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^NTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin und Ghirurgie.
Herausgegeben von
X>r*. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität Wien.
SECHSTER BAND.
JENA,
Verlfig von Gustav Fischer.
. 1 903.
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Alle Rechte Vorbehalten.
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^WNTRALBLATT
für die
Qrenzgebiefe der Medizin u. Ghirurgie.
Herausgegeben von ,
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, B. Januar 1903.
Nr. 1.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Bnchhandlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
Bei dem mit dieser Nummer beginnenden sechsten
Bande des
Centralblattes
für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie
sollen die nachstehenden Verbesserungen vorgenommen
werden.
Aus den Kreisen der Abonnenten war der dringende
Wunsch geäussert worden, es möge doch ein grösserer
Druck zur Verwendung gebracht werden, da durch die
jetzige Druckausstattung die Augen zu sehr angestrengt
wurden. Redaktion und Verlag sind bereit, diesem
Wunsche Rechnung zu tragen, und so sollen demzufolge
die Sammelreferate künftig in dem Drucke der Abhand¬
lungen in den „Mitteilungen aus den Grenzgebieten der
Medizin u. s. w.“ hergestellt werden, die Referate da¬
gegen in dem bisherigen Drucke der Sammelreferate des
Centralblattes. Nur für die Literaturübersichten u. s. w.
wird auch künftig der bisherige Druck beibehalten
werden.
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI 1
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Um indessen den Umfang des Centralblattes nicht
allzusehr zu erweitern, soll noch mehr als bisher der
Schwerpunkt auf Sammelreferate gelegt werden. Die
ausserordentlich günstige Aufnahme, welche gerade den
Sammelreferaten zu teil geworden ist, lässt erwarten,
dass wir auch durch die Ausführung dieses Entschlusses
den Wünschen unserer Abonnenten entgegenkommen.
Freilich wird sich infolgedessen ein regelmässiges
14 tägiges Erscheinen des Centralblattes nicht immer
durchführen lassen, da die Manuskripte für derartige
Abhandlungen oft lange auf sich warten lassen. Es ist
deswegen ein Erscheinen in zwanglosen Heften in Aus¬
sicht genommen, von denen, wie seither, etwa 24 einen
Band im bisherigen Umfange bilden sollen.
Das Abonnement beträgt für die Abonnenten der
„Mitteilungen aus den Grenzgebieten u. s. w.“ 20 Mk.,
für sonstige Abonnenten 24 Mk. für den Band.
WIEN und JENA, im Dezember 1902.
Die Redaktion:
Dr. HERMANN SCHLESINGER,
Professor an der Universität in Wien.
GUSTAV FISCHER,
V er lagsbuchhandlung.
I. Sanimel-Referate.
Das Nierenaneurysma.
Sammelreferat von Privatdocent Dr. Paul Ziegler in München.
Das Nierenaneurysma gehört zu den seltensten Aneurysmen
und Ißt z. B. viel seltener als das der Milzarterien. Seine Ent¬
stehung ist häufig traumatisch; so kommen von 19 Aneurysmen,
über die nähere Angaben bekannt sind, 12 auf traumatischen und
sieben auf spontanen Ursprung. Bei den traumatischen Fällen ist
erwähnt: Fall aus dem Wagen, vom Pferde geschlendert, Quetschung
durch Puffer einer Maschine, Ausgleiten und Fall auf die Lende,
Ueberfahrenwerden, Sturz von der Treppe; bei den spontanen ist
als Ursache angegeben: Endocarditis mit Embolien, Atherom der
Gefässe. Solange das Aneurysma klein ist, kann es eventuell keine
Symptome machen und es wird vielleicht nur als zufälliger Befund
bei der Sektion erhoben; später bildet es einen Tumor und bewirkt
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Atrophie der Niere, schliesslich Durchbruch in das Nierenbecken
und damit eine schwere Hämorrhagie, die zum Tode führen kann;
oder es geht nicht so rasch, es bildet sich bei falschen Aneurysmen
ein Sack, in den wiederholt kleine Blutungen stattfinden. Die
Blutung kann verhängnisvoll werden, ehe ein Tumor sich entwickelt
hat, sie kann der Tumorbildung Monate, ja Jahre vorausgehen.
Früher oder später wird sich immer ein Tumor bilden und dieser ist
neben der Blutung das wichtigste Symptom. Der Tumor kann
schmerzfrei oder mit unerträglichen Schmerzen verknüpft sein, die
Grösse des Tumors kann von Faustgrösse bis zu Mannskopfgrösse
schwanken, so dass er die ganze Bauchseite einnimmt. Die Pul¬
sation fehlt den Nierenaneurysmen, weil die Arterie zu klein und
der Sack sehr gross ist, so dass der Druck des Blutes nicht gross
genug ist, um den Sack auszudehnen und dadurch Pulsation hervor¬
zurufen; auch die Auskultation gibt nur selten Resultate. Sehr
wenig zuverlässig sind die allgemeinen Symptome, welche vom Blut¬
verlust oder vom Druck des Tumors ausgehen, gastro-intestinale
Störungen, Brechreiz, Verstopfung u. s. w. Verwechselungen sind
am leichtesten möglich mit Neubildungen, Hydronephrose und Hä-
matonephrose. Bei Neubildung ist rasches Wachstum charakteri¬
stisch, ferner Abmagerung, geringere Blutung. Wenn metastatische
Neubildungen vorhanden sind, ist die Diagnose klarer. Bei Hydro-
nephrosen, die ja auch traumatisch entstehen können, kommen für
gewöhnlich keine Blutungen vor. Die Prognose ist höchst un¬
günstig. Alle Fälle, welche nicht operiert wurden, endeten tödlich.
Vier wurden operiert, davon genasen drei. Die Todesursache war
Blutung bei den nicht Operierten, Blutung in das Nierenbecken
oder in die Bauchhöhle oder retroperitoneal. Zur Behandlung kann
nur die Nephrektomie in Frage kommen, und zwar ist wegen der
Möglichkeit, die Nierengefässe sofort zu unterbinden, die transperi¬
toneale Methode vorzuziehen.
Folgende Fälle sind bisher bekannt:
Ohne traumatische Entstehung,
Fall 1. Leudet 1 ) verzeichnet einen Fall von Erweiterung der
rechten Nierenarterie, welche er bei der Sektion einer 62jährigen Frau
gefunden hat, die an Nephritis gestorben war, nachdem sie zwei Jahre
an Albuminurie und zwei Monate vor ihrem Tode an Dyspnoe, Husten
und allgemeinem Oedem gelitten hatte. Die rechte Niere war um mehr
als die Hälfte kleiner als die linke, an der Gabelung der rechten Nieren¬
arterie war ein bohnengrosses, mit gelben Massen gefülltes Aneurysma,
i) Leudet, Lancet 1852, p. 583.
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das mit der Arterie durch eine haardünne Oeffnung in Verbindung war.
An verschiedenen Arterien wänden bestand Kalkablagerung. Nach der
Meinung Leudet's bestand ursprünglich das Aneurysma in der Wand
der Arterie und öffnete sich erst nachträglich in das Lumen.
Fall 2. Dann er 2 3 ) beschreibt ein haselnussgrosses Aneurysma an
der Gabelspaltung der rechten Nierenarterie eines gichtbrüchigen Mannes
von 66 Jahren, welcher viel an Harnsäure und Steinkrankheit litt und
welcher fünf Jahre vor seinem Tode an Dyspnoe, Lungenkongestionen
und Herzklopfen litt und plötzlich einem Anfall von Dyspnoe erlag.
Starke Kalkablagerung in der rechten Nierenarterie und den übrigen
grossen Arterien, die rechte Niere war atrophisch und cystisch, die linke
enthielt Steine.
Fall 3. Ostreich 8 ) berichtet von einem apfelgrossen sackförmigen
Aneurysma der rechten Nierenarterie, das bei der Sektion eines jungen
Mannes entdeckt wurde, welcher an vielfachen Embolien bei bösartiger
Endocarditis gestorben war, und das im Leben keinerlei Symptome
gemacht hatte.
Fall 4. Armstrong 4 ) veröffentlichte einen Fall eines Aneurysma
eines interlobulären Zweiges der rechten Nierenarterie, das bei der
Sektion eines 50jährigen Mannes gefunden wurde, der kurz wegen eines
Nierentumors in Beobachtung war. Die Sektion ergab chronische Nephri¬
tis der rechten, stark erweiterten Niere. Unter der Kapsel befand sich
ein grosser schwarzer Blutklumpen, der die Niere umgab, die Nieren¬
kapsel war gerissen, Blut drang durch den Riss in die Bauchhöhle. Am
äusseren Rande der Niere war eine schmale, kreisförmige Höhlung von
ungefähr 1 mm Durchmesser, gefüllt mit fasrigen Klumpen, von hier
stammte die Blutung.
Fall 5. Dourlin 5 6 ) veröffentlichte die Beschreibung eines grossen
Tumors der linken Niere, welcher die ganze linke Seite bei einem 52jähr.
Manne einnahm. Zwei Monate vor der Beobachtung durch Dourlin
hatte Pat. bedeutendes Unbehagen undUnfähigkeit zu gehen, hatte heftige
schmerzhafte Sensationen im Hoden. Als der Tumor auftrat, war das Ab¬
domen gespannt. Der Tumor wuchs rasch unter Schmerzen im Abdomen. Die
Menge des Urins nahm ab, es traten Erbrechen und häufige Anfälle von
Synkope ein; in einem solchen Anfall starb der Kranke. Bei der Sektion
fand sich ein retroperitonealer Tumor in der Nähe der Milz, welche nach
oben geschoben war; er enthielt drei Pfund Blut, war sackartig ohne Spur
von Nierenresten, in Verbindung mit der Nieren arterie, welche sich sack¬
artig an der Stelle des Tumors in der Nähe der Aorta erweiterte. Eine
Verletzung hatte nie stattgefunden.
Fall 6. Gossett 0 ) berichtet von einer 43jährigen Frau, die an
Schmerzen in der rechten Niere und schwerer Blutung aus der linken
Niere litt, an der sie auch zu Grunde ging. Keine Auftreibung des
Leibes. Bei der Sektion fanden sich 18 Unzen Blut in der Blase.
2) Bull, de la soc. anatom. 1856, sec. serie, Tome LXXXI, p. 170.
3) Berl. klin. Wochenschr. 1891, p. 1042.
4) American Journal of med. Science 1885, p. 453, Oct.
5) Journal de chir. et de med. 1803, Tome III, p. 252, OcL
6) Lancet 1829—30, p. 388.
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Fall 7. Keen 7 ) berichtet von einem falschen Aneurysma eines
Zweiges der rechten Nierenarterie bei einem 45 jährigen Fräulein. Der
Tumor nahm den ganzen Raum zwischen Rippen und Darmbeinkamm ein
und wurde durch Exstirpation der Niere erfolgreich entfernt Der Tumor
war straff, fest an der Innenseite deutlich cystisch, die rechte Niere war
beweglich und seit fünf Jahren leicht vergrössert und seit dieser Zeit
hatte Patientin ein Gefühl von Unbehagen auf der rechten Seite, die
sie auch für grösser hielt als die linke. Während dieser Jahre hatte
sie 10—15 Anfälle von Frost und Fieber, gefolgt von Nausea, aber
ohne Erbrechen. Ein Anfall dauerte 10 Tage, ein anderer fünf Wochen.
Der Urin enthielt nie Zucker, Blut oder Eiweiss. Bei unsicherer
Diagnose (Hydronephrose oder Nierenneubildung?) entfernte Keen den
Tumor mit der Niere transperitoneal, die Operation war trotz des Ge-
fassreichtums, besonders am Stiel, sehr glatt, aber es erfolgte ein schwerer
Shok. Am 19. Tage nach der Operation Verliese die Patientin die
Anstalt. Nach Entfernung des Tumors sah man, dass derselbe aus
einer grossen Masse centraler Blutgerinnsel bestand mit einer Kapsel,
über welche die Nierenarterie und ihre Zweige verliefen, nur der untere
Zweig der Nierenarterie öffnete sich in die Gerinnselmassen, das Nieren¬
becken stand nicht in Verbindung mit dem Sacke. Die Niere war be¬
deutend atrophiert, die Nierenreste zeigten vorgeschrittene entzündliche
Veränderungen, gegen den Nierenstiel bestanden mehrere Nierencysten.
Mit traumatischer Entstehung.
Fall 8. Reeves 8 ) berichtet über einen Fall aus dem Wagen bei
einem 19 jährigen Manne, bei welchem Schmerzen in der rechten Seite,
Erbrechen, Fieber und Blutung im Urin am sechsten Tage auftraten, am
28. Tage nach dem Unfall Schwellung, Hämatom in der rechten Lende, und
einen Monat nach dem Unfall der Tod eintrat; bei der Sektion fanden sich
Blut und Serum in der Bauchhöhle, die rechte Nitre lag in einer blutigen
Cyste eingeschlossen, Eiterung in der linken Niere; in der rechten
Nierenarterie fand sich ein kleines sackförmiges Aneurysma.
Fall 9. Hilton 9 ) berichtet von einem 21jährigen Manne, der
durch die Puffer einer Maschine gestossen wurde. Er hatte Erbrechen
und sehr grosse Schmerzhaftigkeit an den unteren Rippen bei Druck,
sowie blutigen Urin. Die Blutmenge nahm vom achten Tage nach
der Verletzung zu bis zum Tode, der am 26. Tage nach der Verletzung
erfolgte, unter Eintritt von Delirien. Die linke Niere war mehrfach
zerrissen, die linke Nierenarterie zeigte ein kleines Aneurysma, das sich
in eine grosse Höhle um die Niere öffnete, im Peritoneum war ein
kleiner Riss, durch welchen das Blut und Serum in die freie Bauch¬
höhle austreten konnten, die dort Bauchfellentzündung erzeugt hatten.
Fall 10 . Gr über 10 ) berichtet von einem 39 jährigen Arbeiter, der
8 Monate, nachdem er von zwei Meter Höhe heruntergefallen war und sich
7) Philadelphia Medical Journal 1900, p. 1038. 5. Mai.
8) The Lancet 1884, p. 588, 4. Oct.; Transactions of the Pathol. Society of
London 1885, p. 277.
9) Guys* Hospitals Reports 1868, third series, vol. XIII, p. 9.
10) Wiener med. Wochenschr. 1891, p. 1646.
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den ßücken gegen eine Kiste gestossen hatte, mit grossen Schmerzen in
der linken Seite und Dyspnoe erkrankte; bald nach dem Unfall Hämat¬
urie. Bei seiner Aufnahme grosser Tumor mit gedämpftem Schall, nicht
mit der Bauchwand zusammenhängend, keine Pulsation und kein aus¬
kultatorisches Zeichen. Urindrang, Blut im Urin, der Mann wurde
kachektisch, die Kachexie nahm immer mehr zu und der Mann starb.
Bei der Sektion wurde ein grosser Sack gefunden, in welchen die
linke Nierenarterie sich öffnete.
Fall 11. Oestreich 11 ) berichtet über ein eingerissenes sackförmiges
Aneurysma der linken Nierenarterie bei einer 50jährigen Frau, die in
bewusstlosem apoplektischem Zustande auf der Stiege ausglitt. Unter be¬
ständiger Blutung im Urin, die täglich zunahm, bildete sich ein grosser
Tumor in der linken Nierengegend, die Blase war gefüllt mit grossen
Klumpen Blutes. Nach drei Tagen trat der Tod ein. Bei der Sektion
fand sich in Verbindung mit dem Nierenstiel ein grosses Blutextravasat
rings um die linke Niere, die Zweige der Nierenarterie waren erweitert
und gekrümmt. An einem Ast der linken Nierenarterie, innerhalb der
Niere gelegen, ein sackförmiges Aneurysma, welches in das Nierenbecken
durchgebrochen war. Ausgedehntes Atherom der grösseren Arterien.
Fall 12. Danil Nebel 12 ) berichtet 1717 von einem Mediziner,
der nach Fall von einem Pferde heftige Schmerzen und Pulsation, sowie
einen Tumor in der linken Bauchseite bekam und starb. Bei der
Sektion fand sich ein grosser Tumor an der linken Niere, welche schlaff
und eitrig war, die linke Nierenarterie war erweitert und geplatzt, die
Oeffnung für zwei Finger durchgängig, auch das Bauchfell war an einer
Stelle eingerissen und Blut in die Bauchhöhle eingedrungen.
Wahrscheinlich ist das derselbe Fall wie der von Titius 13 ) 1798
veröffentlichte.
Fall 13. Höchen egg 14 ) berichtet von einem 51jährigen Gärtner,
der vom Dachboden von einer ungefähr drei Meter hohen Leiter fiel, so dass er
mit der rechten Lendengegend auf den im Durchmesser ungefähr 8 cm dicken
Leiterbaum heftig auffiel. Nach einer halben Stunde ärztlich untersucht,
klagte er über heftigen Schmerz in der Lendengegend, sowohl spontan
als besonders bei Bewegung und Druck, objektiv kein Befund. Eine
halbe Stunde später entleerte der Kranke blutigen Urin. Diese Blutung
dauerte drei Tage trotz Ruhe, Kälte und Ergotin und trat nach einem
Monat in reichlichem Grade wieder für eine Woche auf. Zwei Monate
später wurde Pat. geheilt entlassen. Vier Wochen darauf trat wieder
heftige Blutung auf, während dreier Tage verlor Pat. drei Liter Blut,
darauf erholte sich Pat. nur langsam. Während bisher kein Tumor im
Abdomen zu fühlen war. wurde sieben Monate nach dem Unfall ein
elastischer, schmerzloser, unbeweglicher, zwei faustgrosser Tumor in der
rechten Lendengegend entdeckt. Nach weiteren drei Monaten tratWieder-
11) Berl. klin. Wocbenschr. 1891, p. 1042.
12) Acad. Caes. Leop. Carolin. Natur, curios. Ephemerides, centuria IX u. X,
p. 142.
13) Aneur. art. ren. sin. exemplum 1798* Vitebergae.
14) Wiener klin. Wochenschr. 1891, p. 471.
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holung der Blutung ein, weswegen Pat. zwei Monate zu Bett blieb. Der
Kranke wurde sehr schwach und blutarm, in den blutungsfreien Zwischen¬
räumen war der Urin normal oder zeigte nur eine Spur von Eiweiss. Der
nur bei Druck oder Lagewechsel etwas verschiebliche Tumor wies un¬
deutliche Pulsation auf. Der behandelnde Arzt überwies den Pat. behufs
Operation der Wiener Albert'schen Klinik, wo der Tumor mit extraperi¬
tonealem 20 cm langem Schrägschnitt mit Erfolg entfernt wurde. Der im
ganzen bimförmige Tumor war von einem dicken Balge umgeben, am unteren
Pol sass der 4 cm breite Rest der atrophischen Niere auf, im Durch¬
schnitt bestand die Geschwulst aus konzentrisch angeordneten Fibrin¬
lamellen, central war eine kleine, mit Blut gefüllte Höhle, die direkt in
die geborstene Nierenarterie führte. Heilung.
Fall 14. In der Sammlung des Bartholomäushospitals in London
befindet sich nach Morris 15 ) ein Präparat von Aneurysma der Nieren¬
arterie, über welches aber nähere Angaben fehlen.
Fall 15. Hahn 16 ) berichtet von einer 49jährigen Frau, die meh¬
rere Stufen herabfiel, sie fühlte sofort, als ob ein Ball sich im Leibe
bewege; sie war im März verunglückt, im Mai fühlte man einen kinds¬
kopfgrossen Tumor in der linken Seite des Bauches, unverschieblich,
elastisch, weich, mit gedämpftem Schall; bei der Punktion trat nur Blut
heraus. Durch transperitonealen Schnitt entfernte er den Tumor und es
trat Genesung ein. In den aus Fibrin bestehenden abgekapselten Tumor
trat ein geborstener Zweig der Nierenarterie ein, der untere Teil der
Niere war atrophisch und abgeplattet, der obere Teil war normal.
Fall 16. Morris 17 ) berichtet von einem 36jährigen Farmer, der
ausglitt und mit der linken Seite gegen die Kante einer niedrigen Mauer
auffiel; er hatte sofort heftige Schmerzen in der Seite und blutigen
Urin; während fünf Monaten bestand die Blutung im Urin, obwohl Pat.
während dieser Zeit das Bett hütete. Nur einmal hatte er stärkere
Blutung, sonst wies der Urin nur Spuren auf. Am Ende des siebenten
Monats nahm Pat seine Beschäftigung wieder auf; während der letzten
3 Monate meinte er, dass seine linke Seite grösser und härter würde. In
der letzten Zeit hatte er Schmerzen in der Lendengegend, am Ober¬
schenkel und im Scrotum, der Urin war jetzt normal oder gelegentlich
mit einer Spur Blut vermischt. Temperatur normal. In der linken
Lendengegend befand sich ein harter, fixierter, ungleichmässiger Tumor
mit gedämpftem Schall, keine Pulsation, aber vorn am Tumor wurde
ein systolisches Geräusch gehört. Bei der Operation wurde ein
schiefer Lendenschnitt gemacht, der Tumor blossgelegt und punktiert,
dabei bekam man blutig - seröse Flüssigkeit. Nach Durchtrennung der
Geschwulstkapsel wurden bröcklige Geschwulstpartikel entfernt, an¬
scheinend Fibrinmassen; plötzlich schoss aus den Geschwulstmassen ein
dicker Blutstrahl heraus; erst auf Kompression der Aorta stand die
Blutung und der Tumor konnte entfernt werden; er war aber mit dem
Zwerchfell so innig verwachsen, dass ein Teil zurückgelassen werden
15) The Lancet 1900, p. 1007, 6. Oct.
16) Deutsche med. Wochenschr. 1894, p. 637.
17) The Lancet 1900, p. 1002, Oct.
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musste. Trotz aller Reizmittel starb der Kranke wenige Stunden nach
der Operation. Bei der Sektion gelangte man von der Aorta durch die
Nierenarteiie direkt in die Geschwulst, die bröckligen Geschwulstmassen
bestanden aus Fibrin, die Niere war geschrumpft und im Zustande
hochgradiger interstitieller Entzündung.
Fall 17. Rouppe 18 ) erzählt von einem robusten jungen Boots¬
mann, der sich, indem er in seine Barke stieg, gegen eine Kante
an die rechte Lende stiess, worauf heftiger Schmerz entstand, der ihn
arbeitsunfähig machte. Dann bildete sich eine Beule am Sitz der Ver¬
letzung, worauf man ihm zur Ader liess. Der Urin war mit Blut ver¬
mischt. Nach einigen Tagen schien er wieder hergestellt. Neun
Tage nach dem Unfall, während er gerade in sein Boot stieg, traten
heftige Schmerzen auf, er kollabierte plötzlich unter Angstgefühl, Blässe
des Gesichtes und Kühle der Peripherie, Auf getrieben sein des Bauches
und starb in zehn Stunden unter allen Anzeichen einer inneren Blutung.
Bei der Sektion fand sich eine grosse retroperitoneale Blutung, in der
die Niere eingebettet lag; als man von der Nierenarterie Luft einspritzte,
entquollen aus deren Lumen, das zerrissen war, einige Luftblasen mitten
in das Blutgerinnsel.
Fall 18. Dangau 19 ) erzählt von einem jungen, 15jährigen Ar¬
beiter, er habe sich an der hinteren linken Nierengegend gegen einen
Ladentisch gestossen, worauf Blut im Urin abgegangen sei. Ein Tumor
wurde nach ca. einem Monat gefühlt. Die Blase enthielt grosse Klumpen
Blut. Schliesslich trat Retentio urinae ein. Nach ca. 1 1 / 2 Monaten Tod.
Die Sektion ergab, dass der Tumor aus fibrinösem Gewebe bestand, die
Nierenarterie zeigte in der Geschwulst einen Spalt, in welchem ein
frischer Blutklumpen lag.
Fall 19. Mounier 20 ) erzählt von einem 25jährigen Soldaten, er
habe einen Stoss von einem Wagen von rechts nach links in Nabel¬
höhe an der Nierengegend erlitten; augenblicklich traten heftiger Schmerz
und galliges Erbrechen sowie Tympanie und rasche Atmung ein. Am
zweiten Tage trat Milderung des Schmerzes ein, am siebenten Tage
Blutung im Urin, am 20. Tage nach dem Unfall Harndrang; die Blutung
hielt an trotz aller Massnahmen und ihr erlag am 41. Tage nach dem
Unfall der Kranke. Bei der Autopsie fand sich ein die ganze linke
Bauchseite einnehmender Tumor aus Gerinnseln, in dessen Mitte die
unregelmässige Oeffnung eines Zweiges der Nierenarterie sich fand. In
dem Tumor waren, durch Septa geschieden, sieben voneinander getrennte
Nischen und im Nierenstiel ein kleiner Stein; die Wand des Tumors
war 1 cm dick und von Leisten durchzogen.
Fall 20. Murray 21 ) fand bei der Sektion eines 50 jährigen
Mannes einen bis zur Darmbeingrube reichenden, bei Lebzeiten nicht
diagnostizierten Tumor, der durch den Riss der Nierenarterie entstanden
war; der Fall ist nicht weiter veröffentlicht.
18) Nova acta psychico-medica, p. 1770.
19) Trait£ des maladies des reins, p. 280.
20) Gazette des höpitaux 1849, p. 148.
21) Morris, The Lancet 1900, p. 1006, 6. Oct.
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Nierenabscess und Perinephritis.*)
Eine zusammenfassende Studie von weil. Dr. E. Herszky.
Literatur.
1) Albarran, J., fetude sur le rein des urinaires. Th£se, Paris 1891, p. 184.
2) Ders., Maladies chirurgicales du rein et de l*ur£t£re. Traitä de Chirurgie
1898.
3) Albert, E., Lehrbuch der Chirurgie. Wien.
4) Anderodias, Sur trois cas de py 61 onephrite gravidique. Le progr&s
mW. 1901, 13.
5) Apert, Py 61 onephrite purulente. Soc. de Anatom. 1899, Mai.
6) Aschhoff, vide Schmidt.
7) Aufrecht, Pathologische Mitteilungen 1881, I.
8) Babes, V., Archives de phys. 1883, III, 2.
9) Bakö Sändor, Paranephritischer Abscess; Operation; Heilung. Orvosi
Hetilap 1895, 4, p. 43.
10) Baginsky, Ucber Pyelonephritis im Kindesalter. Deutsche med. Wochen¬
schrift 1897, 25.
11) Balduzzi, Nefrotomia lombare per pielonefrite suppurata ed ascesso peri-
nefritico di natura piemica. Gazz. degli osp. e delle clin. 1899, 31. (Nach einem
Referat von Dreyer.)
12) Bardeleben, Doppelseitige Pyonephrosen. CharitWannalen 1896, XXI,
p. 476.
13) Barden heuer, Quere Nierenresektion. Deutsche Ges. f. Chir. 1891.
14) Barth, Ueber die histologischen Vorgänge bei der Heilung von Nieren¬
wunden und über die Frage des Wiederersatzes des Nierengewebes. Marburg 1892.
15) Bauer, J. L., The relation of perinephritis and pyonephrosis to morbus
coxae. New York Med. Record 1883, Dec.
16) Baumgarten, S., Eitrige Entzündung der Fettkapsel der linken Niere;
Operation; Heilung, Orvosi Hetilap 1894, p. 361. Vgl. Pester med. chir. Presse
1895, *8-
17) Ders., Aerztl. Centralanzeiger 1897, 33 u; 34.
18) Bazy, Pyon^phrose calculeuse. Bull, et m£m. de la soc. de Chirurgie de
Paris, XXVH, 28.
19) Ders., Sur quelques symptomes et signes comme moyens de diagnostic
des ]£sions suppuratives du rein. Revue de Chir. 1901, p. 700.
20) Ders., La Presse mW. 1901, p. 185.
21) Beiduel, Lo Speriment. 1893, 22, 23. Cit. nach Senator.
22) Bennecke, Demonstration von Nierengeschwülsten. Deutsche med.
Wochenschr. 1896, 52, Vereinsbeilage.
23) Bergen, vide Tuttle.
24) v. Bergmann, Berl. klin. Wochenschr. 1885, 46—48.
25) Biber, L., Ein Fall von primärer Perinephritis und Peripsoitis lateris
sinistrL Wiener med. Presse 1880, 16.
26) Bloch, Chirurg. Sektion des 12. internat. med. Kongr., Moskau 1897.
Vgl. Revue de Chir. 1898, 6.
27) Bonneau, A., Ueber Kompression der Ureteren durch den graviden
Uterus und über konsekutive Pyonephrosen. Th£se, Paris 1893. Vgl. Ref. in Cen¬
tralblatt für Gynäkologie 1894, 21 •
28) Bourdillat, Nephrite double avec accidents d*ur6mie. Gaz. mW. h6p.
1866, 38. Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahrb. 1867.
*) Vorliegendes Sammelreferat ist die letzte Arbeit aus der Feder unseres Mit¬
arbeiters Dr. Herszky, eines trotz seiner Jugend wohlbekannten Forschers, welcher
in jungen Jahren einem heimtückischen Leiden nach kurzer Krankheit erlegen ist.
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29) Bowditch, H., Three cases of perinephriiic abscess complicated with
pulmonary and pleuritic disease. Ineisions into renal region. Recovery. Boston med.
and surg. Journ. 1868, 9. July. Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahrb. 1869.
30) Brand, De l’existence du reflexe reno-r£nal et de son röle pathog£nique.
Thfcse de Bordeaux 1901.
31) Braun, H., Pyo- und Hydronephrosen. Langenbeck’s Archiv, Bd. XL, H. 4.
32) Braun, J., Ueber einen Fall von Nierenabscess. Diss., Berlin 1877.
Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahrb. 1878.
33) Bräuninger, H„ Beiträge zur Nierenchirurgie. Beitr. zur kÜn. Chir.
1898, p. 461.
34) Bruckauff, O., Ueber die Heilungsvorgänge bei disseminierten, infek¬
tiösen Nephritiden, insbesondere bei der Pyelonephritis ascendens. Virch. Arch., Bd.
CLXVI, p. 317.
35) Burkart, A., Die Harncylinder mit besonderer Berücksichtigung ihrer
diagnostischen Bedeutung. Berlin, Aug. Hirschwald, 1874.
36) Burritt, H. L. W., Renalabscess. Med. and surg. Rep. 1868, I3.juny.
Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahrb. 1869.
37) Buscarlet, Enorm phlegmon p6rin£phr£tique chez un enfant de vingt
mois. Revue m6d. de 1 & Suisse rom. 1894, XIV, 7. Vgl. Wagner’s Ref. in
Schmidt’s Jahrb., Bd. CCXXIV.
38) Cabot, Abscess of the kidney. Boston med. and surg. Journ. 1901,
6. Juny.
38a) Carbon, vergl. Chauvenet.
39) Cardyn, Suppuration renale. Soc. de anat. pathol. de Bruxelles 1901,
1. März.
40) Cariier, Nephrectomie sous-capsulaire pour pyonephrose ancienne. Revue
de Chir. 1899, XI, p. 600.
41) Casper, L., Die diagnostische Bedeutung des Katheterismus der Ureteren.
Berlin 1897.
42) Ders., Monalsber. f. d. Gesamtleist, a. d, Gebiete der Ham- und Sexual¬
organe 1899, H. 1.
43) Casper u. Richter, Funktionelle Nierendiagnostik. Berlin—Wien 1901.
44) Chauvenet, Contribution k l’fetude des absc&s perinfcphrätiques. Th£se
de Paris 1894, Nr. 259.
45) Chevaliere et Mauclaire, Nephrotomie pour anurie chez une femme
ayant un rein unique. Ann. des mal. des org. gen.-urin. 1898, XVI, p. 873.
46) Cohn heim, Cit. Berliner klin. Wochenschr. 1888, Nr. 18.
47) Colin, L., Absens perin£phr£tiques chez un sujet atteint d’alcoolisme.
Gazz. hebdom. 1872, Nr. 42.
48) Gramer, Zur konservativen Behandlung der Hydro- resp. der Pyone¬
phrose. Centralbl. für Chir. 1895. 47.
49) Csatäry, A., Nephritis suppurativa. Belgy. h£zi könyo., Budapest, V,
p. 184 ff.
50) Cumston, Cit. von Marcuse, B. Vgl. 173.
51) Curschmann, Ueber schwielige Paranephritis, besonders bei Erkrankung
der Aortenklappen. Arbeiten aus der med. Klinik zu Leipzig 1893, p. 243.
52) Dickinson, H., Calculous pyelitis. Transact. of the path. Soc., XXI,
P- 25.
53) Diederich, Quelques observations de Chirurgie renale. Ann. de la Soc.
belg. de Chir. 1898, IV. Vgl. Wagner’s Ref. in Schmidt’s Jahrb., Bd. CCLXVI.
54) Dobbertin, Ueber intermittierende Pyonephrose. Gesellsch. der Charite¬
ärzte in Berlin, 1902, 13. Febr. Vgl. Deutsche med. Wochenschr. 1902, Nr. 10,
54a) Dollinger, vgl. Illy6s u. Kövesi.
55) Do ran, Painless Calculous Pyonephrosis without Fever. Nephrectomy:
Recovery. Brit. med. Journal 1901, 2. März.
56) Dowse, Nephritic abscess, tapping; Recovery. Med. Times and Gazz.
1874, 5. Dec. Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahresb. 1875.
57) Ebstein, Nierenabscess. Ziemssen’s Handb-, Bd. IX, p. I—20.
58) Ders., Peri- und Paranephritis. Ibidem, p. 43—57.
59) Elias, C., Zur Heilung primärer perinephritischer Abscesse. Deutsche
med. Wochenschr. 1879, 20—21.
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6 0) Engel, W., Experimentelle Untersuchungen über Bakteriurie bei Nephri¬
tiden. Deutsches Arch. f. klm. Med., Bd. LVI, p. 140.
61) Estrabaut, Th£se de Paris 1900. Nach Ref. im Centralbl. f. d. Krankh.
d. Harn- u. Sexualorg., Bd. XII.
62) Ewald, C. A., Nierenabscess. A. Eulenburg’s Realencyklopädie.
63) Ewing, A case of Makirial-Nephrilis, with Massing of Passing of Para¬
sites in the kidney. Amer. Joum. of Med. Science 1901, Oct.
64) Faltin, R., Kurzer Bericht über 86 bakteriologisch untersuchte Fälle von
Infektion der Harnwege mit besonderer Berücksichtigung der Streptococcen und
einiger im pathologischen Ham früher nicht gefundener Bakterien. Centralbl. f. d.
Krankh. d. Ham- u. Sexualorg. 1902, Bd. XIII, H. 3.
65) Faulhaber, Ueber das Vorkommen von Bakterien in den Nieren bei
akuten Infektionskrankheiten. Ziegler’s Beitr., Bd. X, H. 2. u. 3.
66) Fenger, Conservadve Operations for Renal Retention. Ann. of Surg. Part.
100. Vide auch: Arch. f. klin. Chir., Bd. LXII, H. 3.
67) Fenwick, S., Clinical lectures on cases of difficult diagnosis. V. On
perinephritic abscess. Lancet 1885, 25. July.
68) Ferouelle, Tuherculose du rein droit ayant donn6 naissance 4 un absc£s
froid qui s’est ouvert dans le gros intestin. Bull, et m6m. de la Soc. anat. de Paris
1900, Dec.
69) Fischer, H., Ueber paranephritische Abscesse. Volkmann’s Samml. klin.
Vorträge, Nr. 253, p. 42.
70) Flaischlen, Exstirpation einer Pyonephrose durch Laparotomie. Centralbl.
f. Gynäkologie 1895, XIX, 27.
71) Floderus, vgl. Ref. von Wagner in Schmidt’* Jahrb., Bd. CCLXVI,
P- 7 *’
72) Füllet, PyHonäphrite suppur6e datant de 10 ans d’origine typhique.
Nephrotomie, suivie de näphrectomie. Bull, de la soc. anat. de Paris 1895, Janv.—Fevr.
73) Forsith, F. L., Case of perinephritic abscess. New York med. Record
1877, 20. Oct.
74) Frees, Ein primärer paranephritischer Abscess in der Schwangerschaft.
Centralblatt für Gynäkologie 1893, 42.
75) Fürbringer, Die Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane. Berlin.
76) Gangolphe, N£phrectomie d’urgence pour anurie. Lyon. m6d. Joum.
1893. Vgl. Wagner’s Ref. in Schmidt’s Jahrb„ Bd. CCXLIV.
77) Garnier et Lardennois, Le pyonephrose d’origine typhique. La Presse
med. 1901, p. 169.
78) Gattai Ricardo, Di un caso di ascesso perirenale. Gazz. med. ital.
lombard 1883, 51. Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahrb. 1884.
79) Gebrak, La pyelonephrite chez les femmes enceintes. These de Paris 1901.
80) Geiss, P., 18 Jahre Nierenchirurgie. Marburg 1900.
80a) Gerota, cit. nach Israel.
81) G erster, A. G., Total extirpation of ureter subsequent to nephrectorny.
Ann. of Surg, 1897, p. 361. Vgl. auch Wagner’s Ref. in Schmidt’s Jahrb., Bd.
CCLXVI.
82) Gintrac, Absces du rein gauche ouvert dans le colon. Gaz. hebd. 1866,
p. 207. Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahresb. 1867.
83) Golden hör n, Sur Pevacuation spontanee des absces perinephritiques.
Ann. des mal. des org. gen. urin. 1898, VI, p. 575.
84) Ders., Sur les issues des absces paranephritiques. Arch. russ. de Path.
1897, p. 212. Vgl. Wagner’s Referat in Schmidt’s Jahrb., Bd. CCLXVI.
85) Goldflamm, Ueber Erschütterung der Nieren. Berliner klin. Wochen¬
schrift 1901, 2.
86) Goldschmidt, vide Lewin.
87) Goodhart, J., On erysipelas of the kidney and urinary tracl, with some
remarks on the disease generally called surgical kidney. Guy’s Hosp. Rep. XIX,
P- 357. Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahresb. 1869.
88) Gosset, £tudes sur les Pyonephroses. Paris 1900.
89) Grabszewicz, A., Zur chirurgischen Kasuistik der Nierenkrankheiten.
Gaz. lekartka 1895, 35 u. 36. Cit. nach Ref. von Trzebicki.
90) Graf, E., Deutsche med. Wochenschr. 1897, 38.
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91) Graff, Niederrbein. Ges. f. Natur- u. Heilk. Sitzung vom 20. Januar
1902. Vgl. Deutsche med. Wochenschr. 1902, 3. April.
92) Graser. Beitrag zur Pathologie und Therapie der Nierenkrankheiten.
Deutsches Arch. f. klin. Med. 1895, 55, p. 465.
93) Graves, A case of lumbar nephrectomy for pyonephrosis. Philadelphia
med. News 1892, 22. Vgl. Wagner’s Ref. in Schmidt’* Jahrb., Bd. CCXLIV.
94) Güterbock, Die chirurgischen Krankheiten der Harnorgane. Wien 1898.
IV. Teil: Die chirurgischen Krankheiten der Niere.
95) Guy£pin, Gaz. m£d. de Paris 1896, 11. Aug.
96) Guyon, F., Die Krankheiten der Hamwege, II. Teil. Nach der III.
Aufl. übersetzt von O. Krauss und O. Zuckerkandl., Wien 1899.
97) Ders., Quelques remarques sur les pyon^phroses. Ann. des mal. des org.
g6n.-urin. 1895, 1.
98) Hackenberg, Fall von vollständigem Mangel der rechten Niere und
linksseitiger Nephritis. Berliner klin. Wochenschr. 1872, 22.
99) Hagen-Thorn, E., Ueber frühzeitige Diagnose paranephritischer Abscesse.
Centralbl. für Chir. 1886, 28, p. 487.
100) Hai per n, Ueber den reflektorischen Einfluss der chronischen Reizung
des Blasenhalses auf die Nieren. Festschrift für Prof. I. Neumann, 1900.
101) Ham, O. F., A case of Pyelo-Nephritis. Bost. med. and surg. Journ.
1880, 17. Juni.
102) Hanne ca rt, Nephrectomie chez une femme de 70 ans. (Pyon^phrose.)
Journ. mW. de Bruxelles 1897, Avril. Vgl. Wagner’s Ref. in Schmidt’s Jahrb.,
Bd. CCLXVI.
103) Harrison, The Lancet 1898, 26. Juni.
104) Heaton, Nephrectomy. Brit. med. Journ. 1901, 2. Febr.
105) Herczel, E., Ueber Nierenexstirpation. Beitr. zur klin. Chir. 1890,
P- 319 *
106) Ders., Pester med.-chir. Presse 1901, p. 13 u. 14.
107) Hermann, Ein Fall von Perinephritis mit Eiterung und Durchbruch
in die Lungen. Petersb. med. Zeitschr. 1867, p. 232. Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahres¬
bericht 1868.
108) Herszky, E., Zur Diagnostik in der Nierenchirurgie. Med. Blätter
1902, I.
109) Ders., Fortschritte in der Nieren- und Ureterencbirurgie. Die Heilkunde
1902, auch Gyögyäszat 1902.
110) Heubner, cit. nach Israel.
111) v. Hippel, Ueber Nierenchirurgie. Deutsche med. Wochenschr. 1896,
1. Vereinsbeilage.
112) Hirschlaff, W., Deutsche med. Wochenschr. 1897, 38.
113) Hirtz, Double phlfcgmon perin£phretique suppur£e. Soc. m£d. des h6p.
1901, 28. Juni. Vgl. La Presse m6d. 1901, 55, p. 14.
114) Hogge, Pyon£phrose, n6phrotomie, mort dans l’anurie cinquante-huite
heures apr£s l’op£ration. Annal. des mal. des org. g^n.-urin. 1896, XIV, p. 165.
115) Hör toi 6s, Absens du rein. Lyon m6d. 1879, 17. Vgl. Virchow-
Hirsch’s Jahresb, 1880.
116) Howard, Observations on the character of the cells in the exsudation in
acute interstitial nephritis, with special reference to the presence of cells with eosino-
philic granulations. Amer. Journ. of Med. Science 1901, Febr.
117) Hübener, Pyonephrose. Deutsche med. Wochenschr. 1899, 5. Vereins-
beilage.
118) Hudson, Pyonephrosis of kidney with double ureter. Lancet 1892, Okt.
119) Jaksch, Prager Vierteljahrsschrift 1860. Cit. nach Senator.
119a) Illy6s, G. u. Kövesi, G., Orvosi Hetilap 1902, 14 u. 15.
120) Jessen, Hamburger Aerzleverein. Deutsche med. Wochenschr. 1902, 13.
121) Jordan, F., Zwei geheilte Fälle von Perinephritis purulenta. Pest,
med.-chir. Presse 1896, Nr. 10.
122) Jordan, R., On pyurie in young children with an illustr. case. Brit
med. Times and Gazette 1872, May n. Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahresb. 1873.
123) Jordan (Heidelberg), Die Entstehung perirenaler Eiterung aus pyämisch
metastatischen Nierenabscessen. 28. Kongr. der Deutschen Ges. f. Chirurgie. Vgl.
Centralbl. f. Chir. 1899, 27.
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124) Johnson, A. B„ Contribution to thc surgery of the kidney. Ann. of
Surg. 1899, 29.
125) Israel, James, Neue Beobachtungen auf dem Gebiete der Mykosen
des Menschen. Virch. Arch. 74.
126) Ders., Ueber Palpation gesunder und kranker Nieren. Berliner klin.
Wochenschrift 1887, 7.
127) Ders., Ueber den Einfluss der Nierenspallung auf akute und chronische
Krankheitsprozesse des Nierenparenchyms. Mitteil. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir.,
Bd. V, H. 3.
128) Ders., Was leistet der Ureterenkatheterismus in der Nierenchirurgie?
Berlin, klin. Wochenschr. 1899, 2, p. 34.
129) Ders., Chirurgische Klinik der Nierenkrankheiten, 1901.
130) Iversen, Beitrag zur Katheterisation der Ureteren beim Manne. Cen-
tralbl. f. Chir. 1888, 16.
131) Karewski, Ueber Nierenoperationen. Deutsche med. Wochenschr. 1895,
21. Literaturbeilage.
132) Keen, Perinephritic abscess; Operation, recovery. Internat. Clin. 1893,
IV, 2. VgL Wagner’s Ref. in Schmidts Jahrb., Bd. CCXXIV.
133) Kellermann, Nierenverletzung und paranepbritischer Abscess durch
Muskelzug. Deutsche Militärärztl. Zeitschr. 1901, 2.
134) Kelly, The treatment of pyoureteritis and pyonephrosis by ureteral and
renal catheters. Bull, of the John Hopkins Hosp. 1895, VII, 59, 60.
135) Knöpfelmacher, Demonstration in der k. k. Ges. der Aerzte zu Wien,
7. März 1902.
136) Koränyi, A., Vgl. die zahlreichen Arbeiten. Oiv. Het. 1901, 19.
Festschrift für F. v. Koränyi.
137) Körte weg. Zur Entspannungsincision bei Nierenleiden. Mitteil. a. d.
Grenzgebieten der Med. u. Chir. 1901, p. 596.
138) K reib ich, Zur Aetiologie abdomineller Abscesse. Wiener klin. Wochen¬
schrift 1896, 39.
138a) Kretz, Wiener klin. Wochenschr. 1899. 41.
139) Kümmel, Zur Resektion der Nieren. XXII. Chirurgenkongress 1893.
140) Ders.. Verhandl. d. Deutsch. Ges. f. Chir. 1900 u. 1901.
141) Ders., Hamburger Aerzteverein, Jan. 1902. Vgl. Deutsche med. Wochen¬
schrift 1902, 13.
142) Küster, Berl. klin. Wochenschr. 1888, 14.
143) Ders., Die konservativen Operationen bei Stauungsgeschwülsten. Central¬
blatt f. d. Krankh. d. Ham- u. Sexualorg., Bd. V, p. 577.
144) Ders., Die chirurgischen Krankheiten der Nieren. Deutsche Chir. 1897.
145) Ders., Kongress der deutschen Ges. f. Chirurgie 1901.
146) Landau, Berl. klin. Wochenschr. 1888, 18. Cit. nach Israel.
147) Landsteiner, Zur degenerativen Veränderung der Nierenepithelien.
Wiener klin. Wochenschr. 1901, 956.
148) Lamvers, Pyon6phrose streptococdque a m£tastases multiples. Gu6-
rison. Soc. belg. de Chir. 1899, Febr. Vgl. Wagner’s Ref. in Schmidt’s Jahrb.,
Bd. CCLXVI, p. 192.
149) Le Den tu, Affections chirurgicales des reins, des ur6t£res et des cap-
sules surr^nales. Paris 1889, G. Masson.
150) Legras, Abc£s p6rin6phritique ouvert spontanement dans les voies uri-
naires. Gu£rison. I.’Union m£d. 1874, 52. Vgl. Virchow-Hirsch’s Jahrb. 1875.
151) Lejars, Les abces ante-r£naux. Revue de Chir. 1899, p. 599, Nov.
152) Ders., Les suppurations de la zone sous-phr£nique. La semaine m£d.
1902, 13, p. 97.
153) Lennander, Nord. med. Arch. 1901, I, H. 1. Nach Ref. von Hoff-
mann.
154) Ders. u. Sundberg, K., Perinephritis acuta post nephritidem ascen-
dentem gravidae. Upsala läkar. förenings förhandl., XXIX, 7 u. 8. Nach Ref.
von Ecksund.
155) Letzerich, vgl. Ziegler und zugleich Zeitschr. f. klin. Med., XIII, p. 33.
156) Levis, Some interesting genito-urinary specimens. Med. Rec. 1899,
18. Nov.
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157) Lewin, L. u. Goldschmidt, H., Versuche über die Beziehungen
zwischen Blase, Harnleiter und Becken. Virchow’s Archiv, Bd. CXXXIV.
158) Lewy, Ch., vide Tuffier.
159) Lilienthal, The diagnosis and txeatments of surgkal renal disease.
Ann. of Surg. 1896, März.
160) Lindner, Beiträge zur Nierenchirurgie. München, med. Wochenschr.
1901, 48.
161) Litten, Zeitschr. f. klin. Med. 1882, IV, p. 191.
162) Ders, Bcrl. klin. Wochenschr. 1898, p. 983.
163) Lohmer, H , Operative Heilung eines durch Gravidität komplizierten
Falles von Pyonephrose. Inaug.-Diss., Greifswald 1898.
164) Lotheissen, Beitrag zur Nierenchirurgie. Arch. f. klin. Chir., LH, p. 721.
165) Ders., Ueber periherniöse Phlegmone. Wiener klin. Wochenschr. 1902, 8.
166) Loumeau, Abces p£rinephritique ouvert dans les bronches. Journ. de
m£d. de Bordeaux 1891, 41. Vgl. Schmidt’s Jahrb. 1892.
167) Lucas, Abscess of kidney traited by aspiration. Lancet 1878, 28. Sept.
168) Ly mann, G. H., Perinephritic abscess. Bost. med. and surg. Journal
1882, 25. May.
169) Maas, H., Die eiterigen Entzündungen der Nietenfettkapsel. Volk-
mann’s klin. Vortr. 1897, Nr. 170.
170) Mal lins, A case of Large Perinephritic abscess with unusuell Sequ.
Lancet 1901, 5. Oct.
171) Malmsten, Fall af perinefritis med Perforation af diafragma och exsudat
in vestra lungsäcken. Hygiea 1872. Nach Ref. von Trier.
172) Mandry, Zur Kasuistik der Nierenchirurgie. Memorabilien 1898, XLII,
I. Vgl. Wagner’s Ref. in Schmidt’s Jahrb., Bd. CCLXVI, p. 74.
173) Marcuse, B., Ueber Pyelitis und Pyelonephritis auf Grund von Gonorrhoe.
Monatsber. f. Urologie 1902, VII, 3.
174) Marfan, Kryoskopie bei chronischer Nephritis im Kindesalter. La
Presse med. 1901, p. 193.
175) Mauny, Semaine m£dicale 1896, XVI, 53.
176) Mc. Arthur, Med. Detroit 1901, März.
177) Mc. Nico 11 , Brit. med. Journ. 1895, 20. April.
178) Melchior, M. t Monatsber. über die Gesamtleist, a. d. Geb. d. Harn-
u. Sexualorg. 1899, H. 10. Vgl. auch Centralbl. f. Krankh. d. Ham- u. Sex. 1898, 5.
179) Mendelsohn, M., Berl. klin. Wochenschr. 1899.
180) Merk len, Recherches sur les fonclions du foie et du rein dans les
gastroent^rite et quelques autres maladies infectieuses. Th£se, Paris 1901.
181) Michailow, Ein paranephritischer Abscess mit Perforation ins Duo¬
denum. Petersb. med. Wochenschr. 1898, 6.
182) Milian, Le cvtodiagnostic des urines renales. Soc. de Biol. 1901,
XXIII, 30.
183) Mohr, Pyonephrose. München, med. Wochenschr. 1896, 13.
184) Ders., Mitteil. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir., VI, p. 634.
184a) Monod, Ch., vgl. Tuffier u. Levy, Ch.
185) Monti, A., Internat, klin. Rundschau 1893, 12 u. 13.
186) Moxon, On recovery front surgical suppuration of the kidney. Transact.
of the path. soc., XXIII, p. 175.
187) Morris, H., The Hunterian lectures on the surgery of the kidney. Brit.
med. Journ. 1898, 26. March.
188) Mynster, H.. Annal. of surg. 1901, Aug.
189) Neumann, A., Eine entfache Methode, den Urin beider Nieren beim
Weibe gesondert aufzufassen. Deutsche med. Wochenschr. 1897, 43 u. 44.
190) Newmann, vgl. Ref. Wagner’s in Schmidt’s Jahrb., Bd. CCLXVI,
p. 192.
191) Niebergall, Die primären und die sekundären Eiterungen in dem die
Niere umgebenden Fettbindegewebe. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1896, XXV, 8.
192) Nieden, G„ Ueber Perinephritis. Deutsches Arch. f. klin. Med. 1878,
XXII.
(Schluss der Literatur folgt.)
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Nierenabscess und Pyonephrose.
1. Nomenklatur.
Wenn wir — die bekannte Definition Albertus 8 ) festhaltend
— unter Abscess nur eine abgeschlossene Höhle verstehen, deren
Inhalt aus Eiter besteht, müssen wir uns unter Nierenabscess
eine Eiterhöhle im Nierenparenchym vorstellen.
Ray er 225 ) hat die Retentionsgeschwülste der Niere, deren In¬
halt aseptisch war, mit dem Namen Hydronephrose belegt, und
Roberts mit dem Worte Pyonephrose die Retentionsgeschwülste
eitrigen Inhaltes bezeichnet.
Die meisten Autoren, Ebstein 57 ), Ewald 62 ), Rosenstein 289 ),
Senator* 56 ) und andere haben an dieser Nomenklatur festgehalten.
In neuerer Zeit ist das Bestreben zu bemerken, diese Terminologie
zu verbessern; denn es gibt nicht selten Hydronephrosen, in denen
nicht nur Wasser, und ebenso häufig Pyonephrosen, die ebenfalls
nicht ausschliesslich Eiter enthalten.
Schmid 248 ) definiert die Pyonephrose als eine Dilatation des
eiterhaltigen Nierenbeckens, und Ziegler 806 ) versteht unter Pyo¬
nephrosen die mit dem Nierenbecken kommunizierenden Abscess-
höhlen der Niere.
Küster 148-144 ) aber fasst die Hydro- und Pyonephrosen unter
dem Namen Sackniere (Cystonephrose) zusammen, da zwischen
diesen beiden Affektionen eine Grenze nicht zu finden sei. Wagner 289 )
stimmt diesem Vorschlag zu, während Güterbock 94 ) die beiden
Begriffe zu trennen wünscht. Nach G üterboc k *• c ) ist unter
primärer Pyonephrose die Ansammlung von Eiter im Nieren¬
becken, unter sekundärer Pyonephrose des Endstadium der
eitrigen Prozesse in der Niere zu verstehen, gleichgültig, ob dieser
Zustand eine Folge von Rindenabscessen oder der eitrigen Pyelo¬
nephritis sei. Sowohl die primäre, als auch die sekundäre Pyo¬
nephrose wird von Güterbock jedoch nur von einheitlichem
Gesichtspunkte, als eitrige Umschmelzung des Nierenparenchyms
betrachtet.
Auch Israel 129 ) führt aus, dass mit der Küsterischen All¬
gemein bezeichn ung „weder in morphologischer Hinsicht den ana¬
tomischen Veränderungen der meisten Fälle, noch der pathogenetisch
erforderlichen Trennung zwischen aseptischen oder infizierten Uro-
nephrosen (Hydronephrosen) und primären Pyonephrosen Rechnung
getragen worden“.
Die Aetiologie müsse nach Israel zum Ausgangspunkte der
Terminologie gewählt werden. Dieser Autor schlägt nun vor, unter
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Hydro- oder Uronephrosen Retentionszustände zu verstehen,
welche, auf Grund eines primär vorhandenen Abflusshindernisses ent¬
standen, zunächst aseptisch waren, spater infiziert sein können,
während unter Pyonephrosen solche Fälle zusammenzufassen seien,
<lie ohne aseptische Retention „un mittelbar aus einem infektiös
entzündlichen Prozesse hervorgegangen sind, welcher entweder gleich¬
zeitig zum Abflusshindernis geführt hat oder diesem vorangegaugen ist“.
Die Zwischenglieder mit allen Abstufungen der Harutrübung
und Zersetzung harren, wie Israel 1 - c ) sagt, noch einer treffenden
Benennung.
Bei kritischer Betrachtung der vorliegenden Literatur muss
tnan sich daher stets die Frage vorlegen, ob es sich um eine sekundär
infizierte Hydronephrose oder aber um einen primär entzünd¬
lichen Prozess mit sekundärer Verhaltung der Producte
handle.
Die Beantwortung dieser Frage ist insbesondere in der Praxis
von grosser Bedeutung. Bei den Hydronephrosen beispielsweise, die
später infiziert werden, übernimmt die zweite Niere recht häufig den
kompensatorischen Dienst, was bei primär infektiösen Erkrankungen
der Niere mit Ausgang in Pyonephrose vermisst wird.
Auch vom pathologisch-anatomischen Standpunkt sind, wie
wir es im Laufe dieser Abhandlung auszuführen Gelegenheit haben
werden, die Retentionsprozesse der Niere nicht unter einen Sammel¬
ausdruck zu bringen.
Wir müssen ferner, wenn es auch in der Praxis in den meisten
Fällen unmöglich ist, zwischen Nierenab sc ess und Pyonephrose
einen prinzipiellen Unterschied hervorheben, als wir beim ersteren
Prozess nur das Nierenparenchym beteiligt wissen wollen, während
bei dem letzteren Prozess stets die Beteiligung des Nierenbeckens als
feststehend bezeichnet werden muss.
2. Aetiologie und Pathogenese.
Die infektiösen Erkrankungen der Niere (Nephritis suppurativa,
mycotica, bacteritica) können nach H. Schmid 248 ) auf zweifachem
Wege entstehen: 1. durch direkte Infektion, wozu er a) Ver¬
letzungen, Stich, Schuss etc., b) Blutinfektion (Sepsis) primärer oder
metastatischer Natur, c) noch Embolie rechnet, ferner 2. durch in¬
direkte Infektion, die a) durch Uebergreifen der Eiterung vom
Nierenbecken auf das Nierenparenchym, b) durch Uebergreifen der
Eiterung aus einem Nachbarorgan durch das Nierenbecken hindurch
auf die Niere selbst, endlich c) durch Entwickelung des Eiterprozesses
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17
in der Niere im Anschluss au Steine, Tuberkulose, Lues, Tumoren,
A ktinomykose, Echinococcus etc. bedingt ist.
Steven* 67 ), dessen Studien zur Pathologie der Niereneiterungen
auch heute noch Beachtung verdienen, unterscheidet I. metastatische
Abscesse, die 1. klein, multipel und symmetrisch besonders iu der
Rinde (insbesondere bei Pyämie), oder 2. grösser, eventuell einseitig
verkommen (zuweilen bei ulceröser Endocarditis). Zur Abteilung II,
die durch die eitrige Entzündung der „unterhalb gelegenen Harn¬
organe“ bedingt ist, rechnet er a) die das ganze Organ durch¬
setzenden, durch aufsteigende Fortpflanzung entstandenen miliaren,
multiplen Abscesse, b) die grösseren entweder nur im Nierenparen¬
chym liegenden oder mit dem Nierenbecken verbundenen (Pyo-
nephrose) Abscesse.
Senator* 56 ) ergänzt diese Tabelle, indem er vier Punkte der
Einteilung zu Grunde legt: 1. Direkte von aussen her perforierende
oder bis in die Nieren reichende Verletzung; 2. die Eiterung per
contiguitatem von der Fettkapsel aus; 3. der von den Harnwegen
aus aufsteigende Prozess bis zu den Nieren; 4. die Metastasen, nach
Embolie in den Lungen oder durch den von Recklinghausen** 6 )
angegebenen Weg des rückläufigen Transports von der Vena cava aus.
Einfacher klingt die Einteilung Israel’s 1 * 9 ), die wir auch bei
unserer Besprechung einhalten wollen. Er unterscheidet zwei Wege
der Infektion. Auf dem 1. urogenen Wege wandern die In¬
fektionsträger „entgegen der Richtung des Harnstromes“, während
2. auf hämatogenem Wege die Keime durch den Blutstrom bis in
die feinsten Zellteile des Nierenparenchyms verschleppt werden.
Albarran 1- *) bezeichnet den urogenen als den „aufsteigen¬
den“ und den hämatogenen als den „absteigenden“ Weg.
Bei der urogenen Infektion spielt die Erkrankung des Uro¬
genitaltraktes mit hauptsächlicher Beteiligung der Blase eine
grosse Rolle.
J. Goodhart 87 ) hat über die Häufigkeit der Niereneiterungen
auf Grund eines 19jährigen Materials in Guy’s Hospital folgende
interessante Zahlenbefunde gemacht.
(Tabelle siehe umstehend.)
Goodhart'- c ) führt die unmittelbare Ursache der Niereneiterungen
auf mechanische Abflusshindernisse des Harnes zurück, was heute
selbstverständlich nur als mittelbar angenommen werden muss.
Immerhin ist aus dieser Tabelle — neben anderen recht interessanten
Daten — auch für unsere jetzt zu behandelnde Frage zu ersehen,
Centralblatt f. d. Gr. 1. Med. u. Chir. VI. 2
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18
Darunter
Name
der ursprünglichen
Krankheit
Zahl
der
Autopsien
Nieren¬
eiterung
Nieren¬
entzündung
und
-Schrumpfg
Hydro-
nephrose
Niere
gesund
Striktur.
IOO
4 i
18
3
34
Prostatahypertrophie ....
27
20
3
7
I
Blasenstein.• .
44
3 i
8
1
4
Blasenkrebs.
«4
6
5
2
1
Gebärmutterkrebs.
29
6
12
11
Lageveränderungen u. Geschwülste
des Uterus.
7
3
4
Allgemeine Lähmungen . . .
5 h
26
4
—
24
dass über die Hälfte dieser Fälle an eitriger Nierenaffektion litt und
auch daran zu Grunde ging.
Durchweg ging der Niereneiterung eine Erkrankung der Blase
voraus, nur in fünf Fällen war die Blasenerkrankung die Folge einer
primären Nierenabscedierung.
Von den 19 Pyonephrosen, über die Israel 127 ) 1 - c ) berichtete,
waren erkrankt
infolge v. Cystitis unbekannter Ursache 1 (Frau)
„ „ „ gonorrhoica 4 (Männer)
„ „ „ puerperalis 3 (Frauen)
„ „ „ nach Erkrankung d. Genitalien 3 (Frauen)
„ „ vorausgegangener Calculose 1 (Frau)
„ „ unbekannter Aetiologie 7 (3 Männer u. 4 Fr.).
Unter 57 Fällen eitriger Nephritis fand Repetzki 229 ) 25mal
Miterkrankungen der Harnleitungsapparate, neunmal Anomalien der
Respirationsorgane und fünfmal Herzleiden vor.
Von anderweitigen Komplikationen interessieren die Leber¬
erkrankungen (achtmal), und in 14 Fällen waren Gehirnkrankheiten
zu konstatieren.
Der urogenen Infektion soll nach dem anatomischen Bau des
Eintrittsgebietes der Ureteren in die Blase entsprechend ein natür¬
licher Schutz gegen die Invasion von nicht hinzugehörenden auf-
steigenden Keimen dadurch gegeben sein, dass die Ureteren sich
schräg in die Blasenwand einfügen. Es ist gerade auch nicht not¬
wendig, dass der Detrusor vesicae paralysiert sei, um die Infektion
zu befördern. Warschauers 293 ) Optimismus, der sich darin doku¬
mentiert, dass er dem Ureterenkatheterismus und dessen eventueller
Schädlichkeit durch die physiologisch regelmässig abträufelnde Harn¬
menge aus den Ureteren einen Hemmschuh auferlegt glaubt, wird
durch die Thatsachen der mitunter trotz aller physiologischer Schutz¬
es
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Vorrichtungen rasch und fürchterlich auftretender, aufsteigender Er¬
krankungen widerlegt.
Gerade bei gonorrhoischen Affektionen ist es wahrlich nicht
angebracht, mit Sonden und Kathetern kritiklos zu arbeiten. Man
mag sogar Harrisou’s 10S ) Anhänger sein, der dem Gonococcus
speziell keine so grosse — insbesondere für die Niereneiterungen —
Wichtigkeit zumisst, so wird man nicht vergessen dürfen, dass die
Mischinfektionen gerade bei Gonorrhoe nicht zu den Seltenheiten
gehören, die lediglich auf instrumenteile Behandlung zurückzuführen
sind (Johnson 124 ), Israel 128-129 ). Rose 289 *) berichtet über einen
Fall, in dem der Versuch, die Ureteren zu katheterisieren, in drei
Tagen zu Sepsis führte.
Obtulowicz 198 ) berichtet beispielsweise über einen Fall von
vernachlässigter Gonorrhoe bei einem 22 jährigen Mann, bei welchem
es innerhalb zweier Jahre zu Nierenabscessen mit nachfolgender
Lendennierenfistel kam. Moxon 186 ) sah bei einem 47jährigen Mann
nach infolge von Strikturen aufgetretenen Harnröhrenfisteln zahlreiche
Absce8schen in der Nierenrinde zur Entwickelung gelangen.
In den 12 von Lotheissen 164 ) zusammengestellten Fällen von
Pyonephrose konnte die gonorrhoische Aetiologie nicht festgestellt
werden.
Bei einem zehnjährigen Knaben (!) entwickelte sich doppelseitige
eitrige Nephritis auf gonorrhoischer Basis. Gerster 81 ) versuchte
Nephrotomie. Der Knabe ging jedoch zu Grunde.
Ullmann 278 ) publizierte mehrere Fälle von Nierenabscessen,
die im Anschluss an Prostatitis gonorrhoica entstanden sind.
Auch Levis 166 ) konnte in drei Fällen von Gonorrhoe die Ent¬
wickelung von Nierenabscessen beobachten. So sind auch die Fälle
von Cumston 60 ), Schede 247 ), Schneider 211 ), Herczel 106 ), Asch¬
hoff 6 ) und Schmidt 249 ) auf Gonorrhoe zurückgeführt worden, ob¬
wohl der bakteriologische Befund in den meisten Fällen negativ
ausfiel *).
Die aufsteigenden Pyelonephritiden führen selten zur Bildung
grosser Abscesshöhlen in der Niere. Apert 6 ) beschreibt einen Fall
von Pyelonephritis, die in kurzer Zeit zur vollständigen Vereiterung
der Niere führte. Israel 1271 ®) konnte nur zwei derartige Fälle
verfolgen. Infolge von Gonorrhoe stellte sich bei dem einen Pat.
*) Gerade bei Abschluss des Manuskriptes (14. April 1902) gelangte die schöne
Arbeit Bernhard Marcuse’s m ) in meinen Besitz, der eine lesenswerte, auch für
ansere hier behandelte Frage nicht unwichtige Zusammenstellung der Literatur über
Pyelitis und Pyelonephritis auf Grund von Gonorrhoe liefert und durch
einige Fälle aus Casper’s Klinik bereichert.
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vor etwa 13 Jahren Cystitis ein, welche nach zweimonatlicher Be¬
handlung angeblich heilte. Die Blasenbeschwerden traten jedoch
wiederholt auf. Aus der nephrotomierten Niere eröffneten sich zwei
grosse putride Abscesshöhlen, die mit dem Nierenbecken nicht in
Verbindung waren.
Wyss 301 ) spricht neben der Tuberkulose der Gonorrhoe die
grösste ätiologische Bedeutung für die Eiterungsprozesse in der
Niere zu.
Die Lithiasis als ätiologisches Moment übersteigt an Häufig¬
keit die Gonococceninfektion. Bardenheuer 18 ), Dickinson 51 ),
Doran 55 ), Tuffier 878 ) und viele andere geben zu, dass die Steine
entweder im Ureter oder im Nierenbecken und auch im Nieren¬
parenchym teils Retentionszustände, teils aber direkt Eiterungen ver¬
ursachen. Küster U2 ~ U8 ) führt die Entstehung der von ihm be¬
nannten Sackniere neben Gonorrhoe teils auf Steinbildung, teils
auf narbige Verengerung des Harnleiters, teils auf Faltenbildung
in der geschwollenen Schleimhaut des oberen Harnleiterabschnittes
zurück.
Es kann aber auch die Niere um ihre Längsachse gedreht sein
und dadurch der Ureter komprimiert werden, wie z. B. in einem
von Hackenberg 98 ) mitgeteilten Falle, der auch wegen der allmäh¬
lich auftretenden Anurie besonderes Interesse verdient.
Die Obduktion ergab nämlich, dass die rechte Niere fehlte,
ln der linken Niere waren zahllose punktförmige, lineare Abscesschen
zwischen den Tubulis rectis der Pyramiden.
Küster 1 ') meint, dass sich unter dem wachsenden intra¬
renalen Druck die Niere um ihre Längsachse nach aussen dreht,
so dass der Harnleiter an den vorderen Umfang der Geschwulst
gerathe und dort vollständig komprimiert werden könne.
Dass bei' Abwesenheit der zweiten Niere in solchen Fällen
Anurie eintreten muss, ist klar.
Die Erklärung IsraeFs 187 ), der zur Entstehung der sogenannten
Sackniere dynamische Ursachen, wie Insufficienz der Muskulatur
des Nierenbeckens und der Nierenkelche, heranzieht, kann bei Be¬
trachtung der Pathogenese der Pyonephrosen auch berücksichtigt
werden.
Dass die Wandernieren mit den Knickungen der Harnleiter
oder aber fehlerhaften Insertionen derselben auch zu Retentions¬
prozessen neigen, haben schon Cohn heim 46 ) und auch Landau 146 )
hervorgehoben.
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Besonders harte Steine geben zur Bildung von Eiterhöhlen in
der Niere Anlass. Die Ursache der von Noble 198 ) beschriebenen
Pyonephrose war ein Oxalatstein im Nierenbecken. Der Stein macht
auch in dem durch ihn verwüsteten Gewebe Wanderungen. Ogle 200 )
teilt einen Fall von Nierenabscess mit, in welchem ein Stein in den
unteren Teil der mit der Niere verwachsenen Flexura coli dextra
überging (vergl. auch Johnson*)).
Steven 267 ) sah von einer im Nierenbecken inkrustierten
Schweinsborste Pyonephrose entstehen.
Bei den Frauen wird die Prädisposition in vielen Fällen durch
die Schwangerschaft und deren krankhafte Folgen und Komplikationen,
sowie auch durch die pathologischen Prozesse des Urogenitaltraktes
gegeben.
Dowse 56 ) berichtet über ein 18jähriges Mädchen, welches
während der Gravidität über Schmerzen in der Lumbalgegend klagte
und nach der Entbindung an einem an Purpura hämorrh. erinnernden
Exanthem erkrankte. Die Punktion der Niere ergab jauchigen Eiter, so
dass Dowse mit Leichtigkeit seine schon früher gestelle Diagnose
auf Nierenabscess aufrecht erhalten konnte. Die Fälle von Ande-
rodias 4 ), Karewski m ), Prochownik 2l7 ), Göbrak 79 ), Wanner 292a )
werden auch auf die Schwangerschaft und das Wochenbett zurück¬
geführt.
Tuttle, Reynolds und Bergen 277 ) beobachteten an einer
34jähr. Frau, die seit Jahren an einer Cystitis, die mit Gebär¬
mutterknickung in Verbindung gebracht werden konnte und häufig
einem Ureterenkatheterismus ausgesetzt wurde, die Entwickelung
einer Pyonephrose. welche die Exstirpation der ganzen Niere zur Folge
hatte. — Weitz 292 ) schildert den Vorgang einer Nierenabscedierung
mit nachfolgender Fistelbildung, die sich unmittelbar nach einer
Zangengeburt einstellte. — Auch Israel 1271 -*•) veröffentlicht
einen Fall, der uns noch bei der Besprechung der Diagnose inte¬
ressieren wird, in welchem beim Versuch eines kriminellen Aborts
des Collum uteri perforiert wurde. Bei Exstirpation des Uterus
wurde der rechte Ureter verletzt. Es entwickelte sich eine Mast¬
darm-Blasenfistel und eine Mastdarm-Scheidenfistel. Endresultat:
septische Nephritis der linken Niere.
Auch direkt durch die Ureteren kann, mit Hinweglassung des
Weges durch die Blase, eine Infektion der Niere stattfinden. Cardyn 89 )
*) Von Johnson’s 1 * 4 ) neun Pyonephrosen (von 80 Nieren Operationen) sind zwei
nach Steineinklemmung im Ureter, eine nach Katheterinfektion und sechs als End¬
produkte von Nierenabscessen entstanden.
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demonstrierte eine Niere, die operativ entfernt wurde, deren BeckeD
mit Eiter gefüllt und das Parenchym von Abscessen durchsetzt war.
Die Patientin, von welcher das Präparat stammte, wurde seiner Zeit
wegen Uterusfibroms operiert und litt seither an einer Uretero¬
vaginalfistel, von welcher aus mit der ascendierenden Pyelonephritis
auch Abscedierung des Nierenparenchyms erfolgte.
Heaton 104 ) unternahm an einer 34jähr. Frau, an welcher vor
drei Jahren Uterusexstirpation vorgenommen wurde, wegen rechts¬
seitiger Pyonephrose eine transperitoneale Nephrektomie.
Knöpfeimacher 185 ) berichtet von einem Fall, der uns noch
beschäftigen wird, wo die Niereninfektion unmittelbar von der Vagina
ausging.
Von den traumatischen Verletzungen mit postsequenter
Niereneiterung sei vorerst an die vielcitierte Arbeit Singer’s* 58 )
hingewiesen. Die Nierenquetschung führte erst nach sieben
Jahren zur Vereiterung. Gewiss gab der von dem Patienten durch¬
gemachte Typhus unmittelbar die Veranlassung zum Ausbruch des
Prozesses.
Im Falle von Plessing 208 ) kam es sechs bis sieben Monate
nach dem Trauma zur Bildung eines Abscesses in der Niere.
Dass eine leichte Nierenquetschüng, die anfangs symptorolos
verlief, nach einigen Tagen schon zu schweren Niereneiterungen
führen kann, ersehen wir aus Oehleris 199 ) Fall. Ein 38jähr. Mann
stürzt von einer Leiter herab. Die nach sechs Wochen vorgenommene
Nephrektomie bestätigt die Diagnose auf Nierenabscess. Die ex-
stirpierte Niere enthielt zahlreiche Abscesse. Das nicht vereiterte
Gewebe war im Stadium parenchymatöser und interstitieller Ent¬
zündung.
Nach Quetschung der linken Nierengegend beobachtete Stein¬
thal 2 * 8 ) die langsame Entwickelung einer sehr schmerzhaften Ge¬
schwulst; nach dreiviertel Jahr Punktion, die drei Liter Eiter aus
der Niere zu Tage fördern liess.
Bei einer Tänzerin konstatierte Legras 150 ) infolge Ueber-
anstrengung (!) die Entwickelung eiteriger Prozesse in der Niere.
Dieselbe Aetiologie nimmt auch Robin an und ergänzt sie noch
durch den seit jeher als ätiologisches Verlegenheitsmoment (sit venia
verbo) geltenden Faktor Erkältung.
Das Uebergreifen eines benachbarten Entzündungsherdes braucht
gerade nicht ausschliesslich von den Harnwegen auszugehen. Das
Uebergreifen primärer peri- oder paranephritischer Prozesse kann, wie
wir ja sehen werden, auch die Niere zur Vereiterung bringen.
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Häufig können auch von der Wirbelsäule aus eiterige Pro¬
zesse auf die Niere übergreifen. Schon Ogle* 00 ) fand bei der
Obduktion eines Falles, dass sich hinter der linken Niere ein grosser
Abscess befand, dessen Eiter sich durch zwei Oeffnungen in die
Blase senkte. Der Abscess war mit dem cariösen Lendenwirbel
verbunden resp. ging von demselben aus.
Auch ein Psoasabscess kann in die Niere perforieren und
sich daselbst weiter entwickeln. Robert Jordan m ) berichtet
über einen sechsjähr. Knaben, bei dem plötzlich grössere Quantitäten
Eiter in dem Harn auftraten. Bei der Obduktion erst konnte fest¬
gestellt werden, dass ein Psoasabscess in die linke Niere perforiert
war.
Es kann aber auch, wie uns aus Carlier’s 40 ) Beobachtung
klar geworden ist und wie es auch von Herczel 108 ) und Israel 127 )
beschrieben wurde, nach Nephrotomie zur Fistelbildung und
demzufolge zu einer Pyonephrose kommen.
Auch nach eiteriger Entzündung des perirenalen Gewebes
kann Durchbruch ins Nierenbecken und von hier ins Nierenparenchym
erfolgen, wie der von Waskiewitz 294 ) publizierte Fall lehrt.
Was die Art der Infektionskeime anbelangt, soll auf das
Kapitel „Pathologische Anatomie“ verwiesen werden. An dieser
Stelle genügt es, hervorzuheben, dass auch Reininfektionen von
Bacterinm coli in fünf Fällen, die von Wilms 80 °) gesammelt sind,
zu Pyonephrose auf dem Wege einer von einer Cystitis ausgehen¬
den ascendierenden Entzündung führte.
Das ßacterium coli spielt namentlich ,bei der hämatogenen
Infektion eine bisher noch nicht ganz geklärte, jedoch sehr wesent¬
liche Rolle*). Die Untersuchungen Posner’s 210 ) ergaben, dass bei
künstlicher Darmocclusion die ganze Niere, ja sogar der ganze
Organismus mit Colibacillen überschwemmt werden kann.
Am Menschen konnte Israel 127t - *•) als erster den Nachweis
der Posner’schen „kryptogenetischen Selbstinfektion“ führen.
Eine sechs Tage andauernde, unüberwindliche Verstopfung
führte zu offenkundiger hämatogener Infektion.
So beobachtete auch Riese 282 ) im Anschluss an Perityphlitis
Nierenabscesse.
*) Antnerkungsweise sei hier auf die Fülle von Bakteriurie hingewiesen, wie
sie von Predöhl* 16 ) und Räskai** 4 ) beschrieben wurden. Ohne nachweisbare Ursache
treten Bakterien im frisch gelassenen Harn auf. Predöhl beurteilt diese Fälle vom
Standpunkt der hämatogenen Infektion, die vom Bacterium coli aus eingeleitet wird.
Es kann zu Embolien und auch zu eiteriger Nephritis kommen.
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Auch Typhusbacillen können auf hämatogenem Wege zu
Pyonephrosen führen. Garnier und Lardennoia 77 ) beschreiben
einen derartigen sehr lehrreichen Fall. Ein 31jähr. Mann verspürte
während der Rekonvalescenz nach mittelschwerem Typhus abdominalis
im linken Hypochondrium Schmerzen. Schüttelfröste, die auftraten,
wiederholten sich in regelmässigen Abständen. Während derartiger
Anfälle wurden durch den Urin massenhafte, recht konsistente Eiter¬
klumpen entleert. Die Bacillen waren sowohl morphologisch, als
auch kulturell als echte Typhusbacillen zu erkennen. Die Widal’sche
Reaktion fiel auch positiv aus. Die Obduktion ergab erbsen- bis
mandarinengrosse Abscesse, die in den beiden Nieren zerstreut waren.
Das ganze Nierenparenchym war grösstenteils zerstört und durch
bindegewebige Stränge ersetzt. Aehnlich ist auch der Fall von
Füllet 72 ), bei welchem 10 Jahre nach überstandenem Typhus
Niereneiterungen entstanden. Nicht ganz geklärt ist der Fall von
Regnier 227 ).
Der Transport von Mikroorganismen in die Nieren kann
metastatisch auch aus den Entzündungsherden anderer Organe
stammen. Israel 127 °) hat bereits 1891 nachgewiesen, dass eine meta-
statische Nierenerkrankungen nach einem Karbunkel entstehen kann.
Er ergänzt in seinem klassischen Werke diese Erfahrung durch
einen Fall, bei welchem eine langjährige Furunkulose zu eitriger
Affektion der Nieren Anlass gab.
Interessant ist auch ein Fall von Lauwers 148 ). Nach Geburt
eines toten Kindes im siebenten bis achten Monate entwickelte sich
bei der Patientin eine Streptococcenpyonephrose mit multiplen
Metastasen (Erysipelas faciei, Parotitis, Vorderarmphlegmone).
Geradezu charakteristisch für den Beweis, dass hämatogene,
metastatische Erkrankungen der Nieren auch von den peripheren
Harn wegen aus, ohne aber den aBcendierenden Weg einzuschlagen,
erfolgen kann, ist der von Israel 12710 ) beschriebene Fall. Ein
60jähriger äusserst robuster, nicht zuckerkranker Mann litt seit
Jahren an mässigen Blasenbeschwerden mit unvollständiger Ent¬
leerung des Harnes, jedoch ohne nachweisbare Prostatahypertrophie.
Eines Tages kolikartige Schmerzen (nach einem Jagdausfluge) in der
Nierengegend. — Unter Schüttelfrösten, hochgradigem Fieber und
unmittelbar nach einer doppelseitigen Pneumonie erfolgte der Tod.
Die Sektion ergab ein missfarbiges, graugrünliches, blasiges
Becken der linken Niere, die angrenzenden Nierenkelche waren
ähnlich verändert. Im Nierenparenchym ein kirschengrosser, jauchiger
Abscess, welcher sich ins Nierenbecken öffnet. Von einer Exa-
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cerbation der vorher bestehenden Cystitis keine Spur. Ander¬
seits ist die Nierenerkrankung unter allgemeinen Zeichen mehrfacher
Metastasen (Lunge) und sogar einer frischen weichen Milzschwellung
erfolgt.
Nach Diphtherie kann es auch zur infektiösen Erkrankung
kommen, wie die Fälle von Letzerich 155 ) und Lymann 168 ) be¬
weisen. In letzterem Fall kam es sogar zur Vereiterung der Niere
und Perinephritis.
Lilienthal 159 ) berichtet über einen Fall von multiplen Nieren-
abscessen, die sich während einer nach Zahnextraktion aufgetre¬
tenen Pyämie entwickelten.
Ewing 63 ) beobachtete eine Nephritis bei Malaria, wobei,
massenhafte Parasiten aus der Niere ausgeschieden wurden.
Ob es aber nach dieser Erkrankung, sowie auch nach Schar¬
lach, Dysenterie, Gelenkrheumatismus (Ziegler 306 ) direkt
zu grösseren Eiterungsprozessen in der Niere kommen kann, kann
heute noch als nicht ganz geklärt betrachtet werden.
Die ulceröse Endocarditis spielt neben allen Eiterungs¬
prozessen, die zur Embolie führen, eine nicht unwesentliche Rolle
(Ullmann 276 ), Steven 267 )).
Zu metastatischen Eiterungen in der Niere können auch die
Aktinomykose und der Echinococcus Anlass geben. Hierher
gehören auch die Veränderungen von Neoplasmen in ihrer End¬
wirkung, sowie auch die tuberkulösen Prozesse in der Niere, Ver¬
eiterungen polycystisch degenerierter Nieren (Mohr 184 ) etc.
Diese Punkte jedoch werden oder sind schon teilweise vom
Referenten an dieser Stelle näher gewürdigt. Die tuberkulösen
Prozesse seien hier nur soweit berührt, als es gar nicht selten, trotz
tuberkulösen Habitus des Patienten, nicht gelingt, die spezifische
Natur des Prozesses festzustellen, wie z. B. im Falle von Grab-
szevicz 89 ).
Anderseits gelang es z. B. Feronelle 68 ), nachzuweisen, dass
die Tuberkulose in der Niere zür Bildung eines kalten Abscesses
führte, der sich in den Dickdarm entleerte, ohne dass vorher die
Aetiologie klargestellt werden konnte.
Die Frage, in welchem Verhältnis Alter, Geschlecht und
Beschäftigung an den Eiterungsprozessen in der Niere beteiligt
sind, kann annähernd den ätiologischen Momenten entsprechend be¬
antwortet werden.
Die echten Pyonephrosen bei Männern im Anschluss an Gonorrhoe
oder bei Frauen infolge von Schwangerschaft dürften naturgemäss
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vor Eintritt der Geschlechtsreife nicht zu beobachten sein. Israel 1 * 710 )
hat keinen einzigen Fall innerhalb der ersten beiden Decennien
feststellen können, während auf den gleichen Lebensabschnitt 15,5
Proz. der Hydronephrosenfälle kamen. Zwischen dem dritten und
vierten Decennium hatte Israel 47,3 Proz. seines Materials von
originären Pyonephrosen beobachtet. Die Verhältniszahl stieg in
noch späteren Zeitabschnitten und erreichte einen Höhepunkt von
53,6 Proz.
Den Einfluss „krankhaften Geschlechtslebens“ auf die Ent¬
wickelung der originären Pyonephrosen bei den Frauen schätzt der¬
selbe Autor auf 63,2 Proz., mit welcher Zahl die Frauen in der
Gesaratziffer der in die Kategorie gehörenden Krankheitsform parti¬
zipieren. Bei den Unverehelichten kann er nur 8,3 Proz, von
echten aufsteigenden Pyonephrosen feststellen.
In den 76 Fällen, die Guyon 97 ) überprüfte, verhielt sich das
weibliche Geschlecht zum männlichen wie 15 :11. Die rechte
Niere wac häufiger ergriffen als die linke. In Guyon’s Fällen waren
die rechte Niere 12mal, die linke lOmal und viermal beide Seiten
eiterig erkrankt.
Nach Guyon 1 ®) sind auch die auf hämatogenem Wege er¬
folgten Vereiterungen in den Nieren bei den Frauen häufiger
als bei den Männern und meist einseitig; anderseits liefern die
zahlreichen Prostatiker, mit Strikturen behafteten Männer das grösste
Kontingent der ascendierenden Pyonephrosen, die meist doppelseitig
sind. Diese Momente verdienen daher sowohl in therapeutischer als
auch in prognostischer Beziehung entsprechende Beachtung.
Die traumatische Aetiologie ist weder an ein bestimmtes Alter,
noch an Geschlecht, wohl aber grösstenteils an eine bestimmte Be¬
schäftigung gebunden. Die arbeitende Klasse, wie sie Senator* 56 )
nennt, und wie hinzugesetzt werden kann, die Bau-, Berg- und
Waldarbeiter kommen hierbei grösstenteils in Betracht.
Bei den metastatischen Prozessen in der Niere kann man wohl
noch weniger von Alter, Geschlecht und Beruf sprechen. Allerdings
ist die Mehrzahl der Patienten in der Regel in höherem Alter,
doch kann man sogar bei Neugeborenen schon infolge von Puer¬
peralfieber oder vom Nabel aus ausgehender Pyämie Nierenabscesse
finden (Senator 1 *).
3. Pathologische Anatomie.
Die Infektionskeime gelangen, wie Albarran 1 ) in seiner
trefflichen Studie ausführt, in aufsteigender oder absteigender (durch
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das Blut) Weise in die Nieren. — Die Hauptrolle spielten unter
den 25 von Albarran untersuchten Fällen 16 mal das Bacterium
coli, welches in sieben Fällen mit Streptoccus pyogenes oder anderen
Mikroorganismen gemengt war.
Savor 244 ) gelangt nach der bakteriologischen Untersuchung
von 17 Fällen akuter Pyelonephritis mit nachfolgender Abscess-
bildung, bei weloher das Untersuchungsmaterial direkt aus den Abs-
cessen geholt wurde, ebenfalls zu der Ueberzeugung, dass das
Bacterium coli der Haupterreger der Eiterprozesse war, und nur
ausnahmsweise konnte er den Streptococcus pyogenes oder den Pro¬
teus Hauser vorfinden.
An 24 Krankengeschichten und an acht Tierversuchen konnte
auch Wunschheim 30tt ) die Nephritis suppurativa in der Regel auf
Colibacillusinfektion und nur seltener auf andere Eitercoccen zurück¬
führen. Zu ähnlichen Resultaten gelangte Aschoff.
Rovsing 242 ) hingegen verficht auf Grundlage eines schönen
Materials von 200 Fällen den Standpunkt, dass dem Bacterium coli
viel weniger die Bedeutung zukomme, als den harnstoffzersetzenden
Bakterien (Staphylococcus pyogenes aureus et albus, Proteus Hauser,
verschiedenen anderen pyogenen und nicht-pyogenen Diplococcen
und Bacillen).
Das Bacterium coli ist in der Blase, solange keine Kontinuitäts¬
trennung vorhanden ist, vollständig harmlos und erzeugt in patho¬
logischen Fällen nur leichte Erkrankungen, die höchstens zu Bac-
teriurie führen. — Mit dem Blute in die Niere gelangt, kann es nur
dann Entzündung erzeugen, wenn infolge Stein- oder Harngriesab¬
lagerungen Verletzungen vorliegen.
Die Eiterprozesse in der Niere führt Rovsing 10 ) hauptsächlich
auf die Wirkung harnstoffzersetzender Bakterien zurück.
Einen ganz entgegengesetzten Standpunkt nimmt Max
Melchior 178 ) ein, der sich Savor’s und Wunscheims's Beobach¬
tungen gleichlautend ausspricht.
Beiduel 21 ) kultivierte bei einer doppelseitigen eiterigen Pyelitis
Bacterium coli aus dem Urin.
Die Versuche Posner’s, die noch fortgesetzt wurden (Posner
und Cohn 212 ' 218 ), dürften der Majorität recht geben. Nach Rectal¬
unterbindungen traten entzündliche Veränderungen der Niere ein,
mit besonderer Beteiligung der Glomeruli, indem sich eine Glomeru-
litis und Epithelnekrosen entwickelten. Am Menschen hat, wie ich
schon hei Besprechung der Aetiologie hervorhob, Israel den Vor¬
gang, bestätigen können. Posner 210 ) injizierte auch Colibacillen
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in die Blutbahn und beobachtete nachher eine prompt auftretende
Nierenentzündung mit Cylinderbildung.
Auch Pousson 214 ) gelang es in einem Fall von eiteriger inter¬
stitieller Nephritis, die colibacilläre Natur des Prozesses festzustellen.
— Die klinischen Beobachtungen Heubner’s 110 ), Baginsky’s 10 )
und Monti’s 185 ) haben gleichfalls dargethan, dass bei Kindern unter
dem Einflüsse krankhafter Zustände der Darmverdauung metasta¬
tische Nierenaffektionen Vorkommen können.
Experimentell haben L. Lewin und Goldschmidt 157 ) den
Weg des aufsteigenden Processes bis zur Niere durch forcierte
Blaseninfektionen bei Kaninchen festgestellt. Es genügt oft die
Ligatur der Harnröhre. Den Autoren zufolge übernehmen anti-
peristaltische Bewegungen nach primärer Oeffnung des Ureter-
muudes den Transport nach oben.
Wie rasch die ins Blut geratenen Bakterien auf die Niere
wirken, ersieht man aus den Untersuchungen von Pernice und
Scagliosi 205 ), die Bouillonkulturen von pathogenen und nicht
pathogenen Bakterien (Bac. pyocyaneus, Staphyloc. pyog. aureus,
Micrococcus prodigiosus und Milzbrandbacillen) den Versuchstieren
subcutan teils ins Bauchfell, teils in die Gefässe injizierten. Schon
nach zwei Stunden waren die Nieren infolge Durchtrittes der
Bakterien verändert und wiesen ein deutliches Bild von Glomerulo¬
nephritis mit anfangs vorwiegender Beteiligung der Rinden-
Substanz auf.
Zu Beginn entstand eine Hyperämie, die zu Endarteriitis und
schliesslich zu Blutungen führte; die Glomeruli der Bowmann'schen
Kapsel, die Epithelien der Harnkanälchen verändern sich, indem es
zur Absetzung von hyaliner Substanz im Innern der Kapsel und
der Tubuli, dann aber zur Abschuppung und Verstopfung der
Harnkanälchen kommt.
Auch filtrierte Kulturen erzeugten ähnliche Veränderungen,
woraus die Autoren zu schliessen glauben, dass auch die toxischen
Produkte von Bakterien zur Entstehung von entzündlichen
Nieren Veränderungen Anlass geben können.
(Fortsetrung folgt.)
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Die otitische Pyämie.
Sammelreferat von Dr. Alfred Goldschmidt, Hals-, Nasen- u. Ohrenarzt
in Breslau.
Literatur.
Abkürzungen: A. f. O. = Archiv für Ohrenheilkunde.
Z. f. O. = Zeitschrift für Ohrenheilkunde.
Z. f. kl. M. — Zeitschrift für klin. Medizin.
M. f. O. = Monatsschrilt für Ohrenheilkunde.
D. m. W. = Deutsche med. Wochenschrift.
M. m. W. = Münchener med. Wochenschrift.
1) Abercrombie, Untersuchungen über die Krankheiten des Gehirnes und
des Rückenmarks, übersetzt durch v. d. Busch 1829.
2) Adamkiewicz, Die sogenannte „Stauungspapille“ und ihre Bedeutung
als eines Zeichens von gesteigertem Druck in der Schädelhöhle. Z. f. kl. M. 1895,
Bd. XXVIII.
3) Bailance, On the reinoval of pyaemic thromb. from the lateral sinus.
The Lancet 1890.
4) Barck, Ein in Heilung übergegangener Fall einer nach Schädelverletzung
entstandenen Sinus-Thrombose. Ref. in Z. f. O., Bd. XXXII.
5) Bark er, Hunterian lectures on intracranial inflammations starting in the
temporal bone, their complications and treatment. Illustr. medical news, London 1889.
6) Bergmann, Die chirurgische Behandlung von Hirnkrankheiten. 2. Aufl.,
1889.
7) Bezold, Ein neuer Weg für die Ausbreitung eitriger Entzündungen aus
den Räumen des Mittelohres etc. D. m. W. 1881, Bd. XXVIII.
8) Biehl, Ausgedehnte Verschleppung von Thrombenmaterial durch retro¬
graden Transport nach einer otogenen Thrombophlebitis des Sm. sigmoid. M. f. O.
1899, Nr. 1.
9) Blaxall, A bacteriolog. Investigation etc. Brit. med. Journ. 1895.
10) Bordoni-Uffreduzzi, Les affections de l’organe de i’ouie dans l’influenza.
11) Braunstein, Die Bedeutung der Lumbalpunktion für die Diagnose von
intrakraniellen Komplikationen der Otitis. (Aus Schwartze's Klinik.) A. f. O.,
Bd. UV.
12) Brieger, Ueber die pyämische Allgemeininfektion nach Ohreitemngen.
Z. f. O., Bd. XXIX.
13) Broca, Die intrakraniellen Komplikationen der Mittelohrentzündungen.
Ann. des raaladies de Toreille 1896.
14) Brouardel, Des 16 sions du roch er et de l’apophyse mast, et des accidents,
qui en sont la consequence. Bulletin de la soci6te anat. de Paris 1866.
15) Brunner, Erfahrungen und Studien über Wundinfektion und Wund¬
behandlung. Frauenfeld 1899.
16) Buck, Transactions of the American, otolog. Soc. XXVII annual meeting,
Vol. VI, Part. 1, 1894, besprochen in A. f. O., Bd. XL.
17) Cheatle, Transactions of the sixth otolog. Congr. 1899.
18) Cleveland, Archiv of otology, Vol. XXIV.
19) Cohn heim, Vorlesungen über allgemeine Pathologie 1877,
20) Dörr, Ein experimenteller Beitrag zur Aetiologie der Sinus-Thrombose.
M. m. W. 1902, Nr. 8.
21) v. Dusch, Ueber Thrombose der Hirnsinus. Z. f. rat. Med. 1859,
Bd. VII.
22) Eulenstein, Ueber pyämische Metastasen bei akuten Erkrankungen im
Schläfenbein. M. f. O. 1893.
23) Ders., Z. f. O., Bd. XL.
24) Fauvel, De la phtebite aiguc des sinus de la dure-m£re. Th£se de
Paris 1887.
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25) Forselles. Die durch eitrige Mittelohrentzündungen verursachten Lateral-
sinusthrombosen.
26) Fränkel u. Simmonds, Untersuchungen über die Aetiologie des Abdo¬
minaltyphus. Z. f. Hygiene 1887, Bd. II.
27) Genzmer, Tötlicher Fall von Sinusverletzung mit Lufteinlritt LangeDb.
Archiv, Bd. XXI.
28) Gerhardt, Ueber Hirnsinusthrombose bei Kindern. Deutsche Klinik
1857, Nr. 46.
29) Grub er, Zur Lehre von den otitisch. intrakraniellen Erkrankungen. Verh.
des ersten Österreich. Otologentages 1896. M. f. O. 1896, H. 7.
30) Ders., Ueber das Vorkommen grünen Eiters im Ohre. M. f. O. 1886,
Nr. 6 u. 7.
31) Ders., Lehrbuch der Ohrenheilkunde.
32) Grüning, Z. f. O., Bd. XXXVIII.
33) Grunert, Beitrag zur operativen Behandlung der otog. Sinusthrombose, ins¬
besondere zur operativen Freilegung des Bulbus V. jugularis. (Aus Schwartze’s Klinik,
Halle.) A. f. O., Bd. LIII.
34) Grunert u. Zeroni, Jahresber. 1898/99 der Halle’schen Ohrenklinik.
35) Hansen, Ueber das Verhalten des Augenhintergrundes bei den otitischen
intrakraniellen Erkrankungen auf Grund der in der Klinik seit 1892 gemachten Be¬
obachtungen. (Aus Schwartze’s Klinik, Halle.) A. f. O., Bd. LIII.
36) Hartmann, Die Krankheiten des Ohres.
37) Hawkins, The diagnosis and treatment of the pyaemic complicadons of
the ear diseases. St. Thom. Hosp. Reporter 1890.
38) Henle, Handbuch der Gefässlehre des Menschen 1876, 2. Aufl.
39) Hessler, Die otog. Pyämie. Jena 1896, Gustav Fischer. Daselbst aus¬
führliche kasuistische Literatur zusammengestellt, p. 77.
40) Herzfeld, Vereinsbeilage der Deutschen med. Wochenschr. 1902, Nr. 14.
41) Hinsberg, Ueber Labyrintheiterungen. Z. f. O., Bd. XL.
42) Hölscher, Eine einfache Vorrichtung zur Erreichung einer zuverlässigen
Asepsis bei Operationen am Warzenfortsatz und am Schädel überhaupt A. f. 0 .,
Bd. LIII.
43) Ders., Ein bemerkenswerter Fall von ausgedehnten Blutleitererkrankungen
nach Mittclohreiterung. Z. f. O., Bd. LII.
44) Ders., Eine modifizierte Operationsmethode für otitische Thrombosen des
Sinus sigmoid.
45) Hoffmann, Verh. der 6. deutschen otol. Ges. zu Dresden.
46) Hoffmann, Egon, Zur Pathogenese der nach Entzündungen des Gehör¬
organs auftretenden Erkrankungen des Schädelinneren. D. m. W. 1889, Nr. 10.
47) Hoffmann, R., Ausgedehnte nicht infizierte Thrombose der Hirnsinus
etc. infolge einer Operationsverletzung des Sinus transversus.
48) Jacobsohn, Lehrbuch der Ohrenheilkunde.
49) Jansen, Ueber Hirnsinusthrombose nach Mittelohreiterungen. A. f. 0 .,
Bd. XXXV u. XXXVI.
50) Ders., Ueber eine häufige Art der Betheiligung des Labyrinthes bei den
Mittelohreiterungen. A. f. O., Bd. XLV.
51) Ders., Ref. Deutsche otol. Ges. in Breslau 1901.
52) Jürgens, Ref. A. f. O., Bd. XLIX.
53) Kessel, Ueber die Otorrhoe und ihre Behandlung. Oesterr. ärztliche
Vereinszeitung 1885, Nr. 5. Ref. A. f. O., Bd. XXII.
54) Kirchner, Handbuch der Ohrenheilkunde.
55) Körner, Die otitischen Erkrankungen des Hirns etc., 2. Aufl., 1896.
56) Ders., A. f. O., Bd. XXVHI, XXX; Z. f. O., Bd. XXII.
57) Ders., Ueber inspiratives Zusammenklappen des blossgelegten Sinus trans¬
versus und nachfolgende Luftembolie. Z. f. O., Bd. XXX.
58) Kümmel, Beitrag zur Pathologie der intrakraniellen Komplikation von
Ohrenkrankheiten Z. f. O., Bd. XXVIII, XXXI.
59) Kuh, Klin. Beiträge, Breslau 1847.
60) Kuhn, Kasuistische Mitteilungen. Z. f. O., Bd. XXX.
61) Lancial, De la Thrombose des Sinus de la dure-mere. Th£se de Paris
1888.
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31
62) Lancere&ux, De la thrombose et de Pembolie c£r6brales consid£r6es prin-
ripaleraent dans leurs rapports avec )e ramollissement du cerveau. Th&se de Paris 1862.
63) Lebert, Ueber die Entzündung der Hirnsinus, Virchow’s Archiv 1856,
Bd. IX.
64) Lehr, Beitrag zur Kenntnis der otitischen Erkrankungen des Hirns, der
Hirnhäute und der Blutleiter. Z. f. O., Bd. XXXV.
65) Lermoyez, Soc. de Lar., d’otol. etc. de Paris 1897.
66) Leutert, Die Bedeutung der Lumbalpunktion für die Diagnose von intra¬
kraniellen Komplikationen der Otitis. M. m. W. 1897, H. 8 u. 9.
67) Ders., Ueber die otitische Pyämie. A. f. O., Bd. LXI.
68) Ders., Bakteriologisch-klinische Studien über Komplikationen akuter und
chronischer Mittelohreiterungen. A. f. O., Bd. XLVI.
69) Ders., Verhandlungen der deutsche^ otologischen Ges. zu Breslau 1901.
70) Löwenberg, Untersuchungen über Auftreten und Bedeutung der Cocco-
baktcrien bei eitrigem Ohrenfluss etc. Z. f. O. 1881, Bd. X.
71) Macewen, Die infektiösen eitrigen Erkrankungen des Gehirns und Rücken¬
marks. Deutsch von Rudi off. Wiesbaden 1898.
72) Ders., Pyogonic.infective diseases of the brain 1893 etc.
73) Mann, Ueber den Mechanismus der Blutbewegung in der Vena jugularis
interna. Z. f. O., Bd. XL.
74) Meier, Edgar, Ueber Luftembolie bei Sinusoperationen. A. f. O., Bd*
XLIX.
75) Merkel, Handbuch der topographischen Anatomie 1890.
76) Mignon, Des principales complicat. septiques des otit. moyennes supp. etc.
Paris 1898, Octave Doris.
77) Molthan, Ueber Entzündung und Thrombose der Gehirnsinus. Diss.,
Giessen 1862.
78) Moos, Klinik der Ohrenkrankheiten 1866.
79 ) Okukeff, A. f. O., Bd. XXXVIII.
80) Piffl, Ueber die Aufmeisselung des Warzenfortsatzes bei Komplikationen
akuter Mittelohrentzündungen. Z. f. O., Bd. LI.
81J Pitt, Analysis of fifty-seven fatal cases of ear disease and of the compli-
cations etc. The Brit. med. Journ. 1890.
82) Ders., Goulstonian lectures on some cerebral lesions. Brit. med. Journ*
1890, Vol. I.
83) Pischel, Z. f. O., Bd. XL.
84) Raskin, Marie, Klinische und experimentelle Untersuchungen über sekun¬
däre Infektion nach Scharlach. C. f. Bakt. 1889, Nr. 13 u. 14.
85) Reinhard, Chirurgische Eröffnung der Mittelohrräume. Greifswald.
86) Ri mini, Z. f. O., Bd. XXXVIII.
87) Robin, Des affections c6r6brales cons6cutives aux 16 sions non traumatiques
du rocher et de Pappareil auditif. Paris 1883.
88) Rohr er, Zur Morphologie der Bakterien des Ohres. Zürich 1889.
89) Ders., Lehrbuch der Ohrenheilkunde.
90) Roosa, Lehrbuch der prakt. Ohrenheilkunde. Deutsch von Weiss.
91) Rossbach, Bruns’sche Beiträge, Bd. XVII.
92) Scheibe, Mikroorganismen bei akuten Mittelohreiterungen. Z. f. O. 1889,
Bd. XXIX.
93) Schenke u. Streit, Einige Fälle endokranieller Komplikationen akuter
und chronischer Mittelohreiterungen. A. f. O., Bd. LIII.
94) Schmitz, Ein Fall von otogener direkter Thrombose des Bulbus Venae
jugularis ohne eine solche des Sinus transversus. St. Petersb. m. W. 1900.
95) Schulze, Ueber einige auf nicht operativem Wege geheilte Fälle otitischer
Pyämie. (Aus Schwartze's Klinik.) A. f. O., Bd. LIII.
96) Schwartze, Handbuch.
97) Ders., Die chirurgischen Krankheiten des Ohres, 1885.
98) Sentex, Des 6coulements purulents du conduit auditif et de la phl6bite
cons£cutive des sinus m£ning. These de Paris 1865.
99) Steinbrügge, Die pathologische Anatomie des Ohres.
100) Stenger, Zur Thrombose des Bulbus Venae jugularis. A. f. O., Bd. L 1 V.
101) Stern, Beiträge zur bakteriologischen Kenntnis der Otitis med. purul.
chron. Z. f. O., Bd. XXVI.
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102) Teichmann, Zur Statistik der lebensgefährlichen Komplikationen eitriger
Ohrenkrankheiten. Z. f. O., Bd. XXXIV.
103) Thies, Beiträge zur Perkussion des Warzenfortsatzes. Inaug.-Diss.
Leipzig 1901.
104) Toynbee, Die Krankheiten des Gehörorgans, übersetzt von Moos, 1863..
105) v. Troeltsch, Anatomie des Ohres, 1860. Lehrb. d. Ohrenheilkunde.
106) Urban tschi tsch, Lehrbuch.
107) Viereck, Z. f. O., Bd. XXXVII; confer. Bericht über die 9. Vers. d.
deutschen otolog. Ges. zu Heidelberg 1900.
108) Ders., Die Unterbindung der Vena jugularis bei der operativen Behand¬
lung der Thrombose des Sinus transversus. Inaug.-Diss., Leipzig 1901.
109) Virchow, Thrombose und Embolie. Ges. Abhandl. z. wissenschaftl.
Medizin 1856.
110) Voss, Ein neues Symptom der obturalen Lateral-Sinusthrombose. Z. f.
O., Bd. XXXII.
111) Warnecke, Zwei Fälle von Sinusthrombose mit bindegew. Obliteration
des Sinus sigmoid. A. f. O., Bd. XLVIII.
112) Whiting, Beitrag zur Symptomatologie und Behandlung der pyämischen
Sinusthrombose. Z. f. (_)., Bd. XXXIII.
113) Ders., Beitrag zum klinischen Verlauf und zur Operationstechnik der
Sinusthrombose. Z. f. O., Bd. XXXV.
114) Weill, De l’inflammation des Sinus c^rebraux suite d’otite interne. These
de Paris 1858.
115) Wilde, Praktische Bemerkungen über Ohrenheilkunde, 1856.
116) Witte, Z. f. O., Bd. XXXV.
Geschichtliches.
Das Unzulängliche — hier wird’» Ereignis.
In der zweiten Auflage des im Jahre 1893 erschienenen Lehr¬
buches der Ohrenheilkunde von Jacobson ist das Kapitel, dem
die folgenden Ausführungen gewidmet sind, unter der Ueberschrift:
„Lieber die letalen oder doch wenigstens meistens letal verlaufenden
Folgeerkrankungen hei Ohraffektionen“ abgehandelt. Noch nicht
10 Jahre darauf — zeigt die in diesem Jahre erschienene dritte
Auflage dasselbe Kapitel unter veränderter Ueberschrift an, in dem
die Letalität als ein an erster Stelle zu setzender Begriff den
Folgeerscheinungen der Ohrerkrankungen genommen und nur den
seltenen Fällen tödlicher Ohrblutungen zugewiesen wird. Es sei
gestattet, die einzelnen Phasen innerhalb des speziellen Gebietes der
Ohrchirurgie, durch dessen Ausbau die otitische Pyämie den Begriff
einer trostlosen Diagnose verloren hat, in kurzen Zügen geschichtlich
zu skizzieren. Der Franzose Petit (f 1750) eröffnet« als erster den
Warzeufortsatz wegen Felsenbeincaries. Infolge mannigfacher Miss¬
erfolge wurde die noch völlig unausgebaute Operationsmethode wieder
aufgegeben. Als Schwartze im Jahre 1873 seine Arbeit auf diesem
Gebiete einsetzte, betrat er gewissermassen ein neues, durchaus
fremdes Feld. Seine Operationsmethode der Aufmeisselung des
Warzenfortsatzes erfolgte zunächst gegen die Autorität bedeutender
Chirurgen, wie Dieffenbach und v. Langenbeck. Schwartze
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gab genaue Indikationen für den Eingriff an. Im Jahre 1889
folgte die Erweiterung derselben zur sogenannten Radikaloperation:
durch die Fortnahme der hinteren Gehörgangswand wurde aus
Paukenhöhle, Warzenhöhle und Gehörgang eine einzige grosse Höhle
hergestellt, die der Besichtigung und Behandlung zugänglich war und
die Möglichkeit einer versteckten ßuchteneiterung verringerte. Die
Namen Köster, Zaufal und Stacke sind hier zu nenneu.
Besondere Formen der Plastik für die Ausführung und Be¬
endigung der Operation bezw. für die Weiterbehandlung wurden
angegeben.
Der weitere Schritt war die Inangriffnahme des Sinus trans-
versus als der Quelle der nach der Ausführung der Operation am
Warzenfortsatz in einzelnen Fällen noch ungeschwächt fortbestehenden
Intoxikation des Organismus, der Blosslegung und Eröffnung des
Sinus, und im Anschluss daran die Unterbindung der Jugularis.
Zaufal riet 1880 als erster, die otitische Sinusphlebitis zu operieren
und die Jugularis zu unterbinden. 1886 machte Horsley, ohne
Zaufal’s Priorität zu kennen, den gleichen Vorschlag. Vorarbeiten
waren vorhanden. Abercrombie hatte 1829 sein Buch der Unter¬
suchungen über die Krankheiten des Gehirns und des Rückenmarks
(übersetzt durch v. d. Busch) erscheinen lassen, 1856 hatte Lebert
in Virchow’s Archiv über die Entzündung der Hirnsinus ge¬
schrieben. Er diagnostizierte zuerst am Lebenden eitrige Entzün¬
dung des Sinus lateralis mit Beteiligung der Jugularis und mit Meta¬
stasen. Von früheren Autoren mögen noch Wilde, Weill, v. Dusch,
Lancereaux, Molthan, Sentex, Brouardel genannt sein. Nach
Zaufal’s und Horsley’s Vorgehen verschafften erst die Erfolge
von Arbuthnot Lane (1889) und Bailance (1890) der Sinus¬
operation weiteres Bekanntwerden. In den Jahren 1892,1893 und 1895
erfolgten eine ganze Anzahl vou Veröffentlichungen von Operationen.
An dem Aufbau des Krankheitsbildes, an der Verbesserung der
Symptomatologie und Diagnostik und der dadurch ermöglichten
operativen Fortschritte beteiligten sich von neuesten Autoren u. a.
Körner, Jansen, Grunert, Leutert, Brieger, Kümmel, Voss,
Gerhardt, Griesinger, Whiting. Grunert schlug noch in diesem
Jahre die direkte Freilegung und Eröffnung des Bulbus Venae
jugularis in geeigneten Fällen vor und führte diese Operation an
drei Fällen aus.
Ontrslblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI.
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Anatomisches *).
Die Hirnsinns
nehmen das Blut auf, das die Venen der Schädelhöhle und der
Schädelwandungen ihnen zuführen. Sie laufen zusammen in die
(paarige) Vena jugularis interna. In der Höhe des grossen Zungen-
beinhornes mündet die Vena facialis communis in dieselbe: die
Vena jugular. interna wird zur Vena jugular communis. Ihr weiterer
Verlauf geht lateral an der Carotis communis am Halse nach unten,
worauf hinter dem Stemoclaviculargelenk die Vereinigung mit der
Vena subclavia erfolgt. An dieser Stelle findet auch die Ein¬
mündung der Vena jugular. externa statt, der weitere Stamm ist die
Vena anonyma. Beide Venae anonymae bilden die unpaarige Vena
cava superior, die in dem rechten Atrium cordis mündet.
Die Venen der Scbädelknochen (Venae diploicae)
bilden weite Röhren zwischen den beiden Glastafeln der Knochen.
Sie hängen durch zahlreiche Poren mit den Venen des äusseren
und inneren Periostes und mit den Venae meningeae mediae zu¬
sammen. Grössere und regelmässig auftretende Venenöffnungen heissen
Emissarien (Verbindung der äusseren Schädelvenen mit den Sinus
der fibrösen Hirnhaut). Das stärkste und beständigste ist das Emis-
sarium mastoideum.
Die Venen der harten Hirnhaut (Venae meningeae)
entsprechen vorzugsweise dem Gebiet der Art. mening. med., be¬
gleiten zumeist die kleineren Arterien der harten Hirnhaut und
münden meist in die benachbarten Sinus ein.
Die Venen des Gehirns (Venae cerebrales)
kommen von der Oberfläche und aus der Tiefe des Gehirns und
münden in die Sinus; je nach ihrer Lage werden sie als obere,
mittlere und untere Gehirnvenen unterschieden.
Die Blutleiter der harten Hirnhaut (Sinu6 durae rnatris)
sammeln das Blut aus diesen Venen und führen es in die Vena
jugular. interna ab. Sie sind in der Dicke der harten Hirnhaut
eingeschlossene, miteinander zusammenhängende Kauäle, deren Innen¬
wand aus einer sehr zarten Fortsetzung der inneren Gefässhaut,
einer einfachen elastischen Längsfaserschicht und einer Endothellage
besteht. Sie haben keine Klappen, nur werden einzelne netzförmig
von Bälkchen durchzogen. Die in der Mittellinie verlaufenden
Sinus sind unpaar, die seitlich gelegenen paarig.
*) Die Einteilung der nachfolgenden Ausführungen in die verschiedenen Kapitel
ist der grösseren Uebersicht halber gewählt worden, trotzdem kleine Wiederholungen
dabei unvermeidlich waren.
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Der Sinns longitudinalis snperior,
iro oberen Rande des Sichelfortsatzes der harten Hirnhaut gelegen,
and der Sinus longitudinalis inferior, im unteren Rande der Sichel
verlaufend, münden in den Sinus rectus s. tentorii. Diese unpaaren
Sinus treffen an der Protuberantia occipitalis interna mit dem
paarigen Sinus transversus und dem unpaarigen Sinus occipitalis zu¬
sammen und bilden so den Confluens sinuum.
Der Sinns transversus
beginnt an der Protuberantia occipitalis interna, kommt aus dem
Confluens sinuum oder zumeist rechts aus dem Sinus longitud. sup.,
zieht hinter dem hinteren Rande des Hirnzeltes entlang zur hinteren
Kante des Felsenbeines, biegt hier scharf nach innen und unten um,
verläuft nun als Sinus sigmoideus im Sulcus sigmoid. des Felsen¬
beines abwärts zum Foramcn jugulare und mündet in den Bulbus
superior der Vena jugularis interna.
Der Sinus cavernosus
liegt an der Seite des Türkensattels; er erstreckt sich von der
Fissura orbitalis superior bis zur Spitze des Felsenbeines und hat
seinen Namen von den fibrösen Bälkchen und Fäden, welche seine
äussere und innere Wand verbinden und sich vielfach durchkreuzen.
Er umfasst die Carotis interna vollständig, deren mediale und
untere Wand vollkommen frei von venösem Blute umspült ist.
Der Sinus petrosus superior verläuft vom hinteren Ende des
Sinus cavernosus in der Rinne der oberen Kante der Felsenbein-
pvramide in lateral rückwärts ziehender Richtung und mündet in
den Sinus transversus.
Der Sinus petrosus inferior ist der zweite Ausläufer des Sinus
cavernosus. Er verlässt durch das Foramen jugulare die Schädelhöhle
und mündet ausserhalb derselben in die Vena jugular. interna (nach
Henle) ein, bezw. (nach Rauher) in den Bulbus der Vena.
Aus allen diesen Venen der Schädelknochen, der harten Hirn¬
haut, des Gehirns und der Blutleiter der harten Hirnhaut sammelt
sich das Blut in der
Vena jugularis interna.
Sie entsteht in dem hinteren geräumigen Teile des Foramen
jugulare mit einer trichterförmigen Erweiterung, dem Bulbus superior
Venae jugul. intern. Sie folgt am Halse dem Laufe der Arteria
carotis und communis und liegt im oberen Abschnitte hinter der
Carotis, im mittleren an der lateralen Seite und im untersten Hals¬
gebiet als Vena jugular. communis etwas vor der Art. carotis com-
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rnuuis. Der diese beiden Hauptgefässe begleitende N. vagus liegt
im oberen Abschnitte medianwärts von beiden, im mittleren hinter
ihnen und im unteren lateralwärts. Die Vena jugular. int. nimmt
dicht unterhalb des Bulbus superior die venösen Gefässe des Aquae¬
ductus cochleae und die Vena petrosa inferior (die Fortsetzung des
gleichnamigen Sinus) auf und vereinigt sich am grossen Zungenbein¬
horn mit der Vena facialis communis zur Vena jugularis communis,
vorher schwillt sie nochmals zum Bulbus venae jugularis internae in¬
ferior an, der rechts auffallender ist als links und nach oben durch
einfache oder zweiteilige Klappen abgeschlossen ist, welche mit dem
freien Rande abwärts rageu. Die Klappen haben den Zweck, den
Rückfluss des Blutes aus der Vena brachiocephalica in die Venen
des Schädels zurückzustauen.
Statistisches.
Dass die Gefahren einer Ohreiterung vom Publikum unter¬
schätzt werden, hat man häufig genug Gelegenheit zu beobachten.
Mau hört Aeusserungen wie: ,,Ein Ohrenfluss darf nicht unterdrückt
werden, die Krankheit legt sich sonst auf andere Teile.“ Die Trag¬
weite der Folgeerkrankungen der Ohreiterungen ist aber auch noch
nicht ärztliches Allgemeingut geworden. Noch immer herrscht zu
einem Teile die Meinung vor, dass die Gefahren einer Ohreiterung
so selten ins Gewicht fallen, dass sie nicht gar zu sehr in Rechnung
gezogen zu werden brauchten. Diese Anschauung bedarf der Korrektur.
Pitt fand bei 9000 aufeinander folgenden Sektionen in Guy’s
Hospital in den Jahren 1869—1888 57 Todesfälle durch Ohreiterung,
also ein Fall auf 158 Sektionen. Nach Barker starben in drei
Londoner Hospitälern in 12 Jahren 8028 Kranke, bei 45 davon
war die tödliche Erkrankung durch ein Ohrleiden bedingt. Diese
Ziffer ist aber darum als eine verhältnismässig niedrige anzusehen,
weil in der Berichtszeit schon erfolgreich an otitischen Erkrankungen
operiert wurde.
Die preussische Statistik aus dem Jahrgang 1885 (Bd. LXXX1X
und LXLVI) weist auf 28318470 Lebende im ganzen 716859 Todes¬
fälle, darunter 4537 an otitischen Hirnkrankheiten, aus.
Gruber veröffentlichte eine Statistik von 40073 in 11 Jahren
im pathologischen Institut in Wien ausgeführten Sektionen. Unter
diesen war 232 mal bei 163 männlichen nnd 69 weiblichen Fällen
entzündlicher intracranieller otitischer Folgezustand (0,57 Proz.) als
Todesursache angegeben. An intracraniellen entzündlichen Er¬
krankungen überhaupt starben 1806 (1242 Männer, 564 Weiber).
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Die genannten 232 Fälle machen also 12,8 Proz. aller entzündlichen
intracraniellen Erkrankungsfälle aus.
Es war befallen die rechte Seite 118 mal = 50,87 Proz., die
linke Seite 103 mal = 44,39 Proz.; beide Seiten 6 mal = 2,59 Proz.,
nicht angegeben 5 mal =2,75 Proz. Sinusthrombose bestand in 148
Fällen (65 Proz.) der an otogenen Folgezuständen Verstorbenen
(88 mit solidem und 60 mit vereitertem Thrombus). Unter den ein¬
zelnen Sinus war der Sinus transversus und sigmoideus am häufigsten
erkrankt
Teichmann stellte aus den preussischen amtlichen Kranken¬
hauszählkarten, die den Zeitraum 1893 — 95 umfassten, 1750 Fälle
von lebensgefährlichen Komplikationen von Ohreiterungen fest;
darunter waren 111 Todesfälle, die ohne Operation erfolgt waren.
— Darnach kann man nicht zugeben, dass die Gefahren einer
Ohreiterung als so selten anzusehen seien, dass sie kaum in Be¬
tracht kämen. Geschlecht und Alter haben auf die otitischen Hirn¬
krankheiten keinen bestimmenden Einfluss. Nur insofern als ge¬
wisse Altersstufen oder das männliche Geschlecht infolge der Art
der Beschäftigungen der Möglichkeit, am Ohr zu erkranken, näher
stehen, ist ein Einfluss erkennbar.
Unter den Teichmann , sehen Feststellungen waren 1086 Männer
|62,1 Proz.), 664 Weiber (37,9 Proz.). Nach Bürkner ist die pro¬
zentuale Beteiligung der Geschlechter an den Erkrankungen des
Ohres und des Schläfebeins ähnlich zu setzen:
beim männlichen Geschlecht 59,9 Proz.,
„ weiblichen „ 40,1 „
Kein Alter wird völlig verschont. Es sind Kinder von 3 Monaten
und Patienten über 60 Jahre zur Operation gekommen. Nach einer
Körner’schen Zusammenstellung von 264 Fällen von otitischen
Bimkrankheiten war die Verteilung auf die einzelnen Altersstufen
folgende:
0—10 Jahre 44 = 17,88 Proz.
11-20 „ 73 = 29,66 „
21—30 „ 70 = 28,45 „
31—40 „ 30=12,19 „
über 40 „ 29=11,81 „
246 100 Proz.
Das rechte Ohr ist infolge gewisser anatomischer Verhältnisse
etwas mehr bevorzugt, als das linke: von 642 Fällen aus Teich-
mann’s Statistik betrafen 207 (44,8 Proz.) das linke, 229 (49,6 Proz.)
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das rechte Ohr. Beide Ohren waren 26 mal (5,6 Proz.) beteiligt.
Unter 665 Fällen waren 24,9 Proz. akute, 75,1 Proz. chronische,
so dass also ein Viertel der Komplikationen sich an akute, drei Viertel
an chronische Eiterungen anschliessen.
Pathologie.
Unter otitischer Pyämie versteht man eine von einer Er¬
krankung des Obres ausgehende Intoxikation des Organismus, die
sich an pathologische Vorgänge innerhalb des Warzenfortsatzes ohne
weiteres Zwischenglied anschliessen kann, in der überwiegendsten
Mehrheit der Fälle aber durch eine Thrombose der Hirnsinus —
an erster Stelle des Sinus transversus bezw. des Sinus sigmoideus —
dann aber auch des Bulbus der Vena jugularis hervorgerufen wird.
Diese otitische Intoxikation ist, wie alle pyämischen Erkrankungen,
in der Mehrzahl der Fälle charakterisiert durch hohes Fieber mit
tiefen Remissionen und Metastasen in anderen Organen. Es kann
aber auch — in seltenen Fällen — das Fieber ganz fehlen oder
nur gering sein, ebenso wie auch die Remissionen so gering sein
können, dass der Eindruck einer dauernden Febris continua erweckt
werden kann. Wenn zur Auslösung der Pyämie das Zwischenglied
der Sinusthrombose fehlt, so muss entweder angenommen werden,
dass Bakterien bezw. deren Toxine direkt aus dem Warzenfortsatz
in die Blutbahn gelangen (Bakteriämie) — bei Säuglingen und jungen
Kindern ist dies von Ponfick und Brieger nachgewiesen worden
— oder dass eine besondere Form der Erkrankung innerhalb des
Warzenfortsatzes, die sogenannte Osteophlebitis nach Körner, vor¬
liegt. Bei dieser Form, deren Bedeutung und praktische Wichtig¬
keit insbesondere von Jansen und Leutert bestritten werden, ist eine
Entzündung bezw. Thrombose der kleinsten Venen innerhalb des
Warzenfortsatzes, anzunehmen, deren Thrombenmaterial wegen ihrer
Kleinheit die Limgencapillaren passiert, so dass die nachfolgenden
Metastasen nicht in den Lungen, sondern eher in deh Muskeln und
Gelenken auftreten. Brieger giebt die Möglichkeit der Osteophle-
bitispyämie zu, hält sie jedoch auch für sehr selten, während Leutert
die Ansicht vertritt, dass man wohl immer bei eifrigem Nachforschen
eine versteckte Thrombose eines Sinus bezw. des Bulbus der Jugular-
vene finden würde. Ri mini stützt ihr Vorkommen durch einen
von ihm beobachteten Fall. In seinem auch von Gelenkmetastasen
begleiteten Fall sank die pyämische Fieberkurve sofort nach der
Aufmeisselung des Warzenfortsatzes zur Norm, und der Autor be¬
hauptet nicht ohne Grund, dass bei bestehender Sinusthrombose die
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Fiebertemperatur ungeändert hätte weiterbesteheu müssen. Dieser
Fall bietet sicher für die Körner’sche Auffassung eine gewisse
Stütze, wenn auch der penibelsten Aufklärung der Einwand vindiziert
-werden muss, dass mit der Ausräumung des Warzenfortsatzes die
Hauptquelle, die den Nachschub für eine supponierte Thrombose
im Sinus abgeben könnte, die primäre Ursache, beseitigt sein kann.
Nach der Anschauung einiger Autoren muss also zur Auslösung
einer otitischen Pyämie immer das Mittelglied einer Sinusthrombose
angenommen werden. Die Thrombose kann obturierend, d. h. das
Gefässrohr verschliessend, mehr oder weniger septisch zerfallend
oder auch nur wandständig sein. Man findet neben völlig septischen
Thromben frisch entstandene, die noch nicht oder nur wenig infiziert
sind. Es giebt aber auch Erweichungsformen, von denen Kulturen
nicht zur Entwickelung gebracht werden können. Aseptisch sind be¬
sonders die Kompressionsthrombosen des Sinus, die mechanisch z. B.
durch extradurale Abscesse entstanden sind. Ob die Entzündung
der äusseren Venenwand (Periphlebitis) pyämisches Fieber auszu¬
lösen im stände ist, ist fraglich. Von den Hirnsinus kommt ver¬
möge seiner Lage am meisten der Sinus transversus in Betracht,
dann ist ausserhalb der Schädelhöhle der Bulbus der Vena jugularis
zu nennen. Die anderen Sinus — so z. B. der Sinus petrosus superior
bei Labyrintheiterungen am Boden der Paukenhöhle, zumeist zu¬
sammen mit Thrombose des Bulbus jugular., oder der Sinus caver¬
nosus bei cariösen Herden in der Pyramidenspitze — kommen erst
in weitem Abstande in Frage.
Die äussere Sinuswand ist dünn, sie wird nur von dem äusseren
Blatt der Dura gebildet. Daher ist der Sinus erheblich weniger
geschützt als z. B. das Gehirn bei extraduralen Abscessen, wo die
innere Wand der Dura einen Schutz noch mitbildet. Der Gang
der Schädigungen am Gefässrohr ist häufig so zu denken, dass erst
eine Periphlebitis bezw. Phlebitis auftritt, dann Läsionen des Endo¬
thels folgen und diese die Ursachen wandständiger Thromben ab¬
geben. Diese können ausheilen, wenn der Nachschub von aussen
aufhört, noch eher die mechanischen, durch Kompression entstandenen
Thrombosen. Die Rückbildung der obturierenden -Thrombose kann
in der Weise erfolgen, dass eine Umwandlung in Bindegewebe
stattfindet. Je weniger infektiös der Thrombus ist, desto eher wird
dieser Prozess vor sich gehen. Bei akuten Eiterungen — cs sei
noch einmal an die oben erwähnte Feststellung des Verhältnisses
von akuten zu chronischen Komplikationen = 1 j i : erinnert —
ist der Bulbus V. jugular. eher beteiligt. Der Weg ist noch unklar.
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Sicher ist nur, dass auf dem Wege der Wasserleitungsvenen oder
der Auditiva interna eine Bulbus-Thrombose vom Labyrinth her indu¬
ziert werden kann. Leutert glaubt, dass bei der besonderen Innen¬
struktur des Bulbus Thrombenteile bezw. Bakterien wie durch die
Herzklappen aufgefangen würden. Die Bedingungen für die Ent¬
wickelung einer Thrombose liegen in Läsionen der Gefässwand und
Verlangsamung der Blutbahn. Im Bulbus sind die Verhältnisse
nach dieser Richtung hin noch günstiger als im Sinus. Der ge¬
wundene Verlauf, welchen der Blutstrom vom Sinus sigmoideus aus
durch den Bulbus hindurch zur Jugularvene nimmt, bewirkt, dass
der Strom von einer Wand zur anderen getrieben wird, es entstehen
Wirbel, welche nach v. Recklinghausen die Bildung eines Throm¬
bus besonders begünstigen, indem sie Leukocyten und Blutplättchen
in grosser Anzahl in der peripheren Stromschicht erscheinen lassen
(Eberts und Schimmelbach). Als zweites Moment kommen
Rückstauungen in der Jugularvene und im Bulbus bei tiefen Exspi¬
rationen in Betracht.
Drittens begünstigen auch die Veränderungen in der Weite
der Strombahn (v. Recklinghausen, Aschoff) beim Eintritt des
Sinus in den Bulbus die Entstehung von Thrombosen.
(Schlusi folgt.)
II. Bücherbesprechungeil.
Nervenleiden und Frauenleiden. Von O. Wille. 48 p. Stuttgart
1902, Ferdinand Enke.
Die Ergebnisse dieser interessanten Arbeit sind folgende: Die bis¬
herige gynäkologische Symptomenlehre ist in wichtigen Punkten unsicher
und widerspruchsvoll. Die Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane
sind in der Regel von auffallend geringer Allgemeinwirkung. Die Dys¬
menorrhoe ist eine funktionelle Uebererregung, bei welcher die durch reflek¬
torische Reizvorgänge erregten Krampfzustände des Uterus die führende
Rolle haben. Die Hyperemesis gravidarum muss im Einzelfalle als
hysterische Erscheinung an hysterischen Stigmen erkannt werden. Sie ist, wenn
hysterisch, mit antihysterischen Mitteln zu behandeln. Ein grosser Teil
der die gynäkologische Behandlung suchenden Frauen ist nicht genital¬
krank, sondern neurotisch oder anämisch. Die Unterleibsbeschwerden
sind zum Teile unbedingt Veränderungen der Geschlechtsorgane zuzu¬
schreiben, zum Teile ist aber ihr Ursprung zweifelhaft. Organische und
nervöse Schmerzen haben charakteristische Verschiedenheiten. Eine
Operation wegen vorhandener Bauch- oder Rückenschmerzen ist erst dann
berechtigt, bis ihre Abhängigkeit von nachgewiesenen organischen Ver¬
änderungen für den Einzelfall sichergestellt ist. Zweifellose und Be-
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schwerden verursachende Genitalleiden sind bei Nervenkranken besser
durch radikale Operation als durch langwierige, unsichere oder unan¬
genehme Heilverfahren, mit Ausnahme von Badekuren, zu behandeln.
Hermann Schlesinger (Wien).
Die Pulsionsdivertikel des Schlundes. (Anatomie, Statistik, Aetio-
logie.) Von W. Rosen thal. 135 p., Preis 3,60 M. Verlag von
Georg Thieme, Leipzig 1902.
Die Lehre von den Divertikeln der Speiseröhre erfuhr seit der
ersten klassischen Darstellung durch Zenker und v. Ziemssen auf
Grund eines besonders in den letzten Jahren stark angewachsenen Ma¬
terials an teils klinisch beobachteten Fällen, teils in vivo oder auf dem
Sektionstisch erhobenen autoptischen Befunden eine in jeder Hinsicht
hervorragende Förderung. Während noch die beiden genannten Forscher
eine sichere Diagnose ohne Sektion nicht zu stellen wagten, ist das
Krankheitsbild der eigenartigen Krankheit heutzutage so gut charakteri¬
siert, die Symptomatologie so fein ausgearbeitet, dass in einigermassen
ausgesprochenen Fällen allein schon aus der Anamnese die Diagnose ge¬
stellt werden kann. Während früher das Leiden für absolut tödlich galt,
sind wir heute imstande, dem Kranken auf internem wie chirurgischem
Wege Hilfe zu bringen.
Immerhin harren auch in der Divertikellehre noch einige Fragen
der Aufklärung; so ist die Auffassung über die Aetiologie und Patho¬
genese noch recht verschiedenartig und scheint wenigstens in nächster
Zeit noch keineswegs Aussicht auf befriedigende Einigung zu haben.
Rosen thal wendet diesen beiden Punkten sein Hauptaugenmerk
zu, und zwar auf Grund der genau revidierten Statistik, der er fünf
eigene Sektionsbefunde und drei anderweitig gemachte klinische Beobach¬
tungen hinzufügt.
Abweichend von dem allmählich eingebürgerten Gebrauch wählte
er die Bezeichnung „Divertikel des Schlundes“ und begreift hierunter
alle Divertikel zwischen Gaumenbögen und Cardia. Nach dem Vorgang
des Ref. teilt er dieselben ein in Pulsionsdivertikel des Pharynx, des
eigentlichen Oesophagus und in pharyngo-ösophageale Divertikel, welch*
letztere er als Divertikel der Pharynx-Oesophagusgrenze oder schlechtweg
als Grenzdivertikel bezeichnet.
Unter den Pharynxdivertikeln werden die bekannten Fälle von
Klose und Paul, Heusinger, Bar telt, Wheeler ausführlich besprochen;
die kongenitale Anlage auf Grund von Kiemengangresten wird für die
drei ersten Fälle anerkannt, während er den Fall Wheeler als ein Bei¬
spiel eines erworbenen seitlichen Pharynxdivertikels angesehen haben
wilL Die klinische Bedeutung der Pharynxdivertikel wird von Rosen-
thal nicht hoch angeschlagen; demgegenüber soll doch hervorgehoben
werden, dass im Falle Bartelt neun Monate lang Schlingbeschwerden
mit Regurgitation bestanden, dass in Heusinger's Fällen Regurgitieren,
bei gefülltem Divertikel aber Angstgefühl, Atemnot, Oppression auftraten.
Werden die Divertikel gross, dann müssen die Beschwerden ganz den¬
jenigen der Zenker’schen Divertikel gleichen.
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Die Pulsionsdivertikel des eigentlichen Oesophagus
werden eingeteilt in Divertikel über Stenosen, in Tractions-Pulsionsdiver-
tikel, in epibronchiale (Brosch) und epiphrenale (Rosenthal) Divertikel.
Die Pulsionsdivertikel über Stenosen sind bis jetzt weder anatomisch
noch klinisch gut fundiert, die Zugehörigkeit des von C. Berg ver¬
öffentlichten Falles scheint zweifelhaft zu sein.
Die Gruppe der Tractions-Pulsionsdivertikel umfasst das grösste
Material und findet demgemäss volle Anerkennung.
Die schon der Helle rischen Schule bekannten und neuerdings von
Brosch als ätiologische Sondergruppe aufgestellten epibronchialen
Divertikel erkennt Rosenthal nicht als reine Pulsionsdivertikel an,
sondern hält auch bei diesen (bis jetzt vier) Fällen die Mitwirkung von
Traktion für wahrscheinlich.
Eine besondere Bedeutung scheinen die von Rosenthal als epi¬
phrenale bezeichneten Pulsionsdivertikel zu besitzen, von denen bis jetzt
vier einigermassen sicher gestellte anatomische Beobachtungen vorliegen.
Vom klinischen Standpunkte aus werden die oesophagealen Diver¬
tikel hinsichtlich ihres regionären Vorkommens in solche des oberen,
mittleren und unteren Drittels eingeteilt; die letzteren epiphrenalen Diver¬
tikel bilden die grösste und wichtigste Gruppe.
Was die Aetiologie der Pulsionsdivertikel des eigentlichen Oeso¬
phagus anlangt, so hält Rosen thal die letzteren durchweg für erworben;
er nimmt an, dass die kleineren, beschwerdelosen Divertikel auf Traktions¬
divertikel zurückzuführen sind, die Ursache der grösseren epiphrenalen
Divertikel ist nicht aufgeklärt, doch wird in ihrer Pathogenese auf die
grössere Arbeit, die der Abschnitt über der Cardia zu leisten hat, be¬
sonders Wert gelegt; in seltenen Fällen entstehen dieselben aus ungleich-
mässigen Dilatationen über Stenosen.
Unter Pulsionsdivertikeln an der Phary nx-Oesophagus-
grenze (pharyngo-oesophageale oder Zenker’sche Pulsionsdivertikel des
Ref.) fasst Rosen thal alle Fälle zusammen, „deren Eingangsöffnung in
der Höhe der Ringknorpelplatte oder höchstens etwa ein cm unterhalb
derselben sich befindet“. Diese Abgrenzung scheint uns nicht glücklich
gewählt zu sein, steht auch zu den früheren (p. 5), das Gebiet der Grenz¬
divertikel behandelnden Worten im Widerspruch, woselbst als obere Grenze
der obere Rand der Ringknorpelplatte angegeben ist, als unterer die
Stelle, wo sich die Längsmuskulatur der Speiseröhre zu einem voll¬
ständigen Rohr etc. schliesst. Diese letztere Grenzbestimmung Hesse sich
vom anatomischen Standpunkt verteidigen, in klinischer Hinsicht müssten
danach eine Reihe von Zenker’schen Divertikeln zu den oesophagealen
gerechnet werden.
Rosen thal berichtigt und ergänzt in diesem Kapitel die vom Ref.
aufgestellte Statistik und berichtet so über ein Material von 120 sicheren
Fällen mit fünf eigenen wertvollen anatomischen Beiträgen.
Die grösste Sorgfalt wird auf die Rosentharische Darstellung der
Aetiologie sowie der Pathogenese gelegt. Rosen thal vergleicht dabei
sichergestellte Beobachtungen an der Leiche und am Lebenden, ana¬
mnestische Angaben und endlich die Anschauungen früherer Autoren. Zu-
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nächst stellt er Fälle zusammen, in welchen schon vor der Divertikel¬
bildung Schlinghindernisse bestanden.
Eine Entscheidung ist oft nicht möglich, da wir häufig nicht wissen
können, ob die ersten Schlingstörungen, die auf Jahre hinaus vorhanden
sein können, ohne zu sicheren Divertikelsymptomen zu führen, nicht
doch durch das Divertikel selbst bedingt sind; hat aber ein Divertikel
eine beträchtliche Grösse erreicht, so bildet sich leicht eine sekundäre
Verengerung am Oesophaguseingang aus; alte geschrumpfte Spiritusprä¬
parate endlich eignen sich oft nicht zur Entscheidung, ob in einem zweifel¬
haften Falle vor der Divertikelbildung eine Stenose bestand oder nicht.
Immerhin sind einige sichere Fälle von Narbenbildung, angeborener
Stenose, Strumacompression bekannt, die in ätiologische Beziehung zu
dem Divertikel zu bringen sind.
Aus der Anamnese wird eine Reihe von Schädigungen angeführt,
so Trauma von innen und aussen, Entzündungen, Infektionskrankheiten,
hastiges Essen etc., zweimal Heredität.
Die verschiedenen kongenitalen Theorien werden zurückgewiesen
und auch die von Zenker begründete Traumatheorie kann Rosen -
thal nicht anerkennen. Zwei Dinge hält Rosenthal für die Entstehung
der Divertikel für ausschlaggebend: einmal den aussergewöhnlich hohen
Druck an der betreffenden Stelle, der durch den physiologischen Sehluck-
akt und die anatomischen Verhältnisse bedingt wird; unterstützend wirken
Schlinghindernisse, Stenosen, Kompression, Achsenkrümmung des Schlundes,
der Trachea. Auch auf den erhöhten Druck im Pharynxraum beim
Niesen, Schneuzen, Blasen von Blasinstrumenten, starker Anstrengung
der Stimme macht Rosen thal aufmerksam.
In zweiter Linie kommt nach Rosen thal der anatomische Bau
der Pharynxmuskulatur und des Pharynxraumes in Betracht. Auf die
Muskelschwäche am unteren hinteren Pharynxende wies schon Zenker
hin, Rosenthal zieht, gestützt auf eine allerdings nur kleine Anzahl
von Pharynxausgüssen, noch ein neues Moment heran, nämlich Varia¬
bilitäten des unteren Pharynxendes. Er stellte fest, dass „neben der für
normal gehaltenen Trichterform auch vielleicht vorzugsweise bei Er¬
wachsenen eine Gestaltung vorkommt, die man in ihren höheren Graden
als Beutelform bezeichnen könnte“.
Rosen thal anerkennt somit die erworbene Aetiologie, verwirft je¬
doch die alte Zenker’sche Traumatheorie und nimmt an, dass eine
primäre Ausstülpung oder schwache Wandstelle allmählich durch die
Stauung der Speisen an dieser Stelle zu einem Divertikel führe, ein
Entstehungsmodus, der in ähnlicher Form zum erstenmal vom Ref. (p. 88)
aufgestellt worden ist, allerdings unter gleichzeitiger Anerkennung der
Zenker’schen Auffassung.
Rosenthal’s Monographie ist mit erstaunenswertem Fleisse und
penibler Genauigkeit ausgearbeitet. Der reichliche Stoff ist etwas um¬
ständlich geordnet, so dass eine Uebersicht nicht leicht wird.
In zahlreichen Unterabteilungen werden einzelne Fragen gesondert,
dadurch leidet oft der Zusammenhang, auch ist dadurch wohl eine Reihe
von Widersprüchen zu erklären.
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Ganz besonderen Wert möchte ich auf den statistischen Teil der
Arbeit legen, während die Abschnitte über Aetiologie und Pathogenese
häufig zu sehr hypothetischen Charakter tragen.
Eine Reihe neu aufgeworfener Fragen dürfte wohl in der Folge
zu einer fruchtbringenden Diskussion führen.
Hugo Starek (Heidelberg).
Beitrage zur Bauchchirurgie. Von H. Kehr, Berger und Welp.
N. F., 246 p., Preis 4,— M. Berlin 1902, Fischer’s mediz. Buch¬
handlung, H. Kornfeld.
Das Buch enthält zuerst die ausführlichen Krankengeschichten von
95 während des letzten Jahres in der Kehr’schen Klinik operierten
Gallensteinkranken. Wie Kehr schon in früheren Arbeiten häufig
betont hat, ist eine genaue Anamnese bei diesen Fällen von der grössten
Bedeutung, auch bei geringem objektiven Befunde lässt sich bei gründ¬
licher Beherrschung der Pathologie der Cholelithiasis aus der Anamnese
meist eine Diagnose stellen. Der von den inneren Aerzten noch häufig
als allein beweisendes Symptom angesehene Icterus fehlt bei Steinen
der Blase und des Cysticus bei 96 Proz. der Fälle, ja sogar bei Steinen
des Choledochus und des Hepaticus kommt Icterus nur in etwa 66 Proz.
der Fälle vor, während er in den anderen fehlt
Was die Indikation zur Operation anlangt, so hält Verf. bei
akuter Cholecystitis die Operation meistens für indiziert da man nie
wissen kann, ob der Fall nicht plötzlich sich verschlimmert und eine
rasche Entlastung der Gallenwege, wie sie die einzeitige Cholecystotomie
gewährt üblen Zufällen am besten vorbeugt. Genaue Vorschriften lassen
sich da nicht geben und man muss dem Verf. beistimmen, wenn er
sagt dass der erfahrene Chirurg in diesen Fällen, wie auch z. B. bei
der Appendicitis, sich vom „Gefühl“, von der „Empfindung“ leiten lässt,
wenn er in einem Falle sogleich operiert im anderen ab wartet. Dieser
„Empfindung“ liegt eben ein gründliches Untersuchen und Insichauf-
nehmen des Gesamtbildes und ein oft unbewusstes Vergleichen mit
Erinnerungsbildern zu Grunde. Wartet man bei der akuten Cholecystitis
mit der Operation, so ist der Kranke jedenfalls sehr genau zu über¬
wachen und auf die Gefahr, die im Warten liegt, aufmerksam zu
machen. Bei leichten Koliken sowie bei akutem Verschluss des Chole¬
dochus und bei unklarer Diagnose (Verwechselung mit Magengeschwüren,
Verwachsungen etc.) rät Kehr zuerst zu einer Ruhekur, mit der man
zweckmässig das Trinken von Karlsbader und ähnlichen Wässern verbinden
kann. Auf strenge Diät sieht Verf. weniger, da er sich von der Wirksamkeit
derselben nicht hat überzeugen können. Gestützt auf grosse Erfahrung
und, wie es scheint, ausserordentliche „Fingerfertigkeit“, ist Verf. allmählich
dazu gekommen, bei allen chronischen Gallensteinleiden die Hepaticus-
drainage womöglich mit Entfernung der Gallenblase zum Normal verf ähren
zu erheben. Es kommt ihm vor allem darauf an, durch ausgedehnte
Tamponade den Zugang zum Hepaticus und Choledochus lange Zeit
offen zu halten und diese Gänge wochen-, ja monatelang zu spülen,
um etwa übersehene oder später aus den Hepaticusäslen nachrückende
Steine ausspülen zu können. Die Entfernung der Gallenblase beseitigt
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die Hauptbildungsstätte der Steine, sowie eine Hauptquelle für spatere
Adhäsionen und durch sie bedingte Störungen (falsche Recidive). Auch
finden sich am Halse der Gallenblase häufig Druckgeschwüre, die im
zurückgelassenen Organ oft zu Strikturen und nachfolgendem Hydrops
führen. Bei Männern, die das Arbeiten in der Bauchhöhle im allge¬
meinen schlecht vertragen, muss man allerdings nicht selten auf die
Ektomie verzichten. Die Cystendyse verwirft Verf. durchaus.
Durchaus übereinstimmen müssen wir mit dem Rate Kehr’s, der¬
artige Operationen nur in einem Krankenhause vorzunehmen, da nur
dort die Nachbehandlung gut durchgeführt werden kann, ebenso legt
Ref. auch grosses Gewicht darauf, alle, auch die schwierigsten Eingriffe,
nur mit einem Assistenten und einer Schwester auszuführen; auch Ref.,
der seit 1897 die Drainage des Choledochus durch die tamponierte
Bauchhöhle hindurch bei jedem Falle von Choledochotomie (es wurde nie
genäht) ausgeführt hat, kann bestätigen, dass sich allgemeine Peritonitis durch
sorgfältige Tamponade vermeiden lässt. Kehr sagt, dass er diffuse Peritonitis
„eigentlich * nie gesehen hat. Das Wort „eigentlich“ erscheint uns sehr
unglücklich gewählt, zumal da Verf. leider nur selten Sektionen vor¬
nimmt. Die dafür gegebene Erklärung, dass Verf. und seine Assisstenten
sich nicht infizieren dürfen, wäre nur dann stichhältig, wenn sich wirklich
in Halberstadt niemand fände, der die Sektionen machte, was doch kaum
anzunehmen ist. Wer seinen Kollegen so genau über seine Thätigkeit
berichtet wie Kehr, sollte sich ihren besonderen Dank auch dadurch
verdienen, dass er im gegebenen Falle durch eine vollständige Sektion
die Krankengeschichte vollendet.
Von den 95 im letzten Jahre ausgeführten Gallensteinoperationen
endeten 18 tödlich und zwar sind die cholämischen Blutungen, namentlich
vom Magen aus, einer besonders grossen Anzahl von Kranken ver¬
hängnisvoll geworden. Verf. wendet gegen das Blutbrechen häufige
Spülungen mit Höllensteinlösung an; vielleicht versucht er in der Zukunft
einmal die unter anderen von dem in der Choh'dochotomie sehr erfahrenen
Mayo Robson empfohlene Behandlung mit Calciumchlorid*). Robson
gibt dieses Mittel zwei Tage lang vor der Operation dreimal täglich 2,0,
unmittelbar vor der Operation 4,0 per rectum, nach der Operation wird
es noch mehrere Tage lang wie vor der Operation verabreicht. Es ist
hier nicht der Platz, auf die Technik Kebr's näher einzugehen, erwähnt
sei nur, dass er angibt, bei seiner Schnittführung (Schrägschnitt durch
Rectus und Längsschnitt in der Mittellinie) „störende Hernien äusserst
selten zu sehen“ (S. 179). Auf Seite 174 sagt er, dass durch die
Atrophie der medianen Fasern des Rectus die dünnen Bauchdecken sich
bei jedem Hustenstosse vorwölben, „doch kann man durch passende
Bandagen diesen falschen Hernien wirksam entgegen treten“. Es scheint
demnach doch recht häufig notwendig zu sein, Bandagen zu tragen, was
unserer Erfahrung nach „störend“ genug von den Kranken empfunden
wird; natürlich darf eine derartige, ziemlich sicher zu erwartende Un¬
bequemlichkeit uns nicht davon abhalten, in geeigneten Fällen die
*) Anmerkung bei der Korrektur: Das Verfahren findet sich in einer späteren
Arbeit Kehr’s erwähnt. (Ref.)
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Operation zu empfehlen und in möglichst gründlicher Weise durchzu¬
führen.
Was nun die für den Kranken so wichtige Frage der Recidive
anlangt, so steht Verf. wie bekannt auf dem Standpunkt, dass echte
Recidive äusserst selten Vorkommen, und es lässt sich nicht leugnen,
dass die von ihm geübte Methode der Ektomie und Hepaticusdrainnge
sicherlich am besten vor Uebersehen von Fragmenten und dadurch vor
dem Wiederauftreten der Beschwerden schützt.
So rückhaltslos wir nun die schönen Erfolge des Verf/s (ich er¬
innere nur an den Fall auf p. 86) anerkennen, so glauben wir doch,
dass er, gestützt auf sein grosses technisches Können, die Indikationen
gelegentlich zu weit stellt. So ist es allerdings „für den geübten Operateur
keine grosse Leistung“, auf einen Sitz die Gallenblase und den Wurm¬
fortsatz zu entfernen (p. 145), für die Kranken sind aber Bauchnarben,
die vom Rippenbogen bis zum Lig. Poupartii gehen, doch nicht ganz
einerlei. Besonders überflüssig aber müssen diese grossen Eingriffe
erscheinen, wenn es sich um Leute handelt, deren Nervensystem schon
vor der Operation zerrüttet ist und deren durch Adhäsionen bedingte
Beschwerden durch noch so grosse Operationen natürlich höchstens ver¬
schlimmert werden (siehe auch p. 147). Um noch einige Fälle heraus¬
zugreifen, so war die Empfehlung der Operation bei dem auf p. 156
geschilderten Falle (Hydrops der Gallenblase bei ausgebreiteter Lungen¬
tuberkulose) doch kaum gerechtfertigt. In diesem Falle verweigerte die
Kranke die Operation; wir würden bei ausgebreiteter Lungentuberkulose
überhaupt nur wegen sehr dringender, das Leben direkt gefährdender
Ursachen operieren, da die Phthise durch Narkose oft sehr ungünstig
beeinflusst wird. Auch können wir nicht verstehen, dass man sich zur
Operation drängen lässt, weil Kranke von weither zugereist kommen,
oder weil man gegen den die Operation anratenden Hausarzt nicht
unkollegial handeln will. Solche Zugeständnisse hat doch ein Mann
wie Kehr nicht nötig. Auch die häufigen Kombinationen von Ope¬
rationen am Gallensystem mit Operationen am Pylorus, mit der Gastro¬
enterostomie etc. scheinen gelegentlich mehr dem Vertrauen auf da*
chirurgische Können als dem bei der Operation entdeckten Befunde ent¬
sprungen zu sein.
Schliesslich soll noch auf zwei Dinge hingewiesen werden, die den
Ref. sehr unangenehm berührt haben. Da ist erstens die ziemlich durch¬
sichtige Angabe der Personalien der Kranken. Wer Kehrs Bücher
liest, findet unter den dort beschriebenen Fällen gewöhnlich einen oder
den anderen Bekannten, von deren Operation er bisher noch gar nichts
wusste. Ganz abgesehen davon, dass es für den Leser gar keinen Wert
hat, zu wissen, ob der Operierte ein Leutnant aus Mainz oder ein Guts¬
besitzer aus Polen ist, kann es doch dem auf p. 159 erwähnten Schul¬
direktor Dr. L. aus Osterburg nicht einerlei sein, seine traurige Lebens¬
geschichte (die eines vielfach rückfälligen Trinkers) in einem jeder¬
mann zugänglichen Buche lang und breit beschrieben zu finden; dabei
werden heutzutage medizinische Bücher durchaus nicht bloss von Aerzten
gelesen. Ebenso müssen wir es trotz der von Kehr in seiner Voirede
gegebenen Erklärung für verfehlt halten, die Diagnosen anderer Aerzte
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hier zu veröffentlichen, ganz besonders, wenn dieselben nur durch zweite
Hand, durch die Kranken oder deren Angehörige an Kehr gelangt
sind. Wir alle wissen, dass auf jedem Gebiete und auf dem der Bauch¬
erkrankungen ganz besonders Fehldiagnosen nicht selten sind; der
didaktische Zweck der Festnagelung an dieser Stelle scheint also über¬
flüssig, zumal da wir alle ausserdem auch wissen, dass Kranke unab¬
sichtlich, aus Unverstand, oder absichtlich, um dem gerade die Behandlung
leitenden Arzte zu gefallen, alles mögliche von ihren früheren Aerzten
und deren falschen Diagnosen erzählen. Hier wäre die Kollegialität viel
mehr am Platze und es sollten allerhöchstens solche Diagnosen ver¬
öffentlicht werden, die Kehr von den betreffenden Aerzten direkt
übermittelt wurden.
Wir haben die Arbeit und die von uns als Missstande empfundenen
Dinge so genau besprochen, weil wir dieser Arbeit, ihren Vorläufern
und Nachfolgern eine recht weite Verbreitung unter Chirurgen, Inter¬
nisten und praktischen Aerzten wünschen, die sie aber nur dann finden
werden, wenn alle Uebertreibungen vermieden werden.
J. P. zum Busch (London).
Zur Psychologie und Pathologie sogenannter occulter Phänomene.
Von C. G. Jung. Leipzig 1902, O. Mutze.
Im Anschlüsse an die Beobachtung eines hysterischen Mediums,
dessen Krankheitsgeschichte ziemlich ausführlich mitgeteilt wird, sucht der
Verfasser eine physiologische Erklärung der in den hysterischen Dämmer¬
zuständen zu beobachtenden psychischen Erscheinungen zu geben. Manche
seiner Annahn en sind recht plausibel (z. B. seine Ausführungen über
das in den Lehren der Occultisten eine grosse Rolle spielende sog. Tisch¬
rücken); andere wiederum tragen, wie dies die Natur des Themas mit
sich bringt, einen recht hypothetischen Charakter an sich. Nach der
Ansicht des Autors bietet gerade die psychologische Erforschung dieser
Fragen ein recht grosses und noch brachliegendes Feld für die Psychia¬
trie dar. Erwin Stransky (Wien).
Die Grenzwissenschaften der Psychologie. Von W. Hellpach.
Leipzig 1902, Dür’sche Buchhandlung.
Das vorliegende Buch ist hervorgegangen aus einer in der ,,Beilage
zur allgemeinen Zeitung“ erschienenen Studie „Die Psychologie am Aus¬
gange des Jahrhunderts“. Es soll nach der Absicht des Verf.’s ein
I^eitfaden werden, in dem die Thatsachen der Anatomie des Nerven¬
systems, der animalen Physiologie, der Neuropathologie, der Psycho¬
pathologie und der Entwickelungspsychologie angeführt und die wich¬
tigsten der an sie geknüpften Theorien kritisch beleuchtet werden sollen.
Die einzelnen Kapitel sind äusserst klar und eingehend behandelt,
so dass die mühevolle Arbeit des Verf/s angelegentlichst zum Studium
empfohlen werden kann. v. Rad (Nürnberg).
Ueber die sogenannte „Moral Insanity“. Von P. Näcke. Grenz¬
fragen des Nerven- und Seelenlebens, H. 18. Wiesbaden 1902,
Bergmann.
Der Verf. wendet sich — und wohl mit Recht — dagegen, dass man
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^ie Moral insanily als umschriebene psychische Krankheitsform gelten
lässt. Moralischer Schwachsinn geht fast stets mit anderweitigen psy¬
chischen Abnormitäten einher. Nur in höchst seltenen Fällen betrifft
ein Defekt ausschliesslich die ethische Sphäre. Näcke beschreibt dann
im weiteren ziemlich ausführlich die verschiedenen Spielarten von De¬
generierten mit vorwiegend ethischer Defektuosität; er unterscheidet sie
in zwei Haupttypen: den aktiven (eigentlichen Verbrechertypus) und den
passiven. Die den beiden Typen angehörigen Fälle lassen sich wiederum
in drei Gruppen differenzieren: in die der Imbecillität, der periodischen
Stimmungsanomalien und der psychischen Degeneration.
Ein eigener Abschnitt ist therapeutischen Erwägungen gewidmet
Von Interesse ist hier, dass Näcke für bestimmte Fälle, wenigstens im
Prinzip, die Castration befürwortet, um der Fortpflanzung solcher Indi¬
viduen und damit der sozialen Gefahr, welche das Ueberhandnehmen
solcher Degenerierter in sich birgt, präventiv zu begegnen. Diese letztere
•darf durchaus nicht gering veranschlagt werden. Nach den Unter¬
suchungen Leppmann’s befanden sich unter den Sträflingen des Moa¬
biter Gefangenhauses in Berlin 30 Proz. erblich Belasteter, während
draussen etwa 1—5 Proz. solcher existieren. Es ist eben unrichtig,
«las „Milieu“ allein für die Entstehung von Verbrechen verantwortlich
zu machen.
Thema, Inhalt und Darstellungsweise sind geeignet, die Lektüre
•des Buches nicht bloss für Aerzte, sondern auch für Juristen, Soziologen
und Gebildete überhaupt empfehlenswert erscheinen zu lassen.
Erwin Stransky (Wien).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Ziegler, P., Das Nierenaneurysma, p.
2 — 8 .
Herszky, E., Nierenabscess und Peri¬
nephritis, p. 9—28.
Goldschmidt, A., Die otitische Pyämie,
p. 29—40.
II. Bücherbesprechungen.
Wille, O., Nervenleiden und Frauen¬
leiden, p. 40.
Rosenthal, W., Die Pulsionsdivertikel
des Schlundes, p. 41.
Kehr, H., Berger u. Welp, Beiträge
zur Bauchchirurgie, p. 44.
Jung, C. G., Zur Psychologie und Patho¬
logie sogenannter occulter Phänomene,
p. 47.
Hellpach, W., Die Grenzwissenschaften
der Psychologie, p. 47.
Näcke, P., Ueber die sogenannte „Moral
Insanity“, p. 47.
Um Einsendung von Monographien and Büchern an den Kedmkteor Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I, Ebendorferstrasse 10, wird gebeten.
Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Ghirurgie.
Herausgegeben von
13 r. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 27. Januar 1903.
Nr. 2.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Da9 Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Nierenabscess und Perinephritis.
Eine zusammenfassende Studie von weil. Dr. E. Hergzky.
(Fortsetzung. |
* 93 ) Niemeyer, Zehn Nephrektomien nebst Beiträgen zur Pathologie der
Kompensationsanomalien. Diss., Jena 1892.
194) Nitze, M., Deutsche Klinik. Ed. Leyden-Klemperer.
195) Noble, Ch. P., Report of a case of nephrectomy for pyonephrosis due
to impäetion of a stone in the ureter, with remarks on the importance of the early
diagnoais and treatment of renal calculi. Amer. Journ. of Obstetric etc., Vol. XLI, Nr. 3.
196) Noorden, C., Ueber Behandlung der akuten Nierenentzündung und
der Schrumpfnieie. Berlin 1902.
* 97 ) Obalinski, Chirurgie der Nieren. Die Heilkunde 1899, I, II.
198) Obtulowicz, F., Ein seltener Fall von Nierenabscess mit nachheriger
Lenden-Nierenfistel; Operation; Besserung. Przegl. lekarski 1877, 42—46. Nach
Ref. von Oettinger.
199) Oehler, R., Kasuistischer Beitrag zur Nierenchirurgie. Traumatische
Niereneiterung, Nephrektomie, Heilung. München, med. Wochenschr. 1897, 19, p.
61—89.
200) Ogle, John W., Abscess connected with disease of vertebrae opening
into the bladder, abscess of the kidney. St. Georgs Hosp. Rep. 1866, p. 371. Vgl.
Virchow-Hirsch’s Jahresber. 1867.
20 1) Olivieri, Contributo all’ etiologia della pionefrosi. Riforma med. 1894,
X, p. 168. Vgl Wagner’s Ref. in Schmidt's Jahrb. 1895.
202) Orth, J., Ueber die Ausscheidung abnormer körperlicher Bestandteile
der Nieren. Deutsche med. Wochenschr. 1890, 44.
203) Paoii, E. de, vgl. Ref. im Centralbl. f. Chir. 1897, 51.
Ontrmlblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 4
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204) Pel, P. K., Nierenentzündung vor dem Forum des Chiraigen. Mitteil,
a. d. Grenzgeb. d. Med. u. d. Chir. 190t, p. 443.
205) Pernice u. Scagliosi, Beitrag zur Aetiologie der Nephritis. Virch.
Archiv, Bd. CXXXVIII, p. 251.
206) Picqu6, N6phrectomie secondaire. Soc. de chir. de Paris 1898, Fevrier.
207) Pinner, Beitrag zur Nierenchirurgie. Arch. f. klin. Chir. 1898, 56, p. 447.
208) PI es sing, Zvei Fälle von paranephritischem Abscess. Deutsche med.
Wochenschrift 1898, Nr. 9.
209) Poncet, cit. nach Zeller.
210) Posner, C., Verhandlungen der Naturforscherversammlung zu Lübeck 1895.
211) Ders., Diagnostik der Harnkrankheiten. Berlin.
212) Ders. u. Cohn, J., Ueber die Durchgängigkeit der Darmwand für Bak¬
terien. Berliner klin. Wochenschr. 1901, 36.
213) Dieselben, Zur Frage der Allgemeininfektion bei Harnkrankheiten.
Berliner klin. Wochenschr 1901.
214) Pousson, Une Intervention chirurgicale dans un cas d'infection coli-
bacillaire renale. Soc. de chir. Vgl. Revue de chir. 1900, 17.
215) Predöhl, A., Ueber Bakteriurie. München, med. Wochenschr. 1899, 45.
216) Prior, Peri- und Paranephritis. In Oberländer-Zuelzer’s Handbuch der
Harn- und Sexualorgane.
217) Prochovnick, Surgical kidney. Deutsche med. Wochenschr. 1896, 28,
Literaturbeilage.
218) Puky, Ä., Peri-und Paranephritis. Belgyögy. k6zi könyo, V, p. 208—219.
219) Purslow, C. E., Nephrectomy and pregnancy. British med. Journ.
1898, 26. März.
220) Quincke, Empyem des Nierenbeckens mit Drainage behandelt. Korre¬
spondenzblatt Schweiz. Aerzte, VIH.
221) Rackreyn, dt. nach Ewald.
222) Rafin, Le cath6t£risme urfctdal. Lyon m£d. 1901, 32.
223) Rank, Ueber einen Fall geheilter Hydropyonephrose. Virchow's Archiv,
Bd. CLXIV, p. 22.
224) Räskai, Ein Fall von Bakteriurie. Orvosi Hetilap 1901.
225) Ray er, Trait6 des maladies des reins 1839, III. Vgl. Senator.
226) Recklinghausen, Virchow's Archiv 1885.
227) Regnier, N6pbrectomie et ur6t6rectomie totale pour uritirite et pyone-
phrose d’origine probablement typhique. Bull, et m£m. de la soc. de chir. 1894, p. 29.
228) Reissner, E., Ueber die Ausscheidung von Fremdkörpern aus den
Nieren mit besonderer Berücksichtigung der Mikroorganismen. Diss., Güttingen 1898.
229) Repetzki, P., Zusammenstellung der Ansichten über die Aetiologie der
Pyelonephritis, nebst einer Statistik ihrer Komplikationen. Diss., Erlangen 1891.
230) Reynier, N6phrectomie et ur6t6rectomie pour ur 6 t 6 ropy 61 on£phrite et
pyon^phrose. Semaine m£d. 1893, 11.
231) Reynolds, vide Tuttle.
232) Riese, Ueber Pyelitis bei Appendicitis chronica. Langenbeck's Archiv,
Bd. LX, H. 1.
233) Richter, vide Casper.
234) Roberts, J. B., Clinical history and exact localisation of perinephritic ab-
scesses. Amenc. Journ. of med. sc. 1883, April.
235) Robin, cit. nach Ewald.
236) Rosenberger, A., Die abscedierende Paranephritis. Würzburg 1879.
237) Rosenfeld, G., Zur Differentialdiagnose zwischen Cystitis und Pyelitis.
Berl. klin. Wochenschr. 1898, 30.
238) Ders., Zur Untersuchung der Cystitis und Pyelitis. Centralbl. f. innere
Med. 1902, 8.
239) Rosenstein, Die Pathologie und Therapie der Nierenkrankheiten. Berlin
1894.
239a) Rose, Hamburger Aerzteverein, 21. Jan. 1902. Vgl. Deutsche med.
Wochenschrift 1902, 13.
240) Rothschild, Nephrektomie wegen Pyonephrose. Deutsche med. Wochen¬
schrift 1899, 5. Vereinsbeilage.
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242) Rovsing, Th., Klinische und experimentelle Untersuchungen über die
infektiösen Erkrankungen der Harnwege. 1899.
243) Sachs, W., Der subphrenische Abscess im Anschluss an die perityphli-
tische und perinephritische Eiterung. Archiv für klin. Chir., Bd. L. 1, p. 16.
244) Sa vor, R., Wiener klin. Wochenschr. 1894, 4 u. 5.
245) Scagliosi, vide Pernice.
246) Schabert, Petersb. med. Wochenschr. 1895, 42.
247) Schede, Jahrb. der Hamburger Krankenanstalten.
248) Schmid, H., Eiterige Prozesse in den Nieren und deren Umgebung.
Pentzoldt-Stintzing’s Handbuch der spez. Therapie innerer Krankh., Bd. VI.
249) Schmidt, M. B. u. Aschhoff, L., Die Pyelonephritis in anatomischer
Beziehung und die ursächliche Bedeutung des Bacter. coli coro, für die Erkrankungen
der Harnwege. Jena 1895.
250) Schmidt, J., Pyonephrose. Deutsche med. Wochenschr. 1896, 22. Beil.
251) Schmidt, O., Zur Diagnose des Niereninfarktes. Wiener klin. Wochen¬
schrift 1901, p. 451.
252) Schmidt, Pyonephrose nach Gonorrhoe. Inaug.-Diss., München 1897.
253) Schneider, Bedeutung der Gonococcen für die Komplikationen und Me¬
tastasen der Gonorrhoe. Zeitschr. f. Heilkunde, Bd. XXH.
254) Schwalbe, J„ Jahrbücher 1890—1901.
255) Sehrwald, E., Zuelze-Oberländer's Handbuch.
256) Senator, H„ Die Erkrankungen der Niere. Nothnagers spez. Path. u.
Ther., XIX, I.
256a) Ders., Ueber Pleuritis im Gefolge von Unterleibsaffektionen. Charit^-
annalen, IX, p. 311.
257) Sendler, Ueber Indikationen und Resultate chirurgischer Eingriffe bei
Erkrankungen der Niere. Münch, med. Wochenschr. 1899, 5 u. 6.
258) Singer, J., Ein Fall von Nierenabscess. Prager med. Wochenschrift
1883,47.
259) Smith, Gray, Brit. med. Journ. 1894, Januar.
260) Snow, Ruptured pyonephrotic kidney. The Brit. Gynek. Journ. 1901,
Februar.
261) Socin, vergl. Wagner’s Ref. in Schmidt’s Jahrb., Bd. CCLIII, p. 194.
262) Southey u. Smith, Th., Perinephritic abscess opered; Perforation in to
pleural cavity; pericarditis; death. Lancet 1874, IO * Juny.
263) Steinthal, K., Chirurgische Erkrankungen der Nieren. Beitr. z. klin.
Chir. 1899. 3.
264) Steiner, Akute eitrige Paranephrids, entstanden durch Platzen eines
Nierenabscesses. Centralbl. f. Chir. 1896, 13.
265) Stern, S., Fall von idiopathischem, retrorenalem Abscess. Orvosi hetilap
1890.
266) Stevart, J., A case of primary abscess of the kidney. Lancet 1899,
25. Nov.
267) Steven, J., The Pathology of suppuradve inflammalions of the kidney.
Glasgow med. Journ. 1883, Sept.
268) Strauss, H., Die chronischen Nierenentzündungen in ihrer Einwirkung
auf die Blutflüssigkeit und deren Behandlung. Berlin 1902.
269) Suarez, S£miologie renale. Ann. des mal. des org. g6n.-urin. 1899,
XHI, 9.
270) Szumann, Nierentumor, durch Kelchsteine bedingt. Laparotomie, Ex¬
stirpation der Geschwulst. Noviny lekarskie 1893; nach Ref. im Centralbl. f. Chir.
'* 93 . 37 -
271) Taylor, H., Arch. of Med. 1861, H, p. 284. Vergl. Senator,
Csatäry.
272) Tratz, Prager Vierteljahrschr. 1859. Vergl. Senator.
273) Tuffier, Pyonephrose calculeuse. R6section partielle du rein. Soc, de
Chir. 1892, 20. Juli.
274) Ders., De la P£rin6phrite tuberculeuse et des absc&s froids perin6phr£-
tiques. Gaz. hebd. 1892, 19.
275) Ders., Centralbl. f. d. Krankh. d. Harn- u. Sexualorg. 1898, IX, p. 57.
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276) Ders. u. Levy, Ch., Des 6panchements p£rirönaux ä la suite des con-
tusions du rein. Ann. des mal. des org. g£n.-urin. 1895, p. 217.
276a) Turner, cit. nach Senator.
277) Tuttle, A. H., Reynolds, E. and Bergen, J., Pyonephrosis. A di-
nical study, with detailed report of case of extreme type. Bost. med. and surg. journ.
1898, 24. Febr.
278) Ul 1 mann, Ueber Allgemeininfektion nach Gonorrhoe. Archiv f. klin.
Med., Bd. LXIX, p. 309.
279) Ultzmann, Zur Diagnose der Pyelitis. Wiener med. Presse 1880,
Nr. 34 — 3 6 -
280) Verhoogen, Resultats 61 oign£s de la n^phrectomie. Ann. des mal. des
org. gfcn.-urin. 1899, XVII, 7.
281) Ders., Pyonephrose. Journ. de M£d„ de Chir. et de Pharm, de Bruxelles
1892, 46. Vergl. Wagner’s Ref. in Schmidts Jahrb., Bd. CCXLIV,
288) Verri^re, Thfcse de Lyon 1899.
289) Wagner, P., Abriss der Nierenchirurgie. Leipzig 1893.
290) Ders., in Pentzold-Stintzing's Handb., II. AufL, VII.
291) Wagner, Centralbl. f. d. Krankh. d. Harn- u. Sexualorg. 1897, p. 67.
292) Waitz, Partielle Nierenresektion in einem Fall von Pyonephrose.
Deutsche med. Wochenschr. 1891, p. 498.
292 a) Wann er, Pyonephrose mit letaler Exacerbation im Wochenbett. Münch,
med. Wochenschr. 1895, 17.
2 93 ) Warschauer, Beobachtungen aus der Nieren- und Ureterenphysiologie.
Berliner klin. Wochenschr. 1901, 15.
294) Waskiewitz, Ein Fall von eitriger Entzündung des perirenalen Ge¬
webes mit Durchbruch in das Nierenbecken und günstigem Ausgang. Gaz. lek&rska
1893, 23; nach Ref. von Trzebicki.
295) Watson, F. S., Cases illustrating renal surgery. Boston med. and surg.
Journ. 1897, 134.
296) Weir, F. t A personal experience in renal surgery. Med. News 1898,
Jan.—Febr.
297) Wiederhold, Virchow’s Archiv, Bd. XXXIII.
298) White, W., The relation of subdiaphragmatic abscess to the thoradc
viscera, with three illustrative cases. Brit. med. Journ. 1890, May.
299) Wilmot, Th., A sacculated nephritic abscess in a patient with only cm
kidney; anurie, death. Brit. med. Journ. 1883, 24. Nov.
300) Wilnot, Fall von Nierenabscess. Med. Ges. zu Leipzig, 28. Jan. 1902.
Vergl. Münchener med. Wochenschr. 1902, 12.
301) Winter, Eine durch Laparotomie exstirpierte Pyonephrose. Centralbl. f.
Gynäkol. 1895, XIX, 31.
302) Wolff. Max, Die Nierenresektion und ihre Folgen. Berlin 1900.
303) v. Wünschheim, Zeitschr. f. Heilkunde, Bd. XV, p. 287.
304) Wyss, Zwei Decennien Nierenchirurgie. Beitr. z. klin. Chir. 1901, 32.
305) Zeller, Des phlegmons perin£phritiques tuberculeux d’origine renale.
Th£se de Lyon 1895.
306) Ziegler, E., Lehrbuch der spez. pathol. Anatomie, II.
307) v. Ziemssen, Klinisches zur Lehre von der chronischen Nephritis.
Deutsches Archiv f. klin. Med.. LV, p. 1.
Nach Engel 60 ) wirken die giftigen Stoffprodukte lokal
auf die Nierenepithelien. — Seine bakteriologischen Untersuchungen
ergaben in 55 Proz. der Fälle einen Coccus pyogenes, den er für
die Niere für spezifisch hält. Dieser Coccus ist ungewöhnlich gross,
hält die Anilinfarbstoffe fest, ist von massiger Virulenz, welcher
auch seine eitererregende Wirkung entspricht. Nach intravenösen
Injektionen der Kultur dieses Coccus erzielte Engel stets Glome¬
rulonephritis.
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Derselbe Autor fand ferner in 16 Fällen Staphylococcus pyog.
aureus, Eiterstreptococcen in acht Fällen, Tuberkelbacillen in vier
Fällen, einmal Typhusbacillen, nur fünfmal Bacterium coli com¬
mune.
Festgestellt ist, dass die Streptococcennephritis anfangs
zu akuter interstitieller Nephritis führt. In den drei Fällen von
Howard 146 ) konnten die Coccen nur einmal in der Niere selbst
nachgewiesen werden, wohl aber fand man sie in den anderen Or¬
ganen. — In den erweiterten Gefässen befanden sich Plasmazellen
mit amöboider Bewegung und mitotischen Kernen, Lymphocyten
und eosiuophile Zellen.
Die Streptococceunephriti8 kann auch, ohne berdartige Er¬
krankungen in der Rinde oder in der Marksubstanz hervorzurufen,
verlaufen. Nach einem Kopferysipel, wie Reissner beschreibt,
entwickelte sich eine multiple Nephritis. Die Ausscheidung der
Streptococcen ging durch die intakten Capillaren der Glomeruli
vor sich.
Orth* 02 ) hat schon früher darauf hingewiesen, dass bei häma¬
togenen Nierenaffektionen (z. B. nach Pyäraie oder ulceröser Endo-
carditis) in den Markkegeln Bakterienanhäufungen stattfinden und
in vielen solchen Fällen die Nierenrinde frei von jedem Er¬
krankungsherde war.
Aehnlich äussert sich auch Brucauff.
Nach Litten 161 ), Letzerich 156 ), Babes 8 ) u. a. können bei
akuten Infektionskrankheiten die Mikroorganismen die ganze Niere
überschwemmen, so dass, wie insbesondere Letzerich bezüglich
der Diphtherie ausführt, sogar die cirkulatorischen und sekre¬
torischen Apparate in ihrer Thätigkeit gehindert sind, worauf auch
die verminderte Harnsekretion in solchen Fällen zurückzu¬
führen ist.
Es kann aber auch, wie Wunschheim 80 ® 1 - c -) ausgeführt hat,
nach Eindringeu der Streptococcen und auch der Staphylococcen
zu konsekutiver Pyämie kommen, die mit intensivem Zerfall der Ge¬
webe einhergeht, niemals aber konnte der Autor lokale Gewebs¬
wucherungen im Anschluss an derartige Prozesse beobachten.
Wunschheim 1 - 0 -) glaubt nicht, dass absteigende Pyelonephri-
Uden typisch nach hämatogener Ausscheidung von Mikrorganismen
zustande kommen könnten.
Interessante Befunde machten noch Kretz 128a ), E. Graf 90 )
und Hirsohlaff“*).
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Kretz 138 *) fand in einem Fall von Pyelitis in einem Teile des
Sedimentes kleine eingescblossene Bakterien, die, wie auch die extra-
cellular gelegenen, in Form, Grosse und Anordnung den Pfeiffer’schen
Influenzabacillen ähnlich waren.
Graf 90 ) fand nach sorgfältiger Untersuchung eiternder Nieren¬
prozesse neben Bacterium coli einen Coccus, der sich insbesondere
für Mäuse und Kaninchen als hochgradig pathogen erwies.
Auf der Fürbringer’schen Abteilung konnte in einem Falle
von Pyonephrose Hirschlaff 11 *) das Bacterium aerogenes
Escherich, welches mit dem von Heye in einem Fall von Pneu¬
maturie gefundenen Stäbchen identisch erscheint, züchten. Dieses
Bacterium erklärt Hirschlaff für eine Abart des Bact. coli comm.
Wie diese Mikroorganismen in die Niere gelangten, konnten
die Autoren nicht feststellen.
Lennander und Sundberg 164 ) züchteten in einem Falle
von eiteriger Nephritis ebenfalls sowohl aus dem Nierengewebe
selbst, als auch aus dem Harn eine Abart des Colibacillus.
In dem Bericht Faltin’s 84 ) über 86 bakteriologisch untersuchte
Fälle von Infektion der Harnwege sind schöne Abbildungen von
Kulturen verschiedener Arten der Streptococci ureae ovales, Bacilli
ureae und prostatici, sowie Coccobacilli ureae. Ob diese für die
Niere auch pathogen sind, kann heute nur als wahrscheinlich an¬
genommen werden, wenn durch andere Momente ein günstiger
Boden gegeben wird. Am häufigsten traf auch dieser Autor neben
dem Colibacillus den Streptococcus pyogenes, pyocyaneus und
albus vor.
Die lokalen Prozesse bei der vereiternden Herdnephri¬
tis bilden sich, wie es auch Ziegler 308 ) ausführt, hauptsächlich in
der Rinde, nicht selten sind jedoch auch in der Marksubstanz
kleinere und grössere, rundliche und streifenförmige Herde, die von
einem hyperämischen Hofe umgeben sind. — Die Niere selbst kann
in ihrem Bau im übrigen nicht verändert erscheinen. — Häufig je¬
doch ist sie infolge entzündlichen Oedems grösser, in ihrer Kon¬
sistenz herabgesetzt und verschieden gefärbt, was auf unregelmässige
Blutverteilung zurückgeführt werden muss.
Die Epithelien innerhalb der infiltrierten Bezirke zerfallen zu
körnigem Detritus. Nach eitriger Infiltration der Bindeschichten
tritt der Prozess ein, den wir Abscess nennen.
Bei der Aktinomykose ist die Niere, wie wir in der histo¬
rischen Arbeit Israel’s 136 ) schon lesen können, nur mässig ver-
grössert, sehr blass. In der Rindensubstanz sind reichliche Abscesse
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verschiedenen Durchmessers (kirschen- bis linsengross). — Die Mark-
sobstanz ist in der Regel frei. Der Inhalt besteht aus Eiter und
Pilzkonglomeraten, welche auf dem Durchschnitt durch ihre safran¬
gelbe bis gelbbraune Farbe auffallen. Es findet sich nicht ein
einziger Abscess, der diesen mykotischen Inhalt vermissen Hesse.
In seltenen Fällen kann man auch ausgeheilte Herde und gewesene
Abscesse beobachten. Moxon 186 ) bezeichnet in seinem Falle die
in der Rindensubstanz Vorgefundenen markigen gelblichweissen Herde,
die mit der Nierenkapsel verwachsen waren, als ausgeheilte Abscesse.
Brucauff 84 ) fand in fünf Fällen (das Untersuchungsmaterial stützt
sich auf 16 Fälle) Narbenbänder, die er ebenfalls als Zeichen
ausgeheilter Abscesse betrachtet.
Die anatomische Unterscheidung zwischen den auf¬
steigenden und den hämatogenen Prozessen ist meist nur in
den Anfangsstadien der Erkrankung möglich. Erstere hängt in der
Regel vom Zustande des Nierenbeckens ab, welches bei der uro-
genen Aetiologie stets verändert erscheint.
Vom Nierenbecken zieht sich dann der Prozess in der Regel
dnrch die geraden Harnkanälchen zur Rinde. Bei der hämato¬
genen Entstehung ist meist das Parenchym primär verändert —
und zwar, wie durchweg anerkannt ist, wird die Rinde zum Haupt¬
angriffspunkt.
Doch kann auch bei der hämatogenen Infektiou der Nieren
die Beckenschleimhaut manchmal primär erkrankt sein. Daher
wird wohl nur der Befund von Mikroorganismen im Blute selbst
für die hämatogene Aetiologie sprechen.
Israel l * 71 -*•) unterscheidet verschiedene Formen infektiöser
Nierenveränderungen: Die aufsteigende, katarrhalische Form der
Pyelonephritis mit Schwellung der Nierenbeckenschleimhaut und
einer katarrhalischen Erkrankung der papillären Sammelröhren, die
sich durch die geraden Harnkanäle fortzieht. Die zweite Form geht
schon mit der Bildung multipler, miliarer Herde einher, welche
in der ganzen Niere, jedoch mit Vorliebe in der Rindensubstanz zer¬
streut sind und oft gruppenförmig wie ein Fächer vom Hilus gegen
die Rinde ausstrahlen. Man findet in solchen Fällen nach Abziehen
der Capsula propria plateauartig unter der Nierenoberfläche hervor¬
ragende Gruppen dicht zusammengedrängter Knötchen.
Bei akut entzündlichen Formen sind die Knötchen von roten
Höfen umgeben, die bei chronisch gewordenen Prozessen abblassen.
Die gruppierten Knötchen konfluieren im weiteren Verlaufe.
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Für die Verbreitung der Nierenooccenherde nimmt schon
Steven* 67 ) zwei Wege an: 1) Harnkanälchen, die oft mit Mikro-
coccen gefüllt sind; 2) Lymphgefässe. — Die häufige Lage der
kleinen Abscesse zwischen Nierenkapsel und Parenchym, sowie die
langgestreckte Form der einzelnen Abscesse erklärt Steven
durch die von Ludwig schon angegebene Kommunikation der
Uretereulympbgefässe mit denen der Nierenkapsel und Nierenober¬
fläche. Steven's Injektionsversuche bestätigen die Ludwig’sche
Lehre.
Im Verlaufe von chronischer Pyelonephritis kommt es ab und
zu zur Bildung weniger grosser Abscesse, die von sklerotischem
Nierenparenchym umgeben sind. (Vergl. auch Albarran 1 ).)
Noch seltener ist als Folgeerscheinung ein Gangränöswer¬
den des Nierenbeckens und der Kelchschleimhaut mit Abscess-
bildung gangränös jauchigen Inhaltes im Nierenparenchym, wie dies
vielleicht von Israel 1,7 '- c -) allein beobachtet, beziehungsweise be¬
schrieben wurde.
Bei den primären Pyonephrosen verdichten sich, wie Israel
treffend ausführt, ungleichmässig die verschiedenen Teile des
Nierengewebes infolge der durch die Infektion bedingten sklero-
sierenden Prozesse. Daher ist auch der Widerstand starker inter¬
stitieller Gewebsneubildung in den Gewebspfeilern zwischen den
Kelchen der grösste, in der Rinde der geringste.
„Bei zunehmendem Druck wird nach Schwund der Mark¬
kegel die Rindensubstanz immer mehr (in Kugelform) ausgedehnt,
die Kelchhälse verengern sich mehr und mehr, teils durch binde¬
gewebige Dickenzunahme der zwischen ihnen gelegenen Scheide¬
wände, teils durch Hineinwachsen des wuchernden Hilusfettes in die
trennenden Gewebspfeiler, teils durch entzündliche Schwellung der
Kelche und Beckenmucosa.“
Da die Kelche häufiger stärker erweitert sind als das Becken,
sind auch die Kammern bei den wahren Pyonephrosen ungleich-
massig.
Die Höhlen zeigen durchwegs ein ausserordentliches Volumen,
sind aber durch die begleitenden, entzündlich indurativen Prozesse
des Nierengewebes häufig an einer extremen Ausdehnung gehindert.
Schon frühzeitig entsteht ferner eine sklerosierende Perinephritis, die
der Ausdehnung ein beträchtliches Hindernis in den Weg legt, was
diagnostisch nicht unwesentlich erscheint.
Der Inhalt der Pyonephrosen ist vor allem Eiter, der
entweder geruchlos, rahmig oder übelriechend jauchig oder mit Blut
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versetzt sein kann. — In den verschiedenen Hohlen einer Niere
kann er auch von ungleichartiger Beschaffenheit sein, je nachdem
Abfluss möglich oder unmöglich ist
Bei einer gabeligen Teilung des Ureters (Israel) mit zwei
voneinander getrennten Kelchsystemen und zwei gesonderten Ab¬
flüssen ist die verschiedenartige Eiterbeschaffenheit noch erklärlicher.
Id dem jüngst von Knöpfelmacher 135 ) demonstrierten Prä¬
parat (Obducent Albreoht) war die linke Niere in zwei Hälften
geteilt, die obere Hälfte war zerfallen, abscediert und mit eigenem
Becken, welches erweitert und mit Eiter gefüllt war, versehen. —
Der stark verengte Ureter mündete in die Vagina.
Die untere Hälfte ist frei von Abscessen, das ihm zugehörige
Nierenbecken, von normalem Aussehen, mündet mit einem zweiten
Ureter in die Blase.
Interessant ist in diesem Falle der Weg der Infektion von
der Vagina aus.
Der Eiter kann recht häufig durch Inkrustation mit Salz¬
niederschlägen verändert sein; häufig findet man einen mörtel-
artigen Phosphorbrei oder mit phosphorsaurem Kalk und Tripel-
phosphaten vermengten Eiter.
In einem Fall von Israel 1271 °-) hafteten an der Schleimhaut
des Beckens und der Kelche „kesselsteinartige Niederschläge“.
Die Eitermassen können sich aber auch zu Pfropfen konsoli¬
dieren, die, mit Tripelphosphaten durchsetzt, am Durchschnitt eine
zwiebelschalenartige Schichtung-zeigen. Die abgestossenen, ver¬
hornten Epithelzellen, die, mit Eiter und Salzen vermengt, einen
atheromartigen Brei liefern, können, wie Israel in einem Falle be¬
obachten konnte, zu epidermoidaler leukopathischer Verände¬
rung der Schleimhaut führen.
Sonst ist die Beckenschleimhaut entweder glatt, „atrophisch oder
schiefrig fleckig“ gefärbt, manchmal rot, gewulstet, succulent, ödematös.
Die Kelchhöhlen haben bei Pyonephrose mitunter den grössten
Anteil an der Geschwulstbildung. Manche öffnen sich breit ins
Becken, bei manchen ist der Zugang zu dem letzteren verengt oder
verschlossen. — Die Verengerung der Kelchhälse hängt mit den
entzündlichen Bindegewebswucherungen der Columnae Bertini zu¬
sammen. Die Form der Kelchhöhlen ist meist flaschenförmig.
Eis kann auch das perihilöse Fettgewebe zu stark wuchern und
hiedurch die Kelchhälse umwachsen.
In einem Fall von Israel 1 * 71 - c -), dessen Ausführungen die
Anatomie der Pyonephrosen die einzig richtige und vielseitige, be-
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ziebungsweise gründliche Betrachtung verdankt, substituierte das
Fettgewebe den grössten Teil des zu Grunde gegangenen Nierenparen¬
chyms, so dass aus der Niere ein wahres Lipom wurde, ao
dessen Peripherie nur kleine Abscesschen zu finden waren.
„Die Niere selbst war zum grössten Teil in einer, von binde¬
gewebigen Septis durchzogenen, fast homogenen Fettklumpen ver¬
wandelt. Nur an der Oberfläche fand man eine einige Millimeter
breite Zone eines derberen, als Rest von Nierenparenchym aufzu¬
fassenden Gewebes, in welchem auf Durchschnitten hie und da
AbBcesse von Stecknadelkopf- und Erbsengrösse erkannt werden,
zum Teil mit krümelig sandigem Inhalt“
Ein fast ebenso ausgeprägter Fall ist jüngst von Graff 19 ) be¬
schrieben worden. — Die von ihm exstirpierte Niere war von einer
fettdurchwachsenen Schwielenschicht, deren Dicke zwischen 1—4 cm
schwankte, umgeben. Am unteren Nierenpol zahlreiche Abscesse.
Auf dem Durchschnitt war die Niere gewissermassen in zwei Teile
geteilt; die obere Hälfte bestand aus erweiterten, mit dickem, ge¬
ruchlosem Eiter gefüllten Nierenkelchen, die untere war vollkommen
obliteriert und durch Fett- und Narbengewebe ersetzt Von
Nierengewebe ist makroskopisch nichts zu sehen. Zwischen dem
Fettgewebe und den erweiterten Kelchen war eine graufarbige
Schichte von etwa 5 mm Dicke, die Graff als den narbig ge¬
schrumpften Rest der Niere auffasst Die Septa zwischen den ein¬
zelnen Kelchen sind fettig degeneriert An der kaum erkennbaren
Grenze der Nierenhälften wucherte das Fettgewebe vom Hilus aus
in die Nierensubstanz hinein. Es handelte sich auch in diesem
Falle um eine partielle lipomatöse Degeneration einer pyo-
nephrotischen Steinniere.
Noch einige Worte über das Parenchym der Niere selbst
Es ist bei vorgeschrittenen Pyonephrosen verdünnt, brüchig, auf¬
fallend blass, oft mit gelben, verfetteten, miliaren Herden durchsetzt
die Marksubstanz teils durch Druckatrophic (Israel), teils durch
Ulceration verändert oder gar gänzlich zerstört
Einzelne Nierenparenchymteile geben, wie dies schon von Eb¬
stein 67 ), Fürbringer 76 ), Rosenstein 239 ), Senator 1 - °) u. a. her¬
vorgehoben wurde, eine ganz charakteristische Reaktion der amy-
loiden Degeneration.
Auf die Veränderungen des Ureters kann nur, soweit die¬
selben diagnostisches Interesse bieten, noch eingegangen werden. —
Interessant ist, dass die Stielgefässe bei vielen grossen Pyo¬
nephrosen auffallend enge sind (Israel 1 - 0 -)). (Fort»e u un g folgt.)
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Die otitische Pyämie.
Sammelreferat von Dr. Alfred Goldschmidt, Hals-, Nasen- u. Ohrenarzt
in Breslau.
(8chhiM.)
Bakteriologie.
Die Pyämie durch Sinusthrombose ist zumeist durch Strepto¬
coccen hervorgerufen. Die anderweitig noch in Frage kommenden
Erreger folgen erst in weitem Abstand. Nachgewiesen sind der
Staphylococcus, der Pneumococcus Fraenkel, der Pneumobacillus
Friedländer, der Bacillus pyocyaneus, der Meningococcus intra-
cellularis (Weichselbaum-Jaeger) als primärer Erreger, der Acti-
nomyces. Auch der Gonococcus, der Micrococcus tetragenus sind
gefunden worden, ferner Proteus und Bacterium coli. Gr über fand
das Vorkommen grünen Eiters im Ohre. Rist hat gewisse Anae¬
roben als Erreger der Pyämie angeschuldigt und Laurens eine be¬
stimmte Form der Pyämie auf sie zurückgeführt. Diese primär
auslösenden Bakterien können aber auch sekundär — besonders
nach Infektionskrankheiten — in der Paukenhöhle Vorkommen und
Veranlassung zu pyämischen Erkrankungen geben. Dazu kommt
dann noch der Influenzabacillus, der bei der Grippe neben anderen
Bakterien im Ohre gefunden wird. Ferner treten Scharlach und
Masern häufig mit sekundären Ohreiterungen auf. Marie Raskin
fand in acht Scharlachohreiterungen Streptococcen, dreimal als Rein¬
kultur. In einem dieser Fälle war ausserdem noch der Staphylo¬
coccus pyogenes aureus et albus. Die Diphtherie lokalisiert sich
— wenn auch nicht so häufig wie Scharlach und Masern — auch
mit echten Diphtheriebacillen im Ohre. Die Tuberkulose zeigt
meistens im Ohre die sekundären Bakterien, die auch sonst an
anderen Stellen bei dieser Krankheit Folgeeiterungen bewirken. Der
Tuberkelbacillus als solcher macht aber keine Pyämie. So viel¬
gestaltig auch die Bakterienvermischung im Ohre sein mag, die
Metastasen sind immer durch Monoinfektion bedingt, d. h. eine be¬
stimmte Bakterienaussaat bewirkt die metastatischen Lokalisationen
in den verschiedenen Körperteilen.
Klinischer Verlauf.
(Symptomatologie und Diagnostik.)
Was bei einer bestehenden Ohreiterung die Auslösung zur
Pyämie gibt, ist uns völlig unbekannt. Die Schwere der Infektion
in der Pauke ist es nicht, auch nicht die Sekretverhaltung. Die
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Art und Virulenz der Erreger muss dabei eine wichtige Rolle spielen.
Die Frage nach den allerersten Ursachen fällt zusammen mit der
Frage nach der Entstehung der Ohreiterungen Oberhaupt. In häufigeo
Fällen ist eine Erkältung, ein Schnupfen vorausgegangen. In einer
Anzahl primärer Fälle müssen wir eine Infektion auf dem Blut- oder
Lymphwege, in anderen ein Aufflackern von in der Paukenhöhle
oder deren Nachbarschaft latent gebliebenen Keimen annehmen. Die
sekundären Fälle betreffen zumeist die akuten und chronischen In¬
fektionskrankheiten, die auch im Ohre ihre Teilerscheinungen ent¬
falten können. Was im einzelnen Falle ein Uebergreifen auf den
Knochen des Warzenfortsatzes per continuitatem und dann auf die
dem Sinus benachbarte Knochengegend und den Sinus selbst be¬
wirkt, oder was als Causa movens die Erkrankung des Sinus auf
dem Umwege der Blut- oder Lymphbahn herbeiführt, wissen wir
nicht. Zu der Bakterienwirkung — selbst der hauptsächlichsten Er¬
reger, der Streptococcen — muss noch eine unbekannte Ursache
hinzutreten. Eine grob-mechanische Läsion kaun den Anstoss
geben. So ist bei der Extraktion der Gehörknöchelchen durch Ver¬
letzung des Bulbus, der im angeregten Falle wohl nur durch eine
schwache Zwischenwand getrennt war, Sinusthrombose entstanden
(Dench).
Auch durch starke Erschütterung, z. B. durch Fall, sind Ohren¬
krankheiten mit endocraniellen Komplikationen beobachtet worden.
Dass eine derartige starke Erschütterung direkt die Veranlassung
einer Thrombosierung bilden kann, hat Dörr experimentell bei
Hunden durch Hammerschläge bewiesen. Der Zeitpunkt der Aus¬
lösung der Pyämie kann sich in einigen Fällen, insbesondere nach
Influenzaerkrankungen, rasch, d. h. nach Verlauf von einigen Tagen,
an das Auftreten der Mittelohreiterung anschliessen, in anderen
Fällen — und das sind, wie schon im statistischen Teil erwähnt, die
der Zahl nach erheblich überwiegenden chronischen Fälle — liegt
ein mehr oder minder grosser Zeitraum dazwischen. Auch die
Dauer der pyämischen Erscheinungen an sich ist sehr verschieden:
sie kann eine Woche betragen und sich andererseits über 1 1 / 2 Jahre
ausdehnen. Die charakteristischen Erscheinungen sind der Tempe¬
raturverlauf und die Metastasenbildung. Das Fieber ist zumeist
das remittierende Fieber der Pyämien mit starken Tagessenkungen.
Es kann aber in seltenen Fällen ganz fehlen — der pyämische
Charakter der Erkrankung wird dann nur durch die Metastasen
oder ev. während der Operation oder auf dem Seciertisch er kannt —
es kann ferner gelegentlich subnormale Temperatur vorhanden sein,
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indem ein gleichzeitig vorhandener Hirnabscess die Temperatur herab¬
drücken kann (Barth, Brieger). Auf der anderen Seite kann ge¬
legentlich der Eindruck einer Febris continua erweckt werden, wenn
die täglichen Remissionen sehr gering sind. Diese Form könnte am
ehesten die Verwechslung mit einfachen Fiebersteigeningen hervor-
rufen, wie sie bei unkomplizierten Ohreiterungen Vorkommen kann.
Die Ansicht von Leutert, dass ein durch mehrere Tage sich hin¬
ziehendes Fieber, wenn es auf das Ohr zu beziehen ist, ausser
Meningitis nur noch Sinusthrombose anzeigen könne, geht doch
wohl zu weit Bei Kindern ist das kontinuierlich hohe Fieber das
häufigere. — Die Metastasen sind als ein häufig vorkommendes
und diagnostisch stützendes Symptom zu bezeichnen, jedoch kann
auch hier von einer Konstanz keine Rede sein. Unter 38 Brieger-
schen Fällen fehlten Metastasen in 16 Fällen = ca. 42 %. Bei der be¬
sonderen Pyämieform, die Körner aufgestellt hat, derOsteophlebitis-
pyämie, bei welcher die Entzündung der kleinsten Venen des Warzen¬
fortsatzes die Ausgangsstelle bildet, sind die Metastasen in den
Lungen ausgeschlossen, weil diese kleinsten Thromben die Lungen-
capillaren passieren. Es treten dabei eher Muskel-Schleimbeutel-
Gelenkmetastasen auf. Dass die Aufstellung dieses Krankheitsbiides
nicht ohne lebhaften Widerspruch geblieben ist, ist schon erwähnt.
Die Zurückführung dieser Form auf ein fast theoretisches Interesse
ist beinahe allseitig anerkannt. Die Notwendigkeit ihrer Einschrän¬
kung in praktischer Beziehung ist schon darum von «der grössten
Wichtigkeit, weil durch die Annahme, dass im gegebenen Falle von
einer Sinusthrombose abgesehen werden müsste, die Möglichkeit zu
einem rechtzeitigen erfolgreichen, operativen Einschreiten negiert
wird. Besteht die Ansicht Körner’s zu Recht, so müsste mit der
Inangriffnahme des Warzenfortsatzes der Eingriff erledigt sein. Die
Metastasen können in allen möglichen Teilen des Organismus auf-
treten; so sind Eiterungen im Kehlkopf, in den Qelenken beobachtet,
dagegen sind bis jetzt Lebermetastasen — ausser einer Beobachtung
von Dusch — noch nicht zur Kenntnis gekommen. In einem Falle
(Brieger) wurde eine subunguale Eliterung sämtlicher Finger bemerkt
Zn den seltenen Lokalisationen gehört das Vorkommen eines
metastatischen Hirnabscesses, einer Abscessbildung im Herzfleisch
(Brieger, Esch weiter), ja auch die Meningitis kann metastatisch
entstanden sein, sie braucht nicht immer koordiniert neben der Throm¬
bose zu bestehen. Eine ungewöhnliche Form ist auch der Durch¬
bruch der Eiterung nach dem Pharynx, was Pischel in einem
Falle akuter Mastoiditis mit Sinusthrombose beobachtete. Meist
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werden die Metastasen milder, je weiter sie vom Beginn der Pyämie
abliegen. Der Primärherd im Ohr kann gering und die Metastasen
können bedeutend sein. So ist in solchem Zusammenhänge Strepto¬
coccengelenkeiterung mit bleibender Ankylose beobachtet worden. Die
zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Sekundärlokalisationen
können mehrere Wochen betragen. Bei der Unbeständigkeit bezw.
der mangelnden Eindeutigkeit der beiden Hauptsymptome, des
Fieberverlaufes und der Metastasenbildung, hat man versucht, eine
Anzahl pathognomonischer Stutzpunkte für die otitische Pyämie
aufzustellen. Es sei gleich vornweg betont, dass ein jedes derselben
einen gewissen Anhalt gewährt, aber weder konstant noch in allen
Fällen eindeutig genannt zu werden verdient Als Griesinger’sches
Symptom wird ein Oedem am hinteren Rande des Warzenfortsatzes
bezeichnet, das aber häufig vermisst wird und ausserdem auch von
einer Thrombose der Emissaria condyloidea hervorgerufen werden
kann. Die Erweiterung der Vene des Foramen mastoideum hat
Zaufal als ein besonderes Merkzeichen angesprochen, Benn'et
einen circumscripten Druckschmerz an derselben Stelle. Auch das
Fuhlen eines harten Stranges in der Verlaufsrichtnng der Vena jugu-
laris bei Thrombose derselben ist nicht durchaus zuverlässig, da eine
Phlegmone der Halsgegend ein ähnliches Untersuchungsresultat zur
Folge haben kann. Auch das Verhalten der Venengeräusche ist zur
Diagnose herangezogen worden: Voss giebt an, dass das Aufhören
eines Geräusches, welches bei hoher Kompression der normalen
Jugularis zur Wahrnehmung kommt, für die Annahme eines Ver¬
schlusses der Jugularis wesentlich ist. Gerhardt bezeichnet auch
die schwächere Füllung der Jugularis externa der kranken Seite als
einen Hinweis auf Sinusthrombose. Von Lermoyez ist die allge¬
meine Erweiterung der Venen der behaarten Kopfhaut, welche eine
Art Medusenhaupt bildet, als ein Zeichen der Thrombose des Sinus
longitudinal» superior genannt worden. Augenhintergrundserschein¬
ungen (Gefässveränderungen, Neuritis optica, Stauungspapille) sind
bei der Thrombose desjenigen Sinus, der hauptsächlich in Betracht
kommt, des Sinus transversus, eine seltene Erscheinung, sie sprechen
im Zweifelsfalle eher für eine Erkrankung des Sinus cavernosus.
Hansen (Schwartze’s Klinik) prüfte 29 Fälle auf diese Befunde,
und zwar acht Fälle nicht komplizierter und 21 Fälle komplizierter
Sinusthrombose. Aus der Gruppe der erstgenannten acht Fälle
zeigten fünf keinen Augenbefund, drei ergaben positives Resultat
Von den 21 Fällen waren 11 normal, von den übrigen 10 hatten
fünf Gefässveränderungen, vier Neuritis optica, einer Stauungs-
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p&pille. Auch die Perkussion des Warzenfortsatzes ist zur diagno¬
stischen Unterstützung herangezogen worden. Okukeff hat bei
Thrombophlebitis des Sinus transverus die Schalleitung des Warzen¬
fortsatzes in einer Ausdehnung von 2 cm vollständig gedämpft ge¬
funden, während auf der anderen Seite hellerer Ton vorhanden war.
Gr hält das Perkussionsergebnis für ein sicheres Zeichen. Thies
erklärt dagegen in einer unter Barth’s Leitung geschriebenen In¬
auguraldissertation, dass derartige Dämpfungen nur als Weichteil¬
dämpfungen aufzufassen seien und sowohl normaler wie patho¬
logischer Weise Vorkommen. Eine Einigung der Anschauungen ist
darüber noch nicht erzielt. Ausser Thies und Barth leugnet z. B.
auch Weygandt ein ins Gewicht fallendes Untersuchungsergebnis,
während Körner, v. Wild, Eulenstein sich nicht so ablehnend
verhalten. — Der Verlauf im einzelneu Falle ist vorher gar nicht
zu bestimmen. Er hängt zum grossen Teil von der Virulenz
der eingedrungenen Keime, von der Schwere und Häufigkeit der
Metastasenaussaaten ab. Eulenstein trennte eine besonders schwere
Verlaufsart, die er als toxinämische Form bezeichnete, ab. Dieselbe
kann auch ohne die klinischen Zeichen der Pyämie auftreten. Bei
ihr treten die schweren Erscheinungen fast stets plötzlich und un¬
erwartet auf, so dass der Eindruck einer kumulativen Wirkung der
aufgenommenen Toxine erweckt wird. Bei hoher Temperatur maoht
sich eine auffallende Unruhe, die sich bis zu Delirien steigern kann,
bemerkbar. Der Puls ist jagend, kaum fühlbar. Bei allgemeiner
Cyanose fühlen sich die peripheren Teile kühl an. Die Pupillen
sind weit, die Atmung ist frequent, aber aussetzend und geräuschvoll.
Zuweilen tritt Schweissausbruch, auch wohl Erbrechen auf, während
die Benommenheit zunimmt. Die Lippen sind trocken. Der Tod
erfolgt in tiefstem Coma — meist wenige Stunden nach dem Auf¬
treten der ersten Vergiftungserscheinungen. Der Ausgang aller
dieser Fälle ist der Tod. Der Infektionsweg ist der, dass sich die
Toxine im Blute nach der Aufnahme der Eitercoccen durch die er¬
krankte tbrombosierte Sinuswand bilden oder dass die Eitercoccen
direkt ohne Vermittelung einer thrombotischen Affektion aufgenom¬
men werden. Diese Fälle werden auch bei einem frühzeitig unternom¬
menen Eingriff eine ungünstige Prognose bieten. Im Gegensatz zu
diesen tristen Formen giebt es solche, bei denen die pyämischen
Erscheinungen mit hohem Fieber und Metastasenaussaat ziemlich
stürmisch einsetzen, bei denen der Gedanke einer Operation erwogen,
verschoben oder vom Patienten abgelehnt wird und die dann doch
ohne Eingriff schliesslich zur Heilung kommen, nachdem die Macht
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der virulenten Keime plötzlich wie mit einem Schlage gebrochen za
sein scheint. Aus der Sch wartze’schen Klinik ist eine ganze Reihe
derartiger Fälle veröffentlicht worden. Die Stellung der Diagnose
ergiebt sich aus der Schilderung des klinischen Verlaufes. An erster
Stelle stehen — wenigstens in der Mehrzahl der Fälle — der Fieber¬
verlauf mit seiner charakteristischen Kurve und die Metastasen auf
dem Grunde einer bestehenden Ohrerkrankung. Dazu treten ge¬
legentlich einige stützende Momente hinzu. Differentialdiagnostisch
können Schwierigkeiten entstehen, wenn die Ohrerkrankung übersehen
wird, indem dann leicht ein Malariafieber oder ein Typhus voige-
täuscht werden kann. Es kann aber auch die Unterscheidung von
einer Meningitis erhebliche Schwierigkeiten machen.
Es muss berücksichtigt werden, dass durch die vorhandene
Stauung unter Umständen meningeale Symptome vorgetäuscht werden
können, so dass ein Symptomenkomplex entsteht, welcher dem Bilde
der Meningitis serosa ähulich ist. Ob eine diffuse eitrige Menin¬
gitis vorliegt, wird die
Lumbalpunktion
aufzuklären imstande sein. Die Ausführung der Punktion wird in
der Weise vorgenommen, dass man mit der Punktionsnadel zwischen
dem vierten und fünften Lendenwirbel an dem unteren Rande des
vierten Wirbels bei Erwachsenen ca. 1 / i cm seitwärts der Mittellinie
der Wirbelsäule, bei Kindern am unteren Rande des vierten, dritten
oder zweiten Wirbels unter lokaler Anästhesie einsticht Vor dem
Eingriff wird, wie üblich, desinfiziert, nachher die Einstichstelle mit
aseptischem Heftpflaster bezw. Collodium verschlossen. Während
der Punktion befindet sich der Kranke in seitlicher Lage mit an¬
gezogenen Beinen, während durch einen Assistenten ein Gegendruck
auf den Leib ausgeübt wird. Todesfälle sind im Anschluss an die
Punktion vorgekommen, jedoch ist der Beweis des Zusammenhanges
dafür nicht ganz sicher erbracht. Bei reichlichem Ausfluss kann
aus dem negativen Ausfall der Lumbalpunktion die Abwesenheit
einer Meningitis purulenta diffusa geschlossen werden, umgekehrt
bei positivem Ausfall. Wenn das Punktat trübe, gelblich, eitrig
und bakterienreich ist, so wird das ein positiver Beweis für eine
Gehirnentzündung sein.
Erwähnung verdient, dass auch eine Sinusthrombose mit Meningitis
vereinigt Vorkommen kann. Ein Hirnabscess wird differentiell weniger
in Frage kommen, auch hier kann wiederum ein gemeinsames Auf¬
treten, und zwar häufiger mit Kleinhirn- als mit Grosshirnabscessen,
stattfinden.
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Die Sinusphlebitis ohne Metastasen kommt noch einmal so
häufig mit Meningitis verbunden vor, als die metastasierende Sinus¬
phlebitis: nämlich nach einer Nessler’schen Zusammenstellung 35mal
io 88 Fällen = 39,8 °/ 0 gegen 35 mal in 171 Fällen = 20,5 °/ 0 .
Die Sinusphlebitis ohne Metastasen war dreimal so oft mit Meningitis
und Hirnabscess verbunden, als die metastasierende Sinusphlebitis:
13 mal in 88 Fällen = 14,8 °/ 0 gegen 10 mal in 171 Fällen = 5,8 %.
Beachtung verdienen auch die Fieberverhältnisse bei dem so¬
genannten Pfeifferschen Drusenfieber, das nicht selten mit einer
Mittelohreiterung verbunden ist. Das Fieber hat dabei oft einen
atypischen sprungweisen Charakter mit tiefen Senkungen und grossen
Schwankungen bei subjektivem Wohlbefinden. Wenn nun — wie
ieh es bei drei Kindern gleichzeitig in einer und derselben Familie
erlebt habe — Ohreiterung besteht, so kann mit Leichtigkeit der
Charakter einer otitischen Pyämie vorgetäuscht werden. In diesen
Fällen ist die Indikationsstellung für einen event Eingriff um so
wichtiger, als die Ohreiterungen beim Pfeiffer’schen Drüsenfieber
fast ausnahmslos günstig verlaufen, wie es auch in den drei genannten
Fällen geschah.
Die operativen Eingriffe.
Ist die otitische Pyämie diagnostiziert, dann ist ein Eingriff,
dessen Zielpunkt die Inangriffnahme und Beseitigung der Sinus¬
thrombose ist, gerechtfertigt. Diese scharfe Indikationsstellung ist
um so eher geboten, als man im Beginn eines Falles ausser stände
ist, über den Ablauf irgend etwas Bestimmtes auszusagen und die
Chancen eines Eingriffes nach dem heutigen Stande der Operations-
frage günstige genannt zu werden verdienen.
Die Anschauung Grunert’s, dass die geringe Zeitdauer der
akuten Symptome prognostisch günstiger zu bewerten sei, und die
Meinung Brieger’s, dass die rasche Aufeinanderfolge der Fröste
prognostisch ungünstig — besonders bei chronischen Eiterungen —
aufzufassen sei, wird die Schärfe der Indikationsstellung nur wenig
beeinflussen. Buck stellt den Satz auf, dass das Andauern von
tiefsitzenden Schmerzen hinter dem Warzenfortsatz nach Eröffnung
und freier Drainage des Antrums eine hinreichende Indikation für
die Freilegung der Fossa sigmoidea abgibt und dass man mit ihr
nicht warten solle, bis sioh erst Frostanfälle und Fieber eingestellt
haben.
Die Prognose der Erkrankung ist günstiger bei akuten als bei
chronischen Eiterungen. Sie hängt ab von der Schwere der Infektion.
Central blntt i. <1. Or. <1. Med. u. Chir. VI. 5
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von Lokalisation und Umfang der Metastasen: es besteht zum Bei¬
spiel die Möglichkeit, dass der Primärberd ausheilen kann und die
Metastasen tödlich wirken. Es fallen ferner allgemeine Faktoren,
wie z. B. Diabetes und Tuberkulose ins Gewicht. Aber auch hier
liegt die Möglichkeit der Heilung vor, so dass es eine unbedingte
Kontraindikation bei Sinusthrombose nicht gibt. Wie weit das
gleichzeitige Bestehen einer Meningitis den Eingriff beeinflusst, hängt
von dem einzelnen Falle ab. Ein gleichzeitig bestehender Hirnabscess
wird einen Gegengrund gegen ein chirurgisches Einschreiten nicht
abgeben. Welcher Art ist nun der Eingriff und wie sind seine
Chancen?
Zunächst ist in jedem Falle erforderlich, dass der Primärherd
im Mittelohr bezw. im Warzenfortsatz in Angriff genommen wird.
Ob es genügt, die Aufmeisselung des Warzenfortsatzes vorzunehmen
oder ob sich die Ausführung der Radikaloperation, d. h. also die
Hinwegnahme der hinteren Gehörgangswand zum Zwecke der Her¬
stellung einer nach aussen offenen, von Gehörgangs-, Pauken- und
Warzenhöhle gebildeten Höhle, als notwendig erweist, muss im Einzel¬
falle entschieden werden. Soviel lässt sich sagen, dass der zweite
Fall eher bei chronischen Eiterungen eintreten wird. An diesen
Eingriff wird sich zweckmässig die Eröffnung des Sinus anschliessen.
Der cirkuläre Hautschnitt, der, hinter dem Ansatz der Ohrmuschel
angelegt, den ersten Eingriff eröffnete, wird in der Höhe des oberen
Randes der Ohrmuschel nach hinten — winklig zur ersteu Incision
— eine Fortsetzung erfahren. Nach Durchtrennung der Weichteile
wird der Knochen mit Meissei, Fraise oder Knochenzange eröffnet
und der Sinus freigelegt. Von seinem Aussehen und Zustande wird
das weitere Vorgehen abhängen. Ist der Sinus unverändert, dann
ist anzunchmen, dass die Thrombose im Bulbus bezw. in der Vena
jugularis sitzt, und das Vorgeheu gegen diese zu richten. Die krank¬
hafte Veränderung des Sinus kann sich auch in einer Alteration
seiner äusseren Wand in Verfärbung oder eitriger Auflagerung oder
granulösen Wucherungen zeigen. Dadurch kann der Schluss auf
ein wandständige Thrombose nahe gelegt sein. Begründeter ist diese
Annahme, wenn ein perisinuöser Abscess vorliegt oder schon ein
fistulöser Durchbruch der Sinuswand stattgefunden hat oder eine
partielle Nekrose vorliegt. Ist der Sinus äusserlich unverändert, so
kann die Punktiou desselben eine gewisse Aufklärung geben, wenn¬
gleich sie nicht immer ein positives Resultat da giebt, wo dasselbe
zu erwarten wäre. Auch wo die Spritze keinen Eiter oder Thromben¬
partikel, sondern nur Blut entleert, ist die Thrombose nicht aus-
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geschlossen. Leutert verwirft die Probepunktion gänzlich. Wert¬
voller ist die Incision des Sinus, die einen Einblick in die Be¬
schaffenheit der medialen Wand gewährt. Dabei ist es möglich,
Fisteln zu entdecken, die in Hirnabscesshöhlen oder in den Arach-
noidealraum fuhren. Die pralle Füllung des Sinus, die sich durch
entsprechende Vorwölbung der Dura bemerklich macht, ist kein sehr
genügendes Mittel zur Erkennung einer Thrombose. Whiting hat
den Versuch gemacht, mit Hülfe einer künstlichen Stauung die
Durchgängigkeit des Sinus zu prüfen, indem er die freigelegte Partie
des Sinus durch Einschiebung von Tampons zwischen Schädel und
Dura an der oberen Greuze blutleer machte. Dieses Verfahren gestattet
eine gewisse Aufklärung, es ist aber nicht ohne Bedenken, da bei
dem folgenden plötzlichen Rückstauen der Blutsäule Thromben los¬
gerissen und in den Blutstrom verschleppt werden können. In einer
kürzlich veröffentlichten Arbeit glaubt Mann, nach der Freilegung
des Sinus durch eine besondere Kopfstellung Aufschluss über die
Frage gefunden zu haben, ob der im Sinus vorhandene Thrombus
obturierend ist oder nicht, zweitens, ob bei intakt gefundenem Sinus
der Bulbus bezw. die Jugularis von einem obturierenden Thrombus
verschlossen ist oder nicht. Wenn man nämlich den Kopf des
Patienten um eine genau senkrechte Axe so weit nach einer Seite,
z. B. nach rechts, dreht, dass der Warzenfortsatz der linken Seite
senkrecht über dem Sternoclaviculargelenk steht, so gewinnt man
einen Aufschluss über die Pulsation in der Vena jugularis. Es bildet
dann der Sternocleidomastoideus eine feste Muskelsäule, hinter welcher
die Vena jugularis interna weit offen gehalten wird, so dass sich die
ansaugende Kraft des Herzens (Vorhofsdiastole) bis in den Bulbus
erstreckt. Mann stellt sich damit in einen Gegensatz zu Macewen,
welcher die Atmung als die Regulation der Blutbewegung ansprach.
Der Incision des Sinus wird sich im gegebenen Falle zweckmässig
die Ausschaltung des erkrankten Teiles der Sinuswand anschliessen.
Man muss sich aber vergegenwärtigen, dass gerade durch die operativ
gesetzten Läsionen und durch die nachfolgende Kompression durch
Tamponade sekundär Thrombosierung des Sinus entstehen kann.
Diese Erwägungen werden um bo näher liegen, wenn man gemäss
den früher gemachten Ausführungen an die Bedingungen der Thrombo¬
sierung überhaupt denkt.
Die Gefahrchancen der Eröffnung der Sinus liegen aber auch
noch auf anderem Gebiet Sie betreffen die Aspiration von Luft.
Tötliche Fälle sind selten, aber sie sind doch vereinzelt berichtet
worden (Kuhn, Meier). Das Risiko ist also nicht gross, aber es
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muss mit ihm gerechnet werden. Die Möglichkeit der Aspiration von
Luft in den Sinus ist abhängig von der Kopfhaltung. Je höher die
Kopfhaltung (S i v e n), desto niedriger ist der Druck. Er kann unter
0 sinken, negativ werden. Bei zwei Beobachtungen (Kuhn, Brieger)
war der Sinus im Moment der Aspiration blutleer. Der Eintritt
dieses Begebnisses macht sich durch ein lautes schlürfendes Geräusch
bemerkbar. Die Möglichkeit der Begegnung dieser Gefahr liegt in
einer Aenderung der Kopfhaltung des Patienten, die von der verti¬
kalen abweicht, und in der Anwendung von Tampons bei der Er¬
öffnung. Nach Eintritt einer Luftaspiration muss an die Unter¬
bindung der Jugularis, als derjenigen Bahn, in der Luftmengen dem
Herzen zugeführt werden können, gedacht werden. — In den seltenen
Fällen, in denen ausnahmsweise die Diagnose primärer Bulbus- bezw.
Jugularisthrombose möglich wäre, könnte der Eingriff nach der
Warzenfortsatzoperation zunächst bei der Vene beginnen, bezw., wie
später erwähnt werden wird, am Bulbus selbst.
Die Unterbindung der Vena jugularis und Operationsresultate.
Nach der Erledigung derjenigen Massnahmen, die sich auf den
Siuus beziehen, stellt sich die Frage ein: Soll die Vena jugularis,
d. h. diejenige Bahn, innerhalb deren von dem infektiösen Gebiet
aus noch Thrombenteilchen zur weiteren Aussaat getrieben werden
können, unterbunden werden oder nicht? Jansen bejaht diese
Frage, da die Unterbindung der Jugularis in Verbindung mit der
Sinusoperation bessere Resultate gebe, als diese allein. Er citiert
in seinem Referat auf dem Otologenkongress zu Breslau die Vier-
eck’sche Zusammenstellung von 94 Fällen, von denen 40 unter¬
bunden, 54 ohne Unterbindung am Sinus allein operiert worden
waren. Von den 40 unterbundenen starben 6 = 15%» bei den 34
Geheilten traten in sechs Fällen Metastasen auf, von den 54 nur
am Sinus operierten Fällen starben 13 = 24 %, von den 41 Geheilten
hatten 16 noch lange pyämisches Fieber, zwei Metastasen. Für
die Unterbindung treten noch unbedingt Zaufal, Voss, Dalgren,
Knapp und Broca ein, Körner und v. Bergmann halten sie für
gerechtfertigt, Hessler lässt sie nicht in allen Fällen zu und Brieger
hält sie für überflüssig, ja gefährlich. Leutert verlangt sie erst
nach Eröffnung der Sinus und unter bestimmten Voraussetzungen.
Eine weitere Zusammenstellung Jansen’s, die zum Teil eigene
Fälle enthält, gibt über den Verlauf bei 41 Fällen von Pyämie, die
teils operiert, teils nicht operiert, teils mit, teils ohne Unterbindung
behandelt wurden, Aufschluss. Von den 41 Fällen wurden sieben
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nicht operiert, darunter war ein Todesfall zu verzeichnen, 18 wurden
nur am Sinus operiert — auf diese Zahl kamen vier Todesfälle, 17
wurden mit Unterbindung der Jugularis und zugleich — ausser drei
Fällen — mit Incision des Sinus behandelt: auf diese kamen vier
Todesfälle, unter welchen zwei sich auf die drei Fälle bezogen, die
nur mit Unterbindung der Jugularis behandelt worden waren. Im ganzen
wurden 82 geheilt, acht starben. 22 Fälle waren akut, 19 chronisch.
Von 50 von Jausen selbst operierten Fällen wurden 35 geheilt
(70 %), davon waren nur am Sinus operiert mit 22 Heilungen 73 %>
bei 20 war die Jugularis unterbunden worden mit 13 Heilungen (65 °/ 0 ).
— Von 88 Fällen, die Brieger beobachtete, wurden 26 operiert,
in 10 Fällen wurde die Jugularis unterbunden, in 66 davon abgesehen.
Fünf der ersten Gruppe, acht der zweiten wurden geheilt; der
Prozentsatz der Heilungen — 50 % — ist also mit und ohne Jugularis-
unterbindung der gleiche gewesen. Von besonderem Interesse wird
die Mitteilung Briegeris sein, dass in dem Breslauer Allerheiligen¬
hospital die Obduktionen bei otogener Pyämie bei Vergleich von gleich
langen Zeiträumen um mehr als die Hälfte abgenommen haben. Die
Gefahren der Jugularisunterbindung werden von einigen Autoren als
belanglos hingestellt, Brieger glaubt, sie nicht unterschätzen zu
dürfen. Sie bestehen in Stauung, Hirnödem, Blutungen, ischämischen
Erweichungen. Eine fernere Erwägung ist die, dass man mit einer
eventuellen Insufficienz der Jugularis der anderen Seite rechnen muss.
Nun entsteht die Frage: wird die Metastasenbildung nach der Jugularis¬
unterbindung immer abgeschnitten? Diese Frage ist zu verneinen;
es kommt vor, dass die Aussaat erst nach der Unterbindung beginnt.
Auch das Fieber überdauert häufig die Ligatur. Bezüglich des Zeit¬
punktes der Jugularisunterbindung stellt Brieger in seinem Referat
auf dem Breslauer Otologenkongress folgende Thesen auf: Die Vene
ist präliminar nur dort, wo ausnahmsweise die Diagnose primärer
Bulbusthrombose einmal bestimmt möglich ist, nach Freilegung des
Sinus aber in folgenden Fällen freizulegen:
I. Von vornherein, in unmittelbarem Anschluss an die Sinus¬
operation nur, wenn der Prozess durch den Eingriff am Sinus nicht
beherrschbar oder überhaupt nicht angreifbar erscheint, d. h.
a) wenn innerhalb des geöffneten Sinusabschnittes die Grenze
der Zerfalls Vorgänge centralwärts nicht erreichbar ist,
b) wenn bei normal gefundenem Sinus solche lokale Befunde,
welche mit einer gewissen Sicherheit auf Jugularisthrombose
hinweisen, bestehen.
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II. Im weiteren Verlaufe:
a) ebenfalls wieder, wenn einigermassen zuverlässige Zeichen
nachträglichen Wachstums eines Sinusthrombus in die Vene
sich einstellen,
b) wenn bei normalem Sinus nach Ausschaltung perisinuöser
Eiterungen oder anderer Ausgangspunkte für die Entwickelung
wandständiger Thromben typisches Fieber und Metastaaen-
bildung fortdauern.
Die Ausführung der Unterbindung der Vena jugularis.
Die Unterbindung der Jugularis wird in der Weise vorgenommen,
dass ein 6—8 cm langer Schnitt durch die Haut längs des inneren
Randes des Kopfnickers gemacht wird und zwar so, dass die Mitte
desselben 1—2 cm über die Höhe des Zungenbeines fällt. Zur
stärkeren Spannung und zum deutlichen Hervortretenlassen des
Muskels wird die Brust des Kranken erhöht und der Kopf nach
der gesunden Seite gedreht und nach hinten geneigt Nach Durch¬
schneidung des Platysma, das mit der oberen Scheide des Kopf¬
nickers verbunden ist, treten die Muskelbündel desselben hervor
und wird der ganze innere Rand desselben mittelst Spaltung auf
der Hohlsonde blossgelegt. Der ganze Muskel wird mit einem
stumpfen Haken soweit nach aussen zur Seite gezogen, dass die
direkt unter ihm liegenden und durch das sie überbrückende dünne
tiefere Blatt der Fascia colli propria durchscheinenden tiefen Hals-
gefässe zum Vorschein kommen. Gewöhnlich verläuft schräg nach hinten
unten über der Jugularis der kurze Stamm der Vena facialis communis
und am hinteren Wundrand die Vena jugularis externa, die beide
möglichst isoliert und beiseite gezogen werden sollen. Andernfalls
müssten sie doppelt unterbunden und dazwischen durchschnitten
werden. Die Vena jugularis interna verdeckt gewöhnlich die Carotis
ganz und liegt in der Höhe des Zungenbeines lateralwärts, während
die Carotis communis etwas dahinter und medianwärts liegt Die
Scheide der grossen Halsgefässe wird mit zwei anatomischen Pincetten
aufgehoben, zwischen denselben eingeschnitten und der Schnitt nach
oben und unten ca. I 1 /,—2 cm weit verlängert Hierbei sieht man
den Blutgehalt der noch nicht thrombosierten Jugularis je nach der
Starke des Druckes, welchen die Instrumente beim Freimachen der
Vene auf ihre Wandungen ausüben, rasch wechseln. Schwer zu
finden ist die collabierte Jugularis, wenn der Thrombus im Lateral¬
sinus mit einem obturierenden Pfropf in ihrem oberen Bulbus ab¬
geschlossen ist Die so isolierte Jugularis wird nun doppelt unter-
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bunden und dazwischen durchschnitten. Im Augenblick der Unter¬
bindung entsteht eine verschieden starke, aber immer deutliche
Cyanose des ganzen Gesichtes, die sich aber nach einigen Sekunden
bis höchstens einer Minute wieder verzogen hat — Die Unter¬
bindung an sich ist nicht gefährlich. Die Yene ist leicht au der Seite
der pulsierenden Carotis unter dem Kopfnicker aufzufinden; schwierig
könnte die Unterbindung werden bei entzündlichen Schwellungen
und eitrigen Infiltrationen am Halse, bei periphlebitischen Ent¬
zündungen der Gefässcheide.
Die direkte Inangriffnahme des Bulbus der Yena jugularis.
Ein weiterer Schritt auf dem Wege der operativen Inangriff¬
nahme der otitischen Pyämie ist die direkte Inangriffnahme des
Bulbus selbst. Für welche Fälle dieses Yorgehen sich als nötig
erweisen wird, bedarf noch weiterer Klärung. Jansen schreibt in
ßlau's Encyklopädie der Ohrenheilkunde: Wenn wir einen starken
Warzenfortsatz haben, so ist es möglich, von letzterem aus den
Bulbus gut freizulegen und zu incidieren. Bei kleinen Yerhältnissen
kann dies unmöglich werden, aber es ist auch im allgemeinen nicht
nötig. Grunert war der erste, der an drei Fällen zum Teil mit
Erfolg dieseu Weg betrat. Er verband den retroauriculären Weich¬
teilschnitt mit der zwecks Unterbindung der Jugularis angelegten
Halswunde; er resecierte dann die Spitze des Warzenfortsatzes. Die
Resektion kann aber auch vor der Yornahme der Sinusoperation aus¬
geführt werden. Stumpf präparierend ging er dann an die Schädel¬
basis in die Tiefe, bis er an die laterale Knochenumrandung des
Foramen jugulare kam. Die Knochenbrücke, welche zwischen dem
möglichst weit nach unten bereits von aussen freigelegten Sinus
sigmoideus und dem Foramen jugulare noch stand, entfernte er mit
der Lü rischen Zange. — Natürlich ist es noch nicht möglich, über
ein derartiges Vorgehen auf Grund der geringen Erfahrungen ein
abschliessendes Urteil auszusprechen, jedoch verdient die Feststellung
dieses jüngsten der kühnen Eingriffe, die zur Heilung der otitischen
Prämie unternommen worden sind, besondere Hervorhebung.
II. Referate.
Wurmfortsatz.
Attendre ponr opörer que l’appendicite soit „refroidie“, c’est expo-
ser le malade k la mort Von Dieulafoy. La Presse mödicale
1902, Nr. 55.
Der Yerf. stellt fest, dass sich bezüglich der chirurgischen Be¬
handlung der Appendicitis zwei Lager gegenüberstehen; die einen plädieren
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für die Operation während der peritypblitischen Attaque, die anderen
erst nach Ablauf derselben. Die Parteigänger der letzteren Kategorie
führen als Stütze ihrer Ansicht die Statistik an; in der That ist auch
gar nicht zu leugnen, dass ihre Resultate denen der anderen Gruppe
weit überlegen sind. Indessen ist dies doch ganz natürlich, da die
Operationen an solchen Kranken vollzogen werden, welche die gefährliche
Phase der Krankheit bereits überwunden haben, so dass sie gar nicht
mit den frühzeitig Operierten in Parallele gesetzt werden können. Vor
allem aber leiden diese Statistiken daran, dass sie diejenigen Fälle gar
nicht berücksichtigen, welche der akuten Entzündung erlegen sind.
Gerade diese Fälle aber sind die wichtigsten; denn sie sind zumeist das
Opfer einer Intoxikation. Eine sehr frühzeitige Operation ist nun nach
Dieulafoy’s Meinung das einzige Mittel, um solche Fälle zu retten; er
plädiert daher in jedem Falle von akuter Perityphlitis für frühzeitige
Operation und ist dabei bislang ausgezeichnet gefahren.
Freyhan (Berlin).
Die Appendicitisoperationen im Jekaterinodarschen Stadtkranken¬
haus. Von J. J. Mejerowitsch. Russ. chir. Archiv, Bd. XVIII,
p. 658.
1892—1901 wurde 106mal bei Appendicitis laparotomiert, davon
28mal bei Frauen. Nicht gerechnet werden die intraperitonealen Ope¬
rationen, sowie etwa 30 Fälle (alle geheilt), wo bei Laparotomie aus
anderen Gründen der irgendwie verdächtige Wurmfortsatz prophylaktisch
entfernt wurde. Von den 106 Operationen wurde 29mal der Processus
vermicularis bei chronischen Schmerzen ohne palpable Veränderungen
entfernt; alle genasen; in solchen Fällen wurden leichte Verwachsungen,
Verengungen, Kotsteine, kurze Mesenteria etc. gefunden. Bei vorhandener
Resistenz wurde 55mal laparotomiert. 28mal konnte die Wunde total
genäht werden, 32mal — bei Vorhandensein von Eiter — wurde sie tamponiert
Von letzteren Fällen starben drei: 1 an Erschöpfung (vielleicht auch
infolge Zurücklassung eines Kotsteines in der Eiterhöhle), 1 an Peritonitis,
1 infolge des Losgehens der Tabaksbeutelnaht, mit der das Coecum
geschlossen war, mit nachfolgender foudroyanter Gangrän des Skrotums.
Endlich, in zwei Fällen, wurde der Wurmfortsatz nicht entfernt (aus
Furcht vor Infektion der Bauchhöhle) und die Wunde tamponiert. Beide
geheilt. Alle diese 55 Fälle wurden im freien Intervall operiert Die
letzte Gruppe umfasst die Fälle von akuter Perforationsappendicitis, wo
im Anfall operiert wurde: dreimal 3—4 Stunden nach Beginn der
Erkrankung (geheilt) bei seröser Peritonitis; sechsmal bei vorgeschrittener
fibrinöser Peritonitis — drei mit Entfernung des Fortsatzes (1 -}-), drei
ohne Resektion (geheilt). Endlich 13uial bei diffuser oder beinahe all¬
gemeiner Peritonitis; neun starben, davon fünf in extremis Operierte.
Von besonderem Interesse sind: Fall I, wo bei chronischer Appendicitis
eine profuse Blutung aus einer Perforation des Processus eintrat (Tod).
In zwei Fällen war im ringförmig gekrümmten Fortsatz eine Dünndarm-
schlinge incarceriert; der eine wurde nach vier Stunden operiert und
genas, der andere erst nach diei Tagen und starb. Bei diffuser eitrig-
seröser Peritonitis wurde die Bauchhöhle durch mehrere Incisionswunden
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drainiert. Zwei auf diese Art geheilte Fälle werden ausführlich beschrieben.
Verf. bekam seine Fälle gewöhnlich recht früh zur Behandlung. Unter
anderem lenkt er die Aufmerksamkeit darauf, dass trotz überstandener
Eiterung der Appendix gut erhalten bleiben kann, wie er in zwei
Fällen sah. Gückel (Medwedowka, Kiew).
Die Appendicitis und ihre Behandlung. Von Zoege v. Man teuf fei.
Die Chirurgie, Bd. XI, p. 21. (Russisch.)
Zoege von Man teuf fei behandelt die Appendicitis nach folgenden
Grundsätzen: Katarrhalische Form — im akuten Stadium heisse Um¬
schläge, im chronischen Operation nach entsprechender vorbereitender
Behandlung; eitrige Form — im akuten Stadium heisse Umschläge,
Operation nur zum Eröffnen des Abscesses; operiert muss werden im
ersten freien Intervall; notwendig wird die Operation, wenn der Wurm¬
fortsatz schmerzhaft bleibt; bei diffusen Formen ist die Operation kontra-
indiziert und sind nur heisse Umschläge angezeigt; endlich, bei gangränöser
Form (septische Peritonitis) ist jeder therapeutische Versuch erlaubt, doch
sind im Anfang heisse Umschläge zu empfehlen, die zuweilen die diffuse
Peritonitis in eine cirkumscripte verwandeln.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
Un cas de mort subito dans Pappendicite. Von Lion. ßoc. möd.
des höpitaux, 19. annöe, Nr. 15.
Eine 27 jährige Frau erkrankte an einer Appendicitis; bei interner
Behandlung trat nach vier Tagen Entfieberung ein. Ain 13. Tage er¬
folgte plötzlich der Tod.
Einen ähnlichen Fall von plötzlichem Tod bei Appendicitis hat
Roux beschrieben; in diesem fand sich als Ursache ein Lungeninfarkt.
Lion nimmt auch für den vorliegenden Fall eine Embolie der Lungen¬
arterie an. Martin Cohn (Kattowitz).
Weitere Beobachtungen über Appendicitis chronica. Von R.
Lenzmann. Deutsche med. Wochenschrift 1902, Nr. 15.
Lenz mann fügt seinen schon früher veröffentlichten Fällen von
chronischer Appendicitis zwei neue Beobachtungen hinzu. Bei beiden
traten die Krankheitssymptome im Anschluss an eine Geburt auf; sie
bestanden in Schmerzen in der Nabel- bezw. Magengegend, die oft
krampfartig Zunahmen und trotz der verschiedenartigsten Kuren nicht
weichen wollten.
Die Untersuchung liess bei normalem Genitalbefunde durch die
schlaffen Bauchdecken der stark heruntergekommenen Patientinnen den
Wurmfortsatz als verdickten, höchst empfindlichen Strang durchfühlen.
Der Appendix, nach dessen Entfernung die Beschwerden voll¬
ständig verschwanden, befand sich beidemal im Zustande der chro¬
nischen Entzündung. Der Peritonealüberzug war nicht ergriffen. In
dem einen Falle fand sich ein oberflächliches Geschwür auf der Schleim¬
haut, und hier war der Peritonealüberzeug etwas verdickt.
Den Zusammenhang mit dem Puerperium hält Lenzmann nicht
für zufällig, sondern erklärt sich denselben so, dass durch den ver-
grösserten Uterus der Appendix leicht verlagert und abgeknickt werden
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kann, dass es aber bei der stärkeren Durchblutung während der Gravidität
nicht zu akuten Entzündungen kommt.
Dass der auf die Schleimhaut beschränkte Prozess zu so unver¬
hältnismässig schweren, den Lebensgenuss und die Arbeitsfähigkeit
störenden Symptomen führt, erklärt Lenzmann durch eine Reizung des
Bauchsympathicus, welche sich als neuralgische, in der Magen- und Darm¬
gegend lokalisierte Schmerzanfälle äussert. Laspeyres (Bonn).
Perforation spontande d’un abces appendiculaire. Von Legueu.
Soc. de Chirurgie de Paris 1902, söance du 7 Oct..
Legueu behandelte ein fünfjähriges Kind mit einer anscheinend
günstig verlaufenden Appendicitis. Plötzlich traten Collaps, Erbrechen,
bedeutende Temperaturabnahme und schwere Benommenheit ein. Tod
nach wenigen Stunden. Bei der Autopsie fand man eine allgemeine
Peritonitis, ausgehend von einem Abscess in der rechten Darmbeingrube,
der plötzlich perforiert war. Er stand mit dem Wurmfortsatz, in dem
sich ein Fremdkörper befand, in Verbindung. Bei dem raschen Verlauf
war ein operativer Eingriff nicht mehr möglich. Hier wurde, allem An¬
scheine nach, durch das konservative Verfahren der schlimme Ausgang
herbeigeführt. F. Hahn (Wien).
Appendicitis, durch Peritonitis und innere Dünndarmeinklemmung
kompliziert. Heilung. Von P. S. Nowitzki. Wojenno-medicinski
Journal 1902, Mai. (Russisch.)
Eitrige Appendicitis, Operation. Darauf Ileussymptome. Laparo¬
tomie. Von der rechten Seite des Mesenteriums zog ein peri ton irischer
Strang zur linken Articulatio sacroiliaca und hatte den Dünndarm ein¬
geklemmt. Durchtrennung des Stranges. Heilung.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
Nouveaux documents pour servir ä l’histoire de Fappendicite dans
ses rapports avec la grossesse. Von A. Pinard. Bulletin de
l’Acad. de Möd., Bd. XLIII, p. 227.
Verf. teilt vier Fälle von Appendicitis bei graviden Frauen miL
In allen vier Fällen wurde mit gutem Erfolg operiert, obgleich in einem
Falle bereits Perforation mit folgender allgemeiner Peritonitis eingetreten
war. Dreimal Abortus im Anschlüsse an die Appendicitis.
Verf. schliesst, dass die Appendicitis bei Primiparen und bei Multi-
paren zu jeder Zeit der Gravidität ein treten könne; dass die Appendi¬
citis bei Schwängern, im Beginne oft schleichend, später häufig einen
foudroyanten Verlauf unter besonders schweren Erscheinungen nehme,
dass möglichst frühzeitige Operation indiziert sei, dass auch in schwersten
Fällen noch Heilung möglich sei.
Die frühzeitige Diagnose hält Verf. immer für möglich. Das Fieber
ist nebst den lokalen Symptomen ein gewichtiger Anhaltspunkt für die
Diagnose. Bei allen Schwangeren mit Erbrechen und Fieber müsse man
an Appendicitis denken. J. Sorgo (Wien).
Lea appendicites consöcutives h la döglutition de corps dtrangers.
Von Vöron. La Presse mödicale 1902, Nr. 30.
Fremdkörper, die zu einer Appendicitis Veranlassung geben, haben
in der Mehrzahl der Fälle einen autochthonen Ursprung, d. h. es sind
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entweder Kot- oder Gallensteine. Nur in seltenen Fällen führen Fremd¬
körper, die von aussen eingeführt sind, zu Blinddarmentzündungen, und
zwar sind dies fast niemals die früher so viel angeschuldigten Birnen-
und Apfelkerne, sondern gewöhnlich Nadeln, die aus Versehen verschluckt
worden sind. Alle diese Fälle, von denen Vöron ein geradezu
klassisches Paradigma in extenso mitteilt, haben gewisse Eigentümlich¬
keiten gemein. Vor allem haben sie eine excessiv lange Latenzperiode,
welche der Invasion des Fremdkörpers in den Darmtraktus folgt; es ist
keine Seltenheit, dass sich dieselbe auf zehn und mehr Jahre erstreckt
Dann ist diesen Fällen ein intermittierender Charakter eigen; es kommt
in regelmässigen Intervallen zu Exacerbationen und Remissionen. Endlich
sind hierbei oft mehrere Komplikationen, insonderheit generalisierte Peri¬
tonitis, zu beklagen. Frey ha n (Berlin).
Lungenkomplikationen bei Appendicitis. Von Bonnenburg. Arch.
f. klin. Chirurgie 1902.
Analog den von Güssenbauer zuerst geschilderten Lungen¬
infarkten nach Operation eingeklemmter Hernien sind auch die Lungen¬
komplikationen bei Perityphlitis embolischer Natur; in zweiter Linie erst
ist für den Eintritt der Lungenentzündung die Abkühlung der Unterleibs¬
organe oder die vielfach angenommene mangelhafte Respiration verant¬
wortlich, da die Wunde unterhalb des Nabels liegt und die Lungen¬
erscheinungen meistens erst eine Woche post operationem auftreten; der
gleiche Grund macht einen Zusammenhang mit der Narkose unwahr¬
scheinlich. Der Embolie geht eine Thrombenbildung in den Venen¬
geflechten des kleinen Beckens, die zur unteren Hohlvene führen, voraus;
dagegen kommt es nach Pfortaderthrombosen zu Ikterus oder bei An¬
wesenheit von infektiösen Stoffen zu Leberabscessen.
Unter 1000 Fällen von Blinddarmentzündung sah Verf. 49mal
Lungenkomplikationen, und zwar relativ häufiger in der Privatpraxis als
im Krankenhaus. Er erklärt diese Erscheinung aus der durch anstrengende
Badekuren und blande Diät aus Furcht vor neuen Anfällen bei der
Privatklientel erzeugten Unterernährung, welche eine Herzschwäche im
Gefolge hat. Bei diesen Kranken kommt es zur marantischen Thrombose
der Beckenvenen und später beim ersten Aufstehen zur Lungenembolie.
Die Thrombose verläuft meistens völlig unbemerkt: weder Puls¬
beschleunigung, noch ziehende Schmerzen in den Beinen, noch staffel-
förmiger Temperaturanstieg sind für sie charakteristisch, nur einmal liess
sich aus einem akuten Oedem des Penis die Diagnose auf Thrombose
der Becken venen schliessen.
Die Lungenembolie bei akuter Perityphlitis ist fast immer
infektiöser Natur, bei chronischer verläuft sie meistens fieberlos, und
eventuelle Temperaturerhöhung ist auf Resorption giftiger Eiweissstoffe
zu beziehen. Dass es sich in diesen Fällen um Tbrombenbildung im
rechten Herzen gehandelt haben könne, war nie nachzuweisen.
Liegt der Wurmfortsatz in der Nähe der Vena iliaca resp. im
kleinen Becken, so genügt das Zerren bei der Exstirpation, um Thromben-
material loszureissen, welches sich durch den entzündlichen Reiz auf die
Venen wand gebildet hatte; in anderen Fällen führen Gefässzerreissungen
beim Eingriff oder das Offenhalten der Wunde zur Blutgerinnung.
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Die Symptome der Embolie bestanden in schweren Fällen in hoch¬
gradiger Blässe oder Cyanose, Bewusstlosigkeit, selbst Krämpfen, physi¬
kalisch waren lockere Dämpfung und Knattern zu konstatieren. Fieber¬
loser Verlauf lässt dann eine genuine Pneumonie ausschliessen. Das
den Infarkt begleitende pleuritische Exsudat heilt von selbst aus. Im
Anfall ist Morphium zu verabreichen, dagegen Digitalis zu vermeiden,
ferner soll der Kranke, ohne Rücksicht auf die Bauch wunde, aufrecht
sitzen. A. Berliner (Berlin).
Die Untersuchung Bauchkranker auf Wurnifortsatzentzundung.
Von E. Rose. Deutsche med. Wochenschr. 1902, Nr. 14.
Ein ausführlich mitgeteilter Fall von frischer, sehr heftiger diphtheri-
tischer Wurmfortsatzentzündung, welche um einen alten chronischen Kotstein
entstanden ist und, ohne die Serosa zu durchbrechen, zu einer allgemeinen
jauchigen Bauchfellentzündung ohne eine Spur von Verklebung geführt
hat, gibt Rose Veranlassung zu einigen allgemeinen Bemerkungen über
diese oft schwierig zu erkennende und ohne chirur- gische Hilfe rasch
zum Tode führende schwerste Form der Wurmfortsatzentzündung.
Der Tod tritt ein, ohne dass es noch zu einem perityphlitischen
Tumor kommt. Hier gibt der gleichzeitige Eintritt von anhaltendem
Erbrechen, zumal bei leichtem Fieber, den Fingerzeig zu zeitigem ope¬
rativen Eingreifen.
Deshalb ist es Pflicht des Arztes, bei jeder ernsthaften Bauch¬
krankheit, besonders wenn sie mit Erbrechen einhergeht, nicht bloss auf
Bruchleiden, sondern auch auf den Zustand des Wurmfortsatzes zu
untersuchen, und zwar nach vorhergehender Entleerung des Darmes
durch kleine Gaben Ricinusöl, die bei Rose den gewöhnlichen Beginn
der Therapie bei Wurmfortsatzentzündung bedeuten (!).
Dann muss der pathognomonische Druckschmerz des entzündeten
Wurmfortsatzes untersucht werden, da der spontane Schmerz oft noch
am Tage vor der tödlichen Perforation fehlt. Bei der versteckten und
geschützten Lage des Wurmfortsatzes — Rose sah noch niemals eine
Ruptur oder eine Kontusion desselben — ist besondere Sorgfalt beim
Aufsuchen des Druckschmerzes nötig. Man soll die tastenden Finger
langsam gegen die Innenseite der Darmbeingrube bis zum Kreuzbein
vorschieben und höchstens zuletzt einen leisen Druck oder Stoss zufügen.
Laspeyres (Bonn).
Ueber Brucheinklemmung des Processus vermiformis. Von A.
Barth. Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. LXIH, p. 149.
Diesen Zustand, der dieselben Erscheinungen wie die gewöhnliche
Darmeinklemmung machen kann, am Lebenden vor der Operation zu
diagnostizieren, ist noch nicht möglich; dass er aber entgegen anderer
Ansicht vorkommt, und zwar gar nicht so selten, beweisen der genau
beobachtete Fall des Verf.’s und eine Reihe anderer aus der Literatur
angeführter Beobachtungen.
Die Einklemmungserscheinungen sind ebenso wie bei Blasen- und
Darmwandbrüchen wahrscheinlich auf die Quetschung der Nerven zurück¬
zuführen. Die Ansicht Rose’s, dass nur ein Wurmfortsatz mit Mesen-
teriolum sich einklemmen kann, besteht zu recht, doch ist das Beob¬
achtungsmaterial darüber noch ein sehr kleines. E. Moser (Zittau).
Digiti GO ^lC
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III. Bücherbesprechungen.
Die Krankheiten der Verdanungsorgane im Kindesalter. Von
E. Schreiber. Würzburg 1902, A. Stüber.
Die Krankheiten der Verdauungsorgane sind im Kindesalter so
sehr überwiegend, dass es berechtigt erscheint, dem Arzte eine zusammen¬
fassende Darstellung unserer Kenntnisse auf dem einschlägigen Gebiete
zu vermitteln. Das ist durch das vorliegende Buch dem Verf. in aus¬
gezeichneter Weise gelungen. Den ersten Teil bilden die Erkrankungen
der Mund- und Rachenhöhle und ihrer Adnexe. Die Darstellung ist
hierbei kurz und präzis, die Literatur eingehend verwertet. Eine Teilung
der lacunären Anginen nach ihren (doch nicht nachweisbaren!) Erregern
hält Ref. nicht für angebracht Einen weiteren Abschnitt bilden die
Krankheiten der Speiseröhre, den grössten Teil des Buches nehmen die
Magendarmkrankheiten ein. Bei ihrer Darstellung hat sich Verf. an die
Einteilung der Wiener Schule gehalten, hierbei aber die neueren Kennt¬
nisse über die Bakteriologie und Chemie der Verdauung genügend ver¬
wertet (Gastroenteritis streptococcica u. s. w.). Ein Kapitel „Atonie des
Magens“ dürfte sich in einer nächsten Auflage als wertvoll erweisen,
und die Methode der Magenaufblähung mittelst Luft zu diagnostischen
Zwecken auch beim Säugling doch nicht zu verwerfen sein.
Unter den übrigen Kapiteln, welche die Erkrankungen des Peri¬
toneums, der Leber, des Pankreas behandeln, interessiert vor allem die
schöne Bearbeitung der im Kindesalter so häufigen Perityphlitis.
Das Buch kann dem Arzte bestens empfohlen werden.
Knöpfelmacher (Wien).
Die Lehre von den Geschwülsten mit einem mikroskopischen Atlas
(63 Tafeln mit 296 farbigen Abbildungen) in zwei Bänden. Von
Privatdocent Dr. Max Borst in Würzburg. 998 pp. und Tafel¬
erklärungen. Wiesbaden 1902, F. Bergmann.
Es ist freudig zu begrüssen, dass der ins ungeheure angeschwollene
Stoff der Geschwulstlehre durch Borst in übersichtlicher und dennoch
eingehender Weise bearbeitet wurde. Durch die Publikation des Werkes
wurde ein Nacbschlagebuch geschaffen, das in Hinkunft kein auf dem
Gebiete der Geschwulstlehre arbeitender und kein pathologischer Anatom
wird missen wollen. Der Autor hat viele Studien über das Thema seines
Werkes gemacht; die ausserordentlich gelungenen und überaus zahl¬
reichen, färbigen Abbildungen sind nach seinen Präparaten verfertigt und
werden mit dazu beitragen, das Werk in weiteren Kreisen bekannt zu
machen.
Bei der Durchsicht des Werkes fällt angenehm auf, dass Verf.
allerdings die Literatur vollkommen beherrscht und auch eingehend er¬
wähnt, in vielen Punkten aber auch zu eigenen Ansichten gelangt ist;
das Werk ist also durchaus nicht als blosse Kompilation zu betrachten,
sondern bereicheit auch unsere Anschauungen über die Geschwülste.
Im allgemeinen Teile sind in besonderen Kapiteln bearbeitet: Be¬
griffsbestimmung, Morphologie der Geschwülste und Einteilung, Ent¬
stehung, Wachstum, Verbreitung der Geschwülste und Metastasenbildung,
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Recidiventwickelung, Rückwirkung auf den Allgemeinzustand, Gut- und
Bösartigkeit, Heilung, Aetiologie.
Im speziellen Teile sind sämtliche Geschwulstarten überaus ein¬
gehend dargestellt Bei manchen Abschnitten ist noch ein allgemeiner
Teil der Beschreibung der Geschwulstart vorangestellt (z. B. bei den
endothelialen Geschwülsten, den Sarkomen, den fibroepithelialen Tumoren,
den Carcinomen, den Mischgeschwülsten).
Ein 50 Seiten langes Literaturverzeichnis (nach Geschwulstarten
geordnet) nebst Autorenregister beschliesst den Text.
Die Ausstattung des Werkes ist luxuriös.
Hermann Schlesinger (Wien).
Technik dringlicher Operationen. Von F. Lejars. Mit 751 Figuren.
Deutsche Uebersetzung von H. Strehl nach der dritten französischen
Auflage. Erste und zweite Lieferung. Jena 1902, Gustav Fischer.
Die schnelle Folge der dritten Auflage spricht schon für die Güte
des Werkes. In der That macht die gute Uebersichtlichkeit und die
Möglichkeit einer schnellen Orientierung für jeden Arzt, der in die Lage
kommen kann, derartige Operationen ausführen zu müssen, da9 Buch zu
einem wertvollen Ratgeber. Hervorheben möchten wir die präcise Dia¬
gnosestellung für schnelle chirurgische Eingriffe, die Betonung der
Asepsis gerade für örtlich und zeitlich aussergewöhnliche Operationen
nebst diesbezüglichen Ratschlagen, die klare Beschreibung der Technik
und ihre Veranschaulichung an zahlreichen guten Abbildungen.
In erster Linie ist das Buch für solche berechnet, die sich in
schwierigen Lagen Rat holen wollen. Deshalb ist die Technik solcher
Operationen, die auch der chirurgisch abstinenteste Arzt auszuführen im
Stande sein muss, wie z. B. die Anlegung eines Anus praeternaturalis,
besonders ausführlich geschildert. Deshalb auch gibt Verf., ohne sich
über strittige Punkte in lange Erörterungen einzulassen, stets praktisch
erprobte Ratschläge, die durch passende Beispiele veranschaulicht werden.
Wo noch strikte Regeln für das operative Vorgehen fehlen, führt Verf.
mit Erfolg behandelte Fälle an.
Aber auch der chirurgisch thätige und erfahrenere Arzt wird das
Buch mit grossem Interesse lesen. Als Beispiele lesenswerter Kapitel
möchten wir die Indikationsstellung für Operationen nach Kontusionen
und Verletzungen des Bauches und der Nieren, die Ausführungen über
Heus und akute Erscheinungen nach Stieldrehung der verschiedenen
Unterleibsorgane anführen.
Einzelheiten betreffs der Technik, über die mancher vielleicht an¬
dere Meinung hat — was bei dem Umfang des Stoffes nicht zu ver¬
wundern ist — treten dem wohlgelungenen Ganzen gegenüber, dem jeder
seine hervorragende Anerkennung zollen wird, ganz zurück. Es ist
vorauszusehen, dass sich das Buch weiter viel Freunde erwerben wird,
und das verdienterweise.
Die Ausstattung, ebenso wie die Sprache der Uebersetzung ver¬
dient nur Lob. E. Moser (Zittau).
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Die 20 histologischen und osteologischen medizinischen Staats¬
examens-Vortrage. Von M. Fraenkel. Leipzig 1902, H. Hartung
& Sohn.
Das Buch erhebt den Anspruch, ein Hilfsbuch zur Vorbereitung
für das anatomische Examen zu sein. Thatsächlich dürfte jeder Staats¬
examinand mit den 20 Vorträgen vor seinem Examinator eines Erfolges
sicher sein, nämlich eines unbedingten Heiterkeitserfolges. Man höre
z. B. p. 16 im 11. Vortrage: „Lymphe ist eine helle, klare Flüssigkeit
mit Gehalt an Lymphocyten. Diese haben phagocytische (Fress-) Eigen¬
schaften, ändern ihre Gestalt und heissen auch Lcukocyten. Die Lymphe
ist eiweisshaltig und besteht aus: 1. Lymphfibrin; 2. Lymphserum;
doch quantitativ sehr gering vorhanden. Es enthält etwas mehr Zucker
als das Blutserum. Sie übernimmt, wie schon bei Nr. IX gesagt, den
Gewebskreislauf und sorgt für die Ernährung des Körpers und zwar
mittelst flüssiger und gelöster Bestandteile. Es transportiert dann auch
das Aschen- und Schlackenmaterial weg — und sorgt für den Abfluss
des überflüssigen guten Blutes in den Geweben. 44
Pag. 17: „Serum befindet sich in den Körper-, in serösen Höhlen
wie: Brust, Bauch, Herzbeutel, Hodensack. Es enthält viel Wasser
und Eiweiss, wenig Kochsalz und ist ohne körperliche Bestandteile —
höchstens kleine Bacillen, vielleicht auch Fettkörnchen. Es bespült die
Wände und Eingeweideoberflächen und erhält sie schlüpfrig. Zu wenig
Serum erzeugt daher Rauhigkeit der Wände und Schmerzen. Zu viel
bedeutet Wassersucht 44
Treffend ist auch die Charakterisierung der Drüsen (p. 23): „Glan¬
dulae, die blutreichsten Organe, sind chemisch wirksame Teile des Orga¬
nismus und sind vergleichbar mit einem chemischen Laboratorium, indem
ein flüssig spezifisches Produkt aus bestimmten Stoffen des Blutes be¬
reitet wird 44 ; oder (p. 24): Die Schilderung der mechanischen Wirkung
des Speichels „auf die durch Kauen etc. zu Pulver (!) zerriebenen Speisen 44 .
Geradezu epochemachend erscheint die neuartige Auffassung von der
Funktion des Corpus luteum verum: „Es hat Kirschgrösse und soll
während der Schwangerschaft Druck auf den Eierstock abhalten.“
Dass Verl dauernd von „bindegeweblichen 44 Häuten statt von
„bindegewebigen 44 spricht, das Perimysium konsequent als „Perinysium“
(viermal auf p. 18), den berühmten Entdecker der tierischen Zelle als
Herrn Schwamm vorstellt (p. 19, 20, 21), ist in einem anatomischen
Unterrichtsbuche mindestens auffällig, fügt sich aber der durchweg
falschen Schreibweise der Namen Pacini, Grandry etc. würdig an.
Glanzend bewährt sich des Verf/s exakte und klare Darstellungsweise
auch im letzten Absatz des ersten Teiles (p. 32). Dort heisst es: „Die
Schichtung eines Dannrohres ist: das innere Lumen wird begrenzt vom
Cuticularsaum, der auf dem Epithel sitzt. In dieses ragen hinein: die
Drüsen, die in der Mucosa eingelagert sind. Es folgt die Muscularis
mucosae, die Submucosa. Es folgt darauf oft zwei bis drei Schichten
Muskulatur in cirkulärer und longitudinaler Anordnung und oben findet
sich die Adventitia. 44
Nach diesen Erfahrungen brachte es Ref. beim zweiten Teil des
Buches nur noch über sich, Stichproben anzustellen. Als er aber gleich
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auf p. 83 den läpidaren Satz las: „Der Thorax stellt beim Manne den
breitesten Teil dar, während beim Weibe alles mehr abgerundet ist* 4 —
löste sich aller kritischer Ernst in fröhlicher Heiterkeit
Hoffen wir, dass unsere jungen Mediziner sich ihren Blick durch
die Examenssorgen nicht so sehr trüben lassen, dass sie sich nicht
Freunde und Helfer von der wissenschaftlichen Höhe dieses Buches
vom I^eibe zu halten wüssten! Schiller (Karlsruhe.)
Manuel de r&ectrothdrapie et de l^lectrodiagnostic. Von E. A.
Weil. Kl. 8°, 320 pp., mit 80 Figuren im Text. Paris, Felix
Alcan.
Auf verhältnismässig kleinem Raum, aber klar und übersichtlich
wird das gesamte Gebiet der Elektrodiagnostik und Elektrotherapie be¬
sprochen: Kenntnisse, die auch für den praktischen Arzt nützlich und
wertvoll sind, da die Anwendung der Elektrizität in therapeutischer Hin¬
sicht in den letzten Jahren eine gewaltige Ausdehnung erfahren hat
Verf. bespricht deshalb eingehend Instrumentarium und Technik
der Anwendung, Indikation, Diagnostik und spezielle Therapie. Er
führt hierbei auch die ganze Reihe von Erkrankungen an, bei denen
Elektrizität in irgend einer Form zur Anwendung kommt, Bäder, Kaustik,
Bestrahlung etc. Die Darstellung ist leicht und verständlich und hält
sich von allen unnötigen theoretischen Erörterungen fern.
G. Flatau (Berlin).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Herszky, E., Nierenabscess und Peri¬
nephritis (Fortsetzung), p. 49—58.
Goldschmidt, A., Die otitische Pyämie
(Schluss), p. 59—71.
II. Referate.
Wurmfortsatz.
Dieulafoy, Attendre pour operer que
lappendicite soit „refroidie“, c’est ex-
poser le malade h la mort, p. 71.
Mejerowitsch, J. J., Die Appendicitts-
operationen im Jekaterinodarschen Stadt¬
krankenhaus, p. 72.
Zoege v. Man teuf fei, Die Appendicitis
und ihre Behandlung, p. 73.
Lion, Un cas de mort subite dans Pap-
pendicite, p. 73.
Lenzmann, R., Weitere Beobachtungen
über Appendicitis chronica, p. 73.
Legueu, Perforation spontan6e d’un abc£s
appendiculaire, p. 74.
Nowitzki, P. S., Appendicitis, durch
Peritonitis und innere Dünndarmein¬
klemmung kompliziert, Heilung, p. 74.
Pinard, A., Nouveaux documents poui
servir ä Phistoire de Pappendidte dans
ses rapports avec la grossesse, p. 74.
V6ron, Les appendirites cons£cuüves i
la d£glutition de corps 6trangers, p. 74-
Sonnenburg, Lungenkomplikationen bei
Appendidtis, p. 75.
Rose, E., Die Untersuchung Bauch-
kranker auf Wurmfortsatzentzündung,
p. 76.
Barth, A., Ueber Brucheinklemmung des
Processus vermiformis, p. 76.
III. Bücherbesprechungen.
Schreiber, E., Die Krankheiten der
Verdauungsorgane im Kindesalter, p. 77 *
Borst, M., Die Lehre von den Ge¬
schwülsten, p. 77.
Lejars, F., Technik dringlicher Opera¬
tionen, p. 78.
Fraenkel, M., Die 20 histologischen und
osteologischen medizinischen Staats¬
examens-^Vorträge, p. 79.
Weil, E. A., Manuel de P&ectroth&apie
et de Pdectrodiagnostik, p. 80.
Um Einsendung von Monographien und Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I, Ebendorferatraase 10, wird gebeten.
Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der f/Iedizin u. Ghirurgie.
Herausgegeben von
I>r*. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band, j
Jena, 12. Februar 1903.
3.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis,
Böhme-Strasse 9,
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Die multiple Neurofibromatose.
(Recklinghausen’sehe Krankheit.)
Sammelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent a, d. Univ. Strassburg.
Ich habe mich im folgenden Literaturverzeichnis darauf
beschränkt, diejenige Literatur zu erwähnen, die weder in v. Reckling-
hausen’s Monographie (1882), noch in meiner nachstehend citierten
kasuistischen Arbeit (1901) angeführt ist, die mir demnach entweder
bis dahin entgangen war, oder neuerdings über diesen Gegenstand sich
auffinden liess.
1) Adrian, Ueber Neurofibromatose und ihre Komplikationen. Bruns’ Bei¬
träge zur klin. Chirurgie 1901 , Bd. XXXI, p. i und Taf. i u. 2.
2) Ders., Ueber einen bemerkenswerten Fall von Neurofibromatosis. Wiener
klin. Wochenschr. 1902 , Nr. 32, p. 813, 7. Aug. Mit 2 Abbildungen.
3) Ders., Referat zu Alexis Thomson: On Neuroma and Neurofibromatosis.
1685. 20 Tafeln. Tumbull and Spears, Edinburgh 1900. Dieses Centralblatt 1902 ,
Bd. V, Nr. 15, p. 621—623.
4) Alexander, Multiple Neurofibrome. Verhandl. d. Breslauer dermatolog.
Vereinigung, Sitzung vom 2. Febr. 1901 . Ref. in Archiv für Dermatol, u. Syphilis
1902. Bd. LX, p. 136.
5) Arnozan u. Prioleau, s. Fox u. Farquhar.
6) Audry, Sur un cas de neurofibromatose avec scoliose. Soci6te fran<;. de
Derm. et de Syph. 1901 , s£ance du 7 mars. Ref. in Annales de Derm. et de Syph.
1901, 4<* serie, T. II, p. 290.
Centralblatt f. d. Gr. d, Med. u. Chir. VI. (>
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7) Bastiannelli, Un caso di neurofibromatozi. Soc. lancisiana degli ospe-
dali di Roma 1900 , 26 maggio. Ref. in Revue neurologique 1900, Tome VIII,
p. 1104; ferner Ref. in La Riforma medica, anno 16, Vol. III, Nr. 7, p. 78.
8) Batigne, s. F6r£ u. Batigne.
9) Beevor, A case of multiple fibroneuromata. Transact. of the clinical
Society of London 1901 , Vol. XXXIV, p. 226.
10) Bennati, Un caso di malatia di Recklinghausen. Academia di Seien ze
mediche e naturali in Ferrara 1901 , 22 juin. Ref. in Annales de Dermatolog. 1901,
4« serie, T. II, p. 899 und Riforma medica 1901, p. 189, 18. Juli. Ref. in Revue
neurologique 1902, X« ann£e, Nr. 1, p. 36, 15. Jan.
11) v. Bergmann, Fall von weicher lappiger Hautelephantiasis mit weichen
Fibromen der Haut von verschiedenster Grösse und zahllosen Pigmentflecken. In:
Handbuch der prakt. Chirurgie von v. Bergmann — Bruns — Mikulicz, 2. Aufl.,
1902 , Bd. I, p. 31 u. Fig. 3.
12) Broca, Fibromes de la peau. Fibroma molluscum. Spec. Le molluscum
g£n&ralis£. In: Duplay et Reclus, Traite de Chirurgie 1890 , Tome I, p. 619
bezw. 621 ff.
13) Bronson, A case of multiple fibroma. New York dermatological society
1899 , 24. Jan. Ref. in Journ. of cutaneous and genito-urinary diseases 1899, Vol.
XVII, Nr. 6, p. 280, June.
14) Bronson, s. auch Taylor.
15) Bur re 1 , Multiple plexiform fibromata. Boston med. and surgical Journal
1901 , p. 329, 4. April.
16) Byrom Bram well, Weiches Fibrom (Fibroma moile seu molluscum, des
rechten Armes und Thorax bei einem 40jährigen Manne. Aus dem Atlas von
Byrom Bramwell, Fig. 469 in Tillmanns' Lehrbuch der allgemeinen Chirurgie
1899 , 7. Aufl., p. 685.
17) Campana, Hautsyphilid. Consecutive narbige Fibromatose; histologisch
nachgewiesene Neurofibromatose. Arch. f. Dermat. u. Syphilis 1901 , Bd. LVI, p. 169.
18) Campbell, A case of Recklinghausen’s disease. Transact. of the clinical
Society of London 1900 , Vol. XXXIII, p. 245.
19) Casper, M., Geschwülste bei Tieren. In: Ergebn. d. allgem. Pathol. u.
pathol. Anatomie des Menschen u. der Tiere, von Lubarsch u. Ostertag. Dritter
Jahrgang, 1896 . Wiesbaden, Bergmann, 1897, p. 692, speziell p. 693: Fibrome;
p. 710: Neurome, falsche Neurome.
20) C es tan, Neurofibromatose m^dullaire. Soc. de neurologie 1900 , s£ance
du 1 f£vr. Ref. in Revue neurologique 1900, Tome VIH, p. 161.
21) Chipault, Neurofibromatose g6n£ralis£e, affection congenitale du feuillet
ectodermique. TÄvaux de neurologie chirurgicale 1896 . (Cit. bei Levy u. Ovize,
Gaz. des höp. 1899, p. 1209.)
22) Chotzen, Fibroma molluscum multiplex. Schlesische Ges. f. Vaterland.
Kultur in Breslau, Sitzung am 8. Febr. 1895 . Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
1896, Nr. 8, p. 50, 12. März, Literaturbeilage.
23) Clark, A remarkable case of fibroma molluscum. The Lancet 1887 ,
Vol. I, p. 1183, 11. June.
24) Cornil, s. Sauvage (u. Cornil).
25) Coupland, A case of multiple subcutaneous tumours (probably neuromata)
associated with cranial deformity (frontal osteoma). Transact. of the clinical Society
of London 1897 , Vol. XXX, p. 221.
26) Dade, Fibroma molluscum. New York dermatologial Society 1901 ,
22. Oct. Ref. in Journ. of cutaneous and urinary diseases 1902, Febr.
27) Darier, Neurofibromatose. Diskussion zu der Vorstellung Jeanselme's:
Cas de neurofibromatose. Soc. de Dermat. et de Syph., 10. Nov. 1898 . In: Annal.
de Dermat. et de Syph. 1898, 30 serie, Tome IX, p. 994/995.
28) Da wies, Multiple fibroma of the Recklinghausen type. Sixty-ninth annual
meeting of the British medical association. Ref. in The British Journ. of Dermatol.
1901 , Vol. XIII, p. 348, Sept.
29) Dubois, Observations de Chirurgie pratique. 2°: Molluscum pendulum
volumineux de la cuisse. Ablation. La presse medieale beige 1879 , 3i e annee.
p. 361/362, dimanche 16 novembre.
30) Dufour, s. R6nnn u. Dufour.
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31) Ehrmann, s. Weinlechner.
32) Evans, A case of multiple soft fibromata of the skin. Derraatological
sodety of London, 10. Oct. 1900 . Ref. in The British Journ. of Dermatol. 1900^
Vol. XII, p. 411, Nov.
33) Ders., Neurofibromatosis. The British Joum. of Dermatology 1901 , Vol.
XIIT, *\r. 5, p. 170, May.
34) Fahre, s. Baylac u. Fahre.
35) Farquhar, s. Fox u. Farquhar.
36) Foster, A unique case of congenital multiple naevus pigmentosus. Journ.
of cuuneous and genito-urinary diseases 1899 , Vol. XVII, Nr. 3, p. 132, March.
(Mit Abbildung.) Wohl streng genommen nicht als Neurofibromatose aufzufassen.
37) Fouquet, s. Hallopeau u. Fouquet.
38) Fox u. Farquhar, On certain endemic skin and other diseases of India
and hot dimates generally, p. 108. Cit. in: Arnozan u. Prioleau, Sur les der-
inato-fibromes cong£nitaux g£n£ralis6s. Annales de Dermatolog. et de Syphilig. 1883 ,
2« serie, Tome IV, p. 689 bezw. 697.
39) Gi lehr ist, Two cases (induding one in the negro) of molluscum fibrosum,
with the pathology. The Johns Hopkins Hospital reports 1896 , Vol. I, Nr. XI,
!>• 349 .
40) Greni£, Etüde sur le molluscum pendulum. Th&se de Pans 1901 ,
Nr. 262. Speziell obs. III (personelle), p. 36; obs. III bis (Cinq cas de tumeurs
cutan£es, toutes congenitales, d£velopp£es sur un naevus pigmentaire) p. 38; obs. IV
.Carcinome de la peau d6velopp£ primitivement dans un molluscum), p. 39.
41) Hallopeau u. Ribot, Sur un cas de maladie de Recklinghausen avec
predominance des troubles pigmentaires et volumineuse tumeur profonde. Soc. fran<j.
de Dermat. et de Syph. 1902 , s£ance du 5 juin. Ref. in Annales de Dermat. et de
Syph. 1902, 46 sirie, Tome III, p. 613.
42) Hallopeau u. Fouquet, Sur un nouveau cas de naevi fibromateux (ma¬
ladie de Recklinghausen). Soc. fran^. de Dermat. et de Syph. 1901 , seance du 6 juin.
Ref. in Annales de Dermat. et de Syph. 1901, 4« serie, Tome II, p. 551.
43) Hartzell, A case of fibroma molluscum. The american journ. of the
med. scimces 1902 , new series, Vol. CXXLII, p. 261.
44) Haushalter, Un cas de dermo-neurofibromatose compliquee de phino-
menes spinaux et de deformation considerable de la colonne vertebrale. Nouvelle
Iconographie de la Salpetriere 1900 , Tome XIII, p. 639.
45) Hebra, H. v., Fibroma molluscum. In: Die krankhaften Veränderungen
der Haut und ihrer Anhangsgebilde mit ihren Beziehungen zu den Krankheiten des
Gesamtorganismus. Bd. VII von Wreden’s Sammlung kurzer medizinischer Lehr¬
bücher. Braunschweig, Friedrich Wreden, 1884 , p. 504 ff.
46) Henneberg u. Koch, Ueber Neurofibromatose und Fibromatose des
centralen Nervensystems. (Zwei Fälle von doppelseitigen Neurofibromen des Acusticus.)
Berl. Ges. f. Psychiatrie u. Nervenkranhheiten, Sitzung vom 9. Dez. 1901 . Ref. in
Berl. klin. Wochenschr. 1902, Nr. 31, p. 740/741, 4. Aug. — Centralbl. f. Nerven¬
heilkunde u. Psychiatrie, 25. Jahrg., 1902, 9. Juni, N. F., Bd. XVIII, p. 391/392. —
Neurologisches Centralbl. 1902, 21. Jahrg., Nr. 1, p. 33/34, 1. Jan.
47 ) Dies., Ueber „centrale“ Neurofibromatose und die Geschwülste des Klein-
himbrückenwinkeis (Acusticusneurome). Archiv für Psychiatrie u. Nervenkrankheiten
1902 , Bd. XXXVI, p. 251.
48) Herxheimer, K., Von der Cutis und Subcutis ausgehende Neoplasmen
der Haut. In: Lubarsch u. Ost er tag, Ergebn. d. allg. Pathol. u. pathol. Anat.
d. Menschen u. d. Tiere 1896 , IV. Abtlg., p. 505.
49) Hirschberg, Beiträge zur Anatomie und Pathologie des Auges. II. Stau¬
ungspapille durch Hirntumor. Arch. f. Augenheilk. 1879 , Bd. VIII, p. 49 bezw. 51.
50) Hutchinson, Molluscum fibrosum mistaken for leprosy. Archives of
Surgery 1895 , Vol. VI. Plate CXXVI. Text dabei.
51) Jadassohn, Fibrome der Haut etc. In: Ebstein u. Schwalbe’s
Handbuch der prakt. Medizin, Bd. III, Teil II, p. 380 ff. Stuttgart 1901 , Enke.
52) Ders., Referat zu der oben erwähnten Arbeit von Campana (s. diese).
Centralbl. f. Chirurgie 1902 , Nr. 4, p. 108 109.
53) Jacques, s. Spillmann (1900).
6 *
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54) Kaposi, Fibromata mollusca. Verhandl. der Wiener deunatolog. Ges.,
Sitzung vom 9. Jan. 1901 . Ref. in Archiv f. Dermal, u. Syphilis 1901, Bd. LVI,
p. 418.
55) Keen and Spill er, A case of multiple Neurofibromata of the ulnar nerve.
Transact. of the College of physicans of Philadelphia 1900 , third series, Vol. XXII,
p. 83.
56) Keyes, s. Taylor.
57) Klebs, Die allgemeine Pathologie etc., II. Teil, Jena 1889 , p. 6ig ff.
und p. 780 ff., speziell p. 785.
58) Koch, s. Henneberg u. Koch.
59) Koch, s. auch Zinn u. Koch.
60) Labouverie, De la neurofibromatose generalis6e. Gaz. hebdom. de med.
et de chir. 1900 , Nr. 6, p. 61, 21 janv. 3« (nouvelle) s£rie, Tome V.
61) Landowski, Fibromes mous de la peau. — Fibromes des nerfs. Pig-
mentation cutan^e „g6n6ralis6e“. Gaz. des höpitaux 1894 , Nr. 35, p. 317, 22 mars.
62) Lapeyre et Labb6, Sarcomatose extravisc£rale gen6raiis£e. Revue medi*
cale 1900 , mars.
63) Dies., Sarcomatose extravisoferale g£n6ralis£e. Presse medicale 1900 ,
p. 145, 24 mars.
64) Lesourd, Consfcterations sur le sarcom primitif localise de la peau et le
molluscum fibrosum. Tb6se de Paris 1901 , Nr. 553.
65) Little, A case of von Recklinghausen’s disease. Dermatological society
of London 1901 , June 12. Ref. in The British Journ. of Dermatology 1901, Vol.
XIII, p. 265, July.
66) Mal herbe, Neurofibromatose gen6ralis6e; 16 s io ns des glandes sudoripares.
Journal des maladies cutan6es et syphilitiques 1901 , 6« s6rie, Tome XIII, p. 613.
67) Manson, A case of congenital elephantiasis of the scalp. The American
Journ. of the med. Sciences 1893 , Vol. CV, p. 120, Febr. New series.
(Fortsetzung der Literatur folgt.)
Abgrenzung des Gegenstandes. Klinische Formen der
Neurofibromatose.
Als Neurofibromatosis bezeichnet man, kurz gesagt, eine
Krankheit, bei welcher an den Nerven zahlreiche kleinere und
grössere Geschwülste auftreten.
Ich werde im folgenden von einer Besprechung ausschliessen:
die Fälle von sog. wahrem Neurom (Neuroma ganglionosum, s.
cellulare amyelinicum et myelinicum), die Amputationsneuroine
und die wohl meist ebenfalls zur Gruppe der echten Neurome zu
zählenden sog. Tubercula dolorosa.
In den Kreis der Betrachtung werde ich hingegen zu ziehen
haben folgende unter den Begriff der Neurofibromatosis fallende
Erkrankungen, die sich, im Gegensatz zur Gruppe der echten Neu¬
rome, aus den nicht nervösen Bestandteilen der Nerven, d. h. vor
allem aus dem Bindegewebe entwickeln, demgemäss als Fibrome zu
bezeichnen sind und der Gruppe der falschen Neurome angeboren.
Einmal gehören hierher die multiplen, weichen Fibrome
der Haut, die von mikroskopischer Kleinheit bis Kopfgrösse und dar¬
über erreichen können; zweitens die gleichzeitig mit diesen multiplen
Hautfibromen, aber auch unabhängig von ihnen, in Form einer selbst¬
ständigen Lokalisation an den tiefer gelegenen Nervenstämmen
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vorkommenden Geschwülste, die nur an einem Stamm allein
oder an allen Aesten eines Plexus, oder endlich, multipel auf die
verschiedensten Nerven des ganzen Körpers verteilt, an spinalen,
cerebralen und sympathischen Nerven Vorkommen können.
Eine weitere, dritte, von den eben angeführten Bildern nicht
zu trennende Krankheitsgruppe ist die der von Verneuil (1857)
benannten plexiformen Neurome oder von v. Bruns (^870) be-
zeichneten Rankenneurome.
Die Neubildung betrifft bald nur kleinere oder grössere Nerven¬
gebiete eines Stammes oder Stammchens, bald sind mehrere Plexus
ergriffen, bald verbreitet sich der fibromatöse Prozess auf Plexus,
Stamm und periphere und peripherste Verzweigungen, so dass das
Bild einer „diffusen“ Neurofibromatosis, einer „Elephantiasis
neuromatosa“ zustande kommt.
Aus diesen weiter unten auszuführenden Andeutungen ergibt
sich schon, dass diese drei Gruppen von Krankheitsbildern einer
Erkrankungsform angehören und nur Modifikationen eines und des¬
selben Prozesses sind.
Da Garr^s sekundär maligne Neurome sich auf dem
Boden der Neurofibromatose entwickeln, so sind auch sie dieser
grossen Gruppe einzuverleiben.
Neben den multiplen Fibromen der kleinsten cutanen Nerven
gibt es aber auch recht ähnliche klinische Bilder erzeugende wahre
Neurome, wie sie zuletzt wieder Knauss (1898) beschrieben hat.
Der Autor führt die Quelle dieser Bildungen mit gutem Recht
auf das symjwithische Nervensystem zurück und qualifiziert sie als
echte, gleichartige Geschwülste des Nervengewebes der Haut, be¬
stehend aus marklosen Nervenfasern, markhaltigen Nervenfasern und
sehr zahlreichen Ganglienzellen.
In dem histologischen Aufbau dieser Geschwülste und ihrer
Ursprungsstelle liegt demnach die Differenz zwischen beiden multiplen
Geschwulstformen: hier Neurome aus dem weniger centralisierten
sympathischen Nervensystem, dort Fibrome aus den Endästchen des
peripheren Nervensystems hervorgewachsen.
Weiterhin ist nun die Aehnlichkeit der Bilder von Knauss
(1898) mit denen der Darmknoten von Askanazy (1899) über¬
raschend; vermöge der Menge der Ganglienzellen im Falle von
Knauss stellt dieser Fall jedoch nur einen quantitativ gesteigerten
Prozess gegenüber dem Fall von Askanazy dar.
Es ergibt sich somit aus der letzteren Beobachtung, „dass
man nicht immer und in jeder Hinsicht zwischen den reinen Fibromen
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der Nerven und den Neuromen mit aktiver Beteiligung der Nerven-
substanz eine scharfe Grenze ziehen kann. Dass eine Brücke von
hüben nach drüben führt, hat ja auch schon Virchow anerkannt,
wenn er den Begriff eines gemischten Neuroms in diesem Sinne
formuliert“ (Askanazy 1899, p. 466).
Keinesfalls dürfen wir also die Geschwulstbildungen am Magen
und Darm als prinzipiell von der Neurofibrombildung am peripheren
Nervensystem verschiedene Geschwülste auffassen.
Die multiplen Geschwülste des Plexus Auerbachii zeigen nur,
dass die multiple Fibromatosis auch das sympathische Nervensystem
befallen kann, wenn man auch die Schwierigkeit des Auffindens
Rem ak'scher Fasern nicht ausser acht lassen mag.
Das Krankheitsbild der Neurofibromatose wurde schon im Jahre
1798 von Ludwig und Tilesius beschrieben, dann haben sich be¬
sonders Virchow (1863) und P. v. Bruns (1870) um die Kenntnis
namentlich der anatomischen und histologischen Verhältnisse dieses
Leidens verdient gemacht.
Die histogenetische Einheit der verschiedenen Geschwulstformen
jedoch hervorgehoben und ihre Entstehung vom Nervenbindegewebe
nachgewiesen zu haben ist das ausschliessliche Verdienst von
v. Recklinghausen (1882).
Ihm zu Ehren haben Anatomo-Pathologen, Chirurgen, Neuro-
pathologen und Dermatologen diesen Symptomenkomplex schlechtweg
„Recklinghausen’sche Krankheit“ genannt
Und in der That deckt auch diese Bezeichnung besser wie
alle anderen (Neurofibromatose g6n4ralis6e, Fibromato'se
pigraentaire, Neurofibromatose pigmentaire, Dermofibro-
matose bipigmentaire (Feindei), Dermofibromatose pigmen¬
taire (Chauffard) den Begriff, den v. Recklinghausen mit dem
Krankheitsbild verknüpft haben will, weil sie z. T. eines der Haupt¬
charaktere der Krankheit, den Ausgangspunkt des Tumors von den
Nervenscheiden, nicht berücksichtigen, z. T. andere Kardinalsymptomc-
nicht mit einschliessen, endlich, wie wir gleich sehen werden, für
gewisse Formen der Neurofibromatose, speziell die „Formes frustes“,
die des einen oder anderen Kardinalsymptoms entbehren, nicht passen.
Solchen Ueberlegungen haben in den letzten Jahren mit dem
tieferen Eindringen in die Pathologie dieses interessanten Krankheits¬
bildes und der zunehmenden Kenntnis desselben eine Reihe von
französischen Autoren Ausdruck gegeben, vor allem Hoisnard (1898,
p. 13/14), Darier (1898, p. 995), Tenneson (1898, p. 996).
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Audry und Fahre (1892) verwarfen schon die alte Bes-
nierische Bezeichnung „dermatof i brome“ als vollständig un¬
genügend („infuffisante et inexacte“) und zogen den Ausdruck
v. ßecklinghausen’s „fibroneurome de la peau“ vor.
Um das eine der Hauptcharaktere der Erkrankung in das
rechte Licht zu setzen, begnügte sich Darier (1898, p. 995) mit
dem Namen der „Neurofibromatose“, den zu erhalten ihm, in
Ermangelung eines besseren, zweckmässig erschien, jedoch mit dem
Zusatz „de Recklinghausen“.
Auch Tenneson gibt (1898, p. 996) zu, ,,que la ddnomination
de neurofibromato8e offre de graves inconvdnients. Elle ne met
pas en relief tous les dldments de la maladie, les naevi pigmentairea
en particulier, qui sont constants, et les malformations du squelette,
qui sont constantes“ — und erinnert daran, dass das Krankheitsbild
in St. Louis seit langer Zeit bekannt war unter dem Namen des
„Molluscum gdndralisd“.
Aus wesentlich anderen Gründen verwerfen Hallopeau und
Fouquet (1901, p. 553) die Bezeichnung „Neurofibromatose“
und schlagen den Namen „Naevi fibromateux“ oder „Maladie
de Recklinghausen“ vor. Für sie stellt die Krankheit nur eine
Teilerscheinung kongenitaler Eutwickelungsstorungen dar, und sie
wäre, was die Hauterscheinungen betrifft, mit den angeborenen
Muttermalen auf eine Stufe zu stellen und in diesem Sinne weiter
nichts als eine „vari<5t£ de naevi“.
Es gibt aber noch einen Umstand, der geeignet ist, die Ver¬
wirrung iu dem Begriff der „Neurofibromatose pigmentaire“
zu verstärken und allein schon zur Einführung eines alles umfassenden
Namens berechtigt: es ist dies die Einführung der sog. „Formes
incomplfetes ou frustes“ der „Maladie de Recklinghausen“
als weitere klinische Formen der Neurofibromatose.
Bei Berücksichtigung der von Feindei (1898, p. 877) herrühren¬
den, in einem der nächsten Abschnitte ausführlicher wiedergege¬
benen Symptomeneinteilung der in Rede stehenden Erkrankung:
1. tumeurs cutan^es.
2. tumeurs des nerfs,
3. pigmentation ponctiforme,
4. pigmentation par plaques
Hessen sich ohne Schwierigkeiten solche weitere klinische Formen
abzweigen.
Je nachdem eines oder mehrere dieser Symptome fehlen, ent¬
stehen natürlich klinisch differente Bilder, und diese sind es, die
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zu der von Feindei (1898), Feindei und Oppenheim (1898) und
Thibierge (1898) vorgeschlagenen Bezeichnung der „Formes in-
complötes ou frustes“ der Recklinghausen’schen Krankheit
geführt haben.
Am weitesten ist in dieser Beziehung wohl Thibierge (1898)
gegangen:
Er rechnet sogar noch einen Fall ohne Hautfibrome und
Nerventumoren dazu und stellt lediglich auf Gruud der Haut-
pigmentationen und einer Reihe psychischer Störungen eine Diagnose
auf „Maladie de Recklinghausen“.
Er begründet sein Vorgehen folgendermassen:
„De mftme que celle-ci prösente des formes trös accus&s,
excessives pour ainsi dire, dans lesquelles les lösions se traduisent
par des dermatolyses considdrables, de mßme, ä l’extrdmitd inverse
de P^chelle, eile präsente des formes dans lesquelles les tumeurs
fibromateuses se rdduisent ä des öl£ments peu nombreux et peu
volumineux; ä la limite extröme les fibromes disparaissent et il
reste, pour caractöriser la maladie, les autres manifestations cutan&s
et les troubles psychiques“ (Thibierge, Soc. möd. des höp. de Paris
1898, p. 148).
Auf Grund dieses interessanten Falles wendet sich nun Thibierge
gegen den Begriff der Neurofibromatose und kommt zu folgenden
Ueberlegungen, die ihn zum Schlüsse führen, der Krankheit den
Namen der „Maladie de Recklinghausen“ beizulegen:
„De Pdxistence de cette forme il faut conclure que la ddnomi-
nation de „neurofibromatoso“ est döfectueuse, puisqu’elle fait d’un
dlöment de la maladie qui peilt manquer occasionnellement la carac-
t^ristique de la base. Elle est d’ailleurs ddjA ddfectueuse pour une
autre raison, .... c’est l’absence possible de tubes nerveux dans
les tumeurs. Dans ces conditions il serait legitime de donner ä
Paffection une ddnoraination qui ne se basät plus sur des caractferes
anatomiques, qui peuvent faire dlfuut, et de l’appeler du nom de
l’auteur, qui a le plus coutribuer ä fixer les idöes sur eile, »maladie
de Recklinghausen«“ (I. c., p. 148).
Was die Einreihung des Thibierge’schen Falles unter die
übrigen klinischen Formen dieser Erkrankung betrifft, so wird jeder¬
mann die diesbezüglichen Worte FeindePs (1898, p. 877), „ä
premifere vue pareille conception parait bizarre“ unterschreiben. Indes
gibt er auch schliesslich zu — und wir stimmen darin mit Feindei
überein — dass bei dem Vorhandensein von Hautpigmentationenl
und den ausgesprochenen psychischen Störungen, welche der Fal
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vonThibierge bot, die Diagnose einer „Forme fruste“ der „Maladie
de Recklinghausen“ berechtigt („amplement justifid“) sei.
Auf die Aufstellung noch weiterer Abarten und klinischer
Formen glaubt aber auch Feindei verzichten zu müssen.
Sind nur Pigmentationen (ohne Tumoren der Haut und der
Nerven und ohne psychische Störungen) vorhanden, so meint Feindei
(1. c., p. 878) für solche Fälle:
„Qu’oii ne soit pas autorisd k parier de maladie de R. Ce-
pendant le rapprochement s’impose; s’il ne s'agit plus de cette
maladie nous nous trouvons en prdsence de formes connexes.“
AufGrund anatomischerVarietäten glaubte endlich Chauffard
(1896), dessen Ansicht übrigens von Jehl (1898) vertreten wird,,
zwei differente Krankheitsbilder trennen zu müssen. Bekanntlich
beschreibt er das Gesamtkrankheitsbild unter dem Namen der
Fibromatose pigmentaire, welche Bezeichnung zwei Kardinal¬
symptome in sich einschliesst, und unterscheidet zwei verschiedene
anatomische Varietäten:
1. Die „Neurofibromatose pigmentaire“, bei welcher die
Fibrombildung vom Perineurium ausgeht und die Fibrome von
multiplen Stammneuromen begleitet sind, und
2. die „Dermatofibromatose pigmentaire“, bei welcher
die Fibrome ausschliesslich cutane sind und einen zweifelhaften
Ursprung haben.
Beide Formen an einem und demselben Individuum bilden dann
eine „Forme mixte“.
Einer solchen Einteilung aber widerspricht einmal die klinische
Beobachtung, sodann aber auch, wie wir weiter unten sehen werden,
die pathologische Anatomie, so dass wir uns hier darauf beschränken
können, das Einteilungsprinzip Chauffard's als unbrauchbar wenig¬
stens erwähnt zu haben.
Was die Häufigkeit der interessanten Erkrankung be¬
trifft, so beträgt sie nach den Berechnungen der „American derma-
tological association“ 0,09 Proz. aller Hautkrankheiten (cf. Hart¬
zell 1902).
Bezüglich des Geschlechtes der Kranken lauten die An¬
gaben der einzelnen Autoren sehr verschieden.
Nach Schuh (1851, p. 204) sind „Erwachsene und alte Leute,
besonders weiblichen Geschlechtes, ferner Cretins dieser Krankheit
vorzugsweise unterworfen“.
Auch nach Boudet (1883) sollen Frauen häufiger von der Krank¬
heit befallen werden.
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Von der allerdings nicht grossen Zahl der von Weinlechner
(1902) beobachteten Fälle war ebenfalls das weibliche Geschlecht m
auffälliger Mehrzahl vertreten.
Anders die Angaben von Courvoisier (1886), Oriot (1897),
Posthumus (1900) und Al. Thomson (1900).
Von 50 FälJen waren nach CourvoisiePs Zusammenstellung(1886)
38mal Männer und 12mal Frauen befallen, so dass Courvoisier daraus
schliesst, dass die Männer ein dreimal grösseres Kontingent für das
Krankheitsbild liefern als die Weiber.
Oriot (1897) zählte unter 32 Fällen 23 Männer und 9 Frauen,
Al. Thomson (1900) unter 84 Fällen 53 Männer und 31 Frauen.
Posthumus (1900) gibt nach einer eigenen Statistik (13 Männer,
8 Frauen) an, „dass die Männer am meisten damit behaftet werden 44 .
Posthumus fügt jedoch (1. c., p. 37) hinzu, „dass es gewiss nicht aus¬
geschlossen ist, dass bei einer grösseren Statistik das Geschlecht keinen
Einfluss mehr zu haben scheint, wie es bei den singulären Neurofibromen
deutlich ist 44 .
Ich selbst konnte unter 447 Fällen 289 Männer und
158 Frauen zusammenstellen, dies macht also 65 °/o Männer
und 35% Frauen.
Ich habe bei dieser Berechnung nur diejenigen Fälle berücksichtigt,
die eingehend von den Autoren beschrieben worden sind oder welche
von den Autoren selbst gesehen, bezw. untersucht worden sind. Ausser
Berechnung habe ich alle diejenigen zahlreichen Beobachtungen gelassen,
in denen sich die Angaben über das Geschlecht von Eltern, Geschwistern,
Kindern etc. nur auf Aussagen der Kranken stützen und jeweils in den
Anamnesen der betreffenden Kranken sich vorfinden. — Uebrigens
bleibt auch bei Berücksichtigung dieser Fälle das Verhältnis zwischen
Männern und Frauen annähernd gleich. (Fortsetzung i<>igt.)
Ueber die Puerperaleklampsie.
Kritisches Sanunelreferat über die von 1890 bis Ende Juni 1902
erschienenen Arbeiten.
Von Dr. Josef Schnürer, Wien.
Literatur.
Abkürzungen: C. f. G. = Centralblatt für Gynäkologie.
Mon. f. Geb. u. Gyn. = Monatsschrift für Geburtshilfe u. Gynäkol.
Schmidt — Schmidt’s Jahrb. d. in- u. ausländ, gesamten Medizin.
Z. f. Geb. u. Gyn. = Zeitschr. f. Geburtshilfe u. Gynäkologie.
I.-D. = Inaugural-Dissertation.
Z. f. klin. Med. = Zeitschrift für klinische Medizin.
Volkm. Samml. klin. Vortr. = Sammlung klinischer Vorträge, be¬
gründet von Volkmann.
Centralbl. f. alJg. Path. = Centralblatt für allgemeine Pathologie u.
pathologische Anatomie.
M. m. W. = Münchener med. Wochenschrift.
W. kl. W. = Wiener klinische Wochenschrift.
B. kl. W. — Berliner klinische Wochenschrift.
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W. m. Bl. = Wiener med. Blätter.
D. m. W. = Deutsche med. Wochenschrift.
V. A. = Archiv f. patholog. Anatomie u. Physiologie u. f. klin.
Medizin von R. Virchow.
Beitr. z. Geb. = Beiträge zur Geburtshilfe u. Gynäkol. von Hegar.
Disk. •— Diskussion.
Ges. f. Geb. =* Gesellschaft für Geburtshilfe,
ref. = referiert, c. b. = citiert bei.
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3) Albert, Giessener Kongress; ref. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 152.
4) Ders., Disk, zu Schmorl; ref. C. f. G. 1902, p. 428.
5) Ders., Die Aetiologie der Eklampsie. Ges. f. Geb. in Dresden, Sitzung
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12) Bar et Mercier, Ein eigenartiger Albuminkörper im Harn Eklamptischer.
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13) Bar et Renon, Bakteriologie der Eklampsie. Gaz. m6d. de Paris 1894,
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14) Bar, Franz. Chirurgen-Kongress in Paris 1893; re ^ C. f. G. 1893, P- 9 * 4 -
15) Ders., Bullet, de la soc. d’obstätr. de Paris, 8. Mai 1899; ref. C. f. G.
1899, p. 1341-
16) Ders., Ist es erwiesen, dass die Eklampsie eine durch Mikroben ver¬
ursachte Erkrankung ist? Ref. C. f. G. 1899, p. 925.
17) Ders., Ges. f. Geb. in Paris, 10. Juni 1897; ref. C. f. G. 1897, p. 1302.
18) Ders., Ges. f. Geb. in Paris, 8. Juni 1898; ref. C. f. G. 1898, p. 1350.
19) Batsewitsch, Disk, zu Massen; ref. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. X, p. 843.
20) Bayer, 50 Fälle von Eklampsie. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. X, p. 25.
21) Bidder, Ueber 455 Fälle von Eklampsie. Arch. f. Gyn., Bd. XLIV,
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22) Biermer, Sectio caesarea wegen Eklampsie. M. m. W. 1899, p. 1565.
23) Blanc, Pathog6nie de Pfeclampsie. Arch. de Tocolog. 1890, p. 774.
24) Blum reich, Ueber den Einfluss der Gravidität auf die Blutalkalescenz.
Arch. f. Gyn., Bd. LIX, p. 699.
25) Ders., Experimentelle und kritische Beiträge zur Eklampsiefrage. Mon. f.
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26) Ders., Ueber den Einfluss totaler Harnverhaltung auf den Organismus
gravider und nicht gravider Tiere. Arch. f. Gyn., Bd. LXVI, p. 221.
27) Ders. u. Zuntz, Experimentelle und kritische Beiträge zur Pathogenese
der Eklampsie. Arch. f. Gyn., LXV, p. 737.
28) Bogatirew, Zur Frage der Contagiosität der Eklampsie (russisch). Ref.
Mon. f. Geb. u. Gyn. 1902, Bd. XV, p. 344.
29) Boissard, Zur Behandlung der Eklampsie post partum. Presse m6d. 1898.
30) Ders., Eklampsie im vierten Monat der Gravidität; Tod durch Gehirn¬
blutung. Soc. d'obst&r. de Paris, 15. Febr. 1900. Ref. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd.
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31) Bollinger, Ueber einen tötlichen Fall von Schwangerschaftsnephritis ohne
Eklampsie. M. m. W. 1886, p. 382.
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32) Bouchard, c. bei Chvostck, Ludwig u. Sa vor u. a.
33) Bouffe de St. Blaise, Anatomische Veränderungen bei Eklampsie.
Th£se de Paris 1891.
34) Ders., Anatomische Veränderungen bei Eklampsie. Franz. Chirurgen¬
kongress in Paris 1893; ref. C. f. G. 1893, P* 9 * 3 -
34a) Ders., Pariser Kongress 1900. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XII, p. 388.
35) Braitenberg, Zur Kasuistik der Eklampsie. W. kl. W. 1902, p. 167.
36) Braun, G., Disk, zu Herzfeld. C. f. G. 1891, p. 603 u. 1892, p. 193.
37) Büttner, Die Eklampsie im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin während
der Zeit vom 1. Juli 1885 bis 31. Dez. 189t. Arch. f. Gyn., Bd. LXV, p. 465.
38) Bue et Combemalle, vgl. Combemalle et Bue.
39) Butte, Harnstoff bei Eklampsie. Graz. m£d. de Paris 1893, Nr. 10.
40) Beyers, Genfer Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 469.
41) Chambrelent, Toxicität des mütterlichen und kindlichen Serums bei
Eklampsie. Gaz. m£d. de Paris 1894.
42) Ders., Toxicität des mütterlichen etc. Internat, klin. Rundschau 1894,
Nr. 35.
43) Ders., Französ. Chirurgenkongr. in Paris 1893; ref. C. f. G. 1893, p.913.
44) Charles, Genfer Kongress 1896; ref. Mon. f. Geb. u. Gyn., BdL IV, p. 466.
45) Charpentier, Ueber Eklampsie. Acad. de m£dec. de Paris. M. m. \V.
1893- P- 97 .
46) Chavane et Maygrier, vgl. Maygrier et Chavane.
47) Chilecotti, Ueber deriduaähnliehe Wucherungen bei Eklampsie. 11
Policlinico Aug. 1901; ref. M. m. W. 1901, p. 1941.
48) Cioja, Beitrag zum Studium der Schwangerschaftsniere und Eklampsie.
Studii di obstetr. e gyn. Mailand 1890; ref. C. f. G. 1891, p. 632.
49) Chvostek, Ueber die Invasion von Mikroorganismen in die Blutbahn
während der Agone. W. kl. W, 1896, Nr. 49 u. 1897, p. 41.
50) Combemalle et Bue, Pathogen, de PEclampsie puerp. fond£e sur sa
nature microbienne. Bull. m£d. du nord, Lille 1892, p. 273.
51) Cramer, Ueber einen eigentümlichen Urinbefund (Emulsionsalbuminurie)
bei Eklampsie und Urämie. M. m. W. 1902, p. 101.
52) Cutler, Die Niere bei Eklampsie. Transact. of the obstetr. Soc. of Lon¬
don, Bd. XXXVI; ref. Schmid, Bd. CCLXIII, p. 217.
53) Czempin, Ges. f. Geb. in Berlin, 24. Nov. 1892; ref. Mon. f. Geb.,
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54) Ders., Ges. f. G. in Berlin, 8. Jan. 1892; ref. C. f. G. 1892, p. 129.
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59) Dienst, Kritische Studien über die Pathogenese der Eklampsie auf Grund
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60) Ders., Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV. p. 152.
61) Döderlein, Zur Therapie der Eklampsie. M. m. W. 1894, p. 509.
62) Ders., Zur Frage des Eklampsiebacillus. C. f. G. *893, Nr. I.
63) Ders., Disk, zu Zweifel; ref. Schmid, Bd. CCXLIX, p. 80.
64) Doleris, Arbeiten aus dem D. Laboratorium obstetr. 1898; ref. C. f. G.
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65) Dorland, Ueber die Rolle, welche die Leber bei Eklampsie spielt. Ges.
f. Geb. in Philadelphia, 17. Mai 1900; ref. C. f. G. 1901, p. 1154.
66) Drejer, Geburtshilfliche Behandlung der Eklampsie. Norsk Mag. f. Lage-
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67) Ders., Ueber die Pathogenese der Eklampsie. Tiddskrift f. d. norske
Laegeforening 1895, p, 197; ref. Mon. f. G., Bd. IV, p. 354.
68) Dührssen, Ueber die Behandlung der Eklampsie. A. f. G., Bd. XLII,
P. 5 * 3 -
69) Ders., Ueber die Behandlung der Eklampsie. A. f. G., Bd. XLIIT, p. 49-
70) Eskelin, 150 Fälle von Eklampsie (norweg.); ref. C. f. G. 1898, p. 9 / 7 -
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9 :?
/i) Favre u. Pfyffer, Ein Fall von Eklampsie mit nachfolgender Autopsie.
V. A., Bd. CXLI, p 271.
72) Dies., Die Ursache der Puerperalcklampsie. V. A., Bd. CXU, p. 208.
73) Favre, Ges. f. Geb. in Paris 1895, Nr. 20. C. f. G. 1895, p. 1332.
74) Ders., Ein neuer Beitrag zur Puerperaleklampsie. V'. A., Bd. CXLII,
P- 535
75) Ders., Klinische Basis zu meiner Theorie über die parenchymatöse Ne¬
phritis. V. A., Bd. CXXXVII, p. 264.
76) Ders., Vorläufige Mitteilungen über eine bakteriol.-experim. Untersuchung
zur Frage der Puerperaleklampsic. V. A., Bd. CXXIII, p. 376 u. 628.
77) Ders., Ueber den weissen Infarkt der menschlichen Placenta. V. A., Bd.
CXX, P . 460.
78) Ders., Ueber Puerperaleklampsie. V. A., Bd. CXXIV, p. 177.
79) Ders., Ursache der Puerperaleklampsie. V. A., Bd. CXXVII, p. 33.
80) Ders., Ueber eine neue Pueq>eraleklampsic. V. A., Bd. CXXIX, p. 40.
81) Ders., Zur Actiologie der akuten parenchymatösen Nephritis (Puerperal¬
eklampsie, Ptomainämie). V. A., Bd. CXXXIX, p. 25.
82) Ders., Replik an Herrn Leusden, betreffend die Eklampsie. V. A., Bd.
CXLV, p. 415.
83) Fehling, Die Pathogenese und Behandlung der Eklampsie im Lichte der
heutigen Anschauungen. Volkm. Sam ml. klin. Vortr., Nr. 248.
84) Ders., Zur Eklampsiefrage. C. f. G. 1892, p. 998.
85) Ders., Giesscner Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 152
und 177.
86) Feis, Ueber die Wirkung des im mütterlichen Blute angehäuften Harn¬
stoffes auf Uterus und Fötus. A. f. G., Bd. XLVI, p. 147.
87) F'err6, Beitrag zur Lehre und Behandlung der Eklampsie. Nouv. arch.
d’obstetr. 1894, Nr. 9; vgl. C. f. G. 1895, p. 740.
88) Fest, Die moderne Eklampsiebehandlung in den vereinigten Staaten. Mon.
f. Geb. 11. Gyn., Bd. III, p. 329.
89) Flaischlen, c. bei Goldberg. A. f. G., Bd. XLI, p. 295.
90) Flesch, Zwei Fälle von Eklampsie. M. m. W. 1890, p. 723.
90a) Foa u. Pellancini, vgl. Peliancini u. Foa.
91) Frieben, Demonstr. der Leber zweier E. Aerzteverein in Hamburg,
14. März 1899; ref. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IX, p* 682.
92) Füth u. Kroenig, Experimentelle Untersuchungen zur Actiologie der
Eklampsie. Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 152.
93) Gerd es, Zur Aetiologie der Puerperaleklampsie. C. f. G. 1892, p. 379.
94) Ders., Ueber den Eklampsiebacillus und zur Pathogenese der puerperalen
Eklampsie. D. m. W. 1892, p. 603.
95) Ders., Ueber den Eklampsiebacillus und seine Beziehungen zur Pathogenese
der puerperalen Eklampsie. W. m. Bl. 1892, p. 422.
96) Ders., Ueber die Aetiologie der puerperalen Eklampsie. M. m. W. 1892,
p- 3 8 3 -
(Literatur folgt.)
Pathogenese und pathologische Anatomie.
Dass der eklamptische Symptomenkomplex einer Intoxikation
seine Entstehung verdanke, darüber ist wohl die allergrösste Mehr¬
zahl der Autoren einig. Die Meinungsverschiedenheit beginnt aber
schon, falls es gilt, die Ursache und Art der Vergiftung zu präci-
sieren. Es stehen sich da zwei Gruppen von Autoren gegenüber:
die älteren, Halbe rtsma und Kund rat an der Spitze, welche die
Vergiftung auf eine mechanisch wirkende Ursache (Ureterenkom-
pression) zurückzuführen suchen, also die Eklampsie als eine Urämie
auffassen, während jüngere Autoren in der Eklampsie eine der
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Schwangerschaft eigentümliche Stoffwechselstörung, also eine Auto¬
intoxikation oder eine ektogene, durch Bakterieninvasion bedingte
Intoxikation sehen wollen. Keine der vielen Hypothesen über das
Zustandekommen der Vergiftung bei der Eklampsie darf den An¬
spruch erheben, alle Fälle erklären zu können, und es drängt sich
unwillkürlich der Gedanke auf, dass möglicherweise die Eklampsie
überhaupt keine einheitliche Aetiologie besitzt, ja dass sie überhaupt
keine einheitliche Erkrankung darstellt.
Dass die komplette Sistierung der Nierenfanktion aus irgend
welchem Grunde auch in der Schwangerschaft Urämie erzeugt, die
eben mit Rücksicht auf die Gestation Eklampsie benannt wird, ist
ja sicher (Hergott 121 ), Lindfors und Sundberg 166 ' 167 )). So ist
es z. B. unbegreiflich, wie Prutz 210 ) einen Fall von ausgesprochener
Sublimatvergiftung (beiderseitige Nephritis, diphtheritische Entzündung
des Dickdarmes nach Einleitung einer Frühgeburt durch intrauterine
Irrigation von 1,0:15,000 Sublimat) als Eklampsie bezeichnet,
während die Krämpfe doch sicher urämischer Natur waren. Auch
der Fall S te i n büch el’s 2 * 6 ), bei dem schon in der Schwangerschaft durch
Kompression des rechten Ureters eine Hydronephrose entstanden
war und bei dem es während der Geburt auch zur Kompression
des linken Ureters gekommen war, wodurch eine komplette Ham-
stauung mit beiderseitiger schwerer Nephritis bedingt wurde, ist viel
eher, wie es auch der pathologische Anatom that, der die Obduktion
vornahm, als Urämie denn als „urämische Form der Eklampsie“
zu bezeichnen. Insofern besteht ja die Theorie Halbertsma’s
(Ureterenkompression) zu Recht, hat auch von anderen Autoren ihre
Bestätigung erfahren (Herzfeld 128 )) und fand in Kundrat 158 ' 15 *)
einen eifrigen Verfechte*^ Die allseits bestätigte statistische That-
sache, dass 70— 80°/ 0 der Eklampsie bei Erstgebärenden mit Schädel¬
lage sich findet (Kundrat), bei Beckenendlage dagegen sehr selten,
ebenso auch bei platten oder osteomalacischen Becken (Kundrat,
G. Braun* 6 )), spricht wohl für die Theorie; allerdings räumt
Kundrat 169 ) ein, dass auch andere Faktoren bei dem Entstehen
der Eklampsie eine Rolle spielen können (Hepatitis haemorrhagica).
Ob jetzt aber die Kompression des Ureters die Nierenveränderung
(Schwangerschaftsniere) und in ihren Folgen die Eklampsie erzeugt
(Kundrat 159 ), Tauffer 265 ), Löhlein 171 )) oder ob die Kompression
das letzte auslösende Moment bei schon bestehenden Nieren Ver¬
änderungen darstellt (Dührssen 69 )), ist nicht sicher. Denkbar wäre es
ja auch, dass die Kompression eines Ureters ebenso komplette reflek¬
torische Anurie nach sich zieht, wie die Verschliessung eines Ure-
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ters durch einen Stein oder durch Abknickung, und so zur Urämie
führt; Glöckner 101 ) beschreibt einen solchen Fall, wo die „Ein¬
klemmung“ einer Wanderniere zur Eklampsie führte. Auch eine
Bemerkung Leopold’s bei Goldberg 106 ) spricht dafür: Leopold
fand in mehreren Fällen von Eklampsie die Blase während der
Geburt leer, während sie sich nach der Geburt rasch füllte und
der Urin in einem Strahle entleert werden konnte. Auch ein von
Gottschalk 100 ) beschriebener Fall scheint ähnliche Erklärung zu.
erheischen: es fand sich Kompression des Ureters durch ein
Myom. Ganz klar sind jene Fälle, in welchen die eine Niere funk¬
tionsuntauglich (Cystenniere) war und der Ureter der anderen allein
funktionierenden Niere komprimiert wurde (Ohlhausen) oder die
andere Niere im Stadium der grossen weissen Niere (Bar 15 )) war. Es-
handeltsich in diesen Fällen eben um eine echte Urämie (Hergott* 1 ))..
Der Mechanismus der Ureterenkompression wird von Kund¬
rat mit einer zu hohen oder zu tiefen Teilung der Bauchaorta er¬
klärt, wodurch der Ureter aus seiner geschützten Lage in der Becken¬
bucht herausgedrängt und dadurch zwischen Schädel und Promon¬
torium eingeklemmt würde; hiermit fände auch die Beobachtung, dass
gewöhnlich der rechte Ureter ins Gedränge kommt, seine Erklärung.
Allerdings findet diese Erklärung in den Untersuchungen
Strassman n’s* 47 ) keine Stütze: Bei der Sektion von acht Eklampsie¬
fällen fand sich der Ureter zwar zweimal erweitert, aber die Teilung
der Aorta an normaler Stelle. Auch bezüglich der Häufigkeit der
Kompression gehen die Angaben weit auseinander: Dührssen 09 ).
findet sie unter 200 Fällen 13mal (6 V 2 %), Schreiber 241 ) in 24 Fällen
sechsmal Anomalien der Ureteren (25%), Herzfeld 127 ' 128 ) dagegea
in 22% beiderseitig, Bayer 20 ) in 50 Fällen, darunter sechs Zwillings¬
geburten, niemals, Prutz 211 ) in 10%, Goldberg 106 ) konnte von.
81 Fällen 37 zusammenstellen (45,68%), bei denen Ureterenkom¬
pression möglich, aber durchaus nicht bewiesen war. Ohlshausen 200 )
fand bei 37 Sektionen Eklamptischer fünfmal den rechten, einmal:
den linken Ureter dilatiert (16%.) Jedenfalls geht aber aus diesen
Zahlen hervor, dass die mechanische Kompression des Ureters nur
in einem geringen Teil der Eklampsie die ätiologische Rolle spielt
und nur dann, wenn auch die andere Niere ihre Thätigkeit
einstellt.
