittafel verwiesen ist, wo
alle Katalogabteilungen auf einer Zeile genannt sind,
die hierfür in Betracht kommen. Außerdem steht noch
ein Führer durch die Graphische Sammlung zur Ver¬
fügung, der die Materialien der aufgestellten Kataloge
und der 15 Spezialkataloge resümiert. — Ebenso
nützlich ist ein soeben erschienenes Verzeichnis der
wichtigsten Miniaturhandschriflen der Königlichen Hof-
und Staatsbibliothek München , das der Vorstand der
Handschriftenabteilung, Dr. Georg Leidinger , herge¬
stellt hat. Das Verzeichnis ist hervorgegangen aus
dem Katalog, der gelegentlich des zu München tagen¬
den IX. Internationalen kunsthistorischen Kongresses
im September 1909 für die in der Hof- und Staats¬
bibliothek eingerichtete Ausstellung zur Geschichte der
Miniaturmalerei von Dr. Leidinger abgefaßt wurde.
Der Katalog ist nunmehr in dem vorliegenden neuen
Verzeichnis stark vermehrt und verbessert und enthält
die Beschreibung von 252 der wichtigsten Miniatur¬
handschriften aus einem nicht gezählten, aber wohl
aus 1000 minderten Handschriften bestehenden Mün¬
chener Besitz. Dem Verzeichnis ist noch ein Register
der Signaturen der beschriebenen Handschriften bei¬
gefügt, in welchem außerdem die Nummern der photo¬
graphischen Einzelaufnahmen vermerkt sind, welche
in einer Anzahl von vielen Tausenden Einzelblättem
bereits von dem Hofphotograph Teufel aufgenommen
sind. Dieser Katalog ist nicht allein ein ausgezeichneter
Führer für die Besucher der Staatsbibliothek selbst,
sondern wird, namentlich auch durch das angefügte
Register, den auswärtigen Gelehrten bedeutende Dienste
leisten können, die sich nach diesem Katalog mit
Leichtigkeit die betreffenden Teufelschen Photo¬
graphien aussuchen und bestellen können. M.
Zu den vielen wertvollen Schätzen der Samm¬
lung Huth in New York gehörte auch ein Exemplar
der ersten Ausgabe der Gedichte von Robert Bums,
die schon seit Jahren zu den größten Seltenheiten
des Büchermarktes gerechnet wird. Exemplare die¬
ser Ausgabe, und besonders gut erhaltene Exemplare
sind in der Tat so selten, daß der kleine und dünne
blau-weiße Oktavband, den John Wilson in Kilmar-
nock im Jahre 1786 druckte, heute fast ein kleines
Vermögen darstellt. Das Bändchen wurde, wie die
New Yorker „Sun“ mitteilt, damals vom Verleger
zum Preise von 72 Cents angesetzt Die Gesamt¬
zahl der Auflage betrug 612 Stück, und der Dichter
mußte sich nach Abzug aller Kosten für Druck, Pa¬
pier und Einband mit dem bescheidenen Ertrag von
96 Dollars begnügen. Noch um die Mitte des neun¬
zehnten Jahrhunderts konnten Exemplare davon ge¬
legentlich für 25 Cents erworben werden; in der
Mitte der siebziger Jahre dagegen begann gerade
bei diesem Buche ein gewaltiger „Boom“ einzusetzen,
der seinen Preis auf das 3000- bis 7ooofache des ur¬
sprünglichen Verlagspreises trieb. Der höchste Preis,
der bisher für das Buch bezahlt worden ist, waren
wohl die 4800 Dollars, für die im Jahre 1909 die
Trustees des Bums-Hauses das besterhaltene da¬
malige Exemplar erwarben; über die übrigen Höchst¬
preise seit dem Beginn der siebziger Jahre gibt die
nachfolgende Übersicht Auskunft:
Unbenanntes Exemplar, Edinburg 1874
19
£
Laings,
Sotheby 1879
90
99
Craigs,
„ 1888
in
M
Unbenannt,
„ 1890
107
„
Gaisfords,
„ 1890
120
„
Youngs,
„ 1890
100
*1
Auchinlecks,
.. 1893
102
„
Baronets,
„ 1896
121
„
Lambs Nr. 1,
Edinburg 1898
572.5
..
Veitchs,
1903
ioeo
»»
Van Antwerps,
1907
700
„
Die Geschichte dieser Bücher in ihrer Wande¬
rung von Besitzer zu Besitzer zu erforschen, wäre
gewiß eine interessante, aber kaum sehr lohnende
Aufgabe; denn die weitaus überwiegende Mehrzahl
derselben ist jedenfalls unwiederbringlich verloren,
und man darf sehr zweifeln, ob heute von der ein¬
stigen Auflage von 612 Stück noch mehr als 30 oder
40 vorhanden sind. Das Britische Museum besitzt
zwei Exemplare dieses Buches, von denen das eine
insbesondere darum wertvoll ist, weil es zusätzliche
Verse und sonstige schriftliche Eintragungen von
Bums Hand enthält (Börsenblatt)
In Lichterfelde verschied am 7. März im Alter
von 36 Jahren unser verehrter Mitarbeiter Emst
Schur. Er war ein Dichter und Kunstkenner von
seltener Feinheit und diese Eigenschaften bewährten
sich namentlich in den zahlreichen, stets gehaltvollen
Bücherbesprechungen, die er zur „Zeitschrift für Bücher¬
freunde“ beigesteuert hat
Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg
hat im letztverflossenen Jahre für seine Bücherei eine
Anzahl sehr wertvoller alter Stammbücher erworben,
über die Herr Dr. H. Höhn demnächt in unserm
Hauptblatt N äheres mitteilen wird. Die meisten stammen
aus der berühmten Sammlung des Geh. Rats Fried¬
rich Wamecke und wurden auf einer Versteigerung
in Leipzig erstanden aus Mitteln, die der Opfersinn
alter Nürnberger Patrizierfamilien zur Verfügung gestellt
hat Als die wertvollsten Stücke seien angeführt: das
Stammbuch des Predigers an der Spitalkirche Nürn¬
berg Georg Werner, das Einträge von Nikodemus
Frischlin, Johann Praetorius, Hans Leo Häßler (eine
kleine Komposition) usw., dazu auch eine von Melanch-
thons Sohn beglaubigte Aufzeichnung Luthers enthält,
ferner das auch künstlerisch ausgestattete Stammbuch
des Ulrich Johann Starck und dasjenige des Hieronymus
Kreß mit einer Eintragung Wallensteins aus dessen Alt¬
dorfer Studentenzeit und verschiedenen Darstellungen
aus dem Studentenleben in Aquarellmalerei Diese
drei Bücher gehören noch dem XVI. Jahrhundert
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Literatur und Justiz.
29
an. Aus dem XVII. Jahrhundert wären hervorzuheben
zwei Harsdorffersche Stammbücher sowie die des
Marcus Carl Tücher, Leonhard Grundherr, Paulus
Christoph Gugel und des Gebhard Gerdner, eines
Altdorfer und dann Jenenser Studenten mit großem
Bekanntenkreise, aus dem XVIII. Jahrhundert end¬
lich ein Stammbuch des Nürnberger Theologen Fried¬
lich Kordenbusch, des Altdorfer Studenten Georg
Dehler und insbesondere das reichhaltige Stamm¬
buch des Karl Friedrich Treuttel, eines jungen Stra߬
burgers, der in den Jahren 1788—1791 eine große
Reise durch Deutschland machte und bei dieser Ge¬
legenheit zu den Berühmtheiten der verschiedenen
Städte in Beziehung trat. Dieses letztere Stamm¬
buch, in das sich auch Wieland, Goethe, Schubart,
Pfeffel, Salzmann, Uz, Joh. Reinhold Förster u. a.
eingetragen haben und das auch künstlerisch reich
ausgestattet ist, wurde nicht auf der Auktion War¬
necke, sondern anderweitig erworben.
Ein überaus reicher Fund von antiken Schrift¬
stücken aus Ton, sogenannte Ostraka, ist von dem
bekannten Gelehrten Dr. Karl Maria Kaufmann in
Ober-Ägypten gehoben und für die Frankfurter An¬
tikensammlung bestimmt worden. Dieser literarische
Schatz besteht aus 700 Schriftstücken, in fünf ver¬
schiedenen Sprachen. Neben talmudischen, griechi¬
schen und koptischen Texten, die in der Mehrzahl
vorhanden sind, kommen aramäische und arabische
vor. Nach dem Ergebnis der ersten wissenschaft¬
lichen Prüfung befinden sich unter anderem Material
private und kaufmännische Korrespondenzen, litera¬
rische Texte, Rechnungen und andere kulturhistorische
und sprachwissenschaftlich wertvolle Dokumente.
(Berlintr Tageblatt)
Anfang Februar ist aus einem Bethause in Leip¬
zig ein altes handschriftliches Notenbuch mit latei¬
nischen und hebräischen Kompositionen in schwarzem
Ledereinband gestohlen worden, das auf dem Deckel
mit dem Namen „M. Wach “ bezeichnet ist und 500 M.
Wert besitzt Der Altertumswert beziffert sich jedoch
bedeutend höher. Der Dieb wird in einem unbe¬
kannten Menschen vermutet, der sich am 4. Februar
in der betreffenden Andachtsstätte aufgehalten hat
Er ist 30—35 Jahre alt, 1,70 Meter groß, schmächtig,
hat länglich-blasses Gesicht, Anflug von schwarzem
Schnurrbart und hat dunklen Anzug, schwarzen Über¬
zieher und ebensolchen steifen Hut getragen.
Auf Günthersdorf bei Neusalz ist jetzt im Besitze
des Herrn von der Lancken-Wakenitz die Bibliothek
Wilhelm von Humboldts aufgefunden worden. Hum¬
boldt hatte sie ursprünglich auf seinen Sohn Her¬
mann vererbt. Der Fund forderte ein bisher ver¬
loren geglaubtes Werk Humboldts zutage, die bis
zur Widmung ganz druckfertige Schilderung der bas-
lrischen Reise, die Humboldt im Jahre 1801 unter¬
nommen hat Dank dem Entgegenkommen des
Herrn von der Lancken-Wakenitz wird die Hand¬
schrift in dem für Supplemente bestimmten 13. Bande
der von der Berliner Akademie der Wissenschaften
herausgegebenen „Gesammelten Schriften Wilhelm
von Humboldts“ erscheinen.
Literatur und Justiz.
Im Laufe der letzten Wochen wurden folgende
Beschlagnahmen verfugt, bezw. durch gerichtliches
Urteil bestätigt:
Faschingsnummer der „Berliner Blauesten Nach¬
richten“;
Aus dem Tagebuch eines Homosexuellen (Bernhards
Verlag, Stuttgart);
Johannes Tralow , Kain der Heiland (Berlin, Concordia);
Wiener Karikaturen Nr. 6, 8;
Willy , Pimprenette (Budapest, G. Grimm);
Pierre Waldagun , Die Lehren Lisbeth Lottias
(Budapest, G. Grimm);
Tristan Bernard, Zwei Frauenfreunde (Budapest,
G, Grimm);
K. H. Hirsch, Ein alter Mordskerl (Budapest, G.
Grimm);
Hans Hoya , Chaine anglaise (Budapest, G. Grimm);
Jean qui rit, Witzpetarde (Budapest, G. Grimm);
Der Mann im Purpur und anderes (Budapest,C. Grimm);
Die Schönheit der Frauen, Neue Folge, 1. Lief.
(Berlin, Hermann Schmidt);
Nackte Schönheit, 1., 4., 5., ix. Lief. (Berlin, Hermann
Schmidt);
Der Komet (München) Nr. 4;
Sekt, zahlreiche Nummern des 6.—8. Jahrgangs;
Le Frou-Frou Nr. 589;
Edith Salburg, Wenn Könige lieben (Leipzig, W.
Elischer Nachf.), für Österreich;
„Cythere“ (2 Bände), 1. Band: „Amors Fabeln“ von
seinen Jüngern gesammelt und an das Licht dieser
liebesfrohen Welt gestellt im Jahre 00478500;
2. Band: „Nymphen und Satyrn“ Geschichten und
Begebenheiten aus Amors Reich, getreu der Wahr¬
heit nacherzählt im Jahre 2438;
„Venus Rosenkränzlein“, für die galante Welt ge¬
druckt zu Cythere im Jahr, da gut zu heben war;
„Bilder aus dem Privatleben der römischen Cäsaren.“
Auf Capri bei Sabellus 1780. Deutsche Ausgabe
gedruckt für Heinrich Conradt und seine Freunde;
„Denkmäler des Geheimkults der römischen Damen“.
Fortsetzung der Bilder aus dem Privatleben der
römischen Cäsaren. Auf Capri bei Sabellus 1784.
Deutsche Ausgabe gedruckt für Alfred Semerau
und seine Freunde.
„Die Briefe der kleinen Gräfin.“ Gesammelt, heraus¬
gegeben und übertragen von Professor Konrad
Eppach . Mit Einleitung und Anhang von Dr.
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30
Literatur and Justiz — Anzeigen
Alfred Sem*rau. Ein Beitrag zur Sittengeschichte
des XVIII. Jahrhunderts. Brüssel 1908.
Francisco Delicado: „Die hübsche Andalusierin“. Zum
ersten Male und vollständig aus dem Spanischen
übertragen und mit acht Vollbildern von Choisy le
Conin geschmückt. Nicht im Handel, Privatdruck
des Herausgebers;
„Der Tarif der Dirnen von Venedig 4 *. (XVI. Sec.)
London 1908;
„Die Andachtsübungen des Herrn Heinrich Roch und
der Frau Herzogin von Condore“. Von dem ver¬
storbenen AbbJ von Voisenon. Mit einem Fronti-
spice von Felicien Rops. 1908. Nicht im Handel;
„Curiosa der Weltliteratur**. Eine Sammlung seltener
galanter Werke aller Völker. Herausgegeben von
Dr. Georg Cordesmühl. 3. Band. Dr. Alfred
Semerau: „Das Reich der Kypris“. Zum ersten
Male ins Deutsche übertragen. 1906. Privatdruck:
„Geschichten aus Arerino“. Mit 15 Bildern von Choisi-
Nerac. Nicht im Handel. Gedruckt für Heinrich
Conradt und seine Freunde. Siena 1907;
„Die Posteriora und die Priora**. Physiologisch¬
historisch - philosophisch - literarische Abhandlungen
von Adam Theobald Pruzum. Vermehrt um des
Herrn Swift Grand Mistere oder das große Ge¬
heimnis und die Kunst, Betrachtungen über den
Abtritt anzustellen. Buslar 1794.
Die weitere Verbreitung der Zeitschrift „Pschütt"
wurde auf zwei Jahre verboten.
Die Beschlagnahme des Romans „Die Gräfin**
von A. Kuprin (München, Georg Müller) wurde auf¬
gehoben.
Am 27. Februar begann vor dem Schwurgericht
unter dem Vorsitz des Landesgerichtsrates Dr. Alt¬
mann der für drei Tage anberaumte Prozeß gegen
den Verlagsbuchhändler Karl Wilhelm Stern (Z..
Rosners Verlagsbuchhandlung) wegen Vergehens
gegen die öffentliche Sittlichkeit, begangen durch die
Herausgabe und den Vertrieb erotischer Literatur.
Die Staatsanwaltschaft Wien hat den Vertrieb von zwölf
im Stemschen Verlag erschienenen Druckwerken unter
Anklage gestellt. Wie erinnerlich, wurden im Januar
1910 die Verlagswerke Sterns in großen Massen konfis¬
ziert. Ungefahr 30000 Bände wurden damals mit Beschlag
belegt und ins Landesgericht geschafft. Die Vor¬
untersuchung gegen Stern wurde schon im Jahre
1909 eingeleitet, so daß der Prozeß seit zweieinhalb
Jahren anhängig ist. Das Aktenmaterial ist ein
enormes, da im Laufe des sogenannten subjektiven
Verfahrens 1100 Personen in allen Teilen von Öster¬
reich und des Deutschen Reiches verhört wurden.
Der Untersuchungsrichter hatte eine Korrespondenz
von 5000 Briefen — die ganze Geschäftskorrespondenz
des Verlages während der lefzten drei Jahre — zu
studieren. Das sogenannte objektive Verfahren, in
dem einzelne der Verlagswerke Sterns für verboten
Soeben erschien und wird gratis versandt:
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illustrierten Erzählungen des alten und neuen
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werken des Meisters in Photogravüre und Fak¬
simile. Ausgewählt und erläutert von C. Hof¬
stede de Groot Deutsche Ausgabe nach der
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Literatur und Justiz — Anzeigen
31
erklärt und ihre Weiterverbreitung untersagt wurde,
hat zu zahlreichen Einspruchsverhandlungen Anlaß
gegeben, in denen die Verlagsbuchhandlung den Stand¬
punkt vertrat, daß die beschlagnahmten Druckschriften
Erzeugnisse von wissenschaftlichem und künstlerischem
Wert seien. Dieser Anschauung hat bezüglich des
Buches von Eduard Fuchs: „L’eldment drotique
dans la caricature'* auch das Oberlandesgericht Wien
beigepflichtet
In dem städtischen Hottl des Ventes in Paris
wollte der Schriftsteller Edmond Harancourt Mitte
Februar seine bekannte Sammlung von Zeichnungen
von Filicien Rops versteigern lassen. Der Staats¬
anwalt verbot aber kurz vor der Versteigerung die
öffentliche Ausstellung einer Anzahl dieser Zeichnun¬
gen, weil sie ihm anstößig erschienen. Daraufhin
unterblieb die Versteigerung, zu der auch Kauflustige
aus Deutschland gekommen waren.
Das Landgericht Berlin I sprach unlängst den
Schriftsteller Dr. Herbert Eulenberg, den Redakteur
Herzog und den Verleger Paul Cassirer von der
gegen sie erhobenen Anklage aus $ 184 des Straf¬
gesetzbuchs frei, da der der Anklage zugrunde
liegende, in der Zeitschrift „Pan“ veröffentlichte Auf¬
satz Eulenbergs: „ Brief eines Vaters unserer 2 teit"
nicht ab unzüchtige Schrift anzusehen sei, vielmehr
ab ein Beitrag zur Lösung eines schwierigen sexu¬
ellen Problems von hohem ethbchen Wert bezeichnet
werden müsse, frei von jeder Unsittlichkeit, Lüstern¬
heit oder verführerischen Tendenz und geeignet, der
Jugend eine bessere Kenntnb und höhere Achtung
des weiblichen Geschlechts zu vermitteln. So hatten
die Sachverständigen, Professor Gurlitt ab Pädagoge,
Universitätsprofessor. Simmel ab Ethiker und Ge¬
heimer Medizinalrat Dr. Eulenburg ab Mediziner,
ausgeführt, und das Gericht schloß sich ihrer Ansicht
an. Gegen diese Entscheidung legte die örtliche
Staatsanwaltschaft Revision beim Reichsgericht ein, in
der sie Verletzung des materiellen Rechts rügte. Der
höchste Gerichtshof verwarf indessen am 20. Februar
das Rechtsmittel in Übereinstimmung mit den An¬
trägen des Reichsanwalts und der Verteidigung ab
unbegründet. Die Ausführungen der Staatsanwalt¬
schaft in der Revisionsbegründung enthielten großen-
teib tatsächliche Angriffe auf die Bewebwürdigung.
Das Untergericht habe rechtsirrtumfrei festgestellt,
daß die Wirkung des Aufsatzes keine derartige sei,
daß das Scham- und Sittlichkeitsgefühl eines normalen
Menschen irgendwie verletzt werden könne. Auch
mit Rücksicht auf die Art der Verbreitung der Zeit¬
schrift „Pan“ könne nicht angenommen werden, daß
der Aufsatz dadurch zu einem unzüchtigen werde.
Der Vertrieb des „Pan“, der nur von gebildeten
Leuten besserer Krebe gelesen werde, sei nicht auf
die gleiche Stufe zu stellen mit dem der Tageszeitun¬
gen. Daß die betreffende Nummer des „Pan“ ge¬
gebenenfalb auch in unberufene Hände gelangen
könne, liege so fern, daß die Angeklagten mit dieser
Möglichkeit nicht hätten zu rechnen brauchen. Alle
Jahrbuch für Bücher-^
KUNDE UND LIEBHABEREI
HERAUSGEGEBEN VON G. A. E. BOGENG
Die Drucklegung führte die Offizin von W.
Drugulin in der Oldstyl, einer vorzüglichen engl.
Renaissancetype, aus. Abgesehen von 50 numer.
Exemplaren auf echtem holländ. geschöpften Bütten
wurden 750 Exemplare und zwar auf einem breit¬
randigen Original India Paper hergestellt, sodaß er¬
wartet werden darf, daß dieser vierte Jahrgang die
Wünsche der Bibliophilen in jeder Hinsicht befriedigt
Inhalt des vierten Jahrganges:
Die Vente Fortsas.
Mit dem Katalog der Bibliothek des Cte. J. N. A.
de Fortsas.
Prof. Dr. E. Wolter, Petersb., N % M. Lis-
sowski, ein russischer Biichersanimier.
Mit einem Bildnis und zwei Büchereiansichten.
August de Morgan. On the Difficulty of
correct Description of Books .
Die Handhabung der Bücher . Allerlei Zweck¬
mäßiges.
Grangerising. Ästhetisches. Historisches .
Technisches.
Das Sammeln moderner Bücher .
Katalog und Zetteldrucke der Kgl. Biblio¬
thek Berlin.
Bücherei-Zettel. Mit Beispielen auf 14 Tafeln
(zugleich als Typen-Vorlagen einiger deutscher
Schri ftgieß e reien).
VERLAG VON MAX HARRWITZ
NIKOLASSEE-BERLIN
NEUE
ANTIQUARIATSKATALOGE:
THEATRALIA: Katalog 102, I.
DRAMATISCHE LITERATUR: Katalog 102,11
SACHSEN-KÖNIGREICH: Katalog 107, IX.
SACHSEN-PROVINZ: Katalog 107.x.
THÜRINGEN: Katalog 107, XL
VARIA, RARA, CURIOSA: Katalog io6,II.u.m.
Die Kataloge 103, 104, 105 u. 106 1 . sind vergriffen
Katalog 101 (Deutsche Literatur) ist (6 Teile) noch
in 2 Quartbänden broschiert oder gebunden erhältlich.
Derselbe ist durch die zwei beigegebenen um¬
fangreichen Register über Autoren, Illustratoren und
Komponisten von dauerndem Wert
ANTIQUARIAT MAX HARRWITZ
NIKOLASSEE-BERLIN
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32
Kataloge — Anzeigen
diese Erwägungen seien auch vom Untergericht an¬
gestellt worden, und wenn daraus auf Freisprechung
erkannt werde, so sei dies rechtlich nicht zu bean¬
standen. (Aktenzeichen: 2 D. 52/12.)
Die Pariser Staatsanwaltschaft hat sich zu einem
energischen Vorgehen gegen jene Buchhändler ent¬
schlossen, die mit pornographischen Werken Handel
treiben. So wurde vor einigen Tagen der Buch¬
händler Charles Hirsch, der in der Rue des Pyramides,
einer der elegantesten Geschäftsstraßen des Tuilerien-
viertels, etabliert ist, wegen des Vertriebes porno¬
graphischer Bücher verhaftet. In seiner Wohnung
entdeckte man in einem nur durch eine Geheimtür
zugänglichen Appartement ein ganzes Lager von por¬
nographischen Werken und Photographien. Auf
mehreren Wagen wurde das gefundene Material in
das Depot der Staatsanwaltschaft gebracht Mit
Hirsch wurde auch der Geschäftsführer eines anderen
Buchhändlers, der mit Hirsch in Geschäftsverbindung
stand, in Haft genommen.
Kataloge.
Zur Vermeiduni; von Verapitungon werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgebers erbeten. Nur die bis sum 20. jeden Monats ein¬
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meine Geschichte, Zeitschriften usw. 372 Nrn.
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Philologie. Enthält unter anderem die Bibliotheken
des + Professor Dr. Ad. Greef, Göttingen, und des
f Professor Dr. Rob. Peppmüller, Halle a. S. 2488
Nrn.
Oskar Rauthe in Berlin'Friedenau. Nr. 36. Kunst.
Rheinisches Buch- und Kunst'Antiquariat Dt. E.Nolte,
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schichte der Kunst 3308 Nm.
Ottmar Schönhuth Nachf. in München. Nr. 32. Illu¬
strierte Bücher des XIX. und XX. Jahrhunderts.
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derne Dichtung. Erstausgaben und Seltenheiten der
deutschen Literatur seit Nietzsche 483 Nm.
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logues de manuscrits. Calligraphie usw. Collection
importante ayant appartenu ä fen M. Niccolo
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zweimonatliches Bulletin, den nunmehr im 6. Jahrgange
erscheinenden BIBLIOFILO ROMANO, der jeweils meine
neuesten Erwerbungen enthält. Augenblicklich stehen
fünf verschiedene Hefte zur Verfügung.
Für Mitteilung von Sammelgebieten und Desideraten
bin ich stets dankbar und sichere deren sorgfältigste
Beachtung zu.
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Für eme Arbeit, die den
ZAHNSTOCHER
in kunstgewerblicher und kulturgeschichtlicher Hin¬
sicht berücksichtigen soll, suche ich Literaturangaben,
in denen der Zahnstocher erwähnt wird. Ich bitte
alle diejenigen, die mir hier mit Quellenangaben
dienen könnten, um freundliche Nachricht und danke
im voraus jedem bestens dafür.
Dr. HANS SACHS, BERUN-CH. 2,
Schillerst!*. 2.
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Von nnserm großem Antiquariats-Katalog
Kulturgeschichte (ioooo Nm.)
erscheint in einigen Tagen der dritte Teil:
Soziales, etwas später Teil IV: Religiöses.
Fertig sind bereits
Teil I: Allgemeines. Das geistige Leben und
Teil II: Häusliches und privates Leben.
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Teil V: Die Frau und Teil VI: Curiosa.
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Literatur, alte Drucke, schöne Einbände, Folkloristik,
Frau-Ehe-Liebe, Genealogie, Heraldik, Humoristika,
Illustr. Bücher, Juden, Kunst, alte Medicin, Namen¬
kunde, Napoleon I, Plantindrucke, Reisen, Saxonica,
Selbstmord, Silhouetten, Stammbücher, Studentica,
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philosophie / Archäologie / Architektur / Kunst¬
denkmäler / Kunststätten / Galeriewerke / Graph.
Künste / Buchschmuck / Miniatur-Malerei / Kalli¬
graphie / Karikaturen / Kostümkunde / Literatur
über Bucheinbände / Ex-libris-Bibliographie /
Faksimile-Reproduktionen / Gemmen und Me¬
daillen / Kartographie / Kunsttechnik / Mal- und
Zeichen-Unterricht / Perspektive / Farbenlehre /
Keramik und Glasmalerei / Omamentwerke /
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Kataloge / Werke über Spielkarten / Literatur
über den Totentanz / Kunst-Zeitschriften
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Schriften des XVI—XVIU. Jahrhunderts.)
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Nr. 3: Goethe, West-Östlicher Divan. , ' ^ ,
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Der Preis für die acht Bände, die nur zusammen, unter keinen
Umständen einzeln abgegeben werden, beträgt M. 1350.—
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erscheint am 5. und 20. jeden Monats im Format
von 24:32 mit ein bis zwei Handzeichnungen zum
Preise von 25 Pf., jährlich 550 Mark
INHALT
des ersten Heftes: 'MATISSE, Akt / CLAUDEL, Rezitation aus
der Einsetzung des Ruhetages / DÄUBLER, Der Nachtwandler /
PASCOLI, Der Taumel / PHILIPPE, Briefe / Heimliches
Theater / JOURDAIN, Holzschnitt / LEHMBRUCK, Akt
des zweiten Heftes: GENGWA HIEROMI, Chinesischer Holz¬
schnitt / CLAUDEL» Hymne des heiligen Sakraments / CLAU¬
DEL, Dialog aus der „Einsetzung des Ruhetages" / CLAUDEL»
Pagode.
des dritten Heftes, MATISSE: Landschaft / CIE, Neue
Malerei / GIDE» Mopsus / RAY, Jules Romain
des vierten Heftes: RODIN, Akt / PEGUY, Mysterium / LAR¬
BAUD, Bamabus / G M. EL, Anmerkungen.
Spätere Nummern bringen Handzeichnungen von:
RODIN / MÜNCH / PICASSO / BARLACH / RENOIR
Probenummern werden umsonst nicht abgegeben
Jede gute Buchhandlung wird zum Bezug der NEUEN BLÄTTER
empfohlen. Wo diese Art des Bezuges auf Schwierigkeiten stößt,
erfolgt der Versand gern durch den Verlag, der das Porto be¬
sonders berechnet
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in handgebundenem, kostbarem Ganzlederband
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sie werden nach Erscheinen des Werkes
auf 100 Mark bzw. 4 ° Mark erhöht
Der Druck erfolgt in einer schönen, strengen
Antiqua; Papier und Einbandstoife sind von
edelstem Material. Für mustergültigen Druck
bürgt der Name der Reichsdruckerei. Eine Neu¬
auflage erscheint nicht. Bestellungen nehmen die
gutenBuchhandlungen entgegen, sonst derVerlag
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toniert . 60.—
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Herausgegeben von Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-Gohlis, Ehrensteinstr. 20, Manuskripte an diesen erbeten.
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Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespalt. Petitzeile 50 Pf., für Mitglieder der Gesellschaft der
Bibliophilen 30 Pf. — Beilagegebühr 25 Mark. — Insertionsschluß für Heft 3 am 18. Mai.
Pariser Brief.
Jeder, der zu Studienzwecken die französischen
Staatssammlungen besuchte, hat Gelegenheit gehabt,
sich von der Unvollkommenheit oder gar dem gänz¬
lichen Fehlen der Kataloge zu überzeugen. In Anbe¬
tracht dieser beklagenswerten Umstände verdient es
besonders gewürdigt iu werden, daß zwei jüngere
Kunsthistoriker, Jean Guiffrey und Pierre Marcel Levi,
es unternommen haben, dfe Handzeichnungen des
Louvre und des Museums von Versailles zu katalogi¬
sieren. Dieses Generalinventar, das vorläufig sich nur
auf die 'Handzeichnungen der französischen Schule
beschränkt, ist vor einigen Jahren schon begonnen
worden und wird frühestens 1920 zu Ende geführt
werden. Soeben ist in dem bekannten Verlage von
Ch. Eggimann 106. Bouler St Germain (Librairie cen¬
trale d'art et d’architecture) der sechste Band erschie¬
nen, der wie die früheren Bände ein Beweis für die
gründliche Arbeit der Herausgeber ist Da auch die¬
sem Bande wiederum nahezu 600 photomechanische
Illustrationen in mustergültiger Reproduktion beige¬
geben sind, so kann dieses Werk der Aufmerksam¬
keit aller kunsthistorischer Institute und Biblio¬
theken aufs nachdrücklichste empfohlen werden; denn
es gestattet das Studieren der Handzeichnungen auch
in der Feme. Aus dem neuen Band, der die Buch¬
staben G—J umfaßt, ist als besonders bemerkenswert
das Album mit Zeichnungen von Jules Goncourt, ein
in Maroquin gebundenes Heftchen 20x13 cm, her¬
vorzuheben, das Erinnerungen von einer italienischen
Reise im Jahre 1855/56 enthält und mit dem Ver¬
mächtnis Andöoud in den Besitz des Louvre gelangte.
Außer diesen kostbaren Erinnerungen werden durch
dieses Inventar auch die Zeichnungen von Frangois
Marias Granet zum ersten Male einem größeren
Publikum bekannt gemacht
Unter neueren bibliophilen Publikationen ist ein
neues Werk von Max Jacob, dem Buffon der lite¬
rarischen Avantgarde, hervorzuheben, „les oeuvres
burlesques et mystiques de Frfcre Martorel Mort au
Z. f. B. 1912/1913.
Convent“ das mit zahlreichen Holzschnitten von Andrd
Derain im Verlage von Henry Kahnweiler 28 rue
Vignon erschien.
„L’Effort“, die junge, von Jean Richard Bloch in
Poitiers geleitete Zeitschrift, die in ideeller Kühnheit
um die Anerkennung der jüngsten Literatur kämpft,
hat als Märzsondernummer eine Anthologie heraus¬
gegeben, die die begabtesten Dichter aus dem Kreise
der Verslibristen in markanten Proben kennen lehrt.
Jeder, der sich für die Bewegung interessiert, die die
alte französische Tradition zu sprengen und zu erwei¬
tern trachtet, greifen zu diesem Buche, in dem Paul
Fort, Ren£ Arcos, G. Chennevi£re, George Duhamel,
Henri Gh^on, Marguerite Gillot, Jules Romains, Andre
Spire und Charles Vildrac mit neuen und charakte¬
ristischen Proben vertreten sind. Auch der verstorbene
Henri Franck beteiligte sich noch an diesem Werk.
An den Schluß sind einige Übersetzungen Whitmans
von Bazalgette gestellt worden.
Eine etwas ältere Gedichtsammlung von Henri
Allorge verdient gerade jetzt genannt zu werden, da
die Exzentrizitäten der Cubisten und Futuristen in aller
Welt ein staunendes Echo finden. In „i’äme gdomdtri-
que“, die von Camille Flammarion mit einem Vorwort
versehen ist, liest man Gedichte, in denen alle geome¬
trischen Figuren, der Kreis, das Parallelogramm, die
Diagonale, die Sinusoide, das Prisma, der Punkt, der
Zylinder besungen werden. Vielleicht vermag diese
Poesie den deutschen Expressimisten zu neuen Werken
anzuregen.
Henri de Rögnier, der erste aus dem Kreise des
„Mercure de France“, der jüngst in die Acad&nie Fran-
gaise einzog, hat einen neuen Roman herausgegeben,
der infolge der offiziellen Anerkennung des Autors
rasch acht Auflagen erlebte. „L’Amphisbdne“ ist sehr
akademiefromm und von jener etwas welken Eleganz,
die in den Akademiekreisen üblich ist. Mühsam ringt
der Ausländer sich durch die verstaubte und müde
Schönheit der 350 Seiten hindurch. Man muß schon
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CORNELL UNIVERSITY
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Pariser Brief
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Franzose sein, um die inhaltsarme, aber feingeschliffene
Sprachkunst dieses Buches ohne Ungeduld ertragen
zu können. Es ist derselbe Ton, die gleiche Kühle,
es sind ähnliche anämische Nuancen der Schwermut
wie in den früheren Romanen Rögniers. Bei seiner
feierlichen Aufnahme in die Akademie wurden Rdgnier
vom General de Mun seine Jugendwerke als Sünden
vorgehalten und mit versteckter Ironie getadelt; mögen
sie den Akademikern ein Dom im Auge sein — uns
und allen in der Gegenwart Lebenden werden sie
wertvoller sein und bleiben als diese müden Dehnungen
eines verblühenden Herzens.
In dem Kreise der aufstrebenden Jugend, die mit
frischer Unverbrauchtheit aus derWeltbetrachtung neue
Bilder und Stilisierungen schöpft, debütiert der feurige
Herausgeber des „Effort“, Jean Richard Bloch, mit
einem Novellenband „Levy“ (Verlag der „nouvelle
revue fran^aise'')» Der junge Autor beweist darin eine
scharfe und intuitive Beobachtungsgabe, eine meistens
klar disponierende Gestaltungskraft und eine beißende
Ironie. Die Titelnovelle läßt Rollandschen Einfluß er¬
kennen. Andere eine Schulung durch Romains und
Kipling. Am eigentümlichsten und stärksten wirkt die
letzte Novelle „l'interview de Robert Dax“, in der
eine ursprüngliche Begabung für sprachlichen Schwung
am deutlichsten erkennbar wird.
Ein andrer Debütant, E. Gaillard, hat im Verlage
von Sansot & Cie. unter dem Titel „Portraits“ wie
Jean Richard Bloch eine Reihe Novellen vereinigt,
deren Vorwürfe aus dem Provinz- oder Landleben ge¬
nommen sind. Gaillard hat einen unmittelbaren, kurzen
und harten Stil, dessen Plastizität in der Novelle „Jean
Claude“ von frappierender Kraft ist. Zuweilen aber ist
seine Komposition noch unsicher. Er vergreift sich in
dem Mittel, so daß die einzelnen Valeurs sich nicht
wirkungsvoll voneinander absetzen.
Der sympathische Dichter Phil^as Lebesgue hat im
gleichen Verlage eine linguistische Phantasie herausge¬
geben, die in der Form der Reise eines Eingeborenen von
Counani zur Auffindung einer vollkommenen Sprache
mit geistreichen Sarkasmen untermischt eine amüsante
Kritik an der französischen Sprache darstellt. „Le
Pölerinage ä Babel“ wird allen Sprachforschern eine
wertvolle Lektüre sein.
Jann Karner, der Kapitän eines Überseedampfers
der französischen Gesellschaft des Messageries Mari¬
times, hat im Verlage von Sansot & Cie. eine Ro¬
manserie „La vie et lamer“ herausgegeben, in denen
er die Herzensschicksale französischer Marineoffiziere
erzählt Den Liebeskonflikten dieses neuen Pierre
Lori dienen exotische Landschaften als Hintergrund.
Ein jüngerer Kritiker und Mitarbeiter der „Nouvelle
Revue fran9aise“, Jacques Rivi£re, der kürzlich durch
die erste, grundlegende Studie über den Kubismus Auf¬
sehen erregte, hat im Verlage der gleichen Zeit¬
schriften eine Sammlung seiner Kritiken herausge¬
geben, die durch zwei tiefschürfende Würdigungen
Andrö Gides und Paul Claudels besonders hohen
Wert gewinnt. Ri vieres fein ziselierte, kritische Be¬
trachtungen zeichnen sich durch intuitive Methode aus,
kraft derer, dieser junge Literat es versteht, schon
durch die ersten, einleitenden Sätze ein Silhouette zu
zeichnen, die er durch scharfe Logik, durch Vertiefung
in Einzelheiten dann weiter mosaikartig zu einem Ge¬
samtbilde ergänzt
Georges Duhamel gab im Verlage von Eugene
Figui&re unter dem Titel „Propos cririques“ Einzel¬
betrachtungen der Dichter jenes Kreises heraus, in
dem er selbst einer der bedeutendsten ist Romains,
Arcos, Vildrac, Chenevieres, Spire und Varlet werden
in ihrem Wollen und Werden mit eindringendem Ver¬
ständnis und kollegialer Liebe gewürdigt Wer über
diese stärkste und zukunftskräftigste Bewegung in der
französischen Lyrik sich Rechenschaft geben will,
greife zu diesem Buch.
Ein allgemeineres Buch über die Literatur unserer
Zeit, das gleichsam die Bilanz der Jahre 1910 und
1911 zieht, ist Alexandre Mercereaus „La Litterature et
les sidees nouvelles“, das im gleichen Verlage erschien
und mit umfassendem Blick der Dichtkunst dem
Theater und dem Roman gerecht werden will
Der kubistische Maler Jean Metzingcr widmete
im gleichen Verlage Mercereau eine Sonderbetrachtung,
aus der man vor allem die eifrige und sich auf¬
opfernde, agitatorische Kraft dieses jungen Literaten
erkennt
Denys Amiel stellte im Verlage von Sansot & Cie.
eine Sammlung von Aphorismen von Henry Bataille
zusammen, die unter dem Titel „Le r&gne införieur“
melancholische Impressionen und feine Ironien des
begabten Dichters vereint.
Maurice Barras hat im Verlage Emile Paul ein
Buch über Gröco ou le secret de Dolide herausge¬
geben, das interessante kunstkritische Gesichtspunkte
in einer gar zu salopp lüngeworfenen Form bietet
Gleichzeitig mit diesem Buch erschien im „Mercure
de France“ ein heftiger Angriff auf Barr&s, dem der
größere Teil der französischen Jugend laut zujubelte.
Aus der Zeitschriftenliteratur ist hervorzuheben:
Im „Mercure de France“ von Pierre Lavedan „Balzac
et Moleri ou le curieux dilemme“. Das Dilemma: ein
als bisher unveröffentlichtes Werk ßalzacs neulich
edierter Roman „l’Amour masquö ou Imprudence et
Bonheur“ entstammt einer Novelle von Molöri (Hip¬
polyt-Jules Demoliere, geboren 1802 in Nantes). Bal¬
zac kommt trotzdem nicht in den Verdacht eines Pla¬
giators, weil seine Autorschaft an der genannten Er¬
weiterung aus stilkritischen Gründen abzulehnen ist.
Francis Viöle-Griffin betont kritisch die „Delimination
du Barrösisme“. Von E. Herpin: „Chateaubriand et sa
Cousine Möre des Seraphins“. Ferner eine Studie
Robert d’Humidres über den zurzeit in Frankreich
aktuellen Beraard Shaw. — Gleichzeitig gelangt in
der „Grande Revue“ der Briefwechsel zwischen Shaw
und Tolstoi zum Abdruck.
In der gleichen Zeitschrift Tunnar Heiberg! „mes
rencontres et conservations avec Ibsen“. Hier widmet
ferner Sebastien Voirol Herman Bang einen Ge¬
dächtnisartikel. — Die „Revue bleue“ veröffentlicht
Briefe von Joseph de Maistre an G.-M. de Place. A.
le Chatelier, Professor am College de France be¬
spricht unter dem Titel „Vers le congr&s des Universi-
Gougle
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CORNELL UNIVERSITY
Londoner Brief
43
tös" die besondere Aufgabe für den geplanten Kon¬
greß französischer Universitäten, den Einfluß des
französischen Geisteslebens im Ausland zu organisieren
und verweist auf deutsche Musterbeispiele. In der
gleichen Zeitschrift von Antoine Albalat „comment il
faut lire J.-J. Rousseau", ferner eine Darstellung der
Flucht des Marschalls Bazaine, die den Staat zum
mindesten vor einer fühlbaren Budgetbelastung be¬
wahrte, von Ch. O. Calder und von Paul Louis, eine
Studie über den Kapitalismus im alten Rom. —
In der „Phalange" die Gedächtnisreden auf den
jungverstorbenen Henri Franck und Poesien von
Gaetan Rondeau, Henri Aimöe, Renö d’Avril, Claude
Odilö, Jean Royfcre. Neben der „Phalange" muß als
Organ der jungen lyrischen Bewegung „les Bandeaux
d’or" genannt werden, wo Jules Romains (mit fünf
Oden), ferner Thöo Varlet, Paul Castiaux, Rend Arcos,
Charles Vildrac vertreten sind. — Die „Revue" bringt
zum siebzigsten Geburtstag Camille Flammarions eine
gediegene Würdigung des Philosophen, Wissen¬
schaftlers und Literaten durch H. Poincard, Jean Mas-
cart und Edmond Haraucourt Von Emile Faguet in
der gleichen Zeitschrift eine Studie „George Sand et
ses amis“, in der „Revue du temps prdsent" ein Es¬
say „la Morale de rironie". — In der „Revue d’Eu-
rope et d’Amdrique" von Jacques Rividre eine prin¬
zipielle Auseinandersetzung mit dem „Cubisme" unter
dem Titel „Sur les tendences actuelles dans la pein-
ture"; Tendenzen, deren entwicklungstheoretisch logi¬
sches Dasein der Autor darzustellen versucht, wobei
er sich freilich angesichts der Werke eingesteht, daß
die meisten Parteigänger der Bewegung nicht ver¬
stehn, was sie gerade zu propagieren scheinen. — „Les
Hommes du Jour" widmeten ihre jüngsten Nummern
Denys Cochin, dem neulich unter der Kuppel Emp¬
fangenen, Bernhard Shaw und Ldon Bourgeois. —
Die „Revue des Bibliothdques" beginnt die Veröffent¬
lichung eines von Emile Chatelain besorgten alpha¬
betischen Kataloges der Wappeneinbände auf der
Bibliothöque de l’Universitd. Ferner in der gleichen
Zeitschrift: Dr. Emst Wickersheimer, „un Erreur des
Bibliographes mddiaux, Nicolaus Prepositi confondu
avec Nicolaus Salemitanus" ,* Louis Canet, „Quelques
remarques sur d’anciens Sacrementaires"; Hugues
Vaganay, „un sonnet italien peu connu, quatre tra-
ducdons du Stabat Mater du XVI.e sidcle: G. Ldpreux,
„Contribudons ä l’Histoire de rimprimerie pari-
sienne".
„L’amateur des autographes" veröffentlicht Briefe
des Präsidenten am Kassadonshof Louis Bemard Bon¬
jean, der unter der Commune als Geisel erschossen
wurde, über diese Zeit Aus der ersten diesjährigen
Autographen-Versteigerung (am 21. Februar im Hötel
Drout) folgende Proben: 10. Berlioz 165 Fr. — 15.
Jdröme Bonaparte 125 Fr. —20. Kaiser Karl V. 55 Fr.
— 44. Flaubert 41 Fr. — 54. Heinrich IV. von Ca-
sdlien und Leon 90 Fr. — 59. Johann II. von Casdlien
und Leon 100 Fr. — 6a Johanna von Casdlien und
Leon 185 Fr. — 75. Louis XIV. 75 Fr. — 76. Louis
XVI. 60 Fr. — 82. Maria Theresia, Kaiserin 10 Fr.
— 87. Massdna 152 Fr. — 97. Caroline Murat 115 Fr.
— 99. 100. Napoleon I. 120 und 310 Fr. — 101. Na¬
poleon III. 20 Fr. — 102. Nelson 165 Fr. — 113.
Rachel 123 Fr. — 124. Joseph Justus Scaliger 51 Fr.
— 126. 127. Robert Schumann 65 u. 50 Fr. — 128.
Jean de Silhon 235 Fr. — 131. Jean Nicolas Stofflet
126 Fr. — 134. Francois Talma 81 Fr. — 138. Alfred
de Vigny 55 Fr. — 139. Richard Wagner 112 Fr. —
140. K. M. von Weber 92 Fr.
Bücheraukdonen von Bedeutung fanden im März
nicht statt.
Paris, Anfang April. Otto Grautoff.
Londoner Brief.
In der „Kings Library ■ des British Museum fin¬
den zurzeit zwei hochinteressante Ausstellungen statt:
Die eine gibt eine übersichtliche Darstellung der
verschiedenen Entwicklungsstufen des chinesischen
Drucks , die andere umfaßt eine zwar nur kleine, aber
sehr repräsentative Sammlung des japanischen illu¬
strierten Buches .
Das tatsächliche Datum der Erfindung des Druckes
in China vermag mit absoluter Gewißheit nicht fest-
gestellt zu werden, und welches Jahr man auch immer
der ersten Anfertigung der Holzstöcke mit einge¬
schnittenem Text, den Blöcken anweisen will, so steht
es doch fest, daß zur Zeit der „Tang-Dynastie", d. h.
j6i8 —906 n. Chr., der Druck in China allgemein zur
Anwendung gelangte.. Das älteste Beispiel eines sol¬
chen Frühdruckes gehört dieser Periode an und
stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem IX.
Jahrhundert. Der Text desselben besteht aus dem
Fragment einer buddhistischen Zauber- oder Beschwö¬
rungsformel. Ob ein Buch im eigentlichen Sinne aus
der gedachten Epoche sich bis auf unsere Tage hin-
übergerettet hat, erscheint zweifelhaft. Selbst Bücher
aus der bis 1260 reichenden „Sung-Dynastie" sind äußerst
selten, aber um so höher ist der ideelle und materielle
Wert eines indirekt, 1099 datierten Buches anzusetzen.
Dieser Druck, somit überhaupt der älteste in den
Beständen des British Museum, trägt nämlich die
nähere Bezeichnung: „Im zweiten Jahre von Yuan-fu**,
eine Angabe, die eben dem Jahre 1099 entspricht.
Der Inhalt des Bandes besteht in einer chinesischen
Übersetzung von Teil 28 der „Abhidharma-sästra".
Das Werk ist vorzüglich erhalten und die Buchstaben
nicht im geringsten verblichen, ein Umstand, der einer
mit Kampher gemischten Tinte zugeschrieben wird.
Es scheint, daß chinesische Buddhisten zuerst den
Druck in Japan einführten. Drei von ersteren in die¬
sem Lande hergestellte Bücher sind mit dem Datum
1157, resp. 1248 und 1283 versehen.
Die Regierungszeit der nächsten Dynastie der
Mongolen währte 80 Jahre, und besitzt das Institut
aus dieser Periode zwei stark im Stile miteinander
kontrastierende Drucke. Der eine enthält in einem
Bande die gesammelten Werke Han yü’s, des großen
Publizisten und Literaten zur Zeit der Tang-Dynastie
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CORNELL UNIVERSUM
44
Londoner Brief
und ist von einem nicht weniger berühmten Manne,
dem 1200 verstorbenen Tschu-Hsi herausgegeben.
Während die Kolumnen in diesem Buche, dem Stile
der Epoche gemäß, eng gedrängt sind, zeigt das aus
dem Jahre 1322 herrührende historische Werk große
Buchstaben, und verschwenderische Freigebigkeit des
Raumes. Der Höhepunkt des Druckes wurde unter
der Ming-Dynastie erreicht, so z. B. in einer für den
kaiserlichen Palast 1476 hergcstellten Geschichte Chinas.
Schon 14S6 entstand das erste illustrierte Buch, das
gleichfalls im Besitze der kaiserlichen Bibliothek war,
und auf jeder Seite einen Holzschnitt, eine Darstellung
aus dem Leben Buddhas, mit zugehörigemTcxt darunter
aufweist. Ein Druck aus dem Jahre 1681 ist besonders des¬
halb für die Geschichte des Druckes und Holzschnittes
wichtig, weil sich in demselben die Angabe befindet, daß
die wiedergegebenen Holzschnitte genaue Reproduk¬
tionen sind, deren Originale bereits 1331 zur Illustration
eines Werkes dienten. Der Gebrauch von beweglichen
Typen in China vermag schon in dem elften Jahr¬
hundert nachgewiesen zu werden. Diese Art der
Herstellung von Büchern vermochte sich aber nicht
zu erhalten, da wegen der nichtalphabetischen Sprache
Chinas zu viele Typen in Anwendung kommen mußten.
Einigermaßen Fuß faßten die beweglichen Buchstaben
in Korea. Die in der Ausstellung vorhandene, von
Ma-Tuanlin in dieser Manier in Korea 1600 gedruckte
Enzyklopädie kann man als ein Monumentalwerk be¬
zeichnen. Selbst chinesische Kaiser druckten und
gaben Bücher heraus. So findet sich hier ein illu¬
striertes, über die Reis-Kultivation handelndes, von
dem Kaiser Kang-Hsi herausgegebenes Werk, dem
sein Enkel, der Kaiser Tshien-Lung, ein ähnliches über
Baumwollen-Pflanzung folgen ließ.
Bis vor kurzem war man der Ansicht, daß der
Farbendruck zuerst von dem 1710-1729 blühenden
Japaner Kiyonobu erfunden wurde. Diese Ansicht
wird durch hier vorliegende Beispiele chinesischen
Ursprungs nicht nur erschüttert, sondern tatsächlich
die Priorität Chinas durch vielfarbige Einzelblätter
bewiesen, die aus der Zeit von 1679—1701 herrühren.
Endlich gewährt außerordentliches Interesse eine
vermittelst 200000 Kupfertypen 1726 gedruckte Enzy¬
klopädie, reich illustriert, ein Riesenwerk, das etwa
4000mal soviel Stoff enthält, als die neueste Ausgabe
der ,,Encyclopaedia Britannica“.
Das illustrierte japanische Buch ist hier in seiner
chronologischen Reihenfolge von 1608 bis zu dem
Ende des XVIII. Jahrhunderts so vollständig ver¬
treten, daß eine bessere Gelegenheit zum Studium des
in Rede stehenden Spezialzweiges, kaum gedacht wer¬
den kann.
Die berühmte, vor einiger Zeit durch Auktion auf¬
gelöste „Huth-Bibliothek“ wurde insofern auch für das
British Museum von größter Bedeutung, als der ver¬
storbene Besitzer der Direktion des Instituts das Recht
eingeräumt hatte, vor der bezüglichen Versteigerung
50 Bände auszuwählen, um die Lücken der Bibliothek
zu füllen. Mr. F. G. Kenyon , Direktor des British
Museum hat nun einen hochwissenschaftlichen Kata¬
log des Huth-Vermächtnisses verfaßt, zu dem Mr.
A. W. Pollard eine sehr interessante Vorrede lieferte.
Unter den wertvollsten, dem Museum zugefallenen
Büchern ist zu erwähnen: „Dicts or Sayings of the
Philosophen»“, das erste von Caxton in England ge¬
druckte mit Datum versehene Werk. Dann sind drei
Shakespeare Quartausgaben zu nennen: „Richard II.“
(1597), „Richard III.“ (1597) und die „lustigen Weiber,
von Windsor" (1602).
Zur bleibenden Erinnerung an einen in der „Albert
Hall“ abgehakenen Ball, zu dem nur Personen in
Shakespeare-Kostümen zugelassen wurden, ist bei
F. Warner & Co. ein prachtvolles Album heraus¬
gekommen, das Porträts der hervorragendsten Teil¬
nehmer am Feste, nach Originalen erster Künstler
wiedergibt. Das Titelbild stellt Mrs. George Com-
wallis West als Gräfin Olivia in Shakespeares „Tweift
die Night“ in einer farbigen Zeichnung Laverys dar. Das
mit Text versehene, auch äußerlich prachtvoll aus¬
gestattete Album kostet fünf Guineen. Mrs. Corn-
wallis West ist die bereits früher genannte Dame, die
als die Seele der großen, vom Mai ab in Earls Court
tagenden „Shakespeare-Ausstellung“ angesehen wer¬
den muß.
Bis zum Oktober dieses Jahres w ird im South Ken-
sington Museum, offiziell „Viktoria- und Albert-Museum“,
eine umfassende Ausstellung aller nur erdenklichen,
auf Dickens Bezug habenden Gegenständen statifinden.
In der von den Herren Brown und Philipps ge¬
leiteten „Lekester Gallery “ befindet sich zurzeit eine
Ausstellung einer wundervollen Sammlung auto¬
graphischer Briefe grosser Künstler , darunter solche
von Antonio Pollajuolo, Bramante, Michelangelo, Peru-
gino, Raphael, Veronese, Rubens, Nicolas Poussin,
Tiepolo, Reynolds, Gainsborough, Ingres, Corot und
MÜlet. Die fließendste Hand unter den zeitgenössischen
Künstlern besitzt Gainsborough. Im allgemeinen kann
die Beobachtung gemacht werden, daß diejenigen
Künstler, die gute Zeichner sind, sich die beste Hand¬
schrift angeeignet haben. Der vorzüglichste Kalli¬
graph unter ihnen ist der Miniaturist Giulio Clovio.
Die moderne Schrift erscheint zuerst in den Briefen
Lorenzo Lottos und Paul Veroneses. „Schreiben“
als Kunst betrachtet, hörte im XVI. Jahrhundert mehr
und mehr auf. Man begann zwar viel, aber weniger
schön zu schreiben.
Über die Kunst, Wissenschaft und Literatur pfle¬
genden Gesellschaften ist zu berichten, daß Ende
März in der „ English Goethe Society “, durch Herrn
Dr. H. T. Schorn eine sehr gelungene Vorlesung über
„Faust“ stattfand, und daß in der „Deutschen Kolonial-
Gesellschaft' (Abteilung London) unter dem Vorsitz
ihres Präsidenten , Herrn Wilhelm Schultz, am 29. März
der Oberstleutnant Hübner auf Grundlage seiner Rei¬
sen und seines kürzlich erschienenen Buches: „ Eine Pforte
zum schwarzen Erdteil“, einen höchstinteressanten
Vortrag über das Thema hielt: „ Marokko — Land
und Leute“.
In den Auktionen bei Sotheby begann die eigent¬
liche Saison günstig, und wurden im allgemeinen hohe
Preise gezahlt. So erzielte Wycliffes „Prayers ot the
Byble“ 5000 Mark (Pearson) und Ariostos „Orlando
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CORNELL UNfVERSITY
Wiener Brief
45
Furioso“, mit 53 Originalzeichnungen von A. Lapis, 3000
Mark (Pearson). „The Golden Legend“, zusammen¬
gestellt und vervollständigt durch Caxstons erste und
zweite Ausgabe des Werkes, 2700 Mark (Tregaskis).
Racine , drei Bände, Napoleons Exemplar, 2C00 Mark
(Dance). „Paul und Virginie“, von Saint-Pierre,
erste Ausgabe, auf großem Papier, 7800 Mark (Besom-
bes), Voltaires „Romans et Contes“, erste Ausgabe,
drei Bände, bezahlte Quaritch mit 2560 Mark. Eine
Sammlung von 130 auf Mirabeau Bezug habende
Schriftstücke erreichten 1600 Mark. „ Holbein , Histo-
riarum Veteris Instrumenti Icones“, 1538, brachte
1020 Mark. Reproduktion des „Hortulus Animae“ in
der K. Bibliothek in Wien, 1910, kam auf 360 Mark,
„Antiphonale Romanum“, ein französisches Manuskript
aus dem XV. Jahrhundert, 4420 Mark. „Die Bibel“,
ein anglo-normannisches Manuskript aus dem X///. Jahr¬
hundert, 2760 Mark. „Psalter“, ein anglo deutsches
Manuskript aus dem XIII. Jahrhundert, 1000 Mark.
„Geschichte des Kaisers Babers“, ein persisches Ma¬
nuskript aus dem XVII. Jahrhundert, 5900 Mark.
Shakespeare, dritte Folio-Ausgabe, 1663, wurde mit
11000 Mark bezahlt. Foucquet „Die Krönung Alexan¬
ders des Großen“, ein Blatt aus einem illuminierten
Manuskript, 2120 Mark.
Hinsichtlich des Nekrologs für den vergangenen
Monat ist zu bemerken, daß die englische Tages- und
Fachpresse dem verstorbenen Albert Träger einen
ehrenden Nachruf widmet. Das „Athenäum“ sagt:
„Er war bekannt als der Poet der „Gartenlaube“ und
seine Gedichte waren weit verbreitet. Viele lasen sich
angenehm, im ganzen sind sie aber zu sentimental,
um sich zu erhalten 1 “ Als die besten und muster¬
gültigsten Werke ihrer Art hebt die englische Presse
einstimmig die Schriften des verstorbenen Dr . Gustav
Wendt hervor, so namentlich: „Gymnasium und öffent¬
liche Meinung ", sowie „Didaktik und Methode des
deutschen Unterrichts und der philosophischen Pro -
pädeutik“.
London, Anfang April. O. v. Schleinitz .
Wiener Brief.
Die österreichischen Behörden scheinen jetzt mit
aller Kraft gegen Schund und Schmutz vorgehen zu
wollen. Man hat gleich zwei Erlasse an die unter¬
geordneten Amtsstellen hinausgegeben, einer stammt
aus dem Finanzministerium, der andere stellt sich als
eine Verfügung des Ministeriums des Innern dar. Das
Finanzministerium ist nämlich die oberste Behörde
für unsere Tabakladen, die sogenannten k. und k.
Tabaktrafiken, in denen natürlich nicht allein Zigarren,
sondern alles mögliche an Papiersorten und Druck¬
erzeugnissen verkauft wird. Die Tabaktrafiken
sollen nun in Zukunft hinsichtlich des Verschleißes
der Preßerzeugnisse strenge überwacht werden usw.
In ähnlicher Weise ist eine Verfügung des Ministe¬
riums des Innern an alle politischen Landesbehörden
ergangen, in der auf die verderblichen Wirkungen
der öffentlichen Ausstellung sinn- und sittenloser
Preßerzeugnisse, und zwar insbesondere an Orten,
die infolge der Nachbarschaft von Kirchen, Schulen.
Erziehungsanstalten und dergleichen von Kindern und
jugendlichen Personen besonders frequentiert werden,
hingewiesen wird. Vornehmlich den Gast- und Schank¬
lokalen und der Ansichtskartenindustrie soll das
Augenmerk zugewendet werden. Überdies, wird in
den offiziösen Kundmachungen versichert, sei in Wien
seit langer Zeit bereits jene Zentralstelle aktiviert, die
gemäß der im Jahre 1910 in Paris abgehaltenen
internationalen Konferenz zur Bekämpfung unsittlicher
Preßerzeugnisse in jedem Staate zwecks wechsel¬
seitiger Benachrichtigung über die Umtriebe, Machen¬
schaften und höchst einträglichen Geschäfte mit ob¬
szönen Preßcrzeugnissen zu errichten die Verpflichtung
bestand. Also gleich eine ganze Fuhre von Erlassen,
Kundmachungen usw. Ob’s etwas nützt ? Wir zweifeln
aus sehr vielen Gründen daran. Der Pornographie
unten und bei Kindern wird „energisch“ an den Leib
gerückt, die Pornographie bei Erwachsenen scheint
sich aber sehr hoher Protektion zu erfreuen. Wenigstens
geht in Wien das Gerücht, daß ein gewisser Prozeß, der
seinerzeit großes Aufsehen erregte und kürzlich ver¬
tagt wurde, niemals mehr auf leben wird . . . Die Kund¬
schaft des angeklagten Händlers sei die „allererste“
gewesen.
Mit dem kürzlich verstorbenen Hofrat Max Burck-
hard, dem früheren Burgtheaterdirektor, ist auch, was
nicht allgemein bekannt war, ein großer Bibliophile
dahingegangen, der sich insbesonders auf theater-
geschichtlichem Gebiete als eifriger Sammler betätigte.
Wer je Gelegenheit gehabt hat, in die Bücherei Burck-
hards Einblick zu nehmen, war entzückt von der muster¬
haften Ordnung, in der er seine Bibliothek hielt. We¬
nigstens bis zu den Jahren, bevor diesen tapferen, auf¬
rechten, famosen Menschen Krankheit anfiel, muß dies
gelten. Burckhard hat den Erlös seiner großen Biblio¬
thek testamentarisch dem österreichischen Bühnen¬
verein vermacht, der die Bibliothek demnächst unter
den Hammer bringen wird.
Kürzlich erschien in einer Wiener Tageszeitung
eine Betrachtung über die Wiener Leihbibliotheken ,
der wir folgendes entnehmen: Wien hat heute über
dreißig private Leihbibliotheken, mehr als sechzig
Leihbibliotheken, die von den Vereinen „Zentral¬
bibliothek“, dem Volksbildungsvereine und anderen
Vereinen erhalten werden, Freilesehallen, Lehrlings¬
bibliotheken, Krankenhausbibliotheken usw. Vor genau
hundert Jahren besaß Wien außer den Büchersamm¬
lungen des Hofes, der Behörden, Klöster, Schulen und
einiger Adeliger sowie Bürger keine einzige sogenannte
„Leihbibliothek“. Zu Beginn des Jahres 1812 eröff-
nete der Wiener Buchhändler Karl Armbruster in der
Singerstraße, in dem Eckhaus Nr. 1, Kärntnerstraße
Nr. 3, das erst vor wenig Jahren demoliert wurde, die
erste Leihbibliothek in Wien. Er hatte lange keinen
Konkurrenten; erst beiläufig nach zehn Jahren etab¬
lierte Johann Tauer eine zweite Leihbibliothek im
Schulhof, Joh. B. Wallishausser eine auf dem Hohen
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CORNELL UNIVERSITY
46
Wiener Brief
Markt und Georg Passy eine in der Dorotheergasse;
die letztgenannte war nur für die katholische Theologie
bestimmt und wurde später von den Mechitaristen in
der Singerstraße übernommen, die aber schon im
Jahre 1840 ihre Befugnis für eine Bücherleihanstalt
nicht mehr ausübten. In diesem Jahre bestand nur
mehr die Tauersche Leihbibliothek, im Jahre 1850
hatte auch die Buchhandlung Gerold eine solche, gab
sie aber bald wieder auf. Vor zirka dreißig Jahren
gab es zweiundzwanzig gewöhnliche Leihbibliotheken
und nur vier Freilesehallen. Seither hat die zähe Arbeit
der Vereine auf diesem Gebiete wirklich viel geleistet,
und neben der Zahl der Volksbibliotheken und Frei¬
lesehallen ist auch die Anzahl der von privaten Unter¬
nehmern geführten Bibliotheken sehr gewachsen.
Freilich steigt auch das Lesebedürfnis immer mehr,
so daß die Bibliotheken auch wirklich ausgenützt
werden. Vor hundert Jahren war eine einzige Leih¬
bibliothek ein riskantes Geschäft, und der brave Arm-
bruster, der im Jahre 1812 als erster ein solches
Unternehmen wagte, verdient immerhin eine gelegent¬
liche Erinnerung.
Der Redakteur der „Österreichisch-ungarischen
Buchhändler-Korrespondenz“, Karl Junker, hat den
Auftrag erhalten, zu dem seinerzeit von Einsle bearbei¬
teten Calalogus librorum in Austria prohibitorum ein
Supplement zu verfassen, das die bis Ende des Jahres
1911 verbotenen Druckschriften verzeichnet.
Die österreichischen Autoren, Komponisten und
Musikverleger haben sich sowohl an die russischen
Behörden als auch an die russische Presse mit der
Bitte um Schutz ihres geistigen Eigentums gewendet.
Die Sache steht nämlich so, daß ausländische Autoren
trotzdem im vorigen Jahre erlassenen neuen rus¬
sischen Autorengesetze, das die früheren rechdosen
Zustände wenigstens milderte, nach wie vor schamlos
ausgenutzt werden. Namenüich mehrere Operetten¬
komponisten und -Librettisten — deren wir in Wien
bekanntlich nur allzuviele haben — fühlen sich arg
geschädigt Es soll Vorkommen, daß ein und das¬
selbe Werk in russischen Städten gleichzeitig an drei
Bühnen gespielt wird, von denen zwei kein Auf¬
führungsrecht besitzen.
Seit März dieses Jahres erscheint bei Hugo Heller
&* Cie . in Wien eine neue Zeitschrift: ,Jmagd\ Zeit¬
schrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die
Geisteswissenschaften, herausgegeben von Professor
Dr. Sigmund Freud , redigiert von Otto Rank und
Dr. Hans Sachs, Professor Freuds Theorien sind ja
allgemein bekannt Dessen Lehre von der Deutung
des Traumes hat in den letzten Jahren viel von sich
reden gemacht. Freilich hat sie nicht geringe An¬
fechtung erlitten, insbesondere die Übertreibungen
seiner Schule und seiner Schüler erfuhren oft scharfe
Zurückweisung und waren nicht selten sogar der
Gegenstand berechtigten Spottes. In der Einleitung
zum ersten Hefte von „Imago“ heißt es unter anderm,
daß nicht nur das Erzeugnis eines einzelnen Menschen¬
geistes, wie es der Traum und das ihm im Innersten
verwandte Kunstwerk ist, eine wahre Seelenkunde zu
durchleuchten imstande sein muß, auch was Dasein
und Form dem Zusammenwirken einer unzählbaren
Menge von Einzelseelen verdankt, die das Streben
nach demselben Ziel zu einer geistigen Einheit ver¬
schmolzen hat, wie Sprache und Sitte, Religion und
Recht, falle in ihr Bereich. Mit dem Schlüssel der
psychoanalytischen Technik werden sich auch in
vielen anderen Wissenschaften versperrte Türen öff¬
nen und Probleme ergründen lassen, so in der Ästhetik,
Literatur- und Kunstgeschichte, Mythologie, Philologie,
Pädagogik, Folklore, Kriminalistik, Moraltheorie,
Religionswissenschaft. Aus dem ersten Hefte der
Zeitschrift hebe ich den Aufsatz von Otto Rank über
den „ Sinn der Griseldafabel*', den von Dr. Eduard
Hitschmann „Zum Wesen des Romandichters“ (als die
für die Leser unserer Zeitschrift interessantesten)
heraus. Bemerkenswert ist eine am Schlüsse des
ersten Heftes angefügte bibliographische Übersicht der
bisherigen Leistungen der auf die Geisteswissenschaften
angewandten Psychoanalyse (bis Ende 1911). Ganz
besonders möchte ich hier unsere Leser auf die 9. Ab¬
teilung Biographik aufmerksam machen. „Imago“ wird
vorläufig sechsmal jährlich im Gesamtumfange von
ungefähr 30 Bogen erscheinen und kostet 15 Mark
(18 Kronen) für den Jahrgang. Volle Anerkennung
verdient die Druckausstattung der in Klein-Quart
erscheinenden Zeitschrift.
Camill Hoffmann, der selbst schon als Lyriker
hervorgetreten ist, hat bei Meyer &• Jessen eine An¬
thologie deutscher Lyriker aus Österreich zusammen¬
gestellt: Deutsche Lyrik aus Österreich seit Grillparzer,
„Deutsche Dichter sind in diesem Buche versammelt,
Österreicher. Im großen Gefüge der deutschen Kultur
haben die immer ihre Sonderheit besessen; sie waren
immer die südlicheren Temperamente, die südlicheren
Nationen, die musikalisch Empfindlicheren. Denkt man
längst hingeblaßter Zeitläufe: Der Sänger von der Vogel¬
weide war Österreicher.“ So beginnt die schöne, herzens¬
warme Einleitung zu dem Bande. Fern sei mir die
übliche Mäkelei an Anthologien. Hoffmann hat sich
nicht allein viele Mühe gegeben, sondern auch in der
Auswahl künstlerischen Sinn betätigt Immerhin ist
es auffallend, daß er zum Beispiel von Ferdinand
Sanier , diesem vormärzlichen liederreichen Boh&nien,
dessen neben der „Grabschrift“ am meisten bekannt
gewordenes Gedicht „Beherzigung 41 mit dem fast
Goetheschen Ausklange:
Eines doch bedenke jeder.
Was er immer tut und treibt
Ob mit Hammer oder Feder
Brot er schmiedet oder schreibt
Daß die Mühsal des Erwerbens
Ihm sein Bestes untergräbt
Und am Tage seines Sterbens
Niemand weiß, ob er gelebt
nicht bringt. So verdienstvoll es ist, das gewisse An¬
thologienschema zu vermeiden, so darf diese Sorge,
in den gewöhnlichen Trott zu verfallen, nicht so weit
gehen, Allerbestes, weil meist auch Allerbekanntestes,
auszuscheiden, wie dies da und dort (Sauter, Ada
Christen, Stelzhammer usw.) von Hoffmann geschehen
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CORNELL UNSVERSSTY
Römischer Brief
47
ist Auch berührt es sonderbar. Felix Salten unter den
Lyrikern zu finden. Das hat nicht wenig Verwunderung
hervorgerufen. Salten mag alles mögliche sein—seinem
Kunstfleiße alle Achtung! — Lyriker, nein, dazu reichts
nicht Das muß man, wie man bei uns sagt, von der
Frau Mutter haben. H offmann beginnt mit Grill¬
parzer und reiht die anderen Dichter chronologisch
an. Lob verdient der in der Sammlung durchgeführte
Grundsatz, auch die sogenannten katholischen Dichter
(wie Eichert und andere) zu Worte kommen zu lassen
und sie dadurch einem größeren Kreise bekannt zu
machen. Alles in allem macht einem das gut aus¬
gestattete, in Halbpergament gebundene Buch viele
Freude . . . „Der Nachtigallen, der sind viel“.
Verhältnismäßig rasch schreitet auch die hier
schon des öfteren erwähnte, von Otto Rommel heraus¬
gegebene „ Deutsch-österreichische Klassikerbibliothek u
fort, die bis zum 28. Bande vorliegt. Der 25. Band
behandelt wieder Lenau , der 26. den zweiten Band
der von Fr. Hirth ausgewählten und eingeleiteten
Werke KUmbergers („Novellen“). Der 27. setzt die
ausgewählten Werke von Friedrich Halm fort, der
28. bringt den 1. Band von M. G. Saphirs ausgewählten
Werken, die von Guido Glück herausgegeben und
eingeleitet sind. Das handliche Format der kleinen
Bände, die sorgfältig gedruckt sind, sei nochmals
hervorgehoben. Dem Nichtösterreicher dürfte die nun
bald in der ersten Serie ihrem Abschlüsse entgegen¬
gehende Sammlung manche Dienste tun.
Wien, Anfang April Hans Feigl.
Römischer Brief.
Das Stadttheater von Rom, das sogenannte „Te-
atro Argentina", hat das berühmte Lustspiel Giordano
Brunos „II Candelajo u zur Aufführung gebracht, was
hier allgemein als ein literarisches und theaterge¬
schichtliches Ereignis ersten Ranges angesehen wird.
Der „Marzocco“ beschäftigt sich in der Nummer vom
31. März eingehend mit dieser Aufführung.
Im Theater Argentina zu Rom, heißt es da, haben
wir ein ganz außergewöhnliches Schauspiel erlebt, eine
Aufführung des ,,Candelajo“ Giordano Brunos, den
Professor Vittorio Podrecca wieder ausgegraben und
für die Bühne bearbeitet hat. Daß der Gedanke, dieses
Stück aus dem XVI. Jahrhundert auf die Bühne zu
bringen, glücklich war, beweist der Erfolg, den es ge¬
habt hat; daß es ihn verdient, dafür bürgt sein innerer
Wert Vor etwa drei Jahren bemerkte einer der
größten Kenner Brunos, Felice Tocco , gelegentlich einer
Besprechung der prachtvollen Ausgabe des „Candelajo",
die Spampanato veranstaltet hatte, wie merkwürdig
es sei, daß wir von den beiden wichtigsten Komödien
des Cinquecento die eine, die ,, Mandragola ‘‘, einem
Staatsmann und ernsten Historiker {JNicc. Macchia -
velli. E. R.), die andere einem Philosophen und großen
Neuerer verdanken. Tocco stellte dabei scharfsinnige
Betrachtungen über die Verwicklung der Handlung
an, um zu zeigen, welcher Art deren Komik ist Diese
Komödie des Bruno — meinte er — läßt vielleicht
infolge der geringen Bühnenkenntnis des Dichters viel
zu wünschen übrig, was den Knoten der Handlung
anbelangt, der geschickter geschürzt sein sollte und
könnte. Überdies fehlt dem Verfasser die wahre „vis
comica*'. Er lacht nicht, sondern höhnt; er freut sich
nicht an seinen komischen Gestalten, sondern er
als erster verspottet sie und macht sie schlecht Die
Komödie des „ Bruno Nolano academico di nulla
accademia , detto il Fastidito (Brunos aus Nola, Aka¬
demikers keiner Akademie, genannt der Gelang¬
weilte) in tristitia hilaris, in hilaritate tristis, wie er von
sich selbst sagte, konnte kein Meisterstück der Komik
sein. In der Vorrede beschreibt Bruno sich selbst:
„Der Verfasser, wenn ihr ihn kenntet, würdet ihr
sagen, sieht ganz abwesend aus, als ob er sich dauernd
in Betrachtung der höllischen Strafen befände, als ob
er in der Presse gewesen wäre wie ein Barrett; einer der
nur lacht weil es die andern tun, der aber für ge¬
wöhnlich gelangweilt, hartköpfig und grimmig ist der
sich mit nichts begnügt, eigensinnig ist wie ein Alter
von 80 Jahren, wie ein Hund, der 1000 Bisse bekom¬
men und Zwiebeln gefressen hat“. Wer die Welt mit
solchen Augen sieht — bemerkt Tocco — kann ihr
nicht die komische Seite abgewinnen, lacht nicht und
wer nicht lacht, kann auch nicht lachen machen. Das
Komische in dieser Komödie entsteht durch das über¬
dicke Aufträgen der Farben, — sie ist eigentlich mehr
grotesk als komisch. Die Hauptpersonen sind ein
Tölpel, namens Bonifacio, der sich mit seinen 45 Jahren
mit einem schönen, blühenden, jungen Mädchen ver¬
heiratet hat und einfältig genug ist sich in eine Kur¬
tisane, Vittoria, zu verheben. Um sich den Weg zu ihr
zu öffnen vertraut er sich einer Vermittlerin mit Namen
Lucia an, die ihn betrügt und ihn nasführt und sich
mit seiner jungen Frau ins Einvernehmen setzt, um
ihn in die Falle zu locken, sowie einem Alchimisten
Bartolomeo und dessen Schüler Consalvo, der ihn
noch mehr als die Vermittlerin hintergeht ferner einem
Schulmeister Manfurio, der sich immer in Latinismen
und Etymologien ergeht, auch wo es gar nicht ange¬
bracht ist, und einen ganz närrischen Brief für Boni¬
facio abfaßt Die Figuren des Bartolomeo und Man¬
furio sind aus demselben Holz wie die Hauptfigur,
ganz ebenso töricht und albern. Die einzigen, die
Verstand und klaren Blick haben, sind die beiden Be¬
trüger (Luda und Consalvo), die sich als Schergen
verkleiden, und der Maler Bemardo, dem es gelingt,
den närrischen Bonifario durch diese Schergen fest-
nqhmen zu lassen und das Herz seiner Gattin zu er¬
obern, die sich als Vittoria verkleidet hatte, um ihn
zu überraschen, und an dem sie so doppelte Rache
nimmt. Wenn das Lachen beim „Candelajo" etwas
gewaltsam erzeugt wird, wenn die ästhetische Seite der
Komödie auch ihre Mängel hat, so bleibt doch die
historische wegen der dem Leben entnommenen Ein¬
zelheiten, wegen der Anspielungen auf wirkliche Ge¬
schehnisse der Zeit, wegen der Schlüsse die sich aus
der Komödie auf Leben und Charakter des Autors
selbst ziehen lassen, von größter Wichtigkeit
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Römischer Brief
Ich hatte in meinem vorigen Brief Gelegenheit,
bei Besprechung der von Tilgker besorgten italieni¬
schen Übersetzung Descartes die Sammlung „Classici
della, Filosofia tnodema“ zu erwähnen, die bei Laterza
e Figli in Bari erscheint: Welche große Rolle der
philosophische Gedanke im heutigen Italien spielt
und welchen bedeutenden Anteil daran besonders die
großen deutschen Philosophen nehmen, mag nach¬
stehende Zusammenstellung der bis jetzt erschienenen
Bände zeigen:
Berkeley. Principii della conoscenza e dialoghi tra
Hylas e Filonous. Tradottida G. Papini. — Giordano
Bruno. Opere italiane. Con note di G. Gentile I. Dia¬
loghi metafisici II. Dialoghi morali. III. Candelaio,
Commedia con introduzione e note a cura di V. Spam-
panato. — Fichte. Dottrina della scienza. Tradotta da
A. Tilgher. — Hegel. Enciclopedia delle scienze .filo-
sofiche in compendio. Tradotta da B. Croce. — Her¬
bart. Introduzione alla filosofia. Tradotta da G. Vidos-
sich. — Hobbes. Leviatano. Tradotto da M. Vinciguerra.
— Hume. Ricerche sull'intelletto umano — sui
principii della morale. Tradotto da G. Prezzolini. —
Kant. Critica del giudizio. Tradotta da A. Gargiulo. —
Critica della ragion pratica. Tradotta da F. Capra. —
Critica della ragion pura. Tradotta da G. Gentile
e G. Lombardo-Radice. — Leibniz. Nuovi saggi sull'
intelletto, umano. Tradotti da E. Cecchi. — Schilling.
Sistema delT idealismo trascendentale. Tradotto da
M. Losacco. — Vico. La scienza nuova. Con note di
F. Nicolini. — Gioberti. Nuova protologia. Brani
scelti da tutte le sue opere, a cura di G. Gentile. —
Descartes. Discorso sul metodo e Meditazioni filoso-
fiche. Traduzione di A. Tilgher.
Der verdiente Direktor der Biblioteca Vittorio
Emanuele in Rom, Giuliano Bonazzi , hat zusammen
mit dem Architekten Marcello Piacentini einen Plan
für einen Neubau der Bibliothek ausgearbeitet und
ihn dem Unterrichtsminister Credaro unterbreitet. Die
Frage eines größeren Neubaus ist bei dem ungeheuren
Anwachsen der Bestände und der stets steigenden
Zahl der Besucher dringend geworden, und es wäre
zu wünschen, daß die Ausführung so bald wie mög¬
lich in Angriff genommen würde. Die Biblioteca Vit¬
torio Emanuele wurde im Jahre 1875-durch Vereinig¬
ung von 69 kleineren Bibliotheken aus säkularisierten
Klöstern geschaffen und in einem Flügel des alten
Jesuitenkollegs, des sogenannten Collegio Romano,
untergebracht. Obgleich die alten Räume mit allen
Mitteln hergestellt wurden, sind sie doch für den Zweck
wenig geeignet; die Bücher sind durch die Etagen
verteilt, die Regale stehen großenteils die unendlich
langen Korridore endang, wodurch das Suchen der
Bücher sehr langsam von statten geht, so daß die
Leser sich oft beklagen. Als öffentliche Leseräume
wurden ein Refektorium und eine Sakristei einge¬
richtet Zu dem Grundstock der alten Bücher kamen
bald beträchtliche Sammlungen neuer Erscheinungen,
und bei einem Zuwachs von etwa 10000 Bänden im
Jahr kann es nicht wundemehmen, daß die Bibliothek
nach 36jährigem Bestehen an der Grenze ihrer Aus¬
dehnungsfähigkeit angelangt ist Zu dem Platzmangel
für die neuen Erwerbungen kommt die Unzulänglich¬
keit der Lesesäle, die viel zu wenig Sitze für die große
Zahl der Besucher haben, und das trotz der kürzlich
erfolgten Neueinteilung dieser Säle. — Der Typ der
neuen Bibliothek ist als sogenannte „ Biblioteca riser -
vata “ gedacht. Die Urheber des Plans gehen dabei
von dem Gesichtspunkt aus, daß es absurd sei, daß
ein Insdtut, das die gesamte Kultur repräsentiert, für
alle Neugierigen und Tagediebe offen stehen soll. Für
die Volksbildung sorgen die Schul- und Stadtbibliotheken,
die in den verschiedenen Teilen der Stadt verteilt liegen
sollten, und von denen eine in den Räumen der jetzigen
Vittorio Emanuele untergebracht werden könnte. Mit
dem Gedanken, dies neue große Institut den geistig
höher Gebildeten zu reservieren, ist nicht beabsichtigt
ein Monopol für wenige zu schaffen, sondern es sollen
durchaus alle diejenigen zugelassen werden, die ge¬
wisse Garantien für ihren Ernst und ihre Zuverlässig¬
keit geben. Für eine solche Bibliothek mit „reservier¬
tem Charakter“ sind am besten Lesesäle, in denen
die Besucher die notwendigen Nachschlagewerke und
Bibliographien zur Hand haben. Bei dem Entwurf des
Planes ist vor allem maßgebend gewesen, möglichste
Bequemlichkeit für das Publikum mit Einfachheit und
Schnelligkeit der Bedienung zu vereinigen. Diesen
Wünschen entspricht am besten eine strahlenförmige
Anlage, und so ist die neue Bibliothek als ein großer
Rundbau gedacht, der in zwei Etagen eingeteilt ist,
in deren unterer sich die Bücherbestände befinden
sollen, während in der oberen der Katalog und die
Lesesäle untergebracht werden würden. Der Katalog
soll seinen Platz in der Mitte des Baues, in einer
großen Rotunde bekommen, während in den strahlen¬
förmig von hier ausgehenden Flügeln, die nach Dis¬
ziplinen eingeteilten sieben Lesesäle einzurichten
wären. Wenn die Bibliothek in dem großen Umfang
und an dem beabsichtigten Platz — in der Nähe der
altberühmten Fontana Trevi von Bernini — zur Aus¬
führung käme, würde Rom zwar um eine moderne
Sehenswürdigkeit reicher und bekäme eine Bibliothek,
wie sie zentraler und bequemer nicht liegen könnte,
aber es würde diesen Plänen auch wieder ein gutes
Stück der alten Stadt zum Opfer fallen müssen.
Die in Bergamo erscheinende Zeitschrift „Empo¬
rium“ bringt in ihrem Märzhefte einen sehr inter¬
essanten illustrierten Aufsatz von Pasquale de Luca über
Illustrationen zu Manzonfs Promessi Sposi: „Le, Illu-
strazioni dei Promessi Sposi dal Gonin al Previati“.
Die Arbeit ist gleich wichtig in bibliographischer Hin¬
sicht wie für die Gesichte der italienischen Bücherillu¬
strationen im XIX. Jahrhundert De Luca bespricht fast
alle illustrierten Ausgaben, von denen er als erste die vom
Jahre 1840 mit Zeichnungen von Gonin aufführt bis
zu der Hoeplischen Ausgabe mit den Abbildungen von
Previati, vom Jahre 1899. Es ist erstaunlich, welche
Fülle wirklich hübscher Zeichnungen zu dem berühm¬
ten Roman dabei ans Licht kommt und bedauerlich,
daß die italienische Bücherillustration aus der Mitte
des vergangenen Jahrhunderts sowenig beachtet oder
fast ganz vergessen ist. Zwischen Gonin, dem ersten,
und Previati, dem neuesten Illustrator Manzonis, liegen
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Amsterdamer Brief
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B.Pinelli , Mo ja, Gallo Gallina, MoseBianhi, C. Bslgioi -
oso , CP. Berlins, und manch anderer. Interessant ist die
Feststellung de Lucas, daß die „ PromessiSpost u ‘ von 1827
bis 1840 in Italien und im Ausland 65 mal gedruckt
wurden, ohne dem Dichter irgendwelchen materiellen
Nutzen zu bringen, da bei der politischen Zerrissen¬
heit Italiens in jener Zeit jeder Schutz des geistigen
Eigentums fehlte. — Daß Goethe mit Manzoni enge
freundschaftliche Beziehungen verbanden, und daß er
das Hauptwerk des großen italienischen Erzählers sehr
hochschätzte, ist wohl bekannt.
Soeben verbreitet sich in Rom die mit allgemeiner
Teilnahme und Trauer aufgenommene Nachricht von
dem Tode Giovanni Pascolis. Pascoli war einer der
bedeutendsten und beliebtesten Dichter Italiens der
Gegenwart und Nachfolger Carducds auf dem Lehr¬
stuhl für italienische Literatur an der Universität
Bologna. Er war im Jahre 1855 in San Mauro in der
Romagna geboren.
Rom, Anfang April 1912.
Ewald Rappaport .
Amsterdamer Brief.
Eine wichtige Etappe in der Entwicklung der
modernen holländischen Druckkunst bildet die in einem
kürzlich von der Amsterdamer Lettergießerei „Amster¬
dam" versandten Prospekt angekündigte neue hollän¬
dische Letter, die erste von einem Holländer entworfene
und in Holland ausgeführte moderne Letter überhaupt
denn die bisher hier verwandten Lettersorten kamen
alle aus dem Ausland. S. H. de Roos t der sich durch
seine farbigen Steinzeichnungen und als Buchkünstler
durch die schöne Ausstattung der holländischen Aus¬
gabe von William Morris, „Kunst en maatschappy"
hier einen Namen gemacht hat, ist der Entwerfer.
Die neue Letter, Holländische Mediaeval, nimmt
neben den bekannten lateinischen Typen eine ganz
selbständige Stellung ein; sie ist nicht so streng
und einfach, wie etwa die Renaissance - Antiqua
Pöschels, sie ist etwas unruhiger und nervöser und
nähert sich mehr der Antiqua der Pöschel-Tiemann-
sehen Januspresse, mit der Goethes Römische Elegien
gedruckt sind. Scharfe Ecken, Zusammenstößen ge¬
rader Linien unter einem rechten Winkel sind ver¬
mieden; die Ecken sind abgestumpft. Die schmale
Linie, auf der die Vertikale beim d zum Beispiel steht,
bildet mit dieser keinen rechten Winkel sondern sie
ist nach oben etwas umgebogen; so verläuft ferner
der obere Teil des t, oberhalb des Querstrichs, nicht
ganz geradlinig, sondern ist nach rechts etwas ge¬
schweift; und ähnliches mehr. Der Zweck und der
Erfolg dieser schwachen Rundung ist, daß die ein¬
zelnen Buchstaben weniger schroff und abgesondert
nebeneinander stehen, und sie mehr Fühlung miteinan¬
der bekommen, wie bei der Schreibschrift. Und diese
scheint den Künstler auch etwas beeinflußt zu haben.
In dem erwähnten Prospekte heißt es darüber:
„Die Form der Buchstaben suchte der Künstler
nicht durch reine Konstrukdon zu gewinnen. Das
Linienschema, das bei größeren Buchstabenzeichnungen
und monumentalen Inschriften für die Bestimmung
der Verhältnisse fast unvermeidlich ist, steht einer
freieren Formengebung im Weg. Beim Schreiben sind
die Buchstaben entstanden und werden sie zu einer
für unsere Zeit geeigneten Form entwickelt werden
müssen, und dann wird nicht der einzelne, sondern
der im Zusammenhang geschriebene Buchstabe als
Grundlage zu nehmen sein.'* Durch diese, wenn auch
diskrete Annäherung an die Schreibschrift kommt es
wohl auch, daß diese neue holländische Letter ein
Z. f. B. 1912/1913.
wenig gotisch wirkt, cum grano salis zu verstehen.
Bei dem Entwurf dieser Roos’schen Letter sind die¬
selben Kräfte am Werke, die seinerzeit von der An¬
tiqua zu der Fraktur führten. — Die Letter ist von
mittlerer Stärke und auf dem Prospekt ziemlich eng
gesetzt Der Gesamteindruck der bedruckten Seite ist
verglichen mit dem einer Seite in dem kürzlich hier
besprochenen „Drukkersjaarboek" etwas nüchtern, und
man möchte sagen: bürgerlich. Durch die größere
Raumverschwendung, die weiteren Intervalle zwischen
den einzelnen Lettern und Worten, die fettere Letter
selbst und den schwärzeren Druck wirkt das „Drukkers-
jaarboek" vornehmer, und was doch von der größten
Wichtigkeit ist, für das Auge weniger ermüdend.
Aber das „Drukkersjaarboek" ist vielleicht mehr als
eine Luxusausgabe zu betrachten und deshalb kein
geeignetes Vergleichungsobjekt. Denn die neue Letter
ist ja für das holländische Durchschnittsbuch bestimmt
und soll dessen Niveau heben. Hoffen wir, daß das
Streben des Künstlers von Erfolg bekrönt wird. Eine
neue Auflage des Styn StreuveVschen Romans „De
Valschaard soll, wie das „Nieuwsblad van den Boek-
handel" berichtet, auf den Wunsch des Autors mit
der neuen Letter gedruckt werden, die die Druckerei
G. J. Thieme für diesen Zweck erworben hat. In der
holländischen Presse ist die Letter einstimmig mit der
größten Anerkennung beurteilt worden.
Auf ein einjähriges Bestehen sieht im Mai eine
holländische Kunstzeitschrift zurück, auf die hinzu¬
weisen ich bisher immer versäumt hatte; dieselbe
verdient, weil sie wirklich eine Lücke in dem hol¬
ländischen Zeitschriftenwesen ausfüllt, auch außerhalb
Hollands besondere Beachtung.
Denn durch ihr gutes und reiches Abbildungs¬
material behält sie auch für solche, die den hollän¬
dischen Text nicht verstehen, ihren Wert Wenn man
von kleineren Blättern absieht, gab es bisher über¬
haupt keine rein holländische Kunstzeitschrift Denn
„Onxe Kunst ", eine zwar niederländisch geschriebene
Monatsschrift, ist in den letzten Jahren mehr und
mehr „verflämischt" und gibt von der modernen hol¬
ländischen Kunst daher kein getreues Bild. Und der
holländischen Kunst alter sowie neuer, ist gerade diese
neue Zeitschrift „Kunst en Kunstleven “ gewidmet, die
im Haag von C. Harms Tiepen. Marconistraat 19,
herausgegeben wird. Der Preis beträgt 6 fl. im Jahr;
die auf jap anis ches Papier gedruckte numerierte
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Amsterdamer Brief
Ausgabe kostet 25 fl. Außer Aufsätzen über einzelne
Künstler bringt die Zeitschrift auch regelmäßig illu¬
strierte Berichte über Neuerwerbungen holländischer
Sammlungen, über Ausstellungen in den Kunstzentren
des Landes und über bevorstehende inländische
Auktionen. Ausstattung, Papier, Druck und Anordnung
der Reproduktionen verdienen alles Lob. Den mo¬
dernen holländischen Künstlern, die in den mir vorlie¬
genden Heften 5—8 behandelt werden, ist eine Neigung
zum Verfeinerten gemeinsam; sie sind Luxusmaler,
die für ein verwöhntes aristokratisches Publikum ar¬
beiten; sie stehen abseits von der aus Frankreich
kommenden modernen Bewegung der letzten Jahre
und sind auch von van Gogh unbeeinflußt; den Re¬
produktionen nach zu urteilen, haben manche ihrer
Sachen ganz aparte und intime Reize. — Eine Er¬
gänzung zu der Monatsschrift bietet die von dem¬
selben Verlag herausgegebene Wochenschrift „Me¬
morandum“, die hauptsächlich dem Kunsthandel
dient und über die auf holländischen Auktionen er¬
zielten Preise ausführlich berichtet; das Abonnement
auf dieses Blatt beträgt jährlich 1 fl.
Im Januarheft des „Nieuwe Gids“ erzählt Frans
Erens von seinen Reiseeindrücken in den Maingegen¬
den', ziemlich ausführlich beschreibt er Würzburg, die
Residenz und den Hofgarten, um zuletzt einen Hym¬
nus auf den Dichter anzustimmen, der in Würzburg
begraben liegt: Walter von der Vogelweide. Erens
ist jemand, der mit offenen Augen reist, nicht um die
internationale Großstadtkultur, an die er von Zuhause
gewöhnt ist, überall wieder zu Anden, und Land und
Leute darnach zu bewerten, sondern er bleibt ganz
naiv und unterläßt das leidige Vergleichen. Man
merkt ihm an, daß er sich im Frankenlande wohl ge¬
fühlt hat, hauptsächlich, weil hier der Zusammenhang
mit der Vergangenheit mehr gewahrt ist und der alles
gleichmachende moderne Verkehr und die moderne
Industrie bisher nur in bescheidenem Maße Eingang
gefunden. Es sind eigentlich mehr als bloße Eindrücke,
die uns Erens hier gibt, es sind Betrachtungen allge¬
meiner Art, die das in stiller Liebe Geschaute in ihm
auslöst. Als Probe seiner Weise die Dinge zu sehen
möchte ich einiges anführen, was er über den Men¬
schenschlag sagt: „Der einfache Mann, der uns hier
auf der Straße entgegentritt, ist derselbe derbe, kräf¬
tige und breite Typus, wie ihn Riemenschneider dar¬
gestellt hat, nicht stolz und fein, wie in manchen Ge¬
genden von Tirol, wo die Männer den Adlern gleichen,
sondern eine Figur wie Hans Sachs. Es sind keine
Männer, die durch die Industrie klein, mager und
unansehnlich geworden sind, keine schmächtigen
Adepten des Sozialismus, die für die Gemeinschaft
reif sind, keine Sklaven der Masse, die keine Sklaven
mehr sein wollen, denen aber die drückende Tyran¬
nei der Volksmajestät den Stempel aufgedrückt hat,
sondern es sind noch die stillen, individuellen Arbeiter
von früher von bäurischem und vierschrötigem Wüchse.
Die Frauen sind nicht schön, aber kräftig und tüchdg,
nicht groß und nicht klein, doch mit sanftem Lachen
und zartklingender Stimme“. Widerspruch weckt viel¬
leicht, was er über die Frömmigkeit des Volkes im
Vergleich mit der des französischen Landvolkes sagt:
„Die Frömmigkeit der Franzosen ist eine mehr inner¬
liche und hat einen tieferen Kern. In Süddeutschland
ist sie wolkig und qualmig“.
Im Februarheft derselben Zeitschrift Andet sich
ein Aufsatz von Jac. van Looy, dem bekannten
Schriftsteller und Maler, über das Übersetzen. Er po¬
lemisiert darin gegen C. S. Adama van Scheltema,
den Übersetzer des Faust. (Siehe „Zeitschrift für
Bücherfreunde“, Jahrgang 1911/1912, Seite 181/182).
Scheltema hatte in seiner Vorrede als Grundsatz aufge¬
stellt, daß die Übersetzung eines dichterischen Werkes
einer vergangenen Zeit sich in Stil und Diktion möglichst
dem Geist jener Zeit anzupassen habe; und ausdrück¬
lich hatte er sich gegen solche modernisierte und sub¬
jektive Übersetzungen gewandt, die nicht aus dem
Gefühl des Dichters wiedergeboren, sondern nach
dem durch seine Zeit bedingten Geschmack und den
persönlichen Neigungen des Übersetzers umgebildet
und umgedichtet sind, was z. B. von der Faustüber¬
setzung des Amsterdamer Pfarrers J. J. L. Ten Kate
(1878) gilt Durch diese prinzipiellen Erklärungen'
fühlte sich nun auch van Looy getroffen, der in
dieser Weise einige Shakespearesche Dramen über¬
tragen hatte. Scheltema ist bei seiner Übersetzung
der Methode der modernen Literaturforschung gefolgt;
er hat versucht das Werk aus der Persönlichkeit des
Dichters und dem herrschenden Zeitgeist zu verstehen
und sein Ziel war eine Kopie des Werkes in dem
anderen SprachmateriaL Van Looy dagegen, dem
alle Gelehrsamkeit und Wissenschaftlichkeit wider¬
strebt, verfährt beim Übersetzen ganz subjektiv und
naiv. Er gibt sich ganz der Dichtung hin und läßt sich
von ihr zu der schöpferischen Tätigkeit des Umdichtens
inspirieren; er bedient sich dabei stets der Sprache,
die heute gesprochen wird. Charakteristisch für seine
Art zu arbeiten ist nach seinem eigenen Geständnis, wie
er sich bei schwierigen Stellen bei seiner Shakespeare¬
übersetzung geholfen hat. Er griff dann nicht zu irgend¬
welchen literarischen Hilfsmitteln, sondern er holte
sich lieber Rat bei völlig ungelehrten Menschen, einem
Waterländer Bäuerlein z. B., „seiner Abstammung ge¬
treu und als Verehrer von Hals und Brederode“. Er
rühmt diese seine Methode als die der Visionären,
die Holland groß gemacht haben, ,.bevor es der All¬
macht der Pädagogik verfiel“. Da er aber der An¬
sicht ist, daß über den Wert einer Theorie schließlich
doch die praktischen Resultate, die man damit erzielt,
entscheiden, gibt er zum Schluß seines Aufsatzes eine
Reihe von Proben seiner nach dieser seiner Methode
entstandenen Faustübersetzung, die aber bis jetzt nur
Fragment geblieben ist Übersetzt hat er den Prolog
im Himmel, den Anfang von Fausts Monolog, den
Osterchor der Frauen („Mit Spezereien . . .), den
König in Thule, Meine Ruh ist hin und O, neige, du
Schmerzensreiche. Daß ein echter Dichter hier bei der
Übersetzung am Werke ist, der ein feines Gefühl für
Klang und Rhythmus hat zeigt jede Zeile. Van Looy
wäre wohl im Stande noch etwas Vollkommeneres zu
leisten als Scheltema, wenn nur das dichterische Feuer
so lange bei ihm anhielte und er nicht bei den philo-
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CORNELL UNiVERSiTY
Amsterdamer Brief
51
sophischen Teilen und anderen Stellen, die ihm weniger
liegen, bald versagen würde. Zum Vergleich der beiden
Übersetzungen lasse ich hier die van Looysche und
Scheltemasche Version von Grethchens Gebet vor der
Mater dolorosa folgen:
van Looy Adama van Scheltema
Moeder van smarte, er- Ach neig uw harte
barm u, Gy ryk aan smarten,
Neig ach, uw aanschyn Genadig tot myn droeven
aan myn nood: nood
Duizende smarten Met ’t zwaard doorstoken
Doorvlymen u't harte Van smart gebroken
Ziende uw zoon in pyn Ziet gy omhoog tot Jezus
van dood. dood.
Ten vader gy ziet Tot Gode blikt gy,
Uw züchten gy liet En züchten snikt gy
Tot hem, om zyne’ en Tot hem om zyne’ en
uwen nood. uwen nood.
Wie voelt Wie voelen
Hoe het woelt Het woelen
Door het ingewand my? Der pyn, waarom ik
Wat myn arme hart hier ween?
uitstaat, Wat myn arme hart komt
Hoe het krimpt en wat klagen,
er omgaat, Wat het beeft, wat het
Dat weet enkel, enkel gy. komt vragen,
Dat weet gy en gy alleen!
Waar ik my loop ver- Waarheen ik my 00k
treeen, wende,
Zoo wee, zoo wee, zoo Eilende is’t, eilende,
weee. Die myne borst beknelt
Word’t in myn boezem Nauw zyn de menschen
myl henen,
En ben ik weer alleene Of weenen moet ik,
Dan moet ik weenen, weenen,
weenen. Dat my het harte smelt
Het hart my breekt er by.
De planten voor myn De bladeren voor myn
venster venster
Heb ik met tränen be- Besprenkelde ik met myn
vocht, leed,
Toen ik van morgen Toen ’k in den vroegen
plukte ochtend
De bloemen die 'k u Voor u die bloemen sneed.
brocht
Als’t eerste zonneschynen Toen met den lichten
’t Licht in myn kamer morgen
zendt, De zon naar binnen zag,
Dan zit ik met myn pynen Zat ’k reeds met al myn
Jn't bed al overend. zorgen
Te wachten op den dag.
Help. Red my toch van Help! red gy my van
schände en dood. schände en dood!
Erbarm U Ach neig uw harte,
Moeder van smarten, er- Gy ryk aan smarten,
barm u, Genadig tot myn droeven
Neig, ach, uw aanschyn nood.
aan myn nood.
Van Looy ist meiner Ansicht nach hier ergrei¬
fender, seine Sprache ist anschaulicher und suggestiver,
und der Schmerzensschrei Grethchens und ihr Bitten
scheint mir flehentlicher und drängender als bei
Scheltema. Jedenfalls kann uns der edle Wettstreit
die große Dichtung in Holland einzubürgem nur mit
freudiger Genugtuung erfüllen.
Vom 5. bis zum 15. Februar wurde gemeinsam
von der Firma R. W. P. de Vries und C. F. Roos &*
Cie. in Amsterdam die 4587 Nummern zählende Biblia
thek des Rotterdamer Buchhändlers J. H. Dunk
versteigert. Die wichtigsten Preise lasse ich hier folgen:
1057, der große Atlas von Blaeu, in 9 Bänden,
Amsterdam 1664 180 fl. — 1059, der Atlas von
de Wit , Amsterdam, mit 100 kolorierten Karten,
Amsterdam, Fred de Wit, s. d. 35 fl. — 1119
Scheeps en historisch Joumaal gehouden aan boort
van ’s Land Fregat Briel 1778—1782; ein Manuskript
mit zahlreichen Federzeichnungen 30 fl.
1180. Hübbe (J. H.), Ansichten von Hamburg.
Frankfurt 1824—28 mit Stichen; Chr. Zietx, An¬
sichten von Lübeck. Frankfurt 1822, mit Stichen 10 fl.
1181. Das Königreich Bayern, in seinen altertüm¬
lichen usw. Schönheiten, München, G. Franz 1843—46,
mit Stichen; und G. Schwab , Das malerische und ro¬
mantische Schwaben. Leipzig mit Stichen 4 fl. — 1186.
Niemeyer (A. H.), Waamemingen op eene reize door.
Westfalen en Holland in i 8 o 5 (Aus dem Deutschen)
Haarlem 1824, und Brieven geschreven op eene wan-
deling door een ged. von Duitschland en Holland in
1809. Groningen 1809—101,75 fl.— 1193. Storck (A.),
Ansichten der freien Hansastadt Bremen. Frankfurt
1822 10 fl. — 1196. Tromlitz (A.), Romantische
Wanderung durch die Sächsische Schweiz. Leipzig,
s. a. mit Stichen. — W. D, von Horn , Der Rhein,
Wiesbaden 1875, mit Stichen und L. Lange, Der Rhein
und die Rheinlande, Darmstadt, 1847 5,50 fl. — 1286.
F. Morghen , Raccolta di varie vidute di Pesto, Na¬
poli, Pozzuoli, Baia, Cume . . . incise in rama. Na¬
poli 1796, mit 70 Stichen 4 fl. — 1301. J. Winckel -
mann , Sendschreiben von den Herculanischen Ent¬
deckungen. — Nachrichten an H. Füeßli aus Zürich.
— Abhandlung von der Fähigkeit der Empfindung
des Schönen in der Kunst Dresden 1762—64. Die
Erstausgabe mit breitem Rand in schönem altem
holländischem Ganzlederband 0,40 fl. — 1308. Witsen
(N.), Noord en Oost-Tartarye . . . Zweite Auflage.
Amsterdam 1705 40 fl. — 2022. Het verheerlykt
Nederland of kabinet van hedendaagsche gezigten.
AmsterdamTirion 1745—74. In 2 Bänden, mit 90oSdchen
mit breitem Rand 53 fl. — 3274. Eine interessante
Sammlung niederländischer Kinder - und Schulbücher ,
zum Teil mit Abbildungen, aus den Jahren 1830—1885,
im ganzen 2800 Nummern 85 fl.
3311. Almanach de poche de Goettwgue pour
l’annee 1808. Göttingen, Dietrich und Kurmainzischer
Hof- und Staatskalender iffl . Mainz. Und anderes 11 fl.
3574. Hamburger , G. Chr ., Nachrichten von den vor¬
nehmsten Schriftstellern vom Anfänge der Welt bis
1500. Lemgo 1756—64 4 Bände 1,75 fl. — 3598. Goethe,
Hermann und Dorothea II. verbesserte Auflage mit
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New Yorker Brief
den Chodowieckischen Kupfern, 1799 3 fl. — 3599.
Propyläen. Eine periodische Schrift herausgegeben
von Goethe. Tübingen 1798—1800, 3 Bände 35 fl. —
3600. Goethe, Reinecke Fuchs. Berlin 1794, die Erst¬
ausgabe, ferner die zweite Auflage der Wahlver¬
wandtschaften, Tübingen 1810, fax westöstliche Divan,
in der Ausgabe von Loeper, auf besseres Papier mit
breiterem Rand als die gewöhnliche Hempelsche
Ausgabe, und endlich der I. Band des Goethejahr-
buches 5,50 fl. — 3602. Die französische Faustüber¬
setzung von G. de Nerval, Paris 1868, mit den Suchen
von T. Johannot , sehr schöne Ausgabe 0,60 fl. — 3622.
Schiller, Trauerspiele, Mannheim 1784, mit 6 Chodo¬
wieckischen Kupfern, enthaltend die Räuber, die Ver¬
schwörung des Fiesko, und die Erstausgabe von
Kabale und Liebe 11 fl. — '3627. Wielands sämtliche
Werke, Karlsruhe 1814—1818, 45 Halblederbände der
Zeit; schöne Ausgabe 1,50 fl.
Den höchsten Preis erzielte die Erstausgabe von
Robinson Crusoe , ( De Foe), The life and stränge sur-
prizing adventures of Robinson Crusoe, of York, Ma¬
riner. London. Taylor 1719: 970 fl. — 4024. J. G.
Weinmann, Phteanthoza iconographia. Radsbonae,
1737 — 1745t 4 Bände mit 1025 kolorierten Tafeln 45 fl.
— 4236. Darly, ( M . A .), A compleat body of archi-
tecture. London 1773; mit 98 Tafeln: 52*/ a fl. — 4419.
J. E. Ridinger , Entwurf einiger Tiere. Augsburg
1738— 54 60 fl. — 4432. The works of William Ho-
garth, from the original plates restored by J. Health,
London (1822) 51 fl. — 4444- Album amicorum von
Y. vanHamelsveld, einem UtrechterTheologieprofessor
und Polidker mit 64 Eintragungen aus den Jahren 1765
bis 1810 100 fl., wurde von der Königlichen Bibliothek
im Haag erworben.
Amsterdam, Anfang ApriL M. D. Henkel
New Yorker Brief.
Am 1. März feierte der Nestor der amerikanischen
Schriftsteller, William Dean Howell, seinen 75. Ge¬
burtstag und war bei dieser Gelegenheit Gegenstand
vieler Ehrungen von Nah und Fern. Zu dem Bankett,
das sein Hauptverleger, CoL Hawey» Leiter des Ha-
perschen Verlags, ihm zu Ehren am 2. März gab, kam
selbst Präsident Taft speziell von Washington nach
New York und hob in einer Rede die besonderen
Verdienste Howells um die amerikanische Literatur
hervor.
Howell ist ein fruchtbarer Schriftsteller; seine Er¬
zählungen spiegeln das amerikanische Volksleben aus¬
gezeichnet wieder und sind deshalb auch für den
Ausländer, der sich über amerikanische Verhältnisse
etwas orienderen will, von Interesse. Die bekanntesten
Werke sind: „A Hazard of New Fortunes", „The Rise
of Silas Lapham“, „The Lady of the Aroostock", alles
ganz vorzügliche Charakterschilderungen; weiter erfolg¬
reich waren „A modern Instance", „The Ministers
Charge*', sowie eine Sammlung venedanischer Er¬
zählungen, „Venedan Life**, die während seines Auf¬
enthalts als amerikanischer Konsul in Venedig ent¬
standen sind. Die „North American Review" April-
Nummer und ,,Bookman" April-Nummer bringen inter¬
essante Beiträge von und über Howells, und ein aus¬
führlicher Bericht über das Ehrenbankett ist in Harpers
Weckly vom 8. März erschienen.
In den Ausstellungsräumen des Verlagshauses
Houghton Mifflin 8 c Cie. waren in der ersten März¬
woche neben ihren früheren Arbeiten, die vor zwei
Jahren an dieser Stelle erwähnt wurden, eine Anzahl
neuer Bucheinbände der sehr talenderten Einband-
künsderin Miß L. Averill Cole , der die künsderische
Leitung der Buchbinderei der Riverside Preß an¬
vertraut ist, ausgestellt. Den Glanzpunkt der Aus¬
stellung bildete eine Sammlung von zwölf Bänden von
Robert Louis Stevensons Werken, die für einen Biblio¬
philen aus San Franzisko, Mr. A. A. Brown, gebunden
wurde. An diese Bände knüpft sich folgende inter¬
essante Episode, welche der kleinen Broschüre ent¬
nommen ist, die der jetzige Besitzer der Bände in
kleiner Auflage für seine Freunde hat hersteilen las¬
sen. Nach langer Fahrt von seiner Heimat in Schott¬
land kam Stevenson im Sommer 1879 hungrig und
heruntergekommen in San Franzisko an, nach einem
kurzen Aufenthalt auf einer Farm kam er nach Mon-
terey, wo er in einem kleinen, von einem Franzosen,
Jules Simoneau, geführten Restaurant seine Mahlzeiten
einnahm und mit dem Besitzer, zu dem er sich hin¬
gezogen fühlte, bald intim wurde. Ihre Freundschaft
wurde tiefer, als Simoneau sich Stevenson während
dessen Krankheit ganz opferte und ihm dadurch das
Leben rettete.
Stevenson blieb mit Simoneau immer in Ver¬
bindung, schrieb ihm sowohl englische als auch fran¬
zösische Briefe, und die Sammlung dieser Briefe,
welche den 12. Band bildet, beweist, daß Stevenson
sich auch in letzterer Sprache vorzüglich ausdrücken
konnte. Die vorhergehenden Bände sind sämtlich
Widmungsexemplare von Stevenson an Simoneau,
teilweise mit sehr interessanten Widmungen. So zum
Beispiel schreibt er in „Familiär Studies of Men and
Books": „Vive Jules Simoneau et le temps jadisf " in
„New Arabian Nights**:
. Ce qu'il y en a de mes ouvrages ,
je ne trouve plus rien ä griffoner —
n*oucliez pas -
Robert Louis Stevenson
II rioubliera pas
Jules Simoneau.
In „Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde"
schreibt er: „But the case of Robert Louis Stevenson
and Jules Simoneau if the one forgot the other would
be stranger stiillS
Mit den Briefen vereinigt ist ein Essay im Manu¬
skript von K. D. Osboume über die Freundschaft
zwischen Stevenson und Simoneau und die kleine
Broschüre „Father Damien", die Stevenson nur in 100
Exemplaren in Sydney im Jahre 1890 auf seine eigenen
Kosten herstellen ließ.
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Rundschau der Presse
53
Die Einbände sind ausgezeichnet gelungen; ein¬
fach gehalten, mit Lorbeer Blättern und -Früchten als
sinnreicher Dekoration; auf dem Sammel-Bande eine
kunstvolle Einlegearbeit, eine Landschaft an der Bay
von Monterey darstellend.
Andere bemerkenswerte Einbände waren drei ver¬
schiedene Exemplare von Josephine Preston Peabodys
„The Piper 41 , an denen Miss Cole ihr dekoratives Ta¬
lent besonders zeigen konnte.
Ein umfassendes Werk über das Urheberrechts-
Gesetz in den Vereinigten Staaten hat R. R. Bowker ,
der Herausgeber von „Publishers Weekly", bei Hough-
ton Mifflin & Cie. veröffentlicht unter dem Titel „Copy¬
right, its history and law 4 *. Bowker ist ein eifriger
Kämpfer für einen gesunden Urheberrechtsschutz unter
Berücksichtigung der Wünsche und Ansprüche aus¬
ländischer Schriftsteller und sein Werk dürfte die beste
Quelle für den Forscher auf diesem Gebiet sein, um so
mehr als es die Frucht langjähriger Studien ist.
Eine interessante historische Studie über das
Kinderbuch in Amerika in vergangenen Jahrhunderten
ist Rosalie /. Halseys „Forgotten Books of the Ameri¬
can Nursery 44 (bei Ch. Godspeed Co. erschienen). Es
ist eine gut dokumentierte Abhandlung mit Abbildungen
aus den wichtigsten Werken, vom ersten Kinderbuch
im Jahre 1641 bis zu den Büchern des vergangenen
Jahrhunderts.
Vom Auktionsmarkt ist die Versteigerung der Biblio¬
thek von W. W. Al Its von Milwaukee zu berichten,
die am 24. und 25. März bei Anderson stattfand und
deren Gesamterlös 53,594 ( war. Unter anderem wur¬
den folgende Preise erzielt: Erst-Ausgabe von Wal¬
tons Compleat Angler 3250 $; Shakespeare , Poems
London 1640 2750 f; Erst-Ausgabe Charles Lamb,
Essays of Elia, London 1621 und 1633, zwei Bände,
1325 f; Erst-Ausgabe Milton, Paradise Lost, Lon¬
don 1669 624 $, Schedlers Chronik 1493 170 $;
Thackeray, Second Funeral of Napoleon and The
Chronicle of the Drum, 1. Ausgabe 560 $; Erst-
Ausgabe von Robert Bums Poems, 1768 1650 $,
ein Dedikationsexemplar von Ch. Dickens an Thomas
Carlyle seiner American Notes von 1842 1050 $;
Erst-Ausgabe von Dickens Nicholas Nickleby, 700 $;
Sketches by Boz 400 f; andere Dedikationsexemplare
von Dickensschen Werken brachten ähnliche Rekord¬
preise; Erst-Ausgabe von Fitzgeralds Omar Khayyam
390 $; von Goldsmith , Vicar of Wakefield 475 f.
Eine andere bedeutende Bibliothek die im ver¬
gangenen Monat zur Versteigerung kam war die des
verstorbenen Kapitäns J. F. Hinchley, welche insgesamt
37,144 | brachte; unter anderem wurde ein 60 Zeilen
langes Gedicht von Thackeray im Originalmanuskript
für 685 | verkauft. Mr. J. P. Morgan hat auf einer
Auktion der American Art Galleries eine Sammlung
von 63 Briefen von und an Lafayette erstanden —
alles was zur Versteigerung kam — teilweise wichtigen
Inhalts, sie brachten zwischen 30 und 240 f das Stück.
New York, Anfang April 1912. Emst Eisele .
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert Hortzschansky in Groß*Lichterfelde,
Die nachfolgende Übersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsaue und Abhandlungen zu
verzeichnen soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Adresse
des Bearbeiters in Groß-Lichterfelde bei Berlin, Moltkestr. 40, erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Allgemeines.
Canet, L., Quelques remarques sur d'anciens sacra-
mentaires.
Revue des bibliothlques. 21. 1911(1912). S. 386
— 392 .
Durrieu, Comte P., Notes sur quelques manuscrits ä
peintures d’origine fran^aise ou flamande conserves
en Italie. Sdr. 1. Rome. Biblioth&que apostolique
du Vatican.
Bulletin de la sociiU franqaise de reproductions
de manuscrits ä peintures . 1. 1911. S. 85—106.
Durrieu, P„ Notice d’un des plus importants livres
de pri&res du roi Charles V, les Heures de Savoie
ou „Trfcs helles grandes Heures“ du roi. (1904 beim
Brande der Turiner Bibliothek vernichtet)
Bibliothique de ?£cole des Charles. 1911 (1912).
S. 500 - 555 -
Frati, L., I Codici di un medico inglese del sec.
XIII; (Maestro Ugo d’Inghilterra.)
II Libro e ta Stampa. N. S. 6. 1912. S. 1—4.
Hevesy, A. de, Le Br^viaire de Sigismond de Luxem¬
bourg. (Wien, Hofbibliothek, ms. 1767.)
Bulletin de la socidti/ranfaise de reproductions de
manuscrits ä peintures. 1. 1911. S. 107—115, Taf.
18—26.
Löffler, K.. Blaubeurer Handschriften in Weingarten.
Württembergische Vierteljahrshefte für Landes -
geschichte. N. F. 20. 1911. S. 145—149.
Olschki, L. S., Quelques manuscrits fort pr^cieux.
(Forts.)
Bibliofilia. 13. 1911/12. Dispensa 10/11 m. 4 Taf.
Styger, P., Die Schriftrollen auf den altchristlichen
Gerichtsdarstellungen.
Römische Quartalschrift . 25. 1911. S. 148—159
mit 1 Abbild.
Bibliophilie. Exlibris.
Bouland, L., Livres aux armes de monseigneur de
Saunhac- Belcastel.
Bulletin du bibliophile . 1912. S. 49—51 mit 2
Abbild.
Rud b eck, G., Nagra gamla svenska bokägaremärken.
Svensk Exlibris Tidskrift. 2. 1912. S. 1—4 mit
4 Taf.
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54
Rundschau der Presse
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la Bibiioteca Vittorio Em. (In Rom.) Progetto.
Giomale 1fltalia. 1912. April 5. Mit 3 Abbild.
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Volksbibliothek. I.
Büchenvelt. 9. 1911/12. S. 129—132.
Buddecke, Die Bibliothek des Großen Generalstabes.
Ihre Entwicklung und Neukatalogisierung.
Vierteljahrshefte für Truppenführung und Heeres¬
kunde. 9. 1912. S. 103—117.
The new Building of St. Louis Public Library.
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u. 3 Plänen.
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Library Journal. 39. 1912. S. 123—124 mit
2 Taf.
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Dienst an den volkstümlichen Bibliotheken.
Blatter für Volksbibliotheken und Lesehallen. 13.
1912. s. 53—56.
Lussich, A., Le Biblioteche popolari e comunali di
Trieste neH’anno 1911.
Coltura Popolare. 2. 1912. S. 269—272.
Matteucci, L., Descrizione ragionata delle stampe
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II Libro e la Stampa. 5. 1911 (1912). S. 128—146.
Noack, K., Charles Dickens und die deutschen Volks*
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Omont, H., Listes des recueils de fac*simil6s et des
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Bulletin de la socilti franfaise de reproductions
de manuscrits ä peintures. 1. 1911. S. 116—167.
Otten, B., Die erste Kinderlesehalle in Lübeck.
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1912. S. 11—13.
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Blätter für Volksbibliotheken und Lesehallen. 13.
1912. S. 37 — 43 *
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brary. Library World. 14. 1911/12. S. 225—230.
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richten. 1912. Nr. 158 vom 27. März.
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in England. Eckart. 1912. März. S. 383—390.
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Der Bibliothekar. 4. 1912. S. 410—411.
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Weinberger, W., Aus der Stiftsbibliothek Raigern.
Zeitschrift des deutschen Vereines für die Ge¬
schichte Mährens und Schlesiens. 15. 1911. S.
363—364.
Woolston, W. P., The Utility of public libraries: a
bookseller’s point of view.
Library Association Record. 14. 1912. S. 121—126.
Zimmer, H. O., Vom Bücherleihen.
Die Hilfe. 1912. Nr. 10 vom 7. März. S. 153
— 155 *
Buchdruck und -bewerbe.
Bekanntmachung der Kommission für Einband*
Stoffe.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912. S.
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Cassuto, U., Incunaboli ebraici a Firenze. (Schluß.)
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Rundschau der Presse
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Collijn, J. f Der Drucker des Turrecremata in Krakau =
Caspar Hochfeder.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912. S.
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De lalain, P., Un contrat d’im pression au XVI® sifccle.
(1542.) Essai d’interpretation. (Jacques Regnault
libraire parisien, Pierre Gromors imprimeur parisien.)
Bibliographie de la France. 1912. Chronique.
S. 73 — 76 . 78—80.
Gusman, P., Un incunable et son histoire. (Bildliche
Darstellung der Annunciatio Mariae.)
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Karlsschule.
Württembergische Vierteljahrshefte für Landes -
geschichte. N. F. 20. 1911. S. 209—234.
Leonhardt, K. E., und Bossert, H. Th., Studien
zur Hausbuchmeisterfrage.
Zeitschrift für bildende Kunst. N. F. Bd. 23.
1912. März. S. 133—138 mit 18 Abbild.
Lepreux, G., Contributions ä l’histoire de l’imprimerie
parisienne (3* suite) 7—9.
Revue des bibliothbques. 21. 1911(1912). S. 402
—412.
Loubier, J., Bucheinbände der K. K. Hofbibliothek
in Wien.
Kunst und Kunsthandwerk. 15. 1912. S. 51—62
mit 10 Abbild.
Morin, L., LTmprimerie ä Troyes pendant la Ligue.
Bulletin du bibliophile. 1912. S. 65—77 mit
2 Abbild. (Wird fortges.)
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II Libro e la Stampa. 5. 1911. S. 117—128.
Payne, J. F., English Herbais. (15.—17. Jahrhundert)
Transactions of the Bibliographical Society. 11.
1909/11 (1912). S. 299—310 mit 8Faksim.
Redgrave, G. R., Daniel and the emblem literature.
(Samuel Daniel, seit 1585.)
Transactions of the Bibliographical Society. 11.
1909/11 (1912)- ‘ S. 39 — 58 -
De Roos, S. H., Joh. B. Smits. (Künstlerische Ein¬
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Onze Kunst. 1912. 24 S. mit 22 Abbild., 3 Taf.
Schlieper, K., Neuere deutsche Buchkünstler. 31.
Heinz Keune, Hannover.
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S. 517—524 mit 34 Abbild., 1 Taf.
Schottenloher, K., Buchgeschichtliche Funde aus
der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.
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den Jahren 1454/55. 2. Ulrich Geyfwinz der Heidel¬
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Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912. S.
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Transactions of the Bibliographical Society. 11.
1909/11 (1912). S. 165—188.
Serena, A., La stampa a Treviso.
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S. 127—149-
Wilson, J. D., Richard Schilders and the English
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Transactions of the Bibliographical Society. 11.
1909/11 (1912). S. 65— 134 mit 86 Faksim.
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Spring Lines of the publishers and some of the men
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Taeuber, R., Der Buchhändler als Kaufmann.
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vom 4. April.
Wheatly, H. B., Dryden’s publishers.
Transactions of the Bibliographical Society. 11.
1909/11 (1912). S. 17—38.
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Transactions of the Bibliographical Society. 11.
1909/11 (1912). S. 237—249.
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
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Library fournal. yj. 1912. S. 125—128.
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Steele, R., Notes on English books printed abroad,
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1909/n (1912). S. 189—236 mit 51 Faksim.
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1912. S. 118—125.
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56
Rundschau der Presse
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Dichter.
Österreichische Rundschau. 1912. April 1. S.
17—25.
Schmitz, G., Zur deutschen Briefliteratur.
Bücherwelt. 9. 1911/12. S. 123—129. (Schluß
folgt.)
Schröder, Th., Die dramatischen Bearbeitungen der
Don Juan*Sage in Spanien, Italien und Frankreich
bis auf Moli£re einschließlich.
Zeitschrift für romanische Philologie. Beiheft 36.
1912. XV, 215 S.
Zabel, E., Russische Lyrik.
Westermanns Monatshefte. 1912. April. S. 205
—216 mit 9 Porträts.
Einzelne Schriftsteller.
Arnim: Steig, R., Aus Achim von Arnims und Bettina
Brentanos Brautzeit.
Westermanns Monatshefte. 1912. April. S. 267
—272 mit 2 Porträts.
Anerbach: Ein Brief Berthold Auerbachs.
Bühne und Welt. 1912. März-Heft 2. S. 504—506.
Balzac: Frank, H., Balzacs Liebesroman.
Vossische Zeitung. 1912. Nr. 154 vom 24. März,
—: Lavedan, P., Balzac et Moleri, ou le curieux
dilemme.
Mer eure de France. 1912. März 16t S. 299—310.
Dahn: Bethusy-Huc, V. Gräfin, Felix Dahn.
Eckart. 1912. März. S. 353—357.
Dickens: Benson, A. C., Charles Dickens.
The North American Review. 1912. März. S.
381—391.
Droste: Gotthard, J., Neues über Annette von Droste
und ihren Freundeskreis. Mit ungedrucktem Material.
7. Annettes Beziehungen zu Heinrich Straube. {Forts.)
Westfälisches Magazin. N. F. 3. 1912. S. 212
—218. (Wird fortges.)
—: Pinthus, K., Die Briefe Annettes von Droste-
Hülshoff an Elise Rüdiger.« 1—6.
Deutsche Rundschau . 1912. April. S. 34—55.
(Forts, folgt.)
Erckmann-Chatrian: Acker, P., Erckmann-Chatrian.
Revue de Paris. 1912. März 15. S. 347—368.
Fontane: Stammler, W., Blättchen von der Hand
Theodor Fontanes.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 15
vom 14. April.
Goethe: Fries, A., Stilistische Beobachtungen zu Wil¬
helm Meister.
Berliner Beiträge zur germanischen und ro¬
manischen Philologie. German. Abt 31. 1912, VII,
104 S.
—: Heide, Die Grundidee in Goethes „Erlkönig“.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 26. 1912.
S. 104—108.
—: Jacobi, M., Goethes „Faust“ in der Musik.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 15
vom 14. April.
Goethe: Joret, Ch., Lardligion du jeune Goethe (1755
—> 775 )-
Revue germanique. 8. 1912. S. 129—154. (Schluß.)
—: Leppmann, F., Verkleidung, Inkognito und
Mystifikation in Goethes Leben.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 11
vom 17. März.
—: Poppel, G. van, Goethe's Faust. 1—5.
De Katholiek. 161. 1912. S. 16—40. 106—131.
(Schluß folgt)
—: Pradez, E., Un duel pacifique. Goethe et
Kestner.
Bibliothbque universelle et revue suisse. 1912.
März. S. 557 — 594 -
—: Tutein Nolthenius, R. P. J., Wat Goethe niet
zag in Sicilie. I.
De Guts. 1912. April 1. S. 36—77.
—: Zart, Die Übersetzungsszene im erstenJTeil von
Goethes Faust
Zeiischrißfür den deutschen Unterricht. 26. 1912,
S. 98—104»
Halm: Reinecke, Ch., Studien zu Halms Erzählungen
und ihrer Technik.
Sprache und Dichtung . 9. 1912*. VIII, 63 S.
Hauptmann: Beckmann, J. H., Hauptmann and
Shakespeare. „Schluck and Jau“ in relation to
„The Taming of the Shrew“.
Poet Lore . 1912. Nr. 1. S. 56—63.
Hebbel: Bornstein, P., Aus Hebbels Studienzeit Un¬
gedruckte Briefe.
Grenzboten. 1912. Nr. 13. S. 619—627.
—: Werner, R. M., Aus Friedrich Hebbels Frühzeit.
Ungedruckte Briefe. III.
österreichische Rundschau. 30. 1912. S. 337—343.
Hölderlin: Scheller, W., Pindar und Hölderlin.
Das literarische Echo. 1912. H. 14. Sp. 966—970.
Hugo: Sdchö, L., Autour de Victor Hugo.
La Revue. 1912. April 15. S. 433—457.
—: Sdchd, L., Le cönacle de „Joseph Delorme“.
Victor Hugo et Louis Boulanger. Victor Hugo et
Charles Robelin.
Annales Romantiques. 9. 1912. S. x—26.
Ibsen: Weber, H., Drei Ibsenpredigten.
Bühne und Welt. 1912. März-Heft 2. S. 485—491.
Immermann: Nieten, O., Immermann und Grabbe.
Eine Parallele.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 13
vom 31. März.
Karrillon: Rath, W., Adam Karrillon.
Eckart . 1912. März. S. 357—364.
Kleist: John, O., Zu Kleists „Germania an ihre
Kinder“.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 26. 1912.
S. 174—176.
—: Klaar, A., Epilog zur Kleistfeier. I. Kämpfe,
Niederlagen und Siege.
Nord und Süd. 1912. April 1. S. 78—87.
—: Wagner, K., Die Umstimmung des Kurfürsten
in Kleists Prinzen von Homburg.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 26. 1912.
S. 108—112.
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Von den Auktionen
57
Kleist :Wippermann,F*,H einrich von Kleist. (Schluß.)
Bücherwelt. 9. 1911/12. S. 108—in.
Krane: Bind er, H., Anna von Krane. Literarische
Skizze. Bücherwelt . 9. 1911/12. S. 101—108.
Leisewitz: Kühlhorn, W., J. A. Leisewitzens Julius
von Tarent. Erläuterung und literarhistorische
Würdigung.
Bausteine zur Geschichte der neueren deutschen
Literatur. 10. 1912. XV, 84 S.
Liliencron: Adelt, L., Die drei Romane eines Lebens.
Xenien. 5. 1912. S. 152—164.
Ludwig: Reuschel, K., Otto Ludwigs Frauengestalten.
Eckart. 1912. März. S. 364—373.
Marot: Philipot, E., Sur un amour de Cl&nent
Marot.
Revue dhistoire littdraire de la France. 19. 1912.
S. 59-74.
Meredith: Ellis, S. M., George Meredith and his
relatives.
Fortnightly Review. 1912. April. S. 625—633.
MOllke: Kloß, H., Eduard Mörike (Forts.)
Die Karpathen. 1912. März 1. S. 340—346.
Moli&re: Martin, A., Moli&re et Madame de Sdvignd.
Reiwe dhistoire littdraire de la France. 19. 1912.
S. 30-39-
Nestroy: Fried jung, H., Johann Nestroy.
Österreichische Rundschau. 30. 1912. S. 263—270.
Nietzsche: Förster-Nietzsche, E., Nietzsches Sol¬
datenjahr.
Tägliche Rundschau. 1912. Nr. 162 vom 5. April,
4. Beilage,
Raimund: Klemperer, V., Raimund und Nestroy.
Grenzboten. 1912. Nr. 9. S. 424—435.
Recke: Kruse, G. R., Die Beziehungen Elisas von der
Recke und Tiedges zum Nicolaihause.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 11
vom 17. März.
Sand: Faguet, E., George Sand et ses amis.
La Revue. 1912. März 15. S. 185—195.
Von den
Vom 9. bis 11. Mai wird im Dorotheum in Wien
die Bibliothek des Herrn Franz Steiner in Meran
versteigert, umfassend seltene Inkunabeln, darunter die
vierte deutsche Bibel, Schedels Chronik 1493, Virgilius,
Opera 1471, illustrierte Werke des XVI. und XVII.
Jahrhunderts, Lutherbibeln, Klassiker-Erstausgaben,
ferner ein prachtvolles Pergament-Manuskript des XV.
Jahrhunderts mit herrlichen Miniaturmalereien usw.
Die Ergebnisse der zweiten Versteigerung der Hoe -
Sammlung , die vom 8. bis zum 19. Januar stattfand,
sind wieder recht bedeutende gewesen, wie das nicht
anders zu erwarten war. Das Papier-Exemplar der
42-zeiligen Bibel ging für 27000 f (= rund 108000 M.)
in den Besitz von Bernard Quaritch über, hat also
etwas weniger eingebracht als das in der Huth-Auktion
verkaufte.
Es brachten ferner: Nr. 304: Johannes de Balbis ,
Catholicon, Mainz 1460 (nicht ganz vollständig) 1625 $
Z. f. B. 1912/1913.
Schlegel: Pfleger, L., Friedrich Schlegel und Leopold
Graf zu Stolberg.
Historisch politische Blätter für das katholische
Deutschland. 149. 1912. S. 495—504.
Schnitzler: Gr ummann, P. H., Arthur Schnitzler.
Poet Lore. 1912. Nr. 1. S. 25—41.
Seidel: Seidel, H. W., Am Karlsbade elf. Erinnerungen
an Heinrich Seidel.
Tägliche Rundschau. 1912. Unterhaltungsbeilage
Nr. 86 vom 12. April.
Shakespeare : G e b h ar d, R., Shakespeare und Schopen¬
hauer.
Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft.
47. 1911. S. 170—187.
—: Lux, J. A., Shakespeares Seelenleben. Vom
Standpunkt moderner Forschung für Schauspieler
und Publikum dargestellt.
Bühne und Welt. 14. 1912. Nr. 13. S. 1—11.
—: Matthews, B., Shakespeare as an actor.
North American Review. 1912. März. S. 392
—403.
Shaw: d*Humi£res, R., Le Cas Bernard Shaw.
Mercure de France. 1912. April 1. S. 449—455.
Tieck: Wüstling, F., Tiecks William Lovell. Ein
Beitrag zur Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts.
Bausteine zur Geschichte der neueren deutschen
Literatur. 7. 1912. XI, 192 S.
Vollmoeller: Coenraads, Ed., Over „Wieland“.
Nieuwe Gids. 1912. April. S. 621—651.
Wacken roden Schumann, M., Wilhelm Heinrich
Wackenroder.
Vossische Zeitung. 1911. Sonntagsbeilage Nr. 12
vom 24. März.
Walther V. d. Vogelweide: Wagner, A. M., Zur Würdi¬
gung der Poesie und dichterischen Persönlichkeit
Walthers von der Vogelweide.
Zeitschriftfür den deutschen Unterricht. 26. 1912.
S. 81—90.
Auktionen.
(= 6500 M.); Nr. 500: Bonifacius VIII., Liber sextus
decretalium. Mainz, Fust und Schoeffer, auf Perga¬
ment gedruckt, 3250 $ (= 13000 M., Ersteher: Joseph
Baer & Co); Nr. 670: Caesar, Opera. Rom, Sweyn-
heym & Pannartz 1469 1800 $ (=* 7200 M.); Nr. 790:
Cicero, Epistolae. Rom, Sweynheym & Pannartz 1470
1000 f (== 4000 M., Joseph Baer & Co.); Nr. 2703:
Plinius, Historia natur. traducta di lingua latina in
Fiorentina per Christoph. Landino. Venedig, N. Jenson
1476, auf Pergament gedruckt, 1400 $ (== 5600 M.);
Nr. 3360: Vergilius , Opera. Venedig, Aldus 1501.
850 $ (= 3400 M.).
Hohe Preise erzielten die alten englischen Drucke:
Chaucers Canterbury Tales (Westminster, William
Caxton 1477—1478) 50001 (= 20000 M.); das Exemplar
hatte 17 faksimilierte Blätter. — Higdens Polycronicon.
Westminster, William Caxton 1482, eins von acht voll¬
ständigen Exemplaren, brachte 8000 $ (*= 32000 M.).
Nicht sehr hoch wurde The Chronicle of England (St.
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Albans 1483) mit nur 900 $ (= 3600 M.) bezahlt, ein
Preis, der weit hinter Hoes ursprünglichen Auf¬
wendungen (vermutlich zirka 6000 M.) zurückgeblieben
ist. Übrigens ein seltener Fall, soweit alte Drucke in
Betracht kommen. Ebenso enttäuschte die Communy-
cacion betwene God and Man (London: Wynkyn de
Wörde zirka 1499), die für 200 $ (=800 M.) fortging,
während andere Erzeugnisse derselben Druckerei be¬
deutend höher bewertet wurden, wie Hieronymus ,
Vitae patrum (translat. in to English by William Caxton).
Westminster (1495) mit 2300 $ (= 9200 M.) und Sermo
pro episcopo puerorum (Westminster zirka 1496) mit
1225.$ (= 4900 M.).
Die Americana haben die Preise gebracht, die man
ungefähr erwarten konnte: der Brief des Columbus
(Epistola Christofori Colom), in Rom bei Eucharius
Silber 1493 gedruckt, vier Blätter, 1650 $ (= 6600 M.)
und seine lateinische Übersetzung, ein Jahr darauf in
Basel bei Bergmann von Olpe erschienen, 450 $
(= 1800 M.). Das einzige verkäufliche Exemplar von
Vespuccis „Lettera delle isole nuovamente trovate in
quattri suoi viaggi“ in der ersten Ausgabe kam auf
8000 $ (= 32000 M.) zu stehen, während für desselben
,,Mundus novus“, den Bericht seiner dritten Reise, in
Rom bei Eucharius Silber 1504 erschienen, 2500 |
(« 10000 M.) und für einen deutschen Druck des
gleichen Schriftchens — es handelt sich auch hier in
beiden Fällen um je nur vier Blätter — 2300 $
(« 9200 M.) gezahlt wurden. Eine undatierte fran¬
zösische Übersetzung von Vespuccis Briefen aber, die
auch noch die Reisen des Columbus und des Vasco de
Gama enthält (Paris zirka 1515), brachte es auf 3500}
(= 14000 M.).
Bemerkenswert sind dann die Preise der Werke
Shakespeares. Es erzielten: Shakespeare , Works. The
second Folio. London 1632. 800 $ (■= 3200 M.). The
third Folio. London 1664. 2600 $ (= 10400 M.). The
fourth Folio. London 1685. 325 $ (=* 1300 M.).
Die dritte Folioausgabe ist viel seltener als die
zweite, weil in dem großen Londoner Brande im Jahre
1666 die Mehrzahl der Exemplare zugrunde ging; sie
erzielte bereits 1895 in London einen Preis von 7000 M.
Es folgen: Shakespeare'. The merchant of Venice.
London, J. Roberts 1600. 800 f (= 3200 M.). King
Lear. London 1608 (die zweite Ausgabe). 660 f
(= 2640 M.). Periclcs (zusammen mit „The whole
contention“). London 1619. 710 $ (= 2840 M.). Venus
and Adonis. Edinburgh 1627. 16° 3800 $ (= 15200M.).
Der hohe Preis für die späte Ausgabe von Venus and
Adonis von 1627, von der übrigens nur noch ein
zweites Exemplar im British Museum existiert, wird
erklärlich, wenn man bedenkt, daß der erste Druck
von 1593 nur in einem Exemplar in Oxford, der zweite
von 1594 nur in drei in London, Oxford und in New
Haven bekannt ist, und daß von dem dritten von 1596
augenscheinlich auch nur das eine Exemplar übrig ist,
das im Jahre 1864 für 6300 M. in den Besitz des British
Museum kam.
Auch sonst sind die Summen, die für englische
Literaturwerke gezahlt worden sind, sehr hohe ge¬
wesen, viel höhere als je vorher. So brachten: Bacon,
Essaies. London, John Jaggard 1606. 675$ (= 2700 M.)
gegen 2000 M. bei Huth. London, John Beale 1612.
400 $ (■» 1600 M.) gegen 1400 M. bei Huth. Beau¬
mont and Bleicher : Comedies and Tragedies. London
1647. 2°, die erste Ausgabe, zusammen mit „The
wild-goose chase“. London 1652. 310 $. (= 1240 M.)
gegen 1000 M. bei Huth. Goldsmith, O., An enquiry
into the present state of polite leaming in Europe.
London 1759. 710 $ (= 2840 M.). The Traveller.
London 1765. 425 $ (= 1700 M.). The Vicar of
Wakefield. London 1766, ein Dedikationsexemplar des
ersten Druckes der ersten Ausgabe. 1450 $ (— 5800 M.).
The deserted village. London 1770. 575 $ (=230oM.).
The haunch of venison. London 1776. 635 $ (= 2540 M.).
Pope , Alex., The Dunciad. Dublin a. London 1728,
der erste Druck der ersten Ausgabe, deren ursprüng¬
licher Preis 6 d = 0,50 M. war, 1800 $ («= 7200 M.).
Walton, J., The compleat angier. London 1653. Die
erste Ausgabe. 2600 $ (« 10400 M.).
Es bleibt nun noch übrig, einige der kostbaren
Einbände zu erwähnen zusammen mit den Preisen, für
die sie verkauft worden sind. Ein Einband aus
Groliers Besitz, enthaltend Pontanus, Amorum libri
(Venedig, In aedibus Aldi et Andreae soceri 1518),
erzielte 3600 $ (« 14400 M.), ein anderer aus Majolis
Bibliothek (Procopius, De bello Persico. Rom, Euch.
Süber 1509) 3200 $ (= 12800 M.); für einen Mosaik-
einband von Trautz-Bauzonnet , der im Jahre 1876
hergestellt worden ist und den „Recueil gönöral des
caquets de Taccouch^e“ (Paris 1623) umschließt,
wurden 3700 $ (= 14800 M.) gezahlt und für einen
ebensolchen von Monnier , dessen Deckel bildmäßig
mit einer reichen chinesischen Szenerie geschmückt
sind (Inhalt: Thomas a Kempis, L’imitation de Jösus-
Christ Paris 1690), gar 5750 $ (■= 23000 M.).
( Börsenblatt .)
Neu erschienene und
Beschreibung der ägyptischen Sammlung des Nieder¬
ländischen Reichsmuseums der Altertümer in Leiden.
Die Denkmäler des Neuen Reiches. Erste Abteilung,
Gräber von Dr. P. A. A. Boeser. Haag; Mart. Ny hoff
iqii, Folio, Preis 30 Fl.
Daß es in Holland auch eine wichtige Sammlung
ägyptischer Altertümer gibt, wird den meisten Reisen¬
den, wenn sie nicht bei einem zufälligen Aufenthalt in
Leiden durch den Bädeker gerade darauf gestoßen
angekündigte Bücher.
werden, wenig bekannt sein; daß ein Besuch dieses
Museums, das zwar in den sehr bescheidenen Räumen
eines Privathauses in der Breedstraat untergebracht
ist, aber doch der Mühe wert ist, das zeigt dieser kürz¬
lich erschienene IV. Teil der wissenschaftlichen Be¬
schreibung der Sammlung, in dem die Grabdenkmäler
des Neuen Reiches (1600—1100) behandelt werden,
nur ein kleiner Teil der dort bewahrten Schätze. Das
große Werk, das in einer deutschen und holländischen
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Ausgabe erscheint, wird von Martinus Nyhoff im Haag
herausgegeben; der Text, der eine kurze Beschreibung
und Erklärung der reproduzierten Stücke und Literatur¬
hinweise enthält, ist von dem Unterdirektor P. A. A,
Boeser verfaßt. Die 34 Lichtdrucktafeln, der wertvollste
Teil, sind von der Firma L, van Leer in Amsterdam
ausgeführt, sie lassen an Schärfe nichts zu wünschen
übrig, sie sind vorzüglich. Auf den ersten zwölfTafeln
ist der untere Teil des Grabes des Pa-aten-m-heb,
eines „Steinschneiders“ des Königs, in all seinen Details
reproduziert. Das Grab stammt aus der Zeit des Königs
Amenhotep IV. (um 1400). Die Innenseiten des Grabes
zeigen auf Reliefs die bekannten Speise- und Trank¬
opferdarstellungen, die Figuren alle in Seitenansicht;
besondere Beachtung verdient bei einer Opferszene
eine Gruppe blinder Musiker durch ihre realistische
Behandlung; der Ausdruck in dem Gesichte des Harfen¬
spielers zum Beispiel ist von erstaunlicher Wahrheit.
Von großer Schönheit ist die dem Grabeingang gerade
gegenüberliegende Stelle; dieselbe enthält zwei ver¬
schiedene Darstellungen; auf dem oberen Register
sehen wir den Verstorbenen und seine Frau im Gebet
vor dem sitzenden Osiris, sehr fein und expressiv ist
die Bewegung des Mannes, er hat die Hände zum
Gebet erhoben, elegant wirkt die kleinere Frau mit
der engen Taille, die ein paar große Lotosblumen in
der Hand hält. Auf den Tafeln 13—20 finden wir zwei
hohe dreiteilige Wände aus dem Grabe des Vorstehers
des Silberhauses in Memphis abgebildet. Dargestellt
sind wieder Opferszenen, und außerdem der Leichen¬
zug des Verstorbenen mit Klageweibern. Für unser
modernes Empfinden sind hier die Tiere am besten, die
Rinder, Gazellen (?) und Gänse, die zur Opferung ge¬
führt werden, und ferner der Affe und die Katze, die
unter dem Stuhl des Verstorbenen sitzen. Kultur¬
geschichtlich von Interesse sind die Darstellungen aus
dem Leben des Verstorbenen, wie er die Feldarbeiten
seiner Sklaven beaufsichtigt; wir sehen sie Flachs
pflücken, Korn schneiden, beladene Esel zum Markte
treiben, und wir sehen sie den Acker bestellen, das
Land umhacken und mit einem Ochsengespann pflügen.
Tafel 19 und 20 bringen dann noch einige in dem Grabe
gefundene Statuetten. Auf den Tafeln 21—25 sind
größere Fragmentpartien von Wänden aus dem Grabe
des Königs Hor-em-heb (um 1380) abgebildet. Dieses
Grab ließ sich Hor-em-heb bauen, als er noch nicht
König war; die Abzeichen der königlichen Würde sind
erst später hinzugefügt worden. Ein Relief zeigt uns
den Verstorbenen, wie ihm von Beamten, Priestern
und einem langen Zuge unterworfener Asiaten, die ge¬
fesselt herbeigeführt werden, gehuldigt wird. Vorzüg¬
lich charakterisiert sind die Gefangenen; die rohen
Gesichtszüge, die langen Bärte, die großen Münder,
die bei einigen offen stehen und die Zähne zeigen,
lassen uns dieselben als Angehörige einer andern
niedrigeren Rasse erkennen; die Ägypter, die sie her¬
beischleppen, erscheinen neben ihnen noch edeler und
vornehmer als sonst Auf dem andern Relief sehen
wir dieselben Asiaten vor Hor-em-heb als Schutz¬
flehende; ein Teil hat sich zu Boden geworfen, die
andern knien oder stehen und haben ihre Arme in die
Luft geworfen; das Ungestüme ihres Bittens ist außer¬
ordentlich wirkungsvoll wiedergegeben. Auf einem
dritten Relief ist Hor-em-heb im Gebet dargestellt.
Tafel 26—32 bringen Fragmente aus dem Grabe des
Königsschreibers Ptahmes, vietmit Reliefs geschmückte
Pfeiler in ihren vier Ansichten, den Teil einer Grab¬
wand, die den Verstorbenen im Gebet zeigt, und zwei
Statuen des sitzenden Toten. Die letzten Tafeln 33—36
enthalten das Eingangstor eines Grabes des obersten
Bildhauers des Königs, die Gesamtansicht wie die
einzelnen Teile, und auf Tafel 37 sind verschiedene
Fragmente abgebildet, wovon ein kleines Stück einer
Grabwand mit Darstellungen aus einer Zimmermanns¬
werkstätte von Interesse ist.
Was den deutschen Text betrifft, so hätten da
einige Härten und kleine Verstöße sprachlicher Art
doch mit geringer Mühe vermieden werden können.
Man sollte meinen, daß bei einem solchen Standard¬
werke, das so viel Geld gekostet hat, die kleinen
Kosten, die eine Durchsicht des Textes durch einen
Kenner der deutschen Sprache verursacht haben
würde, nicht hätten gescheut werden dürfen. Hinter¬
ansicht, gekniet (statt kniend), Verwüst/ng, abgesagt
(statt abgesägt), erbäuen usw. ist doch nicht deutsch.
Von orthographischen Fehlem und nachlässiger Inter¬
punktion ganz abgesehen. M. D. Henkel.
Artur van Schendel, Shakespeare . Amsterdam,
W, Versluys , 1910, kl. 8°, 161 pag.
Eine Lebensbeschreibung Shakespeares, fußend
auf den Tatsachen, die die Wissenschaft zu Tage ge¬
fördert hat, aber umsponnen und umwoben von den
Ranken dichterischer Einbildungskraft. Nicht nur die
Entwicklung Shakespeares wird uns hier vor Augen ge¬
führt, sondern auch von dem geschichtlichen Hinter¬
grund wird uns ein farbenprächtiges, fein abgestimmtes
Bild entworfen. Ein Dichter, der von einem andern
Dichter erzählt; keine nüchterne Aufzählung und Ver¬
knüpfung von Geschehnissen, keine komplizierten
Hypothesen oder scharfsinnigen Analysen, sondern ein
Phantasieren über die Ereignisse, die für die Bildung
des Künstlers Shakespeare bestimmend gewesen sind,
und ein Ausmalen, ein sehr feinsinniges, einzelner
wichtiger Situationen. Der eigenartige Zauber der
Schendelschen Betrachtungs- und Darstellungsweise
ist kaum zu definieren. Es ist nicht das Was, es ist
das Wie, worauf es ankommt. Denn Neues bringt er
nicht, will er auch nicht bringen. In seiner Sprache
steckt ein wunderbarer Wohllaut und seine Bilder und
Vergleiche sind von entzückender Zartheit. Der
Charakter des Buches wird vielleicht am besten mit
romantisch andeutet. Van Schendel ist kein klassisch
klarer Geist. Wie ein feiner, dünner Schleier webt
romantische Unbestimmtheit über seinen Schilderungen
der Shakespearischen Persönlichkeit, wie er sie aus
den paar Daten und seinen Werken, die er als Selbst¬
bekenntnisse im weitesten Sinne betrachtet, zu re¬
konstruieren versucht Mehr Plastizität, ja holländische
Kleinmalerei finden wir dann aber bei seinen Dar¬
stellungen des historischen und lokalen Milieus. Die
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beste Vorstellung von seiner eigenartigen Schreibweise
bekommt man durch einige Proben.
Nachdem van Schendel die ersten Stücke Shake¬
speares, Titus Andronicus, Loves Labour lost, The
Gentlemen of Verona und The Comedy of Errors kurz
besprochen hat, fährt er fort:
„Die Tage unschuldigen Scherzes, ungetrübten
Glückes waren vorbei. Es war eine Zeit, wie sie ein
jeder in seiner Jugend gekannt hat, in der sich ent¬
scheiden sollte, ob er ein Dichter war oder künftig zu
der unzählbaren Menge der jung verstorbenen Dichter
gehörte, die als brave Männer und Frauen weiterleben.
Der Weg des glänzenden Scheines der Poesie nahte
seinem Ende. Wer entschied, wie und warum, das
waren die ersten Rätsel, die er erblickte, als er die
dunkele Welt der Seele betrat, die voll Elend und
tränenreicher Freude ist. Tränen, viele Tränen sollte
er fortan weinen, aber das waren die Tränen, die er
verbarg, und ebenso wie auf dem Gesichte wirklich
großer Menschen die Trauer ein Licht zurückläßt, so
sprach er lächelnd von dem, was seine Liebe sah. ln
jedem großen Gedicht ist das Gefühl der Ewigkeit
anwesend, wie die Sterne an dem Himmel, jeder kennt
dies Gefühl in den Augenblicken reinen Menschseins,
die man bei seinen andern Geheimnissen in seinem
Herzen bewahrt, und begreift, daß das schönste Ge¬
dicht aus des Dichters Andacht für das Geheimnis mit
seinen unendlichen Gestalten geboren wird.“ Das
Lustspiel „Much ado about nothing“ gibt van Schendel
zu folgenden Träumereien Anlaß: „Das Stück hallt
wieder von hellem Lachen aus vollem Halse. Aber
die Lieblichkeit von Hero mahnte an das, was von
Begierde noch unberührt in dem liebenden Gemüt
schlummerte und in langen Nächten erwachte und in
das Dunkle starrte, wo Gestalten mit dem Finger auf
dem Mund staunend durch Tränen hindurch sichtbar
wurden. Die Jugend selbst blühte wieder auf mit
ihrem Schmachten, das in nichts als einem Traum ver-
schwebte, einem Duft, einem Glanz, der die Traurig¬
keit vergoldete. Die Frau mit den roten Lippen, die
er am Tage suchte, die er anreden und anhören
konnte, für die er laute Verse des Vorwurfs und der
Demut schrieb:
„In faith, I do not love thee with mine eyes“
war sie nicht dieselbe, die er noch voriges Jahr begehrte?
Wer war sie, wie hieß sie in der Einsamkeit der Nacht?
Hatte sie braune Augen oder graue oder blaue? Aber
die Luft, in der sie atmete, duftete von Süßigkeit, und
jungfräuliche Wesen in ihren frischen Kleidern traten
mit geräuschlosem Lachen aus den Nebeln, Lelia,
Rosalind, Viola. Es w'ar eine stille sommerliche Zeit,
wo der Lärm der Menschen wie eine alte Melodie aus
der Ferne rauschte.“
Man sieht, van Schendel ist ein Dichter, und ein
moderner Dichter, er betrachtet Shakespeare mit den
Augen und der Einbildungskraft eines feinbesaiteten,
sensibeln Nerven- und Stimmungsmenschen; und da¬
durch erscheint sein Shakespeare auch von derartigen
weichlichen Empfindungen angekränkelt. Das ist die
Schwäche der Schendelschen Auffassung. Shakespeare
wirkt durch die Schendelsche Brille oft zu passiv und
ätherisch; das Dämonische und Faszinierende, das
einer solchen großen männlichen Persönlichkeit eigen
gewesen sein muß, kommt nicht zu seinem Rechte,
auch nicht das Englisch-Geschäftsmännische, das dem
Mann, der seine Familie in die wohlhabende gentry
erhob und Besitz und Wohlstand in seine Hände
brachte, auch nicht fremd gewesen sein kann. Aber
das tut dem Werkchen keinen Eintrag. Es bleibt
durch die große Gabe der Anempfindung und die
sprachliche Kunst des Autors ein kleines Meisterstück.
M. D. Henkel
Styn Streuvels, Het Kerstekind. Amsterdam ,
van Veen 1910, 4 0 .
Eine Weihnachts- und eine Kindergeschichte; wie
in einem Kindergemüt am Weihnachtstage das Märchen
von dem Stern der Weisen aus dem Morgenland und
dem Christkinde in der Krippe sich mit der Wirklich¬
keit, der Geburt eines Kindes in einer ärmlichen, abge¬
legenen Bauemhütte in wunderbarer Weise vermischt,
das hat Styn Streuvels, der Schilderer des vlämischen
Bauernvolkes, in treuherzig-schlichter Holzschnittmanier
hier zur Darstellung gebracht Für die zarte Poesie
und den tiefen Sinn der Weihnachtslegende, deren
Zauber der mittelalterliche Mensch noch ganz empfinden
und daher in den unzähligen Bildern der Christnacht
zu einer künstlerisch reinen Darstellung bringen konnte,
sind wir stumpf und unempfindlich geworden, und nur
durch das Medium des Kindergemütes, das diese kind¬
liche Erzählung noch gerne und mit gläubigem Herzen
vernimmt, können auch wir nüchternen und aufge¬
klärten, aber auch verarmten Menschen des XX. Jahr¬
hunderts zu ihr noch in ein Verhältnis treten; und
diesen Weg schlägt eben Streuvels ein. Die Haupt¬
elemente der Weihnachtssage, wie sie sich wenigstens
bei den nordischen Völkern ausgebildet hatte (man
denke an den alten Breughel), die Stille und Einsam¬
keit einer schneebedeckten Winterlandschaft, der Stern
am Himmel, die ärmliche Hütte, in der ein Kind ge¬
boren wird, und die Geschenke bringenden Könige,
all das kehrt auch bei Streuvels wieder, aber ver¬
menschlicht, in die ganz reale Welt vlämischer Bauern
versetzt, und geschaut durch die Augen eines Kindes,
das diese Dinge erlebt. Aber daneben, in der Weih¬
nachtsschmauserei in einem großen Bauernhof, wo
sich der Bauer mit seinem Gesinde an dem Schweine¬
essen, den Waffeln und dem warmen Herdfeuer gütlich
tun, kommt auch das Irdische zu seinem Rechte. In
beidem zeigt sich die große volkstümliche Kunst von
Streuvels. Jules Fonteyne hat das in Brügge bei Josef
Houdmont - Carbones schön und deutlich gedruckte
Werk mit zehn Federzeichnungen geschmückt, die sich
dem Geiste der Erzählung in diskreter Weise anpassen.
M. D. Henkel
Stuttgarter Bibliothekenführer. Herausgegeben von
Karl Lange. Stuttgart, IV. Kohlhammer. 1912 (2 M.).
Organisation der geistigen Arbeit ist in der Gegen¬
wart zu einer notwendigen Forderung geworden. Auch
die Erleichterung, die ein Bibliothekenführer schafft,
ist zu begrüßen, erübrigt er doch manche zwecklose
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Anfrage und gibt vor allen Dingen schätzenswerte Aus¬
kunft über private Sammlungen. Dem vorliegenden
darf man Übersichtlichkeit und Ausgiebigkeit nach-
rühmen; willkommen werden vielen auch die allge¬
meinen Hinweise bibliographischer und bibliothe¬
karischer Art sein, die dem Büchlein vorangestellt
sind. .o-
Heittrich Kraeger, Vorträge und Kritiken. Olden -
bürg und Leipzig . Schulzesche Hofbuchhandlung und
Hofbuchdruckerei . Rudolf Schwartz. (4 M. geb. 5 M.)
Um Sammlungen ist*s ein heikel Ding, ihrer warten
andre Ansprüche, als bescheidene Tagesarbeiten sie
erfahren. An ihrem Orte mögen die Kraegerschen
Kritiken ganz angebracht gewesen sein, höheren Wert
besitzen sie aber nicht. Sie berichten ganz trefflich
über den Inhalt, bringen Zitate, manchmal auch zu
reichlich, und im Urteil kann man meistens mit ihnen
übereinstimmen. Methodisch ist dies aber doch nur
Kärrnerarbeit. Wenn Schaukals Roman „Andreas von
Balthesser“, um irgend etwas herauszugreifen, in seinem
Detailwert gewürdigt und auch das Literatentum, das
hinter alledem steckt, richtig erkannt ist, so hat die
Rezension den Leser meist genügend unterrichtet.
Probleme, die aus tieferen Schächten heraufgeholt
werden müssen, fehlen aber doch; und das verlangen
wir von einem Buche, daß es mehr bietet, als längst
Bekanntes uns abermals mitzuteilen. Eine mäßige
Inhaltsangabe der „Komödie der Irrungen“ als „Theater¬
einführung“ auszugeben, nützt nicht viel. In den Auf¬
sätzen und Vorträgen kommt der Verfasser über eine
deskriptive oder bloß anekdotische Methode kaum
hinaus. Zugestanden, daß auch wertvollere Stücke
darunter sind, aber an anderen Sammlungen gemessen,
war diese wirklich nicht nötig. Dr. N.
Alma von Hartmann , Zwischen Dichtung und
Philosophie. 1. Band Lessing, Herder, Schiller,
2. Band Emerson, Ruskin, Maeterlinck, Novalis, Tolstoi,
3. Band Carlyle, Nietzsche, Goethe, (Eduard von Hart¬
mann). Verlag Deutsche Bücherei, Otto Koobs , Berlin .
Jeder Band 1 M., gebunden 1,40 M.
„Die Sehnsucht, das Leben als Ganzes zu fassen,
nimmt merklich zu.“ Insgemein heischen wir von der
Dichtung ästhetische Befriedigung, Alma von Hartmann
wendet sich darüber hinaus an Dichter, die zugleich
auch ethische und religiöse Führer sein wollten. Denen,
die nach Ganzheit der Lebensauffassung streben, will
sie zu eigenem Denken forderlich sein, da sie aber
kein bewußtes phüosophisches Studium erwarten darf,
führt sie unsystematische Denker vor. Um ihre Wider¬
sprüche, die ja auch anregend sein können, kümmert
sie sich deshalb wenig. Sie ist eine feinfühlige Frauennatur,
voller Rezeptivität, die aber dabei ein starkes Eigen¬
empfinden hat. Sie unterbricht die Darstellung oft,
wenn ihre Anschauungen den fremden zuwiderlaufen.
Im Tolstoiaufsatz weiß sie über Ehe und Christentum
gute Worte zu sagen, denkfördernde, mehr als zum
Verständnis des Russen nötig wären. Und eine Gabe
besitzt sie, die ihr Buch gerade für Laien so wertvoll
macht, sie versteht es, Persönlichkeiten auf eine Formel
zu bringen, die den Ausgangspunkt eigenen Nach¬
denkens bilden kann. So gehen ihr in der Einleitung
Gedanken um Gedanken auf, die noch der Ausge¬
staltung harren. Sie denkt nur an, andern ist es Vorbe¬
halten, auszudenken.
So sind die Essays doch wertvoll, wenn auch
ihr Hauptwert nicht in der psychologischen Erfassung
der Gesamtpersönlichkeit liegt. Die erstrebte Zu¬
sammenfassung scheint mir um der gesonderten Kon¬
zeption und der Inkongruenz der Behandlungsweise
willen nicht wohl möglich zu sein. Warum auch System¬
lose unter ein System zwingen wollen! C. N.
Alfred Lichtwark, Deutsche Königsstädte. Zweite
Auflage. Bruno Cassirer, Berlin 1912 (3 M.).
Alles in allem genommen, ists ein Reiseführer.
Aus den wenigen Worten, die den Auftakt zur Schilderung
Potsdams bilden, kann mans herauslesen, program¬
matisch an den Anfang ists natürlich nicht gestellt
Aber dieser Stadt gegenüber, die vom Besucher meist
nicht rechte verstanden wird, fühlt sich Lichtwark ange¬
regt, seine Absicht als Cicerone zu verdeutlichen.
Der Organismus einer Stadt ist ein äußerst
differenziertes Gebilde, und je stärker sich die Gegen¬
wartsentwicklung durchsetzt, um so dichterer Nebel
verwehrt dem Nahenden den Durchblick. Nur ein
Mensch tiefster Intuition, ich denke etwa an Johannes
V. Jensen, vermag noch durchzudringen. Der erfaßt
die Gesamtseele einer Stadt; Lichtwark tritt nur als
Künstler an sie heran. Nicht aber als ein Kunstkritiker,
der an Einzelwerke Baedekersteme austeilt, sondern er
sucht aus dem Ganzen den städtebaulichen Kern her¬
auszuschälen. Den Geist, der diesen schuf, läßt er
wieder erstehen, und wer einmal den Plan begriffen
hat, mag sich Nichtausgeführtes hinzudenken.
Nur Dresden ist fast ausschließlich in seinen
modernen künstlerischen Bestrebungen gewürdigt.
Sonst aber wird die Kunst der Fürsten, zum mindesten
in ihrem Wollen, als das Triebhafte der Stadtentwick¬
lung betont Fürsten sind im Sinne des Absolutismus
zu nehmen, als jhre Kultur die höchste der Zeit war.
Darum konnten sie die Kunst noch lenken. Und diese
war soviel sinnenfälliger, repräsentativer, unbeschadet,
daß ihr die Innerlichkeit der Bürgerkunst italienischer
Städterepubliken und unsrer süddeutschen Gemein¬
wesen abging. Sie konnte im Städtebau viel freier
schalten als jene, die immer an Sparsinn und ökono¬
mische Bedürfnisse gebunden ist. Diese Betrachtungs¬
weise führt zu einer völlig anderen Bewertung. So
verwandelt sich die Heterogenität Potsdams zu einer
Wesenheit, die an einem Fürstengeschlecht empor¬
gewachsen ist. Dessen Wandlungen, die einzelnen
Charaktere, haben sich in der Architektur der Residenz
ausgeprägt
Aus Vorträgen entstanden, haben die Ausführungen
Lichtwarks einen starken persönlichen Einschlag.
Daß sie „veraltet“ sind (sie liegen zum Teil fast zwei
Jahrzehnte zurück), ändert an ihrem Wert oder Un*
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wert nichts. In den Einzelheiten, in denen sie zurück¬
geblieben sind, liegt ja doch nicht ihre Bedeutung und
was sie lehren wollen, lehren sie in Schönheit und
beredt auch heute noch. C. N.
Vom alten und neuen Buchwesen.
Hier der Gelehrte, der ein Handbuch schreibt, der
auf engem Raum das gesamte Wissen seines Gebietes,
oft in epigrammatischer Kürze, zusammendrängt, dort
der Essay ist, der wohl nicht weniger belehrend sein
will, aber durch künstlerische Form seine erzieherischen
Gedanken leichter aufzwingen kann. Ihm genügt vom
Tatsächlichen das, was die Prinzipien stützt, die er
propagieren will. Auf der anderen Seite dagegen
herrscht Lückenlosigkeit, unparteüsch wird jedes Für
und Wider erörtert; Probleme sollen ifreder aufgestellt
noch gelöst werden, dafür die Möglichkeit geboten,
selbst ihnen nachzuspüren. Kühl bis ans Herz hinan. . .
Victor Gar dt hausen. Das, Buchwesen im Altertum
und im byzantinischen Mittelalter. (Griechische Paläo¬
graphie, i.Band) Zweite Auflage. Leipzig, Veit Comp.
1911 (8 M.).
Es führt uns in die Zeit, da man Briefe auf Ostraka
schrieb, die Tonscherbe das Medium eines Liebes¬
grases war. Mit den primitivsten Formen schrift¬
licher Fixierung, quellenmäßig belegt und durch Ab¬
bildungen veranschaulicht, wird begonnen. Das eine
Kapitel handelt von den anorganischen Beschreibstoffen,
den Mctallplatten, den Weihgeschenken und bleiernen
Orakeltäfelchen, ein anderes von den organischen, vom
Palmblatt an. Dann griff der Mensch zu den dauer¬
hafteren hölzernen und den leichter ersetzbaren Wachs¬
tafeln. Aber erst das Wort Papyrus zaubert uns das
klassische Altertum herauf. In systematischer Folge
wird seine technische Herstellung behandelt, die wirt¬
schaftlichen Verhältnisse der Fabrikation und endlich
die Handhabung durch den Schreiber. Vom einzelnen
Blatt, das aus dem scapus herausgeschnitten wurde,
steigen wir auf bis zur gesiegelten Rolle, die als Re¬
quisit der bildenden Kunst jedem bekannt ist. Mit
dem Papyrus konkurrierte das Pergament, das sich
leichter zu Codices zusammenfügen ließ, bis endlich
die Erfindung Chinas, das Papier, um seiner Billigkeit
willen den Sieg davontrug. Auch von Tinten und
Schreibzeugen und den ornamentalen Verzierungen
weiß das Buch zu sagen. Spezielleres Interesse bean¬
spruchen die späteren Kapitel, die der buchbinderischen
Technik und der Handschriftenkunde gewidmet sind.
Jedem Frager wird Auskunft zuteil werden, ob er
nun wissen will, wesgestalt die antiken Notizbücher
waren, oder wann die Metallfeder erfunden wurde.
Der Bibliophile aber kann nachlesen, wie seine Be¬
strebungen schon einmal zu hoher Blüte gelangt waren,
um dann in kunstärmeren Altern wieder zu ver¬
kümmern.
Willy F. Storch , Vom Geist moderner Schrift¬
kunst. Sonderabdruck aus „Literatur und Wissenschaft“.
Monatliche Beilage der „Heidelberger Zeitung "
Mit sicherem Formgefühl werden neben historischen
Rückblicken die Bedingungen der modernen Schrift¬
kunst aufgestellt Ob sich das Prinzip der Verkettung
von Architektur und Schriftkunst, das Storck sehr in
den Vordergrund rückt, mit der tatsächlichen Ent¬
stehung unsrer Typen aus der Schreibschrift ganz ver¬
einigen läßt, mag dahingestellt bleiben. Victor Hugos
kühnes Bild, das der Verfasser anfuhrt, ist eben mehr
der Einfall eines Dichters. — Die Forderung akustischer
Harmonie neben der optischen setzt freilich eine schon
allzu raffinierte Kultur voraus. Indessen gelingt es
Storck an Einzelheiten darzulegen, daß sein Empfinden
für den „rhythmisch-melodischen Ausdruck des Schrift¬
bildes“ mehr als subjektiv ist. Nicht unterlassen ist
selbstverständlich der Hinweis auf die nötige Anpassung
der Schrift an den Buchinhalt. Da hätte über die Wei߬
fraktur der Tempelausgaben ein Wort mehr gesagt
werden können. Ihre Zierhaftigkeit und Gleichheit der
Druckführung, die man recht wohl „biedermeierisch“
nennen kann, machen sie meines Erachtens für Prosa
wenig geeignet. Auch das Buchformat ist in seiner
Überhöhung zweifellos für Gedichtbände passender.
Wäre die Billigkeit nicht, müßte man sich gegen Aus¬
gaben-Sammlungen schlechthin verwahren.
Zuletzt noch ein Lob der „Heidelberger Zeitung“
für so beachtliche Feuilletons 1 *0-
Thdodore Duret. Die beiden.Napoleons und die
Napoleonlegende. Deutsch von Dr. Emil Waldmann.
Verlag von Paul Cassirer, Berlin 1911 (3 M., gebunden
4 M).
Ein Deutscher könnte das Buch nie und nimmer
geschrieben haben. Statt mühsamer Mosaikarbeit, wie
wir sie uns auf manchen Gebieten gar nicht anders
denken können, die zum Vorhandenen eben noch ein
paar neue Steinchen hinzu fügt, wird von dem Allzu¬
vielen hier gerade das Notwendigste geboten. Aus
der Fülle des Tatsachenmaterials hebt der Franzose
nur die Entwicklungsfaktoren heraus, Ereignisse, die
jedesmal den Abschluß einer ganzen Reihe bedeuten,
die Effekte sozusagen. Oft genug mag man auch ein
Fragezeichen an den Rand machen, und doch beein¬
trächtigt keines den Wert des Ganzen. Der ist dispo¬
sitionell und ideell. Die Linienführung ist von durch¬
scheinender Klarheit; geistreich weiß der Verfasser
mit den Gedanken zu spielen, sie dem Leser immer
und immer wieder einzuprägen. Auch manch Apercu
funkelt auf. Die Grundideen aber werden mit fast
mathematischer Ausnahmslosigkeit durch Tatsachen
bewiesen. Durets Wahrheitsliebe und seine Vorurteils¬
losigkeit in Dingen, die den Patrioten angehen, sind
weitere Vorzüge.
Psychische Kräfte, latent im Unterbewußtsein des
Volkes, ermöglichten Napoleons Aufstieg, lehrt Duret
Das Gefühl der Beängstigung gegenüber der neuen
republikanischen Staatsform, das sich aus der langen
monarchischen Vergangenheit heraus erklärt, ließ einen
Helfer herbeisehnen, als es gar nichts zu helfen
gab. Frankreichs Stellung war absolut gesichert, als
Bonaparte den italienischen Feldzug begann. Aber
jener Wesenszug der Franzosen, den Krieg um des
Krieges willen zu lieben, wollte es so, ein Rausch
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der Phantasie schuf den Imperator. Er war kein
Franzose, war ein Lateiner, der letzte antike Krieger:
Soldat und Organisator. Antik war auch sein imperi¬
alistischer Gedanke, der ihn stürzte, weil er nicht ge¬
lernt hatte, mit den ethischen Kräften der Gegenwart
zu rechnen. Die Schnelligkeit seines Sturzes erregte
die Phantasie, und aus dem Kaiser ward der Held,
der Halbgott. Götter aber formen sich die Menschen
nach ihren Wünschen, und so entstand die Napoleon¬
legende. Als der Neffe sich unterfing, das Erbe
anzutreten, war sein Weg schon vorgezeichnet Er
mußte den Gedanken der Vorherrschaft Frankreichs
zu verwirklichen suchen und mußte Krieg führen. Er
mußte, denn mit der Errichtung des neuen Kaiser¬
reiches war der Idealisierungsprozeß zu Ende, ein
leibhaftiger Napoleon mußte durch Taten der Phantasie
des Volkes neue Nahrung Zufuhren. Als er dazu
außerstande war, gab es ihn auf. Der Legende aber
ward die Möglichkeit wiedergegeben, die Herzen zu
bestricken. Dr. N.
In memoriam Hugo von Tschudt. Die Reden
bei der Bestattung in Stuttgart am 27. November 1911.
Leipzig, Inselverlag . 1911. (1 M.)
Das Umschlagpapier und der Titel sehen gut aus.
Trotzdem hab ich mich aber von der Notwendigkeit
der 18 Seiten Druck nicht überzeugen können. Max
Liebermanns, des Freundes, warmherziger Versuch, in
hellen Farben und mit kräftigen Lichtem den Mann
und Menschen zu konterfeien, ist das Beste. Er sei
als das anerkannt, was er sein soll. Auch die dank¬
baren Worte eines treuen Mitarbeiters will ich hin¬
nehmen. Indes ich vermisse den tieferen, allgemeineren
Wert, der über die Zufälligkeit des Nachrufs hinaus
auch nur eine Zeile x von alledem gerechtfertigt hätte.
Was aber ein Ministerialbeamter „im Aufträge“ zu
sagen hatte, brauchte der Nachwelt wirklich nicht
überliefert zu werden. Bleibt die Rede von Julius
Meier-Graefe. Der beweist den Toten als „schaffenden
Künstler“, als Christen „in weitem Sinne“ und preist
die „schöpferische Kraft“ des Todes. Mein Geschmack
ists freilich nicht, in einer Trauerrede Geistreichig-
keiten auszubieten! — Tschudi scheute sich, viel
drucken zu lassen, und drum ehrt man ihn, indem man
so wenig drucken läßt. o-
Literarischer Ratgeber für die Katholiken Deutsch¬
lands. X. Jahrgang. 1911. Herausgeber Dr. Max
Ettlinger. Verlag Jos. Hösel, Kempten und München ,
Ob der Ratgeber die Stola trägt oder den Luther¬
rock, bleibt sich gleich, die Kunst nimmt immer Schaden.
Wenn der Ruf nach katholischen Schriftstellern er¬
hoben wird, ist nichts dagegen einzuwenden, und wenn
HerrMumbauer es bedauert, an „den nichtkatholischen
nicht vorübergehen zu können", so glaube ich ihm das.
Ich würde es sogar verstehen und nachsehen, wenn
Dreiviertel unsrer Literatur unterdrückt würde, aber
dann offen und ehrlich. Diesem Vorwurf ist begegnet
Die meisten namhaften Dichter aus unsrer Zeit sind
aufgenommen (George, Eulenberg, Dauthendey fehlen!),
doch immer gerade mit uncharakteristischen Werken,
die anscheinend als harmlos galten. Von den empfohlenen
sind aber die meisten dann noch mit einem „b“ (= Brand¬
mal) versehen, das da heißt: „nur für durchaus gereifte
Leser“! Vom Grafen Keyserling sind zum Beispiel
nur die „Bunten Herzen“, natürlich mit einem „b“,
verzeichnet, usw. Alle die einzelnen Urteile kann ich
hier nicht wiedergeben, die Berater sind auch ver¬
schieden. Für Literatur un d Literaturgeschichte zeichnen
Expeditus Schmidt und Dr. Eckardt, Epos und Lyrik
behandelt Christoph Flaskamp, auf dem Gebiete der
Belletristik aber glänzt besagter Herr Mumbauer aus
Piesport. Daß er Bang verurteilt, und Jens P. Jacobsen,
die Huchs, Max Halbe, die ganze Fischersche Biblio¬
thek zeitgenössischer Romane und die ,,Neue Rund¬
schau“, nur nebenbei. Dafür weiß er die Gründe
für den Tiefstand der deutschen Kunst, erstens: —,
zweitens: —, drittens: —. Man lese sie.
Zum Schluß seinocherwähnt, daß auch alle anderen
Gebiete der Geistestätigkeit berücksichtigt sind.
C. N.
Seutroul, Charles, Kant und Aristoteles. Ins Deut¬
sche übertragen von Ludwig Heinrichs. Von der
Deutschen Kantgesellschaft gekrönte Preisschrift. Ver¬
lag Kösel , Kempten und München. 8°. XVI und
368 Seiten. Geheftet 5 M., gebunden 6 M.
Die philosophischen Arbeiten, deren Verfasser ein
Katholik ist und streng auf dem Boden der offiziellen
katholischen Weltanschauungslehre, des Neothomismus
oder der Neoscholastik, steht, zeichneten sich bisher
zumeist durch einen hohen Grad von Unsachlichkeit
fremden Überzeugungen gegenüber aus. Von dieser
Regel bildet das vorliegende Buch eine erfreuliche
Ausnahme.
Seutroul gibt in der Einleitung zu seinem Werke
einen kurzen, aber klaren Überblick zuerst über die
Kantische, sodann über die Aristotelische Erkenntnislehre
und führt damit die völlig entgegengesetzten Wege
der beiden Philosophen, die Wahrheit zu erfassen, klar
vor Augen. Treffend charakterisiert er sie mit den
Worten: „Aristoteles ist von der Metaphysik zur Kritik
gelangt, Kant umgekehrt von der Kritik zur Meta¬
physik.“ (Seite 29.) In den folgenden Kapiteln werden
die Hauptpunkte der beiden Systeme eingehend dar¬
gestellt und verglichen. Wohl tritt dabei beständig
die Tendenz des Autors hervor, „die Überlegenheit
des Aristoteles über Kant klar erstrahlen zu lassen“
(Seite VI); aber die Ausführungen bleiben stets vom
Streben nach wissenschaftlicher Objektivität getragen,
so daß sie über das N Verhältnis der Kantischen Lehren
zu den entsprechenden des Aristoteles durchaus sach¬
lich unterrichten.
Interessant ist die Verwandtschaft, die der Ver¬
fasser zwischen Kant und den Modemisten im Anhang
zu seinem Buche aufzeigt: beide nehmen der Bibel
gegenüber eine kritische Stellung ein, machen das
Recht des denkenden Kopfes geltend, sich Gewißheiten
zu erarbeiten, die außerhalb der Testamente liegen
und den Maßstab für deren Wahrheitsgehalt abgeben.
Für Seutroul freüich verknüpfen diese selbständigen
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Philosophen nur „Fäden des Irrtums“ (Seite 359) —
können nur zu Irrtum gelangen; denn die Wahrheit
thront ja ewig und unerschütterlich, intellektuell faßbar
und längst erfaßt über den Wolken. F. K.
Eugen Holländer, Plastik und Medisin. Mit einem
Titelbild und 433 Textabbildungen. Verlag von Ferdi¬
nand Enke in Stuttgart 1912. 376 Seiten. Hoch 4 0 .
Karton 28 M. In Leinwand gebunden 30 M.
1903 bescherte uns Holländer die „Medizin in der
klassischen Malere 1“ und 1905 die „Karikatur und
Satire in der Medizin“, zwei Werke, über die ein¬
stimmigalle Kritiker des Lobes voll waren. N un beschenkt
uns Holländer von neuem — tres faciunt collegium
— mit einem Standard-Work, wie ich gleich vorweg
nehmen will. — Plastik und Medizin. — Ansätze zu
dem Thema finden sich in dem prächtigen Büchlein des
Physiologen E. Brücke „Schönheiten und Fehler der
menschlichen Gestalt“, zweite Auflage 1893, das ich bei
Holländer leidernicht erwähnt finde.— Vermißt habeich
ferner die Erwähnung der Arbeit von Ludwig Mercklin
„Die Talos-Sage und das Sardonische Lachen“, ein
Beitrag zur Geschichte griechischer Sage und Kunst.
(Mömoires des sav. Strang. T. VII. (1851). Seite
35—125.) — Zu der Äsopbüste, die noch „einem Lysipp“
zugeschrieben, möchte ich bemerken, daß ich von
einem Archäologen erfuhr, daß Professor Studniczka
in Leipzig die Anfertigung der Büste weit früher an¬
setzt, und zwar in der römischen Kaiserzeit. Dafür
spricht die Ausarbeitung der Augen, der Pupille usw.
Ich habe mir daraufhin in Museen die Augen an Statuen
angesehen und bestätigt gefunden, daß derartige Augen
auf diese Zeit hinweisen, und nicht weiter zurückgehen.
Wir haben es also bei Äsop vielleicht mit einem buck¬
ligen Spaßmacher aus der Kaiserzeit zu tun. Im übrigen
verweise ich wegen der diagnostischen Erwägungen bei
diesem Äsop (Holländer : Seite 317) auf W. Ebstein
(Janus 1900, Seite 332 und Virchow’s Archiv, Band 193,
Seite 519—545).—Mit Genugtuung habe ich gesehen, daß
Holländer auch auf die Wiederherstellung der Gesichts¬
züge des lebendigen Homer, auf Grund der Totenmaske
von Artur Zweiniger (1909), aufmerksam ge worden ist. —
Daß der Klappschen Kriechkur—sozusagen—sich auch
die moderne Plastik in dem kriechenden Mädchen
von Georg Kolbe bemächtigt hat (Deutsche Ausstellung
in Rom 1911), zeigt mir eine Abbildung in der „Kunst
für Alle“ vom 1. September 1911, Seite 550. — Er¬
wähnenswert erscheint mir auch die Marmorstatue im
Dom zu Mailand von Marco d , Agrate l mit der Unter¬
schrift: „Non me Praxiteles sed Marc finxit Agrate“,
auf der ein gänzlich geschundener Mann seine Haut
„als Toga“ umgehängt hat! — Bei den Buckligen fallen
mir die beiden Figuren am linken und rechten Pfeiler
von S. Anastasia in Verona ein, als deren Verfertiger
Gabriele Caliari und Alessandro Rossi genannt werden.
— Wegen der Chondrodystrophie in der Kunst ver¬
weise ich unter anderem auf Fraugenheim (Ergebnisse
der Chirurgie, Band 4 (1912, Seite 114), der mit Recht
den Versuch von Poncet und Leriche zurückweist,
„alle uns bekannten noch lebenden oder geschichtlich
überlieferten Zwergvölker, die Kobolde und Nibelungen
unserer Sagen den chondrodystrophischen Zwergen“
zuzuzählen. (Revue de Chirurgie 1903): „Les nains
d'aujourd’hui et les nains d’autrefois“.— Ich habe diese
Miszellen an den Anfang gestellt, um die Anzeige des
Werkes nicht damit zu beschweren, das sich in folgende
große Abteilungen gliedert: Heilgötter — Exvotos —
Allgemeine Körper dar Stellungen — Schwangerschaft —
Krankheitsdarstellungen — Instrumentenkasten und
Schröpf köpf — Heilhandlung ; Hygiene , Bad — Die
Inkubationsheiligen und Patrone der Ärzte — Monu¬
mente , Embleme und Krankenhausschmuck. — Zu
Figur 417 bemerke ich, daß sich das Original der
Bronze von Schönlein im Besitz seiner noch lebenden
Tochter befindet, wo ich sie vor kurzem gesehen habe.
Für den Leserkreis der „Zeitschrift für Bücherfreunde“
bleibt mir nur übrig, auf die splendide Ausstattung des
wissenschaftlich wie künstlerisch gleich hoch stehenden
Werkes hinzuweisen, das nicht nur bei Ärzten, sondern
auch bei vielen Kunstliebhabern, und deren gibt es
unter den Bibliophilen nicht wenige, die richtigen Leser
und Beurteiler finden möge. Erich Ebstein, Leipzig.
Louis Hourticq , Geschichte der Kunst in Frank¬
reich. Deutsche Übersetzung von Gustav Teiss£dre.
III. Band der „Ars una". 887 Abbildungen. Verlag
Julius Hoflfmann, Stuttgart, 1912. Preis gebunden 6 M.
Diese „Ars una“-Bücher sind in ihrer Art etwas
ganz Ausgezeichnetes. Sie stehen in dem Reichtum
und der geschmackvollen Form ihrer Darbietungen
einzig da. Der Frankreich behandelnde Band schließt
sich würdig seinen Vorgängern an. In Hourticq ist dem
Thema ein Bearbeiter gewonnen worden, wie man ihn
sich nicht besser wünschen kann. Wir lernen in dem
französischen Gelehrten einen scharfsichtigen Kenner,
einen geistvollen Ästheten und einen glänzenden
Stilisten kennen. Das Werk ist von einem großzügigen
Standpunkt aus geschrieben. Gleichsam von hoher
Warte aus läßt uns der Verfasser in eine Epoche um
die andere hineinschauen: in das barbarische Gallien,
das unter den römischen Adlern in den Lichtkreis der
antiken Welt trat, in die Kloster-, Ritter- und Städte¬
kultur des Mittelalters, wo Herr und Knecht „an Zug¬
tiers Statt“ die Steine zum Bau der märchenhaften
Kathedralen schleppte, in die elegante Epoche Franz I.,
wo „die Renaissance in die flammende Gotik sich ein¬
schleicht“, in die galante Zeit des Rokoko, in den
Klassizismus des ersten Kaiserreichs, in die Romantik
und den Naturalismus der letzten hundert Jahre. Mit
sehr kühlem Objektivismus urteilt der Verfasser über
den Impressionismus. „Der französische Geist vermöchte
sich . . . mit der Rolle eines bloßen Registrierapparats
nicht lange zu bescheiden. Es sprechen heute viele
Anzeichen dafür, daß er sich wieder zusammenrafft und
die klassische Haltung wieder anzunehmen trachtet.“
Wenn man das in Deutschland sagt, erregt man tat¬
sächlich noch immer Aufsehen. M. E.
Dr. H. Holland. Moritz v . Schwind. Nr. 7 der
Serie „Die Kunst dem Volke“. Mit 56 Abbildungen.
1.—25. Tausend. Allgemeine Vereinigung für ehr. Kunst,
München, 1911.
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Eines jener Volksbücher, das nicht auf die Schlag¬
worte „Volksbildung“, „ Massen erziehung“ und der¬
gleichen, womit sich heutzutage manche ärmliche
Volkstümelei billig aufputzt, gemünzt ist. Nicht
Förderung der Kultur gewisser Klassen, sondern jene
der Herzensbildung, die sich an alle Stände wendet,
scheint der innerste, grundlegende Gedanke dieser
kleinen Schrift zu sein, deren Reiz darin liegt, daß man
sie jedem, dem ästhetisch Gebildeten wie „dem Volk“,
dem Erwachsenen wie dem Kinde in die Hand geben
kann. Holland bringt uns in seiner mit geistreicher
Schlagferiigkeit und tiefem sonnigen Herzenshumor
würzig gemischten Sprache den Meister Schwind greif¬
bar nahe. Und zwischen den Zeilen schimmert traut
Altmünchen auf. Wie in die Geschichte von den
sieben Raben die Büsten von Schwinds Freunden her¬
niederblicken, so schauen uns aus diesem Text allerlei
bekannte Gesichter an, die selbst eine Art Rand¬
glossarium zu des Meisters Kunst bilden. Es ist der
Ton eines Chronisten, in dem uns Leben und Schaffen
des von „Schwindel und Nervenspektakel“ nicht selten
geplagten und doch eine so stillfrohe, ausruhsame
Kunst wirkenden Meisters in einer Form, die uns auf¬
merken läßt, vorgeführt wird. Allerlei neue feine Be¬
obachtung drängt sich in die blühenden Schilderungen
der Bilder. Der Stil sprudelt waldbachhell im richtigen
Sekond zu Schwinds hohem Waldesrauschen. Eine
köstliche Gabe ist dieses kleine auch hübsch illustrierte
Schwindbuch, das mit der Erinnerung an jenes „traum¬
artig schön erfundene Maienspiel“ in Starnberg, das
Münchener Künstler zum Gedächtnis Schwinds vor
einigen Jahren feierten, stimmungsvoll schließt.
M. E.
Leopold von Schroeder, Die Vollendung des arischen
Mysteriums in Bayreuth. 258 Seiten. 8°. J. F. Leh¬
manns Verlag München, 1912. Preis broschiert 5 M.,
gebunden 6 M.
Das schöne, mit hinreißender Begeisterung ge¬
schriebene Werk entstand aus Vorträgen, die der be¬
rühmte Gelehrte im Winter 1910/11 an der Wiener
Universität hielt. Die sprühende Kraft der Rede ging
in das gesprochene Wort über. Das Buch ist aus
streng wissenschaftlicher Forschung gewonnen, für
Laien verfaßt. Man möchte ihm Verbreitung wünschen.
Man möchte wünschen, daß auch die Jugend neben
dem klassischen Studium auf solche Bücher aufmerk¬
sam gemacht werde.
Schroeder zieht eine gewaltige Linie — von den
ältesten Mythen der Arier bis zu der letzten großen
Kulturschöpfung des Ariertums, dem Werk Richard
Wagners. Die Ergebnisse sind sehr interessant Die
Mythen- und Sagenstoffe: „Der Ring“, „Parsifal“,
„Lohengrin“, „Tristan und Isolde“ werden auf ihren
Ursprung untersucht Dieser Ursprung ist ein gemein¬
samer. Es ist der uralte arische Sonnen- und Mond¬
mythus. Die Übereinstimmung germanischer, grie¬
chischer und indischer Überlieferungen weist den Weg
dazu. Sonne und Mond feiern Hochzeit. Im Indischen
Suryä, die junge Sonne, mit Soma, dem Mond, im
Griechischen Zeus mit Hera, im Lettischen, Esthnischen
Z. f. B. 1912/1913.
und Finnischen die Sonnentochter Saul es meita mit
dem Mond, im Griechischen wiederum Ariadne und
Dionysos, im Altdeutschen respektiv Nordischen Brün-
hild und Siegfried. Diese alten Mysterien leben in
Wagners Worttondichtungen neu auf. Sieglinde und
Siegmund (Sonne und Mond) sind Geschwister und zu¬
gleich ihrem Wesen nach als Liebende füreinander
bestimmt. Sieglinde erhält aber Hunding (Dunkel¬
mond) zum Gatten. Siegmund (Lichtmond) muß bei
der Vereinigung mit ihr sterben, doch ersteht ihm ein
Sohn, Siegfried (der neu erwachsende Lichtmond).
Es entwickelt sich nun die Reihe der alten Mysterien,
Siegfrieds Drachenstich und Horterbeutung, die Jung¬
frauenbefreiung und Liebesvereinigung mit Brünhild,
der strahlenden Sonne. Siegfried ist Licht- und
Vegetationsgott. Der Hort ist wiederum das Licht,
Sonne, Mond, ebenso wie — der Gral. Schon Wagner
selbst erkannte diese Identität. In den indischen
Mythen erscheinen Sonne und Mond als Gefäße mit
köstlichem, himmlischem Trank gefüllt. Die Ge¬
winnung dieses Trankes ist der Inhalt vieler Lieder.
Ein nordisches Gegenstück dazu ist die Mythe von
dem Kessel des Riesen Hymir, den Thor erbeutet
Der himmlische Rauschtrank wird in der christlichen
Sage zum göttlichen Blutwein. Den reinen Thoren
finden wir im Indischen in Rischya cringa, im Ger¬
manischen in Siegfried wieder. Die Lohengrinsage
hat ihre Parallele in dem Mythus von Urva^f und
Pururavas, und, wie schon Wagner erkannte, jenem
von Zeus und Semele. Übereinstimmungen endlich
finden sich wieder in den Tristan- und Siegffiedsagen.
Die Motive, die Wagner ethisch auf das Höchste
steigerte, gewinnen Weihe und Wert durch ihr ehr¬
würdiges Alter und ihre tiefen Zusammenhänge mit
den ältesten religiösen Vorstellungen der arischen Rasse.
Dies, was vielleicht dem andächtigen Genießer der
Schöpfungen Wagners als etwas unfaßbar Ergreifendes
dunkel ins Bewußtsein dringt, wissenschaftlich begründet
zu lesen ist höchst wertvoll. Und so muß man das
geistvolle Werk mit Dank empfangen. M. E.
Altmeister der Kunst. Heft I. Giorgione , von
G. Gronau. Verlag W. Spemann, Stuttgart. 1912. Preis
2,50 M.
• Wieder eine neue Serie von Kunstheften. Sie hat
den sympathischen Titel „Altmeister der Kunst“ und
beginnt mit Giorgione. Beliebige, nicht systematische
Folge dürfte danach das Programm sein, das hoffent¬
lich recht munter nach allen Richtungen hin vorwärts,
rückwärts und seitwärts um Giorgione herum entwickelt
wird. Besonders rückwärts möchte angelegentlichst
empfohlen werden, denn von allen den vielen Serien¬
publikationen, die wir heute haben, hat sich noch keine
an unsre großen Primitiven Lochner, Witz, Schongauer,
Hausbuchmeister und so und so viel andere herange¬
wagt; Das Giorgioneheftist in Ausstattung und Charakter
Spemanns Museum verwandt. Der Text bietet durch
seinen Verfasser gute Gewähr. Gronau, dessen ein¬
gehende Giorgionestudien (Repertorium für Kunst¬
wissenschaft 1908) allseitige Anerkennung fanden, ist
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
ein zuverlässiger Forscher. Gerade Giorgione gegen¬
über ist es nicht leicht, die Grenze der Zuverlässigkeit zu
halten. Man weiß von diesem Künstler verzweifelt
wenig. Nur aus den vier letzten Jahren seines Lebens
sind archivalische Notizen über ihn erhalten und in
diesen heißt er Zorzi (Zorzo) da Castel franco. Der
Name Giorgione taucht erst Jahrzehnte nach seinem
Tode auf. Unsicher wie die romantischen Legenden
seines Lebens sind auch die Ansichten über sein Werk.
Während ihm Cook 45 Bilder zuweist, will Justi
nur 25, Morelli 19, Berenson 17, Crowe und Cavalcaselle
ii und W. Schmidt gar nur 7 als unbedingt eigen¬
händig gelten lassen. Gronau bringt, ohne sich in
dieser für populäre Zwecke geeigneten Publikation auf
die zahlreich schwebenden Einzelfragen um giorgione-
verdächtigc Bilder einzulassen, 15 Abbildungen, darunter
das Jugendwerk „Die Feuerprobe des Moses“, die
lange als Kopie beleumundete „Judith“, die durch
Morelli gesicherte, durch ihren tizianischen Geist
interessante Madrider „Madonna“, das merkwürdig
aufgeregt gemalte Budapcster Jünglingsporträt, das
man einen in giorgioneskes Feuer übertragenen
Sebastiano del Piombo nennen möchte, schließlich die
Alterswerke, den dämonischen „Sturm“, der trotz
Bordones Übermalungen ein echter Giorgione ist, und
die „Kreuztragung Christi“ aus San Rocco in Venedig.
M. E.
Der burgundische Paramentenschatz des Ordens
vom Goldenen Vließe. Im Aufträge des hohen Oberst¬
kämmereramtes Sr. Kaiserlich und Königlichen Aposto¬
lischen Majestät herausgegeben von Julius v. Schlosser .
2 Tafeln in Farbendruck, 3 Doppeltafeln und 26 ein¬
fache Tafeln in Lichtdruck. Imper.-Folio in eleganter
Mappe Preis 60 Kr. oder 50 M. Verlag von Anton
Schroll & Co. in Wien, 1912.
Das mit besonderer Sorgfalt ausgestattete Werk
bedeutet für die Kunstforschung ein Ereignis. Es ist
eine der wichtigsten Veröffentlichungen größeren Stiles,
die in den letzten Jahren erschienen sind. Der bur¬
gundische Paramentenschatz stammt im wesentlichen
aus der Zeit Philipp des Guten von Burgund, dem
Gründer des Ordens vom Goldenen Vließ. Seit 1477
findet er sich in den Inventaren des Ordens aufgeführt.
Damals gelangte durch Erlöschen des burgundischen
Mannsstammes das Großmeistertum des Vließordens
an das Haus Habsburg und der Schatz befand sich
seitdem im Ordensbesitz, bis er 1797 in die kaiserliche
Schatzkammer, später in die Ambrassche Sammlung
und endlich 1889 in das kunsthistorische Hofmuseum
zu Wien kam, wo er noch heute bewahrt wird. Diese
Paramente sind ersten, ja man darfsagen einzigen Ranges.
Die mittelalterliche Stickkunst hat keine bedeutenderen
Werke aufzuweisen. Ist schon die kunstgewerbliche
Qualität eine außerordentliche, so liegt doch der
Hauptwert der Stücke in den Persönlichkeiten, die die
Zeichnungen entwarfen. Die Namen der Gebrüder
Eyck werden genannt. Mag diese Zuweisung auch
nicht stimmen, so charakterisiert sie doch den Rang
der Kunstwerke. So viel sich bis jetzt feststellen läßt,
handelt es sich um die Arbeit verschiedener Meister.
Den ältesten Stil zeigen die beiden Antependien. In
ihnen lebt noch etwas von der Sprache leidenschaft¬
licher und zugleich zierlich akzentuierter Gotik, wie sie
bei uns in dem Zeitalter Karls IV. herrschend war.
Doch gehört dieser burgundische Meister schon dem
ersten Drittel des XV. Jahrhunderts an. In seinen
Propheten und Aposteln flutet der schwungvolle kalli¬
graphische Stil der Miniaturkunst aus. Seine wunder¬
volle Dreieinigkeitsgruppe, ein früher Vorläufer des
von Dürer zur höchsten Vollendung geführten Motives,
atmet noch den hohen Geist der hochmittelalterlichen
Mystik. Ein Meister vorgeschrittenen Stiles, wie schon
die Behandlung der Perspektive verrät, ist der Künstler
der drei Chormäntel. Einige Forscher wollen in diesen
Werken verschiedene Hände sehen. Der Name Huberts
van Eyck wird am meisten genannt. Die sehr be¬
deutende Künstlerpersönlichkeit scheint aber eher
zwischen Hubert van Eyck und dem interessanten
Meister von Flemalle zu stehen. Der thronende Christus
in dem Clipeus des Christusmantels ist eine Figur, die
sich dem Gedächtnis einprägt, wie dies nur erstrangige
Kunstwerke vermögen. Er zeigt starke Verwandtschaft
mit dem Gottvater des gleichzeitigen Genter Altar¬
werks. Sein Schöpfer muß den Genter Altar gekannt
haben. Eine dritte respektiv vierte Persönlichkeit läßt
sich dann in der Casula und den beiden Dalmatiken
erkennen. Es ist jüngerer Stil, der über die Epoche
des Eyck und des Roger van der Weyden hinausgeht.
Schlosser verweist auf die Richtung des Hugo van der
Goes. Aus dieser Zeit, oder wie Schlosser meint, noch
später, dürfte wohl eine die Hauptdarstellungen der
Casula umfassende Überarbeitung der Stickerei
stammen. Im übrigen glaubt Schlosser in dem ge¬
samten Paramentenschatz, den Antipendien, den Chor¬
mänteln, den Dalmatiken und den älteren Teilen der
Casula einen engen Werkstattzusammenhang zu er¬
kennen, und zwar sucht er diese Werkstatt nicht in der
Genter Schule der Eyck, sondern in jener „stärker am
Manierismus der französischen Spätgotik“ hängenden
Richtung, die durch Campin, Daret und Rogier van der
Weyden bezeichnet wird. Wie weit der Verfasser
darin Recht hat, müssen weitere Forschungsergebnisse,
die nun hoffentlich nicht zu lange auf sich warten lassen,
zeigen. Jedenfalls ist der Hauptmeister der Paramente,
der Meister der Chormäntel, eine in der Entwicklung
der niederländischen Kunst hochwichtige Erscheinung,
der künftig neben den bisher bekannten ersten Namen
genannt werden muß. M. E.
Klassiker der Kunst, Band XX: Hans Holbein d. J.
Des Meisters Gemälde in 252 Abbildungen. Heraus¬
gegeben von Paul Ganz. Deutsche Verlagsanstalt,
Stuttgart, 1912.
Der Verfasser befindet sich als Konservator der
öffentlichen Kunstsammlung zu Basel seinem Stoffe
gegenüber in der glücklichen Lage, an der Quelle zu
sitzen. Seine Publikationen der Handzeichnungen
Holbeins und der Amerbachschen Inventare haben
ihm als Holbeinspezialisten Achtung erworben. Das
neue Werk zeichnet sich wiederum als eine vortreff¬
liche Arbeit exakter Forschung aus. Mit einer seltenen
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Klarheit und Übersichtlichkeit ist Holbeins künst¬
lerischer Werdegang entwickelt. Besonders wichtig
sind die Hinweise auf die oberitalienischen Einflüsse,
die ja zum Teil bisher bekannt, aber noch nicht in
dem Maße wie hier, grundlegend durchforscht wurden.
Neben den Beziehungen zu Mantegna, Bramante und
Leonardo da Vinci interessieren namentlich jene zu
Luini und Gaudenzio Ferrari. Ganz gelangt zu dem
Resultat, daß Holbein mit diesen beiden letzten Meistern
in persönliche Berührung getreten sein müsse und zwar
wahrscheinlich im Jahre 1518 in Como, wo beide im
Dom arbeiteten. Beider Altarwerke daselbst, ebenso
wie der dekorative Skulpturenschmuck der Domportale,
das Werk der aus der Bramanteschule stammenden
Brüder Rodari, wurden für Holbeins Stilentwickelung
vorbildlich. (Man möchte in diesem Zusammenhang
übrigens die Frage aufwerfen, ob der Lissaboner
„Lebensbrunnen“, den Ganz wohl in Hinsicht auf eine
gewisse Altertümlichkeit der Figuren dem älteren Hol-
bein gibt, nicht doch dem jüngeren näher gerückt
werden muß. Die Verwandtschaft der Architektur¬
einzelheiten mit architektonischen Motiven des Corner
Domes, worauf schon Seemann [Z. f. b. K. XIV, 199]
hinwies, überhaupt das stark italienische Gepräge —
die Bordonefigur links des Thrones — führt uns von
Holbein dem älteren weg.) Ferraris Einwirkung weist
der Verfasser feinsinnig auch in der Madonna von
Solothurn nach. Wieviel ungelöste Fragen im übrigen
noch Holbein und seinen Kreis umschweben, beweist
der „Anhang“ der zweifelhaften Gemälde. Es ist merk¬
würdig, daß über die neben Dürer populärste Gestalt
der altdeutschen Kunst die Forschung eigentlich noch
in recht vielem im Dunkeln geht. So steht zum Bei¬
spiel das Kapitel über Holbein als Miniator noch ganz
im Bereich des Fragezeichens, obgleich der Meister
allgemein traditionell als der Begründer der englischen
Bildnisminiatur bezeichnet wird. Die Abbildungen,
unter denen sich erfreulicherweise auch die zahlreichen
untergegangenen Wandgemälde, zusammengestellt
nach Originalentwürfen und Kopien, befinden, sind
sehr gediegen. Der Band bildet für die in der letzten
Zeit etwas eingerostete Holbeinforschung eine wert¬
volle Aufmunterung und für das kunstliebende Publi¬
kum eine ausgezeichnete Einführung in das Schaffen
eines unsrer Größten. M. E.
Georg Hecht, Der neue Jude. Leipzig 1911, Gustav
Engel Verlag.
Es war eine ungewollte Folge des Antisimetismus,
daß ein Teil der Juden von der bisherigen Forderung,
als Staatsbürger Gleichberechtigung mit den Anders¬
gläubigen zu erlangen, überging zu der Einsicht, die
Juden seien eine geschlossene, den Ariern mindestens
gleichwertige Rasse, und diese selbständige Rasse
müsse eine eigene geschlossene Kultur und soziale
Organisation erhalten. So wandelte sich die Juden¬
frage für die Juden selbst von der Abwehr- und Gleich¬
berechtigungsbestrebung zum Zionismus. Der Zionis¬
mus betonte nicht die jüdische Religion, sondern die
jüdische Rasse, er setzte an Stelle der Kompromisse
ein Entweder-Oder. Nach Herzls Tode zerfiel der
Ziqnismus in Gruppen und Grüppchen und lähmte
durch seine Zersplitterung die Kraft und Wirkungs¬
fähigkeit seines Grundgedankens. Die Gruppen schei¬
den sich nicht scharf von einander, aber man kann
sagen, ein Teil der Zionisten hebt die praktische Frage
der Wanderung nach Palästina hervor, während bei
dem anderen Teil der Zionismus im wesentlichen eine
Kulturfrage ist; er fordert eine einheitliche Kultur und
eine internationale Organisation. Georg Hecht be¬
müht sich, zu vermitteln, doch neigt er mehr zu den
Kulturzionisten. — Es ist hier nicht der Ort, für oder
gegen die Tendenz des Werkes Stellung zu nehmen,
sondern es ist zu fragen, ob das Buch die Erfüllung
dessen ist, was der Autor wollte, und was der Leser
erwartet. Hechts Buch will eine Grundlegung des
neuen Judentums sein. Es ist als ein Versuch zu be¬
achten; daß es aber nur ein Versuch ist, eine An¬
deutung, eine dünne Zeichnung an Stelle eines kräf¬
tigen Umrisses, ist wohl auch dem jugendlichen Ver¬
fasser klar. Das Buch ist nicht einheitlich, nicht straff
genug im Aufbau, Darlegung und Auffassung. Zuviel
Angelesenes, Unwesentliches springt zwischen den sach¬
lichen Ausführungen umher. Es entstand eine Reihe
Essays, statt daß diese Vorstudien zu einem zusammen¬
hängenden System verarbeitet worden wären. Wenn
das Buch aber nur als Essaysammlung hatte gelten
wollen, so durfte es nicht so hohe Ansprüche machen,
so starke Forderungen erheben. Man wird sich freuen
über die ehrliche Begeisterung Hechts für die zioni¬
stischen Ideen, man wird sich wundern über die Selbst¬
verständlichkeit, mit der er sagt: „Wir halten es für
das Natürlichste in der Welt, die Judenfrage mit dem
Zionismus zu beantworten." Aber das dünne Buch
will zu viel g£ben; es gewährt ofe nur künstlich po¬
lierte Oberfläche, statt Tiefen, Kanten, Ausblicke. Die
Tatsachen sind nicht genügend und zusammenhängend
aufgezeigt, und die Folgerungen sind nicht scharf und
eindringlich genug gezogen. Daher überzeugt das
Buch nicht recht. Und wie es zumeist in zionistischen
Schriften geschieht, die Theorie, die Reflexion erdrückt
stets die praktischen Vorschläge, und es wird zu wenig
erklärt, wie die „neue soziale Strukturierung derjuden-
heit“, „die Regeneration, der Aufbau, die Erneuerung
der jüdischen Gesamtheit“ vor sich gehen kann. P-s.
Hanns Heinz Ewers, Alraune, die Geschichte eines
lebenden Wesens. Georg Müller Verlag, München.
Dies Buch wurde erzeugt aus zwei drängenden An¬
trieben. Ewers muß seine Phantasie spielen lassen,
ungeheuerliche Geschehnisse muß er ersinnen, bum
und eindringlich darstellen, kühn verknüpfen und alle
Erscheinungen des Lebens ausnutzen, ins Groteske
verzerren, ins Grausige, Quälende umgießen. Das
Sonderbare, das ein Symbolisches, Unaussprechliches
birgt, und die Wirkung ungekannter Mächte und
Zusammhänge in phantastischen Offenbarungen will er
gestalten. Zweitens aber weiß Ewers, daß seine Art
heute beim Publikum „zieht“, er weiß allzu sicher,
daß die Leser von ihm gerade das Phantastische,
Grausige, Ungeheuerliche erwarten, daß er zu den
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interessanten Autoren (in doppeltem Sinne) zählt Und
so treibt er Wucher mit seiner Begabung, wird auf¬
dringlich, er wird Spezialist. Man hört aus den Seiten
des Buches heraus, was der Autor sicherlich, als er es
schrieb, still bei sich gedacht hat: So wollt Ihr es
haben, so sollt Ihr es haben; seht einmal, wie inter¬
essante Dinge ich mir ausdenke; sicherlich wird dies
einschlagen und davon wird man sprechen. — Und
so ist dies Buch eins der ungeheuerlichsten, mon¬
strösesten Werke geworden, welche die deutsche Lite¬
ratur überhaupt aufzuweisen hat Es kommt kein an¬
ständiger Charakter in dem Werke „Alraune“ vor.
Prächtige Ausgeburten der Hölle, der Unzucht, der
Verzweiflung, der Nichtswürdigkeit, Unverschämtheit
und Bosheit treiben in wildem Wirbel ihr Wesen.
Dies Buch ist „schweinicht" in einem höheren Sinne.
Und doch ist zu bewundern, wie sicher und atemlos
die Erzählung dahinstürmt, wie die Erfindung — wenn
sie auch oft gewaltsam ist — nie aussetzt, wie kol¬
portagehaft selbstverständlich, knapp, aufregend und
rasch wechselnd die unerhörten Situationen dargestellt
sind. Sicher und in grader Linie wird der Grund¬
gedanke durchgeführt: die schrecklichen, halb un¬
bewußten Wirkungen des Wesens Alraune zu schildern,
das erzeugt ward aus dem Samen, den ein Mörder
verlor, als er hingerichtet wurde, und aus dem Schoße
einer unersättlichen Dime. Aus Verbrechen und Fri¬
volität wurde Alraune gezeugt, Verderben und Grauen
stiftend geht sie durchs Leben und findet ihren Unter¬
gang im Liebeskampf mit dem, der sie ersann.
K. P.
Sassa yo yassa, Japanische Tänze. Text von
Bernhard Keller mann. Lichtdrucke tmd Ätzungen
nach Studien von Karl Walser . Berlin, Paul Cassirer
Verlag.
Bernhard Kellcrmann, den Liebe zum Volk der
Japaner und ein Vorschlag des Verlegers nach Japan
trieb, hat mit einfachen Worten voll Zartheit und An¬
mut aufgezeichnet, was er von japanischen Tänzen
gesehen und erfahren hat. Er sagt, die Teehäuser
und die lieblichen Tänzerinnen hätten ihn in so starker
Weise angezogen, daß er sich vomahm, ,;ein Spezialist
in Teehäusern und Tänzerinnen zu werden, möge es
kosten, was es wolle“. Er habe sich auf Jahre hinaus
finanziell vollkommen ruiniert, aber er mußte „dieses
Schweben der schlanken Mädchen sehen, dieses Vi¬
brieren des Fächers, er mußte die Trommel hören
und die kleinen drolligen Schreie der Tänzerinnen.“
Er wohnte in dem sauberen, zierlichen Gasthaus der
kleinen Stadt, saß die Nächte mit seinem Wirt und
dessen Großvater in den Teehäusem und beschaute die
schwebenden Bewegungen der Tänzerinnen und das
gesittete, höfliche, schwirrende Treiben der Einwohner
und Besucher dieser Häuschen. Es trieb ihn, diese
Tänze ganz und gar zu erforschen, er lud eine blinde
Tanzlehrerin und einige Tänzerinnen in sein Gasthaus
und ließ sich genau all die Balladen und Romane
erzählen, aus denen das Volk der Impressionisten
irgendeinen Moment herausgehoben hat, der durch
die andeutenden Bewegungen des Tanzes dann ver¬
sinnbildlicht wird. Es sind also all diese 200 Tänze,
die sich durch Generationen fortgeerbt haben, nicht
zu verstehen ohne diese erläuternden Erzählungen,
und doch erfaßt dieses Volk von Tänzern die feinen
Gesten der Tänzerinnen, erlauscht aus der zitternden Be¬
wegung des Fächers, aus einer seltsamen Neigung
des tanzenden Mädchens erschütternde und beseeli-
gende Ereignisse. Wie die Ideogramme der japa¬
nischen Schrift sind diese Tänze erfüllt von Rätseln
und Verschlingungen, die den Kenner in Entzückung
versetzen. Und es ist für uns Europäer ein fast un¬
vorstellbarer Gedanke, daß ein ganzes Volk aus solchen
Kenpem besteht, welche die Geheimnisse von Licht,
Farben und bewegte Linie von Grund auf erkannt
haben; denn dies Volk ist durch eine Kultur von
Maß, Sitte und Harmonie durch Jahrhunderte einheit¬
lich geformt und gebildet wie kein anderes der
Welt Kellermanns Aufzeichnungen bestätigen vieles,
was wir bereits von der Kultur der Japaner wissen,
sie erzählen manches Neue über den Inhalt und die
Art dieser Tänze, welche man als den Höhepunkt des
Impressionismus bezeichnen kann, in einer leichten,
impressionistischen Art der Schilderung, die eindring¬
lich ist, ohne aufdringlich zu sein. Wenn Kellermanns
Berichte der Wahrheit entsprechen, so kann man nicht
glauben, daß die alte japanische Kultur schon so sehr
von den Europäern aus Japan vertrieben sei, wie uns
einige neuere Besucher des Landes glauben machen
wollen. Und wir erkennen wieder mit Bewunderung
dies uns oft geschilderte Volk, welches in den letzten
20 Jahren ganz Europa liebgewonnen hat
Das auf gutes Papier sorgfältig gedruckte Buch
ist in ein buntbeblümtes Papier gebunden, zu dem der
dunkelbraune Lederrücken ein wenig hart absticht
Eine große Anzahl von Zeichnungen Karl Walsers ist
dem Buche beigegeben, welche die Bewegungen ja¬
panischer Tänzerinnen mit Anmut und meistens mit
großer Sicherheit wiedergeben, so daß wir bewundern,
wie sich der Künstler in die Kultur des fremden
Volkes eingefühlt hat. K. P.
Hermann Levy, Die stille Frau. Verlag Bruno
Cassirer, Berlin.
Dies überaus schön gedruckte Heft von 32 Seiten
ist ein merkwürdiges Werk. Der Dichter, der schon
in dem Gedichtband „Orchideen“ zeigte, daß er eigenes
inneres Erleben in eigene Form zu gestalten sich
bemüht, versucht hier ein großes seelisches Abenteuer,
einen Romanstoff in ein lyrisches Epos umzugießen.
Auf ihm lastet fraglos der Einfluß von Dehmels „Zwei
Menschen“: die Einteilung in zwei Zyklen zu je zehn
lyrischen Romanzen, die oft dialogische Ausdrucksform,
Verbindung des Landschaftlichen mit dem Seelischen
sowie gewisse Wortbildungen zeigen dies deutlich.
Übrigens wirken die allzu vielen Neuwortformungen —
wie wild werde froh, Fragebeben, Klangvemehmensollen,
Mondesrätselwacht — bisweilen störend und aufdring¬
lich. Levy ist zarter nnd stiller, oft auch knapper als
DehmeL Das Problem der stillen Frau ist dasselbe
wie in Dehmels „Zwei Menschen“, aber der andern
Grundstimmung Levys entspricht die Losung. Der
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Mann, der in der Ehe mit der stillen, selbstverständ¬
lich-ergebenen Frau kein Genüge fand, erlebt in
schöner Seelandschaft ein kurzes Seelenglück im Zu¬
sammenleben mir der frischen, lebensvollen Frau eines
anderen Mannes. Aber nicht in lustfrohem Sich-
geniessen, in dauernder Hingabe führen die beiden
verbunden ihr Dasein weiter, sondern sie fühlen sich
schuldig; sie haben zuviel Kultur in sich, um ihre alten
Lebenskreise zu zerstören, sie sehnen sich nach Ruhe;
die Frau geht wieder zu dem ruhigen älteren Mann,
und der Suchende hat durch seine kurze Leidenschaft
Erlösung von der alten Schuld gefunden und kehrt
liebend und beruhigt zu seiner stillen Frau zurück.
Er hatte schon früher geahnt: „Wenn du sie läßt,
wirst du sie wiederfinden.'* — In 20 Gedichten rollt
sich dieser Roman ab als Ich-Erzählung. Handlung
wird wenig gegeben; aus Dialog, Selbstbetrachtungen
und Naturdarstellung setzt sich das Werk zusammen.
Nicht plastisch und -klar formt sich das Geschehen,
sondern aus den Impressionen dieser Darstellungs¬
elemente muß sich im Leser die Entwicklung selbst
gestalten. Wie in den „Orchideen" findet sich noch
manches Herkömmliche im Ausdruck; die freien
Streckverse sind bisweilen schwerfällig und gezwungen.
Aber eine Stille, eine seelische Vertiefung, eine
schwebende Schwere geben dem Werke eine Einheit¬
lichkeit, die es beachtenswert erscheinen läßt -th.-
Carl Hauptmann , Nächte. Emst Rowohlt Verlag
in Leipzig 1912.
Der einsame Rübezahl des schlesischen Erzgebirges,
der vielgelobte und wenig gelesene Seelensucher, bie¬
tet in diesem Werk drei Erzählungen dar. Herb,
hart in gedrungenen Sätzen wird hier erzählt, aber
ein Feuer wühlt in den Gründen dieser Geschichten.
Zwei tragische Schicksale rollen sich ab, und eins, das
zur Erlösung führt. Die beiden in ländlicher Umgebung
lebenden Helden der Geschichten „Claus Tienappel"
und „Ein Später Derer van Dom" werden, als durch
eine Liebesleidenschaft ihre Lebensfreude, ihr Ge¬
nießenwollen erweckt ist, zu elendem Untergang ge¬
führt. Umgewühlt wird das Gemüt des starken Forst¬
mannes durch die Treulosigkeit der leichtsinnigen Ge¬
liebten ebenso wie die Seele des jungen Pfarrers aus
adligem Geschlecht, der, halb Asket, halb Ritter, trotz
alles Sträubens die Liebe zu einer Dame von Weilt
in seinem einsamen Fischerdorf in sich aufblühen
fühlt, und in dem dann, als er seine Unterlegenheit
in der Großstadt fühlt, alle Instinkte des verkommenen
Raubrittertums ausbrechen und zur Tat werden, sodaß
er später büßend zu Tode siecht Am bedeutendsten, nicht
in der Technik — sondern durch die Wahl des Prob¬
lems und durch die Lösung erscheint die umfang¬
reichste Erzählung „Franz Popjels Jugend". Haupt¬
mann hat hier ^versucht ein Motiv zu formen, das zu
den ungestaltbarsten gehört, weil es ganz imUnterbewuß-
ten der menschlichen Seele gegründet ist Ein Sohn
aus gutem Haus, von guten Menschen umgeben, sucht
eine Form für sein Leben, aber da jeder fremde Zwang,
jeder eigene Wille hinwegfällt, gewinnt das Unter¬
bewußte seiner Seele in ihm die Macht; halb Deka¬
denz-Kulturgeschöpf, halb Verbrecher taumelt er seiner
selbst kaum bewußt durchs Dasein. Der schon fast
dem Untergang Verfallene wird aber auf magische
Weise gerettet Je näher die Mutter dem Tode
kommt, um so gereinigter wird seine Seele, und als
die Mutter stirbt ist er erlöst und zum klar bewußten
Menschen geworden. Hart suchend und spröde ge¬
staltend hebt Hauptmann hier Stück für Stück Vor¬
stellungen und Taten aus einem verwirrten Leben
heraus, und die Geschichte eines Krankseins wird die
Geschichte einer Erlösung. — In allen drei Geschich¬
ten herrscht die Technik der graden Linie. Die mit
schweren Worten dicht gefüllten Sätze stehen herb
nebeneinander, und die Phantasie des Lesers wird
reich dam itbeschäftigt, diese seelischen Impressionen
und scharf gefühlten Vorgänge zu einen. -in-
Wilhelm Schäfer ; Karl Stauffers Lebensgang. Eine
Chronik der Leidenschaft. 1912, München und Leipzig
bei Georg Müller.
Diese Dichtung eines verwirrten und verfallenen
Lebens hat auf mich erschütternder gewirkt als alle
Romane, die ich in einem Jahre las. Man könnte
sagen, dies Buch wirke so stark, weil es das wirkliche
Leben eines wirklichen Künstlers enthält, dessen Schick¬
sal von allen Menschen, welche die Kunst lieben,
immer wieder besprochen wird; weil Menschen darin
auftreten, die noch unter uns wandeln, und weil Werke
und Kämpfe geschildert sind, die wir alle kennen.
Aber man versuche es, alle Namen durch gleichgültige,
unbekannte zu ersetzen, man vergesse das wirkliche
Geschehnis, sondern denke, diese Fabel sei vom Autor
erfunden — und das Werk wird nichts von seiner Kraft,
Einheitlichkeit, Folgerichtigkeit und Wirkung verlieren.
Dies beweist, daß das Buch ein Kunstwerk ist. —
Schäfer hat sich dadurch einen Namen gemacht, daß
er allgemein bekannte Stoffe in straffer, künstlerischer
Form neu erzählte. Dies Buch ist nach Inhalt und
Form sein bedeutendstes Werk in dieser Art. Das
Werk ist eine fingierte Selbstbiographie: man soll
glauben, der Maler Stauffer-Bem habe vor seinem
Selbstmord sein mißlungenes Leben aufgezeichnet, und
diese Aufzeichnungen würden hier veröffentlicht Stauffer
war ein Schweizer; Schäfer hat viel von Gottfried
Keller gelernt; und so ist diese Chronik der "Leiden¬
schaft in einem breiten, kräftigen, farbigen Stil von
plastischster Anschaulichkeit geschrieben. Zahlreiche
Dokumente, die Berichte vieler noch lebender Personen
standen Schäfer zur Verfügung, das Schönste aber und
Kunstvollste hat er selbst hinzugefügt: die Aus¬
schmückung der Einzelheiten, das Zusammenfassen der
einzelnen Erlebnisse durch die gewaltige Nach-
Erdichtung eines schweren, schicksalsbelasteten Lebens,
das fast zum Symbol wird. Und es ersteht die mächtige,
eindringliche Gestalt eines Menschen, eines Künstlers,
der so der Legende angehören wird, wie ihn hier
Schäfer darstellt, wenn auch diese Schilderung ebenso
wenig wie die Biographie Stauffers von Otto Brahm
völlig den Tatsachen entspricht. Der Mensch, der hier
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geschildert wird, weiß, daß er von den ersten Jahren
seines Lebens an in Schuld verstrickt ist, daß eine
Hand über ihn waltet, die ihn ins Verderben treibt.
Aus Not und Verwahrlosung steigt er herauf und wird
durch Wahn und Vergehen hinabgeschleudert in eine
Tiefe, aus der es in unserer Gesellschaft keine Wieder¬
kunft mehr gibt. Doppelte Leidenschaft durchwühlt
ihn: Leidenschaft zu seiner Kunst und Leidenschaft
zum Leben. Die Grenzen seiner Begabung kennend
ringt er auf jedem Gebiet der bildenden Kunst um
Vollendung; kaum beherrscht er eine Kunst, läßt er sie
außer acht und greift nach der nächsten. Man kann
nicht sagen, ob er dereinst die Kunst bezwungen hätte,
vielleicht hätte seine Leidenschaft ihm den Sieg ge¬
bracht. Aber die andere Leidenschaft zum Leben
schlug ihn nieder: größenwahnsinnige Pläne, Liebe zu
einer verheirateten Frau und Machtstreben ließen ihn
handeln, daß man einen Verbrecher in ihm sah. Und
in Not und Verwahrlosung schloß dies Leben, wie es
begonnen hatte. — Schäfer hat die Fragmente dieses
wirren Schicksals zu einem Kunstwerke ausgearbeitet;
es ist nicht möglich, hier über Einzelheiten zu reden,
aber ich glaube, dies Buch ist als ein Epos unserer
Zeit anzusehen, als ein Epos, in dem wirkliches Ge¬
schehen und dichterische Kraft ein Kunstwerk gebildet
haben, wie in den Epen aller anderen Zeiten. P-s.
Der lose Vogel nennt sich eine seltsame Monats¬
schrift, deren erste Nummer im Demeter-Verlag, Leip¬
zig, erschien, ohne daß in dem 40 Seiten enthaltenden
Heft der Name eines Herausgebers oder irgendeines
Verfassers zu finden gewesen wäre. Wer aber den
Herausgeber und seine Schriften kennt — es ist Franz
Blei —, und wer die anonyme Ankündigung, welche
dem ersten Hefte beiliegt, gelesen hat, erkennt sofort
das Bestreben dieser neuen Zeitschrift gegen unsere
Zeit. ,,Der lose Vogel“ soll sich gegen den Fortschritt,
gegen die „in leere Phrasen verblasene allgemeine
Aufregung revolutionärer Konventikel“, gegen das Un¬
wahre, oberflächlich Gebildete, gegen die Kunst¬
popularisierung wenden und für eine Kultur kämpfen,
welche sich aus der Tradition entwickelt und den
Menschen selbst ab höchsten Wert besitzt. An dieser
Zeitschrift „sollen später Geschlechter erkennen, daß
der Zeitlauf, über den sie richten, auch seinen Gegen¬
lauf hatte, dem, wenn auch der Erfolg, so doch der
ehrliche und stolze Mut nicht fehlte“. Allerdings
spricht „Der lose Vogel“ weniger gegen seine Gegner
als für seine eigenen Meinungen und Absichten. Da¬
mit nicht das Interesse der Leser auf die Autoren ab¬
gelenkt werde, sondern nur bei der Sache verharre,
sind sämtliche Beiträge anonym erschienen. — Für
Bibliophilen ist „Der lose Vogel“ besonders zu be¬
achten, denn er ist sehr schön gedruckt. Den Umschlag
eines jeden Heftes ziert ein phantastischer Rokoko-
Vogel von E. R. Weiß. Ohne jeden Schmuck und ohne
Typenabwechslung ist die Zeitschrift gleichmäßig fort¬
laufend in Antiqua gedruckt. Selbst die Überschriften
sind nicht fetter gedruckt, sondern nur um einen Grad
größer als die übrigen Typen und von zwei dünnen
Linien eingerahmt. Die sonderbare typographische
Anordnung verbreitet eine edle Ruhe; wenn auch der
Fluß des Dargebotenen ein wenig eintönig dahinrinnt
Es sollen hier nicht die einzelnen Beiträge selbst kriti¬
siert werden, sondern es war nur auf die Absicht und
die Form dieser neuen Zeitschrift hinzuweisen. Man
sollte dem „losen Vogel“ wünschen, daß er noch ein
wenig bunter werden und ein recht langes Leben haben
möchte. -th-
Dr. Emst Bergmann: Die Begründung der deut¬
schen Ästhetik durch Alex. Gottlieb Baumgarten und
Georg Friedrich Meyer. Mit einem Anhang: G. F.
Meyers ungedruckte Briefe. Leipzig 1911, Verlag von
Röder & Schunke.
Man hat sich im allgemeinen mit der Geschichte
der Ästhetik weniger beschäftigt als mit der Geschichte
der übrigen philosophischen Disziplinen, und besonders
die Entwicklung der deutschen Ästhetik vor Lessing
ist noch stark in Dunkel gehüllt Ernst Bergmann hat
mit Erfolg versucht, dies Dunkel zu erhellen, indem er
die Anfänge der deutschen Ästhetik überhaupt, das
heißt von „der Erkenntnis der Notwendigkeit einer
philosophischen Fundierung der Poetik“ an, darlegt.
Die Grundlage der deutschen Ästhetik ist von Baum¬
garten und von dem, der dessen Grundideen weiter
ausbeutete und verbreitete (Baumgarten hat seine
Ästhetik überhaupt nicht vollendet): von dem allzu¬
sehr vergessenen, in Halle a. S. lebenden Philosophen
Georg Friedrich Meyer(i7i8—1777) geschaffen worden.
Meyer war um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts eine
einflußreiche und bekannte Persönlichkeit, er entfaltete
eine reiche Tätigkeit und verfaßte etwa 65 Publi¬
kationen. Die ästhetischen Schriften Meyers fallen
fast sämtlich in die Jahre 1741—50. Als die Höhe¬
punkte seines Schaffens müssen seine Hauptschrift
„Anfangsgründe aller schönen Wissenschaften“ 1750
und sein energisches und begeistertes Eintreten für
Klopstock gelten. Bergmanns Untersuchung sind zu¬
grunde gelegt die Schriften und Vorreden Meyers, die
anonym erschienenen Abhandlungen und 28 bisher unge¬
druckte Briefe Meyers, die dankenswerterweise in
einem Anhang abgedruckt werden. Diese Briefe sind
fast alle an Bodmer und Gleim gerichtet und bilden
ein bedeutsames, lebendiges Dokument für den Kampf
der Schweizer gegen Gottsched und für die Aufblüte
der deutschen Poesie um 1750. Bergmann gibt eine
gründliche wissenschaftliche Darlegung der ästhetischen
Hauptwerke Meyers, und ist stets bemüht, dessen
Stellung in den künstlerischen und wissenschaftlichen
Ereignissen seiner Epoche zu zeigen. Die Begründung
der deutschen Ästhetik fällt zusammen mit dem Kampf
gegen Gottsched; und dieser Kampf wurde seit 1741,
einem Jahr nach dem Erscheinen der Hauptwerke
der Schweizer, in Deutschland zunächst allein von
Meyer geführt. Meyers erstes bedeutenderes Jugend¬
werk „Gedanken von Scherzen“ lenkte zuerst die Ä u ^
merksamkeit der Schweizer auf den Hallenser Philo¬
sophen, und seitdem blieb er der Verbündete der
Schweizer und ihrer Anhänger. Seine zweite wichtigere
Schrift, die „Abbildung eines Kunstrichters“, ent*
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Nen erschienene und angekündigte Bücher
7 *
hält die bei Baumgarten fehlende Geschmackslehre
der Wölfischen Schule. Mit dem Jahre 1845, gerade
als die erste Periode des großen Literaturstreites ihr
Ende erreicht hatte, beginnt der eigentliche Krieg
zwischen Gottsched und Meyer, der in der Literatur¬
forschung viel zu wenig beachtet worden ist. Meyer
war befreundet mit Lange und schrieb zu dessen
„Horazischen Oden“ die einflußreiche Vorrede „Vom
Werte der Reime“, in der sich Meyer als der konse¬
quenteste Gegner des Reimes erzeigt. Seit 1746 be¬
ginnt in sechs Stücken die „Beurteilung der Gott-
schedischen Dichtkunst“ zu erscheinen, seine Ab¬
rechnung mit Gottscheds Poetik. Eine Flut von Sonder¬
broschüren und Kritiken rief seine „Beurteilung des
Heldengedichts der Messias“ hervor, da er in ihr als
erster vor den Deutschen Klopstocks Werk begeistert
pries. Unter den Gegnern Meyers befand sich damals
auch Lessing, aber Meyer schwieg auf seine Angriffe
und trat, ohne sich zu wehren, die Führung in der
deutschen Ästhetik an den Größeren ab. -in*
Elisabeth und ihr deutscher Garten, Verlag von
Julius Zeitler, Leipzig 1911.
Dies anonyme Buch einer aus England stammen¬
den Aristokratin über das Landleben in einem nord¬
deutschen Schloß, das von einem großen verwilderten
Garten umgeben ist, erschien vor vierzehn Jahren in
englischer Sprache und wurde eins der beliebtesten
Bücher der neueren englischen Literatur. Die gute
Übersetzung von Hedwig Deneke • W’ächter läßt
vergessen, daß das Werk ursprünglich ein eng¬
lisches ist. Aber wer dies vortrefflich gedruckte
Buch nicht nur ruhig genießend, sondern ein wenig
psychologisch reflektierend liest, wird doch empfinden,
daß es nur von einer englischen Dame geschrieben
sein kann. Denn eine Deutsche hätte dies Thema
nicht so ohne jede Sentimentalität und ohne reflektierende
Bemerkungen schreiben können. Es ist keine Hand¬
lung darin: ruhig, kühl, überlegen, selbstverständ¬
lich schreibt eine Dame von ausgezeichneter Er¬
ziehung tagebuchartig auf, wie sie in ihrem einsamen
Landschloß lebt mit dem „Mann des Zornes“, mit den
Kindern und den Besuchern. Vor allem aber sagt sie,
wie sie ihren Garten liebt und pflegt; denn dieser
Garten erfüllt ihre klare Seele mehr als die Menschen.
Mit Kühle, Distanz und Ironie spricht sie von allen,
die in den Kreis ihres Daseins treten und erwärmt
oder ereifert sich über den Gatten und die Kinder
ebensowenig wie über den Gärtner oder die Gou¬
vernante. Alles Menschliche ist für sie selbstver¬
ständlich, und ein faux pas ist für sie ebenso un¬
möglich wie eine Emotion über menschliche Dinge.
Sobald sie aber von ihrem Garten, von den Blumen,
vom Leben in der freien Natur spricht, bricht aus ihren
einfachen Worten ein Blühen und Strahlen hervor. All
ihre Sinnlichkeit, ihre Liebe zum Leben und zu Erleb¬
nissen hat sich umgewandelt in das eine Gefühl: die
Freude am selbstverständlichen heiteren Leben in der
einsamen, freien Natur. Man wird ganz ruhig, wenn
man dies Buch liest, in dem kein lauter Ton die klare
Stille unterbricht, und man hat etwa das Gefühl, als gehe
man durch einen klaren Wintermorgen oder empfände
den feuchten, frischen Geruch eines Frühlingstages.
K. P.
Henryk Sienkiewicz, „Lebenswirbel". Roman*
Autorisierte Übersetzung von M. Norbert. Kempten
und München 1911. Verlag der Jos. Köselschen
Buchhandlung.
Dieses Werk ist zu den schwächeren Unter¬
haltungs-Romanen des erfolgreichen Polen zu rechnen.
Ein dicker Band Lektüre, in dem nichts eigent¬
lich gestaltet ist, nichts plastisch hervortritt; ein Buch,
das breit und schwerfällig einsetzt, immer flacher
dahinfließt und schließlich versandet, wiewohl die vielen
Fäden der Handlung noch lange Zeit hätten ver¬
knüpft und verwirrt werden können. Auf das Detail
ist nirgends Sorgfalt verwendet, und das, was Ersatz da¬
für hätte bieten können: die starken, klaren Linien, die
schöne Komposition, Herausarbeiten der Probleme— all
das ist nicht zu finden. — Es ist leicht zu ersehen, was
Sienkiewicz gewollt hat Er wollte das arme ver¬
wirrte Polen zeigen, das durch die sozialistische Be¬
wegung in Unruhe gebracht ist, dessen Adel, durch
innere Konflikte und die äußeren Feinde geschwächt,
die Führung des Volkes nicht mehr aufrecht erhalten
kann. Aber das eigentlich Romanhafte erdrückt
immer wieder die großen Absichten, und konventio¬
nelle Szenen in der Art der Familienblatt-Romane
machen das Buch für anspruchsvollere Leser oft zu
einer qualvollen Lektüre. Die Probleme werden eigent¬
lich nur gesprächsweise abgehandelt, die Masse der So¬
zialisten und des Volkes bleibt schattenhaft im Hinter¬
gründe, die Adligen sind Menschen ohne Kraft, Willen
und Leidenschaft Auch am seelischen Problem, am
„Roman-Sujet“, ist Sienkiewicz gescheitert, nicht nur
weil dies Motiv gesucht, krampfhaft, romanmäßig ist,
sondern weil die beiden Charaktere zu blaß, mensch¬
lich gleichgültig und kraftlos sind. Ein junger Aristokrat,
der einst in einer dunklen Scheune ein armes Mädchen
verführt hat, liebt eine aus England kommende,
schöne und edle Dame. Er verehrt sie wie ein über¬
irdisches Wesen und ist glückselig, als seine Liebe
erhört wird. Grade in dem Augenblick aber, als er
seine Liebe gesteht, erfahrt er, daß diese Dame das
dereinst verführte Mädchen ist. Dennoch will er sie
ehelichen, aber der überirdische Schimmer ist hinweg.
Das Gefühl, sich schon einmal in ganz anderen Um¬
ständen angehört zu haben, quält die beiden; und
schließlich läßt sich der Held hinreißen, die Dame
abermals verführen zu wollen. Nach diesem Aus¬
bruch der Leidenschaft verzichtet das einst arme,
frohsinnliche, nunmehr vornehme und edle Mädchen
für immer; schnell werden die zahlreichen Neben¬
handlungen durch einen Mord und andere plötzliche
Ereignisse zu Ende geführt, und so nimmt der Roman,
der sich den großen Vorwurf gewählt hatte, zu zeigen,
wie die Menschen durch seelische Kämpfe und durch
die Wirren einer Zeit umhergewirbelt, glücklich und
unglücklich gemacht werden, ein schnelles und un¬
rühmliches Ende. K. P.
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72
Ncn erschienene nnd angekündigte Bücher.
Was sollen unsere Jungen lesen? Ein Ratgeber
für Eltern, Lehrer und Buchhändler. Herausgegeben
von Professor Dr. Fritz Johannesson. Berlin 1911,
Weidmannsche Buchhandlung.
Der Herausgeber dieses Buches war vom Mi¬
nisterium der geistlichen und Unterrichtsangelegen¬
heiten beauftragt, für die deutsche Unterrichtsaus¬
stellung in Brüssel eine Schülerbücherei für höhere
Lehranstalten zusammenzustellen. Aus dem Ver¬
zeichnis dieser Bücherei im Katalog der Ausstellung
ist dieses Werk entstanden, welches das große Ver¬
dienst hat, zum erstenmal in umfänglicher Weise allen
guten Lesestoff zusammenzustellen, der für die männ¬
liche Jugend auf den verschiedensten Gebieten in
den einzelnen Altersstufen in Betracht kommt. In
einigen einleitenden Kapiteln setzt der Herausgeber
kurz seine Ansichten auseinander über das Lesen der
Knaben und Jünglinge und über die Grundsätze,
welche ihn und seine Mitarbeiter bei der Auswahl
der Bücher geleitet haben. Die Meinungen des Herrn
Professor Johannesson sind freie und klare Ergeb¬
nisse und Überzeugungen, und auch der Nichtpädagoge
kann sich mit seinen Ausführungen im ganzen ein¬
verstanden erklären, selbst wenn man nicht so durch¬
aus überzeugt ist, daß „Religion und Vaterlandsliebe
für uns die unerschütterliche Grundlage sittlicher Er¬
ziehung bilden“. Man freut sich besonders, daß der
Herausgeber nicht nur gegen die allgemein bekannte
Schundliteratur kämpft, sondern daß er auch die
Jugendbücher, welche allein erziehend und belehrend
wirken wollen, ohne ästhetische Werte zu bieten,
streng aus seiner Auswahl verbannt Er fügt ein be¬
sonderes Kapitel „Vom ästhetischen Wert der Jugend¬
lektüre“ und sogar eins „Von der Buchausstattung 4 '
ein. — Ein wenig eng erscheinen mir allerdings die
Grundsätze, welche den naturwissenschaftlichen Mit¬
arbeiter des Buches leiten. Er fürchtet das „Gift“
der monistischen Weltanschauung, die „ebenso zu
den Lehren der christlichen Religion wie auch zu den
Grundsätzen unserer staatlichen und gesellschafdichen
Ordnung in schroffem Gegensätze steht“; und so läßt
er alle Bücher, welche von monistischen Autoren ver¬
faßt sind, aus dem Verzeichnis fort; es ist zum Bei¬
spiel kein einziges der schönen Bücher von Bölsche
verzeichnet — An die theoretischen Auseinander¬
setzungen schließt sich das 200 Seiten umfassende
Verzeichnis der empfehlenswerten Bücher an. Auf
die Bücher „Für die Kleinen" und für die „Vorschule“
folgen in sechs Abschnitten die Werke für Sexta bis
Unter-Sekunda nach den einzelnen Klassen geordnet,
und den Beschluß macht der besonders sorgfältig aus¬
gearbeitete Katalog der Bücher, welche für die Ober¬
stufe (Obersekunda und Prima) geeignet sind. Inner¬
halb der einzelnen Stufen sind wieder die einzelnen
Disziplinen der Lektüre eingeordnet. Weitaus am aus¬
führlichsten berücksichtigt ist stets die schöne Literatur,
und für mein Gefühl ist diese Auswahl so umfassend,
vourteilsfrei und von Kritik und Geschmack dikdert,
wie es auf dem schwierigen Gebiete der Jugendlektüre
nur irgend möglich sein kann. In knapperen, aber
ebenfalls gut ausgeiVählten Verzeichnissen werden
Bücher aus der Geschichte und Erdkunde, aus den
naturwissenschaftlichen Disziplinen, aus Religionskunde,
Philosophie, Tumsport und Kunst aufgeführt. — Es
ist nunmehr ein Buch vorhanden, in dem Lehrer,
Eltern, Buchhändler stets Rat und Auskunft finden,
wenn sie Kindern Bücher geben oder schenken
wollen. Aber ich glaube, daß die Eltern immer noch
zu leichtsinnig und gleichgültig sind gegenüber der
Lektüre der Kinder, und es wird nicht eher starke
Besserung zu erwarten sein, als bis allen Eltern solche
trefflichen Ratgeber umsonst ins Haus geschickt
werden. -s
Die Blümlein des heiligen Franziskus von Assisi.
Im Insel-Verlag, Leipzig 1911.
Wer jemals auf dem durch Franziskus für die
Ewigkeit geheiligten Hügel von Assisi stand und auf
die fruchtreiche Ebene Italiens hinabschaute, wer in
der Unter- und Oberkirche die Fresken Giottos sah,
die das Leben des Heiligen mit reiner und unab-
gelenkter Innigkeit darstellen, der wird auch das
Buch lesen wollen, dessen Geschichtlern diesem Lande
entsprossen wie die Blumen dieser reichen Landschaft.
Und wer empfunden hat, wie das Leben des Fran¬
ziskus — sein Tun und seine Rede — Nachdenken, die
Taten, Seligkeit und eine neue Kunst erweckte, der
weiß, warum dies Buch den Titel trägt „Die Blümlein
des heiligen Franziskus“. Die „Fioretti“ sind in
Italien in vielen Ausgaben verbreitet. In Deutschland
ward der Reichtum und die Reinheit der Gestalt
Franzisci erst seit einigen Jahren dem breiten Publi¬
kum bekannter, und nunmehr scheint die Kenntnis
von seinem Leben und seiner Bedeutung für die
italienische Kultur fast zur Mode zu werden; — die
Fioretti aber haben nur wenige gelesen. Der teueren
Ausgabe, die bei Diederichs vor einigen Jahren
erschien, folgt nun eine schöne und sehr billige
Ausgabe des Inselverlages. Sie ist von Rudolf
G. Binding veranstaltet und enthält nach einem
kurzen Vorwort die Blümlein des heiligen Fran¬
ziskus in einer klaren, kräftigen Übersetzung. Diese
Übertragung ist so kunstvoll und vom Geist des
alten Werks erfüllt, daß sie mir unübertrefflich
erscheint Ohne altertümelnd, weitschweifig oder sal¬
badernd zu werden, sind die Sätze legendenhaft
wuchtig und naiv gefügt wie ein altes deutsches Ori¬
ginalwerk. — Man möchte wünschen, daß einer solchen
Ausgabe Abbildungen der Fresken Giottos und seiner
Schüler beigefügt seien. Daß es aber fast ein Ding
der Unmöglichkeit ist, diese nur schlecht erhaltenen
Bilder in einer einfachen Ausgabe zu reproduzieren,
zeigen mir die gänzlich mißlungenen Abbildungen in
meiner italienischen Ausgabe. Dafür hat Carl Weide-
meyer-Worpswede zu jeder Geschichte eine hübsche
Initiale gezeichnet, welche in einfacher Holzschnitt¬
maniereinen Moment aus jeglichem Blümlein widergibt.
Mit einer großen altertümlichen Type ist das Werk
auf ein weiches, rauhes gelbliches Papier gedruckt,
so daß wir hier in Form und Inhalt eine einheitliche
Nachschöpfung jener Geschichten haben, welche uns
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Neu erschienene und angekündigte Bücher.
73
die Wundertaten und Betrachtungen des Heiligen
und seiner Jünger zur Ergötzung und Belehrung
erzählen. Kurt Pinthus.
Karl Henckelh „Im Weitergehn". Neue Ge¬
dichte, München 1911, Verlag „Die Lese“.
Wären diese Gedichte 1880 erschienen, so müßte
man ihnen Beifall zollen; in unsem Tagen werden
die belanglosen, herkömmlichen, wenn auch frischen
und lebensfreudigen Verse kaum auffallen, und die
feingeschulten Liebhaber unserer Lyrik können die
Poesie Henckells nicht hoch einschätzen. Breit und
geschwätzig rinnen die Strophen dahin: alte Inhalte
sind in alte Metren gegossen. Oft sind die Gedichte
absichtlich nachlässig in der Form, oft unabsichtlich
abgebraucht in Wort und Rhythmus. Man empfindet
fast ein tragisches Gefühl, wenn man aus einigen
Gedichten ersieht, daß der Dichter wohl weiß, die
Zeit sei über ihn hinweggeschritten, die neueren
Menschen liebte seinen Dichtungen nicht; aber da lacht
er „der prunkhaft preziosen Pedanten/ Und Dichtkunst-
geschmäckler vom Pli“, da äußert er auf die Angriffe
seiner Gegner hin: „Das fördert just mir die Ver¬
dauung/ Und stärkt die lebenskräftige Weltanschau¬
ung.“ Aber dennoch werden Henckells Gegner recht
behalten, denn diese Verse können nicht der höchsten
Kunst zugezählt werden. Dies leicht hingeschmetterte
Besingen des frohen, kräftigen Lebens hat oft etwas
Krampfhaftes, golden Übertünchtes an sich, und die
aktuellen und satirischen Gedichte sind weitschweifige,
nachlässige Improvisationen. Es ist zu wenig von den
Erscheinungen und vom Rhythmus unserer Zeit in
Henckells Poesien — und grade dies möchte er gern
geben; ein optimistisches, bramarbasierendes Sänger-
tum bricht hervor, das nicht viel höher einzuschätzen
ist als die grade von Henckell so bekämpfte Butzen¬
scheibenlyrik. Das rein Gedankliche, die Tendenz
bleibt nicht nur die Hauptsache, sondern führt zur
Vernachlässigung der Form und zur Banalisierung
wirklich lyrischer Motive. — Anspruchslose Leser, die
in der Poesie Erfrischung und kräftigen Zuspruch
suchen, werden sich an Henckells Gedichten erfreuen,
Menschen mit reiferen Gedanken werden sagen, dieser
Dichter hat „im Weitergehn“ ein paar Lieder hin¬
gesungen, die er lieber den Winden hätte geben
sollen als denen, die mit ihm wandern. — Eine sehr
schwache Radierung ist dem Buche beigegeben, der
Druck zu loben. -th-
ln der „ Geschickte der öffentlichen Bibliothek der
Stadt Boston “ hat ihr Bibliothekar Horace G. Wadlin
die Entwicklung der ersten großen nordamerikanischen
Bibliothek geschrieben, die als städtische Institution
eingerichtet worden ist. Die Gründer dieser Bibliothek
dürfen daher mit Recht als die Väter des öffentlichen
Bibliothekswesens in Nordamerika gelten. Merkwürdig
genug ist, daß das Interesse dafür durch einen fran¬
zösischen Schauspieler Alexander Vattemare erweckt
worden ist, der seine Bühnenlaufbahn aufgab, um ein
internationales Tauschsystem für Bücher und die Ein-
Z. f. B. 1912/1913.
richtung von öffentlichen Freibibliotheken und -Museen
in allen möglichen Ländern anzubahnen. Mit diesem
Endzweck im Auge kam er 1841 nach Boston und trug
seine Pläne in einer öffentlichen Versammlung vor mk
dem Erfolg, daß ein Komitee damit betraut wurde,
die Ausführbarkeit seines Schemas zu beraten. Obwohl
verschiedene führende Bürger für diese Bibliothek als
einen Schlußstein in dem System der Volkserziehung
plädierten, so haben es doch — wie George Ticknor,
der Geschichtsschreiber der spanischen Literatur, er¬
wähnt — viele, deren Urteil und Einfluß nicht über¬
sehen werden durfte, als ein Experiment betrachtet,
welches kaum wirklichen, gewiß aber keinen dauernden
Wert für die Stadt erbringen würde. Erst nach mehr
als zehn Jahren wurde der Widerstand überwunden
und die Bibliothek wurde im Jahre 1852 durch die un¬
erwartete Stiftung von 50000 Dollars von Joshua
Bates auf feste Basis gestellt. Der größte Teil des
Buches „The Public Library of the City of Boston“ ist,
wie wir „The Nation“ entnehmen, der Entwicklung der
Bibliothek und der Aufzählung der hervorragenden
Stiftungen in Geld und Büchern gewidmet; es enthält
weiter biographische Notizen über die bei der Ver¬
waltung und Leitung der Bibliothek hauptsächlich be¬
teiligten Persönlichkeiten. Ein Schlußkapitel ist dem
jetzigen Zustand der Bibliothek und der Art und Weise
ihrer Führung gewidmet. Sie enthält ungefähr eine
Million Bände und jährlich werden in der Haupt*
bibliothek, ohne Zählung der Filialen, eineinhalb Milli¬
onen Bände benützt. Der erziehliche Wert der Biblio¬
thek zeigt sich zum Beispier in dem Umstand, daß in
jüngster Zeit an einem Tage 477 verschiedene Bände
von Studenten eines einzigen Colleges in Anspruch ge¬
nommen wurden. Wadlins Buch ist in der Druckerei
der Bibliothek selbst hergestellt und mit Plänen und
Abbildungen geschmückt. M.
Malerisches aus Salzburg . Originalradierungen
von Oskar Graf-Freiburg und C. Pf aff-Bader. 25 Blätter.
Mit begleitendem Text Herausgeber und Verleger
Hermann Kerber, Kaiserlich und Königlicher Hofbuch-
händler, Salzburg.
Für Sammler limitierter Drucke, sowie für Lieb¬
haber vornehmer Schwarzweißkunst wird das vor¬
liegende, nur in 200 numerierten Exemplaren ge¬
druckte Prachtwerk von besonderer Anziehungskraft
sein. Der Name Salzburg ist an sich ein Programm,
in dem sich deutsche Waldlandschaft, Kühnheit und
Trutzigkeit des Alpenlands, Sonnigkeit und Linien¬
schönheit Italiens durchdringen und verschwistem.
Mozart, der genius loci, hat deutsche Tiefe und Innig¬
keit mit romanischer Grazie zu einer höhem Einheit
verbunden. Dieser Geist lebt sichtbarlich in der Stadt,
die durch die gotische Strenge wie durch die spielerische
Anmut des Rokoko mit allen dazwischen liegenden
Stilperioden ihr Gepräge erhält und ihre fesselnden
Reize entfaltet: Romantik an allen Ecken und Enden,
in Natur, Kunst und Menschentum. Diesen romantischen
Geist haben die beiden Künstler nicht nur mit schauen¬
den Augen und sicherer Hand, sondern vielmehr noch
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CORNELL UNIVERSUM
74
Kleine Mitteilungen
mit nachempfindender Seele in ihre Radierungen zu
retten verstanden. Wäre das Werk nur eine Samm¬
lung von 26 Radierungen, so ginge sie lediglich die
Kunst an. Aber die stimmungsvollen Dichtungen in
Vers und Prosa von C. Pf aff-Bader, die launigen
historischen und erzählenden Blätter, die aus R.
v. Streles und Fürst Wredes Werken mit feinem Ver¬
ständnis für die malerischen Gassen, Winkel, Denk¬
mäler, Kirchen, für den von Lenau besungenen Fried¬
hof bei St Peter, für Muelln und die Lustschlösser
Hellbrunn und Anif usf. ausgewählt sind, weisen dieses
Prachtwerk doch auch der Literatur über Salzburg zu.
Von den 26 Platten in Voll- und Teilblättem hat
Oskar Graf 21 radiert; die übrigen fünf Platten und
die Mehrzahl der Vignetten zu den Druckseiten des
Textes gehören Cäcilie Pfaff-Bader, die es ausgezeichnet
verstanden hat, das Architektonische in das Bildmäßige
aufzulösen. Beide Künstler haben sich durch ihre
sonstige Graphik, die landschaftliche, figurale und
Porträt-Darstellungen, sowie feine Gebrauchsgraphik
(Exlibris, Neujahrskarten usw.) umfaßt, einen Namen
von gutem Klang errungen. In dem Werk „Salzburg“
findet sich eine neue Begründung dafür.
Von den Remarquedrucken (Nr. 2—26) mit hand¬
schriftlicher Signatur sind nur noch wenige Exemplare
zu 150 M. verfügbar. Von den Nummern 27—200, das
Exemplar jetzt noch zu 35 M., kann aber gesagt
werden, daß die Drucke dieselben Reize und Fein¬
heiten zeigen, wie die Vorzugsausgabe. Dr. Bgr .
Bilderatlas zur Musikgeschichte. Herausgegeben
von Gustav Kanth. Berlin, Schuster &* Loeffler , 1912.
(VIII und 24&Seiten, Quer-Folio. In Leinenband 12 M.)
Viele, die das in der Zeitschrift „Die Musik“ an¬
gesammelte Anschauungsmaterial zur Musikgeschichte
kennen, werden sich statt der Menge im Durchein¬
ander schon oft eine Auswahl im Nebeneinander ge¬
wünscht haben. Denn die an sich sehr willkommene
stetig vermehrte Fülle von Abbildungen wird mit der
wachsenden Bändezahl dieser Zeitschrift auch für den
Besitzer ihrer vollständigen Reihe einer bequemen,
raschen Orientierung hinderlich. Der Wunsch ist nun
erfüllt worden und man darf sowohl dem Herausgeber
wie dem Verlage des „Bilderatlas zur Musikgeschichte“
für ihr schönes Unternehmen danken. Der billige
Preis der Ikonographie (als welche man den Atlas be¬
zeichnenkann, obschon neben den Bildnissen berühmter
Musiker auch andere Abbildungen zu ihrer Lebens¬
geschichte, insbesondere auch Nachbildungen wichtiger
Handschriften und Drucke gegeben werden) ist selbst¬
verständlich nur dadurch möglich geworden, daß wohl
die meisten der für sie gebrauchten Bilder unter den
druckfertigen Stöcken aus dem Besitze des Verlages
ausgesucht werden konnten. Deshalb soll man aber
die Arbeit des Herrn Herausgebers nicht unterschätzen,
der in sehr geschickter und sachkundiger Anordnung
ein fast vollständiges Bildermuseum zur Musikgeschichte
seit etwa 1700 geschaffen hat. Wer das Namen¬
verzeichnis durchsieht, wird wohl keinen bekannteren
Namen vermissen; wo etwa für die ältere Zeit Lücken
vorhanden sind, ließ sich ihre Ausfüllung nicht ermög¬
lichen, weil die Quellen versagten. Die Zusammen¬
stellung, die zeitliche Entwicklung durch Gruppierung
Zusammengehörender verdeutlichend, wird durch die
Bilder fortlaufend begleitende bio- bibliographische
Anmerkungen erläutert. So kann der Atlas den
Freunden der Musikgeschichte ein willkommenes
Handbuch sein, so kann er, und zwar mehr noch als
Ergänzung wie als Gegenstück, zum deutschen Literatur¬
atlas betrachtet werden. Auch der Sammler, sei er
Autographile oder Bibliophile, wird vielfachen Vorteil
von ihm haben. Allerdings sind die Büchersammler,
die den Urausgaben der Werke der Tonkunst-Meister
ihre Teilnahme widmen, weit weniger zahlreich als
die bibliophilen Freunde der Dichtkunst, was ja inso¬
fern nicht weiter verwunderlich ist, als die Benutzung
einer schönen Musikaliensammlung eine gewisse
praktische und theoretische Musikbildung voraussetzt
Immerhin aber ist eine solche unter den Bibliophüen
nicht so selten, als daß sich nicht noch manche durch
den Büderatlas zur Musikgeschichte anregen lassen
könnten, zu dem einen oder dem anderen Komponisten
auch als Sammler ein näheres Verhältnis zu gewinnen.
Daß eine solche Sammlerarbeit ihre besonderen Reize
hat, daß mit dem Zusammenbringen des Oeuvre selbst
eines Kleinmeisters der Musik Genüsse verbunden sein
können, die der Bibliophile heute noch nicht mit Gold
aufzuwiegen braucht, sei nur nebenbei gesagt Aus¬
drücklich hervorgehoben werden soll aber der Nutzen
solcher musikalischen Sondersammlungen für die All¬
gemeinheit, wenn sie dieser später an geeigneter Stelle
(etwa in der deutschen Musikaliensammlung bei der
Königlichen Bibliothek Berlin) erhalten bleiben.
G. A. E. B.
Kleine Mitteilungen.
Persische Miniaturen . Die Sammlerkreise wenden
sich neuerdings mit Eifer den orientalischen, nament¬
lich den persischen Miniaturen zu. So mag es
interessieren, was eine Autorität auf diesem Gebiete,
Wilhelm R. Valentiner, der Kurator der Abteilung für
dekorative Kunst in dem New Yorker Metropolitan-
Museum of Art, in dem letzten Bulletin dieses großen
Museums über persische Miniaturen (meist im Anschluß
an den Besitz des Museums) zu sagen hat
Die Ähnlichkeit, die für den oberflächlichen Be¬
trachter zwischen der Kunst des nahen und des fernen
Ostens, speziell zwischen der von Persien einerseits
und von China und Japan andererseits, zu herrschen
scheint, ist mehr eine scheinbare als eine wirkliche
und beruht hauptsächlich in gewissen, beiden Kunst¬
gebieten gemeinsamen, ganz äußerlichen Konventionen.
Die hauptsächlichste dieser Konventionen ist die
Flächenkunst und die absichtlich unrealistische Art,
in welcher die ganze östliche Kunst sich ausspricht
Ein fast ebenso wichtiger Punkt ist die nahe Verwandt¬
schaft zwischen der orientalischen Kalligraphie und den
mehr dekorativen und zeichnerischen Künsten. Der
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■V Google
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CORNELL UNiVERSrTf
Kleine Mitteilungen
75
östliche Künstler, der auf Kosten des Realismus Linie
und flachen Ton vor allem im Auge hat, steht in
direktem Kontrast mit dem typisch europäischen Ge¬
danken, daß die darzustellenden Gegenstände als wirk¬
lich existierend in Raum und Licht dargestellt werden
müßten,und daß zu ihrer plastischen Modellierung und ver¬
schiedenartigen Farbe so viel Realität und Greifbarkeit
gegeben werden müsse, wie überhaupt möglich ist.
Deswegen ist der Osten, namentlich der nahe Osten,
dem Westen in allen rein ornamentalen und dekorativen
Künsten überlegen, bei denen, gemäß der Natur des
Materials selbst, eine flache Oberfläche eines der ersten
Requisite für den Erfolg ist, wie zum Beispiel bei der
Teppichweberei, der eingelegten Arbeit, dem niederen
Schnitzrelief und ähnlichem. Abgesehen von solchen
weit verbreiteten Konventionen ist zwischen der Kunst
Persiens und Chinas und Japans nicht mehr Gemein¬
sames, als zwischen denen in zwei weit voneinander
abgelegenen europäischen Gebieten; die Wichtigkeit
des chinesischen Einflusses auf Persien, die wir so oft
in gemeinsamen Motiven, wie dem Drachen, dem
Phönix und dem Wolkenband finden, ist viel zu sehr
übertrieben worden.
Die Miniaturen, mit denen die Perser ihre ausge¬
arbeiteten wundervollen Manuskripte illustrieren, ent¬
sprechen in ihrer Bedeutung den Panelen und Wand¬
gemälden Europas und den Kakemonos und Make-
monos von Japan und China. Diese Miniaturen sind die
einzige Kunstübung des nahen Ostens, in denen die Per¬
sönlichkeit des Künstlers wirklich hervortreten konnte;
und auch hier geschieht dies in einem weit geringeren
Maßstabe, als in der europäischen Malerei, da der
östliche Künstler oder Handwerker durch den rein
ornamentalen Zweck des Werkes gebunden ist. Die
persische Kunst erhielt ihre Antriebe aus ganz anderen
Motiven als die chinesische. Der Perser illuminiert
und illustriert nicht religiöse Ideen wie der Chinese,
sondern poetische und historische Werke, namentlich
die bedeutendsten Monumente der persischen Literatur
des XII. und XIII. Jahrhunderts, das heißt des Zeit¬
alters eines Firdusi, Omar Khayam, Sadi und Hafis.
Es war ja doch verboten, den Koran mit irgendeiner
Darstellung eines lebenden Gegenstandes auszu¬
schmücken. Deswegen war der Künstler gezwungen,
die religiösen Schriften mit konventionellen Ver¬
zierungen allein zu zieren and seine malerische Tätig¬
keit auf weltliche Bücher zu beschränken. Dasselbe
Gesetz, das den Gebrauch menschlicher Figuren und
von Tieren in der Illumination des Koran verbot, wurde
von einer großen muhammedanischen Sekte so ausge¬
legt, als ob die Darstellung eines lebenden Wesens in
der Kunst überhaupt auszuschließen sei. Die ortho¬
doxeren Sunniten, zu welcher muhammedanischen
Glaubensrichtung die Türken gehören, blieben fest bei
dieser Ansicht, die Schiiten, zu denen die Perser und
Inder gehören, interpretierten in liberalerer Webe, und
so konnten dann die herrlichen Miniaturen zustande
kommen, hinter denen die europäischen und ameri¬
kanischen Sammler jetzt so sehr her sind. — Die
türkische Kunst hat aber eine rein ornamentale Deko¬
ration zustande bringen können, deren Konvention mit
der natürlichen Vorliebe des Türken für geometrische
Formen durchaus korrespondierte. Bei dieser natür¬
lichen Tendenz des Türken zur formalen Zeichnung
wurden realbtbche Pflanzen- und Tiermotive, die man
von Persien entlieh, in strenge, in höchstem Maße
konventionalbierte geometrische und dem Leben fern¬
stehende Motive verwandelt
Die Malerei im nahen Osten entsprang dem orien-
talbchen Zweige der byzandnbch-ägypdschenKunst, die
selbst aus der späteren griechischen Zivilbadon
herausgewachsen bt Und auch die Wandmalereien
des VII. und VIII. Jahrhunderts, die jüngst in Schlössern
Syriens entdeckt worden sind, zeigen eine starke
Ähnlichlichkeit mit den Fresken in Ägyptens koptbchen
Kirchen, ein Beweb der nahen Verwandtschaft der
Kunst dieser beiden Gebiete. Dieser byzantinische Ein¬
fluß ist noch stark zu erkennen in den Buchillustradonen
der ersten Periode einer unabhängigen persbchen
Kunst, wie sie sich in den Manuskripten des XII. und
XIII. Jahrhunderts zeigen, die hauptsächlich Zentral¬
mesopotamien, dem Sitze aller nahe-östlichen Kunst
im Mittelalter, entstammten. Ähnliche Morive Anden
sich in gleichzeitigen Töpfereien aus Rhages und
Veramin, wo der byzantinische Einfluß mit von den
Mongolen entlehnten Formen sich verbindet, wodurch
sich das Ganze in einen ganz ursprünglichen Stil von
primitivem und schwerem Charakter umwandelte. Die
in dieser Zeit dargestellten menschlichen Figuren sind
immer kurz, dünn und im Typ durchaus mongolbch.
Zu gleicher Zeit aber sind sie mit Nimbus und Halos
(Glorienscheinen) dekoriert, die man von den Heiligen
der byzantinbchen Kunst entlehnt hat Im Lauf der
Zeit wurde diese eingeborene Kunst immer mehr ver¬
feinert, bis sie unter den ersten Safaviden im XV. und
XVI. Jahrhündert ihren Gipfelpunkt erreichte, ab jene
wundervollen seidenen Tierteppiche und jene blumen¬
geschmückten Töpfereien mit glänzenden Farben und
feinem Lüster hergestellt wurden. In diesen Tagen
des Friedens und des Reichtums erinnert sich Persien
seiner großen Vergangenheit in Literatur, Kunst und
als kriegerisches Land, und der allgemeine Stolz und
der Optimismus der Zeit spiegeln sich in den Minia¬
turen wieder, deren glänzende Zeichnung gegen die
Nüchternheit der gleichzeitigen chinesbchen Malerei
stark kontrastiert. Hier Anden wir Szenen aus dem
Leben einer Nation, die ein gefälliges Leben im
Frieden und in hoher Kultur fuhrt: Liebesszenen in
blumenreichen Gärten, Dichter, die vor den Hof¬
leuten ihre Poeme verlesen, mit Wein und Musik
ergötzte Fürsten, Philosophen in der Wüste, Ballspiele
und Polowettspiele, alles mit reichen Zutaten darge¬
stellt, die Wände aus farbigen Ziegeln, mit prächtig
gemusterten Teppichen, goldglänzenden Trachten, das
Ganze mit dem vollen Eindruck eines großartigen Luxus.
Selbst die Schlachtzenen in ihren glänzenden Farben
und blauem Himmel scheinen nicht grausam. Noch
Andet man Ausgeburten einer Religion, die ihre
Gläubigen durch schreckhafte Dämonen und durch
phantastbebe und groteske Monstren zur Tugend
zwingen will, und hier liegt der größte Unterschied
zwbchen persbeher und chinesbcher Malerei, denn in
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CORNELL UNIVERSUM
76
Kleine Mitteilungen
der letzteren geben die häufigen Darstellungen grau¬
samer und wütender Gottheiten der ganzen Art der
Tempelmalerei einen schrecklichen und düsteren Cha¬
rakter. Und wie die Kunst der beiden Nationen im
dargestellten Gegenstand differiert, so tut sie es auch
in der Technik; während der Chinese in Tempera
malt, wodurch natürlich ein dumpfer Ton hervorge¬
bracht wird, und zwar auf eine leicht braune Lein¬
wand, gebraucht der Perser leuchtende und glänzende
Gouachefarben, wodurch er fast ebenso brillante
Wirkungen hervorbringt, wie sie die Ölmalerei er¬
reicht. In chinesischen Gemälden spielt der glatte
Ton des Hintergrunds, auf dem sich die Komposition
abhebt, eine wichtige Rolle in dem allgemeinen Effekt,
während in der persischen Malerei der Hintergrund
über und über mit ausgearbeiteter Dekoration bedeckt
ist, im Gegensatz zu welcher die Hauptfiguren wie
verhältnismäßig kleine ausgesparte Räume erscheinen.
Den gleichen Unterschied finden wir auch zwischen
persischen und chinesischen Teppichen. Bei den
ersteren ist der Grund vollständig mit glänzend
kolorierter Dekoration erfüllt, während bei den letzteren
wenige wichtige Motive auf einem ausschließlich bräun¬
lichen Hintergrund erscheinen.
Die Miniaturkunst beginnt im XVII. Jahrhundert
in Persien von ihrer Größe herabzusteigen, obwohl im
Beginn dieser Periode noch ein so bedeutender Künst¬
ler wie Riza Abbasi zu finden ist. Er machte von der
breiteren und mehr persönlichen Technik Gebrauch,
die damals da aufkam, wo breite, komplizierte und
glänzend kolorierte Kompositionen durch Außenlinien¬
zeichnungen in grauer Monochromie ersetzt wurden,
wobei meistens Einzelfiguren mit der Absicht, ein
strenges Porträt zu geben, dargestellt wurden. Mit
dieser Hinneigung zum Individualismus kommt die
persische Kunst der europäischen näher, und das ist
auch ein Grund, warum Riza Abbasi von europäischen
Sammlern so gut verstanden wird; aber dadurch ver¬
liert die persische Kunst das meiste von ihrem originalen
asiatischen Charakter nach einer kurzen Kompromi߬
periode. Riza Abbasi lebte am Hofe des Schah Abbas
des Großen und war ebenso berühmt als Kalligraph
wie als Maler. Seine Porträts zeigen die große Tra¬
dition, die hinter ihm steht und eine vollständige
Meisterschaft über die Form. M.
Bibliotheken im Staate New York. Der Jahres¬
bericht über die Bibliotheken des Staates New York
ist als solcher vorbildlich, wie das amerikanische
Bibliothekswesen selbst, namentlich das im Staate
New York, von Europa aus mit Bewunderung, ja mit
Neid betrachtet werden muß. Der große Jahres¬
bericht beruht, wie wir „The Nation“ entnehmen, auf
den Ausweisen von 1390 verschiedenen Bibliotheken
des Staates New York, deren Bücherbestand insgesamt
9718899 Bände umfaßt, welche im letzten Berichts¬
jahre eine Zirkulation von 2i*/a Millionen Büchern
hervorgebracht haben. Es sind in dem Berichtsjahre
45 Bibliotheken mehr verzeichnet als im Vorjahre.
Der Bücherbestand als Ganzes hat trotz gewaltiger
Zugänge durch den Brand der New-Yorker Staats¬
bibliothek im verflossenen März um 350000 abge¬
nommen. Seit 1893 hat die Anzahl der Bibliotheken
im Staate New York sich verdoppelt, die Anzahl der
Bücher verdreifacht und die Zirkulationsziffer ver¬
siebenfacht Für jeden Haushalt des Staates New
York werden im Jahre 10 Bücher durchschnittlich von
den Bibliothekgestellen genommen, für jede Einzelper¬
son 2,2 Bücher, — Von den 1390 berichtenden Biblio¬
theken gehören 845 Hochschulen und Akademien
und bieten daher dem allgemeinen Publikum eine nur
beschränkte Benützungsmöglichkeit; 53 sind nur für
bestimmte Institutszwecke zu benützen; 51 sind Sub¬
skriptions- oder Zirkulationsbibliotheken, die von dem
Erziehungsdepartement des Staates New York unab¬
hängig sind und 440 sind freie öffentliche Bibliotheken,
für welche der Staat Zuschüsse gibt — Die Gesamt¬
zirkulation von 21 1 /2 Millionen Büchern wird zum
größten Teil von den 440 Freibibliotheken und zwar
mit einer Zirkulation von 20 Millionen Bänden ge¬
stellt. — Die Staatsbeiträge für die öffentlichen Biblio¬
theken betrugen im ganzen nur 31600 Dollar, dagegen
haben die einzelnen Gemeinden durch lokale Steuern
fast 1600000 Dollar dafür aufgebracht 299 öffent¬
lichen Bibliotheken werden durch solche Steuern
unterstützt und erhalten, 190 Freibibliotheken werden
dagegen auch allein von lokalen Unterstützungen und
freiwilligen Beiträgen erhalten. — Selbstverständlich
sind die Städte, was Unterstützung und Ausdehnung
der Bibliotheken betrifft gegenüber dem offenen
Lande am weitesten vorangeschritten, so daß, während
die Städte nur 74% der Bevölkerung des Staates New
York beherbergen, sie S$°/ 0 der Zirkulation und
96% der gesamten Zusteuem für Bibliotheken auf¬
bringen. Nichtsdestoweniger ist der Fortschritt auf
dem Lande ein höchst bemerkenswerter und ermuti¬
gender. Diese Landbevölkerung von 2400000 Ein¬
wohnern besitzt in ihren Bibliotheken fast i J / t Milli¬
onen Bücher mit einer Zirkulation von 3100000 Bän¬
den. — Die jährlichen Zuschüsse der Städte für die
Bibliotheken variieren von mehr als I Million Dollars
(New York) bis zu ganz kleinen Summen; Buffalo
zahlt 100000, Syrakus 40000, Utica 24000 Dollars usw.
Für jeden in Zirkulation befindlichen Band des letzten
Jahres zahlte die Stadt New York 19 Cents, Buffalo
10 Cents, Syrakus 14 Cents, Urica 13 Cents. — 45
Bibliotheken des Staates New York wurden das letzte
Jahr durch Schenkungen unter Lebenden oder im
Todesfall bedacht Darunter sind für Rochester und
New Rochelle Schenkungen von 100000 Dollar, für
Washingtonville von 50000 Dollar usw.; natürlich rührt
das meiste Geld von Carnegie her. Eine ganze Reihe
Bibliotheken des Staates New York haben im letzten
Jahre neue, teilweise prächtige Gebäude beziehen
können, darunter mehre Bibliotheken in der Stadt
New-York selbst. Die Mittel zu den Neubauten wurden
teils von Carnegie, teils durch lokale Subskriptionen,
teils aber auch durch städtische Anleihen herbeige¬
bracht. Im ganzen Staate New York sind 34 Bibfio*
theken allein auf Carnegies Kosten erbaut worden,
120 andere wurden von anderen Einzelsriftem er-
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CORNELL UNIVERSITY
Kleine Mitteilungen
77
richtet. — Die. im ganzen Staate New York allem zu
Bibliothekszwecken existierenden Gebäude sind 288
an der Zahl und repräsentieren einen Wert von fast
50 Millionen Dollars. M.
Im Frühjahr 1912 erscheint Kleists „Penthesilea*'
in der tschechischen Übersetzung Ottokar Fischers in
bibliophiler, von Maler V. H. Brunner besorgter Aus¬
stattung (schwarzer und roter Druck, Format 145:
200 mm, englische Mediaevalschrift, Titelzeichnung,
Vignetten). Subskriptionspreis: 4.50 Kr. broschiert,
8 Kr. in Pergament gebunden, 20 Kr. auf Japan. Be¬
stellungen zu richten an den Herausgeber Prof. Milan
Svoboda, Prag, Weinberge fi/j.
Die Bücherei Maiandros betitelt sich eine neue
Zeitschrift ^Ton 60 zu 60 Tagen, die ab 1. Oktober dieses
Jahres von Heinrich Lautensack, Alf red Richard Mayer
und Dr. Anselm Ruest herausgegeben wird. Diese
Zeitschrift bietet für Deutschland insofern ein Novum,
als jedes Heft außer einer literarischen Umschau ein
völlig in sich abgeschlossenes Buch ist, bald eine No¬
velle, einen ästhetischen Dialog, einen philosophischen
Essay, eine lyrische Anthologie, gelegentlich auch eine
Schwarz-Weiß-Folge enthaltend.
Die rühmlich bekannte Antiquariatfirma Gilhofer
Ranschburg in Wien bietet den Sammlern mit
ihrem Katalog 100 eine auserlesene Reihe von Manu¬
skripten , xylographischen und typographischen In¬
kunabeln, im ganzen 266 Nummern. Der größte Teil
entstammt - der Sammeltätigkeit eines schlesischen
Bibliophilen des XVII. Jahrhunderts, Johann Gottfried
Troilo von Lessot. Nach dessen um 1650 erfolgtem
Tode gelangte seine Bibliothek in den Besitz des Her¬
zogs Julius Heinrich von Sachsen-Lauenburg, später
an die Gattin des Octavio Piccolomini, Prinzessin
Benigna von Sachsen-Lauenburg, und schließlich an
das Piaristen-Kollegium in Schlackenwerth, dessen
Bibliothek auch von dem Markgrafen Ludwig Wilhelm
von Baden, dem Türkenbesieger, reich bedacht wurde.
Die Schätze, die so in Schlackenwerth vereinigt
wurden, sind in der Tat seltenster Art und es erscheint
kaum möglich, hier einzelnes besonders zu rühmen.
Jeder unserer Leser wird selbst zu dem Katalog greifen
müssen, um sich in diese Fülle der Gesichte zu ver¬
senken, um so mehr, da der große Quartband auch
dem genußreich und anregend sein wird, der auf den
Erwerb der darin verzeichneten Kostbarkeiten ver¬
zichten muß. Die Handschriften und Drucke sind mit
anerkennenswerter Exaktheit beschrieben und biblio¬
graphisch charakterisiert, die Ausstattung mit 96 Text-
illustrationen, 5 farbigen und 11 schwarzen Tafeln
macht ihn zu einer belehrenden Augenweide und zu
einem dauernd wertvollen Besitztum.
Noch stattlicher stellt sich der 21. Katalog von
C. G. Boemer in Leipzig dar, enthaltend kostbare
Bucheinbände des XV. bis XIX. Jahrhunderts, be¬
schrieben von Carl Sonntag jun., mit 9 farbigen und
43 schwarzen Tafeln. Eine warmherzige Einleitung
des Herausgebers verleiht dem schönen Bande sogleich
einen Stempel eigener Art. Er beklagt, daß die Gegen¬
wart statt des Sinnes für Buchschönheit nur die Jagd
nach dem Seltenen und Kostbaren kennt, vielleicht
doch wohl zu schwarz sehend, was aber freilich gerade
dem Künstler-Buchbinder zu verzeihen ist Dann folgt
die Aufzählung und Beschreibung von 230 schönen
Bänden, darunter als Prachtstücke ein Grolierband von
erlesener Schönheit (16500 M.), der schon 1815 bei
der Versteigerung der Bibliothek James Edwards mit
43 £ bezahlt wurde, und ein herrlicher Maioliband
(15000 M.).
In Straßburg ist eine Gesellschaft für elsässische
Literatur begründet worden, Jahresbeitrag 10 M.,
Beitrittsmeldungen an die Kaiserliche Universitäts- und
Landesbibliothek in Straßburg. Als erste Publikation
soll Sebastian Brants „Narrenschiff 4 , herausgegeben von
von Professor Franz Schnitz, erscheinen, obwohl es
bekannt ist, daß die Gesellschaft der Bibliophilen als
Sonderpublikation für 1912 ein Faksimile desselben
Werkes herausgeben wird.
Der IV. Jahrgang von Bogengs vortrefflichem
„Taschenbuch des Bücherfreundes“ wird, befreit von
dem in der Tat unnötigen Kalendarium, als , Jahrbuch
für Bücher-Kunde uud -Liebhaberei" erscheinen, wie
bisher im Verlag von Max Härrwitz in Nikolassee.
Künftig soll namentlich die Geschichte der Bücher¬
liebhaberei und der Sammlerpraxis berücksichtigt
werden, wovon schon das vielverheißende Inhalts¬
verzeichnis des neuen Jahrgangs Zeugnis gibt. Den
Druck besorgt W. Drugulin in der Oldstyle, einer
vorzüglichen englischen Renaissancetype. 50 Exemplare
auf holländischem Bütten kosten je 15 M., 750 auf
Original India-Papier je 8 M.
In der Göttinger Zeitschrift „Der Sammler“ Nr. 5
vom 1. März 1912 wird eine hervorragende Reihe von
Werther-Schriften zum Verkauf ausgeboten: Original-
Ausgaben und Nachdrucke, Übersetzungen, Nach¬
ahmungen und Streitschriften, im ganzen 56 Nummern,
darunter große Seltenheiten.
Von Hugo Hayns „Bibliotheca Germanorum Erotica “
beginnt der Verlag Georg Müller in München eine
dritte, stark vermehrte Auflage, bei deren Heraus¬
gabe Hayn von Herrn Dr. Gotendorf in Dresden unter¬
stützt wird. Der Umfang wird drei bis vier starke
Großoktavbände betragen, der Subskriptionspreis für
jeden Band 15 M., gebunden zirka 18.50 M„ in der
Luxusausgabe (100 Exemplare auf Van Gelder in
Ganzleder) zirka 40 M. Alljährlich sollen, nur für die
Käufer des Hauptwerks, Supplemente erscheinen.
Eine große kunst- und kulturgeschichtliche Aus¬
stellung zur Jahrhundertfeier der Freiheitskriege ver¬
anstaltet die Stadt Breslau , die Stadt des „Aufrufi An
mein Volk“, im Jahre 1913 von Mitte Mai bis Ende
Oktober unter dem Protektorate des Kronprinzen des
Deutschen Reichs. Die Ausstellung, mit der die Stadt
ein ständiges Ausstellungsgebäude im Scheitniger
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7»
Literatur und Justiz.
Parke eröffnet, ist den Fürsten, Heerführern, Staats¬
männern, Dichtern, Künstlern und bedeutenden Frauen
jener Zeit gewidmet, umfaßt das damalige Heeres¬
wesen und vor allem Bilder der Ereignisse, als Rahmen
aber die Kunst und das Kunstgewerbe der Zeit vor
ioo Jahren. Ein Aufruf, den eine große Zahl von be¬
kannten Größen der Politik, der Wissenschaft und
Kunst, des Handels und der Industrie, hohe Staats¬
und Gemeindebeamte und Nachkommen von Helden der
Freiheitskriege aus ganz Deutschland als Mitglieder
des Ehrenausschusses unterzeichnet haben, erbittet
Leihgaben für die Ausstellung nicht nur aus Deutsch¬
land, auch aus den mit Preußen damals verbündeten
Staaten und aus Frankreich. Die Geschäftsstelle der
Ausstellung befindet sich im Schlesischen Museum für
Kunstgewerbe und Altertümer in Breslau, dessen
Direktion die Gesamtleistung übertragen worden ist
Im Antiquariatskatalog iio von Paul Alicke in
Dresden A. steht zu lesen:
559a Grimm, J. und W., Deutsches Wörterbuch. Alles,
was davon bis heute erschienen. Die zwölf kom¬
pletten Bände in Halbfranzband, der Rest in
Lieferungen. Sehr schönes Exemplar 235.—
560-, Pantheon-Ausgabe, Original - Pergament¬
band (4.—) 2.50
Literatur und Justiz.
In den letzten Wochen wurden folgende Beschlag¬
nahmen verfügt, bezw. durch gerichtliches Urteil be¬
stätigt :
Der Floh 1911, Nr. 38—39;
Sekt, Jahrgang 6, Nr. i, 3, 16, 37, Jahrgang 7, Nr. 6 ,
9, 28;
Wiener Karikaturen Nr. 10;
Jean qui rit vom 5. Nov. 1911;
Pschütt Nr. io;
Ruf an die Frauen (Berlin, W. Kästner);
Wiener kleines Witzblatt 1911 Nr. 23—28, 35, 36, 38,
39, 4L 43—5 2 v 1912 Nr. 1—9;
Die schöne MathÜde oder Leben und Abenteuer einer
jungen Modistin;
Durchtollte Nächte, durchjubelte Tage, der Roman
einer Berliner Lebedame;
Der Ausgang. Eine romantische Episode nach dem
Leben geschildert und unterstützt mit 16 vortreff¬
lichen Illustrationen. Herausgegeben zum Ansporn
und zur frohen Muße für alte Herren;
Glühlichter 1910 Nr. 20, 1911 Nr. 6, 7, 17;
La Vie en Culotte rouge Nr. 510;
In paradiesischer Schönheit Farbige Freilichtakte
nach künstlerischen Aufnahmen des Kunstmalers
M. Schneider, Lieferung 1 und 2 (Berlin, Richard
Eckstein Nachfolger);
Le Frou-Frou Nr. 597;
E. Laurent, Sexuelle Verirrungen, Sadismus und Maso¬
chismus, autorisierte deutsche Ausgabe von Dolorosa
(Berlin, Barsdorf);
Der Wiener Akt, photographische Aufnahmen nach
der Natur, gestellt von Kunstmaler Eduald Büchler,
aufgenommen von Johann Riediger, Serie 1.
Die Verbreitung der Wiener Zeitschrift „Der Floh“
wurde auf zwei Jahre verboten.
Die Verurteüung der beiden Inhaber eines Dresdner
Verlags wegen Verbreitung der Prospekte einer nicht
erschienenen Übersetzung von „Briefe eines Provenzalen
an seine Frau“ wurde vom Reichsgericht bestätigt.
Nach Meldung der Tageszeitungen wurde in Leip¬
zig von Beamten der zur Bekämpfung der Schmutz-
und Schundliteratur beim Polizeiamt bestehenden Ab¬
teilung 4 wieder einmal „GiovanniBoccacciosDekameron
oder die 100 Erzählungen “ auf Grund des $ 184 Ziffer 1
des Reichsstrafgesetzbuchs in einem größeren Posten
beschlagnahmt Um welche Ausgabe es sich dabei
handelt, geht aus der Notiz nicht hervor.
Ein Riesenlager unsittlicher Bücher , Bilder, Akt¬
studien und der zu deren Herstellung benutzten Platten
wurde durch die Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung
unzüchtiger Bilder und Schriften bei einem alten Herrn
im Westen Berlins beschlagnahmt. Seit längerer Zeit
tauchten bei kleinen Zeitungs- und Buchhändlern, die
Nick Carter, Sherlock Holmes, Nat Pinkerton und
andre Detektivromane vertreiben, unsittliche Bilder und
Schriften auf, die die Polizei immer wieder beschlag¬
nahmte. Es gelang aber lange Zeit hindurch nicht,
die Betriebsstelle dieser anstößigen Sachen ausfindig
zu machen, bis diese jetzt nach langen Nachforschungen
bei einem biederen alten „Rentner“ in Berlin W. er¬
mittelt wurden. Die Beamten der Zentrale nahmen
daraufhin eine Durchsuchung der Wohnräume des
Mannes vor, die wider Erwarten eine Unmenge dieser
Bilder und Bücher zutage forderte. Nicht weniger als
46 große Pakete wurden beschlagnahmt und dem Ge¬
richt zur vorläufigen Begutachtung übergeben. Aus
den Korrespondenzen des Mannes ersah man, daß
dieser nicht nur ganz Berlin, sondern auch viele andere
deutsche Städte und sogar das Ausland mit diesen
Sachen überschwemmt und natürlich einen sehr ge¬
winnbringenden Handel getrieben hat. Einige der
beschlagnahmten Bilder und Aktstudien sind vielleicht
an sich nicht unzüchtig, doch werden sie dadurch an¬
stößig, daß sie durch die bezeichneten kleinen Händler
der heranreifenden Jugend für geringes Geld zugäng¬
lich gemacht werden.