In jenen Fällen, in denen sich der Ureter intakt erwies, wurde
nun zunächst die Niere als ätiologisches Agens bei der Eklampsie
angesprochen, und zwar sei entweder die Niere das primär erkrankte
Organ und bedinge durch mangelhafte oder sogar gänzlich fehlende
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Sekretion das ganze Krankheitsbild, oder aber es kreise im Blute
der Schwangeren ein abnormes Stoffwechselprodukt, das zwar durch
die intakte Niere ausgeschieden werde, bei gestörter Funktion jedoch
retiniert werde und dann im Vereine mit den übrigen retinierten nor¬
malen Stoffwechselprodukten den Symptomcnkomplex der Eklampsie
erzeuge. Die erste Ansicht, dass die Niere die Prima causa sei,
verliert uni so mehr an Boden, je zahlreicher die diesbezüglichen
negativen Beobachtungen bei den Sektionen an Eklampsie Verstor¬
bener bekannt werden.
Zwar sind die Falle recht häutig, in denen schwere, selbst
sehr schwere Nierenveränderungen konstatiert werden können:
St umpf 256 ), Frieben 91 ): akute Nephritis; Cutler 52 ): frische in¬
terstitielle Entzündung mit sekundärer Beteiligung der Epithelien;
Lubarsch 176 ): Verstopfung der Nierengefässe mit hyalinen uud
Blutplättchenthromben; ebenso Winkler 287 ): schwere Glomerulo¬
nephritis in neun Fällen; Schild kn echt 228 ): Verlegung der Glo-
merulus- und intertubulären Gefässe in ziemlich grosser Zahl mit
Thromben: Kier 14S ): schwere Gewebsveränderungen der Niere bei
fehlenden Zeichen einer schon länger bestehenden Nierenentzündung;
Nagel 194 ): bei 67 Sektionen stets eine zum Teil schwere Nieren-
erkrankuug; Bar: interstitielle Nephritis; Schmorl 230—938 ): von 73
Fällen weisen die meisten trübe Schwellung, fettige Degeneration
des Epithels auf, häufig, aber nicht konstant Epithelnekrosen, Thromben
in den Glomerulis und kleinen Arterien und Venen, in einem Kalle
ausgedehnte Verkalkungen (keine Sublimatvergiftung), in acht Fällen
von Kindern eklamptischer Mütter 5 mal Epithelnekrose; Herzf eld ,28 |:
in 46,6 Proz. chronischen Morbus Brigthii und in 25 Proz. parenchy¬
matöse Degeneration der Niere, akute Nephritis; Hoche 129 ): schwere
hämorrhagische Nierenentzündung in zwei Fällen, Embolien der ver¬
schiedensten Körperzellen (Leber, Lunge, Niere) in den Arterien und
Venen der Niere; Prutz 210 ): in acht Fällen von 22 Eklampsien
Entzündungen wie bei Urämie, drei von diesen acht waren jedoch
komplizierte Fälle (Sepsis, Endocarditis verrucosa, Sublimatvergiftung).
Andererseits sind aber die Beobachtungen nicht selten, dass
die gefundenen Veränderungen doch zu geringfügig genannt werden
müssen,als dass sie eine ätiologische Rolle spielen könnten (Prutz 210!l1 ),
Houwer 155 )) und die Bemerkung Virchow’s 278 ) im Jahre 1892 gilt
auch heute noch zu Recht: „Die Nierenveränderungen halten sich im
ganzen innerhalb so mässiger Grenzen, dass man dieselben in vielen
anderen Fällen genau so findet, ohne dass etwas Aehnliches wie
Eklampsie in Erscheinung tritt."
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Dazu kommen die zweifellos vorkommenden Fälle von dem
Fehlen jeder Nierenveränderung: Schmorl 237 ) konnte in einem Falle
von 73 Eklampsieerkrankungen vollständig normale Nieren kon¬
statieren, trotzdem die anderen Organe „typische“ Veränderungen
aufwiesen; auch Williams* 83 ), Graudin 109 ), Ingerslev 137 ) machten
ähnliche Beobachtungen. Allerdings ist die Bedeutung eines solchen
Befundes angesichts ihrer relativen Seltenheit nicht zu hoch anzu¬
schlagen (Ahl feldt 2 ), um so mehr, als ja eine funktionelle Insufficienz
der Niere nach ähnlichen anderweitigen Beobachtungen nicht aus¬
geschlossen erscheint und Beobachtungen vorliegen, dass selbst die
mikroskopische Untersuchung resultatlos verlaufen kann, trotzdem
klinisch Oedeme und Albuminurie bestanden. [Kennedy 148 )]. Doch
hat der oben erwähnte Fall SchmorUs, bei dem weder Eiweiss im
Urin nacbgewiesen werden, noch die genaue, nach verschiedenen Me¬
thoden unternommene Untersuchung eine pathologische Veränderung
in den Nieren feststellen konnte, insofern prinzipielle Bedeutung,
als es sich um einen einwandsfreien Fall von Eklampsie (18 jähr. I para,
12 Anfälle bis zuf spontanen Geburt, Bewusstlosigkeit, drei weitere
Anfälle nach der Geburt und Exitus) handelt, der also beweist,
dass es sicher Eklampsien ohne Nierenveränderungen, primäre oder
sekundäre gibt. Prutz 211 ) konnte unter 368 Sektionen sieben Fälle
von vollständig gesunden Nieren finden, in den übrigen Fällen
häufig so geringe Nierenveränderungen, die sicher nicht die Ursache
abgeben konnten.
Eine wesentlich geringere Beweiskraft bezüglich der Rolle,
welche die Niere in der Eklampsie spielt, fällt dem klinischen
Symptom einer gestörten Nierenthätigkeit, der Albuminurie, zu. Wenn
man auch nicht den Standpunkt Tarnier's 261 ) teilen kann, der
die negativen Befunde auf Rechnung unserer unzulänglichen
Reagentien setzen will, so sind doch andere Erwägungen geeignet,
uns zur höchsten Vorsicht in der Verwertung positiver wie negativer
Befunde aufzufordern.
Bei positivem Ausfall ist wohl zu bedenken, dass Albuminurie
bei Schwangeren ohne jedes weitere Symptom nicht selten ist
(fSmith 229 ), Saft 221 )]; die Angaben schwanken von 4,7 Proz.
[Mayer 187 )] bis 20 Proz. [Litzmanu lf8 )], ja bis 50 Proz. [Trauten-
roth-’ 69 )J aller Schwangeren; bei Kreissenden von 17,3 Proz. [Flaisch-
len 89 )] bis 40,78 Proz. [Mayer], bei Trautenroth sogar in fast
100 Proz., bei frisch Entbundenen in 59,33 Proz. [Santos]); ein
Befund, der nicht auffallend erscheint, wenn man bedenkt, ein wie
feines Reagens die Niere auf Stauungserscheinungen irgend welcher
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 7
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Art im Nierenkreislauf ist. Holtain 125 ) glaubt sogar, ein periodisch
eintretendes Steigen des Eiweissgehaltes Schwangerer entsprechend den
unterdrückten Menstruationsperioden beobachten zu können. Tref¬
fend stellt daher Goldberg, dessen Arbeit auch die obigen An¬
gaben entnommen sind, diesen Zahlen die Häufigkeit der Eklampsie
überhaupt, 0,86 Proz. (Winkel u. Santos) bis 0,75 Proz.(Leopold!
aller Geburten, gegenüber. Von grösster Wichtigkeit ist ferner der
mikroskopische Befund des Sediments, dem nur zu häufig viel zu
geringe Aufmerksamkeit geschenkt wird; so kounte Ohlshauseu 100 )
bei 200 Eklampsien nur 59 mikroskopische Befunde notiert
finden. Selbst wenn das Sediment untersucht und auch in den
Tabellen vermerkt wurde, so genügt öfters der Befund oder die
Angabe: „hyaline Cylinder“, „Epithelien- oder Formelemente“ ohne
genauere Charakterisierung zur Diagnose einer Nierenaffektion, wozu
jedoch nicht die geringste Berechtigung vorliegt. Hyaline Cylinder
haben überhaupt keine pathologische Bedeutung, können auch in
eiweissfreiem Harne sich finden, und andererseits köunen Harne,
die z. B. nach epileptischen Anfällen entleert werden, häufig Eiweiß
und Cylinder enthalten. Es haben daher aus diesen Gründen die
Angaben der meisten Autoren, sie hätten in so und so vielen Fällen
so und bo oftmal Eiweiss gefundeu (z. B. Eskelin 70 ) in 18332
Fällen in 95 Proz. oder Goldberg 106 ) in 90,79 Proz. von 81 Fällen,
Wyder 290 ) 82,0 Proz., Löhlein 169 ' uo ) 96,2 Proz., Goldecke 105 )
96,9 Proz.), geringe Bedeutung zu beanspruchen und können un¬
möglich zur Aufklärung der ätiologisehen Bedeutung der Niere für
das Zustandekommen der Eklampsie herangezogen werden.
Andererseits sind aber auch negative Befunde (Charpentier,
Ingerslev) nur mit Vorsicht zu verwerten. So erwähnen z. B.
Ahlfeld*) und Goldecke 103 ), es selbst wiederholt erlebt zu
haben, dass sie an einem Tage kein Eiweiss nachweisen konnten,
während es sich vor- und nachher in reichlicher Menge fand, ein
Befund, der übrigens in der Pathologie der Nierenerkrankungen
reichliche Analoga findet*). Doch hält z. B. Winkler 266 ) einen
negativen Urinbefund durchaus nicht für ein verlässliches Kriterium
der Intaktheit des Nierenparenchyms. Wenn man nun noch in
Betracht zieht, dass sich recht häufig die gestörte Nierenfunktioo
bei fehlender Eiweissausscheidung durch Oligurie, selbst Anurie,
aber auch Polyurie [Ferre 87 ), Hermann 115 *)], Oedeme (Dewarl
*) Allerdings liegen auch Angaben vor, dass selbst bei wiederholten Unter¬
suchungen kein Eiweiss nachgewiesen werden konnte. Mac Keough 144 ), Dewar^l,
Bouffe de St. Blaise R4 «).
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kennzeichnet (Kroening 166 ), Ahlfeld 2 ),Knapp 148 ) 45Proz. Oedeme]
und dass ferner das Fehlen der Albuminurie doch relativ selten ist
[Ohlshausen 200 ) in 168 Fällen 1, bei Knapp sich in allen Fällen
während der Krämpfe Eiweiss fand, darunter 77 Proz. granulierte
und Fettcylinder], so ist wohl der Schluss gerechtfertigt, dass Nieren-
erkrunkungen ein fast konstanter Befund bei der Eklampsie dar¬
stellen. Ob sie jedoch ätiologisch in Betracht kommen, ist sehr zweifel¬
haft; schon die allseitig bestätigte Thatsache (Bidder 21 ), Hermann 118 ),
Bollinger 31 ), Rühle 216 ), Ahlfeld 2 ), Puech 218 ), Saft 221 ), Pazzi 206 ),
Ohlshausen), dass gerade Frauen mit einer präexistenten Nieren¬
entzündung, sei sie akut oder chronisch, recht selten an Eklampsie
erkranken, spricht gegen diese Annahme. Ja es berechtigt sogar die
Mannigfaltigkeit der Nierenerkrankung Winkler, einmal einfache
Degeneration ohne jede Entzündungserscheinung [Prutz 210 )], dann
wieder interstitielle Prozesse mit sekundärer Beteiligung des Epithels
(Bar), dann wieder ausgesprochene Entzündung mit Nekrose des
Epithels [Schmorl 287 )], zu dem Ansspruche, dass es eine für die
Eklampsie pathognomonischeNierenerkrankung nicht gibt[Fehl ing 85 )].
Von grösster Bedeutung wäre es daher, wenn die Methode
Koränyi’s 152, 16a ), nämlich die Veränderung des Gefrierpunktes, die
über die Funktion der Nieren Auskunft gibt, in recht zahlreichen
Fällen bei Eklampsie zur Anwendung käme und so endlich in dieses
dunkle Gebiet in der Pathogenese der Eklampsie Klarheit gebracht
würde (Schröder 248 )). Nach Szilli 268 ) entspricht der Gefrier¬
punkt des nach den Konvulsionen durch Schröpfen oder Aderlass
gewonnenen Blutes vollständig dem des normalen Blutes, so dass
man daraus schliessen darf, dass weder eine Retention von harn¬
fähigen Substanzen, noch eine Verwässerung des Blutes statthat.
Die von Bousquet (cit. bei Szilli) gefundenen höheren Werte ent¬
ziehen sich der Beurteilung, da der Forscher nicht angibt, wie das
Blut gewonneu wurde. Füth und Krönig 92 ) können gleichfalls
nur sehr geringe Differenzen im Gefrierpunkte des Blutes Eklamptischer
und nicht Eklamptischer finden. Doch könnte, wie auch Szilli be¬
hauptet, noch immer eine Stoffwechselstörung vorliegen, bei der die
Intoxikation durch grosse, aus der Spaltung von Ei weissstoffen ent¬
standene Moleküle bedingt ist, wodurch der Gefrierpuukt nicht
wesentlich beeinflusst würde. Schröder 243 ) dagegen konstatiert,
allerdings nicht konstant, in sehr zahlreichen Fällen eineu sehr
niedrigen Gefrierpunkt, Knapp 149,161 ) wiederum weder im mütter¬
lichen noch kindlichen Blute und Harn vom normalen abweichende
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Werte. Gegen die Annahme, dass es sich bei Eklampsie um eine
Urämie handle, spricht ausser den Befunden SzilliV 268 ) noch
der pathologisch-anatomische Befund, insoferne derartige Organ¬
veränderungen (Lebernekrosen, Blutungen) nicht zur Urämie ge¬
hören. Experimentell konnte auch Blum reich 25 ' 27 ) einen Unter¬
schied finden, indem beiderseitig nephrektomierte Kaninchen keinen
Unterschied bezüglich des Beginnes der Krämpfe und der Dauer der
Erkrankung aufwiesen, seien sie jetzt trächtig gewesen oder nicht
während derselbe Autor zusammen mit Zuntz gezeigt hatte, dass
bei direkter Reizung des motorischen Rindenfeldes von Kaninchen
durch Kreatinin die schwangeren Tiere viel früher und intensiver
reagierten als die nicht schwangeren.
Ebenso mannigfaltig und in ihrer Bedeutung für die Patho¬
genese der Eklampsie unklar wie die Nieren Veränderungen sind die
bei dieser Erkrankung erhobenen Befunde der Leber: auch hier
neben den Erscheinungen der schwersten Gewebsveränderungen
wieder Fälle, in denen die Leber geringe, durchaus nicht charak¬
teristische Veränderungen auf weist. Multiple Hämorrhagien, Ne¬
krosen, Thrombosen konnten eine grosse Anzahl von Autoren kon¬
statieren: Pilliet und Andain 209 ): das ganze Organ infolge Pfort¬
aderthrombosen von Blutungen und Zelldegeneration zerstört; in
den Blutungen retikulierte Fibrinpfröpfe, welche Pilliet als Zeichen
eines spontanen Heilungsprozesses auffasst; Pilliet und Delan-
sorme 209 ), Lubarsch l7b )!: in 14 Fällen Blutungen, Nekrosen, Leber¬
zellenthrombosen; Sch wab 2<, °), Schild kn echt 228 ), Dorla nd 6: \i,
Lindf ors und Sundberg 106 ),Seifert 255 ), Boissard 180 ), Houwer 155 ),
Biermer 22 ), Hier 146 ), Frieben 91 ), Winkler 286 » 287 ), Nagel: unter
67 Sektionen 40mal Leberveränderungen: 26mal Hepatitis haemor-
rhagica, 11 mal multiple Hämorrhagien, dreimal Fettdegeneration;
Prutz 211 ): in 500 Eklampsiefällen 213 mal Hämorrhagien, hämor¬
rhagische Nekrosen, viermal sogar Sprengung der Leberkapsel und
Bluterguss in die Bauchhöhle; Hoche 129 ): in zwei Fällen sub-
capsuläre Blutungen, abnorme Weite der lobulären Capillaren
mit periportalen Hämorrhagien; Leberzellenthrombosen in den Venen;
Lubarsch« 1 ' 7 ): in 14 Fällen ausnahmslos Leberzellenthrombosen in
der Leber; Schmorl 231 » 286 ): in 71 von 73 Eklampsien hämor-
rhagisehe und anämische Nekrosen; in den beiden negativen Fällen
frische Pfortaderthrombose. Die Blutungen sind verbunden mit
fibrinöser Exsudation und Thrombose der inter- und intralobulären
Pfortaderäste und zeigen typische periphere Lagerung im Acinus.
Sie sind nicht durch .die gleichzeitig bestehenden Venen Veränderungen
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bedingt, da sie sich in gleicher Ausdehnung bei einem Falle von
vollständig intakten Nieren fanden. Sie sind auch nicht durch
mechanische Quetschung oder Pressung bedingt, da sie bei anderen
Krampfzuständen' (Epilepsie, Chorea, Delirium tremens, Strychninver¬
giftung) nicht in dieser Art zur Beobachtung kommen und da sie
in einem Falle, der 40 Minuten nach dem ersten Anfalle starb,
genau so ausgesprochen waren. Bouffe de St. Blaise 33,9i ): bei
31 Sektionen stets Blutungen, während die Nieren weniger ver¬
ändert waren; die Lieberveränderungen spielen bei Eklampsie die
Hauptrolle; Eklampsie hört auch bei Hunden auf, wenn man die
Leber ausschaltet; derselbe Autor konnte auch auf dem letzten
Pariser Kongress (1900) über drei weitere Fälle berichten, von
denen der eine sogar mit dem Tode abging und die zu keiner
Zeit der Beobachtung Albuminurie hatten, wodurch seine Hypothese
von der Hepatotoxämie eine neue Stütze bekäme. Auch Kund¬
rat 168 ) ist geneigt, in gewissen Fällen den Leberveränderungen eine
wichtige Rolle zuzuschreiben.
Und jetzt die Kehrseite! Bar und Guyesse 11 ), ßar 14 > 15 ):
bei 23 Fällen Degeneration (geringere Färbbarkeit), jedoch durchaus
nichts Typisches; Fehling 85 ): es gibt keine specifische Eklampsie¬
leber; Winkler* 86 ): nur in einem von neun Fällen tiefer greifendere
Veränderungen des Parenchyms; dazu fänden sich Hämorrhagien
und Nekrosen der Leber bei vielen Intoxikations- und Infektions¬
krankheiten, bei Cirkulationsstörungen aller Art, bei Krampfanfällen
(Chorea, Delirien, Epilepsie, Urämie), so dass sie wohl nur als Folge
der Eklampsiekrämpfe, nicht als Ursache betrachtet werden können;
Leusden 164 ): in zwei genau untersuchten Fällen nur sehr geringe
Veränderungen, keine Leberzellenembolien, auch Virchow vermag
in einer Anzahl von Fällen Leberveränderungen nicht zu finden. Dass
jedoch die Leber in ihrer Funktion wenigstens bei einem Teil der
Fälle geschädigt ist, beweisen die immerhin nicht seltenen Beobach¬
tungen von Auftreten des Icterus bei Eklampsie. Papilion und
A ndain 104 ), Stumpf* 56 ), Leblond 16 *), Wendt 28 *), Bar 18 ), Schmorl
in 10 Fällen von 73, Prutz 25 mal unter 267 Eklampsien. Ohls-
hausen* 00 ’ * #1 ): zwei Fälle unter 200, Dührssen 69 ): 31 unter
200 Fällen, Audebert 8 ): vier unter 34 Fällen. Diese Eklampsien
leiten zu jenen dunklen Kombinationen von Eklampsie mit akuter
gelber Leberatrophie über. Schildknecht** 8 ), Stumpf* 56 ) sahen
je zwei solche Fälle, Gener") einen, und unter den 10 Fällen
von Eklampsien mit Icterus, die Schmorl* 37 ) untersuchte, verliefen
drei unter dem klinischen Bilde dieser Erkrankung, boten jedoch
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denselben Befund in der Leber wie die nicht-icterischen Eklampsien.
Auch bei einigen nicht-icterischen Eklampsien fand sich gelber
Farbstoff im Blute, der überdies in einer Beobachtung von Veit/,
seine Erklärung fände, der einigemal vorübergehend Hämoglobinämie
fand (Hämolyse durch Zottendeportation?). Nach Schrnorl’s Beob¬
achtungen ist Gallenfarbstoff nicht selten im Blute Eklamptischer
zu finden. Wenu man nun in Betracht zieht, dass die akute Leber¬
atrophie entschieden durch die Gravidität, namentlich bei jüngeren
Frauen, begünstigt wird, dass ferner diese Krankheit gleichfalls unter
Krämpfen, Erbrechen, Coma verläuft, so ist wohl die Annahme
nicht zu gewagt, dass es sich in einem, wenn auch kleinen Teile
der „Eklampsien“ um echte akute Leberatrophie handeln dürfte.
Die relative Häufigkeit und Intensität der Lebernekrosen ist
nach Schmorl 286 ) ein Hauptunterschied gegen Urämie, bei der
solche Nekrosen nur in ganz vereinzelten Fällen stets vereint mit
dysenterischen Dickdarmveränderungen Vorkommen, auf embolische
Prozesse meist bakteritischer Natur zu beziehen sind und sich schon
durch diese Genese wesentlich von denen bei Eklampsie unterschei¬
den. Auch die bei anderen Prozessen, Delirium tremens, Chorea
[Lubarsch m )], Epilepsie [Weber 281 )], beschriebenen Leberverän¬
derungen sind weder so konstant noch so typisch wie bei Eklampsie.
(Fortsetzung folgt.)
Nierenabscess und Perinephritis.
Eine zusamnienfassende Studie von weil. Dr. E. Herszky.
(Fortsetzung.)
4. Symptome und Verlauf.
Der Mannigfaltigkeit der ätiologischen Momente entsprechend
sind auch die Symptome der Niereneiterungen verschieden. — Mit¬
unter verlaufen dieselben ganz symptomlos. Schon Ham 101 ) berichtet
über einen Fall eines 65jährigen Mannes, bei welchem erst acht
Tage vor dem Tode Lumbalschmerzen auftraten. Bei der Ob¬
duktion stellte es sich heraus, dass die ganze rechte Niere und das
Nierenbecken in einen grossen Eitersack umgewandelt waren. —
Trotzdem am Uretereneingang zahlreiche Steine Vorlagen, verlief der
schwere Prozess vollständig latent uud selbst der Harnbefund
Hess ihn nicht ahnen.
In den Fällen von lipomatös degenerierten Steinnieren, die
wir schon behandelt haben, Hessen auch keine besonderen Beschwerden
auf den furchtbaren Prozess schliessen. In dem Israel’schen Falle
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waren etwa 11 Jahre vor der Operation die ersten Kolikschmerzen
aufgetreten. In der Zwischenzeit ist das Allgemeinbefinden kaum
gestört gewesen. Ebenso verlief der Graff’sche 91 ) Fall. Stärkere
Beschwerden und Urin Veränderungen traten erst einige Wochen vor
der Operation auf.
Häufig erklärt sich ein derartig symptomloser oder symptom-
schwacher Verlauf der Niereneiterungen dadurch, dass sich — wie
Senator* 6 *) sagt — die Beschwerden „von den Erscheinungen der
ursächlichen Ursachen nicht abheben und in deren Symptoraenkomplex
verschwinden“.
Zum Beispiel bei metastatischen Eiterungen der Niere beherrscht
die Pyämie das ganze Bild und die Localisation der Prozesse auf
einzelne Organe ist nur zu vermuten.
Klare und einzig allein der Nierenaffektion zuzuschreibende
Symptome sind nur bei den traumatisch verursachten Niereneiterungen
festzustellen.
So z. B. in dem von Oehler 199 ) publizierten Fall. Ein 38jähr.
Mann stürzt von der Leiter. Acht Tage nachher treten hohe Fieber¬
anfälle septischen Charakters mit hoher, später abnehmender Albu¬
minurie und mit nicht auffallender Hämaturie auf. Im linken Hypo-
chondrium entwickelt sich eine langsam zunehmende Geschwulst,
die auf leisesten Druck recht schmerzhaft ist.
Nach einer traumatischen Nierenquetschung in dem von Singer
schon früher citierten Falle trat in den ersten Tagen Hämaturie
auf, die nach 12 Tagen aufhörte. Erst nach sieben Jahren in der
Kekonvalescenz nach Typhus nahm die Harnsekretion ab, nach
dreitägigem heftigen Fieber sind Eiter und Blut mit dem Urin ab¬
gegangen unter langsam zunehmender Entwickelung eines Tumors.
Nach der Verletzung tritt Schüttelfrost mitunter sofort und
nur einmal auf, häufiger jedoch wiederholt sich der Anfall unter
zunehmender Temperatursteigerung; wie wir im Oe hl ergehen Fall
schon bemerkten, können in den ersten Tagen die Erscheinungen
latent bleiben.
Anurie ist auch nach traumatischen Verletzungen beobachtet
worden (Senator 1 - c -)); häufiger ist sie eine Begleiterscheinung in
Fällen von kalkulös bedingten Eiterungen.
Interesse verdient der Fall von Wilmot* 99 ), der Anurie im
Verlaufe von sieben Monaten zweimal auftreten sah. — Das zweite
Mal währte dieselbe bis zum Tode, ohne dass Folgezustände,
die auf Urämie schliessen Hessen, also vor allem Kon-
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vulsionen, Somnolenz etc., zu bemerken gewesen waren. Der Harn
enthielt vorher niemals Eiweiss.
Bei der Obduktion fand man nur eine Niere vor mit einem
Abscess in der Rinde. Hackenberg 98 ) beobachtete auch bei
linearen, punktförmigen Abscessen bei Abwesenheit oder Funktions-
unfähigkeit der anderen Niere stets Anurie.
Die Patienten klagen auch über Kreuzschmerzen (Hacken¬
berg 98 ), über Schwere in den Gliedern (Israel 127 )), auch über heftige
Koliken, insbesondere wenn Steine die Veranlassung zur Eiterung
geben (Dobbertin 54 )).
Die Schmerzen werden, wenn sie vorhanden sind, meist in die
Lendengegend oder in die Ileocoecalgegend lokalisiert, sie können
nach den Hoden (Israel 10 )), dem Nabel, Harnleiter (Guyon) aus¬
strahlen. Oedeme an den unteren Extremitäten sind auch beobachtet
worden (Hackenberg 1 - c ), Israel), ferner Hang zum Erbrechen,
epileptiforme Anfälle (Apert 5 )), auch profuse Diarrhoen (Ogle 240 !).
In Guyon’s 97 ) Fällen bestanden 21 mal cystitische Symptome,
fünfmal ausstrahlende Schmerzen längs der Harnleiter, niemals
Hämaturie.
Die Untersuchung der Niere ruft mitunter Fieberanfälle hervor.
— Nach Palpation und nach Cystoskopie traten in einem Falle von
Israel heftige Fieberanfälle auf, die nach zweitägiger Dauer uuter
Zunahme der Harnmenge und des schleimig-eitrigen Sedimentes
aufhörten.
In dem von J. Braun 82 ) publizierten Falle von Nierenabscess
war die konstante Incidenz der Temperatursteigerungen
mit Zunahme der Harnmenge auffallend.
Auch der weitere Verlauf ist nicht unter gleichmässiger Ge¬
setzlichkeit zu beobachten.
Am günstigsten ist die Spontanheilung nach Abgang des
Eiters durch das Nierenbecken mit dem Harn.
In dem Singer’schen 258 ) Fall entleerte sich der fluktuierende
Tumor unter andauernder Pyurie und führte rasch zur Heilung.
Je rascher der Eiterabgang, desto früher und sicherer die
Heilung.
Bei der Tänzerin, von welcher Legras 15 °) berichtete, trat nach
dem Gefühle einer inneren Zerreissung(l) unter Entleerung eitrigen
Urins rasch Besserung und Heilung ein.
Von den Fällen Guyon’s 1 - 0 -) sind sieben spontan geheilt. Die
Anwesenheit von Eiter im Urin spricht nicht immer gegen die
Heilung.
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Selbst nach sekundären Eiterungen der Niere nach Harn¬
röhrenfisteln konnte, wie schon erwähnt wurde, Moton 186 ) in der
Rindensubstanz zahlreiche mit der Kapsel verwachsene gelblichweisse
Markherde finden, die er als Beweise stattgefundener Heilung von
Xierenabscessen auffasst.
Nach künstlichen Eiterentleerungen kann auch Heilung der
erkrankten Nierenpartien erfolgen.
Im Falle von Dowse 56 ) genügte die Punktion zur Heilung der
Xierenabscesse.
Der Eiter kann sich aber auch selbst einen unnatürlichen Weg
bahnen. Im Falle von Obtulowicz 198 ) durchbrach er die Lende
unter Bildung einer Nieren-Lendenfistel. Meist kommt es jedoch zu
anderweitigen Senkungsabscessen mit Durchbruch des Peritoneums
unter Bildung einer circumscripten Peritonitis. Der Prozess kann
auch auf den Dünndarm übergreifen (Apert'•*)).
Nach völliger Ruptur der Niere (Snow 260 )) entwickelt sich,,
falls der Tod nicht sofort auftritt, diffuse Peritonitis. Gintrac 82 )
berichtet über einen Abscess der Niere, der sich ins Colon descen-
dens öffnete. DerTumor verschwand mit der aufgetretenen Diarrhoe.
Der Harn selbst bot nichts Abnormes. Leider liegen in diesem Fall
keine Stuhlanalysen vor. Der Ausgang ist nur durch die Ob¬
duktion festgestellt worden.
Auch in dem schon citierten Fall Ferouelle’s 68 ) öffnete sich
der kalte Abscess der Niere in den Dickdarm.
Von dem Ogle’schen 1 -°) Fall sprachen wir schon. Der Stein
nahm von dem Nierenabscess aus den Weg in die Flexura coli dextra.
Die von der Umgebung der Niere auf diese selbst übergegangene
Eiterung wird vom Patienten in der Regel nicht gefühlt. Objektiv
lässt sich dieser Uebergang durch keinerlei Symptome erhärten. In
vielen Fällen ist es auch ungewiss, ob die primäre Erkrankung in
der Niere oder in dereu Umgebung vorlag.
Der von Burritt 86 ) publizierte Fall lässt diese Frage eben¬
falls offen. —
Manchmal jedoch lokalisieren die Patienten selbst ganz genau
den Schmerz auf die angegriffene Niere (Senator).
Bei den von den Harnwegen fortgeleiteten Niereneiterungen
pflegt man zuweilen Paraplegie der Extremitäten zu bemerken,
die wohl oft nur eine Parese ist. Diese Lähmung wurde als eine
Reflexneurose sympathischer Natur aufgefasst. Neueren Unter¬
suchungen zufolge ist man eher geneigt, eine Neuritis ascendens
anzunehmen, da es in mehreren Fällen gelang, die entzündlichen
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Veränderungen entlang des Ischiadicus festzustellen (Csatäry 49 ),
J. L. Bauer 1 *)).
Diese Schmerzen im Verlaufe des Ischiadicus registrierten auch
Hackenberg 10 ) und Israel '•*•).
Die Harnbefunde bieten auch kein einheitliches Bild.
Die Anwesenheit des Eiters spricht ebenso uusicher
für den Nierenprozess, wie die Abwesenheit des Eiters
denselben auszuschliessen vermag.
Guyon 1 - 0 -) beobachtete 13 Fälle von Pyonephrosen ohne
Pyurie. Die Fälle von Burritt 1 -°) und \Vaitz m ) charakterisieren
sich in ähnlicher Weise.
Konstanter ist die Koincidenz des Temperaturabfalles
mit der Eiterentleerung, die, wie im Falle von Grabsze-
vicz 89 ) bis zur normalen Temperatur sinken kann, wohingegen bei
demselben Casus bei klarem Urin die Temperatur über 40 4 C.
betrug.
Das abwechselnde Bild der Pyurie und des normalen Harnes
mit ebenfalls remittierendem Charakter des Fiebers kann als sicher¬
stes Zeichen von Niereneiterungen aufgefasst werden.
Bei stärkerer Kachexie kann jedoch, wie schon Albarran 1 )
bewiesen hat, der ganze Prozess afebril verlaufen.
Die Harnentleerung, beziehungsweise die Häufigkeit der
Miction ist in der Regel vermindert. In dem Falle von Grab-
sze vicz '•°) schwankte die Harnmenge bei drei- bis viermaliger Miction
«wischen 700—800 ccm; noch weniger — kaum 500 ccm — konnten
Israel l0 ), Hackenberg 10 ) u. a. beobachten. — Die Harnmenge
kann aber auch normal (J. Braun 1 - 0 -)) oder auch beträchtlich ver¬
mehrt sein (Israel). — Bei diffus interstitieller Nephritis in den
die Abscesshöhlen umgrenzenden Nierengeweben ist die Harnraenge
in der Regel normal oder vermehrt.
Auch die Reaktion zeigt kein typisches Verhalten.
Durch Beimengung vielen Eiters ist dieselbe alkalisch, sonst
ist die saure, wie auch die neutrale Reaktion ohne Gesetzmässig¬
keit zu konstatieren. — Ebenso hängt auch das Aussehen des
Harnes von den Eitergraden, Sedimenten (Trippelpbosphate, harn-
saure Salze, harnsaure Krystalle etc.) ab. — Auch der Geruch des
Harnes kann symptomatisch wenig Anhaltspunkte bieten.
Das spezifische Gewicht ist durchaus erhöht (1035) und
doch hat Israel 1 - 0 ) selbst bei Anwesenheit grosser Nierenabscesse
mitunter ein spezifisches Gewicht von 1020 feststellen können.
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Das Vorhandensein von Eiweiss im Harn (Untersuchung erst
nach Filtration!) spricht wohl auch nicht für Niereneiterungen, ob¬
wohl es in der Regel in grösseren oder kleineren Quantitäten nach¬
gewiesen werden kann. Der Grad der Albuminurie hängt ja doch
von den parenchymatösen oder diffusen Entzündungsprodukten der
die Eiterungsprozesse umgebenden Gewebsteile ab, die auch ohne
Teilabscedierungen der Niere vorhanden sein können. Andererseits
sind Fälle bekannt, in denen trotz Abscessbildungen in der Niere
kein Eiweiss im Harn gefunden wurde, so in Fällen von Wil-
mot* 99 ) und Waitz 1 -'-).
Häufiger sind im Harn morphotische Bestandteile, Cylinder,
Nierenepithelien u. s. w. zu finden.
Es können auch Stückchen von Nieren ge webe (meist vom
papillären Teil) vorgefunden werden, „was— wie Senator* 58 ) sagt —
für die Diagnose wichtig ist, für den endlichen Ausgang aber ohne
Bedeutung bleiben kann“.
Diese Partikelchen, wie sie von H. Taylor* 71 ), Wieder¬
hold* 97 ), Rackreyn** 1 ) und Graig Smith* 59 ) beschrieben wurden,
zeigen mikroskopisch vollkommen die Struktur des Nierenparen¬
chyms. — Im Ureter rufen sie kolikartige Beschwerden hervor.
H. Taylor 1 '-) konnte noch an einem solchen Gewebe, welches
von einem 11jährigen Knaben herstammte, etwa 20 g wog und einen
mit Eiter vermengten Klumpen bildete, die Harnkanälchen und die
Glomeruli erkennen.
Bei vollständiger Anurie oder hochgradiger Harnreten¬
tion ist der Ausgangspunkt zu urämischen Intoxikationszuständen
gegeben.
Bourdillat 28 ) berichtet über einen solchen Fall komplizierter
purulenter Nephritis, der unter Konvulsionen und sonstigen Gehirn¬
erscheinungen letal verlief.
In der Regel ist jedoch auch die andere Niere vollständig
arbeitsunfähig, worauf wir bereits hingewiesen haben. — Im Bour-
dillat’schen Fall ergab die Obduktion, dass in der einen Niere
sieben bis acht grosse Eiterherde etabliert waren, während die
zweite Niere einen pyonephrotischen Sack darstellte.
Die von Treitz* 7 *) und Jacksch 119 ) beschriebene, auch von
Senator 1 -'-) erwähnte Ammoniämie als Folgezustand nach
Stagnation eines stark zersetzten Harnes durch Resorption der
giftigen Stoffe kommt äusserst selten vor.
Ueber die Zeitdauer der Niereneiterungen haben wir bereits
im Laufe dieses Kapitels gesprochen. — Die chronischen Formen
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verlaufen langsam und führen zur Erschöpfung des Patienten, wenn
nicht schon vorher ein Durchbruch des Eiters nach den edleren
Organen ein frühzeitiges Ende bringt. Bei den metastatischen
Formen hängt die Rapidität vom Grundleiden ab.
(Ausführlicheres vergl. Prognose.)
6. Diagnose und Prognose.
Die Fortschritte auf dem Gebiete der Nierendiagnostik, die io
den letzten Jahren die wissenschaftliche Welt, nicht ohne vielver-
heissende Erfolge zu versprechen, beschäftigen, müssen naturgemäss
unsere alten, mitunter recht gut bewährten Untersuchungsmethoden
ergänzen. — Zur Diagnose der Niereneiterungen werden wir selbst¬
redend neben den bakteriologischen, chemischen Methoden, sowie
neben der Inspektion, Palpation, Perkussion, Phonendoskopie auch
die Kystoskopie, den Ureterenkatheterismus, sowie die wohl noch
nicht ganz geklärten, jedoch nicht unwichtigen Fingerzeige der so¬
genannten „funktionellen Diagnostik“, also vor allem die Kryo-
skopie, die Phloridzinmethode und die Stickstoffbestimmung des
Harnes, soweit eben möglich, verwerten; neuerdings ist die von
Rdth-Schulz und Kövesi inaugurierte, von Illyfes und Kövesi 119 )
weiter ausgearbeitete Prüfung der Verdauungsfähigkeit der Niere
genauerer Beachtung wert
Nicht eines Hülfsmitteis, sei dasselbe noch so minderwertig,
dürfen wir entraten, denn das Symptomenbild ist ein so schwankendes,
dass selbst die objektivsten Befunde die Diagnose nicht immer zu
sichern vermögen.
Die vier Kardinalpunkte: Tumor der Niere, der charakteristische
Sitz der Schmerzen, das remittierende Fieber und schliesslich der
Eiter im Urin, können in der Regel zur Diagnose der Niereneiterungen
führen.
Aus den bei der Besprechung der Symptome citierten Fällen
ist jedoch leicht ersichtlich, dass nicht ein soeben angeführter Kar¬
dinalpunkt einen unbedingt verlässlichen Schluss gestattet.
Dem Nierentumor wird in der Regel die grösste diagno¬
stische Bedeutung zugeschrieben. Die Niere kann jedoch trotz des
Eiterungsprozesses nicht vergrössert sein. Die sklerosierendeu Prozesse
(Albarran 1 ), Israel 127 )) führen manchmal sogar zur Verkleinerung
der Niere.
Ferner sind die Verwechselungen mit Neubildungen der Nieren,
mit Vergrösserungen oder Tumoren der Leber, der Milz, der Colon-
flexureu und am häufigsten mit Ovarialtumoren nicht zu selten
(Senator 256 )).
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Bei dislocierten Nieren ist die Diagnose fast unmöglich.
In einem solchen Fall von Flaischlen 70 ) wurde bei der 63 jährigen
Frau ein von den Gallenwegen ausgehender Abscess diagnostiziert
und erst bei der Operation stellte sich Pyonephrose heraus. Vgl.
auch Glaser.
Die Palpation der Nieren ist bei dünnwandigen Bauchdecken
von Erfolg, nach Israel 1 * 8 ) ist in der Regel schon bei normaler
Grösse der Niere deren unteres Drittel zu palpieren. Die Unter¬
suchung muss meist in Narkose bimanuell (von Mastdarm oder
Vagina aus) vorgenommen werden. Gute Dienste leistet auch das
Aufblasen des Darmes.
Es ist nicht meine Absicht, eine übersichtliche Zusammen¬
stellung diagnostischer Irrtümer an dieser Stelle zu geben.
Die Perkussion verhilft zur teilweisen Abgrenzung von der
Leber oder der Milz, oft nur durch einen sehr schmalen Streifen
tvmpanitischen Schalles — oder auch zur Feststellung, ob der auf¬
geblähte Darmteil (am häufigsten wird das Colon descendens mit
Luft aufgeblasen) vor dem Tumor liegt.
Die Feststellung, welche Nierenseite erkrankt sei, ist
auch nicht immer leicht. Der lokalisierte Schmerz auf Druck ver¬
mag wohl einen Wink zu geben. Auch die von Goldflamm 85 )
empfohlene Succussion der Nieren gibt mitunter ein gutes Hülfs-
mittel ab.
Der Kranke sitzt mit entblösstem Körper, den Rumpf nach
vorn gebeugt. Der Untersuchende führt mit der Ulnarseite der ge¬
ballten Faust gegen die Lumbalgegend kurze, leichte Stösse, wo¬
durch die Erschütterung der gestossenen Gegend entsteht. Diese
Succussion ist bei Gesunden schmerzlos, bei Nierenleidenden jedoch
mit grossen Schmerzen verbunden. Auffallend ist der Befund
bei einseitigen Nierenaffektiouen, die sich dadurch kennzeichnen,
dass die kranke Seite auf die Succussion stark reagiert, wohin¬
gegen die gesunde Seite weiter nicht alteriert wird. Goldflamm 1 ')
konnte diese seine Methode neben mannigfachen Nierenerkrankungen,
u. a. auch beim Abscess diagnostisch verwerten. Interessant ist,
dass bei der Nephritis auf Succussion keine merkliche Reaktion
auftrat; dieselbe fehlt auch, was differentialdiagnostisch recht wert¬
voll erscheint, bei Erkrankungen der Nachbarorgane.
Der Bazy’sche* 0 ) Ureterovesical- und Pyelovesikalreflex
kann in zweifelhaften Fällen, wenn bimanuelle Palpation wegen
Kleinheit der Nieren oder zu grosser Empfindlichkeit oder zu dicker
Bauchdecken unmöglich ist, auch herangezogen werden. Es steht
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jetlocli fest, dass die Methode nicht immer zum Ziele führt Durch
Druck auf die vordere Bauchwand 2 — 3 cm neben der Linea alba
wird mitunter ein typischer, nach dem Epigastrium oder nach der
entgegengesetzten Seite der Brust ausstruhlender, mit Mictions-
drang (!) verbundener Schmerz ausgelöst. Dieser pyovesikale Reflex
vermag zur Diagnose der Pyelitis zu verhelfen.
Viel ständiger ist nach Bazy 1 *•) der uretero-vesikale Reflex.
Drückt man nach Entleerung der Blase von der Vagina aus gegeD
die untere ßlasenwand, so wird plötzlich Urindrang ausgelöst
Dieser charakteristische Punkt ist bei einseitiger Pyelitis einseitig,
bei doppelseitiger doppelt und entspricht dem Orificium uretericum.
Beim Manne kann dieser Punkt, besser gesagt „Schmerzpunkt“, durch
Druck vom Rectum aus nach den Sammenblasen zu ausgelöst werden.
Bazy gesteht dass er hier schwer zu finden sei.
Auch der renorenale Reflex, über den Brand 30 ) in einer
ausführlichen Arbeit berichtet, kann accidentell brauchbar sein.
Es darf nicht vergessen werden, dass der Mictionsdrang
mit einer nachfolgenden Polyurie auch infolge chronischer Reizung
des Blasenhalses und der hierdurch bedingten reflektorischen Nieren¬
reizung auftreten kann. Halpern 100 ) stellte 108 solche Fälle zu¬
sammen, in denen der Mictionsdrang nach Beseitigung des Grund¬
leidens am Blasenhals zurückging. Die Nieren waren stets intakt
Mitunter kann, wie Israel 127 '• c ) hervorhebt, für die Erkennung
der verletzten Seite die einseitige spastische reflektorische
Kontraktion der Bauchmuskulatur, die aber auch bei anderen
Nierenerkrankungen, z. B. auch bei Nephrolithiasis vorkommt, ver¬
wertet werden. Dieses Symptom diente Israel in einem Falle von
totaler Anurie durch einseitige Stein Verstopfung, wo weder Koliken
noch Druckempfindlichkeit bestanden, noch das Sensorium benommen
war, als einzige Handhabe, um von den Angaben des Patienten
unabhängig die Seite der Erkrankung festzustellen.
Ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel ist seit alters her die
Probepunktion. Es genügt jedoch nicht die Aspiration des Eiters
allein, derselbe muss vielmehr mit Urin vermengt sein, also einen
deutlichen urinösen Geruch aufweisen (Senator 1 -®*)). Am klarsten
wird die Diagnose bei einer Fistel sein, aus welcher mit Harn ver¬
mengter Eiter fliesst, so im Falle von Obtulowicz 1 - c ).
Die Aspiration von Eiter allein spricht jedoch nicht immer
gegen eine Nierenabscedierung. Es können ja alle Nierenparenchym-
teile vollständig verändert und in den Eiterprozess einbezogen sein.
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Der von Knöpfeimacher l85 ) schon an anderer Stelle ge¬
würdigte Fall hat auch diagnostisches Interesse. Der Tumor war
respiratorisch nicht verschieblich; da das durch Luft geblähte Colon
descendens vor demselben lag, ist dessen retroperitoneale Natur
sichergestellt. Die Probepunktion ergab grünlichen, nicht übel¬
riechenden Eiter. Bei Druck auf die Vagina vom Rectum her
entleert sich Eiter derselben Beschaffenheit. Druck vom Tumor
selbst vermag den Eiterabfluss aus der Vagina nicht zu befördern.
Knochen gesund. Die Diagnose lautete: retroperitonealer Abscess
der Lymphdrüsen mit Fistelbildung nach der Vagina. — Wie wir
bereits hervorgehoben haben, ergab die Obduktion, dass die eine
Nierenhälfte pyonephrotisch war und deren Ureter in die Vagina
mündete. — Der aspirierte Eiter verriet den Prozess in der Niere
nicht
Die Probeinjektion — als modernes Hülfsmittel — zeitigt*
falls der Ureter nicht undurchgängig oder obliteriert ist, auch sichere
Resultate.
Es wird eine selbstverständlich unschädliche Flüssigkeit, ge¬
wöhnlich 1 °/ 0 '* es Methylenblau, eine oder eine halbe Spritze voll, in
den Tumor injiziert. — Färbt sich der Urin bis zu einer Viertel¬
stande nicht grün, so gehört der Tumor nicht der Niere an
(Senator* 56 ).
Die Tumoren selbst können verschieblich oder, wenn mit der
Umgebung verwachsen, unverschiebiich sein. — Ist bei gleichzeitiger
Entleerung von Eiter mit dem Harn das Volumen des Tumors
verändert, besser gesagt verkleinert, und ist Durchbruch eines anderen
(paratyphiitischen [Sundberg], parametrischen oder periherniösen
[Lotheissen 165 )] u. s. w.) Abscesses ausschliessbar, so kann mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Diagnose auf Nieren¬
eiterung gestellt werden.
Das Verhalten seitens der Harnableitungsorgane, sowie
des Harnes selbst kann bei gründlicher Untersuchung auch manchen
Anhaltspunkt geben.
Die Kystoskopie und der Ureterenkatheterismus ver¬
helfen zur Entscheidung, welche von den beiden Ureteren den krank¬
haften Harn, respektive den Eiter aus den Nieren herableiten. Das
besondere Verdienst gebührt in dieser Frage Nitze 195 ), Casper 41 ),
Albarran*) und Kümmel 140 ), bei Eiterungsprozessen der Niere
durch Ureterenkatheterismus die erkrankte Seite regelrecht diagnosti¬
ziert zu haben.
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Vorher hat beispielsweise Iversen 180 ), um aus den Ureteren
den Harn gesondert aufsammeln zu können, sogar in einem Fall von
Niereneiterung den hohen Blasen schnitt vorgenommen. Heute
ist der Weg sehr vereinfacht.
Die Feststellung der Gründe der Nierenretention gelingt auch
durch den Ureterenkatheterismus. Dobbertin 54 ) und Rafin J23 i
konnten bei Pyonephrose die Ursache auf einen im Ureter ein¬
gekeilten Stein, die einseitige Anurie, zurückführen. — Auch Ch. G.
Noble 195 ) konnte mit dem Ureterenkatheter bei einer 42jährigen
Frau aus der linken Niere Eiter und aus der rechten ei weissreichen,
blutigen Urin auffangen.
Mitunter genügt das kystoskopische Bild. Israel 127 ) konnte
zuweilen an Stelle einer normalen Ureterpapille eine tiefe trichter¬
förmige Einziehung, die durch die mit den Eiterungsprozessen
einhergehende Ureteritis bedingt ist, beobachten. Es tritt nämlich,
ohne dass grosse Abflusshindernisse vorliegen müssten, durch
Retraktion eine Verkürzung des Harnleiterrohres in seiner Längs¬
achse auf.
Schabert 246 ) schloss wieder aus einer endoskopisch festr
gestellten Vergrösserung der Ureteröffnungen auf Pyelitis.
Die Verkürzung des Harnleiterrohres kann nach Israel den
Hydronephrosen gegenüber als differentialdiagnostisches Moment
aufgefasst werden, da bei den durch aseptische Stauung gedehnten
Ureteren stets eine Verlängerung des Rohres beobachtet wird.
Auf ein differentialdiagnostisches Moment, welches mitunter
recht gute Aufschlüsse über die Aetiologie der Niereneiterungen
geben kann, macht Dickinson 52 ) aufmerksam, der darauf hinweist,
dass bei Eiterungen infolge Calculose der Eiter nicht kon¬
tinuierlich abzufliessen pflegt. In dem von ihm publizierten Fall
war dies ein ganzes Jahr hindurch nicht der Fall. — Bei Eiterungen
infolge käsiger Prozesse fliesst der Eiter in der Regel ohne Unter¬
brechung ab.
Allerdings sah Guyon 96 ) in einem Falle von Pyonephrose ein
kontinuierliches Ausfliessen des Nierensekretes. Der Eiter floss in
stetigem Strom aus dem Harnleiter.
Guyon 1 - c ) ist auch der Ansicht, dass auf der kranken Seite
die Ejakulation in gewöhnlichen Fällen eine reichlichere ist als auf
der gesunden. — Die Pausen aber, in denen dies geschieht, sind
auf der kranken Seite länger, in seinen Fällen durchschnittlich
2— 2 1 / 2 Minuten, während die Ausstossung des Harnes auf der ge¬
sunden Seite in Pausen von 30 Sekunden vor sich ging.
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Bei geschlossener Pyonephrose gibt es auf der kranken Seite
selbstverständlich keinen Abfluss, was ebenfalls nur kystoskopisch
diagnostiziert werden kann.
Die Harnanalysen bieten, wie. wir dies bereits bei Be¬
sprechung der Symptomatologie hervorgehoben haben, nicht die
Hauptgrundlage zum Aufbau der Diagnose.
Wir können das Gesetz, welches schon Ultzmann 279 ) zur
Diagnose der Pyelitis aufstellte, dass dieselbe durch Pyurie mit
renaler Albuminurie wegen Mitleidenschaft der Papillarkörper haupt¬
sächlich charakterisiert sei, und welches von G. Rosenfeld 237 ) der
Cystitis gegenüber noch sicherer gefasst wurde, nicht kritiklos auf
die Kiereneiterungen anwenden.
Man findet wohl häufig weisse, amöboid verzerrte Blutkörper¬
chen, die bei Cystitis rund sind, auch rote, vielfach zertrümmerte
{wie G. Rosenfeld sie nennt) Blutkörperchen, die bei der Cystitis
ganz normal bleiben; auch der Eiweissgehalt kann selbst bei kleinen
Eitermengen recht beträchtlich sein, oft mehr als 0,1—0,15°/ oo be¬
tragen, was bei der Cystitis niemals der Fall ist; doch wie wir
sahen, können wir aus diesen Befunden niemals eine Nephritis
suppurativa, selbst wenn andere morphotische Bestandteile, wie Blut-
cylinder, hyaline, Körnchencylinder und Nierenepithelien noch ge¬
funden werden, diagnostizieren. (Fortsetzung folgt.)
II. Referate.
A. Rückenmark.
Weitere Beitrage zur Pathologie und pathologischen Anatomie des
unteren Rückenmarksabschnittes. Von L. R. Müller. Deutsche
Zeitschr. f. Nervenheilkunde, Bd. XIX, H. 5 u. 6.
Verf. bringt den Sektionsbefund eines bereits früher veröffent¬
lichten Falles von traumatischer Conusaffektion. Die Autopsie ergab,
dass der untere Teil des Sacralmarkes durch den nach hinten vor-
springenden Körper eines Lendenwirbels zerstört war. Die Fasern der
Cauda equina waren wohl nach beiden Seiten gedrängt, jedoch nicht
affiziert. Die histologischen Befunde im Rückenmark, an den degenerierten
Nerven und Muskeln werden eingehend beschrieben. Zum Schlüsse be¬
richtet Verf. über zwei weitere Fälle von traumatischer Conusläsion,
hei welchen auch eine Fraktur des ersten Lendenwirbels vorlag und das
typische Krankheitsbild erzeugt hatte. Besondere Berücksichtigung finden
in der Epikrise der Fälle die Störungen in den Funktionen der Blase,
des Mastdarmes und des Geschlechtsapparates.
v. Rad (Nürnberg).
Central blatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. $
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Ecoulement considärable de liquide cöphalo-racbidien par une
plaie pdnätrante de la colonne vertebrale. Von Matthieu.
Bull, et möm. de la soc. de chir. de Paris, Tome XXVII.
Ein Mann erhielt einen Messerstich in den Rücken in der Höhe
des sechsten Halswirbels. Die Folge waren Lähmungserscheinungen nn
einem Arme und ein überaus reichlicher Ausfluss von Liquor cerebro¬
spinalis aus der Wunde, der fünf Wochen anhielt und schätzungsweise
30 1 Flüssigkeit zu Tage beförderte, an einzelnen Tagen allein 3—4 1.
Ein 7 cm langes Stück der Messerklinge, das in der Wunde stecken
geblieben war, wurde ohne Mühe entfernt. Die Heilung erfolgte sehr
langsam, ist aber seit zwei Jahren eine andauernde.
F. Hahn (Wien).
Puerperal myelitis. Von H. MorelL Philadelphia med. Joum. 1902.
Bei der 29 jährigen Patientin trat im Anschluss an einen fieber¬
haften, mit starkem Blutverluste verbundenen Abort ein Gefühl von
Taubheit und Schwäche in der Hüfte und am Bein zunächst der einen,
kurz darauf der anderen Seite ein. Schliesslich bestand vollkommene
Lähmung beider Beine mit Muskelspasmen, Gürtelgefühl in Nabelhöhe.
Drei Monate später: Sensibilität völlig aufgehoben, spastische Kontrak¬
turen an den gelähmten Beinen, beiderseitige Pyosalpinx und eitrige
Endometritis. Nach zweijähriger Bettruhe kehrten Sensibilität und
Motilität ganz allmählich wieder zurück. Zur Zeit guter Allgemeinzu¬
stand (der genauere Lokalbefund ist nicht angegeben).
Die vom Verf. aus der Literatur gesammelten und besprochenen
Fälle ereigneten sich sämtlich im Anschluss an eine Geburt Diese
Fälle kommen gewöhnlich durch Kompressionsneuritis (Zange, Kopf
des Kindes) zu stände, während Lähmungen nach Aborten und Becken¬
entzündungen auf Myelitis infolge Infektion beruhen. Klinisch lassen
sich beide Arten oft nicht unterscheiden. Mohr (Bielefeld).
Ein Fall von multipler Sklerose nach Trauma. Von Wind scheid.
Aerzd. Sachverständ.-Ztg. 1902, Nr. 1.
Ein Zimmermann fiel beim Legen von Dachsparren aus einer
Höhe von 1 m auf einen Balken; er trug eine Beule am Auge sowie
eine Blutung aus dem rechten Ohr davon, konnte jedoch nach anfäng¬
licher Bewusstlosigkeit weiter arbeiten. Nach acht Tagen Schwindel¬
gefühl, Kopfschmerzen und beginnende Sprachstörungen. Objektiv:
blöder Gesichtsausdruck, Parese der Musculi rect. ext., erhöhte Patellar-
reflexe, Romberg ’sches Phänomen. Es wurde urspünglich Commotio
cerebri, später Basisfraktur angenommen. Zwei Jahre nach dem Un¬
fall war das typische Bild der multiplen Herdsklerose ausgebildet, nur
fehlten Nystagmus und Intentionstremor; dagegen waren die spastischen
Erscheinungen sehr ausgesprochen.
Der Zusammenhang der Krankheitsentwickelung mit dem Schädel¬
trauma ist in diesem Falle ganz evident; vielleicht bestand eine kon¬
genitale Anlage und die Verletzung bildete nur die mittelbare Ursache
für den Ausbruch der Erscheinungen. Es existieren bisher 54 ähnliche
Beobachtungen. A. Berliner (Berlin).
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Spastische Spinalparalyse als Betriebsunfall anerkannt Von
Bierfreund. Aerztl. Sachverständ.-Ztg. 1902, Nr. 16.
Einem 19jährigen Formerlehrling war ein schwerer Kasten gegen
das linke Knie gefallen, welches darauf stark anschwoll. Die ärztliche
Behandlung hatte in drei Wochen permanent fortgesetzter Eisblasen¬
applikation bestanden. Als Verf. den Kranken sieben Wochen nach
dem Unfall sah, bestand folgender Symptomenkomplex: Spastisch pare-
tischer Gang, Romberg’sches Phänomen, Fussklonus, gesteigerte Sehnen¬
reflexe; offenbar hatte sich eine spastische Spinalparalyse zu entwickeln
begonnen.
Verf. nahm in seinem Gutachten einen Zusammenhang zwischen
der Kniegelenksentzündung resp. der Eisblasenanwendung und der
vorliegenden kombinierten Systemerkrankung des Rückenmarks an. Ob¬
gleich die folgenden Gutachten das Leiden teilweise als eine Folge
excessiver Onanie (!) ansahen, wurde von der Berufsgenossenschaft trotz¬
dem ein Zusammenhang anerkannt und Vollrente bewilligt Der spätere
Verlauf gab dem Verf. recht, da der Kranke nach sieben Jahren völlig
gelahmt war. A. Berliner (Berlin).
La forme spasmodique de la syringomyfelie. La ndyrite ascen-
dante et le traumatisme dans l’ötiologie de la »yringomydlie.
Von G. Guillain. Thfese de Paris 1902. G. Steinheil, öditeur.
In einer ausführlichen Arbeit mit zahlreichen Abbildungen und
8 Tafeln bespricht der Verf. die beiden im Titel genannten Themen.
Er charakterisiert auf Grund von fünf neuen klinischen Beobachtungen
(davon bei zwei Fällen Sektion) die zuerst von P. Marie hervor¬
gehobene spastische Form der Syringomyelie; Guillain findet vor allem
schon die allgemeine Körperhaltung dieser Kranken charakteristisch: die
Arme hängen, dem Rumpf angeschmiegt, herab, die Ellbogengelenke
sind mehr oder weniger gebeugt, die Hände liegen an der Scham¬
gegend; die Schultern sind stark gehoben und nach vorne geschoben,
der Nacken ist gebeugt der Kopf zwischen den Schultern befindlich,
der äussere Rand des Trapezius springt häufig deutlich vor, die
Unterschlüsselbeingruben sind tief eingesunken. Die Kranken sind
nach vorne gebeugt der Rücken ist auch quer gewölbt — abgesehen
von der Verkrümmung der Wirbelsäule. Alles in der Haltung macht
den berechtigten Eindruck der Rigidität; man könnte zuerst an Bech-
terew’sche Wirbelsäulensteifigkeit oder Parkinson’sche Krankheit
denken. Man findet ferner Predigerhand mit sehr bedeutender Kon¬
traktur der drei letzten Finger, während Daumen und Zeigefinger länger
verschont bleiben. Gang und Motilität im ganzen sind gestört, es
handelt sich vor allem um Spasmen, wobei Atrophien nur eine geringe
Rollen spielen, was sich auch aus der guten elektrischen Erregbarkeit
ergibt. Die Sehnenreflexe an den Unterextremitäten sind erhöht; es
bestehen Blasenstörungen, zuweilen Ulcerationen der Blasenwand —
trophische Störungen mit schlechter Prognose. Der Verlauf der spastischen
Form der Syringomyelie ist langsam, Exitus tritt endlich durch „Blasen¬
kachexie, nervöse Kachexie“ oder interkurrente Erkrankung ein, nicht
durch Fortschreiten der Rückenmarkserkrankung auf den Bulbus, der
hier wenig beteiligt ist. g*
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Der Verf. bespricht eingehend die Differentialdiagnose; nur
gegen Pachymeningitis cervicalis misslingt, eine klinische Unterscheidung.
In den zwei auch anatomisch untersuchten Fällen fand sich Syringo¬
myelie ohne meningeale Veränderungen, auffallend war die bedeutende
Degeneration der Pyramiden seiten stränge. In Schlesinger’s Mono¬
graphie über Syringomyelie findet Referent mehrere Fälle, die zu dieser
Form der Syringomyelie zu rechnen wären, beschrieben.
Im zweiten Teile der Arbeit gibt Guillain die Gründe an, welche
es ihm wahrscheinlich erscheinen lassen, dass manche Fälle von Syringo¬
myelie durch ascendierende Neuritis oder durch traumatische Rücken¬
marksverletzungen entstehen. Gegengründe gegen diese Annahme, wie
sie von anderen Autoren (auch vom Referenten) geltend gemacht wur¬
den, sind nur wenig berücksichtigt. Kienböck (Wien).
Spina bifida trait6 par la eure radicale, sans hydroc^phalie secon-
daire. Von Picquö. Sociötö de Chirurgie de Paris, söance du 30
juillet 1902.
Der Autor operierte bei einem Kinde eine lumbare Spina bifida,
deren Ruptur drohte, auf die Gefahr hin, dadurch einen sekundären
Hydrocephalus herbeizuführen. Die Radikaloperation, Deckung des De¬
fekts durch Hautlappen, gelang vollkommen. Seitdem sind 15 Monate
vergangen, ohne dass die befürchteten cerebralen Folgeerscheinungen
eingetreten wären.
Kirmisson bedauert, dass in diesem Falle genaue pathologisch-
histologische Untersuchungen fehlen, da es sich vielleicht nur um eine
Meningocele gehandelt habe, bei deren Exstirpation das Fehlen eines
sekundären Hydrocephalus nichts Auffälliges biete.
F. Hahn (Wien).
Nephrolithiasis und Rückenmarkserkrankungen. Von Hermann
Schlesinger. Wiener klin. Rundschau, 15. Jahrg.
Nierensteine sind bisher bei traumatischen Rückenmarksdestruktionen
und Syringomyelie (Schlesinger) relativ häufig, viel seltener bei Rücken¬
markstumoren beobachtet worden. Einmal wurden sie (ebenfalls von
Schlesinger) bei Encephalo- Myelitis acuta gesehen. Die Symptome der
Nephrolithiasis folgen denen der Rückenmarksaffektion um Monate oder
Jahre nach. Die Nierensteine bei bestehender Spinalaffektion sind zumeist
Phosphat-, viel seltener Uratsteine. Cystopyelitis kann trotz Steinbildung
und Rückenmarksaffektion fehlen, ist aber bei Phosphatsteinen zumeist
vorhanden. Die Spinalaffektion scheint die Nierensteinbildung direkt
oder indirekt zu begünstigen. Vielleicht bedarf es — namentlich zur
Bildung von Uratsteinen — einer bestimmten Prädisposition.
Eisenmenger (Wien).
Les accidents de la ponction lombaire et le9 moyens de les dviter.
Von G. Milian. Semaine mödicale 1902, Nr. 25.
Die im Anschluss an eine Lumbalpunktion zuweilen auftretenden
unangenehmen Zufälle lassen sich am besten dadurch vermeiden, das?
jeweils nie mehr als 1—2 ccm der Cerebrospinalflüssigkeit entnommen
werden. Aspiration ist zu verwerfen, auch ist stets das Kaliber der
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Punktionsnadel so zu wählen, dass die Flüssigkeit nur langsam ab-
fliesseti kann. Bei der geringsten Klage des Kranken über auftretende
Beschwerden ist die Punktion zu unterbrechen. Nach beendeter Punktion
soll der Kranke für drei bis vier Stunden die Rückenlage ein nehmen.
Heiligenthal (Baden-Baden).
Technique de la ponction lombaire dans les hömorrhagies intra-
rachidiennes. La Presse mödicale 1902, Nr. 19.
Die Verff. behandeln die Frage, ob man mit Sicherheit entscheiden
kann , welche Provenienz das bei der Lumbalpunktion gewonnene Blut
hat, d. h. ob es eine accidentelle Beimischung bedeutet oder ob es aus
einer intrameningealen Quelle stammt. Sie sind der Ansicht^ dass eine
Untersuchung in jedem Falle möglich ist; denn das Blut, das einer zu¬
fälligen Verletzung durch die Spritze seinen Ursprung verdankt, gerinnt
stets, während die Koagulation bei Blut, das aus alten Herden stammt,
niemals ein tritt. Die Farbe der mit Blut vermischten Lumbalflüssigkeit
wechselt innerhalb weiter Grenzen je nach der Menge des diffundierten
Blutes. Manchmal hat die Flüssigkeit einen braunen Ton; dieser rührt
von dem durch Hämolyse freigewordenen Hämoglobin her.
Freyhan (Berlin).
Deux cas de mort immddiate par rachicocainisation. Von Legueu.
La Presse mSdicale 1902, Nr. 90.
Da sich gerade die Franzosen als die Vorkämpfer der duralen
Anästhesie gerieren, so muss die von französischer Seite gemachte Mit¬
teilung über zwei Todesfälle nach Cocaininjektion in das Rückenmark
die grösste Aufmerksamkeit erregen. Der tödliche Ausgang ist in beiden
Fällen einzig und allein der Methode zur Last zu legen, obgleich sie
lege artis gehandhabt und nur eine geringe Dose von Cocain einverleibt
wurde. Eine nachträgliche Untersuchung hat ergeben, dass das Cocain
keine Zersetzung oder Veränderung erlitten hatte.
In dem einen Falle handelte es sich um einen Mann mit starker
Atheromatose, der an starken Kopfkongestionen litt. Derartige Fälle
dürften daher als eine Kontraindikation gegen die lumbale Anästhesierung
gelten. Im zweiten Fall dagegen handelte es sich um eine eingeklemmte
Hernie mit sonst gesunden Organen, bei welcher der tödliche Ausgang
durch den Sektionsbefund keine Aufklärung gefunden hat.
Freyhan (Berlin).
Ueber Rückenmarkschirurgie. Von E. Hahn. Deutsche Zeitschrift
für Chirurgie, Bd. LXIII, p. 421.
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Operationen wegen Ver¬
letzungen und Neubildungen des Rückenmarks.
An der Brustwirbelsäule können wegen der dachziegelförmigen
Deckung der Wirbelbögen und der Processus spinosi Stichverletzungen
das Rückenmark nur unter entsprechender Verletzung der knöchernen
Teile erreichen. An der Hals- und Lendenwirbelsäule hingegen kann
eine Durchstechung des Rückenmarks ohne Knochenverletzung erfolgen.
Die klinischen Erscheinungen richten sich nach der Art der Verletzung
des Rückenmarkes. Es ist leicht verständlich, dass reine Halbseiten-
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läsionen im Sinne Brown-S6quard’s selten sind. — Mitteilung zweier
Fälle von Messerstichverletzung.
Erreicht ein Schuss das Rückenmark, so ist das eigentlich nur
unter starker Knochenzertrümmerung möglich. Doch sind Heilungen
auch nach Knochenverletzungen vorgekommen.
Die häufigsten Rückenmarksverletzungen — von Kriegszeiten ab¬
gesehen — entstehen bei Wirbelfrakturen. Verf. teilt vier Kranken¬
geschichten von Leuten mit, die wegen derartiger Frakturen im Kranken¬
haus Friedrichshain von ihm operiert worden sind.
Nur in einem von diesen handelt es sich um schwere Bogen¬
fraktur mit Verletzung der Dura, sonst immer um Körperfrakturen.
Bei allen Kranken war unmittelbar nach der Verletzung vollkommene
Paraplegie mit ganz aufgehobener Sensibilität und Reflexerregbarkeit
eingetreten, ebenso Lähmung der Blasen- und Mastdarmfunktion.
Heilung von der Paraplegie ist durch die drei Tage bis neun Wochen
nach der Verletzung ausgeführte Operation niemals erzielt worden; in
einem Falle kam es zur Besserung der Blasen- und Mastdarmlähmung.
Zweimal war die Operation ohne Einfluss; einmal scheint sie den letalen
Ausgang beschleunigt zu haben.
In Fällen schwerer Paraplegie nach Rückenmarksfraktur ist also
bis jetzt durch die Operation wenig erreicht worden. Auszuführen ist
aber die Operation stets bei schwerer Kompression durch Bogenfraktur.
Verf. rät, bei Verdacht auf Bogenfraktur die Operation so früh wie
möglich auszuführen und, wenn bei der Incision keine Bogenfraktur
gefunden werden sollte, sich ohne Laminektomie mit dieser Incision zu
begnügen und abzuwarten. Zeigt der weitere Verlauf, dass es sich um
eine Kompression .handelt, so muss man zur Laminektomie schreiten,
und zwar soll man zunächst den Bogen, der oberhalb des frakturierten
Wirbelkörpers liegt, wegnehmen, da meist durch das Rutschen des oberen
Wirbelkörpers nach vorn zwischen diesem Bogen und dem gebrochenen
Körper die engste Stelle ist. Die anatomische Möglichkeit, durch Resek¬
tion des oberen Bogens die Kompression zu lösen, liegt jedenfalls vor.
Aus diesem Grunde rät Verf. auch, bei Lähmung durch Kompressions¬
fraktur mit Verengerung des Kanals durch Entfernung des über dem
frakturierten Wirbelkörper liegenden Bogens den Versuch der Druck¬
entlastung zu machen. Erst wenn die Kompression dadurch nicht ge¬
hoben wird, soll man nach Beiseiteschiebung des Rückenmarks die Ent¬
fernung der vorspringenden Kanten des Wirbelkörpers vornehmen.
Jedenfalls ist die Operation bei Kompressionsfrakturen, die sich durch
Gibbusbildung dokumentieren, indiciert, wenn innerhalb einer Reihe von
Monaten keine Besserung eintritt. Bei sichergestellter Durchtrennung
des Rückenmarks ist selbstredend jede Operation zwecklos.
Es folgen sechs Krankengeschichten von Tumoren des Rücken¬
markskanals. Bei fünf von diesen ist Verf. operativ vorgegangen.
Immer betraf die Erkrankung Männer im Alter von 29—55 Jahren.
Zweimal handelte es sich um Echinococcen. Einer von diesen beiden
Fällen, wo nur ein Brustwirbel zerstört war, wurde durch die Operation
zur Heilung gebracht mit Zurückbleiben eines starken Gibbus, der andere
viel ausgedehntere starb trotz Operation. Beide Fälle waren durch
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retropleurale Herde kompliziert. — In zwei weiteren Fällen wurde ein
Tumor angenommen, bei der Operation aber nicht gefunden; in dem
einen tödlich endenden Falle handelte es sich um eine Syringomyelie und
Gliombildung, in dem andern, übrigens in mehr als einer Hinsicht in¬
teressanten Fall lag im mittleren Teil des dorsalen Rückenmarks an
der Stelle, wo ein Tumor diagnostiziert war, eine „auf beide Seiten des
Rückenmarks sich erstreckende Erweichung“. Hier schloss sich direkt
an die Operation eine wesentliche Besserung an.
Aus der Literatur verfügt Verf. jetzt über 43 Operationsfälle.
24 davon sind geheilt, 18 gestorben, einer ungeheilt Jedenfalls ist
bei Operationen wegen Tumoren die Prognose viel günstiger zu stellen
als bei solchen wegen Frakturen. Es fordert dies im Verein mit dem
Umstand, dass die gutartigen Tumoren des Rückenmarks bedeutend
prävalieren, also durchaus zu operativen Eingriffen auf. Am aller¬
günstigsten ist die Prognose bei den extradural liegenden Tumoren.
E. Moser (Zittau).
B. Lunge, Pleura.
Lungenentzündung, mit Schulter- und Hüftgelenksentzundung kom¬
pliziert, als Unfall. Von Bierfreund. Aerztl. Sachverständ.-Ztg.
1902, Nr. 13.
Ein Bauerngutsbesitzer war bei heftigem Wintersturm über eine
Stunde damit beschäftigt, sein Strohdach zu stützen; unmittelbar darauf
trat Fieber ein. Es entwickelte sich eine doppelseitige Lungen- und
Brustfellentzündung, welche sich nach drei Wochen mit einer rechts¬
seitigen Schulter- und Hüftgelenksentzündung komplizierte; letztere
machte zur Entfernung des Eiters mehrfache Incisionen nötig. Es
blieb eine Ankylose zurück, so dass der Kranke ständig hinkte. Während
die Berufsgenossenschaft es ablehnte, die Erkältung als einen Unfall
anzusehen, nahm das Schiedsgericht einen Betriebsunfall an, weil die
Ursache der Krankheit, der eisige Luftzug, zeitlich begrenzt eingewirkt
habe; der Kläger erhielt 50°/ 0 Rente zugebilligt.
A. Berliner (Berlin).
Ueber die Indikationen zur chirurgischen Behandlung ulceroser
Lungenprozesse. Von R. Riegner. Deutsche med. Wochenschrift
1902, Nr. 28.
Riegner zeigt in der vorliegenden Arbeit, nach welchen Grund¬
sätzen in der inneren Abteilung des Krankenhauses am Urban die
Indikation zur Operation von ulcerösen Lungenprozessen gestellt wird.
Unkomplizierte Lungenabscesse sind bisher nicht operiert worden.
Todesfälle wurden bei ausgebildeten Abscessen nicht beobachtet Be¬
ginnende Abscedierungen nach Pneumonie bei Potatoren verliefen sämt¬
lich infolge Herzschwäche letal.
Für die Operation am geeignetsten sind akute und subakute
Gangrän; doch müssen dazu zwei Grundbedingungen erfüllt sein:
1. es muss sich um einen Solitärherd handeln;
2. dieser Herd muss in der Nähe der Lungenoberfläche ge¬
legen sein.
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Höhlen9ymptome fehlen meistens, zuweilen sogar Bronchialatmen
und Rasselgeräusche, so dass nian nur eine Dämpfung findet. Diese
Dämpfung gewinnt erst die Bedeutung eines Herdsymptomes, wenn sie
allerseits von normalem Lungenschall umgeben ist.
Wenn bei Vorliegen einer circumscripten Herdaffektion des
Parenchyms zugleich in relativ kurzer Zeit eine massenhafte Abstossung
von Lungengewebsbestandteilen, speziell von Parenchymfetzen, nach
aussen erfolgt, so spricht dieser Umstand zu Gunsten einer Solitärhöhle.
Stimmt mit diesem Befunde das Röntgenbild überein, so gewinnt
die Annahme eines solitären Herdes an Wahrscheinlichkeit.
Zwei Krankengeschichten mit Wiedergabe der Röntgenbilder illu¬
strieren das oben Gesagte.
Bei chronischer Gangrän liegen die Verhältnisse ungünstig wegen
der fast immer bestehenden sekundären Pneumonieen.
Dasselbe gilt von den Bronchiektasien, au9 dem Grunde, weil fa>t
stets ausgebreitete Partien der Lungen von der Erkrankung be¬
troffen sind.
Nur in einem von vier Fällen hatte die Operation Erfolg, die
übrigen endeten letal.
Bei Tuberkulose fehlen dem Verf. eigene Erfahrungen.
Laspeyres (Bonn).
Ueber cutane Anwendung des Guajakols bei Lungentuberkulose.
Von N. J. Lawrow. Nachrichten der militärmedizin. Akademie in
Petersburg 1901, Dez. (Russisch.)
Das Guajakol wurde a\if die Haut aufgetragen und die Stelle mit
einem 36 qcm grossen Uhrglas bedeckt; nach sechs bis zwölf Stunden
wurde das Guajakol resorbiert. Resultate: Im zweiten und dritten Sta¬
dium der Tuberkulose hatten 18 Patienten schon Cavernen; 14mal
trat bedeutende Besserung ein, geringe bei fünf, unbestimmte Wirkung
bei sieben und negative bei sieben. Die guten Resultate wurden bei
leichteren Fällen beobachtet. — Bei 14 Kranken wurde der Husten
geringer, bei 18 die katarrhalischen Symptome; bei sechs schwanden die
Nachtschrweisse, bei vier das Fieber (von 27 Fällen); bei 14 wurde das
Körpergewicht grösser. Zum Schluss meint Lawrow, dass die cutane
Anwendung des Guajakols die interne ersetzen kann, wenn letztere aus
irgend welchen Gründen kontraindiziert ist.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
A case of foreign body in the lung. Von F. Huber. Philadelphia
med. Journ. 1902.
21 Monate altes Kind mit septischer Bronchopneumonie und um¬
schriebenem Gangränherd der linken Lunge. Die Erkrankung begann
vor fünf Monaten, als da9 am Boden spielende Kind von einem plötz¬
lichen heftigen Hustenanfall mit Erstickungserscheinungen befallen wurde.
In den nächsten Wochen anfallsweise Husten, allmähliche Entwickelung
der Lungengangrän, die nach dieser Anamnese vermutlich durch Aspi¬
ration eines Fremdkörpers zu stände gekommen war. Das Röntgenbild
zeigte eine ausgedehnte Infiltration der linken Lunge und entsprechend
dem Gangränherd einen länglichen Fremdkörper. (Eine Abbildung.)
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Die Operation musste wegen Collapses bei Eröffnung der Pleura unter¬
brochen werden, Tod zwei Tage später, Sektion verweigert.
Der Fall spricht für die Notwendigkeit der Frühdiagnose und
Frühoperation bei Fremdkörpern der Lunge. Mohr (Bielefeld).
Zur Kasuistik des langen Verweilens eines Fremdkörpers in den
Respirationswegen. Von N. F. Schwoger-Lettezki. Russki
Wratsch, Bd. I, p. 719.
Der Knochen glitt, für den Patienten, einen 29 Jahre alten Trinker,
unmerklich, in dessen Trachea und in den rechten Bronchus und blieb
in letzterem stecken. Pat. hustete, mehrere mal war der Auswurf blutig.
Nach 11 Monaten lockerte sich der Knochen, verstopfte das Lumen des
Astes, der zum oberen Lungenlappen führte und rief so eine fibrinöse
Pneumonie des letzteren hervor. Zwei Wochen später entstand — durch
Verschluss der Bronchien des mittleren und des unteren Lappens —
eine Pneumonie dieser Lappen. 1272 Monate nach Verschlucken des
Knochens wurde er endlich ausgehustet. Das scharfrandige Stück war
1,5 X 1 cm gross. Darauf Heilung.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
C. Haut.
Choix (Tune rögion analgösique pour les injections de calomel.
Von Marato et Charpentier. Sociöte de neurologie 1902, Paris.
Es gibt eine Stelle, an der Injektionen nahezu ganz schmerzlos
appliziert werden können („zone analgösique“). Diese Stelle ist begrenzt
nach oben durch eine durch die Articulatio sacrococcygea gezogene
Horizontale, nach unten durch eine Linie horizontal durch die Anal¬
öffnung, seitlich durch eine etwa 4 cm von der Medianlinie entfernte
Vertikale.
Die Nadel werde schief von innen nach aussen eingestossen in
einer Richtung vom Anus zum Trochanter. Der Kranke halte sich die
Nates auseinander („wie wenn er Hämorrhoiden zeigen wollte“).
150 Injektionen. Das Verfahren empfiehlt sich namentlich für
Injektionen mit Calomel, Quecksilberölemulsionen etc.
Pilcz (Wien).
tfglanodermie biliaire h type addisonien avec splönomögalie. Von
Gandy u. Gouraud. Soc. mödic. des höpitaux, 19. annöe, Nr. 24.
Ein 28 jähriger Gärtner, der früher an Koliken, biliösem Erbrechen,
Icterus und Leberschwellung gelitten hatte, erkrankte neuerdings mit
Erbrechen und Schmerzen im Epigastrium.
Bei der Untersuchung fand sich ein erheblicher Milz tum or; die
Leber war leicht vergrössert, der Urin gab die Gmelin’sche Probe.
Puls 60 per Min. Induration beider Lungenspitzen; am Herzen ein
extracardiales Geräusch.
Die Haut zeigte Braunfärbung wie bei Addison T scher Krank¬
heit, besonders deutlich war die Färbung im Gesicht; hier saasen kleine,
schwarze Punkte auf braunem Grunde. Braune Verfärbung entwickelte
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sich rasch an den Stellen, wo Sinapismen gelegen hatten. Die Con¬
junctivae waren leicht icterisch.
Lebertumor und Icterus verschwanden, Erbrechen und Schmerzen
im linken Hypochondrium blieben bestehen. Serum und Urin zeigten
zeitweise Gallengehalt.
Die Verff. lassen es unentschieden, ob dem geschilderten Krank¬
heitsfälle eine käsige Entartung der Nebennieren zu Grunde liegt, oder
ob es sich um eine biliäre Cirrhose mit Splenomegalie handelt.
Martin Cohn (Kattowitz).
Sclörodermie et corps pituitaire. Von J. Roux. Revue neurologique
1902, Nr. 15.
Unter dem Namen Sklerodermie werden Krankheitsbilder von ver¬
schiedener Pathogenese zusammengefasst. Der Autor will aus dieser
grossen Gruppe einen Typus herausheben, welcher sich durch Vergesell¬
schaftung der Hautaffektion mit einem sich vorwiegend in den Extre¬
mitäten etablierenden Ein Schmelzungsprozess der tieferen Gewebsteile
auszeichnet, wobei es selbst bis zum vollständigen Schwund einer oder
mehrerer Phalangen kommen kann. Roux fand in einem solchen Fall
pathologische Veränderungen in der Hypophyse und postuliert auf Grund
dessen mit Strümpell eine Verwandtschaft zwischen dieser Form der
Sklerodermie und der Akromegalie (Ref. möchte hier an die Anschauung
von Pineies, Fröhlich, Berger erinnern, wonach der Hypophyse und
Schilddrüse Beziehungen zu allgemeinen trophischen Erkrankungen, z. B.
auch allgemeiner Fettsucht, zugeschrieben werden).
73jähriger Mann, Potator; war seit neun Jahren öfters dem Frost
ausgesetzt. Bald danach Blasen an den Fingern, die vereiterten, hierauf
Narbenbildung, später Ulcerationen, bald darauf Schwund einzelner
Phalangealknochen ohne eigentliche Sequestration. Der Zustand seither
chronisch progredient. Die Haut über dem grössten Teil der Körperober¬
fläche glatt, wie Leder, haarlos; geringe Sensibilitätsherabsetzung. Die
Zehen deformiert, zeigen mehrere oberflächliche Hautulcerationen. Keine
motorischen Störungen. Thyreoidindarreichung ohne Erfolg, nur die seit
einigen Monaten bestehende Verschlechterung das Allgemeinbefindens
etwas behoben. Oefters Schwindelanfälle. Sodann interkurrente Septikämie.
Die histologische Untersuchung der Hypophyse ergab zahlreiche Hämor-
rhagien in der Substanz derselben, frische und alte. Der grösste Teil
der Drüsensubstanz zeigt sich eigentümlich körnig degeneriert, mit hyalinen
Einschlüssen. Normales Drüsengewebe ist wenig mehr zu finden. Starke
Blutfülle der ganzen Hypophyse. Erwin Stransky (Wien).
Sclerodermie and sclerodactylia. Von B. Sachs. Philadelphia med.
Journal 1902, 8. Febr.
Ausgehend von der Theorie, dass die Sklerodermie auf Erkrankung
trophischer Nervencentren beruhe, gibt Verf. zu erwägen, ob diese Nerven¬
erkrankung nicht durch irgend weiche funktionelle, organische oder toxische
Störung des Organismus zustande komme, und er macht in dieser Hin¬
sicht auf die Analogie zwischen Myxödem und Skleroderma aufmerksam,
die insofern besteht, dass bei beiden Erkrankungen Schilddrüsensubstanz
therapeutisch wirksam ist. Verf. erzielte mit dieser Behandlung in meb-
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reren Fällen, deren Krankengeschichten mitgeteilt werden, bedeutende
Besserung und selbst völlige Heilung. In zwei seiner Fälle erinnerten
die anfänglichen Veränderungen an den Fingern und Zehen sehr an
das Bild der Erythromelalgie. In mehreren Fällen war das auffälligste
Symptom eine typische Veränderung des Gesichtes: Spitzwerden der
Nase, Einsinken der Wangen, Retraktion der Oberlippe. Im letzten der
mitgeteilten Fälle begannen die charakteristischen Hautveränderungen zu¬
erst an der Hand, acht Monate nach einer Verwundung derselben. Bei
diesem Patienten, bei welchem das Skleroderma anscheinend nervösen
Ursprungs war, war die Schilddrüsenbehandlung wenig wirksam. Bei
den wirksam- beeinflussten Fällen denkt Verf. an eine mangelhafte
Schilddrüsenfunktion als Grundursache der Erkrankung. Die Schild¬
drüsensubstanz muss monatelang in möglichst kleinen Dosen gegeben
werden. Mohr (Bielefeld).
Ueber Pemphigus neonatorum. Von P. Richter. Dermatol. Zeit¬
schrift, Bd. VIH, H. 5 u. 6.
In einer sehr fleissigen und übersichtlichen litterarischen Studie
(erheblich über 400 Arbeiten sind verwertet) bespricht Richter den
Pemphigus neonatorum und kommt zu folgenden Resultaten: Abgesehen
vom Pemphigus syphiliticus kann man nur eine Art der Erkrankung
als Pemphigus neonatorum bezeichnen. Dieselbe entsteht durch freiwillige
und unfreiwillige Uebertragungen, charakterisiert sich durch den Nachweis
eines noch nicht genügend erforschten Staphylococcus, tritt sporadisch
und epidemisch auf und kann sowohl gutartig als auch bösartig ver¬
laufen. Wenn angeboren, gibt die Erkrankung häufig eine schlechte
Prognose. Die Dermatitis exfoliativa neonatorum (Ritter) ist eine Unter¬
gruppe des Pemphigus neonatorum, charakterisiert durch besonders leichte
Ablösbarkeit der Epidermis und durch Malignität. Eine andere Unter¬
gruppe bilden die durch Streptococcen oder durch eine Mischinfektion
dieser Coccen mit ßtaphylococcen hervorgerufenen Fälle, welche mit hohem
Fieber verbunden sind, während sonst die Erkrankung meist fieberlos
verlauft. Dabei können die Blasen hämorrhagisch oder auch gangränös
werden. Mit dem Pemphigus foliaceus, einer chronischen Affektion, hat
der meist in wenigen Wochen verlaufende Pemphigus neonatorum nichts
zu thun. Dagegen scheint derselbe ätiologisch mit der Impetigo contagiosa
im Zusammenhang zu stehen, während die klinischen Differenzen auf
anatomischen und physiologischen Unterschieden zwischen der Haut
Neugeborener und derjenigen älterer Kinder und Erwachsener beruhen.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Ein Fall von Fibroma molluscum, vorwiegend der linken Hand, mit
Steigerang des Knochen Wachstums. Mitteilungen aus Peking,
Nr. 2. Von G. Perthes. Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. LXIII,
p. 103.
Ein 30jähriger Chinese zeigte auf der Oberfläche des ganzen Körpers
zerstreut sehr zahlreiche Geschwülste von Stecknadelkopf- bis Haselnuss¬
grösse; ihre Konsistenz war verschieden, die Haut über ihnen anscheinend
unverändert, aber nicht überall gut verschieblich; zwischen den Knoten
braune Pigmentflecke. Ausserdem war das Volumen der ganzen linken
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Hand mit Ausnahme des vierten und fünften Fingers sowie des zweiten
Daumengliedes auf das Mehrfache des Normalen vermehrt Die Weich¬
teile waren in eine lappige Tumormasse verwandelt welche das Skelett
der Hand mit Ausnahme der bezeichneten Finger auf der Dorsal- und
der Volarseite umgab. Die Haut, intakt aussehend, liess sich von der
Geschwulstmasse nicht abheben. Auf der Beugeseite des Vorderarmes
ging die Schwellung, allmählich sich verlierend, bis in dessen Mitte.
Konsistenz der Geschwulst weich, keine Flüssigkeit darin. Sensibilität
im Bereich der Geschwulst deutlich herabgesetzt Ausserdem eine be¬
trächtliche Verlängerung des zweiten und dritten Fingers derselben Hand,
die, wie das Röntgenbild zeigte, die betreffenden Phalangen und Meta-
carpen gleichmässig betraf; dabei bestand keine Verdickung des Knochens.
Sämtliche linksseitige Fingergelenke mit Ausnahme des vierten und
fünften Fingers, sowie das linke Handgelenk waren Schlottergelenke,
so dass an der Hand extreme Dorsalflexion möglich war. Trotzdem
konnte Pat. mit ziemlicher Kraft zugreifen. Probeexcision wurde ver¬
weigert.
Diagnose: Multiple weiche Fibrome in Kombination mit einer
Elephantiasis congenita fibromatosa (Elephantiasis mollis).
Das abnorme Knochen Wachstum ist mit Wahrscheinlichkeit auf
eine abnorme kongenitale Anlage zurückzuführen, weniger wahrscheinlich
auf Cirkulationsanomalien infolge der Elephantiasis.
E. Moser (Zittau).
lieber die Aetiologie des Erysipels und sein Verhältnis zu den
pyogenen Infektionen. Von Jordan. München, med. Wochensehr..
48. Jahrg., Nr. 35.
Die Arbeit wendet sich gegen die Annahme, dass das Erysipel
lediglich durch eine Streptococceninfektion hervorgerufen werden könne.
Gestützt auf eigene Beobachtungen und unter Berücksichtigung
der einschlägigen Literatur kommt Jordan zu folgenden Schlussfolge¬
rungen :
1. Das Erysipel ist ätiologisch keine specifische Erkrankung.
2. Am Kaninchenohr kann typisches Erysipel nicht nur durch
Streptococcen, sondern auch durch Staphylococcen, Pneumococcen und
Bact. coli erzeugt werden.
3. Das menschliche Erysipel wird in der Regel vom Streptococcus
pyogenes verursacht, kann aber auch, wie einwandsfreie Beobachtungen
ergeben, durch Staphylococcus aureus hervorgerufen werden.
4. Die Frage, ob auch die fakultativen Eitererreger, wie Pneunio-
coccen, Bact. coli, Typhusbacillen beim Menschen Erysipel machen
können, ist noch als eine offene zu betrachten.
Die Unterscheidung von Erysipelen und Pseudoerysipelen ist, nach
Jordan, bei dem jetzigen Stande der Lehre nicht mehr haltbar. Es
handelt sich bei den verschiedenen Formen vielmehr nur um Inten¬
sitätsstufen derselben Erkrankung. Heiligenthal (Baden-Baden).
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Ueber eine eigenartige Erkrankung der Nasenhaut bei Kindern.
Granulogis rubra nasi. Von J. Jadassohn. Archiv f. Dermato¬
logie und Syphilis, Bd. LVIII, H. 1 u. 2, p. 145.
Das Interesse dieser Jadassohn’schen Mitteilung liegt darin, dass
die, wie seine Untersuchungen ergeben haben, nicht tuberkulöse Affektion
von ihm und Neisser ursprünglich für eine atypische Lepraform gehalten
wurde. Sie findet sich anscheinend nur bei Kindern im Alter von
7—16 Jahren; von sieben Fällen waren sechs Mädchen, einer ein Knabe.
Das klinische Bild ist: An der Nasenspitze und den Nasenflügeln,
aber nur an den häutigen Teilen, intensive, leicht wegdrückbare, nicht
scharf begrenzte Rötung, aus der sich einzelne dunkelrot gefärbte Knöt¬
chen erheben, oft minimal, stecknadelspitzgross, manchmal etwas grösser
und prominierender, meist etwas spitz, ohne bestimmte Gruppierung,
nicht konfluierend. Ein Zusammenhang mit Talgdrüsenöffnungen oder
Scbweissdrüsenausführungsgängen klinisch nicht nachweisbar. Manchmal
besteht Hyperidrosis. Verlauf unter geringen Schwankungen durchaus
einförmig. Lupus vulgaris, erythematodes, Akne rosacea, Dysidrosis
sind auszuschliessen.
Ein Zusammenhang mit den Schweissdrüsen selbst ist mikrosko¬
pisch nicht nachzuweisen. — Es handelt sich um eine chronische Ent¬
zündung, die sich an die Gefässe, ganz vor allem aber an die Sehweiss-
drüsenausführungsgänge anschliesst resp. an diesen beginnt. (Wegen der
Einzelheiten im Original einzusehen). Düring (Konstantinopel).
III. Bücherbespreclmngen.
Experimentelle Beiträge zur Pathologie des Blutes. Von P.
Schmidt. Jena 1902, Gustav Fischer.
Die sehr eingehenden experimentellen Arbeiten Schmidts be¬
ziehen sich vornehmlich auf die basophilen Granula der roten Blut¬
körperchen. Er konnte diese Granulationen durch Aushungern der
Versuchstiere, durch Injektion von Bleiacetat, Phenylhydrazin, Pyrodin
hervorrufen. In einer weiteren Versuchsreihe behandelt er die Frage, ob
das Auftreten dieser Körnchen einen degenerativen oder regenerativen
Prozess darstelle, und entscheidet sich für das letztere, wodurch er sich
in Gegensatz zu Grawitz stellt. In gleicher Weise tritt er der An¬
sicht Cohn’s, dass die polychromatophilen roten Blutkörperchen De¬
generation sformen darstellen, entgegen, da es sonst unverständlich wäre,
warum sich im Knochenmark eine so grosse Anzahl polychromatophiler
Zellen finde. Pathogenetisch stellt Schmidt die basophile Körnung, die
Chromatophilie und die Normoblasten auf die gleiche Stufe und hält sie
für den Ausdruck einer überstürzten Regeneration. Bezüglich der zahl¬
reichen einschlägigen Details sei auf die Broschüre selbst hingewiesen.
Wilhelm Neutra (Wien).
Einführung in die physikalische Anatomie. Von H. Triepel.
Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann 1902.
Die physikalische Anatomie bestimmt nach Triepel’s Definition
die physikalischen Kräfte, die auf einen gegebenen Organismus oder
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seine Teile einwirken, sei es, dass diese Kräfte von aussen den
Körper angreifen, sei es, dass sie in ihm selbst erzeugt worden sind.
Sie bestimmt fernerhin, welche Erscheinungen die einwirkenden Kräfte
im Gefolge haben, sie untersucht, in welcher Art und welchem Masse
der Organismus durch sie beansprucht wird, wie Gewebe und Organe
auf die Beanspruchung reagieren, und schliesslich, ob sich Spuren einer
solchen Reaktion im tierischen Körper nachweisen lassen. Ist dies zu
bejahen, so ergibt sich die weitere Frage, zu welcher Zeit der Ent¬
wickelung (im weiteren Sinne) und auf welche Weise die Zeichen einer
Rückwirkung in den Körper gelangt sind. — Durch die eben ange¬
führten Worte des Verf.’s wird das Gebiet der physikalischen Anatomie
gut umschrieben und ebenso ist die Wichtigkeit dieses Wissenszweiges
bei näherer Ueberlegung leicht ersichtlich; es ist einleuchtend, dass sich
aus der physikalischen Anatomie insbesondere für die Frage der An¬
passung wichtige Ergebnisse erwarten lassen. Auch die Beziehungen zur
Entwickelungsmechanik, die neue Beleuchtung, welche die funktionelle
Struktur einzelner Organe durch systematisches Studium der physika¬
lischen Anatomie möglicherweise erfahren kann, sind Punkte, die nur
angedeutet zu werden brauchen. Triepel hat es unternommen, einen
Teil der physikalischen Anatomie, der wohl die Grundlage derselben
genannt werden darf, im Zusammenhang darzustellen. Sein Werk be¬
handelt die „Elasticität und Festigkeit der menschlichen Gewebe und
Organe“. Vorangeschickt ist als I. Teil „Allgemeine Elasticitäts- und
Festigkeitslehre in elementarer Darstellung“. Es ist das gewiss eine
zweckmässige Einleitung, da wohl nur die wenigsten Mediziner die
nötigen physikalischen und mathematischen Vorkenntnisse bereits haben
dürften, um ohne diese Einleitung den späteren Ausführungen des Verf.'s
ohne weiteres zu folgen.
Im II. Teil werden die einzelnen Gewesbarten und Organe des
menschlichen Körpers bezüglich ihrer Elasticität und Festigkeit ge¬
schildert. Der Verf. stützt sich hierbei auf eigene, umfangreiche Ver¬
suche, die zum grossen Teil in diesem Buche ihre erste Veröffent¬
lichung finden. Es ist natürlich unmöglich, hier auf Einzelheiten einzu¬
gehen. Doch 6ei insbesondere für Leser dieses Blattes darauf hinge¬
wiesen, dass die Ausführungen des Verf/s auch in chirurgischer Hin¬
sicht Beachtung verdienen, und zwar besonders die auf die Knochen be¬
züglichen Feststellungen. Es sei die Lektüre des 7. Kap. des II. Teils
hier empfohlen. Hinweisen will ich auch auf die Begründung der
Benennung „gelbes Bindegewebe“ statt „elastisches Gewebe“ im 1. Kap.
des II. Teils, Ausführungen, die sicher beherzigenswert erscheinen. Die
Einteilung des H. Teils ergibt sich aus der Inhaltsangabe:
II. Teil. Die Elasticität und Festigkeit der menschlichen Gewebe
und Organe. 1. Kap. Gelbes Bindegewebe. 2. Kap. Quergestreifte
Muskulatur. 3. Kap. Glatte Muskulatur. 4. Kap. Sehnengewebe. 5. Kap.
Knorpelgewebe. 6. Kap. Knochengewebe. 7. Kap. Zusammenfassung und
Ausblicke. 8. Kap. Ganze Knochen. 9. Kap. Arterien. 10. Kap.
Venen. 11. Kap. Nerven. — Literaturverzeichnis. — Drei Curventafein
sind beigefügt.
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Triepel hat das Gebiet zum ersten Mal in zusammen fassender
Weise bearbeitet und darf für seine Bearbeitung des Dankes der Fach¬
genossen gewiss sein. Niemand, der sieb mit dem gekennzeichneten
Gebiet beschäftigt, wird das Triepel’sche Buch entbehren können.
E. Schwalbe (Heidelberg).
Die tierischen Parasiten des Menschen. Von Prof. Dr. M. Braun.
Dritte vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 272 Abbildungen im
Text. 360 pp. Würzburg 1902. A. Stuber’s Verlag.
Das für die Mediziner überaus wichtige und in der medizinischen
Literatur viel citierte Werk Braun's ist zum Teil umgearbeitet Ein
Teil der Artnamen musste abgeändert werden. Der Forderung de»
Autors, dass die gültigen Namen auch von medizinischer Seite angenommen
werden, um Häufung von Synonymen eventuell Umbenennungen zu
vermeiden, kann nur zugestimmt werden.
Zahlreiche, sehr instruktive, gut gelungene Abbildungen sind in den
Text eingefügt und werden dem Mediziner sehr willkommen sein.
Jedem Kapitel ist eitle Uebersicht der wichtigsten Literatur bei-
gegeben.
Das Werk muss für jeden mit der Parasitologie sich beschäf¬
tigenden Arzt als unentbehrlich bezeichnet werden.
Hermann Schlesinger (Wien).
Eocyklopädie der Augenheilkunde. Herausgegeben von Prof. Dr. O.
Schwarz. Lief. 1 u. 2. Leipzig 1902, Verlag von F. C. W. Vogel.
Der Gedanke, in lexikalischer Anordnung des Stoffes ein Nach¬
schlagewerk zur raschen und wesentlichen Orientierung über alles, wa»
die Augenheilkunde als Spezialfach sowie als Hilfsfach für andere
Zweige der Medizin leistet, zu bieten, ist in den vorliegenden Lieferungen
zu einer höchst gelungenen Verwirklichung gelangt Während der
Augenarzt hauptsächlich seine Berücksichtigung bei der Besprechung der
operativen und pharmakologischen Themata findet, wird dem allgemeinen
Praktiker Aufschluss über das geboten, was er ohne spezialistische Vor¬
bildung im gegebenen Falle dem Kranken selbst leisten kann, ohne ihn durch
Fahrlässigkeit zu schädigen. Die Physiologie und allgemeine Pathologie
werden mit einiger Beschränkung berücksichtigt, welch’ letztere aber
durch Literaturhinweise ergänzt wird. Die Grenzgebiete der Augenheil¬
kunde mit den anderen Zweigen der Medizin sind besonders eingehend
behandelt. Die vorliegenden Hefte enthalten u. a. die interessanten
Artikel: Accommodation, Aderhaut, Amblyopie, Aneurysma, Augenmuskel¬
affektionen, Augenspiegel, Bindehaut.
Die Namen des Herausgebers und seiner 51 Mitarbeiter lassen
von der Fortsetzung des Werkes das Beste erwarten.
R. Hitschmann (Wien).
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Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma¬
tose, p. 81—90.
Schnürer, Jos., Ueber die Puerperal¬
eklampsie, p. 90—102.
Herszky, E., Niercnabscess und Peri¬
nephritis (Fortsetzung), p. 102—113.
II. Referate.
A. Rückenmark.
Müller, L. R., Weitere Beitrage zur
Pathologie und pathologischen Anatomie
des unteren Rückenmarksabschnittes,
P. 11 3 -
Matth ieu, Ecoulement considerable de
liquide c£phalo-rachidien par une plaie
penetrante de la colonne vertebrale, p.
1 ! 4-
Morell, H., Puerperal myelitis, p. 214.
Windscheid, Ein Fall von multipler
Sklerose nach Trauma, p. 114.
Bierfreund, Spastische Spinalparalyse
als Betriebsunfall anerkannt, p. 115.
Guillain, G., La forme spasmodique de
la Syringomyelie etc., p. 115.
Picque, Spina bifida traite par la eure
radicale, sans hydroc6phalie secondaire,
p. 116.
Schlesinger, H., Nephrolithiasis und
Rückenmarkserkrankungen, p. 116.
Milian, G., Les accidents de la ponc-
tion lombaire et les moyens de les
eviter, p. 116.
Tuffier et Milian, Technique de la
ponction lombaire dans les hemorrhagies
intrarachidiennes, p. 117.
Legueu, Deux cas de mort imm^diate
par rachicocainisation, p. 117.
Hahn, E., Ueber Rückenmarkschirurgie,
p. 117.
B. Lunge, Pleura.
Bierfieund, Lungenentzündung, mit
Schulter- und Hüftgelcnkscntziindung
kompliziert, als Unfall, p. 119.
' Riegner, R., Ueber die Indikationen
zur chirurgischen Behandlung ulceröser
Lungenprozesse, p. 119.
Lawrow, X. J., Ueber cutane Anwen¬
dung des GuajakoLs bei Lungentuber¬
kulose, p. 120.
Huber, F., A case of foreign body in
the lung, p. 120.
Schwoger-Lettezki, N. F., Zur Ka¬
suistik des langen Verweilens eines
Fremdköq^ers in den Respirationswegen,
p. 121.
C. Haut.
Marato et Charpentier, Choix d'une
region analgesique pour les injections
de calomel, p. 121.
Gandy u. Gouraud, Melanodermie bi-
liaire a type addisonien avec Spleno¬
megalie, p. 121.
Roux, J., Sclerodermie et corps pitui-
taire, p. 12 2.
Sachs, B., Sclerodermie and sclerodac-
tylia, p. 122.
Richter, P., Ueber Pemphigus neona¬
torum, p. 123.
I Perthes, G., Ein Fall von Fibroma
molluscum, vonviegend der linken Hand,
mit Steigerung des Knochenwachstunis,
p. 123.
Jordan, Leber die Aetiologie des Ery-
sipels und sein Verhältnis zu den pyo¬
genen Infektionen, p. 124.
Jadassohn, J., Ueber eine eigenartige
Erkrankung der Nasenhaut bei Kindern.
Granulosis rubra nasi, p. 125.
III. Bücherbesprechungen.
i Schmidt, P„ Experimentelle Beiträge
zur Pathologie des Blutes, p. 125.
Triepel, H., Einführung in die physi¬
kalische Anatomie, p. 125.
Braun, M., Die tierischen Parasiten des
Menschen, p. 127.
Schwarz, O., Encyklopädie der Augen¬
heilkunde, p. 127.
Um Einsendung von Monographien nnd Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER. Wien, I, Ebendorferstrasse 10, wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzusatz ,,für die Redaktion de»
Centralblattes für die Grenzgebiete** versehen zn wollen.
I>mck von Ant. Kämpft* in .T* na.
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CENTBALBLATT
für die
Qrenzgebiefe der Medizin u. Ghirurgie.
Herausgegeben von
X>x*. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VL Band.
Jena, 20. Februar 1903,
Nr. 4.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften ira Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, desseu Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie, herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
1. Sammel-Referate.
Die multiple Neurofibromatose.
(Recklinghausen'sehe Krankheit.)
Sammelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent a. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung.)
68) Morrow, s. Taylor.
69) Mouchet, Nfevrome plexiforme congenital de. la nuque avec Upomes
congenitaux et taches pigmentaires multiples. Gaz. hebdom. de m6d. et de chir. 1900 ,
Nr. 104, p. 1237, 30 <fec.
70) Moynikan, A case of generalised neurofibromatosis with „false neuro-
mata‘ ; of the vagus nerve. The Lancet 1901 , Vol. I, p. 28, 5. Jan.
71) Oppenheim, H., Die Nervengeschwülste. In: Lehrbuch der Nerven¬
krankheiten, 3. Aufl., p. 541 ff., Berlin 1902 , S. Karger.
72) Payne, A case of molluscum fibrosum combined with tumours on the
nerves. Transact. of the clinical sodety of London 1889 , Vol. XXII, p. 189 und
Plate VIII.
73) Pernet, s. Savill.
74) Perthes, Ein Fall von Fibroma molluscum, vorwiegend der linken Hand,
mit Steigerung des Knochenwachstums. Deutsche Zeitscbr. f. Chirurgie 1902 , Bd.
LXIil, p. 103 (mit Photographien und Röntgenbildern).
75) Petren, Beiträge zur Kenntnis der multiplen allgemeinen Neurome, N.F.,
1887 , Bd. VIII, Nr. 10, p. 1—67. Festschrift für Axel Key. — Petren erwähnt
p. 15 eine Angabe von Hesselbach getrennt von einer ähnlichen von Wutzer. Die
Angaben beziehen sich aber auf einen und denselben Patienten. Cf. Wutzer in: Fall
von Neuroma des Ellbogennerven. Neue wissenschaftliche Annalen der gesamten Heil¬
kunde (Bd. XXXIII der „Wissenschaftlichen Annalen der gesamten Heilkunde“),
Ontralblatt t. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 9
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herausg. von Hecker, Berlin 1836 , Enslin, p. 393. — Auf p. 404/405 erwähnt
Wutz er den Fall beiläufig.
76) Poisson et Vignaud, Neurofibromatose giniralisie et nevrome plexi¬
forme du cuir chevelu. Mort ä 47 ans causie par la diginirescence sarcomateuse de
quelques-unes des tumeurs. Gazette midicale de Nantes 1899 , >7 e annie, Nr. 15,
p. 113, 11 fivrier. Ref. in: Revue neurologique, annie 1899, Tome VII, p. 575.
77) Pollack, Report of a case of molluscum fibrosum or fibroma with obser-
vations. Medico-chirurgical transactions published by the Royal medical and chirurgical
sociery of London 1873 , second series, Vol. LVI, p. 255 and Plate VIII.
78) Pooley, Case of molluscum fibrosum. Joum. of cutaneous and genito-
urinary diseases 1894 , Vol. XII, Nr. 3, p. 117, March. Mit 2 Abbildungen.
79) Posthumus, Ein Fall von Fibroma nervosum. Inaug.-Diss. Freiburg
1900 . Druck von P. Noordhoff, Groningen 1900.
80) Preble and Hektoen, A case of multiple fibromata of the nerves, with
arthrids deformans. The American Joum. of the med. Sciences 1901 , Vol. CXXJ,
p. i, Jan. New series.
81) Dies., A case of multiple fibromata of the nerves, with arthrids defonnans.
Transactions of the Association of American Physicians. Fifteenth session held at
Washington, May 1900, Vol. XV, p. 470, Philadelphia 1900 .
82) Pringle, A case of molluscum fibrosum. The Edinburgh medical Joum.
1900 , New Series, Vol. VII, p. 260 and Plate III.
83) Prioleau, s. Arnozan et Prioleau und Fox et Farquhar.
84) Quattrociocchi, Gli Ultimi lavori sulla cosidetta neuro-fibromatosi gene-
ralizzata or malatda di Recklinghausen: rivista sintetica. II Policlinico 1900 . p. 36,
sezione pratica, 10. Nov.
85) Ramakers et Vincent, Nivrome plexiforme de la t£te et du cou. Ex¬
stirpation. Guerison. Archives provinciales de Chirurgie 1894 , T. III, p. 505.
86) Rinon et Dufour, D’une forme anormale, non diente de la maladie de
Recklinghausen. Soriiti de neurologie 1900 , siance du 7 juin. Ref. in Revue neu-
rologique 1900, T. VIII, p. 517.
87) Dies., Dermo-phosphato-fibromatose nodulaire giniralisie avec pigmentation
de la peau, Simulant la maladie de Recklinghausen. Bull, et mem. de la soc. m£d.
des höp. de Paris 1900 , Tome XVII, p. 835, Troisiime sirie, siance du 6 juillet.
88) Revilliod, De la neurofibromatose giniralisie et de ses rapports avec
Tinsuffisance des capsules surrinales. Thise de Genive 1900 .
89) Reymond, Sur un cas de tumeur du cervelet Nouv. Iconograph. de b
Salpitriire 1898 , T. XI, Nr. 4, p. 213.
90) Ribbert, Neurom. In. Eulenburg’s Real-Encyklopädie der gesamten
Heilkunde, 3. Aufl., Bd. XVII (Neubildung—Orb.), p. 161 —166. Wien u. Leipzig
1898 , Urban & Schwarzenberg.
91) Ribot, s. Hallopeau et Ribot.
92) Rille, Fibroma molluscum. Wissenschaft!. Aerztegeseilschaft in Innsbruck,
Sitzung vom 19. Jan. 1901 . Ref. in Wiener klin. Wochenschr. 1901, Nr. 30, p. 73b
25. Juli.
93) Rist, Naevi molluscoides et maladie de Recklinghausen. In: La pratique
dermatologique par Besnier, Brocq et Jacquet, Tome troisiime, p. 569fr, spez.
p. 572—576. Paris 1902 , Masson & Cie.
94) Rohmer, s. Spillmann (1900).
95) Sangster, A case of molluscum fibrosum, with some remarks on its
histology. Transact. of the clinical Society of London 1880 , Vol. XIII, p. 166 and
Plate VII and VIII.
96) Savill, Molluscum fibrosum. Dermatological sodety of Great Britain and
Ireland 1901 , 23. May. Ref. in: The British Joum. of Dermatology 1901, Vol. XIII.
p. 2 7 5 ) July und Diskussion: Pernet, Stowers.
97) Sau vage (et Cornil), Fibrome de la peau. Bull, et mim. de la sodete
anatom. de Paris 1900 , 75 e annie, 6e sirie, Tome II, p. 6lO, siance du 15 juin.
98) Schlesinger, H., Beitrag zur Klinik der Rückenmarks- und Wirbel¬
tumoren. Jena 1898 , Gustav Fischer. Speziell p. 41 ff. und Beob. 44, p. 175.
99) Ders., s. auch Sorgo.
100) Schräder, Zur Symptomatik und Chirurgie der Neurome. Mediz. Ges. zu
Leipzig, Sitzung vom 27. Mai 1902 . Ref. Münch, med. Wochenschr. 1902, Nr. 33.
p. 1402 1403, 19. Aug.
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131
ior) Schuh, Franz, Ueber die Erkenntnis der Pseudoplasmen. Wien 1851 ,
bei L. W. Seidel, p. 202 ff.: Neurome; speziell p. 204.
102) Ders., Pathologie und Therapie der Pseudoplasmen. Wien 1854 , Wilh.
Braumüller, p. 255 ff.: Neurome; speziell p. 257.
103) Schüle, Zwei Patienten mit Alopecia universalis congenita und multiplen
Neurofibromen der Haut. 27. Wanderversammlung der Südwestdeutschen Neurologen
und Irrenärzte in Baden-Baden, Mai 1902. 1. Sitzung am 24. Mai 1902 , vormittags.
Bericht im Archiv f. Psychiatrie u. Nervenkrankheiten 1902, Bd. XXXVI, p. 315 (6).
Weiteres über den einen dieser Fälle bei Henneberg u. Koch: Ueber „centrale 14
Neurofibromatose etc. Archiv f. Psychiatrie u. Nervenkrankheiten 1902, Bd. XXXVI,
p. 277, Anm. 2.
104) Schüller, Weiches Fibrom des Gesichtes (Elephantiasis farici) bei einem
24jährigen Mädchen. Nach Schüller Fig. 468 in Tillmanns* Lehrbuch der allge¬
meinen Chirurgie, 7. Aufl., 1899 , p. 684.
105) Sherwell, s. Taylor.
106) Sorgo, Ein Fall von Neurofibromatose. Ges. f. innere Med. in Wien,
Sitzung vom 6. März 1902. Ref. in Wiener klin. Rundschau 1902 , Nr. 18, p. 385,
4. Mai, und Diskussion: Sternberg, ferner Wiener klin. Wochenschr. 1902, Nr. 26,
p. 689/690, 26. Juni.
107) Ders., Multiple Neurofibromatose des Rückenmarks. Ges. f. innere Med.
in Wien, Sitzung vom 17. April 1902 . Ref. in Klinisch-therapeutische Wochenschr.
1902, Nr. 16, p. 543/544 und Diskussion: H. Schlesinger. — Ferner Sitzung vom
15. Mai 1902. Ref. in Klinisch-therapeutische Wochenschr. 1902, Nr. 20, p. 696,
18. Mai und Wiener klin. Wochenschr. 1902, Nr. 33, p. 854, 14. Aug.
108) Spiegler, Fibroma molluscum. Sitzungsberichte der k. k. Ges. d. Aerzte
in Wien, Sitzung vom 18. Mai 1900 . Ref. in Wiener klin. Wochenschr. 1900, Nr.
21, p. 490, 24. Mai.
109) Spillmann, Neurofibromatose et tumeur c£r£brale. Soci6t6 de mW. de
Nancy, s&ance du 24 janvier 1900 . Ref. in Gaz. hebdom. de m6d. et de chir. 1900,
Nouvelle s6rie, Tome V, Nr. 27, p. 320, 5 avril, und Diskussion: Rohmer,
Jacques.
110) Spiller, s. Keen and Spiller.
ui) Sternberg, Beitrag zur Kenntnis der sogenannten Geschwülste des Ner¬
vus acusticus. Zeitschr. f. Heilkunde, Abtlg. f. pathol. Anatomie u. verwandte Dis¬
ziplinen, Bd. XXI, N. F., Bd. I, Jahrg. 1900 , p. 163. Speziell Fall 5, p. 169 ff.
1x2) Ders., s. auch Sorgo.
113) Stowers, s. Savill.
x 14) Sturgis, s. Taylor.
115) Sylaba, s. Vesely.
116) Taylor, Molluscum fibrosum of the back and shoulder. New York
dermatological society, 167dl regulär meeting. Ref. in Joum. of cutaneous and genito-
urinary diseases 1887, Vol. V, Nr. 1, p. 20, January.
117) Ders., On the mode of development and course of molluscum fibrosum,
and on the question of its relation to acrochordon and other cutaneous outshoots.
Joum. of cutaneous and genito-urinary diseases 1887 , Vol. V, Nr. 2, p. 41, February.
118) Ders., The mode of development of molluscum fibrosum. New York
dermatological society, 167dl regulär meeting. Ref. in Journ. of cutaneous and genito-
urinary diseases 1887 t Vol. V, Nr. 2, p. 62, February und Diskussion dazu: Sher¬
well, Bronson, Sturgis, Keyes, Morrow.
119) Tenneson, Neurofibromatose. Diskussion zu der Vorstellung Jean¬
sei me*s: Cas de neurofibromatose. Soc. de Derm. et de Syph., 10. Nov. 1898 .
In: Annales de Derm. et de Syph. 1898, 3® s6rie, Tome IX, p. 995/996.
120) Thi£ry, Molluscum de la face interne de la cuisse. Bull, et m£m. de
la soc. de chir. de Paris 1901 , Tome XXVII, p. 130, s6anee du 12 fevrier.
121) Thomson, Clinical lecture on molluscum. The Lancet for 1840/41,
Vol. II, p. 256, 15 May 1841 , und 2 Tafeln.
122) Tikanaze, Ueber einen Fall von multiplem, weichen Hautfibrom. Russki
Joum. koschnich i venerischeskich Bolesne, Okt. 1901 . Ref. in Dermatol. Centralbl.
1902, Bd. V, Nr. 5, p. 140/141, Febr.
123) Trombetta, Fibroma molluscum; istologia ed istogenesi. La Riforma
medica 1900 , anno 16, Vol. I, Nr. 13, p. 146 und Nr. 14, p. 158.
9 *
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124) Turney, A caze of multiple subcutaneous nodules. Transactions of the
clinical society of London 1897 , Vol. XXX, p. 218. (Wohl keine Neurofibrome.)
125) Uli mann, Ueber Tubercula dolorosa. Inaug.-Diss., Freiburg 1902 .
126) Vignard, Fibromes multiples du membre inferieur chez un homme de
36 ans. Gaz. m£d. de Nantes 1901 , 5 janv.
127) Vignaud, s. Poisson et Vignaud.
128) Vincent, s. Ramakers et Vincent..
129) Weil (Emile), Fibro-molluscum congenital du cräne implante sur le simis
longitudinal superieur. Gazette hebdom. de med. et de chir. 1898 , Nouvelle serie,
Tome III, Nr. 41, p. 485, 22 mai. (Möglicherweise ein plexiformes Neurom.)
130) Weinlechner, Fall von Fibroma molluscum. Ges. der Aerzte Wiens.
Sitzung vom 18. April 1902. — Ref. in Wiener klin. Wochenschr. 1902 , Nr. 17,
p. 458/459, 24. April, und Diskussion: Ehrmann.
131) Weiss, Multiple molluscum fibrosum. Manhattan Dermat. Society,
5. April 1901 .
132) Whitfield, Neurofibromatosis or von Recklinghausen’s disease. West
London medico-chirurgical society, March x 1901 . Ref. in The Lancet 1901, Vol. I,
p. 706/707, March 9.
133) Willets, Fibroma molluscum. Kansas City medic. Index-Lancet 1901 ,
April.
134) Winfield, A case of multiple fibromata. New York dermatol. society,
February 27, 1900 . Ref. in Journ. of cutaneous and genito-urinary diseases 1900,
VoL XVIII, p. 281.
135) Wise, de Dacca, citiert bei: Tilbury Fox et Farquhar, On certain
endemic skin and other diseases of India and hot dimates generally, p. 106 ff. und
bei Arnozan et Prioleau, Sur les dermatofibromes cong6nitaux gäneralisfe. Annal.
de Derm. et de Syph. 1883 , Deuxteme s£rie, Tome IV, p. 689 bezw. 697.
136) Wolff, Walther, Ein Fall von Neurofibromatose und Neuauftreten von
Tumoren in der Gravidität. Beiträge zur Geburtshülfe und Gynäkologie 1901 , Bd. V,
P. * 37 .
* 37 ) Wutzer, s. Petren.
138) Zinn u. Koch, Fibrom des VII. Cervicalnerven mit Kompression des
Rückenmarks. Charite-Annalen 1900 , XXV. Jahrg., p. 117.
139) Zum Busch, Beiträge zur chirurgischen Erkrankung des peripheren
Nervensystems. Archiv f. klin. Chir. 1894 , Bd. XLIX, p. 451. Speziell p. 453 ff.-
Ein Beitrag zur Kenntnis des Rankenneuroms.
Aetiologie.
Wir unterscheiden rücksichtlich der Aetiologie prädisponie¬
rende Momente und Gelegenheitsursachen.
Unter den ersteren, den prädisponierenden Momenten,
wäre zu berücksichtigen
a) das kongenitale Moment,
b) das hereditäre und
c) das familiäre Moment.
Nach Feindei sind diese drei Faktoren in dem Masse bei
jedem Kranken vorhanden, dass das kongenitale Moment stets, das
hereditäre häufig vorhanden ist, das familiäre endlich ab und *u
besteht („La neurofibromatose g6ndralis£e est congenitale toujours,
hereditaire souvent et quelquefois familiale“. (Feindei, Thfese
1896, p. 17).
Die Kongenitalität, das Angeborensein der Krank¬
heit, kann nun, wie wir gleich sehen werden, obgleich von den
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133
meisten Autoren als feststehend angenommen, keineswegs immer mit
Sicherheit nachgewie6en werden. „Que le döbut soit pröcoce ou
tardif, la neurofibromatose est toujours d’origine congenitale“
(Feindel, These 1896, p. 13). Nicht jede kongenitale Erkrankung
braucht bekanntlich gleich bei der Geburt Symptome zu machen:
man denke nur an die Friedreich'sche Krankheit, die Cerebellar¬
ataxie, die Myopathien etc.
Einzelne Fälle zeigen verschiedene Phasen der Evolution der
Krankheit in einzelnen Lebensperioden, z. B. ein Tumor ist ange¬
boren, die übrigen Geschwülste und sonstige Anomalien treten erst
in späteren Lebensperioden auf.
Feindei erklärt (Thöse 1896, p. 14) diese Fälle folgender-
massen:
„N’est-il pas loisible de penser que congönitalement existait
une prödisposition; qu’aux environs de la naissance une cause
occasionnelle inconnue, ou möme un fort potentiel de congöni-
talitö ä lui tout seul ont provoquö la forraation des täches pigmen-
taires; que la congönitalitö öpuisöe a sommeillö jusqu’ä ce qu’une
nouvelle cause occasionnelle soit venue ä son aide, et que de
leur collaboration soit n£ un fibrome; puis nouveau repos et nou¬
velle production de töratomes gräce au reveil de Pinfluence
congenitale par de nouvelles causes occasionnelles.
Pour les cas de neurofibromatose ä döveloppement tardif, il
est a supposer que la prödisposition congenitale n’a pas ren-
contre, dans une longue suite d’annees, de cause occasionelle ä
son goüt, ä laquelle eile ait pu s’unir pour faire edore la gönörali-
sation de la neurofibromatose.“
Und in der That erklärt diese Hypothese die zahlreichen Fälle
von „Latenz“ am ungezwungensten. Worin die Gelegenheitsursachen
bestehen, werden wir später erfahren.
Weitere prädisponierende Ursachen bilden die häufigen Fälle
von Heredität, welche die Literatur aufweist.
Ich selbst beobachtete sie in Fall 1—4 meiner Kasuistik
(1901), dann in Fall 6 und 7: Vater und Sohn in diesem Falle,
Vater und drei Töchter in jenem.
Im ganzen konnte ich nach eigens zu diesem Zwecke
gemachter Statistik in einem Fünftel aller Fälle aus der
Literatur sichere Heredität nachweisen.
Diese ist gelegentlich über mehr wie zwei Generationen hin ver¬
folgbar.
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Von einem Kranken von Virchow (1847) wird angegeben, dass
sich ähnliche Geschwülste bei seinem Gross vater, seinem Vater und
seinen Geschwistern fänden.
Bei Bazin (1862) waren Grossmutter väterlicherseits, Vater und
Tochter (und eine Schwester) von dem Leiden befallen.
Mutter und Grossmutter des Patienten von Fränkel (1887) sollen
an derselben Affektion gelitten haben.
Bei Here zell (1890) waren Grossvater mütterlicherseits, Mutter
(Eva Merschei, Fall 2b) und Tochter (Susy Merschei, Fall 2a>
erkrankt; bei L. Philippson (1893): Tochter, Mutter und Grossmutter
mütterlicherseits; bei Spillmann und Etienne (1898): Sohn (obs. 1),
Mutter (obs. 2) und Gross vater mütterlicherseits (obs. 3).
Bei Menke (1898) litt der Sohn an zahlreichen plexiformen Neu¬
romen und anderen Nerventuinoren, die Mutter an multiplen Neuromen,
desgleichen die Grossmutter mütterlicherseits.
In dem Falle von Bourcy und Laignel-Lavastine (1900)
waren sicher multiple Hauttumoren auch beim Vater der 58 jährigen
Patientin vorhanden gewesen, mit grosser Wahrscheinlichkeit auch bei
ihrem Sohne.
Der Patient von v. Bruns (1892, Fall 35) zeigte am Rücken
eine grosse Geschwulst in Form eines beutelförmigen, pigmentierten, be¬
haarten Hautwulstes, am Körper multiple Nervenfibrome, perlschnurartige
Strange, welche genau dem Verlaufe der Stämme der Hautnerven ent¬
sprachen, ausserdem grössere und kleinere Pigmentflecke. Sein Vater
und Grossvater väterlicherseits, sowie endlich drei Brüder des Patienten
hatten zahlreiche Nervenfibrome. Die Mutter und die einzige Schwester
und deren Kind waren frei.
Die Patientin von Königsdorf (1889)-Du Mesnil (1890) gibt
an, dass auch die Mutter solche Knötchen am Körper gehabt habe, wie
sie selbst; auch ihre drei Schwestern sind mit denselben Bildungen be¬
haftet; die zwei Brüder sind hinwiederum frei.
Das ausschliessliche Befallensein der männlichen Mitglieder der
Familie im vorletzten Falje, der weiblichen in letzterem ist zum
mindesten interessant; eine Bevorzugung ries einen oder anderen
Geschlechtes als Regel aufstellen zu wollen, ist jedoch, wie aus den
übrigen citierten Beispielen zu erkennen ist, nicht angängig. Richtig
aber ist, dass Männer im allgemeinen häufiger befallen werden.
In den Fällen 1—4 meiner Kasuistik (1901) sind Vater
und drei Töchter erkrankt, der einzige noch lebende Sohn und eine
andere (vierte) Tochter sind notorisch frei, wohingegen ein bereits ver¬
storbener Sohn angeblich Hautgeschwülste gehabt haben soll.
Gelegentlich kann eine Generation übersprungen werden.
Die Anamnese des 11 jährigen Kindes von Berggrün (1897) ist
in dieser Beziehung wertvoll, da sie von der von Berggrün als „intelli¬
gente Frau“ bezeichneten Mutter, die selbst frei ist, stammt: Der
Knabe ist das fünfte Kind seiner vollkommen gesunden Eltern. Die
vier vor ihm geborenen Kinder, sämtlich ebenfalls männlichen Ge-
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schlechtes, sind desgleichen stets gesund gewesen.Kreuz- und
Querfragen ergeben, dass der Grossvater mütterlicherseits an Hauttumoren
gelitten habe, die über den ganzen Körper zerstreut waren, sonst aber
nie krank gewesen war. Anderweitige Erkrankungen anderer Familien¬
mitglieder konnten nicht eruiert werden.
In diesem Falle scheint demnach eine Generation thatsächlich
übersprungen worden zu sein.
Bei Kölpin (1897) leidet ein Brudersohn des 31 Jahre alten
Patienten an derselben Krankheit, während die Eltern des Kranken ge¬
sund sind und auch sonst von ähnlichen Erkrankungen in der Familie
nichts bekannt ist
Aehnlich liegt die Sache in den Beobachtungen von Labouverie
(1899): Hier sind von Neurofibromatose befallen der 34jährige Sohn
(Obs. 1), der 56 jährige Vater (Obs. 2), endlich der 88 jährige Onkel des
letzteren, also der Grossonkel des ersteren Patienten (Obs. 3).
Die Heredität kann sich gelegentlich auf weitere Generationen
erstrecken und sich gelegentlich in vier Generationen mit Sicherheit
nach weisen lassen.
So gibt Patient 7 meiner Kasuistik (1901) mit Bestimmtheit
an, dass seine Grossmutter väterlicherseits und sein Vater (wie auch sein
älterer Bruder) am ganzen Körper die gleichen Geschwülste wie er selbst
und sein Sohn (mein Fall 6, 1901) gehabt habe.
Weniger sicher ist eine solche weitgehende Heredität in den
klassischen Beobachtungen von Hecker (1858) und Czerny (1874)
zu verfolgen:
Rosine Geng in Hecker's Beobachtung (1858) besitzt mehrere
Anverwandte, bei welchen analoge Hauttumoren ärztlicherseits konstatiert
wurden, namentlich hatte ihr Grossvater mütterlicherseits zahlreiche bis
faustgrosse Geschwülste und Warzen auf dem Rumpfe, sein Bruder einen
kolossalen Tumor auf dem Rücken und ein Bruder von ihr soll von
Geschwülsten nicht frei gewesen sein. Ihre Tochter war Therese Geng
in Czerny’s Beobachtung (1874), welche an allgemeinen multiplen Neu¬
romen litt
Plexiforme Neurome können abwechselnd mit multiplen Neuro¬
fibromen in einer und derselben Familie auftreten.
So ist der 43jährige Patient F. Mayer von v. Bruns (1870)
Träger eines plexiformen Neuroms der linken Schläfengegend, sein
33 jähriger Bruder P. Mayer Träger allgemein multipler Neurome und
einer ganz analogen, kongenitalen Geschwulst der linken Schläfengegend
wie der ältere Bruder.
Die 10jährige Susy Merschei von Herczell (1890, Fall Ha,
Taf. IH, p. 59) zeigte ein plexiformes Neurom der linken Hinterohr¬
gegend, kombiniert mit Pachydermatocele des linken Armes und zahl¬
reichen Pigmentflecken, die Mutter derselben, Eva Merschei (Fall nb,
Taf. IV, p. 66), multiple Neurofibrome, Pigmentflecke und Naevi
vasculosl
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Mutter und Grossmutter (mütterlicherseits) der Patientin von L.
Philippson (1893) zeigten beide in der rechten Inguinalfurche ein
nussgrosses, gelapptes, schmutzigbraunes Fibrom, während die Tochter
bezw. das Enkelkind eine „universelle Pigmentose mit molluskoiden Neuro-
fibiomen“ aufwies.
In den Beobachtungen von Hecker (1858) und Czerny (1874)
fanden sich in einer Familie nebeneinander:
1. multiple Fibrome der Haut,
2. ein „beschränktes Fibrom“ der Haut im Sinne von v. Reck¬
linghausen, Gruppe b, und
3. allgemein multiple Neurome;
nämlich: die Mutter Rosine Geng (Hecker 1858) ist mit multiplen
Fibromen der Haut behaftet; ihr Grossvater mütterlicherseits desgleichen;
sein Bruder ist Träger eines kolossalen Tumors des Rückens; Rosinen’s
Tochter, Therese Geng (Czerny 1874), litt an allgemein multiplen
Neuromen.
Alle diese Beobachtungen sind schon deshalb von besonderem
Werte, weil durch sie die Zusammengehörigkeit von klinisch oft
durchaus unähnlichen Bildern auf das evidenteste erwiesen wird.
Schon die histologische Aehnlichkeit dieser Neubildungen und der
Umstand, dass sie bei sonst typischen Fällen von generalisierter
Neurofibromatose an einem und demselben Individuum, d. h. mit¬
einander kombiniert Vorkommen, lässt ja an dieser Zusammengehörig¬
keit keine Zweifel auf kommen.
Uebrigens Hessen sich mit Leichtigkeit aus der Literatur mehr
solcher Beispiele anführen. (Fometiung folgt.)
Ueber die Puerperaleklampsie.
Kritisches Sammelreferat über die von 1890 bis Ende Juni 1902
erschienenen Arbeiten.
Von Dr. Josef Schnürer, Wien.
(Fortsetzung.)
97) Gessner, Zur Aetiologie der Eklampsie. I.-D., Halle 1900. Ref. C.
f. Geb. 1900, p. 823.
98) Ders., Giessener Kongr. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 152.
99) Geuer, Ueber Eklampsie. Ges. f. Geb. in Köln, 5. Juli 1899. Ref. in
C. f. G. 1894, p. 1050.
100) Gley, Vier Fälle von Eklampsie. Senaain m£d. 1892, Nr. 14.
100a) Ders., Ueber die mikrobische Natur der Eklampsie. Abeiile m6d. 1892.
Ref. in C. f. G. 1892, p. 772.
101) Glöckner, Zur Behandlung und Statistik der Eklampsie. A. f.
Bd. LXIH, p. 166.
102) Ders., Ges. f. Geb. in Leipzig, 15. Okt. 1900. Ref. in C. f. G. 19 01 »
p. 308.
103) Goedecke, Klinische Beobachtungen über Eklampsie. Z. f. G. u. Gyn-.
Bd. XLV, p. 45.
104) Goenner, Experimentelle Untersuchungen über die Giftigkeit des Urins.
C. f. G. 1901, p. 837.
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137
105) Goria, c. bei Ludwig u. Savor.
106) Goldberg, Beiträge zur Eklampsiefrage auf Grund von 8i Fällen. A,
G., Bd. XLI, p. 295.
107) Ders., Dasselbe (Fortsetzung). A. f. G. t Bd. XLII, p. 87.
108) Gottschalk, Deutsche Ges. f. Geb. u. Gyn., 6. Versammlung in Wien.
Ref. in C. f. G. 1895, P* 7 & 3 -
109) Grandin, Ueber Eklampsie im Wochenbett. Americ. journ. of obstetr.,
Juni 1900. Ref. in C. f. G. 1900, p. 1212.
110) Grifford Nash, Die Wichtigkeit der Behinderung des Urinabflusses
für die Entstehung der puerperalem Eklampsie. Lancet 1892.
m) Gueniot, Französ. Chirurgenkongress in Paris 1893. Ref. in C. f. G.
1893, P . 915.
112) Ders., Disk. Charpentier. Ref. in M. m. W. 1893, p. 97.
113) Gürich, Der Wert des Morphiums bei der Behandlung der puerperalen
Eklampsie. I.-D., Breslau 1897.
114) Guyesse et Bar, vergl. Bar et Guyesse.
115) Haegier, Zur Frage des Eklampsiebacillus. C. f. G. 1892, p. 996.
116) Halban, Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 176.
117) Ders., Agglutinationsversuche mit mütterlichem und kindlichem Blute.
W. kl. W. 1900, p. 545.
118) Ders. u. Landsteiner, Ueber Unterschiede des fötalen und mütter¬
lichen Blutserums. M. m. W. 1902, p. 473.
119) Hanemann, Zwei Fälle puerperaler Eklampsie bei Zwillingsschwestern.
M. m. W. 1896, p. 475.
120) Hecht, Ueber einen im Harn eines Eklamptischen gefundenen Mikro¬
organismus. Orv. Hetilap. 1893, p. 35. Ref. in C. f. G. 1894, P* 1180.
121) Hergoit, Betrachtungen über die Pathogenese der puerperalen Eklam¬
psie. Ann. de gyn. et d’obst. 1893. Ref* in C. f. G. 1895, P* I 5 °*
122) Ders., Ueber die Pathogenese der puerperalen Eklampsie. Le progr.
m£d. 1892, p. 9.
123) Herff, Zur Theorie der Eklampsie. C. f. G. 1892, p. 230.
124) Ders., Ein Beitrag zur Theorie der Eklampsie. M. m. W. 1891, p. 79.
125) Herrmann, Zur Pathologie der Placenta. C. f. G. 1900, p. 1065.
125 a) Ders., Fünf Fälle von Eklampsie. Ges. f. Geb. in London 1891. Ref.
in C. f. G. 1891, p. 1057.
126) Herrmann, Sechs weitere Fälle von Schwangerschaft und Geburt bei
Morbus Brightii. Ges. f. Geb. in London 1894. Ref. in Schmidt, Bd. CCLXIII,
p. 217.
127) Herzfeld, Ueber das Wesen und die Therapie der Eklampsie. Ges. f.
Geb. in Wien, 31. Jan. 1891. Ref. in C. f. G. 1891, p. 603 u. 1892, p. 193.
128) Ders., Beitrag zur Eklampsiefrage. C. f. G. 1901, p. im.
129) Hoche, Ueber histologische Verletzungen der Leber und Nieren bei
zwei Fällen von Eklampsie. Graz, hebdom. de m£d. et de chir. 1898.
130) Hoeven, Aetiologie der Eklampsie. I.-D., Leiden 1896.
131) Ders., Die fötale Theorie über die Entstehung der Eklampsie (holländisch).
Ref. in M. m. W. 1899, p. 1433.
132) Hofmeister, Zur Charakteristik des Eklampsiebacillus Gerdes*. Fort¬
schritte der ges. Med. 1892, p. 899 u. 948.
133) Hogner, cit. bei Fest Mon. f. Geb., Bd. III, p. 329.
*34) H ölst, Graviditas extrauterina mit Eklampsie (norwegisch). Ref. in C. f.
G. 1898, p. 4 ® 7 *
135) Holtain, Zur Behandlung der Eklampsie in der Schwangerschaft. Edin-
bourgh med. journ. 1891. Ref. in C. f. G. 1891, p. 863.
136) Horn, Disk, zu Bayer. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XII, p. 655.
137) Ingerslev, dt bei Schreiber. Mon. f. G. u. Gyn., Bd. I, p. 476.
138) Jagodinsky, Pathologisch-anatomische Veränderungen des Grosshims bei
Puerperaleklampsie. I.-D., Petersburg 1895. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn.,, Bd. IV,
p. 281.
f 39) Jones, Eclampsia puerperalis. Med. rec. 1896, April. Ref. in C. f. G.
1896, p. 1207.
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138
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140) Jung, Zur pathologischen Anatomie der puerperalen Eklampsie. I.-D.,
Leipzig 1894,
141) Kaltenbach, Zur Pathogenese der puerperalen Eklampsie. C. f. G.
1892, p. 377.
142) Hamann, Kasuistischer Beitrag zur Eklampsie. M. m. W. 1902, p. 831.
143) Kennedy, cit. bei Favre. V. A„ Bd. CXXVII, p. 33.
144) Keough, cit. bei Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
145) Kier, Pathologisch-anatomische Untersuchungen über Eclampsia puer-
peralis. Mitteilungen aus den Hamburger Krankenanstalten 1897, P* 363. Ref. in
Schmidt, Bd. CCLVII, p. 13.
146) Kinoshita, JJeber grosszeilige deciduaähnliche Wucherungen auf dem
Peritoneum und den Ovarien bei intrauteriner Schwangerschaft. Mon. f. Geb. u. Gyn.,
Bd. VIII, H. 15.
147) Knapp, Klinische Beobachtungen über Eklampsie. Berlin 1896.
148) Ders., Dasselbe. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 365 u. 469.
149) Der*., Accouchement force bei Eklampsie. Prager med. W. 1900.
Nr. 51, p. 605.
150) Ders., Beitrag zur Geschichte der Eklampsie. Mon. f. Geb. u. Gyn.
1901, Bd. XIV, p. 65.
151) Ders., Zur Lehre von der Urämie. Giessener Kongr. Mon. f. Geb. u.
Gyn., Bd. XIV, p. 167.
152) Kordnyi, Physiologische und klinische Untersuchung über den osmo¬
tischen Druck tierischer Flüssigkeiten. Z. f. klin. Med., Bd. XXXHI.
153) Ders., Beiträge zur Aetiologie und Therapie der Niereninsufficienz. B.
kl. W. 1899. Nr. 36.
153a) Kollmann, Zur Aetiologie und Therapie der Eklampsie. C. f. G.
1897. p. 341-
154) Kossmann, Zur Geschichte des Wortes „Eklampsie“. Mon. f. Geb. u.
Gyn., Bd. XIV, p. 288.
155) Kouwer, Niederländ. Ges. f. Geb., 12. Nov. 1899. Ref. in C. f. G.
1900, p. 505.
155a) Kassjanow, cit. bei Maximow. V. A., Bd. CLI, p. 297.
156) Kroenig, Disk, zu Glöckner. C. f. G. 1901, p. 897.
157 ) Kroenig u. Füth, vide Füth u. Kroenig.
158) Kundrat, Ges. f. Geb. in Wien 1891, Nr. 2.
159) Ders., Zur Eklampsie der Primiparen. K. k. Ges. d. Aerzte in Wien,
23. Okt. 1891. Ref. in Fortschritte der Med. 1892, p. 551.
160) Langerhans, Eine ungewöhnliche Art der hämorrhagischen Erosionen
des Magens. V. A., Bd. CXX 1 V, p. 373.
161) Lannois, Einfluss des Absterbens des Fötus auf Albuminurie in der
Schwangerschaft. Lyon. mM. 1899, Nr. 7.
162) Leblond, Fünf Fälle von Eklampsie. Nouv. arch. d’obstr., Paris 1890.
163) Le tu Ile et Larrier, Die sekretorische Funktion der Placenta. Rev. de
gyn. et de chir. 1901.
164) Leusden, Beitrag zur 'pathologischen Anatomie der Puerperaleklampsie.
V. A., Bd. CLII, p. 1.
165) Lewinowitsch, Bakterielle Untersuchungen des Blutes bei Eklampsie
C. f. G. 1899, p. 1385.
166) Lindfors u. Sundberg, Beitrag zur Klinik und pathologischen Anatomie
der Eklampsie. Nord. med. Archiv, Bd. XXX. Ref. in C. f. G. 1898, p. 243.
167) Dies., Beitrag zur Kasuistik und pathologischen Anatomie der Eklampsie.
Upsala 1897. Ref. in Fortschr. d. ges. Med. 1898, p. 70.
168) Litzmann, cit. bei Goldberg. C. f. G., Bd. XLI, p. 293.
169) Löhlein, Ueber die Häufigkeit, Prognose und Behandlung der puerperalen
Eklampsie. Gyn. Tagesfragen 1891, p. 88.
170) Ders., Dasselbe. Deutsche Ges. f. Geb., 4. Versammlung in Bonn. Ref
in C. f. G. 1891, p. 468.
171) Ders., Giessener Kongress. Mon. f. Gteb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 152.
172) Lomer, Disk, zu Seifert. C. f. Gyn. 1900, p. 481.
173) Longyear. cit. bei Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
Go gle
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139
174) Ludwig u. Savor, Experimentelle Studien zur Pathogenese der Eklampsie.
Mon. f. Geb. u. Gyn. 1895, p. 447.
175) Dies., Erwiderung zum Aulsatze Volhards. Mon. f. Geb. u. Gyn.,
Bd. V, p. 619.
176) Lubarsch, Ueber pathologische Anatomie und Pathogenese der Eklam¬
psie. Corresp.-Bl. des mecklenburg. Aerzteverein 1892. Ref. in Fortschr. der ges.
Med. 1892, p. 596.
177) Ders., Zur Lehre von der Parenchymzcllen-Embolie. Fortschr. der ges.
Med. 1893, p. 805.
178) Ders., Die Knochenmarksembolie. V. A., Bd. CLI, p. 547.
179) Man ton, Betrachtungen über puerperale Convulsionen. Med. age 1896,
Nr. 2.
180) Marschner, Disk, zu Schmorl. C. f. G. 1902, p. 428.
180a) Mathes, Zur Autolyse der Placenta. C. f. G. 1901, Nr. 51.
181) Ders., Die Gefrierpunktsemiedrigung des mütterlichen und kindlichen
Blutes. C. f. G. 1901, p. 806.
182) Massen, Intermediäre Stoffwechsclprodukte als Ursache der Eklampsie.
C. f. G. 1895, p. 1105.
183) Ders., Zwischenprodukte des Stoffwechsels als Ursache der Eklampsie
(russisch). Ref. in C. f. G. 1896, p. 1208.
184) Ders., Wie soll man die Eklampsie beurteilen? Ges. f. Geb. in Peters-
burg, 18. Febr. 1899. Ref. * n Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. X, p. 837 u. 843.
185) Ders., Pathologisch-anatomische Veränderungen verschiedener Organe bei
Eklampsie. Ges. f. Geb. in Petersburg, 13. Dez. 1892. Ref. in C. f. G. 1893, p. 320.
186) Martin, Zur Pathologie der Placenta. C f. Gyn. 1900, p. 1153.
187) Mayer, Leop., Eclamp. part. Biblioth. for Laeger 1897. Ref. in
Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. VII, p. 457.
188) Maygrier u. Chavanne, Ueber Eklampsie; Tod infolge Gehirnblutung.
Ges. f. Geb. in Paris, 21. Dez. 1895. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XI, p. 738.
189) Maygrier, Ein Fall von Eklampsie p. part. Presse m6d. 1897, Nr. 48.
190) Maxiraow, Zur Lehre von der Parenchymzellen-Embolie der Lungen¬
arterien. V. A., Bd. CLI, p. 297.
191) Mercier u. Bar, vgl. Bar u. Mercier. Soctet£ de Biolog. in Paris,
4. Dez. 1897.
192) Monnier et Rappin, vgl. Rappin et Monnier. Fortschr. der ges.
Med. 1894, P* 7 ih.
193) Müller, H., Ueber die Entstehung der Eklampsie. A. f. Gyn., Bd.
LXVI, p. 234.
194) Nagel, Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 174.
195) Nauwerk, Bacillen bei Puerperaleklanipsie. Verein für wissenschaftliche
Heilkunde zu Königsberg, 28. Nov. 1892. Ref. in Fortschr. d. ges. Med. 1893, P- 77 -
196) Neumann, Disk, zu Ohlshausen. Berl. kl. W. 1892, p. 151.
197) Nicholson, Eklampsie und Schilddrüse. Lancet 1901, Juni.
198) Ders., Dasselbe. Ges. f. Geb. in Edinburg, 12. März 1902. Ref. in
Mon. f. Geb. u. Gyn. 1902, Bd. XV, p. 844.
199) Numers, Ges. fmuländischer Aerzte. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn.,
Bd. I, p. 495 .
(Schluss der Literatur folgt.)
Auch andere Organe weisen bei den an Eklampsie verstorbenen
Frauen mehr oder minder hochgradige Veränderungen auf, öfter so
schwere und so konstante Schädigungen, dass z. B. Jagodinski 188 )
in acht Fällen die Gehirnveränderungen direkt als zur Er¬
klärung der Eklampsie ausreichend findet Sein Befund lautet:
„Diffuse Entzündung mit fettiger Degeneration der Nervenzellen und
Vacuolenbildung, namentlich in der Gegend der Bewegungscentren,
öfter, aber nicht konstant mit Blutungen verbunden; reichlich aus-
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gewanderte Leukocyten, welche selbst ins Zellprotoplasma eindringen;
durch Neurogliawucherungen und Anschwellen der Endothelzellen in
den Capillaren und kleinen Gefässen ist die Blutmenge sehr ver¬
mindert.“ Wenn auch dieser Befund bisher noch der Bestätigung
harrt, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass das Gehirn bei
Eklampsie nicht gerade selten in Mitleidenschaft gezogen wird; als
häufigste Veränderung ist der Blutung in die Hirnsubstanz oder in
die Seitenventrikel gedacht. Numers 199 ): starke Blutung in die
Seiten Ventrikel; Schmid 260 “): Blutung in den Lob. paracentralis
und obersten Teil des Gyrus centralis; Prutz 210 ): taubeneigrosser
Herd in der linken Grosshimhälfte, im rechten Schweifkern zwei
linsengrosse Blutungen. Schwab 260 ): Blutungen in die Hirnhäute
der rechten Hemisphäre; Lubarsch 176 ): in 14 Fällen regelmässig
Gehirnblutungen; Maygrier und Chavane 188 ): im vierten Ventrikel
ein grosser Bluterguss; Boissard 80 ): auf der linken Gehirnoberfläche
ein grosser circumscripter Bluterguss; Winkler 286 ): in neun Fällen
Blutungen, die jedoch für die Entstehung der Eklampsie nicht in
Betracht kommen; Goldberg 106 ); bei 17 Sektionen viermal Gehirn¬
blutungen; Schmorl 237 ): bei 65 Sektionen 58mal kleine, seltener
grosse Blutungen und Erweichungsherde, bedingt durch Thrombose
oder Gefässveränderungen oder infolge der Blutdrucksteigerung;
Wilke 284 ): im Gehirn eines Kindes einer Eklamptischen, das gleichfalls
an Eklampsie gestorben war, mehrere encephalomalacische Herde;
Prutz 211 ): in 13 Proz. der obducierten Fälle von 500 Eklampsien
wurde eine tödliche Gehirnblutung entdeckt; Oedem und Anämie
fanden sich in 13 Proz., Oedem allein in 19 Proz.; bei Schreiber 241 )
52 Proz.; Maygrier 189 ): Blutung in den linken Seitenventrikel und
seine Umgebung. Vicarelli: in den Gehirngefässen eigentümliche
hyaline Kugeln und Ballen in den Gefässen, übereinstimmend mit
den Befunden bei Infektionskrankheiten bei Menschen und Tieren.
Ohl8hausen 200 ): bei 30 Gehirnsektionen Eklamptischer fünfmal Apo¬
plexie, zweimal Hämatome der Pia, in fünf Fällen Hyperämie des
Gehirns. Wäre es nicht denkbar, dass es sich, wenn auch in einem
kleinen Teil der Eklampsien, namentlich in jenen, von denen es in
der Krankengeschichte heisst: Tod nach einem Anfalle im Coma,
oder wie z. B. bei Maygrier 89 ): „vier leichte Anfälle post partum,
ohne Vorboten, ohne Albuminurie, Tod in kurzer Zeit im Coma;
Sektion: Blutung in den linken Seitenventrikel“ um eine Apoplexia
sanguinea handelt? Auch Lomer 172 ) spricht diesen Gedanken aus.
Hier wie dort: Kopfschmerzen, Unruhe, Erbrechen, Konvulsionen,
Coma; selbst Albuminurie ist bei Apoplexien nicht selten zu finden.
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ln einzelnen Fallen liegt die Sache ja ganz klar, so z. B. beobachtete
Büttner 87 ) eine Frau, welche 14 Tage ]>. p. plötzlich die klinischen
Erscheinungen einer rechtsseitigen, ausgedehnten Herdaffektion zeigte,
worauf sich erst Krämpfe einstellten. Und trotzdem die Diagnose
Eklampsie! Auch der Fall Braitenberg’s 35 ) erfordert dieselbe
Deutung: eine 36jährige I-para erleidet während der Geburt einen
schwelen apopiektischen Insult; erst bei dem Auspressen der Pla-
centa treten Krämpfe ein. Die Frau starb im Coma.
Auch die Placenta Eklamptischer war das Objekt zahlreicher
Studien. Favre 78 ’ 79 ) vindiziert den bei Eklampsie häufig sich findenden
weissen Infarcten die Hauptrolle bei der Entstehung der Eklampsie
als Brutstätte von Bakterien, von welchen aus die Infektion, be¬
günstigt durch eine Behinderung des Urinabflusses, ihren Ausgang
nimmt
S t roga n o wa 255 ) hatte Gelegenheit, 12 Placenten von
eklamptischen Frauen zu untersuchen und fand konstant 1. aus¬
gebreitete Hämatome, Atelektasen und Nekrosen, 2. die Zotten-
gefässe ausgedehnt und mit Blut überfüllt, 3. starke Hyperplasie
des Syncytiums, zahlreiche Syncytialknospen mit Zellkernen, 4. viele
Knospen frei im intervillösen Raume (Placentargiganten), also schwere
Störungen im Placentarkreislauf. Es ist jedoch nicht entschieden,
ob die Veränderungen nur von den Eklampsien oder von anderen
Erkrankungen herrühren. Auch Hermann 185 ) findet gutartige syn-
cytiale Wucherung der Placentarzellen bei Eklampsie, doch kann
Martin 184 ) dieselben in 30 Placenten normaler Frauen, und zwar
schon im siebenten Monat, die weder Albuminurie noch sonst eine
chronische Krankheit aufwiesen, finden. Winkler 386 ) kann dagegen
bei neun Fällen keine Veränderung der Placenta konstatieren, auch
Fehling 85 ) spricht sich gegen spezifische Veränderungen in der
Placenta bei Eklampsie aus.
Es gibt fast kein Organ, das nicht das eine oder andere Mal
bei Eklampsie verändert gefunden worden wäre: das Herz paren¬
chymatös degeneriert, Blutungen und Zerfall der Muskelfasern
[Schmorl* 37 )], nekrotische Herde in der Milz, in den Lungenarterien,
-Capillaren und -Venen, zahlreiche autochthone Thromben mit
sekundärer Nekrose (Lindfors und Sundberg 166 ’ 167 ); Magenkatarrh
mit zahlreichen Schleimhautblutungen, hämorrhagischen Infiltrationen
und Nekrosen [Langerhanns 160 )]; schwere Gastritis parenchymatosa
{Dührssen 69 ),Prutz* 11 )]; auffallende Osteophytenbildung und relativ
häufig vorzeitige Verknöcherung des Schädeldaches [Herzfeld 1 * 8 )];
reichliche Hautblutungen [Geuer 99 )]; Proliferation von Epithelzellen
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des Peritoneums vom Uterus und Becken, von den Ovarien [Chile-
cotti 47 )]; blutige Infarkte in Milz, Pankreas, Nebennieren [Prutz* 11 )].
Auffallende zahlreiche Gcfässrupturen, mit Ablösung der Endothel¬
schicht in grösseren Fetzen, wodurch die zahlreichen Embolien und
Blutungen zu erklären sind. Ferner anämische und hämorrhagische
Nekrosen im Herzen und Pankreas, wahrscheinlich direkte Ein¬
wirkung einer toxischen Substanz [Schmorl* 80 ’* 85 )]. In einem Falle
sah Schmorl** 8 ) am grossen Netz hirsekorn- bis linsengrosse,
meist gestielt aufsitzende, aus deciduaähnlichen Wucherungen be¬
stehende Knötchen. Allerdings stellen diese Wucherungen, wie
Kinoshita 146 ) unter Birch - Hirschfeld's Leitung bei 11
Puerperen nachweisen konnte, einen konstanten in der zweiten Hälfte
dar Schwangerschaft dar.
Einer gesonderten Betrachtung bedürfen die Befunde von
Körperzellenembolien, die von Schmorl* 80, * 31 ) bei Eklampsie
zuerst beschrieben und als typischer Befund der Eklampsie zu¬
geschrieben worden waren. Der regelmässige Befund sowie ihr
zahlreiches Auftreten veranlasst« ihn sogar, ihnen eine ätiologische
Rolle zuzuweisen. Auch andere Forscher konnten die Thatsache
bestätigen. Es fanden sich Leberzellen, Placentarriesenzellen,
Knochenmarkzellen, sehr häufig Fettzellen in den verschiedensten
Organen, in der Leber und namentlich in den Lungen [Schmorl* 81 ),
Lindfors und Sundberg 166 ’ 167 ), Lubarsch 177 ), Schildknecht** 8 ),
Aschoff 7 ), Leusden 164 ), Jung 140 ), Virchow* 78 )]. Bald stellte es
sich jedoch heraus und Schmorl selbst war einer der ersten, dem die
Erkenntnis kam, dass diese Befunde zwar richtig und pathologisch
wie biologisch sehr interessant sind, aber der Eklampsie nicht allein
eigentümlich sind, geschweige denn eine ätiologische Rolle bei deren
Entstehen spielen. Aschoff 7 ) findet in der Lunge Zellen, die nach
seinen Untersuchungen aus dem Knochenmarke stammen und die
mit den Riesenzellen Schmorl’s identisch zu sein scheinen, auch
bei einer grossen Reihe anderer Erkrankungen: Carcinom, Typhus,
Peritonitis, Leukämie, Pneumonie; ja sogar bei gesunden plötzlich
Verstorbenen (Selbstmord, Hinrichtung), so dass er von einer, wenn
auch spärlichen physiologischen Verschleppung solcher Zellen spricht.
Den gleichen Befund erhebt Kassjanow 1568 ) bei allen an den ver¬
schiedensten Krankheiten gestorbenen Schwangeren. Auch Maxi-
raow 190 ) bestätigt das Vorkommen von Knochenmarkriesenzellen in
deu Lungen bei normalen Tieren. Ebenso fasst Leusden 184 ) die
in zwei genau untersuchten Fällen konstatierten Lungenembolien
vielkerniger Zellen, die vollständig mit den Placentarriesenzellen
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übereinstimmen, als ein accidentelles Ereignis auf; ein gerinnungs-
erregender Einfluss kommt diesen Zellen nicht zu. Lu barsch l77 > 18 )
findet auch bei einem Fall von Scharlach, ferner von Chorea Leber-
zellenembolien, auch Verschleppung von Placentar- und Knochen-
markzellen. Auch Virchow 278 ) vermag in den in der grossen
Mehrzahl der Fälle sich findenden Fettzellenembolien, die oft den
hochgradigen Embolien bei schweren Knochenfrakturen gleichen,
nicht die Ursache der Eklampsie zu erblicken.
Dass aber die massenhafte Einschwemmung von Placentar-
zellen in den Kreislauf nicht gleichgültig zu sein scheint, dafür
sprechen die Untersuchungen von J. Veit* 71 ) und anderen Autoren.
Aufschwemmungen z. B. von Leberzellen [Lubarsch 177 )], aber auch
anderer Organe [Foa und Pellancani* 07 ), Schmorl 288 )] erzeugen
Thrombosen und Gerinnungen. Injiziert man ferner einer Gans eine
Aufschwemmung einer Kaninchenplacenta intraperitoneal, so treten
im Gansserum sowohl Hämolysine als auch Syncytiolysine für die
Kaninchenplacenta auf [Veit]. — Vielleicht wäre eine Beobachtung
Schwabe’s 260 ), der eine eklamptische Frau mit den Symptomen
einer schweren Anämie sterben sah, ohne dass eine stärkere Blutung
erfolgt war, in diesem Sinne zu deuten.
Neuerdings haben Schölten und Veit 289 ), Veit 270 ) die Ein¬
wirkung von Zottendeportation auf das Serum von Kaninchen stu¬
diert, wobei sich als wesentlichstes Resultat dieser Versuche das
Auftreten von Albuminurie bei Kaninchen, denen blutfreie Menschen¬
oder Kaninchenplacenta injiziert worden war, zeigte. Das Serum von
zwei eklamptischen Frauen zeigte keinerlei hämolytische Eigenschaften
für das Blut von Männern, nichtschwangerer oder schwangerer
Frauen. Stücke menschlicher Placenta, in Serum vorbehandelter
Kaninchen eingelegt, zeigten eine Auflösung der Kerne des Syn-
cytiuros, die grösser war als im Serum nichtimmunisierter Kaninchen.
In einer weiteren Mitteilung in der geburtshilflichen Gesellschaft in
Berlin glaubt Veit 270 ) schon ziemlich sicher das Entstehen der
Schwangerschaftsniere auf die Aufnahme von Zellen der Eiperipherie
zurückführen zu können. Veit gibt auch zugleich eine Direktive,
in welcher unser therapeutisches Denken bei Eklampsie sich fürder
bewegen soll: entweder Darstellung eines Immunserums oder Organo¬
therapie, wobei man eines derjenigen Organe darreicht, die entgiftend
auf das Serum wirken.
Das Charakteristische im Sektionsbefunde, wodurch die ana¬
tomische Diagnose ermöglicht wird, sind nach Schmorl 286 ) weniger
die einzelnen Veränderungen in den Organen als vielmehr der ganze
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Komplex: Degeneration der Niere, des Herzens, anämische und
hämorrhagische Nekrosen in Leber, Niere, Pankreas, Gehirn; multiple
Thrombosen und Körperzellenembolien. Diese Veränderungen sind
einander koordiniert und verdanken einer gemeinsamen Ursache ihre
Entstehung.
Der Gedanke, dass die Eklampsie wenigstens in einer Reihe von
Fällen einer Intoxikation infolge der Invasion eines organisierten Er¬
regers ihr Entstehen verdankt, liegt ja bei der jetzt herrschenden Ge¬
dankenrichtung der ätiologischen Forschung recht nahe [Schreiber* 40 )*
Hergotts m ), Neumann 196 ), Stroganoff 248-254 ), Sowal 259 )], zumal
da gewisse Vorkommnisse, allen voran eine von vielen Autoren be¬
stätigte Häufung [z. B. Bidder 21 ), Nagel 194 ), Schatz 226 ), Lomer 72 ),
Das 57 ), Braitenberg 85 ), Sourel 269 )] ihres Auftretens an ein ähn¬
liches Verhältnis bei den Infektionskrankheiten gemahnt. So stellt
Stroganoff 249 , 251 ) eine Reihe von Punkten zusammen, welche die
Anschauung zu unterstützen geeignet sind: die Eklampsie ist eine
akute, fieberhafte Erkrankung des ganzen Organismus; sie immunisiert
durch ihr Ueberstehen; sie ist übertragbar sowohl von Mutter auf
Kind (Knabe oder Mädchen) wie auch auf andere Gebärende, selbst
durch Mittelspersonen (Hebammen); sie ist daher in grossen Kliniken
und Gebärhäusern und in Städten häufiger als auf dem Lande und
in kleinen Kliniken; auf einen auswärtigen Fall folgen meist mehrere
interne, autochthone Fälle, öfter Serien weise gehäuft. Stroganoff 248 ’ 251 )
geht sogar noch weiter, indem er auf Grund seiner Beobachtungen
ein flüchtiges, drei Wochen lang virulent bleibendes Contagium po¬
stuliert, das durch die Lunge in den Körper eindringt und nach einer
10—208tündigen Inkubation die Erkrankung zum Ausbruche bringt.
Im gleichen Sinne sprechen sich in der geburtshilflichen Gesellschaft
in Kiew Matwejen und Pissomsky (Diskuss, zu Abuladse) aus
Kaltenbach 141 ) bringt als Vorwort zur Publikation des „Eklampsie¬
bacillus“ von Gerdes 98 ) eine Reihe von unterstützenden Thatsachen
vor: So wäre für die Annahme, dass eine Infektion besteht, die von
der Placenta resp. Decidua ihren Ausgang nimmt, die oftmals be¬
stätigte Thatsache heranzuziehen, dass sowohl die Erkrankung selbst
in den meisten Fällen wie auch die einzelnen Anfälle an das Auf¬
treten der Wehen gebunden sind, durch welche das Einschwemmen
der in der Placenta gebildeten deletären Substanz in den allgemeinen
Kreislauf erfolge; allerdings sind nach Bidder 21 ) nur in 62 Proz. der
Fälle die Krämpfe an die eigentlichen Geburtswehen gubunden;
ferner die relative Häufigkeit der Eklampsie bei Zwillingen (event.
doppelte Placenta) gegenüber Hydramnios, die engen Beziehungen
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zur Schwangerschaftsnephritis und zur Behinderung der Urin-Bak¬
terienausscheidung überhaupt, die Seltenheit einer zweiten Erkrankung,
Immunisierung, der günstige Effekt der Entleerung des Uterus, des
Absterbens des Kindes [Ohlshausen 200 ), Schreiber 240 ), Saft 221 ),
Lannois 161 ], die nervösen Nachkrankheiten ganz analog den bei den
Infektionskrankheiten beobachteten, alles kann in jenem Sinne ge¬
deutet werden. Nichtsdestoweniger fordert aber Kaltenbach speziell
bei der Beurteilung der Aetiologie zu grosser Vorsicht auf, denn
„die Eklampsie ist ein Symptomenkomplex, der durch eine Reihe
verschiedener Noxen herbeigeführt werden kann.“ Neuerdings sucht
Müller 193 ) in einer eingehenden Arbeit die Infektionstheorie zu
verfechten. Doch fehlt es auch nicht an Stimmen, welche der In¬
fektionstheorie jede Berechtigung absprechen [Redlich* 15 ), Rein 217 ),
Fehling 84 ), Bogatirew 28 ), Massen 184 > 185 ] und die namentlich den
Grundpfeiler der Theorie, die auch von ihnen anerkannte Häufung
der Anfälle, auf tellurische Einflüsse beziehen [Nagel 194 ), Schatz 226 ),
Veit 271 ), Zangemeister 291 ), Horn], insofern dieselben die Ent¬
zündung der Nieren begünstigen; Bidder 21 ) und Ahlfeld 2 ) sprechen
direkt von einem Zufall der Zahlen, der beim Rechnen mit grossen
Zahlen wegfallen würde. Wichtiger aber als dieses statistische und
somit stets bis zu einem gewissen Grade trügerische Gegenargument
sind die nicht seltenen Beobachtungen, nach welchen trotz enger
Berührung der Erkrankten mit den Gesunden (gemeinsame Schlaf¬
räume [Ahlfeld 2 ] niemals eine Infektion einwandsfrei zustande
gekommen ist [Bidder 21 ), Fehling 85 )]; auch dass nur Schwangere
und ganz besonders nur solche aus den letzten Schwangerschafts¬
monaten und mit Vorliebe Erstgeschwängerte befallen werden, spricht
gegen Infektion [Ahlfeld 2 )]. Dass bis jetzt trotz vielen Bemühens
der supponierte Erreger noch nicht einwandsfrei nachgewiesen er¬
scheint, ja dass sich in vielen genau untersuchten Fällen im ganzen
Organismus kein Erreger — wenigstens mit unseren jetzt üblichen
Methoden — nachweisen lässt, ist natürlich kein Gegenbeweis gegen
die Infektionstheorie. Mühen wir uns doch schon jahrzehntelang,
den Erreger unserer typischen Infektionskrankheiten (Masern, Syphilis,
Scharlach, Blattern) zu entdecken ohne jeden Erfolg; deren In¬
fektionsnatur wird aber doch niemand auf Grund der negativen Be¬
funde anzweifeln wollen? Auffallend ist allerdings, dass ein für
Infektionskrankheiten sonst recht typischer Befund, die Milzschwellung,
bei der Eklampsie vermisst wird [Massen 185 )].
(Fortsetzung folgt.)
Ontralhlatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI.
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Nierenabscess und Perinephritis.
Eine zusammenfassende Studie von weil. Dr. E. Herszky.
(Fortsetzung.)
Als äusserst sicheres, jedoch ungemein seltenes Zeichen sind
die schon erwähnten „Gewebsfetzen der Niere“ aufzufassen.
Ueber die diagnostische Bedeutung der Kryoskopie und der
„funktionellen Methoden“ wird im Kapitel „Therapie“ ausführlicher
die Rede sein.
Bei der Unzuverlässigkeit der hier kurz geschilderten dia¬
gnostischen Hilfsmittel darf es nicht wunder nehmen, dass Max
Wolff 802 ) seit einer Reihe von Jahren für die Wichtigkeit der
diagnostischen Nierenresektionen mit anerkennenswerter Aus¬
dauer eingetreten ist.
Er stellte aus der Literatur die diesbezüglichen Fälle zusammen
und, wie wir bei Besprechung der Therapie noch hervorheben werden,
illustrierte er an zahlreichen Tierversuchen die Bedeutung der
Nierenresektionen. — Wagner 281 ) äusserte sich über diese Frage
wie folgt: „Die Nierenresektion steht erst im Beginn ihrer Leistungs¬
fähigkeit, mit zunehmenden Erfahrungen wird sie hoffentlich eine
ausgedehntere Anwendung finden, als wie bisher.“ — Wagner
schrieb diesen Satz im Jahre 1897; wir sind heute noch nicht weiter
gekommen.
Bloch 26 ) gebührt das Verdienst, eine ganze Reihe von Fällen
beobachtet zu haben, deren Diagnose erst durch die Nierenresektion
klargestellt werden konnte.
Ein 31 jähriger Mann leidet seit U/j Jahren an Nierenkoliken,
die von gleichzeitigem Tenesmus urinae, Abmagerung begleitet sind.
Die rechte Niere ist schmerzhaft und vergrössert. Die Diagnose
schwankt zwischen Nierensteinen, Hydronephrose mit leichter Pyelitis,
oder Wanderniere, später wurden sogar Neoplasmen in der Niere
vermutet
Selbst nach Freilegung der Niere führte weder Palpation, noch
die an fünf Stellen vorgenommene tiefe Punktion, ja sogar die In-
cision zu keiner bestimmten Diagnose. Die Kapsel charakterisiert
sich durch kleine Ekchymosen und einige wenige bläuliche Pro¬
minenzen, die Schnittfläche des Nierenparenchyms ist „rötlich, grau
opak“. Bloch reseciert ein Stück aus der Corticalsubstanz, weil er
ein beginnendes Neoplasraa vermutet. Die mikroskopische Unter-
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Buchung des resecierten Stückes ergibt eine durch Staphylococcus
pyogenes aureus bedingte Nephritis bacteritica.
Im zweiten Falle handelte es sich um eine 35jährige Frau, die
seit acht Jahren, anfangs in monatlichen Intervallen, an schmerz¬
haften „Nierenattaquen“ leidet. Kein Tumor, kein Fieber, Harn nor¬
mal. — Blosslegung und Punktion der Niere, selbst Nephrotomie
und Eröffnung des Nierenbeckens führten zu keinem Resultat. Ex-
cision eines Nierenstückes aus dem Parenchym, dessen mikroskopische
Betrachtung eine chronische interstitielle Nephritis mit beginnender
Perinephritis eigab. Im dritten Falle kam Bloch 1 *) ebenfalls erst
durch die mikroskopische Untersuchung des resecierten Nierenstückes
zur Diagnose einer chronisch-interstitiellen Nephritis mit kleinen
Abscessen.
Nicht interesselos ist, wenn wir auch den vierten Fall
Bloch’s 1 '*-) hier anführen. Es bestand Verdacht auf Pyonephrose
mit Steinbildung bei einer 31jährigen Frau. In der linken Seite
ein nach allen Richtungen verschiebbarer Tumor. Punktion durch
die Haut in der Lumbalgegend, Freilegung der Niere, Nephrotomie
in der ganzen Ausdehnung, so dass sogar der Finger ins Nieren¬
becken eingeführt werden kann. Von einem Stein keine Spur. Die
Nierenschnittfläche erscheint, makroskopisch betrachtet, wie bei
chronischer Nephritis. Resektion eines Nierenstückes. Die mikro¬
skopische Diagnose stellt eine ganz normale Niere fest. — Es
lag eine Milzcyste vor.
Auch Kümmel 189 ), Lennander und Sundberg 154 ) nehmen in
fraglichen Fällen mit Erfolg zur diagnostischen Verwertung der
Nierenresektion Zuflucht.
Eb scheint also, dass Küster’s 145 ) ultimum refugium, welches
in der blossen Freilegung und eventuellen Nephrotomie die Grenze
unserer diagnostisch verwertbaren Eingriffe findet, durch diese Mit¬
teilungen noch etwas ausgedehnt werden mag. Immerhin wird es
wohl nur selten hierzu kommen.
Wir müssen uns ferner stets vor Augen halten, dass es auch
Pseudoerkrankungen der Niere und der Harnleiter gibt. —
Eine recht lesenswerte Studie von Estrabaut 61 ) fasste diese zu¬
sammen. — Es gibt seltene Fälle von Nieren- und Ureterenkoliken,
nervöse Harnretentionen infolge Sphincterkrampfes oder nach Ver¬
letzungen der Blase bei operativen Eingriffen oder Geburt. Die
Harnsalze können auch mitunter eitrig getrübten Urin vortäuschen.
— Auch spontane Nierenschmerzen kommen bei Hysterie,
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Neurasthenie vor. Häufig diagnostiziert man Nephrolithiasis bei be¬
weglicher Niere, die beide gar nicht vorhanden sind.
Dass bei der Aufstellung der Diagnose diese Verhältnisse
ebenso einer genauen Kritik unterworfen werden müssen, wie auch
die einfach entzündlichen Veränderungen der Niere ohne Eiter¬
retentionen, und dass die letzte Zuflucht nicht immer gerade das
Messer sein darf, ergibt sich von selbst.
* *
*
Einige Worte noch über die Prognose.
Die traumatischen Niereneiterungen geben die günstigste
Prognose, falls keine Zertrümmerung oder offene Verwundung der
Nieren vorliegt. Mynster 188 ) hat bei Zertrümmerung der Nieren
eine Mortalität von 51 Proz., bei offener Verletzung sogar von 67 Proz.
feststellen können.
Auch die Niereneiterungen nach Calculose sind als verhältnis¬
mässig nicht ungünstig zu bezeichnen. Nach Abgang der Steine
und des Eiters kommt es häufig zur Resorption und zu vollständiger
Heilung [Senator 258 )].
Bei den chronisch schleppenden Eiterungsprozessen in der
Niere werden wohl der Gesamtzustand des Patienten und die genaue
Messung des Blutdruckes, sowie des Hämoglobingehaltes des
Blutes, wie dies insbesondere von Ziemssen 307 ) hervorgehoben
wird, den prognostisch richtigen Aufschluss geben können. Die
Beziehungen der Nierenaffektionen zur Blutflüssigkeit,
wie sie insbesondere bezüglich der chronischen Nierenentzündungen
von H. Strauss 268 ) studiert worden sind, können auch prognostisch
verwertet werden. Die vom Bacterium coli allein, ohne Zutritt von
Mischinfektion verursachten Nierenabscesse geben eine verhältnis¬
mässig gute Prognose [Wilnas 800 )]. Die metastatisch hervor
gerufenen Niereneiterungen geben die trostloseste Prognose. — Die
genaue Betrachtung des Grundleidens dürfte auch in diesem
Punkte das Urteil vorsichtiger fassen lassen.
6. Therapie.
Unser heutiges Zeitalter beginnt der konservativen Rich¬
tung auch auf dem Gebiete der therapeutischen Massnahmen zu
huldigen. Die Eiterungsprozesse der Niere bieten dem Arzt jedoch
wenig Gelegenheit zur Reserve, er muss vielmehr in den meisten
Fällen eingreifen. Die erste Pflicht ist ja, dem Eiterungsherd sobald
als möglich Abfluss zu verschaffen.
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Die medikamentöse Therapie, wie sie von Meudelsohn 179 ),
Gu4pin 95 ), Rovsing* 48 ) u. a. durch innerliche Darreichung von
Salol, Urotropin, Milchdiät, Ruhe, Hydrotherapie, Eisblase, Blut¬
entziehung u. s. w. empfohlen wird, kann in den noch nicht zur
Entwickelung gelangten Prozessen als symptomatisch vorgehende
Behandlungsweise mitunter von recht erfreulichem Erfolg gekrönt sein.
Auch die Lokalbehandlung durch Blasenausspülung, mit
innerlich dargereichten grossen Flüssigkeitsmengen kombiniert, kann
manchmal nicht vergebens versucht werden [Rovsing 1 ')].
In geeigneten Fällen ist in jüngster Zeit insbesondere von
Kelly 134 ) und Casper 42 ) die Nierenbeckenausspülung unter
Zuhilfenahme des kystoskopisch eingeführten Ureterkatheters ver¬
sucht worden.
Wenn auch sehr mangelhafte praktische Erfahrungen vorliegen
und heute noch kein sicheres Urteil über die Bedeutung dieser Heil¬
methode gegeben werden kann, lässt sich nicht leugnen, dass viele
Bedenken prinzipieller Natur von vornherein ausgesprochen werden
müssen.
Vor allem ist der Ureterenkatheterimus als therapeutischer
Behelf eine zweischneidige Waffe. Israel mlc ) warnt vor Verall¬
gemeinerungen. Das Verfahren müsste häufig wiederholt werden,
was für die Kranken nicht ganz harmlos ist. Andererseits ist die
Nierenbeckenausspülung zur Bekämpfung schon entwickelter Pyone-
phrosen mehr als unzureichend. Höchstens dürfte es sich um
Pyelitiden oder um infizierte Hydronephrosen gehandelt haben,
wenn dieses Verfahren in einzelnen Fällen genützt hat.
Schon die anatomische Entwickelung der Nierenabscesse, die
ja oft gar nicht mit dem Nierenbecken in Verbindung sind, ferner
auch der multilokuläre Charakter mancher Pyonephrosen lassen von
vornherein die Bedeutung der Nierenbeckenausspülung als imaginär
erscheinen. Noch schärfer äussert sich Israel 1 ' ): „Mit dem Augen¬
blicke, wo die Kommunikation der Kelchhöhlen mit dem Becken
verengt oder aufgehoben ist, wo sich pyelonephritische Abscessherde
im Parenchym entwickelt haben, wo sekundäre Konkrementbildungen
die Eiterung unterhalten oder konsistente, geschichtete Eiterpfropfe
vorhanden sind, welche den Katheter nicht passieren können, muss
die Spültherapie völlig wirkungslos bleiben. Dasselbe gilt bei tiefer
Teilung des Ureters, dessen beide Aeste die Ableitung des Harnes
aus zwei völlig voneinander gesonderten Kelchsystemen besorgen. —
Liegt gar eine tuberkulöse Aetiologie der Pyonephrose zu Grunde,
so kann das Verfahren nur schaden. — Ist der Prozess fieber-
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haft, so ist es nicht anwendbar. War der Patient fieberlos, re
agiert er aber auf die Einführung des Katheters und die Nieren¬
spülung mit Fieber, so ist es undurchführbar.“ (Vgl. ferner
Jessen 1 * 0 ) und Rose 289a) .)
Von dem technisch mitunter überhaupt unausführbaren Ure-
terenkatheterismus wollen wir absehen.
Aus ähnlichen Gründen kann von eventueller Sondierung, Di¬
latation, selbst vou der Ureterotomie kein Erfolg erwartet werden.
Bei sehr günstigen anatomischen Verhältnissen hat schon eine
öfter vorgenommene Punktion und Aspiration des Eitere genügt,
um Heilung zu ermöglichen (Lucas 167 ), Quincke 2 * 0 ), Rank” 3 ).
Bei beginnendem Empyem des Nierenbeckens infolge ureteral
bedingter Retentionshindernisse genügten in Fällen von Mc.
Arthur 176 ), Fenger 66 ), Verrifere 288 ) u. a. operative Eingriffe an
den Ureteren (Ureterotomie, Ureteropyelo-Neostomie, Pyeloplicatio,
plastische Operationen an den Ureteren etc.). Bardenheuer 13 ) ist
bestrebt, durch Verpflanzung des Ureters an die tiefste Stelle
des hydro- oder pyonephrotischen Sackes ungehinderten Abfluss und
somit Schrumpfung zu erzielen. Cramer 48 ) hat bei einer Pyone-
phrose ähnlich operiert und Heilung (mit normalem Harnabfluss)
erzielt.
Es handelte sich jedoch in diesen Fällen niemals um pri¬
märe Pyonephrosen oder Nierenabscesse. — Ferner ist es
fraglich, ob derartige Eingriffe nicht für den Patienten gefahr¬
drohender sind als die Operationen an der Niere selbst.
Immerhin muss daran fcstgehalten werden, dass alle diese
Versuche nicht vermögen, die Hauptmassregel: die Nephrotomie
(eventuell mit partieller Resektion der Niere) und die Nephrekto¬
mie zu ersetzen.
Es ist vielleicht an dieser Stelle am Platze, vorerst noch mit
einigen Worten jener Bestrebungen zu gedenken, die man all¬
gemein nach Rosenheim mit dem Ausdrucke „Funktionelle
Nierendiagnostik“ bezeichnet. Vor jedem operativen Eingriff
an den Nieren ist es vou therapeutischem Wert, festzustellen, in
welchem Masse die Nieren einzeln arbeitsfähig sind und ob nach
Exstirpation der einen Niere die zweite der Kompensation ge¬
wachsen ist.
Es ist unserer Ansicht nach in allen Fällen von chirurgischen
Nierenerkrankungen, also auch bei Betrachtung unseres jetzigen
Themas, angebracht, auf die Errungenschaften der funktionellen
Untersuchungen zurückzugreifen.
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Die Bestimmung des Harnstoffes des getrennt von jeder
Niere einzeln aufgesammelten Harnes war seit jeher der Massstab
dafür, ob ein therapeutischer Eingriff vom Standpunkte des Erfolges
indiziert sei oder nicht.
Der niedrige Harnstoffgehalt war als Omen malum von vielen
Autoren aufgefasst worden.
Eine Verallgemeinerung ist jedoch auch bei den Nieren¬
eiterungen nicht statthaft. Tuttle, Reynolds und Bergen 271 )
konnten in ihrem Falle allerdings aus dem Harnstoffbefund einen
richtigen Schluss ziehen. Der von der kranken Niere aufgefasste
Harn wies einen Harnstoffgehalt von 1,27 auf, wogegen der aus der
gesunden Seite stammende Harn 9,38 Harnstoff enthielt.
Israel 1271 ') führt jedoch ein „lehrreiches Beispiel“ dafür an,
wie wenig die Harnstoffuntersuchung uns in den Stand setzt, Klar¬
heit über die Prognose einer Nephrektomie zu gewännen. In seinem
Fall hat die Exstirpation der Niere trotz minimalen Harnstoff¬
gehaltes „Wunder gewirkt“. A. Rothschild 240 ) hat ebenfalls in
einem Falle trotz der 24 ständigen Harnstoff menge von 1,3 durch
Exstirpation der pyonephrotischen Niere Heilung erzielt. Der Harn¬
stoffgehalt stieg post operationem auf 1,9. — Auch Heaton 104 )
konnte beobachten, dass in seinem Falle der Harnstoffgehalt nach
Nephrektomie eine Zeit lang mehr betrug als vorher.
Die Kryoskopie des von Kohlensäure befreiten Blutes und
des Harnes, wie sie nach dem unermüdlichen A. v. Kordnyi 186 )
recht bald Allgemeingut geworden ist, wird in den meisten Fällen wert¬
volle Aufschlüsse gestatten. — Auch die Phloridzinglykosurie
(Casper und Richter 43 )) muss als Hilfsmittel herangezogen werden.
Ich habe an anderer Stelle 108 ) eine ausführlichere Schilderung
dieser Bestrebungen mit ihren Licht- und auch mit ihren Schatten¬
seiten gegeben. Hier sei nur nochmals hervorgehoben, dass vor
jedem operativen Eingriff auch in Fällen von Niereneiterungen diese
kurz angeführten Hilfswege, soweit eben möglich, nicht unberück¬
sichtigt bleiben mögen.
Die Nephrotomie verfolgt zwei Zwecke: Entleerung de6
Eiters und möglichste Schonung des funktionsfähig erscheinenden
Nierengewebes (Güterbock 94 ), Wagner 290 )). Israel 1271,0 ) setzt
noch die funktionelle Entlastung des Ureters „zum Zwecke
der Rückbildung seiner entzündlichen Veränderungen“ hinzu.
Die Niere wird gespalten, der Eiter entleert, die kranken
Partien werden excidiert, dann drainiert oder vernäht.
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Bei wahren Nierenabscessen ist dieser Vorgang erfolgreich und
oft von dauernder Heilung gekrönt. Wilnas 800 ) hat sogar eine Niere,
die von 20—30 Abscessen durchsetzt war, gespalten und reponiert.
— Fieber trat nicht auf; der Urin war in wenigen Tagen normal,
die Fistel schloss sich nach acht Wochen.
Johnson 124 ) behandelte sieben Fälle von Nierenabscessen mit
Incision und Drainage, erzielte jedoch nur in einem Falle dauernde,
vollkommene Heilung. Die sechs anderen Fälle mussten mit Fisteln
entlassen werden, welcher Zustand zwei allerdings nicht besonders
belästigt (!) — Fünf weitere Fälle wurden durch Nephrektomie
der Heilung entgegengeführt (dreimal primär und zweimal sekundär).
Während drei vollkommen hergestellt wurden, blieben in den zwei
letzten Fällen Fisteln zurück.
Pinner* 07 ) hat bei einer älteren Frau die in dicke fibröse
Massen eingebettete Eiterniere durch Incision der Schwarten und
Drainage zur Heilung gebracht. Die Patientin fühlte sich 4 s / 4 Jahre
post operationem noch immer recht wohl *).
Die stückweisen Excisionen oder sogar Resektionen eines
grossen Teiles der erkrankten Niere führten aueh nicht selten zu
dauernder Heilung. — In sechs Fällen von Rindenabscessen ge¬
nügten die von Morris 187 ) vorgenommenen partiellen Resektionen.
Nur in einem Falle musste wegen rasch hinzugekommener akuter
Allgemeinentzündung die sekundäre Exstirpation eine Woche nach
der ersten Operation angeschlossen werden.
Die Rückbildungsfähigkeit nach Resektion ist von mehreren
Autoren zu Gunsten des konservativen Verfahrens betont worden.
Kümmel 139 ) hat bei einer 41jährigen Frau die deutlich fluk¬
tuierende, dem oberen Nierendrittel gehörende Geschwulst eröffnet,
die grossen Eitermengen mit dem dieselben verursachenden Stein
und dessen Bröckeln entfernt, die verschiedenen kleinen Abscesshöhlen,
die durch dünne Wände voneinander getrennt waren, zerstört und
zu einer grossen Abscesshöhle vereinigt. Dann excidierte er die
diesen Abscess begrenzenden festen Nierenparenchymteile und schloss
durch Naht die Wunde, nachdem er mehr als ein Drittel der Niere
entfernt hatte. — Verlauf gut. Drei Jahre nach der Operation war
die Heilung noch ungestört
*) Weitere Kasuistik, soweit dieselbe nicht in der Abhandlung selbst dtiert
ist, siehe in den Literaturangaben: insbesondere Bennecke 22 ), Mc. Nicoll 177 ),
Routier 241 ), Winter 801 ), Watson 285 ), v. Hippel 111 ), Olivieri *° l ), Szuman 270 ),
Gangolphe 7g ), Hudson 118 ), Niemeyer 188 ), Reynier 280 ), Mandry 172 ), Suarez 288 ),
Neumann 188 ), Floderus 71 ) etc. Vergl. ferner Wagner, Hübener 117 ), Hanne-
cart 102 ), Mauny 176 ) u. s. w.
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Tuffier* 78 ) excidierte ebenfalls bei einem ähnlichen Prozess
die ganze renale Abscesshöhle. Von der Niere blieb etwa ein man¬
darinengrosses Stuck zurück. Heilung vollkommen.
Ebenso mutig ging Bardenheuer 18 ) vor, der nach Ablösung
der Nierenkapsel, deren vordere Fläche von einem Stein bereits
perforiert war, eine quere Nierenresektion des unteren Drittels
vornahm, da die obere Hälfte der freigelegten Niere gesund war.
Seine Bemühungen krönte eine dauernde Heilung der Patientin.
Auch Waitz* 9 *), welchem die Exstirpation der in eine Abscess¬
höhle verwandelten etwa zwei- bis dreifach vergrösserten Niere
wegen der den Hilus umgebenden festen, fibrösen Masse misslang,
unternahm die Resektion der Abscesswandungen, indem er die noch
vorhandene Nierensubstanz „in verschiedenen Portionen“ von der
Mitte aus mit starken Seidenfäden abband. — Verlauf fieberfrei;
keine Fistelbildung, Heilung.
Bei Betrachtung dieser Fälle bemerkt Wolff 80 * l c ) sehr richtig,
dass der Fortschritt der Nierenresektionen der einfachen Nephro¬
tomie gegenüber darauf beruht, dass durch die Spaltung nicht
sämtliche zu eröffnenden renalen Abscesshöhlen in toto entfernt
werden und dadurch in verhältnismässig kurzer Zeit die Möglichkeit
einer Heilung erzielt wird. Die Konservierung der mehr oder
weniger funktionsfähigen Partien des Nierengewebes ist um so not¬
wendiger, als durch die langdauernden Eiterungen auch die zweite
Niere nicht selten parenchymatös, amyloid oder auppurativ er¬
krankt sein kann.
Diese Worte sind um so beherzigenswerter, als ja in vielen
Fällen, wo multiple, kleinere und grössere Eiterherde in den Nieren
vorhanden sind, die Nephrotomie allein zu keiner dauernden
Heilung führt, da es nicht gelingt, allen Eiterherden ausreichenden
Abfluss zu ermöglichen. Die Eiterung hört also nicht auf, die
Nephrotomie wunde schliesst sich nicht und es bleiben stark eiternde
Fisteln zurück. (Vgl. Newmann 190 ), Johnson 1 *), Floderus 71 )
Gerster 81 ), Chevaliere und Mauclaire 45 )). (Fort«etnmg folgt.)
II. Referate.
A. Pleura.
Lee pleuräsies biliaires. Von Carlet. Thfese de Paris, G. Stein¬
heil, 1902.
Eine Studie über die im Gefolge biliärer Prozesse auftretenden
Pleuritiden. Gutartige Formen werden im Verlaufe oder nach Ablauf
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des katarrhalischen Icterus beobachtet Sie charakterisieren sich durch
rechtsseitigen Sitz und galliges Exsudat. Bei eitrigen Prozessen an den
Gallengangen treten verschieden schwere Entzündungen der Pleura auf,
zum Teil auf detn Wege direkter Fortpflanzung durch das Zwerchfell.
Auch chronische Gallengangerkrankungen, sowohl durch Cirrhose als
durch Gallensteine bedingte, führen zuweilen zu trockenen Pleuritiden.
Ihr Verlauf hängt zumeist von der Intensität des primären Prozesses ab,
ihr Entstehen verdanken sie einer Fortleitung des pathologischen Pro¬
zesses auf dem Wege der Blut- oder Lymphbahnen, seltener einem
direkten Uebergreifen. Alle Formen stehen gerade so wie die Pneumo-
coccenpleuritiden, rheumatische und typhöse Pleuritiden u. s. w. in
strengem Gegensätze zu den tuberkulösen Formen. Zwölf Kranken¬
geschichten. F. Hahn (Wien).
Contributo allo studio del potere di assorbiinentö della pleura in
alcune forme di pleuriti. Von R. C. Regolo. Clinica medica
italiana, anno 40, Nr. 4.
Zur Feststellung der Veränderung der Resorptionsfähigkeit der er¬
krankten Pleura verwendete Regolo Injektionen von Methylenblau und
beobachtete das Auftreten des Farbstoffes im Urin. Die Schnelligkeit
der Resorption erwies sich als annähernd normal in Fällen unkompli¬
zierter einfacher sero fibrinöser Pleuritis, etwas verzögert bei subacuter
und mehr noch bei der chronischen Form. Eine starke Herabsetzung
der Resorptionsfähigkeit zeigte sich bei der Pleuraaffektion tuberkulöser
Natur.
Die bei diesen einzelnen Formen verschieden stark auftretende
Bildung von Pseudomembranen und Schwarten ist nach des Verfassers
Ansicht bestimmend für die raschere oder langsamere Resorption, deren
normaler Verlauf nur bei ungestörter Funktion der Lymphbahnen der
Pleura möglich ist
Die Anwendung der intrapleuralen Methylenblauinjektion erwies
sich als völlig schmerzlos und hatte ausserdem eine die Temperatur
herabsetzende Wirkung.
Der Verf. weist darauf hin, dass die Beobachtung dieser Resorp¬
tionsfähigkeit von Nutzen sein kann bei Indikationsstellung und Prognose
einer eventuellen Thoracocentese, doch ist bei Verwertung der Resultate
darauf zu achten, ob von Seiten der Nieren keine Störung vorliegt
Heiligenthal (Baden-Baden).
Traitement des pdritonites et des pleurdsies tnberculeuses s£ro-
fibrinenses par les lavages d’eau sterilisöe trös chande. Von
Mai not Thöse de Paris, G. Steinheil, 1901.
Autor berichtet über neun Fälle von tuberkulöser Peritonitis mit
hochgradigem Ascites und vier Fälle von serofibrinöser Pleuritis, die
durch die Punktion und nachfolgende Auswaschung mit sterilisiertem
Wasser von 43—46° C. behandelt wurden. In fünf Fallen von Peri¬
tonitis wurde die Ascitesflüssigkeit möglichst vollkommen abgelassen,
die Bauchhöhle mit einer grossen Menge warmen Wassers (6 — 10 1 von
einer Temperatur von 43—46°) durchgewaschen und dadurch Heilung
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erzielt; ebenso wurde ein Fall durch Auswaschung init einem Liter
konzentrierter (?) Borsäurelösung geheilt. Bei drei Fällen, welche schon
früher punktiert worden waren, trat auf die zuerst erwähnte Behandlungs¬
weise hin nur eine vorübergehende Besserung ein.
Bei Behandlung der tuberkulösen serofibrinösen Pleuritis — in
dieser Form von Castaigne empfohlen und auch von ihm in unseren
Fällen ausgeführt — wurde stets nur ein Liter des Exsudats abgelassen
und durch Wasser von 46° C. ersetzt.
Alle vier Fälle wurden in kurzer Zeit geheilt, nach 8 —10 Tagen
verschwand der Erguss und es kam zu einer Ausheilung ohne Bildung
einer nennenswerten pleuritischen Schwarte. Die günstige Wirkung der
Waschung mit so warmem Wasser will Autor dadurch erklären, dass
durch die Einwirkung desselben die Virulenz der in der Pleura- resp.
Peritonealhöhle befindlichen Tuberkelbacillen geschwächt, die Vitalität
und Zahl der Leukocyten sowie die Permeabilität der Serosa vermehrt
würde. Scheint uns auch die theoretische Begründung der beobachteten
Vorgänge keineswegs ganz befriedigend, so sind doch die vom Verf.
berichteten Thatsachen höchst bemerkenswert und die empfohlene Be¬
handlungsmethode wert, weitere Anwendung und Erprobung zu finden.
L. Teleky (Wien).
La decorticazione del pulmone. Contributo alla patogenesi e tera-
pia dell’ empiema cronico. Von G. Pascale. Gazz. inter. di
med. prat. 1900.
Von der Erfahrung ausgehend, dass in Fällen chronischen Empyems
auch weitgehende chirurgische Eingriffe wie die Estlander’sche Thoraco-
plastik oder die Schede’sche Operationsmethode nicht oder nur unvoll¬
kommen zum Ziele führen, sobald die Empyemhöhle einen gewissen
Tiefendurchmesser überschreitet, empfiehlt Pascale nach dem Vorgänge
von Dölorme, die komprimierte und unbeweglich gewordene Lunge durch
Entfernung der verdickten und unnachgiebigen Pleura pulmonalis zu
mobilisieren. Die nun wieder ausdehnungsfähige Lunge soll sich als¬
dann der Thoraxwand vollkommen anlegen und das Persistieren von
Hohlräumen dadurch vermieden werden.
Die „Decorticatio“ soll kontraindiziert sein in Fällen, wo es sich
nicht lediglich um eine entzündliche Verdickung der Pleura handelt,
sondern wo der Prozess bereits auf das interstitielle Bindegewebe der
Lungen übergegriffen hat, wie es bei den reinen Streptococcenempyemen
der Fall sei. Eine weitere Kontraindikation bilden die Formen tuber¬
kulöser Empyeme, bei welchen eine weitgehende Pleuraveränderung noch
nicht besteht oder bei denen die Lunge bereits stark ergriffen ist.
Bezüglich der Technik der Operation, die Verfasser auch zwei zeitig
auszuführen empfiehlt, muss auf das Original verwiesen werden.
Eine Anzahl sehr günstig lautender Operationsberichte und gute
Abbildungen bilden den Schluss der lesenswerten Arbeit.
Heiligenthal (Baden-Baden).
TJeber primären Echinococcus der Pleura. Von F. Blechmann.
Inaug.-Dissert, Kiel.
Vorliegende, unter Leitung von Prof. Quincke verfasste Disser¬
tation enthält neben einem recht interessanten Fall von primärem Pleura-
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echinococcus, welcher in der Kieler medizinischen Klinik beobachtet
wurde, eine ausführliche und erschöpfende Zusammenstellung aller bisher
mitgeteilten Fälle.
Nach kurzer Skizzierung der Geschichte des Echinococcus gibt
Yerf. eine Uebersicht unserer Kenntnisse bezüglich dieses Wurmes. Be¬
tont wird hierbei die auch von Posselt ausführlich gewürdigte geogra¬
phische Verbreitung des Echinococcus. Die Verbreitung entspricht der
geographischen Verbreitung des Hundes als des Wirtes der Taenia echino¬
coccus. In Island, wo jeder Bauer durchschnittlich sechs Hunde be¬
sitzen soll, die mit ihm zusammen wohnen, soll nach Thorstensten
jeder siebente Mensch einen Echinococcus besitzen. In Preussen ist das
bevorzugte Gebiet des Echinococcus Neumark, Brandenburg und haupt¬
sächlich Pommern und Mecklenburg. (Auch der Kranke des Verf.’s lebte
längere Zeit in Brandenburg.)
Der primäre Echinococcus der Pleura ist eine seltene Erkrankung.
So sehen wir unter von Neisser zusammengestellten 983 Fällen von
Echinococcus nur 17 Fälle von primärem Pleuraechinococcus. Madelung
fand unter 156 Fällen von Echinococcus nur einen Pleuraechinococcus.
Ausser diesen kamen noch einige zur Veröffentlichung, so dass Verf.
alles in allem 26 Fälle auffinden konnte. Neben dem primären Pleura¬
echinococcus ist ein sekundärer zu unterscheiden, wo die Echinococcen
aus anderen Organen in den Pleuraraum einbrechen. Eine solche Per¬
foration kann erfolgen aus den peripleuralen Gewebslagen, von der Lunge
oder von der Leber aus. Neben diesen zwei Arten des Pleuraechino*
coccus unterscheidet May dl noch eine dritte, bei welcher der Echino¬
coccus, obwohl in einem Nachbarorgan sitzend, sich auf Kosten der
Pleurahöhle entwickelt; ein solcher kann intrapulmonal oder subdiaphrag¬
matisch sitzen. Die letztere Art kann ihren Sitz in oder über der Leber,
seltener in der Niere oder Milz haben.
Der Pleuraechinococcus ist häufiger auf der rechten Seite als auf
der linken; ganz selten sitzt er beiderseits. Die ersten Erscheinungen,
die er verursacht, sind Verdrängungserscheinungen; die affizierte Thorax¬
hälfte wird ausgedehnt, die betreffende Lunge komprimiert* die Leber
nach abwärts, das Herz bald nach rechts, bald nach links, je nach dein
Sitze der Cyste, verdrängt. Durch den Druck der wachsenden Cyste
können die Intercostalmuskeln atrophisch und die Rippen usuriert werden,
so dass die Cyste nach aussen brechen kann.
Subjektive Symptome des Echinococcus sind Seitenschmerz, Dys¬
pnoe und Husten. Der Husten ist ein trockener, krampfaitiger, von
einem spärlichen schleimigen Auswurfe begleitet.
Objektive Symptome sind: die Ausweitung der betreffenden Thorax¬
seite, die Hervorwölbung der Intercostalräume. Die erkrankte Brust¬
hälfte macht die Atmungsexkursionen kaum mit. Der Pectoralfremitus auf
der erkrankten Seite ist abgeschwächt, oft fehlt er gänzlich; auch ist in
vielen Fällen in den Intercostalräumen eine Fluktuation hervorzurufen.
Die Perkussion ergibt über der Cyste eine absolute Dämpfung,
zugleich auch die Verdrängungserscheinungen seitens der Lungen und
des Herzens.
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Das Atmungsgeräusch fehlt über der Dampfung; dicht an der Grenze
der Dampfung wird normales vesikuläres Atmen gehört, eine Erschei¬
nung, die bei keiner anderen Erkrankung beobachtet wird.
Das Hydatidenschwirren konnte bisher bei keinem Pleuraechino¬
coccus beobachtet werden.
Wichtige Aufschlüsse zur Diagnose ergibt die Probepunktion. Für
die Echinococcusflüssigkeit ist charakteristisch: „Sie ist von geringem
spezifischem Gewicht, im Mittel 1007 —1015, ist hell, klar, durchsichtig;
sie enthält kein Eiweiss, wohl aber Bernsteinsäure, Traubenzucker und
Kochsalz“. Skolices und Haken sind die sichersten Zeichen. (Im Gegen¬
sätze zum Verf. will Ref. betonen, dass dieselben sich sehr selten auf¬
finden lassen.)
Im Anschlüsse der Symptomatologie erörtert Blechmann ausführ¬
lich die Differentialdiagnostik der Erkrankung gegenüber einem Pleura¬
exsudate, Lungen- und Mediastinumgeschwülsten. Auch werden die Diffe¬
renzen zwischen dem Pleuraechinococcus und Lungenechinococcus aus¬
führlich angeführt
Im prognostischen Sinne ist zu betonen, dass der Echinococcus
nur durch die Verdrängung der Nachbarorgane, durch die Perforation in
dieselben gefährlich sein kann.
Die erfolgreichste Behandlung des Pleuraechinococcus ist die ope¬
rative. Manchmal gelingt die Heilung durch einfache Punktion, in
einigen Fällen brachte eine Injektion von Sublimat eine Veränderung
herbei. Die sicherste Methode aber ist die Freilegung der Cyste, ihre
Fixation in der Schnittwunde und die breite Eröffnung der Cyste.
Auch eine interessante Beobachtung aus der Kieler Klinik enthält
Blechmann’s fleissige Arbeit.
Bemerkenswert an dem Falle ist, dass bei dem 35 jährigen Manne
auf Grund akuter Erscheinungen die Diagnose eines Lungenabscesses
gestellt wurde; bei der Operation, welche nach einer Probepunktion,
die Eiter ergab, vorgenommen wurde, entpuppte sich der Fall als ein
Pleuraechinococcus, welcher seinen Sitz links hinten unten hatte. Her¬
vorheben möchten wir noch an der ausführlichen Krankengeschichte, dass
bei der Röntgendurchleuchtung dieser Partie entsprechend ein Schatten
erschien. Eine geschickte tabellarische Uebersicht der bisher beob¬
achteten Fälle beschliesst diese fleissige und recht nützliche Arbeit.
Lövy (Budapest).
B. Ohr.
£tude anatomique des coiuplications endocraniennes de Totite
moyenne purulente. Von L. Vervaeck. Journal mödical de Bru¬
xelles, 6. annöe, Nr. 36.
Vervaeck stellt 16 Fälle eigener Beobachtung zusammen, in
welchen sich ein meningealer oder cerebraler Abscess an eine Mittelohr¬
eiterung anschloss. Es war in sechs Fällen Caries des Felsenbeins die
Ursache mit Durchbruch des Eiters in die Meningen. In sieben Fällen
bestand eine Fistel im Knochen, durch welche die Infektion erfolgt war.
In drei Fällen war infolge vorausgegangener Operation der Weg, welchen
der Eiter genommen hatte, nicht zu erkennen. Im Anschluss an diese
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Fälle bespricht Verf. genau die anatomischen Verhältnisse, welche über
die Bahnen Aufschluss geben können, auf welchen die Entzündung fort¬
schreitet. Port (Nürnberg).
Note sur un cas de caucer primitif unilateral de la trompe de
Fallope. Von A. Hannecart. Journal mödical de Bruxelles, 6.ann£e,
Nr. 34.
Es handelte sich um eine Frau von 57 Jahren, die achtmal nor¬
mal entbunden, einmal eine Fehlgeburt durchgemacht hatte und bei
welcher das Klimakterium ohne Beschwerde im 55. Jahre eingetreten
war. Ein Jahr danach traten hypogastrische Schmerzen und blutiger
Ausfluss auf. Am Uterus anliegend war ein Tumor von etwa Faustgröwe
zu fühlen. Die Laparotomie ergab ein Carcinom der Tubenschleimhaut
Die sackartig erweiterte, vergrösserte Tube war an der Uteruswand an-
gelöfcet, in Verwachsungen eingebettet. Die Wand der Tube war besetzt
von blumenkohlartigen Wucherungen. Der Inhalt der Tube war blutig¬
seröse Flüssigkeit. Kommunikation mit der Uterushöhle bestand noch,
durch dieselbe floss der Tubeninhalt aus und bildete den blutigen
Scheidenausfluss. Exstirpation der Tube.
Hannecart hebt die Seltenheit dieser Erkrankung hervor und
weist auf die Schwierigkeit der Diagnose hin.
Uterus und der Rest der Adnexe waren gesund.
Port (Nürnberg).
III. Bücherbesprechniigen.
Die Anwendung hochgespannter Dämpfe zur Regeneration er¬
krankter Organe und zur Heilung von Wunden und Geschwüren.
Von Gross. A. Weinholtz, Berlin 1901.
Verfasser berichtet über Heilungen durch Anwendung von, Wasser¬
dämpfen, die verschieden heiss (bis 80 Grad) unter einer bis zu vier
Atmosphären reichenden Spannung einige Minuten lang auf die ver¬
schiedenen Körperregionen appliziert werden.
Dieses Verfahren soll die Zahl der roten und weissen Blut¬
körperchen vermehren, appetitanregend wirken und gegen alle mög¬
lichen Krankheiten widerstandsfähiger machen und diese zur Heilung
bringen. Ueber die Regeneration erkrankter Organe wird nur vorüber¬
gehend und vermutungsweise, über die erzielte Heilung von Wunden
und Geschwüren nichts als diese Angabe mitgeteilt. Heilungen und an
Heilungen grenzende Besserungen werden angeführt bei Fällen von
Pneumonie, Diphtherie, Typhus, Schrumpfniere, Nephritis chron., Lungen-
emphysem, chronischer Bronchitis, chronischem Magenkatarrh, habitueller
Obstipation, Neuralgia supramaxillaris, Cystitis mit Blasenstein, Gelenk¬
rheumatismus, Diabetes insipidus, Struma, unstillbarem Erbrechen, Fett¬
leibigkeit, ferner bei Leberabscess und Carcinom!
Es soll mir fern liegen, den Wert des Verfahrens zu bezweifeln
— selbst minder eklatante Erfolge müssten zu einer Nachprüfung und
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zu einer vom Verf. so sehr gefürchteten Verallgemeinerung des Ver¬
fahrens auffordem — Bedenken schwerwiegendster Art sind aber bei
der Lektüre des Büchleins nicht zu unterdrücken. Ganz abgesehen von
den hypothetischen Erörterungen, die nicht einwandsfrei erscheinen, ist
zunächst die Diagnosestellung keine zuverlässige, z. B. bei Diphtherie,
dem chronischen Magenkatarrh und vor allem dem Typhus abdom. und
den Leberabscessen. Die Diagnose „Hyperämie der Leber und des
Magens“ dürfte ebenso wie die Beobachtung, dass die von den Dämpfen
ausgehende Hitze sich „bis in die Tiefen der Knochen“ verbreitete, eine
ungewöhnliche Beobachtungsgabe voraussetzen.
Da, wie gesagt, die Diagnosestellung keine exakte ist, so werden
die Erfolge bis jetzt noch nicht zu viel Glauben erwecken. Die Mög¬
lichkeit eines Eifolges auf diesem Wege soll durchaus nicht abgeleugnet
werden. Sache der exakten Forschung wird es sein, das Gute des Ver¬
fahrens aufzudecken. Kommen, wie Verf. es beobachtet haben will,
Abscesse und Carcinome damit zur Ausheilung, dann hat ja Verf. der
Chirurgie zwei ihrer grössten Gebiete entrissen. Einstweilen erweckt
die zu wenig wissenschaftliche Behandlung der Krankengeschichten aber
noch erhebliche Zweifel. Stellen, wie diese: „Da hier kein Fieber zu
bekämpfen war, äusserte sich die Wirkung der . . . Dampfbehandlung
darin, dass Pat. ausserordentlich viel schlief“ und viele andere sind
nicht geeignet, viel Vertrauen zu erwecken. Auch macht es keinen
guten Eindruck, wenn man immer „das“ Struma liest.
Es wäre recht erfreulich, wenn die moderne Therapie durch Verf/s
Verfahren eine Bereicherung gewonnen hätte, und wäre dem Verf. dazu
nur Glück zu wünschen. Zur Zeit macht die Art der vorliegenden
Veröffentlichung noch nicht zu viel Hoffnung.
E. Moser (Zittau).
Die ersten fünf Jahre geburtshilflicher Praxis. (Geburtshilfliche
Kasuistik.) Von Eckstein. Marhold, Halle a. S. 1901.
Die Arbeit beleuchtet den Kontrast zwischen klinischer Geburts¬
hilfe und der Thätigkeit des Praktikers, zumal auf dem Lande, durch
den besonders die Indikationen eine wesentliche Verschiebung erfahren.
Das Verlangen nach Ausbildung in poliklinischer Geburtshilfe ist daher
endlich einmal zu berücksichtigen. (Diese Forderung ist nur für Oester¬
reich zeitgemäss. Ref.) Den Anweisungen über die genügende Aus¬
rüstung, die subjektive Asepsis und Antisepsis ist nichts beizufügen;
veraltet erscheint jedoch die Carbol-Sublimatdesinfektion der Instrumente
an deren Stelle das Auskochen als Verfahren der Wahl zu treten hat. —
Die Zahl der Geburtsfälle beträgt 214; darunter fallen die schwersten
Operationen, wie Kaiserschnitt und Symphyseotomie, neben Encheiresen
von der Harmlosigkeit der Blasen Sprengung, Episiotomie etc. — Die
Indikationen sind im grossen und ganzen durchaus zu billigen. Die
Zangenanlegung bei einem toten Kinde (Gesichtslage) und die Wendung
bei totfauler Frucht (Ohrlage) hätten wohl be:ser der schonenderen Per¬
foration der Früchte den Platz eingeräumt. — Die Resultate für die
Mütter sind recht gute, auch die Erfolge hinsichtlich der Erhaltung der
Kinder sind bei Berücksichtigung der erschwerten äusseren Bedingungen
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durchaus anzuerkennen. Der Grundsatz des Verfassers, mit der Ex¬
traktion des Kindes nach ausgeführter Wendung bis zur völligen Er¬
weiterung des Muttermundes zur Vermeidung von Cervixrissen zu warten,
fordert manches kindliche Opfer, ist aber im Interesse des wertvolleren
mütterlichen Lebens nur zu loben. — Bei unaufhaltsamen Aborten
schliesst Verf. den Uterus unter allen Umstanden baldigst durch Cervix¬
tamponade auf und räumt den Inhalt aus; der Ausräumung schliesst er
die Abrasio an.
Manchmal kam es zur Einleitung der künstlichen Frühgeburt
wegen Beckenanomalien, Lungentuberkulose, unstillbaren Erbrechens,
hochgradiger Nervosität und Dyspnoe, bei nach der Conception stark
intumeszierter Struma. Zwei Fälle von Uterusruptur, zwei Beobachtungen
von Eklampsie, fünf Extrauteringraviditäten, ein Kaiserschnitt und eine
Symphyseotomie u. a. m. vervollkommnen die interessante Kasuistik, die
zu der klinischen Statistik eine wertvolle Ergänzung bildet und für den
Praktiker speziell reiche Belehrung bietet. Calmann (Hamburg).
Die chemische Konstitution der Zelle. Ein Vortrag von Prof. Fr.
Hofmeister. Braunschweig 1901, Fr. Vieweg & Sohn.
An der Hand der bisher bekannten chemischen Constituentien der
Zelle (Fermente etc.) zeigt Verf., dass die Auffassung derselben als einer
mit chemischen und physikalisch-chemischen Mitteln arbeitenden Maschine
nirgends zu Problemen führt, welche die Annahme anderer als bekannter
Kräfte unvermeidlich erscheinen liesse. L. Hofbauer (Wien).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Adrian, C M Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 129—136.
Schnürer, Jos.. Ueber die Puerperal-
eklampsie (Fortsetzung), p. 136—145.
Herszky, E., Nierenabscess und Peri¬
nephritis (Fortsetzung), p. 146—153.
II. Referate.
A. Pleura.
C h a r i e t, Les p)eur£sies biliaircs, p. 153.
Regolo, R. C., Contributo allo Studio
del potere di assorbimento della pleura
in aicune forme di pleuriti, p. 154.
Mainot, Traiteinent des peritonites et
des pleuresies tuberculeuses s£rofibri-
neuses par les lavages d’eau sterilis6e
tr£s chaude, p. 154.
Pascale, G., La decorticazione del pul-
mone. Contributo alla patogenesi e
terapia dell’ empiema cronico, p. 155.
Blechmann, F., Ueber primären Echi¬
nococcus der Pleura, p. 155.
B. Ohr.
Vervaeck, L., Etüde anatomique des
complications endocraniennes de l’otite
moyenne purulente, p. 157.
Hannecart. A., Note sur un cas de
cancer primitif unilateral de la trompe
de Fallope, p. 158.
III. Bücherbesprechungen.
Gross, Die Anwendung hochgespannter
Dämpfe zur Regeneration erkrankter
Organe und zur Heilung von Wunden
und Geschwüren, p. 158.
Eckstein, Die ersten fünt Jahre geburts¬
hilflicher Praxis, p. 159.
Hofmeister, Fr., Die chemische Kon¬
stitution der Zelle, p. 160.
Um Einsendung von Monographien nnd Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I, Ebendorferstrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzusatz ,,Für die Redaktion des
Centralblattes für die Grenzgebiete“ versehen zu wollen.
brück von Am. Kampf'* in .iena.
Gck igle
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CENTRALBLATT
für die
Qrenzgebiete der Medizin u. Chirurgie.
Herausgegeben von
Dr« Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCH£R in Jena.
VL Band.
Jena, 18. März 1903.
Nr. 5.
Da» Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inserstenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis,
Böhme-Strasse 9.
Buchhandleripserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Die multiple Neurofibromatose.
(Recklinghausen’sehe Krankheit.)
Sanimelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent a. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung.)
Mehr als Kuriosum sei dann noch der Fall von Erich Möller
(1884, p. 4) mitgeteilt:
Beide Eltern der 52jährigen Patientin sind in hohem Alter an
unbekannten Krankheiten gestorben, sie sollen aber beide ähnliche
kleine Knötchen, wie Patientin selbst, in grosser Anzahl über dem ganzen
Körper gehabt haben, ebenso eine Schwester, welche an einer „Ge¬
schwulst“ (?) im Spital verstorben sein soll. Drei weitere Geschwister
sind vollständig gesund.
Hier läge also der seltene Fall eines von neurofibromatösen
Eltern stammenden, ebenfalls an Neurofibromatose leidenden Indi¬
viduums vor. Aber auch hier entgehen drei andere Geschwister
dieser doppelten hereditären Belastung. Freilich liegt, wie Müller
(1. c. p. 14) selbst sagt, bezüglich dieser letzteren von seiten des
Vaters und der Mutter, keine ärztliche Beobachtung vor.
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. H
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Familiarität: In zahlreichen Fällen sind mehrere Geschwister,
Kinder derselben Eltern, befallen.
Ich kann unmöglich alle diesbezüglichen Beobachtungen mitteilen
und nur aus meiner eigenen Kasuistik (1901) an meine Fälle 2,
3 und 4, die drei Schwestern betreffen, und an die Fälle 8 und 9, die
sich ebenfalls auf Geschwister beziehen (Bruder und Schwester), erinnern.
Es vererbt sich aber gelegentlich nicht sowohl die Krankheit
selbst, als die neuropathische Disposition.
Interessant ist auch die neuropathische Disposition, die
einzelne Kranke von ihren Eltern ererbt haben.
So stammt der Patient von Feindei und Froussard (1899)
von einem Alkoholiker, der durch Suicidäum endete. Vier Geschwister
des Patienten leiden an Krämpfen. Im übrigen besteht aber keine
Neurofibromatose in der Familie.
Alkoholismus bei dem Vater ist auch in dem einen Fall von
Landowski (1894, Fall 1) verzeichnet.
Der Kranke von Petren (1897) entstammte einer nervös schwer
belasteten Familie. Der Vater war sehr unmässig im Alkoholgeuuss,
sein Gemüt wild. In Bezug auf die Familie der Mutter gilt es als all¬
gemeine Regel, dass die Intelligenz wenig entwickelt ist. Die Mutter ist
immer von etwas sonderbarem Wesen und geringer Intelligenz gewesen.
Der Grossvater mütterlicherseits war von ängstlicher Gemütsverfassung
und hatte die Gewohnheit, ohne Ursache viel zu jammern. Eine
Tante (mütterlicherseits) war in den letzten Jahren ihres Lebens geistes¬
krank. Betreffend einen Bruder und eine Schwester des Kranken wird
angegeben, dass sie von etwas sonderlichem Wesen und wenig ent¬
wickelter Intelligenz sind. Bei einem anderen Bruder ist die geistige
Schwächung immer mehr markiert gewesen; er ist eine Zeitlang in einer
Irrenanstalt verpflegt worden. Auch sonst waren Geisteskrankheiten,
abnorme Charakterbildungen, geistige Eigentümlichkeiten und Miss¬
bildungen in der Familie vorgekommen. Der Kranke selbst zeigte eine
sehr entwickelte Geistesschwäche.
Die von Neurofibromen freie, aber ebenfalls Hautpigmentationen
aufweisende Schwester des Patienten von Salomon (1877) ist zum
Diebstahl geneigt, hat ebenso wie ihr Bruder Hang zum Vagabondieren
und weist, wie dieser, eine Schädelasymmetrie auf; dabei ist sie eine
leidlich begabte, im allgemeinen gutmütige, aber leicht reizbare Person.
In dem Fall von Köbner (1883) von multiplen, doch nicht all¬
gemeinen Neuromen ist die Mutter des Patienten gesund, „etwas in sieh
gekehrt“; je ein älterer Bruder und eine Schwester der Frau leiden zu¬
weilen an Aufregungszuständen, im allgemeinen aber an einer gewissen
Schwermut. Ueber hereditäre Momente väterlicherseits ist nichts Sicheres
zu eruieren. In der Familie war von ähnlichen Geschwülsten, wie sie
der Patient trug, nichts bekannt
Die Anamnese in Fall 1 von Lahmann (1885) ergab, dass die
Eltern, sowie der einzige Bruder des Patienten frei von Hauttumoren
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gewesen sind, dass aber besagter Bruder an Epilepsie litt und 23 Jahre
alt in einem epileptischen Anfall starb.
Der Patient 2 von Lahmann (1885) hatte folgende Anamnese:
Vater und eine Schwester starben in vorgerücktem Alter an Apoplexie,
sine zweite Schwester wurde im 30. Lebensjahre an den unteren Extre¬
mitäten gelahmt, keines der Angehörigen litt an Hauttumoren.
Der Vater des Kranken von Sorger (1890) soll an einem Nerven¬
leiden gestorben sein, übrigens auch ähnliche Hautknoten wie der Sohn
besessen haben.
Auch die Mutter des Falles 2 von Herczell (1890) zeigte neben
multiplen Hautfibromen geistige Beschränktheit.
Die Mutter (obs. 5) des Patienten (obs. 4) von Spillmann und
Etienne (1898), die übrigens selbst an multiplen Hautfibromen litt,
war sehr nervös, hatte häufige Nervenanfälle („crises de nerfs“) seit Ein¬
kitt der Menopause und einen klonischen Masseterkrampf.
Interessant ist in der Obs. 2 von Roux (1899), dass die von
Neurofibromen freie Schwester der 50 jährigen Patientin dieselbe ange¬
borene Missbildung der Extremitäten darbot, wie die Neurofibromkranke
selbst: Verkürzung der Metacarpi IV und V und der Metatarsi IV bds.
Von den Eltern der Patientin von Posthumus (1900) ist der
Vater gesund, die Mutter dagegen nervös und leidet sie besonders an
Palpitationes cordis und an Taubheit, „den zurückgebliebenen Folgen
eines früheren heftigen Typhus“.
Der Patient von Audry (1901) hat eine sehr nervöse Schwester.
Von Tumoren der Haut ist in der Familie nichts bekannt; hingegen
hat seine 15 jährige Tochter eine Skoliose, wie er selbst, nur geringeren
Grades, und ausserdem Pigmentflecke der Haut.
Die Kranke von Sorgo (1902) hat drei nervenkranke Brüder.
Genauere Angaben fehlen.
Meine jüngst beschriebene Patientin (1902) stammte von
einem trunksüchtigen Vater, der auch in nüchternem Zustande als jäh¬
zorniger und händelsüchtiger Mensch bekannt und gefürchtet war. —
Eine Schwester dieser Patientin soll seit ihrem fünften Lebensjahre an
einem von der Kranken als „Gicht“ bezeichneten Leiden befallen sein,
das sehr schmerzhaft verläuft, langsam fortschreitend und ohne Lähmungen
allmählich alle Gelenke befallen hat, so dass sie, nunmehr 58 Jahre
alt, angeblich vollständig verkrüppelt ist.
Unter den Gelegenheitsursachen, die für den Ausbruch
der Krankheit massgebend sind oder bei der weiteren Entwickelung
derselben eiue gewisse Rolle spielen, steht im Vordergrund das
Trauma. Dafür spricht eine ganze Reihe von Beobachtungen.
Das Trauma wirkt wie eine ganze Reihe anderer, gleich zu be¬
sprechender Momente als Gelegenheitsursache, als auslösendes Mo¬
ment. Daneben muss aber die kongenitale Anlage als Hauptursache
immer vorhanden sein.
Schon Schuh (1851, p. 204) hebt hervor, dass „als Gelegenheits¬
ursache sich bisweilen eine traumatische Beleidigung herausstellt“.
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Neben den einmaligen, stärkeren Traumen sind, wie v. Reck¬
linghausen (1882, p. 63/64) ausgeführt hat, mechanische Einwirkungen,
welche von geringerer Stärke sind, dafür aber um so häufiger wiederkehren,
als veranlassende Momente des stärkeren Wachstums anzuschuldigen,
wie Druck von Kleidungsstücken und von Lasten. In dem Falle von
Ludwig und Tilesius (1793) war der Tumor am Epigastrium infolge
des häufigen Anstemmens dieses Körperteils an einen harten Gegenstand
bei der Beschäftigung des Individuums stark gewachsen. In dem Falle I
von Bryk (1869), der einen Schneider betrifft, wurden die fortwähren¬
den Insulte der rechten Brustfläche durch den rechten Arm beim Nähen
angeschuldigt, die Geschwulstbildung begünstigt zu haben. Mit absoluter
Regelmässigkeit riefen Schnitte und sonstige Hautverletzungen neue
Tumoren in dem Falle von Izzet W. Anderson (1867) hervor.
Weiter berichten Delore (1896), Dor (1897) und Feindei (1896,
Obs. 3) von direkten oder indirekten Traumen, die sei es die Entwicke¬
lung der Krankheit erst hervorgerufen oder die bereits bestehende
Krankheit verschlimmert haben sollen.
Feindei und Oppenheim (1898, Obs. 3) sahen an einem Tumor
der Inguinalbeuge ein schnelleres Wachstum von dem Tage ab, von
welchem ab die Patientin ein Bruchband trug.
Ein typisches Beispiel für die Beeinflussung der Neurofibromatose
durch Trauma bietet mein Fall 5 (1901). Es bestand hier schon
lange ein kleiner, erbsengrosser Tumor am Oberschenkel Im Anschluss
an ein starkes Trauma traten innerhalb ganz kurzer Zeit einerseits die
Tumoren der Haut, andererseits eine Kyphoskoliose auf.
Bei Wilson (1869) wuchsen die Tumoren seit einem Falle vom
Omnibus, welcher eine Rückgratserschütterung zur Folge hatte.
Volkmann (1875) berichtet über das Auftreten von Tumoren in
einer Narbe nach Kontusion derselben und sehr schnelles Wachstum.
Bei Kupferberg (1854) zeigten sich die ersten Tumoren während
der Ausheilungsperiode einer Fraktur des Unterschenkels in der Nähe
der Bruchstelle.
Ueber eine Zunahme der Tumoren nach operativen Ein¬
griffen berichtet Hitchcock (1862, Fall 2).
In dem Falle von v. Büngner (1897) stellte sich im Anschluss
an die am 10. April 1896 vorgenommene Arthrektomie des rechten
Kniegelenks wegen hartnäckiger Schmerzen in demselben in rascher
Folge die Entwickelung von Nervenknoten am ganzen Körper ein.
Nach Erkältungen traten Geschwülste auf in den Beob¬
achtungen von Hasler (1835) und Gerhardt-Riesenfeld (1876/78),
nach Kälteeinwirkungen in dem Falle von Landowski (1894,
1896).
In dem Falle von P. Marie und Couvelaire (1900) soll sich
bei dem Patienten, der mit Bestimmtheit angab, bis zu seinem 52.
Lebensjahre nichts von Tumoren, Pigmentationen etc. bemerkt zu
haben, innerhalb 14 Tagen, im Anschluss an eine Erfrierung der
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Beine, eine wahre Eruption von Tumoren an Kopf, Brust, Bauch
und später an den Extremitäten eingestellt haben.
Dass chronische Reizzustände der Haut imstande sind,
bestehende Tumoren zum schnelleren Wachstum zu bringen, und
dass eben solche von chronischen Reizzuständen betroffene Haut¬
stellen einen Prädilektionssitz für ihre reichlichere Entwickelung an
gewissen Körperstellen abgeben, habe ich bereits oben erwähnt.
Interessant ist in dieser Beziehung, dass in dem Falle von Desnos
(1872) die Krankheit im Anschluss an eine Scabies zum Ausbruch ge¬
kommen sein soll.
Hebra jun. (1874) gibt an, dass die 54jährige Kranke im
17. Lebensjahre ein heftiges, über den ganzen Körper verbreitetes Jucken
verspürt habe. Nach vierwöchentlichem Bestände soll dieses lästige Gefühl
der Eruption der Fibrome Platz gemacht haben.
Psychische Erregungen scheinen in dem Falle von Clark
(1887) bei der Entwickelung des Leidens mit im Spiele gewesen zu
sein. Die Affektion entstand nämlich nach Schreck bei einem
Eisenbahnunglück.
Der Ueberanstrengung und schlechten hygienischen
Lebensbedingungen („surmenage, mauvaises conditions hygiö-
niques“) weist Landowski (1894, 1896) die Schuld an dem Auf¬
treten der Krankheit zu.
Meine jüngst beschriebene Patientin (1902) hat ihr ganzes
Leben schwer arbeiten müssen, sich dauernd unter schlechten hygie¬
nischen Lebensbedingungen befunden, jedoch nie eigentlich gedarbt oder
gehungert.
Nachschub der Tumorbildung zur Zeit der Pubertät und
Zunahme der Geschwülste mit der Pubertät erwähnen Craigie
(1819), v. Recklinghausen (1882, Fall 2) und A. Philippson (1887).
Der Sohn des Patienten von Teichert (1887) hatte einige Ge¬
schwülste mit auf die Welt gebracht, die unter unbedeutenden subjek¬
tiven Wahrnehmungen anfangs an Zahl und Grösse nur wenig Zunahmen,
bis nach Eintritt der Pubertät schnell eine Unzahl weicher Tumoren am
ganzen Körper zum Vorschein kam, die nun besonders an der Brust
unverhältnismässig stark wuchsen, so dass sie nach etwa drei Jahren,
als der Tod des jungen Mannes (an den Folgen eines Vitium cordis)
eintrat, meist Haselnuss- bis Walnussgrösse erreicht hatten.
Schnelleres Wachstum der zahlreichen Mollusca an der Brust
mit dem Eintritt der Menopause beobachteten Bourcy und
Laignel-Lavastine (1900).
In dem Falle 1 von Feindei (1896, Obs. 1) erschien das erste
Molluscum nach einem Partus, den die Patientin mit 177 2 Jahren
durchmachte; in den nächst folgenden 16 Jahren zeigten sich keine
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weiteren Tumoren; zwei neue Partus in der Folgezeit riefen beide¬
mal schubweise neue Fibrome hervor.
Den aus dieser interessanten Beobachtung sich für Feindei
ergebenden Satz: „La grossesse favorise les poussäes nouvelles*
illustriert auch eine Patientin von W. Wolff (1901):
Nach ihren Angaben sollen nicht nur die Tumoren seit Beginn
der Gravidität viel zahlreicher geworden sein, sondern auch die Pigmen¬
tierung der einzelnen Geschwülste zugenommen haben.
Unter dem Einfluss von Intoxikationen sahen Pick (1865,
Fall 1) und P. Marie (1894/95, Fall 1) ein Auftreten bezw. eine
Zunahme der Geschwülste.
Der Kranke von Pick (1865, Fall 1) datiert die Entstehung
der Geschwülste vom 10. Lebensjahre her. In diesem Jahr soll er
durch Verwechslung mit Zucker so viel weissen Arsen zu sich genommen
haben, dass eine heftige Intoxikation erfolgte. Kurze Zeit darauf sollen
an seinem ganzen Körper stecknadelkopfgrosse Erhabenheiten aufgetreten
sein, die im Laufe der Jahre, an Zahl und Grösse zunehmend, zu den
Geschwülsten heranwuchsen, die der Patient jetzt darbietet.
In dem Falle von P. Marie (1894/95, Fall 1) handelte es sich
um eine chronische Arsenintoxikation, unter deren Einfluss eine Zu¬
nahme der Tumoren sich bemerkbar machte.
Die Rolle, welche Krankheiten im allgemeinen, speziell
Infektionskrankheiten, bei der Entwickelung der Neurofibroma¬
tose spielen, ist in zahlreichen Beobachtungen hervorgehoben:
Masern, Scharlach, Diphtherie, Rheumatismus, Typhus (Barrot
1896), Typhus (Giers 1889), Pocken (Heymann 1859), Skorbut
(Cobleigh 1892).
Margerin's Patient (1867, Fall 3) litt in seiner Kindheit bis
zum 15. Jahre stets an Hautfurunkeln und in diese Zeit — 10. Jahr —
fällt die Entstehung des ersten Tumors an der Schläfe, welcher spater
der imponierendste war, aber subcutan blieb.
„Auffällig werden“ der schon, solange sich Patient erinnern kann,
bestehenden Geschwülste nach Frieseln, die derselbe im fünften oder
sechsten Lebensjahre durchgemacht hat, erwähnt v. Recklinghausen
(1882, Fall 2).
In dem Fall von Pooley (1894) traten die Tumoren nach einem
Erysipel auf.
Syphilis scheint in dem Falle von Campana (1900, 1901) in
ursächlichem Zusammenhang mit der Entwickelung des Leidens gewesen
zu sein.
Die ersten Hauttumoren bei der Patientin von Sorgo (1902)
sollen im 17. Lebensjahre am Hals aufgetreten sein und im Anschlüsse
an einen vor vier Jahren überstandenen Gelenkrheumatismus eine rapide
Zunahme erfahren haben.
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Symptomatologie.
Zwei Gruppen von Erscheinungen sind es, welche im allge¬
meinen das Bild der Neurofibromatose beherrschen:
1. Die Erscheinungen von seiten der Haut, die eigent¬
lichen oder sogenannten Kardinalsymptome, die „Triade cutanäe*
Landowski’s, die „Signes physiques“ der französischen Autoren.
2. Die Symptome zweiter Ordnung.
So trennt auoh Landowski (1894, 1896):
1. Phdnomhnes physiques essentiels, triade sym-
ptomatique:
a) tumeurs cutandes,
b) tumeurs des nerfs,
c) pigmentations de la peau.
2. Symptomes fonctionnels d’importance secondaire:
Crampes douloureuses, troubles vagues de la sensi-
bilitd, ddchdance progressive des forces et de l’in-
telligence.
Feindei teilt (1898, p. 877) ein:
1. Signes fondamentaux:
a) tumeurs cutanöes,
b) tumeurs des nerfs,
c) pigmentation ponctiforme (en semis),
d) pigmentation par plaques.
2. Symptomes d'importance secondaire.
Feindei glaubt demnach das eine Hauptsymptom, die Haut-
pigmentation, „qui se präsente en deux aspects bien distincts (en
semis, en plaques)“ in zwei Symptome zerlegen zu müssen und be¬
gründet diese Einteilung damit, dass er sagt: „ces points pigmen-
taires ou semis sont suscepsibles de se röpartir sur les larges täches
de m£me fa§on que sur la peau de coloration normale“ — haben
also nichts miteinander zu thun. Dafür spräche wohl auch das
gelegentliche vollständige Fehlen der kleinen Pigmentflecke.
Im Prinzip ist es ziemlich gleichgültig, ob man diese Abtren¬
nung bezw. Zerlegung des einen Hauptsymptoms in zwei andere
vornimmt oder nicht
Wir wollen gleich Landowski zu den Kardinalsymptomen
rechnen und hintereinander besprechen:
a) die Tumoren der Haut,
b) die Nerventumoren,
c) die HautpigmentatioDen.
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Die Hauttumoren können in wechselnder Reichlichkeit
vorhanden sein, bald nur vereinzelt, bald in grosser Anzahl.
Modrzejewski (1882) = Hasselbeck (1891) zählte 3000
Tumoren, Hashimoto (1890, Fall 3, p. 359/360) 4503 Hautge¬
schwülste — wohl die höchste Zahl, die in der Literatur angeführt sein
dürfte.
Tikanaze (1901) zählte bei seinem Patienten 2486 Tumoren,
wobei die nicht wenigstens hanfkorngrossen gar nicht mitgerechnet sind.
In meinem Falle 7 (1901) betrug die Anzahl der Tumoren nach
einer ungefähren Schätzung 3000; in ungefähr gleicher Reichlichkeit
waren sie in meinem Falle 1 (1901) vorhanden.
Recht reichlich waren die Geschwülste auch in dem Falle von
Lanz (1901): konnten doch allein auf der Vorderfläche der Brust
ca. 500 Knoten gezählt werden, und die Haut des Rückens und Nackens
war noch intensiver betroffen.
Auf den Einfluss von aussen wirkender mechanischer und an¬
derer Schädlichkeiten auf die Zahl der Neurofibrome im allgemeinen
haben wir bereits oben hingewiesen.
Hautfarbe über den Tumoren: Die die Tumoren be¬
deckende Haut ist bald normal, bald leicht rosa, bläulich, bläulich-
rot verfärbt, „d’une teinte rosde ou rougeätre“ sagt schon Bazin
(1862, p. 451), sie ist verdünnt, glänzend und trägt gelegentlich auf
ihrer Kuppe eine Comedonenöffnung oder einzelne oder mehrere
Haarfollikelöffnungen.
Die Form der Geschwülste ist eine sehr verschiedene:
gestielt, warzenförmig, halbkugelig, pilzähnlich, platt, anhängselartig,
oft an einem und demselben Individuum (Hashimoto 1890, Fall 3,
p. 359). Die Tumoren verleihen dadurch der Haut ein ganz eigen¬
tümliches Aussehen — eine „wahre turpitudo cutis“ (Pick 1865,
Fall 1).
Grösse: Die Tumoren sind von verschiedenster Grösse, oft
mehr fühlbar als sichtbar, so das Gefühl eines unter die Haut ein¬
gelagerten Bleikornes vortäuscbend („Sensation de grain de plomb
enchässö dans le derme“: Levy u. Ovize 1899), erreichen aber bis
Nuss-, Ei-, Apfelgrösse und darüber.
In dem Falle von Bazin (1862, p. 450) ist angegeben, dass die
Tumoren an Grösse wechselten, gelegentlich mal grösser wurden, dann
wieder, speziell im Sommer, sich verkleinerten. Letztere Erscheinung
bringt Bazin mit einer allgemeinen Abmagerung zur Sommerszeit in Zu¬
sammenhang. p. 450 sagt nämlich Bazin: „La malade ä propos d’une
tumeur (de la rögion cervicale droite) nous affirme qu’«aux cerises» (sic'i
eUe se remplit et devient dure et solide, pour se vider ensuite et ainsi
periodiquement tous les ans. . . . Ce fait s’expliquerait ä la rigueur
par une production localis6e du tissu adipeux, au sein de ces tumeurs
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qui pourraient engraisser ou maigrir, soit isolöment, soit avec le reste
du corps.“
Hier wäre vielleicht am besten des Auftretens periodischer
Kongestionen in den Fibromen zu gedenken, wie sie von Tilesius
(1793), Hecker (1858), Bryk (1869, Fall 1) und Delens (1896)
beobachtet worden sind.
In dem Falle von Tilesius (1793) traten jeden Monat regel¬
mässig Kongestionen in den Tumoren auf; die grösseren fingen, be¬
sonders der kindskopfgrosse, epigastrische, an zu jucken oder wurden
auch bei leisester Berührung schmerzhaft, exkoriierten durch Kratzen und
entleerten eine fötide, bald koagulierende Flüssigkeit. Witterungswechsel
beeinflusste diese Kongestionen.
In der Beobachtung von Hecker (1858) traten diese Kongestionen
sogar nach Art der Menses auf, alle vier bis fünf Wochen, dauerten
vier bis sechs Tage und waren mit Fieber, grossem Unbehagen, Brech¬
neigung, Herzklopfen und Schweratmigkeit verbunden.
In Bryk’s Falle (1869, Fall 1) gingen mit diesem Auftreten von
„flüchtigen Stichen und Hitze“ in dem Haupttumor allgemeine Störungen
(Abgeschlagenheit, Herzklopfen, Schweratmigkeit und Appetitlosigkeit)
Hand in Hand.
In dem Falle von Delens (1896, ausführlich bei Feindei
1896, p. 37 bezw. 41) endlich, der allerdings ein plexiformes Neurom
betraf, wird angegeben, dass der Tumor des oberen Augenlids zur Zeit
der Menses etwas grösser geworden sei.
Die Verteilung der Geschwülste ist eine gleichmässige,
keinen Teil der HautbedeckuDg verschonend, am dichtesten auf dem
Stamm, Hals und Kopf, gegen die Enden der Extremitäten an
Menge abnehmend, nur ausnahmsweise Fusssohle und Handfläche
ergreifend (Oriot 1897, obs. 4 u. 5).
Auch die Geschlechtsorgane werden gelegentlich befallen
(Boudet 1883, obs. 3 u. 4, Oriot 1897, obs. 4, Pöan 1897).
In dem Fall von Perthes (1902) waren die Geschwülste am
dichtesten an Brust und Rücken ausgesäet, doch fanden sich auch viele
an Gesicht und beiden Armen. Vom Nabel abwärts waren sie spär¬
licher und an den unteren Extremitäten sah man nur ganz vereinzelte
Geschwülste.
v. Recklinghausen (1882, p. 63ff.) schuldigt als Ursache dieser
Bevorzugung einzelner Körperteile und als veranlassende Momente des
stärkeren Wachstums einzelner Tumoren mechanische Einwirkungen an,
welche von geringerer Stärke sind, dafür aber um so häufiger wieder¬
kehren. Nach den zahlreichen Abbildungen solcher Fälle, wo die
Tumoren recht reichlich vorhanden sind (Tilesius, Virchow (H),
Heymann, Izzet Anderson, Octerlony und seine eigenen
beiden Fälle), sowie den bezüglichen Beschreibungen anderer Autoren
glaubt v. Recklinghausen leicht abstrahieren zu dürfen, „dass die¬
jenigen Teile der Haut am häufigsten besetzt sind, welche durchschnitt-
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lieh am meisten und ständigsten Reizungen, Zerrungen und Drücken
ausgesetzt sind. Bei Frauen erscheint überwiegend die Gürtelpartie des
Rumpfes, an welcher die Kleider befestigt werden, die Haut reiben und
in Falten legen, mit Tumoren besetzt, bei beiden Geschlechtern als¬
dann Nacken- und mittlerer Rückenteil, auch die Schultern, Körperteile,
auf welchen ebenfalls ja die Kleider hängen und reiben und die meisten
Lasten drücken; dann kommen noch fast in allen Fällen dichte Gruppen
von Tumoren am Hinterhaupt und über dem Kreuzbein vor, was wohl
darauf zu beziehen ist, dass diese Teile bei der Rückenlage des Nachts
am häufigsten belastet und auch wegen der knöchernen Unterlage leicht
gereizt werden. Endlich sprechen noch einige Absonderlichkeiten einzelner
Fälle für die Wirksamkeit wiederholter kleiner Reizungen.“ Auch dafür
führt v. Recklinghausen einige Beispiele aus der Kasuistik (darunter
seinen eigenen Fall 2) an.
Ueber die Lokalisation der Tumoren an Schleimhäuten werde
ich weiter unten sprechen.
Die Konsistenz der Tumoren ist eine verschiedene, im
allgemeinen eine weiche, „analogue ä un raisin, dont on aurait retirl
les pöpins“ (Bazin 1862), „ou ä un scrotum sans testicule“ (Levy
und Ovize 1899), oft sind sie von auffallender Härte, oder sie
zeigen ein etwas härteres Centrum und eine etwas weichere Hülle
(Modrzejewski 1882).
Nicht so selten wechselt die Konsistenz der Knoten mit ihrer
Grösse.
In dem Falle von Hashimoto (1890, Fall 3) besitzen die grösseren
Tumoren neben den weichen auch harte Stellen; die Konsistenz der
kleineren Tumoren wird im allgemeinen als eine weiche, elastische, durch¬
aus gleichmässige angegeben.
v. Recklinghausen gibt von den grösseren Tumoren seines
Falles 2 (1882, p. 36) an, dass sie teils lappig, teils aus Strängen,
sogar Schlingen zusammengesetzt sind, indem letztere dasselbe Gefühl
erwecken, wie Spulwürmer, welche durch die Darmwand betastet werden.
Bazin gibt (1862, p. 450) an, dass die Konsistenz der Ge¬
schwülste bei seiner 45 jährigen Patientin verschieden ist, dass sie um so
härter, je kleiner der Tumor, ist, und fügt dann hinzu: „il semble qu’il
y ait une relation entre la consistence d’une part, et d'autre part entre
le volume et la forme pödiculöe, que nous avons vu marcher ensemble,“
Die kleinsten Tumoren fühlen sich demnach voll, fest und resistent an,
sobald sie aber grösser geworden sind und Neigung zur Stielbildung
gewonnen haben, werden sie weicher und schlaffer („flasques, affaisöes,
ridöes“). „Elles donnent, quand on les presse entre les doigts, la Sen¬
sation de petites poches ou cavitös vides, ou mieux encore de grains de
raisain, dont on a en partie övacuö la pulpe ou les pöpins.“
Sangster (1880) berichtet von Varicocelegefühl, welches ein
grösserer Tumor der vorderen Brustwand darbot.
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Schuh erwähnt (1851, p. 207), dass er einige Tuberoula dolorosa
operierte, „welche .... so elastisch waren, dass man Flüssigkeit ver¬
mutet hätte.“
Einzelne Tumoren in der Beobachtung von Vezely (1897) waren
weich, elastisch, als hätten sie flüssigen Inhalt.
Au ffällig weich waren die Tumoren in dem Falle von Hallopeau
und Fouquet (1901), so dass man zuerst unwillkürlich an Angiome
dachte.
Bei der Patientin von Collet und Lacroix (1893) haben die
Geschwülste erektilen Charakter („a&pect örectile“) und lassen sich bruch¬
artig unter das Hautniveau zurückschieben.
Die Tumoren in dem Falle von Mowat (1898) sind weich und
fühlen sich wie Fettgeschwülste an.
Auch Perthes (1902) gibt von seinem Patienten an, dass die
Tumoren im allgemeinen weich waren, doch wiesen einzelne, besonders
die kleineren, eine derbere, festere Consistenz auf.
In dem Falle von ßtanziale (1897) zeichnen sich sämtliche
Tumoren durch ungewöhnlich feste Konsistenz aus, in dem Falle von
Vezely (1897) waren nur einzelne hart, stellenweise knorpelhart. In der
Beobachtung von Spillmann und Etienne (1898, obs. 4 haben
einzelne Tumoren Knorpelkonsistenz („consistence pseudo-cartilagineuse“).
Disposition und symmetrische Anordnung der Ge¬
schwülste: Trotz des Zusammenhangs der Hauttumoren mit dem
Nervensystem und ihrer Abhängigkeit von demselben ist die Dis¬
position der Geschwülste eine vollständig asymmetrische.
(Fortsetzung folgt.)
Ueber die Puerperaleklampsie.
Kritisches Sammelreferat über die von 1890 bis Ende Juni 1902
erschienenen Arbeiten.
Von Dr. Josef Schnürer, Wien.
(Fortsetzung.)
200) Obishausen, Ueber Eklampsie. Vollem. Samml. klin. Vortr., N. F. t
Nr. 39.
201) Ders., Med. Ges. in Berlin, 16. Dez. 1891. Ref. in Berl. kl. W. 1892,
p. 78; Disk. p. 151.
202) Ders., Ueber 200 Fälle von Eklampsie. Deutsche med. Wochenschrift
1891, p. 1431.
203) Oni u. Sabrazös, Französ. Chirurgen-Kongress 1893. Ref. in C. f. G.
1893 . P- 9 * 6 .
204) Papillon et Andain, Eclampsie ict£rique. Bulletin de la soci6t6 anat,
Paris 1891, p. 353.
205) Parker, cit bei Fest Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
206) Pazzi, Historisch-kritische Untersuchungen über die Puerperaleklampsie
nebst Kasuistik, Bologna 1897. Ref. in C. f. G. 1898, p. 540.
207) Pellancini u. Foa, dt bei Maximow. V. A„ Bd. CLI, p. 297.
208) Pestalozza, Ueber Eklampsie. Settimana med. 1897. Ref. in C. f. G.
*897. P- 93 1 -
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209) Pilliet et Delansorrae, Eclampsia puerperalis. Läsion histol. du foie
et des reins. Sgci6t£ de l’anat. de Paris 1892, p. 231.
210) Prutz, Ueber das anatomische Verhalten der Niere bei Eklampsie.
Zeitschr. f. Geb. u. Gyn., Bd. XXIII, p. 1.
211) Ders., Ueber Eklampsie. Deutsche med. Wochenschr. 1897, Nr. 40,
Vereinsbeilage Nr. 26.
212) Ders., Ueber das anatomische Verhalten der Leber bei Eklampsie. L-D.,
Königsberg 1892.
213) Puech, Ist bei Nephritis der Schwangeren die künstliche Frühgeburt
zulässig resp. notwendig? Nouv. arch. d’obst£tr. 1894. Ref. in C. f. G. 1895, p. 739.
214) Rappin et Monnier, vide Monnier et Rappin. Fortschr. 1894,
p. 716.
215) Redlich, Disk, zu Abuladse. Mon. f. Geb., Bd. X, p. 383.
216) Rühle, Disk, zu Bollinger. M. m. W. 1886, p. 382.
217) Rein, Disk, zu Abuladse. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. X, p. 383.
218) Renon et Bar, vide Bar et Renon. Gaz. m&L de Paris 1895, Nr- 18.
219) Rummo, Ueber die Giftigkeit des Blutserums bei Menschen und Tieren
im normalen Zustande und bei Infektionskr. W. m. W. 1891.
220) Sabraz£s et Oni, vide Oni et Sabraz£s.
221) Saft, Beitrag zur Lehre von der Albuminurie und ihr Verhalten zur
Eklampsie. A. f. G., Bd. LI, p. 207.
222) Savory, Ges. f. Geb. in London, Juli 1899. Ref- m C. f. G. 1899,
p. 1476.
223) Scarlini, Ueber den infektiösen Charakter der Eklampsie. Kongress in
Rom 1889. Ref. in M. m. W. 1890, p. 85.
224) Seifert, Zur Lehre von der Eklampsie. A. f. G., Bd. LI, p. 335.
225) Ders., Zur Frage der Eklampsie. Ges. f. Geb. in Hamburg, 25. Januar
1898. Ref. in C. f. G. 1900, p. 481.
226) Schatz, Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 175.
227) Schäffer, Ein Rückblick auf die Aetiologie der Eklampsie sonst und
jetzt. C. f. G. 1892, p. 761.
228) Schildknecht, Zwei interessante Fälle von Eklampsie. I.-D., Zürich
1895. Ref. in C. f. G. 1897, p. 930.
229) Schmith, dt. bei Fest. Mon. f. Geb. u. Gym, Bd. HI.
230) Schmorl, Ueber pathologisch-anatomische Befunde bei Eklampsie.
Deutsche Ges. f. Geb., 4. Vers, in Bonn. Ref. in C. f. G. 1891, p. 610. Diskuss.
M. ro. W. 1891, p. 409.
231) Ders., Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Halle a. S.
Centralbl. f. allgem. Path. 1891, p. 803.
232) Ders., Pathologisch-anatomische Befunde bei Eklampsie. Deutsche Ges.
f. Geb. in Leipzig. Ref. in Fortschr. d. ges. Med. 1892, p. 591.
233) Ders., Pathologisch-anatomische Untersuchungen über Puerperaleklampsie.
Leipzig 1893, Vogel.
234) Ders., Mediz. Ges. in Leipzig, 29. Mai 1895. Ref. in Schmid, Bd.
CCXLHI, p. 223.
235) Ders., Disk, zu Holst. Ref. in C. f. G. 1900, p. 1326.
236) Ders., Pathologisch-anatomische Mitteilungen zur Eklampsie. Ges. f. Geb.
in Dresden, 9. Mai 1901. A. f. G., Bd. LXV, p. 504.
237) Ders., Giessener Kongress. Ref. in C. f. Geb. 1901, p. 697.
238) Ders., Disk, zu Albert. C. f. G. 1902, p. 429.
239) Schölten u. Veit, Weitere Untersuchungen über Zottendeportation und
ihre Folgen. C. f. G. 1902, p. 169.
240) Schreiber, Zum gegenwärtigen Stand der Frage nach der Entstehungs¬
ursache der Eklampsie. Mon. f. G. u. Gyn., Bd. I, p. 474.
241) Ders., Ein Beitrag zur Statistik der Eklampsie. A. f. G., Bd. LI, p. 335 *
242) Schräder, Einige abgrenzende physiologisch-chemische Untersuchungen
über den Stoffwechsel während der Schwangerschaft und im Wochenbett A. f. G.
Bd. LX, p. 534.
243) Schröder, Blutdruck- und Gefrierpunktsbestimmungen bei Eklampsie.
Giessener Kongress. Mon. f. Geb. 1901, Bd. XIV, p. 152.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
173
244) Schuitmacher, Experimentelle Beiträge zur Eklampsiefrage. Giessener
Kongress.
245) Ders., Dasselbe. Beiträge zur Geb. u. Gyn., Bd. V, p. 257.
246) Steinbüchel, Sectio caesarea bei Eklampsie. W. m. W. 1895, p. 9.
247) Strass mann, Die Teilungsstelle der Aorta und ihre Beziehung zur
Eklampsie. Giessener Kongress. Mon. f. Geb., Bd. XIV, p. 152.
248) Stroganow, Zur Pathogenese der Eklampsie (russ.). Ref. in Mon. f.
Geb. u. Gyn., Bd. X, p. 820.
249) Ders., Disk, zu Massen. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. X, p. 840.
250) Ders., 58 Fälle von Eklampsie ohne Todesfall von dieser Krankheit.
Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XII, p. 422.
251) Ders., Ueber die Pathogenese der Eklampsie. Zeitschr. f. klin. Med.,
Bd. XXXIX, p. 503.
252) Ders., Zur Behandlung der Eklampsie. Pariser Kongress. M. m. W.
1900, p. 1285.
253) Ders., Ueber die Behandlung der Eklampsie. C. f. Gyn. 1901, p. 1309.
254) Ders., Weitere Untersuchungen über die Pathogenese der Eklampsie.
Mon. f. Geb., Bd. XIII, p. 603.
255) Stroganowa, Pathologische Veränderungen der Nachgeburt bei Eklampsie.
Ges. f. Geb. in Petersburg, 13. Mai 1899. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XI,
p. 469.
256) Stumpf, Deutsche Ges. t. Geb. in München. Ref. in M. m. W. 1886,
p. 471.
257) Sundberg u. Lindfors, vergl. Lindfors u. Sundberg.
258) Szilli, Ueber die molekulare Konzentration des Blutes bei Eklampsie.
Berl. klin. Wochenschr. 1900, p. 947.
259) Sourel, Beitrag zur Lehre von den eklamptischen Anfällen speziell von
deren Pathogenese. Thfcse de Paris 1894. C. f. G. 1895, p. 49.
260) Schwab, Hämorrhagie in Leber und Gehirn einer Eklamptischen. Bull,
de la soc. de anat. de Paris 1895, Nr. 17. Ref. in C. f. G. 1897, p. 219.
260 a) Schmid, Eklampsie bei Mutter und Kind. C. f. G. 1897, p. 821.
261) Tarnier, Disk, zu Charpentier. Ref. in M. m. W. 1893, P- 97 *
262) Ders. u. Chambrelent, Ueber die Giftigkeit des Blutserums bei
Eklampsie. Annal de Gyn6c. 1892, Bd. XXXVIII, p. 321.
263) Dies., Dasselbe. Gazette des höp. 1892, Nr. 35.
264) Dies., Toxidtät des Blutserums in zwei Fällen von Eklampsie. Sod6t6
de Biolog. 1892, p. 437.
265) Tauffer, Disk, zu Doctor. Ges. f. Geb. in Pest, 7. Dez. 1897. Ref.
in C. f. G. 1898, p. 589.
266) Tietke, Ueber Eklampsie auf Grund von 25 Fällen aus der Rostocker
geburtshilflichen Klinik. I.-D., Rostock 1894.
267) Timmermanns, Sammelbericht über niederl. geb. u. gynäkol. Literatur.
Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IX, p. 521.
* 268) Tridodani, Die reflektorische und elektrische Erregbarkeit in der
Schwangerschaft Ges. f. Geb. in Pavia, 19. Okt. 1899. Ref. in Mon. f. Geb. u.
Gyn., Bd. XI, p. 599.
269) Trautenroth, Klinische Untersuchungen und Studien über das Verhalten
der Harnorgane, insbesondere der Nieren bei Schwangerschaft und Geburt. C. f. G.
1895 » P- 73 ».
270) Veit, J., Ueber Albuminurie in der Schwangerschaft. Ges. f. Geb. in
Berlin, 11. April 1902. Ref. in C. f. G. 1902, p. 561.
271) Ders., Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 152.
272) Ders., Disk, zu Ohlshausen. Berl. klin. W. 1892, p. 153.
273) Ders. u. Schölten, vide Schölten u. Veit
274) Velde, Autointoxikation in der Schwangerschaft (niederländisch). Ref.
in C. f. G. 1897, p. 935.
275) Ders., Ausscheidungen von Methylenblau in der Schwangerschaft. Inter¬
nationaler Kongress in Amsterdam. Ref. in C. f. G. 1899, p. 1139.
276) Vicarelli, Hyaline Thrombosen in den Gchimgefässen bei Eklampsie.
Riv. di ost. e gin. 1896, Nr. I. Ref. in Centralbl. f. allgem. Pathol., Bd. VIII, p. 340.
277) Vinay, Aetiologie der Eklampsie. Arch. general, de m6d. 1893, Dez.
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278) Virchow, Disk, zu Ohlshausen. Berl. klin. W. 1^92, p. 154.
279) Ders., Disk, zu Schmorl. Centralbl f. allg. Path. 1891, p. 803.
280) Volhard. Experimentelle und kritische Studien znr Pathogenese der
Eklampsie. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. V, p. 411.
281) Weber, c. b. Schmori. A. f. Gyn., Bd. LXV, p. 504.
282) Wen dt, Ein Beitrag zur Lehre vom Icterus gravis in der Schwangerschaft
und zur Eklampsie. A. f. G., Bd. LVI, p. 104.
283) Williams, c. b. Schreiber. C. f. G. 1895, p. 1110.
284) Wilke, Ein Fall von Encephalomalacie des Kindes bei Eklampsie der
Mutter. C. f. G. 1893, p. 385.
285) Winkel, c. b. Goldberg.
286) Winkler, Beitrag zur Lehre der Eklampsie. V. A., Bd. CLIV, p. 187.
287) Ders., Dasselbe. Festschrift für Ponfick. C. f. Gyn. 1899, p. 739.
288) Woyer, Ein Fall von Eklampsie bei Mutter und Kind. C. f. G. 1895,
P- 329 -
289) Wurtz, c. b. Chvostek. W. kl. W. 1897, p. 51.
290) Wyder, Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 154.
291) Zangemeister, Demonstration einer Kurventabelle zur Darstellung des
Einflusses der Witterungsverhaltnisse auf den Ausbruch der Eklampsie. Ges. f. Geb.
in Berlin, 12. Jan. 1900. Ref. in Z. f. Geb., Bd. XLII, p. 580.
292) Zuntz u. Blumreich, vide Blumreich u. Zuntz.
293) Zweifel, Zur Behandlung der Eklampsie; Bericht über 129 Falle. C.
f. G. 1895, P- *201.
Versucht man nun, das Chaos der Angaben positiver bakterio¬
logischer Befunde kritisch zu sichten, so muss man sich vor allem prin¬
zipiell klar sein über die ausserordentliche Vieldeutigkeit postmortaler
oder agonaler Bakterienfunde, sowie der mit diesen Bakterien angestell-
ten Tierversuche. Wie neuerdings Chvostek 49 ) in zahlreichen Tier¬
versuchen und vor ihm schon W u rtz 289 ) und Bouchard 82 ) nachgewiesen
haben, gelingt es unter Umständen schon in der Agone bei noch schlagen¬
dem Herzen fast in der Hälfte der Fälle (44 Proz.), Bakterien der
verschiedensten Art, wahrscheinlich vom Darm in die Blutbahn ge¬
wandert, im Herzblute nachzuweisen. Die Tötung der Tiere erfolgte
bei Chvostek durch Erfrierenlassen. Durch diese Untersuchungen
erhalten selbstverständlich alle Befunde, die nach dem Tode der
Frau (oft 12—18 Stunden später!) erhoben wurden, nur eine .sehr
bedingte, um nicht zu sagen gar keine Bedeutung. Ja selbst bei den
als Kontrolltiere verwendeten, durch Abquetschen der Medulla ge¬
löteten Mäusen konnte Chvostek in 6—7 Proz. der Fälle
Bakterien im Herzblute nachweisen. Chvostek fasst dieses
Resultat als durch Fehlerquellen bedingt auf (Keimgehalt der
Luft »i. s. w.). Bedenkt man jedoch das nicht selten beobachtete
Vorkommen von Vereiterungen subcutaner Hämatome ohne jede
Verletzung der Oberhaut, das Auftreten von Osteomyelitis nach
Traumen u. ä., so ist der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, dass
unter Umständen sogar im normalen Organismus Bakterien kreisen,
die jedoch durch die baktericiden Kräfte des Körpers an der Ent¬
faltung ihrer verderblichen Wirkung gehindert werden. Einen fast
>2le
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
175
noch geringeren Wert als diese Bakterienfunde bei Eklampsie können
die mit diesen Bakterien angestellten Tierversuche beanspruchen.
Eine Krankheit, die derzeit weder ätiologisch noch klinisch (es
können die Krämpfe, es kann die Albuminurie fehlen), noch patho¬
logisch-anatomisch genau umgrenzt ist, offenbar in keinem Sinne ein
einheitliches Krankheitsbild darstellt, bei Tieren erzeugen zu wollen
und die Resultate dann einfach auf den Menschen zu übertragen,
ist eine bare Unmöglichkeit. Ja selbst wenn es gelänge, bei Tieren
durch Injektion irgend welcher Substanzen Krämpfe, Coma, Albu¬
minurie, Abortus zu erzeugen, so wäre dies noch immer nicht die ge¬
ringste Gewähr dafür, dass man „Eklampsie“ bei ihnen erzeugt
hätte, da dieser Symptomenkomplex bei Tieren ganz uncharakte¬
ristisch ist und von einer grossen Zahl von Substanzen erzeugt
werden kann. Die Richtigkeit dieser Anschauung ergibt sich sofort,
wenn man die so widerspruchsvollen Angaben der einzelnen Autoren,
die positive Befunde zu verzeichnen haben, miteinander vergleicht
So isolierte Favre 76 ) aus den weissen Infarkten der Placenta eines
Falles von Eklampsie einen Micrococcus Eclampsiae, mit einem
Durchmesser von 0,7—0,8 /u, der auf Gelatine und Agar in kleinen,
durchsichtigen Punkten wächst, der doppel- oder einseitig nephrekto-
mierte Kaninchen teils mit, teils ohne Konvulsionen tötet. Urämie
kann nach der Meinung des Autors ausgeschlossen werden. Die
Nephrektomie wird zur Nachahmung einer Grundbedingung zum Zu-
r standekommen der Eklampsie, der Behinderung des Harnabflusses
vorgenommen. Beim Menschen genügt vielleicht hierzu der Druck
des schwangeren Uterus. In zwei weiteren Fällen findet Favre gleich¬
falls in den weissen Infarkten ein „Gemenge“ verschiedener Bak¬
terien, die bei Kaninchen nach Behinderung der Harnsekretion Kon¬
vulsionen und Sopor erzeugen. Der eine der Fälle verlief mit
Icterus und zeigte schwere Magenerosionen; dasselbe Krankheitsbild
konnte Favre durch die aus der Placenta derselben Frau gezüch¬
teten Bakterien erzeugen. Also der „Erreger“ ist nicht spezifisch,
einmal ein Coccus, dann ein bewegliches Stäbchen, dann überhaupt
„Pilze“; trotzdem ist die Theorie rasch fertig: „Die Eklampsie ist
eine Infektionskrankheit als unmittelbare Folge einer vor der
Schwangerschaft bestehenden Endometritis, möglicherweise in Ver¬
bindung mit weissen Infarkten.“ Die Erklärung dieser positiven
Befunde folgt in den späteren Arbeiten dieses Autors [Favre 79 )]:
Von acht gesunden Kaninchen hatten drei „Pilze“ im Blute, bei acht
gesunden fieberfreien Menschen ohne äussere Wunden fanden sich
in sechs Fällen „Pilze“, bei 10 objektiv und subjektiv vollständig
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symptomenlosen Menschen fanden sich in vier Fällen „Pilze“. Aller¬
dings kann Favre sich nicht entschliessen, dieses sehr häufige
Auftreten von Pilzen im Blute normaler Menschen als physiologisch
zu betrachten. Die negativen Befunde anderer Autoren fänden ihre
Erklärung in der gleichen Beobachtung Favre’s, der bei Tiere»
durch Injektion von Bakterien infektiöse Nephritis erzeugte, aber
trotzdem im Blute keine Mikroben nachweisen konnte. — In drei
weiteren Fällen konnte Favre 79 ) fünf verschiedene Coccen aus
den weissen Infarkten zöchten, welche sämtlich akute parenchy¬
matöse Trübung der Harnkanälchen erzeugten. In einer der nächsten
Arbeiten hat sich Favre 80 ) schon von der Minderwichtigkeit
der Harnretention überzeugt. Die Infektion sei die Hauptsache.
Er hält strikte an seiner Theorie fest, trotzdem er in seiner ersten
Arbeit betont hat [Favre 77 )], dass es zum einwandsfreien Nachweis
von Bakterien in der Placenta notwendig wäre, das Organ noch vor
seinem Durchtritt durch die Vagina, also unmittelbar nach der Sectio
caesarea, zu untersuchen, eine Forderung, die übrigens auch Albert 3 )
aufstellt, trotzdem er in den Nieren von nicht-infizierten Kaninchen
nach Ureterenunterbindung Mikroorganismen nachweisen konnte,
trotzdem er durch Filtrate von Bouillonkulturen bei Sekretions¬
behinderung Nephritis erzeugte, aber auch durch einfache Unter¬
bindung der Ureteren! Der Unterschied zwischen den beiden Tieren
soll in der Mortalität liegen: infizierte Tiere mit unterbundenen
Ureteren zeigen 66 Proz. Mortalität, nicht infizierte nur 12 Proz.!
Der Fall ist typisch! Er zeigt, mit welcher Naivität und
Kritiklosigkeit solche Probleme .gelöst“ und gegenüber berechtigten
Einwänden nüchterner Forscher mit viel Aufwand von Temperament
und Tinte verfochten werden.
Die meisten anderen Autoren, die positive Befunde zu ver¬
zeichnen haben, registrieren einfach die Thatsache: Hergott 1 **) be¬
schreibt ein Stäbchen, das er in fünf Fällen von Eklampsie im Urin
findet, doppelt so lang als breit, leicht färbbar; es tötet trächtige
Kaninchen unter „Eklampsieerscheinungen“ und ist im Blute der¬
selben wiederzufinden; Haegier 115 ) gewinnt aus dem Harn einer
Eklamptischen, deren Blut steril war, einen Staphylococcus, und in
einem zweiten Falle aus der Peritonealflüssigkeit und den Nieren
einen Diplococcus; an der Placentarstelle fanden sich üppige Kulturen
von Proteus vulgaris; Scarlini** 8 ) findet in zwei Fällen schwerer
Eklampsie 2 /u lange Stäbchen mit einer Einschnürung in der Mitte:
bei trächtigen Hündinnen konnte er damit das „bekannte Bild der
Eklampsie“ erzeugen, während eine nicht trächtige nur Temperatur-
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177
Steigerung, Erbrechen und Diarrhöen aufwies. Das Blutserum sowie
die Ptomaine des Bakteriums in Bouillonkulturen sind sehr giftig.
Blanc**) gelingt es, seinen bereits im Jahre 1889 im Urin gefun¬
denen Organismus in weiteren drei Fällen im Blute zu finden; er
beschreibt ihn als einen dünnen, 1—3 fi langen Bacillus mit leb¬
hafter Eigenbewegung, bipolarer Färbung; derselbe erzeugt bei
Kaninchen Nephritis und Konvulsionen; im betreffenden Falle trat
auch durch Infektion mit diesem Organismus eine Endemie auf.
Eine 3—4 °/ 00 Lösung von Chloralhydrat tötet den Bacillus. Rappin
und Monnier 214 ) bestätigen diesen Befund und bestimmen den
Bacillus als eine Coliart. Gerdes 93 ) züchtet aus Niere, Lunge,
Aorta und Leber einer an einer schweren Eklampsie verstorbenen
Frau einen sehr lebhaft beweglichen Bacillus, der Gelatine verflüssigt,
nach Gram sich entfärbt und Mäuse unter klonischen und tonischen
Krämpfen tötet; in deren Blute findet sich derselbe Organismus;
ebenso in Schnitten von Leber und Nieren. Die tödliche Wirkung
kann durch hohe Morphiumgaben aufgehoben werden. In einem
zweiten Falle [Gerdes 94 )] fanden sich 14 Stunden (!) nach dem Tode
die gleichen Bacillen reichlich in sämtlichen aus der Placentarstelle
des Uterus angefertigten Schnitten. „Dadurch ist unwiderleglich
bewiesen, dass die Eklampsie eine Infektion mit dem spezifischen
Eklampsiebacillus ist“. „Ohne Eklampsiebacillus keine Eklampsie.“
Hofraeister’s 132 ) Untersuchungen des Gerdes’schen Bacillus
wiesen dagegen nach, dass Gerdes einfach einen Proteus vulgaris
in der Hand hatte, der mit der Aetiologie sicher nichts zu thun hat.
Auch Schreiber 240 ), Lindfors und Sundberg 166 ) können den
Proteus neben anderen (Coli und Fluorescentes) in einigen Fällen
nachweisen. Bar und Belloy 10 ) finden in den lufthaltigen Infarkten
der Leber zahlreiche nicht näher bestimmte Organismen, Gley 100 )
in vier Fällen im Blute den Staphylococcus aureus und albus, ebenso
Combemalle und Bue 60 ), Müller 193 ), Hecht 120 ) in dem Harne
einer Eklamptischen einen Diplococcus, teils isoliert, teils in Ketten-
fortn, der Mäuse unter klonischen Krämpfen tötet; im Blute der¬
selben kann Gley aber nur einen beweglichen Bacillus mit abge¬
rundeten Ecken finden. Hogner 183 ) konstatiert einen dem Tetanus¬
bacillus ähnlichen Bacillus, Oui und Sabrazös 203 ) im Blute einer
Eklamptischen, bei der die Anfälle am neunten Tage p. partum ausge¬
brochen waren, Staphylococcus aureus, und post mortem in der Blase,
in der Gallenblase, im pericarditischen Exsudate dieselben Coccen
zugleich mit Coli. Auch Schwab 260 ) gelang der Nachweis von
Staphylococcus pyogenes aureus und citreus in der Leber und
Ontrtlhlatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. ]2
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im Gehirn einer an Eklampsie verstorbenen Frau; Hoche 129 )
kann in einem von zwei untersuchten Fällen in einem Leberschnitt¬
präparat nicht näher bestimmte Mikroorganismen nachweisen.
Lewinowitsch 165 ) untersuchte das Blut von 44 Eklamptischen und
findet regelmässig grosse Coccen von runder oder ovaler Form, mit
deutlichen Geissein. Sie finden sich im Blute bisweilen vor dem
ersten Anfalle, meist aber erst während des Anfalles bis zwei Tage
nach dem letzten. Bei nicht trächtigen Kaninchen erzeugten sie
einigemale Krämpfe. Im Blute Schwangerer, die zwar keine Anfälle
hatten, aber an Oedemen, Kopfschmerz, Erbrechen litten, fanden sich
die Coccen in geringer Zahl.
Albert 3 * 4 - 5 ) spricht direkt von einer latenten Mikroben-Endo-
metritis. Seine bakteriologischen Untersuchungen an Kaiserschnitt-
placenten ergaben unter sechs Fällen zweimal ein positives, einmal
ein zweifelhaftes Resultat Auch Müller 198 ) verfolgt einen ähn¬
lichen Gedankengang. „Die Eklampsie des geschlechtsreifen Weibes
ist eine Allgemeinvergiftung. Das Gift entsteht durch Einwirkung
von Mikroorganismen auf zersetzungsfähiges Material, die Allgemeinver¬
giftung durch Resorption desselben aus der Geschlechtshöhle’“ Mars eb¬
ner 180 ) möchte als Stützpunkte dieser Mikrobenenteritis für gewisse
Fälle das Eintreten von Abortus und Fieber, ohne dass eine In¬
fektion erfolgt wäre, heranziehen. Schmorl 238 ) wendet dagegen ein,
dass bei den so häufigen sicher infektiösen Schleimhauterkrankungen
mit völlig versperrtem Abfluss niemals Eklampsie eintrete. Auch
die sicher zu Recht bestehende Thatsache der Prädilektion Erst¬
gebärender, ferner gerade der Schädellagen, mag mit dieser Theorie
nicht recht stimmen.
Diesen positiven Befunden, die aber untereinander durchaus
keine Uebereinstimmung zeigen, stehen nicht weniger gänzlich nega¬
tive Untersuchungsresultate gegenüber. Woyer 288 ), Doleris 65 )
können weder im Blute noch im Harn Mikroorganismen finden,
ebensowenig Nauwerk 195 ), Schmorl 230-238 ), Lubarsch 176 ), Haeg¬
ier 115 ); selbst 10 Minuten post mortem können Bar und Renon 13 )
in einem Falle in der Leber keine Mikroben nachweisen, während
ihnen in drei anderen Fällen dies gelang. Bayer 20 ) findet das
Aderlass- und Nabelschnurblut sowie den Urin teils steril, teils in¬
fiziert mit Coli und Eitercocccu, Döderlein 62 ) untersuchte acht
Fälle, von diesen drei sofort nach dem Tode und konnte weder im
mütterlichen Blute und Urin noch im kindlichen Blute [ebensowenig
wie Bar 16 )], noch in der Placonta, auch nicht bei anaerober Züchtung
irgend einen Mikroben nachweisen. Prutz 210 ) stellt 500 Fälle von
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Eklampsie aua der Literatur zusammen, bei denen die angestellte
bakteriologische Untersuchung negativ verlief; Leusden konnte
gleichfalls trotz genauer Untersuchung zweier Fälle keinen Anhalts¬
punkt für die Annahme eines infektiösen Ursprungs der Eklampsie
gewinnen. Ohlshausen 201 ) erwähnt in der Diskussion zu einem
Vorträge (Ohlshausen), dass sich einer seiner Assistenten unter
Beihilfe Briegers's lange Zeit, aber vollkommen erfolglos mit dies¬
bezüglichen Untersuchungen abgegeben hat.
Nicht minder zahlreich ist die Gruppe jener Autoren, welche
in der Eklampsie den Ausdruck eines gestörten Stoffwechsels
erblicken wollen. Mit mehr oder minder wesentlichen Aenderuugen
wird stets dasselbe Thema variiert: Vergiftung des mütterlichen
Organismus durch ein normales, aber infolge einer Nieren- oder
Leberläsion nicht ausgeschiedenes Stoffwechselprodukt, das event.
in der Schwangerschaft in vermehrter Menge produziert wird, oder
durch einen dem normalen Stoffwechsel fremden, unter dem Einflüsse
der Gestation entstandenen und nicht ausgeschiedenen Stoff.
Müller 198 ) postuliert ein durch Einwirkung von Bakterien auf zer¬
setzungsfähiges Material (retiniertes Uterussekret) entstandenes Gift.
Eine befriedigende, allseitig stimmende Erklärung vermag jedoch
keine der vielen Theorien zu geben, eine Thatsache, die nicht
wunder nehmen kann, falls man unbefangen und ohne den That-
sachen Gewalt anzuthun, das vorliegende Material prüft und zu dem
Standpunkte gelangt, dass das, was derzeit alles unter Eklampsie
verstanden wird, weder ätiologisch noch klinisch noch pathologisch¬
anatomisch eine einheitliche Krankheit darstellt. Jedenfalls aber
müsste jede dieser Theorien nachzuweisen haben: dass bei der
Eklampsie die Retention giftiger Stoffwechselprodukte 9tattfindet,
also sowohl die Anwesenheit des Stoffes, event. in vermehrter Menge,
als auch die Behinderung der Ausscheidung und die Ursache für
beide Phänomene. Jene Ansicht, welche die Intoxikation durch den
fötalen Stoffwechsel vertritt, müsste auch dieses Beweisglied noch
liefern. Als Schlussstein aller Theorien sind der Nachweis und die
chemische Bestimmung des fraglichen Stoffes anzustreben.
Bis jetzt hat es nur eine relativ kleine Anzahl von Forschern
versucht, einzelnen dieser Probleme näher zu treten und sie durch
experimentelle Versuche an Tieren zu lösen. Die grössere Anzahl
der Autoren jedoch begnügt sich, einfach spekulativ aus dein
klinischen und statistischen Materiale ihre Schlüsse zu ziehen. Es
wäre müssig, die einzelnen Theorien dieser Autoren de9 genaueren
12 *
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zu erwähnen, da sie eben nur Spekulation sind und mit geringes
Abweichungen mit den oben angeführten Thesen übereinstimmen.
Aber auch die experimentelle Pathologie hat die Erwartungen,
die man auf sie in der Klärung der Eklampsiefrage setzte, nicht zu
erfüllen vermocht. Die Ursache liegt auf der Hand. Man wollte
durch Tierversuche die grössere Giftigkeit des eklamptischen Serums
und die geringere des Harns, sowie die grössere Toxicität des Harns
nach den Anfällen, somit Retention eines toxischen Agens nach-
weisen. Im allgemeinen gilt über die Tierversuche auch hier das
bei den bakteriologischen Versuchen Gesagte: sie sind nichts weniger
als eindeutig und beweiskräftig. Im besonderen deckten gerade die
neueren Untersuchungen über Serumreaktionen (Hämolysine, Hämag-
glutinine) eine Fehlerquelle auf, die man damals nicht in Betracht zog und
die auch heute im Einzelfalle bei dem schwankenden Gehalte jedes ein¬
zelnen Serums an wirkenden Substanzen sehr schwer abzuschätzen sein
dürfte; fand ja doch Ha Iba n 146 ) im mütterlichen Blute Hämolysine
und Agglutinine für das kindliche Blut und umgekehrt; andererseits
webt das Blut der Art. und Ven. umbilicalis keinerlei Differenzen
im Gefrierpunkte auf [Halban], obwohl sie doch sicherlich ver¬
schieden sind bezüglich des Gehaltes an Salzen und Substanzen des
Stoffwechsels; auch im Gehalte an Präcipitinen weist mütterliches
und kindliches Serum Unterschiede auf [Halban und Land¬
steiner n7 > m )]. Der zweite Grund liegt in der Eigenschaft des
Harnes als einer salzhaltigen Lösung, bei deren Injektion in die Blutr
bahn eine Reihe von osmotischen Vorgängen stattfindet, welche die
schwersten Störungen bewirken können, ohne dass etwas anderes als
die normalen Harnsalze in grösserer oder geringerer Menge zugegen
sein brauchten [Volhardt* 80 ), Schuhmacher* 46 )]. Die Ergebnisse
der einzelnen Forscher, welche selbst diametral entgegengesetzte
Resultate melden, beweisen zur Genüge die Richtigkeit der Aus¬
führungen.
So bestimmen Bar und Renon 18 ), Bouchard die Giftigkeit
des Urins Schwangerer auf 45—50 ccm pro 1 kg Kaninchen; Blanc* 5 )
auf 76 ccm, bei frisch Entbundenen und in den ersten 5 Wochen
auf 41—50 ccm; Goria 105 ) dagegen auf 107 ccm in der Eröffnungs¬
periode und auf 93,44 bei Wöchnerinnen, Ludwig und Savor 74 )
knapp über 60 ccm; Velde nur halb soviel als bei nicht Graviden.
Für das Serum normaler Menschen findet Rummo* 19 ), Chambrelent 45 )
10 ccm pro 1 kg Tier, Bar und Renon 13 ) (1 Fall) mit 3—5 ccm,
Ludwig und Sa vor 174 ) 8—9 ccm, Schuhmacher* 46 ) 4—5 ccm.
Bei Eklamptischen beträgt nun die Giftigkeit des Serums 3—6 ccm,
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bei den Kindern Eklamptischer bisweilen sogar noch weniger
[Chambrelent 48 ), Tarnier und Chambrelent 282 ’ 41—48 )]; Ludwig
und Savor, Azzurini®) finden das Serum Eklamptischer bedeutend
giftiger, während der Urin um das Mehrfache weniger giftig ist als
normaler, z. B. bei Bouchard [c. b. Chambrelent 41 )] um das
Dreifache, ebenso bei Chambrelent und Tarnier; Ludwig und
Savor finden meist während des Anfalles eine sehr starke Herab¬
setzung der Giftigkeit, während in der Zwischenzeit ein Schwanken
von 13,6—77 ccm statthat.
Genaue Nachprüfungen dieser Resultate durch Vollkard 280 )
und Schuhmacher 245 ) führten jedoch zu dem Ergebnisse, dass das
Serum Eklamptischer nicht giftiger ist als das normale. Ebenso¬
wenig zeigt der Harn Unterschiede, falls man den von Bouchard
und den anderen ihm nachfolgenden Autoren übersehenen Faktor
des verschiedenen spezifischen Gewichtes der Harne und des Blutes
berücksichtigt. Die Sera Gesunder wie Eklamptischer erzeugen in
gleicher Dosis gleich aussehende Krämpfe, welche wahrscheinlich
Eretickungskrämpfe sind. Hämoglobinurie tritt auch bei Injektion
von normalem Serum auf, auch Hämaturie [Azzurini 1 )], während
der Urin von Schwangeren mit Nephritis gravidarum und solcher,
die an Eklampsie leiden, ebenso toxisch ist wie der gesunder
Schwangerer von gleichem spezifischen Gewicht. Neuerdings hat
Goenner 104 ) bei drei Eklampsien den urotoxischen Coefficienten
[Bo uchard, jene Menge Gift im Urin, welche in 24 Stunden pro¬
duziert wird, auf 1 kg Körpergewicht bezogen] bestimmt und ihn
nicht höher gefunden als bei gesunden Schwangeren.
Volhard 280 ) konstatierte auch, dass der auf die Krämpfe ent¬
leerte Urin giftiger ist als der vor den Konvulsionen entleerte. Er
scheint eine Substanz zu enthalten, welche das Blut zur Gerinnung
bringt, wodurch die vielfachen Thrombosen bei der Eklampsie ihre
Erklärung fänden. Diese Substanz ist sicher nicht im normalen
Urin vorhanden; ob sie mit der von Bar und Mercier 12 ) in drei
Fällen beobachteten ei weissartigen Substanz identisch ist, ist mangels
entsprechender Versuche nicht zu entscheiden. Sie lädiert die Niere
nicht direkt, sondern sekundär durch Verstopfung feiner Gefässe
mit folgender Ernährungsstörung. Auch Fehling 85 ) postuliert ein
aus dem fötalen Stoffwechsel entstehendes, Gerinnungen erzeugendes
Gift; Kollmann 158 *) konnte auch thatsächlich im Blute Eklamp¬
tischer eine bedeutend grössere Menge von Faserstoff (Globulinen)
nachweisen, als Nasse sie für das Blut am Ende der Schwanger¬
schaft festgestellt hat, und zwar sowohl bei der Mutter als auch beim
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Kinde; es besteht also eine Störung bezüglich des Stickstoffstoff-
wechsels, wodurch auch die übrigen Befunde von Kreatinin, Kreatin,
Leukomainen [Massön 181-186 )], Carbaminsäure [Ludwig u. Savor 174 )]
ihre Erklärung fänden. Experimentell erzeugt auch Globulin Krämpfe,
Coma, Fieber, Durchfälle, im Blute rasche Gerinnung; normalerweise
wird dasselbe durch die Niere ausgeschieden; versagt jedoch diese
Funktion, so tritt der eklamptische Anfall ein. Da auch der fötale
Kreislauf mit Globulinen überladen ist, erklärt sich die günstige
Wirkung der Ausstossung oder des Absterbens der Frucht Ebenso
findet hierin die günstige Wirkung des Aderlasses durch Entleerung
der Globuline seine Erklärung. Auch Azzurini 9 ) ist geneigt, sich
dieser Erklärung anzuschliessen, da bei Eklampsie das relative Ver¬
halten des Globulins zum Seroalbumin verändert ja sogar invertiert
erscheinen kann.
Dass bei Eklampsie keine Retention von harnfähigen Stoffen
vorliegt, ergibt sich aus den Gefrierpunktsbestimmungen, dieSzilli* 56 )
bei Eklampsie im Aderlassblut sofort nach den Konvulsionen vor¬
genommen hatte: die Gefrierpunktserniedrigung wies normale Werte
auf; es könnte sich aber wohl um eine Intoxikation durch grosse,
aus der Spaltung von Eiweissmolekülen hervorgegangene Atom¬
komplexe handeln, da diese den Gefrierpunkt kaum beeinflussen
[Massön 183-185 )]. Dagegen sprechen aber wieder die Stoffwechsel¬
versuche von Schräder, der bei Eklampsie das Verhältnis des
oxydierten Schwefels zum Gesamtschwefel nicht verändert findet,
wonach eine Störung des Stickstoff-Stoffwechsels sehr unwahrschein¬
lich wird. Dem gegenüber konstatiert Cioja 48 ), dass der relative
Harnstoffgehalt des Urins bei Erstgeschwängerten höher sei als bei
Mehrgeschwängerten, woraus sich vielleicht die grössere Disposition
der Erstgebärenden für Nierenerkrankungen und Eklampsie erklären
lasse. Andererseits aber bestimmte Butte 89 ) den Harnstoffgebalt
im Blute und fand ihn namentlich in den tödlich verlaufenden Fällen
auf das Fünf- bis Sechsfache des normalen gesteigert Doch konnte
er auch in solchen schweren Fällen mitunter normale Zahlen erheben!
(Fortsetzung folgt.)
Nierenabscess und Perinephritis.
Ein zusammen fassende Studie von weil. Dr. E. Herszky.
(Fortsetzung.)
Die kleinen nicht entdeckten miliaren Abscesse können
allerdings auch — wie in einem Falle von Israel* 6 ) — spontan
nach einfacher Nephrotomie heilen, was jedoch Wolff's Aus-
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183
führungen keineswegs tangiert. Auch Lennander’s 15a ) Fälle von
miliaren Abscessen nach akuter Pyelonephritis beweisen, dass die
Nierenspaltung mit Excision der kranken Partien meist zur Heilung
führt. Von fünf sind vier Fälle vollständig genesen.
Israel 1 -®-) hebt hervor, dass die Anzahl der unvollständigen
Heilungen mit Fistelbildung eine sehr grosse ist
Nicht zu leugnen ist, dass die notwendige Trennung der
Scheidewände der einzelnen Abscesse selbst oft einen recht schweren
Eingriff, dem gegenüber die Nephrektomie als einfache Operation
gelten muss, darstellt. Besondere Schwierigkeiten macht es, wenn
nach nephrotomierten Pyonephrosen Fisteln Zurückbleiben, die zu
perirenalen Eiterungen führen. In Carlier’s 40 ) Fall war nach
Nephrotomie eine Perinephritis fibrolipomatosa aufgetreten, mit
welcher eine sklerotische Verwachsung der ganzen Nierenfettkapsel
verbunden war. Carlier 1 -®-) rät in solchen Fällen, eine subcap-
suläre Exstirpation vorzunehmen. — Dass dies als sekundärer
Eingriff gewiss nicht beabsichtigt war, ist klar. [Vgl. auch Stein¬
thal 1 « 4 ).]
Bei schweren Pyonephrosen ist die Nephrotomie mit den an¬
schliessenden Vereinigungen der kleineren Höhlen eine undankbare
Arbeit Die Entfernung der Steine und Breireste, die oft von den
Kelchhälsen nur schwer zu trennen sind, ist eine langwierige
Aufgabe. Dann ist es besonders die lange Dauer der Narkose,
worauf Israel 1 * 71 -®-) in solchen Fällen aufmerksam macht, „welche
die labile Herzthätigkeit solcher Patienten, deren Myocard durch
langdauernde septische Verhaltung parenchymatös erkrankt ist derart
schädigt, dass der absinkende Blutdruck nicht mehr eine aus¬
reichende Harnsekretion aufrecht zu erhalten vermag“.
Eine unvollständig drainierte Pyonephrose ist ferner stets eine
Gefahr für die andere Niere. [Vgl. Picqud* 06 ), Chevalier und
Mauclaire 45 ), Gerster 1 -®-) etc.]
Der Gedanke, der früher noch als ein leitender angesehen wurde,
die sekundäre Nephrektomie könne ja schlimmsten Falles, falls
sieh die Nephrotomie als ungenügend erweisen sollte, ausgeführt
werden, kann auch nicht stets als stichhältig bezeichnet werden,
wenn auch einzelne Autoren [Herczel 106 ), Follet 72 ), Obalinski 197 ),
Carlier 1 -*•), Tuffier 1 -®-) u. s. w.] von guten Erfolgen berichten.
Karewski 181 ) versuchte bei einer nach Wochenbett auf¬
getretenen Pyonephrose die Nephrotomie, musste aber wegen Weich¬
heit der Gewebe zur Nephrektomie schreiten.
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Verhoogen 280 ) stellt bei allen Pyonephrosen die Regel auf,
zuerst Nephrotomie und Drainage zu versuchen und nur in den
allerkompliziertesten Fällen zur Exstirpation zu greifen.
Bräuninger 88 ) berichtet aus Socin’s Klinik, dass daselbst
ebenfalls vorerst Nephrotomie versucht wird. Von den vier Pyone¬
phrosen, bei denen im Zwischenraum von sechs Wochen bis drei¬
viertel Jahr sekundäre Exstirpationen vorgenommen wurden, betrug
die Mortalität (ein Todesfall) 25 Proz.
Von Diederich’s 63 ) drei Fällen genas nach primärer Exstir¬
pation ein Fall; bei zwei anderen, bei denen sekundäre Exstirpation
vorgenommen wurde, betrug die Mortalität 100 Proz.
Die 19 von Israel 1 ') operierten Pyonephrosen ergeben
folgendes Resultat:
Von 13 Primärexstirpationen starben 3 = 23 Proz.
„ 2 Sekundärexstirpationen „ 1 = 50 „
„ 5 Nephrotomierten „ 2 = 40 „
Die John’sehen 1 '-) Ergebnisse decken sich beiläufig mit Israel’s
Statistik. Von Sechs Nephrotomierten starben drei (50 Proz.), von
den Nephrektomierten starb einer (33 Vs Proz.).
In den Fällen von Lauwers 148 ) starb einer von drei Nephro¬
tomierten, die zwei anderen behielten Fisteln; von den drei
Nephrektomierten genasen alle.
Die von Geiss 80 ) gelieferte Statistik aus Küster’s Material
basiert auf 18 Cystonephrosen, bei denen 14mal Nephrotomie, zwei¬
mal primäre und fünfmal sekundäre Nephrektomie ausgeführt wurde.
Von den sekundär Nephrektomierten 6tarb ein Fall. — Bei neun
Kranken war völlige Genesung eingetreten.
Leider können diese vortrefflichen Resultate für das von un9
behandelte Thema nicht verwertet werden, da wir zu den Pyone¬
phrosen die Retentionszustände anfangs aseptischen Inhalts nicht
zählen. — Bekanntlich liefern ja die sogenannten Hydronephrosen
bessere Heilungsresultate.
Man muss also „die Fälle wägen und nicht zählen“, wie
Israel sagt. Bei der Erwägung der einzugreifenden Therapie sei
nicht nur das zu operierende Organ, sondern die gesamte Körper¬
beschaffenheit zu prüfen.
Vielleicht werden die Bestrebungen der funktionellen Diagnostik
die praktischen Erfahrungen ergänzen können. Heute aber muss
noch die praktische Regel Israel’s 1 ®) gelten: „Funktioniert
das Herz gut, so wird auch nach einseitiger Nephrektomie
eine mässig kranke Niere fortfahren zu arbeiten; ist das
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Herz den Schädlichkeiten einer Operation nicht gewachsen,
so kann auch die einfache Nephrotomie tödlich vA-laufen.“
So führte zum Beispiel in den Fällen von Hogge 114 ) und
Wanner* 9 **) die einfache Nephrotomie zum Tode.
Die Frage, ob die Gravidität eine Kontraindikation zur Ope¬
ration bilde, kann ruhig verneint werden.
Die Fälle von Lomer 188 ) und Purslow* 19 ) beweisen, dass
trotz Nephrotomie, der sogar in einiger Zeit die Nephrektomie an¬
geschlossen werden musste, Heilung und normale Geburt erfolgen
können. Purslow 1 - 0 ) erklärt auch, dass aus diesem Grunde die
Einleitung des Aborts überflüssig sei.
Erwähnenswert ist schliesslich, dass de Paoli* 08 ) mit Injek¬
tionen von Nierenparenchymsaft den günstigen Einfluss der
Operationen (durch Hebung der ausgeschiedenen Harnstoffmenge)
heben wollte.
In dem schon citierten Falle von Streptococcenpyonephrose
schreibt Lauwers *■*•) den gleichzeitig mit der Operation vorge¬
nommenen Injektionen von Antistreptococcenserum den erreichten
Erfolg zu.
Bei metaBtatischen Niereneiterungen infolge allgemeiner
Pyämie, wenn dieselbe in vivo überhaupt diagnostiziert werden kann,
wird man selbstverständlich über jedweden operativen Eingriff sehr
skeptisch urteilen.
Ebenso wird man bei positivem Schluss auf gleichzeitige
Funktionsunfähigkeit der zweiten Niere [Kümmel 141 ), Dollinger 54 *)
Iversen 180 )] nur eine symptomatische Therapie vorschlagen.
Peri- und Paranephritis.
1. Nomenklatur.
Eine Klärung der Nomenklatur der Entzündungsformen der
die Niere umgebenden Gewebe ist heute noch immer ein pium
desiderium. Rayer 515 ) hat die Entzündungen der Nierenfettkapsel
unter dem Sammelausdruck Perinephritis zusammengefasst.
H. Schmid* 48 ), Prior* 18 ), Puky* 18 ) und Senator* 56 ) ver¬
stehen unter Perinephritis eine auf den fibrösen Ueberzug der
Niere beschränkte Entzündung, während sie mit Paranephritis die
Entzündung der Nierenfettkapsel bezeichnen. — Nach diesen und
auch nach den meisten Autoren jedoch, soweit aus dem vorliegenden
Material ersichtlich ist, werden beide Begriffe in gleichem Sinne
angewendet. — Selbst die neueste Literatur unterscheidet zwischen
den beiden Terminis nicht
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Küster 144 ) will aber unter Perinephritis die Entzündung des
vordere! Bauchfellöberzuges der Niere aufgefasst wissen,
während die Gewebserkrankungen der Nierenfettkapsel weiterhin
den Namen Paranephritis führen sollte. L^jars 1S1 ) spricht auch von
anterenalen Abscessen.
Israel 1 * 9 ) jedoch hebt hervor, dass die Küster’sche Begriffs¬
bestimmung für den alten Ausdruck Perinephritis weder vom klinischen
noch vom anatomischen Standpunkte genüge, „da eine auf den
peritonealen Ueberzug der Nieren beschränkte Entzündung als selbst¬
ständige Krankheit überhaupt nicht vorkommt, sondern nur als Teil¬
erscheinung einer Vereiterung der Fettkapsel und auch dann nur in
verschwindend seltenen Fällen“.
Mit dem Vorwort „peri“ wird im medizinischen Sprachge¬
brauch die mit dem Organe in unmittelbarem Kontakt be¬
findliche, membranöse Gewebsschicht bezeichnet; diesem Sprachge¬
brauch entsprechend ist nach Israel 1 ') unter Perinephritis „die
Entzündung der die Niere unmittelbar bekleidenden mem-
branösen, fibrösen Kapsel zu verstehen“ Da aber die Niere
und die Fettkapsel, wie Israel weiter ausführt, quasi ein Organ
bilden, müsse man unter Paranephritis nur die ausserhalb der
die Nierenfettkapsel begrenzenden Fascia retrorenalis, also im
eigentlichen retroperitonealen Fettgewebe, der nach Gerota be¬
nannten „Massa adiposa retroperitonealis“ vor sich gehenden Ent¬
zündungsprozesse benennen.
Für die „wichtige Entzündung der Nierenfettkapsel“
selbst schlägt Israel 1 -'-) die neue Bezeichnung „Epinephritis“ vor.
Dieser Vorschlag ist bis jetzt noch nicht Allgemeingut ge¬
worden, obwohl mit diesen drei Namen, „ohne dem Sprachgebrauch
Gewalt anzuthun und den Respekt vor der Tradition ausser acht
zu lassen“, alle in der Umgebung der Niere ablaufenden Prozesse
genau voneinander getrennt werden können und dem allgemeinen
Verständnis kein Fragezeichen hinderlich sein muss.
Es ist wohl wahr, dass die Krankheitsbilder häufiger mit¬
einander verschmelzen, als einzeln Vorkommen. Sie sind aber doch
auch selbständig auftretende, voneinander pathologisch genau unter¬
scheidbare Prozesse, weswegen im Interesse der Forschung eine
endgültig allerseits zu beobachtende Nomenklatur bei Betrachtung
der vorliegenden Literatur erwünscht gewesen wäre.
Vielleicht wird die nächste Zeit auch hier Klärung bringen.
Dass Israel’s Vorschlag hierbei nicht unberücksichtigt bleiben
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kann und bleiben wird, erhellt aus der Zweckmässigkeit der auf
anatomischer Basis aufgebauten, von ihm angebahnten Terminologie.
2. Aetiologie und Pathogenese.
H. Schmid 248 ) nimmt zur ätiologischen Grundlage der Ein¬
teilung der eitrigen Prozesse in der Umgebung der Nieren 1. die
direkte, 2. die indirekte Infektion an. Zur ersteren zählt er
a) die Sepsis, sowohl a) primärer als auch ß) sekundärer oder me¬
tastatischer Natur, b) die Verletzungen (Stich, Schuss, Schnitt,
Quetschung oder nach oberflächlicher Verletzung der Haut und
danach entstandenem Erysipel, Phlegmone etc.). — Die indirekte
Infektion kann a) auf dem Wege der Fortleitung einer Eiterung
aus der Umgebung (Perityphlitis, Pleuraempyem, subphrenischer
Abscess), b) durch Platzen eines abgeschlossenen Eiterherdes (Nieren-
abscess, kalter Abscess, vereiterter Echinococcus der Leber etc.)
erfolgen.
Wenn auch die Schmid’sche Einteilung als einzig richtig be¬
zeichnet werden muss, da dieselbe auch heute allen Anforderungen
vollständig entspricht und den ätiologischen Momenten am ehesten
Rechnung trägt, müssen wir nicht bloss der Vollständigkeit halber,
sondern auch dem allenthalben entwickelten Gebrauch zufolge einen
primären und einen sekundären Prozess annehmen.
Man spricht von primärer Peri- oder Paranephritis, wenn
der Prozess unmittelbar in den betreffenden Geweben auftrat,
von sekundärer, wenn der Prozess von anderen Organen fort¬
geleitet wurde.
Die Aetiologie der primären Formen ist teils bekannt, teils
unbekannt und hypothetisch. Die traumatischen Formen sind die
klarsten, jedoch auch nur soweit es sich um perforierende Ver¬
letzungen, wie nach Messer-, Dolch- und Bajonettstichen, nach
Fremdkörpern, wie Nadeln, Gräten, Nägeln (Israel), welche nach
Durchbohrung der Darmwände in die Fettkapsel eindringen, handelt.
Auch nach Kontusion, Fall von grosser Höhe, mächtiger Er¬
schütterung des Körpers, beim Reiten und Fahren auf holperigem
Wege [Senator* 5 *)] (offenbar nach Sturz vom Pferde oder Ueber-
fahren), nach Heben einer schweren Last, nach Zerrungen von
Muskelfasern in der Lendengegend, nach Quetschungen daselbst mit
postsequenten Blutungen im peri- und pararenalen Gewebe kommt
es zu traumatischen Erkrankungen.
So kam es nach einem schweren Falle auf die rechte Seite in
dem von Lindner publizierten Beitrag zur Verletzung des unteren
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Poles der Nierenfettkapsel zu Eiterungsprozessen in derselben, die
auch das Nierenbecken in Mitleidenschaft zogen.
Der von Waskiewitz* 94 ) beschriebene, von uns schon erwähnte
Fall von „peri-“, richtiger pararenalem Abscess entstand bei dem
47jährigen Hausmeister nach Aufheben einer schweren Last
Auch Kellermann 188 ) liefert einen Beitrag zur Nierenver¬
letzung mit nachfolgendem paranephritischen Abscess, hervorgerufen
durch Muskelzug infolge Ueberanstrengung.
Die Fälle von Ch. Monod 184 *) und Tuffier et Ch. Levy* ,s )
werden auf Nierenkontusionen zurückgeführt. — Blut und
Urin ergossen sich ins perirenale, beziehungsweise ins pararenale
Gewebe. — Aehnlich ist ein Fall von Johnson 1 * 4 ). [Vergl. auch
Plessing 208 ).]
In allen drei Fällen von primärer Perinephritis von Bow-
ditsch* 9 ) lag eine mechanische Veranlassung vor. In einem Falle
wird die besondere Anstrengung des Psoas beim Graben ätiologisch
verwertet.
In dem schon erwähnten, recht dunklen Falle von Legras 150 )
soll das übermässige Tanzen den Ausgangspunkt der perinephri-
tischen Eiterung abgegeben haben.
Man muss jedoch bei der Verwertung derartiger Momente in
ätiologischer Hinsicht sehr vorsichtig sein. — Die Meinung, dass
die nach Quetschungen beispielsweise aut tretenden Hämorrhagien
einen günstigen Boden für Mikroorganismen abgeben, ist gerecht¬
fertigt. Israel 1 * 9 ) nimmt für die Erklärung der Eiterungen „die
so häufig nach stumpfer Gewalteinwirkung entstehenden gering¬
fügigen Rupturen der Nierenrinde“ als Mittelglied in An¬
spruch. Er beweist es an einem Falle, dass aus den verletzten
Stellen der Niere Infektionsträger mit dem Urin austraten und zur
Phlegmone der gequetschten und suggillierten Fettkapsel führten. —
Er bezweifelt es jedoch, ob die häufig beschuldigten unbedeutenden
Traumen, „die alltäglich Vorkommen und oft lange zurückliegen“
und die von den Aerzten häufig nur „herausexaminiert“ werden,
dem Kausalitätsbedürfnis genügen.
In vielen Fällen, wo keine Aetiologie festgestellt werden kann,
hilft man sich, wie Senator sagt, mit der Annahme einer „Er
kältung“ [vergl. Bowditch' ®)], die in manchen Fällen wohl der
Ursache Vorschub leistet, ohne jedoch genau ermittelt und bewiesen
zu sein.
Maas 169 ) weist mit Recht darauf hin, dass die ursächlichen
Verhältnisse in Fällen sekundärer Natur der hier zu besprechen-
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den Erkrankungsformen am klarsten sind. — Die überwiegende
Mehrzahl der „per contiguitatem“ aus der Nachbarschaft sich ent¬
wickelnden Prozesse sind renalen Ursprungs. — Wir haben im
Verlauf des vorigen Abschnittes (Nierenabscess) dieses Umstandes
Erwähnung gethan.
Alle ätiologischen Momente, die zur Bildung von Niereneite-
rungen Anlass geben, spielen schon aus diesem Grunde bei den
peri- und pararenalen Prozessen auch eine bedeutende Rolle. —
Sowohl die Pyelitis, als auch die Pyelonephritis, Nephrolithiasis,
Neoplasmen in der Niere, die Beckenbindegewebseiterungen, gleich¬
gültig ob infolge von Infektionen von dem Harn- oder Genitaltract
ausgehend, können „fortkriechend“ die Fettkapsel erreichen und
daselbst Veränderungen hervorrufen.
Nach Nephrotomie wegen Pyonephrose blieb in dem von
Garlier 40 ) beschriebenen Falle eine Fistel zurück, die zu perirenaler
Eiterung Anlass gab. [Vergl. auch J. L. Bauer 15 ).]
Aehnlich sind zahlreiche Fälle entstanden [Floderus 71 ) u. a.,
vergl Nierenabscess]. In SteinerV 264 ) Falle entstand der pararenale
Abscess nach Platzen des Nierenabscesses. v. Bergmann 14 ) er¬
wähnt, dass bei einer 26 jährigen Verkäuferin, die lange an Fluor
albns litt, nach Pyelonephritis eine Perinephritis entstand. Ob
Gonococcen die Grundlage boten, war nicht zu eruieren.
Die paratyphlitischen, parametritischen Prozesse, ferner Eite¬
rungen in oder um den Ileopsoas, oder von der Wirbelsäule aus¬
gehend, führen zunächst zu einer Phlegmone des retroperitonealen
Fett- und Bindegewebes und übergreifen nach Zerstörung der Fascia
retrorenalis auf die Nierenfettkapsel [Israel 1 - c -)].
So kam es in Fällen von Riese 11 * 1 ) und Lejars 151 ) im An¬
schluss an Appendicitis auch zu perirenalen Eiterungen. — Die
Peritonitis kann auch selbständig als ätiologisches Moment gelteu.
In dem von Fischer 69 ) und Malmsten 171 ) geschilderten Falle
dehnte sich der Abscess, vom Ileopsoas ausgehend, bis zum Zwerch¬
fell aus.
Lennanderis und Sundberg’s 154 ) Fall von akuter Peri¬
nephritis ist auf ascendierende Nephritis bei der graviden Frau
zurückzuführen. Während es in diesem Falle zu keiner Abscess-
bildung kam, ist bei der von Frees 74 ) beobachteten 18jährigen
Frau im Puerperium ein paranephritischer Abscess entstanden, der
bis zum Zwerchfell vordrang und zum Tode führte.
Die meisten Paranephritiden ohne bekannte Aetiologie
führt Israel 1 - c ) auf von der Nierenrinde aus fortgeleitete, jedoch
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nicht leicht erkennbare Prozesse. Köster 144 ) hat von 230 ge¬
sammelten Fällen 67 mal = 29,1 Proz. keine ätiologische Ursache
angeben bezw. finden können.
Von den 43 Beobachtungen Israe IV- c ) waren nur 3 = 6,9 Proz.
unklar. Diese Zahl findet der Autor auch sehr hoch und glaubt,
dass durch minutiöse Untersuchungen selbst die kleinen Herde in
der Niere bestimmt werden können (vergl. Diagnostik). Die Fälle
von Keen 182 ) und Biber 25 ) und einer von Johnson 1 ') haben
auch eine unbekannte Aetiologie, vielleicht darf man annehmen,
dass bei genauerer Prüfung des Sachverhaltes eine Läsion der Niere
nicht ausgeschlossen werden könnte. Stern 2 ® 5 ) publizierte auch
einen Fall von „idiopathischem“ retrorenalen Abscess.
Die Senkungsabscesse, aus der Leber, Milz und anderen sub¬
phrenischen Abscessen ausgehend, vermögen naturgemäss auch die
Paranephritis zu bedingen. Selbst aus den oberhalb des Zwerch¬
felles liegendeu Organen, Lungen, Pleura können derartige Prozesse
abgeleitet werden (Empyem, Lungenabscess, Pleuraleiterungen).
Baumgarten 16 ) leitet von der Pleuritis, die nach operiertem
Nackenkarbunkel bei einem 37jährigen Pat. auftrat, den von
der Nierenkapsel ausgehenden Abscess ab. Curschmann 51 ) be¬
obachtete fünfmal bei atheromatöser Erkrankung der Aortenklappen
schwielige Paranephritiden. [Vergl. auch Niebergall 191 ).]
Die tuberkulösen Prozesse in der Niere können auch zur
Vereiterung der pararenalen Gewebe Anlass geben. Nach Tuffier 274 )
führt die käsige Niere häufiger zu Perinephritis als die tuberkulöse
Pyelonephritis. Die Entzündungsprodukte der tuberkulösen Para¬
nephritiden lassen nicht immer den Prozess erkennen. Nach
Zeller 805 ) sind die tuberkulösen Formen sehr selten. Einschliesslich
der von Poncet beobachteten Fälle konnte Zeller nur 21 Fälle
sammeln, von denen 12 mal käsig-ulceröse Nieren, dreimal miliar¬
tuberkulöse Nieren den Ausgangspunkt lieferten; fünfmal fehlten
die Angaben.
Die Prozesse verliefen sechsmal rechts, zehnmal links, 20 mal
einseitig, einmal doppelseitig, dreimal war die Nierenkapsel frei:
15 mal waren auch die anderen Harnorgane angegriffen.
Bei einem Alkoholiker beobachtete Colin 47 ) die Entwickelung
eines perinephritischen Abscesses.
Auch die metastatische Eiterung der die Niere um¬
gebenden Gewebe kann heute als über jeden Zweifel bestehende
Erkrankungsform aufgefasst werden.
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Nach Haas 1 ®-) ist die grosse Mehrzahl der „genuinen“
paranephritischen Abscesse metastatischer Natur.
Neben der allgemeinen Septikopyämie werden auch aus ein¬
zelnen Organen durch das Blut die Infektionskeime nach der
Nierenfettkapsel befördert.
Jordan 1 * 8 ) beschreibt drei Fälle von perirenaler Eiterung, die
1. im Anschluss an einen Karbunkel der Glutäalgegend, 2. nach
Abheilung eines Panaritiums und 3. nach Heilung einer Quetsch¬
wunde auftrat.
Diese Jordanischen Fälle charakterisieren sich auch dadurch,
dass die Metastasen in der Niere vorerst zur Abscessbildung führten.
Eine beiderseitige, eiterige Perinephritis sah Hirtz 117 )
bei einer 48jährigen Frau nach Angina auftreten.
Johnson l c ) berichtet über einen derartigen Fall nach Ty¬
phus und Lymann 168 ) nach Diphtherie.
Die statistischen Daten ergeben nicht immer das richtige Ver¬
hältnis der Häufigkeit der einzelnen ätiologischen Momente, wes¬
wegen wir nur an dieser Stelle Israel’s 1 ®-) und Fenwick’s 67 )
Zusammenstellung kurz anführen wollen.
Die von Israel operierten eiterigen Paranephritiden betragen
45, wovon jedoch nur 43 zusammengestellt sind. — Die Haupl-
ursachen gaben die Prozesse in der Niere am häufigsten, und
zwar 34 mal ab, wovon wieder die Calculose neunmal, die Pyo-
nephrose fünfmal, die Pyelonephritis viermal, die tuberkulöse Pyo-
nephrose mit eiteriger, nicht tuberkulöser Epinephritis dreimal ver¬
treten waren.
Von den Fällen mit latenter, durch die operative Autopsie
aufgedeckter Nierenaffektion waren die metastatischen Herd¬
erkrankungen (nach Karbunkel und Furunkulose) zweimal, die meta¬
statische, diffuse, entzündliche Anschwellung (nach Prostataabscess
mit multiplen Metastasen) einmal, Herderkrankung unbekannter
Entstehung einmal, diffuse entzündliche Anschwellung unbekannter
Entstehung einmal vertreten, während aus Harnveränderungen er¬
kennbare Nephritiden bei metastatischen Prozessen (Armphlegmone)
einmal, aus unbekannter Ursache fünfmal vertreten waren. Wahr¬
scheinliche Metastasen kamen nach Furunkulose einmal, bei gleich¬
zeitigem Vorhandensein anderer Metastasen auch einmal vor. — Im
Gefolge gonorrhoischer Erkrankung der Harnwege waren 1. ohne
nachweisbare Beteiligung der Niere drei, 2. mit pyelitiseber resp.
mit pyelonephritischer Erkrankung der Niere drei, ohne bekannten
Ausgangspunkt drei Fälle beobachtet worden.
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Fenwick stellte 107 Fälle paranephritLscher Prozesse zu¬
sammen und ergänzte dieselben mit seinen selbstbeobachteten
17 Fällen.
Unter 17 Fällen bestanden dreimal Pyämie, Erkrankungen der
Niere achtmal (von den 107 Fällen 32 mal), Erkrankungen der
Beckenorgane viermal, traumatische Ursache nur einmal; Wirbel¬
affektion bestand in den 107 Fällen viermal.
Nach Nieden 192 ) waren an 138 Fällen 97 Männer und 41
Frauen beteiligt. — Kinder im Alter bis zu 13 Jahren waren von
166 Fällen 26, darunter das jüngste Kind von fünf Wochen. Die
fünf ältesten waren 61—69 Jahre alt.
Buscarlet 37 ) berichtet von einer enorm entwickelten Phleg¬
mone bei einem 20 Monate alten Kinde. — Sowohl in diesem als
auch in dem von Nieden citierten Falle (ein Kind von fünf Wochen)
war die Aetiologie dunkel.
Die Paranephritis ist häufiger auf der rechten Seite, nach
Nieden's Zusammenstellung 76mal rechts und 60mal links. —
Doppelseitiges Vorkommen wird von Senator 856 ), nach Turner 8 ™),
Rayer 285 ), Rosenstein 839 ) citiert. Wir haben auf den interessanten
Fall von Hirtz 117 ) bereits hiugewiesen.
8. Pathologische Anatomie.
Die eitrigen Prozesse in den die Niere umgebenden Geweben
— seien dieselben primärer oder sekundärer Natur — werden durch
Infektionserreger hervorgerufen, über die wir bereits bei Besprechung
der Niereneiterungen berichtet haben.
Der Lokalisation nach unterscheiden wir die subkapsuläre
Form (zwischen Niere und Capsula propria), die Entzündung der
Nierenfettkapsel und schliesslich die Vereiterung des retroperitonealen
Fettgewebes.
Die wichtigste Rolle spielt die Nierenfettkapsel, deren Ent¬
zündungsformen ein dreifaches Bild zeigen können.
Die häufigste Form ist die phlegmonöse Paranephritis
(nach Israel Epinephritis), der gegenüber die zwei anderen Formen
die fibrös-sklerotische und die fibrös-lipomatöse nur als Selten¬
heiten aufzufassen sind.
Die Phlegmone erfasst die Nierenfettkapsel nicht immer in
ihrer ganzen Ausdehnung. Nach Israel ist am häufigsten das
prärenale Fettgewebe frei (vgl. auch Lejars 152 ), häufig jedoch auch
einer der beiden Pole. Die Eiteransammlung wird in den typischen
alltäglichen Fällen zwischen der lumbalen Bauchwand und der
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Niere gefunden [vgl. Fischer 69 ), Maas 169 ), Israel 1 * 9 ) etc.], von wo
dann die Ausbreitung nach den verschiedenen Richtungen erfolgt
(Vid. Symptomatologie).
Die fibrös-sklerotische Paranephritis (= Epinephritis) wird
durch die Umwandlung der Fettkapsel in eine fibrös dicke Schwarte
charakterisiert. — Die schwartigen Verdickungen „von bald faser¬
knorpelähnlichem, homogenem Gefüge, bald noch erkennbarer schalig-
faseriger Anordnung“ (Israel) umhüllten in untrennbarer Ver¬
schmelzung mit der Capsula propria die Niere und können — wie
in den Fällen von Curschmann 51 ) — auch den lleohypogastricus
einschliessen. Hierdurch erklärt sich die Abwesenheit der normalen
respiratorischen Verschieblichkeit in solchen Fällen. (Vgl. Diagnose.)
Nimmt das Fettgewebe der Capsula adiposa renis zu und um¬
wuchert es die ganze Niere, mit den Nieren sogar den Ureter,
so kann dieser Prozess als lipomatöse Paranephritis bezeichnet
werden (Israel lc ), Graff 91 ).
Ist jedoch bindegewebige Wucherung durch diese hyper-
plastischen Fettmassen zu konstatieren, so kann man den Ausdruck
fibrolipomatöse Para- sowie Epinephritis an wenden. (Vgl.
Carlier 1 - *•)
Die Verhältnisse bei den fortgeleiteten Prozessen — seien
dieselben aus der Niere, oder den retroperitonealen oder gar den
subdiaphragmatischen Organen abstammend — zeigen bei der Ob¬
duktion ganz klare Bilder: eine mehr oder weniger ausgedehnte
Abscesshöhle, die seltener aus mehreren Abteilungen besteht, oder
bei langsamem Durchbruch pyelitischer, pyelonephritischer Eiterungen
von kleinen circumskripten Herden charakterisiert wird (Senator 1 -*•).
Die älteren Abscesse sind mit einer eigenen Membran umgeben;
— der Inhalt gleicht anderweitigen phlegmonösen Prozessen im
Unterhautzellgewebe. Der Eiter ist grüngelb, geruchlos oder miss¬
farbig, jauchig.
Die Kulturversuche sind entweder ergebnislos [Kreibich 188 )]
Maas 1 -*-) oder ergeben Staphylococcen [Kreibich*•*•)], seltener
ßact coli [Lennander und Sundberg 1 *), Chauvenet 44 )].
Der Abscessinhalt kann auch hämorrhagisch sein, was
keineswegs nur einem Trauma zuzuschreiben ist.
Ist der Geruch des Eiters fäculent, so ist es nicht not¬
wendig, diesen Umstand stets mit einer Perforation des Darmes in
Verbindung zu bringen, da häufiger die Därme infolge schlechter
Ernährung Gase diffundieren, denen der spezifische Geruch an¬
haftet [Senator 1 - *•)].
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chlr. VI. 13
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Mitunter bat der Eiter urinösen Geruch und ist selbst dünn¬
flüssiger, was auf Perforation seitens der Niere zurückzufübren ist.
ln solchen Fällen fand man Entozoen, Konkremente u. s. w. im
Eiter [Senator 1 - 0 -)].
Mitunter ist die anatomische Diagnose der tuberkulösen
Perinephritis und ihrer konsequenten Erscheinungen von den nicht
spezifischen Formen schwer. [Vergl. Tuffier 1 - 0 -) und Zeller 1 -*-!.]
Der Befund an den anderen Organen in Fällen metastatischer
Prozesse ist ähnlich wie bei den Niereneiterungen und ist bereits
bei Besprechung des entsprechenden Kapitels hervorgehoben worden,
worauf hier nur kurz verwiesen werden soll.
*
* *
Die Frage, weswegen die Nierenfettkapsel eine besondere
Disposition für metastatische Prozesse abgibt, wird von den einzelnen
Autoren, Zeller 1 - c ), Israel 1 - c ) u. s. w., durch den Hinweis auf die
Gefässverbindungen der Kapsel beantwortet. Der venöse Gefäss-
bogen der Nierenfettkapsel mündet teils in die Vena suprarenalis,
teils in das Venengeflecht des Ureters. Diese beiden Gefässzweige
münden in die Vena renalis. Das Gefässsystera der Niere wieder
ist mit der Fettkapsel durch die Stellulae Verheinii in Verbindung
(Israel).
Die Uebertragung der eitrigen Infektion von den Nieren auf
das cirkumrenale Fettgewebe erfolgt also entsprechend den Venen¬
verzweigungen. Der Arcus perirenalis (Tuffier und Lejars) ver¬
mittelt die perirenale arterielle Cirkulation. (Scbiim folgt, i
II. Referate.
A. Gefässe.
L’atrophie des viseferes et l’hypoplasie arterielle dans la peliagre.
Von Sorgen t. La Presse m6dicale, 9. annge, Nr. 1.
Der Verf. hat bei mehreren Obduktionen von Pellagra überein¬
stimmend folgende Anomalien gefunden: einmal eine Atrophie der haupt¬
sächlichsten Intestinalorgane und dann eine beträchtliche Volumens Ver¬
kleinerung der Aorta und der von ihr abgehenden Gefässe. Er hält
diese pathologischen Befunde nicht für Folgeerscheinungen der Pellagra,
vielmehr glaubt er, dass sie prädisponierende Momente für das Entstehen
der Krankheit abgeben. Die Gründe für fliese Hypothese sind mannig¬
facher Natur. Einmal ist die Atrophie der Eingeweide nicht entzünd¬
lichen Ursprungs, sondern stellt ein wahrscheinlich kongenitales Zurück¬
bleiben der Entwickelung dar; und ebenso ist die Anomalie der Aorta
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auf eine Entwickelungshemmung zurückzuführen. Die anatomische In-
sufficienz der in Rede stehenden Organe muss notwendig parallel gehen
mit einer mangelhaften Funktion derselben, so dass der Boden für die
Entstehung einer Pellagra vorbereitet ist, einer Krankheit, welche be¬
kanntlich von hervorragenden Forschern auf eine mangelhafte Ernährung
zurückgeführt wird. Freyhan (Berlin).
Un CR80 die anenrisma del tronco celiaco. Von B. Graziadei.
Clinica niedica italiana, anno 40, Nr. 12.
Wenn schon die Diagnose eines Aneurysmas der Bauchaorta nicht
immer leicht ist, so ist die Unterscheidung, ob ein solches Aneurysma
der Aorta abdominalis selbst oder dem Truncus coeliacus angehört, be¬
sonders schwierig. Eine Differentialdiagnose ist mitunter möglich unter
Berücksichtigung folgender Punkte. Beim Aneurysma der Aorta selbst
liegt der fühlbare Tumor mehr in der Tiefe und ist grösser als bei dem
der Coeliaca. In den unterhalb der erweiterten Stelle der Aorta gelegenen
Arterien kann der Puls später fühlbar sein, als an dem Tumor selbst.
Dieses Symptom ist jedoch inkonstant; falls das Aneurysma der Coeliaca
angehört, fehlt es stets. Die im Verlaufe der Erkrankung auftretenden
Schmerzen werden beim Aneurysma der Aorta in der Tiefe, nach der
Lende und den Unterextremitäten zu ausstrahlend, lokalisiert und ver¬
mindern sich, wenn der Kranke sich aufrichtet oder aufrecht steht
Beim Aneurysma des Truncus coeliacus ist der Schmerz mehr auf das
Epigastrium beschränkt und breitet sich erst im weiteren Verlauf nach
dem Rücken zu aus. Ein Geräusch ist beim Aortenaneurysma am Rücken
hörbar und lässt sich nach den unteren Partien des Abdomens verfolgen,
wogegen bei dem der Coeliaca nur ein ganz circumskriptes Geräusch
über dem Tumor hörbar ist. Bei dem Aneurysma des Truncus coeliacus
finden sich ausserdem noch häufig Störungen von Seiten des Magens
und die Lage des Tumors entspricht stets der Höhe des 12. Brust¬
wirbels. Heiligenthal (Baden-Baden).
Aneurysma varicosum eines Saphenaastes als Schenkelbruch
fehldiagnostiziert Von F. Hahn. Münchener med. Wochenschr.
1902, Nr. 37.
Bei einer 39jährigen Frau, die siebenmal geboren hat, schwillt
einige Tage nach der letzten Entbindung eine seit Jahren bestehende
Geschwulst in der linken Schenkelbeuge plötzlich unter Schmerzen an,
die Haut darüber rötet sich und wird ödematös. Der Tumor ist frei
beweglich, scharf abgegrenzt und setzt sich in einem soliden Strang
durch den Schenkelring in das Abdomen fort; er wird für einen irre-
poniblen verwachsenen Schenkelbruch angesehen, in den vielleicht durch
Erweiterung der Bruchpforte post partum noch eine Partie Netz getreten
ist. Darmerscheinungen fehlen völlig, der objektive Befund bleibt der¬
selbe. — Bei der Operation entpuppt sich der Tumor als ein apfelgrosser
Varix eines Astes der Vena saphena major, diese selbst fühlt sich als
solider Strang an; sie wird niedianwärts bis zur Einmündungsstelle in
die Cruralis verfolgt, abgebunden und mit dem Tumor entfernt. Auch
peripherwärts wird die Saphena noch ein Stück lospräpariert und die
grosse Wunde vernäht. Heilung erfolgt glatt.
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Es hatte sich also um ein Aneurysma varicosum gehandelt, das
einen Netzbruch vorgetauscht hatte. Die stärkere Entwickelung von
Varicen am linken Unterschenkel war nicht richtig gewürdigt worden.
Zahlreiche in der Literatur niedergelegte ähnliche Fälle hatten dasselbe
Schicksal gehabt und waren zunächst falsch diagnostiziert worden.
Wiskott (Berchtesgaden).
Ligature de la sous-claviöre et de la carotide primitives droites,
datant de 7 ans. Troubles nerveux consdcutifs. Von Touche.
Revue neurologique 1902, Nr. 8, p. 349.
Wegen Aneurysma der Subclavia Ligatur dieses Gefässes unmittel¬
bar über dem Schlüsselbein. Die quälenden Schmerzen hatten bald
nach der Operation aufgehört; sieben Jahre später kam Pat. wieder in
Spitalspflege (wegen Tumor albus am rechten Schenkel) und es wurde
nun u. a. folgendes konstatiert: Hemiatrophia faciei dextra (ebenso Weich-
leile wie Knochen), Atrophie der Muskulatur im Bereiche der rechten
oberen Extremität, „Affenhand“; Sensibilität im Bereiche des Gesichts
intakt. Anästhesie in folgender Ausdehnung: Akromion, Brustwarze,
Rippenbogen und wieder zurück (etwa handbreit hinter der Axillarlinie)
bis zum Akromion, die ganze obere Extremität mit einbegreifend. An¬
ästhesie peripheriewärts zunehmend. Schweisssekretion in dem erwähnten
Bereiche herabgesetzt Pilcz (Wien).
Zur Klinik der angiosklerottechen paroxysmalen Myasthenie (Clan-
dication intermittente Charcot’s) und der sogenannten spontanen
Gangrän. Von Higier. Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde,
Bd. XIX, H. 5 u. 6.
Auf Grund von 23 beobachteten Fällen kommt Verf. zu folgenden
Schlüssen: Das sonst ziemlich seltene Leiden kommt relativ häufig vor
im russischen Polen und in den lithauischen Provinzen (vorwiegend bei
Juden). Nur ausnahmsweise wird das weibliche Geschlecht betroffen.
In ätiologischer Beziehung spielen neuropathische Disposition und eine
angeborene Schwäche des peripheren Cirkulationsapparates die Hauptrolle.
Ueberanstrengung der Beine, Durchnässung, thermische Einflüsse, Alkoho¬
lismus und Nikotin missbrauch beschleunigen den Ausbruch des Leidens.
Der Syphilis und der Gicht kommt keine, dem Diabetes nu. eine gering*
Rolle in der Aetiologie zu. Die Lokalisation ist am häufigste:* in den
Beinen, nicht selten symmetrisch. Die Schmerzen können entweder nur
beim Gehen auftreten, oder auch permanent vorhanden sein; auch können
sie den Ausbruch und das Bestehen der Gangrän begleiten. Dem Auf¬
treten der Ulcerationen und der Gangrän folgt gelegentlich in den Fällen
von diffuser Angiosklerose in den oberen und unteren Extremitäten ein
charakteristischer Symptomen komplex seitens des Allgemeinzustandes und
der psychischen Sphäre. Neben der konstant bestehenden Gefässverengerung
(organisches Substrat) nehmen im Krankheitsverlaufe einen wichtigen
Anteil vasomotorische Störungen (funktionelles Moment), die dem Auf¬
treten der Gangrän Vorschub leisten. Differentialdiagnostisch schwer zu
beurteilen sind die Fälle, die neben bestehender Gefässobliteraüon und
paroxysmaler Myasthenie das typische Bild der Erythromelalgie oder der
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Raynaud’schen Krankheit aufweisen. Es existieren zwei Hauptgruppen
der eigentlichen Endarteriitis: a) die häufigere und primäre Lokalisation
des Krankheitsprozesses in den Gefässen und b) die seltenere mit voran¬
gehender Nervendegeneration, sogen, neurotische Angiosklerose. In
verzweifelten Fällen mit intensiven Schmerzen und Neigung zur Ulceration
wurden sich statt der Exartikulation und Amputation die Elongation,
Torwon, Resektion der Nervenstämme oder der die grossen Gefässe
umschlingenden sympathischen Geflechte empfehlen.
v. Rad (Nürnberg).
Dirembosis of the cavernous sinus. Double panophthalmitis of
septic origin. Von E. Jackson. Philadelphia med. Journal,
VoL VHI, 28. Sept
Fall 1. 26jähriger Pat mit Lungentuberkulose. Plötzlich ein¬
setzende Erscheinungen einer rechtsseitigen eiterigen Conjunctivitis, starke
8 chmerzen in der rechten Orbita, Bulbus vorgetrieben, Augenbewegungen
nicht eingeschränkt, Sehvermögen normal. Plötzlicher Tod; Autopsie¬
befund: tuberkulöse Konvexitätsmeningitis, im rechten Sinus cavernosus
ein organisierter Thrombus, welcher den Sinus nicht obturiert und sich
in die rechte Orbitalvene ausdehnt. Der Ausgangspunkt war wahrschein¬
lich eine Vene der Orbita.
Fall 2. 45jährige Frau mit septischen Allgemeinerscheinungen,
linkes Kniegelenk geschwollen und schmerzhaft. Beiderseitige, eiterige
Panophthalmie mit septisch-embolischem Beginn, völlige Erblindung. Tod
an septischer Pneumonie. Die Autopsie ergibt als Ausgangspunkt der
Septikämie das vereiterte linke Kniegelenk. Mohr (Bielefeld).
Oedeme cyanotique de la moitid sus-diaphragmatique du corps;
obliteration du tronc veineux brachio-cöphalique droit; thrombose
secondaire du systöme cave supdrieur. Von Apert. Bull, de la
soc. anat., 75. annöe, p. 685.
Die 38jährige Patientin wurde mit hochgradiger Dyspnoe und
Cyanose aufgenommen. Orthopnoe. Die cyanotische Verfärbung betraf
den ganzen Oberkörper bis zum Abdomen. An Kopf und Rumpf zahl¬
reiche erweiterte Venen. Die Vena jugul. ext. dextra als harter, schmerz¬
hafter Strang zu palpieren. Gegend des ersten bis dritten Rippen¬
knorpels vorgewölbt. Im zweiten rechten Intercostalraume eine pulsierende
Vene. Grosse Venen in den Hypochondrien und im Epigastrium. Untere
Extremitäten ödematös und cyanotisch. Ebenso die Hände. Trommei¬
schlägelfinger. Schon seit Kindheit wurde Patientin leicht cyanotisch.
Sie überstand Röteln und Scharlach, litt immer an Menstruations¬
beschwerden. Seit zwei Monaten rasche Zunahme der Dyspnoe und
Cyanose und Ausbildung der erwähnten Symptome. Kein Geräusch am
Herzen. Diagnose: Verschluss der Cava superior, irgend eine Anomalie
des Herzens oder der grossen Gefässe (wegen der seit Kindheit bestehen¬
den Beschwerden).
Autopsie: Alte Thrombose des Truncus brachiocephalicus, se¬
kundäre Thrombose der Jugularvenen links und rechts. Das sklerosierte
Gewebe in der Umgebung des Truncus bewies den entzündlichen, auf
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einer Phlebitis unbekannten Ursprunges beruhenden Charakter der Throm¬
bose des Truncus.
Nicht erklärt ist die Thrombose der linksseitigen Jugularvenen.
Vielleicht hat sie sich von der rechten Seite her durch Anastomosen
nach links fortgesetzt. Zu erwähnen wären noch die Trommelschlägel¬
finger und die pulsierende Vene im zweiten rechten Intercostalraume,
deren Pulsation von der Mammaria interna mitgeteilt war.
J. Sorgo (Alland).
Ein experimenteller Beitrag zur Aetiologie der Sinusthrombose.
Von A. Dörr. Münchener med. Wochenschr., 49. Jahrg., Nr. 8.
Die Beobachtung zweier in der Münchener chirurgischen Klinik
ad exitum gekommenen Fälle vou Sinusthrombose, die auf traumatischer
Grundlage entstanden war, veranlasste zu dem Versuch, auf experimen¬
tellem Wege den Nachweis der Entstehung der Thrombose durch stumpfe
Gewalt zu erbringen. Die beiden Patienten waren durch Fall auf den
Hinterkopf verunglückt, bei beiden waren die Sinus selbst unversehrt
geblieben, aber in zum Teil grosser Ausdehnung thrombosiert - Zur
Entscheidung der Frage, ob in solchen Fällen die Gewalteinwirkung zu Ver¬
letzungen des Sinusendothels und diese zu Blutgerinnung führen, wurden
mehreren Hunden mit einem Holzhammer wuchtige Schläge auf das Hinter¬
haupt gegeben und dabei Vorsorge getroffen, dass die Weichteile möglichst
unverletzt blieben. Bei drei so behandelten Tieren traten unmittelbar
schwere, auf Gehirnerschütterung deutende Erscheinungen ein, dann
besserte sich der Zustand, nur bei einem Hund dauerten die Störungen
an und es fand sich bei der Sektion eine typische Sinusthrombose mit
beginnender Organisation des Thrombus. Die anderen Tiere zeigten
beginnende Thrombosierung des Längssinüs mit noch freier Passage.
Der mikroskopische Nachweis einer Veränderung des Sinusendothels
gelang zwar nicht, doch bezweifelt Verf. keineswegs das Vorhandensein
einer solchen. Jedenfalls war durch das Experiment festgestelit, dass
durch einfache Gewalteinwirkung auf das Schädeldach ohne Weichteil¬
verletzung und ohne nennenswerte Fraktur der Schädelknochen ausgeprägte
Sinusthrombose erzeugt werden kann. Wiskott (Berchtesgaden).
Subcutane Zerreissung des Sinus longitudinalis durae matris. Von
Riegner. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie, Bd. LXII, p. 382.
Ein 20jähriger Schlosser war aus der Höhe von 12 Metern aufs
Pflaster gefallen, mit welchem Körperteil zuerst, ist unsicher. Blutung
aus dem rechten Nasenloch und teilweise auch blutiges Erbrechen.
Grosser schwappender Bluterguss auf Schädeldach und Stirn, nur in
der Mitte desselben waren die Weichteile tief eingezogen und adharent
Der Puls fiel von 74 nach der Verletzung in den folgenden Tagen auf 52.
Kopfschmerzen, die zunächst erträglich waren, wurden schlimmer und
waren durch nichts zu mildern. Am fünften Tage Erweiterung der rechten
Pupille und linksseitige Stauungspapille. Am sechsten Tage Puls 102,
beginnende Apathie. Fehlen von Herderscheinungen, langsames Ent¬
wickeln des Hirndruckes und des Hämatoms über der Schädelkonvexität
liessen Riegner schon eine Verletzung des Sinus longitudinalis als wahr-
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scheinlich erscheinen. In der That fand sich bei der am sechsten Tage
vorgenommenen Trepanation ausser dem pericranieilen noch ein subdu¬
raler Bluterguss, am Schädel eine lange, 2—3 mm klaffende Spalte, in
der an der erwähnten tiefen Hautstelle Galea und Pericranium einge¬
klemmt waren. Wegen heftiger Blutung musste zunächst tamponiert
werden. Erst vier Tage später konnte ein 1 1 / 2 cm langer Riss in der
Dura mater an der Stelle des Sinus long., aus dem es stark blutete,
konstatiert und durch Naht geschlossen werden. Ungestörte Heilung.
Keine Erscheinungen von Thrombose in den Blutleitern.
Die rasch nach der Verletzung entstandene Stauungspapille fasste
Uhthoff als „durch direkten Eintritt von Blut in die Sehnervenscheiden
hervorgerufen" auf. E. Moser (Zittau).
Report of a case of Raynaud’s disease. Von Lyle und Greiwe.
Philadelphia med. Journal, Vol. VIII, 10. Aug.
35jähriger Alkoholiker mit psychischen Störungen. Beginn der
Erkrankung mit Schmerzen und Kältegefühl in den Beinen; später
Erythem, Cyanose, Blasenbildung, Gangrän und Ulceration nacheinander
an den Zehen, Unterschenkeln, Oberlippe, Kopfhaut und den Fingern.
Tod an Erschöpfung und Lungenödem.
In der Mehrzahl der spärlichen, zur Autopsie gekommenen Fälle
von Raynaud'scher Erkrankung stimmte der Obduktionsbefund durch¬
aus nicht mit den klinischen Erscheinungen überein. So auch in vor¬
liegendem Falle: In der Nachbarschaft der kleinen gangränösen Stellen
bestand Rundzelleninfiltration, an den kleinen Arterien Endothelwucherung,
besonders an denen der Rückenmarkspia, Venen stark erweitert, grössere
Arterien meist normal, nur hie und da beginnende Endarteriitis. An
den peripheren Nerven keine Veränderungen, dagegen sehr ausgesprochene
im Rückenmark: stellenweise umschriebene entzündliche Infiltration der
Pia, Venen erweitert, besonders in der grauen Substanz des Lumbal¬
markes. In der weissen Substanz: bilaterale, mehr oder weniger
symmetrische Sklerose dei Seitenbahnen ohne bestimmte System¬
erkrankung, am stärksten im Dorsalmark ausgeprägt Die Hinterstränge
(besonders die GolPschen) sind weniger ergriffen, die Vorderstränge
ganz normal.
Diese Mark Veränderungen sind wahrscheinlich nicht die Ursache
der Erkrankung, da Fälle von viel ausgesprochenerer Sklerose bekannt
sind, welche nicht mit den Symptomen der Raynaud’schen Erkrankung
einhergingen, und da die klinischen Erscheinungen sich nicht durch den
Rückenmarksbefund erklären lassen. Vielmehr sind die Rückenmarks¬
veränderungen ebenso wie die trophischen Störungen an den Extremitäten
als Folgen einer Arteriitis der kleinsten Gefässe aufzufassen. Die
Raynaud’sche Krankheit ist also keine Krankheit der Extremitäten,
sondern höchstens eine der Extremitäten der Gefässe. Degenerationen
kommen auch in inneren Organen vor. Pathologische Veränderungen
wie in dem beschriebenen Falle bilden die Ausnahme; meist wirkt die
bisher unbekannte Causa morbi weniger intensiv, führt nur zu vorüber¬
gehenden, paroxysmalen Veränderungen im peripheren Gefässapparat,
und die hierdurch entstehenden Symptome schwinden bald wieder.
Mohr (Bielefeld).
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200
Syndrome de Raynaud. Tötanie. Scldrodermie. Von Follet und
Sacquöpöe. ßoc. mödic. des höpitaux, 19. annöe, Nr. 21.
Patientin, eine 23jährige Haushälterin, erkrankte vor l 1 /, Jahren
mit heftigen Kopfschmerzen. Vor einem halben Jahre begannen An¬
fälle von lokaler Asphyxie, begleitet von Tetanie und trophischen
Störungen, zuerst am rechten, später am linken Arm, zuletzt an den
Beinen. Die Anfälle traten acht- bis zehnmal des Tages auf und wurden
besonders durch Ermüdung hervorgerufen. Sie begannen mit Kriebeln
in den Fingern, dann wurden die Hände bis zu den Handgelenken
dunkelblau; zuletzt trat eine Beugung zunächst einzelner Finger, dann
der ganzen Hand auf. Der Vorderarm stellte sich in Flexions- und
Pronationsstellung, der Oberarm wurde adduziert. Nach einigen Minuten
liessen die Anfälle nach.
An den Füssen trat nur lokale Syncope, mit Kältegefühl und
Dorsalflexion der Zehen verbunden, ein.
Allmählich haben sich trophische Störungen eingestellt. Die
Haut der Arme ist sklerotisch, von einigen fibrösen Knoten durchsetzt
Fibröse Stränge durchziehen die Hohlhand; sie gehen offenbar von der
Palmaraponeurose aus.
An der Palmarfläche der Finger sitzen torpide Geschwüre, be¬
sonders an den Gelenkfalten, daneben einige Narben; letztere und die
Schrumpfung der Palmaraponeurose haben zu einer abnormen Finger¬
stellung geführt: Flexion der beiden letzten Phalangen mit Extension
der ersten.
An den Füssen sind nur die Nägel rissig.
Die Muskeln des Thenar sind beiderseits an Volumen vermindert,
die Fingerbeuger paretisch, ohne Zeichen von Atrophie. Die Sensibilität
ist allenthalben intakt. Martin Cohn (Kattowitz).
Zur Kasuistik der Krankheit Raynaud’s. Von N. A. Strujew.
Med. obosrenje, Bd. LV, p. 803. (Russisch.)
Der Fall bietet Interesse in ätiologischer Beziehung. Bei der
39 Jahre alten Frau sind in der Anamnese vorhanden: hereditäre Tuber¬
kulose, Veränderungen im Gefässsystem, vielleicht Lues; dann kamen
croupöse Pneumonie und Nephritis hinzu und es entwickelte sich die
Angioneurose mit partieller Gangrän der Endphalangen der Finger und
Zehen. Gückel (Medwedowka, Kiew).
Ein neues Symptom der Krankheit Raynaud’s. Von A. J. Pospelow.
Med. obosrenje, Bd. LV, p. 807.
Als solches Symptom beschreibt Pospelow die Gewohnheit der
Patienten, die Fingernägel möglichst kurz abzubeissen. Diese Gewohn¬
heit entsteht infolge des nervösen Reizes der affizierten Finger.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
Ein Fall von Angioneurose aller Extremitäten, besonders der
oberen, und von Elephantiasis der unteren. Von C. J. Schabad.
Med. obosrenje, Bd. LV, p. 504. (Russisch.)
Mädchen von 18 Jahren, drei Jahre krank. Die Hände zeigen
das Bild der ersten zwei Stadien der Krankheit Raynaud’s: blaurote.
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zuweilen ins Graue übergehende Färbung der Haut, Kälte; sonderbar
ist ein Symptom: starkes Schwitzen der Hände und Finger. Die unteren
Extremitäten sind elephantiastisch verdickt, auch cyanotisch verfärbt
An den Schenkeln von Zeit zu Zeit erysipelatöse Röte.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
B. Muskeln, Sehnen.
lieber idiopathische und symptomatische Myalgien. Von J. Elgert
Wiener klin. Wochenschr., 14. Jahrg., Nr. 38.
Elgert ist der Ansicht, dass das Wesen der Myalgien in Muskel-
faserzemmgen und -Zerreissungen besteht. Bei völlig intakten Muskeln
ist dazu eine Ueberanstrengung des betreffenden Muskels nötig. In den
meisten Fällen liegt aber eine besondere Disposition von Seiten des
Muskels vor, welche seine Fasern leichter zerreisslich macht. Entweder
kann eine Atrophia ex inactivitate oder Fettdegeneration beim ungeübten
Muskel vorliegen (Turnerschmerzen) oder es handelt sich um Muskel¬
degeneration durch Toxine bei den verschiedenen fieberhaften Erkran¬
kungen oder bei manchen Intoxikationen. Der Erkältung spricht Elgert
jeden Einfluss auf die Entstehung der sogenannten rheumatischen
Muskelschmerzen ab. Eisenmenger (Wien).
Der myasthenische Symptomenkomplex. Von J. Kollarits. Deutsches
Archiv für klin. Med., Bd. LXXII, H. 2.
Dass die Ermüdungsreaktion kein ausschliessliches Symptom der
Myasthenie ist, sondern gelegentlich bei Poliomyelitis anterior, Landry’-
scher Paralyse, Tabes und anderen Nervenkrankheiten Vorkommen kann,
konnte von verschiedenen Autoren übereinstimmend beobachtet werden..
Kollarits teilt zwei Fälle von Kleinhirntumor mit, in welchen die
Reaktion ebenfalls nachzuweisen war.
Als charakteristisches Symptom für Myasthenie sieht Kollarits
plötzliche, mit Schwäche und Ermüdung, manchmal mit Atemnot einher¬
gehende Anfälle an, die den Kranken während der Arbeit, aber auch
während der Ruhe befallen können.
In UebereinStimmung mit Döjerine, Raymond u. a. nimmt
Kollarits an, dass der Name Myasthenie verschiedenartige Erkrankungen
birgt: 1. Familiäre Erkrankungen mit Anfällen von Schwäche und Er¬
müdung (Goldflamm's paroxysmale Familienlähmung); 2. Polyencephalo-
myelitis (nach fieberhaften Krankheiten oder mit Fieber beginnend);
3. Fälle mit Läsionen (Höhlenbildung) im Gehirn; 4. Fälle, die im An¬
fangsstadium einer Krankheit stehen, deren Diagnose nur nach längerer
Beobachtung festzustellen ist. Hugo Starck (Heidelberg).
Lea myopathies familiales paroxystiques (myotonie, myoplögie).
Von Oddo. Revue Neurologique 1902, Nr. 18.
In diese Gruppe gehören die Thomsen’sche Krankheit und die
periodische familiäre Lähmung (Myoplegie). Sie sind aber mit den
chronischen myatrophischen hereditären Lähmungen vielfach verwandt.
Auch sie befallen die männlichen Familienmitglieder mit Vorliebe, und
zwar im jugendlichen Alter.
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Die Myoplegie ist das Gegenstück der Myotonie: hier ist die
Erschlaffung, dort die Kontraktion des Muskels erschwert. Lang¬
dauernde Ruhestellung der Muskeln (Schlaf) schafft die günstigsten
Vorbedingungen für den myopiegischen Anfall; also genau entgegen¬
gesetzt der Thomsen’schen Krankheit. Beide Erkrankungen verschonen
die glatte Muskulatur, beide aber beziehen bisweilen auch das Myocard
mit ein. Ebenso wie bei der Myotonie habe man oft auch bei der
Myoplegie paraplegischen Typus zu verzeichnen. Die Muskeln reagieren
auf den elektrischen Strom bei letzterer genau umgekehrt wie bei der
Myotonie: schwache fast unmerkliche Zuckung, doch keine E. A. R.; bei
direkter Reizung der Muskeln zeigt sich dieses Verhalten viel schärfer als
bei indirekter, ebenso wie bei der Myotonie. Diese Storungen sind bei der
Myoplegie transitorisch, in der intervallären Zeit nicht nachweisbar (Gegen¬
satz zur Myotonie). Ebenso verhält es sich mit den Störungen der
mechanischen Muskelerregbarkeit, die natürlich im myopiegischen Anfall
sehr herabgesetzt ist. — Trophische Störungen fanden sich bei der
Myoplegie seltener als bei der Myotonie; bisweilen Pseudohypertrophie.
Die Sensibilität sei in beiden Formen nie mitbetroffen. Die Sehnen¬
reflexe seien bei der Myoplegie stets von normaler Intensität im Intervall,
abgeschwächt, selbst fehlend während der Anfälle; bei der Myotonie ist
ihr Verhalten kein konstantes.
Mit der Histologie und Pathogenese der Myotonie hat es noch
seine guten Wege; Befunde und Theorien gibt es viele; der Autor erwähnt
z. B. auch Rossolimo (Neur. Centralbl. 1902), der bei der Myotonie
Veränderungen in den peripheren motorischen Nervenfasern gefunden haben
will. (Ref. hat solche „Veränderungen“ auch an normalen Fasern
sehr häufig gesehen; es sind cadaveröse, aber keine pathologischen Befunde.)
Nicht viel anders steht es bei der Myoplegie. Die meiste Wahrschein¬
lichkeit hat nach Oddo die muskuläre Theorie.
Die enge Verwandtschaft dieser beiden vom Autor unter dem
gemeinsamen Titelnamen zusammengefassten Formen dokumentiert sich
ausser ihren erwähnten klinischen Analogien noch in dem Vorkommen
von Mischformen. Solche existieren auch zwischen ihnen und den chro¬
nischen hereditären Amyotrophien; sie gehören also, wie schon eingangs
erwähnt, mit diesen zusammen zur grossen Gruppe der hereditären
Muskeldystrophien. Erwin Stransky (Wien).
A case of unusual development of the platysraa myoides. Von
D. Riemann u. H. C. Wood. Univ. of Penna. Medical Bulletin
1902, May.
Zufälliger Befund bei einem wegen Herzleidens konsultierenden
Patienten. Durch willkürliche Kontraktion des Muskels konnte die Haut
der Brust bis zur vierten Rippe und vorderen Axillarfalte bewegt werden.
Heiligenthal (Baden-Baden).
On the contraction of the iliopsoas musde as an aid in the dia-
gnosis of the contents of the iliac fossa. Von S. Meitzer. New
York med. Journal, Vol. LXXVI, Nr. 3.
Nach Verf. erleichtert die Verdickung und Erhebung des Deopsoas
bei der aktiven Kontraktion dieses Muskels ganz bedeutend die Palpation
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der in der Fossa iliaca liegenden Bauchorgane. Die Erhebung des
Ileopsoas kann bei der Lokalisierung eines Schinerzpunktes oder einer
umschriebenen Resistenz von diagnostischem Nutzen sein, sie bringt die
Eingeweide der Oberfläche des Bauches näher, den tastenden Fingern ent¬
gegen. Die Diagnose wird ausserdem noch erleichtert durch abwechselnde
Zu- und Abnahme der Kontraktion des Muskels und durch abwechselnde
Ab- und Adduktion. Verf. lässt das Bein mit gestrecktem Kniegelenk
nur einige Centimeter heben, wobei bereits eine völlig genügende Verdickung
des Psoas zu stände kommt, während die Bauchmuskeln erschlafft bleiben.
Die Methode hat sich besonders bewährt zur Entscheidung, ob eine Ge-
scbwulstbildung im Becken dem Knochen oder den Bauchorganen ange¬
hört, sowie zur genaueren Abtastung der Flexura sigmoidea, ferner zur
Unterscheidung zwischen Appendicitis und umschriebener rheumatischer
Myositis der Bauchmuskeln. Auch die Abtastung des Appendix in
subakuten und chronischen Fällen gibt genauere Resultate als bei den
gewöhnlichen Methoden. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es Menschen
gibt, deren Psoas ohne jede Erkrankung des Wurmfortsatzes druck¬
empfindlich ist, allerdings dann im ganzen Bereiche des Muskels und
auch auf der linken Seite. Mohr (Bielefeld).
Deformities due to muscular paralysis etc. Von W. Townsend.
New York med. Journal, Vol. LXXV, Nr. 18.
Verf. bespricht die verschiedenen Ursachen der Deformitäten im
Gefolge von Muskellähmungen und unterscheidet hierbei 1. den Einfluss
der Schwere, 2. die Thätigkeit der nicht gelähmten Muskeln, 3. die Ent¬
wicklungshemmung aller Gewebe in der Nachbarschaft der gelähmten
Muskeln, 4. alle übrigen Ursachen.
Um Misserfolge nach der Sehnentransplantation zu ver¬
meiden, muss einmal bei den unteren Extremitäten der Einfluss des
Körpergewichtes in der Nachbehandlung mehr berücksichtigt werden, indem
noch längere Zeit nach der Operation ein Stützapparat verwendet wird.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die oft seit Jahren überdehnten
Bänder, Fascien und Muskeln nicht so ohne weiteres ihre normale Lage
wieder einnehmen, nur weil gewisse Sehnen verpflanzt wurden. Die
Nachbehandlung der Muskulatur nach der Operation, die relative Kraft
der einzelnen Muskeln, die Vermeidung allzu unnatürlicher Lagerung
und Funktion bei den transplantierten Muskeln sind weitere Punkte, die
mehr als bisher berücksichtigt werden müssen. Verf. referiert schliesslich
über die einschlägigen Literaturfälle von Sehnenüberpflanzung, soweit
sie paralytische Deformitäten betreffen. Mohr (Bielefeld).
Sur un cas de pellagre accompagnö de la retraction de l’aponö-
vrose palmaire. Von C. Parhon u. M. Gold stein. Revue Neuro-
logique 1902, X, 12.
In einem Falle von Pellagra, den die Autoren beobachteten, be¬
stand auch Dupuy tren'sche Kontraktur an der linken Hand. Mit
Rücksicht darauf, dass diese Affektion schon mehrfach bei verschiedenen
nervösen Erkrankungen angetroffen worden ist, wollen sie die Autoren
in ihrem Falle als eine zum Krankheitsprozess gehörige trophoneurotische
Störung ansehen. Erwin Stransky (Wien).
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Beitrag znr Aetiologie der Dupuytren’schen Fingerkontraktur. Von
W. Neutra. Wiener klin. Wochenschr., 14. Jahrg., Nr. 39.
Neutra teilt zwei Fälle von Dupuytren’scher Kontraktur mit,
bei welchen die genauere Untersuchung das gleichzeitige Bestehen des
Anfangsstadiums einer Syringomyelie ergab.
Nach einer sehr sorgfältigen Würdigung der einschlägigen Literatur
fasst er das Resultat seiner Arbeit in folgendem zusammen:
Die Dupuytren'sche Fingerkontraktur ist wahrscheinlich eine
trophische Störung und kann gelegentlich, bei genügend langer Dauer,
durch jede Erkrankung, welche zu allgemeinen Ernährungsstörungen
führt, erzeugt werden. Insbesondere ist in ätiologischer Hinsicht das
Augenmerk auf nervöse Erkrankungen zu richten, speziell auf Rücken¬
markserkrankungen, welche mit trophischen Störungen einhergehen, zu
deren ersten Symptomen sie gehören kann.
Das Trauma ist nicht absolut als ätiologischer Faktor auszu-
schliessen, wenngleich es häufig irrtümlich als ätiologischer Faktor ange¬
sehen wird. Die nicht-operative Heilbarkeit der Erkrankung ist nicht
ausgeschlossen, Eisenmenger (Wien).
Nenrological questions in the Operation of tendon transplantation.
Von J. Colli ns. New York med. Journal, Vol. LXXV, Nr. 19.
Wenn ein willkürlicher Muskel von seiner Innervation abgeschnitten
ist, wie z. B. bei der Poliomyelitis anterior, so behält er seine Reizbar¬
keit noch lange Zeit; es muss im Hinblick auf eine spätere Sehnenüber¬
pflanzung die Aufgabe sein, durch geeignete Behandlung die Erregbarkeit
des gelähmten Muskels möglichst zu erhalten. Gerade in solchen Fällen,
in denen nach Ablauf des entzündlichen Prozesses im Mark ein wenn
auch nur geringer Rest von Motilität in dem gelähmten Muskel erhalten
blieb, ist die Sehnenüberpflanzung von besonderem Nutzen.
Bei der Litt le* sehen Krankheit gilt es, durch die Operation die
perverse Innervation zu beseitigen, und zwar dadurch, dass durch die
Sehnenüberpflanzung die übermässige Innervation der spastischen Muskeln
auf ihre nicht spastischen, funktionellen Antagonisten übertragen wird.
Die Möglichkeit, durch die Operation Flexoren in Extensoren und
umgekehrt umzuwandeln, erklärt sich daraus, dass die vom Mark aus¬
gehenden motorischen Impulse keinerlei Vorausbestimmung für eine be¬
stimmte Art der Bewegung haben.
Als Resultat der Sehnenverpflanzung entwickelt sich eine neue
Muskelindividualität, welche auf einer Anpassung nicht nur der koordi¬
nierenden Centren der Hirnrinde, sondern auch der peripheren Teile be¬
ruht. (Die genaueren Vorgänge werden an einem Schema auseinander¬
gesetzt.) Die centralen Vorgänge, welche die koordinierenden Mechanismen
regeln, haben bei Kindern noch eine viel grössere Anpassungs- und Ver¬
änderungsfähigkeit als in späteren Jahren. Mohr (Bielefeld).
Operations for the relief of paralytic deformities, with special
reference to tendon transplantation. Von R. Whitman. New
York med. Journal, Vol. LXXV, Nr. 18.
Eine Sehnentransplantation bei paralytischen Deformitäten sollte
nicht eher vorgenommen werden, bevor der Grad der endgültig zurück-
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bleibenden Lähmung feststeht, also im allgemeinen nicht vor Ablauf von*
zwei Jahren nach Beginn der Lähmung. Je wichtiger irgend eine
Funktion, um so ausgebildeter auch die Kraft der sie vermittelnden
Muskeln. Daher ist eine wirkliche Heilung durch die Operation nur in
solchen Fällen möglich, in welchen die Paralyse auf einen der schwächeren
Muskeln beschränkt blieb. Die Aussichten der Sehnen- und Muskelver¬
pflanzung sind stark überschätzt worden. Unter günstigen Bedingungen
kann man allerdings bei dem überpflanzten Muskel darauf rechnen, dass
ein gewisser Grad kompensatorischer Hypertrophie eintritt, jedoch genügt
dieselbe bei schwächeren Muskeln durchaus nicht zur Uebernahme der
Funktion eines gelähmten Muskels, der vor der Lähmung selbst viel
kräftiger war als der nun überpflanzte Muskel. Die Berichte über die
Erfolge mittels der Sehnenüberpflanzung sind mehrdeutig, 1. weil sie im
Unklaren lassen über den Massstab, mit dem der Erfolg abgeschätzt
wurde, 2. weil die Erfolge meist keine definitiven waren. Sehr häufig
bleibt nach Entfernung des fixierenden Verbandes der primäre Effekt
der Operation eine Zeit lang bestehen, und dann tritt doch bei voller
Inanspruchnahme des betreffenden Gliedes wieder eine funktionelle
Schwäche auf, die einer sorgfältigen Behandlung durch Massage, Gym¬
nastik und geeignete Stützvorrichtungen bedarf. Die Operation wirkt
also meist nur palliativ und vermag meist die mechanische Behandlung
•eher zu ergänzen, als zu ersetzen. Die Athrodese kann in geeigneten
Fällen mit Vorteil mit der Sehnen Überpflanzung kombiniert werden.
Mohr (Bielefeld).
III. Bücherbesprechungeil.
Die Bedeutung der Neuronenlehre für die allgemeine Nerven-
physiologie. Von F. Schenk. Würzburger Abhandl. a. d. Gesamt¬
gebiete d. prakt. Medizin, Bd. II, H. 7.
Die Neuronenlehre hat uns nichts Neues an physiologischen Er¬
kenntnissen gebracht. Die Zelle ist, wie überhaupt, so auch im Nerven¬
system die entwickelungsgeschichtliche und trophische Einheit, da die
Entwickelung und Erhaltung der nervösen Elemente nur durch das
Zusammenwirken der charakteristischen Zellbestandteile zu stände kommt.
L. Hofbauer (Wien).
Experimentelle Untersuchungen über die entzündliche Neubildung
von Bindegewebe. Von A. Maximow. Fünftes Supplementheft
der Zieglerischen Beiträge zur pathologischen Anatomie. Jena, Gustav
Fischer, 1902.
Die histologischen Vorgänge bei der Entzündung bildeten seit
langer Zeit den Gegenstand eingehender Untersuchungen. Schienen die¬
selben auch vorübergehend abgeschlossen zu sein, so zeigte sich alsbald,
dass mehrere Fragen neuerdings eine sorgfältige Bearbeitung wünschens¬
wert erscheinen liessen. In dem erst vor kurzem erschienenen Werke
Marchand’s (Wundheilung) werden die einschlägigen Fragen eingehend
erörtert, und dieselbe Aufgabe verfolgen die unter Ziegleris Leitung
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ausgeführten Untersuchungen, die Maximow in dem vorliegenden Buche
zusanimenfasst und über die Ziegler bereits auf der letzten Versamm¬
lung der Deutschen pathologischen Gesellschaft in Karlsbad berichtete.
Maximow bediente sich zu seinen Untersuchungen besonders präparierter
Glaskammern und Celloidinkammern und experimentierte vornehmlich an
Kaninchen, daneben auch an Hunden und Tauben. Versuchen wir,
seine ausgedehnten Untersuchungen in Kürze zusammenzufassen, so er¬
gibt sich, dass bei der Entzündung drei Zellarten auftreten: 1. poly-
nucleäre Leukocyten, die jedoch nicht die Fähigkeit haben, sich zu ver¬
mehren oder stabile Gewebselemente zu liefern; 2. die Fibroblasten, Ab-
kömndinge der fixen Bindegewebszellen, welche die „Ausarbeitung neuer
faseriger Zwischensubstanz“, die Vernarbung, bewirken, und 3. die Poly-
blasten. Letztere sind mononucleäre Leukocyten und Lymphocyten des
Blutes sowie histiogene Wanderzollen und werden bisher den Plasma-
zellen zugezählt. Ihrer Hauptmasse nach stammen sie aus dem Blut
und sind die wichtigsten Phagocyten; Bindegewebe vermögen sie allein
nicht zu bilden. Für die Frage der Entstehung von Bindegewebe aus
den farblosen Butkörperchen bleibt also die Auffassung jener Autoren
bestehen, welche diesen Vorgang in Abrede stellen; in diesem Sinne
haben sich auch die Referenten auf dem Internationalen medizinischen
Kongress in Berlin 1890 (Ziegler, Marchand, Grawitz) geeinigt.
C. Sternberg (Wien).
Encyklopädie der gesamten Chirurgie. Herausgegeben von Kocher
und de Quervain. Lief. 13—25. Leipzig, F. C. W. Vogel
Mit diesen 13 Lieferungen ist das schon mehrfach in dem Central-
blatt für die Grenzgebiete erwähnte Werk bis zum Artikel Rhachitis
fortgeführt.
Wie die vorhergehenden enthalten auch die vorliegenden Lieferungen
eine Fülle von anregend geschriebenen Kapiteln aus der Feder unserer
bedeutendsten Chirurgen, die trotz ihrer Knappheit eine abgerundete,
übersichtliche Darstellung der betreffenden Gebiete geben.
Laspeyres (Bonn).
Ueber das Pathologische bei Nietzsche. Von P. J. Möbius. Grenz¬
fragen des Nerven- und Seelenlebens, H. 17. Bergmann, Wiesbaden
1902.
Der Autor hat sich die Aufgabe gestellt, die pathologischen Züge
im Wesen Nietzsche 's vom psychiatrischen Standpunkte aus zu analy¬
sieren; es schwebte ihm speziell das Ziel vor Augen, zu zeigen, wie sich
bei Nietzsche neben angeborener psychopathischer Minderwertigkeit und
in gewissem Sinne auf dem Boden derselben später eine exquisit erwor¬
bene organische Psychose, die progressive Paralyse, entwickelte;
langdauernder Chloralmissbrauch vervollständigte das Bild.
Möbius hat bekanntlich mehrfach die Rolle des psychiatrischen
Begutachters in literarischen und soziologischen Fragen übernommen;
nicht immer hat er die Aufgaben, die er sich dabei gesetzt, in so glück¬
licher Weise durchgeführt wie diesmal. Von der glänzenden Stilisierung,
von der strengen Objektivität in der Diktion, deren sich der Autor dies-
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mal befleissigt, soll hier überhaupt gänzlich abstrahiert werden: es ist
insbesondere die mit bewunderungswürdigem Scharfsinn durchgeführte
psychologische und psychiatrische Zergliederung der Persönlichkeit und
der Werke Nietzsche’s, welche die Lektüre des Buches für den Arzt
zu einem wahren Genuss macht; freilich nur für den psychiatrisch einiger-
masse» gebildeten Arzt; die grosse Masse der Mediziner, von der Laien¬
welt ganz zu schweigen, wird wohl den ästhetischen, nicht aber den
inhaltlichen Wert des Buches recht würdigen können, das, vom fach¬
wissenschaftlichen Standpunkte betrachtet, ungleich mehr gibt, als was es
dem Wortlaute des Titels nach verspricht.
Der Beweis, dass Nietzsche, eine von Haus aus degenerativ
veranlagte Natur, späterhin sekundär an Paralyse erkrankte, darf als
gelungen angesehen werden. Die Paralyse dauerte bei Nietzsche volle
16 Jahre und sie brauchte, ehe es zum Ausbruch der manifesten Er¬
scheinungen kam, die halbe Zeit, acht Jahre. In überzeugender Weise
zeigt Möbius, wie im Aufflammen der Zarathustra-Idee (1881) sich die
ersten Spuren des Gehirnleidens manifestieren, wie im „Zarathustra“ sich
die Züge ethischer und ästhetischer Abschwächung erst leise, dann immer
markanter verraten, ohne dass die intellektuelle Sphäre zunächst gröber
gelitten hätte; wie es dann zu langdauemden Remissionen kam, wie end¬
lich in den letzten Werken die Paralyse auch auf intellektuellem Ge¬
biete schärfer und schärfer hervortritt, bis 1889 der grosse paralytische
Anfall und damit der grosse psychische Zusammenbruch erfolgt. Von da
ab dämmert Nietzsche in unaufhaltsam fortschreitender Verblödung
dahin; somatische Lähmungserscheinungen, in der Zeit vor dem Insulte
nur hie und da hervorgetreten, beginnen sich in zunehmender Intensität
und Extensität einzustellen, bis endlich 1897 der Tod dem Dämmerleben
ein Ende macht. Dass Nietzsche vor 1870 den Grund zur Paralyse
gelegt hat, ist nach Möbius sichergestellt; die Inkubationszeit betrug
demnach über 12 Jahre.
Auffallen muss es, dass die Erkrankung so schleichend verlief,
dass insbesondere die erste Periode, in der bloss in den Werken
Nietzsche^ die Züge zunehmender ethischer Schwäche hervortraten, so
lange dauerte, ja durch Remissionen unterbrochen ward. Doch ist es
schon lange bekannt, dass gerade bei Degenerierten remittierende — und
cirkuläre — Verlaufsformen der Paralyse nicht so selten Vorkommen.
Ref. möchte noch bemerken, dass nach neueren Anschauungen
(v. Wagner, Pilcz) [wie sie ähnlich, wenn Ref. nicht irrt, Möbius
selber einmal in seiner „Stachyologie“ irgendwo ausgesprochen hat] ge¬
rade die Klasse der Degenerierten geringere Disposition und grössere
Resistenz gegenüber der paralytischen Erkrankung zeigt als psychisch
normale Individuen; und Nietzsche war eben ein solcher Degenerierter.
Sehr richtig sind die epikritischen Bemerkungen Möbius’, wonach
der Verlaufstypus, wie er bei Nietzsche sich fand, wohl überhaupt
nicht gar so selten ist. Als krank wird der Paralytiker meist eben erst
dann angesehen bezw. dem Arzte übergeben, wenn die intellek¬
tuelle Demenz zum Vorschein kommt; die erst leise, dann immer deut¬
licher hervor treten den ethischen Defekte, die oft durch Jahre der ersteren
vorangehen, werden im täglichen Leben meist ganz übersehen, gar bei
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Durchschnittsmenschen, die nicht in literarischen Dokumenten, wie sie
Nietzsche lieferte, sich der Mitwelt offenbaren. Möbius schliesst, dass
wir Aerzte aus diesem Grunde von der Paralyse eigentlich erst das letzte
Stadium kennen; die ersten Stadien seien uns klinisch noch ganz unbe¬
kannt. Allerdings, in der zeitlichen Schätzung dieser ersten Stadien
scheint Möbius einigermassen übers Ziel zu schiessen. Bei Nietzsche
handelt es sich eben aus den oben erwähnten Gründen wohl um eine
atypische Verlaufsform, die für allzuweitgehende Generalisationen keinen
Anhaltspunkt gibt. Wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich, enthält
das Buch nicht wenige allgemein-psychiatrische Ausblicke.
Erwin Stransky (Wien).
Inhalt
I. Sam m el - Referate.
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 161 —171.
Schnürer, Jos., Ueber die Puerperal¬
eklampsie (Fortsetzung), p. 171 —182.
Herszky, E., Nierenabscess und Peri¬
nephritis (Fortsetzung), p. 182—194.
II. Referate.
A. Gefösse.
Sorgent, L’atrophie des visc£res et l’hypo-
plasie arterielle dans la peilagre, p. 194.
Graziadei, B., Un caso die aneurisma
del tronco celiaco, p. 195.
Hahn, F., Aneurysma varicosum eines
Saphenaastes als Schenkelbruch fehl¬
diagnostiziert, p. 195.
Touche, Ligalure de la sous-clavi£re et
de la carotide primitives droites, da tan t
de 7 ans, p. 196.
Higier, Zur Klinik der angiosklerotischen
paroxysmalen Myasthenie (Claudication
intermittente Charcot’s) und der soge¬
nannten spontanen Gangrän, p. 196.
Jackson, E., Thrombosis of the caver-
nous sinus, p. 197.
Apert, Oedeme cyanotique de la moitife
sus-diaphragmatique du corps etc., p. 197«
Dörr, A., Ein experimenteller Beitrag zur
Aetiologie der Sinusthrombose, p. 198.
Riegner, Subcutane Zerreissung des Sinus
longitudinalis durae matris, p. 198.
Lyle und Greiwe, Report of a case of
Raynaud's disease, p. 199.
Follet und Sacqu6p£e, Syndrome de
Raynaud, p. 200.
S t r uj e w, N. A., Zur Kasuistik der Krank¬
heit Raynaud’s, p. 200.
Pospelow, A. J.. Ein neues Symptom
der Krankheit Raynaud’s, p. 200.
Schabad, C. J., Ein Fall von Angio¬
neurose aller Extremitäten etc., p. 200.
B. Muskeln, Sehnen.
Elgert, J., Ueber idiopathische und
symptomatische Myalgien, p. 201.
Kollarits, J., Der myasthenische Sym-
ptomenkomplex, p. 201.
Oddo, Les myopathies familiales paro
xystiques (myotonie, myopl6gie), p. 201.
Riemann, D. u. Wood, H. C., A case
of unusual development of the platysma
myoides, p. 202.
Meitzer, S., On the contraction of the
iliopsoas musde as an aid in the dia-
gnosis of the contents of the iliac fossa,
p. 202.
Townsend, W., Deformities due to
muscular paralysis etc., p. 203.
Parhon, C. u. Goldstein, M., Sur un
cas de peilagre accompagn6 de la retrac-
tion de l’apondvrose palmaire, p. 203.
Neutra, W., Beitrag zur Aetiologie der
Dupuytren ’schen F i ngerkon ti aktur, p. 204.
Coli ins, J., Neurological qucstions in the
Operation of tendon transplan tation,p. 204.
Whitman, R., Operations for the rdiei
of paralytic deformities etc., p. 204.
III. Bücherbesprechungen.
Schenk, F., Die Bedeutung der Neu¬
ronenlehre für die allgemeine Nerven-
physiologie, p. 205.
Maximow, A., Experimentelle Unter¬
suchungen über die entzündliche Neu¬
bildung von Bindegewebe, p. 205.
Kocher u. de Quervain, Encyklopädie
der gesamten Chirurgie, p. 206.
Möbius, P. J., Ueber das Pathologisch?
bei Nietzsche, p. 206.
Um Einsendung von Monographien und Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SUHLESINGER. Wien. I. Ebendorferatrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzusatz „Für die Redaktion de*
Central blatten für die Grenzgebiete“ versehen zu wollen.
Druck Ton Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Ghirurgie.
Herauögegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VL Band.
Jena, 30. März 1903.
Nr. 6.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Ingeratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9 .
Buehhandlennserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Die multiple Neurofibromatose.
(Recklinghausen’sehe Krankheit.)
Sannnelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent a. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung.)
In einem einzigen Falle von Spillmann und Etienne (1898)
bestanden symmetrisch angeordnete Hauttumoren der Vorderarme.
Anders die in direktem Zusammenhang mit den Nervenstämmen
stehenden Tumoren:
Bei diesen ist öfters eine auffällige Symmetrie der Geschwulst-
bildung beobachtet worden, und in diesem Sinne auch die von Cour-
voisier (1886) aufgestellte besondere Gruppe der „symmetrisch mul¬
tiplen Neurome“ zu verstehen.
Ein solcher Fall scheint auch die Beobachtung von Tei c h er t
U887) zu sein:
Das noch in kindlichem Alter befindliche Töchterchen seines
Patienten — genaueres über Alter etc. ist nicht angegeben — zeigte
symmetrisch auf der Streckseite beider Arme, etwa 1 cm unterhalb des
Condylus ext. humeri, einen erbsengrossen, weichen, mit breiter Basis auf¬
sitzenden Tumor, der schmerzlos, gut abgrenzbar und von normaler Haut
bedeckt war.
Ontralhiatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 14
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In dem Falle von Vezely (1897) entsprach die Anordnung der
Geschwülste am Rücken dem Verlauf der hinteren Hautäste der Spinal¬
nerven.
In dem Falle von Borgo (1902) fand man „eine symmetrische
Anordnung der von Neubildungen verschonten oder weniger befallenen
Stellen.“
In diesem Sinne lässt sich auch die Angabe von Posthumus
(1900) verstehen, wenn er (p. 39) von seinem Falle sagt: „Ueberall
kamen Neurofibrome vor, also symmetrisch im weitesten Sinne des
Wortes“.
Interessant ist die bisweilen beobachtete (Böhm 1883, Menke
1.898), offenbar hereditäre Disposition der Tumoren, wie ich
die Erscheinung benennen will:
Wie der Patient von Menke (1898), so zeigt auch seine Mutter
und seine Grossmutter Unter anderem am rechten Medianus, genau an
derselben Stelle, ein Neurom, nur ist es bei letzterer erheblich kleiner.
Böhm’s (1883) lOjähriger Knabe ist Träger eines plexiformen
Neuromes an der rechten Hals- und Wangengegend. Die Schwester
dieses Kranken, welche an Wassersucht gestorben ist, soll eine ähnliche
Geschwulst in derselben Körpergegend ohne subjektive Erscheinungen
gehabt haben.
Ueber ähnliche Beobachtungen in Bezug auf Hautfibrome konnte
ich allerdings in der Literatur nichts finden.
Wie oben schon für die kleineren Tumoren hervorgehoben, so
lässt sich auch von den grösseren Fibromen aussagen, „dass sie
vorwiegend an den bei Bewegungen des Körpers hervorragenden
und also auch Reibungen besonders ausgesetzten Körperteilen sich
vorfinden, an den Hüften (Virchow), Schultern, Schulterblättern
(v. Recklinghausen 1882, Fall 2), Ellbogen und oberhalb des
Knies (Virchow II, Octerlony)“ (v. Recklinghausen 188'_\
p. 64).
Die „Tumeur majeur on tumeur royale“ von Boudet
(1883) ist weiter nichts als ein stärker gewachsener, meist ein plexi¬
formes Neurom darstellender Tumor, der im übrigen aber weder
als „primärer“ Tumor anzusehen ist, noch irgend welche Ab¬
weichungen in seinem Verhalten gegenüber den übrigen Tumoren
aufweist, als eben die Grössen Verhältnisse. Meist lässt sich an ihm
bezw. in seiuem Stiel ein strangförmiges Gebilde durchtasten.
Die Konsistenz dieser grösseren Tumoren ist die gleiche wie
die der übrigen, gewöhnlich jedoch ist sie eine festere. Geradezu
charakteristisch für diese oft eine ganz erhebliche Grösse annehmen¬
den Tumoren ist das Vorkommen von kleineren „sekundären“ Knoten
auf ihrer Oberfläche.
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So spricht schon Virchow (Geschwülste: Bd. I, 1863, p. 325)
von Sekundärknoten, mit denen die elephantiastischen Tumoren besetzt
sind, und gibt das auch für den grossen Tumor, den er im Titelkupfer
abbildet (Text dazu p. 325/326), an.
Ich selbst habe ein ähnliches Verhalten an einem eigrossen Tumor
der Schultergegend in meinem Falle 1902 beschrieben.
Im übrigen stellt sich bei diesen grösseren Tumoren offenbar
wegen ihrer Grösse und leichteren Lädierbarkeit eine Reihe von
Komplikationen ein, die ihre Quelle in den mechanischen Verhält¬
nissen haben, denen das Molluscum ausgesetzt ist.
Dieselben können verschiedener Art sein:
Gangränescenz der dasselbe bedeckenden Haut durch allzu grosse
Spannung (Volkmann 1875), das Auftreten von Exkoriationen, Ge¬
schwüren auf der Oberfläche durch Zerrung oder Decubitus (Tilesius
1793; Pick 1865, Fall 1; Kyrieleis 1885, Fall 3; Lediard 1887;
Groh 1888; Soldan 1899, Fall 3; mein Fall 2, 1901), wohl sicher¬
lich von Decubitalgeschwüren ausgehende „Vereiterung“ eines Tumors
(Podlewski 1886 = A. Philippson 1888, Fall 2), wiederholte
phlegmonöse Entzündungen grösserer Tumoren (Marcacci 1879), phleg¬
monöse und erysipelatöse Rötungen der Haut über denselben (Hecker
1858), intertriginöses Ekzem (Flockemann 1894), endlich erheblichere
Storungen der Cirkulation, die ein spontanes Abfallen des Tumors durch
Gangrän herbeiführen können, oder Schrumpfung des Tumors, der Art,
dass ein vollkommen leerer Hautsack zurückbleibt. Fast jeder Fall von
Neurofibromatose, wofern er multiple Hautfibrome aufweist, zeigt gelegent¬
lich die Erscheinung der Resorption des eigentlichen Tumors; diese
leeren Hautsäcke können beträchtliche Grösse erreichen: indes ist die
Resorption nicht immer eine vollständige: der allerdings verkleinerte,
d. h. im Verhältnis zum zurückbleibenden Hautsack zu kleine Tumor
kann an der Basis des Sackes oder schon unter der Haut noch zu
fühlen sein.
Zahlreiche leere Hautsäcke und rundliche, hernienartige, atrophische
Hautausstülpungen, die eine gewisse Aehnlichkeit mit vorgestülpten Striae
haben und unter denen sich nur ab und zu kleinere Tumoren, welche
im Niveau der normalen Haut liegen, durchfühlen lassen, fanden sich bei
meiner jüngst beschriebenen Patientin (1902).
Solche bot in grosser Anzahl ebenfalls die von mir mitbeobachtete
Patientin von W. Wolff (1901) und hat auch Rille (1901) an seinem
Patienten gesehen und eingehend beschrieben.
Einige weitere Veränderungen der Neurofibrome gehören schon
in das Gebiet der eigentlichen degenerativen Vorgänge innerhalb
derselben.
So wird Cystenbildung in der einen oder anderen Geschwulst
von Hecker (1858), Sibley (1866) und Czerny (1874) erwähnt.
Gar kein so seltenes Ereignis ist die myxomatöse Degene¬
ration von Neurofibromen. Ich allein habe eine solche zweimal
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(1901, Fall 10 und Fall von 1902) gesehen; beidemal war die Ent¬
wickelung im Plexus brachialis erfolgt; beidemal war das Wachstum
der Geschwülste ein überaus rasches gewesen und hatte rapid zu
einer Lähmung der betreffenden Extremität geführt.
In dieser Beziehung nähern sich diese Zustände dem Bild einer
malignen Degeneration, die ich weiter unten in einem beson¬
deren Abschnitte behandeln werde.
Die gleichzeitig mit den multiplen Hautfibromen, aber auch
unabhängig von ihnen, in Form selbständiger Geschwülste und mit
eigener Lokalisation vorkommenden Nerventumoren („Ne uro me“
schlechtweg) kommen an höher und tiefer gelegenen Nervenstämmen
vor, sei es nur an einem allein oder an allen Aesten eines grösseren
Stranges, in verschiedener Anzahl, einzeln oder rosenkranzähnlich
an einem Nerven sitzend, dem Nerven angelagert oder denselben
spindelförmig verdickend, breit aufsitzend oder gestielt, von Linsen-
bis Erbsen- und Mandelgrösse, bis zu Faust- und Doppelfaustdicke
und darüber.
Oder sie sind multipel auf die verschiedensten Nerven des
ganzen Körpers verteilt, das spinale, cerebrale und sympathische
Nervensystem oft auf weite Strecken hin befallend.
Ihre Form ist rund oder länglich, ihre Farbe grau, grauweiss,
perlmuttergrau, opak, durchsichtig, oft blutreich und massig vasku-
larisiert.
Im allgemeinen haben sie eine festere Konsistenz als die Haut¬
fibrome.
Selten ist die Verdickung des Nerven eine allgemein gleich-
mässige.
Die allgemeine Verteilung auf die verschiedenen Teile des
Nervensystems ist eine so verschiedene, dass kaum ein Fall dem
anderen gleicht, und in dieser Beziehung dürfte auch die Angabe
von Schuh (1851, p. 204), „dass die Neurome am häufigsten ihren
Sitz in den Rückenmarksnerven (i. e. peripheren Nerven) haben,
öfter an den oberen als unteren Gliedmassen“, nicht ganz
richtig sein. Mir will es scheinen, als ob gerade das Umgekehrte
der Fall wäre.
In wenig vorgeschrittenen Fällen entziehen sich die Nerven¬
tumoren dem Auge des Beobachters und verlangen, um aufgefumleu
zu werden, oft sorgfältige Palpation oder gar eine genaue anat*>-
mische Untersuchung der Nervenstämme. Erst wenn sie eine ge¬
wisse Grösse erreicht haben oder von den oberflächlich gelegenen
Hautstämmchen ausgehen, fallen sie dem Auge auf.
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Am leichtesten sind sie zu fühlen an den der Palpation am
leichtesten zugänglichen peripheren Hautnerven der Extremitäten,
speziell der oberen Extremitäten; aber auch an den Intercostalnerven
um! zum Teil an den peripheren Aesten einzelner Hirnnerven können
solche Verdickungen noch gefühlt werden.
Nächst ihrer Konsistenz ist für diese Geschwülste geradezu
typisch und bei etwas grösseren Tumoren konstant vorhanden die
von v. Büngner (1897) hervorgehobene Verschieblichkeit der Ge¬
schwulst in der Querrichtung, während sie in der Längsrichtung
kaum verschieblich ist.
Ein Neurom braucht nicht schmerzhaft zu sein, weder spon¬
tan noch auf Druck, kann es aber unter Umständen sein.
Ueber die bei den in Frage stehenden Geschwülsten beob¬
achtete symmetrische Anordnung auf beide Körperhälften und die
bisweilen beobachtete, offenbar hereditäre Disposition der Tumoren
bei mehreren Familienmitgliedern (Menke 1898: Grossmutter,Mutter,
Sohn) habe ich bereits im vorigen Abschnitt bei Gelegenheit ge¬
sprochen.
Das plexiforme Neurom VerneuiPs, das hauptsächlich
von v. Bruns (1870, 1892) studiert und von ihm Rankenneurom
benannt worden ist, hat das Aussehen einer höckerigen, oft schlaff
herabhängenden, bis faustgrossen, aber auch noch grössere Dimen¬
sionen annehmenden, gelegentlich druckempfindlichen Hautfalte, durch
welche man die verästelten Neurome wie ein der Form, nicht der
Konsistenz nach ähnliches Aneurysma cirsoides oder wie ein Varix
cirsoides durchfühlen kann.
Die härtere Konsistenz, der Mangel der Pulsation und der
Zusammendrückbarkeit unterscheiden jedoch die Rankenneurome von
letzteren Gebilden.
Die Haut über dem Neurora kann normal sein oder normal
erscheinen, aber doch nach Goldmann (1892) mikroskopisch aus¬
gedehnte Neurofibromatose aufweisen. Oft bietet sie sichtbare Ver¬
änderungen in Gestalt von starken Pigmentierungen, Behaarungen
und vergrösserten Talgdrüsen, endlich kann sie selbst der Sitz von
kleinen Hautfibromen sein.
Auch bei dieser Art von Geschwülsten ist bisweilen eine
hereditäre Disposition der Neubildung an derselben Stelle bei meh¬
reren Familienmitgliedern (Böhm 1883: Bruder und Schwester)
beobachtet worden. Ich habe das bereits oben erwähnt.
Der häufigste Sitz der plexiformen Neurome ist die Schläfe
und das obere Augenlid, nach der Zusammenstellung von v. Bruns
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(1892) unter 42 Fällen 15mal; die Hinterohr- und Nackengegend
in acht Fällen; Nase und Wange wiesen drei, Unterkiefergegend
und seitliche Halspartie vier, Brust und Rücken sieben, die Extre¬
mitäten drei Fälle auf.
Wir sehen also, dass der Lieblingssitz des Rankenneuroms
mit dem der elephantiastischen Tumoren übereinstimmt: es ist die
seitliche Partie des Kopfes vor und hinter dem Ohr, welche die
überwiegende Mehrzahl aller Fälle bevorzugt (v. Bruns 1892).
Fast ausschliesslich hat das plexiforme Neurom seinen engeren
Sitz im Unterhautzellgewebe, nur ganz ausnahmsweise in tieferen Teilen,
wie in dem von Pomorski (1887, 1888) beschriebenen Falle von
Rankenneurom der Intercostalnerven, das in die Pleurahöhle hinein-
gewachsen war und durch Druck auf die Vena cava inf. zu An¬
sammlung von hydropischer Flüssigkeit in der Pleura- und Bauch¬
höhle, sowie zu ödematöser Durchtränkung der Haut der betreffen¬
den Körperhälfte geführt hatte.
Was die Häufigkeit des Vorkommens von Rankenneuromen
gleichzeitig neben anderen Erscheinungen der Neurofibromatose be¬
trifft, so habe ich bereits oben erwähnt, dass eine solche Kombi¬
nation relativ häufig ist v. Bruns hat (1892) zu den in der
Literatur niedergelegten Beobachtungen von plexiformen Neuromen
einige eigene ältere und neuere Beobachtungen beigefügt und unter
42 Fällen konnte er 12 mal eine Kombination mit multiplen Fibro¬
men der Nervenstämme oder multiplen reichlichen Hautfibromen
feststellen.
Besonders interessant unter diesen ist der eben erwähnte Fall von
Pomorski (1887, 1888), in welchem eine Kombination von multiplen
Neurofibromen und einem Rankenneurom der Intercostalnerven bestand.
Ich selbst habe als Fall 6 meiner Kasustik (1901) einen Fall
von multiplen Neurofibromen der Haut und der grösseren Nervenstämme
neben einem plexiformen Neurom des Ischiadicus beschrieben und ab¬
gebildet.
In meinem jüngst beschriebenen Falle (1902) bestand neben
multiplen Neurofibromen der Haut ein plexiformes Neurom des Armes.
Was Hirn und Rückenmark anlangt, so liegen Verände¬
rungen von Seiten dieser Organe selbst nur in wenigen Fällen vor.
In Hesselbach’s Fall (1824) fand sich das Crus cerebelli ad
pontem „stark angeschwollen“, so dass das Kleinhirn durch dasselbe zur
Seite gedrängt war, bei Knoblauch (1843) eine Hypertrophie des
Cervicalteils des Rückenmarks.
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In Genersich's Fall 2 (1870) deckte die Autopsie [Rump 1879,
1880*)] harte Stellen im Thalamus opticus, Nucleus lentiformis, Corpus
Striatum auf, ferner solche Herde im vorderen Teil des Oberwurmes, im
Nucleus dentatus und in den Kleinhirnschenkeln.
In Mossö und Cavaliö’s Beobachtung (1897) fanden sich zahl¬
reiche kleine Tumoren, die über die ganze Hirnbasis, die Protuberanz,
die Medulla oblongata ausgebreitet waren und eine grössere, mandarinen¬
grosse Geschwulst von Ockerfarbe und gelatinöser Beschaffenheit, die an
ein Gliom erinnerte und in dem 4. Seitenlappen des Kleinhirns gelegen
war. ^usserdem fanden sich aber noch u. a. kleine Geschwülste auf
der Oberfläche des Kleinhirns, den Pedunculi ceiebri und den Wandungen
der Seitenventrikel etc. Die Epiphysis (Glandula pinealis) und Hypo¬
physis cerebri (Glandula pituitaria) waren grösser als normal und von
härterer Konsistenz.
In dem Fall 2 von Henneberg und Koch (1901) bestanden
neben einem doppelseitigen überhaselnussgrossen Neurofibrom des Acu-
sticus ein taubeneigrosses Fibrom der Dura an der medialen Fläche des
rechten Stirnhirnes, in dieses hineinwachsend, ein doppelt so grosses Fibrom
im vorderen Teil des rechten Seiten Ventrikels, drei bis erbsengrosse Fibrome
in der Mitte der Medulla oblongata und multiple kleine Fibrome und
Psainmofibrome der harten und weichen Hirnhaut.
In sämtlichen übrigen Fällen von sog. „Neurofibromatose
centrale“, wie die französischen Autoren diese Form der Lokali¬
sation der Fibrome benennen, dürfte es sich ausschliesslich um eine
Fibromatose der Hirn- oder Rückenmarkshäute oder um
Fälle von multipler Neurofibrombildung an den Nerven¬
wurzeln der Hirnbasis oder des Rückenmarks gehandelt
haben.
Zu diesen rechne ich einstweilen als klinisch besonders inter¬
essant die Beobachtungen von Sibley (1866), Gerhardt-Riesen¬
feld (1876/78), Soyka (1877, Fall 1 u. 2), Hirschberg (1879),
Sieveking (1896), v. Büngner (1897), Berggrün (1897), Mossö
u. Cavaliö (1897), Reymond (1898), H. Schlesinger (1898),
Zinno(1898), Cestan (1900), Spillmann (1900), Postumus (1900),
Sternberg (1900), Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall 1
u. 2), Preble und Hektoen (1901), Sorgo (1902).
Bei Sibley (1866) fand sich ein grosser Tumor (Neurom) des
Cervicalteils des Rückenmarks, der letzteres komprimierte jund zu einer
Parese der unteren Extremitäten führte; daneben bestand eine grosse
Anzahl von Geschwülsten an den Spinalnerven innerhalb des Dural¬
sackes.
*) Etwas abweichend davon ist das Sektionsprotokoll bei Gerhardt. Zur
Diagnostik multipler Neurombildung. Deutsch. Archiv für klin, Med. 1878, Bd. XXI,
P- 268 bezw. 27b.
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Durch ein am N. accessorius sitzendes Neurom erfolgte im Falle
von Gerhardt-Riesenfeld (1876/78) eine Kompression der Medulla.
Dasselbe war ungefähr bohnengros* und fand sich innerhalb des Sacke?
der Dura, etwa in der Hohe des 5. Cervicalnerven.
Im ersten Falle von Soyka (1877) fanden sich Tumoren ani
Kleinhirn, im zweiten Falle erstens in der linken Kleinhirnhälfte eine
walnussgrosse höckrige Geschwulst, welche gegen den Pons hinzog, ferner
zwei Tumoren, welche in den Meatus auditorius internus hineinwucherten,
sowie endlich ein Tumor um den Canalis opticus herum und im Corpus
striatuni. Neben diesen das Cerebrum in Mitleidenschaft ziehenden
Tumoren sassen noch Knoten an der Cauda und an der Hinterfläcbe
des Rückenmarks.
Im Falle von Sieveking (1896) erfolgte eine Kompression des
Cervicalmarkes durch ein im Wirbelkanal liegendes, extradural sitzendes
Neurofibrom.
In v. Büngner's Beobachtung (1897) handelte es sich um multiple
Neurofibrome der Nervenwurzeln der Medulla spinalis in geradezu kolos¬
saler Ausdehnung, die zur Kompression des Centralorganes in verschiedener
Höhe geführt hatten.
Mit dem letzterwähnten Falle von Soyka zeigt das von Berg-
grün (1897) beobachtete Krankheitsbild bezüglich der Intensität der
Ausbreitung der Neurome in cerebro wohl Aehnlichkeit; doch sind im
Falle Soyka’s die meisten peripheren Nerven frei von Tumoren gewesen,
wogegen bei Berggrün eine allgemeine Neurofibromatose des gesamten
centralen und peripheren Nervensystems bestand, wobei durch den von
den Tumoren ausgeübten Druck die schwersten Hirn- und Rückenmarks¬
erscheinungen hervorgerufen wurden. Ein grosser Teil der Hirnnerven
bildete hier schon an ihren Ursprungsstellen vom Gehirn dicke Tumoren¬
konvolute, welche beiderseits den Pons seitlich zusammendrückten, die
Pedunculi des Grosshirns abplatteten und sich, namentlich die links¬
seitigen, besonders grossen, zwischen die Kleinhirnhemisphären einerseits
Pons und Medulla andererseits hineinbetteten, ja teilweise auch in die
Furchen der Kleinhirnwindungen hineingetreten waren.
Das Rückenmark erschien seiner ganzen Länge nach mit kleinen,
den Nerven wurzeln angehörenden Tumoren besetzt, die aber im Bereiche
des Lendenmarks eine mächtige, den Wirbelkanal ausweitende und das
Rückenmark komprimierende Geschwulst bildeten. Im Hals- und Brustteile
des Rückenmarks sassen die zahlreichen hirsekorn- und senfkomgrossen,
selten erbsengrossen Geschwülstchen an den vorderen und hinteren
Rückenmarkswurzeln, und zwar an ersteren meist ausserhalb des Dural¬
sackes, an den hinteren meist knapp an der Austrittstelle der Nerven
aus dem Rückenmarke.
Der Fall von Mossö und Cavaiiö (1897) stellt so recht da?
Prototyp einer „Neurofibromatose regionale centrale“ vor, und zwar aus¬
schliesslich des Hirnes mit ausgesprochenen Symptomen des Hiradrucks.
Ich Labe weiter oben den Autopsiebericht gegeben. Auf die klinischen
Symptome komme ich gleich zu sprechen. (Fortsetxung folgt.)
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Ueber die Puerperaleklampsie.
Kritisches Sammelreferat über die von 1890 bis Ende Juni 1902
erschienenen Arbeiten.
Von Dr. Josef Schnürer, Wien.
(Fortsetzung.)
Jene Autoren, welche unter Verwertung des vorliegenden
statistischen, klinischen und pathologisch-anatomischen Materials
ihre Theorien aufbautcn, lassen Bich leicht in drei Gruppen ein¬
reihen: die einen, welche in dem fötalen Kreislauf resp. Placenta,
die zweiten, die in der Insufficienz der Niere eventuell Leber, und
die dritten, die in einigen Fällen in dem Darm das ätiologische
Agens der Eklampsie suchen.
Während Hoeven 180 ’ 131 ) aus der statistischen Thatsache, dass
unter 576 Fällen die Eklampsie nur in fünf Fällen vor dem fünften
Monat und nur dreimal ira fünften Monat ausbrach, und ferner aus
der Thatsache, dass die Eklampsie mit dem Tode des Fötus meist
aufhört [Charles 44 ) in ca. 60 Proz., Bidder 21 )], dass ferner die
Eklampsie nur äusserst selten bei totem Kind auftritt, den Schluss
auf eine fötale Intoxikation zieht, worin er mit Velde, Feh¬
ling 84 ), Kollmann 168 *), Nicholson 197 ’ 198 ), Byer 40 ), Lanners 1 * 1 )
übereinstimmt, bestimmt Dienst 69 ’ 60 ) durch Untersuchung des
mütterlichen und kindlichen Blutes in letzterem eine Erhöhung des
Fibrinprozentes, wodurch die Gerinnungen, Thrombosen und Gefäss-
alterationen erklärt würden. Der Allgemeingültigkeit dieser Theorie
widersprechen aber Beobachtungen, welche das Aufhören der
Eklampsie lehren, trotzdem das Kind weiter lebt [Holst 184 ),
Dewar 68 ), Glöckner 101 ), Albert 6 )], und der Umstand, dass doch
eigentlich sehr wenige Kinder eklamptischer Frauen mit Krämpfen
geboren werden [Timmermanns 267 )], ferner Beobachtungen, wie
die von Glöckner 102 ), der bei einer Eklamptischen eine vollständig
degenerierte Placenta und einen Foetus papyraceus fand.
Noch einen Schritt weiter gehen jene Autoren, welche ein
bestimmtes Organ des fötalen Kreislaufs, die Placenta, als das erste
in der Kette der Ursachen bezeichnen [Pazzi 206 ), Lindfors und
Sundberg 167 ), Letulle und Larrier 168 ), Seifert 226 )]. Am ge¬
nauesten hat Czempin 68-1M ) diese Theorie formuliert. Die Haupt-
thätigkeit im Stoffwechsel der Schwangerschaft fällt der Placenta
zu, welche namentlich in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft,
in welcher Zeit die giftigen fötalen Stoffwechselprodukte beträchtlich
an Menge zunehmen, dieselben aktiv, also elektiv, aber auch passiv
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zurückhält; sie hat demnach in dieser Zeit die Rolle eines drüsigen
Organes, und zwar, da sie nicht allein filtriert, sondern die Stoffe
auch entgiftet, die Funktion einer Niere und Leber zugleich. Die
ins Blut dennoch in geringem Masse übertretenden Substanzen er¬
zeugen namentlich im Anfang die sog. subjektiven Schwangerschafts¬
zeichen (nervöse Erregbarkeit), sowie das Erbrechen und die Albu¬
minurie; gegen das Ende der Gestation treten jedoch diese Stoffe
in grösserer Menge über und bewirken die Geburtswehen. Die
übertretenden Stoffe erzeugen Antitoxine; daher sind die Schwanger¬
schaftsbeschwerden bei Mehrgeschwängerten meist viel geringer, und
die Eklampsie, welche durch eine Störung der placentaren Thätigkeit
bedingt wird, tritt nur sehr selten bei derselben Frau ein zweites
Mal ein. Wodurch jedoch die Störung entsteht, ist noch nicht er¬
kannt.
Als zahlengemässen Ausdruck seiner Theorie führt Czempin 56 )
die Bestimmungen der festen Substanz in den Placenten verschie¬
denen Alters an: 6,54 Proz. im zweiten, 12,3 Proz. im sechsten und
14,24—22,82 Proz. im 10. Schwangerschaftsmonat. Eine Stütze scheint
die Theorie von der secernierenden und verdauenden Thätigkeit der
Placenta in den Versuchen von Mathes 180 “) zu finden. Mit recht
wenig Wahrscheinlichkeit und auch nur von wenigen Autoren ver¬
fochten wird die Theorie der intestinalen Intoxikation, nach welcher
die Eklampsie der Frauen mit der Kindereklampsie in eine Parallele
gestellt würde: Parker 205 ), Batsewitsch 19 ), Drejer 67 ), der jetloch
vorsichtshalber noch eine Mischintoxikation mit Urämie annimmt,
bedingt durch eine infolge Resorption von Ptomainen gestörten
Nierenthätigkeit; Flesch 90 ), der zwei Fälle in dieser Weise deutet,
wobei allerdings der eine infolge einer mechanischen Behinderung
an einer Hydronephrose litt, die sich nach der Geburt entleerte,
also keinesfalls für die Theorie der intestinalen Vergiftung zu ver¬
werten ist. Savory 222 ) beobachtete bei Eklampsie hochgradige Kopro-
stase, nach deren Entfernung die Krämpfe sofort sistieren. Die in
der Literatur öfter wiederkehrende Angabe, dass schwere Indi¬
gestionen die eklamptischen Krämpfe unterhalten oder sie sogar
verschlimmern [Zweifel 298 )], scheinen in umgekehrtem Kaitsalnexus
zu stehen: sie sind wahrscheinlich Symptome, welche durch die
Ausscheidung des Giftes durch die Magen- und Darmschleimhaut
bedingt sind.
Weitaus die grösste Anzahl der Autoren vertritt den Stand¬
punkt der renalen oder hepatalen Intoxikation, in dem Sinne, dass
entweder durch die Schwangerschaft selbst (rasch ansteigender intra-
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abdominaler Druck, erhöhter Blutdruck durch Verstopfung zahl¬
reicher Placentargefässe und Aufnahme von Placentarresten in den
Kreislauf [Gottschalk 108 )], reflektorischer Reiz auf die Vasocon-
striktoren der Niere [Shmith 229 )] oder durch Schädigung von Seiten
eines normalen, aber in übermässig grosser Menge oder eines bis
jetzt hypothetischen abnormalen Stoffes die beiden Organe insuf-
ficient werden und nun zu der bestehenden Intoxikation noch die
Vergiftung mit harnfähigen Substanzen und Stoffen des intermediären
Stoffwechsels hinzutritt. Ausser den bereits erwähnten Autoren gehören
hierher noch Velde 274 ), Dienst 69 ’ G0 ), Geuer"), Hoeven 1S1 ), Byers 40 ),
Charles 44 ), Pestalozza 208 ), Bouffe de St. Blaise 83 ’ 84> 84 •) u. a.
Massen 184 ’ m ) vergleicht die schwangere Frau mit einem Tier
mit Ekk’scher Fistel, also durch herabgesetzte Oxydation in einen
Zustand der Autointoxikation versetzt, die bei verschiedenen Indi¬
viduen verschiedenen Grades ist. Wirken jetzt äussere ungünstige
Gelegenheitsursachen ein (Infektionen, Schmerzen, psychische Er¬
regung), so erfolgt vermehrte Intoxikation und es kommt zu Kon¬
vulsionen.
Eine ganz eigenartige Theorie hat sich Gessner 97 ) zurecht¬
gelegt: eine muskulöse Verbindung zwischen Cervix und Blasenhals
überträgt den Zug, welchen der schwangere Uterus ausübt, auf die
abnorm fest sitzende Niere; dadurch entstehen Cirkulationsstörungen,
Verfettung des Nierenepithels, Verhinderung der Sekretion, Anhäufung
der Toxine und Ausbruch der Krämpfe. Favre und Pfyffer 71 )
ziehen nebst einer Kompression des Ureters durch peri- und para-
metritische Stränge noch die Ueberschwemmung des Blutes mit
Bakterien aus den weissen Infarkten der Placenta heran. In einer
grossen Reihe von Arbeiten [Favre 78-82 )] sucht Favre dieser
Theorie die nötigen Stützpunkte zu verschaffen, vermag aber schliess¬
lich weder die „Pilze im Blute“ noch die Ureterenkompression ge¬
nauer zu präcisieren. Ausserdem soll bei der Eklampsie die bei
Graviden häufige Hydrämie eine Rolle spielen.
Nach Grifford, Nash 110 ) vermag sogar die Harnretention
durch Druck auf die Urethra Intoxikation und Eklampsie zu er¬
zeugen. Nash schreibt dann noch dem Umstande, dass der fötale
Urin den mütterlichen Kreislauf zu passieren hat (?), eine wichtige
Rolle bei der Entstehung der Eklampsie zu.
Schaffer 227 ) nimmt einen komplizierten Circulus vitiosus an,
der seinen Ausgangspunkt von einem durch ungünstige räumliche
Verhältnisse bedingten Druck auf „irgend ein Organ“ (Niere) nimmt,
wodurch im Blute kreisende Stoffe (Mikroben und deren Stoff-
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I
1
Wechselprodukte) zurückgehalten werden und den Körper vergiften. Als
wesentlich ist am Vergiftungsbilde die Lähmung des Plexus coeliacus
zu betrachten, wodurch wieder die Gefässparesen und die Stoff¬
wechselstörungen, Albuminurie, Glycosurie u. s. w. ihre Erklärung
fänden.
Der Gedanke, dass es sich bei der Eklampsie um eine ange¬
borene oder durch Intoxikation erworbene Uebererregbarkeit
der motorischen Rindenfelder analog der StrychninVergiftung
[Knapp 147,148 )] handle, liegt nahe und findet recht zahlreiche
Vertreter (sog. reflektorische Eklampsie). Man ton 179 ) postuliert
für jeden Fall einen ererbten oder erworbenen (durch Toxine, durch
Stoffwechselprodukte, die infolge einer gestörten Nierenthätigkeit nicht
ausgeschieden werden) pathologischen Zustand des Centralnerven¬
systems. Durch den Reiz, den «1er Fötus auf die peripheren Nerven¬
endigungen im Uterus ausübt, komme es bei entsprechender Disposition
zur Eklampsie. Ebenso spricht Herff 123, m ) von einer angeborenen
oder erworbenen eklamptischen Labilität des Centralnervensystems,
wodurch es durch Einwirkung von Reizen (Intoxikation, Infektion, öfter
auch einfach der Gestation) zur Eklampsie kommt. Blumreich 24,25,as )
und Zuntz konnten an trächtigen Tieren direkt durch Aufstreuen
von Kreatin auf die motorischen Rindencentren eine Uebererregbar¬
keit des Nervensystems nachweisen. Für eine angeborene (hereditäre?)
Disposition scheint wohl eine Beobachtung Hanemann's 119 ) zu
sprechen, der zwei Zwillingsschwestern beide 5 Stunden nach der
Geburt an Kopfschmerz, Ueblichkeit, vollständiger Amaurose und
eklamptischen Krämpfen erkranken sah; beide genasen.
Auch Jones 189 ), Seifert** 4 ), Vinay* 77 ), Büttner 37 ), Gold¬
berg 106 ), Geuer 99 ), Gueniot 111, lia ), Sykes, Kollmann 168 ‘),
Dührssen 69 ) sind geneigt, wenn auch nicht für alle Fälle und
nicht als ausschliessliches kausales Moment, eine „nervöse, reflek¬
torische“ Entstehung der eklamptischen Krämpfe anzunehmen;
Tietke* 66 ) berechnet aus 25 Eklampsien 20 Proz. mit neuro-
pathischer Disposition, während andere Autoren [Fehling 85 ),
Gürich 113 ), Longyear 178 )] die reflektorische Genese der Eklampsie
direkt leugnen. Müller 193 ) weist mit Recht auf die grosse Selten¬
heit einer zweimaligen Erkrankung an Eklampsie hin, was mit unse¬
ren sonstigen Erfahrungen über nervöse Disposition nicht stimmen
mag. Interessant sind in dieser Richtung die Versuche Trido-
dani’s* 68 ), der an 70 normalen Schwangeren die Reflexe prüfte;
er fand die tiefen und Sehnenreflexe gesteigert, während die ober¬
flächlichen und Schleimhautreflexe auf Berührung und elektrische
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Ströme herabgesetzt waren; bisweilen bestand fast reflektorische
Pupillenstarre. Als Vergleichsserie dienten einerseits dieselben
Frauen nach der Geburt, sowie gesunde, weder gravide, noch im
Puerperium stehende Frauen. Die reflektorische und elektrische
Erregbarkeit, die bei Schwangeren sehr an die Hysterie gemahnt,
kehrte erst 10 Tage nach der Geburt zur Norm zurück. Sehr be-
rücksichtigenswert ist diesbezüglich eine Beobachtung Hamann’« 14 *),
der in einem Falle nach medullärer Tropacocainanalgesie sofort
Krämpfe und Coma schwinden Bah.
Ahlfeld 2 ) nimmt eine kombinierte Ent steh ungsursache an:
der rasch ansteigende intraabdominale Druck bei Primiparen,
namentlich bei Zwillingen, bewirkt eine Insufficienz der Nierenthätig-
keit, wodurch ein möglicherweise in der Placenta gebildetes Zer¬
setzungsprodukt zuruckgehalten wird und bei der gesteigerten
Sensibilität Hochschwangerer schiesslich zu Krämpfen führt. Es
wäre also die Eklampsie das Produkt eines zufälligen Zusammen¬
treffens mehrerer Faktoren.
Disposition, Symptomatologie und Verlauf.
Differentialdiagnose und Prognose.
Literatur.
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einer Kurventabelle über den Einfluss der Witterungs Verhältnisse auf den Ausbruch
der Eklampsie. . Z. f. Geb. u. Gyn., Bd. XLII, p. 580.
406) Zweifel, Bericht über 129 Fälle von Eklampsie. C. f. G. 1895, p. 1201.
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(Fortsetzung folgt.)
Xierenabscess und Perinephritis.
Eine zusammenfassende Studie von weil. Dr. E. Herszky.
(Schluss.)
4. Symptome und Verlauf.
Die klinischen Erscheinungen treten nur bei den primären
Prozessen in den Vordergrund, bei den sekundären jedoch nur in
vereinzelten Fällen, insbesondere, wenn der Prozess aus latenten
Herden stammt. Mau kann die metastatischen Eiterungen der die
Niere umgebenden Gewebe bei vorherrschender Allgemeininfektion
nicht scharf verfolgen und beurteilen.
Der Symptomenkomplex bei den genuinen [Maas 1 c )] Pro¬
zessen kann füglich in zwei Abschnitte geteilt werden, der Teilungs¬
punkt wird vom Auftreten einer palpablen Geschwulst oder Resistenz
gegeben.
Mit Fieber, Schüttelfrösten, schwerem Krankheitsgefühl [Is¬
rael lr )|, Mattigkeit und Schweissen stellt sich das Leiden ein, und
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alsbald tritt auch der Schmerz auf, meist in der Lumbalgegeud der
befallenen Seite. Bei traumatisch verursachten Affektionen tritt in
der Regel der Schmerz vor dem Fieber auf, wohingegen bei inneren
Verletzungen Fieber und Schmerz gleichzeitig aufzutreten pflegen
[Senator 1 -°-)].
Man bemerkt im weiteren Verlaufe stärkere Vorwölbung des
Rippenbogens, dessen Atmungsexkursionen geringer werden; die
Atmung selbst ist auf der erkrankten Seite costal [Israel].
Der Schmerz in der Lendengegend der erkrankten Seite wird
auf oberflächlichen Druck auch vom Colon aus [Maas 1 - 0 -)], ganz
besonders aber nach Bewegungen der Lendenwirbelsäule vermehrt.
ln vielen Fällen sind die Symptome recht dunkel, erst das
Auftreten des Empyems lässt auf die Erkrankungsart schliessen.
[White 198 )].
Nach Fortleitung des Prozesses auf das retroperitoneale Ge¬
webe tritt als konstanteste Erscheinung die Flexionsstellung des
Oberschenkels auf, die mit ischiasartigen Schmerzen verbunden
ist Diese Schmerzen erklären sich durch Reizung des Nervus
ileohypogastricus, ferner des genitocruralis und mitunter auch des
Nervus cutan. fern, extern, [v. Bergmann 14 )]. Das Bein der be¬
troffenen Seite erscheint mitunter als gelähmt [Bnwditch 49 )].
Die Patienten halten bei Rückenlage das Bein im Hüftge¬
lenk gebeugt und adduziert, was nach J. B. Roberts 284 ) nicht
die Folge von Psoitis sein muss, sondern eine einfache Nerven-
reizung voraussetzt Das Fieber ist regelmässig kontinuierlich hoch,
kann aber auch re- oder intermittierenden Charakter haben. Ist die
Niere miterkrankt [Jordan 118 )], so beobachtet man auch häufig Er¬
brechen, Zunahme oder Abnahme der Harnabsonderung. Die Schmerzen
strahlen nach der Blase uud Harnröhre oder von der Niere zur
Hüfte aus. [Vgl. auch Mallins 170 )|.
Die anfangs verstricheue Lendeugegend schwillt mehr und
mehr auf, konsekutive Oedeme, die nicht nur die Lenden¬
gegend, sonderu auch diffus, meist die unteren Extremitäten (Malleo-
len), mitunter auch die Augenlider befallen [Waskiewitz 1 -*-'•)],
treten auf. Die nun sichtbare Geschwulst verschiebt sich mit den
Atembewegungen nicht. Bei bimanucller Untersuchung kunn teil¬
weise Fluktuation festgestellt werden.
Die Eiteqiroduktion nimmt immer mehr zu, was au dem von
Schüttelfrösten uud Schweissen begleiteten hohen Fieber erkennbar
ist; der Eiter bahnt sich seine Wege. — Die Lenden haut wird rot,
heiss, verdünnt. Die zwei präformierten schwachen Stellen derselben,
Ontralhlntt f. d. Gr. d. Mmi. u. Chlr. VI. 15
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nämlich das Trigonum lumbale Petiti, welches dicht über dem
Darmbeinkamm liegt, ferner der unmittelbar unter der 12. Rippe ge¬
legene sogenannte Rhombus lumbalis werden am häufigsten durch¬
brochen. Carbon gibt an, dass sich zehn Elftel der paranephri-
tischen Prozesse in der Höhe des Petit’schen Dreieckes öffnen.
Chauvenet 44 ) jedoch beweist an der Hand einer reichen Kasuistik,
dass diese Verhältniszahl zu hoch ist, da der Eitersenkung zum
Ligam. Poupartii statistisch auch eine hohe Zahl zusteht
Bei der Wanderung des Eiters nach der letztgenannten Richtung
werden die den Ileopsoas und den Quadratus lumborum bedeckenden
Fascien, das Periost des Darmbeinkammes, von dort sogar bis zum
Trochanter herab, zerstört In dem von Biber* 5 ) publizierten-Fall
bestand eine Kommunikation des Eiters durch die Scheide des
Psoas bis zum Trochanter.
Der Eiterabfluss kann auch durch das Foramen ischiadicum
die Glutäalmuskulatur durchbrechen oder in seltenen Fällen durch
das Foramen obturatorium unter die Adduktoren des Oberschenkels
gelangen [Israel '•®)].
Findet der Durchbruch in die Visceralorgane der Bauch- und
Brusthöhle statt, so treten Erscheinungen auf, die darauf in den
meisten Fällen schliessen lassen.
Beim Durchbruch in das auf- und absteigende Colon, welches
der vorderen Wand der retroperitonealen Abscesse am nächsten
liegt, werden häufiges Drängen zum Stuhl, Verkleinerung der Ge¬
schwulst und Eiter im Stuhl beobachtet. Mitunter peritonitische
Erscheinungen. Vgl. Goldenhorn 8S_84 ), Rosenberger* 36 ) w. u.
Perforationen nach dem Duodenum und Magen sind nur
von Rayer 1 -®-) erwähnt. Neuerdings hat Michailow 181 ) über einen
Fall von Durchbruch des paranephritischen Abscesses ins Duodenum
berichtet.
Die Niere ist durch die fibröse Kapsel vor dem Eindringen des
Eiters eine Zeitlang geschützt. Gelingt es aber, das Nierenbecken zu
durchbrechen, so entleert sich in manchen Fällen unter plötzlicher
Erleichterung und Temperaturabfall unter brennendem Schmerz durch
die Harnröhre eine dicke eitrige Flüssigkeit. [Vgl. Burritt 36 ),
Waskiewitz 1 -®), F. Jordän 1 * 1 )].
Das Fortschreiten auf die andere Niere ist auch beobachtet
worden. [Vgl. Hirtz' ®), Turner, Senator 1 ®).
Der direkte Durchbruch in die Blase oder Vagina oder in
beide ist selten. Von den 230 Fällen, die Goldenhorn 1 -® ) sammelte,
erfolgte der Durchbruch der paranephritischen Abscesse in die
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Blase and Scheide zweimal, in die Blase allein nur einmal. Im
Anschluss an paranephritisehe Abscesse kann die erste Etappe die
Bildung von subphrenischen Abscessen sein. [Vergl. Sachs* 48 ),
Lejars 152 ).]
Häufiger erfolgt dann der spontane Durchbruch durch die
Löcken der Zwerchfellschenkel in das peripleurale Gewebe,
welcher Umstand durch Atemnot, Hustenreiz und pleuritische Er¬
scheinungen angezeigt wird. — Senator 25 ®“) wies bereits im Jahre
1884 auf die serösen Pleuritiden hin, die nicht selten als Begleit-
nnd Folgeerscheinungen nicht nur bei paranephritiechen Prozessen,
sondern bei allen Unterleibsaffektionen auftreten.
In den Fällen von Malmsten 171 ), Southey und Smith 382 )
ist mit Strangurie, Fieber, Dyspnoe, sowie Erscheinungen seitens
des Pericards ein Pleuraempyem infolge pararenaler Prozesse
entstanden, welches in beiden Fällen zum Tode führte. In White’s 398 )
Fällen kam es auch zu Pleuraempyem. Der paranephritisehe Prozess
war in einem Falle durch Nephrolithiasis bedingt.
Der Weg vom Pleuraempyem ist nicht weit zu den Lungen
und Bronchien. — Die Lungen können auch, wenn die Basis der¬
selben mit dem Zwerchfell verwachsen ist, vom Eiter direkt erreicht
werden [Israel 1 ®)].
ln den drei Fällen von Bowditch 1 -*-) waren zweimal die
Lungen perforiert. Die Patienten husteten grosse Mengen Eiters
aus. Aehnlich sind die Fälle von Hermann 107 ), Loumeau 166 ) und
F. Jordän , c ). Der letztere hat sogar nach gründlicher Entleerung
des Eiters Heilung erzielt, während die meisten Fälle ungünstig
verlaufen.
Die Ausgänge der die Niere umgebenden Gewebseiterungen
in ihrem Verhältnis zu den Nachbarorganen sind statistisch von
vielen Autoren untersucht worden. — Fischer 69 ) fand in 94 Fällen,
die er gesammelt hat, dass die Beteiligung der Pleuren 24 Proz.,
des Darmes 21 Proz., der Lungen 20 Proz., des Peritoneums
19 Proz., des Pericards 6 Proz. betrug. Die Senkungen des Eiters
längs des Psoas waren die häufigsten (30 Proz.), nach der Fossa
iliaca 23 Proz.
In der Zusammenstellung von Fenwick'®) waren unter
17 Fällen Pleura und Lungen siebenmal beteiligt (und zwar einmal
Pleuropneumonie, zweimal Pneumonie, zweimal Empyem und zweimal
Phthise); zweimal entwickelte sich ein Psoasabscess, zweimal Perfo¬
ration in das Colon, einmal ins Peritoneum, dagegen bestand zwei¬
mal Peritonitis ohne Perforation.
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Nach der schon erwähnten Statistik von Goldenhorn 1 -') war
es von 230 Fällen 34 mal zu spontaner Perforation gekommen,
und zwar 17 mal in die Pleura oder Bronchien, 11 mal in den Darm,
zweimal in die Bauchhöhle. Von den Perforationen nach der Blase
und Vagina ist schon gesprochen worden.
Wer diese Statistiken einer genaueren Betrachtung würdigt,
wird aus denselben endgültige Schlüsse nicht ziehen dürfen, ebenso¬
wenig kann eine Statistik annähernde Punkte für die Beurteilung
der Prognose abgeben.
Der Verlauf hängt immer davon ab, wann und wo sich der
Eiter entleert. Ist der Abfluss spontan oder künstlich nach der
Lendengegend erfolgt, so dürfte das günstigste Moment gegeben sein.
Bei spontaner Durchbohrung allein kann es zu Fistelgängen und
partiellen Retentionen kommen, die wieder den Ausgangspunkt
weiterer Eiterungen abgeben können.
Für die Eitersenkungen nach dem Psoas, Ligam. Poupartii,
den Glutaei etc. gilt dieselbe Regel.
Die Fälle von den Perforationen nach inneren Organen, Harn¬
organen, Darm, Lungen etc. verlaufen auch verschieden.
Senator 1 *) erwähnt auch die RosenbergePsche Statistik,
nach welcher von 26 Perforationen, die er gesammelt hat, sechs
auf den Dickdarm kamen, wovon vier Heilungen, 13 mal Perfora¬
tionen nach der Pleura und Lunge, wovon fünf Heilungen, dreimal
Durchbruch ins Peritoneum, wovon keine Heilung zu verzeichnen
waren. In dem Bericht von Geiss 80 ) war, von 14 Fällen parane-
phritischer Prozesse nur ein Todesfall. Von 21 Fällen, über die
Maas berichtet, heilten 16.
Die sonst recht ausgeprägten Symptome bei primären Prozessen,
die in mehreren Wochen zur Entscheidung führen, können bei
sekundären Prozessen vollständig fehlen oder nur langsam zur Ent¬
wickelung kommen. Dieser schleichende Charakter kann-infolge von
langwierigen chronischen Pyelitiden (meist infolge von Calculosei
oder Pyonephrosen jahrelang andauern und zu langsam fort¬
schreitendem Siechthum führen.
Bei den metastatischen Prozessen kann das ganze Bild ver¬
wischt sein.
5. Diagnose.
Die hauptsächlichsten diagnostischen Schwierigkeiten ergeben
sich im Anfangsstadium der Erkrankung, die oft nicht zu unter¬
scheiden ist. Ist der lokalisierte Schmerz mit nachweisbarer Hervor¬
wölbung der befallenen Lendengegend und hohem Fieber verbunden,
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so wird nach genauer Prüfung der Sachlage die Diagnose nicht
schwer fallen.
Fehlt das Fieber, so ist zwischen Lumbago (Neuralgien) nur
dann differentialdiagnostisch zu unterscheiden, wenn andere für
paranephritische Prozesse deutlich sprechende Anzeichen vorhanden
sind [Senator 25 ' 1 ), Roberts 234 )]. Allerdings ist bei Lumbago der
Schmerz doppelseitig.
Da die akuten Infektionskrankheiten häufig mit Krenzschmerzen,
Schüttelfrösten und Fieber beginnen, wird man zwischen Variola,
Influenza (Senator) unterscheiden müssen, wo uns die Entzündungen
der Schleimhäute (Conjunctivitis, Pharyngitis etc.) aufklären dürften.
Währt das unklare Stadium fort, so wird der Prozess mit Typhus,
Malaria oder sogar mit Miliartuberkulose verwechselt werden. Die
Fieberkurven bei den paranephritischen Prozessen zeichnen sich
allerdings in der Regel durch anhaltende Norm aus, jedoch sind
inter- sowie remittierende Formen auch beobachtet worden (Waskie-
witz 294 ), Jordan 121 ), Baumgarten lb ) etc.)].
Eine auffallende Empfindlichkeit gegen den leisesten Druck
spricht in der Regel für Paranephritiden. Diese Prozesse können
häufig von den Nierengeschwülsten an dieser Ueberempfindlichkeit
(insbesondere dicht unter der 12. Rippe und dicht über dem Darm¬
kamm [Israel] in der Gegend des Trigonum Petiti) erkannt werden.
Der Druckschmerz bei Nierenprozessen liegt etwas tiefer und ist,
von der Bauchwand aus ausgelöst, grösser als bei Eiterungen in der
Retroperitonealgegend. [Vergl. auch Hagen-Thorn 99 ).]
Die Form der Geschwulst vermag uns auch manchen Wink
zu gehen. Die vergrösserten Nieren, deren Kapsel frei ist, sind
durch eine sphärisch ovoide, mitunter scharfbegrenzte Form charak¬
terisiert, die bei Paranephritiden stets vermisst wird, bei denen eher
ein allmähliches Verstreichen in die Umgebung eigen ist. — Die
Resistenz läuft in vielen Fällen nach dem Ileopsoas zu, was eben¬
falls bei Nierengeschwülsten fehlt. — [Israel 1291 ®).] — Ist diese
Resistenz oberflächlich und durch eine umschriebene Vorwölbung
an einem Punkte in der Ijendengegend vorgewölbt, fehlt anderer¬
seits bei bimanueller Untersuchung ein Tumor in der Bauchhöhle,
so kann die Diagnose als gesichert betrachtet werden; diese Sicher¬
heit wird nur erhöht, wenn schon Oedeme und Anzeichen für den
Durchbruch erkennbar sind. [Maas 169 ), Israel 1 - c -).]
Die schon von uns gewürdigte Flexionsstellung des Ober¬
schenkels ist wegen der Mitbewegung des Beckens bei der Streckung
des Beines mit Coxitis zu verwechseln. Doch ist die Täuschung
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leicht behoben, wenn wir die anderen passiven Bewegungen aus¬
führen lassen, die schmerzlos vor sich gehen [vergl. J. B. Roberts 1 -H
Israel], eventuell in Narkose [Bauer 15 )] untersuchen. — In einem
Falle von Bauer 1 - '•) war das Bein in Abduktionsstellung.
Zuweilen entsteht im Stehen eine reflektorische Fixation
der Lendenwirbelsäule in Skoliosen stellung, deren Konkavität
der kranken Seite zugewendet ist, während der Rumpf gegen die
der gesunden Seite entsprechende Beckenhälfte verschoben erscheint
(Israel).
Eine Spondylitis oder akute Osteomyelitis der Wirbelkörper
wird mit Leichtigkeit ausgeschlossen werden können. Bei der ersteren
fehlen das hohe Fieber und die akute Entwickelung, während bei
der letzteren die Druckempfindlichkeit der Wirbel auf die richtige
Fährte leitet.
Mitunter dürfte man mit Erfolg die Gold flamm'sehe 86 ) so¬
wie die Bazy'sche 19 ) Untersuchungsmethode anwenden. (Vgl. Kapitel
„Diagnose des Nierenabscesses“) Gegenüber den Tumoren der Milz,
Leber, des Darmes, Pankreas, Ovariums etc. dürfte das Fehlen
jedweder respiratorischen Verschiebung differentialdiagnostisch
aufklärend sein.
Schwieriger gestaltet sich das Bild den Senkungsabscessen im
peri- und parapsoitisehen, perityphlitischen, parametritischen und peri-
herniösen [Lotheisen 144 )] Unterhautzellgewebe gegenüber. Eis ist
häufig kaum möglich, eine strikte Diagnose zu fällen, was in thera¬
peutischer Hinsicht aber belanglos ist [Senator 1 -*-)].
Bei der überwiegenden Häufigkeit des Ursprunges von der
Niere oder auch des Zusammenhangs mit derselben kann für die
Diagnose der peri- oder pararenalen Prozesse der Harnbefund
von unterstützender Bedeutung sein.
Ist die Niere frei, so wird auch der Harn vollständig normal
sein; wie wir aber sahen, trifft dies mitunter auch bei den Nieren¬
eiterungen zu, weswegen man recht vorsichtig vorgehen muss.
Israel 1 - c ) wies, wie wir bereits hervorgehoben haben, auf die
Häufigkeit der „dunklen Aetiologie“ der Eiterungen hin, die jedoch
bei gründlichen Harnuntersuchungen von kleinen Herden in der
Niere metastatisch abstammen können. Daher ist in solchen Fällen
„nur mit einer täglich wiederholten, sehr genauen mikroskopischen
Untersuchung des Urins ein Resultat zu erlangen, indem man den
klaren Urin 12 Stunden lang im Spitzglase sedimentieren lässt und
die sich am Boden des Gefässes bildende Nubecula centrifugiert“.
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Man findet dann nicht selten rote Blutkörper, Schatten,
Leukocyten und Cylinder verschiedenster Form, „die man bei dem
unverdächtigen Aussehen des Urins nicht erwartet hätte“ und die
bei genauerer Forschung das ätiologische Rätsel zu lüften vermögen.
Nach Senator 10 ) ist der Haru nur soweit verändert, als es
„das Fieber mit sich bringt“. Nur bei Durchbruch findet man Eiter
und Blut. Balduzzi u ) fand Eiter und Hämoglobin im Harn,
ebenso trat in Curschmann’s 61 ) Fällen Hämaturie auf. Roberts 1- *•)
fand in seinen Fällen oft hohe Albuminurie, welchen Umstand er
den anderen Autoren gegenüber ganz besonders hervorhebt und durch
starke Venenkompression zu erklären versucht.
Tuffier und Ch. Levy 276 ) machen darauf aufmerksam, dass
bei Nierenkontusionen, denen die perirenalen Prozesse ihr Ent¬
stehen verdanken, Hämaturie beobachtet wird. Die Blutkörperchen
erscheinen deformiert. Das Blut ist nicht frisch und rot, sondern
dunkel.
Vielleicht ist es angesichts der jetzt modernen kryoskopischen
Versuche nicht ohne Interesse, wenn ich auch an dieser Stelle be¬
richte, dass ich 109 ) in einem Falle von paranephritischem Abscess,
in welchem differentialdiagnostisch auch Nierenabscess in Frage kam,
einen Blutgefrierpunkt von 0,60° feststellte, was auf Funktionsun-
fäbigkeit der Nieren schliessen liesse, und bei der Operation die
Niere vollständig intakt fand. — Ich erkläre diesen Umstand durch
die gewaltigen Druckverhältnisse, unter denen infolge des parane-
phritischen Eitersackes die Niere längere Zeit hindurch litt.
Erwähnenswert ist noch die Probepunktion, die mitunter
im Frühstadium der Erkrankung Auskunft geben kann, bevor noch
eine .Geschwulst bemerkt wird, oder bei subphrenischer Lage des
Prozesses. Man bediene sich hierzu stets langer Nadeln.
Schliesslich sei auch das Roberts’sche Schema 1- °) hier kurz
mitgeteilt, nach welchem die genauere Lokalisation der peri- und
pararenalen Eiterung mitunter gelingt.
Roberts teilt die Prozesse in sechs Regionen ein. Die
ganz vordere Region wird durch Schmerz, Schwellung und Oedem
an der Vorderfläche des Abdomens, die ganz hintere Region
durch ähnliche Erscheinungen in der Lumbalgegend charakterisiert.
Inden oberen Abschnitten treten pleuritisches Reiben und Exsudat
auf, welches mit Dyspnoe und doppelseitigem Oedem der Beine,
Icterus, Ascites, hartnäckigem Erbrechen und rascher Abmagerung
einhergeht. In den mittleren Abschnitten finden sich Albuminurie,
Schmerz oberhalb des Os pubis, am Scrotum oder an der Vulva, Oedeme
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des Scrotums (Varikocele). Ist der Prozess in den unteren Ab¬
schnitten, so treten Flexion des Oberschenkels, Retraktion des Hodens,
Schmerzen in der Höfte und Knie, einseitiges Oedem des Beines auf.
Ist der Abscess nahe dem Ligam. Poupartii, so ist auch Ob¬
stipation, insbesondere an der linken Seite, charakteristisch.
Man wird nach diesem Schema jedoch selten in die Lage
kommen, strikte Diagnosen stellen zu können.
Die Prognose hängt bei den primären Prozessen von der
recht frühen Eiterentleerung ab und ist durchweg günstig bei
rascher, gründlicher Entfernung des ursächlichen Momentes. Bei
den sekundären Prozessen gibt das Grundleiden den Ausschlag.
6. Therapie.
In den Anfangsstadien der Erkrankung, wo die Symptome den
Prozess noch nicht klar bestimmen lassen, wird man symptomatisch
Vorgehen. Die örtliche Anwendung von Kälte (Eisblase), der Blut¬
entziehung (Venaesectio, Blutegel, Schröpfköpfe) und der Ruhe ver¬
mochten in manchen Fällen den Prozess rückgängig zu machen
[Senator 256 ), Ebstein 58 )].
Gegen die Schmerzen werden wohl mitunter die bekannten
Salicylpräparate, ferner Antipyrin, Acetanilid, Phenacetin etc. er¬
folgreich angewendet werden. Sind die Schmerzen besonders heftig,
so wird man vorsichtig Morphium verabreichen.
Ist die Eiterung nicht zur Resorption zu bringen, da wird der
Plan geändert und zur Beschleunigung des Prozesses Priessnitz-
sche Einwickelung der Lendengegend oder heisse Kataplasmen vor¬
geschlagen.
Zweckmässig ist jedoch, sofort nach positivem Ergebnis der
Probepunktion dem Eiter künstlich Abfluss zu verschaffen. Nach
den massgebendsten Autoren [Israel 129 ), Wagner 290 ), Schmid 246 ),
Prior 216 ), Jordan 123 ), Maas 169 )] gilt als oberster Grundsatz die
frühzeitigste Eröffnung, „sobald ein gegründeter Verdacht
der Eiterung vorliegt“.
Die Abscedierutig schreitet rasch vor, und schon prophy¬
laktisch ist ein frühes Vorgehen geboten.
In einfachen Fällen genügt die Incision, am richtigsten der
lumboabdominale Schnitt. Der Eiter entleert sich. Nach kurz¬
dauernder Drainage tritt vollkommene Heilung ein. [Vergl. die
Fälle von Baumgarten 16 ’ 17 ), v. Bergmann 24 ), Sendler 257 ), Bakö 2 )
u. s. w.] Häufig wird man jedoch wegen der Senkungsabscesse,
die sich, wie wir bei Betrachtung des Verlaufes auseinandergesetzt
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haben, nach allen Richtungen entwickeln können, recht tief eingeher*
müssen, um die mit dem pararenalen Abscess kommunizierenden
Oeffnungen zn suchen. — Denn bei Bestand eines noch so kleinen
Abscessherdes hat die Incision wenig genützt. [Vergl. Elias 59 ).]
Bei den sogen, anterenalen Prozessen, von denen Lejars 151 )
fünf operiert hat, wurde die Laparotomie zweimal ausgeführt.
Nach Israel 1 - c ) darf man erst dann die Aufgabe als erfüllt
betrachten, wenn die Niere oder deren Kapsel soweit freigelegt
wird, dass man sie abtasten kann. Bei unklaren Fällen müsse man
sogar die Kapsel in kleiner Ausdehnung zu spalten und abzulösen
versuchen. Findet man die Niere im Zustande eitriger Destruktion,
so dass ihre Entfernung indiziert ist, kann dieselbe sogleich vor¬
genommen werden. (Vergl. auch Floderus 71 ).]
Andererseits wird man sich hüten müssen, konservative Eingriffe,
wie Nephrotomie oder Nephrolithotomie im Anschluss an die Er¬
öffnung der perirenalen Phlegmonen vorzunehmen. Erst nach
gründlicher Reinigung der Abscesshötde wird man an derartige
Eingriffe herantreten dürfen. [Vergl. Balduzzi 11 ), Jordan 128 ).]
Bei beiderseitigen Prozessen wird man, wie in dem Falle von
Hirtz 171 ), an beiden Seiten die Incision vornehmen.
II. Referate.
W urmfortsatz.
Some reasons for considering the vermiform appendix as a gland.
Von CI. Killbourn. Philadelphia med. Journal 1902, Vol. EX, Nr. 20.
Verf. versucht auf Grund z. T. gewagter Analogien Beziehungen
zwischen Wurmfortsatz und drüsigen Gebilden festzustellen. Da jedes
rudimentäre Gebilde im menschlichen Körper zu irgend einer Periode des
Lebens eine bedeutungsvolle Funktion auszuüben hat, da ferner der
Appendix während der fötalen Periode keine besondere Bedeutung hat
und andererseits beim Erwachsenen nicht atrophisch wird, so folgt, dass
dem Appendix entweder während des ganzen Lebens eine Funktion zu¬
kommt oder dass er die einzige Ausnahme von der obigen Regel bildet
und ein nutzloses Gebilde ist. Jedoch weisen die entwicklungsgeschicht¬
liche Entstehung und die anatomische Lage und Beschaffenheit des
Wuimfortsatzes auf eine drüsenähnliche Funktion hin, besonders auch
die lymphatische Natur der auffallend stark entwickelten Submucosa.
Histologisch hat der Appendix Aehnlichkeit mit einer involutionierten
Tonsille. Seine Funktion hat vielleicht mit einer Einwirkung seines
Sekrets auf die Verdauung der Kohlehydrate im Dickdarm oder mit den
Mikrobenfermenten desselben zu thun. Eö muss normalerweise ein ge¬
wisser, natürlicher Schutz gegen die Absorption von Toxinen vom Darm-
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kanal aus bestehen, und diesen Schutz liefert vielleicht das Appendix¬
sekret. Wird bei pathologischen Veränderungen im Dickdarm, z. B. bei
Obstipation, die Aktivität der Mikroben erhöht, so kann es zu einer
Lähmung dieser Funktion, zu Autotoxämie und zu Erkrankung des Fort¬
satzes selbst kommen. Das Ausbleiben toxämischer Symptome nach Entr
fernung eines gesunden Appendix erklärt sich einmal dadurch, dass solche
Toxämien oft einen leichten Charakter haben, und sodann dadurch, dass
andere lymphatische Gebilde (Peyer’sche Plaques) die Funktion des
Fortsatzes übernehmen. Auch die Erkrankungen des Appendix zeigen
Analogien zu denen anerkannter Drüsen. Die physiologische Bedeutung
des Fortsatzes ist jedenfalls nicht so hoch zu veranschlagen, dass seine
Entfernung selbst bei milden Entzündungsrückfällen nicht erlaubt wäre.
Mohr (Bielefeld).
1. Absence complfete d’appendice il£o-coecal; disposition anormale
des bandes musculaires du coecum. Von Piquand. BulL de la
Soc. anat. 1900, p. 602. II. Appendice compris entre les deux
feuillets du indsentere; disposition anormale des artöres il6o-
coecales. Von demselben. Ibid., p. 604. III. Forme vdsicale
d’appendicite; Präsentation de l’appendice. Von Filliatre. Ibid.,
p. 626. IV. Appendicite et eure radicale de hernie inguinale
droite irrdductible. Von Souligoux. Ibid., p. 608.
I. Der Appendix fehlt vollständig. Die drei Muskelbänder des
Coecums, welche nonnalerweise an dessen Insertionsstelle entspringen,
nehmen von der Einmündungsstelle des Ileums ihren Ursprung.
II. Der Appendix ist nicht frei, sondern vollständig zwischen zwei
Mesenterialblättern eingeschlossen. Verf. meint, dass es sich um Adhärenz
des Mesoappendix an das Mesocolon handelt. Entzündliche Erscheinungen
älterer Natur sind aber nicht zu finden. Die Arteria ileo-colica verläuft
schief nach unten und rechts, den Appendix an seiner Vorderfläche
kreuzend und sich in zwei Aeste spaltend, deren einer zum Colon
ascendens (hintere Fläche) verläuft, während der andere Ast sich neuer¬
dings gabelt und einen Zweig zum Ileum, einen zum Coecum sendet.
Eine Art. appendicul. ist nicht auffindbar.
III. 40jähriger Mann; seit seinem 28. Lebensjahre intermittierende
Urinbeschwerden, und zwar Retention. Pat konnte nur in vertikaler Posi¬
tion urinieren. Schliesslich peritoneale Symptome und Temperatursteigerung.
Konstipation, Meteorismus; typischer Schmerzpunkt für Appendicitis.
Operation. Coecum fixiert Appendix der hinteren Blasenfläche adhärent
Resektion desselben. Drei Abscesse in dessen Wand, deren einer an
der Adhärenzstelle mit der Blase, [in Eiter Bacterium coli.
Es gibt also eine Form der Appendicitis mit initialen Blasen¬
symptomen (ä döbut vesicale).
IV. 20jähriger Mann. Operation wegen irreduktibler inguinaler
Netzhernie. 10 Tage nach der Entlassung Rötung der betreffenden In¬
guinalgegend. Man dachte an Nahteiterung. Incision. Etwas Eiter ent¬
leert sich. Man fühlt in der Tiefe eine Resistenz, die noch nach
drei Wochen besteht. Man vermutet eine Entzündung des Netzes. Operation.
Netz frei. Appendix entzündet, enthält einen 3 cm langen Stein. Ablatio
appendicis. Heilung. J. Sorgo (Wien).
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Zur Behandlung der Appendicitis. Von P. Borowski. Die Chirurgie,
Bd. X, p. 9. (Russisch.)
Borowski behandelte während sechs Jahren 52 Kranke; 28 da¬
von zeigten leichte Erscheinungen, die nach drei bis sechs Tagen
schwanden, intern behandelt wurden (Ruhe, Eis, Opium) und alle
heilten. — 24mal wurde operiert: 19mal bei lokaler Peritonitis, davon
12 Fälle vor Ablauf des sechsten Tages mit zwei Todesfällen, sieben nach
mehr als sechs Tagen — fünf starben; 12mal wurde die Appendix ent¬
fernt; im weiteren Verlauf traten viermal Lungenkomplikationen auf;
in einem Fall war nicht die Appendix, sondern der Blinddarm perforiert
(gestorben). In drei Fällen war die Peritonitis schon diffus, alle starben.
Endlich wurden zwei Fälle im freien Intervall operiert, mit Erfolg. —
Schlussfolgerungen: Abführmittel sind bei akuter Appendicitis zu ver¬
meiden; vier bis sechs Tage nach Beginn der Krankheit muss operiert
werden, wenn das Infiltrat nicht verschwunden ist; es gibt unzweifelhaft
Fälle von primärer Affektion des Blinddarms mit eitriger Perityphlitis.
Gückel (B. Karabulak, Saratow).
Ueber das Verhalten der weissen Blutkörperchen bei einigen
chirurgischen Erkrankungen, insbesondere bei Appendicitis. Von
M. Wassermann. Münch, med. Wochenschr. 1902, Nr. 17 u. 18.
Unter Leukocytose versteht man bekanntlich die vorübergehende
Erhöhung der Zahl der weissen Blutkörperchen im Blute, deren chemische
Produkte (Alexine) dem Organismus wirksame Verteidigungsmittel liefern.
In der Mehrzahl der Infektionskrankheiten sind die Leukoeyten be¬
trächtlich vermehrt, sie werden chemotaktisch durch Bakterien und
BakterienproteTne an gelockt Die fast spezifische Leukocytenverminderung
bei Typhus gegenüber anderen Infektionskrankheiten, bei Masern gegen¬
über Scharlach ist schon differentialdiagnostisch verwertet worden.
Besondere Würdigung verdient die Leukocytose bei Beurteilung
perityphlitischer Prozesse. Curschmann hat zuerst darauf hingewiesen,
dass die nicht abscedierenden Fälle entweder ganz ohne Vermehrung der
weissen BlulzeUen verlaufen oder nur eine geringe Steigerung im Beginn
der Erkrankung zeigen; die Zahl überschreitet selten 20 — 22 Mille.
Erhebt sich die Leukocytenzahl dauernd zu höheren Werten, so ist mit
Sicherheit Abscessbildung zu erwarten. Zahlen von 25 000 und mehr
sind dringend verdächtig; hier ist weiteres Zuwarten unnötig, operatives
Eingreifen erforderlich. Dies festzustellen, ist von fundamentaler Wichtig¬
keit, da trotz mannigfacher Arbeiten auf diesem Gebiet die Indikations¬
stellung zur Operation immer noch nicht präzis genug ist. — Verf. hat
in 47 Fällen über 400 Leukocytenzählungen ausgeführt und gefunden,
dass die untere Grenze 4000, die obere 11000 weisse Blutkörperchen
pro cbmm normaliter beträgt. Unter anderen Fällen sind ihm auch
solche vorgekommen, bei denen die Leukocytenzahl nur eine mässige
Erhöhung erreichte und trotzdem die klinischen Erscheinungen über den
Ernst der Situation und das Vorhandensein ausgebreiteter Eiterung keinen
Zweifel Hessen. Diese niederen Werte scheinen aber zu den seltenen
Ausnahmen zu gehören und in der Besonderheit der Fälle ihren Grund
zu haben (Erschöpfung der Reaktionskraft, allseitige Abkapselung bei
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chronischem Verlauf). Bisweilen schien die Leukocytose der Vorbote
neuer Fieberbewegungen zu sein und so eine feinere Reaktion für «Jen
Im Organismus sich abspielenden infektiösen Prozess abzugeben, als die
Temperaturerhöhung selbst.
Auch peritoneale Reize, die nicht auf Infektion beruhen, können massige
Leukocytenvermehrung hervorrufen (Zerrung durch Brucheinklemmung, Ver¬
letzung durch Messerstiche, operativer Eingriff). Aehnliche Befunde kommen
bei puerperaler Mastitis, phlegmonösen Entzündungen vor. Auch für die
Beurteilung erysipelntöser und septikämischer Erkrankungen ist die Leuko-
cytenbe8timmung von Bedeutung: vorübergehende oder andauernde Ver¬
mehrung.
Wohl in den meisten Fällen von Perityphlitis verleiht gerade die
Unabhängigkeit des Leukocytenwertes von den übrigen Erscheinungen
(Temperatur, Puls, Habitus, lokalem Befund) der Zählung eine Tragweite,
wie sie kein anderes klinisches Symptom besitzt.
Eine Abhängigkeit der Leukocytenvermehrung von der Art der
Infektionserreger Hess sich nicht erkennen.
Wiskott (Berchtesgaden).
l T eber die Entzündungen des Wurmfortsatzes. Von Bios. Bruns*
Beitr. z. klin. Chir., Bd. XXXII, p. 379.
Im Anschluss an 100 Beobachtungen auf der v. Beck’schen Ab¬
teilung im städtischen Krankenhaus in Karlsruhe entwickelt der Verf.
in seiner sehr bemerkenswerten Abhandlung den heutigen Stand der
Lehre von der Appendicitis.
Bezüglich der Aetiologie unterscheidet er primäre und sekundäre
Formen und bespricht als die letzteren besonders die vom weiblichen
Genitaltrakt aus und durch Incarceration in einem Bruch (fünf unter
seinen 100 Fällen) hervorgerufenen. — Für die primären Appendicitiden
lehnt er als lokale Ursachen Kotsteine, Fremdkörper, Parasiten etc. ab,
räumt aber den Bildungsanomalien (Heredität) und „residualen plastischen
Bildungen“ am Appendix eine disponierende Rolle ein. Das Zustande¬
kommen dieser „plastischen Bildungen“ sieht er mit Gersuny bei Weibern
als durch die physiologischen Vorgänge der Menstruation, bei Männern viel¬
leicht durch eine lokale adhäsive Peritonitis sui generis gegeben an. Bei
solcher lokaler Disposition vermögen dann Kotsteine, Mikroben, Fremd¬
körper, ein Trauma etc. eine lokale Erkrankung zu verursachen, vielleicht
auch nach Raum eine Incarceration des Appendix durch plötzliche Aus¬
dehnung des Coecums. In einer Reihe von Fällen lässt Verf. die
Appendicitis auch als Metastase einer primären Allgemeinerkrankung
gelten.
Pathologisch-anatomisch teilt er seine Fälle in vier Gruppen ein,
nämlich die akute Appendicitis serosa, die abgesackte appendicitische
Abscessbildung, die akute eitrige Appendicitis mit folgender diffuser
eitriger Peritonitis und in die chronische und chronisch-recidivierende
Appendicitis. Unter seinen Fällen befinden sich ferner drei von primärer
W urmfortsatztuberkulose.
Für die klinische Diagnose ist der Verzicht auf eine patho¬
logisch-anatomische Diagnose unerlässlich, da es sich stets nur um die
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Erkennung des Verhältnisses zwischen Erkrankung des Wurmfortsatzes
und Beteiligung des Peritoneums handelt. — Für die Diagnose der
Dignität eines akuten Anfalles ist besonders wichtig das Verhalten des
Pulses, der Temperaturunterschied zwischen Axilla und Rectum, die
Schmerztrias von Dieulafoy (Hauthyperästhesie, reflektorische Muskel¬
spannung, Mc. Burney's Peritonealdruckpunkt). Das Bestehen dieser
Trias lässt mit allergrösster Wahrscheinlichkeit beginnende Peritonitis
vermuten und zwingt zur Operation aus vitaler Indikation.
Der erste Anfall erscheint gerade als der prognostisch schlimmste.
Bezüglich der Therapie empfiehlt Bios auf Grund seiner Erfah¬
rungen, wonach von schweren Fällen in den ersten 24 Stunden nach
der Perforation noch alle, am zweiten Tage von 12 nur noch vier durch-
kanien, später keiner mehr (abgesehen von einem ganz ungewöhnlichen
Ausnahmsfall nach drei Tagen), bei schwerer Erkrankung (Allgemein¬
status, Schmerztrias!) die primäre Operation binnen 24 Stunden nach
Beginn der Erkrankung, bei langsamerem Einsetzen binnen 24 Stunden
nach Perforation. Bei leichten Anfällen exspektatives Verhalten, zieht
sich der Prozess in die Lange, Operation. Jeder zweite Anfall wird
sofort operiert. Kinder sollen stets, auch bei leichten Anfällen, wegen
der schlechteren Prognose primär operiert werden. Opium wird bei den
intern behandelten Fällen prinzipiell perhorresziert, weil es die Beurteilung
des Prozesses unmöglich macht; statt dessen Bettruhe, strenge Diät, ev.
24ständige Nahrungsenthaltung, Alkoholumschläge um den Leib, Ab¬
leitung auf den Darm, in der Regel durch Oeleinläufe, seltener durch
Ricinus. In der Nachbehandlung nach der Resektion des Appendix hat
sich Atropin (1 —5 mg subcutan) gegen die postperitonitische Darmatonie,
den postperitonitischen mechanischen Ileus und nach Operationen ä froid
gegen postoperative Darmatonie glänzend bewährt. Der sehr lesens¬
werten Arbeit sind zahlreiche Tafeln mit Abbildungen der resecierten
Appendices und die Krankengeschichten in extenso beigegeben.
Schiller (Karlsruhe).
23 consecutive cases of appendicitis treated by Operation, with
recovery. Von W. Wood. New York med. journ. 1902, Febr. 22.
Die 23 vom Verf. hintereinander ohne Todesfall operierten Fälle
von Appendicitis, darunter vier mit gangränösem Fortsatz, neun mit
Abscessbildung, zeigen, dass die chirurgische Behandlung dieser Er¬
krankung eine sicherere ist als die interne. Die beigefügte Tabelle zeigt,
wie wenig man sich nach der Dauer des Anfalles und der Intensität der
Erscheinungen ein Bild des wirklichen Zustandes, zumal der anatomischen
Veränderungen, machen kann. Mohr (Bielefeld).
III. Bücherbesprechuiigen.
Lehrbuch der speziellen Pathologie und der speziellen patholo¬
gischen Anatomie. Von Hugo Ribbert. Leipzig 1902, F. C.
W. Vogel.
Mit dem Erscheinen dieses Werkes hat die allgemeine Pathologie
desselben Gelehrten eine würdige Fortsetzung erhalten. Ursprünglich
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war auf Vorschlag des Verlagshauses die Bearbeitung des speziellen
Teiles geplant als eine Neubearbeitung des rühmlich bekannten Birch-
HirschfekFschen Lehrbuches; unter der Feder des Marburger Patho¬
logen aber ist ein völlig neues und eigenartiges Werk entstanden, das
nur in wenigen Abschnitten und vereinzelten Figuren (16) den er¬
wähnten Zusammenhang erkennen lässt. Um von den Abbildungen
zuerst zu sprechen, so enthält das Werk auf 790 Textseiten deren 474,
die zum grössten Teil nach eigenen frischen Präparaten, von der Hand
des Verl’s selbst gezeichnet, klar, scharf und deutlich das Charakteristische
der Befunde hervortreten lassen und daher besonders geeignet sind, das
Verständnis der einzelnen pathologischen Erscheinungsformen zu fördern.
Hierzu kommt noch, dass bei der Auswahl der Textfiguren Ribbert
besonders die häufigsten und wichtigsten pathologischen Veränderungen
berücksichtigt hat. Die Wiedergabe aller Bilder ist eine vorzügliche;
sie allein sichern dem Buche in den Kreisen der Studierenden, für die
es geschrieben ist, eine grosse Verbreitung.
Zu den ganz vorzüglichen zahlreichen Abbildungen kommt nun
noch, dass bei übersichtlicher Anordnung des Stoffes die Bearbeitung
der einzelnen Teile eine musterhaft prägnante, streng sachliche und
umfassende ist. Da Ribbert nämlich von einer Literaturangabe ab¬
gesehen hat, konnte der Ausgestaltung des Textes ein breiterer Raum
gewährt werden, was besonders wieder in den praktisch wichtigen Kapiteln
zum Ausdruck kommt In acht Abschnitten ist die pathologische Ana¬
tomie der Cirkulationsorgane, des Blutes und der blutbildenden Organe,
des Nervensystems, des Verdauungsapparates, der Respirationsorgane, der
Harn- und Geschlechts Werkzeuge, der Bewegungsorgane und schliesslich
der Haut behandelt; leider fehlt eine Bearbeitung der pathologischen
Anatomie von Auge und Ohr. Die praktische Wichtigkeit dieser beiden
Gebiete lässt dies als wirklich bedauerlich erscheinen. Was aber in den
obengenannten Kapiteln behandelt ist, ist durch die Vorzüglichkeit der
Darstellung geeignet, dem Lernenden ein klares, anschauliches Bild von
den pathologischen Veränderungen zu verschaffen und ihm damit ein
volles Verständnis für die Klinik der einzelnen Krankheiten zu eröffnen.
Dass ein Forscher wie Ribbert auch „in dem speziellen Teil eigenen
Beobachtungen und Untersuchungen gefolgt und von den Gesichts¬
punkten, die für die Abfassung der allgemeinen Pathologie massgebend
waren, ausgegangen ist, erscheint selbstverständlich“, dennoch aber wäre
für alle diejenigen, denen als Nichtschüler Ribbert’s andere Anschau¬
ungen, speziell über Entzündung und Geschwulstbildung, geläufig sind,
ein kritisches Eingehen auf die Theorien anderer erwünscht gewesen.
Doch treten diese Bedenken im speziellen Teil, dessen Hauptwert in der
exakten Schilderung scharf beobachteter Befunde besteht, nicht in den
Vordergrund.
Alles in allem genommen ist diesem neuen Lehrbuche, das ein
Muster plastischer Darstellung und ausgezeichnet ist durch eine Fülle
vortrefflicher Textfiguren, zu wünschen, dass es raschen Eingang bei
Studierenden und Aerzten finden möge. Löwisohn (Breslau).
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
239
Arbeiten ans der pathologisch-anatomischen Abteilung des kgl.
hygienischen Institutes zu Posen. Herausgegtben von Prof. Dr.
O. Lubarsch. Wiesbaden 1902, J. F. Bergmann.
Die vorliegende Broschüre ist eine Festgabe, mit der sich
Lubarsch bei der Feier des 60. Geburtstages Virchow's einstellte.
Er gibt zunächst einen kurzen Ueberblick über die Entstehungsgeschichte
und die Aufgaben seines Institutes sowie eine Schilderung des Materials, das in
der kurzen Zeit seiner Wirksamkeit in Posen zur Beobachtung kam. Wenn
wir erfahren, wie vielseitig die Thätigkeit Lubarsch's ist und wie sehr
seine Zeit durch Berufspflichten in Anspruch genommen wird, anderer¬
seits aber sehen, wit welcher Gründlichkeit das Material ausgenützt wird,
müssen wir dem Leiter des Institutes vollste Anerkennung zollen. Für
den Eifer und Fleiss, mit welchem dort gearbeitet wird, spricht auch die
vorliegende Festschrift* aus deren reichem Inhalt hier nur die „Beiträge
zur Pathologie der Nebennieren“ von Rosen stein hervorgehoben seien.
Verf. untersuchte bei ca. 100 Obduktionen das Verhalten der Neben¬
nieren, da es Lubarsch schon früher wiederholt aufgefallen war, dass
die Nebennieren häufig Höhlenbildungen aufweisen, auch wenn die
Leichen sonst noch keine Zeichen von Fäulnis darboten. Verf. fand,
dass diese Höhlenbildung in den Nebennieren kein rein postmortaler, auf
Fäulnis zurückzuführender Vorgang ist, sondern in der Regel durch
Cirkulationsstörungen, ganz besonders aber durch akute entzündliche
Zustände an der Grenze von Mark- und Rindensubstanz vorbereitet wird;
diese entzündlichen Veränderungen der Nebennieren seien viel häufiger
als meist angenommen wird. Im zweiten Teil dieser Arbeit teilt Verf.
die Obduktionsbefunde einiger Fälle von Morbus Addisonii mit, die nichts
Neues bringen. — Interessant ist die Mitteilung eines Falles von Lysol-
vergiftuirg von Linck; einem Patienten der Krankenanstalt wurde wegen
Obstipation ein Seifenklysma verordnet. Der dienstthuende Wärter goss
nun während des Eingusses, weil, wie er glaubte, die Flüssigkeit zu
wenig schäumte, 50 g konzentrierten Lysols in dieselbe. Patient wurde
zwei Stunden später bewusstlos aufgefunden und starb wenige Stunden
später. Bei der Obduktion fand sich, abgesehen von jenen Verände¬
rungen, die dem Grundleiden des Mannes entsprachen (Erweichungsherde
im Gehirn auf arteriosklerotischer Basis), als Ausdruck der Giftwirkung des
Lysols eine schwere nekrotisierende Entzündung des Dickdarms. Bei der
grossen Wichtigkeit des Falles und der Schwierigkeit der Deutung des
komplizierten Obduktionsbefundes wurden Tierversuche zur Entscheidung
der Frage angestellt, wie das Lysol vom Darme aus wirke. Es ergab
sich, dass das auf diese Weise dem Tier (Kaninchen) eingebrachte Lysol
schwere Vergiftungserscheinungen und den Tod hervorrief, dass der
Symptomenkomplex dem am Menschen beobachteten gleich war und dass
auch die Schleimhautveränderungen des Dickdarmes mit den bei der
Obduktion gefundenen identisch waren. Es war somit der Fall im
Sinne der ursprünglichen Annahme vollständig aufgeklärt. — Auf die
übrigen in dem vorliegenden Hefte enthaltenen Arbeiten, die sich auf
Fragen der Lehre von den Geschwülsten, auf die Metaplasie und die
Wirkung der Tuberkelbacillen beziehen, näher einzugehen, verbietet uns
leider der zur Verfügung stehende Raum. C. Sternberg (Wien').
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Technik dringlicher Operationen. Von F. Lejars. Deutsche Ueber-
setzung von H. Strehl nach der dritten französischen Auflage. Dritte
(Schiuss-)Lieferung. Jena 1902, Gustav Fischer.
Der vorliegende letzte Teil bringt unter anderem die vorzüglichen
Abhandlungen über Urinretention und Hernien, dann die dringliche
•Chirurgie der Extreu itäten. Die Diagnostik im Teil „Extremitäten“ ist
teilweis kürzer abgehandelt als in den übrigen Abschnitten, bei den
Luxationen fehlt sie ganz, bei der fesselnden Schreibweise des Verf.’s
für den Leser bedauerlich.
Bei der Besprechung der „Einbalsamierung 44 abgequetschter Teile
wäre die Mitteilung der Zusammensetzung der angewendeten Pasten
wünschenswert gewesen.
Auch in diesem Teil sind zahlreiche gute Abbildungen — von
Daleine — zur Veranschaulichung der Technik in den Text ein-
gefügt.
Die Empfehlung des ausgezeichneten Werkes kann nur wiederholt
werden und sei diesbezüglich auf das früher Gesagte (p. 78) verwiesen.
E. Moser (Zittau).
Inhalt
I. Sam mel-Referate.
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 209—216.
Schnürer, Jos., Ueber die Puerperal¬
eklampsie (Fortsetzung), p. 217—224.
He rszky, E., Nierenabscess und Peri¬
nephritis (Schluss), p. 224 — 233.
II. Referate.
Wurmfortsatz.
Killbourn, CI., Some reasons for con-
sidering the vermiform appendix as a
gland, p. 233.
Piquand, Absence compl£te d'appendice
il£o-coecal; disposition anormale des
bandcs musculaires du coecum, p. 234.
Piquand, Appendice compris entre les
deux feuillets du m£sent£re; disposition
anormale des art£res ileo-coecales, p.
234-
Filliatre, Forme v£sicale d’appendicite;
Präsentation de l’appendice, p. 234.
S o u 1 i g o u x , Appendici te et eure radicale
de hernie inguinale droite irrfeductible,
P- 234-
Borowski, P., Zur Behandlung der
Appendicitis, p. 235.
Wassermann, M., Ueber das Verhalten
der weissen Blutkörperchen bei einigen
chirurgischen Erkrankungen, insbeson¬
dere bei Appendicitis, p. 235.
Bios, Ueber die Entzündung des Wurm¬
fortsatzes, p. 236.
Wood, W., 23 consecutive cases of
appendicitis tre&ted by Operation, with
recovery, p. 237.
111. Bücherbesprechungen.
Ribbert, H., Lehrbuch der speziellen
Pathologie und der speziellen patholo¬
gischen Anatomie, p. 237.
Lubarsch, O., Arbeiten aus der patho¬
logisch^-anatomischen Abteilung des kgl.
hygienischen Institutes zu Posen, p. 239.
Lejars, F., Technik dringlicher Opera¬
tionen, p. 240.
Um Einsendung von Monographien and Büchern an den Kedaktenr Pro f e ss or
I)r. HERMANN SCHLESINGER. Wien. I. Ebendorferstranae 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzuaatz „Für die Redaktion de«
Central blatte« für die Grenzgebiete' 4 versehen zu wollen.
I>mck von Am. Kümpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Qrenzgebiete der Medizin u. Chirurgie.
Hcratifigegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band. | Jena, 18. April 1903. Nr. 7.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie, herausgegebon
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse !).
Buchhändlerinserate werden an die Vcrlagshantllung erbeten.
1. Sammel-Referate.
Gonorrhoische Allgemeininfektiou und
Metastasen
(mit Aufschlags der Gelenks-, Knochen-, Sehnen- und Schleiiu-
bentel-, sowie der nervösen Erkrankungen).
Sammelbericht über die Literatur vom Jahre 1890 an.
Von Dr. Karl Ritter von Hofmann (Wien).
Literatur.
Die in germanischen und romanischen Sprachen erschienenen Arbeiten sind im
Originaltexte, die übrigen in deutscher Ucbersetzung angeführt.
1) Abrams, Report of a case of gonorrhoeal cndocardilis. New York med.
Journ. 1896, 29. Aug.
2 ) d’Acheux, La phlebite blcnnorrhngique. These de Paris iH<)8.
3) Ah mann, Om gonorrhoi.sk allmäninfektion. Förh. Svens. Läk. Siillsk.,
Stockholm 1896.
4) Ders., Zur Frage der gonorrhoischen Aligemeininfektion.
5) Almquist, Ein durch Gonococcen verursachter Fall von Phlegmone. Arch.
f. Demi. u. Syph. 1899, Bd. XLIX.
6) Alt, Two cases of gonorrhoeal iritis. Ainer. Journ. of Ophthalm., St.
Louis 1893.
7) Anderson, A case of septicaemia with endocarditis complicating gonor-
rhoea. Canada Lancet, Toronto 1896/97.
CfntralLlatt f. d. Gr. <1. Me<l. u, Cliir. VI
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10) An dry, Precis des inaladies blennorrhagiques. Paris 1894.
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12) Axenfeld, Bakteriologie und Parasiten des Auges, infektiöse Augen¬
erkrankungen. Lubarsch-Ostertag, Erg. d. allg. Pathol. u. pathol. Anat. d. Menschen
u. d. Tiere, Wiesbaden 1898.
13) Dcrs., Bakteriologie und Parasiten des Auges. Ebenda, Wiesbaden 1901.
14) Axenfeld, Scheffels, Morax, Bahr, Becker, W ich erki e wicz,
Disk, zu v. Moll’s Vortrag. IX. internat. ophihalm. Kongress. Utrecht, Aug. 1899.
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21) Ders. 11. Lacour, Urethro-cystite blennorrhagique compliquee d’emblee de
purpurn infcctieuse lr£s grave. Ann. de denn, et svph. 1894, 101 5 -
22) Ders. u. Souplet, Note sur Talbuminurie liee a la blennorrhagic. Ann.
de denn, et svph. 1891, p. 324.
23) Dies., Nouvelle contribution a Pclude de ralbuminnrie compliquant les
phascs aigues de la blcnnmrhagie. Ann. de denn, et >yph. 1892, 112.
24) Banti, Le endocarditi. Lo sperimentale 1894, Nr. 25, 26, 27.
25) Barruol, Etüde cliniquo sur les complications cardiaques de la blennor-
rhagic. 'These de Paris 189b.
2b) Batut, De la pldebitc et de la neuralgie sciatique blennorrhagiques. Journ.
de mal. cut. et svph. 1900, 257.
27) Ders., Phlebite blennorrhagique, gangrene partielle du gland, du corp*
caverncux et de Tuiethre. Craz. hebd. de med. et chir. 1900, 640.
28) Ders., Des osteoims blennorihagique* du brachiale anterieur. Journ. «Je
mal. cut. et svph. 1900, 273.
29) Baud 011 in u. Gas ton, Blennorrhagic, lymphangitc et pvodermite gono-
cocciques. Ann. de denn, et svph. 1900, p. 747.
30) Bayet, La blennorrhagic maladie generale. Journ. Med. de Bruxelles
1900, Nr. 13.
31) Becker, Die metastatische gonorrhoische Augenerkrankung. Jahresber. « 1 .
Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde in Dresden 1K97 98, p. 83.
32) Berg, Pyelonephritis and ulcerative endocarditis as a coniplication nt
gonorrhoea — the gonococcus found in pure culture upon the diseased hearl vake.
Med. Record 1899, 29. April.
33 ) Bergeron, Des dennopathie* blennorrhagiques. These de Paris 1894.
34) Bcrtrand, Essai sur la pleurcsie dans la blennorrhagic. These de Pari*
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351 Ders., Deux cas demonstratifs de la presence du gonocoque dans le sang.
Soviel«} med. chir. d’Anvers 1900, Dec.
361 de Beurmann, Pericarditis gonorrhoica. Bull, de la Soc. med. des lu>p.
de Paris 1897, 12. Nov.
37) Bjelogolowy. Ein Fall von gonorrhoischer Endocarditi*. Wratsch 1899.
38) Blasi, Adeniti linfatiche ('he si jmssonn veiificare per infezioni da dentm
Tuielia. Bull, de la reale acad. di Roma 1898, XXIY.
39 Bobone, Angina di Ludwig blenorragica. Boll. de mal. de orech-, de
gola e de na*o 189b.
40) Böttcher, Ein Fall von gonorrhoischer Ailgemeininfcktion. St. Peters¬
burger med. WochnnM.hr. 1899, p. (»9.
41) Bonei li, Un caso d’infezione gonococcica generale. (iaz. di ospid. e de.
clin. IS99, 1 o. Sept.
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243
42) Bordoni-Uffreduzzi, Localisazione interna del gonococcus. Arch. ital.
di biolog. 1895.
43) Ders., Ueber die Lokalisation des Gonococcus im Innern des Organismus.
(Durch den Gonococcus hervorgerufene Pleuritis und Arthritis.) Deutsche med. Wochen¬
schrift 1894, Nr. 22.
44) Bose, Le gonocoque. Th&se de Montpellier 1893.
45) Boucher d’Argis de Guillerville, De la p^ricardite blennorrhagique.
Th£se de Paris 1895.
46) Boyd, Septicaemia following gonorrhoea. Boston med. and surg. Journ.
1896, p. 214.
47) Braquehaye, Myosite blennorrhagique. Journ. de med. de Bordeaux
189;, 5 <> 5 .
48) Ders. u. Servel, Myosite blennorrhagique. Ann. de mal. g£nit.-urin.
1898, Nr. 12.
49) Breton, Des ph£nom£nes g6n6raux dans le cours de la blennorrhagie;
forme aigue et forme chronique lente. Journ. de mal. cut. et syph. 1894, 723.
50) Brewer, A case of fatal gonorrhoeal infection with autopsy report. Journ.
of cut. and gen.-urin. dis. 1897, p. 260.
51) Brodier u. Laroche, Endocardite et aortite aigues blennorrhagiques.
Gaz. de hop. 1900, Nr. 59.
52) Brown, Remarks on systemic infection from gonorrhoea. Gaillard’s Med.
Journ., New York 1891.
53) Buitim, Zur Frankfurter Gonorrhoedebatte. Centralbl. f. Gyn. 1896, Nr. 50.
54) Ders., Ueber die Tripperansteckung beim weiblichen Geschlecht und ihre
Folgen. Münchener med. Wochenschr. 1901, Nr. 50.
55) Burchardt, Entzündung der Iris, des Strahlenkörpers des linken Auges,
Netzhautentzündungen beider Augen und mehrfache Gelenksentzündungen nach Go¬
norrhoe. Charit^annalen 1894, p. 246.
56) Ders., Ueber Tripperentzündung der Bindehaut und Folgen; Tripper-
Iritis; Iritis gummosa; Netzhau lablösung, Netzhautquetschung, flächenhafte, durch
Eitercoccen bedingte Bindehautentzündung; Behandlung äusserer Augenleiden durch
Einstäubung mit verschiedenen Mitteln. Chariteannalen 1896, p. 352.
57 .) Ders., Entzündung der Iris, der Hornhaut, der Sehnervenscheibe und der
Netzhaut infolge von Gonorrhoe. Chariteannalen 1897, p. 345.
58) Bujwid, Gonococcus als Ursache pyämischer Abscesse. Centralbl. für
Bakt. 1895, P- 435 -
59) Bull, Gonorrhoeal irido-chorioiditis. Annals of ophthal. and olol., St.
Louis 1893.
60) Buller, Gonorrhoea in its relation to the diseases of the eye. Montreal
Med. Journ. 1900.
61) Burr, Gonorrhoea as a factor in puerperal fever. Journ. of the Americ.
med. assoc. 1898, 3. Sept.
62) Buschke, Ueber Exantheme bei Gonorrhoe. Arch. f. Derm. u. Svph.
1899. Bd. XLVIII.
63) Calmann, Zur Frage der Gonococcenloxine. Monatsschr. f. Geburtsh. u.
Gyn. 1898, Bd. VII, p. 248.
64) Campana, L’adenite inguinale nella metrite cronica della porzione meni-
branosa del uomo. II. Dermat.-Kongress, Wien 1893.
63) Cantani, Contributo allo Studio del gonococco. Riforma medic. 1899,
Nr. 68—70.
b6) Carageorgiades, De l’endocarditc gonococcique. These de Paris 1896/97.
67) Cardile, Supra un caso di pleurite con gonococco di Ncisser. La clin.
med. ital. 1899, p. 549.
68) Carruccio u. Cichero, Albuminuria nella sifilide ed in alcuni mali vene-
>ei. Suppl. al policlinico, Roma 1895 96.
69) Cary, Gonorrhoeal iritis. Internat. Clin. Philad. 1893.
70) Charvet u. Lesieur, Complicazioni cardiache nella blenorragia. Proven/a
mcdica 1900, 12.
71) Castillo, Iritis blennorrägica. Revista di med. y cir. pract., Madrid 1897.
72) Chauffard, Infection blennorrhagique grave avec productions cornees de
la peau. Ann. de derm. et syph. 1897, p. 793.
16 *
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73) Cheatham, Gonorrhoeal iritis and non sup|)urativc gonorrhoeal Conjunc¬
tivitis and their pathology. Arch. of ophlh. New York 1896, V<> 1 . XXV.
74) Chiaiso u. Isnardi, Sopra un caso di rheumatismo blenorragico con
complicazioni viscerali. Giorn. de. real. acad. di med. di Torino, Kehr. 1894.
751 de Christmas, Contribution ä l’etude du gonoco(]iie et de sa toxine.
Ann. de l'inst. Pasteur 1897, Xr. 4.
76) D^rs,, Contribution a l’etude du gonocoque ct de sa toxine. Ann. de
l’inst. Pasteur luoo, 331,
77) Classen, Pyaemia a sc<|uel t<> gonorrhoea. Albany Med. Annals 1890.
78) Colombini, Bakteriologische und experimentelle Untersuchungen an einem
Falle von Harnröhrentripper mit Gelenks- und Hautaffektionen. Monatsh. f. prakt.
Derm. 1895, Bd. II, p. 548.
79) Ders.. Deila albuminuria nel processo blenorragico. Supplem. al Poli-
clinico 1897.
80) Ders., II diplococco tli Neisser nelh* adenite blenorragiche inguinali sup-
purate. La riforma med. 1898, p. 245.
81) Ders., Bakteriologische und experimentelle Untersuchungen über einen
merkwürdigen Fall von allgemeiner gonorrhoischer Infektion. Centralbl. f. Bakteriol.
1895, Bd. XXIV, p. 955.
82) Combemale, Un cas de pvohemie blcnnnn hagique. Bull. med. du nord.
1896, 26. Juni.
83) Cordeil, A case of gonorrhoea with numerous and soinc unusual com-
plications. Maryland Med. Journ., Baltimore 1891.
84) Cornell, A case of gonorrhoea rendered fatal by its sequels. Montreal
Med. Journ. 1900.
85) Council man n, Gonorrhoeal myocarditis. The Amer. Journ. of the med.
scienc. 1893, Scpt.
86) Cozzolino, Lezioni sulia sifilosi terziaria naso-faringo-palatina e sulle le-
sioni blenorragiche del naso. Bull, delle mal. de orech. 1892, Xr. 8.
87) v. Crippa, Ein Beitrag zur Frage: Wie rasch kann der Gonocoecus
Xeisser das Epithel der Urethra durchdringen r Wiener med. Presse 1893, Xr. 35, 30.
88) Cumston, The urethritis and their complications. X. Engl. M. Month.
Danbury Coun. 1897, 227.
89) Daniel, Sonic of the ulterior effects of gonorrhoea. Marit. Med. Xews 1890.
90) Dauber u. Borst, Maligne Endocardilis im Anschluss an Gonorrhoe
D. Arch. f. klin. Med. 189b, Bd. LVI.
91) Delacroix, Contribution ä 1 ’etude des endocarditcs gonococciques. The<e
de Paris 1894.
92) Dembinskv, Ueber gonorrhoische Metastasen. Xov. lek. 1894, Okt.
93) Ders., Ueber allgemeine Gonococccninfektion. VII. Kongress poln. Xatur-
forscher u. Aerzte zu Lemberg 1895.
94) Doleris, Infection blennorrhagique avant aincnö la inort chez une fenime
enceinte de si\ mois et demi. Soc. d’obst., Paris 1900, I. Juni. Presse med. 1900,
11. Juli.
95) Donnel, C'ardial complications of gonorrhoeal rheumatism. Med. Record
1890, 25. Oct.
96) Dowd, Gonorrhoeal pvclitis and pyelonephrilis. Xc*w York Med. Record
1898, 25. Jan.
97) Ders., An unusual complication of subacute gonorrhoea. Journ. of cut.
and gen.-urin. diseases 1900, p. 26.
98) Ducrey. Diskussion zum Vorträge Perrin’s. Congres internat. de dermat.
et syph. 1889. Ann. de dermat. 1890.
99) Dufour. Urticain* blennoirhagique. Hüll. soc. de med. et chir. de la
Rochelle iqoo.
IGO) Du hot, Purpura coir.pliquant une blennorrhagie. Ann. de la policlin.
centr. de BruxOles 1901, IO. Oct.
101) Kastman, The gonococcus and its toxine. Xew York Med. Journ. 1901,
28. Sept.
102) Eich hörst, Ueber Muskelerkrankungen bei Harnröhrentripper. Deutsche
med. Wochenschr. 1899, Xr. 42.
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245
103) Eiscndralh, Review of the litcralurc upon the inlcrnal lncalisation of
ihe gonococcus. Chicago Med. Record 1896.
104) Ders., Pathology of gonorrhoca and Ireatinent of sonie surgical omipli-
cations. Journ. of the Americ. Med. Assoc., Chicago 1898, XXXI, 1475.
(Fortsetzung der Literatur folgt.)
Schon seit einer Reihe von Jahren ist man von der alten An¬
sicht, dass der Tripper unter allen Umständen nur eine rein lokale
Affektion darstelle, abgekommen, und nur vereinzelte Aerzte wollen
von der alten Lehre nicht abweichen. Am längsten bekannt und
daher auch am besten studiert ist der gonorrhoische Gelenksrheuma-
tismus, welcher aber in diesem Centralblatte schon besprochen wurde
und von dem daher weiterhin nicht mehr die Rede sein soll. Auch
die gonorrhoischen Nervenerkrankungen, sowie die Affektionen der
Knochen, Schleimbeutel und Sehnen fallen nicht in das Gebiet
dieses Sammelberichtes.
Da ein Teil der in Rede stehenden krankhaften Prozesse dem
Gonococcus selbst, ein anderer dessen Toxinen zugeschrieben wird,
erscheint es vielleicht angezeigt, zunächst einen kurzen Rückblick
über den derzeitigen Stand unserer Kenntnisse vom Gonococcen-
gift und dessen Wirkung zu geben. Es hat sich eine grössere
Anzahl von Forschern mit dieser Frage beschäftigt, doch sind sie
nicht zu übereinstimmenden Resultaten gelangt. Zum grossen Teil
scheitern derartige Untersuchungen an der Schwierigkeit, die nötigen
Versuche am Menschen anzustellen, und an der Unempfänglichkeit
der meisten Tiere gegenüber dem Gonococcus.
Während das Gonococcentoxin nach Wassermann 38 - lK 3s:{ ),
Nicolavsen 271 ), Laitinen 205 ), Cantani 05 ), Gross und Kraus 111 ),
Jundell 187 ) in den Gonococcenleibern enthalten ist, so dass filtrierte
Kulturen keine Reaktionserscheinungen erzeugen, wohl aber steri¬
lisierte, kommt de Christmas 75 u76 ) auf Grund seiner Unter¬
suchungen zum Resultate, dass das Gonococcentoxin ein biologisches
Produkt darstellt, welches sich nur unter bestimmten Bedingungen
bildet. Auch bezüglich der Wirkung des Gonococcengiftes sind die
Ansichten, zu welchen die einzelnen Forscher auf Grund ihrer Ver¬
suche gelangt sind, verschieden.
Aus Wassermann’s 1 ' 6 ') Untersuchungen geht hervor, dass die
Toxicität der Gonococcen eine recht verschiedene ist, da von einigen
Kulturen 0,1 ccm, intraperitoneal verabreicht, genügte, um den Tod
von Mäusen herbeizuführen, während von anderen selbst 1 ccm nicht
hinreichte, das Versuchstier zu töten. Um die Wirkung der ab¬
getöteten Kultur auf den Menschen zu studieren, injizierte sich
Wassermann 0,1 ccm Gonococcentoxin subcutan. Vier Stunden
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darauf wurde die Injektionsstelle schmerzhaft, es trat leichtes Frösteln
auf und die Temperatur erreichte am Abend 38°. Gleichzeitig stellten
sich Unbehagen, Kopf-, Glieder- und Gelenkschmerzen ein. Diese
Erscheinungen waren zum grössten Teil schon am nächsten Tage
verschwunden; die Rötung der Haut an der Injektionsstelle, welche
besonders am zweiten Tage sehr heftig war, schwand erst zwei
Tage später. Da Wassermann die Wirkung des Gonotoxins auch
in therapeutischer Hinsicht erproben wollte, injizierte er zwei
Patienten mit chronischer Gonorrhoe je 0,1 ccm abgetöteter Kultur,
worauf die oben erwähnten Erscheinungen sich einstellten. Als nun
fünf weitere Injektionen von je 0,1 ccm in viertägigen Pausen ausgeführt
wurden, zeigte sich jedesmal die gleiche Reaktion, so dass von einer
immunisierenden Wirkung nicht die Rede sein konnte. Auch auf
den Verlauf der Gonorrhoe zeigte die Toxininjektion keine Ein¬
wirkung. Aehnlich resultatlos verliefen die Immunisierungsversuehe
an Tieren (Mäusen und Kaninchen). Wassermann kommt auf
Grund dieser Untersuchungen zum Schlüsse, dass die abgestorbenen
und zerfallenen Gonococcenleiber das spezifische Gonococcentoxin
darstellen und auf den menschlichen Organismus sehr energisch
wirken können. Sehr wichtig ist nach Wassermann der Ort, wo
dieser Zerfall stattfindet; denn während in der Urethra anterior dio
toxischen Stoffe durch den Urin rasch weggespült werden, befinden
sich in der Urethra posterior die Ausfiihrungsgängc grosser Drüsen,
in denen die Bedingungen für die Stagnation toxischer Produkte ge¬
geben sind. Dies stimmt auch mit der klinischen Erfahrung über¬
ein, dass, solange der gonorrhoische Prozess auf die vordere Harn¬
röhre beschränkt bleibt, Allgemeinerscheinungen schwererer Art nur
ausnahmsweise auftreten.
In ähnlicher Weise gelang es Gross und Kraus 1 -'-), durch
subkutane Injektion von abgetöteten Gonococcenkulturen beim
Menschen lokale und fieberhafte Allgemeinreaktion hervorzurufen
Beim Tiere war die Wirkung derartiger Toxininjektionen eine
wechselnde. Hingegen vermögen Gonococcenfiltrate, in dieser Weise
appliziert, weder beim Tiere noch beim Menschen irgend welche
giftige Wirkung auszuüben. Den Versuchen Schäffe r's« 4 ), wel¬
chem es gelang, durch Injektion durch Filtrieren gewonnener Stoff¬
wechselprodukte der Gonococcen beim Menschen eine akute Ure¬
thritis von nicht progredientem Verlauf hervorzurufen, könne«
Gross und Kraus keine Beweiskraft zuerkennen, da man auch
durch Einbringung anderer Bakterien und Toxine beim Menschen
eine eitrige Urethritis erzeugen kann.
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247
Nicolayscn 1 °) konnte durch Impfung einer Gonococcen-
Ivtiltur ins Kniegelenk bei Kaninchen eine purulente Gelenks-
affektion hervorbringen und durch Einbringung der Gonococcen ins
Peritoneum bei Mäusen den Tod herbeifuhren, ohne Lokalerschei¬
nungen hervorzurufen. Die Wirkung war dieselbe, gleichviel, ob
lebende oder abgetötete Kulturen angewendet wurden. Filtrierte
Kulturen hingegen gaben kein Resultat.
Laitinen l c ) fand, dass sterilisierte Gonococcenkulturen bei
Kaninchen lokale und allgemeine Reaktion hervorrufen.
Steinschneider 351 ) injizierte einem Individuum am Rücken
ins subkutane Bindegewebe eine Gonococcenreinkultur, konnte aber
weder Schwellung und Schmerzhaftigkeit, noch Eiterung erzielen.
Die Tierversuche ergaben kein eindeutiges Resultat.
Finger, Ghon und Schlagenhaufer 117 u 11s ) konnten bei
einem Hunde durch Injektion der Reinkultur Gonitis erzeugen, nicht
aber durch filtrierte oder lange gekochte Kulturen.
Zu ähnlichen Resultaten gelangten auch Cantani 1 * 0 *) und
Jundell 1 * 0 *). Wesentlich verschieden sind die Ergebnisse der Unter¬
suchungen de Christmas' 1 * 0 *). Dieser Forscher, welcher ganz be¬
sondere Sorgfalt auf die Darstellung seiner Kulturen verwendete,
gewann mittelst Filtration von Gonococcenkulturen durch Talg einen
nicht dialysierbaren Körper von albuminoidcr Natur, welcher Tempe¬
raturen über 75° nur durch kurze Zeit Widerstand leistete, in
Glycerin löslich und aus der Kulturflüssigkeit durch schwefelsaures
Ammonium ausfällbar war. Dieses Gonotoxin führt, in das Gehirn
von Versuchstieren injiziert, den Tod unter Erscheinungen einer
sich rapid entwickelnden charakteristischen Intoxikation herbei. Die
Injektion dieses Toxins in das subkutane Bindegewebe der Ver¬
suchstiere bewirkt die Bildung einer antitoxischen Substanz im
Blute. Dieses Antitoxin neutralisiert in vitro das Gonotoxin und
verhindert die Erscheinungen der Intoxikation, so dass man eine
Mischung von Toxin und Antitoxin ohne Schaden ins Gehirn ein¬
spritzen kann. Ist die Neutralisation keine vollkommene, so kann
es zu mehr oder weniger schweren Intoxikationserscheinungen
kommen. Durch Injektion des Antitoxins ins Blut (mindestens
48 Stunden vor der Injektion des Toxins) kann man Immunität er¬
zielen, welche durch drei Tage andauert.
Ausser de Christmas hat nur Pompeani 25,4 ) mit positivem
Resultat Immunisierungsversuche angestellt, Jundell 1 °) misslangen
alle derartigen Experimente.
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Die meisten dieser Versuche stammen aus neuester Zeit, und
es hissen sich daher aus ihnen noch keine sicheren Schlüsse ziehen.
Jedenfalls aber scheint aus den bisherigen Erfahrungen hervorzu-
gehen, dass das Gonococcengift, welcher Art es auch sei, in den
Kreislauf gebracht, mehr oder weniger schwere Allgemeinerschei¬
nungen, vielleicht auch funktionelle (trophische) Störungen in ein¬
zelnen Organen (Niere, Haut etc.), sowie lokale Entzündungser¬
scheinungen hervorrufen kann.
Aber auch der Gonococcus selbst bleibt nicht immer an Ort
und Stelle, denn einerseits kann er auf dem Wege der Lymph-
bahnen weitergelangen, andererseits aber auch ins Blutgefässsystem
einbrechen und so weitergeschleppt werden. Nachdem nun durch
verschiedene Forscher, in erster Linie Wertheim, die alte Ansicht,
dass der Gonococcus ein reiner Schleimhautparasit sei, in anderen
Geweben aber sein Fortkommen nicht finden könne, widerlegt und
bewiesen war, dass dieser Mikroorganismus auch ausserhalb der
Harnröhre Entzündung und Eiterung erregen könne, wurden so
manche schon früher beschriebene Erkrankungen verschiedener Or¬
gane bei Gonorrhoe, welche man bisher für ein zufälliges Zusammen¬
treffen hielt, erklärlich. Im Laufe der letzten Jahre nun sind zahl¬
reiche Fälle von Gonorrhoemetastasen veröffentlicht worden, bei
denen die Diagnose unter Zuhilfenahme aller modernen Hilfsmittel
von gewiegten Fachleuten gestellt und der Gonococcus während
des Lebens im Blute, Eiter etc. oder bei der Sektion in den er¬
krankten Organen nachgewiesen wurde. Die Identität der Gono-
coccen wurde durch mikroskopische Untersuchung und Kultur, iu
einigen Fällen auch durch Uebertragung auf die menschliche Harn-
röhrenschlcimhaut in eiiivvandsfreier Weise festgestellt, so dass heut¬
zutage kein Zweifel an der Möglichkeit einer gonorrhoischen All¬
gemeininfektion bestehen kann.
Der Gonococcus kann auf zweierlei Art in entferntere Organe
verschleppt werden:
1. Auf dem Wege der Blutbahn. Wertheim 890 ) war der
erste, dem es gelang, in den Blutgefässen der Blase Gouocoeeen
nachzuweisen. Es handelte sich um ein neunjähriges Mädchen mit
Vulvovaginitis gonorrhoica, Cystitis und Arthritis beider Ulnargelenke.
Wert heim excidicrte ein kleines Stückchen Schleimhaut aus
dem Scheitel der diffus erkrankten Blase. Ein Teil desselben wurde
mit sterilem menschlichen Blutserum verrieben, und es konnten auf
diese Weise, ebenso wie aus dem Eiter der Ulnargelenke, Gonococcen
gezüchtet werden. Mikroskopisch enthielt das Schleimhautstückchen
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massenhaft Gonococcen, und zwar durchsetzten sic dasselbe zwischen
den Epithelieu strassenförmig. Ausserdem konnten in den submucös
gelegenen Gefässen reichlich Gonococcen nachgewiesen werden, und
zwar nur in den Capillarcn und präcapillaren Venen; Arterien
und grosse Venen waren frei. Nach Wertheini ist es als wahr¬
scheinlich anzusehen, dass die Gonococcen an Ort und Stelle in die
Schleimhaut eingedrungen sind. Seither sind bei mehreren an
gonorrhoischer Allgemeininfektion erkrankten Patienten mehrfach
während des Lebens im Blute Gonococcen nachgewiesen worden
(Thayer und Lazear 367 ), Doleris 94 ), Colombini* 1 ) u. a.).
2. Auf dem Wege der Lymphbahnen. Die gonorrhoischen
Erkrankungen der Lymphgefässe sind besonders von Nobl einem
eingehenden Studium unterworfen worden. Aus seinen Unter¬
suchungen geht hervor, dass wir es bei der blennorrhoischen
Lymphangioitis stets mit Gonococcen zu thun haben, während andere
Mikroorganismen nie in Frage zu kommen scheinen. Ganz zweifel¬
los kommt auf diesem Wege die Dröseninfektion zustande, während
für die anderen Metastasen die Lymphbahnen eine geringere Rolle
zu spielen scheinen [Nobl 276 ), Balzer 18 )].
Welche Erkrankungen den Toxinen und welche den Gonococcen
zuzuschreiben sind, ist wohl vorderhand nicht mit Sicherheit festzu¬
stellen. Im allgemeinen muss man wohl Balzer 19 ) zustimmen,
welcher die gonorrhoische Arthritis, Endo-, Myo- und Pericarditis,
Pleuritis, Periostitis, Phlebitis dem Gonococcus selbst, die Mehrzahl
der übrigen Erkrankungen dessen Toxinen zuschreibt. Ausserdem
ist mit Lesser 219 ) und anderen zu bedenken, dass es sich in vielen
Fällen um Misch- respective Sekundärinfektionen handelt. Was die
beiden letzteren Möglichkeiten betrifft, so darf man nicht ausser
Acht lassen, dass nach Finger 116 ) der Gonococcus den Eitercocccn
gegenüber der schwächere, mehr labilere Organismus ist und in
seinen Wirkungen weniger energisch, äusseren Schädlichkeiten
leichter zugänglich erscheint, und dass die durch ihn bedingten
Prozesse gutartiger sind als die durch Eitercocccn veranlassten Er¬
krankungen.
Was nun die eigentliche Ursache des Zustandekommens der
gonorrhoischen Allgemeininfektion betrifft, so ist dieselbe derzeit
noch nicht bekannt. Wir wissen nur, dass sie in der Regel beim
Uebeigreifen auf die hintere Harnröhre eintritt, dass in ihrer Er¬
nährung herabgesetzte, schwächliche Individuen oder solche mit
schweren konstitutionellen Störungen ihr besonders ausgesetzt sind
|Tommasoli 219 )], dass ungeschickte oder zu energische instru-
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i >:>0
mentolle Behandlung ihr Zustandekommen begünstigt |Ward - 1; 'k
N ach Finger- 11 ') beruht die Disposition zur gonorrhoischen Allge-
nieininfektion auf anatomischer Grundlage, da bei manchen Indi¬
viduen die Capillaren in der Prostata nur durch eine dünne Binde-
ge websinge vom Epithel getrennt sind, wodurch das Eindringen der
Gonoeoceen erleichtert wird. Interessant ist Lassar’s- 10 ) Fall.
Ein junger Mann, welcher im Anschluss an eine Gonorrhoe schwere
Allgemeinerscheinungen und Geleiiksaffektionen gezeigt hatte, gab
an, dass zwei seiner Brüder zu verschiedenen Zeiten und an ver¬
schiedenen Orten die gleiche Komplikation gezeigt hätten. Es
kommt also möglicherweise auch eine familiäre Disposition in Frage.
Tommasoli 2,!> ) macht darauf aufmerksam, dass einerseits die
Gonoeoceen eine gewisse Vorliebe für saure Nährböden zeigen,
andererseits bei einigen schweren konstitutionellen Störungen die Alka-
linität des Blutes vermindert, die Harnsäureabschoidung vermehrt
ist, so dass man möglicherweise* aus diesen beiden Momenten
Schlüsse auf das Zustandekommen der Allgemeininfektion ziehen kann.
Das intermittierende Fieber, welches bei durch Gonoeoceen
bedingter Allgemeininfektion in der Regel besteht, erklären die
meisten Antoren durch die Empfindlichkeit des Gonococcus gegen¬
über holien Temperaturen. Während des Fieberanfalls verliert der¬
selbe seine Virulenz, um sie bei Absinken des Fiebers wieder zu
erlangen [Besser 2I ’)]. Bei länger dauernden höheren Temperaturen
gehen die* Gonoeoceen zu Grunde (Finger, Lehrbuch). Der letzte
Autor glaubt auch, dass in der höheren Temperatur der meisten
Tiere (Hund .‘>8,8—iW,-, Meerschweinchen über 10°) der Grund
liege, dass dieselben vor Tripperinfektion geschützt sind. Gon-
zale*s 137n ) Versuche, Hunde und Meerschweinchen durch Herab¬
setzung der Temperatur für die Gonococconinfektion empfänglicher
zu machen, gelangen nicht. Daher glaubt dieser Autor, dass es
nicht die Temperatur oder wenigstens nicht die Temperatur allein
ist, welche den Tieren ihre Immunität gegen Gonoeoceen verleiht.
Allerdings sind diese Ansichten Finger “’s nicht ohne Wider¬
spruch geblieben [Wertheim , r ), Nobl 27 -)]; besonders der letztere
Autor hat eine Anzahl von Patienten beobachtet, bei denen hohe
Fiebertemperaturen durch längere Zeit bestanden, ohne dass ein
wesentlicher Einfluss auf den Verlauf der Gonorrhoe oder die
Lebensfähigkeit der Gonoeoceen bemerkbar gewesen wäre. Nobl
erklärt dieses Verhalten aus den ganz besonders günstigen Vegetations¬
bedingungen, welche sich den Mikroben in dem unnachahmbaren
hochorganisierten Nährboden der menschlichen Gewebe darbieten.
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Jedenfalls bedarf es noch weiterer Untersuchungen, bevor
Klarheit in die Frage betreffs des Zustandekommens der gonor¬
rhoischen Allgemeininfektion gebracht werden wird.
Ehe wir nun zur Schilderung der einzelnen Formen der gonor¬
rhoischen Metastasen übergehen, wäre noch der Allgemeinsvinptorne
zu gedenken, welche der Tripper in manchen Fällen hervorruft.
Dieselben erinnern an das durch subkutane Toxininjektion [Wasser¬
mann Lc j] hervorgerufene Krankheitsbild. Störungen des Allgemein¬
befindens leichten Grades, wie Fieber, Mattigkeit etc., sind ja bei
Gonorrhoe nichts Seltenes, und wenn auch ein Teil derselben
psychischen Einflüssen zuzuschreiben ist, so muss man doch für
andere die Ursache in der Einwirkung des gonorrhoischen Virus suchen.
Padula 2 * 0 ), welcher sich mit dem Studium der gonorrhoischen
Infektion eingehend beschäftigt hat, beschreibt ein an Malaria er¬
innerndes Krankheitsbild (kontinuierliches Fieber von remittierendem
Typus, Mattigkeit, Melancholie, leichter Milztumor), welches auf
Chinin nicht reagiert und auch in malariafreien Gegenden beobachtet
werden kann. Ein ähnliches Krankheitsbild beschreibt auch
Roch 315 ). Die Ansichten der Autoren darüber, ob die unkomplizierte
gonorrhoische Infektion Fieber erzeugen kann, gehen auseinander.
Während Trekaki 370 ) bei 50 unkomplizierten Fällen akuter Gonor¬
rhoe 31 mal (60 Proz.) Temperatursteigerung von 3«S° bis 39°, selten
darüber hinaus, fand, konnte Noguös 278 ) bei 13 Fällen nur einmal
leichte Temperaturerhöhung konstatieren, und selbst bei diesem
Patienten Hess sich eine leichte Prostatitis nicht mit Sicherheit aus-
schliessen. Hona 317 ) konnte bei 10 fiebernden Gonorrhoikern sechs¬
mal keine Ursache für das Fieber konstatieren ausser der Gonorrhoe.
Guiard 14 *) hat nur einen einzigen Fall von Gonorrhoe gesehen, bei
welchem durch vier Tage erhöhte Temperatur (bis 39°) bestand,
welche auf Anwendung starker Dosen von ßalsamicis zur Norm
herunterging. (Fortsetzung folgt.)
Die multiple Neurofibromatose.
(Reckiinghausen'sche Krankheit.)
Sammclreferat von Dr. C. Adrian, Privatclocent a. d. Univ. Strnssburg.
(Fortsetzung.)
In seinem „Beitrag zur Klinik der Rückenmarks- und Wirbel¬
tumoren** hat H. Schlesinger (1898) in Fig. 18—20 (p. 40/42) solche
Fälle von multipler Neurofibrombildung an den Nervenwurzeln des
Rückenmarks, bezw. von Fibroin der Dura mater spinalis abgebildet und
als Beob. 44 (p. 175) einen eigenen Fall von Fibromatose der Rücken-
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markshäute beschrieben. In dem.selben bildete die Lokalisation der
Tumoren an den Kückenmarkshäuten den einzigen Ausdruck der Fibro¬
matose.
Ausser den von mir bereits besprochenen Fällen erwähnt dann Schle¬
singer (p. 41/42) noch andere vielleicht hierher gehörige, mir im Original
nicht zugängliche Beobachtungen von Vast, Lancereaux, Luschka,
Loewenfeld, Gaupp, Monod und bespricht ein Präparat von
Kundrat [Paltauf]; in diesem Falle handelte es sich um einen Fall
von universeller Neurofibromatose, bei dem jedoch nur ein einziger Knoten
an einer vorderen Wurzel des 2. Lumbalnerven sass.
Das solitär auftretende Fibrom und Neurofibrom des Rückenmarks,
soweit dasselbe von den Nerven wurzeln ausgeht und von welchem Zinn
und Koch (1900) noch ein schönes Beispiel beschrieben haben, lasse
ich absichtlich ausserhalb des Bereiches meiner Betrachtung. Schlesinger
hat übrigens demselben (p. 43) eine gesonderte Besprechung gewidmet.
In Zinn’s Falle (1898) bedingten die Tumoren in den Foramina
intervertebralia, die Taubeneigrösse erreichten, eine Kompression des
Rückenmarks, ähnlich in der von Cestan (1900) als „Neurofibromatose
medullaire“ beschriebenen Beobachtung und in dem Fall von Posthumus
(1900).
In dem Falle von Spillmann (1900) fehlt die Autopsie. Neben
den multiplen Hautfibromen bestanden Erscheinungen von Seiten des
Hirnes. Klinisch wurde ein Tumor in der Gegend der Sella turcica
angenommen, über dessen Natur sich aber natürlich nichts aussagen lässt.
Die beiden Fälle von Henneberg und Koch (1901, Fall 1 u. 2)
stellen hingegen sichere Fälle von centraler Neurofibromatose dar. In
beiden Fällen erlaubten die klinischen Krankheitsbilder interessante
Schlüsse auf den Sitz der Tumoren. Auf den Fall 2 bin ich übrigens
schon oben etwas näher eingegangen.
Die Rückenmarksveränderungen in dem Fall von Preble lind
Hektoen (1901) waren bedingt durch Tumoren, die bis in die Nerven¬
wurzeln hineinreichten und eine Kompression des Rückenmarks bewirkt
hatten. Ob die diesen Fall begleitenden multiplen Gelenkveränderungen
von dem Charakter einer Arthritis deformans als neurotische aufzufassen
sind, lasse ich dahingestellt.
Ein schönes Beispiel von isoliertem Befallensein der Nerven wurzeln
des Rückenmarks bildet der Fall von Sorgo (1902):
Die Autopsie ergab multiple, extramedulläre, aber subdurale Neuro¬
fibrome des Rückenmarks, von denen das grösste im Bereich der Lenden¬
anschwellung in einer Vertiefung des Rückenmarks eingelagert war und
am oberen Ende mit einem Nervenbündel der 12. hinteren Dorsal Wurzel
zusammenhing; ein ähnlicher kleinerer Tumor sass an der hinteren 9.
Spinalwurzel, mehrere andere Geschwülste sassen an den Nervenwurzeln
des Lendenteils der Medulla und an der Oauda equina.
Der ersterwähnte Tumor komprimierte das Rückenmark anfangs
unvollständig und führte später zur vollständigen Querschnittsunterbrechung.
Nicht hierher gehören die Fälle von Raymond (1893),
H. Schlesinger (1895, 3 Fälle) und v. Kahlden (1895
= Seybel 1894).
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Sie stellen reine, wahre Neurome, echte hyperplastische
Neurome des Rückenmarks mit markhaltigen Nervenfasern dar, bei
welchen das Bindegewebe derart in den Hintergrund tritt, dass es
bei der Bezeichnung der Neubildung vernachlässigt werden kann.
Es sind im Gegensatz zu den Neurogliomen des Rückenmarks von
Klebs, welche einen grossen Teil des Rückenmarksquerschnittes ein¬
nehmen, meist mikroskopisch kleine, scharf abgegrenzte Tumoren
meist der Hinterhörner und in der Nähe derselben gelegen, in oder
in der Nähe von erkrankten Abschnitten des Rückenmarks (Tabes,
Syringomyelie etc.). Inmitten gesunden Gewebes sind dieselben bis¬
her nicht gesehen worden (Schlesinger).
Sehr oft kommen, wie wir gesehen haben, die fibromatösen
Geschwülste der Nervenwurzeln und der Hirn- und Rückenmarks-
häute allein vor; in den meisten Fällen jedoch stellen sie nur eine
Teilerscheinung einer allgemeinen Erkrankung des peripheren Nerven¬
systems an Neurofibromatose dar.
Die Geschwülste treten zumeist in Form kleiner, stecknadel-
kopf- bis erbsengrosser Knötchen auf, die Haselnussgrösse (Henne¬
berg und Koch 1901, 1902, Fall 2), Taubenei- (Berggrün 1897,
Zinn 1898, Henneberg und Koch 1901, 1902, Fall 2) oder
Pflaumengrösse (Berggrün 1897, Henneberg und Koch 1901,
1902, Fall 1) erreichen können, ja gelegentlich bis zu fast Hiihnerei-
(Berggrün 1897) und Walnussgrösse (Soyka 1877, .Fall 2) an-
waehsen können, an den Nervenwurzeln oder den Häuten des
Centralorganes, oft intradural, wie in den Fällen von Si bley (1866),
Gerhardt-Riesenfeld (187(5/78), Soyka (1877, Fall 1 und 2),
v. Büngner (1897), Moss<5 und Ca valiö (1897), Berggrün (1897),
Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall l u. 2), Sorgo (1902),
manchmal aber auch extradural sitzen (Genersich 1870, Fall 1,
Sieveking 1896, Berggrün 1897, Zinno 1898, Strube 1898).
Oft findet sich an einem und demselben Fall extradurale
Lagerung neben intraduraler (Berggrün 1897, Henneberg
und Koch 1901 u. 1902, Fall 1).
Selten beginnt der fibröse Prozess mit scharfer Grenze dort,
wo die Nervenwurzeln den Duralsack passieren oder im Ganglion
intervertebrale (Zinno 1895).
Im allgemeinen erweisen sich das Halsmark und die Cauda
equina als Prädilektionsstellen für die Lokalisation der Tumoren.
Ein sehr ausgeprägter Fall dieser Art ist der von v. Büngner(1897)
und von Berggrün (1897).
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Fibrome der Dura mater als einziges Symptom centraler
Neurofibromatose beschreiben YVestphalen (1887) und Koenigs-
dorf (1889 = Du Mesnil 1890).
Sämtliche Hirn- und Rückenmarksveränderungen, die gleich¬
zeitig gesehen und beschrieben wurden, sind weiter nichts als der
Ausdruck des auf diese Organe stattfindenden Druckes und als
sekundäre, von Seiten einzelner Nervenknoten bedingte Effekte zu
deuten: Kompression des Cervikalmarkes im Falle von Sibley (1866),
Rückenmarkserweichung im Falle von Gerhardt-Riesenfeld
(1876/78).
Auch die Degeneration der in Betracht kommenden Bahnen des
Rückenmarks in dem Fall von Zinn (1898) ist wohl sicher als der
Effekt der Tumorbildung im Kückenmarkskanal spez. der Spinalganglien,
die das Rückenmark komprimierten, anzusehen.
In dem Falle von Preble und Hektoen (1901) stellten die
Rückenmarksveränderungen auf- und absteigende Strangdegenerationen
dar und waren bedingt durch Tumoren, die bis in die Nervemvurzelu
hinein reichten und eine Kompression der Medulla spinalis bewirkt hatten.
Auf die Veränderungen, welche die Hirnbasis in dem Falle von
Berggrün (1897) durch die daselbst lagernden, von den Hirnnerven-
wurzeln ausgehenden Tumoren konvolute aufwies, habe ich bereits oben
hingewiesen. Dem Rückenmarksbefunde hätte ich hier noch hinzuzu¬
fügen, dass von der Lendenanschwellung bis an den Conus termiimlis
herab die Tumoren eine fast 8 cm lange und 2—3 cm dicke, harte,
oberflächlich kleinhöckrige Geschwulst, welche mit höckrigen Fortsätzen
in die Vertebrallocher sich hinein erstreckt, bilden. Dadurch ist das
Rückenmark nach vorne links gedrängt und im Bereiche der Lenden¬
anschwellung so komprimiert, dass dessen Querschnitt eine mondsichel¬
förmige Gestalt besitzt. Die Substanz des Rückenmarks ist im Bereiche
dieser Kompression in eine weiche, fast breiige, auf dem Durchschnitte
hernusquellende Substanz umgewandelt, im Bereiche des Conus und ober¬
halb der Kompression erweicht und die Querschnittszeichnung erscheint
fast vollkommen verwischt.
Der histologische Befund zeigte, dass das oberste Lendenmark und
unterste Brust mark von Tumormassen eingenommen sind, welche das
Rückenmark selbst vollkommen substituiert und die Nerven Substanz zer¬
stört haben. Weiter nach aufwärts beschränkt sich die Tumoreinlagerung
hauptsächlich auf die rechte hintere Wurzel, ohne aber die übrigen Wurzeln
des Rückenmarks frei zu lassen.
Neben dieser durch direkte Einlagerung von Tumorgewebe hervor-
gerufenen Rückenmarkserkrankung fand sich eine Degeneration, welche
sich einerseits auf die hinteren Wurzeln im ganzen Bereiche des Rücken¬
marks erstreckt und in den mittleren Partien fast die gesamte Nerven-
faserma>>e der hinteren Wurzeln einninimt, nach oben zu sich aber auf
einen kleineren Teil derselben beschränkt-. Dieselbe Degeneration setzt
sieb auch in die Ilintcrhörner fort, bringt die hier liegenden Ganglien¬
zellen zur Atrophie, was wieder in den höher gelegenen Partien weniger
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deutlich in Erscheinung tritt als in den tiefer nach abwärts gelegenen.
Schliesslich zeigt das gesamte Rückenmark eine Degeneration der Goll-
schen Stränge, welche Berggrün als eine sekundäre auffasst.
In dem Fall I von Henneberg und Koch (1901) fand sich
u. n. ein doppelseitiges, fast hühnereigrosses Neurofibrom des Acusticus.
Durch beide Geschwülste werden die Medulla oblongata und der distale
Teil der Pons stark komprimiert, die Kleinhirnhemisphäre stark nach hinten
gedrängt, die Brückenarme und die Corpora restiformia stark deformiert.
Auch hier bestand im Rückenmark eine leichte Degeneration, und zwar
der Hinter stränge.
Ueber das spezielle Verhalten der vorderen und hin¬
teren Rückenmarks wurzeln bei diesen Wurzeltumoren Hesse sich
noch folgendes sagen:
Tn Berggrün’s Fall <1S97) erschien das Rückenmark seiner
ganzen Länge nach mit kleinen, den Nerven wurzeln angehörenden Tumoren
besetzt, die aber im Bereiche des Lendenmarks eine mächtige, den Wirbel¬
kanal ausweitende und das Rückenmark komprimierende Geschwulst
bildeten. Im Hals- und Brustteile der Medulla spinalis sassen die zahl¬
reichen hirsekorn- und hanfkorngrossen Geschwülstchen an den vorderen
und hinteren Rückenmarkswurzeln, und zwar an ersteren meist
ausserhalb des Duralsackes, an den hinteren meist knapp an der Aus-
trittstelle der Nerven aus dem Rückenmarke. In den mittleren und
oberen Rückenmarkspartien zeigte sich die Tumormasse rings um das
Rückenmark gelagert. Speziell das Brustnmrk war von Bindegewebs-
zügen, welche der Tumormasse angehörten, wie eingescheidet. In dem
mittleren Teile des Brustmarkes waren sowohl die hinteren als auch die
vorderen Wurzeln von Tumormasse ersetzt, und dies galt besonders
von der rechten hin teren Wurzel, welche von der Neubildung vollständig
verdrängt war, so dass es den Anschein hatte, als ob auf ihr die Neu¬
bildung in das Rückenmark eindringen würde. An diesen Stellen sah
man, wie der eindringende Tumor den rechten Hinterstrang und den rechten
Seitenstrang eingebaucht hatte. Höher hinauf fand man im Bereiche der
hinteren Wurzel neben der Tumormasse noch degenerierte Nervenfasern.
Die Degeneration setzte sich weit hinauf in das Hinterhorn fort. Galt
das Gesagte auch grösstenteils für die rechte hintere Wurzel, so zeigte
auch die linke hintere Wurzel deutlich Einlagerung von Tumorgewebe
und Degeneration, welche in der Richtung von unten nach oben ahnahm.
Da sich dieselbe auch von der linken hinteren Wurzel gegen das Hin ter-
liorn fortsetzte, so war es begreiflich, dass die Fasern der hinteren
Kommissur sehr spärlich wurden, die (janglienzellen des Hinterhorns
atrophiert, ohne Fortsätze erschienen und die gesamte hintere Partie der
grauen Substanz des mittleren Brustmarks degeneriert war. Auch an den
vorderen Wurzeln zeigte sich Tumoreinlagerung, doch nur an den
bereits ausserhalb des Rückenmarks liegenden Partien; der Verlauf der
vorderen Wurzelfasern innerhalb des Rückenmarks war frei von Tumor¬
einlagerung und frei von Degenerationserscheinungen.
In dem Fall von v. Büngner (1 s 9 7) waren zahlreiche Gesehwulst-
knoteii an den Wurzeln der Spinalnerven innerhalb der Dura mater vor-
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- - 2511 —
hamlen und zwar sowohl an den hinteren als auch an den vor¬
deren W urzeln.
Es lagen sehr ansehnliche Tumoren teils central zum Interverte-
bralloch dicht neben dem Rückenmark und platteten das letztere ab,
teils lagen sie im Bereich des Foramen intervertebrale und wurden durch
dieses eingeschnürt, so dass sie hier eine halsförmige Verjüngung auf¬
wiesen, während nach beiden Seiten kugelige oder flaschenförmige An¬
schwellungen sich vorwölbten. Gehörte die Geschwulst der hinteren
Wurzel an, so war das Spinalganglion oft ganz in dieselbe aufgegangen.
Die Substanz des Rückenmarks schien in diesem Falle, trotz der
oft erheblichen Einengung durch die Geschwülste, noch keine merkliche
Veränderung erlitten zu haben.
Im Strube’schen Fall (1898) war die vordere Wurzel ganz frei
und unverdickt in die vordere Fläche des Ganglions eingebettet, während
die hintere Wurzel beim Eintritt in das Ganglion anschwoll und das
Ganglion selbst erheblich von der Neubildung mitbetroffen war.
Dieses Verhalten, das sich ganz gleichförmig an allen hin¬
teren Wurzeln der Spinalnerven wiederholte, deutet darauf hin, dass
die Neurofibrome sich im Verlauf bestimmter Bahnen des Nerven¬
systems ausbreiten.
Auf diesen Punkt hat Goldmann (1893, p. 49) zuerst hin¬
gewiesen und zugleich ausgeführt, dass das sensible System
häufiger ergriffen sei als das motorische. Diese Angabe bedarf
nun nach den schönen Beobachtungen’ von Berggrün (1897) und
von v. Büngner (1897) der Korrektur. Sind doch auch wieder¬
holt spindelförmige Auftreibungen der Muskelästc der Nerven
(Brigidi 1894, Strube 1898, Zusch 1900, P. Marie und Couve-
laire 1900, Preble und Hektoen 1901, in meinem Fall 6
1901) und an motorischen Hirnnerven (s. u.) gesehen worden,
wenngleich das Ueberwiegen der Fibrome in den Nervenzweigen der
Haut und in sensiblen Hirnnerven nicht in Abrede gestellt
werden kann.
Auf den in dieser Beziehung interessanten Autopsiebericht der
Beobachtung von Sorgo (1902), den ich bereits oben mitgeteilt
habe, will ich an dieser Stelle noch einmal verweisen.
Nächst den Spinalnerven, speziell ihren Hautästen, werden
die Hirnnerven und der Sympathicus von der Neurofibromatose
am häufigsten befallen. Dieselbe kann einzelne Aeste oder grössere
Partien derselben betreffen.
Es kann nicht meine Aufgabe sein, die einzelnen Beobach¬
tungen einzeln auf die Mitbeteiligung von Hirnnerven etc. aufzu¬
zählen.
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Ganz exquisite Beispiele sind die Fälle von Knoblauch (1843),
Gerhardt-Riesenfeld (1876/78), Berggrün (1897), Moss6 und
Cavali« (1897), Posthumus (1900).
Bei Knoblauch (1843) fanden sich Neurome an dem 3., 4., 7.,
8., 9., 10. und 11. Hirnnerven und am Ganglion eoeliacum.
In dem Falle von Gerhardt-Riesenfeld (1876/78) zeigte die
Autopsie, dass sämtliche Nerven nach ihrem Austritt aus der Dura, den
Sympathicus mit eingerechnet, an der Fibrombildung beteiligt waren, nur
Opticus und Acusticus ausgenommen (Gerhardt 1878), Opticus und
Olfactorius (Riesenfeld 1876).
Auch in dem Falle von Berggrün (1897) zeigte sich eine überaus
reichliche Neurofibrombildung an fast sämtlichen Hirn- und Rücken¬
marksnerven, sowie auch am Sympathicus. Von der Tumorbildung be¬
troffen sind: Nervus trochlearis beiderseits, N. oculomotorius rechts, N.
trigeminus beiderseits, N. facialis beiderseits, N. acusticus beiderseits,
N. glossopharyngeus beiderseits, N. vagus beiderseits, N. hypoglossus
beiderseits.
Frei von Tumoren sind: N.olfactorii beiderseits, N. optici beider¬
seits, N. oculomotorius links, N. abducens beiderseits, N. accessorius
beiderseits. Jedoch sind Oculomotorius und Abducens durch Tumoren
in der Nachbarschaft platt gedrückt, desgleichen das Chiasma N. optici.
Auch die beiden Brüder von Schiffner (1818) boten zahlreiche
Nerventumoren der Hirnnerven und des Sympathicus dar.
In dem Falle von Moss6 und Cavali6 (1897) fanden sich neben
zahlreichen gleich zu besprechenden Veränderungen an Grosshirn, Klein¬
hirn, Medulla etc. die Tractus optici wie mit Wärzchen übersäet; weiter
waren befallen der Tractus olfactorius, der Bulbus olfactorius und mehrere
andere Hirnnerven an ihrer Austrittsstelle aus dem Hirn (N. trochlearis,
N. trigeminus, N. facialis, N. vagus).
Von Hirnneiven hat in dem Falle von Posthumus (1900) der
Vagus die Dicke eines kleinen Fingers und eine täuschende Aehnlichkeit
mit einer Haarflechte oder einem Nabelstrang. Die Bulbi olfactorii sind
verdickt und haben an Konsistenz zugenommen; von den übrigen Hirn¬
nerven — soweit sie untersucht werden konnten — waren auch die
Aeste des Glossopharyngeus und Hypoglossus fibromatös entartet; die
Nerven an der Hirnbasis waren normal.
Ueber die Häufigkeit der Beteiligung der einzelnen Hirn¬
nerven lässt sich im allgemeinen vielleicht folgendes sagen:
Von ihnen ist der Vagus der am häufigsten von dem fibrösen
Prozess befallene (Schiffner 1818/1822, Fall 1 u. 2, Barkow 1829,
Hasler 1835, Knoblauch 1843, Serres 1843, Mäher und
Payen 1845, Giraldfes 1849, R. W. Smith 1849, Temoin und
Houel 1853 = Cruveilhier 1856, Heusinger 1863, v. Bruns 1870,
Fall 3, Genersich 1870, Fall 1 u. 2, Guyot (?) 1875, Gerhardt-
Riesenfeld 1876/78, Satterthwaite 1880, v. Recklinghausen
1882, Fall J [Fall 2?], Pomorski 1887, 1888, Tichoff und Timo-
Centralblatt f. ü. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 1 <
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fejeff, Hansemann 1895, Schewen 1896, Sieveking 1896,
Berggrün 1897, \\ Büngner 1897, Moss£ u. Cavali£ 1897,
Strube 1898, Habermann 1898, Posthumus 1900, Moynihan
1901, Henneberg und Koch 1901, 1902, Fall 1, mein Fall 6
[u. 7?] 1901).
In der Regel ist der Vagus, wie meistens die Hirnnerven,
extradural ergriffen, während die intracraniell gelegenen Ab¬
schnitte frei von diffuser oder circumscripter Fibrombildung bleiben.
Nächst dem Fall von Berggrün (1897) habe ich nur eine
einwandfreie Beobachtung in der Literatur gefunden, in weicher sich
an einem Hirnnerven intradural schon Knötchen nachweisen
Hessen: es ist das der schon wiederholt citierte Fall von Gerhardt-
Riesenfeld (1876/78), bei welchem der Accessorius intradural
Knoten trug, welche zu einer Kompression der Medulla oblongata
geführt hatten.
Der Vagus war meist erst in seinem intrathorakalen Abschnitte
erheblich verdickt und trug namentlich an seinen Endverzweigungen
in grosser Anzahl Knoten (Strube 1898, p. 94). Die Verdickung
des Nerven kann aber auch an anderen Stellen eine recht starke sein.
In dem Falle von Berggrün (1897) trägt der Vagus in seinem
Halsteile spindelige Anschwellungen von Erbsen- bis Kirschengrösse und
hat dadurch ein rosenkranzähnliches Aussehen.
Recht stark mitbeteiligt war der Vagus, wie es scheint, auch in
dem Falle von Posthumus (1900). Derselbe hatte, wie bereits oben
erwähnt, eine „täuschende Aehnlichkeit mit einer Haarflechte oder einem
Nabelstrang“.
In sehr grosser Ausdehnung war der Vagus auch in dem Falle
von Gerhard-Riesen feld (1.876/78) befallen. Er zeigt beiderseits
eine Reihe dicht hintereinander liegender, bohnengrosser Anschwellungen
am Halsteil. Die Aeste wurden hier nicht weiter verfolgt. Der Bru^t-
teil zeigte an der oberen Brustapertur zahlreiche grosse Knoten, die von
einem Knotenkomplex des Sympathien* an dieser »Stelle nicht zu trennen
sind. Im ganzen Verlaufe der Rami bronchiales sitzt ein Neuroin an
dem anderen. Die Plexus bronchiales enthalten bis weit in die Lunge
hinein eine Unzahl von Neuromen, desgleichen der Plexus oesophageus
und die Geflechte des Bauchteiles.
Der nächst dem Vagus am häufigsten vom fibromatösen Pro¬
zess befallene Hirnnerv ist der Trigeminus, der mit seinen ver¬
schiedenen Aesten oft schon in vivo die Tumorknötchen pal-
pieren lässt.
Seltener sind die übrigen Hirnnerven mit Fibromen be¬
setzt, doch findet sich ihre Beteiligung wiederholt erwähnt.
Goldmann (1893, p. 43), Sieveking (1896, p. 264) und
Strube (1898, p. 94) geben allerdings an, dass der Nervus ol-
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factorius stets frei befunden worden sei; ich verweise auf die
gegenteiligen Befunde von Gerhardt-Riesenfeld (1876/78), Mossd
u. Cavalid (1897) und Posthumus (1900).
Von Strube ist ferner die Behauptung aufgestellt worden,
dass der Nervus acusticus nie von dem fibromatösen Prozess be¬
fallen werde. Auch in dieser Beziehung verweise ich auf die das
Gegenteil beweisenden Befunde vonKnoblauch(1843), Soyka(1877),
Berggrün (1897) und ganz neuerdings von Henneberg u. Koch
(1901, 1902) in zwei Fällen (Fall 1 u. 2).
Auch der Nervus abducens ist trotz der gegenteiligen An¬
gabe von Sieveking schon befallen gefunden worden (cf. Ger¬
hardt-Riesenfeld 1876/78).
Für den Nervus opticus habe ich seinerzeit (1901, p. 31/32)
angegeben, dass er stets frei befunden worden sei, wenigstens fehlt in
dem Falle von Haushalter (1901), in welchem der Autor ebenfalls
eine Mitbeteiligung desselben annehmen zu müssen glaubt, die Be¬
stätigung durch die Autopsie und in dem Falle von Soyka (1877,
Fall 1), in welchem ebenfalls die Optici mitbeteiligt waren, lag
möglicherweise eine bösartige Neubildung vor, so dass derselbe nicht
ganz einwandsfrei erscheint.
Ich habe mich nachträglich überzeugt, dass meine Angabe einer
Korrektur bedarf. So waren in dem Falle von Mosse und Cavalie
(1897) die Tractus optici wie mit Wärzchen übersäet.
Weiterhin liegt in dieser Beziehung eine histologische Untersuchung
des Nervus opticus in dem Falle von Berggrün (1897) vor, die mir
bis dahin entgangen war. Berggrün fand vollkommene Ersetzung des
Nervengewebes durch Bindegewebe. Nur mehr vereinzelte Nervenfasern,
und auch diese teilweise degenerirt, konnten nachgewiesen werden, im
übrigen zeigte der mikroskopische Befund das vollkommene Verschwinden
der Nervensubstanz und den Ersatz durch welliges Bindegewebe.
Hiermit ist wohl auch die Angabe von v. Büngner (1897,
p. 579), dass „Olfactorius, Opticus, die Augenmuskelnerven und der
Acusticus wohl immer, die übrigen Hirnnerven fast immer frei
bleiben“, in allen Punkten widerlegt.
Da6 Befallensein des Sympathicus ist schon häufig auch in
der älteren Literatur erwähnt: Schiffner (1818/1822, Fall l u. 2),
Hesselbach (1824), Barkow (1829), Hasler (1835), Serres (1843),
Knoblauch (1843), Mäher u. Payen (1844), A. Heller (1868,
Fall 1; Fall 2: Hesselbach), Genersich (1870, Fall 1), Ger¬
hard-Riesenfeld (1876/78), Salterthwaite (1880).
Neuerdings findet sich diese Lokalisation der Neurofibrome
angegeben bei Westphalen (1888), Reynolds u. Collier (1893),
17 *
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-- 260
Tichoff u. Timofejeff (1894), Tichow (1895), Hansemann (1895),
Scheuen (1896), Sieveking (1896), v. Hiingncr (1897), Hois-
nard (1897/98), Askanazy(1899), Strube (1898), Posthumu s(1900),
in meinem Falle 6 (1901), endlich in meinem jungst beschrie¬
benen Falle (1902).
Namentlich in dem v. Büngner’schen Falle war eine ausgedehnte
Beteiligung des Sympathicus zu konstatieren, und auch in dem Falle von
Posthumus war derselbe in ganz hervorragendem Masse mitergriffen.
Askanazy hat (1899) auf eine selbständig multiple Neuro¬
fibrombildung am Svmpathicusgeflecht der Darmwanduugen auf¬
merksam gemacht.
Ebenso wie es nämlich in Gemeinschaft mit multiplen Neuro¬
fibromen der Haut und peripheren Nerven auftretende meist mul¬
tiple, analoge Tumoren der Darm wand, des Peritoneums und des
Mesenteriums gibt, welche von dem Auerbach'sehen Plexus myen-
tericus ausgehen und demnach als Teilerscheinung einer multiplen
Neurofibromatose aufzufassen sind, ebenso gibt es auch fibromatöse
Geschwülste, die sich von dem Plexus myentericus ohne Zusammen¬
hang oder Gemeinschaft mit multiplen Neurofibromen der Haut und
peripheren Nerven entwickeln.
So hat Kohtz bereits 1893 einer auffälligen Beobachtung bei
Sektion eines doppelseitigen Ovarialsarkoms mit multiplen Metastasen
am Peritoneum Erwähnung getlmn. Unter allen den metastatischen
Knoten an der Darmserosa fiel ein derbes Knötchen auf, welches mikro¬
skopisch sich wesentlich anders verhielt, ja man konnte vermuten, dass
auch einmal eine Neurofibrombildung in der Darmwandung für sich zu¬
stande kommen könne (Askanazy).
Dass dieses in der That der Fall sein kann und derartige
Tumoren eine selbständige Bedeutung gewinnen können, das wird
durch die Ergebnisse von Askanazy (1899) in einem weiteren Falle
dargethan:
Es handelte sich um eine 42 jährige Schneiderin, die unter den
Erscheinungen einer im Anschluss an Gesichtsrose aufgetretenen Nephritis
und Pneumonie in 11 Tagen zu Grunde ging. Auf der Serosa des
Dünndarms — Duodenum und Jejunum — fanden sich im ganzen
etwa 15 rundliche Knötchen und Knoten, die von Stecknadelkopfgrösse
bis zum Umfang einer Walnuss variirten, die sich als Bildungen des
Auer buch schon Nervenplexus herausstellten und mikroskopisch als aus
fibromatösen und nervösen Elementen aufgebaut zeigten, und die sich
wegen der nicht abzuweisenden Proliferation der nervösen Bestandteile
den wahren Neuromen näherten, aber immerhin noch als zu den Neuro¬
fibromen im Sinne von v. Recklinghausen gehörend aufzufassen
waren. Im übrigen liesson sich bei der Patientin weder an den zu Ge¬
sicht kommenden Nervenstämmen, noch an der Haut irgend welche
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2(51
Knotehbilduiigen erkennen. Nur am linken Arm mul tun rechten Fuss-
rücken wurden ein paar stecknadelkopfgrosse Knötchen bemerkt, die sich
l>eim Einschneiden als Bildungen aus Fettgewebe zu erkennen gaben.
Es lag also zunächst dem Ergebnisse der Sektion allein nach nichts vor,
was etwaige Beziehungen der Geschwülste an der Darinwand zum Nerven¬
system verraten hätte; auch klinisch hatten dieselben keine Erscheinungen
gemacht.
Die Hautpigmentationen scheinen von Geburt an bestehen
zu können und alle Charaktere der Naevi darzubieten. In anderen
Fallen treten die Pigment Veränderungen der Haut erst später auf,
sie sind somit in diesen Fällen erworben.
Mit Landowski unterscheiden wir zweckniässigerweise zwei
Arten von Pigment Veränderungen: die „Pigmentations ponctiformes“
und die „Täches pigmentaires“.
Die punktförmigen Pigmentationen stellen bis steck¬
nadelkopfgrosse Pigmentanhäufnngen, welche besonders die bedeckten
Teile der Haut und solche, welche chronischen Hautreizen besonders
ausgesetzt sind, wie Hals, Brust, Wurzeln der Extremitäten etc.,
bevorzugen, und unterscheiden sich dadurch wesentlich von den
übrigen gleichgestalteten Epheliden, die vorzugsweise das Gesicht
und die Endteile der Gliedmassen befallen. Sie stehen bald isoliert,
bald konfluieren sie zu grösseren Haufen, die aber immer noch durch
freigelassene Hautstellen ihre Zusammensetzung aus kleineren Herden
erkennen lassen, finden sich wohl auch gelegentlich auf der Ober¬
fläche von Hauttumoren oder mitten in den gleich zu besprechenden
grösseren Pigmentflecken (Feindel 1896, Obs. 3).
Die grösseren Pigmentflecke sind gewöhnlich etwas heller
gefärbt als die ephelidenartigen Fleckchen und wechseln in ihrer
Farbe vom Milchkaffebraun zum Braunrot oder Rostbraun. Sie sind
von rundlicher Form, oder unregelmässig, weidenblattähnlich (en
forme de feuille de saule: Feindcl 1896, Obs. 1 u. 2), landkarten¬
förmig, scharf abgegrenzt oder diffus in die Umgebung übergehend.
Ihre Grösse schwankt zwischen Zehnpfennigstück-, Markstück- und
Ein- oder Doppelhaudtellergrösse, sie sind oft streifenförmig, in
Form und Ausdehnung dem Begrenzungsgebiet eines Herpes zoster
gleichend. Ihre Richtung ist eine horizontale oder schiefe, dem Ver¬
lauf der Rippen entsprechend (Feindei 1896, Obs. 1, Fig. 5, p. 46)
auf dem Stamm, eine senkrechte auf den Extremitäten und sie folgen
durchweg den Spaltungsrichtungen der Haut. Auch eine meta-
merische Anordnung ist wiederholt beschrieben worden und dadurch
die Abhängigkeit dieser Pigmentflecke vom Nervensystem abgeleitet
worden. Auch dem Verlaufe des einen oder anderen Nerven,
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speziell des Nervus intercostalis oder ischiadicus, glaubte man sie
adaptieren zu müssen.
In einigen Beobachtungen sind symmetrische Pigmentflecke
beschrieben worden (Feindei 1896, Thibiörge 1898). Doch ist
die asymmetrische Anordnung die Regel.
Eine geradezu phänomenale Grösse erreichte ein Pigmentfleck
in Fall 3 von Feindei (1896, Obs. 3): ein anderthalbhandbreiter,
gürtelförmig um den ganzen Thorax herumgehender Fleck („ceinture
pigmentaire de large ötendue, vöritable zona bilateral“ 1. c. p. 731
Besonders starke Pigmentierung war in dem Fall Audry u.
Fabre (1892) und von L. Philippson (1893) vorhanden.
In beiden Fällen bestand eine diffuse Pigmentation der Haut neben
grösseren und kleineren Pigmentplaques. Im ersteren Falle (Audrv
und Fabre) waren auch Arme, Hände und Gesicht von der Pig¬
mentation in gleichem Masse ergriffen, in dem Falle von L. Philippson
waren diese freiliegenden Teile relativ frei von Pigmentanhäufung.
Inwieweit in beiden Fällen anderweitige Momente für die Ent¬
wickelung dieser besonders starken Pigmentation in Betracht kommen,
lasse ich dahingestellt. Jedenfalls litt der Kranke von Audry und Fabre
ausserdem an starker, zum Teil abgelaufener Akne (zahlreiche Narben
auf dem Rücken, aktive Akne auf der Brust), die Kranke von Philippson
an starkem chronischen Pruritus und Narben, die infolge des heftigen
Kratzens etc. entstanden waren. — Ein Morbus Addisonii scheint in
beiden Fällen auszuschHessen zu sein.
In dem Falle von Hallopeau und Ribot (1902) waren ebenfalls
die „troubles pigmentaires“ ganz besonders stark ausgesprochen. Inter¬
essant ist die Angabe der beiden Autoren, dass die Pigmentflecke zu
gewissen Zeiten, speziell im Winter, etwas dünkler wurden.
In eine Parallele mit dieser Beobachtung möchte ich die Angabe
von W. Wolff (1901) stellen, laut welcher bei einer 36 Jahre alten
brünetten, im neunten Monat der Schwangerschaft stehenden Patientin
ausser der bei allen Graviden dieses Teints charakteristischen, reichlicheren
Pigmentierung der Brustwarzen, der Linea alba etc., eine geradezu auf¬
fällige Pigmentirung bestand, die nach Ablauf der Schwangerschaft an
Intensität wieder abnahm.
In anderen, selteneren Fällen kann jede Pigmentation der Haut
fehlen.
So ist die Abwesenheit beider Arten von Pigmentanomalie, sowohl
auf der Haut als auch den Schleimhäuten, in dem Falle von Briquet
und Cherigie (1898) ausdrücklich hervorgehoben.
Interessant ist, dass in der Ascendenz und Descendenz Neuro¬
fibromkranker Pigmentationen der Haut Vorkommen, welche ganz
den Charakter derjenigen haben, die wir eben kennen gelernt
haben; in diesen Fällen ist aber gerade das Fehlen von Fibromen
interessant.
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263
So zeigt die Schwerter des Patienten von Salomen (1877) genau
dieselbe Pigmentierung der Hautdecken, aber im Gegensatz zu ihrem
Bruder keine nachweisbaren Neurome.
Die Tochter des Patienten von Au dry (1901) zeigte neben einer
geringen Skoliose der Wirbelsäule ebenfalls Hautpigmentationen ohne
Fibrome, welche der Vater in grosser Anzahl auf wies.
Nicht gut zu klassifizieren ist die Angabe von Mowat (1898),
dessen Patient eine ausserordentlich starke Pigmentierung an einzelnen
Stellen mit dazwischen liegenden Leukodermaflecken zeigte.
Oft ist die Gesichtsfarbe der vou Neurofibromatose befallenen
Individuen gleichmässig schmutzigbraun (teiut jaune ou terreux:
Feindei 1896, p. 10).
Gewöhnlich zeigt ein und dasselbe Individuum beide Arten
von Pigmentationen, wobei jedoch die kleineren ephelidenartigen an
Menge überwiegen, die grossen Flecken spärlich vorhanden sind.
Neben den Pigmentflecken finden sich in einzelnen Fällen
Naevi vasculosi, im ganzen spärlich an Zahl, von Stecknadelkopf¬
grösse, selten umfangreicher.
Nach Oriot (1897) bilden sie ein einfaches zufälliges Zusammen¬
treffen, nach meiner Erfahrung ein gar nicht so sehr seltenes Vor¬
kommnis.
Ich habe auf p. 3 meiner Arbeit (1901) diejenigen Autoren
zusammengestellt, deren Kranke solche Hämatangiome auf wiesen.
Es sind deren 11. Ich selbst habe sie bei Fall 1, 2 und in ganz
besonders starker Anzahl im Fall 7 meiner Kasuistik gesehen.
Uebrigens zeigte auch eine Patientin von Herczell (1890, Eva
Merschei, Mutter, Fall II b) im Verlaufe beider Nasolabialfalten drei
bis vier teleangiektatische Stellen und in der Lendengegend zwei Naevi
vasculosi.
Einen Naevus vascularis von Linsengrösse zeigte auch der Kranke
von Feindei und Froussard (1899) auf seinem Rücken.
Auch der Kranke von Revilliod (1900) zeigt solche in grösserer
Anzahl.
Die Patientin von Hallopeau und Fouquet (1901) zeigte einen
Naevus flammeus (?) von Handtellergrösse auf der linken Thoraxwand.
Ein einziges, kaum sichtbares, kleinstes punktförmiges Angiom von
hellroter Farbe fand sich bei meiner jüngst beschriebenen Pa¬
tientin (1902).
Die sog. blauen Flecken sind sehr häufig, wenn auch durch¬
aus nicht regelmässig, beschrieben worden. Ich verstehe darunter
jene sich nur wenig oder gar nicht über die Haut erhebenden, kaum
linsengrossen, cyanotischen Hautverfärbungen, unter denen man oft,
aber keineswegs immer, miliare Tumoren fühlen kann. Charakte¬
ristisch für diese blauen Flecken ist, dass ihre Farbe bei Druck
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verschwindet und dass sowohl au der Leiche, als auch nach Excisiou
am Lebenden die Blaufärbung schwindet. Erst das Mikroskop ist
alsdann imstande, das miliare Fibrom nachzuweisen, wenn es nicht
schon vorher zu fühlen war. Weiteres über diese interessanten
Gebilde folgt im Abschnitt „Pathologische Anatomie“.
Auch makroskopisch sichtbbare Tumoren zeigen bisweilen diese
Blaufärbung der sie bedeckenden Haut. Zu den 20 auf p. 4/5
meiner Arbeit (1901) aufgeführten Autoren, welche diese Flecken
beschreiben, hätte ich noch L. Philippson (1893), Collet und
Lacroix (1893), Posthumus (1900), Audry (1901), Rille (1901)
und Sorgo (1902) hinzuzufügen.
Uebrigens kennt sie auch schon Schuh sehr wohl, wie ich mich
nachträglich überzeugt habe: er spricht nämlich (1851, p. 207) von den
Tubercula dolorosa, „welche wegen Blutreichtums bläulich durch¬
schimmerten“, an einer anderen Stelle (1854, p. 259) von der röt¬
lichen Färbung eines Tuberculum dolorosum, die vom Blutgehalte herrühre.
Ich selbst habe sie in sämtlichen Fällen meiner Kasu¬
istik gesehen und auch noch in meinem jüngst beschriebenen
Fall (1902) beobachtet.
Das Auftreten bezw. Vorkommen von Lymphangiomen bei
der Neurofibromatose gehört zu den Seltenheiten.
Der Fall Köbner's (1883) wies neben multiplen Neuromeil des
linken Plexus brachialis, Neurofibromen der linken oberen Extremität
und cavernösen Angiomen noch multiple Lymphangiome auf.
Der 19jährige Patient von Collet und Lacroix (1893) hatte
Lymphangiome am Rücken neben multiplen Fibromen und einem plexi¬
formen Neurom der linken Gesichtshälfte.
Pieque spricht in seiner Obs. XIV, Nr. 46 (1894) von „Tumeurs
lymphatiques“, welche sein Patient neben Hautfibromen, Naevis und
einem plexiformen Neurom am Körper dargeboten haben soll.
Hartmann’s Fall (1896) zeigte neben Neuromen ebenfalls ein¬
zelne Lymphangiome auf der Bauchhaut.
Die mehr oder weniger reichliche Haarimplantalion in der
Haut oberhalb einzelner grösserer und kleinerer fibromatöser Tumoren
ist wieder etwas häufiger beschrieben worden, so von Bryk (1869,
Fall 1 1 , (iuyot (1875), Hallopcau (1889), Wickham (1890), Has¬
himoto (1890, Fall 1 u. 3), Kocnigsdorf (1889) = Du Mesnil
(1890), v. Bruns (LS92, Fall 19), Collet und Lacroix (1893,
Mutter), zum Busch (1894), P. Marie (1894/95, Fall 2), Fein¬
dei (1896, Fall 2), Oriot (1897, Obs. 25), Hoisnard (1898, Fall 1),
Goldzieher (1898), Jehl (1898, Fall 1) = Leredde und Ber¬
therand (1898), Haushalter (1901).
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Im Falle Köbner’s (1885) zeigte die von der Neurofibromatose
befallene linke obere Extremität an einzelnen Stellen stärkere Behaarung
der Haut, auch derjenigen, wo keine Tumoren waren.
Dem Auftreten von Comedonon, oft Kiesen- und Doppel -
comedonen innerhalb der Neurofibrome der Haut ist kein beson¬
derer Wert beizulegen; das Zusammentreffen verdient nur deshalb
Erwähnung, weil die Anwesenheit von solchen Gebilden mitten im
Tumor für ältere Beobachter der Anlass war, in ihnen den Aus¬
gangspunkt der Geschwülste zu erblicken (Ti 1 es ins 1793).
Schon Pick (1805) hat ihnen offenbar keine Bedeutung mehr
zugemessen, obwohl sein Fall 2 „zahlreiche Comedonen auch an den
Geschwülsten“ zeigte.
Das Vorkommen von Comedonen in Tumoren erwähnt auch Rille
(1896). Bei dem Patienten von Mowat (1898) sind sogar viele Tumoren
mit Comedonen dicht besetzt. Comedonen und Doppelcomedonen fanden
sich auch in meinem jüngst beschriebenen Fall (1902).
Im übrigen können die Talgdrüsen innerhalb der Neurofibrome
enorm hypertrophieren. So besitze ich einen Schnitt durch ein
Neurofibrom, in dem makroskopisch der acinöse Drüsenbau zu er¬
kennen ist (1901, Fall 12).
In einem Präparate des Falles von Sangster (1880), der wohl
sicher als Neurofibromatose aufzufassen ist, ist ebenfalls (‘ine geradezu
riesige Talgdrüsenhypertrophie sichtbar; ausserdem durchbohrt an dieser
Stelle auch ein Haar die Kuppe des Tumors.
Ein nahezu apfelgrosser Tumor endlich in Rille’» Beobachtung
(1901) zeigte „atheromartig degenerierte Talgfollikel“ auf seiner Oberfläche.
(Fortsetzung folgt, i
Ueber die Puerperaleklampsie.
Kritisches Sammelreferat über die von 1890 bis Ende Juni 1002
erschienenen Arbeiten.
Von Dr. Josef Schnürer. Wien.
(Fortsetzung.)
Disposition.
Neben der persönlichen Disposition (Alter, Zahl der Geburten
und Früchte, Beckenenge, Kindeslage, nervöse Anlage), welche zum
Teil in dem Kapitel Statistik resp. Pathogenese erörtert erscheinen,
liegen Angaben über zeitliche und örtliche Disposition vor. Aller¬
dings gehen die diesbezüglichen Angaben weit auseinander. Die
Mehrzahl der Autoren führt wohl die kälteren Monate, September
bis Februar, Ohlshausen 37t ), I)as 31:i ), Vinav 399 ), Seifert 381 ),
Horn 344 ), Knappe 352 ) [68,2 Proz.| als disponierend an, während
Zangemeister 4 ° ö ), Ah 1 f e 1 d 295 ), Büttner 307 ), Glöckner 334 )
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sogar die warmen Monate häufiger vertreten finden (April bis Sep¬
tember) und B i d d e r 2 "), P a u p e r t o w 374 ) und Schreiber 388 j im
Herbst die geringste Zahl notieren. Es scheint sich thatsäcldich,
wie Ahlfeld 295 ) und O h 1 sh a u s e n 37, j annehmen und wie aus
einem Vergleich der Häufung der Eklampsien mit der Temperatur¬
höhe und Niederschlagsmenge hervorgeht [Büttner 307 )], um einen
Zufall der Zahlen zu handeln. der bei grösseren Zahlenreihen
verschwinden dürfte. Einige Angaben sind auch im Sinne einer
eventuellen Heredität zu verwerten. Elliot 323 ), Hanemann 341 )
sahen Eklampsie bei zwei Zwillingsschwestern, Morawcik 368 ) bei
zwei leiblichen Geschwistern. Allerdings beanspruchen diese Be¬
obachtungen angesichts der ungeheuren Seltenheit keine besondere
Bedeutung. Raikes 376 ) glaubt, einen gewissen disponierenden Ein¬
fluss des kalkhaltigen Bodens annehmen zu können: das Thal des
Ohioflusses, Schweiz und Belgien weisen eine relativ grössere An¬
zahl von Eklampsien auf. Die Vermittelungsrolle scheint kalk¬
haltiges Trinkwasscr zu spielen. Veit 398 ) hat in der Hälfte der
beobachteten Fälle schwere gonnorrhoische Infektionen naehweisen
können, so dass sich ihm der Gedanke aufdrängt, dass vielleicht
diese vorübergehenden Infektionen in ihren Residuen zu gewissen
Formen von Nierenstörungen prädisponieren.
Symptomatologie und Verlauf.
Selten tritt der erste Anfall plötzlich ein; gewöhnlich gehen
ihm mitunter schon tagelang eine gewisse Unruhe, Kopfschmerzeu,
Schwindel, Erbrechen, Ohrensausen, Amaurose, selbst leichte Zuckun¬
gen voraus [Schauta 384 ),Goldberg 338 )]. Dührssen 821 ) beobachtete
einmal auffallende Schmerzen und Schmerzhaftigkeit auf Druck in der
Magengegend, als deren Ursache die Obduktion eine schwere
parenchymatöse Degeneration des Magens aufdeckte; auch Ohls-
hausen 371 ), Goedecke 336 ) konnten dieses Symptom häufig als Pro¬
drom zusammen mit Kopfschmerzen erheben, einmal auch Verlust
des Gedächtnisses; Fritsch 329 ) notierte einmal auch eine ausge¬
sprochene Aura, ebenso Ohlshausen 371 ) in drei Fällen (Gefühl des
Heruntcrfallens, Krampfgefühl und Vorhersage des zweiten Anfalles).
Nachdem diese allgemeinen Erscheinungen längere oder kürzere Zeit
gedauert haben, tritt dann meist plötzlich der erste Anfall ein
[Schauta 38l ;|. ,,Bci weiten Pupillen erfolgen krampfhafte Zuckungen
der Gesichtsmuskulatur, welche sich sehr bald auf die Muskulatur
des Rumpfes, der oberen und zuletzt der unteren Extremität fort¬
pflanzen uml zuletzt den ganzen Körper in heftigen Krämpfen er-
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267
schütten), so dass er auf seinem Lager auf und abschnellt. Auf
der Höhe des Anfalles besteht infolge des Krampfes der ge¬
samten Repirationsmuskulatur und des Zwerchfelles hochgradige
Atemnot, welche zu schwerer Cyanose führt. Nach 20—60 Se¬
kunden, in schwereren Fällen aber doch spätestens nach zwei Mi¬
nuten, ist der Anfall vorüber, die Cyanose weicht unter tiefen Atem¬
zügen, das Bewusstsein, das vom eisten Beginn des Anfalles an er¬
loschen, stellt sich nach den ersten Anfällen in wenigen Minuten,
nach wiederholten Anfällen in immer grösseren Pausen wieder ein
und bleibt bei öfterer Wiederholung der Anfälle während des ganzen
Intervalles zwischen zwei Anfällen gestört. Die Wiederholung der
Anfälle erfolgt in schweren Fällen in Pausen von 6 — 10—15 Mi¬
nuten, in leichteren in Pausen von einer bis zwei Stunden und
darüber. Selten bleibt es bei einem Anfalle .... Der Puls ist
in der Regel frequent, aber voll und gespannt; erst bei unmittel¬
barer Lebensgefahr wird er klein und leicht unterdrückbar
[Schröder 889 )]. Die Zahl der Anfälle kann bis 76 (Schauta),
82 (Ahlfeld) und 104 (Ohlshausen) betragen .... Durch den
Krampf der Kiefermuskulatur wird fast regelmässig beim ersten An¬
falle die Zunge zerbissen .... Die Wehenthätigkeit erleidet durch
die Anfälle keine Beeinflussung.“ Der Tod erfolgt im Coma, ge¬
wöhnlich unter den Erscheinungen des Lungenödems. Interessant
ist die Beobachtung von Bidone 800 ), der bei einer im eklamptischen
Coma liegenden Frau ziemlich plötzlich die Athmung sistieren sah.
Die sofort eingeleitete künstliche Respiration wurde durch 8 l / 2
Stunden fortgesetzt, während welcher Zeit die Herzthätigkeit fort¬
dauerte, ohne dass jedoch die natürliche Atmung in Gang gekommen
wäre. Inzwischen war der Kaiserschnitt vorgenommen worden, der je¬
doch ein totes Kind zur Welt beförderte. Schliesslich musste die Ster¬
bende ihrem Schicksal überlassen werden. Jeder stärkere Sinnesein¬
druck, lautes Sprechen, geburtshilfliche Operationen, grelles Licht [Ahl-
feld* 95 )] können neue Anfälle auslöseu, ja selbst der Stich der Pravaz-
schen Nadel [Ohlshausen 871 )]. Die Temperatur zeigt kein konstantes
Verhalten. Nach Schauta steigt sie von Anfall zu Anfall, so dass
sie in schweren Fällen bis zu 40° C. erreichen kann. Favre 884 )
notiert Temperaturerniedrigung, von Steigerungen unterbrochen.
Gmein er 388 ) findet die Temperatur im allgemeinen erhöht; bei
längeren und schwereren Anfällen treten Steigerungen ein, welche den
Typus der Anfälle einhalten. Wenn dagegen die Anfälle seltener
sich einfinden und zwischen ihnen das Bewusstsein wiederkehrt,
dann ist die Temperatur normal. Als Ursache des Fiebers führt
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‘.'(iS
Wyder 404 ) weder die Intoxikation, noch die Infektion, noch die ge¬
steigerte Muskelarbeit und den Gefässkrampf an, sondern vermutet
in den massenhaften Embolien der Leber-, Placentar- und Fettzellen,
weiter in den hämorrhagischen und anämischen Nekrosen die Quelle
der Temperatursteigerung. Auch Zweifel 100 ) nimmt dieselbe Quelle
der Temperatursteigerungen an.
Die Blutdruckbestimmungen ergaben gleichfalls inkonstante
Resultate. Vacques und Nobdcourd 397 ) konstatieren zwar, dass
der Blutdruck schon vor dem ersten Anfalle zu steigen beginne,
wahrscheinlich infolge Reizung der Vasoconstrictoren, und dass diese
abnorme Höhe auch in der anfallsfreien Zeit sich erhalte und erst
wieder absinke, wenn die Anfälle überhaupt schwinden. Doch
findet Schröder 389 ) gerade das Gegenteil, nämlich Erniedrigung des
Blutdruckes, selbst subnormale Weile, wenn nicht eine chronische
Nephritis besteht.
Des klinischen Symptoms der Albuminurie und des Icterus ist
in dem Kapitel „Pathogenese“ ausführlich Erwähnung gethan.
Boissard 802 ) sah einmal Icterus bei einer Eklamptischen unmittelbar
nach der Geburt auftreten. Zu erwähnen wäre noch ein Befund
Stumpfes 394 ), den übrigens auch Woyer 403 ) bestätigt, dass nämlich
Harn und Atemluft von Eklamptischen nach Aceton röchen. Eine
Bedeutung in der Pathogenese käme diesem Befunde, auch wenn
er sich als konstant erweisen Hesse, nicht zu, da ja, wie die von
Jak sch 354 ) gefundene und neuerdings von Schölten 387 ) bestätigte
Thatsache des normalen Vorkommens dieses Körpers im Harne
lehrt, der reichliche Eiweisszerfall sowie die eventuelle Fieber¬
steigerung hinlänglich das vermehrte Auftreten dieses Körpers er¬
klären könnten. Ueberdies konnten Schölten 387 ), Costa 311 ), Holz 893 )
bei der Mehrzahl der untersuchten Frauen nach einer normalen Ge¬
burt deutliche Aceton Vermehrung konstatieren, die um so grösser aus¬
fiel, je länger die Geburt dauerte. Gramer 312 ) beschreibt jüngst
einen eigentümlichen Urinbefund, den er in zwei letal verlaufenden
Fällen von Eklampsie und einer gleichfalls tödlich endigenden
Urämie zu sehen Gelegenheit hatte. Der wenige Tage vor dem
Tode entleerte Urin zeigte in allen drei Fällen eine milchige, grau¬
braune Trübung, welche nach der chemischen und mikroskopischen
Untersuchung nur Eiweiss in Emulsionsform sein konnte. Gramer
vermutet, dass der Harn mit Eiweiss gesättigt war und der
Ueberschuss in Form feinster Kügelchen ausfiel.
Amaurose findet Knapp 352 ) in 9 Proz. von 22 Fällen, Ohls-
liausen 371 ) einmal unter 200 Eklampsien als prodromales Symptom,
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Dührssen 321 ) in 6 Proz. von 200 Fällen, Büttner fünfmal unter
179 Eklampsien. Als ihre Ursache konstatiert Dolganow 316 ) eine
wässerige Durchtränkung der Retina und des Sehnerven, besonders
in den äusseren Schichten, verbunden mit Bildung grosser Vacuolen.
Dolganow führt sie auf eine Gefässerkrankung zurück. Der ophthal¬
moskopische Befund ist meist negativ [Adler 294 )], die Prognose
günstig; in dem Falle Adler’s war die Sehschärfe nach 12 Tagen
wieder %. Knapp 303 ) beobachtete eine 27jähr. I-p. welche 24 h p.p.
Hemianopsie aufwies, die am nächsten Tage verschwunden war.
Nach F. Pick (cf. bei Knapp) handelt es sich in solchen Fällen
um eine Amaurose durch toxische Lähmung der centralen Sehnerven¬
bahnen, welche sich auf beiden Seiten mit ungleicher Raschheit zu¬
rückbildet, so dass in einem gewissen Stadium Hemianopsie ent¬
steht. Auch Zimmermann 40 ') sah bei einer Frau nach Eklampsie
Hemianopsie. Büttner 307 ) konstatierte bei einer 28jähr. II-p. nach
dem Erwachen aus dem Coma Doppelsehen, das sich erst nach drei
Monaten verlor. Ein interessantes Phänomen konnte Klein bei
einer schweren Eklampsie erheben: Bei einer eklamptischen Frau
wird die Sectio caesarea conservativa ausgeführt. Die Bewusstlosig¬
keit dauert an. Bei Berührung der Hornhaut mit dem Finger sistiert
die verlangsamte Atmung auf drei bis sieben Sekunden voll¬
ständig und kehrt erst nach dem Aufhören der Berührung zurück.
Wiederholte Versuche fielen stets in gleichem Sinne aus. Bei der
Obduktion fanden sich eine akute Nephritis und Gehirnödem.
ßonnaire und Manry 304 ) beschreiben einen Fall von Eklampsie,
der die künstliche Entbindung erforderte und bei dem ein ausge¬
dehntes subcutanes Emphysem über Brust und Hals auftrat; Ane-
rodias 296 ) einen Fall von tödlich endigender Eklampsie, bei welcher
möglicherweise eine gleichzeitig bestehende Ichthyosis durch Herab¬
setzung der sekretorischen Thätigkeit der Haut eine wichtige Rolle
inne hatte. Schwab 390 ) sah eine Frau genesen, die trotz Absterben
des Fötus noch vier Tage lang im eklamptischen Coma lag und, als
sie aus demselben erwachte, eine vollständige Lähmung der ganzen
rechten sowie eine Parese der linken Körperhälfte aufwies.
Guörard 339 ) beobachtete Uterusruptur und Austritt des Fötus
zwischen die Blätter des Lig. latum. (’oeliotomie. Heilung. Parese
einer oberen Extremität beschreiben Büttner 30 ') und Roman 377 ),
Goedecke 336 ).
Ohlshausen 371 ) beschreibt einen Fall von Eklampsie, bei dem
während der Geburt Krämpfe bestanden, die nach der Geburt si-
stierten. Am siel>enten Wochenbettstage erfolgten jedoch abermals
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zwei Anfälle und acht Tage später wieder einer, also ein ungewöhn¬
lich protrahierter Verlauf. Goedecke 336 ) fand unter seinen 403
Fällen sechsmal einen solchen protrahierten Verlauf vermerkt.
Die von Charles 809 ) auf dem Gynäkologenkongress in Genf
1895 und in Paris 1896 gemachte Angabe, dass es auch eine
Eclampsia frustra, d. h. ohne Krämpfe, gäbe, fand durch Schmorl 386 ),
Wen dt 400 ) Bestätigung: Es kommen in der Schwangerschaft töd¬
liche Erkrankungen: Kopfschmerzen, Lieblichkeit, Erbrechen, Albu¬
minurie, Augenstörungen, Sopor, Icterus, [Wendt 400 ), Schmorl 386 )]
vor, als deren Ursache die Sektion genau dieselben Veränderungen in
Niere, Leber, Gehirn und Herz aufdeckt, wie sie als charakteristisch
für die eklamptischen Veränderungen angeführt werden. Schmorl
konnte drei solche Fälle beobachten. Auch die Beobachtung
Kreutzmann’s 3 '’) spricht für diese Auffassung: eine I-para mit
6°/oo Eiweiss stillt nach einer normalen Geburt ihr Kind, das
36 Stunden später mehrere Krampfanfälle erleidet Kreutzmann
nimmt als Ursache dieser Krämpfe ein in die Milch übergegangeues
Agens an. Nicht selten [in 6 Proz. Ohlshausen 8 ' 2 ), 3,5 Proz.
Dührssen 321 ), 7 Proz. Glöckner 334 ), 5 Proz. Löhlein 357 ’ 358 ),
13,6 Proz. Knapp 352 ), 2,5 Proz. Goedecke 856 ), 4,6 Proz. Seeger 350 )],
namentlich nach längerem eklamptischen Sopor, folgen der Eklampsie
Psychosen. Sie beginnen meist am dritten Tage nach der Geburt,
bisweilen aber unmittelbar im Anschlüsse an das Coma; sie setzen
gewöhnlich mit Gehör-, seltener Gesichtshallucinationen ein und zeigen
den Charakter des hallucinatorischen Irreseins mit ungewöhnlich
raschem, fieberlosem Verlaufe (Stunden bis Tage, aber auch Monate)
und fast ausnahmsloser Genesung [Ohlshausen 372 ), Hoppe 343 )|.
Auffallend fand Ohlshausen die Häufung der Psychosen zu ge¬
wissen Zeiten; so gingen in vier aufeinander folgenden Monaten von
11 Eklampsien sechs mit Psychosen aus.
Dührssen 321 ) beobachtete unter 200 Eklampsien siebenmal
puerperale Manie. Senlecq 3 * 3 ), Ohlshausen 322 ) führten die
Psychosen gleichwie die Eklampsie selbst auf eine Intoxikation,
allerdings bei bestehender Disposition, zurück. Ausfall der Erinne¬
rung für die Zeit der Eklampsie, aber auch der ganzen Vergangen¬
heit notiert Geyl 332 ) in vier Fällen, Lang 356 ) in einem Falle, der
erst nach vielen Wochen Besserung zeigte. Sander 878 ) beobachtete
in einem Falle posteklamptisches hallucinatorisches Irresein und
Amnesie für die vier vorhergehenden Wochen. Glöckner 384 ) findet
unter 147 Eklampsien je einmal posteklamptische und choreatische
Zuckungen. Interessant ist die Beobachtung Macvie’s 369 ), der eine
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erblich belastete Frau, die in drei vorangehenden Puerperien stets
an Stupor litt, im vierten Wochenbette einer tödlichen Eklampsie er¬
liegen sah.
Wie die von Donkin 318 ) publizierten Fälle lehren, kann so¬
gar eine Psychose vikariierend für den eklamptischen Anfall ein-
treten, indem Frauen, bei welchen nach klinischen Symptonen eine
Eklampsie prognostiziert werden konnte, eine Psychose ausbrach.
Sehr interessant und im Sinne eines im mütterlichen und
kindlichen Blute kreisenden Giftes zu verwerten sind die Beobach¬
tungen von Eklampsie bei Mutter und Kind. Woyer 403 ) sah das
Kind einer Eklamptischen fünf Stunden nach der Geburt an all¬
gemeinen Krämpfen (vier Anfälle) zu Grunde gehen. Die Sektion er¬
gab akutes Lungenödem als Todesursache, während alle anderen
Organe, namentlich Leber und Niere, selbst bei mikroskopischer
Untersuchung sich als intakt erwiesen. Schmidt 385 ): Das Kind
einer 27jühr. II-p., die vor der Geburt einen eklamptischen Anfall
erlitten hatte, erkrankte zwei Stunden nach der Geburt an Krämpfen
und starb im 8.—10. Anfalle 29 Stunden nach der Geburt. Die
Anfälle sowie der Harnbefund deckten sich bei Mutter und Kind
vollständig. Die Obduktion ergab bei Mutter und Kind Blutungen
in Leber und Nieren. Wilke 402 ) entband eine 24jähr. I-p. 13 Stun¬
den nach einem einzigen Anfalle, von dem sie sich vollständig erholt
hatte, durch Anlegen der Zange; die Operation ging sehr leicht vor
sich. Sechs Stunden nach der Geburt wird das Kind tief cyanotisch
und bekommt Krämpfe, die sich noch achtmal wiederholen; Knöchel¬
ödem; Tod. Die Nekropsie ergibt mehrere encephalomalacische
Herde. lverr 350 ): Das Kind einer eklamptischen Mutter stirbt
zwei Tage nach der Geburt an Krämpfen; Urin stark eiweisshaltig.
Eine andere Reihe von Fällen, in welchen das Kind wenige Mi¬
nuten nach dem Tode der Mutter mit hochgradiger intrauteriner
Leichenstarre gefunden wurde [Dohrn 315 ), Stumpf 394 ), Stein¬
büchel 392 ), Braitenberg 305 )J, scheint mit der Eklampsie nur in¬
sofern zusammen zu hängen, als die intrauterine Todenstarre, welche
bei allen zwischen der 28.—40. Schwangerschaftswoche verstorbenen
Kindern auch nicht-eklamptischer Mütter eintritt [Lang 358 ), Feis 326 ),
Sänger, Diskussion zu Stumpf], bei Kindern Eklamptischer wahr¬
scheinlich durch Giftwirkung noch früher eintritt.
Joukowsky 346 ’ 347 ) beobachtete bei 11 Neugeborenen in Ge¬
bärhäusern, in denen von Zeit zu Zeit Eklampsie vorkommt, Krampf¬
anfälle, welche anscheinend von den Eklampsien der ‘Kinder höheren
Alters verschieden sind und mehr der puerperalen Eklampsie
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gleichen, so dass der Gedanke an eine spezifische Infektion, nament¬
lich wenn Kinder Niehteklamptischer erkranken, nahe geruckt
wird. Mit Recht aber bemerkt hierzu Doli nskv 3l7 ), dass Kinder
infolge der verschiedensten Ursachen an Krämpfen erkranken und
dass daher der Schluss einer Infektion nicht zwingend ist.
Differential-Diagnose.
„Die Eklampsie hat ihre Symptome gemeinsam mit vielen an¬
deren Erkrankungen des Organismus, und es ist irrtümlich, bei einer
Schwangeren, weiche Konvulsionen und Coma-Erscheinungen zeigen
würde, ohne weiteres Eklampsie zu diagnostizieren“ |Favre 35 *)].
Es kann kühnlieh behauptet werden, dass unsere Erkenntnis von
dem Wesen der Eklampsie bereits wesentlich besser stünde, wenn
man nicht aus alter Gewohnheit jeden Krampfanfall bei einer Frau
sobald sie im graviden oder puerperalen Zustande sich befindet und
etwas Eiweiss im Urin zeigt, sofort als Eklampsie bezeichnet*, da¬
durch selbstverständlich eine Reihe der differentesten Krankheit
bilder in einen Topf wirft und nun von einem einheitlichen Ge¬
sichtspunkte beurteilen will. Wenn man nun noch Krankheitsbilder wie:
Krampfe 28 Tage nach der Geburt [Glöckner 334 ) und MTJomb 3 * 4 ]
einmal sogar 14 Tage p.p. [Treub 396 )] und 59 Tage p.p. [Götz 337 )]
oder gar Krämpfe bei einer Itijähr. Virgo ohne Albuminurie, aber
mit 3 Proz. Zucker [Doranth 319 )] als Eklampsie bezeichnet, daun
ist eine einheitliche Beurteilung überhaupt unmöglich gemacht.
Andererseits ist aber allerdings die Schwierigkeit einer exakten
Differentialdiagnose nicht zu verkennen; bei einer bewusstlosen
Patientin, über deren Anamnese fast nichts bekannt ist, alle jene
Krankheitsbilder, welche Krämpfe mit Bewusstlosigkeit erzeugen,
durchzugehen und mangels charakteristischer Symptome die Diagnose
zu stellen, bedarf wahrlich einer universalen Kenntnis nicht allein
des Geburtshelfers, sondern auch des internen Klinikers, des Xcuro-
pathologen und Toxikologen. Ist doch die Differentialdiagnose
zwischen Eklampsie einerseits und Urämie, Cholämie, chronischer
Blausäure-, akuter Phosphor-, Kohlenoxyd-, Schwefelkohlenstoffver¬
giftung, Intoxikation durch Baktcrioustoffwechsclprodukte, selbst
akuter Alkoholvergiftung |Flatau :;2 *)| (alle diese Vergiftungen haben
Anlass zu Verwechselungen mit Eklampsie gegeben, Favre 334 )].
Meningitis, Hirntumoren, Blutungen ins Gehirn, akuter hochgradiger
Anämie (wie in einem von Diihrssen 3 - 1 ) analysierten Falle), Epilepsie
und Hysterie zu stellen. Kasuistisch mögen hier einige Beobach¬
tungen aufgeführt werden, welche die Schwierigkeit der Differential-
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2?3
diagnose recht deutlich zeigen und über welche der Sektionsbefund
unerwarteten Aufschluss gibt.
34 jährige II -p. Erste Geburt normal, jetzt im achten Monat.
Nach leichtem Unwohlsein plötzlich Krämpfe, Coma; Eiweiss mit Cylin-
dern, keine Lähmungen, keine Nackenstarre; Temperatur am ersten Tage
normal, am zweiten 40,1 0 C. Sectio caesarea; lebendes Kind. Fünf
Stunden später Tod im Coma. Die Sektion ergab Konvexitätsmenin¬
gitis. [Moeller 367 )].
25jährige III-p. mit normalen Beckenmassen erkrankte unter Kopf¬
schmerzen, Ueblichkeit, Erbrechen. Wegen Spur Eiweiss (1 °/ 00 ) abso¬
lute Milchdiät. Plötzlich Bewusstlosigkeit, laute beschleunigte Atmung,
blutiger Schaum vor dem Munde. Gesicht cyanotiseh. Temp. 38,4,
gespannter, nicht frequenter Puls. Im weiteren Verlaufe sechs Krampf¬
anfälle; keine Nackenstarre, keine Lähmungserscheinungen. Wegen
hochgradiger Cyanose Venaesectio; fortdauernde Bewusstlosigkeit, Tod an
Lungenödem. Sektionsdiagnose: Cerebrospinalmeningitis [Ostreil 373 )].
Durch den Mangel der Autopsie schwer zu entscheiden, nach
dem klinischen Befunde aber höchst wahrscheinlich keine Eklampsie
ist ein von Byrckhard 308 ) als „Eklampsie“ publizierter Fall einer
22 jiihr. I-para, die fünf Tage nach der Geburt an einer rechten Ober-
iappenpneumonie erkrankte, im Verlauf deren zahlreiche Krampf¬
anfälle und eine leichte Parese der oberen und schwerere der
unteren Extremitäten mit Fehlen des Patellarreflexes eintraten. Die
Oberlappenpnenmonien heissen ja nicht mit Unrecht cerebrale
Pneumonien wegen der häufigen nervösen Komplikationen. Dass die
Erkrankung im Puerperium auftrat» genügt doch nicht zur Diagnose
einer Eklampsie.
Dass Epilepsie und namentlich Hysterie, wie es scheint, nicht
einmal selten, einen eklamptischen Anfall Vortäuschen können, ist
sicher. Namentlich fordern Fälle, wie die von Glöckner und Götz,
bei denen „Eklampsie“ 28 resp. 56 Tage nach der Geburt auftrat,
dringend zu einer exakten Differentialdiagnose in diesem Sinne auf,
um so mehr, als Glöckner 335 ) selbst einen engen Zusammenhang
zwischen Eklampsie und Epilepsie statuieren zu können glaubt in
dem Sinne, dass Frauen, die an Epilepsie leiden, während der Ge¬
burt leicht an Eklampsie erkranken und dass Eklampsie zur Epilepsie
disponiere. Der Gegengrund Götz’ 337 ), dass weder in der Familie
der Patientin noch bei der Patientin selbst jemals Epilepsie be¬
obachtet wurde, ist sicherlich nicht ausreichend. Dagegen behauptet
allerdings Müller 369 ), dass man bekanntlich ausserordentlich selten
Eklampsie bei Frauen findet, die an Epilepsie leiden. Auch
Mendelsohn 366 ) gibt an, beobachtet zu haben, dass Epilepsie durch
die Schwangerschaft schlecht, durch die Geburt günstig beeinflusst
CentralblaU f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 18
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wird. Ebenso wäre die Konstatierung auraälmlieher Vorboten
(Unruhe, Zuckungen im Gesicht, Fritsch 829 ); Goedecke 836 ): der
Anfall wurde von der Patientin angemeldet) in diesem Sinne zu
verwerten. Her ff 342 ) kommt sogar nach kritischem Vergleich der
Krankheitsbilder der Epilepsie, der Urämie und Eklampsie zu dem
Resultate, dass ohne Rücksicht auf die Aetiologie ein wesentlicher
Unterschied zwischen ihnen nicht existiert. Allen dreien ist eine
Uebererregbarkeit der psychomotorischen Grosshirn- und subcorti-
calen Centren eigentümlich, welche durch die verschiedensten Ur¬
sachen bedingt sein können, aber in ihrem klinischen Erscheinen
dasselbe Bild bieten: sensible oder sensorielle Vorboten, anfalls-
weise auftretende klonisch-tonische Krämpfe, Bewusstlosigkeit, Sopor,
psychische Störungen. Auch die Epilepsie kann bei der Geburt
oder kurze Zeit nachher auftreten, selbst Häufung der Anfälle ist,
wenn auch selten, im Beginne der Krankheit zu beobachten [Hoppe 843 )].
Die Temperaturkurve kann nicht, wie Müller 369 ) angiebt, verwertet
werden, da bei der sogenannten Epilepsia vasomotoria gleichfalls
hohe Temperatursteigerungen wie bei Eklampsie Vorkommen.
An Hysterie und Shokwirkung gemahnen dagegen wieder
Fälle wie die von K oll man 354 ) beobachteten: Accouchement fore£,
tonische Krämpfe und Exitus, ferner rascher Durchtritt des Kindes
durch einen starren Muttermund mit eklamptischen Anfällen. In
beiden Fällen fehlte Eiweiss sicher vollständig. In einem dritten
Falle wurde eine Frucht aus dem vierten Monat operativ aus der
Cervix entfernt. Bei jedem Versuche, mit der Hand einzugehen,
traten mit der Sicherheit eines Experimentes eklamptische An¬
fälle ein.
Auch der von Browne 806 ) publizierte und überall als
Curiosum angeführte Fall von „Eklampsie“ infolge eines Fibroms
der Gebärmutter scheint hierher zu gehören.
Eine 36 jährige Frau, nach sechsjähriger Ehe kinderlos, Abdomen
entsprechend dem 7.—8. Schwangerschaftsmonat durch ein Fibrom der
vorderen Uteruswand ausgedehnt. Nach Injektion von Ergotin Wachs¬
tum des Tumors und Auftreten eklamptischer Krämpfe; Urinverhaltung,
Gesicht und Füsse ödematös; nach 10 Tagen Delirien; Uterus stark
ante vertiert, Portio gegen die hintere Beckenwand gedrückt; nach Auf¬
hebung des Uterus und Auftreten eines dicken schwarzen Ausflusses
bedeutende Erleichterung und Verkleinerung des Tumors. Die Anfälle
kehrten nicht wieder. Browne führt die Krämpfe auf die Kompression
des Sympathicus zwischen Portio und hinterer Beckenwand zurück.
Wenn man diesen Fall, der allerdings ein Unikum darstellt, aber
trotzdem von einzelnen Autoren gegeu die fötale Intoxikationstheorie
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der Eklampsie ins Treffen geführt wird, als Eklampsie bezeichnet,
und somit den einzig „ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht“
das Gebundensein der Eklampsie an die Gravidität, Geburt oder
Puerperium preisgibt, dann bricht das unentwirrbare Chaos herein.
Diese Gefahr ist jedoch nicht gross, da dieser Fall, wie erwähnt,
ein Unikum darstellt, während es doch ganz unerklärlich wäre, dass
bei der grossen Anzahl von Fibromen, Cysten und anderen Tumoren
niemals auch nur etwas Aehnliches gesehen wurde oder doch
wenigstens niemals als Eklampsie gedeutet wurde.
Dass die Häufung der Anfälle und der Nachweis der Albumin¬
urie für die Eklampsie sprechen [Schauta 381 )], ist ja im allgemeinen
richtig; doch sind beide Momente in vielen Fällen sicher nicht aus¬
reichend zur Begründung einer exakten Differentialdiagnose.
Die Diffcrenlialdiagnose zwischen Eklampsie und Urämie ist
wohl eine ausserordentlich schwierige. Wenn Müller 369 ) von ganz
prägnanten Unterschieden spricht und wenige Zeilen später zugibt,
dass Coma und Konvulsionen zwar beiden gemeinsam, aber graduell
wesentlich verschieden sind, so ist das wohl eine Selbsttäuschung.
Wichtig allerdings wäre die Beobachtung Hervieux’ und Bourne-
vi 11 e's [cf. b. Müller 369 )], nach welcher die Temperatur bei Eklampsie
mit der Zahl der Anfälle zu-, bei Urämie jedoch abuehme. Doch
gilt dieses Verhalten nur ausnahmsweise für stürmisch einsetzende
und verlaufende Fälle [Senator 382 )]. Dass die Urämie anatomisch
von der Eklampsie sich trennen lässt, ist richtig (Schmorl), aber
was ist damit für die klinische Differentialdiagnose gewonnen?
(Fortestzung folgt.)
II. Referate.
A. Leber, Gallen wege.
Des altörations höpatiques dues & rimpermöabilite renale. Von
Gouget. La Presse mödicale 1902, Nr. 4.
Während die Schädigungen, die eine kranke Leber für die Nieren
im Gefolge haben kann, schon lange bekannt sind, ist umgekehrt die
Bedeutung von kranken Nieren für die Leber noch wenig studiert wor¬
den. Gewöhnlich wird das gleichzeitige Bestehen einer Lebercirrhose bei
Morbus Brightii als eine zufällige Koincidenz gedeutet, und doch lehrt
eine aufmerksame klinische Beobachtung, dass Leberaffektionen in einem
so grossen Prozentsatz bei Nephritikern Vorkommen, dass hier gesetz-
massige Beziehungen obwalten müssen. Damit stimmen die experimen¬
tellen Versuche bei Tieren überein, denen die Ureteren unterbunden
worden sind; eine stete Folge der Operation sind sehr ausgesprochene
Degenerationen des Lebergewebes.
18 *
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- 270 —
Um nun zu entscheiden, welchem Anteil des Urins die deletären
Wirklingen auf das Lebergewebe zuzuschreiben sind, hat der Verfasser
Kaninchen in steigender Dosis grosse Mengen von Harnsäure einverleibt
und dadurch in sieben Fällen leichte, in drei sehr schwere Veränderungen
der Leber erzeugt. Die gefundenen Alterationen ähnelten in hohem
Grade denen, die man in der Leber von Cholerakranken gefunden hat,
eine Analogie, die um so interessanter ist, als die Urämie in tödlichen
Cholerafällen eine sehr grosse Rolle spielt. Weiter stimmten die Leber-
«Iterationen durchaus mit denen überein, die man durch Unterbindung
der Ureteren erzeugen kann, so dass der Schluss gerechtfertigt erscheint,
dass die Harnsäure bei diesen Leberaffektionen die hauptsächlichste ätio¬
logische Rolle spielt. Freyhan (Berlin).
Cirrhose hypertrophique palustre. Chol^cystostomie. Gu<5rison.
Von Valence. Gaz. hebd. de rn6d. et de chir. 1902, Nr. 13.
Das Leiden zog sich viele Jahre lang hin und drohte bereits einen
letalen Ausgang zu nehmen. Acht Wochen nach der Cholecystostomie
hatte die enorm vergrösserte und entzündete Leber wieder ihr normales
Volumen erreicht, alle Sekundarerscheinungen der Cirrhose, Ascites,
Icterus, Peritonitis etc., waren verschwunden.
Hugo Starck (Heidelberg).
Die operative Behandlung des Ascites bei atrophischer Leber-
cirrhose. Von E. S. Kanzel. Die Chirurgie, Bd. XI, p. 10. (Russ.)
1. Mann, 30 Jahre alt, mit Malaria in der Anamnese, seit zwei
Monaten Ascites. Am 6. Februar werden durch Punktion 15 Liter
bernsteingelber Flüssigkeit entleert. Leber atrophisch, Milz gross. Am
9. Februar Operation nach Talma (es entleeren sich dabei fünf Liter
Transsudat). Am 22. Februar werden acht Liter, am 5. März 12 Liter
blutige Flüssigkeit, am 19. März 9,5 Liter, am 5. April 15 Liter klare
Flüssigkeit entleert. Von da an stieg die Diurese und am 24. Mai
verliess Pat. in gutem Zustand und von Ascites befreit das Krankenhaus.
2. Mann, 28 Jahre alt, in der Anamnese Malaria und Dysenterie
seit 1 1 / 2 Monaten. Nach zwei Monaten Ascites. Diagnose: Tuberkulöse
Peritonitis. Bei der Laparotomie fand man aber eine atrophische lieber
und vergrösserte Milz; sieben Liter Transsudat. Annähung des Netzes
nach Talma. Am siebenten Tage nach der Operation entwickelte sich
eine Leptomeningitis purulenta (Infektion von den Darmgeschwüren) und
führte nach zwei Tagen zum Tode. Die Sektion zeigte eine gut geheilte
Wunde, feste Verwachsungen des Netzes mit der vorderen Bauchwand
und Neubildung zahlreicher Gefässe an dieser Stelle.
Glickel (Medwedowka, Kiew).
Feber Icterus gravis Neugeborener. Von W. Rühle. Monatssehr,
f. Geburtsh. u. Gyn., Bd. XIII, H. 35.
Der Icterus neonatorum kommt bei 80 Prozent aller Neugeborenen
vor, ist ungefährlich und heilt sehr schnell ohne Behandlung. Sehr be¬
denklich ist dagegen der Icterus als Symptom einer schweren Allgemein¬
erkrankung oder einer Leberkrankheit. Verf. beobachtete einen solchen
Fall. Bei dem dritten Kinde ganz gesunder Eltern trat sechs Stunden
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nach der Geburt intensiver Icterus mit harter geschwollener Leber, nicht
entfärbten Faeces auf. Der Icterus liess langsam nach, und das Kind
wurde völlig gesund. Bei dem vierten Kinde, das sehr schnell geboren
wurde, zeigte sich am Tage nach der Geburt ein schwerer Icterus mit
Lebervergrosserung und grünen Stühlen. Das Krankheitsbild verschlim¬
merte sich bald, die Leber vergrösserte sich kolossal, die Herzthätigkeit
wurde immer schwächer, die Atmung wurde sehr langsam und eigen¬
tümlich stöhnend, bei mangelhafter Nahrungsaufnahme trat Somnolenz
ein. Vom siebenten Tage an wurde Kalomel gegeben, worauf sich die
gesamten Erscheinungen entschieden besserten. Am 16. und 17. Tage
hatte das Kind noch eine massige Nabelblutung zu überstehen. Schliess¬
lich erholt es sich einigermassen, bleibt aber beim Aussetzen des Kalo-
mels in der Ernährung wieder zurück. Unter der wieder aufgenommenen
Kalomeldarreichung entwickelt es sich schliesslich zu einem blühenden
Kinde. Dieser Erfolg des Quecksilbers, die Art des Icterus und die
Nabelblutungen veranlassen den Verfasser, Lues als eigentliche Erkran¬
kung zu diagnostizieren. Calmann (Hamburg).
Den* cas d’abc&s störile du foie traitds par incision transpleuro-
diaphragmatique avec resection du thorax. Von Bardesco.
Bull, et m&n. de la soc. de chir. de Bucarest, Tome I, 1.
Zwei Fälle von Leberabscess, wovon der eine fieberlos, der an¬
dere mit Schüttelfrösten verlief, operierte Bardesco durch Resektion der
7.—10. Rippe, Eröffnung der Pleurahöhle, Punktion des Diaphragmas,
Abschluss der Pleurahöhle durch Vernähung des Zwerchfells mit den
Intercostalmuskeln, Eröffnung des Abscesses und Tamponade. Beide
Fälle heilten, ohne dass sich Pneumothorax entwickelte.
In beiden Fällen erwies sich der Eiter als steril.
Martin Cohn (Kattowitz).
Cholecystitis acuta purulenta. Von H. T. Zeidler. Russ. chirur.
Archiv, Bd. XVIII, p. 522.
Zeidler operierte zwei Fälle. Im ersten entwickelte sich die
Eiterung sechs Tage nach Cholera. Perforation der Gallenblase, Ope¬
ration (Drainage des Peritoneums), Tod bald darauf.
Fall 2. Frau, 56 Jahre alt. Sieben Jahre Gallensteinkoliken.
Seit zwei Tagen Peritonitis. Operation. Gallenblase eitrig in Filtriert,
von Steinen erfüllt. Cholecystektomie. Der Blasengang wird ligiert, die
Ligatur nach aussen geführt. Tamponade. Heilung. Die Ligatur ging
erst nach zwei Monaten ab. Kein Gallenausfluss. Im Peritonealexsudat
Reinkultur des Bact. coli commune.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
Epithelioma juxta-hepatique des voies biliaires. Von Gerandel.
Bull, de la soc. anat., 76. annöe, p. 135.
35jährige Frau; seit drei Monaten Ikterus; ab und zu Erbrechen
und Magenschmerzen. Abmagerung. Leber gross, hart, zwei Einschnitte
zu palpieren, einer in der Gallenblasengegend, einer in der Mittellinie.
Milz vergrössert. Diagnose: Cholelithiasis. Operation. Cholecvstostomie.
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Keine Steine. Eine eingeführte Sonde dringt nicht weiter. Unter
Prostration und Erbrechen Tod vier Tage später.
Autopsie: Carcinom der grossen Gallenwege mit Infiltration der
benachbarten Drüsen; erstere in der Tumormasse eingebettet.
J. Sorgo (Wien).
De la cholöcystectomie dans la lithiase biliaire. Von H. Milhiet.
Thfcse de Paris. G. Steinheil, 1902.
Auf Grund einer sehr fleissigen Zusammenstellung von 112 ein¬
schlägigen Krankheitsfällen bespricht Milhiet in ausführlicher Weise
die Indikationen und Methoden der operativen Behandlung der Gallen¬
steinerkrankung, wobei er ganz speziell der Cholecystektomie das Wort
redet, welche sofort und für die Zukunft die besten Resultate gibt und
viel häufiger als bisher angewendet zu werden verdient. Im übrigen
enthält die Arbeit nichts Neues. Laspeyres (Bonn).
Beiträge zur Kenntnis der Cholelithiasis. Von J. Boas. Münch,
med. Wochenschr. 1902, Nr. 15.
Verf. gibt einen wertvollen Fingerzeig für die Diagnostik der
Cholelithiasis, der einen Fortschritt auf diesem schwierigen Gebiete be¬
deutet. Er schliesst sich im allgemeinen der Auffassung Naunyn’s
und Kehr's an, die in der entzündlich-infektiösen Affektion der Gallen¬
blase das ursächliche Moment für die Auslösung des Gallensteinanfalls
erblicken, und behandelt in der vorliegenden Arbeit die Unterscheidung
der einzelnen Formen, insbesondere die Trennung von Cholecystitis und
Cholangitis. Schon früher hat Verf. auf einen gewissen Druckbezirk bei
Cholelithiasis in der der hinteren Leberfläche entsprechenden Gegend
hingewiesen, aber wenig Beachtung damit gefunden. Er stellt folgende
drei Bezirke der Druckempfindlichkeit auf: 1. Leberrand und Gallen¬
blasengegend; 2. subcostaler Teil der Leber; 3. hintere Leberfläche.
Besonderes Augenmerk verdient der letztere Bezirk. Boas hält den
Beweis einer entzündlichen Leberschwellung für erbracht, wenn bei der
Untersuchung ausschliesslich die rechte dorsale Leberpartie im Bereich
des 10. bis 12. Brustwirbels, 2 cm von den Wirbelkörpern entfernt bis
zur hinteren Axillarlinie, deutlich druckempfindlich gefunden wird. Diesen
Befund hat er ausser in zahlreichen Fällen von akuter Gallensteinkolik
mit incarceriertem Stein, wobei immer auch Leberschwellung und vesikale
Druckempfindlichkeit vorhanden war, oft erhoben, wenn Icterus fehlte.
Das Verhalten des vorderen Leberrandes und der Gallenblasengegencl
war hierbei wechselnd. Eine andere Gruppe von Fällen zeigte weder
im Anfall noch im Intervall dorsale Druckempfindlichkeit War diese
vorhanden, so überdauerte sie häufig den akuten Anfall um mehr oder
weniger lange Zeit und bestand entweder allein weiter oder neben der
marginalen und vesikalen. Dasselbe gilt von den latenten Fällen. —
Die Entstehung der Druckempfindlichkeit dürfte auf entzündliche
Schwellung des Leberparenchyms, eventuell vielleicht auch auf Peri¬
hepatitis zurückzuführen sein.
Die Technik betreffend, ist die taktile Schmerzprüfung die ein¬
fachste Methode; einen zahlenmässigen und vergleichbaren Ausdruck der
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Schmerzhaftigkeit links und rechts, vorn und hinten gibt die Prüfung
mit anschwellenden faradischen Strömen. Auch der galvanische Strom
kann diesem Zweck dienen. — Der diagnostische Wert der Methode
ist darin zu erblicken, dass sie in vielen Fällen, in welchen die Schmerz¬
prüfung des Leberrandes und der Gallenblasengegend ein unsicheres
oder negatives Resultat ergibt, die Möglichkeit der Diagnose erleichtert.
Wiskolt (Berchtesgaden).
A large gallstone. Von A. L. Russell. The Journal of american
medic. assoc., Vol. XXVI, 27. Juli.
Bei der Obduktion einer G7jährigen, an Uteruscarcinom gestorbenen
Patientin fand Verf. einen Gallenstein von o 3 / 4 :4 1 / 2 Zoll Durchmesser,
Gewicht 530 Gran. Derselbe hatte keine Erscheinungen gemacht
Langemak (Rostock).
The indicationa for the snrgical treatment of cholelithiaais. Von
A. A. Berg. Medical Record 1902, Bd. LXI, Nr. 18.
Der Verf. bespricht die Formen und Verlaufsarten der Gallen¬
blasenentzündung unter Schilderung der pathologisch-anatomischen Vor¬
gänge und kommt zu dem extremen Standpunkte, dass nur „unkompli¬
zierte Gallensteinkoliken“, worunter er solche Fälle akuter Cholecystitis
verstanden wissen will, die ohne Fieber und irgend welche andere Sym¬
ptome als den Schmerz verlaufen, der internen Behandlung zu belassen
sind. W. Denison (Stuttgart).
Expulsion spontande des calculs biliaires. Von G old schm idt. Soc.
m&lic. des höpit., 18. annöe, 14. Juni.
Goldschmidt erwähnt einen von ihm vor 24 Jahren beobachteten
Fall, in welchem bei einer 31jährigen Person spontan und ohne
Schmerzen ein IG g schwerer und 5x3 cm grosser, olivenförmiger
Gallenstein abging. Die betreffende Patientin hatte vier Jahre früher
an kurzdauernder Steinkolik gelitten. Martin Cohn (Kattowitz).
Bemerkungen über Gallensteinkolik. Von C. Gerhardt. Deutsch.
Archiv f. klin. Med., Bd. LXXIII, p. 1G8.
Einem von Naunyn veröffentlichten Falle von linksseitigem
Schmerz bei Gallensteinkolik fügt Gerhardt eine weitere Beobachtung
hei. Der linksseitige Schmerz wird in Zusammenhang gebracht mit dem
gleichzeitigen An sch wellen einer linkssei tige n Wanderniere.
In einem anderen citierten Falle, in welchem die Schmerzen in der
Mitte der Magengegend sassen, wurde ebenfalls eine bewegliche linke
Niere gefühlt. „An einzelnen Tagen wird die geschwollene Niere hart
und höckerig, an anderen als schlaffer Sack, an anderen gar nicht ge¬
fühlt.“ Hugo Starck (Heidelberg).
Gail stones. Von E. Evans. The St. Paul nied. Journ. 1902, Nr. 1.
Verf. präzisiert nach kritischer Zusammenstellung der Urteile hervor¬
ragender Fachmänner, teils Internisten, teils Chirurgen, und basierend
auf reichlicher eigener Erfahrung, seinen Standpunkt zur Frage der
Gallensteinbehandlung.
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2 SO -
Nach Naunyn (Internist) starbeu von 150 Fällen 20 an Chole¬
cystitis, Cholangitis, Fisteln etc., 14 an Krebs, 60 davon genasen: d. i.
13,3% Mortalität, 40% Heilung. Kehr berechnet 3,7 % Todesfälle,
Schröder 12%, Mosher 6,94%.
In Amerika entfallen 10% auf Frauen, in Deutschland 20%;
14% aller Falle betreffen Kranke über 30 Jahre. Operiert soll wer¬
den, sobald die Diagnose der Gallensteine sicher steht, doch auch in
unbestimmten Fällen soll man mit der Laparotomie, wenn auch nur
behufs Exploration, nicht zögern. Alle internen Mittel, wie phosphor-
saures Natrium, salicylsaurcs Natrium, Karlsbad, Oelkur etc. sind doch
nur Verzögerung, die eigentliche Heilmöglichkeit bietet, wie bei den
Blasensteinen, doch nur das Messer. Recidiven sind äusserst selten. In
115 Fällen von Gallensteinoperation (John Hopkins Klinik) waren
15mal Bteine im Ductus communis, 15mal im Cysticus, siebenmal im
Hepaticus; daher ist es erforderlich, alle Teile genau abzutasten.
Was die Prädisposition anlangt, werden Gallensteine in 2,4 %
unter 20 Jahren, in 25,2 % über 60 Jahren gefunden.
In 50 % der Fälle findet sich die Krankheit bei Leuten mit
sitzender Lebensweise (Krauss); Herzkrankheiten begünstigen Gallenstein¬
bildung. Das scheint mit der Eindickung der Galle zusammenzuhängen.
Vegetarische Diät erzeugt dicke schwarze Galle, eiweissreiche Kost dünne
und leichter gefärbte. Wo die Körperbewegung und die des Diaphrag¬
mas eingeschränkt ist, scheint sich eine Neigung zur Gallensteinbildung
zu entwickeln.
Betreffs der pathologischen Bedingungen zur Bildung von Gallen¬
steinen scheint die Produktion von Cholesterin, dem Hauptbestandteil der¬
selben, massgebend zu sein. Dasselbe findet sich in alkalischer Lösung
mit gallensauren Salzen, glykocholsaurem und taurocholsaurem Natrium.
Cholesterin fehlt im Blut und in der Leber; es wird also erst in den
Epitholien der Gallenwege erzeugt. Entzündungen der letzteren be¬
günstigen das Niederschlagen von Cholesterin in der Galle. Die Katarrhe
werden nieist durch das Bacterium coli, den Typhusbacillus und den
Pneumococcus erzeugt. Steine mit einem Kern von Bilirubin-Calcium
werden im Ductus hepaticus erzeugt.
Zum Schlüsse bespricht Verf. die Arten, Bedingungen und Vor¬
teile der einzelnen Operationen an den Gallenwegen.
Hugo Weiss (Wien)-
The frequency of gall-stones in the United States. Von* C. D.
Mosher. Johns Hopkins Hospital Bulletin 1901, Aug.
Nach dem Befund von 1655 Sektionen und unter Berücksichtigung
einer annähernd gleich grossen deutschen Statistik kommt der Verf. zu
dem Schlüsse, dass Gallensteine in den Vereinigten Staaten nur etwa
halb so häufig sind als in Deutschland. Bezüglich des Lebensalters
zeigt sich eine Uebereinstimmung insofern, als nach dem 30. Jahre
Gallensteine wesentlich häufiger sind als vorher. Die weisse Rasse ist
mehr disponiert und weist einen Anteil von 7,85% gegen 5,51% beim
Neger auf. Wie in Deutschland, neigt auch in Amerika das weibliche
Geschlecht mehr zur Bildung solcher Steine als das männliche, doch ist
das Verhältnis im Vergleich zu der Gesamtzahl günstiger als in Deutsch-
Heiligen thal (Baden-Baden).
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land.
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•jxi
B. Darm.
Untersuchungen über die Grösse der Resorption im Dick- und
Dünndarm. Von F. Reach. Pflüger’s Arcli., Bd. LXXXVI, p. 247.
Die Versuche wurden mit Gelatine (über deren Resorption bei
Ausschluss von Magen- und Pankreasthätigkeit bislang keine Versuche
vorliegen), mit Gelatine und Kochsalz, mit Albumosenlösung sowie Albu-
mose und Kochsalz angestellt, und zwar mit jeder der genannten Flüssig¬
keiten Dick- und Dünndarmversuche an Hunden. Als Albumosen-
gemisch diente „Peptön Liebig“. Hierbei ergaben sich folgende Resultate:
Die Resorption der untersuchten Nährflüssigkeiten im Dickdarme stellt
hinter der im Dünndarme bedeutend zurück. Gelatinelösung wird im
Dickdarme weniger gut resorbiert als Albumosenlösung; Zusatz von
Kochsalz (0,7 Proz.) fördert jedoch die Resorbierbarkeit der Gelatine und
macht sie der der Albumosen annähernd gleich, bei Albumosenlösung
hingegen verursacht der gleiche Zusatz Schleimhautreizung, wodurch die
Resorption mitunter vollständig aufgehoben wird. Im Dünndarme wird
Gelatinelösung ein wenig besser resorbiert als Albumosenlösung. Koch¬
salzzusatz ändert hier nichts an der Resorbierbarkeit der Gelatine, bewirkt
aber bei Albumosen Schleimhautreizung.
In praktischer Beziehung geht aus dieser Arbeit hervor, dass ein
Zusatz von Gelatine und Kochsalz zu Nährklystieren den vielfach
üblichen Zusatz von „Pepton“-Präparaten vielleicht mit Vorteil ersetzen
kann. L. Hofbauer (Wien).
Zur Frage der Darmfänlnis bei Gallenabschluss vom Darme. Von
A. Böhm. Deutsches Archiv f. klin. Med., Bd. LXXI, H. 1.
Die Lehre von der fäulniswidrigen Wirkung der Galle hat trotz
mannigfacher und verschiedenartiger Untersuchungsreihen noch zu keinem
befriedigenden Abschluss geführt. Böhm tritt der Frage nochmals näher
und sucht in drei Fällen von katarrhalischem Icterus durch Bestimmung
der (von Bau mann als Massstab für die Eiweissfäulnis im Darme
eingeführten Berechnung) ausgeschiedenen Aetherschwefelsäure eine Losung
der Aufgabe herbeizuführen. Wie bereits mehrere andere Autoren
(Müller, Brieger, Biernacki etc.) früher schon festgestellt hatten, so
konnte auch Böhm eine an manchen Versuchstagen recht erhebliche
Vermehrung der absoluten Menge (0,4 — 0,7 gr pro die) der Aether¬
schwefelsäure konstatieren, woraus auf Erhöhung der Darmfäulnis bei
Gallenabschluss vom Darme geschlossen werden darf.
Hugo Starck (Heidelberg).
Persistance du diverticule de Meckel avec fistule oinbilicale et
prolapsus de la muqueuse. Von Kirmisson. Bulletin et m6m.
de la sociötö de Chirurgie de Paris, T. XXVII.
Bei einem sechs Monate alten Kinde fand sich eine seltene Miss¬
bildung, in der Nabelgegend ein rötlicher, erd beergrosser Tumor, der den
Eindruck prolabierter Darmschleimhaut machte. Die Fistel, in welclie
die Sonde 4 cm tief eindringen konnte, entleerte reichlich Schleim. Bei
der Laparotomie zeigte es sich, dass hier ein gegen den Nabel offenes
Meckel’sches Divertikel vorlag, dessen Schleimhaut prolabiert war.
Dasselbe wurde reseciert und es trat vollständige Heilung ein.
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Legueu sah bei einem sechsjährigen Kinde einen analogen Fall,
doch ohne Fistelbildung, bei welchem durch Torsion einer Darmschlinge
um das Divertikel Occlusionserscheinungen aufgetreten waren. Trotz
Resektion des Stranges erfolgte der Tod, da die Occlusionserscheinungen
schon zu weit vorgeschritten waren. F. Hahn (Wien).
Ueber die Entzündung des Meckel’schen Divertikels und die Gan¬
grän desselben. Von Denecke. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie,
Bd. LXII, p. 523.
Die Entzündung des Meckel’schen Divertikels — Diverticulitis! —
kann symptomlos verlaufen, in anderen Fällen kann sie genau wie die
Appen dicitis zu circumskripter adhäsiver oder eitriger Peritonitis führen.
Dann haben wir einen regelrechten Anfall von Erbrechen, mehr weniger
hohem Fieber, Verstopfung, Leibschmerzen, die entweder in der Magen¬
gegend beginnen und nach allen Seiten ausstrahlen oder auch im rechten
Hypochondrium sitzen. Der Leib wird meteoristisch aufgetrieben, und
es bildet sich meist etwas nach innen von der Ileocoecalgegend ein
schmerzhafter Tumor mit Dämpfung. Der Anfall kann nach einigen
Tagen abklingen oder er geht in ein subakutes Stadium über mit sub¬
febrilen Temperaturen, leichter Pulsbeschleunigung, Störungen des All¬
gemeinbefindens. Bei einer Operation eines derartigen Falles fand man
nur entzündliche Darmverwachsung ohne Eiterung. Nach Resektion dea
Divertikels erfolgte Heilung. In anderen Fällen tritt schon nach wenigen
Tagen Eiterung ein, es kommt zur Abscessbildung. In einzelnen Fällen
kommt es sogar zu einer allgemeinen tötlichen Peritonitis. Ganz analog
der Appendicitis gibt es auch eine recidivierende Form der Divertikel¬
entzündung.
Eine weitere Gefahr der Entzündung ist die Fixierung des Diver¬
tikels durch Verwachsungen, wodurch Darmeinklemmungen verursacht
werden. Oefters ist allerdings die Ursache der Fixation in entwickelungs¬
geschichtlichen Vorgängen zu suchen.
Die Therapie ist wie bei der Appendicitis, umso mehr als eine
Differentialdiagnose vor der Eröffnung der Bauchhöhle nicht zu stellen ist.
Ursache für die Gangrän des Divertikels können wie beim übrigen
Darm Torsion des Stiels und Strangulation sein. Dann aber kann bei
Ringbildung durch Fixation des Divertikels ein in diesen eingeklemmter
Darm eine Gangrän des einschnürenden Divertikels verursachen. Der
Hauptgrund dafür dürfte die im Vergleich zum Darm mangelhafte
GefässVersorgung des Divertikels sein. In diesen Fällen tritt nach
vorhergehenden Erscheinungen einer meist unvollkommenen Occlusion
plötzlich eine allgemeine Peritonitis auf. E. Moser (Zittau).
The appendix vermiformis and cöecum. A comparative study. Von
M. Ricketts. The Journal of the Amer. Med. Assoc., Vol. XXVI,
p. 1536.
Die sehr interessante vergleichende Studie, welche die einschlägige
Literatur von 1814—1901 umfasst, erbringt den Nachweis, dass der
Wurmfortsatz nicht nur bei den Säugetieren, sondern auch bei den
Vögeln, Reptilien und Fischen vorkommt. Es werden die einzelnen
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Spezies und Gattungen aufgeführt und die ihnen eigentümliche Form
und Beschaffenheit des Coecutns, das Vorhandensein und Fehlen des
Wurmfortsatzes geschildert. Es würde zu weit führen, auf Einzelheiten
einzugehen, und muss auf das Original verwiesen werden. Den Schluss
der Arbeit bildet eine kurze Besprechung der Anatomie des menschlichen
Coecums und Wurmfortsatzes, ohne dass jedoch etwas Neues gebracht
wird. Bemerkenswert ist die Notiz, dass bei 10 000 Autopsien fünfmal
der Wurmfortsatz fehlte. Langemak (Rostock).
Beiträge zur Diagnose des Ulcus duodeni. Von Peru jo. (Aus
dem Spanischen.) f)l Siglo mödico 1901, Sept.
Das sicherste Kennzeichen des Duodenalgeschwürs, Darmblutung
bei fehlendem Blutbrechen, ist gerade im Frühstadium der Krankheit bei
ambulant behandelten Patienten nicht festzustellen. Verf. hält daher
den leichten Icterus für ein wertvolles diagnostisches Merkmal, da er
fast nie fehlt. Derselbe wird häufig fälschlich auf eine Leberkolik be¬
zogen. Anämisches Aussehen, leidlicher Appetit mit der Angabe, dass
intensive Magen sch merzen erst 2—3 Stunden nach der Mahlzeit auf-
treten, sind ebenfalls für Duodenalgeschwür verdächtig. Da chirurgische
Komplikationen im Gegensatz zum Magengeschwür relativ häufig im vor¬
geschrittenem Stadium auftreten, ist eine Frühdiagnose von grossem Werte.
Verf. will die Krankheit verhältnismässig oft bei Gichtkranken beobachtet
haben. A. Berliner (Berlin).
Ueber einen Fall von eigenartiger Stenosenbildung im Dünndarm.
Von A. Groth. Münchener med. Wochenschr. 1902, Nr. 11.
Krankengeschichte: Der 38jährige Pat. hat von jeher an
Verdauungsbeschwerden gelitten, trotz stets geübter Vorsicht in der
Auswahl der Speisen. Er erkrankte unter Symptomen beginnender Stenose
des Darms, der Abgang von Flatus und des meist dünnflüssigen Kothes
war erschwert, es traten Erbrechen und Schmerzanfälle im Leibe auf,
die von sicht- und fühlbaren peristaltischen Bewegungen, hauptsächlich
an der linken oberen Seite des Bauches, begleitet sind. Die schon in
den letzten Monaten sehr geringe Nahrungsaufnahme sistiert ganz, es
besteht mässiger Meteorismus, der sich beim Schmerzanfall verstärkt.
Im linken Epigastrium ist eine gleichmässige Resis enz, wie von einer
mit Kot stark gefüllten Dünndarmschlinge herrührend, undeutlich fühl¬
bar. Laparotomie: Nach Eröffnung des Peritoneums wälzt sich sofort
eine dicke, geblähte Dünndarmschlinge hervor. Die Serosa der Därme,
die zur Besichtigung abgesucht werden, ist mässig injiziert und stellen¬
weise mit Fibrinflocken bedeckt, an einer Stelle schimmert eine weisslich-
graue, anscheinend nekrotische Partie durch; keine Perforation. Unter¬
halb der geblähten Schlinge eine durch tiefe ringförmige Einschnürung
bedingte Verengerung; keine Adhäsionen. Darm unterhalb collabiert.
Nach Incision des geblähten Darms entleert sich reichlicher dünnflüssi¬
ger Kot: zweireihige Naht und Anlegung eines Anus praeternaturalis,
da der Pat. collabiert. An diesem und am folgenden Tage fühlt Pat.
sich erleichtert, doch nehmen Pulsfrequenz und Temperatur bedenklich
zu, am Abend des zweiten Tages wieder Collaps, Exitus.
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Die anatomische Diagnose lautete auf ulceröse Dannstenose im
unteren Ileum, enorme Erweiterung und Hypertrophie der oberen Darm¬
abschnitte, daselbst zahlreiche Ulcerationen; sekundärer Beginn jauchiger
Peritonitis. Dieser ätiologisch unklare Befund nötigte zur Prüfung einer
ganzen Reihe hier in Betracht kommender ursächlicher Momente, die
aber samt und sonders leicht auszuschliessen waren mit Ausnahme der
tuberkulösen Geschwüre. Aber auch für diese, so naheliegend ihre An¬
nahme schien, Hessen sich doch ebenfalls keine greifbaren Anhaltspunkte
beschaffen, der makro- und mikroskopische Befund hatte ein durchaus
negatives Ergebnis. Es blieb somit nichts übrig als die Annahme, dass
der jahrelang bestehende Katarrh des Intcstinaltractus zur Bildung
katarrhalischer Geschwüre geführt hat, von denen einzelne sich zu tiefen
Ulcerationen umwandelten und einen grösseren Teil des Darmlumens
umfassten. — Der operative Misserfolg war dem zu späten Eingreifen
zuzuschreiben. Wiskott (Berchtesgaden).
Enterostenosis ilei. Von Th. Wikerhausen. Lieenieki viestnik.
Bd. XXIII, Nr. 7, p. 140.
. 28jähriger Mann; seit 4 Monaten Blähungen und Erbrechen, hef¬
tige Leibschmerzen; täglich ein bis zwei diarrhoische Stühle. Bei der
Operation findet man, durch geblähte Dünndarmschlingen geleitet, an
einer etwa einen halben Meter vom Coecum entfernten Stelle eine Ver¬
dickung in der Darm wand; Resektion des Darmes. Mikroskopisch zeigt
jene Verdickung ein diffuses Infiltrat, wahrscheinlich luetischer Natur;
keine Tuberkulose, kein Gumma, auch kein Neoplasma.
O. Müller (Agram).
III. Bücherbesprecluingen.
Tuberkulose und Skrophulose. Von O. Hildebrand. Deutsche
Chirurgie, Lief. 13. 450 pp. Verlag v. F. Enke, Stuttgart 1902.
Das mit besonderer Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit angelegte
Werk setzt mit einem Literaturverzeichnis ein, das auf 158 pp. unge¬
fähr 6500 Arbeiten über die Tuberkulose aufzählt, geordnet nach dem
►Schema einer klinischen Abhandlung, nach welchem auch das ganze
übrige Werk aufgebaut ist.
In der historischen Einleitung finden wir die Wandlungen skizziert,
welche die Tuberkulosefrage seit zwei Jahrhunderten durchgemacht hat,
bis das ganze Dunkel, das über dieser Frage geschwebt hat, durch
Virchow erhellt wurde.
Seine noch heute vollinhaltlich zu Recht bestehenden Anschauungen
sind wörtlich wiedergegeben.
Ein weiterer Markstein in der Geschichte der Tuberkulose bildet
die Entdeckung Friedländer’s (1872): die Erkenntnis des Lupus als
Hauttuberkulose.
Nunmehr folgen in extenso die Histologie der einzelnen Bestandteile
des Tuberkels, die Entstehung von epitheloiden Zellen, von Rund- und
Riesenzellen, die Blut- und Lymphgefässversorgung und endlich die
dogenerntiven Vorgänge im Tuberkel: Verkäsung, Erweichung, Vereiterung.
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Die Genese des Tuberkels, der bis auf Koch so strittige Punkt der
Tuberkulosefrage, findet eine eingehende Würdigung in histologischer und
experimenteller Beziehung.
Mühsam schritten die experimentellen Forschungen und ohne wesent¬
liche Resultate vorwärts, bis Koch im Jahre 1882 die ganze Frage zur
Losung brachte, als er sein neues Verfahren zur Färbung der Tuberkel-
hacillen publizierte und den Nachweis erbrachte, dass die Miliartuberkulose,
käsige Pneumonie, die solitären Hirntuberkel, die Darmphthise, die skro-
phulösen Drüsenerkrankungen, die fungösen Knochen- und Gelenk¬
affektionen eine gemeinsame Aetiologie besitzen.
In dieser ersten Koch* sehen Publikation sind bereits die Methoden
zur Züchtung und Ueberimpfung, die differentiellen Eigenschaften der
Tuberkelbacillen und ihrer Kulturen und eine Reihe von Tierversuchen
beschrieben.
In einem Resumä erklärt Koch, dass in dem Tuberkelbacillus der
einheitliche Erreger aller Formen der menschlichen Tuberkulose, der Perl¬
sucht der Rinder und der Impftuberkulose bei Thieren zu finden sei.
Die enorme Literatur, die sich der Entdeckung und Publikation Koch’s
anschloss, förderte noch eine Reihe von wesentlichen Eigenschaften des
Tuberkelbacillus zu Tage. Die noch immer nicht geklärte Frage der
Identität, der Menschen tuberkulöse und der Perlsucht der Rinder, die
zuerst von Koch behauptet, später von Virchow u. a. bezweifelt
wurde, führte auch Koch dazu, im Vereine mit Schütz diese Frage
eingehend zu studieren, und sie führte zu den bekannten Kontroversen
auf dem letzten Tuberkulosekongress.
Bemerkenswerth ist der Vorschlag des Verfassers, diese überaus
wichtige Frage durch Impfversuche mit Tuberkelbacillen an zum Tode
verurteilten Verbrechern zur Entscheidung zu bringen.
Der II. Abschnitt des Werkes handelt von der Einwanderung des
Bacillus in den Körper durch Vererbung, und zwar a) der Bacillen selbst
auf genninativem und placentarem Wege; b) der Disposition zur Tuber¬
kulose.
Hier sind auch die die Einwanderung von Bacillen begünstigenden
Momente geschildert, die Beziehungen der Tuberkulose zu den Verhält¬
nissen des Alters, der Konstitution und Entwickelung, die Beziehungen
zu Traumen und zu prädisponierenden Krankheiten, Syphilis, Carcinom etc.
Der III. Abschnitt zeigt die verschiedenen Eingangspforten des
Koch’schen Bacillus und zwar auf dem Wege der äusseren Haut und
der Schleimhäute des Digestions-, Respirations- und Genitaltractes.
Ganz kursorisch ist der klinische Theil abgehandelt, der die Ver¬
breitung und Lokalisation und eine allgemeine Symptomatologie enthält
(Konstitutions-, Temperatur-, Blut- und Harn Verhältnisse).
Der letzte Abschnitt gilt der Therapie. Die konservative Therapie
zerfällt 1. in die Applikation (äusserliche oder intraparenchymatöse) ver¬
schiedener Medikamente: Jodoform an der Spitze, Carbolsäure, Guajacol,
Naphthol, Nelkenöl, Formalin, Knochenkohle etc.; 2. in die Anwendung
der venösen Stauung nach Bier; 3. die Einwirkung von Sonnenlicht,
elektrischem Licht und Röntgenstrahlen; 4. die Behandlung mit Zimmt-
saure ('Länderer); 5. die Behandlung mit Tuberkulinen und Tuberkulose-
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seris, welche letztere (Tuberkulin, Tuherkulocidin (Klebs), Antituberkulin
(Maragliano) etc.) derzeit mit Recht von sämtlichen Chirurgen verlassen
worden ist.
Als wichtigstes Heilmittel gilt noch immer die AJlgemeinbehandlung
durch Ernährung, luft- und klimatische Kurorte unter der Mithilfe einiger
Medikamente (Guajacol, Kreosot und ihrer Präparate).
An dieser Stelle vermissen wir allerdings eine eingehendere Be¬
sprechung der Behandlung von Tuberkulose und Skrophulose in Seebädern,
Hospizen, Jodbädern etc.
Werfen wir schliesslich noch einen kurzen Gesamtüberblick auf
das mit unendlichem Fleiss und immenser Literaturkenntnis verfasste
Werk, so lässt sich dasselbe als unentbehrliches Nachschlagebuch in
sämtlichen, die chirurgische Tuberkulose betreffenden Fragen auf das
wärmste empfehlen. Victor Blum (Wien).
Die Verletzungen und Erkrankungen der Prostata. Von A. Socin
und E. Burkhard t. Mit pathologisch - anatomischem Beitrag von E.
Kaufmann. Mit 3 Tafeln und 153 in den Text gedruckten Ab¬
bildungen. Verlag von F. Enke, Stuttgart 1902.
Das Werk, die 53. Lieferung der „Deutschen Chirurgie“, beginnt
mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis, welches bis Mitte 1901
reicht und die Titel von 2004 Arbeiten enthält. Das erste Kapitel
handelt von der Anatomie der Prostata, das zweite von der Unter¬
suchung der Vorsteherdrüse am Lebenden, das dritte von den angeboienen
Missbildungen und Anomalien, das vierte von den Verletzungen, das
fünfte von der akuten Entzündung dieses Organs. Im sechsten Kapitel
bespricht Socin die chronische Prostatitis. Dieser Abschnitt ist viel¬
leicht kürzer geraten, als bei der Häufigkeit und Wichtigkeit dieser Er¬
krankung wünschenswert gewesen wäre. Es folgt nun das siebente
Kapitel, welches von der Tuberkulose, und das achte, welches von der
Syphilis der Vorsteherdrüse handelt. Das neunte enthält eine Schilde¬
rung der Prostatahypertrophie. Naturgemäss übertrifft dieses Kapitel alle
übrigen weitaus an Umfang. Der Therapie dieses Leidens allein sind
112 pp. gewidmet. Burkhardt, aus dessen Feder der therapeutische
Teil dieses und die folgenden Abschnitte stammen, betrachtet die Kathete-
risierung als das Normalverfahren, welches in allen gewöhnlichen Fällen
indiziert ist. Gelingt es weder durch regelmässigen Katheterismus, noch
durch den Verweilkatheter annähernd normale Miction, sowie vollständige
oder fast vollständige Entleerung der Blase zu erzielen, so pflegt Burk¬
hardt dem Kranken einen operativen Eingriff vorzuschlagen, und zwar
gibt er hei allgemein gleichartiger Hypertrophie der Bottin i’schen Ope¬
ration, welche eventuell mehreremale ausgeführt werden muss, unbedingt
den Vorzug. Ist diese Operation aus irgend einem Grunde nicht aus¬
führbar oder die Blase sehr schwer infiziert, so macht Burkhardt die
Sectio mediana mit nachfolgender Bl äsen drai nage, eventuell mit In- resp.
Excfsion leicht erreichbarer, prominenter Prostatateile, oder die Sectio alta
mit Abtragung des prominenten Tumors. Die laterale perineale Prostat¬
ektomie führt Burkhardt nicht mehr aus, die sexuellen Operationen
verwirft er vollständig. Von palliativen Operationen kommen nur der
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Miprasymphysäre Blasenstich, die Urethrotomia externa und die Sectio
alta in Betracht. Burkhardt schliesst diesen Abschnitt mit folgende?!
Worten: „Nach allen unseren Ausführungen und auf Grund unserer
Erfahrungen müssen wir die heute geltende Behandlung der Prostata-
hypertrophie immer noch als eine auf der Stufe der symptomatischen
und palliativen Therapie stehende bezeichnen. Eine rationelle Radikal¬
behandlung im eigentlichen Sinne des Wortes gibt es bis jetzt noch
nicht; sie ist immer noch zu finden.“ Das 10. Kapitel handelt von der
Atrophie der Prostata, das 11. von den Prostatasteinen, das 12. von
den Cysten, das 13. von den malignen Neubildungen. Der pathologisch¬
anatomische Teil dieses Abschnittes ist von Prof. Eduard Kaufmann
bearbeitet. Im 19. Kapitel werden schliesslich die Neurosen der Prostata
besprochen. Die drei Tafeln, sowie die im Texte enthaltenen Abbildungen
sind vorzüglich ausgeführt. Der ausgezeichnete Ruf der Autoren macht
es überflüssig, auf den Wert des Buches noch weiter hinzuweisen.
v. Hof mann (Wien).
Zur Pathogenese und Therapie der angeborenen Hfiftgelenka-
luxation. Von K. Ludloff. Abdruck aus dem Klin. Jahrbuch,
Bd. X. Mit 14 Tafeln und 152 Abbildungen im Text. Verlag von
G. Fischer, Jena 1902.
Obwohl der Arbeit nur das verhältnismässig kleine Material der
Königsberger Klinik von 23 Fällen zu Grunde gelegt ist, so muss doch
ihr Wert sehr hoch eingeschätzt werden. Die Krankengeschichten sind
mit zahlreichen Röntgen bildern illustriert und diese werden in gründ¬
lichster Weise untersucht und übersichtlich zusammen gestellt, indem
serienweise die Konturzeichnungen der Pfannen, dann der Oberschenkel
wiedergegeben sind.
Um die Pathogenese zu klären, studierte Ludloff an 25 Em¬
bryonen die Entwickelung der Pfanne bezw. aller Hüftgelenkskonsti-
tuentien am makroskopischen Präparat und am Röntgenbild. Er stellte
ein auffallendes Missverhältnis zwischen embryonalem Kopf und Pfanne
fest, woraus sich eine Disposition zur Oberschenkelluxation bei Flexion-
Adduktionsstellung des Hüftgelenkes ableiten lässt unter der Annahme
einer abnormen Nachgiebigkeit der Gelenkskapsel.
Bezüglich der Therapie tritt Ludloff entschieden für die Loren z’-
sche unblutige Reposition ein, ohne deren Erfolg zu überschätzen. Die
präliminare Schraubenextension verwirft er nicht nur als gefährlich, son¬
dern weil sie die Weichteile überdehnt und darum die Retention des Kopfes
gefährdet. Bezüglich der Resultate ist freilich zu beachten, dass das
Material insofern günstig war, als nur siebenmal doppelseitige Luxation
vorlag. Immerhin konnte eine Verbesserung der anatomischen Verhält¬
nisse, besonders die Vertiefung der Pfanne im Röntgenbild, nachgewiesen
werden. Das funktionelle Resultat war in neun Fällen ein mehr oder
weniger gutes.
Das Studium der ungemein sorgfältigen und auch vorzüglich nus-
geslatfeten Arbeit ist für jeden Spezialisten eine Notwendigkeit.
Vulpius (Heidelberg).
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2 Ss
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
II ofmann, K. R. v., Gonorrhoische
Allgemeininfektion und Metastasen etc.,
p. 241 — 251.
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma- I
tose (Fortsetzung), p. 251 — 265.
Schnürer, Jos., Ueber die Puerperal¬
eklampsie (Fortsetzung), p. 265 275.
II. Referate.
A. lieber, Gallenwege.
Gonget, Des alterations hepatiqucs dues
a ritnperm^abilite renale, p. 275.
V a 1 e n c e, Girrhosc hypertrnphique pa-
lustre. Cholecystostomic. Guerison, |
p. 276.
Kanzel, E. S., Die operative Behänd- |
lung des Ascites bei atrophischer Leber-
cirrhose. ]). 276.
Rühle, W., Ueber Icterus gravis Neu¬
geborener, p. 276. !
Bar d csco, I)eux cas d’abces stei i 1 c du |
foie tiaites par incision transpleuro-
diaphragmatique avec resection du thorax,
p. 277.
Zeidler, H. T., Cholecystitis aaita pu-
rulenta, p. 277.
Gerandcl, Epithelioma juxta-h£patiquc
des voies biliaires, p. 277.
Milli ict, H., De la cholecystcctomie
dans la lithiase biliaire, p. 278.
Boas, J., Beiträge zur Kenntnis der
Cholelithiasis, p. 278.
Russell, A. L., A large gallstone, p.
279.
Berg, A. A., The indications for the
surgical treatment of cholelithiasis, p.
279.
Goldschmidt, E::pulsion spontanee des
calculs biliaires, p. 279.
Gerhardt, C. f Bemerkungen über Gallen
steinkolik, p. 279.
Evans, E., Gail stones, p. 279.
Mos her, C D., The frequcncy of gall-
stones in the United States, p. 280.
B. Darm.
R cach, F., Untersuchungen über die
Grösse der Resorption im Dick- und
Dünndarm, p. 281.
Böhm, A., Zur Frage der Darmfäulnis
hei Gallenabschluss vom Darme, p. 281.
Kirmisson, Persistance du diverticulc
de Meckel avec iistule ombilicale et
prolapsus de la muqueuse, p. 281.
Den ecke, Ueber die Entzündung des
Meckel’schen Divertikels und die Gan¬
grän desselben, p. 282.
Rick et ts, M., The appendix vermiformis
and coecum, p. 282.
Perujo, Beiträge zur Diagnose des Ulcus
duodeni, p. 283.
Groth, A., Ueber einen Fall von eigen¬
artiger Stenosenbildung im Dünndarm,
p. 283.
Wi kerhausen, Th., Ente ros tenosis ilei,
p. 283.
III. Bücherbesprechungen.
Hildebrand, O., Tuberkulose und Skro-
phulose, p. 284.
Socin, A. u. Burkhardt, E., Die Ver¬
letzungen und Erkrankungen der Pro¬
stata, p. 286.
Kudloff, K., Zur Pathogenese und The¬
rapie der angeborenen Hüftgelenks¬
luxation, p. 287.
Um Einsendung von Monographien und Büchern an den Kedaktenr Professor
I)r. HERMANN SCHLESINGER, Wien. I, Ebendorferstrasse 10, wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzusatz „Für die Redaktion des
Centralblattes für die Grenzgebiete** versehen zu wollen.
Bruck von Ant. Kämpfe» in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Ghirurgie.
Heraasgegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 27. April 1903.
Nr. 8.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche In geraten annah me durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Die multiple Neurofibromatose.
(Recklinghansen’sche Krankheit.)
Sammelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent a. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung.)
Für die Kombination von Lipomen mit Neurofibromen finde
ich in der Literatur nur spärliche Belege:
Für zwei meiner Fälle (Fall 1 und 3, 1901} fehlt die ana¬
tomische Untersuchung der in den Krankengeschichten näher ausge¬
führten, klinisch durchaus als Lipome imponierenden Geschwülste. Ebenso
fehlt eine genauere anatomische Untersuchung für einen lappigen Tumor
(Lipom? Neurom? bei v. Recklinghausen, 1882, p. 85) durch Mar-
gerin (1867), für das von Genersich (1870, Fall 2) erwähnte zwei¬
faustgrosse „Lipom 4, der Hinterbacke 4 ') und für Beobachtungen von
Desnos (1872), Salomon (1877) und Feindei (1896, Fall 3, Fibro-
lipom) ebenfalls.
*) Auch bei Rump (Ein Fall von multiplen Neurofibromen, Inaug.-Diss.,
Würzburg 1879; Ein Fall multipler Neurome, Virchow’s Archiv 1880, Bd. LXXX,
p 177) ist in dem Autopsiebericht dieses Genersich "sehen Falles nichts Näheres
darüber angegeben.
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. 11 . Chir. VT. 10
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Von einem nussgrossen Tumor der liuken Lumbalgegend bei dem
Patienten von Feindei und Froussard (1899) ist es fraglich, ob er
nicht ein Lipom darstellt, da er — im Gegensatz zu den übrigen
Tumoren — „subcutan“ liegt und frei verschieblich ist.
Die 10 jährige Patientin von Mouchet (1900) zeigte ein grösseres
„Angiolipom“ des linken Armes, das mit Haaren besetzt war.
In Hesselbach’s Falle (1824) wird angegeben, dass die kleineren
Tumoren au9 einer „festen Speckmasse“ bestanden, während grössere
Tumoren an der linken Hüfte und am linken Handgelenke nicht so
fest waren wie die kleinen und „aus Fett mit Zellgewebe“ bestanden.
In Bazin’s Beobachtung (1862) soll ein grösserer Tumor am
Halse mikroskopisch als aus Fettgewebe bestehend erkannt worden sein.
Bei der Patientin von Askanazy (1899) endlich liessen sich
ausser auf der Serosa des Dünndarms — Duodenum und Jejunum —
weder an den Nervenstämmen noch an der Haut irgend welche Knoten¬
bildungen erkennen. Nur am linken Arm und am rechten Fuss-
rücken wurden ein Paar stecknadelkopfgrosse Knötchen bemerkt, die
sich beim Einschneiden als Bildungen aus Fettgewebe zu erkennen gaben.
Seltenere Lokalisation genereller Symptome an in¬
neren Organen: Sowohl Fibrome als auch Pigmentationen können
sich auf Schleimhäuten vorfinden.
Was letztere betrifft, so habe ich, im Gegensatz zu Levy und
Ovize (1899, p. 1204), die angeben, Pigmentationen der Schleim¬
häute kämen überhaupt nicht vor, selbst solche in Fall 2 und 10
meiner Arbeit (1901) gesehen.
Hier sah ich zwei fast linsengrosse, unregelmässig begrenzte
Pigmentflecke der Wangenschleimhaut nahe dem linken Mundwinkel.
In meinem Falle 10 fanden sich Pigmentationen des Lippen¬
saums und der Wangenschleimhaut
In dem Falle von Burghart (1898) sind neben Hautpigmenta-
tionen auch Pigmentationen der Iris erwähnt: „Beide Iren sind mit punkt¬
förmigen Pigmenten besäet.“
Hingegen ist wiederholt von Autoren, die speziell ihr Augen¬
merk darauf richteten, die Abwesenheit von Pigmentationen an
Schleimhäuten betont worden.
So ist bei Leredde und Bertherand (1898) = Jehl (1898,
Fall 1) ausdrücklich angegeben, dass keine „Döcoloration des mu-
queuses*' bestehe.
Bei Thibiferge (Soc. m6d. d. höp., 1898) besteht „aucune trace
de pigmentation sur la muqueuse buccale“.
Auch in dem Falle von Revilliod (1900), der unter dem Bilde
eines Morbus Addisonii verlief, werden die Schleimhäute ausdrücklich als
normal bezeichnet.
Jedenfalls scheinen Pigmentationen der Schleimhäute, wenn
auch selten, vorzukoimnen.
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Was die Fibrome anlangt, so werden zahlreiche innere Organe
von ihnen befallen.
Merken (1899, Fall 2) sah einen roggenkorngrossen Tumor der
Mundschleimhaut, Tailhefer (1897) einen solchen der Zunge und des
Mundbodens, ebenso Marie und Couvelaire (1899, 1900), Kriege
(1887, Fall 1) eine Geschwulst der Zungenschleimhaut
Plucker (1891) beobachtete bei seinem Kranken einen Tumor
an derselben Stelle. Bei der Kranken von Sorgo (1902) fanden
>ich zwei kleine Knötchen am Zungenrücken in der Nähe des Zuiigen-
grundes.
Speransky’s Patientin (1895) zeigte einen Tumor am harten
Gaumen, desgleichen fand sich in meinem Fall 10 (1901) eine linsen¬
grosse weiche Geschwulst etwas rechts von der Medianlinie des barten
Gaumens.
Furet (1897) sah einen Tumor der Tonsille, Gerhardt-Riesen¬
feld (1876/78) Neurome des Larynxeinganges. Bei der ebenerwähnten
Kranken von Sorgo (1902) sassen im Innern des Larynx multiple
mehr oder weniger gestielte Tumoren, die sich bei der mikroskopischen
Untersuchung als aus tuberkulösem Granulationsgewebe bestehend offen¬
barten. Ob es sich um eine Mischform von Neurofibrom und Tuber¬
kulose oder um eine sekundäre tuberkulöse Infektion der Larynxfibrome
handelte, liess sich histologisch nicht entscheiden.
Riehl und Stimmet (1897) sahen unter dem oberen Augenlid
kirschkerngrosse, von der Schleimhaut des Lids ausgehende Fibrome.
Sonst will Riehl (1897) nur einen Fall gesehen haben, bei dem an
der Wangenschleimhaut und am Gaumen mehrere Geschwülste sassen.
Nächst der Mundschleimhaut scheint der Magendarmtractus
ein Prädilektionssitz innerer Tumoren zu sein.
So beschreibt San gal li (1860, Fall 2) Tumoren auf der äusseren
Oberfläche des Magens, Wegner (1869) unter anderem solche an der
kleinen Kurvatur des Magens.
v. Recklinghausen fand in seinem Fall 1 (1882) miliare
Fibrome der Magen- und Darmserosa; zugleich waren weiche Fibrome am
Periost der Tibiae vorhanden. Solche sah ich auch in meinem jüngst
beschriebenen Fall (1902) neben Fibromen der Magen- und Darm-
^erosa und solchen am Peritoneum.
Modrzejewski (1882) konstatierte das Vorhandensein je eines
kleinen Fibroms im Ileum und Colon transversum. Aehnliches sahen
P. Marie und Couvelaire (1900); Siemens (1874) sah multiple
Neurome des Mesenteriums. Ebenda zeigte auch mein Fall 6 eine
reichliche Neurofi bromen twi ckel u n g.
Kohtz (1893) fand bei der Sektion seines Falles Tumoren in der
Dannwand und vermutet eine Beziehung derselben zum Auerbach'schen
Plexus. Desgleichen Askanazy (1899).
In dem Falle von Berggrün (1897), der durch eine überaus
reichliche Neurofibromentwickelung an fast sämtlichen Hirn- und Rücken¬
marksnerven, sowie auch am Sympathicus ausgezeichnet ist, wurden
Tumoren in grösserer Anzahl an inneren Organen gefunden, so in den
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Quer- und Längsfurchen des Herzens, an der kleinen Kurvatur de*
Magens, unter der Schleimhaut des Dünndarms und in dem Mesenterium.
Alle diese Geschwülste standen mit Nerven im Zusammenhang.
In dem Falle von Posthumus (1900) zeigte das Omentum
ein „Netzwerk feiner, grauer Fäden mit kugel- und fusiförmigen An*
Schwellungen“.
Neben Nerven- und Hauttumoren bestanden in dem Falle von
Preble und Hektoen (1901) auch solche im Mesenterium und Darm.
Im Fall 1 von Kyrieleis (1885) deckte die Autopsie Bindege-
webstumoren auf der Magenserosa und Harnblasen Oberfläche, am Ductu*
cysticus und choledochus, an der Pfortaderwand und dem periportalen
Gewebe auf.
In Fall 2 von Kyrieleis (1885) fanden sich Fibrome der
Magendarmserosa.
In Gerhardt-Riesenfeld’s Fall (1876/78) fanden sich reich¬
liche und grosse Knoten im Plexus coeliacus und mesentericus superior
und inferior und in den Plexus viscerales; so findet sich vor der linken
Niere ein Tumor, der um ein Viertel grösser ist als die Niere selbst;
in ihn tritt von oben ein verdickter Nerv aus dem Plexus solaris. Sehr
stark ist der Plexus hepaticus affiziert. Am Hilus finden sich grosse
Paquete von Knoten neben der Arterie; aber auch im Innern der Leber
bis zu den kleinsten Aesten findet sich dieselbe umgeben von einer An¬
zahl von Knoten. Das Mesenterium ist voll von Tumoren, selbst auf
den Darmschiingen finden sich noch solche vor. Am Blasenhals, an den
Samenbläschen sind reichliche Neurome vorhanden, ebenso am Pankreas.
Pomorski (1887, 1888) fand bei seinem ad exitum gekommenen
Patienten einen Tumor der Pleura, welcher ein Rankenneurom darstellte
und von einem Intercostalnerven ausging.
Bei der Autopsie der Patientin von Koenigsdorf (1889) = Du
Mesnil (1890) ergab sich das Vorhandensein von multiplen Fibromen
des Rachens und der Leber und eines Fibroms der Dura mater. Weiter
fanden sich auch solche in den Nieren.
Im Falle von Posthumus (1900) fanden sich Knötchen im Nieren¬
becken, welche in Reihen geordnet stehen.