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Kataloge — Anzeigen
79
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgebers erbeten. Nur die bis zum 20. jeden Monats ein*
gebenden Kataloge können für das nächste Heft berücksichtigt werden.
Joseph Baer Co. in Frankfurt a. M. Nr. 597.
Bibliotheca Philologica Classica enthaltend unter
anderem die Büchersammlungen von Johann Tobias
Krebs, Verfasser von „Observationes in N. T. e
Flavio Josepho“ usw.; Johann Philipp Krebs, Ver¬
fasser des bekannten „Antibarbarus der lateinischen
Sprache“ usw. usw.; Geheimrat Dr. Emst Schulze,
weiland Direktor des Gymnasiums zu Homburg v.d.H.,
Verfasser von „Skizzen hellenischer Dichtkunst“,
„Übersicht über die griechische Philosophie'* usw.
1 . Auctores Graeci Originaltexte, Übersetzungen
und Erklärungsschriften griechischer Klassiker. 5277
Nrn. — Nr. 599. Periodica, Zeitschriften, Zeitungen,
Sammelwerke, Publikationen gelehrter Gesellschaften.
1716 Nrn.
C. G. Boerner in Leipzig. Nr. 21. Kostbare Buchein¬
bände (siehe unten Seite 77). — Liste Nr. 35. Ra¬
dierungen, Holzschnitte, illustrierte Werke von
Moritz von Schwind, Ludwig Richter und anderen
Künstlern der Zeit 563 Nrn.
Dieterichscke Universitäts-Buchhandlung in Göttingen .
Nr. 40. Wissenschaftliche Theologie. 3494 Nrn.
Victor Eytelhuber in Wien VIIIj it. Anzeiger Nr. 46.
Neueste Erwerbungen.
Flandria in Courtrai. Histoire et Sciences auxiliaires
— archives, manuscrits et autographes — Sciences
exactes, Sciences naturelles — literatures. 922 Nrn.
Incunables. — Impressions rares et ilhiströes du
15. au 19. si&cle. — Art et archdologie. — Musique.
— Bibliographie et histoire de rimprimerie. —
Anciens catalogues de vente. 690 Nrn.
Adolf Geering in Basel. Nr. 348. Jugend- und Volks¬
schriften, über 7500 Bände größtenteils zu ermäßigten
Preisen. 3028 Nrn. — Nr. 351. Theologie. V. Prak¬
tische Theologie. Christliche Unterhaltungsliteratur.
Nr. 9934—12755. — Nr. 352. Nationalökonomie.
Staats- und Sozial Wissenschaft. Politik. Statistik.
Jurisprudenz. Enthält unter anderem die Bibliotheken
des *j* Zürcher Dozenten J. M. Boesch, sowie einen
großen Teil der Bibliothek des -J* Prof. Dr. Carl
Hilty, Bern. 1523 Nrn.
Gilhofer &* Ranschburg in Wien I. Nr. 100. Manu¬
skripte und Inkunabeln. 266 Nrn. (siehe unten Seite 77).
— Nr. 103. Viennensia. Zum Teil aus den Biblio¬
theken der *|* Herren Ludwig Hevesi und Archiv¬
direktor Dr. Albert Starzer 2031 Nrn.
Max Göts in München. Anzeiger Nr. 952 und 953.
Varia. Neuerwerbungen. 944 und 1004 Nm.
Paul Graupe in Berlin W. jj. Nr. 60. Deutsche
Literatur und Übersetzungen. 958 Nm.
Gsellius in Berlin W. 8. Nr, 347. Kriegsgeschichte
und Militaria.
GOETHE.
WEIMARISCHE ZEITUNG, Nummer 2.
Sonnabend, 7. April 1832. 4 Seiten. 4 0 .
Die Nummer, die zweite der von Legationsrat Panse
damals eben gegründeten Zeitung, ist von Anfang bis
Ende Goethe gewidmet u. enthält neben allgemeinen
biographischen Daten »ausführliche Berichte über die
letzten Stunden Goethes u. die Begräbnisfeierlichkeiten.
HEINRICH HUGENDUBEL, MÜNCHEN
Abteilung: Antiquariat Salvatorstr. 18.
ff * Stets Ankauf ganzer Bibliotheken und Kunstsammlungen
sowie einzelner Werke, Kupferstiche, Handschriften usw.
BÜCHER-AUKTION
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DOROTHEUM IN WIEN
Die Bibliothek des Herrn FRANZ STEINER
in MERAN, umfassend seltene Inkunabeln,
darunter die IX. deutsche Bibel, Schedels
Chronik 1471, Virgilius Opera 1471, dann
illustrierte Werke des 16. und 17. Jahrhun¬
derts, Lutherbibeln, Klassiker, Erstausgaben,
Kuriosa, ferner ein prachtvolles Pergament-
Manuskript des 15. Jahrhunderts mit herrlichen
Miniatur-Malereien gelangt am 9. Mai 1912
und die folgenden Tage im Dorotheum,
Wien I, Spiegelgasse 16, zur Versteigerung.
Der Katalog (700 Nummern) wird auf Ver¬
langen gratis durch das Dorotheum oder durch
HALM & GOLDMANN, Buch- und Kunst-
Antiquariat, Wien I, Opernring 19, versandt
^Soeben erschien: ~
Katalog 350
Deutsche Literatur
vom Ausgange des Mittelalters bis zur Neuzeit
enthaltend
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in hübschen französischen Einbänden.
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der Interessenten gern gratis und franko zur Verfügung steht.
Vorher erschien: Katalog 349 „ Deutsche Altertums¬
kunde und Kulturgeschichte, Deutsche Sprache und Li¬
teratur bis tum Ausgange des Mittelalters 4t ,
K OTTO HARRASSOWITZ, LEIPZIG j
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8 o
Kataloge — Anzeigen
Otto Harrassowitz in Ltipzig. Nr. 348. Klassische
Philologie und Altertumskunde, enthaltend unter
anderem die Bibliotheken von Professor O. Gilbert
in Halle und Professor L. Jeep in Königsberg. II.
Zeitschriften. Altertumskunde. Archaeologie. Numis¬
matik. Grammatik und Lexikographie. 2515 Nm. —
Nr. 349. Deutsche Altertumskunde und Kultur¬
geschichte. Deutsche Sprache und Literatur bis
zum Ausgange des Mittelalters. 1333 Nm. — Nr. 350.
Deutsche Literatur vom Ausgange des Mittelalters
bis zur Neuzeit, enthaltend die Bibliothek eines
französischen Sammlers, zumeist in hübschen fran¬
zösischen Einbänden. 1945 Nm.
Max Harrwitz in Nikolassee bei Berlin. Nr. 106. Ver¬
mischtes. Nr. 936—1263.
F. W. Haschke in Leipzig. Nr. 6. Kunst, Musik, Lite¬
ratur usw. 897 Nm.
Wilhelm Heims in Leipzig. Nr. 19. Vermischtes.
950 Nm.
B. Heß in München. Nr. 25. Albrecht Dürer, Original-
Kupferstische und Holzschnitte. 192 Nm.
Karl W. Hiersemann in Leipzig. Nr. 408. Völker¬
kunde. Enthaltend unter anderem den Handapparat
eines bekannten Anthropologen und Forschungs¬
reisenden. 1526 Nm.
Rud. Hönisch in Leipzig. Nr. 2. Slavica — Slavische
Philologie. 1437 Nm.
Heinrich Hugendubel in München . Nr. 59, Kultur¬
geschichte. Teil 1: Allgemeines. Das geistige Leben.
1464 Nm. — Nr. 60. Teil 2: Häusliches und privates
Leben. Nr. 1465—3110.
Max Jaeckel in Potsdam. Nr. 45. Deutsche Literatur.
840 Nm.
Joseph Jolowicz in Posen. Nr. 180. Philosophie. Frei¬
maurerei. 2604 Nm.
Th. Kampffmeyer in Berlin S. W. 48. Nr. 474. Theo¬
logie und Philosophie.
Fr. Klübers Nach/. Nähr 6r* Funk in München. Nr.
181. Deutsche Literatur bis 1850. (Enthaltend viele
Erstausgaben aus der Zeit der Klassiker und Roman¬
tiker.) 2111 Nr. — Anzeiger Nr. 6. Neueste Er¬
werbungen und anderes. 604 Nm.
F. Lehmann in Frankfurt a. M. Nr. 4. Monatliche
Liste der Neuerwerbungen. Nr. 764—1156.
Hans Lommerm Gotha. Nr. 4. Auswahl von Büchern
aus verschiedenen Wissensgebieten. 772 Nm.
Alfred Lorentz in Leipzig. Nr. 212. Kunst I. Ge¬
schichte der Kunst und Malerei; 2. a) Baukunst —
Architektur, b) Plastik, Skulptur, 3. Kunstgewerbe;
4. Buchillustration, Karikatur, Bibliophilie; 5. Kupfer¬
stiche, Originalradierungen, Handzeichnungen. 3036
Nrn.
JAHRBUCH FÜR BÜCHER-^
KUNDE UND LIEBHABEREI
HERAUSGEGEBEN VON G. A. E. BO GENG
Die Drucklegung führte die Offizin von W.
Drugulin in der Oldstyl, einer vorzüglichen engl.
Renaissancetype, aus. Abgesehen von 50 numer.
Exemplaren auf echtem holländ. geschöpften Bütten
wurden 750 Exemplare und zwar auf einem breit¬
randigen Origmai India Paper hergestellt, so daß er¬
wartet werden darf, daß dieser vierte Jahrgang die
Wünsche der Bibliophilen in jeder Hinsicht befriedigt
Inhalt des vierten Jahrganges:
Charles Nodier. Le Bibliomane.
Mit Nachwort des Herausgebers.
Die Vente Fortsas.
Mit dem Katalog der Bibliothek des Cte. J. N. A.
de Fortsas.
Prof. Dr. E. Wolter, Petersb., N. M. Lis-
sozuski, ein russischer Bücher Sammler.
Mit einem Bildnis und zwei Büchereiansichten.
August de Morgan. On the Difficulty of
correct Description of Books .
Die Handhabung der Bücher . Allerlei Zweck¬
mäßiges.
Grangerising. Ästhetisches. Historisches .
Technisches.
Das Sammeln moderner Bücher .
Katalog und Zetteldrucke der Kgl. Biblio¬
thek Berlin .
Bücherei-Zettel. Mit Beispielen auf 14 Tafeln
(zugleich als Typen-Vorlagen einiger deutscher
Schriftgießereien).
VERLAG VON MAX HARRWITZ
NIKOLASSEE-BERLIN
ANTIQUARIATSKATALOGE:
THEATRALIA: Katalog 102, L
DRAMATISCHE LITERATUR: Katalog 102,H
SACHSEN-KÖNIGREICH: Katalog 107, EX.
SACHSEN-PROVINZ: Katalog 107.x.
THÜRINGEN: Katalog 107, XL
BAIERN: Katalog 107, XD.
VARIA, RARA, CURIOSA: Katalogio6,n.uJIL
Die Kataloge 103, 104, 105 u. 106 L sind vergriffen.
Katalog 101 (Deutsche Literatur) ist (6 Teile) noch
in 2 Quartbänden broschiert oder gebunden erhältlich.
Derselbe ist durch die zwei beigegebenen um¬
fangreichen Register über Autoren, Illustratoren und
Komponisten von Wert
ANTIQUARIAT MAX HARRWITZ
NIKOLASSEE-BERLIN
Digitized ly
n Google
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Mayer &* Müller in Berlin NW . Nr. 265. Klassische
Philologie. Bibliotheken des 7 Prof. H. van Her¬
werden in Utrecht und des f Regierungsrats Direktor
Arnoldt in Altona.
Charles Meuel &• Co. in London IV. C. Nr. 22 English
and foreign books. 593 Nrn.
Friedrich Meyer in Leipzig. Nr. 106. Bücher mit
Kupfern und Vignetten, illustrierte Werke, deutsche
Literatur, Goethe, Theater, Kunst, Werther, allge¬
meine Geschichte, Zeitschriften usw. 372 Nrn.
J. Eckard Mueller in Halle a. S. Nr. 154. Biblio-
theca Philologica Classica. Enthält unter anderem
die Bibliotheken des *j* Prof. Dr. Ad. Greef, Göttingen
und des Prof. Dr. Rob. Peppmüller, Halle a. S.
2488 Nrn.
/. B. Mulot in Paris (V* 1 ). Nr. 46. Vermischtes. 1457
Nrn.
Martinas Nijhoffm La Haye. Nr. 387. Ethnographie.
Voyages. II. Asie. 931 Nm.
Leo S. Olschki in Florenz , Nr. 82. Choix de livres
anciens rares et curieux. Nr. 3643—3746.
Bernhard Quaritsch in London . Nr. 313. Vermischtes.
1022 Nm.
C. E. Rappaport in Rom. Nr. 23. Ars. Technica.
428 Nm.
Oskar Rauthe in Berlin-Friedenau. Nr. 36. Kunst
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1912. Nr. 69. M. 80.— y^J^ &
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GOETHE, WilhelmMeisters ^^A^^J^^^jockbücher. Einer der schön-
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theatralische Sendung. / kJ*" ^ ^ ——
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In Maroquin gebunden.
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In Ganzpergament gebunden.
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von der Wiener Werkstätte gebunden M. 50.—
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KLEIN ZACHES, genannt Zinnober
Ein Märchen von E. T. A. Hoffmann. Eingeleitet von Prof. Dr. Eduard Castle.
Einmalige Auflage in 500 numerierten Exemplaren mit 20 Illustrationen
und Buchschmuck von Josef von Diveky.
Die Luxusausgabe ist vergriffen. — Von der gewöhnlichen in Leder gebundenen Ausgabe,
welche M. 25.— kostet, sind noch 60 Exemplare vorrätig.
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Ein allegorisches Drama von fünf Aufzügen.
Faksimiledruck der Prager Ausgabe vom Jahre 1775.
Einmalige Auflage in 500 numerierten Exemplaren. Preis M. 12.—
Im April 1912 erschien:
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Herausgegeben vom Akademischen Verband für Literatur und Musik in Wien.
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Mit Beiträgen von Emil Verhaeren, Hermann Bahr, Carl Bleibtreu, Wilhelm
Schmidbonn, Karl von Levetzow, Paul Stefan, Robert Müller, Ludwig Ullmann,
Leo Heidrich, Franz Schrecker, Alfons Petzold, Siegfried Trebitsch, Else
Lasker-Schüler, F. Th. Csokor u. a. — Mit Zeichnungen von Josef von Diveky.
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Pappband M. 12.—, Halblederband M. 16.—, Ganzlederband M. 25.—, Vorzugsausgabe
auf Strathmore in 100 Exemplaren, Handband von Carl Sonntag jr. M. 50.—
CHARLES BAUDELAIRE
LES FLEURS DU MAL
Herausgegeben von Prof. Georges A. Tournoux
Pappband M. 8.—, Halblederband M. 12.—, Ganzlederband M. 18.—, Vorzugsausgabe
auf Strathmore in 100 Exemplaren, Handband von Carl Sonntag jr. M. 50.—
URTEILE DER PRESSE über die Verlaine-Ausgabe, in deren gleicher Ausstattung
soeben Baudelaire erschien:
Die DEUTSCHE MONTAGSZEITUNG: Eine kleine Blamage für die französischen Verleger
ist die von dem Liller Professor Dr. Georges A. Tornoux besorgte französische Verlaine-
Ausgabe. Aber einen Genuß nicht alltäglicher Natur bedeutet das Erscheinen für alle, die
in Verlaine den tiefsten Dichter des verflossenen Jahrhunderts lieben. Nun erscheinen diese
Verse endlich in einem ihrer Schönheit würdigen Gewände! MAX MELL in den GRENZ¬
BOTEN: Es ist klar, daß alle möglichen anderen Gedichte eher übersetzt werden können
als die Verlaines. Denn sie in die deutsche Sprache bringen, heißt einen Eingriff in die
künstlerische Existenz eines solchen Gedichtwesens machen. Die Verlaineschen Gedichte
müssen ins Französische verzaubert bleiben. Da ist es in tieferem Sinne kein Zufall sondern
Gerechtigkeit, wenn in Deutschland eine schöne französische Ausgabe von Verlaines Gedichten
die häßlichen französischen Editionen zu verdrängen sucht. Mit besonderer Freude schlagen
wir diesen schlichtprächtigen, anständigen Band auf, in seiner trefflichen Auswahl erneuern
wir alten vertrauten Umgang. SÜDDEUTSCHE MONATSHEFTE: Der schönste französische
Gedichtband, den wir kennen, eine erst nach langen Verhandlungen dem französischen Ver¬
leger abgerungene Ausgabe, aus allen Bänden Verlaines ausgewählt Eine Satzanordnung
von erlesener Vornehmheit.
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bis zur Neuzeit (darunter viele Erst¬
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bis zur Neuzeit (Supplement zu
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Geisteswissenschaften. 3791 Nr.
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beschreibungen. 1187 Nrn.
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treuhe^ige, fräftige, ja braftifdje Sprache ift non feinem Spateren, aud? non
Dojt nicht, übertroffen worben. Der fyanblidje Heubrucf wirb, befonbers bei ber
Seltenheit bes alten ©riginals, nid)t nur non allen ©ermauiften, Sprad?forfchern
unb f}omerfreunbeu, fonbern aud) non ben Bücherliebhabem gewift lebhaft begrübt
werben. Der Citel, fowie bie I)ol 3 fchnitte ber ©riginalausgabe ftnb in Repro*
buftionen beigefügt.
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[V. Jahrgang. _Heft 3.
Herausgegeben von Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig - Gohlis, Ehrensteinstr. 20, Manuskripte an diesen erbeten.
Inserate direkt an den Verlag W, Drugulin , Leipzig, Königstraße 10.
Inseratbedingungen:
x / x Seite.60 Mark
x / 2 Seite.30 Mark
V 4 Seite.15 Mark
x / 8 Seite. 8 Mark
Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespalt. Petitzeile 50 Pf., für Mitglieder der Gesellschaft der
Bibliophilen 30 Pf. — Beilagegebühr 25 Mark. — Insertionsschluß für Heft 4 am 17. Juni.
Wiener Bibliophilen-Gesellschaft
Auf verschiedene Anfragen und Ansuchen um Ausfolgung des Mitgliederverzeichnisses
der Wiener Bibliophilen-Gesellschaft sei mitgeteilt, daß diesem Ansuchen derzeit nicht statt¬
gegeben werden kann. Es sei auf den in Aussicht genommenen im Druck erscheinenden Jahres¬
bericht verwiesen, der auch die Mitgliederliste enthalten wird.
Die Veröffentlichung des Beschlusses über die erste Jahrespublikation unserer Gesellschaft
wird demnächst an dieser Stelle erfolgen.
Der Mitgliederstand bezifferte sich mit Anfang Mai auf ungefähr 230 Mitglieder.
Alle Geldsendungen (Jahresbeitrag für 1912 7 Kr., auch flir Auswärtige,) sind an den
Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn Dr. Ottokar Mascha , Wien XIIIjg Wambachergasse 14,
zu richten, alle sonstigen Zuschriften, Beitrittserklärungen usw. an den Unterzeichneten.
Der Vorstand der Wiener Bibliophilen-Gesellschaft
WIEN, 2. Mai 1912. I. A.: Hans Feigl
stellvertretender Vorsitzender.
Wien IV, Johann Straußgasse 38.
Pariser Brief.
Die Pariser Frühjahrsausstellungen haben für die
Bibliophilie wenig Interessantes gebracht Unter den
üblichen Einbänden von Alsina, Hilda Hart, Marius
Michel, Waroquier usw. im Frühjahrssalon der „Soddte
nationale“ des Beaux-Arts findet sich nichts Hervor¬
ragendes. Dagegen verdienen die schönen, farben¬
frohen Bucheinbände von dem hier schon mehrfach
erwähnten Andrö Mare besondere Erwähnung. Dieser
begabte junge Künstler eröffnet mit seiner reichen
dekorativen Phantasie der Buchausstattung neue Mög¬
lichkeiten, die vielversprechend erscheinen, weil sie
aus einer Beherrschung des Materials und einer viel¬
fach geübten Kenntnis der Techniken herauswachsen.
Der sechste Salon des Humoristes im Palais de
Glace fiel in diesem Jahre sehr ab gegen die jüngere
Z. f. B. 1912/1913.
Konkurrenzgründung, dem zweiten Salon de la Socidt^
des Dessinateurs-Humoristes, unter deren Ägide sich
in der neuen Galerie de la Boetie alle hervor¬
ragenden Zeichner Frankreichs vereinigten. Neue
Zeichnungen von Forain, Steinlen, Iribe, Lepape, Le¬
grand und George d’Espagnat bildeten den Clou dieser
Ausstellung. Auch Bernhard Naudin, einer der kom¬
menden Schwarz-Weiß-Künstler Frankreichs war in
dieser Ausstellung vertreten. Der fünfunddreißigjährige
Radierer, dessen einzelne Blätter in den großen Salons
bisher immer in versteckten Winkeln schwer auffindbar
waren, bereitet für.den November dieses Jahres eine
größere Kollektivausstellung im Pavillon Marsan vor, die
zum ersten Male einem größeren Publikum Gelegenheit
geben wird, den köstlichen Reichtum dieses genialen
13
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CORNELL UNÜVERSm 1
92
Pariser Brief
Künstlers abzumessen. „Le Cahiers du Centre" haben
ihre letzte Lieferung Bemard Naudin gewidmet Das
gut gedruckte Heft enthält 18 Reproduktionen nach
Naudinschen Handzeichnungen und eine Biographie
des Künstlers von seinem Landsmann Paul Coren.
Durch diese wertvolle Publikation wird Naudins geist¬
reiches Verhaeren-Porträt, der erste Versuch zu seinem
Beethoven-Bildnis, einem breiteren Kreise bekannt¬
gegeben. Im nächsten Jahre sollen in rascher Folge die
Illustrationen, die Naudin in den letzten iehn Jahren zu
Chamissos „Peter Schlemihl", zu Verhaerens „Campag¬
nes hallucin^es", Villons „Grand et petit Testament" und
Poes „Goldkäfer" geschaffen hat, in Luxusausgaben
erscheinen. Es ist erfreulich, daß das Berliner Kupfer¬
stichkabinett jüngst zwei Radierungen des jugendlichen
Meisters erworben hat und es ist zu wünschen, daß
die verdienstvolle Publikation der Cahiers du Centre,
die in seiner eigenen Heimat erscheinen und ein wir¬
kungsvolles Propagandamittel für den Künstler be¬
deuten, nachhaltige Verbreitung finden.
Rodin hat sich, wie auch schon in Deutschland
bekannt geworden ist, in hochherziger Weise bereit
erklärt, seinen ganzen Besitz an Kunstwerken, etwa
300 Antiken, 50 Skulpturen der romanischen, gotischen
und Renaissance-Periode, ferner alle seine im eigenen
Besitz befindlichen Werke, Skulpturen, Gipsabgüsse
und Handzeichnungen dem französischen Staat zu ver¬
machen, wenn die Regierung ihm das Palais Biron
für Lebenszeit als Wohnsitz überläßt und sich bereit
erklärt, nach seinem Tode das Palais Biron als Rodin-
Museum einzurichten. Um die Verwirklichung dieser
Idee zu betreiben, hat Judith Cladel einen Aufruf
erlassen, an dem sich mehrere Minister, Cl^menceau,
Paul Adam, Maurice Barras, Edmond Rostand, Ana-
tole France, Otto Grautofi, Francis Jammes, Marins,
Any Leblond, Rachilde, Romain Rolland, Ignacio Zu-
loaga und andere beteiligt haben. Dieser Aufruf ist
im Privatdruck kürzlich den Freunden Rodins über¬
reicht worden.
Fr. T. Marinetti, der Erwecker und Begründer
der Futurismus, hat kürzlich im Verlage der „Poesia“
im bombastischen Stil eine Beschreibung der Schlacht
von Tripolis am 26. Oktober 1911 erscheinen lassen,
der er beiwohnte. In dieser von unfreiwilliger Komik
übersprudelnden Schilderung wird die italienische
Armee als eine futuristische Soldateska gefeiert.
„La Renaissance contemporaine“ hat eine 340
Seiten umfassende Anthologie jungfranzösischer Lyrik
zusammengestellt, die nicht die Namen derer enthält,
die in diesen Blättern als charakteristisch für die Be¬
wegung unserer Zeit häufiger genannt wurden. Es
handelt sich vielmehr um den Kreis derer, die, dem
neuen Weltempfinden feindselig gegenüberstehend,
die alten französischen Konventionen erhalten wollen
und der Sprengung der lateinischen Form, die Ver-
haeren, Griffin, Jammes, Romains und Vildrac ein¬
leiteten, entgegenzuarbeiten. Es spricht für den Wert
derer, die sich um Verhaeren sammeln, daß ihnen
eine so voluminöse Anthologie entgegengehalten wird.
Ihr Inhalt ist leichter, gefälliger, spielerischer als die
Anthologie Jean Richard Blochs, die ich im vorigen
Heft hier anzeigen konnte. Unter den 26 Dichtem*
die diese neueste Anthologie enthält, sind lediglich
Henri Allorge, Emile Cottinet, Lucie Delarne Mardons,
Valentine de Saint-Point und Robert Veyssi6 von Be¬
deutung. Allorge hat in seinem früher erschienenen
Gedichtband „Le Clavier des Harmonies" einen feinen,
musikalischen Sinn, tiefe Einfühlung in das geistige
Leben großer Komponisten bewiesen und Robert
Veyssid hat in seinem soeben erschienenen drama¬
tischen Gedicht „Les ailes ouvertes" idealen seelischen
Schwung und eine besondere Gestaltungskraft drama¬
tisch verschlungener Gefühle gezeigt
Aber immerhin stärker und erfrischender wirkt die
neue Folge französischer Balladen, die Paul Fort im
Verlage von Figuifcre unter dem Titel „Month&y. La
Bataille" herausgegeben hat Auch diese neuesten Ge¬
dichte Paul Forts sind wie vorüberziehende Düfte, die
das Konkrete nur ahnen lassen. Er malt keine Schick¬
sale, sondern nur ihren Widerschein, ihre Schatten.
Er ist leise und zart wie Gesichte im Schlaf. Dabei
schäumt er über wie die Allmutter Natur, deren ganzer
Reichtum in ihm konzentriert erscheint Paul Fort
ist unter den vielen Dichtem einer der wenigen, von
denen man heute schon sagen kann, daß ihre Werke
bleiben werden.
Im Verlage der „nouvelle revue frangaise" hat Geor¬
ges Duhamel einen neuen Gedichtband „Compagnons"
herausgegeben, in dem die markige und entschiedene
Kraft des begabten Dichters sich in neuer, gereifter
Form entfaltet. Duhamels herbe Männlichkeit hat hier
musikalischere Weisen geschaffen als es ihm früher ge¬
lungen ist.
Die Bücherhochflut die in den Frühjahrsmonaten
in Frankreich stärker schwillt als in den 'Winter¬
monaten, hat weiter eine unübersehbar hohe Zahl
neuer Lyrikbände an die Oberfläche gebracht Hier
seien nur kurz einige starke Talentproben eines jungen
Debütanten, Pierre Charles Jabionski, genannt der im
Verlage von Eugene Figuifcre zwei Bände: „Lueurs"
und „Au r&veil de la vie“ herausgab, in denen er sich
zur Verhaerenschen Gefolgschaft bekennt Claude
Odild gab im Verlage der „Phalange" einen Band
Gesänge heraus, die Mallarm£sche Einflüsse erkennen
lassen. Eine Reihe sympathischer Prosagedichte hat
Marcel Rien unter dem Titel „M&mdres" (Eugene
Figui£re) vereinigt. Löandre Vaillat hat im Verlage
von Perrin et Cie. ein kulturgeschichtliches Bild Sa¬
voyens herausgegeben, in dem zum ersten Male die
künstlerischen und literarischen Beziehungen zwischen
Savoyen und Frankreich zusammenfassend dar¬
gestellt sind.
Im Verlage von H. Champion hat W. Viennot
einen Katalog der Liebhaberausgaben und der moder¬
nen Bucheinbände herausgegeben, die Maurice An-
döard gesammelt und nach seinem im Jahre 1907
erfolgten Tode der Pariser Nationalbibliothek ver¬
macht hat. Die etwa 500 Nummern umfassende
Sammlung ist eine der bedeutendsten Stiftungen, die
im Laufe der letzten Jahrzehnte der Nationalbibliothek
überwiesen worden sind. Sie umfaßt Erstausgaben in
numerierten Liebhaberexemplaren fast aller bedeuten-
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CORNELL UNIVERSITY
Londoner Brief
93
deren Werke aus den Jahren 1870 bis 1905; und jedes
Buch ist in einem kostbaren Einband von einem der
bedeutendsten französischen Buchbinder wie Gruel,
de Champs, Cuzin, Mercier, Michel und Ruban gefaßt.
Der Bibliothekar A. Vidier hat zu diesem wertvollen
Katalog, der gleichzeitig eine Übersicht über die fran¬
zösischen Luxusausgaben der Neuzeit wie auch über
die moderne Buchbindekunst bietet, ein Vorwort ge¬
schrieben, in dem er die Entstehung und Geschichte
der Sammlung Andöard behandelt hat.
Aus den periodischen Publikationen ist vor allem
anzumerken, daß Fra^is Viölö-Griffins auch hier
erwähnter Aufsatz gegen Barrös in den Freundes¬
kreisen des Dichters ein lautes Echo gefunden. Im
„Mercure de France" ergreifen Henri Clonard und
Jean Max Beraard das Wort Barrös zu verteidigen;
in der „l’Indöpendance“ tritt Jean Variot energisch für
Barrös ein und mehrere Kritiker singen in der „nou-
veile revue frangaise“ (Albert Thibaudet) in der „l’In-
döpendance“ (Andrö Forgan) gelegentlich des neuen
Werkes: „Gröco et le secret de Tolöde“ das Lob des
umstrittenen Meisters. In dieser literarischen Fehde
stehen sich die Nationalisten und politisch Indifferenten,
international Gesinnten feindlich gegenüber. — In der
„Grande revue“ veröffentlichte Pierre de Tröviöres
einen interessanten Artikel: „Les erreurs de Salammbö“,
in dem er einer Überschätzung Flauberts entgegen¬
tritt und in ruhiger Form Flauberts stilistische und
kompositionelle Schwächen bespricht In der gleichen
Zeitschrift veröffentlichte Aurel eine kulturkritische
Betrachtung: „La mort de lä conversation“. — Die
„Revue“ von Jan Finot brachte neue Dokumente über
die letzten Lebensjahre Flauberts zur Veröffent¬
lichung, die, von R. Dumesnil und R. Descharmes
aufgefunden, wertvolle Aufschlüsse aus den Arbeits¬
plänen des Dichters bieten. Die gleiche Zeitschrift
veröffentlichte ferner bisher unbekannte Dokumente
aus dem Kreise Victor Hugos, insbesondere betreffend
seine Beziehungen zu Delacroix, Heim, Huet und
St. Beuve. — In der „nouvelle revue fran^aise“ er¬
schien eine kritische Würdigung Jean Moröas als
tragischer Dichter von Renö Gillonin sowie eine
energische und intelligent begründete Absage an den
Kubismus von Jaques Riviöre. — ,,L’Indöpedance“
widmete dem Dichter Paul Fort eine eingehende Be¬
trachtung aus der Feder Jean Variots und Jules Val¬
lös, dem halb vergessener Romandichter, eine von
Begeisterung getragene Würdigung, für die Maurice
Toussaint als Verfasser zeichnet. — Eine hoch¬
bedeutende historische Studie: „Le cachet de Louis XVI.“
(Documents sur la quesdon Louis XVII.) ist in der
„revue du Temps prösent“ von Adolphe Lanne ver¬
öffentlicht worden; in der gleichen Zeitschrift eine
literar-historische Betrachtung über die Zeitgenossen
von Beaumarchais von Albert de Bersancourt. —
Im „Pan“ und in „Les Bandeaux d’Or“ erschien neue
Lyrik von Jean Gauthier, Albert Desvoyes, P. J. Jouve,
Paul Casdaux und Gaspard Michel.—In der „revue bleue“
veröffentlichte Romain Rolland eine kritische Studie
„Le jeune Mozart ä Mannheim“, die von neuem zeigt, mit
welchem defen Verständnis der geniale Schriftsteller
sich in das Werden eines großen Meisters einzufühlen
versteht. In der gleichen Zeitschrift widmete Henri
de Rögnier Laclos einen Artikel, in dem er in feinen
Linien den Charakter dieses geistreichen Spätlings
des XVIII. Jahrhunderts zeichnete. „Les Hommes
du Jour“ widmeten ihre letzten Artikel Gabriel Hano-
taux, Bracke und Maxence Roldes, auch veröffent¬
lichten sie eine Biographie Garibaldis von Jan Steene.
— Aus der im vorigen Jahre neu begründeten
Zeitschrift: „Les marches de l’ouest“ ist eine neue,
umfassendere Revue, hervorgegmigen, die unter dem
Titel: „La revue de France et des pays fran^ais
les marches du Nord, de l'Est, du Sud-Ouest, de
l’Ouest, du Sud“ in sich vereinigt. Der Direktor
dieser Zeitschrift Olivier Hourcade, ein begabter junger
Dichter und energischer Organisator, treibt in allen
französischen Provinzen eine großzügige Propaganda,
um das Bürgertum zu künstlerischen Interessen zu
erziehen. Die ersten Nummern dieser Zeitschrift ent¬
halten : Roger Allard, Le salon des Indöpendants, Renö
Kemperheide, La Quesdon du Frangais en Belgique,
Franz Dufour, la philosophie catholique de Joseph
Serre, J. M. Bemard, Le thöatre de Jules Romains,
T. de Visan, La personnalitö littöraire de F. Viölö Grif¬
fin usw. — „Art et Döcoradon“ veröffentlichten in ihrer
letzten Nummer einen reich illustrierten Artikel über
Albert Besnards indische Reise von Jaques Copeau.
„L’art döcoratif“ veröffentlichte in ihrer zweiten April¬
nummer einen Aufsatz über die städtische Pariser
Buchgewerbeschule „l’öcole Estienne“. Vor allem die
Illustrationen dieses Aufsatzes werden die bibliophilen
Kreise interessieren.
Bedeutende Auktionen fanden auch im letzten
Monat nicht statt
Paris, Anfang Mai Otto Grautoff.
Londoner Brief.
Die Literatur Englands steht momentan unter
dem Zeichen von Robert Browning. Anknüpfend an
die Wiederkehr seines hundertsten Geburtstages, be¬
nutzt die Tages- und Fachpresse die Gelegenheit um
den Heimgegangenen als Propheten, Philosophen und
Dichter zu besingen.
Wenngleich die Bewunderung für seine Werke
die größeren und tieferen Schichten des Volkes weder
erreicht noch durchdrungen hat so muß doch die
Tatsache eingeräumt werden, daß er in einem klei¬
neren Kreise eine glühende Verehrung besitzt. Als
das wichtigste Ergebnis und als die Aufsummierung
seines Schaffens — so will es mir wenigstens dünken
— kann man die, in formvollendeter, innerer und
äußerer Schönheit zum Ausdruck gebrachte unver¬
gleichlich optimistische Weltanschauung betrachten.
Ein anderer, aber von schwer düsterer Lebensauf¬
fassung beseelter Barde ist Rudyard Kipling. Sein
neues Gedicht „ Ulster *“ beginnt mit den Worten „In
der dunklen, elften Stunde“, und prophezeit, daß wenn
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Londoner Brief
„Home Rule" für Irland bewilligt wird, der Bürger¬
krieg auf der Grünen Insel unvermeidlich erscheint
Ganz abgesehen von der Erörterung politischer Fragen
und dem vorgetragenen Pessimismus, muß ich leider
bekennen, daß das Gedicht als rein literarisches Pro¬
dukt sehr schwach ist
Kürzlich wurden in England eine erhebliche An¬
zahl bibliographischer Werke herausgegeben, die für
den Fachmann Interesse besitzen möchten, von denen
aber hier nur zwei mit ihren Titelüberschriften ge¬
nannt werden können:
„ Transactions of the Bibliographical Society“ Vol -
XI. October igog bis März igu und ferner: „ The
Revival of Printing. A Bibliographical Catalogue of
Works issued by the Chief Modem English Presses.
Macmillan. London
Als das Fazit eines langen und mühsamen Fach¬
studiumsist anzusehen; „ The English ProvincialPrin¬
ters, Stationers and Bookbinders to 1557 By E.
Gordon Duff. M. A. Cambridge University Press.
4 s. net“. Bis zur Regierung Wilhelms III. wurde nur
ausnahmsweise außerhalb Londons in der Provinz
gedruckt und unter Heinrich VIII. entstanden nicht
mehr wie in sechs Provinzialstädten Drucke: Oxford,
Cambridge, St. Albans, York, Tavistock und Abingdon.
Wahrend der Epoche Eduard VI. setzte es die protestan¬
tische Geistlichkeit durch, daß auch in Ipswich und
Worcester Druckereien errichtet wurden, aber unter der
Herrschaft der blutigen Maria hörte das Herstellen
von Büchern in der Provinz gänzlich auf. Kaum mehr
als 100 Druckwerke erschienen damals.
Der Text eines altkoptischen Papyrus-Manuskripts,
das als eines der wichtigsten Bibeldokumente von nun
ab gelten wird, erschien soeben in der Druckform:
„ Coptic Biblical Texts in the Dialekt of Upper Egypt
edited by E. A. Wallis Budge. S°. Sold at the
British Museum , Longmans, Quaritch, Asher and
Henry Frowde. /j s. net“. Es betrifft das „Deutero¬
nomium“, Buch „Jonas“ und die „ Apostelgeschichte“
nebst kritischen Vergleichen mit jüngeren Manu¬
skripten und Parellelen. Der Papyrus stammt aus
der Mitte des vierten Jahrhunderts, und die Sach¬
verständigen sind der Ansicht, daß nach dem Vatika¬
nischen Text der vorliegende der wichtigste sei. Es
handelt sich nicht um einen Originaltext, wohl aber
hat man Grund zu der Annahme, daß die Abschrift
von einem aus dem dritten Jahrhundert herrührenden
Codex geschah. Ankniipfcnd möge die Bemerkung
gestattet sein, daß eine revidierte Lesart des neuen
Testaments sich in Vorbereitung befindet.
In der „British Academy ‘ hielt Mr. G. F. Hill
einen später zum Druck gelangten Vortrag über den
Kultus in Palästina während der griechisch-römischen
Epoche. Hauptsächlich 'waren es zur damaligen Zeit
im Lande gangbare Münzen, die zur Erklärung des
Kultur herangezogen wurden'. Besonders interessant er¬
scheint der Nachweis über die Vermischung respektive
Verschmelzung der heimischen mit den gräco-römischen
Gottheiten.
Die „ Society of Biblical Archaeologie“ lenkte die
Aufmerksamkeit durch eine Vorlesung Mr. Pilchers
auf sich, der über den Einfluß sprach, welchen die
persischen, babylonischen, ägyptischen, und andere
auswärtige Normalgewichte auf den Handel Palästinas
ausübten und schließlich eine Abwandlung der alt¬
jüdischen Gewichte hervorriefen.
Unter den neu herausgekommenen Nachschlage¬
werken erwähne ich folgende: „The Ofßctal year
Book op the Church of England“', „The Shipping
World year Book?', weiter „The Fleet Annual and
Naval year Book't\ ferner „The Constitutional year
Book“ und endlich „The Commercial Handbook of
Canada“.
Eins der erfreulichsten, neuerschienenen Werke
ist zweifellos „The Life of Bret Harte, with some
account of the California Pioneers. By Henry
Childe, Merwin. Chatto dr* Windus, London. 10 s.
6 d. net.“ Dies ist die beste bisher veröffentlichte
Lebensbeschreibung Bret Hartes.
Die Firma A. &* C. Black verlegt ein neues,
unter der Redaktion von Mr. Martin Har die erschei¬
nendes Serienwerk, betitelt „Artisis Sketch-Books“.
Jeder Band bringt 24 Bleistiftskizzen von Städte¬
ansichten.
Der Herzog von Argyll leitete eine Gesellschaft,
die der höchsten Beachtung und des allgemeinsten
Interesses wert erscheint: „The National Lending
Library for the Blind“, deren Ehrenvorsitzende der
Herzog von Westminster und die Prinzessin Louise
sind. Die Blinden, die die in Frage stehende Leih¬
bibliotheken benutzen, sind in London allein 6000 an
der Zahl. Der Bücherbestand hat sich von ursprüng¬
lich, im Braille-System, d. h. mit erhabenen Buch¬
staben gedruckten 7000 Bänden, im letzten Jahre auf
18000 erhöht
Wie alljährlich, so fanden auch diesmal im April
mehrfach Festaufführungen von Shakespeares Dramen
in Stradford-on-Avon statt. Was nur irgend geschehen
kann, um seine Werke mustergüldg zur Darstellung zu
bringen, wird die große Shakespeare-Ausstellung in
„Earls Court" in Szene setzen. Alles auf den Poeten
Bezügliche ist hier vertreten und auch eine möglichst
naturgetreue Kopie des „Globe-Theaters" errichtet
Außer den bereits früher genannten Personen hat
sich auch besonders noch Mr. James de Conlay um
das Zustandekommen der Ausstellung verdient ge¬
macht. Aus der dramatischen Welt ist ferner zu be¬
richten, daß Zolas „Thlrlse Raquin“ für die. Bühne
bearbeitet in englischer Sprache im „Court Theatre"
zur Aufführung gelangte.
Auf dem Auktionsmarkt brachten namentlich
seltene und schöne Kupferstiche ungewöhnlich hohe
Preise. So erreichten zum Beispiel Blätter aus der
Richard Jonson-Sammlung nach Gemälden von Rey¬
nolds folgende Summen: „Gräfin Salisbury", von
Valentin Green , erster Plattenzustand, 10200 M.
(Agnew). „Lady Bampfylde von Watson . zweiter
Plattenzustand 9450 M. (Colnaghi), „Mrs. Pelham",
von Dickinson , erster Plattenzustand 9440 M. (Sabin).
„Gräfin Carlisle" von Watson, erster Plattenzustand
6190 M. (Colnaghi).
Manuskripte und Bücher wurden auf den letzten
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Wiener Brief
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Auktionen bei Sotheby gleichfalls gut honoriert. Die
Standesamtsakten von Gretna-Green aus den Jahren
1825—54, kamen auf 8400 M. Carlyle, „A Dis-
course on the Death of Marshai Keith“ 1060 M.
(Quaritch); History of Frederick II ofPrussia“ 720 M.
„Boccaccio“ 1360 M. Caxton, „Chronicles of Eng¬
land“, 1482, zweite Ausgabe, imvollständig 2300 M.
,,Nümberger Chronik“, 1493, erzielte 800 M. Dorat
„Fables Nouvelles“, 1773, 620 M. La Fontaine
„Contes et Nouvelles“, 1762, zwei Bände, 840 M.
„Roman de la Rose“, Manuskript aus dem XV. Jahr¬
hundert, 1200 M. St. Pierre , „Paul et Virginie“
1806, mit mehreren Autographen des Autors, 7800 M.
Ein Blatt der „Mazarin-Bibel, 820 M. Jacobus de
Voragme „Golden Legend“, von Caxton 1484—87
gedruckt, 2700 M. Racine, 1801—1805, gebunden von
Bradel-Derome für Napoleon I, 2600 M.
In dem Nekrolog ist leider das Ableben von Mr.
IV. P. Stead zu verzeichnen, der sowohl als Mensch
wie als Schriftsteller, durch seine hohen geistigen
Gaben und seine persönliche Liebenswürdigkeit sich
viele Herzen erwarb. Für Deutschland erscheint sein
Tod als ein besonders zu beklagender Verlust, da
er ein aufrichtiger Freund unseres Vaterlandes war.
Am meisten ist Mr. Stead in letzterer Zeit bekannt
geworden durch seine Tätigkeit als Redakteur der
„Review of Reviews”. Ein merkwürdiges Faktum bleibt
es, daß der von höchstem Intellekt geleitete Schrift¬
steller ein überzeugter Spiritist war.
London, Anfang Mai O. v. Schleinitz\
Wiener Brief.
Der verstorbene^ehemalige Hofburgtheaterdirektor
Max Burckhard, von dessen Bibliothek ich im letzten
Wiener Brief Mitteilung gemacht habe, war auch ein
eifriger Sammler von Zeitungsausschnitten insbesondere
auf dem Gebiete der Theatergeschichte. Davon
zeugen auch die 53 Foliobände dieser Sammlung, die
er, wohl geordnet, hinterlassen und nach einer letzt¬
willigen Verfügung der Wiener Hofbibliothek ver¬
macht hat. Die Bücherei Burckhards wird im Herbst
zu Gunsten des österreichischen Bühnenvereins ver¬
steigert. Auf Grund einer testamentarischen Bestim¬
mung wird der von Burckhard selbst angelegte Ma¬
terienkatalog als Auktionskatalog in Druck gelegt, zu
dem Hermann Bahr ein Vorwort schreiben wird.
Die 7000 Bände enthalten nur Gutes. Burckhard hat
wiederholt seine Bibliothek entlastet und Unbedeuten¬
deres ausgeschieden. Was also jetzt zur Auktion ge¬
langen wird, darf als ausgewähltes Gut bezeichnet
werden. Nach den Angaben des Buchhändlers Hugo
Heller, der die Versteigerung vornehmen wird, gibt
es kaum ein Gebiet des menschlichen Wissens, von
den Kirchenvätern bis zur Medizin, das in Burckhards
Bibliothek nicht in repräsentativen Werken vertreten
wäre, wobei ihr Besitzer auch den Einbänden und der
Schönheit der Ausgaben große Sorgfalt zugewen¬
det hat.
In der „Wiener Abendpost“ wird von einer Reihe
von interessanten Funden und Erwerbungen Mittei¬
lung gemacht, die der unter der Leitung Dr. Kon -
rad Schiffmanns stehenden Linzer Studienbibliothek
geglückt sind. Unter anderem handelt es sich um
Wiederauffindung verloren geglaubter Teile eines im
Stiftfe Baumgartenberg angelegten Thesaurus , der in
seinem Inhalte und auch äußerlich zu den wertvollsten
Urkunden gezählt werden dürfte. Ein zweiter Fund
betrifft ein etwa 32:26 Zentimeter großes Papier¬
blatt, das in schwarzen und roten Missale-Typen ein
Dankgebet, das Vaterunser, Ave Maria und das
Glaubensbekenntnis, sämtliche in deutscher Sprache
enthält. Nach dem Charakter der Typen im Ein¬
blattdruck gehört das Blatt dem Anfänge des XVI.
Jahrhunderts an und hat für ein Heft, das ein Ver¬
zeichnis des Ungeldes enthielt, als Umschlag gedient.
Es ist jedenfalls vor dem Jahre 1533 hergestellt und
dürfte der älteste Salzburger Druck sein, der bisher
bekannt ist
Nicht unerwähnt möge hier ein Vortrag bleiben,
den unlängst Dr. Anton Klima in der Wiener „Ura¬
nia" über das Thema „ Karikatur und Satire in der
Technik" hielt. Eine wirklich technische Karikatur
finde sich erst mit Beginn des XIX. Jahrhunderts, das
die Entfaltung technischen Lebens gebracht habe.
Der graphischen Satire biete sich mit dem Eindringen
technischer Worte in den Sprachgebrauch, mit den
großen Fortschritten des Verkehrslebens usw. eine
Fülle neuer Stoffe und neuer Wirkungen dar. Ins¬
besondere die neuere Zeit weise graphische Künstler
auf, die das Rüstzeug technischen Wissens derart
meistern, daß sie fast selbstschöpferisch aufzutreten
vermögen. Der Vortrag war von der Vorführung
eines sehr reichen Bildermaterials begleitet, das eine
Übersicht der technischen Karikatur vom XVI. Jahr¬
hundert bis in die Gegenwart bot In diesem Zu¬
sammenhänge seien drei Namen der jüngsten Zeit
vorzüglich zu erwähnen: der verstorbene Wiener
Emst Juch , der Münchener Heinrich Kley und der
Engländer W. Robinson Heath .
Die kürzlich ausgegebene zweite Lieferung des
35. Jahrganges der im Verlage der Gesellschaft für
vervielfältigende Kunst in Wien (VI. Luftbadgasse if)
erscheinenden Zeitschrift „ Die graphischen Künste?*
erfreut wieder durch Inhalt und Ausstattung. Vor
allem sei auf die gehaltvolle, mit reichen Bildbeigaben
versehene Studie Emil Waldmanns über Max Slevogt
als Illustrator aufmerksam gemacht: („Die ganz
großen Künstler haben aus diesem Dilemma, diesem
Widerstreit zwischen Kunst und Kunstgewerbe zwei
Auswege: Entweder sie illustrieren außerhalb des
Textes, wie Delacroix den Faust... Oder sie kümmern
sich einfach gar nicht oder nur pro forma um das
Problem. Sie zeichnen die Vorstellung, die sie sich
bei der Lektüre gemacht haben, auf, in aller Lebendig¬
keit, und fügen sie dann in den Druckspiegel ein*. . .
Die wirklich guten Illustrationen des XIX. und XX.
Jahrhunderts sind kein Buchschmuck. Ein Biblio¬
phile reines Wassers muß Menzels Geschichte Frie-
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CORNELL UNIVERSUM
96
Römischer Brief
drichs des Großen schrecklich finden, Klingers Eros
und Psyche ebenfalls . . . Aber darauf kommt es
nicht an. Wer wirklich die Kunst liebt um ihrer selbst
willen und um des Lebens willen, das sie ausdrückt,
dem ist |das bibelot gleichgültig. Der greift, wenn
er Buchillustrationen genießen will, zu den Seltenen...
eben zu Menzel und zu Klinger, manchmal zu Bon-
nard und Lautrec. Und neuerdings mit einer größeren
Freude zu Max Slevogt.“) Das Heft enthält überdies
einen Aufsatz Gustav Glücks über Dürers Gemälde
des heiligen Hieronymus im Museum zu Lissabon,
eine Würdigung der Radierungen Donald, Shaw,
Mac Langklans aus der Feder Campbell Dogdons usw.
und ist außer den Textillustrationen mit Kunstbeilagen
geschmückt.
Theodor Herzls „Feuilletons " liegen jetzt mit einer
Vorrede von Raoul Autrnheimer in zweiter Auflage
vor (J. Singer & Co. Berlin, zwei Bände). Wir haben
uns alle seinerzeit an diesen Plaudereien des welt¬
männisch abgeschliffenen Zionistenführers, der zu¬
gleich das Amt eines Feuilletonredakteurs der „Wiener
Neuen Freien Presse“ versah, ergötzt, die feine Kunst
seiner Kinderstuben-, seiner Reiseskizzen gerne auf uns
wirken lassen, nicht zuletzt uns herzlich an den Schwän¬
ken seines famosen Lokalreporters erfreut Auch
die sprachliche Eleganz war vielen Tagesschriftstellem
Vorbild und Muster. Herzl aber, wie es Auem-
heimer tut mit Speidel, ja mit Kürnberger in eine
Linie zu stellen, geht denn doch zu weit Speidel war
gewißlich nur Feuilletonist, dies aber in klassischer
Form» dessen Kunst überdies von einer umfassenden
Weltbildung durchsättigt war. Kürnberger war vor
allem ein mächtiges Temperament, das, alles in
allem genommen, gegen die Zeitung und die Zei-
tungsffon rebellierte. Herzl aber ist und bleibt, wie
sehr sich auch sein Verehrer Auemheimer gegen
dieses Wort sträuben mag, doch nur ein „Zeitungs¬
plauderer 4 ', einer freilich, der's kann, der’s gut kann,
dessen Weise vornehm, amüsant und elegant ist
dessen gesammelte Aufsätze aber kaum, wie das
Vorwort glaubt, zu einer Bedeutung in der neueren
deutschen Literaturgeschichte gelangen dürften. Der
ehemaligen Unterschätzung des Feuilletonisten scheint
jetzt eine Überschätzung des besseren Tagesschrift¬
stellers zu folgen.
Das Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg, heraus¬
gegeben von Mitgliedern des Chorherrenstifters, liegt
nunmehr in seinem vierten Jahrgange vor.* (Wilhelm
Braumüller, Wien und Leipzig, 345 Seiten und 7 Tafeln.)
Dr. Aiphons Lhotzky schreibt über die Teilnahmeder
Begnadeten an Gottes Natur gemäß 2. Petr, I. 4., Dr.
Ferdinand Schönsteiner über Religion und Kirche im
josephinischen Zeitalter, Dr. Vincenz Oskar Ludwig
über Probst Georg II. Hausmanstetter usw. Im Ver¬
gleiche zu früheren Jahrgängen ist das diesmalige
Jahrbuch ein wenig einseitig geraten. Es wäre sehr
schade, wenn diese Publikation des Chorherrnstiftes,
die bereits einen ansehnlichen Freundeskreis um sich
zu versammeln verstanden hat, nur dem Gebiete
des Religiösen oder Religionsgeschichtlichen und
ähnlichen Themen sein Interesse zuwendete. Wie
reich und anregend war noch der dritte Jahrgang!
Schließlich möchte ich noch aus dem reichen In¬
halte des 8. Heftes der Monatsschrift „Deutsche Ar¬
beit " (Prag, I) die zwei Beiträge: Prag im Spiegel der
deutschen Dichtung von Adolf Ryba und Gefangnis-
erlebnisse von Prager Studenten in den Jahren 1849
bis 1852 II. Teil von W. Ernst hervorheben.
Wien, Anfang Mai. Hans Feigl.
Römischer Brief.
Die Einweihung des neuerbauten Campanile der
Markuskirche in Venedig ist durch eine historische
Ausstellung, die „Mostra del Campanile“ besonders
gefeiert worden. Die außerordentlich anziehende und
interessante Ausstellung ist in den würdigen Räumen
des Dogenpalastes untergebracht Im ersten Stock
begegnen wir zunächst den Dokumenten, die sich auf
die letzten Jahrzehnte des Campanile und auf seinen
Einsturz beziehen. Hier fällt besonders ein großes
Modell des Markusplatzes auf, das in den Jahren
1855—1867 von den Brüdern Gilbert von Winckels
mit erstaunlicher Geduld und peinlicher Genauigkeit
in Holz geschnitzt worden ist, und das das Museum
von Verona ausgestellt hat Im anstoßenden Saale
finden sich hingegen in eigentümlichem Kontraste die
Dokumente und Zeugnisse aus der ältesten Zeit. Noch
die modernen Tageszeitungen mit den Berichten über
den Einsturz vor Augen begegnen wir hier dem archäo¬
logischen Material, wie es in den Trümmern gefunden
wurde. Die uralten Ziegelsteine mit den Fabrikzeichen
darauf, mit Darstellungen von Menschen und Tieren,
den Resten alter Bauten; Basreliefs, Säulen und Ka¬
pitalen, Stücken von Steinen, die auf beiden Seiten
bearbeitet sind und die Spuren der verschiedenen
Kunstepochen tragen, Mustern der ersten Pfahlbauten
und — etwas unzusammenhanglos — eine Wieder¬
herstellung der Madonna des Sansovino. In dem an¬
stoßenden sogenannten Saal „Quarantia Civil Vecchio,“
verkündet eine Anzahl neuer Gemälde den Ruhm des
Campanile. Im ersten Saale des obem Stockes thront
im Hintergrund der Löwe von Sant Marc9 von Caraccio,
außer einer Anzahl historischer Trophäen und Waffen
aus der Geschichte Venedigs sind hier Gemälde von
Canaletto, Guardi und Bclotlo ausgestellt, die das
Venedig des XVIII. Jahrhunderts zeigen. Im Nebensaal,
inmitten von 333 alten Kürassen — wird der Ruhm
Francesco Morosinis des aus den Türkenkriegen be¬
kannten venezianischen Admirals verherrlicht: inmitten
der drei Schiflfslaternen, die er von türkischen Galeeren
erbeutet hat, steht die Büste des großen Seehelden.
Hier sind einige Gemälde alter Meister gesammelt,
unter denen die zwei des Bonifasio, die der Königliche
Hof hergeliehen hat, sowie das Gemälde, das be¬
stimmt war, in Toleutimo das Wunder der Auslöschung
des berühmten Brandes des Dogenpalastes zu weihen,
besonders hervorzuheben sind. Im letzten Saal ist
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CORNELL UNfVERSITY
Römischer Brief
97
die im eigentlichsten Sinne historische Abteilung der
Ausstellung vereinigt. Hier finden sich die Urkunden
und Abbildungen, die die Geschichte des Gebäudes
erzählen, dessen Wiederaufrichtung Venedig in diesen
Tagen festlich begangen hat. Die älteste Urkunde
reicht bis ins Jahr 1152 zurück, und in jener ersten
Zeit vermischt sich fast drei Jahrhunderte hindurch
die Geschichte des Campanile mit den Sagen, die den
merkwürdigen Boden Venedigs umweben. Wie oft
hat es zu allen Zeiten den Anschein gehabt, als hätten
sich die Naturkräfte gegen die „ Mole di Venezia“
verschworen. Die Geschichte des Campanile ist die
Geschichte von Erdbeben, Bränden und zündenden
Blitzen. Hier begegnen wir Abbildungen in Repro¬
duktionen nach Gemälden, Miniaturen, Holzschnitten
in Inkunabeln, in den merkwürdigsten und über¬
raschendsten Formen; Zu einem bestimmten Zeitpunkt
erscheint die „Cella“ zum erstenmal: Der Prokurator
von San Marco, Grimani, betrachtet mit Wohlgefallen
die prachtvolle Zeichnung eiiler Bekrönung aus Mar¬
mor, deren bedeutende Kosten durch die Republik
aufgebracht wurden, und zwar durch Verkauf gewisser
Kleinodien aus dem Schatze von San Marco und
durch Reduzierung der Gehälter für die Geistlichen
auf drei Jahre. Daneben die verwickelte Geschichte
der „Logetta“: Von der ursprünglichen Form an, wie
sie Sansovino erdacht hatte, bis zu den Änderungen
des Longhena, mit Erinnerungen an die verschiedenen
Ämter, für die sie gedient hat Dann folgen ver¬
schiedene historische Dokumente, von ganz eigenem
Wert und Reiz. Die letzte Rechnung der Republik
Venedig über Ausgaben für den Campanile aus dem
Unglücksjahre 1797 (Ende der Republik infolge Ein¬
nahme der Stadt durch Bonaparte); Berichte über
Umschmelzung der Glocken und Wiederaufrichtung
des Engels vom Jahre 1822; aus einer Urkunde vom
4. April 1849 erfahren wir, daß von den Glocken die
österreichischen Adler abgefeilt wurden, schließlich
zeigen die Bilder von der Niederlegung der alten
Holzläden, die früher um den Turm herumstanden,
den Campanile, wie er bis zum 14. Juli 1902 zu sehen
war. Die Ausstellung schließt mit einer wertvollen
Sammlung alter Kupferstiche und Holzschnitte aus
dem „ Museo Civico“, die Zeremonien, Feste, Pro¬
zessionen, merkwürdige Gebräuche usw. auf dem
Markusplatz und seiner unmittelbaren Umgebung in
ihren charakteristischsten Zügen wieder aufleben lassen,
r Das „Giomale della Libreria“ bringt einen Brief
zum Abdruck, den eine der bekanntesten Persönlich¬
keiten Venedigs, Giuseppe Volpi, aus Anlaß der Ein¬
weihung des neuerbauten Campanile an den Bürger¬
meister von Venedig, Conte Grimani, gerichtet hat:
„An diesem Tage von Sant Marco, der durch die Voll¬
endung des neuerbauten Glockenturmes so überaus
feierlich für uns ist, wünschen drei Gesellschaften, die
einen guten Teil ihres Gedeihens dem Boden ver¬
danken, über dem noch immer die Erinnerung des
heiligen Löwen schwebt, unserer Stadt eine Gabe dar¬
zubringen, und lediglich, weil ich die Anregung ge¬
geben habe, bin ich ausersehen worden, Ihnen, der
Sie eine unauslöschliche Liebe für unsere Geschichte
hegen, die Mitteilung hiervon zu machen. Die Gabe
soll in einer Geschichte der Republik Venedig bis zu
ihrem zweiten Ende (1848) bestehen und die Geber
sind: die Venezianische Schiffahrtsgesellschaft, die
Gesellschaft für Wasserkräfte in Venezien und die
Adriatische Elektrizitätsgesellschaft . Gewiß existieren
vollständige Geschichten von Venedig, aber sie sind
zu umfangreich und meist nicht mehr zu bekommen;
auch fehlt es an recht schätzbaren neueren Hand¬
büchern nicht. Es existieren erschöpfende Arbeiten
über die Sitten und Gebräuche sowie über das Leben
der Stadt, aber wie uns schien, vereinigt kein Werk
in gewählter Fassung und in einem handlichen Bande
die wunderbare politische und bürgerliche Geschichte
einer Größe von fünfzehn Jahrhunderten. Und so
wünschen wir, daß unsere schon so reiche Literatur
über Venedig um einen solchen Band bereichert werde,
der mit 100 Tafeln ausgestattet werden soll, und möch¬
ten das fertige Werk am Sankt Markustage des kom¬
menden Jahres in 2000 Exemplaren der Stadt zum
Geschenk machen. Hervorragende Kenner unserer
Geschichte und Kunst wie Pompeo Molmenti, Antonio
Fr adele tto, Vittorio Rossi, Ettore Vito und Vittorio
Cian , alle Venezianer, haben sich bereit erklärt, dem
Redaktionskomitee dieser neuen Geschichte Venedigs
beizutreten, und diesen Männern gehört unsere tiefste
Anerkennung, daß sie zu einem Werke beitragen
wollen, welches, von ihnen mit den Mitteln und in
der Form ausgeführt, die ihnen am geeignetsten
erscheinen, zweifellos so ausfallen wird, wie es der
Stadt würdig ist.** Und Pompeo Molmenti, der her¬
vorragende Verfasser der „ Vita privata dei Veneziani“,
hat den Vorsitz des Komitees übernommen. Kaum
glaublich, aber es existieren nur zwei Geschichten der
Republik Venedig: die von Romanin und die kürzer
gefaßte von Sagredo\ aber beide sind veraltet, wenig
geeignet für die Bedürfnisse des modernen Studiums
und weit entfernt von den neuen Methoden der
Forschung und Geschichtsschreibung. — Der Ge¬
danke Volpis wird sicherlich in Venedig den Beifall
aller Gebildeten haben und es ist zu hoffen, daß er
außerhalb Venedigs unter finanziellen und industriellen
Gesellschaften nicht nur Bewunderer, sondern auch
Nachahmer finde.
Der „Marzocco" widmet seine Nummer vom
14. April dem Andenken des kürzlich verstorbenen
Dichters Giovanni Pascoli. G. S. Gargano würdigt in
einem eingehenden Aufsatz den Dichter und den
Menschen. Dann kommen Beiträge von Angiolo Or ■
visto, Luigi Valli; eine interessante Arbeit von
G. Vitelli über Pascoli als lateinischen Dichter; ferner
spricht Aldo Lorani über den Glauben Giovanni Pas-
colis; Giulio Caprin über „Giovanni Pascoli und die
Kritik“. Dazu kommen eine ganze Anzahl kleiner Artikel,
persönlicher Erinnerungen, Abdrucke von Briefen,
Faksimiles von Autographen und anderes. Von be¬
sonderem Interesse ist auch eine Zusammenstellung
von Arbeiten, die der Dichter unveröffentlicht oder
unvollendet hinterlassen hat.
Bei Leo S. Olschki in Florenz beginnt in diesen
Wochen unter dem Titel „/ Disegni della R. Galleria
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Gck igle
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CORNELL UNIVERSITY
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Amsterdamer Brief
degli Uffiz?* eine ganz hervorragende Publikation zu
erscheinen. Die Herausgabe der Handzeichnungen
der Uffizien in getreuem Faksimile ist bei der Zahl
und Qualität der dort vereinigten Sammlungen ein
ebenso verdienstvolles wie kühnes Unternehmen, das
die Anerkennung und Förderung aller Kunstkenner
und Freunde der ganzen Welt verdient In dem Pro¬
spekt, den zu lesen wegen seiner prachtvollen typo¬
graphischen Ausstattung eine Freude ist, heißt es:
„Die Sammlung der Handzeichnungen, die in dem
Kabinett der Königlichen Uffizien zu Florenz aufbewahrt
wird, kann als einzigartig bezeichnet werden, sowohl
wegen des Alters ihres Ursprungs, wie wegen ihres
Umfangs (zirka 45000 Stücke) sowie wegen der Qua¬
lität der Blätter. Bei dem lebhaften Interesse, das
man in Florenz seit der Renaissance allen Zweigen
der Kunst entgegenbrachte, entstanden frühzeitig
Sammlungen von Handzeichnungen, wie die berühm¬
ten des Vasari und Borghini , die dann, zum großen
Teil von dem Kardinal Leopold Dei Medici ', auf Rat
Filippo Baldinuccis vereinigt worden und den Grund¬
stock des Kabinetts der Uffizien bildeten. Die nach¬
folgenden Großherzöge erweiterten die Sammlung mit
beständiger Fürsorge: durch Erwerbungen von den
Adelsfamilien Gaddi und Michelozzi und aus den
Sammlungen Hugford und Mariette. Eine bedeutende
Bereicherung erfuhr die Sammlung auch durch Schen¬
kung der Zeichnungen Emilio Santarellis, sowie durch
Erwerbungen und Geschenke aus den Kollektionen
Geymüller, Morelü und Malvezzi. Diese reichen
Schätze sind sehr wenig bekannt, da die Publikatio¬
nen, die bisher — und nur von einer geringen Zahl
von Zeichnungen — erschienen, fragmentarisch und
unzulänglich sowohl in der Auswahl wie in der Qua¬
lität der Reproduktionen sind. Es hat sich daher das
Bedürfnis fühlbar gemacht, eine neue Publikation zu
veranstalten, mit der Absicht die künstlerisch wich¬
tigsten Stücke weiteren Kreisen bekannt zu machen.
Nicht allein Studienzwecken sollen diese Blätter
dienen, sondern auch Liebhabern und Künstlern will
man die schönsten Muster der Zeichenkunst ver¬
gangener Jahrhunderte in einer mit den modernen
Mitteln vollendeten Wiedergabe zugänglich machen.
Zu diesem Zwecke hat sich ein Komitee gebildet, dem
P. N. Ferri t Inspektor des Handzeichnungskabinetts
der Uffizien, Carlo Gamba, Ehreninspektor der Mo¬
numente von Florenz, Carlo Loeser und Giovanni
Poggi, Generalintendant der Galerien und Museen
der Toskana, beigetreten sind. Die Absicht ist, fünf
Jahre hindurch jährlich 100 Tafeln zu veröffentlichen,
die in der Größe der Originale nur solche vor den
besten Blättern wiedergeben sollen, deren Echtheit
außer allem Zweifel steht Die Blätter werden von
dem „Instituto Micrografico italiano“ ausgeführt.
Die 100 Tafeln, die jährlich erscheinen sollen,
werden in Lieferungen von 20—30 Blatt herausgegeben
werden, deren jeder eine kurze Einleitung beigegeben
wird. Jede Lieferung wird die Zeichnungen eines
Künstlers enthalten, oder aber mehrerer, die durch
Schule oder Richtung miteinander verwandt sind. Die
Herausgabe jeder Lieferung soll im allgemeinen einem
der Komiteemitglieder übertragen werden, doch be¬
hält das Komitee sich vor, in besonderen Fällen auch
andere Fachgelehrte von Ruf zur Mitarbeit heran¬
zuziehen. Die vier Lieferungen des ersten Jahrganges
werden folgenden Künstlern gewidmet sein: 1. Ponto-
tormo. — 2. Tizian und Tintoretto. — 3. Einigen Floren-
tinischen Quattrocentisten (Paolo Uccello — Pollai-
nolo — Andrea del Verrocchio — Sandro Botticelli). —
4. Fremden Landschaftsmalern in Italien (Matteo
Brill — A. Elzheimer — Paolo Brill — Claude Lor-
rain — H. Swanevelt — N. Berchem — G. Suster-
man — Jacques Callot — C. Poelemburg — Gio¬
vanni Both — Gaspare Vanvitelli). Die folgenden
Serien werden enthalten: Venezianische Meister des
Quattrocento — Lombardische und Emilianische Künst¬
ler des Quattrocento — Florentiner und Bolognesen
des Seicento — Piero di Cosimo — Filippino Lippi —
Leonardo da Vinci — Michelangelo — Raffaelo —
Sodoma — Caspaccio — Savoldo — Pordemone —
Dosso Dossi — Gaudenzio Ferrari — Correggio —
Parmigianino — Fra Bartolommeo — Andrea del
Sarto — Cecchino Salviati — Baroccio — Primaricdo
— A. Dürer — Breughel der Ältere — Steffanino
della Bella — Callot usw. .
Rom, Anfang Mai 1912. Ewald Rappaport,
Amsterdamer Brief.
Die kürzlich erschienene 13. Lieferung des
Werkes von W. Ny hoff, „Lart typographique dans
les Pays-Bas (1500—1540) enthält zwei neue Blätter
mit Reproduktionen nach Holzschnitten und Schrift¬
proben des Antwerpener Buchdruckers Jan van Does-
borch; zwei der Bücher sind englische Ausgaben,
eins ist betitelt: „The fifteen tokens“ (c. 1505), das
andere ist eine Übersetzung des Eulenspiegel; der aus
letzterem abgebildete Holzschnitt ist eine Kopie nach
dem Holzschnitt aus der ursprünglichen holländischen
Ausgabe, die 1512 in Antwerpen bei Michael van
Hoochstraten erschien; dargestellt ist der Streich, den
Eulenspiegel in Lübeck dem Weinhändler spielt; der
Holzschnitt in der englischen Ausgabe steht künstle¬
risch etwas höher als das derbe Vorbüd; doch sind
die Unterschiede minimal; vielleicht ist sogar der alte
Holzstock benutzt. Von anderen hier reproduzierten
Arbeiten aus der Doesborchschen Offizin sei noch
hervorgehoben ein Holzschnitt aus „Die Reyse van
Lissebone 1508“. Aus der Werkstatt eines anderen
Antwerpeners, des Hendrik Eckert van Homberch,
der schon durch acht Blätter vertreten war, bringt
das neue Heft einen großen Titelholzschnitt aus
„Voragine, Passionael. Het winter stuck 1516“. Die
freie und sichere Technik, die besonders bei der
Zeichnung der Gesichter und der Hände auffallt ver¬
rät die Hand eines Meisters der Holzschnittkunst.
Dann kommen vier Blätter des Antwerpener Druckers
Willem Vorsterman, zuerst zwei noch sehr rohe Holz¬
schnitte aus (Petrus) Coloniae, „Ars memorativa“ (1510),
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CORNELL UNIVERSUM
Amsterdamer Brief
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dann aus der „Triomphante entrde de Ferdinand ä
Stoel Wittenburch(Stuhlweißenburg) 1527“, ein technisch
viel fortgeschrittenerer Holzschnitt, die Vorhut des
Zuges mit Trommler und Pfeifer darstellend, und eine
Schriftprobe in kleiner Fraktur; kräftiger und schöner
ist die gotische Letter aus dem „Missale itineranrium",
von dem sich auf demselben Blatt eine Probe findet;
von den andern hier veröffentlichten Arbeiten Vorster-
mans sei noch ein in der Wiedergabe der Bewegung
zweier fechtender Männer ganz gelungener Holzschnitt
erwähnt, der sich in „La noble Science des joueurs
despee“ von 1538 findet Zwei Blätter sind dem Brüsseler
Thomas van der Noot gewidmet das eine bringt den
Titelholzschnitt aus Ximenes de Prexano, Dat licht der
Kerste 1518 (beschrieben bei Moes Amsterdamische
Drukkers I, Seite 36); dargestellt ist Christus als Welt¬
heiland in einem Strahlenkranz. Sehr große Ver¬
wandtschaft, sowohl in der Technik wie in dem Christus¬
typus zeigt dieser Holzschnitt mit den Arbeiten des
Jacob Cornelisz; besonders auffallend ist die Ähnlich¬
keit mit dem auferstandenen Christus auf dem Rund
aus der großen Passion (Wurzbach Nr. 13). Der
Christus in dem reproduzierten Titel ist offenbar eine
Kopie nach Jacob Cornelisz. Daß wir es hier nicht
mit einer eigenen Arbeit des Künstlers zu tim haben,
dagegen spricht die schwächere Ausführung; wo sich
zum Beispiel auf dem ursprünglichen Blatt, zwei oder
mehr Linien finden, sind dieselben in der Kopie oft
in eine einzige dicke Linie zusammengeflossen.
Von Thomas van der Noot sind außerdem re¬
produziert zwei Holzschnitte und eine Schriftprobe
aus.* „Een schoone contemplacie op de psalm Mi¬
serere mei Deus" (zirka 1516) und das Signet des
Druckers aus dem „Spiegel der behoudenisse“ (zirka
1510): ein gewappneter Ritter, dessen Leib in einen
Fischschwanz endigt. Diesesselbe Druckerzeichen ist
übrigens schon einmal in einer der früheren Abliefe¬
rungen reproduziert (Blatt Nr. III des van der Noot),
es ist da aber einem anderen Buch, „Olivier de la
Marche, Den triumphe ende Apalleersel der vrou-
wen" (zirka 1514) entnommen. —Dann kommen noch
zwei Blätter, die aus zwei Offizinen der alten Univer¬
sitätsstadt Löwen gewählt sind. In beiden Fällen
sind es gelelute Werke, ein juristisches: P. Aegidius,
„Summae sive argumenta legum“ eine Arbeit von
Theodoricus M artinus Alostensis, von dem das von
einer schweren plumpen Umrahmung von Renaissance¬
motiven eingefaßte Titelblatt abgebildet ist, und ein
medizinisches: N. de Boussut, „Trium questionum
definitio“, von dem die Darstellung des Sündenfalles
durch die sonderbare Versammlung oben in dem Baum
eines gewissen naiven Reizes nicht entbehrt Das letzte
Blatt bringt die Arbeiten eines Amsterdamer Buch¬
druckers, des Hugo Jansz. van Woerden; es ist ein
kleines mit primitiven Holzschnitten geschmücktes An¬
dachtsbüchlein : „Lyden Jesu dat d. H. Vrou wen Birgitten
geopenbaert was" (zirka 1510); das einzige bekannte
Exemplar dieses Buches, wie der meisten anderen in
diesem Hefte publizierten Bücher, befindet sich im
British Museum zu London.
Einen schönen Katalog über moderne holländische
Z. f. B. 1912/1913.
Radierer hat die Amsterdamer Kunsthandlung, E. J.
v. Wisselingh Rokin 78—80, herausgegeben, der
durch die große Anzahl der Illustrationen für die Ge¬
schichte der modernen Radierung von bleibendem
Werte sein wird. (Illustrated Catalogue of original
etchings.)
Die Titel und Maße der Blätter sind holländisch
und englisch angegeben. Es sind im ganzen nur
vier Künstler, zum Teil von ganz entgegengesetzten
Neigungen, von denen hier Reproduktionen gebracht
werden. Marius Bauer , (geboren 1867) steht ganz im
Bann der märchenhaften Pracht der Welt des Orients
und sucht den eigenartigen Zauber, den das bunte
vielköpfige Leben in den islamitischen Ländern und als
Hintergrund die bizarre Architektur der Moscheen
und Minarets ausübt, mit der nervösen Radiernadel auf
der Kupferplatte festzuhalten. Es ist die Welt von Tau¬
sendundeiner Nacht, die er in einem magischen Hell¬
dunkel, in all ihrem Reichtum und ihrem Glanz vor uns
erstehen läßt Bauer ist in dem Katalog am zahlreich¬
sten vertreten. Der zweite Künstler ist der leider zu
früh verstorbene Pieter Dupont (1870—1910), der sich in
der hier gebotenen Auswahl hauptsächlich als Tier¬
darsteller, und noch spezieller als Pferdeliebhaber
präsentiert; daneben lernt man ihn auch als Radierer
feiner Stadtansichten und kleiner Landschaftsaus¬
schnitte schätzen; die meisten seiner Arbeiten sind
Radierungen, nur einiges ist mit dem Grabstichel ge¬
stochen. In dem dritten Graveur, in W. Witsen (geboren
1860), der hier quantitativ gleich nach Bauer kommt,
tritt uns ein meisterhafter Interpret des eigenartigen etwas
melancholischen Reizes von Alt-Amsterdam und Alt-
Dordrecht entgegen; Winter oder Herbst ist es auf
diesen feinen Radierungen, ein grauer Himmel hängt
über der Stadt und kahle Bäume heben sich fein von
der Luft ab. Witsen ist es nur um den malerischen
Effekt des Stadtbildes zu tun, das Straßenleben inter¬
essiert ihn nicht, Figuren ^erscheinen auf Stadtan¬
sichten nur ganz vereinzelt; gerade durch das Men¬
schenleere bekommen diese Sachen so etwas Fried¬
volles und man möchte sagen Abgeklärtes. Daß
Witsen aber auch ein tüchtiger Figurendarsteller ist,
zeigen eine Reihe anderer Radierungen von ihm, wo
die menschliche Gestalt im Innenraum bei der Arbeit
oder auf dem Feld bei landwirtschaftlicher Tätigkeit
abgebildet ist; auf diesen Blättern, wie dem „Dorf¬
schmied“ oder den „zwei strickenden Frauen", die bei
Sonnenuntergang über das Land wandern, ist die
Figur sogar die Hauptsache und die Umgebung
bloßer Rahmen. Abgebildet in dem Katalog sind
auch ein paar farbige Radierungen, die im Hafen
liegende Torfschiffe darstellen. Der vierte der in
dem Katalog vertretenen Künstler ist W. de Zwart,
(geboren 1862) der mehr die reine Landschaft pflegt;
Wiesen mit weidenden Kühen, der Waldesrand mit
einem vereinzelten Bauemgefahrt, ein unter Bäumen
verstecktes Gehöft oder Boote im Hafen bei ein¬
brechendem Abend sind die Themata, die er in seiner
geistreichen Manier, die mit einem Gewirr feiner
zitteriger Linien ihre Wirkungen erzielt, mit Vorliebe
variiert
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Original ffom
CORNELL UNIVERSITY
IOO
Amsterdamer Brief
Auf zwei kürzlich in Zeitschriften erschienene
meisterliche kleine Erzählungen möchte ich an dieser
Stelle hinweisen. An sich haben sie nichts Gemein¬
sames, aber durch die knappe, nur das Wesentliche
hervorhebende Kunst der Darstellung, die sich nicht
in langatmige Kleinmalerei verliert, zeichnen sie sich
vor vielen anderen Erzeugnissen moderner holländi¬
scher Prosa vorteilhaft aus. Die eine umfangreichere
Arbeit erschien im Dezemberheft von „Groot-Neder-
land" und hatte einen Schriftsteller der älteren Gene¬
ration zum Verfasser: Marcellus Emans (geboren 1847),
der in der scharfsinnigen Analyse von Seelenzuständen,
der Plastizität seiner Schilderungen und dem pessi¬
mistisch-skeptischen Grundton an Maupassant und
Turgenjeff erinnert; der modernen „Wortkunst“, der
durch Klang und Wort malenden Poesie ist er in der
Theorie wie in der Praxis gleich abgeneigt Die „ Uit
vrees '* (aus Furcht) benannte Novelle behandelt das
eigenartige Problem der Furcht vor dem Tode oder
vielmehr vor dem Sterben. Sehr fein ist die Genesis
dieser Furcht erzählt; sie datiert von dem Zeitpunkt an,
wo die betreffende Person zum ersten Male, als Schul¬
knabe, einen Toten erblickt; dieses Bild prägt sich mit
allen zufälligen Einzelheiten dem jungen, empfindlichen
Gemüt unauslöschlich ein. Es ist ein Schopen¬
hauerscher Gedanke, der hier in einem bestimmten In¬
dividuum Fleisch und Blut geworden ist und mit
Folgerichtigkeit durchgeführt wird: der Tod an sich
schon als Einwand und Urteil über den Wert des
Lebens empfunden. Daß nur jemand, der von keiner
materiellen Not oder Sorge gequält wird, sondern im
Gegenteil durch nichts behindert sein Dasein ausleben
kann, sich für ein solches Experiment eignet, ist klar.
Nur die völlige Freiheit von allem Zwang, was
Schopenhauer die Langeweile nennt, ist ein günstiger
Nährboden für solche Reinkulturen eines einzigen
beherrschenden Gedankens. Das Problem findet seine
Lösung darin, daß der Kranke, der aber im übrigen
ein ganz normaler und intelligenter Mann ist — er ist
eben zu intelligent —, um die quälende Vorstellung los
zu sein vom Tode oder von einer zum Tode führenden
Krankheit überrumpelt zu werden und dann vielleicht
in einem Hospital, umgeben von fremden, gleich¬
gültigen Menschen sein Dasein endigen zu müssen, aus
freien Stücken und mit vollem Bewußtsein auf einer
Vergnügungsfahrt im Mittelmeer in einer schönen
Sommernacht ins Wasser springt. — Die andere Er¬
zählung, die ihren Hauptreiz der abenteuerlichen
Handlung verdankt, ist von Maurits Wagem/oort,
einem jungen Journalisten, und wurde im Märzheft
des „Nieuwe Gids“ veröffentlicht „De gevilde aap "
(der gehäutete Affe) ist der Titel. Hier haben wir
keine tiefgehende Analyse einer komplizierten Per¬
sönlichkeit sondern die lebendige Schilderung eines
Reiseabenteuers im Innern von Englisch-Indien. Eine
unheimlich drohende Stimmung liegt über dem Ganzen,
Der Reisende setzt in der Dämmerung als einziger
Europäer auf einer Fähre über den Ganges; mit ihm
viel Eingeborene, darunter ein Derwisch mit gezähm¬
ten Schlangen und ein indischer Fakir mit einem
zähnefletschenden heiligen Affen, in welcher Gesellschaft
der Reisende sich nichts weniger als behaglich fühlt
Da sein Reiseziel zu weit entfernt liegt um es noch
vor Anbruch der Dunkelheit zu erreichen, sieht er sich
genötigt in einem elenden Posthaus in dem kleinen Ort
am andern Ufer zu nächtigen. Aber an Schlaf ist nicht
zu denken; der Raum, in dem sein Nachtlager auf¬
geschlagen ist, ist nicht verschließbar, sein Moskitonetz
kann er nicht befestigen; er geht also ins Freie. Er
lenkt seine Schritte nach einem kleinen Häuschen in
dem Garten, und da wird er Zeuge einer grausigen
Szene. Wie ein beklemmender Fiebertraum wirkt
die Schilderung derselben; der Derwisch hat den
Falrir durch ein Getränk betäubt, hat den Affen ge¬
tötet, um sich zu Quacksalberkünsten seine Leber an¬
zueignen und ist, selbst blutüberströmt, gerade damit
beschäftigt dem toten Tier langsam, als ob er ein
Kleid auftrennt, das Fell abzuziehen; während dessen
kommt der durch Datura vorübergehend gelähmte
Falrir wieder zu sich, stürzt sich vor Wut rasend auf
den Mörder seines Tieres und es beginnt zwischen
den beiden „Heiligen" ein Kampf um Leben und Tod,
in denen beide verbluten. Die Darstellung, die sich
durch große Anschaulichkeit und sicheres Gefühl für
die Grenzen der erzählenden Kunst auszeichnet — kein
Wort darin ist zu viel —, könnte eines Edgar Poe
würdig sein. Von andern Zeitschriftenartikeln wird
deutsche Leser ein Artikel von F. J. Kubatz in dem
ersten diesjährigen Heft der Zweimonatsschrift „ Bouw -
ktinst“ interessieren; mit großer Anerkennung wird
darin das Tietssehe Warenhaus in Düsseldorf % das
Olbrichsche Meisterwerk, besprochen. Der Verfasser
vergleicht es mit dem Messelschen Wertheimbau in
Berlin und er sagt darüber: „Wertheim ist vielleicht
schöner, Tietz ist kräftiger* und zeigt einen entschie¬
deneren Willen und ein größeres Können*'.
In der Januamummer der „ Beweging“ ergreift
C. G. N. de Vooys das Wort zu der Rechtschreibungs¬
frage', den von uns Heft x des vorigen Jahrganges
Seite 9 besprochenen Aufsatz über dieses Problem
nennt er eine „Mischung von unverdauter Schulweis¬
heit und Laienanschauungen, die von einer betrügeri¬
schen Schicht moderner Sympathien bedeckt ist**.
Die Nummer enthält ferner von H. B. Berlage, einem
der führenden holländischen Architekten, einen mit
vielen Zitaten aus Kant, Hegel, Semper und — Dietz-
gen (!) gespickten Artikel über die Grundlagen und
die Entwicklung der Architektur. In demselben Heft
macht T. J. de Boer das holländische Publikum mit
der Sammlung Aufsätze des großen Berliner Dialek¬
tikers Georg Simmel über „Philosophische Kultur 4 *
bekannt.
Amsterdam, Anfang Mai. M. D. Henkel
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Rundschau der Presse
IOI
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert Hortzschansky in Berlin-Lichterfelde.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen zu
verzeichnen, soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Adresse
des Bearbeiters in Berlin-Lichterfelde, Moltkestr. 40, erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Allgemeines.
Cumont, F., Les manuscrits coptes de la Biblioth&que
Morgan.
Acadimie r. de Belgique. Bulletins de la classe
des lettres. 19112. Nr. 1. S. 10—13.
Durrieu, P., Un artiste frangais miniaturiste en titre
du Pape, ä Rome dans la premi&re moitid du XVI e
si&cle. Article i.
Journal des savanls. 1912. April. S. 145—147.
Olschki, L. S., Quelques manuscrits fort prdcieux.
(Forts.)
Bibliofilia. 13. 1911/12. Dispensa 12 m. 4 Taf. u.
6 Abbild. i. T.
Serafini, A., Ricerche sulla miniatura Umbra (secoli
XIV—XVI. Forts.).
LArte di Adolfo Venturi. 15. 1912. S. 99—121
mit 18 Abbild.
Szentivdnyi, R., Der Codex Aureus von Lorsch,
jetzt in Gyulafehdrvär. (Batthyänische Bibliothek in
Karlsburg.)
Studien und Mitteilungen zur Geschichte des
Benediktinerordens . N. F. 2. 1912. S. 131—151,
3 Taf.
Wolkan, R., Aus österreichischen Handschriften¬
katalogen. II. Aus den Handschriften des Domini¬
kanerklosters in Wien.
Zeitschrift des Österreichischen Vereinesfür Biblio¬
thekswesen. 3. 1912. S. 14—19.
Bibliophilie. Exlibris.
Bouland, L., Livres aux armes du Cardinal L-I.-X.
D’Isoard.
Bulletin du bibliophile. 1912. S. 184—187 mit
2 Abbüd.
Dujarric-Descombes, A., Belsunce, littdrateur et
bibliophile.
Bulletin de la socidtd hist, et archdol . du Pdrigord.
39. 1912. S. 180—185 mit 2 Taf.
Evers, G. A., Fotografische exlibris.
De Boekzaal. 6. 1912. S. 21—26 mit 11 Abbild.
Grangerising. Ästhetisches. Historisches. Tech
nisches.
Jahrbuch für Bücher-Kunde und -Liebhaberei. 4.
1912. S.81—100.
Die Handhabung der Bücher. Allerlei Zweck¬
mäßiges.
Jahrbuch für Bücher-Kunde und -Liebhaberei. 4.
1912. S. 73—79.
Nodier, Ch., Le Bibliomane.
Jahrbuch für Bücher-Kunde und -Liebhaberei. 4.
1912. S. 1—24.
Über das Sammeln moderner Bücher.
Jahrbuch für Bücher-Kunde und -Liebhaberei. 4.
1912. S. 101—139.
Wolter, E., Nicolai Michailovitsch Lissowski. Ein
russischer Büchersammler und Bibliograph.
Jahrbuch für Bücher-Kunde und - Liebhaberei. 4.
1912. S. 43—46 mit 2 Taf.
Bibliothekswesen.
Adville, M., Bibliothdcaire en chef de laville d’Angers
(1780—1871).
LAnjou historique. 12. 1911/12. S. 246—249.
Beresteyn, E. van, Het nieuwe gebouw der Openbare
Leeszaal te Utrecht.
De Boekzaal. 6. 1912. S. 131—138 mit 5 Abbild.
Le Biblioteche per i marinai. Per V. B. N. .
Rivista delle biblioteche e degli archivi. 23. 1912.
5. 25—30.
Les Bibliothdques modernes.
Bulletin de f Association desbibliothdcairesfran^ais.
6. 1911. S. 14—19. (Wird fortges.)
Bücherei-Zettel.
Jahrbuch für Bücher-Kunde und -Liebhaberei. 4.
1912. S. 145—147, Taf. 3—16.
Konrad Burger+.
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
5. 5210—5214.
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Kaiser, J. B., The special library and the library
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Library World. 14. 1911/12. S. 257—259.
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CORNELL UNIVERSITY
102
Randschau der Presse
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Kukula, R., Für die Erhöhung der Dotationen der
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thekswesen. 3. 1912. S. I—10.
Madsen, V., Dänisches Bibliothekswesen 1911.
Zeitschrift des österreichischen Vereines für Biblio¬
thekswesen. 3. 1912. s. 55—59.
Morgan, A. de, On the difficulty of correct descrip-
tion of books.
Jahrbuch für Bücher-Kunde und -Liebhaberei . 4.
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Rawlinson, G. V.,The Useofthe hbraryin thegrades.
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Schultze, E., Die Entwicklung der Volksbibliotheken
in England. (Forts.)
Eckart. 6. 1911/12. S. 454—461. (Schluß folgt.)
Schulze, E., Der Lebensnerv der Volksbibliotheken.
Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik. 19.
1912. S. 332 — 339 -
Smith, M. A., What the librarian needs from the
schools. Library Journal. 37. 1912. S. 169—174.
Smither, R. E., Modern methods of book storage.
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Spectator, Viennensia.
Zeitschrift des österreichischen Vereines für Biblio¬
thekswesen. 3. 1912. S. 21—23.
Veth, C., Jongensboeken.
De Boekwaal. 6. 1912. S. 9—20. 70—76.
Viola, O., Italienischer Brief. (Aus dem Ms. des Verf
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Zeitschrift des Österreichischen Vereines für Biblio¬
thekswesen. 3. 1912. S. 44—48.
Wilson, L. R., A constructive library platform for
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Library Journal. 37. 1912. S. 179—185.
Wolter, E., Russische Bibliotheken. St. Petersburger
Brief. 11 . Die großen wissenschaftlichen Bibliotheken
Rußlands.
Zeitschrift des österreichischen Vereines für Biblio¬
thekswesen. 3. 1912. S. 48—55.
Buchdruck und -Gewerbe.
Avena, A., Per la storia delle cartiere e deU'arte dei
cartai in Verona.
II Libro e la Starnpa. 6. 1912. S. 33—49.
Breest, E., Der Herausgeber der „Halberstädter
Bibel“ von 1522. (Curt Drake.)
Theologische Studien und Kritiken. 1912. S. 478
—488.
Hessels, J. H., The so-called Gutenberg documents.
(Forts.)
Library . 3. Ser. 1912. S. 195—220. (Wird fortges.)
Leonhardt, K. F., und Bossert, H. Th., Studien
zur Hausbuchmeisterfrage. (1. Forts.)
Zeitschrift für bildende Kunst. 47. 1912. S. 19 t
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Mägr, A. S., Posener Drucke in der Universitätsbiblio¬
thek zu Upsala.
Historische Monatsblätter für die Provinz Posen.
13. 1912. S. 70— 71 -
Morin, L., L’Imprimerie ä Troyes pendant la Ligue.
Bulletin du bibliophile. 1912. S. 151-167 mit
2 Abbild. (Wird fortges.)
Poel man, H. A., Eenige bijzonderheden aangaande
het werk van den Amsterdamschen boekdrukker
Doen Pietersz. (1520/21.)
Het Boek. 1. 1912. S. 123—127.
Schleimer, H., Zur Frage der Wiegendruck-Inven¬
tarisierung in Österreich.
Zeitschrift des Österreichischen Vereines für Biblio¬
thekswesen. 3. 1912. S. 10—14.
Scholderer, J. V., Albrecht Pfister of Bamberg.
Library . 3. Ser. 3. 1912. S. 230—236.
Venturi, R., A proposito della rilegatura da biblio-
teche.
Rivista delle biblioteche e degli archivi. 23. 1912.
S. 20—24.
Werth er, H., William Caxton, der erste englische
Buchdrucker.
Allgemeine Buchhändlerxeitung. 19. 1912. S. 209.
Buchhandel.
Aus der guten alten Zeit. Einige Lesefrüchte zur Er¬
quickung und zum Trost
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
S. 4913—4916.
Streißler, F., Sortimenter und Kommissionär.
Allgemeine Buchhändlerzeitung. 19. 1912. S. 203
—209.
Die Vente Fortsas.
Jahrbuch für Bücher-Kunde und -Liebhaberei. 4.
1912. S. 25—41.
Zeitungswesen. Pressrecht. Zensur.
Les Alamanachs Angevins (1690—1802).
LAnjou historique. 12. 1911/12. S. 568—580.
La Presse Bonapartiste ä Angers sous la 3 C Repu*
blique.
LAnjou historique. 12. 1911/12. S. 661—664.
Literaturgeschichte. Allgemeines.
Geßler, A., Der Göttinger „Hain“ im Stammbuch
eines Gothaer Studenten.
Euphorion. 18. 1911/12. S. 682—691.
Korr0di, E., Schweizerische Lyrik. 1. 2.
Eckart. 6. 1911/12. S. 430—445.
Schmitz, G., Zur deutschen Briefliteratur. (Schluß.)
Bücherwelt. 1912. Mal S. 149—156.
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CORNELL UNIVERSITY
Rundschau der Fresse
103
Einzelne Schriftsteller.
Anzengruber: Wies er S., Ludwig Anzengruber.
Bücherwelt . 1912. Mai. S. 145—149.
Arnim: F reib erg, G. von, Bettinas Ekstasen. Persön¬
liche Erinnerungen.
Vossische Zeitung . 1912. Sonntagsbeilage Nr. 17
vom 28. April.
Baggesen: Zürcher, O., Jens Baggesens Parthenais.
Eine literahistorische Untersuchung.
Untersuchungen zur neuem Sprach ■ und Lite¬
ratur-Geschichte . N. F. 11. 1912. 140 S.
Brentano: Stremmer, E., Clemens Brentano in West¬
falen. Nach seinen Briefen.
Westfälisches Magazin. N. F. 3. 1912. S. 227
—230.
Browning: Figgis, D., Robert Browning.
North American Review. 1912. Mal S. 577—593
mit 1 Portr.
—: Lemmermayer, F., Robert Browning. (Zu seinem
hundertsten Geburtstag.)
österreichische Rundschau. 1912. Bd. 31. H. 3.
S. 217—226.
—: Minchin, H. C. Browning und Wordsworth.
Fortnightly Review. 1912. Mai. S. 813—824.
—: Nicoll, W. R., Robert Browning's Father.
Bookman. 1912. Mai. S. 63—70.
—: Saintsbury, G., Robert Browning.
Bookman. 1912. Mai. S. 57—63 mit 28 Abbild,
und 1 Taf.
—: Weidenmüller, Robert Browning.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 20
vom 19. Mai.
Casanova: Gufcde, Les Iditions des mdmoires de Ca
sanova.
MerCure de France. 1912. April. 16. S. 708—727.
Droste: Gotthard, J., Neues über Annette von Droste
und ihren Freundeskreis. Mit ungedrucktem Material.
8. Annettes Beziehungen zu Heinrich Straube. (Forts.)
Westfälisches Magazin. N. F. 3. 1912. S. 238
—241. (Wird fortges.)
—: Pint hus, K., Die Briefe Annettes von Droste-
Hülshoff an Elise Rüdiger. 7—12.
Deutsche Rundschau. 1912. Mai. S. 276—297.
(Forts, folgt.)
Enlenberg: Wolff, K., Der Dramatiker Herbert Eulen¬
berg.
Mitteilungen der literarhistorischen Gesellschaft
Bonn. 7. 1912. Heft 1/2. 58 S.
France: Platzhoff-Lejeune, E., Anatole France.
Grenzboten. 1912. Nr. 18. S. 232—241.
Freytag: Rosenthal, F., Die erste Bühnenausgabe
von Freytags „Journalisten“.
Literarisches Echo. 14. 1912. H. 16. Sp. 1110—1116.
Geliert: Eiermann, W., Gellerts Briefetil.
Teutonia. 23. 1912. XI, 153 S.
Goethe: Bode, W., Ein Brief Friedrich v. Steins an
Goethe. Aus der Handschriftensammlung der Kgl.
Bibliothek zu Berlin.
Stunden mit Goethe. Bd. 8. H. 2. 1912. S. in
— 123 -
Goethe: Bode, W., Myrons Kuh.
Stunden mit Goethe. Bd. 8. H. 2. 1912. S. 127
—136, 1 Taf.
—: Bode, W., Tolstois Urteile über Goethe.
Stunden mit Goethe. 8. 1912. H. 1. S. 1—8.
—: Briefe der Frau v. Stein an Knebel. 5. Reihe.
Stunden mit Goethe . 8. 1912. H. 1. S. 9—30.
—; Denecke, A., Goethe und Plautus.
Liierarisches Echo. 14. 1912. H. 15. Sp. 1034
—1040.
—: Eber wein, K., Goethe als Theaterdirektor.'
Stunden mit Goethe. 8. 1912. H. 1. S. 31—44.
—: Feuchtwanger, L., Die Quellen des „Faust“-
Vorspiels.
Vossische Zeitung. 1912. Nr. 226 vom 4. Mai.
—: Hallbauer, E., Graf Görtz und Goethe.
Stunden mit Goethe. Bd. 8. H. 2. 1912. S. 83
— 9 °-
—: Köster, A., Wilhelm Meisters theatralische Sen¬
dung.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 1912,
H. 4. S. 209—233.
—: Pfordten, O. von der, Der Doktor Marianus in
Goethes Faust.
Eufhorion. 18. 1911/12. S. 722—725.
—: Quincke, W., Die Bühnen weit in Wilhelm Mei¬
sters „Theatralischer Sendung“.
Stunden mit Goethe. Bd. 8. H. 2. 1912. S. 91
—ixo.
—: Rosenhagen, G., Wilhelm Meister.
Germanisch-romanische Monatsschrift . 4. 1912.
S. 189—201.
—: Thalhofer, F. X., Goethe als Pädagog.
Pharus. 3. 1912. Mai. S. 411—420.
—: Tutein Nolthenius, R. P. J., Wat Goethe
niet zag in Sicilie. II.
De Gids. 1912. Mai S. 257—304.
—: Warneeke, F., Goethes Gedicht: „Groß ist die
Diana der Epheser“.
Euphorion. 18. 1911/12. S. 707—722.
Grabbe: Bergmann, A. Ein Nachtrag zu Grabbes
Werken. Euphorion. 18. 1911/12. S. 746—751.
Grandison: Hordorff, A., Untersuchungen zu „Edward
Grandisons Geschichte in Görlitz“. (Anonyme Schrift
der Schweizer gegen Gottsched und Schönaich.)
(Forts.)
Euphorion. 18. 1911/12. S. 634—657. (Wird
fortges.)
Greif: Jacoby, D., Martin Greif.
Deutsche Literaturzeitung. 33. 1912. Sp.837—843.
Groth: Mahl, H., Ungedruckte Briefe von Klaus Groth.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 19
vom 12. Mai.
Gfinderode: Neck er, M., Die Lebenstragödie der
Karoline von Günderode.
Über den Wassern. 5. 1912. S. 285—289. 330
—335-
Halbe: Grummann, S. H., Max Halbe.
Poet Lore. 23. 1912. S. 125—138.
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CORNELL UNIVERSUM
104
Von den Auktionen
Hamann: Ebstein, W., Die Krankheit des Magus im
Norden.
Süddeutsche Monatshefte. 1912. Mai. S. 162—178.
Hearn: Grierson, H., Lafcadio Heam.
Dublin Review. 1912. April. S. 271—285.
Heine: Hofstaetter, W., Heine und das junge
Deutschland. Literaturbericht 1911.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 1912.
H. 4. S. 274—278.
—: Kricker, G., Aus Heinrich Heines Werdezeit.
Über den Wassern. 5. 1912. S. 277—282.
Hölderlin: Montgomery, M., Hölderlin and „Dio-
tima“.
Modem Language Review. 7. 1912. S. 193
—207.
Keller: Simon, Ph., Gottfried Kellers „Gerechte Kamm¬
macher' 1 .
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 16
vom 21. April.
Kleist: H irzel, B., Briefe von Christian Ewald von Kleist
an Johann Kaspar Hirzel.
Euphorion. 18. 1911/12. S. 658—679. (Schluß
folgt.)
Liliencron: Adelt, L., Die drei Romane eines Lebens.
(Schluß.) Xenien. 5. 1912. S. 199—205.
Lingg: Port, F., Hermann Lingg in den Revolutions-
jahren. Nach ungedruckten Dokumenten.
Süddeutsche Monatshefte . 1912. April. S. 14—28.
Mörike: Uhde-Bernays, H., Briefe Mörikes über
Schwind.
Süddeutsche Monatshefte. 1912. April. S. 49—58.
Oeser: Hesselbacher, K., Zum Gedächtnis an Her¬
mann Oeser. Eckart. 6. 1911/12. S. 417—430.
Raabe: Everth, E., Wilhelm Raabe.
Xenien . 5. 1912. S. 228—231. (Wird fortges.)
—: Lange, R., Ein letzter Besuch bei Wilhelm Raabe.
Mitteilungen für die Gesellschaft der Freunde
Wilhelm Raabes. 1912. Nr. 1. S. 1—8.
Schiller: Kluckhohn, P., Zur Textgeschichte von
Schillers historischen Schriften. Aus den Vorstudien
zu einer Ausgabe.
Euphorion. 18. 1911/12. S. 692—707.
—: Piquet, F., Le caractöre de Don Cdsar dans la
„Fiancde de Messine“.
Revue germanique. 1912. Nr. 3. S. 266—279.
Schlegel: Muckermann, F., Friedrich von Schlegel.
IV. Der „Trommelschläger der Romantik“.
Der Gral. 1912. Mai. S. 489—497. (Forts, folgt.)
Schopp: Lerche, O., J. B. Schupp. Eine Zusammen¬
fassung. Euphorion. 18. 1911. S. 581—610.
Shakespeare: Brown, C., Shakespeare und the horse.
Library. 3. Ser. 3. 1912. S. 152—180.
—: 0*Connor, E., A possible source of Shakespeares
culture. Poet Lore. 23. 1912. Nr. 2. S. 114—124.
—: Sarrazin, G., Shakespeare als Landmann.
Vossische Zeitung. 1912. Nr. 207 vom 24. April.
—: Wilson, J. D., Martin Marprelate and Shake¬
speares Fluellen.
Library. 3. Ser. 3. 1912. S. 113—151. (Wild
fortges.)
Shaw: Minor, J„ Bernard Shaws „Cäsar und Cleo¬
patra.
Österreichische Rundschau. 31,2. 1912. S. 142—148.
Widmann: Eschmann, E., Joseph Victor Widmann.
20. Febr. 1842—6. Novbr. 1911.
Eckart. 6. 1911/12. S. 445—454.
Zedlitz: Kohut, A., Joseph Christian Freiherr von
Zedlitz. (Zu seinem 50. Todestage, 16. März. ds. Js.)
Die Donau. 4. 1912. S. 21—24.
Von den
Am 29. und 30. April wurden bei Martin Breslauer
in Berlin eine Anzahl wertvoller Autographen verstei¬
gert. Die Hauptpreise waren: Friedrich der Große an
seine Schwester, die Königin Ulrike v. Schweden 175 M.
Aus den letzten Lebenstagen der Königin Luise 2060 M.
Königin Luise an den Herzog von Sachsen-Hildburg-
hausen 125 M. Kaiser Wilhelm II. an seine Gro߬
mutter Augusta 120 M. Bulle Papst Clemens III.
425 M. Bulle Papst Leo X. 125 M. Brief Blüchers
an seinen Verwalter Schwenke 230 M. Brief des Gene¬
rals Seydlitz 100 M. Wallenstein an den Fürst zu An¬
halt 115 M. Brief Bismarcks 115 M. Vittorio Alfieri
an Marchese di Barolo 180 M. Briefe des Pädagogen
Friedrich Fröbel aus der Zeit der Freiheitskriege 510 M.
Grillparzer an den Verlagsbuchhändler Vieweg, Braun¬
schweig 190 M. Wilhelm Hauff an die Redaktion der
Blätter für literarische Unterhaltung 120 M. Wilhelm
fordan , Albumblatt 755 M. Schiller, Vme aus Wilhelm
Teil 900 M. Eigenhändiges Manuskript L. van Beet¬
hovens 3000 M. Beethoven an Schuppanzig 485 M.
Ungedruckter Kanon Beethovens 1000 M. Beethoven
an Mr. Neale in englischer Sprache 220 M. Beethoven
an den Freiherm von Türkheim 620 M. Leopold
Auktionen.
Mozart mit Nachschrift W.A. Mozarts 750 M. Manu¬
skripte W.A. Mozarts 350 M., 250M., 250 M. und Rondo
für Klavier in D-dur 2600 M. Richard Wagner an
Freiherrn von Biedenfeld in Weimar 145 M. Richard
Wagner an den Violinisten A.Wilkoszewski in München
110 M. Handschriftensammlung aus dem Besitze Jo¬
seph Kainz ’ 105 M. Napoleons I. Bescheid auf eine
Eingabe der Primaballerina am Thdätre des Arts 265 M.
Napoleons I. Brief an Francois de Neufchateau 200 M.
Eingabe an den Großherzog von Berg mit eigenhän¬
diger Randbemerkung Napoleons 145 M. Dokument
über die Verhandlungen und die Hinrichtung des
Fr. Ravaillac 140 M. Friedrich Freiherr von Trenck
an den Bruder Friedrich des Großen Prihz Heinrich
von Preußen 145 M. Briefe, Gedichte und Handschriften
zum großen Teil zur Zeit der Freiheitskriege aus dem
weiteren Goethekreis an Ferdinand Heincke gerichtet
230 M.
Die Versteigerung des zweiten Teiles der berühmten
Huth-Bibliothek wird von der Firma Sotheby , Wilkin-
son and Hodge am 9. Juni und den folgenden sieben
Tagen, die Samstage ausgeschlossen, abgehalten wer-
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CORNELL UNIVERSITY
Neu erschienene nnd angekfindigte Bücher
105
den. Dieser zweite Teil, der an „livres uniques“ wo¬
möglich noch reicher ist als der erste, bringt die Ver¬
steigerung im Katalog bis zum Ende des Buchstaben D;
es dürften somit wohl noch sechs weitere Auktionen
folgen« so daß sich die Versteigerung der ganzen Samm¬
lung über ein paar Jahre erstrecken wird. Besondere
„Nummern“ der bevorstehenden Auktion sind sechs
Caxton-Drucke, alle die ersten und die meisten der
späteren deutschen und lateinischen Ausgaben von De
Brys „Voyages“, eine aus 193 Stücken bestehende
Sammlung der Werke De Foes, verschiedene erste
Cervantes- und Dante-Ausgaben, die erste lateinische
Ausgabe von Fernando Cortez „Praeclara“, die drei
ersten Ausgaben der „Cosmographia“, eine schöne
deutsche Chronik-Handschrift in gereimten Versen aus
dem Ende des XIV. Jahrhunderts, volle 860 Folioseiten
und illustriert mit 204 äußerst merkwürdigen Malereien.
Max Burckhardt hat eine weit über 7000 Bände
umfassende Bibliothek hinterlassen, die zum großen
Teil in seinem Häuschen in Lueg, zum Teil in Wien
sich befindet. Es war seinem Freundeskreise bekannt,
mit welcher Liebe Burckhardt diese Bibliothek pflegte,
die in jedem einzelnen Buch Zeugnis ablegt, von dem
feinen Europäertum und dem universellen Geiste ihres
Besitzers, in den Äußerlichkeiten, den Einbänden und
der Schönheit der Ausgaben aber auch den echten
Bibliophilen zeigt Es gibt kaum ein Gebiet des mensch¬
lichen Wissens, von den Kirchenvätern bis zur Medizin,
das in dieser Bibliothek nicht in repräsentativen Wer¬
ken vertreten wäre, und auch das lebendige Interesse
das der ehemalige Direktor des Wiener Hofburg¬
theaters der dramatischen Produktion und dem Theater
überhaupt bewahrte, findet in der Struktur der Biblio¬
thek seinen Ausdruck. Max Burckhardt hat testamen¬
tarisch die Versteigerung der Bibliothek zugunsten des
Österreichischen Bühnenvereins verfugt und mit deren
Durchführung die Buchhandlung Hugo Heller Cie. in
Wien betraut. Einer letzt willigen Verfügung Burckhardts
entsprechend wird der von ihm selbst angelegte Ma¬
terienkatalog der Bibliothek als Auktionskatalog in
Druck gelegt Hermann Bahr hat sich bereit gefunden,
zu diesem Katalog eine Elinleitung zu schreiben.
Am 8. Juni versteigert Max Perl in Berlin die
Sammlung Aron. Sie enthält deutsche Literatur der
Jahre 1813—1815 mit ihren Vorläufern und umfaßt
Aufrufe und Verordnungen. — Literatur (Patriotischer
Gesang, Kriegs-, Sieges-, Dank-, Jubel- und Soldaten¬
lieder, Satiren und dramatische Stücke). — Musikali¬
sche Kompositionen, — Porträts und Schlachtenbilder,
worunter sich viele Seltenheiten, teilweise sogar Unika
befinden. Besonders hervorzuheben wären die vielen
anonymen patriotischen Flugblätter, sowie die seltenen
Originaldrucke von Arndt, Schenkendorf, Körner,
Kotzebue, Stägemann, Rückert, Fouquö, Förster und
anderen Gelegenheitsdichtem dieser Zeit.
Neu erschienene und
Cameo book-stamps figured and described by Cyril
Davenport . London , Edward Arnold, 1911. Gr. 8*.
XVI und 208 Seiten. Gebunden 21 j.
. Dem Bibliothekar am British Museum Cyril Daven¬
port verdanken wir bereits eine Reihe wertvoller Mono¬
graphien zur Geschichte des Bucheinbands: Royal
English bookbindings(i896),English embroidered book-
bindings(i899), Thomas Berthelet(i9oi), Samuel Meame
(1908), English heraldic book-stamps (1909). Bei seinem
neuesten Buche „Cameo book-stamps“ befremdet uns
zunächst der Titel, nach dem wir etwas anderes erwarten
müssen, als das Buch uns gibt Denn unter Cameo
book-stamps faßte man bisher die kleine Gruppe von
vergoldeten oder bemalten Reliefpressungen zusammen,
die sich auf Einbänden der italienischen Frührenaissance
finden, Lederpressungen, die im Charakter der Ab¬
drücke von Kameen oder Medaillen gehalten sind, wo¬
von die beiden ovalen Reliefpressungen der sogenannten
Canevari-Einbände die bekanntesten sind. Aber diese
kameenartigen Pressungen machen nur einen kleinen
Teil des Buches aus. Von den 151 Stempelpressungen,
die darin abgebildet und beschrieben werden, sind nur
11 Cameo-stamps in der bisherigen Bedeutung dieses
Ausdrucks, nämlich die Abbildungen 6, 11, 12, 18, 23,
51, 53, 54, 56, 81, 90. Alle übrigen Stempelabdrücke,
die das Buch behandelt, sind figürliche Stempel zumeist
rechteckig oblonger Form im Renaissancecharakter,
die in Blindpressung (vereinzelt in Goldpressung) in die
Lederbände des XVI. Jahrhunderts als Mittelstücke
angekündigte Bücher.
eingepreßt wurden. Nur zwei (Nr. 17 und 19) sind einem
spätgotischen Einband vom Ende des XV. Jahrhun¬
derts entnommen. Der weitaus größere Teil des Daven-
portschen Buches behandelt also die blindgepreßten
größeren Stempel oder Stöcke, die wir als Platten¬
stempel zu bezeichnen pflegen, und die man in England
gewöhnlich „panel-stamps“ nennt
Das zweite, was uns an dem Buche befremdet, ist
die Art der Wiedergabe der Stempelpressungen. Daven¬
port hat von den Stempelpressungen Abreibungen ge¬
macht, diese auf Pauspapier nachgezeichnet und von
diesen Nachzeichnungen Strichätzungen anfertigen
lassen, ebenso wie früher in seinen „English heraldic
book-stamps“. Da er nun im Zeichnen Dilettant ist,
sind seine Zeichnungen Karikaturen der Originale ge¬
worden, die von den zum Teil sehr gut geschnittenen
Plattenstempeln, — die besten Arbeiten haben die deut¬
schen Stempelschneider geliefert —, wirklich keine Vor¬
stellung mehr geben. Solche Nachbildungen sind, selbst
wenn die Zeichnungen besser und richtiger wären, im
Zeitalter der Photographie und der photochemischen
Reproduktion nicht mehr zu ertragen. Der Verfasser
sagt in der Einleitung, Blindpressungen seien sehr schwer
zu photographieren, die Photographien würden in den
meisten Fällen fast unerkennbar werden wegen der
Farbeneinwirkung des hellbraunen Kalbleders oder des
dunkelbraunen Schweinsleders. Davon kann aber, wenn
sie bei der Aufnahme gut belichtet, und wenn farben¬
empfindliche Platten genommen werden, nicht die Rede
Digitized b'
■V Google
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CORNEIL UNiVERSITY
io 6
Neu erschienene und angekündigte Bücher
sein, wie die Abbildungen von Blindpressungen in allen
neueren Abbildungswerken von Bucheinbänden dartun.
Nach seinem Inhalt gibt das Buch kein vollstän-
diges Bild von seiner Materie. Denn die rein ornamen¬
talen Plattenstempel sind fortgelassen, an heraldischen
gibt es nur einige englische als Nachträge zu Daven-
ports Buch „English heraldic book-stamps“. Aber auch
die figürlichen Plattenstempel sind nicht annähernd
vollständig, schon deshalb, weil der Verfasser sein Ma¬
terial nur von Einbänden im Britischen Museum ent¬
nimmt; hinzugenommen sind nur vier Stücke aus eng¬
lischen Privatbibliotheken und eins aus Abbeville. Auch
sind alle Abbildungen nur mit einem einzigen Nachweis
belegt. Schon aus den bisher erschienenen Tafelwerken
von Einbänden lassen sich, trotzdem die Abbildungen
von Einbänden mit Plattenstempeln darin im Verhält¬
nis zu dem vorhandenen Reichtum spärlich sind, die
von Davenport gegebenen Abbildungen um viele Stücke
bereichern und außerdem die von ihm abgebildeten
Platten mit manchen anderen Einbänden belegen.
So bleibt trotz dieses neuen Werkes der Wunsch
bestehen, die Plattenstempel der deutschen, französi¬
schen und niederländischen Einbände des XVI. Jahr¬
hunderts in einer umfassenden Publikation in guten
photographischen Nachbildungen zusammenzustellen.
Und erst, wenn die Nachweise der vorkommenden
Abdrücke der gleichen Plattenstempel reichhaltiger
sind, und statt der bloßen Plattenabdrücke, wenigstens
bei charakteristischen Stücken, die ganzen Einbände
abgebildet werden, läßt sich eine zuverlässigere Da¬
tierung und Zuweisung an Herstellungsorte und Werk¬
stätten ermöglichen. Jean Loubier.
Else LeitMtnann . Zwölf Nächte. Märchen. Ver¬
legt bei Eugen Diederichs, Jena. 1911. (3 M., ge¬
bunden 4M.)
In leuchtendem Rot stellen sich Märchen dar.
Fühlen und Wollen der Menschen liest eine Dichterin
aus der unbelebten Natur oder sucht es bei den Tieren.
Die Mondstrahlen, die über den Berg herabsteigen
und das Meer silbern glänzen lassen, sind Reiter, die
im Firnschnee die Silbertaler auf lesen und übers Wasser
streuen, Luftschlössertaler, für die sich die Menschen
bauen können, was sie wollen. Die Nüchternen schelten
es Mondschwärmerei. Noch lieber aber sind dem König
Berg die kosenden Umarmungen der Sonnenjungfrauen,
auf die er sich von Tag zu Tag wieder freuen kann.
Und die Blitze, die trockenen Junggesellen, ärgern sich,
wenn der Frühling kommt, über die Menschlein da
unten, diese Liebesnarren, und treten nach ihnen mit
ihren spinnedürren Beinen. Die w eißen Schäfchen aber
am Himmel sind voller kleiner törichter Tröpfchen,
die neugierig nach der großen dunklen Wolke hin¬
streben, wo es eitel glitzert Wenn sie dann im Regen
auf dem harten Stein zerschellen, steigt ihr letzter
Seufzer als Bläschen auf. Schnurr, schnurrI wie ist das
schönt Gurr, gurr! wie ist das fein! singt der junge
Hummeldichter Burro. Dieser Gerhart Hauptmann des
Hummelreiches hat auch ein Drama geschrieben, das die
Antifurienbewegung zum Siege führen soll. So heißt
nämlich, ins Hummelische übertragen, der Kampf gegen
den AlkoholteufeL .
So stehen sie bunt durcheinander, wie von Kindern
zur gleißenden Perlenkette geflochten. Zeitenlauf und
Menschenlos, Werden und Welken ist ihr tieferer Sinn,
der Rhythmus des Lebens ist in die Einfachheit des
Märchens gefaßt Mitten in unserer literatenhaften Zeit
quillt hier ein ganz ursprüngliches dichterisches Talent
Da ist nichts Zerfaserndes und nichts ist ausgeklügelt.
Die Sprache ist einfach, von der gesprochenen glück¬
lich beeinflußt; sie kann der Bilder entbehren, denn im
Bild schaut ja die Dichterin den Inhalt. Die Frische
des Entstehens liegt noch über dem Buche und zugleich
tiefe Ruhe, wie wenn eine Mutter spricht und Kinder¬
gläubigkeit ihre Phantasie sich immer weiter tasten
läßt. In der Dämmerung muß man es lesen, wenn im
Kamin die vorw itzigen Buchenzweiglein von den Flam¬
men umleckt werden, oder in den zwölf Nächten, wenn
die Beelzebübchen, von ihrer Urgroßmutter in die
Erdenferien geschickt, draußen Unfug treiben, wenn
Äste knacken und der Wind saust
Als literarischer Stoff mag „Gefion“, eine Neu¬
schöpfung eddischer Sage, erwähnt sein, das Märchen
von Asinclli und Garisenda dürfte wohl ebenfalls eine
Vorlage haben. Rein äußerlich ist die Buchausstattung,
wie zu erwarten war, überaus trefflich. Die Weißfraktur
fand ich fast nirgends besser am Platze als hier.
Warten wir der zweiten Auflage oder eines neuen
Buches von Else Leitzmann, genug, wir warten.
C. N.
„Träumers Lieder “ steht auf dem wunderlichen
grünen Büchlein obenauf. Der Umschlag grün, zart¬
grün, ist wde ein Backfischballkleid; das Papier, das Vor¬
satzblatt dagegen schwarz mit kringeligen Arabesken.
In Rhythmen nur darf die Kritik sich nahen, Originali¬
tät kann Gegengabe heischen. Noch keines strotzte so
davon wie dieses Buch. Den Titel aber kann man
lesen. Gesonnen ist es und geziert und auch verlegt von
Einem: — in Zürich sei man stolz auf Otto Pfenninger.
Des Traums verzeihÜche Verworrenheit in Bildgestam¬
mel aufgelöst, ein Wort ein Vers, zwei Zeilen ein Ge¬
dicht . . .
„Bersten muß-
wo werden will — ■—“
Hier beugt, auf Seite dreiundvierzig, sich der Kritikus
dem Dichter.
Jetzt muß ich wieder bare Prosa reden.
Denn ein jungerDanziger hat auch Gedichte drucken
lassen: — S.v. Uhlen, Lebensklänge. Danzig. -o-
Rudolf Greinz. Hin ist hin! Lustige Marterln.
Verlag von L. Staackmann, Leipzig 1912. (2 M., ge¬
bunden 3 M.)
Man kann den Tod nicht gleich zweihundertmal
zum besten haben, kann nicht ein ganzes Buch voll
lauter Marterln dichten. Witz ist nicht dehnbar. Es geht
mir schlechterdings nicht ein, daß an einem Marterl¬
stock für eine Nitroglyzerinfabrik Reklame gemacht
werden könnte, um noch mehr russische Generale ins
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CORNELL UNÜVERSm 1
Neu erschienene and angekündigte Bücher
107
Jenseits zu befördern. Und daß man dankbar die
Wursthandlung namhaft macht, deren köstliche Erzeug¬
nisse der Schwiegermutter eine selige Urständ bereitet
haben, entspricht auch nicht ganz dem Tiroler Volks¬
charakter. Rudolf Greinz vermag ihn als Künstler zu
schildern, gewiß, Volksdichtung aber entsteht nie druck*
bogenweise. Indessen, einmal sei keinmal. Hin ist hin!
C. N.
Prof. Dr. Karl Brandt, Unsere Schrift. Drei Ab¬
handlungen zur Einführung in die Geschichte der Schrift
und des Buchdrucks. Göttingen, Vandenhoek und Rup¬
recht 1911. (2.60 M.)
In dem erregten Streit der Meinungen über die
Reform unsrer Schreib- und Druckschrift, in dem von
Berufenen und Unberufenen mit oft recht wenig scharf
geschliffener Waffe gekämpft wird, fährt jetzt auch die
Wissenschaft schweres, und wie mir scheint, treffsiche¬
res Geschütz auf. Einer der besten Kenner der Ge¬
schichte unserer Schrift beleuchtet in drei in knappster
Form gehaltenen, reich mit Anschauungsmaterial aus-
gestattenen Abhandlungen zuerst in kulturhistorischer
Betrachtung den Zusammenhang des Werdens der
Schrift- und Druckformen mit der Entwicklung der all¬
gemeinen Kulturverhältnisse und als deren Nieder¬
schlag; dann die Geschichte der einzelnen Buchstaben¬
formen, wieder in kulturgeschichtlich orientierter Be¬
trachtungsweise; um endlich in tief ein dringender Unter¬
suchung den verborgenen Zusammenhängen zwischen
Schriftzweck und Stilgesetzen nachzugehen: wobei er
durch die intimste Kenntnis heute in bibliophilen
Drucken gebrauchter Formen vor allem diejenigen
überraschen dürfte, die sich von der Vorstellung eines
Witzblattypus des weit- und gegenwartsfremden Ge¬
lehrten, vor allem des so gearteten Historikers, nicht
losreißen können.
Mit den Schlagworten von nationaler und inter¬
nationaler Schrift wird vor allem in der ersten Abhand¬
lung gründlich aufgeräumt: eben die Mannigfaltigkeit
der heutigen Druckschrifttypen, „das frische Leben,
das gerade bei uns im Typenschnitt wie in der Buch¬
kunst allgemein erwacht ist“, wird mit Begeisterung als
Zeichen einer unendlich reicher Weiterentwicklung
fähigen Gegenwart begrüßt. „In dieses sprossende
Frühlingsleben mit der Despotie eines Schriftgesetzes
einzugreifen, würde doch wohl nahe an die Barbarei
hingehen!“ Wer aber auch nicht gleich dem Referenten
dieser Barbarei sein Anathema entgegenschleudem, wer
an dem von Brandi, wie mir scheint, radikal beseitigten
Entweder-Oder zweier Typenklassen festhalten möchte,
auch der wird aus der Lektüre des Büchleins zum min¬
desten reiche Belehrung schöpfen und es als das Zeichen
eines raschen und energischen Geistes und einer selte¬
nen Gabe, zugleich plastisch-anschaulich und in höch¬
ster Konzentration schwieriger Probleme Herr zu werden,
aufs freudigste begrüßen. A. D.
Oeuvres de Francois Rabelais. Edition criiique pu¬
blice parAbelLefranc, Jacques Boulenger, Henri Clouzot\
Paul Dorveaux , Jean Plattard , et Lazare Sain/an.
Tome Premier: Gargantua. Prologue. ChapitresI-XXII.
Z. f. B. 1912/1913.
Avec une introduction , une carte et un portrait. Paris ,
Champion. igi2 . (1100 Abzüge, von denen Nr. 1—28
auf Japan, 29—83 auf Van Gelder, 84—1100 auf Papier
vergö.)
Die editio definitiva des Rabelais. Daß sie bisher
fehlte, wird niemanden erstaunen, der die Abneigung
der Franzosen gegen eine allzu philologische Behandlung
ihrer Klassiker kennt. Erst die neufranzösische literatur-
wissenschaftliche Schule hat (ähnlich wie übrigens auch
in Deutschland) die Forderung vertreten und durch¬
geführt, daß, wenn überhaupt kritische Ausgaben der
Werke eines großen Schriftstellers als wissenschaftliches
Bedürfnis empfunden und veranstaltet werden, diese Aus¬
gaben dann auch wirklich kritische sein müßten, metho¬
disch angelegt und durchgeführt. Abgesehen von den hel¬
lenischen und römischen Klassikern, sowie von denjenigen
Schrifttumsdenkmälern, die in ähnlicher Weise wie die
Werke jener aus der Handschriftenüberlieferung durch
ausgebüdete wissenschaftliche Verfahren gewonnen
werden mußten, hat man bei dem Wiederdruck der
von ihren Autoren in den Druck gegebenen Bücher
eigentlich erst in der zweiten Hälfte des XIX. Jahr¬
hunderts die für den Abdruck von Handschriften schon
übliche kritische Sorgfalt zu beobachten begonnen. Auch
in Frankreich, wo doch die (von F. A. Ebert so genannte)
angewandte Bücherkunde zu Hause ist. Und gerade
hier hatten in einem gewissen Gegensatz zu der deut¬
schen schulmeisterlichen Düntzerei, die doch wenigstens
gründlich sein wollte, gerade die berühmtesten Editoren
sich mehr als Pr&aciers gefühlt, die ihr eigenes Licht
nicht unter den Scheffel stellen wollten und die womög¬
lich die Textbesorgung der von ihnen geleiteten Ausgabe
dem Drucker (Jouaust!) überließen. Von den Ausgaben¬
fabrikanten wie etwa dem Bibliophilen Jacob (Paul
Lacroix) nicht zu reden, die mit ebenso erstaunlicher
Leichtigkeit wie Leichtfertigkeit arbeiteten. Wer hier
nach Beispielen sucht, sei auf die etwas morosen Ausfüh¬
rungen F.Maillards (Les Passionnes du livre. Paris 1896)
verwiesen.
Und ebenso wie in Deutschland die wissenschaftlich
ausreichenden (d. h. die verschiedene Bedürfnisse des
wissenschaftlichen Gebrauches befriedigenden) Gesamt¬
ausgaben bedeutender Schriftsteller erst in den letzten
Jahrzehnten (man könnte fast sagen) im letzen Jahr¬
zehnt erschienen sind und zu erscheinen fortfahren, so
haben sich die editiones definitivae der Meister und
Meisterwerke des französischen Schrifttums erst in
neuester Zeit zu mehren begonnen. Erst jetzt werden
uns Montaignes Weisheiten in der endgültigen Fassung
ihres Urhebers zugänglich gemacht (durch die Edition
Municipale der Essais) und des großen Lachers ernste
Wahrheiten beginnen nun in einer Ausgabe zu er¬
scheinen, die ein wertvolles Gegenstück zu der Mon¬
taigne-Edition der Stadt Bordeaux sein wird.
Die Aufgabe, die für Rabelais’ Schriften zu lösen
ist, ist ungleich schwieriger als die, die die Herausgabe
von Montaignes Essais stellt. Denn Montaigne hat eine
fertige Druckvorlage hinterlassen, ein Handexemplar
der Ausgabe letzter Hand seiner Essays, das er mit
druckfertigen Verbesserungen und Zusätzen für eine
neue Auflage versehen hatte. Bei Rabelais dagegen
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CORNELL UNfVERSSTV
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Neu erschienene nnd angekündigte Bücher
sind nach der Feststellung der wirklich auf ihn zurück¬
gehenden Texte zunächst alle diejenigen Drucke zu be¬
stimmen gewesen, die deren endgültige Fassungen ent¬
halten. Dazu kommt dann noch, daß Rabelais’ Schriften
nur durch umfassende sachliche und sprachliche Er¬
läuterungen dem wirklichen Verständnis des modernen
Lesers zu erschließen sind.
So hat die im Jahre 1903 in Paris begründete So-
cidtd des Etudes Rabelaisiennes sich die Vorbereitung
einer wissenschaftlichen Rabelais-Ausgabe zum Ziel ge¬
setzt, deren erster Band dank der hochherzigen För¬
derung durch die Marquise Arconati Visconti, die dem
Unternehmen 50000 Franken zur Verfügung stellte, un¬
erwartet rasch erscheinen konnte.
An dieser Stelle die Bedeutung der neuen Rabelais-
Ausgabe ausführlich darzulegen, kann nicht die Absicht
einer kurzen Anzeige sein, die lediglich die deutschen
Büchersammler und Rabelaisfreunde darauf aufmerk¬
sam machen möchte, daß, wenn die folgenden Bände das
halten, was der erste verspricht (und man kann hinzu¬
setzen: verbürgt) diese Ausgabe die für die weitere
Rabelais-Forderung grundlegende sein wird.
G. A. E. B.
Gyldendalske Boghandel Nordisk Forlag Kopen¬
hagen kündigt eine neue Liebhaberausgabe an: Digte
af Michelagniolo Buonarroti i Udvalg og Oversaettelse
ved Johannes Dam,
Das Buch (ungefähr 7 Bogen Umfang) mit einem
Bildnisse, Faksimiles, Zierbuchstaben und Zierleisten
von Waldemar Andersen, gedruckt bei Simon Bern¬
steen, wird in 250 Abzügen auf holländischem Papier
(zu 5 Kronen) und 25 Abzügen auf japanischem Papier
(zu 10Kronen) in den Handel gebracht. G. A. E. B.
Ida Boy-Ed , Charlotte von Kalb. Eine psycholo¬
gische Studie. „Das heißt: ich bin kein ausgeklügelt
Buch. Ich bin ein Mensch in seinem Widerspruch.“
Mit 8 Abbildungen. Verlegt bei Eugen Diederichs,
Jena 1912.
Frau Boy-Ed behauptet, noch habe kein Literar¬
historiker sich daran gewagt, Charlotte von Kalb in
der Totalität ihrer Erscheinung (deutsch!) darzustellen.
Sie meint, einem Manne müßte rasch die Erkenntnis
kommen, nur eine Frau könne diese Frau verstehen.
Als ob das psychologische Vermögen von den äußeren
Geschlechtsmerkmalen bedingt wäre, als ob nicht
hundertfach männliche Artung in weiblichem Körper
zu erkennen wäre und umgekehrt Aber es ist richtig,
wir besitzen noch keine Gesamtdarstellung der Seelen¬
geschichte dieser Frau, die als Freundin Schillers,
Goethes, Hölderlins und Jean Pauls mitten in dem engsten
Kreis der Großen unseres klassischen Zeitalters steht, und
die Jean Paul im „Titan“ und in seinen Briefen als ein
Weib wie keines, mit einem allmächtigen Herzen, mit
einem Helden-Ich geschildert hat. Mit dem Namen
„Die Titanide “ lebt sie fort. In dieser Schilderung
aber wird aus der Titanide ein begehrendes Weibchen.
Zum Verlangen gesellt sich keine Willenskraft, die der
Umwelt trotzte und den Geliebten an sich risse oder,
wie Frau Boy-Ed das geschmackvoll ausdrückt: „Sie
hatte eine heiße Phantasie, aber keinen heißen Schoß.“
Dadurch ging ihr Schüler verloren, wie uns seine Ge¬
dichte „Freigeisterei der Leidenschaft“ und „Resigna¬
tion“ bezeugen, und sie bot sich Jean Paul erst an, als
es zu spät war. Die Psychologie der Frau Boy-Ed be¬
steht darin, daß sie dieses höchst differenzierte Einzel¬
wesen auf allgemeine Formeln der Weiblichkeit zu
bringen sucht, was immer Halbwahrheiten zutage bringt.
Halbschürig ist das Buch auch im Tatsächlichen. Es
weiß von wichtigsten Quellen nichts: Charlottens Briefe
an Goethe (im 13. Bande des Goethejahrbuchs) und
Klarmanns Geschichte der Familie von Kalb auf Kalbs¬
rieth, mit besonderer Rücksicht auf Charlotte von Kalb
und ihre nächsten Angehörigen (Erlangen 1902). Gleich
das Geburtsjahr der Heldin ist falsch (1791 statt 1761),
und auf derselben ersten Seite steht der weitere Fehler,
vor Charlotte habe die Mutter dem Gatten ein Söhn-
chen geschenkt, während es zwei waren. Auch weiter¬
hin wimmelt der Druck von Fehlem, besonders störend
in Namen und Jahreszahlen (S. 13 Pranger statt Pfranger,
S.52f. 1888 und 1889 statt 1788 und 1789). Ein zitierter
Brief Schillers enthält auf 13 Zeilen 9 Fehler. Die An¬
gaben der Selbstbiographie wurden nicht genügend
nachgeprüft, und dadurch verliert das Buch vielfach
an Zuverlässigkeit. Durch alles das ist die Porträtähn¬
lichkeit, nicht nur in kleinen Zügen, verwischt, und ich
meine, es wäre doch besser gewesen, wenn ein Literar¬
historiker mit seiner dürftigen männlichen Psychologie
sich an das Unternehmen herangewagt hätte. Am
Ende hätte er dieses erschütternde Frauenleben doch
wahrer dem großen Romandichter, dem Schicksal,
nacherzählt als die beliebte Romandichterin.
Georg Witkowski.
Der Hodscha Nasreddin. Türkische, arabische,
berberische, maltesische, sizilianische, ka lab rische,
kroatische, serbische und griechische Märlein und
Schwänke. Gesammelt und herausgegeben von Albert
Wesselski. Zwei Bände. Alexander Duncker Verlag
Weimar 1911.
Man hat den Hodscha Nasreddin als Hofnarren
des großen tatarischen Eroberers Timur und anderer
Sultane, dann als Perser ausgegeben. Sein angebliches
Grab in Akscheair zeigt eine Zahl, die spätestens
das Jahr 1285 unserer Zeitrechnung bezeichnet Wie
dem auch sei, — in Wahrheit wird es sich mit allen
den historischen Daten ähnlich verhalten wie bei
unserm Till Eulenspiegel. Sicher ist der Hodscha,
den das Volk zu einem Heiligen machte, noch heute
für die Türken der glanzvollste Vertreter ihres Volks¬
witzes, und sicher ist auf seine Persönlichkeit alles
zusammengeflossen, was an Schwänken verwandter
Art in Arabien und dem übrigen Orient von Mund
zu Mund ging, vor allem die Erzählungen von dem
arabischen Dschoha, von dem fast dieselben Geschich¬
ten erzählt wurden. Sie wanderten hinüber nach Nord¬
afrika, nach Sizilien und Toskana und bereicherten
sich anderseits auch aus abendländischen Quellen.
Goethe hat durch seinen orientalischen Berater, den
Prälaten von Diez, für die Anmerkungen zum west¬
östlichen Divan fünf Schwänke Nasreddins erhalten
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CORNELL UNIVERSUM
Neu erschienene und angekundigte Bücher
109
und ihrer in den Noten und Abhandlungen zum Divan
Erwähnung getan, ehe 1837 die erste Ausgabe des Volks¬
buches erschien. Eine deutsche Übersetzung kam in
Triest 1857 heraus, eine Auswahl auch in Nr. 2735
von Reclams Universalbibliothek, die beste europäische
Ausgabe war die französische von J. A. Decourde-
manche (Bruxelles 1878). Nun übertrifft Wesselski
durch die Vollständigkeit der Schwänke und der ver¬
gleichenden sagengeschichtlichen Untersuchungen alle
Vorgänger und gibt uns neben dem reichen Schatz
orientalischer Schnurren ein sehr wertvolles Hilfs¬
mittel zur Sagen- und Literaturgeschichte, indem für
jede Erzählung die gesamte frühere Forschung zitiert
und zum großen Teil die Fortbildung der Motive
verfolgt wird. Die Sammlung, die mit den früher von
uns angezeigten Schwänken Arlottos so verheißungs¬
voll begann, wird in den vorliegenden zwei Bänden
aufs würdigste fortgesetzt. Dem Verleger Alexander
Duncker und der Druckerei Otto Wigand in Leipzig
gebührt für die solide Ausstattung und die Sorgfalt
des schwierigen Satzes besonderes Lob.
G. W.
Der Verlag Hesse & Becker in Leipzig beschert
uns in sehr gefälliger Ausstattung zu billigstem Preise
(in Leinenband M. 3.—, in Geschenkband M. 4.—,
in Liebhaber-Halbfranzband M. 5.—) drei Selbst¬
biographien deutscher Künstler. Zwei davon behaup¬
ten bereits seit langer Zeit unter ihresgleichen die
ersten Stellen: die „Jugenderinnerungen eines alten
Mannes“ von Wilhelm von Kügelgen, die hier Adolf
Stern herausgegeben und Anna von Kügelgen mit
einem biographischen Nachwort und einer Auswahl
der Briefe vermehrt hat, und Ludwig Richters Lebens¬
erinnerungen eines deutschen Malers mit einer sehr
unbedeutenden und phrasenhaften Einleitung von
Ferdinand Avenarius. Als neue dritte Gabe gesellt
sich würdig hinzu: Erinnerungen aus meinem Leben.
Von Ludwig Emil Grimm, Maler und Radierer,
1790—1863 (Bruder von Jacob und Wilhelm Grimm).
Herausgegeben und ergänzt von Adolf Stoil, Professor
am Kgl. Friedrichs-Gymnasium zu Kassel. Mit 34
Bildnissen, 5 Abbildungen und einer Kartenskizze
sowie einem Verzeichnis von Grimms Werk, mit
Briefen von Jakob, Wilhelm, Ferdinand und Ludwig
Grimm und andern Beiträgen zur Familiengeschichte.
Das neue Buch wird, so hoffen wir zuversichtlich, sich
seine Stelle neben den beiden verwandten erobern.
Denn es teilt mit ihnen den Reiz der einfach innigen
lebensvollen Wiedergabe des mit Maleraugen Ge¬
sehenen, den aus innerstem Gemüt quellenden Humor
und die einfache Anmut des Stils, der hier dem ge¬
sprochenen Wort noch näher steht als bei den Vor¬
gängern. Gemeinsam ist auch allen drei Büchern die
Eigenschaft, daß sie mit einem Jugendleben ein Stück
deutscher Kulturgeschichte von hohem Wert vereinen.
Das Ende des XV 11 I. Jahrhunderts und der Beginn
des XIX. spiegelt sich jedesmal verschieden ab, bei
Grimm in dem seligen Behagen der kleinstädtisch¬
ländlichen Steinauer Existenz, in die auch der grimme
Schulmeister Zinkhan, eine Gestalt von wundersamem
Humor, keine trüben Schatten zu werfen vermochte.
Der Herausgeber Adolf Stoil leistet das letzte Mög¬
liche im Beibringen und Zusammenfassen der Erläu¬
terungsmittel und macht dadurch das Buch auch für
jeden wissenschaftlichen Zweck im höchsten Grade nutz¬
bar. Indessen hätten wir gewünscht, daß diese wert¬
vollen Anmerkungen am Schlüsse ständen und nicht
unter den Seiten, wo sie das ruhige Genießen vereiteln.
Alle drei Bücher sind sehr hübsch und klar auf
gutem Papier gedruckt und mit trefflichen, zum Teil
in Dreifarbendruck ausgeführten Bildern geschmückt.
Aber unter den Einbänden kann nur der bessere
Leinenband berechtigten Ansprüchen einigermaßen
genügen. A-s.
Eberhard Büchner. Das Neueste von gestern.
Kulturgeschichtlich interessante Dokumente aus alten
deutschen Zeitungen. Erster Band: Das XVI. und
XVII. Jahrhundert. Albert Langen, München.
Wer alte Zeitungen und Zeitschriften zu irgend¬
einem Zwecke liest, dem wird die unwillkürliche, oft
belustigend wirkende Abweichung von unsem heutigen
Denk- und Fühlweisen leicht den Wunsch nahelegen,
solche gemeinhin als Kuriosa bezeichneten Einzelheiten
zu sammeln. So hat es früher einmal in einem zu
wenig beachteten Buche Frau Maria Belli-Gontard
versucht, und so versucht es nun von neuem in einer
auf vier Bände angelegten Sammlung für das deutsche
XVI.. XVII. und XVIII. Jahrhundert Eberhard Büch¬
ner. Mit dem Jahre 1513 setzt er, unseres Erachtens
etwas spät, ein, und schon auf Seite 23 gelangt er an
die Schwelle des folgenden Jahrhunderts. Dieses zieht
nun in Hunderten von Notizen an uns vorüber, so
lebensvoll, so reich an merkwürdigen Menschen und
Ereignissen, daß diese Barockzeit schwerlich schon
irgendwo mit solcher unmittelbaren Lebendigkeit zu
erfassen war. Wir freuen uns auf die folgenden drei
Bände, aus denen sicher wieder (gemäß der Behaup¬
tung in dem frischen, als Einleitung vorangestellten
Dialog), die Zeit selbst, ganz direkt, ganz unmittelbar,
sprechen wird. A-s.
Vergessene Lieder und Verse. Mit Zeichnungen
von Alphons Woelfle. Albert Langen, München 1911.
Zum zweiten Male in kurzer Zeit wird den kleinen
deutschen Lyrikern des absterbenden Rokoko eine
liebenswürdige Auferstehung zuteil. Die kleine Samm¬
lung von Hünich in den Drugulindrucken hatte noch
etwas von jenen gelehrten und halbgelehrten Toten¬
erweckungen; jetzt ist es nur die Künstlerfreude an
der zierlichen Artigkeit alter Scherz- und Liebespoesie,
die sich sogleich in eine höchst reizvolle Folge von
Büdern desselben Stils umsetzt Woelfle trifft diese
Mischung empfindsamer und, lüsterner Stimmung wie
kein anderer, und so ist sein Buch ein ganz ge¬
schlossenes, höchst erfreuliches kleines Kunstwerk ge¬
worden. P-e.
Als 23. Band von Meyers großem Konversations-
Lexikon erschien das Jahres-Supplement 1910—1911
im Verlage des Bibliographischen Instituts in Leipzig.
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CORNELL UNIVERSUM
IIO
Neu erschienene und angekündigte Bücher
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Dieses vortreffliche Jahrbuch erfüllt neben der ersten
Aufgabe, das Hauptwerk auf der Höhe zu erhalten,
die andere, immer neue Wissenszweige dem gewaltigen
Baume aufzupfropfen. So erscheinen auch jetzt neben
den üblichen Ergänzungen und Jahresübersichten, von
denen besonders die literarischen der Hauptkultur¬
völker für uns von Interesse sind, neue wertvolle
Artikel und Illustrationen, zum Beispiel englische und
französische Dichter der Gegenwart, Marmor (mit
zwei vortrefflichen Farbentafeln), Schmucksteine, eben¬
falls mit zwei Tafeln, Selbstbildnisse mit 45 kleinen,
aber scharfen Autotypien, Stadtbahnen, Tierpsychologie
usw. Im ganzen überwiegen diesesmai die technischen
und naturwissenschaftlichen Artikel gegenüber denen
zur Kunst und Literatur. Doch wird auch hier sorg¬
sam nachgetragen und zumal in den biographischen
Daten jede wichtige Veränderung angemerkt. A-s.
Seit 1909 gab G. A. E. Bogeng sein Jahrbuch für
Bücherkunde und Liebhaberei in der Form des
Taschenbuches heraus. Die länglichen Bände ge¬
mahnten an den Pegasus im Joche. Ein Notizbuch,
zusammengekuppelt mit einer ausgezeichneten, durch
alle drei Jahrgänge laufenden Fachkunde für Bücher¬
sammler und anderen literarischen Gaben von
Wert, das gab kein passendes Gespann. Nun ist das
Jahrbuch in seinem vierten Jahrgang, der wieder im
Verlag von Max Harrwitz in Nikolassee bei Berlin
erschien, der allzu lästigen Schwere des Nützlichkeits¬
zweckes ledig geworden. Der Titel bedeutet jetzt
nicht mehr den Almanach, nur eine regelmäßige Folge
von Sammlungen bibliophiler Aufsätze. Die erste uns
vorliegende Reihe erweckt das günstigste Vorurteil.
Durch das Ganze herrscht die Auffassung der Biblio¬
philie als einer fröhlichen Wissenschaft, nicht als
dilettantisches kenntnisloses Spiel mit den Büchern
und Bibliomanie. Dieser gilt das erste in dem statt¬
lichen Bande enthaltene Stück, die Novelle Charles
Nodiers, Le Bibliomane, mit einem nach allen Seiten
erläuternden Nachwort des Herausgebers. Aus dem
folgenden sei dann hervorgehoben der wertvolle Auf¬
satz von Augustus de Morgan On the difficulty of
correct description of books. Eine Menge gute Rat¬
schläge sind in kleineren Artikeln, wohl durchweg vom
Herausgeber, erteilt, darunter so manches, was dem
ernsten, geübten Sammler weniger, um so mehr aber
dem Anfänger von Nutzen sein wird. Am Anhang
stehen, zugleich als Satz- und Schriftproben einer An¬
zahl moderner Schriftgießereien, 14 Tafeln mit Nach¬
bildungen alter Büchereizettel. Der Druck ist von
W. Drugulin in Leipzig in der Old style-Type her-
gestellt. Die Auflage beträgt 800 Exemplare, darunter
die ersten 50 auf holländischem geschöpften Bütten,
die folgenden auf Indiapaper. G. W.
Bibliotheca Germanorum Erotica et Curiosa. Ver¬
zeichnis der gesamten deutschen erotischen Literatur
mit Einschluß der Übersetzungen, nebst Beifügung der
Originale. Herausgegeben von Hugo Hayn und Al¬
fred N. Gotendorf, zugleich dritte, ungemein vermehrte
Auflage von Hugo Hayns „Bibliotheca Germanorum
erotica“. Band I (A-C). München 1912. Verlegt bei
Georg Müller.
Unser alter unentbehrlicher Helfer, der „Hayn",
der zuletzt 1885 hervorgetreten war, kommt in neuer
jugendlicher Gestalt ans Tageslicht Dieser erste Band
mit seinen 716 Seiten entspricht den ersten 55 Seiten
der zweiten Auflage; selbst wenn man den weit
größeren und klareren Satz in Rücksicht zieht eine
gewaltige Vermehrung. Sie wird zum beträchtlichen
Teil der Erweiterung verdankt, die auch der Titel
mit dem Zusatz Curiosa andeutet Dieses schwer ab¬
zugrenzende Gebiet wäre wohl besser einer Sonder¬
bibliographie überlassen worden. Was hat man davon,
wenn zum Beispiel einer von den unzähligen „Be¬
richten“ über Wundergeburten verzeichnet wird? Wie
früher werden unter Stichworten, namentlich Stadt¬
namen, größere Reihen zusammengefaßt, die längste
in diesem ersten Bande betrifft Berlin. Schon früher
erwiesen sich'diese Zusammenstellungen als unvorteil¬
haft. Man weiß häufig nicht, ob ein Titel unter dem
betreffenden Städtenamen oder unter dem Autor
beziehungsweise dem Stichwort des Titels zu suchen
sei, zumal wenn die betreffende Stadt oder der Gegen¬
stand der Zusammenstellung nur gelegentlich darin
erwähnt ist. Für den Sucher entsteht noch eine wei¬
tere kleine Unbequemlichkeit dadurch, daß die leben¬
den Kolumnentitel diese zusammenfassenden Artikel
nicht berücksichtigen, so daß also mitten im B plötz¬
lich das ganze Alphabet an den Köpfen der Seiten
durchläuft. Häufig haben die Herausgeber doch dem
Zufall, der ihnen die Titel zuwehte, allzu bequemes
Spiel gelassen. Von den Berliner Romanen Max
Kretzers werden einige genannt, andere weggelassen,
dagegen nichts von Fontane, Mauthner, Lindau. Wo¬
hin hätte es auch führen sollen, wenn der moderne
Berliner Roman vollständig verzeichnet werden sollte?
So hätten auch die wenigen Titel Kretzers ruhig
fortbleiben können. Dagegen ist es gewiß berechtigt,
daß Bildersammlungen, wie die Berliner Pflanze von
Ernst Heilemann, aufgenommen werden, freilich nur
ohne die beigefügte ruppige Reklame. Sehr sorgsam
ist wie früher schon der Artikel Casanova bearbeitet
und bis zur neuesten Zeit ergänzt. Wenn Victor Ott-
manns bekannte Biographie als ein schönes Werk des
talentreichen Verfassers bezeichnet wird, so wollen
wir weder der Schönheit noch dem Talent wider¬
sprechen, müssen aber doch solche subjektive Mei¬
nungsäußerungen in der Bibliographie als überflüssig
bezeichnen. Zu einem eigenen, sehr stattlichen Artikel
von über 16 Seiten hat sich das Verzeichnis der
Romane Carl Gottlob Cramers ausgewachsen, eine
sehr willkommene Ergänzung zu dem weit knapperen
Artikel in Goedeckes Grundriß 5, 509. So bemerkt
man überall bei dem Vergleich mit der zweiten Auf¬
lage den außerordentlichen Fortschritt, der auch in
dem Äußeren des Buches, des Druckes, des Papiers
und des Einbandes bemerkbar wird. G. W.
Gck igle
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CORNELL UNSVERSITY
Neu erschienene und angekündigte Bücher
III
Der Graphiker Leo Rauth hat im Kommissions¬
verlag der Rossbergschen Buchhandlung Röder 6°
Schunke in Leipzig eine Mappe „Tänze“ erscheinen
lassen. Es sind acht handkolorierte Blätter, die als
Wandschmuck eleganter Junggesellenzimmer dienen
können, von starkem Farbenreiz, zwischen grotesker
und etwas süßlicher Anmut tändelnd, Die technische
Ausführung ist vortrefflich, der Preis von 25 M. ver¬
hältnismäßig gering. B—n.
Im Januar dieses Jahres ist ein liebenswürdiges
Bild Carl Larssons, des großen Schweden, von einem
Leipziger Staatsanwalt beschlagnahmt worden. Das
Bild stellt ein schreibendes Malermodell dar und
kann auch auf unreife Gemüter schwerlich die in
§ 184 des Strafgesetzbuchs vorausgesetzte Wirkung
üben. Der Fehlgriff wurde denn auch nach kurzem
durch den Freispruch des Leipziger Landgerichts be¬
richtigt, nachdem der übliche Entrüstungsrummel in
der Presse getobt hatte. Jetzt nimmt der Verlag
Albert Bonnie’r in Leipzig und Stockholm das Ereignis
zum Anlaß, um unter dem Titel „Das Modell" eine
Mappe mit vier Dreifarbendrucken nach Aquarellen
Larssons herauszubringen, begleitet von einem Ab¬
druck mehrerer Artikel, die dem selbstverständlichen
Protest der Kunstkritik wegen jenes Fehlgriffes
Ausdruck geben. Was da von Fritz Stahl, dem
Freiherm von Ostini, Ernst Schur und anderen ge¬
sagt wird, ist alles ganz richtig, zumal das Wort
unseres trefflichen, allzu früh dahingeschiedenen
Schur: „Aber man darf solche Dinge nicht zu tragisch
nehmen,“ • B—n.
Eine Publikation von ganz seltener künstlerischer
Größe bedeutet die Mappe Tyll Vienspiegel, zwölf
Holzschnitte zu de Costers Vienspiegel von Walther
Klemm. Der Sinn der großen vlämischen National¬
legende wird in diesen Blättern an ihren unendlich
reichen Wurzeln erfaßt: der volkstümliche Humor, der
Ingrimm gegen die spanischen Bedrücker und der
Glaubenszwang, der zähe listenreiche Kampfesmut,
die stille, in allen Leiden ausharrende Siegesgewißheit
Die Holzschnitte vereinen Weichheit und Kraft. Mit
einfachen Mitteln sind schwierige zeichnerische Pro¬
bleme gelöst, anknüpfend an die besten Überliefe¬
rungen der ersten Blütezeit der Technik und doch
von völlig modernem Geiste durchdrungen. In der
Verwendung hellerer Einfärbungen kommen diese
Handdrücke dem Besten gleich, was japanische
Meister geleistet haben. Die Mappe darf ohne
Zweifel als Gewähr hohen Könnens des Künstlers und
als eines der glänzendsten Denkmäler zeitgenössischer
Graphik eingeschätzt werden. P—n.
Seit zwei Jahren gibt der bekannte Kenner der
Reformationsliteratur, Professor Otto Clemen, unter
dem Titel „Zwickauer Faksimiledrücke“ 'im Verlag
von F. Ullmann in Zwickau eine Sammlung von
Reproduktionen alter Illustrationswerke heraus, denen
die reichen Schätze der dortigen Ratsschulbibliothek
und der Münchener Hof- und Staatsbibliothek die
Vorlagen lieferten. Bis jetzt erschienen Hans Sebald
Behams Holzschnitte zum alten Testament nach der
1537 bei Christian Egenolph in Frankfurt erschienenen
Ausgabe: „Biblicae historiae artificiosissime depictae“
(M. 3.60); Thomas Murner, „die Mühle von Schwin¬
delsheim“ (Straßburg, Matthias Hupfuff 1515), nach
dem in Zwickau befindlichen einzigen vollständigen
Exemplar (M. 4.20); die Holztafeldrucke der „Ars wo-
riendi" IVD und des „Canticum Canticorum “ (je
4.50 M.), endlich Wolfgang von Män, „Das Leiden
Jesu Christi unsere Erlösers“. (Augsburg, Hans
Schönsperger d. J. 1515 M. 10.50) mit den Holzschnitten
Hans Burgkmaire, Johann Schäufelins und Jörg Breus,
deren Zuteilung hier von neuem gegenüber Muther
nachgeprüft und mit besseren Gründen berichtigt
wird. Die Leistung des Herausgebers entspricht, wie
es bei Clemen nicht anders zu erwarten ist, allen For¬
derungen an umfassende Kenntnis der gesamten in
Betracht kommenden wissenschaftlichen Literatur,
Selbständigkeit und Zuverlässigkeit des Urteils. Der
Manuldruck der Ullmannschen Offizin zeigt sich allen
Schwierigkeiten der Wiedergabe dieser alten Denk¬
mäler bis zum letzten gewachsen und den ersten
Leistungen ähnlicher Art mindestens ebenbürtig. Für
den wissenschaftlichen Gebrauch und für den Samm¬
ler alter Drucke bietet sich so, bei sehr mäßigem
Preise, ein höchst wertvolles Hilfsmittel dar, dem
der verdiente Erfolg und eine dadurch gesicherte
Fortsetzung aufrichtig gewünscht werden muß.
In demselben Verlag beginnt ein neues Unter¬
nehmen Professor Clemens zu erscheinen, betitelt
„Handschriftenproben aus der Reformationszeit“.
Gegenüber den „Handschriftenproben des XVL Jahr¬
hunderts“, die Johannes Ficker imd Otto Winkelmann
1902—1905 dargeboten haben, umschreibt Clemen
einen weiteren Kreis, die Gesamtheit derer um Martin
Luther, in der ersten Lieferung 67 Handschriftproben
von 64 Schreibern darbietend. Die verschiedenen
Zwecke, denen die Sammlung nützlich werden kann,
— Seminarübungen zur Urkundenlehre und zur Re¬
formationsgeschichte, Forschung und Sammelsport
auf diesem Gebiete — stellen dem Werke um so mehr
eine vielfältige Benutzung in Aussicht, da der Manul¬
druck bei völlig getreuer Wiedergabe einen sehr
mäßigen Preis ermöglicht hat G. W.
Als Sonderabdruck aus dem Annuario del/a
Societä fra gli amatori di Ex-Libris erschien in hun¬
dert Exemplaren (Verlag von G. Schoder in Turin)
eine kurze Biographie des vielgenannten Zeichners
Franz von Bayros , begleitet von einer Originalradie¬
rung und acht Reproduktionen in Strichätzung. Der
Verfasser Luigi Amadeo Rati Opizzoni di Torra ,
rühmt, wie billig, seinen Helden und behauptet daß
in dessen Illustrationen niemals etwas Unmoralisches
in der eigentlichen Bedeutung des Wortes zu finden
sei. In der Tat zeigen die beigefügten, relativ zah¬
men Blätter nichts der Art; aber daß Bayros auch
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CORNELL UNIVERSUM
112
Neu erschienene und angekündigte Bücher
anders kann, weiß die Welt und bezeugt die beige-
fügte Bibliographie durch die unter B aufgezählten
Edizioni private. P—e.
Wiederholt wurde bereits die neue „Illustrierte
Kunstgeschichte“ von Josef Neuwirth {München und
Berlin Allgemeine Verlags-Gesellschaft m. b. Hl) hier
erwähnt Jetzt liegen die Lieferungen io—16 vor. Sie
schildern die Entwicklung von der romanischen Zeit
bis zur Kunst des XVI. Jahrhunderts, abschließend
mit Albrecht Dürer, Lucas Cranach und Mathias
Grünewald, ebenso knapp, klar und formschön wie
die früheren Kapitel. Die Textabbildungen, bis jetzt
967 an der Zahl, sind freilich vielfach im Format gar
zu klein und könnten sorgsamer zugerichtet sein. Da¬
gegen leisten die beigefugten Tondrucke im großen
Format und die meisten der Drei- und Vierfarben¬
drucke Ausgezeichnetes, und es bleibt erstaunlich, was
hier für den geringen Preis von I M. für jede Liefe¬
rung geboten wird. A—s.
HanneNUte un de lütte Pudel*ne Vagei - un Min -
schengeschicht von Fritz Reuter . Gedruckt bei Wilhelm
Gerstung, Offenbach a. M. (Privatdruck in 300 nume¬
rierten Exemplaren.) November 1911.
Mit Reuters Hanne Nüte, als erstem Buch der soge¬
nannten „ Rudolfinischen Drucke ", hat obengenannte
Firma eine vortreffliche Gabe geboten. Diese Drucke,
die in zwangloser Folge, immer jedoch in der Zahl von
300 numerierten Exemplaren erscheinen werden, sollen
ein deutsches Analogon zu den aus englischen Privat
pressen hervorgehenden bilden, dabei aber — unter
Berücksichtigung der Verschiedenheit des Volkscharak¬
ters — von wesentlich anderen Voraussetzungen aus¬
gehen. Vielleicht betont der Verleger, der in Rudolf
Koch einen hervorragenden Buchkünstler gefunden hat,
das „Derbe“ im Charakter der Deutschen etwas zu
stark; ein schwärmerischer, romantischer Zug ist ge¬
rade unserem Volke eigen, der, ohne in Sentimentalität
auszuarten, sich mit dem Urwüchsigen und Kräftigen
zu einem schönen Ganzen verbindet. Diese Vereini¬
gung vermissen wir auch bei Fritz Reuter keineswegs
und namentlich der,,Hanne Nüte“ bietet dafür ein ekla¬
tantes Beispiel.
Bei allen Sonderausgaben lauert das Gespenst des
„Snobismus“, worauf schon Fedor v. Zobeltitz geistvoll
warnend hingewiesen hat, im Hintergründe. Es ist ja
lediglich eine Geldfrage, ob sich jemand die zum Teil
ganz prachtvollen Privatdrucke anschaffen kann oder
nicht. Daß sie mit der Zeit immer seltener werden und
demgemäß im Preise steigen, liegt in der Natur der
Sache. Eine solche Sammlung aber ist himmelweit
verschieden von der wahren Bibliophilie. In Anbetracht
der vorzüglichen Ausstattung ist der Preis von 20 M.
für das vorliegende Buch als ein mäßiger und ein sol¬
cher zu bezeichnen, vor dem ein mäßig begüterter
Sammler nicht zurückzuschrecken braucht. Es ist in
Halbpergament mit handgedrucktem C berzugpapier
und handgeschriebenem Rückentitel gebunden und
macht äußerlich den Eindruck eines schönen alten
Bibliotheksbandes. Druck und Papier genügen — bei
aller Einfachheit — selbst dem verwöhntesten Ge¬
schmack. Leopold Hirschberg.
Ernst Lissauer: Der Strom. Neue Gedichte.
Verlegt bei Eugen Diederichs, Jena 1912.
Dies zweite Gedichtbuch des noch nicht Dreißig¬
jährigen erscheint mir als das stärkste, wuchtigste
lyrische Werk der letzten Jahre. Stark, breit, schwer
schreitet hier einer über die Erde, sieht und fühlt alle
Erscheinungen: die Städte, Wälder, Ströme, Meere,
Bastionen, Häuser, Glockentürme, Arbeit, Musik,
Liebe, und drängt all dies in harte, starke Verse voll
schwerer, tönender, funkelnder Worte. Er fügt sich
nicht den überlieferten Formen, sondern er läßt aus
den Dingen und Gefühlen selbst jeweils sich den
eigenen Rhythmus gestalten, der eben diesen Dingen und
Rhythmen konform ist. Man hat das Gefühl, es gibt
keine Erscheinung, keine Sdmmung, keine Vision, die
dieser Dichter nicht gestalten könnte. Er ist knapper
als Verhaeren, konzentrierter und härter als Dauthen-
dey, bewußter und strenger als Schmidtbonn. Dieser
Dichter fühlt mit tausend Sinnen; er verschließt dann,
nachdem er die Erscheinung aufgenommen hat, sich
selbst, und wenn er ganz erfüllt von dem Aufgenom¬
menen ist, prasselt mit ungeheurer Wucht das Ge¬
sammelte aus ihm heraus und fällt hart zu Boden in
Formen, die sich selbst aus ihrem Inhalt geschaffen
haben. Wie Klötze auf der Erde, wie monumentale
Denkmäler stehen die Gedichte da, man kann nichts
in ihnen ändern, keine Worte wegstreichen. Erstaun¬
lich ist der Wortreichtum des Dichters, noch erstaun¬
licher seine Beherrschung der Klangwerte. Aber nicht
objektive Bewältigung der Umwelt und der Inwelt
offenbart sich, sondern an allem ist etwas vom Wesen
des Dichters hängen geblieben, der sich mit den
Dingen mißt, dessen Seele durch die Welt geweckt
wird. Licht und Kraft von einem Menschen, der
glücklich über das Gefühl der Erfüllung ist, strömt in
den Gedichten. Alttestamentarische Wucht rauscht
aus den breiten Rhythmen der Hymnen; weltselige
Gefühle breiten sich in großen Bildern und Worten
aus; das Wesen gewaltiger Musiker wird in mächtigen
Gleichnissen entfaltet, Gefühle des Volkes und volks¬
tümlicher Gestalten steigen zusammengepreßt aus
knappen Gedichten empor. Das Schönste und Größte
an seinem Buche ist, daß es von einem Dichter kün¬
det, der aller Erscheinungen aller Zeiten durch lyrische
Kraft Herr wird, der mit den wenigen Ausdrucks¬
mitteln, die uns verliehen sind, durch Sprache und
Rhythmus, neue Formen schafft. Man könnte immer
weiter von diesem Gedichtbuche reden, wenn man
nicht durch das Sprechen über das Buch alsbald Lust
empfände, sogleich wieder in ihm zu lesen. K. P.
Otto Julius Bierbaum : Gesammelte Werke in
zehn Bänden herausgegeben von Michael Georg Con¬
rad und Hans Brandenburg. München, bei Georg
Müller.
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
Erster Band: Gedichte.
Es fragt sich, ob es schon an der Zeit war, eine
große Ausgabe der Werke Bierbaums zu veranstalten,
sicherlich aber ist es verdienstlich, daß diese Ausgabe
nur das Beste aus den Dichtungen Bierbaums aus¬
wählen will. Und so hat Hans Brandenburg aus den
allzu vielen Gedichten des Poeten etwa dreihundert
in einem Band vereinigt. Der Herausgeber hat die
Gedichte im wesentlichen chronologisch geordnet und
geht in der Reihenfolge auf den ersten Druck in den
einzelnen Gedichtsammlungen Bierbaums zurück. Es
ist besonders zu loben, daß Brandenburg mit Be¬
wußtsein die spielerischen, unbedeutenden Gedichte
fortgelassen hat und dafür das Hauptgewicht auf die
Gedichte von eigenem Erleben und von kunstvoller
Form gelegt hat. Es ergibt sich aus dem Lesen
dieses guten Auswahlbandes alsbald ein wesentlich
anderes Abbild Bierbaums, als man es sich bisher so¬
gleich beim Anhören seines Namens vor Augen hielt
Eine Entwicklung zum Emst, zur Melancholie, Re¬
signation zeigt sich, und man erkennt, wie der Cha¬
rakter Bierbaums durchaus nicht so sehr an der
Oberfläche hinspielend, sich in muntern Scherzen er¬
gehend war, wie man es meist annahm, wenn man
seine zahlreichen Gedichtbände durchblätterte und
allenthalben auf scherzhafte Tändeleien und Form¬
koketterien traf.
Der Band von 380 Seiten ist sauber gedruckt und
in einem dunkelbraunen Leinenband gebunden, der
inmitten eines einzelnen goldgepreßten Rahmens den
schöngeschnörkelten Namenszug des Dichters O. J. B.
aufweist, jenes Signet, das, mit chinesischer Tusche
groß geschrieben, alle die so oft gesehen haben,
welche Briefe des Dichters zu erhalten pflegten.
_ P—s.
Hertnann Essig: Furchtlos und treu. Drama in
fünf Akten. Verlegt bei Paul Cassirer, Berlin.
Der Verfasser einiger scharfer Komödien und
einer Tragödie versucht sich hier im historischen
Trauerspiel. Es wird das Schicksal Peter a Venis
(Pietros della Vigne) vorgeführt, der, im Konflikt mit
seinem Kaiser Friedrich II., in den Verdacht geraten,
aus Machtstreben den Herrscher vergiften zu wollen,
seinen Untergang durch des Herrn Gebot fand. Ein
älterer Dichter wurde wohl den stolzen Hohenstaufen¬
kaiser in den Mittelpunkt der Tragödie gestellt haben;
aber es läßt sich beobachten, daß in den historisch¬
dramatischen Werken der letzten Jahrzehnte immer
mehr die Herrschergestalten selbst, die früher durch¬
aus im Vordergrund standen, zurückgedrängt werden
und eine andere Person, ursprünglich von nur episo¬
disch-tragischer Bedeutung, den Helden abgibt. Essig
stellt den Kanzler Peter als ganz unschuldig dar;
zwar ist der starke Mann von geringer Herkunft er¬
füllt vom Bewußtsein seiner Kraft und vom Streben
Macht und Einfluß sich zu bewahren, aber er denkt
niemals daran, seinen Kaiser zu verraten. Modernes
und Altmodisches ist in Essigs Tragödie seltsam ge¬
mischt Er verzichtet auf ein Liebesmotiv, er macht
den Gegenspieler Peters, den harten Ezzelino, nicht zu
113
einem böswilligen Intriganten; seine Sprache eilt herb
und strack ohne ausmalende Bilder, ohne fest gepflegte
Verse dahin, ohne Episoden rollt die Handlung
sicher zum Ziel; aber hinwiederum wird der endgültige
Untergang Peters schlechthin hervorgerufen durch
die Intrige einer Frau des Kaisers; durch Blankas
Bestreben den Kanzler beiseite zu schaffen, der
ihrer Meinung nach das Hemmnis ist,welches hindert,
daß ihr geliebter Sohn die Königskrone von Sizilien
erhält. Man könnte das Drama eine Tragödie der
Freundschaft nennen, denn in jeder Szene, manchmal
fast allzu aufdringlich, bricht das stärkste Gefühl
Peters hervor: seine Freundschaftsliebe zum Kaiser,
durch die sogar sein Machtbestreben, niedergekämpft
wird. Noch nach seinem Sturz durch den Kaiser,
nach seiner Gefangenschaft und furchtbaren Blendung
ist es sein höchster Wunsch, den Kaiser noch Freund
nennen zu dürfen, und erst als ihm dies der Kaiser
hart weigert, packt Verzweiflung den Mißverstandenen,
Mißbehandelten, und er zerschmettert sein Haupt an der
Kerkerwand. Der Kaiser ist schwankend in seinen
Gefühlen; immer wieder mißtrauisch gemacht durch
den derben, rauhen Ezzelino und die ehrgeizige Kai¬
serin wandelt sich seine ursprüngliche Liebe zu Peter
durch den Verdacht des versuchten Giftmordes schlie߬
lich zu Abscheu und Verurteilung. Die Gestalt der Kai¬
serfrau Blanka ist für mein Gefühl zu plump intri-
gantenhaft, die Kaisertochter Violanta aber gibt ein
zartes Gegenbild zu ihr. Die drei ersten Akte fließen
ruhig und nüchtern dahin, der vierte bringt die sehr
bewegte Vergiftungsszene, und der fünfte das allmäh¬
liche Ende Peters im Kerker. Das Stück muß wohl
bühnenwirksam sein, wenn die Kraft des Darstellers
ausreicht, den fünften Akt, der fast ganz durch Reden
Peters ausgefüllt ist, durchzuhalten. -in-
Graf Cagliostro, Der König der Kuppler und
Schwarzkünstler. Seine magischen Operationen von
ihm selbst erzählt. Berlin, im Verlag „Neues Leben“,
Wilhelm Bomgräber.
Wolfgang Ansorge gibt in einem Auswahlbänd¬
chen die Erinnerungen des Mannes heraus, der es
am besten verstand, aus den Kulturzuständen des
Rokoko Kapital für sich zu schlagen und jahrzehnte¬
lang durch seine Betrügereien, denen er den Schleier
des Geheimnisvollen gab, die Welt in Staunen und
Bewunderung zu setzen. Durch die zahlreichen Nach¬
forschungen über das Leben und die Taten des
Abenteurers und über die künstlerischen Bearbeitungen
dieses dankbaren Motivs durch die Kaiserin Katharina II.
von Rußland, durch Goethe, Dumas und einige Opern
sind die Erinnerungen Blsamos selbst ein wenig in
Vergessenheit geraten. Und es muß gesagt werden,
daß diese Erinnerungen enttäuschen, daß sie weitab
stehen von den unsterblichen Memoiren seines edleren
und feineren Gegenstücks Casanova. Kunstlos und
roh erzählt Cagliostro seinen Lebenslauf, nur gelegent¬
lich durch eine scharfe ironische Bemerkung über die
Dummheit der Menschen oder die Verderbtheit derZeit
die plumpe Darstellung seiner eigenen Erbärmlichkeit
unterbrechend.
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CORNELL UNIVERSUM
Neu erschienene und angekündigte Bücher
114
Ich glaube, so schamlos ist noch niemals von
einem Menschen die eigene Gemeinheit bloßgelegt
worden, mit hämischem Grinsen werden die nieder¬
trächtigsten Streiche und die bald plumpen, bald raf¬
finierten Betrügereien erzählt; am widerlichsten aber
wirken die immer sich wiederholenden Erzählungen
von der Verkuppelung seiner eignen Frau. Doch all
dieser Unverschämtheit fehlt die befreiende Ironie,
das große Gelächter über die menschliche Dummheit,
der Stolz des triumphierenden großen Gauners. Eigent¬
lich spielt Cagliostro meist eine erbärmliche Rolle, und
am elendsten steht er als betrogener Betrüger in
seiner Erzählung der berühmten Halsbandgeschichte
da. Oft ermüdet man bei den Schilderungen; die
dargestellten Menschen werden nicht lebendig, die
Taten erscheinen nicht als großartig, sondern wie
kleinliche nur auf augenblicklichen Erfolg berechnete
Betrügereien. Und doch steigt uns ein Ahnen auf
von der seltsamen Zeit, deren kultivierte Menschen
sich durch einen ungebildeten Schwindler in Begei¬
sterung und Verwirrung setzen ließen. P—s.
Jens Baggesens Parthenais. Eine literarhistori¬
sche Untersuchung von Otto Zürcher. (Untersuch¬
ungen zur neueren Sprach- und Literaturgeschichte.
Herausgegeben von Prof. Dr. Oskar F. Walzel. N. F.
ii. Heft.) H. Haessil Vertag in Leipzig 1912.
Parthenais oder die Alpenreise, auch mit dem
Untertitel; Der Jungfrauen Wallfahrt zur Jungfrau.
Ein idyllisches Epos in neun, später zwölf Gesängen,
von dem Dänen Jens Baggesen in deutscher Sprache
gedichtet! Man findet das Büchlein ziemlich häufig
in Antiquariats-Katalogen, ob es aber viel gelesen
wird? Ein Seitenstück zu Goethes „Hermann und Do¬
rothea" und Vossens „Luise" wurde es bei seinem Er¬
scheinen genannt, in mancher Beziehung ist es ein
Vorläufer von Spittelers „Olympischem Frühling", mit
Hallers „Alpen" ist es nicht zu vergleichen. Eine
idyllische Wanderung des Dichters Nordfrank mit drei
schweizer Patriziertöchtem von Bern über den Thuner
See nach Lauterbrunn, Wengernalp und auf den
Tschuggen — Nordfrank allein besteigt auch den ragen¬
den Eckpfeiler des Jungfraustockes, den Eiger— ist ver¬
quickt mit einer Art von homerischer Mythologie, im
Anschluß an Voß geschaffen. Der Verfasser zeigt die
biographischen und literarischen Elemente auf, die
bei dem Dichter wirksam gewesen sind, er gibt eine
Textanalyse und kennzeichnet die Entwicklung in den
verschiedenen Fassungen, er geht auf die von Baggesen
gebildete Mythologie ein und prüft, was als Alpensage
in das Epos Einlaß gefunden hat. Das Biographische
läßt sich an Briefen und an den Reisebeschreibimgen
prüfen, die in Baggesens Biographie von seinem
Sohne August und in seine „Werker" aufgenommen
sind. Die Dichterwanderung „Labyrinth" ist in fünf
(nicht vier) Bänden von C. F. Cramer ins Deutsche
übersetzt und durch einen Schwulst von Zusätzen un¬
genießbar gemacht, sie führt von Kopenhagen durch
Deutschland nur bis nach Basel, ergibt also nichts für
die Parthenais. Die Fortsetzung des Labyrinthes
rührt in der Fassung der Werke zum größten Teil
nicht von Baggesen her, sondern ist von anderer
Hand nach seinen Briefen und Tagebüchern zusam¬
mengestellt. Es wäre wünschenswert, wenn diese
Vorlagen einmal in der Urgestalt herausgegeben
würden. Sie sind gar nicht durchaus dänisch, son¬
dern vielfach deutsch und erst für die Biographie und
die „Vmrker" ins Dänische übertragen. Da die
Reisen von Kopenhagen nach Kiel, Lübeck und
Hamburg, durch die Lüneburger Heide nach Göttin¬
gen, Pyrmont und Hessen, Mainz, Mannheim und
Straßburg, auf vielen Wegen durch die Schweiz, nach
Paris, nach Weimar, Jena, Leipzig, Dresden (zu An¬
ton Graff und Körner) und schließlich nach Berlin
führen und mancherlei bedeutende Männer besucht
werden, dürfte eine solche Veröffentlichung sicher
wertvoll sein. — Der Verlag hat die Schrift mit Titel¬
abbildungen nach den drei ersten Ausgaben ge¬
schmückt. H. S.
Vor vielleicht einem Vierteljahr erschien in Wien ein
Werk: „Festschrift zur Feier des 25 jährigen Bestandes
des fachtechnischen Klubs der Beamten und Faktoren
der Kaiserlich und Königlichen Hof- und Staatsdruckerei
1886/1911“, welches, von dem Spezialbcrichterstatter
bisher nicht erwähnt, einer näheren Besprechung mir
wert erschien. Ausnahmsweise erbat ich dasselbe vom
Klub, und ich habe es nicht zu bereuen. Die Aus¬
stattung ist prima primissima, und besser als das, was
mir in letzter Zeit von unserer deutschen Reichsanstalt
zu Gesicht gekommen. Der Inhalt schließt sich der
Ausstattung an. Es wird eine gedrängte Übersicht
auf fast allen Gebieten der graphischen Künste ge¬
geben, und bürgen für diese Behauptung die Namen
der Mitarbeiter: K. K. Professor A. Albert, Kaiserlicher
Rat A. C. Angerer, K. K. Professor Georg Brandl-
mayr, Dr. Paul Gelmo, Joseph A. Heilmayer, Direktor
Karl Hermann, Friedrich Jasper, Franz Maurer, Kaiser¬
licher Rat Wilhelm Müller, Hermann Scheibe, K. K.
Oberingenieur Dr. Paul R. von Schrott, K. K. Professor
Artur W. Unger, sämtliche aus Wien, Hermann Kempe
aus Nürnberg, Kaiserlicher Oberfaktor Otto Reinecke
und Hermann Smalian aus Berlin. Beim Artikel: „Über
den Stand der deutschen Rechtschreibung“ wäre höch¬
stens der etwas zu hochgegriffene Ausdruck, „daß die
orthographische Einigung aller deutschsprachischen
Völker erreicht sei“ zu tadeln, denn so weit sind wir
leider noch lange nicht und werden es wohl erst dann
werden, wenn das von den deutsch österreichisch¬
schweizerischen Buchdruckern in Mainz beziehungsweise
Konstanz auf der Generalversammlung des Deutschen
Buchdrucker-Vereins verlangte „Sprachamt“ zur Tat¬
sache wird. Dieser Wunsch steht jetzt auf dem toten
Gleise, und ehe nicht wieder einmal Schulbücher in
xverschiedene Orthographien umgeändert werden, wird
er wohl auch da stehen bleiben. Die Festschrift ist
natürlich nur für einen beschränkten Kreis hergestellt,
und, wie mir der Klub mitteilt, vergriffen und im Handel
nicht mehr zu haben. Dr. Quem von Nostitz .
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CORNELL UNfVERSSTY
Kleine Mitteilungen
115
Kleine Mitteilungen.
In Hamburg wird jetzt mit Unterstützung der
Staatsverwaltung die niederdeutsche Bibliographie or¬
ganisiert und ein phonographisches Archiv für die
niederdeutsche Sprache eingerichtet. Zur Deckung
der Kosten hat der Hamburger Senat 15000 M. in
das diesjährige Staatsbudget eingestellt, die jetzt von
der Bürgerschaft mit genehmigt sind. In den Jahren
1897—1904 hat bereits Professor Dr. Konrad Borch-
ling im Aufträge der Göttinger Gesellschaft der
Wissenschaften eine Inventarisation der niederdeut¬
schen Handschriften der älteren Zeit durchgeführt.
Die für die langersehnte niederdeutsche Bibliographie
erforderliche Arbeit läßt sich in Hamburg besonders
gut organisieren, da die reiche Sammlung der Ham¬
burger Stadtbibliothek einen bequemen Ausgangs¬
punkt für die Katalogisierung und einen wertvollen
Rückhalt auch für die Zeit der späteren Ausarbeitung
bietet. Professor Borchling, der die Leitung dieser
Arbeiteji übernommen hat, hat sich ferner die Auf¬
gabe gestellt, auch die lebenden niederdeutschen
Mundarten Nordwestdeutschlands aufzunehmen, und
zwar phonographisch und aus dem Munde der Spre¬
chenden. Die Arbeit erscheint für unsere bedrohten
niederdeutschen Mundarten als eine absolute Not¬
wendigkeit. Eine nach wissenschaftlichen Gesichts¬
punkten ausgewählte Sammlung von phonographischen
Reprodukdonen der wichtigsten Typen des nieder¬
deutschen Sprachstammes würde ein Archiv bilden,
das Hamburg mit einem Schlag zum gegebenen
Mittelpunkt der niederdeutschen Dialektstudien ma¬
chen würde.
Eine Berliner Zeitungskorrespondenz machte Mit¬
teilung von einer Reihe von Mißständen im Betriebe
und bei der Benutzung der Königlichen Bibliothek
in Berlin. Auf Befragen äußerte sich die Direktion
darüber folgendermaßen: „Es ist nicht zu leugnen, daß
die Luft im Zeitschriftenlesezimmer sehr schlecht ist.
Die Fenster nach der Dorotheenstraße können in der
Tat nicht geöffnet werden, weil der von der Straße
hereindringende Lärm die Besucher zu sehr belästigen
würde. Nun ist zwar die Möglichkeit vorhanden,
Fenster, die auf den Hof hinausgehen, zu öffnen, doch
genügt diese Lüftung nicht Der an einem Fenster
angebrachte elektrische Vendlator kann meistens nicht
in Tätigkeit gesetzt werden, weil er zu geräuschvoll
arbeitet. Dabei ist nun allerdings zu berücksichtigen,
daß man es hier nur mit einem Provisorium zu tun
hat. Im Jahre 1913 wird das Zcitschriftenlesezimmer
nach dem Teil der Bibliothek verlegt, der die Front
in der Straße Unter den Linden hat. Hier werden
diese Übelstände nicht vorhanden sein. Aus dem
Raum, der jetzt das Zeitschriftenlesezimmer beherbergt,
werden eine Wohnung für den Kastellan und ein
kleiner Restaurationsbetrieb geschaffen. Es muß
weiter auch zugegeben werden, daß das Ausleihe -
geschäft sich zu langsam abwickelt. Es könnte da
eine Vereinfachung des Verfahrens eintreten, die wir
bereits früher einmal versucht haben, die wir aber in
Z. f. B. 1912/1913.
den jetzigen Räumen nicht durchführen können.
Außerdem sind auch zu wenig Beamte für das Aus¬
leihgeschäft vorhanden. Was nun schließlich die
Beschwerden über das Verleihen von illustrierten
Werken betrifft, so ist es nicht richtig, daß die gene¬
relle Vorschrift besteht: Bücher mit Illustrationen
werden nur nach dem Lesesaal, nicht aber nach
Hause verliehen. Diese Vorschrift bezieht sich nur
auf Werke mit sehr wertvollen Abbildungen, weil es
leider immer wieder vorkommt, daß die Illustrationen
herausgerissen werden. Wenn aber jemand glaubhaft
nachweisen kann, daß er ein solches Werk durchaus
zum Studium zu Hause notwendig hat, dann wird ihm
Erlaubnis dazu von der Direktion erteilt.“
Die Gesellschaft der Bücherfreunde in Hamburg
gedenkt, das hamburgische Stadtrecht von 1497, die
bedeutsamste Handschrift des Staatsarchivs, als Drei¬
farbenlichtdruck herauszugeben. Den einzelnen Ab¬
schnitten sind 18 Miniaturen vorangestellt, die das
Hamburger Leben der alten Zeit darstellen und so
frisch und leuchtend in den Farben erhalten sind,
als seien sie erst gestern aus der Werkstatt des
Künstlers hervorgegangen. Die im Jahre 1845 von
J. M. Lappenberg herausgegebenen, lithographischen
Nachbildungen nach Zeichnungen Otto Spechters ver¬
mitteln nur eine ganz unzulängliche Vorstellung von
den Originalen.
Eine dem Prospekt beigefügte Probetafel und
Probeseite erwecken für die Publikation die besten
Erwartungen, ihr wissenschaftlicher Wert wird durch
die Namen der Herausgeber (Senatssekretär Dr.
Hagedorn , Prof. Dr. Borchling , Assessor Dr. Reinecke')
gewährleistet. Der Preis beträgt 100 M., die Auflage
höchstens 300 Exemplare. Subskriptionen sind zu
richten an den Publikationsausschuß der Gesellschaft
der Bücherfreunde zu Hamburg zu Händen des Herrn
Direktor Prof. Dr. Münzel , Hamburg , Stadtbibliothek.
Eine neue Privatpresse ist unter dem Namen
Ganymedes-Presse von dem Drucker Hugo Hartmann
und dem Maler R. 6nw»f-Sachsenberg mit eigenen
von diesem geschnittenen Typen errichtet worden.
Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und
Graphik Leipzig 1914. Das lebhafte Interesse, das
alle einschlägigen Kreise Deutschlands an dem Pro¬
jekt nehmen, bekundet sich neuerdings besonders da¬
durch, daß in den wichtigeren buchgewerblichen Orten
lokale Versammlungen einberufen werden, um über
die Art der Beteiligung der betreffenden Städte zu
beraten. Am 20. April fand eine solche Versammlung
unter dem Vorsitz des Herrn Karl Klingspor in Frank¬
furt a. M. statt, an der auch der Vorsitzende der
Ausstellung, Herr Dr. L. Volkmann, teilnahm, um in
großen Zügen ein Bild der Ausstellung und ihrer
Organisation zu entwerfen. Am 22. April folgten zwei
16
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CORNELL UNIVERSITY
Kleine Mitteilungen
116
gleiche Versammlungen in Stuttgart, und zwar vor¬
mittags unter dem Vorsitz des Herrn Kommerzienrat
Engelhorn für den Buchhandel und nachmittags unter
dem Vorsitz des Herrn Kommerzienrat Krais für die
graphischen Gewerbe. Beide Versammlungen waren
zahlreich besucht und wurden durch die Teilnahme
mehrerer Vertreter der Königlich Württembergischen
Staatsregierung ausgezeichnet. Auch hier entwickelte
Herr Dr. L. Volkmann in längerer Rede das eigen¬
artige und lebendig organisierte Programm der Aus¬
stellung, und fand dafür, wie schon in Frankfurt, die
einmütige Zustimmung der Anwesenden. Es w’urde
die Bildung von Ortsausschüssen beschlossen, die für
würdige Beteiligung ihrer Kreise bemüht sein werden.
— Auch in den zu Kantate in Leipzig stattgefundenen
Hauptversammlungen der verschiedenen Vereinigungen
des Buch- und Musikalienhandels stand das Thema
.Ausstellung 1914“ auf der Tagesordnung; in Berlin
fand dann am 14. Mai eine Versammlung der Inter¬
essenten im Papierhaus statt; in Breslau hat Herr Dr.
L. Volkmann das betreffende Referat zu der am 2. Juni
stattfindenden Hauptversammlung des Deutschen
Buchdrucker-Vereins übernommen, und endlich hält am
20. Juni der Deutsche Buchgewerbeverein selbst seine
Hauptversammlung in München ab, wobei gleichfalls
über die Ausstellung eingehend berichtet werden soll.
So findet das bedeutsame Unternehmen schon jetzt
überall im Reiche starken und freudigen Widerhall.
Zur Tausendjahrfeier der Residenz Kassel im Sep¬
tember 1913 ist die Aufführung eines Festspiels in der
neuen Stadthalle geplant. Der Stoff des Festspiels
muß der Kasseler Geschichte entnommen sein, kann aber
dichterisch frei gestaltet werden. Um geeignete
Stücke zu gewinnen, wird ein allgemeines deutsches
Preisausschreiben erlassen und ein Preis von 2000 Mark
für die beste Arbeit ausgesetzt; der Ankauf weiterer
geeignet erscheinender Manuskripte bleibt Vorbehalten.
Die näheren Bedingungen des Ausschreibens versendet
gebührenfrei das Stadtverkehrsamt Kassel (Rathaus).
William Caxton, Englands erster Buchdrucker, ist
für die Kunst im englischen Buchdruck nicht vorbild¬
lich gewesen. Wie alle Drucker der frühesten Zeit nahm
er sich die Buchhandschrift zum Muster und die ihm
besonders vertraute vlämische Schrift war keineswegs
die vollendetste unter den gotischen Schriften seiner
Zeit. Und auch die alten „black letter books‘\ die seit
dem XVIII. Jahrhundert von den englischen Sammlern
mit großem bibliophilen Enthusiasmus gesammelt wer¬
den, verdienen nicht als Buchkunstwerke ihre hohe
Einschätzung. Erst im XVIII. Jahrhundert zeichnete
William Caslon englische Druckschrift, die bewußt den
künstlerischen Anforderungen an eine solche Schrift
zu genügen versuchte (und deren „old-faced type“ 1844
von Charles Wbittingham neu verwertet wurde), wäh¬
rend der englische Meisterdrucker dieser Zeit, John
Baskerville , beispielgebend wurde für die notwendigen
Bemühungen um die Druckschdnheit, die neben der
schönen Type, der Auswahl geeigneter Druckfarben
und Druckpapiere vor allem die Satzanordnung als die
Schönheit eines Druckwerkes bedingend betrachten.
Bemühungen, denen der um das Jahr 1800 unbestritten
herrschende Bodonigeschmack entgegenstand.
Das Verhältnis der beiden bedruckten Seiten eines
aufgeschlagenen Buches zueinander, das der bedruckten
zu der unbedruckten Fläche und die farbige Wirkung
der Druckseite, die aus der Art, der Trennung, und dem
Zusammenschluß der einzelnen Lettern wie der einzelnen
Zeilen entsteht, sind für das Gelingen eines vollkom¬
menen Satzbildes entscheidend. Mehr ahnend als be¬
rechnend haben manche Meister der Wiegendruckzeit
diese Vollkommenheit erreicht, mit Überlegung suchte
man sie zuerst in England am Ende des XIX. Jahr¬
hunderts. Und das englische Revisal of Printing ist seit¬
dem auch für andere Länder, so auch für Deutschland,
bedeutungsvoll geworden. Während allerdings in Eng¬
land (und Amerika) die Anregungen, die von den
Musterdrucken der neuenglischen Buchkunstschule aus¬
gingen, immerhin schon da als w ertvoll aufgenommen
wurden, wohin sie gelangen mußten, wenn die ganze
Bewegung nicht steril bleiben, nicht l’art pour l’art-
Tendenz haben sollte, bei der Herstellung der „gewöhn¬
lichen Bücher“ hat sich in Deutschland die neueste
Entwicklung der Kunst im Buchdruck auf die Massen¬
herstellung von Liebhaberausgaben beschränkt Und
eine gewisse Luxusbücherindustrie, der auch als ihr
Gegenstück die billigen Prachtausgaben nicht fehlen,
bleibt in vornehmer Abgeschlossenheit von der allge¬
meinen Bücherproduktion. Es sind zwei getrennte Ge¬
biete: auf dem einen kann die Nichtigkeit in kostbarem
Putz erscheinen, auf dem anderen zeigt ein wertvolles
Werk, eine wissenschaftliche Arbeit mit weitreichender
Wirkung ihren inneren Gehalt durch die Verachtung
„äußerlicher“ Buchformen, ästhetischen Buchanstandes,
(nach Beispielen braucht man nicht zu suchen).—
Und noch eine andere Unterscheidung (wenigstens
der Anfänge in) der englischen und deutschen neuen
Buchkunst muß gemacht werden. In England waren
die Buchschönheitssucher zunächst nicht gezwungen ge¬
wesen, neben den ideellen Erfolgen auch auf die ma¬
teriellen Erfolge zu sehen, während in Deutschland
schon die ersten Förderer und Urheber der neuen
Kunst im Buchdruck bei den erheblichen Opfern, die
sie ihrer Sache bringen mußten, wenigstens die Hoff¬
nung auch an einem gewinnbringenden Unternehmen
zu arbeiten nicht entbehren konnten.
Der Vater der neuen Kunst im Buchdruck, William
Morris, hat für die Vorbereitungen zur Erreichung seines
Zieles, wieder ein vollkommenes Buch wie die alten
Meister zu drucken, Geld und Zeit im Überfluß auf-
wenden können Man wird ihn den Romantiker unter
den modernen Typographen nennen können, der Auge
und Hand an den Nachbildungen alter Prachthand¬
schriften geschult, immer ein wenig in der gotischen
Zeit geblieben ist, der für seine 1891 gegründete Keim -
scott Press bis zu seinem Tode (1896), nachdem ihn Ver¬
suche belehrt hatten, daß unter den Bedingungen des
modernen Handels Bücher wie er sie wollte, nicht zu-
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CORNELL UNfVERSITY
Kleine Mitteilungen
ii 7
stände kommen konnten, so sehr die Forderungen einer
Werkstattsarbeit, die nicht auf ihre Unkosten zu kom¬
men braucht, aufstellte, daß ihm seine Schüler auch
darin nicht unbedingte Gefolgschaft leisten konnten.
Denn obschon ganz unerwarteterweise* die Arbeiten
der Keimscott Press sich durchaus bezahlt gemacht
hatten, so war sie doch kein im eigentlichen Sinne
gewinnbringendes Unternehmen gewesen, keine ge¬
schäftliche Anlage, auf die ein Mann seine Lebens¬
arbeit zu seiner Lebenserhaltung begründen konnte.
(Die späteren hohen Liebhaberpreise der Keimscott
Press-Drucke haben hier keine Bedeutung.) Und ihr
Werkstattraum war bei allem, was er an Erfüllungen
geben konnte, zu eng für die Verheißungen, die ihn
entstehen ließen.
Charles Ricketts, durch den doppelten Erfolg der
Keimscott Press über die Notwendigkeiten guter Buch¬
arbeit und das allgemeine Verlangen nach solcher auf¬
geklärt, begründete 1896 seine bis 1904 bestehende
Vale Press, deren Bücher unter seiner Leitung von der
Ballantyne Press gedruckt worden sind.
Die von Ricketts nach venetianischen Vorbildern
des XV. Jahrhunderts gezeichnete Type benutzte auch
Lucien Pissarro für die früheren Drucke seiner Eragny
Press ( 1896), währender seit 1903 seine eigene „Brook“-
type gebraucht. Die Eigenart der Eragny Press beruht
zunächst auf der Selbständigkeit ihres Meisters, der
allein, nur von seiner Gattin unterstützt, vom Zeichnen
und Schneiden seine Holzstöcke bis zum Satz und
Druck seiner Bücher, alle notwendigen Arbeiten aus¬
führt. Sodann in der Farbenfreudigkeit dieses Druckers,
die er in der Handkolorierung der Holzschnitte, in der
Vorliebe für mehrfarbigen Druck beweist.
Die Ashendene Press, die sich C.H. St.John Hornby
1895 aus Teilnahme für die Buchdruckkunst einrichtete,
wuchs über ihre dilettantischen Anfänge sehr rasch
hinaus, weil ihr Besitzer, ähnlich wie William Morris,
ohne Gewinnabsicht ans Werk gegangen war. In der
Auswahl der Typen Eklektiker, hatC.H.StJohn Hornby
nacheinander die Caslon- und die Fell-Type benutzt,
bis er mit einer Nachbildung der halbgotischen Subiaco-
type von Sweynheym und Pannartz sein Meisterwerk
schuf, den Dante-Folianten von 1909, der mit Ehren
einen Platz an der Seite des Morris Chaucer behauptet.
C. R. Ashbee, der nach der Auflösung der Kelm-
scott Press aus ihr zwei Pressen, sowie einen Teil des
verkäuflichen Typen Vorrates erworben hatte, begrün¬
dete damit seine Essex House Press , für die er 1901
seine Endeavourtype, 1903 seine Prayer Book Type
schneiden ließ.
Die eigentlichen Erben von William Morris in
einem höheren Sinne wurden aber zwei seiner da¬
maligen Mitarbeiter, Emery Walker und Cobden San -
derson (der das, was William Morris für die Neube¬
lebung der Buchdruckerkunst leistete, neben ihm für die
Neuerweckung der Einbandkunst geleistet hat). Diese
beiden Meister, die sogleich die genauen Regeln für
das „Ideal Book“ aufstellten und auch in der Gleich¬
mäßigkeit ihrer Erzeugnisse im Gegensatz zu dem ro¬
mantischen Morris wie Akademiker erscheinen, be¬
nutzten eine der Jensontype nachkonstruierte Druck¬
schrift Das erste Buch ihrer Doves Press, die seit 1909
Cobden Sanderson allein leitet, erschien 1901.
Die Veröffentlichungen aller dieser Privatpressen,
allmählich sich zu einer großen Zahl schön gedruckter
Bücher vereinigend, ließen noch Raum für ihnen ähn¬
liche englische Unternehmungen. In den Vereinigten
Staaten von Amerika sind besonders die Merrymount
Press (unter Mr. Updike) und die Riverside Press (unter
Mr. Rogers) den bedeutendsten englischen Pressen in
der Pflege der Kunst im Buchdruck gefolgt, während
die Mosher Press von Thomas B. Mosher in Portland
Maine in der Herstellung guter und schöner billiger
Bücher einen eigenen Rang beanspruchen darf.
Versuche, auch vorläufig noch weniger zugängliche
Gebiete der Kunst im Buchdruck dienstbar zu machen,
entstanden im Zusammenhänge mit den Arbeiten der
neuenglischen Buchdruckerschule: des gelehrten Robert
Proctor griechische „Otter“-Type, die ein wichtiges Ele¬
ment für den schönen Druck der hellenischen Klassiker
schuf, Pissaros Musiknotendruck müssen unter diesen
Versuchen besonders hervorgehoben werden.
Die Ausstellung von Meisterwerken der neueng¬
lischen Kunst im Buchdruck, die im Oktober 1911, von
der Medici Society Ltd. in London veranstaltet wurde,
hat die. Herausgabe eines Buches veranlaßt, das zum
ersten Male eine bibliographische Übersicht über die
Leistungen der neuenglischen Buchdruckerkunst gibt:
The Reviral of Printing. A bibliographical Catalogue
of Werks issued by the chief modern english presses with
an introduction by Robert Steele , imprinted in the Ric -
cardi Press Fount by Charles T. Jacobi. With Facsimi -
les of the types employed by other Presses. London , by
Macmillan Co. Ltd, and Philip Lee Warner , Pu*
blisher to the Medici Society Ltd. IQ12. 350 Abzüge
auf Papier, von den3i5 in den Handel gegeben wurden
(Boards 16 s, Limp Vellum £1 5 s) und 12 Abzüge auf
Pergament (10 im Handel zu £15 15s). Nach einer
vorzüglichen Einleitung, die ein sucrinctesCompendium
der Druckästhetik ist, folgen Listen der Veröffent¬
lichungen folgender Pressen: Daniel Press, Keimscott
Press, Vale Press, Eragny Press, Ashendene Press,
Essex House Press, Doves Press, Cuala Press, Cam¬
bridge University Press (Cambridge-Type-Drucke),
Merrymount Press (Boston), Florence Press, Riccardi
Press, sowie eine Liste der bisherigen Drucke in der
griechischen Type Proctors. Als Handlisten befleißigen
sie sich einer bibliographischen Kürze und verzeichnen
auch insofern nicht alle Drucke der behandelten
Pressen, als nebensächliche Drucksachen wie Anzeigen
und ähnliches, entweder nur zusammenfassend erwähnt
oder ganz ausgelassen sind. Hierin wäre manchen
wohl eine umständlichere Genauigkeit nicht unwill¬
kommen gewesen. So hätte immerhin, um ein Bei¬
spiel zu geben, ein Rundschreiben wie das von T. J.
Cobden Sanderson über Shakespeares Punctuation
(A Letter addressed to the editor of The Times. Octo-
ber 26, 1911) nicht unerwähnt bleiben dürfen.
G. A. E.B.
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CORNELL UNIVERSUM
i iS
Kleine Mitteilungen
Zur Geschichte der Bücherformate . Vor kurzem
wurde ich zufällig aufmerksam auf Wilhelm Ostwalds
Publikation: Die Weltformate. I. für Drucksachen.
1911. In Kommission bei Fr. Seybolds Buchhandlung,
Ansbach. Die 16 Seiten starke Schrift stellt Nr. 10 der
Schriften über „die Brücke“ dar, und ist ein Sonder¬
abdruck aus dem „Börsenblatte für den deutschen Buch¬
handel“ vom 18. Oktober 1911 Nr. 243, S. 12330. Da
mir dieses Organ des deutschen Buchhandels nicht zu¬
gänglich ist, so weiß ich nicht, ob schon jemand in
diesen Blättern zur Begründung der sogenannten Welt¬
formate durch Ostwald das Wort ergriffen hat. Beim
Lesen des Titels der Ostwaldschen Schrift wurde ich
gleich an einen kleinen Artikel im Göttinger Taschen¬
kalender (bei Jos. Chr. Dieterich) für das Jahr 1796
erinnert. Er steht auf Seite 171—178, ist überschrieben
„Über Bücher-Formate u und hat keinen Geringeren als
Georg Christoph Lichtenberg zum Verfasser. Der kleine
Aufsatz ist später in Lichtenbergs vermischten Schriften
(Band 5. Göttingen 1803, Seite 511—520); und Aus¬
gabe von 1853. (Göttingen, Band 6, Seite 266—271.)
und noch des öfteren zum Abdruck gebracht worden.
Wenn ich es gleich vorwegnehme, so ist der Kernpunkt
in Lichtenbergs und Ostwalds Aufsatze genau der
gleiche.
Für Lichtenberg entsteht im Jahre 1796 die Frage:
„1. Könnte man nicht dem Papier eine solche Form
geben, daß alle Formate einander ähnlich würden, und
2. wäre ein solches Format bequem und schön?
Die erste Frage wird jeder Anfänger in der Algebra
beantworten können. Wir wollen die Auflösung her¬
setzen. Weil hier immer eine Seite des Bogens so groß
angenommen werden kann, als man will, so wollen
wir die kleinere wiederum a, die größere aber, die ge
sucht wird, x nennen, so wäre also bei diesem Papier,
die Patentform a: x und folglich, x gebrochen, gäbe
für das
Folio . . — x : a « x : 2 a wie oben.
2
Weil nun aber diese Formate einander ähnlich sein
sollen, so ist a:x = x.2a; aus x* = 2a* und x=a]f^
So wäre also dies Verhältnis der Seiten beziehentlich
der Patentform — a-.a ■= 1: \T^ bei Folio = Yjf • 1
__ 2
= 1: yT usw - ms Unendliche. Da nun bekanntlich das
Verhältnis von 1 : \ff das Verhältnis der Seite des
Quadrats zu dessen Diagonale ist: so kann sich jeder¬
mann sogleich ein Blatt von dieser Form schneiden.
Vielleicht ergeht es ihm alsdann wie mir vor mehreren
Jahren, da ich unvermutet gewahr ward, daß der Bogen
Papier, den ich für das Beispiel zuschneiden wollte,
schon die Form hatte, die ich ihm zu geben willens
war. Unser gewöhnliches Schreibpapier in Klein-Folio
hat nämlich hierzulande [das heißt in Göttingen] wirk¬
lich diese Form schon, und es war mir angenehm, zu
finden, daß irgend jemand schon bei der ersten Büdung
des Papiers, sogar die Figur desselben eines Gedankens
gewürdigt hatte, also einer Ehre, die ihm nachher im
Dienste selbst, bald beim Schreiben, bald beim Lesen
nicht selten versagt wird. Wer dies Papier kennt, oder
sich die Mühe nehmen will, ein solches Blatt zu schnei¬
den, wird finden, daß es ein sehr gefälliges und be¬
quemes Format ist. So viel zur Beantwortung der
beiden Fragen . . .“
Ostwald , der offenbar ohne Kenntnis des Uchten-
bergschen Artikels auf diese Bücherformate gelangt
ist, entschuldigt sich fast, daß er, der ja „ursprünglich
Chemiker“ gewesen, auf einen seinem Fache so ferne
liegende Frage komme. Und Lichtenberg\sX von Hause
aus Physiker und Mathematiker und Chemiker! Welch
merkwürdiges Zusammentreffen! Zwei große Natur¬
forscher greifen zu verschiedenen Zeiten (1796 und
1911) dasselbe Problem auf, das scheinbar ihrem Arbeits¬
gebiet fern liegt, und stellen es zur Diskussion, und er¬
ledigen es beide genau in der gleichen Weise.
Ostwald ( 1 . c.) S. 7 stellt als erste Forderung auf:
1. „Die Formate müssen aber untereinander in
solcher Beziehung stehen, daß sie durch einfaches Fal¬
zen, das heißt durch Halbieren der Oberfläche auf¬
einander reduziert oder auseinander hergestellt werden
können“.
2. „Die so entstehenden verschiedenen Formate
müssen untereinander geometrisch ähnlich sein.
Diese Forderung läßt sich nur auf eine einzige Weise
befriedigen, indem nämlich die beiden Seiten der For¬
mate sich verhalten, wie die Seite eines Quadrats xur
Diagonale , oder mathematisch ausgedrückt wie
■ : vv
Da die Quadratwurzel aus 2 — 1,414 ... ist, so haben
wir es ungefähr mit dem Verhältnis 7: 10 zu tun. —
Zu diesen zwei Voraussetzungen, die sich völlig
mit den Lichtenbergschen Deduktionen decken, fügt
Ostwald noch eine dritte, daß die Formate auf das
Zentimeter als Einheit bezogen werden müssen. Er
stellt folgende Tabelle auf.
i cm
Weltformat
Nr.
L 4 i
1 : 1.41
I
2
1,41 : 2
11
2,83
2 : 2,83
III
4
2,83: 4
IV
5,66
4 •• 5,66
V
8
5,66: 8
VI
IL 3
8 : I 1,3
VII
16
11,3 : 16
VIII
22,6
Iö : 22,6
IX
32
22,6 :32
X
45,3
32 : 45,3
XI
64
45,3 : 64
XII
90,5
64 : 90.5
XIII
In dieser stehen die einzelnen aufeinanderfolgenden
Zahlen in dem Verhältnis von 1: y~z. Je zwei Zahlen,
die aufeinander folgen in der Tabelle, erfüllen also
die Bedingung der geometrischen Ähnlichkeit.
Wie Lichtenberg oben von einem „sehr gefälligen
und bequemen Formate " spricht, so Ostwald (l. c. Seite 10)
von Nr. VIII (11,3:16 cm) von einem bequemen und
hübschen Taschenformat .“
Es kann hier nicht der Platz sein, auf die weiteren
von Ostwald gemachten Vorschläge einzugehen, da
sie dem Bibliophilen wohl größtenteils bekannt sein
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CORNELL UNIVERSUM
Kleine Mitteilungen
werden. Ob diese mit dem Satze von Ostwald
( 1 . c. S. n) einverstanden sind: „Man wird andrerseits
das Gebiet der Buchausgaben für Bibliophilen, der
künstlerischen Drucke und dergleichen ruhig den son¬
stigen „wilden“ Formaten überlassen können“, darauf
kann ich hier auch nicht eingehen.
Was mir als Mediziner besonders bei der Möglichkeit
der Vereinheitlichung der Formate von besonderer Be¬
deutungerscheint, das ist vielleicht, in Zukunft in Aussicht
zu haben, nicht mehr „eine zwecklose Formverschieden-
heit“ von Sonderabzügen nebeneinander im Bücher¬
brett stehen zu haben, so daß sie kaum in demselben
Einband vereinigt werden können. Erich Ebstein.
Bekanntmachung der Kommission für Einband¬
stoffe. Als wir in Heft 7/8 des Zentralblattes von 1911
die von dem Vereine Deutscher Bibliothekare beschlos¬
senen 'Vorschriften für Bibliothekseinbände mitteilten,
ersuchten wir zugleich diejenigen Firmen, die sich be¬
reit erklären würden, gemäß den neuen Vorschriften
Leder zu liefern oder Pergament, Webstoffe und Pa¬
pier herzustellen, sich an uns zu wenden, damit wir
darüber im Zentralblatt für Bibliothekswesen eine Be¬
kanntmachung veröffentlichen könnten. Wir sind jetzt
in der Lage solche Firmen zu nennen.
I. Lederfabrikationen und Lederhändler.
1. J. H. Epstein, Fabrik farbiger Leder in Frank¬
furt a. M.: für Ziegenleder. Vertreter für Leipzig:
Hans Henning, Engelsdorfer Straße 15. Die Firma hat
ein Farbensortiment von Kapziegen und deutschen
Ziegen herausgegeben.
2. R. Ihm, Fabrik gefärbter Leder in Mainz: fiir
Ziegen-, Kalb- und Schafleder. Vertreter in Leipzig:
Felix Frohnknecht, Leplaystraße 10. Die Firma hat
ein Sortiment gefärbter deutscher Ziegenleder zusam¬
mengestellt, die sich als besonders lichtecht erwiesen
haben. Aus diesem Sortiment haben die Unterzeich¬
neten auf Ersuchen der Firma acht Farbentöne aus¬
gewählt, die für Bibliothekszwecke besonders geeignet
erscheinen, und die die Firma auf Lager halten will.
3. August Spitta Söhne, Lederfabrik in Branden¬
burg an der Havel: für Schweinsleder, naturfarbig, und
gefärbt.
4. Wilhelm Bolle, Lederhandlung in Berlin S., Prin¬
zessinnenstraße 26: für Ziegen-, Kalb- und Schafleder.
5. Wilh. Valentin, Buchbinderei-Materialien-Groß-
handlung, in Berlin SW., Krausenstraße 37: für Kalb-
Schaf- und Schweinsleder.
II. Pergamentfabrikanten.
1. Römhildt-Heilbrunn Söhne Aktiengesellschaft in
Berlin NO., Keibelstraße 395 für Kalb- und Schafper¬
gament
2. Carl Wildbrett in Augsburg-Pfersee: fiir Kalb-,
Ziegen und Schafpergament.
3. Joseph Weinstein in Eisenach: für Kalb-, Ziegen-
und Schafpergament.
4. H. Band & Co. in Brentford (England): für Kalb-,
Ziegen- und Schafpergament. Vertreter für Deutsch¬
land: Waldemar Huch in Hamburg, Hirtenstraße 6.
1 19
III. Fabrikanten von Webstoffen.
1. J. Landauer in Braunschweig: für Normal-Dop-
peikaliko, Normal-Leinen leicht, Normal-Leinen schwer.
Der Alleinverkauf für Berlin wurde der Firma G. Hon¬
rath in Berlin W., Charlottenstraße 62, der Alleinver¬
kauf für die Provinzen Pommern, Ost- und Westpreu¬
ßen der Firma Wilh. Valentin, Berlin SW., Krausen¬
straße 37 übertragen.
2. Netter & Eisig in Göppingen: für Normal-Dop¬
pelkaliko.
Die neuen Webstoffe Normal-Doppelkaliko, Nor¬
mal-Leinen leicht, Normal-Leinen schwer, sind in folgen- _
den Farben zu haben: schwarz, dunkelgrün, rotbraun,
dunkelblau, lederbraun.
IV. Papier.
Die Verhandlungen wegen Herstellung von Nor-
malbezugpapier sind noch nicht so weit gediehen, daß
Firmen, die es herstellen, namhaft gemacht werden
könnten. Doch hoffen wir binnen kurzer Zeit hierzu in
der Lage zu sein, da jetzt eine Firma mit Versuchen
beschäftigt ist.
Wir erinnern daran, daß jedes Fell Leder und jede
Haut Pergament den vorgeschriebenen Stempel tragen
muß. Hierbei ist besonders darauf zu achten, daß der
Fabrikant (oder bei Leder auch der Händler) mit
seinem vollen Namen die Garantie übernimmt.
Für Webstoffe war vorgeschrieben, daß der Stem¬
pel von dem Fabrikanten am Anfang und am Ende
eines jeden Stückes aufgedruckt würde. Die unter
Nummer III genannten beiden Firmen sind jedoch
der Meinung, daß die Anbringung eines Stempels tech¬
nische Schwierigkeiten macht, und haben deshalb vor¬
läufig gedruckte Etiketts mit dem vorgeschriebenen
Wortlaut am Anfang und Ende der Stücke aufgeklebt.
Wir ersuchen bei Bestellung der neuen Webstoffe
stets ausdrücklich Normal-Doppelkaliko, Normal-Leinen
leicht oder schwer zu verlangen und sich, falls die
Ware in kleineren Mengen durch den Zwischenhandel
bezogen wird, die Firma des Fabrikanten angeben
zu lassen.
Wegen der Bezugsquellen, der Preise für die ver¬
schiedenen Arten von Einbandstoffen, der Lieferung
von Proben und Mustern wolle man sich an die vor¬
genannten Firmen oder deren angegebene Vertreter
wenden. Wir hoffen, daß die deutschen Bibliotheken
von den neuen Einbandsstoffen ausgiebigen Gebrauch
machen werden. Sollten noch weitere Fabrikanten
sich zur Herstellung der vorgeschriebenen Einbands¬
stoffe entschließen, so wollen sie uns davon in Kennt¬
nis setzen, damit wir auch ihre Namen bekannt geben
können.
Berlin, den 6. März 1912,
Professor Dr. Loubier ,
Kustos an der Bibliothek des Kunstgewerbe-Museums.
Professor Dr. Paalxow,
Abteilungsdirektor der Königlichen Bibliothek.
{Zentralblatt für Bibliothekswesen .)
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CORNELL UNIVERSUM
120
Literatur und Justiz.
Frieda Tiersch, eine junge Buchgewerblerin, hat
im vergangenen Monat im Leipziger Buchgewerbe¬
museum eine größere Anzahl von Bucheinbänden aus¬
gestellt, die in der Hauptsache in London entstanden
sind. Die Arbeiten von Frieda Tiersch stehen tech¬
nisch und künstlerisch durchaus unter dem Einfluß
der englichen Buchbindekunst, wie sie etwa Cobden -
Sanderson und in neuerer Zeit Sangovski in so hervor¬
ragender Weise pflegt Sie sind technisch sehr tüchtig
gearbeitet, in der Hauptsache mit Handstempeln in
Goldpressung und beweisen ebenso deutlich, daß die
Künstlerin noch durchaus die Fähigkeit besitzt, die
Entwürfe in selbständiger Weise zu fertigen. Einige
Bände sind sehr geschmackvoll nur am Rücken mit
Blattmustern dekoriert, bei den meisten sind aber auch
die Decken mit Ornamenten aus florealen Motiven
oder Bandverschlingungen häufig unter Benutzung von
Lederauflagen geschmückt Naturgemäß tritt hier die
englische Schulung am meisten in die Erscheinung.
Trotz des großen Aufschwungs unserer deutschen
Buchbindekunst sind uns die Engländer doch in man¬
cher Beziehung voraus, vor allem, was die Exaktheit
der Durchbildung betrifft. Das gereicht auch den Ar¬
beiten von F. Tiersch zum Vorteil. Es wäre zu
wünschen, daß der jungen Künstlerin Gelegenheit ge¬
boten würde, ihre Fertigkeiten noch im deutschen
Buchgewerbe weiter ausbilden zu können.
Literatur und Justiz.
In den letzten Wochen wurden folgende Beschlag¬
nahmen verfügt, bezw. durch Gerichtsurteil bestätigt:
Aus der Sammlung: „In paradiesischer Schönheit“.
Farbige Freilichtakte nach künstlerischen Aufnahmen
des Kunstmalers M. Schneider, Berlin W. 57,
Richard Eckstein Nachfolger. Lieferung 3 und 9
je ein Bild, Lieferung 1, 4, 5, 6, 7 und 8 je zwei
Bilder, insgesamt 14 Stück;
Aus der Sammlung: „Eva im Paradies". Weibliche
Freilichtakte nach Aufnahmen für Künstler und
Kunstliebhaber des Kunstmalers M. Schneider,
Berlin W. 57, Richard Eckstein Nachfolger.
4. Lieferung, die mit IV13, IV14. IV15 und
IV16 bezeichneten Bilder, aus der gleichen
Sammlung, II. Serie, 1. Lieferung, die mit Vi, V2,
V3 und V4, 2. Lieferung, mit V7, 3. Lieferung,
mit V9, V10, Vii und V 12, 4. Lieferung, mit V 13
und V14 und 5. Lieferung, mit V17, V18, V19 und
V20 bezeichneten Bilder;
20 weibliche Aktstudien nach der Natur für Künstler
und Kunstfreunde von W. Hümmer , München, ent¬
haltend 20 bildliche Darstellungen;
„Im Hause des Sklaven-Reverend“, von William Tay -
lor, Leipziger Verlag, G. m. b. H., Leipzig, (aus
einer Sammlung: „Im Lande des Souldrivers", Ge¬
schichten aus den Sklavenstaaten Südamerikas von
William Taylor Band 5).
„Sklavenliebe", von William Taylor Leipzig, Leipziger
Verlag, G. m. b. H. (aus der Sammlung wie zuvor);
Sekt, Blätter für fröhliche Laune, Jahrg. 9, Nr. 28;
Manicure, Couplet, Text von O.A.Alberts, Musik von
Rudolf Nelson, Harmonie-Verlag, Berlin;
„Nackte Schönheit", ein Buch für Künstler und Ärzte,
herausgegeben unter Mitwirkung von Dr Gustav
Fritsch , Stuttgart, Hermann Schmidt’s Verlag, und
zwar; 3., 8., 9., 14., 15., 16., 17., 18., 19., 20., 22., 23.,
24., 25. Lieferung;
„Die Schönheit der Frauen", wohlfeile Ausgabe, heraus¬
gegeben von Dr. Paul Hirth und Ed. Daelen , Ber¬
lin W. 30, Scbmidt’sche Buchhandlung;
Prospekt „Die Schönheit der Frauen", wohlfeile Aus¬
gabe, herausgegeben von Dr. Paul Hirth und Ed.
Daelen, Berlin W. 30, Schmidt’sche Verlagsbuch¬
handlung;
Prospekt „Nackte Schönheit", ein glänzendes Pracht¬
werk, Hermann Schmidts Verlag, Berlin W, 30;
Prospekte „Die Schönheit der Frau", a) und b) neue
Folge, herausgegeben von Dr Paul Hirth und
Joseph Kirchner Berlin W, 59, Hermann Schmidt's
Verlag;
Prospekt „Die Schönheit der Frauen", herausgegeben
von Dr. Paul Hirth und Kunstmaler Ed. Daelen;
Prospekt „Nackte Schönheit", herausgegeben unter
Mitwirkung von Dr. Gustav Fritsch;
„Komtesse Marga" von X. Y. Z. in zwei Bänden, Wien
1909, Privatdruck;
„Tagebuch einer Kammerjungfer" von Oktave Mirbeau,
Wiener Verlag, Wien-Leipzig;
„Der perverse Maikäfer** von Felix Schloemp, Verlag
von Georg Müller, München und Leipzig, soweit
es die Gedichte: „Das impotente Knickebein", Seite
23, „Das Weihnachtsgeschenk", Seite 56 und 59,
und die 4. Strophe des Gedichts „Moral**, Seite 73
enthält, nebst dem vorderen Umschlag der Bro¬
schüre.
„Die Liebe im Altertum" von Alexander Keller , Ver¬
lag Alois Hynek in Prag;
„Lillis Schelmenstreiche**, enthaltend:
a) „Lillis Schelmenstreiche* von Heisedal , Satyr-Ver¬
lag, Berlin SW., soweit das Buch die Abbildungen
Seite 4, 5, 6, 7, 9, 17 oben enthält;
b) „Kaviar-Kalender 1840“, Verlag von Gustav Grimm,
Budapest;
c) „Die Grazien", Verlag von Karl Messer & Co.,
G. m. b. H., Berlin W. 35;
„Kaviar-Kalender 1901", Verlag von Gustav Grimm,
Budapest;
„Sekt** — Jahrg. 6, Nr. 3, nebst den in dem Umschlag
eingelassenen Ansichtskarten;
„Fräulein Lehrerin" von R. Bröhmek, Leipziger Ver¬
lag, G. m. b. H.;
„Gefährliche Buße** von R. Bröhmek, Leipziger Verlag,
G. m. b. H.;
„Qualvolle Stunden" von R . Bröhmek, Leipziger Ver¬
lag. G. m. b. H., soweit sie die Erzählungen: „Die
Rache der Gräfin", „Bestrafter Hofklatsch** und
„Ungarische Hausjustiz" enthalten;
Digitized b'
Google
Original ftom
CORNELL UNIVERSUM
Literatur und Justiz
121
„Aus harter Jugendzeit“ von Anton Rüdiger , Leipziger
Verlag, G. m. b. H.;
„Memoiren der Schwester Angelika“ von J. Johnson
Verlag von H. R. Dohm in Dresden;
„John Bull beim Erziehen“ von E. Neumann, Neue
Folge, 4. Band. Verlag von H. R. Dohm in Dresden.
„Amerika beim Erziehen“. Band 1—3, Leipziger Ver¬
lag, G. m. b. H., bzw. Verlag von H. R. Dohm in
Dresden;
„Flagellations-Erfahrungen“, Leipziger Verlag, G. m.
b. H.
„Ein Sadist im Priesterrock” von C. F. von Schlichte-
groll, Leipziger Verlag, G. m. b. H.;
„Sanatorium Birkenheide“ von Dr. Lassac, Leipziger
Verlag. G. m. b. H. ;
„Meine grausame süße Reitpeitsche" von Kurt Hom¬
bach, Verlag von Hermann Hardeb in Preßburg;
„Die Prügelzucht in der Türkei und im Orient“ von
M. Sadow, Leipziger Verlag, G. m. b. H.;
„Als Quarteronen verkauft“ von William Taylor, Leip*
Verlag, G. m. b. H.;
„Unter der Peitsche Donna Isabellas“ von William
Taylor, Leipziger Verlag, G. m. b. H.;
„Am Abgrunde der Schande“ von William Taylor,
Leipziger Verlag, G. m. b. H.;
„Unter Maronnegem“ von William Taylor, Leipziger
Verlag, G. m. b. H.;
„Das Tagebuch des Sklavenhalters“ von William Tay¬
lor, Leipziger Verlag, G. m. b. H.;
„Die Sklavinnen der Indianerin“ von William Taylor,
Leipziger Verlag, G. m. b. H.;
„In der Schule der Demut“ von William Taylor,
Leipziger Verlag, G. m. b. H.;
„Die stolzen Herrinnen von Western Port“ von William
Taylor , Leipziger Verlag, G. m. b. H.;
„Der Schrecken von Caveraa“ von W. Taylor-Mus¬
grave, Leipziger Verlag, G. m. b. H.;
„Quengueza“ von William Taylor , Verlag von G. R.
Dohm in Dresden;
Prospekt „Die Gestalt des Menschen und ihre Schön¬
heit“ von Otto Schmidt und E. Schneiden
Prospekt „Der Künstlerakt“ von Otto Schmidt und
E. Schneider ;
„L'Etude Acaddmique“ Nr. 143, 144,146, 148, 149, 152,
i54> 156, 163, 180, 181, 182;
„Der Künstlerakt“ herausgegeben von Otto Schmidt
und Emst Schneider, Verlag von ). Singer & Co.,
und zwar der Musterband;
„Die Gestalt des Menschen und ihre Schönheit“ heraus,
gegeben von Otto Schmidt und Emst Schneider-
Berlin, Verlag von J. Singer & Co., und zwar Muster¬
band und 1. Lfg.
Die Verbreitung der Zeitschrift „La Vie en Culotte
rouge“ ist am 10. April auf die Dauer von zwei Jahren
verboten worden.
Die Beschlagnahme des Romans „Die Verführten“
von Hans Hy an (Pan-Verlag, Berlin) ist durch Gerichts¬
urteil vom 8. Mai aufgehoben worden.
Der Hyansche Roman ist am 14. Mai auf Veran¬
lassung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht I
von neuem beschlagnahmt worden trotz der Freigabe
durch das Landgericht III. Das Buch unterliegt
nämlich nach der Auffassung der Staatsanwaltschaft
trotz der freisprechenden Entscheidung des Konfis¬
kation auf Grund eines Urteils vom Dezember vori¬
gen Jahres. Damals ist es durch ein längst rechts¬
kräftiges Urteil vom Landgericht I als imzüchtig ein¬
gezogen worden.
Vor dem Landgericht Leipzig wurde im Oktober
des vorigen Jahres in einem objektiven Strafverfahren
über die Unbrauchbarmachung von Abbildungen in
dem Werke „Das Geschlechtsleben in Glauben, Sitte,
Brauch und Gewohnheitsrecht der Japaner “ verhandelt
Das Gericht lehnte den Antrag des Staatsanwalts ab.
Dieser legte gegen das landgerichtliche Urteil beim
Reichsgericht Revision ein. Das Landgericht hatte
bei der Beurteilung des genannten Werkes, das den
unter den folklorisdschen Forschem wohlbekannten
Dr. Friedrich Krauß zum Verfasser hat nicht zu der
Überzeugung gelangen können, daß die Abbildungen
aus dem Charakter dieses wissenschaftlichen Werkes
herausfielen und daß es sich um eine Verbreitung von
unzüchtigen Darstellungen handle. Zwar hatte der Sach¬
verständige Professor Dr. Weule in einem schriftlichen
Gutachten sich zu ungunsten der Abbildungen aus¬
gesprochen. Das Gericht unterstellte diese Aussagen
als wahr, gelangte aber zu der Meinung, daß die
Bilder nur zu dem Zwecke dem Werke beigegeben
seien, um darzutun, wie sich die Auffassungen der
Japaner über das Geschlechtsleben in bildnerischen
Darstellungen widerspiegelten, um auf diese Weise einen
Beitrag zu der Kenntnis des japanischen Seelenlebens zu
geben. Zu seiner Verteidigung, beziehungsweise zur
Rechtfertigung seines Werkes konnte der Verfasser gel¬
tend machen, daß in den Prospekten von dem Werke
ausdrücklich gesagt war, daß es nur unter strengstem
Ausschluß der Öffentlichkeit für Forscher erscheine,
die sich auf dem Gebiete der Anthropologie, Ethno¬
logie, Folklore, Jurisprudenz, Medizin. Kulturgeschichte,
Religionswissenschaft oder Philologie wissenschaftlich
betätigen, und daß neue Subskribenten gebeten seien,
sich bei einer Bestellung als Gelehrte zu legitimieren,
die die Werke nur zu Studienzwecken beziehen woll¬
ten. Ohne die vorherige Genehmigung des Heraus¬
gebers sollte der Verlag kein Exemplar verabfolgen.
Auch der Bezugspreis des Werkes war in einer Höhe
festgesetzt, daß es schwerlich in den Besitz Unberufener
geraten konnte. Die Revision der Staatsanwaltschaft
machte dagegen geltend, daß das vorgerichtliche
Urteil zu viel Wert darauf lege, welche Absichten den
Verfasser zur Herausgabe bewogen haben, und zu
wenig darauf, ob es überhaupt möglich sei, diese Ab¬
sichten zu erreichen. Die Reichsanwaltschaft konnte
demgegenüber in dem landgerichtlichen Urteil keinen
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122
Kataloge — Anzeigen
Rechtsirrtum erblicken, und der Senat erkannte gemäß
dem Anträge des Reichsanwalts auf kostenpflichtige
Verwerfung der Revision.
Das „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“
brachte in seiner Nr. 85 vom 13. April einen Aufsatz
vom Rechtsanwalt I)r. jur. W. Leonhardt in Dresden,
betitelt Allgemeine Gesichtspunkte für die Verteidi¬
gung in Sacken des § 1 Sg Ziffer 1 des Strafgesetzbuchs
Wir empfehlen unsern Lesern, von dieser wertvollen,
knappen Zusammenstellung Kenntnis zu nehmen.
Drei hochbeladene Kraftdroschken mit unsittüchen
Büchern und Bildern wurden am 10. April durch die
Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder
und Schriften bei einem alten Herrn im Westen
Berlins beschlagnahmt. Seit längerer Zeit tauchten
bei kleinen Zeitungs- und Buchhändlern, die Nick
Carter-, Sherlock Holmes-, Nat Pinkerton- und andere
Detektivromane vertreiben, unsittliche Bilder und Schrif¬
ten auf. Es gelang lange Zeit hindurch nicht, die Ver¬
triebsstelle dieser anstößigen Sachen ausfindig zu machen,
bis sie jetzt bei einem biederen, alten „Rentner" in
Berlin W. ermittelt wurde. 46 große Pakete wurden
bei ihm beschlagnahmt und dem Gericht zur vorläu¬
figen Begutachtung übergeben. Aus den Korrespon¬
denzen ersah man, daß er einen sehr gewinnbringen¬
den Handel mit diesen Sachen getrieben hat.
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des Herausgebers erbeten. Nur die bis zum 20. jeden Monats ein¬
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Verse endlich in einem ihrer Schönheit würdigen Gewände! MAX MELL in den GRENZ¬
BOTEN: Es ist klar, daß alle möglichen anderen Gedichte eher übersetzt werden können
als die Verlaines. Denn sie in die deutsche Sprache bringen, heißt einen Eingriff in die
künstlerische Existenz eines solchen Gedichtwesens machen. Die Verlaineschen Gedichte
müssen ins Französische verzaubert bleiben. Da ist es in tieferem Sinne kein Zufall sondern
Gerechtigkeit, wenn in Deutschland eine schöne französische Ausgabe von Verlaines Gedichten
die häßlichen französischen Editionen zu verdrängen sucht. Mit besonderer Freude schlagen
wir diesen schlichtprächtigen, anständigen Band auf, in seiner trefflichen Auswahl erneuern
wir alten vertrauten Umgang. SÜDDEUTSCHE MONATSHEFTE: Der schönste französische
Gedichtband, den wir kennen, eine erst nach langen Verhandlungen dem französischen Ver¬
leger abgerungene Ausgabe, aus allen Bänden Verlaines ausgewählt -Eine Satzanordnung
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HIMMELS- UND NATURERSCHEINUNGEN
in Einblattdrucken des 15. bis 18. Jahrhunderts
von
Prof. Dr. WILHELM HESS, Bamberg
mit 30 teds farbigen Abbildungen (brosch. M. 8.—)
Im nächsten Jahre wird mit Unterstützung der Akademie der Wissen¬
schaften in München ein zweiter Teil erscheinen.
Im 46. Jahrgänge der „ Vierteljahrschilft der Astronomischen Gesellschaft“ schreibt H. Ludendorff
über das Buch: Das ... Werk ist zwar in erster Linie für den Kulturhistoriker bestimmt, verdient
jedoch infolge der fesselnden Art, in der der Verfasser seht Utema zu behandeln weiß, und infolge der
glänzenden Ausstattung mit Abbildungen, die die Verlagsbuchhandlung dem Buche hat zuteil werden
lassen, auch das Interesse des Astronomen und Meteorologen in ungewöhnlichem Maße. . . . Ref.
möchte erwähnen, daß die Darstellung äußerst anregend ist; der Leser gewinnt ein anschaukchcs Bdd
von der Denkart jener Zeiten und wird dadurch befähigt, den Inhalt der Eiablattdruckc aus dieser
Denkart heraus gerecht zu beurteilen. . . .
^ W. DRUG ULIN • VERLAG • LEIPZIG • KÖNIGSTRASSE 10 j
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in faß allen großen Drurferden
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oon öödyern, feigen, piafa»
len u. f. w. außerordentlid) viel
oerwendet wird. |
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BOYLES VE, R., Les bains de Bade. Petit Roman d’Aventures
galantes et morales, avec six gravures originales et des ornements
divers par Arm. Rassenfosse. Cet ouvrage a et6 tire ä deux
cents dxemplaires numerotds ä la presse No. 100. M. 50.— Die
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DEHMEL, R., Die Gottesnacht Ein Erleb-^e><^ ^^de S Johannes
nis in Träumen. 100-Druck des Jahres ^Sekmdus. VUbt
1912. Nr. 69.
M. 8a—
GOETHE, Wilhelm Meisters
theatralische Sendung, ^
URMEISTER.
Leder. Nr.397
^ 3 ^/ßlockbücher. Einer der schön¬
sten Insel-Drucke. Vergr. 50.—
Ausg. Nach Art der jap.
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E.T. A. HOFFMANN, Die Braut¬
wahl. Eine berlinische Geschichte mit zwei
—. ^7,yr r -\v» / Zeichnungen v. L. Wolf. In der erst. Fassung v.
. 80.— ^VJ\/rrühjahr 1819 mit Angabe der Änderungen vom
y/ßlxßß __^Frühjahr 1820. Herauseesreben von H. v. Müller.
Herausgegeben
2QoExpl. Vergr. Neudr. 10.—
Lebensansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biogra-
P^ie des Kapellmeister Johann Kreisler in zufällig. Makulaturblättem.
^.^/Herausg. von E.T. A. Hoffmann. Neudruck der Ausgabe von 1841. 8.—
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in jafilreidten Deifpielen ira U>erk= und ^k3iden?fab,
auch der halbfette 0cfinitt ift in j^nroendungen uor=
geführt. ^Tn Jntereffenten geben mir die Probe gratiß
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3 >-Stempel/ Jl - ®
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BEIBLATT DER
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
NEUE FOLGE
IV. Jahrgang. Heft 4.
Herausgegeben von Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-Gohlis, Ehrensteinstr. 20, Manuskripte an diesen erbeten.
Inserate direkt an den Verlag W, Drugutin, Leipzig, Königstraße 10.
Inseratbedingungen:
’/i Seite.60 Mark */♦ Seite.15 Mark
x / 2 Seite.30 Mark s / 8 Seite. 8 Mark
Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespalt. Petitzeile 50 Pf., für Mitglieder der Gesellschaft der
Bibliophilen 30 Pf. — Beilagegebühr 25 Mark. — Insertionsschiaß für Heft 5/6 am 14. September.
An unsere Leser.
Für die Monate August-September wird wieder, wie üblich, ein Doppelheft
erscheinen.
Redaktion und Verlag
der Zeitschrift für Bücherfreunde.
Gesellschaft der Bibliophilen.
Die diesjährige Generalversammlung der Gesellschaft findet am Sonntag den
29. September in Wien statt. Alles Nähere darüber wird den Mitgliedern durch
besondere Einladung bekannt gegeben.
Anträge für die Generalversammlung sind nach § 9 der Satzungen mindestens
einen Monat vorher bei dem Unterzeichneten Sekretariat anzumfelden.
Ab neue Mitglieder sind der Gesellschaft fiir das Jahr 1912 beigetreten:
274. Fraa Just Kutscher , Hamborg, Tesdorpfstr. 19.
388. Dr. Frans Mugdan , Freibürg i. B., Hauptstr. 5.
448. Hugo Thimig, k. k. Hofborgschaospieler und Regisseur,
Wien XIX, Gymnasiamstr. 47.
465. Rolf von Hoerschelmann, München, Gedonstr. 8.
472. University of Syracuse , Syracose, U. S. A.
542. Dr. H Raubitschek, Sanitätsrat and Privatdozent an
der Universität, Czernowitz.
623. Stad. phil. Ludwig West, Czernowitz, Neae Weltgasse 36 e.
635. Horst Stobbe , München, Schwanthalerstr. 2.
661. August Glaser, Potsdam, Charlottenstr. 23.
702. University of Illinois , Urbana, U. S. A.
711. Alfred Bertram , cand. jur., Leipzig, Salomonstr. 9 II.
805. Adolf Kohn, Verlagsbachhändler (i. Fa. Deutsch-
Österreichischer Verlag), Wien I, Kfugerstr. 8.
820. Dr. jur. Ernst Schlitzberger, Gerichtsassessor, Kassel,
Enlenbargstr. 14.
852. Dr. Walter Kantortrwicz , Arzt, Hamborg, Rothenbaum-
chaassee 140.
864. Frans Kaestner jr., Fabrikbesitzer, Erfurt, Richard
Breslaostr. 9.
Z. f. B. 1912/1913.
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Pariser 1, Brief
Als künftige Mitglieder sind vorgemerkt:
Siegbert Cohn, Verlagsbuchhändler (i. Fa. Oesterheld & Co.),
Berlin W. 15, Lietzenburgerstr. 48.
Fräulein Frida Goetze, Rittergut Czychen in Ostpreußen.
Reni Groenland , Berlin W. 30, Neue *Winterfeldstr. 32.
Ckas. Fred. Heartman, Buchhändler, New York, 147 East
22 nd Street.
Arthur Kaufmann, cand. phil., Charlottenburg IV, Schlüter*
Straße 54 I.
Gustav Kiepenheuer , Verlagsbuchhändler, Weimar, Schiller¬
straße 15.
Wilhelm Lennartz, Pfarrer, Heinsberg (Rhld.), Hochstr. 46.
Dr. Wilh. J, Meyer, Unterbibliothekar, Bern, Schweizer
Landesbibliothek.
Fräulein Professor Dr. Marie Speyer, Luxemburg, Monterey-
straße 4.
Carl Weber, Fabrikant, Hannover.
Der Vorstand der Gesellschaft der Bibliophilen
WEIMAR, Cranachstr. 38. E A.
Prof. Dr. Carl Schüddekopf.
Pariser
Im Mai war eines der größten Ereignisse die Ur¬
aufführung des lyrischen Dramas „Helena von Sparta“
von Emile Verhaeren, die im Chätelet-Theater im Zy¬
klus der Pariser Frühjahrsfestspiele stattfand. Es ent¬
sprach der ernsten und schönen Dichtung nicht, daß
sie mit einem pomphaften Luxus ausgestattet wurde,
wie er sich für Werke ziemt, deren innerer Wert ge¬
ring ist, deren sprachliche Schwächen vergessen ge¬
macht werden sollen. Andrerseits muß zugestanden
werden, daß Löon Bakst eine wenn auch nicht stil¬
gerechte so doch farbig sehr schöne Ausstattung ge¬
schaffen hat; vor allem das Bühnenbild des
zweiten Aktes war von einer farbigen Schönheit wie
ein Gemälde van Goghs. Das luxuriöse Programm,
das während der Festspiele verteilt wurde, enthielt
mehrere Reproduktionen der Bühnenbilder und % gibt
eine vortreffliche Vorstellung der Kunst des russischen
Malers Löon Bakst. Leider waren die Schauspieler
dieser Aufführungen nicht fähig, die herbe, männliche
Musik Verhaerenscher Verse zur Geltung zu bringen.
Die schöne Heldin, Ida Rubinstein, hat kein Talent
zu dramatischer Diktion und der Held de Max verdarb
die Ausführung durch seinen schauspielerischen Ma¬
nierismus. Da der Abend alles in allem nicht den
Eindruck brachte, daß man der Darstellung einer
großen Dichtung beigewohnt hätte, ist es zu begrüßen,
daß am Tage darauf die Buchausgabe des Dramas
erfolgte, das im Verlage der Nouvelle Revue fran9aise
erschienen ist Erst die Lektüre des Werkes erweckte
die Bewunderung und Begeisterung, die man im The¬
ater vergebens erwartet hatte. Die Dichtung ist von
faustischer Kraft und gibt ein Symbol der Liebe, das
mit mächtigem Schwünge in großen Zügen klar und
ergreifend gezeichnet worden ist Wenn jemals wieder
eine Bühne nach diesem Werke greift, sollte es in
jener strengen Einfachheit dargestellt werden, die ihm
eigentümlich ist
Sonntag, den 9. Juni vereinigen sich die Verehrer
Stephane Mallarmis unter Führung solcher, die noch
zu seinem Freundeskreis gehörten, wie Löon Dierx,
Alfred Valette, Vielte Griffin, um an dem Haus, wo
Brief.
der Dichter zuletzt gewohnt hat (89 rue de Rome)
eine Gedächtnistafel zu weihen; Henri de Rignier wird
die Rede halten. Wir erinnern bei dieser Gelegenheit
daran, daß es heute, bei dem wachsenden Ruhm des
Dichters, leider fast unmöglich geworden ist sich sein
Gesamtwerk zu verschaffen. Die vollständige Ausgabe
ist bei Deman in Brüssel erschienen, dem frühem
Verleger Verhaerens, ehe dieser beim Mercure de
France drucken ließ; in der gleichen wertvollen Aus¬
stattung, die die Versbücher des belgischen Dichters aus¬
zeichnet in einer schönen großen Italique, Buchschmuck
und die Titel rot gedruckt Für diese Ausgabe werden
heute hohe Liebhaberpreise bezahlt M allarm ös
Wunsch, seine Werke dem profanum vulgus vorent¬
halten zu wissen, ist in Erfüllung gegangen; seine Fa¬
milie verweigert, um dieses Vermächtnis zu respek¬
tieren, ihre Beistimmung zu einem allen zugänglichen
Neudruck. Dagegen plant Fasquelle, der schon die
Prosawerke („Divagations”) verlegt hat mit ihrer Er¬
laubnis wiederum eine Liebhaberausgabe zu hohem
Preis in ganz beschränkter Auflage herzustellen. Eine
hübsche Auswahl bietet immerhin die Anthologie
aus Mallarmös Werken ,,Vers et Prose" (bei Perrin).
Im Verlage von E. Sansot & Cie. hat Alphonse
Sick / eine Auswahl von Gedanken aus Romain Rol-
lands Werken zusammengestellt Die meisten der
Sentenzen sind Rollands zehnbändigem Roman „Jean
Christophe“ entnommen, einige seinen musikalischen
Schriften, einige seinen Büchern über Tolstoi und
Michelangelo.
Da die Auswahl mit vielem Geschick getroffen und
markante Stellen aus dem gewaltigen Ideenwald Rol¬
lands notiert sind, kann diese kleine Broschüre aufs
nachdrücklichste empfohlen werden; denn sie ist be¬
rufen, Rolland neue Anhänger zu erwerben. Beson¬
ders wertvoll erscheint es mir, die Deutschen auf diese
kleine Propagandaschrift für den reichsten universalen
Geist Europas aufmerksam zu machen, da Deutschland
das einzige Land der gebüdeten Welt ist, in dem
Rollands Namen noch keinen lauten Klang hat Dieser
Blutenlese aus Rollandschen Schriften ist um so mehr
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CORNELL UNIVERSUM
Pariser Brief
133
bei uns nachhaltige Verbreitung zu wünschen, da für
das nächste Jahr der Verlag von Rütten und Loening
eine deutsche Ausgabe des „Jean Christophe“ vorbe¬
reitet, dessen zehn Bände in Frankreich bereits alles
in allem in 150000 abgesetzt sind und auch in engli¬
scher, spanischer, russischer und italienischer Über¬
setzung einen großen Leserkreis gefunden haben.
Von Jean Morias , dessen „Iphigenie“ kürzlich auf den
Brettern der Comldie Frangaise erschien — gleich¬
zeitig mit Jules Renards liebenswürdigem „Poil de
Carotte“, dem allein der Erfolg des Abends zu ver¬
danken war — liegt ein posthumer Kritikband vor:
„Reflexions sur quelques pofctes“ (Mercure de
France). Diese Bemerkungen eines Dichters über seine
Kollegen (verschiedenster Zeiten) erregen unser Inter¬
esse, weil sie den Mann des Metiers reden lassen.
Morias selbst interessierte sich aus dem gleichen
Grund für jene Seiten aus Goethes Werken, die sich
auf Shakespeare beziehen. Von einem seiner Zeitge¬
nossen sagt Mordas: er sei zwar ein schlechter Poet,
aber immerhin verdiene er diesen Ehrentitel. Dieser
Ausspruch enthüllt eine Literaturbetrachtungsweise, die
auf ganz anderer Grundlage beruht, als die der objek¬
tiven, außenstehenden Kritik. Eine verwandte Er¬
scheinung ist uns vielleicht geläufiger: die der Maler¬
ästhetik.
Ebenfalls im Verlag des „Mercure" erschien ein
interessantes Buch über den Jubilar dieses Monats:
,J. J. Rousseau racontd par les Gasettes de sott temps".
Den vergilbten Zeitungsartikeln entsteigt die Wahr¬
heit in neuer Beleuchtung; es ist um so reizvoller, in
diese Dokumente Einsicht zu nehmen, als sich eine
Natur wie Rousseau der kritischen Darstellung durch
ihre Problematik stets in irgendeiner Richtung ent¬
zieht Die Artikel umfassen die Zeit vom 9. Juni 1762
bis 21. Dezember 1790 und wurden gesammelt und
mit Anmerkungen herausgegeben von P. P. Plan.
Bei Calman-Levy ließ Jules Lemaitre seine Vor¬
lesungen über Chateaubriand im Druck erscheinen.
Doch Vorlesung, das Wort mit akademischem Klang,
entspricht ebensowenig, wie den Konferenzen des
letzten Winters diesen Blättern, in denen alle Spon¬
taneität, alle Verve des freien Vortrags wieder lebendig
wird. Es ist als hörten wir den vortrefflichen Con¬
ferencier, der Lemaitre ist, zum versammelten Faubourg
S. Germain sprechen. Lemaitre ist es gelungen, auf
sehr geistreiche Art abfällig von Chateaubriand zu
reden. Aber er fand auch ein hübsches Wort, ihn zu
charakterisieren: Chateaubriand habe „inventö une
nouvelle fagon d’6tre triste.“
Zum erstenmal übersetzt und eingeleitet von
August Dietrich erschien bei Alcan Schopenhauers
Fragment zur Geschichte der Philosophie. Dieser
Verlag brachte kürzlich auch eine Übersetzung von
Euchens „Sinn und Wert des Lebens“.
Aus den Zeitschriften ist hervorzuheben: In der
„Revue bleue“ Briefe Hektor Berlioz’ und der Rachel,
Emile Boutroux ,, 1 ’Essence de la Religion“, eine An¬
sprache Fröderic Passys über seinen Werdegang. Eine
Würdigung anläßlich seines 90. Geburtstages widmet
Passy in der „Revue“ Jean Finot. In der „Grande
Revue“: Georges Brandes „Emile Verhaeren Drama-
turge", hier beginnt Gregor Alexinsky eine umfang¬
reiche Studie über russische Literatur. In der „Pha-
lange" behandelt Camille Pitollet unter den Titel „Le
Calvaire de Schopenhauer“ die anfänglichen Mühselig¬
keiten des unabhängigen Denkers um den Verlag
seiner Werke, ,,Le Feu“ widmet eine Nummer jungen
französischen Malern, die im Maisalon in Marseille
mit Rodin und Renoir ausstellen. In „Art et les Ar-
tistes“ behandelt Rosenthal als Fortsetzung seines
längeren Aufsatzes über deutsche Malerei die Schule
von Augsburg, Holbein d. J. und die erste Entwick¬
lung der Landschaftsmalerei. Anläßlich der Aus¬
stellung des Porträtisten Ricard erschien hier ein reich
illustrierter Aufsatz über (äesen Maler des zweiten
Kaiserreichs. „L’Art döcoratif': Paul Lafond, , 4 a ferron-
nerie espagnole“ mit Abbildung. Pierre Godet (Neu-
chätel) spricht über den Schweizer Maler Cuno Amiet
„La Province“, eine gute kleine Monatsschrift für
Dezentralisation, wie sie sich die Aufgabe vorschreibt,
veröffentlicht 19. Mai ein Gedicht von Verhaeren
„Allez-vous en . . .“, eine hübsche Bücherbesprechung
von Renö Ghil und Prosa von J, H. Rosny, Procope-
Leroux und Denis Guillot.
Seit Mitte April fanden im HStel Drouot bedeu¬
tende Bücherauktionen statt, an denen besonders her¬
vorragende illustrierte Werke des XVIII. Jahrhunderts
in großer Anzahl zum Verkauf kamen und gute Preise
erzielten. Den höchsten Gesamtertrag etwa 160000 Fr.
brachte die Versteigerung der Bibliothek Louis Garnier
vom 15.—23. April. Wir notieren daraus folgende
Verkäufe:
176. Piganiol de la Force, „Description de la ville
de Paris“ etc. mit Kupfern und Plänen, Paris 1765
Desprez. 10 Bände 12° Exemplare mit dem Wappen
des Grafen Du Barry, 365 Fr. — 222. F. A. de Mont¬
fort, „Histoire de l’andenne fondation et confrairie de
N.-D.-de Boulogne s. Seine“. Paris, Lami 1634 mit
Porträten d. Anna von Österreich und Ludwigs XV.,
Alter Einband mit Wappen d. A. von Österreich,
1540 Fr. — 278. Brunei, „Manuel de libraire“ etc
Firmin Didot 1860—1880, 9 Bände 8°, 346 Fr.
310. Bartsch , „le peintre Graveur, Niederländ.
Maler“. Wien-Leipzig, 1803—1843 22 Bände, 350 Fr.—
358. „Chronicorum liber per Hartmannus Sc he de F, 1493
Folio mit Holzschnitten, 365 Fr. — 391. Francisco
Goya , „Caprichos“ etc. Madrid, Gegen 1799, 80 Tafeln
mit dem Porträt, 1641 Fr. — 434. „Portraits des Grands
Hommes, Femmes illustres et Sujets M^morables de
France, gr. et impr. en Couleurs". Paris, Blin, 1786
bis 1791, alter Einband, 1900 Fr. —- 476. Dominique
Poirel, „Le triomphe de son altesse Charles III, duc
de Lorraine". Nancy, 1664 (Cap6), 1705, Fr. — 483.
„L’architecture ä la Mode“. Paris, N. Langlois. Tafeln
von Le Blond, Le Pautre, Du Cerceau, Mariette, Le
Notre, Marot, Bosse, Mansart, Boulle etc 3 Bände,
2305 Fr.
Die Bibliothek Henri Houssaye brachte in der
gleichen Woche 95610 Fr. Davon einzeln „La Fon •
taine, „fables choisies“ 1765, 6 Bände, Kupfer von
Fessard, 3550 Fr. — Molhres Werke 1734 große
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CORNELL UNIVERSITY
134
Londoner Brief
Kupfer von Boucher, 2250 Fr. (Auktion Garnier
2100 Fr.) Ovid, „les mötamorphoses“ 1767 Kupfer
von Moreau, Boucher, Eisen etc., 1355 Fr. — Quinze
histoires d'Edgar Pot, Ausgabe der ,,Amis du Livre“
1897, Bilder von L. Legrand, 2000 Fr. — Baudelaire ,
„Les Fleurs du Mal” 1899, kolorierte Bilder v. Rassen-
fosse, Ausgabe „des Cent Bibliophiles“, Einband von
Meunier, 1680. (Versteigerung Garnier dasselbe Werk,
700 Fr.). — „Napoldon homme de guerre, auf Japan“,
900 Fr. — Barbey d'Aurevi/ly, „l’enfant ensorceld“ und
„un pr£tre marid“, Original-Ausgaben, 920 und 1620 Fr.
Fast ebensoviel wie Houssaye brachte die Ver¬
steigerung Montgermont , beendet am 11. Mai mit
94350 Fr. Wir notieren von den hervorragenden illu¬
strierten Werken des XIX. Jahrhunderts, in denen
hauptsächlich die hohe Bedeutung dieser Bibliothek
bestand: Balzac , „Contes drolatiques*'. Illustriert von
Dord, auf China, Einband von Cuzin, 3650 Fr. —
Blranger, sämtliche Werke, farbige Lithographie von
Monnier, 3600 Fr. — Cervantes , „Don Quichotte“,
Vignetten von T. Johannot 3500 Fr. — Comte de
Chtuignt, 3. Auflage, der „Contes rdmois“ mit den
Zeichnungen von Meissonier auf China, 2500 Fr.
Alphonse de Lamartine, Werke, Einleitung von
Nodier. Paris Bocquet 1826. Abbildung von Desenne
auf Chinapapier, Einband von Thouvenin, 4005 Fr. —
La Salle , „Histoire et chronique du Petit Jehan de
Saintr6“, 1830 in gotischen Typen, Abbildung. Eug.
Lami, Einband von Bauzonnet, 1000 Fr. — Las Cases
„Memorial von St Helena“. 1842. Zeiteinband, illu¬
striert von Charlet, 2600 Fr. — Laurent de VArdicke,
„Histoire de 1 'Empereur Napoleon“ illustriert von H.
Vemet Einband von Merder, 2350 Fr. — Le sagt,
„Histoire de Gil Blas“, Vignetten auf Chinapapier von
Jean Gignoux, Einband von Merder, 2370 Fr. — Les
mille et unjours, contes orientaux, Bilder von Dövöria,
1200 Fr. — Molibres Werke, Vignetten von Tony
Johannot (1835—36), Einband von Merder, 2800 Fr.
— Norvins , „Histoire de Napoleon“, Vignetten von
Raffet, Ausgabe auf China, Original-Einband in russ.
Leder mit dem kaiserlichen Adler, 6020 Fr. — B. de
Saint-Pterre, „Paul et Virginie" (1828) Unicum auf
Velin mit den Originalzeichnungen von Gourbould und
den Stichen, 2000 Fr. — „Paul et Virginie“, Paris,
Curmer, 1838, Zeiteinband, Vignetten von Meissonier,
Frangais, Johannot: 4500 Fr.
Auf einer anonymen Auktion am 22, Mai mit dem
Ertrag von 44810 Fr. brachte die Originalausgabe von
Baudelaire} „Fleurs du Mal“, in grün Maroquin Ein¬
band 270 Fr. (auf der Auktion Garmier in Einband
von Noulhac 150 Fr.). Wir notieren ferner: 31. Mar¬
garethe v. Navarra „les Nouvelles“, Vignetten von
Duncker und Figurinen von Freudenberger, 1520 Fr.
— 54. Abbl Pr tuost, „Histoire de la Manon Lescaut,
etc Ni^dr^e 1845. Kupfer von Coiny, 1665 Fr. — 58.
Ronsards Werke 1567, 5 Bände, 1910. Fr. — Swift,
„Voyages de Gulliver“ mit Kupfern von Lefebre und
Masquelier, 2000 Fr. — 63. Voltaires sämtliche Werke
in der von Beaumarcheis zur Herausgabe Voltaires
eigens gegründeten Druckerd zu Kehl gedruckt, 70
Bände, Kupfer von Moreau, auf feinstem Velin, die,
Kupfer vor der Schrift, 8420 Fr.
Von anderen anonymen Auktionen tragen wir
nach: „Les Chansons de la Borde“, 1773, Kupfer von
Moreau, 5500 (Bibi. C. de P. 7. Mai). — „Breviarium
Grimmani“, Reprodukdon Delagrave, 1400 Fr. —
Dorvigny , „Les battus payent“ etc Komödie 1779 mit
kolorierten Kupfern von Huet 2400 Fr. — Etrennes
historiques et galantes des Frangois, Jubert 1782, 32 0
Titel und 12 Figuren goldgepreßter grüner Maroquin-
band, 1900 Fr.
Von einer Auktion von Architekturbüchern, Blon¬
dei, „l’architecture frangaise“ chez Ch. A. Jombert
1752—56, 4 Bände, Folio. 500 Tafeln, 2620 Fr. — Ma¬
rie tte, „l’architecture frangaise“, Paris 1727, 3 Bände
Folio, 1500 Fr.
Autographen und Manuskripte . Auf der Auktion
Houssaye Thtophile Gautiers „Niederschrift d. Mlle.
Daphne* de Boisfleury“, 1000 Fr.— Gerard de Nerval
Original Manuskript der Gedichte, 1680 Fr. — Le -
comte de Lisle, Phalya Mani, 1110 Fr. — Heirats¬
kontrakt Letelliers, signiert von Louis XVI. Marie-
Antoinette und verschiedenen Mitgliedern des Hofes,
510 Fr.
Aus einer Autographenauktion am 23. Mai mit
10894 Fr. Einnahme nennen wir: 17. Boilern (Quittung)
275 Fr. — 28. Pauline Bonaparte, „Kondolenzbrief an
Felix Baciocchi beim Tod seiner Frau“, 210 Fr. —
49. 36 Originalzeichnungen aus der Chat noir, 205 Fr.
— 98. Montesquieu , „Brief a. M. de la Beaumelle“
310 Fr. — 105. Napollon, Brief an Faipoult, Gesandten
in Genua, 390 Fr. — 108. Herzog v. Reichstadt, Ms.
Juni 1825 in ital Sprache, 500 Fr. — 130. Rousseau ,
„Brief an Deleyre, Sekretär des Grafen Choiseul, Ge¬
sandten in Wien. Dat 10. November 1759 Mont-
morency, 345 Fr. — 152. Königin Victoria von Eng¬
land. , 3 rief in französischer Sprache an Königin
Marie Amölie dat Buckingham palace 29. I. 1840,
245 Fr.
Paris, Anfang Juni Otto Grautoff.
Londoner Brief.
Das British Museum erhielt kürzlich für seine
Handschriftensammlung, eine wertvolle Zuwendung
durch den nationalen Kunstfonds, in Gestalt eines alten
illuminierten persischen Manuskripts . Der Inhalt be¬
steht in mystischer Poesie und Erzählungen, die das
Aufgehen der Seele in die Unendlichkeit lehren. Die
Illustration besteht zum Teil in vorzüglichen, ganzsei¬
tigen Malereien, tanzende Derwische und verschiedene
Feste darstellend, zum Teil sind dekorative Elemente
in den Text eingefügt
Die Wichtigkeit des vorliegenden Werkes besteht
vor allem darin, daß klassisch-persische Kunst weit
früher angesetzt werden muß, als dies bisher im all¬
gemeinen geschah. Die Annahme bestand nämlich,
daß die persische Kunst ursprünglich von der chinesi¬
schen geleitet worden sei, hier aber in dem in Rede
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CORNELL UNfVERSITY
Londoner Brief
135
stehenden, aus dem XIII. Jahrhundert herrührenden
Manuskript fehlt jeglicher Einfluß Chinas. Will man
überhaupt einen solchen anerkennen, so ist er indo¬
hellenistischer Natur. Griechische, nach Indien über-
führte Kunst, paßte sich daselbst den heimischen
Idealen an und wurde eine indisch-buddhistische, die
dann durch Verbreitung des Buddhismus weiter nach
Asien hineingelangte. Ob die hellenistische Kunst
rein nach dem nahen Orient übertragen wurde, er¬
scheint zu mindesten zweifelhaft, da aller Wahrschein¬
lichkeit die Malerei und Illuminierung von Manu¬
skripten einem Zweige der byzantinisch-ägyptischen
Kunst entsprang, die wiederum selbst aus der späteren
griechischen Zivilisation herausgewachsen ist. Derartige
Handschriften werden zurzeit in England und Amerika
auch deshalb so hoch geschätzt und zu erwerben ge¬
sucht, weil die Erkenntnis sich Bahn brach, daß diese
Art der Miniaturmalerei die einzige Kunstausübung
des nahen Ostens verbleibt, in der die eigenartige
Persönlichkeit des' Künstlers wirklich hervortreten
konnte. Aber auch hier geschieht dies in weit gerin¬
gerem Maßstabe als in Europa, da der orientalische
Illuminator oder Kunsthandwerker durch den vorwie¬
gend ornamentalen Zweck der Arbeit gebunden ist.
Der Künstler des Ostens, der auf Kosten des Realis¬
mus Linie und flachen Ton vor allem im Auge hat,
steht in direktem Kontrast mit dem typisch-europä¬
ischen Gedanken, daß die darzustellenden Gegen¬
stände als wirklich existierend in Raum und Licht ab¬
gebildet werden müßten, und daß ihrer plastischen
Modellierung und verschiedenartigen Farbe so viel
Realität und Greifbarkeit zu geben sei, wie überhaupt
nur möglich. Deswegen ist der Osten dem Westen
in allen rein ornamentalen und dekorativen Künsten
überlegen, bei denen gemäß der Natur des Materials
selbst eine flache Oberfläche eines der ersten Requi¬
site für den Erfolg ist, wie zum Beispiel bei der
Teppichweberei, der eingelegten Arbeit, dem niederen
Schnitzrelief und ähnlichem.
In der „Hellenistischen Gesellschaft 4 hielt Professor
Sir W. M. Ramsay eine für den Druck bestimmte
Vorlesung „Der Altar des Gottes Min Askaenos in
Pisidian Antiochia". Zu näherer Erklärung muß ein¬
leitend bemerkt werden, daß an Ort und Stelle vorge¬
nommene und im Laufe des Sommers fortzusetzende
Ausgrabungen, mit ziemlicher Sicherheit den Schluß
rechtfertigen, daß die Entdeckung des oben genannten
und mehrfach von Strabo erwähnten Altars gelungen
sei. Letzterer wird als ein großes Heiligtum bezeichnet,
zu dem ein Theater und eine geweihte Quelle gehörten.
Strabo beschreibt die Örtlichkeit genau und zitierte
ferner an dem Altar angebrachte Widmungsinschriften.
Professor Ramsay glaubt durch diesen Altar, die
übrigens schon im allgemeinen nicht unbekannte Tat¬
sache nachweisen zu können, daß der Oberpriester
des Sanktuariums, angetan mit dem Gewände des
Gottes, nicht nur seine Namen führte und letzteren
immittelbar vertrat, sondern mit der Gottheit selbst
identifiziert wurde, und infolgedessen eine despotische
Gewalt über die Bevölkerung ausübte.
Die „Gesellschaftfür biblisch* Archäologie“ beschäf¬
tigte sich mit der Vorlesung von Schriften Mr. Rylands
über den „Mithras-Ormudz- und Ahriman-Kultus".
Nach seinen Forschungsresultaten will der Genannte
„Mithras“ als die oberste Gottheit, die unendliche
Zeit gesetzt wissen, der Ormudz, der Gott des
Lichtes und Ahriman der Beherrscher der Finsternis
entstammen.
Licht und Finsternis wurden dann erst später
symbolisch als das gute und böse Prinzip gedeutet,
aber letzteres bleibt nach schweren Kämpfen, vor
allem durch „Nichtwissen" der Besieger und Herrscher
der Welt. Ich möchte persönlich hinzufügen, daß der
Philosoph Spencer in seinem System der „Entwicke¬
lungs-Theorie", die Lösung des Problems vom Dua¬
lismus und damit zugleich das Schwinden des „Bösen"
in dem wirklichen Erkennen erwartet Umgekehrt
schreibt die Bibel die Vertreibung aus dem Paradiese
dem Genuss vom Baume der Erkenntnis: der Unter¬
scheidung von „Gut 41 und „Böse 44 zu. Daß in letzter
Instanz die Hoffnung auf ein Erkennen des Urgrundes
aller Dinge nicht absolut ausgeschlossen erscheint,
mag nachstehender Vergleich beweisen, der mit der
Frage anhebt; Welche Stufe der Entwickelung war
die schwierigere zu erreichen: Von Nichts zu Etwas
— vorausgesetzt, daß es das erstere überhaupt gibt
und das letztere kein Schein (Phaenomenalismus) ist,
alsdann von anorganischen, zu organischer Welt, von
dieser zu intellektueller, selbstbewußter Masse, und
endlich von letzter nach Überwindung der verschie¬
denen Stufen des niederen Denkens bis zur wirklichen
Erkenntnis ?
Die englische Presse erhält aus Japan nachfol¬
gende interessante Mitteilung: „Der buddhistische
Mönch Tashibana kehrte von einer zweijährigen
Forschungsreise aus Zentral-Asien zurück. ... Er
drang weiter vor als Swen Hedin und fand höchst
wichtige buddhistische und Sanskrit-Schriften auf
Pflanzenblättem, Pergament und Stein."
In der „Royal Society of Literaturt“ gab Mr.
Joseph Offord eine Übersicht der seit 20 Jahren ent¬
deckten Manuskripte altklassischer Literatur. Mit
wenigen Ausnahmen, wie zum Beispiel einer verloren
geglaubten Abhandlung des Archimedes, sind die wieder
aufgefundenen Handschriften ägyptische Papyri: „The¬
aterstücke des Menander, die Oden des Bacchylides,
Kommentare des Didymus zu den Philippicae des
Demosthenes, einzelnes von Pindar, die Apologie des
Antiphon und die Gedichte des Callimachus. Die
Arbeit des Didymus ist besonders deshalb bemerkens¬
wert, weil er Auszüge aus den verloren gegangenen
Werken bedeutender Historiker mitteilt, so über ein
Buch des Livius berichtet, über Xenophons Hellenica
und Timotheus von Milet die Schlacht von Salamis
feiernd.
Ein neues Werk über Goethe wird stets unser
Interesse beanspruchen, und wenn das vorliegende Buch
„Goethe: The Man and his Charakter. By Joseph
Mc. Cab* (Nash) 15 Shilling net 44 auch gerade nicht
bisher Unbekanntes aufklärt, so es ist immerhin lesens¬
wert. Der Autor besitzt den Mut klar zu sagen, wie
nach seiner Ansicht Goethe das Verhältnis vom Mann
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CORNELL UNIVERSITY
«36
Amsterdamer Brief
zur Frau verstanden habe, und wie er, der Verfasser
über die Auffassungsweise des Altmeisters denkt!
Wenn ich von einem Verstorbenen, dem Redak¬
teur der „Review of Reviews", Mr. Stead, nochmals
spreche, so geschieht es um eine Mitteilung der eng¬
lischen Presse zu erwähnen, nach welcher jener der
Erfinder des „Intereviews“ sein soll, eine Behauptung,
die ich auf ihre Richtigkeit hin nicht nachzuprüfen
im stände bin.
Ferner ging der Tod von Edwin Bormann nicht
ganz unbemerkt in der hiesigen Presse vorüber, da
derselbe hier als der Hauptvertreter Deutschlands für die
Aufrechthaltung der „Bacon-Shakespeare-Theorie" gilt.
Unter den stattgehabten Bücher-Auktionen bei
Sotheby nenne ich als hervorragend den Verkauf der
Bibliothek von Lady Ashburton. Die interessantesten
Werke und die dafür gezahlten Preise waren folgende:
Carlyle, „Geschichte Friedrich des Großen" 6 Bände,
1758—65, 500 M. — Audubon, „Birds of Amerika“,
4 Bände, 1827—38, 10800 M. — Goethe, „Hermann und
Dorothea", 1826, Dedikations - Exemplar mit einem
autographischen Vers, 840 M. — Ruskin „Stones of
Venice", Geschenkexemplar an Carlyle, 800 M. Aus
anderen Auktionsverkäufen nenne ich folgende Re¬
sultate: Ireland, „Life of Napoleon Bonaparte",
4 Bände, 1823—28, 1000 M. — Goldsmith „Vicar of
Wakefield" 1817, 600 M. — Boccaccio „Decamerone"
1757, 5 Bände, 400 M. — Lafontaine, „Fables et Nou-
veiles, 1755—59, 4 Bände, gebunden von Ghenu,
2700 M. — Louvet „Les Amours du Chevalier de
Faublas", 1798,4 Bände, 1320 M. — Rabelais „Oeuvres"
1741, 3 Bände, 1000 M. — Über die im Gange be¬
findliche, hoch bedeutende Versteigerung der wohl-
bekannten Bibliothek Huth, soll im nächsten Briefe
ausführlich berichtet werden.
Der deutsche Botschafter, Graf Paul Wolff-Metter¬
nich, folgte am 6. Juni als Gast einer Einladung der
„ Bibliotheks-Association** der City Korporation der
Stadt London zu einer Abschiedsfeier in der „Guild-
hall". Der Lord Mayor, Sir E. Crosby, Graf Metternich
und der erste Sekretär der deutschen Botschaft, Herr
von Riepenhausen, hielten von allen Seiten mit Bei¬
fall aufgenommene Reden, in denen der Wunsch
betont wurde, daß England und Deutschland für
immer in Frieden und Freundschaft leben möchten I
London, Anfang Juni O. v. Schleinit m.
Amsterdamer Brief.
Eine interressante Ausstellung ist in den Monaten
Juni, Juli und August in den Räumen des Kupferstich¬
kabinetts zu sehen: Het paard in de prentkunst. Die¬
selbe gibt eine Übersicht über ^die Darstellung des
Pferdes in der graphischen Kunst von fünf Jahr¬
hunderten. Wir können hier die Entwicklung verfolgen,
die das Pferd in seiner Verwendung und seiner Stel¬
lung zum Menschen im Laufe dieser Zeit durchgemacht
hat Auf den älteren Blättern tritt uns das Pferd
naturgemäß hauptsächlich als Streitroß entgegen, als
der unzertrennliche Begleiter der Kriegerkaste und als
Attribut des Adels, der ja zum Teil seinen Standes¬
namen (Ritter, Chevalier) dem Pferde verdankt In
den meisten Fällen ist es da nur als Appendix des
Reiters dargestellt; auch auf den beiden Dürerschen
Blättern, dem großen und dem kleinen Pferd steht
der Reitersmann wenigstens neben seinem Tier. Hans
Baidung und Hans Sebald Beham sind hier in der
Ausstellung die ersten, die das Pferd allein um seiner
selbst willen abbilden. Später bei den holländischen
Meistern des XVII. Jahrhunderts erscheint das
Pferd dann mehr in seiner Funktion als Zug- und
Arbeitstier, und die Holländer sind die ersten, die
in ihrer alles umfassenden Naturliebe das Pferd als ein
Stück beseelte und dadurch dem Menschen verwandte
Natur in die Kunst einführen; sie schildern es als den
treuen Freund und Helfer des Menschen. Auf den
englischen Schabkunstblättem des XVIII. Jahr¬
hunderts figuriert das Pferd dann mehr als kostbares
Prunkstück, um durch seine Rassigkeit und No¬
blesse seinem vornehmen Besitzer das nötige Relief zu
verleihen. War es bei den Holländern oft ein arm¬
seliger Klepper, der schwer arbeiten mußte und wenig
zu fressen bekam, so daß es oft unser Mitleid weckt,
so ist es bei den Engländern ein gut genährtes und
gepflegtes, etwas hochmütiges und launisches Roß,
wie sein erlauchter Herr. Eine andere Kategorie,
die in England jener Zeit aufkommt, ist dann das
Rennpferd, für dessen ererbte Tugenden ein auf dem
Stiche abgedruckter Stammbaum Gewähr leistet, wie
zum Beispiel bei dem Porträt des Rennpferdes Mat-
chem von Richard Houston. Die graphischen Blätter
des XIX. Jahrhunderts, in der Mehrheit Litho¬
graphien, bringen kaum eine neue Note; höchstens
als gelehriges Objekt der Kunstreiter entfaltet das
Pferd einige neue Seiten seines Wesens, wie das eine
Steinzeichnung des Franzosen Victor Adam in einer
Reihe von Szenen in anschaulicher Weise zur Dar¬
stellung bringt. (Les exerdces de Franconi).
Natürlich sind nicht alle der ausgestellten Blätter
künstlerisch gleich bedeutsam. Manche sind nur von
gegenständlichem Interesse, etwa durch die wie alle
Kulturäußerungen dem Wandel und der Mode unter*
worfene Aufzäumung und Frisur des Pferdes. Der
gestutzte Schwanz und die beschnittene Mähne, die
heute beim Pferde die Regel sind, kommen auf den
alten Blättern nicht vor. Wegen der eigenartigen
Frisur des Pferdes sei hier ein Stich von Jacob Sand-
rart erwähnt, den Grafen Anton Günther von Olden¬
burg vorstellend; die lange Mähne ist in fünf dicke
Zöpfe geflochten, die in der Mitte durch eine Schleife
zusammengebunden sind und von da an wieder als
ein langer Schweif fast bis auf den Boden herab¬
hängen. Eine ähnliche Pferdehaartracht finden wir
auf dem Stiche von Willem Jacobse Delff „Proceres
Nassoviae", eine Reihe von Oranierprinzen hoch zu
Roß mit einer Meute Hunde zur Jagd ausziehend.
Die beiden frühesten Blätter sind von dem so¬
genannten Meister des Amsterdamer Kabinetts, einem
deutschen Künstler aus dem letzten Viertel des
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Amsterdamer Brief
137
XV. Jahrhunderts, der, obwohl noch befangen in
gotischer Steifheit, durch die Innigkeit seines Emp¬
findens und eine leise Melancholie wieder ganz modern
anmutet Eins davon, der Heilige Martin mit dem
Krüppel, ist ein Unikum, das andere, der türkische
Reiter, findet sich auch in andern Sammlungen. Von
Dürer hat man außer dem schon erwähnten großen
Pferd und kleinen Pferd noch Ritter, Tod und Teufel
ausgestellt. Von andern frühen deutschen Meistern ist
noch Hans Burgkmair vertreten, von Holländern jener
Zeit Lucas van Leyden und Jacob Comelisz van Oast-
zannen, letzterer mit einer Folge von vier Blättern,
auf denen die Könige von Juda, mit David an der
Spitze, in einem langen Zuge dargestellt sind; neben
zweien auch ausgestellten Blättern des Burgkmairschen
Triumphzuges Kaiser Maximilians wirken diese Comelisz-
sehen Holzschnitte durch den kräftigen, sicheren
Schnitt körperlicher und malerischer, besonders in
einiger Entfernung. Wir haben hier keine korrekte
Parade, sondern infolge der Mannigfaltigkeit der
Stellungen und Bewegungen der Reiter einen unge¬
zwungenen, lebendigen Aufzug. Auffallend ist die
längliche Kopfbildung der Pferde, die überhängende
Schnauze findet sich auch auf Blättern von andern
Meistern jener Zeit.
In den meisten Fällen sind die Pferde entweder
ruhig stehend oder langsam schreitend dargestellt.
Nur bei einigen Reiterporträts ist der Moment des
Sichaufbäumens gewählt, so bei dem Stiche Callots,
„Ludwig von Lothringen" und dem von Pieter de Bai Hin,
„Albert Graf von Aremberg*' nach dem van Dyckschen
Gemälde. In ungestümer Bewegung zeigt die Pferde
der schon genannte Hans Baidung ; seine „Bekehrung
des Saulus" mit den vor Angst zusammengebrochenen
Tieren und seine wilden Pferde zur Brunstzeit, die im
Kampf um das Weibchen in tierischer Wut entbrannt,
sich ineinander verbissen haben, sind Szenen von
großer dramatischer Kraft Auch Antonio Tempesta
hat Pferde in ungezügelter Bewegung gut dargestellt;
und den Kampf brünstiger Pferde hat auch Hendrik
Goltsius nach einer Zeichnung von Stradanus zum
Vorwurf genommen. Die letzteren Pferde gehörten
zu dem berühmten Marstall des Don Juan d’Austria,
aus dem hier noch mehr Tiere in Stichen von Adr .
Collaert, Hendrik Goltzius und Hieronimus Wiericx
zu sehen sind. Von eigentlichen Pferdeporträts kann
man bei Stradanns noch nicht reden; er beschränkt
sich darauf, die Haupttypen abzubilden. Erst der
deutsche Stecher des XVIII. Jahrhunderts Johann
Elias Ridinger stellt ganz bestimmte Pferdeindividuen
dar, Tiere von selten vorkommender Färbung oder
Musterung, mit genauer Angabe der Herkunft und
ihres Besitzers. Künstlerisch sind diese Sachen wert¬
los, es sind bloße Kuriosa. Ihre eigentliche Blüte
erlebt die Pferdeporträtkunst bei den Engländern.
Eins der schönsten Schabkunstblätter dieser Art von
Charles Howard Hodges stellt den Kopf eines Pferdes
„The invincable horse" fast in Lebensgröße dar. Die
ausgestellten englischen Stiche stehen künstlerisch
überhaupt sehr hoch. Ein kleines Meisterwerk ist
zum Beispiel der Stich von William Pether, „das Pferd
in der Schmiede", das durch den Lichteffekt besonders
reizvoll ist. Es ist Abend; über dem stehengebliebenen
hohen Bogen einer gotischen Kirchenruine, an die
die Schmiede angebaut ist, geht gerade der Mond
auf, nur ein zartes Dämmerlicht versendend. Die
Hauptlichtquelle ist das nicht sichtbare Feuer in der
Schmiede, das das Innere derselben mit allen Einzel¬
heiten, wie dem Wandbrett mit Geschirr und den Huf¬
eisen an der abbröckelnden Mauer, und ferner die
beiden Knechte aus der dunkeln Umgebung in greif¬
barer Körperlichkeit hervortreten läßt
Von den holländischen Stichen des XVII. Jahr¬
hunderts seien besonders erwähnt die vier kleinen
Radierungen von Jan van Aken, die von liebevoller
Beobachtung zeugen, dann die Arbeiten von Dirk
Stoop und last not least von Paul Potter, dessen Blatt
mit der alten Mähre ein Meisterwerk- seelischer Ver¬
tiefung ist; abgemagert, daß man die Rippen zählen
kann, und müde den alten Kopf herabhängen lassend,
steht sie da und blickt traurig vor sich hin, gleich, als
ob sie wüßte, daß ihrer bald dasselbe Los wartet, das
ihren neben ihr auf dem Boden liegenden Gefährten
schon getro ff en hat: als Aas ein Fraß der H unde zu werden.
Die holländischen Stiche des XIX. Jahrhunderts
stehen den Arbeiten ihrer Voreltern aus dem XVII.
Jahrhundert viel näher, als zum Beispiel die Gemälde
jener Zeit; treffliche Zeichner sind die Holländer immer
gewesen. Eine Radierung wie die von Jac. Cornelius Gaal
zum Beispiel, „Pferde und Füllen auf der Weide“ zeigt
in der treuen Naturbeobachtung und dem warmen
Empfinden die alten holländischen Rasseeigenschaften.
Von andern Künstlern des XIX. Jahrhunderts
müssen wir noch die Steinzeichnungen von Carle
Vemet und Auguste Raffet nennen. Der letzte in der
langen Reihe von Künstlern des Pferdes ist dann der
Holländer Dupont, dessen großes Blatt „Pflügende
Pferde" technisch eine hervorragende Leistung ist
Von Versteigerungen der letzten Zeit ist bemerkens¬
wert die bei Fred. Müller am 21. Mai stattgehabte
Auktion von 125 Zeichnungen von Steinten aus der
Sammlung Hoogendyk. Steinlen nimmt unter den
modernen Illustratoren unstreitig die erste Stellung ein.
Ihm gebührt das Verdienst, in dem „Gil Blas" eine
ganz neue Art des illustrierten Blattes geschaffen zu
haben, das nur die ersten Künstler und Schriftsteller
zu seinen Mitarbeitern zählte; Maupassant u. Verlaine
haben hier manches veröffentlicht. Der „Gil Blas“ hat
auch in Deutschland vorbildlich gewirkt; Blätter wie
der „ Simplizissimus " und die % Jugend* sind ohne
ihn undenkbar. Aber diese Zeitschriften schlugen
bald andere Bahnen ein; der „Simplizissimus" zum
Beispiel entwickelte sich immer mehr zum poli¬
tischen und sozialen Witzblatt; die Illustrationen
machten sich unabhängig von der Erzählung und
dienten nur der Satire. Steinlen, der Haupt¬
mitarbeiter der „Gil Blas" spottet nicht, er liebt
Beides hat seine Berechtigung. — Wo heute schon
alte Jahrgänge des „Gil Blas" so gesucht sind, darf es
nicht verwundern, daß die Originalzeichnungen dafür
ein ebenso begehrter Artikel sind. Dennoch hat in
vielen Fällen der mechanische Abdruck mit der
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CORNELL UNIVERSITÄT
13«
Amsterdamer Brief
Überschrift „Gil Blas 1 ' Schönheiten des Tones, die der
Zeichnung abgehen. Am teuersten gingen zwei Zeich¬
nungen, die nicht im „Gil Blas" erschienen waren, wahr¬
scheinlich gerade deshalb; Nr. 268, ein Ballfest in
einem Vorortlokal (Ball Musette), 210 fl. und Nr. 269,
einige Frauen, die von Schutzleuten abgefiihrt werden
(Sc£ne de la rue), 180 fl. Von den im „Gil Blas" ver¬
vielfältigten Zeichnungen brachten es zwei auf je
170 fl.: Nr. 263, eine Pariser Boulevardszene mit
zwei robusten Wäscherinnen im Vordergrund und
einem Leichentransport (Gaitd parisienne) und Nr. 235,
ein typisches Bild aus dem Pariser Nachtleben: zwei
Herren, die auf der Straße mit einem ärmlich ge¬
kleideten, hutlosen Mädchen verhandeln, das sich in
seinem offenbar neuen Berufe noch wenig wohl zu
befinden scheint (Hirondelle de nuit). Den schönen
Preis von 160 fl. erzielte das sehr dramatische Blatt
„L’aumöne d’amour" (Nr. 237): die Mäherin, die
ermüdet einen Augenblick in der Arbeit innehält, mit
dem hinter ihr im Kornfeld herankriechenden Mann,
der sie mit wilden, gierigen Blicken aus weitgeöffheten
Augen verschlingt Auch die übrigen Preise hielten
sich in respektabler Höhe: Nr. 192, „Entre fr&res", der
alte Mann auf einer Bank, der sein karges Frühstück
mit einem Hunde teilt, 145 fl. Nr. 210, ,,Permutantes",
das kleine Mädchen, das vor einem leeren Theater¬
raum sein wahrscheinlich sehr wenig kindliches Koup-
let probt, während die dicke Direktrice auf dem
Klavier begleitet und der Direktor auf einer hinteren
Parquetreihe prüfend zuhört 110 fl. — Nr. 245, „Ä. Pey-
rabeühe", das Liebespaar, das sich in einer Mond¬
scheinnacht auf freiem Felde zärtlich umschlungen
hält: 90 fl. — Nr. 226, „La conversion d’AngMe", die
Kaffeehausszene mit dem Streit zwischen zwei Ko¬
kotten und dem Kreis von Gästen ringsherum, wo
jede einzelne Figur von Leben vibriert: 140 fl. —
Nr. 254, „Lamento", der Krankenhausbesuch: 75 fl.
Als eine der letzten Nummern der „ Wereldbiblio-
thefc' ist Kleists „Kätkchen von Heilbrontf 4 in hollän¬
discher Übersetzung erschienen. Der Übersetzer ist
Nico van Suchtelen, der durch seinen vor einigen
Jahren erschienenen, in Tagebuchform geschriebenen
Roman „Quia absurdum" zu den bekanntesten .mo¬
dernen holländischen Schriftstellern gehört In diesem
Werke, das auch ins Deutsche übersetzt ist, hat
van Suchtelen eine feine psychologische Studie eines ty¬
pischen Dekadenten geliefert, der, ein moderner
Werther, an seiner eigenen Überempfindlichkeit, im
Bunde natürlich mit einer hoffnungslosen Liebe, zu
Grunde geht Die Stärke dieses Romans liegt in den
lyrischen Partien, den Schilderungen der fortwährend
wechselnden Stimmungen dieses Dichteijünglings.
Die Übersetzung des „Käthchens" ist eine tüchtige
Leistung. Es erscheint mir nur recht fraglich, ob die¬
selbe hier Kleist neue Freunde gewinnen wird und
ob van Suchtelen nicht vielleicht besser getan hätte,
sein Talent an einem andern Werke Kleists zu ver¬
suchen. In „Käthchen" ist zu viel Übernatürliches
und zu viel äußerliche Theaterromantik; der ganze
Apparat von heimlichem Gericht, von Gottesurteil,
von Überfällen und Erscheinungen, die strenge Schei¬
dung der Menschen in gute und böse Charaktere,
oder vielmehr in Engel und Teufel, bei Käthchen
alles Licht, bei Kunigunde alles Schatten, all das fallt
einem modernen Menschen, dessen Sinn für die Wirk¬
lichkeit mehr als je entwickelt und geschärft ist, stö¬
rend auf die Nerven. Noch ferner liegt nun diese
Ritterromantik mit deren Übertreibungen dem Hollän¬
der; das große Publikum, an das sich diese Ausgabe
wendet, wird sich schwer in diese stofflich so fremde
Welt hineindenken können; und speziell die hollän¬
dische Frau, die sich in der Regel durch größere
Selbständigkeit und stärkeres Selbstgefühl von ihrer
deutschen Schwester unterscheidet, wird sich für diese
dienende Liebe, diese fast hündische Unterwürfigkeit
unter den geliebten, nein abgöttisch verehrten Mann
nicht erwärmen können; und mit der Hauptfigur fallt
das ganze Stück; das Beiwerk wird es nicht retten
können. Bei einer eventuellen Aufführung — und
Verleger wie Übersetzer erhoffen eine solche — wird
man es als ein echt deutsches Kuriosum über sich
ergehen lassen; und damit ist es aus. Aber warum hat
man gerade dieses Kleistsche Werk gewählt? Es ist
vielleicht sein deutschestes, aber sicherlich nicht sein
mächtigstes und ausgeglichenstes; das bleiben wohl
die „Penthesilea" und „Prinz Friedrich von Homburg 4 *,
die aber wiederum, das eine wegen des pathologischen
Stoffes, das andere wegen des national-preußischen
Gehaltes für eine Übersetzung ins Holländische
weniger in Anmerkung kommen. Aber warum hat
man nicht das Stück genommen, das nicht nur in
Holland spielt, sondern dem auch holländische Klein-
malerei und holländischer Humor einen holländischen
Stempel aufdrücken: den „zerbrochenen Krug 4 *? Da
stört nichts Überirdisches, keine Halluzinationen, keine
perversen Gelüste, keine Megärenraserei, und auch
keine räumliche und zeitliche Feme. Im Gegenteil,
wir befinden uns da in der ganz realen Welt mit
ihren Torheiten und Lastern, wie sie Brederode auf
die Bühne und Jan Steen auf die Leinwand gebracht
haben. Aber es ist sonderbar, die Redaktion der
„Wereldbibliothek" hat in der Auswahl der deutschen
Theaterliteratur, die sie für ihre Ausgabe hat über¬
setzen lassen, keine sehr glückliche Hand gehabt.