Westphalen’s Patientin (1887) zeigte bei der Autopsie multiple
Fibrome der Pleurae und einen bindegewebigen Tumor der Dura mater.
Spärlich sind die Angaben über das Vorkommen von Neuro¬
fibromen in den Muskeln.
Ich sah solche zahlreich in meinem Falle 6 (1901); Brigidi
(1894) fand in einem Muskel (M. biceps femoris) neurofibromatöse Knoten.
Satterthwaite (1880), Zu.sch (1900) und Preble und Hektoen
(1901) auch intramuskulär gelegene Knötchen.
P. Marie und Couvelaire (1900) erwähnen solche neben Atrophie
zahlreicher Muskelfasern.
Fs stellen diese Lokalisationen der Neurofibrome an allen den
erwähnten Organen weiter nichts dar, als eine lokale Fibrombildung
an einzelnen Hirnnerven, Teilen des Sympathicus und einzelnen Ab¬
schnitten des peripheren Nervensystems.
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Nachdem ich in den vorigen Abschnitten die Erscheinungen
von Seiten der Haut geschildert, die multiplen Geschwulstbildungen
an den grösseren Nervenstämmen, den Nervenwurzeln und den Hirn¬
nerven, desgleichen am Sympathicus in Bezug auf ihre anatomische
Verteilung, Lokalisation, Grösse etc. eingehend besprochen habe,
erübrigt es, ihre klinischen Erscheinungen gesondert abzuhandeln.
Ich werde dabei so verfahren, dass ich zunächst ein Bild der
klinischen Erscheinungen der Haut- und Nerventumoren
entwerfen werde, sodann die Klinik der Tumoren der Hirn-
nerveu und Hirnnervenwurzeln, weiterhin der Rückenmarks¬
wurzeln behandeln und zum Schluss die klinischen Erschei¬
nungen der Fibrome des Sympathicus betrachten werde.
Zahlreich sind die Fälle, in denen die Neurofibrome speziell
an den peripheren Nerven und an den Himnerven klinisch keine
Erscheinungen machten. Im allgemeinen machen sie deshalb wenig
und so selten Symptome, weil der Grad derselben abhängig ist von
den Reiz- oder Ausfallserscheinungen, die ihrerseits wieder bedingt
sind durch den Grad der Kompression der von dem Fibrom ein¬
geschlossenen Nervenfasern.
Was zunächst die klinischen Erscheinungen, welche die
Haut- und Nerventumoren (peripherer Nerven) machen, betrifft,
so wäre zunächst eine Gruppe von Erscheinungen zu besprechen,
welche ihre Quelle in der Zahl, Grösse und besonderen Lokalisation
der Geschwülste haben.
Dieselben können nicht nur durch ihre Zahl und Grösse —
wog doch die eine Geschwulst in Hecker's Fall (1858) 38 Pfund,
in Virchow's Beobachtung (1863) 32 1 / 2 Pfund — lästig fallen,
sondern auch durch ihre Lokalisation als mechanisches Hindernis
der Gelenkfunktion beim Gehen behinderlich sein (Lebert, 1857,
Fall 1; Müller, 1884) oder störend wirken im Gebrauch der Arme,
(v. Gern et, 1892), beim Sehen, indem das obere Augenlid, als dicker
Lappen herabhängend, das Auge verdeckt (Sangalli, 1860, Fall 1;
Billroth, 1863, 1869, 1872; P. v. Bruns, 1870, Fall 3 und 4;
Labbö, 1882; Jacqueau, 1895; Delens, 1898; Lanz, 1901), bei
der Mundöffnung (Neumann, Atlas, 1890; Kaposi, 1899, p. 771),
endlich anginöse Beschwerden bei Sitz des Neurofibroms an der
Tonsille (Furet, 1897) hervorrufen.
Hierher zu rubrizieren wären auch kompensatorische, durch die
Schwere des einen oder anderen grösseren Tumors bedingte Wirbelsäulen¬
verkrümmungen, die mit den später zu besprechenden, unabhängig von
solchen Kolossaltumoren auftretenden Verkrümmungen des Skeletts nichts
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zu thun haben und meist oder in der Regel nach Abtragung derselben
verschwinden, so z. B. in den Fällen von Müller (1884) und Hahn
(1888).
Die in Czerny’s Falle (1874) bestehende Skoliose dürfte auch
zum wesentlichen Teil durch die Grösse und das Gewicht des Tumors
des Rückens bedingt gewesen sein.
Eine ganze Reihe anderer, sensibler und motorischer Er¬
scheinungen ist direkt auf die Fibromentwickelung an den peri¬
pheren Nerven zurückzuführen.
Ich will aber gleich hier bemerken, dass eine scharfe Trennung
dieser Gruppe von Störungen von solchen, die durch Läsionen des
Centralorgans hervorgerufen sind, nicht immer durchzuführen ist, da
entweder die Autopsie überhaupt fehlt oder dieselbe neben Tumoren
der Rückenmarks wurzeln noch das Vorhandensein von Neurofibromen
am peripheren Nervensystem ergab.
Objektiv sind Sensibilitätsstörungen der Haut im Bereiche
der Neurofibromknoten sowohl, wie ausserhalb derselben in der
Regel nicht nachzuweisen.
Indes gibt es Ausnahmen:
Abstumpfung der Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfindung
sah Landowski (1894) in seinen beiden Fällen (1 und 2), leichte
Herabsetzung der Berührungseinpfindung im Bereich der die Tumoren
bedeckenden Haut konstatierten Hartmann (1896), Delens (1890).
Merken (1899, Fall 1), Danlos (1900) und ich in meinen Fällen
1 und 8 (1901), Herabsetzung des Schmerzgefühls sahen Feinde!
(1896, Fall 2) und Hartmann (1896). Sonst sind beobachtet Ab¬
stumpfung des Drucksinnes, des Temperatur- und Muskelsinnes von
Petren (1897), flüchtige, unscharf begrenzte, schlecht systematisierte An¬
ästhesien , allgemeine Herabsetzung der Hautsensibilität von P. Marin
(1894/95, Fall 1 und 2), gleichnmssige Herabsetzung der Sensibilität
an einer oberen Extremität für alle Qualitäten bei einem Neuromyxom
des Plexus brachialis in meinem Falle 10 (1901). Eigentliche
typische, dissociierte Anästhesien haben Landowski (1894, Fall 1
und 2), Thibi&rge (Soc. m6d. de höp., 1898) und Haushalter (1900)
vermisst.
Bazin gibt (1862, p. 450) für seinen Fall an, dass die Sensibi¬
lität der die Tumoren bedeckenden Haut und der Geschwülste selbst
für die verschiedenen Qualitäten abgestumpft war („leur sensibilitä aux
divers modes d’excitation 6ta.it assez obscure“).
Bergmann (1869) berichtet von einem 53jährigen Arbeiter,
welcher eine Anästhesie der oberen Körperbälfte, ganz gleich der leprösen
Anästhesie, darbot und an schiessenden Gliederschmerzen und grosser
Kraftlosigkeit litt.
In dem einen Falle von Herczell (1890, Eva Merschei, Mutter*
ist die „Haut am Stamme etwas unterempfindlich“.
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In dem Falle 3 von Hashimoto (1890) war das Empfindungs¬
vermögen der Haut nach Weber’s Methode überall vermindert; nur an
Lippe, Zunge, Volarfläche der Finger ist der Tastsinn annähernd normal.
Ueber den Tumoren ist er überall stark herabgesetzt. Die Verminderung
scheint mit der Grösse der Geschwulst zuzunehmen. Der Temperntur-
sinn ist so vermindert, dass über der grossen Geschwulst am Rücken
und am linken Arm Eis und Wasser von 45° nicht unterschieden
werden; über den ca. bohnengrossen Geschwülsten ist dies dagegen
möglich. Auch zwischen den einzelnen Tumoren ist der Temperatursinn
stark vermindert. Die Schmerzempfindung ist gleichfalls geringer. Die
Haut der grossen Tumoren ist unempfindlich gegen Nadelstiche und
ziemlich starkes Kneifen. Das Gleiche gilt für den Drucksinn; so wird
an der grössten Geschwulst, am Rücken, ein Druck erst bei einer Be¬
lastung von 9 kg wahrgenommen.
Bourcy und Laignel-Lavastine (1900) berichten bei ihrer
Patientin von einer Erweiterung der Weherrschen Tastkreise auf der
Rückseite der rechten Schulter und des rechten Oberarmes und von
einer Verkleinerung derselben auf der Rückseite des rechten Vorder¬
armes. Die ganze rechte obere Extremität war der Sitz von äusserst
hartnäckigen Neuralgien.
Tikanaze (1901) gibt für seinen Patienten an, dass an Stellen,
wo die grösseren Geschwülste sitzen, die Tasl-, Temperatur-, sowie die
Schmerzempfindung bedeutend herabgesetzt seien.
Der eine Patient von Schüle (1902) bot eine universelle An¬
ästhesie gegen Schmerz und eine handschuhförmige Anästhesie der Finger,
welche der Autor als kongenitale, mit den Neurofibromen der Haut zu¬
sammenhängende Gefühlsstörungen oder wenigstens als eine Ueberlage-
rung der angeborenen Sensibilitätsstörung mit Hysterie auffassen möchte.
Von anderer Seite wurden sie freilich als rein hysterische Symptome ge¬
deutet, zumal es sich um einen Unfallkranken handelt
Die Sensibilität im Bereiche der Geschwulst der linken Hand bei
dem Chinesen von Perthes (1902) war deutlich herabgesetzt, aber nicht
vollständig aufgehoben.
In meinem jüngst beschriebenen Falle (1902) bestanden
Bensibilitätsstörungen nur im Bereiche der grösseren Tumoren in Form
einer erheblichen Herabsetzung der Schmerzempfindung; im Bereiche der
übrigen, speziell der kleineren Tumoren, der sackartigen, mehr flächen¬
haften Geschwülste des rechten Armes, der rechten Schultergegend etc.
ist eine ähnliche Störung der Schmerzempfindung nicht nachzuweisen.
Auch im Bereiche der übrigen Partien des z. T. gelähmten rechten
Armes fehlten Sensibilitätsstörungen, und zwar für sämtliche Qualitäten.
Gelegentlich bestehen Hyperästhesien, eine ganz ungewöhnliche
Empfindlichkeit der Haut gegen Reize jeder Art (Menke 1898;
Labouverie 1899, Fall 5; mein Fall 5, 1901, bei zugleich be¬
stehender Intercostalneuralgie).
Der zweite Patient von Schüle (1902) zeigte am Gesicht und an
den Armen eine Hyperästhesie.
Subjektive Beschwerden machen Neurofibrome gar nicht
so selten.
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Es sind vor allein Wadenkrämpfe, heftige Krämpfe in den Gliedern
(Hallopeau 1887; P. Marie 1894/95, Fall 1; Landowski 1894,
Fall 1; v. Büngner 1897; Hoisnard 1897/98; P6an 1897; La-
bouverie 1899, Fall 1 und 5), Brennen, Reissen, lancinierende Schmerzen
(Schuh 1851, 1854; Garrö 1892, Fall 17; P. Marie 1894/95,
Fall 1; Feindei 1896, Fall 1, 2, 3, 4; Feindei und Oppenheim
1898, Fall 1; Zusch 1900; Al. Thomson 1900, Fall 1, p. 123;
Posthumus 1900), die ihren Ausgangspunkt von dem Tumor selbst
nehmen und sich von demselben nach der Peripherie hin ausbreiten und
deren „Heftigkeit keinen Schlaf erlauben und Ohnmächten oder Krämpfe
selbst unter der Form der Epilepsie bedingen können“ (Schuh 1851,
1854).
Weiterhin wurden beobachtet: Neuralgien beider Füsse bei aller¬
dings gleichzeitig bestehendem Pes planus (Grün 1886), hartnäckige,
jeder internen Therapie trotzende Neuralgien eines Armes und zeitweise
sehr starke Schmerzen in den Beinen (Bourcy und Laignel-L«vn-
stine 1900), Brennen, Kriebeln, lancinierende Schmerzen im Arm in
meinem Falle 10 (1901) bei Neuromyxom der Supraclaviculargegend,
desgleichen in dem von mir jüngst beschriebenen Fall (1902).
Beim Kranken von Sorgo (1902) — bei dem übrigens keine
Nerventumoren nachzuweisen sind — besteht ab und zu ein ausstrahlen¬
der Schmerz im linken Arm, namentlich im Daumen.
Bei der Patientin von Shattock (1887) bestanden Neuralgien des
linken Armes.
Ich sah weiter in meinem Falle 5 (1901) eine hartnäckige Inter-
costalneuralgie, P. Marie (1894/95, Fall 1 und 2) Arthralgien, des¬
gleichen Bergmann (1869), die in den Fällen von Feindei (1896,
Fall 3 und 4) an einen Rheumatismus denken Hessen.
Mein Fall 8 (1901) wies eine hartnäckige, häufig recidivierende
Ischias auf.
Der Kranke von Revilliod (1900) litt an Kreuzschmerzen.
In dem Fall von Bourcy und Laignel-Lavastine (1900) be¬
standen sensible Störungen, wie Kriebeln, Ameisenlaufen, Vertaubungs¬
gefühl, in Fall 1 von A. Philippson (1888) Jucken in der Haut bei
allerdings bestehendem Lichen ruber älteren Datums. Mein Patient
in Fall 1 (1901) hatte starkes Jucken in der Haut beim ersten Auf¬
treten der Geschwülste.
Gelegentlich fehlen aber subjektive Beschwerden, so auch in
meinem Falle 6 (1901) trotz der ausserordentlichen Ausdehnung
des Prozesses, speziell was die Nerven der unteren Körperhälfte be¬
traf. Jedoch zeigt derselbe Fall lokale Schmerzhaftigkeit eines
Tumors in der rechten Lendengegend und eines solchen auf der
Hinterseite des rechten Oberschenkels.
In Hallopeau’s Fall (1889) sind die Tumoren gelegentlich
auf Druck empfindlich.
In dem Fall von Vezely (1897) waren die Tumoren im allge¬
meinen druckempfindlich; bei Druck auf die Tumoren am Arm strahlten
die Schmerzen bis in die Fingerspitzen aus.
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Sensible Störungen können anfangs deutlich peripheren Ur¬
sprungs sein, später aber die Charaktere einer centralen Läsion dar¬
bieten.
So hatten sich in dem Falle von v. Büngner (1897) die
Schmerzen anfangs wesentlich auf die Vorder- und Innenseite des rechten
Oberschenkels beschrankt und wiesen damals auf eine periphere Ursache
hin, die thatsächlich in multipler Tumorbildung am N. cutan. fern, int.
med. und N. saphen. maj. ihren Grund hatten und nach Exstirpation
auf einige Monate verschwanden. Alsdann aber traten paroxy amen weise
sich einstellende, mit heftigen Schmerzen verbundene tonische Kon¬
vulsionen auf und zwar in der ganzen Ausdehnung beider unteren Ex¬
tremitäten, welche sich infolgedessen in fast sämtlichen Gelenken in
Kontraktur stellten, so dass eine centrale (medulläre) Ursache ange¬
nommen werden musste.
Oder aber es finden sich, wie in dem Falle von Berggrun
(1897), an einem und demselben Individuum neben sensiblen Störungen
deutlich peripheren Charakters auch solche, die auf einen centralen
Ursprung derselben hinweisen.
An der Innenseite des rechten Vorderarmes, entsprechend der
Stelle, wo ein grosser, bis in die Mitte der Vola manus reichender Tumor
gefunden wurde und welche dem Verzweigungsgebiet des N. medianus ent¬
sprach, war die Sensibilität herabgesetzt Daselbst waren stärkere Reize
nötig, um eine Schmerzempfindung hervorzurufen, auch besann sich der
Patient längere Zeit, bevor er den Ort der Berührung anzugeben wusste,
so dass also an diesen Stellen eine herabgesetzte Sensibilität und eine
Verlangsamung der Leitung Vorlagen.
Wesentlich andere Resultate ergab die Untersuchung des unteren
Körperabschnittes und der Beine. Schon von Nabelhöhe angefangen,
konnte eine merkbare Herabsetzung der Gefühlsinnervation der Haut
nachgewiesen werden, welche an den unteren Extremitäten noch merk¬
barer und greller wurde. Man konnte also sagen, dass, vom 2. bis 12.
Dorsalis angefangen, eine hochgradige Herabsetzung, vom ersten Lum-
balis an eine vollkommene Aufhebung der Sensibilität vorhanden war.
Diese Verhältnisse galten sowohl für die rechte, wie für die linke Körper¬
hälfte. Auch die Motilitätsverhältnisse und die elektrische Untersuchung
ergaben entsprechende Unterschiede zwischen den Muskeln der oberen und
unteren Extremitäten: an den oberen (ausser qualitativem Unterschied)
nichts Besonderes; die Untersuchung der elektrischen Reizbarkeit an den
Beinen ergab eine ganz bedeutende Verminderung, teilweise eine vollständige
Aufhebung derselben, galvanisch sowohl wie faradisch. Die elektro-
cutane Sensibilität war dabei an den Armen erhöht, an den Beinen
stark herabgesetzt.
Es wiesen somit die Resultate der elektrischen Untersuchung
darauf hin, dass als Ursache für die vollkommene Parese der unteren
Extremitäten und die ausgedehnte Sensibilitätsstörung der unteren Körper¬
hälfte eine Querschnittsunterbrechung des Rückenmarkes angenommen
werden musste, während die Störungen des rechten Vorderarmes auf einen
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peripheren Ursprung hindeuteten. Die Autopsie bestätigte diese Deduk¬
tionen in allen Punkten.
Weniger häufig sind motorische Störungen durch Neuro¬
fibrome der peripheren Nerven bedingt worden.
Von solchen sind in der Literatur erwähnt:
Schleifender, mühsamer Gang (Landowski 1894, Fall 1), Schwäche
in den Beinen (Kittmann 1884; Spillmann und Etienne 1898.
Fall 2), Lähmung des Plexus brachialis (Bevor 1901; mein Fall 10.
1901, und mein jüngst beschriebener Fall 1902: in diesen beiden
Fällen bedingt durch ein Neuromyxom des Plexus), motorische Reiz¬
erscheinungen, Zuckungen, choreatische Bewegungen, tonische und klonische
Krämpfe (P. Marie 1894/95, Fall 1; Labouverie 1899, Fall 1
und 4), Tremor (Feindei 1896, Fall 1 und 2; Revilliod 1900).
Auch motorische Störungen können anfangs eine periphere Ur¬
sache haben und später sich zu anderen Lähmungen aus centraler
Ursache hinzugesellen.
Die im Anfang in dem Falle von Sieveking (1896) beobachtete
Peroneuslähmung möchte der Autor auf eine lokale Störung im Ver¬
laufe des Nerven zurückführen, während alle übrigen Lähmungserschei¬
nungen, die später eintraten, ihre Erklärung in einer Kompression des
oberen Cervikalmarkes fanden.
Schwerere Motilitäts- und Sensibilitätsstörungen, d. h. moto¬
rische und sensible Lähmungen, pflegen für gewöhnlich die multiple
Neurofibrombildung der peripheren Nerven nicht zu begleiten.
Immerhin kommen solche ausgesprochene Störungen vor, und mein
Fall 10 (1901) und mein jüngst beschriebener Fall (1902)
sind imstande, ein solches Vorkommen zu illustrieren.
Dass Lähmungen gewöhnlich ausbleiben, erklärt sich aus der
Thatsache, dass die Nervenfasern meist ziemlich intakt die Ge¬
schwulst passieren und nur eine Kompression durch das Fibrom
erleiden. (Fortsetzung folgt.)
Ueber die Puerperaleklampsie.
Kritisches Sammelreferat über die von 1890 bis Ende Juni 1902
erschienenen Arbeiten.
Von Dr. Josef Schnürer, Wien.
(Fortsetzung.)
Prognose.
Die Prognose der Eklampsie ist, wie es bei dem differenten
pathologisch-anatomischen Befunde nicht anders zu erwarten steht,
stets eine valde dubia [Wyder 404 )], und zwar nach der guten wie
nach der schlechten Seite hin. Bei keiner Erkrankung gestaltet
sich das traurigste Krankheitsbild so rasch in ganz unerwarteter
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Weise besser als bei der Eklampsie, so dass im einzelnen Falle jede
Prognose unmöglich wird [Bidder 299 ), Bayer 298 ), Gessner 33 °),
Staude 391 ), Wertheim 401 ), Wyder 404 ), Ohlshausen 871 ) u. a.].
Selbst die Zahl der Anfälle, von denen man am ehesten Auf¬
schluss über die Prognose erwarten könnte, ist kein verlässlicher
Anhaltspunkt. Es gibt Todesfälle mit wenigen, ja selbst ohne Anfälle,
öfter auch nach Sistieren der Krämpfe, und andererseits Genesung
nach vielen (35 Anfälle, Kidd cit. b. Fest). Kakuschkin 348 ) sali
Genesung bei einer 27 jährigen I-para, die bei einer Drillingsgeburt
15 Anfälle hatte, Towsend Tod nach zwei Anfällen, Genesung
nach 25 Anfällen und schweren Krisen. Allerdings ist es richtig,
dass die Zahl der Anfälle [Dührssen 322 )], vor allem aber die Rasch¬
heit ihrer Aufeinanderfolge und ihre Intensität die Prognose un¬
günstig stellen lassen [Bidder 299 ), Dührssen 322 ), Gürich 340 ),
Ahlfeld 295 ), Goldberg 338 ), Geuer 331 ), Wyder 404 ), Ohlshausen 371 ),
Zweifel 406 )]. Neben den Krämpfen ist der Verlauf des folgenden
Comas stets in Betracht zu ziehen; bald nach den ersten Krämpfen
eintretendes, die Zwischenpausen vollständig ausfüllendes Coma ist
recht ungünstig zu beurteilen [Wyder 404 )]. Dagegen ist die Zahl
der Anfälle für das Leben des Kindes wichtig, indem über 17 An¬
fälle fast stets mit dem Tode des Kindes verbunden sind (Büttner 307 )].
Nach mehr als 10 Anfällen kamen nur mehr 17 °/ 0 der Kinder
lebend zur Welt [Glöckner 334 )]. Dass das Sistieren der Krämpfe
durchaus nicht Heilung bedeutet, sondern recht oft der Tod später
im Coma eintritt, ist allbekannt und bei der Schwere der bereits
gesetzten anatomischen Veränderungen leicht begreiflich.
Bezüglich der Prognose quoad restitutionem resp. einer folgenden
Gravidität stimmen alle Beobachter überein, dass die Wiederholung
der Eklampsie bei derselben Frau in einer späteren Schwangerschaft
äusserst selten [Drejer 320 )], aber doch nicht ganz ausgeschlossen ist.
Ohlshaii8en 371 ):Unter200 Eklampsien zweimal wiederholte Ek lampsie.
Morawcik 368 ) sah in 28 Fällen einmal wiederholte Eklampsie.
Fett 827 ) konnte 33 solche wiederholte Eklampsien aus der Literatur
zusammenstellen. Goedecke 336 ) fand sie unter 403 Eklampsien zu
2,2°/ 0 vertreten, Kerr in 80 Fällen zweimal, Dührssen 322 ) in
200 Fällen dreimal, Büttner 307 ) viermal in 179 Fällen, Roman 377 )
unter 23 Eklampsien zwei wiederholte Eklampsien, in einem Falle
sogar dreimal, Goldberg 338 ) von 1L Mehrgebärenden zwei mit
wiederholter Eklampsie. Blandeau 801 ) verfolgte das Schicksal von
23 Frauen, die bei der Geburt Eiweiss im Harne aufwiesen, durch
2 1 /, Jahre und konstatierte, dass 13 Frauen bei der nächsten
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Gravidität kein Eiweiss ausschieden; drei Frauen hatten Eklampsie
eine sogar bei der ersten Geburt 11 Anfälle, ohne dass bei der spä¬
teren Gravidität Eklampsie, ja sogar nur Eiweiss aufgetreten wäre.
In acht Fällen war wieder Albuminurie, jedoch in geringerem Masse
als früher zu konstatieren, nur in zwei Fällen trat Verschlimmerung
ein: eine Frau erkrankte an Eklampsie, die andere erlitt eine Früh¬
geburt eines macerierten Kindes. Löhlein 358 ) findet in 22 von 248
überlebenden Eklampsien andauernde Nierenstörungen (0,5 °/ 0 ), die
11 mal als chronische Nephritis eingetragen waren. Roman 377 ) verfolgte
die Schicksale von 23 Frauen, die an Eklampsie erkrankt waren,
und konnte bei 14 Störungen beobachten, welche die Frauen be¬
stimmt erst von der Erkrankung datierten: Gedächtnisschwäche,
Kopfschmerz, Neigung zu Ohnmachteu, Ueblichkeiten u. s. w.
Erwähnenswert ist die Angabe Meenen’s 365 ), der aus zwei Be¬
obachtungen einen befördernden Einfluss der Eklampsie auf Tuber¬
kulose annehmen zu sollen glaubt.
Einiges Gewicht ist auch auf den Verlauf der Temperatur¬
kurve zu legen. Solange dieselbe den Anfällen entsprechend ver¬
läuft, das heisst während der Krämpfe ansteigt und mit dem Auf¬
hören derselben wieder abfällt, ist die Prognose selbst bei 41° nicht
ungünstig zu stellen [Gmeiner 838 )]. Falls aber dem Sistieren
des Anfalles kein Temperaturabfall folgt, sondern im Gegenteil
die Tendenz zum weiteren Ansteigen besteht, oder falls unverhältnis¬
mässig früh sehr hohe Werte auftreten, dann ist die Vorhersage
äusserst ungünstigzu stellen [Wyder 404 ), Gmeiner 383 ), Zweifel 406 )].
Goedecke 886 ) betrachtet schon eine Steigerung über 39,5° als pro¬
gnostisch ungünstig. Der Puls kommt insofern prognostisch in Be¬
tracht, als grössere Anzahl der Schläge, wechselnde Füllung und
Schlagfolge, namentlich in den Zwischenpausen, ein Signum mali
ominis abgeben. Goldberg 338 ), Ohlshausen 371 ), Knapp 353 ) konnten
die Erfahrung machen, dass eine Pulsfrequenz über 100 ungünstig
zu beurteilen sei, desgleichen andauernde Cyanose und Dyspnoe
[Ahlfeld 195 )]. Icterus gibt bei Eklampsie nach Audebert 297 ) eine
sehr schlechte Prognose: von vier eklamptischen Frauen mit Icterus
starben drei. Genau dieselben Zahlen finden sich bei Goedeke* 36 ).
Konzentrierter dunkel roter, bluthaltiger Harn in geringer Menge oder
Anurie ist recht schlecht zu beurteilen [Zweifel 406 )], während rasche
Zunahme der Harnmenge und Abnahme des Albumens und der ge¬
formten Bestandteile nach der Geburt eine günstige Prognose zu
stellen berechtigen [Wyder 404 )]. Ebenso ist das Aufhören der
Eklampsie in der Schwangerschaft bei lebendem oder totem Kinde
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günstig zu beurteilen, da es in diesen Fällen bei der Geburt fast nie¬
mals zu Krämpfen kommt. [Ohlshausen 371 ), Drejer 3 * 0 ).] Dewar 314 )
beobachtete bei einer 28jährigen I-para im 6. Monat 20 Anfälle;
Geburt am Ende der Schwangerschaft normal. Andererseits können
aber die Anfälle auch nach längerer Pause (11 Tage bis zwei Mo¬
nate) wieder eintreten [Maygryer 361 )].
Die zahlengemässen Angaben über die Mortalität nach der
Zahl der Anfälle und der Zeit ihres Eintritts (Schwangerschaft,
Geburt, Wochenbett) linden sich im statistischen Teile angeführt.
Therapie.
Literatur.
408) Abel, Disk, zu Döderlein. Ref. in Schmidt’s Jahrb., Bd. CCXLII,
in, p. 224.
409) Adler, Transitorische Eklampsie; Amaurose intra graviditatem. Prager
med. Woch. 1898, p. 110.
410) Ahlfeld, Genese, Prophylaxe und Behandlung der Eklampsie. Deutsche
Praxis 1901.
411) Alford, cit. bei Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
412) Allen, Behandlung der Eklampsie mit Salz Wasserinfusionen. Americ.
Journ. of obstetr., Mai 1898. Ref. in M. m. W. 1899, p. 1095.
413) Arnaud, Präventiv - Behandlung der puerperalen Eklampsie. Gaz. des
Hop. 1892.
414) Audebert, Genfer Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV,
p. 466.
415) Bäcker, Disk, zu Doktor. Ref. in C. f. G. 1898, p. 589.
416) Barone, Eklampsie. Ressagna di ost. e gin. 1896. Ref. in C. f. G.
, ® 97 . P- 93 i-
417) Barrows, cit. bei Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 329.
418) Bayer, 50 Fälle von Eklampsie. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. X, p. 25.
419) Bellantyne, Ueber die Behandlung der Eklampsie. Ges. f. Geburtsh.
in Edinburgh, 9. Mai 1900. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XII, p. 242.
420) Beaucamp, Disk, zu Bayer. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XII, p. 655.
421) Bernheim, Behandlung der puerperalen Eklampsie mit besonderer Be¬
rücksichtigung der subkutanen Salzwasserinfusionen. Th6se de Paris 1893. Ref. in
C. f. Geb. 1894, p. 1155.
422) Ders., Behandlung der Eklampsie. M6d. moderne 1893, Nr. 91. Ref.
in Fortschr. d. ges. Med. 1894, p. 1156.
423) Bernheim u. Porak, cf. Porak u. Bernheim.
424) Bidder, Ueber 455 Fälle von Eklampsie. A. f. G., Bd. XLIV, p. 165.
4251 Biermer, Sectio caesarea wegen Eklampsie. M. m. W. 1899, p. 1565
426) Bockeimann, Disk, zu Dührssen. Ref. in C. f. G. 1892, p. 123.
427) Boissard, Behandlung der Eklampsie p. part. Presse m6d. 1898.
428) Bolle, Zur Eklampsiefrage. Ges. f. Geb. in Berlin, 13. Juli 1900. Ref.
in C. f. G. 1900, p. 1232.
429) Bossi, Genfer Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 470.
430) Boyd, cit. bei Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
431) Braitenberg, Zur Kasuistik der Eklampsie. Wiener klin. Wochen¬
schrift 1902, p. 167.
432) Braun, R., Ueber die in den letzten 10 Jahren ausgeführten Sectiones
caesareae. A. f. G., Bd. LIX, p. 320.
433) Büttner, Die Eklampsie im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin u. s. w.
A. f. G., Bd. LXV, p. 465.
434) Bröse, Disk, zu Ohlshausen. Berl. klin. Wochenschr. 1892, p. 151.
435 ) Bruin, Geburtshilfe beim Rind. Berlin 1902.
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436) Bryce, cit. bei Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
437) Bu rin eist er, Sectio caesarea bei Eklampsie. C. f. G. 1898, p. 315.
438) Byers, Genfer Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
439) Caillaud, Ein Fall von Eklampsie. Graz, des Höp. 1898.
440) Caldarini, Kongress in Rom 1894. Ref. in C. f. G. 1894, p. 473.
441) Casiccia, lieber die Behandlung der Eklampsie. Pammatone 1897.
Ref. in C. f. G. 1898, p. 337.
442) Catto, Puerperal - Eklampsie. Amer. gyn. and obst. Journ. 1896. Ref.
in C. f. G. 1897, p. 1032.
443) Chaleix, Genfer Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
444) Chandler, c. b. Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
445) Charke, Ebenda.
446) Charles, Ueber die Behandlung der Eklampsie. Genfer Kongress. Ref.
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447) Charpentier, Die Behandlung der Eklampsie. Nouv. arch. de obstfctr.
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448) Ders., Genfer Kongress 1895. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn. 1895,
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449) Ders., Ueber Eklampsie. Acad. de m£d. de Paris. Ref. in M. m. W.
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450) Ders., Statistik der Eklampsiebehandlung. Gaz. mM. 1893.
451) Christison, Veratrin. virid. in der Behandlung der Eclampsia puerpe-
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452) Chrobak, Disk, zu Löhlein. C. f. G. 1891, p. 525.
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454) Clifton, Ebenda.
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456) Claiborn, Ueber puerperale Eklampsie. Med. age 1889. Ref. in C.
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457 ) Corsin, Ein Fall von Eclampsia puerperalis. Spitalul. XX, p. 19 -
Ref. in Schmid, CCLXIX, p. 55.
458) Courteney, c. b. Fest.
459 ) Czempin, Ges. für Geb. in Berlin, 24. Nov. 1892. Ref. in Z. f. G-,
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460) Ders., Ebenda, 8. Jan. 1892. Ref. in C. t. G. 1892, p. 129.
461) Davis, Toxämie der Schwangeren, ihre Diagnose und Behandlung. Amer.
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462) Ders., Ges. f. Geb. in Philadelphia, 17. Febr. 1898. C. f. G. 1899, p. 9 °-
463) Ders., Aetiologie der Eklampsie und Diagnose der drohenden. Ges. f.
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464) Demelin, Ges. f. Geb. in Paris 1895. Ref. in C. f. G. 1895, p. 1 33 2 *
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466) D öd erlein Die Therapie der Eklampsie. M. m. W. 1894, p. 509«
Diskussion: Schmid, Bd. CCXLII 1 , p. 224.
467) Dohrn, Tonische Muskelkontraktion bei totgeborenem frühreifem Kinde
einer Ekkimptischen. C. f. G. 1895, p. 1022.
468) Ders., Der Kaiserschnitt an einer verstorbenen Schwangeren. Vollem.
Samml. klin. Vortr., N. F., 188.
469) Doktor, Behandlung der Eklampsie mit narkotischen Mitteln. Ges. für
Geb. in Pest, 7. Dez. 1897. Ref. in C. f. G. 1898, p. 589.
470) Ders., Gynäkol. Sektion des Kgl. ungar. Aerztevereins in Pest, 18. Jan.
1898. Ref. in C. f. G. 1898, p. 625.
s 471) Donath, Disk, zu Glöckner. C. f. G. 1901, p. 308.
472) Drejer, Die geburtshilfliche Behandlung der Puerperaleklampsie (norweg.).
Ref. in Schmid, Bd. CCLIII, p. 173.
473) Dumas et Rocheblade, cf. Rocheblade et Dumas.
474) Düh rssen, Ueber die Behandlung der Eklampsie. A. f. G., Bd. XLII,
p. 5I 3 -
475) Ders., Zur Behandlung der Eklampsie ante et intra partum. Ges. f. Geb.
in Berlin, 8. Jan, 1902. Z. f. Geb., Bd. XXIII, p. 303.
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476) Ders., Disk, zu Ohlshausen. B. kl. W. 1892, p. 152.
477) Ders., Ueber die Behandlung der Eklampsie. A. f. G., Bd. XLIII, p. 49.
478) Ders., Ueber den Wert der tiefen Cervix- und Scheidendammindsionen
in der Geburtshilfe. A. f. C., Bd. XUV, p. 413.
479) Ders., Ein neuer Fall von vaginalem Kaiserschnitt bei Eklampsie. A.
f. G., Bd. LXr, p. 548.
480) Ders., Dasselbe. Allgem. deutsche Aerztezeitung 1895, Nr. 7 u. 8.
481) Ders., Der vaginale Kaiserschnitt. Volkm. Samml. klin. Vortr., N. F.,
CCXXXII, p. VIII u. p. 1233.
482) Dubost, Behandlung der Albuminurie in der Schwangerschaft und der
puerperalen Eklampsie. Thfcse de Paris 1891. Ref. in C. f. G. 1891, p. 776.
483) Dumas et Rocheblade, cf. Rocheblade et Dumas.
484) D’Wyer, c. b. Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
485) Eberhardt, Disk, zu Löhlein. C. f. G. 1891, p. 525.
486) Eisenhart, Neue Beobachtungen zur Aetiologie und Therapie der puer¬
peralen Eklampsie. M. m. W. 1892, p. 749.
487) Eskehn, 150 Fälle von Eklampsie. Ref. in C. f. G. 1898, p. 977.
488) Everke, Ueber Kaiserschnitt. Deutsche Naturforscherversamml., Düssel¬
dorf, 19. Sept. 1898. C. f. G. 1898, p. 1106.
489) Ders., Niederrhein. Ges. f. Geb., Düsseldorf, 18. Febr. 1900. Ref. in
Mon. f. Geb., Bd. XI, p. 1135.
490) Ders., Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 177.
491) Ders., Ueber Kaiserschnitt. Ebenda, Bd. XIV, H. 5, p. 637.
492) Fehling, Die Pathogenese und Behandlung der Eklampsie im Lichte der
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493) Ders., Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 177.
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497) Fochier, Genfer Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
498) Fritsch, Die Geburtshilfe und Gynäkologie des letzten Vierteljahrhunderts.
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500) Ders., Genfer Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
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505) Ders., Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 177.
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G., Bd. XLI, p. 295 und Bd. XL 1 I, p. 87.
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524) Gusserow, Disk, zu Dührssen. C. f. G. 1892, p. 123.
525) Gu6niot, Französischer Chirurgenkongress in Paris. Ref. in C. f. G.
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526) Halbertsma, Eclampsia gravidarum — eine neue Indikationssteliung für
die Sectio caesarea. Ref. in C. f. G. 1889, p. 901.
527) Ders., Die operative Behandlung der Eklampsie. X. Internat, mediz.
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528) Ders., Genfer Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
529) Ders., Ueber Eklampsiebehandlung. (Niederländ.) C. f. G. 1897, p. 1,00
530) Heidner, c. b. Eisenhart.
531) Hennig, Zur Eklampsie. V. A., Bd. CXXXI, p. 547.
532) Herff, Ueber operative Behandlung der Eklampsie. Berliner Klinik
1891, H. 32.
533) Ders., Kaiserschnitt und tiefe Cervixincisionen; Indikationen, sowie der
letzteren Nachbehandlung bei Eklampsie. M. m. W. 1892, p. 775.
534) Hergott, Betrachtungen über die Pathogenese der puerperalen Eklampsie.
Ann. de gyn. et d*obst£tr. 1893. Ref. in C. f. G. 1895, p. 150.
535) Hermann, Ges. f. Geb. in London, 6. Jan. 1897. Ref. in Mon. f. Geb.
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536) Herzfeld, Ueber das Wesen und die Therapie der Eklampsie. Ges. f.
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539) Hillmann, Sectio caesarea wegen Eklampsie. Mon. f. Geb. u. Gyn.,
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541) Hoenig, Zur Therapie der Eklampsie. Orvosi Hetilap 1898, Nr. 48
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p. 1326-
546) Holtain, Zur Behandlung der Eklampsie in der Schwangerschaft. Edin-
bourgh med. Journ. 1891. Ref. in C. f. G. 1891, p. 863.
547) Huguenin, Behandlung der Eklampsie. Revue prat. des trav. de med
1897, Nr. 8. Ref. in C. f. G. 1897, p. 1184.
548) Inglis, Puerperaleklampsie mit Pilocarpinbehandlung. BriL med. Journ.
1900. Ref. in M. m. W. 1900, p. 1505.
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psie. Ges. f. Geb. in Glasgow, 25. Januar 1899. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn..
Bd. IX, p. 425.
550) Ders., Ges. f. Geb. in Edinbourgh, Juli 1899. Ref. in C. f. G. 1899.
p. 1476.
551) Ders., Ueber Behandlung der Eklampsie mit Kochsalzinfusionen. Ges
f. Geb. in Edinbourgh, 14. März 1900. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XI, p. IO 14
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55 2) Joergensen, Die Aetiologie und Therapie der Eklampsie. C. f. G.
1900, p. 718.
553) Kamann, Kasuistischer Beitrag zur Eklampsie. M. m. W. 1902, p. 831.
554) Kefting, Sectio caesarea bei Eklampsia gravidarum. (Niederl.) Ref. in C.
f. G. 1898. p. 26.
555} Kelly, c. b. Fest 81 ).
556) Kettlitz, Ueber Kaiserschnitt bei Eklampsie. I.-D., Halle 1897.
557) King u. Man, Disk, zu Green 101 ).
558) Kirsch, c. b. Fest 81 ).
559) Knapp, Klinische Beobachtung über Eklampsie, Berlin 1896.
560) Ders., Ueber puerperale Eklampsie und deren Behandlung, Berlin 1899.
Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XI, p. 746.
561) Ders., Accouchement forc6 bei Eklampsie. Prager m. W. 1900, Nr. 51.
562) Ders., Zur Lehre von der Urämie. Giessencr Kongress. Ref. in Mon.
f. Geb., Bd. XIV, p. 167.
(Schluss der Literatur folgt.)
Vollkommen entsprechend unseren unklaren Kenntnissen von
dem Wesen und den Ursachen der Eklampsie stellt auch die
Therapie dieser Erkrankung ein versuchsweises Tasten, wechselnd
nach der herrschenden therapeutischen Mode und den Ansichten des
Autors, dar. Wesentlich erschwert wird eine Beurteilung des Wertes
einer bis jetzt noch immer empirischen Behandlungsmethode durch
die allseits anerkannte Schwierigkeit in der Stellung der Prognose
und durch den auffallenden Unterschied in der Schwere der Krank¬
heitsbilder in verschiedenen Gegenden. Dazu kommt noch schliess¬
lich, dass mangels einer exakten Differentialdiagnose eklampsie¬
ähnliche Erkrankungen einer Behandlung unterworfen werden, bei
denen jedoch naturgemäss auf Grund schwerer anatomischer Ver¬
änderungen lebenswichtiger Organe (ausgedehnte Hirnblutungen)
menschliche Hilfe von vornherein ausgeschlossen erscheinen muss,
und so die vielleicht auf richtiger [Jeberlegung aufgebaute Methode
diskreditiert wird. Endlich kommt noch dazu, dass in der operativen
Behandlung der Eklampsie die Indikationsstellung durchaus keine ein¬
heitliche ist, wodurch die Beurteilung des einzelnen Eingriffes
geradezu unmöglich gemacht wird. Wenn z. B. Autoren die Sectio
caesarea nur bei sterbender Mutter vornehmen, darf man sich über
die schlechten Gesamtresultate nicht wundern. Nichtsdestoweniger
hat die tausendfältige Erfahrung uns Mittel an die Haud gegeben,
denen wir es zu verdanken haben, dass wir jetzt der Krankheit
nicht mehr so machtlos gegenüberstehen [Löh lein 580 )]. Vor allem
sind da drei Mittel zu nennen, welche, konsequent und rationell an¬
gewendet, nach dem Zeugnis zahlreicher Autoren imstande sind, das
Morbiditäts- und Mortalitätsprozent der Eklampsie um ein Bedeu¬
tendes herabzudrücken: 1. die prophylaktische Untersuchung resp. Be¬
handlung aller Schwangeren [Fritsch 500 ), Fehling 4 * 3 ), Hergott 534 ),
Ontr*lhl»tl f. d. Or. d. Med. u. Chir. VI 20
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Donat 471 ), Charpentier 447-44w ), Charles 446 ), Pestalloza 627 ),
Potter 633 ), Manpiagalli 590 ), Perrochet 626 ), Byers 443 ), Ca-
siccia 411 ), Pannard 620 ), Mayer 595 ), Hoeven 542 ), Graefe 51 "),
Davis 461,463 ), Norris 614 ), Caldarini 440 ), Bernheira 421 ), Doctor 47n i,
Dubost 482 ), Edgar King 551 ), Reynold 638 ), Huguenin 547 ),
Mulhers 609 ), Metcalf 601 ), Oui 618 ), Plique 628 ), Zweifel 595 ),
Braitenberg 431 )], 2. die direkte Entfernung des im Blute kreisenden
Giftes durch Aderlass und Anregung der Exkretionsorgane durch
Kochsalzinfusionen, Diaphoreticis und hydropathische Prozeduren
und 3. die möglichst rasche, schonende Einleitung resp. Beendigung
der Geburt in tiefer Narkose. Vou unsicherer Wirkung und daher
auch erst in zweiter Linie zu nennen ist die medikamentöse Be¬
handlung, die sich grösstenteils nur gegen einzelne hervorstechende
Symptome richtet.
Die prophylaktische Behandlung besteht einfach in einer
wöchentlich vorzunehmenden Urinuntersuchung aller Schwangeren
vom sechsten Monate an und genaue Beachtung etwaiger anderer
Symptome, die auf eine gestörte Nierenthätigkeit hinweisen [Ahl-
feld 410 )]: Oedeme, Sehstörungen, andauernde Kopfschmerzen, Er¬
brechen. Zeigt eine Schwangere solche warnende Zeichen, so sind
sofort eine absolute Milchdiät in Verbindung mit hydriatischen
Prozeduren (feuchtwarme Einwickelungen [A h 1 f e 1 d 41 °)], warme
Bäder, sowie diuretische Mittel: Kalomel, Crotonöl [Hikey und
Ward 538 ), Towsend 677 )], reichliches Trinken von physiologischer
Kochsalzlösung oder muriatischer Mineralwässer in Anwendung zu
bringen. Heisse Bäder sowie Schwitzbäder werden von Stroganoff 6 ' 79 )
und Wyder 694 ) widerraten, da sie einerseits die Reizbarkeit erhöhen,
andererseits die Herzthätigkeit abschwächen und schliesslich eventuell
die Gefahr einer Hirnblutung herauf beschwören können.
Bessern sich jedoch trotz dieser eingeleiteten Behandlung die
Albuminurie und die anderen Zeichen nicht oder steigern sie sich
sogar, so ist der künstliche Aboitus einzuleiten [Fehling 197 '.
Dubost 482 ), Donath 471 ), Fry 501 ), Holst 544 ' 545 ), Leopold 571 ),
Müller 607 ), Wyder 694 ), Dührssen 474 ), Löh lein 580 ), Lusk und
Paroin 583 ), Schellenberger 649 ), Longyears (cit. b. Fest) 49 ),
G e u e r 50 ‘), Lehmann i68 ), G e y 1 508 ), G r a n d i u 515 ), Adler 40 "),
Zweifel 695 ), Döderlein 466 ), Griffith und Eden 520 )]. Absolute
Milchdiät, hydriatische Prozeduren, Diuretica finden auch ihre An¬
wendung beim ausgebrochenen Anfalle, Vermehrt wird unser Rüst¬
zeug noch durch zwei mächtige Waffen: den Aderlass und die
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subcutane Kochsalzinfusion*) [Audebert 414 ), Chaleix 443 ), Ca-
siccia 141 ), Catto 441 ), Cailland 430 ), Claiborn 436 ), Hoeven 542 ),
Jardine 543- 545 ), Fehling 402 - 403 ), Ferre 404 ),Miranda 603 ),Graefe 810 ),
Charpentier 447_41 °), Pannard 620 ), Pestalloza 627 ), Seiffert,
Potter 633 ), Pernoclet 626 ), Ballantyne 410 ), Barone 416 ), Porak
und Bernheim 631 - 632 ), Kroenig 364 ), Knapp 534 ),Thiele, Hennig 531 ),
Heidner 530 ), Groves 521 ), Pliquö 628 ), Lenhartz 560 ), Sänger 645 ),
Allen 412 ), Wyder 604 ), Raw 637 ), Meachem 507 ), D’Wyer 484 ), Koll-
rnann 560 ), Wiggins 600 ), Boissard 427 ), Bayer 413 ), Glöckner 500 ),
Nagel 611 ), Schatz 647 ), Grandin 315 ), Zweifel 606 ), van Roojen 643 ),
Charke 445 ), Bryce (cit. b. Fest), Leopold, Leonhardi, Grenser,
Goldberg (Disk. Goldberg) 513 )]. Aderlass wie Kochsalzinfusionen
werden bis zu einer Menge von 1000 ccm vorgenommen, doch soll
nicht zu viel Kochsalz an einer Stelle infundiert werden, da Gangrän
und sogar Sepsis (?) von dieser Stelle ausgehen kann [Spencer,
Discuss. zu Groves 521 )],
Statt der subcutaneu Kochsalzinfusion kann auch die rectale
resp. stomachale Applikationsart in Anwendung kommen, da ja die
Resorption vom Darme gleichfalls recht prompt erfolgt [Senec 655 ),
Braitenberg 431 )], andererseits aber dem Darmtracte gerade bei
Niereninsufficienz, wie die diphtheritische Darmentzündung bei Urämie
lehrt, eine wichtige Rolle als vicariierendes Sekretionsorgan zufällt
und durch reichliche Spülungen diese ansgeschiedenen Auswurfstoffe
aus dem Körper entfernt werden [Knapp 555 - 556 )]. Einen gleichen
Gedankengang verfolgten Zweifel 605 - 606 ), Glöckner 500 ), indem
z. B. Zweifel reichliche Spülungen des Magens mit Citronen-
säure oder Weinsäure (Glöckner) vorschlägt, und Fochier 497 ), der
Magenausspülungen mit Chloral und Milch empfiehlt. Boissard 427 )
empfiehlt zur subcutanen und rectalen Infusion sterile Bouillon,
Corsin 437 ) subcutanes künstliches Serum nach der Formel Hayem’s.
Gubaroff 522 ) sah sehr gute Resultate (0% Mortalität in sechs Fällen
schwerer Eklampsie), namentlich bei geringer Harnmenge und hohem
Eiweissgehalt, von der Anwendung lokaler Hitze in der Nierengegend
mittelst eines grossen viereckigen, mit warmem Wasser gefüllten
Gummibeutels.
*) S. Strubell 287 ),
1902. Bd. V, p. 289.
Der Aderlass bei Eklampsie.
(Fortsetzung folgt.)
Centralbl. f. d. Grenzgeb.
20 *
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Gonorrhoische Allgemeininfektion und
Metastasen
(mit Ausschluss der Gelenks-, Knochen-, Sehnen- und Schleim*
beutel-, sowie der nervösen Erkrankungen).
Sammelbericht über die Literatur vom Jahre 1890 an.
Von Dr. Karl Ritter von Hof mann (Wien).
(Fortsetzung.)
105) Eraud, Metrite blennorrhagique (gonococcienne) avec salpingo-ovarite conco-
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106) Espagnac, fetude sur la ph!6bile blennorrhagique. These de Paris 1896
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Januar.
108) Faitout, La pleur^sie blennorrhagique. Arch. g6n£r. de med. 1895.
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soc. d’anat. et phys. de Bordeaux 1892, 232.
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Archiv für Derm. u. Syph. 1893.
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tomie des gonorrhoischen Prozesses. Centralbl. für Harn- u. Sexualorg. 1894, p. 33;
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dermal. Gesellschaft 1896, p. 282.
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116) Ders., Die Blennorrhoe der Sexualorgane und ihre Komplikationen.
Leipzig u. Wien 1901, 5. Aufl.
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coccus und zur pathologischen Anatomie des gonorrhoischen Prozesses. Archiv für
Derm. u. Syph. 1894, Bd. XXVIII.
118) Dies., Ein weiterer Beitrag zur Biologie des Gonococcus und zur patho¬
logischen Anatomie des gonorrhoischen Prozesses. Archiv für Derm. u. Syph. 1895.
Bd. XXXIII.
119) Fischer, Ein Fall von sekundärer Pleuritis im Gefolge von chronischer
Gonorrhoe. Öas. l&k. cesk. 1898.
120) Flesch, Zur Erklärung des sogenannten Tripperexanthems. Monatsh. f
prakt. Dermat. 1890, Bd. II, p. 381.
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12 2) Fressel. Endocarditis gonorrhoica. Inaug.-Diss., Leipzig 1894.
123) Fiidenberg, Gonorrhoeal irido-chorioiditis; sarcoma of orbit; trephining
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125) Fromaget, Iritis et nevrite blennorrhagiques. Ann. de la policl. de
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128) Galezowskv, Sur les alterations vasculaires de la r^tine dans Tinfection
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132) Ghon u. Sch lagen haufer, Ein weiterer Beitrag zur Biologie des Go-
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233) Loxton, A fatal case of gonorrhoea. Brit. med. Journ. 1895, 5 * J an -
(Fortsetzung der Literatur folgt.)
I. Erkrankungen des Herzens und der Gefässe.
Erkrankungen der Kreislaufsorgane und zwar besonders des
Herzens finden sich bei Gonorrhoe vielleicht häufiger, als bisher
angenommen wurde. Sie scheinen, wie überhaupt die meisten
Trippermetastaseu, viel öfter bei Männern als bei Fraueu vorzu¬
kommen. Der Gonococcus kann sich im Endo-, Myo- und Pericard
ansiedeln. Oft sind diese Affektionen kombiniert. Ausserdem findet
sich ab und zu bei Tripperkranken Phlebitis, welche wahrscheinlich
ebenfalls durch Gonococcen verursacht ist.
1. Endocarditis.
Dieselbe ist die häufigste Form der gonorrhoischen Herz¬
erkrankung. Sic kann in zwei Formen auftreten: als leichte und
als schwere.
a) Leichte Form.
Diese Form der Endocarditis ist offenbar nicht selten, jeden¬
falls viel häufiger, als von den meisten Aerzten angenommen wird.
Sie ist von kurzer Dauer und geht regelmässig in Heilung aus, so
dass entweder gar keiner oder ein leichterer Herzfehler zurückbleibt.
Die Symptome dieser Erkrankung sind keine stürmischen, oft wird
sie nur zufällig entdeckt. Fieber kann vollständig fehlen. Die er¬
krankte Klappe ist in der Regel die Mitralis, seltener die Aorta.
Diese Form der Endocarditis findet sich meist ziemlich bald nach
dem Beginn der Gonorrhoe. Nicht selten ist das Auftreten von
Herzhypertrophie, welche mit dem Nachlassen der Erscheinungen
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rasch zurückgeht. Ueber den pathologisch-anatomischen Befund ist,,
da die Krankheit regelmässig in Heilung ausgeht, nichts bekannt.
Die Behandlung unterscheidet sich in nichts von der bei anderen
Endocarditiden üblichen: Ruhe, Eisbeutel, Digitalis etc.
b) Schwere Form.
Diese Erkrankung tritt selten für sich allein auf, sondern
findet sich gern in Verbindung mit anderen Komplikationen, be¬
sonders Arthritis, ohne dass man jedoch dieses Verhalten als abso¬
lute Regel aufstellen könnte, da Fälle beobachtet worden sind [z. B.
Ghon und Schlagenhaufer 182 )], bei denen die Endocarditis die
einzige entferntere Manifestation der Gonorrhoe darstellte. Die
schwere Form der Endocarditis gonorrhoica setzt in der Regel mit sehr
stürmischen Erscheinungen, wie hohem Fieber, Schüttelfrost etc., ein,
welch* letzterer sich atypisch zu wiederholen pflegt, wie die Krank¬
heit überhaupt oft das Bild der Pyämie annimmt. Regelmässig ist
kontinuierliches remittierendes Fieber mit abendlichen Exacerbationen
vorhanden. Die subjektiven Beschwerden sind in der Regel sehr
hochgradig, besonders die Dyspnoe ist sehr heftig. Was den objek¬
tiven Befund betrifft, so finden sich meist laute Geräusche über
sämtlichen Ostien, welche sich nicht genauer bestimmen lassen, so
dass man in vielen Fällen erst durch die Sektion aufgeklärt wird,
an welchen Klappen sich die Erkrankung lokalisiert hatte. Die
Herzhypertrophie ist oft eine bedeutende. Bei der pathologisch-
anatomischen Untersuchung des Herzens findet man gewöhnlich an
den Klappen, besonders an deren freiem Rande, graurötliche, leicht
abstreifbare Auflagerungen, welche sich manchmal auf Partien des
übrigen Endocards erstrecken. Ulcerationen und Perforationen der
Klappen sind häufig; auf diese Weise kann der Krankheitsprozess
bis tief ins Myocard Vordringen. In den Auflagerungen sind in
vielen Fällen die Gonococcen durch Färbung, manchmal auch
durch Kultur nachweisbar. Dass letzteres nur selten möglich ist,
führen viele Autoren, u. a. Ghon und Schlagenhauf er 1 - *•), dar¬
auf zurück, dass der Gonococcus höheren Temperaturen gegenüber
nur sehr wenig Resistenz zeigt. Da nun diese Endocarditiden mit länger
dauernder starker Temperaturerhöhung einhergehen, ist das negative
Resultat der meisten Kulturversuche erklärlich. In manchen Fallen
handelt es sich um tim Misch- oder Sekundärinfektion, wo der
Gonococcus den Boden für die Eitermikroorganismen geebnet hat.
Sehr bemerkenswert erscheint, dass der Gonococcus sich mit be¬
sonderer Vorliebe an schon früher erkrankt gewesenen Klappen an-
ansiedelt. Am häufigsten werden die Aortenklappen befallen (21 mal
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unter 32 Fällen, dann kommt die Mitralis (5 Fälle), die Pulmonalis
(5 Fälle) und schliesslich die Tricuspidalis (1 Fall).
Nur selten sind mehrere Klappen befallen; auch in diesen
Fällen ist die Aorta am meisten beteiligt. Zur Embolie grösserer
Arterien kommt es im Verlaufe der malignen Endocarditis nur selten.
Derartige Fälle berichten u. a. Ghon und Schlagenhaufer 1 - 0 ),
sowie Zaradshy und Bregmann 400 ).
Die Erkrankung hat einen exquisit bösartigen Charakter und
führt in der Regel zum Tode; nur ausnahmsweise erfolgt Heilung
mit Zurückbleiben eines schweren Herzfehlers. Die Behandlung
besteht in Eisumschlägen, Digitalis, Natrium salicylicum etc.; doch
darf man sich von allen diesen Mitteln nur wenig Erfolg ver¬
sprechen.
Im folgenden sollen nur die wichtigsten Fälle von Eudo-
carditis gonorrhoica kurz beschrieben werden.
a) Leichte Form.
Winterberg 397 ) beobachtete bei einem Patienten mit gonorrhoischer
Arthritis das Auftreten blasender Geräusche über der Aorta und Herz¬
spitze, welche auf Behandlung mit Kälte und Natr. salicylicum ver¬
schwanden.
Ro senthal 368 ) behandelte einen 27jährigen Mann, bei welchem
einige Tage nach Beginn einer durch eitrige Prostatitis und einen Neben-
hodenabscess komplizierten Gonorrhoe Erscheinungen einer Mitral-
insufficienz auftraten, welche trotz Behandlung mit Digitalis, Coffein und
Eisblase nicht vollständig verschwanden.
Bei Welander’s 387 ) Patienten trat 11 Tage nach Beginn einer
Gonorrhoe unter Frösteln und Fieber ein erythematöser Ausschlag mit
Blasenbildung auf. Nach weiteren 11 Tagen zeigte sich ein systolisches
blasendes Geräusch an der Herzspitze, welches auch nach der Heilung
des Trippers bestehen blieb.
Mac Donell 235 ) teilt die Krankengeschichten von vier Patienten
mit, welche im Verlaufe einer akuten Gonorrhoe an Mitralinsufficienz
erkrankten.
Bei Heckers 156 ) Patienten zeigte sich einige Wochen nach Ex¬
acerbation einer bereits länger bestehenden Gonorrhoe Vergrösserung des
Herzens nach allen Richtungen und systolisches Blasen, besonders im
zweiten und vierten Intercostalraum.
Brodier und Laroche 51 ) teilen die Krankengeschichten zweier
Patienten mit, bei denen sich im Anschlüsse an gonorrhoischen Gelenks¬
rheumatismus vorübergehend Verbreiterung der Herzdämpfung, besonders
nach rechts einstellte und der zweite Aortenton unrein wurde.
Von NobPs 274 ) Patienten verschwand bei dem einen das im Ver¬
laufe des gonorrhoischen Gelenksrheumatismus aufgetretene Mitralgeräusch
vollständig, während es bei dem anderen bestehen blieb.
Jullien und Sibut 185 ) beobachteten ein 17jähriges Mädchen mit
Gonorrhoe, bei welchem sich Arthritiden, Mitralinsufficienz und Pericarditis
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entwickelten. Im Blute konnten Gonococcen nachgewiesen werden. Die
Patientin wurde ungeheilt entlassen.
Singer 344 ) bemerkte bei einem 21jährigen Patienten einige Wochen
nach Beginn der Gonorrhoe ein blasendes Geräusch an der Herzspitze,
welches nicht vollständig verschwand.
b) Schwere Form.
ßendu und Hallö 303 ): Eine 30jährige Frau zeigte seit zehn
Tagen Erscheinungen einer Metritis. Bald nach der Aufnahme trat
Fieber ein, welches intermittierenden Charakter annahm. Im Uterinsekret
Gonococcen. Behandlung mit hypermangansaurem Kali. Im weiteren
Verlaufe entwickelte sich eine Phlegmone am linken Ellbogen, welche
incidiert wurde. Einen Monat nach der Aufnahme bemerkte man ein
diastolisches Geräusch über der Aorta, sowie pericarditisches Reiben.
Unter zunehmender Dyspnoe trat eine Woche später der Tod ein. Bei
der Sektion fand man eine seröse Pericarditis und eine vegetative Endo-
carditis der Aorta. Aus den Vegetationen an der Aortenklappe Hessen
sich Gonococcen züchten. Während des Lebens waren im Blute keine
Gonococcen nachweisbar, wohl aber in der serösen Flüssigkeit, welche
sich aus der Incisionswunde am Ellbogen entleerte. Keine anderen
Mikroorganismen.
Thayer und Lazear 307 ): Bei einem 19jährigen Mann traten
mehrere Wochen nach Beginn einer Gonorrhoe Schüttelfröste und
Fieber auf. Sechs Monate nach Beginn des Trippers fand man ein
systolisches Geräusch, besonders über der Pulmonalis. Keine Gonococcen
im Blute. Einen Monat später hatten sich die Erscheinungen ver¬
schlimmert und man konnte Gonococcen im Blute nachweisen. Tod
7 Monate nach Beginn der Erkrankung. Bei der Sektion fand man Ulcera-
tionen und Vegetationen an der Tricuspidalis, hämorrhagische Nephritis, auch
seropurulente Pleuritis, Pericarditis und Lungeninfarkte. In den Klappen¬
vegetationen und Exsudaten waren Gonococcen durch Färbung und
Kultur nachweisbar.
Le n hartz 217 ): Bei einem 19jährigen Mädchen mit starkem Fluor
fanden sich während des Lebens Erscheinungen einer Endocarditis valv.
pulmonalis. Bei der Sektion wurde diese Diagnose bestätigt und man
erhielt aus den Vegetationen an der Pulmonalklappe Gonococcen in
Reinkultur. Auch die Ueberimpfung auf die menschliche Harnröhre er¬
gab ein positives Resultat.
Ghon und Schlagenhaufer 132 ): Die 18jährige Patientin war
vor 4 Wochen unter influenzaartigen Erscheinungen erkrankt Seit vier
Tagen wiederholt Schüttelfröste. Bei der Untersuchung fand man eine
akute Gonorrhoe. Herztöne an allen Ostien durch Geräusche verdeckt,
die sich nicht genau bestimmen lassen. Intermittierendes Fieber bis
40,8 °. Sechs Tage nach der Aufnahme Embolie der A. cruralis dextra
mit anschliessender Gangrän des Fusses und der untersten Partien des
Unterschenkels. Tod nach weiteren 14 Tagen unter Collapserscheinungen.
Bei der Sektion fand man eine vegetativ-ulceröse Endocarditis der Aorten¬
klappe, welche sich auf die angrenzenden Partien des Endocards und in
das Myocard fortsetzte. In den Klappenauflagerungen liessen sich Gono-
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coccen durch Färbung, Kultur und Uebertragung auf den Menschen
nachweisen. Ausser zufälliger Verunreinigung keine anderen Mikro¬
organismen.
Bjelogolowi 37 ): Bei einem 32 jährigen Manne, welcher seiteinigen
Wochen an Gonorrhoe und Epididymitis litt, stellten sich Fieber,
Schüttelfröste und Herzgeräusche ein. Tod nach wenigen Tagen. Bei
der Sektion fand man eine Endocarditis der Tricuspidalis und Aorta.
Während des Lebens Hessen sich aus dem Blute Gonococcen züchten.
In den Klappenauflagerungen waren Gonococcen nachweisbar.
Harris und Dabney 153 ): Eine 19jährige Frau erkrankte vier
Tage nach der Entbindung unter Schüttelfrost und Fieber. Vier Wochen
später fand man bei der Aufnahme im Herzen systolische und diasto¬
lische Geräusche. Unter Auftreten von Oedemen und zunehmenden
Collapserscheinungen erfolgte am Tage nach der Aufnahme der Tod.
Bei der Sektion fand man eine Endocarditis der Aorta, Tricuspidalis und
Pulmonalis. In den Klappenauflagerungen Hessen sich Gonococcen,
Staphylococcen und Bacterium coli nachweisen.
Wassermann 384 ): Im Anschlüsse an einen seit drei Monaten
bestehenden Trippei, der sich vor acht Tagen infolge einer Erkältung
wesentlich verschlimmert hatte (Harnverhaltung, mehrfacher Katheteris-
mus) trat Fieber von remittierendem Charakter auf. Herz und Lunge
waren bei der Aufnahme normal. Fünf Tage später zeigten sich fünf¬
markstückgrosse rote Flecke über dem rechten Handrücken und dem
Handgelenke. Tod am siebenten Tage nach der Aufnahme. Bei der
Sektion fand man eine Endocarditis verrucosa an den Aortenklappen.
Ausserdem bestand eitrige Prostatitis. Aus den Vegetationen Hessen
sich Gonococcen züchten.
Prochaska 29H ): Bei einem 23 jährigen Manne, welcher seit vier
Wochen an Gonorrhoe und Arthritis litt, fand man bei der Aufnahme
leichtes Fieber, aber keine Herzerscheinungen. Etwa sechs Wochen
später trat kontinuirliches hohes Fieber auf und man hörte ein diasto¬
lisches Geräusch, besonders über der Aorta, und ein systolisches über
der Mitralis. Tod fünf Wochen nach der Aufnahme. Während des
Leben8 Hessen sich aus dem Blute nur Staphylococcen, aber keine Gono¬
coccen züchten. Bei der Sektion fand man eine Endocarditis aortae,
Pleuritis serosa haemorrhagica, Pericarditis. Aus den Klappenauflagerungen
Hessen sich Gonococcen und Staphylococcen züchten.
(Fortsetzung folgt.)
II. Bücherbesprecliungen.
Die Geschwülste des Gehirns. Von Prof. H. Oppenheim. Zweite
erweiterte Auflage. 347 pp. Mit 32 Abbildungen im Text Wien
1902, Alfred Holder.
Die zweite, sehr bedeutend umgearbeitete Auflage des ausgezeich¬
neten Werkes zeichnet sich durch eine vollendete Beherrschung des
Stoffes, sowie durch Klarheit der Darstellung aus. Gleichwie in der
ersten Auflage wurden alle Einzelbeobachtungen der Literatur, welche
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zur Förderung des klinischen Bildes beitragen könnten, herangezogen*
Sehr übersichtlich ist der Abschnitt Symptomatologie: Nach eingehender
Besprechung der einzelnen Symptome, welche durch Destruktion eines be¬
stimmten Hirnabschnittes hervorgerufen werden, sind am Schlüsse jedes
Kapitels zusammenfassend die eigentlichen Herdsymptome mitgeteilt,
welche für die Diagnose von massgebender Bedeutung sein können.
Eingehend und für unseren Leserkreis von besonderer Bedeutung
sind die Darlegungen Oppenheim*s über die chirurgische Therapie.
Oppenheim hat die bekannte v. Bergmann'sehe Statistik vervollstän¬
digt und folgendes Resultat erhalten: Von 371 unter der Diagnose
„Hirntumor“ operierten Individuen starben 140 (37,7 %) an der Operation
oder an deren unmittelbaren Folgen, in 88 Fällen (ca. 23 %) erfolgte
Heilung oder weitgehende Besserung, in 111 Fällen (29—30%) war
die Besserung nur unbedeutend oder ein Erfolg nicht zu verzeichnen.
32 Fälle waren wegen ungenauer Angabe nicht zu rubrizieren.
Die Radikaloperation, d. h. die Enukleation der an der erwarteten
Stelle gefundenen Tumoren, wurde in 166 Fällen vorgenommen; von
diesen haben 82 (nahezu 50 %) Heilung oder wesentliche Besserung ge¬
zeigt In den 371 zusammengestellten Beobachtungen war der Tumor
in 102 Fällen (ca. 27,5 %) falsch lokalisiert.
Unter 24 Fällen eigener Beobachtung, von denen 22 Fälle ope¬
riert wurden, waren nur zwei falsch lokalisiert; nur ein Fall war geheilt,
fünf waren wesentlich gebessert.. In sieben Fällen Oppen heim's
(37—38 %) ist der operative Eingriff für den Exitus verantwortlich zu
machen.
Noch immer rekrutiert sich die Gruppe der erfolgreichen Operationen
aus den Geschwülsten der motorischen Hirnregion. Unter 166 Fällen
gelungener Radikaloperationen hatte in 120 die Neubildung ihren Sitz
in diesem Hirngebiete. Unter 46 Stirnhirntumoren wurden 11 (23,9%)
durch Operation geheilt oder wesentlich gebessert. Scheitellappen-, Tem¬
poral-, Occipitallappentumoren wurden nur selten, aber doch mehrmals mit
Erfolg operativ behandelt. Unter 45 Kranken mit Kleinhirntumoren,
welche operiert wurden, starben 32 (71%) an den Folgen der Operation;
nur siebenmal (15,5%) war Heilung oder weitgehende Besserung er¬
zielt worden.
Auch wenn die Geschwulst nicht vollständig entfernt worden ist,
kann die partielle Exstirpation (namentlich die Entleerung einer Cyste)
bedeutende Remissionen herbeiführen und das Leben um Monate ver¬
längern.
Oppenh eim bespricht ausführlich die sehr wichtige Frage der
Gefahren und Misserfolge. In seiner Statistik beträgt die Mortalität
37,7 % (in seinen eigenen Fällen trotz richtiger Lokalisation 38 %).
Dabei ist zu bedenken, dass gerade von den Fällen mit letalem Aus¬
gang ein grosser Teil unveröffentlicht bleibt. Trotzdem tritt Autor für
die operative Behandlung der Hirntumoren ein, fordert aber strenge In¬
dikation sstellung. Am meisten eignen sich (wenn eine Artdiagnose des
Tumors möglich ist) für die operative Behandlung Sarkome, Gliome,
Fibrome, Eehinococcen. Die Diagnose „Hirntumor“ muss sichergestellt,
die Geschwulst genau zu lokalisieren sein und in einem leicht zugäng-
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UMIVERSITY OF CALIFÖRNIA
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liehen Gebiete des Gehirnes ihren Sitz haben. Ausgeschlossen sind die
tief im Hemisphärenmark, im Bereiche der centralen Ganglien, des Bal¬
kens, der Ventrikel und im Hirnstamme gelegenen Geschwülste, ferner die
grosse Mehrzahl der der medialen Hemisphärenwand und der Hirnbasis
angehörendeu. „Es bleibt immer ein schwerer Entschlixs^ ein hoffnungs¬
armes Beginnen, an die chirurgische Therapie eines Tumor cerebelli
heranzutreten/ 4 Hingegen fonlern die Geschwülste der motorischen Hirn¬
region zu einer direkten chirurgischen Behandlung auch bei Fehlen von
Allgemeinerscheinungen auf, jedoch warnt Autor vor Ueberstürzung. Die
Diagnose Neubildung muss sicher sein. Für Geschwülste des linken
Stirn- und Schläfelappens lassen sich die Indikationen nicht so scharf
formulieren, jedoch hat man bei sicherer Diagnose die Indikation für den
Eingriff gegeben. Die Operation von Occipitaltumoren ist sehr gefähr¬
lich und bietet wenig Chancen für den Heilerfolg. Scheiteliappenlumoren
können, Tumoren des rechten Lobus temporalis hingegen können nicht
operiert werden.
Von 100 Hirntumoren bieten höchstens sechs alle Indikationen
für die direkte chirurgische Behandlung, und von diesen sind höchstens
drei bis vier mit vollem Erfolge zu operieren.
Palliativoperationen sind berechtigt: 1. Wenn bei der sicheren
Diagnose Tumor cerebri die subjektiven Beschwerden des Patienten sehr
erhebliche sind und auf keinem anderen Wege gelindert werden können;
2. wenn die Sehstörung rasch fortschreitet und die Gefahr einer Er¬
blindung eine drohende ist.
Als Ort der Palliativoperation ist eine Gegend auszuwähleu, an
welchem der voraussichtlich eintretende Hirnprolaps kein Gebiet funktio¬
nell hoher Wertigkeit betrifft (rechter Schläfen-, Stirn-, eventuell der rechte
untere Scheitellappen).
Der Ventrikelpunktion scheint die Spinalpunktion vorzuziehen zu
sein. Letztere ist abzubrechen 1. bei von vornherein sehr niedrigem
Drucke; 2. bei raschem Sinken des Druckes; 3. bei wesentlicher Zunahme
der Beschwerden während der Behandlung.
Ein umfangreiches Literaturverzeichnis ist dem gut ausgestatteten
Buche beigegeben. Hermann Schlesinger (Wien).
Vorträge über ärztliche Kriegswissenschaft. Herausgegeben vom
Centralkomite für das ärztliche Fortbildungswesen in Preussen. Jena
1902, Verlag von G. Fischer.
Zweifellos wird das vorliegende Buch weit über den Kreis der
aktiven Sanitätsoffiziere hinaus Freunde finden. Ist es doch ganz be¬
sonders dazu angethan, denjenigen Aerzten, welchen im Kriegsfall das
Wohl und Wehe der erkrankten und verwundeten Soldaten anvertraut
ist, also auch den Sanitätsoffizieren der Reserve und Landwehr, ein
sicherer Führer und Wegweiser durch ihre mannigfachen und schwierigen
Aufgaben und Pflichten zu werden.
Die vierzehn Vorträge verteilen sich auf folgende Themata und
Verf.: Seuchenbekämpfung im Kriege von Robert Koch; Ernährung
und Trink Wasserversorgung im Felde von Martin Kirchner; Hygiene
des Marsches und Truppenunterkunft von Schum bürg; Bekleidung und
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Ausrüstung des Soldaten von Krocker; Erste Hilfe auf dem Schlaeht-
felde und Asepsis und Antisepsis im Kriege von E. v. Bergmann;
Ueber Schusswunden an den Extremitäten von H. Küttner, Sehuss-
verletzungen am Rumpfe, insbesondere am Thorax, von Franz König;
Schusswunden des behaarten Kopfes von E. v. Bergmann; Ueber Hieb¬
und Stichwunden im Kriege von A. Köhler; Die Organisation des
Sanitätsdienstes im Kriege von O. Schjerning; Krankentransport und
-Unterkunft im Kriege von Werner, Die Krankenpflege im Kriege
von H. Schaper; Kriegssanitätsstatistik von Kübler.
Bürgen schon die Namen der Verfasser für einen wertvollen Inhalt
der von ihnen gebotenen Beiträge, so zeigt eine genauere Lektüre der¬
selben, dass es in der That jedem einzelnen gelungen ist, auf verhältnis¬
mässig knappem Raum eine ebenso abgerundete, wie erschöpfende Dar¬
stellung ihres Themas zu geben, soweit es der vorgesteckte Zweck er¬
forderte. Die Lektüre des Buches bietet auch demjenigen, der mit dem
Inhalt vertraut ist, einen hohen Genuss und kann allen denen, welchen
der bearbeitete Stoff ferner liegt, nur aufs wärmste empfohlen werden.
Sie werden mit wenig Mühe sich einen vortrefflichen Ueberblick über
den heutigen Stand unserer ärztlichen Kriegswissenschaft verschaffen
können und dabei sich davon überzeugen, dass dieselbe mit der Ent¬
wickelung der ärztlichen Wissenschaft überhaupt dauernd Schritt gehalten
hat und voll auf der Höhe ihrer erhabenen Aufgabe steht.
R. v. Hippel (Kassel).
Die Verwendung des Lichtes in der Therapie. Von H. Strebei.
Mit 8 Abbildungen im Texte und 6 Tafeln. München 1902, Verlag
von Seitz & Schauer.
Aus dem an Umfang rasch zunehmenden Gebiet der Aktino-
therapie, welche die Behandlung mit langen elektrischen Wellen (Hoch¬
frequenzströmen), die Radiotherapie (Röntgenstrahlen) und die Licht¬
therapie im engeren Sinne umfasst, wird in dem 80 pp. starken
Büchlein nur die Behandlung mit Farbstrahlen und Ultraviolett be¬
sprochen ; im Vordergründe steht natürlich die Ultraviolettherapie in
ihren mannigfachen Formen. Nach einer physikalischen und physio¬
logischen Einleitung werden alle heutigen praktischen Methoden und
Apparate der Lichttherapie besprochen und untereinander verglichen: das
Sonnenbad, das Licht-Luftbad im diffusen Tageslicht, die Finsen’sche
Methode mit Konzentration des Sonnen- und elektrischen Bogenlichtes
bei Kompression und Kühlung der Haut, die Verwendung des Glüh¬
lichts, ferner des Bogenlichts in Kästen oder konzentriert mittelst Hohl¬
spiegel , des konzentrierten Eisenlichts, Hochspannungs - Funkenlichts,
Glimmlichts, des primären Oeffnungsfunkens und sekundären Büschel¬
lichts. Dann wird der Einfluss der Lichtbehandlung auf Konstitutions¬
krankheiten (Diabetes mellitus, Fettleibigkeit und Gicht) besprochen, ferner
auf Anämie, Tuberkulose, akute Infektionskrankheiten, Sexual-, Nieren-,
Nerven- und endlich Hautkrankheiten. Auch die Kontraindikationen sind
aufgezählt Um die Objektivität zu zeigen, die Strebei trotz seiner nun
fast ausschliesslichen Beschäftigung mit der Lichttherapie bewahrt hat, sei
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der Satz citiert, der auf die Aufzahlung der durch das physiologische
Experiment theoretisch zu erwartenden Leistungen der Phototherapie
folgt: Nach unserer eigenen Erfahrung, heisst es auf p. 28 bei¬
läufig, ist die Lichtherapio nicht nur nicht das von Optimisten erwartete
Allheilmittel, sie entsprieht vielmehr nur wenigen der Anforderungen,
•die man theoretisch an sie stellen kann. Doch verspricht sich der Ver¬
fasser von einer Vervollkommnung der Methode eine bedeutende Steigerung
der Leistungen. Strebei arbeitet selbst mit grossem Geschick und
Fleiss an der Konstruktion neuer und besserer Apparate, unzufrieden
mit denjenigen, die Finsen, er selbst und andere bereits erfunden
haben; die Menge des in die Tiefe der Gewebe eingebrachten Lichtes
soll noch sehr vermehrt werden, wobei bekanntlich die Ausschaltung der
Wärme (Verbrennung!) die grösste Schwierigkeit bereitet. Das Röntgen-
licht wurde bisher vom Verfasser ganz beiseite gelassen.
Wer sich neue Instrumente für Lichttherapie anzuschaffen gedenkt,
möge berücksichtigen, dass schon in wenigen Monaten Strebei und
andere konstruktive Köpfe neue Apparate konstruiert haben werden,
welche die früheren in Schatten stellen. Kienböck (Wien).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Adrian, C„ Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 289 — 298.
Schnürer, Jos., (Jeher die Puerperal¬
eklampsie (Fortsetzung), p. 298—307.
Hofmann, K. R. v., Gonorrhoische
Allgemcininfektion und Metastasen etc.
(Fortsetzung), p. 308 — 316.
II. Bücherbesprechungen.
i Oppenheim, H., Die Geschwülste des
Gehirns, p. 316.
; Centralkomit6 für das ärztliche
I Fortbildungswesen in Preusscn.
I Vorträge über ärztliche Kriegswissen-
I Schaft, p. 318.
' Strebei, H., Die Verwendung des Lichtes
in der Therapie.
(int Einsen (Inn R von Monoffraphfen and Büchern an den Redakteur Professor
I)r. HERMANN SCHLESINGER. Wien. I. Ehendorfemtraaae 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuachriften mit dem Adresaenzuaatz „Für die Redaktion d es
Centralblattea für die Grenzgebiete* 1 versehen zu wollen.
Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
Go gle
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Chirurgie.
Herausgegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VL Band.
Jena, 15. Mai 1903.
Nr. 9.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig -Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Die multiple Neurofibromatose.
(Recklinghausen’sche Krankheit.)
Sammelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent o. d. Univ. Strassburg.
(Fortaeteung.)
Wir kommen zu den klinischen Erscheinungen der Neuro¬
fibrome der Hirn nerven und Hirn nervenwurzeln. Da sie oft
klinisch nicht scharf voneinander zu trennen sind, habe ich, schon
um Wiederholungen zu vermeiden, Neurofibrome der Hirnnerven
und ihrer Wurzeln hier zusammen abgehandelt.
Es können von der Neurofibromatose, wie wir oben gesehen
haben, sämtliche Hirnnerven befallen werden. Es können aber
auch Funktionsstörungen derselben hervorgerufen werden durch
Tumoren der Nachbarschaft, welche den betreffenden Hirnnerven
komprimieren, ohne dass dieser selbst eine Fibrombildung zeigt,
oder aber durch den die primäre Krankheit begleitenden, nicht
gerade häufigen Hydrocephalus int. (Hirschberg 1879, Berggrün
1897) oder durch zu gleicher Zeit mitbestehende funktionelle Nerven¬
erkrankungen.
OntmlbUtt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 21
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Begreiflicherweise ist es auch oft bei der Ausdehnung des
Prozesses mit Schwierigkeiten verbunden, zu unterscheiden, in welcher
Höhe seines peripheren Verlaufes der betreffende Hirnnerv lädiert ist.
Nimmt man nun noch dazu, dass die Mehrzahl der intra vitam
gefühlten oder bei der Autopsie gefundenen Knoten der peripheren
Hirnnerven keine klinischen Symptome macht oder gemacht hat,
so wird es verständlich, dass die klinischen Erscheinungen, die wir
nunmehr besprechen wollen, nicht immer im Einklänge stehen mit
dem anatomischen Befunde, oder dass wir nicht für jedes Symptom
von Seiten eines Hirnnerven ein ausreichendes anatomisches Substrat
besitzen.
Wir wollen mit der Besprechung der klinischen Erscheinungen
von Seiten der Sinnesnerven beginnen:
Selten hören wir bei der Neurofibromatose von einer Schädi¬
gung des N. olfactorius.
Das Geruchsvermögen kann herabgesetzt sein (P. Marie 1894/95,
Fall 1; Landowski 1894, Fall 1 und 2), in dem Fall Spillmann
(1900) wurde ein vollständiger Verlust desselben festgestellt
In der Beobachtung von Salomon (1877) wird der Geruchssinn
ausdrücklich als inlakt bezeichnet, desgleichen in dem Fall von Berg¬
grün (1897).
Die anatomischen Veränderungen der Nn. olfactorii in dem Fall
Posthumus (1900) — die beiden Bulbi sind verdickt und haben an
Konsistenz zugenommen — scheinen klinisch keine Anomalien in der
Geruchswahrnehmung gemacht zu haben, wenigstens erwähnt Posthu¬
mus keine solchen; ebensowenig in dem Fall von Mossö und Cavalie
(1897), in welchem Tractus und Bulbus olfactorius Sitz kleiner Tumoren
waren.
Noch seltener als der Geruchssinn scheint der Geschmacks¬
sinn bei der Neurofibromatose geschädigt zu werden.
In dem Fall 1 von P. Marie (1894/95, Fall 1) ist das Ge¬
schmacksvermögen als herabgesetzt, in der Beobachtung von Salomon
(1877) als intakt angegeben.
Ein nicht so sehr selten afficierter Sinnesnerv ist «1er N.
acusticus.
Nächst dem Facialis findet sich in dem Falle von Gerhard t-
Riesenfeld (1876/78) im Bereiche der Hirnnerven nur noch eine
Störung und zwar im Gebiete des N. acusticus: die Hörweite für eine
leise gehende Taschenuhr beträgt rechts 30, links 70 cm. Trotzdem
wurde der betreffende Hirnnerv bei der Autopsie frei befunden, wenigstens
an der Hirnbasis, weiter scheint er nicht verfolgt worden zu sein.
Das Gehör des Kranken von Salomon (1877) ist entschieden
beeinträchtigt, und zwar auf dem rechten Ohre mehr als auf dem linken.
Patient versteht nur laut und präzis gesprochene Worte. Das Ticken
der Uhr percipiert er links auf 5 cm Entfernung, rechts erst beim An-
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legen der Uhr an die Ohrmuschel. Von den Kopfknochen aus be¬
hauptet er weder rechts noch links das Ticken wahrnehmen zu können.
Eine Autopsie fehlt.
Eine Störung des Hörvermögens konstatierte auch Landowski
(1894) in seinen beiden Fällen (Obs. 1 und 2).
Eine enorme Herabsetzung der Gehörsperception aus centraler Ur¬
sache bestand in dem Falle von Berggrün (1897).
Der Kranke von Feindei und Froussard (1899) hört, wie
ausdrücklich von den Autoren bemerkt wird, normal und beiderseits
gleich gut.
Die völlige Taubheit in den beiden Fällen von Henneberg und
Koch (1901, 1902) war bedingt in dem einen Falle (I) durch ein
doppelseitiges, fast hühnereigrosses Neurofibrom des Acusticus, in dem
anderen Falle (II) durch doppelseitige über haselnussgrosse Tumoren der
Hirnnervenwurzeln.
Aehnliche Verhältnisse lagen vor in den Beobachtungen von
Soyka (1877, Fall 2), Reymond (1898) und Sternberg (1900).
Schwindel, Schwindelgefühl, Schwindelanfälle erwähnen ohne gleich¬
zeitige Gehörstörungen Lahmann (1885, Fall 1), P. Marie (1894/95),
Feindei (1896, Obs. 1 und 2), Labouverie (1899, Obs. 1), Feindei
und Froussard (1899), Revilliod (1900), Spillmann (1900), und
sie bestanden auch in meinem Falle 2 (1901).
Der auch sonst noch an zahlreichen nervösen Störungen leidende
Patient von Revilliod (1900) hatte gelegentlich auch Ohrensausen.
In allen den erwähnten Fällen scheint eine lokale Affektion
des Gehörorgans ausgeschlossen zu sein. Eigentliche Gleichgewichts¬
störungen sind nie notiert. Die wiederholt beschriebenen Störungen
des Sehvermögens sind sehr oft, aber keineswegs immer, die
Folgen chronischen Hirndrucks gewesen oder stehen sonst mit der
Neurofibromentwickelung innerhalb der Schädelkapsel direkt in
Zusammenhang.
Exquisite Beispiele von Störungen des Sehvermögens mit centraler
Ursache, d. h. als Folge des Hirndrucks, bilden die Fälle von Hirsch¬
berg (1879), Moss6 und Cavaliö (1897), Berggrün (1897), Rey¬
mond (1898), Spillmann (1900), Feindei und Froussard (1899),
Haushalter (1900), Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall 1
und 2) und meine eigenen Beobachtungen (1901, Fall 2 und 6).
Der 13jährige Kranke von Hirschberg (1879) litt anfangs an
periodischer Verdunkelung, später an dauernder und zunehmender Herab¬
setzung der Sehschärfe. Zu der hochgradigen konzentrischen Gesichts¬
feldeinschränkung traten allmählich heftige Kopfschmerzen, häufige und
heftige Anfälle von Erbrechen und absolute Blindheit hinzu. Beider¬
seitige Stauungspapille, vollkommene Paraplegie. Sensorium und gutes
Gedächtnis bis unmittelbar vor dem Tode. Autopsie: Schädelkapsel
enorm vergrössert, von innen her usuriert; am vorderen Teil des Klein¬
hirns eine Geschwulst, die über die Vorderfläche des Pons hinübergreift.
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Enormer Hydrocephalus int.; zahlreiche graurötliche Tumoren der Me*
dulla spinalis.
In dem Falle von Mossö und Cavaliö (1897), dem typischsten
Beispiele einer reinen „Neurofibromatose centrale“, bestand neben zahl¬
reichen anderen Himdrucksymptomea eine starke Einengung des Ge¬
sichtsfeldes linkerseits, vollständige Erblindung rechts und doppelseitige
Neuritis optica mit Netzhautblutungen.
In der wiederholt citierten Beobachtung von Berggrün (1897)
war eine doppelseitige Stauungspapille mit völliger Erblindung vorhanden.
In meinem Falle 6 (1901) bestand eine doppelseitige Stauungs¬
papille, rechts mit grösseren und kleineren Blutungen; es lag nahe, eben¬
falls an eine Beteiligung der basalen Himnerven an der ausgedehnten
Neurofibromatose zu denken. Die Autopsie belehrte uns eines anderen:
es handelte sich um ein hühnereigrosses, zum Teil erweichtes Sarkom des
rechten Linsenkornes.
In den Fällen von Reymond (1898), Feindei und Froussard
(1899), Spillmann (1900), Haushalter (1900), Henneberg und
Koch (1901, 1902, Fall 1 und 2), sowie endlich in meinem Falle 2
(1901) bestand eine Neuritis optica bezw. eine Sehnervenatrophie mit
Herabsetzung der Sehschärfe bezw. völliger Erblindung.
In Reymond’s Beobachtung (1898) handelte es sich um ein
22 jähriges Mädchen mit Schwäche in den Beinen, cerebellarer Ataxie,
später Kopfschmerzen, Erbrechen, epileptischen Anfälle, Amaurose, Neuritis
optica, leichtem Hängen der Augenlider, Taubheit beiderseits, Steigerung
der Sehnenreflexe. Demenz. Sonst sind die Hirnnerven, Motilität und
Sensibilität normal. Autopsie: Oculomotorius und Trochlearis zeigen
beiderseits kleine fibröse Knötchen an ihrer Austrittsstelle aus dem Ge¬
hirn. Mandarinengrosser Tumor an der vorderen, unteren Fläche der
Kleinhirnhemisphäre beiderseits. Es fehlt die mikroskopische Unter¬
suchung der Geschwülste.
In Feindel’s und Froussard's Beobachtung (1899) bestand eine
beiderseitige konzentrische Einengung des Gesichtsfeldes für sämtliche
Farben, rechts etwas stärker als links. Auf dem rechten Auge ausge¬
sprochene Dyschromatopsie. Völlige Farbenblindheit rechts, links werden
nur Blau und Grün verwechselt. Sehschärfe links = 1 | s , rechts = l \ t0 .
Die Pupillen reagieren; im übrigen besteht eine weisse Sehnervenatrophit*
rechterseits, linkerseits Peripapillitis.
Bei Spillmann’s Patientin (1900) bestanden neben zahlreichen an¬
deren Symptomen von Hirndruck eine Neuritis optica und Stauungs¬
papille. Als Ursache wurde ein Tumor der Gegend der Sella turcica
angenommen.
In Haushaiter’s Falle (1900), in welchem nichts auf eine Hirn-
affcktion sonst hinwies, bestand eine Neuritis optica.
In Fall 1 von Henneberg und Koch (1901, 1902) bestand
neben Nystagmus eine doppelseitige Neuritis optica, in Fall 2 Pupillen¬
starre mit neuritischer Atrophie beider Nervi optici mit völliger Blindheit.
Daneben bestanden in beiden Fällen andere unzweideutige Zeichen von
chronischem Hirndruck.
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In meinem Falle 2 (1901) bestanden totale Erblindung, Nystag¬
mus und beiderseits weisse Sehnervenatrophie auf dem Boden eines
chronischen Hydrocephalus internus, in Fall 6 doppelseitige Stauungs¬
papille auf Grund eine» Sarkoms in der Gegend des Linsenkerns.
Auch in dem Falle 1 von Schüle (1902) bestand eine Opticus¬
atrophie.
In anderen Fällen bestanden Störungen* des Sehvermögens, bei
denen entweder keine anatomische Grundlage für diese Anomalie
bei der Autopsie sich fand oder bei welchen in vivo am Augen¬
hintergrund keine Veränderung sich vorfand.
Sehen wir ab von einigen, weiter nicht kontrollierbaren An¬
gaben, wie derjenigen von Grün (1886), dessen Patientin an einer
hochgradigen Myopie litt, oder der von Danlos (1900), dessen
Patient eine „Verminderung des Sehvermögens“ schlechtweg zeigte,
so interessieren uns um so mehr einige mit grösserer Genauigkeit
untersuchte Fälle.
So berichtet P. Marie (1894|95, Fall 2) von einer Einengung
des Gesichtsfeldes bei einem seiner Patienten ohne sonstige Veränderungen
am Auge, speziell am Augenhintergrunde. In einem anderen Falle von
P. Marie und Couvelaire (1900) bestand ebenfalls eine Verengerung
des Sehfeldes neben Miosis und schlechter, träger Reaktion der Pupillen
auf Lichteinfall.
Eigentümliche Sehstörungen bestanden in dem Falle von Re-
villiod (1900):
Patient sieht seit einiger Zeit weniger gut, er sieht die Umrisse
der Druckschrift und fixierter Gegenstände verschwommen, weniger scharf,
sie verkleinern sich plötzlich und scheinen sich von seinem Auge zu
entfernen, er sieht alles kleiner als in Wirklichkeit, „c’est comme si je
regardais par le gros bout d’une jumelle“, sagt der Kranke; einen Augen¬
blick später sieht er wieder alle Bilder viel grösser als normal, oder er
sieht alles doppelt, das eine Bild zu gross, das andere zu klein.
Diese Erscheinungen von Makropsie und Mikropsie verschlimmern
sich zeitweise und sind mit Farben- und Funkensehen („berlues“) ver¬
bunden.
Die Pupillen sind beiderseits klein, erweitern sich auch im Schatten
nur unvollständig und reagieren nur träge auf Lichteinfall und Accom-
modation. Der Augenhintergrund zeigt keinerlei Abnormitäten.
Die Sehkraft der Patientin von Posthumus (1900) hatte ab¬
genommen, soweit es das Sehen in die Ferne betrifft. Die Augen zeigen
abwechselnd in geringem Grade Strabismus divergens und convergens.
Zu der Bewegung der Augen gesellen sich gewöhnlich kleine Zuckungen.
Jedoch fixiert Patientin ausgezeichnet. Nystagmus besteht nicht. Der
Lichtreflex und die Accommodation sind normal. Weitere Angaben fehlen.
In meinem jüngst beschriebenen Falle (1902) konstatierte
ich linkerseits eine atrophische Papille, rechterseits eine geringe Ab¬
blassung der temporalen Papillen hälfte. Die Sehschärfe war beiderseits
massig herabgesetzt, das Gesichtsfeld (für Weiss) erschien linkerseits
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nach oben und nasalwärts massig eingeschränkt, rechterseits annähernd
normal. Eine Störung des Farbensinnes bestand nicht Die Autopsie
deckte für diese Störungen keinerlei Ursache auf.
Andere Autoren, die speziell auf das Vorhandensein von Gesichts¬
feldeinengungen acht gegeben haben, haben solche vermisst, so Feindei
(1896, Obs. 1) und Thibiörge (Soc. möd. d. höp. 1898) bei normalen
Reflexen und intakter Sensibilität.
In Bezug auf die Anomalien im Bereiche der Augen¬
muskeln bei der Neurofibromatose finde ich Nystagmus bezw.
nystagmusähnliche Zuckungen verzeichnet in den Beobachtungen
von Petren (1897), Posthumus (1900), Henneberg und Koch
(1901, 1902, Fall 1) und in meinem Falle 2 (1901).
Was Augenmuskellähmungen anbetrifft, sind Lähmungen
der äusseren Augenmuskeln im ganzen nicht gerade häufig be¬
schrieben.
Doppeltsehen, rollende Augenbewegungen während der Anfälle von
Hirndruck, also mehr Reizungs- als Lähmungserscheinungen, bestanden
in dem Falle von Hesselbach (1824), temporäre Diplopie erwähnt
Lahmann (1885, Fall 1).
In dem Falle von Berggrün (1897) bestand eine beiderseitige,
ziemlich starke Protrusio bulbi. Die rechte Lidspalte ist weiter als die
der linken Seite und beim Schliessen des Auges bleiben die rechten Augen¬
lider von ihrer Unterlage abgehoben. Links besteht ferner deutliche
Ptosis, beide Augäpfel sind bis auf kleine, ruckweise Bewegungen un¬
beweglich, starr. Die Starrheit der Augen findet ihren Grund in einer
vollständigen Paralyse des Oculomotorius in allen seinen Aesten und
einer Parese des Abducens am rechten, in einer Paralyse des Abducens
und einer Parese des Oculomotorius am linken Auge.
Das „Hängen der Augenlider“ in dem Falle von Reymond (1898)
hängt möglicherweise mit der Fibromentwickelung an der Oculomotorius-
wurzel zusammen. Die kleinen fibrösen Knötchen des Trochlearis beider¬
seits an der Austrittsstelle aus dem Gehirn scheinen keine klinischen
Erscheinungen gemacht zu haben.
In dem Falle von Sternberg (1900) bestanden Augenmuskel¬
lähmungen. Die Autopsie deckte u. a. kleinere Geschwülste an den
Oculomotoriis und am linken Trochlearis (innerhalb der Schädelkapsel) auf.
Neben der Neuritis optica rechts mit erheblicher Herabsetzung des
Sehvermögens auf dieser Seite war in dem Falle von Haushalter
(1900) eine linksseitige Abducenslähmung vorhanden.
In der Beobachtung von Revilliod (1900) bestand gelegentlich
eine partielle Parese des Oculomotorius (Ptosis), aber offenbar nur vor¬
übergehend.
Die Patientin von Bevor (1901) wies neben anderen Nerven¬
erscheinungen auch eine leichte Ptosis und einen Strabismus auf.
Der in meinem Falle 9 (1901) vorhandene Strabismus con-
vergens des linken Auges scheint angeboren zu sein.
Auch die inneren Augenmuskeln zeigen mitunter Störungen.
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Abgesehen von der infolge Sympathicuslähmung auftretenden Miosis
finde ich bei A. Philippson (1888, Fall 2) u. Podlewski (1886) eine
reflektorische Pupillenstarre auf dem linken Auge citiert; jedoch lag hier
allem Anscheine nach eine richtige Tabes dorsalis vor.
Bei dem Knaben von Berggrün (1897) sind beide Pupillen rund,
die rechte weiter als die linke, beide über mittelgross, reagieren weder
auf Licht noch auf Accommodation.
Pupillendifferenz bestand ferner in dem Fall 2 von Herczell
(1890), nur zeitweise Differenz in dem Falle von Petren (1897).
Von fast völliger Reaktionslosigkeit der verengerten Pupillen be¬
richtet Sieveking (1896), träge Pupillenreaktion erwähnen Petren
(1897), P. Marie und Couvelaire (1900) und Revilliod (1900).
Kleinheit der Pupillen konstatierten Sieveking (1896), P. Marie
und Couvelaire (1900) und Revilliod (1900).
Ueber starke Erweiterung derselben im Himdruckanfall berichtet
Hesselbach (1824).
Eine Reihe von Störungen, wie die bereits erwähnte Miosis in
den Beobachtungen von Sieveking (1896), P. Marie und Cou¬
velaire (1900) und Revilliod (1900), oder die Pupillendifferenz
in den Fällen von Herczell (1890, Fall 2), Berggrün (1897) und
Petren (1897), in ersterem Falle mit erhaltener Reaktion, in den
beiden anderen Fällen bei fehlender bezw. träger Pupillenreaktion,
weiterhin die mehrfach beobachtete Enge der Lidspalte [Gerhardt-
Riesenfeld 1876|78, Herczell (1890, Fall 2), Petren (1897),
Berggrün (1897), Reymond (1898)], die sicherlich nicht immer
auf einer Lähmung der M. levator palpeprae beruhte, lassen an den
Symptomenkornplex im Gefolge von Sympathicuslähmung denken,
zumal wenn, wie in dem Falle von Herczell (1890, Fall 2) und
Petren (1897), daneben vasomotorische Erscheinungen bestehen.
Auffällig ist im Falle von Herczell immerhin, dass letztere zugleich
mit den oculo-pupillären Symptomen erst nach der Exstirpation eines plexi¬
formen Neuroms am linken Arme auftraten, wohingegen in dem Falle
von Gerhardt-Riesenfeld (1876/78) und Petren (1897) dieselben
centralen Ursprungs waren. Was wir aber aus diesen interessanten Be¬
obachtungen schliessen können, ist, dass die oculo-pupillären Phänomene
bald durch eine Läsion des Centraloiganes, wie in den Fällen von
Gerhardt-Riesenfeld (1876/78) und Petren (1897), bald der peri¬
pheren Nerven, wie in dem Falle 2 von Herczell (1890), hervorgerufen
werden können. Freilich geben sie keine sicheren Anhaltspunkte zur
Erklärung dieser Phänomene. Aehnlich steht es mit den vasomotorischen
Störungen, wie sie Herczell und Petren zugleich im Verein mit den
oculo-pupillären Symptomen beschrieben haben.
Wenig Hesse sich im Vergleich zur Häufigkeit der Neuro¬
fibrombildung am Trigeminus über das Vorkommen von klinischen
Erscheinungen von Seiten dieses Nerven sagen.
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In dem Falle von Berggrün (1897) erweist sich „der Trigeminus
als intakt“.
Ueber die SensibilitÄtsverhältnisse der Schleimhaut des Mundes,
das Verhalten des Cornealreflexes, die Sekretion der Thränen- und
Speicheldrüsen, trophische Störungen im Gebiete des Trigeminus etc.
ist nichts bekannt.
Von klinisch beobachteten und zugleich durch Autopsie erhärteten
Fällen von Trigeminusneuralgie, die durch Neurofibrome bedingt waren,
konnte ich in der Literatur nur einen einzigen auffinden, den Fall von
Mossö und Cavaliö (1897), in welchem noch eine Reihe anderer Him-
nerven mitbeteiligt war.
In meinem Falle 6 (1901), wo eine hartnäckige, jeder internen
Behandlung trotzende, vier Monate dauernde Supraorbitalneuralgie be¬
stand, liess der in ziemlicher Ausdehnung operativ entfernte Supraorbital¬
nerv nichts von Fibrombildung erkennen und die Autopsie deckte am
Trigeminus selbst keine Anomalie auf; die Neuralgie musste in diesem
Falle als eine solche centralen Ursprungs angesprochen werden, die
ihren Grund in dem bestehenden Sarkom des Gehirns (Linsenkern)
hatte; dasselbe galt vielleicht auch für die Schwäche des Facialis in
seinen beiden -unteren Aesten linkerseits (s. u. sub Facialis).
Ebenso auffällig selten sind Affektionen der motorischen
Portion des Trigeminus.
In Berggrün’s Beobachtung (1897) war das Gaumensegel bei der
Phonation wenig beweglich und wurde die rechte Hälfte stärker bewegt
als die linke.
Die eine Patientin von Spillmann und Etienne (1898, Fall 5)
bot einen Tic des Masseter (klonische Kaumuskelkrämpfe). Jedoch
zeigte die Kranke auch noch anderweitige nervöse Störungen, so dass
man berechtigt ist, die sämtlichen Erscheinungen als hysterisch anzu¬
sprechen.
Der Facialis ist nicht selten im Verlauf der Neurofibromatose
mitaff iziert.
Gerhardt-Riesenfeld's Patient (1876/78) zeigte klinisch eine
Schwäche im Gebiete des linken Facialis. Bei der Autopsie fanden sich
u. a. Neurome des Stammes und spindelförmige Verdickungen an sämt¬
lichen Aesten des Pes anserinus.
Bei Mossö und Cavaliö (1897) deckte die Autopsie als Er¬
klärung der während des Lebens bestehenden rechtsseitigen Facialis-
lähmung Fibrome des betreffenden Nervenstammes auf.
Berggrün’s Kranker (1897), der u. a. an beiden Facialisstämmen
Tumoren auf wies, zeigte zu Lebzeiten eine Insufficienz des Lippenaste?.
während Stirn- und Wangenast intakt waren.
Für den Fall Salomon’s (1877) und Hallopeau’s (1889) von
Facialislähmung bezw. Facialisschwäche ist es nicht erwiesen, dass die¬
selbe durch ein Neurofibrom des Stammes oder eines oder mehrerer
seiner Aeste bedingt war. Von Hallopeau (1889) wird speziell für
seinen Fall eine rheumatische Ursache (Erkältung) als wahrscheinlich
angenommen.
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Für die linksseitige Facialisparese in dem Falle von Sternberg
(1900) fanden sich bei der Autopsie am Facialis selbst keine Verände¬
rungen, hingegen fanden sich anderwärts multiple Geschwülste der Hirn¬
basis, welche die Facialisparese zu erklären im stände sind.
Aehnlich war die Parese des Facialis in beiden Fällen von
Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall 1 und 2) durch Kompression
von Tui^ormassen der Nachbarschaft bedingt.
In meinem Falle 6 (1901) bin ich geneigt, für die Schwäche
des linken Facialis in seinen beiden unteren Aesten, ebenso wie für die
zu gleicher Zeit bei dem Patienten bestehende Supraorbitalneuralgie eine
centrale Ursache anzunehmen (s. o. sub Trigeminus).
In meinem Falle 8 (1901) scheint die Facialisschwäche eine
angeborene zu sein.
Fibromatöse Neubildungen des N. glossopharyngeus machen
nur selten klinische Erscheinungen.
Solche fehlten in den Beobachtungen von Gerhard t-Riesenfeld
(1876/78) und Posthumus (1900).
Anders war das Verhalten in denen von Berggrün (1897)
und Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall 1).
Der Schluckakt des Patienten von Berggrün (1897) war ein er¬
schwerter: es bestanden Deglutitionsbeschwerden und namentlich Flüssig¬
keiten kamen leicht durch die Nase wieder zurück; nicht nur das
Schlingen als solches ging mit Hindernissen vor sich, auch litt Pat an
einem häufigen und ungemein lästigen „Verkutzen“, welches sich mit¬
unter bis zu förmlicher Erstickungsgefahr steigerte.
Der Kranke von Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall 1)
verschluckte sich leicht und Flüssigkeit drang ihm dabei zur Nase her¬
aus. Eine Gaumensegellähmung bestand nicht Bei der Autopsie fanden
sich in der linken (rechten ?) Wurzel des Glossopharyngeus zahlreiche
kleine Knoten.
Respirationsstörungen, Pulsanomalien, Störungen der Herz-
thätigkeit und der Sprache, welche auf den Vagus bezogen werden,
sind sehr häufig beobachtet, können aber ebenso wie eine Reihe
von anderen Störungen, Erbrechen, Sehstörungen und andere Er¬
scheinungen mehr, auf Rechnung des gesteigerten Hirndrucks be¬
zogen werden.
In dem Falle von v. Bruns (1870, Fall 3) bewirkten beider¬
seitige Vagustumoren stechende Schmerzen, Hustenreiz, Heiserkeit und
Aphonie.
Schwere Anfälle von Atemnot, die möglicherweise mit Neurofibrom¬
bildung am Vagus in Zusammenhang standen, erwähnt Gujot (1875).
Trotz der grossen Ausdehnung bezw. des starken Befallenseins des
Vagus in allen seinen Aesten in dem Falle von Gerhardt-Riesenfeld
(1876/78) scheinen keine Störungen von Seiten desselben bestanden zu
haben.
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Storungen der Respiration wies der Patient von Berggrün (1897)
auf. Neben massigen Tumoren des Vagus beiderseits bestanden aber
anderweitige Zeichen von Hirndruck, die allein diese Respirationsanoma¬
lien zu erklären im stände sind.
Der Puls, der anfangs regelmässig war, wurde später irregulär und
sehr frequent (130—140 Schläge per Minute). Die Atmung zeigte
mancherlei von der Norm Abweichendes: meist machte der Knabe, wenn
er ruhig im Bett lag, vier bis fünf oberflächliche Atemzüge, worauf dann
ein tiefes Aufseufzen und eine kurze, oft nur wenige Sekunden währende,
mitunter aber auch etwas längere Apnoe folgte. Die Zahl der Respira¬
tionen in der Minute war eine ziemlich wechselnde und schwankte
zwischen 18 und 22 Atemzügen. Im weiteren Verlaufe der Erkrankung
änderte sich dieser Zustand in dem Masse, als die Erscheinungen des
Druckes durch den stetig wachsenden Hydrocephalus Zunahmen. Eine
Einflussnahme auf die Respiration konnte insofern beobachtet werden,
als die Apnoepausen sich immer häufiger wiederholten und in immer
kürzeren Zwischenräumen auf traten.
Die Patientin von Posthumus (1900) „spricht heiser infolge
Parese der Stimmbänder“, die ihrerseits durch Tumorentwickelung in den
Nn. Vagi bedingt war. Dieselben hatten, wie übrigens zahlreiche andere
Nerven, eine „täuschende Aehnlichkeit mit einer Haarflechte oder einem
Nabelstrang“.
Anfälle von Herzklopfen finde ich bei Revilliod (1900) erwähnt
Die Anfälle von Athemnot und die Hustenanfälle in der Be¬
obachtung von Moynihan (1901) waren bedingt durch ein wohl aus
einem Fibrom hervorgegangenes Spindelzellensarkom des linken Vagus.
Der Patient wurde durch eine Operation geheilt
Klinische Erscheinungen von Seiten von Fibromen des Nervus
accessorius sind nicht bekannt.
Freilich liegt auch nur eine einzige Beobachtung, die von Gerhardt-
Riesenfeld (1876/78), vor, in welcher sich am Foramen magnum, in
dem N. accessorius sitzend, ein spindelförmiges, 2 l / 2 cm langes Neurom
fand, das die Medulla komprimierte, und mehrere kleinere an Wurzel¬
fäden des linken Accessorius aufsassen. Ausser den Kompressions¬
erscheinungen des Rückenmarks machten diese Geschwülste keine Symptome,
die auf ein Befallensein des betreffenden Hirnnerven hingedeutet hätten.
Der Hypoglossus scheint nur selten affiziert zu werden.
In dem Falle von Berggrün (1897) weicht die trockene und
rissige Zunge etwas nach links ab und weist deutliche fibrilläre
Zuckungen auf.
Seitliches Abweichen der Zunge nach rechts beim Ausstrecken
finde ich bei Posthumus (1900) notiert.
Die Atrophie der linken Zungenhälfte in dem Fall 2 von Henne¬
berg und Koch (1901, 1902, Fall 2) findet ihre Erklärung durch
Kompression des linken Hypoglossusstammes in der Nähe des Foramen
condyloideum ant. sin. durch umliegende Geschwulstmassen. Sprach¬
störungen bestanden nicht.
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Allgemein cerebrale Symptome, zu deren Besprechung
ich mich noch mit wenigen Worten wenden will, soweit ich sie
nicht eben schon erwähnt habe, können sehr mannigfache sein. Sie
deuten im allgemeinen auf einen intracraniellen Sitz der Neuro¬
fibrome hin, und zwar an den Nervenwurzeln. In die Rubrik der
Tumoren der Hirnnervenwurzeln gehören die Beobachtungen von
Hesselbach (1824), Bischoff und Knoblauch (1843), Soyka
(1877, Fall 1 und 2), Hirschberg (1879), Berggrün (1897),
Mossö und Cavaliö (1897), Reymond (1898), Sternberg (1900),
Haushalter (1900), Spillmann (1900), Posthumus (1900)?,
Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall 1 und 2), Schüle (1902,
Fall 1).
Freilich fehlt in mehreren Beobachtungen (Haushalter 1900,
Spillmann 1900, Schüle 1902, Fall 2) die Bestätigung durch die
Autopsie.
In meinen Fällen 2 und 6 (1901) waren die allgemeinen
cerebralen Symptome bedingt durch einen chronischen Hydrocephalus
int, bezw. ein Sarkom des Linsenkernes.
Schwindel, Schwindelgefühl und Schwindelanfälle stehen in den
Beobachtungen von Sternberg (1900), Spillmann (1900) und in
meinem Falle 2 (1901) mit der intracraniellen Drucksteigerung im Zu¬
sammenhang; desgleichen die Gedächtnisschwäche in dem Fall von
Spillmann (1900), die Sprachstörungen in den Beobachtungen von
Soyka (1877, Fall 2), Sieveking (1896), Mossö und Cavaliö
(1897), Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall 1).
In Berggrün’s Falle (1897) war die Sprache lallend, stolpernd,
leicht skandierend.
Bei dem Patienten von Revilliod (1900) bestanden im allgemeinen
keine Sprachstörungen, indes stammelte und stotterte („bredouiller“] er
gelegentlich, wenn die Anfälle von Herzklopfen, Kopfschmerzen, Ohren¬
sausen, Sehstörungen und allgemeine körperliche Schwäche auftraten.
Trotz ausgeprägter Hirndruckerscheinungen kann das Gedächtnis
brn an das Lebensende dauernd gut sein (Hirschberg 1879).
Kopfschmerzen, die oft anfallsweise und sehr heftig auftreten, sind
erwähnt in den Beobachtungen von Hesselbach (1824), Hirschberg
(1879), Berggrün (1897), Mossö und Cavaliö (1897), Henneberg
und Koch (1901, 1902, Fall 2) und in meinem Falle 6 (1901);
meist sind damit Erbrechen und Würgen verbunden: Hesselbach
(1824), Hirschberg (1879), Berggrün (1897), Sternberg 1900),
Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall 2) und in meinem Falle 6
(1901).
Der Sehstörungen, des Auftretens von Stauungspapille, der Pulsano-
roalien (Sieveking 1896, Berggrün 1897) und Respirationsstörungen
(Sieveking 1896, Berggrün 1897) habe ich bereits oben gedacht.
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Blasen- und Mastdarmstörungen sind im ganzen selten beobachtet
(Sieveking 1896, Berggrün 1897, Spillmann 1900; Schwäche in
den Beinen erwähnen Berggrün (1897), Reymond (1898), Spill¬
mann (1900), Henneberg und Koch (1901, 1902, Fall 1), Unsicher¬
heit des Ganges MossE und CavaliE (1897) und Berggrün (1897),
cerebellare Ataxie Reymond (1898) und Henneberg und Koch (1901,
1902, Fall 1), Bewegungstanxie in den Extremitäten links Henneberg
und Koch (1901, 1902, Fall 1); dazu kommen allgemeine Körper¬
krämpfe klonischer und tonischer Natur (Berggrün 1897), schwere all¬
gemeine Krämpfe (Henneberg und Koch 1901, 1902, Fall 2), epi¬
leptische Krämpfe (Soyka 1877, Fall 2), epileptische Anfälle (Rey¬
mond 1898, Posthumus 1900), allgemeine epileptische Krampfanfälle,
die anfangs nur selten sich zeigten, dann sich später alle acht Tage
wiederholten, noch später alle Tage und sogar öfters am Tage auftraten
(Spillmann 1900), oder epileptoide Anfälle („crises d’aspect Epileptoide:
absence de cris initial, chute, quelques mouvements convulsifs, abolition
trös courte de la conscience“), die nur tagsüber auftreten, wenn der
Kranke sich gerade bewegt, und von einer Art Aura eingeleitet sind,
welche ihm den Anfall ankündigt (MossE und CavaliE 1897).
Selten ist das Sensorium ganz frei (Hirschberg 1897), meist
sind die Kranken benommen (Berggrün 1897, meine Fälle 2 und 6,
1901); der „Etat d’hEbEtude presque complet“ (Spillmann 1900) oder
die „torpeur intellectuelle“ (MossE und CavaliE 1897), die hypochon¬
drische Stimmung (Henneberg und Koch 1901, 1902, Fall 2), das
apathische Wesen, die Apathie (Berggrün 1897, Henneberg und
Koch 1901, 1902, Fall 1) steigern sich zur Demenz (MossE und
CavaliE 1897, Berggrün 1897, Reymond 1898, Henneberg und
Koch 1901, 1902, Fall 1) und nicht gar selten erfolgt der Tod im
Coma (MossE und CavaliE 1897, Henneberg und Koch 1901,
1902, Fall 2, mein Fall 6, 1901) unter zunehmenden Erscheinungen
des Hirndrucks.
Häufiger als Tumoren an den Hirnnervenwurzeln ist das Vor¬
kommen von multiplen Neurofibromen an den Rücken¬
markswurzeln. Was ihre klinischen Erscheinungen betrifft, so
gestalten sie sich höchst mannigfach. Die Funktionsstörungen des
Centralnervensystems werden je nach der Lokalisation und Aus¬
dehnung der Tumoren verschieden sein müssen, so verschieden, dass
eigentlich kein Fall dem anderen genau gleicht, was ja auch weiter
nicht wunderbar ist.
Und so werde ich, anstatt eine allgemeine Symptomatologie
dieser Geschwülste zu geben, eher die einzelnen, zusammengehörigen
Bilder herausgreifen und an der Hand der dazugehörenden Kranken¬
geschichten einige besondere Typen aufstellen.
Besonders kompliziert werden die Bilder natürlich, wenn neben
Tumoren der Wurzeln des Rückenmarks auch solche des Gehirns,
spezieller gesagt der Hirnbasis oder der Wurzeln der Hirnnerven
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bestehen, die durch Erzeugung von Hirndruckerscheinungen die
Analyse der RGckenmarkssymptome erschweren, oder wenn neben
Tumoren des Rückenmarks auch solche der peripheren Nerven-
stamme vorhanden sind, wie in dem Falle von Berggrün (1897),
den ich daraufhin oben genauer analysiert habe.
Eine Reihe von Beobachtungen verlaufen unter dem Bilde
einer spastischen Paraparese oder Paraplegie, so die Fälle von
Gerhardt-Riesenfeld (1876/78), Sieveking (1896), Petren
(1897), Spillmann und Etienne (1898, Obs. 1 u. 4), Al. Thom¬
son (1900, Fall 6, p. 146), Haushalter (1900), Posthumus (1900),
Schüle (1902), Sorgo (1902).
In dem Falle von Gerhardt-Riesenfeld (1876/78) bestanden
Kompressionssymptome des Rückenmarks durch einen Tumor des Nervus
accessorius innerhalb des Foramen magnum. Die klinischen Erscheinungen
waren, kurz geschildert, folgende:
Beide Vorderarme sind mager (Umfang beiderseits 22,6), der linke
Oberarm ist dicker (Umfang rechts 22,3, links 24,5). Die linke Hand
zeigt Kontraktur der Finger in halber Beugestellung, ferner hochgradige
Atrophie der Muskeln der Hand, besonders des Daumenballens. Beide
Arme führen gröbere Bewegungen gut aus, der linke feinere nur unvoll¬
kommen. Der linke Unterschenkel ist etwas (0,8 mm) dünner als der
rechte, am linken Oberschenkel sieht man fortwährend fibrilläre und
bündelweise Muskelzuckungen. Oberschenkel links 39, rechts 37 Um¬
fang. Starke Reflexerregbarkeit am linken Beine, so dass es z. B. beim
Messen in heftiges Zucken gerät. Bewegungen beider Beine nickweise
und schwach, jedoch links weit steifer und träger. Sehnenreflexe links
erhöht Die Sensibilität ist an beiden Vorderarmen etwas vermindert
mehr an den Unterschenkeln, links etwas mehr als rechts. Stehen er¬
schwert, nicht lange möglich. Beim Gehen (mit Unterstützung) wird das
linke Bein vorwärts gestreckt ohne flektiert zu werden.
(Fortsetzung folgt.)
Ueber die Puerperaleklampsie.
Kritisches Sammelreferat über die von 1890 bis Ende Juni 1902
erschienenen Arbeiten.
Von Dr. Josef Schnürer, Wien.
(Fortsetzung.)
563) Koenig, Eklampsie; Sectio caesar. p. mort. C. f. G. 1899, p. 447.
564) Kötschau, Disk, zu Bayer. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XII, p. 655.
565) Ders., Kaiserschnitt bei Eklampsie. M. m. W. 1902, p. 503.
566) K oll mann, Zur Aetiologie und Therapie der Eklampsie. C. f. G. 1897,
p. 341.
567) Kouwer, cit. b. Meurer. C. f. G. 1902, p. 594.
568) Kranz, cit. b. Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
569) Ders., Ueber Morphiumbehandlung der Eklampsie. I.-D., Leiden 1893.
Ref. in M. m. W. 1893, P- 543 -
570) Kroenig, Kongress in Rom. C. f. G. 1894, p. 375.
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571) Ders., Disk, zu Glöckner. C. f. G. 1901, p. 897.
572) Küstner, Giessener Kongress. M. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 152.
573) La Torre, Behandlung der Eklampsie. Soc. Lanrisiana, 2. Jan. 1898.
Ref. in M. m. W. 1898, p. 442.
574) Lehmann, Beitrag zur Lehre von der Eklampsie. I.-D., Marburg 1894.
Ref. in C. f. G. 1895, p. 147.
575) Lenhartz, Disk, zu Döderiein. Schmidt, Bd. CCXUH, p. 224.
576) Lennander, Kaiserschnitt wegen Eklampsie. Ref. in Schmid, Bd.
CCLXTV, p. 40.
577) Leopold, Disk, zu Goldberg. C. f. G. 1892, p. 504.
578) Ders., Zur schnellen vollständigen Erweiterung des Muttermundes. C. f.
G. 1902, p. 489 und A. f. G., Bd. LXVI, p. 198.
579) Leske, Zur Behandlung der Eklampsie. I.-D., Leipzig 1895.
580) Lindfors, Tinct. veratri bei Eklampsie. Ref. in Schmid, Bd. CCLXIX,
p. 127.
581) Ders., Genfer Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
582) Lingbeck, cit. bei Meurer. C. f. G. 1902, p. 594.
583) Lindquist, Sect. caes. in mort. (Schwed.) Ref. in Mon. f. Geb. u.
Gyn., Bd. XIV, p. 443.
584) Löhlein, Häufigkeit, Prognose und Behandlung der Eklampsie. Gyn.
Tagesfragen 1891, H. 2, p. 88.
585) Ders., Dasselbe. Bonner Kongress. C. f. G. 1891, p. 468.
586) Ders., Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 152.
587) Löwenstein, Drei Fälle von Kaiserschnitt bei Eklampsie. C. f. G.
1902, p. 117.
588) Lubarsch, Ueber Pathologie und Pathogenese der Eklampsie. Corre-
spondenzblatt des Mecklenburg. Aerztevereins. Ref. in C. f. G. 1892, p. 648.
589) Lusk u. Parvin, cf. Parvin u. Lusk.
590) Luther, Ueber Chloroformnachwirkungen. M. m. W. 1893, p. 7.
591) Macalister, Puerperaleklampsie. Med. age 1894, Nr. 19.
592) Ders., Saueistoffinhalationen bei Eklampsie. Lancet 1897. Ref. in C.
f. G. 1898, p. 244.
593) Mackenrodt, Disk, zu Dührssen. Ref. in C. f. G. 1892, p. 123.
594) Macnaugthon, Ges. f. Geb. in London, 6. Jan. 1897. Ref. in Mon.
f. Geb. u. Gyn., Suppl.-Bd. V, p. 234.
595) Man, cit. bei Fest.
596) Mangiagalli, Genfer Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 460.
597) Ders., Ueber Behandlung der Eklampsie. Pariser Kongress für Gyn.,
4. Aug. 1900. Ref. in Mon. f. Gyn., Bd. XII, p. 388.
598) Ders., Kongress in Rom. Ref. in C. f. G. 1894, p. 374.
599) Ders., Behandlung der Eklampsie mit Veratr. virid. Ann. di ost. e gin. r
Juli 1900. Ref. in C. f. G. 1901, p. 992.
600) Mayer, Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XV, p. 152.
601) Marx. Neue Erfahrungen über Accouchement force. Med. record 1898.
Ref. in C. f. G. 1898, p. 1008.
602) Meachem, Bericht über 15 Fälle von Eklampsie. Journ. of amer. rned.
as^oc. 1890, p. 231. Rel. in C. f. G. 1891, p. 277.
603) M'Comb, Puerperale Krämpfe. Med. age 1897, Nr. 14.
604) Mende, Die Dührssen’schen tiefen Cervix - Einschnitte bei zwei Fällen
von Eklampsie. Therap. Monatsh., Sept. 1898.
605) Merkl, Zur Behandlung der Eklampsie. M. m. W. 1893, p. 6.
606) Methcall, cit. b. Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
607) Meurer, Ueber schnelle Dilatation nach Bonnaire. Niederl. Ges. f. Geb.,
12. Jan. 1902. Ref. in C. f. G. 1902, p. 594.
608) Mi ran da, Pathologie und Behandlung der puerperalen Eklampsie. Ann.
di ost. e gin., Sept. 1899. Ref. in C. f. G. 19O!, p. 470.
609) Mond, Disk, zu Seifert. C. f. Gyn. 1900, p. 481.
610) Morisani, Genfer Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV.
p. 466.
611) Ders., Kongress in Rom. Ref. in C. f. G. 1894, p. 374.
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612) Müller, P., Giessener Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd.
XIV, p. 176.
613) Müller, H., Ueber die Entstehung der Eklampsie. A. f. G., Bd. LXVI r
P- 234.
614) Mulhero, cit. b. Fest.
615) Müller, Disk, zu Löhlein. Ref. in C. f. G. 1891, p. 525.
616) Nagel, Giessener Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV,
p. 176.
617) Nicholson, Eklampsie und Schilddrüse. Lancet 1901.
618) Ders., Ges. f. Geb. in Edinbourgh, 12. März 1902. Ref. in M. m. W.
1902, p. 844.
619) Norris, Ges. f. Geb. in Philadelphia, 4. Mai 1899. Ref. in C. f. G.
1899, p. 1550.
620) Ohlshausen, Ges. f. Geb. in Berlin, 24. Nov. 1899. Ref. in Z. f.
Geb., Bd. XLII, p. 348.
621) Ders., Ueber puerperale Eklampsie. Volkm. Samml., N. F., Ser. II, Nr. 39.
622) Ormsby, cit. bei Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
623) Oui, Ueber Puerperaleklampsie. Abeille mW. 1897.
624) Paine, cit. bei Fest. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. III, p. 329.
625) Pannard, Genfer Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
626) Parvin, Genfer Kongress. Ebenda, p. 470.
627) Parvin et Lusk, cit. bei Fest.
628) Paoli, Zwei Fälle von Eklampsie in der Schwangerschaft. Ann. di ost.
e gin., Aug. 1894. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. I, p. 368.
629) Pascali, Genfer Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
630) Peck, cit. bei Fest.
631) Perrochet, Beitrag zur Eklampsiefrage. I.-D., Basel 1894.
632) Pestalozza, Ueber Eklampsie. Settimana med. 1897. Ref. in C. f. G.
«» 97 . P- 93 '-
632a) Phillips, Ges. f. Geb. in London, 6. Jan. 1897. Ref. in Mon. f. Geb.
u. Gyn., Supplem.-Bd. V, p. 234.
633) Pliqu£, Therapie der Eklampsie. Progr&s mW. 1893.
634) Pollok, Ueber die Behandlung der Eklampsie. Glasgow, med. Journ.,
Juli 1892. Ref. in C. f. G. 1893, p. 268.
635) Popescul, Ein Beitrag zur Behandlung der Eklampsie. C. f. G. 1900,
p. 621.
636) Porak u. Bernheim, Subcutane Kochsalzinfusionen als Diureticum.
Nouv. arch. d’obst&r. 1893, Nr. 5.
637) Dies., Französ. Chir.-Kongress in Paris. Ref. in C. f. G. 1893, p. 916.
638) Pott er, Eklampsie, mit besonderer Berücksichtigung der Behandlung.
Med. News 1897. Ref. in C. f. G. 1898, p. 241.
639) Ralph, cit. bei Fest.
640) Reamy, Behandlung der Puerperaleklampsie. Ges. f. Geb. in Cincinnatti,
29. Mal 1895. Ref. in C. f. G. 1895, p. 1143.
641) Ratjen, Disk, zu Seifert. Ref. in C. f. G. 1900, p. 481.
642) Raw, Ueber zwei Fälle von Eklampsie. Ges. f. Geb. in Nordengland,
15. Fcbr. 1900. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XI, p. 871.
643) Reynold, Disk, zu Towsend. Ref. in Schmid, Bd. CCXLII, p. 10.
644) Ribbins, Sectio caesarea wegen Eklampsie. Niederländ. Ges. f. Geb.,
16. März 1902. Ref. in C. f. G. 1902, p. 595.
645) Ders., Disk, zu Meurer. Ref. in C. f. G. 1902, p. 594.
646) Rocheblade et Dumas, Zur Therapie der Eklampsie. Soc. d*obst£tr.
de Paris, 15. Juni 1899. Ref. in C. f. G. 1899, p. 1343.
647) Rösing, Disk, zu Seifert. Ref. in C. f. G. 1900, p. 481.
648) Roojen, Ein Fall von Eklampsie p. part. behandelt mit Aderlass.
(Niederländ.) Ref. in C. f. G. 1898, p. 552.
649) Rumble, Puerperaleklampsie. Med. age, Bd. XV.
650) Sänger, Disk, zu Döderlein. Ref. in Schmidt, Bd. CCXLIII, p. 225.
651) Sandberg, Eklampsie; Sect. caes. p. mort. Med. Revue, Bergen 1895.
Ref. in Mon. f. Geb., Bd. IV, p. 359.
652) Schatz, Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 175.
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653) Schauta, Lehrbuch der ges. Gyn. 1896, p. 637.
654) Schellenberger, eil. bei Fest.
655) Schreiber, Zum gegenwärtigen Stande der Frage nach der Entstehung
der Eklampsie. Mon. f. Geb., Bd. I, p. 474.
656) Ders., Ein Beitrag zur Statistik der Eklampsie. A. f. G., Bd. LI, p. 335.
657) Seeger, Ueber Symptomatologie und Therapie der Eklampsie. Berlin
1890; dt. n. Knapp.
658) Seifert, Zur Frage der Eklampsie. Ges. f. Geb. in Hamburg, 25. Jan.
1898. Ref. in C. f. G. 1900, p. 481.
659) Selhorst, Ein Fall von Eclampsia grav., behandelt mit dem Ballon nach
Champetier de Ribes. Niederländ. Ges. f. Geb., 12. März 1899. Ref. in C. f.
G. 1899, p. 764.
660) Sen6, Ein Fall von Eklampsie, behandelt und geheilt mit wiederholten
rektalen Eingiessungen mit warmem Wasser. Mercr. m6d. 1895, ^ r * 4 1 « Reh * n
C. f. G. 1896, p. 256.
661) Sfamenie, Ueber bimanuelle Erweiterung des Uterushalses. Ressegna
d’ost e gin. 1901. Ref. in C. f. G. 1902, p. 458.
662) Sh ober, Veratr. virid. in grossen Dosen bei Eklampsie. Amer. Joum.
of obst., Juni 1897. Ref. in M. m. W. 1897, p. 969.
663) Ders., Ges. f. Geb. in Philadelphia, 15. April 1897 und 20. Jan. 1898.
Ref. in C. f. G. 1898, p. 568 und 1899, p. 91.
664) Siedentopf, Ein Fall von Eklampsie. Ges. f. Med. in Magdeburg,
20. Juni 1902. Ref. in Mon. f. Geb., Bd. XIV, p. 719.
665) Sinclair, cit. b. Fest.
666) Sippel, Kaiserschnitt wegen Eklampsie. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd.
XIV, p. 280.
667) Sloam, Ges. f. Geb. in Glasgow, 26. Jan. 1898. Ref. in C. f. G.
4898, p. 549.
668) Ders., Vier Fälle von Eklampsie, mit Veratr. vir. behandelt. Glasgow
med. Joum. 1898. Ref. in C. f. G. 1900, p. 718.
669) Sommer, Die Aetiologie und Therapie der puerperalen Eklampsie. I.-D.,
Bonn 1898. Ref. in C. f. G. 1899, p. 926.
670) Staples, cit. b. Fest.
671) Staude, Einige Bemerkungen zur Technik und Indikation des Kaiser¬
schnittes. Deutsche med. Woch. 1891, p. 1149.
672) Stroganoff, 58 Fälle von Eklampsie ohne Todesfall von dieser Krank¬
heit Mon. f. Geb., Bd. XII, p. 422.
673) Ders., Zur Behandlung der Eklampsie. Pariser Gyn. Kongress. Ref.
in M. m. W. 1900, p. 1285.
674) Ders., Ueber Behandlung der Eklampsie. C. f. G. 1901, p. 1309.
675 ) Ders., Disk, zu Massen. Mon. f. Geb., Bd. X, p. 890.
676) Strubel!, Der Aderlass bei Eklampsie. Centralbl. f. d. Grenzgeb. der
Med. u. Chir. 1902, Bd. V, p. 189.
677) Sutugin, cit b. Bidder. A. f. Gyn., Bd. XLIV, p. 165.
678) Taylor, cit. b. Fest.
679) Thiele, Eklampsie und Aderlass. Med. Ges. in Chemnitz, 16. April
1902. Ref. in M. m. W. 1902, p. 941.
680) Th6t, Gyn. Sitzung des ungar. Aerztevereins in Pest, 7. Dez. 1897.
Ref. in C. f. G. 1898, p. 589.
681) Tietke, Ueber Eklampsie. I.-D., Rostock 1894.
682) Towsend, Ueber 170 Fälle von Eklampsie. Boston med. and surg.
Joum., Bd. CXXXVI, p. 206. Ref. in Schmid, Bd. CCLXI, p. 54.
683) Treub, Drei Fälle von Eklampsie. Niederländ. Ges. f. Geb., 17. März
1901. Ref. in C. f. G. 1901, p. 624.
684) Ders., Eklampsie mit Scct. caes. Niederländ. Ges. f. Geb., 18. Nov.
1900. Ref. in C. f. G. 1901, p. 141.
685) Tweedy, Eklampsie und ihre Behandlung. Dublin. Journ. of med.
Science 1896, März. Ref. in C. f. G. 1896, p. 1207.
686) Van der May, Ges. f. Geb. in Berlin, 8. Jan. 1892. Ref. in C. f. G.
1892, p. 128.
687) Van der Velde, Disk, zu Meurer. C. f. G. 1902, p. 594.
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688) Veit, J., Zur Behandlung der Eklampsie. Festschrift für Carl Rüge.
Ref. in M. med. W. 1896, p. UIO.
689) Ders., Genfer Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
690) Ders., Disk, zu Ohlshausen. Berl. klin. Woch. 1892, p. 153.
691) Vitanza, Sind bei forcierter Entbindung Eklamptischer Dilatationen
oder Indsionen des Uterushalses vorzuziehen? Arch. di gin. et ost. 1898. Ref. in
C. f. G. 1899, p. 927.
692) Ward u. Hikey, conf. Hikey u. Ward.
693) Weissheimer, Die Eklampsie in der Marburger Klinik in den letzten
13 Jahren. I.-D., Marburg 1896.
694) Wertheim, Drei Fälle von Kaiserschnitt bei Eklampsie. W. kl. W.
1892, Nr. 37.
695) Wiggins, Blutegel bei Eklampsie. Brit. med. Journ. 1897. Ref. in
C. f. G. 1897, p. 1184.
696) Winkel, Disk, zu Löhlein. C. f. G. 1891, p. 525.
697) Wood, cit. b. Fest.
698) Woyer, Ein Fall von Eklampsie bei Mutter und Kind. C. f. G. 1895,
P- 329 . ’
699) Wyder, Giessener Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV,
p. 142.
700) Zweifel, Zur Behandlung der Eklampsie. C. f. G. 1895, p. 1201.
701) Ders., Disk, zu Glöckner. C. f. G. 1901, p. 902.
Die medikamentöse Behandlung trachtet vor allem, den Krämpfen
und der erhöhten Reizbarkeit entgegenzutreten, besteht also in erster
Linie in der Anwendung von Narcoticis. Doch sei hierbei nicht
ausser acht gelassen, dass mit Beseitigung der Krampfanfälle nur
ein Symptom, nicht die Erkrankung selbst behoben ist [Krönig 570, 571 )].
Auch machen sich, wie Goldberg 518 ) bemerkt, gerade bei der An¬
wendung der Narcotica individuelle Einflüsse sehr geltend, so dass
z. B. in einem Falle Morphium geringe Wirkung, dagegen Chloral-
hydrat einen vollen Effekt entfaltet, während eine andere Frau
gerade entgegengesetzt reagiert. Teils dieser Grund, teils die be¬
reits angeführten Ursachen (Ungleichheit der Schwere der Er¬
krankung sowie ihrer Natur) erklären hinreichend die Widersprüche,
welche jedes einzelne der empfohlenen Narcotica bei anderen Autoren
erfahren hat.
Von den am häufigsten verwendeten sind Morphium (subcutan
oder intern), Chloralhydrat (Klysma) und die Chloroformnarkose zu
erwähnen, welche teils einzeln, teils kombiniert zur Anwendung
kommen.
J. Veit 688-690 ), Mond 809 ), Roesing 647 ) empfehlen grosse
Dosen von Morphium, 0,03—0,04 bis zu 0,8 p. d. [Hoeven 542 )],
während Stroganoff 672 ), Braitenberg 481 ) höchstens 0,015 dreimal
täglich, Bäcker 415 ) 0,01 nach jedem Anfalle geben. Gute Re¬
sultate mit der Morphiumthex*apie verzeichnen ferner Geuer 506, 507 ),
Bayer 418 ), Paine 6 * 4 ), Chusing 458 ), Kranz 568,569 ), Courteney 458 ),
Tweedy 685 ). Zur Vorsicht mahnen Jardine 549 ) (wegen Nieren-
Ontmlblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 22
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Schädigung), Stande 671 ) (wegen Herzschwäche), G e s s n er 50: %
Fehling 493 ), Wyder 699 ) (nur bei kräftigem vollen Puls), während
sich Krönig 570 * 571 ), Grandin 515 ), Hugu^nin 547 ), Ratjen 641 ),
Gurich 523 ), Dührssen, Garvey 503 ), Fritsch 498 ), Taylor 678 !,
Chrobak 452 ) direkt ungünstig über die Morphiumtherapie aus¬
sprechen. Winkel 696 ), Ohlshausen 621 ) und Eberhardt 485 ) heben
vor allem die hohe Kindersterblichkeit (77 Proz.) bei Anwendung von
Morphium hervor.
Das Chloralhydrat (1,0—3,0) findet seine Vertreter in Peck 630 )
und Charpentier 450 ), die mit ausschliesslicher Chloralbehandlung
die Mortalität auf 4 Proz. herunterdrücken konnten (gegen 35 bis
50 Proz. bei anderen Behandlungsmethoden), Charpentier 449 ), ferner
in Arnaud 413 ), Stroganof f 672 ) und Thot 680 ) (in Verbindung mit
Morphium). Ausschliesslich die Chloroformnarkose wenden au
Pannard 625 ) bis zu 48 Stunden und Collins 455 ), der sie ein ideales
Mittel in der Behandlung der Eklampsie nennt. Häufiger findet sie
Verwendung in Verbindung mit den beiden früher erwähnten Narcolicis
[Schreiber 655 ), C h a 1 e i x 443 ), Kumble 64 u ), Pestalloza fi3s ),
Perochet 631 ), Sommer 669 ), Bidder 424 ;, LaTorre 573 ), Chrobak 45 *!.
Charpentier 417 ), Barone 416 ), Ca sic eia 441 ), Dubost 482 ), H u-
gu^nin 547 ), Garvey 503 )]. Doch stehen diesen Autoren nicht wenige
gegenüber, welche von ihrer Anwendung schwere Schädigungen ge¬
sehen haben und daher dringend vor deren Anwendung warnen
[Dewar 465 ), Dührssen 477 ) (Herzschwäche, Degeneration der drüsigen
Organe, Icterus, Hämoglobinurie, bei stark gedehntem Uterus sogar
Tod), Wovor 698 ;, Green 516 ), P. Müller 612 ), Bayer 418 ), Graefe 518 ',
Luther 590 ) (wegen Herzschwäche), Stroganoff (wegen Sauerstoff¬
bindung), Lubarsch 588 ) (wegen Fettdegeneration der Leber)]. Ohls¬
hausen 621 ; wendet daher die Chloroformnarkose nur in jenen Fällen
an, die eine gewisse Regelmässigkeit in der Folge der Anfälle auf-
weisen.
Iloenig 541 ; verwendet eine Chloroform-Aethernarkose, während
W o y c r 69s ;, Glöckner 510 >, Green 517 ; die alleinige Aether¬
narkose warm empfehlen. Reynold 613 ) dagegen spricht sich gerade
gegen die Anwendung des Aethers aus, da derselbe die Lungen¬
kongestion und die Cyan ose vermehre. Von den sonstigen Narcotiei*
sah Popcscul 635 ; einen guten Erfolg von Bromidia (einen Esslöffel
per Klysmai, Beaucamp 120 ; von Amylenhydrat (3,0 per Klysma.
Barrows 417 ; erzielte in einem Falle einen guten Erfolg von der
Kombination von Morphium mit Nitroglycerin, Auch Grand in 51 ’
empfiehlt Nitroglycerin. Brorn verwendet Dewar 465 ) in Verbindung
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mitChloral; auch Stroganoff 672> * 78 ) bedient sich des Natr. bromat.
im Verein mit Morphium und Chloralhydrat
Von recht zweifelhaftem Werte und jedenfalls nur mit grösster
Vorsicht in Anwendung zu ziehen sind zwei, hauptsächlich von
englischen und amerikanischen Autoren empfohlene Mittel: das
Pilocarpin und Extract. Veratri viridis.
Das Pilocarpin soll auf dem Wege der Anregung der Nieren-
und Hauttätigkeit die Entgiftung des Organismus erzielen. Bei der
vollständigen Unmöglichkeit, die Wirkung des Mittels auf Nieren-
und Hautsekretion zu beschränken, bei dem Umstande, dass nicht
selten die Schleimdrüsen des Lungengewebes mit zur erhöhten
Thätigkeit angeregt werden und so bei dem ohnehin überlasteten
Lungenkreislauf die Gefahr eines Lungenödems direkt herauf¬
beschworen wird, ist" es nicht zu verwundern, dass den Autoren,
welche gute Resultate damit erzielt haben, wie M , Comb ßOS ),
Macnaugthon 594 ), Pollok 834 ) (subc. 0,02 zweistündlich), Stro-
ganoff 67 *), Inglis 548 ), andere gegenüberstehen, die dringend vor
dem Mittel warnen. Phillipps 632 “) sah bei 49 Fällen, die wegen
Krämpfen Pilocarpin erhielten, in neun Fällen sehr schwere Symptome
auftreten, die in sieben sogar zum Tode führten. Auch im Tier¬
experimente konnte schon wenig Minuten nach der Injektion Auf¬
treten von Lungenödem beobachtet werden. Die gleiche Beobachtung
konnten Bayer 418 ), Zweifel 700 ), Herman 535 ), Graefe 519 ) machen,
während Bidder 424 ) Herzschwäche und Hugu^nin 547 ) Speichelfluss
eintreten sah.
Etwas günstiger scheinen die Erfolge mit dem Extractum
Veratri viridis, wiewohl selbst Anhänger der Theorie dieses Mittel
nur mit Vorsicht gebraucht sehen wollen [Sloam 067 ), Christison 451 )].
Es scheint aber auch offenbar die Zusammensetzung des Präparates
resp. sein Gehalt an wirksamen Bestandteilen nicht in allen Fällen
gleich zu sein, da die meisten Autoren die Tinktur tropfenweise
intern oder subcutan verabreichen, während sie Chandler 444 ) thee-
löffelweise verordnet, ja Man erwähnt ausdrücklich, dass in einem
Falle irrtümlich ein Kaffeelöffel voll verabreicht wurde, jedoch ohne
schlimme Folgen.
Als Hauptwirkung wird dem Mittel die Herabsetzung der Puls¬
frequenz, der Temperatur und Reizbarkeit des Rückenmarks, die
Erhöhung der Haut- und Nierenthätigkeit zugeschrieben.
Gute Erfolge sahen M’Comb, Bellantyne 419 ), Davis,
Reamy, Parvin, Norris, Shober, Mangiagalli (17 Heilungen
unter 18 Eklampsien), Garvcv i0:l ), Alford 411 ), Kirch, Kelly"’ 5 ),
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Shemwell, Hammond, Wood 697 ), Ralph 639 ), Davis 4 ' 12 ’
Collins 455 ), Ormsby 622 ), Barrows 417 ), Clifton 454 ), Christison 451 ),
Man 595 ), Rogers [eit. b. Macalister 591 )], Gordon 514 ), King und
Man, Macalister 591 ’ 592 ), ferner Sh ober 662 - 663 ) und von deutschen
Autoren Lindfors 580 ), der in einem Falle durch Veratrum den
tödlichen Collaps verhindern konnte, wärend De war 465 ) von einem
Falle berichtet, bei dem der Extrakt den Puls rasch intermittierend
machte; auch in der von La Torre 573 ) eingeleiteten Diskussion der
Societä Lancisiana kam die Meinung zum Ausdrucke, dass sich das
Veratrum viride wenig bewährt habe.
Interessant sind die Angaben von Bolle 428 ) und Jörgensen 55 -!,
welche in Analogie der günstigen Wirkungen von Jodkali bei der
Gebärparese bei Kühen auch beim Menschen Jodkalium (subc.
zweimal 3,0) mit günstigem Erfolge in Anwendung brachten: Bolle
verlor von 15 derart behandelten Frauen nur eine. Er schreibt
dem Jodkalium einen paralysierenden Einfluss auf die Toxine und
einen erregenden auf Herz und Nieren zu. Allerdings bedarf diese
Frage noch einer gründlichen Revision; bei Kühen kommen im
Puerperium zweierlei, sicher verschiedene Affektionen zur Be¬
obachtung: die Gebärparese, das ist ein Symptomenbild, das sich
aus Wehenschwäche, Paresen der hinteren Extremitäten bis zu Para¬
lysen, Anästhesien und Dur ganz ausnahmsweise mit Opisthotonus
zusammensetzt, also mit Eklampsie keine Aehnlichkeit besitzt; und
bei dieser Krankheit hat sich Jodkalium als sehr wirksames Mittel
gezeigt. Dagegen kommt es bei der zweiten Erkrankung, der
Eclampsia puerperalis, die mit plötzlich einsetzenden tonisch¬
klonischen Krämpfen einhergeht, also unserer Eklampsie analog ist.
nicht zur Anwendung; auch dort sucht man mit Brom und Chloral-
hydrat, Aderlass der Krämpfe Herr zu werden [Bruin 435 )]. Die
Verwechslung beider Krankheiten war früher trotz des so ver¬
schiedenen Symptomenbildes sehr häufig, so dass man Gebärparese
synonym mit Eklampsie auffasste, was jedoch den Thatsachen sicher¬
lich nicht entspricht. Nicholson 617 ’ 618 ), der einen nahen Zusammen¬
hang von Schilddrüse und Nierenfunktion annimmt, verordnet folge¬
richtig bei drohender Eklampsie Thyreoidin per os, bei ausge¬
brochener subcutan.
Von grösster Tragweite für die Therapie bei Eklampsie und
dringend einer eingehenden Nachprüfung wert wäre die Idee
Winkel’s [publiziert von Hamann], die Geburtsschmerzen bei
Eklampsie durch medulläre Tropacocainanalgesie auszuschalten, wobei,
wie eine Beobachtung Hamann’s lehrt, nicht allein die Krämpfe
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sofort sistierten, sondern auch die Patientin aus dem Coraa erwachte
und bei vollstem Wohlbefinden und absoluter Analgesie ein reifes
Kind zur Welt brachte. Patientin starb allerdings an den durch
18 vorhergehende schwere Anfälle bedingten Leberveränderungen.
Neben diesen gegen die Eklampsie als solche gerichteten Be¬
handlungsweisen kommen noch alle jene in Betracht, wie sie all¬
gemein bei schweren, mit Krämpfen und Bewusstlosigkeit ver¬
bundenen Krankheiten geübt werden (Stroganoff 677—675 ) legt sogar
das Hauptgewicht auf die Hebung der Kräfte und Sorge für regel¬
rechte Arbeit des Herzens und der Lunge): Sauerstoffinhaiationen
[Macalister 591 )], Aether, Kampferinjektionen [Wyder], Schutz vor
Verletzungen, Vorsicht beim Einflössen von Nahrung oder Medi¬
kamenten bei Bewusstlosen, Schluckpneumonien [Zweifel 700 )], Ein¬
schieben eines Keils zwischen die Zähne zur Vermeidung von
Zungenbissen, namentlich sorgfältige Behandlung von Zungenbissen,
da bei mangelhafter Pflege Verjauchungen und Schluckpneumonien
drohen [Lennander 567 ), Tietke 681 ), Zweifel 700 )], Vermeidung
starker Sinneseindrücke, Seitenlagerung zur leichteren Entleerung
der Schleimmassen aus Trachea und Rachen [Ohlshausen, cit. b.
Ahlfeld 410 )]. Ferner ist darauf zu achten, dass bei eventuellen
hydropathischen Einwickelungen nicht das unerwartet rasch geborene
Kind ersticke [Ahlfeld 410 )]. Schatz [cit. b. Ahlfeld 410 )] empfiehlt
das zeitweise Tieferlagern des Kopfes, um den intraabdominalen
Druck zu mindern und die Niere zu entlasten. Löhlein [cit. b.
Ahlfeld 410 )] lässt aus demselben Grunde die Seitenlage einnehmen.
Die Unsicherheit in der Prognose, sowie die Verschiedenheit
der Eklampsien, was die Schwere der Erkrankung anbelangt, in den
verschiedenen Städten prägt sich vor allem deutlich in der Indikations¬
stellung zur operativen Beendigung resp. Einleitung der Geburt aus.
Dass die Beendigung der Geburt in den meisten Fällen, selbst
bei eingreifenden Behandlungsmethoden [Glöckner 509 )], den Verlauf
günstig beeinflusst, falls nicht schwere anatomische Läsionen, nament¬
lich in der Niere, bestehen [Czempin 459 )], wird wohl von allen
Autoren anerkannt. Fritsch 499 ) und mit ihm Dührssen 479 ) sind
daher auch der Ansicht, dass ein aktives Vorgehen bei Eklampsie
entschieden der medikamentösen Behandlung vorzuziehen ist: „Ich
bin fest überzeugt, dass manche Eklamptische einem Gemisch von
Urämie, Morphium-, Chloral- und Chloroformvergiftung und Anämie
zum Opfer fällt, die ohne Behandlung gesund geworden wäre. Nur
die Therapie ist rationell, die den Uterus möglichst bald entleert“
[Fritsch].
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Nach Eskelin 487 ) hörten in 77 Proz. die Anfälle auf, nach
Ohlshausen 620 ) in 85 Proz., bei Bidder 424 )in 66 Proz., Goedecke 511 )
in 81 Proz., Goldberg 512 ) in 68 Proz., nach Knapp 561 ) in 70,5 Proz.,
Dührssen 477 ) in 89 Proz. von 118 Fällen, oder wurden doch
wesentlich geringer; Schreiber 656 ): in 64 Proz. der Fälle hörten
die Anfälle nach spontaner oder operativ beendigter Geburt auf.
Zweifel 700 ) berechnet allerdings nur 52—55 Proz., Büttner 433 ) sogar
nur 40,6 Proz. unter 179 Eklampsien. Es erfolgte also im besten
Falle in vier Fünfteln, im schlimmsten fast in der Hälfte der Fälle
Heilung. Auch in einem weiteren Punkte ist die volle Einigung unter den
Autoren zu verzeichnen, dass nämlich bei allen operativen Eingriffen
zur Vermeidung neuer Reize eine tiefe Narkose zur Anwendung
kommen muss [Wyder 699 ), Bidder 424 ), Schauta 653 ), Zweifel 700 ),
Schumann], deren Unterlassung Dührssen 477 ) direkt als Kunst¬
fehler bezeichnet, und dass ferner bei dem Umstande, dass eklamp-
tische Frauen besonders leicht infiziert werden, die peinlichste
Asepsis mit möglichster Einschränkung von nierenreizenden Des¬
infektionsmitteln (Carbol, Sublimat u. a.) beobachtet werden muss
[Krönig 570 - 571 ), Dubost 482 ), Wyder 699 ),Goedecke 511 ),Leopold 577 ),
Ohlshausen 621 )]. Auch darüber sind die meisten Autoren eiuig, dass
die Entleerung des Uterus möglichst schonend für Mutter und Kind
sich gestalte [Pestalozza 632 ), Schauta 653 ), Davis 461 ), Charpen-
tier 448 ), Potter 638 ), M’Comb 603 ), Charles 446 ), Mangiagalli 596 ),
Veit 688 ’ 689 ), Byers 438 ), Pannard 625 ), Fochier 497 ), Paoli 628 ),
Bossi 429 ),Mayer 600 ), Beaucamp 420 ), Stroganoff 672 ), Perochet 631 ),
Lehmann 574 ), Pollok 634 ), Weissheimer 693 ). Allerdings braucht
man nach Krönig 565 ) bei Eklampsie ebensowenig wie bei Placenta
praevia besondere Rücksicht auf das kindliche Leben zu nehmen.
Die Meinungsverschiedenheit beginnt erst bei der Beantwortung
der Frage, wann und welcher operative Eingriff vorgenommen werden
soll. Relativ einfach gestaltet sich die Beantwortung der Frage,
falls der erste Anfall bei eröffnetem Muttermund und hinreichender
Weite des knöchernen Geburtsweges sich einstellt: bei zangenrecht
stehendem Kopf die Zange, bei hochstehendem Kopf eventuell die
hohe Zange, bei stehender Blase Sprengung der Blase und, falls der
Zustand der Mutter nicht rasche Hilfe erheischt, die innere Wendung
auf den Fuss, bei räumlichem Missverhältnis zwischen Schädel und
Becken die Perforation eventuell die Sectio caesarea aus relativer
Indikation.
Bei noch geschlossener Cervix kommen die Kolpeuryse, die
digitale Dilatation, seichte und tiefe (bis zum Scheidenansatze
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reichende) Einschnitte, der vaginale Kaiserschnitt und die klassische
Sectio caesarea in Betracht.
Jeder einzelne dieser Eingriffe findet warme Verteidiger, aber
auch ebenso strenge Richter. Ein vollständig sicheres Mittel ist
jedoch keines der angeführten, schon aus dem Grunde, weil die
Eklampsie auch nach der Geburt eintreten, sowie die Geburt über¬
dauern kann. So beobachtetenSutugin, Bicrmer 425 ), Czempin 460 ),
Exitus trotz Sectio; Fehling 492 ) sah sogar einmal den ersten An¬
fall nach dem Kaiserschnitt eintreten; Zweifel 700 ) notiert in einem
Falle noch 30 Anfälle nach der Sectio.
Die digitale Dilatation Bonnaire’s zählt viele Anhänger:
Meurer 607 ), Treub 683 ), Holtain 546 ), Drejer 472 ), Morisani 6U ),
Charpentier 448 ), Pascali, Rocheblade und Dumas 646 ) u. a.
Sfamenie 661 ) stellte 42 Fälle zusammen, darunter 10 eigener Be¬
obachtung, bei denen die Zeitdauer bis zur völligen Erweiterung
durchschnittlich 20 Minuten betrug. Allerdings melden Ling-
beck 582 ), Van der Velde 687 ), Ribbins 645 ), Kouwer 567 ) schlimme
Resultate. Dührssen 474 ) bezweifelt sogar ihre technische Ausführ¬
barkeit bei I-paris am Ende der Schwangerschaft, also bei reifem
Kinde.
Der Kolpeuryse, von welcherSchauta, Wyder 699 ), Löhlein 585 ),
Nagel 616 ), Bayer 418 ), Drejer 472 ), Knapp 559 ), Zweifel 700 ), Sel¬
horst 659 ), Siedentopf 664 ), L. Mayer 600 ) gute Erfolge sahen, haften
nach Herff 533 ), Leopold 578 ) doch bedeutende Mängel an: vor¬
zeitiger Blasensprung, Ablenken des vorliegenden Kindesteils und
eventuell Ablösung einer tiefsitzenden Placenta. Zudem könnte bei
längerer Dauer eine Infektion vermittelt werden, auch muss die
Cervix, etwas wenigstens, erweitert sein. Statt der Erweiterung durch
die Hand oder durch Gummiblasen können auch eigens hierzu ge¬
fertigte Instrumente dienen. Leopold 578 ) rühmt namentlich das
Instrument von Bossi 429 ), das sich ihm in 12 Fällen von Eklampsie
hei geschlossener Cervix bestens bewährte; alle 12 Frauen konnten
durchschnittlich in 20 Minuten entbunden werden und genasen sämt¬
lich. Auch Knapp 560 ), Paoli 628 ) können die Methode empfehlen.
Die tiefen Cervixincisionen, der vaginale Kaiserschnitt D ü h r s s e n’s,
das Accouchement forcö treten als wichtige Konkurrenzoperationen
zum klassischen Kaiserschnitte auf. Ein abschliessendes Urteil über
die Vorzüge und Nachteile des einen wie des anderen Eingriffes ist
derzeit noch nicht zu fällen. Mit Ausnahme jener Autoren, welche
jeden schwereren operativen Eingriff bei Eklampsie verwerfen [Char-
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pentier 448 ' 449 ), Hirst 540 )], scheint doch, wie bereits erwähnt, das
Bestreben obzuwalten, eine aktivere Therapie einzuschlagen [Knapp 560 )].
Ja, eine Reihe von Autoren scheut selbst die eingreifendsten und
radikalsten Eingriffe bei Eklampsie nicht. „Auch die eingreifendste
Operation verbessert die Prognose der Eklampsie; es ist daher die
sofortige Entleerung des Uterus in jedem Stadium der Schwanger¬
schaft indiziert' 1 [Dührssen 474 )].
D ü h rs 8 e n 474-481 ) und mit ihm Vitanza 691 ), Bayer 418 ),
Gusserow 524 ), Everke 490 ), Krönig 670 ), Merkl, Zweifel, Gran¬
din 615 ), Clifton 454 ), Green 516 ), Sinclair 665 ), Boyd 430 ), Harris
Staples 670 ), Kollmann ® 66 ), Marx 601 ), Füth 602 ), Mende 604 ),
Leske 679 ) sprechen dem Accouchement forcd (tiefe Cervixincisionen
bis zum Scheidenansatze) nach Erweiterung des supravaginalen Teiles,
unter Umständen Scheidendamm-Incisionen, eventuell in Verbindung
mit Kolpeuryse oder digitaler Dilatation das Wort, und zwar will
Dührssen sofort nach dem ersten Anfalle die operative Beendigung
der Geburt anstreben, da ja selbst ein einziger folgender Anfall
irreparable Störungen setzen kann (Lungenembolie, Hirnblutung.
Vitanza 691 ) konnte von 30 Frauen, die fast moribund waren
21 durch die Beendigung der Geburt nach tiefen Cervixincisionen,’
eventuell mit manueller Dilatation retten; von 32 Kindern leben 10,
also auch bezüglich der Prognose des kindlichen Lebens ein sehr
gutes Resultat. Uebrigens ist besonders in schwereren Fällen auf
das kindliche Leben nicht allzuviel Rücksicht zu nehmen, da die
Wahrscheinlichkeit, nach einer grösseren Anzahl von Anfällen ein
lebendes Kind zu erhalten, recht gering wird. Zweifel 700 ) sah bei
Frauen, welche über 10 Anfälle erlitten hatten, nur 17 Proz. der
Kinder am Leben. Er schlägt daher, ebenso wie König 565 ), die
frühzeitige Perforation vor, da hiermit die Entbindung wesentlich
beschleunigt und dadurch die Gefahr der Narkose und Infektion
bedeutend herabgesetzt wird. Everke 490 ) notiert bei 34 Dührssen-
schen Incisioncn vier Todesfälle, während bei sieben Kaiserschnitten
fünf Mütter starben. Braitenberg 431 ) nahm die Discission der
Cervix zweimal mit gutem Erfolge vor. Leske 579 ) beobachtet bei
20 Operationen nach Dührssen drei Todesfälle, verlor jedoch
55 Proz. der Kinder. Abel 408 ) meldet, dass die Mortalität an der
Leipziger Klinik an Eklampsie seit Einführung der Dührssen’schen
Methode von 30 Proz. auf 5 Proz. herabgesunken sei.
Die Gegner des Accouchement forcö nach Dührssen hoben
die Gefahr der Blutung [Döderlein 466 ), Zweifel 700 )], des Weiter-
reissens der Schnitte [Morisani 610 - 6n ), Pascali 629 )], die Gefahr einer
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violenten Uterusruptur und vor allem die Dauerresultate (schwere,
verunstaltende Narben) hervor [Burmeister 487 ), Drejer 472 ), Maken-
rodt 593 ), Bockeimann 4 * 6 ), Geuer 806 ), Guöniot 825 ), Herff 833 )],
während sich Veit 690 ) und Bröse 434 ) vor allem gegen einen Punkt
der Indikationsstellung Dührssen’s wenden, nämlich die sofortige
Entbindung nach dem ersten Anfalle. „Die Prognose der Eklampsie
ist zu unsicher, dass man gleich nach dem ersten Anfalle mit so
schweren Eingriffen wie den Dührssen’schen Incisionen Vorgehen
muss“. Auch aus rein praktischen Gründen kann die Entleerung
des Uterus nach dem ersten Anfalle nur in jenen Fällen geschehen,
die überhaupt mit sehr seltenen Anfällen verlaufen. Zweifel 700 )
konnte z. B. in 129 Fällen nur 16 mal die Entbindung gleich nach
dem ersten Anfalle vornehmen, Glöckner 809 ) sogar nur in
neun Fällen von 147 Eklampsien.
Die Sectio caesarea bei Eklampsie wurde zuerst von Halberts-
ma 826 ) vorgeschlagen und geübt, wenn zahlreiche Anfälle erfolgen,
absolute Anurie besteht, wenn keine Wehen sich zeigen oder wenn
so doch die Aussicht auf eine Spontangeburt sehr gering ist. Zu
dieser Indikationsstellung fügte Löhlein 886 ), dem sich Wyder 699 ),
Nagel 616 ), Herff 833 ), Treub 684 ), Kötschau 864 ) anschliessen, noch
eine Forderung: das Kind muss leben, einen Punkt, dessen Be¬
rechtigung Wertheim 694 ) bestreitet, da Eklampsie auch bei totem
Kinde ausbrechen und tödlich enden kann.
Wyder 699 ), Geuer 806 ), Ahlfeld 410 ), Bidder 424 ) fassen die In-
dikationsstellung zur Sectio wesentlich anders auf: lebendes Kind,
Mutter in Agone oder bereits verstorben. Letzter Punkt ist aber
eigentlich nicht mehr Gegenstand unserer Indikationsstellung, da er
vom Gesetz vorgeschrieben ist und auch schon oftmals bei Eklampsie
vou Dohrn 468 ), Davis 462 ), Hoffmann 543 ), Nagel 616 ), Glöckner 809 ),
Braitenberg 431 ), Goedecke 811 ), Sandberg 651 ), Herzfeld 536 ),
Lindqui st 583 ), Koenig 663 ) geübt wurde.
Die Resultate, welche mit der Sectio erzielt wurden, sind recht
ungleich. Burmeister 437 ) konnte 10 Frauen, bei welchen bereits
Lungenödem eingetreten war (keine Wehen, Cervix im unteren Teile
geschlossen) retten. Dagegen verloren Löwenstein 58/ ) und
Lennander 570 ) drei Frauen, Küstner 5 * 6 ) sechs trotz Sectio, die beiden
ersteren konnten aber je zwei lebende Kinder erzielen. Demel in 464 )
verfugt über 13 Sektionen mit 30 Proz. Mortalität der Mutter,
38 Proz. der Kinder. Auch Döderlein 486 ) konnte den unverkenn¬
bar günstigen Einfluss der Sectio auf den Verlauf der Eklampsie
beobachten; Ohlshausen, H al b e r t s m a 627 “ 522 ), R. Braun 482 )»
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Fehling 493 ) betonen die grössere Ungefährlichkeit der Sectio gegen¬
über den tiefen Cervixincisionen. Charles 446 ) bezeichnet die Sectio
geradezu als souveränes Mittel zur Bekämpfung der Eklampsie, auch
Herff 533 ) und Kötschau 664 ), Ribbins, Sippel, Everke 489 ’ 491 ),
van der May, Goedecke 511 ), Kefting 654 ) melden gute Erfolge.
Flatau 496 ) konnte 1899 30 Fälle von Sectio bei Eklampsie mit
56,6 Proz. Mortalität der Frauen und 60 Proz. der Kinder zusammen-
stellen, Kettlitz 666 ) notiert 47,3 Proz. Mortalität unter 23 Sektionen.
[Everke 491 ): von sieben Müttern starben fünf.] Hillmann 539 ) konnte
in 40 Fällen 52,5 Proz. Mortalität der Mütter und 44 Proz. der
Kinder konstatieren. Der Umstand, dass es durch Kolpeuryse und
Cervixincisionen in ebenso kurzer Zeit möglich ist, zu entbinden,
entzieht der Bevorzugung des Kaiserschnittes jede Berechtigung
[Zweifel 700 )]. Ebenso sprechen sich Dührssen, Zweifel 700 ’ 701 ),
Charpentier 448, 449 ), Bayer 413 ) als entschiedene Gegner der Sectio
bei Eklampsie aus. Dührssen führt namentlich die Gefahr einer nicht
zu beherrschenden Uterusatonie und die einer Infektion ins Treffen;
Abel 408 ) fürchtet mangelhafte Expektoration infolge Schmerzen beim
Husten, wodurch die Gefahr des Lungenödems vergrössert würde.
Bei diesen bis jetzt noch recht schlechten Resultaten ist jedoch sehr
zu bedenken, wie oft man die Sectio erst als L T ltimum refugium, um
sie nicht an der toten Frau ausführen zu müssen, und daher mit
sehr geringer Aussicht auf Erfolg, unternommen hat [Czempin 459 )];
aber selbst Löhleiu 585 ), der prinzipiell die Berechtigung des Kaiser¬
schnittes bei Eklampsie anerkennt, kann sich unter sämtlichen
Eklampsien, die er bis 1891 behandelte, keines erinnern, bei welcher
der Kaiserschnitt gerechtfertigt gewesen wäre.
Kouwer 567 ) entband eine Xl-para im sechsten Monate nach
dem fünften Anfalle durch die Hysterotomia vagin. ant. nach Per¬
foration des toten Kindes und rühmt die Leichtigkeit und den ge¬
ringen Blutverlust bei dieser Operation. Die Frau starb allerdings
18 Stunden später.
Der Zukunft mag es Vorbehalten bleiben, auf Grund genauerer
statistischer Angaben, als sie jetzt vorliegen, diese Frage ins reine
zu bringen. Soviel ist aber doch schon zu sehen, dass beide aktive
Methoden, der abdominale und vaginale Kaiserschnitt, in der Hand
des geübten Operateurs die segenreiche Wirkung der schleunigen
Entleerung des Uterus bei Eklampsie entfalten können, und dass
ferner die tiefen Cervixincisionen, falls sich wirklich ihre relative
Ungefährlichkeit, wie sie von Dührssen 478 ) behauptet wird (37 Proz.
Mortalität), heraussteilen sollte, für den Praktiker die weitaus grössere
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Bedeutung in Ansprocb nehmen können, als die Sectio caesarea,
welche doch natuigemSss mit geringen Ausnahmen ausschliesslich
nur in wohlorganisierten Krankenhäusern gepflegt werden kann.
(Schloss folgt.)
Gonorrhoische Allgemeininfektion und
Metastasen
(mit Ausschlags der Gelenks-, Knochen-, Sehnen- und Schleim¬
beutel-, sowie der nervösen Erkrankungen).
Sammelbericht über die Literatur vom Jahre 1890 an.
Von Dr. Karl Ritter von Hofmann (Wien).
(Fortsetzung.)
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(Schluss der Literatur folgt.)
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In allen bisher angeführten Fällen wurden in den endocardi-
tischen Auflagerungen Gonococcen durch Färbung und Kultur nach¬
gewiesen; in einzelnen wurden auch Uebertragungen auf den Menschen
mit positivem Ergebnisse ausgeführt. Damit ist die gonorrhoische
Natur dieser Fälle wohl einwandfrei sichergestellt. Bei den folgen¬
den Fällen handelt es sich wohl auch mit grösster Wahrscheinlich¬
keit um Affektionen gonorrhoischer Natur, doch konnte der Nach¬
weis der Gonococcen nicht in so überzeugender Weise geführt wer¬
den, wie bei den Fällen der ersten Gruppe. In der Regel fand man
bei der mikroskopischen Untersuchung Diplococcen, welche die mor¬
phologischen Eigenschaften der Gonococcen zeigten und sich nach
Gram entfärbten. Kulturen wurden entweder gar nicht vorge¬
nommen oder gaben kein oder wenigstens kein einwandfreies Re¬
sultat.
Hia 16 . 4 ): 1. Bei einem 19jährigen Patienten trat sechs Wochen
nach Beginn einer Gonorrhoe Schüttelfrost, am dritten Tage spater ein
roseolaartiges Exanthem am ganzen Körper auf. Febris continua remittens.
Eine Woche später systolisches Geräusch über Spitze, Aorta und Pulmo-
nalis. Haut- und Schleimhauthämorrhagien. Tod drei Wochen nach
Beginn der Allgemeinerkrankung. Sektion: Endocarditis aortae. In den
Efflorescenzen Gonococcen durch Färbung nachweisbar.
2. Bei einem 19 jährigen, seit sechs Wochen an Tripper leidenden
Patienten stellte sich Gelenkrheumatismus mit Fieber von remittierendem
Typus und mit Schüttelfrösten ein. Vier Monate später zeigten sich systo¬
lische und diastolische Geräusche. Tod fünf Monate nach Beginn der
Allgemeinerkrankung. Obduktion : Endocarditis der Aorta.
van Leyden 224 ): 22jähriger Patient mit chronischer Gonorrhoe
und Epididymitis. Seit einem Monat .Gelenkschwellung, zunehmendes
Fieber, Herzbeschwerden. Schüttelfröste. Systolische und diastolische Ge¬
räusche. Tod sechs Wochen nach Beginn der Gelenksaffektion. Ob¬
duktion: Myocarditis. Im Herzen ausschliesslich Gonococcen nachweisbar
(Färbung).
Wilms 8 *^): Bei einem 2Gjährigen Patienten traten drei Wochen
nach gonorrhoischer Infektion Gelenkschmerzen, eine Woche später
Herzgeräusche auf. 14 Tage später erfolgte der Exitus. Obduktion:
Ulceröse Endocarditis der Aortenklappen. In den Auflagerungen Diplo¬
coccen von Semmelform, die sich nach Gram entfärben. Wilma hält sie
aber trotzdem nicht für Gonococcen und ist der Ansicht, dass der Gono-
coccus überhaupt keine ulcerösen Prozesse verursachen könne und dass
alle derartigen Erkrankungen im Verlaufe des Gonorrhoe sekundäre
Infektionen seien.
Fressei 122 ): Die 2ßjährige Patientin wurde moribund eingeliefert.
Bei der Sektion fand man Endocarditis der Aortenklappen. In den Auf-
lagcrungen Gonococcen (Färbung).
Finger, Ghon und Schlagenhaufer us ): Bei einem 19jährigen
Patienten traten drei Wochen nach Beginn einer Gonorhoe Arthritis, Fieber,
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eine Woche später ein lautes diastolisches Geräusch über der Aorta auf.
Schüttelfröste. Tod fünf Tage später. Bei der Sektion fand man eine
Endocarditis der Aorta. In den Auflagerungen Gonococcen nachweis¬
bar (Färbung). Kulturen auf Rinderblutserum — Pepton-Agar blieben steril.
Goltz 136 ). Bei einem 21jährigen Manne entwickelte sich im An¬
schluss an gonorrhoische Arthritis eine Endocarditis der Pulmonalklappen.
Fieber. Schüttelfröste. Tod circa zwei Monate nach Beginn der Endo¬
carditis. Sektion: Endocarditis ulcerosa pulmonalis. In den Auflagerungen
Coccen (ob nach Gram entfärbbar, wird nicht angegeben).
Zawadzky und Bregmann 40 °). Bei einem 17jährigen, an Vagi-
nitis leidenden Mädchen kam es zu Fieber, Schüttelfrösten und doppel¬
seitiger Pleuritis. An der Herzspitze hörte man ein präsystolisches Ge¬
räusch. Zwei Monate später kam es zu Muskelschmerzen in der rechten
unteren, dann auch in der rechten oberen Extremität, später auch zu
Parese. Tod. Bei der Sektion fand man eine Embolie der A. fossae
Svlvii und eine verruköse Endocarditis der Mitralis. In den Auflagerungen
Gonococcen.
Mich aelis 251 ). Bei einem seit drei Wochen an Tripper leidenden
Patienten war vor zwei Tagen Arthritis aufgetreten. Drei Tage spater
zeigte sich ein systolisches Geräusch über der Aorta. Intermittierendes
Fieber. Tod 14 Tage nach Beginn der Gelenksschmerzen. Obduktion:
Endocarditis aortica verrucosa. In den Auflagerungen Gonococcen durch
Färbung nachweisbar. Keine anderen Bakterien.
Babes und Sion* 6 ). Bei einem jungen Manne stellten sich im
Anschluss an Tripper Cystitis, Epididymitis und Gelenksschmerzen ein.
Später zeigten sich Fieber, Icterus, Exantheme, sowie Geräusche über der
Aorta. Tod. Sektion: Endocarditis der Aorta. In den Vegetationen
Gonococcen durch Färbung nachweisbar.
Dauber und Borst 90 ). Bei einem 20jährigen schwächlichen
Patienten zeigte sich 10 Tage nach Beginn einer Gonorrhoe Schwellung
der Inguinaldrüsen, Schmerzen im M. obliquus descendens, Tendova-
ginitis der Beugesehne des vierten Fingers. Zunächst leichtes, 10 Tage
später hohes Fieber vom intermittierendem Charakter. Gelenksschmerzen.
Im weiteren Verlaufe entwickelten sich eine Insufficienz der Aorta, sowie
Pneumonie und Nephritis. Tod circa drei Monate nach Beginn des
Trippers. Sektion: Endocarditis ulcerosa et polyposa valvul. aort. Abs-
cessus myocardii. Nephritis septica. Pleuropneumonia lob. inf. sin. In
den Klappenauflagerungen Gonococcen durch Färbung nachweisbar.
Thayer und Blumer 365 ). Bei einer seit drei Monaten an Rheu¬
matismus leidenden 34 jährigen Frau hatten sich seit drei Tagen Schwäche
und Fieber eingestellt. Bei der Aufnahme fand man ein systolisches
und ein präsystolisches Geräusch an der Herzspitze. Atypische Fröste.
Tod einen Monat nach Beginn der Erkrankung. Vor dem Tode Auftreten
eines petechienartigen Exanthems am Rumpf und an den Annen, weniger
an den Beinen. Im Blute schon während des Lebens Gonococcen nach¬
weisbar. Sektion: Endocarditis mitralis et tricuspidalis. Lungeninfarkte.
Gonococcen in Vagina und Uterus. Subakute Nephritis. Im Blute und
in den Vegetationen Diplococcen nachweisbar, die alle Eigenschaften der
Gonococcen zeigten.
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Neisser 267a ). Der Patient erkrankte während einer frischen Go¬
norrhoe unter hohem Fieber und Schmerzen in mehreren Gelenken. Während
die Gelenksschmerzen rasch schwanden, blieb das hohe unregelmässige
Fieber bestehen. Nach kurzer Zeit zeigte sich ein systolisches Geräusch.
Tod nach zwei Wochen. Sektion: Endocarditis mitralis. Infarkte in
Milz’und Niere. In den Auflagerungen mikroskopisch Gonococcen.
Keine Kultur.
Carageorgiades 66 ). Bei einem 27jährigen Patienten trat im An¬
schluss an Gonorrhoe unter hohem Fieber Endocarditis auf. Tod nach
vier Wochen. Sektion: Endocarditis aortae. In den Auflagerungen
mikroskopisch Gonococcen. Kultur negativ.
Siegh ei in 342 ). Bei einer Frau traten im Anschluss an eine akute
Gonorrhoe Schüttelfröste, Fieber und Herzgeräusche auf. Tod circa
zwei Monate nach Beginn der Erkrankung. Endocarditis aort. Peri-
carditis. Pleuritis. Myocarditis. Oedema pulmonum. Nephritis. Cystitis.
Endometritis. In den endocarditischen Auflagerungen fanden sich Diplo-
coccen, die alle Färbungsreaktionen der Gonococcen zeigten. Kultur-
Ergebnis negativ.
Berg 32 ). Bei einem 21jährigen Manne stellten sich neun Tage
nach Beginn einer Gonorrhoe Schüttelfrost, Fieber und Rheumatismus ein.
Drei Wochen später Pyelonephritis sin., nach weiteren 14 Tagen Er¬
scheinungen von Endocarditis. Tod den Tag darauf. Sektion: Endo¬
carditis ulcerosa et vegetationes aortae, Pyelonephritis bilat Im lebenden
Blute keine Gonococcen, wohl aber in den Vegetationen.
McCaskey 234 ). Bei einem 33jährigen, an chronischer Gonorrhoe
und Striktur leidenden Manne trat im Anschluss an einen Katheterismus
Schüttelfrost auf. Fünf bis sechs Wochen später Beginn der jetzigen
Erkrankung mit Unwohlsein, leichtem Fieber, zunehmender Abmagerung.
Gelenksschmerzen, Druckempfindlichkeit der rechten Niere. Systolische»
und diastolisches Geräusch im linken II. Interoostalraum. Hypertrophie
<les linken Ventrikels, Tod 11 Monate nach Beginn der Erkrankung.
Vor dem Tode waren Ekcliymosen am Oberkörper und Hämaturie auf¬
getreten. Autopsie: Endocarditis ulcerosa et verrucosa aortae et mitralis.
In den Auflagerungen Gonococcen durch Färbung nachweisbar.
Loeb 231 ). 41 jähriger Mann. Vor drei Wochen Gonorrhoe.
Tendovaginitis des Extensor, digit. conimun. d. Später Pleuritis dextra.
Fieber. Schwellung des rechten Fussgelenkes. Fünf Wochen nach Be¬
ginn der Erkrankung Herzerscheinungen. Tod 12 Tage darauf. Sektion:
Endocarditis aortae. In den Auflagerungen Gonococcen durch Färbung
nachweisbar.
Im folgenden sollen nun noch einige Krankengeschichten kurz
erwähnt werden, bei denen es sich wahrscheinlich um Sekundär-
infektion handelt:
Pitruzella 21 * 3 ). Eine 22 jährige Frau, welche schon früher Herz-
und Lungenerscheinungen zeigte, hatte vor zwei Monaten Gonorrhoe
acquiriert. Bei der Aufnahme fand man einen erythematösen Ausschlag
am ganzen Körper, Fieber, systolisches Geräusch an der Spitze. Tod
neun Tage nach der Aufnahme. Sektion: Endocarditis mitralis vetusta
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cum exacerbatione recente. Mikroskopisch waren nur Streptococcen, aber
keine Gonococcen nachweisbar.
Keller 191 ). Bei einem 25 jährigen Manne zeigten sich vier Wochen
nach Beginn einer Gonorrhoe rheumatische Erscheinungen an den unteren
Extremitäten, zwei Monate später Endocarditis am Ostium pulmon.
Intermittierendes Fieber. Milztumor. Drei Wochen später Nephritis
haemorrhagica. Tod sechs Monate nach Beginn der Gonorrhoe. Obduktion:
Endocarditis ulcerosa et verrucosa pulmonalis. Nephritis haemorrh. In¬
farkte in Milz und Niere. Es konnten Streptococcen nachgewiesen werden,
während die Auffindung von Gonococcen nicht gelang.
Karageosjanz 1 * 9 ). Bei einem 24 jährigen Manne entwickelten
sich im Anschluss an Gonorrhoe mit Epididymitis Fieber und Herz¬
geräusche. Tod nach einem Monat. Sektion: Endocarditis aortae. Keine
bakteriologische Untersuchung.
Stein 350 ). Bei einem 22jährigen Manne waren fünf Wochen nach
Beginn einer Gonorrhoe Fieber und Schüttelfrost aufgetreten. Schmerzen
in Blase und Mastdarm. Incision eines Abscesses an der Peniswurzel.
Gelenksschwellung. Aus dem Blute werden Staphylococcen gezüchtet.
Tod am neunten Tage nach Beginn der Allgemeinerscheinungen. Ob¬
duktion: Endocarditis mitralis. Erguss in die Pleura. Eitrige Prostatitis.
Auf Gonococcen wurde nicht untersucht.
Charvet und Lesieur 70 ). Einen Monat nach Beginn einer Gonorrhoe
stellte sich bei dem Kranken Fieber ein. 14 Tage später traten Er¬
scheinungen einer Mitralstenose und Aorteninsufficienz auf. Bei der
Sektion fanden sich Wucherungen an der Aorta und Mittelklappe,
Hypertrophie des Herzens. Bakteriologisch waren nur Staphylococcen
nachweisbar.
Ullmann 371 ). 1. Ein 34jähriger Mann, der seit acht Tagen an
Kopfschmerzen und Fieber erkrankt war, starb am dritten Tage nach
der Aufnahme. Sektion: Abscessus prostatae. Endocarditis mitralis.
Im Eiter des Prostataabscesses Staphylococcen.
2. Bei einem 26 jährigen Manne waren im Anschluss an eine
Gonorrhoe Schüttelfrost und Gelenksschwellungen aufgetreten. Sechs
Wochen später diastolisches Geräusch über der Aorta. Tod 10 Wochen
nach Beginn der Allgemeinerscheinungen. Sektion: Endocarditis ulcerosa
aortae. Pericarditis^ Keine Gonococcenuntersuchung.
2. Myocarditis.
Die gonorrhoische Myocarditis findet sich selten für sich allein,
sondern pflanzt sich in der Regel von einer Endocarditis aus auf
das Myocard fort. Isolierte Abscesse sind nur ausnahmsweise be¬
obachtet worden.
Councilmann 85 ). Bei einem Tripperkranken stellte sich 10 Tage
nach Beginn der Gonorrhoe Rheumatismus, später Atembeschwerden
und Brust3chmerz ein. Kein Fieber. Tod fünf Wochen später. Bei
der Sektion fand man eine hämorrhagische Pericarditis. Das Myocard
des linken Ventrikels und Herzohrs zeigte wachsartige Degeneration und
war stellenweise hämorrhagisch infiltriert. Die Herzmuskelfasern waren
Omralbifttt f. d. Gr. d. Me<l. u. Chir. VI. 33
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teils nekrotisch, teils von Eiterzellen durchsetzt. In einzelnen nekro¬
tischen Herden fanden sich Hämorrhagien. Gonococcen im Pericard,
besonders aber im Myocard nachweisbar.
Iwanoff m ). Bei einer 25jährigen Frau mit gonorrhoischer Endo¬
metritis war Allgemeininfektion aufgetreten, welcher die Kranke schliess¬
lich erlag. Bei der Sektion fand man einen kleinen Abscess in der
Wand des linken Ventrikels und einen zweiten in der Marksubstanz
einer Niere. In denselben Diplococcen nachweisbar, welche sich mikro¬
skopisch wie Gonococcen verhielten.
Stärkere Beteiligung des Myocards zeigte sich auch in den schon
angeführten Fällen von Dauber und Borst 1 * c ), Siegheim 1 * c ), Finger,
Ghon und Schlagenhaufer l * c ).
3. Pericarditis.
Die Pericarditis scheint eine häufigere Komplikation der Go¬
norrhoe zu sein, doch tritt auch sie selten selbständig auf. Diese
Affektion stellt im allgemeinen ein entschieden gutartiges Leiden
dar, welches meist wenig Beschwerden verursacht, ja symptomenlos
verlaufen kann. Den objektiven Symptomen nach kann man eine
trockene und eine exsudative Form unterscheiden. Im ersten Falle
ist das pericardiale Reiben meist deutlich nachweisbar, im zweiten
findet man Dämpfung mit Undeutlicher werden der Herztöne. Das
Exsudat ist, wie aus den wenigen Sektionsbefunden hervorgeht, in
der Regel ein seröses, mitunter etwas hämorrhagisch, nur
De Beurmann 36 ) hat eine eitrige Pericarditis gonorrhoica be¬
obachtet. Gonococcen konnten in einigen Fällen in der Pericardial-
flüssigkeit nachgewiesen werden. Die Pericarditis tritt gern in Verbin¬
dung mit Entzündung anderer seröser Häute auf.
Doleris 1 * 4 ). Eine im sechsten Monate schwangere Frau wurde
mit hohem Fieber in das Krankenhaus aufgenommen, wo sie abortierte.
Die Temperatur sank darauf zunächst bis auf 36,7, um aber bald wieder
anzusteigen. Urethritis, Cystitis und Pyelonephritis. Später Auftreten
von Exanthemen, Pleuritis, Pericarditis, multiplen Arthritiden. Tod am
vierten Tage nach dem Abortus. In den erkrankten Organen Hessen
sich Gonococcen und Staphylococcen nachweisen.
Stärkere Beteiligung des Pericards zeigte sich auch in den schon
angeführten Fällen von Jullien und Libut lc ), Rendu und Halle 1 H
Thayer und Lazear l c ), Siegheim l c ), Councilmann 10 ).
4. Phlebitis.
Die Venenentzündung befällt fast ausschliesslich die Venen
der unteren Extremität und zwar besonders die V. saphena interna.
Die Symptome gleichen denen anderer Phlebitiden. Diese Kompli¬
kation tritt in der Regel erst auf, nachdem der Tripper schon durch
einige Zeit (drei bis sechs Wochen) bestanden hat, Störungen des
Allgemeinbefindens, ein leichtes Fieber, Frösteln etc. bilden die Regel.
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Die Affektion hat einen ausgesprochen gutartigen Charakter. Ihre
Dauer beträgt wenige Wochen und pflegt zwei Monate nicht zu
überschreiten. Allerdings besteht auch bei dieser Komplikation
Neigung zu Recidiven. Ein direkter Zusammenhang der Phlebitis
mit Gonorrhoe erscheint derzeit noch nicht mit Sicherheit fest¬
gestellt. Die Behandlung besteht, wie bei anderen Venenentzündungen,
in Rohig8tellung des Gliedes, Watteeinwicklungen etc.
Eraud 106 ). Bei einer 32 jährigen Patientin stellte sich im An¬
schluss an eine Endometritis gonorrhoica Phlebitis der V. saphena int.
sin. ein, welche nach circa drei Wochen heilte.
Espagnac 106 ). Bei einer seit einigen Wochen an Gonorrhoe
leidenden Frau trat eine Phlebitis der Vena saphena int auf. Kein
Fieber. Heilung innerhalb eines Monats unter Ruhigstellung und Watte¬
verband.
Monteux und Lop 207 ). Bei einem 20jährigen Manne stellte sich
14 Tage nach Beginn eines Trippers Arthritis im rechten Fussgelenke,
sechs Tage später Phlebitis der rechten V. saphena ein. Fieber. Heilung
nach drei Wochen. (Das Fieber erreichte 38,4, dauerte durch drei Tage.
Vom 12. Tage an nahm die Schwellung ab.)
d’Acheux 2 ). Eine 19jährige Patientin wurde wegen gonorrhoischer
Arthritis aufgenommen. 18 Tage später trat unter Schmerzen Phlebitis
der linken V. saphena auf, welche auf Watteverband und Ruhe inner¬
halb acht Wochen ausheilte.
Stordeur 859 ). Bei einem 19jährigen Manne trat einen Monat
nach Beginn des Trippers Phlebitis der V. saphena auf, welche nach
sechs Wochen ausheilte.
Batut 2f ). 1. Bei einem Patienten mit chronischer, ungenügend
behandelter Gonorrhoe und Rheumatismus trat plötzlich Phlebitis der
rechten V. saphena und Gangrän des Penis auf. Heilung.
2. Bei dem Patienten stellte sich im Anschluss an eine Gonorrhoe
Epididymitis dextra, Funiculitis mit peritonealer Reizung und schliesslich
Phlebitis der Wadenvenen ein. Heilung der Phlebitis nach zwei Monaten.
II. Pleuritis gonorrhoica.
Die gonorrhoische Pleuritis, vielleicht eine häufigere Kompli¬
kation der Gonorrhoe, als man meistens annimmt, kann als trockene
und als exsudative Form auftreten. Bei der letzteren ist die Menge
des Exsudates gewöhnlich gering. Diese Pleuritis verläuft im all¬
gemeinen nicht anders als die übrigen derartigen Erkrankungen, nur
wird von einigen Autoren, z. B. Ducrey 98 ), ein auffallend rascher
Wechsel der Erscheinungen hervorgehoben. Die gonorrhoische Pleu¬
ritis ist meist unilateral, doch kann sie auch auf beiden Seiten Vor¬
kommen. Die Prognose ist günstig. Eine Vereiterung des serösen
Exsudates ist bis jetzt noch nicht beobachtet worden. In dem
durch Punktion entleerten Exsudate konnten in einzelnen Fällen
23*
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Gonococcen nachgewiesen werden. Meist findet sich diese Er
krankung in Verbindung mit Affektionen anderer seröser Häute
Die Behandlung bietet nichts Besonderes.
Porrin 289 ). Bei einem Patienten entwickelte sich zwei Monat«*
nach Beginn des Trippers unter Fieber eine Pleuritis sicca. Späterhin
Adenitis inguinalis, Phlebitis, Arthritis sternoclavicularis. Heilung nach
mehreren Monaten.
Ducrey lc ). Bei einem jungen Manne, der an Gonorrhoe litt,
traten successive verschiedene Serosaerkrankungen auf: Pleuritis dextra.
Pleuritis sinistra, Hydrarthrosis genus, manus und schliesslich Peritonith
serosa. Auffallend war der rasche Wechsel der Erscheinungen.
Bei Bertrand’s 34 ) Fall handelte es sich um eine rechtsseitig
Pleuritis exsudativa. Im Exsudat fanden sich Diplococcen, welche sich
tinctoriell wie Gonococcen verhielten und auf den gewöhnlichen Nähr¬
böden nicht wuchsen.
Mazza 246 ). Bei einem 11jährigen Mädchen, welches durch Stuprum
gonorrhoisch infiziert worden war, stellten sich 14 Tage später allgemeine
Uebelbefinden, Schmerzen in der linken Schulter, später auch in anderen
Gelenken ein. Eine Woche später Auftreten von Pleuritis bilaterale
exsudativa, welche nach acht Wochen punktiert wurde. Im Exsudat*
Hessen sich durch Färbung und Kultur Gonococcen nachweisen. Ausser¬
dem bestand Peri-, möglicherweise auch Endocarditis. Ueber den Aus¬
gang wird nichts mitgeteilt.
Chiaiso und Isnardi 74 ). Bei einem durch Stuprum infizierten
10 jährigen Mädchen waren einen Monat nach Beginn der Gonorrhoe Fieber.
Schmerzen in der linken Schulter und rechtsseitige Pleuritis exsud. auf¬
getreten. Systolisches Geräusch an der Herzspitze. Heilung etwa
einen Monat nach der Aufnahme mit bleibendem systolischen Geräusch
Die Patientin wurde zweimal probepunktiert. Im serösen Exsudat fand
man das erste Mal nichts, das zweite Mal konnten Gonococcen nachgewiesen
werden.
Cardile 67 ). Eine 23 jährige Frau, welche vor sechs Wochen go¬
norrhoisch infiziert worden war, erkrankte 10 Tage später unter Schüttel¬
frost und Fieber, sowie Schmerzen in der rechten Seite und Husten
Bei der Untersuchung fand man eine Pleuritis exsudativa dextra. P
sich auf innere Behandlung keine Besserung einstellte, wurde nach
14 Tagen punktiert. Im Exsudate Gonococcen durch Färbung uik
Kultur nachweisbar. Nach 2 r 2 Monaten Heilung, nachdem die Punktion
noch zweimal wiederholt worden war.
Fischer 119 ). 20jähriger Mann. Seit vier Jahren Gonorrhoe. Ent¬
wickelung von Pleuritis. Aspiration ohne Resultat. Im Sputum Gon«>-
eoccen. Heilung nach sechs Monaten.
Jicinsk v l ‘ sa ). Bei einem 24 jährigen, seit einigen Monaten an
Gonorrhoe und Epididvmitis leidenden Manne stellten sich Fieber, Schüttri¬
frost und Schmerzen in der linken Seite ein. Daselbst Dämpfung. Reich¬
liches Sputum. In demselben durch Färbung und Kultur Gonococcen
nachweisbar. Aspiration ohne Resultat. Heilung nach acht Wochen.
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Scholz 331 ). 23jähriger Mann. Seit 10 Tagen Gonorrhoe. Bei
der Aufnahme Herzgrenzen und Herztöne normal , nur die Herzaktion
auffallend unregelmässig. Fieber. Am rechten Unterschenkel zwei diffus
gerötete, schmerzhafte Hautstellen, welche allmählich abblassten. Später
Entwickelung ähnlicher Stellen am Metacarpus sin., Rumpf und Ellbogen.
Daselbst keine Gonococcen nachweisbar. In einigen der Stellen ent¬
wickelte sich spontane Nekrose im Centrum, die anderen verschwanden
vollständig. Aus den schmerzhaften Hautstellen am Unterschenkel ent¬
wickelten sich Abscesse, in deren Inhalt durch Färbung und Kultur
typische Gonococcen nachgewiesen wurden. Nach Eröffnung dieser
Abscesse fiel das Fieber ab und die Temperatur blieb normal. Einige
Wochen nach Beginn der Affektion trat plötzlich Husten mit blutigem
Sputum auf, in welchem sich den Gonococcen ähnliche Diplococcen nach-
weisen Hessen. Der Husten verschwand nach wenigen Tagen.
Ahmann 3u * 4 ). Bei einem seit mehreren Monaten an Gonorrhoe
leidenden 22 jährigen Manne trat drei Wochen nach der Aufnahme unter
heftigem Schüttelfrost und Fieber multiple Gelenksschwellung auf. Im
Urin Albumen und Blutcylinder. Tendovaginitis M. tibial. antic. sin.
Später Epididymitis und schliesslich Schmerzen vorn an der rechten
Brustseite, welche möglicherweise einer Pleuritis zuzuschreiben waren. Im
Blnte Gonococcen durch Färbung, Kultur und Uebertragung auf den
Menschen nachweisbar. Heilung.
Asahara 8 ). Bei einem jungen Mädchen, welches unter Erschei¬
nungen akuter Peritonitis und Sepsis rasch zu Grunde gegangen war,
fand man bei der Sektion Pleuropneumonie und Nephritis, als deren Ur¬
sache überall Gonococcen nachgewiesen werden konnten.
de Quervain 301 ). Bei einem vor vier Wochen an Gonorrhoe er¬
krankten Manne traten unter Fieber Erscheinungen auf, welche auf einen
perinephritischen Abscess schliessen Hessen. Bei der Operation fand man
aber einen zwischen Leber und Zwerchfell gelegenen, sehr grossen Abs¬
cess, in dessen (geruchlosem) Eiter weder mikroskopisch, noch kulturell,
noch durch den Tierversuch Bakterien nachgewiesen werden konnten.
Auch ein zunächst seröses, dann seropurulentes Exsudat der Pleura er¬
wies sich als steril.
III. Gonorrhoische Albuminurie und Nephritis.
Erscheinungen von Seiten der Niere sind bei bestehendem
Tripper schon lange bekannt, doch glaubte man früher, dass die¬
selben direkt fortgeleitet seien, was ja für einen Teil der Fälle
zweifellos zutrifft. In neuerer Zeit wurde aber nachgewiesen, dass
das Gonococcengift auch ohne Erkrankung der Blase und der
Ureteren auf metastatischem Wege auf die Niere wirken könne.
Eis kann sich um einfache funktionelle Störungen, aber auch um
wirkliche Erkrankungen handeln. Wertvolle Beiträge zu dieser
Frage haben Goldberg, Geraud, Balzer und Souplet, Balzer
und Jacquinet, Lewek und Colombini geliefert.
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Balzer und Souplet 22 "- 23 ) fanden bei 424 Tripperkranken
99mal Albuminurie, und zwar handelte es sich nur 21 mal um un¬
komplizierte Gonorrhoe, 73mal bestand Orchitis. Balzer und
Jacquinet 20 ) beobachteten bei 777 Gonorrhoikern 131 mal Albu¬
minurie. Geraud 131 ) fand bei 65 Fällen von Gouorrhoea acuta
simplex zweimal, bei 18 Fällen einseitiger Nebenhodenentzündung
einmal, bei 13 Fällen doppelseitiger Epididymitis neunmal und bei
12 Fällen von chronischer Gonorrhoe viermal Albuminurie. Gold¬
berg 184 "• 185 ) untersuchte 50 Patienten mit akuter und 20 mit
chronischer Gonorrhoe. Bei den ersteren fand sich fünfmal, bei
den letzteren sechsmal Albuminurie. C o 1 o m b i n i 79 ) fand bei
372 Tripperkranken (darunter 72 Epididymitiden) 66 mal Albu¬
minurie. Davon entfielen 42 auf die Patienten mit Nebenhoden¬
entzündung. In Lewek’s 221 ) 155 Fällen bestand sechsmal aus¬
gesprochene Albuminurie, 16 mal fanden sioh nur Spuren von Eiweiss.
Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass Albuminurie bei Go¬
norrhoe ein nicht zu seltenes Vorkommnis darstellt. In einem Teile
der Fälle handelt es sich zweifellos um eine aufsteigende Infektion,
für eine grosse Anzahl bleibt aber keine andere Erklärung als die
Annahme einer Allgemeininfektion resp. Toxinwirkung. Balzer
und Jacquinet 1 - 6 -) unterscheiden bei der nicht durch direkte Ueber-
tragung verursachten Gruppe folgende Formen: 1. Eine ganz leichte,
welche keine subjektiven Beschwerden verursacht. Die Dauer dieser
Albuminurie beträgt nur einige Tage. 2. Diese Form, bei welcher
man 2—3 Proz. Eiweiss findet, dauert 14 Tage bis vier Wochen
und geht mit leichtem Fieber, sowie Verdauungsstörungen einher.
Oedeme fehlen gewöhnlich. Bei der dritten Form zeigen sich Sym¬
ptome von Morbus Brightii. Oedeme oder allgemeine Anasarka sind
meist vorhanden. Die Eiweissmenge kann bis 10 Proz. steigen.
Die Dauer dieser Form ist unbestimmt, Heilung aber möglich.
Eitrige Nephritis oder Pyelonephritis rein metastatischer Natur scheint
selten zu sein, wenigstens haben Balzer und Jacquinet 1 -*•) keinen
derartigen Fall beobachten können. Albuminurie bei unkomplizierter
Gonorrhoe ist verhältnismässig selten; häufiger stellt sie sich beim
Hinzutreten von Komplikationen, insbesondere von Epididymitis ein.
Es ist klar, dass es sich unter Umständen auch um eine Kom¬
bination zwischen aufsteigender und metastatischer Form handeln
kann. Goldberg 1 -'•) gelangt zu folgenden Schlüssen: In etwa
12 Proz. der Tripper kommt wahre Albuminurie vor. 2. In
höchstens 2—3 Proz. kann sie als eine Kontinuitätserkrankung
angesehen werden. Für die meisten, fünf Sechstel etwa, bleibt keine
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andere Erklärung übrig, als die Annahme einer raetastatischen
blennorrhoischen Nephritis. Mankiewicz 240 ) hält die Albuminurie
zum Teil für reflektorisch, zum Teil für durch das Fieber bedingt.
Jadassohn 240 ) hält in vielen Fällen die Strangurie für die Ursache
der Albuminurie. Goldberg 240 ) hingegen hat nur ausnahmsweise
Strangurie mit Albuminurie verbunden gesehen. Kaspary 240 ) hat
oft vorübergehende Albuminurie bei Verschlimmerung des Leidens
beobachtet. Guiard 146 ) macht darauf aufmerksam, dass auch Bal¬
samica Albuminurie erzeugen können, doch sind die bisher be¬
schriebenen Formen auch bei Patienten beobachtet worden, welche
niemals derartige Arzneimittel genommen hatten, und andererseits
wird in keinem Falle die bestehende Albuminurie durch den Ge¬
brauch von Balsamicis vermehrt, weshalb man dieselben auch bei
vorhandener Albuminurie anwenden darf, ein Satz, welchem aller¬
dings von anderen widersprochen wird. Als Therapie empfehlen
sich neben der Behandlung der Gonorrhoe reizlose Kost, besonders
Milchdiät, Bettruhe und reichliche Zufuhr indifferenter Getränke.
Anschliessend sei noch erwähnt, dass Robinson 814 ) Gelegen¬
heit hatte, bei einem hereditär nervös (gelasteten jungen Manne, der
zwar durch längere Zeit an Polyurie und Polydipsie gelitten hatte,
ohne aber Zucker im Urin zu haben, nach Acquisition eines Trippers
Zucker in ziemlicher Menge im Urin nacbzuweisen. Die Glykosurie
schwand mit Abheilung des Trippers, während Polyurie und Poly-
dypsie bestehen blieben. Robinson ist der Ansicht, dass es sich
in diesem Falle um ähnliche Verhältnisse handle, wie beim Phlorid¬
zindiabetes.
IV. Gonorrhoische Muskelerkrankungen.
Muskelaffektionen scheinen keine sehr häufige Komplikation
der Gonorrhoe zu sein, wenigstens sind bisher nur wenige Fälle ver¬
öffentlicht worden. Die Erkrankung äussert sich in zwei Formen:
entweder kommt es zu einer akuten, sehr schmerzhaften Myositis
oder es handelt sich um eine mehr chronische Form, welche, wie
in Batut's 28 ) Fall, sogar zu Osteombildung führen kann. Dieser
Autor behandelte einen an Arthritis gonorrhoica leidenden Soldaten,
bei welchem sich, während der Arm bandagiert war, ein Osteom in
der Gegend des Ellbogengelenkes entwickelte, welches, wie die
Röntgenuntersuchung zeigte, den ganzen M. brachialis int einnahm.
Dasselbe bildete sich unter Behandlung tait feuchten Umschlägen
und Ruhe bis auf Nussgrösse zurück.
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Servel 340 ) hält Muskelaffektionen für häufiger, als bisher an¬
genommen wurde; er ist der Ansicht, dass es sich in leichten Fällen
um eine einfache Myalgie, in schweren um eine ausgesprochene
Myositis handle. Die Schmerzen sind in der Regel sehr bedeutend*
während objektive Symptome, wie Rötung, Oedem etc. häufig fehlen
können. Die Prognose ist günstig, die Dauer der Erkrankung be¬
trägt wenige, höchstens 10 Tage (was wohl etwas niedrig gegriffen
zu sein scheint). Bei der Behandlung bewährten sich Servel be¬
sonders heisse Douchen. Auch Braquehaye 48 ) teilt die Ansicht
ServePs, dass die Myositis bei Gonorrhoe häufiger sei, als bisher
angenommen wurde. Er hat mit letzterem gemeinsam folgende
zwei Fälle beobachtet:
1. Bei einer seit drei Wochen an Gonorrhoe leidenden 28 jährigen
Frau entwickelte sich ganz akut Myositis sehr schmerzhafter Natur im
M. pectoralis maior dexter und im M. biceps sinister. Heilung auf An¬
wendung von Dunstumschlägen und heissen Bädern im Verlaufe eines
Monats.
2. Bei einem 41jährigen an Gonorrhoe leidenden Manne entwickelte
sich während einer Exacerbation Myositis des M. rectus internus dexter.
Heilung unter feuchten Umschlägen nach einer Woche.
(Fortsetzung folgt.)
II. Referate.
A. Wurmfortsatz.
Ueber chirurgisch© Eingriffe bei Blinddarmentzündung. Von J. A.
Rosenberger. Würzburger Abhandlungen, Bd. I, H. 7. Würzburg.
Stüber.
Der Standpunkt, welchen Rosenberger bezüglich der Frage der
Operation bei Blinddarmentzündung einnimmt, ist der folgende:
1. Bei wiederholten, rasch aufeinander folgenden Anfällen von
Blinddarmentzündung soll der Wurmfortsatz in der anfallsfreien
Zeit entfernt werden.
2. Während des Anfalles soll man nur operieren, um dem ge¬
bildeten Eiter Abfluss zu verschaffen, nicht um gleichzeitig den
Wurmfortsatz zu entfernen.
3. Wenn der Verdacht auf Eiterbildung da ist, soll möglichst
frühzeitig operiert werden, auch wenn der Ort der Eiterbildung
nicht von vornherein bestimmt werden kann.
4. Die Operation soll möglichst ungefährlich, kurz und ein¬
fach sein.
Entsprechend diesen Grundsätzen, welche von der Ueberzeugung
ausgehen, dass der grösste Teil der Perityphlitiskranken auch heute
noch ohne Operation genest, und dass die Gefahr der Recidive keine so
grosse ist, wie von chirurgischer Seite vielfach behauptet wird, besteht
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Rosenberger’s Verfahren in einer einfachen Incision und dem Ein¬
legen eines oder zweier Gummidrains bis zum Wurmfortsatz. Rosen¬
berger hofft, dass diese Vereinfachung in die allgemeine Praxis ein¬
dringt Ad. Schmidt (Dresden).
Appendicitis with throinbosis and suppuration in the right iliac
and femoral veins. Von J. G. Sheldon. Philadelphia med. journ.
Vol. VHI, July 27.
Acht Tage nach Beginn einer akuten Appendicitis tritt bei dem
34jährigen, robusten Pat. unter plötzlichen starken Schmerzen eine öde-
inatöse Schwellung und Cyanose der ganzen rechten unteren Extremität
auf, welche während der nächsten fünf Wochen unter Fieber und zeit¬
weiligen Schüttelfrösten anhält Tod unter septischen Allgemeinerschei¬
nungen. Autopsiebefund: Gangrän des Wurmfortsatzes, diffuse fibrinös-
eitrige Peritonitis, Sepsis der inneren Organe. Die rechte Vena iliaca
communis, externa und femoralis thrombosiert und von Eiterherden
durchsetzt
Verf. sah unter 186 Fällen von Appendicitis diese Komplikation
nur einmal und stellt die spärlichen Fälle aus der Literatur zusammen,
darunter zwei doppelseitige, von denen einer auf der linken Seite begann.
Die Venenentzündung kam in seinem Falle wohl durch direkte Fort¬
leitung des entzündlichen Prozesses zustande. Für chronische Fälle von
Appendicitis kommt auch die Kontraktion des entzündeten retroperitonealen
Gewebes in der Umgebung der Vene in Betracht.
Mohr (Bielefeld).
Primary carcinonia of the tip of the appendix; primary epithelioma
of the sphincter muscle of the bladder. Von J. R. Goffe.
Medical Record, Vol. LX, July 6.
Ein 16jähriges, ungewöhnlich entwickeltes und gut genährtes
Mädchen litt seit mehr als einem Jahr an stetig zunehmenden Schmerzen
in der üeocoecalgegend. Es wurde chronische Appendicitis diagnostiziert
und bei der Operation fand sich ein ungewöhnlich langer, verdickter und
gedrehter Appendix, an dessen Spitze ein kleiner rundlicher, weisser
Körper durchschimmerte.
Bei der mikroskopischen Untersuchung erwies sich dieser Körper
als ein ganz typisches Carcinom von 5 mm Durchmesser. An einer um¬
schriebenen Stelle war die anliegende Muscularis infiltriert.
Eine 26jährige Frau litt durch sechs Jahre an Harndrang und
Schmerzen beim Urinieren. Durch genaue Palpation wurde ein kleiner
Tumor im Sphincter links vorn am Orificium urethrae int. entdeckt. Der
Tumor erwies sich als ein Epitheliom. Eisenmenger (Wien).
Coecnm und Processus vermiformis in einer linksseitigen Hernie»
Von Th. Wikerhauser. Lieöniöki viestnik 1902, XXIV, 2, p. 37.
Der Fall betraf einen 3jährigen Knaben mit angeborener links¬
seitiger Inguinalhernie. Der sehr dünne Bruchsack enthielt das Coecum
und den verdickten Appendix; dieser, 9 cm lang, enthielt zwei Kopro¬
lithen von Hanf- und Reiskorngrösse. O. Müller (Agram).
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B. Ohr.
Les oomplications mastoidiennes et intracraniennes des otites
moyennes suppuröes chroniques. Von P. Barbarin. Thfese de
Paris, G. Steinheil, 1902, 154 pp.
Verf. gliedert seinen Stoff in 13 Abschnitte: Introduktion, Aetiologie,
Anatomie (Region mastoidienne), Anatomie pathologique, Symptömes et
diagnostic des lösions mastoidiennes, Symptömes et diagnostic des lösions
intracraniennes, Prognostic, Traitement des lösions mastoidiennes, Traite-
ment des lösions intracraniennes, Resultats, Observations, Relevö des
observations, Conclusions.
Barbarin untersuchte den Verlauf von 83 im Hospital Trousseau
vor sieben Jahren operierten Ohrfällen bei Kindern. 81 Beobachtungen
sind unter Broca’s Leitung gemacht, eine ist durch Dr. Görard-Mar-
chant, eine andere durch den Chirurgen Prof. Marion zur Verfügung
gestellt. (Von den Beobachtungen aus dem Hospital Trousseau sind
mehrere Fälle schon in der Arbeit von Broca und Lubet-Barbon
und Mi Ile t zusammengefasst.) Der Arbeit liegen ferner 150 anatomische
Untersuchungen von Felsenbeinen von Erwachsenen und Kindern zu
Grunde. Ferner vergleicht der Verf. einige Schläfenbeine von Tieren,
die es ihm ermöglichten, eine anatomische Teilung der verschiedenen
Teile des Ohres vorzunehmen, und beschreibt die verschiedenen Methoden
der Injektionen und Entkalkungen, welche das Studium der Gefässe der
Warzenfortsatzregion erleichtern. Barbarin erwähnt die Auffassung
Mignon’s in dessen Werke über die septischen Komplikationen der
eitrigen Mittelohrentzündungen, dass die chronische Ohreiterung bei
den Erwachsenen die Regel ist. Auf 100 zufällig herausgegriffene
Fälle kommen nur 21 mit vollständiger Entwickelung der Krankheit in
30 Tagen, in 79 war sie chronisch. 42mal ging der Anfang der Er¬
eignisse bis in die Kindheit zurück. Eine Statistik Gradenigo’s aus
dem Jahre 1896 verzeichnet unter 136 Fällen von Warzenfortsatz-
erkrankungen 48 akute, 88 chronische Fälle. Auch beim Kinde herrsche
die Neigung zu chronischem Verlauf, wenn auch nicht so evident vor:
Broca und Loubet-Barbon operierten 49mal bei Warzenfortsatz¬
erkrankungen im Verlaufe akuter Otitiden, 71 mal im Verlaufe chronischer
Otitiden. Diese Auffassung zu Gunsten des Ueberwiegens der chronischen
Ohreiterungen muss als eine etwas einseitige angesehen werden, wenn
man bedenkt, dass die akuten Ohreiterungen vermöge ihrer zeitlichen
Begrenzung und ihres häufigen günstigen Ausganges doch erheblich
seltener in ärztliche Behandlung kommen als die chronischen Fälle.
Verf. glaubt, dass die oben genannten Zahlen sich ganz erheblich ändern
würden, wenn bei jeder vorhandenen Warzenfortsatzeiterung, auch in
dem leichtesten akuten Fall, chirurgisch und nicht bloss mit dem sogen.
Wilde’schen Schnitt, sondern mittelst Trepanation operativ eingegriffen
würde. Die Bedenklichkeit der Warzenfortsatzeiterung werde noch er¬
heblich unterschätzt. Ohne den Eingriff gingen sehr viele Fälle, nach¬
dem die akuten Erscheinungen vorüber seien, in den chronischen Zustand
über. Gegen diese Verallgemeinerung: jeden, auch den leichtesten akuten
Fall von Warzenfortsatzeiterung mittelst Trepanation zu behandeln, muss
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entschieden Protest eingelegt werden. Es gibt eine ganze Anzahl von
Fallen, die auch ohne eine so eingreifende Behandlung zur Ausheilung
gelangen. Unter den 83 beobachteten Fallen konnte 28mal der Anfang
der Erkrankung nicht festgestellt werden, 23mal waren Köteln voraus-
gegangen, viermal Grippe, dreimal Scharlach mit und ohne Diphtherie,
fünfmal Bronchopneumonie, sechsmal Keuchhusten, einmal Typhus, einmal
hereditäre Syphilis, dreimal sichere Tuberkulose, siebenmal zweifelhafte
Tuberkulose, zweimal Traumen.
79 Fälle gliederten sich nach dem Alter wie folgt:
0—3 Jahre.11 Fälle
3—10 „.55 „
10 Jahre bis erwachsen.13 „
Sa. 79 Fälle
Das Geschlecht zeigte sich ohne besonderen Einfluss, auch be¬
züglich des Betroffenseins des rechten und linken Ohres war kein
besonderer Unterschied zu verzeichnen. Die für die Arbeit notwendigen
bakteriologischen Untersuchungen wurden von Tollemer, Laboratoriums¬
chef im Hospital Trousseau, ausgeführt Dieselben ergaben hauptsächlich
Staphylococcen, Streptococcen, Pneumococcen, fast überall wurden Anae¬
roben gefunden. Gegenüber der Anschauung von Netter, Lermoyez
und Helme, nach welcher die Otitiden durch die Sekundärinfektion
(Staphylococcus, Tetragenus, Proteus) chronisch werden und der Ernst
der Komplikationen mehr dem Virulenzgrade der Mikroben zugeschoben
wird, legt Barbarin im Einverständnis mit Pes und Gradenigo mehr
Gewicht auf die anatomische Disposition des Ohres, auf die Retention
des Eiters. Aus diesem Grunde misst er eben auch jedem operativen
Eingriff, der energischen Abfluss schafft, so entscheidende Wichtigkeit bei.
Barbarin bekämpft — mitRecht — die Behauptung Mo ns court's
(1896), der sich dabei auf Hirtz stützt, dass 30 Proz. der Otitiden
tuberkulös seien. Er ist durch zahlreiche Autopsien zu dieser Gegnerschaft
gelangt Um die Frage weiterhin aufzuklären, unterzog der Verf. die
früher operierten Fälle einer Nachrevision. Mehr als 50 der Operierten
wurden nach Jahren nachuntereucht: bei keinem zeigte sich eine Spur
«pater aufgetretener Tuberkulose. Das Resultat der Operation war bei
allen Fällen ein zufriedenstellendes gewesen, auch nach tuberkulöser
Eiterung. Diese günstige Kritik glaubt Verf. aufrecht erhalten zu können,
trotzdem fünf Fälle später an allgemeiner Tuberkulose zu Grunde
gegangen sind, was aber nicht auf Rechnung der Trepanations- bezw.
der Ohrverhältnisse zu setzen ist. Bei fünf Kindern, die früher deutliche
Zeichen von Tuberkulose gehabt hatten und jetzt noch Knochenwunden
aufwiesen, wurden Auskratzungen in den Mastoidzellen vorgenommen
und Uebertragungen auf Kaninchen versucht — mit negativem Resultat.
Im Einklang mit einer Arbeit von Garbini und Bolistreri im ita¬
lienischen Archiv für Otologie glaubt Verf. sagen zu können, dass
tuberkulöse Karies unter 100 Fällen chronischer Ohreiterung nur etwa
in 10 Proz. der Fälle vorkomme. Es werden dann anatomische Unter¬
suchungen von 150 Schläfebeinen von Erwachsenen und Kindern sehr
«ingehend beschrieben. Unter 90 Schläfebeinen Erwachsener hatten 27
pneumatischen, 24 sklerösen, 39 gemischten Typus. Unter den Sym-
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Ürigiral frorry''
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ptomen der Mastoiditis hebt Barbarin hervor: 1. heftige Schmerzen mit
wechselndem Sitz; 2. eine Modifikation (Geringerwerden) des Ausflusses;
3. eine Anschwellung hinter dem Ohre, die (nach Politzer) wieder
verschwinden und dann wieder erscheinen kann.
Unter den für Sinusphlebitis sprechenden Symptomen legt Barbarin
ein zu grosses Gewicht auf das Auftreten von Schüttelfrost mit Zähne¬
klappern. Er nennt dies das einzig sichere Symptom, eine Behauptung,
der man nicht so unbedingt beipflichten kann. Bezüglich der Ver¬
besserung der Prognose stellt Verf. den schon am Anfang als erheblich
zu weit gehend betonten Satz auf, dass jede auch noch so leichte
Warzenfortsatzeiterung operiert werden müsse, und zwar fordert er hierfür
die Radikaloperation. Bei der Besprechung der intracraniellen Kompli¬
kationen und der einzelnen operativen Eingriffe berührt Verf. einzelne
Modifikationen französischer Autoren (u. a. Chaput, Doyen, PicquG-
Mauclaire).
Der Streit über die sogen. Osteophlebitispyämie Körner’s wird in
der Abhandlung nicht berührt.
Bei der Besprechung der Operationsresultate hebt Barbarin neben
der günstigen Wirkung der Eingriffe den dunklen Punkt der langsamen
Vernarbung hervor. Die Heilungsdauer betrug bei seinen Fällen im
Mittel sechs Monate, in einigen über ein Jahr. Auf jeden Fall müssten
nach Barbarin die Heilungsresultate wunderbare genannt werden, wenn
man erwägt, dass die nicht operierten Kinder sämtlich in einem späteren
Lebensalter zu Grunde gehen müssten. Auch dies ist eine der vielen
kühnen Behauptungen, die der Verf. unbewiesen aufstellt. In einer
kurzen kasuistischen Uebersicht berichtet der Verf. über die 83 Ope¬
rationsresultate (77 Kinder, 6 Erwachsene): in 48 Fällen war die
Heilung eine vollständige, in fünf Fällen kann nur von einer wahr¬
scheinlichen Heilung gesprochen werden, da die Patienten sich der
weiteren Behandlung entzogen. Dreizehn Todesfälle waren zu verzeichnen.
In Behandlung standen noch zur Berichtszeit 12, bei fünf Fällen war
der Ausgang unbekannt. Von den 13 Todesfällen ist keiner auf das
Konto der Operation zu setzen: sechs Operierte starben an intracraniellen
Komplikationen, die schon vor dem Eingriff ausgesprochen vorhanden
waren (dreimal Sinusphlebitis, einmal Meningitis, zweimal Kleinhirnabscess).
Die anderen sieben starben einen Monat nach der Aufnahme in das
Krankenhaus: sechs an Lungentuberkulose bezw. Meningitis, einer an
einer unbestimmten Affektion. Die Fälle mit unbekanntem Ausgang
können als wahrscheinliche Heilungen angesehen werden. Nach patho¬
logisch-anatomischer Einteilung präsentierten sich die Fälle: einfache
Caries 23, Sequester 29, Caries mit Cholesteatom 14, Sklerosierung des
Warzenfortsatzes 7, einfacher subduraler Abscess 2, Sinusphlebitis 3,
Hirnabscess 2, Meningitis 1, Kleinhirnabscess 2, insgesamt also 73 Fälle
von einfacher Warzenfortsatzerkrankung und zehn Fälle mit intracra-
niellen Komplikationen.
Den Extrakt der Arbeit gibt Verf. in folgenden Thesen:
1. Die Warzenfortsatz- und die intracraniellen Ohrkomplikationen
werden häufiger bei chronischen als bei akuten Ohrentzündungen be¬
obachtet. Die Natur des Eiters scheint bei der Entwickelung nur einen
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schwachen Anteil zu haben, in viel höherem Grade sind die anatomischen
Verhältnisse anzuschuldigen, welche die Zurückhaltung und Verbreitung
des Eiters begünstigen.
2. Die Felseiibeintuberkulose ist weniger häufig als es nach den
Angaben der älteren Autoren anzunehmen ist
3. Die Apophysis mastoidea bietet selten den reinen pneumatischen
oder sklerösen Typus. Die Apophysis pneumatica enthält genau in zwei
Gruppen organisierte Zellen, wie sie von Schwartze und Eysell be¬
schrieben sind: eine vordere und obere Gruppe oberhalb des Antrums,
eine hintere und untere, mehr versteckte unterhalb und hinter dem
Antrum. Zwischen diesen beiden Gruppen besteht immer beim Kinde,
oft beim Erwachsenen, ein Knochenplättchen in dem Verlaufe der Sutura
petroso-squamosa. Dieses Knochenplättchen muss eine wichtige Rolle
bei der Formation des Warzenfortsatzes, wie er beim Erwachsen existiert
haben.
4. Die Knochenaffektionen, die bei der chronischen Ohreiterung
auftreten, sind zunächst an den Wänden des Tympanum, des Aditus ad
antrum lokalisiert, sie breiten sich dann durch die Mastoidealzellen weiter
aus, nach aussen gegen die Haut, nach vorn gegen den äusseren Gehör¬
gang, nach unten gegen die Halsgegend, nach oben gegen die Fossa
lemporalis, nach hinten gegen den Sinus lateralis und die Kleinhirngrube.
Diese Affektionen sind im Einzelfall ganz verschieden und bestehen in
einfacher Caries, Sequestration, Sklerosierung der Apophyse. Das Cho¬
lesteatom ist zumeist ein Produkt der Eiterung.
5. Die Weiterverbreitung der Infektion geschieht entweder per
contigui tatein auf dem Lymphwege längs der Gefäss- oder Nerven scheiden
oder direkt auf dem Blutwege. Sie kann einen subduralen Abscess,
eine allgemeine oder lokalisierte Hirnhautentzündung, eine Sinusphlebitis,
einen Gross- oder Kleinhirnabscess zur Folge haben. Die Fortpflanzung
per contiguitatem ist die häufigste, und bei der Thrombophlebitis des
Sinus findet man fast immer eine vorhergehende Beteiligung der Fo9sa
sigmoidea.
G. Die Diagnostik der Warzenfortsatzerkrankungen ist gewöhnlich
leicht, anders die der intracraniellen Komplikationen: neunmal unter
zehn Fällen werden nur Hirndruck- oder Reizungszeichen existieren, die
zu einer genauen Lokalisation ungenügend sind.
7. Die Behandlung, die mit dieser Unsicherheit zu rechnen hat —
abgesehen von den wenigen Fällen einer ganz sicheren Diagnose — wird
sich zunächst auf die Warzenfortsatzregion und dann an zweiter Stellt'
auf die intracranielle Komplikation erstrecken. Um wirksam zu sein,
muss der Eingriff im Warzenfortsatz ein radikaler sein. Die Zaufal-
sche Radikaloperation ist anzuwenden. Die Eröffnung der Schädelkapsel
— vom Warzenfortsatz ausgehend — muss eine genügend grosse und
übersichtliche sein. Im Falle eines Kleinhirnabscesses hinter dem Sinus
ist die Mastoideocraniectomie von Picquö und Mauclaire zu em¬
pfehlen.
8. Die Radikaloperation ist nicht nur imstande, eine veraltete
lokale Affektion zur Heilung zu bringen, sondern beeinflusst in günstigster
Weise den Allgemeinzustand des Kindes. Je weniger schüchtern die
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operative Behandlung der intracraniellen Komplikationen vorgenommen
wird, desto wirksamer ist sie. Auch in verzweifelten Fällen ist ein
Eingriff gerechtfertigt, der manchmal zu einer völligen Wiederherstellung
führt —
Durch die ausgedehnte, fleissige Arbeit Barbari n's geht ein
gewisses Sturm- und Dranggefühl hindurch, das sich nicht bloss in der
Empfehlung von operativen Eingriffen ä tout prix äussert, sondern auch
in der Wahl immer des extremsten Verfahrens und — bei aller selbst¬
verständlichen Anerkennung der Leistungen der modernen Ohrchirurgie
— in einer gewissen Ueberschätzung der Heilresultate.
A. Goldschmidt (Breslau).
III. Bücherbesprechnngen.
Pathogenese innerer Krankheiten. Heft 3: Funktionelle Neu¬
rosen. Von Fr. Martius. Leipzig u. Wien, Fr. Deuticke, 1903.
Gleich den beiden ersten Heften des originellen Werkes zeichnet
sich das vorliegende durch grosse Klarheit und Schärfe in der Behand¬
lung des schwierigen Stoffes aus. Der Hauptteil der Darlegungen gilt
der Neurasthenie; Hysterie, welche sich nach Martius’ Definition scharf
von der Neurasthenie unterscheidet, wird in kürzerer Weise behandelt.
In scharfsinniger Weise, unter streng kritischer Berücksichtigung
älterer (Martius zeigt, dass die Neurasthenie sehr alt, keineswegs eine
moderne Krankheit sei) und neuerer Definitionen und Theorien entwickelt
Martius seine Lehre, dass die Neurasthenie auf einem abnormen Zustand
des Centralnervensystems beruhe, welcher dazu führt, dass Sensationen
normaler oder geringfügig pathologischer Vorgänge im Körper von der
Psyche abnorm leicht wahrgenommen und nun zumeist falsch bewertet
werden. Je nach individuellen Verhältnissen äussert sich die Neur¬
asthenie in Störungen motorischer, sensorischer, sekretorischer Art, an diesem
oder jenem Organ; der Grund der Beschwerden ist aber durchaus nicht
in Störungen des einzelnen Organs oder der zu denselben ziehenden
Nerven, sondern regelmässig im Centralnervensystem zu suchen. Alle
Einzelerscheinungen lassen sich als Folgezustände dieser centralen
Störungen auffassen.
Wenn die Darlegungen des Verfassers auch nicht im einzelnen
überall volle Zustimmung finden werden, so werden sie doch sicher
wesentlich dazu beitragen, schärfere Abtrennungen und Definitionen in
diesem Krankheitsgebiet herbeizuführen und damit Klarheit in so manche
dunkle Punkte zu bringen. Gerhardt (Strassburg).
Die physikalisch-diätetische Therapie in der ärztlichen Praxis.
Von B. P resch. Lieferung 1—4. Würzburg, A. Stuber’s Verlag,
1903.
Die Zusammenstellung der physikalisch-diätetischen Methoden bei
den alphabetisch geordneten Krankheiten erweist sich als sehr zweck¬
mässig, um in grosser Schnelligkeit sich das hier in Betracht kommende
Rüstzeug der Behandlung vor Augen zu führen. Die Darstellung ist
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klar und nach praktischen Gesichtspunkten gehalten; indes lehrt der
Einblick in diese Therapie, welche in letzter Zeit oft sehr einseitig in
den Vordergrund geschoben wird, dass, abgesehen von den Schwierig¬
keiten und der bedeutenden Zeitdauer, welche viele der physikalischen
Methoden in Anspruch nehmen, einmal die medikamentöse Therapie
u. 8. w. nicht entbehrt werden kann, sodann die physikalisch-diätetische
Behandlung keineswegs das Endziel des medizinischen Könnens darstellt.
Die alleinige Beschränkung auf diese würde eine Stagnation in unserer
Wissenschaft bedeuten und lässt in der Praxis, welche ja nicht immer
Heilung, sondern oft nur Linderung von Beschwerden anzustreben hat,
vielfach im Stich oder ist nicht dauernd Hilfe versprechend, wenn es
sich um chronische Kranke handelt, die jahrzehntelang von dem Arzte
Hilfe beanspruchen.
Unter dem Gesichtspunkt, dass neben der physikalisch-diätetischen
Therapie auch alle anderen Methoden, die medikamentöse Therapie,.
Serumhehandlung u. s. w., die uns bekannt sind, herangezogen werden
müssen, hat das von Presch zusammengestellte Werk seine wesentliche
Existenzberechtigung, dessen Verwertung dem Praktiker warm ans Herz
gelegt werden kann. J. Ruhemann (Berlin).
L’e&u dans ralimentation. Von F. Malm6jac. Paris, Felix Alcan,
1902.
Die Versorgung mit gutem Trinkwasser steht unter den Bestre¬
bungen der modernen Hygiene mit an erster Stelle; diesem Umstand
hat Malm6jac Rechnung getragen, indem er im vorliegenden Werke
die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Wassers, seinen
Keimgehalt, den Einfluss des Bodens und die Methoden der Wasser-
analyse ausführlich schildert. Ein breiterer Raum ist namentlich der Be¬
sprechung der chemischen und bakteriologischen Trinkwasseruntersuchung,
sowie der Verfahren zur Reinigung des Wassers durch Filtriermethoden
und auf chemischem Wege gewidmet; die Lektüre des hübsch ausge¬
statteten Werkes, dessen eingehendere Besprechung sich an dieser Stelle
verbietet, sei allen Interessenten empfohlen.
Martin Cohn (Kattowitz).
Die Laune. Eine ärztlich-psychologische Studie. Von E. Jentsch.
Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens, Heft XV. Wiesbaden,.
Bergmann, 1902.
Ein liebenswürdig geschriebenes Büchlein, mit vielen feinen Be¬
merkungen.
Verfasser definiert Launen als „geringgradige Anomalien psychi¬
scher Vorgänge oder ebensolche Ausfallserscheinungen von unbeträcht¬
licher Tragweite, deren psychologisches Verständnis mit unserer Erfahrung
nicht oder nicht vollständig vereinbar ist“.
Es handle sich sonach immer um leichte Störungen psychischen
Geschehens, leichte vorübergehende Trübungen der Seelenzustände.
Psychologisch lässt sich die Laune nicht aus intellektuellen, son¬
dern nur aus gefühlsmässigen Komponenten begreifen.
Zum Schlüsse werden therapeutisch-pädagogische Winke gegeben.
Erwin Stransky (Wien).
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s
Die Freiheit des Willens vom Standpunkte der Psychopathologie.
Von A. Hoche. Grenzfragen de9 Nerven- und Seelenlebens, H. XIV
Wiesbaden 1902, Bergmann.
Wenngleich der Gegenstand der vorliegenden Abhandlung wesent¬
lich psychiatrisch-psychologisches Interesse besitzt, dürfte er doch auch
von jedem Arzte gekannt sein; mit Recht hebt der Autor in den ein¬
leitenden Sätzen hervor, wie gerade in diesem Punkte — wie leider über¬
haupt in der Psychiatrie — die Mehrzahl der Aerzte nicht recht Bescheid
weiss. Fast könnte man sagen, dass die Mehrzahl der Aerzte in psychia¬
trischen Dingen zur Laienwelt zu rechnen ist. Für jene ist die Schrift,
welche dem Psychiater selbst nichts Neues bringt, wohl wesentlich bestimmt.
Klar und bündig weist Hoche nach, dass der Determinismus, die
Annahme der Unabhängigkeit des Willens von physischen Faktoren,
durch ganz und gar nichts gestützt sei. Vom Standpunkte des psycho¬
physischen Parallelismus, zu dem sich auch Hoche, wenn auch nicht
ganz im Wundt’schen Sinne, bekennt, gibt es keine Trennung zwischen
körperlichen und seelischen Vorgängen; erstere stellen nur die subjektive
Innenseite des objektiv körperlichen Geschehens dar. Alle ins Treffen
geführten Kriterien der Willensfreiheit, die Thatsachen des Charakters.
Gewissens, Freiheitsgefühls erweisen sich, als bedingt durch materielle
Bedingungen. Besonders lehrt dies die Beobachtung an Geisteskranken.
Das erhöhte Freiheitsgefühl gerade des Manischen beispielsweise ist doch
nichts als ein Produkt schwerer cerebraler Veränderungen. Insbesondere
wird die Strafrechtslehre nach und nach unseren geänderten Anschauungen
Rechnung tragen müssen. Erwin Stransky (Wien).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 321—333.
Schnürer, Jos., Ueber die Ptierperal-
eklarnpsie (Fortsetzung), p. 333—347.
Hof mann, K. R. v., Gonorrhoische
Allgemeininfektion und Metastasen etc.
(Fortsetzung), p. 347—360.
II. Referate.
A. Wurmfortsatz.
Rosenberger, J. A., Ueber chirurgische
Eingriffe bei Blinddarmentzündung, p.
36°.
Sheldon, J. G., Appendicitis with throm-
bosis and suppuration in the right iliac
and fcmoral veins, p. 361.
Goffe, J. R., Primary carcinoma of the
tip of the appendix; primary epithelioma
of the sphincter muscle of the bladder,
P. 3 <>i.
W ik er ha us er, Th., Coecurn und Pro¬
cessus vermiformis in einer linksseitiger.
Hernie, p. 361.
B. Ohr.
Barbarin, P., Les complications mastoi-
diennes et intracraniennes des oiitc->
movennes suppur£es chroniques, p. 3b 2 .
III. Bücherbesprechungen.
Martins, Fr., Pathogenese innerer Krank¬
heiten, p. 306.
Presch, B., Die physikalisch-diätetische
Therapie in der ärztlichen Praxis, p. 300.
Malmejac, F., L’eau dans ralimentatior.
P- 3 6 '-
Jcntsch, E., Die Laune. Eine ärztlich-
physiologische Studie, p. 307.
Iloche, A., Die Freiheit des Willen'
vom Standpunkte der Psychopathologie,
P . 368,
Ihn Einsendung von Monographien nmi Büchern an den Redakteur Professor
I)r. HEKMANN SCHLESINGER. Wien. I. Ebendorferstrasso 10. wird gebeten
Man bittet. redaktionelle Zuschriften mit dem Ad ressenzusatz ,,Fiir die Redaktion de*
Central blatte» für die Grenzgebiete“ versehen zu wollen.
l>ruck von Am. Kample in Jena.
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Gch igle
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Ghirurgie.
Herausgegeben von
X>r*. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 29. Mai 1903.
| Nr. 10.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie, herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gielsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Vcrlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Ueber die Puerperaleklampsie.
Kritisches Sammelreferat über die von 1890 bis Ende Juni 1902
erschienenen Arbeiten.
Von Dr. Josef Schnürer, Wien.
(Schluss.)
Statistik.
Literatur.
702) Ahlfeld, Genese, Prophylaxe und Behandlung der Eklampsie. Deutsche
Praxis 1901.
703) Bayer, 50 Fälle von Eklampsie. Mon. f. Gyn., Bd. X, p. 25.
704) Bidder, Ueber 455 Fälle von Eklampsie. A. f. G., Bd. XLIV, p. 165.
705) Braitenberg, Zur Kasuistik der Eklampsie. W. kl. W. 1902, p. 167.
706) Braun, G., Disk, zu Herzfeld. C. f. G. 1891, p. 603 u. 1892, p. 193.
707) Büttner, Die Eklampsie im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin während
der Zeit vom 1. Juli 1885 bis 31. Dez. 1901. A. f. G.. Bd. LXV, p. 465.
708) Charles, Ueber Behandlung der Eklampsie. Genfer Kongress. Ref. in
Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. IV, p. 466.
709) Charpentier, Statistik der Eklampsicbchandlung. Gaz. med. de Paris 1893.
710) Döderlein, Zur Frage des Eklampsiebacillus. C. f. G. 1893, Nr. 1.
711) Ders., Die Therapie der Eklampsie. M. m. W. 1894, p. 509.
712) Ders., Giessener Kongress. Mon. f. Geb., Bd. XIV, p. 152.
713) Ders., Disk, zu Zweifel. Ref. in Schmid, Bd. CCXLIX, p. 80.
714) Dührssen, Ueber die Behandlung d.*r Ekl.;m;> : \ A. f. G., Bd. XLIII, p. 49.
Centnlblatt f. d. Gr. d. Med. u. Cbir. VI. 24
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
370
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715) Eskelin, 150 Fälle von Eklampsie. (Norweg.) Ref. in C. f. G. 1898,
P* 977 .
716) Fla tau, Die Lehre von der puerperalen Eklampsie in ihrer gegenwärtigen
Gestalt. Sammlung zwangloser Abhandlungen auf dem Gebiete d. Frauenkrankheiten,
Bd. III, H. 3.
717) Geuer, Ueber Eklampsie. Ges. f. Geb. u. Gyn. in Köln, 5. Juli 1894.
Ref. in C. f. G. 1894, p. 1050.
718) Goedecke, Klinische Beobachtungen über Eklampsie. Z. f. Geb. u.
Gyn., Bd. XLV, p. 45.
719) Glöckner, Zur Behandlung und Statistik der Eklampsie. A. f. G., Bd.
LXIII, p. 166.
720) Goldberg, Beitrag zur Eklampsiefrage auf Gnind von 81 Fällen. A. f.
G., Bd. XLI, p. 295 und Bd. XLU, p. 87.
721) Green, Ueber Eklampsie. 18. Jahresvers. d. amerik. Ges. f. Geb. Ref.
in C. f. G. 1893, p. 1121.
722) Gubaroff. Ueber die Behandlung der Eklampsie. C. f. G. 1895, P- I2 7 -
723) Herzfeld, Ueber das Wesen und die Therapie der Eklampsie. Ges. f.
Geb. in Wien, 13. Jan. 1891. Ref. in C. f. G. 1891, p. 603 und 1892, p. 193.
724) Ders., Beitrag zur Eklampsiefrage. C. f. G. 1901, p. im.
725) Holmes, Puerperale Konvulsionen. Med. age 1896, Nr. 3.
726) Inojew, dt. b. Schreiber. A. f. G., Bd. LI, p. 335.
727) Kerr, Eine Analyse der Eklampsiefälle des Glasgower Maternity Hospi¬
tals in den letzten 15 Jahren. Ref. in C. f. G. 1902, p. 456.
728) Knapp, Klinische Beobachtungen über Eklampsie. Mon. f. Geb. u. Gyn.,
Bd. III, p. 365 u. 469.
729) Ders., Ueber puerperale Eklampsie und deren Behandlung. Berlin 1899.
Ref. in M. f. Geb. u. Gyn., Bd. XI, p. 746.
730) Ders., Klinische Beobachtungen über Eklampsie. Berlin 1896.
731) Lahoussois, Ueber Eklampsiefälle post part. Gaz. hebdom. de med.
1899, Nr. 7. Ref. in C. f. G. 1899, p. 1018.
732) Lindfors u. Sundberg, Beitrag .zur Eklampsie. (Norweg.) Ref. in
C. f. G. 1898, p. 243.
733) Dies., Beitrag zur Kasuistik und Pathologie der Eklampsie. Ref. in
Fortschritte der ges. Med. 1898, p. 70.
734) Löhlein, Zur Häufigkeit, Prognose und Therapie der Eklampsie. Bonner
Kongress. Ref. in C. f. G. 1891, p. 468.
735) Lindfors, Tnct veratri bei Eklampsie. (Norweg.) Ref. in Schmid,
Bd. CCLX, p. 127.
736) Michnow, dt. b. Stroganoff. Mon. f. G. u. G., Bd. X, p. 842.
737) Moran, Ueber puerperale Eklampsie. Ges. f. G. in Washington, 7. Jan.
1900. Ret. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XII, p. 662.
738) Morawcik, Ueber Eklampsie. I.-D., Breslau 1898.
739 ) Nagel, Giessener Kongress. Ref. in Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV,
p. 174-
740) Ohlshausen, Ueber Eklampsie. Volkmann's Samral. kiin. Vorträge,
N. F., XXXIX, Serie II, p. 325.
741) Pazzi, Historisch-kritische Untersuchungen über die puerperale Eklampsie
nebst Kasuistik. Bologna 1897. Ref. in C. f. G. 1898, p. 540.
742) Paupertow, dt. b. Flatau.
743) Queirel, Genfer Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 446 .
744) Schauta, Lehrb. der ges. Gynäkologie, Wien 1896.
745) Schreiber, Ein Beitrag zur Statistik der Eklampsie. A. f. G., Bd. LI,
P- 335-
746) Seeger, Ueber Symptomatologie und Therapie der Eklampsie. Berlin
1890. Cit. bei Knapp. Mon. f. G. u. Gyn., Bd. III, p. 365.
747) Slaviansky, ciL b. Schreiber. A. f. G., Bd. LI, p. 335.
748) Siedentopf, Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens der Magde¬
burger med. Ges. Ref. in M. m. W. 1898, p. 722.
749) Stroganoff, 58 fälle von Eklampsie ohne Todesfall an diesei Erkran¬
kung. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XII, p. 422.
750) Ders., Ueber die Behandlung der Eklampsie. C. f. G. 1901, p. 1309.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
371
75 0 Thot, Disk, zu Doctor. Ref. in C. f. G. 1898, p. 589.
752) Tietke, Ueber Eklampsie. I.-D., Rostock 1894.
753) Towsend, Ueber 170 Fälle von Eklampsie. Boston med. and surg.
Joum., Bd. CXXXVI, p. 206. Ref. in Schmidt, Bd. CCLXI, p. 54.
754) Tr im bl e, Ueber Puerperaleklampsie. Americ. Journ. of obstetr. 1890,
Aug., p. 825. Ref. in C. f. G. 189t, p. 553.
755) Veit, Giessener Kongress. Mon. f. Geb. u. Gyn., Bd. XIV, p. 152.
756) Weissheimer, Die Eklampsie in der Marburger Klinik in den letzten
13 Jahren. I.-D., Marburg 1896.
75 7) Wirtz, Ueber Eklampsie. Ges. f. Geb. in Köln, 25. April 1902. Ref.
in M. in. W. 1902, p. 231.
758) Zweifel, Zur Behandlung der Eklampsie. C. f. G. 1895, p. 201.
Häufigkeit der Eklampsie überhaupt.
Autor
Zahl der
Geburten
Zahl der
Eklampsien
Verhältnis
beider
Prozent-
Verhältnis
J. Veit™).
11 000
14
1
785
0,12
Büttner T#I ).
116 797
178
1
656,2
<M 5
Sieden topf 74 8 ).
8 000
>5
1
533*3
0,18
Schau ta 744 ).
134 000
325
400
0,25
Herzfeld ,rj i .
6451
17
379
0,26
Lindfors und Sundberg 7HH ) . .
34 293
•53
225
0-44
Schreiber 74 5 ).
15 613
69
226
<M 4
Lindfors und Sundberg 7,r *)
2 160
IO
216
0,4b
Herzfeld ”«).
96 000
483
1
207
0,48
Knapp .
4 480
22
203
0,49
Inojew 7 * 6 ).
111 048
589
188
o ,53
Knapp 7 - B ) (1900).
7636
4 »
1
■83
0.53
Braitenberg 7or> ).
8 404
46
1
j 82
°»54
Paupertow 74? ).
46539
287 1
1
182
0,61
Löhlein 734 ).
52 828
325
1
101
0,62
Flatau 716 ).
139156
902 1
1
1 54*2
0,64
Charles 7 ° 8 ).
—
1
1
151
0,66
Bidder 7<M ).
60 583
455 1
1
»33 ;
o .75
Goldbtrg 7 *°).
10 718
81
1
«33 1
o ,75
Trimble 754 ).
■ 829
<>5 1
1
120 j
0,82
Eskelin 7,r ').
18132
1 5 °
1
121 1
0,83
Geiier 717 ).
5 000
5 o 1
1
100 |
i ,00
Moran 737 ).
4 200
48
1
87.5;
1,14
Morawcik 7iiö ) .
2 460
28 !
1
1
87,51
1,14
Bayer 70i, ).
4 2 5 <>
50
1
s 5 |
1 *« 7
Glöckner 71 u ).
6 902
147
1
47.4
2,07
Queircl 743 ).
1 200
Schwangere
27
1
44.4!
2,25
Durchschnitt:
1 :
221
045
Antoclitone Eklampsien.
Löhlein 734 ) I
330
Bidder 704 ) 1
473
J. Veit™) 1
785
Wiener Kliniken I
589, cit. b. Geuer
Geuer 717 ) 1
1 93
Bayer 70S ) 1
23b
Döderlein 7n ) 1
*350
Braitenberg 7oa ) 1
247
Durchschnitt: 1
525 = 0,19 «/„.
24 *
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
372
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Zunahme der Eklampsiefälle.
Bidder 704 ) von 1873—1880 1:151
1881—1891 1:113
davon 1888—1891 I : IOO
Geuer 717 ) bis 1894 unter 5000 Geb. 50 E.
Bayer 70 *) (Fortsetzung der Statistik Geuers) von 1894—1898 unter 4250 Geb. 50 E.
Wirtz 757 ) von 1899—1902 unter 2780 Geb. 43 E.
Knapp 729 ) „ 1891 — 1896 „ 4480 fi 22 „
1896—1899 „ 3156 „ 19 „
Schreiber 745 ) „ 1880—1887 0,21 °/ 0
„ 1887 — 1895 0,41%.
Bidder selbst führt diese Zunahme auf den vermehrten Zuspruch der Bevöl¬
kerung zu den Krankenanstalten zurück, während Ohlshausen (Giessener Kongress
und Courteney (cit. b. Fest) eine direkte Zunahme annehmen.
Häufigkeit des Eintritts der Eklampsie nach dem Stadium.
Unter 100 Eklampsien brachen aus:
Autor
Schwanger¬
schaft
Geburt
Wochen¬
bett
Zahl der
beobachteten
Eklampsien
Ohlshausen 74 °).
40
46
14
200
Bidder 704 ).
8,3*)
64,7
27
455
Braitenberg 705 ).
8.-
52,2
39 ,i
46
Bayer 7 “ 3 ).
20
58
22
50
Dührsscn 714 ).
27.5
48,5
24
200
Schreiber 745 ).
16.78
62,04
21,16
137
Glöckner 719 ).
25**)
60
15
M 7
Eskelin 715 ).
16,5
62
2 G 5
Büttner 707 ).
2,79
65.93
31,28
—
Courteney cit. b. Fest
—
—
16 ***)
64
Goldberg 72 °).
25,97
57,14
16,89
77
Geuer 717 ).
12
74
14
5 <>
Wirtz 757 ).
n ,7
69,7
18,6
43
Knapp 7?H ).
9
68
23
22
Lahoussois 7S1 ).
—
21
—
Morawcik 7: ’ 8 ).
32
46
22
28
Ahlfeld 70Ä ).
IO
68
22
3 i
Herzfeld 723 ).
53
35,3
n ,7
17
G. Braun 7011 ).
i 8,5
55 ,<>
25,9
27
Goedecke 718 ).
—
18.2
384
Durchschnitt:
20
I 59 i
21
*) Doch niemals vor dem fünften Schwangerschaftsmonat.
**) Durchschnittlich am 17. Tage.
***) Davon 71,63 °/ 0 im 10. Schwangerschaftsmonat.
Alter.
Autor
Unter
20 Jahren
Zwischen
20—30 Jahren
Ueber
30 Jahre
Zahl der
beobachteten
Eklampsien
Dührssen ....
Glöckner.
Goldberg.
Knapp.|
Bidder .
Schreiber ....
I-para 18,4 0 0
31.7
20,9
9
19,1
21.7
' 5-4 — 195
38,0 (üb. 25J.) 29,7 143
62,9 16,2 81
54.5 I-para i 9 I-p. 22
18,1 x-para 9 x-p. '
61.5 ! 19.4 1 455
. 59.9 i > 7.8 1 >37
Gck igle
Original frn-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
373
Verschiedenheit der Zahl der Eklampsiefälle in verschiedenen
Landern.
Döderlein 74 °): Württemberg 1:3561
England I : 750
Russland 1 : 150
Michnow 730 ): Russland 1: 73
Mortalität der Frauen.
Unter 100 Eklampsien starben:
Autor
Todes¬
fälle
0 f
/o
I-para
0/
'0
X*para
0 /
0
Schwangere
Qt
/0
Geburten
0 ;
0
..
Wochenbett
»/
Io
Zahl der
beobachteten
Eklampsien
Stroganoff 749 > 7ß0 )
0
—
—
—
-
_
58 (IOO)
Guharoff 752 ) .
o
—
—
—
—
—
6
J. Veit 76 "). . . .
7
—
—
—
—
—
>4
Ahlfeld 702 ) . . .
8
—
—
—
—
—
25
Braitenberg 706 )
8.7
—
--
2 5
> 2.5
—
46
Morawcik 7 w ) .
10,7
—
—
_
__
—
28
Trimble 764 )
13.8
—
—
—
--
—
65
Zweifel 7SH |. • . .
1 4*4
16,6
5,5
—
—
—
129
Knapp 730 ) ....
* 4.6
—
—
—
—
—
4 >
0 . Braun 700 ) .
14,8
—
—
7,4
7,4
—
27
Goedecke 718 ) .
16,9
> 5,5
21,2
—
—
> 4,3
403
Glickner 71ff ) .
• 7,24
> 9.8
10,3
—
—
—
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Schreiber 746 ) .
' 7,38
19,2
22
30,43
18,82
13.79
69
Bidder ,<u | ....
> 7 . 3 *)
10,9
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Herzfeld 7J1 > . . .
> 7 . 5 **)
—
—
—
—
—
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Holmes 726 ) . . .
18
—
—
—
—
42
Lohlein 734 )
> 9,3
—
—
29.4 ( x -p>
—
1 >.6 (I-p.)
325
lnojew 720 ) ....
» 9.93
—
—
| 8. Mon. 36
1
—
589
Duhrssen 714 ) .
21
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{ 9 . „ >5
(io. „ 26,7
I
1
—
200
Thot 761 ) ....
Lindfors und
23
—
—
—
—
—
Sundberg 782 )
24
—
—
—
—
—
>53
Bayer 703 ) ....
24
—
—
60
20,7
—
50
Geuer 717 ) ....
24
—
—
0
22
2
50
Charles 708 )
24,42
—
—
—
—
—
—
Goldberg 72 °) .
24.7
2 i ,43
45,45
65
H, 3 <>
—
81
Moran 737 ) ....
25
—
—
—
—
—
—
Ohlshausen 71 °)
25
16,5
8,5
20
80 !
200
Siedentopf 748 ).
26
— •
—
!
—
Nagel 75PJ ) ....
27,25
—
—
37
24* 4
289
Towsend 763 ) .
28
—
—
3 « ,
23
>9
67
Büttner 70T )
34 >i
—
—
0 !
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42, * 5
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Kerr 7?? ) ....
37*5
42
23
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Herzfeld 723 ) . . .
4 M
44
50
—
> 7
I^ihoussois 731 )
—
—
—
16
—
Wjrtz 767 ) ....
78!!
—
—
—
— |
—
43
Durchschnitt
21.85
*) 17,3 mit Komplikationen, 10,5 ohne Komplikationen.
*') Bis 1891 25 7 0 , seither 17. 5 “o-
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Mortalität der Kinder.
Unter 100 Kindern Eklamptischer starben:
Autor
Todesfälle
0/
0
Anzahl der
Eklampsien
resp. Kinder
Weissheimer 76 °) ....
8.33
_
Stroganoff 749 ) ....
> 3.5
—
Morawcik 798 ) ....
14*3
28 E.
Braitenberg 706 ) ....
14.9
47 K.
G. Braun™).
17*2
29 K.
Knapp 7?H ) .
21
24 K.
Bidder 7W ).
23*1
481 E.
Towsend 763 ).
24
32 K.
Schreiber 746 ).
26,2
149 K.
Ohlshausen 74 °) ....
28*)
200 E.
Inojew m ).
30 * 9 i
589 E.
Paupertow 743 ) ....
30,9
?
Zweifel 7ft8 ).
33
103 K.
Seeger 74 °).
34*8
—
Charles 10h ) .
41*83
—
Büttner 707 ).
42,1
181 K.
Glöckner 719 ).
43,59
158 K.
Löhlein 784 ).
44
343 K.
Bayer 708 ).
44,6
56 K.
Goldberg 730 ).
47,06
85 K.
Goedecke 718 ).
48
403 E.
Geuer 717 ).
52,7
55 K.
Dührssen 714 ).
53,4
146
Kerr 737 ).
57
80 E.
Wirtz 767 ).
59
44 K.
Herzfeld 733 ).
64,6
17 E.
Green 731 ).
69
—
Durchschnitt:
36.56
i
*) Ueber 10—15 Anfälle kein lebendes Kind, und wenn, so geht es schon in
den nächsten Tagen zu Grunde.
Häufigkeit der Eklampsien bei Zwillingsgeburten.
Unter 100 Eklampsien sind Zwillingsfrüchte*):
Bayer 70S ) ....
12
Geuer 717 )
10
Schreiber 746 ) . . .
8,7
Ohlshausen 74 °)
8
Bidder 704 ) ....
7,4
G. Braun 700 ) . . .
7,4
Glöckner 73 °)
6,8
Zweifel 75R ) ....
6
Goldberg 73 °)
4,95
Büttner 707 )
4,47
Dührssen 7M )
4*5
Kerr 737 ) ....
3,7
Durchschnitt: 6,93
*) Normal kommen 1,07 °/ 0 [Goldberg T3Ä )] bis 2,1 ° 0 [Bidder 704 )] Mehr¬
lingsgeburten auf 100 Einzelgeburten.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
375
Unter 100 Eklampsien sind I-parae:
Ahlfeld.90
Wirti.88
SUwiansky.87,5
Braitenberg 706 ).86,9
Bayer 703 ). 86
Goldberg 72 °).86,42
Geuer 717 ).84
Dührssen 7I4 ).84
Sceger 748 ).81,7
Nagel 789 ).81
Glöckner 7in ).80
Schreiber 741 ).79,5
Eskelin 7I5 ).77
Paupertow 74 2 ), Goedecke 718 ) . . 75,4
Bidder 704 ).74.3
Ohlshausen 74 °).74
Lindfors u. Sundberg T3 *) ... 74
Knapp 728 ).72
Tietke ™).72
Kerr 727 ).72
Büttner 707 ).60,2
Inojew 7,Ä ).43,7
Gonorrhoische Allgemeininfektion und
Metastasen
(mit Aasschlass der Gelenks-, Knochen-, Sehnen- nnd Schleim-
beatel-, sowie der nervösen Erkrankungen).
Sammelbericht über die Literatur vom Jahre 1890 an.
Von Dr. Karl Ritter von Hofmann (Wien).
(Fortsetzung und Schluss.)
316) Röna, Kasuistische Beiträge zu den Entzündungen der Sehnenscheiden,
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Eichhorst 102 ). Bei einem 56jährigen Manne trat fünf Tage
nach Beginn der Gonorrhoe Myositis des M. tensor fasciae latae dexter
auf. Gleichzeitig bestand abendliches Fieber. Heilung nach vier Wochen.
Jacquet 177 ) beobachtete einen 19 jährigen Mann, bei welchem sich
zwei Monate nach der gonorrhoischen Infektion Schmerzen in verschie¬
denen Muskeln sowie im Halse und Schluckbeschwerden einstellten. Er
ist der Ansicht, dass auch die letzteren durch eine Muskelerkrankung
bedingt gewesen seien, da sich erst 2 l / Ä Tage nach Beginn der Erkran¬
kung Rötung des Gaumens zeigte.
Le Clerc-Dandoy 2U ) hat vier Fälle beobachtet, bei denen sich
im Verlaufe einer Gonorrhoe, und zwar zu der Zeit, als dieselbe auf die
hintere Harnröhre Übergriff, Schmerzen und Atrophie in verschiedenen
Muskeln einstellten. Die Muskelerscheinungen schwanden nach Heilung
der Gonorrhoe durch Janet'sche Spülungen und Oberländer’sche
Dilatationen.
Für den Zusammenhang zwischen Gonorrhoe und Myositis be¬
weisend ist folgender von Ware 880 *) beobachteter Fall:
Bei einem 35 jährigen, seit zwei Monaten an Gonorrhoe leidenden
Manne war vier Wochen nach Beginn derselben Schwellung des linken
Knies aufgetreten. Dieselbe heilte unter passender Behandlung nach
drei Wochen. Eine Woche später traten unter leichten Fiebererschei¬
nungen Schmerzen und Schwellung in der hinteren Achselfalte auf. Bei
einer daselbst vorgenommenen Incision stiess man zwar nirgends auf
Eiter, doch entleerte sich reichlich trübes Serum. Gleichzeitig wurde ein
Stückchen des grünlich verfärbten, auffallend morschen Muskels behufs
mikroskopischer Untersuchung excidiert. Nach der Incision liessen zwar
die Schmerzen nach, jedoch breitete sich die Schwellung noch auf den
ganzen M. latissimus dorsi aus und ging erst nach längerer Zeit all¬
mählich zurück. Im exstirpierten Muskelstückchen fand man mikro¬
skopisch Zeichen interstitieller Entzündung und zahlreiche Gonococcen.
Letztere waren auch in der serösen Flüssigkeit, welche sich aus der In-
cisionswunde entleerte, nachweisbar. Kulturen auf gewöhnlichen Nähr¬
böden blieben steril.
Heller 159 ). Bei einem 24 jährigen Manne stellten sich im Verlaufe
einer akuten Gonorrhoe Schmerzen in der rechten, später in der linken
Schulter ein. Im Anschluss daran entwickelte sich in der Muskulatur
des linken Armes ein schmerzhaftes Infiltrat. Vollständige Heilung nach
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drei Wochen auf heisse Umschläge, Ruhigstellung, .Jodkalium und Jod-
eigonnatrium.
Lorenz 232 ). 1. Bei einem seit drei Monaten an Gonorrhoe leiden¬
den Manne bestanden seit zwei Tagen Fieber und Gelenksrheumatismus.
10 Tage nach der Aufnahme stellten sich Schwellung und Druckschmerz¬
haftigkeit, später auch spontane Schmerzen im rechten M. gastroenemius
ein. Heilung nach circa zwei Monaten.
2. Bei einem 21jährigen, seit vier Wochen an Gonorrhoe leidenden
Manne bestand seit 10 Tagen Omarthritis sin. Bald darauf stellte sich
eine schmerzhafte Schwellung des M. biceps ein. Heilung nach sechs
Wochen.
Rona 316 ). 1. Ein 27 jähriger Mann erkrankte im Verlaufe einer
chronischen. Gonorrhoe unter Schmerzen im rechten Oberschenkel. Es
bildete sich ein schmerzhaftes Infiltrat im M. rectus cruris und in der
Fascia lata, welches erst nach längerer Zeit ausheilte.
2. Bei einem jungen Manne, welcher seil drei Monaten an Tripper
litt, waren bald nach Beginn desselben schmerzhafte Infiltrate in der
linken Fascia lata und im M. rectus cruris sin. aufgetreten. Sehr lang¬
same Heilung.
Dowd 96 ). Bei einem 28 jährigen Manne stellte sich circa drei
Wochen nach Beginn einer Gonorrhoe Schwellung im rechten Kniegelenk
ein. Drei Tage später Schmerzen in den Flexoren des rechten Ober¬
schenkels mit Ausnahme des Sartorius. Leichtes Fieber. Da keine
Schwellung vorhanden war, glaubt Dowd eine Thecitis annehmen zu
müssen. Heilung nach circa zwei Monaten.
Bujwid 58 ). Bei einem 32jährigen, an chronischer Gonorrhoe lei¬
denden Manne trat im Anschluss an einen Katheterismus unter Schüttel¬
frost Abscessbildung in der Nähe der Brachialgelenke, der Fossa poplit.
dextra, an der inneren Seite des linken Beins und über dem Malleol.
ext. dext. auf. Alle diese Abscesse waren in den Muskeln gelegen.
Das Bindegewebe und die Gelenke waren frei. Ini Eiter konnten Go-
nococcen durch Kultur und Färbung nachgewiesen werden,
V. Gonorrhoische Augeiierkrankungeii.
Komplikationen metastatischer Natur von Seiten des Auges
können in allen Teilen dieses Organes Vorkommen, doch finden sich
am häufigsten die Conjunctivitis und die Iridocyclitis.
1. Conjunctivitis.
Betreffs der Häufigkeit dieser Erkrankung differieren die An¬
gaben der einzelnen Autoren; nach den neuesten Forschungen scheint
es aber doch, dass die metastatische Conjunctivitis keine häufige
Affektion sei. Dies geht schon aus dem Umstande hervor, dass
bei dem enormen Krankenmaterial (20 000 Fälle jährlich), welches der
Fuchs*scheu Augenklinik zu Gebote steht, nach den Angaben
Kurka’s 203 ) erst zwei derartige Fälle konstatiert werden konnten.
Die Conjunctivitis metastatica scheint in der Mehrzahl der Fälle
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auf Toxinwirkung zu beruhen. Lipsky 227 ) erwähnt zwar einen
Fall, bei welchem es gelang, einige wenige Gonococcen nachzuweisen,
aber in einer grossen Zahl von Fällen gelang es den betreffenden
Untersuchern nicht, Gonococcen im Bindehautsacke aufzufinden.
Moll 255 ) konnte bei sechs Fällen viermal Staphylococcen, einmal
Gonococcen nachw'eisen. Einmal war das Sekret steril. Die Er¬
krankung hat mehrere charakteristische Merkmale, an denen sie in
der Regel ohne besondere Schwierigkeit erkannt werden kann:
l. Sie befällt fast immer beide Augen. 2. Ist besonders die Conjunc-
tiva bulbi beteiligt. Auffallend ist die tiefe episklerale Injektion.
3. Ist das Sekret nicht rein eitrig, sondern eitrig-serös. ,4. Können
im Sekrete keine Gonococcen nachgewiesen werden. 5. Sind die
Entzündungserscheinungen und besonders die subjektiven Beschwer¬
den verhältnismässig leicht. 6. Sind in den meisten Fällen andere
gonorrhoische Metastasen (besonders Iritis und Arthritis) vorhanden.
Handelt es sich um Conjunctivitis allein, so ist die Dauer der Er¬
krankung eine kurze (8—14 Tage). Heilung ist die Regel. Auf¬
fallend ist die Neigung zu Ilecidiven. Unter Umständen kann es
auch zu Komplikationen von Seiten der Hornhaut kommen. Die
Behandlung besteht in der Fernhaltung von Schädlichkeiten, Wasch¬
ungen mit schwach antiseptischen Flüssigkeiten, eventuell Touchierung
mit Höllenstein (2 °/ 0 ).
Bezüglich der Pathogenese der metastatischen Conjunctivitis
sind die Versuche von Morax und El massian 25 °) von Interesse.
Dieselben konnten durch Einträufelung von Toxinen in den Binde-
hautsack bei Kaninchen kurzdauernde Conjunctivitiden erzeugen.
In menschliche Bindehäute geträufelt, riefen filtrierte Gonocoecen-
kulturen ebenfalls Conjunctivitis geringen Grades hervor. Um eine
deutliche Wirkung zu erzielen, musste das Toxin durch mindestens
zwei bis drei Stunden mit der Schleimhaut in Berührung sein.
Fage 107 ). Bei einem 45 jährigen Mann entwickelte sich 15 Tage
nach Beginn eines Trippers auf beiden Augen gleichzeitig eine heftige
Bindehautentzündung mit starker Injektion und Chemosis ohne Sekretion.
Heilung innerhalb acht Tagen auf warme Umschläge. Im Sekrete
Staphylococcen. Fage glaubt, dass es sich um eine Metastase gonorrhoischer
Natur handle, da bald nach Beginn der Conjunctivitis auch Gelenks¬
affektionen auftraten.
Gielen 1: * 3 ). Bei einem seit vier Wochen an Gonorrhoe und
Cvstitis leidenden Patienten trat doppelseitige Conjunctivitis mit besonderer
Beteiligung der Conjunctiva bulbi auf. Daselbst keine Gonococcen. Rasche
Besserung der Conjunctivitis. Zwei Tage nach Beginn der Augener¬
krankung trat Arthritis gonorrhoica beider Kniegelenke auf.
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Kurka ,c -) 1. Bei einem 22jährigen Manne stellte sich 11 Tage
nach Beginn einer Gonorrhoe Conjunctivitis an beiden Augen ein. Im
Conjunctivalsekrete keine Gonococcen, wenig Leukocyten, einige Coccen.
Fünf Tage später traten unter massigem Fieber mehrfache Gelenksent¬
zündungen auf. Die Bindehautentzündung besserte sich, doch kam es
nach vier Wochen zu rechtsseitiger Iridocyklitis, linkerseits zur Bildung
eines kleinen Epitheldefektes der Hornhaut. Nach zwei Monaten wurde
der Patient mit geheilter Conjunctivitis entlassen.
2. Bei einem 26 jährigen Manne trat 14 Tage nach gonorrhoischer
Infektion heftige Conjunctivitis ein, an welche sich doppelseitige Irido¬
cyklitis anschloss. Im Conjunctivalsekrete fand man Gram-positive Bazillen
und Gram-positive Diplococcen. Heilung nach 12 Tagen. Am 15. Tage
nach der Aufnahme wieder rechtsseitige, am 19. Tage linksseitige Iritis.
Iridektomie wegen Gefahr von Drucksteigerung, da beiderseits Synechien
zurückgeblieben waren.
Becker 31 ). Bei einem Patienten trat vier Tage nach der gonor¬
rhoischen Infektion rechtsseitige, den Tag darauf linksseitige Conjunctivitis
auf. Wenig Sekret. Darin keine Gonococcen. Therapie: Borwasserum¬
schläge. Gleichzeitig bestand ödematöse Schwellung der rechten Ohr¬
muschel und des rechten äusseren Gehörganges. Drei Tage später war
auch Schwellung des linken Fussgelenkcs aufgetreten. Heilung inner¬
halb einer Woche. Nach 14 Tagen wurde der Harnröhrenausfluss
wieder stärker und im Anschluss daran traten wieder Gelenksschwellungen,
Conjunctivitis und Oedem am Ohr auf. Heilung der Conjunctivitis inner¬
halb einer, der Ohraffektion innerhalb vier Wochen.
2. Iritis und Iridocyklitis.
Hierher gehört zweifellos ein Teil der früher als rheumatisch
bezeichneten Iritiden. Auch diese Erkrankung tritt meist an beiden
Augen auf. Sie schliesst sich oft an eine metastatische Entzündung
der Conjunctiven an, kann sich aber auch selbständig entwickeln.
Gleichzeitig finden sich meist Gelenkserkrankungen. Die Iritis go¬
norrhoica pflegt gern zu recidivieren. Diese Recidive stellen sich
dann im Anschluss an eine Exacerbation des gonorrhoischen Pro¬
zesses oder an das Auftreten neuer Komplikationen ein. Die Er¬
krankung ist im allgemeinen gutartiger Natur, wenn auch ab und
zu Synechien Zurückbleiben, welche eine Iridektomie nötig machen
können. In den leichtesten, zugleich häufigsten Fällen findet man
nur eine Trübung des Kammerwassers, ohne dass die Iris wesent¬
lich verändert erscheint. Auch reine Cyklitis ist beobachtet worden,
während die schweren Formen von Iritis (plastica, haemorrhagica,
purulenta) zu den Seltenheiten gehören. Die Behandlung ist der
Hauptsache nach eine antiphlogistische. Milbury 252 ) empfiehlt
Jodkalium in grossen Dosen. Manche Autoren, wie Burchardt 35 ),
haben von einer Schmierkur gute Erfolge gesehen. Ausserdem sind
Mydriatica, wie Atropin, Scopolamin etc. anzuwenden. Bei der
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3S2
Neigung dieser Erkrankung zu Rezidiven muss der Behandlung des
Harnrohrentrippers besondere Sorgfalt zugewendet werden.
Liebrecht 220 ). Bei einem 26jährigen seit 10 Tagen an Gonorrhoe
leidenden Manne war vor drei Tagen plötzlich doppelseitige Conjuncti¬
vitis aufgetreten. Am fünften Tage trat, nachdem sich die Conjuncti¬
vitis schon wesentlich gebessert hatte, rechterseits Pupillarverschluss durch
ein fibrinhaltiges Exsudat ein, welches erst nach einigen Tagen wieder
schwand, worauf die Conjunctivitis, die schon fast ganz abgeheilt war.
wieder recidiviertc und in der Hornhaut oberflächliche Infiltrate auf¬
traten. Gleichzeitig stellten sich Gelenksschmerzen ein. Besserung. In
der fünften Woche neuerliches Recidiv. Heilung in der achten Woche.
Burchardt 55 ). 1. Bei einem 26jährigen Manne hatte sich im
Anschluss an einen seit 14 Tagen bestehenden Tripper Gonitis sinistra
und Conjunctivitis bilateralis eingestellt, Im Bindehautsekrete waren
keine Gonococeen nachweisbar. i j 10 Proz. Lapisspülung der Conjunctiva,
Behandlung des Trippers. Baldige Heilung des linken Auges. Rechts
drei Wochen später Iritis plastica und Keratitis. Schmierkur. Ein¬
träufelung von 1 / 5 Proz. Scopolaminlösung. Nosopheneinstäubungen.
Heilung nach zwei Monaten. Zwei Monate später Iritis sinistra und
Keratitis. Behandlung wie früher. Heilung nach zwei Monaten. Keine
wesentliche Beeinträchtigung der Sehtüchtigkeit.
2. Bei einem 34 jährigen an chronischer Goilorrhoe und Gelenks¬
metastasen leidenden Manne waren vor einem Jahr Conjunctivitis und
Iritis dextra aufgetreten, welche nach vier Wochen abheilte. Vor vier
Monaten hatte sich linkerseits Iritis eingestellt, welche unter Behandlung
nach sieben Wochen abheilte. Zur Zeit der Aufnahme bestand rechts¬
seitige Conjunctivitis, Keratitis und Iritis. Schmierkur. */ 5 Proz.
Scopolamin. Iridectomia dextra. Heilung nach zwei Monaten. Sieben
Monate später neuer Tripper und Conjunctivitis gonorrhoica bilateralis
mit Gonococeen, welche unter Höllensteinbehandlung (1 Proz.) rasch heilte.
Gelenksaffektionen. Einen Monat später Iritis serosa und Keratitis dextra.
Höllenstein. Scopolamin. Im weiteren Verlaufe neuerliche Geleuks-
affektionen und Iritis sinistra. Heilung nach 1 1 / 2 Monaten.
Nobl 275 ). Bei einem Manne, welcher sich vor 10 Wochen gonor¬
rhoisch infiziert hatte, entwickelten sich beiderseitige Gonitis und Blennorrhoe
der Conjunctiva, an welche sich Iritis und katarrhalische Geschwüre der
Cornea anschlossen. Heilung.
Frischniann 124 ). Bei einem an Gonorrhoe und Gonitis leidenden
Patienten trat bei einem Recidiv des Trippers doppelseitige Iritis auf.
Heilung. Rechts musste die Iridektomie vorgenommen werden.
Kucharzewsky 202 ) beobachtete bei einem 22jährigen Manne drei
Wochen nach Beginn einer Gonorrhoe Gelenksrheumatismus, nervöse
Störungen und doppelseitige Iridoeyklitis. Vollständige Heilung links,
mit 1 j. A Sehschärfe (wegen Glaskörpertrübungen) rechts.
Lichtenstern 225 ). Bei einem 19 jährigen seit drei Wochen an
Tripper leidenden Patienten trat Conjunctivitis bilateralis und im An¬
schluss an diese linksseitige Iritis auf. Im Bindehautsack keine Gono-
coccen. Atropin. Heilung in drei Wochen.
s
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383
Usemblo 372 ). Bei einem 22jährigen Patienten entwickelte sich
im Anschluss an eine seit 1 / i Jahre bestehende Gonorrhoe linksseitige
Gonitis und linksseitige serös-plastische Iritis. Nachlassen der Ent¬
zündungserscheinungen nach 10 Tagen auf Einreibungen mit grauer
Salbe an den Schläfen und Natr. salicylicum. Pupille von Sternform,
nicht vollständig erweiterungsfähig.
3. Dakryoadenitis.
Diese Affektion wurde nur in wenigen Fällen beobachtet. Sie
scheint ebenfalls meist doppelseitig aufzutreten und gutartiger Natur
zu sein. In der Regel bestehen noch andere Komplikationen von
Seiten des Auges. Die Heilung erfolgt auf antiphlogistische Behand¬
lung meist in kurzer Zeit Das Zustandekommen dieser Erkrankung
ist noch nicht recht aufgeklärt, Pes 290 ) glaubt, dass es sich um
Toxinwirkung handle.
Terson 863 ). Bei einem seit zwei Monaten an Tripper leidenden
38 jährigen Patienten kam es ohne bekannte Ursache zu doppelseitiger
akuter Dakryoadenitis. Die rechte orbitale Thränendrüse war mehr be¬
fallen und erreichte die Grösse einer Haselnuss. Keine anderweitigen
Gonorrhoemetastasen. Heilung auf Belladonna-Quecksilbersalbe, Wärme
und Balsamica.
Panas 282 ) beobachtete einen jungen Mann, bei welchem sich sechs
Wochen nach Beginn einer Gonorrhoe Gelenksschmerzen, Conjunctivitis,
Iritis und Dakryoadenitis zunächst einseitig, dann beiderseitig einstellten.
Seeligsohn 338 ). 1. Bei einem 21jährigen Manne entwickelte
sich l j t Jahr nach Beginn einer Gonorrhoe beiderseitige Dacryoadenitis,
welche auf Applikation von Kälte und später Zinkeinträufelungen
innerhalb 11 Tagen schwand.
2. 33 jähriger Patient. Seit Jahre Gonorrhoe. Seit 14 Tagen
Schwellung der beiderseitigen Thränendrüsen. Allmähliche Verkleinerung,
nachdem zweimal akutes Oedem der Lider aufgetreten war.
Pes 1 -®) beobachtete bei einem Trippeckranken doppelseitige Dakryo¬
adenitis, welche auf Anwendung feuchter Wärme wieder zurückging.
4. Tenonitis.
Von dieser Erkrankung ist nur ein Fall bekannt, welcher von
Puech 800 ) beobachtet wurde. Bei diesem Patienten waren über
Nacht heftige Schmerzen im Auge und im Anschluss daran Exoph¬
thalmus, Ptosis und Chemosis aufgetreten. Da eine Conjunctivitis
gonorrhoica vorausgegangen war, vermutet Puech, es könnte sich
um Tenonitis gehandelt haben.
5. Retinitis nnd Neuritis.
Diese durchaus nicht häufige Erkrankung scheint in der Regel
einseitig aufzutreten. Auch sie ist meist mit Affektionen anderer
Teile des Auges verbunden. Die Erscheinungen sind mitunter recht
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schwere, doch heilt die Erkrankung nach Ablauf der Gonorrhoe in
der Regel ohne oder mit nur geringer Herabsetzung der Sehschärfe.
Galezowsky 12H ) hat zahlreiche Fälle von Thrombose der
Netzhnutgefässe zu beobachten Gelegenheit gehabt. Dieselben sind
seiner Ansicht nach verursacht durch direkte Ansiedelung der Gono-
coecen. Von einer Embolie unterscheidet sich die Thrombose
der Netzhautarterien durch die zugleich bestehende geringgradige
Retinitis und Papillitis.
Highet 162 ). Bei einem an Gonorrhoe mit Lymphadenitis bilat.
leidenden 30 jährigen Patienten entwickelte sich drei Wochen nach Be¬
ginn des Trippers linksseitige Neuroretinitis: die Papille war rot und ent¬
zündet, ihre Konturen verwischt durch Exsudation, welche sich in die
der Opticusscheibe benachbarten Partien der Retina verbreitet. Gefässe
stellenweise verschwunden. Arterien und Venen geschwellt und ge¬
schlängelt. Die Gegend der Macula ebenfalls verschleiert. Da man
keine andere Ursache für die Neuroretinitis auffinden konnte, musste
man als solche die Gonorrhoe annehmen.
Fromaget l25 ). Bei einem 21jährigen Manne entwickelten sich im
Anschluss an eine seit vier Wochen bestehende Gonorrhoe Iritis mit
zahlreichen Synechien, Neuritis optica und später auch Arthritis des
rechten Knies. Heilung.
Burchardt 35 ). Bei einem 15jährigen Mädchen, welches wegen
Blennorrhoea urethrae et vaginae, sowie wegen einer ekzematösen Con¬
junctivitis und Keratitis, die mit der Gonorrhoe in keinem Zusammen¬
hang standen, aufgenommen worden war, entwickelte sich unter Fieber¬
erscheinungen Arthritis des linken Sprung- und rechten Hüftgelenkes.
Fünf Wochen später kam es zu beiderseitiger Iridocyclitis und Retinitis.
Atropin, Schmierkur abwechselnd mit Schwitzkur (Natr. salicyl.). Hei¬
lung ca. zwei Monate nach Beginn der gonorrhoischen Augenerkrankung.
Burchardt 57 ). 1. Bei einem 29 jährigen Manne, welcher schon drei¬
mal Tripper überstanden und jedesmal Gelenksentzündung und Augen¬
entzündung gehabt hatte, traten einige Wochen nach einer neuerlichen
gonorrhoischen Infektion wieder Gelenksrheumatismus, Conjunctivitis,
Iritis und Keratitis rechterseits auf. Auch leichte Herzerscheinungen
stellten sich ein (Verbreiterung der Herzdämpfung nach rechts, erster
Ton unrein). Digitalis. Schmierkur. Die Herzerscheinungen ver¬
schwanden innerhalb zweier Monate. Sechs Wochen nach der Auf¬
nahme zeigte sich Entzündung der Sehnervenscheibe und der angrenzenden
Partien der Netzhaut. Die Iritis recidivierte mehrfach. Heilung mit
nur geringer Herabsetzung der Sehschärfe nach 3 l / 2 Monaten.
2. 19jähriger Mann. Vor einem Jahre erste, seit fünf Wochen
zweite Gonorrhoe. Seit vier Wochen Augenerscheinungen rechts. Con¬
junctivitis und Iritis plastica, Papilloretinitis. Gelenksentzündungen,
Atropin, Schmierkur. Heilung mit herabgesetzter Sehschärfe nach vier
Wochen.
Hilbert 103 ). Bei einem 29jährigen Manne, welcher schon vor
einem Jahre einen Tripper mit Gelenksaffektionen durchgemacht hatte.
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traten im Anschluss an eine vor 6 l /% Wochen erworbene neuerliche
Gonorrhoe abermals Gelenksschwellungen auf. Ausserdem bestanden
Augenbeschwerden. Mit dem Augenspiegel waren Erscheinungen einer
Retinitis serosa nachweisbar. Therapie: Bettruhe, Schröpfköpfe an den
Schläfen, Kaloniel. Heilung nach zwei Monaten. Fünf Monate später
wieder Gonorrhoe mit Gelenksschwellung, 10 Tage später neuerlich
Retinitis, welche nach vier Wochen heilte.
Entzündungen des ganzen Auges sind selten. Einen derartigen
Fall beschreibt Panas 2 * 3 ):
Bei einer seit mehreren Monaten an Vaginalausfluss leidenden
Patientin traten einige Zeit danach Sehstörungen und Schmerzen im
linken Auge auf. Es entwickelte sich Iridocyclitis mit Beteiligung des
Glaskörpers und Hypopyoti. Therapie: Paracentese, Atropin, warme
Umschläge, Blutegel. Das Resultat ist als ein günstiges zu bezeichnen,
denn wenn es auch zur Anwachsung der Iris an die Cornea kam, so
besserte sich doch langsam das Befinden, die vordere Augenkamn.or
stellte sich wieder her und es ist Aussicht vorhanden, durch eine Iri-
dektomie einen guten Erfolg zu erzielen. Die Cornea war absolut intakt,
so dass es sich nur um eine metastatische Entzündung handeln konnte.
VI. Hautaffektionen.
Hautaffektionen zählen zu den häufigeren Komplikationen der
Gonorrhoe, doch schenkte man ihnen lange Zeit nicht die gebüh¬
rende Beachtung, da man sie meist für Arzneiexantheme, verursacht
durch den Genuss von Copuiva, Santal u. dgl. hielt. Erst in neuerer
Zeit wurden Fälle bekannt, wo bei tripperkrauken Patienten Haut¬
erkrankungen aufgetreten waren, ohne dass die betreffenden Patienten
Balsamica genommen hatten.
Ausserdem ist es, wie Guiard 1 ® ) bemerkt, auffallend., dass der¬
artige Exantheme nach Genuss von Balsamicis gerade nur bei
Gonorrhoe Vorkommen, während diese Arzneimittel, bei anderen
Krankheiten verabreicht, so gut wie niemals derartige Erscheinungen
hervorrufen. Die gonorrhoischen Exantheme finden sich, wie fast
alle Trippermetastasen, weitaus hanfiger beim Manne, zeigen aber
sonst, was die Zeit ihres Auftretens, sowie das Alter des befallenen
Patienten betrifft, keine typischen Verhältnisse.
Den Symptomen nach können wir mit Buschke 62 ), welcher
diese Affektionen eingehend studiert hat, vier Formen der gonor¬
rhoischen Hauterkrankung unterscheiden: einfache Erytheme, Urti¬
caria und Erythema nodosum, hämorrhagische und bullöse Exan¬
theme, Hypcrkcratosen.
CentralMaU f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 25
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1 . Einfache Erytheme.
Es kann sich um morbillen-, scarlatina-, variolaartige oder
polymorphe Erytheme handeln. Bemerkenswert ist, dass sich diese
Formen kombiniren können und beispielsweise am Rumpfe ein scar¬
latina-, an den Extremitäten ein rubeolaartiges Exanthem sich finden
kann. Fieber ist meist vorhanden. Die Dauer der Erkrankung
beträgt meist nur wenige Tage, die Heilung erfolgt in der Regel
unter Abschuppung.
Mracek 264 ). Im Anschluss an eine Gonorrhoe entwickelte sich
hei der 24 jährigen Patientin unter Fieber ein Erythem zunächst in der
Umgebung der Genitalien, dann am ganzen Körper. Heilung unter
Abschuppung. Als die Patientin spater eine neue Gonorrhoe acquirierte,
traten abermals Erythem und ein vesikulöses Ekzem am ganzen Körper auf.
Heilung unter Abschuppung. Sieben Wochen später neuerlich Vaginal¬
ausfluss und im Anschluss daran Erythem, welches unter Abschuppung
heilte. Jedesmal bestand Oedem der Augenlider und war Eiweiss im
Urin nachweisbar.
Marmonier 242 ). Bei dem 22 jährigen Patienten stellte sich
einige Tage nach Beginn einer Gonorrhoe unter Fiebererscheinungen ein
Erythem am Thorax, an den Armen und Schenkeln ein.
Voi turier 378 ). Bei dem 25 jährigen Patienten stellte sich 14 Tage
nach Beginn einer Gonorrhoe rechtsseitige Epididymitis, 10 Tage später
unter Erscheinungen einer Angina ein rubeolaartiges Exanthem am
Rumpfe ein. Heilung nach wenigen Tagen unter Abschuppung.
Per rin 289 ). Bei einem seit 10 Wochen an Gonorrhoe leidenden
18 jährigen Mann, welcher seit drei Wochen keine Balsamica mehr ge¬
nommen hatte, war auf einen Excess hin Exacerbation des Trippers ein¬
getreten, welche zwei Tage später von Fieber gefolgt war. Einen Tag
später zeigten sich erythematöse Flecken am Thorax. Am nächsten
Tage nahm das Exanthem einen scharlachartigen Charakter an und ver¬
breitete sich nahezu über den ganzen Körper. Gleichzeitig bestand
Rötung des Pharynx. Heilung innerhalb fünf Tagen unter Abschuppung.
Nach drei Wochen wurde Copaiva verordnet, ohne dass ein Exanthem
hervorgerufen worden wäre.
Raynaud. 1. Bei einem 22 jährigen, an chronischer Gonorrhoe lei¬
denden Manne, der mit Cubeben und Jodkali behandelt worden war,
entwickelte sich ohne Fiebererscheinungen ein scharlachartiges Exanthem
am Rumpf, weniger am Gesicht und an den Extremitäten. Heilung
innerhalb weniger Tage unter leichter Abschuppung. Da man an ein
Arzneiexanthem dachte, wurden Cubeben und Jodkali weggelassen. Trotz¬
dem trat wenige Tage später ein rubeolartiges Exanthem auf, welches
später Herpes- und schliesslich ekzemartigen Charakter annahm. Heilung
nach drei Monaten.
2. Bei einem 17 jährigen, seit einem Monat an Tripper leidenden
Manne, welcher kein Medikament genommen hatte, entwickelte sich ein
rubeolaartiger Ausschlag am ganzen Körper, sowie auf der Pharynx-, der
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Gaumenschleimhaut und den Lippen. Kein Fieber. Heilung nach
fünf Tagen.
Colombini 78 ). Ein 33 jähriger Mann, welcher schon einen Tripper
mit Gelenksaffektionen durchgemacht hatte, war neuerlich an Gonorrhoe
erkrankt. Drei Wochen später traten unter Fieber wieder Gelenks-
Schwellungen auf. Bald darauf zeigte sich ein scharlachartiges Exanthem
nahezu an der ganzen Körperoberfläche, sowie an der Rachen- und Mund¬
schleimhaut Heilung unter Abschuppung innerhalb 14 Tagen. Der
Kranke hatte keine Balsamica erhalten; als aber nach Ablauf der Haut¬
affektion Cubeben und Perubalsam gereicht wurden, trat kein Exanthem
auf. Aus den erkrankten Hautpartien konnte Colombini keine Gono-
coccen züchten, wohl aber aus der Gelenksflüssigkeit.
2 . Urticaria nnd Erythema nodosum.
Während urticariaartige Exantheme bei Gonorrhoe selten sind,
stellt das Auftreten von mehr oder weniger tiefsitzenden, meist
sehr schmerzhaften Knötchen, besonders an den unteren Extremitäten,
kein seltenes Vorkommnis dar. Bei dieser Erythema nodosum-artigen
Form sind meist Gelenksschwellungen vorhanden. Auch besteht in
den meisten Fällen Fieber. Die krankhaften Erscheinungen schwin¬
den in der Regel rasch, nur selten handelt es sich um länger dauernde
Prozesse.
Bergeron 83 ). Bei einem 21jährigen Mädchen, welches seit
14 Tagen an Gonorrhoe litt, entwickelte sich unter Fiebererscheinungen
ein ausgedehntes Erythem im grössten Teile de9 Gesichtes. Auf dem
Hals, den Vorderarmen, Händen, Brust massenhaft kleine Papeln von un¬
gleicher Grösse. Rachenschleimhaut gerötet. Gliederschmerzen. Heilung
unter Abschuppung nach 10 Tagen.
Schantz 826 ). Bei einer 21jährigen Patientin, welche seit zwei
Monaten an Gonorrhoe litt, hatten sich vor acht Tagen blaurote, schmerz¬
hafte Flecken an den Unterschenkeln entwickelt. Gleichzeitig Schwellung
und Schmerzen im rechten Kniegelenk. Fieber bestand niemals. Heilung
nach fünf Wochen.
Buschke l c ). Bei einem 22 Jahre alten Manne traten vier
Wochen nach Beginn einer mit rechtsseitiger Nebenhodenentzündung
komplizierten Gonorrhoe Schmerzen in beiden Kniegelenken auf. Am
nächsten Tage zeigten sich Flecke und Knoten auf beiden Armen.
Anfangs Fieber. Später traten derartige Papeln und tiefer sitzende Knoten
auch an den Beinen auf. Im Laufe der Erkrankung stieg die Tempe¬
ratur staffelförmig. Häufiger Wechsel der Erscheinungen. Heilung nach
drei Monaten. Im Laufe der Erkrankung hatte sich eine Mitralinsuffi-
cienz entwickelt. Blutuntersuchungen wurden mehrmals vorgenomtnen,
niemals konnten Gonococcen nachgewiesen werden.
2. Bei einer 26jährigen Patientin traten iia Anschluss an eine
akute Gonorrhoe Ergüsse in den Fussgelenken und entzündliche Knoten
in der Haut auf. Kein Fieber. Im weiteren Verlaufe entwickelten 9ich
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eine trockene Pericarditis sowie eine Endocarditis mitralis. Heilung der
Hautaffektion nach zwei Monaten.
3. Bei einem 35 jährigen Manne traten vier Wochen nach Beginn
einer Gonorrhoe schmerzhafte Knoten in beiden Unterschenkeln auf.
Schmerzen in beiden Fussgelenken. Heilung nach fünf Tagen. Einen
Monat später traten im Anschluss an einen neuerlichen Harnröhrenausfluss
wieder ein derartiges Knötchen am rechten Unterschenkel und Schmerzen
in beiden Fussgelenken auf. Heilung nach einigen Wochen. Der Fall
ist, wie Buschke selbst bemerkt, nicht ganz einwandsfrei, da der Patient
Bromkali genommen hatte.
Faivre 109 ). Bei einem 22jährigen, vor sechs Wochen an akuter
Blennorrhoe erkrankten Manne zeigten sich ohne äussere Veranlassung
Symptome von Dermographismus. Ueber den weiteren Verlauf wird
nicht« mitgeteilt.
3. Hämorrhagische und bullöse Exantheme.
Diese Form ist weniger häufig. Sie befällt besonders die
unteren Extremitäten und geht in der Regel mit Gelenksaffcktionen
einher. Die Dauer dieser Erkrankung ist kurz, Heilung die Regel.
Oft bestehen gleichzeitig andere Hautaffektionen, wie Erythema etc.
Litten 228 ). 1. Bei einem 21jährigen Manne traten drei Wochen
nach Beginn einer akuten Gonorrhoe Schwellungen mehrerer Gelenke
auf. Wenige Tage nachher zeigten sich an den unteren Extremitäten
vereinzelte hellrote Flecke von Linsengrösse, deren Zahl dann noch zu¬
nahm. Abendliches Fieber. Zahlreiche Nachschübe der Purpuraflecken.
Heilung nach mehreren Monaten.
2. Bei einem 17 jährigen Patienten entwickelten sich 14 Tage nach
Beginn einer Gonorrhoe mehrfache Gelenksentzündungen. Bald darauf
trat remittierendes Fieber auf und es kam zur Bildung von zahlreichen
Petechien an den unteren Extremitäten. Zahlreiche Nachschübe. Heilung
nach drei bis vier Wochen.
3. Ein 22jähriger Patient hatte schon zwei Tripper, jedesmal in
Verbindung mit Gelenksrheumatismus, überstanden. Drei Wochen nach
Beginn eines mit Gelenksentzündungen verbundenen neuen Trippers trat
kontinuierliches Fieber mit morgendlichen Remissionen auf und es zeigte
sich intensive Purpura an den unteren und oberen Extremitäten. Meh¬
rere Nachschübe. Heilung nach mehreren Wochen.
4. Bei einem 24jährigen Manne kam es vier Wochen nach Be¬
ginn eines Trippers zu Gelenksschwellungen und im Anschluss daran zu
Erscheinungen von Seiten des Herzens (Herzklopfen, systolisches Ge¬
räusch an der Spitze). Kontinuierliches remittierendes Fieber. Wenige
Tage nach dem Auftreten der Gelenksschwellung war es zur Bildung
von hämorrhagischen Flecken an Rumpf und Extremitäten gekommen.
Mehrere Nachschübe. Heilung nach etwa zwei Monaten.
5. Bei einem 33 jährigen Manne war es im Anschluss an einen
seit mehreren Wochen bestehenden Tripper zu Gelenksaffektionen und
Herzerscheinungen gekommen. Gleichzeitig waren Petechien an den un¬
teren Extremitäten aufgetreten. Kontinuierliches remittierendes Fieber.
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Zunahme der Hauthämorrhagien und Auftreten von Hämaturie. Drei¬
malige Recidive. Heilung nach mehreren Monaten mit bleibendem
Mitralgeräusch.
Balzer und Lacour 21 ). Bei einem 18jährigen Patienten war es
gleichzeitig mit Beginn eines akuten Trippers zu Purpuraeruption an den
unteren Extremitäten gekommen. Später Fieber und Gelenksschwellungen,
Hämaturie, Cystitis. Diarrhoen. Hämatemesis. Auftreten von Petechien
auch an den oberen Extremitäten und im Gesicht. Mehrfache Nach¬
schübe. Heilung nach mehreren Monaten.
Raynaud 1 - 0 *). Bei einem 17jährigen Patienten trat drei Wochen
nach Beginn eines Trippers unter Fiebererscheinungen ein scharlach¬
artiges Exanthem auf, welches aber bald purpuraartigen Charakter an-
nahm. Heilung, nachdem noch ein Purpuranachschub aufgetreten war.
Hie Dauer der ganzen Erkrankung betrug ca. zwei Monate.
Paulsen 278 ). Bei einem neugeborenen Knaben trat im Anschluss
an Blennorrhoea neonatorum Schwellung mehrerer Gelenke auf. 14 Tage
später zeigten zeigten sich Papeln und Bläschen zunächst an den Beinen,
dann im Gesicht. Fieber. Heilung nach mehreren Monaten. Im
Bläscheninhalte waren nach Gram sich entfärbende Diplococcen nach¬
weisbar. Kulturen konnten nicht angelegt werden.
In diese Gruppe gehören auch die schon früher besohriebenen
Fälle von His l c ) und Welander 1 * 0 ).
4. Iiyperkeratosen.
Es handelt sich in diesen Fällen um eigentümliche, meist
symmetrisch auftretende Hautaffektionen, welche mit Vorliebe an
den Extremitäten ihren Sitz haben und sehr gern recidivieren. Es
bilden sich, gewöhnlich im Anschluss an die Exacerbation einer be¬
reits länger bestehenden Gonorrhoe, hornige Gebilde und Krusten,
welche erst nach längerer Zeit spontan oder unter Einwirkung von
Medikamenten (Sapo viridis u. dgl.) sich abzustossen pflegen. Meist
finden sich diese Erscheinungen bei herabgekommenen kachektischcn
Individuen. Die Mehrzahl der Autoren ist der Ansicht, dass es sich
in diesen Fällen um trophische Störungen handelt.
Vidal 377 ). Ein 24jähriger Mann erkrankte zwei Monate nach
Beginn eines Trippers an Arthritis beider Kniegelenke. Einen Monat
vorher hatte er am rechten Knie eine eigentümlich^ Krustenbildung be¬
merkt, welche bald auch sich an Händen und Füssen zeigte. Bei der
Aufnahme zeigten sich diese Krusten ziemlich symmetrisch über den
ganzen Körper des abgemagerten und kachektisehen Patienten verteilt.
Besonders befallen waren die Hände und die beiden Füsse, wo es zu
Abstossung der Nägel kam. Die Erkrankung dauerte unter verschiedenen
Nachschüben etwa neun Monate. In den Krusten konnten keine Bak¬
terien nachgewiesen werden. Es handelte sich um hauthornartige Bil¬
dungen. Zwei Jahre später acquirierte der Patient eine neue Gonorrhoe,
an welche sich eine doppelseitige Conjunctivitis (eine solche hatte auch
bei der ersten Erkrankung schon bestanden) und Gelenkserkrankungen
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anschlossen. Bald kam es auch zur Bildung ähnlicher horniger Auf¬
lagerungen, wie bei der ersten Gonorrhoe. Auch diesmal waren be¬
sonders die Extremitäten befallen. Die Heilung erfolgte unter Ab-
stossung der Krusten ohne Narbenbildung.
Jeanselme 181 ). Ein 24jähriger Mann erkrankte eine Woche
nach Auftreten einer akuten Gonorrhoe an Arthritis mehrerer Gelenke.
Drei Wochen nach Beginn der rheumatischen Erscheinungen zeigten
sich hornige Bildungen an beiden Füssen, welche sich nur sehr langsam
zurückbildeten. Auch hier handelte es sich um einen sehr herabge¬
kommenen, abgemagerten Patienten.
Jacquet und Ghika 176 ). Der 27jährige Patient hatte bereits
fünf Tripper durchgemacht, von denen die letzten vier von immer
schwererem Gelenksrheumatismus gefolgt waren. Im Anschluss an den
vierten Tripper traten zum ersten Male hornartige Bildungen an den
Füssen, sowie Herzerscheimungen auf. Die jetzige, sechste Gonorrhoe
besteht seit s / 4 Jahren. 14 Tage nach Beginn derselben trat ein
schwerer Gelenksrheumatismus auf, welcher nach und nach fast alle Ge¬
lenke befiel. Einen Monat nach Beginn des Rheumatismus, als das Fieber
bereits vollständig geschwunden war, zeigten sich an den Fusssohlen
Krustenbildungen, später auch an den Zehen, weniger an den Fingern.
Die Nägel wurden durch diese hornigen Massen abgehoben und fielen
schliesslich ab. Heilung drei Monate nach Beginn des Trippers. Auch
dieser Kranke war zur Zeit, als die Hauterscheinungen auftraten, sehr
herabgekommen und kachektisch.
Chauffard 72 ). Der 25 jährige Patient hatte schon vor fünf
Jahren einen Tripper durchgemacht, welcher von Arthritiden, Ophthalmo¬
blennorrhoe und Epididymitis gefolgt war. Schon damals waren hornige
Bildungen an den Füssen aufgetreten. Vor drei Wochen neuerliche
gonorrhoische Infektion. Kurze Zeit darauf abermals Arthritiden,
Ophthalmie, Nieren- und Herzerscheinungen. Fünf Wochen nach Be¬
ginn des Trippers zeigten sich homartige Bildungen an der Glans, dann
an den Schenkeln, am Rücken, an den Füssen. Die Hauterscheinungen
schwanden langsam innerhalb mehrerer Monate. Bei diesem Patienten
waren die Allgemeinerscheinungen sehr schwere gewesen.
Robert 812 ) hat bei einer 32jährigen Frau im Anschluss an eine
Urethro-Vaginal-Blennorrhoe Keratoconjunctivitis und das Auftreten mul¬
tipler Hauthörner an den Extremitäten beobachtet Aehnliche Bildungen
sah er bei einem vierjährigen mit Vulvitis gonorrhoica behafteten Mädchen.
Lannois 211 ). Ein 40jähriger Mann, welcher bereits vier Tripper
überstanden hatte, von denen die drei letzten von Arthritiden ge¬
folgt waren, erkrankte im Anschluss an einen fünften Tripper wieder
an Gelenksrheumatismus. Im weiteren Verlaufe kam es zur Bildung
horniger Krusten an den grossen Zehen, starker Abmagerung und Mus¬
kelatrophien.
Malherbe 238 ). Bei einem 29jährigen Patienten, der schon vier¬
mal Tripper überstanden hatte, traten nach Dilatation einer Striktur
Gelenksentzündungen und hornige Gebilde an den Füssen auf. Diese
Erscheinungen sollen bereits bei der ersten Infektion aufgetreten sein.
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Heilung unter Behandlung mit Sapo virid., OL terebinth. und heissen
Bädern,
Stanislawsky 349 ). Bei einem 28jährigen Patienten stellten sieh
14 Tage nach Beginn eines Trippers mehrfache Arthritiden ein. Drei
Wochen später trat die Hautaffektion auf und zwar zunächst am Kreuz
und am linken inneren Knöchel, später an beiden Füssen, Oberschenkeln,
Scrotum und Penishaut. Es fanden sich an diesen Orten Hautpartien
von Handtellergrösse, welche trocken, intensiv gerötet und mit dicken,
derben, geschichteten, schmutziggelben, unregelmässigen, hornigen Borken
bedeckt waren. Ausserdem bestanden an einzelnen Stellen kegelförmige
Prominenzen von brauner Farbe, welche bald vereinzelt, bald in Gruppen
lagen und vollständig glatt und durchsichtig waren. Ihr Durchmesser
betrug ander Basis ca. 8mm, ihre Höhe 5—6mm. Starke Abmagerung.
Leichtes Fieber. Mit Nachlassen und Zunehmen der Gelenkserschei¬
nungen ging auch die Hautaffektion Veränderungen ein. Therapie: SaloL
später Natr. salicyl., Wannenbäder, Borsalbeverbände. Heilung nach einem
halben Jahr ohne Narbenbildung. Einige Zeit später kehrte der Patient
mit Recidiv der Gonorrhoe und des Hautausschlags wieder ins Kranken¬
haus zurück.
Böttcher 40 ). Bei dem Patienten trat fünf Tage nach Beginn der
Gonorrhoe infolge unzweckmässigen Verhaltens Urethritis post, ein, nach
weiteren fünf Tagen zeigten sich Conjunctivitis metastatica und Arthritiden.
Drei Tage später bemerkte man einen Hautausschlag an beiden Fuss-
sohlen. Dieselben waren dicht besetzt mit Efflorescenzen von theils
glatter, theils buckliger Oberfläche, beinahe kreisrunder Gestalt und gelb¬
lich-schmutziger Farbe. Sie Hessen sich in toto von ihrer Unterlage ab¬
heben, indem dann als Grund eine leicht nässende, auf Darüberstreichen
schwach blutende Fläche zurückblieb. Wo sich solche Efflorescenzen be¬
rührten, konfluirten sie und bildeten eine leicht erhabene glatte Fläche.
Ein ganz analoger Prozess spielte sich im Nagelbett des rechten vierten
Fingers ab. Der Nagel wurde abgehoben, ohne dass Schmerzhaftigkeit
bestand. Sehr starke Abmagerung. Leichtes Fieber. Unter einer In-
unktionskur erfolgte nach ca. drei Monaten Heilung. Böttcher betont
den eklatanten Einfluss, welchen in diesem Falle die Schmierkur hatte,
und glaubt, dass dieselbe in allen Fällen von gonorrhoischer Allgemein¬
infektion angewendet werden sollte.
Im Anschluss sollen noch einige Fälle erwähnt werden, welche
sich in keine dieser Gruppen recht einreihen lassen oder mehreren
Gruppen gemeinsame Symptome zeigen:
Heller 169 ). Ein 22jähriger Mann erkrankte eine Woche nach
Beginn einer Gonorrhoe unter Schüttelfrost und Fieber. Am nächsten
Tage zeigte sich ein polymorphes Exanthem: am rechten Oberschenkel
und linken Fussrücken ähnlich dem Erythema nodosuni, auf der übrigen
Körperhaut, mit Ausnahme des Gesichtes, Erythema multiforme, Ery¬
thema ins und purpuraartiges Exanthem. Das Fieber hatte den Charakter
einer Tertiana. An den fieberfreien Tagen zeigten sich neue Exanthem¬
nachschübe. Heilung nach sechs Wochen.
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Morris 261 ). Es handelte sich um einen 25jährigen Mann, welcher
vor einem Jahr Gonorrhoe mit nachfolgendem Gelenksrheunmtismus
durchgemacht hatte. Seit einem Monat waren wieder Gelenksschwellungen
aufgetreten. Im Anschluss daran kam es zur Bildung von schmerzhaften
roten Hautstellen an beiden Unterschenkeln und Vorderarmen, welche
exulcerierten. Syphilis konnte ausgeschlossen werden. Heilung nach
Verschwinden des Trippers. Im ganzen waren 15 derartige Ulcerationen
aufgetreten. Einige der Geschwüre waren ausgekratzt worden, doch
konnten niemals Gonococcen nachgewiesen werden.
Karwowsky u ’°). Bei einem 24jährigen Manne, welcher schon vor
l 1 /, Jahren eine Gonorrhoe überstanden hatte, bestand seit drei Tagen
frischer Tripper. Behandlung mit Itrol, 0,03 : 200,0. In der dritten
Woche trat Arthritis im linken Daumengelenk, drei Tage später im
rechten Handgelenk ein. Im Anschluss daran kam es zu allmählicher
Entwicklung von Hypertrichosis des rechten Unterarmes.
Müller 26 ^). Ein junger Mann bemerkte 14 Tage nach der gonor¬
rhoischen Infektion eine kahle Stelle am Scheitel, welche sich langsam
vergrösserte. Es ist dies der vierte ähnliche Fall, den Müller beobachten
konnte.
VII. Erkrankungen des Bindegewebes.
Abscesse metastatischer Natur im Bindegewebe sind bei
Gonorrhoe nicht häufig, aber schon seit längerer Zeit bekannt In
manchen Fällen ist ein Zusammenhang mit einem Trauma nachweis¬
bar. Auffallend ist meist die geringe Menge von Eiter und das
eigentümlich schmierige Aussehen der reichlichen Granulationen.
Lang 207 ) und Horwitz 168 ). Bei dem Patienten zeigte sich wenige
Tage nach Beginn einer akuten Gono/rhoe Schwellung und Rötung,
später Abscessbildung an der Streckseite des linken dritten Metacarpo-
phalangealgelenks. Incision und Auskratzung. In den ausgekratzten
Massen Gonococcen durch Färbung und Kultur nachweisbar. Der Abs-
cess stand mit dem Gelenk oder der Sehnenscheide in keiner Verbindung.
Hochmann 165 ). Bei einem 42jährigen Mann mit chronischer
Gonorrhoe entwickelte sich im Anschluss an eine Kontusion ein tauben¬
eigrosser subcutaner Abscess am linken Ellbogen. Heilung auf Incision.
Im Eiter waren Diplococcen nachweisbar, welche die tinktoriellen Eigen¬
schaften der Gonococcen zeigten.
Meyer 241 ’). Bei einem 31jährigen an Gonorrhoe leidenden Manne
entwickelte sich eine Phlegmone in der Gegend des linken Ellbogenge¬
lenks. Das Gelenk selbst war frei. Be» der Incision fand man nur
wenig Eiter, schmierige Granulationen. Keine direkte Kommunikation
mit dem Gelenk. Auskratzung. Fixationsverband. Heilung. In den
Granulationen reichlich Gonococcen durch Kultur nachweisbar.
Almquist 0 ) Bei einem seit vier Wochen an Gonorrhoe und
Prostatitis leidenden Manne kam es zur Anschwellung an der Innenseite
der linken Fusswurzel, später an der Aussenseite des rechten Fusses.
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Die erstere ging zurück, die zweite wurde punktiert und 2 °/ ü0 Sublimat¬
lösung eingespritzt. Ein zweiter etwas unterhalb gelegener Abscess wurde
ebenfalls punktiert. Im Eiter typische Gonococcen in Reinkultur.
Später Einspritzungen von schwacher Protargollösung, schliesslich Incision
und Auskratzung der Granulationsmassen. Auch jetzt Gonococcen, aber
keine anderen Bakterien nachweisbar. Heilung.
VII. Adenitiden.
Anschwellungen der Leistendrüsen bilden bei Gonorrhoe kein
seltenes Vorkommnis, hingegen kommt es nur ausnahmsweise zu Ver¬
eiterung. Der Eiter erwies sich in der Regel als steril [Gaucher, Ser-
gent und Claude 13 )], doch haben einzelne Autoren [Colombini s °),
Hansteen 15i! )] darin Gonococcen einwandsfrei nachweisen können.
Ausser den Leistendrüsen können in Ausnahmsfällen auch andere
Drüsen befallen werden, so bei der Patientin von Raymond, Petit
und Pichevin 305 ), bei welcher im Anschluss an eine akute Gonorrhoe
Vereiterung einer seit Jahren geschwellten Cervicaldrüse auftrat.
An dieser Stelle soll auch über die interessanten Fälle Mursell’s
und Colombini’s berichtet werden.
Mu rsell 267 ). Bei einem 30 jährigen Mann entwickelte sch 14 Tage
nach Beginn einer akuten Gonorrhoe ein Abscess in der rechten Leiste,
welcher incidiert wurde. Vier Tage später Incision eines zweiten Abs-
cesses höher oben. Am nächsten Tage rechtsseitige Orchitis und den
Tag darauf Beginn einer rechtsseitigen Parotitis. Der Parotisabscess wurde
eine Woche später eröffnet. Es wurde keine bakteriologische Unter¬
suchung vorgenommen. Dieser Fall ist schon deswegen bemerkenswert,
weil sich die Parotitis an die Orchitis anschloss und nicht umgekehrt.
Colombini 81 ). Der 28jährige Patient hatte vor 14 Tagen einen
Tripper acquiriert. Bei der Aufnahme fand man eine fluktuierende Ge¬
schwulst in der linken Leiste, welche incidiert wurde. Zwei Tage später
linksseitige Epididymitis. Vier Tage später Blutuntersuchung. Incision
des Nebenhodenabscesses. Schmerzen in der rechten Ohrspeicheldrüse,
Zeichen von akuter Nephritis. Sechs Tage später neuerliche Blutunter¬
suchung und Incision des Parotisabscesses. Heilung 17 Tage später.
Gonococcen waren durch Färbung, Kultur und Ueberimpfung nachweis¬
bar: 1. im Harnröhreneiter, 2. in allen eröffneten Abscessen (ohne andere
Bakterien), 3. in dem das zweite Mal entnommenen Blute. Die erste
Blut- sowie sämtliche Urinuntersuchungen ergaben ein negatives Resultat.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass Sarfert 323 ) bei einer an Ure¬
thralausfluss leidenden Frau im Eiter einer doppelseitige Mastitis gono-
coccenartige, semmelförmige Diplococcen fand, welche auf Agar und
Gelatine nicht wuchsen. Allerdings ist in diesem Falle eine direkte
Uebertragung das Wahrscheinlichere.
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II. Referate.
Haut
Gn streptokokkepidenii uied erythema nodosum och träflegnione
(Phlegmone ligneux du cou, Holzphlegmone). Von C. Jansson.
Hygiea, 2. Jahrg., II. Folge, p. 698.
Bei einer 55jährigen Frau entstand eine Angina, durch Strepto¬
coccen verursacht, mit Rückgang nach einer Woche; zu dieser Zeit trat
ein Erythema nodosum auf, nach fünf Wochen war Patientin gesund.
Um diese Zeit erkrankte ihre 14jährige Tochter an rechtsseitiger phleg¬
monöser Angina, auch durch Streptococcen verursacht, und kurz hinter¬
her ein 25jähriges Dienstmädchen an leichter Streptococcenangina; eine
Woche später war bei letzterem die ganze linke Halsseite bretthart infil¬
triert, jedoch nicht schmerzhaft, weder bei Druck noch spontan. Unter
Priessnitz-Umschlägen nach sieben Wochen Heilung.
Charakteristisch für die Holzphegmone sind das langsame Auftreten
der Infiltration mit geringem Fieber, die Härte der Infiltration, die un¬
bedeutende Schmerzhaftigkeit und die unbedeutende Tendenz zur Eiter¬
bildung, sowie endlich der chronische Verlauf. Bakteriologisch sind in
den verschiedenen Fällen Diphtherie- und Pseudodiphtheriebacillen, Diplo-
coccen, FraenkeTs Diplococcus, Staphylo-, Streptococcen, Proteus nach¬
gewiesen oder auch war der eventuell entstandene Eiter steril. In
Schweden ist ein ähnlicher Fall von Jundell und Svensson beschrieben
(Ein Fall von chronischer progredienter, durch den Diplococcus pneu¬
moniae Fraenkel verursachter Phlegmone, sekundär zu einer Angina hin¬
zutretend, Nord. med. Ark. 1901, Abt. I, Heft 1), in dem jedoch Eite¬
rung hinzutrat. Köster (Gothenburg).
Les mölanodermies d’origine biliaire. Von Gilbert und Lere-
boullet. Sociötö medicale des höpitaux, 19. annöe, Nr. 15.
Die Cholämie spielt eine bedeutsame Rolle bei der Entstehung
von lokalisierten oder generalisierten Hautpigmentierungen. Bei Patienten
mit familiärer Cholämie oder anderen Leberleiden haben die Verff. auf¬
fallend häufig Pigmentierungen, besonders des Gesichts, gefunden, so
Epheliden, sog. Leberflecke, dunkle Pigmentierung um die Augen oder
an den Schläfen; auch die Schwangerschaftspigmentierungen finden sich
ausgesprochener bei cholämischen Individuen. In anderen Fällen ist die
Pigmentierung diffuser Art, so bei der erdfarbenen Gesichtsfarbe bei
Lebercirrhose.
Auch auf künstlichem Wege lassen sich bei Cholämischen lokale
Pigmentierungen hervorrufen, so durch Anlegen von Vesikatoren, Auf¬
legen von Salzumschlägen. Kratzeffekte nach Dermatosen bei Leber¬
kranken pigmentieren sich häufig.
Bei den seltenen Fällen von „Ictfcre noir“ handelt es sich um
primären Icterus mit sekundärer Melanodermie infolge Imprägnierung der
Haut mit Gallenfarbstoffen, die zu Melanin umgewandelt werden.
Pigmentierungen der Schleimhäute finden sich bei Cholämie seltener;
doch werden auch solche der Lippen und der Mundschleimhaut gelegent¬
lich angetroffen.
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In vier Fällen konnten die Verff. derartige pigmentierte Hautslücke
untersuchen. Das Pigment lag hier, wie bei der normalen Hautpigmen¬
tierung, in Form von intracellulären Granula in den basalen Epidermis-
lagen, oft perinucleär verteilt. Auch im Corium findet man stellenweise
kleine, hellere, intracelluläre Pigmentanhäufungen. Das Pigment gibt
keine Eisenreaktion.