Die Hebbelsche „Maria Magdalena** ist zu abstrakt und
konstruiert, um zu packen; und Goethes „Iphigenie* 4
und „Faust** sind das eine zu klassisch, das andere
zu philosophisch, um hier beim größeren Publikum
Boden zu fassen; und nur für das sind diese Über¬
setzungen bestimmt; die Gebildeten lesen die Sachen
natürlich in der Ursprache. Das scheint auch die
Royaards’sche Theatergesellschaft einzusehen, die Auf¬
führungen beider Goetheschen Werke angekündigt
hatte, aber wahrscheinlich aus Furcht vor einem
finanziellen Mißerfolg bis jetzt immer davon Abstand
genommen hat Man sollte auch meinen, daß Goethes
„Egmont" hier mehr Aussichten auf eine günstige Auf¬
nahme haben müßte als „Iphigenie** und „Faust".
Aber „Egmont** ist noch nicht in der „Wereldbibliothek* 4
erschienen.
Amsterdam, Anfang Juni M. D. Henkel
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CORNELL UNIVERSJTY
New Yorker Brief
»39
New Yorker Brief.
Habent sua fata libelli! Kauft sich da ein ameri¬
kanischer Händler ein Unikum von einem Rubayat
in kostbarstem Gewände mit Perlen und Edelsteinen
besetzt und bringt es nach New York; er rechnet
ohne die Zollbehörde, die den von ihm in gutem
Treu und Glauben angegebenen Ankaufswert nicht an¬
nimmt und den doppelten Zoll verlangt Der Händler
verweigert die Annahme, das Exemplar kommt in
London zum öffentlichen Verkauf, wird wieder von ihm
erstanden und mit diesem Wert dokumentiert tritt es
den Rückweg übers Wasser an, um nie sein Ziel zu
erreichen. Das Meer hat mit der Titanic auch diesen
Schatz verschlungen.
Einer der jüngsten Bücherliebhaber Amerikas
dem eine große Zukunft im Büchersammeln bevor¬
stand, da ihm unbeschränkte Geldmittel zur Ver¬
fügung standen, fand ebenso mit der Titanic ein früh¬
zeitiges Grab; Harry Elkins Widener, der Sohn des
Philadelphier Multimillionärs I 5 . A. B. Widener, des
Besitzers einer der schönsten Privat-Gemäldegalerien
Amerikas, hat in den wenigen Jahren, während deren
er sammeln konnte, eine schöne Privatbibliothek haupt¬
sächlich von englischer Literatur zusammengebracht
und sie, wie eben gemeldet wird, seiner Alma Mater,
der Universität Harvard, vermacht. Die Sammlung
enthält nur Exemplare allerersten Ranges, Erst-Aus-
gaben von Shakespeare, Milton, Spencer, Gray , Keats,
Shelley, Dickens , Thackeray , Mereditk , Stevenson usw.
viele Dedikationsexemplare oder Exemplare mit denen
ein besonderes literarhistorisches Interesse verknüpft
ist, unter anderem ein unveröffentlichtes Autogramm
einer Autobiographie von Robert Louis Stevenson von
22 Seiten — weiter kam er nicht
Die Einleitung zu dieser Autobiographie mag viel¬
leicht von Interesse sein:
„I have the more interest in beginning these me-
moirs where and how I do, because I am living ab-
solutely alone in San Francisco, and because ffom
two years of anxiety, and, according to the doctors, a
touch of malaria, I may say I am altogether changed
into another character. After weeks in this dty, I
know only a few neighboring streets; I seem to be
cured of all my adventurous whims and even of hu¬
man curiosity: and am content to sit here by the fire
and await the course of fortune. Indeed, I know my-
self no longer; and as I am changed in heart, I hope
I have the same chance to look back impardally on
all that has come and gone heretofore.
„There is, after all, no truer sort of writing than
what is to be found in autobiographies, and certainly
none more entertaining. As if any, it is fiedon of the
higher dass which is the quintessence and last word
both of veradty and entertainment A man is perhaps
not very sure of his taste in matters that concejn him
so nearly as the facts of his own career; he is not
perhaps in a posidon to expand or broider: but where
can he have so fine an opportunity of condensadon?
I shall try here to be very dense and only to touch
on what concernedme very deeply; for, as I am after
Z. f. B. 191 2/1913.
all a man, that must be to some degree the concem
of mankind.“
Von sonsdgen Seltenheiten der Sammlung Widener
jun. mögen noch erwähnt werden: eine Sammlung un¬
veröffentlichter Skizzen von Aubrey Beardsley ; unge¬
fähr 150 Zeichnungen von Rowlandson; eine große
Anzahl Cruikshanks und William Blakes.
Erst in neuerer Zeit fing Mr. Widener an, auch
amerikanische Literatur im gleichen Maße wie die
englische zu sammeln, und hätte er es da sicher auch
weit gebracht, wenn der Tod seinem Sammeleifer nicht
ein so jähes Ende bereitet hätte.
Vergangenen Winter wurde in New York eine
Gesellschaft inkorporiert, die es sich zur Aufgabe ge¬
sellt hat, von jedem lebenden Schriftsteller und
Künsder eine kurze Erklärung über seine Lebens¬
aufgabe und ihre Erfüllung zu verlangen, auf unver¬
gänglichem Pergament mit unvergänglicher Tinte ge¬
schrieben. Präsident Taft ist Ehrenvorsitzender der
Gesellschaft, die sich Modem Historie Records Asso¬
ciation nennt, Mr. H. L. Bridgman, der Vorsitzende,
und der Gründer Dr. Alexander Konta haben eine große
Anzahl Leute, welche im öffentlichen Leben Amerikas
eine Rolle spielen, wie Admiral Peary, General Grant
und andere mehr für die Sache zu interessieren ver¬
standen. Es ist beabsichtigt, die Handschriften in der
New Yorker öffentlichen Bibliothek aufzubewahren,
bis die Gesellschaft ein eigenes Gebäude errichten
kann; sie sollen dem Original getreu reproduziert und
veröffentlicht werden. Ferner soll der Kinematograph
und Phonograph verwendet werden, 'um Dokumente
der jetzigen Zeit der Nachwelt zu übermitteln. Von
den ersten eingelaufenen Beiträgen, welche schon in
der Presse veröffentlicht wurden, sind die von G.
Beraard Shaw, Carnegie, A. Pinero, Admiral Dewey
von Interesse.
Von neuen Veröffentlichungen während der letzten
Wochen mögen die folgenden erwähnt werden:
Edward Gordon Craig (der Herausgeber von
„The Mask“, einer in Florenz erscheinenden Zeitung,
die sich zur Aufgabe gestellt hat, auf dem Gebiet des
Theaterwesens vorbildlich zu wirken ohne Rücksicht
auf Tradition oder Konvention), „On the art of the
Theatre“ (Browne, Chicago) eine interessante Abhand¬
lung; William Archer, „Play-Making", a manual of
craftsmanship (Small Magnard & Co. Boston), Henry
P. Sowie, „On the laws of Japanese painting" (Paul
Eider & Co., San Francisco); Robert Swain Peabody ,
„An architects sketch book“, eine außergewöhnlich
gut ausgestattete Sammlung Essays mit künstlerischen
Reproduktionen architektonisch interessanter Plätze
hauptsächlich in England, Frankreich und Italien
(Houghton Mifllin & Co.), ferner aus demselben Verlag
in den „Riverside Preß" Veröffentlichungen eine von
E. R. Musgrove herausgegebene Anthologie von Ge¬
dichten über die White Hills unter dem Titel „The
White Hills in Poetry", welche die besten Natur-Ge¬
dichte der Dichter der Neu-England-Staaten enthält,
unter anderem Whittier, Longfellow und Emerson.
19
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CORNELL UNIVERSITY
140
Rundschau der Presse
Für den Forscher über das moderne Amerika ist
E. Aisworth Ross, „Changing America. Studies in
Contemporary America“ (The Century Co.) von Wert,
insbesondere für das Verständnis der Verhältnisse im
mittleren Westen, denen der größere Teil des Buches
gewidmet ist.
Die Merrymount Press in Boston teilt die für das
Jahr 1912 beabsichtigten Bände der von Lewis Einstein
herausgegebenen „Humanists’ Library“ mit, die nur
in der Höhe der vor Veröffentlichung subskribierten
Exemplare hergestellt werden: Hubert Languet and
Sir Philip Sidney Correspondence, edited by William
Aspenwall Bradley; Albrecht Dürer, Joumeys to Ve-
nice and to the Low Countries, edited by Roger Fry;
Pico della Mirandola, „A Platonick Discourse upon
Love, translated by Th. Stanley and edited by E. G.
Gardner“ und Giovanni della Cosa, „The Galateo —
of manners and bchaviour, edited by J. E. Spingarn.
Die Bände sind Kabinettsstücke der Buchdruckkunst
und dürften auch fremde Bibliophilen interessieren.
„The Bookman“ bringt in seiner Juni-Nummer
einige Abbildungen aus dem Buchtrödler viertel auf
der unteren Ostseite von New York, das für die Be¬
wohner, polnische und russische Juden, bei ihrem Bil¬
dungseifer eine große Rolle spielt, ferner einen Bei¬
trag von Clayton Hamilton über Strindberg in Amerika;
„Book News Monthly“, (June): Recollections of Ame¬
rican Authors — William Gilmore Simms 1805—1870,
der Fenimore Cooper of the South. „Bibelot“, (June):
Casanova at Dux, an unpublished chapter of history, by
Arthur Symons.
New York, Anfang Juni 1912. Emst Eisele.
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert Hortzschansky in Berlin-Lichterfelde.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen zu
verzeichnen, soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Adresse
des Bearbeiters in Beriin-Lichterfelde, Moltkestr. 40, erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Allgemeines.
D’Ancona, P., II Liber celestium revelationum Sanc-
tae Brigidae, illustrato da un miniatorc senese della
prima metä del sec. XV.
Bibliofilia. 14. 1912/13. S. 1—5, 2 Taf.
Andres, A., La biblia visigoda de San Pedro de
Cardcna.
Boletin de la Real Academia de la Hisloria. 60.
1912. S. 101—146 mit 1 Abbild.
Danzel, W., Die Anfänge der Schrift.
Beiträge zur Kultur- und Universalgeschichte .
21. 1912. 219 S., 40 Taf.
Esposito, M., Hibemo-latin manuscripts in the libra-
ries of Switzerland, P. 2. Zürich (Stadtbibliothek)
and Bern.
Proceedings of the R. Irish Academy. Sect. C.
30. 1912. 14 S.
Lindsay ,'W. M., Breton Scriptoria; their Latin Ab-
breviation-symbols.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912.
5. 264—272.
Bibliophilie. Exlibris.
Fleury,B. f Un moine bibliophile am XV me si£cle.
Le P. Jean Joly, cordelier de Fribourg.
Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte.
6. 1912. S. 27—33.
Bibliothekswesen.
Urgent library reforms II. The Library Association.
Library World. 14. 1911/12. S. 337—340.
Beaulieux, Ch., Un Fragment de l’histoire de la
Bibliotheque du College d’ Au tun ä Paris. Article 1.
Revue des bibliothlques. 22. 1912. S, 62—103.
Bostwick, A. E., Service Systems in libraries.
Library Journal. 37. 1912. S. 299—304.
Braun, J., Katalogisierung des Bücherbestandes der
Volksbibliothek. II.
Bücherwelt. 9. 1911/1912. Nr. 9—10.
Bulloch, J. M., An ideal for the university library.
Aberdeen University Library Bulletin. Vol. 1.
Nr. 3. April 1912. S. 249—256.
Carson, J. M., The childrens share in a public Li¬
brary. Library Journal. 37. 1912. S. 251—257.
Dangibeaud, Ch., Les premifcres annies de la Biblio-
thöque municipale de Saintes.
Revue de Saintonge et dAunis. 32. 1912. S. 148
— 162.
Über die Entwicklung einer auf katholischer Grund¬
lage in Trier errichteten öffentlichen Bücherei.
Bücherwelt. 9. 1911/12. S. 189—191.
Fabietti, E., La classificazione razionale dei libri.
Coltura popolare. 2.1912. S. 460—464.
Giles, P., William Lawrence Taylor.
Aberdeen University Library Bulletin. Vol. 1.
Nr. 3. April 1912. S. 263—266 mit 1 Porträt.
Greenman, E. D., State aid for public school
libraries.
Library Journal. 37. 1912. S. 310—316.
Hortzschansky, A.,Die i3.Bibliothekarversammlung
in München am 30. und 31. Mai. Zugleich I. Ver¬
sammlung der deutschen, österreichischen und
schweizerischen Bibliothekare. Bericht über den
äußeren Verlauf
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912. S.
260—264.
Hortzschansky, A., Die preußische Diplomprüfung,
die Volksbibliotheken und die wissenschaftlichen
Bibliotheken.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912. S. 193
— 201 .
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CORNELL UNIVERSITY
Rundschau der Presse
141
Hulme, E. W., Principles of book Classification.
Chapter 6. The Classification of Science and tech-
nology.
Library Association Record. 14. 1912. S. 216
—221.
Jones, G. M., Soule, C. C., Blackall, C. H., Salem
Public Library.
Library Journal. 37. 1912. S. 322—325 mit 4 Ab¬
bildungen.
Kaisig, Der Verband oberschlesischer Volks¬
büchereien.
Blätter für Volksbibliotheken und Lesehallen.
13. 1912. S. 73—81.
Lemaitre, H., Le fonctionnement du Copyright Of¬
fice ä Washington.
Revue des bibliothlques. 22. 1912. S. 1—19.
Leupp, H. L., The University of California Library.
Library Journal\ 37. 1912. S. 259—262 mit 1 Plan
und 1 Abbild.
Leyh, G., Das Dogma von der systematischen Auf¬
stellung I.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912.
S. 241—259.
List, F., Das Recht der Bibliothek auf Freiexemplare
(Straßburg i. E. betr.).
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912. S. 211
—218.
Marcel, H., Rapport adressd au ministre de Tin-
struction publique et des Beaux-Arts sur les Ser¬
vices de la Biblioth&que nationale pendant l’annöe
1911.
Revue des bibliothlques. 22. 1912. S. 120—132.
Merrill, W. St., A code for classifiers. Its scope and
its problems.
Library Journal. 37. 1912. S. 245—251. 304—310.
Paalzow, H., Die Abteilung der Bibliothekarinnen
auf der Berliner Frauenausstellung.
Blätter für Volksbibliotheken und Lesehallen.
13. 1912. S. 91—93-
Poelchau, K., Der sozial-pädagogische Zug im Volks¬
bücherwesen.
Soziale Praxis und Archiv für Volkswohlfahrt.
21. 1912. Nr. 19 u. 20.
Putnam, H., The quick in the „dead“. (Veralten der
Literatur betr.)
Library Journal. 37. 1912. S. 235—245.
Salaris, R., Gli incunaboli della Biblioteca comunale
di Piacenza.
Bibliofilia. 14. 1912/12. S. 20—26. (Wird fort-
ges.)
Troiani, F., La riorganizzazione delle sale di lettura
per ragazzi nelle biblioteche popolari di America.
Coltura popolare. 2 . 1912. S. 456—459.
Vdrtesy, E. f Die Bibliothek der Gesellschaft der The¬
aterfreunde zu Szomolnok im Ungarischen National¬
museum T. 1. 2.
Magyar Könyvszemle. N. S. 20. 1912. S. 9—18.
134—152.
Weißbrodt, E., Die Lemgoer Kirchenbibliotheken.
Mitteilungen aus der Lippischen Geschichte. 9.
1911. S. 184—208 f .
Windsor, P. L., University of Texas Library. (Zu
Austin.)
Library Journal. 37. 1912. S. 325—327 mit 2
Abbüd.
Witte, H., Eine Aufgabe der Deutschen National¬
bücherei zu Gotha.
Deutsche Erde. 11. 1912. H. 2. S. II—IV.
Buchdruck und -Gewerbe.
Benziger, C., Frühdrucke des 15. Jahrhunderts in
der Berner Stadtbibliothek.
Blätter für bemische Geschichte , Kunst und
Altertumskunde . 8. 1912. S. 64—77 mit 3 Abbild.
Bockmühl, P., Wo ist die erste Ausgabe des Werkes
von Johannes Anastasius Veluanus: „Der Leeker
Wechwyser“ im Jahre 1554 zuerst gedruckt? Ein
Beitrag zur Kirchengeschichte des Niederrheins und
der Weseler Drucke aus dem 16. Jahrhundert.
Theologische Arbeiten aus dem Rheinischen Wissen¬
schaftlichen Predigerverein. N. F. 13. 1912. S. HO
—128 mit 8 AbbÜd.
Bonnet, E., Un livre peu connu de J.—C. Schaeffer
sur l’emploi de divers v 6 g 6 taux pour la fabrication
du papier (1767—1771).
Bulletin de la Sociiti syndicale des pharmaciens
de la Cote-d Or. 1911. 4 S.
CI außen, B., Niederdeutsche Drucke im 16. Jahr¬
hundert.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29.1912. S. 201
—209.
Cornu, P., Les reliures du Mus 6 e des Ar» d 6 co-
ratifs.
Revue des bibliothlques. 22. 1912. S. 56—61 mit
2 Taf.
Gagyi, E., Contributions ä l’histoire de la seconde
imprimerie de la Moldavie.
Magyar Könyvszemle. N. S. 20. 1912. S. 59—64.
Gulyäs, P., Les „republiques“ des Elzevier et les
publications analog ues dans le Mus 6 e Nat. Hongrois.
P. 1.
Magyar Könyvszemle. N. S. 20. 1912. S. 110
—134 mit 13 Abbüd.
Marteil, P.. Zur Geschichte der Frankfurter Buch¬
binderzunft.
Archiv für Buchgewerbe. 49. 1912. S. 52—53.
Melich, J., Alte ungarische Drucke aus dem Jahre
1527.
Magyar Könyvszemle. N. S. 20. 1912. S. 97—109
mit 5 Abbild.
Rosenthal, E., Die Erstausgabe von Apulejus’ „gol¬
denem Esel", gedruckt durch Ludwig Hohenwang.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 29. 1912.
S. 273—278.
Schinnerer, J., Einige Bucheinbände des 18. Jahr¬
hunderts aus der Sammlung Becher.
Archiv f. Buchgewerbe. 49. 1912. S. 57—59 mit
4 Abbild.
Schinnerer, J., Alte Darstellungen von Papier¬
mühlen.
Archiv f Buchgewerbe. 49. 1912 S. 90—91 mit
1 Abbüd.
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CORNELL UNIVERSUM
142
Rundschau der Presse
Spitzen pfeil, L. R., Die Grundformen neuzeitlicher
Druckschriften.
Archiv f Buchgewerbe. 49. 1912. S. 139—147
mit 27 Abbild.
Unger, A. W., Die Buchdruckerei während der letzten
fünfundzwanzig Jahre. I.
Archiv für Buchgewerbe . 49. 1912. S. 133—138.
Westheim, P., Die Buchgewerbeklasse der Ham¬
burger Kunstgewerbeschule.
Archiv für Buchgewerbe. 49. 1912. S. 130—133
mit 7 Abbild.
Wolff. H. f Die Baseler Buchornamentik.
Archiv für Buchgewerbe. 49. 1912. S. 97—104
mit 21 Abbild.
Wolff, H., Die Ulmer Buchornamentik.
Archiv für Buchgewerbe. 49. 1912. S. 38—41 mit
10 Abbild.
Buchhandel.
The twelfth annual Convention of the American
Booksellers Association.
Publishers' Weekly. 81. 1912. S. 1600—1671 mit
1 Abbild, und x Taf.
Hölscher, G., Das Rezensionsexemplar von der
anderen Seite.
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
S. 6621-6623.
Jentzsch, R., Der deutsch-lateinische Büchermarkt
nach den Leipziger Ostermeß-Katalogen von 1740,
1770 und 1800 in seiner Gliederung und Wandlung.
Beiträge zur Kultur- und Universalgeschichte.
22. 1912. XI, 404 S., 3 Tabellen.
Scholz, W., Aus bestaubten Winkeln. (Völckers An¬
tiquariat in Frankfurt a. M.)
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
S. 6465—67.
Seippel, H., Der Bücherautomat.
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
S. 6704—6706.
Wald mann, £., Buchhändlerische Reiseeindrücke
in Rußland.
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
S. 6766—6768. 6813-6815.
Zeitungswesen. Pressrecht. Zensur.
Ebner, A., Bücherschutz in bezug auf Titel, Aus¬
stattung und Einrichtung,
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1912.
S. 6863—6865. 6912—6914.
Hirth, F., Johann Peter Lyser. Der Dichter, Maler,
Musiker.
Der Zeitgeist. Beiblatt zum Berliner Tageblatt.
1912. Nr. 21 und 22 vom 20. und 27. Mai
Dänemark. Loi concemant le droit d’auteur sur les
oeuvres de littdrature et d’art. (Du I er avril 1912).
Droit dauteur. 25. 1912. S. 73—81.
Mori, G„ Die Entwicklung des Zeitungswesens in
Frankfurt a> M. I.
Archiv für Buchgewerbe. 49. 1912. S. 147—151.
Sevensma, T. P., Jets over l'Observateur hollandois.
(Angeblich Leiden, in der Tat Berlin, 1744.)
Het Boek. 1. 1912. S. 171—176,
Bibliographie.
Tedder, H. R., The projected bibliography of national
history.
Library Association Record. 14. 1912. S. 209—215.
Literaturgeschichte. Allgemeines.
Gottron, A., Goethes Faust und Dantes Commedia.
Eine Untersuchung.
Historisch-politische Blätter für das katholische
Deutschland. 149. 1912. H. 12. S. 881—900.
Klemperer, V., Grenzenlose Frauendichtung.
Der Zeitgeist. Beiblatt zum Berliner Tageblatt.
1912. Nr. 22 vom 27. Mai
Kosch, W., Das deutsche Drama im Zeitalter der
Romantik.
Historischpolitische Blätter für das katholische
Deutschland. 149. 1912. S. 721—743.
Zur neuen schweizerischen Lyrik. (Von M. H.)
Über den Wassern . 5. 1912. S. 398—404.
Einzelne Schriftsteller.
Anzengraber: Wieser S., Ludwig Anzengruber.
Bücherwelt. 9. 1911/12. Nr. 8—10.
Arndt: Steffens, W., Neues von E. W. Arndt
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 23
vom 9. Juni.
Beecber-Stowe: Frey, E., HarnetBeecher-Stowe. (Geb.
12. Juni 1812.)
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 23
vom 9. Juni.
Brentano: Steinle, A. M. von, Clemens Brentano. Das
Märchen vom „Fanferlieschen“ in seiner ursprüng¬
lichen Fassung.
Der Gral. 1912. Juni. S. 534—552.
Chateaubriand: Duparchy-Jeannez, M., Chateau¬
briand d’apr&s son dcriture.
LAmateur dautögraphes. 45. 1912. S. 181—184
mit 1 Taf.
CoIHns: Compton-Rickett, A., Wilkie Collins.
Bookman. 1912. Juni. S. 107—114 mit 26 Abbild,
und 1 Taf.
Dftnbler: Schlaf, J., Theodor Däubler.
Der Zeitgeist. Beiblatt zum Berliner Tageblatt
1912. Nr. 25 vom 17. Juni.
Dehmel: Meschendörfer, A., Moderne Geister IX.
Richard Dehmel.
Die Karpathen. 5. 1912. S. 523—529.
Dingelstedt: Francke, O., Ungedruckte Dokumente
zu Franz Dingelstedts Leben.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 22
vom 2. Juni.
DrOSte: Gotthard, J., Neues über Annette von Droste
und ihren Freundeslcreis. Mit ungedrucktem Material.
8. Annettes Beziehungen zu Heinrich Straube* (Forts.)
Westfälisches Magazin. N. F. 3v 19SX S. 259
—262. (Wird fortges.)
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CORNELL UNÜVERSm 1
Randschatt der Presse
143
Federen Antz, J., Vom prosaepischen Stil im allge¬
meinen und den Anfängen Heinrich Federers im
besonderen. Eine Einführung.
Bücherwelt . 9. 1911/12. S. 172—182.
Fieldlng: Schulz-Labischin, G., Henry Fielding, der
Erfinder des komischen Familienromans.
Bühne und Welt . 14. 1912. Nr. 17. S. 194—198.
Fontane: Schneider, H., Theodor Fontanes Briefe.
Grenzboten . 1912. Nr. 15. S. 83—89.
Foscolo: Levi, E., Un ritratto di Ugo Foscolo scono-
sciuto in Italia.
Biblioftlia . 14. 1912/13. S. 6—11 mit 1 Portr. u.
1 Faksim.
Goethe: Arnold. P. J., Goethes Novellenbegriff.
Literarisches Echo . 1912. H. 18. Sp. 1251—1254.
—: Kurrelmeyer, W., Zu den Doppeldrucken von
Goethes Werken 1806—1808.
Modern Language Notes. 1912. Juni.
—: Ludwig, A., Goethe und Ilmenau.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 21
vom 26. Mai
—: Thalhofer, F. X., Goethe als Pädagog. (Forts.)
Pharus . 3. 1912. Juni S. 506—518.
Gogol: Leger, L., Gogol en Suisse.
Bibliothbque universelle et revue suisse. 67. 1912.
S. 331—335-
Gottsched: Vulliod, A., La femme docteur. M m *-
Gottsched et son modele fran£ais. Bougeant ou
jansdnisme et pidtisme.
Ännales de I UnrversiU de Lyon. N. S. 2,23. 3 23 S.
Hanptmann: Guilbeaux, H., Gerhart Hauptmann.
Nouvelle Revue. 1912. Mai 15. S. 249—259.
Heemstede: Junker, H., Leo Tepe van Heemstede.
Zu seinem 70. Geburtstage (24. Juli 1912.)
Bücherwelt. 9. 1911/12. S. 164—172.
Keller: Dünne hier, H., Zu den „Mißbrauchten Liebes¬
briefen“ Gottfried Kellers.
Literarisches Echo. 1912. H. 19. Sp. 1341—1345.
Kleist: Meyer-Benfey, H., Sind bei Kleists „Käthchen
von Heilbronn“ verschiedene Pläne anzunehmen?
Bühne und Welt. 14. 1912. Nr. 17. S. 188—193.
Lesslng: Petsch, Die Kunst der Charakteristik in
Lessings „Minna von Barnhelm“.
Zeitschrifl für den deutschen Unterricht. 26. 1912.
S. 289—305.
—: Rosenthal, G., Lessing und die niederländische
Malerei
Jahrbücher für das klassische Altertum. 29. 1912.
S. 285—311.
LOUVet: Poppenberg, F., Die Ahnen des Rosen¬
kavaliers. (Louvet, Chevalier Faublas.)
Literarisches Echo. 1912. H. 18. Sp. 1254—1259.
Mörike: Maync, H., Eduard Mörikes Peregrina.
Internationale Monatsschrift für Wissenschaft
Kunst und Technik . 1912. S. 965—994.
Münchhausen: Spiero, H., Börries, Freiherr von
Münchhausen.
Literarisches Echo. 1912. H. 18. Sp. 1259—1265
m. 1 Portr.
Nestroy: Klinenberger, L., Johann Nestroy. Ein
Gedenkblatt zum fünfzigsten Todestage.
Bühne und Welt. 14. 1912. Nr. 17. S. 184—187.
Novalis: Minor, J., „Der gefundene Schatz“ von No¬
valis.
Germanisch-romanische Monatsschrift. 1912. Mai.
S. 259—267.
Raabe: Everth, E., Wilhelm Raabe. (Forts.)
Xenien. 5. 1912. S. 282—290. (Wird fortges.)
Ronsard: Vaganay, H., Pour l’ddition critique des
ödes de Ronsard.
Revue des bibliothbques. 22. 1912. S. 20—55.
Roqnette: Petzet, S., Otto Roquette.
Blätter f Votksbibl. u. Lesehallen. 13. 1912. S.
98—91.
Ronssean : Cah e n, L., Rousseau et laEvolution fran^aise.
Revue de Paris. 1912. Nr. 12. S. 745—766.
—: Gleichen-Rußwurm, A. v., Jean Jacques Rous¬
seau. Ein Wort zu seinem 200. Geburtstag.
Vossische Zeitung. 1912. Sonntagsbeilage Nr. 25
vom 23. Juni.
—: Hervier, M., Les confessions de Jean Jacques
Rousseau: leur gen&se.
Revue du Midi. 1912. Nr. 6. S. 354—362.
Schlegel: Muckermann, F., Friedrich von Schlegel.
V. Friedrich von Schlegel und die romantische
Schule in Jena.
Der Gral. 1912. S. 522—531. (Forts, folgt)
Schmidt: Walzel, O., Der Charakteristiker Erich
Schmidt
Literarisches Echo. 1912. H. 19. Sp. 1332—1336.
Schnitzler: Weilen, A. von, Arthur Schnitzler. (Zum
fünfzigsten Geburtstage.)
Österreichische Rundschau. Bd. 31. 1912. H. 4.
S. 294—300.
Seidel: Elster, H. M., Erinnerungen an Heinrich
Seidel.
Tägliche Rundschau. 1912. Unterhaltungsbeilage
Nr. 142 und 143 vom 19. und 20. Juli.
Strindberg: Albert, H.. Auguste Strindberg.
Mer eure de France. 1912. Juni 1. S. 476—484.
—: Bab, J., Strindbergs Dramaturgie.
Literarisches Echo. 1912. H. 19. Sp. 1336—1341.
—: Book, F., Auguste Strindberg.
Revue Bleue. 1912. Juni. 1. S. 689—692.
—: Kienzl, H., Der sterbende Strindberg.
Der Türmer. 1912. Juni. S. 390—394.
—: Nexö, M. A., August Strindberg.
März. 1912. Mai. 25. S. 281—287.
—; Rath, W., Strindberg.
Kunstwart. 1912. H. 18. S. 348—358.
—: Samuel, H. B., August Strindberg.
Fortnightly Review. 1912. Juni S. 1117—1131.
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CORNELL UNIVERSUM
144
Von den Auktionen
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Strifldberg: Stümcke, H., August Strindberg -}*.
Bühne und Welt. 14. 1912. Nr. 17. S. 177—179
mit 1 Portr.
—: Wien, A., August Strindberg als Dramaturg.
Bühne und Welt. 14. 1912.. Nr. 16. S. 138—143.
—; Wien, August Strindberg.
Westermanns Monatshefte. 1912. Juli. S. 751—760
m. 1 Portr.
Verhaeren: Meyer, R. M., Emile Verhaeren.
Velhagen und Klasings Monatshefte. 1912. Juni.
S. 272—275.
Widmann: Beetschen, A. f Aus Briefen J. V. Wid-
manns.
Westermanns Monatshefte. 1912. Juni. S. 503—506
mit 1 Port.
Von den Auktionen.
Auktion der Bibliothek Stroehlin. Der „Frank¬
furter Zeitung" wird geschrieben: Bibliophile und Bib-
liomane zugleich, hatte der jetzt verstorbene Professor
der Religionsgeschichte an der hiesigen Universität,
Dr. Emst Stroehlin, in seinem Genfer Heim im Laufe
der Jahre eine Bibliothek aufgestapelt, die reich an Schät¬
zen aus der modernen Literatur wie an Werken aus dem
XVI. bis XVIII. Jahrhundert und an Handschriften des
XIII. bis XV. Jahrhunderts war. Die Kostbarkeit seiner
Sammlung bestand jedoch nicht bloß in der Seltenheit der
Werke (zum Beispiel umfaßte die moderne französische
und allgemeine Literatur eine Reihe längst vergriffener
Luxus- und Originalausgaben), sondern auch darin,
daß Stroehlin jedes Buch, mochte es selten oder we¬
niger bedeutend sein, mit den luxuriösesten Einbänden
versehen ließ, für die ihm kein Preis zu hoch war.
Die abwechslungsreiche Schönheit, die geschmackvolle
Ausführung der Einbände, die der jetzt ebenfalls ver¬
storbene Genfer Buchbinder Hans Asper mit großer
Kunstfertigkeit hergestellt hatte, läßt sich nicht be¬
schreiben. Als der erste Teil der „Bibliothek Stroeh¬
lin" vor zwei Jahren in Genf öffentlich versteigert wurde,
erregten einzelne Einbände allgemeine Bewunderung,
und die Werke wanderten von Hand zu Hand, von
den Bibliophilen mit liebevollen Blicken betrachtet.
Die hohen Preise, welche damals für die Bücher ge¬
zahlt wurden, sind allerdings für ihren Wert nicht
maßgebend, da ein Teil der Bibliothek von den Erben
zu jedem Preise zurückgekauft wurde, man also auf
diese Weise eine künstliche Preissteigerung erzielte.
— Die bedeutendere zweite und dritte Abteilung der
Bibliothek gelangte kürzlich in Paris zur Versteigerung.
Der Auktion wohnte eine große Zahl von Liebhabern,
Bibliothekaren und Buchhändlern bei. Diese zweite
und dritte Abteilung umfaßte kostbare Manuskripte
aus dem XIII. bis XV. Jahrhundert, seltene Original¬
ausgaben, illustrierte Werke, Stammbücher, Werke
aus dem XVI. bis XVIII. Jahrhundert und andere
mehr. Den Grundstock dieser Bibliothek bildete
neben Werken und Handschriften, die Stroehlin von
Henri Bordier, seinem Schwiegervater, erhalten hatte,
vor allem die Sammlung, welche er en bloc von dem
bekannten Bibliophilen Adolphe Gaiflfe erworben hatte.
Diese Sammlung, das sogenannte „Cabinet Gaiffe",
ist hauptsächlich reich an Schriften der französischen
Reformatoren, sowie an historischen und satirischen
Broschüren des XVI. Jahrhunderts. Auch diese Werke
sind in prachtvolle, antike und moderne Einbände
gebunden, die aus den Werkstätten von Trautz-Bau-
zonnet, Duru, Thibaron, Cuzin hervorgegangen sind.
Der reich illustrierte Katalog des zweiten und dritten
Teils umfaßt etwa 2800 Nummern mit 150 für den
Bibliographen äußerst wichtigen erläuternden Noten,
die aus der Feder des früheren Direktors der Genfer
Stadt- und Universitätsbibliothek, des bekannten
Rousseau-Forschers Theophile Dufour, stammen, der
zugleich einer der besten Kenner der Schriften ist,
welche auf die Reformation in den französischen Län¬
dern Bezug haben. Unter diesen Werken befinden
sich sogenannte „Genfer Raritäten" ersten Ranges aus
den Offizinen Genfer Drucker wie Wigand Koeln,
Jean Belot, Michel du Bois, Jean Crespin, Jacques
Chouet, Samuel de Toumes und andere. Es lag im
Interesse der Genfer Bibliothek, diese Seltenheiten
dem Lande zu sichern, und dank einem Fonds von
20000 Franken, der durch freiwillige Subskription zu¬
stande gekommen, und einer Subvention des Bundes¬
rates im Betrage von 15000 Franken konnten die
meisten davon für die Bibliothek angekauft werden.
Im übrigen wurden auf der Auktion unter anderen
folgende Preise erzielt: für mehrere Werke von Cal¬
vin, darunter das einzig bekannte Exemplar der „Con-
fessions de la foy" (1537) 1600 Fr., für die französische
Übersetzung von Luthers kleinem Katechismus 500 Fr.,
Calvins „Institution chretienne‘‘ (aus dem Jahre 1 54 1 )
2100, Dürers „Leben der Jungfrau", eine Folge von
19 Holzschnitten, 1150, seine „Passio Christi" (36 Holz¬
schnitte, datiert 1510) 3650, der „Heptameron“ der
Prinzessin Margarete von Valois 1650 Fr. Hohe
Summen brachten auch wegen ihrer kostbaren
alten Einbände: eine lateinische in Lyon 1542(43 ge¬
druckte Bibel (3600 Fr.), ein Psalter (Genf 1581)
1505 Fr., die dritte Ausgabe von Calvins „Institutions
chr&iennes" in prachtvollem Einband aus dem XVI.
Jahrhundert 1905 Fr. Die Totaleinnahme für die
zweite Abteilung der Bibliothek Stroehlin erreichte
etwas über 150000 Franken: bescheidenere Preise
wurden bei der Versteigerung der dritten Abteilung
bezahlt.
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
145
Neu erschienene und
Alexander VI. und sein Hof. Nach dem Tagebuch
seines Zeremonienmeisters Burcardus, herausgegeben
von Ludwig Geiger. Verlag Rob. Lutz, Stuttgart 1912.
Preis broschiert 6 M., gebunden 7 M.
Eines der interessantesten Tagebücher, wenngleich
aus der geistigen Froschperspektive einer Bedienten¬
seele geschrieben. Der Zeremonienmeister der päpst¬
lichen Kurie Alexander Borgias ist trotz plastischen
Einfügungsvermögens in die wildkrasse Renaissance¬
sphäre eine Rokokofigur, zu der Puderperücke, Par¬
füm und geblümte oder flohfarbene — Flohbauch oder
Floh im Milchfieber nannte man gern das amoureuse-
dekadente Violettbraun!—Schößenröcke ä la Louis XVI.
gehören. Um so toller der Anblick, dieses Menuett¬
männchen sich in dem grotesken Wirbel des Borgia-
hofes gebaren zu sehen. Übrigens wirken die scheu߬
lichen Verbrechen wider Sitte und Natur, die wüsten
Orgien und Gewalttaten, die damals das tägliche Pro¬
gramm der vatikanischen Geselligkeit bildeten, lapidar
notiert in einem Atem mit Empfängen, Aufzügen, kirch¬
lichen Festen, Hochzeiten, Trinkgeldern, Zeremoniell¬
fragen zweifellos origineller, als mit dem Anhang mo¬
ralischer Kommentare späterer Auffassung. Herr Bur¬
cardus ist scheinbar ein unparteiischer Schwätzer, der
sich mit weitläufiger Ausführlichkeit am liebsten in
Zeremoniellschilderungen ergeht. Die Innehaltung der
Rangordnung der Kardinäle, Legaten, Gesandten bei
offiziellen Empfängen, die Wahl der vorgeschriebenen
Kostüme, Gesänge, Gebete, tausend Dinge, die niemand
beachtet, wenn sie sich in voller Ordnung vollziehen,
bildeten seine Lebensaufgabe, der er sich mit völligster
Hingabe seiner ganzen Persönlichkeit widmete. Man
sieht ihn gleichsam vor sich, wie er bei allen offiziellen
Angelegenheiten atemlos hin- und hereilt, wie er in
grenzenlose Aufregung gerät, wenn in einer engen
Gasse zwei gleichrangige Würdenträger statt neben-,
hintereinander reiten, oder wenn, wie bei der Krönung
Alfons II. von Neapel, der König während des Credo
statt zu stehen sitzt, oder wenn der Gesandte X. rechts
von dem Gesandten Y. geht statt links, und dergleichen
mehr. Nicht verschweigen kann er auch seine Ent¬
rüstung, wenn ihm durch die Habgier der übrigen Be¬
amten sein Anteil an Geschenken, Gewändern, Maul¬
tieren, Kerzen entgeht. Zwischen diesen Nachrichten
schlängeln sich die politischen Beobachtungen, soweit
sie sich dem Vielbeschäftigten boten, durch, inter¬
essante Details der Affäre mit dem Prinzen Dschem,
der französischen Beziehungen und besonders des
Briefwechsels mit Savonarola. Zwischendurch auch
gehen, wie oben gesagt, lakonische Berichte der täg¬
lichen Skandal vorfalle, Vergiftungen, Erdrosselungen,
Ertränkungen, Der Tiber trägt beständig Leichen.
Auch von Schlachtfesten der Justiz wimmelt es. Ein¬
mal baumeln 18 Gehenkte zugleich auf der Engels¬
brücke. Da die Galgen Umstürzen, werden sie eilig
wieder aufgerichtet, damit die vom Vatikan kommen¬
den Kardinäle nicht um ihr Schauspiel kommen. Die
Schamlosigkeit der öffentlichen Strafen übersteigt jene
der geheimen Verbrechen. Sie wird nur noch von den
angekündigte Bücher.
Orgien im Vatikan übertroffen. Burcardus erzählt
alles im gleichmütigsten Tone. Nur im letzten Kapitel
über Alexander sinkt seine Schilderung auf den Ge¬
frierpunkt. Mit dem sterbenden Papst will er nichts
mehr zu tun haben. Sicherlich überlegte er vor der
Leiche, wie er sich am schnellsten dem nächsten Papst
gefällig erwiese. M. E.
Catalogus van boeken in Noord-NecUrland ver¬
sehenen van den vroegsten tyd tot op heden. VIII.
Kunst. *sGravenhage 1911. 4 0 . Preis 2,25 fl.
Auf das Gesamtwerk ist schon im Aprilheft dieser
Zeitschrift hingewiesen worden; ich möchte mir hier
nur einige Bemerkungen über eine Unterabteilung
des Werkes erlauben, die wie jeder Unterteil einzeln
käuflich ist Wie schon in einer holländischen Zeit¬
schrift „De Boekzaal“ von Dr. H. E. Greeve hervor¬
gehoben ist, haben wir es hier nicht mit einer von
Fachleuten zusammengestellten streng wissenschaft¬
lichen Arbeit zu tun, sondern mit einer vom Buch¬
handel unternommenen Gelegenheitsschrift. Das Werk
hat als Versuch unstreitig sein Verdienst, und es wird
vor allen Dingen für das Ausland, das sich über die
holländische Bücherproduktion, besonders in früheren
Zeiten, bisher nirgends orientieren konnte, als Nach¬
schlagewerk vorläufig ein unentbehrliches Kompendium
werden. Nur darf man sich ihm nicht zu blindlings
anvertrauen, denn das Werk ist erstens unvollständig,
doch das sei ihm verziehen, denn Vollständigkeit ist
bei einem so riesigen Gebiet beim ersten Wurf bei¬
nahe eine Unmöglichkeit; man hat auch gar nicht
darnach gestrebt. Nur die wichtigsten Original werke
hat man berücksichtigt; von Übersetzungs-, Schul-
und Jugendliteratur hat man von vornherein abgesehen.
Daß man aber die Anzahl Originalwerke leicht hätte
vermehren können, wenn man nur zum Beispiel die
Kataloge der großen öffentlichen Bibliotheken des
Landes benutzt hätte, wie den gedruckt vorliegenden,
so übersichtlichen der Königlichen Bibliothek im Haag,
das mögen die paar Werke beweisen, die mindestens
ebenso wichtig sind, wie viele der aufgezählten, und
die ich ohne viel Suchen in dem jedermann zugäng¬
lichen Katalog des Kupferstichkabinetts des Rijks-
museums gefunden habe.
Kunsituereld, Amsterdam, 1894.
Magazyn voor Schilder- en teekenkunst, Dordrecht
1828.
On den Nieuws op het gebied van kunst- en kunst-
nyverheid . . . door Taurel . . . 1889. gr. 4 0 .
Nederlandsch Kunstblad f ’sGravenhage.
Bakker (J.A.), Voorlezingen voer de geschiedenis
der Beeidende Künsten by de oude volken. Rotter*
dem 1828.
Passo (Cr. del), Luce de depingere. Amsterdäm,
1645—48, fol.
Episcopius, Paradigmata graphices, Hagae 1671. fol
Maaskamp (C.), Handleiding voor jonge kunste-
naars. Amsterdam, 1823. 8°.
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146
Neu erschienene and en gekündigte Bücher
Lurasco (F. M.), Onze moderne meesters. Amster¬
dam, 1908. 8° obL
Lairesse (G. de), Tafereelen ... in de Raadkamer
van den hove van Justitie . . . Amsterdam, 1837. foL
Poley (Jacob), Architectura civilis. Amsterdam,
1770. 4 0 . Mit Atlas in fol.
Lennep (J. van), enW. J. Hofdyk, Merkwaardige
Kasteelen in Nederland. Leiden, II * druk, 1883—84. 8°.
Eyck van Zuylichem (F. N. M.), Le style ogival
des dglises du royaume des Pays-Bas . . . Utrecht,
1863, fol obl.
Meulen (R.J. van der). De Kerkgebouwen van
protestantsch Nederland. Amsterdam, 1727. 4 0 .
Porl (Mattys), Cabinet de l’art de sculpture par . ..
Francis von Rossnit . . . Amsterdam, 1727. 4°
Roelunds (D.), ’t Magazyn of t’ Pac-huys der Lof-
delycker Pennconst . . . Vlissingen, 1616. 4 0 obl
Halten wir uns nun an das, was der Katalog wirk¬
lich bietet Mit der Titelbeschreibung ist man sehr
kurzsichtig verfahren und hat sich meistens mit dem
Titelstichwort genügen lassen; leider hat man aber
versäumt, durch Punkte anzudeuten, wo man gekürzt
hat Artikel und Präpositionen, die dem eigentlichen
Titel vorhergehen und Substantiva, von denen er ab¬
hängig ist, hat man in der Regel weggelassen; aber
man hat es dabei an der nötigen Konsequenz fehlen
lassen. Ist man einerseits reichlich knapp, so ist man
bei anderen Gelegenheiten wieder zu weitschweifig,
indem man in vielen Fällen auch den Namen des
Verlegers angiebt, was bei neueren Werken von unter¬
geordneter Bedeutung ist; von einem System ist aber
auch hier nichts zu merken. Daß sich in den Be¬
schreibungen selbst noch Fehler und Ungenauigkeiten
finden, darf daher weiter nicht Wunder nehmen. Von
Werken, die verschiedene Auflagen erlebt haben, gibt
man nur das Erscheinungsjahr der ersten Auflage an,
das heißt, wenn man es weiß, was aber nicht immer
der Fall ist Das auf Spalte 4 beschriebene Werk
J. v . d. Velde , Delidae variarum insigniumq. scriptura-
rumq . . . erschien zuerst 1604, und nicht 1640.
Brügge (G. ter), Verlichterie-kunde (auf Spalte 10) zu¬
erst 1616 und nicht 1670. Bid/ov (G.), Onüeeding des
menschelyken lichaams (auf Spalte 10) zuerst 1685 mit
lateinischem Text und nicht 1690. Daß man sich aber
nicht einmal die Mühe gegeben hat das Erscheinungs¬
jahr der ersten Auflage eines so verbreiteten Werkes
wie von Lairesse , Grondleginge der teekenkonst
(1701, man gibt nur das Jahr der zweiten Auflage)
zu ermitteln, zeugt doch von sehr geringem Eifer.
Was nun die Einteilung und Anordnung des Stoffes
betrifft, so lassen dieselben auch viel zu wünschen
übrig, ja es hat fast den Anschein, als ob man Über¬
sichtlichkeit absichtlich vermieden habe. Denn warum
findet sich eine Sammlung Aufsätze über Rembrandt
(Z. van Deyssel , Rembrandtbundet) auf Spalte 3 unter
den allgemeinen Werken über Kunst und nicht unter
der Rubrik Monographien, der Katalog des Maurits-
huis im Haag, das Werk von Moes und Biema über
die Anfänge des Ryksmuseums, das von Haverkom
van Rijswyck über das Museum Boymans in der Ab¬
teilung Malerei unter Geschichte und Biographien
und nicht unter „Galeriewerken* 4 neben dem
von Steentoff über das Rijksmuseum und Boele van
Hensbroeck und Marius überdas Museum Mesdag, und
endlich der Katalog der Sammlung, der Handzeich¬
nungen des Teyler-Museums wieder unter einer dritten
Rubrik „Ikonographie**? Wozu ist überhaupt die Schei¬
dung zwischen Werken über einzelne Meister, in denen
Reproduktionen Vorkommen, und solchen, in denen
keine Vorkommen und der Text die Hauptsache ist,
und was soll daneben noch die Rubrik Ikonographie,
in denen das Werk des Künstlers beschrieben wird?
Wer zum Beispiel wissen will, was über Rembrandt
erschienen ist, der muß mindestens drei Rubriken
Buch für Buch durchgehen, denn die Anordnung in
einer Abteilung ist chronologisch und nicht etwa, wie
man wenigstens von der Abteilung Biographien erwar¬
ten könnte, alphabetisch; das Werk von Vosmaer über
Rembrandt und das von Jan Veth wird ebenso wie
die von Hofstede de Groot veröffentlichen Urkunden
über Rembrandt unter Malerei (Geschichte und Bio¬
graphien) genannt, die großen Publikationen von Hof¬
stede de Groot über die Rembrandtausstellungen in
Amsterdam und London fallen unter die Rubrik Galerie¬
werke, Reproduktionen von Gemälden und Zeichnungen
und der Oeuvre-Katalog von C. Jost und der Katalog
der Handzeichnungen von Hofstede de Groot unter die
Rubrik Ikonographie. Wieviel übersichtlicher wäre
doch eine diese drei Abteilungen vereinigende
Rubrik „Monographien** gewesen, natürlich in
alphabetischer Anordnung nach den Namen der
Künstler. Ein anderer Übelstand ist, daß in der Ab¬
teilung Malerei (Geschichte und Biographien) Gesamt¬
darstellungen ganzer Schulen mit Einzeldarstellungen
einzelner Künstler und Werken über einzelne
Meister bunt durcheinander gewürfelt sind, denn
nur das Erscheinungsjahr ist für die Reihenfolge
maßgebend. In diesem Wirrwarr finde man sich zu¬
recht, zumal das Such wort des Titels nie durch andern
Druck hervorgehoben wird; nur der Name des Ver¬
fassers ist fett gedruckt
Der Katalog umfaßt 79 Seiten. Wieviel Bücher
beschrieben sind, ist leider nicht sogleich zu ersehen;
gewiß, man kann sie ja zählen; aber einfacher wäre
es doch gewesen, die Bücher durchlaufend zu nume¬
rieren. Auch das Aufsuchen eines bestimmten Werkes
wäre dann weniger zeitraubend; so wird man im
Register nach der betreffenden Spalte verwiesen, wo
der Name vorkommt, und die muß man erst durch¬
gehen. Bis Spalte 59 reicht die Kunstliteratur im
engem Sinne, dann kommt bis Spalte 152 die Musik¬
literatur, worunter auch Noten aufgeführt werden;
einen großen Platz nehmen die Liedersammlungen
ein; dann folgen auf den letzten 4 l / 2 Seiten die Werke
über Tanz- und Schauspielkunst M. D, Henkel .
Balthasar Neumanns Briefe von seiner Pariser
Studienreise 1723. Mitgeteilt von Karl Lohmeyer.
Verlag L. Schwann, Düsseldorf. 1911. Preis 1,20 M.
Nicht bloß für Architekten, sondern auch als kultur¬
geschichtliche Dokumente sind diese zum ersten Male
unverkürzt herausgegebenen Briefe interessant Sie
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
147
entrollen uns ein ziemlich ausführliches Bild des da¬
maligen Verkehrs der Fürsten mit den Künstlern. Der
Reichsfürst und Würzburger Erzbischof Johann Philipp
Franz von Schönborn verkörpert den Idealtypus des
Mäzens. An seinen Ansprüchen bildet sich der für ihn
arbeitende Künstler herauf. Es wird ein geistiges Zusam¬
menarbeiten. Schönbom sendet den noch jungen Neu¬
mann, dessen Genie er rasch erkennt, nach Paris, um die
neueste und beste Kunst zu studieren. Neumann macht
die Reise mit offenen Augen und folglich großem
Nutzen. Und alles was er sieht, berichtet er nach
Hause. Mannheim, Paris, Versailles. Trotz aller schul¬
digen Ehrerbietung gestaltet sich der Gedankenaus¬
tausch zu einem fast kollegialen. Glücklicher Künstler,
der sich vor seinem Gönner über künstlerische Fragen
alles vom Herzen reden kann, ohne furchten zu müssen,
nicht verstanden zu werden 1 Fein zeichnet sich in den
Berichten die Gestalt des berühmten Pariser Rokoko¬
architekten Robert de Cotte ab. Wir sehen den alten
Herrn vor uns, wie er sich über den von Neumann
mitgebrachten Bauriß des Würzburger Schlosses beugt
und mit geübter Hand ein paar Bleistiftlinien hinein¬
zieht. Er will dem jungen Meister wohl und macht
ihn auf mancherlei Verbesserungen aufmerksam! Auf
ihn geht unter andern die große Flucht der Front zu¬
rück. Auch Boffrand — „mit dem ich freyer umgehe“
pflegt Neumann zu berichten — gibt seine Kritik zu
dem Riß. Neumann sieht sich auch im Gewerbe um
und nimmt sich die neuesten Modelle für Möbel,
Leuchter, „Camin füß“ mit. Aber er läßt an allem nach
seinen Angaben ändern, wie er auch schließlich über
de Cottes Umzeichnungen seines Projektes urteilt: „Die
risse werdten dienen umb den Hießigen gusto daraus
zu nehmen.“ Neumann hat den Franzosen vieles ab¬
gesehen, um — ein deutscher Meister zu werden. —
Das Buch ist außer seinem allgemeinen Wert, auch
wegen verschiedenen bis jetzt noch nicht bekannten
Notizen für die Spezialforschung wichtig. M. E.
Die Schackgalerie von Fritz Burger. Mit 50 Ab¬
bildungen. Delphin-Verlag München 1912.
Der Verfasser hat sich keine geringe Aufgabe ge¬
stellt. Er will mit seinem Führer durch die Schack¬
galerie zu München „das gebildete Publikum, den
Kunststudierenden und den jungen Künstler in die
künstlerischen Probleme der Bildwerke der Schack¬
galerie einfuhren.“ Solche Gedanken haben theoretisch
immer etwas Anziehendes; aber in der Praxis bewähren
sie sich nicht. Wer wird sich mit dem Buch in der
Hand vor ein Bild stellen! Die drei obengenannten
Kategorien, für die der Verfasser sein Buch schrieb,
gewiß nicht. Wer lesend durch Galerien schreitet,
lernt im Leben nicht BUder sehen 1 Auch scheint es
mir bedenklich, an den Werken der Schackgalerie die
Kunstentwicklung des XIX. Jahrhunderts demonstrieren
zu wollen; denn Entwicklungsgeschichte zu entwickeln,
war nicht die Absicht Schacks. Natürlich lassen sich
verbindende Fäden ziehen und diese hat der Verfasser
auch eifrig aufgegriffen und fleißig daran gedreht;
aber es fragt sich, ob damit in die oft sehr schwierigen,
angeschnittenen Probleme Klarheit gebracht wird. Ich
Z. f. B. 1912/1913.
glaube eher das Gegenteil. Urteile wie zum Beispiel
jenes über Böcklin: „Klassizistische und romantische
Ideen und Formen und daneben die Marseillaise der
modernen Kunst Aber seine Moderne ist original“
haben doch weder dem Kenner noch dem Laien etwas
zu sagen. Dabei berührt auch die Schnoddrigkeit des
Stiles nicht angenehm. Leider trägt auch der ge¬
schmacklose Einband und die Undeutlichkeit der Ab¬
bildungen nicht dazu bei, den Wert des Buches zu er¬
höhen. M. E.
Hans Ehrenberg, Die Geschichte des Menschen
unserer Zeit A-Q- Verlage Heidelberg 1911.
In diesem schöngedruckten Hefte legt ein junger
Gelehrter dar, wie er sich die innere Entwicklung des
Menschen in unsrer Zeit vorstellt. Er gibt nicht auf
Tatsachen gestützt, induktiv vorschreitend, Geschichts¬
forschung, sondern philosophisch deduzierend baut er
sich ein architektonisch gegliedertes System. Sicherlich
sind viele ausgezeichnete Bemerkungen in der Schrift
vorhanden, die in einer ruhigen, schweren, bilderreichen
— bisweilen allzusehr akademischen — Sprache abge¬
faßt ist. Aber doch bleibt das Werk nur eine geist¬
reiche Konstruktion, die allein der verstehen kann,
welcher die Geschichte unserer Zeit schon genau
kennt. Ehrenberg geht von Nietzsche aus, und zwar
von der Zweiteilung in den „Übermenschen“ und „die
blonde Bestie“. Er zeigt, wie der Mensch, nachdem
er Gott und die Welt zertrümmert hatte, nur auf sein
Ich angewiesen dahinlebte. Ein Teil der Menschen
wurde zum „höheren Menschen“, der feierlich, fern der
Welt, seine Seele in Einsamkeit bildete. Die anderen
Menschen, die „blonden Bestien“, suchten aus ihrer Ein¬
samkeit hinauszustürmen und in rastlosem Erobern
die Welt zu überwältigen. Jede dieser beiden neuen
Menschheitstypen geht durch drei Entwicklungsstadien,
und im mittlem Entwicklungsstadium wendet sich jede
von ihnen der feindlichen Richtung zu. Der weltlose höhere
Mensch muß die — bisher mißachtete — Welt in seines¬
gleichen anerkennen, und die blonde Bestie, die sich
selbst im Kampf mit der Welt verliert, kann die andern
Ichheitennicht vertilgen. So kommen beide durch den An¬
prall an die anderen Individuen zur Selbstbesinnung, zur
Ruhe, zur Beherrschung des innera Menschen und der
Welt. Die Macht der Geschichte wird die Entzweiung
des neueren Menschengeschlechts schließen, und aus
der Vereinigung des subjektiven höheren Menschen,
der nur in sich selbst lebte, und des Tatmenschen,
der die ganze Umwelt sich unterwarf, wird der voll¬
kommenere Mensch der Zukunft erstehen. P-s.
Le Sage, Der hinkende Teufel, übersetzt von
G. Fink. Neu herausgegeben und eingeleitet von
O. Flake. Einband, Titelzeichnungen und 21 Initialen
von Emil Preetorius. Verlag Georg Müller, München
1910. Preis gebunden 9 M.
Das treffliche Werk, das ebenso wie der „Gil Blas“
des gleichen Verfassers gleich nach seinem Erscheinen
1707 eines der gelesensten Bücher seines Jahrhunderts
wurde, hat eine wohlverdiente Neuherausgabe er¬
fahren. Ein Medaillonbild, das den geistvollen Kopf
20
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148
Neu erschienene nnd angekfindigte Bücher
des Verfassers im Profil zeigt, schmückt den geschmack¬
vollen Einband. Preetorius’ eleganter Humor glossiert
in heitern Initialen die einzelnen Kapitel. Die witzige
Anekdotenkette dieser reizvoll ersonnenen Rahmen¬
erzählung, der sich auch einige ernsthafte kleine No¬
vellen ein fügen, darf trotz der etwas breiten Sprache
der Gunst des modernen Publikums sicher sein. Fängt
man doch heute inmitten unsrer in impressionistische
Wortklexerei ausgearteten Epik bereits an, nach der
lapidaren Prosa der Renaissancenovelle, wie sie von
Boccaccio bis Goethe dominierte, Sehnsucht zu emp¬
finden. Le Sage steht sprachlich nicht auf der Höhe
eines Boccaccio oder Cervantes, aber dennoch ist er
noch ansprechend genug. Er gehört zu den Autoren,
die uns in allem, was sie erzählen, rasch zu fesseln
wissen. Und die witzige Art, mit der er uns seine ga¬
lanten und ungalanten Histörchen — indem er durch
den Titelhelden die Dächer der Häuser abdecken und
uns überall hineinblicken läßt, vermittelt, ist eben eine
literarische Köstlichkeit, die nie aus der Mode kommen
kann. M. E.
Aucassin et Nicolette . Herausgegeben in 250 nu¬
merierten Exemplaren von Georges A. Toumoux.
Verlag Emst Rowohlt, Leipzig 1911.
Jene französische Erzählung aus dem XIII. Jahr¬
hundert, die unter den eintönigen Chansons de geste und
unter den. derben Fabliaux so lieblich und zart einsam
blüht, hat der Verlag E. Rowohlt bei Enschedö en
Zonen neu drucken lassen. Das Buch wirkt zunächst
befremdlich und erweist sich sodann als eine sorgfältig
ausgedachte Kostbarkeit fiir ruhige und geduldige Ge¬
nießer. Die Dichtung wechselt zwischen erzählenden
Prosastücken und kurzen lyrischen Strophen ab, so daß
auf jeden Prosaabschnitt ein diese paraphrasierender
poetischer Exkurs folgt Die Prosastücke sind über¬
schrieben „Or dient content et fablent“ und die lyri¬
schen Stellen „Or se cante.“ Das ganze Werk ist auf
van Geldem-Bütten abgezogen und zwar sind die
lyrischen Stücke in einer mit der Feder gezeichneten
Schrift aus seltsam spitzen, in Schnörkeln sich ergehen¬
den Buchstaben gedruckt, die der Drucker Plandn zu
Antwerpen 1584 anwendete. Die Prosastücke hingegen
sind in einer dicken flämischen Type des XVII. Jahr¬
hunderts aus dem Besitz der Gießerei van Dyck in
Amsterdam gesetzt. Die Überschriften bestehen aus
einer Antwerpener Schrift von 1575, die ähnlich der
ist, aus welcher die lyrischen Stellen gedruckt sind.
Eine kurze Bibliographie sowie ein Schlüssel fiir die
Antwerpner Schrift ist beigefiigt. Und so kann der
Liebhaber in stillen Stunden in den geschnörkelten
Buchstaben die alte Geschichte von den beiden Kindern
lesen, die sich so liebten, daß sie alle Hindernisse über¬
wanden und nach vielen bunten Abenteuern ein Paar
wurden; und die altertümliche Schrift wird den Lieb¬
haber in den Wahn versetzen, er lese eine kostbare
Handschrift aus längst gestorbenen Jahrhunderten.
-th-
E. Nevill Jackson, The history of Silhouettes.
London: The Connoisseur 1911. (121 Seiten Text und
LXXVI Seiten Silhouetten) Preis io l | 2 Schilling.
Das im Beiblatt der Zeitschrift für Bücherfreunde
Januar 1902, S. 2 seiner Zeit in Aussicht gestellte Werk
von Karl Klinkhofer (Berlin) über die Geschichte der
Silhouette ist, glaube ich, noch nicht erschienen.
Seitdem sind zehn Jahre ins Land gegangen, und es
sind bei uns in Deutschland drei schöne Silhouetten-
Sammlungen erschienen: 1899 die von Kroker heraus¬
gegebene Silhouettensammlung. (Leipzig, Dieterich-
Weicher), die von Leo Grünstein, betitelt: „Silhouetten
aus der Goethe-Zeit“ Wien 1909 (Hof-Kunstanstalt J.
Löwy), und zuguterletzt das prächtige Buch von Hans
Timotheus Kroeber (Verlag von Gustav Kiepenheuer,
Weimar 1911), »Die Goethezeit in Silhouetten", die
besonders solche in „ganzer Figur*' berücksichtigt —
Diesen deutschen Werken reiht sich ebenbürtig
an Ausstattung und Inhalt an das 1911 in London
erschienene Werk von E. Nevill Jackson, das in
acht Kapitel eingeteilt ist In ihm ist die Stellung
des Schattenrisses in Kunst Literatur und im sozialen
Leben besprochen, und seine Geschichte ausführlich
seit alter Zeit erörtert Besonders einige englische
Silhouettenschneider erhalten eine eingehende Wür¬
digung, auch die Silhouette zur Verzierung von Por¬
zellan und Glas, und ihre Bedeutung auf dem Theater
(Pocci). Sehr wertvoll ist die Liste der Silhouettisten,
die fiir Deutschland noch einer genauen Ergänzung
bedarf. Auch die Bibliographie mußte in einer neuen
Auflage vermehrt und bereichert werden. — Die bei¬
gegebenen Tafeln, über 70 an der Zahl, geben ein
gutes Bild, und die Gruppenbilder in ganzer Figur er¬
gänzen die Kroeberscht Sammlung auf das schönste.
— Der Zweck dieser Anzeige ist der, die deutschen
Leser auf das schöne englische Werk hinzuweisen,
dem ich nur die weiteste Verbreitung und einen recht
interessierten Leserkreis gönnen möchte.
Erich Ebstein , Leipzig.
Helsingör. Text von Laurits Pedersen. Zeich¬
nungen von Kr. Kongstad. Gyldendalske Boghandel,
Nordisk Forlag. Kopenhagen /p/2.
Gleichzeitig in dänischer und deutscher Sprache
erscheint dieses „Touristen-Buch“, das in der Zeit der
Ansichtspostkarten und sonstiger mit dem nächstbesten
und nächstbilligsten photomechanischen Reproduk¬
tionsverfahren fabrizierten „Land und Leute-Bildem
zur Erinnerung 4 ' dem Reisenden von Geschmack sehr
willkommen sein wird. Als vor einem Jahrzehnt der
dänische Touristenverein sein Buch über Kopenhagen
und dessen nächste Umgebung, in die man die Bäder
am Sund bis nach Helsingör hinauf einbegreifen muß,
herausgab, fand die Idee, von den namhaftesten
Schriftstellern und Dichtern des Landes seine Eigen¬
art, seine Schönheiten dem Fremden anzeigen zu
lassen, auch in Deutschland allgemeinen Beifall. Das
schmucke Heftchen, gutgedruckt, mit einer Reihe von
Autotypien erläutert, ist jedenfalls vielen als ein der
dauernden Aufbewahrung werter Bücherbesitz bekannt
Sind doch die historischen und pittoresken Stimmungen,
wie sie hier in den kleinen, weder unnötig belehrenden
noch unnötig führenden Abhandlungen festgehalten
sind, wohl geeignet eine gelegentlich auftauchende
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Neu erschienene and angekündigte Bücher
149
Reiseerinnerung aufzufrischen und ihr neue Dauer zu
geben. Das aber scheint mir die wichtigste Aufgaben des
Touristenbuches, das für den flüchtig Reisenden, der
in ein paar Tagen nur nach allgemeinen Eindrücken
sucht, ein zu erhoffender Ersatz einer Reisebücher¬
literatur sein wird, die sich in mancher Hinsicht den
gelehrten Kompendien nähern möchte, deshalb sogar,
nach Anweisungen, was und wie man bewundern soll,
ganze Museumskataloge fast in extenso abdruckend,
als welche man doch meist, ausführlicher und besser
um geringes Geld bei einem Besuche der Museen selbst
erstehen kann. —
Herr Pedersen hat in dem neuen Helsingör-Buche
seine Aufgabe, auf etwa einem halben hundert Seiten
zusammenhängend im Plaudertone alles Wissenswerte
über das alte und neue Helsingör vorzutragen mit
Sachkenntniss gelöst.
Die Geschichte der alten Stadt am Sund, in man¬
cherlei Weise auch mit der deutschen verbunden,
gibt das Verständnis für eine Wanderung durch das
heutige Helsingör, wo im alten Sundzollviertel, im
Kloster- und Kirchenviertel viele altertümliche Ge¬
bäude stehen, wo von der Kronborg den Dänen
Holger Danske grüßt (den wir Deutschen aus dem
Andersenschen Märchen kennen), die Besucher aus
anderen Ländern aber Hamlet, wo in Marienlyst die
Poesie der Sommernächte am Sund sich am herrlich¬
sten offenbart Der gut gedruckte Bericht läßt sich in
einer halben Stunde überlesen und übersehen, er kann
den Reisenden gründlicher vorbereiten als das Ver¬
gleichen vielfacher Verweisungen in wunderlich wech¬
selnden Schriftgraden, das die meisten Reisehand¬
bücher nötig machen, aus denen sich der eilige Rei¬
sende beim Frühstück auf das Tagespensum präpa¬
rieren möchte, wie der Schüler auf die leichtsinnig
gestern nicht gelernten Vokabeln.
Das schönste an dem Buche aber sind die Bilder
des Herrn Kongstad. 21 Vollbilder und 32 im Text
zerstreute, von denen die fünf in Farbendruck wie¬
dergegebenen vortrefflich gelungen sind, während
manche der feinen Federzeichnungen durch zu
schwarzen Druck leider ein wenig von ihrer Feinheit
einbüßten, was um so bedauerlicher ist, weil Herr
Kongstad einer der noch viel zu wenigen Künstler ist,
die die überlegte Ausnutzung des billigen Klischee¬
druckes für populäre Illustrationswerke verstehen!
Es sind architektonische Stimmungen hin und wieder
durch die genauere Abbildung einer historischen
(kunsthistorisch bemerkenswerten, wie man eigentlich
sagen müßte) Einzelheit erläutert. Sie werden dem
Besucher Helsingörs ebenso wie demjenigen, der
die Stadt noch nicht kennen lernte, ein sich immer
erneuerndes Vergnügen bereiten. Der Architekt
kann sich hier ebenso Anregungen holen wie der
Dichter, der die Geheimnisse einer alten, kleinen,
stillen Stadt belauschen möchte. Vielleicht ist es
kein Zufall, daß der Künstler die bekannteste „An¬
sicht** aus Helsingör, die Kronborg vom Sunde aus
gesehen, nicht aufnahm. Denn es ist das Bild Hel¬
singörs,* das der mit dem Kursbuch in der Hand
ankommende, der eilig vom Dampfer zum Bahnhof
läuft, um seinen Zug nicht zu verpassen, mitzunehmen
pflegt _ G. A. E. B.
Briefe über einen deutschen Roman. Julius Roden -
berg an Enrica von Handel-Mazzetti. Mit einem An¬
hang: Die Schlußkapitel der Armen Margaret nach
dem Erstabdruck in der Deutschen Rundschau. Ver¬
lag Kösel , Kempten und München (2 M., gebunden
3 M.).
Mit seltenem Geschick hat es Rodenberg vermocht,
jahrzehntelang die „Deutsche Rundschau“ auf einer
sich immer gleichbleibenden Höhe zu erhalten. Mit
welcher Kunst er dem Dichter nahezukommen weiß,
zeigt diese Sammlung von Briefen, zu denen man
gern die der Enrica von Handel-Mazzetti dazu gehabt
hätte, um die sich gegenseitig fordernde Werkstatt¬
arbeit von Dichter und Berater noch eindringlicher
verfolgen zu können. Aber nicht bloß die Dichtung
wird uns näher gebracht, vor allem tritt uns auch
Julius Rodenbergs Persönlichkeit aus den Briefen klar
vor Augen: ein unverrückbarer Markstein auf dem
literarischen Felde. Schon der Stil spricht es aus, ge¬
wisse sich wiederholende Wendungen zum Beispiel,
selbst bis in die Schreibung hinein könnte man Vor¬
dringen. — Höchst willkommen wird der Anhang sein;
die ursprüngliche Form des Romanschlusses läßt deut¬
lich dessen Entstehen erkennen. Dr. N.
Albert Ehrenstein, Der Selbstmord eines Katers.
München und Leipzig bei Georg Müller .
Dies Buch könnte den gelehrten Untertitel erhalten
„Die Ertötung der Gefühle durch die Erkenntnis ihrer
selbst.“ Ein junger Mann, innerlich abgetrennt lebend,
sich selbst und die Gefühle seiner Umwelt zergliedernd,
erzählt hier frischweg, hart, bedrohlich auf uns ein¬
dringend allerlei Geschichten, Erlebnisse, Betrach¬
tungen. Und grade durch die äußerste Erkenntnis
dieser Gefühle überwindet er sie — überwindet er sie
nicht nur, sondern verhöhnt sie, — verhöhnt er sie
nicht nur, sondern macht sie wertlos und erstickt sie.
Er zerlegt nicht mit Sorgfalt und zergrübelnder Lang¬
samkeit die Gefühle, sondern schlicht und klar stellt er
sie ruckweise, fast unvermittelt nebeneinander, schon
im Ton des Vortrags sie kritisierend und niederschlagend.
Denn nur dadurch, daß er die Gefühle niederschlägt,
erreichtes dieser ironische Ekstatiker, daß er nicht durch
sie niedergeschlagen wird. Er ist ein Expressionist, denn
die Wucht des Ausdrucks ist das Zeugnis für sein Erleben
und seine Kunst; er berechnet nicht die Impression
auf die anderen, sondern legt schonungslos all seine
Kraft in die Expression, um seiner Gefühle ledig zu
werden. Es ist bezeichnend, daß sein erstes Buch von
Oskar Kokoschka illustriert wurde. Von zweierlei Art
ist die Ausdrucksweise Ehrensteins in diesem Buche.
Entweder er erzählt tagebuchartig, derb, voll Grimm
und ironischer Wut einfache Vorgänge aus seinem
Leben, die, wiewohl eigentlich wenig kompliziert, grade
durch die Offenheit, die Härte der Erzählung ins
Groteske vergrößert und verzerrt erscheinen. So wird
in der ersten Geschichte das uralte Motiv des Katers
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150
verwendet, dessen Geschick in das Leben eines Men¬
schen verschlungen wird, dadurch, daß die Gefühle
des Tiers anthropomorphisiert werden. Am schonungs¬
losesten schreitet die Geschichte „Begräbnis“ einher,
die durch eine rücksichtslose Ertötung des Familien-
geflihls wohl harmlose Seelen mit Entsetzen erfüllen
wird. Am bezeichnendsten für den Autor ist die Schil¬
derung „Mitgefühl“, die zeigt, wie durch den Anblick
des Vorstadtelends „ein Weltverbesserer starb.“ Die
andere Art der Ausdrucksform Ehrensteins ist ein
märchenhaftes, in orientalischen Situationen und Land¬
schaften sich' ausbreitendes Phantasieren. Traumhafte
Visionen, mystische Zusammenhänge ziehen vorüber,
die doch eigentlich Paraphrasen über alltägliche Erleb¬
nisse sind. Gleichsam um uns den Schlüssel für diese
Ausdrucksform der Gefühle zu geben, erzählt er in„Tai-
gin“ zunächst ein seltsames, sprunghaftes Märchen
und gibt dann am Schluß an, wie dies Märchen ein
kurzer Traum war, und aus welchen wirklichen Er*
regungsmotiven dieser Traum erzeugt wurde. In diesen
Visionen wird seine Kunst am buntesten und phanta¬
stischsten, von einer biblischen Wucht und Anschau¬
lichkeit Als Satirspiel aber fügt er Ansichten eines
Jupiterbewohners über die Erde bei, und diese Schilde¬
rung scheint mir die kürzeste und niederschmetterndste
Darlegung der Unsinnigkeit des irdischen Lebens zu
sein. K. P.
Der Hausradt. Ein Basler Gedicht vom Jahre 1569.
In Faksimiledruck herausgegeben von Dr. E. Major
(Drucke und Holzschnitte des XV. und XVI. Jahr,
hunderts in getreuer Nachbildung. Nr. XIV.) J. H m
Heit*, Straßburg 1912. (M. 2.50).
Die beste Kenntnis des Hausrats unsrer Väter
kommt uns aus solchen „Gedichten“. Alles, was im
Hause gebraucht wurde, ist reimen weis aufgeführt
Nicht um zur Gründung eines Hausstandes anzuleiten,
wies sonst wohl üblich war, hats diesmal der Verfasser
getan, der Schalk sitzt ihm im Nacken, er will davon
abraten, weil alles gar zu teuer sei. Wir dürfen drum
Vollständigkeit voraussetzen. Und da es sich um bäuer¬
liche Verhältnisse handelt, haben wir zu der Hampe-
sehen Ausgabe (Drucke ... Nr. III), die den Patrizier
und den Handwerker zu Worte kommen läßt, eine er¬
wünschte Ergänzung. Das Faksimile ist auch für
Nichtphilologen leicht lesbar und ein Glossar gibt Auf¬
schluß über ungewohnte Bezeichnungen. Dr. N.
Berühmte Kunststätten. Verlag E. A. Seemann,
Leipzig. Band 56. Ulm von Josef Ludwig Fischer.
Mit 130 Abbildungen. Band 57: Basel von Martin
Wackemagel. Mit 127 Abbildungen.
J. L. Fischer braucht nur den trefflichen Fabri,
den Ulmer Dominikaner und ersten Geschichtsschreiber
der Stadt (1488), anzuführen und er ist der Aufmerk¬
samkeit seiner Leser sicher. Der geistvolle Mönch
weiß so anregend die Entwicklung Ulms vom sechsten
bis fünfzehnten Jahrhundert zu schildern, daß man
gerne lauscht. Es liest sich merkwürdig anschaulich,
wenn er, anläßlich der Prachtliebe, die die Ulmer in
ihren Kirchen entfalteten, lapidar glossiert: „Es waren
nämlich die Ulmer Bürger reich und hielten sich sehr
gut dem Göttlichen gegenüber“ oder wenn er das
Wachstum der Stadt folgendermaßen skizziert: „Die
Dörfer Offenhusen und Pfui rissen ihre Häuslein ein,
führten sie nach Ulm und bauten sie dort wieder auf“
Ulm hat sich noch viel aus der guten alten Zeit be¬
wahrt. Das Hauptinteresse beansprucht natürlich der
Dom mit seiner reichen, für die ganze Architektur des
deutschen Mittelalters höchst wichtigen Baugeschichte,
in der die edelsten Architektennamen, Parier vor allem,
aufleuchten. An den Dombau knüpft sich auch die
übrige künstlerische Blüte, die großartige Ulmer Plastik
und die gleichlaufende Malerei, diese durch die Namen
Multscher, Zeitblom, Schüchlin und Schaffner, jene
durch Hartmann und Syrlin geadelt Fischer gibt
treffende Würdigungen der einzelnen Persönlichkeiten,
wie der allgemeinen Entwicklungen, auch jener der
Profanarchitektur und des Kunstgewerbes, und schließt
mit einem Hinweis auf den viel verheißen den Auf¬
schwung, den Ulms Architektur in ihrer neuesten Lei¬
stung, Theodor Fischers monumentaler Garnisonskirche,
genommen hat
In dem jüngst erschienenen Bande „Basel“ begrüßen
wir in dem Verfasser die neue Generation einer ver¬
ehrungswürdigen Gelehrtenfamilie. Martin Wacker¬
nagel ist der Sohn des Verfassers der in ihrer Art ein¬
zigen, in der Städtegeschichtsschreibung wohl unüber*
troffen bleibenden „Geschichte von Basel“. Wie weit
es da leicht und wie weit es schwer war, in solcher
Nähe wiederum ein Werk über Basel zu schreiben,
läßt sich wohl begreifen. Mit um so größerer Freude
muß man konstatieren, daß der junge Gelehrte seine
schwierige Aufgabe glänzend gelöst hat Die vornehme
Großzügigkeit der Gesamtauffassung, die das Werk
belebt, läßt uns nicht die intimste Einfühlungsgabe in
das Kleine und das Kleinste vermissen. Eine gründ¬
liche Materialkenntnis gibt die wohltuende Folie. Der
reiche Stoff ist geschickt gegliedert Die beiden Haupt¬
epochen, die Zeit des Concils und die Zeit des Humanis¬
mus, kunstgeschichtlich durch die Namen Konrad
Witz und Hans Holbein fixiert, sind naturgemäß am
eingehendsten behandelt. Das Kapitel über die Malerei
um 1400 bis um 1460, das sich insbesondere mit dem
Baseler Altarwerk des Konrad Witz beschäftigt, ist
auch für die Spezialforschung wichtig. Überhaupt sind
durchgehend die neuesten Resultate verarbeitet. Dem
Laien, der das herrliche Basel vielfach nur als Durch,
gangsstation kennt, in dem er „zwischen den Zügen*-
auf eine Stunde Holbein und Böcklin besucht, wird das
Buch wohl eine ungeahnte Fülle von Überraschungen
bieten: Köstliche Schätze der Architektur, Plastik,
Malerei. Hoffentlich auch die Anregung diese Schätze
bei Gelegenheit aufzusuchen. Man fährt ja daran
vorbei. M. E.
Hans Hart, Kupidos Bote. Eine frohe Rokoko¬
geschichte vom Rhein. Mit vier Vollbildern und Buch¬
schmuck von Franz von Bayros. Verlag von L.Staack-
mann, Leipzig 1912 (2.50 M., gebunden 3.50 M.).
Rokoko wird Mode. Schade drum. Denn es wird
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doch bloß meist die unselige Manier geübt, in kuriosen
Floskeln die uns verschlossenste aller Zeiten angeblich
selbst reden zu lassen. Als ob eine Rumpelkammer
lebendig werden könnte. Allerorten in der Kunst regt
sich wieder der Historismus und tritt obendrein mit
der törichten Prätension der Stilechtheit auf. Vom
Flugzeug eilt der selbstbewußte Mensch des XX. Jahr¬
hunderts heim in sein Biedermeierzimmer und zählt
dem Besucher die Vorbilder für die einzelnen Stuhl¬
beine auf. Auf literarischem Gebiete sind die bevor¬
zugtesten Sünden die Sprachkopie und die Neigung,
den dichterischen Gestalten so ganz nebenbei historische
Persönlichkeiten zuzugesellen. Als ob von ihnen ein
Licht ausginge, das die andern erleuchten könnte. Die
Erscheinung des Alten Fritz auf der Terrasse von Sans¬
souci ersetzt mir noch nicht den Hauch, der nun einmal
über dem Rokoko liegt, wie ein Meltau, schön und
ungesund, auf der Frucht. Doch soll auch nicht ver¬
gessen sein, daß Hans Hart sich von der üblichen
Schablone femhält, die sich nur in Pikanterien erschöpft.
Er erzählt eine fröhliche Geschichte, nichts weiter
zwar, aber auch diese Muse hat ja ihre Jünger.
Ein Freiherr vom Rhein, hochfdrstlicher Heirats¬
vermittler und Vater zahlreicher Töchter, soll mit allen
Kniffen und Mittelchen der Kabinettsdiplomatie einen
Duodezprinzen und eine dito Prinzessin zu günstiger
Verbindung der beiden Häuser vermählen helfen.
Halbwegs aber versagt seine sonst bewährte Kunst,
weil sein eignes herzliebes Töchterchen den Prinzen
gar zu sehr einnimmt, daß sich dieser plötzlich zu einer
Mesalliance entschließt. (Die Liebschaft geschieht
nach altem guten Rezept!) Sein Bruder tritt mit der
Thronfolge auch die bewußte Prinzessin an, drei Hoch¬
zeiten in Aussicht, Segen und Glückwunsch, aus ist das
Spiel. Daß der Prinz schon beinah ein „Kerl“ nach
dem Geschmack der Stürmer und Dränger ist und sein
Fiekchen sentimental über dem Werther schmachtet,
taugt dem Rokoko schlecht
1 Die Bayrosschen Bilder erhöhen den Geschenk¬
wert des Buches, man darf aber wohl einmal den
Wunsch äußern, daß die Verlagshandlung im allge¬
meinen höheren Wert auf wirkliche Buchkunst legen
möchte. C. N.
Bibliographie Verlainienne. Contribution critique
ä l’dtude des littdratures ötrang£res et compar&s par
Georges A. Toumoux . Pr^face de F. Piquet. Leipzig
1912, Librairie Emst Rowohlt.
Der verdienstvolle Verlag, der bereits die schönen
Ausgaben der Verse Verlaines und der „Fleurs du mal“
Baudelaires herausbrachte und diesen beiden Dichtern
so ein Gewand gab, das das eigene Vaterland ihnen
weigerte, beginnt mit einem neuen internationalen
Unternehmen, das in der Verlagsgeschichte ein Unikum
darstellt Es soll eine Reihe von Bibliographien er¬
scheinen, deren jede einen der typischen Vertreter der
modernen Weltanschauungs- oder literarischen Rich¬
tungen behandeln wird. Jeder Band erhält ein Ver¬
zeichnis der Ausgaben des zu behandelnden Dichters
und aller Bücher, Schriften, Aufsätze, die über ihn er¬
schienen sind; und zwar umfaßt dies Verzeichnis die
ISI
Veröffentlichungen in sämtlichen Sprachen nach Ländern
geordnet. Diese Bibliographien sollen vor allem der ver¬
gleichenden Literaturgeschichte dienen, denn sie lassen
am deutlichsten erkennen, welchen Einfluß der einzelne
Dichter auf jedes Land gehabt hat, wie er von den
einzelnen Nationen aufgenommen wurde, und welche
seiner Werke man am meisten liebte und übersetzte.
Die erste dieser Bibliographien behandelt den
Dichter Paul Verlaine. Georges A. Toumoux von der
Universität Lille hat mit einem wundersamen Fleiß in
erstaunlicher Übersichtlichkeit alles zusammengestellt,
was je und irgendwo über Verlaine geschrieben wor¬
den ist Ein kurzes Vorwort von Professor Piquet
klärt über die Absicht und Bedeutung dieser biblio¬
graphischen Sammlungen auf. Dann wird in einem
ersten Teü ein Verzeichnis sämtlicher Ausgaben Ver¬
lainescher Werke in Frankreich gegeben; auch seine
nachgelassenen Werke, Vorworte zu den Werken
anderer, Briefe und Auswahlsammlungen sind nicht
vergessen. Der weit umfangreichere zweite Teil be¬
richtet über die Kritik und die Ausbreitung der Ver-
laineschen Werke in allen Ländern; es sind vertreten
Frankreich, Spanien, Catalonien, Portugal, Italien,
Rumänien, Griechenland, Deutschland, England, Nie¬
derlande, Dänemark und Norwegen, Schweden, Ru߬
land, Polen, Böhmen, Ungarn. Gewissenhaft wird alles
aufgeführt, was in diesen einzelnen Ländern an Büchern,
Kritiken, Aufsätzen über Verlaine erschienen ist, jede
Übersetzung wird verzeichnet und sogar die in den
einzelnen Ländern in Musik gesetzten Gedichte Ver¬
laines und die Gedichte, welche andere zu seinem
Ruhme schrieben, sind verzeichnet Schon eine flüch¬
tige Durchsicht fuhrt zu dem charakteristischen Ergeb¬
nis, daß Verlaine in den Ländern nichtromanischen
Sprachstammes weit mehr beachtet worden ist als in
den romanischen Ländern. Den größten Anteil — nächst
Frankreich — hat Deutschland, dann folgen England,
Rußland, Ungarn, Polen, Böhmen. In allen diesen
Ländern haben grade die Dichter, die man der hohen
Kunst zuzählt, und die selbst einen starken Einfluß
auf ihre Nation ausübten, sich mit der Übertragung
Verlaines beschäftigt. Der außerordentlich schwierige
Satz des Buches ist mit musterhafter Sorgfalt und in
einem trotz der wechselnden Typen schönen und eben¬
mäßigen Satzbild von der Offizin W. Drugulin ausge-
fiihrt. P*s.
Leo Tolstoi. Die lebende Leiche. Drama in zwölf
Bildern. Berechtigte Übersetzung von Dr. Adolf Heß.
Verlagsbuchhandlung Schulze &• Co., Leipzig 1912.
(0.60 M., gebunden 1 M.)
Die Gestalt Fedja Protassows wird den meisten
Deutschen nicht eingehen. Ein Volk, das so ausgeprägt
den Willen zur Moral hat, wird einen, dem beides
mangelt, unter sich nicht anerkennen wollen. Denn
man vergißt zu leicht, daß man im Leben wohl ein¬
seitig sein darf, die Kunst aber diese Schranken nicht
duldet
Fedja ist ein Mensch, der keine Bindung erträgt,
ihn leitet einzig sein reines Gefühl. Darum floh er die
Frau, die sich zu seiner grotesken Höhe nicht erheben
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konnte. Ihre Liebe verstand wohl den Gatten, aber
seine Passivität den Notwendigkeiten des bürgerlichen
Lebens gegenüber war sie 211 teilen außerstande. In den
Armen des jungen Zigeunerkindes, das alle diese Rück¬
sichten nicht kennt, nicht begreift, sie nie erfahren hat,
bei den wilden Klängen der primitiven Musik der
Zigeuner findet er die Harmonie seiner Gefühle. Er
liebt das Mädchen rein und keusch, er will voller Güte
auch die Gattin von sich befreien, um ihr den Weg
zu bahnen, aber die Umwege, die zu einer grundlosen
Scheidung führen, kann er nicht gehen, lieber will er
sich ganz opfern. Dem Entschluß allerdings die Tat
folgen zu lassen, gebricht ihm die Kraft des Willens.
Er fingiert seinen Tod und lebt als Leiche weiter, die er
für die Gesellschaft schon längst war. Durch diese Lüge
zieht er das Unglück nach sich, er findet einen Ver¬
räter, und um im Prozeß Gattin und Freund zu retten,
und um dabei die neue Lüge, die vielleicht dazu ver¬
helfen könnte, zu vermeiden, sühnt er durch freien Tod.
Über das Drama, besonders die Charaktere ist
eine überraschende Helle und Klarheit gebreitet, fast
keine theoretische Erörterung stört die stark belebte
Handlung. Anstatt von Problemen zu reden, sollte
man eigentlich sagen, daß diese und jene Szene
von besonderem dichterischen und dramatischen Wert
sei, und von dem Zigeunermädchen und von Sascha,
der prachtvollen Schwägerin, sollte man reden, die
allein mitten in der konventionellen Umgebung zu
Fedja hält.
Im Auftrag der Tochter Tolstois ist das Drama
aus dem Nachlaß herausgegeben worden. Was sollen
wir fragen, warum es vom Dichter selbst so lange zurück¬
gehalten worden ist? Seien wir dankbar, es nun zu
besitzen. Die billige Ausgabe der Verlagshandlung
macht es ja leicht zugänglich. C. N.
Detlev von Liliencron, Gesammelte Werke. Vierter
Band : Dramen. Fünfter und Sechster Band: Romane.
Berlin , Schuster &* Loeffler. (Jeder Band geheftet
4 M., gebunden 6 M.)
Über den Lyriker und Dramatiker Liüencron sind
die Meinungen kaum noch geteilt, um so mehr über
den Epiker. Auch die Zusammenfassung der drama¬
tischen Dichtungen des allgemein anerkannten Lyrikers
im vierten Bande der schönen endgültigen Gesamt¬
ausgabe wird ihn kaum die posthume Herrschaft über
die Bühne gewinnen lassen, die er sich mit dem fröh¬
lichen Hintergedanken an große und viele Tantiemen
gewünscht hat. Damit soll nicht gesagt sein, daß
Liliencrons Dramatik der poetischen Schönheiten ent¬
behrt. Im Gegenteil: der genießende Leser wird
solche fast auf jeder Seite des Buches finden. Aber
die Wirkungen des Bühnenstückes bleiben (heute mehr
als je) davon abhängig, wie sie der geschickt auf
dem theatralischen Gerüst herumklettemde Techniker
für das Publikum abmißt, das er ebenso vor Augen
hat, wie dieses sein Werk. Sicherlich eine banale
Bemerkung, immerhin aber auch keine überflüssige,
weil die Gesetze der Schaubühne von vielen, die sie
kennen und befolgen möchten, deshalb übertreten wer¬
den, weü ihnen andere Gesetze mehr gelten. Dramatik
ist die Kunst des Auslassens, das dramatische Talent
hat den Mut, alles überflüssige fortzustreichen, um die
Bühnenimpression mit den wenigen dazu gerade not¬
wendigen Andeutungen zu suchen, die das dramatische
Genie intuitiv ohne alle Virtuosenkünste findet. Und
Liliencron war viel zu sehr Dichter, um sich als dra¬
matisches Talent bewähren zu können.
Der Lyriker Liliencron stand auch dem Epiker
immer im Wege. Der Dichter, der um Formvollendung
sich in unermüdlicher Arbeit mühte, der ein Meister der
kunstvollen Erzählung war, büeb allzu gern am Weges¬
rand stehen, wenn er eilig einen Weg hinabwandem
sollte, wie das die Form des Romans will. Allerdings
darf man wohl überlegen, ob es überhaupt eine Form
des Romans gibt, die klassische Geltung bean¬
spruchen und als Muster gewertet werden darf. Der
sogenannte Unterhaltungsroman, der ja keineswegs
künstlerisch oder technisch minderwertig zu sein braucht,
hat sich allerdings eine, oder noch richtiger, mehrere
übliche Formen geschaffen, die, ähnlich wie die Büh¬
nendichtung, auf die Bedürfnisse des Zuschauers, auf
die des Herunterlesers Rücksicht nehmen. Das bietet
aber je nach dem Umfange der Darstellung durchaus
verschiedene Schwierigkeiten, deren Lösung durch die
Form der Novelle und des Romans recht äußerlich
zu unterscheiden wir heute allgemein gewöhnt sind,
wobei wir dann in einer dieser beiden Hauptgattungen
der modernen epischen Dichtung alles unterzubringen
suchen, was wir nicht gerade als Lyrik werten möchten.
Diese populären Maßstäbe (von denen man ohne
weiteres zugeben kann, daß sie den fachwissenschaft¬
lichen nicht entsprechen) bestimmen ein Vorurteil: man
mißt mit ihnen die Erzeugnisse der modernen Poesie
ab und bestimmt, je nachdem der Maßstab paßt aber
nicht, nach ihm deren Formlosigkeit oder Formvoll¬
endung, ohne darauf zu achten, daß der Dichter,
seine Fähigkeiten falsch einschätzend oder aus ökono¬
mischen Rücksichten auf das geschlossene Buch, nur
sein Werk falsch etikettierte.
Detlev von Liliencron baute gern Luftschlösser,
um sich in ihnen nach seiner Art bequem einrichten
zu können. Da sparte er keine Kosten und hatte das
auch nicht nötig. Seine unermeßÜchen Güter lagen
im Monde und er bewirtschaftete diese Güter, wie
man Güter, die im Monde liegen, zu bewirtschaften
pflegt Wenn der Dichter sich seine Geldsorgen vom
Herzen schreiben wollte, so gelang ihm das anschei¬
nend am besten, indem er sich in solche seiner Phan¬
tasiegestalten einzufühlen suchte, denen er unbegrenzte
Mittel zur Verfügung stellte. In diesen und manchen
ähnlichen Zügen zeigt die Arbeitsweise Detlev von
Liliencrons eine merkwürdige Ähnlichkeit mit der
Balzacs und wenn er dessen mit der Vituosität des
einer literarischen Pariser Modegröße wohl verzeih¬
lichen Penny-a-linertums verbundene epische Kraft ge¬
habt hätte, so wäre vielleicht sein lyrisches Empfin¬
dungsvermögen, der Besitz des jungen Menschen, all¬
mählich in dem Gut des alten Menschen aufgegangen,
das wir Weltweisheit nennen, weü er das angesam¬
melte Wissen der Menschheit ist, aus dem ein jeder
die Farben und Linien seines WeltbÜdes wählt
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153
Romane in des Wortes verwegener Bedeutung
hat Detlev von Liliencron nur zweimal geschrieben
(„Breide Hummelsbüttel", „Mit dem linken Ellenbogen")
obschon das Romanschreiben sicherlich nicht seinem
künstlerischen wohl aber seinem wirtschaftlichen Ehr¬
geiz entsprach. Denn es bieten sich ja dem modernen
Dichter nur diese beiden Möglichkeiten, seine
Phantasieschätze in viel gültiges Gold umzuprägen:
er kann für die Schaubühne Stücke schreiben, die
gefallen (was Liliencron nicht gelang), oder Romane,
die „Anklang finden" (was ihm ebenfalls nicht gelang,
wie zum Beispiel seine Erfahrungen mit dem „Ber¬
liner Tageblatt" beweisen).
Aber auch wenn man das Unterhaltungsbedürfhis
des durchschnittlichen Romanlesers nicht in Anrech¬
nung bringen will, kann man Liliencron nicht einen
Romanschriftsteller nennen. Er war Novellist, ein
Meister der kurzen Erzählung wie Maupassant. (So
sind seine Kriegserzählungen ziemlich das einzige
künstlerische Ergebnis, das die Jahre 1870/71 für
Deutschland hatten und ihre beispiellose Frische hat
ein Gegenstück nur in den psychologisch verfeinerten,
deshalb episch abgeschwächten Geschichten des franzö¬
sischen Meisters.) Daß Sammlungen von Stimmungen
und Stoff, aufgefüllt mit Lebens- und Leseerinnerungen
vermischt mit kleinen Erzählungen in einen Band
mäßigen Umfanges ohne äußere Abrundung, ohne
innere Verbindung hineingepreßt, auf die bequeme
Ausrede der Rahmengeschichte fast verzichtend oder
sie vergessend, keine epische Form klar ausprägen
können, wußte Dedev von Liliencron selbst. Wenn
er trotzdem solche als Romane bezeichnete Aufzeich¬
nungen (wie die „Mergelgrube", „Der Mäcen", „Leben
und Lüge") veröffentlichte, so wollte er sich kaum
als den Sucher nach einer ihm gemäßen Form der
Darstellung zeigen,* der jeder Dichter ist Ihn be¬
stimmten wohl eher wirtschaftliche Rücksichten. Die
Notwendigkeit, Bücher zu schreiben. Und mit stolzer
Naivität offenbarte er trotz alledem poetische Ge¬
heimnisse, die Geheimnisse eines Dichters, der uner¬
kannt unter den Alltagsmenschen lebt
In seinen Auchromanen und in seinen Nicht¬
romanen erzählt Dedev von Liliencron, immer wieder
die ausgleitende Feder ansetzend, die Geschichte eines
menschlichen Herzens und eines menschlichen Augen¬
paares. Er selbst ist es, der in wechselnder Gestalt
aus seinen verborgenen Zauberschlössern zu den
Menschen herabsteigt, um zu sehen, daß ebenso wie
auf seinen Tagen auch auf ihren die ironischen Lichter
und auf ihren Nächten wie auf den seinen die melan¬
cholischen Schatten ruhen. Aber während er noch
über die Frühlingswiesen ausschreitet unter denen er
die Leichenfelder längst vergessener Schlachten sieht,
zum Meer, über das auf Schiffen vergangener Jahr¬
hunderte deren Menschen ihm entgegen steuern, be¬
tritt dieser Meister der historischen Vision schon die
Nebelbrücke, die ihn mit fernen Welten verbinden
soll. Doch springt er immer zuletzt mit zwei kräftigen
Füßen herab, um in der Wirklichkeit zu stehen; ihn
reizt nun das Einfache, ja das Rauhe, selbst Rohe ge¬
wöhnlicher Lebenumstände, weil ihn deren Klarheit
entzückt und das satte Behagen beglückt, das sich zur
echt niederdeutschen Freude an kräftiger Speise und
frischem Trank steigert. Die toten Prinzessinnen
haben sich in lachende sehr lebendige Landmädchen
verwandelt, an denen ihn die raschen Traber vor
dem leichten Wagen durch die glitzernden Sonnen¬
strahlen des taufrischen Sommermorgens vorbeiführen.
Er weiß daß er lebt, er fühlt den kräftigen Zug der
Zügel in seinen Händen und mit einem Vorwärts ins
Dasein, wendet er um die scharfen Ecken des Weges.
Alles dieses und noch manches andere, Erschautes
und Erkanntes, Empfundenes und Anempfundenes,
aufrichtig Ernstes und ebenso aufrichtig nicht für Emst
genommenes Leben und Lüge, aber nicht Wahrheit
und Dichtung im Goetheschen Sinne, verwebt sich in
diesen künstlich verlängerten Erzählungen. Es ist eine
ungewohnte Mischung, die den Genießer, nicht den
pedantischen Leser der Romane Deüevs von Lilien¬
cron erwartet. Aber es ist keine schlechte Mischung,
eine Mischung, auf deren Geschmack mit der Zeit
auch diejenigen kommen werden, denen ihre Buntheit
noch ein wenig unbehaglich ist G. A. E. B.
Alte Glasgemälde im Schloß Hohenschwangau .
Eine Sammlung König Maximilians II. von Bayern.
Herausgegeben von Oskar Zettler. Bearbeitet von
J. L. Fischer. Delphin-Verlag München. 1912. Die
ersten 50 Exemplare sind numeriert und nicht im Buch¬
handel zu haben.
Die Glasmalerei hat sich bisher noch keiner üppigen
Literatur zu erfreuen. Zu begrüßen ist deshalb die
Begründung der in ihren bis jetzt erschienenen Num¬
mern einen sehr gediegenen Eindruck machenden
„Zeitschrift für alte und neue Glasmalerei,“ Delphin-
Verlag, München. Aus dem gleichen Verlag, der sich
der literarischen Pflege dieses Kunstzweiges besonders
liebevoll anzunehmen scheint, ging auch die vorliegende
schöne Publikation hervor. Sie ist, das darf voraus¬
geschickt werden, für das Studium der Glasmalerei
sehr wichtig. Die Sammlung, die der kunstliebende
König Maximilian II. von Bayern schon in sehr jugend¬
lichem Alter begann und mit der er die von ihm 1832
erworbene Burg Hohenschwangau ausschmückte, ist
bis jetzt leider noch zu wenig bekannt. Sie umfaßt
107 Nummern, aus der Zeit von etwa 1490—1680, über¬
wiegend Schweizer Arbeiten. Die treffliche Qualität
der Scheiben gibt dem hohen Sammler ein glänzendes
Zeugnis für seinen gebildeten, kunstsicheren Geschmack.
Erfreulicherweise konnten auch über dreißig Künstler¬
namen ermittelt werden. Mit Ausnahme von drei
Scheiben gehören sämtliche Stücke der sogenannten
Kabinettsmalerei an, die um die Wende des XV. Jahr¬
hunderts beginnt Es ist die Zeit, in der die Kunst auf
allen Gebieten nicht mehr überwiegend der Kirche
“dient, sondern sich das Bürgerhaus erobert. Während
sich die ältere Glasmalerei ausschließlich nur im Kirchen¬
fenster betätigt, setzt um 1500 die Mode ein, die Fen¬
ster der Profanbauten mit bunten Darstellungen zu
schmücken, und in der Schweiz entstand die schöne
Sitte sich mit „Kabinettscheiben“ zu beschenken. Be¬
sonders als offizielles Geschenk, Ehren- und Erinnerungs-
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CORNELL UNIVERSUM
154
Neu erschienene und angekündigte Bücher
gäbe der Kantone und öffentlichen Ämter für Kirchen,
Klöster, Zunfthäuser und einzelne Private gewann die
Scheibe Bedeutung. Durch Wappen und Inschrift ver¬
ewigte sich in ihr der Geber. Unter den Schweizer
Glasmalern stehen die Züricher obenan. Sie sind auch
in der Sammlung am reichsten vertreten. Der bedeu¬
tendste Name ist der der Murer, der sich durch drei
Generationen fortsetzt; Christoph und Josias Murer
kommen für die Schöpfung und Ausführung des treff¬
lichen Scheibenzyklus ,,Vom verlornen Sohne* 4 in Be¬
tracht. Ein ähnlicher Zyklus befindet sich in der Samm¬
lung des Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-
Dessau, heute im „Gotischen Hause“ zu Wörlitz.
Dieser umfaßt sechs Darstellungen; der Hohen-
schwangauer, der allem Anschein nach aus der Tucher-
kapelle von St. Lorenz in Nürnberg stammt, nur vier.
Doch dürfte die Befürchtung, daß hier zwei Scheiben
verloren gingen, unbegründet sein, da das Motiv in
vier Darstellungen zusammengezogen ist. Sehr gute
Stücke sind auch etliche frühe Ulmer und Augsburger
Scheiben, die auf Stiche bezw. Vorzeichnungen Schon-
gauers, Hans Burgkmairs des Älteren und Jörg Breu des
Älteren zurückgehen. Mit dem Text von Fischer ist
eine gründliche und wertvolle Arbeit geleistet worden.
Ebenso muß man auch den vorzüglichen Wiedergaben,
wie überhaupt der würdigen Ausstattung des Werkes
Lob zollen. Die Hoffnung, die der Verfasser bescheiden
in seinem Vorwort ausspricht, „der wissenschaftlichen
Forschung etwas Brauchbares“ geleistet zu haben,
dürfte sich sonach wohl reichlich erfüllen. M. E.
Paul Oskar Höcker , Die lachende Maske. Roman,
Stuttgart 1911. Verlag von J. Engelhoms Nachf
Dies Buch kann als Typus des Unterhaltungs¬
romans in unserer Zeit angesehen werden. Man kann
nicht sagen, daß etwas darin schlecht oder roh ist,
aber niemand wird behaupten, daß dieser Roman als
ein Kunstwerk zu gelten habe, oder als Zeugnis eines
ernst arbeitenden, schwer ringenden Künstlers der
hohen Kunst zuzurechnen sei. Der Unterhaltungs¬
roman unserer Tage unterscheidet sich ja wesentlich
von dem der vergangenen Jahrzehnte; das Sentimen¬
tale, Allzu-Verlogene, die scharfe Trennung in edle
und schlechte Menschen ist nach Möglichkeit zurück¬
gedrängt, und eine gewisse Vertiefung, das Ausbreiten
eines unter der äußeren Handlung verborgenen Pro¬
blems, die Anw endung einer Art von Psychologie wird
angestrebt Ein scheinbarer Realismus waltet vor, und
Erscheinungen und Menschen unserer Zeit werden in
die Handlung (oft recht aufdringlich) einbezogen, um
eben die Vorgänge möglichst natürlich erscheinen zu
lassen und ein Interesse zu erzeugen, das die Spannung
in den Produkten der älteren Unterhaltungsromane er¬
setzen soll. Aber es fehlt diesen Büchern ein Etwas,
dessen Mangel auch der Durchschnittsleser instinktiv
fühlt Und grade dieser Mangel verursacht es, daß
man diese Romane so leicht herunter liest und so
wenig von ihnen behält
Diese Worte enthalten eine Kritik der meisten
Romane, welche unsere vielschreibenden Unterhaltungs¬
schriftsteller ohne große Mühe alljährlich anfertigen.
So fabuliert auch Höcker munter darauf los, jede
Vertiefung, jede Ausmalung der äußeren Vorgänge,
der Umwelt, der seelischen Geschehnisse beharrlich
vermeidend. Er erzählt von einer jungen, schönen
Gesangsschülerin, die sich gleich nach ihrem ersten
Auftreten in der Kroll-Oper mit dem tüchtigen natur¬
wüchsigen Dirigenten verlobt. Vorher aber hat dieser
Kapellmeister einem alten Opernsänger, der sich der
schönen Novize unsittlich nähert, ein Ohrfeige her-
untergcschlagen, und als der alte Sänger sein Gehör
verliert, strengt er einen Schadenersatzprozeß gegen
den Dirigenten an. Ein Schriftsteller älterer Jahrzehnte
hätte dies Buch „Die folgenreiche Ohrfeige“ betitelt,
denn alle Not, in welche nun das junge Paar über
300 Seiten gerät, erwächst aus den Folgen dieses
Schlages. Der Kapellmeister, als Rowdie verschrien,
verliert seine Stelle an einem kleinem Hoftheater (der
Kundige erkennt sofort: es ist Dessau); wir erleben die
beliebte Darstellung eines Schmierenlebens, die Sän¬
gerin geht zum Vari&£, das Paar verliert sein ganzes
Vermögen, der Mann wird ins Gefängnis gesteckt, und
die zurückgelassene Frau, die inzwischen niedergekom¬
men ist, wird Soubrette und beinahe die Geliebte
eines Offiziers. Da kehrt, gänzlich gebrochen, der
Kapellmeister zurück, er bleibt auch verbittert, als die
Sezierung des inzwischen verstorbenen Sängers seine
Unschuld erweist. Halb irrsinnig streift er umher und
kehrt nach Wiesbaden zurück, als gerade seine unvoll¬
endete Oper von einem gutherzigen früheren Schüler
und von einem kränkelnden, noch gutherzigeren Bruder
mit der verlassenen Frau aufgefuhrt werden soll. Da
erwacht die alte Kraft in dem Verzweifelten, der Tag
der Premiere kommt, und weil wir wissen, daß jetzt
alles gut wird, und da der Autor weiß, daß war ihn
nicht mehr brauchen, tritt er zurück, schlägt den
„Zarathustra“ auf und zitiert zum Schluß aus diesem
Buche (wie symbolisch läßt sich dies Zitat auf den
Roman anwenden!) die nicht mehr ganz unbekannte
Stelle: „Das Lachen sprach ich heilig. Lernt mir lachen!“
Man wird ohne weiteres glauben, daß ich, nach den
einleitenden Bemerkungen, nichts Kritisches mehr über
dies Buch zu sagen habe. K. P.
Kurt Wolfft Der Dramatiker Eulenberg. Mit¬
teilungen der Literarhistorischen Gesellschaft Bonn
unter dem Vorsitz von Prof. Berthold Litzmann. Heft 1
des VII. Jahrgangs 1912.
Und er ist doch ein Dichter. So müßte jede Eulen¬
bergkritik beginnen, um dem Vielumstrittenen und
Vielgeschmähten Land zu erobern, selbst ein Panegy-
rikus rechtfertigte sich. Wolffs Buch ist zum mindesten
eine Apologie. Durch die Negation dessen, was er als
die Wesenszüge der deutschen Dramatik seit Hebbel
erkennt, hebt er Eulenbergs Eigenart scharf hervor. Er
erfaßt dessen Schaffen im Bilde einer Kugel, aus deren
Zentrum eine treibende Kraft Massen auf die Ober¬
fläche ausstößt Qualitativ sind die Unterschiede nicht,
verschieden sind nur die Intensität des Schöpferischen
und die äußere Form. Der Dichter will keinen Aus¬
schnitt aus dem Komplex der Lebenserscheinungen
geben, jedesmal wieder soll im Einzelschicksal ein
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CORNELL UNiVERSITY
Neu erschienene nnd angekündigte Bücher.
kosmisches Bild ausgeprägt werden. Er gießt in einen
Menschen, seinen Helden, wenn man so will, alles, was
an Gefühlen die Menschen überhaupt bewegen kann.
Ihr Widerstreit, denn die Gefühle gehen nie glatt
auf, steht im Gegensatz zu der gewohnten strengen
Motivierung etwa der Hebbelschen oder Ibsenschen
Dramatik. Eulenbergs Helden fallen über der „Ent¬
täuschung durch die Wirklichkeit“, wie Richard M.
Meyer es formuliert hat. In ihrer Universalität brechen
sie sich an den moralischen und sozialen Forderungen
der Gesellschaft.
Das Publikum wird dem so bald noch nicht nach-
kommen können. Und dagegen Sturm zu laufen scheint
mir mindestens so ungerecht, wie die einseitige Ver¬
steifung auf Prinzipien, unter die sich dann eine neue Kunst
nicht zwingen läßt Um der Kunst eines einzelnen willen
kann ein ganzes Volk nicht innerhalb zehn Jahren um-
lernen. Es ist so leicht zu sagen: das Publikum ist
durchgefallen. Dazu übersieht Wolff die Unmöglich¬
keit der dramatischen Sprache Eulenbergs. Von wem
darf man verlangen, wer wagt es, von sich selbst zu be¬
haupten, daß er jeden Satz, der von der Bühne herab¬
gesprochen wird, verstehe? Die Bilder sind so neu, so
kühn, daß der Leser sich wohl daran gewöhnt und an
ihrer Schönheit erwärmt, sie überstürzen aber oft ein¬
ander so, daß keiner der Zuschauer zu folgen vermag.
In der Sprache Eulenbergs einen Anfang zu sehen,
kann ich mich nur verstehen, soweit ich ihre Innerlich¬
keit anerkenne, die Konzentration der Bildhaftigkeit
indessen, glaube ich, überschlägt sich selbst.
Der Vergleich Eulenbergs mit Shakespeare lag
nicht fern, jeder weist auf die Mischung von Komik
und Tragik hin; nur dem armen XIX. Jahrhundert
vorzuwerfen, es habe die Sonderung vollzogen, stimmt
wohl kaum. Auf die Besprechung der einzelnen Dramen
hier einzugehen, gestattet der Raum nicht Es ließe
sich noch manches Gute von dem Hefte sagen.
C. N.
Otto Flake, Schritt für Schritt. Roman. Verlegt
bei Paul Cassirer, Berlin 1912 (5 M., gebunden 6.50 M.).
Die Patenschaft Balzacs ist keine schlechte Emp¬
fehlung. An der Physiologie der Ehe, dem zugleich
doktrinärsten und reizvollsten Buch, das es gibt, hat
der junge Dichter die Frauen sehen gelernt. Er aber
ist nicht doktrinär und er schreibt eine Dichtung und
stellt sie hinein in sein elsässisch Land. Sein Hand¬
werkszeug, die Sprache, führt er spielend. Die kon¬
kretesten und schlichtesten Worte fügen sich ihm zu
tief innerlichen Gebilden, deren Klarheit eine sonder¬
bar ergreifende oder auch überzeugende Wirkung be¬
sitzt. Der Stil ist großzügig, wiederum erinnert Flake
an den Franzosen. Darum aber betone ich den
dichterischen Wert, weil es doch eigentlich ein theo¬
retisches Buch ist.
Vor achtzig Jahren war es eigentlich nur die Frau,
in der man das Problem suchte, und jetzt kommt einer,
der es unternimmt, eine Physiologie des erotischen
Empfindens für den Mann aufzustellen. Das ist nicht
minder eine Tat.
Die Annäherung zweier Menschen, ihre Irrungen
Z. f. B. 1912/1913.
155
und Wirrungen und endliche Vereinigung ist der In¬
halt dieses — wie fast jedes anderen Romans. Doch
lenkt alles auf den Mann zurück. Er hat eine reiche
Erfahrung (hier wird leider oft mit älteren Motiven
hausgehalten), als er an die Frau, die noch unberührt
ist, herantritt. Aus dieser Verschiedenheit des Ent¬
wicklungsstadiums leiten sich die Störungen her. Beide
geben sich, äußerlich genommen, das Letzte und geben
sich doch keine Befriedigung. Ehe sie sich in ihrer
Sinnlichkeit nicht einander angeglichen haben, kann
keine Gemeinschaft entstehen, die beiden genügt. Die
Frau muß sich erst entfalten und kann es erst, wenn
sie keiner Bindung irgendwelcher Art mehr unterliegt.
Solche innere Freiheit findet sie hier, oder sagen wir
normalerweise,' in dem äußeren Zwang der Ehe. Der
Mann aber muß ihr zu dieser Entfaltung Zeit lassen,
Schritt für Schritt nur darf er erwarten vorwärts zu
kommen. In seiner Art erotischen Empfindens liegt
es, daß er so oft dagegen fehlt. Denn er verbindet
mit dem Gefühl einen Denkprozeß, der seine Erlebnisse
klärt und sein Wollen rascher entwickelt. Aus dieser
reflektierenden Tätigkeit erwächst ihm aber auch die
Möglichkeit, die Linie zu erkennen, die die Frau zu
ihm hinaufrührt. Dem muß er nachgeben, Herrentum
wird keinem entwickelten Menschen auf längere Zeit
genügen, die mangelnde Gleichheit hat den Überdruß
im Gefolge. Das Endziel kann allein die bewußte
gegenseitige Hingabe sein, in der jeder den andern
als gleichwertig empfindet, ohne daß einer nur seine
Selbständigkeit aufgibt
Die Gestalten Ralph Wegeners und Ilses sind
hervorragend klar gezeichnet Die beiden Ehen, zu
denen Wegener in Beziehung tritt, geben eigendich
die Gegenbeispiele zu dem neuen Ideale ab, die
übrigen Menschen, die Frauen besonders, dienen nur
der psychologischen Exemplifikation.
Das Buch wird von sich reden machen, auf den
Dichter aber wird man merken und ihm eine sichere
Entwicklung wünschen. C. N.
Wolfram Suchier, Gottscheds Korrespondenten.
Alphabetisches Absenderregister zur Gottschedschen
Briefsammlung in der Leipziger Universitäts-Bibliothek.
Berlin, Gottsched-Verlag 1912.
Der Verfasser hat sich der äußerst mühsamen Ar¬
beit unterzogen, für die Sammlung der zirka 4750 Briefe
Gottscheds, die die Leipziger Bibliothek in 22 Folio¬
bänden besitzt, ein alphabetisches Register herzustellen.
Das einzige bisher vorhandene Register der Briefe,
das der Gottschedbiograph Danzel für sich selbst an¬
legte, liegt nur in dem Manuskript auf der Leipziger
Bibliothek vor, wodurch besonders dem auswärtigen
Forscher die Benutzung erschwert ist. Ein größerer
Mißstand ist aber die chronologische Anordnung des
Danzelschen Registers, die demjenigen, der die Briefe
eines bestimmten Absenders sucht, die zeitraubende
Arbeit auferlegt, die dort aufgeführten 4700 Nummern
durchzugehen. So muß Suchiers Register dankbar
begrüßt werden, einmal weil es leichter zugänglich ist
als Danzels Handschrift, und dann vor allem, weil es
alphabetisch angelegt ist und dadurch eine schnelle
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CORNELL UNÜVERSm 1
Kleine Mitteilungen
JS6
Orientierung darüber leicht ermöglicht, ob eine be¬
stimmte Persönlichkeit mit Gottsched korrespondiert
hat. Indem Suchier bei den einzelnen Korrespondenten¬
namen Band- und Blattnummem der Sammlung auf-
führt, erleichtert er bedeutend die Heranziehung der
Originale. Die Beifügung der Daten ist recht wertvoll
für den Forscher, der sich mit der Tätigkeit eines
Zeitgenossen Gottscheds in einem bestimmten Jahre
befaßt. Suchier ist mit großer Gewissenhaftigkeit
besonders bei Feststellung der Namen vorgegangen
und hat dabei Danzel einzelne recht grobe Versehen
nachgewiesen. — Die bedeutende Stellung, die Gott¬
sched einst in der Literatur einnahm, brachte es mit
sich, daß er eine reiche Korrespondenz hatte, in der
die bedeutendsten Namen jener Tage vertreten sind
wie Baumgarten, Bodmer, Breitinger, Geliert, J. E.
Schlegel, Voltaire, Chr. Wolff und andere mehr. Die
Briefe bilden eine unschätzbare Fundgrube für Literatur*
und Kulturgeschichte, und mancher Biograph oder
Familienforscher findet dort wertvolles Material Nur
die Hindernisse, die der Benutzung bisher im Wege
standen, haben die gebührende Ausbeutung der Briefe
fast unmöglich gemacht Suchier hat das Verdienst,
diese Quelle leichter zugänglich gemacht zu haben,
und die Wissenschaft wird ihm dafür dankbar sein.
Dr . Koptlke,
Kleine Mitteilungen.
Die Arbeiten der römischen Vulgata-Kommission,
Gegen das Ende des Pontifikats Leo XIII. ist, wie be¬
kannt ist, eine Bibelkommission von dem Papst einge¬
setzt worden, woraufhin Pius X. im Mai 1907 eine
Kommission für die Revision der lateinischen Vulgata
mit dem Abbe Gasquet an der Spitze ernannt hat.
Mehrere Berichte über die Tätigkeit dieser Vulgata-
Kommission sind bereits veröffentlicht worden, die in
einer der letzten Nummern von „The Nation“ zusam¬
mengefaßt werden. Weiteres entnehmen wir dem „Athe-
naeum“. Der zur Zeit von der römischen Kirche auto¬
risierte Text der Vulgata ist die Rezension Klemens
VIII. aus dem Jahre 1592, eine ausgezeichnete Arbeit
für jene Zeit, die aber selbstverständlich im Lichte der
gegenwärtigen Bibelwissenschaft nicht bestehen kann.
Es muß zunächst betont werden, daß die Vulgata-Kom¬
mision keineswegs die Absicht hat, das Werk des hei¬
ligen Hieronymus zu kritisieren, welcher in den letzten
Dekaden des IV. Jahrhunderts unter der Autorität des
Papstes Damasus auf Grund seiner eigenen Forschun¬
gen einen Text herstellte, rier an die Stelle vieler da¬
mals existierender getreten ist. Allgemein ist anerkannt,
daß der heilige Hieronymus nicht allein durch sein
Wissen und seine Geschicklichkeit im höchsten Maße
dafür prädestiniert war, sondern er hatte auch noch
solche griechische und andersprachliche Manuskripte
zur Verfügung und konnte solche andere Informations¬
quellen benützen, die seit Jahrhunderten verloren ge¬
gangen sind. Die* Manuskripten-Tradition, die ihm
vorlag, ist viel älter als irgendeines unserer griechi¬
schen Manuskripte, von denen das älteste in die Mitte
des III. Jahrhunderts zu datieren ist. Der Zweck und
das Endziel der jetzigen, von Pius X. ernannten Kom¬
mission ist daher allein der, den Text des heiligen
Hieronymus so gut wie möglich wieder herzustellen.
Andere werden natürlich es dann auf sich nehmen, diese
Version selbst zu kritisieren; denn wie Rahlfs (Göttingen)
in seinen Septuaginta-Studien nachgewiesen hat, bedarf
der Text des Hieronymus, selbst nach seiner besten
Wiederherstellung und trotz der ihm zur Verfügung ge¬
standenen Manuskripte und Autoritäten, sehr stark der
Verbesserung, so daß Rahlfs ihm Sorglosigkeit in der
Herstellung des Textes hat vorwerfen können.
Die Kommission hat ihren Sitz in Rom, in dem
von Leo XIII. errichteten Kloster St Anselmo. Hier
sind alle Kollationen, die die Mitglieder der Kommission
selbst gemacht oder sich verschafft haben, unterge¬
bracht Um die Vorbereitung einer vollständigen
Kollation zu erleichtern, ist der ganze clementinische
Text in großen Bänden gedruckt worden und zwar ohne
große Anfangsbuchstaben, ohne Paragraphierung und
ohne Wortabteilung, so daß dieser Druck soweit als
möglich einem Manuskript gleicht und die Revisoren
besser in die Lage versetzt sind, mit den existierenden
Manuskripten zu vergleichen; zwei Drittel der Seiten
des Drucks sind für Varianten und Anmerkungen frei-
gelassen. Für die Psalmen ist ein besonderer Druck
angenommen worden, da Hieronymus drei Versionen
der Psalmen zu verschiedenen Zeiten medergelegt hat,
zwei auf der Basis der alten Itala-Übersetzung, die er
mit Hilfe der Septuaginta korrigierte, und die dritte als di¬
rekter Übersetzer aus dem Hebräischen. Die beiden Itala-
Texte der Psalmen sind in die Mitte der Seite gedruckt,
die Varianten rechts und links durch einen Strich ge¬
trennt, während die dritte Übersetzung separat gedruckt
worden ist — Eine der ersten Arbeiten der Kommis¬
sion war die Vorbereitung eines Katalogs aller lateini¬
schen Bibelmanuskripte, die in sämtlichen Bibliotheken
Europas vorhanden sind, ein Katalog, der nicht allein
für die gegenwärtige Arbeit der Revisoren, sondern
für alle Zukunft für das Bibelstudium von Nutzen sein
wird. Des weiteren ist schon in einer großen Anzahl
von Bibliotheken die Bibelcodices untersucht worden
und deren Inhalt beschrieben oder kollationiert. In
verschiedenen Teilen Europas sind zurzeit 15 Mit¬
arbeiter mit solchen Manuskripten und anderen Doku¬
menten beschäftigt, die für die Konstituierung eines
authentischen Textes von Nutzen sind. Um die Pro¬
venienz einiger Codices und die Einflüsse, denen sie
unterworfen waren, festzustellen, ist die Wichtigkeit der
Capitulae (Inhaltsangaben) allgemein anerkannt. Für
das Sammeln und Vergleichen dieser Capitulae und
als eine Unterlage einer Kollaüon derselben ist ein
Exemplar hergestellt worden, das ihre bedeutendsten
und typischsten Specimina enthält.
Die Bedeutung dieser Revision für die Kritik des
Neuen Testaments und die des Alten Testaments in
der griechischen und der hebräischen Sprache, na¬
mentlich für die der Psalmen, liegt auf der Hand; denn
der Psalter ist von Anfang an am meisten benützt und
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CORNELL UNfVERSmf
Kleine Mitteilungen
15
daher auch am meisten publiziert worden, sowohl vor
wie nach der Erfindung der Buchdruckerkunst. Schon
Holmes und Parsons haben für ihre große Oxforder
Ausgabe der Septuaginta (1795 bis 1823) mehr als
hundert Manuskripte benützt und zurzeit sind mehrere
Hundert Psalmen-Manuskripte bekannt Dabei ist von
Interesse zu wissen, daß in Manuskripten der Psalter
gewöhnlich allein erscheint und nur in ganz wenigen
Exemplaren mit der ganzen Bibel oder mit dem Neuen
Testament verbunden abgeschrieben wurde; und da
man die allgemeine Ansicht hat, daß die Übersetzungen
von größtem Nutzen für die Kritik der Septuaginta als
ganzes sind — da mehrere Übersetzungen älter sind,
als die ältesten griechischen Manuskripte und man
noch dazu ihren Ursprung fast immer feststellen kann
— so gilt dies um so mehr von dem Septuaginta-Psalter,
von dem eine so außerordentlich große Anzahl von
Manuskripten erhalten sind, ln lateinischer Sprache
sind von den Psalmen npr eine größere Anzahl von vor-
hieronymischen oder nichthieronymischen Texten er¬
halten; jedoch ist Hieronymus eigene Übersetzung für
den Text der Septuaginta von großer Wichtigkeit, da
er selbst zugestanden hat, daß seine Übersetzung nur
eine eilige Revision der damals allgemein gebräuch¬
lichen lateinischen Übersetzung auf Grund der Septua¬
ginta gewesen ist — Die Revision der Vulgata ist, wie
es bei den meisten derartigen Unternehmungen der
Fall ist, eine viel kostspieligere Sache als man ur¬
sprünglich angenommen hat. Größere Fonds sind da¬
her erwünscht und werden gesucht. — Selbstverständ¬
lich ist die Photographie von der Kommission in wei¬
testem Maße benützt worden. Bereits sind 70 Manuskripte
photographiert in ihrem Besitz. In demletztenBerichteist
mitgeteilt, daß das Material aus 30 Manuskripten von Exo¬
dus gesammelt worden ist, welches die Revisoren instand
gesetzt hat, gewisse definitive Manuskript-Gruppen her¬
zustellen. Zur definitiven Herstellung eines Textes
müssen natürlich noch eine größere Anzahl Manuskripte
konsultiert werden. — In den Bibliotheken Spaniens
hat Dom Donatien De Bruyne die Manuskripte von
Roda und von Urgel wiedergefunden, die als verloren
gegangen gegolten haben. Dom De Bruyne betont
ausdrücklich, daß er in den Bibliotheken Österreichs
und Deutschlands die Schätze, nach denen er Umschau
hielt, in sorgfältigster Weise aufbewahrt und katalogi¬
siert gefunden hat. Pierpont Morgan hat sein be¬
rühmtes Hamüton-Manuskript 251 der Kommission zur
Kollationierung zur Verfügung gestellt gehabt. In dem
letzten Bericht ist eine Liste der photographierten oder
mit gedruckten Bibeln kollationierten Codices und eine
Mitteilung über den gegenwärtigen Zustand der Ver-
celli-Evangelien enthalten. -M.
Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und
Graphik Leipzig 1914. Der Preßausschuß hielt am
31. Mai im Sachsenzimmer des Buchgewerbehauses
seine zweite Sitzung ab, in welcher unter anderem
beschlossen wurde, zur Erlangung eines Plakates für
die Ausstellung ein allgemeines Preisausschreiben
ergehen zu lassen. Die Bedingungen für diesen Wett¬
bewerb sind aufgestellt und sie werden in kürzester
Zeit zum Versand kommen. Es ist ein Preisgericht
gebildet, das aus sieben deutschen Künstlern besteht
An Preisen sind ausgeworfen für den ersten Preis
M. 2000.—, für den zweiten Preis M. 1000.—, für den
dritten und vierten Preis zusammen M. 1000.—. Die
Plakatentwürfe sind bis 30. September an die Geschäfts¬
stelle der Ausstellung einzusenden. Es dürfte eine
rege Beteiligung zu erwarten sein, um so mehr, als es
sich um eine internationale Fachausstellung für die
graphische Kunst und das gesamte Buchgewerbe
handelt. Weiterhin beschloß der Presseausschuß,
einstweilen eine Schriftsiegelmarke herstellen zu lassen.
Zu diesem Zweck wird unter Schülern der Akademie
für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig
ein engerer Wettbewerb stattfinden. Die Siegelmarke
soll in kürzester Zeit in einer großen Auflage
erscheinen. Später sollen neue Siegelmarken und
zwar möglichst für jede an der Ausstellung beteiligte
Gruppe ein besonderes Sujet, ausgegeben werden.
Zwischen den „acta diurna“, den öffentlichen und
regelmäßig durch Anschlag bekanntgegebenen Nach¬
richten Caesars, zu denen auch Parlamentsberichte d$s
römischen Senats gehörten, und den „drahtlosen“
Bordzeitungen der Ozeandampfer unserer Tage liegt
die Entwicklung der „Presse". Von den primitiven
Holzschnitten des Mittelalters, die über Mord, Krieg
und Pestilenz berichteten und zuweüen auch rein
literarische und künstlerische Erzeugnisse in die breite
Masse trugen, bis zu der photographischen Bericht¬
erstattung und den wundervollen farbigen Reproduk¬
tionen von heute — welch ein gewaltiger Fortschritt!
Von den „Meßrelationen“ des XVI. und XVII. Jahr¬
hunderts, deren Herstellung und Vertrieb Wochen
erforderte, bis zu unsem mehrmals am Tage erscheinen¬
den großen politischen Zeitungen, die für eine Aus¬
gabe Papier kilometerweise gebrauchen und zuver¬
lässige Nachrichten bringen über Vorgänge, die erst
wenige Stunden vorher sich ereignet haben — welch
ein fortwährendes Spiegelbild des politischen, geistigen
und materiellen Lebens der Nationen; welch eine
Fülle von Dokumenten der Kulturentwicklung der
Menschheit bietet die Presse und ihre Geschichte!
Um so seltsamer ist es, daß auf all den vielen
Ausstellungen der letzten Jahrzehnte bisher noch nie¬
mals eine zusammenhängende, erschöpfende Dar¬
stellung des gesamten Zeitungswesens geboten worden
ist, aus der seine gewaltige Bedeutung als Kultur¬
faktor und Spiegel der Kultur für jedermann ver¬
ständlich wurde. Zum erstenmaf wird die Presse als
geschlossenes Ganzes auf der Internationalen
Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig
1914 in umfassender Weise in Erscheinung treten.
Hier wird in dem großen Rahmen dieser das gesamte
Buchgewerbe und die graphischen Künste darstellen¬
den, von allen Kultumationen beschickten Ausstellung
in einer eigenen großen Gruppe „ Das Zeitungs- und
Nachrichtenwesen die Bekanntmachungs- und Werbe -
mittet* zur Vorführung gelangen. In fünf Klassen
gelangen zur Darstellung: Die Geschichte der Ent¬
wicklung des Zeitungs-, Nachrichten- und Bekannt¬
machungswesens, Tageszeitungen und Zeitschriften
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CORNELL UNIVERSITY
i 5 8
Kieme Mitteilungen
aller Art, Nachrichtendienst, Femschreib- und Fem-
druckwesen, Illustrierte Zeitschriften, Fachpresse, Re¬
klamedrucksachen, Bekanntmachungs- und Werbe¬
mittel
Da die Ausstellung unter der Mitarbeit erster
Fachleute in Leipzig, der Hochburg des Buchgewerbes
und des Buchhandels, stattfindet, so darf erwartet
werden, daß, wie das gesamte Unternehmen in allen
seinen Teilen, so auch das Zeitungswesen eine er¬
schöpfende Darstellung erfahren wird. Der Verband
deutscher Zeitungsverleger hat der Ausstellungsleitung
seine Sympathie ausgedrückt und ihr mitgeteilt, daß
er die Ausstellung nach jeder Richtung hin unter¬
stützen werde. Es ist nun Aufgabe der Presse selbst, eine
für Fachleute wie Laien belehrende und interessante
Ausstellung des gesamten Pressewesens zu organisieren,
und es darf nach den bereits vorliegenden Äuße¬
rungen aus ihren Kreisen angenommen werden, daß
eine erschöpfende und glänzende Presseausstellung
zustande kommen wird.
Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten
der französischen Republik hat dem Direktorium der
Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und
Graphik Leipzig 1914 durch das französische Konsulat
in Leipzig die offizielle Mitteilung zugehen lassen, daß
die französische Regierung das Protektorat über die
französische Abteilung der Internationalen Ausstellung
Leipzig 1914 übernommen hat. Das französische Komi¬
tee hat inzwischen unter dem Vorsitz des President du
Cercle de la libraire et du Syndicat des editeurs M. Lucien
Layus seine Arbeit aufgenommen. Dem Komitee gehören
weiter 26 Mitglieder an, unter anderm auch die Prä¬
sidenten des Comitö Fran^ais des Expositions ä
l’Etranger: MM. Emile Dupont und Alphonse Pinard.
Eine großzügige Beteiligung Frankreichs an der Aus¬
stellung Leipzig 1914 steht hiernach in sicherer Aussicht.
Ein amerikanisches Theater-Museum. Herr
Brander Matthews handelt in dem letzten „Columbia
University Quarterly“ von dem Dramatischen Museum
der Universität Columbia und stellt sich dabei auf den
Standpunkt, daß weder in Amerika, noch in Europa
etwas Ähnliches existiert. Er weiß also nichts von dem
Münchner Theater-Museum, das bereits den gleichen
Zweck erfüllt und später noch mehr zu erfüllen be¬
stimmt sein wird, wie das Dramatische Museum der
Universität Columbia. Auch das Münchner Museum
wird seinen zukünftigen Hauptzweck darin finden,
Gegenstände der Gegenwart und der Vergangenheit,
die mit der dramatischen Kunst in Zusammenhang
stehen, aufzunehmen: bereits sind 25 Modelle von The¬
atern und eine reiche stets vergrößerte Bibliothek von
Büchern und Abbildungen in dem Clara Ziegler-Haus
an der Königinstraße in München vorhanden, die den
durch das Geschenk der Stifterin anfangs in den Vor¬
dergrund getretenen Personalkult zugunsten des The¬
atergeschichtlichen und des aktuellen Theaters mehr
und mehr zurückdrängen. — Im Jahre 1878 war in
Frankreich der Beginn mit einer Art Theater-Museum
auf der großen Pariser Ausstellung gemacht worden;
diese Sammlung ist dann in die Bibliothek der Großen
Oper übertragen worden. Ein von dem Ministerium
des Unterrichts und der schönen Künste veranlaßter
Katalog derselben ist von großem Wert.
Unter anderem war damals die Rekonstruktion des
römischen Theaters von Orange und das Modell der
Szene des im Jahre 1547 in Valenciennes aufgeführten
Mysterienspiels ausgestellt: links das Paradies, auf der
äußersten Rechten die Hölle; einfache Strukturen
führen von dem einen Teil zum andern, die Nazareth,
den Tempel, Jerusalem, den Palast des Herodes, das
Haus des Hohen Priesters, den See von Galiläa, das
Goldene Tor und den Aufenthaltsort der Heiligen
Väter vor der Hölle darstellten oder wenigstens ahnen
lassen sollten. Ein genaues Duplikat dieses Modells
des Mysteriums von Valenciennes wurde der Colum¬
bia-Universität übergeben; und von diesem ersten und
einzigen Modell aus hat sich ein bereits für das Studium
der dramatischen Kunst beachtenswertes Theater-Mu¬
seum entwickelt. Ein zweites Modell im Besitz des Co¬
lumbia-Museums stellt das im Jahr 1639 von Richelieu
erbaute Pariser Palais-Royal-Theater vor. Nach und
nach wurde Kupferstich- und Photographiematerial
angeschafift; und vor einigen Jahren, als das Departe¬
ment für englische und vergleichende Literatur in das
Philosophiegebäude der Columbia-Universität überführt
wurde, wurde eine systematische Ausbildung des in
zwei großen Räumen untergebrachten Theater-Muse¬
ums der Universität ins Werk gesetzt. Der eine Raum
enthält eine spezielle dramatische Bibliothek von mehr als
1000 Bänden. Nur was auf die dramatische Kunst Be¬
zug hat, ist hier untergebracht Dazu tritt eine Spezial¬
sammlung von 500 Stücken amerikanischer dramati¬
scher Autoren und 200 Bände, die speziell auf Sheridan
Bezug haben. Der Bibliotheksraum führt direkt zu
dem Modellraum, in dem außer den beiden genannten
großen Modellen auch das Modell einer Aufführung
der Episode der Arche Noah in einem Mysterienspiel
der Schiffsbauergilde in einer mittelalterlichen engli¬
schen Stadt aufgestellt ist. Ferner besitzt man im Mo¬
dell den Hof von Tudor-Inn mit seinen herumlaufen¬
den Galerien, von denen Zuschauer auf eine Plattform
blicken, auf der eine Moralität, the „Nice wanton“,
spielt. Das fünfte Modell, das bis jetzt wichtigste im
Besitz des Columbia-Museums, ist gemäß dem in
Halliwell-Philipps „Outlines of the life of Shakespeare“
gedruckten Kontrakt hergestellt, den Allen und Hens-
lowe einerseits und der Zimmermann Peter Street an¬
dererseits im letzten Jahre des XVI. Jahrhunderts für
den Bau des Fortune-Theaters abgeschlossen haben.
Zwei englische Autoritäten, der Architekt Walther H.
Godfrey und der bekannte Theater-Schriftsteller William
Archer, hatten schon früher Pläne und Querschnitte
des Fortune-Theaters nach diesen Kontrakten ausge¬
führt und nunmehr ist von James P. Maginnis ein
großes Modell hergestellt worden, das alle Details des
Kontraktes aufgenommen hat und den Einblick in das
Innere gewährt. Die hohe Bedeutung dieses Modells
liegt darin, daß das Fortune-Theater dem Globe-The-
ater, für das Shakespeare seine Stücke schrieb, durch¬
aus geglichen hat. Als weitere Modelle sind in Aus¬
sicht gestellt, aber noch nicht in Ausführung gebracht:
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Kleine Mitteilungen
1. das Dionysos-Theater in Athen, gemäß Dörpfeld,
2. das römische Theater zu Orange nach der
Restauration von Caristie,
3. ein Madrider Theater aus der Zeit Lope de
Vegas und Calderons,
4. das sogenannte Antike Theater des Palladio zu
Vicenza mit seinen illusionsreichen Straßen¬
perspektiven,
5. der Bühnenapparat, den die italienische Masken-
komödie gebrauchte, und
6. das Dr-ury Lane-Theater in London im Jahre
1795 bei der Erstaufführung von Sheridans
„Lästerschule“.
Zur Rekonstruktion der genannten Theater sind
Abbildungen bereits gesammelt Auch für andere Sta¬
dien in der Entwicklung von Theaterbau und Bühnen¬
ausstattung sollen Modelle geschaffen werden, zum
Beispiel von der erstmaligen Anwendung von wirklichen
Wänden und Bedeckungen eines Zimmers in einem
bürgerlichen Stück (Boucicaults „London assurance“
1841) oder von der Art, wie früher die Schauspieler,
an der Rampe in einer Reihe stehend, miteinander
konversierten, während sie jetzt, auf Szenerie und
Bühneneinrichtungabgestimmt,sichinnatürlicherWeise
bei der Konversation geben. Auch die Ursachen, wieso
die Franzosen dazu gekommen sind, die italienische
Theorie der Einheit des Schauplatzes anzunehmen,
während gleichzeitig in Spanien und England der Sze¬
neriewechsel fast im Übermaße praktisch war, können
durch ein Modell repräsentiert werden, welches auf der
Pariser Ausstellung vom Jahre 1878 figurierte. Hardys
Drama „La folie de Clidamant“, das im ersten Viertel
des XVI. Jahrhunderts im Hotel de Bourgogne in Paris
aufgeführt wurde, hielt noch an der mittelalterlichen
Tradition fest, wonach alle Phasen einer Handlung
zusammen ihren szenischen Hintergrund hatten.
Hier sah der Zuschauer beständig und nebeneinander
einen Palast im Hintergrund vor sich, auf dessen einer
Seite ein großes Schiff im Meere zu schwimmen schien,
von dem sich die Heldin in das Wasser zu stürzen
hatte, und auf dessen anderer Seite ein großes Schlaf¬
gemach lag. Bei einer so wenig zusammenhängenden
Bühnenausschmückung war es natürlich, daß sich das
Publikum lieber mit der Einheit des Schauplatzes ab¬
fand. — Das graphische Material, das die ganze Ge¬
schichte des Theaters behandeln soll, ist ebenfalls bereits
reich in dem Columbia Dramatic Museum enthalten.
Man sieht Schauspieler in Kostümen der Periode, The¬
ateransichten von innen und von außen, Aufführungen
in geschlossenem Raum und in freiem Licht, Masken,
Porträts dramatischer Autoren usw. Speziellen Wert
legt der Leiter des Museums noch darauf, Regie- und
Souffleurbücher zu erhalten, die er für unschätzbar hält
nicht allein wegen der darin enthaltenen spezifizierten
Regieangaben, sondern auch wegen der Entwicklungs¬
geschichte in der Art der Aufführung, die sich aus
solchen Regie- und Souffleurbüchem erkennen läßt.
Denn diese Regiebezeichnungen sind oft von einem
Schauspieler irgend einmal erfunden und dann von
Generation zu Generation in ganz traditioneller Weise
fortgepflanzt — Die „New York Public Library“, die
159
den Studierenden des ja ebenfalls in New York liegen¬
den Columbia Dramatic Museum bequem zur Ver¬
fügung steht, besitzt bereits durch das Legat des ver¬
storbenen George Becks dessen Sammlung von Regie-
und Souffleurbüchern, die 3000 Exemplare umfaßt und
zweifellos eine der größten existierenden derartigen
Sammlungen ist, wenn wir von den Bibliotheken einiger
deutschen Hoftheater absehen. M,
Der Deutsche Verlegerverein hat auf seiner letzten
Hauptversammlung Anfang Mai in Leipzig folgende
Resolution angenommen, die sich gegen die Aus¬
beutung von Schriftstellern und DÜettanten durch ge¬
wisse Verleger wendet: „Die Hauptversammlung des
Deutschen Verlegervereins teilt einmütig das im Jahres¬
bericht ausgesprochene Urteil über die in jüngster
Zeit entschleierten Geschäftspraktiken seiner Mitglieder
Richard Lincke in Firma E. Piersons Verlag in Dres¬
den und Kurt Wigand in Firma Modernes Verlags -
bureau Kurt Wigand in Berlin und Leipzig und
bittet seinen Vorstand auf Mittel zu sinnen, wie der
Deutsche Verlegerverein solcher Mitglieder ledig wer¬
den kann.“
In einem offenen Briefe wendet sich Herr Kurt
Wigand gegen diese Resolution. Offenbar in der
Erkenntnis, daß sich seine Manipulationen nicht ver¬
teidigen lassen, zieht es Herr Wigand vor, die Ope¬
rationsbasis ein wenig zu verändern und den Angriff
als gegen den Kommissionsverlag überhaupt gerichtet
zu betrachten. Wie weit er sich damit von den zur
Erörterung stehenden Fällen entfernt, ergibt der Wort¬
laut der in Frage stehenden Resolution, die sich in
klaren, unzweideutigen Worten nur gegen die Geschäfts¬
praktiken der genannten Firmen, nicht aber gegen
den Kommissionsverlag an sich wendet. Denn es
gibt und hat immer Gründe gegeben, die es dem
Verleger oder Autor wünschenswert erscheinen lassen,
ihr geschäftliches Verhältnis auf eine andere Grund¬
lage als die eines regulären Verlags Vertrags zu stellen,
und es hätte dps Hinweises auf zwei angesehene Ver¬
lagsfirmen wie Duncker & Humblot und Puttkammer
& Mühlbrecht nicht bedurft, um diese Notwendigkeit
darzutun. Aber auch wenn es richtig wäre, daß diese
Firmen „fast alle ihre juristischen, nationalökonomischen
usw. Monographien auf Kosten der Autoren verlegen“
— was wir entschieden bestreiten — so gilt doch ge¬
rade hier der Satz, daß, wenn zwei dasselbe tun, es
noch lange nicht dasselbe ist. Nicht in dem Sinne,
den Herr Kurt Wigand anscheinend unterstellt, daß
man nämlich bei großen Firmen verzeihlich findet,
was kleinen als Verbrechen angerechnet wird, sondern
in der unterschiedlichen Art, wie diese Firmen ihr
Verhältnis zu den Autoren auffassen und den von
Herrn Wigand betätigten Geschäftsgrundsätzen.
In seiner Jugend Maienblüte hat sich auch Herr
Wigand, wie er schreibt, zu anderen Auffassungen
als heute bekannt und sich erst dem Kommissionsverlag
verschrieben, als seine dem Eigenverlag zugewandte
Tätigkeit mit erheblichen materiellen Verlusten für ihn
endigte. Das beweist immer eine gewisse Entwicklungs¬
fähigkeit und läßt den Schluß zu, daß auch seine
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i6o
Kleine Mitteilungen
Erkenntnis von heute, die im Kommissionsverlag das
Allheilmittel gegen geschäftliche Verluste sieht, nicht
der Weisheit letzter Schluß ist- Denn wie das Schick¬
sal des Piersonschen Verlages zeigt, vermag auch der
Kommissionsverlag weder Leibrenten zu gewähren,
noch vor Verlusten zu schützen. Und wenn Wigand
in seinem Zirkular die Frage aufwirft: „Wo wollen
Sie angesichts des heutigen Existenzkampfes, dessen
fortwährende beängstigende Steigerung wohl auch
dem Blödesten verständlich wird, die Grenze machen (!)
zwischen guten verlegerischen Sitten und dem Gegen¬
teil?“, so wird ihm sein eigenes Gewissen die rechte
Antwort darauf geben, auch wenn er es mit falsch
verstandenen volkswirtschaftlichen Phrasen einzulullen
sucht und sich anstellt, als ob er so wenig wie ein
anderer wisse, was man unter geschäftlichem Anstand
versteht. Denn nicht den Kommissionsverlag macht
man ihm zum Vorwurf, trotzdem er nicht wenig zu
der „beängstigenden Steigerung“ und dem Tiefstand
unserer literarischen Produktion beiträgt, sondern die
Art und Weise, wie er ihn betreibt und dadurch
seinen Beruf und seine Berufsgenossen in den Augen
anderer herabsetzt. Ein solches Verhalten läßt sich auch
dann nicht rechtfertigen, wenn es tatsächlich zu ge¬
schäftlichen Erfolgen führen sollte, was noch von
keiner Seite bewiesen ist Kein Mensch wird von
einem Verleger verlangen, daß er um seiner Ideale
willen sich auf geschäftlich unrentable Unternehmungen
einläßt aber ebensowenig wird man es billigen kön¬
nen, wenn von Einzelnen Anschauungen in einen Be¬
ruf hineingetragen werden, die als unvereinbar mit
seinem Wesen angesehen werden müssen. Unverein¬
bar auch, weil sie nicht nur den eigenen materiellen
Erfolg hintanhalten, sondern auch den Anderer be¬
einträchtigen müssen. Denn wenn Herr Wigand, der
sich auf sein „realökonomisches Verständnis für kom¬
merzielle Geschehnisse“ so viel zugute tut, einmal
etwas tiefer zu den Quellen hinabsteigen würde, aus
denen auch im Verlagsbuchhandel der Erfolg fließt,
so würde er Anden, daß die besten Verleger noch
immer diejenigen gewesen sind, die über ihren eigenen
Interessen auch die der Autoren und des Publikums
nicht vergessen haben. In seine Sprache übersetzt:
es ist nicht nötig, anständig zu sein um der Anständig¬
keit willen, sondern weil sie „das bessere Geschäft“ ist.
( Börsenblatt ).
Englische , auf dem Kontinent gedruckte Bücher in
der Rejormationsseit. Eine der interessantesten noch
zu lösenden Mystiflkationen auf dem Gebiete der Ge¬
schichte der Buchdruckerkunst ist die Frage nach dem
wirklichen Ursprung einer Anzahl zwischen 1528 und
1535 auf dem Kontinent publizierter englischer Bücher,
welche aus der Presse des )y Hans Luft aus Marburg“
zu kommen vorgeben. Preserved Smith handelt dar¬
über im „The Nation“ vom 16. Mai. Hans Luft war
einer der führenden Drucker zu Wittenberg. Aus
diesem und anderen Gründen haben die Historiker der
Reformationszeit die Ansicht gefaßt, daß die Araglichen
Bücher, welche — wenn nicht alle, doch zum größten
Teil — von Tyndale herrühren, weder von Hans Luft,
noch zu Marburg gedruckt worden sein konnten. Aber
ein sicherer Druckort war bis jetzt noch nicht nach¬
zuweisen, wenn auch jüngst R. Steele die Bücher mit
der Kolonie englischer Reformatoren zu Antwerpen zu
verknüpfen suchte. Pollard ist geneigt zu glauben,
daß Fox recht hat, wenn er annimmt, daß eines dieser
Bücher, Tyndales Übersetzung des Pentateuch, zu
Hamburg gedruckt wurde, wohin die Typen von Ant¬
werpen verschickt sein sollten. Smith ist nunmehr der
Ansicht, daß drei dieser Bücher „aus der Presse des
Hans Luft“ in Köln gedruckt worden sind. Die Titel
dieser Bücher sind:
1. The obedience of a Christen man and how
Christen rulers ought to ’governe . . . (Colophon:) At
Marlborow in the lande of Hesse The seconde daye of
October. Anno MCCCCC, xxvüj, by me Hans Luft,
2. An Exhortation to the dUigent studye of scrip-
ture made by Erasmus Roterodamus and translated
into inglissh. An Exposition in to the seventh chaptre
of the flrst pistle to the Corinthians. (Colophon:) At
Marlborow in the londe of Hesse. MDXXIX. xx daye
Junü. By me Hans Luft .
3. A pistle to the Christian reader. The Revelation
of Antichrist Anthithesis wherein are compared togeder
Christus actes and our holye father the Popes. (Colo¬
phon :) At Marlborow in the land of Hesse, xij day of
Julye Anno MCCCCC xxix, Hans Luft .
Alle diese Bücher tragen einen auffälligen Holz¬
schnitt als Titelblatt, auf dem vier Gruppen von je
drei Frauen, welche als die Grazien mit der griechischen
Bezeichnung genannt sind, auftreten. Dieses Kunst¬
werk rührt von Anton Wönsam aus Worms her, der
von 1518 bis 1541 zu Köln tätig war. Der Holzschnitt
war zuerst in „Johan Dytenbergü theologi contra Mar¬
tini Lutheri de votis monasticis Judicium,“ soweit be¬
kannt ist, benützt, welches im Jahre 1523 durch Cervi-
com (Hirschhorn) zu Köln publiziert wurde. In einer
etwas geänderten Form, welche auf einen neuen Holz¬
schnitt schließen läßt, gebraucht ihn auch ein Antwer-
pener Drucker im Jahre 1529. In seiner Originalform
kömmt es weiter in folgenden Werken vor:
1. A. Gellii.Noctes Atticae. Coloniae.
Opera et Impensa Joannis Soteris. 1526.
2. G. Budai« altera aedido annotadonum in Pan-
dectas. Coloniae. J. Soter. Mense Februario. 1527.
3. G. Budai Annotadones priores in Pandectas —
J. Soter — Mense Aprile. 1527.
Angesichts dieser Tatsachen ist es höchst wahr¬
scheinlich, dass die fraglichen drei englischen Bücher
zu Köln und zwar durch Soter gedruckt worden sind.
Durch eine Prüfung des Inhalts des zweiten der oben
aufgeführten englischen Werke im Licht der damaligen
Zeitgeschichte kann Bekräftigung für diese Ansicht ge¬
holt werden. Es ist eine Übersetzung von zwei ver¬
schiedenen Streitschriften, von des Erasmus „Para-
clesis id est adhortado ad chrisdanae philosophiae
Studium“ (1516, zuerst und dann häufig noch gedruckt)
und von Luthers „Das siebend Capitel S. Pauli zu den
Corinthem ausgelegt“ (Wittenberg 1523.) Dieses Werk
rief in Köln eine solche Erregung hervor, daß die
Universität einen ihrer Professoren Conrad Köllin mit
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Kleine Mitteilungen
seiner Beantwortung betraute. Der erste Teil der Re¬
plik wurde zu Köln 1527 unter dem Titel „Eversio
Lutherani Epiihalamii“ gedruckt, der zweite Teil kam
zu Tübingen 1530 als „Adversus caninas Martini Lu-
theri nuptias“ heraus. — Es ist leicht möglich, daß
dieses die Aufmerksamkeit des Übersetzers von Luthers
Exposition erregte und daß gleichzeitig die feindselige
Umgebung zu Köln ihn des Reformators Namen unter¬
drücken ließ. Ein zweiter Grund für Köln gegen Ant¬
werpen mag in dem Umstand liegen, daß die refor-
matorische Bewegung in Antwerpen nach dem Reichs¬
tag von Worms durch die Inquisitoren niedergetreten
wurde, welche die Führer der Bewegung, Probst und
Grapheus, gefangen setzten. In Köln dagegen bestand
eine starke protestantische Partei, welche sich für An¬
nahme des lutherischen Glaubens bereitmachte, und
zu dieser gehörten mehrere Drucker, wie z. B. der¬
jenige, der Tyndales Neues Testament im Jahre 1525
zu drucken begann.
Die drei englischen Bücher verdienen ein genaueres
Studium. Das erste rührt sicher von William Tyndale
her und ist so durch und durch lutheranisch, daß es
sich wie eine Übersetzung von Luthers eigenen Wor¬
ten liest, deren Original Smith aber noch nicht identi¬
fizieren konnte. Das dritte Buch, eine Adaptation von
Luthers „Passional Christi et Antichrist“ 1521, ist eben¬
falls von Tyndale. Auch das zweite Buch ist ihm wohl
zuzuschreiben, obwohl es manchmal als das Werk von
Tyndales Genossen Friar Roy angenommen wurde. —
Smith Schlüsse werfen viel Licht auf das dunkle letzte
Viertel von Tyndales Leben, nämlich die Zeit, die er
in Deutschland zubrachte. Es ist dann klar, daß er
Teile der Jahre 1528, 1529 zu Köln in tiefes Studium
der lutherischen Werke versenkt war. Smith hat-sich
durch ein genaues Studium der allerdings nicht reich
fließenden Quellen von Tyndales Leben überzeugt, daß
die oft wiederholte Konstatierung, daß Tyndale jemals
zu Wittenberg oder zu Marburg in Hessen geweilt hat,
auf einem Irrtum beruht *M.
Bücherrangierung an Bibliotheken . An vielen
Bibliotheken liegen heute Bücher begraben, die an
anderen entbehrt werden oder doch wenigstens ge¬
braucht werden könnten. Meines Erachtens läge es im
Interesse des Bildungswesens, wenn die Bibliotheken
das starre Eigentumsprinzip aufgeben und diese Bücher
unter sich an die richtige Stelle'rangieren würden. Der
Preis könnte abgeschätzt, Preisdifferenz und Unkosten
könnten unter den Bibliotheken verrechnet werden.
Auch für Schenkungen kommt dieses Rangierver¬
fahren in Betracht. Meines Erachtens sollte bei diesen
jede Bibliothek nicht bloß das, was sie gebrauchen
kann, sondern alles, was irgendeine am Rangierverkehr
beteiligte Bibliothek gebrauchen könnte, annehmen
und an die richtige Stelle befördern. Die Unkosten
könnten entsprechend verrechnet werden.
Die Bekanntmachung der Rangierbestände könnte
in den Fachzeitschriften erfolgen. G. Heye (Erfurt).
IÖI
Bei der Tagung des Deutschen Werkbundes in
Wien im Juni dieses Jahres überreichte die Offizin
W. Drugulin in Leipzig den Teilnehmern einen Privat¬
druck, betitelt „Die drei Ausdrucksformen der deutschen
Schrift: Textur — Schwabacher — Fraktur“. Der Ver¬
fasser F. H. Ehmcke gibt darin, unterstützt von zahl¬
reichen instruktiven Beispielen, eine Geschichte der
Fraktur, die mit den merovingischen Königsurkunden
einsetzt und bis zu dem neuesten Versuch, der neuen,
für Drugulin geschaffenen Ehmcke-Fraktur reicht. Es
versteht sich von selbst, daß das lehrreiche Büchlein
in dieser malerischen und doch gut lesbaren Schrift
gesetzt ist.
The DüsseldorfArtisis Album: ein Unikum? Unter
dieser Überschrift hat Herr Stadtbibliothekar Dr.
Constantin Nörrenberg in Düsseldorf in dieser Zeit¬
schrift (N. F. II S. 371/2) über eine englische Variante
des Düsseldorfer Künstler-Albums berichtet, die tat¬
sächlich von außergewöhnlicher Seltenheit sein muß.
Interessierte Kreise werden sich über die Nachricht
freuen, daß ich aus dem Nachlaß FerdinandFreiligraths t
der von den Erben lediglich aus materiellen Gründen
nach New York zur Versteigerung geschickt wurde,
ein Exemplar dieses Albums erworben habe, das nun
wahrscheinlich auch den Anspruch eines Unikums
erhebt. Obwohl es sich nämlich um dieselbe Publi¬
kation handelt, sind doch Abweichungen zu konsta¬
tieren. Ich gebe eine genaue Kollation meines Exem-
plares:
Umschlagtitel, in Rot, Grün und Gold gedruckt)
1854
Düsseldorfs Artists-Album
Poesie
London
Trübner & Co. 12 Patemoster-row.
ln der Pariser Nationalbibliothek wurde eine
Rousseau-Ausstellung eröffnet, die an die 200jährige
Wiederkehr des Tages der Geburt des berühmten
französischen Schriftstellers erinnern soll. Jean-Jacques
Rousseau ist bekanntlich am 28. Juni 1712 geboren.
Die Ausstellung dauert sechs Wochen und kann alle
Montage und Donnerstage von zehn bis vier Uhr besucht
werden. Sie umfaßt alle bibliographischen Schätze,
die die Nationalbibliothek von Rousseau besitzt, Original¬
ausgaben seiner Werke, Manuskripte, Musikstücke, die
er komponierte, sowie eine Anzahl Porträts und Zeich¬
nungen, die ihn darstellen. Unter den wertvollen
Büchern sind besonders zu nennen eine Ausgabe des
„Discours sur les Sciences et les arts", der im Jahre
1750 von der Akademie in Dijon preisgekrönt wurde;
ferner der „Nouveau Didale t% % das erste Werk Rousseaus,
erschienen im Jahre 1742. Von dem ersterwähnten
„Discours“ ist auch das Manuskript ausgestellt, das
die Nationalbibliothek besitzt Von den Musikwerken
Rousseaus ist das Manuskript von „ Daphnis et Chlof*
eins der interessantesten. Erwähnt sei schließlich ein
schönes Exemplar des „ Devin de village“, das der
Königin Marie-Antoinette gehörte und deren Wappen
trägt _
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1Ö2
Kleine Mitteilungen
Es folgt ein von Nörrenberg nicht erwähntes leeres
Blatt, das unbedingt zum Exemplar gehört und jeden¬
falls im Düsseldorfer Exemplar nicht vorhanden ist
Sodann ein weisses Titelblatt
The Düsseldorf Artists Album
Edited & Translated By
Mrs. Mary Howitt, With Original
Contributions by Various English Poets
Düsseldorf Amz & Comp. 1854.
Man vergleiche diesen weißen Titel mit dem von
Nörrenberg am angeführten Orte beschriebenen des
Düsseldorfer Exemplares und man wird folgende Un¬
terschiede finden. Es fehlt dort das „Mrs.“, ferner ist
beim Düsseldorfer Exemplare das Wort „and“ vor¬
handen, bei meinem durch Zeichen markiert. Sodann
ist in meinem Exemplar der Name des tatsächlichen
Verlegers angegeben. Der dritte, bunte Titel meines
Exemplars lautet.
Düsseldorf Artists Album.
Ganz unten in kleiner Schrift steht C. Scheuren fec.
und darunter
Litt. Inst, von Amz & Co. Düsseldorf.
Auch in meinem Exemplare tragen vier Blätter
links unten den Vermerk Mouilleron lith. und rechts
Imp. Lemercier Paris. Auch trägt die letzte Seite den
Druckvermerk. Es folgt dann wieder ein von Nörren¬
berg nicht erwähntes Blatt. In meinem Exemplar
sind auch die Tafeln auf stärkerem Papier gedruckt.
Vom Düsseldorfer Exemplar liegt darüber keine Notiz
vor. Auch ist mein Exemplar fest geheftet und nicht
lose eingelegt, doch befindet es sich unter allen Um¬
ständen im Originalzustande, ist wolil kaum je gelesen
und ist, von einzelnen Stockflecken abgesehen, schön
zu nennen, die Lithographien in scharfen Abdrücken,
speziell das Richtersche Blatt.
Es würde nun zu ermitteln sein: Woher stammt
diese Seltenheit und wie kommt es, daß, nachdem
nun endlich zwei Exemplare aufgetrieben sind, diese
ebenfalls noch voneinander ab weichen. Ich glaube, die
Antwort ist nicht schwer. Amz & Co. genossen ihrer
Zeit einen bedeutenden Ruf und es ist zu erwarten,
daß sie auch bestrebt gewesen sind, sich größere Ab¬
satzgebiete zu verschaffen. Mary Howitt, eine damals
vielgelesene Dichterin, welche sich lange in Deutsch¬
land aufgehalten hat, wird die Düsseldorfer Albums
wohl gesehen und dabei den Plan gefaßt haben, für
England eine solche Publikation zu schaffen. Amz &
Co. werden dazu bereit gewesen sein und haben,
während der dritte Jahrgang des deutschen Albums
erschien, an einer englischen Ausgabe gearbeitet.
Während der Drucklegung sind voraussichtlich Schwie¬
rigkeiten entstanden, auch wohl Ratschläge erteilt
worden (darauf lassen die verschiedenen Titel und
die Angabe der Impr. Paris auf vier Platten schließen).
Man hat infolgedessen nur wenige Probeexemplare her-
steilen und diese der Herausgeberin und einzelnen
Autoren zugehen lassen, zwecks Gutachten; das Werk
auch wohl angekündigt, aber bald gemerkt, daß es
kein Erfolg sein würde. So ungefähr denke ich mir
den Hergang. Freiligrath war mit Howitts sehr intim
befreundet, beide sandten ihm stets Exemplare ihrer
Werke. Mary Howitts hat es also wohl auch in diesem
Falle getan, und so ist das Exemplar erhalten geblieben.
Daß die Publikation jemals in den Handel gekommen
ist, halte ich für ganz ausgeschlossen, sonst hätte sich
auch in der zeitgenössischen Buchhändler-Fachliteratur
etwas darüber nachweisen lassen. Arnz & Co. haben
später resolut die Impr. auf den vier Blättern weg¬
radiert und die deutsche Ausgabe veranstaltet — Mein
Exemplar steht zum Verkauf.
New York City Chas. Fred Heartmann.
14 7 East 22. Street
Buchdruckausstellung in London. Zur Zeit findet
in London in der „Central School of Art and Crafts“
in Southampton Row eine Ausstellung statt, welche
gemäß dem „Athenaeum 1 * einen vollständigen Erfolg
eines der interessantesten Experimente im Gebiet der
technischen Erziehung unserer Zeit bezeugt. Der Lon¬
doner Grafschaftsrat hat schon seit mehreren Jahren
Kunst-Handwerkschulen für Tischlerei, Silberarbeit,
Buchproduktion errichtet und hat jetzt, um den Handel
zu interessieren und dem Publikum die Resultate der
Erziehungsarbeit vorzulegen, eine Ausstellung der in
diesen Schulen ausgeführten Bücherherstellung gemacht.
Ausgestellt sind hauptsächlich Arbeiten von Abend-
schülem im Drucken, Buchstabenzeichnen, Kalligraphie,
Illustrationszeichnen und Buchbinderei; dazu kömmt
eine kleine Sammlung von Beispielen besten Kunst¬
drucks, um als Kriterium und als Modell zu dienen. Typo¬
graphie und Druckerei-Handwerk werden in verschie¬
denen Schulen gelehrt; ebenso die Buchbinderei. Für
Photogravüre und Lithographie ist eine eigene Schule
vorhanden. Das „Athenaeum (< gesteht zu, daß diese
Ausstellung durch das hohe Niveau der vorgelegten
Arbeiten Erstaunen erregt Was Zeichnung und Aus¬
führung betrifft, erreichen die Schulen die Arbeit der
besten englischen Drucker und einige sind vollendete
Beispiele reiner Typographie, während die mehr ge¬
künstelten Drucke nicht so befriedigend ausgefallen
sind. Ganz vorzüglich sind dagegen wieder die vor¬
liegenden Reproduktionen: Halbton, Lithographie, Kollo¬
typ usw. Die Buchbindereiklassen haben bereits ihren
Einfluß auf den Londoner Handel ausgeübt. Die vor¬
gelegten Beispiele entsprechen den höchsten Anfor¬
derungen, wenn man sich erinnert, daß ganz junge Ar¬
beiter sie gefertigt haben und noch dazu unter teilweise
ungünstigen Umständen. Sie mögen allerdings etwas
stark mit Ornament überladen sein und es wäre viel¬
leicht besser, die schönen Eigenschaften der Leder¬
fläche selbst wirken zu lassen, als sie zu sehr mit Gold
zu bedecken.
Obwohl London das Verdienst gebührt, daß die
Buchdruckkunst in der Neuzeit als wirkliche Kunst
wieder aufgelebt ist, scheinen doch die Schriftgießereien
als solche davon nicht viel profitiert zu haben. Um
Schriftguß und Typen zu studieren, muß man nach
Deutschland gehen. Eine der ersten Schülerinnen der
englischen „Central School of Arts and Crafts“ im
Lettemzeichnen war Fräulein Anna Simons, die nachher
in Deutschland als Lehrerin angestellt worden ist, um
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Liter»tur und Justiz.
163
die englischen Methoden dort zu lehren. Als ein Re¬
sultat dieser Schulung ist zu betrachten, daß eine ganze
Anzahl deutscher Typengießereien neue Lettern, nach
englischen Prinzipien gezeichnet, bestellten und damit
so erfolgreich waren, daß eine der ältesten englischen
Typengießereien die Vertretung dieser deutschen Fabri¬
kate übernommen hat
Die Schule für Bücherproduktion ist ein Versuch,
das Problem der Vereinigung des Lehrlingsystems mit
dem Prinzip der technischen Erziehung zu fördern.
Knaben werden im Alter von 13 Jahren vor Vollendung
der Elementarschulen als Stipendiaten des Grafschafts¬
rats aufgenommen. Im ersten Jahr muß sich der Schüler
zwei Drittel seiner Zeit den üblichen Schulzwecken
widmen, ein Drittel bleibt für die technische Arbeit
übrig. Er hat sich dann zu entscheiden, ob er sich der
Buchdruckkunst oder der Buchbinderei widmet und
wird provisorisch als Lehrling angenommen. Im zwei¬
ten Jahre bleibt für die übrigen Schulzwecke die Hälfte
der Zeit, im dritten Jahre sind der technischen Er¬
ziehung zwei Drittel der Zeit zugewiesen. Nach drei
Jahren wird der Schüler Gehilfe seines Meisters. Auf
diese Weise soll die in den Elementarschulen gegebene
Erziehung ergänzt und nützlich gemacht werden, um
Knaben und Mädchen zu einer selbständigen Tätigkeit
heranzuziehen. -M.
Literatur
Im Laufe der letzten Wochen wurden folgende
Beschlagnahmen verfügt, beziehungsweise durch ge-
richtÜches Urteü bestätigt:
Vier Bändchen japanischer Erotik;
15 Zeichnungen von Aubrey Beardsley, Fdlicien Rops,
Constantin Somoff, Emil Pretorius , H. Theophilak -
toff, Marcus Behmer ;
Pietro Aretino, Die wollüstigen Sonnette. Deutsch
von Dr. H. von Semmering , Berlin 1907;
Giulio Romano , Zeichnungen zu den wollüstigen Son-
netten des Pietro Aretino, Privatdruck der Ver¬
einigung deutscher und österreichischer Bibliophilen;
Fleurettens Purpurschnecke, Erotische Lieder und Ge¬
dichte aus dem XVIII. Jahrhundert. Gesammelt
und herausgegeben von Franziskus Amadeus
M. A. Er. mit Zeichnungen von Franz Bayros.
Paphos im Jahre der Cythere 5091, Privatdruck
des Verlegers C. W. Stern, Wien;
Die Hetärengespräche des Lucian. Deutsch von Frans
Bleu Mit 15 Bildern von Gustav Klimt. Verlegt
von Julius Zeitler, Leipzig 1907;
Sechs Ansichtskarten, darstellend Maler und Modell.
(Entkleidungsszenen). Verlagszeichen A. C. und C.,
Paris;
Ein Blatt Miniaturen: Pöre, M£re et Fillette;
Tutti-frutti für Liebhaber von saftigem Obst Rom
und Paris. Gedruckt auf Kosten guter Freunde;
Das Lustwäldchen, galante Gedichte aus der deutschen
Barockzeit, gesammelt und herausgegeben von
Frans Blei, Verlag Neues Leben Wilhelm Bom-
gräber, Berlin W 30, Goltzstraße 7 (vergleiche unten
Seite 164 f.);
Jean qui Rit, Nr. 587;
Die Schönheit der Frauen. Herausgegeben von Paul
Hirtk und Josef Kirchner. Mit Kunststudien von
Otto Schmidt, E. Schneider und anderen. Berlin,
Hermann Schmidts Verlag. Neue Folge. Liefe¬
rung 1 und 2;
Victor Margueritte, Die Prostituierten. Verlag G. Grimm,
Budapest;
Marquis de Sade, Die Geschichte der Juliette oder
die Vorteile des Lasters, und die Geschichte der
Justine oder die Nachteile der Tugend. Aus dem
Französischen zum ersten Male ins Deutsche über¬
tragen von Dr. Martin Isenbiel, 1906, Privatdruck;
Z. f. B. 1912/1913.
und Justiz.
Raph. Eugen Kirchner , Der moderne Don Juan.
Über die Kunst, zu verführen. Leipzig, Maximilian
Wendeis Verlag.
Gabriele Brenner, Das Liebesieben des Francesco del
Nero, Prag, Hynek;
R. Bröhmek, Fräulein Lehrerin; — Fräulein Ober¬
lehrerin; — Fräulein Direktor; — Den Fuß im
Nacken; — Herrin und Sklave; — Qualvolle Stun¬
den; — Der Sklave der schönen Despotin; — In
Leibeigenschaft; — Gefährliche Buße; — Dämone,
sämtlich Leipzig, Leipziger Verlag;
Marion Deforme, Allerlei Fetische. Leipzig, Leipziger
Verlag.
Dolorosa , Tagebuch einer Erzieherin; — Korsett¬
geschichten, beide Leipzig, Leipziger Verlag;
D. Hansen, Stock und Peitsche. Leipzig, Leipziger
Verlag;
Roderich Hers , In Sklavenketten. Leipzig, Leipziger
Verlag;
Hermann Eduard Jahn , Zur Naturgeschichte des
Weibes. Budapest, G. Grimm;
Adolph Kohut, Die Überweiber aller Zeiten. Buda¬
pest, G. Grimm; nur die Büder mit Ausnahme deren
von Blatt 57, 73, 81, 85, 93;
Pierre Louys , Aphrodite. Moeurs antiques. Paris,
Librairie Borei;
Klara M. % Das Tagebuch einer Masseuse, Budapest,
G. Grimm;
Morlüre , Angola, Deutsch von G. von JoanellL Prag,
Hynek;
E. Neumann, John Bull beim Erziehen; — dasselbe.
Neue Folge Bd. I—IV; —Amerika beim Erziehen,
sämtlich Leipzig, Leipziger Verlag;
M. Sadow , Die Prügelzucht in der Türkei und im
Orient; — Das prügelnde Rußland, beide Leip¬
zig, Leipziger Verlag;
,H. Gaultier de Saint-Amand, Les Droits du seigneur.
Paris, Librairie du Temple;
Karl Felix von Schlichtegroll , Die Venuspeitsche.
Novellen. Erster Band: Die Hexe von Klewan.
Leipzig, Leipziger Verlag;
22
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164
Literatur und Justiz — Anzeigen
William Taylor , Als Quarterone verkauft; — Unter
der Peitsche Donna lsabellas; — Am Abgründe der
Schande; — Sklavenliebe; — Im Hause des
Sklavenhalters; — Unter Maronnegern; — Das Tage¬
buch des Sklavenhalters; — Die Sklavinnen der
Indianerin; — In der Schule der Demut. Sämtlich
Leipzig. Leipziger Verlag;
Walter M. Greifenhagen, Das Menschensystem oder
das Geschlechtsleben in seinem ganzen Umfange.
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Mit einer Arbeit über den Stecher
Das Schauspiel „ Heimat ‘ von Sudermann , das in
japanischer Übersetzung in Tokio gegeben wurde, ist
von der Theaterzensur daselbst verboten worden, weil
das Stück geeignet sei, die Jugend gegen das Alter
aufzuhetzen.
Die Beschlagnahme der Bücher „Das Paradies
der Liebe und Ehe“ von A. Moloch und „Das
Menschensystem. Das Liebes- und Geschlechtsleben
in seinem ganzen Umfange“ von Dr. Paul Artus,
wurde vom Landgericht I in Berlin aufgehoben.
Das Handwerkszeug des Schriftstellers. — Einem
Berliner Schriftsteller war kürzlich ein Teil seiner
Bibliothek gepfändet worden. Der „Schutzverband
deutscher Schriftsteller“ erklärte, daß jeder Versuch,
einem Schriftsteller Bücher zu enteignen, den Berufs¬
und Standesinteressen sowie dem sozialen Gefühl
widerspreche, und protestierte deshalb gegen solches
Vorgehen. Das Königliche Amtsgericht Charlotten¬
burg, Abt. 44, ist in seinem Urteil vom 25. April 1912
allerdings anderer Meinung. Es billigt dem Schrift¬
steller den Schutz seines Handwerkszeuges (nach
$ 811.5 ZPO.) nicht zu, „da das Gesetz unter den
sonstigen persönlichen Leistungen nur die der Hand¬
arbeit nahestehende Erwerbstätigkeit versteht". „Des
weiteren“, erklärt die Begründung, „fehlt die Voraus¬
setzung der Unentbehrlichkeit zur persönlichen Fort¬
setzung der Erwerbstätigkeit. Wohl mag die Bücherei
einem Schriftseller zu seiner geistigen Anregung dien¬
lich sein, keineswegs ist sie ihm jedoch unentbehrlich,
da die Tätigkeit des Schriftstellers im wesentlichen
auf einem geistigen Gebiete liegt und schöpferisch
aus sich heraus gestaltet“
HEINRICH SINTZENICH
(Mannheim 1752, München 1812)
beschäftigt, würde ich über Angaben unbekannterer
Literatur sowie für leihweise Überlassung von Ra¬
dierungen und Stichen sehr verbunden sein. Referenz:
Dresdner Bank, Berlin, Depositenkasse A, Französi-
schestraße, wo für jedes geliehene Stück auf Wunsch
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Um die im Verlag von Borngräber erschienene
Sammlung „Das Lusiwäldchen“ von Franz Blei geht
schon lange der Kampf zwischen Staatsanwalt und
Verleger. Wie noch erinnerlich sein dürfte, wurde
die vom Staatsanwalt angeordnete Konfiskation des
Buches von der Strafkammer wieder aufgehoben,
nachdem die damals gehörten Sachverständigen ein¬
stimmig sich dahin geäußert, daß von einem unsitt¬
lichen Charakter des Buches keine Rede sein könne.
Darauf inserierte der Verleger das Werk im Buch¬
händlerbörsenblatt, und nun erhob der Staatsanwalt
abermals Anklage. Die Strafkammer des Land¬
gerichts I Berlin beschäftigte sich am 7. Juni volle
neun Stunden mit der hochnotpeinlichen Affäre. Auch
jetzt bekundeten Sachverständige, wie Julius Hart,
KATALOG 26
ist erschienen
Deutsche Literatur und Über¬
setzungen,
darunter viele Erst-Ausgaben, Alma-
nache, Kalender — Geographie, Reisen.
WALTER ALLSTAEDT
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Hanns Heina Ewers und Professor v. Soden, daß von
Unsittlichkeit keine Rede sein könne. Nur ein Sach¬
verständiger, von dem man es allerdings am aller¬
wenigsten erwartet hätte, Professor Dr. Roethe, be¬
hauptete, daß das Buch durchaus unsittlich sei. Dar¬
auf sprach das Gericht die Konfiskation aus. Der
Verleger wird gegen das Urteil Revision einlegen.
In London gehen die Behörden mit aller Strenge
gegen die Verbreiter pornographischer Schriften und
Bilder vor. Am n. Juni wurden vor dem Londoner
Gerichtshof zwei Personen abgeurteilt, die angeklagt
waren, auf der Straße unsittliche Ansichtskarten ver¬
kauft zu haben. Beide wurden zu der ungewöhnlichen
Strafe von 25 Peitschenhieben und neun Monaten
Zwangsarbeit verurteilt. Der Richter Lawrie bedauerte
bei der Verkündung des Urteils, daß er die Ange¬
klagten nicht noch härter bestrafen könnte.
Nach dreitägiger Verhandlung wurde am 31. Mai
abends der Prozeß gegen den Wiener Buchhändler
Carl Wilhelm Stern wegen Verbreitung pornogra¬
phischer Druckschriften zu Ende geführt Den Ge¬
schworenen wurden zwei Schuldfragen vorgelegt Die
erste Frage ging dahin, ob Carl Wilhelm Stern durch
den Vertrieb von elf in der Anklage namentlich an¬
geführten Werken die Sittlichkeit und Schamhaftigkeit
auf gröbliche Art verletzt und dadurch das Vergehen
gegen die öffentliche Sittlichkeit begangen habe. Die
zweite Frage lautete auf unbefugte Verbreitung eines
verbotenen Buches: „Memoiren einer Sängerin". Die
Geschworenen beantworteten die erste Schuldfrage
mit sieben Stimmen Ja gegen fünf Stimmen Nein, die
zweite Schuldfrage mit acht Summen Ja und vier
Sdmmen Nein. Auf Grund dieses Verdikts wurde
Carl Wilhelm Stern von der Anklage wegen Vergehens
gegen die öffentliche Sittlichkeit freigesprochen, da¬
gegen wegen Übertretung des § 24 des Preßgesetzes
zu einer Geldstrafe im Betrage von 100 Kronen,
eventuell zehn Tagen Arrests, verurteilt.
( Österr .- Ungar. Buchhändler - Correspondens).
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jedoch infolge der fesselnden Art, in der der Verfasser sein Ihema zu behandeln weiß, und infolge der
glänzenden Ausstattung mit Abbildungen, die die Verlagsbuchhandlung dem Buche hat zuteil werden
lassen, auch das Interesse des Astronomen und Meteorologen in ungewöhnlichem Maße. . . . Ref.
möchte erwähnen, daß die Darstellung äußerst anregend ist; der Leser gewinnt ein anschauliches Bild
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Herausgegeben von Prof. Dr. Georg Witkowski, Leipzig-Gohlis, Ehrensteins tr. 20, Manuskripte an diesen erbeten.
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Inseratbedingungen:
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Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespalt. Petitzeile 50 Pf., für Mitglieder der Gesellschaft der
Bibliophilen 30 Pf. — Beilagegebühr 25 Mark. — Insertionsschluß für Heft 7 am 16. September.
Pariser Brief.
Was Emile Pelletan , der kürzlich verstorbene Ver¬
leger für die Bücherfreunde geschaffen hat, ist Ken¬
nern wohlbekannt und auch von deutschen Sammlern
geschätzt. Sein Werk bedeutet einen Markstein in
der Geschichte der Buchkunst und für Frankreich —
nach den langen Jahren buchkünstlerischer Öde — den
Anfang neuen verdienstvollen Schaffens. Pelletans
Auftreten mußte ruskinartig, gesetzgeberisch sein. Er
hatte sich als Künstler — er war nicht zünftig im
Buchgewerbe; kam aus dem Ministerium des Innern,
als er seine idealen Pläne zu verwirklichen unternahm
—, als Liebhaber eigene ästhetische Gesetze des luxu¬
riösen Buches zurechtgelegt, die er in einem Pro¬
gramm „Le Livre" (1896) zur Diskussion stellte. Darin
bekannte er sich zu dem Axiom: ein Buch sei vor
allem ein Text; das verdiente jenen Prachtwerken
gegenüber in Erinnerung gerufen zu werden, die nichts
als zufällige Bildersammlungen waren und um der
Bilder willen geblättert wurden. Dem Text sollte die
illustrative Ausstattung durchaus untergeordnet wer¬
den; Pelletan wollte sich wieder mit dem typographi¬
schen Charakter befassen, im Sinne der alten Druck¬
meister, mit der Schwarzweißwirkung des Satzspiegels.
Allein er ging gleich einen Schritt weiter als diese mit
seiner Idee den Text durch die typographische und
bildliche Ausstattung zu „exteriorisieren", wie er es
nannte. Ein Beispiel: Pelletan edierte die Erzählung
von Anatole France „Le Procurateur de Judee". Der
„Catalogue general annot^" der Pelletanschen Aus¬
gaben (1908), eingeleitet von Cldment-Janin, ein biblio¬
graphisch wertvolles Büchlein, dessen Beachtung wir
Bücherfreunden angelegentlichst empfehlen, gibt über
das Räsonnement der Ausstattung folgendermaßen
Auskunft:
Der Text des „Procurateur" ist trotz seiner
geringen Ausdehnung ein „großer Text", denn es sind
zwei Menschlichkeitstypen darin gezeichnet — Pontius
Pilatus, der trotz seiner Beamtenintelligenz von der
Bedeutung der ihn umgebenden Dinge keine Ahnung
Z. f. B. 1912/1913.
hat, und sein Gegenspieler Oelius Lamia, ein Skep¬
tiker, mit Sinn fürs Relative (beiläufig jene Figur, die
wir in den meisten Romanen Anatole Ffances antreffen,
als Silvestre Bonnard, als Dr. Socrate —-). Um diesen
Text in seiner Größe zu exteriorisieren, war ein im¬
posantes Format und eine entsprechende Type zu
wählen; um den Charakter als römische Erzählung
wiederzugeben, mußte man auch in der Aufmachung
„auf römisch" kommen.
„Der ersten dieser Bedingungen glaubten wir zu
genügen, indem wir die corps XIV Grandjean der
Imprimerie Nationale und ein Format in 4 0 anwandten;
der andere führte uns beim Abgleichen von Satz¬
spiegel und Illustrationen auf solide geschlossene
Form; wir wollten jenen kubischen blockigen Ein¬
druck anstreben, den wir in römischen Bauwerken
bewundern," Aus der Erzählung selbst ergibt sich
die Teilung in zwei Hauptabschnitte: Die Begegnung
von Pilatus und Lamia in Bajä, einem lateinischen,
und die Ereignisse in Judäa, einem hebräischen. Diese
Einteilung soll auch durch die Illustration zum Aus¬
druck gebracht werden.
„Um die Teilung, der Verschiedenheit des Ortes,
den zwiefachen Charakter. die dekorativen Elemente
hervorzuheben, beginnt jeder Abschnitt mit einem
Medaillon, das den Kaisern gewidmet ist, unter deren
Herrschaft sich die Handlung abspielt: Tiberius in
einem römischen, und Caius in einem hebräischen
Dekor." — Der Farbigkeit der Länder Italien und
Judäa ist durch bunte Holzschnitte Rechnung getragen.
„Funerailles d’Emile Zola", die Rede, die Anatole
France zum Gedächtnis des Dichters sprach, war
weniger eine Grabrede, als eine Apologie und diesen
apologetischen Charakter war Pelletan bemüht,
dem starken und gerechten Wort auch in der äuße¬
ren Form des Buches zu erhalten. „Deshalb haben
wir uns nicht gescheut", schreibt er, „die rote Farbe
für Buchstaben zu verwenden, rot als Symbol einer
Macht, die den Tod überdauert — —"
24
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CORNELL UNÜVERSrr/
174
Pariser Brief
Trotz dieser für eine gesunde Entwicklung der
Buchkunst gefährlichen Logik, die moderne deutsche
Buchkünstler vielleicht mit Achselzucken vernehmen,
weil sie an den „Buchschmuck“ unseligen Andenkens
erinnert, trotzdem sind Prachtwerke im guten Sinn
des Wortes aus Pelletans Atelier hervorgegangen.
Denn Pelletan hat den Komplex an Problemen, die
ihm jedes Werk in der geschilderten Art stellte, mit
künstlerischer Kraft und handwerklicher Gewissen¬
haftigkeit bewältigt und im übrigen seiner Verleger¬
tätigkeit den Grundsatz vorgeschrieben: Wahrer Luxus
eines Buches besteht in der Superiorität des Autors,
der Schönheit der Bilder, der Anpassung der Typo¬
graphie, Sorgfalt des Druckes, Qualität des Papiers
und in der beschränkten Zahl der Exemplare.
Solche Grundsätze können nur für eine Tätigkeit
im Dienst zahlungskräftiger Liebhaberei gelten. Pelle¬
tan hat wohl auch Bücher herausgegeben, denen ein
weiterer Kreis der Verbreitung zugedacht ist, so die
Sammlung „Ardstes et Penscurs“ zu 5 Fr. der Band,
die auch Romain Rollands Beethovenbiographie ent¬
hält. Seine Haupttädgkeit und -Sorge aber galt der
Herstellung ganz kostbarer Buchindividualitäten von
einem Luxus, wie man ihn in Deutschland kaum ge¬
wohnt ist. Auch hierfür sei ein Beispiel angeführt:
„L’affaire Crainquebille'* mit den Bildern von Steinlen
wurde in 4 0 und in 8° jösus, rot und schwarz auf der
Handpresse gedruckt, in einer Auflage von 400 nu¬
merierten Exemplaren hergestellt Davon wurden ab¬
gezogen a) in Quarto: Ein Exemplar — Nr. 1 — auf
Whatmanpapier, das alle Originalzeichnungen und eine
doppelte Folge der Künstlerabziige auf Japan und auf
China enthält. — Ein zweites Exemplar auf Whatman
— Nr. 2 — mit einer Originalzeichnung auf jedem
„faux-titre“ — eine alte französische Bibliophilensitte
— nebst der doppelten Folge der Probedrucke wie
Nr. 1. (Diese beiden Nummern haben keinen be-
sdmmten Verkaufspreis.) — 25 Exemplare — von
3 bis 27 — auf Altjapan oder Völin, ein Original¬
aquarell von Steinlen enthaltend nebst der Folge von
signierten Künstlerabzügen auf Chinapapier zum Preise
von 600 Fr. — b) in Oktavo: 30 Exemplare — von
28 bis 57 — auf China zu 300 Fr. 343 Exemplare —
von 58 bis 400 — auf Velin aus der Papierfabrik
Marais mit dem Wasserzeichen Krqpa Eq a€t (der
Verlagsdevise), zu 100 Fr.
Einem reichen Bücherfreund — Ad. Bordes — in
Freundschaft verbunden, der für seine Pläne offene
Hand hatte, brauchte sich Pelletan nicht zu scheuen,
alle diese kostspieligen alten Traditionen des Details
wieder auf leben zu lassen: variierte Auflage, Initialen,
Fleurons, farbige Kapitel und Ornamente, die den
Titel zur Fassade, zur kostbaren Eingangspforte des
Buches gestalten. Es mag als selbstverständlich
erscheinen, daß er wieder auf die der Typographie
am besten entsprechende Technik des Holzschnitts
geführt wurde, und mechanische Vervielfältigung, wie
es sich für vornehme Bücher auch geziemt, konse¬
quent verschmähend, die Originale von Steinlen, Gras¬
set, Vierge, Leroux, Willette und andern durch seine
Graveure Frederic und Emest Florian, Bellenger,
Tinayre, der beiden Froment, Dunki, Deloche, Bellery-
Ddsfontaines, Perrichon, Vibert, Aubert, Colin stechen
ließ. Bei der Edition Daniel Vierge des „Pablo de
Segovie“, soweit wir überblicken, dem einzigen Werk,
wo ein künstlicher Prozeß in Anwendung kam —
hat, der Zeichner die Heliogravüren eigenhändig
retuschiert.
In den sechzehn Jahren seiner Arbeit hat Pelle¬
tan etwa sechzig Werke fertiggestellt, von denen wir
hauptsächlich nennen: Die Balladen von F. Villon
(Gerardin); „Theokrits Oaristys“ (Bellenger) und „Syra-
cusaincs“ (Marcel Pillo); „Les Aventures du deraier
Abencerage“ von Chateaubriand (Vierge): „Servitude
et Grandeur Militaires“ von A. de Vigny (Dunki);
„PrRre sur l’Acropole“ von Renan (B.-Desfontaines);
Beaumarchais* „Barbier de Seville“ (Vierge); „Le Roi
des Aulnes“, deutsch und französich, mit Schuberts
Musik; „La chanson des Gueux au Palais“ von
A. Christian (Steinlen), nicht im Handel; „Les Phi¬
lippe“ von Jules Renard (Paul Colin); Molieres „Mi-
santhrope“ (Jeanniot), „Sur une Urne Gröque“ von
Keats, englisch und französisch (B.-Desfontaines); dann
die Werke des Anatole France, derenthalben heute
der Spaziergänger auf dem Boulevard St Germain vor
Pelletans Fenster stehen bleibt „L’affaire Crainque¬
bille“ mit 63 Kompositionen Steinlens; „le Procurateur
de Judee" (Grasset); „la Rotisserie de la Reine Pedau-
que“ (Leroux) und das letzte Werk, dessen sich Pelle¬
tan noch in seiner letzten Krankheit leidenschaftlich
annahm: „Les Travaux et les jours“ nach Hesiod,
verbunden mit „La Terre et l’homme“ von Anatole
France.
Die Festlichkeiten der zweiten Jahrhundertfeier
von Jean-Jacques Rousseaus Geburt begannen am
24. Juni in Ermenonvile, wo der Bürger Genfs im
Sommer 1778 beim Marquis de Girardin Gastfreund¬
schaft fand und nach kurzem Aufenhalt starb. Der
Denkmalsfeier im Dorf folgte ein ländliches Fest im Park
des Prinzen Radziwill, des heutigen Schloßherm und
Maires von Ermenonville, wobei Rousseaus Oper „Le
Devin du Village“ von Pariser Künstlern aufgeführt
wurde. Das offizielle Gedächtnis konzentrierte sich
auf die Zeremonie im Pantheon, zur Weihe des von
Bartholomd geschaffenen, pompösen Grabmals. Die¬
ses ist an einem der Vierungspfeiler errichtet worden.
Es besteht aus einer Grabplatte mit dem Medaillon¬
bildnis, die allegorischen Gestalten, Rousseaus Musen:
Philosophie, Wahrheit, Natur, Musik und Ruhm hul¬
digend umgeben. Bei Anwesenheit des Präsidenten
der Republik sprachen Painlevd im Namen des Fest¬
komitees, Staatsrat Henry Fazy für die Genfer Re¬
gierung und Berard für den Minister des Innern. An
den Vorabenden fanden Festversammlungen statt;
eine feierliche Ehrensitzung der akademischen Kreise
in der Sorbonne, unter der Leitung Jean Richepins,
wurde durch das bekannte lümmelhafte Gebaren der
Vertreter der „Action Frangaise“ in ihrer Feierlichkeit
beeinträchtigt. Eine Galaaufführung Rousseauscher
Dramatica im „Trocadero“ brachte neben der Wieder¬
holung der genannten Schäferidylle, die zuerst in
Fontainebleau 1752 vor dem König gespielt wurde.
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CORNELL UNIVERSUM
Pariser Brief
i7S
die lyrische Szene „Pygmalion“, Deklamationen, zeit¬
genössische Musik und zwei dramatisierte Lebens¬
episoden Rousseaus der dankbaren, vieltausend¬
köpfigen Volksversammlung zu Gehör. Die eine
dieser Komödien, „Les Charmittes“, von Ldon Larg-
nier, illustriert die Liebesgeschichte mit Mme. de War-
rens, die andere, „L’Homme de la Nature“ von Jules
Brincet behandelt eine Szene aus Jean-Jacques Leben
in Montmorency.
In der Nationalbibliothek ist eine Sammlung von
Rousseauporträten und Bildern die auf Leben und
Werke des Schriftstellers Bezug haben und der
Vereinigung der Originalausgaben seiner Schriften zu
sehn. Das Zentenarfeierkomitee ließ unter der Lei¬
tung P. P. Plans mehrere Nummern einer Festzeitung
erscheinen. Auch in den meisten Zeitschriften sind
Aufsätze zu lesen, die sich mit der künstlerischen
Tätigkeit Rousseaus befassen oder objektiv biographisch
einen Abschnitt seines Lebens erforschen oder den
tiefen Wurzeln seines Wesens aus philosophischer
Distanz nachspüren.
Kaum, daß sich ein einziger dieser Aufsätze zu
der bei Jubiläen sonst gewohnten, meist so frag¬
würdigen Nutzanwendung auf die Gegenwart versteigt,
die um ihretwillen oft die Gegenwart verleugnet Die
Gewohnheit Jubiläen an die Erfüllung astronomischer
Perioden, unabhängig von jenen unstät menschlicher
Entwicklung, zu knüpfen, läßt fatalerweise oft den
richtigen Moment verpassen. Es kann sich um wenige
Jahre handeln und zu spät sein, oder zu früh.
Diesmal ist’s um einige Jahre zu spät, die in
jungen Franzosen das naiv weltbürgerliche Revolutions¬
ideal getilgt und traditionenstolze Nationalisten ge¬
zeitigt haben. Solcher Geist der Zeit, auf Sammlung
der Kräfte gerichtet, allen destruktiven Tendenzen
abgeneigt — das schien man sich bei diesem Fest
still einzugestehn oder pöbelhaft zu demonstrieren —
verträgt sich nicht mit der Glorifizierung des Vaters
und Apostels aller Anarchismen. Wo man jene wie
tolle Hunde erschießt, die sich mit vollem Recht auf
ihn berufen, wenn sie die Gesellschaft ungerecht und
grundverdorben schmähn. Also argumentierte Mau¬
rice Barrfcs seinen Standpunkt, der als Deputierter in
der Kammer gegen die Kreditbewilligung zu Rousseau¬
festen auftrat.
Am ii. Juni starb der Lyriker Lion Dierx, Freund
und Kunstgenosse Mallarmes und Leconte de Lisle.
Er war, wie dieser, dem er besonders nahestand, auf
der Röunion geboren — 1838 — früh zu dauerndem
Aufenthalt nach Paris gekommen und veröffentlichte
schon zur Zeit des zweiten Kaiserreichs seine haupt¬
sächlichen Gedichtsammlungen („Aspirations poödques“
1858; „Pommes et Poösies“ 1864; „les lövres closes“
1867), von denen besonders die letzte zur Hoch¬
schätzung seiner Künstlerschaft veranlaßte; kaum
weitere Kreise, aber eine Elite, die seine hochgemute,
doch nicht pamassisch marmorkalte Poesie um so
lieber las, als sie sich von jener charakteristischen
Eigenschaft der damaligen französischen Lyrik ent¬
fernte. Später folgten noch „Les paroles du vaincu“
vom schrecklichen Kriegsjahr inspiriert und „les
amants" (1879); seither hat Dierx sein Schweigen
kaum je unterbrochen. Dennoch blieb er den Jungen
nicht vergessen; an Dierx erwies sich — im Gegen¬
satz etwa zum Ruhm eines Catulle Mendös — daß
echte Begabung auch bei einer kleinen Gemeinde
wohl aufgehoben ist. Daß er, ein Pamassier aus der
unmittelbaren Gefolgschaft Victor Hugos, nicht als
Fossil in die neue Zeit hineinragte, bewies die junge
Generation, als sie ihm 1898, nach dem Tode Mal-
larmös, zu ihrem „Prince des Portes“ erwählte.
Nun ist ihm in dieser Würde, die vor ihm Ver¬
laine und Mallarmö bekleidet haben, Paul Fort nach¬
gefolgt. Nicht Richepin, nicht Henri de Rögnier, auch
nicht Verhaeren, denn diese Würde ist inoffiziell, wie
die der Königin der Micareme, so daß viele Zelebri-
täten a priori ausgeschlossen sind. Bei Paul Fort aber
bedeutet die Akklamation nur eines heimlichen König¬
tums Bestätigung, dessen höfische Zeremonien ver¬
mutlich in Bulliers Tanzlokal stattfinden, dessen Reichs¬
rat sich Dienstag Abend in der Closerie des Lilas ver¬
sammelt Dort saß der schöne Poet mit Moröas zu¬
sammen, dort präsidiert er, in Rembrandthut und
schwarzseidener Halsbinde, die jungen Dichter des
Quartier ladn und die Maler des Montparnasse. Ge¬
rade in den Tagen des Triumphes konnte er einen
neuen Band seiner Verse erscheinen lassen. („Vivre
en Dieu“, E. Figuiöre, Collection de „Vers et Prose“,
ferner Verse, die er „Ballades Frangaises“ nennt; es
ist davon die vierzehnte Serie). Er ist auch kürzlich
in Deutschland durch die Übertragungen Erna Grau-
toffs (E. Diederichs) bekannt geworden. Paul Fort hat
die Eigentümlichkeit, Vers an Vers zu fügen, wie es bei
der Niederschrift von Gedichten im Mittelalter üblich
war. Doch diese Vershäuflein, die dem Auge zu nüchtern,
aphorismenhaft erscheinen, schwellen an zu panthei-
stischen Strophen, klingen zusammen zu hinreißenden
Gesängen, die ein echter Poet in beglückendem Erken¬
nen seiner Schöpfergabe, zum Lob seiner eigenen
Gottähnlichkeit anstimmt. Oder er dichtet den Früh¬
ling in der Fertö-Milon, Angelus-Motive, für die nur
das raffinierte Großstadtkind ein Sensorium besitzt,
mit tollen Literatenphantasien zusammen, mengt
Landschaftsbilder mit der Erinnerung an Racine, bizarr,
ironisch und träumerisch zugleich, etwas wie Feuille¬
tonismus, des Unterbewußtseins: Es ist eigentlich Prosa;
aber sublime Prosa in bezaubernd-rhythmischen Versen
vorgetragen. „L'aventure Etemelle“. Kindheits¬
erinnerungen, Erinnerungen an dichtende Freunde
(Moröas) Träume, Kinderängste, erstes Liebeserlebnis.
Paul Forts Sprache ist überaus klingend, man möchte
seine Gedichte singen. Doch nicht allein die Sprach-
gewalt zwingt uns in den Bann musikalischer Vor¬
stellungen, die ganze Art seines Fühlens, seines visio¬
nären Schaffens ist dem sublimen Ausdruck des „All
und Eins sein“, der Musik aufs innigste verwandt.
Darum beschränkt sich des neuen Prinzen Macht¬
bereich nicht, wie man aus der murgerhaften Tracht „d’un
Hamlet de dix-huit-cent-trente" etwa schließen könnte,
auf das Quartier latin, auch nicht auf Paris und die
Banlieu, die sich seinem Königtum nur mit vollem
Recht gebeugt haben. Paul Fort ist nicht etwa das
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CORNELL UNIVERSUM
176
Pariser Brief
Haupt irgendeiner montpamassischen Schule, son¬
dern ein echter Dichter, sein Reich ist Frankreich
und jene Tracht eine Maske, darunter seine Freunde,
den „d^mon familier“, den Pan der französischen
Erde erkennen. —
Das Gedächtnis eines andern, anders gerichteten,
doch auch echten poetischen Talents hält „Nouvelle
Revue Fran^aise“ fest, indem sie die Werke des kürz¬
lich ganz jung verstorbenen Henri Franck gesammelt
herausgibt: „La Danse devant l'arche“ emgeleitet von
der Komtesse de Noailles. Das große Gedicht,
dessen Titel der Band entlehnt, ist vom Lob des
Lebens, von Enthusiasmus für die Aktivität und In¬
telligenz erfüllt, obschon es in zwei Jahren ununter¬
brochener Krankheit geschaffen wurde. Franck ließ
die Frühreife des Genies erkennen, war Philosoph,
Schüler und Neffe Bergsons; ein starker jüdischer
Einschlag kommt zum Ausdruck. Die beigefügten
literarischen und philosophischen Essays überraschen
durch ihre Reife. — Im gleichen Verlag erschien sein
Volksstück „le Pain“ von Henri Ghöon, der mit Andrö
Gide Leiterder „Nouvelle Revue Frangaise“ und einer
der geachtetsten literarischen Kridker ist. — Von
Fernand Divoires sind neue „Poemes de TUrbs“,
„L'Amoureux“, in der „Belle Edition“ erschienen,
einem Unternehmen, das gute Buchausstattung auch
für das wohlfeile Buch anstrebt, und seinem preten-
tiösen Namen nicht gerade Schande macht — Von
den neuen Büchern der „Edirion du Temps prösent“
nennen wir die Romane „Choisir" von A. de Saint
Germain und „La Passion“ von Jean Löw, eine dich¬
terische Darstellung der Stationen des Kreuzwegs, und
die Poesien „L’humble retour“ von Pierre de la Ba*
tut, ,,Heures d’Itali^s (Charpentier) und „Autour des
lacs Italiens“ (Sansot) setzen die Reihe der Land¬
schaftsschilderungen fort, die wir Gabriel Faure ver¬
danken und wegen ihrer sympathischen Darstellung
schätzen. Lob genug, wenn wir gestehen,
an die Art Widmanns erinnert zu werden. — Wert¬
volle Beiträge zur Folklore Mittelfrankreichs bietet
ein Büchlein, das im Verlag „Cahiers du Centre“
erschienen ist. Francis Perot hat Legenden, Volks¬
erzählungen und Volkslieder seiner Heimat gesammelt.
Wie ja wohl auch einige deutsche, besonders Alpen¬
sagen an eine Absonderlichkeit der Natur anknüpfen,
so finden wir in diesen französischen fast immer die
phantastische, meist etwa billige Erklärung von selt¬
samen Bergformen, „Hexensteinen“ usw. Besonderes
Interesse verdienen die „Chansons“ und „Noeis“, denen
einige Notenbeispiele beigegeben sind.
Aus der Rousseauliteratur der Zeitschriften nennen
wir zuerst die tiefgründige Untersuchung Albert Ba-
zaillas' über die subjektiven Quellen, daraus Rousseaus
Schaffen floß („Rousseau Cröateur“), die an der Spitze
der zweiten Juninummer des „Mercure de France“
steht. Im folgenden Heft gibt Hippolyte Buffenoir
eine Geschichte der Büsten, die Houdon nach der
von ihm angefertigten Totenmaske Rousseaus schuf.
In der „Grande Revue“ behandelt Henri Toumier
Jean-Jacques Aufenthalt in Mötiers-Travers. Frederica
Macdonald bestreitet unter dem Titel ,,La Lögende des
Enfants de Rousseau“ in der „Revue bleue“, daß
Rousseau seine Kinder, wie er bekanntlich öfters, zum
Beispiel in den Konfessionen, selber berichtet, dem
Findelhaus übergeben hätte. In der von J. Ecorche-
ville geleiteten, vielseitig anregenden und besonders
auch über die deutsche Entwicklung, selbst die aller-
jiingste, gut informierenden Musikzeitschrift „S. I. M.“
(von der Societe Internationale de Musique begründet)
widmet Paul-Marie Masson dem Musiktheoretiker eine
Studie („Lcs Idees de Rousseau sur la Musique“).
In der gleichen Nummer steht ein Aufsatz über
Rousseaus Kompositionen, davon viele Proben bei¬
gegeben sind, von J. Tiersot. Besonderen Hinweis ver¬
dienen die Seiten „De Jean-Jacques“, die Suar&s in
der „Nouvelle Revue Fran^aise“ schreibt
„Revue bleue“, die von Paul Flat geleitete ver¬
dienstvolle Wochenschrift der Akademiker, feierte
jüngst mit ihrer Schwester, der „Revue Scientifique“
fünfzigjähriges Bestehn. In einer der Juni-Nummern
finden w-ir die Reden vereinigt, die ihr bei dieser Ge¬
legenheit von Guist’hau, Donnay, Moureu, Flat und
anderen gewidmet worden sind. Besonders wurde da¬
bei auch der Rolle gedacht, die der „Revue bleue“
beim Wiederaufleben der geistigen Interessen nach
1870 zukam. In den letzten Nummern wurden Jugend¬
briefe von Ximenes Doutian veröffentlicht; ferner ist
daraus zu erwähnen von A. Soussain „l’cxpansion du
Bergsonisme et la Psychologie musicale“ und von
Emest Lemon eine Würdigung der Botschaftertätig¬
keit von Marschalls in Konstantinopel, gefolgt von
sauersüßen Betrachtungen über seine Londoner Zu¬
kunft. — Mit deutscher Politik befaßt sich auch der
Leitartikel der „Grande Revue“, wo Alfred Guignard
unter dem Titel „Le spectre allemand h Panama“
strategische Vorteile, die Deutschland durch diesen
Kanal erwachsen, und andere Fragen der Schiffahrts¬
politik erwägt.
„Mercure de France" veröffentlicht den Brief¬
wechsel der provcn^alischen Dichter Jean Reboul und
Theodore Aubanel, dieser einer der Chefs der „F&i-
bres“. Dem Genfer Schriftsteller Louis Dumur widmet
Georges le Cardonnel eine eingehende Studie; dem
verstofbenen Dierx an der Spitze der Julinummer
Andre Fontaines ein schönes Wort der Würdigung,
dem Andre Rouveyre, der Zeitgenossenzeichner des
„Mercure“ ein ungewöhnlich lebendig charakteristisches
Porträt des Dichters beigesteuert hat.
„La Renaissance contemporaine" stellt sich be¬
sonders die Aufgabe, ein Schauplatz aktueller De¬
batten zu sein. Dort sind in den letzten Nummern
Antworten auf eine Rundfrage über Wesen und Welt
der zeitgenössischen Kritik gesammelt. Jacques Re¬
boul hat im Lauf des Jahrgangs eine Serie von be¬
merkenswerten Studien veröffendicht, die ihn zum
Theoretiker des neuen französischen Nationalismus
prädestinieren. Neuerdings wandte sich dieser Banner¬
herr des „Ccltisme“ im Namen der keltisch-mittel¬
alterlichen Tradition gegen die Panlatinisten. Mit einem
klugen vermittelnden Artikel „Latins contre Fran^ais“,
greift im Juniheft der Poet und Philologe Philöas-
Lebesgue in die Diskussion ein. Aus der gleichen
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CORNELL UNfVERSITY
Pariser Brief
177
Zeitschrift notieren wir den Aufsatz Jean Müllers „La
Psychologie sociale et la Litterature". — In der
„Nouveile Revue Fran^aise“ bespricht Henri Gh^on
das Werden eines Walt-Whitmanschen Stils in der
französischen Dichtung — „Le Whitmanisme“ — bei
Anlaß einer vom Verlag des „Effort" herausgegebenen
Anthologie jungfranzösischer Lyrik und neuer Bücher
Duhamels („Compagnons"; „Propos critiques“). In
der „Revue du Temps present" gibt der bekannte
Ägyptologe Albert Gayet Kunde von seinen neuesten
Ausgrabungen in Antinoe. Dokumente zur Frage
Ludwigs XVII verspricht Ad. Lannes, der in der
gleichen Zeitschrift eine kritische Prüfung der „Re¬
lation de Madame Royale" über die Ereignisse im
„Temple" bis zu der Abreise Marie Theresiens nach
Wien beginnt Es scheint auffallend, daß in dem
Tagebuch Marie Theresie, die Tochter Ludwigs XVI.
wohl das Schicksal von Mutter und Tante beklagt
nie aber ein Wort vom Bruder verlauten läßt, der
doch seit dem Tode ihres Vaters als Ludwig XVII.,
ihr König ist und der, wenn sie ihn auch nicht sehen
kann, im gleichen Gefängnis lebt und leidet Die
stilistische Fassung gewisser Stellen gibt zu Zweifel
an der Vertrauenswürdigkeit dieser Erzählung Anlaß,
(was Lannes mit der Wahl des Nebentitels: „Une
officine royale de falsifications" andeutet). Dennoch
wagt er zum Schluß die Vermutung, hauptsächlich
angeregt durch den Brief Marie Theresiens an ihren
Onkel Ludwig XVIII., darin sie um Gnade für die
Franzosen bittet, obgleich sie ihr Vater, Mutter und
Tante geraubt — wiederum ist der Bruder nicht ge¬
nannt! — ob vielleicht der Dauphin doch nicht im
„Temple" verdorben, sondern geflüchtet worden sei
— Alphons Maseras veröffentlicht in der gleichen
Zeitschrift eine Studie über den katalanischen Dichter
Ivan Maragal — Unbekannte Briefe von Chateau¬
briand, Lamennais, Müsset, de Vigny, Merimöe, Sainte
Beuve, Böranger, Berlioz, Liszt, Th. Gauthier, Balzac,
Michelet, und andere sind in der „Revue“ erschienen,
mitgetciit von L. Söchd, der sie dem Album der Mme.
Victor Hugo entnommen hat. In derselben Zeitschrift
studiert Emile Faguet die „Theorien Paul Bourgets";
analysiert und würdigt Nicolas Sögur den neuen
Roman von Anatole France „Les Dieux ont soif“,
dessen philosophische Ironie diesmal auf dem Hinter¬
grund der Revolutionsschrecken erblüht In der
neuesten Nummer der „Revue" ist von „Quelques
Portes de la Jeune Allemagne" die Rede; Max Hoch¬
dorf spricht von dem „M^connus" Peter Hille und
Else Lasker-Schüler, den „Ind^pendants" Dauthendey,
Max Brod, Franz Werfel und Renö Schickele, und
den „Dramatistes" Schönherr, Schmidtbonn, Wedelrind
und Hofmannsthal. — In der „Inddpendance", die auch
Maurice Barrös’ Kammerrede gegen eine Rousseau¬
feier abdruckt, zeichnet Guillaume Franville das Por¬
trät Gabriel Monods, der als ein Hauptvertreter des
Prinzips: „Germanisons l’instruction h tous ses degrös"!
die Geschichtsstudien nach dem Vorbild deutscher
Universitätsmethodik reorganisierte und lange Zeit
als Ratgeber, im Sinne des demokratisch-rationalisti¬
schen Ideals seiner Zeit, über großen Einfluß verfügte.
In der „Phalange" gibt „Willy" unter dem Titel
„le Krach beethovenien“ die Nachricht, daß sich Beet¬
hovens Ansehen vermindere — etwas voreilig in
seiner Feststellung, wie uns scheint, da wenigstens im
letzten Winter noch der Kultus des Meisters in Paris
durch gute Aufführungen in höchster Blüte stand.
Die Schuld an der Tendenz gibt der Artikel mit
einem gewissen Recht der Verfälschung nicht nur Beet¬
hovenscher großer Werke durch die beliebten „Con-
cers Rouge" usw., einer Art „Bouillon Duval" für
Musik, auf deren Karte auch „Eroica" und „Neunte"
zu finden sind, mittelst einer Kapelle von zwanzig
beziehungsweise einem Chor von sechzehn Stimmen
zubereitet. Beim Protest im Namen des „Besten, das
ein Feind des Guten ist", sollte aber doch das Ver¬
dienst, das in solcher „Profanation" guter Musik liegt,
nicht ganz übersehen werden. — Im „Pan" sind lite¬
rarische Croquis von Andrö Dupont, Aphorismen von
Robert Scheffer und Verse von Canudo hervorzu¬
heben; in der „Ile Sonnante" ein vehementer Artikel
von Charles Callet, „La litterature ä l’öpogue", darin
er die doktrinäre litterarischer Systeme und — ismen
auf Bergson verweist. „Les Bandeaux d’or" bringen,
poetische Prosa von Francis Jammes, Paul Casdaux,
Theo Varlet, „Le Beffroy" und „Flora", Verse von
Mairie Deletanz, Andrd Lafon, Renö-Aiberc Fleury;
Camille Mauclair, Abel Bonnard; „Les Marges" einen
Aufsatz George le Cardonnels über Jules Romains als
Romandichter. — Die Anthologie, die das letzte Heft
des „Effort" füllte, ist inzwischen im Buchhandel
erschienen. Diese kleine Zeitschrift, die in Poiriers
erscheint, bezeichnet sich auf ihrer neuesten Nummer
als „Effort libre"; wir noderen daraus eine Betrachtung
von Jean Richard Bloch, bedtelt „de l'utilite en Art
et pour en finir avec l’Art pour l’Art". — In „La Pro-
vince" veröffentlicht Felix Blumstein eine reich do¬
kumentierte Arbeit über den Marschall Lefebvre und
Mme. Sans-G£ne.
„Revue des Biblioth£ques“ enthält: „Le fonctionne-
ment du Copyright Office ä Washington" (Henri Le-
maitre), „Pour l'ödition critique des Ödes de Ronsard
(H. Vapanay), Les reliures du Mus^e des Arts d£co-
ratifs" (P. Comu) (Abb.), „Un fragment de l'Histoirede
la Biblioth&que du College d'Autun ä Paris" (Charles
Beaulieux). Aus den „Amateur d'Autographes"
heben wir hervor: „Les Frangais ä Rome", Briefe des
Capitaine Laurent Niepce; eine graphologische Be¬
urteilung der Handschrift Chateaubriands, CI. Per-
roud „Roland et Mme. Lafayette". — „Une Demande
de Döbut au Theatre Fran^ais en l’an IX."
Auf einer Bücherauktion, 21. Juni, erschien ein
Exemplar der „Office de la Sainte Vierge" Paris,
Impr. Royale 1757, zwei Duodezbände in altem Ein¬
band von Derome, das als Geschenk Ludwigs XV.
für die Pompadour von Bouches mit acht Tusch¬
zeichnungen geschmückt wurde. Es kam auf 36000 Fr.;
merkwürdiges Zusammentreffen, daß am gleichen Tag
auf einer andern Auktion das gleiche Werk in der
Ausgabe von 1749, ebenfalls mit dem Wappen der
Marquise de Pompadour auf dem alten Einband, aber
nur eine einzige Originalzeichnung von Boucher ent-
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CORNELL UNfVERSmf
17 »
Londoner Brief
haltend, um 10050 Fr. versteigert wurde. Von dieser
Auktion nennen wir noch folgende Preise: (Manu¬
skripte): „S. Gregorii, Magni Moralium in lob Libri
XXXV“, ein Ms. in Halbunzial auf Pergament, viel¬
leicht VII. Jh., 5000 Fr. — „Horae ad usum ecclesiae
Rothomagensis“, Ms., auf Pergament mit großen Mi¬
niaturen, XIV. Jh., 2170 Fr. — (Illustrierte Bücher): Mo-
lieres Porträt nach Coypel von Ldpicid und kom¬
plette Folge der 33 Blätter nach Boucher von L. Cars,
für die Ausgabe der „Werke“, Paris 1734, 805 Fr. —
Racine, Werke, Paris 1760, alter Einband. Porträt von
Daullö, Vignetten, Figuren, culs-delampe nach Söve
gestochen von Aliamet, Baquoy, Lemire, Somique usw.,
3300 Fr. — Bossuet, „Histoire des variations des ögli-
ses protöstantes“, Paris, Seb. Mabre-Cramoisy, 1688,
Original-Ausgabe, wappengeschmückter alter Einband,
820 Fr.
Autographen, auf der gleichen Auktion; Drei
Briefe Bossuets an M. de Fraucastel, 270, 300 und
350 Fr. — Ein Brief Fenelons an den Abbe Dubos
(Cambrai, 2a November 1713). 245 Fr. — Auf einer
Autographenauktion, 15. Juni: Ein Brief Balzacs an den
Musiker Chölard: 225 Fr. — Ein Brief von Alexander
Dumas p£re an den Schauspieler Laferriere, den er
für seine Interpretation der Rolle des „Antony“ be¬
glückwünscht, 175 Fr. — Ein Brief der Kaiserin Eu-
gdnie an Bazaine (31. Mai 65); bezieht sich auf die
mexikanische Expedition und schließt mit dem Glück¬
wunsch zu Bazain es bevorstehender Heirat, 106 Fr.
Paris, Anfang Juli Otto Graut off.
Londoner Brief.
Die gesamte periodische und Tages-Presse Eng¬
lands feierte am x 1. Juli dieses Jahres das Millenium
der Stadt Oxford, wenngleich kein Zweifel darüber
waltet, daß der Ort selbst schon vor 912 bestand.
Die jetzige Feier bezieht sich daher in Wirklichkeit
nur auf die erste verbürgte historische Nennung
Oxfords. In der ,, Anglo-Sächsischen Chronik** von
912 heißt es nämlich: „Alfred des Großen Sohn, König
Eduard der Ältere, nahm nach dem Tode seines
Schwagers Ethelred, Grafen (Ealdorman) von Mercias,
Besitz von Oxford und aller Ländereien, die ihm Ge¬
horsam schuldeten“. Aber bereits 872 war die älteste
Unterrichtsanstalt höheren Charakters in der Stadt,
das heutige, seit jener Zeit blühende „ University
College ", ins Leben gerufen worden, das zur Univer¬
sität Oxford gehört. Gerade hierauf begründet das
letztgenannte Institut seine Ansprüche, die älteste
Universität in der Welt zu sein! Wenngleich schon
unter Eduard dem Bekenner (1041—66) Oxford als
Schule alter und frühzeitiger Gelehrsamkeit einen
großen Ruf besaß, so wird es geschichtlich doch erst
1201 als Universität verzeichnet. Allein sowohl die
Tradition als auch die beglaubigten Nachrichten über
Bologna weisen der dortigen Universität inbezug ihres
Alters ein Vorzugsrecht an, da der Überlieferung
nach Theodosius der Jüngere, diese 425 gestiftet haben
soll, und die Rechtsschule dort bereits vor 1140 als
berühmt galt. Auf ihre Universität war die Stadt
Bologna so stolz, daß sie zur Regierungszeit Kaiser
Friedrich I. (1152—1190) auf ihre Münzen den Wahl¬
spruch setzte: „Bononia docet“.
Im Anschluß an die Milleniums-Feier Oxfords,
erscheint es daher angezeigt, auf das verdienstliche
Unternehmen der dortigen Universitätspresse aufmerk¬
sam zu machen, die eine Bibliographie aller über die
Stadt und Hochschule handelnden, oder daselbst her¬
gestellten Druckwerke, anfertigen läßt Der erste Teil
des groß veranlagten und 1895 begonnenen Werkes
betitelt sich: „The early Oxford Press , a bibliography
of printing and Publishing at Oxford 1468—1640 , by
Falconer Madan“.
Während die obige Arbeit sich nur mit solchen
Büchern beschäftigt, die in Oxford selbst gedruckt
oder verlegt worden sind, enthält der kürzlich heraus¬
gekommene zweite Band eine Bibliographie aller über
Oxford berichtenden Werke, wo immer sie auch sonst
bis zur Mitte des XVII. Jahrhunderts gedruckt sein
mögen. Außerdem sind historische, allgemeine und
sonstige Interesse bietenden Notizen in Gestalt von
Supplementen noch hinzugefügt. Werke von hervor¬
ragender Bedeutung erhielten eine ausführliche Würdi¬
gung und vollständige Beschreibung, solche zweiten
Ranges dagegen nur eine summarische Erwähnung
und die übrigen wurden endlich in Registerform zu¬
sammengestellt. Auf diese Webe gewinnen wir eine
gute Übersicht der gesamten Literatur bis um das
Jahr 1650.
Unter vielen interessanten in der Vorrede von
Mr. Madan angegebenen Daten wird ein neu ent¬
decktes aus dem Jahre 1517 herrührendes Buch ver¬
merkt; ferner werden diejenigen Dramen Shakespeares
genannt, die zur Lebenszeit des Dichters in Oxford zur
Aufführung gelangten, und solche Einblattdrucke er¬
wähnt, die an die Tore von Colleges angeheftet
wurden, welche die Königin Elisabeth mit ihrem Be¬
such beehrte. Sie sind, wie kaum anders zu erwarten,
voll ihres Lobes. Einen andern Literaturzweig bilden
die zahlreichen in Versen abgefaßten und für Trauer¬
feierlichkeiten bestimmten Schriften, die sogenannten
offiziellen „Tränen“, die einen so hohen Ruf erlangten,
daß sie allgemein zu jener Epoche „Lachrymae
Oxoniensium“ genannt wurden.
Eine der wichtigsten Perioden für Oxford bilden
die Jahre 1642—46, in welchen König Karl I. während
des Bürgerkrieges dort residierte, das Hauptquartier
der Armee, und ebenso der gesamte Regierungs¬
apparat sich in der Stadt befand. Der Preb für
jeden der beider» bb jetzt erschienenen Bände beträgt
25 Schilling netto, für Abnehmer von Band I und II
zusammen nur 36 Schilling netto.
Wenn wir den über Oxford im Umlauf befind¬
lichen Legenden Glauben schenken wollen, daß unter
ihrer Bodenoberfläche als Bewebe sich trojanische
Reliquien finden sollten, so vermag die Stadt bald ihr
dreitausendjähriges Stiftungsfest zu begehen, da sie
von einem Enkel des Aeneas gegründet sein solL
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CORNELL UNiVERSITY
Londoner Brief
179
Über altgriechiscbes Leben, Kultur, Kunst und
Wissenschaft wurden von den ersten hiesigen Fach¬
autoritäten im Laufe des Monats Juni für den Druck
bestimmte Vorträge in gelehrten Gesellschaften ge¬
halten. Der Präsident der „ Hellenischen Gesellschaft ",
Sir Artur Evans, sprach über das Thema: „Die Be¬
harrlichkeit der kretischen und der mykenischen Eie -
mente im hellenischen Leben Kl . Im voraus muß in Er¬
innerung gebracht werden, daß alles, was man sich
von der kretischen Geschichte vor dem trojanischen
Kriege erzählte, auf Minos, den alten mythischen
König von Kreta, übertragen wurde. Namentlich gilt
er für den Begründer der kretischen Seeherrschaft und
der berühmten Gesetzgebung, in der er von Zeus unter¬
richtet sein soll.
Sir Artur Evans führt zur Sache aus: Griechische
Zivilisation kann nicht länger mehr als ein Wunder¬
kind betrachtet werden. Ihre Wurzeln liegen in der
älteren eigenartigen kretischen und der späteren
mykenischen Kultur. Entdeckung auf Entdeckung
folgt und legt unzweifelhaft klar, daß die von den
Griechen für sich selbst in Anspruch genommenen
Kulturerrungenschaften ihren prähistorischen Vor¬
gängern zugewiesen werden müssen. Die mykenische
Zivilisation in Griechenland ist in ihrem Ursprünge
eine rein kretische Schöpfung. Dank den kürzlich ge¬
machten Entdeckungen deutscher Archäologen in
Tiryns, bestehend in mykenischen Wandmalereien,
vermag dieser Typus in allen früheren und späteren
Palästen wieder erkannt zu werden. Dasselbe gilt für
die religiöse Kunst, und hierfür liefern die Skulpturen
des aufgefundenen frühdorischen Tempels in Korfu
einen ebenso interessanten wie klassischen Beweis.
Der Vortragende fragt weiter: „Wie kommt es, daß
wir in den homerischen Gedichten die Spuren der
Bekanntschaft mit den Palästen, der Dynasde und den
Meisterwerken mykenischer Kunst finden?" Sir Artur
Evans sucht endlich nachzuweisen, daß eine Reihe
von epischen Stellen Homers bereits 500 Jahre vor
ihm vorhanden waren. Die Episode der ein Boot
angreifenden Scylla in Homers Gedichten ist schon im
XVI. Jahrhundert vor Christi von einem mykenischen
Kiinsder dargestellt. Das Gesagte gilt in noch er-
höhterem Maße von aufgefundenen Münzen. —
Ich selbst möchte persönlich noch hinzufügen, daß,
um eine Basis zur Einigung über die vorgetragenen
Ansichten zu gewinnen, zuvor eine Verständigung über
den Zeitpunkt der Abfassung und die Art und Weise
der Entstehung der Ilias und Odyssee erfolgen müßte!
So namentlich darüber, ob die beiden Gedichte nicht
längst vor ihrer Niederschrift im Volksmunde bekannt
waren und sich mündlich, sozusagen lebend, von
Generation auf Generation übertrugen. Daß aber über¬
haupt im allgemeinen die Spuren aller Zivilisation
nicht nur hinsichtlich des Alters höher hinaufreichen,
sondern auch mannigfaltiger verzweigt erscheinen, als
bisher oft angenommen wurde, bestätigt wiederum
der Inhalt des im Auszuge hier mitgeteilten Vortrages
des Ägyptologen Flinders Petrie.
Der Titel lautet: „ Die Bildung des Alphabets?'.
Der Gelehrte ist vor allem der Ansicht, daß die Folge
des in den letzten zwanzig Jahren gesammelten Stoffes,
die alte Tradition von dem Ursprung des Alphabets,
nach welcher dasselbe seine Entstehung den Phö¬
niziern verdanken soll, nicht mehr aufrecht zu halten
ist. Schon vor den Phöniziern gab es eine Menge von
ihrem Alphabet ganz unabhängigen Schriftzeichen.
So befanden sich zum Beispiel die Indianer Nord¬
amerikas, die sogenannten Rothäute, unter denjenigen
Völkerschaften, die mit am frühesten solche Zeichen
anwandten. Demnächst gehören hierher Araber, Iberier,
Karier und Berber. — Ich möchte diese Angaben da¬
durch vervollständigen, daß schon aus der Stein- und
Renntierzeit Schriftzeichen erhalten sind. Mr. Flinders
Petrie erörtert dann weiter: Ein vollständiges syste¬
matisches Alphabet hat sich überhaupt nicht auf einen
Schlag, sondern vielmehr ganz allmählich entwickelt
und seine Teile, etwa 80—100 Zeichen, sind, von den
verschiedensten Nationen herrührend, nach und nach
zusammengetragen. Viele alphabetische Zeichen auf
ägyptischen Ziegeln und in Gräbern besitzen ein be¬
deutend höheres Alter als alles, was in der phö-
nizischen, griechischen oder lateinischen Schriftsprache
vorkommt. In Kreta waren geometrische Schrift¬
zeichen längst vor der Bilderschrift in Gebrauch.
Schließlich siegten einige Dutzend Buchstaben über
den Rest und wurden Gemeingut von Handelsvölkem
an den Küsten des Mittelländi^hen Meeres. Das
Prinzip der Anordnung des Alphabets bleibt zurzeit
unermittelt. Mr. Flinders Petrie bemerkte zum Schluß,
daß vor kurzem Funde von Töpferwaren mit Schrift¬
zeichen in Ägypten gemacht worden sind, die aus
archaischer, prähistorischer Zeit stammen und weit
früher als die ersten Hieroglyphen gesetzt werden
müssen. — Die Richtigkeit der obrigen Angaben vor¬
ausgesetzt, zwingt sich jedem den Sachverhalt objektiv
Beurteilenden der Schluß auf, daß in Ägyptens Kultur
zeitweise ein bedeutender Rückschritt durch Verlust
der Zeichenschrift und abermaligen Einführung der
bildlichen Hieroglyphen eingetreten sein muß, da sich
im Gegensatz zu jener die letztere als minderwertige
Wort- und Begriffsschrift kennzeichnet Es bedarf nur
meines kurzen Hinweises, um in Erinnerung zu
bringen, daß die rationellste Anordnung des Alphabets
das Sanskrit und die von ihm abgeleiteten Sprachen
besitzen, da sie die Buchstaben nach den Sprach-
organen zusammenstellen, mit denen die entsprechen¬
den Laute ausgesprochen werden: Kehllaute, Gaumen¬
laute, Zungen-, Zahn- und Lippenlaute. Die Sanskrit-
Literatur besitzt außerdem die ältesten, wirkliche
Schriftdenkmäler darstellende Werke, sie ist ferner
diejenige Sprache, welche die Wortbildung am folge¬
richtigsten von den Wurzeln hemimmt, sodaß man
wohl berechtigt ist, anzunehmen, daß längst vor den
jetzt noch erhaltenen und bekannten Inschriften ein
Alphabet vorhanden gewesen sein muß. Ob in dieser
Beziehung Indien oder Ägypten die Priorität zukommt,
läßt sich selbstverständlich nicht mit wenigen Worten
entscheiden.
Nicht uninteressant dürfte es sein, auf eine Äuße¬
rung Goethes über das alte Ägypten hinzuweisen, die
um so mehr ins Gewicht fallt, weil der Altmeister
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CORNELL UNIVERSITY
i8o
Londoner Brief
kaum anderwärts seine Stellung zu dem Gegenstände
genommen hat. Der spätere Chef des preußischen
Generalstabes, der General Rühle von Lilienstern ,
mein Großvater von mütterlicher Seite, war am Hofe des
Herzogs Karl August von Weimar zuvor während
mehrerer Jahre Erzieher seines Sohnes Bernhard ge¬
wesen und hatte den Franzosen Champollion in Aus¬
legung der Hieroglyphen verteidigt. Nachdem die
Richtigkeit derselben von Alexander von Humboldt
anerkannt worden war, gab er, mit erläuterndem Text
versehen, nachstehendes für den damaligen Stand der
Wissenschaft bedeutende Werk heraus: „ Univeral'■
historischer Atlas. Graphische Darstellungen zur
ältesten Geschichte und Geographie von Äthiopien und
Ägypten“. (Duncker & Humblot. Berlin 1827.) Als
Rühle diese Arbeit an Goethe sandte, dem er während
seines langjährigen Aufenthaltes in Weimar nahe ge¬
treten war, erhielt er von dem Dichterfürsten unter
dem 12. August 1827 eine Antwort, die zum ersten
Male nach dem Konzept in der Weimarer Goethe-
Ausgabe, IV. Abteilung, Band 43, Seite uff. und nach
dem Originalbrief in den „Papieren der Familie von
Schleinitz" (E. Trewendt, Berlin 1905) gedruckt ist.
Dieser Brief, in welchem Goethe seine Antipathie
gegen das alte Ägypten auf das schärfste ausdrückt,
befindet sich jetzt in der Autographensammlung der
Frau Geheimrätin P^ttberg in Wiesbaden, einer Freun¬
din meiner Familie.
Die englische Goethe-Gesellschaft vereinigte sich am
25. Juni in London, um ihren neuen Präsidenten, Dr.
A . W. Ward, zu bewillkommnen, der zu seiner An¬
trittsrede das Thema „Goethe und die Französische
Revolution " gewählt hatte. Besonders interessant aber
gestaltete sich die Sitzung durch die von Frau Lud*
wig Mond ausgestellten Lotte Buff betreffenden Re¬
liquien. Die erstgenannte Dame gilt mit Recht als
eine hervorragende Sammlerin aller auf Goethe und
Schiller bezüglichen Dinge von wirklichem Belang.
Die nachstehenden Gegenstände erwarb Frau Mond
von dem 91 Jahre alten Fräulein Wilhelmine Buff,
Lottes einziger überlebender Nichte:
1. Ein von Lotte stets getragener Ring.
2. Ein kleines goldenes Kreuz mit Granaten, das
Goethe Lotte geschenkt hatte.
3. Eine von Goethe an Lotte verehrte Tasse mit
der Inschrift: „Sey immer glücklich".
4. Eine Locke von Lottes Haar als Kind.
5. Eine von Lotte gearbeitete Handtasche.
6. Ein Lotte darstellendes Aquarell-Porträt.
7. „Moses als Kind", Kreidezeichnung Lottes.
8. Ansicht von Wetzlar, Aquarell, von Lottes Hand.
Außer andern Reliquien befanden sich in der Aus¬
stellung noch wertvolle Kupferstiche, darunter „Karl
August von Weimar von der Jagd zurückkehrend".
In Begleitung des Herzogs befindet sich Goethe.
Neben Frau Mond gebührt dem Sekretär der Gesell¬
schaft, Herrn Eugen Oswald , Dank für die vielfachen
Bemühungen zur Förderung der Gesellschaft. —
Großes Aufsehen erregten in London die Juni- und
Juli-Hefte, die sogenannten „Deutsch-englischen Ver¬
ständigungs-Nummern der von Dr. Ludwig Stein
herausgegebenen Zeitschrift „ Nord und Süd“. Auch
der Sohn von Frau Mond, Sir Alfred Mond, Baronet
und Mitglied des Parlaments, lieferte einen sehr be¬
merkenswerten Beitrag für das genannte Blatt Nicht
minder gilt dies für die vortrefflichen Aufsätze vieler
anderer hochbedeutenden Persönlichkeiten, so unter
anderem von A. J. Balfour, Baron Alfred Rothschild,
Professor Karl Breuel, Sir Thomas Barclay, Sir Edgar
Speyer, A. von Gwinner, Graf Posadowsky, Wirklicher
Geheimer Rat Wermuth und Rudolph Said-Ruete.
Die Gattin des letzteren, Frau Therese Said-Ruete ist
die hochverdiente Vorsteherin der „ Frauen-Ortsgruppe
London ", die im Begriff steht, ein großartiges,
praktisches Nachschlagewerk erscheinen zu lassen, das
alles, was die deutsche Frau im Auslande, in „Haus
und Beruf 1 betrifft, enthalten soll.
Von den in Deutschland herausgekommenen Nach¬
schlagewerken und von der gesamten englischen
Fachpresse namentlich günstig beurteilten nenne ich
vor allem: „Allgemeines Lexikon der bildenden Künst¬
ler von der Antike bis zur Gegenwart *. Begründet
von Ulrich Tkieme und Felix Becker, herausgegeben
von Ulrich Thieme. Fünfter und sechster Band.
(Leipzig. E. A. Seemann.)
Unter den in letzter Zeit stattgehabten Bücher-
Auktionen nimmt der Verkauf der „Huth-Bibliothek “,
sowohl hinsichtlich des Wertes der dargebotenen
Bücher, als auch der für sie gezahlten Preise, unzweifel¬
haft die erste Stelle ein. So wurden folgende Resul¬
tate erzielt: die sehr seltene „ Chroniques de St. Denis?*,
ein illuminiertes Manuskript aus dem XIV. Jahrhundert,
erwarb Mr. Quaritch für 33000 M. Ein mit 204
Miniaturen versehenes deutsches Manuskript aus dem
XV. Jahrhundert herrührend, gleichfalls eine Chronik
wurde mit 7000 M. bezahlt. Der „Cid**, 1512, gedruckt
in Sevilla, das letzte Blatt in Faksimile, 1600 M.
(Quaritch). Eine deutsche Übersetzung des „Speculum
Sapientiae “ 1200 M. (Leighton). Dante „Divina
Commedia", 1472, Foligno, 9500 M. Dasselbe, 1481,
Florenz, mit Illustrationen von Baldini nach Botticelli,
36000 M. „Doctrinal of Sapience “, von Gaxton 1489
gedruckt, aber zwei Blätter fehlen, 6200 M. (Quaritch).
Für ein Exemplar von Dibdins „Bibliotheka Spen-
ceriana" wurden von Ellis 260 M. gezahlt. „Tragi¬
call Legend of Robert Duke of Normandy ", das einzige
bekannte Exemplar außer dem im British-Museum,
2700 M. (Quaritch). „Don Quixote“, erster und zweiter
Teil, Madrid 1605 und 1615, erwarb Mr. Sabin für
29200 M. Caxton „Canterbury Tales" 19100 M.
(Fergus). Im ganzen wurden in runder Summe
folgende Resultate erreicht: für Autographen 262000,
für Kupferstiche 300000, für den ersten Teil der Bücher
1016000, für den zweiten Teil der Bücher 630000 M.
In Summa 2208000 M.
London, Anfang Juli. O. v. Schleinitz .
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Wiener Brief
181
Wiener Brief.
Die Wiener Graphische Gesellschaft hat sich dazu
entschlossen, ihren Mitgliedern mit der Herausgabe
eines Jahrbuches eine Gabe zu überreichen. Das
erste Jahrbuch (für 1912), als dessen Redakteur Jo¬
hann Pabst zeichnet, liegt nunmehr vor (Verlag der
Wiener Graphischen Gesellschaft). Ich will gerne die
Mühe anerkennen, die der Herausgeber an die Redak¬
tion des Jahrbuches gewendet, auch die durchschnittliche
Gediegenheit der darin enthaltenen Aufsätze sei willig
zugegeben, allein dem Lobe der äußeren Erscheinung,
das sich das Geleitwort, ziemlich freigebig, selbst aus¬
stellt, kann ich mich zu meinem Bedauern nicht an¬
schließen. Abgesehen davon, daß mir diese neueste
Schrift, diese „Federgrotesk“ der Schriftgießerei Lud¬
wig & Mayer, Frankfurt a. M. nicht gefallt, war mir
auch beim Lesen der ganze furchtbar kompresse
Satz ein Greuel. Mir taten die Augen weh, die nir¬
gends fast einen Ruhepunkt fanden. Auch der Ein¬
band mit seiner Titelzeiclinung und seiner in ganz
lichter Farbe gehaltenen Decke wird wohl kaum viel
Gefallen erwecken. Aus den Aufsätzen sei hervor¬
gehoben der des Jahrbuch-Redakteurs Johann Pabst
über das Leben Gutenbergs und zwar auf Grund der
letzten Forschungsergebnisse, der aus der Feder des
Professors A. W. Unger „Über den heutigen Stand
der graphischen Künste"; ferner berichtet Rudolf Rufi
über die moderne Reproduktionstechnik, Franz
Bauer über die Fortschritte im Buchdruckmaschinen¬
bau, Julius Jakob über die Wandlungen in der deut¬
schen Rechtschreibung und anderes. Beigegeben sind
den Jahrbüchern eine größere Anzahl von Druck¬
leistungen in Schwarz-weiß und in Farbendruck, die
Überblick über die hauptsächlichsten Reproduktions¬
verfahren gewähren. Noch ein Wunsch für das
nächste Jahr: weniger „Kunststücke“ und mehr Ein¬
fachheit, Natürlichkeit! Das Jahrbuch soll doch auch
gelesen werden.
Das österreichische Buchgewerbe hat jetzt schon •
Schritte eingeleitet, um eine besondere Beschickung
der im Jahre 1914 stattfindenden Internationalen Buch¬
gewerbeausstellung in Leipzig zu bewirken. Jüngst
fand zu diesem Zwecke eine Versammlung von Ver¬
tretern der in Betracht kommenden Gewerbe statt,
der auch eine Reihe von Fachgelehrten, Künstlern und
andere beiwohnten, wie Hofrat Dr. Eder, Regierungs¬
rat v. Larisch, Direktor der Universitätsbibliothek,
Dr. Himmelbaur, Michalek, Baronin Kraus (Vereini¬
gung bildender Künstlerinnen) und andere. Den
unterrichtenden Vortrag hielt Dr. C. Volkmann aus
Leipzig. Eine Reihe von Rednern befürwortete in
warmer Weise die Beteiligung Österreichs an der
Ausstellung, zumal die österreichische Buch-, Druck-
und Reproduktionsindustrie in der Lage sei, ihre
Ebenbürtigkeit auf vielen Gebieten zu erweisen. Auch
die Wiener Bibliophilen-Gesellschaft dürfte sich dem¬
nächst schon mit dieser Angelegenheit befassen. Bei
diesem Anlasse sei es gestattet, eine Bemerkung an-
'zuknüpfen. Die Internationale Ausstellung für Buch¬
gewerbe und Graphik wird draußen im Reiche gemein-
Z. f. B. 1912/1913.
niglich kurz „ Bugra “ genannt Für unsere öster¬
reichischen und Wiener Ohren ist diese abkürzende
Sprach Verhunzung ein Scheuei und Greuel. Als jüngst
kulturwidrige Nachtreter für die Internationale Flug¬
ausstellung in Wien den gräßlichen Namen „Jfa“ auf¬
brachten, haben keine fünfzig Menschen in Wien das
mitmachen wollen. Wenn man schon nicht den gan¬
zen langen Titel hersagen will, so weiß heute jeder
dabei interessierte Mensch, was mit dem kürzeren
Titel „Buchausstellung in Leipzig“ gemeint ist Wenn
schon Zeit beim Sprechen erspart werden soll, so
genügt das vollkommen. „Bugra“ und ähnliche .Ab¬
kürzungen“ sind ein abscheulicher sprachlicher Unfug.
Zu Ehren der Ende Juni veranstalteten Wiener
Musikfestwoche war in der Wiener Hofbibliothek eine
erlesene Ausstellung von musikalischen Schätzen zu
sehen. Diese Ausstellung musikgeschichtlicher Denk¬
mäler hat wieder gezeigt, welche reichen Kostbar¬
keiten unser altbewährtes Institut behütet. Zwei Jahr¬
tausende musikalischen Schaffens zogen in den zur
Schau gestellten Folianten, Manuskripten, Bildern und
Briefen usw. an unserem Auge vorüber. Gleich im
ersten Pulte links vom Eingänge erblickte man einen
kleinen, vergilbten, zerschlissenen Blattrest aus dem
1892 gefundenen Papyrus Rainer, der einige Zeilen
aus dem ersten Chorlied des Euripideischen „Orestes?*
enthielt. Es ist ein Unikum, keine Bibliothek der
Welt hat etwas Ähnliches aufzuweisen. Über den
Versen sind die aus der griechischen Buchstaben¬
schrift entwickelten Singnoten angebracht, zwischen
den Zeilen einige Instrumentalnoten für den Auleten,
den Flötenbläser. Von der griechischen Musik sind
ja nur ganz wenige Überbleibsel erhalten, das ge¬
nannte Papyrusblättchen ist alles, was wir von der
Musik besitzen, die zum gemessenen Tanzschritt des
Chors in den griechischen Tragödien erklang. Neben
dem Papyrusfetzen ruht ein aus dem Jahre 1473
stammender Wiegendruck von Johannes Gerson, dem
wahrscheinlich frühesten Versuch des Notendruckes
mit beweglichen Lettern. Große Folianten zeigen
uns, was die berühmtesten Offizinen des XVI. Jahr¬
hunderts (Antonio Gardano in Venedig, Petrucci in
Fossombrone, Plantin in Antwerpen) in der Kunst des
Notendruckes hervorbrachten. Auch unter den aus¬
gestellten Lautenbüchem des XVI. und XVII. Jahr¬
hunderts erweckt manches Stück unser besonderes
Interesse, so das Lautenbüchlein, das einer der be¬
rühmten Fugger, Herr Oktavian, sich spendete, als
er, ein musikfroher Studiosus in dem Welschland „zu
Bononia anno 1562 gestudiret“ hat. Ludwig Senftls,
des Komponisten aus dem XVI. Jahrhundert hand¬
schriftliches Liederbuch, nebst Selbstbiographie in
Versen und Musik enthaltend, gehört gleichfalls in
dieses Gebiet Nun folgen Meisterwerke musikalisch-
graphischer Kunst, so der Foliant der Kuttenberger
Kantionale, mit bunten Miniaturen aus dem Leben
des Silberbergwerkes geschmückt. Reichhaltig ist das
habsburgische Erzhaus mit Kompositionen seiner Mit¬
glieder vertreten. Unter den gekrönten Komponisten
*5
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182
Wiener Brief
finden wir Ferdinand III., Leopold I., Karl VI., die
letztgenannten mit eigenhändig geschriebenen Kom¬
positionen. Immer näher rücken wir neuen Zeiten,
die Handschriften der klassischen Meister fesseln
unser Auge. Wir erblicken Haydns erste endgüldge,
mit sauberm Bleistift verfertigte Niederschrift der
Volkshymne, Mozarts Partitur zu seinem letzten Werke,
dem „Requiem**, ein Unterrichtsheft seiner Schülerin
Barbara Ployer mit scherzhaften italienischen Glossen
des Meisters, Briefe, Billette Mozarts an Vater, Gattin
usw., ferner Notenhandschriften Beethovens (der an
den Rand der Frühlingssonate in polterndem Jähzorn
hinschrieb: „Der Kopist, der die drei und sechs hinein¬
gemacht hat, ist ein Esel“), das Stammbuch des
großen Meisters mit den Einzeichnungen seiner Bon¬
ner Freunde, ferner — jüngste Vergangenheit — An¬
ton Bruckners Neunte Sinfonie und Hugo Wolfs
„Corregidor“, die letztgenannte Handschrift von präch¬
tiger kalligraphischer Sauberkeit und von keinerlei
Korrektur unterbrochen. Mit hohem Genüsse durch¬
schreiten wir diese Ausstellung musikgeschichtlicher
Denkmäler, die sich ebenbürtig an die übrigen, von
unserer Hofbibliothek in den letzten Jahren veran¬
stalteten, stets mit warmem Interesse aufgenommenen
Schaustellungen reihte.
Aus dem gleichen Anlaß der Wiener Musikwoche
erschien der „Merker*' als Festnummer mit einer
Reihe gehaltvoller Beiträge. Wir heben hervor: Ein
unbekanntes Schubert-Gedicht Bauemfelds von O.
JL Deutsch, Emans — ein kirchenmusikalisches Bay¬
reuth von Max Springer, Liszt und Madame Pleyel in
Wien von Dr. Arnold Winkler und andere; unter den
Beilagen: Ein unveröffentlichter Sonatensatz Beet¬
hovens.
Wie aus Zeitungsberichten hervorgeht, rüstet man
sich nun auch in Österreich, den Kampf gegen die
Pornographie in aller Form aufzunehmen. Es bleibt
abzuwarten, ob hiebei nicht über die Stränge ge¬
schlagen und ob nicht unkünstlerische Tölpelhaftigkeit
da und dort gleichfalls am Werke sein wird. Als
behördliche Zentralstelle, die nach dem internatio¬
nalen Abkommen in Paris 1910 den Kampf gegen die
Pornographie dienen soll, ist für Österreich in der
Wiener Polizeidirektion eine eigene Abteilung errich¬
tet worden, die nach Angaben einzelner Leiter
ihr Augenmerk hauptsächlich auf solche ein¬
heimische Veröffentlichungen pornographischer Art
richten wird, deren Export und deren Verbreitung
im Auslände zu befürchten sei Es scheint, daß auch
einzelne pornographische Händler besonders über¬
wacht werden sollen. Hoffentlich entwickelt sich da¬
bei nicht ein neues Polizeinaderertum.
Von Franzi v. Wertheimstein , dieser hochherzigen,
vor einigen Jahren verstorbenen Wiener Dame, in
deren Hause die bedeutendsten künstlerischen Per¬
sönlichkeiten Wiens der letzten Jahrzehnte ein gast¬
liches Heim fanden, habe ich an dieser Stelle des
öfteren Erwähnung getan. In diesem vornehmen
Döblinger Landsitze, von niemand geringerem als
Moriz v. Schwindt ausgeschmückt, dessen ' frühere
Besitzer bereits reiche künstlerische Beziehungen
pflogen, hat Eduard v. Bauernfeld lange ge¬
lebt, Ferdinand v. Saar seine besten Jahre zu¬
gebracht Franzi v. Wertheimstein hat ihren ganzen
Besitz, die sogenannte Wertheimsteinvilla mit dem
sie. umgebenden wunderschönen Wertheimsteinpark
testamentarisch der Gemeinde Wien unter der Be¬
dingung hinterlassen, daß der Park öffentlich zugäng¬
lich gemacht und in die Villa eine Volksbibliothek
eingerichtet werde. In den ersten Julitagen wurde
nun die Volksbibliothek ihrer Bestimmung übergeben.
Sie ist im Erdgeschoß der Villa untergebracht, für
eine jährliche Büchergebühr von 20 Hellem
kann hier jedermann Bücher lesen oder entlehnen.
Die Bibliothek umfaßt ungefähr 7000 Bände und
erfreut sich aller modernen äußerlichen und inneren
Einrichtungen. Im ersten Stock der Villa ist ein
Bauemfeld und ein Saar-Gedenkzimmer eingerichtet
worden. Ein Beethoven-Zimmer soll noch folgen.
Und da wir gerade Bauemfelds Erwähnung taten,
mögen hier auch die neuesten Forschungen und Er¬
gebnisse über die mysteriöse Geburt des Lustspiel¬
dichters Platz finden, wie sie in den verschiedensten
Organen der letzten Zeit zur Veröffentlichung gelangten.
Bauemfeld selbst hat nie von seinen Eltern gesprochen,
er barg ängstlich sein Geheimnis. Erst dem Wiener
Literaturhistoriker Dr. E. Horner gelang es 1900
einiges Licht in die recht dunkle Angelegenheit zu
bringen, wenn auch er, wie es scheint, das Geheimnis
nicht zu lüften vermochte. Nach Homers Forschungen
ist Eduard v. Bauemfeld der Sohn einer illegitimen
Verbindung, nämlich der noch jugendlichen Witwe
Feichtinger mit dem etwa vier Jahre jüngeren
Studenten der Medizin, Lorenz Novag, der später die
einzige Tochter der Feichtinger zur Frau nahm und
in dessen Familie der junge Bauemfeld als Ziehsohn
aufgenommen wurde. Für die Öffentlichkeit galt
daher die Witwe Feichtinger als Adoptivgroßmutter, in
W'irklichkeit sei sie die Mutter des Dichters gewesen.
Ganz bewiesen ist freilich auch das nicht, aber sehr
triftige Dokumente entscheiden für die Annahme
Horners. Wer war aber der Vater? Nach der
neuesten Darstellung, die insbesondere durch Karl
Muth im „Hochland “vertreten wird und zwar auf Grund
neu aufgefundener Briefe, ist es nicht der Student und
spätere Arzt Lorenz Novag, der nach der Annahme
Homers die Tochter seiner Geliebten geheiratet hätte,
sondern der eigene jüngere Bruder der Witwe Feichtinger,
nämlich der Oberleutnant im Ruhestande Josef Edler
v. Bauemfeld, der sich in einem von Muth im Wort¬
laute wiedergegebenen Briefe an seinen Bruder aus¬
drücklich zur Vaterschaft bekennt Danach würde
man es also völlig begreifen, warum Bauemfeld das
Geheimnis seiner Geburt so ängstlich hütete: er wäre
ein Kind des Inzestes gewesen. Freilich, wenn auch
jetzt die Vaterschaft des Lustspieldichters feststeht,
die mütterliche Abstammung ist noch immer nicht
ganz bewiesen, so daß auch Muth den inzestuösen
Charakter der Herkunft noch in Frage stellt.
Der literarische Streit über Schönherrs „Glaube
und Heimat" ist noch in frischer Erinnerung. Man
ging soweit, ihn förmlich eines Plagiates an einem
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Wiener Brief
183
Romane der oberösterreichischen Dichterin Handel-
Mazetti zu bezichtigen. Dazu verführten vornehmlich
ganz bestimmte Wendungen, die sich in der „Armen
Margarethe" der Handel-Mazetti und in „Glaube und
Heimat" fast gleichlautend vorfinden. Kürzlich wurde
berichtet, daß zum Beispiel schon in einer alten Bud¬
weiser Chronik ganz dieselben Redensarten enthalten
sind. Die gemeinsame Quelle solcher und ähnlicher
Redensarten ist, wie nunmehr sicher gestellt wurde,
in der Gesetzgebung früherer Zeiten zu suchen. Nach
Artikel 48 der Landesgerichtsordnung Ferdinand III.
von 1656 für Österreich unter der Enns lautet die
Verurteilung des Vierteilens folgendermaßen: „Der
N. solle auf die gewöhnliche Richtstätte geführt, ihm
alldortten anfangs wegen der begangenen unbarm¬
herzigen Tat sein lebendiges Herz herausgenommen,
um das Maul geschlagen, sodann der Leib in vier
Teile zerschnitten und die vier Vierteile an den
Straßen, absonderlich aber das Haupt, Herz und
rechte Hand zusammen müßiglich zum Abscheu auf¬
gehenkt werden". In den Redensarten des Volkes
lebte dann, wie die Chroniken bezeugen, die Erinne¬
rung an dieses alte grausame Strafrecht fort.
In Prag ist im Juni einer der originellsten Künst¬
ler Österreichs, der Maler und Zeichner Hans Schwab
ger gestorben, der sich auch als Illustrator betätigt
und imter anderem auch Hauffs Ratskellerphantasien
illustriert hat. Er war, im Leben und in der Kunst,
ein sehr sonderbarer Mensch, von grotesker Schrullen¬
haftigkeit. An der Akademie schon sagte Professor
Trenkwald: „Der Dings hat Talent, aber, was er
macht, ist sehr sonderbar." Wie Hevesi in seiner Ge¬
schichte der modernen Kunst in Österreich erzählt,
waren in Schwaigers abenteuerlichem Holzhause in
den mährischen Vorkarpathen Galgenmännlein und
Alräunchen, Wassermänner und Ewige Juden jahre¬
lang der Verkehr. Er war ein ins XIX. Jahrhundert
verschlagener spätgotischer Holzschnittmensch, der
erst durch die Wiener Sezession einigermaßen zur
Anerkennung kam.
Nur anzeigen, mir eine besondere Kritik und
Würdigung der ganzen Unternehmung vorbehaltend,
will ich hier eine neue Sammlung, die unter der
Marke- „ Denkwürdigkeiten aus Alt-Österreich" die
Rettung literarischer Zeugen entschwundener und
romantischer, bewegter Kulturabschnitte Österreichs
bezweckt. Die Sammlung soll die Zeit von Maria Theresia
bis 1848 umfassen, den zur Veröffentlichung gelangen¬
den Werken soll eine „übersichtlichere Form, eine beson¬
nenere, aber belebende Bearbeitung" zuteil werden. Als
Herausgeber zeichnet Herr Gustav Gugitz, den Verlag
hat Georg Müller in München übernommen. Die erste
Publikation: Graf de la Garde-Gemälde des Wiener Kon¬
gresses 1814/15, Erinnerungen, F este, Sittenschilderungen,
Anekdoten ist bereits in zwei äußerlich sehr schönen,
mit zahlreichen Bildbeigaben geschmückten Bänden
erschienen. Leider werden wir es hier wieder mit
der in den letzten Jahren ziemlich häufig gewordenen
Duplizität der Erscheinungen zu tun haben. Ein an¬
derer Wiener Verleger kündigt nämlich den Neu¬
druck desselben Werkes an, der, bis diese Zeilen den
Lesern zu Gesichte kommen werden, sicherlich auch
schon ausgegeben sein wird. So viel ich weiß, trifft
den Münchener Verleger an dieser Duplizität keine
Schuld. In den „Denkwürdigkeiten aus Alt-Österreich"
sind als weitere Publikationen vorgesehen: Schönholz ,
Tradidonen zur Charakterisdk Österreichs, J. F. Ca¬
stelli, Memoiren meines Lebens, /. Pezzl, Skizze von
Wien, Karoline Pichler, „Denkwürdigkeiten aus meinem
Leben". Es wird sich Gelegenheit finden, auf den
ganzen Plan der Sammlung eingehend und kritisch
zurückzukommen.
Aus Zeitschriften möchte ich nur kurz den lebendig
geschriebenen Aufsatz Otto Wittners über den ver¬
storbenen Ästheten Josef Bayer im 9. Hefte des
11. Jahrganges der „ Deutschen Arbeit " hervorheben,
in dem auch die Fortsetzung der Gefängniserlebnisse
von Prager Studenten in den Jahren 1849—1854 von
W. Emst erschien. Die an dieser Stelle bereits
schon einmal angekündigte Zeitschrift für Anwendung
der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften
„Image?*, herausgegeben von Prof. Dr. Sigm. Freud,
redigiert von Otto Rank und Hans Sachs, Verlag
Hugo Heller 6 r* Co. (Wien), ist in ihrer zweiten Num¬
mer wieder sehr reichhaltig geworden und dürfte, wie
immer man sich sonst zu den hier verfochtenen Theo¬
rien stellen mag, bei allen Literaturhistorikern starkem
Interesse begegnen. Aus seinem Inhalte seien be¬
sonders zwei Aufsätze genannt; Leo Kaplan , zur
Psychologie des Tragischen und Dr. J. Sadgen Von
der Pathographie zur Psychographie. Vornehmlich
der letztgenannte Aufsatz, von reichlicher Literatür¬
kenntnis zeugend, fesselt ungemein. Er behandelt
unter anderem das Judithproblem Hebbels, wo¬
bei freilich die bekannte Traumdeutungstheorie und
die anderen Lehren Freuds, dessen Schüler Dr. Sad-
ger ist, wieder als Alleserklärer herhalten müssen.
Anregungen aber schöpft man aus diesen Aufsätzen
viel.
Der im Aprilheft dieses Jahrganges von mir an dieser
Stelle angezeigte Privatdruck „ Berühmte Besucher
Badens?', ein grünes Heft im altmodischen Format
der vormärzlichen Liederhefte, ist nunmehr auch in
neuer Ausstattung mit 112 Illustrationen versehen bei
Karl Konegen in Wien (Emst Stülpnagel) heraus¬
gekommen. Der Verfasser des mit vieler Sorgfalt
ausgestatteten Werkes, Paul Tausig , der es auch an
einer unterrichtenden Einleitung nicht fehlen ließ, hat
nach seiner eigenen Angabe nicht weniger als zwölf
Jahre zu dieser Arbeit aufgewendet Die vielen Bild¬
beigaben und Faksimiles machen das eigenartige
Werk zu einer Art kulturhistorischen Bilderbuches.
Im Wiener Dorotheum fand im Mai die Auktion der
Bibliothek des verstorbenen Franz Steiner aus Meran
statt Die Bücherei enthielt einzelne ungemein wert¬
volle Stücke nebst vielem ganz belanglosen zusammen¬
getragenen Zeug. Einzelne Ergebnisse seien im Nach¬
folgenden berichtet, wobei bemerkt wird, daß bei der
Auswahl nicht die Preishöhe bestimmend war.
Brentano, Clemens , „Die Märchen", zum Besten
. der Armen. Herausgegeben von G. Görres. Kr. 22. —
I Denon Vivant, „Voyage dans la Basse et la Haute
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CORNELL UNÜVERSrrf
184
Römischer Brief
Egypte“. 2 Bände. Paris 1802. Kr. 63. — Dürer ,
Albrecht, „Underweysung der messung mit demzirkel
un richtscheyt“. 1525. Kr. 140. — Goethes „Werke“.
20 Bände. Gotha 1815—1819. Kr. 50. — Goethes
Werke. „Vollständige Ausgabe letzter Hand“. Stutt¬
gart und Tübingen 1827—1842. Kr. 35. — Goethe,
„West-östlicher Diwan“. 1819 (1. Ausgabe mit latei¬
nischen Lettern). 18 Kr. — Goethe, „Zur Naturwissen¬
schaft überhaupt, besonders zur Morphologie“. 1817—
1822. Kr. 16. — Heine , „Sämtliche Werke“. Ham¬
burg 1861—1869. Kr. 50. — Inkunabeln, „Die neueste
deutsche Bibel" mit 109 (16 handkolorierten und 93
schwarzen) Holzschnitten, Schweinslederbänden mit
Messingbeschlägen und Schließen. Nürnberg 1483.
Kr. 750. — Schedel , „Das Buch der Chroniken und
Geschichten“. Nürnberg 1493, Koburger. Kr. 325. —
Schedel, „Liber Chronicarum“. Nürnberg 1493, Kr. 200.
— Vergilius, „Opera Venetiis (Vindelinus de Spira)“.
1471, fol Rom. Kr. 1800. — Keller , Gottfried, „Der I
grüne Heinrich“. 4 Bände. Braunschweig 1854—1855.
Vieweg & Sohn. Kr. 130. — Keller , Gottfried, „Sieben
Legenden“. Stuttgart 1872. Kr. 20. — Luther , „Das
Alte Testament, „Biblia“. Deutsch-Wittenberg, Hans
Lufft, 1550; mit zahlreichen Holzschnitten von Lucas
Cranach. Kr. 50. — Luther, „Biblia“, das ist die
gantze Schlifft. Straßbuig 1630. Kr. 64. — Manu¬
skript'. „Livres d'heures“. Lateinische Pergament-
Handschrift französischen Ursprungs aus dem Ende
des XV. Jahrhunderts. 149 Bll. in 8°. Mit 6 großen
prachtvollen Miniaturen. Kr. 1800. — Scheffel, „Ekke¬
hard“. Frankfurt 1855. Kr. 18. — Schiller , „Sämt¬
liche Werke“, herausgegeben von Chr. G. Körner.
12 Bände. Kr. 30. — Wagner, Richard, „Der Ring
des Nibelungen. Ein Bühnenfestspiel für drei Tage
und einen Vorabend. Kr. 3.55. — Wagner, Richard,
„Der Ring des Nibelungen. Leipzig 1863. Kr. 24.
Wien, Mitte Juli Hans Feigl.
Römischer Brief.
Der beratende Ausschuß der italienischen Gesell¬
schaft für Papyrusforschung in Ägypten trat vor kurzem
zu einer Sitzung zusammen, zu der die Professoren
Comparetti, Vitelli, Pistelli, Stromboli, Dr. Giacomo
Levi, der Advokat Anau, Dr. Lorenzo Gammelli und
Angelo Orvieto erschienen waren. Professor Pistelli
erstattete Bericht über die von ihm in Belmesa
(Oxyrhynchos) in den Monaten Januar bis März dieses
Jahres unternommenen Ausgrabungen. Er sprach
über die verfolgte Methode, über die für die Aus¬
grabungen ausgewählten „ Kimärns u und über die er¬
zielten Resultate. Die Gesellschaft, die schon Papyri,
Tonfragmente usw. besaß, um den zweiten Band ihrer
Publikationen beginnen zu können, hat jetzt hin¬
reichend Stoff, um ihn abzuschließen und bereits
weiteres Material um einen dritten anzufangen. Ge¬
nauere Angaben über die Papyri zu machen, die
Pistelli aus Ägypten mitgebracht, ist vor der Hand
unmöglich, da es dazu zuvor eingehender Studien be¬
darf. Aber immerhin hat er in der Sitzung einige
bemerkenswerte Stücke vorgelegt, so eine schöne
Seite aus dem Buche der „Richter“ in der Septua¬
ginta-Übersetzung; einen umfangreichen Papyrus, der
moralische Ratschläge enthält, ähnlich denen des
Isokrates an Demonikus, in einer bisher unbekannten
Zusammenstellung und Fassung; schöne Dokumente
aus dem III. und IV. Jahrhundert; einen wichtigen
astrologischen Papyrus; zwei Blatt aus einem schönen
Pergamentkodex, der über fünfzig vollständige Trimeter
und viele Fragmente einer ganz unbekannten Komödie
des „ Menander ", unter deren Personen — vielleicht
als Hauptperson — sich die Smicrine befindet. Die
Kosten der Expedition überstiegen aus verschiedenen
Gründen diejenigen der vergangenen Jahre, doch sind
sie nicht über die von dem leitenden Ausschuß fest¬
gesetzte Summe hinausgegangen. Wie Professor
Pistelli berichtet, sei er und sein Begleiter, trotz der
antiitalienischen Stimmung der Mohamedaner, in
Behnesa als Gäste geachtet und mit aller Rücksicht
behandelt worden. Auch von dem Museum in Kairo
und allen den Altertümern Vorgesetzten Behörden gelte
das gleiche. Bezüglich der Ausgrabungen des nächsten
Winters 1912—13 glaubt Pistelli, daß in Behnesa nicht
mehr allzuviel zu holen sei Er hat sich daher vor
dem Verlassen Ägyptens an das Museum in Kairo
gewandt, und außer Behnesa um Zuweisung noch eines
anderen Plaues für Ausgrabungen gebeten, dessen
Namen die Gesellschaft vorläufig geheim hält, damit
ihr kein anderer zuvorkommt Die Direktion des
Museums in Kairo hat denn auch mit Schreiben vom
19. Mai den Bitten der „Societa Italiana per i Papiri'
stattgegeben.
Eine hübsche Geschichte berichtet die „ Revue des
Pays Latins “, nach den Original-Dokumenten in dem
französischen Staatsarchiv, von einem Neapolitaner
Sänger, der im Jahre 1753 nach Paris an den Hof
Ludwigs XV. berufen worden war. Ludwig XV.
— heißt es da — ließ den Sänger Caffarelli durch
Vermittlung seines Gesandten in Neapel Aach Paris
kommen, damit er mit seiner Kunst der Kronprinzessin
in den leuten Monaten ihrer Schwangerschaft einige
Zerstreuung bereite. Der König ließ ihm gleich 800
neapolitanische Dukaten als Reisekosten zahlen und
wenige Tage nachher traf der Sänger in Paris ein.
Hier wurde ihm auf Kosten des Königs eine schöne
Wohnung angewiesen, die er bald darauf mit einer
noch schöneren in Versailles vertauschte. Der Sänger
lebte in Saus und Braus und ließ alle Rechnungen
— große und kleine — an den Hof schicken — und
der Hof zahlte. Der Herzog von Luynes erzählt, daß
der König, der mit Caffarelli zufrieden war, ihm oft
und gern goldene Tabakdosen und anderes schenkte,
ihm 75 Franken täglich, einen Wagen mit zwei
Pferden, einen Tisch zu sechs bis acht Gedecken und
zwei Livreediener gab, und das alles außer der freien
Wohnung. Caffarelli sang bei Hofe und anderswo,
bei großen Zeremonien und bei privaten Gelegenheiten.
Grimm erzählt in seiner literarischen Korrespondenz,
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Römischer Brief
85
wie im Jahre 1753 der heilige Ludwig in der franzö¬
sischen Akademie gefeiert wurde und berichtet, daß
Caffarelli dabei eine Motette von Buranello mit voll¬
endeter Kunst gesungen habe. Die zahlreichen ge¬
wählten Gäste beobachteten das defste Schweigen.
Caffarelli sah, während er sang, bald nach dem Platz,
wo eine Konkurrentin seiner Kunst, die bedeutende
Sängerin Fel, saß, bald wandte er sich nach den
Plätzen der Künstler, Kririker und Literaten, aller be¬
rühmten Männer der Nation, unter denen damals
schon der Kampf über die Vorzüge der italienischen
Musik gegenüber der französischen entbrannt war.
Ein andermal ließ Caffarelli sich in einem geistlichen
Konzert in den Tuilerien hören, wo er — wie ein
Journal der Zeit berichtet — mit wunderbarer Weich¬
heit und stimmlicher Technik sang. Caffarelli ließ
sich jedoch seine schöne, Stimme gut bezahlen und
war nie zufrieden, weder mit dem Geld noch mit den
Geschenken, die er empfing. Eines Tages, als man
ihm ein goldenes Kästchen von Seiten des Königs
überbrachte, rief er aus: „Was, der König von Frank¬
reich schickt mir das Ding da? Da sind dreißig
solche, von denen das kleinste mehr wert ist als
dieses hier. Wenn es wenigstens mit dem Porträt
Seiner Majestät geschmückt wäre!“ „Mein Herr, der
König von Frankreich schenkt sein Bildnis nur den
Gesandten," antwortete der Überbringer. „Was, den
Gesandten ? Gut, dann soll er die auch singen lassen!"
Ludwig XV., dem diese Anekdote erzählt wurde,
lachte sehr darüber und berichtete sie der Kron¬
prinzessin Marie Josephe von Sachsen. Sie ließ den
ehrgeizigen Sänger zu sich kommen und schenkte
ihm, ohne seine kritischen Bemerkungen irgendwie zu
erwähnen, einen schönen Diamanten und einen Paß.
„Er ist vom König unterzeichnet" — sagte sie — „und
ist eine große Ehre für Euch, aber nutzt ihn ordent¬
lich aus, denn er gilt nur zehn Tage". — Es war eine
regelrechte Entlassung. Caffarelli ließ sich das nicht
zweimal sagen, packte seine Koffer, überschritt nach
Hinterlassung einer großen Zahl unbezahlter Rech¬
nungen die Alpen und kehrte in seine Vaterstadt
zurück.
Das Bedürfnis, die etruskischen Ausgrabungen in
Fiesoie bei Florenz in würdiger Weise unterzubringen,
hat zu dem Entschluß geführt, dort ein Museum zu
errichten. Die ältesten Entdeckungen wichtiger Reste
wurden im Jahre 1814 gemacht, wo der Baron von
Scherlestein das antike Theater auffand. Das Grund¬
stück, auf dem es stand, wurde dann 1875 von der
Gemeinde erworben. Gamurrini und später Macdo
sammelten sorgfältig alle einigermaßen wichtigen
Stücke, die nun provisorisch in dem alten Prätoriums-
palast untergebracht sind. — Die Vorhalle des neuen
Museums soll mit den Ornamenten und Reliefs ver¬
ziert werden, die das Proszenium des antiken Theaters
schmückten. Unter dem archäologischen Material
das im Prätoriumspalast vereinigt ist, ist das inter¬
essanteste die Sammlung, die Del Rosso bei der
Ausgrabung der Akropolis im Jahre 1815 zusammen¬
gebracht hat. Diese mit großem wissenschaftlichen
Verständnis geordnete Sammlung, die im 20. Band
der „Monumenti Anticbi dei Lincei" beschrieben ist,
wird einen Glanzpunkt des neuen Museums bilden.
Ein Ehrenplatz soll den Fragmenten der bronzenen
Wölfin, die an die Kapitolinische in Rom erinnert,
reserviert werden, sowie den Skulpturen aus den
Termen, und dem kostbarsten Stück etruskischer
Skulptur, der kürzlich von Mr. Lawrence der Ge¬
meinde Fiesoie geschenkten Stele mit Reliefs von
Szenen aus dem Leben im Jenseits, die aus der
Nekropolis in Fiesoie stammt. Das neue Museum ist
darauf berechnet, daß noch weitere Stücke darin Platz
finden können und daß die Ausgrabungen fortgesetzt
werden.
Bei dieser Gelegenheit sei auch auf den neuen
Führer durch das archäologische Museum von Florenz
von Professor Milani hingewiesen, von dem soeben
der erste Band erschienen ist: Milani H. R., Museo
Archeologico di Firenze. Vol I. 1912.
Vor einiger Zeit hat der Papst den Direktor des
Verlages des Heiligen Stuhls, Desclee & Co., in Audienz
empfangen, um aus seinen Händen das „Neue refor¬
mierte Brevier* 4 in Empfang zu nehmen. Es ist in
vier Bänden in einer sehr schönen Schrift gedruckt,
das Widmungsexemplar für den Papst ist auf echtem
indischen Papier abgezogen und in einen prächtigen,
reichen Einband von weißem Maroquinleder gebunden.
Nach Annahme des Geschenkes hat der Papst die
Verlagsfirma zu ihrer großen Rührigkeit und der
schönen Ausstattung ihrer interessanten Ausgaben be¬
glückwünscht und den Eigentümern, den Angestellten
und allen Arbeitern seinen apostolischen Segen erteilt
Die Gesellschaft „Augusta" in Turin hat ihr zwölftes
graphisches Preisausschreiben erlassen: Es soll ein
Briefbogen mit Kopf und entsprechendem Umschlag
entworfen werden. Jedermann hat das Recht, an
der Konkurrenz teilzunehmen: Künstler, Zeichner,
Buchdrucker, Lithographen usw., Italiener wie Aus¬
länder. Die Entwürfe müssen auf Karton im Format
23x29 ausgeführt sein und der Text des auszuführen¬
den Kopfes hat zu lauten: „ Comitato Italiano per le
Onoranze centenarie a Giambattista Bodoni — Settern -
bre — Novembre 1913, Torino, 39 Via Carlo Alberto'*.
Auf demUmschlag.für den der Entwurf auf dem gleichen
Karton einzureichen ist, genügt als Kopf: „Comitato
per le Onoranze centenarie a Giambattista Bodoni —
Torino". Der Bewerber kann die Aufgabe lösen, wie
es ihm am besten scheint, sei es in einfacher Weise,
sei es mit Ornamenten; er darf sich aber ausschlie߬
lich typographischen Materials bedienen. Die Arbeit,
die nur durch Buchdruck hergestellt werden darf, soll
auf nicht glänzendem Papier ausgeführt werden und
darf die Maschine nicht öfter als dreimal durchlaufen;
doch bleibt es frei gestellt, durch Übereinanderdrucken
eine große Mannigfaltigkeit der Farben zu erzielen.
Die Entwürfe, die auf der Rückseite ein Motto zu
tragen haben, müssen sorgfältig in Aquarell ausgeführt
und von einem Umschlag begleitet sein, der den Namen,
Vornamen und die Adresse des Bewerbers enthält,
und der von den Preisrichtern erst nach Ausspruch
des Urteils geöffnet werden wird. Die Bewerber
können auch mehr als einen Entwurf einreichen. Die
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186
Kopenhagener Brief
nicht prämiierten Entwürfe bleiben Eigentum der Ge¬
sellschaft „Augusta“, falls sie nicht innerhalb von drei
Monaten nach der Entscheidung zurückverlangt
werden. Die Entwürfe müssen bis Mitternacht des
31. Dezember 1912 bei der „Societa Augusta", Riparto
Concorsi (Abteilung Preisausschreiben) eingeschrieben
eintreflfen. Zur Verteilung kommen vier Preise zu
100, 50, 30 und 15 Lire. Das Ergebnis der Konkurrenz
wird im „Archivio Tipografico* zugleich mit der Ab¬
bildung der preisgekrönten Entwürfe veröffentlicht
werden. Die Bewerber erhalten alsbald ein Exemplar
der Entscheidung des Preisrichterkollegiums zugesandt
Wie aus Vorstehendem hervorgeht, rüstet sich
Italien zu einer würdigen Gedächtnisfeier für seinen
größten Buchdrucker der neueren Zeit Giambattista
Bodoni, gestorben am 29. November 1813, der sich
durch seine typographisch hervorragend schönen Aus¬
gaben in der Geschichte des Buchdrucks einen un¬
sterblichen Namen gemacht hat Ich werde zur ge¬
gebenen Zeit noch des Näheren auf seine erstaunliche
Tätigkeit zurückkommen. —
Bei der Besprechung der neuen großen Publikation
der Handzeichnungen der Uffizien (Florenz, Olschki)
in meinem vorigen „Römischen Brief* ist leider durch
ein Versehen vergessen worden, die Bezugsbedingungen
mit anzugeben, und es sei mir daher gestattet, folgendes
nachzutragen: Der jährliche Subskriptionspreis ist auf
250 Lire festgesetzt; bei Erscheinen der letzten Liefe¬
rung eines jeden Jahrgangs wird der Preis auf 300
Lire erhöht Einzelne Lieferungen werden nicht ab¬
gegeben.
Rom, 13. Juli 1912. Ewald Rappaport.
Kopenhagener Brief.
Auf der jährlichen Frühjahrsausstellung der König¬
lichen Akademie für bildende Künste hat ein Buch
des Künstler-Buchdruckers Kr. Kongstad in Fredens-
borg ein gewisses Aufsehen erregt Das Buch „Hexeme"
von Woldemar (Pseudonym des Verfassers Viggo
V. Holm) ist nur in einem einzigen Exemplar gedruckt
und wurde von der Königlichen Bibliothek in Kopen¬
hagen erworben. Es ist eine Novelle aus der Hexen¬
zeit und, wie alle Schriften des Verfassers, in alter¬
tümlicher Sprache geschrieben. Zur Aufnahme in
einer Gemäldeausstellung berechtigt die ungewöhn¬
liche Art der Illustration. Sieben Aquarelle, von
Kongstad gemalt, jedes eine volle Seite in Anspruch
nehmend, schmücken das Buch, hinzu kommt noch
eine passende Anwendung von Leisten und rot ge¬
druckten Initialen. Über den künstlerischen Wert der
Aquarelle kann ich nicht urteilen, sie gefallen mir
nicht durchweg, sie sind nach meiner Meinung nicht
alle technisch gut ausgeführt; aber es scheint mir,
daß die Herstellung eines Buches in einem Exemplare
ein Mißverständnis ist Die Buchdruckerkunst ist eine
Vervielfältigung, und die von Kongstad ausgeführte
Idee ist deshalb an und für sich eine Absurdität.
Soll ein einziges Exemplar angefertigt werden, so
muß es geschrieben und nicht gedruckt sein. Dazu
kommt noch, daß er beim Illustrieren einen großen
Fehler gemacht hat. Die Aquarelle sind auf gewöhn¬
lichem Papier, nicht auf dem dazu speziell geeigneten
Aquarellpapier gemalt und dann aufgeklebt und in
einem Falle ist sogar dieses Papier auf der einen
Seite bedruckt Das sieht häßlich aus. Er hat nicht
gewußt oder hat nicht daran gedacht, daß auch ein
Buch ein Organismus ist und ein Ganzes bilden soll.
Viel glücklicher war dagegen Kongstad mit einem
anderen Buche, das vor einigen Wochen erschienen ist:
Launtz Petersen, Helsingör, vom Gyldendalschen Ver¬
lage herausgegeben und in Bagges Königlicher Hof-
Buchdruckerei gedruckt (vgl Heft 4, Beiblatt, Seite 148).
Hier tritt Kongstad nur als Illustrator auf und hat etwas
Vorzügliches geleistet Das Werk liegt in zwei Aus¬
gaben vor, eine dänische zu 2 Kronen und eine deut¬
sche zu i*/ a Kronen, letztere in etwas verkürzter Form,
aber mit demselben IUustrationsstoff. Es ist kein ge¬
wöhnlicher Reiseführer und ist doch für die Touristen
bestimmt Ich glaube freilich, daß die meisten
Touristen die nach photographischen Aufnahmen
reproduzierten Bilder vorziehen werden, aber für die¬
jenigen, welche die kleine Stadt am Sunde nicht nur
besucht, sondern auch gesehen haben, wird die Schrift
ein schönes Andenken sein. Die Bilder sind teils in
Ätzungen, teils in farbigen Holzschnitten wiedergegeben
und voller Stimmung und Schönheit Helsingör birgt
noch viele Erinnerungen aus der Zeit, wo die Stadt
der zweite Handelsplatz Dänemarks war, wo reiche
Kaufleute ihre Häuser bauten, wo die Schiffer, aus
allen Gegenden der Welt kommend, 'zusammentrafen,
um den berüchtigten Sundzoll zu bezahlen. Von
älteren Gebäuden sieht man noch die St Olai-Kirche,
das Karmeliterhaus und das Karmeliterkloster, die
vor einigen Jahren beide restauriert worden sind, und
jedermann kennt das Schloß Kronborg, wo der Sage
nach Holger Danske (Ogier le Danois) schlafend an
einer Tafel sitzt, um nur zu erwachen, wenn die
größte Gefahr Dänemarks Existenz bedroht Der
Verfasser gibt kurz die wichtigsten Punkte der Stadt¬
geschichte und eine Beschreibung sämtlicher Gebäude,
die von Interesse sind.
Zum ersten Male ist die Sonette Michel Angelos
in dänischer Sprache herausgegeben worden. Der
Rechtsanwalt Johannes Dam, der bisher nur Possen
und Lieder geschrieben hat zeigt sich hier als ein
dichterisches Talent, indem er die schwierigen Ge¬
dichte in vorzüglichster Weise wiedergegeben hat
Das Buch ist gut gedruckt einzelne Exemplare auf
Japanpapier.
Während Deutschland, England, Schweden und
andere Länder seit lange literarische Gesellschaften
besitzen, die ältere Litcraturwerke in mustergültigen
Ausgaben veröffentlichen, hat Dänemark erst jetzt
begonnen, diese verdienstvolle Arbeit vorzubereiten.
Die beim Jubiläum der Universität im Jahre 1879 ge¬
stiftete Gesellschaft, die früher erwähnte „ Universitets-
jubiläets danske Sam/und * hat sich bisweilen damit
beschäftigt und ist zum Beispiel Herausgeber der
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Amsterdamer Brief
187
dänischen Werke von Petrus Palladius; die Geld¬
mittel und damit die Tätigkeit dieser Gesellschaft
sind aber eng begrenzt. Man muß deshalb die
Gründung einer neuen rein literarischen Gesellschaft
mit Freude begrüßen. Am 29. April 1911 trat ein
Kreis von dänischen Historikern und Sprachforschern
zusammen, um „Det danske Sprog- og Utteratursel-
skab u zu gründen, mit der Aufgabe, Dänemarks ältere
und neuere wissenschaftliche, poetische und volkstüm¬
liche Literaturwerke in zeitmäßigen Ausgaben zu ver¬
öffentlichen. Bei der Herausgabe sollen diejenige, an
welche dieselbe anvertraut ist, den genauesten philo¬
logischen Grundsätzen folgen. Jedes Werk wird von
einem literarhistorischen, bibliographischen und sprach¬
lichen Kommentar begleitet Die Mitglieder, bei der
Gründung 23, erhalten unentgeltlich ein Exemplar
sämtlicher Publikationen. Wenn sie nicht selbst
Herausgeber sind, sollen sie je nach ihren Studien
die Arbeit kontrollieren, oder, wenn es nötig wird, die
Herausgeber unterstützen. Die erste Publikation hat
bereits das Licht erblickt. Es ist der erste Band
einer Sammlung dänischer Lieder „Danske Viser '*
aus der Zeit 1530—1630, nach Adclshandschriften und
Flugblättern vom Dr. Grüner Nielsen herausgegeben.
Das zu diesem Bande gehörende Kommentarheft wird
im Herbst folgen, und das ganze Werk mit einem
Wörterbuch vom Dr .Marius Christensen abgeschlossen
werden. Die Herausgabe wurde nur dadurch ermög¬
licht, daß der frühere Direktor der polytechnischen
Lehranstalt, Geheimrat G. A. Hagemann , alle Kosten
bezahlt hat Der erste Band wurde denn auch am
21. Mai, dem Geburtstage Hagemanns, dem Spender
feierlich überreicht Die Ausgabe soll alle historischen
und erzählenden Lieder, alle lyrischen Liebeslieder
und moralisierenden Lieder aus dem oben genannten
Zeiträume enthalten, und natürlich sind alle Volks¬
lieder, die in der großen von Svend Grundtoig und
Axel Olrik besorgten Ausgabe der Volkslieder er¬
scheinen, ausgeschlossen. Der erste Band enthält nur
historische Lieder, die keinen poetischen Wert haben,
die aber doch von geschichtlicher, kultureller und
sprachlicher Bedeutung sind. Das Buch ist schön ge¬
druckt auf gutem Papier, das in allen Publikationen
der Gesellschaft angewandt werden soll, nur in 235
Exemplaren hergestellt, von welchen 150 m den Handel
kamen. Diese Anzahl war zu klein: nach drei Wochen
war das Buch vergriffen und nur wenige Exemplare
haben den Weg nach dem Auslande gefunden.
Die Aufgaben, die sich die Gesellschaft sonst ge¬
stellt hat, sind zahlreich. Die meisten haben selbst¬
verständlich nur für Dänemark Wert Mit Unter¬
stützung des Carlsbergfonds, des Kultusministeriums,
wissenschaftlicher Legate und Privatpersonen ist zum
Beispiel eine Ausgabe der sämtlichen Schriften des
von Lessing stark beeinflußten Dichters Johannes
Ewald in Vorbereitung, auch eine vollständige Ausgabe
der alten dänischen Gesetze. Aber auch für das Aus¬
land von Interesse ist die auf Kosten des Geheimrats
Hagemann geplante Ausgabe der sämtlichen Werke
und Briefe Tycho Brakes , von welchen der erste
Band 1913 erscheinen wird. Zu diesem Zwecke wurde
an alle Bibliotheken Europas ein Rundschreiben ge¬
sandt, um unbekannte Briefe, Handschriften und der¬
gleichen aufzuspüren. Eine gedruckte Schrift „Apo-
logia contra Craigium de cometis. Uraniburgi 1571"
hat man bisher nicht auffinden können, sie. existiert
nur in einer Abschrift in der Königlichen Bibliothek.
Die Königliche Gesellschaft für nordische Alter¬
tumskunde „ Det kgl. Nordiske Oldskriftselskab u hat
ein erstes Heft des zweiten Bandes von „Nordiske
Fortidsminder“ herausgegeben. Die Herausgabe ist
durch einen archäologischen Fund von höchstem
Wert veranlaßt. In der Nähe des Schlosses Juellinge
auf der Insel Lolland hat man vier Grabstätten, aus
dem II. oder III. Jahrhundert herstammend, gefunden
und die Fundreste mit größter Sorgfalt gesammelt,
präpariert und im Nationalmuseum aufgestellt Die
Gräber enthielten vier Leichen von Weibern, die mit
Halsketten, Goldnadeln, Hausgerät beerdigt waren.
Diesen Fund, der schon von bedeutendem archäo¬
logischen Wert war, übertraf bei weitem ein anderer in
Norwegen, der sogenannte Osebergfund, das Grabmal
einer Königin aus der ersten Zeit der Vildngs, ge¬
funden bei Oseberg im südlichen Norwegen. Ein
Hügel barg ein voll ausgerüstetes Schiff, in welchem
die verstorbene Königin zum Reiche der Toten segeln
sollte. Mit ihr war begraben ein Wagen mit Pferden,
Schlitten, Kleidern, Stiefeln, allem Hausgerät, was zu
einer Hofhaltung nötig ist, alles wohl bewahrt, viel¬
fach sehr kunstfertig geschmückt, mit einem Ge¬
schmack verfertigt, der von der hohen Kulturstufe
der Vikings spricht Eine Publikation dieses herr¬
lichen Fundes ist jetzt in Vorbereitung und wird im
Herbst erscheinen. Da die norwegischen Verleger
die Herausgabe des Werkes abgelehnt hatten, er¬
klärte der dänische Gyldendalsche Verlag sich bereit,
die Veröffentlichung zu übernehmen. Nach dem
großen Erfolg der Ausstellung des Fundes im Reichs¬
museum erwachte der nationale Sinn der Norweger,
und nach kurzen Verhandlungen wurde man darüber
einig, eine offizielle Publikation bei einem nationalen
Verleger in Norwegen und eine populäre in dem
Gyldendalschen Verlage herauszugeben.
Kopenhagen, Juli 1912. Victor Afadsen.
Amsterdamer Brief.