Die Genese der Pigmentierungen denken sich die Verff. so, dass
die normale pigmentbildende Funktion der Epidermiszellen durch Appor-
tierung von vielem umwandlungsfähigen Material verstärkt wird. Das
Pigment ist offenbar nicht hämatogenen Ursprungs, da es keine Fe-Reak-
tion gibt (kein sicherer Beweis) und die Zählung der roten Blut¬
körperchen nicht für eine Destruktion derselben spricht Die pigment¬
bildende Fähigkeit der Epidermiszelle wird also durch Cholämie erhöht
Vielleicht ist hierin ein Verteidigungsmittel des Organismus zu erblicken,
indem durch Umwandlung in Melanin ein Teil des Gallenfarbstoffes aus
dem Blut entfernt wird.
Bei der normalen Hautpigmentierung kommen zwei Pigmente in
Frage: 1. ein helles, lipochromartiges, das nichts anderes als das nor¬
male Pigment des Serums, das Serochrom, ist, und 2. ein dünkleres,
das Melanin. Von ersterem ist noch nicht erwiesen, ob es sich in das
zweite um wandelt
Vielleicht stellt das Serochrom eine geringe, physiologische
Menge cirkulierenden Gallenfarbstoffes dar, und die pathologische Pigmen¬
tierung bei Cholämie ist dann nur als Excess der physiologischen
Pigmentbildung anzusprechen. Martin Cohn (Kattowitz).
Eryth&me circinö avec tendance progressive recidivant in situ aux
dpoques menstruelles chez une növropathe. Von Dufour. Societö
mödicale des höpitaux, 19. annöe, Nr. 18.
Dermatosen, welche die Menstruation begleiten, sind mehrfach be¬
schrieben. Dufour beobachtete bei einer 42jährigen Person das Auf¬
treten von Erythemflecken, die mit jeder Menstruation an genau derselben
Stelle, der rechten Halsseite, erschienen. Weitere Erythemflecken traten
bei Gelegenheit der letzten Menses an Handrücken und Ellbogen auf.
Die Flecken sind purpurrot, entfärben sich nach einigen Tagen,
worauf sich die Haut der betreffenden Stelle schuppt.
Dufour beobachtete, dass das Menstrualblut sehr übelriechend
war; er denkt daran, dass vielleicht durch lange Retention desselben Zer¬
setzungsvorgänge ein treten und das Erythem sein Auftreten einer
Autointoxikation verdankt.
Bariö sah einen Fall von menstrueller Chromhidrosis, ab¬
wechselnd an der linken und rechten Hand auftretend.
Martin Cohn (Kattowitz).
Ueber das Verhältnis des Erysipels zu den Streptomykosen, sowie
über die Epidemiologie desselben. Von Klemm. Mitt. a. d.
Grenzgeb. d. Med. u. Chir., Bd. VIII, H. 3.
Klemm ist der Ansicht, dass der Erreger des Erysipels kein
spezifischer Streptococcus ist, sondern dass jede „Streptomykose“ der Aus-
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gangspunkt von Erysipelerkrankungen werden kann. Er machte in seinem
Knmkenhaii9e die Erfahrung, dass häufig auftretende Erysipelinfektionen
nicht von Erysipelkranken, sondern von Patienten mit eiternden Strepto-
coccenaffektionen (Otitis media, Osteomyelitis streptomycotica, Angina ton¬
sillaris etc.) ausgingen. Während alle Massregeln illusorisch bliel>en, die
zur Verhütung einer Ansteckung mit Erysipel von Fall zu Fall ge¬
troffen wurden, konnten alle weiteren Erysipelinfektionen durch Ein¬
richtung eines „Streptococcenisolierzimmers“ hintangehalten werden. In
diesem Raume wurden alle Fälle mit offenen eiternden Streptomykosen
gehalten. Eventuell sollen auch die Erysipel kranken hineingelegt werden.
Das Heilpersonal des Streptococccnzimmers hat dieselben Cautelen
zu beachten, die bei Scharlach- und Masernkranken üblich sind, um
einer Verbreitung der Keime vorzubeugen.
F. Honigmann (Breslau).
Ein Fall von Erythema papulatum nraemicnin. Von J. W. W wedenski.
Wratsch, Bd. XXII, p. 1413. (Russisch.)
Ein 52 Jahre alter Mann litt seit sechs Tagen an Harnverhaltung.
Am siebenten Tage zeigte sich an Brust und Bauch ein papulöses
Erythem, das sich innerhalb der nächsten fünf Tage symmetrisch auf
den ganzen Körper mit Ausnahme von Hals, Gesicht, Händen und
Füssen ausbreitete.
Starkes Jucken; Haut später im regressiven Stadium kleienförmig
abschilfernd. Nieren normal, kein Eiweiss im-Urin; Temperatur normal.
Heilung. Gückel (Medwedowka, Kijew).
III. Bücherbesprecluingen.
Handbuch der pathogenen Mikroorganismen nebst mikrophoto¬
graphischem Atlas. Zusammcngestellt von E. Zettnow, heraus¬
gegeben von W. Kolle und A. Wassermann. Jena, Verlag von
Gustav Fischer, 1902.
Dieses gross angelegte Werk liegt bisher in acht Lieferungen
vor. In einzelnen, von verschiedenen Forschern bearbeiteten Kapiteln
— und es haben sich daran die besten Kräfte beteiligt — soll es
eine zusammen fassende Darstellung unseres heutigen Wissens über die für
den Menschen und die Tiere pathogenen Mikroorganismen geben. Die
bahnbrechenden Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte auf diesem
Gebiete haben das Wissensgebiet ungeheuer erweitert und eine funda¬
mentale* Umgestaltung unserer Anschauungen über das Wesen der
Infektion, der Immunität, der Disposition erzeugt und der diagnostischen
und therapeutischen Thätigkeit des Klinikers eine ungeahnte Richtung
gegeben. Es ist daher ein Unternehmen mit Freuden zu begrüssen,
welches den für einen einzelnen kaum mehr zu bewältigenden Stoff in
seinen allgemeinen und speziellen Fragen auch Nicht-Fachmännern zu¬
gänglich macht und dem Fachmanne eine übersichtliche, in vielen
Kapiteln nahezu erschöpfende Darstellung dieses Wissenszweiges gibt
und ihm die Orientierung wesentlich erleichtert.
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Es muss als grosser Vorzug des Werkes gerühmt werden, dass
auf die Ausgestaltung des allgemeinen Teiles so viele Mühe verwendet
wurde und die bedeutsamsten biologischen Wechselbeziehungen zwischen
dem Menschen und den pathogenen Mikroorganismen eine sehr gründ¬
liche, auf Thatsachen beruhende theoretische Erörterung gefunden haben.
Es ist natürlich nicht möglich, ein so umfangreiches Werk ins
einzelne eingehend zu besprechen. Ref. muss sich darauf beschränken,
den Plan des Werkes und die Anordnung des Stoffes in Kürze zu
skizzieren. Die drei ersten Lieferungen (525 pp.) sind der Darstellung
allgemeiner Fragen gewidmet.
Nach einem historischen Ueberblick über die geschicht¬
liche Entwickelung der Lehre von der Infektion, Immunität
und Prophylaxe von Rudolf Abel, der in kurzer, aber übersicht¬
licher Weise die von dem jeweiligen Stande der Wissenschaft abhängigen
Hypothesen bis zur Inaugurierung der neuen mit den achtziger Jahren
beginnenden Epoche schildert, folgt ein ausführlicher Abschnitt über die
allgemeine Morphologie und Biologie der pathogenejn Mikro¬
organismen von E. Gotschlich. In dem biologischen Teile werden
das physikalische und chemische Verhalten der Bakterien, ihre Lebens¬
bedingungen, Stoffwechsel, Ferment,- und Gärwirkung, die Infektions¬
wege und die Infektionsquellen (Luft, Wasser, Boden, Nahrungsmittel,
Kleidung, Abfallstoffe) einer eingehenden Besprechung unterzogen.
In dem III. Kapitel bespricht A. Wassermann das Wesen
der Infektion. Wenn auch die allgemeinen und fast alle lokalen
Erscheinungen der Infektion als Giftwirkung aufgefasst werden müssen,
so ist nach Verf. die Wirkung der rein physikalischen Aktion in der
Pathogenese nicht ganz zu vernachlässigen. Der Einfluss der Eintritts¬
pforte der Mikroorganismen in den menschlichen Körper, der Wider¬
standskraft desselben, die Bedeutung mechanischer Momente und von
Gewebsläsionen, und jene der Virulenz der Bakterien werden als die
Verbreitung und den Verlauf der Infektion mitbestimmende Momente
entsprechend gewürdigt. Von den Allgemein Wirkungen der Infektion
finden das Fieber, die Leukocytose, die parenchymatöse Degeneration
eingehende Besprechung hinsichtlich ihrer Ursache, ihres Wesens und
ihrer Bedeutung für den Verlauf der Infektion. Bezüglich des Fiebers
kommt Verf. zu dem Schlüsse, dass bei den vielartigen und wechselnden
Ursachen des Fiebers eine Ergründung desselben, ausgehend von all¬
gemeinen Prinzipien, kaum je möglich, sondern nur durch ein eingehendes
Studium der einzelnen Infektionen zu gewärtigen sei.
Wie die Lehre der Spezificität der Infektionserreger immer
tiefer begründet wurde durch die Arbeiten Pasteur's, Koch’s, ferner
die aktiven Immunisierungsversuche bei Cholerabakterien, die Auffindung
der spezifischen Bakteriolysine und spezifischen Agglutinine, und welchen
Einfluss die auf diesen Grundlagen sich aufbauende Immunitätslehre
auf die praktische Medizin gewonnen, erläutert W. Kolle im IV. Kapitel.
Die Lehre der Misch- und Sekundärinfektionen behandelt
wieder A. Wassermann und bespricht eingehend die bisher bekannten
Kategorien der Bakteriennssociationen und die Typen ihrer Verbreitung
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im Organismus, sowie den Einfluss der Misch- und Sekundärinfektion,
insbesondere auf den Verlauf der Tuberkulose.
In dem folgenden VI. Kapitel über Infektion und allgemeine
Reaktion behandelt Blumental zum Teil dieselben Fragen, welche
schon Gegenstand des III. Kapitels waren, nämlich das Wesen und die
Bedeutung des Fiebers und der Leukocytose, aber von einem anderen
Standpunkte aus. Es werden die Phagocytose, die Bildung von Alexinen,
von Agglutininen, bakteriolytischen Substanzen und Antitoxinen als Re¬
aktion des Organismus auf die Infektion besprochen und in diesem
Zusammenhänge die Bedeutung des Fiebers und der Leukocytose, sowie
der Einfluss des Fiebers auf den Stoffwechsel erörtert
Die Theorie der Bakteriengifte erfährt im VII. Kapitel durch
Oppenheimer eine sehr klare und übersichtliche Darstellung.
Die Lehre der erblichen Uebertragung von Infektions¬
krankheiten findet wieder in Wassermann ihren ausgezeichneten
Interpreten. Naturgemäss sind es namentlich zwei Krankheiten, bei
denen die Möglichkeit einer placentaren und germinalen Infektion erörtert
und das vorliegende Beobachtungsmaterial kritisch gesichtet wird: die
Tuberkulose und die Syphilis. So bedeutungsvoll die Rolle beider
hereditären Uebertragungsarten bei der Syphilis ist, so gering ist sie bei
der Tuberkulose. Die placentare Uebertragung der Tuberkulose ist er¬
wiesen, aber selten, für das Vorkommen einer germinalen Uebertragung
fehlt bisher jeder Beweis, da das Auffinden von Tuberkelbacillen im
Sperma als solches nicht gelten kann.
Eine ausführliche, die modernsten Errungenschaften berücksichti¬
gende Darstellung der allgemeinen Methoden der Bakteriologie
gibt Friedberger. Mikroskopie, Färbung, Züchtung, Nachweis in Luft,
Boden und Wasser, Tierversuch, Beobachtung der verschiedenen biologischen
Vorgänge werden in anschaulichster und detailliertester Weise geschildert
und durch zahlreiche gelungene Textabbildungon wird der Wert dieses
Kapitels für den Praktiker erhöht.
Die folgenden Kapitel sind dem speziellen Teile gewidmet und
ordnen sich folgendermassen:
Hyphenpilze oder Eumyceten von Plaut (3. u. 4. Lief.); Spross¬
pilze von Busse; Malariaparasiten von Rüge; Hämoglobinurie des
Rindes von Kossel (4. u. 5. Lief.); Milzbrand von Sobernheim;
Tuberkulose von Cornet u. A. Meyer; Lepra von Hansen; Typhu9
von Neufeld; Dysenterie von Lentz (6. u. 7. Lief.); Bacterium coli
von Escherich u. Pfaundler (7.—8. Lief.); Pest von DieudonnS
(8. u. 9. Lief.); Septikämie der Vögel (Hühnercholera) von Th. Kitt;
Septicaemia haemorrhagica von Th. Kitt; Tetanus von v. Lingelsheim;
Rauschbrand von Th. Kitt; malignes Oedem von C. O. Jensen;
die pathogenen Bakterien der Fleischvergiftungen von v. Ermen gen;
Bradsot von C. O. Jensen; Bacillus necroseos von C. O. Jensen;
Rotz von Wladimiroff; Diphtherie von Beck; die pathogenen
Trichomyceten von Petruschky (9. u. 10. Lief.).
Es würde zu weit führen, in die Besprechung jeder einzelnen
dieser Bearbeitungen einzugehen. Es ist auch insofern nicht nötig, als
trotz mancher Unterschiede in der Ausführlichkeit der Darstellung, welche
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die einzelnen Autoren dem von ihnen bearbeiteten Gegenstände angedeihen
liessen, die Einheitlichkeit dadurch gewahrt ist, dass jeder Bearbeiter Morpho¬
logie und Biologie des entsprechenden Mikroorganismus, Epidemiologie,
Heredität und Disposition, Infektionswege und -Quellen, pathologische
Anatoftiie, Klinik, Therapie und Prophylaxe, und zwar jede dieser Fragen mit
der ihr dem Zwecke des Handbuchs und dem in Erörterung stehenden
Krankheitserreger gemäss zukommenden wissenschaftlichen und praktischen
Bedeutung, in den Kreis seiner Darstellung gezogen hat Darin liegt
die grosse Bedeutung dieses Werkes, dass es die ganze Summe der bio¬
logischen Wechselbeziehungen zwischen den niederen Organismen und
den von ihnen befallenen höheren Organismen nach der wissenschaftlich-
theoretischen sowohl als nach der praktischen Seite hin einheitlich erfasst
und zur Darstellung bringt und aus diesem Grunde wird auch der
Kliniker die grössten Vorteile daraus ziehen können. Die einzelnen
Kapitel zeichnen sich durchweg durch ansprechende Klarheit der Diktion
aus und viele sind durch gute Textabbildungen, manche auch durch
Tafeln illustriert Für den wissenschaftlich Arbeitenden wird dieses
Werk nicht allein durch die zusammen fassende Darstellung des ganzen
Wissensgebietes, sondern auch durch das jedem Abschnitte beigegebene
ausführliche Literaturverzeichnis ein unentbehrlicher Behelf werden. Die
Fülle des Gebotenen wird wohl dadurch illustriert, dass die bisher vor¬
liegenden 10 Lieferungen 864 pp. umfassen.
Ausserdem ist dem Werke ein mikrophotographischer Atlas bei¬
gegeben; sechs Lieferungen mit insgesamt 12 Tafeln sind bereits erschienen.
Der Atlas ist nach Originalaufnahmen von Prof. Zettno w-Berlin zusammen¬
gestellt und von einer kurzen Darlegung über die Herstellung mikrophoto¬
graphischer Präparate eingeleitet. Die einzelnen Photogramme sind wohl
als vollendet zu bezeichnen in der Reinheit und Schärfe, mit der die
einzelnen Mikroorganismen und Kolonien von solchen wiedergegeben sind,
und zeugen von einer seltenen Virtuosität in der Beherrschung der
mikrophotographischen Technik.
Die Ausstattung des Werkes ist eine vorzügliche.
J. Sorgo (Alland).
Die epiduralen Injektionen durch Punktion des Sacralkanals. Von
A. Strauss. Aus dem Französischen des F. Cathelin. Enke,
Stuttgart 1903.
Die Methode der epiduralen Injektionen durch Punktion des Sacral¬
kanals ist von der subarachnoidealen (Corning-Bier’s) vollständig verschie¬
den. Die analgesierende Flüssigkeit, gewöhnlich ein Gramm einer einproz.
Cocainlösung, wird in das fettige Zellgewebe des Sacralkanals injiziert,
wo sich die sacral-coccygealen Wurzeln, das Filum und Venen befinden,
die, wie experimentell nachgewiesen wurde, durch Osmose und Dialyse
des Anästheticum in den eigentlichen, geschlossenen Epiduralraum über¬
führen. Daneben besteht noch eine traumatische direkte Wirkung auf
die Nervenwurzeln. Bei der Injektion ist das Rückenmark vollständig
geschützt
Die epidurale Methode erzielt bei Ischias, Lumbago, Schmerzen in
den unteren Extremitäten, tabetischen Krisen, Bleikolik u. s. w. schöne
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Erfolge. Ausgezeichnete Resultate ergab ihre Anwendung bei Urin¬
inkontinenz, namentlich bei der Enuresis der Kinder und gewissen Formen
der Inkontinenz im Jünglingsalter. Ausserdem wirkt sie erfolgreich hei
verschiedenen Neurosen des Urogenitalapparates, Sperniatorrhoe und
Impotenz. In diesen Fällen wird eine Dosis von 5 — 20 Gramm einer
physiologischen Kochsalzlösung injiziert, die dank der grossen Toleranz
des epiduralen Raumes die Nervenwurzeln traumatisiert, ohne sie zu
schädigen. F. Hahn (Wien).
Sur la dur<5e de rallaiteinent exclusiv au sein. Von L. Duneme.
Thöse de Paris, G. Steinheil, 1902.
Hervorgegangen aus einem Pariser Ambulatorium des Dr. Bresset,
bezweckt die Arbeit den Nachweis zu fühlen, dass bei den Pariserinnen
der arbeitenden Klassen die Fähigkeit zum Stillen nicht abgenommen hat.
Neun Zehntel der Mütter vermögen ihre Kinder zu stillen, ein Drittel
wohl nur durch vier bis sechs Monate; daun empfiehlt Verf. die Kinder
nicht abzustillen, sondern durch Beikost die Nahrungszufuhr zu erhöhen.
Knöpfelmacher (Wien).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Schnürer, Jos., Ueber die Puerperal-
eklanipsie (Schluss), p. 369— 375.
li o f m a n n , K. R. v., Gonorrhoische
Allgemeininfcktion und Metastasen etc.
(Fortsetzung und Schluss), p. 375 393.
II. Referate.
Haut.
Jansson, C, En streptokokkepidcmi med
crythema nodosum och träflegmone
(Phlegmone ligneux du cou, Holz-
phlegmonc), p. 394.
Gilbert 11. L c r e b o u 11 e t, Los melano-
demiics d’origine biliaire, p. 394.
Dufour, Erytheme circine avec tcndance
progressive recidivant in situ aux epo- |
ques menstruelles chcz unc nevropathe,
P- 395 -
Klemm, Ueber das Verhältnis des Ery¬
sipels zu den Streptomykosen, sowie
über die Epidemiologie desselben, p. 395.
AVwedenski, J. W., Ein Eall von Ery¬
thema papulatum uraemicum, p. 396.
III. BUcherbesprechungen.
Ivolle, W. u. Wassermann, A., Hand¬
buch der pathogenen Mikroorganismen
nebst mikrophotographischem Atlas, p‘
396.
Cathel in, F., Die epiduralen Injektionen
durch Punktion des Sacralkanals, p. 399.
Dunbne, L., Sur la dur£e de 1’allaite-
ment exclusiv au sein, p. 400.
I m Einsendung von Monographien nnd Büchern an den Redakteur Professor
I)r. HERMANN SCHIiESlNGER. Wien. I. Ebendorferstrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Ad ressen zusatz „Für die Redaktion des
Centralblatte* ffir die Grenzgebiete“ versehen zn wollen.
Druck von Ant. Kämpf«* in Jona.
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Ghirurgie.
Heraus gegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 13. Juni 1903.
Nr. 11.
Daa Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Ueber die nach Verletzungen zurückblei¬
benden Veränderungen des Gefässapparates.
Zusammenfassende Uebersicht von Dr. Hans Herz (Breslau).
Die unmittelbaren Folgen der Verletzung von Herz und Ge-
fässen, auch die gewaltigen Veränderungen, welche der allgemeine
Kreislauf nach schweren Traumen zeigt, gehören in das Beobachtungs¬
gebiet des Chirurgen, mögen auch die beobachteten Symptome für
den Internisten noch so interessant sein, mag auch seine Hilfe bei
den Verletzungen tiefliegender Gefässe gelegentlich zum Zweck der
Diagnose nachgesucht werden.
Bleiben aber nach Verletzungen Störungen am Gefässapparat
noch später zurück, so kommen dieselben sehr häufig auch dem
inneren Arzt zu Gesicht. Die Literatur über dieses Grenzgebiet
wie über alle traumatischen Erkrankungen ist in den letzten Zeiten
sehr angeschwollen. Ich habe nur Arbeiten, die seit 1896 erschienen
sind, angeführt; mit diesem Jahre war durch die Arbeiten von
Brentano, Bernstein, Stern u. a. ein vorläufiger Abschluss ge-
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. ci. Cbir. VI. 20
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Wonnen; bei diesen Autoren findet sich auch die ältere Literatur
zusammengestellt.
Wir besprechen zunächst die Verletzungen des Herzens und
seiner Umgebung, dann die Verletzungen des peripheren Gefäss-
apparates, schliesslich die Kreislaufsstörungen, welche die Folge
einer traumatischen Beeinträchtigung des Nervensystems in seinen
verschiedenen Abteilungen darstellen.
A. Verletzungen des Herzens und seiner Umgebung.
Literatur.
1) Albu, A., Ueber die Beeinflussung chronischer Herz- und Nierenleiden
durch Unfallereignisse, mit besonderer Berücksichtigung der idiopathischen Herzver*
grösserungcn und der akuten Herzdilatation. Archiv f. Unfallheilkunde, Bd. II.
2) Ders., Deutsche med. Wochenschr. 1897, Nr. 7, Vereinsbeil.
3) v. Baracz, Ein Fall von penetrierender Stichwunde der Herzgegend.
Wiener klin. Wochenschr. 1899, 12, 47.
4) Bardenheuer, Münchener med. Wochenschr. 1899, Nr. 40, p. 1312.
5) Becker, Lehrbuch der ärztlichen Sachverständigenthätigkeit, 3. Aufl.,
Berlin 1899.
6) Beckert, Stichverletzung des Herzens. Med. Ges. in Leipzig, Sitzung v.
30. April 1901. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
7) Bergmann, Ein Fall von subcutaner traumatischer Ruptur des Herzens
und Herzbeutels. Monatsschr. f. Unfallheilk. 1901, Nr. 1.
8) Bernstein, Ueber die durch Kontusion und Erschütterungen entstehenden
Krankheiten des Herzens. Zeitschr. f. klin. Med. 1896. Bd. XXIX, p. 519.
9) Bode, Versuche über Herz Verletzungen. Beitr. zur klin. Chir. 1897, Bd.
XIX, 1, p. 167.
10) Bourquin u. de Quervain, Beitrag zur Kenntnis der Herzklappen-
vcrletzungen durch plötzliche Ueberanstrengung. Monatsschr. f. Unfallheilk. 1902, Nr. 5.
11) Brentano, Zur Kasuistik der Herzverletzungen. Diss., Berlin 1890.
12) Brock, Penetrating wound of the pericardium and left ventricle, suturc,
recovery. Lancet 1897, 31. July.
13) Cappelen, Vulnus cordis, Herznaht. Norsk Magazin 1896, März. Ref.
in Berliner klin. Wochenschr. 1896.
14) Castiaux et Laugier, Annales d*hygi£ne 1900, Sept.
15) Ceston, L'intervention chirurgicale dans les traumatismes du coeur et du
pericarde. Gaz. hebd. 1898, Nr. 17.
16) Debove, Insuffisance aortique par rupture valvulaire etc. Journ. des Pra-
ticiens 1898, Nr. 21.
17) Dufour, Des insufficiences aortiques d’origine traumatique. These de
Paris 1897.
18) Dums, Herzstörungen nach Kontusionen der Brust wand. Monatsschr. f.
Unfallheilk. 1896.
19) Eichel, Die Schussverletzungen des Herzbeutels. Archiv f. klin. Chir.
1899, Bd. LIX, p. I.
20) Ders., Vorstellung eines Falles von Schussverletzung des Herzbeutels.
Unterelsässischer Aerzteverein in Strassburg, Sitzung vom 24. Juni 1899. Ref. in
Deutsche med. Wochenschr.
21) Eisberg, C. A., Ueber Herzwunden und Herznaht. Centralbl. f. Chir.
1898, Bd. XXV, H. 43.
22) Ercklentz, W., Beiträge zur Frage der traumatischen Herzerkrankungen.
Zeitschr. f. klin. Med. 1902, Bd. XLIV.
23) Pari na, Ref. in Centralbl. f. Chir. 1896, Nr. 51, p. 1224.
24) Fischer, B., Fremdkörper in der Herzwand und Caries der Wirbelsäule
bei einem 13jährigen Knaben. Deutsche med. Wochenschr. 1902, Nr. 35.
25) Fischer, Th., Monatsschr. f. Unfallheilk. 1898, Nr. 5.
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26) Fonck und Praum, Tötliche Stichwunde des Herzens bei makroskopisch
blutfrei gebliebener Waffe. Deutsche med. Wochenschr. 1901, Nr. 23.
27) Le Fort, R. f Une aiguille dans le coeur; extraction, gu6rison; les faits
recents de Chirurgie (sutures) du coeur. Echo m£d. du Nord 1900, Bd. IV, H. 43,
p. 495, 28. Okt.
28) Fraenkel, A., Diskussion im Verein für innere Medizin in Berlin, Sitzung
vom 21. Juni 1897. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
29) Ders., Verein für innere Medizin, Sitzung vom 19. Nov. 1900, Diskussion.
Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
30) Fürbringer, Amtliche Nachrichten des R. V. A. 1897, p. 521. Citiert
nach Ercklentz.
31) Ders., Diskussion im Verein für innere Medizin zu Berlin, Sitzung vom
21. Jom 1897. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
32) Ders., Verein für innere Medizin, Sitzung vom 19. Nov. 1900, Diskussion.
Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
33) Giordano, Di un nnovo metodo di apertura del mediastino anteriore.
Ref. in Centralbl. f. Chir. 1899, Nr. 18.
34) Ders., Suture d'une plaie de Foreillette gauche. Riforma medica 1898,
9 et 10 sept. Ref. in Setnaine m£dicale 1898, Nr. 50.
35) Guder, P., Aortenklappeninsulficienz nach einer schweren Körpererschütte-
mng. Aerztl. Sachverständigenztg. 1897.
36) Guido ne, P., Un nuovo processo per inaprire i ventricoii del cuore.
Gazz. intern, di med. prat 1900, Nr. 7, April.
37) Hanna, Transfixion of the left ventricle of the heart by a sharp wire etc.
Occid. med. Times 1896, July. Ref. in Centralbl. f. innere Med. 1897, p. 12.
38) Happel, Ueber eine Schusswunde des Herzens mit Einheilung des Pro¬
jektils. Diss., Marburg 1897.
39) Harbitz, F., Om endocardit, dens pathologiske anatomi og oetiologie.
Norsk magazin for Laegevidensk 1897, Suppl. (Ref.)
40) Heimann, Ueber einen Fall von Endocarditis traumatica. Inaug.-Diss.,
Berlin 1896.
41) Herz, H., Ueber die aktive Dilatation des Herzens. Deutsche med.
Wochenschr. 1900, Nr. 8 u. 9.
42) v. Hordynski, Stichwunde in der Herzgegend, Der Militärarzt, Wien
1901. Nr. 23 u. 24. Ref. in Monatsschr. f. Unfallheilk. 1902.
43) Horodynski und Maliszewsky, O ranach serca. Medycyna 1899,
Nr. 21 u. 22. (Drei Fälle.) Ref. in Centralbl. f. Chir. 1900.
44) Jessen, Ein Fall von traumatischer Pericarditis. Monatsschr. f. Unfall¬
heilkunde 1898, p. 241.
45 ) Joch mann, G., Zur Kasuistik traumatischer Herz- und Gefässaffektionen.
Monatsschr. f. Unfallheilk. 1902.
46) Justi, Ein Fall von schwerer Herzverletzung ohne Verletzung des Heiz-
beutels. Deutsche med. Wochenschr. 1900, Nr. 50.
47) Kader, Der gegenwärtige Stand der Herzchirurgie. Schlesische Gesellschaft
für vaterländische Kultur in Breslau, Sitzung vom 28. April 1899.
48) Kantorowitz, Ueber Herzkrankheiten infolge von Trauma. Inaug.-Diss.,
Berlin 1897.
49) Käst, A., Amtliche Nachrichten des R. V. A. 1897, p. 385. Citiert
nach Ercklentz.
50) Kaufmann, C., Handbuch der Unfallverletzungen, Stuttgart 1897.
51) Kernen, J., Ueber die Schussverletzungen des Herzbeutels. Dissertation,
Bonn 1897.
51a) Kienböck, Gesellsch. f. innere Med. in Wien, Sitzung vom 6. Nov.
1902. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
52) König, F., Ueber gleichzeitige Schussverletzung von Brust- und Bauch¬
höhle. Berliner klin. Wochenschr. 1900, Nr. 2—5.
53) Körte, Deutsche Gesellschaft für Chirurgie 1897, Diskussion.
54) Krehl, L., Die Erkrankungen des Herzmuskels und die nervösen Herz¬
krankheiten. W ien 1901.
55) Lauenstein, K., Zum Kapitel der Friedensschuss Verletzungen. Jahrbuch
der Hamburgischen Staatskrankenanstalten 1889, p. 444.
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56) Ders., Verhandlungen der Deutsch. Gesellschaft f. Chirurgie 1897, Disk.
57) Lennhoff, Demonstration in der Berliner med. Gesellsch., 23. Nov. 1898
und 18. Jan. 1899. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
58) Lentz, Gutachten über einen Fall von traumatischer Myocarditis und ad¬
häsiver Pericarditis. Monatsschr. f. Unfallheilk. 1899.
59) v. Leyden, Verein für innere Medizin, Sitzung vom 19. Nov. 1900, Dis¬
kussion. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
60) Ders., Diskussion im Verein für innere Medizin in Berlin, Sitzung vom
21. Juni 1897. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
61) Litten, Ueber Endocarditis traumatica. Verein für innere Medizin,
Sitzung vom 31. Mai und 21. Juni 1897. Ref. in Berliner klin. Wochenschr., D.
med. Wochenschr. u. Münchener med. Wochenschr.
62) Ders., Ueber traumatische Endocarditis. Aerztliche Sachveiständigenztg.
1900, Nr. 24.
63) Loison, Des blcssures du päricarde et du coeur. Revue de Chirurgie 1899.
(Schluss der Literatur folgt.)
Es muss vorweggenommen werden, dass zwar ein grosses
literarisches Material über angebliche Folgezustände vorliegt, dass
aber die wissenschaftliche Beurteilung, ob eine Erkrankungsforra
des Herzens Folge eines Traumas sein kann, und noch mehr, ob im
Einzelfalle ein beobachteter Symptomenkomplex ätiologisch mit einer
Verletzung zusammenhängt, noch immer sehr schwierig ist. Als
Begutachter von Rentenansprüchen Verletzter muss man ja im all¬
gemeinen einen etwas laxen Standpunkt einnehmen. Wenn nur eine
gewisse Möglichkeit des Zusammenhanges vorliegt, sei es, dass ähn¬
liche Fälle schon in der Literatur mitgeteilt sind, sei es, dass man
uur theoretisch ein Ursächlichkeitsverhältnis in plausibler Weise
konstruieren kann, so wird man die Rentenansprüche unterstützen
müssen. Selbst gute Autoren sind der Gefahr nicht entgangen,
diese praktisch unumgänglichen Annahmen für gesicherte Thatsachen
zu halten.
In einem gewissen Gegensatz zu den zahlreichen Erkrankungen,
welche nach Kontusionen der Herzgegend beschrieben sind (s. u.),
steht es, dass nach den Verletzungen, welche mit Hautwunden
verbunden sind und daher meist die Diagnose der wirklich stattge¬
habten Läsion des Herzens sicher gestatten, Störungen der Herzthä-
tigkeit nicht gerade allzuhäufig Zurückbleiben. Und doch ist die Zahl
dieser Herzwunden, die ohne oder mit Operation zur Heilung ge¬
langten, nicht mehr gauz unbeträchtlich.
Es kommen hier besonders die Stich- und Schnittwunden, so¬
wie die Schusswunden des Herzens in Betracht. Grosse Zertrüm¬
merungen, bei denen Teile des Herzens blossgelegt werden, führen
wohl meist bald zum Tode.
Unter den Stichwunden nehmen, wie auch Brentano mit
Recht hervorhebt, die nicht seltenen Verletzungen des Herzens
mittelst Nadeln eine besondere Stellung ein. Gerade sie heilen
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öfter und gewöhnlich, ohne dass von zurückbleibenden Störungen
etwas zu vermelden wäre [Fälle von Foot, v. Hahn, Callender,
le Fort, Turner, Walcker*)]. Selbst wenn die Nadeln im Herzen
bleiben, erfolgt meist keine Störung, so in den Beobachtungen von
Foy, Stelzner u. a. Ist doch eine Reihe von Fällen bekannt
(Biffi, Huppert), wo sich ganz zufällig Nadeln bei der Sektion
im Herzen fanden, die Bchon längere Zeit gelegen haben müssen,
ohne dass man intra vitam davon etwas bemerkt hätte.
Merkwürdig ist eine Beobachtung von B. Fischer. Bei der Sek¬
tion eines an Caries der Wirbelsäule verstorbenen Kranken fand mnn
den Herzbeutel zum grössten Teile mit dem Herzen verwachsen und in
der Wand des rechten Ventrikels eine 3 cm lange, ziemlich starke, an
einem Ende spitze Nadel. Dieselbe war durch fibröses Gewebe fest
fixiert und muss schon ziemlich lange im Herzen gesessen haben. Da
gegen Eindringen auf dem Blutwege die ausgedehnte Pericarditis, gegen
Eindringen von aussen das Fehlen einer Hautnarbe sprach, so nahm
Fischer das Eindringen von der Speiseröhre her an.
In diesem Falle bestanden auch klinische Symptome: Der Puls
war sehr frequent (170 Schläge bei 37,5°) und unregelmässig.
Fischer bezieht diesen Zustand auf den Fremdkörper im Herzen,
da so hohe Pulszahlen bei einfacher Herzbeutelverwachsung nicht
bekannt und auch durch das übrige Leiden nicht erklärbar erschienen.
Fischer beruft sich dabei auf die älteren Angaben über gleiches
Verhalten bei G. Fischer.
Gleichwohl ist das Verbleiben der Nadeln im Herzen nicht
ungefährlich. Brentano sammelte 13 Nadelverletzungen, von denen
drei nach einiger Zeit tödlich verliefen. Es fand sich bei ihnen die
Nadel mit einem Ende in der Brustwand fixiert, mit dem anderen
ragte sie frei in die Pericardialhöhle; bei jeder Kontraktion wurde
das Herz gegen die Spitze getrieben und so allmählich zerfleischt.
Es kommt also nach diesem Autor weniger darauf an, die Nadeln
zu entfernen, als sie an jener schädlichen Beeinflussung zu hindern.
Ausser der Zerreissung des Myocards mit tödlichen Blutungen
bestehen noch andere Gefahren, z. B. Aneurysmabildung an der
Stelle der Verletzung (v. Oppel).
Wie man sich bei Nadelverletzung in den ersten Stunden oder
Tagen verhalten soll, scheint noch nicht entschieden, obwohl ja die
Erfolge der Herzchirurgie im ganzen recht ermutigend wirken werden.
*) Zu kurz war die Beobachtung in einem Falle von Hanna: Ein zum Tode
verurteilter Verbrecher stiess sich in den linken Ventrikel einen Eisendraht; derselbe
wurde entfernt, und es bestanden keine ernsteren Erscheinungen ausser massigen
Schmerzen und leichter Atemnot. 29*/* Stunden nach der Verletzung erfolgte die
Hinrichtung.
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Den Spätfällen gegenüber, mit «lenen wir es zu thun haben, erscheint
jedenfalls bei gutem Befinden exspektatives Verhalten nicht immer
unrichtig. Die Nadel ist jetzt eingebettet in ein Granulationsgewebe,
das v. Oppel als „myogen“ bezeichnet; die Umgebung des Stich¬
kanals hat daher nach ihm an Kontraktionsfähigkeit verloren, es
blutet stärker bei der Operation, und die Röhrenwunde hat wenig
gute Heilungschancen. — Ein Wandern der Nadel, das manche an¬
nehmen, ist nach v. Oppel nicht zu befürchten.
Was die übrigen Schnitt- und Stichverletzungen betrifft, so ist
ihre Prognose natürlich viel schlechter, wenn auch nicht völlig
ungünstig.
Heilungen ohne operative Massnahmen scheinen im ganzen
selten zu sein. Brentano fand unter 10 von ihm gesammelten
Fällen keinen mit günstigem Ausgang.
In neuerer Zeit sind zwei ohne Operation geheilte Fälle be¬
schrieben, bei v. Baracz (Hiebwunde im Duell) und v. Hordynski
(Stichwunde). Die Heilung war eine vollständige, doch war nur
die Verletzung des Herzbeutels sicher festgestellt; es fehlen ja über¬
haupt sichere Symptome, ob und wie weit der Herzmuskel beteiligt ist
Dass Heilung auch von Herzstichwunden möglich ist, beweist
der Turner’sche Fall, der aber auch 4 1 /* Monate nach erlittener
Verletzung — ein breites Messer war quer über der 5. Rippe rechts
vom Sternum cingedrungen — plötzlich an Apoplexie zu Grunde
ging. Die Herzwunde, quer im Kammerseptum sitzend, fand sich
vernarbt; selbst die Durchtrennung von Vena und Arteria coronaria
hatte zwar starkes Hämopericard, aber nicht den Tod herbeigeführt
Aehnlich ging es im Fall von Spencer und Tippett: der
Patient durch den rechten Ventrikel gestochen, erlag nach 80 Tagen
einer anderen Erkrankung; die 5 mm lange Herzwunde war geheilt
Hierher gehören schliesslich auch die Verletzungen des Herzens
bei Paracentese des Herzbeutels. Kümmel (nach Eisberg) sah
Adhäsionen zwischen Herz und parietalem Pericard 2 cm oberhalb
der Stelle, an der er punktiert hatte. Es ist eine Reihe derartiger
Fälle bekannt.
Von Nachkrankheiten nach diesen Stichverletzungen verlautet
nichts. Nur in der älteren Literatur finde ich zwei Fälle, in welchen
die Kranken herzleidend blieben und nach 10 resp. 19 3 / 4 Jahren
zu Grunde gingen. Der erste von Mühlig ist besonders wegen der
Entwicklung eines partiellen Herzaneurysmas, sowie der Durch¬
bohrung des Kammerseptums wichtig und viel citiert, im zweiten
von Brugnoli bestand wahrscheinlich Mitralinsufficienz.
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1. Fall Mühlig. Patient, ein Maurer in Neapel, hatte 10 Jahre
vor seinem Tode einen Messerstich links vom Sternum erhalten, wovon
die Narbe noch sichtbar blieb. Zuerst Lebensgefahr, dann Besserung;
Patient hatte wieder gearbeitet. Nur bemerkte er seitdem am Herzen
ein blasendes Geräusch, das ihn indes nicht weiter beunruhigte. Einige
Wochen vor dem Tode heftige Atemnot, Husten, beginnendes Anasarka.
Das Blasen am Herzen war starker geworden, verdeckte beide Töne.
Scrotum und Beine sehr ödematös, nach Skarifikationen rasch zunehmende
Gangrän, Erschöpfung, Tod.
Sektion: Unter der Insertion des vierten Rippenknorpels am Sternum
links eine lineäre Narbe von 1 / t /' Länge. Linke Lunge überall mit
Brustwand und Pericardium durch alte Adhäsionen zusammenhängend.
Pericard mit dem Herzen überall eng verwachsen. Herz zweimannsfaust¬
gross, die Hypertrophie betraf besonders den linken Ventrikel. Innen
im rechten Ventrikel war eine runde, mit Narbengewebe ausgekleidete
Oeffnung, welche die Spitze des kleinen Fingers aufnahm, durch die man
in einen circa nussgrossen Sack gelangte. Beim Oeffnen des Sackes
ergab sich ein partielles Aneurysma des Herzens, dessen Wand aus¬
schliesslich von den beiden zu einer Membran verschmolzenen Blättern
des Herzbeutels gebildet wurde. Das Aneurysma sass an der Verbindung
der beiden oberen Drittel des rechten Ventrikels mit dem unteren Drittel;
ihm gegenüber im Septum ventric. ein Loch, das kaum die Spitze des
kleinen Fingers aufnahm, durch welches man in den linken Ventrikel
kam. Die Semilunarklappen der Aorta zeigten eine blumenkohlartige
Wucherung.
2. Fall von Brugnoli (citiert nach Stern). Ein Schuhmacher in
Bologna erhielt im August 1835 einen Messerstich in die linke Brust¬
seite, der, wie später die Sektion zeigte, durch die vordere Wand des
rechten Ventrikels eingedrungen, die Scheidewand, die Mitralklappe und
das Endocard des linken Ventrikels durchbohrt hatte und noch tief in
die hintere Wand des linken Ventrikels eingedrungen war. Der Mann
starb erst nach 19 3 / 4 Jahren unter den Zeichen eines schweren Herz¬
fehlers (Herzhypertrophie, systolisches Geräusch; Mitralinsufficienz?).
Gerade Stich Verletzungen haben in neuerer Zeit relativ günstige
Operationsresulate ergeben, sei es, dass nur der Herzbeutel eröffnet,
ausgeraumt, drainiert, genäht wurde, sei es, dass man dem Herzen
selbst zu Leibe ging.
Am günstigsten liegen natürlich die ersteren Fälle. Im Falle
von Reimann (wo die Pericardialwunde noch durch eine Zwerchfell¬
wunde kombiniert war) trat naeh Pericardialnaht völlige Heilung
ein. Im Fall v. Walcker (Fall 3), wo man bei der Operation ent¬
sprechend der pericardialen Wunde eine grubige Einsenkung am
Herzmuskel konstatierte, blieb die Pulsfrequenz beschleunigt, sonst
erfolgte Heilung. Auch im Fall Williams, wo das Herz so mini¬
mal verletzt war, dass keine Naht an ihm angelegt zu werden
brauchte, ist nach Naht des Herzbeutels völlige Heilung verzeichnet.
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Nachkrankheiten zeigte ein Fall von Neumann, in dem durch
einen Messerstich der Herzbeutel breit eröffnet war — der Autor
nimmt ohne zwingenden Grund an, dass auch der Herzmuskel irgendwo
verletzt war, obgleich er ihn bei der Palpation intakt fand — und
in dem nach Entleerung und Tamponade Heilung eintrat Patient
konnte seiner oft schweren Arbeit ungeachtet einer Reihe von (vor¬
her nioht vorhandenen) Beschwerden nachgehen, die erst nach Jahren
verschwanden. Es bestanden uach längerer Arbeit, besonders nach
Heben schwerer Lasten oder nach Bucken oder auch nach stärkerem
Alkoholgenuss leichte Beklemmungen und Schmerzen in der linken
Brustseite und im Kreuz. Am Herzen fand sich eine gewisse Ver¬
breiterung der Herzdämpfung; Herztöne etwas dumpf, aber rein.
Neu mann vermutet Verwachsung der Pericardialblätter unter sich
und mit der Brustnarbe, obgleich objektive Zeichen dafür nicht vor¬
handen waren. Ob zwei Jahre nach der Verletzung anftretende
epileptiforme Anfälle mit der Verletzung Zusammenhängen, erscheint
jedenfalls zweifelhaft; nach Neu mann kann die Brustnarbe die
Rolle einer hysteroepileptischen Zone gespielt haben.
Besonderes Interesse erregt haben die Heilungen durch Naht
des Herzmuskels selbst, die meist Stichwunden betrafen. Es sind
die Fälle von Rehn, Pagenstecher, Watten; relativ reichlich
aber sind die Berichte aus dem messerfreudigen Italien: Ramoni
berichtet 1898 schon von 11 Operationen mit vier Heilungen. Inter¬
essant ist nun, dass in keinem der Fälle etwas über nachträgliche
Störungen berichtet ist, immer ist von völliger Heilung und Arbeits¬
fähigkeit die Rede. Nur im Rehn’schen Falle ist grosse Erregbar¬
keit des Herzens zurückgeblieben; doch war der Mann acht Tage
vor der Verletzung wegen Herzbeschwerden, bestehend in unregel¬
mässiger, sehr erregter Herzaktion, vom Militär entlassen worden.
Ein während des Heilungsverlaufes an der Pulmonalis hörbares
Geräusch verschwand wieder; Rehn glaubt nicht an erheblichere
Verwachsungen. Er konnte noch nach zwei Jahren das Wohlbe¬
finden konstatieren. — Ob in der Freude des operativ gewonnenen
Resultats manche kleinere zurückbleibende Störung nicht als un¬
wesentlich übersehen wurde?
Jedenfalls ist durch diese Fälle bewiesen, dass das Herz sowohl
die recht erheblich eingreifende Manipulation bei der Operation,
als auch die zurückbleibenden Narben gut verträgt Bei den wenigen
spontan geheilten Fällen stellt einerseits die mangelnde Widerstands¬
fähigkeit der bindegewebigen Narben, durch die es noch spät zum
Platzen oder zu Aneurysmabildung am Herzen kommen kann, eine
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dauernde Gefahr dar, andererseits ist die mehr oder weniger ver¬
breitete pericardiale Verwachsung ein Grund zu Beschwerden und
Funktionsstörungen. Schon Kehn hat die Hoffnung ausgesprochen,
dass in den operierten Fällen die Schädigungen geringer sein werden.
Auch Kader empfiehlt die chirurgische Behandlung angelegentlich.
Auch eine Verdünnung einer Kranzarterie kann nach Stichverletzung
Zurückbleiben. So in einem Falle von Beckert: Der Verletzte war
binnen wenigen Tagen wieder arbeitsfähig, starb aber nach 14 Tagen
plötzlich beim Stuhlgang. Es fand sich Hämopericardium und eine ganz kleine
Oeffnung in einem Ast der rechten Kranzarterie, die erst bei der Druck¬
steigerung an dem verdünnten Gefäss entstanden sein konnte. — Ge¬
legentlich hat man bei Sektionen durch Narben geschlossene Verletzungen
der Coronaria nicht weit über der Herzspitze gefunden (Pagenstecher),
so dass auch hier Heilung möglich erscheint
Grösser als unter den letztbesprochenen Verwundungen ist
die Zahl der Spontanheilungen bei den Schussverletzungen.
Mit den Schussverletzungen des Herzbeutels (ohne Wunde des
Herzens selbst) beschäftigt sich Eichel. Unter den 27 Fällen, die
er anführt, finden sich zwar keine erheblichen Nachkrankheiten er¬
wähnt, gewöhnlich ist von „völliger Heilung* die Rede (unter den
vier operierten Fällen dreimal: Fälle von Kernen, Körte und
Seydel); einige Male aber sind doch auffällige Befunde notiert
Von den Verdrängungserscheinungen am Herzen, welche die
Folge pleuritischer Veränderungen sind (z. B. Fall 7 der Gruppe I
von Eichel) sehen wir hier ab. Selten handelt es sich um abnorme
Sensationen. Aus der älteren Literatur (1864) wird berichtet,
dass ein Kranker sich nach Heilung seiner Schusswunde ganz wohl
fühlte; nur wenn er sich auf die rechte Seite legte, „fühle er die
Kugel sich bewegen und aufs Herz drücken*. Bei der Sektion,
52 Jahre nach der Verletzung, fand sich eine Pericarditis mit teil¬
weisen Verwachsungen, die Kugel lag im Pericard eingekapselt
zwischen den Mündungsstellen beider Hohlvenen. Im übrigen wird
über Anomalien der Herztöne und der Dämpfungsgrenzen berichtet
In zwei Fällen war der erste Ton gespalten: im Fall von Anders nur
im Stehen (im Liegen nicht), in einem Fall von Lauenstein auch
nur zuweilen, bei mehrmaligem Heben der Arme schwand die Er¬
scheinung. Ich glaube nicht, dass das von nennenswerter Bedeutung
ist Wichtiger ist vielleicht schon, dass im zweiten Fall von Lauen¬
stein der zweite Ton überall etwas accentuiert war, zumal hier
auch ausgedehnter Herzstoss, Vergrösserung der Herzdämpfung und
auffällige Fortleitung der Herztöne verzeichnet ist Besonders inter-
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essant aber ist der Befund in dem EichePschen Falle, der nach
Erweiterung des Herzbeutels und Tamponade heilte.
Bei der Entlassung begann die Herzdämpfung am rechten Brust¬
heinrand und reichte nach links fingerbreit über die Brustwarzenlinie.
Die obere Grenze stand am unteren Rande der 3. Rippe. Im ganzen
Bereich der Herzdämpfung fühlte man den Spitzenstoss sehr deutlich.
Etwas ausserhalb von der Brustwarzenlinie im 5. und 6. Intereostalraum
sah man deutliche systolische Einziehung. In der Mitte der Herz-
lämpfung bestand ein systolisches Geräusch. Puls mittelvoll, 100 Schläge.
Augenscheinlich waren pericardiale Verwachsungen da. Das
Geräusch trat erst in der vierten Woche, als die Pericardialwunde
fast geheilt war, auf. Eichel macht aufmerksam, dass solche Ge¬
räusche bei Schüssen der Herzgegend sonst als Zeichen der Mitver¬
letzung des Herzens gedeutet wurden, ja einige Autoren wollten
auf eine Mitverletzung des Klappenapparates daraus schliessen;
Eichel glaubt aber nach dem Befund bei der Operation, dass das
Herz sicher intakt war.
Ungünstiger sind natürlich die Schusswunden des Herzens
selbst. Immerhin konnte Happel (1897) bei einer Zusammenstellung
von 46 Fällen acht Heilungen (drei unter den 16 nicht penetrieren¬
den, fünf unter den 30 penetrierenden Herzwunden) anführen. In
einigen der acht Fälle ist der Bericht über das Befinden nachher
recht ungenügend, als Nachkrankheiten finde ich angegeben:
1. Fall Fournier: Klagen über heftiges Herzklopfen in den
nächsten drei Jahren nach der Operation.
2. Fall Balch. Hier traten Herzbeschwerden angeblich erst fünf
Jahre nach der Verletzung ein, nachdem Patient eine Lungenentzündung
überstanden hatte. Erst 15 Jahre nachher starb der Kranke an einer
neuen Pneumonie; das Pericard fand sich besonders rechts stark adhä-
rent, das Herz um das Doppelte vergrössert, die eingekapselte Kugel
steckte in der Wand des rechten Ventrikels.
3. Fall Connor. Der 15jährige Knabe erhielt einen Pistolen¬
schuss in die Herzgegend. Nachdem die starke Blutung zum Stehen
gekommen war, entwickelte sich eine schwere Pleuropneumonie, vom
fünften Tage an Pericarditis und Endocarditis. Doch kam Heilung mit
einem Klappenfehler zu stände, zugleich bestanden hochgradige Anämie
und Muskelschwäche. Tod nach zwei Jahren unter Schwächeerscheinungen.
Bei der Sektion fand sich der Herzbeutel völlig obliteriert, das Herz
vergrössert. Die Kugel scheint das Herz durchsetzt zu haben — sie
ging durch den rechten Ventrikel hinein, von hier in den linken Ven¬
trikel und trat durch den rechten Vorhof aus — und lag an der
Wurzel des unteren Lappens der rechten Lunge.
Während man in diesen und in vier anderen Fällen, wo keine
Störungen intra vitam beobachtet oder wenigstens beschrieben wurden,
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die Kugel bei den Sektionen fand, ist im letzten Fall (von Kar¬
linski) interessant, wie, trotz völliger Durchbohrung durch die
Kugel, Patient sich guter Gesundheit erfreute.
Es fand sich bei der Sektion (nach 11 Jahren) die linke Lunge
an einer handtellergrossen Stelle mit der Thoraxwand verwachsen, ebenso
mit dem Herzbeutel. Dieser zeigte eine circa vierkreuzerstückgrosse, mit
dem Herzmuskel verwachsene Narbe. Die Narbe am Herzmuskel läuft
nach oben und rückwärts. Die hintere Wand des Pericards weist eben¬
falls eine sternförmige Narbe auf, von wo ein Bindegewebsstrang nach dem
4. Intercostalraum und einer thalergrossen Hautnarbe am Rücken führt.
Von den nicht bei Happel beschriebenen Fällen ist für uns
jener von Podres interessant. Er operierte ein junges Mädchen
mit einer Schussverletzung an der Verbindung von Brustbein und
5. Rippe links am fünften Tage. Er sah am rechten Ventrikel
eine schon verklebte longitudinale Wunde; die Kugel aber fand er
nicht; eine spätere Röntgenaufnahme zeigte, dass sie in der Gegend
der unteren Hälfte des rechten Ventrikels sass, mit welchem sie sich
gleichmässig bewegte, also entweder im Ventrikel oder in dessen
hinterer Wand. Podres legte keine Naht mehr am Herzen an.
Im Verlauf kam es zu Oedemen infolge Herzschwäche. Noch nach
reichlich drei Monaten ging die Herzdämpfung bis fingerbreit nach
aussen von der Mammillarlinie. Angeblich Puls normal, Herztöne
rein, Befinden gut.
In einem (exspektativ behandelten) Falle von F. König blieb
„eine leichte Erregbarkeit zurück, die sich auch durch Unregel¬
mässigkeit am Puls bemerkbar macht“. Auch in dem Fall von
Riethus, wo man die eingeheilte Kugel ganz oder teilweise frei in
der Herzhöhle mittelst Röntgenstrahlen sah, bestand zeitweise erheb¬
liche Irregularität, die sich aber allmählich fast ganz ausglich.
Kienböck beobachtete nach Einheilen einer Kugel in der Herz¬
wand die Erscheinungen der Mitralinsufficienz, doch war der Zu¬
sammenhang der letzteren mit dem Trauma (etwa durch Verletzung
der Klappen oder des Klappenringes) nicht sicher erwiesen.
In einer Reihe von anderen Beobachtungen (Fall 2 von F.
König, Sen dl er) ist völlige Heilung verzeichnet. Natürlich ist es
besonders bei diesen exspektativ behandelten Fällen nicht immer
sicher, dass auch das Herz, nicht nur der Herzbeutel betroffen war.
Synechie der Pericardialblätter in mehr oder weniger grosser
Ausdehnung scheint nach Schüssen des Herzens und Herzbeutels
noch viel öfter zurückzubleiben, als aus der obigen Kasuistik her¬
vorgeht. Der Zustand wird, da er bekanntlich ganz oder fast ganz
symptomlos verlaufen kann, leicht übersehen. Rege Gefässentwick-
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Qrigiralfrcm
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lung findet sich jedenfalls auch an den dem Schuss fernliegenden
Stellen, wie u. a. F. König hervorhebt. Ob, wie er hofft, die
Adhäsiventzündung durch Eröffnung und Ausräumung des Herzbeutels
geringer ausfailen würde, bleibt abzuwarten. C. Stern empfiehlt,
jedenfalls nicht ganz mit Unrecht, bei den an sich günstigeren
Schuss Verletzungen exspektatives Verhalten, wegen der Nebcnver-
letzungen und der Unmöglichkeit, das ganze Herz zugänglich zu
machen, während bei Stichverletzung die Operation zu empfehlen sei.
(Fortsetzung folgt.)
Enuresis nocturna.
Zusammen fassende Uebereicht von Dr. Jan Landau,
Kinderarzt und Vorstand der Kinderabteilung des isr. Spitals in Krakau.
Literatur.
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2) Adams, Urininkontinenz bei Kindern. The amer. Journ. of obstetr. and
diseases of women and children, Vol. XVII, Nr. 78.
3) Baginsky, Lehrbuch der Kinderkrankheiten.
4) Barbour, Die Heilung der Enuresis. The therapcutic Gaz. 1901, Nr. 9.
5) Barcley, Medical Times and Gazette 1870, Vol. II, Nr. 1068.
6) Bend ix, Lehrbuch der Kinderheilkunde, Wien 1899.
7) Benuch, Archives 1889, April.
8) Berenguier, Referat im Journ. f. Kinderkrankh., Bd. V, p. 382.
9) Bieder t-Vogel, Lehrbuch der Kinderkrankh. 1894.
10) Bierbaum, Referat im Journ. f. Kinderkrankh. 1858, Bd. VII u, VIII.
n) Dcrs., Ebenda, Bd. XXXI, p. 94.
12) Ders., Ebenda, Bd. XXXIII, p. 42.
13) Bierhoff, Pediatrics, Vol. X, Nr. 5.
15) Bohn, Jahrbuch f. Kinderheiik., N. F., Bd. III, p. 54.
16) Bois, Gaz. m6dicale 1863, 52.
17) Bokai, Krankheiten der Harnblase in Gerbardt’s Handbuch der Kinder¬
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Allgemeines.
Enuresis s. Incontinentia urinae s. Mictio involuntaria bedeutet
nach Bokai unwillkürlichen Abgang von Harn infolge von Störungen
in der Innervation der Blasenmuskulatur und kommt in mehreren
Formen vor: 1. Enuresis paralytica infolge von Blasenlähmung, wo¬
bei die überfüllte Blase überfliesst; 2. Enuresis activa infolge einer
isolierten Parese oder einer Unthätigkeit des Sphincter vesicae;
3. Enuresis spastica, hervorgerufen durch einen Blasenkrampf;
4. Enuresis mechanica, verursacht durch Druck auf die Blase oder
Behinderung des Verschlusses der inneren Harnröhrenmündung.
Im Gegensatz zu Bokai unterscheidet ßierbaum zwei Arten
von Enuresis nocturna: 1. eine krankhafte Affektion und 2. eine üble
Angewöhnung. Unterscheidende Symptome dieser zwei Arten gibt
es nicht, aber eine genaue Auffassung der Umstande führt doch oft
zur Erkenntnis, denn die krankhafte Affektion ist ein Leiden der
Blase und beruht auf einer krankhaft erhöhten Reizbarkeit der Blase
Das nächtliche Bettpissen, das Vermögen, den Harn bei Tage zurück¬
zuhalten und nach Willkür entleeren zu können, das periodische
Erscheinen des Uebels, den Mangel an begleitenden Krankheits¬
erscheinungen bemerkt man bei keinem anderen Blasenleiden.
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v. Frankl-Hochwart und Znckerkandl betrachten die Enuresis
xar i£oxr]v als Neurose ohne Zeichen einer anatomischen Erkrankung.
Enuresis nocturna bedeutet im Gegensätze zur Enuresis
diurna das Unvermögen, den Harn im Schlafe zu behalten und
zwar in einem Alter, in welchem der Blasenschliessmuskel voll¬
kommen ausgebildet und leistungsfähig ist
Aetiologie und Pathogenese.
Bokai erklärt die Enuresis nocturna an der Hand physio¬
logischer Faktoren und nicht als Krankheitsform; sie ist eine funktio¬
neile Störung. Als Ursachen derselben wurden angeführt: Anämie,
Plethora, Zurückbleiben der körperlichen oder geistigen Entwicke¬
lung, Erblichkeit, Neurosen, Hirnkrankheiten, dyspeptische Zustände,
Onanie, kongenitale Phimose, Blasenleiden, scharfer Harn als Vor¬
läufer von Nierensteinen, Fissuren am After u. dergl., also kein ein¬
heitliches pathogenetisches Agens. Ausserdem citiert Bendix noch
folgende Ursachen: Diabetes, Nephritis, ßakteriurie, Exkoriationen
an der Oeffnung des Präputium, Steinchen in der Harnröhre oder
Blase, Fluor albus, Vulvitis und adenoide Vegetationen. Röchet
und Jourdanet unterscheiden symptomatische und essentielle Enu¬
resis. Entere kann u. a. abhängen von Erkrankungen des Nerven¬
systems (Epilepsie, Spina bifida, Malum Potti, Myelitis etc.), Alte¬
rationen des Harns (Albuminurie, harnsaure Diathese). Die zweite
beruht eigentlich stets auf einer Neuropathie. Eine andere Art von
Enuresis ist psychischen Ursprungs; es sind neuropathische Indi¬
viduen, welche am Tage pollakiurisch sind, nachts lebhaft von Miction
oder derartigen Dingen träumen und ins Bett urinieren. Relativ
selten ist sie eine Folge der Atonie des Sphincter urethrae. Henoch
fand ausserdem als ursächliche Momente: Hypospadie, Striktur der
Harnröhre und Sättigung des Harns mit Phosphaten und Uraten,
wogegen Kaufmann noch folgende hinzugibt: Verklebung der Vor¬
haut mit der Eichel mit oder ohne Balanitis, Hydrocele und Hernien.
Thorwald Eibe, welcher die Enuresis im Küstenhospital Refsnäs
an 100 Kindern beobachtete, fand als Hauptursache derselben Skro-
phulose; Phimose kam unter 69 Fällen nur einmal vor. In einigen
Fällen musste stark saurer Harn als ursächliches Moment angesehen
werden, da die Enuresis nach Neutralisierung desselben schwand.
Desgleichen bezeichnet Smith die saure Beschaffenheit des Harns
mit Zersetzung der Urate und Reizung der Muskelschicht als be¬
sonders häufige Ursache der Enuresis. In anderen Fällen sind es
Blasensteine und besondere Empfindlichkeit der Muskelschichte der
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Blase, in anderen Atonie des Spbincter vesicae, nicht selten mit
Atonie des Sphincter ani vergesellschaftet. Taylor fand u. a. als
Ursache der Enuresis Schleimhautfalten in den Genitalien und in
ihrer Umgebung bei Knaben wie bei Mädchen, ausserdem diathetische
Ursachen, besonders die bei Kindern oft übersehene harnsaure Dia-
these. Einen starken Reiz übt der Harn aus, wenn er viel Phos¬
phate und kohlensaure Alkalien enthält. Kupke teilt die Ursachen
der Enuresis in örtliche oder allgemeine ein; dieselben können in
der Blutmischung oder in der Beschaffenheit des centralen Nerven¬
systems liegen oder u. a. in Diphtherie, Epilepsie, Chorea, Malum
Potti, Urticaria chronica und Idiotie ihren Grund haben. Denn
das Wesen der Enuresis scheine (Kupke) in einer verminderten
Empfindung des Lendenmarks zu bestehen, welches die dasselbe
treffenden Reize nicht zum Gehirn fortleiten kann, oder in einer
Anästhesie der Blasennerven. Harold sah unter 62 Fällen von
Enuresis fünfmal Oxyuris und Ultzmann sah oft bei kleinen Mäd¬
chen an den Schamlippen papilläre Exkrescenzen, deren Abtragung
Heilung des Enuresis gebracht haben soll. Guyon meint, dass
Schreck, Fall, Dentition bei Enuresis keine Rolle spielen; dagegen
ist der Einfluss der Heredität ein unverkennbarer, denn man sieht
nicht selten die Inkontinenz bei allen Kindern einer Familie auf-
treten und oft gelingt der Nachweis, dass die Eltern an derselben
Erkrankung oder an anderen nervösen Erscheinungen gelitten haben.
In letzterem Falle würde es sich, wie Trousseau bemerkte, um
ähnliches wie den Formenwechsel bei Vererbung von Neurosen
handeln.
Einen überaus breiten Raum in den Publikationen über Enu¬
resis nimmt die Pathogenese dieses Leidens ein. Trousseau be¬
trachtet die übergrosse Reizbarkeit des Detrusor vesicae als un¬
mittelbare Ursache des Bettpissens. Er erklärt die Enuresis als eine
Neurose, welche durch excessive Reizempfindlichkeit und den über¬
mässigen Tonus des Blasenmuskels charakterisiert wird, und gelangte
zu dieser Ansicht durch die Wirkung der Belladonna, welche als
spezifisches Antispasmodicum die Kontraktilität der Muskeln beein¬
flusst. Aehnliche Ansichten äussern Van Tienhoven, der von der
Voraussetzung ausgeht, dass die Enuresis nocturna durch Schwäche
des Sphincter vesicae bedingt ist, welche Tropfen Harns in die Pars
prostatica urethrae durchtreten lässt und so reflektorisch die Detru-
soren zu vollständiger Entleerung der Blase anregt, und Bendix,
welcher eine spastische Form der Enuresis anführt, verursacht auf
reflektorischem Wege durch Krampf der Detrusoren, während die
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reine Enuresis mit aller Wahrscheinlichkeit eine Schwäche des
Blasen Verschlussapparates (paralytische Form) als Ursache hat.
Bokai betrachtet das Leiden als Folge einer Gleichgewichts¬
störung- in der Funktion der antagonistischen Muskeln der Blase:
der Detrusoren und des Sphincters. Bei der Füllung der Blase gibt
die Wandung der sich ansammelnden Flüssigkeit nach, ohne dass
eine Muskelspannung zu überwinden wäre, während sich der
Sphincter infolge des Reflexes enger schliesst. Nach Ausdehnung
der Blase tritt Harndrang ein und die Detrusoren beginnen sich
infolge des Elastizitätsgesetzes zusammenzuziehen. In wachem Zu¬
stande kann sich durch Willenseinfluss der Muskelkrampf einige
Zeit zu Gunsten des Sphincter geltend machen, der dann dem Harn¬
drang widersteht; im tiefen Schlaf, wo der Harndrang nicht zum
Bewusstsein gelangt, überwinden die Detrusoren den Sphincter und
entleeren die Blase. Später tritt eine Reizbarkeit der beiden Muskel¬
gruppen ein, so dass die Detrusoren schon einem schwächeten In-
baltsdruck nachgeben und auch der Sphincter einem leichteren An¬
drang Folge gibt — es tritt nämlich Atonie der Muskulatur ein,
welche sich als Inkontinenz kundgibt
v. Dittel erklärt die Erscheinung des Bettpissens aus dem
Missverhältnis zwischen dem Sphincter und dem hydrostatischen
Drucke bei dem infantilen Zustande der Detrusoren. Das normale
Verhältnis beim Neugeborenen ist nach v. Dittel folgendes: Ziemlich
mächtige Detrusoren, stattliche Prostata, kleiner Sphincter, dazu aus¬
schliesslich flüssige Nahrung und kopiöse Urinsekretion und infolge¬
dessen häufiges Urinieren. Die Prostata als Geschlechtsorgan, mit
ihr der Sphincter internus, entwickelt sich nicht im selben Verhält¬
nis als die Blase und oft holt die Prostata ihre Entwickelung eist im
10.—14. Lebensjahre nach. Vor dieser Zeit leistet sic daher beson¬
ders bei festem Schlaf der Kinder nicht den hinreichenden Wider¬
stand und sie nässen, bis sie gegen die Pubertätsreife in der Ent¬
wickelung ihrer Prostata weiter gekommen sind. Diese Erklärung
wird von Bokai als zutreffend anerkannt.
Mendelsohn meint, dass, während bei Kindern mit solcher
Anomalie der Handrang, wenn er bei einem bestimmten Füllungs¬
zustand der Blase durch Eintreten von Harn in den Blasenhals und
eine hierdurch ausgelöste reflektorische Reizung der Detrusoren
zustande kommt, zwar in wachem Zustande durch den Willen und
durch die accessorischen Schliessmuskeln bis zur nächsten Harn¬
entleerung spontan bekämpft werden kann, diese* Sphincter im Schlafe,
wenn es zur reflektorischen Reizung der Detrusoren gekommen ist,
Ontnlblatt !. d. Gr. d. Mod. o. Cbir. VI. 27
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für sich allein einen genügenden Widerstand nicht zu bieten vermag.
Mangelhafte Entwickelung der Prostata begleitet häufig diese
Entwickelungserscheinung. Im Einklänge damit steht die That-
sache des Vorwaltens der Enuresis während des Schlafes, und
zwar besonders in den ersten Nacht- und in den frühen Morgen¬
stunden, weil hier der Schlaf besonders tief oder die Blase beson¬
ders stark gefüllt ist. Ultzmann nimmt an, dass in der grossen
Mehrzahl der Fälle von Enuresis ein Missverhältnis in der Inner¬
vation zwischen Detrusoren und Sphincter vorliege und dass der
Sphincter viel zu mangelhaft innerviert sei. Während des Wach¬
seins wird durch Willenseinfluss der Compressor urethrae zur Kon¬
traktion angeregt, des Nachts ist die hintere Harnröhre bezw. der
äussere Schliessrauskel gewissermassen narkotisiert und die Reflex¬
kontraktion desselben fällt aus. Csillag schliesst sich der Ansicht
Ultzmann's an. Riedtmann erklärt die Enuresis 1. durch über¬
mässige Kontraktion des Detrusor, 2. durch Schwäche des Sphinkter
internus, 3. durch verminderte Sensibilität das Blasenhaises und
4. durch Schwäche des Compressor urethrae. Diese Ansicht Riedt-
mann’s bildet den Uebergang zu folgenden Theorien, und zwar
findet Henoch als Grund des Leidens Atonie des Sphincters oder
Krampf des Detrusor urinae, welcher die im Schlaf minder kräftige
Kontraktion des Sphincters zu überwinden vermag. Atonie des
Sphincters ist seltener und verbindet sich zeitweise mit Enuresis
diurna. Civiale glaubt, dass im Schlafe die willkürlichen Muskeln,
welche den Blasenverschluss hersteilen, erschlaffen und dass der Harn¬
drang, wenn überhaupt, nur undeutlich empfunden wird; das Bett¬
nässen ist also ein Art LJeberlaufen der vollen Blase. Desgleichen
sieht Guyon das Wesen der Erkrankung in einer Atonie des Harn-
röhrensphincters und betrachtet es als zumindest zweifelhaft, ob eine
gesteigerte Reizempfindlichkeit der Detrusoren vorhanden ist, wo¬
gegen Köster die Schwäche des Sphincter vesicae und des Com¬
pressor urethrae als Ursachen der Enuresis beschuldigt Frankl-
Hochwart und Zuckerkandl neigen zur Ansicht Guyons, dass
es sich bei Enuresis um Mangel des Sphinktertonus handle, und es
ist auch das auffallend geringe Reagieren des Muskels auf den
faradischen Strom bemerkenswert, welches Guyon beobachtete.
Bradberg führt die Enuresis nocturna darauf zurück, dass sich der
Muscu1ii8 detrusor vesicae krampfhaft zusammenzieht, während der
Sphincter nicht imstande ist, diesen Krampf zu überwinden. Ober¬
länder sucht den wesentlichsten und häufigsten Grund für die
Enuresis in einer angeborenen Schwäche in der Entwickelung der
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muskulären Kräfte, welche den Verschluss der Blase zu besorgen
haben, also der Muskeln der Blase und der hinteren Harnröhre. Im
Säuglingsalter reagiert der muskulöse Blasenapparat auf jeden ge¬
ringen Reiz; im Laufe des ersten und zweiten Jahres erstarkt der
ganze Muskelapparat, aber noch immer ist in dem hinteren Ab¬
schnitte der Harnröhre mehrfache Gelegenheit gegeben, die Ent¬
wickelung zu hemmen und Funktionsstörungen zu veranlassen.
Oberländer verweist hierbei auf die unverhältnismässige
Grösse des Caput gallinaginis, das durch sein Vorspringen Reizungs¬
zuständen besonders ausgesetzt ist, und auf die derselben Region
angehörenden Drüsen, die zu mannigfachen Reflexen Veranlassung
geben, besonders zu unwillkürlicher Blasenentleerung. Bierhoff
hält für die erregende Ursache der Enuresis, zu deren Entstehung
viele Ursachen mitwirken, eine abnorme Reflexerregbarkeit der
Schleimhaut, hauptsächlich am Sphincter, Trigonuin vesicae und an
der Pars prostatica urethrae, die Ursache dieser erhöhten Reflex¬
erregbarkeit aber sei zu suchen in einer Hyperämie oder Ent¬
zündung. Daneben gibt es eine rein symptomatische Enuresis bei
schweren Läsionen der abführenden Harnwege oder bei Polyurie etc.
Desault meint bezüglich der Pathogenese, dass die exccssive
Reizbarkeit der Blase ein prädisponierendes Moment bilde. Die
Blasenkrontraktion sei so stark und prompt, dass der Harn, fast
ehe die Kinder das Bedürfnis zu urinieren verspüren, auch schon
abfliesst, ohne dass sie imstande wären, zu unterbrechen. Mit der
Zeit sinkt die Reizbarkeit der Blase, während gleichzeitig das Indi¬
viduum dem Harnbcdürfnissc mehr Aufmerksamkeit schenkt, so
dass gewöhnlich Heilung eintritt.
Unter den ursächlichen Momenten wird in letzter Zeit beson¬
ders auf den Zusammenhang zwischen der behinderten Nasenatmung
und der Enuresis hingewiesen. So berichtet Körner über zwei
Fälle, in welchen die Entfernung der adenoiden Vegetationen das
nächtliche ßettpissen beseitigte. Seiner Ansicht nach muss eine
Disposition des Sphincter vcsicae vorhanden sein, denn das Mund¬
atmen an und für sich erklärt das Ucbel nicht. Immerhin muss
jedoch die fehlende Nasenatmung wieder hergestellt werden. Theo¬
retisch deduziert Huber einen Zusammenhang zwischen Polyurie
und adenoiden Vegetationen, indem durch den Nasenkatarrh bei
adenoiden Vegetationen der Mund offen gehalten wird, die Mund¬
höhle trocknet und die Kinder gezwungen sind, viel zu trinken.
Ausserdem sollcu die Vegetationen eine Störung der Lymphbalmen
ira Gehirn mit sich bringen, welche eine allgemeine Schwäche hor-
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vorruft. Major in Kanada sah sehr häufig Enuresis bei mund¬
atmenden Personen und Ziem bestätigt diese Angabe auf Grund
von drei Beobachtungen. Er hält es für wahrscheinlich, dass Hei¬
lung durch Herstellung normalen Nasenatmens erzielt werden kann.
Den Zusammenhang beider Leiden sucht er in der relativen Atmungs-
insufficnz und Kohlensäurevergiftung der betreffenden Individuen.
Groenbeck hat 192 Fälle von adenoiden Wucherungen beobachtet,
von denen 22 mit Enuresis behaftet waren. Nach der operativen
Entfernung der adenoiden Vegetationen wurden 12 von der Enuresis
vollständig geheilt, bei zwei trat Recidiv ein, aber gleichzeitig Rc-
cidiv der adenoiden Wucherungen. Auch im Zusammenhang mit
spontaner Rückbildung der Wucherung wurde Aufhören der Enu¬
resis beobachtet. Zuletzt soll erwähnt werden, dass Adams die
Enuresis als Analogon der Pollutionen hinstellt, weil sie meist nach
einem Traume auftritt, weil sie bei Knaben meist bei erigiertem
Glied cintritt und weil die wirksamen Mittel gegen Pollutionen auch
hier wirksam sind. Aehulich bringt Ja net die Enuresis in Ver¬
gleich mit den Pollutionen. Die Enuretiker sind nämlich meistens
pollakiurisch, die Pollakiuric produziere im Schlafe leichten Harn¬
drang, das Gehirn des Patienten ist nun mit der Urinfrage so über¬
lastet, da sie ja wegen ihrer Schwäche kontinuierlichen Unanehm-
lichkciten ausgesetzt sind, dass sich der Drang nur zu oft in die
Träume mischt, und im Ablaufe der Träume passiert das Unglück.
Da die Kinder oft Stunden nach dem Traume erwachen, so kann
es sein, dass sic sich der psychischen Begleiterscheinungen nicht
erinnern.
Dass masturbierende Knaben und Mädchen an nächtlichem
Bettpissen leiden, ist mehr ein zufälliges Zusammentreffen beider
Uebel, denn die Masturbation ist ein sehr häufiges Uebel und im
Verhältnis dazu müsste die Enuresis häufiger sein. Letzthin hat
Wal ko das ätiologische Moment in einem Hemmungsphänomen
eines an und für sich normal funktionierenden Organs erblickt
Symptome.
Die mit Enuresis nocturna behafteten Kinder verfallen, nach¬
dem sie sich zur Ruhe begeben haben, in tiefen Schlaf und ent¬
leeren nach einigen Stunden die Blase, ohne sich dessen bewusst zu
sein. Meistens geschieht es nur einmal und dann gewöhnlich in
den ersten Stunden oder gegen Morgen, d. h. wenn der Schlaf am
tiefsten oder wenn die Blase stark gefüllt ist (Bendix); manchmal
wiederholt sich der Vorfall in derselben Nacht Die Kinder träumen
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zuweilen, dass sie ins Nachtgeschirr oder sonstwo urinierten, uri¬
nieren aber ins Bett. Oft können die Kinder infolge der sich nun
ausbildenden Schwäche der Blase den Harn auch bei Tag nicht be¬
halten und dem Bettpissen folgt das Schulpissen. Das Ereignis
kommt nach der Ansicht von Petit, Valleix und Voillemier
deshalb meistens im Schlafe vor, weil der Harndrang nicht zur Per-
ception komme, wodurch eine Ueberfüllung der Blase entstehe, die
zur reflektorischen Detrusorwirkung Anlass gebe.
Gewöhnlich handelt es sich um einen echten Harndurchbruch:
das Bett wird plötzlich von einer grösseren Harnmenge über¬
schwemmt; Harnträufeln scheint nicht vorzukommen. In selteneren
Fällen erwachen die Kinder während des Harndurchbruches, viel
häufiger erst nach demselben, andere schlafen ruhig weiter (v. Frankl-
Hoch wart und Zuckerkan dl). Die Blässe, Schüchternheit, geistiges
Zurückbleiben betrachtet Bokai als Folgen der Enuresis, da die
Kinder verspottet und gestraft werden. Oft sind die Enuretiker
gesunde, kraftstrotzende Kinder, an denen sonst kein krankhaftes
Zeichen zu bemerken ist. Ab und zu werden Anomalien der Geni¬
talien: Hypospadie, Epispadie, Präputialverwachsungen, Prolaps der
Schleimhaut der weiblichen Harnröhre als gleichzeitiges Vorkommnis
bei Euresis erwähnt. Die Enuretiker sind nach Jan et meist polla-
kiurisch, ihre Blase verlange bei der Ueberempfindlichkeit gegen
Füllung, wie beim Neurastheniker, nach öfteren Entleerungen. Wenn
nun die Kinder aus Schüchternheit nicht wagen, nach dem Nacht¬
topfe zu verlangen, dann kommt es zu unwillkürlichem Abgänge
grösserer Harnmengen. Biedert findet, dass das Ehrgefühl der
Kinder abgestumpft wird, sie werden durch Strafen scheu, lügenhaft
und bekommen keinen persönlichen Mut. Körperlich leiden sic
durch die Luftverderbnis des sich zersetzenden Harns, wenn nicht
sorgsame und kostspielige Reinlichkeit gehandhabt wird, sowie durch
Geschwüre an Nates und Beinen, wenn die Reinlichkeit ganz vernach¬
lässigt wird. — Auf ein besonderes Symptom, welches in etwa der
Hälfte der Fälle nachzuweisen war, hat Freud aufmerksam gemacht.
Es besteht in einer Ueberinnervation (Hypertonie) der unteren Ex¬
tremitäten, derart, dass, wenn man die Kinder mit adduciertcn
Beinen auf eine Tischplatte setzt und die Beine auseinander zu
spreizen versucht, man einem von den Adduktoren herrührenden
Widerstande begegnet, der anfangs kaum überwindbar erscheint,
nach kurzer Zeit aber geringer wird. Lässt man die gespreizten Beine
los, so schnellen sie häufig wie infolge eines elastischen Zuges wieder
zusammen und dahei schlagen die Fersen nicht selten mit einem
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lallten Geräusche aneinander. Diese Hypertonie kann man auch am
Quadriceps durch den analogen Widerstand nachwcisen, dem die ver¬
suchte Beugung des Unterschenkels gegen den Oberschenkel be¬
gegnet. Die Sehnenreflexe sind eher gesteigert, die Muskulatur
häufig besonders gut ausgebildet. Freud meint, dass es naheliege,
die Enuresis durch eine ähnliche spinale Innervation des Detrusor
vesicac zu erklären, wie eine solche an den Muskeln der unteren
Extremitäten direkt zu demonstrieren ist.
Epileptiker sind häufig Bettpisser; Bokai erkennt jedoch die
von Trousseau aufgestellte Verwandtschaft zwischen Epilepsie und
Enuresis nocturna nicht an. In zahlreichen Fällen tritt die nächt¬
liche Inkontinenz in der der Menstruation vorhergehenden Periode
auf und verschwindet mit dem Eintritt der Blutungen. Menstruation
oder Schwangerschaft setzen diesem Zustande häufig ein Ende und
ist die Enuresis über diese Periode hinaus höchst selten. Zuweilen
kommen die Harninkontinenz und Enuresis nocturna als Vorboten
gewisser Erkrankungen der Urogenitalorgane vor, und zwar bei
Pyelitis catarrhalis, calculosa, bei beginnendem Descensus von Nieren¬
steinen. Der Harn ist in der Regel normal, mitunter blass und von
niedrigem spezifischen Gewicht; oft enthält er harnsaure Salze.
Henoch empfiehlt, in jedem Falle von Enuresis nocturna die Harn¬
untersuchung vorzunehmen, da Fälle von Diabetes mellitus und
chronischer Nephritis sich zuweilen zuerst durch Enuresis nocturna
ankündigen, obwohl er zugibt, keinen solchen Fall beobachtet zu
haben. Rohde fand im Urin der Enuretiker fast immer eine — wenn
auch nicht vollständig — reduzierende Substanz, deren Natur er nicht
bestimmen konnte.
Als Komplikation kommt besonders bei Enuresis diurna,
seltener bei Enuresis nocturna Rectalinkontinenz vor (v. Frankl
und Zuckerkandl).
Betreffs des Einflusses des Geschlechtes auf das Entstehen
des Leidens meint Trousseau, dass die Knaben häufiger befallen
werden, vielleicht deshalb, weil beim männlichen Geschlecht der
Harn- und Gcnitalschlauch gemeinsam sind, so dass die Onanie,
deren Bedeutung für die Enuresis nicht zu unterschätzen ist, bei
Knaben leichter zu Anomalien der Harnentleerung führt Biedert-
Vogcl, v. Fraukl-Hochwart und Zuckerkandl, Mendelsohn
sahen auch häufiger das Leiden bei Knaben als bei Mädchen.
Mendelsohn deutet diese Erscheinung durch günstigere Verschluss¬
verhältnisse der weiblichen Blase. Thorwald Eibe sah das Leiden
unter 5S7 Knaben bei 69 = 1 1,8 Proz. auftreten, von 648 Mädchen
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nur bei 31 = 4,8Proz. Bokai sah auch seltener Enuresis bei Mäd¬
chen als bei Knaben, weil die Kapazität der Blase bei ersteren
grösser ist, wie dies schou Hyrtl hervorgehoben hat Sie können
deshalb dem Harndrange länger widerstehen als das männliche Ge¬
schlecht Henoch findet, dass Mädchen ebenso oft an Enuresis
leiden als Knaben, und diese Ansicht wird von Guyon vollständig
geteilt, indem er hervorhebt, dass das Geschlecht keine Prädisposition
für das Leiden schaffe.
Betreffs des Alters, in welchem das Leiden auftritt, sah es
Biedert meistens bis zum 12. Lebensjahr auftreten, ausnahmsweise <
sogar bis in das dritte Dezennium, Kaufmann hingegen gewöhn¬
lich vom zweiten bis achten Lebensjahre, selten im dritten Dezennium,
v. Frankl-Hoch wart und Zuckerkandl meinen, die Enuresis sei
selten nach dem 14. Lebensjahre, da sie gewöhnlich um diese Zeit
schwindet; sie kann aber bis in das 20. Jahr persistieren und man
spricht von Spätenuresis.
Verlauf.
Der Krankheitsverlauf der Enuresis ist gewöhnlich ein chro¬
nischer; sie besteht gewöhnlich seit der frühesten Kindheit und ist
stets sehr hartnäckig. Weniger hartnäckig ist dieselbe dann, wenn
sie ohne nachweisbare Ursache im späteren Alter beginnt. Mit¬
unter treten im Verlaufe Pausen von mehreren Monaten ein und
dann stellt sich das Leiden wieder ein. Meistens, und zwar in
der Pubertätszeit, hört das Uebel spontan auf, zuweilen hört es
plötzlich auf, zuweilen ist im Endstadium ein fortwährendes Schwan¬
ken im Erlöschen und abermaligen Erscheinen zu beobachten,
bis es dann völlig ausbleibt. Typhus, Variola und andere akute
Krankheiten sistieren das Bettpissen oft nur temporär, mitunter
auch vollständig. Bei älteren Knaben heilt zuweilen eine inter-
kurrierende Urethritis die Enuresis radikal, da die schmerzhafte
Empfindung bei Berührung des Urins mit der kranken Schleimhaut
selbst einen tiefen Schlaf stören und das Kind erwecken kann.
Trosseau glaubt, dass psychische Eindrücke das leiden coupierep
können. Nach Bendix dauert das Leiden in der Mehrzahl der
Fälle viele Jahre, oft bis zur Pubertät oder noch länger; mitunter
macht es Pausen und hört zuweilen plötzlich auf.
Prognose.
Nach dem oben Mitgeteilten ist die Prognose dieses Leidens
gut, da dasselbe in späteren Jahren, namentlich zur Zeit der Pubertät,
von selbst verschwindet.
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Therapie.
e) Allgemeine.
In jedem Falle von Enuresis muss nach der Ursache des
Leidens gesucht werden und bei Vorhandensein einer solchen die
Beseitigung des ätiologischen Momentes angestrebt werden. Ausser¬
dem müssen jedoch hygienisch-diätetische Vorschriften peinlich be¬
achtet werden, und zwar fleissige Bewegung im Freien, tägliche
Stuhlentleerung, hydrotherapeutische Eingriffe (Sitzbäder) und wie
v. Frankl-Hochwart und Zuckerkandl hervorheben, Erziehung
der Kinder, und da soll es merkwürdig sein, wie rasch solche Indi¬
viduen geheilt werden, wenn sie in die Hände geschulter Lehrer
kommen. Sic müssen des Nachts zwei- bis viermal geweckt werden,
um Harn zu lassen, das Schamgefühl muss durch Ermahnungen,
aber nicht durch Strafen geweckt werden. Es soll hier gleich be¬
merkt werden, dass v. Frankl und Zuckerkandl die Wirkung der
verschiedenen Mittel bei Enuresis auf psychische Einflüsse zurück¬
führen und ebenso Henoch den schmerzhaften Eingriffen und der
Faradisation suggestive Wirkung zuschreibt, v. Frankl und Gui-
non sahen bemerkenswerte Erfolge von hypnotischer Suggestion,
welche auch von Röchet und Jourdanet empfohlen wird. Kauf¬
mann hingegen hat die Suggestionstherapie in mehreren Fällen im
Stiche gelassen und in einem Fall war sogar erhebliche Verschlim¬
merung eingetreten. Trousseau empfiehlt, die Kinder nachts mehr¬
mals zu wecken, um sie Harn entleeren zu lassen, wobei man all¬
mählich mit der Zeit immer weiter vorrückt und so die Blase an
ein längeres Zurückhalten ihres Inhalts gewöhnt. Bei anämischen
Individuen muss die Ernährung gehoben werden. Die meisten
Autoren (Bendix, v. Frankl und Zuckerkandl, Mendelsohn
u. a.) heben die Schädlichkeit alkoholischer und excitierender Ge¬
tränke (Thee, Kaffee) und gewürzter Speisen hervor. Nicht min¬
deres Gewicht legen sie darauf, dass die Flüssigkeitsmenge am Nach¬
mittag beschränkt und am Abend nur feste Speisen gereicht werden.
Kaufmann empfiehlt zum Vesperbrot beliebige Flüssigkeit in
mässiger Menge, zum Abendbrot belegtes Brot oder Schleimsuppe
bei vorhandenem Durst. Bokai rät, bei Tage die Kinder daran
zu gewöhnen, den Harn länger zurückzuhalten, um den Tonus der
Blase durch graduelle Ausdehnung der Blase zu vermindern. Bei
Nacht soll man die Kinder in den ersten Stunden des Schlafes
behufs Entleerung der Blase wecken, was später in immer grösseren
Intervallen geschehen kann. — Das Lager des Kindes muss ent¬
sprechend hergerichtet werden; als Bettunterlage diene Kautschuk-
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stoff oder Torf- oder Holzwollekissen. Federunterbetten und schwere
Bettdecken sind unzweckmassig. Das Bettlager sei nicht zu weich,
die Matratze hart (Bendix). Stellung des Bettes s. bei mecha¬
nischer Behandlung.
b) Medikamentöse.
Bretonneau, Trousseau u. a. empfehlen interne Darreichung
von Belladonna. Trousseau hält sie für sehr nützlich, da man mit
ihr beinahe immer eine bedeutende Verminderung der Anfälle und in
vielen Fällen eine absolute Heilung erzielt, denn die Belladonna stimmt
die übergrosse Reizbarkeit des Detrusor vesicae herab. Er reicht
Extr. belladonnae in Pillen, und zwar bei Kindern von 10 bis 13
Jahren ein Pille am Abend, enthaltend 0,01 Belladonnaextrakt, bei
jüngeren Kindern 0,005. Nach einiger Zeit steigt man langsam,
selbst bis zur zehnfachen Anfangsdosis, das Medikament muss jedoch
längere Zeit gereicht und die individuelle Toleranz darf nicht ausser
acht gelassen werden. Wo die Belladonna keine Wirkung hat, wird
sie mit Nux vomica kombiniert, und zwar besonders in den Fällen,
wo die Enuresis nocturna von einer gleichzeitigen Atonie des
Sphincter vesicae abhängt. Bokai verwendet Extr. nucis vomic.
spirit. in derselben Dosis wie das Extr. Belladonnae. Strychnin
verwendet er nicht, da die kleiue Dosierung unverlässlich ist.
Kleinen Kindern reicht Bokai Eisenpräparate. Aehnlich gute Wir¬
kungen von der Belladonna sahen Mendelsohn und Bendix,
welche die von Trousseau empfohlenen Dosen reichten, und Smith,
welcher bei einem fünfjährigen Knaben je fünf Tropfen morgens und
abends reicht, jeden zweiten Tag um einen Tropfen steigt und die
wirksamere Dosis durch einige Wochen fortsetzt, während Henoch
von den sedativen Mitteln, wie z. B. Belladonna, nur ausnahms¬
weise Besserung sah. Bei paralytischem Zustande des Sphincter
vesicae empfehlen dieselben Autoren Strychnin, und zwar Bendix
V, bis 1mg 8ubcutan täglich, Kupke 1mg pro die subcutan. Kelp
injizierte mit Erfolg Strychuin in die Kreuzbeingegend, und zwar
eine halbe Spritze einer Lösung 1:120, worauf nach einigen Ein¬
spritzungen die Enuresis schwand.
Im Gegensätze zu dieser Behandlungsmethode empfiehlt Henoch
vorsichtige Versuche mit Atropin (abends 0,0005—0,001) und Ben¬
dix reicht das Atropinum sulfuricum in 2%iger Lösung, zweimal
täglich so viel Tropfen, als das Kind Jahre zählt. Thorwald Eibe
berichtet über günstige Erfolge nach Atropin, welches er in 74
Fällen versuchte. Er reichte es bei kleineren Kindern in Dosen
von 0,25—0,50 mg, bei grösseren Kindern 3 mg in Pillenform (? !).
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Die Wirkung zeigte sich oft augenblicklich, so dass die Enuresis
sofort coupiert wurde; in 12 Fällen kam sie nicht wieder zum Vor¬
schein, in fünf hörte sie nach einigen Tagen auf, in acht Fällen
sofort nach Beginn der Behandlung, kehrte aber später wieder
zuruck. In 48 von 74 Fällen (64,9 °/ 0 ) wurde Heilung erzielt, in
17 (23 °/ 0 ) Besserung, in neun Fällen war keine Wirkung zu sehen.
Das Heilungsresultat war günstiger bei Mädchen als bei Knaben,
bei älteren als bei jüngeren Kindern und bei Enuresis nocturna
allein. Bruce reichte Kindern von 3 L / 2 bis 9 Jahren abends um
sechs und neun Uhr je einen Theelöffel einer Lösung, in der 0,0006 g
Atropin enthalten war. Täglich wurde ein Löffel mehr gegeben,
bis Wirkung erzielt war, in einem Fall bis 10 Löffel, im Durch¬
schnitt nicht unter vier Löffel. Von 15 Fällen gelang es in der
Mehrzahl dadurch alleiu die Enuresis zum Schwinden zu bringen.
Setzte man das Medikament aus oder gab man geringere Dosen, so
kehrte dieselbe nach kürzerer oder längerer Zeit zurück. Bei Kindern
über 12 Jahre versagt das Mittel. Leichte Vergiftungserscheinungen
wurden nur einmal beobachtet. Watson empfiehlt folgende Lösung:
Atropin, sulfur. 0,05 -f- Aqu. destill. 25. DS.: zweimal täglich, um 4
und 7 Uhr abends so viel Tropfen, als das Kind Jahre zählt.
Kelp behandelte nach der Watson’schen Methode 12 Kinder; bei
sieben Kindern war nach fünf Monaten erhebliche Besserung ein¬
getreten und die Medikation dennoch durch zwei Monate in etwas
geringerer Dosis fortgesetzt. Diese Kinder blieben geheilt; die fünf
anderen, darunter drei Mädchen, zeigten nach neun Monaten Besse¬
rung, nach Ablauf eines Jahres vollständige Genesung.
Von anderen intern verabreichten Mitteln sollen das Rhus
aromatic., das Chloralhydrat und das Antipyrin Erwähnung findeo.
Bendix reicht die Tct. Rhois aromatic. nachmittags und abends
vor dem Schlafengehen je 15 Tropfen. Kupke und Powell geben
das Extr. fluid. Rhois aromatic., und zwar ersterer bei Kindern bis
zum ersten Jahre zweimal täglich je fünf Tropfen, bis zum sechsten
Lebensjahre je 10 Tropfen, älteren Kindern je 15 Tropfen, oft
durch drei bis vier Monate hindurch. Powell heilte mit dem
Extrakt 16 Fälle innerhalb eines Monats; er beachtet dabei die
hygienische Lebensweise und ordiniert tägliche kalte Abreibung des
Körpers, besonders der Wirbelsäule. Chloralhydrat ordiniert Bendix
in 1—l,5 # /oiger Lösung, Unger reicht es bei starker Hyperästhesie
der Blase vor dem Schlafengehen oder per clysma. Von den
Narcotica und Sedativa versuchte Thorwald Eibe das Bromkalium,
0,50—2,0 pro die; von 13 Fällen wurden drei geheilt, vier gebessert.
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Taylor fand das Hyoscyaminum hydrobroraicum wirksam, aber
man muss Vorsicht üben w'egen der Nebenerscheinungen. Hand be¬
schreibt einen Fall, wo durch Zufall ein Kind Pillen von Extr. Cannabis
indicae mit Hyoscyamus und Zincum phosphoricum bekam, worauf
nach zwei Tagen die Enuresis schwand. Phillips erzielte sehr
gute Erfolge mit Antipyrin, welches er bei Kindern vom siebenten
bis zum zehnten Lebensjahre abends durch einige Monate in der Dosis
von 0,5—0,6 verabreichte und dasselbe zuweilen mit Arsen kom¬
binierte. Perret gab 2 g pro die in zwei Dosen, um 6 und 9 Uhr
abends, Gaudez 0,5—0,1g je nach dem Alter, aber er gab es um
9 und 11 Uhr abends, mindestens zwei Wochen hindurch. Er be¬
handelte 37 Fälle, davon waren 19 geheilt, 15 bedeutend gebessert
und bei drei Fällen war kein Erfolg zu sehen; er bemerkte jedoch,
dass die Kinder Antipyrin gut vertragen. — Ausserdem sah Rhode
guten Erfolg von kleinen Dosen Karlsbader Wasser (dreimal täglich
je 25—50g), Seil von Darreichung eines gestrichenen Theelöffels
von Natrium bicarbonicum vor dem Schlafengehen und empfiehlt
diesen Versuch, bevor man zu umständlichen Behandlungsmethoden
schreitet. Thorwald Eibe sah von sieben Fällen, welche er mit
Natrium bicarbonicum behandelte, nur in einem einen kleinen Erfolg.
Smith empfiehlt bei saurer Beschaffenheit des Harns Neutrali¬
sierung desselben durch Liquor Potassae, drei- bis sechsmal täglich
je drei bis fünf Tropfen auf ein Weinglas Gummiwasser, und zwar
so lange, bis die Untersuchung mit Lackmuspapier den Harn als
neutral ergibt. Taylor fand Natrium bicarbonicum und phosphoricum
bei Verdauungsstörungen, speziell bei Störungen der Leberfunktion
von günstigem Einfluss. White empfiehlt folgende Mischung:
Natr. benzoic. -j- Natr. salicylic. au 1,0 —(— Extr. Belladonn. 2,0 -j-
Aqu. Cinnamom. 120,0. D8.: vier- bis fünfmal täglich einen Thee-
löffel voll zu nehmen.
c) Mechanische.
Die einfachste mechanische Behandlungsmethode besteht in
der von verschiedenen Autoren (Bendix, Henoch, Mcndelsohn,
van Tinhoven u. a.) angegebenen Höherstellung des Fussendes des
Bettes; der Harn sammelt sich deshalb im oberen Segment der
Blase und die Reizung und Kontraktion der Detrusoren wird be¬
schränkt oder verhindert und der Sphinkter wird vor zu starker
Inanspruchnahme geschützt. Es soll jedoch dann langsam zur Hori¬
zontalstellung übergegangen werden. Van Tinhoven hat durch
Hochlagerung des Beckens, so dass das untere Ende des Bettes auf
einen Rahmen gestellt und gegenüber dem oberen ein Winkel von 45°
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erzielt wird, 14 Fälle geheilt, und zwar durchschnittlich in 42 Tagen.
Stumpf sah Aufhören der Enuresis bei Anwendung dieser Methode.
Manche lassen die Kinder im Schlafe auf harter Unterlage eine
Seitenlage einnehmen, um tiefen Schlaf zu verhindern. Es wird auch
ein Tuch mit hartem Knopf oder eine Bürste am Rücken um den
Leib gebunden, um Rückenlage zu verhindern, da die Kinder meist
in der Seitenlage rein bleiben. Diese Verfahren bleiben gewöhn¬
lich ohne Erfolg. Es wurden die verschiedensten Apparate und
Vorrichtungen kombiniert, welche die Blase mechanisch zwingen,
den Harn zu behalten, und zwar Kompressorien, die für die Nacht
angelegt werden. So empfiehlt Trousseau nur Kompression der
Harnröhre, einen Compressor prostatae, Bell, Petit und Nuck
Kompressoren des Penis, welche beim Schlafengehen so um den
Penis gelegt werden, dass sie die Harnröhre zusammenpressen. In¬
folge des mechanischen Hindernisses erwacht der Knabe beim Be¬
dürfnis zum Urinieren, nimmt den Apparat ab, entleert die Blase
und legt den Kompressor wieder an. Nach einigen Wochen wird
der Knabe schon bei schwächerem Harndrang munter und kann
ohne Kompressorium schlafen. Für dieses Verfahren eignen sich
nur grössere, intelligentere Knaben. Mendelsohn erklärt sich
als Gegner der Anwendung mechanischer Mittel zum Verschlüsse
der Harnröhre, ebenso der quälerischen Methoden, die Kinder am
Schlafe zu hindern.
Espagne empfiehlt Ligatur des Praeputiums; er zieht die Vor¬
haut über die Eichel und schnürt die erstere durch ein weiches
Bändchen oder einen gefütterten Lederriemen zu. Seitz und Nie-
meycr wenden ein ähnliches Bändchen an; beim Eintritt des nächt¬
lichen Bettpissens erwacht der Betreffende infolge Spannung der
Vorhaut und nimmt den Apparat ab. Man muss acht geben, dass
Oedem oder Entzündung der eingeschnürten Teile nicht eintrete.
Corrigan verklebte das nach vorn gezogene Präputium oder die
Urethralmündung mit Collodium oder, wenn keine Phimose vor¬
handen war, trug er das Collodium auf die Glans penis auf. Er
ging von der Idee aus, die Kranken würden, wenn der Harn an die
verschlossene Harnröhrenmündung kommt, erwachen und dadurch
das Bettnässen verhütet werden. Die Erfahrung zeigte jedoch, dass
man am Morgen das Präputium vom Harn ausgedehnt fand, ohne
dass die Kinder dadurch geweckt worden wären, woraus Corrigan
schliesst, dass die Incontinentia urinae nocturna nicht auf krampf¬
hafter Kontraktur des Detrusors, sondern auf Erschlaffung des
Sphincter vesicae beruhe. Er empfiehlt deshalb auch Legen der
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Kiuder auf eine flache Ebene mit hochgelagerten Füssen, dass der
Harn in den Fundus der Blase zurücksinken kann; das Wecken
der Kinder, um sie zum Harnen zu veranlassen, soll eher schädlich
sein. Lösungen von Guttapercha in Chloroform haben sich als
weniger praktisch erwiesen als Collodium. Pluviez empfiehlt die
Anwendung elastischer Ringe und Boerhave wendete das Glüh¬
eisen an zur Abschreckung. Als Kuriosum soll auch mitgeteilt
werden, dass ein Weckapparat patentiert worden ist, der beim
Nasswerden explodierende chemische Substanzen entwickelt, durch
die ein Propfen aus einer knallbüchsenartigen Vorrichtung gegen
die Bauchwand des Schlafenden geschleudert wird.
Biedert bekämpft den Reizzustand der Harnröhre, der aus
aus einem Widerstand am Blasenhals beim Katheterisiereu erkannt
wird, durch tägliches Einführen möglichst dicker Metallkatheter bis
in den Blasenhals und lässt dieselben nur kurze Zeit liegen. Steiner
sah Wirkung nach längerem Liegenlassen — fünf Minuten — eines
Katheters in der Blase und Civiale rät die Anwendung eines Ver-
weilkatheters, reizende Einspritzungen u. dgl. Riedtmann und
Taylor sahen gute Erfolge nach Dehnung der Harnröhre mittels
wiederholter Einführung immer stärkerer Bougies oder solider
Sonden, besonders bei Knaben und in den Fällen, wo Blasensteine
gefunden wurden. Thompson führt häufig weiche Bougies in die
Harnröhre ein und lässt sie zwei bis drei Minuten lang liegen. Der
Erfolg soll günstig sein. Er empfiehlt auch die Cirkumcision.
Mendelsohn findet die Sondenbehandlung oder die systematische
Entleerung der Harnblase mit dem Katheter für schwere Fälle als
sehr wirksam. Oberländer empfiehlt auf Grund seiner Ansicht
über Entstehung von Enuresis Dehnung des hinteren Abschnittes
der Harnröhre mit einem Instrument, dessen zwei Branchen durch
ein Triebrad innerhalb der Harnröhre auseinandergetrieben werden
und das stets mit einem Gummiüberzug versehen ist, um etwaiges
Einklemmen und Herausreissen der Schleimhaut beim Zusammen¬
schrauben zu vermeiden. Bei älteren Kindern genügt Cocainisierung,
bei jüngeren ist Narkose notwendig. Die Dilatation geschieht all¬
mählich innerhalb zwei bis drei Minuten und wird noch zwei bis
drei Minuten lang erhalten. Zuweilen ereignen sich hierbei kleine
Blutungen, aber kein bleibender Nachteil. Kaufmann sah mehr¬
mals nach dem Oberland ergehen Verfahren rasches und bleibendes
Aufhören des Leidens. Bierhoff behandelt die Enuresis lokal
durch Pinselung der angeblich befallenen Teile im Endoskop mit
‘| 4 — 1 | a °| 0 igen Silberlösungen, gibt heisse Sitzbäder und lagert das
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Kind mit erhöhtem Becken. Thompson wendet bei Knaben und
Warringtou Haward bei Mädchen Actzung des Blasenhalses oder
der inneren Harnröhrenmündung mit Höllensteinlösung an. Das
Verfahren ist schmerzhaft und kann üble Folgen nach sich ziehen.
Röchet und Jourdanet empfehlen bei Hyperästhesie der Urethra
posterior Instillationen von Cocain oder Katheterismus, bei An¬
ästhesie des Sphincters leichte Aetzung ev. Elektrisierung. Barbour
hat nach erfolgloser Anwendung aller anderen Mittel in Fällen, wo
der Harn stark alkalisch war, eine gesättigte Lösung von Borsäure
mit sehr gutem Erfolge angewendet. Er hatte niemals dauernde Miss¬
erfolge, einigemale jedoch Recidive gesehen, v. Frankl und Zucker-
kandl, Mendelsohn u. a. erklären sich als Gegner von Instilla¬
tionen reizender Flüssigkeiten, wie l°| 0 <r bis 2°| 0 ige Lösungen von Ar¬
gentum nitric. oder der Einführung von Urethralstäbchen mittels Porte-
Remöde, da bei nervösen Individuen die lokale Applikation stärkerer
Reize oft eine Steigerung der lokalen und allgemeinen Symptome
veranlasst.
Csillag empfiehlt eine mechanisch-gymnastische Behandlung nach
Thure-Brandt, und zwar durch Zitterdruck mit dem in den Mast¬
darm geführten Finger gegen den Sphincter vesicae und Gegendruck
auf die Bauchdecke oder durch Uebung in Stützbeugestellung:
Beugung in der Hüfte mit gegen einen Tisch gestemmten Schultern
und gekreuzten Beinen, worauf der Pat. thun muss, als ob er den
Stuhl zurückhalten wolle. Es erfolgt deshalb mit der Kontraktion
des Afters auch eine solche des Blasenschliessmuskels. Die Sitzung
dauert 20 Minuten und wird zu Hause in Form spezieller gymnas¬
tischer Uebungen unterstützt. Die Behandlungsart ist zielbewusst
und ist physiologisch-anatomisch begründet. Rawikowitsch ver¬
suchte die Csillag'sche Methode in acht Fällen und betrachtet sie
als rationelles und energisches Verfahren, das bei Enuresis vor allen
anderen Methoden versucht werden sollte. Walko sah in einigen
Fällen Heilung nach drei- bis fünfmaliger bimanueller Massage vom
Rectum und von der Symphysis aus. Mendelsohn findet die
Massage vom Rectum aus oder die Vibrationsmethoden am Peri¬
neum wirksam.
Prendergast wendet kalte Douchen als sicheres Mittel gegen
Enuresis an, indem er sie auf Schulter und Rücken appliziert; der
Pat wird dann sofort abgerieben und ins Bett gelegt. In 80 —90°[ o
der Fälle trat vollständige Heilung ein, die übrigen wurden gebessert.
Thorwald Eibe sah nach Perinealdouche von 10 Fällen in etwa
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drei etwas Besserung, in sieben hingegen gar keine. West und
Kennedy legen Blasenpflaster aufs Kreuzbein.
Ein besonderes Kapitel in der Behandlung der Enuresis nimmt
die elektrische Behandlung derselben ein. Hertzka, Fieber,
König u. a. sahen gute Erfolge von massig starken faradischen
Strömen, welche sie am Kreuzbein oder an der Symphysis ossium
pubis applizierten. Unverricht legt eine grosse Anode aufs
Lendenmark, eine kleine Kathode auf die Symphyse, wobei er den
Strom häufig öffnet und schlicsst Er beginnt mit schwachen
Strömen und verstärkt dieselben langsam durch vier bis sechs
Wochen, täglich fünf bis sechs Minuten. Kupke wendete diese
Methode mit Erfolg an; er stellt die Anode stabil an der Grenze
zwischen Brust- und Lendenmark, die kleine Kathode labil in der
Blasengegend und wendet eine Stärke an, so gut sie ohne Schmerzen
ertragen wird. Ultzmann ging von der Theorie aus, dass die
Kontraktionen des schwachen Sphincters im Schlafe nicht wie im
wachen Zustande durch den Willen verstärkt werden können. Er
wirkte auf den Sphincter mit dem Induktionsstrom und erzielte zu¬
weilen schon nach der dritten Sitzung ganz ausserordentliche Erfolge.
Er führt eine schmale (1 1 | J mm Durchmesser) Metallelektrode bei
Knaben in den Mastdarm, bei Mädchen in die Scheide ein und legt
eine zweite, mit einem Schwammträger versehene aufB Perineum, die
Symphyse oder an den Oberschenkel. Anfangs geringe Ströme,
später bis zum Erträglichen, fünf bis zehn Minuten täglich, durch
vier bis sechs Wochen oder auch länger. Fleischmann soll mit
diesem Verfahren ausgezeichnete Erfolge erzielt haben. Jamin
publiziert einen mit verschiedenen Mitteln erfolglos behandelten und
dann durch Faradisation geheilten Fall bei einem 15 jährigen Mädchen.
Die negative Elektrode wurde in Form einer Bougie (Nr. 16
Charrifere) mit gut vernickelter Olive in die Harnröhre eingeführt
und in der Harnröhre während der Sitzung hin- und hergesohoben.
Der positive Pol kam auf den Oberschenkel und nicht auf die
Blase, um sie nicht zu reizen. Es wurde schwacher Strom zwei
Minnten lang verwendet Bei dieser Behandlung wiederholte sich
das Bettpissen nur während der Menstruation und nach zwei Mo¬
naten trat vollständige Heilung ein. Köster benützte die Methode
von Seeligmüller: Das Ende eines bis auf ! | 4 Zoll mit Gutta¬
perchaüberzug isolierten Kupferdrahts, der mit den negativen Polen
des Induktionsapparates verbunden ist, wird 1—1*1, cm in die
Harnröhre, der positive Pol an die Symphyse gebracht, die Rollen
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bis zur deutlichen Fühlbarkeit des Stromes übereinander geschoben
und der Strom fünf Minuten lang durchgeleitet. Man lässt während
der Sitzung den Strom durch Verschiebung der sekundären Stelle
des Induktionsapparates an- und abschwellen. Die Sitzungen werden
so lange wiederholt, als die Enuresis andauert. Von 20 Fällen sind
17 geheilt, einer gebessert, zwei ungeheilt. Die Erfolge waren
dauernd. In sieben Fällen genügte eine, in sechs Fällen zwei, in
drei Fällen drei, in zwei Fällen vier und in je einem Falle 12 bis
20 Sitzungen. Köster meint, dass der Erfolg auf Stärkung des
Sphincter vesicae und des Compressor urethrae beruhe. Guyon
faradisiert, indem er eine Elektrode (Metallbougie) in die Harnröhre
an den Sphincter, die andere auf die Pubes oder Symphyse legt
Die Elektrode besteht aus einem 2 mm dicken Bündel sehr feiner
biegsamer Metalldrähte, die mit einer isolierenden Schicht überzogen
sind. Der Strom soll im Beginn schwach sein und die Sitzung
zwei bis fünf Minuten dauern. Die Elektrode wird hart an die
Blasenmündung gelegt und es werden dann entsprechend stärkere
Instrumente gewählt. Bei Kindern, welche den Katheterismus nicht
zulassen, muss man sich auf äussere Anregung des Sphincters be¬
schränken. Bei Mädchen war der Erfolg weniger prompt als bei
Knaben. Auch der konstante Strom war nicht unwirksam. Men¬
delsohn sah Erfolge bei lokaler Behandlung des Sphincters (Mast-
darmrheophor) in vier bis sechs Wochen bei Anwendung nicht zu
starker faradischer Ströme durch fünf bis zehn Minuten. Oft genügt
die perkutane Anwendung eventuell Kombination der Hautfaradi-
sierung mit der Rectalapplikation. Nur wo man mit dieser Technik
nicht zum Ziele gelangt, lässt man den Strom urethral einwirken
und situiert die Harnröhrenelektrode in die Gegend der Pars mem-
branacea. Ollivier ist ein Anhänger der elektrischen Behandlung; er
führt als Elektrode eine Metallbougie mit Metallknopf ein, mit der
er bis in die Gegend des Sphincters vordringt; die andere Elektrode
wird auf die Pubes oder das Perineum gesetzt. Steavenson em¬
pfiehlt bei Erschlaffung des Sphincters nicht centralen Ursprungs
den konstanten Strom: grosse Elektrode aufs Kreuz, kleine auf das
Perineum, mit wiederholtem Stromwechsel 10 Minuten täglich. In
40 Fällen sah er bei dieser Behandlung Heilung.
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— 433 —
Die multiple Neurofibromatose.
(Recklinghausen’sche Krankheit.)
Sammelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent n. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung.)
Bei dem 24jährigen Arbeiter von Sieveking (1896) wies die
völlige Lähmung des Rumpfes und der Extremitäten bei erhaltener Sen¬
sibilität und gesteigerten Reflexen, die Blasen- und Mastdarmlähmung,
die Störung der Atmung und der Sprache, die Reaklionslosigkeit der
verengerten Pupillen auf eine Leitungsunterbrechung im Halsmark hin.
Die Autopsie deckte auch thatsächlich ein im Wirbelkanal liegendes
Neurofibrom von Taubeneigrösse, welches das Rückenmark ungefähr in
der Höhe des 3. Halswirbels stark komprimierte, auf.
Was die klinischen Erscheinungen in dem Falle von Petren
(1897) anlangt, so sind sie folgende: Leichte Abstumpfung des Druck¬
sinns an den periphersten Partien der Glieder; eine etwas mehr ent¬
wickelte und auch etwas mehr centralwärts ausgebreitete Schwächung der
beiden Temperatursinne, die doch als eine leichte bezeichnet werden
kann; eine Störung des Muskelsinns der Zehen; eine ziemlich bedeutende
Ataxie bei allen Bewegungen der Glieder; eine Equinovarus-Stellung
der Füsse mit leichter Dorsalflexion der ersten Phalangen und viel
mehr entwickelter Volarflexion der zweiten Phalangen der beiden grossen
Zehen; zuweilen bestanden fibrilläre Muskelzuckungen in Ober- und
Unterschenkeln; das Romberg'sche Symptom ist deutlich vorhanden.
Die Patellarreflexe sind gesteigert, der Gang von deutlich ataktischem
Charakter, auch können bei ihm etwas spastische Momente erkannt
werden. Nystagmus und bulbäre Symptome fehlen. — Eine Autopsie
fehlt. Immerhin scheint es ziemlich gewiss, dass ein oder mehrere von
den spinalen Wurzeln gebildete Tumoren das Rückenmark komprimiert
haben. Auch muss man sich diese Kompression als eine symmetrische
denken, da die spastischen Erscheinungen in beiden Beinen gleich stark
entwickelt sind; ausserdem ist sie offenbar ziemlich leicht gewesen, da
sie keine eigentliche Parese bewirkt hat. Den Ort der Kompression
verlegt Petren unterhalb des Halsmarkes, da die Bewegungen sowie die
Reflexe des rechten Armes ungestört sind. Für die ausserdem be¬
stehende Parese und die vasomotorischen Störungen des linken Armes
wagt Petren keine sichere Deutung zu geben, ebensowenig für die von
ihm eingehend beschriebenen oculopupillären Phänomene (Verkleinerung
der Lidspalte links, Spur von Nystagmus, wechselnde Pupillendifferenz,
träge Pupillenreaktion).
In einem der Fälle von Spillmann und Etienne (1898, Obs. 1),
war die Neurofibromatose von Symptomen begleitet, die an eine Loka¬
lisation von Neurofibromen innerhalb des Wirbelkanals denken liess:
Der Gang ist mühsam, deutlich spastisch, auch bestehen Kontrakturen.
Keine Muskelatrophien. Ameisenkriebeln in den unteren Gliedmassen.
Die Schmerzempfindung fehlt im Bereiche der unteren Extremitäten und
des Rumpfes bis etwas oberhalb des Nabels, sonst Herabsetzung der
Berührungsempfindung bis hinauf an den Gürtel. Steigerung der
Central bla tt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 2S
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Patellarreflexe beiderseits. Fussclonus beiderseits. Blase und Mast-
darm gelähmt. — Autopsie fehlt.
Weniger ausgesprochen sind die Erscheinungen in dem anderen
Falle (1898, Obs. 4): Schwäche in beiden Beinen. Patellarreflex leicht
verstärkt. Sensibilität normal. — Ebenfalls keine Autopsie.
Al. Thomson’s Beobachtung (1900, Fall 6, p. 146) betraf
einen 41jährigen Wollspinner, bei welchem die Diagnose auf multiple
Neurofibrome der Nerven wurzeln (neben solchen der peripheren Nerven-
stämme) gestellt war. Pat. bot die Zeichen einer spastischen Lähmung
der unteren Körperhälfte dar. Tod an Pneumonie. — Keine Autopsie.
In dem Falle von Haushalter (1900) bestanden eine spastische
Paraplegie an beiden > unteren Extremitäten, Blasen- und Mastdann-
lähmung, gesteigerte Reflexerregbarkeit und Fussclonus beiderseits, ge¬
ringe Atrophie der Wadenmuskulatur. Keine nennenswerten motorischen
Störungen an den oberen Gliedmassen. Die Sensibilitätsstörungen be¬
standen in einer Abnahme der Berührungsempfindung an den unteren
Extremitäten, völliger Unempfindlichkeit an einzelnen Stellen des rechten
Unterschenkels, erheblicher Abnahme der Temperaturempfindung am linken
Unterschenkel, die am linken Unterschenkel ganz aufgehoben war. Jin
übrigen war der Temperatursinn überall erhalten. Die Schmerzempfin¬
dung vermindert an den Stellen, an welchen die Berührungsempfindung
nicht normal ist Auf die zu gleicher Zeit bestehenden cerebralen Sym¬
ptome bin ich schon oben eingegangen. — Autopsie fehlt
Neben zahlreichen cerebralen Symptomen weist die Patientin von
Posthumus (1900) auch solche auf, die auf eine Mitbeteiligung des
Rückenmarkes bezw. der Rückenmarkswurzeln hindeuteten. Thatsächlich
haben — wie die Autopsie nach wies — einzelne Ganglia intervertebralia
bei normaler Form zwei- bis dreifachen Umfang des Normalen. Die
Hauptveränderungen fanden sich am peripheren Nervensystem, das
Rückenmark zeigte makroskopisch keine Veränderungen. Damit steht
aber eine Reihe von klinischen Erscheinungen nicht im Einklang:
Patientin kann weder gehen noch stehen; die Füsse haben Equino-
varus-Stand; die Muskeln sind atrophisch, mehr noch rechts als links.
Die aktive, wie die passive Bewegung ist in allen Gelenken normal, nur
im Talocruralgelenk ist sie sehr beschränkt, links weniger als rechts.
Der Patellarreflex fehlt links, rechts hat er sehr zugenommen.
Die Plantarreflexe sind beiderseits normal.
Beide Arme sind atrophisch, sowohl Ober- als Unterarm, der
Thenar und die Spatia interossea zeigen es in sehr hohem Grade. Die
Muskeln fühlen sich sämtlich schlaff an und sind im höchsten Grade
paretisch. Die passive Bewegung in allen Gelenken ist gut, auch in
denen der Finger.
Weder an den unteren noch an den oberen Extremitäten bietet
die Untersuchung der Sensibilität und die elektrische Untersuchung Ab¬
weichungen von der Norm. „Dann und wann sind das Urinieren
und die Defäkation involuntär.“
Ganz glaubhaft ist die Angabe von Posthumus, dass das Rückenmark
makroskopisch keine Veränderungen zeigte, jedenfalls nicht. Uebrigens
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- j;$5 —
fehlt eine mikroskopische Untersuchung des Centralorganes. Höchst
auffällig ist freilich das verschiedene Verhalten der Patellaireflexe.
Noch schwerer zu klassifizieren ist der Fall von Schüle (1902,
Fall 1), der einen Unfallskranken betrifft und bei dem auch die Au¬
topsie fehlt. Der Patient zeigte neben einer Opticusatrophie spastisch-
ataktischen Gang, Blasenbeschwerden und Anästhesien unbestimmter
(hysterischer?) Natur.
In dem Falle von Sorgo (1902), in welchem ein grösserer im
Bereiche der Lendenanschwellung gelegener Tumor das Rückenmark
komprimierte, bestand anfangs eine atrophische, schlaffe Lähmung der
Beine, Verlust der Patellarreflexe und Fusssohlenreflexe, Fussclonus,
Incontinentia urinae und Anästhesie der unteren Extremitäten und des
Rumpfes bis zwei Querfinger über der Inguinalgegend.
Allmählich aber kam es zu einer vollständigen Unterbrechung der
Rückenmarksbahnen, was sich dann klinisch durch den plötzlichen Ueber-
gang der schlaffen Lähmung in eine spastische mit Steigerung der Pa¬
tellarreflexe, Fussclonus und Kontrakturen charakterisierte.
Einfache Paraparesen oder Paraplegien wurden beobachtet in
den Fällen von Sibley (1866), Salomon (1877), Hirschberg
(1879), Launois und Variot (1883, Obs. 1 und 2), v. Bruns
(1892, Fall 35), v. Büngner (1897), Berggrün (1897), Stern¬
berg (1900), Preble und Hektoen (1901).
In der Beobachtung von Sibley (186C) hatte im Cervicalteil ein
nussgrosser Tumor das Rückenmark komprimiert und eine allmählich
sich steigernde Lähmung der unteren Extremitäten bewirkt.
In dem Falle von Salomon (1877) bestanden Kompressions¬
erscheinungen des Rückenmarks in Form von Schwäche und Schmerzen
in den Beinen. Der Gang ist ängstlich, die Schritte klein und zögernd.
Vorübergehend bestanden auch Schmerzen und Schwäche in den Armen,
besonders beim Gebrauche des Hobels. Ernährungsstörungen der Mus¬
kulatur bestehen nicht. Die Sensibilität ist in allen* ihren Qualitäten
intakt. Blasen- oder Mastdarmstörungen waren nie vorhanden. Ueber
das Verhalten der Reflexe ist nic^s gesagt.
In dem Falle 1 von Launois und Variot (1883) bestanden
vorübergehende und recidivierende Erscheinungen von Lähmungen, Sen¬
sibilitätsstörungen, Ameisenlaufen etc. in den unteren Extremitäten; in
Fall 2: Schwäche und Schmerzen in den oberen und unteren Glied¬
massen, Muskelatrophien, Ameisenlaufen, Verlust der Sehnenreflexe und
Erscheinungen von Arthritis an beiden Ellbogen- und dem linken Fuss-
gelenke, welche die Autoren mit möglicherweise in der Rückenmarks¬
höhle bestehenden Neurofibromen in Zusammenhang bringen.
Der 18 jährige Patient von v. Bruns (1892, Fall 35) starb einige
Jahre später zu Hause, nachdem eine Lähmung der unteren Extremitäten
vorangegangen sein soll.
v. Büngner’s (1897) wiederholt citierte Kranke zeigte Bewegungs¬
behinderungen der unteren Extremitäten, später der Arme und Hände,
die in der Folge Zunahmen, *fco dass es ihr immer schwerer wurde, die
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Nahrung zum Munde zu führen, und sie sich meist füttern lassen musste.
Blase und Mastdarm waren ebenfalls gelähmt.
In dem Falle von Berggrün (1897) nahm das Tumorgewebe im
Rückenmarkskauale hauptsächlich das untere Brustmark und Lendenmark
ein, wogegen der obere Anteil des Rückenmarks verhältnismässig frei
davon war. Dementsprechend war die Motilität der oberen Extremitäten
und die Sensibilität am Oberkörper erhalten, wogegen eine Paraplegie
der unteren Extremitäten bestand. Zugleich bestanden eine Blasen- und
Masldarmlähmung and eine Anästhesie vom Nabel an abwärts. Die
Sehnenreflexe waren aufgehoben.
Preble’s und Hektoen’s Patientin (1901) bot eine vollkommene
Paraplegie dar mit Blasen- und Mastdarmlähmung durch zahlreiche, das
Rückenmark komprimierende Tumoren der Nervenwurzeln.
Ueber die ebenfalls hierher gehörigen Beobachtungen von Hirsch¬
berg (1879) und Sternberg (1900), bei denen neben Tumoren der
Rückenmarks wurzeln auch solche der Hirnbasis bestanden, habe ich be¬
reits oben berichtet.
In A. Philippson's zweitem Fall (1888) = Podlewsky
(1886) scheint eine richtige Tabes neben der Neurofibromatose be¬
standen zu haben -- wohl eine rein zufällige Komplikation.
Der Kranke von Zinno (1898) bot das Bild einer amyotro-
plüschen Lateralsklerose, jedoch mit einem mikroskopischen Rücken-
marksbcfuude, welcher von dem gewöhnlichen Bilde einer wahren
Seitenstrangdegeneration wesentlich abwich.
Dass unter Umständen durch centrale Neurofibromatose eine
Syringomyelie vorgetäuscht oder wenigstens an eine solche gedacht
werden kann, beweist der schon in diesem Abschnitt besprochene
Fall von Haushalter (1900), in welchem neben spastischer Para¬
plegie mit Sphinkterenlähmung eine Neuritis optica rechts, eine Ab-
ducenslähmung linkerseits, eine starke Kyphoskoliose der Brust- und
Lendenwirbelsäule, Steigerung der Sehnenreflexe, Andeutungen von
Muskelatrophien, sowie endlich Sensibilitätsstörungen bestanden, die
an gewissen Körperstellen „la forme d’une dissociation relative de
la seusibilitd“ angenommen hatten.
Was die klinischen Erscheinungen der Neurofibrom¬
bildung am sympathischen Nervensystem betrifft, so habe
ich solche zum Teil schon flüchtig gestreift, wie z. B. bei der Be¬
sprechung der Anomalien im Bereiche des Auges, zum Teil werde
ich noch ausführlich darauf zurückkommen bei der Besprechung der
vasomotorischen und einiger trophischen Störungen und anderweitiger
Komplikationen im weiteren Verlaufe der Erkrankung, endlich auch
bei der Diskussion des Wesens der Neurofibromatose, speziell der
Theorie einer primären Sympathicuserkrankung als Ursache derselben.
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Eine ganze Reihe von Erscheinungen ist, wie ich an diesen
Stellen misgeführt habe bezw. noch ausführen werde, mit der Ent¬
wickelung von Fibromen am sympathischen Nervensystem in Zu¬
sammenhang gebracht worden; es sind dies, um es einmal zusammen
zufassen:
1. die Kachexie und der Marasmus;
2. die Störungen des Intellekts und der Psyche;
3. eine Reihe von Störungen der Magen- und Darmfunktion
(Koliken, Durchfälle etc.);
4. vasomotorische Störungen;
5. gewisse Formen der Sehstörung;
6. oculo-pupilläre Phänomene;
7. Schwindel, Schwindelgeföhl;
8. Kopfschmerzen;
9. allgemeine Krämpfe, epileptiforme Krisen, allgemein de¬
pressive Zustände
und andere Erscheinungen mehr.
Dieser Zusammenhang ist jedoch ein rein hypothetischer, der
durch nichts begründet oder bewiesen ist und auf Analogien mit
ähnlichen Symptomen bei anderen Krankheiten beruht.
Anomalien der Reflexerregbarkeit habe ich bereits oben
wiederholt erwähnt; sie sind meist bedingt gewesen durch Verände¬
rungen am Centralorgan oder waren auf Leituugsunterbrechungen
an den peripheren Bahnen zurückzuführen. Gelegentlich bestehen
aber dergleichen Abnormitäten ohne konkomilierende Störungen der
Motilität oder Sensibilität.
Steigerung der Patellarreflexe zeigten die Kranken von Kitt¬
mann (1884), Bourcy und Laiguel-Lavastiue (1900), Haus¬
halter (1900) und meine Fälle 2 und 8 (1901).
Bei dem Patienten von Petren (1897) waren die Patellar¬
reflexe beiderseits ziemlich gesteigert; es bestand deutlicher Fuss-
clonus; die Plantarreflexe waren gesteigert, die Cremasterreflexe nor¬
mal, die Bauchreflexe etwas vermindert, Sehnen- und Periostreflexe
des rechten Armes ohne Veränderung, an der linken Seite ziemlich
erheblich gesteigert.
Die Patellarreflexe bei dem Kranken von Feindei und
Froussard (1899) waren gesteigert, der Pharynxreflex war stark
vorhanden.
Bei meiner jüngst beschriebenen Patientin (1902) fanden
sich eine starke Steigerung der Patellarreflexe beiderseits, lebhafte
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Bauchdeckenrcflexe, normale Haut- und Periostreflexe. Fussclonus
war beiderseits angedeutet.
Reflexe fehlten in dem Falle von Berggrün (1897): die Pa-
tellarreflexc waren aufgehoben, desgleichen der Cremasterreflex;
Fussclonus bestand nicht.
In dem Falle von Posthumus (1900) fehlte linkerseits der
Patellarreflex, während er rechterseits erhöht war. Die Plantar-
reflexe waren beiderseits normal.
Bei dem Kranken von Revilliod (1900) waren die Patellar-
reflexe normal, die Cremasterreflexe fehlten.
In A. Philippson’s Fall 2 (1888) = Podlewski (1886)
fehlten die Patellarreflexe; jedoch lag hier allem Anscheine nach
eine Komplikation der Neurofibromatose mit einer richtigen Tabes
dorsalis vor (reflektorische Pupillenstarre, Romberg’sches Phä¬
nomen etc.).
Haut- und Sehnenreflexe waren bei dem Patienten von Ti-
kanaze (1901) abgeschwächt
Von anderen Autoren wird normale Reflexerregbarkeit ange¬
geben (Landowski 1894, Obs. 1 u. 2).
Normale Patellar- und Gaumenreflcxe zeigte die Patientin von
Hallopeau und Fouquet (1901), normale Reflexerregbarkeit be¬
stand in beiden Fällen von Henneberg und Koch (1901, 1902,
Fall 1 und 2).
Bei der Frau von Thibiferge (Soc. m£d. d. höp. 1898) waren
die Reflexe inclusive Gaumenreflex normal vorhanden.
Den Kardinalsymptomen gegenüber steht eine Reihe von
Symptomen zweiter Ordnung.
Ich fasse als solche auf:
1. einige rein funktionelle Störungen;
2. die Störungen des Intellekts und der Psyche;
3. trophische und
4. vasomotorische Störungen.
Eine Reihe von Störungen, die ich funktionelle nennen
will, können das Bild der Neurofibromatose begleiten. Sie sind
höchst verschiedenartig, ohne spezielles Gepräge und haben nichts
für die Krankheit Charakteristisches. Oft fehlen sie ganz und sind
im Ganzen höchst inkonstant.
Erwähnt werden kurzdauernde, eigentümliche Anfälle von Stö¬
rungen des Bewusstseins (Feindei 1896, Fall 2, Revilliod 1900,
Lanz 1901), epileptische und epileptiforme Anfälle (Posthumns
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1900, Revilliod 1900), sowie hysteriforme Anfälle (P. Marie
1894/95, Fall 1) mit oder ohne andere, oft zahlreiche hysterische
Stigmata (Grün 1886, P. Marie 1894/95, Feindei 1896, Audry
und Levy 1899, Labouverie 1899, Fall 5, Bennati 1901).
In den beiden Fällen von Schüle (1902) bestanden Sensibilitäts¬
störungen, die der Autor selbst füi kongenitale, mit den Neurofibromen
der Haut zusammenhängende Gefühlsstörungen oder wenigstens für eine
Ueberlagerung der angeborenen Sensibilitätsstörung mit Hysterie hält,
während von anderer Seite an rein hysterische Störungen gedacht wurde.
Der eine Patient, nebenbei bemerkt ein Unfallkranker, bot eine
universelle Anästhesie gegen Schmerz und eine handschuhförmige An¬
ästhesie der Finger dar, während der zweite Patient (ein Bruder des
ersten) am Gesicht und an den Armen eine Hyperästhesie zeigte.
In dem Falle von Bennati (1901) bestand eine totale rechts¬
seitige Hemianästhesie auf hysterischer Basis.
Schwindelgefühl und Schwindelanfälle erwähneu Lahmnnn
(1885, Fall 1), P. Marie (1894/95), Feindei (1896, Fall 1 und 2),
Labouverie (1899, Fall 1), Feindei und Froussard (1899),
Spillmann (1900), Revilliod (1900), sie bestanden auch in meinem
Falle 2 (1901).
Den Kranken von Lahmann überkommen seit 25 Jahren häufig
eine gewisse Schwäche mit Schwindel, temporärer Diplopie, sowie Druck-
und Angstgefühl auf der Brust; jedoch bleibt er stets bei Besinnung
und stürzt auch nicht nieder. Das Mitbestehen eines milden Grades von
Epilepsie ist nicht von der Hand zu weisen, zumal der einzige Bruder
des Patienten an Epilepsie litt und 23 Jahre alt in einem epileptischen
Anfalle starb. Uebrigens litt dieser Bruder nicht an Neurofibromen.
Auch die Schwindelanfälle, welche den Patienten von Feindei und
Froussard oft zu Falle bringen, lassen an das Bestehen einer leichten
Form von Epilepsie denken.
Gedächtnisschwäche notieren Feindei und Froussard (1899),
Revilliod (1900) und Spillmann (1900), merkliche Abnahme des
Gedächtnisses bei guten intellektuellen Fähigkeiten Landowski
(1894, Fall 2).
Der Kranke von Revilliod (1900) litt an unruhigem Schlaf,
jedoch ohne schwere Träume; desgleichen die Patientin von Hallo-
peau und Fouquet (1901) und der Kranke von Launois und
Variot (1883, Obs. 1). Eine Patientin von Spillmann und Eti-
enne (1898, Fall 2) litt häufig an Migräne, desgleichen ein Fall von
Labouverie (1899, Fall 5) und Fall 1 von v. Recklinghausen
(1882). „Cöphalöt's en casque“ und Zittern sind in dem Falle von
Revilliod (1900), Tremor auch in dem Falle von Feindei (1896.
Obs. 2) verzeichnet.
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Wo ähnliche Erscheinungen sonst notiert sind, waren sie der
Ausdruck gesteigerten Hirndrucks und waren mit anderen Zeichen
des Hirndrncks auf Neurofibromentwickelung innerhalb der Schädel¬
kapsel zurückzuführen (Spillmann 1900 u. a. m.).
Spillmann und Etienne (1898) sahen bei zwei ihrer Patientinnen
(Fall 1 und 5) starke Nervosität; die eine davon (Fall 5) litt an häu¬
figen Nervenzufällen (crises de nerfs) seit dem Sistieren der Menses und
bot einen Tic des Masseter (klonische Kaumuskelkrämpfe).
(Fortsetzung folgt.)
II. Referate.
Darm.
Ricerche sulla funzione intestinale e sul ricambio materiale in un
caso di estesissima resezione del tenue. Von Vitali. Rivista
critica 1902, Nr. 11—13.
Bei einem Patienten, bei welchem wegen peritonitischer Prozesse
fünf Meter des Dünndarms entfernt werden mussten, so dass nur noch
ein 60 cm langes ßtück Dünndarm zurückblieb, das mit dem Colon
ascendens vereinigt wurde, stellte der Verf. Stoffwechseluntersuchungen an.
Es handelte sich um ein mageres Individuum von 53 kg, dessen
Gewicht später auf 57,9 kg stieg. Eingegebene Kohle erschien nach
sieben Stunden in den Fäces wieder; später dauerte die Zeit der Darm«
passage neun Stunden.
Die Fäces waren anfänglich diarrhoisch, wurden aber späterhin
konsistent. Bemerkenswert ist nun, dass der Fett- und N-Verlust in
den Fäces nur um weniges höher als normal befunden wurde und dass
der Stoffwechsel keinerlei Abweichung vom gewöhnlichen Typus zeigte,
nur machte sich eine gesteigerte Darmfäulnis geltend, was in der Ver¬
mehrung der Aetherschwefelsäuren des Urins zum Ausdruck kam.
Martin Cohn (Kattowitz).
Membranous colitis. Von Cb. Douglas. The Journal of the Amer.
Medical Association, Vol. XXVII, 31. Aug.
Die Colitis membranacea tritt meist bei Kindern über sechs Mo¬
naten und unter zwei Jahren auf. Verf. teilt die Krankengeschichten
von drei Fällen mit, in welchen schon im Säuglingsalter (9, 19 Tage,
neun Wochen) nach heftigen Schmerzen und Fieber mit Schleim ge¬
mischte Stühle entleert wurden, schnelle Abmagerung eintrat und später
opake, gelbliche Membranen abgingen. Die bakteriologische Unter¬
suchung der letzteren ergab im ersten Falle den Colibacillus, während
im zweiten Falle Proteus vulgaris und Streptococcen gefunden wurden,
woraus hervorgeht, dass verschiedene Bacillen die Fähigkeit haben, durch
ihre reizenden Eigenschaften Pseudomembranen auf der Darmschleimhaut
zu erzeugen. Man findet meist bei der Schilderung dieser Erkrankung
dünne schleimige Stuhlentleerungen erwähnt, bei zwei Fällen des Verf/s
bestand Verstopfung. Zum Schlüsse betont Verf. die Notwendigkeit der
Stuhluntersuchung durch den Arzt in allen Fällen von Magen-Darm-
störungen. Langemak (Rostock).
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Die Aetiologie der tropischen Dysenterie. Von S. Flexner. Trans¬
act. Patholog. Soc., London, Vol. L1I.
Verf. hatte Gelegenheit in Manilla Dysenterie sowohl bei amerikn-
nischen Soldaten als v auch bei Eingeborenen zu studieren. Aus der
gründlichen Arbeit sei hier nur erwähnt, dass er zwischen einer akuten
und chronischen Form unterscheidet, bei ersterer werden Amöben fast
nie, bei letzterer dagegen regelmässig gefunden. Bei der chronischen
Form sind Leberabscesse, und zwar in der Einzahl, recht häufig, ihr
Inhalt enthält häufig Amöben, manchmal mit Bakterien, auch finden
sich gelegentlich nur Bakterien; sie gehören der Gruppe der Colityphus-
bakterien an. Die akute Form der Dysenterie unterscheidet sich auch
sonst wesentlich von der chronischen. Nähere Beschreibung der Darm-
veranderungen ist im Original nachzulesen.
J. P. zum Busch (London).
Ueber Darmgries. Von Ed. Deetz. Deutsches Archiv f. klin. Med.,
Bd. LXX, H. 3 u. 4.
Dieulafoy stellte 1897 ein eigentümliches Krankheitsbild auf,
das insbesondere charakterisiert ist durch heftige abdominelle Kolikanfälle,
und zwar ohne fixierbaren Schmerzpunkt. Den Koliken gehen eine Zeit¬
lang Abgeschlagen heit, Müdigkeitsgefühl und Darmblähung voraus, die¬
selben finden ihren Abschluss mit der Entleerung von sandartigen Kon¬
krementen. In seltenen Fällen gehen letztere fast unbemerkt ab, und
die Kranken haben dann nur das Gefühl, als ob Sand den After passiere.
Die Kasuistik derartiger Fälle ist noch äusserst spärlich; in der
deutschen Literatur finden sich nur die jüngst von Eichhorst publi¬
zierten beiden Beobachtungen.
Auch der von Deetz mitgeteilte Fall ist nicht geeignet, Licht in
das rätselhafte Leiden zu bringen. Es handelt sich um einen 50jährigen
Mann, der seit etwa einem Jahr unter Erscheinungen von Nierenkolik
erkrankte, und der zur Zeit der Anfälle stets sandartige Massen mit
dem Stuhlgang entleerte. Der Sand war hell und dunkelbraun gefärbt,
bestand aus ziemlich feinen Körnchen, welche die Form einer Voll- oder
Halbkugel mit spitzen, krystallartigen, wasserhellen Ausläufern besitzen.
Cholestearin- sowie Bilirubinreaktion fielen negativ aus. Ebensowenig
konnte Cellulose darin nachgewiesen werden. Sonach ist ihre Provenienz
aus Galle oder Früchten ausgeschlossen. Eine genaue chemische Analyse
ergab ausser einer Spur organischer Bestandteile (Verbrennen mit hell¬
leuchtender Flamme am Platindraht) im wesentlichen phosphorsauren
Kalk mit Spuren von oxalsaurem Kalk.
Die Aetiologie ist auch in diesem Falle vollkommen dunkel. Ander¬
wärts (Dieulafoy, Laboulböne) war ein Zusammenhang mit der Gicht,
vielleicht auch mit Colitis membranacea nicht von der Hand zu weisen.
Eine Karlsbader Kur scheint bei obigem Patienten heilende Wirkung
gehabt zu haben. Hugo Starck (Heidelberg).
Ein seltener Fall von tuberkulöser Jejunumstenose. Von N. P.
Trinkler. Prakt. Wratsch, Bd. I, p. 295 u. 321. (Russisch.)
Mann, 22 Jahre alt. Bauch gleichmässig aufgetrieben, bei mecha¬
nischem Reiz lebhafte Darmperistaltik, abwechselnd Durchfall und Stuhl-
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verhftltung; Schmerzen im Abdomen, Erbrechen, Uebelkeit Die Peri¬
staltik ist am deutlichsten im Meso- und Hypogastrium; Blinddarmgegend
schmerzlos. Besonders stark sind die spasmatischen Schmerzen nach dem
Essen. Uebrige Organe frei. Starke Abmagerung. — Bei der Laparo¬
tomie wird eine ringförmige tuberkulöse Stenose des Jejunums im mitt¬
leren Teil gefunden und reseciert. Die verengte Stelle lässt kaum eine
dünne Sonde durch. Danach Heilung. Sechs Monate später: Pat hat
20 Kilo an Gewicht zugenommen und fühlt sich ausgezeichnet.
Es handelte sich also um isolierte Tuberkulose des Dünndarms.
Die Mutter des Pat. ist mager, eine Schwester litt an Coxitis.
In der Literatur fand Trinkler nur noch zwei Fälle von Tuber¬
kulose des Jejunums und Duodenums mit Stenose (von Mikulicz und
Bobrow). Gückel (Medwedowka, Kiew).
R4tr£cissement de Fangle gauche du cölon transverse traitö par
la colo• colostomie. Von Terrier. Sociötö de Chirurgie de Paris
1902, söance du 16 et 23 avril.
Terrier konstatierte bei einer Frau eine bewegliche Geschwulst
in der Gegend der linken Flexura coli, zugleich eine Dilatation des
Quercolons, welche gleichzeitig mit schmerzhaften Attaquen auftrat Ein
Neoplasma wurde angenommen und eine Laparotomie ausgeführt Man
fand das Colon descendens und die Flexura sigmoidea auf Dünndarm¬
volumen verengt, das Quercolon gesenkt, die linke Flexura coli scharf
geknickt, dagegen kein Neoplasma. Terrier bildete eine Kommunikation
zwischen Colon descendens und transversum. Heilung ohne Zwischen¬
fall. Schwinden der Schmerzanfälle.
Poirier berichtet über einen ähnlichen Fall. Er löste bloss
einige Adhäsionen, ohne eine Colo-Colostomie vorzunehmen, wodurch der
Ausgang ein ungünstiger wurde.
Auch Legueu machte eine ähnliche Beobachtung. Bei einer
Frau musste er, da drei Tage nach der Exstirpation einer Ovarialcyste
Occlusionserscheinungen auftraten, neuerlich eingehen und fand das
Quercolon erweitert, das Colon descendens abgeplattet Das Hindernis,
dessen Natur er nicht erkennen konnte, sass in der linken Flexur. Bei
der Autopsie erwies es sich als ein den Darm komprimierender Strang.
Reynier bemerkt, dass an Dilatatio ventriculi Leidende oft über
Schmerzen in der Gegend der linken Flexura coli klagen, die vielleicht
als die Folge einer Ptosis des Quercolons und Knickung des Dickdarm9
anzusehen sind. F. Hahn (Wien).
Stricture of the rectum in women due to inflammatory processes
in the pelvis. Von J. L. Rothrock. The St Paul Med. Journal,
Vol. IV, Nr. 5.
Viele Strukturen des Rectums haben ihre Ursache in Tumoren,
welche das Becken ausfüllen, oder in Entzündungsprozessen daselbst
Dazu gehören: der gravide Uterus, Tumor des Uterus oder der Ovarien,
maligne Tumoren, die eine Infiltration der Perirectalgewebe verursachen.
Das alles führt zu chronischer Obstipation. Bei Frauen ist es die Peri-
und Parametritis, Pyosalpinx, eitrige Hämatocele und Cystovarien, die zu
gleichen Störungen führen. Parametritische Exsudate können das kleine
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Becken so ausfüllen, dass eine Kompression des Rectums stattfindet, oder
es erfolgt durch Schrumpfung der perimetritischen Adhäsionen eine Kon¬
striktion des Darms. Dieser pathologische Zustand findet im allgemeinen
viel zu wenig Berücksichtigung.
Fall 1. Eine 42jährige Frau fühlte beim Heben einer Last plötz¬
lich einen Schmerz in der Nabelgegend, der später in die rechte Ovarial-
gegend lokalisiert wurde. Das Abdomen gespannt und aufgetrieben. In
der rechten Ovarialgegend eine Resistenz tastbar, vaginal als harte
Exsudatmasse sich darstellend, die den Uterus in sich schliesst. Die
Eröffnung des Douglas’sehen Raumes förderte Eiter zu Tage, worauf
sich Tympanites und Obstipation einstellten. Sie waren die Folge der Ein¬
bettung des Rectums im oberen Abschnitt, so dass der Finger das Lumen
nicht passieren konnte. Schliesslich wurde eine inguinale Colotomie ge¬
macht und wurden die Exsudatmassen entfernt Der Stuhl kam durch
den Anus praeternaturalis und erst nach neun Monaten auf normalem
Wege.
Fall 2 und 3 wies ähnliche Symptome auf, nur dass sich grössere
Eitermassen angesammelt hatten.
Die Strikturen des Rectums kommen nur dann zustande, wenn
eine perirectale Infiltration vorhanden ist, die sehr lange besteht. Daher
kommt es, dass nicht alle grossen parametranen Exsudate zu solchen
Darmerscheinungen führen. Hugo Weise (Wien).
Perforating nlcers of the duodenum. Von J. Murphy u. Neef.
New York Med. Journal, Vol. LXXVI, Nr. 12 u. 13.
Die Verff. schildern auf Grund der vorhandenen Literatur in aus¬
führlicher Weise das Krankheitsbild des Duodenalgeschwürs, insbesondere
seiner Perforation. Seit der zusammen fassenden Mitteilung Weir’s (1900)
sind 19 Fälle von Operationen bei perforierten Duodenalgeschwüren ver¬
öffentlicht worden, deren Krankengeschichten im Auszuge mitgeteilt
werden. Sodann wird über einen weiteren, von Murphy operierten Fall
berichtet.
Der 24jährige, bisher ganz gesunde Mann erkrankte plötzlich mit
starken Leibschmerzen, welche anfänglich diffus waren, sich aber bald in
der rechten Bauchhälfte lokalisierten. Abdomen aufgetrieben, überall
druckempfindlich, am meisten rechterseits, woselbst bei oberflächlicher
Perkussion eine Dämpfung vorhanden war. Rechtsseitige Bauchmuskeln
stark gespannt, die Leukocytenzählung ergab 23400 im Kubikmillimeter.
Diagnose: Peritonitis perforativa. Operation acht Stunden nach Beginn
der ersten Symptome: aus der geöffneten Bauchhöhle floss klare, grün¬
liche Flüssigkeit, beginnende Peritonitis. Nach längerem Suchen wurde
in der Vorderwand des Duodenums etwa 4 cm unterhalb des Pylorus
eine kleine Perforation gefunden und verschlossen. Nach mehrfachen
Wund- und sonstigen Komplikationen schliesslich völlige Heilung.
Die Diagnose des perforierten Duodenalgeschwüres ist ohne Ex-
plorativlaparotomie praktisch unmöglich. In vielen Fällen gehen der
Perforation keinerlei Anzeichen einer Duodenalerkrankung voraus. Das
wichtigste physikalische Symptom ist (abgesehen von den Erscheinungen
der Peritonitis perforativa) die Dämpfung bei oberflächlicher Perkussion.
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Eine bestehende Leukocytose lässt sich vielleicht differentialdiagnostisch
gegenüber der Fettnekrose des Pankreas und dem Ileus verwerten, je¬
doch ist sic bei Darmperforationen nicht immer vorhanden. Je langer
der aus der Perforationsöffnung entweichende Darminhait mit dem Peri¬
toneum in Berührung ist, um so grösser ist die Gefahr der Zerstörung
der Endothellage und daher um so grösser die Gefahr der Absorption.
Von 13 erst nach 30 Stunden nach Eintritt der Perforation operierten
Fällen kam keiner durch, dagegen von 12 früher operierten 2 / a . Es
muss immer der Nahtverschluss der Oeffnung gemacht werden, was um
so eher möglich ist, als in 98 °/ 0 die Perforation in dem obersten, am
besten zugänglichen Teile des Duodenums liegt. Mohr (Bielefeld).
Zur Frage der Syphilis des Gastrointestinaltractns. Ein Fall von
Syphilis des Dickdanns. Von L. A. Ssobolew. Wratschebnaja
Gazeta, Bd. IX, p. 83 u. 107. (Russisch.)
Ein 25 Jahre alter Soldat litt vor 11 Jahren an Geschwüren der
unteren Extremitäten. Seit l 1 ^ Jahren nächtliche Schmerzen in den
Unterschenkeln; rechte Tibia höckerig; Lymphdrüsen hart* schmerzlos.
Typische Narben an den Unterschenkeln. Seit einem Monat Schmerzen
im Unterleib, die immer stärker werden; seit zwei Tagen kein StuhL
Seit gestern Schmerzen sehr stark, Erbrechen (ohne Blut). Abdomen
aufgetrieben, links sehr schmerzhaft; dem Colon descendens entsprechend
ein dicker, harter und schmerzhafter Strang. Urethritis. — Einläufe,
Morphium, Eis per os und auf die Magengegend ohne Erfolg. Am
nächsten Tage Jodkali. — Sofort Besserung: schon nach drei Tagen
fast keine Schmerzen. Vom siebenten Tage Beginn einer Schmierkur.
Weiterer Verlauf gut. — Beim Verlassen des Hospitals noch immer ein
Strang zu fühleu, wohl infolge Bindegewebsneubildung.
Für die Darmsyphilis hält Ssobolew für charakteristisch: starke
Schmerzen, ausserordentliche Inanition, die rasch auftritt, und fieberlosen
Verlauf. Gückei (Medwedowka* Kiew).
Fistel zwischen Flexnra sigmoidea und Blase im Anschluss an
perforierte Darmdivertikel. Von Waldvogel. Deutsche med.
Wochenschr., 28. Jahrg., Nr. 32.
Ein interessanter Fall aus der Göttinger medizinischen Klinik.
In der Excavatio recto-vesicalis ist die Flexur mit der hinteren
Blasenwand verwachsen. Entsprechend dieser Stelle findet sich in der
Blase eine 1—2 mm weite Fistelöffnung. Durch diese Fistel gelangt
man von der Blase aus in einen mit Schleim und schmierigen Massen
angefüllten, von bindegewebigen Verwachsungen umgebenen Hohlraum,
in welchen man vom stark verengten Darm aus ebenfalls durch sechs
feine Oeffnungen gelangen kann. Zwei von diesen erweisen sich als
perforierte Divertikel. Daueben findet sich eine Reihe tiefergehender
Divertikel. In dem zwischen Darm und Blase gelegenen Abscess findet
sich ein gut erhaltener Apfelkern. Keine Tuberkulose, kein Carcinom.
16 Jahre vor dem Tode war Pat. als 55jähriger Mann erkrankt,
und zwar mit Stuhldrang, Schmerzen, zeitweiligen Durchfällen, Entleerung
schleimiger Massen, Zurückbleiben von Kotresten und zugleich Beschwerden
beim Urinieren.
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Bei Beginn der Krankheitscrscheinungen muss es also schon zu
Verklebungen zwischen Flexura und Blase gekommen sein.
Die Entstehung des Abscesses würde nach Waldvogel etwa inner¬
halb der nächsten 10 Jahre anzunehmen sein. Die Symptome von
Seiten des Darmes verschwanden nach ca. 15 Jahren, als plötzlich der
Durchbruch des Abscesses in die Blase erfolgte und so die Blasen-Darm-
fistel entstand.
Schon einige Tage vor dem Gasaustritt, welcher den Faeces im
Urin vorausging, war der Urin trübe geworden, wohl ein Zeichen, dass
der Eiter sich der Blasenschleimhaut näherte.
Das Allgemeinbefinden wurde durch das Bestehen der Fistel nicht
eigentlich ungünstig beeinflusst; der Pat. erlag einem Herzfehler.
Stärkere Gasansammlungen in der Blase machten Fieber und allgemeine
Beschwerden. Die Gase stammten anscheinend von gasbildenden Bak¬
terien in der Blase selbst ab. Laspeyres (Bonn).
III. Bücherbesprecliungen.
Die otitischen Erkrankungen des Hirns, der Hirnhäute und der
Blutleiter. Von O. Körner. Dritte, vollständig umgearbeitete und
vermehrte Auflage. 216 pp., fünf Tafeln und eine Textabbildung.
Wiesbaden, J. Bergmann, 1902.
Das bedeutungsvolle Werk Körner’s hat in dieser Auflage eine
erhebliche Umgestaltung erfahren. Die mächtig angeschwollene Literatur
wurde eingehendst berücksichtigt, zahlreiche eigene Beobachtungen sind
neu eingefügt. Das Werk ist zweifellos die wichtigste und vollständigste
otiatrische Bearbeitung dieses Themas.
Auch die neueren Beobachtungen zeigen die relative Seltenheit der
otitischen Leptomeningitis im Kindesalter (unter 105 Fällen betrafen nur
neun Kinder unter 10 Jahren). Körner ist der Ansicht, dass man in
Hinkunft auch bei vermuteter oder sicher nachgewiesener otitischer Arach-
nitis operativ Vorgehen solle.
Körner beschreibt ausführlicher das schon früher von ihm ge¬
schilderte Bild der otitischen Pyämie ohne Sinusphlebitis („Osteophlebitis-
pyärnie“). Bei dieser Affektion kommt zu der Ohreiterung frühzeitig
ein typisches pyämisches Fieber. Dabei treten Metastasen in den Ge¬
lenken, Schleimbeuteln und Muskeln auf, während die Lunge im Gegen¬
satz zu der gewöhnlichen Sinusphlebitispyämie frei von Metastasen bleibt.
Die Erkrankung ist im Kindesalter häufiger.
Interessant ist die Operationsstatistik bei Sinusphlebitis. Von
308 Operierten sind 180 geheilt, 125 gestorben. Das Heilungsperzent
ist beinahe das gleiche in den Fällen von Sinuseröffnung mit, wie bei
denen ohne Jugularisunterbindung.
Bei otitischem Hirnabscess geht fast stets die ursächliche Knochen¬
krankheit bis zur Dura (unter 40 neueren Beobachtungen 37mal).
Die Operation führte bei 212 Grosshirnabscessen in 50,5 Proz.,
bei 55 Kleinhirnabscessen in 52,8 Proz. zur Heilung.
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Körner plaidiert für das systematische Aufsuchen des Eiters im
Hirn auf demselben Wege, auf dem er vom kranken Ohr oder Schläfen¬
beine aus in das Hirn gelangt war. Am häufigsten führt die doppelte
Eröffnung der Schläfenlappenabscesse vom Tegmen tympani et antri und
gleichzeitig von der Schläfen schuppe aus zur Heilung. Diese Methode
vereinigt den Vorzug der sicheren Auffindung des Abscesses vom
primären Krankheitsherde mit dem der grösseren Uebersichtlichkeit und
der bequemeren Zugänglichkeit der Höhle bei der Nachbehandlung.
Mehrere instruktive Abbildungen (auf Tafeln) beschlieseen das klar
und anregend geschriebene Werk«
Hermann Schlesinger (Wien).
Die otogenen Erkrankungen der Hirnhäute. Von O. ßrieger.
Würzburger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet der praktischen
Medizin, Bd. III, H. 3.
Der Verf. gibt auf Grund der reichen eigenen und Literatur¬
erfahrungen ein Uebersichtsbild über den derzeitigen Stand der otogenen
Erkrankungen der Hirnhäute. Er bespricht zunächst die Häufigkeit
otogener Hirnhautkomplikationen, die Wege der Ueberleitung vom Ohr
auf die Hirnhäute, die prädisponierenden Momente, die Beteiligung der
einzelnen Altersstufen. Dann wendet er sich der Besprechung der ein¬
zelnen Formen zu, deren Einteilung von selbst gegeben ist:
I. Otogene Erkrankungen der harten Hirnhaut.
II. Otogene Erkrankungen im Subduralraum.
III. Die otogenen Erkrankungen der weichen Hirnhäute:
1. die otogene Leptomeningitis purulenta,
2. die otogene Meningitis serosa,
3. die otogene Meningitis tuberculosa.
Es wird dem Zwecke dieser Besprechung vielleicht am ehesten
nahekommen, wenn gewisse für das praktische Bedürfnis besonders wichtige
Punkte aus den einzelnen Erkrankungsgruppen hervorgehoben werden.
Ad I sei erwähnt, dass die Dura bei Erkrankungen im Bereich des
Gehörorgans am häufigsten beim Extraduralabscess beteiligt ist und das9
der Diplococcus pneumoniae, der häufigste Erreger der genuinen Mittelohr¬
entzündung, auch bei der Auslösung extraduraler Abscesse die Haupt¬
rolle spielt. Der Besprechung der klinischen Erscheinungen ist besondere
Sorgfalt gewidmet, für den otoskopischen Befund ist auf den periodisch
auftretenden reichlichen Eiterbefund in der Pauke als wichtig hingewiesen.
Ad II ist die Seltenheit des Auftretens subduraler Erkrankungen und
ihre schwere Diagnostizierbarkeit zu nennen. Ad III verdient Erwähnung,
dass alle im Ohreiter vorkommenden Mikroorganismen auch bei den Er¬
krankungen der weichen Hirnhäute zu finden sind, ferner, dass die oto¬
gene eitrige Meningitis auch auf toxischem Wege entstehen kann. Eine
intermittierende Verlaufsform der otogenen Meningitis ist von Brieger
zuerst beschrieben worden. Die Lumbalpunktion hat nicht nur einen
diagnostischen, sondern in gewissen Fällen auch einen therapeutischen
Wert und ist überdies als fast ungefährlich zu bezeichnen. Die Zahl
der Heilungen bei generalisierter otogener Meningitis ist bisher minimal,
aber ausreichend genug, um die Heilbarkeit auch dieser Fonn zu be-
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weisen. — Die Lumbalpunktion wirkt in dein Sinne, dass sie grössere
Liquormengen entleert und dadurch eine Anzahl der im Liquor cirku-
lierenden Erreger sowie die darin gelösten Toxine entzieht Wie weit es
möglich ist, den primären Herd im Ohre gleichzeitig anzugreifen, muss
Gegenstand besonderer Erwägung sein. Die medikamentöse Therapie
ist machtlos.
Von der otogenen Meningitis serosa ist zu betonen, dass sie sich
häufig an Labyrintheiterungen anschliesst, dass ein Trauma die Gelegen¬
heitsursache bilden kann. Die durch Lumbalpunktion entnommenen
Liquorproben sind steril. Ein einheitliches Krankheitsbild lässt sich noch
nicht aufstellen. Im Vordergründe stehen oft gewisse Hirnreizungs¬
erscheinungen und Schlafsucht. Die Diagnose kann nur per exclusionem
gestellt werden. Von besonderem Wert für dieselbe ist die Gestaltung
des Krankheitsbildes nach Herabsetzung des Liquordruckes durch die
Punktion. Die Prognose der serösen Meningitis ist günstig.
Die Abhandlung ist überaus geeignet, das Allgemeininteresse für
die Erkrankungen auf dem Gebiete der Ohrenheilkunde zu erwecken.
A. Goldschmidt (Breslau).
Die Altersveranderungen und ihre Behandlung. Von Fr. Fried -
mann. Wien, Urban & Schwarzenberg, 1902.
Es war ein sehr dankenswertes Unternehmen, die „Lehre von der
Altersinvolution in ihren Beziehungen zur Physiologie, Pathologie und
Therapie“ im Zusammenhang darzustellen — allerdings keine leichte Auf¬
gabe. Die Grenzen zwischen physiologischer und pathologischer Alters-
veranderung sind oft nicht scharf zu ziehen und darunter muss natur-
gemäss die Uebersichtlichkeit in der Bearbeitung des recht spröden Stoffes
häufig leiden. Jedenfalls hat es der Autor verstanden, ein grosses That-
sachenmaterial zusammenzutragen und die leitenden Gesichtspunkte für
die Betrachtung der Alters Veränderungen in glücklicher Form zum Aus¬
druck zu bringen.
Im ersten Teile des Buches, welcher die Biologie und Physiologie der
Altersinvolutionen behandelt, wird der Versuch gemacht, die „Funktions¬
grösse“ gewisser physiologischer Grundphänomene in Tabellenform ziffern-
mässig für die verschiedenen Lebensalter zu bestimmen (z. B. Atmungs-
kapacität, Pulsbeschaffenheit, Wärmeproduktion, Stickstoffausscheidung etc.)
und so den Verlauf der normalen Altersinvolution durch Zahlenwerte
auszudrücken.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Altersinvolution der ein¬
zelnen Organe, wobei dem Cirkulationsapparat, dem Respirationsapparat,
dem Nervensystem, dem Verdauungs-, Harn- und Geschlechtsapparat,
den Bewegungsorganen, der Haut und den Blutdrüsen besondere Ab¬
schnitte gewidmet sind. Es werden die normalen und pathologischen
Alterserscheinungen geschildert und sowohl die mikroskopischen, wie
die makroskopischen Veränderungen in knapp gezeichneten Bildern
wiedergegeben, denen eine kurze Berücksichtigung der Prognose ange¬
fügt wird.
Der dritte Teil umfasst die Behandlung der Altersinvolution.
Dieselbe hat einerseits die allgemeine Verhütung des pathologischen Ver-
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laufes, des vorzeitigen Eintrittes und des zu raschen Verlaufes der
Organinvolution zu berücksichtigen, andererseits muss sie in prophylak¬
tischer und therapeutischer Hinsicht den pathologischen Veränderungen
der einzelnen Organsysteme gerecht werden.
Dem ersteren Ziele dient die individuelle Hygiene der einzelnen
Lebensalter, die hier natürlich nur in grossen Zügen skizziert werden
konnte. Die spezielle Therapie hat besonders die Frühstadien des patho¬
logischen Alters zu beachten, in denen es oft gelingen kann, durch Ent¬
fernung des ätiologischen Momentes normale Verhältnisse herbeizuführen.
Gerade der letzte Teil enthält vieles für den Praktiker Wertvolle in
kurzer und klarer Darstellung.
Auf die Details des Inhaltes einzugehen, ist hier nicht der Ort.
Hoffentlich wird das Buch, das einen so wichtigen und interessanten
Gegenstand behandelt, in verdienter Weise einen grossen Leserkreis finden.
F. Honigmann (Breslau).
Inhalt.
I. Sam mel-Referate.
Herz, H., Ueber die nach Verletzungen
zurückbleibenden Veränderungen des
Gefässapparates, p. 401—412.
Landau, J. f Enuresis nocturna, p. 412
bis 432.
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 433—440.
II. Referate.
Darm.
Vitali, Ricerche sulla funzione intestinale
e sul ricambio materiale in un caso di
estesissima resezione del tenue, p. 440.
Douglas, Ch., Membranous colitis, p.
440.
Flexner, S., Die Aetiologie der tropischen
Dysenterie, p. 441.
Deetz, Ed., Ueber Darmgries, p. 441.
Trinkler, N. P., Ein seltener Fall von
tuberkulöser Jejunumstenose, p. 441.
Terrier, Retrecissement de rangle gnuche
du cölon transverse traitc par la colo
colostomie, p. 442.
Roth rock, J. L., Stricture of the rec¬
tum in womtn due do inflammatory
piocesses in the pelvis, p. 442.
Murphy, J. u. Neef, Perforating ulcers
of the duodenum, p. 443.
Ssobolew, L. A., Zur Frage der Sy¬
philis des Gastrointestinaltractus. Kid
Fall von Syphilis des Dickdarms, p. 444.
Waldvogel, Fistel zwischen Flexura
sigmoidea und Blase im Anschluss an
perforierte Danndivertikel, p. 444.
III. Bücherbesprechungen.
Körner, O., Die otitischen Erkrankungen
des Hirns, der Hirnhäute und der Blut¬
leiter, p. 445.
Brieger, O., Die otogenen Erkrankungen
der Hirnhäute, p. 446.
Fried mann, Fr., Die Altersvcränderungen
und ihre Behandlung, p. 447.
Uni Einsendung von Monographien nnd Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I, Ebendorferstrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzusatz „Für die Redaktion des
Centralblattes für die Grenzgebiete“ versehen zu wollen.
Druck von Aut. Kämpfe in Jena.
Go gle
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CENTRALBLATT
für die
Qrenzgebiete der Medizin u. Ghirurgie.
Herausgegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 28. Juni 1908.
Np. 12.
Das Centndblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aua den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche In Beratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Ueber die nach Verletzungen zurückblei¬
benden Veränderungen des Gefässapparates.
Zusanimenfassende Uebersicht von Dr. Hans Herz (Breslau).
(Fortsetzung.)
64) Mendelsohn, Vorstellung eines Falles von traumatischer Myocarditis.
Deutsche med. Wochenschr. 1898, Nr. 5, Vereinsbeilage.
65) Neumann, A., Zur Kasuistik und Behandlung der Herzbeutel- und Herz-
verletzungen. Freie Verein, der Chirurgen Berlins, Sitzung vom 14. Juni 1897. Ref.
in Deutsche med. Wochenschr.
66) Oppel, W. v., Ueber Veränderungen des Myocards unter der Einwirkung
von Fremdkörpern. Virchow’s Archiv 1901, Bd. CLXIV, 3, p. 406.
67) Ders., Beitrag zur Frage der Fremdkörper im Herzen. Archiv f. klin.
Chir. 1901, Bd. LXIII, 1, p. 87.
68) Ostwalt, F., Üeber einen eigenartigen Fall von Zerreissung einer Aorten¬
klappe. Berliner klin. Wochenschr. 1899, Bd. XXXVI, 4.
69) Pagenstecher, Durch die Naht geheilte Wunde des linken Ventrikels;
ein Beitrag zur Herzchirurgie. Deutsche med. Wochenschr. 1899, Nr. 32.
70) Ders., Weiterer Beitrag zur Herzchirurgie. Unterbindung der verletzten
Art. coronaria. Deutsche med. Wochenschr. 1901, Bd. XXVII, 4,
71) Pamoni, Riv. di chirurgia 1899, Bd. II.
72) Parozzani, Die beiden ersten Fälle von Naht des linken Ventrikels.
Bulletino della R. Accademia di Roma 1896/97. Ref. in Centralbl. f. Chir. 1898,
p. 894.
Centralblstt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 20
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73) Parlavecchio, Riforma medica 1898 (siehe Handbuch der prakt. Chir..
Bd. II).
74) Peiper, Correspondenzbl. des Aerztevereins des Regierungsbezirks Stral¬
sund 1896. Citiert nach Thiem.
75) Podres, A. G., Ueber Chirurgie des Herzens. Wratsch 1898, Nr. 26.
Ref. in Centralbl. f. Chir. 1898, p. 894.
76) Ramoni, Die Chirurgie des Herzens. La Puglia medica, Bari VII,
Nr. 9 u. 10. Ref. in Monatsschr. f. Unfallheilkunde 1900.
77) Rehn, L., Centralbl. f. Chir. 1896, Nr. 44. Verhandlungen der Natur-
forscherversammlung von 1896.
78) Ders., 26. Kongress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Berlin 1897.
Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
79) Ders., Ueber penetrierende Herzwunden und Herznaht Archiv f. klin.
Chir. 1897, Bd. LV, 2, p. 315.
80) Ders., 28. Kongress der Gesellschaft für Chirurgie 1899, Diskussion.
81) Reichel, G., Ueber die ursächliche Beziehung zwischen Trauma und
Tuberkulose. Inaug.-Diss., 1898.
82) Reimann, H., Ein Fall von Herzbeutel-, Zwerchfellverletzung etc. Wiener
med. Wochenschr. 1900, Nr. 16.
83) Reinert, Ueber den Einfluss von Traumen auf die Entstehung infektiöser
Lungen-, Herz- und Pleuraerkrankungen. Festschrift des Stuttgarter ärztl. Verein*,
Stuttgart 1897, p. 46.
84) Richter, M. f Ueber den Eintritt des Todes nach Stichverletzungen des
Herzens. Vierteljahrsschr. f. gerichd. Med. 1896, Bd. XI, I, p. 16.
85) Rieder, Deutsche Gesellsch. f. Chir. 1897, Diskussion.
86) Riedinger, Verletzungen des Herzens. Handbuch f. prakt. Chirurgie,
Erlangen 1899.
86a) Riethus, Herzschuss mit eingeheilter Kugel. Med. Gesellsch. in Leipzig.
Sitzung vom n. Febr. 1902. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
87) Robertson, Note on a case of rupture of the heart. Lancet 1897,
23. January.
88) Romberg, Herzkrankheiten. In Ebstein-Schwalbe’s Handbuch, Stutt¬
gart 1899.
89) Rose, Ein Fall von Zerreissung der Lunge, des Herzbeutels und des
Zwerchfells (Hämatopneumothorax, Pneumopericardium und Pneumoperitoneum). Freie
Vereinig, d. Chirurgen Berlins, Sitzung vom 12. März 1900. Ref. in Deutsche med.
Wochenschr.
90) Rosenbach, O., Grundriss der Pathologie und Therapie der Herzkrank¬
heiten, Berlin und Wien 1899.
91) Rotter, Die Herznaht als typische Operation. Münchener med. Wochen¬
schrift 1900, Nr. 3.
92) Rüth, Herzverletzungen mit nicht sofort tödichem Ausgange. Fried-
reich’s Blätter 1896.
93) Rydygier, Ueber Herzwunden. Wiener klin. Wochenschr. 1898, Nr. 47.
94) Ders., O ranach serca. Przeglad lekarski 1898, 19. Sept. Ref.
93) Salomoni, Beitrag zur Chirurgie des Herzens. Centralbl. f. Chirurgie
1896, Nr. 51.
96) Schulz, R., Ueber Unfallserkrankungen. Beitrag zur wissenschaftlichen
Medizin. Festschrift zur 69. Versamml. deutscher Naturforscher und Aerzte, Braun¬
schweig 1897.
97) Sen dl er, 26. Kongress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Berlin
1897. Diskussion. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
98) Seydel, Schussverletzung des Unterleibes, des Zwerchfells, des Herzbeutels
und der Lunge. Heilung. Deutsche militärärzd. Zeitschr. 1898, p. 334.
99) Spencer, W. G. and Tippet, S., A case of punctured wound of tbe
right ventricle of the heart through the second left intercost&l space; severe primarv
and three secondary haemorrhages; healing of the wound; subsequent postmortem exa-
mination after death from other diseases. Transact. of the din. Soc. of London 1897.
Vol. XXX, p. 1.
100) Steiner, Ueber traumatische Herzrupturen. Medizin.-chirurg. Centralbl.
1901, Nr. 22.
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101) Stern, C., Beitrag zur operativen Freilegung des Herzens nach Rotter
wegen Schussverletzung. Münchener med. Wochenschr. 1900, Nr. 13.
102) Stein, R., Ueber traumatische Entstehung innerer Krankheiten. Jena 1896.
103) Strassmann, Fr., Herzklappenzerreissung durch äussere Gewalt. Verein
für innere Medizin in Berlin, Sitzung vom 19. Nov. 1900. Ref. in Deutsche med.
Wochenschr.
104) Ders., Zur Lehre von den Klappenzerreissungen durch äussere Gewalt.
Zeitschr. f. klin. Med. 1901, Bd. XLII.
105) Strauss, Klinische Beiträge zur Pathologie und Therapie einiger seltener
Formen von traumatischer Nerven- und Herzmuskelerkrankung. Charit^-Annalen 1900,
Bd. XXV.
106) Ders., Gesellschaft der Charit6-Aerzte in Berlin, Sitzung vom 22. Nov.
1900 und 10. Jan. 1901. Vereinsbeilage der Deutschen med. Wochenschr.
107) Tassi, Bullettino della Reale Accademia Medicale di Roma 1896/97,
fase. I. Citiert nach Broch 1 . c.
108) Thiem, C., Ein Fall von Quetschungs- Herzbeutel- und Brustfell¬
entzündung. Monatsschr. f. Unfallheilk. 1896.
109) Ders., Handbuch der Unfallverletzungen, Stuttgart 1898.
11 o) Turner, W., Remarks on wounds of the heart etc. Brit. med. Journal
1896, p. 1440, 14. Nov.
111) Uhlot, Ueber traumatische Herzaffektionen. Allgem. med. Centralztg.
1896, Nr. 13.
112) Walcker, Herzstichverletzungen. Freie Vereinig, der Chirurgen Berlins,
Sitzung vom 12. Nov. 1900. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
113) Ders., Ueber Herzstichverletzungen und Herznaht. Deutsche Zeitschrift
f. Chir. 1901, Bd. LVIII, Nr. 1 u. 2, p. 105.
114) Watten, lg., Zur operativen Behandlung der Stichverletzungen des
Herzens. Deutsche med. Wochenschr. 1901, Bd. XXVII, Nr. 37.
115) Wehr, V., Ueber Herznaht und Herzwandresektion. Archiv f. klin.
Chir. 1899, Bd. LIX, 4, p. 953 und Verhandl. d. deutschen Gesellsch. f. Chir. 1899,
Bd. XXVIII.
116) Ders., Eine neue Methode der Brustkorberöffnung zur Blosslegung des
Herzens. Archiv f. klin. Chir. 1899, Bd. LIX, 4, p. 948, und Verhandlungen des
XXVIII. Kongresses der deutschen Gesellsch. f. Chir.
117) Weiss, Ein Fall von traumatischem Herzfehler. Aerztlicher Verein in
Hamburg, Sitzung vom 15. Febr. 1898. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
118) Williams, H. und Arnold, H. D., Boston, Die Wirkung forcierter
Muskelarbeit auf das Herz. Philadelphia med. Journ. 1898, 3. Juni. Ref. nach
Virchow - Hirsch.
119) Williams, D. H., Stab wound of the heart and pericardium; suture of
the pericardium, recovery; patient alive three years afterward. New York med. Rec.
1897, Vol. LI, 13, p. 437, March.
120) Zuccaro, I*a chirurgia del cuore. Puglia medica 1901, Sett.
121) Zulehner, H., Zur Herznaht. Wiener klin. Wochenschr. 1901, Bd.
XIV, Nr. 11.
Wir kommen nun zu den Kontusionen der Herzgegend, über
welche die Arbeiten von Bernstein und R. Stern, auch von
Ercklentz nachzulesen sind. Ich beabsichtige nicht, hier bekannte
Thatsachen an der Hand des mächtig anschwellenden Materials noch¬
mals zu erörtern, sondern nur einige Fragen hervorzuheben, die
noch zur Diskussion stehen.
Der Einfluss von Kontusionen auf die Genese von Pericar-
ditis ist unbestritten. Gerade hier liegt auch eine grössere Kasuistik
von beweiskräftigen Fällen vor: von Düms, Jessen, Thiem,
Kantorowitz, Lentz, Jochmann u. a. Neue Gesichtspunkte
sind damit nicht gewonnen. 29*
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Zu denken gibt der von Reichel und Ercklentz beschrie¬
bene Fall.
Eine 60 jährige Handelsfrau klagt seit vier Jahren über Kurz¬
atmigkeit und Husten, war aber stets arbeitsfähig. Aufnahme in der
Klinik am 25. Nov. 1897 mit der Angabe, sie sei vor acht Wochen
von einem Lastwagen auf die Strasse geworfen worden, drei Tage darauf
seien Schmerzen in der rechten Seite, Angstgefühl, Herzklopfen, heftiger
Husten eingetreten. Vier Wochen später seien dann die Unterschenkel
angeschwolleu. Bei der Untersuchung Zeichen von Herzschwäche mit
Oedemen; Herztöne rein, unregelmässig. Am 6. Dezember 1897 Exitus.
Bei der Sektion fand sich im Oberlappen der linken Lunge ein crbseu-
grosser, verkalkter, tuberkulöser Herd. Im Herzbeutel 90 ccm getrübter
Flüssigkeit. Das Herz war mit der Spitze und der Kante des rechten
Vorhofes unlösbar mit dem Pericard verwachsen. Dieses selbst ist bis
’/, cm im Durchmesser verdickt, mit zahlreichen Zotten bedeckt, ebenso
das Epicard. Zwischen den Zotten fand sich eine Menge hirsekorn-
grosser grauweisser Knötchen.
Es bestand also neben dem alten Spitzenherd eine Pericar-
ditis tuberculosa jüngeren Datums, und es ist nicht unwahrscheinlich,
dass das Trauma, wenn nicht die Ursache, so doch ein provokato¬
risches Element für die tuberkulöse Erkrankung des Pericards dar¬
stellte, wie wir ähnliches an anderen Organen beobachten. Aller¬
dings bleibt es fraglich, ob die Infektion durch die Aufnahme neuer
Bacillen von aussen in den vorher gesunden Körper unter Ansiedluog
in dem durch das Trauma disponierten Organe erfolgte; ob die
Bacillen in dieses von dem alten Lungenherd, etwa unter Vermitt¬
lungeiner links gefundenen, mit Bacillen inficierten Drüse, eindrangen;
ob nicht schon vorher eine serofibrinöse Entzündung des Herzbeutels
bestand, die infolge des Traumas tuberkulös wurde; ob nicht endlich
schon eine tuberkulöse Pericarditis da war, deren Ausgang nur
durch das Trauma beschleunigt wurde (Reichel). Weitere Beob¬
achtungen bleiben abzuwarten.
Wenn auch selbst erhebliche Verletzungen des Pericards ver¬
heilen können (in einem Fall Rose’s von Zerreissung der Lunge,
des Herzbeutels und Zwerchfelles, charakterisiert durch Hämato-
Pneumothorax, Pneumopericardium und Pneumoperitoneum bei einem
63jährigen Mann kam cs noch zu ganz leidlicher Heilung), so ist
die Heilung doch oft nicht tadellos; man wird Stern recht geben,
dass die traumatische Pericarditis erheblich häufiger ist, als sie
diagnostiziert wird, und zwar wohl besonders leichtere circurascripte
Formen.
Während wir hier auf relativ sicherem Gebiete stehen, ist die
Frage der Myocarditis nach Traumen noch eine wenig geklärte.
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Dass bei Verletzungen Kontinuitätstrennungen oder Blutungen im
Myocard zustande kommen können, ohne dass der Tod wie in
schweren Fällen eintritt, ist wohl nicht zu bezweifeln, auch nicht,
dass die Herzwunden nur durch Bindegewebsentwicklung heilen.
Aber man kann diese schwieligen Residuen doch kaum als Myocar-
ditis bezeichnen; eine besondere Nachgiebigkeit dieser Stellen, das
Auftreten von Herzaneurysmeu ist jedenfalls selten und in der
neuesten Literatur, soweit mir bekannt, nicht beobachtet. Und das
Anschliessen einer Myocarditis diffuserer Art bleibt eigentlich schwer
verständlich und ist nicht zweifellos erwiesen. Die Vermutung
Krehl's, dass sich an dem durch das Trauma geschädigten {Organe
im Kreislauf befindliche Keime niederlassen, beruht auf einem nicht
unbedenklichen Analogieschlüsse. Gewiss, Verschlimmerungen be¬
stehender Myocarditis kommen vor; ich selbst sah bei einem Arbeiter,
den ich ein halbes Jahr vorher wegen mässiger Myocarditis mit mo¬
mentan gutem Erfolge behandelt hatte, nach einem Stoss gegen die
Brust sofort eine schwere Kompensationsstörung erfolgen. Aber
hier handelt es sich doch wohl eher darum, dass ein Organ, welches
eben noch gerade seine Arbeit verrichten kann, eine neue Läsion
durch eine Blutung etc. nicht ungestört erträgt. An den in der
Literatur bis 1896 vorliegenden Fällen hat Stern bereits Kritik
geübt und sie nicht als völlig beweiskräftig erklären können. Aber
auch die beiden von ihm beschriebenen Fälle, so interessant und
gut beobachtet sie sind, können nicht als absolut beweisend gelten.
Es fehlen die Feststellung der völligen Gesundheit vor dem Unfall
sowie der Sektionsbefund, der gerade bei so strittigem Gebiet un¬
bedingt nötig wäre; es fehlt der Nachweis, dass nicht andere Teile
des Gefässapparates (Peri- und Endocard) befallen sind. Im ersten
Falle bestand erst Pleuropneumonie, später Lungentuberkulose, und
es ist ganz ungewiss, welchen Einfluss diese Erkrankungen auf das
Herz hatten; auch ist die frühe uud dauernde Cyanose sehr auf¬
fällig und durch Myocarditis im Beginn nicht erklärt. Im zweiten
Falle erklärte Stern selbst, dass die traumatische Entstehung nicht
gan& sicher sei, da über den Befund in der ersten Zeit nach dem
Unfall keine näheren Nachrichten vorliegen.
Sehen wir uns weiter in der Literatur um. Da ist der Fall
von Lennhof.
Ein 19jähriger Mensch, der früher stets gesund war, machte 1897
Diphtherie durch, ohne dass damals oder später Herzbeschwerden kon¬
statiert wurden. Er wird im August 1898 zwischen einem schweren
Wagen und einem Laternenpfahl eingequetscht. Die Folge waren heftige
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Schmerzen in der Herzgegend, Atemnot, beschränkte Arbeitsfähigkeit,
Die Herzdämpfung verbreiterte sich nach rechts drei Finger breit über
den rechten Rand des Sternums, nach links bis zur Axillarlinie. Puls
etwas unregelmässig. Herztöne rein. Leberschwellung, perihepatitisches
Reiben. Unter rascher Zunahme der Herzinsufficienz erfolgte der Tod
am 26. Dezember. Die Autopsie bestätigt die Diagnose der Herzdilata-
tion, besonders ist der rechte Ventrikel sehr stark diktiert. Die Muskel¬
fasern des Herzens sind stark entartet. Die Aorta war eng, pueril.
Also auch hier keine reinen Verhältnisse: Der Unfall betrifft
einen Menschen mit angeborener Aortenenge, der bereits nicht lange
vorher eine Infektion (Diphtherie) durchgemacht hatte.
Ferner der Fall Mendelsohn's:
Ein bis dahin gesunder Mann von 26 Jahren wird von einem
Pferde mit der Breitseite des Körpers fest gegen die Wand gedrückt.
Er machte grosse Anstrengungen los zu kommen, wird aber schliesslich
erst von der herbeigerufenen Hilfe befreit. Die anfänglichen Schmerzen
in der Brust schwanden, doch blieb ein eigenartiger Schmerz in der
Herzgegend, auch war die Luft knapp. Nach drei Wochen war das
Herz erheblich nach rechts verbreitert, der Puls klein, frequent, arhyth-
misch, die Herztöne rein (nur der zweite etwas accentuiert). Ziemliche
Cyanose. Gelegentlich Knöchelödem. Der Zustand blieb acht Monate
im ganzen konstant.
Erwiesen ist wohl hauptsächlich nur, dass es sich um eine
akute Dilatation gehandelt hat. Mendelsohn selbst macht darauf
aufmerksam, dass die akute Ueberanstrengung und wohl auch das
psychische Moment der Angst mitgewirkt haben mögen. Könnten
diese Faktoren nicht allein anzuschuldigen sein? Ist es nötig, das
Auftreten meines entzündlichen resp. fortschreitend degenerativen Zu¬
standes am Herzmuskel anzunehmen und, wenn ein solcher besteht,
ist er nicht einfach Folge der Dilatation, nur indirekt Folge des
Traumas ?
Die besondere Bedeutung der Dilatation wird noch nahegelegt
durch den Fall von Strauss.
Ein 30jähriger bis dahin gesunder Drechsler erkrankt im April
1900 an Grippe Es blieben keine Beschwerden zurück. Am 12. Mai
erhält er einen heftigen Stoss gegen die Brust. Schmerzen, Atemnot
Herzklopfen stellten sich allmählich ein. Am 21. Juni zeigte sich Ver¬
breiterung des Herzens nach beiden Seiten, der Spitzenstoss lag zwei¬
fingerbreit ausserhalb der Mammillarlinie. Dyspnoe und Insufficienz-
erscheinungen, reine Herztöne. Die Herzdilatation hielt an. Bei der
Sektion fand sich ausgeprägte Dilatation beider Ventrikel, mehr noch
des rechten als des linken, ohne Klappen Veränderungen. Hypertrophie
des linken Ventrikels. Mikroskopisch wenig Veränderungen, nur teil¬
weise fettig degenerierte Stellen.
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• Auch hier war also mindesteus eine „Prädisposition“ zu der
Herzerkrankung in der Qberstaudenen Influenza nicht auszuschliessen.
Die Sektion ergab wesentlich einen dilatativen Zustand, keine
Myocarditis.
Ehe der Fall zur Obduktion kam, hatte Strauss es unent¬
schieden gelassen, ob ein rein funktioneller oder ein myocarditischer
Prozess vorläge, doch hielt er letzteres für wahrscheinlicher. Er
beruft sich darauf, dass v. Leyden, Riegel, Fürbringer das Vor¬
kommen einer traumatischen Myocarditis annehmen. Wie das Trauma
dabei wirken kann, das hält er auch für fraglich: ob es sich um
Schwielenbildung infolge von traumatischen Blutungen handelt, oder
ob eine Pericarditis den Anfang gemacht hat (wie z. B. in einem
Falle von Lentz), oder ob das Trauma die Muskelfasern selbst in
bestimmter Weise schädigt oder verändert. Endlich erwähnt er die
Möglichkeit, dass ein bereits vorhandener myocarditischer Prozess
durch ein Trauma verstärkt werden kann.
Die Obduktion ergab jedenfalls, dass keine dieser Annahmen zutraf.
Fin Fall von Krehl gehört auch in diese Reihe.
Bisher gesunder 31 jähriger Mann. Ein grosses Holzslück wird
von einer Maschine gegen seine Brust geschleudert, so dass er umfiel.
Starke Schwellung auf der Brust und Schmerz. Zu den Brustschmerzen
traten dann noch Herzklopfen, Aengstlichkeit, ein allgemein nervöser Zustand
hinzu. Status nach neun Monaten: Aengstlich aufgeregt. Geringe
Cyanose. Herzstoss verbreitert bis in die Mammillarlinie, auch im 4. Inter-
costalraum Pulsationen. Herzdämpfung normal (war vorher etwas nach
rechts verbreitert). Erster Ton an der Spitze unrein, zweiter Pulmonalton
accentuiert Puls 108, sonst normal. Keine Stauungssymptome.
Eine sichere Diagnose lässt sich wohl kaum stellen.
In anderen Fällen der Literatur vermisse ich noch mehr den
Nachweis, dass Myocarditis bestand. So in dem Fall von Peiper
(bei Thiem), wo ein junger Mann, angeblich nach Stoss eines
Schleuderballes gegen die Brust, einen Anfall von Herzklopfen und
Dyspnoe bekam, der sich dann öfter auf körperliche oder psychische
Reize hin wiederholte (Herzbefund ?).
Ich möchte nach dem vorliegenden Material den Stand der
Frage so normieren: Das Vorkommen einer direkten traumatischen
Myocarditis ist nicht sicher erwiesen. Eine solche Affektion kann
sich an traumatische Pericarditis anschliessen, einem traumatischen
Klappenfehler (s. u.), einer traumatischen Dilatation folgen: genuines
Entstehen ist in manchen Fällen nicht ganz unwahrscheinlich, doch
sind dieselben nicht einwandsfrei.
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Dagegen scheint mir so viel aus dem Material hervorzugehen,
dass Verschlimmerung, dass besonders Insufficienzerscheinungen auf¬
fällig oft an ein Trauma sich anschliessen.
Auch scheint es, dass sehr heftige Traumen der Herzgegend
zu schweren oder leichten Zuständen akuter Dilatation des Herzens
fuhren können, indem der Tonus des Muskels durch die Gewalt
der mechanischen Erschütterung eine schwere, wenn auch meist
reparable Einbusse erleidet (O. Rosenbach).
Es muss hier hervorgehoben werden, dass es doch überhaupt
etwas anderes ist, eine Beobachtung in einen schon wohl begrün¬
deten Zusammenhang einzureihen, als ein neues Kausalverhältnis zu
begründen. Hier ist wenigstens vom wissenschaftlichen Stand¬
punkte — den praktischen, weniger starren habe ich oben erwähnt —
die schärfste Kritik nötig.
Nun wissen wir, wie viele Leute mit Herzleiden schwere Ar¬
beit ohne Beschwerden leisten. Wir müssen sogar zugestehen, dass
selbst gute ärztliche Untersuchung oft nicht im stände ist, Herz¬
veränderungen, besonders myocarditische und arteriosklerotische, zu
entdecken. Wir wissen ferner, wie geneigt Laien und Aerzte sind,
irgend ein Leiden einem Unfall zuzuschreiben, sei es des Vorteils
wegen oder, wo dieser fehlt, aus Kausalitätsbedürfnis und getäuscht
durch das erste Auftreten der Beschwerden bei oder kurz nach dem
Trauma. Es ist ferner zu bemerken, dass die Grösse der Ver¬
letzung oft nicht feststeht und sehr leicht, besonders bei eindring¬
lichem Fragen, übertrieben wird. Also ist die ganze Vorgeschichte
schwer zu beurteilen.
Und nicht nur das. Solange es sich um vereinzelte Fälle
handelt, sollte man auch die Rolle des Zufalls nicht zu gering
schätzen. Oft genug sieht man ja Myocarditiden ohne nachweisbare
Ursache. Ist irgend ein Stoss gegen die Brust im Laufe längerer
Zeit vorhergegangen, so wird ein Zusammenhang gern angenommen.
Aber erst eine häufige Succession beweist einigermassen sicher, dass
er besteht.
Dieselben Erörterungen gelten für die viel umstrittene Endo-
carditis traumatica. Doch scheint das Bcobachtungsmaterial,
das ihre Existenz nahelegt, zu wachsen. Wir müssen die Ver¬
letzungen des Endocards und des Klappenapparates zu¬
sammenhängend betrachten.
Es sind am Endocard Zerreissungen, Quetschungen und
Blutungen von verschiedener Ausdehnung bei tötlichen Verletzungen
beschrieben, — es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass sie iD ge-
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ringerem Grade auch bei den Verunglückten, welche das Trauma
überstellen, Vorkommen. Was für Symptome das von Beginn an
macht, wissen wir nicht. Krankheitsersoheinungen deutlicherer Art
treten, von Komplikationen abgesehen, nur dann nach diesen Lä¬
sionen auf, wenn der Klappenapparat in Mitleidenschaft gezogen ist.
Zerreissungen der Klappen resp. (an der Mitralis) der Sehnen¬
fäden und Papillarmuskeln kommen wohl sicher bei starken Muskel¬
anstrengungen vor (s. ii.). Bei Kontusionen hat sich Stern einiger-
massen skeptisch geäussert, besonders wo es sich um vorher gesunde
Herzen handelt *). Er hat manchen Widerspruch erfahren. Im
„Verein für innere Medizin in Berlin“ haben sich A. Fränkel — auf
Grund eines Falles von Abreissung eines Aortensegels aus der
Traube’schen Zeit — v. Leyden, Fürbringer für die Existenz
der traumatischen Zerreissungen ausgesprochen. Doch ist das Ma¬
terial gut beobachteter Fälle recht spärlich.
Zwar besteht nach Ostwalt eine Kasuistik von 50 mehr oder
weniger gut beobachteten Fällen. Aber nur die wenigsten sind
beweiskräftig. So vor allem nicht der Fall von Ostwalt selbst,
wo es sich um einen 68jährigen Mann mit ausgesprochener Arterio¬
sklerose und Albuminurie handelte, wo das „Trauma“ (Ueberheben an
einem 8 kg schweren Bügeleisen) erat nach eindringlichem Befragen
zu Tage kam, und die Diagnose sich auf ein sanftes diastolisches
blasendes Geräusch im zweiten rechten Intercostalraum beschränkte,
das bei der ersten Untersuchung stark war, allmählich aber minimal
wurde**). Wer oft Aortenklappeninsufficienz auf sklerotischer
Basis beobachtet hat, kennt diese Intensitätsschwankungen des Ge¬
räusches. (Ostwalt spricht, anstatt, wie Bariö, von spontanen,
durch Muskelanstrengung entstandenen, und traumatischen, durch
Stcas, Schlag entstandenen Klappenzerreissungen, von Rupturen, die
durch internen und externen Traumatismus bedingt sind; jedenfalls
ist die Unterscheidung wichtig.)
Auch der Fall von Guder — 10 Monate nach einem schweren
Aufstossen mit dem Förderkorbe fand sich schwere Aorteninsuffi-
cienz — ist nicht einwandsfrei, da der Mann vorher Purpura haemor-
rhagica 'durchgemacht hatte, also zu Endocarditis disponiert war,
überhaupt das Bestehen einer solchen nicht auszuschliessen war.
*) Auch Debove hält pathologische Zustände an den Klappen für die Vor¬
bedingung der Zerreissung.
*♦) Die Embolia Art. centr. retinae, welche den Patienten zum Arzte führte —
die Herzbeschwerden beachtete er kaum — ist wohl durch Verschleppung von Auf¬
lagerungen aus irgend einem erkrankten zuführenden Gefässe erklärlich.
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Doch bestehen einige Fälle, die beweiskräftig erscheinen. So
ein Fall von Kantorowitz.
Einem 11jährigen schwächlichen Knaben, der kurz vor dem Un¬
fall genau untersucht, und dessen Herz gesund befunden war, fährt ein
Fahrrad quer über die Brust. Der Knabe wird fast bewusstlos, heftige
Schmerzen in der Präcordialgegend stellen sich ein. Es finden sich ab¬
norme Erschütterung der Herzgegend sowie Zeichen von Pleuritis. Nach
einigen Tagen findet sich ausser dem sehr verstärkten und nach links
dislocierten Spitzenstoss ein lautes, blasendes diastolisches Geräusch, be¬
sonders über der oberen Hälfte des Sternums. Während der Pleura¬
erguss zurückging, blieb die Aorteninsufficienz bestehen.
Noch wichtiger ist der ebenfalls die Aortenklappe betreffende
Fall von Strassmann.
Ein 65jähriger Mann bekommt einen Hufschlag gegen die Brust
Nach zwei Monaten stellt sich Herzinsufficienz ein. Das Herz wird
grösser, der Puls schwach und unregelmässig. Anasarka und Hydro-
thorax. Lungenkatarrh. Tod sechs Monate nach dem Unfall. Bei der
Sektion zeigte sich geringe Arteriosklerose, ferner leichte Hirnhaut¬
trübung. Geheilter Bruch der 5. bis 8. Rippe rechts. Totale Verwachsung
von Herz und Herzbeutel. Die linke Herzhöhle stark erweitert; an den
Klappen und im Anfangsteil der Aorta einige kleine sklerotische Platten.
Im Anfangsteil der Aorta, dicht über den Klappen, ein quergestellter,
2 cm langer, in der Mitte bis 1 cm breiter Einriss der Intima und, nicht
ganz so weit, der Media, ferner Zerreissung der vorderen halbmond¬
förmigen Aortenklappe. Die Verletzung beginnt unmittelbar unter dem
linken Ansatz des oberen Randes, zieht die Ansatzlinie entlang bis circa
zur Mitte, geht dann wieder nach oben in das Segel hinein. Der Riss
ist deutlich zackig, die Ränder abgerundet, verheilt. Keine endocardi-
tisehen Veränderungen.
In diesem Falle ist wohl die traumatische Entstehung des
Risses ganz sicher; doch stört auch hier der Befund der Arterio¬
sklerose, die ja Veränderungen der Gefässwand auch dort setzt, wo
grobe Erscheinungen fehlen.
Der Strassmann'schen Arbeit entnehme ich auch einen Fall
von Castiaux und Laugier.
Erschütterung der Herzgegend durch Auffallen einer Lage Balken.
Pat. schwebt 14 Tage zwischen Tod und Leben, dann tritt Erholung
ein. 4 1 / 2 Monate nach dem Unfall besteht typische Aorteninsufficienz,
besonders auch ein über die Diastole sich erstreckendes, musikalisches,
an eine Dampfpfeife erinnerndes Geräusch. (Bei traumatischer Aorten¬
insufficienz soll überhaupt das Geräusch länger, intensiver und von
eigentümlicher Tonart sein.)
In der Diskussion über den Fall hat sich Brouadel sehr
skeptisch ausgesprochen.
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Alle diese Fälle*) betrafen die Aortenklappen, an denen ja nach
allgemeiner Annahme besonders häufig Zerreissungen Vorkommen.
Die Prognose soll schlechter sein, als bei der gewöhnlichen Aorten-
insufficienz, da die Kranken oft zu Grunde gehen, ehe es zur Hyper¬
trophie des linken Ventrikels kommt (Litten).
Ganz besonders interessant ist ein die Mitralis betreffender
Fall von Hei mann.
25 jähriger Arbeiter wird sterbend eingeliefert. Die Anamnese er¬
gibt, dass Pat. im Alter von 10 Jahren in einer Kiesgrube bis an den
Hals verschüttet war. Ein Jahr später stellten sich Magenbeschwerden,
dann Atemnot und Herzklopfen ein. Vier Jahre später entwickelte sich
eine Thoraxdeformität Unter allmählich zunehmenden Herzerscheinungen
trat der Tod ein. Bei der Sektion fand sich ein sehr enges Mitral-
ostium. Von den Sehnenfäden des hinteren Papillarmuskels sind nur
die an «der Klappe ansetzenden noch sichtbar. Der Papillarmuskel
selbst reicht bis an die Klappenwand. Die Sehnenfäden des vorderen
Papillarmuskels sind */ a —lern lang. An den Grenzen zwischen den
beiden Segeln der Mitralis findet sich eine narbenartige, strahlig aus¬
laufende verdickte Stelle. An den Rändern der zweizipfligen Klappe
und dort, wo die Sehnenfäden ansetzen, befinden sich Löcher. Ueber
dem vorderen Papillarmuskel oberhalb der Narbe findet sich eine schmale
Spalte im Bereich des ehemaligen Klappenrandes.
In diesem Falle wurde auf Grund des auffälligen Sektions¬
befundes nach dem Trauma geforscht. Heimann nimmt eine trau¬
matische Ruptur der seitlichen Klappenzipfel der Mitralis an; dann
sei durch eine reaktive Endocarditis Verlötung der verletzten
Teile der Klappe und der Sehnenfäden erfolgt, schliesslich narbige
Retraktion und Stenose.
Damit sind wir nun bei einer der wichtigsten Fragen unseres
Gebietes angelangt. Es liegt eine nicht geringe Zahl von Beob¬
achtungen vor, wo nach Traumen Herzklappenfehler beobachtet
wurden; Bernstein hat eine grosse Anzahl solcher Fälle zusammen¬
gestellt; auf einige neuere komme ich noch zurück. So skeptisch
man sich verhalten mag, die Zahl der Beobachtungen wächst, und
in einer Anzahl derselben ist der ätiologische Zusammenhang jeden¬
falls der Sachlage nach diskutierbar, ja wahrscheinlich. Es geht
auch nicht an, immer nur Verschlimmerung alter Herzfehler anzu-
nebmen, die gewiss sehr häufig ist. Man muss wenigstens die Mög-
*) Anm. bei der Korrektur. Einen weiteren Fall hat A. Cahn im Unter-
clsässischen Aerzteverein in Strassburg (Sitzung vom 19. Juli 1902) beschrieben. Das
Herz des im Anfang der 40 er Jahre stehenden Mannes war wenige Tage vor der er¬
littenen Quetschung gesund befunden worden; Aorteninsufficienz, vielleicht auch Schä¬
digung des Herzmuskels führten relativ schnell zum Tode.
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lichkeiten klar zu machen suchen, wie ein Trauma nach dieser Rich¬
tung hin wirken kann.
Da ist es nun zweifellos, dass die Klappenzerreissungen und
-Quetschungen, deren Vorkommen doch sehr wahrscheinlich ist, An¬
lass zu Klappenfehlern werden können. Als gut demonstrabel wird
ein solcher Zusammenhang wohl nur gelten können, wenn die Krank¬
heitserscheinungen bald auftretcn; sie können dann angeblich in
seltenen Fällen auch infolge eintretender Heilung ganz verschwinden,
gewöhnlich aber bleiben sie bestehen. Es kann aber auch ein später
hervortretendes Klappenleiden Folge einer solchen Verletzung und
der damit verbundenen Heilungsvorgänge sein. (s. Fall Heimann.)
Besonders hat sich Fürbringer dahin ausgesprochen, dass es
sich in den angeführten Fällen um mechanische Zerreissungen und
Quetschungen des Klappenapparates und seiner Umgebung gehandelt
hat, die unglücklich geheilt sind, so dass es zu Insufficienzen und
Stenosen gekommen ist v Er vermisst den Nachweis anderer Genese,
insbesondere der Endocarditis traumatica, und leugnet z. B. das Vor¬
kommen der Knopflochstenose auf traumatischer Basis.
Auch A. Fränkel äussert sich sehr skeptisch. Er glaubt bei
Stenosen nicht, dass sie durch Trauma verursacht seien, eher bei
Insufficienzen, die auf geringfügigeren Veränderungen beruhen, ob¬
gleich sich auch hier ein strikter Beweis meist schwer liefern lässt
Die meisten Autoren haben sich anders ausgesprochen. Sie
nehmen an, dass sich im Verlauf der Verletzungen des Klappen¬
apparates und des Endocards eine Endocarditis als Komplikation
einstellen könne; nur dann kommen die geschilderten Läsionen des
Endocards überhaupt zur klinischen Kenntnis, sonst heilen sie ohne
nachweisbare Störung. (Fortsetzung folgt.)
Die multiple Neurofibromatose.
(Recklingliausen’sche Krankheit.)
Sammelrcferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent a. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung.)
Unter die funktionellen Störungen, die gelegentlich die Neuro¬
fibromatose begleiten können, will ich auch den Paramyoclonus
multiplex Friedreich rechnen, an welchem der Patient von Feindei
und Froussard (1899) litt. Diese Beobachtung scheint mir für die
Auffassung Wollenberg’s*), dass die sogenannte Myoclonie in der
*) Wollenberg, Chorea, Paralysis agitans, Paramyoclonus »multiplex (Myo¬
clonie). In Nothnagel’s Spezielle Pathologie und Therapie 1899, Bd. XII,
Teil II, Abteilung 3, p. 174.
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fiberwiegenden Mehrzahl der Fälle nichts weiter zu sein scheint, als
eine besondere Form der ticartigen Erkrankungen, die sich wie diese
auf dem Boden einer degenerativen Anlage entwickelt, sehr zu
sprechen. Und auch Feindei und Froussard sprechen dies auch
(1899, p. 58) direkt aus, indem sie sagen: „Si le moment ötiologique
fondamental des myoclonies 6tait encore discutable, l’existence d’un
paramyoclonus multiplex chez un d£gdndr£ neurofibromateux, fils
d’un alcoolique suicidö, serait apte ä faire ranger les convulsions
musculaires parmi les troubles exprimant l’dtat de dögöndresceuce“.
Jedenfalls ergaben sich in dem Falle von Feindei und
Froussard (1899) keine Anhaltspunkte für die doppelseitige Seh¬
nervenatrophie. Indessen ist die Möglichkeit des Bestehens eines
Hirntumors nicht von der Hand zu weisen, wie auch die beiden
Autoren zugeben. Für die Hypophysis als Sitz einer solchen Neu¬
bildung spräche allenfalls der Schädelbau, der an das Bestehen einer
Akromegalie erinnert.
Ueber einige weitere, wohl auch in die Gruppe dieser funktio¬
nellen Anomalien gehörige Störungen der Geruchs- und Geschmacks¬
empfindung, des Sehorgans, speziell über die von einzelnen Autoren
beobachtete Einschränkung des Gesichsfeldes (P. Marie 1894/95,
Fall 2, P. Marie und Couvelaire 1900) ohne Veränderungen des
Augenhintergrundes, werde ich an anderer Stelle berichten.
Sehr zahlreich sind die Fälle, in denen Störungen des In¬
tellekts und der Psyche bei den mit Neurofibromen behafteten
Kranken beobachtet worden sind.
Schon Strohmeyer (1844) erwähnt wörtlich (p. 413): „Grössere
und weit verbreitete neuromatöse Anschwellungen kommen besonders bei
Cretins und anderen Individuen von schwacher Geistesthätig-
keit“ vor, und citiert dann einen von ihm beobachteten Fall von lokal
multiplen Neuromen des ganzen linken Armes „bei einem jungen Manne
von etwa 19 Jahren, der so dumm war, dass er sein Alter nicht
wusste“.
Auch Schuh (1851, 1854) ist es aufgefallen, dass Erwachsene
und alte Leute, besonders weiblichen Geschlechtes, ferner Cretins dieser
Krankheit vorzugsweise unterworfen sind.
Hebra (Atlas 1869, p. 82) glaubt sich auf Grund der von ihm
beobachteten drei Fälle — und dasselbe gelte auch von den früher von
Ludwig, Virchow und Anderson beschriebenen Kranken — zu dem
Ausspruche berechtigt: „Alle mit Fibroma molluscum behafteten Kranken
hatten ein eigentümliches, allgemeines Gepräge ihrer Körper- und Geistes¬
konstitution, alle waren im Wachstum zurückgebliebene, mehr oder weniger
auch geistig verkümmerte Individuen“.
Dergleichen „Störungen in der nervösen Sphäre, welche auf eine
funktionelle Abnormität in dem Gehirn und Rückenmark hindeuten, wie
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Ürigiral from
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Stumpfsinn, Kretinismus etc.“, erwähnt dann auch v. Recklinghausen
(1882, p. 66) und führt als Beispiele von Trägern derartiger geistiger
Anomalien die Patienten von Schiffner, Bischoff und Knoblauch
und Salomon an.
Diesbezügliche Beobachtungen haben sich seither gehäuft und
sind so häufig, dass man diese Art von Störungen als integrierenden
Bestandteil der Neurofibromatose ansehen kann.
In zahlreichen Krankengeschichten finden wir immer und
immer wieder hervorgehoben die „Verminderung des Intellekts“, die
„geistige Beschränktheit“, das „läppische Wesen“, die „geistige Träg¬
heit“, den „Schwachsinn“, die „Stupidität“, die „Geistesschwäche“ etc.
Ich habe auf p. 13 meiner Arbeit (1901) 36 gleichlautende
Angaben aus der Literatur zusammengestellt und selbst über zwei
hierhergehörige Fälle (2 und 8) aus meiner eigenen Kasuistik be¬
richtet.
Salomon’s (1877) entschieden schwachsinniger Patient zeigte Nei¬
gung zum Vagabondieren, war äusserst jähzornig und zu förmlichen
Wutausbrüchen geneigt; dessen Schwester, eine gutmütige, aber reizbare
Person, wies keine Nerventumoren, nur Pigmentationen me ihr Bruder
auf; dieselbe war zum Diebstahl geneigt und zeigte dieselbe schwere an¬
geborene neuropathische Disposition und moralische Verkommenheit wie
ihr Bruder und sämtliche übrigen Geschwister.
Von mir bis dahin entgangenen diesbezüglichen Angaben aus
der Literatur gebe ich noch folgende wieder:
Klebs’ Beobachtung (1889) bezog sich auf „ein halbkretini-
stisches Individuum“.
Die Patientin 2 von Herczell (1890, Susy Merschei) zeigt
neben ihrem ziemlich grossen Caput quadratum einen auffällig kretinhaften
Gesichtsausdruck; auch in geistiger Beziehung steht sie ziemlich hinter
ihren Altersgenossinnen zurück. Ihre ebenfalls an Neurofibromatose
leidende Mutter (Eva Merschei) wird kurzweg als stupid bezeichnet
Das Mädchen von L. Philippson (1893) zeigt einen stupiden
Gesichtsausdruck.
Die 15 jährige, mit einem Rankenneurom der rechten Halsseite be¬
haftete Patientin von zum Busch (1894) ist von kleiner, untersetzter
Figur, der Kopf ist unverhältnismässig gross, das Gesicht zeigt einen
stupiden Ausdruck, die Kranke gleicht im allgemeinen einer Idiotin.
Der Patient von Pooley (1894) ist stupid und von herabgesetzter
Intelligenz.
Der Kranke von Petren (1897) zeigt „eine gewisse Abstumpfung
der Intelligenz“, der von Poisson und Vignaud (1899) eine „obnu-
bilation de Pintellect“.
Die Intelligenz ist bei dem Kranken von Feindei und Froussard
(1899) erheblich geschwächt (obtuse), Patient kann kaum lesen und
schreiben.
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Der Kranke von Green (1895) ist ein geistig tiefstehendes Indi¬
viduum, desgleichen der Patient von Pringle (1900) und Evans (1900)
und die Kranke von Hartzell (1902).
Die Patientin von Posthumus (1900) war in leichtem Grade
schwachsinnig, „jedoch nicht dermassen, dass man sie für idiot halten
dürfte“. Auch bot sie ein stupides Aussehen.
Campana's Patient (1901) zeigte eine etwas träge Auffassung,
die Gedankenfolge war häufig unlogisch.
Der Patient von Mowat (1898) wird als „von wenig hervor¬
ragender Intelligenz“ bezeichnet.
Der Chinese von Perthes (1902) war ein „etwas stumpfsinniges
Individuum“.
Rose’s Patient 2 (1886) = Seitz (1871) ist ein psychisch ab¬
normer, beschränkter Mensch, er ist ein Sonderling, jähzornig, tobsüchtig
und diebisch.
Oft sind es menschenscheue, jähzornige Individuen, die einen
äusserst degenerierten Eindruck machen und einen auffällig kretin¬
haften Gesichtsausdruck zeigen.
Meine jüngst beschriebene Patientin (1902) zeigte einen
auffällig starken kretinartigen Gesichtsausdruck, war aber geistig durch¬
aus normal und ihrem Bildungsgrade entsprechend intellektuell gut ent¬
wickelt.
Oft lernen solche Individuen in der Schule schlecht (Feindel
1896, Fall 2, Leredde und Bertherand 1898 = Jehl 1898,
Fall 1, Hoisnard 1897/98, Fall 1, Thibiörge, Annales 1898), sie
haben nur notdürftig lesen, schreiben und rechnen gelernt (Feindei
und Froussard 1899, Posthumus 1900), stehen hinter ihren Mit¬
schülern weit zurück, sind trage, vergesslich (Köbner 1883, Feindei
1896, Fall 2, Jehl 1898, Fall 1 = Leredde und Bertherand
1898, mein Fall 2 1901), händelsüchtig (Thibiörge, Annales 1898),
ihr Gedächtnis ist schlecht (Thibiferge, Soc. möd. des höp. 1898,
P. Marie 1894/95, Fall 1, Feindei und Oppenheim 1898,
Kracht 1898, Labouverie 1899, Fall 1 u. 4, Danlos 1900) und
zeigen Hang zur Päderastie (Thibiörge, Annales 1898).
Sprachstörungen aller Art, Stottern etc. (Genersieh 1870,
Fall 1, v. Recklinghausen 1882, Fall 2, Hashimoto 1890, Fall 2,
Landowski 1894, Fall 2, P. Marie 1894/95, Fall 1, Mossö und
Cavaliö 1897, Menke 1898, mein Fall 8, 1901) vervollkommnen
das Bild.
Der Patient von Genersich (1870, Fall 1) lernte mit sieben
Jahren sprechen.
Der Kranke von Petren (1897) spricht sehr langsam und nicht
besonders gut, aber eine bestimmte Störung der Artikulation kann mau
nicht konstatieren. Nach Petren ist die Sprachstörung eine Folge der
geistigen Schwäche des Pat.
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Der Kranke von Feindei und Froussard (1899) scheint von
jeher Schwierigkeiten beim Sprechen gehabt zu haben. Mit Beginn
seiner Myoclonie ist der Schlaf schlecht und die grobe Muskelkraft er¬
heblich geringer geworden.
In anderen Fällen, wie z. B. in einer Beobachtung von Henne¬
berg und Koch (1901, 1902, Fall 1), hängt die Sprachstörung mit
Tumorbildung innerhalb der Schädelkapsel zusammen.
Sehr häufig sind die Patienten schwere Neurastheniker (Danlos
1900, mein Fall 12, 1901), sie sind menschenscheu (Knoblauch
1843, Thibiörge, Annales 1898), ihre Gemütsstimmung ist eine
meist deprimierte (Speransky 1897, Thibiörge, Annales 1898,
Tikanaze 1901), sie sind schwer betrübt, ganz in sich versunken
(Königsdorf 1889 = Du Mesnil 1890), scheinbar der Aussen-
welt ganz entrückt, willenlos (Danlos 1900), tragen sich mit Selbst¬
mordgedanken (Thibiörge, Soc. möd. des höp. 1898, Feindei und
Oppenheim 1898, Fall 1). Der Patient von Tikanaze (1901)
klagt stets über sein Schicksal, er hat auch mehrmals einen Selbst¬
mordversuch gemacht. Wieder andere haben an nichts mehr Freude,
kurzum, bieten das ausgesprochene Bild einer Melancholie. Der
Kranke von Feindei und Froussard (1899) ist ziemlich leicht
aufregbar (ömotif) und neigt seit einiger Zeit zum Weinen.
Zwei Patientinnen von Spillmann und Etienne (1898, Fall
1 und 5) zeigen starke Nervosität Der Patient von BenDati (1901)
ist schwer neuropathisch veranlagt, von excentrischem Charakter und zeigt
sichere Zeichen von Hysterie. Der Patient von Audry (1901: Vater)
ist von mittlerem Intelligenzgrad, schwatzhaft und leicht reizbar. Die
Patientin von Sorgo (1902) wird als reizbar bezeichnet
Die Kranke von Hallopeau und Ribot (1902) zeigt „un 4tat
nerveux assez prononcö, eile est impressionable“ und bietet sonst noch
sichere Zeichen eines beginnenden Morbus Basedowii.
Nicht gar so selten sind psychische Störungen, Apathie, De¬
menz, hypochondrische Stimmung etc., auf Neurofibromentwicklung
innerhalb der Schädelkapsel zurückzuführen, wie in den Fällen von
Berggrün (1897), Reymond (1898), Spillmann (1900), Henne¬
berg und Koch (1901, 1902, Fall 1 und 2) u. a. m., oder aber als
Zeichen gesteigerten Hirndrucks aus anderen Ursachen aufzufassen,
wie in meinem Falle 2 (1901, Hydrocephalus int. ehr.) und Fall 6
(1901, Sarkom des Linsenkerns).
Alkoholgenuss scheint solchen Individuen besonders schlecht zu
bekommen (P. Marie 1894/95, Fall 1, Feindei 1896, Fall 4).
Ausnahmsweise sind aber auch die Kranken von guter Intelli¬
genz und erfreuen sich bis in ihr hohes Alter eines vortrefflichen
Allgemeinbefindens. Ich erinnere in dieser BezielmngTan Fall 1,
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465
3 und 4 meiner Kasuistik (1901), an den Kranken von Förster
(1900, Fall 2), von Lanz (1901) und Landowski (1894, Fall 2),
sowie an den Bruder des Falles 2 von Pick (1865), der ebenfalls
mit multiplen Tumoren behaftet und ein starker und gut gebauter
Mann ist.
Trotz der zahlreich vorhandenen körperlichen Gebrechen sind
meine Patientinnen 5 und 9 (1901) und 1 (1902) geistig durch¬
aus normal entwickelt
Nächst den soeben besprochenen psychischen Anomalien bezw.
Störungen des Intellekts und der Psyche nehmen eine Reihe von
trophischen Störungen im Bilde der Neurofibromatose eine her¬
vorragende Stelle ein.
Ich begreife darunter eine Menge physischer Anomalien, von
denen sich eine Gruppe als sicher bei der Geburt vorhanden trennen
liesse von solchen Störungen, welche vielleicht angeboren sind
oder erst nach der Geburt auftraten und bemerkbar wurden, immer
aber als trophischen Ursprungs zu deuten sind.
Zu ersteren, d. h. den bei der Geburt vorhandenen Anomalien
oder Entwickelungsstörungen, wären zu rechnen die Epispadie
(Genersich 1870, Fall 1), die mangelhafte Entwickelung der Geni¬
talien mit rechtsseitigem Kryptorchismus (A. Heller 1868, Fall 1),
Ektopie des Hodens (Jeanselme und Orrilliard 1894), Polyor-
chidie (Pöan 1897), Polythelie (Feindei 1896, Obs. 4), Makroglossie
(Bobroff 1895), Strabismus (mein Fall 9, 1901), Facialisparese
(mein Fall 8, 1901), Mangel einer Niere und Uterus bicornis mit
Atrophie des einen Horns (mein Fall 2, 1901), Atresia vaginae
(mein Fall 11, 1901), Alopecia univcrsalis bei zwei Brüdern
(Schülc 1902), Fehlen der Sternalportion des Musculus pcctornlis
major (Bryk 1869, Fall 1), Schlottergelenke (Campbell 1900,
Perthes 1902), auf die ich gleich zurückkommen werde, freier
Verlauf des Ductus choledochus zum Darme (nicht im Pankreas¬
kopf) (C'hauffard 1896 = Ramond 1896), Fehlen des Colon
desccndens im Falle 2 von Genersich (1870) und Rump (1879/80),
weiterhin eine ganze Reihe von Anomalien des Knochensystems, die
ich weiter unten gemeinschaftlich mit später aufgetretenen Störungen
desselben besprechen will.
Als Entwickelungsstörung im weiteren Sinne dürfte folgender
Befund bei der Patientin von Koenigsdorf (1889) = Du Mcsnil
(1890) aufzufassen sein:
Die linke Niere ist von normaler Grösse, zeigt auf dem Durch¬
schnitt zwei nebeneinander gelegene runde Knoten von cm Durch-
Ontralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. ;j(j
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messer, von derber Beschaffenheit; der eine dieser Knoten liegt in dt*
Rinde, der andere im Mark. Ln grossen und ganzen gewinnt man den
Eindruck, als ob es sich um lipomatöses Gewebe, um zwei Lipome der
linken Niere (also Keimversprengung) handle.
In der Beobachtung Strube’s (1898) deckte die Autopsie ein
Gliom des Rückenmarks auf, das der Autor als Bildungsanomalie zu
zu deuten geneigt ist, als ein centrales Gliom, das auf Grund kongeni¬
taler Anomalien des Centralkanals entstanden ist und durch Erweichung
zur Spaltbildung Veranlassung gegeben hat.
Zu den wohl zweifellos auf angeborenen Verhältnissen zurück¬
zuführenden, aber erst im späteren Leben in Erscheinung tretenden
Hemmungsbildungen wäre vor allen Dingen das Zurückbleiben
Neurofibromkranker im Wachstum zu rechnen.
Ich habe bereits im vorigen Abschnitt Hebra’s Ausspruch
(1869) erwähnt, „dass seine drei mit Fibroma molluscum behafteten
Patienten alle im Wachstum zurückgebliebene, mehr oder
weniger auch geistig verkümmerte Individuen gewesen seien“.
Aehnliches erwähnt auch schon Tilesius (1793) für seinen
Fall. Die Kasuistik ist reich an solchen Citaten:
Heymann (1859), Dick (1865, Fall 1 und 2), v. Bruns
(1870, Fall 2), Fremmert (1872/73, Fall 2), Köbner (1883 ,
Hürthle (1886, Fall 4), Heydweiler (1887, Fall 2), Groh (1888,
Fall 1), Moses (1890, Fall 1 und 2), Jordan (1890, Fall 2), An¬
telrae (1897), Clarence (1897), Sieveking (1898), Jehl (1898,
Fall 1) = Leredde und Bertherand (1898), Habermann (1898 .
Bourcy und Laignel-Lavastine (1900), mein Fall 5 (1901).
Die eine Patientin von Jordan (1890) ist von kleinem, ziemlich
schwächlichem Körperbau, hat geringes Fettpolster, dürftige Muskulatur
und blasse Hautfarbe. — Die 15jährige Kranke von zum Busch (1894 j
ist von kleiner untersetzter Figur, desgleichen die Kranke von Hallopeau
und Fouquet (1901). — Der allerdings nebenbei an dyspeptischen Be¬
schwerden leidende 15 jährige Barbierlehrling von Vezely (1897) ist von
schwächlichem Knochenbau, schlecht genährt, mager. — Die 10jährige Pa¬
tientin von Mouchet (1900) war von jeher ein sehr schwächliches Kind
(de sante dölicate), wies aber nebenbei Zeichen von durchgemachter Haut¬
tuberkulose an beiden unteren Extremitäten auf. — Meine jüngst be¬
schriebene Patientin (1902) war auffälig klein und von untersetztem
Körperbau (1,34 m Körperlänge). Die beiden Hände sind zwerghaft
klein, die Fingerspitzen trommelschlägelartig auf ge trieben, wenn auch nur
wenig, die Fingerendglieder auffällig kurz, ähnlich wie die Nägel, und
erscheinen wie abgenutzt.
Neben dieser oft „zwerghaft kleinen Statur“ (Habermann
1898) ist es aber eine Reihe von anderen Störungen der Körpcr-
entwickelung, die das Symptomenbild der Neurofibromatose begleiten
können.
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Der Kranke Antelme’s (1897) zeigte neben seiner schwächlichen
Entwickelung trotz seiner 25 Jahre völlige Bartlosigkeit, die beiden
Kratiken (zwei Brüder) von Schüle (1902) litten an Alopecia univer¬
sal» congenita. Ueber frühzeitiges Ergrauen der Haare berichtet Mar-
cacci (1879). Danlos (1900) berichtet über Onychoklasie, Kaposi
(1892) über Onychogryphosis.
Daneben besteht oft eine ausserordentliche Schlaffheit des
Hautsystems, die sich kundgibt durch jenen als Cutis laxa benannten
Zustand übermässig dehnbarer Haut, wie er von Tschernogubow
(1891) und Fox (1900) erwähnt wird, in dem Bestehen weiter ßruch-
pforten (Hahn 1888, Feindei 1896, Kölpin 1897) von Inguinal¬
hernien (Lahmann 1885, Fall 1, Feindei und Oppenheim 1898,
Obs. 2, Revilliod 1900, mein Fall 7, 1901: doppelseitig), eines
Naheibruchs (Kyrieleis 1885, Fall 2), einer kleinorangengrossen
Lungenhernie in der Fossa supraclavicularis (Bourcy und Laignel-
Lavastine 1900), von Varicen (Grün 1886, Feindei und Oppen¬
heim 1898, Obs. 1, Labouverie 1899), Prolapsus ani und grossen
Hämorrhoidalknoten (Pick 1865): alles Zustande, die auf einen
mangelhaften Tonus dieser Organe hinweisen und häufig genug
citicrt sind, um als eigentliche Komplikationen der Neurofibromatose
gelten zu können.
Das Bestehen einer Hydrocele erwähnen Hahn (1888), Burg¬
hart (1898, Fall 1) und Lesser (bei Burghart 1898 citiert); in
meinem Falle 7 (1901) besteht eine Hydrocele neben beiderseitigen
Inguinalhernien.
Genersich (1870, Fall 1) berichtet über „Entwickelung, bezw.
versäumte Rückbildung von Brüsten“ bei einem 22 jährigen Schuster.
Einen Teil der nun folgenden Hauterkrankungen bei
Neurofibromkranken bin ich geneigt für zufällige Komplikationen
zu halten, andere hingegen haben den Chrakter einer trophischen
Hautstörung:
Es sind beschrieben: Ekzem (Generaich 1870, Fall 1), Rötungen
der Haut (Soyka 1877, Fall 1), kleienartige Hautabschuppung (Bryk
1869, Fall 1), Ichthyosis hystrix (Kaposi 1892), Akne älteren und
frischeren Datums (Aüdry uud Fahre 1892), ein „6tat xörodermique“
der Arme und Beine (Arnozan bei Meslet 1892, Obs. 14).
Bei dem Patienten von Collet und Lacroix (1893) nimmt die
Haut unter dem Einfluss von Kälte sehr leicht jene Veränderung an,
die wir Gänsehaut nennen.
In dem Fall von Hallopeau und Ribot (1902) bestand eine
Ichthyosis generalisata.
Juckende Hautaffektionen sind öfters beschrieben worden: Eine
„lichenisation ancienne“ des Hodeiisackes mit heftigem Juckreiz (Danlos
30*
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1900), ein Lichen ruber älteren Datums mit starkem Jucken (A. Philippson
1888, Fall 1), Pruritus des ganzen Körpers seit dein 10. Lebensjahre
(L. Philippson 1893), seit der Kindheit bestehender heftiger Juckreiz
(Prurigo), welcher von der Tumorbildung und den Pigmentveränderungen
der Haut zu tiennen ist (Bardach 1886); der Kranke von Lanz
(1901) hat ein juckendes Gefühl am ganzen Körper, das ihn veranlasst,
öfters zu kratzen.
Eine ganz ungewöhnliche Empfindlichkeit der Haut gegen Reize,
sowohl chemische, wie thermische und mechanische, weist der Patient
von Menke (1898) auf. So haben z. B. einige Cbloroformtropfen, die
im Exaltationsstadium der Narkose auf den rechten Oberarm fielen, eine
leichte Hautentzündung hervorgerufen, von der noch nach sechs Monaten
ein 5-Markstückgrosser roter Fleck sichtbar war.
Bei der schon öfters citierten Patientin von Posthumus (1900)
bestand ein Pemphigus, welcher bei ihr dann und wann im Alter von
10 Jahren vorhanden war; besonders bemerkte man dieses Symptom
bei feuchtem Wetter oder wenn Patientin die Hände nicht gut ge¬
trocknet hatte.
Eine — allerdings hysterisch veranlagte — Patientin Labou-
verie’s (1899, Fall 5) bot am ganzen Körper die Zeichen des Dermo¬
graphismus (autographisme, urticaria factitia, grand dermographisme) dar.
Auf diese und einige weitere in das Gebiet der vasomoto¬
rischen Störungen gehörige Beobachtungen komme ich bei Gelegen¬
heit noch einmal zu sprechen.
Im allgemeinen wenig studiert sind Erscheinungen von
Seiten der Gelenke bei Neurofibromkranken.
Sehen wir von den als Ausdruck der Nervenkompression auf-
zufassenden, nicht streng auf einzelne Gelenke lokalisierten, sondern
mehr die ganze Extremität in Form von hartnäckigen Neuralgien,
lancinierenden Schmerzen, ischiasähnlichen Erscheinungen befallenden
Schmerzanfällen ab, so gibt es doch eine Reihe von Autoren, welche
von solchen eigentlichen Arthralgien berichten.
So sprechen Bergmann (1869) und P. Marie (1894/95, Fall 1
und 2) vom Vorkommen von Arthralgien in ihren Beobachtungen, die
in den Fällen von Feindei (1896, Obs. 3 und 4) an einen Rheuma¬
tismus denken Hessen.
Der 57jährige Patient von Lannois und Variot (1883, Obs. 2)
litt an starken Schmerzen in den Gelenken, speziell den beiden Ell¬
bogengelenken bei Bewegungen, zu denen sich später Schmerzen und
Schwellungen von Seilen der beiden Fussgelenke hinzugesellten, die mit
Deformationen derselben endeten.
Sämtliche Arthritiden bringen die Autoren (1. c. p. 417) möglicher¬
weise mit bestehenden Neurofibromen innerhalb des Wirbelkanals in Zu¬
sammenhang. Auf das Bestehen derartiger Veränderungen deuteten ge¬
wisse Erscheinungen hin, wie Muskelatrophien, Verlust der Sehnen¬
reflexe etc. Jedoch fehlt eine Bestätigung durch die Autopsie.
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Der 56 Jahre alte Patient von Giere (1889) litt seit etwa
10 Jahren an periodisch auftretenden Schmerzen in den Gelenken und
zwar Schulter-, Hüft- und Kniegelenken. Besonders klagt Pat über
ziehende Schmerzen in den Extremitäten. Die aktive und passive Moti¬
lität der Gelenke ist nicht behindert, auch sind dieselben nicht ange¬
schwollen, zeigen keine erhöhte Temperatur und keine abnorme Färbung;
kein Vitium cordis. Die Beschwerden bedingten eine Abnahme der Be¬
wegungsfähigkeit und nötigten den Kranken, beim Gehen sich auf einen
Stock zu stützen. Die Beschwerden, die sich periodisch verschlimmerten
und wieder besserten, zeigen nach Giers „einen mässigen Grad von
chronischem Gelenkrheumatismus“ an.
Diesen vielleicht mehr zufällig erscheinenden, auf dem Boden
der Kachexie, der Arteriosklerose etc. sich möglicherweise aus¬
bildenden, in diesem Sinne also nicht als trophoneurotischen Ur¬
sprungs anzusehenden Störungen steht eine kleine Anzahl von
Beobachtungen gegenüber, in denen die Gelenkerkrankungen eher
als rein trophische Störungen aufzufassen waren.
In dem Falle von Preble und Hektoen (1901) bestanden neben
Haut-, Nerven-, Mesenterial- und Darmtumoren auch Geschwulstbildungen
der Nerven wurzeln, welche das Rückenmark comprimierten. Inwieweit
dieser letztere Prozess die als Arthritis deformans von den Autoren be¬
schriebenen Veränderungen an Hand-, Ellbogen-, Schulter-, Knie- und
Hüftgelenken erklärt, bleibe dahingestellt, erscheint aber bei der Multi-
plicität der Gelenkerscheinungen fast wahrscheinlich und nach dem, was
wir von der Pathologie der sogen, trophischen Gelenkerkrankungen wissen,
erklärlich.
In meinem jüngst (1902) beschriebenen Falle bestand eine
Arthritis deformans des rechten Schulter- und rechten Ellenbogengelenkes.
Jedoch boten diese Veränderungen nichts Besonderes dar, da sie einfach
Folgezustände, Sekundäreffekte der seit vier Monaten bestehenden Läh¬
mung der rechten oberen Gliedmasse, die ihrerseits durch ein Neuro-
myxom der rechten Supraclaviculargegend bedingt war, aufzufassen sind.
Dafür spricht wohl einwandsfrei der normale Befund an den übrigen,
speziell den entsprechenden Gelenken der linken oberen Extremität.
Jedenfalls lassen aber sich auch diese Störungen am besten als trophische
deuten.
Hier wäre vielleicht am besten anzureihen eine von zahlreichen
Autoren ebenfalls unter die tropho - neurotischen Störungen ge¬
rechnete Affektion: die Dupuytren'sche Kontraktur.
Eine solche, doppelseitige Kontraktur beobachtete Revilliod (1900)
bei seinem Patienten. Dieselbe bestand seit 17 Jahren, ist bezw. seit
dieser Zeit langsam entstanden. Nebenbei bemerkt war der Kranke
seinem Berufe nach Photograph.
Nicht leicht zu klassifizieren sind einige wohl sicher kongenitale
Gelenkanomalien, die ich zum Schlüsse dieses Abschnittes be¬
sprechen will.
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Es handelt sich in diesen Fällen mehr um Gelenkmissbildungen.
Bei dem Patienten von Perthes (1902) bildeten das linke Hand¬
gelenk, sowie sämtliche linken Fingergelenke, mit Ausnahme derer des
4. und 5. Fingers, Schlottergelenke. Die Endphalangen des 2. und 3.
Fingers Hessen sich bis zur Berührung mit den 2. Phalangen, also um
180° dorsal reflektieren. Ebenso liess sich die Hand bis zur Berührung
des Handrückens mit dem Vorderarm dorsalwärts umknicken. In dem
Handgelenke, sowie den Gelenken des 2. und 3. Fingers Hessen sich
abnorme, seitliche Verschiebungen ausführen. Trotzdem war der Kranke
imstande, alle Bewegungen mit der elephantiastisch verdickten Unken
Hand auszuführen und mit ziemlicher Kraft zuzugreifen.
Eine ähnliche kongenitale Missbildung der Fingergelenke bezw.
Schlottergelenke in einzelnen Metacarpophalangealgelenken zeigte auch
der Patient von Campbell (1900).
Nicht streng genommen in diese Gruppe gehören Verände¬
rungen der Gelenke rein sekundärer, durch die Parese oder Paralyse
der Extremitäten bedingter Natur.
So sind in dem Falle Berggrün’s (1897), in welchem eine Para¬
plegie der unteren Extremitäten (neben anderen Erscheinungen) bestand,
die Gelenkenden des Femur und der Tibia rechts stark aufgetrieben,
besonders an der Innenfläche, die Patella von ihrer Unterlage um ein
geringes abgehoben, die Ausdehnung der Gelenkkapsel, den Ansätzen
derselben entsprechend, durch eine ziemlich feste elastische Masse ver-
grössert, die Füsse selbst stehen beiderseits in Spitzfussstellung.
Auch mein eben besprochener Fall (1902) von Arthritis defor-
mans des rechten Schulter- und rechten Ellbogengelenks bei Lähmung
der ganzen rechten oberen Extremität, weiterhin die mehrfach
citierten Fälle von Petren (1897), v. Büngner (1897) und die
Beobachtung von Posthuraus (1900) u. a. m. lassen sich hier zur
Illustration dieser Verhältnisse anführen.
In dem Fall von v. Büngner (1897) wurde wegen starker
Schmerzen im rechten Kniegelenk sogar eine Arthrektomie ausgeführt,
v. Büngner fand das Gelenk „reichlich mit Fett durchsetzt und,
soweit Nervenstränge zu Gesicht kamen, diese knotig verdickt“.
Unzweifelhaft den breitesten Raum in dem klinischen Bilde
der Neurofibromatose nehmen unter den physischen Anomalien die
Störungen im Knochensystem ein.
Ein Teil derselben ist sicher angeboren und schon bei der
Geburt vorhanden.
Die Patientin von zum Busch (1894) zeigt einen stark
prognatischen Unterkiefer, der Oberkiefer zeigt stark ausgebildeteu
Vogeltypus, d. h. die Gaumenbeine sind nicht flach, sondern so
stark gewölbt, dass der harte Gaumen keine Platte, sondern einen
Spitzbogen bildet; abnorme Höhe des harten Gaumens sahen auch
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Speransky (1895), Jehl (1898, Fall 1) = Leredde und Berthe¬
rand (1898), Thibifcrge (Annales 1898) und Feindei und Frous-
sard (1899). In letzterem Falle bestand auch ein geringer Grad
von Prognatismus, ebenso in meinem jüngst beschriebenen
Falle (1902).
Weiter sah ich einen kongenitalen Defekt der Fibula in meinem
Falle 6 (1901). v. Bruns hat (1870, Fall 2) einen angeborenen
Wirbelspalt beschrieben. In gewisser Hinsicht als Analogon zu diesem
Fall, in welchem sich ein Rankenneurom bis in den hinten offenen
Sacralteil des Wirbelkanals fortsetzte, wo dasselbe direkt in die Dura
mater spinalis überging, bildete mein Fall 2 (1901) von Defekt am
Schädeldach. Auch hier handelte es sich jedenfalls um einen ange¬
borenen Knochendefekt des Os occipitale und keineswegs um eine durch
den gewaltigen Tumor der Occipitalgegend bedingte Knochenusur. Nach
der Anamnese lässt sich vermuten, dass früher eine Meningocele an
dieser Stelle bestand; später scheint sich der vorgestülpte Duralsack
wieder an die richtige Stelle gelagert zu haben und um seine äussere
Fläche hat sich die von mir beobachtete mächtige Neubildung heraus¬
gebildet. Ob sie sich auf dem Boden eines daselbst bestehenden Neurofibroms
entwickelt hat, ist sehr fraglich. Interessant ist an diesem Falle das
Bestehen multipler Neurofibrome der Haut und eines kongenitalen Schädel¬
defektes neben anderen Missbildungen innerer Organe, die wir bereits
oben erwähnt haben (angeborenes Fehlen einer Niere, Uterus bicornis
mit rudimentär entwickeltem einem Horn).
Bryk beobachtete in seinem ersten Falle (1869) einen inter¬
essanten Knochendefekt; es sind nämlich bei dem Kranken die 3. und
4. Rippe defekt bis auf Stümpfe ihrer Knorpel; die entsprechende Partie
des Thorax ist eingesunken und das rechte Schlüsselbein ist tiefer ge¬
stellt als das linke. Daneben fehlte die Sternalportion des M. pecto-
ralis major.
Roux beschreibt (1899, Obs. 2) eine angeborene Verkürzung dqr
Metacarpi IV und V beiderseits und der Metatarsi IV beiderseits.
Köbner beobachtete (1883) das Zurückbleiben einzelner Teile der
linken oberen Extremität in der Entwickelung sowohl der Muskulatur,
wie auch der Knochen. Auch sind an dieser Gliedmasse die A. axillaris,
brachialis und radialis von geringerem Umfange als rechts und zeigen
eine schwächere Pulswelle.
Zusch beschreibt (1900) eine Verkürzung des rechten Vorderarms
und der rechten Hand mit gleichmässiger Atrophie sämtlicher dazu gc-
gehöriger Muskeln nebst Nagelveränderungen, welche der Autor sämtlich
als kongenitale Bildungshemmungen deutet.
Partielles Zurückbleiben im Wachstum fand sich auch bei dem
Patienten von Trombetta (1900): bei dem 16jährigen Kranken be¬
stand eine Verkürzung des rechten Beines.
(Fortsetzung folgt.)
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II. Referate.
Niere, Ureter.
The surgical treatnient of Bright’s disease. Von R. Guitera*.
New York med. Journal, Vol. LXXV, Nr. 20.
Verf. gibt zunächst eine ausführliche Literaturübersicht über
operative Eingriffe bei chronischer Nephritis. Hiernach war Edebohls
der erste, der chronische Bright’sche Nierenerkrankung als solche (nicht,
wie die früheren Autoren, nur bestimmte Komplikationen derselben)
durch eine Operation zu bessern suchte. Die von ihm geübte teilweise
Abschälung der Capsula propria der Niere bezweckt einmal die Bildung
von Verwachsungen der Niere mit ihrer Umgebung und damit Neu¬
bildung von Gefasscn, bessere Blutversorgung und Regeneration des noch
wenig veränderten Parenchyms, andererseits Entlastung der Niere, Ab¬
sorption von Exsudaten etc. Die Schwierigkeiten für die operative Be¬
handlung der chronischen Nephritis sind einmal darin begründet, dass
es oft nicht möglich ist, festzustellen, ob beide Nieren, oder nur eine,
und welche ergriffen ist. Sodann kann es bei der operativ freigelegten
und von der Capsula propria entblössten Niere sehr schwierig sein,
durch Palpation oder Inspektion die chronische Nephritis und besonders
die verschiedenen Formen derselben zu diagnostizieren.
Verf. operierte nach dem Vorgänge Edebohls’ drei Fälle von
chronischer Nephritis, die allerdings wegen zu kurzer Beobachtungsdauer
keine bestimmten Schlüsse zulassen.
1. 79 jähriger Mann mit chronischer Nephritis und leichter Pro¬
statahypertrophie. Beiderseits Freilegung und Dekortikation der Niere;
Capsula propria leicht abschälbar, Nierenoberfläche scheckig, dunkelgrau
bis schwarzblau. Entfernung der Capsula propria. Einen Monat p. o.
sind die Nierenepithelien aus dem Urin geschwunden, der Eiweissgehalt
ist stark vermindert, die früher zahlreichen Cylinder sind sehr spärlich
geworden, die Prostataerscheinungen ganz geschwunden.
2. 35 jährige Frau mit reichlichem Eiweissgehalt des Urins und
zahlreichen Cylindern und Nierenepithelien. Rechtsseitige Wanderniere.
Nephropexie der vergrösserten Niere mit teilweiser Kapselablösung (nach
Edebohls). Bisher guter Verlauf. (Zu kurz beobachtet.)
Verf. zieht aus seinen eigenen und fremden Erfahrungen folgende
Schlüsse: Die Nephropexie ist stets von Nutzen bei Wanderniere und
gleichzeitiger chronischer Nephritis. Die Nephrotomie hat sich bei ein¬
seitiger chronischer Nephritis mit Hämaturie und Nephralgie bewährt.
Die vollständige „Dekapsulation“ der Niere als Heilmittel bei chronischer
Nephritis ist vorläufig noch zu wenig erprobt, um bestimmte Schlüsse
zu erlauben. Mohr (Bielefeld).
Näi kunna akuta nefriter, tuberkulös undantagen, gifva anledninc
tili kirurgiska ingrepp och da hvilka. Von K. G. Lennander.
Upsala Läkarefören Förh., N. F., Bd. VII, H. 1 u. 2.
Der Aufsatz, der in verkürzter Form auf dem 5. Chirurgen kongress
zu Kopenhagen vorgetragen wurde, behandelt die Frage, wann akute
Go gle
Original frum
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nephritische Prozesse, Tuberkulose ausgenommen, Gegenstand chirurgischer
Eingriffe sein können.
Verf. behandelt zuerst die suppurativen Formen, die durch Calculi
entstandenen jedocli ausgenommen. Die Symptome derselben sind oft
sehr dunkel und die Diagnose muss oft per exclusionem gestellt werden;
schlechter Allgemeinzustand, Schmerzen bei Druck und spontan in der
Nierengegend, Frostschauer, Fieber, Eiweiss, weisse und rote Blutkörperchen
im Harn, Cylinder und vor allem Bakterien im Harn machen die An¬
nahme einer suppurativen Nephritis wahrscheinlich. Besonders die
mikroskopische Untersuchung des steril entnommenen Harnes ist not¬
wendig und wichtig; die Resultate der Kultur sind nicht entscheidend
für die Behandlung. Eine gute Hilfe in diagnostischer Hinsicht bieten
die Cystoskopie und Ureterkathetrisation.
In pathologisch-anatomischer Hinsicht betont Verf., dass die Suppu-
ration gewöhnlich die Form radiär angeordneter multipler Abscesse bietet,
die oft einer Tuberkulose täuschend ähnlich sind. Oft findet man Oedem
der Fettkapsel, die Niere ist immer vergrössert, cyanotisch bis blau-
schwarz und fühlt sich hart an; der Prozess kann entweder diffus in
der ganzen Niere oder auch in begrenzten Teilen derselben auftreten,
in welch letzterem Falle die erkrankte Partie sich deutlich von der ge¬
sunden unterscheiden lässt. Die Infektion ist entweder urogen oder
hämatogen; bei letzterer ist die Quelle oftmals der Darm (sechs unter
acht vom Verf. operierte Fälle waren Coliinfektionen), einmal fand Verf.
Colibacillen und Streptococcen, einmal nur Staphylococcus aureus.
Die Operation muss, soweit möglich, konservativ sein: Freilegung
der Niere, Ablösung der Kapsel und Excision der kranken Teile, nur
bei Ergriffensein der ganzen Niere Nephrektomie. Kann man nicht
sicher über den Zustand der Niere entscheiden, spaltet man am richtigsten
die ganze Niere. Der Schnitt muss mit Gaze fest tamponiert werden
und die ganze Niere wird mit Gaze umgeben. Die eigentliche Gefahr
bietet die Nachblutung; sollte eine Blutung in die Blase eintreten, muss,
falls das Blut nicht per urethram entfernt werden kann, eine Sectio
alte gemacht werden. In einem Falle, wo während des Verfassers Ab¬
wesenheit diese unterlassen wurde, starb Pat an diphtheritischer Cystitis.
Verf. geht darauf zur Frage der Behandlung der medizinischen
Nephritiden über und berichtet über Harrison’s Vorschläge, diese be¬
treffend, sowie über einen Fall von Israel. Verf. präcisiert seine Auf¬
fassung dahin, dass man bei akuter Nephritis, wo bedeutende Oligurie
oder Anurie bei gutem Allgemeinzustand eintritt und wo heftige Schmerzen
und Druckempfindlichkeit der einen oder beider Nieren zu konstatieren
sind, eine Incision an der Seite machen sollte, wo die Schmerzen am
heftigsten sind, um die Niere freizulegen und dieselbe aus deren Kapsel
auszulösen; eine ähnliche Nephrolysis ist auch indiziert bei solchen akuten
Nephritiden, die chronisch zu werden drohen und mit Schmerzen in einer
oder beiden Seiten verbunden sind. Der Tensionstheorie Harrison’s
und Israel’s mit den daraus gefolgerten Indikationen eines operativen
Eingriffes kann Verf. sich nicht anschliessen; für ihn sind die Schmerzen
die bestimmende Indikation. Köster (Gothenburg).
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The surgical treatment of chronic Bright’s disease. Von J. A.
Schmitt. New York Med. Record, Bd. LXII, Nr. 11.
Die chirurgische Behandlung der chronischen Bright’schen Nieren¬
krankheit ist im Begriff, in Amerika in Schwung zu kommen; Schmitt
thut daher gut daran, die bisherigen Erfolge kritisch zu beleuchten. Er
führt uns die Geschichte dieser jungen Bestrebungen vor Augen, die
mit der zufälligen Entdeckung Harrison’s von der heilsamen Wirkung
der Nierenpunktion und der Kapselspaltung bei gewissen Arten von
Nierenkoliken, von Hämaturie und Albuminurie begaunen und nun bei
Edebohls’ zielbewusster Empfehlung der Nephropexie und der Ent¬
kapselung der Niere zur Heilung der chronischen Bright’schen Krank¬
heit angelangt sind.
Im wesentlichen bezweifelt der Autor, dass die geheilten Fälle
thatsächlich an Bright’scher Niere gelitten haben, und weist auf die
Unmöglichkeit hin, die Nierendiagnose — wie geschehen ist — durch
Inspektion und Palpation während der Operation stellen zu wollen; eine
grosse Zahl pathologischer Zustände im Inneren des Organes muss dem
so Untersuchenden entgehen, während andererseits Oberflächen Verände¬
rungen oft in ihrer Bedeutung überschätzt werden können; genügt doch
nicht einmal immer die mikroskopische Untersuchung einer kleinen Nieren¬
partie, um die Diagnose „chronische Bright’sche Niere“ zu erhärten. Aus
diesen Gründen muss auch das einseitige Vorkommen des Leidens, das
man aus dem Umstand gefolgert hat, dass auch nach einseitiger Nieren¬
operation Heilungen vorgekommen seien, bestreiten, widerspricht es doch
ebenso allen von alters her gewonnenen Erfahrungen am Sektionstische,
wie den neuesten Beobachtungen mittels Ureterenkatheterismus. — Unter
Berücksichtigung nur derjenigen, offenbar in der Minderzahl befindlichen
Fälle, welche mit allen diagnostischen Hilfsmitteln einwandsfrei unter¬
sucht worden waren und bei denen zugleich genügend lange Zeit seit
der Operation vorübergegangen ist, um ein Urteil über das Resultat
zuzulassen, kommt Schmitt zur Aufstellung folgender Schlusssätze:
1. Bei akuten Infektionskrankheiten kann Anurie mit lebens¬
gefährlichen urämischen Symptomen durch Nierenspaltung oder Kapsel-
incision erfolgreich bekämpft werden: kongestive Schwellung und ver¬
mehrter innerer Nierendruck werden so beseitigt. Einseitige Operation
genügt, um reichliche Nierensekretion in Gang zu bringen.
2. Anurie mit urämischen Symptomen bei chronischer Bright’scher
Niere gibt Gelegenheit zu chirurgischem Vorgehen; zeitweise Linderung
hat man damit erreicht, eine dauernde Heilung aber ist hier nie zu
stände gebracht worden.
3. Wenn die Operation nur zum Zweck der Heilung von chro¬
nischer Bright’scher Krankheit unternommen wurde, blieb der Erfolg
aus. Der augenscheinliche Nutzen, der sich im Verschwinden des
Hydrops, der Dyspnoe etc. kundgibt, kommt ebenso regelmässig im ge¬
wöhnlichen Verlauf der Behandlung mit innerlichen Mitteln, mit Capillar-
drainage oder Punktion zu stände.
4. In Ausnahmsfällen sind Kolikanfälle und Hämaturie durch
chronische Bright’sche Niere bedingt. Kapselincision oder Spaltung der
Niere, auf welche die Störungen zurückzuführen waren, hat ausgezeichnete
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Resultate ergeben; es ist kein Zweifel, dass beim Versagen aller Hilfs¬
mittel chirurgisches Eingreifen die Blutungen zum Stehen gebracht und
die Schmerzen gemildert hat, aber es thut dem Fortschreiten der chronischen
Bright’schen Krankheit keinen Einhalt
5. Nephropexie kann die Beschwerden der Wanderniere heilen; sie
kann Albuminurie beseitigen, wenn sie durch lokale Reizung als Folge
der Lage Veränderung bedingt ist. Wenn aber die Wanderniere mit
Bright’scher Krankheit behaftet ist, so wird dieses Leiden durch die
Operation unbeeinflusst bleiben. W. Denison (Stuttgart).
Njuroperationer. Von H. v. Unge. Hygiea, 2. F., Jahrg. 2, p. 229.
Mitteilung zweier Fälle von Nierenoperationen:
I. Pyonephrosis, Exstirpation der Niere bei einer 30 jährigen Frau
mit gutem Resultate.
H. Chronische Appendicitis, Operation derselben, Pyelitis suppur.
acuta, Nephrotomie, Heilung. Pat. war eine 36 jährige Frau, die seit
fünf Jahren an Schmerzen in der rechten Fossa iliaca gelitten hatte
und ausserdem in der letzten Zeit auch Schmerzen in der rechten Lenden¬
gegend verspürte. Während der Konvalescenz nach der Exstirpation
des Appendix nierensteinkolikähnlicher Anfall, Vergrösserung der rechten
Niere und Empfindlichkeit derselben nebst Fieber; reichlich Eiter im
Urin. Nephrotomie, ein Konkrement wurde nicht gefunden. Die Ursache
der Pyelitis ist wahrscheinlich auf ein vor 10 Jahren vorhandenes
Typhoidfieber zurückzuführen. Köster (Gothenburg).
A case of acquired hydronephrosis of 26 years duration. Ope¬
ration, recovery. With sorne reiuarks on the diagnosis of cystic
tumors in the left hypochondrium. Von C. O. Theinhaus. The
St. Paul med. Journal, Vol. IV, Nr. 1.
Ein 52 jähriger Mann, der seit 26 Jahren eine deutliche Schwellung
an der rechten Seite unterhalb des Rippenbogens bemerkte, bekam plötz¬
lich Anfälle von heftigen Schmerzen und Uebelkeiten. Der Tumor, der
öfters untersucht worden war, wurde für eine Milzgeschwulst gehalten.
In letzter Zeit traten zu den Schmerzen Fieber und Schüttelfröste.
Durch Punktion wurde massenhaft Eiter entleert. Pat. war hochgradig
herabgekommen. Schon vor der Operation liess sich aus dem Befund
die sichere Diagnose auf eine seit so langer Zeit bestehende Hydro-
nephrose stellen. Der Urin zeigte makro- und mikroskopisch Eiter, wo¬
bei die Menge desselben sich wesentlich vermehrte, wenn auf den Tumor
ein Druck ausgeübt wurde; infolgedessen stand die Diagnose einer Pyo-
hydronephrose fest. — Bei der Operation wurde der Eitersack an die
Muskeln angenäht und die Höhle drainiert. Pat. genas.
Hugo Weiss (Wien).
Report of a case of successful removal of a kidney for inter-
mittent hydronephrosis. Von J. Boucher. New York med. Journ.
Vol. LXXVI, Nr. 8.
43 jährige Frau, welche seit 13 Jahren an den Erscheinungen einer
rechtsseitigen intermittierenden Hydronephrose mit allmählich immer
mehr zunehmenden Schmerzanfällen litt. Die Geschwulst ging dicht an
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den Nabel heran, war hart, druckempfindlich, unbeweglich und ver¬
schwand gewöhnlich nach einigen Stunden bis höchstens zwei Tagen.
Nach dem Verschwinden, das sich meist im Laufe einer Stunde vollzog,
erfolgte sehr reichliche Urinentleerung; während der Schmerzanfälle hart¬
näckige Verstopfung. Wegen zunehmender Beschwerden Operation:
Nierenbecken und Ureter bis in die Nähe der Blase stark erweitert
Exstirpation der Niere, nachdem durch eine Oeffnung im Peritoneum
die normale Beschaffenheit der anderen Niere festgestellt worden war.
Heilung. Mohr (Bielefeld).
La dögänörescence kystique du rein chez le foetus. Von Le noble
et Caraös. La Presse mödicale, 9. annöe, Nr. 18.
Die Verff. beschreiben sehr genau einen Fall von cystischer Ent¬
artung der Nieren bei einem Fötus. Es kam zum Absterben der Frucht
und der Einleitung einer künstlichen Frühgeburt. Die Nieren zeigten
sich durchsetzt von multiplen Cysten mit einem schleimigen Inhalt und
einer epithelialen Wandbekleidung. Die Verff. weisen die Annahme
ab, dass die Cysten durch eine Obliteration der ableitenden Harnwege
entstanden seien, sondern vertreten die Anschauung, dass es sich um
eine echte Neubildung, ein Kystoadenom, handle. Beim Erwachsenen
ist das Leiden mit einem langen Leben verträglich; beim Fötus scheint
es relativ schnell zum Tode geführt zu haben. Freyhan (Berlin).
Ueber papilläre Tumoren des Nierenbeckens. Von Pels Leusden.
Archiv f. klin. Chirurgie 1902.
Im Verhältnis zu den Geschwülsten der Niere selbst sind die
Nierenbecken-Tumoren sehr selten; so fand Israel unter 68 Nieren-
Tumoren nur zwei des Nierenbeckens. Am häufigsten sind noch die
Zottengeschwülste; charakteristisch für sie sind dauernde oder ipter-
mittirende Hydronephrose bei Nachweis reichlicher geschwänzter Epithelien
im blutigen Harn. Die Unterscheidung, ob gutartiges Papillom oder ein
maligner Tumor mit Entsendung von Epithelzapfen in die Wand des
Nierenbeckens vorliegt, ist selbst nach Freilegung der Geschwulst nicht
immer möglich, daher kommt in jedem Falle nur die Totalexstirpation
des Organs in Frage. Verf. beobachtete zwei Fälle:
Bei einer 72 jährigen Frau fand sich eine walnussgrosse Zotten¬
geschwulst am Beginn des Ureters; die Niere zeigte infolge des Abfluss¬
hindernisses Druckatrophie des Parenchyms. — Im Ureter Aussaat von
Geschwulstkeimen. Drei Monate post operationem Tod an allgemeinen
Metastasen.
Im zweiten Falle handelte es sich um eine Frau von 54 Jahren,
die seit sechs Monaten unter ziehenden Schmerzen an Hamblutungen
litt. Da die „funktionelle Diagnostik“ eine Herabsetzung des Gefrierpunktes
und der künstlichen Zuckerausscheidung für die rechte Niere nachwies,
wurde ein Nierentumor angenommen. Bei der Freilegung des Organs,
selbst beim Probeschnitt, war nichts Krankhaftes an der Niere zu be¬
merken, erst bei Eröffnung des Beckens wurden Zottenpartikelchen her¬
ausgespült. Sechs Monate nach der Operation war die Kranke noch
gesund.
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Hätte man sich in diesem Falle mit der Probeexzision eines Nieren¬
stückchens begnügt, so würde die mikroskopische Diagnose „interstielle
parenchymatöse Nephritis“ gelautet haben und die Blutungen wären auf
die Nierenveränderung zurückgeführt worden. Da der Sitz dieser Ge¬
schwülste demnach ausserordentlich schwierig festzustellen ist, hält Verf.
es für möglich, dass manche Fälle „einseitiger Nierenblutungen ohne
anatomische Grundlage“ besonders bei hohem Alter der Patienten auf
Geschwülste des Nierenbeckens zurückzuführen sind. Ihre Aehnlichkeit
mit den Zottenpolypen der Harnblase lässt auf einen ziemlich hohen
Grad von Malignität schliessen, der sich, selbst bei dem Fehlen typischer
Epithelzapfen, durch eine Wucherung der epithelialen Elemente und
zahlreiche Kernteilungsfiguren dokumentiert. A. Berliner (Berlin).
lieber Nieren Verletzungen. Von Waldvogel. Deutsche Zeitschr. f.
Chir., Bd. LXIV, p. 99.
Auf Grund der Analysierung von 23 Nieren Verletzungen der
König’schen Klinik kommt Verf. zu dem Schlüsse, dass der grösste
Teil der Nieren Verletzungen, einschliesslich der Schussverletzungen, nur
konservativer Behandlung bedarf. Der Grund zum operativen Vorgehen
liegt im wesentlichen in den Komplikationen, welche durch Blutung aus
anderen Organen gesetzt werden. Auch das Bestehen eines perirenalen
Ergusses dürfte noch nicht mit Bestimmtheit zur Operation auffordern.
Immerhin ist es nicht zu bestreiten, dass durch Nierenverletzung allein
die Gefahr der Verblutung herbeigeführt werden kann. Die Stärke der
Blutentleerung aus den ableitenden Wegen steht immer im Verhältnis
zur Schwere des Falles.
Was das Zustandekommen der Nieren Verletzungen betrifft, so kommt
die eine Entstehungsart Küster’s durch plötzliche stossweise Adduk¬
tionsbewegung der beiden unteren beweglichen Rippen gegen die Wirbel¬
säule unter 19 dazu verwertbaren Fällen nur fünfmal in Betracht. Die
andere Annahme Küster’s, die hydraulische Pressung, hat — bei
offenem Ureter wenigstens — keine Geltung, da nach diesbezüglichen
Tierversuchen Verf.’s ein dazu ausreichender Druck in den Nieren nicht
vorhanden ist. E. Moser (Zittau).
III. Bücherbesprechungen.
Therapie der Erkrankungen des Respiration»- und Cirkulations-
apparates. Von M. Kahane. 394 pp. Wien und Leipzig, Alfred
Holder, 1902.
Das vorliegende Werkchen muss als vorzüglich gelungen bezeichnet
werden, wenn man den Zweck desselben, die Belehrung und Unter¬
stützung des praktischen Arztes, in Betracht zieht. Die Einteilung des
Buches ist übersichtlich, die Sprache klar und flüssig, unnütze Weit¬
läufigkeiten sind vermieden.
Nach einem kurzen Abschnitte, welcher Vorbemerkungen enthält,
erörtert Autor die allgemeine Therapie der Erkrankungen der Respira¬
tionsorgane und bespricht im thunlichster Kürze die Luft- und Klimato-,
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die Ernährungs-, Hydro- und Balneotherapie, die Mechano-, Pneumato-,
Inhalations- und medikamentöse Therapie.
Begreiflicherweise nimmt im speziellem Teile die Behandlung der
Lungentuberkulose einen ziemlich breiten Raum ein; dieses Kapitel ge¬
hört zu den besten des Werkes.
Recht gelungen ist auch der Abschnitt über die hygienisch-diäte¬
tische Behandlung und über die Anwendung physikalischer Heilmethoden
bei der Herzinsufficienz. Diesem Abschnitte ist wieder ein kurzes theo¬
retisches Kapitel über Entstehung und Erkrankung der Herzinsufficienz
vorangestellt.
Eine kurze Sammlung wichtiger Receptformeln ist jedem speciellen
Kapitel beigegeben.
Das Buch ist dem Praktiker bestens zu empfehlen.
Hermann Schlesinger (Wien).
Die Gicht. Von O. Minkowski. Mit 9 Abbildungen im Texte und
3 Tafeln. 381 pp. Bd. VII, Teil III von Nothnagel's spezieller
Pathologie und Therapie. Verlag von Alfred Holder, Wien 1903.
Der Gicht ist besonders von französischen und englischen Autoren
mit mehr und weniger Recht ein Heer von Krankheitserscheinungen zur
Last gelegt worden. Bei der Unsicherheit über das Wesen der Gicht
betrachtet Verf. als sichere Aeusserungen dieser Krankheit nur die
typischen Gichtanfälle und das Auftreten von Uratablagerungen m den
Geweben.
Aus dem anziehend geschriebenen Werke, das durch die Abhand¬
lungen über das Verhalten der Harnsäure und anderes für den internen
Mediziner von hervorragendem Interesse ist, möchte Ref. gerade einige
auch vom Standpunkt des Chirurgen interessierende Punkte hervorheben.
Wie bei vielen Krankheiten, so spielt auch bei der Gicht das
Trauma eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ein früheres Trauma kann
eine lokale Disposition für spätere gichtische Erkrankungen schaffen,
dann kann es auch direkt einen Gichtanfall auslösen, und zwar nicht
nur an dem gerade betroffenen Gelenk, sondern auch andernorts. Dem
Trauma in dieser Beziehung gleichzuachten ist lokale und allgemeine
Ueberanstrengung.
Ausserdem sollen Gichtanfälle durch starke Blutverluste, übermässig
starke Abführmittel, durch Erkältungen und dergl. hervorgerufen werden
können. Die bei Gichtischen auftretenden Nierenblutungen können ein¬
mal bedingt sein durch Lithiasis, die nach der Ansicht vieler Autoren,
auch der des Verf/s, bei Gicht häufig ist, dann können sie im Zusammen¬
hang mit der gichtischen Nephritis stehen und offenbaren sich dann durch
vorausgehende oder folgende Albuminurien, sowie durch die begleitenden
Veränderungen am Herzen und an den Gefässen. Schliesslich gibt es noch
„gichtische Hämaturien“, die auf derselben Stufe mit den „essentiellen“
Blutungen aus nachweisbar nicht veränderten Nieren stehen.
An den Harn wegen kann die Gicht auch ohne Anwesenheit von
Steinen eine Reihe von Beschwerden hervorrufen, wie schmerzhafte Em¬
pfindungen in der Blase und Urethra, Pollakurie etc. Die Möglichkeit
eines rein gichtischen Trippers wird z. B. von Paget behauptet; auch
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Cystitis und Pyelitis sollen lediglich durch Gicht hervorgerufen werden
können.
Venenthrombosen bei Gicht sind ziemlich häufig beobachtet, gar
nicht selten sogar mit Embolien der Lungenarterien. Gangrän der
Extremitäten infolge Arterienthrombose ist dagegen nicht besonders häufig.
Tuberkulose uud Gicht sind nicht oft vergesellschaftet, schliessen
sich aber nicht aus. Neuralgien sind bei Gichtischen häufig, ihr Zu¬
sammenhang mit der Gicht unklar. Ebensowenig kann man etwas
sicheres über den Zusammenhang der „gichtischen Myalgien“ mit dem
Muskelrheumatismus aussagen. Muskelatrophien kommen in der Um¬
gebung gichtisch affizierter Gelenke vor, besonders an den Extensoren.
Kontrakturstellungen der Gelenke sind häufig.
Knotenbildungen in der Planta pedis sind von einigen Autoren in
Analogie zur Retraktion der Palmaraponeurose auf gichtischen Ursprung
zurückgeführt worden. — Zu Ekzemen macht die Gicht sehr disponiert;
ebenso sind Pruritus ani et vulvae und Urticaria bei Gichtischen häufig.
Von den therapeutischen Massnahmen sei auf die vorzüglichen
Wirkungen der Massage bei Gichtknoten und den durch Gicht verän¬
derten Gelenken hingewiesen. Beim akuten Gichtanfall empfiehlt Verf.
die Massage nicht
Ueber die Zweckmässigkeit chirurgischer Eingriffe bei akutem Gicht¬
anfall ist noch nicht viel zu sagen. Die Erfahrungen über dieselben
sind noch zu gering und zu jung. — Schon von älteren Autoren ist auf
die Reaktionslosigkeit der Eiterungen in eröffneten Gichtknoten und auf
die geringe Gefährlichkeit der Eröffnung von Gelenken, die mit Uraten
ausgefüllt sind, hingewiesen worden. Der Grund dazu ist vielleicht in
schlechten Resorptionsverhältnissen zu suchen. Eine antiseptische Wirkung
der Harnsäure oder der Urate anzunehmen, ist jedenfalls, wie die auf
Verf.’s Veranlassung angestellten Versuche ergeben haben, nicht gestattet.
Die Ausstattung des Werkes ist eine in jeder Beziehung gute.
E. Moser (Zittau).
Taschenbuch der Massage. Für Studierende und Aerzte. Von
E. Ekgren. Mit einem Vorwort von Prof. Senator. 90 pp. S.
Karger, Berlin 1903.
Zur Orientierung in Spezialfächern braucht der praktische Arzt
kurze Zusammenstellungen, welche das für ihn Wissenswerte in über¬
sichtlicher Weise umfassen. Wenn man nun bei einer so eminent prak¬
tischen Disciplin, wie es die Massage ist, auch nicht voraussetzen kann,
dass der Arzt durch die Lektüre eines Buches ein vorzüglicher Masseur
wird, so kann er ihre Grundbegriffe doch verstehen und an der Hand
einiger guter Abbildungen auch ausüben lernen. Der Verf. hat denn
auch, ohne das Ganze aus dem Auge zu verlieren, den wichtigsten
Kapiteln eine grössere Aufmerksamkeit geschenkt und diese sowie die
Beschreibung der einzelnen Handgriffe mit instruktiven Abbildungen
versehen. Ekgren hat der Darstellung der Technik eine grosse Sorg¬
falt angedeihen lassen und es ist kein geringes Lob für ihn, dass man
dieselben auch versteht. Sie zeichnet sich eben vor vielen anderen durch
eine besondere Klarheit aus. Man kann daher dem Büchlein eine grosse
Verbreitung Voraussagen. Alfred Neumann (Wien).
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Dio Chloroform- und Aethernarkose in der Praxis. Von Ko-
blanck. Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden 1902.
Der Autor bespricht in möglichster Uebersicht und Kürze die ge¬
bräuchlichsten Betäubungsmethoden mit Aether und Chloroform. Die
Indikationen für beide Mittel werden klargelegt, ihre Nachteile ge¬
schildert. Den unangenehmen Zufällen in der Narkose und ihrer Ver¬
hütung ist ein grosser Teil des vorliegenden Büchleins gewidmet. Nicht
ganz einverstanden möchte sich Ref. mit der Ansicht Koblanck’s er¬
klären, das9 die stumpfen Zungenzangen den scharfen vorzuziehen seien.
Soweit rechtliche Fragen das Thema berühren, werden auch diese kurz
besprochen. Das Büchlein wird der Absicht de9 Autors, für die richtige
Kunst der allgemeinen Anästhesierung Verständnis zu erwecken, in jeder
Beziehung gerecht und dürfte in ärztlichen Kreisen bald grosse Ver¬
breitung gewinnen. v. Hof mann (Wien).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Herz, H., Ueber die nach Verletzungen
zurückbleibenden Veränderungen des
Gefässapparales (Fortsetzung), p. 449 —
467.
Adrian, C„ Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 460—471.
II. Referate.
Niere, Ureter.
Guit6ras, R., The surgical treatment of
Bright’s disease, p. 472.
Lennander, K. G., Näi kunna akuta
nefriter, tuberkulös undantagen, gifva
anledning tili kirurgiska ingrepp och
d& hvilka, p. 472.
The surgical treatment of chronic Bright’s
disease, p. 474.
Unge, II. v., Njuroperationer, p. 475.
Th ein haus, C. O., A case of acquired
hydronephrosis of 26 years duration.
Operation, recovery. With some rc-
marks on the diagnosis of cystic tuniors
in the left hypochondrium, p. 475.
Boucher, J., Report of a case of suc-
cessful removal of a kidney for inter-
mittent hydronephrosis, p. 475.
Lenoble et Cara£s, La d£g6n£rescenee
kystique du rein chez le foetus, p. 47O.
Leusden, P., Ueber papilläre Tumoren
des Nierenbeckens, p. 476.
Waldvogel, Ueber Nieren Verletzungen,
P* 477 -
III. Bücherbesprechungen.
Kaliane, M., Therapie der Erkrankungen
des Respirations- und Cirkulations-
apparates, p. 477.
Minkowski, O., Die Gicht, p. 478.
Ekgrcn, E., Taschenbuch der Massage,
P- 479 .
Koblanck, Die Chloroform- und Aether¬
narkose in der Praxis, p. 480.
Um Einsendung von Monographien nnd Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I. Ebendorferstrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Ad ressenzusatz „Für die Redaktion de«
Centralblattes für die Grenzgebiete** versehen zu wollen.
V
I>nick von Aut. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Ghirurgie.
Heraiifigegcben von
13r. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band. |
Jena, 11. Juli 1903.
Nr. 13.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
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Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhandlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Ueber die Laparotomie bei tuberkulöser
Peritonitis.
Von Dr. D. G. Zesas, gew. chirurg. Assistenzarzt am Inselspital in Bern.
Literatur.
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gebieten 1900, Bd. VI, H. 3.
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Gntralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI 31
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Nr. 31.
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22) Frees, Deutsche med. Wochenschr. 1894, Nr. 45.
23) Friedlaender, Archiv f. klin. Chir., Bd. LXX.
24) Fenger, Die Behandlung der Peritonealtuberkulose. Annals of surgcry
1901, Bd. XII.
25) Gal van i, Internat. Kongress zu Paris, Aug. 1901.
36) Hildebrandt, Die Ursachen der Heilwirkung der Laparotomie. Münch,
mcd. Wochenschr. 1898, Nr. 51 u. 52.
37) Herzfeld, Mitteilungen a. d. Grenzgebieten etc. 1899, Bd. V.
38) Israel, Deutsche med. Wochenschr. 1890.
39) Jordan, Beiträge zur klin. Chir. 1895, Bd. X 1 IL
40) Kümmel, Archiv f. klin. Chir., Bd. XXXVII.
41) Klapp, Mitteil. a. d. Grenzgebieten 1902, Bd. X, H. 1/2.
42) König, Centralbl. f. Chir. 1884, Nr. 6 und 1890, Nr. 35.
43) Koppen, Studien etc. Archiv f. klin. Chir., Bd. LXIX, H. 4.
44) Lindner, Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. XXXIV.
45) Lauenstein, Centralbl. f. Chir. 1890, Bd. XLII.
46) Lau per, Beitrage etc. Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1901.
47) Lippel, Deutsche med. Wochenschr. 1894, Nr. 52.
48) Löh lein, Deutsche med. Wochenschr. 1901, Nr. 39.
49) Lejars, De Tintervention chirurg. etc. Bull, et m£m. de la soc. de chir.
de Paris, T. XXIV.
50) Mader, Zur Therapie der Tuberkulose. Wiener klin. Wochenschr. 1894.
Nr. 48.
51) Martens, Charite-Annalen, Jahrg. 25.
52) Mazzoni, Centralbl. f. Chir. 1896.
53) v - M osetig-Moorhof, Peritonealtuberkulose. Wiener med. Presse 1893,
Nr. 27.
54) N 61 a ton, P6ritonite tuberculeuse. Centralbl. f. Chir. 1897, p. 1226.
55) Nothnagel, Die Erkrankungen des Darmes etc. Wien 1898.
56) Pagenstecher, Zeitschr. f. Chir., Bd. LXVII.
57) Philipps, Die Resultate etc. Göttingen.
58) Pehler, Ueber tuberkulöse Peritonitis. Münchener med. Wochenschr.
1900, Nr. 52.
59) Pfibram, Prager med. Wochenschr. 1887.
60) Quincke, Grenzgebiete 1902, Bd. XI, H. 3.
61) Rose, Ueber den Verlauf etc. Mitteil. a. d. Grenzgeb., Bd. VIII, H. 1 2.
62) Riva, Sul lavatura etc. Schmidts Jahrbücher 1891.
63) Roersch, Revue de Chirurgie 1893.
64) Spencer-Wells, Diagnose etc. Wien 1886.
65) Seganti, Italienischer Chirurgenkongress 1898.
66) Strümpell, Lehrbuch 1886.
67) Thaenes, Ueber Dauerresultate etc. Centralbl. f. Chir. 1902, Nr. 42.
68) Theilhaber, Zur Lehre etc. Tübingen 1902.
69) Vierordt, Ueber die Tuberkulose etc. Zeitschr. f. klin. Medizin 188;.
Bd. XIII.
Wenn man bedenkt, dass die tuberkulöse Peritonitis vor nicht
allzulanger Zeit noch als eine „wohl ausnahmslos zum Tode führende
Krankheit“ (Bauer) betrachtet wurde, dass man sich gegen das
Leiden selbst als „völlig machtlos“ erklärte (Eichhörst) und das»
Strümpell in der dritten Auflage seines bekannten Lehrbuches
sagen konnte: „Die tuberkulöse Peritonitis gibt in den meisten Fällen
eine durchaus ungünstige Prognose und nimmt in wenigen Woeben
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und Monaten ein tödliches Ende", so wird es manchem verständ¬
lich erscheinen, dass den diese Affektion operativ zu bekämpfenden
Erstlingsversuchen ein gewisses Bedenken entgegengebracht wurde.
Die erste Beobachtung, die den Grundstein zur operativen
Therapie der tuberkulösen Bauchfellentzündung legte, datiert von
Spencer-Wells, der im Jahre 1872 von einer 22jährigen Dame
wegen ihres wie am Ende einer Schwangerschaft ausgedehnten
Leibes konsultiert wurde. „Es Hess sich leicht nachweisen, dass
die Ursache der Vergrösserung freie Peritonealflüssigkeit war. Die
Diagnose lautete auf tuberkulöse Peritonitis. Unter geeigneter Be¬
handlung kam es zunächst zur Besserung; einige Monate später aber
hatten die Kraukheitserscheinungen wieder zugenommen. Bei sonst
überall deutlicher Fluktuation ergab sich heller Schall zu beiden
Seiten in Rückenlage und es schien, als ob bei tiefer Inspiration
eine Cyste vom Epigastrium nach abwärts sich bewegte. Hierdurch
entstanden Zweifel an der Richtigkeit der anfänglichen Diagnose,
welche jedoch durch die Explorativincisiou gehoben wurden. Es
erschien keine Cyste; eine grosse Menge opalisierender Flüssigkeit
entleerte sich und das ganze Peritoneum war mit Tuberkeln besät.
Einige Dünndarmschlingen waren beweglich, aber die ganze Masse
war mit dem Colon und mit dem Netz verwachsen, alle, sowohl an
der Hinterfläche als auch gegen die Bauchhöhle, dicht mit Tuberkeln
besät. Der Uterus und die Eierstöckc fühlten sich normal gross an,
aber ihr peritonealer Ucberzug war rauh. Die Patientin genas,
heiratete und ist immer (1884) wohl gewesen“.
König gebührt auch hierin das Verdienst, systematisch demon¬
striert zu haben, dass die tuberkulöse Peritonitis in einer Anzahl
von Fällen ausheile, und zwar im Anschluss an eine Laparotomie,
und im Jahre 1890 konnte er schon über 131 durch den Bauch-
schnitt behandelte Fälle von peritonealer Tuberkulose berichten, in
welchen alle Formen dieser Krankheit, mit Ausnahme der trockenen,
vertreten und in welchen der Eingriff von dauernder Heilung ge¬
folgt war. König’s ermunterndes Beispiel fand rasche Nach¬
ahmung und bald wurde die Heilung der operativ behandelten
tuberkulösen Peritonitiden durch eine Reihe von Autoren bestätigt;
ich erinnere hier an die Arbeiten von Kümmel, von Maurange,
von Lindner, von Roersch, von Margarucci, von Martens,
von Thoenes, von Friedländer und noch vieler anderer.
Es war somit der thatsächliche Beweis geliefert, dass die
Laparotomie eine dauernde Heilung der tuberkulösen Bauchfellent¬
zündung ermögliche, eine befriedigende wissenschaftliche Erklärung
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über deren Heilwirkung selbst brachten uns die klinischen Er¬
fahrungen leider nicht. Freilich hat es nicht an diesbezüglichen
Erklärungsversuchen gefehlt, eine wesentliche Förderung der Frage
erzielten sie jedoch nicht, so dass wir heute noch vor einer kliniscli
anerkannten Thatsache stehen, deren wissenschaftliche Erklärung ihrer
richtigen Lösung harrt.
Von den zahlreich aufgestellten Hypothesen verdient jene von
Lauenstein, dass die Einwirkung des Sonnenlichtes die Ttiberkel-
bacillen töte und das Ablassen des Exsudates denselben die nötige
Feuchtigkeit entziehe,Beachtung, v. Moosetig-Morhof undNolen
hielten die Luft für das Wesentlichste, bliesen solche in die Bauch¬
höhle und erzielten der eine drei, der andere eine Heilung. Hilde¬
brandt versuchte experimentell zu beweisen, dass, wenn man unter
warmem Wasser operiere und somit keine Luft zutreten lasse, die
Laparotomie keine heilende Wirkung ergebe. Warn eck ist der
Ansicht, dass die Operation die Bildung eines Exsudates befördere,
durch welchen Vorgang die Bacillen zu Grunde gehen, während
Bumm diesen Umstand einer verstärkten Auswanderung von Leuko-
cyten in die Bauchhöhle, die nach Entfernung des Exsudates statt¬
finden soll, zuzuschreiben geneigt ist. Koppen, der neuerdings
diese Frage zum Gegenstand experimenteller Untersuchungen machte,
neigt zu der Ansicht, dass die Heilwirkung der Laparotomie darin
zu suchen sei, dass durch die vollständige Entfernung der Flüssig¬
keit die körperlichen Elemente mit entfernt werden. So verschieden¬
artig und unbefriedigend diese Erklärungsversuche erscheinen , so
unzweifelhaft ist die Thatsache, dass die Laparotomie die Bildung
von Verwachsungen veranlasst. Verschiedene Autoren haben nun
darauf hingewiesen, dass die Tuberkel durch die entstandenen Ad¬
häsionen anfangs eingehüllt werden und nachträglich durch das sich
bildende Bindegewebe in narbige Schrumpfung übergehen. Denkbar
wäre auch, dass die nach der Laparotomie hergestellten günstigeu
Cirkulationsverhältnisse zur Ausheilung des Prozesses wesentlich
beitragen.
Soweit mit den Hypothesen! — Wünschenswert wäre es.
wenn wir bald zu einer wissenschaftlichen Begründung der Heil¬
wirkung der Laparatomie gelangten. Die noch unaufgeklärte Wir¬
kung des Eingriffes mag wohl die Schuld tragen, dass der Bauch¬
schnitt bei der tuberkulösen Peritonitis noch keine allgemein zu-
stimmende Kritik gefunden hat.
So neigen zahlreiche Beobachter der Ansicht zu, dass viele
der geheilten Fälle auch ohne operativen Eingriff zur Ausheilung
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gelangt wären, indem die tuberkulöse Peritonitis, besonders bei jüngeren
Individuen, in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen, spontan aus¬
heile (Oehler, Cassel, Rose, Baginsky, Frank u. a.). Andere
Autoren sehen in der Laparotomie keine Notwendigkeit zur Hei¬
lung der tuberkulösen Peritonitis (Mader). Wunderlich hält die
Lobpreisungen auf den Bauchschnitt für übertrieben und eine An¬
zahl von Aerzten erachtet den Eingriff nur für jene Fälle als ange¬
zeigt, bei denen die innere Therapie wirkungslos geblieben ist. Es
fehlt auch nicht an Stimmen, welche die Laparotomie gänzlich
verwerfen. Borchgrevink, der über 14 spontan ausgeheilte
Fälle von Peritonitis berichtet, bemerkt, dass die ohne oder mit
geringfügigem Fieber einhergehenden Formen von selbst günstig
verlaufen und somit bei diesen die Laparotomie entbehrlich sei.
„Bei den progressiven, mit konstantem Fieber verlaufenden Formen
dagegen“, fährt er fort, „schadet die Laparotomie dadurch, dass sie
die Serosa in eine entzündliche Reizung mit folgender Leukocyten-
einwanderung und damit in denselben Zustand versetzt, in der sie
in den schweren Fällen sich auch befindet.“
Ohne auf die Borchgrevinkuschen Bedenken bezüglich der
der Laparotomie folgenden entzündlichen Reizung der Serosa hier
näher einzugehen, sei bemerkt, dass gerade diese vorübergehende
Reizung des Peritoneums aus theoretisch fasslichen Gründen eher
als ein die Heilung begünstigendes Moment aufzufassen wäre (vgl.
Baumgart, Vaginaler und abdominaler Bauchschuitt bei tuberku¬
löser Peritonitis).
Bezüglich der Spontanheilung liegt, wie Nothnagel treff¬
lich bemerkt, kein zwingender Grund vor, sie in Abrede zu stellen,
zumal thatsächlich im Verlaufe des Prozesses Remissionen, Still¬
stände eintreten und Heilungen erfolgen, wie sie von Pribratn,
Vierordt, Herzfeldt, Borchgrevink u. a. beobachtet und mit¬
geteilt wurden. Zu einer richtigen Schlussfolgerung können wir aber
nicht gelangen, ehe es statistisch festgestellt ist, ob spontane Heilung
tuberkulöser Peritonitiden oder Heilung durch Laparotomie die
grössere Zahl ergibt, und wird bis dahin in Anbetracht der sich
schroff gegenüberstehenden Ansichten die Frage offen bleiben, ob
wir berechtigt sind, auf den immerhin unsicheren Ausgang einer
Spontanheilung bauend, exspektativ vorzugehen oder vielmehr der
Heilungstendeuz der Affektion auf operativem Wege entgegenzu¬
kommen. Dass der Patient bei exspektativer Behandlung gewissen
Gefahren ausgesetzt ist, darf indessen nicht unterschätzt werden.
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Hinsichtlich der geringen physiologischen Dignität des Bauch¬
felles hat es den Anschein, als bedinge ein Fortbestehen der tuber¬
kulösen Affektion desselben für das Leben des Individuums keinen
absolut lebensgefährlichen Zustand. Zudem sind die Symptome der
tuberkulösen Peritonitis bezüglich der Intensität weitaus nicht mit
denen der akuten Bauchfellentzündung zu vergleichen. Spontane
Schmerzhaftigkeit des Abdomens fehlt in der Regel bei tuberkulösen
Peritonitiden, ebenso das krampfhafte Erbrechen, während Tempe¬
ratursteigerungen im allgemeinen entweder nicht so bedeutend
sind oder vollständig fehlen.
Als einziges, anscheinend wichtiges Symptom wäre das Exsudat
zu betrachten, welches schlaff zu beiden Seiten des Bauches sich
ansammelt und in manchen Fällen so gross werden kann, dass da¬
durch Atmung und Herzfunktion bedeutend beeinflusst werden. Und
doch führt trotz dieser benignen Symptomatologie, die, nebenbei be¬
merkt, nicht in allen Fällen obwaltet, die tuberkulöse Peritonitis lang¬
samen Schrittes zur Kachexie und zum Tode. Ungeachtet des gut¬
artigen, fast symptomenlosen klinischen Verlaufes wird dem Orga¬
nismus allmählich eine schwere Schädigung zugefügt, gleichgültig,
ob es sich um die exsudative oder die trockene Form der Bauch¬
felltuberkulose handelt. Physiologisch soll das Bauchfell die freie
Beweglichkeit und die Peristaltik des Darmes ermöglichen. Eine
chronische Peritonitis muss daher diese Verhältnisse beschränken,
wenn nicht gänzlich hemmen und diese Beschränkung der Peristaltik
notgedrungen auch die Darmdigestion resp. die Nahrungsresorption
in Mitleidenschaft ziehen. Wie wären sonst die Fälle erklärbar, wo
der Patient mit primärer, total fieberlos verlaufender Bauchfelltuber¬
kulose, trotz reichlicher Nahrungsaufnahme und normaler Magen¬
funktion täglich abmagert und schliesslich kachektisch zu Grunde
geht?
Ein ferneres, die Kachexie begünstigendes Symptom ist das
Fieber. Es ist klinisch bewiesen, dass tuberkulöse Peritonitiden
ohne jegliche Temperaturerhöhungen verlaufen können; solche Fälle
bilden jedoch die Ausnahme. In der Regel begegnet man, wenn
auch leichteren, jedoch konstanten abendlichen Steigerungen der
Temperatur, die allmählich die Kräfte des Kranken unterminieren
und zum Schwund bringen. Dieser chronische Fieberznstand, ver¬
bunden mit der oben erwähnten, verminderten Nahrungsresorption,
sind bei der tuberkulösen Peritonitis zweifelsohne die zwei zur
Kachexie führenden Hauptfaktoren, welchen die innere Therapie
machtlos gegenübersteht. Eine abwartende Stellung kann daher
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nur die Entwickelung der Kachexie begünstigen und den tuberku¬
lösen Prozess selbst an Ausdehnung und Intensität gewinnen lassen.
Es gibt entschieden Fälle, wenn auch nicht häufig, wo die Tuber¬
kulose ausschliesslich auf das Peritoneum beschränkt ist, es sich
also um primäre Bauchfelltuberkulose handelt. Hier wird es frag¬
lich bleiben, ob bei abwartender Behandlung die Infektionsquelle
sich abkapselt und unschädlich wird, wie die Optimisten es anzu-
nehmen geneigt sind, oder ob sie vielmehr zur Infektion ander¬
weitiger Organe Veranlassung gibt. Selbst bei Fällen sekundärer
Bauchfelltuberkulose, wo nebenbei, wie es ja die Regel ist, noch
weitere Herde bestehen, hat der Versuch, die Bauchfelltuberkulose
operativ ungesäumt zur Heilung zu bringen, seine Berechtigung,
zumal die Erfahrung täglich lehrt, dass der Organismus um so er¬
folgreicher den Kampf gegen die Tuberkelbacillen besteht, je weniger
Herde er in sich schliesst
Es sei hier zweier weiterer Komplikationen Erwähnung gethan,
die im Verlaufe tuberkulöser Peritonitiden Vorkommen können: des
Heus und der Entstehung von Darmfisteln.
Bezüglich des Ileus verweise ich auf die kürzlich erschienene
Pariser These von Banteignie „De Pocclusion intestinale dans la
p4ritonite tuberculeuse“. Darmstenosen und Darmknickungen infolge
von Verwachsungen gehören im allgemeinen zu den seltenen Kom¬
plikationen bei tuberkulösen Peritonitiden, während Darmfisteln,
vermöge Durchbruch von tuberkulösen Darmgeschwüren von aussen
nach innen, eher zur Beobachtung gelangen. Friedländer hat in
Langenbeck’s Archiv in einer interessanten Abhandlung statistisch
festgestellt, dass die Darmfisteln häufiger bei operierten Fällen ver¬
zeichnet sind und somit die Laparotomie die Darmfistelbildung an¬
scheinend begünstigt. Dieser Zusammenhang zwischen Bauchschnitt
und Darmfistel, so gerechtfertigt er auch aus den angeführten Zahlen
hervorgeht 41 ), muss doch als ein zufälliger aufgefasst und die Frage
gestellt werden, ob es sich hier nicht um schwere Formen tuber¬
kulöser Peritonitiden gehandelt hat, bei denen diese Komplikation
auch ohne Operation eingetreten wäre. Ich selbst habe bis dahin
in zwei nicht operierten Fällen Darmfistelbildung beobachtet, beide
Male handelte es sich um schwere Erkrankungen, kachektische und
abgeschwächte Patienten betreffend.
*) Häufigkeit der Kotfistel bei nicht operierten letalen Fällen 3, 4 °/ 0 .
„ „ „ ,, operierten letalen Fällen (König) 14%.
.. .. .. (Körte) 45,45
„ „ „ .. „ „ (Borchgrevink) 25 °/ # .
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Origiralfrcm ‘
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Aus allen den angeführten Gründen dürfte es wohl gewagt
erscheinen, wenn man bei tuberkulösen Peritonitiden, die keine
Neigung zum Bessern zeigen, auf eine Spontanheilung hoffend, „in
der That ein seltenes Ereignis“ (Nothnagel), den günstigen Moment
des operativen Eingreifens versäumen würde.
Wenngleich wir heute noch keine unanfechtbare wissenschaft¬
liche Begründung der Heilwirkung der Laparotomie besitzen, so
wissen wir auf das Bestimmteste, dass wir durch den aseptisch und
vorsichtig vorgenommenen Bauchschnitt, indem wir Adhäsionen
nicht gewaltsam, sondern schonend lösen, niemals schaden, häufig
aber den Prozess damit zum Stillstand eventuell zur Ausheilung zu
bringen vermögen.
Zur Illustration dieser Anschauung erlaube ich mir zwei hier¬
her gehörende Fälle zu veröffentlichen, die meines Erachtens nicht
nur als klinische Heilungen, sondern auch als „anatomische“ (vergl.
Jordan, Jaffö etc.) aufgefasst werden können. Im ersten Falle
sind nun bald neun, im zweiten 5 i / 2 Jahre nach der Laparotomie
verflossen.
Fall I.
Er betrifft eine 28 jährige Tochter aus la Cötö aux Föes, die ich
im Jahre 1894 unter Assistenz des Herrn Dr. Christen im Kranken¬
hause in Sainte-Croix operierte. Patientin hatte schon wiederholt in dieser
Anstalt in den Jahren 1891, 92 und 93 wegen eines rechtsseitigen
Lungenspitzenkatarrhes Aufnahme gefunden. Im Herbst 1893 begann die
Patientin Schmerzen auf der rechten Seite des Abdomens zu empfinden,
namentlich beim Husten. Nachträglich wurden die Schmerzen konti¬
nuierlich und strahlten über den ganzen Bauch aus, welcher auch all¬
mählich allgemein druckempfindlich wurde. Patientin, welche bis dahin
fieberlos war, begann abends zu fiebern. Die Schmerzen im Abdomen
steigerten sich und nahmen zuerst einen neuralgischen Charakter an,
wurden aber in der Folge andauernd und so intensiv, dass Patientin im
August 1894 Wiederaufnahme im Spital suchte. In dieser Zeit wurde
folgendes konstatiert: Patientin stammt aus gesunder Familie und scheint
keineswegs hereditär belastet. Vor 6 Jahren erkrankte sie an einer
Bronchitis, die seither nicht ganz zur Ausheilung gelangte. Seit jener
Zeit hustet Patientin. In den letzten 6 Monaten soll sie erheblich
an Körpergewicht verloren haben. Sie war mit dem 14. Lebensjahre
menstruiert; seit ihrer Lungenkrankheit traten die Menses unregelmäßig
auf, um seit ca. einem Jahre gänzlich auszubleiben. Patientin sieht bleich
und abgemagert aus, klagt über starke Schmerzen im Abdomen, die haupt¬
sächlich nachts derart zunehmen, dass häufig von Morphiumeinspritzungen
Gebrauch gemacht wird. Die Untersuchung ergab das Vorhandensein eines
rechtsseitigen Lungenspitzenkatarrhes, linke Lunge normal, ebenso da?
Herz, über der rechten Lungenspitze deutliche Dämpfung nebst Vesi-
culäratmen mit scharfem Exspirium. Das Abdomen leicht aufgetrieben,
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auf Druck ziemlich empfindlich, hauptsächlich über der ganzen rechten
Hälfte. Schall überall tympanitisch, keine Spur eines Exsudates. Pa¬
tientin leidet an hartnäckiger Verstopfung, erbricht bisweilen nach der
Nahrungsaufnahme und zeigt abends Temperatursteigerungen. Letztere
schwanken zwischen 38 und 39°. Urin eiweisshaltig. Patientin
wünscht dringend die Operation, da die bisherige medizinische Be¬
handlung ihr keinerlei Erleichterung verschafft .und die Schmerzen
sowie die allgemeine Schwäche stetig zugenommen haben. Bei der
Laparotomie, die im September 1894 in Chloroformnarkose und unter
Assistenz von Dr. Christen stattfand, wurde das Peritoneum in seiner
ganzen Ausdehnung verdickt und gleich einer Granulationsmasse gefunden.
Die Därme waren miteinander und teilweise auch mit der vorderen Bauch¬
wand verwachsen. Kein eigentlicher Eiterherd, kein Ascites. Nach der vor¬
sichtigen Lösung einiger Adhäsionen wurde die Wunde mit einer schwachen
Sublimatlösung desinfiziert und in ihrer ganzen Länge zuerst mittelst Etagen-
naht (Catgut) ynd äusserlich durch die Girard’sche Hautnaht geschlossen.
Der Erfolg war ein unmittelbarer. Die Temperatur, die abends vor der Ope¬
ration auf 39,2 stand, sank am Abend des Eingriffes auf 38, um nach
einigen Tagen auf 37,8 und 37,3 zu fallen. Die Schmerzen liessen gleich nach
dem Eingriffe nach und verschwanden in den der Operation folgenden
14 Tagen gänzlich. Die Wunde heilte per primam, Patientin nahm an
Körpergewicht zu, der Urin wurde ei weissfrei und sie verliess Ende
Oktober 1894 das Krankenhaus, von ihrer Bauchfellentzündung klinisch
gänzlich geheilt. Der Leib war weder aufgetrieben noch druckempfindlich und
fühlte sich überall weich an. Die Schmerzen waren verschwunden, ebenso
das Fieber. Patientin ist seither ohne Recidive der Bauchfellaffektion ge¬
blieben, sie hat sich nachher verheiratet und einen kräftigen gesunden
Knaben geboren. Nach den letzterhaltenen Nachrichten soll sie be¬
deutend an Körpergewicht zugenommen haben, nur selten mehr husten
und von ihrer Bauchfellaffektion nichts mehr verspüren. Leider ist
es mir nicht möglich gewesen, persönlich eine Nachuntersuchung vor¬
zunehmen.
Fall II.
Der zweite Fall betrifft ein 20 jähriges Mädchen aus Nyon. Patientin
stammt aus gesunder Familie, Vater und Mutter leben und sind ge¬
sund, ebenso drei Geschwister, ein Bruder starb an Lungentuberkulose.
Ich sah die Patientin zum ersten Male im Jahre 1896 wegen einer
tuberkulösen Entzündung des rechten Kniegelenkes, die längere Zeit von
einem Kollegen mit Jodoforminjektionen vergeblich behandelt wurde. Ich
nahm im Juli des gleichen Jahres die typische Resektion des erkrankten
Gelenkes vor, wobei sich ergab, dass der primäre Herd im Condylus
intern, femoris sass. Die Heilung erfolgte per primam ohne jede Kompli¬
kation und Patientin wurde bald, vollständig hergestellt, mit einem Wasser¬
glasverband entlassen. Zwei Jahre später gebar sie; das Kind starb jedoch
bald nach der Geburt an profusen Diarrhöen. Zwei Monate nach der
Entbindung begann Patientin Schmerzen im Leibe zu verspüren; sie
erbrach zuweilen nach den Mahlzeiten und begann hauptsächlich abends
zu fiebern. In der Folge nahmen Fieber und Schmerzen zu; letztere
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schienen sich mehr auf die linke Seite des Abdomens zu lokalisieren,
welche auch gegen den leichtesten Druck sehr empfindlich war. Die
Temperatur schwankte zwischen 37,8 und 38 morgens und 38,5 bis 39,5
abends. Patientin magerte zusehends ab und wurde bettlägerig.
Am 28. Januar 1897 wurde folgendes konstatiert:
Lunge, Herz und Nieren gesund, Leib massig aufgetrieben, druck¬
empfindlich, namentlich links. An dieser Bauchhälfte lässt sich ein
harter, gut umschriebener Tumor konstatieren, der bis an die Mittellinie,
nach oben fast zwei Finger oberhalb des Nabels, reicht. Der Schall
über demselben ist tynipanitisch, kein Erguss nachweisbar. Zunge trocken,
belegt Temperatur 38,7, Puls 120. Nachdem die Diagnose auf lokalisierte
tuberkulöse Peritonitis gestellt war, wurde am folgenden Tage im Beisein
des Herrn Dr. Beuttner von Genf zur Laparotomie geschritten. In
Aethernarkose wurde das Abdomen eröffnet, wobei das Peritoneum enorm
verdickt und mit den Därmen innig verwachsen gefunden wurde. Das
ganze verdickte Peritoneum war mit kleinen rötlichen ^nötchen ver¬
sehen. Es gelang nur schwer, einzelne Adhäsionen zu lösen; keine
Eiteransammlung, kein Ascites. Es wurde die Wunde mit einer schwachen
Sublimatlösung desinfiziert und am untern Winkel mittelst Airolgaze-
streifen drainiert. Etagencatgutnaht, Girard’sche Seidennaht. Der Verlauf
war ein über Erwarten günstiger. Das Fieber liess an dem der Operation
folgenden Tage gleich nach, ebenso die Schmerzen und die Wunde heilte
reaktionslos per primam. Zwei Jahre nach dem Eingriffe verheiratete sich
Patientin. Sie hat eine Entbindung glücklich überstanden und einen
kerngesunden Knaben geboren. Seit der Laparotomie ist sie nicht mehr
krank gewesen; sie hat seit derselben 14 kg an Körpergewicht zu¬
genommen und verspürt keinerlei Beschwerden, isst und verdaut gut und
versieht ohne die geringste Mühe ihre Arbeiten als Hausfrau. Im Abdomen
ist alles normal. Dasselbe ist überall weich, nicht im geringsten druck¬
empfindlich und nur die vorhandene Laparotomienarbe erinnert noch an
die überstaudene schwere Krankheit des Bauches.
Pankreascysten.
Von Dr. Max Münzer (Breslau).
Literatur.
Siehe: Körte, Die chirurgischen Krankheiten und Verletzungen des Pankreas.
Deutsche Chirurgie, Lief. 45 d, und
Oser, Die Erkrankungen des Pankreas in NothnagePs Spezielle Pathologie und
Therapie, Wien 1898, Bd. XVIII, Teil II.
In dieser Arbeit sind ausserdem benützt resp. referiert:
1) Bessel-Hagen, Zur operativen Behandlung der Pankreascysten. Bericht
über die Verhandl. der Deutschen Gesellschaft f. Chirurgie, 29. Kongress 1900 und
Archiv f. klin. Cbir., Bd. LXII.
2) v. Brackei, Zur Kenntnis der Pankreascysten. Deutsche Zeitschrift für
Chirurgie, Bd. XLIX.
3) Delag£ni£re (Le Mans), Des kystes glandulaires du pancreas. Une
observation. Arch. prov. de Lyon 1900, Nr. 4.
4) Dezmann, M„ Ueber traumatische Cysten und Pseudocysten des Pankreas.
Liecnicki viestnik 1900, Nr. I u. 2. Referat im Centralbl. f. Chir. 1900, p. 456.
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491
5) Elter, Zur rctroperitonealen Cystenbildung. Beiträge zur klin. Chirurgie,
Bd. XXX.
6) Fitz, R. H., MultilocuJar cystoina of the pancreas. Americ. Journ. of
the med. Sciences 1900, August,
7) Francke, Beiträge zur akuten Pankreaserkrankung. (Aus der chirurgischen
Universitätsklinik der königl. Charite zu Berlin.) Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. LIV.
8) Gravemann, B., Ein Beitrag zur Lehre der Pankreascysten. Inaug.-Diss.,
Kiel 1902.
9) Greisch, Ueber einen Fall von Pankreascyste mit den Erscheinungen des
Cholcdocbusverschlusses. Inaug.-Diss., Kiel 1900.
10) Jaboulay, Kyste du pancreas. Soc. de chir. de Lyon 1900, 18. Juli.
11) Israel, Erfahrungen über Pankreaserkrankungen. Deutsche med. Wochen¬
schrift 1900, Nr. 22.
12) Keitler, Zur Kasuistik der Pankreascysten. Wiener klin. Wochenschr.
1899, Nr. 29.
13) Lazarus, Paul, Zur Pathogenese der Pankreascysten. Zeitschr. für Heil¬
kunde, Bd. XXII, H. 6.
14) Ders., Trauma und Pankreascyste. Sonderabdruck aus der v. Leyden-
Festschrift
15) v. Leube, Spezielle Diagnose der inneren Krankheiten. Leipzig 1889.
16) Lissjanski, Ein Fall von Blutcyste des Pankreas. Wratsch 1900,
Nr. 39. Refer. im Centralbl. f. Chir. 1900, p. 1283.
17) Neusser, „Grallensteine*‘ in: „Die deutsche Klinik des 20. Jahrhunderts“,
Bd. V.
18) Payr, Pankreascyste, seltene Topographie. Operation und Heilung.
Wiener klin. Wochenschr. 1898, Nr. 26.
19) P eis er, Ueber Pankreasnekrose. Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. LXV.
20) Pels Leusden, Beitrag zur Pankreaschirurgie. Charite-Annalen, XXVI.
Jabrg., Berlin 1902.
21) Penkert, Vier seltene Fälle von abdominalen Cysten. Deutsche Zeitschr.
f. Chirurgie, Bd. LXIV.
22) Pollard, B., Three cases of cyst of the pancreas etc. Brit. med. Journ.
1899, 11. März.
23) Rasumowski, Apoplexia pancreatis. Archiv f. klin. Chir., Bd. LIX.
24) Schröder, Pankreascyste. Inaug.-Diss., Breslau 1892.
25) Seefisch, Mitteilung über Pankreascysten. Aus der chirurgischen Ab¬
teilung des Krankenhauses im F'riedrichshain. Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. LIX.
26) Simon, Jahresbericht der Heidelberger Klinik 1899. Beitr. z. klin. Chir.,
Bd. XXIX.
27) Stark, Zwei Fälle cystischer Pankreasgeschwülste. Beitr. zur klin. Chir.,
Bd. XXIX.
28) Subbotic, Beitrag zur Kenntnis der hämorrhagischen Pankreascysten.
Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. LIX.
29) Takayasu, Beitrag zur Chirurgie des Pankreas. Mitteilungen aus den
Grenzgebieten etc., Bd. III.
30) Tricomi, Contributo clinico alla chirurgia del pancreas. Riforma med.
1898, Nr. 37. Ref. im Centralbl. f. Chir. 1901, p. 390.
31) Truhart, Pankreas-Pathologie. I. Teil. Wiesbaden 1902.
32) Zeller, Exstirpation einer Pankreascyste. Medizin. Korrespondenzbl. des
Württemberg, ärztl. Landesvereins 1900, Nr. 14.
Seit einigen Jahren wird, nachdem sich bereits eine geraume
Zeit vorher Physiologie und Pathologie auf dem Wege des Experi¬
mentes mit dem Pankreas und seiner funktionellen Stellung im
Organismus zu beschäftigen begonnen haben, auch von Seiten der
klinischen Medizin, insbesondere der Chirurgie, eine erhöhte Auf¬
merksamkeit den Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse gewidmet.
Und dieser eingehenden Beschäftigung mit einem bis ins letzte
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Viertel des vergangenen Jahrhunderts vernachlässigten Organe ent¬
sprang eine gesichertere, zunächst pathologisch-anatomische Kenntnis
seiner krankhaften Veränderungen und dann der aus diesen hervor¬
gehenden Storungen im Ablauf des Verdauungsprozesses. Man lernte
bald weiterhin aus der Beobachtung am Krankenbette, verglichen
mit den Befunden auf dem Sektionstisch und unter dem Mikroskop,
eine ganze Anzahl von Symptomen kennen, welche mehr oder
weniger als pathognostisch für Pankreasaffektionen zu deuten sind.
Insbesondere sind es die Beziehungen des Organs zum Diabetes
mellitus, welche das Interesse des inneren Klinikers wach halten,
während der Chirurg sich (mit weit grösserem Erfolge als Therapeut)
den diagnostisch sehr oft nicht leicht feststellbaren Tumoren der
Drüse zuwendet. Das Auftreten einer als Geschwulst zu deutenden
Resistenz oder Anschwellung in jener Gegend des Abdomens, wo
versteckt in der Tiefe und rctroperitoneal das Pankreas lagert, wird
allemal in differentialdiagnostischer Hinsicht die Möglichkeit eines
Tumors desselben in Erwägung ziehen lassen. Von akut entzünd¬
lichen Prozessen mit ihrem Ausgang in Abscessbildung und partielle
oder totale Nekrose bis zur chronischen, schleichenden Entwickelung
einer gut- oder bösartigen Geschwulst ist es in einer bereits ganz
beträchtlichen Anzahl von Fällen gelungen, vor Eröffnung der
Bauchhöhle recht präzise Diagnosen zu stellen. Namentlich haben
die Cystenbildungen im Bereiche der Drüse so eingehende Arbeiten
veranlasst, dass heute wohl in der überwiegenden Mehrzahl ein¬
schlägiger Fälle eine richtige Erkenntnis des Zustandes ermöglicht
ist. Seit der klassischen Arbeit Körte's über die chirurgischen
Krankheiten und Verletzungen des Pankreas, dessen klare Dar¬
stellung ohne Frage den diagnostischen und therapeutischen Pfad,
wenn auch nicht eröffnet, so doch geebnet hat, mehrt sich in der
Literatur die Zahl der Fälle, in denen von genauen Diagnosen auf
Grund klinischer Zeichen berichtet wird. Die Befunde intra und
post operationem resp. in obductione haben schliesslich auch die
pathologische Anatomie bereichert, so dass man von einem abge¬
schlossenen Bilde bei Pankreascysten sprechen kann. Man kennt
die stark variable Grösse dieser Gebilde, die von Orangen- und Faust¬
grösse bis zum Umfang eines Manneskopfes und mehr schwanken,
und man hat in ihnen einen bis zu mehreren Litern betragenden,
mehr oder weniger rein flüssigen Inhalt vorgefunden. Selten wasser¬
klar, hell und durchsichtig, erscheint derselbe meist stark getrübt,
auch von schleimiger oder sirupartiger und gelatinöser oder colloider
Beschaffenheit mit einem meist gelbgrünlichen Farbenton, der
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bei intensiverer Blutbeimengung lichtbraun, kaffee- oder rotbraun,
auch schokoladebraun verändert ist. Seefisch gewann in einem
seiner Fälle, dem vierten von ihm geschilderten (s. unten), eine
anfangs klar, dann trüb abfliessende Flüssigkeit, welche schliesslich
milchig erschien und mit kleinen Fetzen untermischt war. Der
eventuell mikroskopisch zu eruierende Blutgehalt des Cysteninhalts
wird von Küster für so charakteristisch angesehen, dass ihm ein
solcher allein schon bei einer cystösen Geschwulst der Oberbauch-
gegcnd für Pankreascyste spricht; zu seiner Feststellung empfiehlt
Küster die sonst zumeist verworfene diagnostische Probepunktion.
Thatsächlich wird überall da, wo man mikroskopisch untersucht hat,
als Befund notiert: mehr oder weniger veränderte Erythrocyten und
Lcukocyten, Pigmcntklumpen oder schwarzbraune Massen als Wand¬
niederschlag.
Eine weit wichtigere Rolle als diesen makro- oder mikrosko¬
pisch festzustellendcn Blutbeimischungen, zu denen ebenfalls Küster
auch noch den mikroskopischen Nachweis von Fettkörnchenzellen
als charakteristisch für Pankreascysten hinzufügen zu müssen glaubt
(Karewski weist diese Auffassung als irrtümlich zurück), hat man
den chemischen Analysen des in der Regel alkalischen Inhalts zu¬
erteilt, auf Grund deren man hoffte, gewisse spezifische Bestandteile
und besonders die drei dem Pankreas eigentümlichen Fermente auf¬
finden und diagnostisch verwerten zu können. Man kam aber bald
zu der Einsicht, dass diese eines der unsichersten und unbrauch¬
barsten Hilfsmittel abgeben, weil sie hier vielfach fehlen und
andererseits wieder bei den verschiedensten Tumoren des Abdomens
angetroffen werden. Wenn in den meisten Fällen ein zwischen 0,5
und 10°| 0 schwankender Eiweissgehalt angegeben wird, so hängt
derselbe ohne Frage mit der Aetiologie der Cystenbildung und ihrem
so häufigen Blutgehalt zusammen. Gleichwohl dürfte er wohl, wie
schon v. Leube hervorgehoben hat, nur der eiweissfreien Flüssig¬
keit der Echinococcencysten gegenüber als ein differentialdiagnostisch
berücksichtigungswertes Moment in Betracht zu ziehen sein. Noch
viel geringer einzuschätzen sind die wiederholt vermerkten Befunde
an Zucker, Harnstoff, Leucin, Tyrosin und Cholestearin, die auch in
den neueren — seit Körte’s zusammenfassender Monographie
hier allein zu besprechenden Arbeiten ab und zu angegeben werden.
Weit wichtiger dagegen erschien von Anbeginn der daraufhin ge-,
richteten Untersuchungen den Autoren der geglückte oder miss¬
glückte Nachweis der Fermente. In den von Körte zusammen¬
gestellten Fällen wurden, soweit chemisch - physiologische Unter-
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suchnngen überhaupt erwähnt worden sind, 14 mal alle drei Fermente
und unter 20 weiteren Fällen je eines resp. zwei derselben gefunden.
Seefisch hat in einem seiner Fälle (IV s. u.) die Anwesenheit
aller drei Fermente, des eiweissverdauenden, des fettemulgierenden
und des diastatischen nachgewiesen; M. Dezmann operierte bei
einem 12 jährigen Knaben eine Pankreascyste, deren alkalisch rea¬
gierender, flüssiger Inhalt im Brutschrank Stärke energisch, Eiweiss
nur schwach zersetzte, dagegen wieder bedeutende Mengen Fett
emulgierte. Auch Jaboulay untersuchte den Cysteninhalt chemisch
und stellte aus ihm eine durch Alkohol gefällte Substanz her, welche
alle Fähigkeiten des normalem Pankreassaftes besass. Im ersten
Falle IsraePs, der sich durch die ganz abnorme Beweglichkeit der
Geschwulst auszeichnete (s. u.), wandelte die aus der Cyste (im
letzten Augenblick der Auslösung durch Platzen) entleerte, ganz
farblose Flüssigkeit Stärke in Zucker um und emulgierte Fett. Bei
dem einer zweizeitigen Operation unterworfenen Falle 4 desselben
Autors (s. u.) fand sich in der alkalischen, 1 °j 0 Albuinen enthalten¬
den, braunschwarzen Flüssigkeit nur ein stark saccharifizierendes
Ferment. Bessel-Hagen berichtet von einem durch die Eigenart
des dabei notwendig gewordenen operativen Vorgehens (durch den
Magen hindurch) berühmt gewordenen Falle, in dem die gelbliche,
schleimige, 4°| 0 Eiweiss und wenig Mucin bergende Flüssigkeit eine
stark zuckerbildende, dagegen nur eine schwach proteolytische Wirkung
entfaltete. — Allen diesen physiologisch - chemischen Befunden
kommt, soweit es sich um das diastatische und fettemulgierendc
Ferment handelt, keine differentialdiagnostische Bedeutung zu, weil
v. Jacksch auch in Ascitesflüssigkeiten und im Inhalte von Ab¬
dominalcysten anderer Herkunft geringe Mengen eines saccharifi-
zierenden Fermentes entdeckt hat; „man müsste mindestens“, sagt
dieser Autor, „den Nachweis führen, dass die Flüssigkeit nach
Zusatz von Stärke nicht bloss reduzierende Eigenschaften annimmt,
sondern dass Maltose gebildet wird, denn diastatische Fermente
anderer Art wandeln Stärke keinesfalls in Maltose um.“ Die fett¬
emulgierende Eigenschaft einer Cystenflüssigkeit aber geht dem
Inhalt von Pankreascysten ebenso oft ab, als sie sich — was bereits
Frerichs hervorgehoben hat — im Inhalte anderer Cysten mit
alkalischer Reaktion und selbst in Transsudaten vorfindet. Das
wirklich entscheidende Moment wäre nur der Trypsin-, der Eiweiss
verdauende Gehalt des Inhaltes, welcher aber gerade bei echten
Pankreascysten nur allzuhäufig vermisst wird.
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In vielen Fällen der Literatur wird gewissermassen zur Er¬
härtung der vorher in dubio gelassenen oder als wahrscheinlich auf¬
gestellten Diagnose angegeben, dass sich aus der postoperativen
Fistel ein Sekret entleert hat, das durch seinen Gehalt an den drei
Fermenten als charakteristischer Pankreassaft erkannt worden ist.
Dabei kann, wie z. B. in dem noch zu erwähnenden zweiten Falle
Israel’s, in der Cystenflüssigkeit selbst jedes für das Pankreas
eigentümliche Ferment fehlen, während das in den ersten Tagen
nach der Operation aus dem an die Bauchwand angenähten Cysten¬
sacke aussickernde Sekret saccharifizierende und emulgierende Eigen¬
schaften besitzt; es heisst von ihm öfters, dass es an den Wund¬
rändern brennende Schmerzen hervorruft. Elter misst der
chemischen Beschaffenheit des Cysteninhaltes und des sich aus der
post operativen Fistel entleerenden Sekretes eine solche Wichtigkeit
zu, dass er auf Grund der Untersuchung desselben die vorher auf
Pankreascyste gestellte Diagnose abändert; es geschieht dies im
folgenden Falle:
13jähriger Knabe, stets gesund gewesen; vor 14 Tagen durch das
Rad eines Leiterwagens überfahren. Heftige Schmerzen in der Ober¬
bauchgegend und einmaliges Erbrechen. In der Folgezeit halbstündlich
auftretende kolikartige Schmerzen oberhalb des Nabels; schlechter All¬
gemeinzustand; Leib oberhalb des Nabels allmählich immer stärker auf¬
getrieben.
Status: Mittelkräftiger Knabe; Herz, Lunge gesund; Urin frei von
pathologischen Bestandteilen. Oberer Teil des Epigastriums leicht vor¬
gewölbt, gleichmässig in der Mittellinie, links etwas weiter reichend als
rechts. Vorwölbung elastisch, nicht fluktuierend; tympanitischer Schall.
Auf der Höhe der Prominenz wird der Schmerzpunkt für die Koliken
angegeben. In der Tiefe des Abdomens fühlt man einen festeren Tumor,
dessen unterer Rand am linken Rippenbogen, in der Mammillarlinie be¬
ginnend, in leicht konvexem Bogen zum Nabel hinzieht. Seine obere
und rechte Grenze ist nicht festzustellen; geringe Elastizität, keine deutliche
Fluktuation. Von Leber und Milz durch einen Streifen tympanitischen
Schalles getrennt. Der künstlich aufgeblähte Magen, ebenso wie das
durch Luft aufgetriebene Colon liegen vor dem Tumor, der bei Atem¬
bewegungen nicht verschieblich ist.
Diagnose: Pankreascyste.
Bei der Operation fühlt man hinter dem Magen einen deutlich
fluktuierenden, elastischen Tumor, rundlich, nach hinten bis an die Wirbel¬
säule reichend. Nach stumpfer Durchtrennung des Netzes in der Median¬
linie sieht man die Hinterwand der Bursa omentalis vorgewölbt, bläulich
durchschimmernd, an der grossen Kurvatur des Magens. Es liegt also eine
retroperitoneale Cyste vor. Punktion: klare gelbliche, zuletzt leicht flockige
Flüssigkeit. Die Palpation vom Innern des Sackes aus ergibt folgende
Lageverhältnisse: Die Cyste reicht hinten bis zur Wirbelsäule und geht
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etwas nach links aussen, rechts nur bis zur Mittellinie, nach links bis
zur Niere hin. Letztere aber, ebenso wie die rechte Niere und Leber,
palpatorisch unverändert. „Vom Pankreas fühlt man im Sackinnern
nichts. Etwas nach links von der Medianlinie lässt sich in der hinteren
Cystenwand eine strahlige narbige Stelle nachweisen.“ Die Innenfläche
des Sackes ist nicht ganz gleichmässig, im allgemeinen aber glatt.
Der Cysteninhalt, von Robert untersucht, enthält weder Urin noch
Pankreassaft. Nur in der durch Heberdrainage aus der nach der Operation
Testierenden Fistel gewonnenen Flüssigkeit, welche auch weder Harn
noch Pankreassaft (Trypsin) enthält, wird neben grossem Gehalt an
Natriumbicarbonat vor allem ein diastatisches Ferment gefunden.
Daraus wird der Schluss gezogen, dass es sich um eine retro-
pcritoneale Lymphcyste gehandelt hat, weil insbesondere die Anwesenheit
des diastatischen Fermentes auf die Entstehung aus Lymphe oder Chylus
hi n weise.
Diese Schlussfolgerung ist an sich zu bekämpfen, um so mehr,
als aus der chemischen Untersuchung eines Cysteninhaltes oder
eines Fistelsekretes keinerlei bindende Schlüsse gezogen werden
dürfen, während Aetiologie, klinischer und operativer Befund die
zuerst gestellte Diagnose auf Pankreascyste als annehmbarer er¬
scheinen lassen.
Der Cysteninhalt als solcher wird daher, wenn es nicht sicher
gelingt, ein proteolytisches Enzym nachzuweisen, immer nur als
nebensächlicher Faktor bei der Diagnose zu berücksichtigen sein;
vor einem operativen Eingriff kommt er ja gar nicht in Betracht,
da aus später zu erörternden Gründen die moderne Chiruigie die
Probepunktion verwirft.
Dagegen können unter günstigen Umständen schon vor Er¬
öffnung der Bauchhöhle aus der Lage der Geschwulst und ihren
topographischen Beziehungen zu den Nachbarorganen gewisse An¬
haltspunkte für die Diagnose gewonnen werden. Da man weiss,
dass die Mehrzahl der Pankreascysten aus dem Schwanzteil des
Organes hervorgeht, so wird eine mehr oder weniger deutliche Vor¬
wölbung des Epigastriums mit gleichzeitiger stärkerer Auftreibung
des linken Hypochondriums oft schon allein die Vermutung eines
Pankreastumors nahelegen. Es entspricht dann diese Anschwellung
ihrer Lage nach jenen Geschwülsten der Drüse, welche sich von
der Cauda nach allen Seiten hin gleichmässig entwickeln und,
zwischen der hinteren Platte des Omentum majus und dem Meso¬
colon transversum vorgewuchert, das eigentliche Ligam. gastrocolicum,
d. h. den zwischen Curvatura maj. ventrieuli und Colon transvers.
ausgespannten Teil des Netzes, vor sich herdrängen; sie haben so¬
mit den Magen als obere, den Quergrimmdurm als untere Grenze
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vor resp. zum Teil über sich liegen. Diese Situation wird immer
als die typische von den Autoren beschrieben und angesehen, so
dass die immerhin zahlreichen, andere topographische Verhältnisse
aufweisenden Fälle als Ausnahmen, als Abarten betrachtet werden.
Unter den Fällen der älteren, von Körte benützten Literatur
zeichnet sich zwar durch die typische Lage, aber durch ihre ganz
abnorme Grosse die von Salzer beschriebene Cyste aus, welche,
drei Querfingerbreit unter dem Processus ensiform. beginnend, mit
ihrem oberen Pol hinter den Magen hinaufreichte und, bis nahe an
die Symphyse herabsteigend, hier an seiner unteren Peripherie von
dem so tief herabgesunkenen Colon transvers. umsäurat wurde. —
In dem bereits gestreiften zweiten Falle IsraePs war die nach
Emporheben des grossen Netzes sichtbar gewordene, fluktuierende
Geschwulst, welche den Magen als obere Grenze besass, an ihrem
unteren Ende mit dem Colon transvers. breit und fest verwachsen.
Die häufigste Abweichung von der beschriebenen Lage bilden
jene Cysten, welche zwischen Leber und Magen das Omentum minus
vor sich hertreibeu. Von älteren Fällen gehören hierher die von
Riegner und von Karewski mitgeteilten. Im Fall I von See¬
fisch war die Cyste ebenfalls vorn vom Omentum minus bedeckt,
das bei der Operation stumpf durchtrennt wurde; das Gleiche ge¬
schah in desselben Berichterstatters zweitem Falle. Auch Payr
spricht von einer seltenen Topographie bei Mitteilung seines fol¬
genden Falles:
19jährige Patientin: beim Radfahren heftiger Stoss in die Magen¬
gegend. Zwei Monate darauf Magendrücken, Koliken und Erbrechen.
14 Tage später rasch an Grösse zunehmende Geschwulst, gleichzeitige
Diarrhöen (weissliche Flocken und Fetzen im Stuhl — Fett?), starke Ab¬
magerung und Kräfteverfall.
Probepunktion: Flüssigkeit von dunkelbraunroter Farbe, schwach
alkalisch, deutliche Zuckerreaktion, stark saccharifizierendes Ferment.
Diagnose auf Grund dieser und der physikalischen Untersuchung:
Pankreascyste.
In der chirurgischen Klinik von Nicoladoni Operation: Die Cyste
lag zwischen Leber und Magen, ragte stark aus der Bauchhöhle hervor
und reichte nach hinten bis in die Gegend des Pankreasschwanzes; sie
ist frei in die Bauchhöhle entwickelt und an ihrer Oberfläche mit Serosa
bedeckt. Durch Punktion werden 3 */ 2 Liter Flüssigkeit abgelassen und
die Cystenwand wird in die Bauchwand eingenäht. Nach fünf Wochen
Bestand nur noch eine etwa 4 cm lange, sehr wenig secernierende Fistel.
Nach eingehender Würdigung der topographischen Verhält¬
nisse kommt Payr zu dem Schluss, dass hier die Cyste aus dem
Netzbeutel durch das Foraraen Winslowii hindurch ihren Weg in
Centralblatl t. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 32
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die freie Bauchhöhle genommen habe. Er bezeichnet ausdrücklich
die Lage zwischen Leber und Magen als seltene Topographie, wie
es ja auch schon Körte gethan hat. Diese Tumoren müssen also,
in die Bursa omentalis hineinragend, das zwischen Leber und kleinem
Magenbogen befindliche Omentum minus und das ihm rechts an¬
liegende Ligam. hepatoduodenale vor sich herschieben. Wie sehr
gerade diese Lage einer Cyste unter Umstanden besonders dann,
wenn auch die klinischen Erscheinungen mehrdeutig sind, zu grossen
Unklarheiten und diagnostischen Schwierigkeiten selbst bei der
Sektion führen kann, dafür zeugt folgender interessanter Fall
Penkert's:
84 Jahre alter Mann, Alkoholiker, mit Oedem der Beine, des
Scrotums und Abdomens aufgenommen. Leber und Milz scheinbar nicht
vergrössert. Etwas über Nabelhöhe 2 cm ausserhalb der Mammillarlinie
deutliche Dämpfung, pralle Konsistenz, Gefühl der Fluktuation, keine
deutliche Verschieblichkeit. Es konnte vor dem bald nach der Aufnahme
eingetretenen plötzlichen Exitus keine genauere klinische Diagnose gestellt
werden als Tumor in abdoraine.
Sektionsbefund: Zwischen Magen und Leber wölbt sich eine grosse,
prall gefüllte Blase hervor, die an mehreren Stellen hühnereigrosse
Protuberanzen aufweist, welche durch eine dünne fibröse Haut klaren
wässrigen Inhalt durchschimmern lassen. Da es bei äusserer Betrachtung
nicht sogleich klar wird, ob hier eine einfache oder multilocidäre Cyste
vorliegt, so wird an einer Stelle eröffnet und der hellgelbe, wässrigklare
Inhalt ausgeschöpft. Hierbei zeigt sich, dass die Kompression des Magens,
durch welche derselbe plattgedrückt erschien, durch eine zwischen ihm
und der Leber liegende Cyste herbeigeführt ist. Längs der grossen
Kurvatur ist der Magen mit dem scharfen Rande der Leber in eine feste
Verwachsung eingetreten, welche sich rechts auf das Duodenum fortsetzt und
nach links den Fundus des Magens betrifft, der mit dem linken Leber¬
lappen und dem Zwerchfell fest adhärent geworden ist. Hierdurch ist
ein abgeschlossener intraperitonealer Sack entstanden, welcher bei starker
Ausdehnung als vordere Begrenzung die vordere Magenwand hat, die
etwas abnorm gestellt ist, da die grosse Kurvatur durch die Fixation am
scharfen Leberrande oben festgehalten wird. Unter der kleinen Kurvatur
spannt die Cyste das Ligam. hepato-duodenale prall an, so dass man beim
Eingehen mit dem Finger in die Bursa omentalis den untersten Ab¬
schnitt der abgekapselten Cyste hätte fühlen können. Ein Versuch dieser
Art vor Eröffnung der Cyste führte deswegen zu keinem Resultate, da
das Winslow’sche Loch durch feste Verwachsungen unzugänglich war.
Nach oben und hinten bildet der Ueberzug der Leber, und zwar deren
gesamte untere Fläche, die Grenze resp. Wand der Cyste, welche sich
demnach als eine partielle abgesackte, mit klarem Inhalt gefüllte intra-
peritoneale Exsudathöhle erweist. Die Protuberanzen sind einer stärkeren
Umwölbung der an diesen Stellen etwas dünneren Adhäsionen durch den
Cysteninhalt zu verdanken.
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Soweit hatte die beschriebene Geschwulst mit Rücksicht auf
ihren Sitz, auf das Aussehen des Inhaltes und auf die klinischen
Symptome, unter denen weder solche lokaler noch allgemeiner peri¬
tonealer Entzündungserschemungen zu verzeichnen waren, leicht für
eine Pankreascyste gehalten werden können und es war sowohl in
vivo wie im Anfang der Sektion gerade daran gedacht worden;
da ergab aber die weitere Untersuchung ein an normaler Stelle
liegendes und vollkommen unverändertes Pankreas, so dass man
schliesslich zu der Diagnose eines abgesackten intraperitonealen Ex¬
sudates kam.
Nicht geringere diagnostische Schwierigkeiten können auch die
abnorm gelagerten Pankreastumoren machen, welche, einseitig ent¬
wickelt, nach dem Grund der Bursa omentalis zu vorwuchern und
von hier aus tiefer nach abwärts steigen, unterhalb von Magen und
Colon liegen und so das Mesogastrium vortreiben. Aus der älteren
Literatur gehören hierher der Fall Herche’s, bei dem das Colon
die obere Peripherie der kugelförmig sich vordrängenden Geschwulst
umsäumte, und der Ochsner’sche Fall, bei welchem erst nach
Zurückschiebung des Omentum majus und einiger Darmschlingen,
welche sich in die Wunde drängten, die Cystenwand zur Ansicht
gebracht werden konnte. Gewisse Aehnlichkeit hiermit bat der Fall,
den Zeller beschreibt:
16jähriger Gymnasiast. Vom Schwänze des Pankreas ausgehende
Cyste liegt oberhalb und links vom Nabel. Die zuerst ausgeführte
Punktion mit Dieulafoy’s Aspirationsapparat entleert 1600 ccm Flüssig¬
keit, die sich jedoch im Verlauf von ca. 10 Wochen wieder eiustellt.
Bei der nun folgenden Exstirpation der Cyste zeigt sich, dass diese un¬
gewöhnlicherweise zwischen die Blätter des Mesocolon hineingewachsen
war und das Colon nach oben gedrängt hat, so dass sie von einem
Spalt im vorderen Blatte des Mesenteriums aus exstirpiert werden muss. —
Glatte Heilung.
Selbstverständlich existieren noch andere atypische topogra¬
phische Verhältnisse, die verschiedenartige Komplikationen hervor-
rufen können, von denen einige später unter den selteneren Sym¬
ptomen aufgezählt werden. Diese topographisch - anatomischen
Abnormitäten erschweren unter Umständen den therapeutisch-chirur¬
gischen Eingriff; insofern kommt ihrer Beachtung eine grosse Be¬
deutung zu. Nicht weniger wichtig aber auch mit Rücksicht auf
die Therapie sind die differenten ätiologischen Faktoren, von tlenen
man einige aus der histologischen Untersuchung der Cystenwand
direkt erschliessen kann. Letztere wird zumeist als mehrere Milli¬
meter dicke Hülle angegeben, die sich aus derbem, fibrösem und
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zellenarmem Bindegewebe zusammensetzt. Oft werden in ihr Teile
unveränderten Pankreasgewebes vorgefuuden. In dem einen (dem I.)
Falle Isracl’s bestand die Wand der so sehr beweglichen Cyste
aus fibrösem, konzentrisch angeordnetem Gewebe, in dein nach
der Peripherie hin abgeplattete Beste von Drusengewebe eingelagert
waren; an der Innenfläche war ein einschichtiger abgeplatteter
Epithelbelag. Dieckhoff konnte Pankreasläppchen mit deutlich
erweiterten Ausfährungsgängen in der Wand feststellen, zwischen
denen das intcracinöse Bindegewebe verschieden stark hypertrophiert
war. Nekrotische, in engbegrenzten Partien der Wand sich vor¬
findende Reste von Pankreasgewebc beschreibt auch Tricomi.
Diese Fälle, insbesondere alle jene, in denen an der Innenfläche
der Wandung stellenweise oder zusammenhängend Cylinderepithel
gefunden worden ist, wie von Martin und Zuck oweki, sprechen
für die Entstehung der Cysten aus einem dilaticrten Ausführungs¬
gang; denn man muss wohl das Epithel als Rest des Zellenbelages
der Ausführungsgänge ansprechen, gerade so wie man als Residuen
stattgehabter Hämorrhagien Pigmentzellen, Verkalkungen, reines
Pigment oder die von Martin beschriebenen Ablagerungen von
Gerinnseln in Form eines grauen, sandigen Belages anzusehen hat.
Insbesondere bei den auf traumatischer Aetiologie beruhenden Ge¬
bilden werden die Uebcrbleibsel der vorangegangenen Blutungen in
irgend einer Form auch in der Cystenwand mehr oder weniger
deutlich sichtbar sein. So beschreibt z. B. Subbotic den mikro¬
skopischen Befund seines noch weiter auszuführenden Falles folgen-
dermassen:
Die Cysten wand besteht aus dichtem, lamellärem Bindegewebe mit sehr
wenig Zellen und stellenweise eingelagerten homogenen schollen* uml
walzenartigen Massen besonders nach der Innenfläche der Cyste zu, wo
auch die Hauptmasse der Blutgefässe sichtbar ist. An der Innenwand
einzelne ungefärbte Kerne und körnige und schollige Massen, zwischen
denen gelbliche Pigmentschollen und Reste von zerfallenen roten Blut
körperchen sichtbar sind; stellenweise auch Fibrinfasern.
Cysten, deren Innenfläche mit mehr oder weniger verändertem
Cylinderepithel ausgekleidet ist und in deren Wand sich zugleich
drüsige oder cvstisch entartete epitheltragendc Hohlräumc vorfinden,
sind als echte Neubildungen, als Proliferationsgeschwülste anzusehen,
welche in analoger Auffassung mit den cystischen Entartungen tler
Niere, der Mamma, des Ovariums und Hodens stets die Total¬
exstirpation des Tumors indizieren. Diese proliferierenden Cysten
sind glanduläre Kystome, die noch grössere oder kleinere cystische
Hohlräume in sich bergen, also echte multiloculäre Kystome dar-
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stellen können, oder an deren Innenwand sich als Reste aus zu
Grunde gegangenen, in den grossen, nunmehr einheitlichen Cysten¬
raum aufgegangenen kleinen Tochtercysten kammartig vorspringende
leisten und Septa vorfinden. Ein solches durch Totalexstirpation
entferntes mehrkammeriges Kystom beschreibt v. Brack el aus der
Zoege von Manteufferschen Klinik:
Frl. v. S., 34 Jahre, bis vor 2 1 /. i Jahren stets gesund; seitdem
ab und zu leichte Schmerzen im Abdomen, besonders links von der
Mittellinie unter dem linken Rippenbogen, namentlich meistens nach
denMahlzeiten. — Vor ca. 1 1 | 2 Jahren bemerkte Patientin daselbst eine
Geschwulst, anfangs gänseeigross, seit 7—8 Monaten aber rasch grösser
geworden. — Vor drei Monaten plötzlich abendliche, sehr heftige Schmerzen
mit 12 Stunden andauerndem Erbrechen. Seitdem Wiederholung derselben
und Unbehagen im Leibe neben im Ganzen gutem Allgemeinzustand
'und gutem Appetit. Patientin will sogar in den letzten zwei Jahren um
10 Pfund zugenommen haben. — Ein Trauma hat nie stattgefunden.
Status: Gut genährt, gutes Aussehen. Linke Regio mesognstrica et
hypochondrica halbkugelig vorgewölbt (Linea alba und Nabel nach links ver¬
schoben). In dieser Gegend ein mannskopfgrosser Tumor von glatter
Oberfläche, prall elastisch, nach oben bis unter den linken Rippenbogen
reichend, nach rechts über die Mittellinie hinaus, nach unten handbreit
über der Symphyse endend und nach links fast die ganze Lumbalgegend
ausfüllend. Geringe Verschiebbarkeit. Bei Luftaufblähung des Darmes
schiebt sich der Tumor nach links hinauf und tritt mit seinem oberen
Segment unter den linken Rippenbogen. — Im Urin weder Albumen
noch Saccharum noch Indican.
Diagnose in suspenso zwischen linksseitiger Hydronephrose, Nieren¬
cyste und cystischem Pankreastumor.
Operation: Lumbalschnitt ergibt gesunde Niere und keinen Zugang
zum Tumor. Daher Laparotomie. Der subserös erscheinende Tumor
steigt aus der Tiefe zwischen den Mesenterialblättern hervor zwischen
Magen und Colon transversum. Er lässt sich nach Durch treu nung seiner
Adhäsionen mit dem Duodenum und nach Spaltung des Mesenterialblattes
aus letzterem wie aus einer Kapsel ausschälen und freilegen. Jetzt er¬
weist er sich als eine prall gespannte cystische Geschwulst, mit mehreren
kleineren und grösseren sekundären Cysten besetzt, die aus der Cauda
pancreatis hervorgeht. Punktion. Es entleeren sich circa 5 1 / 2 1 einer
klaren, gelbgrünlichen, leicht opalescierenden, fadenziehenden Flüssigkeit.
Dann wird die Tumorwand total exstirpiert. Vernähung des gespaltenen
Mesenterialblattes. Heilung.
Pathologisch-anatomisch erwies sich also die Geschwulst schon
makroskopisch als ein multiloculäres Kystom des Pankreas.
Ein mikroskopischer Querschnitt durch die dickere Partie der
Cysten wand im Bereiche der kleinen Cysten gab folgendes Bild: Aussen
ziemlich dicke Schicht fibrillären Bindegewebes mit vereinzelten Kernen;
dann eine mehr nufgefaserte Bindegewebsschicht, die an einzelnen Stellen
grössere und kleinere, länglich gestellte Gruppen rundlicher Zellen auf¬
weist, welche scheinbar die Fasern des Bindegewebes auseinander gedrängt
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haben. Hie und da apopiektische und hämorrhagische Infiltrate; je
weiter nach innen, desto zellreicber das Bindegewebe; schliesslich junges,
wucherndes, embryonales Bindegewebe, besonders um die Blutgefässe und
kleinsten Capillaren herum. Im Bereiche dieses embryonalen Binde¬
gewebes zahlreiche eystische resp. drüsige Hohlräume von wechselnder
Grösse und Form; an ihrer Innenfläche einschichtiges, langgestrecktes
Cylinderepithel. Zwischen den drüsigen Hohlräumen dickere und dünnere
Scheidewände aus embryonalem Bindegewebe. Die Innenwand der grossen
Cyste trägt nur an sehr vereinzelten Stellen jenes schön sichtbare Cylinder¬
epithel. — Am Fusspunkt des Tumors eingesprengte Reste von normalem
Pankreasgewebe. (Forueuung folgt.)
Ueber die nach Verletzungen zurückblei¬
benden Veränderungen des Gefässapparates.
Zusammenfassende Uebersicht von Dr. Hans Herz (Breslau).
(Fortoetsung.)
Die Frage, ob nicht infolge der Wandveränderung thrombo¬
tische Auflagerungen sich bilden und eine (nicht bakterielle) Ent¬
zündung daran sich entwickeln kann, ist kaum erörtert, obgleich die
bakterielle Aetiologie der verrukösen Auflagerungen des Endocards
Ausnahmen erleidet.
Gewöhnlich wird nur an bakterielle Invasion, an infektiöse
Endocarditis gewöhnlicher Art gedacht Doch scheint der anatomische
Befund von papillären Exkrescenzen noch auszustehen.
In erster Reihe ist Litten als Vorkämpfer der Endocarditis
traumatica zu nennen. Er nimmt an, dass Konti» uitätstrennungen
des Endocards die Invasionsstelle für Infektionsträger bilden, und
dass so typische Endocarditis entsteht. Die Bakterien stammen wohl
aus dem Blut, in das sie vielleicht durch Darm und Lunge gelangen;
sie finden an der lädierten Stelle besonders günstige Entwicklungs¬
bedingungen.
Entsprechend dem Verlauf anderer Endocarditiden muss es
dann Fälle geben, wo bald eine akute Erkrankung zu Tage tritt, und
wiederum solche, wo die Geräusche erst nach Monaten entstehen.
Auf diese Weise können nach zahlreichen Autoren Herzklappen¬
fehler aller Art nach Traumen zustande kommen.
Das Vorkommen einer akuten Endocarditis nach Brustkontu¬
sionen ist nach Stern zwar wahrscheinlich, aber nicht bewiesen
In der neueren Literatur finden sich folgende Fälle:
1. Fall von Litten.
Ein Einjähriger wird von einem Pferde mit dem Thorax hart gegen
eine Krippe gedrängt, so dass er unter heftigen Schmerzen utufälli
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Angstgefühl, Herzklopfen, Beklemmung, Fieber, Dyspnoe, Cyanose.
Pat wird nach einiger Zeit als vorübergehend unbrauchbar entlassen. Nach
einigen Monaten findet sich ein lautes systolisches Geräusch an der
Spitze, Verbreiterung des rechten Ventrikels, weniger des linken, lautes
systolisches Geräusch an der Aorta. Diagnose: Mitralinsufficienz und Endo-
carditis aortica, die zur Aortenstenose führen wird.
2. Fall von Leyden.
11 jähriger Knabe wird vom Lehrer vor die Brust gestossen. Der
Knabe fühlte sich bald sehr unwohl, erkrankte am nächsten Tage fieber¬
haft. Nach sechs Wochen Exitus. Sektion: Eitrige Pericarditis und
akute Endocarditis an verschiedenen Klappen, sogar schon mit Ver¬
kalkungen.
v. Leyden, der sich sehr bestimmt für die Annahme einer
Endocarditis traumatica ausspricht, glaubt an einen Zusammenhang.
Sollten die Kalkablagerungen nicht den Gedanken nahelegen, dass
die akute Erkrankung, vielleicht durch den Stoss verschlimmert, sich
auf dem Boden alter Endocarditis entwickelte?
3. Fall von Uhlot.
Ein junger Tagearbeiter fiel, von einer Treppe herabstürzend, mit
der linken Brustseite gegen eine Thürklinke. Bald darauf fand sich
ein unregelmässiger kleiner Puls von 160—180 Schlägen. Nach wenigen
Tagen entstanden Fieber und eine akute Endocarditis. Nach sieben Monaten
verliess Patient das Krankenhaus mit leidlich kompensierter Mitral¬
insufficienz, die sich unter den Augen der Aerzte entwickelt hatte.
Man sieht, die Fälle sind, wenn auch nicht absolut beweisend,
doch recht auffällig. Es scheint in der That, als wenn das Endo-
card vom Blut her leichter infiziert wird als z. B. das Myocard.
Grösser ist die Zahl der Fälle, wo subakute und chronische
Endocarditis angenommen wird. Aber wie viel zweifelhafter ist hier
die Sachlage in verschiedener Beziehung!
Sehen wir uns die Fälle an, die unter dieser Rubrik in neuerer
Zeit beschrieben sind, wobei wieder bezüglich der älteren Beobach¬
tungen auf Bernstein und Stern verwiesen sei. Letzterer hält
das Vorkommen von traumatischer Endocarditis für recht selten,
bringt aber selbst einen Fall von (wahrscheinlicher) Aortenstenose
bei, wo im Anschluss an einen Sturz auf den Rücken (!) erst nur
unbestimmte Herzsymptome, nach sechs Wochen allmählich an¬
steigend die Zeichen des Klappenfehlers sich entwickelten. Er
glaubt hier an eine traumatische Endocarditis und hofft auf baldige
weitere Beobachtungen.
Da sind drei Fälle von Litten.
1. 47 jähriger, bis dahin gesunder Arbeiter stürzt am 30. August
1893 in eine Kanalisationsgrube; er schlägt mit der linken Brustseite
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auf die Steife der Grube und fällt 4 m tief. Aus anfänglicher Bewusst¬
losigkeit erwacht, fühlt er einen Schmerz ausserhalb der linken Brust¬
warze, besonders beim Atmen. Nach 14 Tagen werden unbestimmte
Herzsymptome wahrgenominen, doch erscheinen die Klappen intakt. Ende
April 1894 wird eine Aorteninsufficienz nachgewiesen.
Der Fall wurde zuerst als traumatische Neurose gedeutet; es
handelte sich nach Litten um eine schleichende Endocarditis.
2. Ein Arbeiter fällt rücklings von einer Leiter; es fallen ihm
dabei Mauersteine auf die linke Brustseite. Shok. Herztöne in den
nächsten Tagen rein. Nach einigen Wochen wird eine Mitralinsufficienz
(systolisches Geräusch, Hypertrophie beider Ventrikel) festgestellt, die
Arbeitsunfähigkeit bedingt
In einem dritten Fall „subakuter Endocarditis“ — das all¬
mählich stärker werdende systolische Geräusch an der Spitze trat
am 15. Tage nach der ßrustverletzung auf — nahm Litten völlige
Heilung (nach neun Monaten) an.
Düms hat vier Fälle bei vorher gesunden Soldaten mitgeteilt,
wo sich im Anschluss an Bajonettstösse (dreimal) oder Hufschlag
(einmal) ganz allmählich im Verlauf vieler Wochen Schlussunfähig¬
keit der Aortenklappen (einmal) oder Mitralinsufficienz (dreimal)
cinstellte.
Ercklentz hat folgende drei Fälle als Endocarditis nach
Traumen beschrieben.
1. 30 jähriger Kupferschmied. 1894 bei einer militärischen Uebung
gesund befunden. Stürzt am 21. Februar 1895 in einen Kanal, schlägt
mit der Brustseite auf die Mauerkante desselben. Unbedeutende An¬
schwellungen und Hautabschürfungen an Brust und linkem Arm, ge¬
ringer Schmerz in der linken Brustseite, mässiges Herzklopfen. Arbeitet
mit kurzen Unterbrechungen, empfindet jedoch dabei Schmerzen in Brust
ui)d Rücken, sowie Herzklopfen. Im Juli und Oktober vorübergehend
Knöchelödem. Juni 1896 Beine und Leib stark geschwollen. Atem¬
not. Cyanose. Leichtes Fieber, Puls unregelmässig, klein. Rechte
Herzgrenze am rechten Stcrnalrande. An der Herzspitze leichtes systo¬
lisches Blasen. Zweiter Herzton leise. Rechts Pleuritis sicca. Leber
und Milz vergrössert. Während der Behandlung Fieber bis 39°. Pleu-
ritisches Exsudat rechts, Digitalis ohne Erfolg. Exitus am 4. Juli. Keine
Obduktion.
Nach Ercklentz bestand chronische Endocarditis mit schwerer
Störung des Myocards.
2. 12jähr. Schulkind. Frühjahr 1893 von einem Wagen gegen die
Mauer gepresst. Bewusstlos. Heftige Schmerzen in der Brust, Blut-
auswurf. Nach 14 Tagen Erholung, Pat. blieb drei Jahre, wenn auch
schwächlich, ziemlich wohl. Doch fortwährend Brustschmerzen. Allmählich
Verschlimmerung, Schwindel, Ohnmacht, Bluthusten, Nasenbluten, Leib¬
schmerzen, Herzklopfen. 3. Nov. 1898: Elendes Kind, linke Brust-
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hälfte stark vorgewölbt und erschüttert. Mitralinsufficienz und -Stenose,
Leberschwellung. Ani 17. Dezember gebessert.
Für Ercklentz ist der Zusammenhang zweifellos, da das
Kind seit der Verletzung nie wieder ganz gesund wurde.
3. 17jähr. Schiffer, bis dahin ganz gesund. Stürzt im März 1895
mehrere Meter tief, hat dann Stechen in der Herzgegend und Herz¬
klopfen. 2 l / 2 Monate später kam er in die Klinik. Es fanden sich
Mitralinsufficienz, Cyanose, mässige Milz- und Leberschwellung, leichte
Albuminurie, keine Oedeme. Die Zahl der Herzschläge, im Liegen 60,
wird beim Auf stehen sehr gesteigert.
Ercklentz nimmt auch hier subakute traumatische Endo¬
carditis an.
Man sicht also, es werden unter den Begriff der Endocarditis
traumatica die Fälle gebracht, wo sich einige Wochen oder Jahre
nach einem Trauma die Zeichen einer Klappenstörung entwickeln,
während man im allgemeinen wohl geneigt ist, plötzliche Insuf-
ficienzen auf Klappenzerrcissungen zu schieben.
Es erheben sich zwei Fragen. Erstens, ist das Trauma in allen
diesen Fällen als Ursache des Klappenfehlers zu betrachten? Wir
haben oben schon über dieses Thema gesprochen. Selbst wenn Be¬
schwerden seit dem Trauma kontinuierlich bestehen und vorher
nicht da waren, ist der Beweis nicht absolut erbracht; Verschlim¬
merungen von Herzleiden sind jedenfalls viel häufiger als ihre Ent¬
stehung durch Traumen. In manchen Fällen erscheint aber sogar
der kontinuierliche Zusammenhang nicht sicher (Fall 2 von Erck¬
lentz), die frühere Gesundheit ist selten genügend konstatiert.
Indem wir diesbezüglich auf die obigen Erörterungen ver¬
weisen, kommen wir auf die zweite Frage, ob denn der trauma¬
tische Klappenfehler durch Endocarditis bedingt ist. Auch bei den
Zerreissungen uud Quetschungen der Klappen wird behauptet, dass
die Geräusche erst nach einiger Zeit entstehen, besonders wo die
Klappenfehler erst durch unglückliche Heilung (s. o.) zustande
kommen.
Klinische Kriterien zur Unterscheidung haben wir doch eigent¬
lich bei dem Fehlen des Fiebers kaum. Noch schlimmer ist es,
dass Sektionsbefunde in der neueren Literatur ganz fehlen, uud
in der älteren Literatur fand Stern drei Obduktionsbefunde. Zwei¬
mal handelt es sich um perforierende Wunden des Herzens — die
Fälle (von Mühlig und Connor) sind im ersten Teil der Arbeit
referiert —, wo also Infektionsträger von aussen leicht eingeschleppt
werden konnten. Auch im dritten Falle handelte es sich um eine
Schusswunde der Herzgegend (Fall Kundrat); allerdings blieb die
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Kugel in einer Rippe stecken, so dass ihre Wirkung aufs Herz
lediglich die einer Kontusion gewesen sein kann. Es ist charak¬
teristisch, dass Sektionsbefunde nur in diesen Fällen vorliegen, wo
die äussere Haut verletzt war. Die ersten beiden Fälle beweisen
daher gar nichts für die Entstehung der Endocarditis nach Kontu¬
sionen, und auch der dritte nicht viel, da immerhin direkte Infektion
der Brusthöhle möglich war, über klinische Erscheinungen der Endo¬
carditis hier nichts bekannt war, und die Befunde am Endocard,
soweit sie nicht direkte Folge der Ablösung desselben sind, recht
geringe waren (Verdickung der Bicuspidalis am freien Rande).
Die Existenz der subakuten und chronischen Endocarditis
traumatica ist also als wissenschaftlich sicher festgestellt nicht zu
betrachten, wenn auch manche Fälle durch ihre Annahme gut er¬
klärt werden.
Praktisch wichtig ist natürlich vor allem die Frage, ob Herz¬
klappenfehler durch Traumen entstehen können, ganz gleich auf
welche Weise. Und hier muss man im Interesse der Verletzten
sagen, dass die Entstehung aller Klappenfehler des linken
Herzens, soweit klinische Symptome solche erweisen, durch Kontu¬
sionen im Bereiche der Möglichkeit liegt War Pat. vorher, soweit
erweislich, gesund, ist ein Trauma entsprechender Schwere nachge¬
wiesen, bestehen die Beschwerden oder physikalischen Phänomene
seit der Verletzung, so wird man einen Zusammenhang als möglich
hinstellen können, ohne Einzelheiten viel zu diskutieren.
Als Beispiel erwähne ich den Fall von Weiss. Ein iin Juli
1897 von der Militärbehörde für gesund befundener Mann, der seitdem
nie krank war, erleidet am 6. Dezember 1897 eine Kontusion der Brust
durch mit Gewalt anschlagende Bretter. Pat taumelte, ohne bewusstlos
zu werden, konnte nach einer Viertelstunde allein nach Hause gehen.
Als er nachmittags in die Sprechstunde des Arztes kam, fanden sich
keine erheblichen Spuren äusserer Beschädigung, aber an der Herzspitze
ein intensives systolisches Geräusch. Pat. setzte nur zehn Tage die
Arbeit aus, blieb aber in Behandlung. Kopfschmerzen, zeitweise leichte
Oedeme. Die Geräusche wurden deudicher.
Weiss glaubt, die Erkrankung als Folge des Unfalles ansehen
zu müssen. Soviel auch in der Diagnose und genetischen Deutung
diskutabel ist, praktisch wird man seinen Standpunkt teilen müssen.
Fehlen aber die oben angegebenen Kriterien, so wird die Sach¬
lage immer zweifelhafter, besonders wenn, wie in vielen Fällen der
älteren Literatur, zwischen Trauma und Herzstörung ein sehr
langes beschwerdefreies Intervall liegt.
Ueber nervöse Störungen des Herzens nach Brustkontu¬
sionen ist in letzter Zeit auffällig wenig publiziert worden. Wir
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kommen darauf später noch zurück, wenn wir von Störungen des
Gefässapparates nach Verletzungen des Nervensystems sprechen.
Endlich sei noch mit einigen Worten der Störungen gedacht,
die am Herzen nach körperlicher Ueberanstrengnng entstehen und
die vom Standpunkte der Unfallbegutachtung auch als traumatisch
anzusehen sind. Es handelt sich um Klappenzerreissungen und akute
Dilatationen. Beide Affektionen sind bereits in der bei Stern und
Bernstein berücksichtigten Literatur als auf solcher Basis vor¬
kommend genügend sichergestellt. Neues ist eigentlich kaum ge¬
bracht worden.
Bezüglich der Entstehung der akuten Dilatation passiver Art
möchte ich darauf aufmerksam machen, dass nach Rosenbach und
mir bei starker Anstrengung erst ein Stadium aktiver Dilatation
(Hyperdiastole) erfolgt; in zahlreichen Fällen, wie sie jüngst Albu
beim Radfahrsport, Williams und Arnold bei Wettrennern be¬
schrieben haben, besteht wohl zunächst nur jener Zustand; derselbe
geht erst in krankhafte Dilatation über, wenn die systolische Energie
zu gering wird, der Herzmuskel sich also nicht mehr genügend kon¬
trahiert.
Die Diagnose, was eigentlich am Herzen passiert sei, ist
übrigens hier oft ebenso schwer, wie bei den Kontusionen des
Herzens. Als Beispiel diene ein Fall von R. Schulz.
2 6 jähriger Arbeiter. Früher stets gesund. Fühlt am 11. April
1895 beim Tragen von zwei Centner schweren Säcken plötzlich Schmerzen
in der Herzgegend und Herzklopfen, auch Kurzatmigkeit. Die Beschwer¬
den treten bei der geringsten Anstrengung von neuem auf. Die Unter¬
suchung ergibt Verbreiterung der Herzdämpfung besonders nach links,
Spitzenstoss verbreitert, auch tiefer und weiter links als normal noch
wahrnehmbar. Herztöne im Liegen rein; bei leichten Anstrengungen
links vom Sternum in der Gegend der 3. Rippe schwaches Geräusch.
Puls 66—78, nach Bewegungen 120—130 Schläge. Nach energischer
Behandlung deutliche Besserung. Geräusch nur nach besonderer An¬
strengung des Kranken hörbar, dabei klagt er dann auch noch über
dumpfen Druck in der Herzgegend. — Nachdem Patient ein halbes
Jahr wieder gearl>eitet hatte, fand sich das Geräusch dauernd, und nach
Anstrengungen traten sowohl (vorübergehende) Verbreiterung der Herz¬
dämpfung nach rechts und links und Erschütterung der Herzgegend
als Herzbeschwerden ein.
Schulz glaubt, dass Aortenstenose bestand, „vielleicht ein Ein-
reissen oder eine Dehnung eines Klappensegels mit nachfolgender
narbiger Schrumpfung“. Er erwähnt aber mit Recht die Möglich¬
keit, dass ein Aneurysma in Bildung begriffen sei. Auch scheinen
mir die Symptome im Anfang sehr für Dilatation zu sprechen, das
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leichte Geräusch ist vielleicht anders als durch Stenose zu erklären,
gegen die manches spricht.
Alles in allem stehen wir gerade hei den traumatischen Herz¬
störungen sehr oft vor wenig klaren Krankheitsbilderu.
B. Die Verletzungen der grossen Gefässe.
Literatur.
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Wien. Ref. in Wiener med. Presse 1902, Nr. 3.
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3) Bäumler, Diskussion in den Verh. des 17. Kongresses für innere Med.,
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rysmen. Berliner klin. Wochenschr. 1896, p. 61.
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Art. vertebrales. Centralbl. f. Chir. 1896, Bd. XXIII, H. 24.
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vom 15. Febr. 1898. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
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einseitige resp. doppelseitige Unterbindung der Carotis communis. Deutsche Zeitschr.
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Wiener med. Presse 1902, Nr. 3.
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Ref. nach Schmidt's Jahrbüchern.
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22) v. Eiseisberg, Traumatisches Aneurysma des Oberschenkels. Verein für
wissenschaftl. Heilkunde in Königsberg i. Pr., Sitzung vom 29. Mai 1898. Ref. in
Deutsche med. Wochenschr.
23) Ders., Aneurysma der Regio poplitea. Verein für wissensch. Heilkunde
in Königsberg, Sitzuug vom 24. Okt. 1898. Ref. in Deutsche med. Wochenschrift.
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24) Ders., Zwei Fälle von traumatischem Aneurysma. Verein f. wissensch.
Heilkunde in Königsberg i. Pr., Sitzung vom 22. Okt. und 3. Dez. 1900. Ref. in
Deutsche med. Wochenschr.
25) Ders., Traumatisches Aneurysma der Arteria poplitea. Verein f. wissensch.
Heilkunde in Königsberg i. Pr., Sitzung vom 28. Jan. 1901. Ref. in Deutsche med.
Wochenschr.
26) Ercklentz, Beitrage zur Frage der traumatischen Herzerkrankungen.
Zeitschr. f. klin. Med. 1902, Bd. XLIV.
27) Fabris, A., Experimentelle Untersuchungen über die Pathologie der
Aneurysmen. Virchow’s Archiv 1901, Bd. CLXV, H. 3, p. 439.
28) Finkeistein, Studien zur Kenntnis der zufälligen (nicht operativen) Ver¬
letzungen der grösseren Venenstamme. Aerztl. Sachverständigenztg. 1902, Nr. 17 u. 18.
29) Flockemann, Ueber Aneurysma dissecans. Münchener med. Wochen¬
schrift 1898, Bd. XLV, H. 27.
30) De Forest Willard, Aneurysm of the thoracic Aorta of traumatic
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bull. 1901, Sept. Ref. in Centralbl. f. Chir. 1902.
31) Le Fort, Des plaies de Paorte par les armes de la guerre. Bull, de la
Soci6t6 anat. de Paris 1898, CS. XII, 7, p. 284.
32) Fränkel, A., Diskussion im Verein f. innere Med. in Berlin, Sitzung vom
19. Okt. 1896. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
33) Ders., Beiträge zur Pathologie und Therapie der Aortenaneurysmen.
Deutsche med. Wochenschr. 1897, Nr. 6 u. 7.
34) Fraenkel, F., Ueber die Verletzungen der Vena femoralis communis am
Poupart’sdien Bande und deren Behandlung. Beitr. zur klin. Chir. 1901, Bd. XXX,
H. 1, p. 81.
35) Ders., Stichverletzungen der linken Vena femoralis communis. Aerztl.
Verein zu Nürnberg, Sitzung vom 3. Jan. 1901. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
36) Gerhardt, C., Bemerkungen über Aortenaneurysma. Deutsche med.
Wochenschr. 1897, Nr. 24.
37) Hampeln, Ueber Herz- und Aortenruptur. Petersburger med. Wochen¬
schrift 1898, N. F., Bd. XV, H. 48.
38) Hankel, Ernst, Stichverletzungen der Aorta, traumatisches Aneurysma,
Tod 17 Tage nach der Verletzung durch Erstickung. Deutsches Archiv f. klin.
Med. 1899, Bd. LXIV, p. 140.
39) Heaton, Sitzung der Pathological Society of London vom 1. März 1898.
Citiert nach v. Schrötter.
40) Herzog, U., Ueber traumatische Gangrän durch Ruptur der inneren
Arterienhäute, ßeitr. zur klin. Chir. 1899, Bd. XXIII, H. 3, 3*^643.
41) Hildebrandt, H., Beobachtungen über die Wirkungen des kleinkalibrigen
Geschosses aus dem Boerenkriege 1899—1900. Archiv f. klin. Chir. 1902, Bd. LXV,
H. 3, p. 760.
42) Horneffer, Subcutane Ruptur der linken Arteria subclavia. Freie Verein,
der Chir. Berlins, Sitzung vom 11. Febr. 1901. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
43) Hufschmid, K., Ein Fall von nichttraumatischem Aneurysma der Art.
vertebralis. Archiv f. klin. Chir. 1896, Bd. LII, H. 1, p. 23.
44) Hussenet, Note sur la rupture spontane de Paorte. Arch. de m£d. ct
de pbarm. mil. 1899, Bd. XXXIV, H. 10, p. 259, Okt./Nov.
45) Jaff6, Aerztl. Verein in Hamburg. Vereinsbeilage der Deutschen med.
Wochenschr. 1898, p. 112.
46) Jochmann, G., Zur Kasuistik traumatischer Herz- und Gefässaffektionen.
Monatsschr. f. Unfallheilkunde 1902.
47) Israel, L., Die Stichverletzungen der Schlüsselbeingefässe in gerichtsärzt¬
licher Beurteilung. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. 1896, III. Folge, Bd. XI.
48) Klemm, Paul, Zur Kasuistik der GelässVerletzungen. Deutsche med.
Wochenschr. 1897, Nr. 18.
49) Klemperer, G., Diskussion im Verein für innere Med. in Berlin, Sitzung
vom 19. Okt. 1896. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
50) König jun., Aneurysma arterio-venosum der Arteria und Vena femoralis.
Freie Vereinigung der Chir. Berlins, Sitzung vom 12. Dez. 1898. Ref. in Deutsche
med. Wochenschr.
(Schluss der Literatur folgt.)
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Die unmittelbaren Folgen der Verletzung von Arterien und
Venen gehören wesentlich in das Gebiet der Chirurgie und sind
hier ebensowenig, wie am Herzen, Gegenstand ausführlicher Be¬
sprechung. Aber auch wenn die primäre Gefahr, sei es der Blutung,
sei es der gestörten Gewebsernährung, vorüber ist, bleiben Störungen
zurück, die von ganz allgemeinem Interesse sind.
Da die peripheren Gefässe doch besonders als Kanäle in Be¬
tracht kommen, mag man die Thätigkeit ihrer Wände noch so hoch
einschätzen, so handelt es sich hier wesentlich um Verengerungen
des Lumens bis zu völligem Verschluss oder um Erweiterungen
verschiedener Form mit Einschluss bestehenbleibender Kommunika¬
tion zwischen Gefässinnerem und Umgebung.
A. Verengerung der Gefässe.
So wichtig für die Prognose einer frischen Verletzung die
Frage ist, ob Gefässbahnen in genügender Weite durchgängig
bleiben, so selten ist es, dass die Verengerung derselben — ausser
an der Aorta — noch später Symptome erheblicher Art hervorruft.
Was im Beginn verloren geht durch ischämischen Funktionsausfall
(z. B. an den Nerven) oder durch Gewebstod, das kommt hier nicht
in Betracht: spätere Cirkulationsstörungen sind nur selten beobachtet.
Zwar ergeben Versuche von Malkoff (bei Ziegler), dass
schon Quetschung der Arterie bei Tieren zu einer Arteriitis proli¬
ferans führen kann, wobei es sehr rasch zu einer Infiltration der
Intima und der inneren Schichten der Media, sowie zu darauf¬
folgender Bindegewebsbildung mit degenerativen Veränderungen in
der Wand kommen kann — aber in praxi scheinen beim Menschen
diese Veränderungen selbst nach schweren Traumen selten Bedeu¬
tung zu gewinnen.
Herzog sammelte z. B. 63 Fälle von isolierter Zerreissung
der inneren Arterienhäute mit Thrombosenbildung; letztere entsteht,
indem entweder die zerrissenen Arterienhäute eine Art Klappe
bilden, wodurch der Blutstrom verlangsamt resp. gehemmt wird,
oder indem an der freiliegenden Adventitia Gerinnsel entstehen,
oder durch beide Umstände. In 23 Fällen kam es zur Heilung
ohne Gangrän, und e9 ist kaum in einem dieser bei Herzog ange¬
führten Fälle von zurückbleibenden Störungen die Rede.
In Fall 43 von Leflaire (Union möd. 1884) fühlte man einen
harten Strang im Verlauf der Axillaris, der Puls kehrte nie wieder; aber
sonst zeigte der Arm kein Oedcm, keine Kälte, nur geringe Blässe.
Auch in Fall 44 von Bimbinet (Thfese de Paris 1877) fand
sich in der Axillaris vom Humeruskopf an keine Pulsation.
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Ebenso ist nach Venenverletzungen — immer vorausgesetzt,
dass die erste Zeit überwunden ist — wenig über zurückbleibende
Storungen bekannt, wie u. a. aus den von Brohl, B. S. Koslowsky,
Ziegler, Lindner, Körte, F. Frankel und vielen anderen ange¬
führten Fällen von Unterbindung grosser Blutadern hervorgeht.
Es folgt daraus nicht etwa, dass Verengerung resp. Verschluss
der Gefässstämme nicht häufig nach Traumen zurückbleibt, wird
doch der Verschluss oft radikal vom Chirurgen herbeigeführt; aber
wir haben keine deutlichen Symptome dafür, selbst die anfänglich
oft beobachteten leichten Kreislaufsstörungen gehen in der Regel
bald zurück. Bei grösserer Beachtung der Gefässstämme, der Pulsa¬
tionserscheinungen, der feinen Cirkulationsstörungen an den Extre¬
mitätenenden (geringer Temperaturdifferenzen, Parasthesien etc.) wird
man noch manches konstatieren können.
So trat in einem Fall vom Michel, wo durch Aufstürzen auf die
Innenseite des rechten Armes die Art brachialis obliteriert war, durch
das Eintreten der Kollateralen Erholung ein, doch blieben in den Fingern
Erschöpfung und Ameisenlaufen bestehen.
Auch bei Horneffer, der eine Zerreissung und Aufiollung der
Intima in seinem Falle von subcutaner Zerreissung der Axillaris an¬
nimmt, ist die Sensibilität im Ulnarisgebiete als dauernd herabgesetzt
bezeichnet
Selbst zu geringem Oedem, wie man es besonders bei Ver¬
engerung grosser Venen erwarten sollte, scheint es nur sehr selten
zu kommen.
Nur in einem der von Ziegler beschriebenen Fälle (Unterbindung
der Vena femoralis nach Verletzung derselben) ist erwähnt, dass am Bein
Oedeme auftraten, wenn der Kranke ausser Bett war, auch erschien die
Haut immer etwas dicker, glänzender. Doch bestand in diesem Falle
eine gleichzeitige nervöse Störung, welche die Beurteilung komplizierte;
möglicherweise waren jene Kreislaufsstörungen nervös bedingt.
An den oberen Extremitäten ist vorübergehendes oder gar
dauerudes Oedem noch seltener als an den unteren.
Selbst nach einer Unterbindung der Vena anönyma sinistra (wegen
Melanosarkom) trat kein Oedem des Arms ein, überhaupt keinerlei Störung
mit Ausnahme einer leichten Erweiterung der Hautvenen der linken
Brusthälfte (Brohl). Der Autor weist darauf hin, dass bei Geschwülsten
allerdings der Kollateralkreislauf meist schon mehr entwickelt ist, als dies
bei Verletzungen gesunder Personen der Fall ist.
Bei den so empfindlichen Organen des Kopfes handelt es sich
ebenfalls nur um die Frage, ob die Cirkulation für die erste Zeit
genügt oder nicht: ist die Unterbrechung selbst grosser Zufuhr-
straösen erst einmal sicher überwunden, so sind keine Störungen
mehr zu erwarten.
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Zwar kann nicht nur die Unterbindung der Carot communis oder
interna (ein- oder doppelseitig), wie lange bekannt, Ausfallserscheinungen
bedingen, in vereinzelten Fällen ist selbst nach zweizeitiger Unterbindung
beider Vertebrales vorübergehende halbseitige Parese (v. Baracz), nach
Durchtrennung der Vena ingul. int. — allerdings bei kongenitaler Ver¬
bildung des andersseitigen Sinus — Gehirnerweichung (Rohrbach) zur
Beobachtung gelangt. Aber auch diese Erscheinungen sind den primären
Folgen der Gefässverletzung zuzurechnen.
Manchmal kommen solche Gefässverengerungen, die Symptome
nennenswerter Art verursachen, durch Kompression seitens der
Umgebung im Anschluss an Verletzungen vor. So berichtet Makins
von sekundären Cirkulationsstörungen an Extremitäten, deren Ar¬
terien nicht direkt von einem Schuss getroffen waren, aber durch
Narbenkonstriktion verengert wurden. —
Eine besondere Rolle spielen die Verengerungen der Aorta,
da diese gewöhnlich erhebliche Störungen verursachen — nicht nur
durch die Einengung des gesamten Strombettes, sondern auch, weil
die in der Gefässwand geleiteten Impulse an den erkrankten Stellen
Hindernisse erfahren (O. Rosenbach).
Die Stenosen am Aortenostinm sind ebenso wie die übrigen
Herzfehler nach Traumen zu beurteilen (s. o.). Bei Stern finden
sich zwei Fälle der Art erwähnt, einer von ihm selbst, einer von
Heidenhain.
Wichtig ist aber die Frage, ob auch eine tiefer silzende
Stenosenbildung in der Aorta auf traumatischer Basis verkommt.
Ich führe folgenden Fall von v. Schrötter mit dessen Epikrise an.
Pat., Maurer, ist jetzt (1899) 53 Jahre alt. Bis zum Jahre 1875
war er gesund, hatte namentlich nie Brustbeschwerden. Um diese Zeit
stürzte er vom Bodenräume eines dreistöckigen Gebäudes in den Keller.
Mehrfache äussere Verletzungen, zweitägige Bewusstlosigkeit, Schmerzen
in der Brust waren die Folge, und seither hielten diese letzteren als
Herzbeschwerden an. Im sechsten Intercostalraume, 3 cm nach aussen
von der Mannnillarlinie, ein stark hebender Herzstoss, starkes systolisches
und diastolisches Geräusch über der Aorta, am stärksten an der Herz¬
basis über dem Slernum. Sehr deutliches Schwirren längs des rechten
Stemalrandes; der Puls der Carotiden und Subclavien deutlich, eher
stärker als normal. Es bestehen also Hypertrophie des linken Ventrikels
und Insufficienz der Aortenklappen. Nun aber: in der Aorta abdominalis
ist kein Puls, erst nach längerem Suchen ein solcher in der Cruralarterie,
aber nur sehr schwach zu fühlen, keiner jedoch in den Arterien weiter
nach abwärts. Ueberdies: in der Achselhöhle, am Rücken, zwischen
Wirbelsäule und Scapula finden sich Konvolute von Arterien, einzelne
Gefässe 9ind bis bleistiftdick und am Rücken sind sie noch bis in die
Lumbargegend herab nachzuweisen. Also: Undurchgängigkeit der Aorta
nach Abgang der Subclavia und starke Entwicklung eines teilweisen
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Kollateralkreislaufes, so dass man die Verengerung wohl in der Gegend
des Isthmus der Aorta annehmen muss.
„Nach den Zusammenstellungen aus der Literatur wissen wir,
dass ein solcher Zustand angeboren sein, sehr gut lange Zeit, ohne
für den Kranken auffallende Symptome hervorzubringen, bestehen
kann; allein es bleibt immer auffallend, dass sich der Kranke völliger
Gesundheit erfreute und erst im Anschluss an das schwere Trauma
die Erscheinungen hervortraten. Die Möglichkeit, dass sich nach
dem Sturze im Mediastinum Zerrungen, Zerreissungen, Entzündungs¬
vorgänge mit nachheriger konstringierender Narbenbildung ent¬
wickelten, scheint mir somit nicht absolut ausgeschlossen, wenn es
auch denkbar ist, dass das angeborene Uebel vielleicht durch das
Trauma nur eine Steigerung erfahren hatte.“
Ein weiterer Fall von Aortenstenose ist von Breuer und
Albrecht beschrieben. Der Fall verdient, ausführlich beschrieben
zu werden.
Der Kranke erlitt mit acht Jahren durch den Hornstoss eines
Ochsen eine penetrierende Rückenwunde. Seitdem litt er bei Anstrengungen
an Herzklopfen, Kurzatmigkeit, Stechen in der linken Seite und Husten
mit einigemal blutig tingiertem Sputum. Etwa ein halbes Jahr vor dem
Tode bestand Schrumpfung der linken Thoraxseite mit mächtiger pleuraler
Schwarte, Verziehung der Trachea und des Oesophagus nach links. Die
Hypertrophie des linken Ventrikels und das Verhalten der Gefässe liessen
auf eine durch Verziehung oder Abknickung der Gefässe entstandene
Stenose der Aorta unterhalb des Abganges der linken Subclavia schliessen.
Im Sommer 1901 starb der Kranke unter den Erscheinungen schwerer
Hämoptoe.
Das zugehörige anatomische Präparat zeigt eine Diaphragmabildung
in der Aorta. Die Aorta war in einer Schwiele eingebettet, als Ursache
der Stenosierung wurde unterhalb der linken Subclavia ein die Aorta quer
durchsetzendes dünnes Diaphragma gefunden, welches nur durch eine
4 mm w r eite centrale Oeffnung den Blutstrom passieren liess. Das
Diaphragma bildete die untere Grenze eines grossen Aneurysmas mit
rauher Innenfläche und oberer scharfer Begrenzung. Infolge des Traumas
ist vielleicht eine zirkuläre Ruptur der internen Wandschichten der Aorta
unter dem Subclaviaabgang erfolgt; die Intima und die innere Lage der
Media sind dann durch den Blutstrom losgewühlt worden und bildeten
jenes Diaphragma. Daneben fanden sich eine mächtige pleuromediastinale
Schwarte in der linken Brusthälfte, grosse Bronchiektasieen in der ge¬
schrumpften linken Lunge, aus denen die tötliche Hämoptoe erfolgt
war, Stenosirung des linken Bronchus und Verziehung des Oesophagus
nach links.
(Fortsetzung folgt.)
Contralblatt f. d. Gr. d. Med. n. Chir. VI.
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Die multiple Neurofibromatose.
(Recklinghausen’sehe Krankheit)
Sammelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent n. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung.)
Für eine Reihe von nun folgenden Knochenanomalien (Defekte,
Atrophien, Hypertrophien) ist es fraglich, ob sie angeboren sind.
Partielle Hypertrophien von Schädelknochen, nament¬
lich der Schläfenbeinschuppe (Volkmann 1875, Audry und La-
croixl891, Kölpin 1897), des Stirnbeins (v.Bruns 1892, Fall 14),
der Mandibula (v. Bruns 1892, Fall 19), der Oista ossis ilei
(v. Des sau er 1892, bei v. Bruns 1892, Fall 11 und 33 a), scheinen
nie unabhängig von gleichzeitig bestehenden meist grösseren Tumoren,
speziell Rankenneuromen vorzukomraen.
Der Kranke von Coupland (1897) zeigte neben seinen Haut-
tumoren (wahrscheinlich Neuromen) und unabhängig von denselben ein
Osteom der Stirngegend.
Zu trennen von den eben erwähnten, auch bei anderen elepban-
tiastischen Zuständen oder Neubildungen der Haut vorkommenden
Hypertrophien der Knochen sind Beobachtungen wie die folgende
von Perthes (1902).
Bei seinem Kranken, einem Chinesen, bot die linke Hand einen
ganz besonderen Befund dar; das Volumen der ganzen linken Hand
mit Ausnahme des 4. und 5. Fingers, sowie des 2. Daumengliedes war
auf das Mehrfache des Normalen vermehrt. Die Weichteile waren in
eine lappige Tumormasse verwandelt, welche das Skelett der Hand, mit
Ausnahme der bezeichneten Finger, auf der Dorsal- und der VolarfÜche
umgab. Besonders umfangreich waren die Geschwulstmassen auf der
Vola manus. Bei Vergleich mit der rechten Hand, an welcher die Vola
manus völlig frei von Tumoren war, fiel die beträchtliche Verlängerung
des 2. und 3. Fingers der linken Hand auf.
Das Röntgenbild zeigte, dass die Verlängerung alle Phalangen
und Metacarpen der beiden genannten Finger betrifft Dabei sind die
einzelnen Knochen nur verlängert, nicht verdickt, im Gegenteil schmächtiger
als normal. Die erste Phalanx des Mittelfingers zeigt eine deutliche
Verbiegung. Seinem Capitulum fehlt die normale runde Form, vielleicht
ist die Unregelmässigkeit der Kontur durch eine Absprengung des peri¬
pheren Stückes des Capitulum bedingt
Die Röntgendurchleuchtung lehrte also, dass es sich da nicht zu¬
gleich um eine Verdickung, sondern vielmehr nur um eine beträchtliche
Steigerung des Längenwachstums der Knochen handelte bei den abnor¬
men Phalangen und Metacarpen der beiden rings von elephantiastischem
Gewebe eingehüllten Finger, des Zeigefingers und Mittelfingers der linken
Hand.
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515
Auf die Deutungen, die Perthes über diesen Befund gibt,
will ich hier nicht eingehen (cf. 1. c. 1902, p. 107), da sich eine
bestimmte Entscheidung doch nicht geben lässt. Immerhin neigt
er mehr zur Annahme der primären Steigerung des Knochenwachs¬
tums ohne direkte Abhängigkeit von der Fibromatose.
Weiterhin sind von den in Frage stehenden Knochenhyper¬
trophien die Exostosen bei Neurofibromkranken zu trennen, die sogar
symmetrisch Vorkommen können. Sie sind von Garrö (1892, Fall
17), v. Dessauer (bei v. Bruns 1892, Fall 11 und 33a) und
v. Bruns (1892, Fall 14) beschrieben worden.
Seltener als solche Knochenhypertrophien sind Knochen¬
defekte an solchen von plexiformen Neuromen befallenen Hautstellen,
an welchen der Tumor dem Knochen direkt aufliegt.
Die Depressionen, Unebenheiten und grubigen Vertiefungen des
Os parietale in den Fällen von Gernet (1892) und von Jacqueau
(1895) stellen zweifellos solche beginnende Defekte dar.
Bei Gerhardt-Riesenfeld (1876/78) waren so zahlreiche und
massige Tumoren um den Ursprung der Aorta und Pulmonalis, beson¬
ders rechts, gelagert, „dass die Wirbelsäule geschwunden ist, die untersten
Hals- und die beiden ersten Brustwirbel sind stark ausgetieft, ähnlich
beim Aortenaneurysma“.
Bei Berggrün (1897) hat eine mächtige, im Bereich des Lenden¬
markes sitzende Geschwulst zu einer Kompression des Rückenmarkes
einerseits, zu einer Erweiterung des Wirbelkanals andererseits geführt,
die stärkste Ausdehnung desselben findet sich im Bereiche des 11. und
12. Brustwirbels und des 1. Lendenwirbels, indem hier in der hinteren
Flache des Körpers dieser Wirbel beiderseits von der Medianlinie halb¬
kugelig gestaltete, bis zu 1 cm Durchmesser besitzende Usurierungen ge¬
bildet werden und zwar in jedem Wirbel zwei, von welchen die in der
rechten Hälfte am seichtesten sind und sogar die seitliche Wirbelwand
durchbrochen haben. Dagegen ist die Ausdehnung im Bogenteil dieses
Wirbels ungleichmässig und nach oben und unten allmählich abnehmend.
Rizzoli (1870, Fall 2) beschreibt einen durch ein plexiformes
Neurom der Schläfengegend bedingten, bohnengrossen Defekt im grossen
Keilbeinflügel.
Bei der kleinen Patientin 2 (Eva) von Herczell (1890) fand
sich zwischen Proc. mastoid. und Os occipitis links unter der Stelle, wo
sich ein plexiformes Neurom befand, ein rhombischer, nach Herczell’s
Ansicht wahrscheinlich durch Druckatrophie entstandener Knochendefekt
von etwa Markstückgrösse, der Hirnpulsation zeigte.
Feindei (1896, Fall 2) sah einen fünf Finger breiten, 2 1 / 2 Finger
hohen Defekt in der linken Hälfte des Os occipitale, v. Dessauer (bei
v. Bruns 1892, Fall 11 und 33a) einen solchen im Stirnbein,
v. Bruns (1870, Fall 1) einen Defekt an der Grenze zwischen Hinter¬
haupts- und Schläfenbein, ich selbst (1901, Fall 2) am Os occipitale,
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Billroth (1869) einen von normaler Kopfhaut überzogenen über erbsen¬
grossen Defekt des linken Seitenwandbeines, über welchem man deutlich
die Pulsation des Hirnes wahrnahm. Daneben bestand ein Ranken¬
neurom des linken oberen Augenlids und der Schlafengegend, während
in den übrigen Fällen der Defekt von dem Rankenneurom überlagert
war, das übrigens in den Fällen von v. Dessauer und v. Bruns das
einzige Zeichen der Neurofibromatose bildete.
In dem wohl sicher als plexiformes Neurom des behaarten Kopfes
aufzufassenden Falle von Weil (1898), das in Form einer phrygischen
Mütze dem Schädeldach aufsass, bestand ein Knochendefekt derart, dass
die Geschwulst direkt dem Sinus longitudinalis aufgelagert war, so dass
bei der operativen Entfernung der Geschwulst eine Eröffnung des Sinus
nicht zu umgehen war. Weil denkt deshalb auch an die Dura mater
als möglichen Ausgangspunkt der Geschwulst.
Bei dem Patienten von Collet und Lacroix (1893) bestand eine
Atrophie der linken Oberkieferhälfte mit Mangel der Molarzähne dieser
Seite. In diesem Falle war auch die linke Gesichtshälfte der Sitz
eines plexiformen Neuromes.
In einem Falle von v. Bruns (1870, Fall 2) bestand ein Defekt
der hinteren Fläche des Kreuzbeins, so dass der Rückenmarkskanal hier
seines hinteren knöchernen Verschlusses ermangelte. Ich habe diesen
Fall schon oben als „angeborenen Wirbelspalt“ erwähnt und auf die
in gewisser Hinsicht zwischen diesem und meinem Falle 2 (1901)
bestehende Aehnlichkeit hingewiesen.
Am eingehendsten, speziell in den letzten Jahren, sind eine
andere Art von Knochenalterationen und von diesen vor allem die
Veränderungen der Wirbelsäule und des Brustkorbs studiert worden,
die mit der Osteomalacie eine gewisse Aehnlichkeit haben.
Die Beobachtungen von Koenigsdorf (1889) = Du Mesnil
(1890), P. Marie (1894/95, Fall 2), Hoisnard (1898, Fall 1),
P. Marie und Couvelaire (1900) und Haushalter (1901) lassen
keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die bei der Neurofibromatose
beobachteten Knochen Verbiegungen sehr oft auf einem Weicher¬
werden der Knochen beruhen, die so weit gehen kann, dass sie an
Zustände des Skelettes erinnert, wie wir sie bei der Osteomalacie
zu sehen gewohnt sind, dass der Knochen sich mit dem Scalpell
leicht durchschneiden lässt. Nie fehlen die rheumatoiden Schmerzen
in denjenigen Abschnitten des Skelettes, welche zuerst von der Er¬
weichung betroffen werden, dem Becken und der Wirbelsäule.
Dass dabei sehr häufig und vorzugsweise die Wirbelsäule in
Mitleidenschaft gezogen wird, dürfte aus dem Bestehen gleichzeitiger
Muskelschwäche zu erklären sein und sich besonders leicht unter
dem Einflüsse zu grosser Belastung des Rückens, besonders bei
abnehmender Muskelkraft und verringerter Elastizität der Band¬
scheiben, entwickeln, Veränderungen, die Hoisnard (1898, Fall 1)
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veranlasst haben, von einer „Cachexie osseuse“ zu sprechen, die
sich zu der „Cachexie gdndrale“, auf die wir noch ausführlicher
zurückkomraen werden, hinzugesellt.
So sind Verkrümmungen der Wirbelsäule recht häufig und
von folgenden Autoren beschrieben worden:
Kupferberg (1854), v. Bruns (1870, Fall 2), Genersich
(1870, Fall 1), Fremmert (1872/73, Fall 2), Müller (1882),
Köbner (1883), Kyrieleis (1885, Fall 1, 2, 3), Hürthle (1886,
Fall 4), Rose (1886, Fall 2) = Seitz (1871), Teichert (1887,
Fall 1 und 2), Pomorski (1887), Westphalen (1888), Koenigs-
dorf (1889) = Du Mesnil (1890), Jordan (1890, Fall 1), Berg¬
grün (1897), v. Bfingner (1897), Jehl (1898, Fall 1) = Leredde
und Bertherand (1898), Burghart (1898), Habermann (1898),
Merken (1899, Fall 2), Zusch (1900), Posthumus (1900), Re-
villiod (1900), Audry (1901), Preble und Hektoen (1901),
Haushalter (1901), ich selbst in Fall 5 (1901) und Fall 1902
— macht 31 mal unter 417 Fällen, d. h. fast 7 Proz.!
Interessant in der Familienanamnese der Patientin von Posthumus
(1900) ist, dass ein Bruder „allmählich infolge Rhachitis kyphoskoliotisch
geworden ist“. Neurofibrome waren weder bei diesem, noch bei den
übrigen Familienmitgliedern nachzuweisen.
Der Patient von Audry (1901) bot ein vollständiges Bild einer
Neurofibromatose und neben anderen Komplikationen auch eine Skoliose;
seine Tochter zeigte nur Pigmentflecke und eine unter orthopädischer Be¬
handlung bereits im Rückgang befindliche (habituelle?) Skoliose (Patientin
war, nebenbei bemerkt, 15 Jahre alt).
Sehr ausgesprochen war die Wirbelsäulenverkrümmung in der
Beobachtung von Preble und Hektoen (1901) und in meinem
jüngst beschriebenen Falle (1902).
Bei letzterer Patientin trat erst im Alter von 26 Jahren eine all¬
mähliche, langsam zunehmende Verkrümmung der ganzen Wirbelsäule
und des Thorax ein, ohne Fieber, ohne Schmerzen, überhaupt ohne irgend
welche Beschwerden, als die durch die Schiefheit des Skelettes bedingten.
Sie gibt ausdrücklich an, bis zu jenem Zeitpunkte gerade gebaut gewesen
zu sein und führt die Skelettdeformation auf die operative Entfernung
einer kindskopfgrossen Geschwulst der rechten Skapulargegend zurück.
Aehnliche Difformitäten finden sich alsdann naturgemäss an
dem sich an die Wirbelsäule inserierenden Brustskelett und das
Schulterblatt samt der oberen Extremität wird zu der difformen
Brust veränderte Beziehungen habeu.
Mein Fall 5 (1901) und meine eben angeführte Beobach¬
tung (1902) gelten als Beleg für diese Thatsachen.
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Nicht konstant sind diese Veränderungen einfach als sekundäre,
d. h. durch die Verkrümmung der Wirbelsäule bedingte Folgezu¬
stände zu bezeichnen. Vielmehr ist es möglich, dass auch Er¬
weichung der Rippen den Prozess einleitcn oder begleiten und sich
auf diesen Teil des Skelettes beschränken kann. Wenigstens scheint
die Beobachtung von Bourcy und Laignel-Lavastinc (1900),
wo nur eine „voussure sterno-costale droite trös accentuöe“ bestand,
sehr für diese Auffassung zu sprechen.
Auch in dem Fall von Hallopeau und Fouquet (1901) ist
von Knochenveränderungen nur von einer „voussure thoracique
manifeste“ der 3. und 4. Rippe die Rede.
In dem Falle von Arnozan (1885 und bei Meslet 1892,
Obs. 12) kam es zu einer Kompression des Oervikalmarkes durch
eine Knickung (affaisement, eigentlich Zusammensinken) und Ver¬
wachsung der Wirbelkörper des 2. und 3. Cervikalwirbels durch
einen überaus langsam verlaufenden Prozess dieser Teile, der nichts
mit Tuberkulose oder Caries zu thun hatte, vielmehr an eine lokale
Osteomalacie denken liess; einen ähnlichen Vorgang sah ich am
2. Lumbalwirbel meines zur Autopsie gekommenen Falles 6.
Ob wir die wiederholt beschriebenen, oft sehr ausgesprochenen
Asymmetrien des Schädels: [Salomon (1877): Bruder und
Schwester, Bruder mit Neufibromen, Schwester nur mit Pigment¬
flecken, Thilow (1889), Collet (1893, Fall 1) = Collet und
Lacroix (1893, Fall 1), Jeanseiine und Orrillard (1894), Picque
(1894, Obs. 15, Nr. 45) = Poncet (1894), Picquö (1894, Obs. 16,
Nr. 46), Speransky (1895), Berggrün (1897), Thibifergc (Annalcs
1898), Menke (1898), Goldzieher (1898), Zusch (1900), Danlos
(1900), Bennati (1901), meine Fälle 6 und 9 (1901)] ebenfalls
hierher zu zählen haben oder ob sie vielmehr nicht deu gleich zu
besprechenden rhachitischen Erscheinungen zuzuzählen sind, erscheint
zweifelhaft. Jedenfalls aber weisen die Asymmetrien des Schädels
darauf hin, dass die Knochenweichheit bei der Neurofibromatose
keineswegs die Schädelknochen verschont, ja sogar sehr wahr¬
scheinlich schon intrauterine Schädelmissbildungen zeitigt.
Rhachitische Zeichen im allgemeinen erwähnt Kracht
(1898).
Der Knochenbau des Kranken von Flockeninnn (1894) zeigt
rhachitischen Habitus, der Schädel ist verhältnismässig gross. Dasselbe
zeigten die drei Geschwister Sch. (meine Fälle 2, 3, 4, 1901). Pick’s
Fall 2 (18G5) hat einen „dicken Kopf, etwas krumme Beine und eine
etwas höhere Schulter“. In Rizzoli’s Fall 1 (1870) ist ein hydro-
cephalischer Schädel vermerkt.
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HerczelTs Kranke 2 (1890) zeichnete sich durch ein „grosses
Caput quadratum“ aus.
Der Kopf der Patientin von Jordan (1890, Fall 2) zeigt auf¬
fällige Kürze des fronto-occipitalen Durchmessers, eine sehr breite Ge¬
sichtsbildung, tief eingesunkene Nasenwurzel, kurze dicke Nase.
Das Schädeldach bei dem Patienten von Menke (1898) ist ab¬
geflacht und bildet zwischen den Scheitelbeinen eine ziemlich tiefe, von
der Mitte der Scheitelbeine bis zur Spitze des Hinterhauptbeines reichende
Delle; im übrigen weist der Kranke einen „auffallend dicken Kopf“ auf.
Bei Zu sch (1900) ist erwähnt, dass der Kopf relativ gross, die
Schädelbildung asymmetrisch war; daneben bestanden andere Zeichen von
Rhachitis an Thorax und Zähnen.
Der Kopf der 15jährigen Patientin von zum Busch (1900) ist
unverhältnismässig gross. Auf die übrigen Abnormitäten des Kopfskelettes
(Prognatismus, stark gewölbten Gaumen) bin ich schon oben eingegangen.
Mein Fall 6 (1901) zeigte neben einer halbseitigen Gesichts¬
atrophie rhachitische Symptome von Seiten des Schädels und beider Ober¬
schenkelknochen, Fall 9 eine leichte Asymmetrie des Gesichtsskelettes.
Die Kopfform bei dem Patienten von Feindei und Froussard
(1899) erinnert an die eines Akromegalen.
Die Schädelform der Patientin von Posthumus (1900) ist normal.
Das Antlitz ist einigermassen pastös. Die linke Hälfte ist etwas weniger
gut entwickelt, als die rechte. Die Nase ist ein wenig breit Ausser
einer leichten Wirbelsäulenverkrümmung bestand auch Trichterbrust in
geringem Grade.
Bei meiner jüngst beschriebenen Patientin (1902) ist der
Schädel verhältnismässig gross und eckig, stark vorspringender Stirnteil
desselben und Vorspringen der Backenknochen, stark eingesunkene Nase
ohne Septumperforation, prognather, zahnloser Unterkiefer.
Im Falle Kölpin’s (1897) bot der rechte Unterschenkel in seinem
unteren Drittel eine stark konvexe Verbiegung nach aussen und vorn;
Jeanselme’s und Orrillard’s Fall (1894) zeigte eine rechtsseitige
Tibiaverkrümmung „en lame de sabre“.
Die in meinem Falle 6 (1901) bestehende starke Verkrümmung
der linken Tibia beruhte auf einem kongenitalen Defekt der Fibula, der
wohl allein schon die Difformität der Tibia zu erklären imstande ist
Zahlreiche von den Kranken mit Verkrümmungen der Wirbel¬
säule, aber auch ohne solche, zeigten sichere Erscheinungen von
Rhachitis, bei anderen wird die Wirbelsäulenverkrümmung direkt
als rhachitische, d. h. auf dem Boden früher durchgemachter Rha¬
chitis entstanden bezeichnet.
Auch das Zurückbleiben im Wachstum im allgemeinen wird
von Kracht (1898) direkt als eine rhachitische Erscheinung ge¬
deutet.
Solche fehlten bei dem Patienten von Heidingsfeld (1900), der
erst mit vier Jahren gehen lernte und durchaus gute geistige Fähigkeiten
aufwies. — Der schlecht genährte, magere Patient von Vezely (1897)
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begann mit 1 ! | 2 Jahren zu gehen, erst in seinem dritten Lebensjahre
fing er an zu sprechen. Bei beiden letzterwähnten Kranken traten übrigens
die ersten Tumoren im siebenten Lebensjahre auf.
Die Patientin 2 von Herczell (1890) lernte erst mit drei Jahren
laufen.
Von den zwei Brüdern, deren Krankengeschichten Schiffner
(1818) mitteilt und die beide Idioten waren, lernte der ältere erst mit
sieben Jahren gehen.
Meine jüngst beschriebene Patientin (1902) kam angeblich
normal zur Welt, lernte mit zwei Jahren gehen und zahnte regelmässig
und ohne besondere Zwischenfälle.
Von rhachitischen Zeichen an den Zähnen fiude ich die Angabe
von Zusch (1900): unregelmässige Stellung der Zähne, typische Terassen-
bildung an den oberen Schneidezähnen.
Fremmert erwähnt (1872/73), dass sich bei seinem zweiten Kranken
im Anschluss an eine im achten Lebensjahre erlittene Fraktur des rechten
Unterschenkels eine Pseudarthrose ausbildete. Ob letztere in irgend einem
Zusammenhang mit der seit der Kindheit bestehenden Neurofibromatose
bei dem Patienten stand, wage ich nicht zu entscheiden.
Bemerken will ich, dass in meinem Falle 6 (1901) die Osteotomie
ebenso prompt und vollständig von Konsolidation gefolgt war, wie bei
einem sonst gesunden Menschen unter gleichen Verhältnissen.
Vasomotorische Störungen im Bilde der Neurofibromatose
scheinen nach Landowski (1894, 1896) ira ganzen selten zu sein,
nach Oriot (1897) überhaupt zu fehlen.
Indes gelang es mir doch, aus der Literatur eine ganze Reihe
nicht gut anders zu deutender Erscheinungen zu sammeln und selbst
einen kleinen Beitrag dazu zu liefern.
In Köbner’s Beobachtung (1883) wird reichlicheres Schwitzen
der von der Neurofibromatose (multiple Neurome des Plexus brachialis
sin., cavernöse Angiome, Lymphangiome und Neurofibrome) befallenen
linken oberen Extremität angegeben. Auch war letztere um circa 1 0
wärmer als der rechte Arm.
In dem Fall 2 von Herczell (1890) sind die vasomotorischen
Erscheinungen (linke Hand livid und kälter als die rechte) allerdings
erst nach der Exstirpation eines plexiformen Neuroms am linken Arme
auf getreten.
Nächst einer Parese des ganzen linken Armes bestehen in dem
Falle von Petren (1897) vasomotorische Störungen an der linken Hand:
dieselbe ist immer deutlich kälter als die rechte. Die linke Hand
und der untere Teil des linken Unterarmes sind von einer blauroten,
lividen Farbe.
In dem Falle von Berggrün (1897) bestanden auch vasomotorische
Störungen, welche nach dem Autor auf eine Mitbeteiligung des Sym-
pathicus schliessen Hessen.
Es war dies der oft jähe und ohne äussere Veranlassung einsetzende
Farben Wechsel des Patienten. Tiefe, blasse und dunkle, bis zur Haar-
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grenze sich ausbreitende Röte kontrastierte rasch nacheinander und
zeitweise trat eine nur die eine Körperhälfte (meist die rechte Seite) be¬
fallende und sich rasch ausbreitende rote Färbung auf, oder einzelne
scharf umschriebene Erythemflecke wurden auf Stirn und Wangen des
Patienten sichtbar. Gewöhnlich war diese, offenbar auf Störung der
Vasomotoren zurückzuführende eigentümliche, stets nur halbseitig auf¬
tretende Färbung des Gesichtes und des Stammes die Einleitung zu
einem im Guss und ohne sonderliche Anstrengung erfolgenden Brechakt.
Vasomotorische Störungen werden in dem Falle von Feindei und
Froussard (1899) als ausdrücklich fehlend angegeben.
Eine — allerdings hysterisch veranlagte — Patientin Labouverie’s
(1899, Fall 5) bot am ganzen Körper die Zeichen des Dermographismus
(autographisme, urticaria factitia, grand dermographisme) dar.
Als vasomotorische Störungen aufzufassen bin ich geneigt eine
Reihe von Erscheinungen in dem von mir jüngst beschriebenen
Falle (1902), welche eine gewisse Aehnlichkeit mit den Zustanden, wie
wir sie bei der „Asphyxie locale“ zu sehen gewohnt sind:
Beide Hände der Patientin, ebenso die distale Hälfte beider Unter¬
arme, ferner die beiden Füsse sind leicht geschwellt, fühlen sich jedoch
weder besonders kalt noch feucht an und sind diffus dunkelblau cyanotisch
verfärbt, auf Druck nicht schmerzhaft
Eine ähnliche, nur weniger ausgesprochene, ebenfalls diffus in die
normal gefärbte Gegend übergehende Blaufärbung der Haut findet sich
auf der Patellargegend beiderseits.
Auch die Zungenspitze (vorderes Zungendrittel) zeigt eine ähnliche,
allmählich in das normale Zungenrot übergehende livide Verfärbung.
Andere Endteile, speziell Nasenspitze und Ohren, zeigen normale
Hautfarbe.
Subjektive und objektive Sensibilitätsstörungen im Bereiche der
eben erwähnten Hautstellen Hessen sich freilich nicht nach weisen — mit
Ausnahme der wohl durch den Tumor in der rechten Supraclavicular-
grube, also durch Druck bedingten Parästhesien des rechten Unterarms
und der rechten Hand. iForueuung folgt.)
II. Referate.
Magen.
Gastroptosis the cause of Symptoms erroneously attributed to
nephroptosis. Von A. Rose. New York med. Journal,* Vol.
LXXV, Nr. 25.
Gastroptosis und Nephroptosis sind immer nur Teilerscheinungen
einer allgemeinen Splanchnoptosis und sehr häufig beruhen die Sym¬
ptome, welche einer Wanderniere zugeschrieben werden, in Wirklichkeit
auf einer allgemeinen Enteroptose. Die Nephropexie ist daher sehr oft
eine überflüssige und irrationelle Operation und die Erfolge nach dieser
Operation sind gewöhnlich nicht durch die Nephropexie als solche zu
Stande gekommen, sondern durch die gleichzeitigen Massnahmen gegen
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522
die Enfceroptose: Bettruhe, Regelung des Stuhls, Bandagenbehandlung eto.
Die letztere muss die Hauptrolle in der Behandlung der Enteroptose
spielen. Mohr (Bielefeld).
Zur Pathologie und Therapie des Sanduhrmagens. Von K. Bü-
dinger. Wiener klin. Wochenschr., 14. Jahrg., Nr. 36.
Bei einer 42 jährigen Frau wurde wegen Sanduhrmagens zur Lapa¬
rotomie geschritten. Büdinger macht hier auf die diagnostische Wich¬
tigkeit des sogenannten „Rieselsymptoms“ aufmerksam. Wenn man eine
Hand auf die Gegend der Striktur legt und mit der anderen den Flüssig¬
keit enthaltenden cardialen Magenteil drückt, so fühlt man deutlich die
Flüssigkeit in dem anderen Sack wieder.
Bei der Operation fand sich eine T-förmige Narbe in der vorderen
Magen wand, etwa 6 cm vom Pylorus entfernt. Bald nachdem die Narbe
behufs Abtastung fest angefasst worden war, zeigten sich eigentümliche
Kontraktionserscheinungen des Magens, die sich bis in alle Einzelheiten
mit dem ersten Akt der von Hofmeister und Schütz beschriebenen
Bewegungen des Hundemagens decken, und Büdinger glaubt* darin den
sichersten Beweis für die Uebertragbarkeit dieses Tierexperimentes auf
den Menschen finden zu können.
Im gegebenen Falle waren die krankhaften Erscheinungen auf
einen spastischen Sanduhrmagen zurückzuführen, der sich als über¬
triebene und pathologisch verstärkte Wiederholung des physiologischen
Vorganges bildete.
Die vorgenommene Gastroenterostomie brachte vollständige Heilung.
Eisenmenger (Wien).
Zur Diagnose des Sanduhrmagens. Von Decker. Münchener med.
Wochenschr., 49. Jahrg., Nr. 37.
An der Hand zweier Fälle, deren Geschichte die einzelnen Ent¬
wickelungsphasen vom ersten Auftreten eines Magengeschwürs bis zur
Bildung der stenosierenden, die Sanduhrform des Magens bedingenden
Narbe deutlich erkennen lässt, erläutert Verf. die charakteristischen Merk¬
male und Schwierigkeiten der Diagnose. In beiden Fällen war im Ver¬
lauf einer Reihe von Jahren das Ulcus von Zeit zu Zeit recidiviert; in
den Zwischenzeiten fühlten die Patienten keine Beschwerden; aber die
immer wiederkehrenden Recidive hatten die Geschwürsfläche allmählich
vergrössert, die Narbenkontrakturen schritten mehr und mehr vor und die
Beschwerden wurden kontinuierlicher. Der Mageninhalt konnte nur mehr
unter den schmerzhaftesten Zerrungen der stenosierten Stelle vom car¬
dialen in den Pylorusteil hindurchgepresst werden und umgekehrt konnte
der stagnierende Inhalt des letzteren nur unter den lebhaftesten Schmerzeu
wieder erbrochen werden. Die starken, auch nach dem Brechakt an¬
dauernden, durch die Zerrungen bedingten Schmerzen sind darum ein
charakteristisches Zeichen. Das zweite Hauptsymptom ist der Rhythmus
des Erbrechens, das nicht mit einem Male, sondern in kleinen Por¬
tionen erfolgt.
Die Diagnose „Sanduhrmagen“ wird gesichert durch den Nachweis,
dass bei Ausspülung des Magens in aufrechter Körperhaltung das Wasser
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anfangs rein ausfliesst (cardialer Teil) und dann plötzlich von Speise¬
resten getrübt ist (Pylorusteil); ferner, dass nach Aufblähung des Magens
die Auftreibung eine ungleichmässige ist, wobei die Einschnürung meistens
deutlich zu erkennen ist, endlich, dass sich hierbei folgendes Phänomen
zeigt: bei Druck auf eine Magenhälfte ist ein Geräusch durchgepresster
Luft zu vernehmen, das aber bei Druck auf die Einschnürungsstelle
selbst fehlt. Wiskott (Berchtesgaden).
Pylorusstenose nach Vergiftung mit Salzsäure. Von A. Hammer¬
schlag. Wiener klin. Rundschau, 15. Jahrg., Nr. 41.
Drei Monate nach der Aufnahme von zwei Schluck roher Salzsäure
trat eine isolierte Pylorusstenose auf. Im Mageninhalt fehlte freie Salz¬
säure und war Milchsäure reichlich vorhanden. Vollständige Heilung
durch Gastroenteroanastomose.
Das Freibleiben von Oesophagus und Magen erklärt Hamm er¬
schlag durch das rasche Vorübergleiten der Salzsäure an der wahr¬
scheinlich besonders stark mit Schleim überzogenen Schleimhaut. Am
Pylorus wurde sie aufgehalten und konnte dort ihre volle Aetzwirkung
entfalten. Das Fehlen der freien Salzsäure im Mageninhalt beruht auf
der Schädigung der Sekretionsdrüsen des Magens durch die toxische
Gastritis, das Auftreten der Milchsäuregärung auf dem Fehlen der
Magen Sekretion in Verbindung mit der Stagnation des Mageninhalts.
Bemerkenswert ist das Auftreten von tonischen Kontraktionen des
ganzen Magens, die Hammerschlag auf die Rigidität der Magenwandung
zurückführt Eisenmen-ger (Wien).
Zur Frage der Entstehung von Magengeschwüren und Leber¬
infarkten nach experimentellen Netzresektionen. Von E. Sthamer.
Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. LXI, p. 518.
Durch v. Eiseisberg, Friedrich und Hoffmann ist klinisch
und experimentell nachgewiesen worden, dass bei Abbindungen am Netz
Nekrosen und Ulcera in der Leber und in der Magenschleimhaut auf-
treten können. Die Streitfrage ist nun, ob die blosse Verschleppung von
Thromben von der Operationsstelle aus diese Folge haben könne oder
ob eine bakterielle Infektion dazu erforderlich sei. Sthamer hat sich
nun an die Prüfung dieser Frage gemacht, indem er an Meerschweinchen
operierte und zwar unter den peinlichsten Oautelen, die er ausführlich
beschreibt, sowohl bei der Operation wie bei der Obduktion. Er impfte
vom Bauchfell und Netz am Anfang und Ende der Operation ab, ferner
bei der Obduktion vom Bauchfell, der Ligaturstelle und den entstandenen
Infarkten. Er kommt zu dem Resultate, dass beim Meerschweinchen
nach völlig aseptisch ausgeführter Ligatur und Resektion des Netzes
Infarkte in der Leber und Geschwürsbildung im Magen auftreten, ohne
dass bei der Obduktion Bakterienwachstum aus der Ligaturstelle sowohl,
wie aus den Infarktherden nachgewiesen werden kann. Bei absichtlich
nicht aseptisch ausgeführter Operation zeigte sich, dass trotz sicheren
Vorhandenseins von Bakterien die Veränderungen an Magen und Leber
nicht zahlreicher waren als in den ganz aseptischen Fällen.
Ulrich Rose (Strassburg i. E.).
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Partial gastrectomy for heniorrhagic nlcer. Von L. Hammond.
Philadelphia med. Journal, Vol. VIII, 12. Okt.
Die 28 jährige Patientin litt seit acht Jahren an Magengeschwür
mit zahlreichen Anfällen von Blutbrechen. Die Blutungen häuften sich
in letzter Zeit, bis schliesslich äusserste Anämie eintrat. Nachdem
Patientin sich bei ausschliesslicher Rectalernährung wieder etwas erholt
hatte, wurde ein an der kleinen Kurvatur sitzendes Geschwür durch
partielle Gastrektomie entfernt. Glatte Heilung. Das 4 cm lange Ge¬
schwür hatte bereits die Muscularis ergriffen; die Geschwürsränder waren
invertiert und die Mucosa mit der Muscularis auf der einen Seite des
Geschwürsrandes verwachsen; auf der anderen Seite, der Quelle der
letzten Blutungen, war der Geschwürsrand frei und granulierend.
Mohr (Bielefeld).
Le psendo-ulc&re stomacal d’origine biliaire. Von Gilbert und
Lereboullet Sociötö mödicale des höpitaux 1902, Nr. 27.
In der Symptomatologie der familiären Cholämie nimmt die „hyper¬
peptische Dyspepsie“ eine hervorragende Stelle ein. Zahlreiche Unter¬
suchungen haben den Verff. gezeigt, dass fast ohne Ausnahme die
Patienten mit hyperpeptischer Dyspepsie (= Superaciditas gastrica unserer
Nomenklatur) cholämisch waren. Die Schmerzen bei dieser Erkrankung
werden gewöhnlich für eine Zeit durch die Nahrungsaufnahme beseitigt;
indes gibt es auch Fälle, wo die Schmerzen nach dem Essen exacerbieren;
kommt nun bei den Fällen der letzteren Kategorie noch Bluterbrechen
vor, so entsteht ein dem Magengeschwür ähnliches Symptomenbild.
Es handelt sich meist um jüngere Personen, die schon längere
Zeit an Schmerzen, besonders nach den Mahlzeiten, und alimentärem oder
galligem Erbrechen gelitten haben. Das Bluterbrechen tritt mit oder
ohne Melaena auf ; das erbrochene Blut ist dunkel gefärbt, während es
bei dem echten Ulcus ventriculi von heller Farbe ist, ein Punkt, der
differentialdiagnostisch wichtig ist. Mitunter lässt sich Milzvergrösserung
konstatieren; in zwei Fällen sahen die Verff. ein Zurückgehen des Milz¬
tumors mit Eintritt der Magenblutung.
Diese Magenblutung kommt in der Weise zustande, dass sich unter
dem Einflüsse einer Hypertension des Portalsystems, als dessen Symptome
man auch die Milzvergrösserung und Hämorrhoidalleiden aufzufassen hat,
eine Dilatation der Oesophagus- und Magenvenen mit Varix¬
bildung ausbildet; infolge Platzens eines Varixknotens im Magen tritt
Hämatemesis auf.
In einem Falle, der tödlich verlief, fanden die Verff. an der
grossen Kurvatur nahe der Cardia eine 3 mm im Durchmesser fassende
Erosion, welche der Rupturstelle einer Vene entsprach.
Martin Cohn (Kattowitz).
Fibromyome et spasme du pylore. Von Poirier. Sociötö de chir.
de Paris 1902, söance du 26 fövrier.
Bei einer Frau, bei der mehrfach die Diagnose auf Carcinom des
Pylorus gestellt worden war, wurde eine Probelaparotomie ausgeführt
Ein Tumor wurde nicht aufgefunden und als Ursache der Beschwerden
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Spasmus des Pylorus angenommen. Infolgedessen Discission des Py¬
lorus, worauf man an dessen vorderer Innenfläche eine haselnussgrosse
Vorwölbung fand; die histologische Untersuchung zeigte ein reines
Fibromyom. Nach der Abtragung rasche, vollständige Heilung und
Schwinden aller Verdauungsstörungen. F. Hahn (Wien).
Ein Fall von Carcinomatose des Magens, des Bauchfells und der
Pleuren bei einer 23 Jahre alten Patientin. Von W. K. Mlo-
dzejewski. Med. obosrenje, Bd. LVI, p. 78. (Russisch.)
Die Krankheit dauerte nur ungefähr drei Monate. Zweimal wurde
der Bauch, einmal die Pleuren punktiert. Links Supraclavikulardrüsen
geschwollen, hart. Im Exsudat der Peritoneal- und Pleuralräume keine
Blutbeimengung. Sektion: Am Pylorus eine Narbe nach symptomlos
verlaufenem Geschwür, krebsig entartet; Peritoneum und Pleuren mit
Carcinomknötchen dicht besät; Lymphdrüsen in der Umgebung des
Pylorus und Pankreas, sowie im vorderen Mediastinum krebsig entartet.
Der Fall gehört zu den seltenen. Gückel (Medwedowka, Kiew).
Welche Methode ist für die Gastroenterostomie vorzuziehen? Von
W. M. Sykow. Die Chirurgie, Bd. X, p. 359. (Russisch.)
Sykow schildert zwei unglückliche Fälle, die die Unvollkommen¬
heit der früheren Methoden zeigen.
1. Pylorusstenose nach Verätzung mit Säure. Gastroenterostomia
anterior retrocolica. Am achten Tage nach Ricinusöl Heusssymptome,
Laparotomie nach zwei Stunden: Nähte der Oeffnung im Mesocolon auf¬
gegangen, Dünndarm, hier fast ganz durchgeschlüpft, liegt vorn über
dem Colon. Reposition. Am dritten Tage wieder Ileus. Laparotomie:
leichte Peritonitis, zuführender Schenkel voll, presst den abführenden
zusammen. Anastomose zwischen den Schenkeln; Tod am nächsten
Morgen.
2. Pyloruscarcinom. Gastroenterostomia antecolica anterior. Nach
einer Woche Stauung im Magen. Laparotomie: Magen und zuführender
Schenkel voll, abführender Schenkel leer. Anastomose zwischen den
Schenkeln, Tod sieben Tage später.
Verf. kommt zu dem Schlüsse, dass die vollkommenste Methode
diejenige von Roux ist. Gückel (Medwedowka, Kiew).
III. Bücherbespreclmngen.
Die chirurgische Behandlung der Gallensteinkrankheit Von H.
Kehr. Deutsche Klinik. Sonderabdruck.
Der vorliegende Aufsatz fasst den in zahlreichen früheren Publi¬
kationen des Autors entwickelten Standpunkt über die Pathologie und
Therapie der Gallensteinkrankheit in abgerundeter Darstellung zusammen.
Er betont die Notwendigkeit einer speziellen anatomischen Diagnose,
um deren Ausbildung sich bekanntlich Kehr, gestützt auf eine unge¬
wöhnlich grosse Zahl von Operationserfahrungen, besonders verdient ge-
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macht hat, und welche die Grundlage für eine rationelle Indikations-
Stellung bildet. Die chirurgische Behandlung fordert der Autor bei Ein¬
nahme eines „bescheidenen Standpunktes“ für folgende Fälle:
1. Für die akute serös-eiterige Cholecystitis mit deutlich nachweis¬
barem Gallenblasentumor. Im Gegensatz zu Naunyn ist Kehr der
Ansicht, dass hierbei die medikamentöse und exspeklative Therapie ge¬
fährlicher sei, als die Operation.
2. Bei Hydrops und Empyem der Gallenblase.
3. Bei Adhäsionsbeschwerden (fortwährende Schmerzen, Pylorus¬
stenose, Ileus).
4. Bei chronischem Choledochusverschluss durch Stein. In solchen
Fällen soll man nicht länger als drei Monate vom Beginn der ersten
Symptome an mit der Operation warten.
5. Bei akutem Choledochusverschluss nur bei bedrohlicher infek¬
tiöser Cholangitis (s. u.).
6. Bei chronisch recidivierender Cholecystitis, wenn Karlsbader
Kuren erfolglos blieben.
7. Bei chronischem Gallcnsteinmorphinismus.
Als Kontraindikationen werden folgende angeführt:
1. Akuter Choledochusverschluss, da hierbei die Steine per vias
naturales ausgestossen werden können.
2. Fälle bei alten Leuten, Diabetikern, Arteriosklerotikern, Herz-
und Lungenkranken und sehr fettleibigen Personen, ausser wenn eine
vitale Indikation vorliegt.
3. Bei seltenen geringfügigen Koliken ohne Icterus und bei häu¬
figen Koliken mit Icterus und jedesmaligem Steinabgang. In letzterem
Falle muss dennoch operiert werden, wenn sich der Patient zwischen
den Anfällen nicht erholt und immer elender wird.
4. Beim Carcinom der Gallenblase, wenn es Metastasen im Ligam.
hepato-duodenale und in der Leber gesetzt hat
Im Einzelfalle sind bei der Indikationsstellung ausserdem Alter,
Geschlecht und soziale Stellung der Kranken zu berücksichtigen.
Was die Art des Eingriffes anlangt, so empfiehlt Kehr für die
akuten Entzündungen der Gallenblase die Cystostomie, bei der chronisch
recidivierenden Form die Ektomie, am besten in Verbindung mit der
Hepaticusdrainage. Die Mortalität Kehr’s betrug bei 585 Operationen
am Gallensystem 14 °/o> bei Abzug der Fälle von Carcinom und diffuser
Cholangitis jedoch nur 3,7 °/ 0 . Echte Recidive hat er nie beobachtet
Beschwerden, die nach der Operation infolge zurückgelassener Steine,
Adhäsionen, wieder entstehender Entzündungen in der Gallenblase und
von Hernien auftraten, sind mit 15 °/ 0 Häufigkeit zu verzeichnen ge¬
wesen. Durch die Kombination der Ektomie mit der Hepaticusdrainage
hofft Kehr, auch diese „unechten Recidive“ in Zukunft auf ein Minimum
herabzusetzen. F. Honigmann (Breslau).
Klinische Vorlesungen über Kinderkrankheiten, n. Heft. Von
Nil Filatow. Verlag von Franz Deuticke, Wien 1902.
Diese Sammlung klinischer Vorlesungen findet in diesem zweiten
Hefte durch den kürzlich erfolgten Tod des bekannten Pädiaters ihren
Abschluss.
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Die anregende und originelle Art des Filatow'schen Vortrages
kommt auch in diesen Kapiteln zum Ausdruck. Ausführliche Behand¬
lung erfahren die protrahierten fieberhaften Prozesse im Kindesalter,
deren oft rätselhaftes Dunkel der Autor durch manchen praktisch nutz¬
baren Gesichtspunkt aufhellt. In ätiologischer Beziehung räumt er für
diese Fieberzustände der chronischen Influenza neben der Tuberkulose
einen wichtigen Platz ein und weist auf die differentialdiagnostisch und
therapeutisch wichtige Erfahrung von der Widerstandskraft beider
gegenüber den Fiebermitteln (Chinin) hin. Merkwürdig ist die grosse
Bedeutung, welche der Autor dem hysterischen und nervösen Fieber in
dieser Richtung zuschreibt In vielen Anschauungen teilt er die An¬
sichten der französischen Autoren, so z. B. nimmt er bei der Chorea
minor eine Chorea des Herzmuskels selbst an zur Erklärung der Un¬
regelmässigkeit und Geräusche am Herzen, im Gegensatz zu den deutschen
Autoren, welche die mit einhergehende Endocarditis dafür anschuldigen.
Aus der reichen kasuistischen Erfahrung in den Abschnitten über
die Nervenkrankheiten sei nur ein interessanter Fall von Myxödem des¬
halb angeführt» weil er eine Dystrophia musculorum progr. vortäuschte,
welche Diagnose erst auf den negativen Befund der mikroskopischen
Muskeluntersuchung hin fallen gelassen und durch die erfolgreiche
Schtlddrüsenbehandlung korrigiert werden konnte.
Im Kapitel über die akute Miliartuberkulose erwähnt er ihre rela¬
tive Seltenheit und begründet sie damit, dass er sich nicht erinnert, in
den 10 Jahren des Bestandes seiner Klinik einen reinen Fall gesehen
zu haben.
Sehr dankenswert ist die genaue Besprechung der Pyelitis und der
hamsauren Diathese im Kindesalter, deren Bedeutung bisher arg vernach¬
lässigt wurde; die Wichtigkeit des Harngrieses, die paroxysmalen Kolik¬
schmerzen, Migräneanfälle, das periodische Erbrechen sind Symptome
von grosser Prägnanz. In der Behandlung wird der Nachdruck auf die
Gefahr der Ueberfütterung gelegt
Das letzte Kapitel behandelt die gastrointestinalen Erkrankungen
des Kindesalters und kann eigentlich als eine Neubearbeitung Filatow’s
ausgezeichneter Monographie über die Dannkatarrhe der Kinder und des
Säuglingsalters (1893) betrachtet werden. Auf dem Standpunkte der
alten Wiener Schule stehend, hat der Autor auch sämtliche neueren
Forschungen, insbesondere der ätiologisch - bakteriologischen Richtung
(Escherich, Tissier), eingehend gewürdigt. In der Einteilung der
Darmerkrankungen und den Prinzipien der Behandlung wird wesentlich
Neues nicht erbracht.
Was das Buch besonders für den Studenten wertvoll macht, sind
ferner die zahlreichen und klar formulierten therapeutischen Ratschläge,
sowie das Eingehen auf die Fragen der individuellen Altersdosierung in
einer leicht zu merkenden Weise.
Es kann also dieses letzte Werk Filatow’s sowohl dem fachlichen
Rat suchenden Praktiker, als auch dem erst in die Pädiatrie einzuführen¬
den Anfänger als eine lehrreiche Sammlung grosser klinischer Erfahrung
dienen. Siegfried Weiss (Wien).
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Hermann von Uelniholtz. Von Leo Königsberger. I. Bd., 375 pp.,
mit 3 Bildnissen; II. Bd., 383 pp., mit 2 Bildnissen. Braunschweig,
Friedrich Vieweg & Sohn, 1902 u. 1903.
Ein sehr interessantes und fesselnd geschriebenes Buch, in welchem
der Lebenslauf des grossen Gelehrten und Forschers eingehend geschildert
ist. Der Verfasser, welcher zu Helmholtz in nahen persönlichen Be¬
ziehungen stand, hat ein umfangreiches Material gesammelt, dasselbe
sehr umsichtig geordnet und auf diese Weise ein getreues Bild des Lebens
Hermann v. Helmholtz' geliefert. Von allgemeinem Interesse durfte
die Schilderung der Beziehungen des Forschers zu seinem Vater sein;
anziehend ist auch die Beschreibung des Milieu, in welchem der geniale
Arzt aufwuchs. Sein Ringen und Streben haben in dem Verf. einen
liebevollen, aber streng gewissenhaften Darsteller gefunden.
Das gross angelegte Werk wird jedem, der die eigenartige Gestalt
Hermann v. Helmholtz* und seine Werke bewundert, eine willkommene
Lektüre bieten. Das Buch verdient weite Verbreitung, denn es lehrt
den Menschen wie den Forscher Helmholtz kennen.
H. Schlesinger (Wien).
Inhalt.
I. Sam mel-Referate.
Zesas, D. G., Ueber die Laparotomie
bei tuberkulöser Peritonitis, p. 481—490.
Münzer, M., Pankreascysten, p.490—502.
Herz, H., Ueber die nach Verletzungen
zurückbleibenden Veränderungen des
Gefässapparates (Fortsetzung), p. 502—
5*3-
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 514—521.
II. Referate.
Magen.
Rose, A., Gaslroptosis the cause of Sym¬
ptoms erroneously attributed to nephro-
ptosis, p. 521.
Büdinger, K., Zur Pathologie und
Therapie des Sanduhrmagens, p. 522.
Decker, Zur Diagnose des Sanduhr¬
magens, p. 522.
Hammerschlag, A., Pylorusstenose nach
Vergiftung mit Salzsäure, p. 523.
Stil am er, E., Zur Frage der Entstehung
von Magengeschwüren und Leberin¬
farkten nach experimentellen Netz*
resektionen, p. 523.
Hammond, L., Partial gastrectomy for
hemorrhagic ulcer, p. 524.
Gilbert u. Lereboullet, Le pseudo
ulc£re stomacal d'origine biliaire, p. 524.
Poirier, Fibromyomc et spasme du py*
lore, p. 524.
Mlodzejewsky, W. K., Ein Fall von
Carcinomatose des Magens, des Bauch¬
fells und der Pleuren bei einer 23 Jahre
alten Patientin, p. 525.
Sykow, W. M., Welche Methode ist
für die Gastroenterostomie vorzuziehen?
p. 525.
UI. Bücherbesprechungen.
Kehr, H., Die chirurgische Behandlung
der Gallensteinkrankheit, p. 525.
Filatow, N., Klinische Vorlesungen über
Kinderkrankheiten, p. 526.
Königsberger, L., Hermann von Helm¬
holtz, p. 528.
lim Einsendung von Monographien nnd Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I. Ebendorferstrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Ad ressen znsatz „Für die Redaktion des
Central blatte« für die Grenzgebiete“ versehen zn wollen.
I>ruck vüu Ant. Kämpfe in Jena.
Go gle
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der fledizin u. Ghirurgie.
Herausgegeben von
Di*. Hermann Sehlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 81. Juli 1908.
Nr. 14.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin lind Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Geladorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Vcrlagahandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Pankreascysten.
Von Dr. Max Müozer (Breslau).
(Fortsetzung.)
Aus dem pathologisch-anatomischen, besonders aber histolo¬
gischen Befunde wird die Diagnose auf ,^wahre Pankreascyste und
zwar Proliferationscyste des Pankreasgewebes“ gestellt.
Von diesen zu den Kystadenomen zu rechnenden Tumoren
hat Körte bereits 13 Falle zusammengestellt und beschrieben. Ein
weiteres hierher gehöriges Beispiel ist die in der Dissertation von
Schroeder (aus der v. Mikulicz* sehen Klinik) beschriebene
Geschwulst:
Die Cyste war mit dem Schwanzteil des Pankreas verwachsen. Der
Cystensack, reichlich vaskularisiert, besitzt eine derbfaserige, bindegewebige
Struktur. Innenfläche ganz glatt An den hinteren, dickeren Stellen
der Cystenwand im Bindegewebe in Gruppen liegende epitheltragende
drüsige Hohlraume, deren Elemente denen des Pankreas gleichen.
Aus derselben Klinik entwirft Takayasu folgendes histologische
Bild einer Pankreascyste, die schon aus den anamnestischen Angaben
Centrmlblatt f. d. Or. d. Med. u. Chir. VI. 34
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der langsamen Entwickelung die Diagnose auf Kystadenom nahe
legte:
Die Cyste hat eine fingerdicke Wand. Mikroskopisch ergab sich
durchweg hyalin entartetes Bindegewebe mit Einsprengung von Haufen
kleiner Rundzellen. Ferner sah man eine Menge kleiner Cystchen in
der Wandung und hie und da normales Pankreasgewebe.
Eine bei Oeffnung der Bauchhöhle als Ovarialkystom impo¬
nierende Proliferationsgeschwulst des Pankreas beschreibt Stark
(s. u.). — Von einem multilokularen Kystom, das sich bei der
mikroskopischen Untersuchung der Sackwand als ein Mittelding
zwischen proliferierendem Kystadenom und kystadenomatösem Car-
cinom herausstellte, also stark nach der malignen Seite zuneigto,
berichtet R. H. Fitz folgendes:
36jähriger Mann, vorher stets gesund, erkrankt Juli 1899 mit
dumpfen Schmerzen in der linken Lendengegend, nach dem Rücken
ausstrahlend, besonders heftig nachts; in Rückenlage am erträglichsten.
Allmähliche Zunahme des Schmerzes; im linken Hypochondrium erscheint
eine langsam wachsende Geschwulst. — Guter, zuletzt sogar excessiver
Appetit und Durst Unmittelbar nach der Mahlzeit Gefühl von Schwere
und Erschöpfung, Aufstossen, Gurren im Leibe, manchmal sichtbare
Peristaltik im Epigastrium. In letzter Zeit auch hin und wieder Uebel-
keit, Erbrechen und dabei Verstopfung. — In der Woche vor der Auf¬
nahme Anfälle von Herzklopfen; zwei- bis dreimal täglich Ohnmacbts-
gefühl. Eigentümlich riechender Atem. — Während des letzten Monats
musste Pat. nachts sechs- bis siebenmal Urin lassen, jedesmal über zwei
Quart, tagsüber dagegen nicht mehr als eine Pinte (1 Quart = 1,14 L
1 Pinte = 0,57 1). Das Körpergewicht hat um 5—10 Pfund zuge¬
nommen, dennoch Schwächegefühl und Arbeitsunfähigkeit; Füsse ge¬
schwollen.
Bleiches Gesicht. Temperatur 99° F. (37,3° C.), Puls 88, Respi¬
ration 20. Systolisches Geräusch an der Herzspitze und -Basis. Urin:
1014 spez. Gewicht, alkalisch, Spuren von Albumen, kein Zucker.
Epigastrium und linkes Hypochondrium eingenommen von einer
runden, resistenten Geschwulst, nach hinten bis gegen den 12. Brust¬
wirbel, vorne bis drei Querfinger oberhalb der Crista ilei und bis in die
Mittellinie reichend, während der obere Rand in der Höhe der linken
Brustwarze festgestellt wird. Geschwulst elastisch, Beweglichkeit zweifel¬
haft, linke Hälfte fluktuierend; sie liegt deutlich hinter dem Magen.
Diagnose: Pankreascyste.
Operation: Der Tumor liegt in der Bursa omentalis. Die Punktion
entleert rotbraune Flüssigkeit. Multilokuläre Cyste; die Scheidewände müssen
behufs Entleerung eingerissen werden. Exstirpation des Sackes. Einige
als erkranktes Pankreasgewebe imponierende und bösartig aussehende
Gewebsstücke werden mit entfernt. Heilung mit Fistel. Das aus dieser
aufgefangene Sekret enthält kein nachweisbares Pankreasferment Die
mikroskopische Untersuchung ergab den oben erwähnten Befund.
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Bei dem bereits erwähnten Falle Jaboulay’s, bei dem es sich
um eine 16 jährige Patientin gehandelt hat, wies die mikroskopische
Untersuchung der dicken, aus Epithelzellen verschiedenster Art zu¬
sammengesetzten Wand der Cyste, aus deren Inhalt, wie oben mit¬
geteilt, eine alle Fähigkeiten des normalen Pankreassaftes besitzende
Substanz durch Alkohol ausgefällt werden konnte, einen sicher
epithelialen Ursprung der Geschwulst nach, die in die Reihe der
Kystadenome zu rechnen ist. Tricomi exstirpierte bei einer
52 jährigen Patientin eine faustgrosse Geschwulst, zn der er sich
durchs Omentum minus einen Zugang bahnen musste und die mit
dem bei der Auslösung einreissenden Magen verwachsen war; der
Tumor ergab mikroskopisch das Bild eines Adenocarcinoma pan-
creatis. Obwohl nach dem bald erfolgenden Exitus das Pankreas
vollständig carcinomatös degeneriert aufgefunden wurde, habe
doch, wie Tricomi ausdrücklich hervorhebt, weder vor noch nach
der Operation Steatorrhoe oder Diabetes nachgewiesen werden können.
Von diesen selteneren, durch ihr langsames Wachstum und
ihre Bösartigkeit ausgezeichneten, den echten Geschwülsten beizu¬
zählenden Proliferationscysten sind ganz verschieden die von Körte
als Retentionscysten und als Pseudocysten aufgestellten Formen.
Schon Tilger und Dieckhoff deuteten die Retentionscysten hin¬
sichtlich ihrer Genese in demselben Sinne, wie es später Körte
that, d. h. als Folgen einer — wieder aus den verschiedensten Ur¬
sachen hervorgegangenen — chronisch indurativen Pankreatitis, bei
der es durch Wucherung des interlobulären Bindegewebes zur Kom¬
pression und Umschnürung der Sekretionsgänge, zur Sekretstauung,
Dilatation der Gänge und schliesslichen Ausbildung einer Cyste
kommt. Die einfache Verlegung des Ductus Wirsungianus und
seiner Aeste führt, wie klinisch - anatomische Beobachtungen und
neuerdings auch die von P. Lazarus angestellten Experimente er¬
geben haben, nie zu einer nennenswerten Dilatation des Gang¬
systems; es sind allein nur die sich an solche Versperrungen an¬
schliessenden chronisch entzündlichen Prozesse mit ihren narbigen
und cirrhotischen Konsequenzen in der Waüd der Drüsengänge,
welche den Hauptfaktor für die Entstehung der Cysten abgeben.
Wenn dabei die Sekretsperre infolge der Obturation eine komplette
wird, so tritt, wie Lazarus bemerkt, unter dem Einfluss der Pan¬
kreasfermente eine hämorrhagische Pankreatitis mit Nekrotisierung
der Drüsenzellen und des interstitiellen fetthaltigen Bindegewebes
ein und als schliessliche Folge ein Erweichungscystoid (Cystoid im
Gegensatz zur echten, reinen Retentions- und zur Proliferationscyste).
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Ira Anschluss an Infektionskrankheiten werden manchmal Degene-
rationscysteri beobachtet, welche — wie Lazarus auf Grund der
anatomischen Untersuchung zweier Fälle nach Typhus und Puerperal¬
fieber behauptet — sich als Folge einer akuten Pankreatitis mit
seröser Durchtränkung des Stützgewebes und Dilatation der Drüseo-
bläschen bilden und durch Konfluenz mehrerer Cysten vergrossern
können. — Auch den so viel bestrittenen Einfluss eines Traumas
hat Lazarus experimentell studiert und ist dabei zu dem Schlüsse
gekommen, dass „Cysten auf traumatischer Grundlage entstehen,
wenn das aus den lädierten Drüsengängen ausgeflossene Sekret
Digestion des Hämatoms, der Gewebstrümmer und des angrenzenden
Parenchyms bewirkt, während in der Peripherie die reaktive Ent¬
zündung zur Ausbildung der Cystenwand führt und die Resorptiou
infolge indurativer Vorgänge behindert ist“. Auch diese durch
Autodigestion im Anschluss an ein Trauma entstandenen Gebilde
rechnet er gleich den abgekapselten Ergüssen der Bursa omentalis
nach einer Pankreasruptur zu den sogen. Cystoiden; also haben, analog
den Körte'schen Pseudocysten, die Lazarus'schen Experimente
wohl ganz einwandsfrei die Genese einer Pankreascyste nach einem
Trauma erhärtet. Der immer wieder in den Berichten aufzufindende
Streit in diesem ätiologischen Punkte war eigentlich schon
längst zu Gunsten der positiven Anschauung durch ziemlich ein¬
deutige klinische Beobachtungen entschieden. Bereits einer der
ältesten Fälle hat den Beweis erbracht, der Fall Littlewoods,
der hier noch einmal kurz erwähnt sein mag:
30 jähriger Mann stürzt vom Pferde und bekommt dabei einen
Hufschlag gegen den Leib. Nach 13 Tagen Anschwellung im Epi-
gastriuni und in der linken oberen Nabelregion. Explorativpunktion
fördert dunkles Blut heraus. Allmähliche weitere Zunahme der Schwellung
unter heftigen Schmerzen. Wiederholte Punktion ergibt 300 g einer
alkalischen, salbeigrünen Flüssigkeit. Laparotomie. Eröffnung der Cvste.
Fixation an die Bauchwand. Flüssigkeit enthält Serumalbumin, Trypsin,
diastolische und fettemulgierende Eigenschaften und lässt Milch gerinnen.
Die verdünnenden Eigenschaften des Cysteninhaltes, vor allem
sein Trypsingehalt, sprechen unzweideutig für eine Pankreascyste,
die nach einer traumatischen Blutung ins Drüsengewebe entstanden
ist. An diesen Fall erinnert folgende Mitteilung von Seefisch
aus der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses im Friedrichshain:
Willy M., 12 Jahre, früher gesund, wird am 20. Oktober 1899
von einem Lastwagen überfahren, der quer über seinen Rücken ging
Blutaustritt aus Mund und Nase. Auf Grund des objektiven Befunde?
wird nach Aufnahme des Verletzten diagnostiziert: Contusio thomcis
Huemothorax sinister et Contusio renum.
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Drei Wochen post trauma Entleerung des Hämothorax durch
Punktion. Spater stellt sich Cystitis ein; Urin dauernd deutlich eiweiss-
haltig. 3 l / 2 Wochen nach der Verletzung zum erstenmal reichliches und
stark gallig gefärbtes Erbrechen, das sich in den nächsten 2 l / 2 Wochen
dreimal wiederholte. Weiterhin bildete sich immer deutlicher eine Ab-,
dominalgeschwulst in der Regio epigastrica aus, besonders nach links, aus
deren „luftkissenartig“ sich anfühlender Resistenz, deutlicher Fluktua¬
tion, ihrer pulsatorischen Hebung, aus der bald eintretenden absoluten
Dämpfung und aus der Lage des aufgeblähten Magens (vor dem Tumor)
die Diagnose auf eine Pankreascyste traumatischen Ursprungs gestellt wird.
Operation: Incision; Magen und kleines Netz vor dem Tumor;
Probepunktion durch das Oment. minus: wasserhelle, eiweissreiche Flüssig¬
keit Beim Versuch der Herstellung eines Zuganges zur Cyste von
hinten her durch einen Lumbalschnitt (weil vorn der Magen in ganzer
Ausdehnung der Cyste vorlag) tritt plötzlich eine kleine Perforation der
vorderen Magenwand ein; daher Fortsetzung der Operation von vorn.
Ein stark gebogener Troicart wird durch das Oment. minus in die Cyste
eingestossen und es werden circa 1100 ccm anfangs klarer, dann trüber,
fast milchiger Flüssigkeit, untermischt mit kleinen Fetzen, entleert. Cysten¬
wand eingenäht. Heilung. Schwund des Eiweisses.
Die alkalische, stark eiweisshaltige Flüssigkeit, in welcher mikro¬
skopisch Leucin- und Tyrosinkrystalle, vereinzelte Erythrocyten und
Leukocyten, sowie einzelne grosse Zellen mit grossem Kern, sowie massen¬
hafte, meist etwas abgerundete, glänzende, schwach gelblich aussehende
Tafeln — wahrscheinlich abgestorbene Peritonealepithelien ? — gefunden
werden, weist, wie bereits erwähnt, alle drei dem Pankreassekret eigentüm¬
lichen Fermente auf.
Wenn man den oben mitgeteilten Fall v. Elter als Pankreas¬
cyste ansieht» was der Autor selbst nicht thut, so ist er auch bei
den traumatischen Pseudocysten im Sinne Körtet einzureihen,
ebenso wie die Pankreascyste der 19jährigen Patientin Payr’s
(8. o.), die beim Radfahren einen heftigen Stoss in die Magengegend
erlitt und nach ca. 2*/* Monaten eine rasch an Grösse zunehmende
Geschwulst aufwies. Aehnlich liegt der noch zu beschreibende Fall
von Subbotiö, bei dem sich kurze Zeit nach einer heftigen Kon¬
tusion unter dem linken Rippenbogen eine allmählich wachsende
und schmerzhafte Geschwulst in der Gegend der Läsion entwickelte.
An den Fall Littlewood's erinnert der Bericht Lissjanski’s,
über den ich ein kurzes Referat im „Centralblatt für Chirurgie“
vorfinde:
11 jähriger Knabe: vor vier Monaten Hufschlag gegen die rechte
Bauchseite. Nach zwei Wochen fand sich hier eine Geschwulst. Ope¬
ration: Pylorus und Duodenum liegen der Geschwulst auf, letzteres von
ihr gegen die vordere Bauchwand gedrückt. — Die Cyste enthielt viel
trübe, dicke, rote Flüssigkeit; ihre Innenseite war glatt und ohne Vor¬
sprunge. Heilung mit kleiner Fistel.
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Aue diesen und mehreren anderen noch anzuführenden Bei¬
spielen geht zur Evidenz hervor, dass nach einem Trauma that-
sächliche Fälle von Pankreascysten diagnostiziert und operiert
worden sind. Nur über das Trauma als direkte Ursache der Cysten¬
bildung gingen und gehen wohl noch zur Zeit die Meinungen aus¬
einander. Während bereits Friedreich in seiner Abhandlung der
„Krankheiten des Pankreas“ in Ziemssen’s Handbuch solche „apo-
plektische“ Cysten aus einem durch ein Trauma herbeigefQhrten
Bluterguss ins Pankreas hervorgehen lässt und diese primären Blut¬
cysten von den sekundären Blutergüssen in die Höhle einer bereits
vorhandenen Cyste unterscheidet, bestreitet Tilger (s. „Beiträge zur
pathologischen Anatomie und Aetiologie der Pankreascysten“ in
Virchow's Archiv, Bd. CXXXVn) die Existenz sogenannter apo-
plektischer Cysten und sieht in jeder derartigen (hämorrhagischen)
Geschwulst nur den Ausdruck einer sekundären Blutung in eine
präexistente Cyste; andere Fälle lässt er überhaupt nicht als Cysten
gelten, sondern erklärt dieselben für gewöhnliche Bluteigüsse in die
Höhle der Bursa omentalis. Körte pflichtet im allgemeinen dieser
Tilger’schen Anschauung bei, sieht aber die traumatischen Blut¬
ergüsse in die Bursa omentalis als „Pseudocysten“ an, welche das die
vordere Fläche des Pankreas überziehende Peritoneum vor sich her
getrieben und schliesslich zerrissen haben. Insbesondere wendet er
gegen Tilger, der jede Hämorrhagie ins Pankreas für rasch tödlich
ansieht, ein, dass selbst umfangreiche traumatische Blutergüsse in
die Drüse und ihre Umgebung nicht selten unter völliger Resorption
in Genesung ausgehen oder mit der Ausbildung einer Pseudocyste
abschliessen. Als Beispiele hierfür nennt Körte ausser dem auch
von mir oben mitgeteilten Falle Littlewood's noch die Fälle von
Lloyd, Payr u. a. Diese Pseudocysten des Pankreas verdanken
also ihre Entstehung einer grösseren durch Trauma verursachten
Rhexisblutung, wobei sich der Bluterguss, eventuell noch durch se¬
kundäre Hämorrhagien infolge korrodierender Einwirkung des Pan¬
kreassaftes auf Gewebsparenchym und Gefässe vergrössert, gewaltsam
Bahn bricht, die hintere ßursawand zerreisst, sich in die Höhle des
Netzbeutels ergiesst und hier durch entzündliche Verklebungen zu
einem abgeschlossenen Haematoma bursae wird. Peritonitische Ad¬
häsionen, Verwachsungen, Verschluss des Foramen Winslowii sind
nach Dezmann charakteristische Komplikationen solcher Pseudo¬
cysten der Bauchspeicheldrüse, die, nach einem Trauma rasch ent¬
standen, unter peritonitischen Reizsymptomen einsetzen, während
sich die gewöhnlichen Retentionscysten ohne ausgesprochene perito-
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nitische Reizerscheinungen eventuell nur mit den Zeichen einer ge¬
störten Pankreasfunktion langsam entwickeln. Dezmann will in
folgendem Falle die Peritonitis vor dem Sichtbarwerden des Tumors
festgestellt haben:
Ein 12 jähriger Knabe erhält durch eine Wagendeichsel einen 8toss
in die Regio epigastrica. Ohnmacht Hämoptoe. 8chmerzen im Bauche
und Anschwellung daselbst Nach einem Monat wird (am 10. November
1898) bei dem herabgekommenen, leicht fiebernden (38—39°), dys-
pnoischen Patienten, der ein stark aufgetriebenes Abdomen mit Ascites
erkennen lässt, die Laparotomie gemacht und dabei werden 7 Liter hämor¬
rhagischer Flüssigkeit entleert Das Bauchfell ist injiziert, an der Vorder¬
seite des Magens wird eine 2 cm lange Narbe gesehen; hier keine
Adhäsionen, wohl aber sonst im Abdomen. Afebriler Verlauf. Ent¬
lassung am 18. Dezember.
Am 26. Dezember kehrt Pat. mit einer kugeligen, glatten, fluk¬
tuierenden Geschwulst über dem Nabel zurück. Oberhalb der Geschwulst
Magenschall, unterhalb sieht man die Konturen des Quercolons; über
der Geschwulst selbst leerer Schall. Keine Glykosurie und Steatorrhoe.
— Jetzt Diagnose Pankreascyste. — Operation am 30. Dezember nach
Gussenbauer. Glatte Heilung mit rasch vernarbender Fistel.
Die bei der Operation durch Troicart entleerte Flüssigkeit reagiert
alkalisch, zersetzt energisch Stärke, Eiweiss nur schwach, emulgiert da¬
gegen bedeutende Mengen Fett, dreht rechts. In ihr grosse Mengen
von Serumalbumin, kleine Mengen von Albumosen, Tyrosin, kein Zucker.
In der Epikrise hebt der Verfasser der Arbeit, von der mir
nur das Referat im „Centralbl. f. Chirurgie" zu Gebote stand, hervor,
dass sowohl nach den klinischen Symptomen, als auch nach dem
Befunde der drei Fermente die Geschwulst für eine Pankreascyste
angesehen werden musste. Aber bei der ersten Laparotomie war
keine Spur einer solchen vorhanden. Die damals gefundene Perito¬
nitis, welche nicht von der vernarbten und adhäsionsfreien Magen¬
wunde ausgegangen sein kann, sei vielmehr als eine Folge des
Traumas anzusehen, welches das Pankreas so getroffen haben müsse,
dass sein Sekret und Blut aus ihm in die Bursa oment. bezw. durch
dasForamen Winslowii in die Bauchhöhle geflossen seien. Nach sieben
Wochen bei der zweiten Laparotomie sei dann die cystische Ge¬
schwulst gefunden worden, die inzwischen durch Verschluss des
Winslow’schen Loches entstanden sei.
Der Erklärungsversuch Dezmann’s ist ohne Frage acceptabel.
Es handelte sich um eine freie Blutung in den Netzbeutel hinein
und durch diesen im Anfang bei Offensein des Foramen Winslowii
in die Bauchhöhle. Ob pseudomembranöse peritonitische Verkle¬
bungen das Foramen geschlossen und die circumscripte Ausbildung
des hämorrhagischen Cystoids herbeigeführt haben oder ob sich durch
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periphere reaktive Entzündung eine Wand um das Hämatom
entwickelt hat, ist aus der mir zugänglichen kurzen Mitteilung nicht
zu eruieren. Neben den innerhalb der Bursa abgeschlossenen Häma¬
tomen, den von Körte als Pseudocysten des Pankreas bezeichneteo
Gebilden, gibt es, wie aus klinischen und experimentellen Berichten
hervorgeht, sicher noch reine inkapsulierte Hämatome des Pankreas,
welche in loco, d. h. im Pankreas selbst, entstanden sind und nur
die Bursa von hinten her bis zum scheinbaren Schwund derselben
komprimieren. Diese hämorrhagischen Cvsten, auf deren Genese
auch jüngst noch Trochard in seiner Monographie „Pankreas-
Pathologie“ die Aufmerksamkeit lenkt, sind ebenso wie die
Kört eichen Pseudocysten als Folgen eines Traumas sehr nahe
untereinander verwandt und wohl — zumeist schon durch Ana¬
mnese und klinische Daten — von den sekundären Blutergüssen in
präexistente Cysten zu differieren, wobei es allerdings oft passieren
kann und wird, dass bei unklaren Antecedentien auch anatomisch
nicht jeder Zweifel fällt. So rechnet Subbotic seinen bereits mehr¬
mals gestreiften Fall auf Grund des pathologisch-anatomischen Be¬
fundes hierher, d. h. zu den sekundären Blutungen in eine bereits
vorhandene Cyste. Er liefert folgenden „Beitrag zur Kenntnis der
hämorrhagischen Pankreascysten“:
27 Jahre alte, ledige Dienstmagd, aufgenommen am 30. Oktober
1894. Stets gesund, nie gravid. Vor zwei Jahren heftige Kontusion
unter dem linken Rippenbogen; sofort heftige Schmerzen; kurze Zeit
darauf dort allmählich zunehmende, schmerzhafte Geschwulst
Status: Im linken Hypochondrium kindskopfgrosser Tumor nach
rechts bis über die Mittellinie, nach abwärts bis unter den Nabel.
Gedämpfter, von der Milzdämpfung nicht trennbarer Perkussionsschall
Glatte Oberfläche. Fluktuation. Tumor in die Quere verschiebbar; geringe
respiratorische Verschieblichkeit. Pulsation von der Aorta fortgeleitet
Von der Leber durch tympanitische Schallzone zu scheiden. Aufgeblähter
Magen und Colon liegen am unteren Pol der Geschwulst — ■ Innere
Genitalien normal. 5. November 1894 Laparotomie. Dabei wird die
retroperitoneale Lage der Gesclnvulst festgestellt. Punktion. Entleerung
von l l j 2 Litern einer deutlich hämorrhagischen Flüssigkeit Einnähen
der Cystenwand. Drainage. — Am 7. November Peritonitis. Exitus.
Wanddicke 3—4 mm; Gewebe der Wand fibrös, dort stellenweise
lamellärer Bau. An der hie und da gewellten, nicht glatten Innenwand
inselförmige Auflagerungen von gelbrötlicher Farbe und ebensolche Pig¬
mentierungen. Pankreaskopf zum Teil erhalten mit normalem, von etwas
derbfibrösem Bindegewebe durchsetzten Drüsenparenchym; der grösste
Teil des Pankreaskopfes wird indes von zwei Höhlen eingenommen, einer
nuss- und einer taubeneigrossen, welche von fibrösem Gewebe begrenzt
sind; die erstere enthält einen eingedickten reisähnlichen Inhalt
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Die grosse Cyste liegt zwischen Pnnkrens und hinterer Magenwaml,
ist mit letzterer und mit der vorderen Fläche der Cauda paucreatis ver¬
wachsen und kommuniziert mittelst zweier Fistelgänge mit dem Parenchym
des Pankreas.
Aus dem makroskopischen und dem bereits oben wiedergc-
gebenen mikroskopischen Befunde folgert Subbotic, dass die Cyste
dem Pankreas angehört. Ihre Entstehung Hesse sich, wie er aus dem
pathologisch-anatomischen Bilde herleitet, wahrscheinlich zurückführen
auf eine chronische Entzündung des Pankreas mit allmählicher
sklerotischer Induration der Drüse und Verlegung des Ansführungs¬
ganges oder eines seiner grösseren Aeste. Infolge des Traumas sei
es wohl zu einer Hämorrhagie in eine dieser cystischen Erweiterun¬
gen und damit zur Vergrösserung der Cyste gekommen. Die Ver¬
wachsungen seien eine Folge reaktiver Entzündungen. Dem An¬
fangsstadium der Cystenbildungen entsprechen die beiden kleineren
Hohlräume im Kopfe; die grosse entstand wohl aus einer ähnlichen
kleineren nach der traumatischen Blutung; sie entwickelte sich also,
worauf auch die l>eiden ins Drüsengewebe des Schwanzes führenden
Fisteln hiuweisen, aus cystisch dilatierten Drüsengängen der Cauda
pancreatis. Auf die Vergrösserung durch den Bluterguss lassen
die Blutpigmentschollen und die fibrinösen Beläge an der Ober¬
fläche der Cystenwand schliessen. Endlich sprächen für die ur¬
sprüngliche chron. Pankreatitis die fibröse Verdickung der Wände,
die Verdickungen der Intima und auch der Media vieler Blutgefässe
und einzelne periacinÖse und perivasculäre kleinzellige Infiltrations-
herde. — Traumatische Apoplexien, welche das Pankreas betreffen,
haben, mag es sich um eine primäre oder sekundäre Blutcyste
handeln, stets gewisse entzündliche Prozesse im Gefolge, die das
reine Bild der Pankreascysten komplizieren. In jedem Falle spielt
aber bei der Entstehung der letzteren eine verschiedenartig aus¬
gebildete Pankreatitis eine wichtige Rolle. Während bei inkapsu-
lierten Hämatomen und auch bei den Pseudocysten eine reaktive
Entzündung in der Peripherie, eine Art von Peripankreatitis, als
Folge des Traumas einsetzt, gehen bei der gewöhnlichen und
häufigeren Art von Pankreascyste chronisch indurative Vorgänge an
dem Organe voraus. Von den von Lazarus sogen. Degenerations¬
cysten abgesehen, bei denen eine akute Infektion das ursächliche
Moment abgibt, sind es stets chronische Zustände, welche den
Prozess im Pankreas einleiten, der zur chronischen interstitiellen
Entzündung und schliesslichcn Ausbildung einer Retentionscyste
führt Es werden als ätiologische Kräfte am häufigsten Gefäss-
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erkrankungen angegeben, Arteriosklerose und Endarteriitis obliterans.
Weil sich diese am häufigsten im Gefolge von Lues und chronischem
Alkoholismus einstellen, so hört man oft in der Anamnese voraus¬
gegangene chronisch gastritische Symptome nennen, welche in¬
dessen auch durch einfache Unbotmässigkeit im Essen und Trinken
herbeigeführt sein und zu sekundären Störungen im gesamten Ver¬
dau ungstractus Anlass geben können; letzteren fällt schliesslich auch
das Pankreas zum Opfer. Der Endeffekt aller dieser Erscheinungen
ist gegeben in chronischen indurativen, cirrhotischen Prozessen in
der Wandung der Drüsengänge mit Ausbildung einer Retentions¬
cyste. Als seltenere Ursachen der allmählichen Ausbildung dieser
Geschwulst werden in der älteren Literatur verschiedene Befunde
genannt, wie Kompression des Ductus Wirsungianus durch einen
Gallenstein im Duodochus, Lebercirrhose, Obturation des Ductus
Wirsungianus durch Ascaris lumbricoides im Falle Durante (?) und
Steine in den Pankreasgängen selbst. Auf letztere, die Bildung
von Pankreassteinen, glaubt Israel folgenden, als seinen dritten
veröffentlichten Fall zurückführen zu müssen:
51 jähriger Herr leidet seit 14 Jahren an einmal täglich eintreten¬
dem blutigen Erbrechen und an steter Uebelkeit, besonders nach jeder
Nahrungsaufnahme. Dazwischen Anfälle von heftigsten Koliken und
Fieberbe wegu n gen.
Kräftig angelegter, aber sehr abgemagerter Patient mit mannskopf¬
grossem Tumor im Epigastrium und linken Hypochondrium, der, wie die
Lufteinblasung erwies, vom Magen und Colon transversum bedeckt war.
Bei Freilegung der Geschwulst durch einen Schnitt parallel dem linken
Rippenbogen zeigt sich die Geschwulst aufs innigste mit dem über ihr
gelegenen Magen verwachsen, an dessen grosser Kurvatur wieder das
Quercolon in fester Adhäsion anliegt. Es scheiterte jeder Versuch, da
sich auch noch zwischen Magen und linkem Leberlappen eine untrenn¬
bare Verwachsung befand, zur Cyste zu gelangen. Daher unvollendete
Operation, Schluss der Bauchwunde.
12 Tage später Punktion durch die Bauchdecken und den Magen
hindurch, bis innerhalb einer Stunde, in der die mit Schlauch armierte
Punktionsnadel liegen blieb, etwas über ein Liter brauner Flüssigkeit
abgeflossen war, in der man keine Fermente nachweisen konnte. Pat
fühlt sich seitdem (seit vier Wochen) — bei vollkommenem Schwund
der Cyste — wohl, nur etwa alle vier bis fünf Wochen treten einen
Tag dauernde, mit mehrmaligem Erbrechen verbundene schmerzhaft*'
Attaquen im linken Hypochondrium und Rücken auf. Einmal erfolgte
eine reichliche Hämatemesis. (Fortacuung folgt.)
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Ueber die nach Verletzungen zurückblei¬
benden Veränderungen des Gefässapparates.
Zusammen fassende Uebersicht von Dr. Hans Herz (Breslau).
(Fortaetsung.)
51) Körte, Fall von Verletzung der Vena subclavia bei komplizierter Fraktur
der rechten Clavicula. Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins, Sitzung vom 6. Febr.
1899. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
52) Ders., Verletzung der Art. axillaris durch Schul lerluxation; Arterien naht.
Nachblutung. Unterbindung der Art. axillaris. Freie Vereinigung der Chir. Berlins,
Sitzung vom II. Febr. IQOI. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
53) Koslowsky, B. S., Gleichzeitige Unterbindung der Arteria und Vena
iliaca externa bei falschem (traumatischem) Aneurysma derselben. Chirurgija 1897,
Bd. I, H. 1. Ref. in Petersburger med. Wochenschr. 1898.
54) Krämer, Med. Korrespondenzbl. d. Württemb. ärztl. Landesver., Bd. VI,
H. 12. Citiert nach Thiem.
55) Landgraf, Bemerkungen zu einem Fall von Aortenaneurysma. Berliner
klin. Wochenschr. 1901, 38, 27.
56) H. Langley Browne, Traumatic aneurysm of internal maxillary treated
by ligature of common carotid. British med. Journ. 1897, 9. Oct.
57) Levai, T., Ein Fall von Aneurysma venosum. Wiener klin. Rundschau,
1901, Bd. XV, Nr. 36.
58) Le wen stern, E., Ein Fall von traumatischem Aneurysma der A. carotis
int. Gaz. lekarska 1901, Nr. 26. Ref. in Centralbl. f. Chir.
59) v. Leyden, Diskussion im Verein für innere Medizin in Berlin, Sitzung
vom 19. Okt. 1896. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
60) Ders., Ein Fall von Aneurysma der Aorta abdominalis. Deutsche med.
Wochenschr. 1900, Nr. 23.
61) Lindner, Ueber Gefässnaht. Berliner Klinik 1898, H. 118, April.
62) Lloyd, Jordan, Section of surgery der British med. assoc. 1897, 9. Oct
63) Madelung, Aneurysma der Art. axillaris. Unterelsässischer Aerzteverein
in Strassburg, Sitzung vom 28. Nov. 1896. Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
64) Makins, British med. Journ. 1900, Bd. I, p. 474.
65) Malkoff, G. M., Ueber die Bedeutung der traumatischen Verletzungen
von Arterien für die Entwickelung der wahren Aneurysmen und der Arteriosklerose.
Beitr. z. path. Anatomie von Ziegler 1899, Bd. XXV, H. 2.
66) Mancini, CI., Ematoma aneurismalico diffuso. La Riforma medica 1901.
Ref. in Deutsche med. Wochenschr.
67) Manning, Zur Aeliologie der wahren Aneurysmen. Inaug.-Diss., Frei¬
burg 1898.
68) Manz, Otto, Ueber ein Aneurysma der Schläfenarterie. Beitr. z. pathol.
Anatomie u. allgem. Pathol. 1898, Bd. XXIV, H. 3, p. 531.
69) Matas, R., Sutur der Vena subclavia bei einer Anastomosis arterio-venosa.
Sitzungsber. der Americ. Surgical Assoc. vom 8. Mai 1901. Philadelphia med. Journ.
1901, p. 1080, Juni.
70) Ders., Traumatic arterio-venous aneurisms of the subclavian vessels, with
an analytical study of fifteen reported cases including one operated. Transactions of
the Amer. Surg. Assoc. 1901. Ref. in Centralbl. f. Chir. 1902. Auch derselbe,
Journ. of the Amer. Med. Assoc. 1902, Nr. 2—5.
71) Mauclaire, An6vrysme de l’art£re cubitale dans sa portion carpo-m£ta-
carpienne. Bull, de la Soc. anat. de Paris 1897, 5. S., XI, 5, p. 208, F6vr.-Mars.
72) Michel, G., Rupture sous-coutan6e directe de Tart£re humorale. Gaz. de
Höp. 1901, LXXIV, 6.
73) Morris, Henry, Aneurysm of the renal artery. Lancet 1900, 6. Oct.
74) Murphy, Resection of Arteries and Veins injured in continuity etc.
Medical Record 1897, Vol. LI, Nr. 3.
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540
75 ) Pantzer, M., Quetschung des Oberkörpers bei einem Unfälle. Tod nach
sieben Jahren infolge Platzens eines Aneurysmas der absteigenden Brustscblagader.
Fraglicher Zusammenhang des Todes mit dem Unfälle. Vierteljahrsschr. f. gerichtl.
Med. 1898, 3. F., Bd. XV, H. 2, p. 313.
76) Parthey, Ein Fall von Unterbindung der linken Schlüsselbeinschlagader
nach Stichverletzung. Deutsche militär-ärztl. Wochenschr. 1900, BJ. XXIX, Nr. 10,
p. 515.
77) Parzewski, A. S., Ein Fall von Aneurysma der Bauchaorta infolge von
Trauma im Kindesalter. Cbirurgija 1897, Bd. I, H. 1. Ref. in Petersburger med.
Wochenschr. 1898.
78) Peukert, Innere Verblutung durch Bersten eines Aneurysma dissecans in
die Niere nach Trauma. Aerztl. Sachverst.-Ztg. 1901.
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Leipzig. Schmidts Jahrbücher, Bd. CCLV, p. 64.
80) Ders., Schussverletzung der Art. pulmonalis und der Aorta. Beitr. zur
klin. Chir. von Bruns 1897, Bd. XIX, p. 414.
81) Plattner, Ein Fall von Aneurysma der Art. brachialis. Geheilt durch
Exstirpation des Sackes. Beitr. zur klin. Chir. 1900, Bd. XXVI, H. 1, p. 8b.
82) Regnier, An6vrysme art^rio - veineux du sinus caverneux traite par le
serum g£latin6. Semainc m£d. 1901, T. XXI, Nr. 13.
83) Ri es mann, Ancurism of the thoracic Aorta due to traumatism; rupture
into the left pleural caviiy. Proceed. of the pathol. Soc. of Philadelphia 1899, Vol II,
Nr. 3, p. 40, Jan. Citiert nach Schmidt’s Jahrbüchern.
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Vena jugularis interna. Beitr. zur klin. Chir., Bd. XVII, H. 3.
85) Rosenbach, O., Die Krankheiten des Herzens und ihre Behandlung.
Wien u. Leipzig 1897, und Grundriss der Pathol. u. Therapie der Herzkrankheiten,
Berlin u. Wien 1899.
86) Schal ly, Zur Behandlung der Aneurysmen mittels Kompression. Prager
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Sitzung vom 12. Mai 1898. Ref. in Münchener med. Wochenschr.
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med. Wochenschr. 1900, Bd. XLVII, Nr. 20.
109) Zahn, Zwei Fälle von operativ geheilten Aneurysmen der unteren Ex¬
tremität. Münchener med. Wochenschr. 1898, Bd. XLV, Nr. 7.
110) Ziegler, Ueber Stichverletzungen der grossen Gefässe der Extremitäten.
Münchener med. Wochenschr. 1897, Nr. 27, p. 733.
in) Ders., Aerztl. Verein in München, Sitzung vom 11. Januar 1899. Ref.
in Deutsche med. Wochenschr.
B. Erweiterung der Gefässe.
Die Frage nach der traumatischen Entstehung von Arterien¬
erweiterungen (Aneurysmen im weitesten Sinne) — die Venen
kommen weniger in Betracht — ist von alters her viel ventiliert; die
Aetiologie gerade der interessantesten Form, des gewöhnlichen
Aortenaneurysmas, ist so wenig aufgeklärt, dass man schon zu einer
Zeit an Entstehung durch Verletzung dachte, als diese Krankheits¬
ursache noch nicht so modern war, wie heutzutage.
Die Frage liegt relativ einfach an den peripheren Arterien,
wenn ein schweres Trauma (Stich, Schusswunde, Zerreissung) ein
Gefä88 nachweislich mit oder ohne Trennung der bedeckenden Haut
verletzt, und das Aneurysma sich an diese Verletzung anschliesst.
Aber sie wird sehr kompliziert, wenn es sich um tiefliegende Ge¬
fässe, um leichtere Traumen, um sehr allmähliche Entstehung der
Gefässerweiterung handelt
Am klarsten liegen natürlich die Verhältnisse, wenn durch eine
Verletzung die Arterienwand in allen ihren Schichten perforiert ist,
mit oder ohne gleichzeitige Verletzung der Vene. Es kommt dann
zum traumatischen Aneurysma sensu strictiore resp. zum Aneurysma
arterio-venosum. Das Gefäss kann dabei direkt durch Schnitt, Stich,
eine zerquetschende oder zerreissende Gewalt eröffnet sein, oder es
wird an einer scharfen Knochenkante oder durch ein spitzes Knochen-
stuck lädiert
Dieses „falsche“ Aneurysma von der gewöhnlichen spontanen Form
ganz zu trennen, wie es viele Autoren, z. B. v. Schrötter, thun, dürfte
aus praktischen Gründen recht schwer sein, da sich die klinischen Bilder
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sehr ähneln können, auch die Entstehung oft zweifelhaft ist Thiem
weist darauf bin, dass etymologisch auch bei jenem nichts gegen die
Bezeichnung Aneurysma einzuwenden ist, da ävevQvva) auch „ich eröffne“
heisst. Gross wird aber die Verwirrung, wenn nun auf Grund unten
zu erörternder Anschauungen über die Genese des Aneurysma verum
letzteres als Aneurysma per rupturam oder traumaticum bezeichnet wird.
Die Pathogenese des traumatischen Aneurysmas sensu strictiore
hat u. a. v. Varendorff ausführlich besprochen.
Ist es nach Verletzung einer Arterie zu rascher Verklebung der
äusseren Wunde gekommen, während es noch fortblutet, oder ent¬
steht bei bereits vernarbter Wunde eine Nachblutuug, so entsteht
zunächst ein arterielles Hämatom. War die Gefässverletzung komplett,
so entsteht ein „endständiges“, oft diffuses und rapid wachsendes
Aneurysma. Bei inkompletter Arterien Verletzung drängt sich bei
einer Nachblutung das neue flüssige Blut in das ältere Gerinnsel,
es bildet in ihm Kanäle und Hohlräume (Atnussat’s „Trajets conduc-
teurs“), die mit flüssigem Blut gefüllt sind. Das frühere diffuse
Extravasat wird zum Teil resorbiert und abgekapselt; so entsteht
ein circumscriptes arterielles Hämatom, das dann eine eigene Wan¬
dung erhält: „randständiges“ traumatisches Aneurysma.
Ueber das Aneurysma arterio-venosum hat Vignolo neuerdings
eine experimentelle Studie veröffentlicht, ohne wesentlich Neues zu
bringen.
Was v. Varendorff hier schildert, ist das sogenannte falsche
Aneurysma, und es scheint, dass dieser Autor alle „traumatischen“
Aneurysmen auf eine derartige Genese zurückführen will. Er sucht
zwischen diesen „traumatischen“ Aneurysmen und den spontanen
scharf zu trennen, bei denen Trauma (Kontusion) höchstens als Ge¬
legenheitsursache in Frage käme, und die eigentliche Ursache in
krankhaften Veränderungen der Gefässwand (Arteriosklerose, Embolie
bei Endocarditis) läge.
In dieser Weise kann aber die Abgrenzung nicht vorgenommen
werden. Selbst bei Schussverlctzungen ist eine andere Entstehung
möglich, ohne dass man den traumatischen Charakter dieser Gcfäss-
erweiterungen bestreiten könnte.
Ich erwähne hier die Beobachtungen Hildebrandt’s aus dem
Burenkriege (1899—1900), der das Häufigerwerden von Aneurysmen
bei den modernen Verwundungen durch kleinkalibrige Geschosse
gegen früher hervorhebt.
Hildebrandt sah unter 339 Kleinkaliberverletzungen neun Ge-
fässgeschwülste. Zweimal war sicher die Vene beteiligt, dreimal handelte
es sich um ein Aneurysma traumaticum circumscriptum, einmal war es
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diffus. Bei einem Aneurysma der Subclavia bestand wahrscheinlich eine
echte Gefässgeschwulst.
Die Aneurysmen entstehen nach ihm meist durch Streifschüsse
der Wand; einmal fand Hildebrandt die Arterie ganz durch¬
schossen, die Vene angeschlitzt. Selten können aber auch durch
den Seitendruck des Geschosses Schädigungen entstehen, die erst
später zur Bildung von Aneurysmen Anlass geben. Die Entwicklung
des Aneurysmas kann in kurzer Zeit, im Anschluss au den Blut¬
erguss, erfolgen oder sie dauert längere Zeit; in letzterem Falle
kann z. B. eine Anstrengung dann ziemlich plötzlich die Gefässer-
weiterung zum Vorschein kommen lassen.
Es ist also selbst nach Schussverletzung die Entstehung durch
Perforation aller drei Schichten nicht immer erwiesen.
Häufiger kommen noch sicher traumatische Aneurysmen zu stände,
wenn bei Kontusionen oder Ucberdehnungen z. B. nur die inneren resp.
inneren und mittleren Arterienhäute reissen, wie das auch von
Herzog betont ist (Aneurysma mixtum der Aelteren); hieran schliesst
sich das Aneurysma dissecans, über das wir noch zu sprechen haben.
Oder die Media reisst allein ein, und die Gefässwand wird dadurch
weniger widerstandsfähig.
Endlich kann das Trauma ohne Einreissen die Gelegenheits¬
ursache zu Aneurysmen abgeben, etwa durch Blutungen in der
Gefässwand, an welche sich Degenerationen und Entzündungen
anschliesseu.
Eis darf also der Begriff des „traumatischen“ Aneurysmas nicht
zu eng gefasst werden. Die Schwierigkeit erhebt sich, wie gesagt,
erst, wenn die Verletzung gering und weit zurückliegend ist, wenn
die Umwandung des Aneurysmas zweifelhaft ist oder es sich
sicher um ein Aneurysma verum handelt Wir werden diese Fragen
noch beim Aortenaneurysma ausführlich erörtern und hier noch
einiges Spezielle über die Aneurysmen der übrigen Arterien
anführen.
Im Gebiete der gemeinschaftlichen Carotiden sind trau¬
matische Aneurysmen entsprechend ihrem nicht gerade häufigen
Vorkommen in den letzten Jahren wenige beschrieben, z. B. von
F. de Castro y Catorre und von Douty, dessen Fall eine eigen¬
tümliche Aufklärung fand.
Tiefe Unterbindung der Carotis konnte den Tod des 62 jährigen
Patienten nicht aufhalten, der schon circa einen Monat nach Beginn der
Symptome erfolgte. Die Sektion ergab ein Geschwür in der Höhe des
Ringknorpels, die augenscheinliche Eintrittsstelle einer eingedrungenen
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Nähnadel, welche die Carotis angestochen und ein falsches Aneurysma
erzeugt hatte. Die Blutung hatte sich besonders hinter Pharynx und
Oesophagus ausgebreitet.
Ein Aneurysma der Carotis int., entstanden durch Stichver¬
letzung bei einem 29jährigen Manne und geheilt durch Unterbindung
der Carot. communis, hat Lewenstern beschrieben. — Ob der
Wulf Cache Fall von Aneurysma der Carotis interna bei einem
8jährigen Mädchen hierher gehört, d. h. traumatischer Natur war,
ist nicht ganz sicher.
Das Aneurysma sas9 an der hinteren Pharynxwan J als wulst¬
artiges, aus dem Cavum pharyngonasale herabhängendes Gebilde, das
rasch wuchs. Es erscheint zweifelhaft, ob es bei Incision eines Ton-
sillarabscesses durch Verletzung eines Gefässes entstanden war, oder ob
durch den Abscess die Arterie arrodiert werden war. Auch hier brachte
die Ligatur der Carot. comrn. Erfolg.
Eine ganz besondere Beachtung verdienen gewisse aneurys-
matische Bildungen der Carot. int. in ihrem Verlaufe im Sinus
cavernosus, charakterisiert durch das auffällige Symptom des pul¬
sierenden Exophthalmus. Als Paradigma will ich den Fall von
Weiss hierhersetzen.
Ein 22 jähriger Kutscher wurde von einer Wagendeichsel an ein
Thor gepresst, so dass die Gewalt an der rechten Schläfe wirkte. Es
erfolgte Blutung aus Nase, Mund und linkem Ohr, sowie zweitägige Be¬
wusstlosigkeit. Als er aus dieser erwachte, spürte er rhythmisches Stossen
im Kopfe und synchron damit starkes Sausen, besonders links. Das
linke Auge erblindete allmählich. Am 10. bis 11. Tage trat eine Vor¬
treibung der beiden Augäpfel ein, links stärker als rechts. Die Pul¬
sation, die venösen Stauungen u. s. w. waren, wie gewöhnlich in
solchen Fällen, stark ausgeprägt. Bei Kompression der Carot. sin. gingen
die subjektiven und objektiven Symptome deutlich zurück.
Die Entstehung ist so zu denken, dass, meist bei Schädel¬
basisbrüchen, die Carot int. im Sinus cavernosus durch kleine
Knochenvorsprünge lädiert wird; dieser erhält arterielles Blut, es
entstehen in ihm Flüssigkeitswirbel, daher die höchst lästigen
subjektiven Kopfgeräusche, die seltener auch bei anderen Aneuns¬
men im Gebiet der Carot. int Vorkommen. Vor allem aber staut
sich infolge dieser Kommunikation zwischen Arterien- und Venen¬
system das venöse Blut in den Orbitalvenen, und so entsteht der
pulsierende Exophthalmus.
Zahlreiche derartige Fälle sind in den letzten Jahren be¬
schrieben, z. B. von Schally (Verletzung durch einen Strohhalm),
Sonnenburg-Silex (Schussverletzung), Beselin (Fall auf den Kopf),
Schreiber (eine Speiche eines Regenschirms drang tief ins Auge),
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Bodon (2 Fälle), Regnier, sowie besonders in der amerikanischen
Literatur.
Kompression, wie bei Schally, genügt sehr selten zur Heilung.
Auch Unterbindung einer Carotis genügt nicht immer, manchmal
müssen beide Carotiden unterbunden werden (Bodon). Eventuell
ist Resektion eines Stückes des Gefässes notig (Silex).
Im Gebiet der Ca rot ext ist ein haselnussgrosses Aneurysma
der Schläfenarterie bei einem 27 jährigen Steuermann beschrieben,
der zwei Jahre vorher einen Faustschlag gegen die Schläfe erhalten
hatte (Manz). Die anatomische Untersuchung der exstirpierten
Geschwulst ergab bedeutende Veränderungen ganz besonders der
Intima, die stark verdickt und von zahlreichen Hohlräumen durch¬
setzt war. — Die sehr seltenen traumatischen Aneurysmen der Art.
inaxillar, int. hat Woehrlin zu sammeln gesucht; er hält diese Er¬
krankung für so selten, weil die Wunden der betreffenden Gegend
meist Schusswunden sind und diese (wenigstens früher) wegen der
grossen Wundoffnung seltener Aneurysmen ergaben, als Stichwunden.
Die Diagnose ist gegenüber den Aneurysmen nahe liegender Arterien
nicht leicht zu stellen, oft erst bei der Autopsie, manche Fälle der
Literatur erscheinen daher ungewiss.
Sicher ist der Fall von Tytler und wahrscheinlich der von Krauss.
Ein Fall, den v. Eiseisberg beschrieb und bei dem nicht offene
Verletzung, sondern Kontusion durch Aufstürzen auf die linke Kopfseite
vorherging, stellte sich als Aneurysma der Art tempor. profunda heraus.
Als Therapie ist Kompression und, wenn diese ohne Erfolg ist, Unter¬
bindung der Carot ext empfohlen.
Nicht ausgeführt hat Woehrlin die Fälle von Langley
Browne und Jordan Lloyd.
Ersterer beschreibt den Fall eines 32 jährigen Bootsmannes, der ihm
am 12. März 1897 mit einem Unterkieferbruch, einer Wunde am Kopf
und am Nacken, sowie den Symptomen der Gehirnerschütterung durch
Hufschlag eines Pferdes eingeliefert wurde. Unter Fieber entstand eine
fluktuierende Schwellung an der Backe, am 5. April wurde Eiter ent¬
leert. Am 13. April erfolgte eine profuse Blutung aus der Schnitt¬
stelle, am 15. April war distinkte Pulsation nachweisbar, auch von dem
(herabgedrückten) weichen Gaumen her. Nachdem noch mehrere Blu¬
tungen aus dem Munde erfolgt waren, wurde am 26. April die Carotis
unterbunden und so Heilung erzielt.
In der Diskussion erwähnt Lloyd einen weiteren Fall bei einem
Landarbeiter, der von einem Heuschober auf die Zinken einer Heu¬
gabel gefallen war. Nach einigen Wochen zeigte sich eine pulsierende
Schwellung, die ebenfalls nach Unterbindung der Carot. ext, und zwar
rapid, heilte.
Cenlnlblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 35
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Das Gebiet der Subclaviae. L. Israel (1896) hat die
nach Stichverletzungen zurückbleibenden Aneurysmen der Schliissel-
beingcfnsse beschrieben. Die Erscheinungen setzen sich aus den
direkten Aneurysmasyinptomen und den Komplikationen zusammen,
welche sich meist auf den Arm der verletzten Seite beziehen.
Leichtes Kribbeln, schnelle Ermüdung, Gefühl des Taubseins, Aen-
derung der Schmerz- und Tastempfindung, aber auch schwere
Störungen bis zur vollständigen Abmagerung, Kraftlosigkeit und
Lähmung des Armes sind verzeichnet. Einmal trat nach Ablauf
eines Jahres Kurzatmigkeit ein. Wie die primären Hämatome sind
auch die Aneurysmen der Subclavia bei isolierter Algerien Verletzung
grösser, als bei gleichzeitiger Verletzung der Vene. L. Israel
fand im ganzen 20 Stichverletzungen der Schlüssel bei ngefässc in der
Literatur, von denen nur 11 überlebten; und von diesen 11 zeigten
sieben schwere Folgen, völlige Heilung keiner.
Matas sah nach einer Schussverletzung ein Aneurysma
arterio-venosum der Subclaviagefässe. Er unterband die Arterie,
nähte die Vene und erzielte Heilung mit Gangrän einiger Finger¬
glieder etc., ein in Anbetracht der schweren Verletzung immerhin
günstiges Resultat. Er fand in der Literatur 17 Fälle dieser
Affektion, sechs durch Schuss, acht durch Stich, einen durch Hieb,
zwei durch Schlüsselbeinfraktur.
v. Schrötter sah zweimal nach Schuss Verletzung Aneurysma
arterio-venosum der Subclaviagefässe. Der eine Fall sei als Paradigma
hier etwas ausführlicher beschrieben:
Am 19. April 1898 wurde gegen den 42 jährigen Gärtner H. M.
aus ziemlicher Nähe ein Schuss abgegeben, der ihn in die Brust unter¬
halb des rechten Schlüsselbeins traf. Als Folgen der Verletzung stellten
sich Gefühllosigkeit, Bamstigsein und endlich eine solche Schwäche in
der Extremität ein, dass sie der Kranke zu seiner Erleichterung in einer
Binde tragen musste. Nach zwei Tagen wurde die Kugel, die einige
Centimeter unterhalb des rechten Schulterblattes sass, extrahiert Spater
traten brennende Schmerzen im Arm auf, die dem Kranken den Schlaf
raubten. Massage und elektrische Behandlung brachten keine Erleichte¬
rung. Am 6. Juni 1899 fallen sofort die Schwellung an der rechten
Brustseite, der grössere Umfang an der Schulter und dem Arm der
rechten Seite auf.
Die Schwellung an der Brust drückt sich in der Weise aus, dass
der Umfang der rechten Thoraxhälfte, in der Achselfaltenhöhe gemessen,
63 cm gegen 49 cm der linken Seite betragt. Weiterhin treten die
Venen nicht nur deutlich hervor, sondern es ist auch die Schwellung
der vorderen Brustseite, die in ihrem obersten Anteile pulsatorisch ge¬
hoben wird, durch Venenkonvolute gebildet. Am Herzen ist nichts
Abnormes, aber gegen seine Basis zu, nach der Aorta hinauf, längs des
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rechten Sternalrande9 zum ersten Intercostalraume, von hier nach der
Achsel zu, endlich in der Fo9sa subclavicularis ein kontinuierliches, mit
jeder Systole verstärktes Sausen zu hören, das sich auch noch nach dem
Oberarm verfolgen lässt Sein Punctum niaximum liegt unmittelbar nach
aussen vor einer Narbe, die sich unter dem inneren Drittel der Clavi-
cula befindet Während das Geräusch an dieser Stelle auch bei stärkerem
Drucke mit dem Stethoskope gleich bleibt, wird es über den Venenkon-
voluten und der Vena jugularis externa, wo es überall sehr gut zu hören ist,
bei festerem Aufsetzen des Stethoskopes schwächer, verschwindet endlich
gänzlich. Im gleichen Sinne ändert es sich mit dem Heben des Armes.
Ueberall, wo man das Geräusch hört, fühlt man es auch als ein deut¬
licheres oder schwächeres Schwirren. Pulsation bestand an den Venen
nirgends trotz der Nähe der Einströmungsöffnung am Herzen.
An der rechten Seite ist oben der Schall etwas leerer und überall
ist vesikuläres Atmen zu hören. An den beiden Carotiden besteht keine
Differenz im Pulse. Die rechte Brachialis ist infolge der an der ganzen
Extremität verdickten Haut nicht tastbar, die Radialis sehr enge, der
PuU kaum zu fühlen. Der Unterschied tritt an den beiden Kurven
sehr deutlich hervor.
Die taktile Sensibilität erscheint am Ober- und Vorderarme und
an der Handfläche an der radialen Seite gegenüber der ulnaren leicht
erhöht. Die rechte Extremität ist schwächer als die linke.
Ein Aneurysma der Vertebralis bei einem 58jährigen arterio¬
sklerotischen Manne sah Hufschmied; er bezeichnet« es als nicht
traumatisch; doch war es nach einem plötzlichen Abrutschen des
Halses und Gesichts nach vorn und unten entstanden, das Trauma
also wohl als Gelegenheilsursache anzusehen.
Aneurysmen der Axillaris sind mehrfach beschrieben, z. B. von
Birt nach Schussverletzung. Von Interesse ist ein Fall von
Madelung, wo sich ein grosses Aneurysma im Anschluss an
Luxatio humeri entwickelte. Der Arm war völlig gelähmt und ge¬
fühllos. Bei der Operation fanden sich die Arteriae circumflexae
aus der Arteria axillaris ausgerissen.
Auch in einem Falle von Krämer entstand ein Aneurysma axillare
nach Verrenkung des Oberarmkopfes, wie angegeben ist, durch Zerreissung
von Verwachsungen, in denen das Gefäs9 mit eingeschlossen war, bei
den notwendigen passiven Bewegungen. Nach der Unterbindung der
Axillaris entstand eine schlaffe Lähmung des Armes, angeblich durch
die mangelhafte Ernährung nach der Unterbindung. Weder die spe¬
zielle Pathogenese des Aneurysmas noch der Lähmung erscheinen ein¬
wandsfrei.
Im Falle von Stich war besonders interessant die Kombination
eines Aneurysmas mit einem arteriellen Hämatom. Die Arterie
thrombosierte, und es entstand eine Hirnembolie (durch centrale Ver¬
schleppung thrombotischer Massen ?), die dauernd, auch nach Heilung
des Armprozesscs, Storungen zuriickliess.
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Aneurysmen der Brachialis sind von Birt, Plattner, Sinn¬
reich u. a. beschrieben. Die Exstirpation bringt meist schnelle Heilung
zu stände. Hervorzuheben ist der Fall von Levai: Aneurysma im
unteren Teil der Arteria brachialis, entstanden durch Stich in den
Oberarm mittels eines Holzsplitters. Es fand sich ein Aneurysma
arterio-venosum: in den Sack mundeten die Arterien des Ober- und
Vorderarmes, sowie die tiefe Oberarm- und mehrere tief gelegene
V orderarmvenen.
Von dem sehr seltenen Aneurysma der Arteria cubitalis (ulnaris)
dort, wo Carpus und Metacarpus zusammentreten, hat Mauclaire
einen Fall beschrieben, der durch Trauma bei vorhandenem Herz¬
fehler entstanden war. Mancini beschreibt einen Fall von diffusem
Aneurysma der Ulnaris nach Stichverletzung. ^Fortsetzung folgt.)
Die multiple Neurofibromatose.
(EteckHnghansen’sche Krankheit.)
Summelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent n. d. Univ. Strassburg
(Fortsetzung.)
Komplikationen.
Einen besonderen Abschnitt muss ich aus mehrfachen Grün¬
den der Besprechung der Erkrankungen der inneren Organe
und der Anhangsgebilde der Haut widmen.
Unter den Erkrankungen der inneren Organe spielen die
Krankheiten der Respirationsorgane, ebenso wie die des
Herzens und der Gefässe bei der Neurofibromatose eine geringe,
zweifellos sekundäre Rolle und sind unter die Folgezustände bezw.
Begleiterscheinungen der, wie wir weiter unten sehen werden, so
häufig gegen das Lebensende auftretenden Kachexie und des Ma¬
rasmus zu zählen oder aber als einfache Alterserscheinungen an¬
zusehen.
Was speziell die Tuberkulose und Pneumonie betrifft, so
werden wir auf diese gar nicht so seltenen Komplikationen noch
zu sprechen kommen.
Emphysem und Bronchitis, asthmatische Anfälle,
Myodegeneratio und Arteriosklerose, die bisweilen als Todes¬
ursache angegeben werden, scheinen keine ungewöhnlichen klinischen
Erscheinungen gemacht zu haben; solche wiesen auf die Kranken
von Pick (1865, Fall 2), Fremmert (1872/73, Fall 2), Kyrieleis
(1885, Fall 2), Lediard (1887), Koenigsdorf (1889) = Du
Mesnil (1890), Hashimoto (1890, Fall 3), Feindei (1896, OI>s.
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1 und 4), Jehl (1898, Fall 1) = Leredde und Bertherand (1898,
frühzeitige Arteriosklerose mit 27 Jahren), desgleichen auch die Pa¬
tientin von Posthumus (1900), Revilliod (1900, Arteriosklerose),
Bourcy und Laigncl-Lavastine (1900, Emphysem, Bronchitis,
Lungenhernie), Tikauaze (1901, Arteriosklerose, Myocarditis mit
Arhythmie der Herzaktion), mein Fall 1 (1901) und meine jüngst
beschriebene Patientin (1902, Arteriosklerose).
Bei Pomorski (1887, 1888) hatte ein von Intercostalnerven aus¬
gehendes Rankenneurom durch Druck auf die Vena cava ascendens zur
Ansammlung von hydropiseher Flüssigkeit in der Pleura- und Bauch¬
höhle, sowie zu ödematöser Durchtränkung der Haut der betreffenden
Körperhälfte geführt.
Eine Reihe von anderen Störungen von Seiten der Respirations¬
wege (Heiserkeit, Aphonie, Hustenanfälle, Atemnot und anderweitige
Störungen der Respiration etc.) hatte ihren Grund in Veränderungen
am Vagus oder stand mit Neurofibrombildung innerhalb der
Schädelkapsel im Zusammenhang. Wir haben diese Punkte in den
betreffenden Abschnitten der Symptomatologie bereits abgehandelt
und können hier darauf verweisen.
Vitia cordis wiesen auf die Kranken von Groh (1888,
Fall 1), Kracht (1899), Evans (1900), sowie auch mein Fall 11.
Der Kranke von Revilliod (1900) litt an Herzklopfen ohne
klinisch nachweisbare Veränderungen des Herzmuskels.
In dem Falle von Posthumus (1900) ist das Herz perkutorisch
nach links verbreitert; der Ictus cordis indes ist im vierten Intercostal-
raum innerhalb der Mammillarlinie sichtbar. Die Herztöne sind accen-
tuiert, der erste Mitralton ist verstärkt.
Braune Atrophie des Herzens finde ich verzeichnet in den Sektions¬
berichten von Kriege (1887, Fall 1, neben schiefriger Induration in den
Lungenspitzen, frischen bronchopneumonischen Herden und einer starken
Milzvergrösserung unbekannter Ursache), Koenigsdorf (1889) = Du
Mesnil (1890) und in meinem jüngst beschriebenen Falle (1902,
neben brauner Atrophie der Leber).
In dem Falle von Koenigsdorf - Du Mesnil ist als Todesursache
Insufficientia cordis direkt angegeben.
Ich habe bereits des Vorkommens von Neurofibromen an den
Verdauung8organen, nämlich der Zunge, dem Zungenboden, den
Tonsillen, dem Rachen, der Magen-Darmserosa, der Leber etc., ge¬
dacht, die ohne besondere Symptome, ausser Schluckbeschwerden
in dem Falle von Furet (1897) bei Fibrom der Tonsille, bestanden.
Was sonst von ähnlichen Beschwerden sich in der Literatur
findet (Berggrün 1897, Henneberg und Koch 1901, Fall I)
stand mit Fibrombildung im Nervus glossopharyngeus im Zu¬
sammenhang.
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550
Tn vereinzelten Fällen finden wir Beschwerden von Seiten des
Magens, zum Teil ohne anatomische Grundlage verzeichnet, so bei:
Desnos (1872), Fremmert (1872/73, Fall 2), Hallopeau (1889),
Launois und Variot (1883, Obs. 1), Vezely (1897), Mouchet
(1900), Revilliod (1900), Hallopeau und Fouquet (1901), mein
Fall 5 (1901: Ulcus ventriculi chronicum?), mein Fall 12 (1901).
Hand in Hand damit gehen meistens Appetitlosigkeit, Erbrechen
(Launois und Variot 1883, Obs. 1), Stuhlverstopfung abwechselnd
mit IJiarrhoen (Revilliod 1900) oder Verdauungsstörungen anderer
Art (Hallopeau und Fouquet 1901) einher.
Die Magenschmerzen bei der Patientin von Thibiörge (Soc. m&i.
d. höp. 1898) traten fast in unmittelbarem Anschluss an die Nahrungs¬
aufnahme auf, waren von fünf bis sechs Minuten Dauer, strahlten ge¬
legentlich gegen den Rücken aus und waren von Aufstossen begleitet
Diese Beschwerden waren vor zwei Jahren zuerst aufgetreten und nahmen
an Intensität langsam zu. Seit vier bis fünf Monaten besteht im unmittel¬
baren Anschluss an die Nahrungsaufnahme Erbrechen, nie Blutbrechen.
Stuhlgang geregelt, ohne pathologische Beimengungen. Weder Aufge¬
triebensein der Magengegend, noch Plätschergeräusche. Dem Perkussions¬
ergebnis zufolge scheint auch keine Ektasie des Magens zu bestehen.
Die Mageninhaltsuntersuchung ergibt eine Hyperacidität des Magensaftes
und eine Verminderung der freien Salzsäure bei Vorhandensein von
Spuren Milchsäure und Fehlen von Buttersäure (H = 0,035, C = 0,170,
A = 290).
Beiläufig erwähnt Thibiörge bei der Besprechung dieses Falles
eine zweite, einen ca. 50 jährigen Mann betreffende Beobachtung, welcher
neben seinen multiplen Neurofibromen an ähnlichen Magenschmerzen im
unmittelbaren Anschluss an die Nahrungsaufnahme litt
Der Kranke von Ramond (1896) = Chauffard (1896) litt an
kolikartigen Schmerzen in der Magengegend, schmerzhaftem Erbrechen
und hartnäckigen, seit zwei Monaten bestehenden Diarrhoen. Die Magen¬
inhaltsuntersuchung ergab Fehlen von freier Salzsäure und Vorhanden¬
sein von Spuren von Pepton und von Milchsäure.
In meinem Falle 7 (1901) bestanden starke Schmerzen in der
Magen-Lebergegend, die öfters, aber keineswegs immer, abhängig waren
von der Qualität und Quantität der genossenen Nahrung. Dabei be¬
stehen Icterus und unregelmässige Stuhlentleerungen. Nie Erbrechen
oder Aufstossen. Dps übrige klinische Bild sowie das Ergebnis der
Magensaftverhältnisse Hessen an dem Bestehen eines Carcinoma ventriculi
(mit Metastasen in der Leber?) keinen Zweifel.
Die Kranken von Pick (1865, Fall 2) und Fremmert (1872/73,
Fall 1) litten zuweilen an Durchfällen.
Der Patient von Bagshawe (1893), der hochgradig abgemagert
ist, litt an hartnäckiger Diarrhoe und copiösem Erbrechen und wies eine
Magendilatation und eine Milzvergrösserung auf.
Im Vordergründe der Erscheinungen standen die Diarrhoeen in
den Beobachtungen von Hebra jun. (1874), Shattock (1887) und
Ouvry (1893).
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Der 32jährige Bauer von R. W. Smith (1849, Fall 2), welcher
an Gastroenteritis zu Grunde gegangen war, ist ein typisches Beispiel
für die bei sehr reichlicher, innerer, namentlich sympathischer Neurom-
bildung gegen das Lebensende hin beobachteten profusen Diarrhoeen.
Ob solche Neurombildung in allen eben erwähnten Fällen
bestanden hat und die Ursache der Diarrhoen war, lässt sich nicht
sagen, da nur für einen Teil dieser Beobachtungen Autopsien vor-
liegen und für die übrigen Anhaltspunkte für eine Mitbeteiligung
der Darmnerven sich in den betreffenden Krankengeschichten nicht
auffinden lassen.
Anders eine Reihe anderer Beobachtungen.
Bei der 48 jährigen Frau von Briquet und Chörigiö (1898),
bei welcher sich die Krankheit ganz plötzlich nach einer anstrengenden
Krankenpflege entwickelt haben sollte, gesellten sich mit zunehmendem
Wachstum und Vermehrung der Fibrome starke Abmagerung, leichte
Mattigkeit, Appetitlosigkeit und heftige Leibschmerzen hinzu, als deren
Ursache von den Autoren zahlreiche erbsen- bis nussgrosse Knoten auf
dem Peritoneum und Darm angeschuldigt werden. Eine Autopsie fehlt.
Auch in dem Falle von Posthumus (1900) werden von dem
Autor die bestehenden Magen sch merzen auf Tumorbildung im sym¬
pathischen Nervensystem zurückgeführt, und zwar mit mehr Recht, da
die Autopsie vorliegt.
Der in diesem Falle zugleich bestehende Ascites war bedingt durch
ein vom Plexus lumbalis ausgehendes, sarkomatös degeneriertes Neuro¬
fibrom und zahlreiche Metastasen an Netz, Zwerchfell etc. Das Fibrom
hatte Mannskopfgrösse. Im übrigen musste der Ascites, weil er durch
seine Grösse zu heftiger Dyspnoe geführt halte, punktiert werden, wobei
4 1 /, Liter sanguinolenter Flüssigkeit mit einem spezifischem Gewicht von
1021 entleert wurden. Mikroskopisch fanden sich rote Blutzellen, Leuko-
cyten und einige Fibringerinnsel.
Auch in dem Falle von Ramond (1896) = Chauffard (1896)
lassen sich die hartnäckigen Diarrhoen mit den Neubildungen in der
Bauchhöhle in Zusammenhang bringen. Desgleichen in dem Falle von
Ouvry (1893).
Auch die chronischen Diarrhoen in dem Falle von Sorgo (1902)
sind möglicherweise auf sympathische Neurombildung am Darm zurück¬
zuführen : wenigstens ist hinter dem Rectum ein eigrosser, mässig harter
Tumor zu fühlen.
Im allgemeinen machen aber die Fibrome der Darmwände,
des Mesenteriums und Peritoneums, auch wenn sie sehr zahlreich sind,
keine klinischen Erscheinungen, nicht einmal, wenn sie eine gewisse
Grosse erreichen oder in maligner Weise degenerieren. So in dem
einen Fall von v. Recklinghausen (1882, Fall 1), Kohtz (1893)
und in meinem jüngst beschriebenen Falle (1902). Von einer
krebsigen Stenose der Cardia berichtet Siemens (1874).
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552
Mein Patient, Fall 7 (1901), litt an Icterus, desgleichen die
Kranken von Kyrieleis (1885, Fall 1) und von Labouverie
(1899, Fall 4).
Während, wie schon oben erwähnt, in meinem Falle das
klinische Bild sowie das Ergebnis der Mageninhaltsuntersuchung
an dem Bestehen eines Carcinoma ventriculi (mit Metastasen in der
Leber?) keinen Zweifel auf kommen Hessen, wurde in dem Fall von
Labouverie als Ursache des Icterus eine hypertrophische Leber-
cirrhose angegeben und in dem Fall von Kyrieleis ein Carcinom
des Ductus cysticus durch Autopsie aufgedeckt.
Bei dem Patienten von Tikanaze (1901) fand sich die Leber
bei Druck schmerzhaft, hart, der untere Leberrand war uneben, abge¬
rundet, ihre Oberfläche von höckeriger Beschaffenheit. Die Milz war
wohl auch vergrössert. Bei dem Mitbestehen eines Ascites glaubt
Tikanaze, dass ein Carcinom der Leber vorliege, vielleicht ein Sarkom
derselben, „das sich an Stelle eines Fibroms entwickelt haben mochte“.
Die Grossmutter des Patienten von Menke (1898), die übrigens
wie ihre Tochter und ihr Enkelkind selbst an multiplen Neuromen litt,
bot ausserdem die Zeichen einer vorgeschrittenen Lebercirrhose.
In Fall 1 von v. Recklinghausen (1882) fand sich in der
Gallenblase viel galliger Inhalt, ziemlich dünnes Sediment aus kleinen
Körnchen zusammengebacken, Pigmentsteine (schwarz, höckerig).
Auch in meinem Falle 2 (1901) deckte die Autopsie eine An¬
zahl Steine in der Gallenblase auf, welche klinisch ebensowenig Sym¬
ptome gemacht hatten wie in der vorigen Beobachtung.
Labouverie’s Fall 5 (1899) litt ebenfalls an Gallen- und
Nierensteinen.
Bei dem Patienten von Thibierge (Annales 1898) bestand ein
„certain degrö d'hyperösthösie de la rögion höpatique“.
Der Kranke Revilliod’s (1900) litt an Leberhypertrophie und
„pseudocoliques höpatiques“, die Kranke von Thibiörge (Soc. med. d.
höp. 1898) an Leberhypertrophie: die Leber überschritt in diesem Falle
den Rippenbogen um zwei Querfingerbreiten.
Braune Atrophie der Leber sah ich in meinem Falle von 1902.
Das Bestehen eines Milztumors wird, meist neben anderen
Symptomen der Pfortaderstauung, besonders hervorgehoben im Falle
von Bagshawe (1893), Posthumus (1900), Revilliod (1900) und
Tikanaze (1901).
In der Beobachtung von Kriege (1887, Fall 1) bestand neben
schiefriger Induration in den Lungenspitzen und frischen bronchopneu-
monischen Heiden eine starke Milzvergrösserung unbekannter Ursache.
Ausser den bereits erwähnten Fällen gingen an malignen
Neubildungen innerer Organe zu Grunde mein Fall 6 (1901:
Sarkom des Gehirns) und mein Fall 11 (1901: Sarkom des
Rectums).
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553
In dem Falle von Chauffard (1896) = Ramond (1896)
fand sich neben den Veränderungen der Nebennieren auch ein
Adenom des Pankreas.
Das Organ selbst war enorm vergrössert, besonders der Kopf und
der eigentliche Körper. Der Urin wird in diesem Falle als eiweissfrei
angegeben, auf Zucker scheint überhaupt nicht untersucht worden zu
sein. Indes bestand eine hartnäckige Diarrhoe und der Stuhl schien ge¬
legentlich recht fetthaltig zu sein.
In dem Falle von P. Marie und Couvelaire (1900) ist das
Pankreas ein wenig sklerosiert; histologisch ist dasselbe ohne Besonder¬
heiten.
In v. Recklinghausen^ Fall 1 (1882) bot das Organ nichts be¬
sonderes, ebensowenig in meinem jüngst beschriebenen Falle (1902).
Genauere pathologisch-anatomische Veränderungen von Seiten
des Urogenitalapparates sind im ganzen nur selten beschrieben
worden.
In dem Falle von Ouvry (1893) bestand eine doppelseitige
Hydronephrose mit enormer Erweiterung der Nierenbecken und der
Harnleiter. Sie war bedingt durch einen Nerventumor des kleinen
Beckens. Die Urinbeschaffenheit wird als eine normale bezeichnet.
Die Erweiterung des linken Ureters in dem Falle von Posthumus
(1900) war wohl direkt die Folge des Druckes auf dieses Organ von
Seiten des obenerwähnten grossen Tumors der linken Fossa iliaca.
Fall 5 von Labouverie (1899) litt an Nieren- und Gallensteinen.
Funktionelle Störungen von Seiten der Blase sind
wiederholt beschrieben und gingen meist mit solchen von Seiten
des Mastdarms Hand in Hand und hatten alsdann wohl aus¬
nahmslos eine centrale Ursache.
So in den Fällen von Sieveking (1896), v. Büngner (1897),
Berggrün (1897), Posthumus (1900), in denen Incontinentia urinae
et alvi bestanden, ferner von Sorgo (1902), in dem nur eine Inconti¬
nentia urinae vorhanden war.
Gelegentlich konkurriert hier noch ein anderes Moment, die
Demenz der Kranken, welche sich des Aktes der Defäkation gar
nicht mehr bewusst werden, wie in dem Falle von Berggrün (1897).
In dem Falle von Ouvry (1893) bestand ebenfalls eine Incon¬
tinentia urinae; jedoch war sie in diesem Falle bedingt durch einen die
Blase gleichsam komprimierenden neuromatösen Tumor des kleinen Beckens.
In dem Falle von Schüle (1902, Fall 1) ist von nicht näher
definierten „Blasenbeschwerden“, an denen Patient leidet, die Rede.
Veränderungen der chemischen Zusammensetzung des
Urin es sind öfters beschrieben worden. Sie dürften durchweg als
accidentelle Befunde gedeutet werden.
Revilliod’s Kranker (1900) zeigte eine geringfügige Albuminurie,
desgleichen der Patient von Little (1901).
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554
Ich habe in keinem meiner Fälle, soweit nicht eine ander¬
weitige Ursache eruiert werden konnte (Fieber etc.), je Eiweiss,
Zucker oder von der Norm abweichende Farbstoffe im Urin ent¬
decken können.
Salomon (1877), Launois und Variot (1883, Obs. 1), Chauf-
fard (1896), Spillmann (1900) und Posthumus (1900) heben dies
auch ausdrücklich für ihre Kranken hervor.
Der Anwesenheit von Urobilin im Harn des Kranken von Re-
villiod (1900) und der Patientin von Thibi&rge (Soc. m6d. des höp.
1898) ist meiner Ansicht nach ebensowenig Wert beizulegen, wie den
Angaben Robin's (Jehl 1898, Fall 1 = Leredde und Bertherand
1898) über den Eiweiss- und Mineralstoffwechsel des Neurofibromkranken;
die Meinung Robin’s, dass „ces faits constituent un 616ment qui peut
n*6tre pas sans importance sur cette curieuse maladie“, scheint mir nicht
stichhaltig.
Bei dem Mangel einer Bilanz haben die Urinanalysen in diesem
Falle sowohl, als auch in dem von Thibierge (Soc. m6d. des h6p.
1898, p. 147) absolut keinen Wert und können dergleichen Unter¬
suchungen nicht als Stoffwechselversuche gelten.
Die eben erwähnte Kranke Thibierges blieb zuckerfrei, auch
nachdem sie der Probe der alimentären Glykosurie unterwerfen worden war.
In dem Fall Hoisnard’s (1898) bestand offenbar ein richtiger
Diabetes melitus.
Robin vermisste Zucker in seinem Falle.
Eine besondere Besprechung verlangen die besonders von
französischer Seite beschriebenen Störungen der Geni talfunktion
Neurofibromkranker und die ebenfalls gar nicht so seltenen
Störungen der Menstruation.
Bezüglich des Geschlechtslebens Neurofibromkranker Hesse
sich vielleicht folgendes bemerken:
Bei den von mir beobachteten Kranken war entsprechend dem
Grade der Kachexie die Libido verschwunden.
Kittmann (1884) betont die Abnahme der sexuellen Fähigkeit
seines Patienten bei bestehender Spermatorrhoe.
Bei dem 43jährigen Patienten von Hashimoto (1890, Fall 3)
sind die Geschlechtsfunktionen seit acht Jahren aufgehoben.
Feindei und Oppenheim (1898 Obs. 1) erwähnen eine erheb¬
liche Abnahme der schon früher geringen Geschlechtslust in den letzten
Jahren.
Der 32jährige Kranke von Feindei und Froussard (1899)
hat noch nie geschlechtliche Beziehungen gehabt. Indes sind seine
Genitalien normal gebildet, auch hat er Erektionen. Die „inappetertce
sexuelle“ des Patienten und seine „inaptitude ä la Conservation de
l’espöce“ reihen Feindei und Froussard den übrigen Degenerations¬
zeichen, die Patient darbietet, an.
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555
Feindei (1896), Feindei und Oppenheim (1898, Obs. 2),
Labouverie (1899) machen auf die „frigiditä sexuelle“ ihrer Kranken
aufmerksam. Bei Männern sowohl wie bei Weibern wollen Feindei
und Froussard (1899) gut in der Hälfte aller Fälle, die sie zu be¬
obachten Gelegenheit hatten, eine solche „frigidit4“ oder „inappßtence
sexuelle“ gesehen haben.
Gegenüber diesen Angaben ist es interessant, zu hören, dass
v. Recklinghausen^ Patientin 1 (1882) einen »grossen Hang
zum männlichen Geschlecht“ entwickelt habe, und es fällt auf, dass
mehrere mit Neurofibromen behaftete Frauen zum Teil auffällig viel
geboren haben.
Die eben erwähnte Patientin von v. Recklinghausen hatte
11 mal geboren; die Kinder wurden sämtlich mit Kunsthülfe geboren
und starben sämtlich. Die Patientinnen 4 von Labouverie (1899)
und Octerlony’s (1875) haben ebenfalls 11 mal geboren. Die Kranke
Hitchcock’s (1862) hat siebenmal, die von Bourcy und Laignel-
Lavastine (1900), die von Koenigsdorf (1889) = Du Mesnil
(1890) viermal geboren.
Die Patientin von Hebra jun. (1874) heiratete im 25. Lebens¬
jahre und gebar in rascher Aufeinanderfolge neun Kinder, die alle am
Leben und gesund blieben und von denen das jüngste 20 Jahre alt ist.
Josef Sch. (mein Fall 1, 1901) zeugte im ganzen 15 lebende
Kinder, ausserdem abortierte seine von Neurofibromen freie Ehefrau noch
dreimal.
Von sieben Kindern des Patienten 2 von Lahmann (1885) lebten
noch drei.
Veränderungen der äusseren Genitalien bestanden bei keinem
meiner männlichen Kranken.
Die Testikel bei dem Patienten von Lanz (1901) werden als klein
und schlaff angegeben. Der Kranke ist allerdings 55 Jahre alt und
schon aus diesem Grunde ist irgend ein causaler Zusammenhang dieser
Testikelatrophie mit der Neurofibromatose nicht anzunehmen.
Bei dem einen Patienten von Launois und Variot (1883, Obs. 1)
besteht eine rechtsseitige Hodenatrophie; jedoch scheint hier eine Epidi-
dymitis oder Orchitis vorausgegangen zu sein.
Auf andere, eigentliche Missbildungen darstellende Verände¬
rungen der äusseren und inneren Genitalien habe ich oben bei der
Besprechung einiger angeborener Anomalien bereits hingewiesen.
Störungen der Menstruation und dysmenorrhoische Zu¬
stande im allgemeinen sind häufig beschrieben (E. Müller 1884,
Heydweiler 1887, Hasselbeck 1891, mein Fall 2, 1901).
Nie menstruiert waren die Kranke von Groh (1888) und Therese
Geng Tochter (Czerny 1874), während bei der Mutter Rosine Geng
(Hecker 1858) die Menses nach einem einzigen Partus im 26. Lebens¬
jahre sistierten.
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556
Ueber spätes erstmaliges Auftreten der Menses berichtet Grün
(1886, erst mit 21 Jahren), Flockmann (1894, erst mit 20 Jahren),
Posthumus (1900, erst mit 24 Jahren), dasselbe kam auch in meinem
Falle 11 vor (1901, erst mit 20 Jahren).
Bei der Patientin von Posthumus (1900) waren die Menses
ausserdem meistens profus und mit heftigen Schmerzen in der Magen¬
gegend verbunden.
Ueber verspätetes Eintreffen der Menses, Aussetzen und Un¬
regelmässigkeiten derselben berichten Heydweiler (1887) und Hassel¬
beck (1891).
Meine jüngst beschriebene Patientin (1902) wurde mit
18 Jahren zum ersten Male menstruiert. Die Menstruation zeigte sich
höchst unregelmässig, ein bis zwei Mal im Jahr, geringe Blutung, gar
keine Beschwerden; sic sistierte bereits im 42. Lebensjahre ohne irgend
welche Vorboten oder nervöse Erscheinungen nach dieser Zeit.
Verhältnismässig frühzeitiges Aufhören der Menstruation erwähnt
Flockemann (1894, mit 39 Jahren).
Bei meinem Fall 2 (1901), einer 39jährigen Person, traten die
Menses im 10. Lebensjahre auf, zeigten sich im ganzen nur vier Mal,
waren sehr spärlich und sind in den letzten* 10 Jahren überhaupt nicht
mehr aufgetreten.
Gelegentlich wird aber auch von ganz normalem Verhalten
berichtet:
Bei der Frau von Hebra jun. (1874) war die Menstruation an¬
geblich im 15. Lebensjahre aufgetreten und seither normal vor sich
gegangen.
Blutuntersuchungen liegen nur wenige vor.
In dem Falle von Ouvry (1893) von „növrome plexiforme gene-
ralisö“ fand Chipault keine Vermehrung der Zahl der weissen Blut¬
körperchen, während in dem Falle von Hallopeau und Ribot (1902)
eine Leukocytose bestand.
Thibi&rge zählte in einem seiner Fälle (Soc. möd. des höp. 1898,
p. 146/147) im Kubikmillimeter 9000 weisse Blutzellen und 5 125 000
rote. Das mit Eosin und Hämatoxylin gefärbte Trockenpräparat ergab
keine Form Veränderungen der Zellen. Die spektroskopische Untersuchung
des Blutserums zeigte keine Abweichungen von der Norm.
Jeanselme (Annales 1898, p. 993) fand bei seiner Frau ein
Verhältnis von 9200 weissen Blutkörperchen zu 3 800 000 roten bei
einem Hämoglobingehalt des Blutes von 9,60 (statt 13) — nach Domi-
nici eine Anämie zweiten Grades. Auch in diesem Falle zeigte das
gefärbte Trockenpräparat normale Verhältnisse und auch sonst das Blut
selbst keinerlei Abweichungen von der Norm.
Diesen spärlichen Angaben ist irgend etwas Besonderes oder
für die Neurofibromatose Charakteristisches nicht zu entnehmen.
Die dreimal sicher festgestellte massige Leukocytose*) und
*) Nach Riedel sind im Durchschnitt im Kubikmillimeter normalen Blutes
beim Erwachsenen 7680 weisse Blutkörperchen enthalten.
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557
die einmal beobachtete Abnahme des Hämoglobingehaltes des Blutes
dürften direkt von dem jeweiligen Allgemeinzustande des Kranken
abhängig sein und nichts für die Neurofibromatose Spezifisches dar¬
stellen.
Veränderungen der Schilddrüse bei Neurofibromkranken sind
wiederholt beschrieben worden, ohne dass ich nach Durchsicht der
ganzen Literatur und Berücksichtigung meiner eigenen diesbezüg¬
lichen Aufzeichnungen darin etwas Besonderes erblicken könnte.
Unverständlich bleibt es demnach, wie sich auf Grund dieser Ver¬
änderungen eine neue Theorie der Neurofibromatose (s. u.) aufbauen
oder Beziehungen mit dem Myxödem und anderen verwandten Zu¬
ständen konstruieren Hessen.
Bei dem Kranken von Seitz (1871) = Rose (1886, Fall 2), der
an Glottisödem infolge latenter, in die Speiseröhre perforierter Ring¬
knorpelnekrose starb, zeigte sich bei der Autopsie die Thyreoidea allseitig
vergrössert, die mittlere Partie, welche beide Lappen verbindet, stark
prominent, weit heruntergehend, die Struma ist parenchymatös, colloid.
In dem Falle von Hebra jun. (1874) ist die Schilddrüse um das
Fünffache vergrössert durch eingelagerte, bis nussgrosse, zum Teil colloid
degenerierte, zum Teil fibrös entartete Knoten neugebildeten Schilddrüsen¬
parenchyms.
Von dem einen Patienten v. Recklinghausen’» (1882, Fall 1),
welcher zur Autopsie kam, ist (1. c. p. 5) ausdrücklich angegeben, dass
keine Struma bestand. Weitere Angaben fehlen.
(Fortsetzung folgt.)
II. Bücherbespreclnmgen.
Psychische Störungen bei Hirntumoren. Von P. Schuster. Mit
einer Vorrede von Prof. Mendel. 368 pp. Stuttgart 1902, F. Enke.
In dem interessanten und wichtigen Werke hat der Verfasser eine
grosse Zahl von Hirntumoren und Hirncysten — im ganzen 755 Be¬
obachtungen — gesammelt, bei welchen psychische Störungen beschrieben
oder wahrgenommen worden waren und daraus einzelne Gruppen von
klinischen und gleichzeitig anatomischer und topischer Zusammengehörigkeit
gebildet. Die hierbei in Betracht kommenden Fehlerquellen und Schwierig¬
keiten werden vom Autor vollauf gewürdigt. Physiologische Schlüsse
sind aus dem gesammelten Materiale nicht gezogen worden, sondern der
Verfasser hat sich darauf beschränkt, „die statistischen Verhältnisse klar¬
zustellen , welche zwischen den Tumoren mit psychischen Störungen
überhaupt, resp. mit psychischen Störungen gewisser Färbung einerseits
und der Lokalisation jener Geschwülste andererseits bestehen.“
In welcher Weise dieses Programm durchgeführt ist, möge die Be¬
sprechung eines Kapitels, z. B. Stirnhirn, zeigen. Dem Abschnitte sind
„physiologische Vorbemerkungen“ vorangestellt. Für den klinischen Teil
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558
wurden 147 Fälle verarbeitet, und zwar werden in erster Linie die¬
jenigen Krankheitsfälle angeführt, welche klinisch den wichtigsten orga¬
nischen und funktionellen Psychosen oder auch nur gewissen Symptomen-
komplexen ähneln; dieselben werden in einzelne, nach dem Vorbilde
eben jener wirklichen Psychosen oder Symptome benannte Gruppen ge¬
bracht und die letzteren dann erst auf ihre pathologisch-anatomischen
und topographischen Qualitäten geprüft Den Schluss des Kapitels
bilden dann die hauptsächlich auf Grund statistischer Synthese ge¬
wonnenen Resultate.
Die statistischen Betrachtungen zeigen, dass die Geschwülste des
Präfrontallappens häufiger in den orbitalen Teilen sitzen, wenn sie mit
psychischen Storungen in Form von Erregungen oder überhaupt mit
irgend welchen aktiven psychischen Störungen einhergehen. Bei den
Postfrontaltumoren sind die psychischen Störungen seltener als bei den
Präfrontalgeschwülsten. Witzelsucht, hypomanische Zustände, ferner
psychische Störungen wie bei Moral Insanity sind bei PräfrontalgeschWülsten
häufiger als bei Postfrontaltumoren. Bei den Rindentumoren des Stirn¬
hirnes ist die Gruppe der Reizbarkeit und verwandter Formen die am
häufigsten vorkommende. Das Zugrundegehen eines ganzen Stirnlappens
braucht keine Verblödung nach sich zu ziehen; wenn ein Tumor den
ganzen oder fast den ganzen Lappen ergriffen hat, entsteht auffallend
häufig ein Krankheitsbild, welches an die Hypomanie erinnert. Die bei
Frontallappcntumoren vorkommenden psychischen Störungen, welche
unter dem Bilde einer progressiven Paralyse oder mit einer gesteigerten
gemütlichen Erregbarkeit und mit maniakalischen Zuständen einhergehen,
sprechen mit Wahrscheinlichkeit für den Sitz des Tumors im Cortex.
Bei Stirnhirntumoren mit einfacher allgemeiner psychischer Lähmung
oder in Fällen mit dem gleichen Zustand und nur gelegentlichen vor¬
übergehenden Erregungszuständen handelt es sich eher um linksseitige
Geschwülste.
In gleicher Weise siud unter sorgfältiger Besprechung jedes ein¬
zelnen, in der Literatur mitgeteilten Falles die übrigen Hirnabschnitte
bearbeitet.
In besonderen Kapiteln werden besprochen: die multiplen Tumoren;
die Häufigkeit psychischer Störungen bei den Tumoren der verschiedenen
Hirnregionen im Vergleiche mit der Häufigkeit der Tumoren jener
Region überhaupt; die Häufigkeitsverhältnisse der verschiedenen Formen
der beobachteten Psychosen zu einander; die Häufigkeit psychischer
Symptome bei den Hirntumoren im allgemeinen.
Die früher mitgeteilten Stichproben dürften genügen, um zu zeigen,
dass in dem Buche mit seltenem Fleisse eine Fülle von wertvollem
Material aufgespeichert wurde, das der Verfasser geschickt und ge¬
wissenhaft zu verwerten verstand. Hermann Schlesinger (Wien).
Dilatation nnd Hypertrophie des Herzens. Differentialdiagno¬
stische Studie. Von J. Katzenstein. München 1903, E. Rein*
hardt’s Verlagsbuchhandlung.
Ref. begrüsst vorliegende Studie gern als einen Beitrag zum Aus¬
bau der funktionellen Diagnostik, die in der zuerst von O. Rosenbacli
eingeschlagenen Richtung immer mehr Boden gewinut.
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559
Der Autor fasst die Hauptpunkte seiner Arbeit in folgenden
Thesen zusammen:
1. Die Veränderungen des Blutdruckes entstehen zunächst in den
Blutgefässen. Das Herz verändert seine Thätigkeit auf Grund dieser
Veränderungen des Blutdruckes.
2. Die Herztöne sind der Ausdruck für die Arbeit des Herzens.
3. Je diktierter das Herz, desto grösser die Kraftanstrengung des¬
selben, um die bestimmte Arbeit zu leisten, und umgekehrt.
4. Infolgedessen sind die Herztöne um so schärfer, je mehr das
Herz diktiert, d. h. je angestrengter die Herzthätigkeit ist, um so
schwächer, je mehr hypertrophiert der Herzmuskel ist, d. h. je weniger
KraftanWendung zur Leistung der Herzarbeit stattfindet.
Ein gewisser Schematismus in der Auffassung der Bedeutung von
Hypertrophie und Dilatation ist leider nicht zu verkennen. Dilatation
ist für den Autor fast gleichbedeutend mit Herzschwäche. Thatsächlich
aber geht letztere sehr oft gar nicht mit einer Erweiterung der Höhlen
einher, und andererseits ist die Diktation gar nicht selten eine notwendige
und in ihrer Art nützliche Folge veränderter Arbeitsbedingungen, be¬
sonders die von Rosenbach und mir beschriebene aktive Dilatation.
Die Hypertrophie stellt für Katzenstein immer eine Verbesserung der
Arbeitsbedingungen dar, und er übersieht die Schädigungen, welche dem
Organismus durch jede erhebliche Vergrösserung der Muskelmasse er¬
wachsen, so dass der Keim des Verfalls schon in jeder nennenswerten
Hypertrophie steckt.
Trotz dieser und anderer Einwände ist das anregend geschriebene
Büchlein zur Lektüre zu empfehlen. H. Herz (Bresku).
Untersuchungen über den Einfluss der Erhaltung des Eierstockes
auf das spätere Befinden der Operierten nach der supravagi¬
nalen Amputation und vaginalen Totalexstirpation des Uterus.
Von R. Werth. Abdruck aus dem klinischen Jahrbuch. Jena 1902,
G. Fischer.
Die Erhaltung der Ovarien bei der Amputation oder völligen Ent¬
fernung des Uterus bewahrt einen Bruchteil der Operierten vor den Aus¬
fallserscheinungen, bei einer grossen Mehrzahl schwächt sie diese erheb¬
lich ab, bei einer Minderheit bleibt diese Massregel infolge von Atrophie
der Ovarien wirkungslos. Durch Schonung der den Eierstock ernährenden
Gefässe kann man diese Atrophie hintanhalten. Die Nachteile des
konservativen Vorgehens (Exsudatbildung, cystische Entartung) erkennt
Verf. nur in Ausnahmsfällen an. — Die Frage, ob man auch thun-
lichst einen menstruierenden Uterusstumpf erhalten soll, ist noch nicht
spruchreif. Calmann (Hamburg).
Operationsäbungen an der Leiche. Von E. Ben necke. Mit 108
Abbildungen. 182 pp. Leipzig 1903, Hartung & Sohn.
Das Büchlein ist in erster Linie für die Teilnehmer des Opera¬
tionskurses von Prof. F. König berechnet und beschreibt infolge¬
dessen in erster Linie dessen Operationsmethoden. Ausserdem aber ist
noch eine Anzahl von Operationen aufgenommen, die gewöhnlich nicht
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560
im Operationskurs gelehrt werden. Die Anordnung ist die allgemein
übliche. Wenn es auch als gewagt erscheinen mag, neben den schon
bekannten, guten Büchern über das gleiche Thema mit einem neuen
Buch an die medizinische Welt heranzutreten, so kann man doch be¬
haupten, dass dem Verfasser die Lösung seiner Aufgabe recht gut ge¬
glückt ist Die Darstellung ist eine klare, leicht verständliche, die
Sprache glatt und angenehm, die Einteilung übersichtlich, Weitschweifig¬
keiten sind vermieden, ohne dem Verständnis zu schaden. Der Text
wird durch sehr zahlreiche gute Abbildungen erläutert. Sehr schön sind
die kleinen anatomischen Topographien, welche den einzelnen Kapiteln vor¬
angestellt sind. Für eine zweite Auflage würden wir dem Verfasser
raten, einiges über Herniotomie, Anlegung des Anus praeternaturalis
und kleine plastische Operationen in das Buch aufzunehmen, denn die
im Operationskurs gelehrten Operationen sind doch in erster Linie für den
praktischen Arzt berechnet; wenn derselbe auch nur einen kleinen Teil
derselben später ausführen wird, so ist es doch sehr gut für die Indika¬
tionsstellung zur Operation, die doch meist in den Häuden des Praktikers
liegt, dass der Praktiker die Operationen in der Hauptsache kennt
Klink (Berlin).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
M ünzer, M., Pankreascysten (Fortsetzung),
p- 529—538-
Herz, H., Ueber die nach Verletzungen
zurückbleibenden Veränderungen des
Gefässapparates (Fortsetzung), p. 539 —
54 8 -
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 548 — 557.
II. Bücherbesprechungen.
Schuster, P. u. Mendel, Psychische
Störungen bei Hirntumoren, p. 557.
Katzen stein, J., Dilatation und Hyper¬
trophie des Herzens, p. 558.
Werth, R., Untersuchungen über den
Einfluss der Erhaltung des Eierstockes
auf das spätere Befinden der Operierten
nach der supravaginalen Amputation
und vaginalen Totalexstirpation des
Uterus, p. 559.
Bennecke, E., Operationsübungen an
der Leiche, p. 559.
Um Einsendung von Monographien nnd Büchern an den Redakteur Profaner
l)r. HERMANN SCHLESINGER, Wien, f. Ebendorferstrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzusatz „Für die Redaktion de«
Centralblattes für die Grenzgebiete** versehen zu wollen.
Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
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Original frorri
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
CENTRALBLATT
. für die
Grenzgebiete der filedizin u. Ghirurgie.
Herauegegeben von
Di*. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 15. August 1903.
Nr. 15.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhandlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Volvulus des Sromanum.
Sammelreferat von Dr. Arthur Baer (Wien).
Literatur.
1) M’Ardle, The treatment of Volvulus of the Sigmoid. Dublin Journal of
med. Sciences 1893, 11. Febr. (nach Heidenhain).
2 ) Assmuth, St. Petersb. med. Wochenschr. 1886, Nr. 16 (nach Braun).
3) Äther ton, Case of internal Strangulation of the bowels. Laparatomy.
Boston Med. and Surg. Journ. 1883, 7. June (nach Braun).
4) Bayer, Charakteristischer Meteorismus bei Volvulus des S.romanum. Aich,
f. klin. Chir. 1898, Bd. LVII.
5) Ders., Zur Diagnose des Darmverschlusses. Prager med. Wochenschr.
1898, Nr. 48, 49.
6) Bar low, Guy’s Hosp. Rep. 1844, Okt. (nach Budberg).
7) v. Bergmann, Zur Diagnose und Behandlung der Darmocclusion. Archiv
f. klin. Chir. 1900, Bd. LX 1 .
8) Ders., Ueber Darmausschaltung beim Volvulus. Bericht üb. d. Verhandl.
d. deutschen Ges. f. Chir., XXIX. Kongress 1900.
9) Blumberg, Ueber das Ballonsymptom bei Darmocclusion. Deutsche
Zeitschr. f. Chir. 1902, Bd. LXVI.
10) Bossowski, Zur Symptomatologie der kongenitalen Anomalien der Flexura
sigmoidca bei Kindern. Klin.-therap. Wochenschr. 1899, Nr. 49, 50.
11) Braun, Demonstration. Bericht über die Verhandl. der Deutschen Ges. f.
Chir., XX. Kongress 1891.
12) Ders., Ueber die operative Behandlung der Achsendrehung der Flexura
sigmoidea. Archiv f. klin. Chir. 1892, Bd. XLIII.
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 36
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— 5612 —
13) Budberg u. Koch, Darmchirurgie bei ungewöhnlichen Lagen und Ge¬
staltungen des Darmes. Deutsche Zeiischr. f. Chir. 1896, Bd. XLU.
14) Busk, Proceedings of the Path. society of London 1847, 15. March (nach
Budberg).
15) Clark, On a case of obstruction of the bowels due to volvulus ireatcd
by abdominal section. The Lancet 1883, 20. Oct.
16) Curschmann, Der Ileus und seine Behandlung. Kongress für innere
Medizin, Wiesbaden 1889.
17) Ders., Topographisch-klinische Studien. Deutsches Archiv f. klin. Med.
1894, Bd. LIII.
18) Chlumsky, Vier Fälle von Ileus. Wiener klin. Rundschau 1902, Nr. 27.
19) v. Eisclsberg, Zur Radikaloperation des Volvulus und der Invagination
durch die Resektion. Deutsche med. Wochenschr. 1899, Ar. 49.
20) Ders., Zur Radikaloperation des Volvulus etc. 71. Versamml. deutscher
Naturforscher u. Aerzte. Wiener klin. Wochenschr. 1900, p. 287.
21) Ders., Demonstration in der k. k. Ges. der Aerzte in Wien, Sitzung vom
30. Mai 1902.
22) Eliasen, Fall af ileus. Hygiea 1886 (nach Braun).
23) Enderlen, Sitzung des ärztlichen Vereins zu Marburg vom 13. Juni 1900.
Berliner klin. Wochenschr. 1900, Nr. 42.
24) Eppinger, Sektionsergebnisse an der Prager pathologisch - anatomischen
Lehranstalt während der Jahre 1868—1S71. Prager Vierteljahrsschr. f. d. praktische
Heilkunde 1873, Bd. CXVII.
25) Erd mann. Intestinal obstruction due to Intussusception and Volvulus.
Med. News 1898, p. 823.
26) Esau, Ueber Achsendrehung des Darmes. Deutsches Archiv für klin.
Med. 1875, Bd. XVI.
27) Foote, Volvulus of the sigmoid flexure, three tiipes relieved by lapan-
tomy. Boston Med. and Surg. Journ. 1899, 9. March.
28) Friele, Volvulus S romani. Medicinsk Revue 1898, Bd. XII. Ref. in
Centralbl. f. Chir. 1899, p. 611.
29) Frommer, Zur Kasuistik der Anomalien des Dickdarmes. Archiv für
klin. Chir. 1902, Bd. LXVII.
30) Führbringer, Aerztl. Sachverständigenztg. 1897, Nr. 7 (nach Riedels
31) Garr£, Ueber Volvulus der Flexur. Rostocker Aerzteverein. Münchener
med. Wochenschr. 1901, p. 520.
32) Gay, Pathol. Transact. 1859 (nach Budberg).
33) Gersuny, Ueber eine typische peritoneale Adhäsion. Bericht über di?
Verhandl. d. Deutschen Ges. f. Chir., XXVIII. Kongress 1899.
34) Goltdammer, Berliner med. Gesellschaft, Sitzung v. 27. Febr. 1889.
35) Ders., Ueber Ileus. Berliner klin. Wochenschr. 1889, Nr. 10.
36) Gruber, Physiologisch- und pathologisch-anatomische Beiträge zur Kenntnis
des Bauchfells. Zcitschr. d. k. k. Ges. d. Aerzte zu Wien 1848, Bd. IV.
37) Ders., Demonstration im deutschen ärztl. Verein in St. Petersburg. Sl
P etersburger med. Zcitschr. 1862, Bd. III (nach Braun).
38) Ders., Ein von einer grossen lleum-Portion und einer kleineren sekundären
Schlinge der Flexura sigmoides geknüpfter Knoten. Archiv f. pathol. Anatomie iSt»o.
Bd. XLVIII.
39) Haken, Dissertation, Dorpat 1861 (nach Budberg).
40) Haeckel, Ueber Volvulus des S romanum. Bericht über die Verhandl.
der Deutschen Ges. f. Chir., XXVII. Kongress 1898.
41) Heibcrg, Ueber innere Incarcerationen. Archiv für palhol. Anat. iS;:,
Bd. LIV.
42) Heidenhain, Beiträge zur Pathologie und Therapie des akuten Darn>
vcrsclilusses. Archiv f. klin. Chir. 1897, Bd. LV.
43) Ders., Beiträge zur Pathologie etc., Teil II. Archiv f. klin. Chir. iSu*,
Bd. LVII.
44) Ders., Ueber Darmlähmung nach Darmeinklemmung. Deutsche Zcitschr.
f. Chir. 1896, Bd. XLIII.
45) Ders., Beiträge zur Pathologie etc. Bericht üb. d. Verhandl. d. Deutschen
Ges. f. Chir., XXVI. Kongress 1897.
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563
46) Hepner, Zur Diagnostik und Therapie des inneren Darraverschlusses.
Beiträge zur klin. Chir. 1902, Bd. XXXVI,
47) Herting, Achsendrehung des Darmes bei Neugeborenen. Diss., Kiel 1888
(nach Budberg).
48) Hofraokl, Klinische Mitteilungen über Darmocclusion. Klin. Zeit- und
Streitfragen 1892, Bd. VI.
49) Holt, New York med. Journ. 1886, p. 342 (nach Budberg).
50) Hutchinson, Archives of Surgery, London 1889, Nr. 1 (nach Braun).
51) Jaffe, Ueber die Ausscheidung des Indicans unter physiologischen und
pathologischen Verhältnissen. Archiv f. pathol. Anat., Bd. LXX.
52) Jobert, Gaz. des höp. 1857, Nr. 51 (nach Budberg).
53) Johannescu, La dilatadon hypertrophique du gros intestin chez Tenfant.
Rev. mens, des malad, de l’enf. 1900, F6vrier (nach Neter).
54) Israel, Einige Beobachtungen an Ileusfällen. Berliner klin. Wochenschr.
1892, Nr. 1.
55) Körte, Darmverschluss infolge Achsendrehung der Flexura coli sigmoidea.
Freie Vereinigung d. Chirurgen Berlins, Sitzung vom 13. Febr. 1897. Deutsche med.
Wochenschr. 1898, V. 178.
56) Kade, St. Petersb. med. Zeitschr. 1867, Bd. XII, p. 167 (nach Braun).
57) Kiwull, Zur Diagnose des Volvulus der Flexura sigmoidea. Mitteilungen
a. d. Grenzgeb. 1902, Bd. X.
58) Kader, Ein experimenteller Beitrag zur Frage des lokalen Meteorismus
bei Darmocclusion. Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1892, Bd. XXXin.
59) Ders., Bericht über die Verhandl. d. Deutschen Gesellsch. f. Chirurgie,
XXVII. Kongress 1898.
60) Kocher, Mitteil. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 1899, Bd. IV, p. 195.
61) Koch, Weiteres zur spiraligen Drehung des S romanum. Deutsche Zeit¬
schrift f. Chir. 1898, Bd. XLVII, H. 5.
62) Koenig, Lehrbuch der speziellen Chirurgie 1899, § 104 ff.
63) Küster, Ueber Volvulus. Sitzung des ärztl. Vereins zu Marburg vom
13. Juni 1900. Berl. klin. Wochenschr. 1900, Nr. 42.
64) Küttner, Ueber innere Incarcerationen. Archiv f. pathol. Anat. 1868,
Bd. XLIII.
65) Kuhn, Ueber Volvulus der Flexura sigmoidea. Beitr. zur klin. Chirurgie
1902, Bd. XXXVI.
66) Leger, Bull, de la Soc. anat., Paris 1875, p. 628 (nach Budberg).
67) Leichtenstern, Verengerungen, Verschliessungen und Lageveränderungen
des Darmes. Ziemssen’s Handb. der spez. Path. u. Ther. 1878, Bd. VII, H. 2.
68) Ders., Der Ileus und seine Behandlung. VIII. Kongress f. innere Med.,
Wiesbaden 1889.
(Schluss der Literatur folgt.)
„Als ich“, sagt v. Zoege-Manteuffel im Jahre 1899, „gerade
vor 10 Jahren auf dem Chirurgenkongress über die Achsendrehung
namentlich des S romanum redete, wurde mir entgegnet, dass diese
Krankheit eine so seltene sei, dass die Bedeutung des Wahl’schen
Symptoms (Nachweis einer geblähten, gelähmten Schlinge, die ihren
Ort nicht ändert) keine allgemeine sein könne. Heutzutage wird
das niemand mehr behaupten wollen. Jede Klinik in Ost und West,
in der Alten und Neuen Welt, hat mit diesen Dingen zu thun. Und
von überall kommen Meldungen über einschlägige Beobachtungen.
Es lag das wahrscheinlich daran, dass in den dunklen Symptoraen-
komplex des Heus Licht gebracht war, so dass auch der besonnene
Chirurg, auch der Feind der Probelaparotomie zielbewusst wagen
musste, den Leib zu öffnen. Mit der Zahl der Laparotomien wuchs
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564
die Kenntnis in diesen Fragen.“ Eine trefflichere Definition vom
Stande dieser Frage kann man unmöglich geben. Thatsächlich haben
erst die letzten 10—15 Jahre eine Klärung in der Frage des Vol-
vulus der Flexura sigmoidea herbeigeführt. Abgesehen von den
zahlreichen Veröffentlichungen, welche kasuistischen Inhaltes sind,
sowie von den die Ileusfrage im allgemeinen behandelnden Arbeiten,
sind es hauptsächlich zwei Publikationen, die sich mit Erfolg be¬
mühen, durch genaue Erforschung der normalen Anatomie der Flexura
sigmoidea sowie der pathologischen des Volvulus derselben Licht
in dieses dunkle Gebiet zu werfen. Es sind dies die Arbeiten von
v. Samson aus dem Jahre 1892 und von Budberg und Koch aus
dem Jahre 1896.
Bereits die älteren Autoren, wie Gruber, Küttner, Roki¬
tansky u. a., heben hervor, dass in den meisten Fällen von Vol¬
vulus S romani dieses resp. sein Mesenterium eine auffallende Länge
zeige (s. u.). Ein abnorm langes S scheint — abgesehen vom Vol¬
vulus — nicht selten zu sein, denn Engel und v. Samson fanden
es bei Leichenuntersuchungen in ca. 20Proz. Curschmann aller¬
dings will eine besonders lange Flexur nur verhältnismässig selten
(unter 233 Leichen 15mal) gesehen haben, ihm erwidern aber Bud¬
berg und Koch, dass er 60—80 cm lange Flexuren noch als nor¬
mal bezeichnet, während dies bereits eine abnorme Länge dieses
Darmabschnittes bedeute, dem normalerweise nur 35—40 cm der
ganzen Darmlänge zukommen. Schon aus diesen zwei so voneinander
differierenden Angaben ersieht man, dass in der Anatomie der
Flexura sigmoidea eine gewisse Unklarheit herrscht, speziell deshalb,
weil eine Abgrenzung von den nächsten Darmabschnitten keines¬
wegs so leicht ist. Deshalb sagen Budberg und Koch mit vollem
Rechte, „dass man jedenfalls nicht mit Zahlen dagegen operieren
könne, falls behauptet werden sollte, der Typus der menschlicher.
Flexur sei noch nicht gefunden worden und so ohne weiteres in der
beckenwärts hängenden kurzen Schlinge nicht zu sehen“. Vielmehr
müssen wir mit diesen Autoren zwei Typen der Flexur anerkennen.
Budberg und Koch unterscheiden nämlich die kurze Flexur.
die mit nur einem Bogen ohne Fältelung und Schlängelung ins
kleine Becken herabhängt, herausgehoben die Symphyse nicht be¬
trächtlich überragt und seitlich bis zum Coecum gebracht werden
kann — und die lange Flexur, die nach oben mindestens den
Nabel überschreitet, aber auch mit der Niere und Milz oder mit der
Leber und dem Colon transversum sich kreuzen und selbst bis zur
Zwerchfellskuppe reichen kann. Liegt diese „lange Flexur 4 *' im
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kleinen Becken, so bildet sie unregelmässige, vielfach übereinander
liegende Windungen.
v. Samson hat in einer vorzüglichen anatomischen Arbeit und
auf Grund von mehr als 100 Leichenuntersuchungen sich bemüht,
die normalen Grenzen des Sroraanum festzustellen, und kommt zu
folgendem Resultate: Den Beginn der Flexur findet man (nach
Schiefferdecker), wenn man die Schlinge aus dem Bauchraum
hebt und ihr Gekröse ausspannt; indem sich der Anheftungsrand
des Gekröses der Flexur immer quer oder leicht bogenförmig von
der Wirbelsäule nach der lateralen Seite hinüberzieht, bildet dieses
mit dem Gekröse des Colon descendens einen Winkel, wodurch sich
die Grenze zwischen diesen zwei Darmteilen deutlich markiert.
Als das distale Ende des S nimmt v. Samson diejenige Stelle an,
wo der vollständige Peritonealüberzug aufhört, rechnet also den
oberen Mastdarmabschnitt zur Flexur.
Derselbe Autor hat nicht nur die normale Anatomie des S ro-
manum aufs gründlichste studiert, sondern sich auch eingehend mit
dem Mechanismus des Volvulus dieses Darmabschnittes befasst. Er
hat an der Leiche Experimente vorgenommen und es gelang ihm,
durch Lufteinblasung in den Darm einen Volvulus Sromani zu er¬
zeugen. Er machte dabei folgende interessante Beobachtungen: Es ge¬
lingt nur bei Erwachsenen, nie bei kleinen Kindern, Volvulus zu
erzeugen. Es liegt dies nach v. Samson neben der Veränderung der
Haftlinie des Mcsosigmoideum mit zunehmendem Alter hauptsäch¬
lich daran, dass sich am Mesenterium Erwachsener Narben finden,
die eine Prädisposition zum Volvulus schaffen, und zwar ist der
Sitz dieser Narben von grosser Wichtigkeit. Sitzt diese nämlich
an der Unterfläche des Mesosigmoideum, so führt sie zu dem nach
Samson so benannten physiologischen Volvulus von 180°, der
nicht zur Incarceration, ja nicht einmal zu Stenosenerscheinungen
führen muss, und bei dem es v. Samson an der Leiche noch ge¬
lang, nussgrosse Kotstücke durch die gedrehte Stelle durchzu¬
bringen. Eine Narbe von peripherem Verlaufe an der Oberfläche
des Mesosigmoideum führt jedoch zu pathologischem Volvulus
mit Stenosenerscheinungen. Auch der physiologische Volvulus kann
sich zu einem pathologischen entwickeln, wenn er weiter als bis 180°,
nämlich bis 270 oder 360°gedreht wird. Der Volvulus aber, der durch
die zweite Art der Narbe, die von Samson den Namen Pseudo¬
ligamentum mesenterico-mesosigmoideum erhält, erzeugt wird,
gibt wohl schon bei einer Drehung um 180° Anlass zu Stenosen¬
erscheinungen, jedoch nicht infolge der Drehung, sondern infolge
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Strangulation durch das Pseudoligament, v. Samson meint also,
dass, wenn man nach den Befunden an der Leiche auf jene an
Lebenden schliessen darf, alle pathologischen Volvulusfälle (d. h.
die mit Stenosenerscheinungen) entweder auf einer Drehung von
mindestens 270°, entstanden aus dem physiologischen Volvulus
von 180°, oder auf einer Strangulation durch ein calloses
Pseudoligament beruhen. Wenn eine Flexura sigmoidea zu Vol-
vuluslage disponiert, so kann starke Blähung, wenn ein Pseudo¬
ligament vorhanden ist, Verschluss des Darmes bewirken; ist keines
vorhanden, so bleibt die Drehung unbemerkt, aber wenn eine solche
gedrehte Flexur sich entleert und zusammenfällt, so kann sie leicht
weiter gedreht werden.
Leider konnte ich für diese recht geistvoll durchdachte und
an Leichenexperimenten auch bewiesene Theorie aus der Literatur
keine direkte Bestätigung finden. Zwar fand ich die Möglichkeit
einer Drehung um 180° ohne absolute Undurchgängigkeit des Darmes
mehrfach bestätigt. So fand z. B. Leichtenstern bei der Obduk¬
tion eines 11jährigen Knaben zufällig eine offenbar chronisch be¬
stehende Achsendrehung der Flexur, die während des Lebens nie¬
mals Occlusionserscheinungen gemacht hatte. Auch Nothnagel
erwähnt dies; diese Autoren nehmen aber an, dass sich das Sroma-
nmn jedesmal beim Durchgang des Kotes zurückgedreht habe, um
dann wieder in die Volvuluslage zu fallen. Treves sagt auch, dass
oft ein bedeutender Volvulus mit so geringer Verengerung des
Darmlumens vergesellschaftet sei, dass er gar keine Symptome macht.
Naunyn sah einen Fall, der nach einer Attaque von absoluter
Undurchgängigkeit ein Jahr lang leichte Beschwerden von Passage¬
storung behielt, um dann einer neuerlichen Attaque zu erliegen. Da
die Sektion eine Drehung des Sromanum um 180° ergab, so nimmt
Naunyn an, dass dieselbe bereits vor einem Jahre bestanden habe
und damals nicht vollständig zurückgegangen sei. Dies alles ist
natürlich kein Beweis für das Bestehen des physiologischen Volvulus
Samson’s. Ich fand auch andererseits zahlreiche Fälle, bei denen
eine Drehung des S romanum um 180° bereits Darmocclusion er¬
zeugte und Anlass zur Operation bot, nirgends aber ist es berück¬
sichtigt, ob die Stenose durch die Drehung allein oder durch eine
Strangulation nach Samson erzeugt war. Und doch wäre diese
Feststellung — wenn v. Samson recht hat — äusserst wichtig.
Denn bei einer Drehung des S romanum um 360° ist nach dessen
Ansicht die normale Lage die Drehung um 180°, und wenn man
so eine Flexur auf 0° zurückdreht, so könnte man eine andere Art
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von Darmverschluss bewirken, was nur deshalb nicht eintritt, weil
sich die Flexur wieder spontan in die Volvuluslage von 180° zurück¬
dreht. Mir scheint für diese Behauptung ein Fall Lennander’s
deutlich zu sprechen: Bei einem Manne, der vor vier Jahren eine
Darmverschliessung durchgemacht hatte, welche auf Eingiessungen
geheilt war, trat neuerlich Occlusion auf. Die Laparotomie ergab
eine Drehung des Sromanum um 180°; da dieses, aufgedreht, immer
wieder die Tendenz hatte, in die Volvuluslage zurückzu¬
kehren, wurde es durch Nähte an die vordere Bauch wand fixiert.
Drei Tage nach der Operation traten Ileussymptome mit Kot¬
erbrechen auf, die erst nach Anlegung einer Typhlostomie aufhörten.
Dann trat später Tod an Pneumonie ein. Die Obduktion ergab
nur starke Blähung des S romanum.
Eine andere, vielleicht sehr wichtige Art von Veränderung im
Peritoneum ist die vou Gersuny gefundene „Flexuradhäsion“. Die¬
selbe scheint typisch zu sein, verläuft in Form einer Pseudomembran
von der Uebergangsstelle des Colon descendens in die Flexur quer
nach aussen zum Peritoneum parietale und fixiert den Darm dort-
selbst. Gersuny fand diese Adhäsion bei 21 Laparatomien, dar¬
unter viermal bei Volvulus des S romanum. Sie scheint dessen
Zustandekommen zu begünstigen, indem die aus dem Colon des¬
cendens kommende Kotsäule in gerader Richtung nach abwärts
dirigiert und so eine Drehung der Flexur um 180° (wenn zugleich
das Mesosigma lang ist) begünstigt wird. Diese Flexuradhäsion
macht das Symptom des Druckschmerzes an einem dem Mc. Bur-
ney’schen Punkte entsprechenden Pnnkte auf der linken Seite und
scheint bisher übersehen worden zu sein, weil man sie bei medianer
Laparotomie nur zu Gesicht bekommt, wenn man den Darm nach
der Mittellinie zu verzieht. Ihre Entstehung erklärt Gersuny
durch lokale Peritonitis oder durch einen in die Bauchhöhle er¬
folgten und organisierten Bluterguss. Kuhn empfiehlt, bei künftigen
Laparotomien auf diese Adhäsion zu achten, da man heute noch
kein Urteil über sie abgeben könne.
Dass die Flexura sigmoidea nicht ohne weiteres, jedem äusseren
Anstoss folgend, ihre Lage wechselt, darf man annehmen. Budberg
und Koch sagen dies ganz präzis mit folgenden Worten: „Nach
unserer Auffassung ist jedes Darmstück, also auch die Flexur, nicht
nur an eine bestimmte entwickelungsgeschichtlich ihm zugewiesene
Oertlichkeit gebunden, sondern auch imstande, durch eigene Kraft
seinen Platz zu behaupten und auf denselben zurückzukehren, falls
die verlagernden Momente nicht aussergewöhnlich sind und sich
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nicht dauernd geltend machen.“ Ein Volvulus entsteht also nicht
ohne weiteres infolge eines darmverlagernden Momentes, vielmehr
müssen dazu ganz bestimmte Bedingungen gegeben sein. Wir
nehmen hierzu vor allem gewisse prädisponierende Ursachen
an, die es ermöglichen, dass bei irgend einer Gelegenheit durch
äusseren Anlass der Volvulus ausgelöst wird. Budberg und Koch
unterscheiden die Prädispositionen in kongenitale und erworbene.
Zu den kongenitalen gehört nach ihnen vor allem die schon
erwähnte besondere Länge des S romanum. Dieser Darm¬
abschnitt ist im Kindesalter relativ bedeutend länger als beim Er¬
wachsenen, es ist eine Art Schlingenbildung hier physiologisch, und
Curschmann hält das lange Sromanum des Erwachsenen für eine
Persistenz des infantilen Zustandes. Die ältere Ansicht, dass
die träge Peristaltik und Koprostase mit Gasentwickelung die ab¬
norme Länge des Sromanum erzeugen, weisen Budberg und Koch
zurück, denn es müsste dieselbe Ursache die verschiedensten End¬
effekte bewirken. Auch Curschmann hält diese Ansicht für falsch,
und Neter schliesst sich ihm in einer neueren Arbeit an, indem er
allerdings doch einen Zusammenhang insofern annimmt, als nach
seiner Ansicht ,,die chronische Verstopfung den mit dem Alter sich
ausgleichenden infantilen Zustand des S romanum erhalten hatte 4 *,
so dass dieses „seine nunmehr als pathologisch zu bezeichnende
Länge“ beibehält. Budberg und Koch fanden weder in ihren
eigenen, noch in den aus der Literatur von Epstein*) gesammelten
Fällen einen Volvulus einer einfach gekrümmten (kurzen) Flexur,
woraus nach ihnen ebenfalls „das Geschraubte der Annahme“ folgt,
dass eine kurze Flexur erst durch langdauernde Blähung zu einer
langen umgewandelt und dann torquiert wird, vielmehr sich folgern
lässt, dass nur eine von Anfang an lange und weite Flexur dem
Volvulus anheimfällt. Aber selbst wenn wir davon absehen, ob wir
diese Länge der Flexur als angeboren oder erworben ansehen
wollen, sicher steht das eine fest, dass in fast allen bezüglichen
Krankengeschichten sich abnorm lange Flexuren erwähnt finden.
Ich lasse hier einige spezielle Angaben folgen:
Fall Melchiori 95 cm lange Flexur
,, ,, (6 cm ,, ,,
,, Watson einige Fuss „ „
„ Budberg und Koch 174 cm „ „
*) Budberg und Koch citieren eine Sammelarbeit von Dr. Epstein, die
ich auch bei v. Zoege erwähnt fand, beidemal jedoch ohne Angabe des Ortes. Es
gelang mir leider nicht, diese Arbeit aufzufinden.
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Fall
>1
t*
»i
Curachmann
Küttner
Foote
Garrö
Goltdammer
Obalinski
110 cm lange Flexur
24 Zoll
3 Fusa
über 1 m
65 cm
60 cm
Zoege-Manteuffel 111 cm
Steintbal 1 m
Ferner reaecierten: Braun 86 cm, Koch 76 cm, Friele 97 und
7G cm, Obalinaki 56 cm, Solmann 72 cm, Mintz 80 cm, Bud¬
berg und Koch 110 und 125 cm, Anachütz 50 cm, Böckel bei
einem 2 1 / i jährigen Kinde 29 cm.
Ich erwähne zur Illustration auaaerdem folgende Angaben: Berg¬
mann: Kuppe de8 S rom. bia zum Rippenrand (mehrere Fälle); Jobert:
S 4—5mal ao lang ala normal; Iarael: Scheitel an dem Rippenbogen;
Roepke: S reicht bis zum Zwerchfell; v. Wahl: bis oberhalb des
Nabels; v. Zoege: bis zur Mammillarebene; Poppert: bis ins rechte
Hypochondrium. Curschmann fand in seinen Fällen die Länge des
ganzen Dickdarmes, die er normal mit 142 cm annimmt, mindestens auf
207 cm vergrössert, sechsmal 230— 260 cm, einmal 270 cm und zwei¬
mal 280 cm.
Ueberdies fand ich in einer sehr grossen Zahl von Kranken¬
geschichten die Hervorhebung des Umstandes, dass die Flexura sigmoidea
sehr gross war, ohne nähere Zahlenangaben.
Im Gegensatz zu diesen Angaben sagt Kuhn in einer Arbeit
aus der jüngsten Zeit, dass die Länge der Flexur ganz be¬
langlos sei und dass man jetzt allgemein Narbenbildung im Meso¬
sigma als ursächliches Moment für den Volvulus ansehe, womit
auch seine Fälle übereinstimmen. Es kann niemandem, der in die
Literatur über Volvulus des S romanum Einblick genommen hat,
einfallen, die enorme Wichtigkeit dieser Narben, auf die ich weiter
unten zu sprechen komme, zu leugnen. Aber es ist unmöglich, die
Länge der Flexur als „belanglos“ für das Zustandekommen des Vol¬
vulus zu bezeichnen. Ich verweise auf die soeben besprochenen
Literaturangaben und muss vollkommen den Worten Budbergs
und Kochs (deren Arbeit Kuhn auffallenderweise nicht berück¬
sichtigt zu haben scheint) beistimmen, „dass nur einzelne, näm¬
lich ganz bestimmte Arten von langer und längster Flexur
rücksichtlich des Drehungs- (und auch des Verknotungs-)
Volvulus von Bedeutung sind, während für gleiche Sperrungen
an langen und kurzen, im Becken befindlichen Flexuren selbst Unica
mit Sicherheit sich nicht ermitteln lassen“. Meist wird wohl neben
der abnormen Länge der Flexur ein narbiges Mesenterium als prä¬
disponierend in Betracht kommen (daher auch bei Kindern, wo die
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Narben fehlen, Volvulus selten zustande kommt); aber während ich
Ausnahmen von der Regel des Bestehens solcher Narben fand,
indem eiu langes S mit narbenlosem Mesenterium gedreht wurde
(s. unten), ist es mir ebensowenig wie Budberg und Koch
gelungen, einen Fall ausfindig zu machen, bei dessen Beschreibung
ich die Drehung einer kurzen Flexur gefunden hätte.
Als weitere kongenitale Prädisposition für die Entstehung des
Volvulus nehmen Budberg und Koch neben der besonderen Länge
auch eine gewisse Lage der Flexur an. Dieselbe bleibt infolge
der ihr innewohnenden Kraft, sowie infolge der Gruppierung der
Nachbarschaft normalerweise immer in derselben Lage und steckt
immer „wie in einer Zwinge oder in einem ähnlich der Schlingen-
oberfläche geformten Kanal“, ist in der linken Bauchhälfte zum
Zwerchfell emporgerichtet und hat allseits eine sich stets gleich
bleibende Begrenzung. Ist die Torsion des S eingetreten, so ist die
Nachbarschaft nach Koch (in einer späteren Arbeit) eher ein
Hindernis für die Ruckdrehung, wenn das S schlaff ist, hält aber
die geblähte Flexur nicht in der torquierten Stellung. Vielmehr
legt Koch hierbei das Hauptgewicht auf die der Flexur inne¬
wohnende Kraft, auf die Gestalt und Elastizität ihrer Schenkel. Er
beweist dies an einem Falle, bei dem er dem gedrehten S die Stutze
der Umgebung (Bauchwand, Dünndarm) wegnahm und dieses doch
seine gedrehte Stellung beibehielt.
Als für den Volvulus prädisponierend kommen ferner die be¬
reits erwähnten peritonitischen Veränderungen des Mesenterium
S romani in Betracht, welche zu einer besonderen Verschmälerung
desselben und daher zu Annäherung der Fusspunkte der Flexur führen.
Diese Veränderungen, welche nur selten (so im Falle Heidenhai n’s,
SteinthaFs, Anschütz’, BöckeFs und in zwei Fällen Kiwull’s)
fehlen, können kongenital oder erworben sein. Die crsteren sind nach
Budberg und Koch Verwachsungen zwischen dem S romanum
und dessen Umgebung in verschiedener Form aus unbekannter
Ursache. Für die vielfach angenommene fötale Peritonitis
(Leichtenstern u. a.) gibt es nach diesen Autoren keinen An¬
haltspunkt; vielmehr sollen dies möglicherweise Reste fötaler
Mesenterien sein. Trotzdem die Möglichkeit der Annäherung der
Fusspunkte des S als angeborene Eigentümlichkeit entschieden zu¬
gegeben werden muss, steht diese doch an Häufigkeit und daher
an Wichtigkeit hinter der erworbenen bei weitem zurück. Pie
letzteren Veränderungen bestehen in Schwielen, Schwarten, Narben
oder strangartigen Verdickungen, deren Sitz vorzugsweise die Fuss-
Go gle
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punkte des S romanum oder des Mesosigmoideum sind. Virchow
fasst die Narben als Reste einer Peritonitis chronica raesen-
terialis auf. Trotzdem Budberg und Koch meinen, dass sowohl
Volvulus ohne Peritonitis mesenterialis, als auch Peritonitis mesen-
terialis ohne Volvulus vorkommt, was gegen einen Zusammenhang
dieser zwei Prozesse spricht, trotzdem sie es für unsicher erklären,
ob bei Volvulus mit Peritonitis chronica mesenterialis letztere schon
vorher da ^var oder erst dem Volvulus ihre Entstehung verdankt,
trotzdem müssen sie zugeben, dass diese Narben und Stränge eine
sehr häufige Erscheinung bei Volvulus sind und dass sie auffallender¬
weise bei kurzer Flexur (die ja nicht torquiert werden kann) äusserst
selten sind. Diese augeborene Schmalheit oder narbige Veränderung
des Mesosigma scheint für das Zustandekommen des Volvulus that-
sächlich von grosser Wichtigkeit zu sein, und von vielen Autoren
wird deren ätiologische Bedeutung ganz in den Vordergrund gestellt.
Bereits Gruber nimmt an, dass die Achsendrehung begünstigt wird,
wenn das S sehr lang und die Schenkel einander genähert sind.
Leichtenstern hält eine ungewöhnliche Schmalheit der Gekröse¬
wurzel, so dass die Fusspunkte einander genähert sind und einen
Stiel bilden, für die gewöhnliche Ursache des Volvulus, indem
es um so leichter zu Achsendrehung kommt, „je grösser das Miss¬
verhältnis zwischen der Länge der S-Schlinge und der Schmalheit
ihrer Gekrösewurzel ist“. Ebenso gibt Nothnagel als anatomische
Vorbedingung für den Volvulus an, dass das S sehr gross und sein
Mesenterium dementsprechend lang, aber zugleich schmal sein muss,
wobei namentlich die Fusspunkte des S einander sehr genähert
werden und das zwischen ihnen befindliche Mesocolon in eine Art
Stiel verwandelt wird, um dessen Längsachse die Drehung vor sich
geht. Israel kommt zu einem ähnlichen Schlüsse, dass nämlich das
lange S mit seinem langen Mesenterium ein gestieltes Organ
bilde, dessen Stiel leicht gedreht werden könne, jedoch auf Grund
falscher Prämissen. Er meint nämlich, dass eine schrumpfende
Mesenteritis eine Behinderung der Bewegung der Kotmassen und
daher durch chronischen Zug eine Verlängerung des S und seines
Mesocolon bewirke, während wir doch — wie oben erwähnt — vor
allem ein kongenital langes S annehmen müssen, auf welches dann
erst die chronische Peritonitis mesenterialis ihre Wirkung ausüben
kann. Nach Zeidler können durch Narben nach chronischer Mesen¬
terialperitonitis die beiden Schenkel des S einander so genähert
werden, dass sie „nach Art einer zweiläufigen Flinte“ parallel ver-
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572
laufen*). Diese an ihrem Grunde fixierte, im übrigen aber freie
Schlinge macht dann sehr leicht Drehungen um ihre Achse. Auch
Curschmann hält die starke Annäherung der beiden Schenkel der
Schlinge an deren Basis bezüglich des Zustandekommens des Vol-
vulus für ätiologisch wichtig. Nach ihm kann diese Annäherung
kongenital sein, doch sah er keinen solchen angeborenen Fall, viel¬
mehr fand er in allen seinen Fällen deutliche Veränderungen des
Mesocolons an der Schlingenbasis in Form weisslicher Trübungen
und Verdickungen oft von bedeutender Derbheit. Curschmann
meint, dass diese schwielige Schrumpfung wahrscheinlich von der
chronischen Obstipation abhänge. Ebenso ist Leichtenstern der
Ansicht, dass die wiederholte Kotstauung durch ihren mechanischen
und chemischen Reiz eine schleichende Peritonitis und daher Ver¬
dickung und Schrumpfung der Mesenterialwurzel hervorbringe. Auch
Samson hält die Obstipation für den hauptsächlichsten Grund
dieser Narbenbildung, doch nimmt er entgegen Treves an, dass
diese nicht durch das Gewicht des Inhaltes, sondern durch die Gas¬
aufblähung wirke. Uebrigens können nach Samson diese Narben
auch durch lokale Peritonitis anderer Natur, z. B. bei gonorrhoischer
Infektion der Frauen, entstehen. Einen ganz exceptionellen Stand¬
punkt nimmt in dieser Frage Riedel ein. Er gibt wohl den
Autoren darin Recht, dass die Annäherung der Fusspunkte der
Flexur durch Schrumpfung des Mesenterium infolge chronischer
(fötaler oder durch Einwirkung der Kotmassen erworbener) Mesen¬
terialperitonitis eine Priidisposition für das Umschlagen der lang¬
gestreckten Schlinge bilde. Aber er meint, „dass diese Schrumpfung
des Mesenterium S romani an sich, ohne dass Achsen¬
drehung des Darmes erfolgt, schon sehr schwere Erscheinungen
von Darmverengerung, Ileus und Tod zur Folge haben kann“**). An¬
deutungen von weiss schillernden Narben in diesem Gebiet finden
sich nach Riedel ausserordentlich häufig bei Sektionen älterer
Individuen. Sie erschweren wohl ein wenig die peristaltische Be¬
wegung in der Flexur, werden aber erst gefährlich, wenn durch
narbige Schrumpfung die Fusspunkte einander genähert werden,
wodurch allein es zu Kotstauung, schwerer Obstipation, eventuell
auch zu Ileus kommen soll. Unter den Ursachen, die Riedel für
diese Narbenbildung anführt, sind Lues und Trauma mit Bluterguss
hervorzuheben. _ (Fortsetzung folgt.)
*) Dasselbe ist in drei Fällen Brehm’s erwähnt.
”*) Ebenso will Brehm eine Unterscheidung gemacht wissen zwischen den
durch die Schrumpfung bedingten Anfällen von Occlusion (die er als Leiden sui generis
auffasst) und den durch Volvulus erzeugten.
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573
Pankreascysten.
Von Dr. Max Münzer (Breslau).
(Fortsetzung.)
Aus den letzteren Erscheinungen, die nach dem im übrigen
seltenen Schwund im Anschluss an die auch zumeist verworfene
Punktion in Anfällen einsetzen, schliesst Israel, dass noch eine
Pankreaserkrankung vorliege, und zwar dieselbe, welche zur
Cystenbildung Anlass gegeben hat und die jetzt eben noch die
Attaquen auslöst. Wegen des intermittierenden Charakters der
Beschwerden denkt der Autor an die Bildung von Pankreassteinen.
Im Gegensatz zu diesen auf dem Boden der Cirrhose ent¬
standenen Stauungscysten stehen, wie Lazarus in seinen experi¬
mentellen Studien zu begründen sucht, die Erweichungscystoide
infolge von Fettgewebsnekrosen. Diese das fetthaltige Bindegewebe
der Drüse befallenden Nekrosen können natürlich auch die Folge
eines Traumas sein, das mit oder ohne endopankreatische Hämor-
rhagien und gleichzeitigen Saftaustritt aus einer gesetzten Wunde
Nekrose des interstitiellen Fettgewebes herbeigeführt hat. Es ist
naheliegend, wie es z. B. Fisher will, anzunehmen, dass die
Läsion analog dem Goltz'schen Klopfversuche trophoneurotische
Störungen und in der Folge die nekrotischen Degenerations¬
erscheinungen verursacht. Durch Kolliquationsvorgänge kommt es
dann zur centralen Auflösung und Einschmelzung der abgestorbenen
Herde und so zur Ausbildung eines Hohlraumes, dessen Wandungen
alle Zeichen der Entzündung und Nekrose darbieten, also zu einer
Erweichungscyste. — In der Literatur finden sich, worauf besonders
Peiser in seiner neulichen Arbeit über Pankreasnekrose aufmerk¬
sam macht, auch mehrere Fälle verzeichnet, bei denen die Aus¬
bildung solcher mit Pankreasnekrose vergesellschafteten Pseudocysten
in irgend einem Zusammenhänge mit Schwangerschaft und Geburt
zu stehen scheint. Die wichtigsten Daten des Peiser’schen Falles
sind folgende:
28 jährige Frau erkrankte Mai 1894 an diffuser eitriger Bauch¬
fellentzündung, wahrscheinlich vom Blinddarm ausgegangen. Operation.
Heilung. Mai 1897 im anfallsfreien Stadium wegen Appendicitis Sim¬
plex Wurmfortsatzexstirpation, Entfernung einer retroperitonealen Drüse
und Eröffnung eines rechtsseitigen Glutäalabscesses. Geheilt. Seit 3 1 /«,
Jahren verheiratet. Letzte Menses Anfang September 1899. Am
30. Mai spontane Geburt eines gesunden Knaben. Placenta, weil ad-
härent und wegen starker Blutungen, nach zwei Stunden manuell entfernt.
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574
Dabei sehr starker Blutverlust, Ohnmacht. Normales Puerperium, nur
grosse Schwäche.
2 1 / 2 Wochen post partum plötzlich sehr heftiges, galliges Erbrechen,
Kolikschmerzen im Leibe, besonders in der Magengegend. Wiederkehr
der Schmerzen in unbestimmten Abständen, Dauer derselben mehrstündig.
In den letzten 14 Tagen kontinuierliche Schmerzen, immer heftiger, zu¬
gleich starke Uebelkeit und galliges Erbrechen. Bisweilen Durchfälle.
Anorexie, zweitägige Obstipation, starke Abmagerung. Schon beim ersten
Anfall bemerkte Patientin, dass ihr der „Magen hart“ wurde. Sie
machte sich dort Einreibungen mit Franzbranntwein. — Auch starke
Kreuzschmerzen. Am 17. August 1900 Aufnahme ins Krankenhaus.
Kleine, sehr schlecht genährte, blasse Person. Puls etwa 100, Tempe¬
ratur 38. Epigastrium vorgewölbt Tumor von glatter Oberfläche bis
unter den linken Rippenbogen zu verfolgen, nach abwärts bis zwei Finger
oberhalb des Nabels, prall elastisch ; geringe respiratorische Verschieb¬
lichkeit. Oberhalb des Tumors Magen nachweisbar. Die ganze Gegend
der Geschwulst auf Druck sehr empfindlich. Gynäkologisch nichts Ab¬
normes. Im Urin Eiterkörperchen, keine Epithelien; Spureii von Al-
bumen, 4°/ 0 Zucker; kein deutlicher Nachweis von Aceton und Acet-
essigsäure. Auf Grund des Befundes und einer achttägigen Beobachtung
wird die Diagnose auf Pankreascyste gestellt
Laparotomie: Median- und ein dazu quer nach rechts ver¬
laufender Schnitt Tumor zwischen Magen und Colon transversum und
hinter diesem gelegen, vom Lig. gastrocolicum bedeckt Er liegt in der
Ausdehnung eines kleinen Handtellers frei zu Tage. Därme, Magen,
vor allem Quercolon mit ihm breit verwachsen. Fixierung der cystischen
Partie in der Wunde, indem Magen und Colon resp. Netz am Perito¬
neum parietale mit Gätgutnähten angeheftet werden. Ringförmige Tam¬
ponade mit Jodoformgaze. Am sechsten Tage darauf Eröffnung der
cystischen Partie mittels Paquelins. Entleerung von ca. 30 ccm gelblicher
breiiger Flüssigkeit Sie reagiert schwach alkalisch, enthält etwas Ei-
weiss, keinen Zucker, viel Fette. Keine Fermente. Die mitentleerten
Gewebsfetzen zeigten die diffuse Färbung nekrotischen Gewebes mit
teils homogener, teils streifiger, teils körniger Grundsubstanz; hier und da
Andeutung einer alveolären Drüse und mehr oder weniger veränderte
Fettzellen und Fettläppchen. — Am 12. September (also neun Tage
nach dem zweiten Eingriff) wird mittels Kornzange das vollständig als
Sequester abgestossene Pankreas entfernt.
Der schon vor der Operation nachgewiesene Diabetes führte schliess¬
lich nach fünf Monaten den Exitus der Patientin herbei.
Peiser glaubt, in diesem Falle den starken Blutverlust post
partum als ätiologisches Moment ansehen zu müssen. Er zieht
folgende Schlüsse: Die akute Anämie hat die Ursache für die
Pankreasapoplexie abgegeben, sei es infolge Veränderungen dos
Gewebes oder des Blutes selbst. — Weiterhin aber bemerkt er
ganz richtig, dass neben der akuten Anämie in ätiologischer Hinsicht
auch noch die Geburt selbst in Betracht kommt. „Es ist ja von
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575
«ler Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett genugsam bekannt,
dass sie die Entwickelung verschiedener Krankheiten, die geradezu
für diese Epoche eigentümlich sind, abgeben. Ich erinnere unter
vielem anderen nur an die Nephritis, Eklampsie, gelbe Leber¬
atrophie etc. Man hat daher auch vielfach angenommen, dass ge¬
wisse Toxine eben unter dem Einfluss der Gravidität leichter ent¬
stehen resp. schwerer zur Ausscheidung kommen. . . . Die Geburts¬
helfer werden daher wohl auch dieser Erkrankung ihre Aufmerksam¬
keit . . . zuwenden müssen.“
Referent möchte auf die pathologisch - histologisch ja unter
Umständen nachweisbare Möglichkeit hinweisen, dass sich solche
Pankreasnekrosen um Chorionepithelzellen, die in Pankreasgefässe
deportiert worden sind, ausbilden. Bekanntlich hat Schmor! zuerst
auf die Emboli in verschiedenen Organen mit „Placentarriesen-
zellen“, besonders aber bei der Eklampsie, aufmerksam gemacht
und Lubarsch hat diese Befunde bestätigt, Kassjanow sie sogar
für physiologische Erscheinungen in beschränktem Sinne erklärt.
Diese Epithelzellen besitzen aber die auffallende und für sie charak¬
teristische Eigenschaft, in der Umgebung und besonders in der
Gefässwand Gerinnungserscheinungen hervorzurufen. Von der Ge¬
rinnung zur Nekrose ist nur ein kleiner Schritt. Vielleicht hängt
mit einem solchen ätiologischen Faktor folgender Fall Francke’s
zusammen, bei dem in der stark erweiterten Hauptvene des Pankreas
ein wandständiger Thrombus gefunden worden ist:
Frau L., 33 Jahre alt; drei normale Partus; seit dem letzten (vor
vier Monaten) noch amenorrhoisch. Immer gesund gewesen. Vor fünf
Wochen plötzliche Erkrankung mit „Magenkrampf“, Erbrechen und
„Stichen im Magen“ heftigster Art. Seit drei Wochen bemerkt Patientin
links im Leibe eine allmählich wachsende Geschwulst.
Status: Fette Frau; Abdomen in der linken Hälfte etwas stärker
als rechts vorgewölbt. In der linken Regio hypogastrica grosse, prall
elastische Geschwulst mit glatter Oberfläche, von hinten nach vorn ver¬
schiebbar, dagegen keine deutliche respiratorische Verschiebung und
Fluktuation. Schall gedämpft, geht in die Milzdämpfung über; zwischen
Leber und Tumor dagegen Zone tympanitischen Schalles. — Im Urin
viel Sediment, Spuren von Eiweiss, kein Saccharum. Epithelzellen (Art?),
viel Phosphate, vereinzelte Leukocyten.
Die in suspenso gelassene Diagnose neigt zur Annahme einer
Hydronephrose; daher Nierenschnitt zur Besichtigung der Niere, an deren
Fettkapsel einzelne weisslichgelbe, unregelmässig nekrotische Stellen auf¬
fallen, sonst aber kein Tumor oder anderweitige Veränderung dort sicht¬
bar; hingegen wird aber der grosse Tumor der Niere direkt anliegend,
also scheinbar intraperitoneal gefühlt; daher Eröffnung des Peritoneums
von vorn her. Zwischen Magen und Därmen eine circa mannskopfgrosse,
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prall fluktuierende, bläulich durchschimmemde Geschwulst, mit ihrer Um¬
gebung nach allen Richtungen hin äusserst eng verwachsen. Beim Ver¬
such der Lösung reisst die Wand der Cyste ein und dieselbe muss, weil
nicht exstirpierbar, in die Bauchwunde eingenäht werden. „Die Cyste
entspringt von der Rückseite anscheinend zwischen Magen und Duodenum;
sie ist einkammerig und zeigt eine glatte Innenfläche. In der Cysten¬
flüssigkeit finden sich spärlich rote und weisse Blutkörperchen, Fett¬
körnchenzellen und Detritus.“
Nach 5 Tagen Exitus.
Sektion: Im grossen und kleinen Netz, desgleichen im Mesen¬
terium vereinzelte, opake, gelbliche Fettnekrosen. — Im Grunde des
hinteren Abschnittes der dünnwandigen Cystenhöhle liegt, umgeben von
Gerinnseln und nekrotischen Fettmassen, das Pankreas, das in eine
schmierige, opak-gelbliche Masse umgew T andelt und vielfach mit ein¬
gedicktem Blute durchsetzt ist. — In der stark erweiterten Haupt-
vene der Drüse sitzt ein wandständiger Thrombus. — Mikro¬
skopisch vollständige Nekrose des Pankreas mit ziemlich zahlreichen
Resten von Blutfarbstoff; nur an ganz wenigen Stellen noch ange-
deuteter Drüsencharakter. — Cysten wand 3—4 mm dick, besteht aus
ziemlich zell- und gefässreichem, fibrillärem Bindegewebe, hie und da
Rundzelleninfiltrate und Blutungen; dagegen nirgends epitheliale resp.
drüsige Hohlräume und Ausbuchtungen. Spezifische Pankreasfermente
sind nicht nachgewiesen worden.
Francke glaubt, dass sein Fall nach plötzlicher akuter
Pankreasnekrose durch einen Durchbruch des Entzündungs- bezw.
Nekrosenherdes in die Bursa oment. hinein entstanden ist; dort
im Netzbeutel habe sich als Folge dieses Durchbruchs ein serös¬
entzündliches, abgesacktes Exsudat gebildet; es handelt sich also
nach Francke hier um eine peripankreatische Pseudocyste. Mit
dieser Erklärung gibt der Autor aber keine Erklärung für die Ent¬
stehung der ursächlichen akuten Nekrose ab und insbesondere weist
er in keiner Weise auf die vorangegangene Geburt hin. Wir werden
indes wohl nicht fehlgehen, wenn wir in ätiologischer Beziehung
auch hier den Partus heranziehen. Peiser hat unter 121 Fällen
von Pancreatitis haemorrhagica und Nekrose des Pankreas achtmal
den mehr oder weniger deutlichen Zusammenhang mit einer Geburt
feststellen können. Dass sich auch unkomplizierte Pankreascysten,
d. h. Cysten, bei denen keine gleichzeitige Nekrose der Drüse ge¬
funden worden ist und bei denen auch die klinischen Symptome
nicht für einen vollständigen Untergang derselben sprachen, im An¬
schluss an einen Partus entwickeln können, dafür sprechen die
bereits bei Körte erwähnten Fälle von Hayes Agnew (sechs
Wochen nach der Geburt), Ludolph (drei Wochen post partum),
Gussenbauer (unmittelbar darauf) und die ebenfalls gleich nach
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577
der Entbindung konstatierten Fälle von Martin, Salzer, Hein-
ricius und Mayo. Auch von Körte ist (auf Grund persönlicher
Mitteilung) in seiner Arbeit der erste Fall von Seefisch kurz be¬
richtet, den dieser später in der „Deutschen Zeitschrift für Chirurgie“
ausführlich mitteilt:
Frau L., 40 Jahre alt, früher gesund, sechs Geburten. Mai 1888,
fünf Tage post partum VII, plötzlich heftige Magenkrämpfe und
sehr starkes Erbrechen. Gleiche Anfälle wiederholt in den nächsten
Monaten. Dann Besserung bis Dezember 1888. Dann Wiederholung
derselben Anfälle zugleich mit Schmerzen, zunehmender Schwäche und
Abmagerung bis Januar 1890, wo Patientin in ärztliche Behandlung trat
Der damals von Dr. Kuthe erhobene Befund ergab bei der anämischen,
abgemagerten Patientin eine etwa mannskopfgrosse, prall-elastische Ge¬
schwulst mit deutlicher Fluktuation im Epigastrium; sie war sehr wenig
verschieblich; auffallend war das sehr deutliche Aortenklopfen am Tumor.
Von den Nachbarorganen ziemlich sicher abgrenzbar. Magen und Quer¬
colon legten sich bei Aufblähung vor den Tumor. Die von Dr. Kuthe
gestellte Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Pankreascyste wird von Hahn
acceptiert.
Im Urin viel Eiweiss, kein Zucker.
Operation bestätigt die Diagnose; sie wird ausgeführt nach der
Gussenbauer’schen Methode.
Heilung.
In welcher Weise hier, wie in den ähnlichen Fällen, Geburt
und Pankreascyste kausal Zusammenhängen, ist nicht zu ergründen.
Dass aber auch Apoplexien ins Drüsengewebe, die sicher nicht¬
traumatischen Ursprungs sind, Anlass zur Entwickelung einer Pan¬
kreatitis resp. Nekrose des Organs und weiterhin zur Ausbildung
einer hämorrhagischen Cyste geben können, dafür spricht vielleicht
das interessante Beispiel, das’Rasumowsky unter dem Titel „Apo¬
plexia pancreatis“ wiedergibt:
Ein 29 Jahre alter Arzt, der früher an Magen- und Darm¬
storungen unbestimmten Charakters gelitten hat, wird plötzlich nach
einem massigen Diätfehler (Alkoholgenuss) ohne alle Prodromal¬
erscheinungen von einem akuten Schmerzanfalle ereilt, der an das Bild
einer perforierenden Peritonitis erinnert. Abends 6 Uhr war der Kranke
zu Gaste bei einem Diner gewesen, hatte Karten gespielt und getrunken,
und um 8 Uhr stellten sich immer stärker zunehmende Schmerzen ein;
das Krankheitsbild gestaltete sich bis zum nächsten Morgen zu einem
scheinbar absolut infausten. Von den zugezogenen Aerzten wurde gleich
eine Geschwulst in der Regio epigastrica konstatiert, wo Patient die
heftigsten Schmerzen empfand. Die Geschwulst nahm unter Besserung
der Allgemeinerscheinungen in den nächsten Tagen etwas zu. 22 Tage
nach Beginn der Erkrankung kam Pat. zur Operation unter der
Diagnose eines — wahrscheinlich auf eine Magenperforation (Ulcus
rotundum) zurückzuführenden — eingekapselten Exsudates.
Central bla tt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 37
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Bei Betrachtung der Bauchgegend fällt eine Geschwulst, eine Auf¬
treibung in der Regio epigastrica auf, deren höchstgelegener Punkt rech Ls
von der Mittellinie liegt. Diese Auftreibung dehnt sich nach beiden
Seiten aus, um sich in die Hypochondrien zu verlieren. Die untere
Grenze der Geschwulst erstreckt sich bis um ein weniges oberhalb des
Nabels. Bei horizontaler Rückenlage erscheint die Regio epigastrica
weniger aufgetrieben und die Geschwulst ist weniger scharf markiert.
Bei den Atembewegungen ändert die Geschwulst ihren Ort nur wenig.
Der untere Teil des Bauches ist eingesunken. Die Leberdämpfung,
deren obere Grenze normal ist, geht nach abwärts auf den Tumor über,
indes ist der Perkussionsschall über der Geschwulst nicht leer, sondern
gedämpft-tympanitisch. Die Palpation ist nur wenig schmerzhaft, ergibt
keine scharfen Grenzen, aber deutliche Fluktuation.
Bei der überaus schwierigen Operation, bei welcher sich
Rasumowsky durch den linken Leberlappen hindurch einen Weg
schaffen musste, um zu dem bis dahin immer noch als event. eitriges,
abgekapseltes Exsudat angesehenen Tumor zu kommen, erwies sich
derselbe als ein retroperitoneales Hämatom, welches mit dem Pankreas
in innigstem Konnex stand. Letzteres schloss Rasumowsky aus
der direkten Untersuchung während der Operation und später aus
dem mikroskopisch erbrachten Nachweis abgestossener nekrotischer
Partikel des Pankreasgewebes. Rasumowsky sieht seinen Fall
als Apoplexia pancreatis non traumatica mit sekundärer Ausbil¬
dung einer Pseudocyste an. Rasumowsky ist auf Grund seines
Falles geneigt, alle so plötzlich — ohne Trauma — entstandenen
Cystenbildungen des Pankreas auf eine Apoplexia pancreatis zurück¬
zuführen. Diese befällt den Patienten, oft ohne dass irgend welche
gastroenteritische oder sonstige Symptome vorangegangen sind, bei
scheinbar vollster Gesundheit und gibt sich kund durch Schmerzen
in der oberen Bauchgegend, Auftreibung, Obstipation, allgemeine
Schwäche und peritonitische oder ileusartige Erscheinungen. Körte
weist übrigens auch auf diese Attaquen hin und hebt noch be¬
sonders ihre Aehnlichkeit mit akuter Pankreatitis hervor. Nicht
selten erscheint sogar bald nach dem Anfalle eine Geschwulst in
der Gegend der Regio epigastrica, wie in dem eben erwähnten
Falle Rasumowsky's, die sich bei der Operation alsdann als
hämorrhagische Cyste herausstellt; ihr Inhalt gleicht durchaus dem
der traumatischen Pankreascystoide. Wenn ab und zu bei solchen
akuten Ereignissen ein bereits vorhandener akuter Tumor nicht
konstatiert werden kann, so liegt dies zumeist an dem sich während
der akuten Periode ausbildenden Meteorismus, der die Geschwulst
verdeckt. Dann aber kann auch einmal, wie dies in Rasumowskvs
Fall selbst geschah (und was auch schon Lloyd hervorgehoben hat',
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ein solcher Tumor bei der infolge der Schwere der Erkrankung
doch stets horizontalen Rückenlage des Patienten für die Palpation
undeutlich und somit im Beginn der Erkrankung übersehen werden.
Küster, Swain und Landsdown haben aber trotz Meteorismus
und starker Empfindlichkeit verhältnismässig früh nach dem ersten
Anfall einen Tumor festgestellt, der der Natur seiner plötzlichen
Entstehung nach gar nicht anders als ein hämorrhagischer Erguss
gedeutet werden konnte. Für die apoplektische Aetiologie sprechen
besonders diejenigen Fälle, welche, zeitig operiert, einen Inhalt aus
wenig verändertem Blute ergaben, wie die bei Körte erwähnten
Fälle von Socin, Landsdown und der Fall von Langton, der
einen aus fast reinem Blute bestehenden Inhalt in der von ihm als
„Blutsack“ bezeichneten Cyste vorgefunden hat.
Von solchen mit ganz akuten Symptomen einsetzenden, durch
traumatische oder spontane Apoplexie erzeugten Pankreascysten ab¬
gesehen, wird in der überwiegenden Mehrzahl der einschlägigen
Fälle oft lange Zeit vor der Ausbildung der Geschwulst über allerlei
dunkle Verdauungsstörungen geklagt, welche mit den chronischen
Entzündungsprozessen im Pankreas und den von diesen abhängigen
Funktionsstörungen des Organes im Zusammenhang stehen. In dem
von Körte bereits kurz erwähnten Fall II von Seefisch werden
als Frühsymptome anhaltende, ärztlicher Behandlung trotzende Magen¬
beschwerden geklagt. Ebenso allgemein gehalten sind die in des
ganannten Autors Fall III notierten Beschwerden, welche in Auf-
stossen und einem auffallenderweise bei Lagewechsel sich ändernden
Druckgefühl bestanden: bei Rückenlage lästiger Druck in der Magen¬
gegend, welcher bei Seitenlage sofort nachlässt. Schmerzen in der
Magengegend seit acht Jahren gab die Patientin Keitler’s an, von
deren Erkrankung der Autor folgendes, hier kurz zusammengefasstes
Krankheitsbild entwirft:
34jährige Patientin hat seit acht Jahren Schmerzen in der Magen¬
gegend; seit zwei Jahren hat sich daselbst eine Geschwulst entwickelt,
sie hat jetzt Kindskopfgrösse mit Fluktuation an der Stelle der grössten
Konvexität. Eiförmig gestaltet, sendet sie nach oben hin einen ca. 2 cm
langen, fast ebenso breiten Zapfen. Die Geschwulst ist ausserordentlich
beweglich und lässt sich leicht im ganzen Bauchraum verschieben, sogar
bis unter den linken Rippenbogen hin. — Kein Zucker. — Nach Auf¬
blähung von Magen und Colon wird die Diagnose auf Pankreascyste
event Gekröscyste gestellt.
Bei der Operation findet man die Cyste dem Magen in der
Pylorosgegend aufliegend, ohne dass sie Stenosenerscheinungen hervor¬
gerufen hat, und auf dem Schwänze des Pankreas sitzend. Ab¬
präparieren des Peritonealüberzuges der Cyste, Durchtrennung des Stieles,
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580
Vernähung des Stumpfes und des Peritoneums über demselben. Also
Totalexstirpation. Glatte Heilung.
Die Patientin, deren Krankengeschichte v. Brackei wiedergibt
(s. oben), hatte im Anfänge auch nur unbestimmte und leichte
Schmerzen, die erst heftig wurden, als die von der Kranken selbst
anfangs ganseeigross gefühlte, später rasch wachsende Geschwulst
noch andere Erscheinungen machte. Ist die Cyste nämlich im
Wachstum begriffen oder schon mehr oder weniger deutlich ent¬
wickelt, dann sind es vorzüglich zwei Symptomengruppen, die in
die Augen fallen, diejenigen, welche von der behinderten, gestörten
oder aufgehobenen Pankreasfunktion direkt abhängen, und diejenigen,
welche die Geschwulst als solche mechanisch oder reflektorisch
hervorruft. (Fortsetzung folgt.)
Ueber die nach Verletzungen zurückblei*
benden Veränderungen des Grefässapparates.
Zusammenfassende Uebersicht von Dr. Hans Herz (Breslau).
(Fortsetzung.)
Bei weitem die meisten traumatischen Aneurysmen finden sich
im Gebiete der unteren Extremität.
Die Aneurysmen der Arteriae glutaea und ischiadica hat
v. Varendorff ausführlich besprochen.
Er fand 24 falsche Aneurysmen mit äusseren Verletzungen,
19 an der ersteren, vier an der zweiten, ein Fall blieb unbestimmt
Nur drei Fälle waren arteriell-venös, trotz der engen Beziehungen
zu den beiden Begleitvenen. 14 mal handelte es sich um Stich-,
einmal um Schussverletzung. Die Gefässverletzung war viermal
komplett, achtmal inkomplett, in den übrigen Fällen war nichts darüber
bekannt.
Auch bei den in v. Varendorff's Sinne „nicht traumatischen“
Aneurysmen, deren sich 31 in der Literatur fanden, sind 11 mal
Traumen in der Aetiologie angegeben (z. B. wiederholte Quetschungen,
Sturz aufs Gesäss etc.).
Recht häufig sind die Aneurysmen der Femoralis nach Ver¬
letzungen. Jeder Teil der Femoralis kann befallen sein. Während
im oberen Teil derselben spontane Aneurysmen nicht selten sind,
erfordern sie im unteren gewöhnlich äussere Ursachen. Zahn
z. B. schuldigt in einem Falle von Aneurysma im unteren Drittel
an, dass Patient vier Wochen lang Backsteine auf dem betreffenden
Oberschenkel zerklopft hatte.
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58J
Gelegentlich setzen sich die traumatischen Aneurysmen der
Femoralis ins Becken auf die äussere Hüftpulsader fort (Fall von
Stevenson und H. J. Michael, der durch transperitoneale Ligatur
zur Heilung kam; ein Fall von Thiem).
Die Ursachen der Erkrankung waren recht verschieden, relativ
häufig Stichverletzung (ein Fall von Schal ly, zwei Fälle von
v. Eiseisberg,Sudeck) und Schusäverletzung(Königjun.,Chauvel,
Murphy, Stierlin). Ueberfahren (Thiem), Aufschlagen bei einem
Sturz (Schally), Verletzung durch einen Stahlsplitter (Sträter) werden
ferner noch angegeben. Schweres Heben schuldigt Thiem bei einem
Kranken an, der aber schon vorher an Arteriosklerose litt; ob hier
das Trauma, wie Thiem annimmt, zur Zerreissung der inneren Häute
mit sekundärer Entzündung der Media und anschliessender Bildung
eines Aneurysma führte, oder ein solches nur zum Wachstum oder
zur Beobachtung brachte, ist schwer zu entscheiden.
Relativ häufig handelte es sich hier um Aneurysma arterio-
venosum (ein Fall von v. Eiseisberg, Fälle von Sudeck, König,
Ohanvel, Murphy).
Was den Verlauf betrifft, so entsteht das Aneurysma zuweilen
erst einige Zeit nach der Verletzung (in einem Fall von Schally nach
1 / J Jahr), oder es wächst zuweilen erst spät und jäh, z. B. in einem
Fall von v. Eiseisberg nach 15 jährigem Bestehen.
Zur Heilung wurden die üblichen Methoden angewandt. Be¬
merkenswert ist die Behandlungsmethode, welche Murphy hierbei
beschrieb: er resecierte den kranken Teil der Arterie und invaginierte
den proximalen Stumpf in den distalen.
Wegen der akustischen Phänomene, sowie der Pulskurven ver¬
dient der Fall von Sudek — Aneurysma arterio-venosum nach
Stichverletzung — ausführliche Erwähnung.
Der kleinapfelgrosse, stark pulsierende Tumor liegt in der Höhe
der Kniekehle, hat sich aber nach der Innenseite des Oberschenkels, dem
Einstich folgend, vorgewölbt. Deutliches Schwirren ist nach unten in die
Kniekehle, nach oben bis in die Leistenbeuge dem Verlauf der Vene
entsprechend verfolgbar. Ein sausendes Geräusch lässt sich gar nach
oben bis in die Vena cava in Nabelhöhe, nach unten durch das ganze
Bein bis an die Spitze der grossen Zehe hören. Das Geräusch nimmt
die ganze Zeit von einer Systole zur anderen ein, schwillt mit der Systole
stark an und wird bis zur nächsten Systole immer schwächer. Puls der
Art. fern, in der Leistenbeuge am kranken Beine grösser als am gesunden.
Mit dem Sphygmographen erhält man je nach der Stelle des Tumors, auf
der man ihn aufsetzt, drei Arten Kurven: 1. eine Kurve, die ganz dem
Arterienpuls gleicht; 2. eine Kurve, die, ganz langsam ansteigend, gegen
das Ende der Diastole die grösste Höhe erreicht und erst unmittelbar
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vor der nächsten Systole abfällt (Venenpuls); 3. eine Kurve, die, steil an¬
steigend, wie der Arterienpuls sich bis gegen das Ende der Diastole fast
auf derselben Höhe hält und dann steil abfällt (Mischung des arteriellen
und venösen Pulses).
Der Umfang der kranken Wade ist um 4 cm stärker als der der
gesunden, die Vena saphena major stark blutüberfüllt. Am Unter¬
schenkel Geschwürsnarben. Abends oft Knöchelödem. Tremor des Beines
bei Anstrengungen. — Die Chancen der Behandlung scheinen zweifelhaft.
Die verhältnismässig nicht seltenen Aneurysmen der Poplitea
sind nicht gerade allzu häufig als rein traumatisch zu bezeichnen;
schwere Verletzungen der Innenhäute scheinen hier leicht zur Throm¬
bose und Gangrän zu führen. (Literatur u. a. bei K. Schulz und
Veau.) Oft gibt irgend ein mässiges Trauma nur die Veranlassung
zur rapiden Vergrösserung des schon vorhandenen Leidens, wie
z. B. in einem Falle von Zahn ein Anstemmen bei der Arbeit
Immerhin ist auf das relativ häufige Vorkommen des Leidens bei
Turnern hingewiesen worden. Auch der von Bollinger beschrie¬
bene Patient war eifriger Zimmerturner und führte durch sehr
häufige Kniebeugen Knickungen der Arterie herbei; doch war die¬
selbe wohl anderweitig bereits disponiert. Häufiger wie die Beu¬
gungen werden forcierte Streckungen angeschuldigt.
v. Eiseisberg stellte zwei Fälle vor. In einem war nach
einer Stichverletzung der Kniegegend ein Aneurysma varicosum
entstanden. Der andere war durch die Diagnosenstellung interessant:
anfangs bestand infolge von Trauma eine pulsierende Geschwulst
in der Regio poplitea; die Pulsation schwand allmählich ganz, doch
blieben Schmerzen und Kriebeln im Fusse zurück, der Puls in der
Art dors. ped. fehlte; die bestimmt gestellte Diagnose auf ein
Aneurysma wurde durch die Operation bestätigt.
An den Arterien des Rumpfes — vou den Aortenaneurysmen
abgesehen — sind Aneurysmen traumatischer Art in letzter Zeit
nur an den Nierenarterien beschrieben (Morris u. a.). Morris
fand unter 19 Fällen von Aneurysmen der Nierenarterien 12 trau¬
matische. Unter letzteren waren zwei sackförmige „echte“ Aneu¬
rysmen, neun falsche, ein Fall blieb zweifelhaft. Von den neun
falschen Aneurysmen kamen zwei durch Bersten eines echten zu
Stande, eins folgte nach einiger Zeit infolge Nachgebens eiues
Thrombus in der verletzten Arterie, ohne dass ein sackförmiges
Aneurysma vorhergegangen war, fünf waren die unmittelbare Folge
von Artericnzerreissung. Die Ursachen der Verletzung waren sehr
verschieden: heftiger Fall aus einem Wagen, Stoss durch den Puffer
einer Maschine u. s. w.
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Die falschen Aneurysmen werden viel grösser als die sack¬
förmigen, sie können den halben Bauch einnehmen. So verhielt es
sich auch in folgendem von Morris beschriebenen Falle.
36jähr. Farmer schlug mit der linken Seite gegen die Oberseite
einer niedrigen Mauer, fünf Jahre bevor er in die Behandlung von Morris
kam. Unmittelbar nach der Verletzung hatte er Schmerzen in der Seite
und Hämaturie, er blieb fünf Monate im Bett. Zeitweise grössere
Blutungen, dazwischen Urin frei. Im Laufe von Jahren wurde die
linke Seite immer ausgedehnter, dabei konnte er arbeiten. Allmäh¬
lich stellten sich doch wieder heftigere Schmerzen links ein, in das
Scrotum ausstrahlend. Der enorme Tumor pulsierte nur sehr wenig.
Tod einige Stunden nach der Operation. Die Nierenarterie öffnete sich
ziemlich weit in den Sack.
Nach Morris hat Peukert noch einen Fall von Aneurysma
dissecans einer kleinen Nierenarterie, entstanden durch Herab¬
stürzen eines mit Arteriosklerose behafteten Mannes von 59 Jahren,
beschrieben. Es kam erst zum Verschluss des betreffenden End¬
astes mit partieller Nierennekrose, später, nach Monaten, zu Ver¬
blutung durch Ruptur des Aneurysmas. —-
Wir kommen nun zu dem wichtigsten und interessantesten
Kapitel, zu der Frage nach der traumatischen Genese der Aneu¬
rysmen der Aorta in ihrem thorakalen sowohl wie in ihrem ab¬
dominalen Abschnitte.
Dass traumatische Aneurysmen sensu strictiore auch
an der Aorta Vorkommen, so dass die Verletzung dieses Gefässes
nicht absolut tötlich ist, selbst wenn zugleich die Pulmonalarterie
eröffnet wird, beweist der Fall von Perthes.
Der 26jähr. Tapeziergehilfe hatte sieben Jahre vor der Verletzung
eine Empyemoperation durchgemacht; es kam trotz mehrfacher Operation nicht
zur Ausheilung, eine eiternde Wunde blieb bestehen. Am 27. Juni 1896
schoss sich der Kranke eine Kugel in den zweiten linken Intercostal-
raum. Aus der Lage des Schusses, den Symptomen, dem Röntgenbilde
wurde eine Verletzung der grossen Brustgefässe angenommen, doch blieb
Pat. am Leben und starb erst nach 10 Monaten an nicht ganz klarer
Ursache.
Die Sektion ergab, dass die Art. pulmonalis sin. seitlich und die
Aorta descendens diametral perforiert waren. Es war zur Bildung eines
Aneurysmas zwischen beiden Gefässen, sowie eines zweiten hinter der
Aorta descendens gekommen. Letzteres hatte den 6. und 7. Brustwirbel
arrodiert, das Geschoss lag hinter dieser Höhle.
Perthes konnte in der Literatur nur 12 Fälle finden, wo der
Tod nicht sofort nach Verletzung der Aorta eingetreten war —
nach Verletzung der Art. pulmonalis war überhaupt kein Ueberleben
bekannt —, und auch in diesen Fällen bis auf einen einzigen er-
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folgte der Tod spätestens bis zum 60. Tage. In Perthes 1 Falle
war die Heilung wesentlich dem schwartigen Gewebe zu danken,
das nach dem Empyem zurückgeblieben war und die Blutung ein-
schränkte. Auch die gleichzeitige Eröffnung der Pulmonalis schaffte
dem Aortenblut relativ unschuldigen Abfluss.
Perthes macht auch darauf aufmerksam, wie analog die Sym¬
ptome dieses Aneurysma arterio-arteriosum denen des Aneurysma
arterio-venosum waren. Dem Venenpuls des letzteren entsprach
starke Pulsation des Conus pulmonalis; deutliches Schwirren, kon¬
tinuierliche Geräusche finden sich bei beiden Erkrankungen.
Später wurde noch ein Fall von Hankel beschrieben, wo
nach Stich Verletzung der-Aorta bei einem Kyphoskoliotischen ein
Aneurysma falsum im Mediastinum entstand, das erst nach 17 Tagen,
wesentlich durch Kompression der Trachea, zum Tode führte.
Anschliessend möchte ich einen Fall von Aneurysma der Innominata
von Heaton erwähnen, entstanden durch Stich mit einem Taschenmesser.
Tod nach 29 Tagen durch Perforation ins Pericard.
Sehr interessant ist ferner ein hierher gehöriger Fall von
Stolper, falsches Aneurysma der Aorta nach einem Stoss gegen
die Brust bei einem zweifellos syphilitischen Individuum. Stolper
nimmt an, dass die Aorteuwand luetisch erkrankt war und daher
durch den Stoss zerriss.
37 jähriger Kutscher. Pat. hat sechs Wochen vor seinem Tode
einen Stoss gegen die Brust erlitten, alsbald darnach Erbrechen, später
Brustschmerzen und geringe Schlingbeschwerden gehabt Zwei Stunden
vor dem Tode starke Hämoptoe.
Die anatomische Diagnose lautet: Endarteriitis chron. aortae.
Aneurysma spurium sacciforme magnum aortae thoracicae (trauma-
ticum?), perforatum in oesophagum.
Syphilis. Cicatrix glandis. Orchitis fibrosa et periorchitis bilat.
gravis. Caries sicca ossis parietal, utriusque levis. Cicatrices cutan. Syne-
chiae pulm. veteres.
Anaemia univ. Haemorrhagia letalis in oesophagum.
Die aufsteigende Aorta und der Arcus ziemlich weit. Sie zeigen
an der Innenfläche umschriebene, meist kleine Verdickungen. Eine
ähnliche Beschaffenheit zeigt die Aorta thoracica bis etwa zur Mitte.
Weiter nach abwärts zeigt sie wie die Aorta abdominalis annähernd
normales Verhalten. Auch die grösseren Abzweigungen sind unver¬
ändert. Etwa in der Höhe des 7. Brustwirbels, 5 — 6 cm vor Beginn
der Brustaorta, findet sich im hinteren Umfange derselben eine zehn¬
pfennigstückgrosse rundliche Oeffnung, von ziemlich scharfen Rändern
eingefasst, innerhalb welcher dunkelschwarzrote, weiche und derbere blasse
Coagula zum Vorschein kommen. Diese Oeffnung führt in eine Höhle,
welche sich längs der Wirbelsäule hinstreckt, deren Umfang achätzungs-
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weise etwa die Grosse eines Ganseeies erreicht Soweit feststellbar,
besitzt sie nicht eine eigentliche Wand, sondern ist durch geschichtete
Gerinnsel in verschiedenen Stadien der Färbung begrenzt Beim Auf¬
schneiden des Oesophagus markiert sie sich deutlich vom Innern des¬
selben auch als etwas unregelmässig konfigurierte, im ganzen vielleicht
4 cm hohe Hervortreibung. Genau in der Mitte derselben findet sich
ein äusserst scharfes, von sehr stark verdünnten Schleimhauträndem um-
säumte« Loch in der Oesophaguswand, in welchem Blutgerinnsel sichtbar
sind. Es führt direkt in die Aneurysmahöhle.
In das Gebiet der Affektionen, die traumatischer Natur sein
können, gehört wohl auch das Aneurysma dissecans (s. v.
Schrötter, Strassmann u. a.). Aber die Fälle kommen entweder
bald ad exitum oder sie werden nicht diagnostiziert. (Bei Stern
findet sich ein einschlägiger Fall von Pauli; der Kranke litt aber
wohl schon vor dem Trauma an Atheromatose der Aorta.)
Uebrigens ist die direkte traumatische Entstehung des Aneu¬
rysma dissecans nicht über jeden Zweifel erhaben. Trauma ist sehr
oft nicht nachweisbar, z. B. im Falle von Dinkler. Flockemann
konnte überhaupt aus der ganzen Literatur nur fünf Fälle auffinden,
wo die Erkrankung sich im Anschlüsse an ein Trauma der Brust
(zum Teil mit Rippen- und Brustbeinbrüchen) entwickelte; in den
bei weitem meisten Fällen, auch in den zwei von Flockemann
beschriebenen, war Trauma auszuschliessen. Meist handelt es sich
um Leute mit hypertrophischen Herzen, mit kräftigen linken Ven¬
trikeln; die Aneurysmen entstehen dann bei vermehrter Herzarbeit
durch Anstrengungen oder Gemütsbewegungen. Vielleicht ist nach
diesem Autor das Trauma, wo ein solches erwiesen ist, auch nur
indirekt wirksam.
In ähnlicher Weise ist dann wohl auch der von Brussatis mit¬
geteilte Fall zu deuten; die Erkrankung entstand bei einem 41jähr. Ar¬
beiter nach Anstemmen der Brust gegen eichene Blöcke und endete
nach vier Tagen tötlich.
Wie aber steht es mit dem gewöhnlichen Aorten¬
aneurysma?
Es gibt Autoren, die sich über den Zusammenhang von Trauma
und Aortenaneurysma recht skeptisch äussern. So hat im Falle
von Pantzer (s. u.) noch vor wenigen Jahren ein Obergutachter,
Prof. B.-H. in Leipzig, sich sehr zweifelhaft über diesen Zusammen¬
hang ausgesprochen. Auch O. Rosenbach kennt keinen sichern
Fall, wo eine stumpfe, von aussen wirkende Gewalt als einziges
ätiologisches Moment mit Sicherheit anzuschuldigen gewesen wäre.
Ich muss mich trotz aller schätzenswerten Beiträge zur Aetiologie
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jener Erkrankung der Ansicht Rosen bach’s anschliessen, dass die
eigentliche Entstehung der Aortenaneurysmen noch nicht aufgeklärt
ist. Es würde aber in praxi schon genügen, wenn das Trauma als
wichtige auslösende Ursache nachgewiesen wäre, was auch sonst fui
Vorbedingungen in der Gefässwand nötig sein mögen.
Die meisten Autoren nehmen den Zusammenhang an: sowohl
direktes Trauma als auch besonders starke, dauernde oder einmalige
Anstrengung (A. Frankel, v. Leyden, G. Klemperer u. a.)
sollen zur Aneurysmabildung führen können. Bei Stern findet sich
die Literatur darüber bis 1896 zusammengestellt.
Seit 1896 ist die Kasuistik sehr bereichert worden.
Sehr zweifelhaft sind meist diejenigen Fälle, wo sich bei
schwerer Arbeit die ersten Symptome einstellen; denn wer beweist
hier, dass nicht das bis dahin latente Aneurysma dabei sich nur
zuerst geltend macht?
Hierher gehört der Fall von Ercklentz.
Ein bis dahin gesunder 39jähr. Schlosser spürt Ende Septbr. 189S
bei schwerer Arbeit zuerst heftige Schmerzen, die Ende Dezember wieder
bei der Arbeit exacerbieren. Im Januar 1899 wird ein Aneurysma aortae
bei sehr erhöhter Spannung im Arteriensystem festgestellt. Ercklentz
bezeichnet die Anstrengung als „Gelegenheitsursache“.
Beweisender (durch den Sektionsbefund) ist ein Fall von R
Schulz.
27jähr. Schlosser, der vor sieben Jahren Lues acquiriert hatte und
oft als Athlet auftrat, spürte bei einer athletischen Leistung einen plötz¬
lichen Schmerz in der Herzgegend; es bildete sich ein schweres Herz¬
leiden heraus. Das Herz war nicht deutlich vergrössert, die Herztöne
dumpf, über der Aorta war bisweilen ein weiches systolisches Geräusch
zu hören. Puls klein, sehr frequent. Exitus unter Stauungserscheinungen.
Bei der Sektion fand sich eine Ruptur der Media unmittelbar oberhalb
des Abganges der Coronararterien mit massiger aneurysmatischer Dila¬
tation der Aorta und vollkommener Verheilung des Adventitiasackes.
Die Aortenklappen waren vollkommen normal. — Vorherige allgemeine
Schwäche des Gefässsystems ist nicht unwahrscheinlich.
Auch allzu schnelles Auftreten eines Aortenaneurysmas nach
massigem Trauma scheint nicht sehr für die ätiologische Rolle des
letzteren zu sprechen. So z. B. im Falle von Duflocq.
55jähr. Mann, Alkoholist, erhält einen Schlag gegen den Nacken,
fühlt darnach Knacken in der Brust. Der Autor fand am selben Abend
in der oberen Thoraxpartie nahe am Manubrium sterni einen harten,
synchron mit dem Herzen pulsierenden Tumor, über dem man ein
systolisches Geräusch hörte. Aneurysma im Anfangsteil der Aorta (?)■
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Hier ist wohl das Aneurysma nach dem Trauma nur ge¬
wachsen, falls es nicht vorher schon in derselben Grösse latent
bestand.
Ausser diesen ist aber noch eine ganze Reihe von Fallen an-
zufuhren, denen in summa doch eine Beweiskraft zuzukommen
scheint, mag der einzelne Fall auch zweifelhaft bleiben. Ich führe
die folgenden an:
Fall Baeza. 52jähr. Exfeldwebel, übermässiger Tabakraucher,
fällt durch Ausgleiten vorn auf die Brust. Gleich darauf heftiger
Schmerz in der linken Schultergegend, der nach kurzer Behandlung ver¬
schwand. Wenige Zeit darauf tiefliegendes Schmerzgefühl am Rücken,
auf dem Sternum circumscripte Rötung und ein nach und nach sich
vergrössernder pulsierender Tumor links vom Brustbein. Innerhalb drei
Jahren erreicht der Tumor eine Höhe von 9 l j v einen Umkreis von
28 cm. Dabei leidliches Wohlbefinden. Die beigegebenen Photographien
geben ein erstaunliches Bild.
Fall A. L. Parzewski. Bei einem l^/gjähr. Mädchen ent¬
wickelte sich unmittelbar im Anschluss an einen Fall, wobei Patientin
einen heftigen Stoss mit dem Ende eines Stabes in das Epigastrium
bekam, in der Oberbauchgegend ein Aneurysma der Bauchaorta.
Fall Jaffö. 57jähriger bis dahin gesunder Arbeiter fällt in
einen Schutenraum, erfährt eine Absprengung der Spina ilei sup. ant.
dextr. u. 8. f. Wird bald heiser, klagt über Schluckschmerzen und
Atemnot. Nach über drei Monaten wird konstatiert: Lähmung des
linken Stimmbandes und im Röntgenbilde ein pulsierender breiter
Schatten im Bereich der Aorta ascendens. Der Puls setzt manchmal aus,
ist zeitweise gespannt Sonst nichts Abnormes am Herzen, kein Zeichen
von Arteriosklerose. — Die Diagnose (gegenüber Mediastinaltumor) ist nicht
über jeden Zweifel erhaben, Jaffö selbst lässt unentschieden, ob schon
ein kleines, bis dahin symptomloses Aneurysma vor dem Trauma be¬
standen hat.
Fall Pantzer. 58jähr. Bremser erlitt eine Quetschung des Ober¬
körpers zwischen zwei Kohlenwagen. Er trug eine Rückenmarkskontusion
davon, die zu verschiedenen nervösen Störungen führte, ausserdem traten
unbestimmte Gefässsymptome auf, die vielleicht zum Teil schon vor dem
Unfall bestanden hatten und als Alterserscheinungen gedeutet wurden.
Die Schwäche nahm zu, es wurden einige Monate ante exitum chronische
Bronchitis, Emphysem, Erweiterung und Vergrösserung des Herzens,
Arteriosklerose diagnostiziert. Acht Jahre nach dem Unfall erfolgte der
Tod; bei der Sektion fand sich ein undiagnostiziertes geplatztes Aneu¬
rysma der Aorta thoracica; das Platzen hatte den Tod herbeigeführt.
Bei Thiem finden sich zwei hierher gehörende Fälle.
1. 40jähr., bis dahin gesunder Bauarbeiter wurde von der Wränge
einer losgelassenen Winde heftig gegen den Bauch getroffen. Allmählich
starke Schmerzen und eine druckempfindliche pulsierende Bauchgeschwulst,
die nach einigen Jahren deutlich als Aortenaneurysma zu diagnostizieren war.
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2. 45jähr. bis dahin gesunde Dienstmagd erhielt von einer Kuh
mit einem Horn einen heftigen Stoss in die linke Bauchgegend, etwa in
Nabelhöhe. Seitdem litt sie an Schmerzen, die sich bei ihrer schweren
Arbeit sehr vermehrten. Die Schmerzen strahlten ins linke Bein bis
zum Knie aus, Patientin musste breitbeinig gehen. Es fand sich ein
Aneurysma in der Bauchaorta mit Uebergang auf die linke Iliaca
communis.
Fall Riesmann. 31jähr. Mann, nicht luetisch; Sturz auf die
linke Körperseite. Drei Jahre später Exitus durch grosse sackartige
Ausbuchtung der Aorta descendens mit terminalem Durchbruch in die
linke Brusthöhle.
Fall v. Leyden. 46jähr. Patient, bis dahin gesund, fiel mit dem
Bauch auf die Bordwand eines Kohlenwagens. Seitdem bestand Schmerz
im Epigastrium und Luftmangel, die allmählich stiegen. Es entwickeln
sich deutliche Zeichen eines Aneurysmas der Aorta abdominalis.
Fall De Forest Willard. 23jähr. Mann wird von einer 5 bis
6 Centner schweren Kiste gegen die Brust getroffen. Es entstanden
sofort starke Brustschmerzen und Beklemmungsgefühl. Die Beschwerden
mehrten sich, im Verlauf eines Jahres entwickelte sich ein sehr aus¬
gedehntes, die rechte Lunge völlig komprimierendes Aneurysma mit
Pulsation über der ganzen rechten Brusthälfte. Einführung eines Draht¬
netzwerks in den Sack und Durchleitung eines konstanten Stromes
bewirkten erst Besserung, doch konnte eine Wiederholung der Prozedur
den Tod nicht aufhalten, der einige Monate später an Entkräftung
erfolgte.
Fall I. Jochmann. Ein im Jahr vorher durch Attest für gesund
erklärter, nie mit Lues oder Gelenkrheumatismus behafteter 40jähriger
Arbeiter erleidet eine Kontusion der Brust durch einen Ballen Säcke.
Zunächst bestehen die Symptome der Verletzung der unteren Brust¬
wirbelsäule, sowie eines Bruches der 6. und 7. Rippe. Es begannen
bald Schmerzen in der linken Brustseite, Schwindel, Beklemmungen, die
sich immer mehr steigerten. Nach 3*/ 2 Monaten deutliche Zeichen von
Aneurysma der Aorta ascendens mit (wahrscheinlich relativer) Aorten-
insufficienz. Keine Arteriosklerose.
Nach Jochmann ist wahrscheinlich bei der Thoraxkompression ein
Riss von Intima und Media erfolgt, der zu Aneurysma dissecans, vielleicht
auch verum, führte.
Fall II. Jochmann. 26jähr. Maurergeselle erhält am 28. Sep¬
tember 1898 beim Militär durch eine Thür einen Stoss gegen die Brust.
Er hat sofort Schmerzen, wird bis zum 12. Oktober behandelt, wo er
wieder dienstfähig war. Doch blieben seitdem Schmerzen in der Herz¬
gegend und Herzklopfen. Seit Mai 1901 Kurzatmigkeit und Stiche in
der Herzgegend. Allmählich heftiges Herzklopfen. Nach den physikalischen
Symptomen war Aortenaneurysma wahrscheinlich.
Landgraf fand in einem Fall keinen ausreichenden Grund für
die Entstehung eines Aortenaneurysmas, erwähnt aber die Möglichkeit,
dass ein vor langen Jahren durchgemachter Sturz vom Pferde die Grund¬
lage für die Erkrankung abgab.
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Allgemeinere Angaben macht Gerhardt; er gibt au, dass
unter 25 Fällen von Aortenaneurysma fünfmal Trauma, dreimal
Ueberanstrengung als ätiologisches Moment anzuschuldigen sei.
Pantzer (1898) fand in der Literatur 27 Aortenaneurysmen,
die auf Trauma zurückzuführen waren: sechs Fälle an der Aorta
descendens — recht oft für dieses relativ seltene Aneurysma —
drei Fälle an der Aorta ascendens, acht am Bogen, zehn an der
Bauchaorta.
Eine besondere Stütze aber erfuhr die Theorie der trauma¬
tischen Entstehung des Aortenaneurysmas durch die Anschauungen,
die über die Genese desselben ganz im allgemeinen aufgestellt
wurden und mechanischen Einflüssen eine grosse Rolle einräumten.
Da in der Aetiologie der Aneurysmen noch unbekannte Faktoren
mitspielen, da weder die Entzündung spezifischer und nicht-spezi¬
fischer Art, noch die einfache Dehnung einer oder mehrerer Ge-
fässbäute zur Erklärung genügend erschienen, so wurden kleine
Rupturen derselben zu Hilfe genommen, die sowohl durch direkte
Traumen als auch durch Ueberanstrengung entstehen konnten. Natür¬
lich können solche Rupturen besonders bei schon erkrankter Gefäss-
wand zu stände kommen, aber anscheinend auch schon bei gesunder.
Das Vorkommen solcher Risse ist durch zahlreiche Sektions¬
befunde — auch durch Versuche von Malkoff — bewiesen.
Hussenet z. B. hat die Aortenruptur eingehend besprochen. Der
Sitz der Ruptur ist am häufigsten der Ursprung der Aorta, sie läuft
dann transversal, doch kommen auch mannigfache andere Formen vor.
Strassmann hat unvollkommene (einfache oder mehrfache) Zer-
reissungen der Aorta durch stumpfe Gewalt wiederholt gesehen; meist
stand die Wunde quer. Der Tod erfolgt nach ihm sofort oder nach
längerer Zeit durch Aneurysma dissecans, das aber, wahrscheinlich be¬
sonders bei niederem Blutdruck, auch ausbleiben kann, wie in dem von
Strassmann (s. oben) selbst beschriebenen Falle.
In einem Falle von Bryant war die Intima der Aorta (durch
Ueberfahren) 1 / 2 Zoll lang quer in der Höbe des Abgangs der Mesent.
inf. durchrissen.
Selbst an so gut geschützten Stellen, wie am absteigenden Teile der
Brustaorta, kommen solche Einrisse vor, wie Pantzer aus der Literatur
nachwies.
Auch Blutungen können in der Gefässwand traumatisch zu
stände kommen; solche hat z. B. Thiem an der Innen- und Aussen-
fläche der Aorta gesehen. Daran — nimmt man an — können
sich Entzündungs- und Degenerationszustände anschliessen, welche
die Widerstandsfähigkeit der Gefässwand schwächen.
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Es ist klar, dass diese Anschauungen, dem Zuge der Zeit
nach hoher Bewertung traumatischer Einflüsse entsprechend, viel
Anklang fanden. Ich halte es auch für nicht unwahrscheinlich, dass
sie, soweit es sich um vorher schon in irgend einer Weise erkrankte
Gefässe handelt, Geltung haben; es ist dann nicht nötig, die zahl-
reichen obenerwähnten Fälle alle als zufällig zu erklären oder zu
behaupten, dass nur die ersten Beschwerden bei dem Trauma auf¬
traten — was in einigen jener Fälle wohl zutrifft. Es ist dann
auch nicht nötig, die Aneurysmen verschiedener Form und ver¬
schiedenen Sitzes prinzipiell zu trennen. Dass aber auch eine völlig
gesunde Aorta auf diese Weise aneurysmatisch erkranken kann, ist
recht schwer zu beweisen, die Risse und Blutungen fuhren eben
gewöhnlich nicht zu Aneurysmen.
Mit am ausführlichsten haben sich über die Bedeutung des
Traumas Manning und Pantzer geäussert
Nach Manning kommen drei Hauptmomente in Betracht:
Arteriosklerose, mechanische Veranlassungen und Syphilis. Bezüglich
der letzteren konnte er keine Beiträge liefern, bezweifelt aber nicht
ihre wichtige Rolle. Dagegen ergab sich aus seinen Fällen ein un¬
zweideutiger Zusammenhang zwischen Arteriosklerose und Aneurysma.
Doch müssen zu den arteriosklerotischen Veränderungen der Gefass-
wand noch weitere Momente kommen, und diese sieht er in Rissen
und Rupturen auf traumatischer Basis. Stösse vor die Brust,
Quetschungen, Zerreissungen, Zerrungen bei erschwerter körperlicher
Arbeit, also indirekte Traumen führen zu kleinen Einrissen in der
Intima, wofür auch das Aneurysma dissecans als Beweis dient.
Hier muss ja immer ein Riss in der innersten Gefässhaut sein; aber
ebenso unzweifelhaft ist es nach Manning, dass bei anderer Aus¬
dehnung, anderem Sitz, bei veränderten Blutdruckverhältnissen und
anderem Verhalten der Arterienhäute ein solcher Riss zu einer mehr
chronischen Ausdehnung des Gefässrohres geführt hätte.
Jedenfalls handelt es sich also nach diesem Autor um eine
starke Schwächung der Media, nicht allein um eine einfache Dehnung
im Sinne Thoma's, sei es, dass viele Lamellen zerreissen, oder
dass im Anschluss an kleine Risse eine Degeneration der spezi¬
fischen Elemente der Media entsteht.
Es ist also auch Aneurysma ohne Arteriosklerose möglich, aber
es ist dies der seltenere Fall.
Ob einfache Erhöhung des Blutdruckes ein Trauma zu er¬
setzen im stände ist, ist noch nicht sicher. — Soweit Manning.
(Schluss folgt.)
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Die multiple Neurofibromatose.
(Recklioghausen’sche Krankheit.)
Sammelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent a. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung.)
Das 10jährige Mädchen von Herczell (1890, Susy Merschei,
Fall 2 a, Taf. III, p. 59) und ihre 36 jährige Mutter (1890, Eva
Merschei, Fall 2 b, Taf. IV, p. 66) zeigen beide neben ihrer Neuro¬
fibromatose in der rechten Schilddrüsenhälfte zwei derbe, nussgrosse,
fibröse Knoten — merkwürdigerweise an genau derselben Stelle.
In Fall 1 von Kyrieleis (1885) zeigten die Halsorgane bei der
Autopsie keine wesentlichen Veränderungen.
Bei dem Patienten von Ouvry (1893), der einem Glottisödem er¬
lag, fand sich bei der Autopsie ein vergrössertes, 30 g schweres Organ.
Bei dem 11jährigen Knaben von Berggrün (1897) erweist sich
bei der Sektion die Schilddrüse als klein und blutreich.
In P. Marie und Couvelaire’s Fall (1900) wurde die Schild¬
drüse sowohl makroskopisch (1. c. p. 31), wie mikroskopisch (1. c. p. 36)
als normal befunden.
Der Patient von Whitfield (1901) zeigt Symptome des Myx¬
ödems und eine kleine Schilddrüse.
In dem Falle von Preble und Hektoen (1901) ist angegeben:
„The thyreoid is normal in size, the thymus absent.“
Die Patientin von Hallopeau und Ribot (1902) bot die Zeichen
eines beginnenden Basedow: „ötat nerveux assez prononcö; eile est im-
pressionable, eile accuse des battements vasculaires au cou; son corps
thyröoide est un peu saillant; il en est de möme de Tun de ses yeux:
eile est donc vraisemblablement atteinte d’un döbut de maladie de
Basedow“.
In Fall 6 meiner Kasuistik (1901) wird die Schilddrüse als
klein angegeben (Autopsie), in meinem Fall 11 (1901) bestand eine
deutliche, bis unter das Manubrium sterni reichende Struma (Autopsie).
In meinem jüngst beschriebenen Falle (1902) fühlte sich
die Schilddrüse schon zu Lebzeiten in ihren beiden Seitenlappen ver-
grössert und hart an. Bei der Autopsie zeigte sich die rechte Schild¬
drüsenhälfte etwas vergrössert, sie enthält einige mit dünner colloider
Masse gefüllte Cystchen und das übrige Parenchym komprimierende,
umschriebene, colloidhaltige, knotige Anteile. In der linken Schilddrüsen¬
hälfte fand sich ein Knoten von rötlichgrauer Farbe, weicher Konsistenz
mit fast glatter Schnittfläche im unteren Pol des Lappens, in der Spitze
derselben eine haselnussgrosse Cyste mit verkalkter Wandung.
In allen meinen übrigen Fällen konnte ich keine Verände¬
rungen der Schilddrüse nachweisen.
Auch den spärlich beobachteten Veränderungen an den Neben¬
nieren kann irgend eine spezifische Besonderheit nicht zuerkannt
werden.
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In dem Falle 1 von v. Recklinghausen (1882) boten die Neben¬
nieren nichts Besonderes, ebensowenig in meinem jüngst beschrie¬
benen Falle (1902); in dem Falle von P. Marie und Couvelaire
(1900) wurden sie ebenfalls als normal befunden.
Unbedeutende Veränderungen beschreibt Branca (1896, 1897) an
dem Falle Gui . . . von P. Marie (1894/95): „Les surrönales sont tre$
vasculaires, congestionnöes. Les nerfs qu’on y trouve, au voisinage de?
vaisseaux, dans les sillons superficiels de l’organe sont indemnes de
toute 16sion u .
In meinem Falle 6 (1901) sind die Nebennieren als sehr gross
und platt angegeben.
Wirklich belangreiche Veränderungen der Nebennieren be¬
schreibt Chauffard (1896) = Ramond (1896):
Beide Nebennieren haben ihre typische Form bewahrt, indes sind
sie enorm gross und von Tumoren bis zu Nussgrösse umlagert. Mikro¬
skopisch stellte sich die Geschwulstmasse als ein einfaches Adenom beider
Organe heraus.
Ganz eigentümliche Veränderungen an den Muskeln bot der
Fall von P. Marie und Couvelaire (1900) dar. Es handelt sich hier,
ganz abgesehen von den intramuskulären Neurofibromen, wie ich sie
in meinem Falle 6 (1901) gesehen und wie sie auch vonSatterth-
waite (1880), Brigidi (1894), Zusch (1900) und Preble und
Hektoen (1901) beschrieben worden sind, um nur histologisch
nachweisbare Alterationen des Muskels: „Les fibres musculaires
sont frappöes d'atrophie. Cette atrophie frappe inögalement les
fibres d'un möme faisceau, respectant certaines fibres, alors que les
voisines sont trfes touchdes; toutes ces fibres sont noyöes dans une
masse interstitielle vaguement fibrillaire assez riche en noyaux**
(1. c. p. 38).
P. Marie und Couvelaire glauben damit eine anatomische
Grundlage für die klinisch so oft im Vordergrund stehende pro¬
gressive Muskelschwäche gefunden zu haben.
In meinem jüngst beschriebenen Falle (1902) standen die
rankenförmig gebauten Tumoren am rechten Oberarme und in der rechte»
Axillargegend innig mit der Muskulatur im Zusammenhang, so dass die
atrophischen Muskeln von derberen und feineren Faserzügen durchsetzt
erschienen — übrigens eine Eigentümlichkeit der plexiformen Neurome,
auf die auch Al. Thomson (1900) aufmerksam gemacht hat
Einige weitere Veränderungen betreffen die Anhangsgebilde
der Haut (Zähne, Nägel, Haare). In ganzen scheinen sie mehr
zufällige Befunde darzustellen, gelegentlich aber sind sie wohl auch
als echte Entwickelungsstörungen zu deuten, die auf eine Stufe
mit anderen Entwickelungsstörungen, wie wir sie oben beschrieben
haben, zu stellen sind.
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Der mit einem plexiformen Neurom der linken Ge3ichtshälfte be¬
haftete Patient von Collet und Lacroix (1893) zeigte neben Atrophie
der entsprechenden Oberkieferhälfte ein Fehlen der Molarzähne dieser Seite.
In dem Falle von zum Busch (1894) sind die Zähne von höchst
unregelmässiger Form und Stellung, wohingegen bei dem Patienten von
Sieveking (1896) das Gebiss als gut bezeichnet wird.
Der Kranke von Leredde und Bertherand (1898) = Jehl
(1898, Fall 1) hat schlechte Zähne, bei dem Patienten von Thibiörge
(Annales 1898) fehlt die Mehrzahl derselben; sie sind zum Teil durch
ein Trauma abgebrochen, zum Teil spontan durch Caries ausgefallen.
In dem Falle von Zu sch (1900) bestanden neben anderen Zeichen
von Rhachitis an Kopf und Thorax von dem Autor ebenfalls als rbachi-
tisch angesprochene Veränderungen an den Zähnen: unregelmässige
Stellung, typische Terassenbildung an den oberen Schneidezähnen.
Die Zähne bei meiner jüngst beschriebenen Patientin (1902)
fehlen 2 um grössten Teile. Patientin will ohne Zahnschmerzen, Caries etc.
ihre Zähne allmählich im Lauf der Jahre spontan verloren haben. Einzig
erhalten und gesund, wenn auch zum Teil nur ganz locker im Alveolarfort¬
satz steckend, sind im rechten Oberkiefer der erste und zweite Prämolar¬
zahn, im linken Oberkiefer der zweite Prämolar- und erste und zweite
Molarzahn. Der Unterkiefer ist zahnlos, atrophisch.
Ueber einige Störungen der Entwickelung und des Wachstums
der Nägel habe ich bereits oben berichtet.
In dem Falle von Kaposi (1892), bestand eine Onychogryphosis,
in dem Falle von Danlos (1900) eine Brüchigkeit der Nägel, eine
Onychoklasie.
Köbner (1883) beobachtete neben trophischen Störungen einzelner
Teile der linken oberen Extremität eine stärkere Wölbung und cyano-
tische Verfärbung der Nagelbetten des linken Daumens und Zeigefingers,
Zu sch (1900) ebenfalls neben anderen trophischen Veränderungen der
rechten oberen Extremität stärkere Wölbung der Nagelplatten der
rechten Hand bei sonst normalem Wachstum der Nägel, Veränderungen,
die der Autor als kongenitale Bildungshemmungen deutet.
Die Nägel bei meiner Kranken (1902) sind sowohl an Händen
wie Füssen kurz, klein, stark gewölbt, auffällig dünn, jedoch ohne
Zeichen von Brüchigkeit.
Weitere Störungen betreffen Wachstum und Entwickelung der
Haare. Einige derselben habe ich bereits oben angeführt:
Der Kranke Antelme’s (1897) zeigte trotz seiner 25 Jahre völlige
Bartlosigkeit, die beiden Kranken (zwei Brüder) von Schüle (1902)
litten an Alopecia universalis congenita.
Ueber frühzeitiges Ergrauen der Haare berichtet Marcacci (1879).
In dem Falle von Sieveking (1896) waren die Bart- und Achsel¬
haare spärlich vorhanden, die Kopf- und Schamhaare gut entwickelt und
dichtstehend.
Die Haarentwicklung des Patienten von Leredde und Berthe¬
rand (1898) = Jehl (1898, Fall 1) ist eine normale, nur die Bart¬
haare sind sehr spärlich.
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 38
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In meinem jüngst beschriebenen Falle (1902) ist der Haar¬
wuchs des Kopfes ein reichlicher und trotz des Alters der Patientin —
56 Jahre — findet sich noch keine Spur von Ergrautsein. Hingegen
ist die Entwicklung der Schamhaare eine geringe und in beiden Achsel¬
höhlen fehlen Haare vollständig.
Zeitpunkt des Beginnes, Verlauf und Ausgang.