Die Lieferungen des Nyhoffschen Werkes „L’art
typographique dans les Pays-Bas“ folgen einander
jetzt in etwas schnellerem Tempo; erschienen ist
kürzlich das vierzehnte Heft Was die Zahl der
Blätter betrifft, so kommt hier Antwerpen als Druckort
an erster Stelle. Der Offizin des Jan van Doesborch in
Antwerpen wird in dieser Lieferung das sechste Blatt
gewidmet; auf demselben sind verschiedene Initialen, die
in die Figuren verflochten sind, und eine gotische Schrift¬
probe reproduziert, die letztere ist dem 1520 veröffent¬
lichten Werke „Der dieren palleys“ entnommen. Ein
anderer Antwerpener Buchdrucker, Simon Cock, tritt
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i 88
Amsterdamer Brief
mit zwei Blättern hier zum erstenmal auf den Plan;
mit dem Titelholzschnitt und einer Holzschnittillustration
aus der 1539 bei ihm verlegten „Cronycke van Vlaen-
deren", rohen Arbeiten, präsentiert er sich nicht vor¬
teilhaft; schön ist dagegen die gotische Letter, mit
der das Werk gedruckt ist Beachtenswert als die
Leistung eines sein Fach beherrschenden Künstlers
ist ein kleiner Holzschnitt aus einer anderen Ausgabe
von 1535, den Apostel Paulus mit Schwert und Buch
darstellend. Der dritte hier vertretene Antwerpener
ist Jan van Ghelen , sein Buchdruckerzeichen ist recht
roh; ganz gut dagegen ist ein Holzschnitt Christus mit
den Marterinstrumenten; außerdem bringt das Blatt
eine Schriftprobe in gotischen Lettern aus einer
Taschenausgabe des „Nieuwe Testament". Von süd¬
niederländischen Druckorten kommt noch Gent zu
Worte mit drei Arbeiten des Pieter de Keyser; reprodu¬
ziert sind ein Titel mit zwei vertikalen Randleisten,
ein derber Holzschnitt, eine weibliche Figur mit
einem Löwen neben sich vorstellend, die Beschirmerin
der Stadt Gent und eine schöne gotische Schrift¬
probe. Von nordniederländischen Städten finden wir
Hertogenbosch als Druckort des Laureus Hayen,
dessen Leistungen hier zwei neue Blätter zeigen: die
beiden Holzschnitte aus dem Werk des Iuvencus
' Hispanus, Poema evangelicae legis — auf dem einen
ist der Heilige Laurentius mit dem Rost, der Schutz¬
heilige des Verlegers, und neben ihm knieend dieser
selbst, auf dem andern der Heilige Lambertus dar¬
gestellt — sind, besonders der erstere, etwas nüchterne,
aber sorgfältig geschnittene Arbeiten, die Köpfe sind
besser als die Hände. Von ungefähr gleicher Quali¬
tät ist der kleine Holzschnitt aus dem „Wonderlyk
leven der gesellen van S. Franciscus" von 1514 mit
der Stigmatisation des Heiligen in einer Landschaft.
Unbeholfener und archaischer sind zwei Holzschnitte
aus der Delfter Offizin des Hendrik Pietcrsxoon
Lettersny der , Szenen aus der Passion, dem Werke
„Die negen couden 1521" entnommen; dieselben sind
Kopien nach den auf den Nyhoflfschen Blättern auch
reproduzierten Illustrationen zu dem von dem Amster¬
damer Buchdrucker Hugo Jansz. van Woerden um 1510
herausgegebenen „Lyden Jesu dat der H. vrouwen
S. Birgitten geopenbaert was". Dann kommen noch
zwei Drucker aus Deventer, Theodoricus de Borne
mit einer Antiqua-Schriftprobe und zwei Holzschnitten
recht handwerksmäßigen Arbeiten, aus Hieronymus,
Epistola de fructu laboris, und Albert Paffraet ; das
von letzterem abgebildete Titelblatt zu Erasmus,
Stultidae laus 1520, ist deshalb nicht uninteressant,
weil es zeigt, eine wie lange Zeit hindurch fremde
Verzierungsmotive in der Buchausstattung auf der
Wanderschaft waren; die rechte Leiste der Titel¬
umrahmung ist nämlich eine gegenseitige Kopie nach
der Bordüre des Titels eines 1498 in Paris bei
Philippe Pigoucet erschienenen Stundenbuches (Heures
ä l’usage de Rome). Endlich seien noch zwei
Drucker aus Zwolle erwähnt, die hier zum erstenmal
vertreten sind: Simon Cotver, dessen durch häufigen
Abdruck sehr verblaßte Titelumrahmung mit dem
Renaissanceportal, in dem häßliche kahlköpfige Amo¬
retten ihr Wesen treiben, weder von Geschmack noch
von Können zeugt, und Amoldus Kempen mit ganz
schönen gotischen Schriftproben aus einer Reihe ge¬
lehrter Werke.
Die Universität von Amsterdam, die keine staat¬
liche, sondern eine städtische Anstalt ist, hat jetzt
endlich einen Lehrstuhl für deutsche Sprache und
Literatur errichtet; nach der 1908 erfolgten Er¬
nennung des Dr. Frantzen, der hier jahrelang als
Privatdozent für dieses Gebiet tätig gewesen war,
zum Professor in Utrecht, bestand keine Gelegenheit
zum Studium der deutschen Sprache an der hiesigen
Universität; nicht besser war es hier aber mit der
romanischen und englischen Philologie bestellt Die
einzige Universität des Landes, an der Lehrstühle für
moderne Sprachen bestanden, war Groningen. Nach¬
dem nun schon durch die Berufung von Frantzen nach
Utrecht mit dem Groningenschen Monopol gebrochen
war, ist jetzt Amsterdam dem Utrechter Beispiel ge¬
folgt. Der neuemannte Professor für deutsche Sprache
und Literatur, der Grimmelshausenforscher J % H.
Schölte, ist den Lesern dieser Zeitschrift kein Fremder;
Schölte ist 1875 in Vlagtwedde in der Provinz Gro¬
ningen geboren, er studierte in Groningen und war
zuletzt als Oberlehrer an einer hiesigen höheren
Schule tätig. Hoffen wir, daß es dem jungen Professor
gelingen wird, auch außerhalb des engeren Kreises
seiner Schüler durch öffentliche Vorlesungen das
Interesse für deutsches Geistesleben zu wecken.
Eine nette kleine Monatsschrift für Bücherfreunde
gibt seit kurzem der Herr J. Greshoff in Apeldoorn
heraus „De wüte miet** (Die weiße Ameise). Das
Programm, das dieselbe verfolgt, deckt sich ungefähr
mit dem des deutschen „ Zwiebelfische . Die bisher
erschienenen zwei Hefte (Mai und Juni) sind von
einem handlichen schmalen Oktavformat; den weißen
Umschlag ziert die Vignette einer stilisierten Ameise
auf grün-, und auf dem zweiten Heft auf lila-ge¬
mustertem kleinem Spiegel, die jedoch nicht weiß,
sondern schwarz ist, ein kleiner Scherz; darüber über
drei Zeilen verteilt steht in schöner grüner, beziehungs¬
weise lila Antiqua-Kapital-Letter der Titel: DE WITTE
MI ER. Druck und Aufmachung der Zeitschrift machen
den angenehmsten Eindruck; die Firma G. van der
Wiel & Co. in Amheim hat den Druck besorgt, die
verwendete Type ist die Nordische Antiqua der
Schriftgießerei Genzsch & Heyse in Hamburg; das
schöne Papier (Holland verge) hat die Firma G. Loeber
in Amsterdam verfertigt Das Hauptziel der Zeit¬
schrift ist, das Verständnis und die Liebe für das
schöne Buch zu wecken und das Publikum über die
neuesten Erscheinungen der Bücherwelt auf dem
Laufenden zu halten, ohne literarisch-kritisch, pedan¬
tisch-dogmatisch und vor allen Dingen ohne langweilig
zu werden. Die zwei bis jetzt erschienenen Hefte halten
auch, was im Programm versprochen wird. Die
Artikel, alle von geringem Umfang, sind flott und in
einem angenehmen Plauderton geschrieben. Sie
wollen nicht durch erschöpfende Behandlung irgend¬
eines Gegenstandes nichts mehr zum Denken übrig
lassen, sondern durch Knappheit und mehr bloß
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CQRNELL UNIV ERSIT Y
Amsterdamer Brief
andeutend und hinweisend gerade zum eignen Nach-
denken anregen. Das Maiheft enthält unter anderem
eine Besprechung der Richard M. Meyerschen Aus¬
wahl aus Goethes Briefen von Fr. A. Bemcke, einen
Aufsatz über die typographische Ausstattung des
„Niederländischen Staatsblattes" mit einer Druckprobe
aus demselben und einer anderen Probe, nach dem
Entwürfe des Verfassers, die zeigen soll, wie eine
Seite mit den einfachsten Mitteln zu einem über¬
sichtlichen und harmonischen Ganzen gestaltet werden
kann. Ob aber die vorgeschlagene Anordnung und
Typenwahl wirklich übersichtlicher ist, dürfte fraglich
sein. — Das zweite Heft wird eröffnet mit einem
kurzen Hinweis auf die Verdienste des holländischen
Schauspielers Willem Royaards (desselben, der eine
Aufführung der holländischen Faustübersetzung auf
sein Programm gesetzt hat), dann folgen kleinere
Artikel über Cruikshanks Aquarelle, über das bei
Hans von Weber in München erschienene Werk
„Die schönsten Heiligenlegenden in Wort und Bild",
über die symptomatische Bedeutung einer Persönlich¬
keit, wie Emile Verhaeren, über Witkowski und sein
neues Buch „Die Entwicklung der deutschen Literatur
seit 1830"» über eine Ausstellung des Hagener Deut¬
schen Museums in Rotterdam und noch manches
Interessante mehr.
Die neue Jahresausgabe der „ Vereeniging tot
bevordering van Beeidende Künsten" bringt sechs
vorzügliche Photogravüren nach Gemälden des Mu¬
seums Boymans in Rotterdam mit einem begleitenden
Text von dem Direktor der Sammlung F, Schmidt -
Degener; die Reproduktionen sind von der Berliner
Firma Meisenbach, Riffarth & Co. ausgeführl; der
Text ist auf Büttenpapier von van Gelder Zonen ge¬
druckt. Aufgenommen sind das „Selbstbildnis" des
Carel Fabritius, das „Kornfeld" von Jac. Ruysdael, der
„Fischmarkt“ von Em. de Witte, eine „Wirtshausszene
mit einem Gitarrespieler" von D. Teniers und der
einzige Rembrandt des Museums, die „Allegorie auf
die Eintracht des Landes".
Eine hübsche kleine Publikation hat der Verein
für die Geschichte der Stadt Amsterdam „ Amstelo -
damum u herausgegeben: eine Sammlung Amsterdamer
Stadtansichten in Lichtdrucken nach weniger bekannten
Gemälden des Jan van der Heyden mit begleitendem
Text von C. G . ' t Hooft , dem Direktor des Museums
Fodor in Amsterdam. Der Preis des geschmackvoll
gedruckten und gebundenen Werkchens beträgt 1,50FL;
die Verleger sind ten Brink & de Vries in Amster¬
dam. — Die Aufsätze, die Tutein Nolthenius mit dem
Titel „ Wat Goethe niet zag in Sicilie" im Gids dieses
Jahres veröffentlicht, haben mit Goethe so gut wie
nichts zu tun. Goethe dient ihm nur als Einleitung
und Anknüpfungspunkt, was bei einem Besuche
Siciliens nicht Wunder nehmen darf, da der Reisende
dort auf Schritt und Tritt an Goethes Aufenthalt er¬
innert wird. Wovon Tutein Nolthenius hier in seiner
geistreichen und lebendigen Weise erzählt, das hat
Goethe überhaupt nicht sehen können, weil es damals
noch nicht bestand; näher angedeutet wird nämlich
der Inhalt des Artikels in dem Untertitel „Der Zug
Z. f. B. 1912/1913.
189
nach dem Westen". Es sind die so eigenartigen volks¬
wirtschaftlichen Zustände, die uns der Verfasser auf
Grund eigener Beobachtungen und eines von dem
Innsbrucker Professor Giovanni Lorenzoni zusammen¬
gestellten umfangreichen Werkes über die Lage der
Landbewohner Siziliens hier schildert, noch spezieller
die Auswanderung der Bauern nach Amerika mit
leeren Taschen und die Rückwanderung mit gefüllten.
Damit aber Goethe nicht ganz mit den Haaren her¬
beigezogen scheint, kommt der Verfasser gelegentlich
noch einmal auf Goethe zurück. Was Goethe außer¬
dem in Sizilien nicht gesehen hat, wofür ihm das
Auge fehlte, das sind nämlich die „Wunderwerke
arabischer und byzantinisch-normannischer Architektur,
die noch unberührten Blumenfelder aus Mosaik, die
in tausendjähriger Pracht glänzen; die Schöpfungen
von Geistern, die uns so viel näher stehen als die
attischen, die für uns zu einfach, zu erhaben, zu rein
sind und die wir daher nur aus der Feme bewundern,
doch nicht begreifen können". Tutein Nolthenius hat
die Gabe, einen so trockenen, nüchternen Gegenstand,
wie das eine volkswirtschaftliche Studie in der Regel
ist, zu einer nicht nur fesselnden, sondern auch
amüsanten Lektüre zu machen, und er bleibt dabei
immer gleich gründlich.
Vom 17.—19. Juni wurden von der Firma Frederik
Mutier Gr* Co. verschiedene Bibliotheken versteigert.
Von den 879 Nummern will ich die wichtigsten mit
den erzielten Preisen aufzählen:
Nr. 2. Eine holländische Handschrift der Imitatio
des Thomas a Kempis, aus dem Ende des XV. Jahr¬
hunderts, nur die zwei ersten Bücher: 300 Fl.
Nr. 3. Holländisch geschriebenes Stundenbuch mit
Randeinfassungen, in schönem gotischen Band, XV.
Jahrhundert: 180 Fl.
Nr. 4. Lateinisch geschriebenes Stundenbuch , mit
Rand Verzierungen und gemalten Initialen, französische
Arbeit, XV. Jahrhundert: 85 Fl.
Nr. 5. Ein französisches Stundenbuch , mit großen
Initialen und Randverzierungen, aus dem Jahre 1432:
3 i FL
Nr. 6. Lateinisch geschriebenes Stundenbuch , mit
sechs Miniaturen und Randverzierungen, flämische
Arbeit aus dem XV. Jahrhundert: 300 FL
Nr. 7. Lateinisch geschriebenes Stundenbuch , mit
polychromen Randverzierungen in der Art des Geoffroy
Tory 1520: 825 FL
Nr. 13. Album mH So Autographen berühmter
Holländer von Wilhelm dem Schweiger bis Louis
Napoleon: 425 Fl.
Dann kam eine Reihe Inkunabeln, Nr. 42—103;
davon erzielte Nr. 44, Chronike von Brabant, Ant¬
werpen Rolant van den Dorpe 1497. mit zahlreichen
Holzschnitten, Ritterkämpfe darstellend: 160 FL
Nr. 46. Hoveken van devocien , Antwerpen, Jan
Lettersnider, s. a., mit 20 großen Holzschnitten: 420 FL
Nr. 47. Johannes de Turrecremata , Expositio
super toto psalterio; Augsburg, Johannes Schüssler,
um 1471, besonders interessant, weil auf dem inneren
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CORNELL UNIVERSITY
190
Amsterdamer Brief
Deckel eins der ältesten deutschen Exlibris aufge¬
klebt ist, das bei Schreiber, Manuel Nr. 2038 be¬
schriebene desBibracher Priesters Hildprand Branden¬
burg ; 320 FL
Nr. 50. Bertholdus , Horologium devotionis, Basel,
Joh. de Amorbach, um 1490, mit 42 Holzschnitten:
300 FL
Nr. 56. Die Duytsche Sout er, Delft, Jac. Jacs.
van der Meer, 1480; erste holländische Ausgabe des
Psalters, auf großem Papier, in altem Band: 240 Fl.
Nr. 59. Jac . de Voragine, Passionael, Winterstuc,
Somerstuc. Delft, H. Eckert van Homberch,
1499/1500. Eine vollständige holländische Ausgabe
der Legenda aurea mit 100 Holzschnitten: 400 FL
Nr. 65. (Th. A. Hybernensis ), Mensa philosophica,
Leuven, Joh. de Westfalia, um 1480: 210 FL
Nr. 70. Boe/hius, De consolatione philosophiae,
mit dem Kommentar des Thomas de Aquino, Nürn¬
berg, Ant. Koberger: 200 Fl.
Nr. 72. Henricus Herp , Speculum aureum decem
praeceptorum Dei, Nürnberg, Ant. Koberger, 1481:
200 FL
Nr. 84. Bonifacitts VIII., Liber sextus decretalium,
Rome, Udalricus Gallus & Simon de Luca, 1472;
charakteristischer Druck einer der ältesten italienischen
Druckereien: 220 FL
Nr. 91. Leonardas de Utino, Sermones quadra-
gesimales, Ulm, Joh. Zainer, 1478, mit eiserner Kette:
340 Fi.
Nr. 92. Jacobus de Voragine , Lombardica Hystoria.,
Ulm, Conr. Dinckmut, 1488: 260 Fl.
Nr. 93. Robertus Caracciolus de Lido, Quadra-
gesimale de poenitentia, Fr. Renner aus Heilbronn,
Venedig, 1472: 340 FL
Nr. 94. Antoninus, Confessionale, Venedig, Bartho-
lomaeus de Cremona, 1473: 480 Fl.
Nr. 97. Antoninus, Summae theologicae secunda
pars tertiac partis, Venedig, Nie. Jenson, 1477, in
altem Einband: 250 FL
Nr. 98. Richardus de Mediavilla , Commentum
super quartum Sententiarum, Venedig, Christ Arnold,
1474: 260 FL
Nr. 102. Dante Alighieri, Divina Comedia col
commento di Christofero Landini, Venetia, Matheo di
Chodecha da Parma, 1493, mit einer Folge von 97
kleinen und drei großen Holzschnitten: 280 FL
Die illustrierten Bücher des XVI. Jahrhunderts
standen in den aufgebrachten Preisen nicht hinter
den Inkunabeln zurück. Nr. 107, die erste Ausgabe
von Freidanks Bescheidenheit, 1508 in Straßburg bei
Johannes Grüninger erschienen, mit 63 Holzschnitten,
erzielte mit 470 FL den zweithöchsten Preis für ein
gedrucktes Buch in dieser Auktion. — Nr. 104. Das
puch der Himlischen Offenbarung der heiligen wittiben
Birgitts von dem künigreich Sweden, Nürnberg, Ant
Koberger, mit den 17 Holzschnitten von dem soge¬
nannten Meister der Bergmannschen Offizin: 400 FL —
Nr. 117. Das Buch der Selen wurtxgarte(n) genannt,
Straßburg, Math. Hupfufr, 1515, mit 93 Holzschnitten:
300 FL — Nr. 139. Gyron le Courtoys , Paris, Jehan
Petit & Michel le Noir, um 1510, mit Holzschnitten,
nach Brunet die erste Ausgabe dieses berühmten
Ritterromans: 300 FL — 141. Höre in lande(m)
gloriosissime virginis Marie, Paris, Germanus Har-
douyn um 1530, mit kolorierten Holzschnitten: 360 FL
— Nr. 146. Zwei Drucke der Leidener Offizin des
Jan Seversen, Vitas patrum en(de) is ghenoemt dat
vaderboeck, 1511 und Hier beghint der byenboeck,
1515; das erste Werkchen enthält zwei große Holz¬
schnitte aus dem Chevalier däiblri von de la Marche,
der 1480 in Gouda zuerst erschienen war; die mit
noch zwei andern späteren Werken zusammengebun¬
denen Ausgaben brachten 226 Fl. auf — Nr. 148.
(Jacques de Theramo), Een rechtelick gheding tus-
schen Belyal . . . ende Jhesu Cristo . . . Antwerpen,
Henrick Eckert van Homberch, 1512; mit den Holz¬
schnitten aus dem 1484 von Bellaert in Haarlem gedruck¬
ten Sonderentroest: 230 FL Von illustrierten Büchern des
XVII. und XVIII. Jahrhunderts seien erwähnt die
reizenden Werkchen des Crispin de Passe: Nr. 156,
Miroir des plus heiles Courtisanes de ce temps,
Amsterdam, um 1630: 275 Fl.; Nr. 157, Les vrais
pourtraits de quelquesunes des plus grandes dames,
Amsterdam, Joost Broersz., 1640: 275 FL und Nr. 158,
Deliciarum juvenilium libellus: 250 FL — Nr. 159.
A. v. d. Venne, Tafereel van de belacchende werelt.
s’Gravenhage, 1635: 8 Fl. — Nr. 162. J . Campo
IVeyerman, De voomaamste gevallen van Don Quichot
s’Hage 1746, mit Stichen von Picart und anderen nach
'Coypel: 6 FL — Nr. 168. Dorat, Fables nouvelles,
La Haye, 1773, mit den zahlreichen Illustrationen von
Mariliier : 220 FL
Von den folgenden Abteilungen will ich nur noch
einiges aus dem Gebiete der Architektur, des Orna¬
ments, der Sitten und Trachten herausgreifen: Nr. 262.
TItrastiques faictz sur les devises de P. Jovio et de
G. Simeon, Lyon, G. Roville, 1560: 60 Fl. — Nr. 265.
Jac. Besson, Theatrum instrumentorum, Lugduni,
B. Vincentius. 1578, mit zwei Werken von Vredeman
de Vriese: 90 FL — Nr. 268. J. Siebmacher , Model¬
buch, Nürnberg (Michael Kuisner, 1601) 120 FL —
Nr. 273. Jean de Pautre, Döcoration intörieure, Paris
1659: 75 Fl.— Nr. 276. Perelle et Aveline, Recueil de
diverses suites de vues en France etc., 184 Blätter:
120 FL — Nr. 280a. Vues de chäteaux en France par
Israel Silvestre, 1666—1680, zusammen mit Nr. 280b,
Sammlung Ansichten von Versailles von Silvestre, Le
Pautre, Simonneau, Chastillon etc.: 330 FL— Nr. 291.
S. Kleiner, Abbildung aller Kirchen und Klöster in
Wien, Augsburg, J. A. Pfeffel, 1724 57 Fl. — Nr. 297.
A. Heppiewhite Co., The cabinet maker and
upholsterer’s guide. 3d. edirion, London, 1794: 192 Fl.
— Nr. 308. J. Sambucus, Icones veterum aliquot ac
recentiorum medicorum, Antwerpen, Plantin: 60 FL —
Nr. 317. A. van Hülle, Les hommes illustres, Amster¬
dam, Mortier, 1701 52 FL — Nr. 327. M. Aitsinger,
De leone Belgico, Coloniae, 1559—1587: 85 FL —
Nr. 353. Journal des dames et des modes, Annöe 1812,
Frankfurter Ausgabe: 48 FL — Nr. 355. D . Monten,
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CORNELL UNIVERSITÄT
Neu erschienene und angekündigte Bücher
I9t
Die Bayerische Armee, München, J. M. Herrmann,
1825: 45 Fl. — Nr. 357. J. F. Teupken, Beschryving
hoedanig de Koninklyke Nederlandsche troepen . . .
gekleed . . . zyn, s'Gravenhage & Amsterdam, 1823:
130 Fl. — Nr. 358. Uniformes des volontaires . . . pen -
dant la Revolution brabanqonne, 1787: 124 FL —
Nr. 363. Description des Festes donnees par la ville
de Paris ä l’occasion du mariage de Louise Elisabeth
de France et de Philippe, Infant . . . d’Espagne 1739.
Paris 1740. Mit 13 Tafeln von J. F. Blondel: 120 Fl.
— Nr. 368. J, E, Ridinger, Manege et Carroussel,
Augspurg 1760: 130 Fl. — Nr. 375. F. Alfiere, L'arte
di ben maneggiare la spada, Padova, S. Sardi, 1653:
61 Fl. — Nr. 380. S. R. Baudouin , Exercice de
l’infanterie fran9oise, Paris 1757: 80 FL
Amsterdam, 14. JunL M. D. Henkel .
Neu erschienene und
Die Grillparzer-Ausgabe der Stadt Wien .
Es war längst eine Ehrenpflicht der Stadt Wien,
ihrem großen Sohne das seiner würdige literarische
Ehrendenkmal zu errichten. Grillparzer ist heute end¬
lich allseits als Nationalklassiker anerkannt, aber es be¬
durfte jahrzehntelanger Bemühungen, diese Ehren¬
schuld abzutragen. Großes Verdienst hieran gebührt
unstreitig August Sauer , der nahezu ein halbes Leben
sich in den Dienst des österreichischen Dichters gestellt.
Was Sauer geleistet, kann man am besten an der Hand
der seit dem Tode Grillparzers erschienenen Ausgaben
abmessen. Grillparzer selbst hat sich bei Lebzeiten
gegen eine Gesamtausgabe seiner Werke energisch
gewehrt, auch die erste Gesamtausgabe seiner Schriften,
die Josef v. Weilen und Heinrich Laube 1872 bei Cotta
besorgten, ließ schon mit Rücksicht darauf, daß die
Herausgeber in wenigen Monaten die Riesenarbeit
zu bewältigen trachteten, trotz liebevoller Hingabe
manches zu wünschen übrig. Erst als Sauer bei der
4. und 5. Ausgabe eingriff, konnte man von einer wirk¬
lichen Grillparzer-Ausgabe sprechen, zu der der Heraus¬
geber auch eine zum ersten Male wirklich lebensvolle
und alles Wesentliche zusammenfassende, wenn auch
knappe Biographie des Dichters beisteuerte.
Seitdem hat die Grillparzer-Forschung nimmer ge¬
ruht, fortgesetzt ist Neues aus der Werkstatt und dem
Schreibtisch des großen Österreichers ans Licht ge¬
zogen worden. Wir besitzen heute die Tagebücher, die
Gespräche Grillparzers, unveröffentlichte Jugendarbeiten,
Fragmente, erste unbekannt gewesene Fassungen seiner
Dichtungen usw., immer heller fällt das Licht auf das
Leben und die Beziehungen des Dramatikers, kurz,
der Mann und das Werk haben insbesondere in
August Sauer ihren ausgezeichneten Schilderer, Dar¬
steller und Erklärer gefunden. Jetzt erhält Grillparzer
nun auch seine große historisch-kritische Ausgabe durch
die Gemeinde seiner Wiener Heimatstadt, der gleich¬
falls, wie natürlich, August Sauer vorsteht und die in
ihrer Art sich wohl ebenbürtig an die Seite der Wei¬
marer Sophien-Ausgabe, der von Suphan besorgten
Herder-Ausgabe und der von der Berliner Akademie
geschaffenen Ausgabe von Wielands Schriften stellen
kann.
Die Grillparzer-Ausgabe der Stadt Wien, von der
bisher zwei Bände vorliegen, wird zwei getrennte Ab¬
teilungen umfassen und ist auf ungefähr 25 Bände be¬
rechnet. Für die erste Abteilung sind bestimmt: alle
Dramen und dramatischen Fragmente, Gedichte und
Epigramme, Erzählungen und Prosasatiren, Prosa-
angekündigte Bücher.
aufsätze, soweit sie der Öffentlichkeit erschlossen werden
sollten, die Selbstbiographie und andere autobiogra¬
phische Schriften. In die zweite Abteilung sollen auf¬
genommen werden: Jugend werke, Briefe, Tagebücher
und literarische Studien, kleinere Arbeiten wie Lese¬
früchte usw. Der kritische Apparat und die Lesarten
sollen besonderen Bänden zugewiesen werden. Von
den zwei bisher erschienenen Bänden enthält der erste
Band den Text der „Ahnfrau“ und der „ Sappho ". Die
„Ahnfrau“ ist in zwei Fassungen abgedruckt, nämlich in
der uns allgemein vertrauten und in der ersten, auf die
Grillparzers weiser, bis vor kurzem noch viel zu wenig
gewürdigter Berater, der Dramaturg Josef Schreyvogel,
so starken Einfluß genommen hat Dem Texte hat
Sauer von gründlicher und erschöpfender Quellen¬
untersuchung zeugende Einleitungen vorangeschickt.
Für die Entstehungsgeschichte der „Ahnfrau“ weist
Sauer auf die Geschichte des Räubers Louis Mandrin
hin (erschienen in einem Sammelwerk über berühmte
Verbrecher, 1815 und 1816 in Wien nachgedruckt) und
auf den Schauerroman „Die blutende Gestalt mit Dolch
und Lampe“ oder „Die Beschwörung im Schlosse
Stern bei Prag“. Grillparzer selbst war später diese
letztgenannte zweite Quelle nicht mehr genau erinner¬
lich, erst Carl Glossy, der verdienstvolle Herausgeber
des schon bis zum 22. Bande gediehenen Jahrbuches
der Grillparzergesellschaft ist es gelungen, diese zweite
Quelle gleichsam nochmals zu entdecken und genauer
zu bestimmen. Allerdings stellte sich auch „Die blu¬
tende Gestalt mit Dolch und Lampe“ als eine Bear¬
beitung einiger Kapitel aus einem englischen Schauer¬
roman heraus.
Mit dem kürzlich erschienenen zweiten Bande
wurde die zweite Abteilung der Ausgabe eröffnet, die die
Jugend werke und Tagebücher umfassen wird. Er ent¬
hält die bisher unbekannten Entwürfe zu dem Jugend¬
drama Blanka von Kastilien , deren genaue Datierung
dem Herausgeber im Vereine mit seinem Mitarbeiter
Reinhold Backmann gelungen ist, was wieder einen
Fortschritt in der Aufhellung der Jugendentwicklung
Grillparzers bedeutet. Eine Reihe weiterer Bände ist
bereits druckfertig und soll demnächst ausgegeben
werden. — Zum Schlüsse noch ein Wort über die Aus¬
stattung, der ja alle Sorgfalt zugewendet wurde, die
aber angesichts der Aufgabe und des Zweckes, dem
großen Sohne der Stadt Wien das literarische Ehren¬
denkmal zu setzen, ein w'enig splendider und vor allem
auch im Einbande stilgemäßer hätte sein können.
Hans FeigL
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CORNELL UNIVERSITY
Neu erschienene und angekfindigte Bücher
192
Eine Anzahl von Fortsetzungen früher schon be¬
sprochener Klassiker-Sammlungen und -Einzelausgaben
sind zu verzeichnen. Die Goldene Klassiker-Bibliothek
des Verlagshauses Bong Sr* Co. in Berlin brachte in
sechs Teilen (drei Bänden) Immermanns Werke , her¬
ausgegeben und mit einem Lebensbild versehen von
Werner Deetjen. Nach Max Koch und Harry Maync
liefert Deetjen die dritte Auswahl der Werke des
Münchhausen - Dichters und er konnte an manchen
Stellen, dank dem handschriftlichen Nachlaß im Goethe-
und Schiller - Archiv und der Berliner Königlichen
Bibliothek sowie genauester Kenntnis des gesamten
Zeitalters, in der Biographie und der Erläuterung,
namentlich der satirischen Partien des „Münchhausen“
die Vorgänger beträchtlich übertreffen. Ganz wird
dieses Gewirr von literarischen und persönlichen An¬
spielungen ja nie aufzudröseln sein. Tiefer liegen die
Schwierigkeiten des älteren Romans, der „Epigonen“,
die Immermann selbst (an Tieck 8. August 1836) „ein
Buch von universeller Tendenz“ nennt, und gerade
hier kommt die außerordentliche Sachkenntnis Deetjens
der Erläuterung zu statten, nicht minder bei den reiz¬
vollen autobiographischen Schriften und den allzu
spärlichen Proben der dramatischen und epischen
Dichtung Immermanns („Andreas Hofer“, „Tuli¬
fäntchen“, „Merlin“, „Der Schwanenritter“). Minde¬
stens hätten doch von den Gedichten Proben und
wenigstens eines der Lustspiele sowie das schöne
Fragment „Tristan und Isolde“ hinzugefügt werden
sollen, mochte auch der billige Preis der guten Ausgabe
dadurch etwas erhöht werden. .
Für Meyers Klassiker-Ausgaben besorgte Friedrich
Brie eine neue Ausgabe von Byrons Werken , die der
früheren des Bibliographischen Instituts in Leipzig
wesentlich überlegen ist. Mit Recht hebt der Heraus¬
geber als Vorzug die Aufnahme des fragmentarischen
17. Gesangs des „Don Juan“, sowie der beiden
wichtigen Gedichte „Harmodia“ und das „Duell“ her¬
vor. Die Auswahl gibt ein völlig genügendes Bild von
dem Schaffen des großen Weltschmerzdichters. Die
Übersetzungen, teils verschiedenen älteren deutschen
Ausgaben entlehnt, teils neu, sind geglättet, reichen
jedoch nur selten an die Musterleistung Gildemeisters
heran. Dagegen erscheint uns die Biographie in der
Feststellung der Tatsachen und der feinen Zeichnung
des komplizierten Charakterbildes allen Vorgängern
überlegen. Die Fußnoten und Schlußanmerkungen
verwerten die Vorarbeiten der englischen Byron-
Erklärer vollständig. Vier Bildnisse und eine Hand¬
schriftprobe schmücken die vier hübschen, wohlfeilen
Bände.
Eine Lücke der Meyerschen Sammlung füllt Paul
Zaunert aus, indem er ihr eine Auswahl von Freilig-
raths Gedichten und Übersetzungen in zwei Bänden
einreiht. Er beschränkt sich auf die von dem Dichter
selbst in die gesammelten Dichtungen von 1870 aufge¬
nommenen Stücke und bleibt damit allerdings so er¬
heblich hinter der jüngst erschienenen Ausgabe Schwe-
rings zurück, daß es zweifelhaft wird, ob der Titel
„Freiligraths Werke“ zu recht besteht. Als Ent¬
schädigung darf die Sorgfalt der Erläuterung und der
Textkritik, daneben die sehr ausführliche Biographie
gelten. Warum erhält der Dichter des Rheinliedes
hier (Seite 37*) den Vornamen „Niklas“? Und warum
wird der herrlichen starken Persönlichkeit der Gattin
des Dichters nicht ein wärmeres Wort gegönnt, als
das ungenügende „die klarsehende, treue Gefährtin
seines geistigen Schaffens und Kämpfens“? Erfreulich
ist der Widerspruch gegen die Kriegsgedichte von
1870, wie überhaupt das historische Gesamturteil
am Schlüsse der Biographie dem Dichter volle Ge¬
rechtigkeit gewährt Das Hasenclever sehe Porträt und
eine Handschriftprobe schmücken den ersten Band,
den zweiten Jakob Beckers treffliches Bildnis Freilig¬
raths von 1840.
Für die Säkular-Ausgabe von Friedrich Hebbels
sämtlichen Werken ( Berlin, B. Behrs Verlag) hat
Richard Maria Werner mit seiner immer wieder über¬
raschenden Arbeitskraft bereits den vierten Band, ent¬
haltend „Die Nibelungen“, geliefert und die früher
schon so reiche Einleitung von neuem durchgefeilt.
Für die Entstehung des Planes der „Nibelungen“
werden jetzt neu die Gmundener Gespräche mit Wil¬
helm Gärtner während des Sommers 1855 herange¬
zogen, und auch sonst sind vielfach Verbesserungen
merkbar. Jedoch den größten Teil der neuen Arbeit
birgt der gleichzeitig erschienene 13. Band der Aus¬
gabe, der erste des Anhangs, in dem jetzt zu weit be¬
quemerer Benutzung als früher die Lesarten und An¬
merkungen zusammengestellt werden. Es wäre Sache
einer lohnenden Einzelkritik, hier den Zuwachs im
Quellennachweis und der Erläuterung nachzuweisen
und im einzelnen zu bestätigen, was der bescheidene
Herausgeber am Schlüsse der Einleitung bekennt:
„Im vorliegenden Bande steckt viel ehrliche Arbeit
und manches Resultat ausgedehnter Lektüre“. Wir
sind dem Schicksal um seinet- und unsertwillen dank¬
bar, daß es dem Manne, der sich um Hebbel das größte
Verdienst erworben hat, Kraft und Mut zu dieser
Krönung aller seiner Mühen um den vielgeliebten
Dichter gewährte.
Eduard Castle brachte im Insel- Verlag in Leipzig
den vierten Band seiner von uns schon gerühmten
Lenau-Ausgabe , die in sechs Bänden die sämtlichen
Werke und Briefe enthalten wird. Dieser zweite Teil
der Briefe umfaßt die Jahre 1834—1840 und ist mit
einem Porträt Sophie Löwenthals geschmückt Das
vierte Buch der Briefe enthält ausschließlich Gedichte
und Prosaschreiben an diese Frau, die dem Dichter
zum Verhängnis wurde. Die Gattin des Freundes war
ihm heilig, und doch trieb ihn unwiderstehliches Ver¬
langen zu ihr hin. So träumen sie sich beide (wie es
in dem schön faksimilierten Briefe heißt) in eine Welt,
wo ihre Liebe gilt in ihrem ewigen Rechte. Der
„Savonarola“ ist die mystische Blüte dieses Verhält¬
nisses. Das fünfte Buch der Briefe erzählt von seinem
Werden; es trägt, ebenso wie das sechste, genannt
„Liebeswirren", die Briefe an Sophie nach, die nicht
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Neu erschienene nnd angekündigte Büchet
193
von Liebe sprechen. Ob für die Benutzer diese Teilung
vorteilhaft ist, muß dahingestellt bleiben; Castle hat
sie ja schon in seiner schönen früheren Publikation
„Lenau und die Familie Löwenthal“ (Leipzig 1906)
vorgenommen. Ich benutze die Gelegenheit, einmal
auf dieses ausgezeichnete und höchst lesenswerte Werk
hinzuweisen, weil es, wie mir scheint, fast gar nicht be¬
achtet worden ist, auch um festzustellen, daß es mit
seinem weit reicheren Inhalt durch die neue Ausgabe
keineswegs entbehrlich wird.
Eine höchst erfreuliche Gabe bescherte uns der
Verlag Albert Langen in München: Selma Lagerlöfs
gesammelte Werke, einzige autorisierte deutsche
Originalausgabe in zehn Bänden. Jedermann kennt
und liebt die schwedische Dichterin des „Gösta Ber-
ling“, der „Wunder des Antichrist“, der großartigen
Epopöe „Jerusalem“ und der zahlreichen kleineren
Erzählungen, deren jede ein Stück nordisches Leben
oder ein Märchen voll Tiefsinn oder eine Parabel in
den leuchtenden Farbentönen romantischer Kunst aufs
Papier gebannt hat. Vielleicht ist das Beste in ihr das
stete Bewußtsein der Beziehung zum Übersinnlichen,
die Religion im Sinne des jungen Schleiermacher.
Ihr Gott strahlt von Weltlichkeit, ihre Welt ist durch¬
strahlt von göttlichem Lichte. Diese zehn Bände
schließen sich zu einem poetischen Brevier zusammen,
das immer wieder mit magnetischem Reize den lockt,
der sich einmal hinein versenkt hat Der von Alphons
Woelfle gezeichnete Leinenband entbehrt nicht der
Anmut; zu noch höherem Schmucke gereicht indessen
der Ausgabe das vortreffliche Porträt der Dichterin
von Carl Larsson. Schade, daß nicht auch das aus¬
nehmend schöne Kinderbuch „Die wunderbare Reise
des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“ der
Ausgabe einverleibt wurde, damit sie alles enthielte,
was den Deutschen von der stammverwandten Dichterin
wert geworden ist. G. W.
Alphonso Smith , Die amerikanische Literatur.
Berlin , Weidmannsche Buchhandlung 1912. 388 Seiten,
5 M. (Bibliothek der amerikanischen Kulturgeschichte,
herausgegeben von Nicholas Murray Butler und
W. Paszkowski. Band II.)
So manchem in den Vereinigten Staaten, dem
Lande der Monatsschriften und öffentlichen Vorträge,
erscheinenden Bande sieht man an, daß da Einzel¬
vorträge nachträglich aneinander gereiht sind. Hier
gibt der Titel selber Auskunft; es sind Vorlesungen,
gehalten an der Berliner Universität im Winter-Semester
1910/11 von dem damaligen Inhaber der Roosevelt-
Professur. Aber über einzelne Kapitel haben wir den
Verfasser auch anderswo sprechen hören, und der
letzte Abschnitt ist von ihm auch einzeln, auf englisch,
gedruckt worden. Das zeigt den strukturellen Charakter
des Ganzen als einer wohlüberlegten Vorlesungsreihe,
deren einzelne Glieder doch leidliche Selbständigkeit
wahren; unterscheidet zugleich diese gesprochene
Literaturgeschichte von andern letzthin in Deutschland
erschienenen Behandlungen des gleichen Gegenstands.
Der Redner (oder besser der Verfasser, denn der Stil
ist nicht eigentlich rhetorisch) greift die ihm wichtigst
scheinenden Gestalten heraus, wertet sie nach den
charakteristischen Zügen, die sie zu dem Gesamtbild
der heimischen Literatur beigetragen, und läßt von
solchem Zentrum jeweils seine Blicke in die Nachbar¬
schaft schweifen. Kapitel allgemeinerer Art („Idealis¬
mus in der amerikanischen Literatur“, „Einfluß des
Transzendentalismus“, „Die amerikanische Short Story“)
bringen Ergänzung, während ein Gesamtüberblick die
Hauptrichtlinien der Entwicklung nach Zeit und Ort
zeichnet Professor Smith ist sichtlich und mit Erfolg
bemüht, dem auch deutschen Lesern Vertrauten unter
Vermeidung übermäßiger Detailmalerei neue Seiten
abzugewinnen, wozu ihm vor allem eine starke Berück¬
sichtigung der Erzählertechnik hilft Vor allem aber
wird man ihm Dank wissen für eingehende Heran¬
ziehung uns weniger bekannter Dinge; hier kommt
der Amerikaner zu seinem vollen Rechte, der der
Ausbildung einer Nationalliteratur und eines National-
gefühls unter dem Einflüsse dieser Literatur nachspürt.
Es verschlägt nichts, wenn die Gegenstände gelegent¬
lich literarischen Maßstab kaum vertragen: so be¬
spricht der Abschnitt über „Amerikanische Poesie bis
zum Jahre 1832“ im wesenlichen die Nationallieder,
wie „Hail Columbia I“ mit seiner angeblich einem
preußischen Armeemarsch entnommenen Melodie,
oder „America“, dessen Worte ein Baptistengeistlicher
der Melodie unsres „Heil Dir im Siegerkranz' 1 unter¬
legte, ohne deren Identität mit der englischen National¬
melodie zu kennen. (Noch 1909 erregte in Neuyork
der Parademarsch unserer Seeleute zu dieser Melodie
ungeheuren, mit schlechtem Gewissen quittierten En¬
thusiasmus.) Eine eigene, gern gehörte Note kommt
durch des Verfassers Landeszugehörigkeit hinein.
Professor an der von Jefferson gegründeten Universi¬
tät von Virginien, zu deren ersten Studenten Edgar
Allan Poe gehörte, sogar Inhaber des nach Poe ge¬
nannten Lehrstuhls, hat Smith gerade die Südländer
mit besonderer Liebe behandelt. Bei Poe ist das auch
so in der Ordnung. Aber das Kapitel über Jefferson
ist trefflich, den Vater der demokratischen Partei, den
weitblickenden Gelehrten, dem Bibelkritik und Paläon¬
tologie, Angelsächsisch und moderne englische Metrik
gleiches Interesse abgewann. Und gar erst der Ab¬
schnitt über den „Neger als literarisches Objekt“,
gipfelnd in der Würdigung von Joel Chandler Harris!
Kaum ein Menschenalter ist es her, daß der unlängst
Verstorbene begann, den Typ des alten Negers aus
der Sklavenzeit literarisch auszunützen und in seinen
köstlichen Geschichten vom Onkel Remus den Schatz
alter, doch wohl noch aus Afrika mitgebrachter Tier¬
sage der Neger zu heben. Und doch hat dies Kapitel
nur in besonderem Maße die Wirkung, die von dem
ganzen Bande wie von jeder guten Literaturgeschichte
ausgeht: aufzumuntern zur Lektüre des Besprochenen
selbst. — Die nicht leichte Übersetzung ist im ganzen
gut gelungen; ihre Unebenheiten (besonders unbe-
sehene Gleichsetzung von Fremdwörtern, wie national ,
repräsentativ usw., die dem Deutschen und Englischen
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194
Nen erschienene and angekündigte Bücher
bei verschiedener Bedeutungssphäre gemeinsam sind)
werden meist auf Rechnung des Deutsch-Amerikanischen
kommen. Hans Weyhe.
G.J. Kern, Karl Blechen, sein Leben und sein
Werk. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1911.
Neben Auberts Buch über Runge ist Kerns reich
illustrierte Blechen-Biographie eine der erfreulichsten
Erscheinungen,die die Deutschejahrhundert-Ausstellung
von 1906 gezeitigt hat. Es hat sich hier nicht wie bei
so vielen anderen Malern, deren Bedeutung erst durch
diese Ausstellung ins richtige Licht gerückt wurde, um
einen gänzlich Verschollenen gehandelt. 1841, ein Jahr
nach Blechens Tod, nennt Professor Toelken von der
Berliner Akademie ihn in seinem Nekrolog den „ge¬
nialen Erfinder einer neuen Gattung landschaftlicher
Charakterbilder'*, findet aber gleichzeitig, seine Skizzen
und Studien seien „nicht Kunstwerke, sondern nur An¬
deutungen“. Vierzig Jahre später arrangiert die Ber¬
liner Nationalgalerie eine große Blechen-Ausstellung,
und Fontane hat die Absicht, eine Lebensbeschreibung
des Künstlers zu liefern, ln seinem Nachlaß fanden
sich aber nur Andeutungen, die später L. von Donop
in seinem wenig brauchbaren Buch über Blechen ver¬
arbeitet hat.
Kern wirft zum erstenmal die Frage nach den
Ursprüngen von Blechens Kunst auf. Der junge
Blechen kommt 1823 in Dahls Atelier, und die Berüh¬
rung mit diesem Norweger, mit dem sich an Intimität
der Auffassung im damaligen kontinentalen Europa
niemand messen konnte, hat Blechens künstlerische
Kraft ausgelöst. Hinter Dahl steht Turner, dessen
Bilder Blechen aber erst fünf Jahre später in Italien
gesehen hat.
Goethes in Italien geschriebenes Wort, „ein neues
Leben fangt an, wenn man das Ganze mit Augen
sieht, was man teilweise in- und auswendig kann“, hat
Blechen notiert und darf es auf sich anwenden, als er
1828 seine Reise nach Italien antritt. In seinen ita¬
lienischen impressionistischen lockeren Studien, die ganz
fern von der traditionellen Auffassung des heroischen
Italiens waren, zeigt er sich als Gegner des zeichne¬
rischen Stils, dem die Klassizisten so gut wie die Ro¬
mantiker, ein Koch, Reinhardt, Homy, Schnorr von
Carolsfeld, Ludwig Richter und andere verfallen waren.
— Blechens Bilder fanden, als er nach Deutschland
zurückkam, keine Käufer, und Kugler schreibt voller
Zorn über Blechens „Nachmittag auf Capri“: „dies ist
kein seelenvolles Antlitz der Natur und will es nicht
sein; sondern seine Züge verhalten sich zu diesem wie
die eines Hirnverbrannten zum gesunden Menschen¬
gesicht.“ Der Künstler starb als 42 jähriger an den
Folgen eines hitzigen Fiebers, das sich seiner Geistes¬
krankheit zugesellt hatte, in äußerster Not.
Blechen, eine Friedrich und Dahl verwandte Na¬
tur, macht sich die Elemente ihrer Kunst zu eigen, um
ein Neues daraus zu schaffen. Er wurzelt in der Ro¬
mantik, geht aber über sie hinaus und nimmt die
Errungenschaften der Landschaftsmalerei um Jahr¬
zehnte vorweg; es ist kein Zufall, daß Menzel, der
Realist, und Böcklin, der Romantiker, das von Blechen
Begonnene nach zwei verschiedenen Seiten ausbauen
konnten.
Kerns Biographie fußt auf genauester Dokumenten-
kenntnis. Besonders interessant ist Blechens Brief an
den Geheimen Finanzrat Beuth und der zum ersten¬
mal veröffentlichte Brief von Bettina von Arnim über
Blechen an den Minister von Bethmann Hollweg.
Dr. Rosa Schapire.
Grillparsers Liebesroman . Die Schwestern Fröh¬
lich. Roman aus Wiens klassischer Zeit von Joseph
Aug. Lux. Richard Bong , Berlin.
Joseph Aug. Lux war mir immer ein lieber Lands¬
mann. Gerne habe ich seine ästhetischen Schriften
(wenn auch mit Vorbehalten), am liebsten seine ge¬
legentlichen Plaudereien und Feuilletons gelesen, in
denen er sich als prächtiger, nicht alltäglicher Stilist
zeigte. Hier bei diesem Romane muß ich ihm aber
die Gefolgschaft aufsagen. Die Kraft zur Gestaltung hat
versagt oder überhaupt gemangelt. Grillparzer steht in
diesem Romane als ein ganz gewöhnlicher Raunzer da,
der er selbst im Allzumenschlichsten doch nicht aus¬
schließlich gewesen ist. Vom großen Menschen und vom
großen Dichter verspürt man kaum einen Hauch. Auch
die übrigen Gestalten dieses Romanes ziehen ziemlich
schattenhaft an uns vorüber. Dabei hat sich Lux einen
merkwürdigen Stil zurechtgelegt, einen von oft un¬
möglichen Bildern übersättigten, der an die schlimmen
Seiten Rudolf Hans Bartschs auffällig stark er¬
innert, die glücklicherweise jetzt schon, trotz dem
Tribute, den man der großen poetischen Begabung
Bartschs zollt, immer mehr gerügt werden. Jammer¬
schade um den verunglückten Vorwurf, der in der
Hand eines wirklichen Dichters zu einer prächtigen
Gabe schöner Erzäblungs- und Darstellungskunst hätte
werden können. H. FgL
Karl Sudhoff, Graphische und typographische
Erstlinge der Syphilisliteratur, zusammengetragen und
ins Licht gestellt von X. Mit 28 Seiten in Groß-Folio mit
24 teils farbigen Tafeln in Lichtdruck. Verlag von
Karl Kuhn , München , Hirtenstraße 15. Preis in Perga¬
mentumschlag 25 M.
Dieses Werk bildet Band 4 der „Alten Meister der
Medizin und Naturkunde in Faksimile-Ausgaben und
Neudrucken“ und ist von Herrn Geheimrat Karl
Sudhoff herausgegeben worden.
Er enthält (Tafel II—IV) das Gotteslästerer-Edikt
Kaiser Maximilians vom 7. August 1495, aufTafel V und
VI die astrologische Vision des Dichterarztes Ulsenites
vom Hochsommer 1496, auf Tafel VII das Eulogium
Sebastian Brants vom September 1496, auf Tafel
VIII—XIII dieTractate Joseph Grünspecks vom Oktober
und November 1496, auf Tafel XIV—XVII die
Enarratio satyrica des Giorgio Sommariva vom De¬
zember 1496, auf Tafel XVIII Konrad Schelligs
Syphilisregimen und Konrad Wimphelings Geleitsbrief
und auf den Tafeln XIX—XXII religiöse Syphilisblätter
(Gebete zu St. Minus, St. Dionysius usw.) zirka 1495—1497.
Sudhoff sagt selbst, nachdem er auf 24 Seiten ein¬
gehende Erläuterungen und Besprechungen zu den
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Neu erschienene und »gekündigte Bücher
195
Tafeln gegeben hat: „Der allgemein kulturgeschicht¬
liche Wert der vorliegenden Sammlung ist zweifellos
größer als der speziell medizinischhistorische“. Von
diesen Gesichtspunkten wollen die Tafeln auch be¬
trachtet sein, wenn auch, wie Sudhoff in dem Nachwort
(Seite 25—28) hinzufügt, sich darin „Beachtenswertes
über die Herkunft der Syphilis findet“.
Es werden neue Belege der Beziehungen der da¬
maligen Medizin zur Astrologie gebracht, wie sie
auch gleichzeitig Stephan Stein lein jüngst hervorge¬
hoben hat.
Was die Ausstattung und Kolorierung der einzelnen
Tafeln anlangt, so stehen sie auf der höchsten Höhe;
und so wird auch das Werk in den Kreisen der Biblio¬
philen dem rührigen Verlage alle Ehre machen. Der
Preis ist nur gering zu nennen. Die weiteren Bände
sollen gleich dem ersten hier ihre Besprechung finden.
Erich Ebstein, Leipzig.
Gustav Pauli, Max Liebermann; Paul Ganz, Hans
Holbein der Jüngere; Heinrich Zimmermann , Watteau.
(Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben. Bd. XIX—
XXI). Deutsche Verlags-Anstalt. Stuttgart iQiiji2.
Den Vorwurf, in die Klassiker der Kunst das noch
nicht abgeschlossene Werk eines Lebenden aufzu¬
nehmen, sucht Pauli durch die Stellung, die Lieber¬
mann als dem Führenden gebührt, zurückzuweisen.
Die Frage, ob Liebermanns Bedeutung innerhalb der
heutigen Kunst wirklich so groß ist, wie Pauli annimmt,
kann hier kaum gestreift werden, da sie weit über den
Rahmen dieser Besprechung hinausführen würde. Es
könnte sein, daß die Geschichte diese stark intellek¬
tueller Begabung von großer Anpassungsfähigkeit, der
der schöpferische Funke fehlt, die aber zu geschmack¬
voll und klug ist, um je ganz zu entgleisen, und auch
wieder zu geschmackvoll und klug, um jemals ein wirklich
Ursprüngliches zu schaffen, anders einschätzen wird.
Noch steht Liebermann im Kampf, wenn auch
nicht mehr in dem Maße, wie vor zehn und zwanzig
Jahren, da heute neue künstlerische Probleme um Ge¬
staltung ringen, aber es ist bezeichnend genug, daß die
junge Generation trotz ihres anders gerichteten Wollens
die Bedeutung der wirklich Großen aus Liebermanns
Generation, eines Manet, Renoir und Leibi, nie in dem
Maße angezweifelt hat, wie die Liebermanns.
Stellt man sich auf Paulis Standpunkt, so ist seine
Einleitung geschmackvoll und gut, trotzdem Schefflers
Buch über Liebermann Wesentlicheres über den Künst¬
ler aussagt Die 304 Abbildungen, deren Auswahl von
Liebermann überwacht wurde, sind ein willkommenes
Studienmaterial.
Der Holbein dem Jüngeren gewidmete Band ist
einer der interessantesten und wertvollsten der ganzen
Folge der Klassiker der Kunst
Seit Woltmanns grundlegendem Werk über Hol¬
bein, das 1876 in zweiter Auflage erschienen ist, fehlt
ein zusammenfassendes deutsches Buch über den
Künstler, während Schweizer Forscher — genannt
seien nur Eduard His, Daniel Burckhardt, Heinrich
Alfred Schmidt und Hans Koegler — sich mit Einzel¬
fragen eingehend beschäftigt haben. Auch Holbeins
neuester Biograph, Paul Ganz, der die Handzeichnungen
des Künstlers publiziert, ist Schweizer und Konservator
der Basler Sammlung, die ein so reiches Bild von Hol¬
beins Schaffen gibt. Ganz hat sich infolge des Rah¬
mens , in dem seine Arbeit erschienen ist, und infolge
der gegen die 70 er Jahre veränderten Problemstellung
eine ganz andere Aufgabe gestellt, als Woltmann, aber
die Forschung wird an seinem Holbein-Band nicht
Vorbeigehen können.
Das Hauptgewicht liegt auf den Abbildungen, und
es ist besonders dankenswert, daß die untergegangenen
Wandgemälde zum Teil nach Zeichnungen, zum Teil
nach Kopien aus dem beginnenden XIX. Jahrhundert
reproduziert sind. Man gewinnt auf diese Weise eine
Vorstellung von Holbeins dekorativer Begabung und
seiner Fähigkeit, eine große Wand zu gliedern. Wären
die Wandgemälde des Hertensteinhauses, des Tanz¬
hauses, des Großrat-Saales zu Basel auf uns gekommen,
so würden Luzern und Basel für die deutsche Hoch¬
renaissance nicht weniger bedeuten als Rom für die
italienische. Heute gilt es, sich aus verwässerten Ko¬
pien ein Bild dieser verschwundenen Pracht zu rekon¬
struieren. Das Schwergewicht von Holbeins Schaffen
liegt aber im Bildnis. Er war einer der größten, kühl¬
sten, sachlichsten Menschendarsteller, nur Auge, es war
ihm nicht darum zu tun, letzte menschliche Tiefen zu
ergründen, aber innerhalb der selbstgezogenen Grenzen
hat er eine Klarheit und Größe der Formenauffassung,
in der ihm wenige gleichkommen.
Den Abbildungen ist eine knappe, aber alles
Wesentliche enthaltende Einleitung vorangestellt.
Neben den datierten Gemälden sind diejenigen ab¬
gebildet, die ihnen stilistisch nahestehen. Auf diese
Weise ist die Frage der exakten Chronologie, die schon
zu manchen unliebsamen Erörterungen Anlaß gegeben
hat, umgangen und Zusammengehöriges nicht auseinan¬
dergerissen. Es wäre zu wünschen, daß sehr bald
ein zweiter Band über Holbeins graphisches Werk folge
und die Klassiker der Kunst sich mehr als dies bis jetzt
der Fall der deutschen Kunst des XVI. Jahrhunderts
zuwendeten.
Mit Watteau, auf dessen Bedeutung die Brüder
Goncourt erst wieder hingewiesen haben, nach¬
dem ihn das beginnende XIX. Jahrhundert gering
geschätzt hat, wenden sich die Klassiker der Kunst
zum erstenmal einem Künstler des XVIII. Jahrhunderts
zu. Eine kurze, dankenswerte Einteilung von E. H.
Zimmermann ist den Abbildungen vorangestellt. Leider
ist ein großer Teil der Reproduktionen, besonders die
Ausschnitte, so unscharf, daß sie für eine ernsthafte Be¬
schäftigung wertlos sind. Dr. Rosa Schapire .
Die Gastronomie oder der Gutsherr bei Tische
Nach dem Französischen des Joseph Berchoux von
Werner von der Schulenburg. 19/2. Im C. Erich
Behrens Verlag Hamburg 6. (Hoch 4 0 , 56 Seiten,
Preis 2 M.)
Halb ärgerlich und halb vergnügt zeige ich dieses
Buch an. Ursprünglich wohl als ein Gelegenheitsdruck
veröffentlicht, worauf man aus der Widmung und dem
Datum der Vorrede (15. Oktober 1905) schließen
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196
Neu erschienene und Angekündigte Bücher
möchte, ist die ausgezeichnete Übertragung mit einer
ganz respektablen Anzahl von Druck- und Lesefehlern
neugedruckt. Mit einem besonders in Anbetracht des
niedrigen Preises bemerkenswerten Aufwande, der
aber doch nicht befriedigen kann, weil er dem an¬
mutigen Werke ein ihm nicht passendes Gewand gab:
Speisekartenformat, Anlehnung an die Druckausstattung
fernster Speisekarten durch Verwendung von starkem
Glaspapier, doppelter Goldumrahmung und den be¬
kannten Kleukens-Vignetten für Speise- und Weinzettel.
Auch die „Einführung in die Gastronomie, die man
zum Verständnis lesen muß“ und die in der Haupt¬
sache ein Auszug aus der Biographie Michaud ist, wäre
noch einmal der teilnehmenden Durchsicht des Herrn
Übersetzers wert gewesen, der doch in seiner Über¬
tragung selbst sehr große Sorgfalt beweist und mit ihr
eine der klassischen französischen Schriften über die
Tafelfreuden der keineswegs reichen deutschen gastro-
sophischen Literatur (im engeren Sinne, zu der die
eigentlichen Fach werke, die Kochbücher, nicht gerech¬
net werden sollten) gewonnen hat Dafür gebührt ihm
auch der Dank der Bibliophilen, die ja meist mit ihrem
ausgebildeten Geschmack für gute und schöne Bücher
einen für die sonstigen Annehmlichkeiten des Lebens
entwickelten Geschmack zu verbinden pflegen. Wenn
manches an der inneren Ausstattung der „Gastronomie“
hier getadelt worden ist, so entspringt dieser Tadel, das
sei noch ausdrücklich hervorgehoben, mehr dem Be¬
dauern darüber, daß ihre innere Buchform, die das
Bestreben verrät, ohne Rücksicht auf die Herstellungs¬
kosten zu einem schönen Druck zu gelangen, nicht
eben so vollendet ausgefallen ist wie ihr Inhalt. Aber
auch so ist das durchaus nicht unansehnliche Werk
seinen Preis wert und wird hoffentlich rasch vergriffen
sein, um in erneuerter Gestalt als ein Kabinettstück der
bibliophilen Gastrosophie und der gastrosophischen
Bibliophilie die Liebhaber noch mehr zu erfreuen.
G. A. E. B.
Der Krieg der Fünfkäser und Bierhengste. Der
Wild- und Rheingraf Karl Magnus. Vom Magister Lauk-
hard. Herausgegeben von Dr. Viktor Petersen. Ver¬
lag von Robert Lutz in Stuttgart, Zwei Bände je
4 5 ° M., gebunden 6 M.
Der alte verbummelte Magister Laukhard ist in
unsern Tagen zu unverhofften Ehren gekommen. Seine
Lebensgeschichte wurde als ein sehr unterhaltendes
Buch erkannt; sein Eulerkapper stellt sich nun in einer
Reihe höchst humoristischer Bilder aus dem Studenten¬
leben des XVIII. Jahrhunderts als ein Bursch vom
echten Schrot und Korn daneben. Schon früher hat
ein hübscher Gießener Faksimiledruck Eulerkappers
Leben und Leiden erneuert; jetzt lernen wir in diesem
Ausschnitt aus den dickleibigen „Annalen der Univer¬
sität Schilda“ die Gießener durch ihre Roheit be¬
rüchtigten Musensöhne noch näher kennen, und nicht
zu unserm Schaden. Denn diese versunkene Welt des
alten Burschentums wirkt in der lebensvollen Dar¬
stellung des Magisters mit allen Unglaublichkeiten doch
echt und wahrhaft erheiternd.
Weit höheres Interesse erweckt aber der Wild-
und Rheingraf Karl Magnus. Hier leuchtet Laukhard
in die Kleinstaaterei des lieben heiligen Römischen
Reichs tief hinein. Ein unfähiger Potentat verschwendet
in wüstem Leben die Unsummen, die er seinen armen
Untertanen mit List und Gewalt abschröpft, bis das
Schicksal über ihn hereinbricht und sein Ländchen der
Konkursverwaltung in Gestalt einer kaiserlichen
Kommission verfallt, er selbst auf die Festung gesetzt
wird. Die frische und knappe Zustandszeichnung, die
immanente Tragikomik fürstlicher Gottähnlichkeit und
unablässiger Geldnot machen dieses Buch zu einem
unterhaltenden Geles und sichern dem Herausgeber
wie für das an erster Stelle genannte auch für dieses
den Dank seiner Leser. Der Preis beider könnte aber
wohl niedriger sein. A-s.
Max Bach , Die Stammburg Wirtenberg. Stuttgart ,
Druck und Verlag von A. Bonz‘ Erben, 1912. (1 M.).
Wer alte Burgen liebt, wird gewiß gern von ihrer
Geschichte hören. Im schwäbischen Lande besonders
wird man sich für dieses kleine Heftchen interessieren,
das lange, mühsame Studien zur Voraussetzung hat,
um alles das zusammenzutragen, was sich noch in der
Überlieferung gerettet hat. Schwerlich wird man einen
Fehler finden, und doch wäre eins zu wünschen ge¬
wesen: es hätte weniger trocken sein sollen. Die Ge¬
schichte besteht ja nicht aus lauter Namen und Zahlen.
Dann hätte die Schrift auch jedem Laien eine Freude
bereiten können, der sich um die Authentizität der
verschiedenen Abbildungen doch recht wenig küm¬
mert. -o-
Ludwig Uhlands Sammelband fliegender Blätter
aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts. 73 Titel¬
faksimiles in Originalgröße mit 68 Abbildungen. Mit
Einleitung, Beschreibungen und Nachweisen herausge¬
geben von Emil Karl Blümml, (Lieder und Reime
in fliegenden Blättern des XVI. und XVII.Jahrhunderts.
Erster Teil.) Straßburg 1911. J. H, Ed. Heitz (Heitz
u. Mündel).
Der schönen Publikation von volkstümlichen Drucken
Thiebold Bergers, die uns Paul Heitz bescherte (vgl.
Beiblatt 1911, S.21 f.), folgt als eine ebenso verdienstliche
Publikation jetzt die vorliegende. Sie bringt Bestimmung
der Drucker jener Liedertexte, die der große Uhlandsche
Sammelband von 77 Flugblättern enthält, eine Haupt¬
quelle seiner Volksliedersammlung. Eine allen wissen¬
schaftlichen Ansprüchen genügende Bearbeitung dieses
Bandes, wie die vorliegende, muß in erster Linie der
deutschen Druckgeschichte nutzbar werden. Auf Grund
der Holzschnitte und der Typenvergleichung sind die
unsignierten Stücke den Schweizern Samuel und Sieg¬
fried Apiarius und dem vorhin genannten Straßburger
Thiebold Berger zugewiesen. Andere gehören Wilhelm
Bergk aus Köln, der später in Frankfurt a. M. druckte,
Hans Burger in Eger, Johannes Frisch in Schweinfurt,
Johann Ulhart in Ulm, sämtlich in der zweiten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts tätig. Eine vollständige biblio¬
graphische Beschreibung der Flugblätter und ein Ab¬
druck aller Texte, die in irgendeiner Art bedeutsam
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Neu erschienene und tngekündigte Bücher
197
sind, mit Verzeichnis der Kontrafakte und der Dichter
macht das Buch dem Literarhistoriker wertvoll. Die
Nachbildung aller erhaltenen Titel (der bei Heitz,
Thiebold Berger schon reproduzierte von Nr. 2 hätte
hier wohl wiederholt werden sollen) erstreckt das Be¬
reich der Benutzung des Buches in das Gebiet der
Geschichte des Holzschnitts hinein, während die zur
Feststellung der Herkunft wichtigen Schlußstücke ein
nützliches Hilfsmittel für die Typographie des XVI.
Jahrhunderts bedeuten. Der Preis beträgt 20 M.
A-s.
Oswald Herzog , Die stilistische Entwicklung der
bildenden Künste. Berlin , 1912. Carl Hause .
Das Buch will eine Einführung in die Gesetzmäßig¬
keit der Kunst und in das Wesen des Stils sein und es
dem Kunstinteressenten ermöglichen, der Kunst früherer
Zeiten und auch den neueren Kunstrichtungen Ver¬
ständnis entgegen zu bringen. Nicht nur der Laie soll
in die Lage versetzt werden, sich ein selbständiges
Urteil zu bilden über die ihn umgebende Kunst, auch
der Künstler und Kunsthandwerker soll aus dem Wesen
der Kunst heraus den wirklichen Wert derselben und
neue Wege für sein Schaffen finden. Für den letzteren
Zweck ein Buch zu schreiben, halten wir wirklich für
überflüssig, da unserer Meinung nach aus ihm nimmer¬
mehr der Künstler das Wesen der Kunst verstehen
lernt. In dem für Laien bestimmten didaktischen Teil
gibt der Verfasser nicht mehr, sondern eher weniger
als so manches gute Handbuch der Kunstgeschichte.
Zudem ist die Ausstattung, sind vor allem die Bilder
so minderwertig, daß wir diese Publikation ablehnen
müssen. F. E. W.
Heinrich von Schoeler , Rafael von Urbino. Kunst¬
geschichtlicher Roman. Leipzig , Schulze Co. Mit
zehn Kunstblättern, geheftet 3.50, in Leinen 4.50 M.
Zu dem historischen Roman, der nicht recht
leben und sterben kann, gesellt sich als später ge¬
borenes und nicht eben lebenskräftiges Kindlein der
kunsthistorische Roman, zu der Chronik in Novellen¬
form der romanhaft zurechtgestutzte Vasari und die
fleischgewordene Bilderkritik. Wer möchte zweifeln,
daß sie ihr Publikum finden, daß mancher Leser und
vielleicht noch mehr manche Leserin mit Freuden es
willkommen heißt, wenn man Kunstgeschichte in
so freundlichem Gewände präsentiert — wie man jetzt
ja auch seine historisch-biographisch-literargeschicht-
lichen Kenntnisse so überaus billig und angenehm
aus Bongschen Bilderbüchern beziehen kann. Die
„interessante“ Persönlichkeit, in einem so interessanten
Milieu, wie es das Florenz des werdenden XVI. Jahr¬
hunderts und das Rom Leos X. bieten, auf sich wirken,
alle Sensationen einer schönheitstrunkenen Atmosphäre
in sich aufnehmen und schlürfend genießen zu lassen,
dazu konnte ein solch romanhaft stilisiertes Künstler¬
leben um so eher dienen, als sich zu dem angenehmen
Kitzel des Miterlebens eines hochgesteigerten über das
Gemeine weit hinausgehobenen Daseins bei der
Lektüre des Schoelerschen Romans die Freude an
einer ruhigen und anschaulichen Sachlichkeit der
Z. f. B. 1912/1913
Schilderung und mancher gut gesehenen Einzelszene
gesellt, und als dem Autor ein gründliches kunst¬
historisches Wissen unbedenklich zugesprochen werden
darf. A. D.
Dr. Bruno Busse , Wie studiert man neuere
Sprachen? Ein Ratgeber für alle, die sich dem Stu¬
dium des Deutschen, Englischen und Französischen
widmen. 2. Auflage. Verlag von Wilhelm Violet,
Stuttgart. 1912. (2.50 M.).
Mit großem Interesse las ich jetzt das Buch, das
ich nach seinem ersten Erscheinen als Mulus mit
einiger Verwirrung las. Für ihn ist’s ja auch nicht allein
bestimmt, sondern, und das ist das Wertvolle daran,
es kann während des ganzen Studiums ein vortrefflicher
Führer sein. Das Kapitel, in dem Busse das wissen¬
schaftliche Studium im engeren Sinne behandelt, be¬
sitzt den Wert eines dreistündigen einführenden Kollegs.
Die Bibliographie ist für jüngere Semester ein unersetz¬
liches Nachschlagewerk. Die Schrift ist zugleich eine
indirekte Warnung, unser Studium für eines der billigen
und leichten hinzustellen, wie es noch oft geschieht.
Auf die gegenwärtige Überfüllung des höheren Lehr¬
berufs hätte in der neuen Auflage, die im allgemeinen
den Veränderungen angepaßt ist, vielleicht nachdrück¬
licher hingewiesen werden können. Einzelheiten lassen
sich natürlich anders auffassen. 50 M. Vorlesungs¬
gelder für das Semester dürften zumal im Anfang nicht
genügen, und zu dem aufgestellten Studienplan ist zu
bemerken, daß es keinen gibt, der ihn je hätte ein*
halten können. Selbst wer nur an einer Universität
studiert, findet nicht eine so systematische Reihenfolge
der Kollegs vor. Das sei kein Tadel gegen den Ver¬
fasser, der das selbst weiß, nur ein Rat an den „Fuchs“,
der drum keine Sorge tragen soll. -o-
Undine.. Eine Erzählung von Friedrich Baron de
la Motte Fouqul. Mit 15 farbigen Vollbildern und
Buchschmuck von Arthur Rackham. (Dietrichs
Münchener Künstler-Bilderbücher 19). München, ver¬
legt bei Georg W. Dietrich.
Mag auch der Baron Friedrich de la Motte Fouqu^
neuerdings der Ehren des Klassikers gewürdigt werden,
am Leben geblieben ist doch von allen seinen Geistes-
kindem nur die klebe „Undbe“. In ihr hat sich der
Geist der alten Volksbücher mit der Romantik des
beginnenden XIX. Jahrhunderts vermählt. Musiker
und Maler werden durch Fouquös Dichtung immer
wieder angelockt, mit ihren Mitteln das Elementare
der Stimmung, die b dem kleben Buche lebt, aufzu¬
fangen und verstärkt wiederzugeben. Für Rackham
war der Anreiz gewiß besonders stark; seine Kunst
leistet ihr bestes im Bereich der Kobolde und Nixen,
der Elfen und Feen. Die vorherrschenden grauen,
grünen und braunen Töne tauchen alles b den
Schimmer monddurchstrahlter Nebel, aus denen über
Wald und Heide die nächtlichen Spukgestalten empor¬
schweben. An solchen Werken wie „Ripvan Wbkel“und
Shakespeares „Sommernachtstraum“ hat er sich am
besten bewährt, und ihnen tritt jetzt würdig seine
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CORNELL UNfVERSmf
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Neu erschienene nnd angekündigte Bücher
„Undine“ zur Seite. Der Reiz der guten Dreifarben¬
drucke wird Erwachsenen und Kindern gleich fühlbar
werden und diesem Bande der wertvollen Münchener
Künstler Bilderbücher (vgl. Beiblatt November 1911,
Seite 280) besonderen Dank eintragen. Auch die leichte
Modernisierung des Textes kann nur vorteilhaft wirken.
P-e.
Arthur W. Unger, Die Herstellung von Büchern,
Illustrationen, Akzidenzen usw. Mit 178 Figuren,
12 Beilagen und 74 Tafeln. Halle (Saale), 1910.
Wilhelm Knapp.
Der Zweck dieses vornehmlich für Fachleute und
für den Unterricht bestimmten Buches ist, das Wesen
der Technik aller graphischen Verfahren, die zur Her¬
stellung von Büchern oder Bilderreproduktionen dienen,
nach dem heutigen Stande in knappen Umrissen dar¬
zustellen. Der an der Wiener graphischen Lehr- und
Versuchsanstalt tätige Verfasser hat den reichen, viel¬
gestaltigen Stoff methodisch entwickelt und aufgebaut,
um • ihn auch jenen zu übermitteln, die dem Gebiete
der graphischen Reproduktion sonst ferner stehen.
Die Gliederung wurde deshalb nicht nach den Pro¬
dukten, welche die verschiedenen Methoden ergeben,
vorgenommen, sondern der Stoff wurde so angeordnet,
daß die zahlreichen Verfahren in Gruppen zusammen-
gefaßt werden konnten, welche die wesensverwandten
Prozesse leicht übersehbar vereinigen. Dort, wo es
notwendig erschien, ist auf die besondere Verwendung
der unterschiedlichen Techniken hingewiesen. So finden
sich denn auch zusammenhängende Schilderungen der
Herstellung von Büchern, Illustrationen usw. Dem
Buchdruck ist eine breitere Darstellung zuteil geworden,
weil die Beziehungen zu ihm wohl am häufigsten sind.
Die technische Ausstattung des umfänglichen Buches
ist sehr gut; auf die sorgfältige Herstellung der vielen
illustrativen Beilagen ist besonderer Wert gelegt, so
daß sich das Werk sehr vorteilhaft repräsentiert
-ill-
Teekeningen van Vincent van Gogh. (XI. Repro-
ducties naar het proc^de van Meurs). Amsterdam,
L. J. Veen, fol.
Man kennt van Gogh nur halb, wenn man ihn nur
als Koloristen feiert; er war auch ein ganz außer¬
ordentlicher Zeichner. Daß sich van Gogh als solcher
keiner haarscharfen Linien, keiner feinen Striche¬
lung bedient haben wird, das leuchtet jedem ein, der
Gemälde von ihm gesehen hat. Aus energischen,
kräftigen Linien von einer erstaunlichen Treffsicherheit
bauen sich seine Zeichnungen auf, besonders die aus
seiner Arles-Periode. Ewig zu bedauern bleibt es, daß
ein so großzügiger Zeichner, wie van Gogh*, nicht die
Kunst des Holzschnittes erlernt hat, denn viele seiner
Zeichnungen sind wie dazu geschaffen, durch diese
Technik vervielfältigt zu werden. Eine Auswahl von
12 Reproduktionen nach van Goghschen Zeichnungen
hat die Firma L. J. Veen herausgegeben; erschienen
sind sie zwar schon vor längerer Zeit, aber da sie hier
noch nicht besprochen sind und sie es wirklich verdienen,
daß die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde auf sie ge¬
lenkt wird, möchte ich sie hier kurz aufzählen. Die
Reproduktionen sind nach dem Procddd van Meurs
angefertigt und können als das Beste bezeichnet wer¬
den, was auf diesem Gebiete heute geleistet wird; be¬
sonders die Reproduktionen der breiten Tuschezeich¬
nungen kommen den Originalen ganz nahe. Ein Teil
der Zeichnungen sind Figurenstudien, meistens aus
seiner früheren Brabanter Zeit, aus der die berühmten
„Kartoffelesser“ stammen; es sind dieselben Typen wie
auf dem eben genannten Werke, die Frauen mit den
abgemagerten Gesichtem, mit den vorspringenden Mund-
und Nasenpartien und dem idiotischen Ausdruck; eine
sitzt am Herd und schürt mit einer Kohlenzange das
Feuer, über dem ein Kessel hängt; wie die große
starkknochige Hand das Eisen hält und wie der schwere
Körper mit den breiten Hüften auf der Bank sitzt, das
ist meisterhaft wiedergegeben. Auf einer andern
Zeichnung ist eine Frau mit dem Enthülsen von Erbsen
beschäftigt („Ecosseuse de pois“), auch hier sehen wir
wieder das richtige Arbeitstier mit großen Händen,
schwerem Unterkörper und kleinem Kopf. Dann zwei
Darstellungen schuftender Menschen im Freien, ein
Bauer, der auf seinem Hof Holz hackt, und ein Trupp
Bergarbeiter aus der Borinage, die unter einem grauen
Himmel bei einbrechender Dämmerung, gekrümmt
unter der Last der Kohlensäcke, die sie über die
Schultern tragen, von der Arbeit kofhmen. Deutlich
sieht man hier in den Gesichtern, in dem Gang und in
der Haltung, welche Anstrengung es ihnen kostet, diese
Säcke im Gleichgewicht zu halten und fortzuschreiten;
merkwürdig sind hier wieder die großen Hände mit
den dicken starken Fingern. Die Hand ist ihr wichtig¬
ster und daher am meisten ausgebildeter Körperteil.
Es ist ein trostloser Anblick. Dazu trägt auch der
landschaftliche Hintergrund sein Teil bei: kahle Fel¬
der, die sich bis zu einer Ortschaft mit Kirche im
Hintergrund ausstrecken, und über diesen Feldern, auf
hohen Pfeilern in der Luft schwebend, ein Viadukt mit
ein paar Laternen, und der trübe Himmel. — Die
Porträtstudie einer älteren Frau mit Haube von sehr
sorgsamer Ausführung ist um die feine, natürliche
Wiedergabe des kummer- und ergebungsvollen, nach¬
denklichen Ausdrucks ein schönes Werk. Von den
Landschaften ist eine, Fischerhäuschen in Scheve¬
ningen mit den auf dem Hof zum Trocknen aufgehängten
Schollen, noch aus seiner holländischen Zeit; die Aus¬
führung, die uns den Raum und die Entfernungen so
deutlich fühlen läßt, ist hier trotz dem stark Persön¬
lichen darin doch noch etwas konventionell, im Ver¬
gleich wenigstens mit den vier andern reproduzierten
Landschaften, in denen man den erregten Pulsschlag
des Menschen van Gogh unmittelbarer spürt; sein
leidenschaftliches, Nietzsche verwandtes Temperament
hat in diesen energisch hingehauenen Zeichnungen den
ihm gemäßesten Linienrhythmus gefunden; sie wirken
auf den andächtigen Beschauer auch wie leidenschaft¬
liche, mit sich fortreißende Musik Erstaunlich ist, wie
auf der Ansicht von Arles mit den Feldern im Vorder¬
grund und dem Bilde des Friedhofes des Saintes Maries
der Blick in die Tiefe gezogen wird; in dem „Sämann“
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Neu erschienene nnd angekündigte Bücher
199
ist dann alles, ähnlich wie bei dem „Mäher" (einem Ge -
mäldi des Ryksmuseums) in eine fluktuierende Be¬
wegung aufgelöst Van Gogh betrachtet die Natur eben
nicht als etwas Totes und Festes, sondern als einen
lebendigen Organismus. Nicht nur die Felder und die
Bäume leben bei ihm, sondern auch der Grund und
Boden der Erde selbst, wie er ihn sich zum Beispiel
zu einem terrassenförmigen Bergabhang auftürmen
läßt in der Zeichnung der Felsenlandschaft mit den
Bäumen. Auch in dem Garten des Irrenhauses, der letzten
Zeichnung, ist die Wiedergabe des üppigen Pflanzen¬
lebens, das Sprossen und Treiben einer südlichen Vege¬
tation grandios zu nennen.
Der Preis der ganzen Serie in einer von Ch. Lebeau
entworfenen Mappe beträgt 125 fl. M. D. Henkel\
Oskar Klaußmann, Oberschlesien vor 55 Jahren
und wie ich es wiederfand. Phönix-Verlag, Kattowitx.
(4 M., gebunden 5 M.).
Ein halbes Jahrhundert bedeutet für ein Industrie¬
gebiet bei dem rasenden Tempo der modernen Ent¬
wicklung geradezu die Verkehrung ins Gegenteil. Als
der Verfasser in seine Heimat zurückkehrte, fand er
sich fast in ein anderes Land versetzt, und durch seine
Schilderung der Zustände von ehedem geht das Ge¬
fühl der Verwunderung hindurch, daß es hier einmal
so hat aussehen können. Es ist ein sehr reichhaltiges
Buch. Was Oberschlesien an trüben und heiteren
Tagen erlebt hat, von Schulen und Schmuggelei, von Gen¬
darmen und Gerichten, vom Sofa in der guten Stube, von
kleinen schmutzigen Kindern und Arbeiterelend, von
Volksfreuden und all den Dingen wird mit der Liebe des
Eingeborenen berichtet, sine ira et Studio, wie sich der
Verfasser vorgenommen hat. Herbe Kritik ist ver¬
mieden, und die Oberschlesier werden es dankbar
lesen, wie herrlich weit sie es nun gebracht haben, und
an Winterabenden werden sie sich über die Kuriosa
amüsieren, von denen ihr Landsmann so hübsch zu
erzählen weiß. Ein reicher Schatz von Bildern, die
nach alten Stichen und Lithographien gemacht sind,
wird die Freude an dem Buche noch erhöhen. —o—
Deutsche Schrifttafeln des IX. bis XVI. Jahr¬
hunderts aus Handschriften der Königlichen Hof- und
Staatsbibliothek in München. Herausgegeben von
Erich Petzet und Otto Glauning. II. Abteilung. Mittel¬
hochdeutsche Schriftdenkmäler des XI. bis XIV. Jahr¬
hunderts. München 1911. Druck und Verlag von
Karl Kuhn. Folio, 15 Lichtdrucktafeln (42x32 cm)
mit erläuterndem Text.
Wir haben die erste Abteilung dieses schönen und
wohlfeilen Unternehmens im zweiten Jahrgang, Bei¬
blatt Seite 360, angezeigt Die Fortsetzung bewährt
dieselbe, durch Sachkenntnis der Herausgeber und
musterhafte Reproduktion der Vorlagen bedingte
Nutzbarkeit, die der überaus billige Preis noch erhöht.
Wieder ist der Reichtum der Münchener Hof- und
Staatsbibliothek an deutschen Handschriften dem Unter¬
nehmen zugute gekommen. An erster Stelle stehen
swei der berühmtesten Stücke: der Liebesgruß aus
dem „Ruodlieb“ und das Blatt mit dem lieblichen „Du
bist min ich bin din“. Es folgt aus der Bamberger
Handschrift Cod. lat. 4460 die Beichte und die Schilde¬
rung von Himmel und Hölle und ein paär ähnliche
kleinere Stücke, dann Proben der Windberger Inter¬
linearversion der Psalmen, aus St. Ulrichs Leben und
dem geistlichen Lied an die Seele, das dieselbe Hand¬
schrift Cod. germ. 94 enthält. Aus Benediktbeuren
stammt das Speculum ecclesiae, ein Meßgesang,
Heinrich von Rugges Leich vom heiligen Grabe und
die berühmten Carmina burana, von denen bekannt¬
lich eine kritische und eine Faksimileausgabe bevor¬
steht Den Schluß bilden Proben der Nibelungen¬
handschriften A und D. Die sorgsamen Transskriptionen
mit ihrer Aufhellung aller Dunkelheiten der Hand¬
schriften machen diese Sammlung zur ersten Ein¬
führung in die deutsche Paläographie geeignet und
die vollständigen Literaturangaben erhöhen die Brauch¬
barkeit für germanistische Seminarübungen, denen dieses
neue Hilfsmittel bald als unentbehrlich gelten wird.
Der Kunstanstalt gebührt für die vollendete Wieder¬
gabe in zum Teü zweifarbigem Lichtdruck hohes Lob.
Eine Auswahl von zwölf besonders gelungenen
Tafeln seiner Verlagswerke betitelt „Aus berühmten
Handschriften und seltenen Drucken in bayerischen
Bibliotheken“ hat Karl Kuhn den Teilnehmern des
Münchener Bibliothekartages vom 29. Mai bis 1. Juni
1912 gewidmet P-e.
Literaturgeschichte der deutschen Stämme und
Landschaften von Josef Nadler. Bd. I. Die Altstämme
(800—1600) mit 5 Karten und 91 Abbildungen auf 50
Beüagen. J. Habbel, Regensburg, geb. M. 10.—.
Die Marx-Engels’sche Geschichtsauffassung ist oft
mißverstanden worden, von solchen, die sich zu ihr
bekannten und sie zu begreifen wähnten, wie von ihren
Gegnern. Ihr Wesentlichstes bleibt immer der Satz, daß
die ökonomische Struktur eines Geschichtsabschnittes,
der materielle Unterbau, die Grundlage bildet, auf der
sich der ideelle Überbau, Philosophie, Kunst, Literatur
usw. erhebt Aber wie einseitig sich auch diese soge¬
nannte materialistische Geschichtsauffassung gegeben
und wie einseitig sie insbesondere auch fortgebüdet
worden sein mag, ihr Einfluß auf die Geisteswissen¬
schaften (von der Politik ganz abzusehen) war und ist
ein bedeutender, dessen ganzen Umfang erst eine sehr
viel spätere Zeit wird abmessen können. Ohne sie
wäre unter anderem auch Karl Lamprecht nicht denk¬
bar, welche Sonderstellung dieser große Geschichts¬
schreiber auch sonst einnehmen mag. Ob Josef
Nadler, der Verfasser der oben bezeichneten Literatur¬
geschichte, jemals Marx oder Friedrich Engels zu Ge¬
sichte bekam, weiß ich nicht, aber die seinem Werke
vorgeschickte „Worte der Rechtfertigung und des
Dankes“ überschriebene Einleitung verrät starken
geschichtsmaterialistischen Unterton. „Unter harten
Kämpfen“, heißt es dort, „wurde die allgemeine Ge¬
schichte der wirtschaftlichen Betrachtung erobert, ein
Bekenntnis, dem sich heute, da Hunger, Haß und Liebe
mehr als je das Leben bewegen, keiner mehr entziehen
kann. Das wirtschaftliche Problem steht im innigsten
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Ken erschienene und angekündigte Bücher
200
Zusammenhänge mit den einzelnen Landschaften, mit
dem Boden und seinen Gaben und den Stämmen, die
von ihrer Heimat erzogen wurden“. Und dann fuhrt
Nadler, noch schärfer seinen Standpunkt hervor¬
kehrend, fort: „Literatur und Kunst, als ein Überschuß
wirtschaftlicher Kräfte, mitbewegt von den Be¬
dingungen und Erträgnissen materieller Arbeit (man
bemerke hier fast den Wortanklang an die geschichts¬
materialistische These) können nur dort erklärt und be¬
griffen werden, wo der Mensch mit tausend Fasern an
einem bestimmten Erdfleck festgewachsen ist, wieder
nur aus der Gesammtheit aller Wirkungen, die zwischen
Heimat und Abkunft spielen“.
Die Betonung des wirtschafdichen Momentes ist
freilich bei Nadler nicht Ausgangspunkt, sondern Folge
seiner Betrachtungsweise. August Sauer, Nadlers Leh¬
rer in Prag, dem auch das schöne Werk gewidmet
ist, habe immer auf die deutschen Landschaften hin¬
gewiesen, der allgemeinen Literaturgeschichte habe
an die Seite zu treten, was man etwa eine provinzielle
Stammesliteraturgeschichte nennen könnte. Und die
wollte Nadler schreiben, wollte also damit nichts ge¬
ringeres als di® deutsche Literatur in die deutschen
Literaturen auflösen. „Erkennt man an, daß nationale
Literaturen nicht ein Internationales sind, lediglich
differenziert durch verschiedenen sprachlichen Aus¬
druck, so muß man nach der ganzen Vergangenheit
unseres Volkes den Begriff der Stammesliteratur an¬
erkennen. Seine Verneinung leugnet auch das innere
Wesen aller Nationalliteraturen. Dann gibt es nur ein
Schrifttum, das sich deutscher, französischer, eng¬
lischer Zunge bedient. Denn was im Einzelnen nicht
ist, wird auch im Produkte nicht erscheinen“.
Unter diesem Gesichtspunkte ist das alles in allem
höchst verdienstvolle Werk des Verfassers entstanden,
der jetzt schon in jungen Jahren zu einer Hochschul*
Professur berufen worden ist. Überflüssig zu sagen,
daß die folgerichtige Durchführung einer solchen Idee
nicht ohne grobe Gewaltsamkeiten abgehen kann und
abgeht, daß dem Partikularismus, der a priori fest¬
stehenden Betrachtungsweise zuliebe manches, ja vieles
in eine Landschaft hineingestellt, vieles aus ihr heraus¬
kommandiert wird, was nicht hineingehört, beziehungs¬
weise darin Platz finden durfte. Das hindert nicht,
anzuerkennen, daß die Lektüre des Werkes, in dem
auch der katholische Standpunkt des Verfassers warme
Fürsprache findet, hohen Genuß bereitet, nicht zum
wenigsten auch durch die bilderreiche schwung- und
kraftvolle Sprache Nadlers, der nach dem schönen
Worte Scherers den Mut zu irren besitzt, ein Mut, der
unter Umständen hundertmal mehr wert ist, als die
langweilige Wiederholung und Breittretung tausend¬
mal schon Gedachten und Bewiesenen, denn solche
Irrtümer zeitigen oft prächtige Blüten und führen zu
neuen Wahrheiten. —Anerkennenswert ist die Druck-
Ausstattung des Buches, weniger der Pergamentrücken
und die buntgestreifte und-getupfte himmelblaue Farbe
der Einbanddecke, die für ein im Grunde doch wissen¬
schaftliches Werk weder praktisch noch schön sind.
H. Fgl.
Nachdem voriges Jahr der erste Band von Anton
Springers altbewährtem Handbuch der Kunstgeschichte
(Verlag von E. A. Seemann in Leipzig) als letzte Gabe
des verstorbenen Michaelis erschienen ist, liegen jetzt
zwei weitere Bände in neuen Auflagen vor. Den
dritten, der die Renaissance in Italien behandelt, hat
Adolf Philippi in neunter Auflage bearbeitet. Sehr
wertvoll ist seine historische Darlegung, wie der Be¬
griff der Renaissance, den erst das XIX. Jahrhundert
prägte, sich entwickelt hat (Seite 32 ff.), in dessen
heutiger Auffassung nicht mehr die Wiederbelebung
der Antike, sondern der erwachende Individualismus
das ausschlaggebende Element ist. Den fünften Band,
der das XIX. Jahrhundert umfaßt, bearbeitete wieder
in der neuen sechsten Auflage Max Osbom, auch er
mit Erfolg bestrebt überall zu bessern und zu mehren.
Sicheres und maßvolles Urteil, klare Darstellung und
gute Stoffverteilung zeichnen beide Bände ebenso aus
wie die immer wieder vermehrte und durch neue,
namentlich farbige Bilder anregender und lehrreicher
gestaltete Illustration. So behauptet der „Springer*
unbestritten seine alte hohe Stelle unter den deutschen
Kunstgeschichten. G. W.
Norbert Hanrieder in seinen Dichtungen. Studie
von Georg Prader. Verlag der Preßvereinsdruckerei
St. Pölten . 1912.
Norbert Hanrieder ist Pfarrherr in Putzleinsdorf in
Oberösterreich, zwischen Inn und Enns. Ein Kind der
Heimat, ist er ihr Dichter geworden, einer von den
Dialektdichtem, die über ihr Land hinaus wenig be¬
kannt werden. Dort aber trägt Liebe und Verehrung
den nun Siebzigjährigen. Seine hochdeutschen Dich¬
tungen sind weniger, bedeutend, seine Roseggergegner¬
schaft hat dem Steirer nicht geschadet Als Dialekt¬
dichter, der die Treue und Ehrlichkeit und den Ge¬
rechtigkeitssinn seines Volkes besingt, verdient er wei¬
tere Beachtung. Er ist vor allem Epiker, und daß der
katholische Priester in seinem „Bauemkriag“ den
protestantischen Heldenkämpfen gerecht geworden
ist, zeugt für ihn als Menschen, wie die Behandlung
des Stoffes für den Dichter. Seine „Mühlviertler
Mahrln“, in denen Jesus und Petrus eine Reise durch
das Land machen, sind eine tüchtige Leistung.
Praders Studie ist eine Werbeschrift für den edlen
Greis, etwas zu breit durch die erzählende Methode,
büßt sie dadurch an Wirksamkeit ein. Dr. N.
Samuel Heinickes gesammelte Schriften, heraus¬
gegeben von Georg und Paul Schumann . Mit Porträts
und Faksimilebeilagen. Leipzig, 1912. Emst Wiegandt.
Samuel Heinicke ist Autodidakt gewesen, wie so
mancher große Mann der Tat, und wurde nach einem
wechselvollen Leben als Bauer, Soldat, Student und
Musikus, erst Hofmeister, dann Küster und Organist,
schließlich Schulhalter und Lehrer von Taubstummen
in Eppendorf bei Hamburg. Er ist der Begründer des
deutschen Taubstummenunterrichts geworden und hat
auch die vorbildlich gewordene Leipziger Taubstummen¬
anstalt ins Leben gerufen, als deren Direktor er
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Neu erschienene nnd angekündigte Bücher
201
63 Jahre alt im Jahre 1790 starb. Es ist deshalb nur
berechtigt, wenn seine Nachfolger im Amte ihm durch
Herausgabe seiner Schriften ein bleibendes Denkmal
setzen. Die reiche literarische Lebensarbeit Heinickes
wird in drei Abteilungen vorgeführt. Die erste umfaßt
die wichtigsten Quellenschriften zur Begründung des
Taubstummenberufes, darunter zum Teil noch nie ge¬
druckte Werke. Die weite Serie bringt die allgemein¬
pädagogischen Schriften, zeitlich geordnet, darunter
Kabinettstücke deutschen Humors, die Schulmeister¬
briefe und Schulmeistergespräche, die an Jean Paul
erinnern. Die dritte Abteilung enthält eine kleine,
charakteristische Auswahl aus Heinickes literarischen
und philosophischen Schriften. Sie sind in der ur¬
sprünglichen Form und Fassung wiedergegeben, um
die Eigenart der Heinickeschen Schreibart deutlich
werden zu lassen. Er hat nicht nur die Methodik des
Taubstummenunterrichtes begründet, sondern auch die
allgemeine Pädagogik befruchtet, indem er die Schule
seiner Zeit einer scharfen Kritik unterzog und neue
Lehrweisen schuf. Deshalb gehört er mit seinen
Werken der Kulturgeschichte an. Die Ausstattung
dieser sehr verdienstlichen Ausgabe seiner Schriften
ist einwandfrei zu nennen. Ein klarer Druck und gute
Satzanordnung, treffliche Abbildungen und ein ge¬
schmackvoller Einband in Halbpergament zeichnen
dies Buch aus. F. E. W.
Im vorigen Jahrgang, Beiblatt Seite 279, würdigten
wir verdientermaßen die neue Ausgabe von Goethes
Gesprächen, die dank der pietätvollen Sorgfalt des
Freiherrn Flodoard von Biedermann zu einem völlig
neuen Werke geworden ist Inzwischen ging die große
Sammlung sämtlicher mündlichen Äußerungen des
Dichters in den Verlag Hesse £r* Becker in Leipzig
über, und dieser ergänzt sie nun durch eine Volks¬
ausgabe, die in einem stattlichen Bande von 575 Seiten
das Wertvollste aus den fünf Teilen heraushebt.
Knappe Notizen, sehr gewandt dem Texte einverleibt,
unterrichten über Persönlichkeiten und Dinge ohne die
Aufdringlichkeit kleinlichen Kommentierens jeder
gleichgültigen Einzelheit, und ein sehr ausführliches
Register bringt eine große Anzahl biographischer An¬
gaben nach. Aus den nicht aufgenommenen Stücken
sind am Schlüsse noch 221 Stellen von besonderem
Weisheitsgehalt herausgehoben. Da hier, wie überall,
die Nummern der großen Ausgabe beigefügt werden,
kann jeder leicht diese Sätze in ihrem Zusammenhang
aufsuchen. Das Fehlen der Gespräche mit Eckermann
bedeutet keinen Nachteil, sogar einen entschiedenen
Vorzug des schönen Buches. Wer besäße sie nicht
und wer wüßte nicht, daß dieses Gesamtbild des letzten
Goethe als Ganzes aufgenommen werden muß?
In demselben Verlag hat der Freiherr Flodoard
von Biedermann eine zweite, noch willkommenere
Gabe dargebracht: Heinrich v. Kleists Gespräche .
Nachrichten und Überlieferungen aus seinem Um¬
gänge, zum erstenmal gesammelt und herausgegeben.
Entsprechend der erweiterten Bedeutung, die der Be¬
zeichnung „Gespräche“ zum Beispiel von Morris in
seinem „Jungen Goethe“ gegeben worden ist, wird
alles zusammengefaßt, was als zeitgenössisches Doku¬
ment zur Biographie und Charakteristik des Dichters
gelten darf, beginnend mit dem Eintrag in das Ge¬
burtsregister der Garnison Frankfurt a. d. O. und fort¬
geführt bis zu den zahlreichen Äußerungen, die den
tiefen Eindruck des tragischen Endes bekunden. In
einer geschlossenen Folge überblickt man so 157 bis¬
her zerstreute Zeugnisse, und das widerspruchsvolle
Gesamtbild, das sich aus ihnen ergibt, erklärt es, wes¬
halb die Gegenwart noch weniger als die Mitlebenden
zu diesem in jeder Bedeutung unvergleichlichen Dichter
einen festen Standpunkt gewinnen kann. Wieder sind
Sorgfalt, Wissen und Diskretion des Freiherm von
Biedermann zu rühmen. Es dürfte schwerlich ein in
den Kreis des Buches fallendes Dokument übersehen
sein, die Anmerkungen bringen nur das Notwendige,
dies aber zuverlässig, hinzu kommen die wertvollen
Nachweise am Schlüsse. Neben und über den treff¬
lichen Kleist-Biographien, die uns gerade das letzte
Jahr beschert hat, wird dieses Buch allen Freunden
des Dichters den Zugang zu seinem Innersten er¬
öffnen, bis zu jenen dunklen Pforten, die das Aller-
heiligste für immer verschließen.
Der Preis der beiden Bücher beträgt broschiert
2.50 M., in Leinen- oder Pappband 3 M., in Liebhaber-
Halbfranzband 5 M. Druck und Papier sind sehr gut,
aber die Einbände —! G. W.
Franz Stelshammers ausgewählte Werke, heraus¬
gegeben und mit Einleitung versehen von Leopold
Hörmann . Sonderausgabe der Deutsch-österreichischen
Klassikerbibliothek, Karl Prochaska, 7 zischen. 2 Bände.
Der oberösterreichische Dichter Franz Stelzhammer
ist jetzt in einer Auswahl neu herausgegeben worden
und zwar in zwei kleinen schmalen Bändchen. Ich
kann mich leider mit dieser Ausgabe nicht recht be¬
freunden. Stelzhammer galt und gilt heute noch in
weiten Kreisen vornehmlich als Vertreter der Dialekt¬
dichtung, in der er ja auch Bleibendes und Großes
geschaffen. Aber man tat sehr unrecht daran, über
den Mundartenpoeten den Prosadichter zu vergessen,
der ohne Zweifel Stelzhammer war. Stelzhammer hat
viel geschrieben, innerhalb zweier Jahre hat er eine
ganze Reihe von Prosabänden veröffentlicht, darunter
manches, was heute schon der Form nach ganz ver¬
altet ist. Aber vieles ist darunter, was heute noch durch
die realistische Kraft der Darstellung und des Aus¬
druckes starke Wirkung zu erzielen vermag. Das für
mich und viele andere Allerbeste und Allerschönste
seiner Prosaschriften, die Perle seines Schaffens, fand
sich in seinem Nachlasse und betitelt sich: „Aus meiner
Studienzeit“. Und gerade dieses wunderbare Stück
Prosa, das alle Stelzhammerkenner bisher bewunderten,
das, wie ich weiß, Gerhart Hauptmann nicht genug
hoch einschätzen konnte, das sich ebenbürtig an die
Seite Gottfried Kellerscher Dichtungen stellen darf,
gerade das fehlt in der Auswahlausgabe Hörmanns,
obwohl es gar nicht besonders umfangreich ist und
mit einigem guten Willen unter Verzichtleistung auf
anderes in dem zweiten,die Prosadichtungen enthaltenden
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CORNELL UNIVERSITY
202
Nea erschienene and angekündigte Bücher
Bändchen untergebracht hätte werden können. Max
Burkhard hat seinem Vorjahren erschienenen Ausw ahl-
bande Stelzhammerscher Prosa dieses köstliche Juwel
eingereiht Er wußte, was er tat. Um so bedauer¬
licher ist es, daß es diesmal bei Hörmann, dessen
Dialektkennerschaft wohl bekannt ist, fehlt Auch gegen
die von Hörmann selbständig vorgenommene Unter¬
teilung der mundartlichen Gedichte ließe sich manche
Einwendung erheben. Freude macht einem die Aus¬
stattung der Bändchen, die sich im Einbande von den
übrigen Nummern der Deutsch-österreichischen Klas¬
sikerbibliothek zu ihrem Vorteile unterscheiden. Ich
möchte dem Verlage dringend anraten, später einmal
sämtliche Bände der Deutsch-österreichischen Klassiker¬
bibliothek nach dem Muster der Stelzhammerschen
Ausgabe hersteilen zu lassen. Den Preis der zwei
Bändchen, K. 2.40, finde ich schon angesichts der ge¬
schmackvollen Gewandung recht gering. H. FgL
Blinde Liebe. Eine Geschichte aus den höchsten
Kreisen, sehr frei nach dem Englischen des Laurence
Housman von Richard Dchmel. Berlin im Verlag
Neues Leben Wilhelm Romgräber.
So harmlos ist Richard Dehmel uns noch nie ge¬
kommen, wie in diesem lustigen kleinen Künstlerscherz.
Stünde kein Name auf dem Titelblatt, so würde man
am ehesten auf Felix Salten raten, weil es sich auch
hier wie in der graziösen „Gedenktafel der Prinzessin
Anna" um feinste, ins Bereich ästhetischen Spiels
erhobenen Erotik handelt Wie. die böse Fee den
überedlen König Ammibauba an seinem Kinde
straft, weil er ihrer Verführung widerstand, und wie
doch noch alles zu gutem Ende gedeiht, das erzählt
uns Dehmel mit köstlicher Laune und seltenem Wohl¬
laut Die Ausstattung des kleinen Buches entspricht
dem Reiz des Inhalts; die Zeichnungen O. W. H.
Hadanks bezeugen, daß Walser und Woelfle nicht ver¬
gebens leben. A-s.
Karl Bachem, Josef Bachem und die Entwicklung
der katholischen Presse in Deutschland. Band 1. Bis
1848 Verlag J. P. Bachem, Köln a. Rhein. Broschiert
5 M m gebunden 6 M.
Wenn Katholiken von sich oder ihren Vorfahren er¬
zählen, so können sie bei uns in Deutschland gewiß
sein, daß außer ihren Glaubensgenossen nicht nur die
Kulturpsychologen ihnen ihr Ohr leihen. Es ist für
uns andere so schwer, uns völlig in die moderne
katholische Seele einzufuhlen, in der sich die idealen
Traditionen mit dem Opportunismus und Utilitarismus
des XX. Jahrhunderts so seltsam mischen. Man ist
schnell fertig, wenn man von innerer Verlogenheit
spricht Jedoch dem Vorurteilslosen drängt der tiefe
sittliche Emst so vieler Katholiken immer wieder die
Frage auf, ob das äußerlich Widerspruchsvolle nicht
doch von innerer Einheit beherrscht wird. Die Katho¬
liken selbst freilich geben uns darauf nur selten eine
befriedigende Antwort Es gibt nur wenige Bücher,
die wirklich Emst machen mit dem Bestreben, nament¬
lich ihr politisches Handeln verständlich zu machen —
wenige, deren Zahl auch das vorliegende nicht zu
mehren vermag.
Eines ist dem Verfasser ja ganz sicher gelungen: den
scharfen Gegensatz herauszuarbeiten, in den die froh-
lebige, freiheitliche rheinische Bevölkerung nach dem
Wiener Kongreß zur preußischen Bureaukratie geraten
mußte. Diese hat das Land wirtschaftlich wohl
vorwärtsgebracht, aber ohne Verständnis für fremde
Volksindividualitäten seine kulturellen Bedürfnisse nicht
ebenso zu befriedigen vermocht. Prächtig ist an dieser
Stelle Bachems Diktion. Das vierte Kapitel ist darum
auch das Beste am ganzen Buche.
Nimmt man aber dann den Verfasser beim Vor¬
worte und sucht nach der Darstellung „des allmäh¬
lichen Werdens und Wachsens dessen, was man später
den Zentrumsgedanken nannte**, so erlebt man eine
herbe Enttäuschung. Da im XIX. Jahrhundert die
allgemeine Entfaltung der Ideen eng mit der Tätig¬
keit der Presse verknüpft sei, will Bachem das Ent¬
stehen der leitenden Gedanken katholischer Politik an
der Entwickelung des katholischen Zeitungswesens (zu¬
nächst bis 1848) vorführen. Aber mag es sich nun um
Görres’ „Rheinischen Merkur“ oder Fr. Schlegels „Deut¬
sches Museum" und seine „Concordia" oder um irgend
ein anderes untergeordneteres Organ handeln, so wird
doch immer nur an einigen Zitaten ganz äußerlich ihre
Übereinstimmung mit der landläufigen katholischen
Weltanschauung nachgewiesen. Die Romantik, die Ge¬
burtsstätte klerikal-politischen Denkens im XIX. Jahr¬
hundert, glaubt der Verfasser mit der verschwomme¬
nen Phrase als „merkwürdige (!), dichterisch verklärte
Zusammenstrahlung von Religion und Natur, Kunst und
Kultur des Vaterlandes im Lichte (sic!) der großen
Vergangenheit des deutschen Volkes“ irgendwie
charakterisiert zu haben — statt ihr Wesen scharf zu
analysieren und dann an der Hand der Presseäußerungen
zu zeigen, wie sich allmählich aus ihr das entwickelte,
„was man später den Zentrumsgedanken nannte**.
Große Teile des Werkes können darum nur als erste
Quellensammlung angesehen werden, die der eigent¬
lichen Bearbeitung noch harrt
Den äußeren Rahmen des Buches bildet die Ge¬
schichte des Bachemschen Geschlechts bis 1848. Sie
läßt jedoch oft die organische Verbindung mit den all¬
gemeingeschichtlichen Teilen des Werkes vermissen,
so daß diesem noch ob^pdrein der geschlossene Cha¬
rakter fehlt. • F. K.
Im Jahre 1809 begannen Büsching und von der
Hagen eine Sammlung der alten deutschen Volks¬
romane und gaben ihr den Titel der ältesten, schon
1587 erschienenen Reihe solcher Bücher, „Buch der
Liebe“. Trotz der damals eben durch die Heidel¬
berger Romantiker neuerweckten Teilnahme an deut¬
scher Art und Kunst vergangener Zeiten kam das
Unternehmen nicht über den ersten Band hinaus.
Jetzt versucht es, wieder unter dem alten Titel, der
Verlag Georg Müller in München von neuem, die Teil¬
nahme für diese Literatur der erotischen Volksbücher
zu wecken, und der Herausgeber Paul Emst behält
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
203
dafür den alten Namen bei, indem er die ursprüng¬
liche Form „Das Buch der Liebe“ wieder aufnimmt.
Aber in der kurzen gutgeschriebenen Einleitung ver¬
missen wir den Hinweis auf die Vorgänger. Er wäre
um so mehr am Platze gewesen, weil Ernst die Er¬
zählungen, die er von ihnen übernimmt, wörtlich in
ihrer Redaktion abdruckt, nur hierund da klug kürzend.
Diese Gemeinschaft gilt von dem Inhalt seines ersten
Teils, der „Tristan und Isalde“ und „Pontus und
Sidonia“ bringt. Der zweite Teil enthält „Melusina",
„Magelona“, „Genovefa“ und den unbekanntesten
dieser Ritterromane „Lother und Maller“, schon 1805
von Dorothea Schlegel herausgegeben. Wir wünschen
der gefälligen, in einem hübschen Pappband für 8 M.
käuflichen Sammlung besseren Erfolg als der älteren,
damit die Reihe der deutschen Volksbücher, dier hier
eröffnet wird, fortgesetzt werden könne. G. W.
Bernhard von Breydenhach and his joumey io the
Holy Ijind 1483 — 4. A. Biblmgraphy compiied by Hugh
Wm. Davies. London J . and /. Leighton. 40 Brewer
Street , Golden Square London IV. 1911. XXXII und
47 Setten mit 63 Vollseiten Reproduktionen.
Bernhard von Breydenhach, der Mainzer Dom¬
dekan, hat seine Pilgerfahrt in einer der im XV. Jahr¬
hundert häufigen „Peregrinationes in terram sanctam“
geschildert, welche, wenn man die Zahl der erschienenen
Ausgaben betrachtet, eine der beliebtesten und berühm¬
testen Schilderungen einer Pilgerfahrt ins Heilige Land
geworden ist. Es ist daher kein Wunder, daß die Biblio¬
graphie sich der Breydenbach’schen „Pereginationes“
schon früher angenommen hat (Hain, Tobler, Moser
im Serapeum) und sich weiter annimmt; und so ist vor
kurzem eine sorgfältige und ausführliche Bibliographie
des berühmten Buches von William Davies in London
bei J. und J. Leighthon (London 1911, Quarto; Auflage
von 200 numerierten Exemplaren) veröffentlicht worden.
Breydenhach scheint Oppenheim bei Mainz am
25. April 1483 verlassen zu haben und zwar mit dem
auf der Reise zu Alexandria gestorbenen und dort be¬
grabenen Graf Johann von Solms-Mintzerberg und dem
Ritter Philipp von Bicken; das Titelblatt trägt ihre
drei Wappen. Im Januar 1484 ist er dahin zurück-
gekehrt Sein gedruckter Reisebericht beginnt jedoch
erst mit Venedig. Unter seinen Reisegefährten war
der Künstler Erhard Reuwich aus Utrecht; und Illu¬
strationen des Buches, die nach dessen Zeichnungen
geschnitten sind, sind jetzt seine interessantesten Eigen¬
schaften. Sind sie doch auch das erste Beispiel davon,
daß ein einzelner Maler als Illustrator eines gedruckten
Buches ausdrücklich bekannt ist Zu Venedig wurde
die Reisegesellschaft stark vergrößert, und Davies hat
aus verschiedenen Quellen die Namen von nicht weni¬
ger ab 53 Personen, zumeist Süddeutsche und Elsässer,
zusammengetragen, welche Breydenhach von Venedig
nach Jerusalem begleitet haben. Zwei dieser Mitpilger
Frater Felix Fabri, später deutscher Dominikaner-
Provinzial, und Pater Paul Walther haben ebenfalls
Reisebeschreibungen hinterlassen, die noch im Manu¬
skript existieren, und erst in der allemeuesten Zeit ge¬
druckt worden sind; auch die Beschreibungen der
mitreisenden Georg von Gumppenberg-Pöttmes und
Maximilian von Rappoltstein sind gedruckt. Von den
Reisenden gingen 25 nur mit bis Jerusalem; die andern
zogen noch nach dem Sinai und kehrten über Alexan¬
dria heim. — Breydenhach ist in dem „Itinerarium“
als der hauptsächlichste Verfasser der „Peregrinatio¬
nes“ (hujus operis auctor principalis) genannt, aber aus
Fabris Erzählungen schließt Davies mit anderen vor
ihm, daß Martin Roth, ein Dominikaner aus Pforzheim
und Schulrektor in Heidelberg (wahrscheinlich der
„Rencz“ der Heidelberger Matrikeln!) den lateinischen
Text verfaßt hat. Das Kolophon der ersten Ausgabe
ist datiert: Mainz, den n. Februar i486, eine zweite
Ausgabe mit deutschem Text ist vom 21. Juni i486
datiert Beide Ausgaben, wie auch eine dritte in
niederländischer Sprache, sind unter den Augen von
Breydenhach selbst herausgebracht worden. Sie haben
alle die gleichen Typen, und die Kolophons der drei
Ausgaben geben den Namen des Künstlers Erhard
Reuwich als den des Druckers an; die deutsche Aus¬
gabe behauptet sogar, daß sie in Reuwichs eigenem
Hause gedruckt worden ist (.,und die truckerey yn sy-
nem huss volfuret“). Aber da man sonst kein Buch
als aus einer Offizin des Reuwich hervorgegangen
kennt, so darf man eher annehmen, daß er die Typen
für eine gewisse Zeit zum Druck dieser Bücher geborgt
hat; sie mögen Schöffer gehört haben, dessen Lettern
die Breydenbachdrucke stark ähneln, und höchst
warscheinlich hat dieser die Bücher selbst gedruckt.
Der Verfertiger der Holzschnitte ist nicht identifiziert,
möglicherweise hat sie Reuwich selbst geschnitten. —
Von größtem Interesse sind die großen Panoramen;
sie sind die ersten ihrer Art und unterscheiden sich
von anderen im XV. Jahrhundert veröffentlichten Holz¬
schnittansichten durch ihre Lebhaftigkeit und ihr Stre¬
ben nach Wirklichkeit Sie sind unzweifelhaft authen¬
tisch und künstlerisch, daher von großem Wert als
exakte Gemälde dieser berühmten Stätten, wie sie im
Jahre 1483 aussahen. Rumohr feiert die Ausführung
in Holzschnitt als eine ganz ungewöhnliche technische
Leistung. Die Wanderungen der Originalholzstöcke
sind ebenfalls von Interesse. Nachdem sie in den drei
Mainzer Ausgaben von i486 tihd 1488 gebraucht waren,
kamen sie im Jahre 1489 nach Lyon und erscheinen 1498
in einer spanischen zu Saragossa gedruckten Ausgabe.
Die Bibliographie, die Davies ausgestellt hat, ist von
größter Akkuratesse; in der Tat sind nur die zwischen
i486 und 1522 (alle von Holzschnitten begleitet) publi¬
zierten 12 Ausgaben beschrieben, aber mit allen De¬
tails, was das Arrangement und Textkollation betrifft,
sowie über Papiermarken, Wasserzeichen, Aufenthalts¬
ort der Exemplare. Von diesen Ausgaben sind drei
in lateinischer, drei in deutscher, eine in niederländi¬
scher, vier in französischer und eine in spanischer
Sprache verfaßt Später ist der Text allein noch in
verschiedenen Sprachen nachgedruckt worden. In
einer Einleitung von 32 Seiten ist die Geschichte des
Buches und seines Verfassers erzählt 65 Vollseiten-
Reproduktionen von Titelblättern, Dedikationen und
Ansichts- sowie figürlichen Holzschnitten sind angefügt.
Die sämtlichen beschriebenen Bücher sind im Besitz
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
des Bibliophilen C. Fairfax Murray; darunter sind zwei
Exemplare der spanischen Ausgabe (Saragossa 1498),
von denen eines der Bibliothek des Christoph Colum*
bus zu Sevilla angehört hatte, wie aus der eigenhän¬
digen Einschrift des Sohnes und Biographen seines
großen Vaters, des Hernando Colombo, hervorgeht. —
Die Münchner Hof- und Staatsbibliothek besitzt unge¬
fähr 20 Exemplare der in der Davies'schen Biblio¬
graphie beschriebenen Ausgaben von i486, 1488, 1490
und 1502, jedoch nur solche in lateinischer und deut¬
scher Sprache, keine derniederländischen, französischen
und der spanischen Ausgabe. M.
Unter allen geistigen Volkskrankheiten hat keine
die Aufmerksamkeit so erregt wie der Jahrhunderte
lange Wahnsinn der Hexenverfolgungen. Nach einer
Reihe von Ansätzen hat Soldans mit Recht berühmte
„Geschichte der Hexenprozesse“ im Jahre 1843 das
Material in relativer Vollständigkeit zusammengestellt
und vom Standpunkt des objektiven Kulturhistorikers
erläutert. Er brachte die Forschung in Fluß und mit
Hilfe ihrer inzwischen sehr bereicherten Ergebnisse hat
1879 Heinrich Heppe, der Schwiegersohn Soldans, das
Werk von Grund aus erneuert und den Hexenwahn
bis zu seinen Wurzeln im antiken Orient zurückverfolgt.
Seitdem ist wieder viel neues Material hinzugekommen,
auch die Fähigkeit unparteiischer Auffassung religions¬
geschichtlicher Tatsachen erheblich gewachsen. So
tritt die dritte Auflage des berühmten Werkes unter
weit günstigeren Auspizien als die beiden früheren ans
Licht, wozu noch als ergänzender vorteilhafter Um¬
stand die klare Erkenntnis des neuen Herausgebers
Max Bauer tritt, welche formalen Anforderungen jetzt
an eine Darstellung solcher Art zu stellen sind. Der
neue Titel lautet: Soldan - Heppe, Geschichte der
Hexenprosesse. Neu bearbeitet und herausgegeben von
Max Bauer. München, verlegt bei Georg Müller.
Zwei Bände.
Die einleitenden Abschnitte, die von der Herkunft
des Hexenwahns handeln, und der Schluß, der, gewiß
für manchen überraschend, das Fortleben in der
Gegenwart erweist, werden für die Mehrzahl der Leser
am anziehendsten erscheinen. Denn das große Mittel¬
stück bringt vornehmlich Belege aus Akten und zeit¬
genössischen Schriften uns damit doch nur den Be¬
weis, wie arm die Phantasie der hysterischen Weiber
war, die freiwillig von ihrem Verkehr mit dem Teufel
zeugten, wie vergeblich die weit zahlreicheren Unglück¬
lichen, die durch irgendeinen Zufall in den Verdacht
der Hexerei gerieten, sich bemühten, auf der Folter
der Neugier ihrer Peinigergenugzutun. Werdie Practica
nova imperialis des Leipziger Hexenrichters Carpzov
durchliest, wie es zum Beispiel Goethe für seine Wal¬
purgisnacht im „Faust“ tat, findet dort nur sehr ge¬
ringe Abwechslung in den Aussagen, und nicht besser
steht es mit allen ähnlich gearteten Büchern. Nur
selten regt sich etwas wie ein tieferes menschliches
Interesse bei diesen Geschichten, etwa bei der von
Urbain Grandier und den Nonnen von Loudun,
die ja schon von Willibald Alexis und neuerdings
v on H. H. Evers literarisch verwertet- worden ist. Auf¬
fallend kurz ist die Frage des Teufelsbundes behandelt,
vielleicht weil gerade darüber schon besonders viel ge-
schrieben worden ist, ebenso die Walpurgisnacht, für
die als einzige Quelle die Blocksbergs-Verrichtung des
Prätorius, noch dazu mit ungenauem Titel, zitiert wird.
Freilich gehören diese Punkte nicht in den eigentlichen
Kreis einer Geschichte der Hexenprozesse, aber sie
spielen in diesen eine so wichtige Rolle, daß sie aus¬
führlicher zu erörtern waren, um die Herkunft und
Verbreitung der in Frage kommenden abergläubischen
Vorstellungen darzulegen.
Nach dieser Seite hin wünschen wir dem ausge¬
zeichneten Werke in späteren Auflagen noch eine Er¬
weiterung und meinen, daß zu ihren Gunsten die
eigentlichen Prozeßberichte hier und da gekürzt werden
könnten.
Hohes Lob verdient der schöne Druck und das
große, gut reproduzierte Büdermaterial, ebenso die
geschmackvollen und soliden Halbpergamentbände.
P-e.
Julius Voigt, Goethe und Ilmenau. Mit sieben
Handzeichnungen Goethes, einer Karte, einem Faksi¬
mile und einundzwanzig Bildbeilagen. Im Xenien-
Verlag zu Leipzig. 1912.
Johannes Kiessner, Beziehungen Goethes zu Ham¬
burg. Verlag von C. Boysen, Hamburg. 1912. (2.40 M.).
Bisher mag wohl noch niemand das Charakterbild
Goethes für unvollständig gehalten haben, weil nicht
jedes Aktenstück seiner amtlichen Tätigkeit in Ilmenau
exzerpiert ist. Und daß die Bedeutung, die das Städt¬
chen in Goethes Leben besitzt, „nicht leicht zu hoch
angeschlagen werden“ könne, bleibt ebenfalls unbe¬
wiesen. Vorausgenommene Rechtfertigungen geben
stets dem Verdachte Raum, daß dem Verfasser selbst
Zweifel an der unumgänglichen Notwendigkeit seines
Werkes aufgestiegen sind.
Die amtliche Tätigkeit Goethes zeichnet sich in
Ilmenau durch dieselbe Gewissenhaftigkeit aus wie
anderwärts, und wen kein lokales oder besonderes
Interesse treibt, dürfte sich die hundertfünfundsiebzig
Seiten darüber schenken können. Neues für den
Menschen Goethe bringen sie nicht Die persönlichen
Beziehungen, die er zu der kleinen Bergstadt hatte,
sind uns bekannt. Einige Einzelheiten, deren philo¬
logischer Wert unbestritten sein soll, mögen ja noch
hinzukommen, aber was will das besagen. Das genia¬
lische Treiben, das in den siebziger Jahren der junge
Herzog mit seinem Freunde in Ilmenau entfaltete, deu¬
tet der Verfasser immer nur allzu vorsichtig an und
verweist auf Berichte und Aktenfaszikel, die kein
Mensch liest. Er hat nicht mitempfinden können.
Im letzten Kapitel sind die Schilderungen des Rent-
amtmanns Mahr, die dieser 1855 über Goethes letzten
Besuch in Ilmenau veröffentlichte, auch weitaus
lebendiger und ergreifender als der Text Voigts. Daß
er aber den vollständigeren ersten Entwurf der Mahr-
schen Aufzeichnungen abdruckt, soll mit Dank aner¬
kannt sein. Verdienstlich sind auch die Charakte¬
ristiken Baumgartens und Kraffts, der beiden Schütz¬
linge Goethes. Selten kann ein Freundschaftsverhältnis
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
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mehr verklären wie das mit Krafft, weil es sich auf
einer beispiellosen Selbstlosigkeit und reinen Mensch,
lichkeit aufbaut, die auf Goethes Seite zu finden sind.
Die Bildbeigaben des geschmackvoll ausgestatteten
Buches sind geschickt und passend ausgewählt, auch
die Reproduktion ist einwandsfrei.
Die Beziehungen Goethes zu Hamburg belaufen
sich in Wahrheit darauf, daß er ein paar wenig belang¬
reiche Ansichten über die Stadt, die er nicht kannte,
geäußert hat Doch nein, Goethe hat auch einmal
Wein von dort bezogen und in der Hamburger Stadt¬
lotterie — verloren! Diese sinnigen Neuigkeiten tischt
uns Herr Kießner mit oberlehrerücher Genauigkeit auf.
So wird jede Speditionsfirma der Nachwelt vor Augen
gerückt, die sich in einem Goetheschen Notizbuch
findet, und die vielleicht einmal einen Auftrag erhalten
haben könnte, und weil Basedow, mit dem er, was uns
als große Neuigkeit berichtet wird, die Lahn- und
Rheinreise gemacht hat, geborener Hamburger ist,
hat Goethe eben auch Beziehungen zu Hamburg. Sela.
Ein Beitrag zur Goethe-Makulatur. Dr. N.
Der größte humoristische Roman aller Zeiten, „ Des
scharfsinnigen Junkers Don Quixote Leben und Ritter-
taten “ wird in unserer neuromantischen Zeit wieder
zum Modebuch. Die Übersetzungen Ludwig Tiecks
und Ludwig Braunfels' sind in den letzten Jahren neu ge¬
druckt worden, und daneben erschienen manche andere
Bearbeitungen. Als eine der glücklichsten darf die¬
jenige gelten, die Wolfgang Sorge für Wilhelm Born¬
gräber\ Verlag Neues Leben in Berlin , besorgt hat.
Der Ton ist frisch mit leichter altertümlicher Färbung,
die Kürzungen entsprechen den Bedürfnissen von Lesern
ohne literarische Ambition. Für solche bietet die
knappe Einleitung von Paul Friedrich gerade das
Nötige. Den Hauptreiz verleiht dieser Ausgabe eine
Reihe der Don Quixote-Illustrationen Gustav Dorös.
Zu ihrem Lobe braucht nichts gesagt zu werden, wohl
aber verdient es besondere Erwähnung, daß den alten
Holzschnitten dank der ausgezeichneten Reproduktion
das verkleinerte Format eher genützt als geschadet hat.
Derselbe Verlag bringt in ähnlicher Ausstattung
und zu gleichem Preise (broschiert 4 M., gebunden in
Halbleder 6 M.) von demselben Bearbeiter den
galantesten aller Romane des französischen XVIII. Jahr¬
hunderts, „ Die Abenteuer des Chevaliers von Faublas lt .
Warum verschweigt der Titel den Namen des Autors
Louvet de Couvray und erweckt die falsche Vorstell¬
ung, als handle es sich um ein Memoirenwerk? Und
warum sagt das Geleitwort Sorges nichts über die
Persönlichkeit des Verfassers, die literarischen Voraus¬
setzungen und die Geschichte des Buches? Leicht
wird dem unkundigen Leser die Vorstellung entstehen,
als sei Faublas eine historische Gestalt und seine Ge¬
schichte wirklich erlebt. Doch wir wollen mit solchen
Bedenken nicht die Abneigung des Herausgebers
gegen die Philologen vergrößern und nur noch die
Hoffnung aussprechen, daß seine Bearbeitung nicht in
Z. f. B. 1912/1913.
Hände gerate, die den Inhalt und die Bilder von Bayros
(was brauchte man über sie noch zu sagen?) allzu grob
anfassen. A-s.
Das Buch des Lappen Johan Turi. Erzählung aus
dem Leben der Lappen. Herausgegeben von Emilie
Demant. Verlag der Literarischen Anstalt Rütten &•*
Loening, Frankfurt a. M. (6 M., gebunden 7,50 M.).
Das Buch Johan Olafson Turis ist schlicht und ein¬
fältig wie etwa die Bibel, und wie diese lebendig und
beredt Kein Forscher, der mit allem seinen Rüstzeug
es unternähme, die Kultur der Lappen zu schildern,
böte soviel wie dieser alte Berglappe, der nur die
Renntiere hüten und Wölfe jagen gelernt hat. Ein
Einsamer, ohne Weib, hat er jahrzehntelang über sein
Volk nachgedacht und über seines Volkes Not. Die
natürlichen Bedrängnisse überwinden diese rauhen
Menschen oder umgehen sie; das Gesetz aber, in dem
der Begriff des Grundbesitzes und der Grenze vor¬
kommt, droht sie zu erwürgen. Das Lappenvolk be¬
ginnt schon zu resignieren. Sie wagen nicht mehr zu
heiraten, sagt Turi einmal. Er glaubt aber nicht
an Böswilligkeit der Gesetzgeber, er glaubt, daß sie
anders handeln würden, wenn sie von seinem Volke
nur etwas wüßten. Darum schrieb er dies Buch. Und
er besitzt, was fast das Wichtigste ist, die Gesinnung zur
Objektivität. Mit dem lapidaren Satze: Ich bin ein
Lappe . . . beginnt er, in der heiligen Überzeugung,
daß nur er, nur ein Lappe selbst sagen kann, was ihnen
vonnöten ist. Berichte achtet er gering, er weiß zu
gut, daß durch Ausfragen eben das erfahren wird, was
der Frager erfahren will. Und zwischen festen Wän¬
den gar können einem Lappen die Gedanken nicht
„rinnen“, wie er sagt
Der ungewöhnlich hohe Intellekt dieses doch zu¬
gleich primitiven Menschen macht erstaunen; davon
zeugen auch seine Handzeichnungen, deren Wert be¬
sonders die Psychologen und Kulturhistoriker anerkennen
werden. Mit der Kindhaftigkeit der Technik ist eine
erstaunliche Beobachtungsgabe verbunden. Das Ge¬
weih der Renntiere sieht auf einer Herbstraide ganz
anders aus als im Frühjahr, einen alten Lappen zeich¬
net Turi gebückt, und ein ermüdetes Renntier kann
man deutlich an der heraushängenden Zunge erkennen.
Eine inhaltliche oder gar künstlerische Einheit ist
natürlich nicht in dem Buche; was Turi einfiel, schrieb er
auf. Wenn er anhebt, von den Wanderzügen zu be¬
richten, so denkt er plötzlich an einen bestimmten Vor¬
fall, und wenn er von den mythologischen Vorstel¬
lungen seines Volkes reden will, kann er nicht unter¬
lassen, eine Geschichte von den bösen Uldas einzu¬
schieben, die sich irgendwo zugetragen hat Leicht-
lich geschieht es ihm, daß er Sätze nicht vollendet,
daß er ein ganz anderes Subjekt voraussetzt, als der
Leser erwartet Darum aber besitzen diese Geschich¬
ten lebendige Kraft, man liest mit Interesse auch vom
Renntierkalben und vom Melken und von der Heil¬
kunst.
Aber noch ist der Herausgeberin zu gedenken,
einer jungen Dänin, die zugleich den lappischen Urtext
in ihre Muttersprache übersetzt hat. Ihr danken wir
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
es t daß Tuns Buch zur Wirklichkeit geworden ist. Sie
hat ihm in dem Jahre der Entstehung die Sorgen der
Haushaltführung abgenommen und den Ermüdenden
ermuntert, noch von diesem und jenem zu erzählen.
Es ist ein sonderbares Gefühl, jetzt auf Van Gelder
Bütten gedruckt, in Pergament gebunden ein sorg¬
fältiges Buch in der Hand halten zu können, das hoch
oben im Norden eine des Schreibens ungewohnte
Hand mühsam zustande brachte, von einem Schrift¬
steller, der aus reinem Herzen heraus sich dazu ent¬
schloß. C. N.
Der deutsche Roman von Hellmuth Mielke. Vierte
umgearbeitete und stark erweiterte Auflage von ,,Der
deutsche Roman des XIX. Jahrhunderts“. Dresden ,
Verlag von Carl Reißner , 1912.
Wer sich mit dem deutschen Roman des XIX.
Jahrhunderts eingehender befaßt hat, der weiß, daß
Mielkes Buch der einzige Führer durch dieses unge¬
heure und schwer wegsame Dickicht ist Der Ver¬
fasser hat es verstanden, ohne allzu gewaltsame Ein¬
schachtelungen Gruppen zu bilden und sie so anzu¬
ordnen, daß in ihrer Folge der historische Verlauf
richtig abgespiegelt wird. Seine Fähigkeit der Ein¬
fühlung läßt ihn Künstlern der verschiedensten Art ge¬
recht werden. Er charakterisiert sie mit solidem Urteil,
ohne sich auf irgendeinen Parteistandpunkt festzulegen
und doch auch ohne in farblose Inhaltsangaben des
Schulbuchs zu verfallen. Freilich wird die Bewährung
dieser guten Eigenschaften immer schwieriger. Die
erste Auflage erschien im Jahre 1890 und damals
wurden 1731 Dichtungswerke in Deutschland veröffent¬
licht; das Jahr 1909 brachte dagegen auf demselben
Gebiete 4297 Publikationen. Noch stärker als die Zahl
steigerte sich die innere Mannigfaltigkeit der neuen
Romanproduktion, so daß man wohl heute von einer
unübersehbaren Masse und Farbenskala sprechen darf.
Von der grellen Tagesklarheit des Naturalismus, den
Mielke etwas vorschnell als erstorben bezeichnet, bis
zu der ultravioletten Mystik werden alle Zwischentöne
des Regenbogens künstlerischer Möglichkeiten vom
modernen Roman durchlaufen, und sie alle erscheinen
in dem Spektrum des Mielkeschen Buches. Der Leser
empfängt den Eindruck, daß Mielke die Mehrzahl der
besprochenen Romane wirklich gelesen hat. Kleine
Versehen, zum Beispiel Seite 316 der immer wieder¬
holte Fehler „Bruck“ statt „Truck", Seite 318 „Kai
Lans“ statt „Jans“, können diesen Gesamtseindruck
nicht erschüttern. Selbstverständlich wird niemand
allen Werturteüen eines andern über die Dichter der
Gegenwart zustimmen. So glaube ich nicht, daß Cäsar
Flaischlens „Jost Seyfried“ unausgeglichen und un¬
künstlerisch in der Form sei, oder daß Otto Emsts
„Asmus Semper“ die Kunst gemüt- und humorvoller
Genremalerei unbestreitbar bezeuge. Solche Beispiele
ließen sich leicht mehren. Aber der Verfasser bean¬
sprucht in seinem bescheiden-selbstbewußten Vorwort
keine Unfehlbarkeit Deshalb braucht im einzelnen
nicht mit ihm abgerechnet zu werden. Danken wir
ihm vielmehr für dieses Buch, das nicht den Literaten
dienen will und um so mehr, wie schon seit 22 Jahren,
auch fernerhin von den gebildeten Deutschen benutzt
werden wird. Man fühlt heraus, daß es nicht in der
Atmosphäre der Literatur - Cafös, fern von Berlin,
München und Wien geworden und gewachsen ist
Wir geben ihm auf seinen ferneren Lebensweg den
Wunsch mit, daß dem Verfasser die Kraft zur Be¬
wältigung der immer mühseligeren Pflege seines
Geisteskindes noch recht lange erhalten bleibe.
G. Witkowski .
Freundschaft . Eine psychologische Forschungs¬
reise von Alexander v. Gleichen-Rußwurm, Stuttgart
1912, Verlag Julius Hoffmann.
Der Geschichtschreiber der Geselligkeit mußte
dazu kommen, sich als Geschichtschreiber der Freund¬
schaft zu versuchen. Das Problem ist reizvoller, aber
auch schwerer, drum gräbt diese Arbeit auch tiefer
als die früheren. Aber doch auch in der alten Art, die
durch die Fülle der Lesefrüchte manchmal etwas er¬
drückend wirkt. Eine psychologische Forschungsreise
nennt der Verfasser diesen interessanten Versuch;
nicht immer ist sie eine Lustfahrt; sie geht manchmal
durch öde Strecken, auch gelingt es ihr nicht immer,
das Gelände hinreichend aufzuklären, es mag auch
Vorkommen, daß sie an ungeahnt ertragreichen Ge¬
bieten achtlos vorbeigeht Aber viele feine Bemerkungen
und manch weiter Ausblick fördern, und vom ersten
Hauptteile „Freundschaft oder Liebe“ bis zum letzten
„Freundschaft und Liebe“ ist der .vielerfahrene und
klug beobachtende Verfasser zu erkennen. Die Tren¬
nung der Liebe, des unedleren Affektes, der den Mann
minderwertiger macht, von der Freundschaft ist nicht
immer leicht, und gar die Freundschaft zwischen Mann
und Weib ist ein Problem, das immer heu erlebt
werden muß. Die philosophischen Grundlagen zeichnet
der Verfasser im Anschluß an das klassische Altertum,
an Platon und Aristoteles; Cicero, Augustinus und
Boethius, der heilige Franziskus und die heilige Klara
ziehen an uns vorüber, Waffenbrüderschaft und Minne,
Kumpanei, Kameradschaft, Saufbrüder und Orden,
bis zu Emfindsamkeit und Romantik. Der Praxis und
der Theorie wird nachgegangen, der knabenhaften
Freundschaft mittelalterlicher Recken, der Treue im
Zeitalter der Vasallität, der Gemeinsamkeit des
Schwärmens. Sehr rasch ist der Übergang zum ersten
neueren Klassiker der Freundschaft, zu Montaigne.
Mit Recht wird ein großer Umschwung darin erkannt,
daß die Frauen freundschaftsfähig wurden. Der Angel¬
punkt aller Freundschaft ist das Bedürfnis nach Ver¬
trauen, dem darbenden Herzen soll der Luxus ver¬
schafft werden, der Vertrauen heißt. Aber: Une des
choses qui nous rend plus malheureuses, c’est que nous
comptons trop sur les hommes. C*est aussi la source
de nos injustices, nous leur faisons des querelles, non
sur ce qu’ils nous doivent, ni sur ce qu’ils nous ont
promis, mais sur ce que nous avons espdrd d’eux. Nous
nous faisons un droit de nos espdrances. So sagt die
Marquise von Lambert — wer hätte es nicht empfinden
müssen?! Zwei Wege gehen von hier aus: Wilhelm
von Humboldt meinte im Gespräche mit Schiller, ein
Lebenskünstler könne von niemand getäuscht werden,
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Neu erschienene and angekündigte Bücher
207
da er von keinem etwas erwarte — Schopenhauer rief
aus: „Woran sollte man sich von dir endlosen Ver¬
stellung, Falschheit und Heimtücke der Menschen er¬
holen, wenn nicht Hunde wären, in deren ehrliches
Gesicht man ohne Mißtrauen schauen kann!“ — Ver¬
trauen darf nicht verwechselt werden mit geschwätziger
Vertrauensseligkeit, mit unmanierlicher Vertraulich¬
keit. Die Freundschaft moderner Art möchte der Ver¬
fasser „verschämt“ nennen, niedergehalten durch Er¬
ziehung, Disziplin, Angst, zu weich oder weibisch zu
erscheinen. Am lebhaftesten und fruchtbarsten wird
er, wenn er sich nicht mehr als „Historiker“ an Bei¬
spiele und Ausführungen der Vergangenheit klammert,
sondern der Gegenwart und Zukunft mit ihren Zu¬
ständen und Aufgaben gegenübersteht, als scharf¬
sichtiger, warmfühlender und im besten Sinne päda¬
gogischer Freund nicht vieler, auch nicht weniger,
sondern derer, die ihn brauchen und wollen. Freund¬
schaft und Liebe haben die Lösung zu geben des
Problems, das sich jedem bietet, und das er in die
Worte faßt: „Wir müssen allein sein, aber wir können
nicht allein sein“. Jeder muß diese Aufgabe für sich
selbst lösen, da hilft keine Eselsbrücke. Aber was
einer dabei für Erfahrungen macht, das wird er in
Gleichen-Rußwurms Buch manchmal mit treffender
Sicherheit ausgesprochen finden. H. S.
Das Schlafzimmer . Herausgegeben von Alexander
Koch, Darmstadt , 1912. Alexander Koch , Verlag.
In der bekannten Verlagsanstalt Alexander Koch
erscheint seit neuester Zeit eine Serie von Handbüchern
neuzeitlicher Wohnkultur, die eine Übersicht über die
wertvollsten Errungenschaften der Einrichtungs- und
Raumkunst der letzten Jahre geben wollen. Der
erste Band behandelt die grundlegenden Prinzipien,
die für die Gestaltung des modernen Schlafzimmers
und seiner Nebenräume gelten. Als solche sind zu
nennen: Geräumigkeit, viel Licht, gute Ventilation und
künstlerische und zugleich zweckmäßige Raumdispo¬
sition. Besser als alle Worte und Erklärungen ver¬
mögen gute Vorbilder zu wirken, von denen das vor¬
liegende Buch eine reiche Zahl vereinigt. Die ersten
Architekten und Firmen unserer deutschen Innen¬
dekoration und Möbelbranche sind hieran beteiligt.
Dargestellt sind Schlafzimmer in einfacherer und kost¬
spieligerer Ausführung, Ankleidezimmer, Fremden¬
zimmer, Tochter- und Kinderzimmer, Badezimmer,
Studentenzimmer, Junggesellenzimmer und einzelne
Möbel. Heitere, freundliche Wohnlichkeit und Merk¬
male kultivierter Lebensführung weisen sie auf, in den
Materialien und der Ausführung den verschiedensten
Lebenshaltungen entsprechend. Bestimmend für den
Gesamteindruck ist die Wandgestaltung, für die die
Wahl der Tapete ausschlaggebend ist. Das Fremden¬
zimmer darf mehr Wohnzimmercharakter tragen. Das
Bett soll nach Möglichkeit freistehend angeordnet
werden, unnötige Möbelstücke vermieden werden.
Nach Maßgabe der Verhältnisse und Ansprüche kann
dann die Erweiterung des Schlafgemachs zur Raum¬
gruppe eintreten mit der Dreiteilung in Schlafraum,
Toilettenzimmer und Bad. Die wertvolle Publikation
ist, wie alle Werke des bekannten Verlags, sehr gut
ausgestattet, das Bildermaterial beruht durchweg auf
klaren, richtig belichteten photographischen Aufnahmen.
Fr. E. W.
Friedrich Schlegels Briefe an Frau Christine
von Stransky geborene Freiin von Schleich. Heraus¬
gegeben von M. Rottmanner. Zwei Bände. (Schriften
des Literarischen Vereins in Wien. VII. und XVI.)
Wien 1907 und 1911. Verlag des Literarischen Vereins
in Wien .
Schon öfters haben wir auf die verdienstvollen,
aber noch immer viel zu wenig beachteten Schriften
des Literarischen Vereins in Wien hingewiesen. Die
vorliegenden zwei Bände schließen sich den übrigen
insofern an, als auch sie ein Stück österreichischen
Literaturlebens an der Hand wertvoller, bisher unbe¬
kannter Zeugnisse überblicken lassen. Es ist die
Periode von den Freiheitskriegen bis zur Juli-Revo¬
lution, die uns einer der berufensten Schilderer mit¬
erleben läßt. Der katholisch gewordene Friedrich
Schlegel wurde, gleich so vielen Renegaten, in Wien
mit offenen Armen empfangen, stellte seine Feder und
sein Gewissen ganz in den Dienst Metternichs und
vertrat von nun an mit glühendem Eifer die Sache
der katholischen Kirche und der altüberlieferten
österreichischen Staatsräson. Der neue Hofsekretär
wurde der Freund des Arztes Franz Otto von Stransky
und seiner begabten und frommen Gattin Christine.