Ueber den Beginn der Erkrankung lauten die Angaben
der Autoren im allgemeinen sehr verschieden und meist sind auch
die Angaben der Kranken bei der Länge des Bestehens höchst
unzuverlässig.
In zahlreichen Beobachtungen finden wir notiert, dass die
Krankheit angeboren sei, bei anderen, dass sie in der Kindheit
entstanden, wieder bei anderen, dass die Geschwülste erst später,
zum Teil sogar erst im höheren Alter aufgetreten seien.
Was die „angeborenen“ Fälle betrifft, so ist zu bemerken,
dass keiner derselben von dem betreffenden Autor unmittelbar nach
der Geburt oder auch nur in den nächsten Jahren nach der Geburt
gesehen bezw. beschrieben wurde, vielmehr stutzen sich die Angaben
desselben ausschliesslich auf die Erzählungen des Kranken oder
dessen Angehöriger.
Ohne deshalb diese als kongenitale bezeichneten Fälle ganz
leugnen zu wollen, musste ich doch auf diesen in mancher Hinsicht
wichtigen Punkt hinweisen. Auffällig ist mir, dass ich unter den
im zartesten Kindesalter stehenden Nachkommen meiner Neurofibrom-
kranken — es mögen ungefähr ein Dutzend gewesen seiu — nie
ein mit der Krankheit behaftetes Individuum gesehen habe. Das
will nun freilich bei der geringen Anzahl der von mir untersuchten
Kinder nicht viel heissen.
Das jüngste in der Literatur beschriebene Individuum, das Mädchen
von Kriege (1887, Fall 2) hat ein Alter von fünf Jahren; dann folgt
der Knabe von Rizzoli-Barbieri und Jaruffi (1870, Fall 1) mit
6, das Kind von Audry und Lacroix (1891) mit 8, der Junge von
Weil (1898) mit 8 1 /*, die Kranken von Herczeli (1890, Fall K
Abbe (1898) und Bevor (1901) mit je 9 Jahren. Dann folgen die
Kinder von Herczeli (1890, Fall 2), v. Bruns (1892, Fall 19 ,
Adenot (1895) und Mouchet (1900) mit je 10, endlich die kleinen
Patienten von Delore (1897) = Delore und Bonne (1898, Fall 1.
und von Berggrün (1897) mit je 11 Jahren. Von da ab häufen
sich die Beobachtungen. Meist aber handelte es sich in den angeführten
13 Fällen um eine spezielle Form der Neurofibromatose, nämlich das
plexiforme Neurom, das ziemlich gleichmässig beide Geschlechter [sieben
Knaben, fünf Mädchen, in dem Fall von Audry und Lacroix (1S91)
fehlt die Angabe des Geschlechtes] befallen hat.
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Mehr Glauben verdienen diejenigen Beobachtungen, in denen
sich die Geschwülste in der Jugend entwickelt haben oder bei
denen wenigstens der Beginn der Krankheit während der Jugend¬
zeit stattfand, obgleich auch diese Angaben, die doch auch meist
nur solche von Seiten der Kranken selbst oder deren Angehöriger
sind, mit Vorsicht aufgenommen werden müssen
Im Gegensatz zu diesen Fällen stehen diejenigen, in denen
die Fibromatose sich erst im Pubertätsalter oder noch später,
teilweise erst im höheren Alter entwickelte.
Die Angaben erhalten Bchon dadurch mehr Bedeutung, dass
die oft intelligenten Kranken die Entwickelung der Geschwülste
selbst beobachtet haben.
So gibt die 81 jährige Patientin von Hitchcock (1862, Fall 1) an,
dass die Geschwülste seit ihrem 30. Lebensjahre langsam entstanden und
gewachsen seien.
Die 54jährige Patientin von Hebra jun. (1875) beobachtete das
Auftreten in ihrem 17. Lebensjahre, der 64 Jahre alte Kranke von
Payne (1889) in seinem 49. Lebensjahre.
Der eine Kranke von P. Marie 1894/95, Fall 2) will erst zwei
Jahre früher die Hautveränderungen bemerkt haben, desgleichen die
26jährige Kranke von Thibiörge (1898, Soc. möd. d. höp.), der
50jährige Kranke von Feindei und Oppenheim (1898, Fall 1) vor
ca. 15 Jahren.
Der eine Kranke von Thomson (1900, Fall 1, p. 123) bemerkte
die Hautanomalien in seinem 32. Lebensjahre, ein anderer (Fall 6,
p. 146) in seinem 37. Lebensjahre.
Der Kranke von P. Marie und Couvelaire (1900) gab mit
Bestimmtheit an, bis zu seinem 52. Lebensjahre nichts von Tumoren,
Pigmentationen etc. bemerkt zu haben.
In einem noch höheren Alter scheinen die Veränderungen bei dem
Patienten von Siemens (1874) aufgetreten zu sein: bei dem 64jährigen
Individuum wurden die Knötchen erst ein halbes Jahr vor seinem Tode
bemerkt.
Zwei meiner Kranken (1901, Fall 1 und 7) bemerkten das
erste Auftreten der Geschwülste in ihrem 35. bezw. 36. Lebensjahre,
ungefähr um dieselbe Zeit auch die Kranke von Westphalen (1888).
Ueber 35 Jahre alt sind nach den eben von mir citierten Be¬
obachtungen nur 11 Patienten gewesen, nämlich Westphalen (1888):
35 Jahre, Feindei und Oppenheim (1898, Fall 1): 35 Jahre, mein
Fall 1 (1901): 35 Jahre, mein Fall 7 (1901): 36 Jahre, Thomson
(1900, Fall 6): 37 Jahre, Soldan (1896, Fall 4): 46 Jahre, Briquet
und Chörigiö (1898): 48 Jahre, Payne (1889): 49 Jahre, P. Marie
(1894/95, Fall 2): 52 Jahre, P. Marie und Couvelaire (1900):
52 Jahre, Siemens (1874): 64 Jahre.
Das 64. Lebensjahr dürfte demnach die oberste Grenze dar-
stellen, innerhalb deren die Krankheit noch aufgetreten ist.
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Dass in allen diesen Fällen von nach der Geburt entstandenen
Geschwülsten eine kongenitale Anlage vorliegt, die unter bestimmten
Verhältnissen lange latent bleiben kann, ist in hohem Grade wahr-
scheinlich. Dafür spricht die häufige Kombination mit angeborenen
Pigmentflecken — die übrigens ebenfalls von keinem Autor bei
der Geburt gesehen worden sind — und die häufigen Fälle von
Heredität.
Aber nicht nur die Erscheinungen von Seiten der Haut, seien
es ein oder mehrere Tumoren oder die Pigmentationen, sind es,
welche den Beginn der Erkrankung andeuten, sondern auch Er¬
scheinungen von Seiten der peripheren Nerven, wie in den Fällen
von eigentlichen Stammneuromen, oder von Seiten des Gehirns und
Rückenmarks, wie in den Fällen von sogenannter „Neurofibromatose
centrale“, können die Szene eröffnen.
Ob funktionelle Störungen, Störungen des Intellekts und der
Psyche, trophische und vasomotorische Störungen das Bild der
Neurofibromatose einleiten können, ist nicht bewiesen und sehr
fraglich — es müsste denn sein, dass man die spärlichen Fälle von
sog. „formes frustes“ ohne Kardinalsymptome als solche Zustände
deutet.
Im allgemeinen ist der Verlauf der Erkrankung ein lang¬
samer; jedoch gibt es Ausnahmen von dieser Regel, speziell kann
der Beginn ein überaus plötzlicher und foudroyanter sein.
Einige Beispiele mögen dies illustrieren:
Bei dem ersten Kranken von Pick (1865) datiert die Entstehung
der Geschwülste vom 10. Lebensjahre her. In diesem soll er durch
Verwechslung mit Zucker so viel weissen Arsenik zu sich genommen haben,
dass eine heftige Intoxication erfolgte. Kurze Zeit darauf sollen an
seinem ganzen Körger stecknadelkopfgrosse Erhabenheiten aufgetreteu
sein, die, im Laufe der Jahre an Zahl und Grosse zunehmend, zu den
Geschwülsten heranwuchsen, die er jetzt darbietet
Offenbar auch sehr akut zeigten sich die Tumoren in dem Falle
von Hebra jun. (1874): Die 54jäbrige Patientin gibt an, dass sie im
17. Lebensjahre ein heftiges, über den ganzen Körper verbreitetes Jucken
verspürt habe. Nach vierwöchentlichem Bestände soll dieses lästige
Gefühl dem Beginn der gegenwärtig vorhandenen Neubildungen Platz
gemacht haben.
In dem Falle von Briquet und Chörigiö (1898) entwickelte
sich die Krankheit bei einer 48 jährigen Frau ganz plötzlich nach einer
anstrengenden Krankenpflege innerhalb weniger Monate.
Der Kranke von P. Marie und Couvelaire (1900) gab mit Be¬
stimmtheit an, bis zu seinem 52. Lebensjahre nichts von Tumoren, Pig¬
mentationen etc. bemerkt zu haben. Es war nach seiner Angabe eine
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wahre Eruption von Geschwülsten, die hintereinander Kopf, Brust,
Bauch und Gliedmassen innerhalb 14 Tagen befielen.
Die Autoren sind geneigt, eine Erfrierung der Beine, die der
Kranke kurz vorher durchmachte, „et a laquelle le malade attribue tous
ses maux“ als „cause döterminante“ dieser Eruption anzusehen.
Bei dem Patienten von Revilliod (1900), welcher schon von
seiner Geburt ab einen schmerzhaften Tumor am linken Arme gehabt
haben will, erschienen ohne ersichtliche Ursache innerhalb kürzester
Zeit („sous forme d’une poussöe rapide“) um das 25. Lebensjahr herum
die übrigen zahlreichen Hautfibrome.
Auch in meinem Falle 7 (1901) sollen im 36. Jahre plötzlich
an allen Stellen des Körpers Geschwülste aufgetreten sein.
Im Anschluss an ein starkes Trauma traten bei einer anderen
meiner Kranken (1901, Fall 5) innerhalb ganz kurzer Zeit
kleine Geschwülste am ganzen Körper auf.
Oft treten schubweise Verschlimmerungen des Leidens ein.
Weiteres über die spezielle Veranlassung des Wachstums und
die Gelegenheitsursachen, die für den Ausbruch der Krankheit mass¬
gebend sind oder bei der weiteren Entwicklung derselben eine
gewisse Rolle spielen, wie Trauma, operative Eingriffe, Erkaltungen,
chronische Reizzustände der Haut, psychische Erregungen, körper¬
liche Ueberanstrengung und schlechte hygienische Lebensbedingungen,
Eintritt der Pubertät, Menopause, Gravidität, Intoxikationen und
Krankheiten, speziell Infektionskrankheiten, s. oben.
Ebenso verschiedenartig wie der Verlauf kaun auch der Aus¬
gang der Neurofibromatose sein.
In dieser Beziehung wäre zunächst einiger degenerativer Vor¬
gänge in den Tumoren zu gedenken.
Unter den degenerativen Vorgängen in Neurofibromen
habe ich bereits oben bei Besprechung der Hauttumoren im all¬
gemeinen derCystenbildungund der myxomatösen Degeneration
einzelner Tumoren gedacht.
Eine eigentümliche und zwar hyaline Degeneration ist von
Schuster (1886) beschrieben worden. Es handelte sich aber in
diesem Falle nicht um Neurofibrome, sondern um multiple Myxo-
fibrome.
Schuster beobachtete an einem dem N. medianus sin. excentrisch
aufsitzenden Tumor hyaline Degeneration von Bindegewebszügen und
Gefässen. Dieselbe Entartung zeigte auch das Nervenbindegewebe, und
zwar sowohl die lamellare Scheide, als auch da9 intrafasciculäre Bindegewebe
mit seinen Gefässen. Auch die Nervenfasern selbst zeigten Verände¬
rungen, die als hyaline Degeneration gedeutet wurden.
Gar nicht so selten vorkommend und prognostisch von ungleich
grösserer Bedeutung ist die maligne Degeneration des einen
oder anderen Tumors.
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Schuh gab (1851, p. 204) allerdings noch an, dass das Leiden
in dem von uns angenommenen Sinne nicht bösartig ist, „da das Ge¬
bilde äusserst langsam wächst, keine Neigung zum Aufbruch hat, die
Umgebung verschont lasst, etc.“
Indess zählt schon v. Recklinghausen (1882, p. 75/76)
zahlreiche Fälle von in maligner Weise degenerierten Tumoren auf und
betont, dass, wenn auch die Neurofibrome gewöhnlich ihren Charakter
als gutartige Tumoren, trotz des jahrelang progressiven Wachstums, behalten
und nichts zerstören als die eingebetteten Nervenfasern, sie unter Umstanden
doch wirklich bösartig werden können. „Nicht die kolossalen Tumoren
der Elephantiasis mollis sind damit gemeint, sondern grosse Tumoren,
welche aufhörten, die gezogenen Schranken zu respektieren und zer¬
störend in die Nachbarorgane eindrangen, während in ihrem Innern die
bekannten Rückbildungsprozesse der bösartigen Geschwülste auftraten.“
Nächst den von v. Recklinghausen aufgezählten Beobachtungen
von Barkow (1829), Gluge (1851), Virchow und Blasius (1857/62 1 ,
Blasius und Volkmann (1857/62, 1862: 2 Fälle), Genersich
(1870, Fall 1), Winiwarter (1875) und seiner eigenen Be¬
obachtung (1882, Fall 1) gehören hierher die Fälle von
Hitchcock (1862, Fall 3), Bryk (?1869), Psilander (? 1871;,
Michel (?1875), Hebra jun. (?1875), Chambard (1879), Modrze-
jewski (1882) = Hasselbeck (1891), Rose (1886, Fall 1 und 3,,
Rose (1886, Fall 2) = Seitz (1871), Campana (1887), Pomorski
(1887), Kriege (1887, Fall 5), Heydweiler (1887, Fall 2), West-
phalen (1887, 1888, 2 Fälle), Bergmann (1889), Thilow (1889),
Hume (1891), Sorger (1891), Cimmino (1891), Garrö (1892,
Fall 17), v. Gernet (1892), Arnozan (bei Meslet 1892, obs. 12),
Kohtz (1893), Goldmann (1893, Fall 2), Brigidi (1894), Tichoff
und Timofejeff (1894), Jeanselme und Orillard (1894), Sehe wen
(1896), Hartmann (1896), Delore (1896) = Delore und Bonne
(1898, Fall 2), Feindei (1896, Fall 3), Finotti (1897, Fall 4.,
Poncet (1897), Petren (?1897), Habermann (1898), Girard
(1898, 2 Fälle), Rolleston (1899), Vallas (1899), Roux (1899,
Fall 2 und 3), Poisson und Vignaud (1899), Posthumus (1900i,
Al. Thomson (1900, Fall 4 und 5, p. 130 und 135), Moynihan
(1901), mein jüngst beschriebener Fall (1902).
Man kann wohl sagen, dass diese Entartung bei Neuro¬
fibromatose häufiger ein tritt als bei anderen Bindege websgeschwülsten,
und dass die Angabe Garrö's (1892), dass bei kongenitaler Neuro-
matose in nicht weniger als 12 % a ^ er Fälle sarkomatöse Degeneration
— um eine solche handelt es sich ausschliesslich — von ursprüng¬
lich gutartigen Geschwülsten einträte, nicht übertrieben erscheint.
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Rechne ich die zweifelhaften, mit einem Fragezeichen
versehenen Beobachtungen ab, so bleiben noch 53 Fälle
von maligner Degeneration, was nach meiner Statistik von
447 Fällen einem Prozentsatz von 11,8 gleichkommt.
(Fortsetzung folgt.) i
II. Referate.
A. Niere, Ureter,
Kyste hydatique da rein tr&itö p&r Fexstirpation avec nöphrectomie
partielle. Von Terrier. Sociötö de Chirurgie de Paris 1902, söance
du 11 juin.
Bei einer 33jähr. Frau wurde die Diagnose auf Leberechinococcus
gestellt, bei der Operation dagegen fand man einen der Niere ange-
hörigen Cystensack. Resektion der Cyste samt anhaftendem Nierenpole.
Terrier empfiehlt, vor Eröffnung des Sackes dessen Inhalt durch
Sublimatinjektionen zu desinfizieren, um Infektionen durch die aus-
fliessende Flüssigkeit zu verhüten.
Ricard berichtet über ähnliche diagnostische Irrtümer. Zur Des¬
infektion der Wundhöhle, die er offen lässt, empfiehlt er Formol.
Potherat rät, in diagnostisch zweifelhaften Fällen den Urin auf
Gallenbest^ndteile zu untersuchen, welches Verfahren aber Routier für
nicht zuverlässig hält. F. Hahn (Wien).
Ueber snbentane intraperitoneale Nieren Verletzung. Von F. de
Quervain. Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. LXII, p. 58.
An der Hand eines von ihm operierten Falles und früherer Tier¬
versuche bespricht Verf. die Pathologie und Therapie dieser Verletzungen.
Ein achtjähriger Knabe war unter einen schwer beladenen Schlitten
gekommen. Am gleichen Tage Hämaturie, die zwei Tage anhielt. Am
dritten Tage wegen kleinen frequenten (120) Pulses, zunehmender Dyspnoe,
Erbrechen, Ausdehnung und Druckschmerzhaftigkeit des Abdomens und
leichter Dämpfung in den Flanken Laparotomie. E 9 wird dunkles Blut
in der Bauchhöhle gefunden, an dem harnartiger Geruch nicht wahr-
genommen werden kann. Das Bauchfell wird im Bereiche der rechten
Niere nach oben von der Flexura colica dextra etwa 5 cm weit einge¬
rissen, in der Umgebung de9 Risses mit Fibrin belegt vorgefunden. Die
untere Hälfte der Niere ist wegen blutiger Infiltration der Gewebe nicht
deutlich abzuta9ten; ein klaffender Riss im Nierengewebe ist nicht zu
fühlen. Tamponade der rechten Nierengegend von der Laparatomiewunde
aus, im übrigen Naht.
Trotz der ungestörten glatten Heilung stellt Verf. nicht ohne
weiteres den Fall in die „Aktiva der Nierenchirurgie“. Ein von Roux
mitgeteilter Fall und Verf.'s Erfahrungen an Tierversuchen lassen ihm die
Möglichkeit der spontanen Heilung in diesem Falle als wohl vorhanden
erscheinen. Jedoch war die Operation indiziert wegen der Unsicherheit
der Diagnose.
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Schwierig zu beantworten ist oft schon die Frage, ob das Bauch¬
fell mit verletzt ist oder nicht. Sicherlich ist dies der Fall bei vor¬
handenem Flüssigkeitserguss in der Bauchhöhle. Dabei ist wichtig, zu
wissen, dass auch ein retroperitoneales Hämatom eine Dämpfung in der
Flanke bedingen kann. Der Erguss ist bei Nierenpurenchymwunden rein
blutig, urinös bei Wunden des Nierenbeckens.
Erscheinungen von Seiten des Darmes, die an Peritonitis denken
lassen können, verursachen bisweilen auch extraperitoneale Nierenrupturen.
So kommt ausser Uebelkeit und Erbrechen, die durch Shock bedingt
sind, nach Küster bei Nieren Verletzungen Meteorismus vor, der besonders
den Dickdarm betrifft. Durch die Infiltration des perirenalen Gewebes
wird die Cirkulation im Bereich der entsprechenden Flexur des Colons
geschädigt und so werden die Funktionen dieses Darmteils gestört In
Uebereinstimmung damit hat Verf. nach Nephrektomien Meteorismus und
vorübergehend selbst Zeichen von Darmverschluss beobachtet
Von grosser Wichtigkeit für die Diagnose ist der Druckschmerz,
der nur bei intraabdominalen Ergüssen, aber dann selbst bei rein blutigen,
nicht inficierten vorhanden ist. Wichtig ist ferner die Spannung der
Lendenmuskulatur auf der Seite der Nieren Verletzung. Aus dem Ver¬
halten der Bauchmuskulatur sind hingegen — im Anfang wenigstens —
Schlüsse nicht zu ziehen. Auch das Erbrechen kann bei extraperitonealer
Nierenruptur den initialen Shock erheblich überdauern. Puls und
Temperarur bieten ebenfalls keine sicheren Anhaltspunkte. Man soll
deshalb die Beurteilung des Allgemeinzustandes nicht vernachlässigen;
der erfahrene Beobachter wird oft daraus die Unterscheidung zwischen
infektiöser Peritonitis und Ansammlung aseptischen Blutes und Urins
im Bauchfellraum machen können. In nicht ganz frischen Fällen er¬
wartet Verf. von der Bestimmung der Leukocytose Aufschlüsse.
Aus Tierversuchen, die teils Verf., teils andere Experimentatoren
angestellt haben, geht hervor, dass Verletzungen des Nierenparenchyms
keinen Harnausfluss zur Folge haben, selbst wenn sie intraperitoneal
gelegen sind. Bei Verletzungen des Nierenparenchyms mit Eröffnung
des Nierenbeckens bilden sich um den Verletzungsherd bald Ver¬
wachsungen, so dass auch sie keine schlimmen Folgen haben. Schliess¬
lich zeigen selbst Verletzungen des Ureters grosse Neigung, sich durch
Verwachsungen abzuschliessen. Einfliessen von Harn in die Bauchhöhle
hat nur bei beständigem Fliessen — was wegen der rasch sich bildenden
Verwachsungen schwer zu erreichen ist — nachteilige Folgen. Das be¬
stätigen auch die klinischen Erfahrungen.
Es folgt daraus für die Therapie, dass bei leichten Formen von
intraperitonealen Nieren Verletzungen, die sich durch geringe Hämaturie,
geringen Flüssigkeitserguss im Abdomen und Fehlen von Erscheinungen
schwerer Anämie manifestieren, ein abwartendes Verfahren durchaus an¬
gezeigt erscheint. In den schweren Fällen ist wegen der Gefahr der
Verblutung so rasch wie möglich zu operieren. Ebenso ist ein chirur¬
gischer Eingriff geboten, wenn anderweitige Verletzungen des Bauch¬
inhalts vermutet werden müssen. Steht die Nierenverletzung im Vorder¬
grund, so wähle man den Lumbalschnitt, bei unsicherer Diagnose ist die
Laparotomie vorzuziehen. E. Moser (Zittau).
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601
Eine Missbildung am unteren Ende des linken Harnleiters. Von
R. Johnson. Transact. Path. Soc. London, Vol. LII.
Das Präparat, das gut abgebildet ist, stammt von einem Mädchen,
das 10 Tage nach der Geburt starb. Während der ersten Lebenstage
bemerkte man eine dünnwandige eigrosse Cyste, die aus der Urethra
heraushing und am siebenten Tage platzte, wonach sich Urin aus ihr
entleerte. Die linke Niere bestand eigentlich aus zwei Nieren, die durch
eine schmale Brücke verbunden waren und in einer gemeinsamen Kapsel
lagen. Es fanden sich zwei getrennte Nierenbecken und zwei Harn¬
leiter, die 1 cm oberhalb der Einmündung in die Blase sich vereinigen.
Die rechte Niere ist normal gebaut, auch mündet ihr Harnleiter in nor¬
maler Weise in die Blase ein. Die rechte Niere bietet die Zeichen
frischer hämorrhagischer Entzündung, die beiden linken Nieren sind
hydronephrotische Säcke. Der linke Ureter mündete blind in die Blase
und war durch die Urethra cystenförmig nach aussen vorgestülpt und
mit dem Boden der Urethra fest verbunden. Verf. glaubt, dass die Ent¬
stehung der Missbildung auf die Zeit zurückzuführen ist, in welcher Ureter
und WolfPscher Gang noch verbunden sind. Zu dieser Zeit mündet
der Ureter teils in die Allantois und teils in den Wolff’schen Gang
und beide Organe haben einen gemeinsamen Ausführungsgang, der in
diesem Fall obliterierte; dies erklärt dann den Verschluss des Ureters
und die Entstehung der röhrenförmigen Cyste am Boden der Urethra.
Diese Missbildung ist bisher noch nicht beschrieben.
J. P. zum Busch (London).
200 Fälle von Harnleiterkatheterismus. Von M. Margulies. Die
Chirurgie, Bd. XI, p. 441. (Russ.)
Margulies bespricht ausführlich die Technik der Operation und
bringt mehrere interessante Fälle: 1. Bei einer Kranken mit Nephritis
rief das Einführen des Katheters typische Nierenkolik hervor. 2. Pyelitis
d. chronica (gonorrhoica?); Ausspülung des Nierenbeckens mit Borsäure
und Arg. nitr., Besserung. 3. Ureteritis; von Zeit zu Zeit Verstopfung
durch Eiter, dann Vergrösserung und Kolik der Niere. Nephrotomie,
Niere gesund. Spülung des Harnleiters, Besserung. 4. Diabetes mellitus,
Uronephrose, bei der Katheterisation des Ureters werden jedesmal be¬
deutende Mengen (z. B. 70 ccm) Harn entleert. 5. Die Katheterisation
zeigte Tuberkulose der linken Niere. Operation nicht zugelassen.
6. Tumor rechts im Abdomen; beide Harnleiteröffnungen entleeren nor¬
malen Urin; rechts geht der Katheter nur bis zum mittleren Drittel des
Ureters. Diagnose: Hufeisenniere mit zwei Harnleitern, hypertrophiert,
normal funktionierend. Palpation: links Niere nicht zu fühlen. Ban¬
dage, Heilung. 7. Diagnose: Nierentumor rechts. Katheterismus: rechte
Niere normal. Die weitere Beobachtung zeigte, dass die Geschwulst von
der Leber ausging. 8. Tumor der linken Niere. Links stösst der
Katheter im Harnleiter gleich hinter der Mündung auf unüberwindlichen
Widerstand. Rechts alles normal. Diagnose: Tumor, in den Harnleiter
hineingewachsen, Ureter obliteriert. Die Operation bestätigte diese An¬
nahme. 9. Rechts wurstförmiger Tumor, wahrscheinlich der Ureter,
Schmerzen hier; Eiter im Harn. Katheterismus: rechter Ureter und
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602
Niere normal. Unten in der Blasenwand ein Loch, das Eiter entleert.
Diagnose: Parametritis, in die Blase perforiert. Blasen Spülungen, Heilung.
Die angeführten Fälle zeigen, wie grosse Dienste der Hamleiter-
katheterismus in den verschiedensten Fällen leistet.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
Ureterkatheterismus und Radiographie. Von G. v. Illyös. Deutsche
Zeitschr. f. Chir., Bd. LXII, p. 132.
Mittels Radiographie bei Ureterkatheterismus konnte Illy69 die
Differentialdiagnose zwischen Wandermilz und Wanderniere stellen, die
vorher nicht zu stellen war, da der linke Leberlappen die Milzdämpfung
an normaler Stelle vortäuschte. In einem zweiten Falle konnte Verf.
mittels derselben Methode nicht nur einen Uratstein im Ureter feststellen,
sondern auch seine Lage genau bestimmen. (Kontrole durch die Ope¬
ration.) Bei demselben Falle erwies sich der Ureterkatheterismus sogar
in therapeutischer Hinsicht als wertvoll, insofern durch den Katheter der
hinter dem Stein retinierte Eiter abfloss, worauf prompter Fieberabfall
erfolgte. — Noch in zwei anderen Fällen konnten mit dem Verfahren
wertvolle Befunde erhoben werden.
Zur Aufnahme der Photographie müssen die Kranken gut abgeführt
haben. Die Ureterkatheter selbst waren mit einem 1—3 mm dicken
Silberdraht armiert. Das Ende des Katheters in Ausdehnung von
3—4 cm bleibt aber vom Mandrin frei, damit dieser nicht beim Vor¬
schieben Verletzungen verursacht. E. Moser (Zittau).
Ureteral calculus accurately located by the X-Rays and removed
by an extraperitoneal Operation. Von W. W. Keen. The Journ.
of the american med. assoc.
Keen teilt einen Fall mit, in welchem der Wert des Röntgen-
bildes zur Sicherung der Diagnose und als Führer bei der Operation
deutlich zu Tage trat, und in dem man sonst in der Annahme, dass der
Stein in der linken Niere sässe, diese geöffnet hätte.
H. C., 10 Jahre alt, mit zwei Jahren Schmerzanfall mit Abgang
von blutigem Urin; mit fünf Jahren Schmerzen in der linken Nieren¬
gegend, ausstrahlend nach dem Scrotum. Häufige Wiederholung der
Anfälle. Sept. 1900 kleiner Stein abgegangen. Bei der Aufnahme
ganze linke Seite stark empfindlich, Lokalisation des Steines deshalb
unmöglich. Urin klar, frei von Eiweiss, Zucker, Blut, Eiter und Form¬
elementen. Röntgenlicht zeigt bohnengrossen Stein im linken Ureter
am Beckenrand; bei der Operation wurde er etwas näher der Blase ge¬
funden. Schrägschnitt parallel dem Lig. Poup., extraperitoneale Frei¬
legung, Entfernung eines Steins von 1,5 cm Länge, 1 cm Breite, 7 mm
Dicke. Hinterwand des Ureters ulceriert, der Stein lag teils inner-, teils
ausserhalb des Ureters, dessen Lumen nicht ganz verlegt war. Leichte
Hydronephrose. Naht des Ureters fortlaufend mit Catgut Jodoform¬
docht von der Nahtstelle an der Wunde herausgeleitet im übrigen Wunde
geschlossen. — Keine Urinfistel, Jodoformdocht am zweiten Tage ent¬
fernt. Pat., nach vier Wochen geheilt entlassen, hat noch einmal einen
Schmerzanfall mit Abgang von Phosphaten, dann völlig beschwerdefrei.
Langemak (Rostock).
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B. Haut.
Ueber sklerodermieartige Hautve Hinderungen nach Röntgenbe¬
strahlung. (Aus der HerxheimePschen Klinik.) Von O. Salomon.
Aivh. f. Dermatol, u. Syphilis, Bd. LX, H. 2, p. 263.
Mitteilung eines sehr interessanten Falles, in dem durch allerdings
sehr intensive Röntgenbestrahlung ausgedehnte, hartnäckige Ulcerationen,
Abnahme des Gehörs und Gesichts, fast vollständiger Haarausfall und
schliesslich die sklerodermiecrtigen Hautveränderungen veranlasst wurden.
Mitteilung der mikroskopischen Untersuchung.
Düring (Konstantinopel).
Un cas de paronyxis tuberculoux d’inoculation. Von Daions.
Annales de dermatol. et syphiligr. 1902, T. III, Nr. 3, mars, p. 221.
Mitteilung einer Tuberkuloseinfektion gelegentlich einer Sektion, die
unter dem Bilde eines Panaritium und später eines eingewachsenen Nagels
verlief. Mikroskopischer Nachweis der Bacillen.
Düring (Konstantinopel).
Contribution ä l’dtude de la poroköratose. Von Audebert-Las-
rochas. Thöse de Paris 1902. Steinheil, Paris.
Die Porokeratose ist, wie Audebert-Lasrochas hervorhebt, fast
unbekannt in Frankreich; in der französischen Literatur findet sich nur
ein Fall, der nach Du Castel und Langlet zu diesem Bilde gehören
könnte; es hat sich aber herausgestellt, dass auch dieser Fall nicht ein¬
wandsfrei ist. Audebert-Lasrochas hat daher die einschlägigen
Arbeiten der italienischen Autoren und ausserdem die aus anderen Län¬
dern publizierten Fälle studiert und kommt zu dem Schlüsse, dass allein
die histologische Untersuchung die Differentialdiagnose stellen lässt
zwischen der echten Porokeratosis (Mi belli) und dem Lichen planus
circinatus; klinisch ähneln sich die beiden Affektionen ausserordentlich.
Im übrigen scheinen die Hyperkeratosis centrifuga atrophicans (Respighi)
und der Pseudolichen circinatus (Tommasoli) mit der Porokeratosis
(Mibelli) eine Einheit zu bilden.
Ferdinand Epstein (Breslau).
Sur la botryomycose hnmaine. Von E. Bodin. Annal. de dermat.
et de syphiligr. 1902, T. IH, Nr. 4, Avril, p. 289.
Bodin weist in dieser sehr klaren Arbeit nach, dass die als Bo-
tryomyces beim Menschen beschriebenen Mikroben, die eine Neubildung
von eigenartigem Aussehen, meist an den Fingern oder an der Hand
sitzend, veranlassen sollen, durchaus keine spezifischen Mikroben, sondern
einfach Stapbylococcus aureus sind.
Die angeblichen Tumoren der menschlichen Botryomykosis sind
nichts als Granulationsknöpfchen, deren eigentümliches Aussehen wahr¬
scheinlich durch die Besonderheit der anatomischen Struktur des Terrains
bedingt sind, auf dem sie sich entwickeln.
Düring (Konstantinopel).
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Plato’s Versuche über die Herstellung und Verwendung von
Trichophytin. Von A. Neisser. Archiv f. Dermat. u. Syphilis,
Bd. LX, H. 1, p. 63.
Neisser teilt aus den nicht abgeschlossenen Untersuchungen
Plato’s das Faktum mit, dass „Trichophytin“ (s. Darstellung im Original)
nur bei Tiichophy ton kranken eine deutliche Allgemein- und Lokal¬
reaktion gibt. (24—36 Stunden nach der Injektion bedeutende Tem¬
peratursteigerung, Hyperämie, Schwellung, Hofbildung.) Mit dem Tuber¬
kulin ist das Trichophytin nicht identisch, da seine Injektion bei Tuber¬
kulösen, ebenso wie übrigens bei Gesunden, keine Reaktion zur Folge hat
Die Kulturen waren von Trichophytia profunda; bei Kranken mit
Tr. superficialis ergab sich keine Reaktion, die Trichophytien scheinen
also spezifischer Natur zu sein. — „Favin“ blieb ohne Reaktion, auch
reagierten Favuskranke nicht auf Trichophytin.
Düring (Konstantinopel).
III. Bücherbesprechnngeii.
Die Krankheiten der warmen Lander. Von B. Scheube. Dritte
umgearbeitete Auflage. Mit 5 geographischen Karten, 12 Tafeln und
64 Abbildungen im Texte. 789 pp. Jena, Gustav Fischer, 1903.
Das ausgezeichnete Werk Scheube’s hat durch die abermalige
Neubearbeitung noch wesentlich gewonnen und ist für den Tropenarzt
aber auch für den in gemässigten Zonen lebenden Internisten und Haut¬
arzt kaum entbehrlich. Die Krankheitsbilder sind klar und anschaulich
geschildert, schöne Abbildungen illustrieren den Text umfangreiche
Literaturangaben beschliessen jedes Kapitel.
Der Stoff ist folgendermassen eingeteilt: I. Allgemeine Infektions¬
krankheiten (Pest, Dengue, Gelbfieber, Mittelmeerfieber, Nashafieber,
japanisches Flussfieber, Malaria, Beriberi, klimatische Bubonen, Aussatz,
Framboesia tropica, Verruga peruviana, Ponos von Spetza und Hydra):
II. Intoxikationskrankheiten (Pellagra, Lathyrismus, Atriplicismus, Lack¬
vergiftung, Ophidismus, durch Gifttiere verursachte Störungen, Kubi-
sagari). III. Durch tierische Parasiten verursachte Krankheiten. IV. Organ¬
krankheiten. V. Aeussere Krankheiten. VI. Kosmopolitische Krankheiten
in den Tropen.
Sehr anschaulich ist die Verbreitung mehrerer Krankheiten auf
Weltkarten darge§tellt (Malaria, Beriberi, Lepra, Filaria, Ankylostomen-
krankheit).
Die Ausstattung des schönen Werkes ist mustergültig.
Hermann Schlesinger (Wien).
Die Gallensteinkrankheit, ihre Häufigkeit, ihre Entstehung,
Verhütung und Heilung durch innere Behandlung. Von W.
N. Clemm. 90 pp. Berlin, Verlag von G. Klemm, 1903. Preis 1 Mk.
Von den sieben Abschnitten der kleinen Schrift, die der Anatomie
und Physiologie der Leber und der Entstehung, Diagnose und Therapie
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605
der Gallensteinkrankheit gewidmet sind, interessiert besonders der letzte,
in welchem der Verf. die bereits in der „Wiener med. Wochenschrift“
von 1902 niedergelegten Grundzüge seiner Gallensteinbehandlung bespricht.
In erster Linie bedient er sich dabei des ölsauren Natrons (Eu-
natrol) oder des Cholelycins, einer 20 °/ 0 igen Lösung desselben.
Da die Seifen ein gutes Lösungsmittel für Cholestearin darstellen
lind, bei Aufnahme per os zum Teil unverändert vom Darm aufgenommen,
in der Leber aufgestapelt und in das Gallensystem abgegeben werden,
so führt Clemm die von ihm beobachtete günstige Einwirkung der
Präparate im wesentlichen auf ihre Cholestearin lösenden Eigenschaften
zurück. Im übrigen verbindet er diese arzneiliche Behandlung mit der
Naunyn’schen Ruhekur, dem Trinken von Karlsbader Wasser oder
heisser Salzlösung und der örtlichen Wärmeanwendung. Auch verordnet
er neben der entsprechenden Diät die schon von Möbius (Münchener
med. Wochenschr. 1899, Nr. 10) empfohlenen Atemübungen.
Seine Erfolge sind somit das Ergebnis einer Summe von zum Teil
schon längst erprobten Behandlungsarten.
Clemm behauptet, auf diese Weise durch Lösung und Austreibung
der Steine Heilung zu erzielen; doch scheint anlässlich der sich mehren¬
den Mittel, die alle eine Heilung der Gallensteinkranken in Aussicht
stellen (cf. Chologen), auch hier eine gewisse Zurückhaltung gegenüber
den sanguinischen Hoffnungen des Autors geboten.
Bezüglich der chirurgischen Behandlung des Hydrops und Empyems
der Gallenblase und des chronischen Choledochusverschlusses stimmt er
den von Kehr in Karsbad aufgestellten Leitsätzen zu; hingegen glaubt
er bei morphiumsüchtigen Gallensteinkranken auch ohne „Verstümme¬
lung“ (!) eine Entziehung durchführen zu können. Bei eitriger Cholan¬
gitis, Leber-, subphrenischen Abscessen und anderen schweren Kompli¬
kationen der Cholelithiasis verwirft er angesichts der schlechten Prognose
der Operation jeden Eingriff. Dem ist entschieden zu widersprechen mit
dem Hinweis, dass von der Selbsthilfe der Natur nicht einmal 3 Proz.
Heilungen, die Kehr in solchen Fällen erzielte, zu erwarten sind.
Sonderbare Verdeutschungen bietet uns Verf. in seinem Sprach¬
reinigungseifer, wie z. B. Gallengang-Zwölffingerdarm-Falschwege statt
Choledochoduodenalfisteln, Vater’scher Schleimhautwall u. a. m.
F. Perutz (München).
Die Taubstummheit auf Grund ohrenärztlicher Beobachtungen.
Von Fr. Bezold. Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann, 1902.
Auf 133 Druckseiten enthält das Buch eine Fülle des Wissens¬
werten und vielfach neue interessante Daten über das Thema, insbeson¬
dere statistischer Natur, welche durch 15 Tabellen und eine Tafel noch
deutlicher illustriert werden. Eine Reihe der vom Autor gebrachten, in
12 Kapiteln niedergelegten Gesichtspunkte und Thatsachen sei hier kurz
besprochen.
Die Grenze zwischen Taubstummheit und Schwerhörigkeit ist
keineswegs leicht zu ziehen. In praxi verhalten sich hochgradig schwer¬
hörige Kinder fast ebenso wie die Taubstummen. Bedeutsamer ist die
Unterscheidung in Taubstumme mit angeborener und solche mit er-
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606
worbener Taubheit. Gerade bei den ersteren sind die vorhan¬
denen Hörreste bedeutendere! Denn die Erkrankungen, die in
den ersten Lebensjahren zur Ertaubung führen, etablieren sich anfangs
meist im Mittelohr und greifen von hier aus auf das Labyrinth über,
wo sie stets ausgebreitete Zerstörungen bewirken, die naturgemäss nicht
ausgleichbar sind. Doch haben viele dieser Individuen noch eine ge¬
wisse Erinnerung an die vor der Erkrankung gehörten Sprachlaute, ein
beim kongenital Taubstummen ganz wegfallendes Moment. So erklärt
sich der fast auffällige Gegensatz. Central bedingte Worttaubheit
kommt fast gar nicht in Betracht
Ueber das Häufigkeitsverhältnis der Taubstummheit geben die der¬
zeitigen statistischen Ermittelungen meist nur unzureichend Aufschluss
Bezold kennt aus seiner Praxis in München 456 Taubstumme (bei
einer Bevölkerung von 507 000 Seelen). Unter diesen zeigen 51,1 Proz.
erworbene und 43 Proz. angeborene Taubheit, während in 5,9 Proz.
keine diesbezügliche Entscheidung getroffen werden konnte. Die Zahlen
haben aber einen bloss relativen Wert, da, wie erwähnt, eine beträcht¬
liche Zahl von Taubstummen nicht zu ermitteln ist
Die Ertaubung tritt in den Fällen mit erworbener Taubstummheit
meist im ersten und zweiten Lebensjahre ein, die Zeit nach dem zwölften
Lebensjahre kommt nicht mehr in Betracht; denn dann vermag wohl
das Sprachvermögen durch Ertaubung kaum mehr aufgehoben zu werden.
Eine relativ erheblichere Zahl der Kinder ertaubte im siebenten bis
achten Lebensjahr (Lues hereditaria!). Die meisten Kinder erkrankten
somit zu einer Zeit, wo sie noch nicht recht das Sprechen erlernt hatten.
Von Interesse ist das Ueberwiegen des männlichen Ge¬
schlechtes bei der erworbenen, des weiblichen bei der ange¬
borenen Taubheit. Bezold verweist auf die Thatsache, dass intra¬
uterine Schädlichkeiten das weibliche Geschlecht erfahrungs-
gemäss überhaupt stärker betreffen. So auch hier. Darauf führt
er auch das auffallende Faktum zurück, dass er bei der auf Grund
hereditärer Syphilis im späteren Leben eintretenden Ertaubung die
Zahl der Mädchen überwiegend fand, zurück; handelt es sich doch
hier um eine bereits im Fötalleben gesetzte Noxe, mag sie auch erst im
extrauterinen Leben manifest werden. Ueberwiegen ja auch bei der
exquisit hereditären Otosklerose die Frauen! Hingegen wird bei den
in der Aetiologie der erworbenen Taubheit in Betracht kommenden,
hauptsächlich infektiösen Erkrankungen eine grössere Disposition
für Knaben angenommen.
Ueber die Pathogenese der angeborenen Taubstummheit konnte
Bezold relativ nicht sehr viel ermitteln. Von Interesse ist das be¬
trächtliche Ueberwiegen der indirekten Heredität über die direkte von
der Ascendenz her. Anders bezüglich der erworbenen Form. Hier spielt
die cerebrospinale — epidemische — Meningitis die erste Rolle. Sie
schädigt bekanntlich nicht nur die Schnecke, sondern auch die Bogen¬
gänge („Entengang“ der „Meningitiskrüppel“!). In 31,8 Proz.
seiner Fälle lag in der Anamnese sichere Meningitis vor, in 51,9 Proz.
waren Gehirnerscheinungen (Fraisen) vorausgegangen. An die Meningitis*
reiht sich der Scharlach (17,3 Proz.); bei Scharlach wird gewöhn-
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lieh zunächst das Mittelohr befallen, daher ist meist der oto-
skopische Befund ein positiver, im Gegensatz zur Meningitis!
Diphtherie, Masern und Parotitis (vier selbstbeobachtete Fälle werden
mitgeteilt) spielen eine weit geringere Rolle, doch fordert Bezold bezüg¬
lich der Parotitis zu genaueren Nachforschungen auf; sie werde
wohl als ursächlicher Faktor häufig übersehen. — Hereditäre Lues
fand er in 5,6 Proz. der Fälle; die Diagnostik wird genauer be¬
sprochen. In 6,4 Proz. ging eitrige Otorrhoe ohne Infektionskrankheit
voraus. Andere Erkrankungen haben kaum eine ätiologische Bedeutung.
Wichtig ist, dass die Influenza, die ja so oft das Mittelohr,
freilich meist erst bei Erwachsenen, befällt, ebensowenig eine Rolle
spielt wie die Variola. Bezold fand keinen einzigen Fall
nach Blattern, während noch E. Schmalz im Jahre 1838 sie in
22,2 Proz. der Taubgewordenen als Ursache beschuldigte! Dieser Gegen¬
satz ist wohl eine der segensreichen Folgen der Schutzimpfung.
Das Schlusskapitel enthält therapeutische Winke. Bezold
empfiehlt mit Rücksicht auf die Neigung der eine grosse Zahl der —
erwo/benen — Taubstummheit verursachenden, vom Mittelohr ausgehen¬
den Prozesse zu progredienter, selbst das Leben bedrohender De¬
struktion (Caries des Schläfenbeins, Cholesteatom!) die ständige
ohrenärztliche Ueberwachung der Taubstummenzöglinge!
Das Studium dieses schönen Buches, dessen Ertrag übrigens dem
Münchener Taubstummeninstitut zufliesst, ist für den Otiater wohl unum¬
gänglich notwendig, für den Neurologen von höchstem Interesse, für den
Hygieniker eine Quelle der wertvollsten Anregungen!
Erwin Stransky (Wien).
Handbuch der Urologie. Von A. v. Frisch und O. Zuckerkandl.
Erste Abteilung. Wien, Alfred Holder, 1903.
Da in den vorhandenen urologischen Handbüchern vieles veraltet
erscheint, manches gänzlich fehlt, wird das vorliegende Sammelwerk
einem wirklichen Bedürfnisse gerecht, weshalb sein Erscheinen auf das
lebhafteste zu begrüssen ist. Die Namen der Herausgeber im Verein
mit einer Anzahl hervorragender Fachmänner als Mitarbeiter lassen mit
Sicherheit erwarten, dass sie im „Handbuch der Urologie“ die Aufgabe,
welche sie sich gestellt haben: „unter kritischer Anwendung der
Forschungsergebnisse ein Bild vom modernen Standpunkte der Lehre
in wissenschaftlicher Darstellung zu liefern“, auf das beste lösen werden.
Das Werk soll 12 —15 Abteilungen von ca. 10 Druckbogen umfassen.
In der vorliegenden ersten Abteilung behandelt der bekannte Wiener
Anatom E. Zuckerkandl die Anatomie der Harn- und Geschlechts¬
organe, Dr. Hans Koeppe, Privatdozent in Giessen, die Physiologie
der Harnabsonderung. Beide Arbeiten sind als mustergültige Dar¬
stellungen zu bezeichnen. Die Ausstattung des Handbuches ist eine
vorzügliche, die Abbildungen sind sehr gelungen.
v. Hofmann (Wien).
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Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Baer, A., Volvulus des S romanum,
p. 561—572.
Münzer, M., Pankreascysten (Fortsetzung),
p- 573—580.
Herz, H., lieber die nach Verletzungen
zurückbleibenden Veränderungen des j
Gefässapparates (Fortsetzung), p. 580—
590 .
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma¬
tose (Fortsetzung), p. 591 — 599.
II. Referate.
A. Niere, Ureter.
Terrier, Kyste hydatique du rein trait£
par Uexstirpation avec niphrectomie
partielle, p. 599.
de Quervain, F., lieber subcutane intra¬
peritoneale Nierenverletzung, p. 599.
Johnson, R., Eine Missbildung am un¬
teren Ende des linken Harnleiters, p.
601.
Margulies, M., 200 Fälle von Harn¬
leiterkatheterismus, p. 601.
v. Illy£s, G., Ureterkatheterismns und
Radiographie, p. 602.
Keen, W. W., Ureteral calculus accura-
tely located by the X-Rays and re-
moved by an extraperitoneal Operation,
p. 602.
K. Haut.
Salomon, O., lieber sklerodermieartigt
Haut Veränderungen nach Röntgen be-
1 Strahlung, p. 603.
I Daions, Un cas de paronyxis tubercu-
leux d’inoculation, p. 603.
Audebert-Lasrochas, Contribution ä
T£tude de la porok£ratose, p. 603.
Bodin, E., Sur la botryomycose hu-
maine, p. 603.
Neisser, A., Plato’s Versuche über die
Herstellung und Verwendung von Tri*
chophytin, p. 604.
III. Bücherbesprechungen.
Scheube, B., Die Krankheiten der
warmen Länder, p. 604.
1 Clemm, W. N., Die Gallensteinkrank*
heit, ihre Häufigkeit, ihre Entstehung.
Verhütung und Heilung durch innere
Behandlung, p. 604.
Bezold, Fr., Die Taubstummheit auf
Grund ohrenärztlicher Beobachtungen,
p. 605.
v. Frisch, A. und Zuckerkandl. 0.,
Handbuch der Urologie, p. 607.
Um Einsendung von Monographien and Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I, Ebendorferstrasse 10, wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzusatz „Für die Redaktion des
Centralblattes für die Grenzgebiete 44 versehen zu wollen.
Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Qrenzgebiele der Medizin u. Chirurgie.
Herau8gegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 28. August 1903.
Nr. 16.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen w f ird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagahandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Volvulus des Sromanum.
Sammelreferat von Dr. Arthur Baer (Wien).
(Fortsetzung.)
69) Liden, Hygiea, Bd. XLII, 1880, 9. Sept. (nach Braun).
70) Lennander, Zwei Fälle von Volvulus flexurae sigtnoideae. Wiener klin.
Wochenschr. 1894, Nr. 31, 32.
71) Ders., Upsala läkareförenings förhandl., Bd. XXIX, p. 175. Ref. in
Centralbl. f. Chir. 1895, Nr. 50.
72) Li6baut, Du volvulus de PS iliaque du colon. Th£se de Paris 1882.
73) Liebermeister, Ueber Darmverschliessung. Deutsche med. Wochenschr.
1892, Nr. 11, 12.
74) Lindstedt, Volvulus flexurae sigmoideae coli etc. Upsala läkareförenings
förhandl. 1879, Bd. XIV (nach Braun).
75) Little u. Callaway, Path. Transact., Vol. III, p. 106 (nach Budberg
und Koch).
76) Lflsebrink, Aerztl. Verein zu Marburg, Sitzung vom 11. Januar 1899.
Berliner klm. Wochenschr. 1899, Nr. 30.
77) Littlewood, Seven cases of Volvulus treated by abdominal section.
The Lancet 1899, 18. Febr.
78) Manasse., Wissenscbaftl. Vereinigung der Posener Aerzte 1895 96.
Deutsche med. Wochenschr. 1896, V. 44.
79) Marfan, Revue mens, des malad, de Penf. 1895, Avril (nach Neter).
80) Mayo, Report of a case of Volvulus of the sigmoid flexure of the colon.
Ann. of Surg. 1893, July. Ref. in Centralbl. f. Chir. 1893, Nr. 4 °-
81) Melchiori, Ann. univers. 1859' (nach Budberg).
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 39
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610
82) Mikulicz, Ucber Ileus. Therapie der Gegenwart 1900, Nr. 10.
83) Mintz, Wjestnik chirurgii 1900, Nr. 1. Ref. in Berliner klin. Wochen¬
schrift 1900, L. 39.
84) Naunyn, Ueber Ileus. Mitteil. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 1896, p. 98.
85) Neter, Die Beziehungen der kongenitalen Anomalien des Sromanum zur
habituellen Verstopfung im Kindesalter und zum Volvulus. Archiv f. Kinderheilk.
1901, Bd. XXXII, p. 232.
86) Nothnagel, Die Erkrankungen des Darmes und des Peritoneum«. Xoth-
nagePs Spez. Path. u. Ther. 1898.
87) Nussbaum, Die Verletzungen des Unterleibes. Deutsche Chir., Bd. XL 1 V.
88) Obalinski, Beitrag zur Laparotomie bei interner Darmocclusion. Wiener
med. Presse 1884, Nr. 48, 50.
89) Ders., Seltener Fall von wiederholter wegen innerer Darmocclusion vorge¬
nommener Laparotomie. Wiener med. Presse 1885, Nr. 7.
90) Ders., Ueber den Bauchschnitt bei innerem Darmverschluss. Archiv für
klin. Chir. 1889, Bd. XXXVIII.
91) Ders., Ueber Laparotomie bei innerem Darmverschluss auf Grund eigener
110 Fälle. Archiv f. klin. Chir. 1894, Bd. XLVHI.
92) v. Oettingen, Ueber Enterostomie und Laparotomie bei Volvulus, Stran¬
gulation und Inflexion. Diss., Dorpat 1888 (nach Budberg).
93) Phillipowicz, Verein der Aerzte in der Bukowina, Sitzung vom 24. Dez.
1902. Wiener klin. Wocbenschr. 1902, Nr. 51.
94) Poppert, Zur Frage der chirurgischen Behandlung des Ileus. Archiv für
klin. Chir. 1889, Bd. XXXIX.
9O Preindlsberger, Chirurgisch-kasuistische Beiträge. Wiener klin. Wochen¬
schrift 1898, Nr. 36.
96) Ders., Zur operativen Behandlung des Ileus. Wiener klin. Wochenschr.
1901, Nr. 45.
97) Prutz, Mitteilungen über Ileus. Archiv f. klin. Chir. 1900, Bd. LX.
98) Reimers, Beitrag zur Lehre des Volvulus der Flexura sigmoidea. Diss.
Greifswald 1896 (nach Heidenhain).
99) Riedel, Korrespondenzbl. des Vereins Thür. Aerzte 1890.
100) Ders., Ileus infolge von etwas ungewöhnlichen Strangbildungen, Ver¬
wachsungen und Achsendrehungen. Mitteil. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 189;.
Bd. II.
101) Rokitansky, Oesterreich, med. Jahrb. 1836, Bd. X.
102) Roepke, Diss., Berlin 1834 (nach Budberg).
103) Roser, Zur Operation des Volvulus. Centralbl. f. Chir. 1883, Nr. 43
104) Ders., Zur Laparotomie bei Ileus. Deutsche med. Wochenschr. 1886, Nr. 6 .
105) Routier, Torsion de PS lliaque. Bull, et m6m. de la Soc. de chir..
Paris, T. XXV. Ref. in Centralbl. f. Chir. 1900, Nr. 8.
106) Roux, Zur Verhütung des Recidivs bei Volvulus. Centralbl. f. Chi:
1894. Nr. 37.
107) Ders., Revue m£d. de la Suisse Romande 1894, I -
108) Rydygier, Beitrag zur operativen Behandlung innerer Einklemmungen.
Bericht üb. d. Verhandl. d. Deutschen Ges. f. Chir., XVI. Kongress 1887.
109) Ders., Archiv f. klin. Chir. 1887, Bd. XXXVI, p. 198, Fall IIL
110) v. Samson, Einiges über den Darm, insbesondere die Flexura sigmoidea
Archiv f. klin. Chir. 1892, Bd. XLIV.
111) Ders., Diss., Dorpat 1890.
112) Schiefferdecker, Beiträge zur Topographie des Darmes. Archiv für
Anat. u. Physiol. 1886, p. 335, Anat. Abtlg.
113) Schiemann, Zur Diagnose der Axendrehung. St. Petersburger med.
Wochenschr. 1899, Nr. 2 (nach Eiseisberg).
114) Schlange, Zur Ileusfrage. Archiv f. klin. Chir. 1889, Bd. XXXIX.
115) Ders., Ueber den Ileus. Volkmann’s Samml. kUn. Vortr. 1894, Nr. 101.
116) Schramm, Die Laparotomie bei innerem Darm Verschluss. Archiv für
klin. Chir. 1884, Bd. XXX.
117) Scckendorff, De strangularionibus intestinorum internis. Dissertation.
Leipzig 1824 (nach Budberg).
118) Senn, Ann. of Surgery 1888, Vol. VII (nach Samson).
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Original fro-m
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611
11 9) Ders., The surgical treatment of volvulus. The Med. News 1889,
30. Nov.
120) Ders., Experimentelle Beiträge zur Darmchirurgie. Basel 1892 (nach
Zeidler).
121) Santvoord, Volvulus of the sigmoid flexure relieved by Operation.
New York Med. Record 1886, 20. March.
122) Skliffassowsky, Chirurgitscheskaja Ljetopis 1892, Bd. II (n. Budberg).
123) Smith u. Flcmming, Coeliotomy for Volvulus of the sigmoid in a
man aged 85: intestinal drainage; recovery. Brit. med. Joum. 1895, II, 20. July.
124) Solmann, Torsion und Gangrän der Flexura sigmoidea. Medycyna 1891,
Nr. 14—16. Ref. in Centralbl. f. Chir. 1892, Nr. 30.
125) Spencer Watson, A case of Strangulation of the bowel from twisting
of the sigmoid flexure. Med. Times and Gazette 1879, Vol. II, p. 31 (nach Braun).
126) Staffel, Ueber Verengerung und Verschluss in den verschiedenen Ab¬
schnitten des Magendarmkanals und deren chirurgische Behandlung. Volkmann’s klin.
Vortr. 1889, Nr. 342.
127) Steinthal, Resektion der Flexura sigmoidea wegen Volvulus mit in¬
takter Darmwandung. Bericht über die Verhandl. der Deutschen Gesellsch. f. Chir.,
XXIX. Kongress 1900.
128) Theuerkauff, Diss., Berlin 1889 (nach Budberg).
129) Treves, Darmobstruktion. Ihre Arten, sowie ihre Pathogenese, Diagnose
und Therapie. Deutsch von Pollack. Leipzig 1886.
130) Trousseau, Gaz. des h6p. 1857, Nr. 51 (nach Braun).
131) v. Török, Ileus infolge von doppelter Achsendrehung am Sromanum.
Wiener klin. Wochenschr. 1898, Nr. 7.
132) Uh de, Chirurgische Behandlung innerer Einklemmungen (nach Bayer).
133) Ussing, Ileus, fremkaldt ved Axedreining of S Romanum. Laparotomie.
Hebredelse. Hosp. tid. 1889, Bd. VI, R. 3 (nach Braun).
134) Villar, Un cas d’occlusion intestinal par torsion du gros intestin. Lapa¬
rotomie. Colopexie transverse. Joum. de m£d. de Bordeaux 1892, Nr. 4. Ref. in
Centralbl. f. Chir. 1893, Nr. 9.
1 35) Waldenström, Volvulus. Laparo-Enterotomie. Mors. Upsala läkare-
förenings förhandl. 1879, Bd. XIV (nach Braun).
136) v. Wahl, Zur Kasuistik der Laparotomien und Enterotomien bei Darm-
occlusion. St. Petersb. med. Wochenschr. 1886, Nr. 19 (nach Braun).
137) Ders., Die Laparotomie bei Achsendrehung des Dünndarmes. Archiv für
klin. Chir. 1889, Bd. XXXVIII.
138) Ders., Dasselbe Thema. Centralbl. f. Chir. 1889.
139) Ders., Ueber die klinische Diagnose der Darmocclusion durch Strangu¬
lation und Achsendrehung. Centralbl. f. Chir. 1889.
140) Witthauer, Ueber den Ileus. Münchener med. Wochenschr. 1896, Nr. 10.
141) Wulff, Protokoll d. russ. Pirogoff’schen Gesellsch. 1895 —1896 (nach
Zeidler).
142) Zeidler, Beiträge zur Pathologie und Therapie des akuten Dann¬
verschlusses. Mitteil. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 1900, Bd. V.
143) v. Zoege-Man teuf fei, Zur Diagnose und Therapie des Ileus. Archiv
f. klin. Chir. 1891, Bd. XLI.
144) Ders., Volvulus coeci. Volkmann’s klin. Vortr. 1899, Nr. 260.
Nachtrag während der Korrektur:
145) Anschütz, Ueber den Verlauf des Ileus bei Darmcarcinom und den
lokalen Meteorismus bei tiefsitzendem Darmverschluss. Archiv f. klin. Chir. 1902,
Bd. LXVIU.
146) Böckel, Angeborener Volvulus der Ansa sigmoidea bei einem 2 1 jähr.
Kinde etc. Bull. acad. m6d. 1903, Avril. Ref. in Wiener klin. Wochenschr. 1903,
Nr. 26.
147) Brehm, Ueber die Mesenterialschrumpfung und ihre Beziehung zum
Volvulus der Flexura sigmoidea. Archiv f. klin. Chir. 1903, Bd. LXX.
148) Kreut er, Dehnungsgangrän des Coecum bei Achsendrehung der Flexura
sigmoidea und bei Abknickung des Blinddarmes. Archiv f. klin. Chir. 1903, Bd. LXX.
149) Ders., Dasselbe Thema. Aerztlicher Bezirksverdn in Erlangen, Sitzung
vom 18. Mai 1903.
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612
* 5 °) Wiims, Die Achsendrehung des Darmes und der Mechanismus des
Strangulationsileus. Med. Gesellschaft zu Leipzig, Sitzung vom 12. Mai 1903.
151) Zachlehner, Ueber Achsendrehung im Dickdarm. Diss., Greifswald
1902 (nach Kreuter).
Für die Annahme, dass die Annäherung der Fusspunkte an¬
geboren sein kann, muss ich noch folgendes anfOhren:
Küttner sah einen Fall von Yolvulus S romani, bei dem sich
die beiden Schenkel der Flexur innig berührten, weil infolge einer
Bildungsanomalie das Mesenterium dieses Dannabschnittes voll¬
kommen fehlte. Auch nach Nothnagel kann das Mesenterium
vollkommen fehlen. Hierher scheint mir auch der Fall Heiden-
hain's zu gehören, bei dem die Flexurschenkel einander auf drei
bis vier Fingerbreiten genähert waren, während das Mesenterium
keine narbigen Veränderungen aufwies.
Ich füge noch die Angaben der einzelnen Autoren bei ihren
Fällen an:
Bayer: Mesosigma lang und schmal, also Nähe der Fusspunkte.
was ja eine Gelegenheitsursache für Volvulus S romani ist.
Bergmann: Mesenterialschrumpfung (zwei Fälle).
Braun: Mesocolon weissglänzend, narbig verdickt und von narbigen
Strängen durchzogen.
Ders.: Im Mesocolon zahlreiche weisse sehnige Stränge, Schenkel
der Flexur bis auf 6 cm einander genähert.
Brehm: Von 20 Fällen zwölfmal Mesenterialschrumpfung, zwei¬
mal das Mesenterium normal (in den übrigen Fällen fraglich).
Budberg u. Koch: Die zusammengedrehte Stelle ist weiss, strahlig,
narbig (zwei Fälle).
Chlumsky: Mesosigma verdickt, gerötet.
Eiseisberg: Viermal von sieben Fällen die Fusspunkte durch
chronisch peritonitische Auflagerungen einander genähert; Mesosignw
stark verdickt.
Eppinger: Langes Gekröse mit schmaler Wurzel (angeboren?)
Esau: Bindegewebsadhäsionen, welche die Schenkel aneinander
näherten.
Friele: Missverhältnis zwischen grosser Darmlänge und geringer
Breite der Mesenterialwurzel infolge von Schrumpfungsprozessen, Narben*
retraktion infolge einer Mesenteritis chronica wahrscheinlich vom Dann
ausgehend.
Garr6: Fusspunkte auf zwei Finger breit einander genähert
Haidenhain: 1. Fall: s. o. 2. Fall: Durch eine Narbe im Mesen¬
terium sind die Ansatzpunkte der Flexur einander auf 2 x j t cm genähert.
3. Fall: Starke narbige Schrumpfung des Mesenteriums, so dass sich die
Fusspunkte berührten.
Hofmokl: Langes, strangförmiges Mesenterium (angeboren?).
Körte: Mesocolon sehr lang, an der Basis narbige Entzündung
Koch: Das nahe dem Scheitel 16 cm breite Mesosigma ist von
narbigen Strängen durchsetzt, die sich nach aufwärts wie Aeste gabeln.
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Kiwull: 1. Fall: Deutlich ausgeprägtes Ligamentum mesenterico-
mesocolicum. 2. Fall: Am Fusspunkte narbenartige Verdickungen.
3. Fall: Im Mesenterium zahlreiche Narben stränge.
Kuhn: 1. Fall: Hochgradige Annäherung der Fusspunkte. 2. Fall:
Fusspunkte dicht bei einander. 3. Fall: Im Mesosigma ausgedehnte
schwielige Narben. 4. Fall: Zahlreiche narbige Stränge, Fusspunkte sehr
genähert. 5. Fall: Fusspunkte durch starke bindegewebige Stränge mit
der Beckenwand verwachsen. Mesosigma sehr lang und narbig verdickt.
Küttner: 1. Fall: S. o. 2. Fall: Gekröse der Flexur oben sechs
Zoll breit, unten fehlend. 3. Fall: Gekröse der Flexur oben 3,5 Zoll,
unten 1 / 2 Zoll breit (angeboren?).
Lüsebrink: Langes S, schmale Wurzel, Narben im Mesocolon.
Lennander: Mesosigma lang und schmal, an der Wurzel infolge
chronischer Peritonitis feste Stränge, so dass die Schenkel dicht anein¬
ander liegen.
Leichtenstern: Innige Annäherung der Fusspunkte (angeboren).
Wahl: Mesocolon der Flexur narbig verdickt.
Zeidler: Starke Annäherung der Fusspunkte durch Narben im
Mesocolon (zwei Fälle).
Einen einzigen Fall von Volvulus, den von Steinthal, konnte
ich auffinden, bei welchem die Fusspunkte der Flexur ziemlich weit
(etwa 20 cm) auseinander standen, so dass dieser Autor annimmt,
dass hier weniger die entzündlichen Veränderungen des Mesenteriums,
als vielmehr die übermässige Länge (ca. 1 m) und Hypertrophie
dieses Darmabschnittes Anlass zur Drehung gaben.
Die wichtigsten Vorbedingungen für das Zustandekommen des
Volvulus des S romanum sind also die besondere Lange desselben
und die Schmalheit seines Mesenteriums. Dazu kommt noch Fett¬
mangel der Bauchdecken, des Mesenteriums und Omentums, daher
relative Weite des Bauchraumes (Küttner, Koenig, Nothnagel).
Ueberaus wichtig als prädisponierendes Moment ist auch die
chronische Obstipation, welche meist jahrelang, oft von Jugend
an besteht. Mit Ausnahme einzelner Fälle, bei denen der Stuhlgang
vor Eintritt des Volvulus stets regelmässig war (Bergmann, Esau,
Kreuter, Lennander, Poppert), weist die Anamnese immer Obsti¬
pation auf. Dieselbe ist erwähnt als einfach chronische Stuhlträgheit
(Bergmann, Braun, Bossowski, Israel, Manasse, Mayo, Rie¬
del, Török, Zeidler u. v. a.) oder als Stuhlunregelmässigkeit und
mit Diarrhoen abwechselnd (Frommer, Heidenhain, Steinthal,
Zeidler), oder sie tritt anfallsweise oft bis zu förmlichen Occlusions-
attaquen auf (Budberg und Koch, Eiseisberg, Foote, Garrö,
Haeckel, Littlewood, Liden, Prutz, Obalinski, Senn, Wahl,
Zoege u. a.). Die Art und Weise, wie die Obstipation die Bildung
des Volvulus begünstigt, wird von den Autoren verschieden erklärt.
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Nach Curschmann wirkt sie 1. mechanisch infolge der Form der
Schlinge und der geringen Wirkung der Bauchpresse, welche auf
ein kleines fixiertes 8 viel leichter wirken kann als auf ein grosse^
freiliegendes, und 2. infolge der längeren Einwirkung der Kotmassen,
die in dem langen S auch länger verweilen. Nach Budberg und
Koch kommt es infolge der Kotstauung in der Nähe der Fuss-
punkte zur Gasansammlung oberhalb der Kotsäule, in den höheren
Graden von Gasbildung zum Verlust der Peristaltik und daher zur
Ueberkreuzung der beiden Schenkel der Flexur. Dann wirkt die
Nachbarschaft, welche den Volvulus verhindern kann, wenn ihre
Kraft der Kraft des S entgegenwirkt, oder aber denselben vollständig
macht, wenn beide Kräfte parallel wirken. Während also Cursch¬
mann der Obstipation die Wirkung zuschreibt, dass sie den Volvulus
herbeiföhren könne, während nach Budberg und Koch dazu noch
die Mitwirkung der Nachbarschaft kommen muss, meint Leichten¬
ste rn, dass „die Achsendrehung an und für sich es nicht ist, welche
permanenten Darmverschluss herbeiführt. Hierzu sind noch andere
Hilfsmomente erforderlich, welche verhindern, dass die Drehung
wieder rückgängig gemacht werde 44 . Und zu diesen Momenten
rechnet er neben einem sich über die gekreuzten Schlingenschenkel
legenden Ileumkonvolut vor allem die Obstipation. Infolge ausser¬
ordentlicher Grösse und Schwere der kot- und gasgefüllten Schlingt
und, bei mehrtägiger Dauer der Obstipation, infolge der eintretenden
Parese wird die Aufrichtung der Schlinge verhindert und erst dann
erzeugt die Drehung den Ileus. Nach Nothnagel bewirkt die
Obstipation infolge der starken Belastung der Schlinge das Hinüber¬
fallen des einen Schenkels über den anderen, dann aber verhindert
wiederum die Schwere die Wiederaufrichtung und erst dadurch —
nicht durch blosse Torsion — kommt es zur Occlusion. Neben der
Kotansammlung kommen noch in Betracht: die Ansammlung vou Blut,
Transsudat und Gas in der gedrehten Schlinge, welche ebenfalls die
Rückdrehung unmöglich macht, dann aber auch rein mechanisch die
Wirkung der Gasansammlung der höheren Colonabschnitte durch
Raumbehinderung in der Bauchhöhle, ferner das dynamische Moment
der durch die lange Stuhlträgheit bedingten Ausdehnung und ato-
nischen Schwäche des S.
Recht interessant erklärt Neter die Wirkung der Obstipation
und den Mechanismus des Volvulus S romani. Dieser Autor bringt
den Volvulus der Flexura sigmoidea in einen gewissen Zusammenhang
mit der Hirschsprung’schen Krankheit; während aber Hirsch¬
sprung in seinem Symptomenkomplex ein angeborenes abnorm
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langes S mit angeborener Hypertrophie und Dilatation zusammen-
fasst, nimmt Neter mit Marfan und Johanessen nur die beson¬
dere Länge als angeboren, die Dilatation und Hypertrophie aber als
durch Gasstauung infolge chronischer Obstipation erworben an.
Wenn nun die Flexur torquiert wird, 60 gelingt es nach dieser
Theorie längere Zeit hiudurch der hypertrophischen Muskulatur, die
Schlinge aufzudrehen und aufzurichten und so das Hindernis zu
überwinden (das wären die Ileusattaquen der Anamnese; s. auch
oben Fall Leichtenstern). Plötzlich aber wird die Muskulatur in-
sufficient — was Net er mit der Inkompensation der Vitien ver¬
gleicht — und dann kommt es zur Occlusion des Darmes. Die
häufig gefundene Hypertrophie der Muskulatur oberhalb der ver¬
engten Stelle zeige, dass hier schon lange eine relative Stenose be¬
standen habe, die bei heftiger Peristaltik noch überwunden werden
konnte, aber bei eintretender Insufficienz einen akuten Ileusanfall
ausgelöst habe.
Nun scheint aber diese Theorie nur für einzelne, sicher nicht
für alle Fälle richtig zu sein. Denn wenn auch einzelne Autoren
(Nothnagel, Braun) erwähnen, dass der Ileus bei gegebenen Vor¬
bedingungen ohne erkennbare Ursache ausgelöst werden kann, was
also vielleicht dem Eintritt der Insufficienz entsprechen würde, so
scheint doch meistens zu der Prädisposition noch erst ein spezieller
unmittelbarer Anlass hinzuzutreten, der den Volvulus mit Darm-
verschliessung hervorruft. Nach Koenig bilden solche veranlassende
Ursachen pathologische Zustände, welche eine energische peristaltische
Bewegung und ungleiche Füllung der Intestina hervorrufeu (Diar¬
rhoen, Koliken, Brechdurchfall), als auch Schädlichkeiten, welche
Teilen des Darmes isolierte stossende Bewegungen mitteilen (Kontu¬
sionen, welche den Bauch treffen). Nach Küster genügt bei einer
an ihrem tiefsten Punkte belasteten Schlinge ein Stoss (von aussen
oder durch die Bauchpresse), um sie zu drehen. Israel nimmt an,
dass der letzte Grund für das Zustandekommen des Volvulus in
einer plötzlichen Zunahme des Binnendruckes (meist durch Gase)
liegt. Es werden ferner erwähnt als Anlässe: körperliche An¬
strengung, Heben einer Last, Genuss von schwer verdaulichen
Speisen (Braun); übermässiges Pressen (Uhde); Diätfehler (Naunyn);
körperliche Anstrengung, Sprung (Nothnagel); angestrengter Stuhl¬
gang, heftiger Kolikanfall, rasche Körperbewegung (Bayer); Traumen,
schwere Arbeit, Erkältung, Genuss blähender, schwer oder gar nicht
verdaulicher Speisen, kurz Dinge, welche verstärkte Blähung oder
Darmbewegung zur Folge haben (Kuhn). Kiwull konnte unter
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acht Fällen nur einmal keine Ursache ausfindig machen; sechsmal
war Diätfehler, einmal Heben einer Last die Ursache.
Folgende Angaben fand ich noch in der Anamnese der ein¬
zelnen Fälle als unmittelbaren Anlass des Volvulus:
Heben einer schweren Last: Assmuth, Bergmann (zwei Fälle).
Budberg u. Koch, Rydygier.
Plötzliches Auftreten des Volvulus bei schwerer Arbeit: Esau.
Heidenhain, Wahl, v. Zoege.
Heftige Anstrengung beim Wasserpumpen: Garre.
Heftiger Tritt gegen den Bauch: Staffel.
Starker Hustenanfall: Köttner.
Plötzlich einsetzende starke Diarrhöe: Köttner (zwei Fälle).
Ferner Diätfehler: In sechs Fällen Kiwull’s, dann
Genuss von Kirschen mit den Kernen: Atherton, Staffel.
Genuss fetter Kohlsuppe: Gr über.
Blähende Speisen (Erbsenbrei): Naunyn.
Genuss von Johannisbeeren und Bier in grosser Menge: Witthaaer.
Als interessantes und bezüglich der Therapie warnendes Beispiel
sei der Fall Israeli erwähnt, bei dem eine heftige Obstipation durch
Wasserirrigationen bekämpft werden sollte, wo aber diese den un¬
mittelbaren Anlass zum Ileus e volvulo bildeten.
Ein Unikum ist der Fall Küster’s, der auch von Lüsebrink
beschrieben worden ist. Derselbe gab Anlass zur Laparatomie und im
Verlaufe der Heilung gingen 28 Spulwürmer ab, welche offenbar die
Ursache des Volvulus gebildet hatten. Derselbe Fall musste noch zwei¬
mal relaparotomiert werden, und noch nach der dritten Operation, die
zur endgültigen Heilung führte, gingen auf Santonin Spulwürmer ab.
Alles bezüglich des Volvulus S romani bisher Gesagte bezieht
sich auf eine Drehung um die Mesenterialachse. Es kommt aber
auch eine Drehung um die Darmachse vor, wie sie v. Zoege
für das Coecum beschrieben hat. Für die Flexur beobachtete
Kuhn einen Fall. Nach dessen Ausführungen kann es sich nur um
eine Drehung von 90° handeln. Die Abknickung oder totale Ver¬
legung des Darmes findet am Uebergang zwischen beweglichem und
fixiertem Darme statt, während nach der anderen Seite die Drehung
durch Verlagerung ausgeglichen wird.
Die Symptome des Flexurvolvulus sind zum Teil allgemeiner
Art, wie sie bei Ileus aus den verschiedensten Ursachen ver¬
kommen, zum anderen Teil solche, die durch den Sitz der Obtu-
ration bedingt sind und auf denselben wenigstens mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit schliessen lassen. Die Allgemeinsymptome, wie
sie dem Strangulationsileus überhaupt entsprechen, sollen bei Vol¬
vulus des S romanum nach Budberg und Koch den Symptomen
der incarcerierten Hernie entsprechen. Es sind dies vor allem die
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plötzlich einsetzende Stuhl- und Gasverhaltung, meist nach
einem nachweisbaren äusseren Anlass, oft genug jedoch auch ohne
diesen. Manchmal geht der vollständigen Occlusion noch eine letzte
diarrhoische, auch mit Blut gemengte Stuhlentleerung voraus (Noth¬
nagel, Budberg und Koch, Koenig).
Das bei anderen Formen des Ileus in den Vordergrund tretende
Erbrechen zeigt bei Volvulus der Flexur kein konstantes Ver¬
halten. Es kann wenig heftig sein oder auch vollständig fehlen,
ist meist gallig und selten — wenn überhaupt jemals — fäkulent.
Nach Nothnagel kann das Erbrechen wohl fehlen, ist aber doch
meist heftig und reichlich, selten fäkulent, dabei meist mit Nausea,
Ructus und Singultus verbunden; nach Braun kann es bis zum
Tode fehlen, ist jedoch meist zu Anfang und Ende der Occlusion
vorhanden. Kiwull meint, dass es sofort nach Beginn der Occlu¬
sion eintritt, dann aber im späteren Verlauf meist sistiert; nach
Kuhn hat es keine grosse Bedeutung, da es zu Anfang, im Verlauf
oder gegen Ende der Verschliessung auftreten, aber auch ganz
fehlen kann. Er fand es in zwei Fällen am ersten, viermal in den
späteren Krankheitstagen und dreimal vollständig fehlend. Doch
spricht nach ihm Erbrechen für, fehlendes Erbrechen aber nicht
gegen Volvulus. Fehlendes Erbrechen erwähnen überdies folgende
Autoren: Bergmann fünfmal unter 15, Treves dreimal unter 20,
Obalinski 10 mal unter 19 Fällen, ferner in den einzelnen Kranken¬
geschichten: Budberg und Koch, Gruber, Haeckel, Koch,
Roser u. a. Dagegen fand ich nur in sehr wenigen Beschreibungen
das Erbrechen als besonders'heftig und quälend bezeichnet, so bei
Lennander und Küttner. Nach Koenig, Kiwull, Lüsebrink,
Zeidler u. a. spricht frühzeitiges Erbrechen für hohen, später ein¬
tretendes für tiefen Sitz der Occlusion.
Meist besteht ferner intensiver Schmerz, der nach Noth¬
nagel offenbar die Folge der Achsendrehung ist und daher an¬
dauernd besteht, mit Exacerbationen infolge der Kontraktionen
oberhalb des Hindernisses und entsprechenden Remissionen, jedoch
kaum jemals mit vollständigen Intermissionen. Derselbe lokalisiert
sich wohl manchmal in der linken Unterbauchgegend, sehr oft aber
auch an anderen Stellen des Abdomens, so in der Nabelgegend
(Nothnagel, Kiwull).
Wird dem Ileus nun nicht Abhilfe geschaffen, so entwickelt
sich verschieden schnell ein Collaps mit seinem typischen Bilde.
Eingesunkene, halonierte Augen, leidender, ängstlicher Gesichts¬
ausdruck, blasse, schwitzende, kalte Haut mit Cyanose der Lippen,
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Finger und Zehen, trockene Zunge, klanglose Stimme charakterisieren
diesen Zustand. Dabei bestehen leicht dyspnoische, etwas beschleu¬
nigte, aber regelmässige Atmung, kleiner, frequenter und ebenfalls
regulärer Puls, meist normale oder subnormale, seltener etwas er¬
höhte Körpertemperatur. Diese Symptome sind nach Budberg
und Koch eine Folge von Resorption der Zersetzungskörper infolge
des gestauten Darminhaltes, „nicht vom mystischen Shok und irgend
welcher Reflexlähmung der Darmnerven abhängend“. Von weiteren
Allgemeinerscheinungen wäre noch das Verhalten des Harnes zu
erwähnen. Ich fand erwähnt: Harnverhaltung (Bergmann),
Oligurie (Budberg und Koch), Oligurie und sogar Albuminurie
(Zeidler), Harn an Menge vermindert und konzentriert (Kiwull).
Der Indicangehalt des Harnes ist nach Naunyn nach zwei-
bis dreitägiger Dauer des Volvulus sehr stark, fehlt aber früher;
nach Kiwull ist er meist geringgradig, während Lüsebrink
den hohen Indicangehalt bei Volvulus S romani für ein dia¬
gnostisches Moment der tiefsitzenden Occlusion anspricht Die
Allgemeinsymptome, speziell der Collaps, sind wohl im grossen
Ganzen bei tiefsitzendem Darmverschluss weniger stürmisch als bei
höher sitzendem, scheinen aber doch gerade bei Volvulus S romani
ziemlich heftig aufzutreten. Naunyn meint zwar, dass die Occlusions-
symptome sehr heftig und plötzlich einsetzen, während der Verlauf
späterhin ein relativ gutartiger sei und der Collaps lange Zeit nicht
einsetze, und auch Mikulicz meint, dass man bei Volvulus S romani
oft noch nach acht Tagen mit der Operation nicht zu spät komme;
dies stimmt aber durchaus nicht mit Leichtenstern überein, nach
dessen Ansicht schwere Erscheinungen von Incarceration bestehen
und der Tod manchmal innerhalb 24 Stunden, meist innerhalb vier
Tagen eintritt. Auch nach Nothnagel sind die Allgemeinerschei¬
nungen, der Collaps etc. sehr stark ausgeprägt und der Verlauf so
akut wie sonst nur noch bei innerer Incarceration; die Dauer be¬
trägt nach Nothnagel zwischen drei Tagen und drei Wochen,
meist ungefähr eine Woche. Der Umstand, ob der Collaps bald
oder spät eintritt, ist natürlich sehr wichtig und für das ärztliche
Handeln bestimmend. Ich muss mich, nach dem von mir gesam¬
melten Material, weit eher der Ansicht Leichtenstern^, als der
Naunyn's anschliessen. Denn wenn ich auch thatsächlich vielfach
Heilungen nach Operationen fand, die acht Tage und vereinzelt
auch länger (10, 16, 17, 17, ja einmal 25 Tage!) nach Einsetzen der
Occlusion vorgenommen wurden, so ist doch die Zahl jener Fälle
grösser, bei denen der chirurgische Eingriff drei bis vier Tage nach
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Beginn der Erkrankung bereits zu spät kam. Ich fand sogar eine
Anzahl von Fällen, wo der Darm Verschluss nur zwei Tage, einen
Tag, 18 und 13 Stunden dauerte und dennoch die vorgenommene
Operation dem Tode nicht mehr Einhalt thun konnte. Es scheinen
demnach die Allgemeinsymptome bei Volvulus der Flexur sehr
heftig zu seiu und zu verlaufen. (Schluss folgt, i
Pankreascysten.
Von Dr. Max Münzer (Breslau).
(Fortsetzung.)
Die als Ausfallssymptome bezeichneten Störungen der digestiven
Funktionen des Pankreas haben in diagnostischer Hinsicht einen
nur bedingten Wert. Denn wenn eine klinisch wahrnehmbare Auf¬
hebung der normalen physiologischen Thätigkeit der DrÜ6e konstatiert
wird, dann handelt es sich schon um den im ganzen recht seltenen
gänzlichen oder fast gänzlichen Untergang des Organs. Es ist in¬
teressant und für die Diagnostik auch der Cysten nicht unwichtig,
in gedrängter Form die hierher gehörigen experimentellen Studien
der Physiologie und Pathologie zusammenzufassen. Zunächst ist —
was bei den Retentionscysten mit vollständigem Verschluss des
Ductus Wirsungianus zutreffen kann — daran zu erinnern, dass in
der Regel dem Organe zwei Ausführungsgänge zur Verfügung
stehen, von denen der eine bei Obturation des anderen noch ge¬
nügend wirksames Sekret ableiten kann. In solchen Fällen kommt
es alsdann zu keinen erheblichen, jedenfalls zu keinen für das
Pankreas charakteristischen Verdauungsstörungen. Rosenberg hat
auch gezeigt, dass partielle Pankreasexstirpation für die Ausnützung
von Eiweiss, Kohlehydraten und Fetten selbst dann noch ohne Be¬
deutung ist, wenn das zurückgebliebene, mitunter recht wenig um¬
fangreiche Stück gar nicht mit dem Darme in Verbindung bleibt,
sondern z. B. unter die Bauchdecken transplantiert wird. Ja selbst
wenn man den pankreaslos gemachten Tieren rohes Pankreas zur
Nahrung vorlegt, wird die vorher gestörte Digestion der Eiweiss¬
körper und Fette wieder weit besser. Es ist daher erklärlich, wenn
bei den daraufhin gemachten Beobachtungen in Fällen von Pankreas¬
cysten und anderen Affektionen der Drüse nur äusserst selten eine
Steatorrhoe erwähnt wird, d. h. jene Stuhlgänge, die als Ausdruck
gestörter Fettverdauung in Form ölartiger oder flüssiger, gelber,
gelbbräunlicher Fettmassen gewöhnlich in grosser Menge abgesetzt
werden. Fettstühle erwähnen bei Pankreascysten nur Bull, Good-
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mann und Gould. Sonst wird wiederholt gerade ausdrücklich der
negative Befund einer Steatorrhoe hervorgehoben. Es ist das ge¬
wöhnliche Fehlen des Fettstuhles bei Cysten eigentlich auch selbst¬
verständlich; denn diese sitzen ja zumeist im Schwänze oder Körper
des Pankreas und behindern somit nicht die Absonderung und Ent¬
leerung des Drusensekretes. In keinem Falle kommt also dem
Vorhandensein oder Mangel von Steatorrhoe eine grosse diagnostische
Bedeutung zu. Weit höherer Wert ist dagegen beizumessen den im
Stuhlgang erscheinenden Produkten gestörter oder ausgefallener
EiweissVerdauung. Rosenberg hat am eingehendsten am Tier¬
experimente die nach Untergang des Drusenparenchyms einsetzenden
Störungen der Stickstoffausnutzung studiert und insbesondere fest¬
stellen können, dass ein Sinken des Stickstoffumsatzes schon eintritt,
bevor noch in der Fett- und Kohlehydratausnutzung eine Störung
nachzuweisen ist. — Bei Pankreascysten fanden Küster und
Riegner als Zeichen gestörter Eiweissverdauung viel unverdaute
Muskelfasern im Stuhlgange.
„Zweifellos muss auch die Verdauung der Kohlehydrate lei¬
den, wenn die Pankreasfunktion ausfällt oder gestört ist. Roseu-
berg hat in seinen Tierexperimenten auch dieses Moment berück¬
sichtigt. Sehr spärlich sind aber über diesen Faktor die klinischen
Angaben. In einzelnen neueren Beobachtungen, wie z. B. von
Auerbach und Edoardo Italia, ist ausdrücklich erwähnt, dass
viel Stärke im Stuhl gefunden wurde“ (Oser). Ref. hat in der
von ihm durchgesehenen Literatur nirgends eine Angabe über diesen
Punkt gefunden.
Zu den Ausfallssymptomen sind weiterhin der bei Pankreas¬
affektionen oft notierte Diabetes mellitus und die alimentäre Gly-
kosurie zu rechnen, v. Mering und Minkowski haben bekanntlich
durch das Tierexperiment den Nachweis eines Zusammenhanges von
Diabetes mellitus und aufgehobener Pankreasfunktion erbracht. Aber
auch hier gilt der Satz: nur vollständige oder annähernd vollständige
Eliminierung der Drüse erzeugt Diabetes; partielle Exstirpation
lieferte interessante Ergebnisse. Und weil auch hier — wie in den
erwähnten Rosenberg*sehen Versuchen — Exstirpation der ganzen
Drüse und gleichzeitige Transplantation nur eines Stückes derselben
unter die Bauchhaut keine Glykosurie im Gefolge hat, so ist damit
der in den letzten Jahren besonders bei den Drüsen ohne Aus-
führungsgang (Thyreoidea, Ovarium) eine so grosse Rolle spielende
Nachweis einer „inneren Sekretion“ auch für das Pankreas geliefert.
Und gerade diese innere Sekretion wird als dem Zuckerverbrauch
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im Organismus dienstbar erachtet Diese von Hansemann als positive
Funktion bezeichnete Thätigkeit des Organes hat man, nachdem ver¬
schiedene, immer wieder zurückgewiesene Hypothesen über die Art
ihrer Wirkung zur Erklärung aufgestellt worden sind, in neuester
Zeit in Beziehung gebracht zu den sogenannten Langerhans’schen
Inseln, intertubulären Drüsenzellgruppen ohne Ausführungsgang. Diese
Inseln gehen, wie Walter Schulze gezeigt hat, nach Unterbindung
der Ausführungsgänge — trotz der vollkommenen Atrophie der
tubulären Partien — nicht zu Grunde, zeigen sogar nicht einmal
die geringsten Veränderungen. Andererseits ist öfters ihr degenerierter
Zustand bei Diabetes konstatiert worden, während das übrige Pankreas
intakt war. Diese Zellhaufen sind also sicherlich selbständige Ge¬
bilde, welche wahrscheinlich zum Zuckerstoffwechsel, zur sogenannten
inneren Sekretion des Pankreas, in Beziehung stehen; ein einwand¬
freier Beweis ist allerdings noch nicht erbracht.
Aus den letzteren Erwägungen heraus ist es leicht zu erklären,
dass nur in einem Teil der publizierten Fälle von Pankreascysten
die Ausscheidung von Zucker durch den Harn festgestellt worden
ist, so von Bull, Churton, Goodmann, Horrocks und Morton,
Malcolm Mackintosh, Nichols, v. Recklinghausen, Riegner
und Zweifel. Bei der von letzterem operierten Patientin fand sich
vor der Operation kein Zucker, nach der Operation war der Urin
bald zuckerhaltig, bald zuckerfrei. Von einigen dieser Fälle liegen
Sektionsberichte vor: Im Falle Nichols war das Pankreas in die
Cystenbildung völlig aufgegangen; Goodmann konstatierte Atrophie
des Drüsengewebes und fibröse Gewebshyperplasie im Caput;
Churton sah das gauze Pankreas in eine rein fibröse Masse um¬
gewandelt; dasselbe konstatierten Horrocks und Morton in ihrem
Falle; Malcolm Mackintosh stiess nur am hinteren und
unteren Teil der Cystenwand auf einen ganz spärlichen Rest
von Pankreasgewebe. — Bei der Peiser’schen Patientin wurden vor
und nach der Operation eine erhebliche Menge Zucker und nach
dem zweiten Eingriff, bei dem der Sequester entfernt wurde,
andauernd bis zum Tode auch viel Aceton und Acetessigsäure ge¬
funden. Es handelte sich aber hier um einen vollkommenen Unter¬
gang des Pankreas.
Man hat auch noch Maltosurie und Pentosurie und endlich
mangelhafte Indicanausscheidung trotz ileusartiger Symptome, die
wieder durch Kompression des Dünndarmes von Seiten einer Cyste
hervorgerufen werden können (s. unten), als Zeichen gestörter Pan-
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kreasfunktion herangezogen — doch ohne strikte Beweise hierfür
erbracht zu haben.
Wenn Albuminurie verhältnismässig oft erwähnt wird, so z. B.
in drei Fällen von Seefisch, so ist dieselbe nicht in irgend eine
Beziehung zu den veränderten Funktionen der Druse zu bringen,
sondern als einfache Stauungsalbuminurie anzusehen, die, wie auch
in den drei Seefisch'schen Fällen, nach Entleerung der Cyste
schwindet. Dass viel Sediment im Urin, Spuren von Eiweiss und
andere auf den uropoetischen Apparat hinweisende Befunde die
Diagnose erschweren können, zeigt z. B. der referierte Fall Franke
(s. oben), bei dem die Vermutung auf Hydronephrose nicht von der
Hand zu weisen war. Sehr auffallend ist bei dem Patienten, dessen
Krankengeschichte R. H. Fitz wiedergibt (s. oben), die Polyurie bei
Spuren von Eiweiss und vollständigem Fehlen von Saccharum. Wir
haben in diesen das Hamsystem betreffenden Erscheinungen, wie
erwähnt, nichts anderes als mechanische oder reflektorische Störungen
vor uns, welche die ausgebildete Geschwulst als solche auslöst. Za
diesen sind aber in ereter Linie die für Pankreascysten so überaus
charakteristischen Kolikschmerzen zu rechnen, die nur in einer
geringen Anzahl von Erkrankungen zu fehlen scheinen. Selten kon¬
tinuierlich, meist in Anfällen auftretend, steigern sie sich oft bis zu
solcher Heftigkeit, dass Ohnmachts- oder Collapszustände eintreten.
„Da man“, sagt v. Leube, „bei anderen Cystengeschwülsten des Ober¬
bauches so geartete Koliken nicht findet, bilden diese Anfälle
immerhin eine charakteristische Eigentümlichkeit der Pankreas¬
cysten.“ Takayasu fand unter 104 operierten Fällen 64 mal
charakteristische Schmerzanfälle, die als kontinuierliche oder zeit¬
weilige Koliken die Patienten plagten. Wohl vorzugsweise wegen
der (v. Leube hervorgehobenen) diagnostischen Bedeutung der be¬
sonderen Schmerzen rechnet auch Neuss er folgenden Fall zu den
Pankreascysteu:
Ein 67 jähriger Landmann gab an, seit ca. 27 Jahren an Krämpfen
im rechten Hypochondrium zu leiden, welche direckt in die Kreuz¬
gegend ausstrahlten, gewöhnlich in der Nacht auftraten und eine bis
zwei Stunden andauerten. Diese Schmerzen kehrten in Zwischenräumen
von einem bis zwei Monaten bis zum vorigen Jahre (1900) wieder. Nie¬
mals Icterus.
Vor den Anfällen soll manchmal der Urin auffallend hell ge¬
wesen sein, während derselben rötlich, ohne Bodensatz, ohne Blut und
Steine. Der Stuhl war die ganze Zeit unregelmässig, eher träge, so dass
Pat. seit vielen Jahren Abführmittel gebrauchte. Im August 19*>o
abermals heftige krampfhafte Schmerzen in der Lebergegend, diesmal mit
Hitzegegefühl, Schweissen, Erbrechen und starkem Meteorismus.
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Im Februar 1901 wurde im Epigastrium eine Geschwulst sichtbar.
Am 16. Juni 1901 folgender Status: Abdomen im Epigastrium
durch einen kopfgrossen Tumor kugelig vorgewölbt, der vorne bis zum
Nabel von der rechten Parasternallinie bis zur linken Mammillarlinie reichte.
Der Tumor zeigte eine sehr deutliche, vertikale, mit der Herzaktion
synchrone Pulsation, deutliche Fluktuation. Er ist respiratorisch und
durch Druck deutlich verschieblich, auch seitlich lässt er sich etwas
bewegen. Geringe seitliche Verschiebung, namentlich nach links, tritt
auch bei Seitenlagerung auf. Der Tumor ist fast schmerzlos, der Stuhl
in nicht auffälliger Menge, von normalem Aussehen. Mikroskopisch im
Stuhle und Urin nichts Abnormes.
Auf Grund der subjektiven Beschwerden und des objektiven
Befundes war, wie Neuss er bemerkt, kaum eine andere Diagnose
als Pankreascyste denkbar. Ueber Operation u. s. w. wird nichts
weiter berichtet. Neuss er hat diesen Fall in seiner Arbeit über
„Gallensteine“ angeführt, um auf die grosse Aehnlichkeit der bei
Pankreascyste vorhandenen Schmerzattaquen mit Gallensteinkoliken
aufmerksam zu machen. Viele Kranke sprechen übrigens nicht von
Koliken, sondern wie die im Fall I von Seefisch erwähnte Patientin
von Magenkrämpfen. Sie sind in Anbetracht der andern, doch nur
sekundären Erscheinungen von Seiten des Magens, wie Anorexie,
Nausea, Vomitus matutinus und häufiges Erbrechen — worüber
bald mehr — geneigt, alle ihre dyspeptischen Beschwerden auf blosse
Magenstörungen zurückzuführen. Zumeist werden wohl alle diese
Beschwerden, namentlich aber die Schmerzen, von Zerrungen, Ab¬
knickungen, Kompression u. dgl. des Magens oder Darmes durch den
Tumor abhängen.
Der Charakter der Schmerzen wird verschiedenartig geschildert.
Von „Magenkrämpfen“ sprach die Patientin Seefisches; über „Magen¬
krampf und Stiche im Magen“ klagte Frau L., deren Leiden
Franke beschreibt (s. oben); an Druck und Schwere im Leibe und
an Rückenschmerzen, besonders nachts, und infolge davon an dauern¬
der Schlaflosigkeit, nachdem mehrmonatliche, jeder ärztlichen Behand¬
lung trotzende Magenbeschwerden vorausgegangen waren (s. oben), leidet
ilie im noch zu referierenden Fall II von Seefisch erwähnte
Patientin. Aehnlich lauten die subjektiven Angaben des 36 jährigen
Patienten von Fitz: „nach dem Rücken ausstrahlende, besonders
nachts heftig einsetzende Schmerzen, die dumpf in der linken Lenden¬
gegend begannen.“ Alle vier Patienten, deren Krankheitsbild Israel
schildert, hatten Anfälle mehr oder weniger heftigster Koliken, so
der im oben mitgeteilten Fall III erwähnte 52jährige Herr, bei dem
nach der Punktion die Cyste vollständig verschwand und nur die
von Israel auf Bildung von Pankreassteinen zurückgeführten Schmerzan-
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z'
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fälle übrig blieben. Von einer 35 Jahr alten Patientin erzählt
Israel in seinem Fall II folgendes:
Patientin litt vor 15 Jahren an heftigen Magenbeschwerden nach
den Mahlzeiten, Appetitlosigkeit und Erbrechen. Dann gesund geblieben
bis vor l l / f Jahren. Im Juni 1897 erster heftiger Schmerzanfall: vom
Rücken ausgehend, beiderseits herum bis zum Magen, kolikartig, stechend,
mit Erbrechen, Frost und Hitze. Solche Anfälle, fünf bis sechs Tage
dauernd, wiederholen sich ca. alle fünf Wochen. Dann wieder etwa
3 / 4 Jahre hindurch schmerzloses Intervall; seit August 1898 Schmerz-
anfälle bis zu zehntägiger Dauer; diese wiederholen sich bis zur Auf¬
nahme der Kranken im Januar 1899.
Status: Alle Organe gesund. Nur im linken Hypochondrium ein
Tumor fühlbar, dessen untere Grenze in der verlängerten Mammillarlinie
am linken Rippenbogen beginnt, in einem grossen, abwärts konvexen
Bogen sich nach rechts erstreckt, die Mittellinie in der Nabelhorizontalen
kreuzt und nach rechts oben nicht abzugrenzen ist. — Glatte Ober¬
fläche, sehr schmerzhaft bei Berührung, nicht fluktuierend, ohne Zu¬
sammenhang mit Milz und Niere. — Respiratorische Verschieblichkeit
ziemlich bedeutend. — Schall über der Geschwulst tympanitisch; die
Deutlichkeit, mit der die Geschwulst gefühlt wird, nimmt bei Füllung
des Magens ab.
Operation nach Gussenbauer.
Der Befund bei der Operation sowie der im Fistelsekret sind
bereits oben mitgeteilt.
Es kommen auch Fälle vor, bei denen plötzlich auftretende
peritonitische Schmerzsymptome an die Stieltorsion eines Ovarial¬
kystoms denken lassen und die Diagnose auf Irrwege leiten; so
in einem Falle, den Dr. Julius Stark als Fall II anführt:
Schneidersfrau, 29 Jahre, hatte seit fünf Jahren einen Tumor
unterhalb des Nabels ohne wesentliche Beschwerden, bis die Patientin
vor fünf Tagen im Anschluss an die letzte Regel plötzlich mit schweren
peritonitischen Symptomen erkrankte. Angeblich nie Magen- oder Dann¬
storungen. Drei Kinder; letzter Partus vor einem Jahre.
Magere, fiebernde Frau mit starker Druckempfindlichkeit de*
Leibes. In der Mittellinie von der Symphyse bis zwei Querfmger breit
über den Nabel reichender, glatter, kugliger, cystischer Tumor. Utero*
durch diesen, der deutlich mit einem kleinen Segmente ins kleine Becken
hineinreichte, ante- et sinistroponiert.
Diagnose: Stieldrehung eines Ovarialkystoms.
Operation: Der Tumor hängt nicht mit den Genitalien zusammen:
er ist mit dem sein unteres Segment überlagernden Colon transversum
und mit dem an seinem oberen Pol gelegenen Magen stark verwachsen.
Es muss ein Stück Colon und Netz, sowie Magen wand reseciert werden;
zuletzt wird der Tumor aus der Gegend der Wirbelsäule ausgelöst. Vor¬
her schon ergab eine Probepunktion eine klare, braunrote Flüssigkeit —
Das gut zweifaustgrosse Operationspräparat ist von kugeliger Form und
etwas höckeriger Oberfläche. — Trotzdem war die Diagnose noch nicht
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625
klar. — Erst bei der Obduktion fällt es auf, dass int Pankreasgewebe
einige Umstechungsligaturen liegen. — Nunmehr wird das Operations-
praparat noch einmal genauer untersucht und es werden an ihm auch
verschiedene Reste von Pankreasgewebe hinter der rin ihm haftenden
resecierten Magen wand konstatiert. — Der Tumor lag also zwischen
Magen und Colon transversum, sein Ausgangpunkt war der untere
Rand des Kopfes und Körpers des Pankreas.
Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich eine sarkoma-
töse Entartung eines Teiles der Wandschicht.
Dass nach einem Trauma eigentümliche peritonitische Erschei¬
nungen als Vorstadium der Entwicklung einer pankreatischen Pseudo¬
cyste auftreten können, zeigt der oben referierte, von M. Dezmann
veröffentlichte Fall. Auch ein ileusartiges Bild wird manchmal er¬
wähnt, so auch im folgenden Fall aus der v. Mikulicz*sehen Klinik,
welchen Takayasu noch als Anhang zu seiner Arbeit in den „Mit¬
teilungen aus den Grenzgebieten etc.“ beschreibt:
39 jährige Frau; seit dem 10. Lebensjahre nervöse leichte Ohnmacht^
anfälle. Mit 15 Jahren Krampfanfälle mit eigentümlichen „drehenden“
Schmerzen in der linken Bauchseite. Typische Hysterie. März 1889 beider¬
seitige Kastration ohne Erfolg. Herbst 1896 nachts Anfall mit heftigen
Magen- und Rückenschmerzen, sowie Erbrechen schleimig-wässeriger Massen.
Solche Kolikanfälle wiederholten sich alle 14 Tage bis mehrere Monate.
— Frühjahr 1897 in einem Anfall der Urin untersucht: Eiweiss, das
nach einigen Tagen wieder verschwand. — Mai 1897 besonders heftiger,
aber kurzer Anfall; Dezember 1897 erneuter Anfall mit Eiweiss im
Urin. — Vor drei Wochen Geschwulst in der Magengegend bemerkt; in
den letzten 14 Tagen häufiges Erbrechen und immer heftigere Schmerz¬
anfälle unter dem Bilde eines Ileus. — Mittelgrosse, kräftige Frau mit
starkem Pannicul. adipös, und ziemlich blasser Gesichtsfarbe. — In der
Regio epigastrica absolut gedämpfter Schall vom Nabel aufwärts bis
kinderhandbreit unterhalb des Processus ensiform. Knabenkopfgrosser,
unbestimmt begrenzter, unbeweglicher, druckempfindlicher Tumor, prall
elastisch; Fluktuation. Beim Aufblähen des Magens tritt derselbe vor
die Geschwulst Urin frei von Zucker und Eiweiss.
Diagnose: Pankreascyste.
Operation nach Gussenbauer: Durch Punktion wird eine
klare, wasserhelle Flüssigkeit (ca. 1 Liter) aspiriert; in ihr rote und
weisse Blutkörperchen, Eiweiss, Peptone, eiweissverdauendes und saccha-
rifizierendes Ferment.
Zu den reflektorisch ausgelösten Symptomen bei Pankreascysten
muss das fast in jedem Fall als eines der Initialzeichen erwähnte
Erbrechen gezählt werden. Im Beginn ähnlich wie bei Gallen-,
Nieren- und Darmkoliken nur zur Zeit der Anfälle auftretend, wird
es bei weiterem Fortschritt der Erkrankung immer häufiger, so dass
es sich hin und wieder auch einmal nach jeder Nahrungsaufnahme
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Cbir. VI. 40
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626
einfindet. Beispiele hierfür sind die mitgeteilten Fälle: I von Seefisch
^nd der von v. Brackel. Die erbrochenen Massen bestehen ent¬
weder aus den genossenen Nahrungsmitteln, die mehr oder weniger
verändert wiedergegeben werden, oder sie stellen eine alkalisch rea¬
gierende, mehr oder weniger dünnflüssige, oft graulichrote — wie in
dem später anzuführenden Falle Noth nagels’s (s. unten) — zuweilen
gallig gefärbte Flüssigkeit dar. So wird beispielsweise von Seefisch
berichtet, dass der 12 jährige Patient Willy M., der von einem Last¬
wagen überfahren wurde und dessen komplizierte Krankengeschichte
der Autor als seinen Fall IV niedergeschrieben hat (s. oben), 3 1 ; t
Wochen post trauma zum erstenmale reichliches und stark gallig
gefärbtes Erbrechen bekam, das sich in den nächsten 2 1 /, Wochen
dreimal wiederholte. — Auch Hämatemesis ist beobachtet worden,
besonders beim Durchbruch einer mit Blut gefüllten Cyste in den
Magen oder in den Anfangsteil des Darmes. Pepper beschreibt
einen Fall von Blutbrechen infolge Durchbruchs kleinerer, der Pal¬
pation nicht zugänglich gewesener Cysten. Hierher ist auch das
mehr graurote Massen herausbefördernde Erbrechen im folgenden
Falle NothnageTs zu rechnen, bei dem es zu einer Beratung einer
Pankreascyste ins Darmlumen hinein gekommen ist; die kurze Be¬
schreibung des Falles fand ich bei Oser (Deutsche Klinik):
Nachweisbarer Tumor in der Pankreasgegend. Plötzlicher Abgang
diarrhoischer, wässeriger Stuhlgänge und einige Tage darauf Erbrechen
von dünnflüssigen, grauroten, mit einzelnen rotbraunen Fetzen vennengten
Massen (eine Schüssel voll), die alkalisch reagierten und mikroskopisch
Mucin und Bakterien enthielten, aber keine Blutzellen mehr. — Darauf
war der früher deutlich palpable Tumor verschwunden.
(Schluss folgt.)
Ueber die nach Verletzungen zurückblei*
benden Veränderungen des Gefässapparates.
Zusammenfassende Uebersicht von Dr. Hans Herz (Breslau).
(Schluss.)
Die Ausführungen Pantzer’s lassen sich folgendermassen
zusammenfassen:
Ein endarteriitischer Prozess erklärt die Aneurysmabildung nicht
zur Genüge. Die Hauptschuld tragt die Media, sei es durch Mes-
arteriitis, sei es durch Zerreisgungen (bei Steigerung des arteriellen
Blutdruckes durch körperliche Anstrengungen, bei Erschütterungen.
Oft wiederholte Drucksteigerungen bei der Arbeit bilden eine Art
chronisches Trauma.
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627
Zerreiesungen der Media können sicher auch durch einmalige
Einwirkungen äusserer Gewalt (Maschinenverletzungen, Ueberfahren,
schwere Kontusionen) nicht nur an schon vorher krankhaft ver¬
änderten Gefässen, sondern auch an gesunden Gefässen zu stände
kommen. Selbst an relativ geschützten Stellen (Aorta thoracica
descendens) kommen Bolche Einrisse vor. Diese Einrisse entstehen
teils durch die plötzliche Steigerung des arteriellen Druckes, teils
durch die Fernwirkung des Traumas.
An diese Einrisse, möglicherweise auch an entzündliche Vor¬
gänge, welche Verletzungen an der Stelle ihrer Einwirkung in der
Gefässwand setzen, schliessi sich dann Aneurysmabildung an. Ob
das Trauma auch an gesunden Arterien so wirkt, ist strittig, an
kranken hat es jedenfalls leichteres Spiel. Pantzer hält die direkte
traumatische Entstehung Sberhaupt nicht fSr allzu häufig, aber für
unleugbar vorhanden. In anderen Fällen kommen andere Momente
in Betracht.
Im nächsten Jahre (1899) hat sich auch M. Schmidt für die
Bedeutung von Anstrengungen und Traumen in der Aetiologie der
Aortenaneurysmen ausgesprochen, dabei nimmt er eine Grundlage
in dem Bestehen einer Gefiisswandveränderung (gewöhnliche Arterio¬
sklerose, sklero- gummöse Erkrankung) an. Es kann sich um den
Blutdruck allein oder um ein wirkliches Trauma handeln, wie in
einem seiner Fälle, wo auf einen Sturz (mit Bruch des Oberarmes)
das Aneurysma eintrat.
Bäumler legte in der Diskussion besonderen Wert auf die
Steigerung des Blutdrucks, wodurch die Media an einer vielleicht vorher
schon schadhaften Stelle nachgibt, und das Aneurysma sich entwickelt.
1900 hat sich dann Aron dahin geäussert, dass eine Ver¬
minderung der Widerstandskraft des Arterienrohres durch Traumen
im weitesten Sinne, durch toxische Momente und infektiöse Ein¬
wirkungen zu beschuldigen sei. Und zwar muss nach ihm ein
grosser Gefässbezirk in continuo erkrankt sein, während bei der
gewöhnlichen fleckweisen Erkrankung eine Ausweitung nicht erfolgt;
auch muss die Erkrankung tief gehen. Er legt den Hauptwert auf
plötzliche Dehnungen durch Blutdrucksteigerungen bei grossen
Körperanstrengungen; aber auch Traumen im engeren Sinne: Stösse,
Kontusionen können Zerreissungen und Läsionen der elastischen und
kontraktilen Elemente und deren Ersatz durch Narben- und Binde¬
gewebe hervorrufen und so zu Aneurysmen fuhren.
Auch die noch späteren Arbeiten von Fabris, der die Genese
experimentell zu studieren suchte, und von Bon net sind über den
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628
Standpunkt nicht hinausgelangt: die Entstehung der Aneurysmen
ist einheitlich nicht zu erklären, das Trauma kann dabei eine Rolle
spielen, deren Bedeutung aber nicht leicht abzuschätzen ist
Das letzte Wort über die Genese der Aortenaneurysmen ist
noch nicht gesprochen — aber für die Zwecke der Unfallgesetz¬
gebung wird man den gelegentlichen Zusammenhang von Trauma
und Aortenaneurysma nicht bestreiten können. —
Dass Aneurysmen durch ein Trauma zum Platzen gebracht
werden können, ist wohl nicht zu bezweifeln. Eher scheint es
wunderbar, dass ein solches Vorkommnis relativ selten ist In
sieben Fällen von Herz- und Aortenruptur, die Hampeln beschreibt,
lag ein Trauma im engeren Sinne nie vor, nur einmal erfolgte der
Tod auf dem Abort. Und auch F. Draper gibt an, dass die Ruptur
von Aortenaneurysmen selbst bei vollständiger Ruhe erfolgt. —
Venenerweiterungen nach Traumen sind kaum bekannt.
Höchstens wären hier die Kra'mpfaderbrüche zu erwähnen, die nach
Quetschungen in der betreffenden Gegend beobachtet sind. Die
Widerstandsfähigkeit der Venenwand nimmt dabei durch Entzündung
der Venen und Erschlaffung der Umgebung ab. Ein einschlägiger
Fall ist von Thiem beobachtet, bei dem die ältere Literatur darüber
zu finden ist. Auch heftige Kontraktionen der Bauchpresse, ange¬
strengtes Erbrechen, Zerrungen des Samenstranges (wie beim Herab¬
springen) können ähnliche Folgen haben. Doch betont Thiem aus¬
drücklich, dass diese Entstehungsart nur selten vorkommt.
C. Gefässgeschwülste
können in vereinzelten Fällen, wie auch andere Geschwülste, im
Anschluss an ein Trauma entstehen, d. h. sie werden wenigsten*
durch dasselbe zum schnellen Wachsen angeregt; die eigentliche
Ursache bleibt ja unklar. Solche Fälle sind bei Löwenthal er¬
wähnt. In einem Falle von Hildebrandt entstand nach Schuss¬
verletzung in der Subclavia wahrscheinlich eine echte Gefässgeschwulst.
C. Die Verletzungen des Nervensystems.
Literatur.
1) Apelt, Arteriosklerose und Commotio cerebri. Aerztl. Sachverständiges-
Zeitung 1902.
2) Brasch, Raynaud’sche Krankheit und Trauma. Berliner Gesellschaft für
Psychialr. u. Nervenkr. 1899. Citiert nach Cassirer.
3) Bruns, L., Neuere Arbeiten über Unfallsnervenkrankhciten. Ref. ii
Schmidt’s Jahrbüchern, Bd. CCLV, p. 129 ff., Bd. CCLIX, p. 207 ff.
4) Cassirer, R., Die vasomotorisch-trophischen Neurosen, Berlin 1901.
5) Edel, M., Betriebsunfall und Gefässerkrankung. Aerztl. Sachverstindigen-
Zeitung 1900.
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629
6) Friedmann, Zur Lehre von den Folgezuständen, insbesondere den Blut¬
gefässveränderungen, nach Kopferschütterungen. Neurol. Centralbl. 1897, p. 613.
7) Herz, H„ Zur Lehre von den Neurosen des peripheren Kreislaufsapparates
(Ueber vasomotorische Ataxie). Sep.-Abdr. a. d. Wiener med. Presse 1902, Urban &
Schwarzenberg.
8) Krehl, L., Die Erkrankungen des Herzmuskels und die nervösen Herz¬
krankheiten. Nothnagel’* Pathol. u. Ther., Bd. XV, Wien 1901.
9) Laehr, M., Ueber Nervenkrankheiten nach Rückenverletzungen etc.
Charitd-Annalen 1897, Bd. XXII, p. 690.
10) Prentiss, New York med. Record 1897, Bd. LH, p. 39. Citiert nach
Cassirer.
11) Rosenbach, O., Die Seekrankheit als Typus der Klnetosen, Wien 1896.
12) Rosenthal, H., Zur Charakteristik einiger „objektiver“ Symptome bei
den sogenannten traumatischen Neurosen. Monatsschr. für Unfallheilkunde 1897, Bd.
IV, Nr. 8, p. 233.
13) Sachs, H. u. Freund, C. S., Die Erkrankungen des Nervensystems nach
Unfällen, Berlin 1899.
14) Sänger, A., Die Beurteilung der Nervenerkrankungen nach Unfall, Stutt¬
gart 1896.
15) Schulz, R., Ueber Unfallserkrankungen. Beitr. z. wissensch. Medizin.
Festschrift zur 69. Versamml. deutscher Naturforscher u. Aerzte, Braunschweig 1897.
16) Schuster, P., Zur neurologischen Untersuchung Unfallkranker. Berliner
Klinik 1899.
17) Strauss, H., Klinische Beiträge zur Pathol. u. Therapie einiger seltener
Formen von traumatischer Nerven- und Herzmuskelerkrankung. Charit^-Annalen 1900,
Bd. XXV.
18) v. Strümpell, Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. 1896, Bd. VIII.
19) Ders., Ueber hysterische Hämoptoö, insbesondere bei Unfallkranken.
Monatsschr. f. Unfallheilk. 1897, Bd. IV, H. 1, p. 1.
Es ist lange bekannt, dass Verletzungen der nervösen Apparate
zu Störungen am Gefässapparat führen können, die znm Teil sehr
unangenehmer und folgenschwerer Art sind, zum Theil allerdings
nur diagnostisch in Betracht kommen.
Die nervöse Versorgung des Gefässapparates ist viel studiert.
Ich hebe hier nur hervor, dass Herz und Gefässe, wie andere Organe,
ihre örtlichen Centren haben, dass es dann umfassendere Centren
in den nervösen Zentralorganen gibt, und dass schliesslich der psy¬
chische Betrieb so eng mit der Gefässinnervation verknüpft ist, dass
man das ganze Affektleben mit Kreislaufsschwankungen zu identi¬
fizieren versucht hat.
Für unsere Betrachtungen ist es am einfachsten, die central
bedingten Kreislaufsstörungen insgesamt von denjenigen zu
trennen, bei welchen man eine örtliche Störung der Gefässinnervation
zu vermuten Grund hat.
Der grösste Teil der zuerst zu besprechenden nervösen Herz-
und GefässVeränderungen, die nach Traumen bei Leuten mit soge¬
nannten traumatischen Neurosen beobachtet werden, gehört wohl in
das Gebiet der auf affektive Einflüsse zurückzuführenden Erschei¬
nungen. Die häufige innere Verarbeitung des furchtbaren Augen¬
blicks, in dem das Individuum vor seiner Vernichtung zu stehen
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630
schien, die Sorge um die Zukunft und alle etwa noch zu erwarten¬
den Folgen inclusive des Kampfes um die Rente kommen hier in
Betracht.
Andererseits darf man den psychogenen Faktor dieser Cirkn-
lationsstörungen nicht allein berücksichtigen. Die Verletzung der
cerebralen und spinalen Centren kann auch direkt zu allerlei Störun¬
gen in der Innervation von Herz und Gefässen fuhren. Schon die
Thatsache, dass sich jene nicht selten nach wirklich schweren Ver¬
letzungen des Gehirns und Rückenmarks, im Anschluss an Kon¬
tusionen und Kommotionen, oft nach Schädel- und anderen Knochen¬
brüchen finden, legt den Gedanken an eine mehr substantielle Ge¬
nese nahe.
Es kann sich dabei um makroskopisch oder wenigstens mikro¬
skopisch nachweisbare Veränderungen der Nervensubstanz oder Ge-
fässwand, oder um starke Erschütterung des Nervensystems handeln,
wie auch Stern hervorhebt.
In letzterer Beziehung ist zu erwähnen, dass neben den un¬
zweifelhaft existierenden rein psychischen Formen der traumatischen
Neurosen eine durch Erschütterung erzeugte Aenderung des (inter¬
molekularen) Gleichgewichtszustandes bei vielen Kranken anzunehmen
ist (chronische Kinetose nach O. Rosenbach), und auch bei diesen
finden sich zahlreiche Gefässsymptome.
Auf die organischen Störungen, die oft zu Grunde liegen, hat
besonders Friedmann schon früher und in der letzten Zeit wiederum
bei seinem „vasomotorischen Symptomenkomplex“ hingewiesen.
Friedmann bringt folgenden Fall. Ein sehr kräftiger Mann von
26 Jahren wird durch eine Bombe zu Boden geschleudert, so dass da>
Trommelfell einer Seite platzt. Es folgt langdauemdes Siechtum mit
schweren Gehirn Symptomen. Nach einem Jahr leidlich hergestellt, bot
der Kranke seitdem das Bild ausgeprägter Neurasthenie (Energielosig¬
keit, Gedächtnisschwäche, Intoleranz gegen Alkohol und leichte An¬
strengungen). Zwei Jahre vor dem Tode erfolgten kurze Anfälle von
Aphasie und Parese des rechten Armes, welche nach vier bis fünf
Wochen verschwanden, aber ante exitum wieder kehrten. Geistiger Ver¬
fall, andauernde Parese des rechten Armes, Gehstörung, zuletzt apoplek-
tischer Insult, Exitus.
Sektion: Frische Blutung im linken Schläfenlappen, ausserdem
ausgeprägte Endarteriitis obliterans an der Art. vertebr. und besonders basi-
laris, beginnende Arteriosklerose, mikroskopisch weit verbreitete hyaline
Entartung und Verdickung der kleinen Gehirnarterien und -Capiilaren.
rundzellige Infiltration in den Gefässscheiden und viel Blutpignient.
Auch am Nervenmark degenerative Veränderungen.
Friedmann macht darauf aufmerksam, dass dieser Kranke
24 Jahre nur als „Neurastheniker nach Kopftrauma“ galt
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Allerdings ist die Möglichkeit nicht auszuschliessen, dass die orga¬
nischen Gefässstörungen hier sich erst sekundär entwickelten (s. u.)!
Die Herz- und Gefässsymptome bei traumatischen Neurosen
sind zunächst nur funktioneller Natur; meist nach längerer Zeit
können sich aber auch schwere Veränderungen hinzugesellen.
Bezüglich der Art jener funktionellen Störungen wird man im
allgemeinen Stern und Krehl beistimmen, dass sie den sogenannten
nervösen Herz- und Gefässerkrankungen gleichen, und zwar auch
dort, wo man gröbere Strukturveränderungen der Centralorgane an¬
zunehmen Grund hat. Natürlich muss man sich bei allen diesen und
anderen Symptomen, die bei Verletzten auftreten, wie u. a. auch
Sänger hervorhebt, hüten, anderweitige Schädigungen (Alkohol,
Tabak etc.) ausser acht zu lassen, die unter Umständen auch ganz
andersartige Symptome bedingen können.
Einzelne Punkte müssen aber gerade bei diesen Neurosen nach
Verletzungen hervorgehoben werden.
Beschleunigung der Herzaktion, vor allem die Neigung, bei
geringen Reizen schnelleren Herzschlag zu zeigen, wird oft erwähnt.
Besonders psychische Erregung bewirkt sehr leicht bei diesen Kran¬
ken das Phänomen; doch kommt es, ebenso wie bei Steigerung der
Sehnenreflexe, auch sonst bei psychisch leicht erregbaren Patienten
vor, hat also nach v. Strümpell, R. Schulz u. a. geringe diagno¬
stische Bedeutung. L. Bruns dagegen ist der Ansicht, dass die
Steigerung der Herzthätigkeit eines der objektivsten und häufigsten
Zeichen der betreffenden traumatischen Affektionen sei, und jeden¬
falls lässt sich, wie auch Stern hervorhebt, eine gleichbleibende, er¬
heblich gesteigerte Pulsfrequenz bei genügend langer Beobachtung
gegen die Annahme einer Simulation verwenden.
Eine besondere Form der Pulsbeschleunigung stellt das soge¬
nannte Mannkopf’sche Symptom dar: Steigerung der Pulsfrequenz
um 20 Schläge und mehr bei Druck auf schmerzhafte Stellen. Die
meisten neueren Autoren gestehen der Erscheinung wenig Bedeutung
zu. R. Schulz erklärt sie für selten nachweisbar und Rosenthal
fand „die traumatische Herzaktion“ nur dreimal unter 39 Fällen mit
Regelmässigkeit. Rosenthal betrachtet sie in keiner Weise als
spezifisch für Unfallsneurosen, namentlich bestreitet er das Recht,
einen. Kranken bei Fehlen des Symptoms für einen Simulanten zu
erklären. Sachs und Freund machen darauf aufmerksam, dass
mehr oder minder willkürliche Veränderungen des Atmungstypus, so¬
wie alle möglichen dabei vielleicht eintretenden Bewegungen und
Muskelspannungen gleichfalls eine Einwirkung auf den Puls aus-
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632 —
üben; ein Simulant kann sich also scheinbar vor Schmerzen winden
und durch die dabei eintretende Spannung der Bauchpresse und
kräftige Thätigkeit anderer Muskeln eine Pulsbeschleunigung herbei¬
führen.
Verlangsamung des Pulses scheint selten.
Anderweitige motorische Symptome sind noch weniger charak¬
teristisch. Bald ist der Puls klein und weich, bald stark gefüllt,
rasch ansteigend u. s. w. Arhythmie soll höchstens vorübergehend
Vorkommen, besonders bei psychischer Erregung (Stern); bei an¬
dern Neurosen ist dies häufiger. Auch Thiem hat das Aussetzen
des Pulses bei Neurasthenia vasomotoria nicht so selten gesehen.
Die sensiblen Störungen am Herzen: Herzklopfen, Schmerzen
aller Art und Intensität, abnorme Empfindungen in der Herzgegend,
Angstgefühle, bieten nichts Besonderes. Die Angina pectoris vaso¬
motoria mit ihren Ausstrahlungen kann höchst heftig werden. Be¬
merkenswert erscheint eine Angabe von Stern, der nach Brust¬
kontusionen deutliche Störungen der Hautsensibilität (hvper- und
hypästhetische Zonen) in der Herzgegend sowie über der linken
seitlichen und hinteren Thoraxwand fand.
Die physikalischen Symptome unterscheiden sich in nichts von
denen, die man sonst bei Herzneurosen findet.
Den breitesten Raum unter den Kreislaufsstörungen bei trau¬
matischen Neurosen nehmen, wenigstens nach meinen Erfahrungen,
die Erscheinungen an den peripheren Gefässen ein. Ich habe 1. c.
in ausführlicher Weise diese nervösen Kreislaufsschwankungen, die
noch viel öfter ohne traumatische Grundlage Vorkommen, beschrieben.
In der Regel handelt es sich um paroxysmale Störungen, welche in
verschiedenen Abschnitten des Kreislaufsapparates zur Beobachtung
kommen und im selben Falle bald vasokonstriktorischer, bald vaso-
dilatatorischer Natur sind, wenn auch meist eine von beiden Formen
vorwiegt. Kopf, Hals, Extremitäten, Bauch- und wahrscheinlich auch
Brustorgane können unter dieser Labilität des peripheren Gefäss-
systems zu leiden haben. Wer sich für ausführliche Schilderung der
einzelnen Phänomene interessiert, kann Näheres in meiner Arbeit
finden.
Die betreffenden Phänomene, eine auffallende Labilität der
peripheren Gefässe, sind nicht nur von mir öfter bei traumatischen
Neurosen beobachtet, in der Literatur findet sich dabei seit langem
bald das eine, bald das andere dieser Symptome erwähnt Ich hebe
nur einiges hervor.
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Die Labilität der Kopfgefässe in ihren verschiedenen Formen
ist viel beschrieben. Sie äussert sich bald als vasomotorischer
Schwindel — besonders bei Lagewechsel —, bald als Kongestion,
bald als Ohnmacht; auch die Unfähigkeit, Alkohol zu vertragen, ge¬
hört wohl zum grossen Teil hierher.
Es erscheint dieser Symptomen komplex besonders nach Kopf¬
traumen. Es bleibt zweifelhaft, welche Rolle im einzelnen Falle der
psychische Faktor, welche Rolle die Schädigung irgend welcher cerebralen
Kreislaufscentren spielt; endlich bleibt zu erwägen, ob nicht auch eine
rein örtliche traumatische Kreislaufsstörung in cerebro vorkommt, wie wir
solche am Schlüsse dieses Referates besprechen werden.
Ebenso kommen auch an den Gliedern Anämisierung und Kon¬
gestion oft vor; die dritte Form der Kreislaufsstörung, die regionäre
Cyanose, habe ich auch a. a. O. ausführlich besprochen.
Die Frage nach dem Auftreten von Blutungen ist bei trauma¬
tischer Hysterie ebenso offen, wie bei anderweitig entstandener.
Jedenfalls ist es sehr selten, v. Strümpell bestreitet es.
Dass die Neigung zu Blutungen bei diesen Kranken eine erhöhte
ist, möchte ich behaupten; Nasen- oder Hämorrhoidalblutungen,
Menorrhagien sind hier ausserordentlich häufig. Spontanes Auf¬
treten von Blutungen aus tieferen Organen habe ich nie beobachtet.
Die begleitenden Störungen der Lymphbewegung, der Sekret¬
bildungbespreche ich hier nicht und will nur der nicht seltenen Dermo-
graphie Erwähnung thun. Sie ist aber meist nur eine Kuriosität,
ein Ausdruck allgemeiner nervöser Erregbarkeit, wie auch Sachs
und Freund angeben. —
In meiner oben erwähnten Schrift über die vasomotorischen
Neurosen habe ich auch ausführlich besprochen, wie diese Kreislaufs¬
störungen, anfangs nervöser Art, später zu arteriosklerotischen Ver¬
änderungen führen können. Ueberall, wo die Gefässwand abnorm grossen
Kaliberschwankungen ausgesetzt ist — gleichviel ob dieselben durch
oft wechselnde Funktion der Apparate oder durch abnorme nervöse
Regulation zustande kommen — ist eine Lockerung der Gewebsele-
raente die bald früher, bald später eintretende Folge. Es treten zu¬
nächst Gewebsvermehrung, Hypertrophie und Hyperplasie ein, die
aber in der Regel auf die Dauer auch nicht genügen; dann kommt
es zur Insufficienz, zu degenerativen Vorgängen und zur Ablagerung
wenig aktiver Stoffe (Kalk), die nur die Kontinuität erhalten, an
Stelle der normalen Gewebsbestandteile.
Es ist daher nicht wunderbar, dass auch bei den traumatischen
Neurosen schliesslich so oft Arteriosklerose resultiert: sind doch
so oft die Gefässe äusserst labil.
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Bezüglich des Herzens ist mehrfach behauptet worden, dass
nervöse Störungen traumatischen Ursprungs zuweilen in organische
übergeben können. Es kommt dabei wohl meist Sklerose, ins¬
besondere auch der Coronararterien, in Frage (Stern, Krehl). Ob
sonst organische Veränderungen nach funktionellen Störungen der
hier zu betrachtenden Art am Herzen direkt Vorkommen — Oppen¬
heim hat Dilatation und Hypertrophie nach denselben gesehen —
ist nach Analogie mit anderen nervösen Störungen nicht unwahr¬
scheinlich, aber nicht beweiskräftig belegt; nur geringe Volumens¬
zunahme des linken Ventrikels ist wohl sichergestellt (Stern). Jeden¬
falls erfordert das immer lange Zeit
Viel schneller entwickelt sich zuweilen die Arteriosklerose,
deren Vorkommen auf dieser Basis auch durch ein grösseres Mate¬
rial belegt ist.
Natürlich darf nicht vergessen werden, wie Sänger, L.
Bruns u. a. hervorheben, dass Arbeiter oft an Arteriosklerose früh¬
zeitig erkranken, und dass dieser Umstand von Bedeutung für die
Entstehung der Unfallsneurosen ist Letzteres geht auch aus
den sehr beachtenswerten Ausführungen Apelt's hervor. Nach
diesem Autor sind nach Abklingen der akuten Erscheinungen der
Hirnquetschung Klagen über Kopfschmerz, Schwindel, zuweilen
Gedächtnisnachlass fast regelmässig. Bei gesunden Gefässen gehen
diese Erscheinungen durch Ruhe, Diät, Hydrotherapie bald zurück,
bei Patienten mit Arteriosklerose nicht, weil der Ausgleich nach der
Blutdruckschwankung in den starren Röhren schlecht vor sich
gehen kann. Aber andererseits ist die relativ häufige Entwickelung
der Sklerose bei Unfallkranken kaum zu bezweifeln.
H. Strauss hat die Frage im Anschluss an einen Fall aus¬
führlich besprochen, der nach einem Unfall unter anderen schweren
nervösen Beschwerden besonders Anfälle von Angina pectoris ner¬
vöser Art zu haben schien, nach einem Jahre aber an deutlicher
Arteriosklerose (hebender Spitzenstoss, rigide Arterien, erhöhte Puls¬
spannung) erkrankte und daran zu Grunde ging. Strauss weist
darauf hin, dass bei anderen nervösen Zuständen (Morbus Basedowii.
Epilepsie) organische Gefässveränderungen Vorkommen, dass ins¬
besondere psychische Erregung und intensive geistige Anspannung
durch die häufigen Blutdruckschwankungen zu Arteriosklerose einer¬
seits, andererseits an sich schon und vor allem durch jene Gefäss-
erkrankung einen Anstoss zur Herzhypertrophie geben können. Bei
traumatischen Neurosen nun besteht einerseits besondere Reizbarkeit
des Gefässapparates, andererseits sind zahlreiche Reize (Kummer,
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somatische und psychische Schmerzen) vorhanden. Auch anatomisch
hat man bereits bei traumatischer Nervenerkrankung Sklerose der
kleinen Gefässe des Centralnervensystems nachgewiesen. Natürlich
ist Vorsicht in der Beurteilung nötig, aber bei relativ jugendlichen
Personen und wo sonstige Ursachen fehlen, sei doch der Zusammen¬
hang anzunehmen.
Schon früher war Schuster zu ähnlichen Anschauungen ge¬
langt. Nach ihm ist das Primäre die Beschleunigung der Herz-
thätigkeit und die Steigerung des arteriellen Druckes. Zuweilen
sah er die Krankheit in einigen Monaten vor seinen Augen ent¬
stehen. Jedenfalls ist nach ihm Arteriosklerose (meist allerdings
nicht in ihren schweren Formen) bei Unfallverletzten, auch jugend¬
lichen Alters, äusserst häufig.
Endlich auch hat Edel unter Anführung der Literatur die
Häufigkeit der Arteriosklerose nach Traumen behauptet.
Er hatte einen 55 jährigen Mann zu begutachten, der durch Ex*
plosion einen komplizierten Schenkelbruch, Brandwunden im Gesicht
und Mund, sowie eine Verletzung beider Augen davontrug, Fast zwei
Jahre später leichte Apoplexie, an diese schlossen sich Demenz und Er¬
regungszustände. Da der psychische Zustand sich nicht besserte, musste
Pat. in eine Anstalt überführt werden, wo er ca. acht Jahre nach dem
Unfall an den Symptomen von Herzschwäche starb. Die Sektion er¬
gab Darmruhr.
Edel führt aus, das schwere Trauma habe die Arteriosklerose
entweder erzeugt oder doch mindestens eine etwa schon vorher be¬
stehende Arteriosklerose verschlimmert. Ohne den Unfall würde der
Mann länger gelebt haben. Dass der Tod an Enteritis erfolgte, spiele
keine Rolle, auch ohne sie würde der Verletzte bald an Herz¬
schwäche gestorben sein. — Es lässt sich allerdings nicht über¬
sehen, dass durch einen solchen Fall im höheren Alter der Beweis
einer derartigen Aetiologie wissenschaftlich nicht zu führen wäre.
Dass Traumen direkt durch eine Erschütterung des Gefässsystems,
d. h. der Media, mit darauffolgender Schwächung derselben zur Arterio¬
sklerose führen können, ist, wie v. Schrötter hervorhebt, nicht ge¬
nügend gestützt Nur vom Nervensystem her scheint eine Erklärung
möglich. —
Endlich kommen wir zu der Frage, ob traumatische Ein¬
flüsse auf die lokalen Centren im Herzen und an den Ge¬
fässe n zu Kreislaufsstörungen führen können.
Was das'Herz betrifft, so ist es klar, dass sich die Schädigung
der Muskelsubstanz nach Trauma in ihren leichteren Erscheinungs¬
formen schwer von der des Nervensystems trennen lassen wird.
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Ueber Dilatation nach Kontusion der Herzgegend wurde schon oben
gesprochen: niemand weiss, welche Rolle dabei die örtlichen Nerven-
centren spielen. Ausserdem aber kommen Herzneurosen charak¬
teristischer Art nach Verletzungen der Herzgegend vor. Immerhin
ist das vorliegende Material recht gering, und ich muss Krehl
recht geben, der auf die Wichtigkeit der mechanischen Erschütte¬
rung des Herzens aufmerksam macht, aber unsere diesbezüglichen
Kenntnisse noch für sehr spärlich hält.
Etwas mehr wissen wir von nervösen Erkrankungen des peri¬
pheren Kreislaufsapparates, auf dessen Wichtigkeit ich 1. c. hinge¬
wiesen habe.
Ich muss hier zunächst an die traumatische Genese der
Raynaud’sehen Krankheit und der Erythromelalgie erinnern, zweier
Erkrankungen, die jedenfalls in engster Beziehung zu nervösen
Kreislaufsstörungen stehen, wenn auch ihr Wesen noch nicht ge¬
nügend aufgeklärt ist.
Von Raynaud'scher Krankheit hat Laehr einen Fall nach
Trauma beschrieben, ebenso Brasch, dessen Kranker sich im Laufe
vieler Jahre eine grosse Anzahl leichter Verletzungen der Finger
durch seine Beschäftigung an einer Säge zuzog.
Auch Erythromelalgie ist auf ähnlicher Basis bekannt, beson¬
ders jene Abart, wo sich die Symptome auf das Gebiet eines oder
mehrerer bestimmter Nerven beschränken. Bei Cassirer findet
sich die betreffende Literatur — Prentiss, Weir-Mitchell,
Lewin-Benda, Luzzato und jener Autor selbst haben solche
Fälle beschrieben. In einem Falle von Weir-Mitchell z. B.
schloss sich die Erkrankung an eine Verletzung des rechten Fusses
an, auf dessen Vorderseite ein Stein gefallen war, bei der von
Cassirer beschriebenen Kranken an einen Fall auf den linken
Ellenbogen. In beiden Fällen war die Erkrankung auf den be¬
troffenen Teil beschränkt.
Ausserdem finden sich andere funktionelle Kreislaufsano¬
malien auf traumatischer Basis gelegentlich an peripheren Körper¬
teilen. Hier ist ein Zusammenhang mit den örtlichen Kreislaufs-
centren zum mindesten recht wahrscheinlich.
Sachs und Freund erwähnen eigentümliche seltene Störungen
nach Quetschungen der Gelenke der unteren Extremitäten, wie es
scheint, besonders nach Quetschungen des Fusses. Abkühlung der
Haut bis weit in den Oberschenkel (Differenz der Hauttemperatur
bis 6 0 C.), häufig Stauungserscheinungen mit fleckweiser bläulicher
Verfärbung und leichter ödematöser Schwellung, sowie Herabsetzung
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der Berührungserapfindlichkeit werden gefunden. Die Autoren be¬
zeichnen diese Störungen — allerdings mit Fragezeichen — als
reflektorisch.
Hierher gehört ferner ein Fall von Kriege, wo nach einem
Unfall an der betroffenen Hand häufig Cyanose und Kälte auftraten;
später erlitt die andere Hand eine traumatische Schädigung, und
auch hier stellten sich dieselben Phänomene ein.
Einen ähnlichen Fall habe ich beobachtet.
J., Malermeister, 48 Jahre, hat früher an Hämorrhoiden gelitten.
Vor V/ 2 Jahren angeblich Nikotinvergiftung durch einige Wochen; er
scheint damals auch Kreislaufsstörungen gehabt zu haben, hat seitdem
zu rauchen aufgehört. Vor einem halben Jahre Sturz von einem zu¬
sammenbrechenden Gerüst, wobei das rechte Bein unter die Bestand¬
teile des Gerüstes geriet. Das Bein zeigte bald die Zeichen heftiger
Kontusion, aber keinen Bruch, keine Verrenkung. Als Patient, der auch
eine Kopfwunde und einen Schlüsselbeinbruch davongetragen hatte, nach
14 Tagen aufstehen durfte, merkte er eine bedeutende Schwere im
Bein und eine eigentümliche bläuliche Verfärbung, die beim Liegen
verschwand. Während alle anderen Beschwerden zurückgingen, blieb
letztere bestehen.
Bei meiner ersten Untersuchung fand ich das rechte Bein blass,
deutlich kühler als das linke; Pat. klagte auch in der Ruhe über ein
Taubsein desselben. Muskulatur nicht abgemagert, alle Bewegungen gut
ausführbar; die elektrische Prüfung zeigte keine Abnormität. Sensibilität
intakt. Sehnenreflexe auf dem rechten Bein ein wenig erhöht. Arterien
und Venen ohne Besonderheiten. Ich liess nun den Patienten eine
halbe Stunde spazieren gehen. Als er zurückkam, hinkte er und be¬
hauptete, das Bein vor Schwere kaum heben zu können. Es war ganz
kühl und cyanotisch, mit einem eigentümlichen Stich ins Graue, die
Hautvenen stark erweitert; die Sensibilität war bei der objektiven
Prüfung besonders für Tastempfindung und faradischen Strom herab¬
gesetzt. Puls der fühlbaren Arterien anscheinend unverändert. 10 Mi¬
nuten genügten zur Restitution.
Der Befund blieb in den nächsten Wochen immer derselbe. Pat.
erlag dann einer interkurrenten Pneumonie.
Ich habe ausgeführt, dass in diesen Fällen eine Störung der
örtlichen Kreislaufsverhältnisse, wahrscheinlich durch abnorme Thätig-
keit lokaler Nervencentren, anzunehmen sein dürfte. Die Phänomene
ähneln im ganzen denen der lokalen Synkope und regionären Cya¬
nose, wie wir sie auch bei anders entstandenen vasomotorischen
Neurosen finden, ihre Beschränkung spricht für lokalen Ursprung.
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II. Büclierbesprecliniigen.
Die Neurologie des Auges. Von H. Wiibrand und A. Sänger.
Bd. II. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1901.
Der zweite Band dieses mit grossem Beifall begrüssten Werkes
beschäftigt sich mit den Beziehungen des Nervensystemes zu den
Thränenorganen, zur Bindehaut und Hornhaut. Die vieiuinstrittenen
Kapitel der ThränenSekretion, des Herpes zoster und der Keratitis neuro-
paralytica erfahren auf Grund des eigenen, zum Teil gemeinschaftlich
beobachteten sehr reichen Krankenmaterials der Verfasser und der ein¬
gehend berücksichtigten Literatur sorgfältige Bearbeitung.
Man kann dem dritten Bande, welcher u. a. die Accommodation
und die Pupillen Verhältnisse behandeln wird, mit Interesse entgegen-
sehen. R. Hitschmann.
Mikroskopisch topographischer Atlas des menschlichen Central-
nervensystems (mit begleitendem Texte). Von O. Marburg. Mit
einem Vorwort von H. Obersteiner. Mit 5 Textabbildungen und
30 Tafeln von A. Kiss nach Originalen. 125 pp. Leipzig und
Wien, Franz Deuticke, 1903.
Das vorzügliche Werk des ehemaligen Assistenten Obersteiners
ist, wie letzterer in seinem Geleitworte bemerkt, „im Laboratorium
zwischen den Arbeitstischen“ entstanden. Gründlichste Sachkenntnis
spricht aus der Anordnung der Tafeln, dem begleitenden Texte. Völlige
Beherrschung des Stoffes bei klarer Darstellung desselben zeigt besonders
der beschreibende Teil des Buches, welcher erkennen lässt, dass der
Autor bereits als Lehrer thätig gewesen Ist. Da der Verf. selbst auf
dem von ihm geschilderten Gebiete emsig arbeitet und tüchtige Leistungen
aufzuweisen hat, kommt seiner Darstellung ein wesentlicher Wert auch
für den erfahrenen Fachmann zu, zumal das ganze weite Gebiet von
Marburg vor Abfassung des Werkes nochmals eingehend durchgear¬
beitet wurde.
Die Tafeln sind als überaus gelungen und instruktiv zu bezeichnen.
Eine ähnliche Mannigfaltigkeit und Zahl gelungener Abbildungen von
Schnitten der verschiedensten Schnittrichtungen bietet kein anderes neu¬
rologisches Hand- oder Lehrbuch und es ist auch das Werk als Er¬
gänzung dieser Bücher (namentlich des berühmten Obersteiner’schen
Werkes) gedacht. Trotz grosser Genauigkeit ist die Uebersiehtlichkeit
der Tafeln (Blaudruck) nirgends gestört.
Der Preis des Werkes ist ein rnässiger.
Referent erhofft dem ausgezeichneten Atlanten einen grossen Erfolg.
Hermann Schlesinger (Wien).
Handbuch der Hautkrankheiten. Von F. Mracek. Wien, A.
Holder, 1901 — 1902.
Von Mrncek’s gross angelegtem Handbuch, dessen erste Lieferung
vor einem Jahr besprochen wurde, liegen jetzt 8 Lieferungen vor, welche
den ersten Band vollständig und einen grossen Teil des zweiten Bandes
enthalten.
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Die Zahl der Mitarbeiter und die Natur der Themata bringen
es mit sich, dass die einzelnen Kapitel in etwas ungleicher Ausführlich¬
keit, manche Themata auch an verschiedenen Stellen von zwei oder drei
Mitarbeitern behandelt wurden —- kleine Mängel, welche indessen den
meisten grossen Sammelwerken anhaften und dem Ganzen keinerlei Ab¬
bruch thun.
Kreidl bringt eine interessante Zusammenstellung der derzeitigen
Kenntnisse über die Physiologie der Haut, in welcher er in gleicher
Weise die physiologischen wie die zahlreichen klinisch-experimentellen
Arbeiten der letzten Dezennien berücksichtigt. Die Resorption und Sekretion
werden genau besprochen, den Hauptteil von Kreidl’s Arbeit machen
aber die Abschnitte über die Rolle der Haut als wärmeregulierenden
Organes und über die Sensibilität der Haut aus; letzteres Kapitel enthält
eine interessante kritische Besprechung der Goldscheider’schen Theorien.
Es folgen kürzer gehaltene Kapitel von Spiegler u. Grosz über
allgemeine Aetiologie und über allgemeine Therapie der Hautkrankheiten,
dann eine umfassendere Abhandlung von F. Pinkus über allgemeine
Pathologie der Cirkulationsstörungen der Haut, welche namentlich durch
Berücksichtigung der neueren Arbeiten über die Bedeutung der Venen und
Lvmphgefässe für Entzündung und Oedem und über den Einfluss der
Nerven auf die Hautgefässe interessant ist. — S. Ehrmann behandelt
Hyperämie, Anämie und Dermatitiden, L. Török die Krankheiten der
Schweissdrüsen, wobei er ausser den anatomischen Erkrankungen nament¬
lich die Störungen der Innervation eingehend berücksichtigt. Die Funk¬
tionsanomalien und Erkrankungen der Talgdrüsen schildert Ehr mann,
welcher neben den klinischen auch den histologischen Verhältnissen beson¬
dere Rücksicht zollt und seine Darlegungen durch gut histologische
Abbildungen illustriert.
Im folgenden Kapitel behandelt A. Wolff das schwierige Gebiet
der Erytheme. E. multiforme und nodosum werden zwar als einander
nahe stehende, aber doch als dem Wesen nach verschiedene Infektions¬
krankheiten dargestellt; ebenso wird die Purpura als Infektionsleiden auf-
gefasst. Auch Pellagra, Akrodynie, Erythromelalgie werden, soweit die
Lokalaffektion der Haut in Frage kommt, in diesem Abschnitt behandelt.
— In dem Kapitel über toxische und infektiöse Erytheme bespricht
Ehrmann kurz die Hautaffektionen der akut exanthematischen Infek¬
tionskrankheiten, dann die autotoxischen Erytheme und schliesslich sehr
vollständig die Arzneiausschläge. Blaschko bringt eine interessante
Abhandlung über Herpes mit Berücksichtigung der Head’schen Be¬
obachtungen und Theorien; die nähere Ursache des Herpes zoster findet
er indessen nicht im Rückenmark, sondern in den Intervertebralganglien.
F. Luithlen behandelt in knapper Form, aber dabei doch vollständig,
döü Pemphigus neonatorum und verwandte Affektionen, Török die
Pityriasis rubra („die exfoliativen Erythrodermien“), E. Spiegler den
Pemphigus chronicus. F. Chvostek’s Bearbeitung der Gangraena cutis
bringt sehr interessante Besprechungen der verschiedenen neurotischen
( Miigränformen, besonders eine treffliche Schilderung der Reynaud’sehen
Krankheit. SpieglePs Kapitel über Verbrennung ist namentlich durch
(len auf zahlreiche eigene Beobachtungen gegründeten theoretischen Teil
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bemerkenswert (der Verbrennungstod wird auf eine Intoxikation durch
giftige Spaltungsprodukte des Eiweisses bezogen).
S. Grosz* Bearbeitung der Psoriasis enthält neben genauen
klinischen Schilderungen eine interessante Zusammenstellung der Theorien
über die Aetiologie; Grosz selber verhält sich sämtlichen Theorien
gegenüber sehr vorsichtig.
In eingehender Darstellung bespricht Unna das Ekzem. Der
Autor trägt hier das Ergebnis seiner langjährigen Studien über diese
dunkle Krankheitsgruppe in sehr anschaulicher, klarer Weise vor. Seine
Ausführungen über die infektiöse Natur des Ekzems, über das Verhältnis
der einzelnen Ekzemformen zu einander und die aus den theoretischen
Betrachtungen sich ergebenden therapeutischen Grundsätze sind, wenn
sie auch nicht durchwegs die Zustimmung der Fachgenossen erhalten
werden, doch eines der glänzendsten Kapitel des Mracek'schen Sammel-
weikes.
Den Schluss der bisher erschienenen Abschnitte bilden die Ab¬
handlungen von Ehr mann über follikuläre Eiterungen der Haarbälge
und von R. Frank über Furunkel und Karbunkel.
D. Gerhardt (Strassburg).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Baer, A., Volvulus des S romanum
(Fortsetzung), p. 609—619.
M ü n z er, M., Pankreascysten (Fortsetzung),
p. 619—626.
Herz, H., Ueber die nach Verletzungen
zurückbleibenden Veränderungen des
Gefässapparates (Schluss), p. 626—637.
II. Bücherbesprechungen.
Wilbrand, H. u. Sänger, A., Die
Neurologie des Auges, p. 638.
Marburg, O., Mikroskopisch topographi¬
scher Atlas des menschlichen Central-
nervensystems, p. 638.
Mracek, F., Handbuch der Hautkrank¬
heiten, p. 638.
Um Einsendung von Monographien nnd Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I, Ebendorferfttrasse 10, wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzusatz „Für die Redaktion des
Centralblattes für die Grenzgebiete 4 * versehen zu wollen.
Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTEALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Chirurgie.
Herausgegeben von
I>r*. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VL Band
Jena, 24. September 1903.
Nr. 17 u. 18.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie, herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhandlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Die operative Behandlung der Nephritis.
Sammelreferat von Dr. Wilhelm Klink (Berlin).
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60) Jaff£, Mitteil. a. d. Grenzgeb. f. Chir. u. inn. Med., Bd. IX, p. 613—625.
61) v. Illy£s u. Kövesi, Berliner klin. Wochenschr. 1902, Nr. 15.
62) Israel, James, Erfahrungen über Nierenchirurgie. Archiv f. klin. Chir.
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63) Ders., Was leistet der Ureterenkatheterismus der Nierenchirurgie? Berliner
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64) Ders., Ueber den Einfluss der Nierenspaltung auf akute und chronische
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Chir. 1899, Bd. V, p. 471.
65) Ders., Chirurgische Klinik der Nierenkrankheiten. Berlin 1901.
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67) Ders., Deutsche med. Wochenschr. 1903, Nr. 12, V, p. 90.
68) Kämmerer, Ann. of surgery 1898, Mai.
69) de Keennaeker, Nephrite chron. unilat. avec h^maturie continue datant
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70) Klemperer, G., Ueber Nierenblutung bei gesunden Nieren. Deutsche
med. Wochenschr. 1897, Nr. 9, p. 129.
71) Ders., Neue Gesichtspunkte in der Behandlung der Nierenblutung, Nieren¬
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72) Ders., Deutsche med. Wochenschr. 1902, V, p. 65.
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leiden. Mitteil. a. d. Grenzgeb. f. inn. Med. u. Chir. 1901, Bd. VIII, p. 443.
74) Kümraell, H., Die Gefrierpunktsbestimmung des Blutes und des Urins
zur Feststellung der Funktionsfähigkeit der Nieren vor operativen Eingriffen. Münch,
med. Wochenschr. 1900, Nr. 44.
75) Ders., Verhandl. d. Deutschen Gesellsch. f. Chir. 1901.
76) Ders., Die Grenzen erfolgreicher Nierenexstirpation und die Diagnose der
Nephritis nach kryoskopischen Erfahrungen. Archiv f. klin. Chir. 1902, Bd. EXVII,
H. 3 und Centralbl. f. Chir. 1902, p. 121.
77) Ders., Deutsche med. Wochenschr. 1902, V, p. 101.
78) Ders., Diskussion zu seinem Vortrag. Deutsche med. Wochenschr. 1902,
v > P- 55 -
79) Ders., Deutsche med. Wochenschr. 1902, V, p. 338.
80) Ders. u. Rumpel, O., Chirurgische Erfahrungen über Nierenkrankheiten
unter Anwendung der neuen Untersuchungsmethoden. Beitr. z. klin. Chir., redig. von
P. v. Bruns, Bd. XXXVII, H. 3, p. 788—994.
(Schluss der Literatur folgt.)
Albarran: Mann von 53 Jahren. Seit sechs Jahren rechts¬
seitige Nierenschmerzen. Albumen, Erythrocyteil, granulierte Oy-
linder im Urin. Schliesslich heftige Hämaturie. Operation: Niere
gross, makroskopisch ohne Veränderung, bietet mikroskopisch das
Bild diffuser parenchymatöser und interstitieller Nephritis. — Auf
dem Wege der Heilung.
Abbe, R.: Mann; seit fünf Jahren Nierenschmerzen und Hä¬
maturie. Blut kommt aus dem rechten Ureter. Freileguug der
Niere, die ganz normal ist; 15 Punktionen, Abtasten des Nieren¬
beckens durch Einschnitt. Schluss der Wunde. Völlige Heilung.
Anderson, W.: Wegen Hämaturie und Nierenschnierz bei
einer Frau Freilegung der rechten Niere und Akupunktur. Von der
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neunten Woche nach der Operation dauernde Heilung. Die Niere
wurde normal befunden.
Baar, G.: Bei einem 62jährigen Mann, der mehrere Anfille
von Hämaturie und einseitigem Nierenschmerz hatte, hören die lebens¬
gefährliche Blutung und die Schmerzen nach einer Wagenfahrt mit
starkem Schütteln auf und bleiben ein Jahr lang fort. — Es kann
sich hier in diesem Fall ebensogut um einen Nierenstein, der durch
das Rütteln beim Wagenfahren seinen Platz verändert hat, handeln
wie um eine angioneurotische Blutung, die Baar annimmt.
Bazy, M. P.: Zur näheren Diagnostik, welche Niere erkrankt
ist, ob Blase oder Niere erkrankt ist, folgendes: „1. In manchen
Fällen entsteht bei bimanueller Palpation der erkrankten Niere ein
schmerzhafter Urindrang. Dieser ist ein sicheres Zeichen der Er¬
krankung des Nierenbeckens. 2. Es entsteht derselbe Reflex, wenn
man von Blase oder Mastdarm aus die Mündung des zur erkrankten
Niere gehörigen Harnleiters tastet. Handelt es sich nur um Cystitis,
so bleibt dieser schmerzhafte Reflex aus und nur der Blasenhals
ist schmerzhaft. 3. Setzt man eiterhaltigem Urin tropfenweise
Fehling*sehe Lösung zu, bis der Urin blassblau oder blassgrün ge¬
färbt ist, so entsteht beim Schütteln Bildung von kleinen Gasblasen,
wenn es sich um renalen Eiter handelt. Die Gasblasen entwickeln
sich nicht, wenn es sich um cystitischen Eiter handelt Erwärmt
man nun, so steigt bei renalem Eiter das Koagulum in die Höhe,
infolge der Gasbeimischung, bei cystitischem Eiter fällt das Koa¬
gulum zu Boden.“
Broca: Frau von 26 Jahren. Seit fünf Viertel Jahren Hä¬
maturie und rechtsseitiger Nierenschmerz. Rechte Niere sehr druck-
schmerzhaft. Im Harn Blut Epitheleylinder, granulierte Cylinder,
spärliche Krystalle. — Diagnose: Tuberkulose oder Neubildung der
rechten Niere. — Freilegung der Niere; es findet sich nichts Krank¬
haftes. — Heilung.
Barling, G.: Frau; starke einseitige Nierenblutung. Cysto-
skopie. — Nierenspaltung: Nichts Krankhaftes zu finden. Naht —
Heilung.
Casper, L.: Ueber die Funktionskraft einer Niere belehrt
uns: 1. Quantität des in der Zeiteinheit ausgeschiedenen N; 2. die
Höhe des Gefrierpunktes des Urins (Normalzahlen zwischen 1—2);
3. die Quantität des ausgeschiedenen Zuckers nach Phloridzin¬
injektion. Der von der kranken Niere ausgeschiedene Ham enthält
weniger N, weniger Zucker, hat höheren Gefrierpunkt Casper ist
Anhänger der Cystoskopic und des Ureterenkatheterismus zur Bestirn-
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— 645 —
mung der kranken Niere. Er führt fünf Fälle von einseitiger Nieren¬
kolik an, bei denen die Nephrotomie ausgeführt wurde; in dreien fand
sich die Niere normal, in einem war sie vergrössert und in einem
fest verwachsen; alle endeten in Heilung; ferner zwei Fälle von
einseitiger Nierenblutung, die ohne Operation nach acht Tagen
heilten; doch gibt er für den einen dieser Fälle, trotz siebenjähriger
Beobachtung als gesund, die Möglichkeit eines bestehenden Tumors zu.
Cousins, J. Ward: Eine operative Behandlung der Niere ist
angezeigt: 1. Wenn im Verlauf einer nach fieberhafter Infektions¬
krankheit auftretenden Nephritis die Urinsekretion zu versiegen
droht. 2. Bei Prostatikern, bei denen infolge eines plötzlichen Shocks
Suppression des Urins ein tritt. 3. Wenn bei chronischem Alko¬
holismus die Nierenfunktion versagt.
Castan äussert sich zu der Frage der Blutung aus ana¬
tomisch unveränderten Nieren: Er impfte mit dem Menstruations¬
blut seiner Patientin ein Kaninchen, das dann Nierenblutung ohne
mikroskopische Spuren von Nephritis bekam; dasselbe Ergebnis
hatten bei einem anderen Kaninchen drei Injektionen von 0,25 Sul¬
fate d’aniline. Gewisse Toxine, im Körper zurückgehalten, können
Hämaturie ohne Läsion hervorbringen. Hierher gehören auch ge¬
wisse Hämaturien der Schwangeren (Toxhömie permanente) — Er
führt die Krankengeschichte einer Frau an, die mehrere Monate an
leichter Hämaturie ohne Anzeichen von Nephritis litt. Heilung durch
Dusche, Massage, Abführmittel, Seebäder.
Castaigne und Rathery fassen die Arbeiten von Pousson,
Guyon, Tuffier, Albarran über einseitiges Vorkommen von Ne¬
phritis und über den „Reflexe röno-rönale“ zusammen. — Sie haben
bei Kaninchen nach Unterbindung des Ureters oder Stieles einer
Niere schwere Degeneration der Zellen der anderen Niere beobachtet;
es stellte sich Urämie ein und die Tiere starben z. T. bald. So
sind auch die Fälle zu erklären, wo bei Menschen nach einseitiger
Nephrotomie Besserung eintrat, bis die Operationswunde heilte, wo¬
nach sich urämische Symptome einstellten, welche die Nephrektomie
veranlassten, nach der dann die Urinmenge wieder normal wurde. —
Einseitige Nephritis kommt vor als ascendierende, sehr selten als
hämatogene eitrige Nephritis, niemals als akute oder subakute Ne¬
phritis durch Gifte oder Toxine. Wenn die andere Niere sicher
gesund ist, so soll man von der operierten Niere nichts zurück¬
lassen, weil sich hier epitheliale Zerfallsprodukte und Toxine bilden,
welche die andere Niere schliesslich stark schädigen würden. Diese
schädigende Wirkung der Nierenepithelien schliessen sie auch aus
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ihren Experimenten: Kaninchen wurde eine Niere exstirpiert und
eine Emulsion derselben intraperitoneal injiziert; die Tiere starben
und zeigten Nephritis oder sie erkrankten schwer mit Albuminurie
Wenn aber die Entzündung einer Niere ganz umschrieben ist und
langsam wächst, so wirken die Epithelprodukte im Kreislauf nicht
toxisch, sondern sogar sekretionsbefördernd und man kann dann oft
eine kompensatorische Hypertrophie der anderen Niere sehen.
Chibret: Mann von 55 Jahren. Vor 15 Jahren und vor
sechs Tagen Nierenkolik; seit sechs Tagen Anurie. — Rechtsseitige
Nierenspaltung: Niere fast aufs Doppelte vergrössert, sehr blutreich,
sehr weich; Nierenbecken normal. — Heilung.
Dolgow, A. M.: Experimenteller Beitrag zur Frage, wieviel
von den Nieren operativ entfernt werden kann, ohne das Weiter¬
leben des Individuums in Frage zu stellen: Bei Hunden kann die
ganze Corticalis einer und die halbe der anderen Niere entfernt
werden. Die Erhaltung der Nierenkapsel und das Aneinanderbringen
der Nierenränder verbessern das Resultat wesentlich.
DebaUieux: Frau; seit sieben Monaten einseitige Nierenkolik
und Hämaturie; Albumen entspricht dem ßlutgehalt. — Nieren¬
spaltung: Niere normal. Naht. — Heilung. — Später hysterische
Symptome. — Der Fall spricht für Kleraperer’s Ansicht der
neuropathischen Nierenblutung.
Dcbersaqucs: Mann; seit 18 Jahren leichte einseitige Nieren¬
schmerzen, seit acht Jahren Hämaturie. — Linke Niere beweglich. —
Nierenspaltung: Kapsel sehr gespannt, Parenchym kongestioniert.
Sonst nichts Besonderes. Naht und Nephropexie. — Heilung;
10 Wochen beobachtet
Durham: Frau; einseitiger Nierenschmerz und Hämaturie. —
Freilegung der Niere: Niere normal, Naht — Keine Besserung.
Nach zwei Jahren Niere exstirpiert, zeigt sich normal. Bald da¬
nach Exitus.
Elb: Acht Fälle von renaler Hämophilie.
Edebohls: In seinen verschiedenen Arbeiten entpuppt sich
Edebohls als begeisterter Vertreter der operativen Behandlung des
Morbus Brightii. Seine ersten fünf Operationen betrafen Nephri-
tiker, bei denen wegen Wanderniere die Nephropexie ausgefübrt
wurde. Die Beobachtung, dass in drei dieser Fälle nach Ausführung
der Nephropexie die vorher bestehende chronische Nephritis heilte,
veranlasste dann die weitere Entwickelung der Frage. Er schlägt
vor, alle Fälle von chronischem Morbus Brigthii chirurgisch au
behandeln, vorausgesetzt, dass der Patient keine unheilbare Kompü-
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katioa hat, dass er eine Narkose ertragen kann und dass er ohne
Operation voraussichtlich noch mindestens einen Monat zu leben
vermag, weil der günstige Einfluss der Operation sich kaum vor
dem 10. Tag einst eilen kann. — Er hat auch öfter bei akuter Ne¬
phritis operiert und ziemlich oft bei akuter und chronischer Nieren¬
kongestion und bis auf einen Fall immer gute Resultate gehabt.
Doch zieht er aus diesen guten Resultaten keine Schlüsse, da die
akute Nephritis meist spontan heilt. In neun Fällen handelte es
sich um doppelseitige, in acht Fällen um einseitige Nephritis; in
sechs von diesen letzteren acht Fällen wurden beide Nieren aus der
Wunde laxiert und „durch sorgfältige kritische Prüfung die Einseitig¬
keit der Nephritis festgestellt“, wobei er freilich selbst zugiebt, dass
die mikroskopische Untersuchung einer makroskopisch gesund er¬
scheinenden Niere möglicherweise beginnende entzündliche Verände¬
rungen erkennen lassen könnte. Nach seiner Ansicht besteht oft von
vornherein nur auf einer Seite eine Nephritis. Nach und nach, nicht
immer, wird durch den ständigen EiweissVerlust aus einer kranken
Niere das Allgemeinbefinden erheblich gestört und es kommt zu
einer sekundären Entzündung der anderen, gesunden Niere. Daher
findet man bei Sektionen fast immer doppelseitige Nephritiden.
Bei Operationen hingegen kann man die Einseitigkeit des Morbus
Brightii häufig genug nachweisen. Die Diagnose wurde in allen
Fällen durch den operativen Befund bestätigt. Die Veränderungen
an den Nieren waren so charakteristisch, dass jeder Zweifel ausge¬
schlossen war: „Infolge der Luxation der Nieren konnte ich bei
jeder Operation die durch den Morbus Brightii gesetzten Verände¬
rungen demonstrieren: Verwachsung der Kapsel, Knotenbildung,
granulierte Oberfläche, Schrumpfung, ungleichmässige Zusammen¬
ziehung, gelegentlich eine Cystenbildung bei chronischer interstitieller
Nephritis; Veigrösserung, trübe Schwellung, scheckiges Aussehen
und durch Cirkulationsstöning und degenerative Prozesse bedingte
Verfärbung bei der chronischen parenchymatösen Nephritis; allge¬
meine oder circumscripte Verdickung der Capsula propria und
sekundäre entzündliche Veränderungen, die beiden Arten der chroni¬
schen Nephritis eigen sind.“ Da sich seine persönliche Erfahrung
auf mehr als 300 Nierenoperationen erstreckt, hält er sich für im¬
stande, „aus der Inspektion und Palpation der Niere während der
Operation unfehlbar eine etwa bestehende Erkrankung derselben
festzustellen“. Aus diesem Grunde hat er sich auch nur ein¬
mal für berechtigt gehalten, während der Operation ein kleines
Stück Niere zur Untersuchung zu excidieren. Edebohls führt jetzt
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immer die „Dekapsulation“ der Niere aus: In Bauchlage des Kranken
auf einem untergelegten Luftkissen wird ein Schnitt von der Hippe
bis zur Crista ilei geführt; stumpfes Vordringen in die Tiefe;
Trennung der Fascia transversalis; Freilegung des perirenalen Fettes;
Spaltung desselben über der Konvexität der Niere und stumpfes
Ablösen von der Niere bis zum Hilus, allseitig, bis die Niere vor
die Wunde luxiert werden kann. Spaltung der Capsula propria an
der Konvexität und Ablösung derselben bis zum Hilus, wo sie ab¬
getragen wird. Dieser Akt wird durch die Luxierung der Niere
sehr erleichtert. Die Niere wird in ihr Fettlager zurückgebracht und
die äussere Wunde durch die Naht geschlossen. Drainage nur bei
starkem Oedem. Aethernarkose oder Cocainisierung des Rücken¬
marks. Bei moribunden Patienten soll nicht mehr operiert werden. Der
erste wohlthuende Erfolg der Operation, die beträchtliche Steigerung
der Harnsekretion, zeigt sich nicht vor dem 10. Tag. — Die „De¬
kapsulation“ ist den anderen Methoden (Incision der Capsula propria,
einfache Freilegung der Niere, Nierenspaltung, partielle oder totale
Nephrektomie. Nephropexie) vorzuziehen, deun sie schädigt das secer-
nierende Nierengewebe nicht, die Blutung ist sehr gering, man kann
die ganze Wunde durch die Naht schliessen, ohne zu drainieren. Bei
chronischem Morbus Brightii sollte man beide Nieren in einer Sitzung
dekapsulieren. Die Gefahr der Nierenoperationen ist nicht mehr so
gross, denn von 846 Nephropexien, die Edebohls sammeln konnte,
sind nur 1,65 °/ 0 gestorben.
In drei Fällen wurde nach vorangegangener Nephropexie (bei
der auch ein grosser Teil der Capsula propria entfernt worden war)
operiert; hier Hessen sich folgende Veränderungen infolge der vor¬
angegangenen Operation feststellen: 1. „Starke bindegewebige Ad¬
häsionen zwischen der Niere und ihrer Umgebung.“ 2. „In diesem
Bindegewebe verlaufen zahlreiche, sehr beträchtliche Blutgefässe
zwischen der Niere und den angrenzenden Geweben.“ 3. „Die neu¬
gebildeten Arterien überwiegen an Zahl und Grösse die Venen“
4. „Der Blutstrom ist stets nach der Niere zu gerichtet “ — Aus
diesen Befunden zog Edebohls folgende Schlüsse: Die arterielle
Hyperämisierung der Niere ist die Grundlage für die Veränderungen,
die sich nach der Operation einstellen und die Grundlage für die
Heilung oder Besserung des Morbus Brightii bilden. Die vermehrte
und verbesserte Blutzufuhr infolge der grossen wunden Fläche an
der Oberfläche der Niere führt höchstwahrscheinlich eine allmähliche
Resorption der interstitiellen und intertubulären Entzündungsprodukte
herbei. Infolgedessen werden die Tubuli und Glomeruli von dem
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Aussen- und Innendruck befreit, worauf sich dann die normale
Cirkulation wiederherstellen kann. Diese Besserung der Cirkulation
ermöglicht dann weiter die regenerative Neubildung von funktions¬
fähigem Epithel. — Er beruft sich hierbei auf folgende Sätze aus
Ziegler’s Pathologie: „Wenn ein Teil des Nierenepithels durch
einen krankhaften Prozess zu Grunde gegangen ist, der das Binde¬
gewebe verschont hat, so kann dieser Verlust bald wieder durch
regenerative Proliferation aus dem übrig gebliebenen Epithel ersetzt
werden; ist dazu die Cirkulation eine genügende, so kann das neu¬
gebildete Epithel die sekretorische Funktion des zugrunde gegangenen
Epithels übernehmen.“ — Hieraus erklärt sich auch, dass bis zum
endgültigen Verschwinden der Albuminurie und der Cylinder ein
Zeitraum von 1 —12 Monaten erforderlich ist Edebohls nimmt
einen Nachlass der Nierenspannung, dessen günstiger Einfluss bei
akuter Nierenerkrankung zuerst von Harrison beschrieben wurde,
nicht an. So deutlich sich bei der akuten Nephritis die ungeheuere
Kapselspannung zeigt, übt sie bei der chronischen Nephritis nie einen
krankhaften Druck auf die Niere aus, selbst in den Fällen, wo die
Kapsel abnorm fest mit der Niere verwachsen ist; manchmal sitzt
sie nur ganz lose auf. — Edebohls führt 19 Fälle von chronischem
Morbus Brightii an, von deuen er 18 mit Nephropexie und einen mit
Dekapsulation behandelt hat. Bei der Nephropexie entblösst er auch
die halbe Nierenoberfläche von der fibrösen Kapsel. Neun Fälle
wurden geheilt, zwei gebessert, sieben blieben ungeheilt, einer starb.
Ferguson: Zwei Fälle von unkomplizierter akuter oder sub¬
akuter Nephritis, auf falsche Diagnose hin nephropexiert. Albuminurie
und Cylindrurie verschwanden prompt.
Guyon et Albarran: 16 Tage nach Nephrotomie war das
Nierengewebe sehr wenig verändert; eine Sklerose, die sich von den
Wundrändern mehr oder weniger weit erstreckte; Nierengewebe gut er¬
halten. Guyon teilt dann noch zwei Fälle von renaler Hämaturie
bei Schwangeren mit, die beide ohne chirurgischen Eingriff auf¬
hörten; bei der einen Patientin wurde Ureterenkatheterismus, bei der
anderen Cystoskopie ausgeführt.
Gärard-Marchant hat bei Kranken mit grosser schmerz¬
hafter Niere und Hämaturie bei chronischer Nephritis die Nephro¬
tomie ausgeführt und hat danach Schmerzen und Blutungen schwinden
gesehen.
Grosglick fasst seine Ansicht dahin zusammen, dass unsere
gegenwärtige Kenntnis über vasomotorische Nierenstörung uns in den
Fällen, wo wir eine solche Ursache einer Hämaturie vermuten, zu
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einem abwartenden Verfahren keineswegs berechtigen. Die Diagnose
soll durch den chirurgischen Eingriff gesichert werden, der nicht
nur in ßlosslegung und Betastung des Organs, sondern auch in
einer genaueren Untersuchung des Parenchyms nach Durchschneidung
der Niere bestehen muss. Wird die durchschnittene Niere ana¬
tomisch unverändert gefunden, so soll sie zugenäht und reponiert
werden. Sollte dieses Verfahren erfolglos sein, so musste eine
sekundäre Nephrektomie ausgeführt werden. — G. teilt einen Fall
von einseitiger Nierenkolik mit Hämaturie bei einem Hämophilen
und nervösen Menschen mit, der ohne Operation heilte.
Harrison, R.: Er spaltete bei einem 18jähr. Manne, bei dem
sich drei Wochen nach Scharlach Lendenschmerz, Albuminurie und
Cylindrurie eingestellt hatten, die eine Niere, in der Erwartung, auf
Eiter zu stossen. Eiter fand er nicht. Die Heilung verlief glatt
Patient verlor seine Schmerzen, die Albuminurie schwand allmählich.
Harrison ist der erste, der eine Nephritis operativ behandelt hat,
wenn auch auf falsche Diagnose hin. Er schloss aus dem post hoc
das propter hoc. Er glaubt, durch Aufhebung der Spannung der
Niere die Albuminurie zu heilen. Als Beweis führt er noch zwei
Fälle von New man (Lancet 1896) von Wanderniere an, bei deren
einer eine Spannung mit Albuminurie zustanden kam durch Ureteren-
knickung, bei der anderen durch Torsion der Gefässe mit Stauungs¬
hyperämie; beide geheilt durch Nephropexie. Er zieht die heilende
Wirkung der Jridektomie beim Glaukom und der Kapsel-
incision bei Orchitis zum Vergleich heran; in derselben Weise soll
die Nierenspaltung entspannend wirken. Die Niere kann sich einer
allmählichen Drucksteigerung anpassen, wie bei Strikturen, al>er
nicht einer plötzlichen, wie bei akuter Nephritis. Beide Nieren
hängen reflektorisch zusammen; dabei wirkt Erleichterung, die der
einen verschafft wird, auch auf die andere. Er empfiehlt gerade die
Scharlachnephritis der chirurgischen Behandlung, ausgenommen die
Fälle, die bald von selbst heilen. Ist die freigelegte Niere hart, so
mache man mehrere Akupunkturen oder eine partielle Kapsel¬
spaltung. — 1901 stellte er folgende Indikationen für chirurgischen
Eingriff bei gesteigerter Nierenspannung auf: 1. Fortdauernde uud
weiterschreitende Symptome der Degeneration des Nierengewebes,
Zunahme des Eiweissgehaltes in einem Stadium der Erkrankung,
wo derselbe normalerweise abklingen müsste. — 2. Suppression der
Urinsekretion. — 3. Störung der Herzthätigkeit und des Cirkulations-
apparates im Verlauf von Nierenerkrankungen. — Spaltung oder
mehrfache Punktion einer Niere genügt; Drainage mehrere Tage
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oder Wochen. — H. fuhrt drei weitere Fälle von Nierenschmerz, Hä¬
maturie, Albuminurie an, die er mit Nierenspaltung bezw. Kapsel¬
spaltung behandelt hat und die heilten.
Hofbauer: Fall von einseitiger starker Nierenblutung und
Glomerulonephritis. Nierenexstirpation. Glatte Heilung.
H amonie: Starke Nierenblutung. Nierenspaltung: Niere normal.
Naht. Heilung. — In einem anderen Falle bestand Hämaturie.
Nach fünf Jahren musste die Niere exstirpiert werden, sie zeigte
miliare Tuberkulose. Heilung mit anschliessender Lungentuber¬
kulose.
Hoeber (cit. v. Harrison): Mann mit Lendenschmerz, Albu¬
minurie, Fieber. — Incision. Heilung. (Fortsetzung folgt.»
Der Leberabscess.
Kritisches Sammelreferat auf Grund der Literatur von 1S92 (inkl.) bis 1903.
Von Dr. Felix Perutz, Spezialarzt für Verdauungskrankheiten
in München.
(Abgeschlossen am i. Januar 1903.)
Literatur.
A. Zusammenfassende Arbeiten über den Leberabscess.
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Paris 1895.
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Edinbourgh 1901.
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climat by Davidson, Edinbourgh 1893.
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Handbuch der speziellen Pathologie u. Therapie, Bd. XVIII, H. 1.
5) Gasser, Absc£s du foie. In: Manuel de m&ledne von Debovc u. Achard,
Bd. VI, p. 188.
6) Körte, Chirurgie der Leber und Gallenblase. Volkmann’s Vorträge,
N. F. f Nr. 40.
7) Ders., Eulenburg*s Encyklopäd. Jahrbücher 1892, Bd. II.
8) Langen buch, Chirurgie der Leber und Gallenblase. Deutsche Chirurgie
1894, Kap. 45. (Mit erschöpfender Angabe der älteren Literatur.)
9) Madelung, Chirurgische Behandlung der Abscesse der Leber. Handbuch
d. Therapie innerer Krankh. von Penzoldt u. Stintzing, Bd. IV.
10) Scheube, Hepatitis der warmen Länder. In: Die Krankheiten der warmen
Länder.
11) Semmola u. Gioffredi, Diseases of the liver. Tv/entith Century Prac-
tice of Mediane, London 1897, Vol. IX.
12) Zancarol, Traitement chirurgical des absc£s du foie des pays chauds.
fetude clinique et experimentale. Paris, Steinheil, 1893.
Ferner verweise ich auf die Kapitel:
Infektiöse Hepatitis bei irregulärer Cholclithiasis in: Klinik der Cholelithiasis
von Naunyn, p. 122, Leipzig 1892.
Komplikationen der Appendicitis perforat. in: Pathologie und Therapie der
Perityphlitis von Sonnenburg, p. 186, Leipzig 1897.
Skolikoiditis und Perityphlitis in: Erkrankungen des Darms und Peritoneums
von Nothnagel, p. 664.
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Die Arbeiten von Bertrand u. Fon tan, Cagley, Gasser waren mir leider
nicht zugänglich gewesen, das Werk von Zancarol nur im Referat von Körte im
Centralbl. f. Chirurgie 1894.
B. Spezielle Arbeiten.
Dieselben sind, soweit mir möglich, im Original, sonst im beigefügten Referat benützt
worden.
Abkürzungen: Cbl. f. Chir. = Centralblatt für Chirurgie.
Cbl. f. i. Med. r= Centralblatt für innere Medizin.
Cbl. f. Grzgeb. — Centralblatt für die Grenzgebiete der inneren Me¬
dizin und Chirurgie.
Cbl. f. Stoffw. = Centralblatt für Stoffwechsel- und Verdauungs¬
krankheiten.
Jahrb. v. Virch.-H. = Jahresbericht von Virchow-Hirsch.
Bull, et mem. de la 'soc. de chir. = Bulletins et memoires de la
societö de Chirurgie.
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ref. Cbl. f. i. Med.
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anat. 1900, p. 1069; ref. Cbl. f. Grzgeb. 1900.
14) Bain, The relation of exeretion of the nitrogenous vaste producls in a
casc of liver abscess. The Edinbourgh med. Journ. 1899, Oct.; ref. Cbl. f. Grzgeb. 1900.
15) Bardesco, Deux cas d’abscös du foie steriles traites par Pincision trans-
pleuro-diaphragmat. etc. Bull, et möm. de la soc. de chir. de Bucarest, Bd. V; ref.
Cbl. f. Stoffw. 1902, Nr. 19.
16) Berndt, Protozoen in einem Leberabscess. Deutsche Zeitschr. f. Chir.,
Bd. XL, p. 163.
ID Berger, Absces du foie sous Tinfluence d'une grippe six ans apres une
poussee lögöre d’hepatitc survenue au cours d’une dysentörie des pays chauds etc
Bull, de l’Acad. de Medecine 1898; ref. Cbl. f. Grzgeb. 1898. Diskussion: Rendu,
Bertrand.
18) Bertrand, Un cas d’abscös du foie. Academie de Medecine, 17. April.
Gazette des höpitaux 1894, p. 423.
19) Beyfuss, Ueber sogenannte idiopathische Leberabscesse in Bezug auf ihre
Aetiologic und Nomenklatur. Virch. Arch. 1900, Bd. CLXI.
20) Bielschowsky, Beitrag zur Kenntnis der Pathologie und Therapie der
einheimischen Leberabscesse. Inaug.-Diss., Berlin 1893.
21) Baari, Un caso di nctmomicosi umana primitiva dcl fegato. Polidinico
1897; ref. Cbl. f. i. Med.
(Fortsetzung der Literatur folgt.)
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Einleitung.
Langeobuch hat im Jahre 1894 in der „Deutschen Chirurgie“
unter erschöpfender Benutzung der älteren und der neueren Literatur
bis zum Beginn der 90er Jahre eine umfassende und vollendete
Darstellung der Lehre vom Leberabscess gegeben.
Auf Grund der zahlreichen neuen literarischen Beiträge zu
diesem Thema im Laufe der letzten 10 Jahre soll nun im nach¬
stehenden versucht werden, das Bild dieser Erkrankung von unserem
heutigen Standpunkte in knappen Strichen zu geben. Die meisten
Aufzeichnungen darüber finden sich bei den Engländern und Fran¬
zosen und so musste auch auf den folgenden Blättern der Darstellung
des sogen, tropischen Leberabscesses ein ziemlich breiter Raum ge¬
währt werden, um so mehr, da die neuen Forschungen über die
Aetiologie der Dysenterie in den viel umstrittenen Zusammenhang
zwischen dieser Erkrankung und dem Leberabscess Licht zu bringen
scheinen.
Erhöhtes praktisches Interesse hat derselbe auch für uns
Deutsche durch die sich mehrenden überseeischen Unternehmungen
kommerzieller wie militärischer Art (Chinafeldzug) und durch unseren
Kolonialbesitz gewonnen. In Oesterreich-Ungarn verlangt, abgesehen
von dem regen Connex mit den Balkanstaaten, das Auftreten von
Dysenterie und Leberabscess im Occupationsgebiet von Bosnien ein¬
gehende Beachtung.
Vor allem sollen aber die so wichtigen Beziehungen der Appen-
dicitis und der Cholelithiasis zum Leberabscess ausführlich erörtert
werden.
Von einer Betrachtung der bei Echinococcuserkrankung der
Leber inner- oder ausserhalb der Blase auftretenden Eiterung glaubte
ich dagegen absehen zu dürfen, da sie unter dem Bilde des Leber¬
abscesses verläuft.
Bakteriologie und Aetiologie.
In den Leberabscessen hat man die gewöhnlichen Eitererreger:
Staphylococcen (Boinet* 2 ), Leblond m ), Mc Fadyen m ), Schwei¬
ger 185 ’ 186 ), Ricard 174 ) u. a.), Streptococcen (Kruse u. Pasquale ,04 ),
Loison lls > U9 ), Zancarol 212 )), ferner Pyocyaneus (Kruse u. Pas¬
quale), Diplococcen und sehr häufig das Bact coli in verschiedenen
Abarten (Körte 101 ), Leblond, Pantaloni 150 )) gefunden.
Typhusbacillen konnten Lannois 108 ), Osler 149 ), Swain 194 ),
Perthes 154 ) und Berndt 19 ), letzterer daneben noch Amöben uach-
weisen.
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Ueber den seltenen Befund einer Streptothrixart sowie heu¬
bacillenähnlicher Gebilde berichten Kruse und Pasquale.
Babes und Zigura 11 ) haben neben anderen Bacillen und
Coccen angeblich ein dem Rotzbacillus ähnliches nicht züchtbares
Stäbchen entdeckt
Vereinzelt stehen die Befunde* von Wicklein* 08b ) (Bacill.
capsulat. Pfeiffer), von Ranzi 1C4 ) und von Sonnenburg (Bacill.
pneumon. Friedländer) und von Ophüls 148 ) (influenzaähnl. Bacill ).
Flagellaten ohne begleitende Bakterien hat Grimm 71 ) einmal
im Leberabscesseiter beobachtet.
Den Befund von Amöben mit oder ohne Bakterien und deren
Bedeutung bei der Entstehung der Leberabscesse werden wir bei
der Aetiologie des dysenterischen Leberabscesses zu besprechen haben.
Cate 11 ani 33 ) hat experimentell die Erzeugung von Leber-
abscessen studiert; es gelang ihm dies durch Einbringen von Coli-
bacillenkulturen in die Pfortader. Intrahepatische Embolien oder
sonstige Schädigungen des Organs genügen, um den von den Pfort¬
aderwurzeln ohne grössere Darmläsionen aufgenommenen Bakterien
günstigere Wachsturasbedingungen in der Leber zu gewähren.
In manchen Fällen von Leberabscessen war der Eiter steril
(Calmette 30 ), Cotta 40 ), Debray 44 ), Bramwell und Stiles 7: ),
Perthes, Peyrot 158 ), Schweiger).
Wenn Josserand 90 ) glaubt, dass dieser Befund vor allem bei
alteren Abscessen zu erheben ist, so weiss Laveran 109 ) von einem
Fall zu berichten, wo bereits 20 Tage nach dem Auftreten der
ersten Symptome Keime im Eiter nicht mehr zu finden waren.
Semnola und Giofreddi nehmen an, dass die Bakterien nach
Erschöpfung des Nährbodens oder infolge von Einflüssen der Paren¬
chymzellen zu Grunde gehen, ein Vorgang, wie er analog bei Hiru-
abscessen und Pyosalpingitiden zu beobachten sei.
Neuerdings giebt Lessage 115 ) an, im Eiter dysenterischer
Leberabscesse, der zuerst für steril gehalten worden war, bei An¬
wendung grösserer Eitermengen doch einen Bacillus gefunden zu
haben, dessen Verimpfung in die Ohrvene von Kaninchen zahllose
kleine Eiterherde in der Leber verursacht habe. Nachprüfungen
seiner Untersuchungen fehlen noch.
Bei der Betrachtung der Aetiologie nun ist im folgenden
zwischen primären und sekundären Leberabscessen zu unterscheiden.
Den erstcren sind zuzuzählen die Fremdkörper-, die trauma¬
tischen und diejenigen Abscesse, die von einem Nachbarorgan direkt
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auf die Leber übergreifen; bei den sekundären Abscessen erfolgt die
Infektion auf dem Blut- oder Gallenwege.
Lediglich durch die Einschleppung von Bakterien veranlassen
Fremdkörper gelegentlich Abscedierungen. So berichtet Richards 175 )
über eine Geisteskranke, bei der in einem Leberabsccss eine Nadel
gefunden wurde, die sie sich in den Leib gestossen hatte; einen
ähnlichen Fall beschreibt Lambert 187 ). Hier war die Nadel wahr¬
scheinlich verschluckt worden und durch die Magenwand in die
Leber eingedrungen. Denselben Weg der Einwanderung glaubt
Camerer 81 ) für eine Borste annehmen zu können, die eine tödliche
Eiterung hervorgerufen hatte.
Durch den ihnen anhaftenden Kot können auch Askariden,
die durch die Gallengänge in die Leber kriechen, Abscesse ver¬
ursachen; sie wirken in erster Linie auch als infizierte Fremdkörper.
Einschlägige Beobachtungen haben Genersich 64 ), Dunkel 50 )
und Leik lu ) sowie Saltajkow 18 *) veröffentlicht, letzterer besonders
unter Berücksichtigung der anatomischen Veränderungen.
Ueber einen Fall von multiplen Abscessen nach dem Ein¬
dringen von Distomura hepaticum verfügt Duffek 49 ).
Von den Abscessen nach Trauma können diejenigen, die nach
penetrierenden Wunden der Bauchdecken und Verletzung des Organs
durch Stich oder Schuss entstehen, wohl übergangen werden, denn
sie bereiten der Diagnose keine Schwierigkeiten und sind nach den
allgemeinen Grundsätzen, die bei eiternden Wunden gelten, zu be¬
handeln.
Grösseres Interesse gewähren die nach Kontusionen des Abdo¬
mens mit subkutanen Verletzungen der Leber auftretenden Abscesse.
Nach Ady 6 ) scheinen sich beim Zustandekommen des Leber¬
traumas Kapselrisse mit Lebcrapoplexien zu kombinieren, d. h. mit
Zerstörung eines oft erheblichen Teiles des Parenchyms durch
capillare Blutungen. Dieser mit ßlutcoagula und flüssigem Blut
gefüllte Sack wird dann nachträglich vom Darm oder von der Blut¬
bahn aus infiziert.
Ueber Abscesse dieser Art bei Kindern, bei denen sie ver¬
hältnismässig häufig vorzukommen scheinen, berichten Moncorvo 135 ),
Morqiuo 140 ), Oddo 140 ). Fall auf den Leib aus beträchtlicher
Höhe oder Kontusion des Abdomens waren vorausgegangen. Bei
Ciechomaski 37 ) scheint die gleichzeitig vorhandene komplizierte
Vorderarmfraktur als Eingangspforte für die Keime angesprocheu
werden zu können.
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656
Bei Sendler 187 ) soll eine Pneumonie, die mehrere Jahre nach
dem Trauma auftrat, möglicherweise Ursache der Vereiterung eines
seitdem bestehenden Blutergusses in der Leber geworden sein.
Von Rose 177 ) und von Valence 201 ) sind Patienten operiert
worden, bei denen es einmal nach Sturz aus dem dritten Stockwerk
mit Aufschlagen des Leibes auf ein Treppengeländer, das anderemal
nach Fall im Zimmer auf einen Gewehrständer neben Blutergüssen
in der Leber zu Einrissen des Magens gekommen war. Magen
und Leber verklebten miteinander, wie bei der Operation sich nach-
weisen liess, und durch direktes Ueberwandern der Keime vom
Magen kam es zu ausgedehnter Eiterung in der Leber wie in deren
Umgebung.
Durch Uebergreifen des infektiösen Prozesses vom Magen
auf die Leber konnte Stempfle 192 ) bei einem verjauchten Magen-
carcinom das Auftreten eines Leberabscesses beobachten.
Ich selbst hatte im Krankenhaus in Worms eine Frau zu
obduzieren Gelegenheit, bei der ein Ulcus ventriculi, das mit dein
linken Leberlappen verlötet war, zur Abscedierung in demselben
geführt hatte.
Auch Empyeme der Gallenblase können nach Durchbruch in
die Leber dort Abscesse her vorrufen. Ein Fall der Art wurde von
Körte 101 ) operiert.
Eine Mittelstellung zwischen dem primären Leberabscess und
dem auf dem Blutweg metastatisch entstandenen nimmt vorderhand
noch der früher als idiopathischer, nach Beyfuss* 19 ) Vorschlag als
tropischer, bezeichnete I^eberabscess ein. Denn es scheinen sich bei
seinem Zustandekommen Vorgänge in der Leber selbst mit von aussen,
d. h. vom Darm kommenden Infektionen zu kombinieren.
Was seine geographische Verbreitung betrifft, so haben die
Untersuchungen der letzten 10 Jahre bestätigt, dass von den warmeii
Ländern vor allem Ostindien (Mehrzahl der englischen Autoren)
Tonkin (Moty 147 ), Leblond, Boinet), Ceylon, Niederländisch-Indien
(Smits 190 )), die Westküste von Afrika, sowie an dessen Nordküste
Aegypten und Algier (Kartulis 91 ), Zancarol 212 ), Malbot 1 ^);
befallen sind. Einzelne Beobachtungen wurden aus Südafrika
(Arnold 9 )), aus Deutsch - Ostafrika (Steudel 193 )), aus Brasilien
(Morison 138 )) und aus Argentinien (O’Connor 145 )) mitgeteilt
Daneben ist aber auch sein Vorkommen in den gemässigten
Breiten nicht selten beschrieben worden; so haben Councilmann
und Lafleur 39 ), Howard und Hower 82 ), Flexner 58 ) eine Reihe
von Fällen aus den Nordstaaten der Vereinigten Staaten veröffent-
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licht. Giordano 66 ) u. a. haben über sein Auftreten in Mittel- und
Norditalien, Boinet und Gangolphe 03 ) im Süden Frankreichs bis
Lyon berichtet; endlich haben Robler 98 ) und Schweiger, Margu-
lier 188 ), Babes und Zigura unsere Aufmerksamkeit auf Endemien
von Leberabscessen in Bosnien, in Südrussland und in Rumänien
hingelenkt.
Von der Häufigkeit des Leberabscesses bekommen wir eine
anschauliche Vorstellung, wenn wir hören, dass Fontan 60 ) 155,
Zancarol 562 Falle beobachten konnte, oder durch Cayley's An¬
gabe, dass von 1000 Mann der britischen Armee in Indien 1889
24,5 pro mille mit Hepatitis oder Leberabscess den Spitälern über¬
wiesen wurden und 1,43 pro mille daran starben.
Wesentlich niedriger sind die Verhältniszahlen bei den ein¬
geborenen Truppen. Hier betrug die Morbidität an Leberabscess
1,6 pro mille, die Mortalität 0,1 pro mille.
Dieses Missverhältnis zwischen der Erkrankungsziffer der
Europäer und der Eingeborenen hat ebenso wie die Frage der Ab-
hängigkeit des Leberabscesses von einer vorausgegangenen Dysenterie
das lebhafte Interesse aller Autoren auch im verflossenen Jahrzehnt
beansprucht.
Was den letzteren Punkt betrifft, so lauten die Angaben derer,
die eine grössere Anzahl von Fällen auf diesen Zusammenhang ge¬
prüft haben, abweichend, je nachdem bloss die Anamnese und das
klinische Bild oder das Ergebnis der Autopsie allein der Aufstellung
zugrunde gelegt wurden.
Von Zancarol war bei 444 Fällen von Leberabscess in
54 Proz. eine vorausgegangene Dysenterie ermittelt worden, von Kar-
tuli3 bei 114Fällen 51mal (44 Proz.), von Windsor 21 °) bei 58 Fällen
24 mal (40 Proz.). Unter Berücksichtigung des anatomischen Be¬
fundes allein konnte Windsor bei 34 Fällen 21 mal (62 Proz.)
Zeichen bestehender oder überstandener Dysenterie angeben. Mc.
Leod la5 ‘ 124 ) hat 106 Sektionsprotokolle daraufhin durchgesehen.
59 schieden davon als unbrauchbar aus, weil die Darmsektion fehlte,
bei den übrigen 47 waren 41 mal dysenterische Ulcera oder deren
Spuren aufgefunden worden.
Damit würden sich Roger’s 28 ) Angaben decken, der in 95 Proz.
Dysenterie als Ursache des tropischen Leberabscesses annimmt.
Diese eben erwähnten recht erheblichen Unterschiede der ein¬
zelnen Zahlenreihen erklären sich durch die merkwürdige Tatsache,
dass die Dysenterie ganz latent bleiben kann und daher selbst bei
klinischer Beobachtung nicht nachzuweisen ist oder dass sie maneh-
(A’ntnftltilaU f. d. Gr. <]. Mi*d. u. Cbir. VI. *t-
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658
mal unter dem Bilde leichter, nicht blutiger Diarrhoe verläuft (Boinet),
die von dem Träger weiter nicht beachtet und deshalb in der Vor¬
geschichte gar nicht angegeben wird. Sterben solche Personen am
Leberabscess, so ergibt erst die Autopsie den überraschenden Be¬
fund ausgedehnter dysenterischer Verschwärungen im Dickdarm.
Ueber drei diesbezügliche Beobachtungen verfügt Schweiger und
einzelne Fälle der Art sind von Nasse 143 ), Ewald 54 ) Boinet und
Perthes beschrieben worden.
Mc. Leod wendet sich daher mit Entschiedenheit dagegen,
dass geheilte Fälle von Leberabscess, bei denen anamnestisch und
klinisch Dysenterie nicht nachzuweisen war, nun als Beispiele für
die Unabhängigkeit des tropischen Leberabscesses von der Dysenterie
angeführt werden dürfen, wie dies von Turner 199 ) u.a. geschehen ist.
Auf Grund seiner Erfahrungen und der erwähnten Sektions¬
ergebnisse ist er geneigt, die Leberabscesse der heissen Lander in
ihrer überwiegenden Mehrzahl als durch die Dysenterie veranlasst
zu betrachten. Während er darin den Widerspruch von Yeats,
Young und Rennie 123 » 124 ) gefunden hat, stimmen ihm Boinet,
Windsor, Zancarol bei.
Die Kenntnis einer latent sich abspielenden Dysenterie kann
nach Mc. Leod auch Fälle wie die von Wyssmann u. Grippeling 211 ),
von Leahy 110 ) u. a. erklären, bei denen scheinbar der Leberabscess
der Dysenterie vorausgegangen war.
Dysenterische Geschwüre ohne manifeste Symptome hatten
hier zur Bildung eines Leberabscesses geführt; der später vermeint¬
lich als erste Aeusserung der Krankheit auftretende Ruhranfall ist
bloss als Recidiv zu betrachten, das bei dem durch die Eiterung
geschwächten Patienten schwerere Erscheinungen machte als der
Beginn derselben.
Die Beurteilung der Abhängigkeit des Leberabscesses von der
Dysenterie kann weiter dadurch erschwert werden, dass manch¬
mal Zeiträume von Monaten, selbst Jahren zwischen beiden Er¬
krankungen sich einschieben fJosserand 90 ), Dabney 43 ), Harris
und Macready 75 )); so lagen bei Berger 17 ) sechs, bei Gessner 65 )
acht, bei Rendu 173 ) gar neun Jahre dazwischen. Die betreffenden
Personen waren bereits längere Zeit aus dem heissen Klima zurück¬
gekehrt, litten aber manchmal noch an leichten dysenterischen An¬
fällen, auf die wieder beschwerdefreie Perioden folgten (Josseraud,
Berger); oder aber es trat nach dem Ueberstehen der Dysenterie
völlige Heilung ein, bis die Erscheinungen des Leberabscesses sich
offenbarten.
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Während die Mehrzahl der erwähnten Autoren ein Fortleben
des Erregers oder eine besondere Tenacität des Krankheitsgiftes
annehmen, das durch ein Trauma oder eine fieberhafte Erkrankung
von neuem seine Wirkung entfalten könnte, glaubt Bertrand 18 ),
dass in solchen Fällen ein langsames, unbemerktes Weiterschreiten
des Eiterungsprozesses in der Leber vorliege.
Plötzliche Todesfälle, bei denen erst die Sektion grosse Leber-
abscesse aufdeckte, rechtfertigen Bertrand’s Annahme einer Höpatite
latente. Die erste Ansicht findet dagegen eine Stütze in einer Be¬
obachtung von Kruse (cit. nach Kriege 214 )). Derselbe konnte bei
einem Mann, der an Bacillendysenterie in Barmen erkrankt war und
manchmal an Recidiven litt, zwei Jahre nach der ersten Erkrankung
noch Dysenteriebacillen in den Entleerungen nachweisen. Da eine
Reinfektion auszuschliessen war, war damit bewiesen, dass er seit¬
dem die Bacillen im Darm beherbergte, und zwar die längste Zeit
symptomlos.
Dass vorwiegend die Europäer in den Tropen vom Lebcr-
abscess befallen werden, führt man darauf zurück, dass ausser den
klimatischen Schädlichkeiten die unzweckmässige Lebensweise, vor
allem der Alkoholgenuss (Cantlie, Fiebig 57 )) und die mit spanischem
Pfeffer und Curry scharf gewürzten Reisgerichte (Beyfuss), die Leber
in einen Zustand verminderter Widerstandsfähigkeit versetzen.
Nicht nur, dass die den Alkohol meidenden Eingeborenen in
Indien, obwohl die Dysenterie verbreiterter unter ihnen ist als unter
den Europäern, doch, wie erwähnt, seltener an Leberabscess er¬
kranken, auch unter den abstinenten Soldaten des britischen Heeres
ist die Mortalitätsziffer an Leberabscess niedriger. Sie verhält sich
zu der gewöhnlichen Sterblichkeit an Leberabscess in der englischen
Armee in Indien wie 1:5 (Cayley).
Desgleichen erkranken die im allgemeinen massigen Truppen
der französischen Ansiedelungen in Indien nicht so häufig an Leber¬
abscess wie die Engländer (Windsor). Bei den deutschen Soldaten
in China wurden Leberabscesse erst häufiger beobachtet, nachdem
sie einen Sommer dort zugebracht hatten. Zu der Einwirkung des
tropischen Klimas und der Ausbreitung der Ruhr war nach Kram m 102 )
auch die Möglichkeit gekommen, geistige Getränke sich zu beschaffen,
die am Anfang des Feldzugs schwerer erhältlich gewesen waren.
Für die Bedeutung, die der Alkohol als prädisponierendes
Moment besitzt, spricht auch, dass die Frauen nach übereinstimmen¬
der Angabe sehr selten an Leberabscess erkranken. Nur scheint
die Schwangerschaft sie in dieser Hinsichtzu gefährden (Sch weiger).
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660
Kinder bleiben fast stets verschont. Als besondere Seltenheit
berichtet Legrand 113 ) über zwei Fälle von Leberabscess bei Kin¬
dern; unter den 562 von Zancarol beobachteten Fällen fiel kein
einziger ins Kindesalter.
Damit es nun bei den auf die erwähnte Art prädisponierten
Individuen zur Entwickelung des Leberabscesses kommt, genügt es
nicht, dass von Geschwüren im Darm Keime in die Pfortader¬
wurzeln eindringen, sonst müssten ja auch, wie Windsor betont,
im Gefolge des Typhus, der in Indien ungemein verbleitet ist,
häufig Leberabscesse zur Beobachtung kommen. Dies ist aber nicht
der Fall. Weiter musste' es auffallen, dass auch die Beziehung
zwischen Leberabscess und Dysenterie, je nach deren örtlichem Vor¬
kommen, manchen Abweichungen unterworfen schien. Sehen wir
von der letzten heftigen Ruhrepidemie in Barmen ab, die ohne Er¬
krankung an Leberabscess verlaufen ist (Kriege), so beobachten
wir im gemässigt warmen Klima von Bosnien und von Südfrank¬
reich nicht selten Leberabscesse nach Dysenterie, während im tro¬
pischen Klima von Westindien, auf den Philippinen unter den amerika¬
nischen Truppen (Flexner 213 )) und in Japan (Shiga* 19 )) schwere
Epidemien von Dysenterie mit hoher Sterblichkeit hausen, ohne von
leberabscessen begleitet zu werden. Auch die Dysenterie im Buren¬
krieg war im wesentlichen frei von Leberabscessen. Diese
scheinbaren Widersprüche klären sich nun, seitdem Kruse 215 ) bei
der Epidemie im Ruhrgebiet einen Bacillus mit bestimmten morpho¬
logischen und kulturellen Eigenschaften als Erreger gefunden hatte,
Flexner 213 ) denselben Bacillus auf den Philippinen bei der Dysen¬
terie der amerikanischen Soldaten feststellte und Shiga ihn bei der
Ruhr in Japan nachwies. Diese Bacillendysenterie scheint sich in
ihrem Verlauf, ihrem pathologischen Befund und dadurch, dasß sie
so gut wie nie Leberabscesse hervorruft, von jener anderen Art der
Dysenterie zu unterscheiden, bei der man häufig Amöben in den
Entleerungen findet und in deren weiterem Gefolge amöbenhaltige
Abscesse in der Leber auftreten.
Amöben im Eiter von Leberabscessen sind in dem unser Re¬
ferat umfassenden Zeitraum in den grösseren Beobachtungsreihen
von Kruse und Pasquale, von Howard und Höver 1 , Windsor,
Godl ee 09 ) beschrieben worden, ferner in zahlreichen Einzel heobach-
tungen von Nasse, Peyrot und Roger 167 ), Potejenko 1GI ), Tur¬
ner, Marshall 134 ) u. a. m. Da, wie Windsor, Howard und
Hover, Cantlie hervorheben, die Amöben meist in der Abscess-
membran und den Randpartien des Abscesses sich aufhalteu, nicht
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061
in dem central befindlichen allen Eiter, so enthält der durch Punktion
gewonnene oder gleich nach der Operation entleerte Eiter häufig
keine Amöben. Wird nun, wie in vielen Fällen, dieser Eiter zur
Untersuchung genommen, so können auf diese Weise Fehlschlüsse
auf das Nichtvorhandensein von Amöben gemacht werden. Ob und
inwieweit die Amöben als die Erreger der Dysenterie und der
Leberabscesse aufzufassen sind, ist eine viel umstrittene Frage.
Bezüglich der älteren Literatur kann ich auf Schuberg’s 218 )
kritisches Sammelreferat verweisen, das klar und eingehend die
Mängel der bis dahin versuchten Beweisführung darthut.
Dieselbe schien weiterhin eine Erschütterung zu erfahren durch
den von ihm erbrachten Nachweis zahlreicher Amöben in den Stühlen
von Gesunden, sofern es gelingt, den Inhalt der oberen Darm¬
abschnitte durch Anwendung von Abführmitteln rasch zu ge¬
winnen.
Doch haben Kruse und Pasquale, wie Quinke und Roos 217 )
durch spätere Untersuchungen gezeigt, dass den bei der Dysenterie
auftretenden Amöben im Gegensatz zu den bei anderen Erkrankungen
oder beiGesuuden sich vorfindenden Amöben doch gewisse pathogene
Eigenschaften innezuwohnen scheinen. Denn es gelang, durch In¬
jektion amöbenhaltigen Stuhls von Dysenteriekranken ins Rectum
von Katzen bei diesen Dysenterie zu erzeugen, was im anderen
Fall nicht zu erreichen war. Auch mit Leberabscesseiter, der Amö¬
ben ohne andere Keime enthielt, glückte Kruse und Pasquale die
Uebertragung.
Dagegen sind die Versuche von Kruse und auch von Shiga
gescheitert, durch Einbringen von Reinkulturen des Dysenterie¬
bacillus wie auch von Dejektionen der an Bacillendysenterie er¬
krankten Tiere mit Dysenterie zu infizieren.
Der Standpunkt einer berechtigen Trennung zwischen Bazillen-
und Amöbendysenterie und die Annahme eines genetischen Zu¬
sammenhanges zwischen dieser und dem Leberabsccss ist auch auf
dem letzten Kongress der British medical Association 28 ) von San-
daritu, Manson, Rogers und Buchanan vertreten worden.
Wenn sich Duncan dort auf Grund seiner in Indien ge¬
sammelten Erfahrung gegen die Abhängigkeit des Lebcrabscesses
von der Dysenterie ausspricht, so ist das darauf zurückzuführen,
dass in Indien neben der Amöbendysenterie auch Epidemien von
Bacillendysenterie besonders in Gefängnissen und Spitälern vor¬
zukommen scheinen, die nie Leberabscesse im Gefolge haben
(Buohanan 29 )).
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Auch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika müssen wir
neben der von Councilmann-Laf leur, Flexner, Howard und
Hover beschriebenen Amöbendysenterie nach den Untersuchungen
von Vedder und Duval 220 ) gleichfalls das Vorhandensein einer
Bacillendysenterie annehmen.
Dieselben Verhältnisse scheinen nach Remlinger's 171 ) Befunden
auch in Tunis vorzuliegen.
Wenn neuerdings Moreul und Rieux 216 ) sich gegen diese
Trennung wenden und als einheitlichen Erreger einen von Kruse-
Shiga durch das Gärungsvermögen sich unterscheidenden Bacillus
beschreiben, so wird dessen Zugehörigkeit zur vielgestaltigen Coli-
gruppe für ihre Behauptung manche Zweifel erwecken.
Was nun die Stellung betrifft, die man den Amöben bei Er¬
zeugung der Leberabscesse einräumt, so sind Zancarol, Hoppe-
Seyler u. a. geneigt, sie hierbei lediglich als Träger der Bakterien
anzusehen, während C o u n c i 1 m a n n-Laf 1 e u r, M a n s o n-G a 11 o w ay 132 ),
Marshall 134 ) ihrer Toxinwirkung die Hauptrolle bei der Zerstörung
des Lebergewebes zuweisen und die bakterielle Invasion als nebensäch¬
lich oder als erst im Gefolge der nekrotisierenden Prozesse in der
Leber auftretend betrachten.
Kruse und Pas quäle glauben, dass gerade die Mannigfaltig¬
keit der Eitererreger bei Leberabscessen gegenüber dem relativ
gleichmässigen Befund bei anderen Eiterungen sie in ihrer Be¬
deutung für die Auslösung des Prozesses zurücktreten lasse.
Auch über den Weg, den die Amöben in die Leber nehmen,
besteht noch keine Einigung.
Die meisten Autoren nehmen eine Einschwemmung der Keime
von den Ulcerationen im Dickdarm auf dem Blutwege an, während
Arnaud-Astros 8 ), Kruse und Pasquale, Adamidi 4 ) die Mög¬
lichkeit der Infektion auf dem Gallenwege ins Auge fassen.
Um die Darm und Leber befallende Erkrankung als ein zu¬
sammengehöriges Krankheitsbild zu kennzeichnen, hat Babes 10 ) den
Namen Enterohepatitis suppurata endemica für jene Formen von ge-
schwürigen Dickdarmprozessen und Leberabscessen gewählt, die in
Rumänien beobachtet werden. Auch Kelsch und Kinner 94 ) bestreiten,
dass die Lebererkrankung als sekundär aufgefasst werde, und fordern
eine Nebeneinanderstellung der beiden durch das gleiche schädliche
Agens hervorgerufenen Organerkrankungen. Gegenüber der Rolle,
welche die Dysenterie bei der Erzeugung des Leberabscesses spielt,
tritt die Bedeutung der Malaria hierbei weit zurück.
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— 663 —
Sie scheint nach Beyfnss, Cantlie u. a. durch die Herab¬
setzung der Widerstandsfähigkeit des Körpers im wesentlichen bloss
ein prädisponierendes Moment zu schaffen.
Patel 152 ), Serenin 188 ), Kerkhoff 95 ), Hussenet 84 ), Malbot
nehmen sie zwar in ihren Fällen als Ursache des Leberabscesses
an und Smits 190 ) fand in der Vorgeschichte seiner Kranken 11 mal
Malaria und nur fünfmal Dysenterie, aber analog den früher ange¬
führten Thatsachen sind verborgen gebliebene dysenterische Ge¬
schwüre dabei nicht auszuschliessen. Oder aber, die Entstehung
geht vor sich wie bei den idiopathischen Abscessen, deren Vorkom¬
men von Kruse und Pasquale, von Windsor u. a. durchaus
nicht in Abrede gestellt wird. Bakterien oder Amöben gelangen
in diesen Fällen durch kleinste Kontinuitätstrennungen der Schleim¬
haut in die Blutgefässe und auf diesem Wege in die Leber, wo sie
in dem durch nachteilige Einflüsse geschädigten Organ einen ge¬
eigneten Nährboden finden.
Nach der Betrachtung des Leberabscesses der warmen Länder
weuden wir uns nunmehr den sekuudären Infektionen der Leber
auf dem Blut- uud Gallenwege zu.
Durch die Leberarterie können Eitererreger aus infizierten
Wunden und von Entzündungsherden in die Leber gelangen.
Abgesehen von den multiplen kleinen Abcessen, die nur eine
Theilerscheinung einer allgemeinen Pyämie darstellen, meist der
Diagnose entgehen und auch operativ nicht angreifbar sind, kann
die Leber vorwiegend Sitz der pyämischen Metastase werden.
So kam es in zwei von Walter 206 ) beschriebenen Fällen im
Anschluss an eine Verwundung hinter dem Ohr und bei einer eiternden
Verletzung am Finger zur Bildung vereinzelter wohlumschriebener
Abscesse in der Leber. Dogliotti 47 ) sah einen Leberabscess nach
einem Abscess am Oberschenkel, Ricard 174 ) nach einer Anthrax-
beule im Gesicht auftreten.
Leberabscesse bei eitriger Bronchitis wurden kürzlich bei
der Sektion eines Kindes im hiesigen pathologischen Institut ge¬
funden (mündliche Mitteilung des Assistenten); über einen Leberabs¬
cess nach Pneumonie 1 ) berichtet Kirste 96 ).
Nabelveneninfektion kann beim Neugeborenen zum Leberabs¬
cess führen (Klose 97 ).
Weit erheblicher und klinisch wichtiger für die Genese der
Leberabscesse ist die Pfortaderinfektion, die von entzündlichen
oder ulcerösen Prozessen im Bereich ihres Wurzelgebietes aus¬
gehen kann.
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In erster Linie sind hier die Leberabscesse ira Gefolge der
Appendicitis zu nennen. Dieselben können Zustandekommen, indem
perityphlitische Abscesse zu Thrombophlebitis der Pfortaderäste und
durch Uebergreifen der eitrigen Thrombose auf den Stamm der Pfort¬
ader zur Pylephlebitis führen, wie in den Fällen von Shoemaker l81> ),
Hermes 79 ), Lipstein 117 ) und Rothfeldt 178 ); in anderen Fällen
fehlt das Zwischenglied der Pylephlebitis und die Infektion der Leber
vollzieht sich durch Einschwemmung der in den Pfortaderwurzeln
gebildeten Thromben (Nothnagel). Ihre Bildung kann auch, wie bei
Dieulafoy 46 ), durch eine einfache Appendicitis ohne Abscessbildung
verursacht werden. Ohne thrombotische Vorgänge, nur durch das
Eindringen der Keime vom ursprünglichen Eiterherd in die Blut-
bahn, kam es bei Achard 2 ), Jakson 86 ), Koch") zu Leberabscessen.
Die Wurmfortsatzerkrankung selbst kann in diesen Fällen, wie
die Beobachtungen von Ewald 53 ) und Rassow 165 ) lehren, entweder
ganz latent verlaufen oder wie bei Achard und Dieulafoy klinisch
eine leichte Form zeigen.
Körte hat darauf aufmerksam gemacht, dass bei Appendicitis
auch durch Fortkriechen der Eiterung im retrocökalen Bindegewebe
ein Uebergreifen auf die Leber Vorkommen kann. Ausser bei den
von ihm veröffentlichten zwei Fällen hat diese Art der Infektion
bei Nash 142 ) und wahrscheinlich auch bei den durch Operation ge¬
heilten Patienten von Sonneuburg und Loison 120 ) stattgefunden,
wenngleich letzterer geneigt ist, Körte’s Ansicht zu bestreiten.
Thrombose der Vena portae mit nachfolgender puriformer Er¬
weichung und Verschleppung der infizierten Massen in der Leber
kann ferner bei Cholelithiasis durch Druck der im Ductus hepaticus
eingekeilten Steine auf den Gefässstamm verursacht werden. Biel-
schowsky 20 ) führt einen Fall dieser Art an, während es bei einer
anderen seiner Patientinnen wohl zur Thrombose, aber noch nicht
zum eitrigen Zerfall gekommen war, als der Tod eiutrat.
(Fortsetzung folgt.)
Pankreascysten.
Von Dr. Max Münzer (Breslau).
(Schluss.)
Die auffallende Massenhaftigkeit der Stuhlgänge an sich, die
besonders in einem Missverhältnis zur Menge der eingenommenen
Nahrung zu stehen scheint, wird von Oser als ein gewisses
Charakteristictun für Pankreasaffektionen angesehen, bei denen ge¬
störte oder fehlende Funktion des Organes die Ausscheidung der
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unausgenützt den Darmkanal passierenden Muskelfasern, Fette und
Kohlehydrate befördert. Plötzliche, stark wässerige Diarrhoe aber ist
überall da, wo vorher ein Tumor konstatiert worden ist, ein sehr
verdächtiges Symptom für eine Pankreascyste, die ins Darmlumen
hinein geborsten ist, und daher dann gänzlich verschwindet. Sehr
interessant ist folgender hier zu citierender Fall (III) von Seefisch:
Herr Sch., 40 Jahre, früher immer gesund; vor etwa einem Monat
unerhebliche Beschwerden: Druckgefühl im Magen, Aufstossen, Mattig¬
keit, Abmagerung; besonders bei Rückenlage lästiger Druck in der
Magengegend, der bei Seitenlage sofort nachliess.
Januar 1899 wegen zunehmender Beschwerden Konsultation des
Dr. Kuthe, der vom Patienten selbst auf eine harte Stelle in der
Magengegend aufmerksam gemacht wird.
Befund: Kindskopfgrosse, pralle Geschwulst im Epigastrium zwischen
Nabel und Schwertfortsatz etwas nach links, wenig beweglich, bei der
Atmung verschieblich. Pulsation der Aorta besonders bei festerem Druck
fühlbar. Leber, Milz und Niere überall abgrenzbar. — Urin frei von
Eiweiss und Zucker.
Diagnose: Pankreascyste.
Operation abgelehnt. Weiterer höchst interessanter Verlauf: Patient,
eifriger Reiter, fühlte sich nach einem scharfen Spazierritt schlecht, hatte
Beschwerden und heftigen Durchfall unter Leibschmerzen einen halben
Tag hindurch. Am nächsten Tage war, wie Patient selbst fühlte, die
Geschwulst verschwunden. Von da an beschwerdefrei und seitdem ist
vom Tumor nichts mehr zu fühlen.
Die spontane Entleerung in den Darm erfolgt entweder durch
direkten Einbruch in denselben nach vorheriger Verwachsung von
Cyste und Darmwand oder durch den Ductus pancreaticus, mit dem
eine Kommunikation sich hergestellt hat, in das Duodenum. Klinisch
gibt sich dieses Ereignis unter der Erscheinung einer heftigen Diarrhoe
kund (Diarrhoea pancreatica). Wenn der Fall nicht, was selten ge¬
schieht, mit dem sofortigen oder bald nachfolgenden Tode endigt,
dann pflegt die Cyste ein für allemal verschwunden zu sein. Es
ist anzunehmen, dass die Cystenwand von Peritoneum aus später
vollständig resorbiert wird. In dem mehrfach schon erwähnten und
oben referierten dritten Falle IsraeFs muss nach der Punktion durch
die Bauchdecken und den Magen hindurch in der Folge ebenfalls
eine Resorption der Wand eingetreten sein. Solche Fälle zählen
zweifellos nicht zu den Proliferationsgeschwülsten, bei denen eine
andauernde Thätigkeit der Epithelien auch nach jeder Punktion die
Flüssigkeit regenerieren wird.
Ausnahmsweise kann einmal ein plötzliches Verschwinden des
Tumors vorgetäuscht werden, wie im folgenden interessanten Falle
(I) Stark's:
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— 606 —
Patientin, 43 Jahre alt, stets gesund, einmal nach 15 jähriger Ehe
vor acht Jahren normal entbunden. Seit einem Jahre unbestimmte
Schmerzen in der Magengend, Gefühl von Schwangerschaft; in den
letzten Monaten dreimal krampfartige Magen sch merzen; im letzten
Vierteljahre glaubt Patientin, in der Magengegend zeitweise eine Ge¬
schwulst zu fühlen.
Status: Sehr fettleibig, gesundes Aussehen, links von der Mittel¬
linie in der Regio epigastrica eine mannsfaustgrosse Geschwulst, die bei
stärkerem Druck plötzlich verschwindet Man dachte wegen dieses
Symptoms an eine linksseitige Wanderniere, Im Urin auch hinsichtlich
seiner Sekretion nichts Abnormes. Nochmalige Untersuchung nach zwei
Monaten wegen Erneuerung der angeblich inzwischen verschwundenen
Beschwerden. Geschwulst an alter Stelle deutlich fühlbar. Fluktuations¬
gefühl. Deshalb Punktion. Bei der Untersuchung der weisslichen,
ziemlich klaren Flüssigkeit wurde an einen Echinococcensack gedacht
wegen des durch Höllenstein festge9tellten hohen Gehaltes an Chloriden.
Formelemente, insbesondere Scoiices, wurden aber nicht gefunden. Jetzt
dachte man wegen der Repositionsfähigkeit des Tumors an einen retro-
peritonealen Sitz desselben. — Bei der Operation fällt sofort auf, dass
die blaugraue, stark gespannte Cyste vom Lig. gastrocolic. bedeckt ist; es
fällt ferner die Aehnlichkeit des Tumors mit einem Ovarialkystom auf.
Erst bei weiterem Vorgehen wird der Ausgangspunkt vom Pankreas¬
gewebe entdeckt. Totalexstirpation der Cyste und teilweise Resektion
des Pankreas. Heilung unter Fistelbildung, aus deren Sekret die drei
Fermente gewonnen werden. — Anatomisch weist die Cystenwand so¬
wohl makro- als mikroskopisch den Charakter der gewöhnlichen papillären
Kystome auf; die papillentragende Innenfläche zeigt überall ein ein¬
schichtiges, schleimproduzierendes Cylinderepithel, die papillären Wuche¬
rungen sind durchaus gutartig.
Das eigentümliche Verschwinden der Geschwulst erklärt Stark
als eine Folge der Reposition der Cyste in die Zwerchfellkuppel,
wo sie dann bei den dicken Bauchdecken der Patientin nicht zu
pal pieren war.
Während man die Diarrhoea pancreatica als eine seltene Erscheinung
ansehen muss, gehört das Symptom einer hartnäckigen Obstipation
zu den häufigeren, als rein mechanisch anzusehenden Störungen, be¬
sonders bei grossen Pankreascysten. Eine Entfärbung der Stühle ist
selbstverständlich und leicht erklärlich, wenn als Folge eiuer Kom¬
pression des Tumors auf den Ductus choledochus Icterus ein tritt.
Einen solchen Fall von Pankreascyste mit den Erscheinungen des
Choledochusverschlusses beschreibt Greisch:
46 jähriges Mädchen, seit einem Jahre icterisch, zeigt eine Ge¬
schwulst der Gallenblase (Ektasie), daneben eine Cyste im Kopfe des
Pankreas. Da ein Verschluss des Choledochus vermutet wird, Chole-
docho-Duodenostomie. Dabei findet sich im Duodenum reichlich Galle,
so dass erkannt wird, dass nur eine Kompression des Choledochus durch
die Pankreascyste Vorgelegen hat Heilung.
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Auch in einem Falle, welchen Pels Leusden publiziert, fand
sich durch Druck der Cyste auf die Gallengange Gelbsucht. Um¬
gekehrt kann auch einmal ein grosser, im Choledochus eingeklemmter
Gallenstein den Ductus pancreaticus komprimieren und neben dem
primären Icterus eine Retentionscyste des Pankreas erzeugen. In
dieser Weise erklärt Phulpin seinen Fall.
Einmal ist in der Literatur auch eine Kompression des Ureters
durch einen grossen Pankreastumor mit sekundärer Behinderung
der Harnentleerung aus der betreffenden Niere angegeben; der Fall
betrifft die von Körte wiedergegebene Mitteilung Reeve’s. Zu allen
diesen als mechanische Störungen aufzufassenden Symptomen gesellen
sich manchmal Ascites und Oedem der unteren Extremitäten, eben¬
falls infolge durch mechanische Störung behinderter Cirkulation in den
Abdominal- und Beckengefässen. In mehreren Fällen werden eine
auffallende Abmagerung und eine zunehmende Schwäche notiert. —
Die lokale Inspektion ergibt sodann eine oft vom Patienten selbst
schon verhältnismässig zeitig bemerkte Vorwölbung der Regio epi-
gastrica und des benachbarten linken Hypochondriums. Der Patient
im Falle III von Seefisch, dessen Cyste durch spontanen Durch¬
bruch in den Darm für immer verschwunden ist, machte den Arzt
auf die harte Stelle in der Magengegend aufmerksam. Francke’s
Kranke bemerkte zwei Wochen nach den ersten Schmerzanfällen
eine allmählich wachsende Geschwulst links im Leibe. Frau v. S.,
über deren Leiden v. Brackei berichtet, fühlte bereits U/ 2 Jahre
vor der Operation links von der Mittellinie unter dem Rippenbogen
eine anfangs gänseeigrosse, seit 7—8 Monaten rasch grösser gewordene
Geschwulst bei nur leichten subjektiven Beschwerden. Dem Arzte
repräsentiert sich nach den Angaben der Autoren eine Pankreascyste
bei der Palpation als ein glatter, prall gespannter, nicht immer
deutlich fluktuierender Tumor, der sich bei der tiefen Respiration
zumeist deutlich verschiebt und sehr oft eine pulsatorische, durch
die unter ihm gelegene Aorta erzeugte Hebung sehen lässt. Be¬
sonders deutlich war das Aortenklopfen am Tumor im ersten Falle
von Seefisch und bei der traumatischen Cyste seines vierten Falles.
Auch Subbotic erwähnt ausdrücklich die von der Aorta fort¬
geleitete Pulsation. Neusser's Patient besass einen Tumor, der
„eine sehr deutliche, mit den Herztönen synchrone, vertikale Pul¬
sation“ zeigte. — Ausser der respiratorischen Verschieblichkeit findet
man manchmal auch angegeben, dass der Tumor in transversaler
Richtung sich verschieben liess. So schildert Subbotic den Tumor
als „in die Quere verschiebbar“; Keitler fand die Geschwulst
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— 668
ausserordentlich beweglich, sie liess sich leicht im ganzen Bauch-
raum verschieben; im ersten Falle Starkes verschwand sie bei der
Untersuchung durch eine unbeabsichtigte Reposition bis in die
Zwerchfellkuppel hinein, so dass hier an eine Wanderniere gedacht
wurde. Eine ganz abnorm grosse Beweglichkeit aber, wie sie ge¬
wöhnlich nur Mesenterialcysten zukommt, fand sich im folgenden
Falle I Israel’s:
39jährige unverheiratete Dame erkrankte November 1898 mir
heftigen andauernden Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, belegter Zunge,
dauernder Uebelkeit, öfterem Erbrechen. Bald dazu anhaltendes Druck¬
gefühl in der Magengegend, rapide Abmagerung. Seit Januar 1899 bett¬
lägerig. Erbrechen hat bei flüssiger Diät aufgehört, doch bestehen noch
Uebelkeit, Aufstossen, Magen sch merzen und dazu noch Darmkoliken.
Stuhlgang regelmässig mit oft sich anschliessenden Magen sch merzen.
In Rückenlage fühlt man den linksseitigen halbkugeligen Ab¬
schnitt einer über orangegrossen, bei Berührung sehr empfindlichen
Geschwulst im Epigastrium, die, unter dem aufsteigenden Teil des linken
Rippenbogens hervortauchend, sich medianwärts bis nahe an die Mittel¬
linie, nach unten bis zur Mitte zwischen Nabel und Proc. xiphoid. er¬
streckt Sie wechselt ihren Platz bei Lageveränderungen des Körpers,
bei wechselnden Füllungszuständen des Magens und bei manueller Ver¬
schiebung. Im Stehen fühlt man den Tumor am deutlichsten, weil er
dann in ganzer Ausdehnung zwischen Parasternal- und vorderer Axillar¬
linie unter dem Rippenbogen hervortritt, die Fingerspitzen zwischen
seinem oberen Umfange und dem Rippenende eindringen lässt und nach
unten bis auf Querfingerbreite oberhalb der Nabellinie herabrückt Im
Stehen lässt sich auch Fluktuation konstatieren.
Bei Eröffnung der Bauchhöhle lag der Magen vor und die Ge¬
schwulst wurde erst bei weiterem Suchen lateral und links von der
grossen Kurvatur, gänzlich von Netz bedeckt, gefunden. Milz und Niere
lagen normal. Unter Hinzufügung eines vom unteren Wundwinkel nach
links verlaufenden Querschnittes wird die zugänglicher gemachte, sehr
bewegliche Geschwulst hinter dem Magen durch den Saccus epiploic.
hindurch nach oben verschoben, bis sie, vom kleinen Netz bedeckt ober¬
halb der kleinen Kurvatur erscheint — Dann macht Israel die Total¬
exstirpation der Cyste, welche vom Schwanzteil des Pankreas ausgeht.
Die abnorme Beweglichkeit der Cyste beruhte, wie Israel
fcststellen konnte, auf einer abnormen Mobilität des ganzen Pankreas
(nicht etwa auf der Senkung irgend eines andern Bauchorgans, wie
Milz oder dergl.), welches nach Durchtrennung der Geschwulst mit
der grössten Leichtigkeit ins Niveau der Bauchwunde hervorgezogen
werden konnte. — Auch in seinem vierten Falle, der später referiert
werden soll, stellte Israel neben einer zwei Querfinger betragenden
respiratorischen Verschieblichkeit eine manuelle Verschiebbarkeit des
Tumors nach rechts fest.
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— im —
Perkutorisch konstatiert man über dem Tumor nicht immer
gedämpften oder gar leeren Schall, da der Magen die Geschwulst
ganz verdecken kann. Durch Aufblähen des Magens mit C0 2 oder
mit Luft und eventuell durch gleichzeitige Luftauftreibung des Colons
wird der retroperitoneale Sitz der Geschwulst sichergestellt, denn
Magen und Colon liegen vor ihr, wahrend der Magen z. B. beim
Leberechinococcus in der Regel hinter dem Tumor verschwindet.
Ein seltener und durch den Befund erklärter Ausnahmsfall ist der,
den B. Gravemann in seiner Inauguraldissertation schildert:
Der durch die Geschwulst komprimierte Teil des Magens (der
grössere Teil desselben lag in einer Hernia epigastrica) hatte sich nicht
aufgebläht, so dass die Lage hinter dem Magen nicht erkannt wurde.
Vorgetauscht war eine Vergrösserung der Leber und Gallenblase. Erst
die Operation deckte die Verhältnisse auf.
Im allgemeinen wird die Diagnose gegenüber einem Leber¬
oder Gallenblasentumor durch die perkutorisch nachweisbare tvmpa¬
nitische Zone zwischen Leber und der Pankreasgeschwulst gesichert
sein; besonders bei der Untersuchung im Stehen ist dieser tympa-
nitische Streifen sehr deutlich, weil alsdann die Cyste sinkt; bei
tiefer Inspiration wird die Zone kleiner und verschwindet oft beim
Liegen ganz. In dem von Simon aus der Heidelberger Klinik be¬
richteten Falle reichte der Tumor, was nicht häufig ist, bis unter
die Leber hinauf. Die kurze Mitteilung dieses Falles ist folgende:
Eva S., 27 Jahre alt, vor einem Monat sehr starke Schmerzen im
Unterleib. In der rechten Oberbauchgegend fühlt man einen kindskopf-
grossen, prall - elastischen und druckempfindlichen Tumor; nach oben
reicht er bis unter die Leber (Gallenblase?). Laparotomie. Der cystische,
retroperitoneal gelegene Tumor wird eröffnet. 1 l / 2 Liter trüber, gelb-
rötlicher Flüssigkeit werden entleert. Nach hinten erstreckt sich der Tumor
mit seinem Stiel bis zum Pankreas. Einnähung in die Bauchwand.
Heilung.
Sicher abgrenzbar von Leber, auch Milz und Nieren war die
Geschwulst in dem ersten Fall Seefisches, und ebenso konnte im
folgenden Falle II desselben Autors aus der Lage und Beschaffen¬
heit des Abdominaltumors schon vor der Operation die Diagnose
auf Pankreascyste gestellt werden:
Frau H., 34 Jahre, gesund bis Ende 1894. Um diese Zeit an¬
haltende, ärztlicher Behandlung widerstehende Magenbeschwerden. Zwei
Monate darauf fühlt ein Arzt in der Mittellinie des Abdomens und in
Nabelhöhe eine Geschwulst, die seitdem schnell wuchs unter gleich¬
zeitiger Zunahme der Beschwerden: Abmagerung, Stuhlverstopfung,
Druck und Schwere im Leibe und Rückenschmerzen, besonders nachts,
daher dauernde Schlaflosigkeit. Sechs bis sieben Monate nach den
ersten Beschwerden Aufnahme ins Krankenhaus. Dort folgender Be-
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fund: Ziemlich gut genährte Patientin ohne Oedeme und Exantheme;
belegte Zunge; Obstipation; in geringer Menge entleerter saurer, hoch-
gestellter, stark eiweisshaltiger, zuckerfreier Urin.
Abdomen: Umfang wie bei einer sechsmonatlichen Gravida; in
der Gegend oberhalb des Nabels kugelig vorgewölbt, Bauchdecken prall
gespannt Palpation: Glatte, runde, pralle Geschwulst von etwa
Mannskopfgrösse, genau medial gelagert* nicht ins Becken hinabreichend,
ohne Fluktuation. Perkussionsschall nur über dem Tumor etwas, aber
nicht vollkommen gedämpft. Tumor, wenig verschieblich, folgt den
Atembewegungen, von Leber, Milz und Nieren scharf abgrenzbar. Uterus
und Adnexe frei.
Diagnose: Pankreascyste.
Operation ursprünglich zweizeitig beabsichtigt; da aber beim Ver¬
such des Einnähens des Tumors der Inhalt sofort herausdringt wird die
Cyste mittels Troicarts entleert; ein Stück der Wand wird reseciert und
der Rest in die Bauchwunde eingenäht.
Heilung; später Tod an akuter Miliartuberkulose.
Man hat endlich als diagnostisches Hilfsmittel auch vielfach
die Probepunktion als unbedenklich empfohlen. Sie wird indes
unter gewöhnlichen Verhältnissen von den meisten Chirurgen wegen
der vielfach mit ihr verknüpften Gefahren verworfen, zumal sie
ja auch, wenn es sich nicht gerade um einen Echinococcus haridelt,
in der Mehrzahl der cystischen Abdominalgebilde keinerlei positive
und sicher verwertbare Ergebnisse liefert, die man aus einer
chemischen oder mikroskopischen Untersuchung des Cysteninhaltes
erschliessen dürfte. Solche glückliche Ausgänge, wie sie Israel in
seinem als Fall III veröffentlichten Beispiele nach einer (auch nur infolge
vorher durch Laparotomieversuch festgestellter Unausführbarkeit
einer Radikaloperation) durch die Bauchdecken und den Magen hin¬
durch ausgeführten Punktion zu verzeichnen hatte, werden sich
wohl ausserordentlich selten ereignen. Die früheren Beispiele von
Le Den ton, Di xon, Littlewood, Kocher, Tremaine, Kar ewski,
Hermann, Rotter u. s. w. beweisen zur Genüge, dass im Anschluss
an eine Probepunktion nicht nur bedenkliche Symptome, sondern
selbst der Exitus eintreten können. Hier muss auch der zweite aus
der Heidelberger Klinik veröffentlichte Fall, den Simon mitteilt,
angeführt werden:
Jakob N., 33 Jahre. Oofters Schmerzen in der linken Seite des
Leibes. Daselbst seit Januar 1899 rasch wachsende Anschwellung fühl¬
bar. Stuhlverhaltung. Linke Oberbauchgegend von kopfgrossem, fluk¬
tuierendem Tumor ausgefüllt. Derselbe ist von Magen und Colon über¬
lagert. Punktion links vom Nabel. Entleerung von 1200 ccm rötlicher,
eiweisshältiger Flüssigkeit. In den nächsten Tagen peritonitisehe
Reizung. Daher Laparotomie: reichliche Menge braungelber Flüssigkeit
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entleert Härte am Pankreaskopf gefühlt Die retroperitoneale Cyste
scheint sich ganz in die Bauchhöhle entleert zu haben; sie ist nicht
mehr auffindbar. Toilette der Bauchhöhle, Naht. Heilung dauernd.
Die Punktion als diagnostisches Hilfsmittel wird bei den heute
nicht schlechteren, ja sogar weit besseren Chancen einer Probeincision
von letzterer bald ganz verdrängt sein, zumal in differential-
diagnostisch schwer abzugrenzenden Fällen erstere gar keine Auf¬
klärung bieten kann. Namentlich gilt diese Thatsache gegenüber
den verhältnismässig oft in Frage kommenden Ovarialkystomen, bei
denen sehr häufig der erst nach Eröffnung der Bauchhöhle fest¬
zustellende Zusammenhang des Tumors mit den Genitalien den
Sachverhalt klärt. Pankreascysten haben nicht selten das Geschick,
unter der Diagnose eines Ovarialtumors in die Hände der Gynäko¬
logen zu gelangen. Wie verführerisch nahe die Annahme einer
ovariellen Erkrankung liegen kann, beweist der oben mitgeteilte
Fall Stark’s, bei dem alle Erscheinungen der Stieltorsion eines
Ovarialtumors vorhanden waren. In allen solchen dubiösen Fällen
hilft über die Schwierigkeiten allein nur die Laparotomie hinweg,
welche zugleich den ersten Schritt zum weiteren therapeutischen
Vorgehen abgibt. Nach den Erfahrungen der Chirurgen ist bei
allen unkomplizierten Fällen von Retentions- und Pseudocysten das
von Gussenbauer inaugurierte Operationsverfahren indiziert, welches
ein einzeitiges ist und in Incision, Einnähung der Cystenwand iu
die Bauchwunde und Drainage besteht. Die konsekutive Fistel
schliesst sich, meist ohne grössere Beschwerden zu verursachen, in
kurzer Zeit. Die meisten der bisher referierten Fälle sind auch
nach dieser Methode behandelt worden, so drei Fälle (Fall I, II
und IV) Seefisch’s (im Falle IV war vorher ein Versuch gemacht
worden, durch einen Lumbalschnitt die Cyste zu erreichen), der
'allerdings unglücklich ausgegangene Fall von Subbotic und der
von einem gleichen Geschick betroffene Fall aus der Francke’sehen
Publikation; es gehören ferner hierher der erste der zwei von
Simon veröffentlichten Fälle (beim zweiten konnte bei der Lapa¬
rotomie nichts mehr von der vorher punktierten Cyste vorgefunden
werden), der Fall Elter, den dieser selbst allerdings nicht als Pan¬
kreas-, sondern als retroperitoneale Lymphcyste ansieht, Payr’s
traumatischer Pseudocystenfall, der ebenfalls nach einem Trauma
konstatierte Fall Dezinann’s und, wie ich aus dem kurzen Referat
im „Centralblatt für Chirurgie“ vermute, auch die Cyste bei dem
11jährigen Patienten Lissjanski’s.
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G72
Delag6nifere berichtet von einem 35jährigen Manne, dessen
Pankreascyste, aus welcher Liter Flüssigkeit entleert worden
sind, mit Punktion, Annähung an die ßauchwand und Drainage er¬
folgreich behandelt worden ist. B. Pollard plädiert ebenfalls für
die Gussenbauer’sche Methode und erzählt, dass er in seinen drei
Fällen, welche 5, 3 und 2 Jahre zuriicklägen, glatte und dauernde
Heilung erzielt habe. Die einzige Gefahr bestehe nach ihm in der
Entstehung eines Bauchbruches in der Narbe, die er da, wo das
Drainrohr lag, beobachtet habe. Israel hat in seinem Falle II eben¬
falls die einzeitige Gussenbauer'sche Operation gemacht, während
ihm diese in seinem Fall III wegen der untrennbaren Verwachsungen
der Geschwulst mit den Nachbarorganen nicht möglich war; hier
machte er nach Schluss der Bauchwunde 12 Tage nach dem Operations-
versuch die Punktion und erzielte auch hierdurch einen vollen Erfolg.
Von seinem Fall IV wird bald die Rede sein. — In dem oben mit¬
geteilten Falle, den Takaysu aus der v. Mikulicz’schen Klinik
veröffentlicht hat, ist ebenfalls in gleicher Weise operativ vorgegangen
worden. Dass unter ungünstigen Umständen auch ein Recidiv nach
der Gussenbauer'schen Operation nicht ausbleibt, zeigt folgender
Fall, den Pels Leusden publiziert hat:
Bei einer durch Lungen- und Genitaltuberkulose sehr herab¬
gekommenen Patientin hatte sich eine Cyste im Epigastrium entwickelt,
die durch Druck auf die Gallengänge Gelbsucht, durch Druck auf
Magen und Leber Dyspnoe infolge der sekundären Hinaufdrängung des
Zwerchfelles erzeugt hat. Die auf eine Cyste im Pankreaskopfe gestellte
Diagnose wurde bei der Operation bestätigt. Letztere wurde nach
Güssenbauer ausgeführt. — Nach vorübergehender Besserung bildete
sich einige Zeit nach der Operation eine neue Cyste, deren Inhalt sich
nach breiter Incision als stark zersetzt und hämorrhagisch erwies. Toi
nach neun Tagen. — Bei der Sektion fanden sich allgemeine adhäsive
Peritonitis, interstitielle fibröße Pankreatitis und ausgedehnte Gaugnlii'
des Pankreas.
Wie schon Körte und später auch besonders Bessel-Hagen
hervorgehoben hat, gilt für die Mehrzahl der Pankreascysten, nament¬
lich für die aus der chronisch interstitiellen Pankreatitis hervorge¬
gangenen, und ebenso für die Pseudocysten als operatives Normal¬
verfahren die wenig gefährliche Gussenbauer'sche Methode, wenn
es auch einmal Vorkommen kann, wie in dem schon mehrfach erwähnten
Fall IsraePs, dass der Operateur, weil er den Tumor nicht frei-
legen konnte, gezwungen ist, die Bauchwunde wieder zu scliliesseu
und dann in gefahrbringender Weise die Cyste durch die Rauch¬
wand und sogar den Magen hindurch zu punktieren. In einem
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— 67.1 —
besondere schwierigen Fall verstand sich, wie oben referiert, Rasu-
mowsky dazu, durch den linken Leberlappen hindurch zu dringen,
um zu dem Tumor zu gelangen; Bessel-Hagen aber griff zu einem
anderen, bisher vereinzelt dastehenden Operationsverfahren: er er¬
öffnte breit die vordere Magenwand, eröffnte weiterhin und ent¬
leerte die Cyste von der Innenhöhle des Magens aus, tastete von
hier aus die Cystenhöhle ab und stülpte sich eine für die Einnähung
in die Bauchwunde und Anlegung einer Pankreasfistel geignete Stelle
der Cy9tenwand vor. Es geschah dies im folgenden Falle:
13 jähriger Knabe erkrankt anfangs April 1899 im Anschluss an
Influenza plötzlich- mit heftigen Schmerzen in der Magengegend und
mit Erbrechen, In den letzten Apriltagen eine unter Fiebererscheinungen
zunehmende Anschwellung in der Oberbauchgegend. Bei der Unter¬
suchung des gänzlich entkräfteten, aufs äusserste abgemagerten Knaben
fand Bessel-Hagen in der epigastrischen Gegend, aber mehr links ge¬
legen, eine absolut unbewegliche, prallgespannte und äusserst druckem¬
pfindliche Anschwellung, die sich abwärts bis zum Nabel erstreckte, auf¬
wärts unter dem stärker vorgewölbten Rippenbogen verschwand und mit
ihrem Dämpfungsbezirk ebenso in den der Leber, wie in den der Milz
überging. Dabei vermochte Lage- und Stellungswechsel des Kranken
die Perkussionsgrenzen nicht zu verändern.
Massiger Eiweissgehalt im Urin — sonst alle Organe ohne Be¬
sonderheiten.
Die Diagnose wurde wegen des Fiebers, der erhöhten Pulsfrequenz
und des raschen Fortschreitens der Erkrankung auf entzündliche Flüssig¬
keitsansammlung in der Bauchhöhle oder in einem der Bauchorgane ver¬
mutungsweise gestellt. Laparotomie am 3. Mai: Es stellte sich der über¬
mässig ausgedehnte Magen in die Wunde ein; er verdeckte eine cystische
Geschwulst,. welche deutlich hinter ihm gefühlt werden konnte. Eine
genaue Orientierung war ausserordentlich erschwert, weil die prall ge¬
spannte, kindskopfgrosse, kugelige Geschwulst breitbasig und fest an der
hinteren Bauchwand aufsass und weil der stark gedehnte Magen überall
(bis nahe an die Wirbelsäule heran) über die Vorderwand der Geschwulst
straff und unverschieblich ausgespannt war. Offenbar hatte sieh infolge
Peritonitis und starker Peripankreatitis eine feste Verwachsung zwischen
der als Pankreascyste angesehenen Geschwulst und dem Magen aus¬
gebildet
Diese mitgeteilte Sachlage bedingte den angeführten, etwas un¬
gewöhnlichen Operationsmodus. Aus den bei der Operation gemachten
Wahrnehmungen und Befunden wurde mit absoluter Sicherheit die
Diagnose auf Pankreascyste gestellt, die sicher wohl aus eiuer chro¬
nischen interstitiellen Pankreatitis hervorgegangen ist. Als Inhalt
der Cyste fand man eine gelbliche, schleimige, mit Flocken und
Gerinnseln, z. T. auch mit nekrotischen Gewebsstiicken vermischte
Centralbl&tt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI.
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I
— 674 —
Flüssigkeit, die 4% Eiweiss, Muciu, ein stark saccharifizierendes und
ein schwach proteolytisches Ferment enthielt.
Vou diesem und von Rasumowsky’s aussergewöhnlichem
Operationsverfahren abgesehen, gestaltet sich sonst, wie auch Bessel-
Hagen ausdrücklich hervorhebt, die Gussenbauer'sche Methode
im allgemeinen ganz einfach; es ist dementsprechend die Mehrzahl
der einschlägigen Fälle mit weit überwiegendem günstigem Ausgang
operiert worden. Bessel-Hagen fand unter 118 nach diesem
Modus ausgeführten Fällen 113 Heilungen. Von der nach demselben
Prinzip nur zweizeitig ausgeübten Operation werden in der älteren
von Oser in seiner Arbeit (in NothnagePs Handbuch) zusammen-
gestellten Literatur 12 Fälle mit einem Todesfälle genannt. Dieser
zweizeitige Eingriff wird immer nur bei aussergewöhnlichen Zuständen,
vor allem Verwachsungen, in Betracht kommen, wie in dem berich¬
teten Falle Peiser's aus der Sonnenburg'schen Klinik und im
folgenden, als seinen 4. Fall mitgeteilten Beispiele IsraePs:
23 jähriges Fräulein überstand im 17. Jahre normales Wochen¬
bett. Seit fünf Jahren periodische Magenkrämpfe mit Erbrechen, die
sich unmittelbar vor oder nach der Regel einstellten und ca. 1 1 / 2 Tage
dauerten: Schmerzen vom Rücken nach beiden Seiten gegen die Ol^r-
bauchgegend ausstrahlend. Besonders heftige Anfälle während einer
Influenza im Jahre 1899 jede Woche. — Von Juli an häufen sich
schmerzhaften Anfälle bis zum permanenten schmerzhaften epigastrischen
Druckgefühl; daneben Kreuzschmerzen und fast tägliches Erbrechen.
In der linken Oberbauchgegend kugeliger Tumor. Obere Grenze
ist die Gegend der siebenten Rippe, links reicht er bis zur Mitte zwischen
Mammillar- und Axillarlinie, rechts bis zum äussersten Rande des rechten
Rectus. — Respiratorische Verschiebblichkeit um zwei Querfinger. Auch
manuell nach rechts zu verschieben. — Gegen Druck unempfindlich.
Der Tumor wird, wie es scheint, vom fast senkrecht verlaufenden Magen
bedeckt. — Colon am unteren und medialen Rand der Geschwulst.
Diagnose: Pankreascyste.
Operation: Wegen der vollständigen Verwachsung des Magens
mit der Geschwulst muss durch das in der Wunde vorliegende L\c
hepatogastricum auf den Tumor zu vorgedrungen werden, dessen \i-:.
enormen Venen bedeckte Wand indessen wegen der starken Blutungen
aus jedem Stich vergebens ans Parietalperitoneum angenäht zu werden
versucht wird. Daher zweizeitige Operation. Ausgiebige Tamponade mix
Jodoformgaze. Nach sieben Tagen Incision der freiliegenden Cysten wand
zwischen zwei dicken Haltzügeln; Drainage. Heilung nach einem
halben Jahre.
In der zwei bis drei Liter betragenden braunschwarzen Flüssigkeit
wird 1 °/ 0 Albuinen, von Fermenten aber nur ein stark saccharifizierende?
gefunden.
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Auch in dem von Seefisch veröffentlichten I. Fall hat der
Operateur (Hahn) ursprünglich beabsichtigt, die Operation zweizeitig
zu gestalten (warum, wird nicht angegeben); da aber beim Versuch
des Einnähens des Tumors der Inhalt sofort herausdringt, so wird
zur einfacheren einzeitigen Methode übergegangen.
Als die idealste, aber auch weitaus schwierigste und gefährlichste
Operation muss die Totalexstirpation der ganzen Geschwulst ange¬
sehen werden, die v. Brackei in seiner Arbeit als unbedingt indiziert
da ansieht, wie es sich um Proliferationscysten, Kystadenome sowie
um überhaupt verdächtige Tumoren handelt Bedingung ist vor
allem, dass der Kräftezustand des Patienten ein so eingreifendes
Verfahren zulässt Es dürfen aber auch nicht infolge von Ver¬
wachsungen mit Nachbarorganen oder von notwendig werdenden
Gefässunterbindungen unlösbare Komplikationen bezw. Gefahren für
die Erhaltung der betreffenden Organe vorliegen. Zuckerkandl
macht in der anatomischen Einleitung zu Oser's Artikel im Noth¬
nagel' sehen Handbuch auf die grosse Nähe lebenswichtiger Gefässe
aufmerksam, deren Unterbindung unter Umständen die Gefahr einer
Gangrän eines benachbarten Organs im Gefolge hat. Von den 19
von Bessel-Hagen gezählten Fällen, in welchen eine totale Exstir¬
pation gemacht worden ist, sind 17 geheilt und nur 2 tödlich
ausgegangen. Unter diesen 19 Fällen sind auch schon einige der
in dieser Arbeit referierten Fälle mitgezählt, wie z. B. die Fälle von
Zeller, bei dessen Patienten sich 10 Wochen nach der Punktion ein
Recidiv eingefunden hatte, von v. Brackei, dessen Kranke eine schon
makroskopisch als multiloculäres Kystom zu deutende Geschwulst
besass, von Keitler, in dessen Falle Albert ohne dringende Indi¬
kation zur Radikaloperation schritt, und der 1. Fall Israelis mit
seiner ganz abnormen Beweglichkeit, in dem ebenfalls ohne absolut
dringende Indikation radikal verfahren wurde. Auch den stark ver¬
dächtigen Fall, welchen Fitz publiziert, führt Bessel-Hagen an,
der die Zahl der für eine Exstirpation geeigneten Fälle als eine
immerhin beschränkte ansieht; am leichtesten und ungefährlichsten
wird die Operation dort sein, wo die Cyste von der Cauda ausgeht
und eine freiere Beweglichkeit aufweist. Es ist die Totalexstirpation
noch gemacht worden im Falle Tricomi's, bei dem sich der Tumor
als ein Adenocarcinom herausstellte, und in beiden Fällen Starkes,
von denen der eine sich als papilläres Kystom erwies, während der
andere unter den Erscheinungen eines im Stiele torquierten Ovarial¬
kystoms zur Operation gelangte und (nach der Entfernung) eine be¬
ginnende sarkomatöse Entartung erkennen Hess. Jaboulay's Patient
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wurde ebenfalls der Radikaloperation unterworfen; auch liier wies
die Cysten wand einen epithelialen Ursprung ohne ausgesprochen
malignen Charakter auf.
In 12 Fällen musste man sich mit einer partiellen Auslösung
der Cystenwand begnügen, weil grosse technische Schwierigkeiten
die Radikaloperation unmöglich machten; der Rest der Geschwulst¬
wand wurde in die Bauch wunde eingenäht. Zu diesen 12 Fallen
von denen 4 letal endigten, gehört auch der oben kurz erwähnte
Fall aus der v. Mikulicz’schen Klinik, den Schröder in seiner
Dissertation beschreibt, und der ebenfalls oben unter der Zahl der
Kystadenome aufgezählte und kurz gestreifte Fall aus derselben
Klinik, von Takayasu mitgeteiit. Bei der von König operierten
Patientin, deren Krankengeschichte Francke wiedergibt, riss beim
Versuch der Lösung der starken Adhäsionen der Geschwulst mit
der Umgebung die Cystenwand ein und musste, weil sie sich als
nicht exstirpierbar erwies, nach teil weiser Resektion in die Bauch¬
wunde eingenäht werden.
Der in einigen Fällen ausgeführte Versuch, die Cyste durch
Punktion von den Bauchdecken aus zum Schwinden zu bringeu, hat
nach der Oser’schen Zusammenstellung fünfmal unter 7 Fällen den
Tod der Patienten herbeigeführt; der günstige Ansgang in dem einen
Falle IsracPs ist als Ausnahme zu betrachten. Die Punktion ist
als diagnostisches und therapeutisches Hilfsmittel bei uneröffnetem
Abdomen zu verwerfen.
Das von R£camier theoretisch empfohlene Kauterisationsver-
fahren ist, eigenartig genug, einmal von Ledeutu ausgeführt worden
— zum Unheil des Kranken.
Das Normalverfahren bleibt somit die Gusseubauer’sche
Operation, in besonderen Fällen ist die Totalexstirpation angebracht
Volvulus des S romanum.
Sammelreferat von Dr. Arthur Baer (Wien).
(Schluss.)
Diagnostisch viel wichtiger als die Allgemeinsymptome, welche
uns nur darauf hinweisen, dass ein Hindernis für die Passage ini
Darme vorhanden ist, sind die lokalen Symptome, welche uus
Anhaltspunkte dafür geben, zu bestimmen, wo dieses Hindernis sitzt.
Vor allem ist hier das Wahl’sche Symptom zu nennen, d. i. die
Asymmetrie in der Form des Unterleibes, die durch die incarcerierte
Schlinge bedingt ist, welche ohne Peristaltik an einem bestimmtet)
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Punkte des Abdomens ruhig daliegt und sich ausser der Adspektion
auch der Palpation durch vermehrte Resistenz deutlich kenntlich
maeht. Allerdings ist diese Schlinge in den einzelnen Fallen nieht
stetB an demselben Punkte des Abdomens (also links) gelegen, immer
aber ist im Beginn der Erscheinungen dieses Symptom vorhanden.
Im weiteren Verlaufe geht es natürlich verloren, indem die geblähte
Schlinge den ganzen Bauch raum erfüllt (Zeidler) oder indem
andere Schlingen gebläht werden, oder endlich, wenn Peritonitis hin-
zntritt und der Bauch allgemein gleichmässig aufgetrieben ist.
Dieses Symptom des lokalen Meteorismus fand ich in
einer sehr grossen Zahl von Fällen erwähnt. So fand cs Obalinski
15mal unter 19 Fällen. Nach ihm tritt diese Erscheinung meist sehr
frühzeitig auf, selten etwas später, so in einem Falle erst 18 Stunden
nach Beginn der ersten Symptome. Man sieht dann nach Obalinski
meist zwei (manchmal nur eine oder auch drei) geblähte Schlingen.
Dabei soll die mehr viereckige Gestalt des Abdomens für einen Sitz
des Hindernisses im untersten Teile des Dickdarmes sprechen im
Gegensatz zu der kugeligen Gestalt bei Occlusion oberhalb des
Coecums. Nach Naunyn entwickelt sich in einzelnen Fällen die
Blähung des S so schnell, dass bald das ganze Abdomen gewaltig
aufgetrieben und die Schlinge nicht abzugrenzen ist; doch kann
diese Auftreibung der Schlinge, die nur selten vollständig fehlt,
auch recht geringfügig sein. In Fällen mittlerer Aufblähung ist die
Schlinge sehr schön demonstrierbar. Nothnagel sagt, dass der
lokale Meteorismus charakteristisch sei, indem das S sich allein auf¬
bläht, während die anderen Darmschlingen unverändert bleiben.
Auch nach Nothnagel kann diese Auftreibung der Flexur enorm
weiden, so dass diese bis ins rechte Hypochondrium reicht, Magen
und Leber berühren und das Zwerchfell empordrängen kann und
bei Eröffnung des Leibes vor sämtlichen anderen Därmen vorliegt.
Heidenhain konnte unter sechs Fällen viermal den geblähten Darm
deutlich als Dickdarm erkennen. Nach Hofmokl ist im Beginne*
der Erkrankung die gedrehte Schlinge allein gebläht und kann, wenn
sie unmittelbar an der Bauchwand liegt und der Bauch nicht sehr
gespannt ist, palpiert werden. Auch in den Fällen von Eiseisberg,
Braun u. v. a. fand ich die Angabe von der Palpabilität der ge¬
drehten und aufgetriebenen Flexur. Dem gegenüber behauptet
v. Bergmann, dass nur äusserst selten die strangulierte Schlinge
allein gebläht ist, vielmehr fand er lOmal unter 15Fällen den ganzen
Dickdarm und besonders das Coecum gebläht; ja einmal war sogar
bei Volvulus S romani Gangrän des Colon transversum und nicht
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der Flexur eingetreten*). Es ist dies jedoch nur ein scheinbarer
Widerspruch zu der Ansicht der übrigen Autoren, denn offenbar
war bei seinen Fällen die Zeit des lokalen Meteorismus, der ja, wie
erwähnt, nur zu Beginn besteht, bereits verstrichen. Den Dünndarm
fand v. Bergmann meist collabiert und nur in einem Falle eben¬
falls gebläht; nach Nothnagel tritt jedoch Blähung des Dünndarmes
nicht als Folge der Occlusion, sondern nur dann auf, wenn die Peri¬
tonitis Zeit hatte sich zu entwickeln.
Ich füge hier noch einzelne Angaben über die Form und Lage
der stärksten Aufblähung an:
v. Bergmann: Im Epigastrium wurstförmiger Tumor. — Meteo¬
ritisch geblähte Schlinge aus dem linken Hypochondrium auf steigend,
Konvexität an der Leber. — Stark geblähte Schlinge um den Nabel
verlaufend. — Kuppe rechts vom Nabel. — Schlinge aus der Fossa
iliaca bis zum Rippenrand reichend. — Enorme Auftreibung namentlich
im Epigastrium (zweimal). — Schlinge aus der linken Darmbeingrube
bis ins linke Epigastrium reichend. — Mehrmals stärkste Auftreibung
rechts.
Budberg und Koch: Stärkste Auftreibung im Epigastrium —
um den Nabel und im linken Hypochondrium — überschreitet die Linea
alba nach rechts.
Nach diesen Autoren bezieht sich die sichtbare Auftreibung nur
auf den mittleren Teil des vorderen Schlingenschenkels.
Braun: Blähung, besonders links oben — unregelmässig — eine
Schlinge rechts von der Mittellinie von der Symphyse bis zum Schwert¬
fortsatz, eine zweite links davon vom Rippenbogen bis zum Nabel, da¬
zwischen eine leichte Vertiefung.
Heidenhain: Besonders starke Blähung um den Nabel -
zwischen Mittellinie und Darmbeinschaufel — in der rechten Bauch¬
hälfte bis in die Mittellinie eine Schlinge.
Israel: In der linken Bauchseite eine harte, handbreite, wur*t-
förmige Geschwulst von 10 cm Länge in der Mitte zwischen Spina ant.
sup. und Nabel.
Hofmokl: Gleichmässig fassförmige Auftreibung.
Koch: Auftreibung der oberen Bauchhälfte, besonders rechts.
Küttner: Bauch rechts eingesunken, links aufgetrieben — deut¬
lich umschriebene Geschwulst in der linkem Bauchhälfte.
Lennander: Auftreibung des mittleren Teiles des Bauches von
der Symphyse bis zur Herzgrube, links daneben eine eingesunkene Partie
Obalinski: Auftreibung: gleichmässig — unregelmässig — kugel¬
förmig, unregelmässig — ballonartig — deutlich sichtbare Haustra.
Török: Stärkste Blähung im Epigastrium; von hier prall ge¬
spannter Wulst zur linken Leistengegend ziehend.
*) Anm. während der Korrektur: Auch Anschütz, Zachlehner und
Krcuter fanden die stärkste Blähung am Coecim; im Falle des letzteren Autors
war dieses sogar gangränös geworden.
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Zeidler: Auftreibung quer im Epigastrium — unregelmässig,
rechts stärker.
v. Zoege: Blähung rechts und im Epigastrium — geblähte Flexur
durch die verdünnten Bauchdecken deutlich sicht- und fühlbar.
Für wichtig, wenn auch noch in keinem weiteren Falle be¬
stätigt, halte ich ein von Bayer beobachtetes Symptom. Bei dessen
Patienten war nämlich die Form des Bauches derart, dass dieser in
seiner oberen Hälfte nach links, in der unteren nach rechts ver¬
schoben erschien und so den Gesamteindruck eines 8 förmigen
Wulstes machte. Dabei stimmte der innere Befund mit dem
äusseren derart überein, dass man im Wiederholungsfälle aus dieser
Form des Bauches die Diagnose auf einen Volvulus S romani machen
kann. Da es sich in diesem Falle um eine Drehung des S nach
links handelte, so hält es Bayer für möglich, dass bei Rechts¬
drehung auch eine Umkehr der Obliquität eintritt.
Neben dem WahPschen Symptom erwähnen pianche Autoren
bei Volvulus der Flexura sigmoidea auch das ebenfalls für den
Ileus im allgemeinen angegebene Symptom Schlange’s, nach
welchem die oberhalb des Verschlusses liegende Schlinge zunehmende
Aufblähung und Peristaltik aufweist, indem sie das Hindernis zu
überwinden trachtet.
Diese sichtbare Peristaltik ist jedenfalls bei Volvulus
S romani kein konstantes Vorkommnis. So sah sie z. B. Naunyn
niemals, Obalinski unter 19 Fällen nur viermal. Letzterer meint
aber, dass die vermehrte Peristaltik, trotzdem sie nicht wahrnehm¬
bar war, doch vorhanden gewesen sei, was man aus den anfalls¬
weisen Schmerzen erkennen konnte. Auch Eiseisberg, Körte,
Koch u. a. erwähnen sichtbare Peristaltik.
Ein sehr wichtiges Symptom beschreibt Braun (1892) und
nach ihm noch Bayer und Zeidler. Es ist dies die Flüssig¬
keitsansammlung im Bauchraume, die analog dem Bruchwasser
incarcerierter Hernien eine Folge der Abschnürung des Darmes mit
seinem Mesenterium und der daraus resultierenden Stauung in den Blut¬
gefässen ist Es ist nach Braun oft so viel Flüssigkeit vorhanden,
dass sie perkutorisch nachweisbar ist. Diese Flüssigkeitsansammlung
ist natürlich nicht für Volvulus 8 romani pathognomonisch, beweist
aber bei Ausschluss von Ascites die Strangulation eines grösseren
Darmabschnittes.
Aus der Beschreibung dieser Symptome ist zu ersehen, dass wir
eigentlich kein solches kennen, welches die Diagnose auf Volvulus
der Flexur mit absoluter Sicherheit gestatten würde, trotzdem kann
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— «SO —
man unter Berücksichtigung aller Symptome und unter Zuziehung
verschiedener Hiilfsmittel oft genug die Diagnose rechtzeitig stellen,
was ich in einer sehr grossen Zahl von Fällen in der Literatur be¬
stätigt fand. Die Allgemeinsymptome weisen uns vor allem auf
ein Hindernis im Abdomen, das Wahl’sche, Schlange’sche, eventuell
auch das Bayer’sche Symptom lassen unter günstigen Umständen
den Sitz desselben erkennen. Ein wichtiger Behelf hierzu ist nach
Curschmann die Stäbchenperkussion, welche es gestattet, die
geblähte Darmschlinge deutlich von den Därmen kleineren Quer¬
schnittes abzugrenzen. In einer neueren Arbeit giebt Kiwull an,
dass man bei Stäbchen-Plessimeter-Perkussion durch das gleichzeitig
aufgelegte Sthetoskop sehr deutlichen metallischen Klang über
der geblähten Schlinge höre und sich so über deren Ausdehnung
sehr genau orientieren könne. Dieses von ihm so bezeichnete
Ballonsymptom das nachher noch von Blumberg nachgeprüft
und bestätigt wurde*), hält er für sehr wichtig und konnte er immer
nachweisen. Uebrigens spricht schon Nothnagel, wenn auch nicht
in dieser bestimmten Form, von der Resistenz eines straff gespannten
Gummiballons mit meteoristischem oder metallischem Perkussions-
schall.
Die Palpation der geblähten Schlinge giebt nach Budberg
und Koch das Gefühl einer äusserst gespannten Blase, nach Heiden¬
hain das eines massig gefüllten Luftpolsters. Nach Bergmann
hat die peristaltisch sich steifende oder die als gebläht palpier¬
bare Schlinge nur dann eine für die Diagnose des Sitzes der Oc-
clusion werthvolle Bedeutung, wenn ihre Resistenz in der Narkose
zunimmt. Es mag dahingestellt bleiben, ob dies so absolut gültig
ist, jedenfalls ist die Untersuchung in Narkose und ähnlich im
warmen Bade (Kiwull) von unterstützender Wichtigkeit.
Der Rectalbefund ist in der Regel negativ; nur in einem Falle
konnte Koch vom Mastdarm aus am Eingang in das kleine Becken
einen ballonartigen, glatten Körper tasten, und Mayo palpierte ein¬
mal bei Einführung der ganzen Hand in das Rectum in der Höhe
von acht Zoll links vom Promontorium eine feste Zusammen¬
schnürung.
Diese Einführung der ganzen Hand, Untersuchungen mit der
Sonde, Gaseinblasungen werden iin allgemeinen von den Autoren
als zeitraubend und gefährlich verworfen. Mehr benützt und wert¬
voller, wenn auch nicht gefahrlos (s. o. Fall Israel) ist die Wasser-
Anni. während der Korrektur; Auch Kreuter fand dieses Symptom in
einem und Br chm in mehreren Fällen.
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eingiessung. Nach übereinstimmenden Angaben genügen ca. 500 ccm,
mn das Rectum, 1000 ccm, um dieses und das 8 romanum zu füllen.
Wenn also eine grössere Menge eingegossen werden kann, so
ist der Sitz des Verschlusses jedenfalls höher oben zu suchen.
Beweisend ist diese von Riedel so benannte „Wasserprobe“
auch nicht.
Die Diagnosestellung ist jedenfalls im Beginne der Er¬
krankung relativ leichter, später, wenn die Symptome mehr ver¬
wischt sind, sehr schwierig und oft unmöglich.
Differentialdiagnostisch kommt besonders die Peritonitis
in Betracht Während Kocher eine Schwierigkeit in dieser Ver¬
wechslung sieht, kennt Naunyn keinen Fall, wo primäre Peritonitis
diagnostiziert wurde, während die Obstruktion das Primäre war, ein
Widerspruch, den v. Bergmann so erklärt, dass der Internist den
Fall im Beginne der Erkrankung sieht, während der Chirurg oft
erst zugezogen wird, wenn allgemeiner Meteorismus besteht
Zeidler führt als unterscheidende Momente folgendes an:
Deutlicher lokaler Meteorismus, ungleichmässige Auftreibung sprechen
für Strangulation, gleichmässige Auftreibung für Peritonitis. Deut¬
licher Schmerz bei Druck und Perkussion spricht eher für Perito¬
nitis (kann aber auch bei dieser fehlen und bei Strangulation Vor¬
kommen!). Temperaturerhöhung spricht für Peritonitis. Exsudat in
der Bauchhöhle kommt bei beiden vor, ebenso spontaner Schmerz.
Zeidler kommt daher zu dem Resultate, dass es sogar in den
früheren Stadien nicht immer gelingt, die Differentialdiagnose zu
stellen.
Der Volvulus S romani kann rücksichtlich der Therapie auf
dreierlei Weise angegangen werden: 1. durch interne Mittel; 2. durch
Taxis; 3. durch Operation.
Es ist eine brennende Frage, ob man bei diagnostiziertem
Flexurvolvulus überhaupt die Zeit mit inneren therapeutischen Mass¬
nahmen verlieren dürfe oder ob jeder derartige Fall sofort dem
Chirurgen überwiesen werden müsse. „Hier ist wieder“, sagt Hof-
mokl, „ein ergiebiges Feld, auf welchem nur in einem gemein¬
samen Arbeiten der Internisten mit den Chirurgen Erspriess-
liches geleistet werden kann.“ Dass aber doch manche Autoren
ihre Patienten nicht sofort operieren lassen, erklärt sich leicht daraus,
dass vielfach die Möglichkeit der Spontandetorsion des Volvulus
behauptet wird, die man durch gewisse Massnahmen unterstützen
könne, wobei man den Patienten nicht den unleugbaren Gefahren
einer Laparotomie aussetzen muss.
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Wohl der wichtigste Gegner der unbedingten Frühoperation
ist Naunyn. Er meint, dass es für die Indikationsstellung zur
Operation wünschenswert wäre, wenn nian die Torsion von 180°
und von 360° unterscheiden könnte. Denn bei letzterer muss sofort
operiert werden, bei ersterer kann man zuwarten. Da aber diese
Unterscheidung mit unseren heutigen Hilfsmitteln unmöglich ist, so
müsse man individualisieren, denn für die Frühoperation in allen Fällen
kann Naunyn sich nicht entscheiden, da er Fälle von spontaner
Rückdrehung gesehen hat. Man darf nach seiner Ansicht mit der
Operation zögern, wenn der Verlauf ein milderer ist (ganz abgesehen
von dem akuten Einsetzen der Erscheinungen) und wenn die Un¬
durchgängigkeit keine absolute ist. Kommen dann diese Fälle später
doch zur Operation, eo dürfte unter diesen — das gibt Naunyn
zu — mancher sein, für den eine Frühoperation besser gewesen
wäre, aber auch mancher, von dem man sicher sein kann, dass er
jetzt mit mehr Aussicht auf Erfolg operiert wird, als dies
im Anfall während des starken Shocks geschehen wäre. Für die
Frühoperation ist Naunyn in den Fällen, die mit stärksten Strangu-
lationserscheinungen einsetzen und für Tage absolute Undurch-
gängigkeit zeigen, sowie ein schweres Allgemeinbefinden aufweisen.
Auch nach Nothnagel sind Fälle bekannt, bei denen Attaquen
durch Irrigation, ferner durch gewisse Körperstellung oder auch
spontan behoben wurden und „bei denen man wohl mit Recht eine
halbe Achsendrehung annehmen kann, die sich mehrmals wieder
zurückgedreht hatte“.
Zeidler gibt die Möglichkeit einer spontanen Reposition zu,
hält dieses Vorkommnis aber für so selten, dass man es nicht in
Betracht ziehen könne, zumal die Gefahr des raschen Eintrittes ge¬
fährlicher Veränderungen in der gedrehten Schlinge sehr gross sei.
Er selbst sah zwei Fälle, die auf hohe Eingiessung sich zurück¬
drehten, meint aber, dass man diese nur unter gleichzeitiger Vor¬
bereitung zur Operation versuchen dürfe, die gleich in ihre Rechte
tritt, wenn die Irrigation kein Resultat ergibt. In ähnlicher Weise
drückt sich Prutz aus. Bergmann leugnet nicht die Möglichkeit
der spontanen Detorsion einer halben Achsendrehung, konnte sich
aber persönlich nie davon überzeugen. Ebenso gibt Heidenhain
die Möglichkeit einer Retorsion durch Wassereinläufe oder Luft¬
einblasungen zu, doch nur bei unvollkommener Drehung (180°) und
bei nicht allzu stark geblähter Schlinge. Auch Budberg und Koch
sahen Detorsion durch Eingiessung, trotzdem verwerfen sie diese
(ebenso wie alle anderen innerlichen Medikationen), da sie nur die
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momentane Krise überwindet, wahrend eine neuerliche Occlu8ion
sehr wahrscheinlich ist Riedel hält die Rückdrehung einer tor-
quierten Flexur für möglich, aber nicht für bewiesen. Nach seiner An¬
sicht ist die Mesenteritis S romani (s. o.) die Ursache „derjenigen
Spezies von Ileus, die durch wiederholte Einläufe mit Erfolg be¬
handelt werden kann“. Er erklärt die Fälle, in denen der Operation
spontan geheilte Attaquen vorhergingen, so, dass der Ileus, der ohne
Operation zurückging, nur eine Folge der Schrumpfung des Meso¬
sigma war, während erst jener Anfall, der zur Operation führte,
den Eintritt der Drehung bedeutet.
v. Török hält die grössere Zahl der Fälle, in denen interne
Therapie von Nutzen war, für Fehldiagnosen (nervöse Spasmen,
Spasmen durch Spulwürmer oder Gallensteine, Koprostase), was wohl
speziell bei Volvulus S romani kaum zutreffen dürfte, und ist ein
energischer Vertreter der Frühoperation. Auch Bayer, Wahl,
Hepner u. a. empfehlen die Frühoperation, ebenso Küster, der
speziell Naunyn gegenübertritt. Koenig warnt ebenfalls, durch
innere Massnahmen die rechte Zeit zur Operation zu versäumen.
Einen derartigen traurigen Fall erwähnt Poppert, der sich durch die
milden Erscheinungen, speziell fehlendes Erbrechen, verleiten liess,
zuzuwarten, bis es zur Operation zu spät war. Auch Kuhn tritt
dafür ein, zu operieren, sobald die Diagnose feststeht, und führt
als Gründe gegen die üblichen inneren Mittel an: Abführmittel
vermehren die Peristaltik und können die Torsion verstärken;
Opium mildert die Beschwerden, ohne das Hindernis zu beseitigen,
und kann so irreführen, indem man den rechten Zeitpunkt für die
Operation ungenützt verstreichen lässt. Auch das Atropin verwirft
er, ebenso mit Braun die Punktion des Darmes.
Trotzdem man speziell seit der Beobachtung v. Zoege’s die
Möglichkeit einer spontanen Detorsion der gedrehten Flexur, die
dieser Autor mit absoluter Sicherheit durch die Bauchdecken hin¬
durch beobachten konnte, nicht mehr bezweifeln kann, scheint dieses
Vorkommnis doch äusserst selten zu sein. Und da die Frühoperation
im Verhältnis zur Spätoperation viel bessere Resultate ergibt, so
darf man wohl die Erwartung aussprechen, dass in Zukunft bei recht¬
zeitig gemachter Diagnose die Anwendung der inneren und anderen
Hilfsmittel mehr und mehr eingeschränkt und die Zahl der Früh¬
operationen und damit der Dauerheilungen eine grössere sein wird
als bisher.
Ueber die Taxis bei Volvulus S romani, die mehr ein
historisches Interesse beansprucht, will ich nur wenige Worte ver-
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Heren. Nach Brau» empfiehlt Rendu, den Kranken, dem man ein
Schlundrohr in den Maetdarm einführt, in die Bauchlage zu bringen
und dann plötzlich von der rechten auf die linke Seite zu drehen;
Hutchinson lässt den Patienten tief narkotisieren und den Unter¬
leib heftig kneten, dabei die Eingeweide nach oben; unten und den
Seiten hin pressen. Nachher wird der Kranke auf den Bauch ge¬
dreht und von starken Männern vorwärts und rückwärts geschüttelt,
während reichliche Klystiere gegeben werden. Zu ähnlichen barba¬
rischen Massnahmen wird sich heute, wo auch bezüglich der incar-
cerierten Hernien der Ruf „Weg mit der Taxis!“ laut wird (Lanz,
Münchener med. Wochenschr. 1902, Nr. 5), ebensowenig ein Arzt
verstehen, wie zu dem Vorgehen Foote’s (1899), der den (erfolg¬
losen) Versuch einer bimanuellen Detorsion in folgender Weise
machte: Während eine Frau mit sehr schmaler Hand diese und
den Vo'derarro ins Rectum einfnhrte, wurde gleichzeitig von aussen
der Versuch gemacht, die Drehung zu lösen.
Die operative Behandlung des Volvulus S romani theilt
Kuhn ein in: 1. diejenige, welche das Hindernis und die momen¬
tane Gefahr beseitigt, und 2. diejenige, welehe zur Verhütung des
Recidivs dient.
Wie schon mehrfaoh erwähnt, neigt der Volvulus des Sromanum,
wenn er spontan oder durch einen Eingriff »dressiert worden ist,
sehr zu Recidiven, weshalb viele Krankengeschichten eine Reihe
von Ileusattaquen aufweisen. AusBer diesen Attaquen aus der
Anamnese, die nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose gestatten, finden
sich viele Fälle, die mehrfach wegen Flexurvolvulus laparotomiert
werden mussten. So unter Obalinski’s 15 Fällen vier, ferner je
ein Fall von v. Bergmann, v. Eiseisberg., Frommer, Steinthal,
Skliffasowsky, Philippowicz.
Roser und Friele verloren jeder einen Fall an Recidiv
wenige Tage nach der Operation. Dreimalige Laparotomie wegen
Wiedereintritt der Torsion erwähnen Foote, Küster und Roux.
Deshalb ist es begreiflich, wenn sich die meisten Chirurgen mit der
ersteren Operation (Beseitigung des Hindernisses) nicht begnügen;
und wenn v. Török die Aufsuchung des Hindernisses und Lösung
der Einklemmung als die „ideale Operation“ bezeichnet, so kann
dies nur gegenüber der Enterotomie Geltung haben. Die letztere
kann unter Umständen ebenfalls zu einem Resultate führen, doch
besteht nach Braun und Naunyn die Gefahr, dass man statt einer
anderen Schlinge das geblähte 8 in die Wunde einnäht und so die
Schlinge noch mehr fixiert. Diese Operation ist daher gänzlich
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verlassen worden, und wenn es der Kräftezustand des Patienten
nur einigetmassen erlaubt, dann sucht der Chirurg das Hindernis
auf, detorquiert die Schlinge und verschafft so dem Darminhalt Ab¬
fluss. Häufig ist es notwendig, vor der Entwickelung der aufs
äusserste geblähten Schlinge diese durch Punktion oder Incision au
entleeren. Nun tiitt aber an den Operateur die wichtige Frage
heran, ob er sich mit dieser Detorsion begnügen solle, wobei der
Patient auch bei glatter Heilung stets in der Gefahr steht, einem
neuerlichen Aufalle von Drehung der Flexura sigmoidea au unter¬
liegen. Energisch wendet sich v. Eiseisberg (1899) gegen die
einfache Detorsion mit den Worten: „Während der Chirurg seit
Jahren bei der Operation der incarcerierten Hernien die Radical-
operation zur Vermeidung des Recidivs folgen lässt, ist dies bei
der Operation des Volvulus und der Invagination noch nicht ge¬
bräuchlich. Der Operateur ist zufrieden, wenn er detorquiereu, be¬
ziehungsweise desinvaginieren kann.“ Nach seiner Ansicht ist aber
die Retorsion keine genügende Operation, dieselbe muss vielmehr
von der Radikaloperation gefolgt sein. Wir wollen im folgenden
selbstverständlich von den verzweifelten Fällen absehen, in denen
man thatsächlich zufrieden sein muss, wenn man den Patienten
durch Detorsion aus der momentanen Gefahr rettet Erlaubt es
der Kräftezustand des Kranken, dann kann man auf mehrfache
Weise versuchen, einen Rückfall zu verhüten.
Bereits anfangs der 80er Jahre empfahl Nussbaum und nach
ihm Roser, die Kuppe der Flexur durch einige Nähte au die Rauch¬
wand zu fixieren. Roux versuchte 1894, „durch eine Art chirur¬
gischen Reflexes geleitet“, die Fixation der lateralen Seite des Meso¬
colon an die Bauch wand; in einem späteren Falle legte er eine
fortlaufende Naht zwischen Mesocolon und Peritoneum parietale mit
gutem Erfolge an. Diese Colopexie ist nun mit geringen Modifi¬
kationen vielfach geübt worden (Braun, Heidenhain, Kader,
Küster, Villar u. a.), doch bietet diese Methode mehrfache Nach¬
teile. Nach v. Eiseisberg kann sich die Fixation nach Nuss¬
baum-Roser wieder lösen, sie kann durch ausgedehnte Adhäsionen
zu neuerlichen Incarcerartionen Anlass geben und überdies kann
trotz Fixation der Kuppe doch teilweise Drehung stattfinden,
während infolge der Methode nach Roux durch Fixation der Flexur
Adhäsionsschinerzen sowie leichte Stenosenerscheinungen zustande
kommen können. Heid.enhain glaubt, dies durch Regelung des
Stuhles in der Nachbehandlung verhindern zu können, indem sich
hiedurch die Schlinge so lagern soll, dass die Adhäsionen keine
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Passagestöning machen. Dass eine Fixation der Flexur Recidiv
nicht mit Sicherheit verhindert, scheint mir der Fall Kuster’s zu
beweisen, in welchem trotz band- und fadenförmiger Verwachsungen
des S romanum mit der Bauchwand (infolge der früheren Laparo¬
tomie) eine neuerliche Torsion der Schlinge eintrat.
Ein weiterer Vorschlag zur Verhütung des Recidivs stammt
von Senn und besteht in der Bildung einer Falte im Mesosigma
parallel dessen Langsachse. Diese Methode wird aber von Braun
und Kuhn verworfen, da sie zur Abknickung der Flexur führen
kann. Chlumsky wendete sie in einem Falle kombiniert mit
Colopexie an und erzielte Heilung.
Riedel begnügt sich mit gründlicher Durchtrennung der
Narbenmassen im Mesosigma und erzielte damit Dauererfolge. Diese
Methode dürfte wohl nur in einzelnen bestimmten Fällen genügen.
Nach Zeidler empfehlen Winiwarter undTrojanoff eineEu-
leroanastomose zwischen den beiden Schenkeln der Flexur an deren
Basis und Schulten Anlegung einer Kommunikation zwischen
unterem Ileum und abführendem Schenkel des S romanum. Aehnlich
machte v. Eiseisberg in einem Falle die Ueocolostomia lateralis.
Frommer, der die Colopexie nicht für ausreichend hält, vereinigte
bei einem Patienten, bei dem die Resektion unthunlich war, durch
Murphyknopf den untersten Dünndarm mit dem obersten Teile des
Rectums und erzielte sehr guten Erfolg, v. Bergmann legte fünf¬
mal den Murphyknopf zwischen Coecum und S, einmal zwischen
Ileum und S an.
Die radikalste Methode, um ein Recidiv zu verhüten, ist jeden¬
falls die Resektion der Flexura sigmoidea. Dieselbe wird,
wenn es mit Rücksicht auf den Zustand des Kranken thunlich er¬
scheint, allgemein bei Gangrän der abgeschnürten Schlinge ausgeführt
und vielfach auch bei Gangränverdacht mit Recht empfohlen. Der
erste, der das S romanum wegen Strangulations-Ileusgangrän resezierte,
war Zoege v. Manteuffel. Die Frage jedoch, ob auch die nor¬
male torquierte Flexur jedesmal reseciert. werden müsse, möchte
ich als noch nicht gelöst betrachten. Obalinski gebührt nach
seinem eigenen Ausspruch „das ganze Verdienst des Vorschlages
und der Ausführung der Resection der torquierten S förmigen Krüm¬
mung“, da er diese bereits 1885 anregte und 1891 dreimal ausführte.
Die Resektion der nicht gangränösen Schlinge wird überdies em¬
pfohlen von Budberg und Koch, Samson, Steinthal u. a.
Von Internisten verficht diese Methode wohl nur Curschmann.
Auch v. Eiseisberg tritt für dieselbe ein, trotzdem er sich die
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Schwierigkeiten und Gefahren derselben nicht verhehlt; er lässt es
jedoch für jeden einzelnen Fall offeu, ob die Resektion primär oder
sekundär zu machen sei. Die letztere Operation dürfte jedoch nur
äusserst selten ausgeführt werden; ich fand keinen hierher gehörigen
Fall von sekundärer Resektion, dagegen einigemal die Erwähnung,
dass sich der Patient hei relativem Wohlbefinden nach gelungener
Detorsion zu einer zweiten Laparotomie nicht entschliessen konnte.
Ausgeführt wurde die Resektion in folgenden Fällen: v. Zoege,
Hofmokl, Solmann, Obalinski (dreimal). Koch (viermal), Riedel,
Haeckel, Friele (zweimal), Bossowski, v. Eiseisberg (zweimal),
Bergmann (fünfmal), Küster, Enderlen, Mintz, Steinthal,
Garr€, Preindlsberger, Kuhn, Anschütz, Böckel, Brehm
(fünfmal), Kreuter.
Im Jahre 1892 publizierte Braun sämtliche operierte Fälle
von Volvulus des S romanum, die er aus eigenem Material und
aus der Literatur kannte. Hneckel erwähnt im Jahre 1896, dass
er noch weitere 54 Fälle aufgefunden hat, ohne dieselben jedoch
anzuführen. Kuhn*) stellte eine Tabelle von 95 aus der Literatur
gesammelten und eigenen Fällen zusammen.
Mir selbst ist es gelungen, zu den 30 Fällen Braun’s noch
weitere 114 operierte Fälle von Volvulus des S romanum aus deu
Jahren 1892 — 1903 und überdies 22 nicht-operierte Fälle aufzu¬
finden, von denen mehr oder weniger genaue Krankengeschichten
veröffentlicht worden sind. Ich lasse nun eine Zusammenstellung
sämtlicher Fälle folgen, indem ich die 30 Fälle Braun’s voran¬
stelle und an diese die von mir gesammelten nach der Zeit ihrer
Publikation geordnet anschliesse, wobei ich die operierten Fälle
von den nicht operierten gesondert habe.
I. Operierte Fälle.
A. Nach Braun.
1. Lindstedt: 52jähriger Mann. Occlusion seit 16 Tagen. De¬
torsion. Heilung.
2. Liden: 53jähriges Weib. Wiederholte Anfälle von Verschluss.
Halbe Drehung. Dauer neun Tage. Detorsion. Tod am nächsten Tage
im Collaps.
*) Während ich der Vollendung dieser Arbeit nahe war, erschien (Dezember
1902) die Publikation Kuhn’s. Ich habe dieselbe noch in dieses Referat mtfge-
nonimen und dasselbe einer teilweisen Umarbeitung unterzogen. Die von Kuhn aus
der Literatur gesammelten Fälle konnte ich jedoch leider nicht benützen, weil bei den¬
selben die Angabe der (Quelle, beziehungsweise des Operateurs fehlt. Von seinen
eigenen sieben Fällen habe ich fünf hier aufgenommen, während ich zwei von Eiseis¬
berg bezw.'von Darre bereits früher veröffentlicht fand.
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3. Clark: 32 jähriger Mann. Dauer 25 Tage. Wiederholte Punktion.
Halbe Drehung. Detorsion. Heilung.
4. Atherton: 56jäbriger Mann. Dauer sieben Tage. Nach dem
Genuss von Kirschen mit den Kernen. Detorsion. Tod nach acht Tagen,
wahrscheinlich an Perforationsperitonitis.
5. Obalinski: 20jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Drehung
um 360°. Detorsion. Heilung. Nach vier Monaten Recidiv. Opera¬
tion nach neun Tagen. Detorsion. Tod nach zwei Tagen infolge Per¬
foration eines Typhusgeschwüres im Ileum.
6. v. Wahl: 40jähriger Mann. Dauer acht Tage. Früher wieder¬
holte Anfälle. Versuche mit Punktion und Dannrohr. Dann Laparo¬
tomie, Detorsion und Anlegung eines Anus praeternaturalis. Tod nach
12 Stunden im Cdlaps.
7. Santvoord: 45jähriger Mann. Dauer neun Tage. Detorsion.
Tod nach sechs Tagen an Pneumonie (keine Peritonitis!).
8. Roser: Mann. Detorsion. Tod am nächsten Tage an Recidiv.
9. Assmuth: 24jähriges Weib. Dauer 59 Stunden. Drehung
17, mal um seine Achse. Detorsion. Tod am nächsten Tage an Peri¬
tonitis.
10. v. Wahl: 68jähriger Mann. Dauer 10 Tage. Detorsion.
Peritonitis schon vor der Operation. Tod.
11. Ders.: 37jähriger Mann. Dauer 13 Tage. Früher wieder¬
holte Anfälle. Drehung um 360°. Perforation an der Drehungsstelle.
Diffuse Peritonitis. Operation wegen ausgedehnter Gangrän nicht zu
Ende geführt.
12. Rvdygier: 17jähriges Weib. Detorsion. Tod nach fünf
Tagen an Meningitis tuberculosa.
13. Ussing: 30jähriges Weib. Dauer sechs Tage. Detorsion.
Heilung.
14. Senn: 36jähriger Mann. Dauer sieben Tage. Früher anfall-
weise Verstopfung. Detorsion. Verkürzung des 8 Zoll langen Mesen¬
teriums durch Nähte um mehr als die Hälfte. Heilung.
15. Braun: 55 jähriger Mann. Seit Jahren Stuhlträgheit mit wieder¬
holten Attaquen von Verstopfung und Kolik ohne Erbrechen. Dauer
10 Tage. Drehung um 360°. Detorsion und Annähung des Colon¬
schenkels durch acht Nähte in der Ausdehnung von 6 cm an die seit¬
liche Bauchwand. Heilung.
16. Ders.: 43jähriges Weib. Dauer vier Tage. Wegen unklarer
Diagnose Anlegung eines Anus praeternat. am Coecum. Nachher fühlt
man in der rechten Bauch hälfte eine stark geblähte Schlinge; deshalb
und weil bei der Operation viel blutig-seröses Exsudat abfloss, Diagnose:
Abschnürung des Darmes. Zwei Tage später Laparotomie. Drehung
um 180°. Resektion unterbleibt wegen bereits bestehender Peritonitis
und Perforation der Schlinge. Uebernähung der zwei gangränösen Stellen.
Tod nach fünf Stunden.
17. Heiberg: 40jähriger Mann. Dauer einen Tag. Punktion. Tod
während der Operation.
18. Spencer Watson: C8jähriger Mann. Dauer sieben Tage.
Beiderseitige Hernie. Einschneiden auf die linke; keine Incarceration,
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Grosse Menge blutigen Exsudates. Wegen Collapses Unterbrechung der
Operation. Tod am nächsten Tage.
19. Eliasen: 61 jähriger Mann. Dauer sieben Tage. Gleichzeitig
Brucheinklemmung. Herniotomie. Tod nach drei Tagen.
20. v. Wahl: 15jähriger Mann. Dauer 16 Tage. Drehung um
360°. Fehldiagnose. Operationsverfahren nicht ganz klar. Tod nach
sechs Tagen.
21. Zoege v. Manteuffel: 57 jähriger Mann. Dauer einen Tag.
Drehung um 330°. Resektion des S und Anus praeternaturalis. Voll¬
kommenes Wohlbefinden und lokale Heilung. Tod an Perforation eines
Magen gesch würes.
22. Braun: 35jähriges Weib. Dauer zwei Tage. Drehung um
360°. Resektion von 86 cm der Schlinge. Heilung.
23. Jobert (1857): 50 jähriger Mann. Dauer 13 Tage. Drehung
um 180°. Anlegung eines Anus praetemat. Tod.
24. Gruber(1861): Weib. Drehung um 360°. Anus praetemat. Tod.
25. Kade(1867): 40 jähriger Mann. Dauer sechs Tage. Drehung,
um 270°. Anus praetemat. Tod.
26. Dera.: 40 jähriger Mann. Dauer drei Tage. Dieselbe Ope¬
ration. Tod.
27. Waldenström: 67 jähriger Mann. Dieselbe Operation. Tod.
28. Dolbeau: 51 jähriger Mann. Datier neun Tage. Dieselbe
Operation. Tod.
29. Staffel: 74jähriger Mann. Dauer neun Tage. Dieselbe Ope¬
ration. Tod. Perforation der Drehungsstelle durch Kirschkerne.
30. v. Wahl: 61 jähriger Mann. Dauer vier Tage. Drehung um
360°. Tod nach sechs Tagen an Darmlähmung und septischer Pneumonie.
B. Von mir gesammelte Fälle.
1892.
31. Skliffassowski: 28jähriger Mann. Dauer 17 Tage. Detor-
sion. Heilung. Nach vier Monaten Recidiv. Dauer acht Tage. De-
torsion und Anus praetemat. Heilung.
32. Hofmokl: 14jähr. Pat. Drehung um 180°. Zuerst Anlegung
eines Anus praetemat. Nach vier Wochen Resektion von 27 cm. Tod
an Peritonitis.
33. Israel: 79jähriger Mann. Dauer acht Tage. Drehung um
180°. Detorsion und Colopexie. Heilung.
34. Solmann: 49jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Resektion
von 72 cm. Heilung.
35. Villar: 40jähriges Weib. Detorsion und Colopexie. Tod.
1893.
36. Mayo: Weib. Dauer drei Tage. Detorsion. Heilung.
1894.
37. Obalineki: 27 jähriger Mann. Dauer acht Tage. Detorsion.
Tod an Peritonitis, die schon vor der Operation bestand.
38. Ders.: 54 jähriger Mann. Dauer zwei Tage. Detorsion. Tod
im Collaps.
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. C'hir. VT.
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39. Der«.: 46jähriger Mann. Dauer acht Tage. Detorsion und
Anus praeternat. Tod an Peritonitis.
40. Ders.: 63 jähriges Weib. Dauer acht Tage. Detorsion. Tod
im Collaps.
41. Ders.: 60jähriger Mann. Dauer 10 Tage. Detorsion. Tod
im Collaps.
42. Ders.: 37 jähriger Mann. Dauer vier Tage. Detorsion. Hei¬
lung. Recidiv nach 11 Monaten. Dauer drei Tage. Detorsion. Tod
an Peritonitis.
43. Ders.: 72jähriger Mann. Dauer vier Tage. Detorsion und
Enterotomie. Tod an Peritonitis.
44. Ders.: 53 jähriges Weib. Dauer sieben Tage. Detorsion. Hei¬
lung. Recidiv nach einem Monat. Dauer 18 Stunden. Detorsion. Tod.
45. Ders.: 40jähriges Weib. Dauer fünf Tage. Detorsion. Hei¬
lung. Recidiv nach 10 Monaten. Dauer einen Tag. Resektion. Heilung.
46. Ders.: 45jähriges Weib. Dauer 12 Tage. Resektion von
47 cm. Tod im Collaps.
47. Ders.: Mann. Dauer fünf Tage. Detorsion. Heilung. Die
beabsichtigte Resektion musste wegen schlechten Kräftezustandes des
Patienten unterbleiben.
48. Ders.: 60jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Resektion von
56 cm. Tod nach vier Wochen an Pneumonie. Lokal vollständige Heilung.
49. Ders.: 33 jähriger Mann. Dauer vier Tage. Detorsion. Heilung.
50. Ders.: 59 jähriges Weib. Dauer drei Tage. Detorsion. Heilung.
1895.
51. Lennander: 65 jähriger Mann. Dauer drei Tage. Drehung
um 180°. Detorsion und Colopexie. Tod an Pneumonie. Keine Peritonitis.
52. Ders.: 71 jähriges Weib. Dauer acht Tage. Drehung um
180°. Detorsion und Anus praeternat. Tod nach neun Wochen an
Decubitus. Von Seiten des Darmes gute Heilung.
53. Smith und Flemming: 85jähriger Mann. Dauer acht Tage.
Detorsion und Anus praeternat. Heilung.
1896.
54. Budberg und Koch: 68jähriger Mann. Dauer vier Tage.
Gangrän der Flexur und Peritonitis. Resektion von 110 cm. Tod.
55. Dies.: 57jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Drehung um
4 3 / 4 Kreisdrehungen. Resektion von 125 cm. Tod an Peritonitis, die
schon vor der Operation bestand.
56. Dies.: 41jähriger Mann. Dauer 24 Stunden. Drehung um
540 °. Resektion von 112 cm. Heilung.
57. Dies.: 32jähriger Manu. Dauer vier Tage. Detorsion. Toi
an Peritonitis, die schon vor der Operation bestand.
58. Dies.: 63 jähriger Mann. Dauer acht Tage. Detorsion. Tod
an Darmlähmung.
59. Man asse: 36jähriges Weib. Dauer drei Tage. Drehung um
360 °. Detorsion. Nachher Wohlbefinden. Nach fünf Tagen wegen
Darmparese neuerliche Laparotomie. Tod nach 27 Stunden.
60. Witthauer: Mann. Dauer vier Tage. Detorsion. Heilung
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1897.
61. Körte: 19jähriger Mann. Dauer sechs Tage. Drehung um
360 °. Detorsion und Colopexie. Heilung.
62. Riedel: 42jähriger Mann. Dauer sieben Tage. Drehung
um 360°. Resektion und Anus praeternat. Tod an Peritonitis infolge
Lösung zweier Dannnähte.
1898.
63. Bayer: 50jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Drehung um
360 °. Detorsion. Tod an Peritonitis infolge Gangrän der Drehungsstelle.
64. Heidenhain: 30jähriger Mann. Dauer zwei Tage. Detorsion
und Colopexie. Heilung.
65. Ders.: 55 jähriger Mann. Dauer einige Stunden. Drehung
um 180°. Detorsion. Heilung.
66. Ders.: 34jähriger Mann. Dauer acht Tage. Drehung um
360 °. Detorsion und Colopexie. Tod im Collaps.
67. Ders.: 66jähriger Mann. Drehung um 360°. Detorsion und
Colopexie. Heilung.
68. Ders.: 70jähriger Mann. Drehung um 360°. Detorsion und
Colopexie. Heilung.
69. Ders.: 63jähriger Mann. Drehung um 360°. Detorsion und
Colopexie. Tod an Pneumonie. Der Bauchbefund weist vollkommene
Heilung auf.
70. Haeckel: 45jähriges Weib. Dauer fünf Tage. Drehung
um 720°. Resektion wegen ausgedehnter Gangrän der Flexur. Heilung.
71 — 75. Friele: Fünf Männer zwischen 50 und 70 Jahren. In
zwei Fällen Gangrän der Schnürfurche. Resektion. Tod an Peritonitis.
In einem Falle Gangrän. Detorsion. Nach dreitägiger Wegsamkeit
wieder Ileus. Abermalige Drehung um 90 °. Tod am nächsten Tage
im Collaps. In zwei Fällen Resektion (von 76 und 97 cm) der nicht
gangränösen Schlinge. Ein Fall starb am fünften Tage an Achsen¬
drehung des Ileums, der zweite geheilt.
76. Koch: 75jähriger Mann. Dauer 17 Tage. Drehung um
360°. Resektion von 75 cm. Heilung.
77. v. Török: 49 jähriges Weib. Dauer acht Tage. Drehung um
360 °. Detorsion. Heilung.
1899.
78. Bossowski: 7jähriges Mädchen. Chronische Achsendrehung.
Resektion von 50 cm. Heilung.
79. v. Eiseisberg: 59 jähriger Mann. Dauer vier Tage. Drehung
um 180°. Detorsion. Heilung.
80. Ders.: 52 jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Detorsion.
Beabsichtigte Colopexie wegen zu starker Dehnung der Darmwand unter¬
lassen. Heilung.
81. Ders.: 38jähriger Mann. Dauer sieben Tage. Drehung um
270°. Detorsion. Heilung. Die geplante sekundäre Resektion wird
vom Patienten verweigert. Derselbe leidet wieder an Koliken.
82. Ders.: 69jähriger Mann. Dauer drei Tage. Drehung um
270°. Detorsion. Colopexie wegen Dehnung unterlassen. Heilung.
Nach einem Jahre Recidiv. Dauer einige Tage. Drehung um 60°. Die
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Dctorsion gelingt leicht, aber da der Darm in die gedrehte Lage zurück¬
kehrt, Resektion. Heilung.
83. Ders.: 55jähriger Mann. Dauer vier Tage. Drehung um
360°. Gangrän der Drehungsstelle. Detorsion und wegen schlechten
Kriiftezustande8 des Patienten bloss Uebernähung der gangränösen Stelle.
Tod an Sepsis.
84. Ders.: 39jähriger Mann. Dauer vier Tage. Drehung um
450 °. Ausgedehnte Gangrän und diffuse Peritonitis. Resektion umi
Anus praeternat Tod im Collaps.
85. Littlewood: 57 jähriges Weib. Dauer sechs Tage. Detorsion.
Tod im Collaps.
86. Ders,: 10jähriges Mädchen. Dauer einen Tag. Detorsion
Heilung.
87. Foote: 22 jähriger Mann. Dauer drei Tage. Drehung um
180°. Detorsion. Heilung. Recidiv nach fünf Monaten. Detorsion.
Heilung. Abermaliges Recidiv nach sieben Monaten. Detorsion und
Colopexie. Heilung.
1900.
88. v. Bergmann: 51 jähriges Weib. Dauer zwei Tage. Drehung
um 270°. Detorsion. Heilung. Zwei Jahre später Recidiv. Detorsion.
Tod an Peritonitis.
89. Ders.: 61 jähriges Weib. Dauer vier Tage. Drehung um
180 °. Verfärbung der Schnürfurche. Detorsion. Heilung.
90. Ders.: 64jähriger Mann. Plötzliches Auftreten. Einen Tag
später Laparotomie. Drehung um 360°. Resektion wegen Gangrän.
Einen Tag später Tod.
91. Ders.: 23 jähriger Mann. Nach dem Heben einer Last. Opera¬
tion einige Stunden später. Neben Achsendrehung auch Verknotung
durch den Dünndarm. Tod nach fünf Stunden.
92. Ders.: 48jähriger Mann. Dauer sechs Tage. Drehung um
360°. Resektion und Anlegung des Murphyknopfes. Tod nach 14 Stunden.
93. Ders.: 76jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Drehung um
180°. Detorsion und Enteroanastomoee. Heilung.
94. Ders.: 44jähriger Mann. Dauer sechs Tage. Drehung um
270°. Detorsion und Enteroanastomose. Tod nach 12 Stunden.
95. Ders.: 40 jähriges Weib* Dauer vier Tage. Drehung um
540 °. Detorsion. Heilung.
96. Ders.: 51 jähriger Mann. Dauer drei Tage. Drehung um
270°. Perforation der Flexur an ihrem Fusspunkte. Anlegung de*
Murphyknopfes zwischen Ileum und Flexur. Einen Monat spät«: Re¬
sektion von 20 cm des durch die Bauchwunde prolabierten Sromanum
Heilung.
97. Ders.: 49jähriges Weib. Dauor fünf Tage. Drehung um
180°. Anlegung des Murphyknopfes zwischen Coecuin und Rectal¬
schenkei des Sromanum. Anfangs Wohlbefinden. Nach sechs Tagen
Tod an Peritonitis infolge Nekrose der Darnwand um den Murphyknopt
98. Ders.: 32jähriges Weib. Dau^r fünf Tage. Drehung um
360 °. Strangulation der Fusspunkte durch einen Netzstrang. Detorsion.
Tod nach 20 Stunden.
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99. Ders.: 64jähriger Mann. Dauer einen Tag. Anlegung des
Murphyknopfes zwischen Ileum und Flexur. Tod nach einer Stunde.
100. Ders.: 47 jähriger Mann. Dauer 13 Stunden. Drehung uni
540°. Drohende Gangrän der Flexur. Resektion. Vereinigung durch
Murphyknopf. Tod nach drei Stunden.
101. Ders.: 52 jähriger Mann. Dauer 36 Stunden. Volvulus des
S romanum und Strangocclusion. Resektion und Vereinigung durch
Murphyknopf. Tod nach drei Tagen. Strichweise Nekrose der Schleim*
haut des ganzen Dickdarmes.
102. Küster: 45jähriges Weib. Dauer zwei Tage. Detorsion.
Heilung. Nach 15 Monaten Recidiv. Dauer vier Tage. Detorsion.
Heilung. Nach 17 Monaten abermals Recidiv. Drehung um 180°.
Dauer drei Tage. Resektion. Heilung. Abgang von Spulwürmern.
103. Enderlen: Drehung um 360°. Resektion von 34 cm. Tod
an Peritonitis.
104. Mintz: 36 jähriger Mann. Dauer vier Tage. Resektion von
80 cm. Heilung.
105. Routier: 47 jähriges Weib. Dauer fünf Tage. Detorsion.
Heilung.
106. Steinthal: 21 jähriges Weib. Drehung um 180 °. Detorsion.
Heilung. Nach 10 Wochen Recidiv. Drehung um 180®. Resektion
von 30 cm. Heilung.
107. Zeidler: 56 jähriger Mann. Dauer drei Tage. Drehung um
180 °. Detorsion. Heilung.
108. Ders.: 61 jähriges Weib. Dauer drei Tage. Drehung um
360°. Detorsion. Tod nach 12 Tagen an Pneumonie. Lokal voll¬
ständige Heilung.
1901.
109. Garrö: 37 jähriger Mann. Dauer 20 Stunden. Drehung um
360°. Resektion von 1 m. Heilung.
110. Preindlsberger: 35jähriger Mann. Dauer sieben Tage.
Resektion. Tod im Collaps.
111. Ders.: 65 jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Detorsion.
Heilung.
1902.
112. Frommer: 19jähriger Mann. Dauer acht Tage. Drehung
um 180°. Detorsion. Heilung. Recidiv nach acht Monaten. Dauer
fünf Tage. Detorsion und Murphyknopf zwischen unterstem Ileum und
oberstem Rectum. Heilung.
113. v. Eiseisberg: 47 jähriger Mann. Chronische Ileussymptome.
Trotz Lösung des Volvulus Wiedereintritt desselben. Daher Ileocolo-
stomia lateralis. Nach zwei Tagen wieder Ileus. Knickung der Ileocolo-
stomie durch Torsion des Dünndarmes und abermals Tendenz zur
Volvulusbildung. Anus praeternat. Tod an Peritonitis infolge teilweisen
Aufgehens der Dünn-Dickdarm-Fistel.
114. Chlumsky: 54jähriger Mann. Dauer vier Tage. Drehung
um 180°. Detorsion. Verkürzung des Mesosignia durch Nähte; die
unteren Nähte gleichzeitig an die seitliche und vordere Bauchwand an¬
gelegt. Heilung.
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115. Philippowicz: Drehung um 360°. Detorsion. Colopexie
an das Peritoneum parietale. Heilung. (Vor 1 i j 2 Jahren wegen desselben
Leidens bereits operiert.)
116. Kiwull: 50jähriger Mann. Dauer acht Tage. Drehung um
360°. Detorsion. Heilung.
117. Ders.: 71 jähriger Mann. Dauer drei Tage. Drehung um
270°. Tod nach 11 Tagen an Pneumonie. Die Bauchwunde weist prima
intentio auf.,
118. Ders.: 49jähriger Mann. Dauer l l / 2 Tage. Drehung um
270°. Detorsion. Heilung.
119. Ders.: 62jähriger Mann. Dauer 12 Stunden. Drehung um
180°. Detorsion. Heilung.
120. Ders.: 61 jähriger Mann. Dauer einen Tag. Drehung um
180°. Detorsion. Heilung.
121. Ders.: 41 jähriges Weib. Dauer zwei Tage. Drehung um
180°. Detorsion. Heilung.
122. Ders.: 45jähriger Mann. Dauer einen Tag. Drehung um
180°. Detorsion. Heilung.
123. Ders.: 64jähriger Mann. Dauer zwei Tage. Drehung um
180°. Detorsion. Heilung.
124. Hepner: 55 jähriger Mann. Dauer drei Tage. Drehung um
180°. Detorsion. Tod im Collaps (Tuberculosis pulmonum, Myode-
generatio).
125. Ders.: 71 jähriges Weib. Dauer acht Tage. Drehung um
180°. Detorsion. Heilung.
126. Ders.: 41 jähriges Weib. Dauer einen Tag. Diagnose: Paraly¬
tischer Ileus e cholelithiasi. Cholecystektomie. Tod am nächsten Tage.
Erst die Sektion ergab Volvulus Sromani. Drehung um 100°.
127. Kuhn: 69jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Drehung um
180°. Resektion. Tod im Collaps (Peritonitis, Diphtherie der Schleim¬
haut an der Nahtstelle).
128. Ders.: 31 jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Drehung um
180°. Detorsion. Heilung. Sekundäre Resektion verweigert.
129. Ders.: 37 jähriges Weib. Dauer vier Tage. Drehung um
360°. Detorsion. Heilung.
130. Ders.: 63jähriger Mann. Dauer sieben Tage. Drehung um
180°. Detorsion. Annähung des Mesosigtna an das Peritoneum parie¬
tale. Heilung.
Nachtrag während der Korrektur:
1903.
131. Anschütz: 53jähriger Mann. Dauer vier Tage. Drehung
um 180°. Resektion von 50 cm. Heilung.
132. Böckel: 2 1 / 2 jähriger Knabe. Seit Geburt. Punktion er¬
folglos. Drehung um 180°. Resektion von 29 cm. Heilung.
133. Brehm: 44jähriger Mann. Dauer einen Tag. Drehung
um 270°. Enteroanastomose. Tod nach 12 Stunden an Darmsepsi?.
134. Ders.: 76jähriger Mann. Dauer sechs Tage. Drehung um
180°. Enteroanastomose. Heilung. (Nach drei Jahren noch gesund.)
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695 —
135. Ders.: 62 jähriger Mann. Dauer zwei Tage. Enteroana¬
stomose. Tod nach drei Tagen.
136. Ders.: 43jähriger Mann. Dauer sieben Tage. Drehung
um 360°. Enteroanastomose (Murphy). Tod an Peritonitis, vom
Murphyknopf ausgehend.
137. Ders.: 20jähriger Mann. Dauer zwei Tage. Drehung um
270°. Enteroanastomose (Murphy). Heilung.
138. Ders.: 48jähriger Mann. Dauer sieben Tage. Gangrän
des S. Enteroanastomose (Murphy). Tod nach 14 Stunden.
139. Ders.: 57 jähriger Mann. Dauer zwei Tage (nach dem Heben
einer Last). Resektion. Murphy. Tod nach fünf Tagen an Pneu¬
monie. Keine Peritonitis.
140. Ders.: 61 jähriger Mann. Dauer vier Tage. Drehung um
270°. Resektion. Tod an Peritonitis.
141. Ders.: 49jähriger Mann. Dauer zwei Tage. Resektion. Tod.
142. Ders.: 39jähriger Mann. Dauer zwei Tage. Drehung um
180°. Resektion. Heilung.
143. Ders.: 62jähriger Mann. Dauer zwei Tage. Drehung um
180°. Resektion. Heilung.
144. Kreuter: 38jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Drehung
um 360°. Gangrän des am stärksten geblähten Coecum. Resektion der
gangränösen Stelle. Ileo-Colostomie. Fixation der Flexur an die Bauch¬
wand. Tod nach fünf Tagen an Peritonitis.
II. Nicht-operierte Fälle.
145. Gruber: 40jähriger Mann. Dauer neun Tage. Tod.
146. Küttner: 65jähriger Mann. Dauer drei Tage. Drehung
um 180 °. Tod.
147. Ders.: 60 jähriger Mann. Tod.
148. Ders.: 79jähriger Mann. Dauer 10 Tage. Tod.
149. Ders.: 60jähriger Mann. Dauer acht Tage. Tod.
150. Eppinger: 59jähriger Mann. Drehung um 540°. Tod.
151. Esau: 38jähriger Mann. Drehung um 180°. Tod.
152. Poppert: 56jähriger Mann. Dauer sechs Tage. Drehung
um 180°. Tod.
153. Staffel: 11 jähriges Mädchen. Dauer acht Tage. Heilung
durch Eingiessungen.
154. Ders.: 8jähriges Mädchen. Wiederholte Attaquen. Stets
durch Einläufe und Opium geheilt
155. Israel: 32 jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Tod.
156. Hofmokl. Tod.
157. Naunyn: Mann. Drehung um 180°. Tod.
158. Budberg und Koch: 72 jähriger Mann. Drehung um
180°. Tod.
159. Dies.: 32jähriger Mann. Heilung durch Eingiessung.
160. Dies.: 23 jähriger Mann. Entstanden nach dem Heben einer
Last. Heilung.
161. Dies.: 70jähriges Weib. Operation verweigert. Drehung
um 360°. Tod.
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162. v. Bergmann: CO jähriger Mann. Dauer drei Tage. Dre¬
hung um 360 °. Tod.
163. v. EiseUberg: 48jähriger Mann. Dauer acht Tage. Dre¬
hung um 360°. Tod.
164. Kuhn: 56 jähriger Mann. Dauer drei Tage. Tod.
165. Der«.: 30 jähriger Mann. Dauer fünf Tage. Drehung um
90 0 (um die Darmachse). Tod.
166. Ders.: 48jähriger Mann. Dauer acht Tage. Tod.
Was vor allem aus diesen Krankengeschichten ersichtlich ist,
ist der Umstand, dass der Volvulus des S romanum vorwiegend
eine Erkrankung des männlichen Geschlechtes und des
höheren Lebensalters ist. Nur Rokitansky behauptet auf
Grund seines recht kleinen Materiales von sechs Fällen, dass der
Volvulus der Flexura sigmoidea bei weiblichen Individuen häufiger
sei als bei männlichen, und erklärt dies durch die örtliche Disposition,
die bei Frauen durch ein langes und schlaffes Gekröse bei aus¬
gedehntem Unterleib gegeben sei. Dagegen sah v. Eiseisberg
unter sechs Fällen kein Weib, Braun fand unter 50 Patienten
40 männliche und 10 weibliche, Leichtenstern unter 37 Fällen
27 Männer und 10 Frauen und Kuhn unter 95 Fällen 73 Männer
und 22 Weiber. Aus meinem Material ergibt sich das Verhältnis
von 125 Männern zu 36 Frauen oder 75,5 °/ 0 : 22,5 °/ 0 .