Stransky hatte schon als Student sich für die An¬
schauungen erklärt, die im „Athenäum“, dem Organ
der Romantischen Schule, vertreten wurden. Nun trat
das Ehepaar zu allen den Romantikern, die nach Wien
kamen, in Beziehung: zu August Wilhelm Schlegel, zu
Ludwig Tieck und seiner Schwester Sophie, zu dem
Bruder des verstorbenen Novalis Karl Friedrich und
endlich auch zu Friedrich Schlegel, als dieser 1808
nach Wien kam Ein Jahr später verließen die Stranskys
die Kaiserstadt, weil der Gatte als Arzt in den baye¬
rischen Staatsdienst trat. Mit Christine hatte Friedrich
Schlegel sogleich nach der ersten Bekanntschaft im
Sommer 1808 eine sogenannte Seelenverbindung ge¬
schlossen. Sie waren zu der Überzeugung gelangt,
daß ihre Seelen „Schwestern“ und somit zu mystischer
Vereinigung für Zeit und Ewigkeit bestimmt seien.
Ein sehr inniger und häufiger Briefwechsel begann mit
dem Jahre 1821. Christine litt unter einer nervösen
Krankheit und Schlegel glaubte, sie durch Magnetis¬
mus heilen zu können; denn solche Gabe sollte nach
seiner Ansicht der Reine den Frommen durch Segnen
und* Händeauflegen zu spenden vermögen. Da er zu¬
nächst nicht nach Augsburg, wo die Stranskys wohnten,
reisen konnte, behandelte er die Freundin brieflich
durch gemeinsame Gebete, aber das blieb ebenso
erfolglos wie die späteren wiederholten magnetischen
Sitzungen, die er an der armen Frau vomahm. Ihr
Leiden ähnelte dem der frommen Katharina Emmerich,
die ein anderer Romantiker, Clemens Brentano, fast
gleichzeitig zum Gegenstand jahrelanger Beobachtung
machte. Auch hier Visionen und Stigmen, auch hier
der Glaube an Offenbarungen Christi in dem leiden-
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CORNELL UNIVERSUM
208
Neu erschienene und angeküiuligte Bücher
den Körper. Blödester Aberglaube mischt sich ein,
wenn zum Beispiel Schlegel der Freundin alte graue
Haare von sich schickt, damit sie dieselben in ein
Päckchen nähe und sie aufs Herz lege „oder wo sonst
Leiden ist“. Bessere Hilfe gewährte er ihr dann, als
sie im Jahre 1824 durch die Scheidung von ihrem
Gatten in bittere Not geriet, und stand ihr mit Geld
und Rat bis zu seinem Tode treu zur Seite. In den
letzten Jahren spielen die Vorlesungen über die christ¬
liche „Philosophie des Lebens“ in den Briefen eine
Rolle, sonst ist von literarischen Dingen kaum darin
die Rede und, was doch sehr bezeichnend erscheint,
der Name Goethe wird nicht ein einziges Mal darin
genannt. Trotzdem wird die Sammlung auch dem
Literarhistoriker wertvoll sein, nicht nur als Selbst-
zeugnis des gealterten Friedrich Schlegel, mehr noch
als ein Bild jenes leidenschaftlichen Katholikentums,
das den eigentlichen Nährboden der Vordergrunds¬
kultur der Reaktionszeit bedeutet. Eine Anzahl wert¬
voller Beigaben erhöhen das Verdienst des Heraus¬
gebers um die Publikation. G. Witkaivski.
Oskar Kresse , Die Überwinder des Todes. Berlin,
1911. John Schwerins Verlag.
Ein Roman aus dem okkultistischen Lager, einer
von denen, die vielen Menschen mit leicht reizbaren
Nerven gefährlich werden können. Eines der sensatio¬
nellsten und phantastischsten Bücher, die seit langem
erschienen sind. Wie Jules Verne führt uns der Ver¬
fasser weitab in weite Fernen auf andere Himmels¬
körper und zeigt uns die von der Welt Geschiedenen
in anderen Formen und unter anderen Lebens¬
bedingungen als Überwinder des Todes. Der Verfasser
legt eine Begebenheit zugrunde, die Stoff genug zu
einem Kriminalroman geben würde, und labt die beiden
Hauptpersonen zwischen den einzelnen Phasen der
Handlung in einen Traumzustand verfallen, in dem
dieselben mit der Blitzesschnelle des Gedankens auf
einen Stern namens Midgard versetzt werden. Dort
werden sie mit dem Sein und Leben einer Menschheit
bekannt, die unserer irdischen Entwicklung weit voran
ist in geistiger wie körperlicher Hinsicht. In zweifellos
genialer und phatasievoller Weise hat hier der Ver¬
fasser der Erdenwelt in ihrer Unvollkommenheit eine
Idealwelt gegeniibergestellt, einen Versuch in anderer
Form wiederholend, wie ihn wohl am besten bisher
Bellamy in seinem Zukunftsphantasiestaat entwickelt
hat. Wenn er jedoch mit seinem Verleger glaubt, daß
„mit diesem Kulturwcrk eine neue Epoche der Ge¬
dankenwelt beginnen wird“, so wird ein nüchterner
Beurteiler dieser Phatasien ihm darin nicht bei-
pflichtcn können. Wir sehen in diesem Buche nicht
mehr als eine okkultistische Spielerei, wie uns solche
schon öfters von dieser Seite beschert wurden.
W-nn.
Schaidenreissers Odyssea. Augsburg 1537. Neu¬
druck herausgegeben von Friedrich Weidling. Mit
Abbildungen. (Teutonia. Arbeiten zur germanischen
Philologie. Herausgegeben von Wilhzlm Uhl . 13. Heft.)
Leipzig. In Kommission bei Eduard Avenarius 1911.
Die älteste deutsche Homer-Übersetzung hat hier
den verdienten und bei der Seltenheit des Buches not¬
wendigen Neudruck erhalten, nachdem Reinhardstöttner
1887 im ersen Bande des Jahrbuchs für Münchener
Geschichte die erreichbaren Daten über ihren Ver¬
fasser, den Münchener Stadtpoeten, Stadtschreiber und
Unterrichtcr, zusammengestellt hatte. Seine Homer¬
übersetzung, die einzige des XVI. Jahrhunderts, erschien
wiederholt nach der ersten Ausgabe in einer Titel¬
auflage des folgenden Jahres 1538 und einem Frank¬
furter Nachdruck von 1570. Die Vorlage war die
lateinische Odyssee des RafTaello de Volterra, der auch
die Argumente entnommen sind. Zahlreiche eigene
Randbemerkungen bezeugen die antiquarischen Kennt¬
nisse Schaidenreissers. Eine tüchtige volkstümliche
deutsche Prosa, nur in der Anrufung zu Beginn und
an einigen andern Stellen durch vierhebige Reimverse
ersetzt, leiht dem antiken Epos das Gewand eines
echten Volksbuchs. Als Probe diene der Anfang des
14. Gesanges:
„VLysses gieng auß dem hafen oder port hin durch
den wald über die höhe der gebürgten zü der wonung
des sewhirten, wie jhm Minerua gezaigt, fand den inn
dem vorhoff sitzen, darinn ain weiter platz mit aichen
pfälen in die rund vmbfangen vnnd mit stainen ge¬
pflastert war, welchen gemelter sawhirt Eumeus in ab¬
wesen seines herren on ainige seiner herrschafft kosten
gebauwet vnd zwölff stall an ainander stossend gemacht,
in deren yedem fünfftzig fasel oder mor lagen, vnge-
rechnet die eber, deren auch über hundert vndsechtzig
waren, daruon die Werber täglich schlempten. Naben
yetzgcmelten stallen lagen vier hund. Er der sawhirt
saß also (wie vorgemelt) in dem vorhoff inn schönen
roten- stiffeln angelegt. Drey seiner knecht hütteten
der sew auff dem feld, den vierdten het er in die statt
geschickt, den Werbern ain saw hinein zütragen, damit
sy züopffcm vnnd weiter zuprassen hetten. Die hund
alsbald sy denVlyssem ansichtig worden, lieffen pellend
vnd grimmig zu, als wolten sy jhn zerreissen. Vlysses
satzte sich auß gescheidigkait gemach nider. legte den
stab naben sich. Eumeus eilet jn zuerretten, vnd mit
gcschray vnnd stainen jaget er ainen hund da, den
andern dort hinaus, kört sich nachmals mit red zu
Vlyssi sprechend. O alter, wie gar wenig hatts gefalt,
dich hetten die hund zerzerret, vnnd darnach wer der
argkwon vnd die schuld auff mir bliben ligen zu
allem dem das ich sunst vnglücks gnug hab. Dann ich
sitz betrübt, hutte vnnd möste frembden abessem die
sew, klag darbey meinen Herrn, welcher (so er
villeicht noch in leben ist) etwan in der frembde hunger
vnd not leidet. Aber alter gee her in mein hütlin, laß
mich dir mit speiß vnd tranck gütlich thün. Vnnd
wann du ersättigt worden, so bericht mich wer vnd auß
was land du seyest, auch wie du in dise not kummen
bist Gieng also voran, fürt Vlyssem hinein, satzte jn auff
ain grünes laub vnd auff ain gempsenhaut damider."
Man wird zugeben, daß diese Übersetzung
auch für den heutigen Leser noch von hohem Reiz
ist und sich zum Beispiel neben der weit über*
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CORNELL UNfVERSITY
Neu erschienene und angekündigte Bücher
209
schätzten von Johann Heinrich Voß wohl behaupten
kann. Freilich gehört zu der vollen Wirkung auch der
Eindruck der alten Originalausgabe von 1537* Wer
sie einmal in der Hand gehabt hat, der vergißt nicht
den prächtigen Titel des alten Folianten, wo auf
schönem, mit einem Dürerschen Putto geschmücktem
Thronsitz der blinde Sängervater sitzt, ein Genius ihn
mit dem Lorbeer krönt und ein anderer ihm die Harfe
reicht, während der Hauch des Genius aus seinem
Munde in den Mund der vor ihm stehenden Nach¬
folger Virgilius, Ouidius, Horacius sichtbar hinüberfließt.
Dieser Holzschnitt ist gleich den anderen 18 des
Buches am Schlüsse des Neudrucks verkleinert wieder¬
gegeben. Der unbekannte Künstler erweist sich als
Angehöriger der Schule des Hans Burgkmair. Wir
sind dem sorgsamen Herausgeber und Herrn Pro¬
fessor Uhl für diese schöne Gabe um so dankbarer, da
ihr Preis (5 M.) im Vergleich zu dem heute üblichen
solcher Neudrucke auffallend niedrig erscheint.
G. Witkowski.
Helene Scharf enstein, Aus dem Tagebuch einer
deutschen Schauspielerin. Stuttgart , 1912. Robert Lutz,
Trotzdem in einigenTageszeitungen bekannte Schrift¬
steller sich für dies Buch begeistert haben und der
Verleger in seinen Ankündigungen den dauernden
Wert dieses Tagebuchs anpreist, kann ich den Eindruck
nicht loswerden, als ob es sich hier um ein echtes
Machwerk handele, das zu günstiger Zeit erschienen,
die Sensation der Misere unserer weiblichen Bühnen¬
mitglieder ausnützt. Was der Reichstagsabgeordnete
Maximilian Pfeiffer in seiner auffallenden knappen
Broschüre „Theaterelend“ mitteilte, was neuerdings in
wissenschaftlich leidenschaftsloser Form Charlotte Engel-
Reimers in ihrem Buche „Die deutschen Bühnen und
ihre Angehörigen“ verkündet, das ist hier in der Form
eines Tagebuchs mitgeteilt. Selbst wenn man glauben
wollte, daß es wirklich Erlebtes gibt und nicht wie die
nie geschriebenen „Briefe, die ihn nie erreichten“ eine
bloße Fiktion ist, grenzt es in der Art, wie dies Erlebte
hier vorgetragen und der Öffentlichkeit preisgegeben
wird, doch stark an die mehr berüchtigte als berühmte
Memoirenliteratur, die mehr Sensation als Kunst bringt,
und sich weniger an den Geschmack als die Sensations-
lüstemheit des Publikums wendet, zumal wenn wie hier
sexuelle Probleme die Hauptrolle spielen. Vom ästhe¬
tischen Gesichtspunkt aus erschien mir das Buch sofort
in hohem Grade minderwertig und etwa auf dem
Niveau von Bilses „Aus einer kleinen Garnison“ stehend,
das zweifellos wahre Begebnisse in einer Art schildert,
die aller Kunst bar, lediglich auf Lüsternheit spekuliert.
Eine ernsthafte Veranlassung zur Veröffentlichung dieser
Publikation lag jedenfalls nicht vor, da ein gewisses
Maß von literarischem Niveau gefordert werden muß,
und das um so mehr, wenn eine so heikle Sache be¬
handelt werden soll. Fr. E. W-n.
Die helvetische Revolution im Lichte der deutsch-
schweizerischen Dichtung von Dr. Ernst Trösch.
(Untersuchungen zur neueren Sprach- und Literatur¬
geschichte. Herausgegeben von Oskar F. Walzel.
Neue Folge. Zehntes Heft.) H. Haessel Verlag in
Leipzig 191 r.
Es ist eine lohnende Aufgabe, die Meinungen, die
in einer bestimmt umrissenen Zeit lebendig und wirk¬
sam gewesen sind, in ihrem literarischen Niederschlag
aufzusammeln und vorzulegen. Die kurze Zeit der Hel-
vetik, der helvetischen einen und unteilbaren Republik
von 1798 mit ihren fest ausgebildeten Parteigegensätzen
ist ein dankbarer Gegenstand dafür, und die Arbeit
wird auch für größere Zusammenhänge fruchtbar,
wenn dadurch aufgezeigt wird, daß die Auffassung
der Schweiz vor 1798, des idyllischen freien Hirten¬
landes, mit den wirklichen Zuständen nichts gemein
hat. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich erst mit
den beiden literarisch bedeutendsten Wortführern der
Zeit, mit Johann Kaspar Lavater und Heinrich Zschokke,
dann geht sie, etwas umständlich, auf die Stellung der
Literatur zu bestimmten Thematen ein, Freiheit und
Gleichheit, Invasion, Kampf der Parteien. Zugrunde
liegt eine erfreuliche Sammelarbeit, die wohl nicht
viele Lücken im Erreichbaren offen gelassen haben
wird. Themen aus der Helvetik werden bis in das
neueste Schaffen verfolgt, ausgeschöpft ist sie nicht.
H. M.
Nordische Dichtungen. Übersetzt und eingeleitet
von Hermann Neumann. * Band 7 der Pandora. (Her¬
ausgeber: Oskar Walzel.) München , 1912. Eugen
Rentsch, Verlag.
Zu den verschiedenen Versuchen, nordische Kunst
und Kultur in Deutschland heimisch zu machen, gesellt
sich nun auch Neumann, ein feiner Kenner Skandi¬
naviens, mit einer geschmackvollen Auswahl nordischer
Lyrik, mit deren Übersetzung er sich, wie in seinen
eigenen früher erschienenen Gedichtbänden, als Be¬
herrscher der sprachlichen Kunst erweist Die Aus¬
wahl bringt Dichtungen der bekannteren Skandinavier,
wie Bjömson, Ibsen, Runeberg, Welhaven und Werge-
land, und auch der minder bekannten, wie Birkedal,
Bjerregaard, Dybeck, Fryxell, Munck, Quanten und
Wolff. Die Sage und geschichtliche Vergangenheit
des Nordens, der geheimnisvolle Zauber der Berge,
die stolze Majestät der Fjorde und Fjelde, alles spiegelt
sich in den Liedern wieder. Die Eigenart nordischen
Empfindens wird uns klar, wenn wir die Schilderungen
ihrer Natur und Landschaft vernehmen, die wie ein
Lied der Sehnsucht klingen. Man kann den ganzen
uns in dieser Auswahl vermittelten Eindruck nicht
besser wiedergeben, als mit den Worten, die der Über¬
setzer einem Gedicht Wehlhavens widmet: „Da ist
nichts von der schwülen, müden Luft des Südens und
einem dolce far niente auf staubigen Straßen, sondern
Morgenluft, Meergeruch und Bergsteigerstimmung".
W-n.
Altfränkische Bilder IQ12. Mit erläuterndem Text
von Dr. Theodor Henner , Würzburg.
Unter den landschaftlichen Kunstkalendern, die
eine wichtige Sendung zu erfüllen haben, geht der
vorliegende schon in den 18. Jahrgang, ein Beweis,
daß er einem Bedürfnis nachkommt. Nicht umfang-
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
reich, gibt er appetitliche Kostproben und weckt Interesse
und Verlangen nach mehr. Diesmal sind es Kulm¬
bach, Kronach und Rothenburg o. d. T., die im Bilde
erscheinen (Autotypien nach Photographie), dazu aller¬
lei Werke der Plastik. Die Vorderseite des Umschlags
gibt in farbiger Nachbildung einen Deckel vom
Evangeliar Kaiser Heinrichs II. in München (Clm.
4453), die Rückseite eine Elfenbeintafel eines Gebet¬
buches desselben Kaisers in Bamberg. -hz-
Carl Horst, Barockprobleme. München , 1912.
Eugen Rentsck Verlag.
Die Bemühung des Verfassers geht dahin, auf rein
ideologischem Wege ganz abseits von kultur- und
kunstpsyschologischer Gewißheit und Voreiligkeit hin¬
zuführen zu der Überzeugung: unsere eilfertige, nimmer-
satte Zeit täte nur gut daran, sich etwas gründlicherer
Einsicht und Durcharbeitung der letzten wirklich ori¬
ginär und kraftvoll weiterbildenden Kunsttendenzen
zurückzuwenden und dabei aufzuhalten, ehe sie schon
weiter hastet zu Japaner- und Chinesentum, um ihre
Ausdrucksformen zu bereichern. Er hebt nachdrück¬
lich hervor, daß der Barock in Italien im nationalen
wie im Sinne ästhetischer Notwendigkeit originär ist.
Das ganze Buch macht jedoch den Eindruck des
Steckengebliebenseins in den Barockproblemen. Wir
haben keinen Grund, dem Verfasser dahin zu fo’gen,
und halten es durchaus für gut, den Kunstauffassungen
der ältesten Kultumationen, zu denen die Japaner zu
rechnen sind, nachzugehen, um das Wesen der Kunst,
das wir bisher immer nur nach unseren europäischen
Begriffen definiert haben, tiefer zu erfassen und unsere
Anschauungen nachzuprüfen. -ann.
Georg von der Gabele ntz t Das glückhafte Schiff.
Leipzig , 1912. L. Staackmann .
Der durch seine letzten Bücher „Das Auge des
Schlafenden“ und „Tage des Teufels“ besonders be¬
kannt gewordene Georg von der Gabelentz schildert
in dem neusten Roman „Das glückhafte Schiff“, das
Leben und Treiben der Dresdener Hofgesellschaft,
wie er es seit langen Jahren aus eigenem Miterlebcn
kennt. Im Mittelpunkt der Erzählung stehen zwei
Vertreterinnen der großen Welt, die Witwe eines
fremden und die junge Gattin eines sächsischen Diplo¬
maten, zwischen beiden ein junger Reiteroffizier..
Dieser, durch Begabung und künstlerische Interessen
über die Mehrzahl seiner Kameraden hinausragend,
gerät zuerst in den Bann der reiferen, temperament¬
volleren, lebensklügeren der beiden Frauen, bis der
Rausch der Leidenschaft vor dem Gefühle tieferer
Liebe entschwindet, das, anfänglich unbewußt, in ihm
für die andere, stillere und weniger glänzende Frau
emporkeimt. Diese selbst, ihrem Gatten, dem nüchter¬
nen Beamten, völlig wesensfremd, trennt sich von
diesem, um endlich ihr Leben mit dem des Offiziers
zu vereinen. Nach langer, unwirtlicher Fahrt läuft das
stets dem Glücke nachsegelnde Schiff der beiden von
vornherein für einander bestimmten Menschen in den
Hafen der Ruhe ein. Das Werk blendet durch die
glänzenden Schilderungen des gesellschaftlichen Lebens,
die aber über die ziemlich mangelhafte psychologische
Vertiefung nicht hinwegtäuschen können. Die Aus¬
stattung ist gut; den geschmackvollen Umschlag zeich¬
nete Professor G. Belwe-Leipzig. • nn.
Bibliophile Neuigkeiten aus der Schweiz.
Josef Viktor Widmann, Gedichte . Mit einem Bild¬
nis des Verfassers. Frauenfeld, Huber Co. Ge¬
bunden 5 M.
Als ein Vermächtnis des verstorbenen Dichters
wurde dieser Band von seinem Sohn Max der Öffent¬
lichkeit übergeben. Widmann hatte die Absicht, seine
„Gesammelten Gedichte“ zu seinem 70. Geburtstag
(20. Februar 1912) erscheinen zu lassen. Dem Heraus¬
geber fiel es daher, da die Hälfte der Arbeit bereits
geleistet war, nicht zu schwer, den schönen Plan zu
verwirklichen. Lyrik war nicht die stärkste Seite des
formvollendeten Schweizer Epigonen. Und so fragt es
sich, ob diese Gedichtsammlung seine literarische
Stellung bei der Nachwelt wird stärken können. Gleich¬
wohl werden Perlen w r ie das „Lied der Blaudrossel“
(aus seinem Hauptwerk „Der Heilige und die Tiere“)
oder „Heinrich Leuthold“ oder „Hie Bern“ (Widmanns
volkstümlichstes Gedicht) immerdar unverloren bleiben.
Der Nachruf auf Bismarck aber, „Der Telegraph des
31. Juli 1898 ‘, mag noch künftigen Geschlechtern
Zeugnis geben von dem innigen Verhältnis, in das die
alte Schweiz zum jungen Reich getreten ist Österreich
wieder bekommt sein Gastgeschenk in dem köstlichen
Scherzgedicht „Die Mehlspeis“, einer Erinnerung an
Freund Brahms. Verse in dramatischer Form und
Sinngedichte machen den Beschluß. Der schmucklose
braune Leinenband mit den goldklaren Lettern in
Antiqua schmiegt sich dem Inhalt des feierabendstillen
Nachlaßbandes zwanglos an.
Gottfried Bohnenblust. Gedichte. Frauenfeld ,
Huber Co. 4 M.
Ein Jünger Leutholds und C. F. Meyers bietet uns
in kristallenen Schalen gesättigte Lebensweisheit.'
Bohnenblust ist mehr Reflexionspoet als Dichter der
Anschauung. Fast hart sind seine immer ernsten Züge,
lächeln kann er höchstens als Satiriker. Durchaus ge¬
winnend ist seine Persönlichkeit. Den modischen Foit-
schritt betrachtet er mit kritischen Augen. Still, sinnig,
in sich gekehrt, manchmal feierlich, niemals aber
trivial wirkt seine Kunst, der wir wünschen, sie möge
den jungen Zürcher auch außerhalb seiner Heimat
bekannt machen. Die Ausstattung ist vornehm edel
gehalten, die Einbanddecke repräsentiert sich in lilla
Leinen.
Heinrich Fe der er, Lachweiler Geschichten . Berlin,
G. Grote. Gebunden 4.50 M.
Ein glücklicher Titel, der vjel zum raschen Sieges¬
zug der vorliegenden Novellensammlung beigetragen
haben mag! Freilich sie hätte ihn auch ohne diesen
angetreten, früher oder später. Es ist zunächst erfreu¬
lich, feststellen zu können, die „Lachweiler Geschichten“
konnte nur Heinrich Federer schreiben, sonst niemand.
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Neu erschienene und angekündigte Bücher
211
In ihnen nämlich findet sich keine Spur von Epigonen¬
tum. Ein originelles großes Kindergemüt spricht aus
jeder Zeile zu uns. Und wir schöpfen vergnügt aus
dem dargebotenen Schatz vom goldnen Überfluß der
Jugend solange, bis wir selber jung geworden sind,
auch wenn schon weiße Haare unsern Scheitel decken.
Ob man „Unserm Nachtwächter Prometheus“ oder
„Dem gestohlenen König von Belgien“ oder „Dem
Erzengel Michael“ oder „Den Manövern“ oder „Vater
und Sohn im Examen“ — so heißen die einzelnen Ge¬
schichten — den Vorzug vor den andern geben soll,
mag unentschieden bleiben. Jede ist ein Kabinettstück
und wirkt durch die Frische des Tons, die boden¬
ständige Kraft und Fülle des geschilderten Lebens in
gleicher Weise bezaubernd. Die Einbanddecke aus
grauer Sackleinwand zeigt einen sinnenden Wanderer,
der an einer Hügellehne ausruht, tief versenkt in den
Anblick eines Dorfes, vielleicht seiner Heimat, dessen
schlanker Kirchturm lustig und kühn sich verliert im
heitern Himmelblau. Das Bild trifft glücklich Farbe
und Stimmung des ganzen Buches.
Hermann Kurz, Fortunatus . Roman. Heilbronn ,
Eugen Salzer. Gebunden 3.50 M.
Der Baseler Hermann Kurz ist keiner von denen,
die Worte machen. Sein jüngster Roman hat den
Umfang einer Novelle. Seine Sätze bestehen aus ein
paar Worten. Und fast jeder Satz bildet einen Ab¬
schnitt Konstruktionen liebt er nicht Und so schlicht
und einfach wie das Gewand ist auch die Seele dieses
Mannes. „Fortunatus“ heißt nach seinem Helden der
vorliegende Erziehungsroman, der die Entwicklung
eines Menschen vom Lande, aus dem Volke schildert
Druck und Einband (Gelbleinen mit einer Dorfland¬
schaft als Titelblatt) zeugen von dem gediegenen
Kunstsinn des Verlags.
Johannes Jcgerlehner, Marignano. Eine Erzählung.
Berlin , G. Grote . Gebunden 4 M.
Die Schlacht bei Marignano, in der am 13. und
14. September 1515 die Schweizer mit dem helden¬
mütigen Kardinal Schinner, ihrem Landsmann, von
Franz I. von Frankreich besiegt wurden, infolgedessen
dieser das Herzogtum Mailand besetzen konnte, wurde
erst kürzlich von dem Zürcher Professor Wiegand
erfolgreich dramatisiert. Fast gleichzeitig schloß der
junge Walliser Jegerlehner eine epische Darstellung
des gleichen Stoffes ab. Die eigentliche Fabel der Er¬
zählung, die Rache einer Mailänderin an dem Schweizer
Landsknecht der sie verlassen hat, nimmt keinen großen
Raum ein. Aber groß und reich ist der Hintergrund,
von dem sich das Schicksal des bejammernswert sühnen¬
den Eidgenossen abhebt. Prachtvolle Gestalten er¬
scheinen scharf herausgearbeitet und beleben das
kriegerische Renaissancegemälde so sehr, daß ein
starker Eindruck in jedem, der es einmal genossen
hat, Zurückbleiben muß. Die einfache scharf kon-
turierte Einbanddecke zeigt das Schweizer Kreuz im
roten Felde von einem Totenkopf beschattet.
Aus Zürichs Vergangenheit. Zweites Bändchen.
Rückblicke und Schilderungen von F. Schultheß-Meyer,
J. HardmeyerJenny. Honrad Escher und Olga Am¬
berger. Zürich , Orell Füßli. Gebunden 3.60 Fr.
Das erste Bändchen ist im Beiblatt unserer Zeit¬
schrift 1911, I, 202 empfohlen worden, das vorliegende
gleich gut ausgestattete zweite verdient denselben Bei¬
fall. Olga Amberger entwirft ein lebendiges Bild aus
dem alten Zürich „Damals auf und bey der untern
Brügk“ und steuert „Scbipfe-plätzli-Erinnerungen“ bei,
Konrad Escher berichtet von Heinrich Keller, dem
..Landkarten- oder Panorama - Keller“ (1778—1862),
Friedrich Schultheß-Meyer schildert einen „Gang durch
Stadelhofen in alter und neuer Zeit“, J. Hardmeyer-
Jenny läßt „Die mittlere Bahnhofstraße vor vierzig
Jahren“ wieder aufleben. Lehrreiche Bilder, zumeist
nach zeitgenössischen Originalen, erhöhen den Wert
der kleinen Sammlung.
Jonas Fränkel. J. V. Widmann. München , Eugen
Rentsch. Festkartoniert 1 M., Vorzugsausgabe in
wenigen Exemplaren 2.50 M.
Einer der jüngeren Freunde des im Vorjahr ver¬
storbenen führenden Schweizer Literaten Widmann,
der Berner Privatdozent Jonas Fränkel, veröffentlicht
hiermit einen in der Aula der heimischen Universität
gehaltenen Nachruf in erweiterter Form. Was in dieser
Rede über die Jugendfreundschaft zwischen Widmann
und Spitteier nur eben angedeutet werden konnte, soll
bald in einem biographischen Werk über den Dichter
des „Olympischen Frühlings“ ausführlich dargelegt
werden. Die warmherzige Würdigung des Dahin¬
geschiedenen verliert sich kaum irgendwo in einer den
Widerspruch herausfordernden Hyperbel. Könnte man
das doch von jedem Nekrolog sagen!
Roschers Jahrbuch für Schweizer Art und Kunst.
Herausgegeben von Konrad Falke. Zürich, Rascher
&■* Co. Erster bis dritter Jahrgang 1910—1912. Ge¬
bunden 6.70, 8.70 und 8.70 Fr.
Das ausgezeichnete Unternehmen, das erst im
dritten Band den charakteristischen Untertitel „für
Schweizer Art und Kunst“ angenommen hat, steht so¬
wohl was den Text, als auch was die BUdbeilagen an¬
langt, vollkommen auf der Höhe bibliophilen Ge¬
schmacks. Unter den Mitarbeitern bereits des ersten
Jahrgangs finden wir J. V. Widmann und C. Spitteier,
jenen mit einem schalkhaften „Berner Gschichtli“,
diesen mit einer zur ersten Fassung des „Olympischen
Frühlings“ neu hinzugedichteten Partie „Die Giganten“
vertreten, C. A. Bernoulli entwirrt „Nietzsches Lou-
Erlebnis“, Konrad Falke berichtet über „Das Gordon-
Bennet-Wtettfliegen in Zürich“, von kulturhistorisch¬
interessanten Abbildungen unterstützt, C. Fr. Wiegand,
der Schweizer Dramatiker, feiert in einer Skizze
— auch ein Zeichen der Zeit — den norddeutschen
„Detlev von Liliencron“, Robert Fraesi beschäftigt sich
mit „Alfred Kerrs Theaterkritik“ usw. Überhaupt
merken wir von allem Anfang an das Bestreben des
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CORNELL UNIVERSITY
212
Neu erschienene und angekündigte Bücher
Jahrbuchs, zwischen der Schweiz und der übrigen Welt,
vor allem des Deutschen Reichs, kulturell einen innigen
Zusammenhang herzustellen. — Den zweiten Band er¬
öffnet die wunderschöne Bauemgeschichte „Der kalte
Brand“ von Meinrad Lienert, der glänzende Novellist
Alexander Castell folgt mit dem mondänen „Hohen
Tag“, der unter den jungen Schweizern vielleicht die
schönsten lyrischen Hoffnungen erweckende Fridolin
Hofer kommt mit einem fein abgetönten „Alpen¬
märchen“ voll romantischer Stimmung, Karl Moser
zeigt uns „Das Züricher Kunsthaus“ und Walter Wyß-
ling setzt gar „Die Elektrifikation der schweizerischen
Bahnen“ auseinander. So stark wie das Leben der
Eidgenossen offenbart auch ihr Jahrbuch den Trieb,
die nackte nützliche Wirklichkeit von den schönen
aber unpraktischen Mächten der Literatur und Kunst
nicht verdrängen zu lassen. — lm dritten Band lesen
wir unter anderem die reizende Pariser Künstler¬
geschichte „Der Gorilla“ von J. V. Widmann, die aus¬
drucksvolle Novelle „Der Fuchs“ des hochbegabten
Jakob Schaffner, Gedichte von Fridolin Hofer, Robert
Faesi, Charlot Strasser, das Fragment einer Dante-
Übersetzung von Konrad Falke, dem sorgsamen Her¬
ausgeber des Jahrbuchs, Essais wie den über Wid¬
mann von Eduard Korrodi. „Die schweizerische Adria¬
bahn“, behandelt von Traugott Geering. Der bekannte
Erzähler Hermann Kurz überrascht mit einem volks-
wirtschafdichen Beitrag „Kapitalanlagen im Ausland“.
Kunstbeilagen erschließen uns das Fextal im Ober¬
engadin, Ausblicke auf den Thuner- und Genfersee,
auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Jeder der stattlichen
Jahrgänge ist in Lila-Leinen gebunden. Die Antiqua
des Textes wirkt kräftig, aber unaufdringlich.
Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eid¬
genossenschaft, Begründet von Dr. Carl Hilty, fort¬
gesetzt von Dr. W. Burckhardt. 25. Jahrgang. Bern,
K, J, Wyß. 1911.
Das verdienstvolle Staatshandbuch der Schweizer,
in dem Jahr um Jahr über das gegenwärtige und
vergangene öffentliche Leben der Eidgenossenschaft
Rückschau gehalten wird, feiert mit diesem Band sein
silbernes Jubelfest. Aus dem reichen Jnhalt hebe ich
besonders hervor den Beitrag Alexander Pfisters
„Aus den Berichten des preußischen Gesandten Chr.
K. J. von Bunsen 1839—1891“, ferner „Eine politische
Korrespondenz aus der Regenerationszeit: Bürger¬
meister J. J. Heß von Zürich und Karl Schnell von
Bern“, erste Hälfte, herausgegeben von HansBlaesch;
sie führt uns in die Dreißigerjahre des vorigen für die
Verfassung und Kultur der Schweiz so hochbedeut¬
samen Jahrhunderts. Die Julirevolution hatte die Ge¬
müter auch in Zürich und Bern in Aufregung gebracht
und die Hoffnungen auf eine Wiedergeburt der Schweiz
neu geweckt. Heß, der in dem kritischen Jahr zu
Baden im Aargau den Burgdorfer Notar Schnell
kennen gelernt hatte, fühlte sich durch die Gemein¬
samkeit der Gesinnung, Hoffnungen und Pläne mit
diesem bald innig verbunden. Erst der Tod konnte
das Freundschaftsverhältnis zwischen den beiden lösen.
Der Umschwung der Dreißigerjahre hatte sie zu den
höchsten Ehrenstellen emporgehoben, Heß war mit
M. Hirzel Bürgermeister in Zürich geworden, Schnell
Führer und Seele der neuen Regierung in Bern, der
wir die dortige Universität verdanken. — Dem vor¬
liegenden sauber gedruckten Band ist ein alphabetisches
Generalregister der 25 Jahrgänge des Politischen Jahr¬
buchs beigegeben.
Eduard Bähler, Lebenserinnerungen , herausge¬
geben und ergänzt von Eduard Bähler (Sohn). Mit
zwei Bildnissen. Bern % A. Francke . 4 Fr.
Seit den Tagen der beiden Platter verdanken wir
den Eidgenossen eine Reihe kulturhistorisch wertvoller
Selbstbiographien. Die vorliegende ist die jüngste der
uns im Druck bekannt gewordenen. Der 1910 zu Biel
im Kanton Bern verstorbene Nationalrat Eduard
Bähler erzählt uns in seiner Lebensbeschreibung, die
1832 beginnt, ein gut Stück Schweizergeschichte des
XIX. Jahrhunderts. Viele Partien hat er nicht im Zu¬
sammenhang niedergeschrieben. • Da führt dann der
Sohn die Feder, indem er Notizen aus einer intimen
Hauschronik in die Darstellung verarbeitet Auf ge¬
schichtlicher Grundlage beruht jedoch alles. Das
Elternhaus zu Neuenegg am Fuß der Freiburger Alpen
läßt Gedanken an das Revolutionszeitalter und Napoleon
lebendig werden. Wir begleiten die Entwicklung des
Knaben zum Jüngling und Mann, sehen Jeremias
Gotthelf und machen den Sonderbundskrieg mit, der
gerade zwischen Bern und Freiburg sehr lebhaft tobt
Bähler schließt an den medizinischen Fakultäten im
damals noch französischen Straßburg und in Bern seine
Studien ab, bereist Österreich und Süddeutschland und
läßt sich dann in Laupen an der Grenze seines
Heimatkantons nieder, später in Biel Der Deutsch-
Französische Krieg wirft seine blutigen Schatten auch
dahin. Die Ereignisse von 1870 und 1871 bilden ein
besonderes Kapitel des Buches. Der Kulturkampf und
das ganze politische Leben der Eidgenossen bis ins
neue Jahrhundert werden eifrig verfolgt
Bähler war feuriger Protestant und aufrichtiger
Freisinniger, aber schonte und achtete eben deshalb
auch die Gesinnung des Nächsten. Zahlreiche historisch¬
politische Aufsätze und Abhandlungen bezeugen seine
literarische Ader. Dabei blieb er immer ein Volks¬
mann. Rührend ist das alte Volkslied aus dem Frei¬
burgischen: „Es halt’ ein König drei Töchterlein“,
dessen Kenntnis er uns übermittelt. Von seiner öffent¬
lichen Stellung abgesehen verdient er als das Ideal
eines Schweizerbürgers auch vom Ausland beachtet zu
werden. Der anheimelnde Stil und Inhalt seiner
Lebensbeschreibung sichern ihm noch ein spätes An¬
denken. Der Verlag hat ihr ein würdig-schönes Ge¬
wand mit auf den Weg gegeben. Wilhelm Kosch.
Berichtigung.
Da infolge eines Versehens der Druckerei die
Korrektur meiner in dem vorigen Hefte, Seite 145 fr.
erschienenen Besprechung des „Catalogus van boeken
in Noord-Nederland . . . s’Gravenhage 1911“ nicht in
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Rundschau der Presse
213
meine Hände gelangt ist und diese Besprechung un-
korrigiert abgedruckt wurde, enthält dieselbe eine Reihe
der störendsten Druckfehler, deren Berichtigungen ich
hier folgen lasse:
In Zeile 9 muß stehen Greve für Greeve. Die
Titel der unten auf der Spalte aufgezählten Werke
seien wegen der besonders zahlreichen Ungenauig¬
keiten hier noch einmal ganz wiederholt:
Kunstwereld — De — Amsterdam 1894—96, 4®
Magazyn voor Schilder- en toonkunst Dordrecht,
1828—29, 8°.
Oud en Nieuws op het gebied van kunst- en
kunstnyverheid . . . door Taurel . . . 1889, gr. 4 0 .
Nederlandsch Kunstblad, s'Gravenhage, 1844/45,4®
Bakker (J. A.), Voorlezingen over de geschiedenis
der Beeidende Künsten by de oude volken. Rotter¬
dam, 1832, 8®.
Basso (Cr. del), Luce del depingere. Amsterdam,
1645—48, fol.
F.piscopius , Paradigmata graphices, Hagae 1671, fol.
Maaskamp (£.), Handleiding voor jonge kunstena-
ars. Amsterdam, 1823, 8®.
Auf der ersten Spalte von Seite 146:
Lairesse (G. de), Tafereelen ... in de Raadkamer
van den Hove van Justide ... Amsterdam, 1737, fol.,
einige Zeilen weiter:
Meuten (R. J. van der), De Kerkgebouweg van
Protestantsch Nederland. Amsterdam, 1909— ... 8 °.
Pool (Mattys), Cabinet de l’art de sculpture par ...
Francis van Bossuit . . . Amsterdam 1727, 4®.
Roelands (D.), t’Magazyn oft’ Pac-huys der Lofde-
lycker Pennconst ... Vlissingen, 1616, 4 0 obl.
Zeile 20 muß es heißen: kursorisch statt kurz-
sichdg.
Zeile 39/40: scripturarum statt scripturarumq.
Zeile 41 muß es heißen: Brugghen (G. ter), Ver-
lichtery-kunstboeck.
Zeile 42 muß es heißen: Bidloo für Bidlov, und
Ondeding für Ondeeding.
Zeile 47: Grondlegginge für Grondleginge.
Zeile.58: van Biema für Biema.
Zeile 69: Rysewyk für Ryswyck und Boijmans für
Boymans.
Auf der zweiten Spalte auf Zeile 2: Steenhoff für
Steentoff,
auf Zeile 3: Hensbroek für Hensbroeck,
auf Zeile 25 : Josi für Jost.
M. D. Henkel.
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert Hortzschansky in Berlin-Lichterfelde.
Die nachfolgende Obersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen zu
verzeichnen, soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Adresse
des Bearbeiters in Berlin-Lichterfelde, Moltkestr. 40, erbeten.
Schrift«, Buch- und Bibliothekswesen«
Allgemeines.
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Monuments et mimoires p. p. f Acadömie des
inscriptions . T. 19. Fase. I. 1912. 103 S., 32 Ab¬
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214
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mit Abbild. 22—45 u. 2 Taf
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216
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Rosenhagen.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 26. 1912.
August S. 261—292.
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CORNELL UNIVERS1TY
Rundschau der Presse
2i;
Literaturberichte 1911. Lyrik. Von Wilhelm Peper.
—Das sechzehnte Jahrhundert. Von Dr. A. M. Wagner.
Zeitschrift für den deutschen Unterrichte 26. 1912.
S. 495 —S 2 S-
Metzeier, H., Die literarischen Wandlungen Don
Juans. Über den Wassern. 5. 1912. S. 504—510.
Prinsen, J., De oude en de nieuwe historische roman
in Nederland. 2. De Gids. 1912. Juli. S. 56—103.
Riedl, F., Attila und die gotische Dichtkunst.
Ungarische Rundschau . 1. 1912. S. 704—706.
Scherillo, M., Verdi, Shakespeare, Manzoni. Spigo*
lature nelle lettere di Verdi (con 11 illustr.)
Nuova Antologia. 1912. Juli 16. S. 199—225.
Scriba, C., Die amerikanische Literatur.
Deutsche Literaturzeitung. 33.1912. Sp.1925—1933.
Einzelne Schriftsteller.
Annimzio: Collison-Morley, L., D'Annunzio as a
national poet.
Contemporary Revtew. 1912. Juli. S. 38—48.
Browning: Stegemann, H., Elizabeth Barrett Brow¬
ning.
Deutsche Rundschau. 38. 1912. H. 10. S. 147—51.
Byron: Moll, O. E. E., Der Stil von Byron’s Child
Harold’s pilgrimage.
Normannia. 10. 1912. VII, 96 S.
Cardncd: Bauer, J., Carduccis religiöse Stellung.
Über den Wassern. 5. 1912. S. 542—546.
—: Canevazzi, G., Ancora ricordi sul Carducci a
Modena.
LArchigimnasio. 7. 1912. S. 144—157.
Casanova: Poppenberg, F., Casanova im Spiegel der
Frauen.
Der Zeitgeist. Beiblatt z. Berliner Tageblatt. 1912.
Nr. 34 vom 19. August.
Conscience: Ridder, A. de, Hendrik Conscience.
Nieuwe Gids. 1912. August S. 186—196.
Dante: Besso, M., La fortuna di Dante fuori d’Italia.
Nuovo Antologia. 1912. August 1. S. 361—383.
Droste: Gotthard, J., Neues über Annette von Droste
und ihren Freundeskreis. Mit ungedrucktem Material.
9. Annettes Beziehungen zu Heinrich Straube. (Forts.)
Westfälisches Magazin. N. F. 3. 1912. S. 286
—290 m. 2 Abb. (Wird fortges.)
—: Pinthus, K., Die Briefe Annettens von Droste
Hülshoflf an Elise Rüdiger. (Schluß).
Deutsche Rundschau. 38. 1912. H. 10. S. 103—30.
Flauheit: Dumesnil, R., Flaubert et le thdätre.
Mercure de France. 1912. Juli 16. S. 225—251.
—: Reik, Th., Andere Tagebücher des jungen Flaubert.
Pan. 2. 1912. S. 772 — 779 .
Fontane: Herwig, F., Ein Schuß, der nicht traf.
Über den Wassern. 5. 1912, S. 374—382.
Freytag: Freymond, R., Der Einfluß Charles Dickens
auf Gustav Freytag. Mit besonderer Berücksichti¬
gung der Romane „David Copperfield“ und „Soll
und Haben.“
Prager Deutsche Studien. 19. 1912. 98 S.
Olde: Wiegier, P., Andrd Gide.
Literarisches Echo. 14. 1912. H.21. Sp. 1467—1474
mit 1 Portr.
Goethe: Aron, Goethes Stellung zum Aberglauben.
Goethe-Jahrbuch. 33. 1912. S. 42-66.
—: Barabds, A. von, Goethe.
Goethe Jahrbuch. 33. 1912. S. 27—30.
—: Bibliographie.
Goethe Jahrbuch. 33. 1912. S. 239—261.
—: Geerling, H., Goethes Faust-Epilog.
Pan. 2. 1912. S. 746—752.
—: Geiger, L., Seydelmann als Goethe-Darsteller.
Goethe Jahrbuch. 33. 1912. S. 128—141.
—: Gragger, R., Goethe in ungarisch-deutscher
Kleidung.
Ungarische Rundschau. I. 1912. S. 569—573.
—: Grunwald, M., Goethe und die Arbeiter. Anhang:
1. Goethe-Chronik. 2. Goethe-Literatur. 3. Marx über
Goethe.
Abhandlungen und Vorträge zur sozialistischen
Bildung. H. 3. 1912. 23 S.
—: Haertel, E., Einiges aus Alexander Herzens
Memoiren über Goethe.
Goethe Jahrbuch. 33. 1912. S. 158—173.
—: Hofmiller, J., Der Ur-Meister.
Schweizer Jahrbuch der Süddeutschen Monats¬
hefte. 1912. S. 652—659.
—: Kekule von Stradonitz, St, Neue Beiträge zur
Kenntnis von Goethes Rittertafel und dem Orden
des Übergangs zu Wetzlar.
Goethe-Jahrbuch. 33. 1912. S. 142—151.
—: Kilian, E., Zur Bühnengeschichte des Egmont
Goethe Jahrbuch. 33. 1912. S. 67—72.
—: Lucerna, C., Der morphologische Grundriß und
die religiöse Entwicklungsidee des Goetheschen
Dramas „Iphigenie auf Tauris“.
Goethe Jahrbuch. 33. 1912. S. 97—112.»
—: Schiff, J., Goethes chemische Berater undFreunde.
Deutsche Rundschau. 1912. Juni.
—: Schneidereit, G., Der individualistische Grund¬
zug in Goethes Weltanschauung.
Goethe Jahrbuch. 33. 1912. S. 31—41.
—; Warn ecke, J., Goethes Harzreise im Winter.
Goethe Jahrbuch. 33. 1912. S. 113—127.
—: Woltereck, K., Goethe-Fragen in Amerika.
Goethe Jahrbuch. 33. 1912. S. 174—185.
Gotthelf: Korrodi, E., Der Homer der Bauern.
Grenzboten. 1912. Nr. 27. S. 33—37.
Greif: Reuschel, K., Martin Greifs „Goethe und
Therese“.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 26. 1912.
S. 465—78.
Grünwald: Götze, A., Jörg Grünwald.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 26. 1912.
S. 369—380.
Günther: Eulenberg, H., Johann Christian Günther.
Pan. 2. 1912. S. 605—613.
Hallström: Nielsen, H., Per Hallström. Ein schwe¬
discher Dichter. Deutsch von Richard Guttmann.
Kenien. 1912. Juli. S. 394—402.
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2l8
Rundschau der Presse
Hanptmann: Gabriel Schillings undGerhart Hauptmanns
Flucht. Von K. St.
Der Türmer. 14. 1912. H. II. S. 689—963.
—: Dü sei, F., Gerhard Hauptmann im Goethetheater
in Lauchstedt.
Westermanns Monatshefte . 56. 1912. H. 12.
s. 938—40.
—: Höcker, P. O., Gerhart Hauptmann in Goethes
Theater zu Lauchstedt.
Velhagen und Klasings Monatshefte. 26. 1912.
H. 12. S. 549—52.
—: Willmann, F. E., Das Gerhart Hauptmann-Spiel
in Lauchstedt.
Die schöne Literatur . Beilage zum Literar. Zentral¬
blatt für Deutschland. 1912. Sp. 241—243.
Hebbel: Werner, R. M., Ein unbekannter Jugend¬
aufsatz Friedrich Hebbels.
Grenzboten . 1912. Nr. 26. S. 628—632.
Heine: Blanck, K., Heine und die Frau. Ausgewählte
Bekenntnisse und Betrachtungen des Dichters.
Pandora. 1. 1911. 195 S.
—: Deetjen, Heinrich Heine nach ungedruckten
Briefen seines Verlegers.
Grenzboten. 1912. Nr. 22. S. 422—437.
—: Hirschberg, L., Heinrich Heine als Poltergeist.
Der Zeitgeist. Beiblatt zum Berliner Tageblatt
1912. Nr. 33 vom 12. August
—: Launay, R., Henri Heine et son „Nationalisme“.
Mer eure de France. 1912. August. 1. S. 449—479.
Huggenberger: Heine, A., Der Bauemdichter Alfred
Huggenberger.
Literarisches Echo. 14. 1912. H.20. Sp. 1399—1405
mit 1 Portr.
Hugo: Berret, P., Le „Satyre“ et le panthöisme de
Victor Hugo.
Revue dhistoire litUraire de la France. 1912.
Nr. 2. S. 376—381.
Keyserling: Glock, E., Eduard von Keyserling. Eine
Darstellung. Eckart. 6. 1911/12. S. 623—37.
Kleist: Bayer, J., „Käthchen von Heilbronn“ auf der
ungarischen Bühne.
Ungarische Rundschau. 1. 1912. S. 709—712.
—: Mathias, Heinrich von Kleist
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 26. 1912.
August. S. 536—47.
Klingemann: Merbach, E. A., Vier Briefe August
Klingemanns an Fr. L. Schmidt.
Braunschweigisches Magazin. 1912. S. 69—70.
Lessing: Bocksch, R., Die Pistolen in Minna von
Bamhelm I, 10.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 26.1912.
S. 486—490.
—: Petoch, R., Zur Psychologie der Emilia Galotti.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 26. 1912.
August S. 529—36.
—: Schacht, R., Die Probleme der Emilia Galotti
in literarhistorischer Beleuchtung.
Zeitschrift für den deutschen Untericht. 26. 1912.
S. 380—405.
—: To dt, W., Lessing in England. 1767—1850.
Anglistische Arbeiten. 1. 1912. V, 67 S.
Maeterlinck: Wien, A., Maurice Maeterlinck. Zum
50. Geburtstage des Dichters am 29. August 1912.
KonservativeMonatsschrift. 1912. August. S.1156—
1164.
Molfcre: Berneburg, E., Charakterkomik bei Moli&re.
Marburger Beiträge zur romanischen Philologie.
10. 1912. V, 88 S.
Müsset: Giraud, J., Alfred de Müsset et trois roman-
tiques allemands. II.
Revue dhistoire litUraire de la France . 1912.
Nr. 2. S. 341 — 375 -
Niese: Binder, H„ Charlotte Niese.
Bücherwelt. 9. 1911/12. S. 206—212,
Raabe: Brandes, W., Aus Wilhelm Raabes Werkstatt
1. Der Entwurf zum „Hungerpastor“.
Eckart. 6. 1911/12. S. 611—22.
—: Everth, E., Wilhelm Raabe. (Forts.)
Xenien. 1912. Juli. S. 427—434.
—: Schultz, H. M., Die Literatur zu Raabes 70. Ge¬
burtstage. I.
Mitteilungen f. d. Gesellsch. d. Freunde Wilhelm
Raabes. 1912. Nr. 2. S. 30—44.
Rousseau: Jean-Jacques Rousseau.
Tägliche Rundschau. 1912. Unterhaltungsbeilage
Nr. 149 und 150 vom 27. 28. Juni.
—: Bazaillas, A., Rousseau erdateur. Les sources
intörieures de son gdnie.
Mercure de France. 1912. Juni 16. S. 673—710.
—: Groeper, R., Rousseau und die deutsche Literatur.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 1912.
S. 458—65.
—: Gosse, Rousseau in England in the nineteenth
Century. Fortnightly Review. 1912. Juni. S.22—38.
—: Kühlhorn, W., Rousseau der Gottsucher.
Der Zeitgeist. Beiblatt zum Berliner Tageblatt
1912. Nr. 26 vom 24. Juni
Schiller: Nover, J., Zur Lösung des Rätsels in Schillers
Gedicht: „Das verschleierte Bild zu Sais“.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht '. 26.1912.
S. 411—417.
—: Rathgeber, W., Schillers Jägerliedchen. Eine
Untersuchung über die beste Fassung.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht . 26. 1912.
August. S. 558—61.
—: Rosalewski, W., Schillers Ästhetik im Verhältnis
zur Kantischen.
Beiträge zur Philosophie . 1. 1912. VIII, 129 S.
Schlegel: Bieber, H., Johann Adolf Schlegels poe¬
tische Theorie in ihrem historischen Zusammenhänge
untersucht. Palaestra . 114. 1912. IV, 190 S.
Schnitzler: Reick, Th. f Arthur Schnitzler vor dem
„Anatol“. Pan. 2. 1912. S. 899—905
Schulze: Reinhold, C. F., Neues von Emst Schulze,
dem Dichter der Bezauberten Rose.
Vossische Zeitung. I912. Sonntagsbeilage Nr. 26
vom 30. Juni.
Shakespeare: Berzeviczy, A. von, Das übernatürliche
Element in Shakespeares Dramen. V. (Schluß).
Ungarische Rundschau . 1. 1912. S. 573—607.
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CORNELL UNÜVERSm 1
Von den Anktionen — Kleine Mitteilungen
219
Shakespeare: Daffis. H. t Shakespeare - Bibliographie
1911. Mit Nachträgen zur Bibliographie früherer
Bände des Jahrbuchs der deutschen Shakespeare-
Gesellschaft.
Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft.
48. 1912. S. 355 — 400 *
—; Wil s o n J.D.. Martin Marprelateand Shakespeare’s
Fluellen. The Library. 1912. Juli. S. 241—276.
Sophocles: Re in ach, Th., Un drameinddit deSophocle.
Revue de Paris, 1912. August 1. S. 455—467.
Stelzhamer: Hammer, W. A., Franz Stelzhamer.
Literarisches Echo. 14. 1912. Sp. 1477—1481.
Stolz: Alban Stolz und die Schwestern Ringseis.
Historischpolitische Blätter für das Katholische
Deutschland. 150. 1912. S. 308—317.
Strauß: Strauß und Torney, L. von, Viktor von
Strauß. Ein Gedenkblatt.
Tägliche Rundschau. 1912. Unterhaltungsbeilage
Nr. 189 und 190 vom 13. und 14. August.
Strindberg: Franck, H., August Strindberg. II. Strind-
bergs Werk. Eckart. 6. 1911/12. S. 637—49.
—: Holzer, R., August Strindberg.
Deutsche Rundschau. 38. 1912. H. 10. S. 94—101.
—: Philipp, B., August Strindberg.
Grenzboten. 1912. Nr. 21. S. 379—385.
—: Will mann, F. E., August Strindberg *j*.
Die schöne Literatat. Beilage zum Literar. Zentral¬
blatt für Deutschland. 1912. Sp. 209—211.
Swinbnrne: Kado, M., Swinbume’s Verskunst.
Normannia. 9. 1912. X, 132 S.
Trojan: Trojan, J., Selbstporträt
Tägliche Rundschau. 1912. Unterhaltungsbeilage
Nr. 183 und 184 vom 6. und 7. August.
Yerhaeren: Herrmann, H., Emile Verhaeren.
Über den Wassern. 5. 1912. S. 531—535.
Vigny: Lange, M., Encore lessourcesd'Alfred de Vigny.
Revue cThistoire litUraire de la France. 1912.
Nr. 2. S. 382—398.
Wedekind: Kayser, R., Wedekinds Franziska.
Pan . 2. 1912. S. 547 — 551 .
—: Salten, F., Wedekind-Porträt.
Berliner Tageblatt. 1912. Nr. 316 vom 24. Juni.
Widmann: Bartscherer, A., Theophrastus Paracelsus und
Widmanns Faust.
Goethe-fahrbuch. 33. 1912. S. 73—84.
Wieland: Marinig, L.,Der Einfluß vonAriost’s Orlando
Furioso auf Wieland. I, II.
Studi di Filologia modema. 5. 1912. S. 1—38.
Zedlitz: Stein, O. Th., Der Dichter der „Totenkränze“.
(Zu seinem 50. Todestnge am 16. März.)
Wanderer im Riesengebirge. 1912. S. 93—97.
106—109 mit 3 Abbild.
Zesen: Körnchen, H.. Zesens Romane. Ein Beitrag
zur Geschichte des Romans im 17. Jahrhundert
Palaestra. 115. 1912. III, 167 S.
Von den
Die Firma foseph Baer Co. in Frankfurt a. M.,
die seit der Auktion Denecke keine größere Ver¬
steigerung veranstaltet hat kündigt für den Herbst
dieses Jahres wiederum eine außerordentlich bedeutende
Bücherauktion an. Es handelt sich ufn die Samm¬
lung des Herrn K. W. in Leipzig, der seit einigen
Jahren als eifriger Bibliophile bekannt ist. Seine Bi¬
bliothek enthält in erster Linie deutsche Literatur der
Klassikerperiode, besonders eine fast vollständige
Sammlung von Goethes Werken in Erstausgaben, die
Wertherliteratur und eine wertvolle Faustbibliothek.
Die Standardwerke der deutschen Literatur, Goethes
Faust, Stella, Götz von Berlichingen, Götter, Helden
und Wieland (die vier Abdrücke der ersten Ausgabe)
Auktionen.
und anderes, sind in vorzüglichen Exemplaren ver¬
treten. Außerordentliche Seltenheiten sind Goethes
„Von Deutscher Baukunst, 1773“, das, soweit es uns
bekannt ist, überhaupt in den letzten 20 Jahren nicht
auf den M arkt vorgekommen ist, der „Brief des
Pastors“ aus demselben Jahr, die „Epigramme 1790“,
Schlossers „Poematia, 1775“ und anderes. Heines
„Buch der Lieder, 1827“ ist in einem reizenden Halb¬
maroquin-Einbande der Zeit vorhanden. Näheres wird
der in Vorbereitung befindliche Katalog bringen. Er¬
wähnen möchten wir noch eine große Sammlung von
Originalstudien zu Lavaters Physiognomik mit sehr
schönen Aquarellzeichnungen und Porträts berühmter
Zeitgenossen aus dem Besitze Lavaters.
Kleine Mitteilungen.
Der Bibelkatalog der „British and Foreign Bible
Society u . Im Jahre 1899, kurz nach dem sie die be¬
rühmte, allein aus 1200englischen und vielen gaelischen,
irischen und angelsächsischen Ausgaben bestehende
Bibelsammlung des Herrn Francis Fry in Bristol
erworben hatte, begann die „British and Foreign Bible
Society“ die Vorbereitung eines neuen Katalogs ihrer
Sammlung von Ausgaben der Heiligen Schrift. Der
im Jahre 1903 erschienene erste Band von allein 428 Seiten
beschrieb Ausgaben der Bibel oder von Teilen der
Bibel in englischer Sprache, in welcher die Bibel¬
gesellschaft eine der vollständigsten existierenden Sam-
lungen besitzt (zum Beispiel 28 Ausgaben von Tindals
Neuem Testament). Es war eine maßgebende Arbeit.
In der Vorrede dieses ersten Bandes stellte man die
Publikation des zweiten Bandes, der die Ausgaben der
Bibel in anderen Sprachen als der englischen bringen
sollte, Für das 1904 bereits in Aussicht Er ist jedoch
erst jetzt im Jahre 1912 fertig geworden und statt eines
Bandes macht dieser zweite Teil drei Bände von zu¬
sammen 1750 Seiten abgesehen von den Einleitungen
aus, und er beschreibt in mehr als 600 Sprachen und
Dialekten gedruckte Heilige Schriften. Die drei Bände
umfassen, um möglichste Vollständigkeit zu erreichen
und um den Bibelforschern den weitesten Gebrauch
zu ermöglichen, sämtliche bekannte Ausgaben, daher
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CORNELL UNIVERSUM
220
Kleine Mitteilungen
auch solche, welche nicht in der eigenen Bibliothek
der englischen Bibelgesellschaft vertreten sind. Solche
Einträge in den Katalog sind durch gerade Klammern
gekennzeichnet. — In den vier Banden zusammen sind
insgesamt 9848 Bücher, die in 628 Sprachen und
Dialekten gedruckt sind, beschrieben. Einige dieser
Sprachen und Dialekte sind jetzt tot und nur durch
gedruckte Texte nach früheren Manuskriptübersetzungen
vertreten, andere (nicht weniger als 65) sind moderne
Dialekte, in welchen die Übersetzungen nur aus philo¬
logischen Zwecken gemacht wurden. 57, darunter 33
in englischen Dialekten, dieser philologischen Bibeln
wurden seinerzeit auf Kosten des Prinzen Louis Lucien
Bonaparte in wenigstens je 250 Exemplaren gedruckt.
—Der zweite Band beginnt mit den Polyglott-Bibeln und
zwar verstehen die — natürlich von zahlreichen Mit¬
arbeitern unterstützten—Herausgeber T. H.Darlow und
H. F. Moule, welcher letztere viele Jahre sich aus¬
schließlich dieser Arbeit gewidmet hatte, unter Poly¬
glotten nur solche Bibeln, welche in drei oder mehr
Sprachen gedruckt sind. Das Buch erscheint dann
wieder unter jeder der in der Polyglott-Bibel gebrauch¬
ten Sprachen, worunter auch die Diglotten eingereiht
sind, so daß die historische Entwicklung des Textes
auch in jeder einzelnen Sprache gezeigt werden kann.
Die Polyglottübersetzungen nehmen nur 36 Seiten ein.
Den übrigen Raum der drei dicken Bände füllen die
Beschreibungen der in fast allen bekannten Sprachen
oder Dialekten der Welt gedruckten Heiligen Schriften.
Die Sprachen sind alphabetisch aneinandergereiht (be¬
ginnend mit der indianischen Acawoio-Sprache in Gui-
ana bis zur Zulusprache), wobei die Dialekte im all¬
gemeinen Unterabteilungen der Sprachen bilden. Einer
der Indices am Schlüsse des Werkes führt alle vor¬
kommenden Dialekte auf und zwar in verschiedenen
Aussprachen und mit Hinweis auf die Hauptsprache,
wodurch man die einzelnen Einträge leicht aufschlagen
kann. Ein großer Teil dieser Sprachen und Dialekte
gehören Asien, Afrika oder den Südsee-Inseln an, in
welche Teile der Heiligen Schriften übersetzt und zu
dem Gebrauch der Missionäre gedruckt worden sind.
— Der Index enthält auch die Beschreibung der im
Besitz der Gesellschaft befindlichen Bibelmanuskripte,
worunter ein wertvolles griechisches Palimpsest. — Die
früher gedruckten Ausgaben nehmen großen Raum ein
und die Kollationen und Beschreibungen geben Ant¬
wort auf fast alle einschlägige Fragen. Zum Beispiel
fordert der Bericht über die lateinischen Bibeln — die
den lappländischen folgen — 101 Seiten, auf denen
241 Ausgaben (Nr. 6076 bis Nr. 6316), manche davon
auf zwei bis drei Seiten Raum beschrieben sind. Wäh¬
rend Copinger in seinen „Incunabula Biblica“ (1892)
124 lateinische, vor 1500 gedruckte Ausgaben aufzählt,
wird diese Zahl in dem neuen Katalog auf nur ungefähr
100 reduziert, da alle Ausgaben, deren Authentizität
nicht genügend festgestellt wurde, hinausgeworfen
wurden. Auch von den 438 von Copinger erwähnten
lateinischen Bibeln des XVI. Jahrhunderts sind viele
abgelehnt. Selbstverständlich muß eine bedeutende
Anzahl solcher Wiegendruckausgaben in derSammlung
der Bibel-Gesellschaft fehlen, die auch von der Guten¬
bergbibel nicht ein einziges Blatt besitzt — Die Biblio¬
thek der „British and Foreign Bible Society 14 im Bible-
House besteht seit 17. Dezember 1804; damals wurde
ein Aufruf, der Beiträge von Bibeln, Neuen Testamen¬
ten usw. verlangte, hinausgesandt. Einer der ersten
Schenker für diese Bibliothek, Granville Sharp, sandte
zwischen 30 und 40 Bände ein, darunter ein Exemplar
der zweiten Ausgabe von Eliots Virginia-Indianer- (zur
Algonquian-SprachfamUie gehörigen)Bibel, die zwischen
1680 und 1685 zu Cambridge (Massachusetts) gedruckt
worden ist. Die Gesellschaft besitzt kein komplettes
Exemplar der ersten Ausgabe dieser berühmten Über¬
setzung, dagegen das im Jahre 1661 separat gedruckte
und herausgegebene Neue Testament (Nr. 6736 des
Katalogs), das zwei Jahre vor dem Alten Testament
fertig geworden war. Die Gesellschaft besitzt auch den
noch viel selteneren „Massachusets Psalter“; der zum
Gebrauch der Indianer im Jahre 1709 von B. Green
und J. Printer in Boston gedruckt worden ist (Nr. 6739).
Ducker J. Printer war ein Indianer, der bei früheren
Ausgaben der indischen Bibeln beim Druck mitgeholfen
hatte. — Dieser sorgfaltigst ausgearbeitete und präch¬
tig gedruckte Katalog der Bibel-Gesellschaft, ein Werk,
das die Herausgeber als in majorem gloriam Dei unter¬
nommen mit Recht bezeichnen dürfen, wird ein unent¬
behrliches Hilfsmittel für alle abgeben, die mit der
Bibliographie der Heiligen Schriften zu tun haben. Er
ist nur in 500 numerierten Exemplaren gedruckt; der
Haupttitel lautet: „Historical Catalogue of the printed
Editions of Holy Scripture in the Library of the bri¬
tish and foreign Bible Society“, die sowohl Drucker wie
Verleger des jetzt vierbändigen Werkes ist M.
Unter den Namen Maximilian-Gesellschaft E. V.
ist in Berlin eine neue bibliophile Vereinigung be¬
gründet worden. Sie will alle Bestrebungen fördern,
die der Pflege des deutschen Buches nach Inhalt und
Ausstattung gelten.
Die Veröffentlichungen werden als ordentliche,
nur für die Mitglieder bestimmte, und als außerordent¬
liche erscheinen. Die Gesellschaft richtet ihr Augen¬
merk in erster Linie auf Hauptwerke deutscher Lite¬
ratur und Kultur aus Vergangenheit und Gegenwart.
Diese sollen unter Mitwirkung hervorragender Künst¬
ler und unter Verwendung besten Materials auf das
sorgfältigste gedruckt werden. Doch soll die alte
deutsche Tugend, Verständnis für fremde Eigenart zu
hegen, sich darin bewähren, daß auch Werke aus
fremden Literaturen in den Kreis der Veröffent¬
lichungen mit einbezogen werden. Kleinere Drucke
werden den Mitgliedern als Neujahrsgeschenke oder
als Festgaben überreicht werden. Wegen der ordent¬
lichen Veröffentlichungen werden Wünsche und Vor¬
schläge der Mitglieder zu hören sein. Als außer¬
ordentliche Veröffentlichungen sollen Drucke er¬
scheinen, deren Herstellungskosten die laufenden
Mittel der Gesellschaft übersteigen; sie werden von
den Mitgliedern auf Grund besonderer Zeichnung er¬
worben.
Um ihre Bestrebungen in weitere Kreise zu tragen,
beabsichtigt die Gesellschaft ferner, Schriften heraus-
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CORNELL UNIVERSITY
Kleine Mitteilungen
221
zugeben, die die Wissenschaft vom Buche zu fördern
bestimmt sind, sowie einen oder den anderen ihrer
Drucke, unter Aufwendung entsprechender Mittel, in
einer gut ausgestatteten Volksausgabe zu verbreiten.
Denselben Zweck verfolgt der von der begründenden
Versammlung gefaßte Beschluß, die Veröffentlichungen
der Gesellschaft einigen öffentlichen Bibliotheken als
Geschenk zu überweisen.
Endlich gedenkt die Maximilian-Gesellschaft in
besonderen, mit ihren Zwecken übereinstimmenden
Fällen die von anderen unternommene Herausgabe
wertvoller und kostspieliger Werke zu unterstützen.
Den Interessen der Mitglieder soll eine Auskunfts¬
stelle und eine Fachbibliothek nebst buchgewerb¬
licher Materialiensammlung dienen.
Die Jahresversammlungen der Maximilian-Gesell¬
schaft werden den Mitgliedern und deren Gästen Ge¬
legenheit zu persönlicher Aussprache über die ver¬
schiedenen Gegenstände ihres Interessenkreises bieten.
Diese Versammlungen sind weiter dazu bestimmt,
durch Ausstellungen aus dem Besitz der Mitglieder
wechselseitige Kenntnis von alten und neuen Werken
der deutschen und fremden Buchkunst zu vermitteln
und dadurch der deutschen Buchkunst neue An¬
regungen zu geben. Schließlich hofft man zuversicht¬
lich, daß der Gemeinsinn der Mitglieder in abseh¬
barer Zeit der Gesellschaft einen geselligen Mittel¬
punkt in eigenen Räumen schaffen wird. Die Zahl
der Mitglieder ist auf dreihundert beschränkt, der
jährliche Beitrag beträgt hundert Mark. Mitglied der
Gesellschaft kann nur werden, wer durch den Vor¬
stand dazu eingeladen wird.
Als erste ordentliche Veröffentlichung hat die
Maximilian-Gesellschaft die früheste bedeutsame Ur¬
kunde deutscher Geschichte, die „Germania“ des Taci*
tus, in lateinischem und deutschem Text, von Joseph
Satüer illustriert und von Poeschel & Trepte gedruckt,
in Aussicht genommen. Die erste Jahresversammlung
soll im November 1912 in Berlin stattfinden. In ‘der
begründenden Versammlung vom 22. Dezember 1911
ist ein bis zur Mitgliederversammlung amtierender
Vorstand gewählt worden, bestehend aus Landrat Dr.
Walter von Brüning , Mitglied des Hauses der Ab¬
geordneten, Stolp i. P., als erstem Vorsitzenden; Ge¬
heimer Regierungsrat Dr. Paul Schwenke , Direktor
der Königlichen Bibliothek in Berlin, als zweitem Vor¬
sitzenden ; Prof. Dr. Jean Loubier in Berlin als erstem
Schriftführer; Dr. G. A. E. Bogeng in Berlin als
zweitem Schriftführer; Verlagsbuchhändler Dr. Walter
de Gruyter in Berlin als Schatzmeister.
Der „Zeitungsverlag" bringt die Nachricht, daß der
Umsatz, der im Jahre 1910/11 in Deutschland mit
Schundliteratur erzielt wurde, beträchtlich zurück¬
gegangen ist. Während im Jahre 1908/09 ein Ge¬
samtumsatz von 60 Millionen Mark erzielt wurde,
ging der Verkauf an Schundliteratur aller Art im
Jahre 1909/10 auf rund 55 Millionen Mark zurück.
Überall, wo durch Organisation und behördliche
Maßnahmen der Verbreitung der Schundliteratur ent-
Z. f. B. 1912/1913.
gegengewirkt wurde, hat sich deutlich ein Nachlassen
des Umsatzes gezeigt. Eine große Zahl von Buch¬
händlern hat sich geweigert, derartige Literatur zu
führen und zu verkaufen. Dafür wurden gute Volks¬
schriften zu billigen Preisen abgesetzt. Nach oberfläch¬
lichen Berechnungen, die sich bereits jetzt für das
letzte Jahr anstellen lassen, kann man einen weiteren
Rückgang von rund 10 Millionen Mark als sicher an¬
nehmen. Bezeichnend dafür, in welchem Maße der
Umsatz nachgelassen hat, ist der Umstand, daß die
Schundromane bei weitem nicht mehr ihre märchen¬
haften Auflagen erreichen. Die durchschnittlichen
Auflagen der im letzten Jahre erschienenen Schund¬
romane sind auf 10000 Exemplare zurückgegangen.
Nur ein Roman, der eine Fliegertragödie behandelt,
hat eine stärkere Auflage erlebt.
Woher kommt dem „Zeitungsverlag“ solche Wissen¬
schaft? Sollte nicht der (gewiß berechtigte) Wunsch
der Vater dieser Statistik sein?
Bibliophiliana . Obschon Richard de Bury in seiner
Schrift über die Liebe zu den Büchern solcher Liebe als
einer beherrschten Leidenschaft mit richtiger Anwen¬
dung der griechischen Sprache einen Namen gegeben
hatte (Philobiblon wie Philosophia), konnte sich des
englischen Humanisten Bezeichnung in Frankreich,
dessen Geschmack auch für die Büchersammler lange
Zeit tonangebend gewesen ist, nicht einbürgern. Indem
man hier, wohl an den philosophe denkend, daneben
einen Gegensatz zur unbeherrschten Büchersucht, zur
bibliomania beachtend, nicht von einem philobible,
sondern von einem bibliophile redete, erfand man die
auch in den anderen Ländern üblich gewordene Eti¬
kette für alle Bücherherzen. So muß dieses Wort
Bibliophilie, dessen Nachbildungen in anderen Sprachen
meist seinen Begriff nicht erschöpfen können (wie denn
ein Bibliophile mehr und weniger als ein Bücherfreund
oder Bücherliebhaber ist), mag es nun richtig oder
falsch gebildet sein, was die Philologen zu ihrer Er¬
götzung unter sich ausmachen mögen, dieser kleinen
Sammlung von allerlei Geschichten über die Bücher¬
lust, als welche man in der Bücherliebe, in der Bücher¬
forschung, im Büchersammeln findet, zur Überschrift
gegeben werden. —
Des Sammlers Schatten sind die Fälscher. Und
wofern man ihnen eine gute Seite abgewinnen möchte,
soll man sagen: sie wissen wenigstens die Illusion eines
ersehnten Besitzes zu verschaffen, wenn sie auch ein
erträumtes Sammlerstück selbst nicht schaffen können.
Denn es hat Künstler unter den Fälschern gegeben,
die sich nicht damit begnügten, irgendeine Nachah¬
mung oder Nachbildung, eine Veränderung des Wert¬
losen zum scheinbar Wertvollen an den Mann zu brin¬
gen, um sich dessen Enttäuschung und ihrer Ent¬
deckung durch rasche Flucht zu entziehen. Künstler,
die nach langer Übung, manchen gelehrten Unter¬
suchungen, vielen Vorbereitungen einen Liebhaberwert
auf dem Sammelmarkt entdecken ließen, der ganz und
gar ihr Werk war, sowohl was seine schwierige Her-*
Stellung wie seine noch schwierigere Bekanntmachung
unter den Kennern betraf.
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Kleine Mitteilungen
Als einen solchen Meister seines Faches muß man
Herrn Hagud nennen, eine, wie das zu seinem Ge¬
schäfte gehörte, etwas geheimnisvolle Persönlichkeit,
die in der Zeit des zweiten Kaiserreiches, als die gro¬
ßen Preise für die historischen Einbände und Proveni¬
enzen entstanden, von London nach Paris übergesiedelt
war, nachdem ihm in der englischen Hauptstadt das Un¬
glück passiert war, in einer Feuersbrunst eine ziemliche
Anzahl echter Rar'täten, die ihm der Herzog von Au-
male anvertraut hatte, verschwinden zu sehen. Wäh¬
rend die kleinen Fälscher mit geschickten oder un¬
geschickten Federstrichen auf dem Titelblatte das
Datum einer schlechten in das der guten Ausgabe ver¬
wandelten, mit neuen Wappenstempeln aus alten
Maroquins Du Barry- und Marie Antoinette-Bände
machten, um der großen Nachfrage ein wenig ent¬
gegenzukommen, dichtete dieser große Fälscher seine
bibliophilen Wunder, ohne dafür eine andere Aner¬
kennung als die gute, runde Summe zu erhoffen. So
geschickt er war, so wenig eitel war er, ein Vorzug, den
unter allen Virtuosen vielleicht nur die Virtuosen der
Fälscherkünste haben. Schon 1862, bei der berühmten
Versteigerung der Sammlung des Baron Double, hatten
seine Leistungen eine klingende Anerkennung gefunden.
In dem Verzeichnisse dieser Versteigerung (Catalogue
de la bibliothfcque du baron L.Double. Paris, Techener,
1862) betrafen die Nummern 389, 390, 391 drei hand¬
schriftliche Sammlungen von Chansons et Motets, deren
prachtvolle Einbände die Wappen der Diane de Poi-
tiers schmückten. Der sehr erfahrene Leiter der Ver¬
steigerung hatte sich begeistert so über diese Pracht¬
stücke geäußert: Ces volumes sont surtout pr^cieux
pour les reliures qui les recouvrent et qui varient selon
les volumes, de couleurs et de dessins. Elles sont
d’une ex^cution, d’un goßt et d’une richesse vraiment
royales. Une d’elle a £td trfcs habilement restaur^e
dans quelques petits endroits. Der hohe Preis
(13825 francs) wurde von der illustren Versammlung,
die der Auktion Double beiwohnte, als angemessen be¬
trachtet und der neue Besitzer war einige Jahre recht
glücklich, bis es allmählich immer bekannter wurde, daß
sich die Bände „vor den Wappen und den königlichen Ver¬
zierungen“ im Atelier Hagu£ befunden hatten. (Einer
der Bände ist dann auf der dritten Hoe-Versteige¬
rung [The Library of Robert Hoe. Part III No. 2085, wo
angemerkt wird: From the collection of L. Double
and sold at the dispersion of his library as having be-
longed to Diane de Poitiers, though doubts have since
been expressed in regard of the genuincness of the
arms and monograms] für 250 f versteigert worden.)
Inzwischen war auch die Geschichte des Meister¬
stückes dieses Ateliers bekannt geworden, die der mit
ihr verknüpfte Pariser Bibliophile E. Quentin-Bauchart
selbst später erzählt hat (A travers les livres. Souve¬
nirs d’outre-tombe. Paris 1895, Seite 30 ft). Er hatte ein
eben aufgetauchtes Gebetbuch Karls V. für 20000 Francs
von Bachelin-Deflorenne gekauft, nachdem dieser sich für
die zweifellose Echtheit der Heures verbürgt hatte. Und
in der Tat: die kleine, mit schönen Malereien verzierte
Handschrift auf einem wundervollen Pergamente hatte
einen vortrefflich erhaltenen reichen Einband mit dem
bekannten Zeichen der Herkulessäulen nebst der In*
schrift: plvs vltra. Ein altes mit Samt gefüttertes
Lederfutteral hatte den Einband so frisch erbalten,
dessen in der Weise des XVII. Jahrhunderts ziselierte
Silberschließen ein verschlungenes Doppel-C erraten
ließen, wie wenigstens Potier meinte. Nichts fehlte,
nur etwas war zu viel. Als der vielbeneidete Besitzer
(sollte doch Spitzer 40000 Francs geboten haben, dieser
damals als Kenner und heute als Mäcen der Fächer¬
künste berühmte Sammler) in einem Kreise neu¬
gieriger Damen seinen Fund erklärte, da fragte ihn
eine der Wißbegierigen, es war nicht zum Vorteil seiner
Autorität, seine Gemahlin: „Mon ami, on cousait donc
ä la m&anique du temps de Charles-Quint“? Da blieb
kein Zweifel: bei der Herstellung des Futterals war
eine Nähmaschine gebraucht worden. Immerhin: das
Futteral konnte neu, das Buch selbst konnte alt und
echt sein. Aber Lefevre, der Bücherwiederhersteller
bei derBibliothfcque Imperiale, nahm dem unglücklichen
Bibliophilen auch diese Hoffnung. Er zeigte ihm, daß
der Einband neu war. Man hatte das Maroquin künst¬
lich alt gemacht, die Einbandverzierung nach den besten
Vorlagen hergestellt, das Super Ex Libris einem an¬
deren Bande entnommen. Die vortrefflich gewählte
Handschrift war alt und hatte ihren alten Goldschnitt.
Die zweimal in ihren Text eingefugte Devise Karls V.
stand so am richtigen Platze, fügte sich so genau dem
anderen Texte ein, daß erst die Zweifel auch an ihrer
Echtheit zur Entdeckung führten. Dem selbst getäusch¬
ten Buchhändler erbrachte die Handschrift (die Hagu£
gegen einen bekannten Finanzmannn, Para dis, her-
gestellt hatte, der mit dem Glauben an ihre Echtheit
gestorben war) auf einer späteren Versteigerung 3000
Francs. Und dieser Preis, der wohl ihrem wirklichen
Werte entsprach, zeigt, wie die Summen, die ein
Meisterfälscher in sein Geschäft stecken muß, gar
nicht so unbeträchtlich sind. Wenn aus anonymen
Stücken Provenienzen, aus unberühmten Sachen
Namen von Liebhaberwert gemacht werden sollen,
so muß man sich auf diese Aufgabe konzentrieren.
Nicht neu herstellen, nicht nur verändern, sondern aus
allerlei altem etwas ganz neues zustandebringen, das
ist das Geheimnis der Erfolge des Herrn Hagu£ und
seiner Spießgesellen, ein Geheimnis, das auch dem
prüfenden Sammler nicht unbekannt sein sollte. Denn
wenn der Bibliophile auch die schönen Illusionen sucht,
die ihm historischer Einband und Provenienz ver¬
schaffen, so will er doch deshalb nicht seine falschen
Illusionen wie die echten bezahlen. —
La Bruy^re hat die Tannerie verspottet, die kost¬
spielig gebundene, repräsentativ aufgestellte, unbenutzte
Bibliothek, die vornehme und wohlhabende Leute be¬
sitzen mußten, weil es die Mode verlangte (die Saura
schon vor ihm lächerlich machte und der den Bücher-
sammlem wenig holde Pope nach ihm). Er hat auch
an die gemalten Büchersammlungen gedacht, an die
perspektivischen Aussichten auf lange Büchergalerien,
an die mit naturgetreuen Bänderücken gefüllten Bücher¬
schränke, die in einer Zeit, in der die Wandmaler die
Zimmer erweitern, die Türen maskieren mußten, zu
den beliebtesten Vorwürfen dieser architektonisch-
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Kleine Mitteilungen
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pittoresken Spielereien gehören (von denen sich noch
manche Beispiele, so in der Bibliothek des Arsenal,
in Chantilly usw. erhalten haben). Die BibliothEques
fictives mit ihren livres de bois waren dann ein belieb¬
tes Gesellschaftsspiel des XVIII. Jahrhunderts, in dem
man noch dem gelegentlichen Witz mit umständlichen
Aufwand eine monumentale Form geben durfte. (Die
Beispiele ließen sich hier häufen, um nur an in deut¬
schen Landen bekannteste zu erinnern, seien die
Salzburger Wasserkünste, die Tiefurter kalte Küche,
die Voltaire-Zimmer in Sanssouci genannt). In un¬
seren Tagen ist man nüchterner, hält das für Geld- und
Zeitverschwendung und empfindet das Andauem eines
aus der gelegentlichen guten Laune entstandenen
Scherzes als seine Verwandlung in Langeweile. Allen¬
falls gestattet hier der moderne Geschmack den spie¬
lenden Kindern, den Meistern der Reklame, den rou¬
tinierten Theaterleuten Vorbereitung und Wiederholung,
sonst aber gilt die Improvisation, die Ausnutzung des
Augenblicks, als das Kennzeichen des guten Witzes,
eine Geschmackswandlung, die man nicht übersehen
darf, wenn man nicht die berühmtesten BibliothEques
fictives als unverständliche Fadheit geistreicher Män¬
ner ansehen will. Die hölzernen Büchersammlungen
sind nur eine besondere Form des Gebrauches
erdichteter Büchertitel, der besonders Bücherliste und
Büchereiverzeichnis benutzend, zu den beliebtesten
Hüfsmitteln der literarischen Satire gehört hat und
noch gehört. Unter ihnen ist die BibliothEque Turgot
am bekanntesten geworden, wohl wegen des staats-
männischen und wissenschaftlichen Ansehens des Na¬
tionalökonomen und Generalkontrolleurs der Finanzen
unter Ludwig XVI., Anne Robert Jacques Turgot
B on de l’Aulne (1727—1781). Als Turgot 1761 das
Amt des Intendanten von Limoges erhielt, schmückte
er in seinem Arbeitszimmer als Fortsetzung der echten
Bücherständer eine Geheimtür mit Bücherbrettern, die
er mit Buchatrappen füllte, um auf ihnen lustige Bücher¬
titel anzubringen. Tenant de Latour hat im elften
Brief seiner MEmoires d’un bibliophile (Paris 1861) mit
aller Ausführlichkeit darüber berichtet
Die Unica, die Turgot zu besitzen vorgab, schie¬
nen in der Tat ausgezeichnete Bücher zu sein. Da
gab es eine l'Art de compliquer les questions simples
des abbE Galliani“ (der dem Physiokraten Turgot
nicht gefallen konnte), eine dicke Dissertation über die
„VEritable utüite de la guerre“, deren Verfasser, die
Brüder Piris als Armeelieferanten ein großes Vermögen
erworben hatten. (Einer von ihnen war übrigens auch
ein bekannter Büchersammler.) Weiterhin eine Ab¬
handlung des Herrn Sedaine: „Du pouvoir de la mu-
sique“ (denn seine Erfolge als Dichter gründeten sich
auf die Kompositionen GrEtrys und de Monsignys)
und eine andere des Herrn Dorat, „De l’emploi des
images en poEsie“ (weü Dorats Ruhm der seiner
Buchkünstler war). Ihr reihte sich ein „TraitE des or-
nements de la poEsie moderne par M. Eisen“, dem
Dorats Baisers ihre Erfolge verdankten, an. Anzahl
und Größe der Bände gaben den Büchertiteln und
Epigrammen Turgots oft ihr Salz. So umfaßte der
„Cours complet de Morale extraite de romans“ zwei
schmächtige Duodezbändchen und der „Corps com¬
plet des dEcouvertes des trente-une SociEtEs d’Agricul-
ture“ war ein Zwergbuch wie der „Esprit des discours
prononcEs ä TAcademie Fran^aise depuis son Etablisse¬
ment“. Jeux d'esprit eines Gelehrten im Schlafrock,
bei denen nun hin und wieder so gelacht wurde, wie
Voltaire lachte, der diese Titel geschrieben haben
könnte: „Histoire complette des coiffures religeuses“;
„TraitE du droit de conquEte, ouvrage posthume de
Cartouche“; „Histoire des PEnitents avec la Chrono¬
logie de leurs prieurs“. (Es ist ja eine Eigenschaft
fast aller langen Aufzählungen erdichteter Bücher, daß
neben einigen originellen Titeln viele erquälte oder
vom engsten örtlichen und zeitlichen Interesse stehen.
Das könnte für jemanden, der Lust und Muße hat, sich
durch verstaubte Scharteken zu arbeiten, die Anregung
geben, neben einem Verzeichnis der Listen erdichteter
Bücher eine Auslese der besten Titelscherze zu ver¬
suchen. Manche Vorarbeiten für dieses durchaus nicht
reizlose Unternehmen sind schon veröffentlicht.)
EugEne Scribes (1791—1861) „bibliothEque fictive“
(die Charles de Boigne in seinen „Perits MEmoires de
1 ’OpEra“ beschreibt) war, wie es scheint, nur das kurze
Spiel einer liebenswürdigen Laune. Neben manchem
Späßchen, wie den „Discours des muets cElEbres“, die
ein ganz kleines Bändchen füllten, standen zwanzig
große Bände „Crimes des jEsuites“ und fünfundzwanzig
noch größere „Critiques sur Mademoiselle Mars“. Die
Darstellerin der ValErie wird, wenn sie den Dichter
der „ValErie“ besuchte, einmal die vor ihnen anmutig
Überraschte gespielt haben, so daß der Poet den
Wandschmuck seiner erfundenen Bücher als das Denk¬
mal des Lächelns einer schönen Frau noch lange seinen
Freunden zeigen wollte.
Auch Ferdinand IV., König von Neapel (1751 bis
1825), berühmt als Gemahl der Maria Luisa, hatte eine
Sammlung von Büchertiteln auf Bücherrücken, aber
eine Sammlung, die ernst genommen sein wollte. In
seinem Schlafzimmer repräsentierten, durch hohe Glas¬
scheiben eines schönen Schrankes wohl verwahrt, lange
Bandreihen, eine Auswahl des italienischen Schrifttums,
die seinem Geschmack und seiner Gelehrsamkeit das
vorzüglichste Zeugnis gaben. Diese kostbaren Bände
waren indessen nur Holzstücke in Buchform mit einem
prächtigen Lederrücken. Wie man weiß, sind diese
Büchertapeten für praktische Zwecke, von denen viele
Meter wenig kosten, zuerst in Amerika der Gegenstand
einer besonderen Tapezierer-Industrie geworden, die
preiswerte Wohnungsausstattungen liefert
Daß Bücher-Atrappen, der einzelne ein Buch vor¬
täuschende Band zu allerlei vortrefflichen Scherzen die¬
nen können, braucht hier nur der Vollständigkeit wegen
vermerkt zu werden. Von der blechernen Frühstügks-
kapsel mit der schönen Aufschrift-„Bäckers Werke“, bis
zu dem in der Kirche vergessenen englischen Gebetbuche,
das beim öffnen zwei Abteilungen zeigte, von denen die
eine allerlei Süßigkeiten aufgenommen hatte, die andere
aber einen flüssigen Magentrost, zu dem die verge߬
liche Besitzerin leicht durch anhaltendes Küssen ihres
Buches gelangen konnte, gibt es so viele Abarten (unter
denen die Möbelstücke, besonders die geheimsten
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kleine Mitteilungen
noch eine besondere Gruppe bilden), daß ihre Auf¬
zählung aus den bekannten Rücksichten auf den Raum
füglich unterbleiben darf. Nur daran sei am Ende
noch erinnert, daß die Töpferkunst früherer Jahrhun¬
derte, die sich gern in grotesken und satirischen An¬
spielungen gefiel, auch die Buchform für ihre Zwecke
ausgenutzt und Ofenkacheln das Aussehen und die In¬
schriften von Buchrücken gegeben hat. G. A. E. B.
Der Verein der Plakatfreunde veranstaltet einen
Wettbewerb zur Erlangung einer künstlerischen Brief
verschlußmarke (Siegelmarke). Teilnahmeberechtigt
sind alle, die bis zum i. September 1912 als Mitglieder
des Vereins angemeldet sind. An Preisen stehen
250 Mark zur Verfügung, Einlieferung ist am 1. Sep¬
tember 1912. Der Jury gehören außer dem Vor¬
stände an: die Herren Lucian Bernhard, Julius
Klinger, Ernst Neumann und Regierungsrat von Zur
Westen. Nähere Bedingungen durch den Vorsitzenden
Dr. Hans Sachs, Charlottenburg, Schillerstr. 2.
Hauptversammlung der Gutenberg - Gesellschaft .
Ein dauerndes und lebendes Andenken an den großen
Johannistag des Jahres 1900, da sich die gesamte
Kulturwelt in Mainz vereinigte, um den 500. Geburtstag
des großen Lichtbringer zu feiern, bildet die damals
begründete Gutenberg-Gesellschaft, die ihre Mitglieder
in allen Kreisen der Welt zählt und sich alljährlich am
Sonntage nach der Sonnenwende versammelt. Auch
gestern hatte der Ruf der Mainzer Bürgermeisterei
wieder eine stattliche Anzahl von Gästen angelockt,
die aufmerksam den Verhandlungen und Vorträgen
folgten. Den elften Jahresbericht trug Herr Professor
Dr. Binz, Oberbibliothekar der Stadt Mainz, vor. Die
Mitgliederzahl der Gesellschaft hat sich leider ver¬
ringert Zu dieser unwillkommenen Erscheinung trägt
wohl in erster Linie die verspätete Ausgabe der Ver¬
öffentlichungen bei, die das einzige sind, was die Ge¬
sellschaft ihren auswärtigen Mitgliedern bietet. So
sind diese Druckschriften für die Jahre 1908, 1909 und
1910 erst gemeinsam im Jahre 1911 erschienen und
versandt worden. Der auf dem Gebiete der Buch¬
druckforschung wohlbekannte Hans Koegler-Basel bot
eine neue Arbeit zur Veröffentlichung an: „Ein voll¬
ständiger, kritischer Katalog der in Basler Drucken
von Einführung der Druckkunst bis Mitte des XVI.
Jahrhunderts gebrauchten Zierinitialen“. Bei der her¬
vorragenden Stellung, die Basel gerade in dieser Hin¬
sicht in der Geschichte der Druckkunst einnimmt, ist
die Veröffentlichung eines solchen Werkes, das nicht
nur der Kunstgeschichte, sondern auch der Biblio¬
graphie und Geschichte des Buchdrucks zu dienen be¬
stimmt ist, erwünscht und zweifellos eine dankbare
Aufgabe für die Gesellschaft Diese entschloß sich
denn auch zur Drucklegung des Werks. Das Guten¬
berg-Museum legte seinen ganzen Eifer auf den Erwerb
wichtiger druckgeschtlichtlicher Werke und älterer Fach¬
zeitschriften. Schriftgießereien und Buchdruckereien,
so die Reichsdruckerei haben das Ausstellungsmaterial
wieder bedeutend vermehrt. Den Glanzpunkt des Tages
bildete der Vortrag des Direktors des Buchgewerbe¬
museums in Leipzig, des Herrn Dr. Schinnerer.
Die neueste Publikation der englischen biblio¬
graphischen Gesellschaft . Der jüngst herausgegebene
neueste Band der „Bibliographical Society of England“
ist — gemäß „The Nation“, deren ausgezeichnete
„News for Bibliophiles“ auch den europäischen Bücher¬
freunden stets Interessantes bringen — eine Liste eng¬
lischer Ausgaben und Übersetzungen griechischer und
lateinischer, vor dem Jahre 1641 gedruckter Klassiker.
Der Titel sagt bereits, wie wichtig dieser Band für das
Studium der klassischen Philologie, nicht allein Eng¬
lands sondern auch der übrigen Länder, ist; und so
ist es sehr zu bedauern, daß durch die beschränkte
Zirkulation des Bandes im Kreise der Mitglieder der
Gesellschaft so viele wirkliche Interessenten davon
ausgeschlossen sind. Eine Amerikanerin, Miß Hen-
rieta Palmer, hat den Band zusammengestellt, Victor
Scholderer hat eine ausgezeichnete Einleitung dazu
geschrieben. Die Autoren sind alphabetisch, griechische
und lateinische zusammen, geordnet und auch die
Pseudoklassiker sind eingeschlossen. Zujn Beispiel
erscheint „The Hystorie Sege and Dystruccyon of
Troye by Dares Phrygius, which was a souldier while
the Siege lasted“ in drei englischen um die Mitte des
XVI. Jahrhunderts gemachten Übersetzungen; auch
die im Jahre 1598 gedruckten „The Riddles of Heracli-
tus and Democritus“, gleichfalls ein Werk der Phan¬
tasie, stehen unter den wirklichen Klassikern. Man
nimmt an, daß „The Historical, Treatise of the Tra-
vals of Noah into Europe“ von dem Chaldäer Berosus,
einem Autor, der nur in wenigen Fragmenten uns
überliefert ist, nur das enthält, was Berosus über diesen
Gegenstand geschrieben haben mag. Um strikt und
akkurat zu sein, hätte das Wort „klassische“ (Autoren)
von dem Titel wegbleiben müssen. In der Liste ist
von auffallendem Interesse, daß Äschylus vollständig
fehlt, was aber dann nicht zu verwundern ist, wenn
man sich daran erinnert, daß noch viele Generationen
nach der Publizierung> der Aldina der Text bis zur
Unverständlichkeit korrupt war. Von Aristophanes
war 1593 nur eine Komödie, die Ritter, veröffentlicht
und kein Stück übersetzt. Sophokles ist durch eine
Ausgabe der „Antigone“ aus dem Jahre 1581 und
durch eine Art Adaptierung des Ödipus Rex in drei
„Cantoes“ repräsentiert; die letzteren wurden 1615
publiziert, existieren aber nicht mehr. Euripides kommt
mit drei Einträgen am besten weg, einer freien Über¬
setzung der Phoenissen, einer Ausgabe der „Troades“
und der lateinischen Übersetzung der Aulischen „Iphi¬
genie“. — Der Dramatiker, der dem Geschmack des
Zeitalters am meisten nahekam, war Seneca, von dem
mehr Einträge in dieser Bibliographie existieren als
von jedem anderen Autor, abgesehen von Virgil und
Horaz. Plato war weder übersetzt, noch griechisch
ediert, aber zwei Ausgaben des schon im Altertum als
unecht erkannten Axiochus erschienen im Jahre 1592
und 1607. Unter den Übersetzern steht Chapman mit
Homer, Hesiod und teilweiser Übertragung von Hero
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Kleine Mitteilungen
225
und Leander (Ovids „Epistulae“) kopfhoch über den
übrigen. Männer, welche die für eine Übersetzung
notwendige Gelehrsamkeit besaßen, waren mit der
Rekonstruktion verdorbener Texte beschäftigt und
hätten das Übersetzen als eine ihrer unwürdigen Arbeit
betrachtet. Übersetzungen wurden hauptsächlich zur
moralischen Erbauung gemacht und dann durch wenig
anspruchsvolle Gelehrte. — Viele Kuriositäten der
Literatur sind in diese Liste aufgenommen, zum Bei¬
spiel die Martialübersetzung in gälische Sprache aus
dem Jahre 1571 und die Drantsche Übersetzung der
horazischen Satiren aus dem Jahre 1566, der in seiner
Vorrede sagt, daß er „Horaz die langen Haare ge¬
schnitten habe, seine Nägel gerichtet und all seine
Eitelkeiten und überflüssigenRedensarten entfemthabe“.
Ein anderes exzentrisches Werk ist Stanyhursts Über¬
setzung der vier ersten Bücher der Äneide, die man
als das absurdeste Buch in der gesamten Weltliteratur
charakterisiert hat. Es ist in englischen Hexametern
geschrieben, die auf der klassischen Quantitäts- statt
der Akzentbasis aufgebaut sind. Diese Art Verse
nannte man damals Reformverse und außer Stanyhurst
exzellierte auch zum Beispiel Abraham France in ihnen.
— Im Jahre 1585 erhob die reformierte Aussprache
ihr Haupt Darauf beruht eine Ausgabe des Äsop
„Esops Fablz in tru Ortography with Grammar-notz“.
— Mit den wenigen Ausnahmen solcher Bücher, die
englische Klassiker geworden sind wie zum Beispiel
Chapmans Übersetzungen und Norths „Plutarch“, sind
diese Ausgaben und Übersetzungen nur in solchen
Bibliotheken wie British Museum, Boldeana und der
Universitäts - Bibliothek von Cambridge zugänglich.
Von mehreren kann man nicht einmal bestimmt sagen,
daß sie anders als in der Absicht des Autors existiert
haben, der sich eine, irgendwo registrierte, Lizenz für
ihre Publizierung verschafft hatte, aber möglicherweise
gar nicht weiter damit gekommen ist. M.
Die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe
und Graphik 1914 wird, wie nunmehr endgültig be¬
schlossen ist, auch eine Historische Abteilung ent¬
halten. Während die buchgewerblich-graphischen
Sondergruppen mit ihren technisch-belehrenden Aus¬
stellungen größtenteils retrospektive Ausstellungen
ihres Spezialstoffes enthalten werden (zum Beispiel
Entwicklung der Schrift, der Schreibstofle, der Farben¬
bereitung, der Photographie, der Photomechanik, des
Schriftschnittes, des Druckes, der Buchbinderei), han¬
delt es sich hier um die Errichtung einer Halle der
Kultur, in der in einheitlich-geschlossenem chrono¬
logisch-universalgeschichtlichem Zusammenhang die
Entwicklung der Kultur dargestellt werden wird, wie
sie sich in Entstehung, Entwicklung und Wandlung
buchgewerblich-graphischer Betätigung im weitesten
Sinne niedergeschlagen hat; angefangen bei den
Resten vorgeschichtlicher Zeit und der Veranschau¬
lichung der einschlägigen Verhältnisse bei den primi¬
tiven Völkern über die Kulturvölker des alten Orients
und der griechisch-römischen Welt hinweg durch das
Mittelalter hindurch bis in unsere Gegenwart, ja in
zukünftige Bildungen hinein, vor deren Keimen unsere
Gegenwart steht. Die geschichtliche Abteilung wird
also keine Bücher-, Handschriften- oder Büderaus-
stellung sein. Es handelt sich vielmehr einmal um
die Entwicklung der Mittel und Werkzeuge, mit denen
geistige Werte über Raum und Zeit hin vermittelt
werden; und sodann darum, wie die Herstellung und
das Erzeugnis, der Vertrieb und die Lektüre in den
verschiedenen Zeiten gestaltet war, und um die Ver¬
anschaulichung dessen in einheitlichen Kulturbildern.
Die Organisation der geschichtlichen Abteilung ist
in die Hand eines Ausschusses gelegt, dem bisher
folgende Herren angehören: Geheimrat Professor Dr.
Lamprecht (Vorsitzender), Professor Dr. Witkowski
(stellvertretender Vorsitzender), Geheimrat Professor
Dr. Sudhoff % Professor Dr. Weule, Direktor des Mu¬
seums für Völkerkunde in Leipzig und Dr. J. Gold¬
friedrich.
Der 60 . Jahresbericht der Bostoner Öffentlichen
Bibliothek berichtet, daß diese Bibliothek nunmehr eine
Million Bände enthält und daß sie im vorigen Jahre
nicht weniger als 1612270 Bände außer dem Hause
verliehen hat. Jeden Tag wurden von diesen Ausleih-
büchem 400 durch eigene Wagen nach Filialbiblio-
theken, Schulen und öffentlichen Instituten verbracht.
Das Budget zur Erhaltung dieser großen Bibliothek
erforderte im verflossenen Jahre 400000 Dollars
(1700000 M.), von denen die Stadt alles, bis auf 45000
Dollars, beitrug, während der Rest als Zinsen aus vor¬
handenen Sliftungsfonds einging. Die Wichtigkeit der
wissenschaftlichen Arbeit in der Bibliothek geht aus
dem Faktum hervor, daß ungefähr 20000 Studenten
ihre Studien entweder in unmittelbarer Nähe der
Bibliothek oder doch so, daß sie das Zentralbibliothek¬
gebäude leicht erreichen können, treiben. Der Wert
der in der Bibliothek enthaltenen Spezialbücher-Samm-
lungen ist so bedeutend, daß man die Bostoner öffent¬
liche Bibliothek das amerikanische Mekka für Männer
und Frauen, die wissenschaftlichem Studium ergeben
sind, nennen kann. Der Bericht fordert diesmal zur
Errichtung eines Pensionsfonds für wegen Alters oder
Krankheit sich zurückziehende Beamte der Bibliothek
auf, da, wie es scheint, die Stadt Boston dafür bis jetzt
noch nicht gesorgt hatte. M.
Im Mai-Heft unserer Zeitschrift (Beiblatt Seite 77)
berichteten wir über die Gründung der neuen Ge¬
sellschaft für elsässische Literatur . Da die Notiz über
die Faksimile-Ausgaben des Narrenschiffs von Se¬
bastian Brant, die von der Gesellschaft der Biblio¬
philen und von der Gesellschaft für Elsässische Lite¬
ratur vorbereitet werden, vielleicht mißverstanden wer¬
den könnte, so sei dazu noch Folgendes gesagt. Der
Gedanke, das „Narrenschiff* in Faksimile*Ausgabe zu
veröffentlichen, ist gleichzeitig und vollkommen selb¬
ständig entstanden. Beide Ausgaben verfolgen ver¬
schiedene Ziele. Die Ausgabe der Gesellschaft der
Bibliophilen legt den Hauptwert auf die Frage der
Entstehung der Holzschnitte, die so sehr umstritten
ist und in einer kritischen Abhandlung dieser Ausgabe
eingehend behandelt werden soll, während die Publi-
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226
Kleine Mitteilungen
kation der Gesellschaft für Elsässische Literatur durch
eine allgemeine Einleitung und ein Glossar das Werk
dem Verständnis weiterer Kreise erschließen will.
Beide Gesellschaften haben sich in freundschaftlicher
Weise, sogleich nachdem die Pläne bekannt wurden
und die Selbständigkeit der Ideen ersichtlich war,
verständigt.
Der neue Cohen . Das Buch der gotischen Zeit und
das Buch der italienischen Renaissance bezeichnen mit
dem französizchen Buche des XVIII. Jahrhunderts die
drei Höhepunkte der Buchkunst der alten Meister.
Noch in der Wiegendruckzeit entstand das klassische
Buch der italienischen Renaissance, in Venedig war
der Mittelpunkt der neuen, der gotischen Art sogleich
ebenbürtigen Buchausstattung und wenn die Blütezeit
des mit Holzschnitten geschmückten venetianischen
Buches auch nur ein Menschenalter hindurch (etwa
von 1470 bis 1500) währte, so hinterließ sie doch so
zahlreiche köstliche Stücke, daß die vier großen Foli¬
anten der vortrefflichen Bibliographie des prince
d'Essling, duc de Rivoli (der leider den Abschluß
seines großartigen bibliographischen Unternehmens
nicht mehr erleben durfte) noch in den Erzeugnissen
der Nachreife die Vollendung der venetianischen Re¬
naissancebuchkunst zeigen können.
Auch die Blütezeit des Rokoko-Buches dauerte nur
ein Menschenalter lang. Oder richtiger die des Pariser
mit Kupferstichen geschmückten Buches der Zeit von
etwa 1760 an, die ihr gewaltsames Ende mit der Revo¬
lution fand, ln der Epoche Ludwigs XV. dominierte
noch das offizielle Prachtwerk, der sauber in Kupfer
gestochene, vornehme Foliant, dessen Blätter den Glanz
des Thrones von Versailles wiederspiegeln sollten.
Um 1750 setzten dann die Bemühungen ein, einen
eigenen Pariser Buch-Stil zu gewinnen, der Louis Seize
ist. Ein Geschlecht von Zeichnern und Stechern ar¬
beitete für die Verleger, die die Liebhaberausgaben
von Werken alter und neuer Zeit der immer mehr ver¬
wöhnten galanten Gesellschaft lieferten. Aber trotz
aller Prunkentfaltung, trotzdem das Ensemble des
Pariser Prachtwerks jener Tage alb Elemente des
schönen Buches repräsentiert, bleibt im Gegensatz
zu der künstlerischen Gesinnung, aus der die klas¬
sischen venetianischen Holzschnittbücher einheitlich
entstanden, des disharmonischen genug: der Druck ist
sauber aber nüchtern, der Einband aus kostspieligem
Maroquin zeigt im Vergleiche zur französischen Ein¬
bandkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts viele
Zeichen des Verfalles der Buchbinderkunst und der
Leser muß sich (wie bei Dorat) „de planche en planche“
über die Buchstaben wellen retten, weil die Ton werte
des Buchdruckes und des Kupferstiches unvermittelt
gegeneinanderprallen. Wenn trotzdem die Charme
dieser Pariser Bücher jeden entzückt, der sie betrach¬
tet, der sie mit den in der Anlage ähnlichen Büchern,
die in gleicher Zeit in anderen Ländern entstanden,
vergleicht, wenn diese Bücher, trotzdem sie die ästhe¬
tischen Gesetze der Kunst im Buchdruck verletzen,
trotzdem ihr Inhalt oft nicht ihre Ausstattung wert ist,
allgemeine Anerkennung als Buchkunstwerke finden
konnten, so muß ihr Reiz noch auf Wirkungen beruhen,
die nicht mehr von dem Buche selbst ausgehen, son¬
dern von der Zeit, in der es entstand. Das Rokoko
ist das Ende der Renaissance; am Anfang und am
Ende dieser Kulturepoche stehen für den Bücherfreund
zwei Gruppen dekorierter und illustrierter Bücher. Da
liegt es nahe, zunächst einmal nach Gleichem und
Unterscheidendem zu suchen, um Richtungslinien einer
Entwicklung zu finden. Nur eine sei hier angedeutet:
Das klassische venetianische Buch mit Holzschnitten
war im XV. Jahrhundert ein Gebrauchsbuch, ein Buch
schlechthin wie andere auch, das Pariser Prachtwerk
mit Kupferstichen im XVIII. Jahrhundert das Ergebnis
einer Luxusbücherindustrie, die Autoren, Buchkünstler,
Verleger nährte und für den Bedarf der modernen
Welt in Europa produzierte, eine Pariser Mode war.
wie andere Pariser Moden auch. Darin aber lag seine
Schwäche und liegt seine Stärke. Ein Erzeugnis des
Überflusses, künstlich gepflegt, ist es rasch unter¬
gegangen, weil seiner Art die Gesundheit fehlte, sich
veränderten Lebensgewohnheiten anzupassen. Die
Pariser Buchkunst hat sich nicht gewandelt wie die
venetianische, sondern verschwand mit einem Male.
Aber was von ihr übrig blieb, war ein Extrakt von
Extrakten jener seltsamen Luft, die die Menschen, die
in ihr lebten, nach tollen Räuschen erstickte und die
heute den der Parfüme Entwöhnten in gelegentlichen
Stunden alle Raffinements einer verschwundenen Zeit
vermitteln kann.
Die französischen Amateure des XVIII. Jahrhun¬
derts haben die Prachtausgaben des XVIII. Jahrhun¬
derts gesammelt, wie man die schönen Bücher seiner
Zeit zu sammeln pflegt, ohne allzu große Rücksichten
auf ihren Liebhaberwert und die diesen beeinflussen¬
den besonderen Umstände. Sie stellten das mit einem
Prachtbande geschmückte Prachtwerk in seiner besten
Ausgabe in ihren Bücherschrank. Nur gelegentlich
betrachtete der eine oder der andere Bücherfreund
diese Kabinetstücke der heutigen Bibliophilie auch
noch von anderen Gesichtspunkten, als denen des Nur-
Bücherkäufers. So auch A. A. Renouard % der Altbuch¬
händler und Verleger war und sich mit Erfolg in diesen
Berufen bewähren konnte, weil er zu ihnen als ein pas¬
sionierter Bibliophile gekommen ist. Und er, der als
Verleger auch an der Entstehungsgeschichte einzelner
berühmter Prachtausgaben ein besonderes Interesse
nahm, der für seine späteren eigenen geschäftlichen
Zwecke sich alles zusammenstellte, was ihn die Ge¬
schichte dieses oder jenes Buches deutlich übersehen
ließ, hat mit vereinzelten Beschreibungen in seinem
vierbändigen „Catalogue de la bibliothtque d un ama -
teur“ (Paris, 1819) recht eigentlich die Bibliographie
des französischen Kupferstichbuches des XVIII. Jahr¬
hunderts begründet, die mit dem „Cohen* 1 ein halbes
Jahrhundert später autoritative Bedeutung gewann. Die
Bibliophilengeneradon, der Renouard angehörte, sah in
den Rokokobüchem noch nicht große Liebhaberwerte,
die Kenner sammelten sie, aber nicht als unerhörte
Kostbarkeiten. Und ab der Kern der wundervollen
Bücherei Renouards 1854 versteigert wurde, als schon
die Brunet und Nodier für den „amateur impeccable“
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Kleine Mitteilungen — Anreigen
227
die Beispiele gegeben hatten, waren die Preise auch
für die erlesenen Proben französischer Buchkunst noch
immer so niedrig, daß niemand vermuten konnte, in
wie kurzer Zeit ein neues Sammelgebiet entdeckt wer¬
den würde, das zu betreten nur den mit Reisegeld nicht t
Sparenden erlaubt sein würde. Die tonangebenden
Bibliophilen des zweiten Kaiserreichs haben das neue
Gebiet entdeckt Sie, die noch überall Funde machen
konnten, stellten an die Bücher mit Kupferstichen, die
aus dem XVIII. Jahrhundert kamen, die allerhöchsten
Ansprüche. Berühmte Provenienz und alter Maroquin-
band aus berühmter Werkstätte, die originalen
Handzeichnungen, die als Vorlagen für die Stecher ge¬
dient hatten, Probedrucke und unterdrückte Stiche, das
alles mußte ein Großpapier haben, w'enn es der „ama-
teur impeccable“ in seine Bibliothek ließ. Der schönen
Bibliophilen-Phantasie entsprachen die Phantasiepreise,
die zu steigern das bibliographische System der „ Livres
ä gravures du XVIII* stiele“, das Henri Cohen in
seinem 1870 zuerst veröffentlichten Handbuch aufstellte,
fortgesetzt beitrug. Mit dem letzten Jahrzehnt des
XIX. Jahrhunderts kam dann nicht die Entnüchterung,
aber die Entspannung auf dem Altbüchermarkte w f ie
für andere große Liebhaberwerte der Bibliophilen des
zweiten Kaiserreiches auch für die Kupferstichbücher
des XVIII. Jahrhunderts. Die kostbarsten Stücke
waren allmählich vom Markte verschwunden, die Sen¬
sationen auf den Auktionen wurden seltener, weil viele
dieser kostbarsten Stücke in festem Besitz waren und
w'enn sie einmal auftauchten, öffentlich ausgeboten wur¬
den, nicht ä l'amiable die Besitzer wechselten,ihre hohen
Preise neben denen anderer ihnen ähnlicher Kostbar¬
keiten des Rokoko, wie sie noch letzthin die „Vente
Doucet“ brachte, nicht mehr besonders merkwürdig
erscheinen. An die Stelle der Auslese war das Mittel¬
gut getreten, mit dem sich nun allzuoft auch die eifrig¬
sten und reichsten Sammler begnügen müssen. Und
wie sich die Perspektive zum XVIII. Jahrhundert über¬
haupt immer weiter vertieft, so auch die zu seinen
Büchern, auch für sie weicht der bibliophile Enthusias¬
mus allmählich der bibliographischen Kritik. Nunmehr
erscheint: „ Henri Cohen , Guide de lamateur de livres
ä gravures du XVIII* stiele . Sixtime Idition, rnwe,
corrigie et eonsidlrab lern ent augmentle par Seymour
de Ricci . Paris, Librairie A. Rouquette. 1912. (XXVI und
i247Seitenmit !2Tafeln). Der Lexikonoktavband in 1050
Abzügen ausgegeben, ist der Ersatz der letzten, von
B 0B R. Portalis besorgten Ausgabe des Cohen, die ihrer¬
seits zu einer gesuchten und teueren Seltenheit gewor¬
den war. Bei der äußeren Abgrenzung des Stoffes
einer bedeutenden Liste der mit Kupferstichen ge¬
schmückten Bücher des XVIII. Jahrhunderts konnte
und sollte nicht insofern Vollständigkeit erreicht wer¬
den, als ein Verzeichnis aller im XVIII. Jahrhundert
erschienenen, mit Kupferstichen illustrierten Bücher
gegeben werden sollte. Die nur dokumentierende
Illustration, die vor dem photomechanischen Reproduk¬
tionsverfahren auf Holzschnitt und Kupferstich an¬
gewiesen war, mußte von vornherein ausgeschlossen
werden. Und an die aufgenommenen Bücher durfte
kein in künstlerischen Dingen zu nachgiebiger Maß-
Für Sammler moderner Luxusausgaben etc.
Au* der Bibliothek eine* Berl. Bibliophilen erwarb ich eine um¬
fangreiche Saxnmluug moderner bibliophiler Publikationen
(wie Luxusdrucke d. In*el — Doves Pre*s — die Hunden usw.). die
xum großen Teil vergriffen und selten sind, uni biete dieselben ein¬
zeln zum Kauf ao. — Interessenten wollen mir gefl. ihre Desideraten
auf diesem Gebiet, mögt, gleich, mit ihrem Limit, angeben, worauf
evtl, sofortige Offerte erfolg.
EDMUND MEYER,
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I. Die Bibliothek des f Herrn A. Helmrich, Neffe Fr.
Chr. Schlossers, enth. die deutsche Literatur von Anfang
bis zur neueren Zeit, darunter viele Erst-Ausgaben, be¬
sonders Goethe, Schiller (u. a. der Venus wagen)
Varnhagen von Ense u. a. seltene Werke der
deutschen Literatur zum großen Teil in schöne Leder¬
bände gebunden.
II. Die reichhaltige Bibliothek des f Herrn Dr. Gust.
Zieler, zuletzt Redakteur am Frankfurter General¬
anzeiger, enth. die Literatur der letzten 20 Jahre,
darunter viele Erstausgaben moderner Autoren,
Vorzugsdrucke und numerierte Exempl., ferner
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fasser, Werke des Insel- u. Tempel-Verlages,
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228
Kleine Mitteilungen — Anzeigen
stab gelegt werden. Das entsprach durchaus der An¬
lage des „Cohen“, dessen erste Auflage nur eine Aus¬
lese der allerschönsten Bücher enthalten sollte, die sich
dann immer mehr erweiternd (zumal seit der dritten
von Chr. Mehl besorgten Auflage, auch das biblio¬
graphisch-kritische Element stärker hervortrat), in der
letzten Auflage einen Umfang erreicht hat, den ihr
Bearbeiter selbst eher zu vermindern als zu vergrößern
für nötig hält. Manche neuerdings viel mehr als früher
beachtete Büchergruppen, wie die zierlichen Almanache
und die großen Omamentstichwerke waren gebühren¬
dermaßen zu berücksichtigen, die umständliche Klein¬
arbeit genauer bibliographischer Beschreibung, die für
den Gebrauchswert eines jeden bibliographischen Hand¬
buches entscheidend ist und soviel Mühe und Zeit
kostet, die nur der richtig einschätzen kann, der sich
in ihr versuchte, geduldig zu beenden. Den allgemeinen
Liebhaberwert der verzeichneten Bücher hat Herr Sey-
mour de Ricci nach den mittleren Exemplaren in Kalb¬
leder oder Kartonnagen der Zeit und dem Stande von
1912 eingeschätzt, aus den schon oben angedeuteten Grün-
den die einzige Möglichkeit, zu einer einigermaßen rich¬
tigen Angabe des mittleren Preises zu gelangen. Die
kostbaren Exemplare in alten Maroquinbänden, aus be¬
rühmten Vorbesitz, mit den Handzeichnungen und
Vorzugsdrucken werden auf ihren Wanderungen durch
die Auktionen und Bibliotheken genau verfolgt Hier
kam dem Herrn Herausgeber seine bekannten Kennt¬
nisse der alten Kataloglitteratur sehr zu statten und er
hebt mit Recht die Vollständigkeit solcher Angaben,
die für viele überflüssig erscheinen könnten, als bestes
Abwehrmittel gegen die Fälscher und ihre Künste
hervor. In diesen ganz genauen, die Katalognummern
nennenden Angaben und in der Kollation wenigstens
der Hauptwerke und sehr vieler Neben werke liegen
die Vorteile der neuen Auflage gegenüber den frühe¬
ren, für die wir dem Herrn Herausgeber besonders
dankbar sein müssen und die er mit Recht in der
Vorrede als sein Verdienst in Anspruch nehmen kann.
Daß ihm die Autopsie als die selbstverständliche
Tugend des Bibliographen erschienen ist und daß er
sich mit Erfolg in allen bekannten bedeutenden Samm¬
lungen von illustrierten Büchern des XVIII. Jahrhun¬
derts umgesehen hat, beweisen die 12 beigegebenen
Tafeln, die Handzeichnungen berühmter Buchillustra¬
tionen zeigen und damit erkennen lassen, inwieweit
die Stecher den Intentionen der einzelnen Künstler
folgen konnten. Die aufgefrischte Vorrede der B on
R. Portalis aus der fünften Auflage eröffnet die sechste
mit einer ausgezeichneten kurzen Übersicht des Wer¬
kes jener Buchkünstler, das der Cohen verzeichnet
Für „Addenda et Corrigenda“ bleibt auch in seiner
neuesten Auflage noch mancher Raum. Das kann
aber kein Vorwurf sein. Umfassende biliographische
Nachschlagewerke können Genauigkeit und Voll¬
ständigkeit nur durch die Mitarbeit vieler gewinnen.
Immerhin sind doch manche unschwer zugängliche
Quellen unbenutzt geblieben, so z. B. die für die deut¬
schen illustrierten Bücher der Zopfzeit. Es genügt
zum Beweise dieser Behauptung auf die Stichworte
Goethe (der berühmte Druckfehler: Die Le»den des
C. LANG
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gegenüber d. „Palazzo B&rberim w
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Literatur und Justiz — Anzeigen
229
jungen Weither ist diesmal glücklich vermieden)
und Frdddric 11 . hinzuweisen. Wenn die Benutzer
des unentbehrlichen Guide Cohen ihre Mitarbeit dem
neuen Herrn Herausgeber, wie es im allgemeinen
Interesse wünschenswert ist, zuteil werden lassen, wird
in absehbarer Zeit ein Nachtragsband Ausgelassenes
ergänzen, kleine Fehler berichtigen können. Und
damit ein Werk zum Abschluß bringen, dessen Inhalt
sich für seine ferneren Auflagen nur insoweit noch ver¬
ändern kann, als die Entwicklung des Altbüchermarktes
und der Bücherliebhaberei solche Veränderungen be¬
dingen wird. G. A. E. B.
Literatur und Justiz.
Im Laufe der letzten Wochen wurden folgende
Beschlagnahmen verfugt, bezw. durch Gerichtsurteil
bestätigt:
Jean qui rit Nr. 587;
Ein origineller Liebesbrief;
Miß Rod, John Bulls Erzieherin. Eine Sammlung von
Briefkasten-Korrespondenzen aus englischen Zeitun¬
gen entnommen. Übersetzt von Erna Neumann.
1912. Triest, Korrespondenz-Verlag H. Dorn;
Die G’schamige, Simplizissimuspostkarten;
Tagebuch eines Flohs. O. J. Dresden, Weltreform¬
verlag ;
Richard Ungewitter , Kultur und Nacktheit. Stuttgart,
Strecker & Schröder:
Alira, Brennus: Le Journal d'uneFlagelöe. 1909. Seine,
Select-Bibliothfcque;
R. Brökmek , Gefährliche Buße. O. J. Leipzig, Leip¬
ziger Verlag;
Irene Brug , Amor Imperator. 1907. Leipzig, Leip¬
ziger Verlag.
Dolorosa (Jean de Vüliot), Ihr Herr. 1904. Dresden,
H. R. Dohm;
Feodor Essle , Birkentee und Rohrstockpflaster. 1909.
Privatdruck;
Waldemar Fröse, Liebe und Schönheit O. J. Königs¬
berg, Selbstverlag;
Madonna Nero von R. B. Privatdruck;
Im „Preußischen Verwaltungsblatt“ finden wir die
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abgedruckt,
die am 29. Februar dieses Jahres in der Klage wegen
eines Aufführungsverbots von Wedekinds „Frühlings -
erwachen“ gefällt wurde. Das vom Regierungspräsi¬
denten erlassene Verbot wurde aufgehoben, weil gegen¬
über dem ernsten Inhalt und der ernsten Wirkung des
ganzen Stückes die anstößigen Stellen weit zurück¬
treten „und somit die Grenzen des im polizeilichen
Sinne Zulässigen nicht überschreiten“. Das ist gerecht
und verständig geurteilt und schafft Vertrauen zum
Oberverwaltungsgericht. Noch besser gefallt uns aber
die Art, wie in der Begründung des Urteils der Inhalt
dieses Stückes erzählt wird, das auch gebildete
Menschen mitunter noch anfeinden. Wir halten es für
richtig, diese amtliche Darstellung in weiterem Gesichts¬
kreis bekannt zu machen. Hier ist sie: „Der Inhalt
Z. f. B. 1912/1913.
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31
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230
Literatur und Justiz — Anzeigen
des Stückes läßt sich dahin zusammenfassen: Es wird
dargestellt, wie auf junge, in dem Alter der beginnen¬
den Geschlechtsreife stehende naive Personen die
realen Mächte des Daseins einwirken; vornehmlich
ihr eigener, erwachender Geschlechtssinn und die An¬
forderungen des Lebens, insbesondere der Schule. Sie
erliegen in dem sich entwickelnden Kampfe vor allem
deshalb, weil ihre berufenen Leiter, die Eltern und
Lehrer, nach der Auffassung des Dichters in welt¬
fremdem Unverstand und aus Prüderie es unterlassen,
sie zu belehren und ihnen verständnisvoll helfend die
Wege zu weisen. Wendla Bergmann geht unter, weil
trotz Ihrer Bitte die Mutter es unterläßt, sie über die
menschlichen Geschlechtsverhältnisse aufzuklären.
Moritz Stiefel, in Verwirrung gebracht durch die Re¬
gungen seiner beginnenden Pubertät, durch seine
Zweifel über Entstehung und Zweck der Menschen und
nicht zuletzt durch die sexuellen Belehrungen seines
Freundes, wird erdrückt durch die Aufgaben der Schule,
die er nicht erfüllen kann, deren Erfüllung aber der
nur hierauf gerichtete strenge Sinn seines Vaters von
ihm fordert Melchior Gabor geht nur deshalb nicht
zugrunde, weil er Verständnis für das, in einer Personi¬
fikation, als vermummter Herr auftretende reale Leben
gewinnt und sich von diesem mitziehen läßt. So aufge¬
faßt, läßt sich dem Stück im ganzen nach seiner Ten¬
denz und seinem Inhalt der Charakter eines ernsten
Stückes nicht absprechen; es behandelt ernste, vielfach
im Vordergründe des Interesses stehende Erziehungs¬
probleme und sucht zu diesen Stellung zu nehmen.
Es ist nicht erkennbar, daß da, wo sittenwidrige Hand¬
lungen dargestellt werden, dies geschieht, um sie als
etwas Erlaubtes oder Nachahmenswertes hinzustellen
oder gar um die Lüsternheit der Zuschauer anzuregen
oder zu befriedigen. Das Theaterpublikum wird sich
dem rein menschlichen Mitgefühl für das tragische
Geschick der Hauptpersonen und dem Interesse für
den Gang der Handlung und die darin behandelten
Probleme nicht entziehen können. Jedenfalls ist nicht
abzusehen, inwiefern die Zuhörer daraus eine Anregung
zu eigenem sitten- oder polizeiwidrigen Verhalten
empfangen sollten? 4
<5)le ©Ijmde^raftur l|t für bte 3u&
jiattung guter ©rudfadjett fetjr beliebt.
Ich biete zum Kauf an:
i ZÜRCHER DISKUSSIONEN
Flugschriften aus dem Gesamtgebiet des modernen Lebens.
Hrsg, unter Mitwirkung vieler namhafter Schriftsteller von
O. Panizza- 3 Jhgge. 1897—99. Kompl. soweit erschienen!
(32 Hefte.) Völlig vergriffen, sehr selten und gesucht!
Tadellos erhalten. M. 60.—
EDMUND MEYER, 2 SÄ£SS
'SATURNVERLAG HERMANN MEISTER^
IN HEIDELBERG
SATURN
Eine Monatsschrift, herausgegeben von
Hermann Meister und Herbert Großberger
Diese vornehm ausgestattete Zeitschrift erschien im
ersten Jahrgang (1911) nur als Privatdruck. Siebringt
Novellen, Skizzen, Satiren, Essais, Aphorismen,Gedichte
und in jedem Heft 2 Bildbeigaben, darunter meistens
Originale und zwar Lithographien, Kupferstiche, Holz¬
schnitte usw. Der SATURN darf als eine der origi¬
nellsten jüngeren Zeitschriften bezeichnet werden.
Seine stoffliche Prägnanz und Seltsamkeit ist in hohem
Maße beachtenswert.
Zu Mitarbeitern zählen u. a.:
Oskar Baum, Ernst Blaß, Max Brod, Max Dauthendey,
Albert Ehrenstein, Otto Hinneik, Alfred Kubin, Rudolf
Kurtz, Else Lasker-Schüler, Christian Morgenstern,
Otto Pick, Edmund Reimer-Ironside, Otto Soyka, Otto
Stoessl, Felix Stössinger, Emile Verhaeren, Paul Zech.
„Eine Zeitschrift von Individualisten für Individualisten“
Der Tagesbote, Brünn.
Der SATURN kostet im Abonnement 50 Pf. pro
Heft. Er kann durch jede Buchhandlung wie durch
den Saturnverlag Hermann Meister in Heidel¬
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bezogen werden. Das Abonnement muß sich auf
mindestens 6 Hefte erstrecken. Gratisprobenummern
werden nicht abgegeben, dagegen sind zur Orien¬
tierung drei verschiedene Hefte zum ermäßigten Preis
von M. 1.— nur direkt vom Verlag erhältlich.
öfln^ntfr^un^ÄunflflftwrMfflulf €fffn-9tufjr
LQMing für Ärr/nnfrf)ütf ffy flnuüjifrfnT^hrtjnrtiBufll^nitürr unf Stanft
flnwrblrr. zQfWrtfungfür ‘öflu-unb 5\unflfrf)|pffrr/3. c ll6lnlunfl für 9üuimhinff
uirä 9of;6nnbnlung/brf(immf für ^nnranir^nrtfni^^tmrrrhniPrru^öflu^iinbiPfT^rr
beginn 6r*^utfrr'(3rinrftn9 am3O.0grtrmbrr 1912 .
fn - ®rrrttor^fiT^fif(ün - / O^ffiTin0Qumrif(rr
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Anzeigen
23 *
Snt «fperbfl beb 3<*hi*ö erscheint in einer einmaligen Auflage bon
200 Sremplaren:
$ett ÄanjclotunbbaS
fröulein bon SCftolat
®ie ©efdncpte non ber unglüc?lid)en Siebe ber fd)önen Slaine ju
bem $errn Sanjelot unb bon ihrem fchmerjbollen £obe — in ©nglanb
tieft fte jebeb &inb, unb jeber Siebhaber beftfct fte mit järtUchem ©tolj
in fchönen ®rucfen — ift in £)eutfd)lanb fo wenig befannt geworben
wie ber monumentale 2lrthur=9toman beb ehrenwerten SRitterb ©ir
^homab SMorp, ber unb biefe ©age überliefert hat* Unb bod) h at
feine 3)i<htung aller 3«iten bie erfehütternbe £ragif ber alleb hingebem
ben unb unerwiberten Siebe, ber einjigen £ragif beb weiblichen £)er$enb,
hinreiftenber unb zugleich fo feufcf) unb berflärt geftaltet alb biefe 9lobelle
eineb namenlofen franjöftfchen £roubabourb. £>ie fchöne beutfche Stad;*
bichtung flammt bon ©eberin SRüttgerb.
£)ab SSÖetfchen wirb in einer alten prächtigen graftur in ber Sfftjin
SS5» £>rugulin gebrucft unb bon Sari ©onntag jun. mit ber $anb
gebunben. Sine neue Auflage erfcpeint nicht* 30 ©pemplare werben
auf Äaiferlich Sapan abgewogen unb in ©anjleber gebunben; biefe
Sremplare fojten SSRarf 30,—; fte ftnb bereitb gejeicpnet; bie übrigen
170 auf SSütten in Pergament SRarf 20.—. 9tach ©rfcpeinen werben
bie greife auf SRarf 50.— bejw. SJlarf 30.— erhöht*
£>üf[elborf, ©ommer 1912. (Scnfl £>hle, SSetlag.
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232
Anzeigen
Aucassin et Nicolette
Nach der Handschrift der National-Bibliothek zu Paris herausgegeben von
Professor Dr. G. A. Tournoux. Druck von Joh. Enschede en Zonen, Haarlem,
in den Originalschnitten der Civilit£ vom Ende des 16. Jahrhunderts
und der holländischen Gotisch auf echtes van Geldem-Bütten
Einmalige Auflage von 250 numerierten ExempL,
geheftet M 28.—, in Ganzpergament von
Carl Sonntag jun. gebunden M 38.—
DR. STEFAN ZWEIG IN DER „NEUEN FREIEN PRESSE“: Eines der schönsten Bücher,
die je hergestellt wurden , die altfranzösische Novelle „Aucassin et Nicolette“, mit den kost-
baren Typen von Johann Enschede en Zonen in Haarlem gedruckt, die zum großen Teile
noch aus dem XVI. Jahrhundert stammen. Dadurch erhält der altfranzösische Text, in
dem die Lieder mit flandrischer Schrift eingeschrieben sind, einen ganz besonderen anti¬
quarischen Reiz. Und man glaubt stärker die Atmosphäre vergangener Welt zu spüren,
.als in jeder anderen Ausgabe. Dieses kleine kostbare Buch ist leider nur in 250 Exem¬
plaren gedruckt worden, und daher zu befürchten, daß viele sich vergeblich darum be¬
mühen werden, die gerne diese altfränkische Kostbarkeit besäßen, und man möchte
eigentlich die Verleger bitten, die so viele Mühe an diese kostbaren Neuausgaben wenden,
in Hinkunft ihre Ausgaben nicht auf so kleinen Kreis beschränken zu wollen. Gerade
dieses Buch von „Aucassin et Nicolette“ wäre eines, mit dem viel Freude in die Welt
gehen kann, die jetzt auf 250 beati possidentes beschränkt bleibt.
„DER ZWIEBELFISCH“: Der Verlag Emst Rowohlt sendet uns eines der reizendsten
Bücher, das nicht nur er, sondern überhaupt der gesamte deutsche Verlag unserer Zeit
herausgegeben hat: „Aucassin et Nicolette“, herausgegeben von Professor G. A. Tournoux,
gedruckt in einer Ci vilite* Schrift in Kombination mit einer alten flämischen Schrift von
Johann Enschede en Zonen.
FELIX POPPENBERG IN DER „NEUEN RUNDSCHAU“: Diese Dichtung des XHI. Jahr¬
hunderts berührt uns tief, mit mehr als archaischem Reiz. Die blühendsten Lieblichkeiten
duften darin, und eine verzehrende Minne voll Tristan-Gewalt . . . Der Text stellt sich
für die Verse in zierhaft spitzenfiligranfeinen Lettern Plantinischer Herkunft dar. — Ein
livre d’heures für Liebende.
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Drugulin -Drucke
VORZUGS-AUSGABEN
Goethe , Tasso
Fünf Exemplare auf bestes englisches Pergament ge¬
druckt und von Carl Sonntag jun. in Ganz-Maroquin
gebunden (Vergriffen). je M 350.—
Goethe , Iphigenie
Sechs Exemplare auf bestes englisches Pergament ge¬
druckt und von Carl Sonntag jun. in Ganz-Maroquin
gebunden.je M 350.—
Anakreontische Oden und Lieder
Vorzugsausgabe, gebunden in handvergoldetem Ganz¬
lederband von Carl Sonntag jun .M 15.—
Shakespeare , Sonnets
Fünf Exemplare auf bestes englisches Pergament ge¬
druckt und von Carl Sonntag jun. in Ganz-Maroquin
gebunden.je M 250.—
Baudelaire , Les Fleurs du Mal
Edite par Georges A. Toumoux. Ausgabe auf Strath-
more in 100 Exemplaren. Gebunden in Ganz-Maroquin
von Carl Sonntag jun .M 50.—
Verlaine , Vers
Edite par Georges A. Tournoux. Ausgabe auf Strath-
more in 100 Exemplaren. Gebunden in Ganz-Maroquin
von Carl Sonntag jun .M 50.—
Prdvost, Manon Lescaut
Vorzugsausgabe auf holländischem Van Geldem-Bütten
in reich mit der Hand vergoldetem Ganzlederband von
Carl Sonntag jun .M 25.—
Über die Drugulin-Drucke wolle
man Sonderprospekte verlangen in den Buchhandlungen oder von
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G. RAGOCZY’S UNIVERSITÄTS-BUCHHANDLUNG
(KARL NICK) FREIBURG I. BR., SALZSTRASSE 13
Großes Lager vergriffener and gesuchter Ausgaben, unter anderem:
GOETHE, FAUST. Numerierte Luxusausgabe in Le¬
der mit Schließen (Diederichs).M 80.—
GOETHE, DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER.
Mit den 18 Stichen v. Chodowiecki. 400 ExempL
In Kalbsleder.• . . . . M. 32.—
GOETHE, IPHIGENIE AUF TAURIS. Doves Press.
In Pergament.M. 50.—
HAUPTMANN, DER ARME HEINRICH. 1. Auflage,
broschiert.M. 6.50
HEBEL, SCHATZKÄSTLEIN DES RHEINLAND.
HAUSFREUNDES. (Delphinverlag). Luxusausgabe
in Ganzleder.M. 40.—
HEINE, BUCH DER LIEDER. Faksimile - Neudruck
nach der 1. Ausgabe von 1827, in Ganzled. M. 28.—
E. TH. A. HOFFMANN, KLEIN ZACHES, GENANNT
ZINNOBER. Mit Zeichnungen von Div^ky. Auf
Japan in Pergament.M. 45.—
DIE KÜSSE DES JOHANNES SEKUNDUS. In rotem
Ganzlederband.M. 50.—
BAIN, F. W., DER MONDESPFEIL. Eine Hindu-
Liebesgeschichte. Buchausstattung von O. Starke.
Privatdruck.M. 20.—
BEARDSLEY, A., THE EARLY WORK. Geb. M. 22.—
HOFMANNSTHAL, DER TOR UND DER TOD.
10. Aufl. mit 3 radierten Vignetten v. E. R. Weiss.
In Kalbleder (Handband).M. 32.—
Dasselbe in Ganzleder.M. 20.—
RATH, HANNS WOLFGANG, DER BUNTE FAL¬
TER. Lieder aus der Verklärung. Erste (Privat-)
Ausgabe. In Seide gebunden.M. 20.—
—„-PIERROTS SONDERBARE EHE UND
ABSTERBEN. Ein tragigroteskpikanter Roman. Mit
1 farbig, u. signierten Originalradier, v. W. Geiger.
Luxusausg M 40.—, einfache Ausgabe M. 12.—
SHAKESPEARE, HAMLET. In Pergament. (Reichs¬
druckerei.) .M. 45*—
STRAPAROLA, G. F., DIE ERGÖTZLICHEN NÄCH¬
TE. (Perlen älterer roman. Prosa.) 2 Bände in
Pergiment.M. 36.—
WESSELSKI, A., DIE SCHWÄNKE UND SCHNUR¬
REN DES PFARRERS ARLOTTO. Mit mehreren
Bildern u. Faksimilien. 2 Bde. In Perg. gbd. M. 28.—
—, DER HODSCHA NASREDDIN. Türkische,
arabische etc. Märlein u. Schwänke. 2 Bände. In
Pergament gebd.M. 28.—
GIOVANI BOCCACCIO, DER DEKAMERONE. Deutsch von H. Conrad. In 5 Bänden mit den Kupfern und
Vignetten von G. Boucher d. Ausgabe von 1757. Ausg. in Pappe pro Band M. 12.50, in Halbfranz M. 15.—
Luxusausgabe in Ganzleder.M. 40.—
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Trüffel unb Curin
liniere nach Cntroürfen non ID.faecker gefdjmttene
aecker=Sd}rift
hat fleh fchon kurz nach ihrem Crfcheinen bei einer
großen jhnzahl beroorrageuber Druckereien emge=
führt Jhr intereffanter Charakter, ihre klare form
unb leichte Meßbarkeit laffen jie auf ben erften Blick
für ben Druck non IDerken, ^eitfehriften, Projekten
etc. geeignet erfdjemen^. X>ie Probe zeigt bie Schrift
in zahlreichen Beifpielen im TDerk= unb Bkzifcenzfah,
auch ber halbfette Schnitt ift in Bnmenbungen nor-
geführt, fln Jntereffenten geben mir bie Probe gratiß
0 <t|riftgfeßerei
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feankfurt a.TU.
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haben wir eine kleine Anzahl wohlerhaltener
Pergamentblätter aus einem alten
:: Notenmanuskript, ::
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schem Text, die Initialen blau und rot, etwa
um 1500. Groß-Folio. Blattgröße 42 : 28 cm.
Pr. pro Doppelblatt (also 42:56 cm groß!) M.5.-
Aus einem Doppelblatt lassen sich 4 Klein-Oktav¬
oder 2 Quartbände oder ein Folioband binden.
HEINRICH HUGENDUBEL, MÜNCHEN
Abteilang: Antiquariat Salvatorstr. 18.
Soeben ist erschienen:
ANTIQUARIATSKATALOG 65
Deutsche Literatur
Abteilung I, mit zahlreichen ERST¬
AUSGABEN (zirka 400a Nummern).
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Antiquariat, WÜRZBURG.
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und Betonen ißre Eigenart.
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EITSCHRIFT FÜR
ÜCHERFREUNDE
BEGRÜNDET VON FEDORVON 2DBELTITZ
11 NEUE FOLGE
•V. ..
■
HEFT 1
VIERTER JAHRGANG
ZEITSCHRIFT
FÜR BÜCHERFREUNDE
Organ der Gesellschaft der Bibliophilen (e. V.), der Deutschen Buchgewerbe¬
künstler (e. V.) und der Wiener Bibliophilen-Gesellschaft
Begründet von Fedor von Zobeltitz
NEUE FOLGE
1912/1913
Vierter Jahrgang, Heft 5/6
Herausgegeben von
Professor Dr. CARL SCHÜDDEKOPF, Weimar, Cranachstraße 38
Professor Dr. GEORG WITKOWSKI, Leipzig-G., Ehrensteinstr. 20
REDAKTIONEN in
AMSTERDAM: M. D. Henkel, Rijksmuseum,
KOPENHAGEN: Victor Madsen, Königl. Bibliothek,
LONDON: Professor Freiherr Otto von Schleinitz, 7, Redcliffe Road,
MOSKAU: Dr. Arthur Luther, Syromiatniki, Haus Loewenthal,
NEW YORK: Ernst Eisele, 225,5th avenue,
PARIS: Otto Grautoff, 11 Quai Bourbon,
ROM: C. E. Rappaport, Via Bocca di Leone 13,
WIEN: Hans Feigl, IV, Johann Straußgasse 38.
ABONNEMENTSPREIS:
für den Jahrgang (12 Hefte) . . M.
für den Jahrgang in zwei Bde. geb. „
für ein Quartal (3 Hefte).
Einzelne Hefte.. . „
36.-
44.—
9 -—
3-50
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Original ftom
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ÜrigijTÄl fifam
CORNELLÖNIVERSITY-