Auch darüber, dass die uns beschäftigende Erkrankung vor¬
wiegend das höhere Alter betreffe, sind die Meinungen vollkommen
ungeteilt Nothnagel, Koenig, Köttner erwähnen das höhere
Lebensalter unter den prädisponierenden Momenten; Naunyn fand
meist Leute über 50 Jahre und selbst bei den operierten ebenso¬
viel über als unter 50. Unter Curschmann's 28 Fällen war der
jüngste 24, der nächste 37 Jahre alt und unter den übrigen fanden
sich alle weiteren Lebensalter bis zu 70 Jahren. Braun stellte
seine Fälle nach dem Alter geordnet folgendermassen zusammen:
2 Fälle
unter
20 Jahren (15 und 17 Jahre)
6
ft
zwischen
20 und 30 Jahren
11
ft
CO
o
O
6
tt
40 „ 50 „
12
ft
ft
50 „ 60 „
9
ff
über
60 Jahre.
Leichtenstern fand:
1 Fall 10 Jahre alt
6 Fälle 28 — 40 „ „
20 „ 45 — 60 „ „
7 „ über 60 Jahre.
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Von Kuhn’s Fallen waren:
1-10
Jahre
alt
—
11—20
11
11
6
21—30
71
11
6
31-40
11
11
17
41—50
11
11
19
51—60
>«
11
19
61-70
11
11
12
71-80
11
11
4
81—90
11
11
1
Wenn ich meine Fälle in gleicher Weise ordne, so ergibt sich:
Unter
10 Jahren
4
Fälle
zwischen
11 und 20 Jahren
8
11
11
21 „ 30
11
10
11
11
31 „ 50
11
60
11
11
51 „ 70
11
63
11
über 70
11
12
11
davon zwei 79 und einer 85 Jahre alt.
Es ergibt sich daraus, dass der Volvulus S romani in einem
Alter von weniger als 30 Jahren eine Seltenheit ist und dass, trotz¬
dem wir eine zum Teil angeborene Veranlagung annehmen, doch,
wie auch Koch hervorhebt, die prädisponierten Individuen oft erst
in hohem Alter eine derartige schwere Attaque (die allerdings oft
nicht die erste ist) von Volvulus erleiden, dass sie derselben er¬
liegen oder zur Operation kommen.
Was den Erfolg der Operation betrifft, so hatte Naunyn
unter 30 Operierten 19 oder 63 Proz. Todesfälle, was ihn zu einem
Gegner der Frühoperation machte. Allerdings entgegnet ihm Heiden¬
hain, dass er bessere Resultate finden würde, wenn er Spät- und
Frühoperation trennen würde. Heidenhain hatte unter sechs Füllen
zwei Todesfälle, davon einen an Pneumonie und einen, der sterbend
eingebracht wurde, und stellt daher der Operation eine günstige
Prognose. Haeckel, der unter 54 Fällen 33 oder 61,1 Prozent
Heilungen hatte, hält den Volvulus des S romanum unter allen
inneren Einklemmungen für diejenige Form, welche die besten Aus¬
sichten für einen operativen Eingriff bietet.
Obalinski hat unter 19 Fällen neun Heilungen, also ca. 50%,
wobei er jedoch oft ziemlich spät, durchschnittlich am fünften Tage,
operierte. Er glaubt, dass die Operationen am dritten oder vierten
Tage sicherlich 80% Heilungen ergeben würden. Kuhn fand 14
Operationen ohne Beseitigung des Hindernisses, die alle tödlich aus-
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gingen, ferner 57mal Detorsion mit 33 oder 57,9% Heilungen
und 20 mal Resektion mit 11 oder 55% Heilungen.
Von den von mir zusammengestellten 144 operierten Fällen
sind 65 geheilt und 79 gestorben. Dieses Resultat erscheint an
sich als kein besonders günstiges und für die unbedingte Operation
sprechendes, doch ändert es sich bei kritischer Betrachtung.
Vor allem wären von den Todesfällen 37 auszunehraen, die
zu spät, also entweder schon mit Peritonitis oder im Collaps so
geschwächt zur Operation kamen, dass sie den Shock derselben nicht
mehr ertrugen, Fälle also, die ohne Operation sicher verloren waren.
In einzelnen Fällen waren die Patienten so geschwächt, dass die Ope¬
ration überhaupt nicht oder nicht in dem gewünschten Masse (z. B.
Resektion der gangränösen Schlinge) zu Ende geführt werden konnte.
Des weiteren sind 11 Fälle an intercurrenten Krankheiten (Perforation
eines Typhusgeschwüres, Pneumonie [sieben Fälle], Meningitis tuber-
culosa, Decubitus, Achsendrehung des Ileums) gestorben, während der
Bauchbefund bei der Obduktion vollkommene Heilung im Bereiche
des Operationsgebietes ergab. Sehen wir also von den 37 zu spät
Operierten ab und rechnen wir die 11 an intercurrenten Krank¬
heiten Gestorbenen zu den Heilungen, so ergiebt sich das Ver¬
hältnis von 75 Heilungen zu 32 Todesfällen oder etwa
70%: 30%. Von den 32 Todesfällen war in sechs Fällen die Todes¬
ursache oder deren Zusammenhang mit der Operation nicht klar zu
stellen. Von den übrigen 26 Fällen muss man allerdings sagen,
dass der Tod direkt oder indirekt der Operation zur Last fällt.
Aber selbst unter diesen 26 Fällen sind noch sieben (Fall 23 — 29).
die, aus den 60er und 70er Jahren stammend, nicht durch Beseitigung
des Hindernisses, sondern nur durch Anlegung eines Anus praeter¬
naturalis behandelt wurden und die sicherlich heutzutage, wenigstens
zum Teil, nicht ihrem Leiden erlegen wären. Feiner habe ich
jene sieben Fälle (8, 42, 44, 58, 59, 73, 88) hierher gerechnet, bei
denen sich der Operateur mit der blossen Detorsion begnügte und
bei denen das Recidiv tödlich ausging. In drei Fällen (6, 16, 32 1
wurde durch anderweitige Massnahmen die rechte Zeit zur Operation
verpasst, so dass diese dann keine Rettung mehr bringen konnte.
Zweimal (19, 126) wurde infolge falscher Diagnose eine anderweitige
Operation ausgeführt, zweimal (62, 113) war Peritonitis infolge Auf¬
gehens von Darmnähten und einmal (97) infolge von Nekrose um
den Murphyknopf die Todesursache.
Was die 22 nicht-operierten Fälle anbetrifft, von denen 18
gestorben und vier geheilt sind, so handelt es sich hier entweder
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699
um blosse Vermutungsdiagnosen oder um solche, die durch die
Sektion bestätigt wurden.
Aus diesen Resultaten darf inan wohl die Schlussfolgerung
ziehen, dass in Hinkunft durch rechtzeitige Ueberweisung
der Fälle von Volvulus des S romanum an den Chirurgen,
durch zielbewustes Vorgehen von dessen Seite, also durch
Fortschritte in der inneren Diagnostik und chirurgischen
Technik, diese Krankheit viel von ihrem Schrecken ver¬
lieren wird.
Die multiple Neurofibromatose.
(ttecklinghausen'sche Krankheit.)
Sannnelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdoeent n. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung.)
Aber nicht nur diese Neigung einzelner Neurofibrome, in
maligner Weise zu degenerieren, ist geradezu für unsere Kranken
charakteristisch, sondern auch das häufige Befallenwerden innerer
Organe durch maligne Geschwülste. Ich verweise in dieser Be¬
ziehung auf das Kapitel der Organveränderungen, speziell des Magen-
darmtractus. Es eigibt sich daraus eine bei an Neurofibromatose
Leidenden auffällig starke Tendenz von Körperteilen, die nicht
vorher Sitz von Fibromen waren, zur Proliferation und Bildung
atypischer, lokaler, epithelialer Neubildungen.
Dies gilt nicht nur für die inneren Organe, sondern in gleichem
Masse für die Haut. Auch hier ist die Häufigkeit des Auftretens
bösartiger Geschwülste höchst auffällig. Dieselben betreffen aus¬
schliesslich die Gesichtshaut (Bryk 1869, Fall 2: Carcinom des
Nasenwinkels; Hürthle 1886, Fall 2: Carcinom der Unterlippe;
Brigidi 1894: Endothelialsarkom der Wange; Roux 1899, Fall 3:
Epitheliom der Nase) und scheinen sich nicht auf dem Boden eines
Neurofibroms gebildet zu haben.
Zum Schlüsse dieses Abschnittes möchte ich noch zwei Be¬
obachtungen anführen, welche es wahrscheinlich machen, dass Fibrome
auch eine, wenn ich so sagen darf, tuberkulöse „Degeneration“
durchmachen können.
Bei dem bekannten Patient Gui . . . P. Marie’s (1894/95,
Fall 1, Branca 1896, p. 1124) fand sich am Darm ein cirkuläres
tuberkulöses Geschwür („ulc^ration circulaire de nature tuberculeuse“),
in dessen ganzem Bereich Branca Neurofibrome nach weisen konnte,
und zwar lagen sie in dem tieferen Teil der Mucosa. Dieser Be-
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700
fund ist um so wunderbarer, als Patient ausser seinen Hautfibromen
keinerlei sonstige Nervenalterationen, speziell an den peripheren
Nerven, darbot. Es stellt also dieser Fall in zweifacher Beziehung
ein Unikum dar.
Jüngst hat nun Sorgo (1902) eine ähnliche Beobachtung
gemacht:
Es handelt sich um eine notorisch tuberkulöse 45 jährige Frau -
Tuberkelbacillen waren im Sputum nachgewiesen — welche neben mul¬
tiplen Hautfibromen, Pigmentationen und blauroten Flecken der Haut
(Nerventumoren fehlten) zwei kleine Knötchen am Zungenrücken uml
multiple, mehr oder weniger gestielte Tumoren im Innern des Larvux
aufwies. Diese offenbarten sich bei der mikroskopischen Untersuchung
als aus tuberkulösem Granulationsgewebe bestehend; ob es sich um eine
Mischform von Neurofibrom und Tuberkulose oder um eine sekundäre
tuberkulöse Infektion der Larynxfibrome handelt, lässt sich histologisch
nicht entscheiden. Immerhin erscheint Sorgo letztere Annahme als die
nächstliegende.
Wir haben im Vorausgegangenen eines Zustandes der von
Neurofibromatose befallenen Kranken noch nicht zu gedenken Ge¬
legenheit gehabt, unter dessen Bild die Kranken 6ehr häufig enden:
es sind dies jene Zustände von Kachexie und Marasmus, die
auch ohne Mitbestehen oder Hinzutreten einer Tuberkulose, ohne
Auftreten von Metastasen in jenen oben beschriebenen Fällen von
maligner Degeneration, ohne besonders verhängnisvolle Lokalisation
des einen oder anderen Tumors im Centralnervensystem und ohne zum
Teil bereits besprochene, zum Teil noch weiter unten zu besprechende
Komplikationen, kurzum ohne anatomische Grundlage die
Kranken einem langsamen Tode entgegenführen.
Es ist sehr wohl möglich, dass die von P. Marie (1894 95>
so eingehend studierte Myasthenie, die Muskelschwäche (Payne 1S87,
Psilauder 1871, Fremmert 1872/73, Fall 1), die Mattigkeit und
allgemeine Ermüdung (Guyot 1875, Briquet und Ch£rigi€ 1S9\
F'eindel und Oppenheim 1898, Revilliod 1900), die grosse
Kraftlosigkeit (Bergmann 1869), die Körperschwäche und Müdigkeit
(v. Recklinghausen 1882, Fall 1, Löwenstein 1891, Thibifcrge
1898, Danlos 1900, Bourcy und Laignel-Lavastine 1900) die
Vorboten einer solchen Kachexie darstellen.
Folgende Autoren geben die Kachexie oder den Manismus als
direkte Todesursache der Kranken an oder erwähnen das Bestehen
eines solchen Zustandes ausdrücklich:
Pick (1865, Fall 2), Bryk (1869, Fall 1), Fremmert (1S72 73,
Fall 1), Guyot (1S75), Boudet (1883), Launois und Variot (1SS3-
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701
Fall 2), Payne (1887), Shattock (1887), Groh (1888), Hashimoto
(1890, Fall 3), Bagshawe (1893), Reynolds und Collier (1893),
Lnndowski (1894, 1896), P. Marie (1894/95, Fall 1 und 2),
Chauffard (1896) = Ramond (1896), Hoisnard (1897/98, Fall 1),
Briquet und Ch4rigi4 (1898), P. Marie und Couvelaire (1900),
Al. Thomson (1900, Fall 4 und 5, p. 130 und 135), Revilliod
(1900), Little (1901), Rille (1901), mein jüngst beschriebener
Fall (1902).
Für die Annahme, dass eine andere Organerkrankung, speziell
die Lungentuberkulose, besonders häufig die Ursache der
Kachexie sei, lässt sich, wie auch schon v. Büngner (1897) und
Strube (1898) [contra Hansemann (1895) und Kaposi (1899, p.
773)] hervorgehoben haben, aus der Literatur kein Beweismaterial
erbringen.
Viel wahrscheinlicher ist, dass die Kachexie der Neurofibrom-
kranken, die sich, wie erwähnt, sehr häufig einstellt, die Wider¬
standsfähigkeit des Organismus gegen eine tuberkulöse Infektion
herabsetzt.
Sicher ist Lungentuberkulose nachgewiesen bei folgen¬
den Kranken: Barkow (1829), Knoblauch (1843), Passavant
(1855), Förster (1858), Heusinger (1863), v. Recklinghausen
(1882, Fall 1), Sovka (1877, Fall 2), Trölat (1883), Löwenstein
(1891), P. Marie (1894/95, Fall l) = Branca (1896, 1897), Hanse¬
mann (1895), Strube (1898), Sorgo (1902, Frau).
Die Patientin von Thibierge (Soc. m6d. des höp. 1898) zeigte
„quelques signes d’induration du sommet droit en arrifere“.
Die 10jährige Patientin von Mouchet (1900) bot die Zeichen
früher durchgemachter Hauttuberkulose („gommes tuberculeuses sous-
culanöes multiples“) in Form von Narben an beiden unteren Extremi¬
täten dar.
Nur wahrscheinlich ist das Bestehen einer Lungen¬
tuberkulose in den Fällen von:
Mathieu (1896), Brigidi (1894), Burghart (1898), Jehl
<1898) = Leredde und Bertherand (1898), Labouverie (1899,
Obs. 1).
Ueber Tuberkulose bei den Ascendenten der Neuro¬
fibromkranken, die selbst Zeichen bestehender Tuberkulose nicht
boten, berichten: Speranski (1895): von Seiten der Mutter; Chauf¬
fard (1896) = Ramond (1896): zwei Brüder; Spillmann und
Etienne (1898): Vater; Danlos (1900): Mutter; Posthumus
(1900): Schwester; Henneberg und Koch (1901, Fall 2): Vater
und Bruder; mein Fall 11 (1901): Vater und Schwester.
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702
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Erysipel trat in folgenden Fällen auf: Hecker (1858),
Czerny (1874), Fremmert (1872/78, Fall 1), Kyrieleis (1885.
Fall 1), Heydweiler (1887, Fall 1).
Pneumonie finde ich als Todesursache angegeben bei:
A. Heller (1868, Fall 1), Soyka (1877, Fall 1), Rose (1886,
Fall 1), Kriege (1887, Fall 1), Westphalen (1888), Sieveking
(1895), Schewen (1896), v. Büngner (1897), Zinno (1898), Al.
Thomson (1900, Fall 6, p. 146), Henneberg und Koch (1901,
Fall 1).
Dass der Ausbruch einer stets von Decubitalgeschwüren.
Operationswunden etc. ausgegangenen Sepsis und Pyämie von
dem bestehenden Grade der jeweils vorhandenen Kachexie abhängig
sein kann, durfte einleuchtend sein. Eine solche septische Infektion
als Todesursache geben an: Czerny (1874), Kyrieleis (18S5,
Fall 3), Heydweiler (1887, Fall 2), Hoisnard (1898, Fall 1).
Trombetta (1900), Sorgo (1902).
Typhus als Todesursache erwähnen: Mäher und Paven
(1845), Wegner (1870) und Gerhardt-Riesenfeld (1876/78).
Metastasen von in maligner Weise degenerierten
Neurofibromen oder solche, die von einem primären Car-
cinom eines inneren Organes ausgingen, müssen in zahlreichen
Fällen als Ursache der Kachexie, bezw. als Todesursache angesehen
werden.
Ich habe als Fall 2 meiner Casuistik (1901) einen solchen
Fall sarkomatös degenerierten Fibroms mit Metastasen in Lunge und
Zwerchfell mitgetcilt.
Die Kachexie dieser Patientin war ebenso wie in den Fällen
von Genersich (1870, Fall 1), Hebra jun. (1875), Modrzejewski
(1882) = Hasselbeck (1891), Pomorski (1887), Hunie (1891).
Garrö (1892, Fall 17), Tichoff und Timofejeff (1894), Finotti
(1896, Fall 4), Poncet (1897), Roux (1899, Obs. 2), AI. Thomson
(1900, Fall 4, p. 130), Trombetta (1900) und Posthumus (1900>
zweifellos als Todesursache anzusehen.
Pathologische Anatomie.
Die Untersuchungen von v. Recklinghausen (1882) haben
als wichtigstes Resultat ergeben, dass multiple Fibrome der
Haut, multiple Neurome und plexiforme Neurome hinsichtlich
ihres anatomischen Baues untereinander übereinstimmten und in
einen histogenetischen Zusammenhang gebracht werden müssten.
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703
Dafür sprach •— nächst der zweifellos sehr häufig bestehenden
und nachweisbaren Heredität und des gleichzeitigen Zusammen¬
vorkommens sämtlicher angeführten klinischen Bilder der Neuro¬
fibromatose an einem und demselben Individuum oder einzelner Bilder
an verschiedenen Mitgliedern derselben Familie — vor allem:
1. die Gleichheit des nengebildeten Bindegewebes in sämt¬
lichen Tumorarten;
2. der Umstand, dass Nerventumoren in die Geschwülste der
Haut von ihrer Unterseite eindrangen oder sioh zuweilen aus den¬
selben ausschälen Hessen;
3. dass die Hautfibrome eine Lagerung darboten, durch welche
sie von den sonstigen multiplen fibromatösen Neubildungen der Haut,
sowohl den elephantiastischen, wie den papillomatösen, differierten
(Delbanco 1898).
Was zunächst die Hautfibrome anlangt, so bestehen sie aus
einem saftreichen, schwach fibrillären, gefäss- und gelegentlich zell¬
reichen Bindegewebe von weicher Konsistenz und transparenter Be¬
schaffenheit und entstehen durch das Einwachsen von Bindegewebe
von unten her in die Cutis hinein, wobei allmählich der grössere
Teil des Cutisgewebes dieser weichen, neuromatösen Masse sub¬
stituiert wird.
v. Recklinghausen beschreibt nun sehr anschaulich, wie die
neuromatöse Substanz von den subcutanen Nervenstämmen her in
die Haut einwächst, zunächst die zu unterst gelegenen und von
Nerven versorgten Organe, die Knäueldrüsen, umgibt, dann, weiter an
den Nerven der Haut sich fortsetzend, die Blutgefässe, Muskeln,
Follikel umwächst und, sich in feine Bündel auflösend, gegen die
Oberhaut ausstrahlt.
Das feinere Verhalten der Hautnerven und des Hautgewebes
bei der Neurofibrombildung ist eingehend von Kriege (1887), einem
Schüler v. Rccklinghausen’s, und von Unna in seiner Histo¬
pathologie der Hautkrankheiten (1894) studiert worden.
Aus dem Widerstreit der sich vor und nach der Kriege’schen
Publikation bezüglich dieses Verhaltens ergebenden Ansichten blieb aber
die v. Recklinghausen’sche Ansicht, dass die multiplen Hautfibrome
Nervenfibrome sind, die ihren Ausgangspunkt von dem Endoneurium
der feineren Nervenzweige der Cutis, speziell der Pars reticularis,
nehmen, zu Recht bestehen und erfuhr eine Reihe von Bestätigungen,
die keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Anschauung aufkommen
Hessen. Jedenfalls ist der Nachweis von Nervenfasern in den
multiplen Fibromen der Haut in der Mehrzahl der Fälle gelungen.
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704
Die negativen diesbezüglichen Untersuchungen einzelner Autoren
beruhen entweder auf unzweckmässiger Vorbehandlung des Präparates
bezw. der Schnitte, oder darauf, dass Tumoren untersucht wurden,
die bereits eine gewisse Grösse erreicht hatten, in denen bekanntlich
der Nachweis von Nervenfasern sehr häufig misslingt, oder endlich
darauf, dass den Autoren überhaupt die Technik abging und zu
wenig Schnitte untersucht wurden.
Die Nervenfasern sind nicht nachweislich verändert. In grösseren
Tumoren werden sie, wie eben erwähnt, gelegentlich überhaupt ver¬
misst, in kleineren Geschwülsten, sogar den makroskopisch nicht
wahrnehmbaren und oft nicht fühlbaren Knötchen erscheinen sie in
reichlicherer Anordnung, bald im Längsschnitt, bald quergetroffen
oder in spiraligen Windungen, immer aber in deutlicher Diasociation
der einzelnen Nervenfasern, durch welche die aktive Teilnahme des
Endoneuriums direkt bewiesen wird. An anderen Stellen finden sich
noch dioht zusammenliegende, ebenfalls mit Osmiumsäure sich
schwärzende, markhaltige und marklose Nervenfasern, die sich erst
in weiteren Serienschnitten bis zu dem Moment, wo die Dissociation
der einzelnen Fasern vor sich geht, als Einzelfasern verfolgen und
erkennen lassen.
Noch nicht ganz geklärt ist die Frage nach der Möglichkeit
einer Neubildung von Nervenfasern.
Während diese Möglichkeit von den meisten Autoren bestritten
wird, indem eine Neubildung von Nervenfasern noch nie mit Sicher¬
heit nachgewiesen sei, wird dies von anderen für die marklosen
Fasern anstandslos zugegeben.
Aber die Frage, ob markhaltige Nervenfasern aus dem Binde¬
gewebe neugebildet werden können, ist noch zu beantworten.
interessant in dieser Beziehung sind die Untersuchungen von
Petren (1897), dem es in seinem zweite Falle von multiplen Neu¬
romen gelungen ist, mit grösster Wahrscheinlichkeit eine Neubildung
von markhaltigen Nervenfasern nachzuweisen. Seine Bilder
stimmen nämlich mit denjenigen, die man bei Regeneration der
Nerven nach einer Durchtrennung im centralen Stumpfe beobachtet,
gut überein. Petren fasst diese Neubildung als einen im Verhält¬
nisse zur Wucherung des Bindegewebes sekundären Prozess auf.
Nur ganz ausnahmsweise sind von einzelnen Autoren [Hürthle
und Nauwerk (1886), Goldmann (1893), Garrö (1892), v. Bruns
(1892), Berggrün (1897), Al. Thomson (1900) u. a.] Degene¬
ration und atropische Vorgänge an den Nerven nachgewiesen
worden.
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705
An der Diskussion über diesen Punkt hat sich bekanntlich
vorzugsweise Kriege (1887) beteiligt und von ihm, gleichwie von
Westphalen (1887, 1888), Brigidi (1894) und Merken (1899)
ist das Vorkommen von degenerativen Vorgängen an den Nerven
geleugnet worden.
Im ganzen geht aus diesen „Kämpfen“ hervor, dass die
Nervenfasern bei den Neurofibromen bald gar keine Veränderung
zeigen, bald eine vermutlich durch den Druok des neugebildeten
Bindegewebes hervorgerufene, sehr langsam eintretende Verminderung
ihres Volumens oder Atrophie, die oft von einer Reduktion ihrer
Anzahl gefolgt ist Die schneller sich entwickelnde und stärker
hervortretende Degeneration der Nervenfasern ist, wie es scheint
immer von einer Umwandlung der Geschwülste in Sarkom bedingt,
so dass der Satz zu Recht besteht: Gar keine oder eine nur
sehr langsame Zerstörung ist in Bezug auf die Nerven¬
fasern die Folge der benignen Neurombildung(Petren 1897).
Was die übrigen Bestandteile des Neurofibroms betrifft, so
Hesse sich darüber folgendes sagen:
Die Begrenzung des Tumorgewebes ist eine vollkommen scharfe,
das Knötchen selbst ist durch ein äusserst zartes, lockeres, durch¬
scheinendes Bindegewebe charakterisiert, das mehr oder minder
grossen Zellreichtum auf weist; dabei trifft die früher gemachte An¬
gabe, dass die kleineren Tumoren in der Regel die zellreichsten
sind, die grossen dagegen mehr fibrilläre Struktur besässen, nicht
immer zu. Es kommen auch ganz kleine, stecknadelkopfgrosse
Tumoren vor, deren Bindegewebe ausgesprochen fibrillär ist.
Die Zellen selbst haben Spindelform und zeigen einen länglich •
gestalteten, sehr intensiv sich färbenden Kern.
Unna hat (1894) als auffallendsten Bestandtheil des Neuro¬
fibroms neben den gewöhnlichen Mastzellen eine eigene Art von
Mastzellen beschrieben. Letztere werden von einem grossen, durch
polychrome Methylenblaulösung rotgefärbten Hof umsäumt, welcher
durchschnittlich etwa den doppelten Durchmesser der gewöhnlichen
Mastzellen besitzt. Dieser Hof ist nicht körnig, sondern fein spongiös.
Er umgiebt Kern und Körnerhaufen asymmetrisch, nicht allseitig.
Unna ist der Ansicht, dass es sich bei diesen Zellen um sehr weit
getriebene Veränderungen der Bindegewebszellen handelt, welche
vielleicht ganz speziell den Neurofibromen eigentümlich sind.
Die Anordnung der Geschwülste ist häufig eine lappige, d. h.
sie bestehen aus mehr oder weniger scharf voneinander getrennten
Massen, deren Zahl zwei oder drei, aber auch mehr betragen kann.
Centrulblatt t. d. Gr. d. Med. u. Chlr. VI. -15
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Blut- und Lymphgefässe sind gewöhnlich in ziemlicher An¬
zahl vorhanden, daneben kommen Haarfollikel, Talg- und Schwei߬
drüsen in wechselnder Menge vor. Gelegentlich werden diese durch
den Tumor zur Seite gedrängt oder die Schweissdrüsenknäuel und
Talgdrüsenläppchen werden innerhalb des Tumors komprimiert oder
erst recht aneinandergedrängt oder es bildet sich unter dem Ein¬
flüsse der Neubildung eine eigentümliche vitale Reaktion dieser Ge¬
bilde aus, die zu einer richtigen Hypertrophie derselben führt. So
besitze ich, wie Bchon oben erwähnt, einen Schnitt durch einen vom
Patienten 12 meiner Kasuistik (1901) stammenden Tumor, in
dessen Mitte sich makroskopisch der acinöse Bau einer Talgdrüse
erkennen lässt.
Aehnliches bildet Sangster (1880) von einem seiner Präpa¬
rate ab, und einen ebenso interessanten Befund erhob Malherbe
(1901) bezüglich des Verhaltens der Schweissdrüsen an einem von
seiner Patientin stammenden Schnitt. Malherbe fand nämlich nächst
einer Infiltration der bindegewebigen Hülle nooh eine Hyperplasie
der Sekretionszellen und eine Erweiterung der Drüsenschläuche.
Diese und ähnliche Bilder erklären zur Genüge die Angaben
von Lahmann (1885), A. Philippson (1887), Koenigsdorf
(1889) = Du Mesnil (1890), Payne (1887), Ratnond (189tii
= Chauffard (1896), P. Marie (1894/95), Malherbe (1901) u. a. m,
die der Ansicht sind, dass die Fibrombiidung entweder überhaupt
nicht oder doch wenigstens nicht ausschliesslich an das wuchernde
Endoneurium gebunden sei.
Lahmann nahm in seinem Falle die Entstehung der Tumoren
aus den bindegewebigen Hüllen der Talgdrüsen, Haarbälge, Schwei߬
drüsen und Gefässe an. A. Philippson kommt zu dem Schlüsse, dass
die Entwickelung der Geschwülste von den Blutgefässen ausgeht.
Du Mesnil erklärt, dass die Entstehung der Fibrome nicht immer
auf eine primäre Wucherung des Peri- und Endoneuriums der Haut¬
nerven zurückgeführt werden könne, dass vielmehr ein Teil der Fällt*
durch die primäre Wucherung der Bindegewebsscheiden der Gefässe umi
Drüsen verursacht werde und das Gefässsysten» bei dieser wesentlich
beteiligt sei.
Payne hält Haarbälge und Talgdrüsen für den Ausgangspunkt und
Ramond frägt sich, zumal auch P. Marie dieselbe Frage aufwirft, ob
nächst dem Perineurium nicht auch die bindegewebigen Scheiden der
Drüsen und Blutgefässe an der Tumorentwickelung beteiligt sein könnten.
Malherbe endlich gibt für seinen Fall als Ausgangspunkt der
Geschwülste die fibrösen Scheiden der Nerven, die hypertrophischen Ge¬
fässe und den Drüsenapparat der Haut an.
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Auch die fleissigen Untersuchungen von Merken (1899)
haben auf die interessante Frage nach dem Ursprung der Ge¬
schwülste keine einheitliche Antwort gegeben.
Ganz unanfechtbar ist von Merken naobgewiesen, dass bei
einem Teil der Geschwülste, die er untersucht hat, eine Wucherung
des Nervenbindegewebes besteht, wie anch die Bilder, welche durch
wucherndes Bindegewebe auseinander gedrängte Nervenfasern, i. e.
Dissociation derselben, zeigen, nicht anders zu erklären und zu
deuten sind, als dass sich das Endoneurium an diesen Stellen in
Wucherung befindet.
Andererseits ergibt sich nach der Meinung Merken’s aus
einer ganzen Reihe von Präparaten, welche einen direkten Ueber-
gang der Haarbalg-, Talgdrüsen- und Sohweissdrüsenscheiden in das
Geschwulstgewebe zeigen, doch die Möglichkeit, dass auch diese
Scheiden durch Wucherung in Geschwülste sich umwandeln können.
Wie alle diese Fälle zu erklären sind, habe ich bereits an¬
gedeutet.
Ueber den Befund von elastischen Fasern im Tumorgewebe
schweigen sich die Autoren im allgemeinen aus. Nur bei Hallopeau
und in dem Lehrbuch von Winiwarter findet sich die Angabe,
dass elastische Fasern im Geschwulstgewebe vollständig fehlten.
Dasselbe konnte auch Merken (1899) konstatieren. Er fand, dass
das Tumorgewebe von elastischen Fasern vollständig frei war,
während diese in dem dazwischen liegenden Cutisgewebe sehr schön
gefärbt erschienen.
Im ganzen leiden sämtliche Organe der Haut mechanisch durch
die zwischen ihnen sioh entwickelnde Tumormasse, ohne sonst in
ihrer Ernährung beeinträchtigt zu werden.
Der Papillarkörper bleibt im allgemeinen von der Neubildung
unberührt. Bei stärkerer Ausdehnung des Tumors erst wird dieser
gedehnt und die darüber liegende Epidermis verdünnt.
An den gleichzeitig mit den multiplen Hautfibromen, aber
mich, wie wiederholt erwähnt, unabhängig von ihnen vorkomuienden
Xerventumoren kann man makroskopisch oft mit Leichtigkeit die
Nerven in den einen Pol der Verdickung eintreten und am anderen
wieder heraustreten sehen. Das Verhalten der Nervenfasern inner¬
halb des Tumors kann dabei ein sehr verschiedenes sein; bald sind
die einzelnen Nervenfibrillen oft sehr weit auseiuandergedrängt, bald
nur die einzelnen Bündel, bald auch zieht der Nerv als ganzes
mitten hindurch oder der Nerv ist in toto quasi dem Tumor ange¬
lagert, so die verschiedenen Ursprungsstätten des gewucherten Binde-
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gewebes zu erkennen gebend: das Endoneurium im ersteren Falle,
das Perineurium in letzterem.
Nicht immer gelingt der Nervennachweis in dieser Form der
Neurofibromatose gleich gut und gleich leicht, da die Fasern durch
Druck zum Schwund gekommen sein können.
.Eine solcheNervendegeneration kann hier also Vorkommen,
wie dies auch wieder in zwei von Al.Thomson(1900) beschriebenen
Beobachtungen der Fall war, während dieselbe bei sarkomatöser Um¬
wandlung der Tumoren die Regel ist
Hinsichtlich einer Neubildung von Nervenfasern in diesen
Neuromen verweise ich auf das im vorigen Abschnitt über diesen
Punkt Gesagte, speziell die Angaben Petren’s (1897).
Das plexiforme Neurom (Verneuil) oder Rankenneuroni
(v. Bruns) lässt sich mit Al. Thomson (1900) pathologisch-anato¬
misch am besten definieren als eine umschriebene und doch gleich¬
zeitig diffuse Fibromatose.
Dasselbe besteht aus einem Konvolut zahlreicher, cyliudrischer,
mit Anschwellungen versehener Stränge, welche vielfach gewunden
und verschlungen, zum Teil verästelt und zu unregelmässigen Knäueln
vereinigt in einer fibrösen Masse eingebettet sind.
Die einzelnen Knollen und Stränge lassen sich durch Präpa¬
ration auseinanderlegen. Man sieht dann zur Evidenz, dass sie an
Nerven angereiht sind.
Dabei können kleinere oder grössere Nervengebiete, oft mehrere
Plexus in die Neubildung mit einbezogen werden. Auch hier kann
man makroskopisch den Hauptnerven unter Umständen in die bezw.
aus der Geschwulst ein- und austreten sehen. Doch bedarf es dazu
immer sorgfältiger Präparation.
Histologisch findet man dieselbe Wucherung des Endoneuriums
wie bei den multiplen Hautfibromen bei passivem Verhalten der
Nervenfasern. Doch hat v. Bruns (1870) angegeben, dass im
Rankenneurom auch eine Neubildung von Fasern vorkomme.
Meist dürfte es sich aber auch hier nur um eine mechanische Be¬
einflussung der Nerven handeln, wie es bei den anderen Formen
der Neurofibromatose ausschliesslich gilt. Nur macht die starke
Schlängelung der plexiformen Neurome die Annahme einer Ver¬
längerung der Nerverfasern notwendig (Ribbert 1898).
Ausnahmsweise tritt einmal Nervendegeneration ein.
Eine interessante Besonderheit des plexiformen Neuroms ist
die Tendenz, Muskeln zu durchbohren und sich in deren Substanz
zu verzweigen, worauf wieder neuerdings Al. Thomson (1900) auf-
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merksam gemacht hat und wie ich es selbst in meinem jungst
beschriebenen Falle (1902) gesehen und beschrieben habe.
Das Wesentliche an der Elephantiasis neuromatosa ist, wie
dies Thomson (1900) in einem äusserst charakteristischen Fall
wieder nachgewiesen hat, die schrankenlose Ausbreitung der Fi-
bromatosis von dem Endoneurium der Hautnerven auf das um¬
gebende Gewebe.
Ueberblicken wir zum Schlüsse dieses Abschnittes das Gesagte,
so müssen wir daran festhalten, dass seit v. Recklinghausen’s
Arbeit (1882) auch nicht eine einzige einen wirklichen Fort¬
schritt in der pathologischen Anatomie dieser interessanten
Erkrankung gebracht hat.
Die Pigmentmäler sind nach Soldan (1899) in der Mehr¬
zahl der Fälle die ersten dem Auge erkennbaren Merkmale eines
fibromatÖ8en Prozesses des Bindegewebes der Hautnerven; die
Pigmentation selbst ist wahrscheinlich eine Folge der Fibromatose
des Nervenbindegewebes.
Soldan hat diese Verhältnisse auf Grund eigener Unter¬
suchungen, deren Besprechung uns hier zu weit führen würde, ein¬
gehend studiert und durch vortreffliche Abbildungen mikroskopischer
Schnitte illustriert.
Die Untersuchungen. Brigidi’s (1894), FeindePs (1896) und
OrioPs (1897) über den Sitz, die Lagerung und die Herkunft des
Pigments, können hier übergangen werden.
Ueber die Histologie der blauen Flecke habe ich nur
wenig zu sagen:
Ich habe Gelegenheit gehabt (1901), mehrere von verschiedenen
Kranken stammende Hautstücke, welche solche blaue Flecke trugen,
mikroskopisch zu untersuchen, und halte sie für die Anfangsstadien
der Hautfibrome; der Nachweis des oft mikroskopisch kleinen, scharf
begrenzten Fibroms gelingt regelmässig und leicht. Typisch für
diese miliaren Tumoren sind der auffallende Kernreichtum und die
Erweiterung der Capillaren, sowie der Gefässreichtum des Knötchens
im allgemeinen.
Auch Sorgo hat neuerdings (1902) solche Flecke histologisch
untersucht, fand aber keine Teleangiektasien, sondern hält die Blau¬
färbung für einen Ausdruck einer Atrophie der Haut.
Diese Erklärung stimmt möglicherweise für diesen einen von
ihm untersuchten Tumor, für die Mehrzahl derselben stimmt sie
sicherlich nicht. tFortwuung folgt.)
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II. Referate.
A. Lunge, Bronchien.
Abscessns pulmonum, Pneumotomi. Patienten förbättrad. Von
K. Lange. Hygiea, F. II, Jahrg. 2, p. 372.
Nach einer Lungenentzündung vor vier Jahren erholte sich Pat¬
ern 24 jähriger Bauer, nicht, hustete immer, magerte ab und kam sehr her¬
unter. Morgens mehrmals maulvolle Expektoration von Eiter. Bei der
Untersuchung rechte Brusthälfte eingesunken, starke Dämpfung, ampho¬
risches Atmen in der oberen Hälfte. Operation: Resektion von 6 cm
der 2. Rippe rechts, Incision 4 cm tief in die adhärente Lunge mit
Messer und Paquelin, Tamponade, da Eiter nicht gefunden wurde. Nach
ein paar Tagen reichliche Eiterabsonderung, mit der Sonde kam man in
eine kleine Höhle, aus der reichlich Eiter entleert wurde, Auswurf wurde
geringer. Pat. wurde gebessert mit einer Lungenfistel entlassen.
Köster (Gothenburg).
Ett fall af gangrenös lungabscess. Von C. Peterson. Ups. Läkaref.
Förh., N. F., Bd. VII, p. 170.
Bei einem 16 jährigen Knaben entstand ein gangränöser Lungen-
abscess infolge Einatmens einer Aehre bei der Heuernte. 14 Tage später
Fiober, fötide Exspirationsluft, später Eiter bei der Probepunktion, Ent¬
leerung eines faustgrossen Abscesses im unteren rechten Lungenlappen.
Heilung. Köster (Gothenburg).
Primär lungkancer med avnlatceller i pjpuraexsadat och sputuni
Von A. Josefson. Hygiea, F. H, Jahrg. 1, p. 435.
In einem Falle von primärem Lungenkrebs mit hämorrhagischem
Pleuraexsudat gelang es Verf., in diesem Exsudat sowie im Sputum Krebs¬
zellen nach folgender Methode nachzuweisen: Centrifugieren, Zusatz von
Alkohol, absol., Einbetten des Bodensatzes in Paraffin oder Celloidin
und Färben der Schnitte. Das Sputum lässt man den Pat. direkt in
absolut. Alkohol spucken. Die Zellen zeigten schöne Mitosen.
Köster (Gothenburg).
Cancer bronohique primitif suivi de carcinose miliaire avec sys
drome polyndvritique. Von Oberthür. Revue Neurologique,
X, 11.
Neuritiden sind bekanntlich keine seltenen Begleiterscheinungen bei
Carcinomerkrankungen; vermutlich sind sie autotoxischen Ursprungs.
Verf. ist nun in der Lage, eine Beobachtung mitzuteilen, wo die Er¬
scheinungen der Polyneuritis das Krankheitsbild beherrschten und die
Krebserkrankung erst am Sektionstisch diagnostiziert wurde.
32jährige Frau; seit Jahresfrist leichte Ermüdbarkeit bei Bewe¬
gungen, vage Schmerzen in Brust, Wirbelsäule und Schultern; beginnende
Abmagerung; später Husten mit Blutauswurf; weiterhin krampfartige
Schmerzen in den Extremitäten und längs der Wirbelsäule, rasch zu¬
nehmende Muskelatrophie. Nervendruckpunkte, Muskeldruckempfindlich¬
keit; Sehnenreflexe herabgesetzt, später aufgehoben; Hyperästhesie bei
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Lokalisationsfehlern bezüglich applizierter Hautreize. Zunehmende Dyspnoe.
Die Lungenperkussion ergiebt links starke, rechts geringe Dämpfung;
auskultatorisch fehlt links fast jedes Atemgeräusch, rechts unten Reiben,
verschärftes Atmen und vereinzelte feinblasige Rasselgeräusche hörbar. —
Pat. verfällt immer mehr, lässt Kot und Urin unter sich, wird comatös
und stirbt schliesslich im Coma.
Die Sektion ergibt ein primäres Careinom der linken Lunge, von den
Bronchien ausgehend, Einbruch in die Lungenvene und sodann rasche
Dissemination über alle Regionen des Körpers, allgemeine, stellenweise
miliare Carcinose, carcinorpatöse Pleuritis. Die Nerven zeigen neuritische
Veränderungen, wie sie der Kachexie angehören. Zudem waren die
peripheren Nervenendigungen teile durch — wohl autotoxische — myosi-
tische Prozesse in den Muskeln, teils durch Kompression seitens krebsiger
Massen geschädigt. Erwin Stransky (Wien).
Ueber einen Fall von Fistelbildnng zwischen den Gallenwegen
und einem Bronchns. Von Eschenhagen. Deutsche med. Wochen¬
schrift, 28. Jahrg., Nr. 30.
Die schon seit mehreren Jahren bestehende Cholelithiasi* hatte auf
dem Wege der Cholecystitis und Cholangitis zu einer adhäsiven Perito¬
nitis und zu multiplen Leberabscessen geführt. Durch Durchbruch eines
dieser Abscesse in die Lunge entstand eine Gangrän, die plötzlich durch
massenhaften, eitrigen, stinkenden Auawurf in die Erscheinung trat
In der Folgezeit trat häufig im Auswurf reine Galle auf, was sich
bei der Sektion (Pat. ging nach einigen Monaten an Entkräftung zu
Grunde) dadurch erklärte, dass die ursprüngliche Abscesshöhle zur Aus¬
heilung gelangt war und sich in eine mit Galle gefüllte Höhle verwandelt
hatte, die durch einen mit Granulationen ausgekleideten Fistelgang mit
einem Bronchus in Verbindung geblieben war.
Laspeyres (Bonn).
Zar Kasuistik der Fremdkörper in den Bronchien. Von A. B.
Bogorad. Die Chirurgie, Bd. XI, p. 564. (Russisch.)
Zwei Fälle: 1. Einem acht Jahre alten Knaben geriet vor zwei
Wochen die metallische Hülse eines Bleistiftes in den linken Bronchus
Husten vom dritten Tage nach dem Unfall, viel eitriger Auswurf. Linke
Lunge atelektatisch. Tracheotomie; zweimalige Versuche die Hülse mit
verschiedenen Instrumenten zu fassen, blieben erfolglos: sie war stark
eingekeilt und sah mit der Oeffnung nach oben. Nach dem zweiten
Versuch besonders starker Hustenonfall, wobei die Hülse ausgehustet
wurde. Heilung.
2. Einem 24 Jahre alten Mann geriet vor einem Jahr und acht
Monaten ein metallischer Hemdknopf in den Bronchus des rechten
unteren Lungenlappens. Es werden kolossale Mengen eitrigen Auswurfs
entleert. Keine Lungengangrän, keine Tuberkelbacillen. Zweizeitige
Pneumotomie. Nach Probepunktionen wird 2 — 2,5 cm tief mit dem
Paquelin eingegangen in der Richtung, wo Eiter punktiert wurde; es
wurden mehrere Höhlen im Lungenparenchym eröffnet Tamponade.
Es wurde nun viel weniger Schleim ausgehustet. Nach einigen Tagen
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konnte man mit einem Katheter einen Gang in die Tiefe finden, wo
scheinbar etwas Hartes lag. Drainage; seitdem kein Auswurf mehr.
Noch etwas spater ging man teils mit dem Paquelin, teils stumpf
8—9 cm tief ein. Doch trat venöse Blutung auf, die auf Tamponade
stand, beim nächsten Verbandwechsel wiederkehrte und nach weiteren
drei Tagen zu kolossaler Hämoptoe und ^Exitus führte. Bei der Sektion
fand man den verrosteten Knopf in der Nähe des Endes des Ganges.
Die Blutung kam aus einer benachbarten grossen Vene; eine Eiterhöhle
wurde nicht gefunden; es handelte sich also um circumscripten Bronchial¬
katarrh. Gückel (Medwedowka, Kiew).
B. Magen.
How to see the stomach curvatures with our naked eyes etc.
Von M. Knapp. New York med. Journ., Vol. LXXV, 15. Febr.
Die Einführung von Instrumenten in den Magen oder die Auf¬
blähung zu diagnostischen Zwecken haben den Nachteil, dass die normale
Lagerung und der normale Umfang des Magens durch diese Manipula¬
tionen verändert werden. Allein durch die Inspektion kann der
Verlauf der grossen Kurvatur — und bei Gastroptosis auch der kleinen —
genau an der Bauch wand abgelesen werden, gleichviel wie dick dieselbe
ist. In Rückenlage des Pat. sind die Kurvaturen als feine, sich mit der
Atmung verschiebende Linien sichtbar. Bleibt trotzdem ein Zweifel be¬
stehen, so empfiehlt Verf. die Perkussion der Magengrenzen nach Auf¬
blähung des Colons vom After her. Mohr (Bielefeld).
Tetanie bei Magenleiden. Die pathologisch-anatomischen Verände¬
rungen des Nervensystems bei derselben. Von S. P. Tscher-
nyschew. Med. Obosrenje, Bd. LVH, p. 285. (Russisch.)
Pat. ist 43 Jahre alt, leidet seit fünf Jahren an hartnäckigem,
zuweilen blutigem Erbrechen, Am 20. April wurde er von einem Pferde
gegen das Knie gestossen; hier findet man eine Hautabschürfung. Am
21. April Tetanie. Am 22. April Tod. Sektion: Magengeschwür am
Pylorus. Muskeln: Verminderung und Schwund der Querstreifung.
Periphere Nerven: einige Fasern sind degeneriert. Im ganzen centralen
Nervensystem finden sich bedeutende Degeneratiouserscheinungen, beson¬
ders in der Rinde der Central Windungen.
Gückel (Medwedowka, Kiewu
Note sur un cas d’ulcöre rond double, latent, teriuinö par Perfo¬
ration. Von F. Bourlot. Büll. de la Soc. anat., 75. annöe, p. 472.
42jährige Patientin; seit einigen Monaten spontane und Druck¬
schmerzhaftigkeit im Epigastrium, Steigerung der Schmerzen unmittelbar
und einige Stunden nach dem Essen. Habituelle Obstipation, selten Er¬
brechen, nie Hämaturie. Plötzliche Zunahme des Schmerzes und komplette
Obstipation führten die Patientin ins Spital. Temperatur 38,2, leichter
Meteorismus, Rectalernährung. Die Pulsfrequenz stieg in den nächsten
Tagen, die Temperatur sank, fäkaloides Erbrechen, andauernde absolute
Obstipation. Als man die Kranke behufs Operation in den Opemtions-
saal brachte, trat diarrhoische Entleerung auf. Besserung des Allgemein¬
befindens. Man sah von der Operation ab. Nachts neuerliches Erbrechen.
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Laparotomie: Feuchte Peritonitis, Membranen und eitriges Exsudat.
Der gesunde Appendix wurde reseciert. Tod am nächsten Tage. Die
Druckempfindlichkeit war auf das Epigastrium beschränkt geblieben.
Die Autopsie deckte zwei runde Magengeschwüre auf, deren
eines zur Perforation geführt hatte. Kein Gas und kein Mageninhalt
im Peritonealraume. J. Sorgo (Wien).
Le lavage de l’estomac dans les gastrorragies. Von Linossier.
Bull, de l’Acad. de Möd., Bd. XLIV, p. 282.
Magenblutungen stellen keineswegs eine Kontraindikation gegen
Magenausspülungen dar; starke Hämatemesen können sogar gestillt
werden, besonders wenn man der Spülflüssigkeit Ferrum sesquichloratum
zusetzt In Fällen von Pylorusstenose mit unstillbarem Erbrechen, hef¬
tigen Schmerzen, behinderter Nahrungsaufnahme erreicht man trotz
Blutungen ausgezeichnete therapeutische Resultate sowohl hinsichtlich des
Allgemeinbefindens als auch der Frequenz und Stärke der Blutung.
J. Sorgo (Wien).
Two cases of supposed gasfric Perforation, in which no explana-
tion of the Symptoms was found at Operation. Von A. Smith.
New York med. Journ., Vol. LXXV, Nr. 24.
Zwei Fälle, bei welchen auf Grund der klinischen Erscheinungen
eine Perforation eines Magengeschwürs angenommen wurde, während nach
dem Operationsbefund keine vorlag.
Fall 1. 28jährige Patientin mit Schmerzen und Erbrechen nach
dem Essen, Blutbrechen und frischem Blut im Stuhl; im Laufe einiger
Tage immer mehr zunehmende lokale Schmerzhaftigkeit im Epigastrium;
schliesslich trat Fieber auf, der Puls wurde im Laufe eines Tages immer
frequenter und kleiner, Shockerscheinungen. Diagnose: Perforation oder
Blutung. Mediane Laparotomie, Bauchhöhle normal, ebenso die Magen¬
oberfläche. Der Magen wurde nicht eröffnet, Tod nach 24 Stunden,
Sektion verweigert.
Fall 2. 28jährige Frau. Seit längerer Zeit dyspeptische Be¬
schwerden, leichte Nausea, geringfügiges Erbrechen nach dem Essen,
zeitweilig altes Blut im Stuhl, keine Schmerzhaftigkeit im Epigastrium,
leichter Lungen spitzen katarrh. Im weiteren Verlaufe einigemal Hämat-
emesis, dann rasch an Intensität und Frequenz zunehmendes Erbrechen
bei völlig normalem Abdominalbefunde, Temperatursteigerung, Puls immer
kleiner und frequenter, schliesslich septischer Allgemeinzustand, am Ab¬
domen ausser leichter Muskelrigidität negativer Befund. Operation unter
der Annahme einer Ulcus-Perforation. Abdominalhöhle normal, keine
Magenperforation, Nach Eröffnung des Magens wurde ein nur das
Epithel durchsetzendes Ulcus der kleinen Kurvatur festgestellt, welches
keine Anzeichen frischer Blutung bot. Excision des Geschwürs, Tod
nach 24 Stunden. Autopsiebefund: Keine sonstigen Veränderungen an
den Bauchorganen; die mikroskopische Untersuchung der Magenschleim¬
haut ergab Tuberkel und spärliche Tuberkelbacillen. Keine sonstigen
tuberkulösen Veränderungen. Die Erklärung der klinischen Symptome
und die Todesursache blieben zweifelhaft. (Infektion vom Geschwür aus?)
Mohr (Bielefeld).
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Gunshot wounds of the stomach, witb a report of a case. Von
P. Eve. New York med. Journ., Voi I4XXV, Nr. 23.
Verf. skizziert kurz das Krankheitsbild und die Behandlung der
Schuss Verletzungen des Magens und berichten über folgenden Fall:
Ein 25 jähriger Mann erhält eine Scunde nach einer grösseren
Mahlzeit einen Schuss, der die Bauchhöhle von rechts nach links in
frontaler Richtung in Magenhöhe durchsetzt. Sofort starkes Erbrechen,
bald darauf Laparotomie in der Mittellinie: Einschuss an der vorderen
Magen wand von Silberdollargros9e, Ausschuss am Magen noch bedeutend
grösser, an der grossen Kurvatur gelegen; sonstige Bauchorgane unverletzt,
in der Bauchhöhle massenhafte Blutgerinnsel und einzelne Kleiderfetzen.
Naht der Magenwunden, Schluss der Bauchwunde ohne Drainage. Glatter
weiterer Verlauf; vom 18. Tage an feste Nahrung mit Vermeidung aller
eventuell zu Gärung führender Nahrungsmittel. In den nächsten
Wochen mehrfach Diätfehler, welche zu Zersetzungsvorgängen und Gas¬
auftreibung des Magens führen. Fünf Wochen post operat. plötzliche Er¬
krankung mit Schüttelfrost, hohem Fieber, starker Auftreibung des
Magens, sehr beschleunigter Atmung, Schmerzen in der rechten Brust¬
seite. Im Laufe der nächsten acht Tage mehrfache Schüttelfröste, Ent¬
wickelung einer rechtsseitigen Pneumonie, hierauf eines rechtsseitigen
Empyems. Thorakotomie; nach vorübergehender Besserung Tod an Er¬
schöpfung sieben Wochen nach der Magenverletzung.
Verf. lässt es zweifelhaft, ob die Lungenerkrankung durch eine
Infektion von den vielleicht nie ganz verheilt gewesenen Magenwunden
aus zu stände kam oder durch eine spätere Infektion nach einer Er¬
kältung, welche Pat. sich zugezogen hatte. Mohr (Bielefeld).
Der Einfluss des Carcinoma auf die gastrischen Verdauung»Vor¬
gänge« Von Ch. Emerson. Deutsches Archiv f. klin. Med., Bd.
LXXII, H. 5 u. 6.
Die unter Leitung von Friedrich Müller ausgeführte interessante
Arbeit sucht die Frage des Salzsäuredefizites bei Magenoarcinom zu be¬
antworten. Untersuchungen des Mageninhaltes nach Verabreichung von
Wasser und Salzsäure in den leeren Magen machten es wahrscheinlich,
dass die eingebrachte Salzsäure durch die Sekretion eines alkalischen
Saftes neutralisiert werde, wie Mehring schon früher angenommen hat
Dass carcinomatöses Gewebe eine Autolyse einzugehen imstande
ist, hat Petry nachgewiesen. Untersuchungen der Hofmeister’schen
Schule zeigten, dass dabei Körper mit basischen Eigenschaften Auftreten.
Friedrich Müller schien es danach nicht unwahrscheinlich, dass im
Magenoarcinom ein autolytisches Ferment vorhanden sein könnte, dessen
Thätigkeit basische Körper entstammen. Zum Nachweis desselben
wurde zunächst der Einfluss von carcinomatösem Gewebe auf Salzsäure¬
bindung in künstlichen Verdauungsmischungen studiert und dabei
gefunden, dass ein Zusatz von frischem Carcinomgewebe zu einem
Salzsäure- Pepsin -Fibringemisch eine erhöhte Salzsäurebindung veran-
lasste, dass ferner weniger Säure gebunden wurde, wenn das Carcinom-
stück vorher auf 80° erhitzt wurds. Diese Resultate erlaubten den
Schluss, das9 aus dem Carcinomgewebe basenartige Stoffe gebildet wur-
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den, dass ferner ein in dem frischen Krebsgewebe wirksamer Stoff fermen¬
tativer Natur ist, da er durch Erhitzen auf 80° unwirksam wird.
Einer weiteren Versuchsreihe wurde die Aufgabe gestellt, nachzu¬
weisen, ob thatsächlich im Inhalte des carcinomatösen Magens sich mehr
und höhere (über das Pepton hinausgehende) Spaltungsprodukte fanden,
die das Salzsäuredefizit verursachten, als im Mageninhalt des normalen
oder andersartig erkrankten Magens.
Die Versuche wurden zunächst an künstlichem Verdauungsgemisch
angestellt, und zwar mit dem Ergebnis, dass jede Mischung mit uner¬
hitztem Gewebe eine weiter vorgeschrittene Verdauung zeigte, als eine
solche mit erhitztem Carcinomgewebe. Die Analyse einer grösseren Serie
von Mageninhalt bei Nichtcarcinomatösen ergab, dass etwa 50 Proz. des
in Lösung befindlichen Stickstoffes die Albumosenlinie überschritten hat,
während im Inhalte des carcinomatösen Magens etwa 72,6 Proz. resul¬
tierten, so dass also auch diese Versuche auf die Bedeutung des Carcinoms
im Sinne der Bildung von höchsten Eiweissstufen hindeuten. Welcher
Art diese Körper sind, ist noch unbekannt; da auch totes Carcinom¬
gewebe diese Körper produziert, ist wohl eine aktive Sekretion auszu-
echliessen, vielmehr anzunehmen, dass die basischen Stoffe das Produkt
einer Fermentwirkung sind, wobei das Ferment vom Krebsgewebe ge¬
liefert wird und nach Art der autolytischen Fermente wirkt.
Hugo Starck (Heidelberg).
Sur un cas de s tönose cancöreuse du pylore ä gyinptömeg inso-
lites. Von G. Hayem. Gaz. hebd. de möd. et de chir. 1902, Nr. 39.
Es handelt sich um ein auf Grund eines Ulcus ventriculi entstan¬
denes Pyloruscarcinom mit Reichmann’schem Magensaftfluss. Der
sowohl vor wie während der Operation deutlich fühlbare nussgrosse
Tumor kam nach der Gastroenterostomie zum Schwinden. Hayem
citiert einen zweiten Fall, in welchem ebenfalls nach der gleichen Ope¬
ration der Tumor verschwand. Hugo Starck (Heidelberg).
Ein Fall von Rundzellensarkom des Magens. Vom H. Thursfield.
Transact. Pathol. Soc. London, Vol. LII.
Ein dreijähriger Knabe wurde wegen eines grossen Bauchtumors
in das Spital gebracht, wo er bald starb. Die Sektion ergab, dass der
ganze Magen in eine sarkomatöse Masse umgewandelt war; der perito¬
neale Ueberzug war frei, nirgends bestand Ulceration, die Magenwand
war bis s / 4 Zoll dick. Beide Nieren waren von metastatischen Rund¬
zellensarkomen durchsetzt. Verf. weist auf die grosse Seltenheit des
Falles hin. J. P. zum Busch (London).
Resection totale de Testoinac suivie de guörison. Von J. Boeckel.
Bull, de l’Acad. de Möd., Bd. XLIV, p. 17.
Der erste aus Frankreich mitgeteilte Fall von totaler Magenresek¬
tion. Die Operation wurde ausgeführt wegen eines von der kleinen
Kurvatur ausgehenden, vom Pylorus bis zur Cardia sich erstreckenden
Carcinoms. Pat. wurde nach 33 Tagen geheilt entlassen. Verf. meint,
durch den glücklichen Ausgang der Operation encouragiert, man möge
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die Indikationsstellung für diese Operation etwas weiter fassen und auch
nicht-neoplasmatische, aber sonst schwere Magen aff ektionen eventuell mit
dieser Methode zu entfernen versuchen. J. Sorgo (Wien).
Zur Frage von der Gastrostomie. Von S. W. Goldberg. Russk.
chir. Arch., Bd. XVIII, p. 280.
Drei Fälle von Gastrostomie nach Marwedel aus Weljaminow’s
Klinik, alle bei Oesophaguscarcinom. Der erste Pat. hatte nach zwei
Monaten 2 kg an Gewicht zugenommen, der zweite nach vier Monaten
10 kg, der dritte starb 12 Tage nach der Operation an Erschöpfung,
doch zeigte sich bei der Sektion die Fistel als vollständig funktionsfähig.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
Zur Kasuistik der Gastroenterostomie und Pyloroplastik nach
Heinecke - Mikulicz. Von A. Orlowski. Die Chirurgie, Bd. XI.
p. 406. (Russisch.)
1. Mann, 33 Jahre alt, Pyloruskrebs, wegen Verwachsungen in¬
operabel. Gastroenterostomie mit Murphyknopf, der nach 23 Tagen ab¬
ging. Nach sieben Monaten Befinden sehr gut.
2. Frau, 47 Jahre alt, Krebs der rechten Hälfte des Magens,
Metastasen. Gastroenterostomie nach Hacker. Nach drei Wochen in
gutem Zustand entlassen.
3. Mann, 30 Jahre alt, Pylorusstenose, Sonde geht kaum durch.
Pyloroplastik. Nach vier Monaten Befinden gut.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
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III. Büclierbesprechnngeii.
Allgemeine Semiotik des Erbrechens. Von W. Janowski. 108 pp.
Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1903.
Soll die Untersuchung eines Kranken gleichzeitig kurz und aus¬
führlich sein, so muss sie nach einem bestimmten Plan, aus entsprechen¬
den Fragen und der objektiven Untersuchung zusammengesetzt, geführt
werden. Einen solchen Plan hat Verf. in dem ersten Teil des vor¬
liegenden Werkes für den Erbrechenden aufgestellt und die grosse Zahl
der Krankheiten, bei welchen Erbrechen beobachtet wird, zusammengestellt.
Die diagnostische und prognostische Bedeutung des Brechaktes und
des Erbrochenen ist ausführlich im zweiten Teile besprochen. Der Stoff
ist sehr gründlich behandelt; die Darstellung leidet nur häufig an zu
grosser Breite, die sehr ermüdend wirkt und die Uebersichtlichkeit be¬
einträchtigt. Auch ist Nebensächliches, häufig Selbstverständliches zu
sehr betont worden.
Trotz dieser Mängel ist das Werk allen denen zu empfehlen, die
sich über das Erbrechen im allgemeinen und im besonderen, über die
physikalische Beschaffenheit, die chemische Zusammensetzung und den
mikroskopischen Befund des Erbrochenen orientieren wollen.
Langemak (Rostock).
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Einführung in das Wesen der Magen-, Dann- und Konstitutions¬
krankheiten und in die Grundzüge ihrer Behandlung. Von G.
- Graul. Würzburg, A. Stuber’s Verlag, 1903. Preis Mk. 1,50.
Verf. versucht auf 63 pp., nach einigen Vorbemerkungen über Di¬
gestion, Resorption, Kraftumsatz in der Hauptsache eine gedrängte Dar¬
stellung der Ursachen und anatomischen Grundlagen der betreffenden Krank¬
heiten zu liefern und die durch sie bedingten Störungen zu schildern.
Im Anschluss daran werden die Umrisse des Heilplanes entworfen und
die Prinzipien der physikalisch-diätetischen wie medikamentösen Verord¬
nungen skizziert. Brauchbarer wäre das Schriftchen geworden, hätte Graul
sich nicht ängstlich vor einem Eingehen auf spezielle therapeutische
Vorschriften gehütet und hier statt allgemeiner Hinweise einen Abriss
der erprobten Behandlungsmethoden seines Lehrers Leube gegeben.
Denn z. B. mit dem fast selbstverständlichen Rat allein, dass bei einer
Magenblutung „der Arzt natürlich zu allererst darauf zu sehen hat, die¬
selbe zuin Stillstand zu bringen“, wird ohne weitere Fingerzeige der uner¬
fahrene Leser in praxi wenig anfangen können.
Die carcinomatösen Erkrankungen des Magen-Darmkanals, die
Appendicitis, die Lehre von den Darmocclusionen sind als mehr dem
chirurgischen Gebiet angehörend ausserhalb des Rahmens der vorliegenden
Betrachtungen geblieben. Damit ist auch die Behandlung des Magen-
carcinoms ausgefallen. Ich empfinde dies als Lücke, da gerade bei den
inoperablen Fällen dieser Krankheit die interne Therapie durch Spülungen
und diätetische Vorschriften das traurige Los der Kranken oft erheblich
zu lindern vermag, eine Tatsache, die man weiteren Kreisen, an die sich
doch das Büchlein wendet, nicht eindringlich genug predigen kann.
Verhältnismässig ausführlich sind die nervösen Störungen des
Magens abgehandelt, recht kurz dagegen die entsprechenden Erkrankungen
des Darmes. Der Anhang enthält Literaturangaben und persönliche
Bemerkungen des Verfassers. Perutz (München).
Die Pathogenese, Diagnose und Behandlung des Gallensteinleidens.
Von B. Riedel. (Erweiterter Abdruck aus dem „Handbuch der
Therapie innerer Krankheiten“, herausg. von Penzoldt u. Stintzing.)
Mit 27 Abbildungen. 145 pp. Jena, Gustav Fischer, 1903.
Auf Grund eines grossen selbstbeobachteten Materials giebt Riedel,
der ja zu den Mitbegründern der Gallensteinchirurgie gehört, ein in
frischer und anregender Weise geschildertes übersichtliches Bild der
Gallensteinerkrankungen.
Klar und deutlich entwickelt sich vor den Augen des Lesers jede
Phase des so vielgestaltigen Leidens, von dem stillen, heimlichen Ent¬
stehen des Konkrementes an bis zu den Zuständen, wo dieses die
schwersten, oft tödlichen Zerstörungen im Gallengangsystem, in der Leber
und den benachbarten Abdominalorganen angerichtet hat.
Naturgemäss steht das Buch auf einseitig chirurgischem Standpunkte
und zeigt dabei in der Erklärung der klinischen Erscheinungen durch
den pathologisch-anatomischen Befund, in der Indikationsstellung und in
der Bevorzugung gewisser Operationsmethoden eine starke subjektive
Färbung.
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Der ganzen Arbeit briugt die» nur Gewinn, wenn auch im ein¬
zelnen von Seiten des Internisten, des Praktikers und, wie es schon ge¬
schehen, selbst des Chirurgen (cfr.Kehr, Mönch, med. Wochenschr. 1903,
Nr. 17) Widerspruch sich erheben wird.
Der erste Abschnitt der Arbeit ist der Pathogenese und patholo¬
gischen Anatomie gewidmet
„Der Gallensteinkolikanfall ist stets eine akute Entzündung um
einen Fremdkörper herum, eine Perialienitis resp. eine Perixenitis, gleich¬
gültig ob der Stein in der Gallenblase oder im Ductus cysticus oder im
Ductus choledochus steckt 14 .
Riedel unterscheidet: 1. den erfolglosen AnfalL Der Stein bleibt
in der Gallenblase oder im Ductus cysticus; hierher rechnet er auch die
Fälle, in denen der Stein durch die Gallen blasen wand perforiert. In
10—15 Proz. dieser erfolglosen Anfälle entsteht „entzündlicher Icterus.
2. Der erfolgreiche Anfall: Der Stein wird in den Ductus chole¬
dochus getrieben. Alsbald entsteht reell lithogener Icterus.
Dieser Anfall setzt starken Flüssigkeitsdruck voraus und dieser
wieder eine relativ intakte Gallenblase, wird also vorwiegend bei asep¬
tischem Inhalte letzterer eintreten. Doch setzt unzweifelhaft der erfolg¬
reiche Anfall auch zuweilen auf schwer infektiöser Basis ein; dann
wird der Kranke sofort schwer leidend. Für gewöhnlich wird aber die
Infektion von der Papille aus erfolgen.
3. Der vollkommen erfolgreiche Anfall treibt den Stein durch die
Papille hindurch und kommt gleichfalls durch einen akut im ganzen
Gallengangsystem auflodernden entzündlichen Prozess zu stände.
Im zweiten Abschnitt sucht Riedel die klinischen Erscheinungen
durch den pathologisch-anatomischen Befund zu erklären. Es folgt die
Besprechung der Untersuchung des Kranken und der Prognose.
Der nächste Abschnitt bringt die Behandlung des Gallensteinleidens
und die Indikationen für medizinische und chirurgische Therapie.
Nach Riedel bedürfen höchstens 10 Proz. der Fälle der konser¬
vativen, 90 Proz. der operativen Behandlung, wenn man die Kranken
wirklich heilen will. Jene 10 Proz. sind die, bei denen mit der ersten
Attaque reell lithogener Icterus einsetzt und kleinste Steine per via»
naturales abgehen.
Riedel will auch den ruhenden Stein im Blasenhalse entfernen,
damit Pat. nicht neue Anfälle bekommen kann, die den Stein in die Tiefe
treiben. „Auch auf die Gefahr hin, dass ich gelegentlich einen passier¬
fähigen Stein entfernte, würde ich bei irgendwie heftigen Erscheinungen,
Auftreibung der Oberbaucligegend, intensivem Erbrechen, starken Schmerzen
immer zur sofortigen Operation raten.“
In 99 Proz. wird aber die Behandlung zunächst eine abwartende
sein. Dann will Riedel die Patienten nach dem ersten Anfall operiert
wissen, um sie vor neuen Anfällen zu bewahren. Der Choledochusstein
muss nach kurzem Abwarten auf alle Fälle entfernt werden.
Wegen der Gefahr des Choledochussteines ist er Anhänger der
Frühoperation.
Der letzte Abschnitt, welcher die Hälfte des Buches einninimt,
enthält den rein chirurgischen Teil mit den speziellen Indikationen der
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verschiedenen Operationsmethoden, auf die an dieser Stelle nicht weiter
eingegangen werden kann.
Das vorliegende Buch kann jedem Arzte nur angelegentlichst zum
Studium empfohlen werden. Er wird reichliche Anregung aus demselben
schöpfen und durch dasselbe zur Kritik an manchen alten und ver¬
alteten Anschauungen über die pathologisch-anatomischen und klinischen
Erscheinungen des Gallenblasenleidens veranlasst werden.
Laspeyres (Bonn).
Contributiön h Tdtude du testicule dans quelques intections.
Orchites experimentales. Von Charles Esmonet. Paris, G.
Steinheil, 1903.
Wie aus dem Titel zu ersehen, zerfällt Esmonet’s Arbeit in zwei
Abteilungen. In der ersten wird die Rolle des Hodens bei verschiedenen
Erkrankungen besprochen. Aus den Schlusssätzen des Verf/s seien
folgende hervorgehoben:
Der Hoden wird wenig oder gar nicht in Mitleidenschaft gezogen
beim Erysipel, bei der Diphtherie und den akuten Exanthemen. Er war
intakt bei den von Esmonet untersuchten Fällen von Bronchopneumonie,
Gastroenteritis, Meningitis cerebrospinalis, akuter Tuberkulose etc.
Variola ergreift den Hoden in neun Fällen von 10. Die Haupt¬
läsion des Hodens bei Variola besteht in diffuser oder nodulärer Infil¬
tration des Bindegewebes, zu welcher sich Vasodilatation, Hämorrhagien
und Läsionen der Samenkanälchen gesellen. Die Orchitis variolosa
endet nicht mit Eiterung. Restitutio ad integrum ist häufig. Mitunter
kommt es zur Atrophie des Hodens. Die Orchitis variolosa wird nicht
durch die gewöhnlichen Eitererreger, sondern durch das Pockengift selbst
hervorgerufen.
Die zweite Abteilung ist der Besprechung der experimentellen
Hodenentzündungen gewidmet, welche der Hauptsache nach durch In¬
jektion verschiedener Substanzen in die A. spermatica hervorgerufen
wurden. Auf diese Weise gelang es bei Hunden viel leichter, eine
Tuberkulisation des Hodens herbeizuführen, als durch andere Methoden.
Durch den Bacillus Eberth konnten hämorrhagische und nekrotisierende
Orchitiden hervorgerufen werden. Die durch Streptococcen erzielten
Resultate waren sehr variabel. Injektion mit Diphtherietoxin führte zwar
den Tod der Versuchstiere herbei, erzeugte aber keine lokale Reaktion.
v. Hofmann (Wien).
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Inhalt.
1. Sammel-Referate.
Klink, W., Die operative-Behandlung
der Nephritis, p. 641—651.
Perutz, F. f Der Leberabscess, p. 651 —
664.
Münzer, M., Pankreascysten (Schluss),
p. 664—676.
Baer, A., Volvulus des S romanum
(Schluss), p. 676—699.
Adrian, C., Die multiple Neurofibro¬
matose (Fortsetzung), p. 699 — 709.
II. Referate.
A. Lunge, Bronchien.
Lange, K., Abscessus pulmonum, Pneu-
motomi. Patienten fürbättrad, p. 710.
Peterson, C., Ett fall af gangienös
lungabscess, p. 710.
Josefson, A., Primär lungkancer med
svulstceller i pleuraexsudat och sputum,
p. 710.
Oberthür, Cancer bronchique primitif
suivi de carcinose miliaire avec syn-
drome polynävritique, p. 710.
Eschenhagen, Ueber einen Fall von
Fistelbildung zwischen den Gallen wegen
und einem Bronchus, p. 711.
Bogorad, A. B., Zur Kasuistik der
Fremdkörper in den Bronchien, p. 711.
B. Magen.
Knapp, M., How to see the stomach
curvatures with our naked eyes etc.,
P. 712 -
l’schernyschew', S. P., Tetanie bei
Magenleiden. Die pathologisch - anato¬
mischen Veränderungen des Nerven¬
systems bei derselben, p. 712.
! Bourlot, F., Note sur un cas d’ulcerf
rond double, latent, termine par per'o-
ration, p. 712.
Linossier, Le lavage de Testomac dans
les gastrorragies, p. 713.
1 Smith, A., Two cases of supposed gas-
1 tric Perforation, in which no explana-
tion of the Symptoms was found, at
Operation, p. 713.
Eve, P., Gunshot W'ounds of the sto-
! mach, with a report of a case, p. 714.
Emerson, Ch„ Der Einfluss des Car-
cinoms auf die gastrischen Verdauungs¬
vorgänge, p. 714.
Hayem, G., Sur un cas de st£nose can-
cereuse du pylore ä symptömes inso-
Ütes, p. 715.
Thursfield, H„ Ein Fall von Rund-
zellensarkom des Magens, p. 715.
Boeckel, J., Resection totale de l’esto-
mac suivie de guerison. p. 715.
| Goldberg, S. \V., Zur Frage von der
Gastrostomie, p. 716.
; O r 1 o w s k i, A., Zur Kasuistik der Gastro-
enterostomie und Pyloroplastik nach
j Heinecke-Mikulicz, p. 716.
1
III. Bücherbesprechungen.
Janow'ski, W., Allgemeine Semiotik des
Erbrechens, p. 716.
Graul, G., Einführung in das Wesen
der Magen-, Darm- und Konstitutions¬
krankheiten und in die Grundzüge ihrer
Behandlung, p. 717.
Riedel, B., Die Pathogenese, Diagnose
und Behandlung des Gallensteinleidens,
p. 717.
I Esmonet, Charl., Contribution ä l'etude
du testicule dans quelques infectioiu.
! Orchites experimentales, p. 719.
Um Einnendnng von Monographien und Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I, Ebendorfentranne 10, wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Ad rennenzunatx „Für die Redaktion de*
Central blatten für die Grenzgebiete'* versehen zu wollen.
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Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Chirurgie.
Herausgegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VL Band.
Jena, 16. Oktober 1903.
Nr. 19.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften ira Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhandlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Die multiple Neurofibromatose.
(Recklinghausen’sche Krankheit.)
Sammelreferat von Dr. C. Adrian, Privatdocent a. d. Univ. Strassburg.
(Fortsetzung und Schluss.)
Diagnose.
So leicht dieselbe in den meisten Fällen ist, so schwer kann
sie bei Nichtberücksichtigung des Gesamtbildes werden.
Sind sämtliche Hauptsymptome vorhanden, so ist die Erkrankung
leicht zu erkennen.
Fehlen die Kardinalsymptome, so ist eine Diagnosenstellung
überhaupt ein Ding der Unmöglichkeit und es wird auch niemand
einfallen, auf Grund von sog. sekundären Symptomen (funktionellen,
psychischen, trophischen oder vasomotorischen Störungen), und seien
sie noch so ausgesprochen, an eine Recklinghausen’sche Krank¬
heit zu denken.
Anders, wenn neben diesen ein Kardinalsymptom, und zwar
die Hautpigmentation, besteht bei völligem Fehlen von Hautfibromen
und Nerventumoren. Es sind dies diejenigen Fälle, die zu der
CentnübLaU t. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 46
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— 722 —
Aufstellung der „formes incomplfctes ou frustfes“ der „Maladie de
Recklinghausen“ geführt haben und das eine Extrem dieser Er¬
krankung bilden. Dass solche Fälle sich noch sehr wohl in den
Rahmen derselben einfügen lassen, dafür sprächen jene spärlichen
Fälle, in denen, wie in dem Falle von Salomon (1877) der Bruder
oder in der Beobachtung von Audry (1901) der Vater neben den
Pigmentationen auch multiple Fibrome aufwiesen. Dieses hereditäre,
in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzende Moment dürfte in
diesen beiden Fällen neben psychischen Störungen in dem ersteren
Falle, trophischen in dem letzteren, die Diagnose einer Reckling-
hausen'schen Krankheit, Forme fruste, rechtfertigen.
Anders in dem wiederholt besprochenen Falle von Thibiferge
(Soc. m4d. d. höp. 1898), in welchem auch dieses hereditäre Mo¬
ment wegfiel und der Autor seine Diagnose lediglich auf Grund
der Hautpigmentationen und einer Reihe von psychischen Störungen
stellte.
Hier kann man in der That zweifelhaft sein, ob man diesen
Fall noch unter die Neurofibromatose einreihen soll oder nicht. Ich
habe bereits oben (Kapitel I) meine Ansicht darüber geäussert
Von den übrigen, unvollständigen Formen der Erkrankung
könnten bei ungenauer Untersuchung, Nichtberücksichtigung des
Gesamtbildes, der Anamnese etc. nur die mit Tumorbildung einher¬
gehenden zu einer Verwechslung mit einer Reihe von vorzugsweise
sich auf der Haut lokalisierenden Krankheiten Anlass geben.
Ich will dieselben kurz aufzählen:
l. Die multiplen Lipome und Fibrolipome können eben¬
falls sehr zahlreich sein (2080 in dem Falle von Broca z. B. r l,
2436 in dem Falle von v. Lutzau 2 ) und über den ganzen Körper
gleichmässig verteilt sein. Sie sind charakteristisch durch ihre
Form, Lappung und ausserordentlich symmetrische Verteilung. Im
allgemeinen sind sie rund, breitbasig oder gestielt aufsitzend, ihre
Konsistenz ist gewöhnlich weniger hart als die der Neurofibrome und
ihre Beweglichkeit eine verschieden grosse. — Alsberg’s 3 ) „Neuro-
lipome“ können nicht auf eine Stufe gestellt werden mit den Neuro¬
fibromen v. Recklinghausen’s. Es fehlt für eine derartige Be¬
zeichnung der Nachweis der Nervenscheiden als Ausgangspunkt der
Neubildung, vor allem aber eine Dissociation der Nervenfasern. Mit
1) Broca, Lipomes multiples. Gaz. des hop. 1862, Nr. 61, p. 244.
2) v. Lutzau, Beitrag zur Kasuistik der multiplen Lipome. Inaug. - Diss..
Dorpat 1878. Mit 2 Bildern.
3) Alsberg, Ucber Neurolipome. Ein Beitrag zur Kenntnis der falschen
Neurome. Inaug.-Diss., Berlin 1892.
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der Darstellung von Nervenfasern überhaupt innerhalb des Lipoms,
wie Alsberg es thut, ist dieser Nachweis nicht geführt.
2. Die multiplen Dermatomyome stellen offenbar eine viel
seltenere Erkrankung dar 1 2 3 ). Sie stellen anfangs hirsekorngrosse,
allmählich wachsende, flache, blassrote, derbe Knötchen dar, mit Vor¬
liebe in Gruppen angeordnet und auf einen kleinen Bezirk beschränkt,
häufig auf den Streckseiten der Extremitäten, im allgemeinen jedoch
ohne besondere Lokalisation; sie sind empfindlich auf Druck; aber
auch ohne äussere Einwirkung stellten sich spontan Schmerzen in
ihnen, speziell in den grösseren Knoten, ein, die durch ihre Hart¬
näckigkeit, Heftigkeit und anfallsweises Auftreten charakterisiert
sind und nur selten, wie z. B. in dem Falle 2 von Jadassohn*),
fehlen. Nur die sog. „regionären“ Dermatomyome machen in dieser
Beziehung eine Ausnahme. Oft tritt spontane Rückbildung der Ge¬
schwülste ein. Kontraktionserscheinungen der Geschwülste beim
Beklopfen scheineu nur selten vorzukommen. Von umschriebenen
grösseren oder kleineren Pigmentflecken ist nichts bekannt, sondern
nur in dem Falle von Jamin (1901) eine allgemeine, starke, diffuse
Pigmentierung der Haut beobachtet.
3. Die multiplen weichen Naevi, Naevi mollusciformes
oder das „Molluscum gän£ralis£ multiple“ der Franzosen. Diese
Bildungen sind stets nachweislich kongenital, bleiben stationär, sind
von weicher, molluskoider Konsistenz, nicht schmerzhaft, selten an
den Extremitäten, sondern meist nur an Hals und Stamm lokalisiert
und wohl nie in ähnlich grosser Anzahl wie die Neurofibrome beob¬
achtet worden.
4. Die multiplen Sarkome der Haut kommen im allge¬
meinen selten vor. Unter den verschiedenen von Kaposi®) auf¬
gestellten Typen dieser Erkrankung, kommt lediglich der dritte
Typus der allgemeinen Sarkomatose der Haut in Betracht
Bei den Kranken fanden sich „am Stamm und an den Extre¬
mitäten an 100 und darüber fingernagelgrosse und grössere, blau¬
rote, flache oder etwas vorgewölbte Flecke, bei deren Befühlen in
der Tiefe des Coriums und in den Panniculus übergreifend derb
elastische, flachkugelige Knoten von seitlich nicht scharfer Begrenzung
1) Vgl. Jamin, Ein Fall von multiplen Dermatomyomen. Deutsches Archiv
f. klin. Med. 1901, Bd. LXX, p. 468. Hier findet sich die gesamte diesbezügliche
Literatur.
2) Jadassohn, Zur Kenntnis der multiplen Myome der Haut. Virchow’s
Archiv 1890, Bd. CXXI, p. 88 u. 188. Speziell Fall 2 auf p. 94.
3) Kaposi, Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten, 4. Auf!., 1893,
p. 880, speziell p. 884.
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zu konstatieren waren. Nebstdem waren durch Betasten welche zu
entdecken, Ober denen die Haut weder vorgewölbt, noch injizirt er¬
schien“. Die Krankheit heilt gelegentlich unter Arsen.
In anderen Fällen stellen die Tumoren frühzeitige Mestastasen
einer oft lange latent bleibenden Neubildung eines inneren Or¬
ganes dar.
5. Die multiple lenticuläre Form des Hautkrebses
zeichnet sich durch harte, meist linsengrosse, rundliche Tumoren von
hemisphärischem Bau und rotgelber oder braunroter Farbe aus und
setzt immer einen primären Herd, meist der Brust oder eines inneren
Organes, voraus. Die schnelle Entwickelung, der weitere Verlauf etc.
wird den Diagnosten frühzeitig auf die richtige Fährte bringen. —
Ebensowenig wie diese Tumoren werden
6., 7. papulöse, lenticuläre Syphilide oder multiple
Hautgummen in differentialdiagnostischer Beziehung Schwierig¬
keiten bieten.
Weiter kämen in Betracht:
8. die multiplen Hydatidencysten der Haut, welche
Fluktuation darbieten und bei Punktion wasserklaren Inhalt er¬
geben ;
9. multiple Mollusca contagiosa und
10. Cysticerken der Haut, die bisweilen multiple, unter der
Haut gelegene, sehr bewegliche, kleine Knötchen darstellen und die
Tendenz haben, im Laufe der Jahre in der Mehrzahl der Fälle sich
spontan zurückzubilden und unter Hinterlassung von kaum fühlbaren,
stecknadelkopfgrossen, harten Körnern zu verschwinden.
11. Multiple Keloide, wie bei dem Neger von Kaposi'),
„der am ganzen Körper mit Geschwülsten verschiedener Grösse
besäet gewesen sein soll“, bieten doch ein wesentlich anderes Bild.
Reiss 1 2 ) hat neuerdings die einschlägige Literatur über diesen
Gegenstand gesammelt und in seinem Falle 210 Tumoren gezählt;
in einem Falle von de Amicis 3 ) waren sogar 318 dieser Spontan-
keloide vorhanden.
12. Multiple cutane Atherome, wie in dem Falle von
Weidenfeld 4 ), dürften kaum zu Verwechslungen Anlass geben.
1) Kaposi, Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten 1893. 4. AufL
P. 730 -
2) Reiss, Ueber spontane multiple Keloide. Archiv f. Dermat. u. Syphilis
1901, Bd. LVI, p. 323.
3) Literatur bei Reiss, 1 . c., p. 337/338.
4) Weidenfeld, Verhandlungen der Wiener dermatol. Gesellschaft, Sitzung
vom 4. Dez. 1901. Ref. in Archiv f. Dermat. u. Syph. 1902, Bd. LX, p. 296 ( 2 ).
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Die Konsistenz der Keloide, ihre Lagerung in der Haut, der
Prädilektionssitz der Atherome am Rücken, überhaupt an der oberen
Rumpfhälfte, die vollständige Exprimierbarkeit etc. lassen Neuro¬
fibrome mit Sicherheit ausschliessen.
13. Das Lymphangioma tuberosum multiplex (Kaposi),
dasHaemangioendothelioma tuberosum multiplex (Wolters),
das Idradenom (Darier und Jacquet) oder Syringocysta-
denom (Unna und Török) kommt wohl differentialdiagnostisch
nur dann gegenüber Neurofibromen in Betracht, wenn die Tumoren
über den ganzen Körper verbreitet sind und von Kindheit an be¬
stehen. Endlich können
14. multiple lymphatische Hauttumoren, wie in dem
Fall von Lang 1 ), differentialdiagnostische Schwierigkeiten darbieten.
— Nächst der Untersuchung des Blutes dürften in dieser letzten
Gruppe von Erkrankungen meist nur die Biopsie eines Tumors und
die mikroskopische Untersuchung Klarheit schaffen.
Verwechslungen mit der knotigen Form der Lepra können,
wie wir ausführlicher in dem Kapitel über das Wesen der Neuro¬
fibromatose zeigen werden, Vorkommen und sind thatsächlich wieder¬
holt vorgekommen (Hecker 1858, Hey mann 1859, vgl. darüber
auch v. Recklinghausen 1882, p. 71), wenn sie auch nach
Babes*) „kaum möglich“ sind.
Die fehlende Stielung der leprösen Knoten und das Vorhanden¬
sein der Infiltrationen der Haut, der Erytheme, wird bei Berück¬
sichtigung der Anamnese, des Allgemeinzustandes, der sensiblen und
trophischen Störungen und — in ganz zweifelhaften Fällen — bei
Untersuchung excidierter Tumoren oder von Gewebssaft auf den
spezifischen Erreger der Lepra, den Hansen-Neisser'schen Bacillus,
eine Fehldiagnose nie zustande kommen lassen.
Auch lepröse Nervenverdickungen werden sich unschwer
von fibroneuromatösen Knotenbildungen unterscheiden lassen.
Ueberdies beherrscht die Hautanästhesie bei der Lepra maculo-
anaesthetica durch ihre Ausdehnung das Bild so ausschliesslich, dass
Verwechslungen fast unmöglich erscheinen.
Das Gleiche gilt für die Pigmentflecke der Nerven-
lepra, die ebenso wie die Pigmentationen bei Neurofibromatose
Milchkaffeefarbe haben können, im allgemeinen aber sehr verschie-
1) Lang, Vorstellung eines Falles von lymphatischer Leukämie mit multiplen
subcutan gelegenen Hautknötchen etc. K. k. Gesellschaft der Aerzte Wiens, Sitzung
vom 23. Mai 1902. Ref. in Wiener klin. Wochenschr. 1902, Nr. 22, 29. Mai, p. 589.
2) Babes, Die Lepra, in Nothnagel*s Spezielle Pathol. u. Therapie 1901,
Bd. XXIV, 2. Hälfte, 2. Abtlg., p. 260.
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dene Färbung zeigen, vorn Ockergelb bis zum Sepiabraun, manchmal
rotbraun sind. Auch sind die Pigmentflecke der Nervenlepra oft
ein wenig erhaben, haben meist eine fein granulierte Oberfläche und
sind häufig symmetrisch.
Auch die Hautpigmentierungen bei Morbus Addisonii
werden bei Berücksichtigung der übrigen Erscheinungen der Haut
nicht zu Verwechslungen mit denen bei der Neurofibromatose An¬
lass geben.
Multiple Stammneurome könnten allenfalls bei gewissen
Lokalisationen mit multiplen Drüsenschwellungen oder mit der
„Növrite interstitielle hypertrophique et progressive de
Penfance, type Döjörine“ verwechselt werden.
Was die multiplen Drüsenschwellungen betrifft, so wird
nächst einer eingehenden Untersuchung der inneren Organe, speziell
Lungen, Milz, Leber und Knochen, noch eine Blutuntersuchung vor¬
zunehmen sein. Aber auch schon der Sitz, die Konsistenz der
Drüsen, ihre mangelnde Verschieblichkeit gegenüber dem Neurom,
auf dessen Versohieblichkeit in der Querrichtung und mangelnde
oder geringe Verschieblichkeit in der Längsrichtung von anderer
Seite (v. Büngner 1897) aufmerksam gemacht worden ist, werden
auf die richtige Fährte führen.
Schwieriger dürfte die Unterscheidung von der Döjörine’schen
Krankheit sein, deren nervöse Erscheinungen mit denen der multiplen
Neurome eine grosse Uebereinstimmung zeigen köunen.
Sind doch auch in den ersten von Däjärine und Soltas 1 )
und Däjörine 2 ) beschriebenen Fällen, denen nach D^jörine und
Soltas 3 ) und Petren (1897, p. 19) eine ältere, von Gombault
und Mailet 4 ) herrührende Beobachtung zugefügt werden muss, eine
Reihe von Störungen gesehen worden, die beiden Krankheiten eigen
sind, als Geistesschwäche, ethische Defekte, Deformierungen der
Gelenke, Kyphoskoliose, Muskelatropbieu, Muskelschwäche, lanci-
nierende Schmerzen, Abnahme der Druck-, Temperatur- und Schmerz¬
empfindung, Nystagmus, Pupillendifferenzen.
1) I)£jerine u. Soltas, Sur la növrite interstitielle hypertrophique et pro-
gressive de Penfance. Comptes rendus hebdomadaires des s6ances et memoires de la
Soci6t6 de Biologie. Ann6e 1893, 9 e s£rie, Tome V<*, M6moires, p. 63—96.
2) D6j£rine, Contribution k Petude de la nfcvrite interstitielle hypertrophique
et progressive de Penfance. Revue de medecine 1896, Seizi£me ann6e, XVI, p. S81.
Speziell Obs. 1, p. 883.
3) L c. p. 94.
4) Gombault u. Mailet, Un cas de tab£s ayant debut£ dans Penfance. —
Autopsie. Archives de medecine experimentale et d’anatomie pathologique i8Sq ?
i e serie, Tome I er , p. 385.
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Nimmt man dazu die auch für die interstitielle Neuritis
charakteristische neuropathische Belastung, Heredität (Bruder und
Schwester in der ersten Arbeit von Döjörine und Soltas) und
das kongenitale Auftreten der Erkrankung, die auf eine fehlerhafte
Anlage hinweisen, so ist nicht zu leugnen, dass diese beiden Bilder
sicherlich verwandte Typen darstellen.
In pathologisch-anatomischer Beziehung lässt sich in¬
des so viel sagen, dass bei der Neuritis type Ddjörine die Zer¬
störung von Nervenfasern im Vordergrund steht, mehr als es jemals
bei den Neuromen der Fall ist, und dass sie sogar vollständig zu
Grunde gehen können.
Das klinische Bild der Ddjdrinc’schen Krankheit bedarf
noch eingehenderer Studien ! ).
Kaum ernstlichen differentialdiagnostischen Schwierigkeiten
dürfte das plexiforme Neurom oder die Elephantiasis neu-
romatosa gegenüber anderen Bindegewebsgeschwülsten begegnen,
speziell solange sie mit Neurofibromen der Hautnerven oder Nerven-
stämme, Pigroentationen etc. vergesellschaftet sind.
Wesen der Neurofibromatose.
Die verschiedensten Theorien sind über das Wesen dieser
rätselhaften Erkrankung aufgestellt worden.
Wenn ich diese gruppieren soll, so wären zu nennen:
1. die infektiöse Theorie;
2. die dyskrasische Theorie;
3. die toxischen Theorien;
4. die Theorie einer primären Sy mpathicuserkran-
kung und
ö. die dystrophische Theorie.
Die infektiöse Theorie zog hauptsächlich eine Krankheit
in den Kreis ihrer Betrachtung, deren Kontagiosität schon seit Jahr¬
hunderten bekannt war, die Lepra.
Und in der That haben die Neurofibrome in der Gestaltung
der einzelnen Knoten und in der Art der Verbreitung am Körper
eine gewisse Aehnlichkeit mit den Hautknoten der Lepra. Dazu
kommen die Verdickung der Nerven und die Erblichkeit, die beiden
Krankheiten gemeinsam sind.
l) Vgl. Renak u. Flatau, Neuritis und Polyneuritis, in NothnagePs
Spezielle Pathologie u. Therapie 1899, Bd. XI, 3. Teil, 3. Abtlg., I. Hälfte, p. 93
und 234.
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Speziell die anatomischen Analogien zwischen beiden Krankheits¬
bildern, welche v. Recklinghausen noch einmal zusammenfasst
(1882, p. 70), erklären die immer wieder aufgetretene Ansicht, „dass
beide zusammengehören, etwa wie bösartige und gutartige Geschwülste
vom selben Gewebstypus, dass das multiple Molluscum nur eine
modifizierte, abgeschwächte Lepra sei“.
v. Recklinghausen hebt dann die Aehnlichkeit hervor, die
doch so gross sei, dass Verwechslungen beider Krankheiten vor¬
gekommen seien, multiple Fibrome der Haut und elephantiastische
Tumoren als Lepra Arabura, nicht Graecorum bezeichnet worden
sind (Hecker 1858, Hey mann 1859), vielleicht doch nicht bloss
durch einen Lapsus calami. Auch die Neuzeit hat sich von dem
Gedanken an eine „abgeschwächte“ Lepra nicht ganz frei machen
können und so sehen wir namhafte Autoren in den Neurofibrom¬
knoten nach dem Leprabacillus fahnden — mit negativem Erfolge.
Es wären hier zu nennen Landowski (Gaz. d. höp. 1894,
p. 317 bezw. 319 und Thöse 1894, obs. 1 und 2), der wegen der
grossen Aehnlichkeit seiner beiden Fälle 1 und 2 mit Lepra in dem
Falle 1 sowohl selbst nach dem spezifischen ßacillus suchte, als
auch diese Untersuchung durch Zambaco ausführen liess, ein Re¬
sultat, das Netter auch für den Fall 2 bestätigte, und Askanazv,
welcher (1899, p. 467) angibt, dass er in den Darmknoten in seiner
Beobachtung, wie auch bei multiplen Fibromen der Haut ohne Erfolg
nach Leprabacillen gesucht habe.
Das Gemeinsame der Neurofibromatose und Lepra dürfte, ent¬
sprechend diesen Befunden, nach Askanazy mehr in der hervor¬
stechenden Bevorzugung des Nervenapparates als in der Aetiologie
gelegen sein; immerhin sei es nicht ohne Interesse, „dass wir in der
Lepra einen bacillären Infektionsprozess kennen, bei dem sich
einige Züge in der Krankheitsphysiognomie mit den Erscheinungen
der ätiologisch unaufgeklärten multiplen Neurofibrombildung decken“.
Auf weitere Differenzen zwischen beiden Krankheitsprozessen
hier einzugehen, dürfte überflüssig erscheinen, v. Recklinghausen
hat (1882, p. 72) bereits ausführlich auf solche aufmerksam gemacht
Die dyskrasische Theorie, zu welcher ich die Theorie der
„Diathöse fibreuse“ der französischen Autoren rechnen will,
lässt sich in zwei Worten abmachen, sie besagt nichts und bildet
nur eine Umschreibung für ein anderes, ebenso unbekanntes Etwas.
Die toxischen Theorien, die für einen Zusammenhang mit
Nebennieren- und Schilddrüsenerkrankungen plaidieren, be¬
gründeten dieselben mit den zahlreichen Analogien, die zwischen der
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Neurofibromatose und dem Morbus Addisonii einerseits und dem
Myxödem andererseits bestehen.
Andeutungen von Beziehungen der Neurofibromatose
mit Morbus Addisonii finden wir schon bei Landowski (1896),
wenn er von den betreffenden Kranken sagt: „Ils prösentent un 4tat
gönöral de döpörissement, une döpression intellectuelle, une langueur,
une torpeur, qui rappelie celle de la maladie d’Addison.“
Jehl (1898), der bekanntlich aus der Kachexie ein Hauptsymptom
macht, fragt sich, welche Organerkrankung eine solche enorme Er¬
nährungsstörung herbeizuführen imstande sei, und denkt dabei an eine
Erkrankung der Nebennieren.
Labouverie (1899) meint, dass unter den Erkrankungen, die am
meisten Aehnlichkeit und nicht zu verkennende Beziehungen zur Neuro¬
fibromatose haben, zweifellos der Morbus Addisonii gehöre, bei dem man
ebenfalls diese Asthenie, die Schmerzen, die gastro-intestinalen Störungen,
die Melanodermie, begegne.
Auch P. Marie (1894/95) gedenkt der Möglichkeit eines engeren
Zusammenhanges beider Krankheitsbilder.
Weiterhin erwägt auch Chauffard (1896) in seinem Falle die
Möglichkeit des Bestehens einer Addison’schen Krankheit. Indes meint
er doch schliesslich: „Nous ne croyons pas avoir eu affaire ä une v6ri-
table maladie broncöe, mais bien ä un syndrome partiel et dissociö de
l’addisonisme. La lösion capsulaire, la compression du sympathique gauche
nous donne une explication süffisante de Involution clinique“.
Am unzweideutigsten hat sich Revilliod (1900) für die Theorie
der primären Erkrankung der Nebennieren als Ursache der Neuro¬
fibromatose ausgesprochen und auf die Aehnlichkeiten, die zwischen
dieser Erkrankung und dem Morbus Addisonii bestehen, hinge¬
wiesen.
Speziell die in seinem Falle im Vordergründe der Erscheinungen
stehenden nervösen Störungen, das reichliche und oftmalige Er¬
brechen etc., liessen ihn an eine Intoxikation- denken, als deren
Ausgangspunkt, angesichts der ausgesprochenen Asthenie und
der allgemeinen Braunfärbung der gesamten Hautdecke, von ihm
die Nebennieren angesprochen wurden. Eine solche Insufficienz
der Funktion dieser Organe erkläre auch die schweren Störungen
der Ernährung Neurofibromkranker, sogar in ihren „formes in-
complötes“ mit wenig oder gering ausgesprochenen oder ganz fehlen¬
den Kardinalsymptomen, am ungezwungensten.
Gleichzeitig ist Revilliod bemüht, zwei weitere Fälle von
Thibiferge (Soc. möd. d. höp. 1898) für seine Theorie nutzbar zu
machen.
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So bestechend eine solche Theorie aber ist, so wenig
sicher fundiert ist dieselbe durch die pathologisch-ana¬
tomische Untersuchung der Fälle.
Einzig in dem Falle von Chauffard wurden, wie bereits oben
bei der Besprechung der Organveränderungen im allgemeinen er¬
wähnt, wirklich belangreiche pathologische Veränderungen in beiden
Nebennieren gefunden, die sehr wohl ein Auftreten eines richtigen
Addison erklären. In den übrigen oben citierten Fällen fehlt eine
Autopsie und vollends fehlen pathologische Veränderungen nennens¬
werter Art in den Nebennieren in allen darauf gerichteten Unter¬
suchungen.
Was endlich die Erfolge mit Nebennierensubstanz in der Be¬
obachtung von Revilliod betrifft, was die Asthenie anlangt, so
haben wir als Erklärung für die Besserung des Aligemeinzustandes und
das Schwinden der genannten Beschwerden bei dem Patienten zwei
Möglichkeiten: entweder waren die Erfolge nur scheinbare, auf
die jeweilige Hebung seiner Kräfte durch die Ruhe, den Spitals¬
aufenthalt zurückzuführen, oder rein suggestive, oder aber es handelte
sich thatsachlich um eine zufällige Komplikation der Neurofibroma¬
tose mit Morbus Addisonii, sei es dass die Nebennieren von der
Neurofibromatose ebenfalls mitbefallen waren, oder dass eine ander¬
weitige Degeneration dieser Organe Platz gegriffen hatte. Für
Tuberkulose anderer Organe bestand kein Anhaltspunkt, auch war
nie eine Hämoptoe vorausgegangen, noch auch war Patient here¬
ditär in dieser Beziehung belastet.
Für diese Auffassung des Mitbestehens eines Morbus Addisonii
spräche nicht nur der Erfolg der Behandlung bezüglich der Asthenie,
der nervösen Störungen, der Schwindelanfälle, des Tremors, der
Sehstörungen, sondern auch das gleichzeitige Schwinden der diffusen
Bronzefärbung der Haut, währeud die Schoh seit Jahren bestehenden
Pigmentflecke von der Medikation unbeeinflusst blieben.
Beziehungen der Neurofibromatose zum Myxödem und
anderen verwandten Zuständen lassen sich unschwer konstruieren
und von Levy und Ovize (1899) ist auf Grund der von Lang-
hans 1 ) gefundenen Veränderungen in den peripheren Nerven hei
Cachexia thyreopriva sowie bei Kretinismus versucht worden, solche
Beziehungen nachzuweisen.
i) Langhans, Ueber die Veränderungen in den peripheren Nerven bei Cachexia
thyreopriva des Menschen und Affen, sowie bei Cretinisnius. Virchow’s Archiv iSq:.
Bd. CXXVIII, p. 318 u. 369.
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Nun haben aber diese von Langhans erhobenen Befunde
weder für die Cachexia thyreopriva etwas Spezifisches an sich, sondern
es scheint ihnen, wie Langhans bemerkt, eine ausgedehntere Be¬
deutung zuzukommen, noch auch haben sie irgend eine Aehnlichkcit
mit den bei der Neurofibromatose gefundenen Veränderungen des
Nervensystems.
Ich habe absichtlich in dem Kapitel über Organveränderungen
bei der Neurofibromatose ausführlich alle Angaben über Ver¬
änderungen, welche die Schilddrüse aufwies, zusaramengetragen und
daraus nichts herausfinden können, was auf irgend einen Zusammen¬
hang beider Krankheitsbilder hinwiese.
Andererseits habe ich bei der Neurofibromatose die für Myxödem
charakteristischen Veränderungen der Haut vermisst.. Und so sind
wir denn berechtigt, bei dem Fehlen der Veränderungen der Schild¬
drüse, die mit dem eigentümlichen, transparenten Aussehen der
Haut, der muctnoiden, ödemartigen Durchtränkung von Haut,
Muskeln und Bindegewebe die einigermassen konstanten anatomischen
Vorkommnisse bei dem Myxödem bilden und die ebenfalls nie bei
Neurofibromatose beobachtet worden sind, einen Zusammenhang
beider Krankheiten als vorläufig unbewiesen zu be¬
trachten.
In dem einzigen Falle, in welchem der Patient Zeichen von
Myxödem darbot und eine kleine Schilddrüse aufwies, dem von
Whitfield (1901), mag es sich um eine zufällige Kombination
beider Erkrankungen handeln, die bei meiner fast 450 Fälle um¬
fassenden Statistik nicht wunderbarer wäre als der eine Fall von
Hallopeau und Ribot (1902), deren Patientin die Zeichen eines
beginnenden Basedow bot.
Stützen für die Theorie einer primären Sympathicus-
erkrankqng als Ursache der Neurofibromatose fehlen uns voll¬
ständig. Man hat versucht, eine Reihe von uns unter den funk¬
tionellen . Störungen rubrizierter Symptome auf diese Weise zu
erklären.
Speziell was die Kachexie betrifft, so ist von Follin 1 ) an
eine durch Mitbeteiligung des Sympathicus hervorgerufene Er¬
nährungsstörung gedacht worden, worauf auch später wieder
P. Marie (1894/96) aufmerksam gemacht hat.
Neben dieser „Döch4ance physique“ ist auch die „D4ch4ance
psychique“ (Revilliod 1900, p. 49), jene von mir ausführlich be-
I) Pollin, Trait£ £I6mentaire de pathologie externe 1874, Tome II, 4* tirage,
p. 223. Pari«, Masson.
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bandelten Störungen des Intellekts und der Psyche, ferner eitie
Reihe von Störungen der Magen- und Darmfunktion auf Läsionen
im sympathischen .Nervensystem oder auf die Anwesenheit von
Neurofibromen, speziell am Bauchsympathicus, zurückgeführt worden.
Endlich sind gewisse ebenfalls von mir bereits oben abge¬
handelte vasomotorische Erscheinungen, die häufig beobachteten Seh¬
störungen, oculopupilläre Phänomene, Kopfschmerzen, allgemeine
Krämpfe und epileptiforme Krisen, allgemeine depressive Zustände
und andere Erscheinungen mehr mit der Neurofibromentwickelung
in Zusammenhang gebracht worden — wie ich noch einmal betonen
will — ohne strikten Beweis und meist ohne zwingenden Grund,
da ein Teil der angeführten Symptome sich sehr wohl auch anders
erklären lässt. Dabei stützten sich die Verfechter dieser Theorie
hauptsächlich auf die Befunde im Halssympathicus bei der primären
genuinen Epilepsie und beim Morbus Basedowii und auf die Ana¬
logien mit den Darmerscheinungen, allgemeinen Krämpfen etc. bei
der Helminthiasis.
Die dystrophische Theorie, d. h.dieTheorie der Neuro¬
fibromatose als Missbildung im weiteren Sinne des
Wortes, als fünfte und letzte Theorie, ist am besten fundiert
Von Brissaud und Feindei (1896) zuerst aufgestellt, dann
weiter von Chipault (1896), Darier (1898, p. 995), Labouverie
(1899), Feindei und Froussard (1899), Soldan (1899) u. a. m.
verfochten, hat diese Theorie immer mehr Anhänger erhalten und
dürfte — abgesehen von der Nebennierentheorie, mit der aber
Revilliod (1900) sozusagen allein dasteht — bis auf weiteres die
einzig acceptierte sein.
Es kann hier nicht der Ort sein, diese Theorie, um die sich
besonders Feindei (1896), Chipault (1896) und Labouverie
(1899) verdient gemacht haben, noch einmal zu verfechten, es genügt
der Hinweis auf diese Arbeiten.
Auch ich habe mich in meiner Arbeit (1901, p. 42) mit
Rücksicht auf die zahlreichen in grosser Ausführlichkeit oben ge¬
schilderten Komplikationen dafür ausgesprochen, dass die Neuro¬
fibromatose auf kongenitaler Anlage beruht, dass sie auf
Grund der mit auffälliger Häufigkeit vorhandenen Stig¬
mata als Missbildung im weiteren Sinne des Wortes auf¬
zufassen ist.
Nächst dem zweifellosen Angeborensein der Affektion in ein¬
zelnen Fällen oder zum mindesten der Entwickelung der Kraukheit
in der weitaus grössten Mehrzahl in der Jugend waren es bisher die
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zahlreichen Fälle, wo Heredität nachzuweisen war, und die häufigen
Fälle von Kombination von Neurofibromen und Pigmentflecken,
welche die wesentlichsten Stützen für die Annahme einer kongeni¬
talen Anlage der Neurofibromatose bildeten.
Wie wir bereits gesehen haben, kommt aber die Neurofibro¬
matose sehr häufig auch mit anderen kongenitalen oder in frühester
Jugend bemerkbar werdenden Entwickelungsstorungen zusammen vor.
Die angeborene Prädisposition zur Wucherung des Nerven-
bindegewebes zeigt sich entweder gleich bei der Geburt oder, und
zwar häufiger, erst im Pubertätsalter. Für die Fälle, wo die Neuro¬
fibromatose erst in den der Geburt folgenden Lebensperioden in
Erscheinung tritt, wird man an die Einwirkung besonderer Reize
denken müssen (Traumen, allgemeine Krankheiten, Pubertät, Gra¬
vidität etc.).
In erster Linie sprechen aber für eine Entwickelungsstörung
die ßonat an unseren Kranken so vielfach beobachteten Miss- und
Hemmungsbildungen.
Von diesen sowohl, wie von den mit ihnen auf eine Stufe zu
stellenden Naevi aller Art unterscheiden sich die Neurofibrome
selbst durch ihre Progredienz, welche ihuen zu gleicher Zeit den
Charakter der im allgemeinen gutartigen, aber zur malignen De¬
generation geneigten Neubildung verleiht
Prognose.
Trotz einiger, gleich zu machender Einschränkungen kann die
Prognose der Neurofibromatose, solange sie sich nicht auf das
Centralnervensystem ausdehnt oder auf dasselbe ausschliesslich be¬
schränkt, nicht unbedingt als infaust hingestellt werden.
Im allgemeinen kann man sagen, dass die Neurofibromkranken
nicht an ihrer Krankheit, sondern mit ihr sterben.
Sehen wir ganz ab von jenen Fällen von spontanem Rück¬
gängigwerden eines oder mehrerer Tumoren, von medikamentöser
Beeinflussung der Geschwülste durch innerlich gegebenes Arsen,
von vorübergehender Besserung des Allgemeinbefindens durch Ein-
nebmen von Nebennierensubstanz — Fälle, auf die ich in dem
nächsten Kapitel ausführlicher zurückkommen werde — so beweist
schon das hohe Alter, das manche derartige Kranke erreichen und
das weit über dem durchschnittlichen Todesalter der Menschen im
allgemeinen liegt, dass die Prognose quoad vitam eine nicht
allzuschlechte ist.
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So findet sich ein Lebensalter von 88 Jahren in dem einen Fall
von Labouverie (1899, Obs. 3), von 81 in einer Beobachtung von
Hitchcock (1862, Fall 1), von 76 (80?) in dem Fall 1 von Freinmert
(1872, Fall 1), von 74 in dem Fall von Iniguez (1880), von 71 in
dem Fall von Moore (1885), von 70 in den Fällen von Lebert (1857,
Fall 1), Bryk (1869, Fall 2), L. Duhring (1895), Gilchrist (1896,
Fall 2) und Vallas (1899); noch grösser ist die Zahl der Kranken
unter 70 Jahren: Fall 2 von Hürthle (1896, Fall 2) hat ein Alter von
68, der Kranke von Hahn (1888), meine Patienten Fall 1 und 7
(1901) von je 67 Jahren. Der Kranke von O. de Croly (1894) ist
66 Jahre alt, Fall 1 von Kyrieleis (1885, Fall 1) und Fall 1 von
Heidweiler (1887, Fall 1): 65 Jahre, die Kranken von Siemens
(1874), Payne (1889), Brigidi (1894), Spillmann und Etienne(1898.
Obs. 5) und Labouverie (1899, Obs. 4): 64 Jahre, die Kranken von
Kyrieleis (1S85, Fall 2) und Tikanaze (1901): 63 Jahre, die Kranken
von Margerin (1867), Kriege (1887, Fall 1), Teichert (1887, Fall li
und Flockemann (1894): 62 Jahre, der Kranke von Green (1895i:
61 Jahre, endlich die Kranken von Octerlony (1875), Clark (1887.
Vater), Roux (1899, Obs. 3) und Malherbe (1901): 60 Jahre alt.
Diese Zahlen mögen genügen, nachzuweisen, dass Neurofibrom¬
kranke ein relativ hohes Alter erreichen können und dass der
Ausspruch Hoinard’s (1898, p. 15): „La neurofibromatose n’im-
plique pas nöcessairement un pronostic fatal, ä brfeve &häance, tt
berechtigt ist
Indes inacht schon P. Marie (1894/95) darauf aufmerksam,
dass sie einen progressiven Charakter annehmen kann: („La neuro¬
fibromatose est une maladie qui parfois semble rester stationnaire,
parfois offre une marche progressive“).
Was er darunter versteht, ergibt sich aus dem nachfolgenden
Satz P. Marie's: „11 faut bien admettre que malgrö ses apparences
essentiellement bönignes, la neurofibromatose gönöralis^e n’en est
pas moins une affection qui, par une lente progression, peut d’elle-
möme eutrainer la mort, gräce it la production d’une cachexie
toute particuliöre.“
Aber nicht nur dieser von mir oben ausführlich behandelie
Marasmus ohne anatomische Grundlage ist es, weicher die
Prognose der Erkrankung so sehr trübt sondern noch eine Reihe
anderer ebenfalls von mir bereits erwähnter und ausführlich l>e-
schriebener Störungen: so die Neigung der mit Fibromen behafteten
Individuen zu geistiger Verkümmerung, zu Lungentuber¬
kulose, Erysipel, Pneumonie, Sepsis und Pyämie, Zustände,
die sämtlich nicht anders zu erklären sind, als durch eine durch
die Kachexie der Kranken bedingte Herabsetzung der Widerstands¬
fähigkeit des Organismus gegen dergleichen Infektionen.
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Auf die Häufigkeit der malignen Degeneration einzelner
Neurofibrome mit ihren Folgen (Ulceration, lokale und allgemeine
Metastasen etc.), des Auftretens von primären Carcinomen
an inneren Organen und die auffällig starke Tendenz von
Hautstellen, die nicht vorher Sitz von Fibromen waren,
zur Bildung atypischer, lokaler, epithelialer Neubildungen
will ich hier, wegen der prognostischen Bedeutung dieser Zufälle,
noch einmal hingewiesen haben,-ebenso auf die an Osteomalacie
erinnernden Veränderungen des Knochensystems, jene
„cachexie osseuse ajoutöe ä Ia caehexie gönörale“ (Hoisnard 1898,
p. 41) mit ihren Folgezuständen (Wirbelsäulenverkrümmung, Thorax¬
veränderungen etc.).
Weiterhin sind es besonders unglückliche, zufällige
Lokalisationen einzelner Fibrome, die uns eine gewisse Re¬
serve in der Stellung der Prognose auferlegen.
ich sehe dabei gauz ab von der durch Sitz und Grösse be¬
dingten Funktionsbehinderung einzelner Organe: Bewegungen im
allgemeinen, Sitzen, Stehen, Gehen im besonderen, Bewegungen des
Kopfes, der Augenlider, der Zunge, Cirkulationsstörungen der be¬
deckenden Haut mit ihren Folgen, Kreislaufsanomalien an inneren
Organen, speziell der Bauch- und Brusthöhle, Sprachstörungen,
Schluckbeschwerden, soweit, sie durch direkte Ursachen hervor¬
gerufen sind, etc.
Prognostisch wichtiger sind diejenigen Störungen, die durch
besondere Lokalisation der Geschwülste am Nervensystem zu
schweren Funktionsstörungen führen.
Es liegt auf der Hand, dass ein centraler Sitz der Tumoren
eine schlechtere Prognose gibt als die Lokalisation an peripheren
Xervenstämmen und diese wieder eine schlechtere als Neurofibrome
der Haut nerven.
Jedenfalls aber ist die Prognose variabel und es lässt sich
ganz allgemein sagen, dass sie in diesen Fällen abhängig ist von
dem spezielleren Sitz, von der Zahl und der Grösse der Tumoren.
Ich brauche diese Punkte hier nicht weiter auszuführen, sondern
verweise auf die einschlägigen Kapitel dieses Referates.
Therapie.
Die Behandlung der Neurofibromatose ist im allgemeinen
ohnmächtig. Zuweilen verschwinden einzelne Tumoren von selbst.
So in der Beobachtung von Michel (1875), die einen 28 jährigen,
^onst gesunden Seemann betraf, bei welchem sich eine ganze Anzahl
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von Tumoren „resorbiert“ hatte. Wenn die Tumoren verschwanden, so
wurde ihr früherer Sitz noch durch eine Depression der Haut bezeichnet,
welche gegen Nadelstiche gefühllos war.
Auch in dem Fall von Pöan (1897) hatten sich einzelne Ge¬
schwülste zurückgebildet, wohingegen wieder andere an Stärke zugenommen
hatten.
In gewissem Sinne Hessen sich hierher auch jene Er¬
scheinungen von Schrumpfungen einzelner Tumoren rechnen, die
sich dadurch charakterisieren, dass* sich an ihrer Stelle mehr oder
minder grosse, schlaffe Hautsäcke von oft ganz beträchtlicher Grösse
vorfinden.
Ich habe bereits oben auf diese Erscheinung aufmerksam ge¬
macht und betont, dass fast jeder Fall von Neurofibromatose die¬
selben an der einen oder anderen Stelle aufweist.
Die Resorption des Tumors kann eine vollständige sein, so
dass ein vollkommen leerer Hautsack zurückbleibt oder bei kleineren
Tumoren nur narbenähnliche, flache, atrophische Hautstellen oder
inselförmige Atrophien der Haut Testieren, oft in sehr grosser An¬
zahl, wie in dem Falle von Rille (1901).
Die Resorption kann aber gelegentlich eine nur teilweise sein,
so dass der allerdings verkleinerte, d. h. im Verhältnis zum zurück-
bleibenden Hautsack zu kleine Tumor an der Basis des Sackes oder
der atrophischen Hautstelle noch unter der Haut zu fühlen ist
Solche leere Hautsäcke und rundliche, hernienartige Hautaus¬
stülpungen, die eine gewisse Aehnlichkeit mit Striae haben, habe
ich in grosser Anzahl in meinem jüngst beschriebenen Falle
(1902) gesehen.
Von einer eigentlichen Therapie, welche sich gegen die Eruption
selbst wenden will, ist selbstverständlich nichts zu erwarten, da wir
weder die ätiologischen Momente, noch die Ursache der Disposition
zu diesen Neubildungen kennen und daher auch keine Angriffs¬
punkte für unser therapeutisches Handeln haben.
Jedoch kann ärztlicherseits immer einiges geschehen, um
wenigstens ein excessives Wachstum einzelner Tumoren hiutan-
zuhalten.
Diese Indicatio prophylactica wird demnach darauf ge¬
richtet sein, den Kranken nächst der Vermeidung chronischer Reiz¬
zustände der Haut anzuraten, sich der Einwirkung direkter oder
indirekter Traumen, Infektionen, Intoxikationen, Ueberanstrengungen,
Excessen jeglicher Art zu entziehen, kurzum, man wird sie von allen
jenen Momenten fernhalten, die wir oben als Ursachen eines schnelleren
Wachstums einzelner Tumoren oder eines Nachschubs der Tumor-
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bildung im allgemeinen kennen gelernt haben. Man wird die
Kranken weiterhin, wenn angängig, in bessere hygienische Lebens¬
bedingungen versetzen, man wird die von Fibromen befallenen
Hautstellen ganz besonders vor Schädlichkeiten jeglicher Art be¬
wahren, keine daselbst ällzu fest anliegenden oder druckenden Klei¬
dungsstücke tragen lassen und ihnen jede Beschäftigung untersagen,
welche mechanische Insulte, besonders solche von geringerer In-
tensität, aber fortwährender Dauer, bedingen konnten.
Weiterhin hat sich die Therapie gegen diejenigen Tumoren zu
wenden, welche an Grösse prävalieren und dadurch entweder sehr
entstellen oder die Funktion irgend eines Organes stärker beein¬
trächtigen.
Einspritzungen reizender Substanzen, wie Alkohol, Jodtinktur etc.,
in solche grössere Tumoren hatten höchstens einen lokalen, aber
auch dann nur höchst zweifelhaften oder vorübergehenden Erfolg.
In dem Falle von E. Müller (1884) wurde der Versuch gemacht
— nach Analogie ähnlicher Experimente bei anderen, speziell bösartigen
Geschwülsten — durch künstliche Erzeugung eines sogenannten „Ery¬
sipele salutaire“ die Heilkraft eines solchen Eingriffs zu erproben und
zwar an dem grösseren Tumor der linken Hüfte der Patientin, wie ich
gleich hervorheben will, ohne Erfolg. Der Eingriff hat nicht nur nichts
genützt, sondern sogar direkt Schaden gebracht, indem das grosse Fibrom
nach der Inokulation an Umfang und Schwere zunahm.
So bliebe denn nur die operative Entfernung derartiger Ge¬
schwülste übrig. Man wird die Neubildungen, welche von der
Wange, vom Ohr herabhängen oder sonstwo im Gesicht sich loka¬
lisieren, entfernen, bei solchen der Augenlider, um ein freies Sehen
zu ermöglichen, noch eine Blepharoplastik anschliessen. Auch die
das Sitzen, Gehen und Stehen hindernden, oft enorm gewachsenen
Geschwülste am Rücken, Gesäss etc. bieten gleichfalls günstige
Angriffspunkte für einen chirurgischen Eingriff.
Derselbe wird stets nach den allgemein geltenden Grundsätzen
aseptischer chirurgischer Behandlung erfolgen, wobei je nach dem
Sitze und der mehr oder minder leichten Zugänglichkeit der Fibrome
auch unter Anwendung von Esmarch’scher Blutleere, der galvano¬
kaustischen Methoden (Schlingen, Pacquelin etc.) die Blutung frei¬
lich eine recht starke sein wird.
Wiederholt ist die operative Entfernung besonders grosser
Tumoren, z. T. mit Erfolg, versucht worden. Nur mussten wegen
der Ausdehnung der elephantiastischen Massen in einzelnen Fällen,
z. B. in dem Falle von Billroth (1872), wegen des starken Blut-
Centralblatt l. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. -17
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Verlustes wiederholte Sitzungen zur Entfernung des Tumors anbe¬
raumt werden.
Ncrventumoren wurden in denjenigen Fällen, in denen sie
Lähmungs- oder Reizungserscheinungen machten, wiederholt durch
Enukleation der Geschwülste entfernt und die Patienten dauernd
von ihren Beschwerden befreit.
In einem meiner Fälle (10,1901) ist es Herrn Prof.Madelung
gelungen, die hartnäckigen lancinierenden Schmerzen des einen Armes
durch Exstirpation eines Neuromyxoms des Plexus brachialis wenigstens
vprübergehend zu bessern.
In einem anderen Falle (6, 1901) war versucht worden, eine
ßupraorbitalneuralgie durch Neurexaire8e zu behandeln. Schon zu Leb¬
zeiten des Kranken wurde es indes später wahrscheinlich gemacht, dass
die Neuralgie durch eine centrale Ursache bedingt war (Sarkom in der
Gegend des Linsenkernes).
In Fällen lokaler multipler Neurome an den Extremitäten
Hesse sich unter Umständen an eine Ablatio des befallenen Gliedes
denken.
In dem Fall von Strohmeyer (1844) wurde wegen eines sehr
schmerzhaften Neuroms des Nervus medianus, welches sich von der Mitte
des Vorderarms bis an die Insertion des Deltoides erstreckte und in der
Mitte die Dicke einer Faust hatte, die Exartikulation im rechten Schulter¬
gelenk vorgenommen.
Allein die rationelle chirurgische Behandlung der grossen Ge¬
schwülste bietet leider an sich schon eine schlechte Prognose wegen
des schnellen Auftretens von Recidiven.
Nicht nur von jenen Formen, in denen eine maligne Degene¬
ration des Tumors von vornherein die Aussichten auf Heilung
verschlechterte, gilt dies, sondern auch scheinbar von jenen Formen,
in denen nichts auf eine solche atypische Wucherung der Geschwulst¬
elemente schliessen Hess und in denen auch das Mikroskop keinerlei
Zeichen von maligner Entartung nachträglich nachzuweisen im¬
stande war.
Die Recidive treten gelegentlich, wie in dem Falle von Volk-
mann (1875), in der Narbe nach einer Kontusion auf, aber schon der
blosse operative Eingriff selbst scheint oft einen genügenden Reiz zur
erneuten Wucherung des Geschwulst auszuüben, so bei Wiggles worth
(1876), wo ein geradezu überraschend schneUes Wachstum konstatiert
wurde; „nachdem ein kleiner Tumor ecrasiert wurde, w r ar er am folgenden
Tag so gross wie vorher zurückgekehrt“.
Noch unerfreuHcher war das Ergebnis in dem Falle 3 von
Hitchcock (1862), der mit einem lokalen Recidiv nach Amputation
des Armes am Schultergelenk und Tod endete.
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739
In Fall 2 desselben Autors wurden zweimal Tumoren exstirpiert,
ohne zu recidivieren, aber es schien, als ob die Tumoren am übrigen
Körper hierauf an Zahl wuchsen.
In dem bekannten Fall von v. Büngner (1897) stellte sich im
Anschluss an die am 10. April 1896 vorgenommene Arthrektomie des
rechten Kniegelenkes in rascher Folge die Entwickelung von Nerven¬
knoten am ganzen Körper ein.
Im gewissem Sinne stellen also solche Tumoren ein Noli me
tangere dar, ganz besonders bei erkannter maligner Degeneration
eines Tumors. Hier ein Beispiel:
Bei einem 28 jährigen, seit dem 13. Lebensjahre an multiplen
Tumoren der peripheren Nerven leidenden Manne aus Al. Thomson's
Beobachtung (1900) wuchs am Medianus am Ellbogen ein Tumor stärker,
schmerzte und wurde nach der Exstirpation als ein in Rarkomatöser De¬
generation begriffenes Neurofibrom erkannt. Nach vier Monaten wurde
wegen Recidivs (mit Durchbruch durch die Haut und Medianuslähmung)
die Amputatio humeri vorgenommen; 10 Monate später Recidiv am
Stumpf und Exarticulatio humeri. Neues Recidiv in der Nachbarschaft
und Entwickelung eines neuen Spindelzellensarkoms im Lumbalplexus.
Exitus. Sektion: keine Metastasen.
Nach den vorausgegangenen Betrachtungen ist in allen diesen
Fällen von multiplen Neuromen— wegen der grossen Ausdehnung
und der Multiplicität der Geschwülste einerseits, des progressiven
Charakters der meisten Fälle und der schnell auftretenden Reoidive
andererseits — „die sorgfältige Freilegung und Isolierung der er¬
krankten, mit unzähligen Neuromen besetzten Nervenstränge in
ganzer Länge bis zu ihren centralen Abzweigungsstellen und bis in
ihre feinsten Endäste und die Exstirpation derselben im Zusammen¬
hänge als einheitliches Präparat“, ein Verfahren, das v. Büngner
(1897, p. 590/591) als „präparatorische Totalexstirpation der Nerven“
zu bezeichnen vorschlägt, zu verwerfen, ganz abgesehen von den
Folgen etwa auftretender Lähmungszustände, die doch auch wieder
recht missliche Zustände hervorrufen.
Auch der Erfolg in der Beobachtung von v. Büngner ist
nichts weniger wie auf munternd zur Vornahme ähnlicher Eingriffe
an anderen Fällen.
Lieber die operative Behandlung von Neurofibromen am Central¬
organ lässt sich nur wenig sagen, da solcherlei Eingriffe bis jetzt
nicht ausgeführt worden zu sein scheinen.
Von vornherein scheinen sie auch in Anbetracht der Multipli¬
cität der Tumoren wenig zu versprechen. Mit Rücksicht nun darauf,
dass Neurofibrome des Kleinhirn-Brücken winkeis, die vom Acusticus
und den übrigen daselbst liegenden Nervenwurzeln ausgehen, in vielen
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Fällen mit Sicherheit zu. diagnostizieren sind lind da sie häufig nur
in einem sehr lockeren Zusammenhänge mit dem Hirn stehen,
glauben Henneberg und Koch (1901 und 1902), dass solche
Tumoren „vielleicht operabel“ seien.
In Revilliod’s — übrigens nicht zur Autopsie gekommenem —
Falle (1900) gelang es, durch Nebennierensnbstanz (innerlich ge¬
nommen) der ganz auffällig starken Asthenie des Patienten Herr
zu werden. Freilich war die Besserung immer nur eine vorüber¬
gehende und machte einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes
Platz, sobald mit der Medikation ausgesetzt wurde.
Die Zukunft wird lehren, ob eine solche immerhin nicht gleich¬
gültige Behandlung in anderen Fällen berechtigt ist.
Einer Erklärung der auffälligen Wirkungsweise dieser „Opo¬
therapie surr&iale“ in Revilliod^s Fall enthalten wir uns vorläufig.
Mehr der Kuriosität halber will ich hier noch die Angabe
Wbitehouse’s (1899) erwähnen, bei dessen Kranken eine merk¬
würdige und auffällig günstige Beeinflussung des fibromatösen Pro¬
zesses durch Arsen stattgefunden haben soll.
Was die Therapie der Pigmentationen betrifft, deren
Beseitigung bei gewissen Lokalisationen in Form der epheliden-
artigen Fleoken gelegentlich in Frage käme, so finde ich in der
Litteratur nur eine diesbezügliche Angabe von L. Philippson
(1893), der erwähnt, dass die in seinem Falle besonders stark aus¬
geprägte Pigmentanomalie des Stammes durch Sublimat und Chrv-
sarobin nur wenig beeinflusst wurde.
Die operative Behandlung der Nephritis.
Sammelreferat von Dr. Wilhelm Klink (Berlin).
(Fortsetzung.)
Schluss der Literatur.
81) Küster, E., Nierenchirurgie im 19. Jahrhundert. Verhandl. d. Deutscher!
Geselisch. f. Chirurgie 1901, Diskussion dazu, p. 134.
82) Ders., Die Chirurgie der Nieren und Harnleiter und Nebennieren. Deutsche
Chirurgie 1902, Lief. 52 b.
83) Lauenstein, Zur Chirurgie der Nieren. Deutsche med. Wochenschrift
1887, Nr. 26.
84) Lancereaux, H£morrhagies n£vropathiques des Organes g6nito-uriimres.
Ann. des mal. des org. g£n.-urin. 1900, p. 906.
85) Langemak, O., Untersuchungen über den anämischen Niereninfarkt als
Folge von Schnittwunden. Centralbl. f. Chir. 1902, p. 131.
86) Ders.. Deutsche med. Wochenschr. 1902, V, p. 124.
87) Ders., Ueber die Wirkung der Nephrotomie nach Nephrektomie. Deutsche
Zeitschr. f. Chir. 1903, LXVI, p. 287.
88) Lennander, K. G., Wann kann akute Nephritis, mit Ausnahme der
tuberkulösen > Veranlassung zu chirurgischen Eingriffen werden und zu welchen? Mitt.
a. d. Grenzgeb. d. inn. Med. u. Chir. 1902, X, p. 164.
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741
89) Legueu, Des n^vrajgies renales. Ann. d. mal. d. org. g£n.-urin. 1891,
p. / 8 /.
90) Ders., Bull, de la Soc. de Chir. de Paris 1901, p. 700.
91) Lupine, R., Sur Popportunit^ d’une Intervention chirurgicale dans la
n£phrite chromque. Semaine m£dicale 1902, Nr. 49, p. 397.
92 ) Loewenhardt, F., Elektrische Leitungsfähigkeit des Urins und funktio¬
neile Nierendiagnostik. Centralbl. f. Chir. 1902, p. 129.
93) Loumeau, Ann. d. mal. d. org. g6n.-urin. 1899. p. 1193.
94) Mabaux, De )’h6matune r6nale. Lyon m6dic. 1895, Nr. 8.
95) Malherbe et Legueu, Des h6maturies essentielles; rapport pr6sent£ ä la
IV. session de l’assoc. fran^. d'urologie. Ann. d. mal. d. org. g£n.-ur. 1899, p. 1184.
96) Martens, Deutsche med. Wochenschr. 1902, V, p. 247.
97) Mongour, Ch., De la n£phrotoniie dans les n^phrites chroniques m6di-
cales. Journ. de med. de Bordeaux 1902, 9. F6vr.
98) Morris, H., Surgical diseases of the kidney and ureter, 1902.
99) Naunyn, B., Hämaturie aus normalen Nieren und bei Nephritis. Mitt.
a. d. Grenzgeb. f. inn. Med. u. Chir., V, p. 639.
100) New man, Brit. med. Journ. J898, 29. Oct.
101) Nimier, Bull, de la Soc. de Chir. de Paris 1898, p. 631.
102) Nonne, Deutsche med. Wochenschr. 1902, V, p. 247.
103) Oliver, Internat. Clinics 1895.
104) Passet, Ueber Hämaturie und renale Hämophilie. Centralbl. für die
Krankh. der Ham- u. Sexualorgane 1894, Nr. 8.
105) Pel, P. K., Die Nierenentzündung vor dem Forum des Chirurgen. Mitt.
a. d. Grenzgeb. f. inn. Med. u. Chir. 1901, VIII, p. 443.
106) Picqu£ u. Rebland, H&naturies rönales graves sans Substrat anatom.
Ann. d. mal. d. org. g£n.-urin. 1895, p. 1092.
107) Dies., Bull, de la Soc. de Chir. de Paris 1898, p. 594.
108) Pinn er, F., Beitrag zur Nierenchirurgie. Archiv f. klin. Chir. 1898,
LVI, p. 447.
109) Pinatelle, La Province m&L 1898, Nr. 48.
110) Poth6rat, Hämaturie d’origine renale. Bull, de la Soc. de Cbir. de
Paris 1898, p. 634, und Semaine m6d. 1898, p. 267.
in) Rosenstein, Ueber komplementäre Hypertrophie der Niere. Virchow’s
Archiv 1871, Bd. LIII, p. 141.
112) Routier, Bull, de la Soc. de Chir. de Paris 1898, p. 634.
113) Roosing, F., Centralbl. für Krankh. der Harn- u. Sexuaiorg. Bd. XI,
p. 11 u. 12.
114) Ders., The Lancet 1898, 13. Aug.
115) Rovsing, Th., Wann und wie müssen chronische Nephritiden operiert
werden? Mitt. a. d. Gren^eb. d. inn. Med. u. Chir. 1902, X, p. 283.
116) Rumpel, O., Erfahrungen über die praktische Anwendung der Gefrier¬
punktsbestimmung von Blut und Ham bei Nierenerkrankungen. Münchener med.
Wochenschr. 1903, p. 19.
117) Sabatier, N6vralgie hämaturique, N6phrectomie, GuGrison. Revue de
Chirurgie 1889, p. 62.
118) Schede, Neue Erfahrungen über Nierenexstirpation. Jabib. d. Ham¬
burger Staatskrankenayist, 1889, p. 13.
119) Ders., Handbuch der prakt Chir. *903, Artikel Niere.
120) Schmitt, J. A., The surgical treatment of cbron. Brights disease. Med.
Record 1902, p. 404.
121) Schmieden, V., Die Erfolge der Nierenchimrgie. Dentsche Zeitschrift
f. Chir. 1902, LXH, p. 205.
122) Senator, H., Ueber renale Hämophilie. Berliner klin. Wochenschrift
1891, Nr. 1.
123) Ders., Nierenkolik, Nierenblutung, Nephritis. Deutsche med. Wochen¬
schrift 1902, Nr. 8. Diskussion darüber Deutsche med. Wochenschr. 1902, V, p. 65.
124) Ders., Die Erkrankungen der Nieren. Spez. Pathol. u. Therapie votl
Nothnagel 1902, Bd. XIV, H. 1.
125) Singer, Neueres aus dem Gebiete der Nierenkrankheiten (Essentielle
Nierenblutung ul s. w.). Prager med. Wochenschr. 1902, Nr. 41--45.
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126) Sokoloff, Ueber einen Fall von wiederkehrender Nierenblutung im Zu¬
sammenhang mit jedesmaliger Erkältung des Integumentum commune. Berliner klin.
Wochenschr. 1874, Nr. 20.
127) Spanton, M. D., Brit. med. Journ. 1901, II, p. 1129.
128) Poirier, Bull, de la Soc. de Chir. de Paris 1898, p. 462 u. 593 *
Semaine m£d. 1898, p. 205, 254.
129) Pousson, A., Des ph£nom£nes congestifs dans la pathogenie des hemor-
rhagies. Bull, de la Soc. de Chir. de Paris 1898, Juni.
130) Ders., De Pintervention chirurg. dans certaines nephrites medicales.
IV. Session de Passoc. fran$. d’urologie, Paris 1899.
131) Ders., De Pexistence d’un r£flexe reno-r£nal dans certaines nephrites
m£dicales et de la possibilite du d6veloppement d’une nephrite sympath. Acad. de
m£d. 1900, 20. Mars. (Deutsch in: Monatsber. über die Gesamtleist, a. d. Geb. d.
Krankh. d. Harn- u. Sexualorg., Berlin 1900.)
132) Ders., Contribution ä f£tude du reflexe r6no-r£nale dans les nephrites
mfcdicales. Ann. d. mal. d. org. gen.-urin. 1901, p. 1025.
133) Ders., Contribution ä la physiologie pathologique de Pincision du rein.
IV. Session de Passoc. fran<;. d'urologie, Paris 1901.
134) Ders., De Pintervention chir. dans les n6phrites infectieuses aigues et
dans les nephrites chroniques. Soc. de Chir. de Paris 1901, 8. Juni.
135) Ders., De Pintervention chirurgicale dans certaines Varietes de nephrites
m6dicales. Assoc. fran<;. d’urölogie 1899, p. 455; Ann. d. mal. d. org. geo.-urin.
1902, Mai, Juni, Juli.
•136) Ders., Präsentation de deux malades op£r6s du mal de Bright depuis
6 et 7 mois. Soc. de m6d. et de chir. de Bordeaux 1902, F6vr.
137) Ders., De Pintervention chir. dans les nephrites m6d. Paris, Maloine, 1903.
138) Reynier, Bull, de la Soc. de Chir. de Paris 1898, p. 637.
139) Rindskopf, Klinische Beobachtungen über den Einfluss der Chloroform-
narkose auf die menschliche Niere. Deutsche med. Wochenschr. 1893, p. 959.
140) Röchet, Province m6d. 1899, Nr. 34.
141) Ders., Chirurgie du rein et de Purere. Th&se de Paris 1900, G. Stein-
heil, p. 367. -
142) Stavely, Bull. John Hopkins Hosp. 1893, IV.
v 143) Straus, Fr., Zur Diagnostik der physiologischen und pathologischen
Nierenfunktion. Langenb. Archiv 1902, Bd. LXVIII, H. 2, p. 45.
144) Ders., Münchener med. Wochenschr. 1902, Nr. 8 u. 9.
• 145) Th6denat, Ann. d. mal. d. org. g^n.urin. 1899, p. 1187.
146) Tuffier, Article „Rein“ in „Traite de Chirurgie“ de Duplay et Reclus.
2. £dit., t. yill, Paris 1900.
147) Weir, Med. Rec. 1894, p. 325.
148) Wolff, M., Die Nierenresektion und ihre Folgen, Berlin 1900.
149) Ziegler, P., Ueber Haematuria renalis. Sammelreferat im Centralbl. f.
d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 1900, Bd. III, Nr. 11. (Hier die bis dahin erschienene
Literatur.)
Nachtrag.
150) Bevan, D., The surgical treatment of anuria. Ann. of surgery 1903, Nr. 4 .
151) Casper u. Richter, Was leistet die funktionelle Nie^endiagnostik:
Mitt. a. d. Grenzgeb: d. Med. u. Chir. 1903, XI, 2.
152) Edebohls, JVIedic. Record, 28. März 1903.
153) Frazier, C., Renal decapsulation. Transact. of the med. soc. of the
Un. of Penusylv. 1903, 20. Febr.
154) Israel, J., Ueber funktionelle Nierendiagnostik. Mitt. a. d. Grenzgeb.
d. Med. u. Chir. 1903, XI, 2.
155) Ders., Ueber die Leistungsfähigkeit der Phloridzinmethode. Ebenda.
156) Johnson, Results of decapsulation of the kidney. Ann. of surg. 1903, Nr. 4 .
157) Klink, W., Nierenblutung und Nierenschmerzen. Therapie der Gegen¬
wart, Juni 1903.
158) Senator, Die Diagnostik der Krankheiten und der Leistungsfähigkeiten
der Nieren. Berliner klin. Wochenschr. 1903, Nr. 21 u. 22.
159) Wulff, Zur Kasuistik der essentiellen Nierenblutung. Münchener med.
Wochenschr. 1903, Nr. 29.
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743
Israel, J.: Lageveränderung und abnorme Beweglichkeit dei
Niere kommen als Ursache der Nierenblutung nur in Betracht, wenn
es sich um paroxysmale Blutungen handelt, aber für anhaltende
Blutungen liegen wohl interstitielle Veränderungen des Nierengewebes
zu Grunde, die sich im Anschluss an häufige Störungen des Ab¬
flusses leicht entwickeln können. Negatives Untersuchungsresultat,
d. h. Fehlen von anatomischen Veränderungen bei langdauernder
Blutung fand sich in der ganzen Literatur in zwei Fällen, nämlich
bei Klemperer (D. m. Woch. 1897) und Schede (Jb. d. Hamb.
Staatskrank. 1889). Die Koliken, die in der Niere auftreten, ohne
dass eine abnorme Beweglichkeit oder ein Konkrement vorhanden
ist und ohne dass ein Abflusshindernis besteht, können durch jede
akute Steigerung des intrarenalen Druckes hervorgerufen werden;
es handelt sich da um paroxysmale Kongestionen entzündlich er¬
krankter Nieren. Diese Koliken sind denen zu vergleichen, die bei
Blutungen in maligne Tumoren der Niere entstehen. Auch bei
chronischen Nephritiden wurden Massenblutung und Kolik beobachtet
(sein Fall Nr. 201). Die Annahme einer nervösen Ursache für die
Blutungen ist falsch; für eine neuropathische Grundlage spricht
auch nicht das jahrelange Aussetzen der Blutung, denn man findet
dieses auch bei Neubildung, Tuberkulose und Steinbildung in der
Niere. Auch die Wirksamkeit einer Binde beweist nichts hierfür,
weil die Niere dadurch in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt wird.
Was die hämophile Disposition als Ursache von Nierenblutungen an¬
betrifft, so ist bisher nicht einwandfrei dargethan, dass dieselbe sich
ausschliesslich als Blutung aus einer unveränderten Niere zeigt. Das
gleichzeitige Vorhandensein von Herzklappenfehlern in einigen Fällen
von sogenannter essentieller oder angioneurotischer Nierenblutung
lässt an eine Blutung infolge Infarktbildung denken. Nach starker
Körperanstrengung kommen allerdings Nierenblutungen vor, doch ist
es fraglich, ob diese Nieren vorher ganz gesund waren oder normal
befestigt waren. „Das Resultat meiner eigenen 14 Beobachtungen
von sogenannter Nephralgie hömaturique, essentieller und angioneu¬
rotischer Nierenblutung war, dass bei den meisten organische Ver¬
änderungen an den Nieren oder ihren Hüllen oder eine abnorme
Beweglichkeit nachgewiesen werden konnte.“ Aus seinen Fällen
No. 210 und 212 zieht Israel den Schluss: 1. „dass es diffuse Nieren¬
entzündungen gibt, deren klinische Erscheinungen ausschliesslich in
Blutungen und Koliken bestehen, während weder Eiweiss noch
Cylinder im Harn vorhanden sind, die einen Schluss auf die Natur
des Leidens gestatten“; 2. „dass bei Doppelseitigkeit der Erkrankung
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ausgesprochene Einseitigkeit der Beschwerden bestehen kann.“ Die
Entzündungszustände der Niere, die der sogenannten Nephralgie
h&naturique zu Grunde liegen, sind durch folgende Symptome cha¬
rakterisiert: 1. Paroxysmale Schmerzanfälle, die «ich von Koliken
bei Nierensteinen oder Tuberkulose nicht unterscheiden; 2 . Häma¬
turien, die bisweilen als Masseoblutungen auf treten; 3. Einseitigkeit
der Schmerzen und Blutungen; 4. Fehlen von Eiweiss im Urin.
Die Thatsache ist wenig bekannt, dass Nierenkoliken und Nieren-
biutuqgen bisweilen mit übermässiger, aber nicht bis zur Konkrement¬
bildung gesteigerter Hamsäureproduktiou verbunden sind. Morris
nimmt eine Heizung der Nierenbeckenschleimbaut durch die Salze
an, während Israel eine echte Nephritis annimmt, hei der sogar
die Albuminurie fehlen kann (Fall No. 2IQ). Unter seinen 14 Kranken
mit dem für die Angioneurose, die Nephralgie, die Nephralgie h6ma-
turique io Anspruch genommenen Symptomenkomplex hat «ich jedes¬
mal eine Anomalie der Niere gefunden. Bei dem genannten
Symptomenkomplex kann trotz bestehender Nephritis, erkennbar
ans Cylindern uud Leukocyten im Harn, die freigelegte Niere
normal Aussehen. Aber selbst in den Fällen, in denen keine
entzündlichen Veränderungen des Nierenparenchyms mit unbe¬
waffnetem Auge entdeckt, eine mikroskopische Untersuchung nicht
ausgeführt werden konnte und spezifisch nephritische Elemente im
Harn fehlten, waren pathologische Zustände zu finden, wie Pyelitis,
abnorme Beweglichkeit, auffallend starke Verwachsung zwischen der
Capsula adipoaa uud fibrosa, ödematäse Abhebung dieser von dem
Parenchym; feste Verwachsung der Capsula adiposa und fibrosa
kommt bei gesunden Nieren nie vor. Selbst wenn der Harn keine
pathologischen Elemente enthielt und die Niere makroskopisch gesund
erschien, waren durch das Mikroskop doch schwere Veränderungen
nachzuweiseu. Bei solchen Kranken mit dem typischen Bild der
Nephralgie hdmaturique, welche weder spezifisch nephritische Harn-
veränderuDgeu zeigten, noch bei der operativen Autopsie der Niere
krankhafte Prozesse der letzteren boten, entwickelte sich nach Jahren
das ausgesprochene Bild der Nephritis mit Cylindrurie, Oedemen,
urämischen Krämpfen. Dieser Verlauf lässt keinen Zweifel ent¬
stehen, dass die Erscheinungen der Nephralgie hömaturique nur
Symptome einer bereits vorhandenen Nephritis waren. Blutung mul
Kolik können vereint oder einzeln auftreten; Blutung ist nie die
Ursache der Kolik. Seine Fälle lehren Israel weiter, das es einseitige
Nephritiden gibt und dass der Harn trotz grossen Reichtums an
hyalinen, gekörnten und ephithelialen Cylindern eiweissfrei sein
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745
kann. Israel spricht denselben Satz aas, den vor ihm schon
Harrison aufgestellt hatte, dass die günstige Wirkung 4er Nieren-
operationen auf die Schmerzen, die Blutung, Albuminurie etc. in der
Entspannung, in der Entfernung des gesteigerten intrarenalen Drucks
zu finden sei. Er rat, die Nierenwunde nicht durch die Naht zu
schliessen. Zur Operation bewogen wurde Israel durch die grossen
Qualen der Patienten, durch die gefährlichen Blutungen und durch
die Erfolglosigkeit der vorangegangenen inneren Behandlung. Zn
seinem Erstaunen fand er in der Mehrzahl der Fälle von Schmerzen
der Niere mit Hämaturie, die nieht auf eine der bisher bekannten
Ursachen, wie Stein, Tuberkulose, Neubildung, Hydronephrose, zu¬
rückgeführt werden konnten, entzündliche Prozesse; das Bild der¬
selben war nicht immer gleich: bald zerstreute interstitielle Herde,,
bald diffuse interstitielle oder parenchymatöse Nephritiden, bald
Glomerulonephritis, bald intensive Erkrankung nur eines an den
Polenden gelegenen Abschnittes bei Unversehrtheit der übrigen
Niere. Als zufällige Folge dieser Eingriffe, die auf Grund irriger
Voraussetzung unternommen waren, stellte es sich heraus, dass
Blutungen und Koliken entzündeter Nieren durch die Incision dieser
Nieren beseitigt werden können. Im Gegensatz zu Edebohls
will Israel die Nephritis an und für sich nicht als Gegenstand
chirurgischer Behandlung wissen: „loh bin niemals darauf auege-
gangen, irgend welche Formen von Nephritis zu heilen, sondern mein
Eingriff bezweckte ausschliesslich die Beseitigung der auf nephri-
tischer Grundlage entstandenen qualvollen oder gefährlichen Sym¬
ptome, der Koliken und der Massenblutungen: ich habe, abgesehen
von einem Fall nephritischer Aourie, niemals irgend eine Form von
nicht suppurativer Nephritis operiert, wenn sie nicht von einem
dieser Symptome oder von beiden begleitet war, weil ich stets nur
in diesen eine Indikation zum Einschreiten gesehen habe.
Nur insoweit, als die . .. Nierenincisionen gleichzeitig einen günstigen
Einfluss auf andere nephritische Symptome, auf Verschwinden der
Albuminurie, auf Steigerung der Harnmenge, auf Verminderung der
Mictionshaufigkeit etc. erkennen liessen, habe ich von einer günstigen
Beeinflussung des nephritischen Prozesses gesprochen.“ — Durch
Sektion ist das Vorkommen einseitiger Nephritis nur in dem Fall
von Bayer bestätigt und hier wurde keine mikroskopische Unter¬
suchung ausgeführt. Die übrigen Fälle, die zum Beweis heraoge-
gezogen werden (Pousson, Keersmacker, Hofbauer, Rovsing)
sind solche^ wo nach der Exstirpation einer entzündeten Niere Heilung
eintrat oder auch schon nach der Spaltung einer partiell oder ganz
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entzündeten Niere- (Israel No. 3 und 10); hieraus wird auf Gesund¬
heit der anderen Niere geschlossen. — Israel hat keinen Fall
während einer Kolik oder einer makroskopischen Hämaturie operiert.
Deshalb hat er auoh keine Kongestion der Niere bei der operativen
Autopsie gefunden, denn diese Kongestionen, die er als Ursache der
Beschwerden betrachtet, treten seiner Ansicht nach paroxysmal auf.
In dem einen Fall von ihm, bei dem während des Anfalls die Niere
fühlbar anschwoll und der in den letzten Ausläufern des Anfalls
operiert wurde, fanden sich intensivste Kongestion und Spannung der
Niere, ebenso aber auch einige Verwachsung mit der Fettkapsel.
In der Literatur sind auch Fälle von Spannungserhöhung, Schwellung
und Kongestionszuständen an freigelegten Nieren beschrieben, bei
denen nephritische Veränderungen als Grundlage von Hämaturien
und Koliken anatomisch nächgewiesen sind (Pousson, Potherat,
Albarran, Keersmaker, Harrison, Schede). — Nephritische
Prozesse hat er unter 15 operierten Fällen 11mal beobachtet: zwei¬
mal konnten die Prozesse mit unbewaffnetem Auge beobachtet
werden, sechsmal wurden sie durch das Mikroskop festgestellt, ein¬
mal Hessen die zwei Jahre später auftretenden Oedeme und urä¬
mischen Anfälle an Nephritis nicht zweifeln, zweimal wurde aus
dem Befund von Cylindern Nephritis diagnostiziert: das ist ein
Prozentsatz von 73. Selbst in den Fällen, wo makroskopisch keine
Aenderung der Niere zu erkennen ist, können sich mikroskopisch
hochgradige Veränderungen finden. So boten zwei Fälle von
schwerster diffuser Nephritis makroskopisch gar nichts Besonderes.
Die makroskopische Diagnosenstellung wird noch durch die künst¬
liche Anämisierung der Niere sehr erschwert. Auch Pousson und
Albarran haben diese Erfahrung machen müssen. Man soll sich
mehr an die positiven als an die negativen Befunde halten. Denn
oft-handelt es sich* Um kleine Herde, die in der Niere zerstreut
sind. Da kann es leicht Vorkommen, dass ein -solcher Herd in dem
kleinen Nierenstück, das man zur Untersuchung herausgeschnitten
hat, sich nicht findet, dass das Mikroskop eine gesunde Niere fest¬
stellt, während dieselbe in Wirklichkeit krank ist. Im übrigen ist
die Zahl der Fälle, die in der Literatur niedergelegt sind, wo sich
Nephritis als organische Grundlage für Blutung und Koliken fand,
nicht klein: Hofbauer, Pousson, Poirier, Desmons, P4an,
Rovsing, Schede. Für die angioneurotische Ursache von Nieren¬
blutung sprechen nur die zwei Fälle von Schede und Klemperer
und diese Zahl iet zu gering, um darauf eine Theorie aufzubauen.
Der Fall von Pasäet, in dem nach Eröffnung der Harnblase die
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Nierenblutung schwand, beweist für eine nervöse Ursache der Blutung
gar nichts, denn in einem Falle Gnyons (von Albarran beschrieben)
trat derselbe günstige Erfolg nach Curettement der Harnblase ein,
und im weiteren Verlauf trat eine Nierentuberkulose zu Tage. Die
Annahme einer nervösen Ursache für die Nierenblntung ist eine
Gefahr für den Kranken in manchen Fällen. Sie kann Ursache
werden, dass der Arzt den richtigen Zeitpunkt verpasst, eine eventuell
vorhandene Neubildung oder Tuberkulose der Niere zu operieren.
Solange man keine sicheren Kriterien zur Unterscheidung einer
angioncurotischen Blutung von einer auf Neubildung beruhenden
besitzt, als die bis heute bekannten, ist zu einer sicheren Diagnose
in letzter Instanz nur die Probeincision befähigt. Sie ist um so eher
erlaubt, als sie zugleich heilend wirken kann. Dass letzteres der
Fall ist, steht zweifellos fest. Theoretisch muss man ja zugeben,
dass eine Blutung auch entspannend wirken muss; dem widerspricht
aber die praktische Erfahrung. Senator nimmt eine Verwachsung
der Nierenkapsel als Ursache für die Koliken in Anspruch, während
er die renale Spannungszunahme als solche leugnet. Dem ist zu
erwidern,- dass eine Kapselverwachsung nur in einem Teil der unter¬
suchten Fälle sich fand, dass aber die Ursache für Kapselver¬
wachsung ganz überwiegend häufig in entzündlichen Prozessen der
Niere liegt und dass Kapselverwachsuugen nur dann zu Koliken
führen, wenn sie die Niere an abnormer Stelle fixieren und dadurch
Abflusshindernisse schaffen. Die geringe Entzündung, die bei der
Incision der Niere entsteht, gefährdet das Organ nicht, da sie gut¬
artig, aseptisch, nicht progredient ist, lokal bleibt und sich in kurzer
Frist zurückbildet, nur in der unmittelbaren Umgebung eines anä¬
mischen Infarktes der Schnittfläche auftritt und dazu dient, diesen
zu resorbieren und durch Narbengewebe zu ersetzen. Man darf
allerdings die Nierenarterie nicht zu lange und nicht zu fest kom¬
primieren, die Nähte zur Wiedervereinigung des Schnittes nicht zu
dicht aneinander legen oder zu fest knoten, die Niere nicht mit den
Fingern drücken. Die Schädigungen, die Braatz beschreibt, sind
keine notwendige Folge des Eingriffes, sonst wäre es um die Nieren¬
chirurgie schlecht bestellt Das lehrt die Erfahrung am Menschen
und das haben die Experimente von Tuffier, Barth und Max
Wolff gelehrt — Von seinen 14 operierten Fällen sind drei ge¬
storben, sechs dauernd von Schmerz und Blutung durch die Operation
geheilt; in einem Falle sind Schmerzen und Blutungen auf der ope¬
rierten Seite für immer verschwunden, um später auf der anderen
Seite aufzutreten, da die Erkrankung doppelseitig war. In zwei
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Fällen schwenden die Koliken für eis und 1 J / 2 Jahr, na dann
wiederzukehren; in zwei Fällen batte die Operation keinen oder nur
vorübergehenden Erfolg.
Klemperer, G.: Klernperer stellt sich in seiner Anschauung
von dem Wesen der Nierenblutuegen in Gegensatz zu Israel, so¬
wohl was Aetiologie, Prognose und Therapie anbetrifft Seiner
Ansicht nach ist ein Teil der Nierenblutungen, die sogenannten
essentiellen Nierenblutungen, auf angioneurotisabe Einflüsse zurück-
zuführen. Blutungen aus nervösen Ursachen sind in anderen
Organen nicht unbekannt, sowohl physiologisch, wie die Menstrual¬
blutung, als auch pathologisch in den verschiedensten Organen.
Auch experimentell sind sie vom Centralnervensystem aus in Lunge
und Magen hervorzurufen. K. führt dann eine Reihe von Fällen
an, wo die freigelegte oder exstirpierte Niere sieb als gesund erwies
(Sabatier, Schede, Anderson, Durham, Legueu, Broca,
Passet, Israel). Es bestanden in allen diesen Fällen profuse
Blutungen, iu einigen verbunden mit Schmerzanfällen. Die Bezeich¬
nung „essentielle Blutung“, „lokale Hämophilie“, „Nephralgie h6ma-
turique“ sind nur Umschreibungen; es handelt sich in diesen Fällen
um Lähmung der vasoconstrictorischen Nerven; es kommt dadurch
zur Erweiterung der Gefässe, gleichzeitig zur Lockerung der Ver¬
bindung der Gefässwandzellen, die den Durchtritt der roten Blut¬
körperchen gestattet Auch die heilende Wirkung der einfachen
Freilegung der Niere, der Akupunktur, der Spaltung, ja sogar einer
Blaseneröffnung oder nur einer energischen Blasenspülung kann nur
erklärt werden, wenn man eine nervöse Ursache der Krankheit an-
nimtnt Die Wirkung ist eine suggestive, ebenso wie durch Suggestion
Blutungen hervorgerufen werden können. Die Frage ist nnr, ob die
Suggestion eine blutige sein muss. Der von Senator angeführte
Fall von „renaler Hämophilie“ ist sehr zweifelhaft; er ist wohl auch
als ein Fall vou angioneurotischer Blutung zu betrachten. Die Reste
einer interstitiellen Nephritis, die sich in der exstirpierten Niere fanden,
konnten mit der Blutung in keinem Zusammenhang stehen. — K. führt
dann zwei Fälle von lange anhaltender Hämaturie bei Hämophilen
an, einen Fall, der auf psychischen Einfluss heilte, sowie zwei Fälle
von kurz anhaltender Hämaturie nach Ueberanstrengung bei gesunden
Individuen, die durch Bettruhe und Diät schnell geheüt wurden;
alle diese Fälle heilten ohne Operation. In eiuetn Falle wurde wegen
der starken Blutung eine Niere exstirpiert, die sich dann als ganz
gesund erwies. Die Schlüsse, die K. aus seiner Arbeit zieht, sind
folgende: „1. Durch körperliche Ueberanstrengung können Nieren-
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blutungen entstehen. 2. Bet der Diagnose chronischer Nieren¬
blatungen kommen neben akuter Nephritis, Nierenstein, Nierentuber¬
kulose, Pyelonephritis und Nierentumor auch Hämaturie der Bluter
und angioneurotische Nierenblutung in Betracht. 3. Hämaturie der
Bluter ist zu diagnostizieren, wenn Farailienanamnese und eigene
Blutungen den Kranken als zweifellos hämophii erkennen lassen.
In diesem Falle ist jeder operative Eingriff, selbst die Cystoskopie,
zu unterlassen. 4. Angioneurotische Nierenblutung ist zu dia¬
gnostizieren, wenn der blutige Urin eine einfache Mischung von Blut
und Harn, ohne jeden anderen pathologischen Bestandteil, darstellt
und die Palpation der Nieren dieselben nicht als vergrössert erweist.
Der renale Ursprung der Blutung wird durch Empfindlichkeit einer
Niere, Blutkörperchencylinder oder Cystoskopie erwiesen. Zeichen
allgemeiner Neurasthenie unterstützen die Diagnose, sind aber für
dieselbe nicht notwendig. 5. Es sind auch angioneurotische Nieren¬
blutungen mit Schmerzanfällen beobachtet (Nephralgies h&naturiques),
welche mit Nierensteinkolik die grösste Aehnlichkeit haben. Sie
unterscheiden sich von dieser durch die geringere Intensität und
die kürzere Dauer der Schmerzen, sowie die suggestive Beeinfluss-
barkeit derselben. 6. Die Diagnose der angioneurotischen Nieren¬
blutung ist erst nach mehrwöchentlicher Beobachtung zu stellen.
7. Die Behandlung besteht in vollkommener Bettruhe, vorwiegender,
aber nicht ausschliesslioher Milchdiät und wohlbedachter psychischer
(suggestiver) Einwirkung. Sehr zu empfehlen sind hydrotherapeutische
Prozeduren (kalto Güsse nach warmen Bädern), vielleicht auch lokale
Elektrisation. 8. Die probatorische Freilegung der Niere darf erst
in Frage kommen, wenn nach mehrwöchentlicher inuerer Behandlung
kein Rückgang der Blutung zu bemerken ist und die Anämie das
Leben gefährdet. 9. Zeigt die Freilegung der Niere dieselbe als
gesund, so ist die Exstirpation vorläufig nicht vorzunehmen, sondern
die Wunde zu verschliessen und der Effekt der Freilegung abzu¬
warten. — Die Spannnngsverhältnisse spielen beim Morbus Brightii
eine verhältnismässig geringe Rolle; die Gefahr, die kein Chirurg
beeinflussen kann, liegt in den Veränderungen der Nierenzellen,
die ihre Funktion herabsetzen; die qualitative und quantitative Be¬
schränkung der Sekretion kann durch einen operativen Eingriff
höchstens verschlimmert werden. Die Frage des Vorkommens von
einseitiger Nephritis ist noch nicht zu entscheiden; es ist möglich,
dass die Entzündung längere Zeit einseitig bleibt. Daraus, dass der
Harn nach der Exstirpation einer kranken Niere normal ist, darf
man nicht schliessen, dass die andere Niere gesund ist, sie kann
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sich, im Beginn der Entwicklung einer Nephrit» befinden. Die
Aassichten sind aber für den Kranken viel schlechter, wenn er nur
noch eine Niere hat. Durch eine blosse Spaltung wird der Ent¬
zündungsprozess, der durch hämatogene Gifte hervorgerufen wird,
nicht verändert. Die Kongestion als Ursache von Kolik und Blutung
ist nicht anzuerkennen, da sie Israel bei seinen Operationen nicht
vorfand. Wenn aber die Kongestionen nach Israel’s Ansicht
vorübergehend sind und von .selbst verschwinden, so braucht man
ihretwegen nicht zu operieren. Beim akuten Morbus Brightii kommen
gewöhnlich keine Koliken vor oder es muss ein besonderer Faktor
vorhanden sein, eine besondere Disposition der Nierennerven. Die
entzündlichen Herde, die Israel gefunden hat, können höchstens
indirekt durch Nervenreizung Schmerzen und Blutung hervorrufen.
Diese entzündlichen Herde werden durch Operation nicht beeinflusst
Israel vernachlässigt die vielen Fälle, die ohne Operation geheilt
sind. Ein schwerer Fall, den Klemperer vor sechs Jahren durch
Hydrotherapie heilte, ist jetzt noch gesund. Dabei ist die Operation
doch nicht ungefährlich, wie die Mortalität von 21% von Israel
beweist. Die Internisten müssen die Operation möglichst weit hinaus¬
schieben. Harncylinder ohne Albuminurie bedeuten noch keine
Nephritis oder doch nur die leichteste Form von Nierenreizung,
die ohne weiteres von selbst heilt. Cylinder findet man oft bei
Darmkatarrhen, bei Perityphlitis, bei hohem Zuckergehalt. Des¬
gleichen überschätzt Israel das Vorhandensein einzelner roter Blut¬
körperchen im Urin. „Die Nierenspaltung ist indiziert bei Anurie,
die durch Schwellungszustände der Niere bedingt ist (z. B. bei
septischer Nephritis);“ viel zurückhaltender muss man sein bei
Anurie beim akuten Morbus Brightii, z. B. Scharlachnephritis. Bei
anderen Formen des Morbus Brightii ist eine jede Nierenoperation
kontraindiziert, sie kann wesentlich schaden, während die Möglich¬
keit eines Nutzens nicht zu sehen ist. Die Nierenspaltung darf
erst in Frage kommen, wenn alle Mittel der inneren Medizin er¬
schöpft sind und wenn drohende Verblutung oder dauernd uner¬
trägliche Schmerzen die Operation unvermeidbar erscheinen lassen.
(Fortsetzung folgt.)
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Der Leberabscess.
Kritisches Sammelreferat auf Grund der Literatur von 1S92 (inkl.) bis 1903.
Von Dr. Felix Perutz, Spezialarzt für Verdauungskrankheiten
in München.
(Abgeschlossen am 1. Januar 1903.)
(Fortsetzung.)
Fortsetzung der Literatur.
22 ) Boinet, Trois cas de gtands absc&s du foie „nostras 44 d’origine dysen-
t^rique. Revue de m£decine 1897, I, p. 56.
23) Ders. f De Phyperleucocytose polynucl6aire comme 616 ment de diagnostic
de l’absc£s du foie. Gazette des hop. 1900, p. 1583.
24) Ders., Diagnostic des formes latentes de Tabscis dysenterique du foie.
Gazette des höp. 1901, 5. März.
Daselbst citiert von früheren einschlägigen Arbeiten desselben Autors:
Recherches sur le pus des absc£s du foie. Congrös fran^. de m^decine
interne, Lyon 1894. p. 502 et Marseille medic. 1895 et 1896, p. 49.
Grands absc£s du foie tardifs consecutifs ä la dys6nterie de nos climats.
Congr£s fran<?. de niedec. interne, Montpellier 1898, p. 119 et Nou¬
veau Montpellier medical 1898, p. 591.
Discussion sur l’absc£s du foie. Marseiile medical 1900, p. 18 et 19.
Absens du lobe gauche ouvert dans Testomac. Marseille medical 1900.
25) Bram well u. Stiles, A case of deep-seated tropical abscess of the liver
treated by transthoracic hepatotomy, recovery. Lancet 1896.
26) Bresson, Le curetage des absofcs du foie. Th£se Bordeaux 1895.
27) British medical Association Ipswich 1900. Sect. of tropical diseases; ref.
Lancet 1900, 18. u. 25. Aug.
McLeod: The treatment of the abscess of the liver. Diskussion: Smith,
Manson, Cantlie.
28) British medical Association, Manchester 1902. Sect. of tropical diseases;
ref. Lancet 1902, 16. Aug.
Dysenterie; tropical or amoebic abscess of the liver and its relationsship
to amoebic dysentery (Duncan, Sandarith, Musser, Rogers,
Manson, Rockwood-Cantlie).
The prevention and treatment of dysentery (Buch an an).
29) Buchanan, Remarks on the death-rate of dysentery and on dysentery
and liver abscess. British medic. Journal 1898, II.
30) Calmette, Archive de m6decine navale et coioniale 1893.
31) Camerer, Leberabscess, hervorgerufen durch verschluckten Fremdkörper.
Med. Korrespondenzbl. d. württemb. ärztl. Landesvereins 1899.
32) Cardarelli, Febre epatica suppurativa. Morgagni Guigno 1893; ref.
Jahrb. v, Virch.-H.
33) Catellani, Etiologia dell ascesso epatico in generale. La Riforma medica
1898; ref. Cbl. f. Grzgeb. 1899.
34) Cayley, Tropical affections of the liver. Verhandl. des VIII. Kongresses
für Demographie u. Hygiene, Budapest 1894, Bd. II.
35) Champoni£re, Absces du foie apergu par la radioskopie. Bulletin de
l T Acad£mie de M6decine 1900, Bd. XLIII; ref. Cbl. f. Grzgeb. 1902.
36) Chevalier, Hepatite suppurative. Laparatomie. Autopsie. Archive med.
beige 1900; ref. Cbl. f. i. Med. 1901.
37) Ciechomski, Beitrag zur Kasuistik der traumatischen Leberabscesse.
Gaz. lckarska (polnisch) 1898; ref. Cbl. f. Chir. 1898.
38) Clarke, On multiple abscess of the liver. The practitioner 1893, Oct.;
ref. Jahrb. Virch.-H.
39) Councilmann-Lafleur, Amoebic dysentery. Bull. of. John Hopkins
Hospit. 1891, II; ref. in Schmidt’s Jahrb. 1894, Bd. CCXLIII, p. 13.
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40) Cotta, De Pabsence de microbes dans les absc6s du foie. Th&se de
Paris 1895; cit. bei Boi net, Revue de m£decine 1897.
41) Curnow, Hepatic abscess followed by amoebic dysentery. Lancet 1895
4. Mai, I, p. 1109.
42) Curschmann, Ueber eine eigenartige Form von nekrotisierender Hepatitis.
Deutsches Archiv f. klin. Med. 1900, Bd. LX 1 V.
43) Dabney, A contribution 10 the study of hepatic abscess. The American
Journal of med. Sciences 1892, Bd. CIV.
44) Debraz, De Pabsence des microbes dans les absc£s du foie. These de
Paris 1895; cit. nach Boi net, Revue de mfcdecine 1897.
45) Dreschfeld, A case of tropical abscess of the left lobe of the liver with
unusual Symptoms. Medic. chronicle 1897; ref. Cbl. f. i. Med. 1897.
46) Dieulafoy, La foie appendiculaire; absc£s du foie con96cutifs ä l’appen-
dicite. Semain m£dic. 1898; ref. Cbl. f. Chir. 1899.
47) Dogliotti, Pleurite sierosa sterile come uni ca manifestatione di ascesso
del fegato. Gazzetta medic. di Torino 1897; ref. Cbl. f. i. Med. 1897.
48) Dudly, Leberabscess. Archiv f. klin. Med. 1892, Bd. L.
49) Duffek, Distomum hepaticum beim Menschen. Wiener klm. Wochen¬
schrift 1902, Nr. 30.
50) Dunkel, Ein Fall von Leberabscess durch Ascaris lurobricoides. Inaug.-
Diss., Greifswald 1897.
51) van Dyk, Opereeren van Leberabscessen. Geneesk., Tydschrift voor
Nederl. Indien 1893, Bd. XXXIII; cit. bei Smits, Arch. f. klin. Chir. 1900, Bd. LXI.
52) Edwards and Watermann, Hepatic abscess. Report of a case with
remarks upon the Amoeba coli. Pacific med. Journ. 1892, March; ref. Jahrb. Virch.-H.
53) Ewald, A., Pylephlebitis suppurativa. Berliner med. Gesellschaft, Sitzung
vom 2, Nov. 1892. Berliner klin. Wochenschr. 1892, p. 1201.
54) Ders., Leberabscess nach Dysenterie. Verein für innere Medizin« Sitzung
vom 15. Febr. 1897. Berliner klin. Wochenschr. 1897, p. 169.
55) Ewald, Multiple Leberabscesse bei Ovarialabscess, Thrombose der Cava
inf. etc. Verhandl. des Wiener med. Klubs, Sitzung vom 18. Okt. 1898; ref. CbL
f. Grzgeb. 1899.
56) Farganel, Note sur le traitement des absc£s du foie par la suture pleuro-
diaphragmat. et le curettage de la poche Papr&s la m^thode de Fontan« Archiv, de
medecine et pharmac milit.; ref. Cbl. f. Chir. 1898.
57) Fiebig, Ueber den Einfluss des Alkohols auf den Europäer in den Tropen.
Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene 1901, Bd. V, Nr. 3.
58) Flexner, Perforation of the Cava inf. in the amoebic abscess of the liver.
American Journ. of medic. Sciences 1897.
59) Fon tan, Sur Pouverture des grands absc&s du foie. Bull, et m6m. de la
soc. de chir. de Paris 1892, Bd. XVII, p. 778; ferner Progräs m6dic, 1895, Aoüt.
60) Ders., Au sujet des absc&s du foie. Bull, et mtoi. de la 90c. de chir. de
Paris 1898, Bd. XXIV, p. 157.
(Fortsetzung der Literatur folgt.)
Pylephlebitis mit Leberabscessen, ausgehend von einem typhö¬
sen Geschwür, hat Lannois 108 ) beschrieben.
Bei Perthes schien der plötzliche Beginn mit Schüttelfrost
auch für eine Embolie aus einem tbrorabosierten Pfortaderast zu
sprechen.
Doch ist nicht von der Hand zu weisen, dass hier wie auch
bei den Fällen von Berndt, Osler und Swain das Uebergreifen
eines typhösen Geschwürs der Gallenwege auf die Leber oder in
der Leber deponierte Typhuskeime die Abscessbildung veranlasst
haben. Dass dieselben unter Umständen lange in der Leber sich
aufhalten können, bis sie ihre Wirkung entfalten, thut die Mit-
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teilung von Bertraüd 18 ) dar, der Typhusbacillen in einem 10
Jahre später entstandenen Leberahscess auffand.
Ob bei Funke 68 ), wo der Kranke ohne Punktion und Ope¬
ration geheilt wurde, ein Leberabscess nach Typhus Vorgelegen hat,
wird auch von Perthes bezweifelt.
Leberabscesse tuberkulösen Ursprungs sind sehr selten;
es scheint dies mit der Obliterajtion der Gefässe in den tuberku¬
lösen Darmge8chwüreu zusammenzuhängen. Die von Jasinski 87 )
und von Lipsteiu als möglicherweise tuberkulös beschriebenen
Leberabscesse können ebensogut einer Metastase auf dem Wege des
grossen Kreislaufs wie einer Pfortaderinfektion ihre Entstehung
verdanken.
Dasselbe gilt für die von Aribaud 7 ) und Jocheies 88 ) ange¬
führten primären aktinomykotischen Leberabscesse, während
unter den 30 von Boari 21 ) mitgeteilten Fällen eine Anzahl auf
akti nomykotische Geschwüre des Darms zurückzuführen sind. Einen
seltenen Fall der Art hat uns Litten (s. Nachtrag) überliefert.
Der Abscess war hier nach aussen durchgebrochen und hatte zu
einer Fistelöffnung am Nabel geführt. Sowohl im Sekret der Fistel
als auch im Leberabscess liessen sich Aktinomycesdrusen nachweisen.
Die Anastomosen der Pfortader mit den Beckenvenen ermög¬
lichen die Infektion der Leber bei den eitrigen Erkrankungen der
Genitalien und des Rectums.
8o konnte Roger 176 ) als Ausgangspunkt für einen Leberabs¬
cess einen alten Entzüudungsberd im kleinen Becken, Rabö 163 ) eine
eitrige Salpinigitis, Ewald 55 ) einen Ovarialabscess mit Venenthrom¬
bose naoh Abort aufdecken.
Bei Ophüls entwickelten sich Leberabscesse nach Geschwüren
im Rectum, und Penzoldt 158 ) berichtet über einen, Kobler über
zwei Fälle, wo Tripper und Prostatitis aller Wahrscheinlichkeit
nach die Ursache für die Eiteransammlung in der Leber abgaben.
Neben allen diesen Fällen aber, bei denen klinisch oder ana¬
tomisch eine Eintrittspforte im Gebiet der Pfortader festzustellen
war, bleibt noch eine Reihe von solchen übrig, bei denen dies nicht
gelang und die wir als idiopathische oder kryptogenetische Abscesse
bezeichnen müssen.
Dies gilt nicht bloss für die durch die Operation getheilten
Leberabscesse von Vosswinkel 205 ), Soave 191 ), Trozewski 200 ),
Guilini 172 ), selbst die Autopsie vermochte bei Tooth 198 ) und bei
Mak arytschew 128 ) das Dunkel ihrer Entstehung nicht zu erhellen
oder hat, wie bei Lingen 116 ) und Magnet 127 ), nicht mehr als Ver-
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 48
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mutungen ergeben. So sucht ersterer mangels anderer Befunde einen
Duodenalkatarrh zur Erklärung herbeizuziehen und letzterer denkt
bei der Pylephlebitis mit Leberabscess, die er bei einem Säufer be¬
obachtete, an eine Erosion der Magenschleimhaut als Quelle der
Infektion.
Schliesslich haben wir noch zu betrachten, welche Rolle die
Gallenwege bei der Entstehung der eitrigen Hepatitis spielen.
Dieselbe kommt zustande;
1. durch Einwanderung sehr virulenter Keime (Streptococcen,
Colibacilien) in die intakten Gallengange, wie die Fälle von Bacu-
loglu 18 ) und Chevalier® 6 ) zu lehren scheinen. Bei Wilma* 09 )
bestand neben der eitrigen Cholangitis und den Leberabscessen
auch ein Empyem der Gallenblase.
2. Kann bei Steineinklemmung im Choledochus die gestaute
Galle infiziert werden und eine aufsteigende, auf die feinsten Ver¬
zweigungen sich ausdebnende Cholangitis zur eitrigen Einscbmelzung
des Leberparenchyms führen (Bielschowsky). Besteht eine Gallen-
blasen-Duodenalfistel (Walter* 01 ), Korcynski 100 ), so ist eine In¬
fektion auch auf diesem Weg möglich.
3. Ein in den Gallengängen liegender Stein fuhrt zur Druckusur
der Wand, erzeugt Pericholangitis und durch Uebergreifen der Ent¬
zündung auf die Leber Eiterung (Sonnenburg-Hermes, Voss¬
winkel, Korcynski).
Bei Fällen dieser Art wird die Abhängigkeit des Abscesses
von der Cholelithiasis manchmal durch die Operation nur dann klar¬
gelegt, wenn es gelingt, hierbei das Konkrement zu finden, was zu¬
weilen nicht gleich, sondern erst im Laufe der Nachbehandlung ein-
tritt (Sonnenburg).
In einem der von Sonnenburg operierten, von Henges-
baoh 48 ) in seiner Dissertation beschriebenen Fälle schien eine
stärkere Inanspruchnahme der Bauchpresse beim Heben eines
schweren Gegenstandes zur Einklemmung des Steines geführt zu haben.
Unter den ätiologischen Faktoren des Leberabscesses in
unseren Gegenden nehmen nach Kobler’s Zusammenstellung aus dem
Wiener pathologischen Institut die Gallensteinleiden den ersten Platz
ein. Unter 71 Fällen von Leberabscess waren 23 auf die Kompli¬
kationen der Cholelithiasis zurückzuführen.
Pathologische Anatomie.
Die Bevorzugung dee rechten Lcberlappens als Sitz der tropi¬
schen Abscesse wird auch durch die neueren Angaben bestätigt; nach
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Leblond und Boinet bat er sich in zwei Dritteln der Fälle dort ent¬
wickelt, Zancarol fand unter 157 Fällen 115 mal den rechten, 30 mal
den linken Lappen befallen. Häufig nimmt er die Leberkuppe ein.
Die Grösse der Abscesse ist oft beträchtlich. Sie kann den
Umfang eines Kindskopfes erreichen und nach Haasler’s 78 ) Be¬
obachtungen bann der Absoess in Handtellergrosse an die Ober¬
fläche der Leber treten. Manchmal ist auch ein ganzer Lappen
von mächtigen Zerfallshöhlen eingenommen.
Die Inhaltsmenge ist dementsprechend; nicht selten werden
1—l l /j Liter Eiter entleert, bei Lafoucade 1M ) gar ca. 3 Liter.
Nach der Annahme von Clarke 88 ), Windsor, Loison 119 ),
Kramm sind die grossen tropischen Abscesse nicht von Anfang an
als solitäre zu betrachten, sondern sie entstehen durch das Konfluiereu
mehrerer mittlerer und kleinerer Eiteransammlungen, ein Vorgang,
den Dabney und Kramm nicht selten nach der Operation be¬
obachten konnten.
Eine erneute, reichliche Eiterabsonderung aus der Wunde that
jedesmal den Durchbruch eines weiteren Eiterherdes in den bereits
eröffneten kund.
Um die grösseren Abscesse fanden Haasler und Boinet häufig
einen Kranz kleinster Herdchen von Erbsen- bis Stecknadelkopf¬
grösse angeordnet. Vielleicht bilden die nekrotischen Fleckchen,
die Councilmann-Lafleur und Marshall beschrieben und die sie
auf den Einfluss giftiger, von den Amöben abgesonderter Stoffe
zurückführten, die Vorstufe jener kleinsten Abscesse.
Die Statistiken geben über die Frage, ob die tropischen Abs¬
cesse von Anfang an solitär oder multipel auftreten, begreiflicher¬
weise einen ungenauen Aufschluss.
Zancarol fand unter 211 Fällen 84 mal, Windsor unter
51 Fällen 21 mal, Dabney unter 50 Fällen 15mal multiple Abs¬
cesse.
Moty gibt an, in Cochinchina häufig nach der Dysenterie
kleine, die Leber in grösserer Menge durchsetzende Abscesse wahr¬
genommen zu haben, die unter dem Bild pyämischer Infektion rasch
zum Tode führten, während in Algier im allgemeinen mehr grosse
solitäre AbsceBse zur Beobachtung kamen. Ob dies von örtlich
verschiedener Virulenz der Erreger abhängt oder ob im ersteren
Falle noch Sekundärinfektionen hinzutreten, die den schnellen und
bösartigen Verlauf bedingen, ist unbekannt.
Nach den Beschreibungen von Kruse-Pasquale, Howard
und Hover besteht die Wand der tropischen Abscesse ira wesent-
48 *
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liehen aus drei Schichten, von denen die innere aus oberflächlich
in Zerfall geratenem Granulationsgewebe besteht (Aufenthaltsort dei
Amöben!), die mittlere aus Bindegewebe gebildet ist und die äussere
ins normale Lebergewebe überleitet. In Fällen rasch fortschreitender
Entwickelung zeigt der Abscess zerrissene nekrotische Ränder
(Cayley), geringe Ausbildung der Abscessmembran und unmerklichen
Uebergang ins normale Lebergewebe (Manson-Galloway).
Sein Inhalt weicht nach den letztgenannten Autoren, nach
Kruse-Pasquale u. a., von der Beschaffenheit des gewöhnlichen
Abscesseiters schon makroskopisch durch das Vorwiegen nekrotischer
Gewebsmassen ab, er ist zähschleimig, dickflüssig (Kramm),geruchlos,
mit bröckligen Beimengungen.
Die Mischung von zerstörtem Lebergewebe und Galle mit dem
in die Abscesshöhle ergossenen Blute kann je nach dem Vorwiegen
der einzelnen Bestandteile, den Veränderungen des Blut- und Gallen¬
farbstoffes und dem Alter des Abscesses die Farbe schwanken
lassen von Gelbgrün bis zur jener schokoladeartigen Beschaffenheit
des Eiters, die nach Margulier sofort den Schluss auf die Her¬
kunft des Eiters gestattet. Häufig scheint eine Färbung bei älteren
Abscessen vorzukommen, welche die Engländer (Windsor, Glover,
Canti ie) mit der Farbe der Anchovissauce, die Franzosen (Leblond,
Boi net) mit der der Weinhefe vergleichen.
Nach Hengesbach und Kramm kann innerhalb der Abscess¬
höhle eine Sedimentieruug eintreten und aus dem dicken Eiter eine
darüberstehende wässeriggallige Flüssigkeit sich ausscheiden.
Kommt es zum seltenen Ausgang in Spontanheilung, so.findet
man an Stelle des Abscesses eingedickte käsige Massen, umgeben
von einer derben, sklerosierten Membran (Loison).
Mikroskopisch besteht der Inhalt des Abscesses vorwiegend
311 s nekrotischen Massen, daneben finden sich mit Galle imbibierte
Leberzellen in allen Graden des Zerfalles, fettig degenerierte weisse
Blutkörperchen, Fettkörnchen, Fettsäurenadeln, Tyrosin- und Bili-
rubinkrystalle (Leblond, Boinet u. a.), auch, wie erwähnt, Bakterien
und Amöben.
Aus der grösseren oder geringeren zeitigen Beimischung hat
man auf den progressiven oder stationären Charakter des Zerfalls¬
prozesses geschlossen. Nähert sich der Abscess der Leberoberfläche,
so kommt es zu circumscripter Entzündung des Leberüberzugs event
mit fibrinöser Ausscheidung (Perihepatitis) und nachfolgender Bildung
von Adhäsionen mit der Bauchwand. Bei Sitz der Eiterung in der
Leberkuppe entstehen Verklebungen zwischen Zwerchfell und Leber.
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Beim Fehlen von Verwachsungen der beiden Pleurablätter
kann der Abscess zum Durchbruch in dieselbe und zum Empyem
führen; infolge der galligen Bestandteile des Lebereiters zeigt das¬
selbe manchmal eine schmutzig-grünliche Farbe (Schweiger).
Mikroskopisch finden sich in diesen Fällen Leberzellen oder auch
Amöben (Windsor).
Auch auf dem Umweg durchs Mediastinum, wie in einem Falle
von O’Connor 146 ), oder von einem Lungenabscess aus, der nach
Durchbruch des Eiters in dieses Organ entstand und nun seiner¬
seits mit der Pleurahöhle kommunizierte, kann eine Infektion der¬
selben zustande kommen.
Bricht der Leberabscess in die Lunge durch, so enthält der
ausgehustete Eiter Leberzellen, Gallenpigment, Amöben, bei Grimm
sogar Flagellaten.
Nach Godlee’s Beobachtungen schlieesen sich nicht selten an
einen Durchbruch in die Lunge destruktive Vorgänge in diesem
Organ an, die zu ausgedehnter Kavernenbildung führen können.
Der ursprüngliche Leberherd kann dabei in Heilung übergehen.
Der Eiter dieser sekundär entstandenen Lungenabscesse zeigt
dann die gleiche rötlichbraune oder ziegelrote Farbe des Lebereiters;
selbst Abscesse, die im weiteren Verlauf durch Aspiration in der
anderen Lunge zur Entwickelung kommen, können die nämliche
Beschaffenheit des Eiters aufweisen (Godlee).
In einem Falle sah Schweiger die Entleerung des Leber-
abscesses durch die Haut; über Beratung desselben in die Bauch¬
höhle haben Hulke 88 ), Jocheies, Schweiger berichtet; Entleerung
des Eiters in den Darm wurde in einzelnen Fällen von Smits,
Maasland 121 ) u. a. angeführt.
Sind mehrere Abscesse vorhanden, so kann, wie bei Wickle in,
der eine in die Pleura-, der andere an die Peritonealhöhle durch¬
brechen.
Im allgemeinen sind mit der fortschreitenden chirurgischen
Behandlung diese früher häufig beobachteten Zufälle im letzten
Dezennium viel seltener geworden.
Ueber einen vereinzelt dastehenden Fall, in dem durch den
Abscess eine Arrosion der Vena cava mit nachfolgender tödlicher
Blutung hervorgerufen wurde, hat Flexner 58 ) Mitteilung gemacht.
Die durch Embolie von Pfortaderthromben oder durch Pylephle-
bitis im Anschluss an Appendicitis hervorgerufenen Leberabscesse
sind meist in grosser Anzahl über das ganze Organ verstreut. Neben
einzelnen grösseren Abscessen finden wir, wie ich selbst beobachten
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konnte! die Leber auf allen Schnittflächen von haselnussgrossen und
kleineren Herden dicht durchsetzt, so dass sie das Aussehen eines
eitergetränkten Schwammes darbietet, ein Bild, das Dieulafoy kurz
als Foie appendiculaire bezeichnet.
Der Eiter gleicht in diesen Fällen dem des ursprünglichen
Abscesses, ist stinkend, manchmal gashaltig und enthält Colibacillen.
Neben der Eiterung in der Leber finden sich zuweilen sonst
noch im Verbreitungsgebiet der Pfortader am Magen, Duodenum,
Jejunum (Lipstein) oder in der Radix mesenterii grössere und
kleinere Abscesse.
Kommt es im Verlauf der Appendicitis zu einzelnen Abscessen
in der Leber, so ist, wie dies durch Körte's Fälle dargethan wurde
und auch für Sonnenburg und Loison wahrscheinlich ist, eine
Infektion der Leber durch Fortleitung der Eiterung im retrocökalen
Gewebe anzunehmen. Doch kann auch auf diese Weise, wie der
Sektionsbefund von Nash zeigt, von der zuerst von der Eiterung
ergriffenen Stelle der Leber eine Verbreitung der Infektion in der
Leber stattfinden.
Die Leberabscesse bei Cholelithiasis präsentieren sich als Eiter¬
höhlen, die miteinander durch erweiterte Gallengänge in Verbindung
stehen (Naunyn), oder als buchtige Kanäle, die den Zusammen¬
hang mit zerstörten Gallenwegen erkennen lassen; neben galligem
Eiter enthalten sie bei Korcynski krümelige Konkremente.
Gallensteine, die von der Blase oder den grossen Ausführungs-
gäogen in die Leber durchbrechen, scheinen nach den Befunden von
Vosswinkel, von Sonnenburg, von Hermes meist zu solitären
Abscessen zu führen.
Einen der sequestrierenden oder nekrotisierenden Hepatitis von
Curschmann 4 *) analogen Befund konnte auch Bielschow'skv
erheben.
Die zahlreichen kleinen Zerfallsherde, die in diesen Fällen von
chronischem unvollkommenem Choledochusverschluss unter Nekrose
der Leberzellen auftreten, sind nach Cursohmann’s Ansicht nicht
auf die Gallenstauung, sondern auf die Toxinwirkung von Bakterien
zurückzuführen. Eine erhöhte Virulenz derselben hätte statt Nekrose
vielleicht Eiterung hervorbringen können.
iFortaetsung folgt.)
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II. Referate.
A. Schilddrüse.
De la thyroidectomie dans les thyoridites aigues suppuröes. Von
X. Delore. Gazette hebdom. de mäd. et de chir. 1902, Nr. 59.
Im Anschluss an eine ausführlich mitgeteilte Krankengeschichte
empfiehlt Delore, bei einer akuten eitrigen Entzündung der Schilddrüse
zunächst eine ausgiebige Incision mit nachfolgender Drainage anzu¬
bringen. Sollte infolge von Cystenbildung eine ausgiebige Entleerung
des Eiters unmöglich werden oder sollte eine Komplikation durch Ueber-
greifen der Entzündung auf die Nachbarschaft, Metastasierung der
Lungen etc. eintreten, so empfiehlt Verf. sofortige Thyreoidektomie.
Hugo Starck (Heidelberg).
La mddication thyroYdlenne dans le goitre aigu. Von Ferner.
Bull, ee la Sociötä mädic. des höpit, 18. annöe, 13. Dec.
Ferrier hatte Gelegenheit 13 Personen mit einer sehr seltenen
Affektion, die zuweilen bei der Armee auftritt, einem akuten Kropf,
mit Thyreoldin zu behandeln. Er verabreichte täglich 1—4 Läppchen
der Hammelschilddrüse. Von allen Patienten wurde diese gut vertragen;
bei einigen trat leichte Abmagerung ein. Der Erfolg dieser Behandlung
spricht auch dafür, dass dieser „akute Kropf“ nicht auf einer Hyper¬
aktivität der Schilddrüse beruht, wie die Basedowsche Krankheit, bei
welcher letzterer Tbyreoidin nur schädlich wirkt.
Bei akutem Kropf beobachtet man von Allgemeinstörungen Puls¬
verlangsamung, Hypothermie, Verminderung der Harnstoff- und Phosphor¬
säureausscheidung; nie tritt Zittern oder Exophthalmus auf. Es findet
sich also genau der umgekehrte Symptomen komplex wie bei Base¬
dow’scher Krankheit, für welche Pulsvermchrung, Temperaturerhöhung
und vermehrte Ausscheidung von Phosphaten und Harnstoff charak¬
teristisch sind. Der akute Kropf beruht also auf Hypo-, die Base-
dow’sche Krankheit auf Hyperthyreo’idisation.
Martin Cohn (Kattowitz).
Om foljderna af sadana partiella strmnektomier, hvilka närma aig
totala. Von H. Lund borg. Upsala läkarefören Förh., N. F. t
Bd. VII, H. 2.
Verf. beobachtete einen Fall, in dem nach partieller Strumektomie
(bis vier Fünftel) zuerst akute, später chronische Tetanie sich entwickelte.
Da dieser Ausgang relativ selten ist, möge der Fall hier kurz ange¬
führt werden.
Ein 24 jähriges Mädchen litt schon seit 11 Jahren an Struma
und Tachycardie ohne Exophthalmus. Nach dreimaliger partieller Strum¬
ektomie blieb nur ein kleiner Rest der Schilddrüse zurück. Bald darauf
akute Tetanie, die in einen tetanoiden Zustand überging, während dessen
spontan oder nach Anstrengung klonischer Krampf verschiedener Teile
des Körpere auftrafc. Der Zustand der Patientin war während der
Menstruation, bei der der Strumarest bedeutend schwoll, immer schlechter.
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Diese Thatsache spricht für ein Entstehen der Tetanie nicht nur infolge
einer Entfernung der Thyreoidea, sondern auch bei pathologisch ver¬
ändertem Sekret derselben, denn nur durch letztere Annahme lässt sich
diese Verschlechterung infolge einer Anschwellung der Thyreoidea erklären.
Köster (Gothenburg).
lieber die Folgen fast totaler Strumektomien. Von Lundborg.
Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde, Bd. XXI, H. 3 u. 4.
Bei einem 24jährigen Mädchen, welches die Erscheinungen des
Morbus Basedowii bot, wurde die vorhandene Struma in mehreren Sitzungen
exstirpiert und nur ein kleines Stück Strumagewebe zurückgelassen.
Wenige Tage nach der letzten Operation stellten sich die Sym¬
ptome einer akuten Tetanie ein. Auf diese schweren Anfälle folgte
ein tetanoider Zustand, wobei spontan oder nach geringen körperlichen
Anstrengungen klonische Krampfzustände in den verschiedenen Teilen
des Körpers ausgelöst wurden. Der Zustand wurde erst wieder besser,
als im Laufe der nächsten Monate der kleine zurückgelassene Rest der
Schilddrüse allmählich wieder zu einer neuen kleinen Struma angewachsen
war. Der Zustand der Kranken blieb dann mehrere Jahre leidlich.
v. Rad (Nürnberg).
Zur Kenntnis der Knochenmetastasen bei Schilddrüsentumoren.
Von R. Wagner. Münchener med. Wochenschr., 49. Jahrg., Nr. 35.
48jährige Frau, seit ihren Mädchenjahren mit einer beschwerdelosen
Struma behaftet, erkrankt plötzlich schwer an Schmerzen in linker Hüfte
und linkem Oberschenkel. Haltung und Beweglichkeit des Beines deuten
auf entzündlichen Prozess im Schenkelhals, auch ist oberhalb des Ligamen¬
tum Poupartii in der Tiefe eine gewisse Resistenz zu fühlen. — Der
oberhalb des Brustbeines sitzende faustgrosse, derbe Tumor hat nie
Atem- und Schluckbeschwerden gemacht und nur in letzter Zeit ein
unbestimmtes Gefühl von Spannung verursacht. Zu beiden Seiten des
Halses befinden sich einzelne verschiebliche, festweiche, kleine Geschwülste.
Mit den Schmerzen verschlechtert sich rasch das Allgemeinbefinden, das
Aussehen wird bald kachektisch. Mehr und mehr Schluckbeschwerden
treten auf, die Struma wird grösser, es kommt zu Dyspnoe, frequentem
unregelmässigem Puls und Temperatursteigerung bis über 39° und unter
dem Bild allgemeiner Intoxikation tritt der Tod ein.
Der walnussgiosse grauweisse Knoten in der Schilddrüse wurde
als Spindelzellensarkom mit zahlreichen Riesenzellen erkannt; histologisch
mit diesem übereinstimmend wurden die Geschwulstmassen im Schenkel¬
hals des linken Femur gefunden, ferner multiple kleine grauweisse
Metastasen von markiger Beschaffenheit in der Markhöhle des Femur.
Die Diagnose war nach Ausschluss aller akuten entzündlichen
Prozesse auf malignes Neoplasma im Schenkelhals, das mit Zerstörung
des Knochengewebes einherging, gestellt worden. Die vorhandene Struma
gab zwar keinen direkten Anhaltspunkt für ein metastasierendes Neo¬
plasma, wurde aber als suspekt angesehen. Das Ergebnis der Obduktion
liess keine andere Deutung zu als Bildung eines Spindelzellensarkoms
in der parenchymatösen Struma, frühzeitigen Durchbruch ins Blutgefäss-
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System und Metastasen im linken Femur. Von einem operativen
Eingriff war natürlich beim Auftreten multipler Metastasen nichts zu
hoffen. Wiskott (Berchtesgaden).
B. Knochen, Gelenke.
Intorno a du© casi di osteite vertebrale post-tifica con fenomeni
di irritazione meningo - radicolare. Von E. Bonardi. Clinica
medica italiana, anno 40, Nr. 4.
Unter ausführlicher Mitteilung zweier selbstbeobachteter Fälle von
posttyphöser Wirbelerkrankung bespricht Bonardi die nicht seltene, im
Anschluss an Typhus auftretende Erkrankung einzelner Teile des Skeletts
und weist auf die Bedeutung der Mischinfektion für das Zustandekommen
solcher Fälle hin. Heiligenthal (Baden-Baden). ’
Radiographie dun cas de maladie de Paget. Von Böclöre. Societö
mödicale des höpit., 18. annöe, 19. Juli.
Böclere hat einen Patienten Galliard’s radioskopiert. Es fällt im
Bilde zunächst die starke Sichtbarkeit der offenbar kalkinkrustierten
Gefässe auf; sogar der Arcus palmaris ist deutlich sichtbar.
Weiterhin erscheinen die Knochen verdickt, die Gelenke intakt«
An der äusserlich normal scheinenden rechten Hand sind der 1. und 4.
Metacarpus normal, der 2. und 5. verdickt; der 3. Metacarpus hat seine
Transparenz für die Röntgen strahlen bewahrt, erscheint aber, besonders
in seiner oberen Hälfte, von einer amorphen und relativ durchsichtigen,
mehrere Millimeter dicken Schicht wie von einer Scheide umgeben.
Wahrscheinlich handelt es sich um eine periostale Neubildung, die sich
erst allmählich mit Kalksalzen inkrustiert. An den Fingern der rechten
Hand erscheint nur die 1. Phalanx des Daumens, sowie des 3. und 4.
Fingers verdickt und cylindrisch geformt, alle übrigen Phalangen sind
gesund.
Diese unregelmässige Verteilung spricht gegen einen trophoneuro-
tischen Ursprung der Erkrankung; wahrscheinlich ist vielmehr der Prozess
auf Rechnung von Veränderungen der Art. nutricia zu setzen.
Martin Cohn (Kattowitz).
Un cas de maladie de Barlow causde par l’usage du lait mater-
nisd. Von Variot. Sociötö mödic. des höpit., 18. annöe, 1. März.
Ein siebenmonatlicher Junge wurde wegen heftiger Schmerzen in
den Beinen in das Krankenhaus geschafft; diese bestanden seit etwa
10 Tagen. Es zeigte sich bei der Untersuchung eine Anschwellung im
Bereich der Kniee, besonders ausgeprägt auf der rechten Seite; auch die
perimalleoläre Gegend erschien geschwollen. Palpation und passive Be¬
wegungen der unteren Extremitäten sind mit lebhaften Schmerzen ver¬
knüpft. Bei genauerer Abtastung ergab sich, dass die Anschwellungen
der Kniegegend nicht durch einen Gelenkerguss, sondern eine diffuse
Auftreibung der Femurcondylen bedingt waren. Salicylpräparate blieben
auf die geschilderten Prozesse ohne jeglichen Einfluss, vielmehr nahmen
die Anschwellungen noch zu. Gegen eine Osteomyelitis sprach das
Fehlen von Fieber, und so gelangte der Verf. per exclusionem zur
Diagnose: Barlow’sche Krankheit.
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Es ergab denn auch die Anamnese, dass das Kind bis zum
2 . Monat eine Amme gehabt hatte, von diesem Zeitpunkt an aber mit
Milchsurrogaten ernährt worden war, wobei es körperlich gut gedieh.
Das Kind zeigte deutliche Erscheinungen von Rhachitis: Rosenkranz.
Verbreiterung der unteren Radiusepiphyse^ weit offene Fontanelle.
Die nun eingeschlagene Behandlung bestand in Darreichung von
frischer, ungekochter Milch und etwas Pomeranzensaft, sowie wannen
Bädern. Nach sechs Tagen nahmen die Schmerzen ab, ein Schneidezahn
brach durch und schon wenige Tage später waren die Knochen*
Schwellungen verschwunden.
Verf. 8chliesöt sich bezüglich der Auffassung der Barlow’schen
Krankheit — der vorliegende Fall ist wegen des Fehlens von Blutungen
ein unvollständiger — der Ansicht Ausset's an, der die Barlow’sche
Krankheit eine „hämorrhagische Rhachitis“ nennt. Verf. glaubt, dass die
stark diktierten Gefässe bei Rhachitis durch irgend welche Ursache bersten
können und sodann das Bild der Barlow’schen Krankheit entsteht.
Die Barlow’sche Krankheit ist in Frankreich sehr selten und es
lassen sich keinerlei Beziehungen zur Ernährung mit sterilisierter Milch
erkennen; häufig erscheint die Krankheit in England und Amerika, wo
die Ernährung mit Milch Surrogaten sehr verbreitet ist
M. Cohn (Kattowitz).
Exostoses multiples, ayant suppurö. Syndrome 8yringomy61ique
(amputations spontanees des doigts, thermo-anesthesie) che* ub
hoiuiue de 31 ans, liystörique et tuberculeux. Von Launois u.
Roy. SociöfcS mödio. des höpit, 19. annöe, Nr. 21.
Bei einem 31jährigen Pat finden sich zahlreiche Exostosen an
den oberen und unteren Extremitäten, der Crista iliaca, den Rippen.
Die grössten derselben, von Taubeneigrösse, sitzen am Radius und Hu-
meru8 der linken Seite. Diese Exostosen traten vor sieben Jahren auf;
infolge Uloeration der Haut über einzelnen derselben musste sich der
Pat. mehrfachen Operationen unterziehen.
Das Röntgenbild zeigt über 40 derartige Exostosen; ferner sieht
man, dass der untere Teil der linken Fibula in einer Ausdehnung von
3—4 cm geschwunden ist.
Die linke Körperhälfte ist thermoanästhetisch und anal¬
getisch; auch auf einfache Berührung fehlt die Sensibilität fast ganz.
An der Planta pedis, in der Regio lumbalis und an der Hinterfläche des
linken Oberschenkels ist die Sensibilität für alle Qualitäten erhalten.
Ferner ergibt die Untersuchung eine Hemianästhesie der Zuuge, eine
Einengung des Gesichtsfeldes und verminderte Hörschärfe der linken Seite.
Die Conjunctivae sind anästhetisch, der Pharynxreflex fehlt Die
linke Lungenspitze zeigt die Zeichen der Infiltration.
Im Gebiete der 3. Phalanx des 2. und 3. linken Fingers haben
Exostosen zu Ulcerationen geführt, bei deren Vernarbung die beiden
Phalangen in Verlust gingen (Spontanamputation).
Das Wesen des geschilderten Krankheitsbildes ist schwer zu deuten.
Der Pat. bietet offenbare Zeichen von Hysterie; andererseits sind aber
Fälle von Syringomyelie beschrieben, bei welchen sich eine halbseitige
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Thermoanästhesie vorfand. Zu dieser Auffassung wurde auch die im
Röntgenbild gefundene Destruktion der linken Fibula passen, die e ; nem
ostitischen Prozess zuzuschreiben ist Multiple Exostosenbildung ist
weiterhin auch bei Tuberkulose beschrieben. Für Lepra finden sich
keine sicheren Anzeichen. Die Verff. sind vorläufig geneigt den Krank¬
heitsfall als Hysterie zu betrachten. Martin Cohn (Kattowitz).
Tod durch einen im epileptischen Krampfanfall entstandenen
Schädelbruch. Von Osswald. Aerztl. Sachverständigenztg. 1902,
Nr. 2.
So häufig Weichteil Verletzungen bei Epileptikern Vorkommen, der¬
artig, dass ihre Narben vielfach zur Stütze der Diagnose dienen, so
selten sind Knochenbrüche, besonders Schädelbrüche: der einzige Fall
dieser Art (F6r€) betrifft eine alte Frau mit seniler Atrophie der Seiten-
wandbeine. Daher dürfte der vom Verf. mitgeteilte Fall ein Unikum sein.
Ein kräftiger, fast 2 Centner schwerer, 29jähriger Mann stürzte
im epileptischen Anfall mit dem Hiuterkopfe auf Parkettfussboden, So¬
fort trat Blutung aus Nase und Mund auf, Bewusstlosigkeit, allgemeine
Zuckungen, Pupillendifferenz, nach acht Stunden Tod. Die Sektion
zeigte ein apfelgrosses extradurales Hämatom, entsprechend dem linken
Os parietale, die A. meningea med. mehrfach eingerissen. Ausserdem
eine Basisfraktur, welche von der Protub. occip. int entsprechend der
linken Lambdanaht bis zur Schläfenbeinschuppe verlief. In der linken
mittleren und unteren Stirn Windung fanden sich mehrere Erweichungsherde.
Die letztgenannten Gehirnläsionen sind burch Contrecoup zu er¬
klären; sie könnten, wie Verf. meint, vielfach unbemerkt und ohne
Herderscheinungen verlaufen, bilden aber trotzdem die anatomische
Grundlage für manche Geistesstörungen. A. Berliner (Berlin).
Di© Pathogenese des Gelenksrheumatismus. Von J; Poynton und
A. Paine. Transact Pathol. Soc. London, Vol. LH.
Es ist den Verff. gelungen, in jedem Falle von akutem rheuma¬
tischem Fieber, den sie untersuchten, einen wohlcharakterisierten Diplo-
coccus zu züchten, den sie demnach für den Erreger dieser Krankheit
halten, ohne doch behaupten zu wollen, dass dieser Diplococcus der ein¬
zige Erreger ist Am besten wuchs der Diplococcus in einem sauren
Nährboden und sie konnten ihn in 11 aufeinander folgenden Fällen
züchten, fünfmal war er allein vorhanden. Sie konnten ihn sowohl au9
dem Blut lebender Kranker, wie aus der Pericardialflüssigkeit und aus
Klappenwucherungen Gestorbener züchten, auch aus einer gleichzeitig
bestehenden Tonsillitis und aus dem Urin gewannen sie ihn. Es gelang,
ihn auf Kaninchen zu überimpfen und ihn aus dem Blut Gelenks¬
flüssigkeit, Urin und Cerebrospinalflüssigkeit derselben zurückzuzüchten.
Ferner konnten sie die Diplococcen in verschiedenen Geweben und in
Klappenauflagerungen nach weisen. Schliesslich gelang es, bei geimpften
Kaninchen Polyarthritis, Tendosynovitis und Klappenerkrankungen, kurz
ein dem menschlichen Gelenksrheumatismus entsprechendes Krankheits¬
bild zu erzeugen. J. P. zum Busch (London).
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Pseudo-rhuniatisme tuberculeux. Von Galliard. Bull, de la Soc.
mödicale des höpitaux, Paris, 18. annöe, 25. Oct
Ein 17 jähriges Mädchen litt an Tuberkulose der linken Lungen¬
spitze; nebenher bestand eine atonische Magenerweiterung. Vier Tage
nach einer interkurrenten Pleuropneumonie traten Schmerzen in den
Händen mit Oedem dieser und Anschwellung der Fingergelenke auf.
Späterhin trat dazu eine Anschwellung beider Kniegelenke mit konstatier¬
barem Flüssigkeitserguss in dieselben, zuletzt Schwellungen der Tarsal-
gelenke. Nach zwei wöchentlicher Dauer des Prozesses verschwanden
nach starkem Schweissausbruch alle diese pseudo - rheumatischen
Erscheinungen; die Lungentuberkulose schritt weiter fort.
Martin Cohn (Kattowitz).
Ein Fall von gonorrhoischem Rheumatismus mit Schleimbenteln.
die mit harnsaurem Natrium gefüllt sind. Von W. G. Spencer.
Trans. Clin. Soc. London, Vol. XXXIV.
Der 33jährige Kranke litt vor 12 Jahren an Gonorrhoe, vor
10 Jahren wurde eine Striktur operiert. Seit etwa sieben Jahren treten
anfallsweise Schmerzen in den Beinen auf. Dabei schwellen die Ge¬
lenke an. Vor sechs Jahren bildete sich eine Schwellung auf dem
rechten Fussrücken, vor acht Monaten trat eine Schwellung über dem
Tuberculum tibiae auf, sowie zwei weitere neben der Achillessehne.
Jetzt bestehen diese vier prall elastischen Schwellungen, die als Schleim-
beutel imponieren, ferner bestehen multiple schmerzhafte Gelenks¬
schwellungen sowie eine Striktur. Unter Bettruhe und Bougieren bessern
sich die Gelenksschwellungen und die Schwellung über dein Fussrücken,
die drei anderen bleiben bestehen. Sie werden incidiert und enthalten
reine Krystalle von harnsaurem Natron in grosser Menge. Gicht haben
weder der Patient noch seine Eltern gehabt. Verf. hält den ganzen
Prozess für gonorrhoisch, wobei zu bemerken wäre, dass doch auch ein
gonorrhoischer Kranker nebenbei noch an Gicht leiden kann.
J. P. zum Busch (London).
III. Büclierbespreclmngen.
Die Technik der speziellen Therapie. Von F. Gumprecht. Dritte
umgearbeitete Auflage. Mit 205 Abbildungen im Texte. 402 p.
Jena, Gustav Fischer, 1903.
Das ausgezeichnete Werk hat in dieser Auflage zahlreiche Ver¬
änderungen und Nachträge aufzuweisen. So sind die Abschnitte: Brust¬
schnitt, Lokalanästhesie und Narkose neu eingefügt worden und ist die
Zahl der Abbildungen erheblich gestiegen. Der Praktiker wird sich
stets sehr gerne Rat aus dem Buche erholen, da er bei der Ausführung
von Heilmethoden, welche einer speziellen Technik bedürfen, alles in
dem Werk findet, was er benötigt. Es ist eine genaue Beschreibung
der Instrumente und deren Handhabung gegeben, es werden die mög¬
lichen Zwischenfälle, die Gefahren (und die Möglichkeit ihrer Verhütung)
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erörtert, die bei instrumenteilen Behandlungen eintreten können, es wer¬
den die Indikationen und die Kontraindikationen bei kleineren chirur¬
gischen Massnahmen mitgeteilt und die Erwägungen für die Auswahl
bestimmter Behandlungsmethoden besprochen. Auch sind ganz kurze,
aber interessante theoretische Abschnitte (historische, anatomische Vor-
i)emerkungen) vielen Kapiteln beigegeben. Viele gute Abbildungen
unterstützen in wirksamer Weise den Text Jedem grösseren Kapitel
sind Literaturangaben angefügt
Ref. kennt kein die spezielle Therapie betreffendes Werk, das in
gleich guter Weise für den Praktiker geeignet wäre, wie das vorliegende.
Die Ausstattung des Buches ist sehr gut
Hermann Schlesinger (Wien).
Pathologische Anatomie und Krebsforschung. Ein Wort zur
Verständigung. Von O. Lubarsch. 61 pp. Wiesbaden, Bergmann.
Das kleine, anregend und bei aller Kritik äusserst massvolle
Schriftehen des bekannten Posener Pathologen verdient weite Verbreitung
und sorgfältiges Studium, ganz besonders auch unter Nichtpathologen
und praktischen Aerzten.
Lubarsch beginnt damit, dass er die deutschen Pathologen gegen
den ihnen von Seiten der Verfechter der Parasitentheorie des Krebses
häufig gemachten Vorwurf in Schute nimmt, dass sie dieser wichtigen
und interessanten Frage ablehnend gegenüberstehen und in unfrucht¬
barer Skepsis die von anderen gefundenen Thatsachen nicht anerkennen
wollen. Er selbst, Ribbert, Hansemann und viele andere haben die
sogenannten Thatsachen nachgeprüft und vielfach widerlegt, werden aber,
wie es Ref. scheint, von der anderen Seite beharrlich totgeschwiegen.
Verf. stellt dann drei Sätze auf, die er in seiner Arbeit mit grosser
Sachkenntnis und scharfer Kritik weiter ausführt. 1. Es ist bisher
nicht gelungen, irgend welche Mikroorganismen als spezifische Erreger
des Krebses oder irgend welcher anderer, echter, autonomer Neubildungen
nachzuweisen. 2. Es ist bisher nicht gelungen, irgend welche Analogien
aus dem Gebiete von Pflanzen- und Tierkrankheiten beizubringen, die
für die parasitäre Entstehung destruierender Neubildungen zu verwerten
wären. 3. Weder die Ergebnisse der Statistik, noch epidemiologische,
experimentelle und klinische Thatsachen zwingen zu der Annahme der
Infektionstheorie.
Was den ersten der angeführten Sätze anlangt, so weist Verf. in —
wie ich glaube — überzeugender Weise nach, dass weder die Krebsbakterien,
noch die Protozoen, die als Erreger des Krebses beschrieben sind, einer
ernsten Kritik standhalten können. Die Versuche, parasitäre Zell¬
schmarotzer durch eine „spezifische“ Färbemethode von ihren Wirtszellen
zu unterscheiden, müssen als verfehlt und auch als aussichtslos bezeichnet
werden, da es eine „spezifische“ Färbemethode nicht einmal mehr für
die Tuberkelbacillen gibt. Weiter weist Verf. nach, dass die von den
verschiedenen „Entdeckern“ neugefundenen Parasiten (durch spezifische
Färbemethoden an gehärteten Präparaten dargestellt) meist schon früher
von anderen beschrieben waren und in den allermeisten Fällen mit
grosser Wahrscheinlichkeit, wenn nicht Sicherheit, als Bestandteile der
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Zelle angeaprochen werden müssen. Dasselbe gilt auch für die von
Russell inaugierte Lehre, dass der Krebs durch Blastomyceten erzeugt
werde. Weder die Kulturversuche noch die zahlreichen Tierimpfungen
haben einen Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauungen erbringen
können. Die von Sanfelice und anderen bei geimpften Tieren hervor*
gerufenen „Geschwülste“ sind teils von Riesenzellen umgebene Pilz-
kolonien, teils bestehen sie einfach aus Granulationsgewebe.
Die Ausführungen zu dem zwtiten Satze beschäftigen sich vor
allem mit der Cocckliose der Kaninchenleber und der Kohlhernie. Diesen
und ähnlichen durch Parasiten erzeugten Gewebswucherungen fehlen alle
morphologischen und biologischen Eigenschaften der wahren, destillieren¬
den Neubildungen.
Was nun den dritten Satz anlangt, so hält es Verf. für noch
nicht sicher erwiesen, dass die so häufig behauptete Zunahme der Krebs¬
erkrankungen wirklich besteht; dasselbe gilt für die Krebsansteckung
(Cancer ä deux). Auch hierin kann man Verf. nur zustimmen und
ich möchte für meine Person besonders betonen, dass die in der eng¬
lischen Literatur enthaltenen statistischen und kasuistischen Mitteilungen
mir durchaus nicht beweisend erscheinen. Diskutierbar sind doch eigent¬
lich nur die Fälle, in denen ein angeblich durch Ansteckung entstan¬
denes Carcinom genau denselben Epithelcharakter zeigt wie das an¬
steckende; denn glaubt man an einen spezifischen Erreger, so muss
man nach unseren ganzen pathologischen Kenntnissen annehmen, dass
es einen besonderen Erreger für den Plattenepithel-, für den Cylinder-
epithel- und andere Krebse geben muss. Legt man aber diesen Massstab
an, so bleiben von den vielen (auch sonst oft mit unglaublicher Naivität
berichteten) Fällen von Cancer ä deux oder gar ä trois nur sehr wenige
übrig. Was nun die Uebertragungsversuche angeht, so gelingen sie im
allgemeinen selten und auch nur dann, wenn ein Tier gleicher Gattung
inokuliert wurde. Selbst dann aber wächst nur das übertragene Krebs¬
material, in keinem Falle aber entsteht ein neuer Krebs aus den Zellen
des geimpften Organs.
Schliesslich ist die Annahme eines Parasiten zur Entstehung der
Geschwülste auch gar nicht nötig, für viele echte Neoplasmen scheint
eine solche Entstehung sogar undenkbar.
Ich habe hier nur einige der wichtigsten Punkte aus der sehr in¬
teressanten Arbeit hervorgehoben und hoffe, dass das Original eine weite
Verbreitung findet und vielleicht manchen „Forscher“ davon abhält, seine
bei näherem Zusehen recht haltlosen Behauptungen in die Welt zu setzen.
Wir Aerzte wundern uns immer, dass das grosse Publikum und nicht
zum wenigsten die zeitungslesenden „Gebildeten“ von uns abfallen und
sich dem Kurpfuscher zuwenden. Kann man es ihnen aber gar so übel
nehmen, wenn ihnen die Zeitungen (und die medizinischen „Entdeckungen“
finden mit oder ohne Willen ihrer Urheber rasch ihren Weg in die
grosse Oeffentlichkeit) fast wöchentlich von grossen Entdeckungen, sei
es auf dem Gebiete der Tuberkulose, sei es beim Krebse, vorschwärmen,
wenn ihnen Heilungen in Aussicht gestellt werden und wenn es dann
bald wieder ganz stille wird, bis eine neue Entdeckung, nun aber die
richtige, wieder neue, leider vergebliche Hoffnungen erweckt.
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Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass Verf. die Errichtung von
besonderen Instituten zur Krebsforschung nur dann empfiehlt, wenn sie
in Verbindung mit pathologischen Instituten stehen. Auch diese An¬
sicht möchte ich durchaus unterschreiben. Wir haben hier in London
seit langer Zeit ein Hospital, das einzig und allein der Aufnahme von
Krebskranken (im weiteren Sinne) und dem Studium dieser Erkrankungen
dient; ferner enthält eines der allgemeinen Krankenhäuser einen für dei*-
selben Zweck bestimmten Flügel. So nützlich ja auch derartige Anstalten
für die Unterbringung unheilbarer, in den übrigen Spitälern abgewiesener
Fälle sind, so ist mir bisher noch nicht bekannt geworden, dass die
Erkenntnis des Wesens dieser Erkrankungen oder die Heilbarkeit der¬
selben durch diese Anstalten irgendwie gefördert wurde.
J. P. zum Busch (London).
Die Anwendung der Bakteriologie in der praktischen Medizin.
Von R. Kretz. 150 pp. Wien, Alfred Holder, 1903. Mk. 2,40.
Das kurzgefasste Werkchen, welches den vierten Band der „Medi¬
zinischen Handbibliothek“ von Holder bildet, vereinigt grosse Ueber-
sichtlichkeit mit geschickter Darstellung. Der Stoff wird in einen allge¬
meinen und einen speziellen Teil getrennt; efsterer wieder in Diagndstik,
Krankheitsansteckung, Bekämpfung der Infektionsausbreitung, Desinfek¬
tion, prophylaktische Immunisierung und ätiologische Therapie.
Wer in dem Büchlein nicht mehr sucht, als es leisten will und
kann, nämlich eine orientierende Uebersicht über das grosse Gebiet der
Bakteriologie zu geben, wird von der Lektüre gewiss befriedigt sein.
Ad. Schmidt (Dresden).
Die Indikationen zu chirurgischen Eingriffen bei inneren Er¬
krankungen. Von H. Schlesinger. Erster Teil. Jena, Gustav
Fischer, 1903.
Das vorliegende Buch soll es dem in der Praxis stehenden Aurzt er¬
möglichen, sich rasch über die bei inneren Erkrankungen in Frage
kommenden chirurgischen Eingriffe zu unterrichten, und im besonderen,
sich ein selbständiges Urteil über die Notwendigkeit derselben im gege¬
benen Falle zu bilden.
Im ersten Teil sind die Krankheiten des Nervensystems, der
Knochen und Gelenke, des Respirationstractus, der Pleura, des Media¬
stinums, des Cirkulationssystems und von den Krankheiten des Ver-
dauungstracfcus die der Mund - Rachenhöhle und des Oesophagus be¬
sprochen.
Jedem Kapitel sind kurze Bemerkungen über Aetiologie, patho¬
logische Anatomie, Klinik und Diagnose vorausgeschickt, bei denen das
für die Frage des operativen Einschreitens Wissenswerteste in den Vorder¬
grund gestellt ist.
Dann folgen die Indikationen zu den verschiedenen in Frage
kommenden Operationen und die möglichen Kontraindikationen, und zum
Schlüsse jedesmal Bemerkungen über die Prognose der Operation, die
Folgen der Unterlassung des Eingriffes und die Folgen des unternom¬
menen Eingriffes bei falscher Diagnose.
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Das Buch bildet für den beschäftigten praktischen Arzt, der nicht
bei jedem wichtigeren Falle die umfangreiche Literatur studieren kann,
eine notwendige und mit Dank zu begrüssende Ergänzung seiner Lehr¬
bücher der inneren Krankheiten, um so mehr, als es für den, der mehr
sucht als kurze und knappe Notizen, die wichtigsten zusammenfassendeti
Arbeiten über die Chirurgie der vorliegenden Erkrankung am Ende
jedes Kapkels bringt.
Auch für den in der Literatur bewanderten Arzt bringt das gut
und anregend geschriebene kleine Buch manches Interessante, da der
Verfasser, gewissermassen als Illustrationen, einschlägige lehrreiche Fälle
und Beobachtungen aus seiner eigenen reichen Erfahrung auf diesem
Gebiete in die Darstellung verwoben hat
Laspeyres (Bonn).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Adrian, C., Die multiple Neurofibro¬
matose (Fortsetzung u. Schluss), p.
721 — 740.
Klink, W., Die operative Behandlung
der Nephritis (Fortsetzung), p. 740—
750-
Perutz, F., Der Leberabscess (Fort-
Setzung), p. 751—“58.
II. Referate.
A. Schilddrüse.
Delore, X., De la thyroi'dectomie dans
les thyr£oidites aigues suppur£es, p. 759.
F c r r i ejr, La m£dication thyroidienne
dans le goitre aigu, p. 759.
Lundborg, H., Om foljderna af sftdana
partiella strumektomier, hvilka närma
sig totala, p. 759.
Lundborg, Ueber die Folgen fast totaler
Strumektomien, p. 760.
Wagner, R., Zur Kenntnis der Knochen-
metastasen bei Schilddrüsentunioren,
p. 760.
B. Knochen, Gelenke.
Bonardi, E., Intomo a due casi di
osteite vertebrale post-tifica con feno-
meni di irritazione meningo - radicolare,
p. 761,
Variot, Un cas de maladie de Barlow
causte par l’usage du lait maternise,
p. 761.
Launois u. Roy, Exostoses multiples,
avant suppur6. Syndrome syringomye-
lique (amputations spontanes des doigts.
thermo-anesthesie) chez un horame de
31 ans, hyst6rique et tuberculeux, p.
762.
Osswald, Tod durch einen im epilep¬
tischen Krampfanfall entstandenen
Schädelbruch, p. 763.
Poynton, J. u. Paine, A., Die Patho¬
genese des Gelenksrheumatismus, p. 765.
G a 11 i a r d, Pseudo-rhumatisme tuberculeux.
p. 764.
Spencer, W. G. f Ein Fall von gonor¬
rhoischem Rheumatismus mit Schleim -
beuteln, die mit harnsaurem Natrium
gefüllt sind, p. 764.
III. Bücherbesprechungen.
Gu mp recht, F., Die Technik der spe¬
ziellen Therapie, p. 764.
Lu barsch, O., Pathologische Anatomie
und Krebsforschung, p. 765.
Kretz, R., Die Anwendung der Bak¬
teriologie in der praktischen Medizin,
p. 767.
Schlesinger, H., Die Indikationen zu
chirurgischen Eingriffen bei inneren Er¬
krankungen, p. 767.
Um Einsendung von Monographien and Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I, Ebendorferstrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenxusatz „Für die Redaktion des
Centralblattes für die Grenzgebiete“ versehen zu wollen.
Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Qrenzgebiele der ffedizin u. Chirurgie.
Herausgegeben von
Dr# Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VL Band.
Jena, 4. November 1903.
Nr. 20.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie t herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseraten annah me durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Der Leberabscess,
Kritisches Sammelreferat auf Grund der Literatur von 1S92 (inkl.) bis 1903.
Von Dr. Felix Perutz, Spezialarzt für Verdauungskrankheiten
in München.
(Abgeschlossen am i. Januar 1903.)
(Fortsetzung.)
Fortsetzung der Literatur.
fei) Fränkel, Diskussion über den Vortrag von Körte. Berliner med. Gesell-
schaft, Sitzung vom 6. Juli 1892. Berliner klin. Wochenschr. 1892, p. 812.
62) Funke, Zwei Fälle von Leberabscess. Inaug.-Diss., Würzburg 1893.
63) Gangolphe, Vaste absces du foie consecutif ä la dysent. Incision. Gu£-
nson. Lyon, mddical., Juli 1896, cit. bei Boi net, Revue de m£dec. 1897.
64) Genersich, Beiträge zur Aetiologie des Leberabscesses. Pester medizin.-
chirurg. Fresse 1892; ref. Cbl. f. 1. M. 1892.
65) Gessner, Gase of hepatic abscess presenting some points of interest. Joum.
ot Americ. medic. assoc. 1900; ref. Cbl. f. Chir. 1900.
66) Giordano, Beitrag zur Chirurgie der Leber und Gallenwege. Festschrift
zum 30jährigen Doktoijubiläum von Prof. Novaro Cagliari - Sassari 1898; ref. Cbl. f.
Chir. 1899.
67) Ders., Contribution ä la therapeutiquc chirurgicale de l’absccs du foie. XIII.
internat. med. Congres zu Paris 1900, Sekt, für Chirurgie; ref. Revue de Chirurgie
1900, p. 382.
68) Glover, A case of abscess of the liver; rupture into the lung, recovery.
Lancet II, 20. Nov. 1897, p. 1309.
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 49
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69) Godlee, Contribution to the study of tropical abscess of the liver. LancetI,
2 4. Mai 1902.
70) Goebel, Absens du foie ouvert dans les bronches. Egypt. medic. 1902;
ref. Cbl. f. Chir. 1902.
71) Grimm, Leberabseess mit Protozoen. Archiv für kirn. Chirurgie 1894,
Bd. XLVIII.
72) Guilini, Ein Fall von spontanem Leberabseess. Aerztl. Verein Nürnberg.
Sitzung vom 20. Sept. 1900. Münchener med. Wochenschr. 1901, Nr. 11.
73) Haasler, Ueber Folgeerscheinungen der Ruhr. Deutsche med. Wochen¬
schrift 1902, Nr. 2 u. 3.
74) Hache, Traitement des absc£s du foie. Danger de la methode de Linie.
XIII. intemat. med. Kongress zu Paris 1900, Sekt. f. Chir.; ref. Revue de Chirurgie
1900, H. 9.
75) Harris u. Macready, A case of abscess of the liver. Lancet 1900;
ref. Cbl. f. i. M. 1901.
76) Hart, A report of twenty eight cases of suppurat. hepatitis. Med. and
surgical report of the Presbyterian Hospital in New York, Jan. 1900; ref. Cbl f.
Chir. 1902.
77) Hassler u. Boisson, fitude sur les absc&s dysentiriques du foie. Revue
de m6d. 1896, p. 784.
78) Hengesbach, Leberabseess. Inaug.-Diss., Berlin 1894.
79) Hermes, Zur Chirurgie der Leber. Deutsche Zeitschr. f. Chirurg. 1895.
Bd. XLI.
80) Hoepfel, Chirurgische Mitteilungen (solitärer Leberabseess). Münchener
med. Wochenschr. 1901, Nr. 29.
81) Hope, Abscess of the liver complicated with cirrhosis. New York med.
news 1893; ref. Jahrb. v. Virch.-H. 1893.
82) Howard and Hoover, Tropical abscess of liver with a consideiation of
its pathology and clin. history. Americ. Journ. of med. Sciences 1897, II, p. 151.
83) Hulke, Bursting of a large hepatic abscess into the peritoneal sac. Med.
chir. Transact. 1894. Bd. LXXVI; cit. nach Scheube.
84) Hussenet, Absens du foie ouvert dans les bronches. Gaz. hebdorn. de
med. et chir. 1898; ref. Cbl. f. i. M.
85) Israel. Diskussion zu Körte’s Vortrag in der Freien Vereinig. Berliner
Chirurgen, 16. Nov. 1891; daselbst auch Rotter, Langenbuch. Deutsche med.
Wochenschr. 1892, p. 240.
86) Jackson, Etiology of abscess of the liver. The St. Paul med. Journal.
Juni 1899; Cbl. f. Grenzgeb. 1900.
87) Jasinsky, Abscess der Leber, wahrscheinlich tuberkulösen Ursprungs.
Operation. Heilung. Gaz. lekarska 1897 (poln.); ref. Cbl. f. Chir. 1898.
88) Jo che les, Zur Kasuistik der Lcberabscesse. Ein Fall von atypischer
Aktinomykose der Leber. Medicinskoje Obosrenje 1902 (russ.); ref. Cbl. f. Chir. 1902.
89) Johnston, The stirgery of hepatic abscess. Annals of surgery 1897, II.
p. 446.
90) Josserand, Des absc£s dysenteriques tardifs du foie. Lyon med. 1897:
ref. Cbl. f. i. M. 1897.
91) Kartulis, Verschiedene Leberkrankheiten in Egypten. Verhandl. des
VIII. Kongresses f. Hygiene u. Demographie, Budapest 1894, Bd. II.
92) Dcrs., Dysenterie u. Hepatitis. Diskussion: Wildt. Verhandlungen des
I. egypt. Kongr. f. Medizin in Kairo, Dez. 1902; ref. Münchener med. Wochenschr.
1903, p. 79 -
93) Kehr, Verletzungen und chirurgische Erkrankungen der Leber. In: Hand¬
buch der prakt. Chirurgie, Bd. III, 1. F.
94) Keisch et Nimier, Quelques observations et quelques considerations sur
les absc£s dysenterique du foie. Bull, de l’Academie de M6d. 1900; ref. Cbl. f. Chir. 1900.
95) Kerkhoff, Multipler Leberabseess. Geneesk. Tydschr. v. Nederi. Ind.
1899, Bd. XXXIX; ref. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1900, Nr. 5.
96) Kirste, Leberabseess nach Pneumonie. Nürnberger med. Gesellschaft,
Sitzung vom 5. Juni 1902. Münchener med. Wochenschr. 1902, Nr. 34.
97) Klose, Leberabseess bei einem Neugeborenen. Inaug.-Diss., Würzburg 1805.
98) Kobler, Zur Aetiologie der Leberabscesse. Virch. Arch. 1901, Bd. CLXlIi
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99) Koch, Appendidtis und Leberabscess. Aerztl. Verein in Nürnberg,
Sitzung vom 16. Okt. 1902. Münchener med. Wochenschr. 1902, Nr. 50.
100) Korzynski, Kasuistik der suppuradven Entzündungen der Leber und
Gallenwege als Folge der Cholelithiasis. Wiener med. Presse 1900, Nr. 4.
101) Körte, Ueber die chirurgische Behandlung des Leberabscesses. Berliner
klin. Wochenschr. 1892, Nr. 32.
102) Kramm, Ueber Leberentzündung nach Ruhr. Deutsche Zeitschr. für
Chirurgie, Bd. LXIV, H. 5 u. 6.
103) Kruse u. Pasquale, Eine Expedition nach Egypten. Deutsche med.
Wochenschr. 1893, Nr. ! 5 u * 1 6.
104) Dies., Untersuchungen über Dysenterie und Leberabscess. Zeitschr. f.
Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. XVI, p. I.
105) Kühn, Zur diagnostischen Bedeutung der Leukocytenwerte bei Typhus
und bei chirurgischen Eiterungen. Münchener med. Wochenschr. 1902, Nr. 49 u. 50.
106) Lafourcade, Deux cas d’abscös du foie. Rapport par Richelot. Bull,
et m&n. de la Soc. de chir. de Paris 1897, Bd. XXIII, p. 831.
107) Lambert, Abscess of the liver of unusual origin. New York med.
Journ. 1898; ref. Cbl. f. Grenzgeb. 1899.
108) Lannois, Pyl6phl6bite et absc£s du foie consöcutifs k la fi£vre typhoide.
Revue de mW. 1895. p. 909.
109) Laveran, Les absc£s du foie. Soc. mW. des höp. Gazette des höpit.
1894, p- 56.
110) Leahy, Note on the relation between dysentery and liver abscess.
Lancet, 13. April 1895.
hi) Leblond, Diagnostic et traitement des absc£s du foie. Th£se, Paris 1892.
112) Ders., Diagnostic des absc&s du foie. Gaz. des höp. 1893, p. 133.
113) Legrand, Absens du foie chez les enfants. Rapport par Proust Acad.
de MW., 31. Juli. Gaz. des höp. 1894, p. 833.
114) Leitz, cf. Dunkel. Deutsche med. Wochenschr. 1898, p. 313.
115) Lessage, Beiträge zum Studium der dysenterischen Leberabscesse. Compt.
rend. de la Soc. de Biologie 1902; ref. Cbl. f. Stoffw. 1902, p. 541.
116) Lingen, Zur Kasuistik des Leberabscesses. Petersburger med. Wochen¬
schrift 1894; re ^ Jahrb. v. Virch.-H.
117) Lipstein, Kasuistische Beiträge zur Leberchirurgie. Deutsche Zeitschr.
f. Chir. 1899, Bd. LII.
118) Loison et Arnaud, Contribution k l’ätude pathogWique des abscös tro-
picaux du foie. Revue de mW. 1892, p. 898.
119) Loison, Les absc£s du foie. Rapport par Walter. Diskussion: Robert.
Bull, et m£m. de la Soc. de chir. de Paris 1898, Bd. XXIV, p. 273.
120) Loison, Absens du foie d’origine appendiculaire. Incision. Gu6rison.
Diskussion: Routier, Ricard, Michaux, Tuffier, Brun, Poirier. Bull, et mem. de la
Soc. de chir. de Paris 1900, Bd. XXVI, p. 66.
121) Maasland, Bydrage tade behandeling van in den darm dorrgebroken
Leverabscessen. Geneesk. Tydschr. voor Nederl. Ind. 1899, Bd. XXXIX; ref. Cbl.
f. Grenzgeb. 1900.
122) McFadyen, Bacteriology notes on a case of tropical abscess of the liver.
British med. Joum. 1893.
123) McLeod, Is dysentery the invariable precursor of tropical liver abscess?
British med. Journ. 1894, I» 3 1 * März. Dazu Entgegnung von Jeates, Young,
Kennie. Ibid. 1894, I, P* * 33 2 u. 1390; 1894, II, p. 446, 559, 621, 731.
124) Ders., Tropical abscess rarely a primary usually a secondary affection of
the liver. Lancet 1895, 26. Oct.
125) Ders., Tropical liver abscess. British med. Journ. 1900; ref. Cbl. f.
Chir. 1900.
(Schluss der Literatur folgt.)
Symptome.
Die Krankheitserscheinungen, die nur Bekanntes bestätigen,
ohne dem klinischen Bild neue Züge zu verleihen, sollen mit Hinweis
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auf die eingangs erwähnten znsammenfassenden Arbeiten von Laa¬
genbuch und von Hoppe-Seyler hier kürzer behandelt werden.
Das Allgemeinbefinden ist meist erheblich beeinträchtigt,
die Patienten leiden an Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Frösten, sind
häufig abgemagert und machen einen schwer leidenden Eindruck.
OerÜich klagen sie über Schmerzen von wechselnder Heftig¬
keit in der Lebergegend, machmal mehr über Spannungsgefühl im
Epigastrium (Smits, Lipstein, Walter). Leichter Druck auf die
Magengrube steigert in diesen Fällen nach Frankens 61 ) Beobach¬
tungen die Schmerzen.
Ein andermal stehen Beschwerden von Seiten der Atmungs-
organe: Atemnot, Husten, Stiche in der Seite, im Vordergrund der
Klagen (Vosswinkel, Schweiger, Flexner); dieselben sind dabei
zum Teil auf Rechnung begleitender Lungenerscheinungen, zum Teil
auf die Reizung des Diaphragmas zu setzen.
Schmerzen in der rechten Schulter, infolge der Anastomose
des Phrenicus mit dem 4. Cervikalnerv, finden sich in verschiedener
Häufigkeit und Intensität von Walter, Boinet, Mannaberg 130 ; u. a.
erwähnt.
Kramm fand sie bei der Hälfte seiner Kranken, Hart'")
unter 17 Fällen zweimal, Perthes unter drei einmal.
Immerhin verdient der Schulterschmerz Beachtung, denn er
kann in seltenen Fällen, wie bei Bramwell und Stiles* 5 ), «las
einzige Symptom der Lebererkrankung sein.
Bei Dogliotti, ebenso bei Chevalier wurden Schmerzen
völlig vermisst.
Häufig besteht, besonders bei der einleitenden Hepatitis der
tropischen Abscesse, eine diffuse Schmerzhaftigkeit des ganzen
Organs (Semnola-Gioffreddi); dieselbe kann dann mit dem Be
ginn der Abscedierung, vor allem bei tiefsitzenden Eiterungen, nach-
lassen (Godlee, Cantlie). Erst, wenn sich der Abscess der Ober¬
fläche nähert und der Peritonealüberzug an der Entzündung teil¬
nimmt, steigert sich die Intensität der Schmerzen wieder.
Kramm empfiehlt in solchen Fällen, um die Schmerzeu deut¬
licher uuftreten zu lassen, die Patienten auf die linke Seite zu legen,
wobei durch die ausgiebigeren Atembewegungen der rechten Lunge
auch die erkrankte Leber stärker in Mitleidenschaft gezogen wird.
Liegen die Kranken im Bett, so nehmen sie, um die rechte
Seite zu entspannen, häufig eine nach rechts geneigte Haltung ein;
die Wirbelsäule zeigt eine linkskonvexe Skoliose (Boinet).
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Die Haut besitzt einen fahlgelben Schein (Johnston 89 ) u. a.);
Icterus fehlt meist bei den grossen Abscessen nach Dysenterie;
Auftreten desselben ist durch den Druck der Abscesse auf die
grossen Gallen wege nnd die dadurch erfolgende Gallenstauung zu er¬
klären.
Häufig ist Gelbsucht beiden Leberabscessen im Gefolge der Chole-
lithiaeis vorhanden (Bielschowsky) und auch bei den Formen, die
mit Choledochusverschluss verbunden sind (Vosswinkel, Hermes),
ferner bei den Abscessen nach Angiocholitis ohne Steine (Bacaloglu,
Wilms) und bei. den mit Pylephlebitis vergesellschafteten Eiterungen
nach Appendicitis (Rothfeld u. a.).
Das Fieber tragt meist den Charakter des Eiterfiebers; doch
kommen neben dem remittierenden und intermittierenden Typus mit
Schüttelfrösten und Schweissen, bei dem sich dann wieder Tage mit
normalen Temperaturen einschieben können (Windsor, Boinet),
auch Fälle mit kontinuierlichem Fieber vor (Johnston, Kramm).
Schliesslich ist von Sendler, Hassler-Boisson, Harris-
Macready, Parker 151 ), Smits bei langsamer Entwickelung des
Abscesses auch fieberloser Verlauf beobachtet worden.
Die Betrachtung des Kranken zeigt eine Aenderung des
Atemtypus. Die Atmung ist rein costal, etwas beschleunigt, von
inspiratorischen Einziehungen im Epigastrium begleitet.
Die rechte Seite schleppt nach, die Intercostalräume sind hier
etwas auseinandergedrängt und vorgewölbt. Die Asymmetrie der
Brusthälften, die auf diese Weise zustande kommt (Smits), lässt
exakt sich auch durch Messung nachweisen (Boinet). Leichtes
Oedem der Haut und stärkere Füllung der Venen bestehen zuweilen
über den unteren Kippen (Semnola-Gioffreddi, Smits, John¬
ston, Boinet). In den Fällen von Vosswinkel, 8erenin,
Hoepfel erstreckte sich die Vorwölbung mehr auf das rechte Hypo-
choudrium; es kann dabei, wie bei Ewald, bei Morquio, zum Her¬
vortreten wohlumschriebener Tumoren unter dem Rippenbogen
kommen.
Entsprechend der Beteiligung des linken Leberlappens kann
sich auch eine Vortreibung mit oder ohne die erwähnte Verände¬
rung der Hautdecken im Epigastrium abzeichneu (Peyrot-Roger,
Rebregand 168 ), Sendler, Guilini u. a.).
Die weitere Untersuchung eigibt, dass oft grosse deutliche Tu¬
moren vorliegen, die bei Dunkel vom Schwertfortsatz bis zum
Nabel oder bei Wyssmann und Grippeling vom Rectusraud bis
über den Nabel hinabreichten.
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In einem grossen Teil der Fälle lassen Perkussion und Pal¬
pation eine erhebliche Vergrösserung des Organs feststellen; so fand
Schweiger den unteren Leberrand in der Höhe der Spina coxae.
Bei raschem Wachsen des Abscesses lässt sich die entsprechende
Volumszunahme der Leber in wenigen Tagen verfolgen (Perthes>.
Die Untersuchung kann dabei durch reflektorische Spannung
der Bauchdecken erschwert werden; doch ist sie kein konstantes
Zeichen (Perthes).
Vielfach fehlt bei Abscessen im rechten Lappen eine Ver¬
grösserung nach abwärts und die Ausdehnung erfolgt nach obeu.
Die Leber kann in ihrer Kuppe kolossale Eiterungen beherbergen,
ohne dass sie den Rippenrand überschreitet
Nach der Ansicht von Howard und Hoover und von Perthes,
der sich besonders mit diesem Symptom beschäftigt hat handelt
es sich dabei wahrscheinlich nicht um ein Emporgedrängtwerden
des Zwerchfells durch mechanische Ursachen, sondern um eine
Lähmung desselben durch Uebergreifen der Entzündung von dem
benachbarten Eiterherd; für diese Deutung spricht auch das Zu¬
standekommen der inspiratorischen Einziehungen im Epigastrium.
Interessant ist, dass Howard und Hoover in dem diesbezüg¬
lichen Falle mit dem zunehmenden Wachstum des Abscesses und
der zunehmenden Beteiligung des Zwerchfells an der Entzündung
den unteren Leberrand in die Höhe rucken sahen.
Der geschilderte Zustand des Zwerchfells erklärt nach den ge¬
nannten Autoren auch zum Teil die Dyspnoe und das Auftreten
der costalen Atmung.
Den Hochstand des Zwerchfells und seine Ausschaltung Bei
der Atmung kann man sich, worauf Champoniöre 85 ), Boinet**),
Smith* 7 ) (Ipsich 1900) und Loison ziemlich gleichzeitig binge-
wiesen haben, durch das Röntgenbild gut zu Gesicht bringen.
Perkutorisch lässt sich in solchen Fällen eine Vergrösserung
der Leberdämpfung nach oben ermitteln, und zwar mehr am Rücken
als an den vorderen und seitlichen Partien.
Die Dämpfung kann hinten bis zum Angulus scapulae (Kramm.
Vosswinkel) reichen. Sie zeigt entsprechend der stärkeren Vor¬
wölbung der Leberkuppe eine nach oben leicht konvexe Begrenzung
(Fränkel 61 ), Dudley 48 ), Boinet). Sie ist, sofern es sich nur um
eine Verdrängung der Lunge handelt und nicht noch um eine kom¬
plizierende Nachbarschaftspleuritis, mehr relativ als absolut, das
Atmungsgeräusch ist manchmal bloss abgeschwächt, nicht aufgehoben.
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die Grenze geht nach oben scharf in normalen Lungenschall über
und ist verschieblich (Kramm).
Auskultatorisch wichtig ist im Bereich der Lebergegend das
Auftreten eines perihepatitischen Reibegeräusches; manchmal kann
es auch mit der aufgelegten Hand gefühlt werden (Godlee).
Als Zeichen einer umschriebenen Entzündung des Leberüberzugs
findet es sich nur, wenn sich der Abscess der Oberfläche nähert
Demnach ist es ein unsicheres Symptom und Körte, Smits, Bram¬
well und Stiles, Boinet haben es zuweilen wahlgenommen,
manchmal vermisst
Verschwindet es an Stellen, wo es vorher zu hören war, um
peripher davon aufzutreten, so glaubt Cantlie, eine Ausbreitung des
Abscesses zugleich mit Adhäsionsbildung im Centrum annehmen zu
dürfen.
Hassler und Boisson vergleichen das Geräusch mit dem
Knarren des Schnees; sie haben es angeblich in einem Falle beob¬
achtet, bei dem die Operation keine Spur einer Entzündung des
parietalen und visceralen Peritoneums aufdeckte. Sie verlegen da¬
her seine Entstehung in die Leber selbst und führen es zurück auf
den Druck des Zwerchfells auf die Lebersubstanz, die durch ent¬
zündliches Oedem ihrer normalen Konsistenz beraubt sei. Mit dieser
Erklärung sind sie bis jetzt vereinzelt geblieben; sowohl Smits
wie Boinet, die ihre Angaben nachgeprüft haben, mussten ihnen
widersprechen.
Fluktuation lässt sich, wenn die Abscesse zu im Epigastrium
liegenden oder unter dem Rippenbogen hervortretenden Tumoren
führen, mehr oder weniger deutlich nachweisen (Wyssmann-Grippe-
ling, Sendler, Schweiger, Bacaloglu). Im allgemeinen fehlt
sie aber bei den Leberabscessen, die von einer dickeren Schicht von
Lebergewebe überlagert sind oder unter dem Rippenbogen liegen.
Hassler und Boisson geben an, statt dessen ein tiefes Ballote¬
ment oder das Gefühl eines elastischen Widerstandes (duretö elasti-
que) zu spüren, analog dem Gefühl, das ein stark aufgeblasener
Gummiballon beim Betasten bietet. Diese Empfindung von elas¬
tischer Härte bei der Palpation wird auch von Johnston ange¬
geben und Giordano wie Perthes heben hervor, dass sie selbst
beim Betasten der freigelegten Leber nicht das Gefühl des vermin¬
derten, sondern des vermehrten Widerstandes gehabt hätten.
Sehr wichtig für das Vorhandensein eines Abscesses ist nach
8mits, Kramm, Körte, Godlee der Nachweis einer umschriebenen
Stelle von stärkster Druckempfindlichkeit bei Fingerdruck oder noch
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besser bei kurzer Perkussiou (Perthes). Nach Smits’ Beobachtung
kann Druck auf diesen Punkt sogar Erbrechen auslösen.
Was die Beteiligung der Nachbarorgane an dem Krankheits¬
bilde des Leberabscesses betrifft, so wird nicht selten bei Abscessen
in der Leberkuppe eine Pleuritis oder, ohne dass eine Verbindung
zwischen Abscess und Pleurahöhle besteht, ein Empyetn gefunden.
Die dadurch bedingten Symptome können unter Umstanden in den
Vordergrund treten und sollen daher bei der Differentialdiagnose
besprochen werden.
Die Störungen von seiten der Verdauungsorgane zeigen wenig
Typisches; sie äussern sich in Appetitlosigkeit, Erbrechen, Durch¬
fällen.
In drei Fallen nahm Haasler profuse Darmblutungen wahr
und erklärt sie mit einer Neigung zu hämorrhagischer Diatbese, die
durch den Ausfall an Lebersubstanz hervorgerufen werde. Der
Urin gibt manchmal Gallenfarbstoffreaktion, wo Icterus der Haut
nicht ausgesprochen ist.
Versuche auf alimentäre Glykosurie sind häufig positiv (Boi net).
Die Grösse der Harnstoffausscheidung bleibt, wie Howard und
Hoover und Bain u ) zeigen, unverändert, wenn die Einschmelzung
von Lebergewebe zwei Drittel des Organs nicht überschreitet
Wie bei Eiterungen sonst im Körper, findet sich auch beim
Leberabecess die Zahl der weissen Blutkörperchen und vor allem der
polynucleären Leukocyten vermehrt. Langlet und Mai net (eit bei
Boinet nach Bertrand und Fontan) haben diesen Vorgang zuerst
erwähnt und Leblond, Lipstein, Jakson 86 ) bringen diesbezüg¬
liche Notizen. Seine diagnostische Bedeutung, die Boinet* 3 ) zuerst
gewürdigt hat, haben wir später zu berühren.
Verlauf, Komplikationen und Ausgang.
Es sind akute, subakute, chronische Formen beim Leberabscess
zu unterscheiden. Der Verlauf der nach Appendicitis und Cholelithiasis
auftretenden Abscesse soll eine gesonderte Besprechung erfahren.
Akut mit Erbrechen,Schüttelfrost, hohem remittierenden Fieber,
Icterus (Bacaloglu), starker Prostration, kurz unter dem Bild einer
schweren allgemeinen Infektion setzen bei vorher völlig gesunden,
jugendlichen Individuen in unseren Breiten jene Fälle von Leber-
abscess ein, für deren Ursache manchmal keine Erklärung beige¬
bracht werden kann (Mannaberg 130 ), Guilini, Trozewski) oder
eine Infektion der Galleuwege mit besonders virulenten Colibacillen
angenommen werden muss (Bacaloglu, Chevalier). Das Krank-
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heitsbild kann dabei 14 Tage und länger ein unbestimmtes bleiben
ohne Hervortreten besonderer Lokalsymptome (Mannaberg, Cheva¬
lier), während es in anderen Fällen bald zum Auftreten eines
Tumors in der Lebergegend kommt (Guilini, Bacaloglu u. a.).
Auch beim Leberabscess in den Tropen kann der Beginn ein
ganz plötzlicher sein; Moty, Smits, Boinet, auch Scheube konnten
dies wahrnehmen. Perthes und Kramm haben ein akutes Ein¬
setzen mit Schüttelfrost und Leberscbmerzen verhältnismässig häufig
bei den deutschen Soldaten in China meist in der Nacht nach
grösseren anstrengenden Kitten oder Märschen beobachtet
Der alarmierende Allgemeinznstand kann sich nach einigen
Tagen spontan bessern (Riehelot 106 )), meist aber zeigen Fälle der
Art einen rasch fortschreitenden, bösartigen Charakter. Leblond
entwirft davon folgende Schilderung: Unter Zunahme der Schmerzen
vergröesert sich rasch die Leberdämpfung, die Kräfte nehmen er¬
schreckend ab. Wird zu diesem Zeitpunkt die Diagnose nicht ge¬
stellt und der Abscess nicht entleert, so kommt es zum Durchbruch
in die Nachbarorgane oder die Kranken geraten in einen somnolenten
Zustand und gehen an allgemeiner Pyämie in 14 Tagen oder noch
kürzerer Zeit zu Grunde.
Häufiger ist für den dysenterischen Leberabscess ein subakuter
Verlauf. Selten erkrankt der Patient direkt im Anschluss an die
Dysenterie. Meist schiebt sich eine Periode verzögerter Rekon-
valesceuz von einigen Wochen ein. Der Kräftezustand will sich
nicht recht heben, Appetitlosigkeit, Durchfälle, allgemeines Unbe¬
hagen bleiben bestehen, dazu tritt leichtes Fieber mit dumpfen
Schmerzen in der Lebergegend (Johnston). Der Kranke vermag
in diesem Zustande noch seinen Geschäften nachzugehen, Reisen zu
unternehmen, seinen Dienst als Soldat zu thun, bis Fieber, Nacht-
schweisse, starke Leberscbmerzen ihn zum Arzt führen.
Io anderen Fällen weiss der Kranke nichts von einer über-
standenen Dysenterie; lediglich Störungen des Appetits, der Ver¬
dauung, des Allgemeinbefindens, Schmerlen in der Schulter sind
dem Auftreten heftiger Schmurzen in der Seite und den Fieber¬
attaquen vorausgegangen (Schweiger) oder die Krankheit hat mit
Schwäche, Husten, Schweissen und vereinzelten Schüttelfrösten
schleichend begonnen (Flexner).
Die Zeit zwischen der Dysenterie uud dem Auftreten des
Leberabscesses glaubt Dabney auf 4—12 Wochen in der Regel
bemessen zu können. Doch konnte er einmal schon drei Wochen
nach den ersten Symptomen der Dysenterie einen mächtigen Leber-
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abscess von 8 / 4 Litern It\halt eröffnen. Als Dauer der Erkrankung
bei dieser Form gibt Leblond, wenn nicht chirurgisch eingegriffen
wird, 6—8 Wochen an.
Subakut entstanden auch einzelne der Abscesse nach Traumen
durch stumpfe Gewalt ohne Verletzung der Bauchdecken.
Während bei Morqaio und bei Valence Schmerzen und Fieber
gleich nach der Kontusion begannen, sah z. ß. Oddo 14 Tage,
Roser mehrere Wochen vergehen, bis die Symptome eines Leber-
abscesses deutlich wurden.
Sehen wir ab von Sendlers Fall, wo ein Mann auch nach
Trauma eine fluktuierende Anschwellung der Leber monatelang ohne
Beschwerden mit sich herumtrug, so werden diese langsame, schleichende
Ausbildung und der chronische Verlauf vor allem wieder bei den
dysenterischen Abscessen beobachtet
Oft klagen in diesen Fällen, nach Cantlie, die Patienten
längere Zeit über Mattigkeit und Fieberattaquen. Die Störungen werden
auf Rechnung des tropischen Klimas gesetzt und die Betreffenden
nach Hause geschickt. Die Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens
nimmt schon auf der Heimreise oder einige Zeit nach ihrer Rück¬
kehr zu, lokale Symptome treten auf, bis, erst oft einige Monate
nach Beginn der Erkrankung, die Zeichen eines Leberabscesses
manifest werden (Lafoucarde).
Wie schon früher erwähnt, haben Dabney, Josserand und
Berger u. a. nach jahrelanger Rückkehr aus den Tropen allmählich
sich Leberabscesse bei Leuten entwickeln gesehen, die an chronischer
Dysenterie litten, zum Teil aber auch bei solchen, die nach Ueber-
stehen der Krankheit von ihr befreit zu sein schienen.
Dass Leberabscesse in manchen Fällen lange Zeit, ja manch¬
mal bis kurz vor dem Tode, ohne Beschwerden getragen werden
können, beweiseu ausser den von Bertrand als Beispiele der H£patite
latente angeführten Beobachtungen auch Krankengeschichten von
Godlee und Schweiger.
Der erstere erzählt, dass ein Offizier, bei dem Verdacht
auf Leberabscess bestanden hatte, einige Zeit später eine Parforce¬
jagd ohne Anstrengung mitritt und sich daraufhin dem Arzt als ge¬
heilt vorstellen wollte. Das Ergebnis dieser Untersuchung aber war
die Feststellung eines grossen fluktuierenden Abscesses im Epi-
gastrium.
Im Fall von Schweiger hatte der Patient, nachdem er an
Dysenterie behandelt worden und als geheilt entlassen war, seine
schwere Feldarbeit wieder aufgenommen und, abgesehen von Durch-
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fällen, keine Klagen geäussert. Nach circa einem Jahr erkrankte
er plötzlich unter dem Bilde der Bauchfellentzündung und starb
in wenigen Tagen. Die Sektion ergab Durchbruch eines kindskopf¬
grossen Abscesses des rechten Lappens in die Bauchhöhle.
Solche, längere Zeit symptomlos in der Leber beherbergte
Eiteransammlungen können aber auch durch uns unbekannte Ein¬
flüsse, durch eine fieberhafte Erkrankung oder ein leichtes Trauma
plötzlich stürmische Erscheinungen hervorrufen und, wenn nicht
operativ eingegriffen wird, rasch einen ungünstigen Ausgang nehmen
(Godlee).
Lässt demuach auch das klinische und anatomische Bild eine
spontane Heilung durch Abkapselung und Eindickung des Eiters be¬
greiflich erscheinen, so ist dieser Vorgang doch als ein Ereignis
von höchster Seltenheit aufzufassen.
Dabney hat unter 108 Fällen keinen spontan geheilten an¬
führen können und die zwei geheilten Fälle von Loison stehen vereinzelt
unter dem zahlreichen kasuistischen Material der letzten 10 Jahre;
beidemal waren die eingedickten Eiterreste zufällige Leichenbefunde.
Wird ein operativer Eingriff aufgeschoben oder unterlassen, so
bahnt sich der Eiter, wie schon besprochen, seinen Weg durch die
Haut, in Darm, Lunge oder in die serösen Höhlen.
Unter 129 von 563 Fällen trat nach Render (cit b. Cantlie)
59 mal Durchbruch in die Lunge, 39 mal ins Peritoneum, 31 mal
in die Pleura ein.
Bei Durchbruch in die Lunge entleert der Kranke stromweise
unter heftigem Würgen und Husten Eiter von ziegelroter oder
anchovissauceartiger Beschaffenheit (Smits, Godlee); unter Um¬
ständen ist dieser Vorgang das erste sichere Symptom des Leber-
abscesses (Howard-Hoover, Walter).
Durch den massenhaft in den Luftwegen emporquellenden Eiter
kann im Moment der Perforation der Erstickungstod eintreten
(Job ns ton); in anderen Fällen dauert das Aushusten tagelang un¬
aufhörlich und vermag durch Störung der Nachtruhe und der Nahrungs¬
aufnahme rasch den Tod der schon erheblich geschwächten Kranken
an Erschöpfung herbeizuführen (Walter, Mannaberg).
Wird der Eiter in der Abscesshöhle immer wieder gebildet,
so kommt es nach einiger Zeit von neuem zu reichlicher Eiterent¬
leerung in die Bronchien. Manchmal fehlt die Verbindung mit
einem grösseren Luftröhrenast; es wird dann nur wenig eitriger Aus¬
wurf ausgehustet (Walter, Schweiger u. a.).
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Der Durchbruch in die Lunge führt nicht selten zur Entleerung
und zur Heilung des Leberabscesses; es können sich aber auch im
Anschluss daran cavernöse Prozesse in den Lungen entwickeln
(Mc. Leod, Godlee).
Durchbruch in die Brusthöhle macht die Erscheinungen eines
Empyems, Perforation in die Bauchhöhle führt zur tödlichen Peri¬
tonitis; bei Joch eie s hatte Stoss gegen eine Tischkante das Bersten
des Abscesses mit den erwähnten Folgen verursacht
Treten die geschilderten Zwischenfälle nicht ein, so stirbt der
Kranke an Erschöpfung oder an Pyämie nach Metastasen in anderen
Organen.
Ueber Recidive, die nach Entleerung des Abscesses, sei es
durch die Lungen, sei es nach operativer Eröffnung, aufgetreten
sind, wissen Lipstein, Marshall, Rebregand 188 ), Wyssmann
und Grippeling zu berichten:
Bei Rebregand verstrichen 14 Jahre, bei Wyssmann und
Grippeling drei, bei Marshall ein Jahr, bei Lipstein wenige
Monate, bis es zum Wiederaufflammen des Prozesses kam.
Rebregand und Smits sind geneigt, zur Erklärung keine
Neuinfektion anzunehmen, sondern diese Abscesse, die eich meist an
Stelle der alten eröffneten und scheinbar ausgeheilten entwickelten,
auf Zurückbleiben nekrotischer und infektiöser Massen infolge zu
kurzer Druinage zurückzuführen.
Bei Marshall, wo der kaum geheilte Kranke wieder in die
Tropen zurückkehrte und dort von neuem dysenterische Symptome
zeigte, ist eine Reinfektion nicht von der Hand zu weisen.
Anders sind die Fälle zu beurteilen, wo, wie bei Berndl,
Richelot, Kerkboff, in kurzen Zwischenräumen an verschiedenen
Stellen der Leber Abscesse auftreten; diese sind wohl als das Pro¬
dukt einer an den verschiedenen Punkten nur verschieden schnell
sich abspielenden Infektion zu betrachten.
Der Leberabscess im Gefolge der Appendicitis schliesst sich
meist unmittelbar an die akut einsetzende Entzündung des Wurm¬
fortsatzes an.
Folgende kurze Notizen — die ich der Liebenswürdigkeit des
Prof. A. Fraenkel in Berlin verdanke — über einen Fall, von mir
in autopsia beobachtet, veranschaulichen am besten diesen Verlauf.
29 jähriger Mann, 4 Tage vor der Aufnahme plötzlich mit heftigen
Leibschmerzen, Erbrechen, Fieber erkrankt. Bei der Aufnahme hohes
Fieber, Druckempfindlichkeit der Ileocöcalgegend. ln den nächsteu
Tagen Schüttelfrost, deutlicher Icterus. Der Leib wird stark gespannt
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und aufgetrieben. Schmerzhaftigkeit mehr unterhalb des Rippenbogens
lokalisiert. Vergrösserung der Leberdämpfung; Icterus nimmt an Intensität
zu, intermittierendes Fieber mit zuerst selteneren, später häufigeren Schüttel¬
frösten. Am fünften Tag nach der Einlieferung gelingt es nach mehreren
vergeblichen Punktionen in der Axillarlinie zähen Eiter zu Tage zu
fördern. Rippenresektion und Eröffnung mehrerer kleiner Leberabscesse
schaffen vorübergehend Besserung. 14 Tage später Tod an Herzschwäche.
Die Sektion (Prof. Benda) ergab Pylephlebitis mit unzähligen, die
Leber durchsetzenden Abscessen und als Ausgangspunkt einen kleinen
Abscess, der mit dem gangränösen Wurmfortsatz in Verbindung stand.
Auch Rothfeld verfügt über Fälle, wo bereits 5—8 Tage nach
den ersten perityphlitischen Erscheinungen unter Schüttelfrost und
Icterus Pfortaderthrombose und eitrige Embolie in der Leber auf¬
traten, gefolgt von hohem intermittierenden Fieber mit Frösten und
Schweissen.
Die Dauer der Erkrankung kann sich auf Wochen erstrecken,
bis der Tod an Erschöpfung oder an Metastasen eintritt.
Bei anderen Kranken, wo die Appendicitis einige Zeit vor
der ärztlichen Beobachtung eingesetzt hat, vergehen 14 Tage und
mehr, während derer neben remittierendem Fieber unbestimmte
Schmerzen im Abdomen da9 Bild beherrschen, bis starke Schmerz¬
haftigkeit und Schüttelfröste ein Befallensein der Leber anzeigen
(Lipstein, Rothfeld).
Zuweilen versteckt sich auch die Wurmfortsatzerbrankung hinter
umherziehenden Leibschmerzen; am Kranken lässt sich vielleicht bei
der Aufnahme ein pleuritisches Exsudat nachweisen (Körte) oder
er zeigt Eiterfieber und Lelierschmerzen. Nach einer vergeblichen
Probepunktion werden die Leberabscesse zugleich mit der perity¬
phlitischen Eiterung erst durch die Sektion aufgedeckt (Körte,
Ewald, Rassow).
Selten verstreichen, wie in dem Fall von Sonnenburg-
Hermes und von Lipstein, mehrere Monate zwischen dem Auf¬
treten der Appendicitis und dem des Leberabscesses.
Die Patienten waren dabei ausser Bett und imstande, ihrer
Beschäftigung nachzugehen, doch war ihr Befinden kein ungestörtes;
Schüttelfröste abwechselnd mit Perioden leidlichen Wohlbefindens
wurden beobachtet, Atemnot und Schmerzen in der Lebergegend waren
zeitweise vorhanden, bis sich endlich unter Zunahme der allgemeinen
Erscheinungen Lebervergrösserung und Fieber oder durch das Auf¬
treten einer schmerzhaften Resistenz unter dem Rippenbogen ein
Leberabscess feststellen Hess.
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Ebenso unbestimmt sind manchmal die Aeusserungen der vor-
ausgegangenen Cholelithiasis. Unklare Schmerzen, nach dem Rücken
ausstrahlend, können die Vorläufer von Schüttelfrösten, Icterus und
schmerzhafter Leber veigrösserung sein (Korcynski). Der Leber-
abscess ist zuweilen das erste Symptom der irregulären Chole¬
lithiasis (Bielschowsky) oder aber die GaHensteinkoUken liegen
wie bei Vosswinkel lange Zeit zurück.
In anderen Fallen wieder kombinieren sich die Symptome der
Gallensteinanfälle mit denen des Leberabscesses (Körte), dem nicht
selten ein chronischer Choledochusverschluss voranzugehen pflegt
(Bielschowsky).
Sich selbst überlassen, führen die Lebereiterungen bei den
ebenerwähnten Krankheiten mit Sicherheit zum Tode.
Der eine von Korcynski’s Fällen, bei dem ein oder mehrere
Leberabscesse in den Darm durchbrachen, einer nach Punktion seinen
Inhalt ohne weitere Folgen in die Bauchhöhle entleerte und auf
diese Weise nach mehrmonatlichem Krankenlager Heilung eintrat,
dürfte bis jetzt als Unikum gelten.
Prognose.
Nach Cantlie hängt sie ab von der Grundkrankheit, dem
Stadium der Erkrankung, in welchem der Patient zur Behandlung
kommt, dem Zeitpunkt, in dem die Diagnose gestellt und die ope¬
rative Behandlung in Angriff genommen wird, eventuell auch von
dem Weg, den der Eiter beim Durchbruch wählt.
Entleerung desselben durch den Darm oder durch die Luft¬
wege ist dabei noch relativ am günstigsten, doch können gerade im
zweiten Fall schlimme Zwischenfälle und unberechenbare Kompli¬
kationen, wie oben gezeigt, hinzutreten.
Die am Schluss sich anreihende Betrachtung der Operations¬
erfolge wird zeigen, inwieweit wir vom chirurgischen Eingriff, dem
einzigen Weg, die Krankheit ratiouell zu bekämpfen, Genesung er¬
warten dürfen. Hier daher nur soviel:
Da multiple, besonders kleine und mittlere Eiterherde nur
selten Gegenstand einer erfolgreichen operativen Behandlung werden
können, so ist bei unserem Unvermögen, diese Eventualität vor der
Operation vorauszusehen, die Prognose stets ernst zu stellen.
Diagnose und Differentialdiagnose.
Nimmt man schon bei der Inspektion eine Vorwölbung im
Epignstrium oder unter dem Rippenbogen wahr, über der die Haut
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gerötet oder öderaatös ist, bei gleichzeitigem Bestehen von Eiter¬
fieber und Störung des Allgemeinbefindens, während eine Kontusion
des Leibes voransgegangen, eine eitrige Wunde irgendwo am Körper
vorhanden ist oder eine Erkrankung der Beckenorgane besteht, so wird
die Erkennung unschwer gelingen. In anderen Fällen werden das
Auftreten von Fieber, von Schmerzen in der Lebergegend, vielleicht
vereint mit Schulterschmerz, Auftreibung der rechten Seite mit Vor¬
wölbung der Intercostalräume, Vergrösseruog der Leberdämpfung
nach abwärts und aufwärts bei einem Menschen, der Dysenterie oder
eine Appendicitis überstanden hat oder an Gallensteinen leidet, uns
an einen Leberabscess- denken lassen. Schüttelfröste und Auftreten
von Icterus zusammen mit Leberschmerzen müssen bei einem Perity¬
phlitiskranken ebenso auch bei einem Typhusrekonvalescenten stets
einen Verdacht nach dieser Richtung wachrufen.
Nicht selten ist die Anamnese lückenhaft. Dysenterie wird in
der Vorgeschichte vermisst, ohne dass dies gegen das Vorausgehen
oder Vorhandensein der Erkrankung spricht; die Appendicitis kann
unter larvierter Form sich abgespielt haben, Gallensteinanfälle liegen
manchmal weit zurück (VossWinkel).
Wo bei schweren Allgemeinerscheinungen und gastrischen
Symptomen Icterus und Schmerzhaftigkeit der Leber auf dieses
Organ hinweisen, wird man mangels der angeführten ätiologischen
Momente eine Ascaridosis hepatitis, eine Gallengangsinfektion,
(Bacaloglu, Chevalier), schliesslich einen idiopathischeu Abscess
vermuten dürfen.
Das Fehlen von Fieber und von Vergrösserung der Leber
andererseits ist nicht gegen die Diagnose Leberabscess zu verwerten,
auch reflektorische Spannung der Bauchdeckeu kann fehlen.
Eine Dämpfung über den unteren Partien der Lunge mit nach
oben konvexer Begrenzungslinie soll uns nach FraenkePs Hinweis,
mangels von Anhaltspunkten für eine Lungenaffektion, die Ursachen
der Erkrankung unterhalb des Zwerchfells suchen lassen; auch das
Auftreten von Druckschmerz im Epigastrium ist dabei zuweilen
bedeutungsvoll.
Auf die inspiratorischen Einziehungen unterhalb des Rippen¬
bogens als Ausdruck einer Zwerchfellslähmung durch die vom Leber¬
abscess fortgeleitete Entzündung rät Perthes wohl zu achten und
kann man sich diesen Hochstand des Zwerchfells und sein Still¬
stehen bei der Atmung auch ira Röntgenbild sichtbar machen. Cir-
cuni8cripte Druck- oder Klopfempfindlichkeit im Bereich der Intcr-
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costalräume (Körte, Smits, Perthes) können für die Entwickelung
eines Abscesses herangezogen werden.
Perihepatitisches oder subdiaphragmales Reiben spricht dafür,
dass ein Abscess sich der Lebernberflache nähert. Sind bloss Er¬
scheinungen eines occnlten Eiterherdes vorhanden und fehlt die
Lebervergrösserung, so kann sein Auftreten, wie bei Bramwell und
Stiles, erhebliche diagnostische Bedeutung gewinnen.
(Fortaetcung folgt.)
Die operative Behandlung der Nephritis.
Sammelreferat von Dr. Wilhelm Klink (Berlin).
(Fortteteung.)
Körte weg, J. A.: Der Chirurg hat mehr Gelegenheit, stark
geschwollene Nieren zu sehen, als der Internist. So sah er eine
Niere von Kindskopfgrösse, die bis in die vordere Axillarlinie
reichte, von blauschwarzer Farbe, geschwollen, wie ein Ballon ge¬
spannt war, bei oberflächlicher Incision stark blutete. Schon den fol¬
genden Morgen war sie von gewöhnlicher Grösse, platt, leicht röt¬
lich; an Stelle der völligen Anurie war eine Sekretion von 4 Litern
Urin in den ersten 24 Stunden getreten. Durch Cirkulationsstörung
kann die Niere das Zwei- und Dreifache der gewöhnlichen Grösse
erreichen. Dann wird auch die Urinabsonderung aufgehoben. Ex¬
perimentell ist dies auch durch Unterbindung des Ureters hervor¬
zurufen (Albarran). Die Niere schwillt so schnell danach, dass
die Schwellung nicht bloss als Folge der Urinstauung betrachtet
werden kann. So fand man auch bei Ureterverschluss durch Stein
bei der Operation, wenn wegen Anurie operiert wurde, eine stark
vcrgrosserte, ödematöse, blauschwarze, stark blutende Niere; diese
ungeheure Vergrösserung und Blutreichtum fand man aber auf
beiden Seiten, wenn Anurie durch einseitigen Ureterverschluss ein¬
trat (Leontö, Albarran, Pel, Chibret). Wenn Israel diese
Anurie der gesunden Niere als Reflexanurie, als einen Krampf der
Arterien der nicht befallenen Seite bezeichnet, so spricht dagegen
doch wohl das Aussehen der Niere. Wahrscheinlicher wäre doch,
dass durch den Ausfall der Steinniere der arterielle Blutdruck im
Aortensystem steigt und damit auch in der anderen Niere, vielleicht
auch noch reflektorisch durch Steigerung des Harnstoffgehaltes.
Dadurch kommt dann eine Stauung im Wundernetz der Glomeruli
zustande und dadurch eine Funktionsstörung der Niere. Das gilt
besonders, wenn die steinfreie Niere vorher schon krank war oder
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durch Chloroform oder Aotiseptica geschädigt wurde. — Ebenso¬
wenig als eine Anschoppung ohne Entzündung denkbar ist, ebenso¬
wenig wird man sich in der Niere eine akute Entzündung denken
können, der sich keine Cirkulationsstöruug als Folge einer mehr
oder weniger ausgesprochenen Anschoppung angeschlossen hat.
Nimmt die eine Niere ihre Thätigkeit wieder auf, so kommt wegen
der gegenseitigen sympathischen Beziehungen auch sofort die an¬
dere Niere unter günstige Verhältnisse. Das gilt für die akute
parenchymatöse Nephritis; deshalb ist bei ihr eine Entspannungs-
incisiou angezeigt. Die zahllosen Blutextravasate, die man bei der
Sektion in ihr findet, sowie der Blutgehalt des Harns während des
Lebens weisen doch auf eine Cirkulationsstörung hin. Wenn schon
an der Leiche bei akuter Nephritis die Niere sich durch besondere
Grösse, hohe Spannung und ein deutliches Oedem kennzeichnet,
wieviel grösser muss noch der Turgor während des Lebens ge¬
wesen sein? Soll Harrison’s merkwürdige Genesung einer
Scharlachanurie durch Operation auch in der Folge ein Unicum
bleiben? Die Antwort, ob man operieren soll, wird bei der akuten
Nephritis davon abhängen, wieviel die Funktion gestört ist neben
der Entzündung durch Cirkulationsstörung. — Bei der chronischen
Nephritis besteht auch eine Beziehung der beiden Nieren zu ein¬
ander. Die Neigung zur Blutung ist bei ihr sehr gross. Bei Ex¬
acerbationen mit Erhöhung des Blutdrucks in der Niere wird es zu
Verminderung der Harnabsonderung und kolikartigen Schmerzen
kommen. Die Spannung wird nicht so gross werden können, wie bei
der akuten Nephritis. Bei der chronisch hämorrhagischen Nephritis
findet man als Ausdruck der chronischen Stauung neben einem
grossen Blutgehalt des Urins stets Blutungen in der Niere und
stark ausgedehnte Venae stellatae. Darum erscheint mir auch diese
Nephritisform mehr als irgend eine andere zur chirurgischen Be¬
handlung geeignet. Doch ist es fraglich, ob man durch die Ent-
spannungsincision ein dauerndes Resultat erzielen kann.
Kümmell: Schmerzen und Blutungen sind viel häufiger mit
Nephritis verbunden, als bisher geglaubt wurde. Er hat öfter durch
Ureterenkatheterismus die Erkrankung beider Nieren in Fällen fest¬
stellen können, wo die Schmerzen nur einseitig waren. Bezüglich
des einseitigen Vorkommens von Nephritis widerspricht er sich. Ein¬
mal (Deutsche med. Wochenschr. 1902, V, p. 101) erzählt er von
einem Fall einseitiger Nephritis, die er infolge Fehldiagnose durch
Operation feststellen und seine weitere Entwickelung später durch
die Autopsie bestätigen konnte. An anderem Orte (Verhandl. d.
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 50
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Deutsch. Ges. f. Chir. 1902) sagt er: „Gibt es eine einseitige Neph¬
ritis ? Nach unseren Erfahrungen kann ich dies nicht annehmen.
Bei den zahlreichen Sektionen unseres Krankenhauses ist niemals
eine einseitige Nephritis konstatiert worden.“ Dasselbe zeigt «1er
Ureterenkatheterismus, doch kommen Albumenunterschiede von
2—3°/o 0 zwischen beiden Nieren vor. Sind auf einer Seite Albumen,
Cyliuder oder Blut im Urin, auf der anderen Seite der Urin nor¬
mal, so kann man mit grosser Wahrscheinlichkeit eine andere Er¬
krankung annehmen, die nebenbei einen entzündlichen Prozess des
noch gesunden Nierengewebes bewirkt hat, z. B. Pyelonephritis,
Tumoren, Steine. Die Blutung kommt oft nur aus einer Niere und
kann dann einen Stein oder Neubildung vortäuschen. Hier muss
dann der Ureterenkatheterismus ausgeführt werden; Gefrierpunktsl>e-
8timmung und weitere Untersuchung des aus beiden Nieren gesondert
aufgefangenen Urins zeigen uns dann oft, dass es sich um eine
beiderseitige Erkrankung handelt, um eine Nephritis. Die Fälle
von renaler Hämophilie, die nicht auf krankhaften Veränderungen
des Nierengewebes beruhen, sind selten. Zum Beweis ist natürlich
mikroskopische Untersuchung grosser Stücke nötig. Der Konser¬
vativismus herrscht jetzt in der Nierencbirurgie vor, doch darf man
darin nicht zu weit gehen. — Reflektorische Anurie kommt jeden¬
falls vor, doch sind wohl viele Fälle als solche gedeutet worden,
wo krankhafte Veränderungen der Niere vorhanden waren. — Ehe
man eine Niere operativ in Angriff nimmt, soll man sich überzeugen,
ob die andere Niere nach der eventuellen Entfernung der einen
auch die Funktionen für beide Nieren übernehmen kann. Dazu ist
eine Gefrierpunktsbestimmung nötig. Hat der Gefrierpunkt die normale
Grenze noch nicht erreicht, so zeigt das, dass noch keine genügende
kompensatorische Hypertrophie der anderen Niere eingetreten ist.
In solchen Fällen soll man, wenn es angeht, mit einer Nephrektomie
warten, bis der Gefrierpunkt die normale Grenze erreicht hat, oder
sich mit vorläufiger B'reilegung und Spaltung der Niere begnügen.
Dann kann man bisweilen schon in 10—14 Tagen die Nephrektomie
folgen lassen. „Im allgemeinen gingen wir so vor, dass bei jeder
in Betracht kommenden Nierenoperation der Gefrierpunkt des Blutes
und Urins, sowie die im Urin ausgeschiedene Harnstoffmenge, die
beiden letzteren an mehreren aufeinander folgenden Tagen, be¬
stimmt wurden. Eigaben sich ein normaler Gefrierpunkt (0,55 — 0,57 0 ■
sowie entsprechende Werte des Urins, so wurde dies als ein Zeichen
der bestehenden vollen Funktionsfähigkeit wenigstens einer Niere
angesehen und als sichere Garautie, die als erkrankt angesehene
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Niere nötigenfalls entfernen zu können. Alsdann wurden durch
Ureterenkatbeterismus die Beschaffenheit des Urins jeder einzelnen
Niere und ihre Funktionsfähigkeit festgestellt. In den Fällen, in
denen, nach der Beschaffenheit des Urins zu schliessen, die eine Niere
bereits völlig verödet und ausser Funktion gesetzt ist, genügt die
Bestimmung des Gefrierpunktes des Blutes und Urins sowie des
Harnstoffs zur Feststellung der Funktionsfähigkeit der einen Niere.
In den Fällen aber, in denen die Funktionsfähigkeit der anderen
Niere nicht feststeht und eine Erkrankung beider Nieren vorhanden
ist, könnte die Arbeitsteilung der beiden Nieren eine derartige sein,
dass jede derselben zu etwa gleichen Teilen sich an der Ansscheidung
der Stoffwechselprodukte beteiligt und beide zusammen noch etwa
so viel gesundes Gewebe besässen, als eine normal funktionierende
Niere. Nach Wegfall der einen arbeitenden Hälfte würde der nach
der Operation übrig bleibende Teil eine insufficiente Niere vorstellen
und nicht mehr funktionsfähig sein. Hier würde also die Gefrier¬
punktsbestimmung des Blutes normale Werte angeben, welche sich
jedoch auf beide Nieren zusammen bezögen. Um derartige Fälle
zu vermeiden, ist der Ureterenkatheterismus nötig; durch ihn lernen
wir in Verbindung mit der Gefrierpunktsbestimmuug die Funktions-
fäbigkeit jeder einzelnen Niere kennen. Wir sehen, daBS bei normaler
Funktion der Gefrierpunkt der rechten und linken Niere, ebenso
die Harnstoffmenge beider Organe annähernd gleich ist. Auch
die von jeder einzelnen Niere in einer gewissen Zeiteinheit aus¬
geschiedene Urinmenge scheint ungefähr die gleiche zu sein.
Bei der auffallenden Gleichheit im physikalischen und che¬
mischen Sinne konnte in allen Fällen eine organische Erkrankung,
die eine Funktionsstörung bedingen musste, ausgeschlossen werden.
Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn eine der beiden Nieren
erkrankt ist. Hier ist das Charakteristische der auffallende Unter¬
schied zwischen Gefrierpunkt und Harnstoffmenge der beiden
Nieren. Sie lassen nicht nur auf eine dieser Funktionsstörung zu
Grunde liegende Erkrankung des Nierenparenchyms, sondern auf
eine schon eingetretene, fast völlige Zerstörung des ganzen Organs
schliessen. Je niedriger der Uringefrierpunkt und je geringer die
Harnstoffmenge des aus der erkrankten Niere aufgefangenen Sekretes
in absolutem und relativem Sinne war, als desto grösser erwies sich
die Zerstörung des Nierengewebes. Bei Beobachtung der geschil¬
derten Methode haben wir bei keinem unserer Fälle nach Nephrek¬
tomie die so gefürchtete Anurie beobachtet. Eine solche Anuric
kann immerhin nach operativen Eingriffen Vorkommen, wenn auch
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vor der Operation die andere Niere als gesund befunden wurde
und es auch war. Durch zahlreiche Untersuchungen von E. Fränkel,
ist festgestellt, dass durch die Einwirkung der Operation, vor allem
durch die Narkose, eine schwere Schädigung der Nierenepithelien
und Glomeruli, Degeneration und Kerntod, eintritt. Erst die genaue
mikroskopische Untersuchung liefert den Beweis der schweren
Nierenschädigung.“
Zur Unterscheidung der Nephritis von Nierensteinen, Nieren¬
tumoren, renaler Hämorrhagie ist es wichtig zu wissen, dass die
Werte des Uringefrierpunktes bei der Niereninsufficienz sämtlich
unter 0,9 blieben, gewöhnlich 0,6—0,7 betrugen. Mit dem Blut¬
gefrierpunkt allein ist nichts Sicheres anzufaugen, seitdem wir durch
v. Koränyi wissen, dass derselbe auch bei gutartigen und bösartigen
Tumoren der Niere und anderer Bauchorgane erniedrigt sein kann.
Hier müssen dann Gefrierpunktsbestimmung des Urins und Fest¬
stellung des Harnstoffgehalts, eventuell auch die Phloridzinmethode
die Entscheidung treffen. Infolge der genauen funktionellen Unter¬
suchungen, die Kümmeil in den letzten Jahren durchgeführt hat,
ist ihm von 60 Nephrektomien, die er in dieser Zeit ausgeführt
hat, keine an postoperativer Niereninsuffienz gestorben. Gauz be¬
sonders gilt eine genaue Diagnosenstellung vor der Operation l>ei
Nephritis. Dies ist bei den operativ behandelten Fällen von
Nephritis durchaus nicht immer befolgt worden. „Aus der freige¬
legten, luxierten, in der Hand des Chirurgen zur Spaltung ruhenden
Niere eine sichere und massgebende Diagnose zu stellen, halten wir
für ungemein schwierig. Von Kongestionen und Hyperämien als
von krankhaften Zuständen zu sprechen, wenn man die Niere her¬
vorgezogen und durch Abschluss der Gefässe in einen gestauten Zu¬
stand gebracht hat, erscheint uns kaum möglich. Jeder, der zu
operativem Zweck viele Nieren in der Hand zu halten und zu be¬
obachten Gelegenheit gehabt hat, weise, welche Schwierigkeit die
Lösung oft erfordert, wie Blutungen kaum zu vermeiden sind, wie
Hämorrhagien und Blutextravasate trotz aller Vorsicht in der Kapsel
entstehen, wie das ganze Organ oft hyperämisch und gedunsen wird,
besonders wenn der zur Vermeidung der Blutung bei der Spaltung
notwendige Abschluss der Gefässe durch die Finger des Assistenteu
oder durch Instrumente dazu kommt.“ Kleine Probeexcisionen ge¬
nügen auch zur Diagnose nicht. Eine weit vorgeschrittene Schrumpf¬
niere wird man nach Lösung der Kapsel auch makroskopisch sicher
diagnostizieren; „wenn man es aber bedenkt, welche Schwierigkeiten
oft die Diagnose selbst nach Entfernung des ganzen Organs durch
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die Autopsie oder die Operation dem pathologischen Anatomen noch
bereitet, wenn diese deutlich augenfälligen Veränderungen nicht vor¬
handen sind, so wird man zugeben müssen, dass die während der
Operation an einem durch Lage und Cirkulationsverhältnisse ver¬
änderten Organ gestellte makroskopische Diagnose nicht die nötige
Sicherheit bietet.“ Fünf Fälle von einseitiger Nierenblutung, meist mit
Schmerzen verbunden, bei denen sich viermal chronische interstitielle
Nephritis beiderseits und einmal chronische parenchymatöse Nephritis
beiderseits bei der Autopsie fand; bei einem war eine Niere exstir-
piert worden. Bei der Sektion zeigten diese Fälle in beiden Nieren¬
becken Blutungen, woraus Kümmell schliesst, dass auch zu Leb¬
zeiten das Blut aus beiden Nieren stammte, dass es zur Zeit der
Operation und Untersuchung nur aus einer sich entleerte. Für die
als Nephralgie, als angioneurotische Nierenblutung oder ähnlich be-
zeichneten Krankheitsbilder nimmt Kümmell mit Israel eine
nephritische Erkrankung als Ursache an. Die Zahl reiner, operativ
behandelter Fälle von Nephritis beträgt drei; im Fall 2 und 3 ist ihm
selbst eine Beeinflussung durch die Operation zweifelhaft: 1. Fräulein.
Starke Oedeme. 10 %o Albumen, zahlreiche Cylinder, zum Teil ver¬
fettet. — Freilegung der linken Niere: Stark vergrössert, ödematös, sehr
blutreich; punktförmige Blutungen der Kapsel; Spaltung der Kapsel;
Tamponade und Naht. Glatte Heilung. Albumen nimmt zu. Reti¬
nitis albuminurica. Krämpfe, Benommenheit, Tod fünf Monate post
operat. — 2. Mann; leichte Oedeme; 7 — 8°/ 00 Albumen, Cylinder,
Epithelien; urämische Symptome. — Freilegung beider Nieren: ge¬
schrumpft, höckerig, Kapsel sehr adhärent; Ablösung und Resektion
der fibrösen Kapsel. Naht, Drain. Glatte Heilung. Nach drei
Monaten allmähliche Abnahme des Albaniens, bis 1 / 2 °/oo 5 leichte sub¬
urämische Anfälle, Pat. versucht leichte Arbeit. — 3. Knabe, 15 Jahre.
Wahrscheinlich Scharlach. Allgemeines Oedem; 5% 0 Albumen,
Cylinder, Blut im Urin. Urämische Symptome. — l 1 /, — 2 Monate
nach Beginn der Krankheit Operation: Decapsulation beiderseits.
Nach drei Wochen schwindet das Blut; Albumen 2 — 10°/ O o un< l
Cylinder bleiben im Harn. Subjektives Wohlbefinden.
Loumeau: Seit sechs Monaten ununterbrochen Hämaturie
bei chronischer Nephritis. Nephrektomie in extremis. Hämaturie
schwindet. Exitus nach 16 Tagen.
Lauen stein: Mann, 42 Jahre, seit 12 Jahren Nierenschmerzen
rechts. Seit 14 Tagen Hämaturie und Pollakiurie. Im sauren
Urin Blut und Kalkkrystalle. — Freilegung der Niere, Eröffnung
des Nierenbeckens; drei Akupunkturen: Nichts Krankhaftes. —
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Hämaturie nach drei Tagen geschwunden. Glatte Heilung. Drei
Jahre beobachtet.
Lupine: Bei einer gesunden Niere ruft eine Decapsulation
fast keine Veränderung in der Funktion hervor. Die Kapselspaltung
oder Kapsellösung ist zu machen bei schmerzhafter, einseitiger
Kongestion, die den inneren Mitteln nicht gewichen ist, oder bei
Anurie nach einer akuten Kongestion. Neue Fälle bringt er nicht
bei. Bei Hunden hat er die Vena renalis durch seitliche Ligatur
verengt, so dass eine starke Turgescenz der Niere entstand. Nun
zeigte der Urin der operierten Niere eine ganz leichte Verminderung
der Menge, Verminderung der absoluten Menge des Kochsalzes und
Harnstoffs, Vermehrung des Prozentgehaltes an Kochsalz und Harn¬
stoff. Nach zwei Stunden Kapselspaltung: Vielleicht eine leichte
Steigerung der Diurese in den nächsten Stunden. Zur Betäubung
wurde Aether verwendet.
Lancereaux: Es giebt eine Hämaturie ohne anatomische
Veränderungen des Urogenitalapparates, abhängig von einer Störung
des Nervenapparates, der dieses System regelt Er selbst hat drei
Fälle von intermittierender Hämaturie bei Männern und Frauen
gesehen, die bis zu mehreren Jahren bestanden und auf Chinin, bis
1,5 pro die, schnell schwanden.
Loewenhardt, F. will in die Diagnostik der Nierener¬
krankungen auch noch die elektrische Leitungsfähigkeit des Urins
aufgenommen wissen.
Langemak, O. hat bei Kaninchen eine Niere quer oder
längs durchschnitten. Nach 7Y 2 Stunden schon zeigte sich ein In¬
farkt, nach sechs bis acht Tagen völlige Nekrose der Harnkanälchen
im Iufarktgebiet, nach 200 Tagen keine Reste des Infarktes mehr,
nichts Nekrotisches und Verkalktes. Regeneration von Nierenge¬
webe findet nicht statt. Auch bei dem Sektionsschnitt kommt es
nach seiner Erfahrung immer zur Infarktbildung. — Man kann nicht
erkennen, ob Langemak die Zondeksche Schnittanordnung be¬
folgte. Ueberhaupt hat er den Sektionsschnitt nur dreimal ausge¬
führt. Der sehr hohe Prozentsatz der an Verblutung gestorbenen
Tiere zeigt jedenfalls, dass die Verletzung der Gefässe in der Niere
von viel schwereren Folgen für die Tiere begleitet war, als es beim
Menschen der Fall ist. Deswegen sind die Ergebnisse doch wohl
nur mit Vorsicht zu übertragen.
Lennander: Als Ursache der Anurie kennen die inneren Kli¬
niker zwei Zustände: 1. Diffuse Nephritis: Niere ist gross, blass und
schlaff; 2. Glomerulonephritis: Niere etwas vergrössert, fest, grau,
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mit blutgefüllteu Venen und grossen Glomerulis. Harrison’s Indi¬
kation zur operativen Behandlung einer Scharlachnephritis ist falsch,
denn dieselbe wird fast nie chronisch. — Er selbst macht folgenden
Vorschlag: Bei akuter Nephritis, wo eine starke Oligurie oder Anurie
bei einem relativ guten Allgemeinzustand eintritt und wo heftige
Schmerzen und Druckempfindlichkeit über der einen oder über
beiden Nieren vorhanden sind, soll man auf der Seite, wo die
Schmerzen am grössten sind, eine Incision machen, die Niere frei-
legen, die fibröse Kapsel spalten und die Niere völlig aus dieser
auslösen; danach Tamponade der Wunde. Diese Nephrolysis ist
auch anzuwenden bei solchen akuten Nephritiden, die chronisch zu
werden drohen und die mit Schmerzen auf einer oder beiden Seiten
vereint sind- Für Lennander sind es die Schmerlen, welche die
wesentlich bestimmende Indikation bilden.
Malherbe et Legueu: In fast allen Fällen von „essentieller
Hämaturie“ sind positive Läsionen, wenn auch ganz kleine, vor¬
handen. Auch bei der Hämaturie der Schwangeren, von der bis
jetzt 12 Fälle beschrieben sind, kommt vielleicht Schwangerschafts¬
nephritis oder Stauung als ursächliches Moment in Betracht.
Martens: Frau, 25 Jahre, seit drei Viertel Jahren heftige
Nierenkolik. links, Fieber, Hämaturie. Im Urin Albumen, Eiter¬
körperchen, Nieren- und Nierenbeckenepithelien, Cylinder. Linke Niere
freigelegt: Kapsel stark verwaohsen, Spannung normal. Nieren¬
spaltung: chronisch-parenchymatöse Nephritis. —- Glatte Heilung.
Hämaturie und Fieber schwinden; drei Monate beobachtet
Nonne: Starke Hämaturie eines Hämophilen. Tod nach Psoas-
ruptur. Nieren erweisen sich als gesund.
Nimier: Mann, 22 Jahre, seit fünf Jahren Hämaturie. Exstir¬
pation der linken Niere. Hämaturie schwindet nicht ganz. Leichte
Sklerose eines Teiles der Niere.
Naunyn: Es gibt Blutungen aus gesunden Nieren, aber viele
von den Fällen, die als solche beschrieben sind, waren chronische
Nephritis, Nach den Operationen hat man in den Harnkanälchen
nur wenig Blut gefunden, auch wenn eine Blutung unmittelbar
vorherging; dasselbe konnte Naunyn bei einem zur Sektion ge¬
kommenen Fall beobaohten. Eis scheint somit, als ab die Blutung
im Nierenbecken stattfände, wofür auch das häufige Vorhandensein
von Ekchymosen im Nierenbecken spricht — Eis wird nicht zu um¬
gehen sein, dass man in geeigneten Fällen von Morbus Brightii zur
Herbeiführung einer Entspannung die Operation versucht. Leider
kommen den Internisten genug Fälle vor, in denen die Therapie nichts
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mehr leistet und die so liegen, dass eine Rettung des Kranken
durch ein Verfahren, das der Nierenerkrankung eine günstige
Wendung gibt, wohl noch zu hoffen ist. Aber man darf nicht ver¬
gessen, dass der Verlauf der Nephritis häufig auch ohne Operation
güustig ist, auch in anscheinend sehr schweren Fällen. — Naunyn
teilt mehrere Fälle mit: Frau, etwa 35 Jahre, schwere Anfälle von
Hämaturie und leichten Nierenschmerzen. Kein Ren mobilis.
Heilung durch Leibbinde. — Mann mit schweren Nierenblutungen
und Nierenschmerzen. Nephrotomie. Danach Bild der arteriosklero¬
tischen Nephritis. Ferner drei Fälle von Hämaturie bei chronischer
Nephritis, nicht operiert, von denen einer starb.
Passet: Zur Unterscheidung von Blasen- und Nierenblutung
ist es wichtig, dass Blasenblutung besonders blutreiche letzte Harn¬
portionen liefert (Fürbringer); aus den Nieren stammendes Blut
soll braun, solches aus der Blase rot sein. — Passet teilt folgenden
Fall mit: Frau, 40 Jahre. Während der Menses Hämaturie. Im
Harn sonst nichts Pathologisches. Nach einmaliger Blasenspülung
mit 1 °/ 0 Silbernitratlösung schwindet die Hämaturie. Nach l 1 /,
Jahr wieder starke Hämaturie, die nicht auf Blasenspülung steht. —
Cystotomie: Aus dem rechteu Ureter kommt Blut. Schluss der
Blase. Von da ab zwei Jahre frei von Blutung, dann nur kurz¬
dauernde Hämaturie, die auf Bettruhe schwand.
Pinner: Mädchen von 12 Jahren. Seit 14 Tagen Hämaturie.
Im Urin keine Nierenelemente. Rechte Niere vergrössert. Diagnose:
Maligner Tumor. Operation: Rechte Niere blass und körnig, unterer
Pol kolbig geschwollen; starke Lappung. Spaltung des unteren Pols;
Schnittfläche und Nierenbecken ohne Besonderheiten; Naht der
Niere. Urin alkalisch, bisweilen etwas Eiweiss, keine Cvlinder.
Nach zwei Monaten wieder Hämaturie, bisweilen sehr stark. Deshalb
partielle Nephrektomie. Die Niere sieht aus wie eine schrumpfende
weisse Niere: vergrössert, granuliert, graugelb, keine Pyramiden¬
zeichnung; haselnussgrosse Cyste. — Nach einem Tage: Urin alka¬
lisch, Eiweiss, Cylinder, Leukocyten, kein Blut Typische Retinitis
albuminurica. Urin, zuerst reichlich, nimmt allmählich ab. Nach
2 l / t Wochen Exitus im Coma uraemicum. — Autopsie: Oberer
Lappen der rechten Niere ist zurückgeblieben; linke Niere: Frischere
Nephritis mit beginnender Schrumpfung; Hypertrophie des linken
Ventrikels. — Mikroskopischer Befund: Rechts alte parenchymatöse
und interstitielle Nephritis; links desgleichen, nur frischer und
weniger ausgedehnt.
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P£an: Mann, 40 Jahre. Heftige Nierenschmerzen links. Im
Urin etwas Blut und oxalsaurer Kalk. Nephrektomie. Niere gesund.
Heilung. Bald danach Tabes.
Poirier: Mann, 48 Jahre. Starke Hämaturie; das Blut stammt
aus der rechten Niere. Operation: Niere von gewöhnlicher Grösse,
unebener Oberfläche, kleine Cysten; chronische Perinephritis. Ne¬
phrektomie. Glatte Heilung. Im Nierenbecken zahlreiche Ekchymosen.
Mikroskopisch chronische Nephritis. — Nach zwei Monaten Exitus
an Lungenaffektion.
Pothärat: Frau, 52 Jahre. Starke Hämaturie; leichte Albu¬
minurie. — Nephrektomie: Niere aufs Dreifache vergrössert, rot,
höckerig; in den Kanälchen und Becken Blutgerinnsel; Rinde sehr
hypertrophisch und blutreich. Pyramiden scharf abgegrenzt Glatte
Heilung. Exitus bald an Urämie. — Frau, 33 Jahre. Seit vier
Jahren ununterbrochen starke Hämaturie. Blutung stammt aus der
rechten Niere. Albuminurie. Nach einem zweiten Versuch, die
Ureteren zu katheterisieren, steht plötzlich die Blutung und kehrt
nicht wieder.
Pel, P. K.: Ueber die chirurgische Behandlung des Morbus
Brightii lässt sich ein endgültiges Urteil noch nicht fällen, da die
Erfahrung darüber noch zu klein ist Ob es sich in den von
Harrison mitgeteilten Fällen um Nephritis gehandelt hat, ist zweifel¬
haft; Grund zum Zweifeln ist das Fehlen der Wassersucht, die
Aetiologie der Nephritis, das Einseitige der Krankheitserscheinungen,
die heftigen Koliken, das Fieber und Vergrösserung der Niere. In dem
Falle Pousson’s mit chronischer interstitieller Nephritis, wo durch
Nierenspaltung die Urämie beseitigt wurde, dieselbe nach Heilung der
Wunde aber wiederkehrte, war es dann ganz falsch, an eine Nephrek¬
tomie zu denken. Eine Urämie ist nicht mit Nephrektomie zu heilen,
eher sollte man eine dritte Niere implantieren. Bei der Durchsicht
der bisher operierten Fälle eigibt sich folgendes: 1. Weitaus die
meisten Fälle sind durch besondere Symptome charakterisiert, wie
einseitige Kolikschmerzen, starke Blutung, belangreiche Blutung einer
Niere oder Fieber; so weichen sie beinahe alle mehr oder weniger
ab von dem gewöhnlichen Bild der Nephritis und nähern sich dem
Bilde der ,,surgical kidney“ in des Wortes weitestem Sinn.
Typische Fälle von Nierenentzündung bilden die Minorität. 2. Die
Indikation für die Freilegung und Incision der Niere ist gegeben
durch Anurie oder durch heftige Schmerzen oder durch die Stärke
der Blutung. Nur der erste Faktor hat grosse Bedeutung, denn
die gewöhnliche Nephritis, der Morbus Brightii, es sei die akute
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oder die chronische mit ihren akuten Exacerbationen, führen wohl
niemals zu so beunruhigenden Blutungen, dass daraus 6chon allein
direkte Lebensgefahr folgt, wenn auch nicht zu leugnen ist, dass
bedenkliche urämische Nierenblutungen Vorkommen können. Doch
können die Kranken die renalen Blutungen dieses Ursprungs gut
ertragen. Weiter scheint auch die Blutung entspannend und günstig
auf die Kongestion der kranken Niere zu wirken und also in ge¬
wissem Masse dasselbe zu leisten, was man mit der operativen Be¬
handlung bezweckt. Bisweilen kommen ja auch im Verlaufe der
chronischen Nephritis recidivierende Nierenblutungen vor, die ziem¬
lich lange dauern und von beträchtlicher Bedeutung werden köunen.
Trotzdem ist damit noch nicht gesagt, dass sie dem Chirurgen zu¬
zuweisen sind. Das alles gilt in noch höherem Masse von der
Albuminurie. Auch nennenswerte Schmerzen gehören nicht zu den¬
jenigen Symptomen einer Nephritis, die ein Eingreifen der Chirurgen
erfordern. Wo die Schmerzen, sei es mehr andauernd, sei es anfalls¬
weise, in den Vordergrund treten und die Urinuntersuchung auf das
Bestehen eines Entzündungsprozesses in den Nieren hinweist, da
ist in der Regel eine Komplikation oder ein Grundleiden vorhanden, das
die Schmerzen verursacht. Bei nicht komplizierten Nephritiden wurden
nennenswerte Schmerzen von Pel nicht beoliaehtet. Eine sehr schnell
entstandene Vergrösserung der Nieren mit starker Kapseldehnung,
wie sie bei reinen Kongestionen schon Vorkommen soll, kann wohl
heftige Schmerzen verursachen. Das gilt wohl besonders für die
akute ascendierende Nephritis. Bei einer gewöhnlichen Nephritis,
selbst bei ganz akuter Entstehung, hat Pel niemals diese heftigen
Schmerzen beobachtet. Daher entsteht die Schlussfolgerung, dass
die operative Behandlung der entzündeten Niere nur durch ein
Symptom angezeigt sein kann, und das ist die Herabsetzung der
Harnabsonderung bis zur völligen Anurie. Die völlige Anurie ist
glücklicherweise selten; viel häufiger und noch gefährlich genug ist
die Verminderung dm* Urinraenge. Abgesehen von Ursachen, die
im Herzen und im Blut zu suchen sind, hat die Abnahme der
Diurese bei Nephritis sehr verschiedene Gründe: Schwellung der
häufig verfetteten Nierenepithelien, die das Lumen der Harnkanälchen
verengen, Schwellung und Wucherung der Endothelieu und anderer
Teile der Gefässwand, der Glomerulicapillaren auf Kosten des Lumens,
Exsudat innerhalb der Bowman’schen Kapsel, das zur Kompression
der engen Capillaren führt. Ohne Zweifel können hierbei, besonders
in den akuten Perioden der Krankheit, Veränderungen in der Blut-
cirkulation, besonders vermehrte Blutzufuhr, von grosser Bedeutung
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sein, die einen stark erhöhten Druck in der entzündeten Niere mit
ihrer sie amgebenden Kapsel nnd Kompression der Capillaren ver¬
ursacht. Demnach muss dann auch eine Abnahme der erhöhten
Spannung die Cirkulation verbessern, gleichsam wieder frei machen
und die Harnabsonderung befördern. Neben der Blutentziehung gibt
es kein Mittel, das schneller und besser Entspannung bewirkt, die
Gcfässkompression aufhebt, kurz, die Cirkulation verbessert, als die
Spaltung der Nierenkapsel oder des Nierenparenchyms. So kann eine der
Ursachen der Herabsetzung der Diurese, und zwar die cirkulatorische,
auf operativem Wege aufgehoben werden. Die Verbesserung der
Cirkulation wirkt dann vielleicht auch günstig auf die anatomischen
Veränderungen in der Niere. Doch treten bei der Sektion die
hyperämischen Erscheinungen meist nicht scharf hervor. Chloroform
und Antiseptica wirken bei Nierenkranken schlimmer als bei
anderen Kranken. In den Fällen von Israel, Harrison und
Pousson scheint die Diagnose der Nephritis zum Teil sehr unsicher
und die Aussicht auf Heilung durchaus nicht unmöglich. Israel
hat wohl auch die Bedeutung der kleinen, nur mikroskopisch wahr¬
nehmbaren Entzündungsherde der Niere überschätzt Ganz unver¬
änderte Nieren sind, wenigstens im reiferen Lebensalter, recht selten.
Bei anderen Nierenkranken treten doch die Veränderungen auch
zuerst herdweise auf und sind nur mikroskopisch erkennbar; und
doch fehlen l>ei ihnen die von Israel beschriebenen Symptome, wie
starke Blutung, kolikartige Schmerzen, Fieber, starke Vergrösserung
der Niere. Oft genug verläuft doch die Nephritis ohne wahrnehm¬
bare subjektive Erscheinungen. Und wie soll man dann die günstige
Wirkung der alleinigen Freilegung der Niere bei der sogenannten
essentiellen Hämaturie erklären, oder das Schwinden einer renalen
Hämaturie nach Irrigation der Blasenschleimhaut oder nach der Er¬
öffnung der Harnblase oder nach dem Curettement derselben, wie
es beobachtet ist? Ein Zufall konnte bei dem langen Bestehen der
Hämaturie nicht vorliegen. Wie soll man ferner die Fälle von
Hämaturie sich erklären, in denen die Niere gewissenhaft mikro¬
skopisch durchsucht wurde, ohne dass man eine Erkrankung fand.
Sehr krystallreicher Harn ist auch ohne Steinbildung imstande, die
heftigsten Koliken mit Ureterkrampf, Blutung und Erscheinungen von
Nierenreizung zu verursachen; ganz besonders reizen die scharfen
Oxalatkrystalle. Jedenfalls liegt es viel näher, an diese Form von
„Lithiasis“ oder „arthritischer Diathese“ zu denken als an Israelis
„kongestiv entzündliche Lokalisation der rheumatischen Erkrankung
in der Niere mit intracapsulärer Spannungserhöhung“. In den Fällen
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von Hämaturie und Koliken mit unbedeutenden Entzündungsherden
oder sogar mit gesunden Nieren, wo die Nierenspaltung günstig
wirkte, scheinen die Gefässnerven und sensiblen Nerven des Plexus
rennlis eine grosse Rolle gespielt zu haben. So viel scheint fest¬
zustehen, dass wenigstens die Spaltung der Nierenkapsel und viel¬
leicht auch des Nierengewebes selbst in den Fällen von akuter oder
akut exacerbierender Nephritis gerechtfertigt sein kann, bei denen
wegen Herabsetzung der Diurese Lebensgefahr für den Kranken
besteht und die innere Medizin nicht mehr die Macht hat, die
Diurese zu steigern und die Gefahr abzuwenden. Das gilt um so
mehr, als einzelne Erfahrungen dafür sprechen, dass schon eine ein¬
seitige Nephrotomie durch Entspannung und die hierauf folgende
stärkere Diurese auch günstig auf die Funktion der anderen Niere
wirken kann. Bei Erwachsenen ist die akute Nephritis selten. Die
neuen Untersuchungsmethoden, wie Methylenblauinjektion, Gefrier¬
punktsbestimmung von Harn und Blut, Pbloridzinprobe, geben keinen
zuverlässigen Massstab für die Beurteilung der Intensität der Nieren-
thätigkeit. (Fortsetzung folgt.)
II. Bucherbesprechungen.
Parasitäre Krebsforschung und der Nachweis der Krebsparasiten
am Lebenden. Von M. Schüller. Berlin, Vogel AKreienbrink, 1903.
In dem vorliegenden ersten Hefte der „Abhandlungen aus dem
Gebiete der Krebsforschung und verwandten Gebieten“ betont Verf.,
nachdem er kurz die Gründe für die Annahme einer parasitären Ent¬
stehung der malignen Geschwülste angeführt hat, die Wichtigkeit von
Kulturen der Parasiten für den Nachweis derselben, wie er ihm ja be¬
kanntlich gelungen sein soll. Den Vorwurf, dass es sich bei einem Teil
seiner Gebilde um Korkverunreinigungen gehandelt habe, weist er
energisch zurück, nachdem er jetzt ausschliesslich mit filtrierten Rea-
gentien experimentiert.
Da nach Schüller’s Untersuchungen die Parasiten vielfach in den
obersten Schichten der Carcinome gefunden werden, so erwartete er bei
Schleimhautcarcinomen, die einem steten Zerfall ausgesetzt sind, die
Parasiten und die auffälligen widerstandsfähigen Hüllen der grossen
Kapseln beim Lebenden in den Sekreten oder Spülflüssigkeiten zu finden.
Thatsächlich will er denn auch diese Gebilde bei Magen- und bei
Rectumcarcinomen in der Spülflüssigkeit gefunden haben, ebenso im
Harn von Kranken mit Nierencarcinom und Blasencarcinom.
Laspeyres (Bonn).
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Vorschriften aus dem Gebiet der Krankenpflege. Von A. Heer¬
mann. Leipzig, Verlag von H. Hartung <fe Sohn, 1903.
Der Verf. hat auf abtrennbaren Blättern eine Reihe von Vor¬
schriften aus dem Gebiete der Krankenpflege festgelegt, welche dem
Pfleger resp. Kranken übergeben werden sollen, eventuell noch mit be¬
sonderen Bemerkungen des Arztes versehen. Besonders sind eine Reihe
von hydrotherapeutischen Proceduren ausführlich beschrieben.
Wer bei ausgedehnter Thätigkeit es liebt, möglichst schnell genau
präcisierte Verordnungen zu treffen, wird die Blätter gern in Gebrauch
nehmen, ja vielleicht noch eine Reihe von Vorschriften (z. B. über die
Lagerung der Kranken) vermissen. Ref. gesteht, dass er die Blätter
wohl nicht in Gebrauch nehmen wird, da seiner individualisierenden Be¬
handlung derartige festgelegte Vorschriften nicht entsprechen und zu
häufige Korrekturen das Wartepersonal verwirren dürften.
H. Herz (Breslau).
Atmokausis und Zestokausis. Von L. Pincus. Wiesbaden, J. F.
Bergmann, 1903.
Das vorliegende Buch, ein Ergebnis jahrelanger mühevoller Arbeit,
schildert in eingehendster Weise alles Wissenswerte einer den Gynäkologen
vom Fach wohl schon — durch des Verf.’s frühere Publikationen —
ziemlich vertrauten, aber allgemein noch nicht genügend gewürdigten Me¬
thode, die eine wesentliche Bereicherung unseres Heilschatzes darstellt.
Die Anerkennung dieser Leistung eines einzelnen wird um so grösser,
wenn man bedenkt, dass dem Autor keineswegs die für die Einführung
einer Neuerung so wohlthätige kollektive Verantwortlichkeit einer Klinik
zu Gebote stand, sondern dass er von den ersten tastenden Versuchen
an gezwungen war, die Resultate seiner theoretischen Erwägungen auf *
die Fälle seiner privaten Praxis zu übertragen.
Ausgehend von einer Idee des russischen Chirurgen Snegirew,
der im Jahre 1894 den heissen Wasserdampf zum erstenmal als Hämo-
statikum verwendete, hat Pincus dessen unzureichendes Instrumentarium
nach sorgfältigen Studien und Versuchen gänzlich umgestaltet und so
eine wertvolle therapeutische Methode geschaffen, die er Atmokausis resp.
Zestokausis nennt. Unter Atmokausis versteht er die Durchströmung
gewisser Körpergegenden, ursprünglich bloss des Uterus, mit heissem hoch¬
gespanntem Wasserdampf, unter Zestokausis die Aetzung mit einem ge-
geschlossenen röhrenförmigen Instrumente, das vom heissen Dampf durch¬
strömt wird. Der Apparat besteht aus dem Dampferzeuger (Kessel) mit
Zubehör (Brenner), dem Dampfzuleitungsrohr, dem äusseren Katheterrohr,
welches entweder den freien Zutritt des Dampfes gestattet (Atmokauter)
oder nur den Kontakt vermittelt (Zestokauter), und dem Dampf ablei tungs-
rohr. Der Kessel ist für einen Druck von 22 1 / 2 Atmosphären er¬
probt, was einer Temperatur von 120—128° C. entspricht. Ein Thermo¬
meter, das im Kesseldach angebracht ist, zeigt Temperaturen bis über
120° C. an. Die Temperaturen, die in Betracht kommen, betragen
100—115° C.
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Die Atmokausis ist absolut indiziert: 1. bei allen uterinen Blutungen,
die mit den bisherigen erprobten Mitteln nicht beseitigt werden können,
also bei gewissen Formen von präklimakterischen Blutungen, allen Fällen
von Hämophilie, gewissen Formen von Myomblutungen, Blutungen beim Car¬
cinoma uteri inoperabilo, Endometritis haemorrhagica, atonischen Blutungen
post abortum und im Spätstadium des Wochenbetts; 2. zur Sterilisierung
unheilbar kranker Frauen (Castratio mulieris uterina atmocaustica). Relativ
ist sie indiziert bei allen Vorgängen mangelhafter Rückbildung im Endo¬
metrium, sowie bei entzündlichen Affektionen als Ersatz oder als Er¬
gänzung der Curette.
Die Zestokausis ist absolut indiziert: 1. zur lokalisierten Aetzung
des Endometrium corporis Uteri; 2. zur Behandlung der Endometritis
dysinenorrhoica. Relativ ist sie indiziert zur Behandlung hartnäckiger
Erosionen und Fisteln. Beide Verfahren sind kontraindiziert: 1. solange
die Malignität nicht ausgeschlossen ist; 2. bei festgestellter Malignität;
3. bei Beteiligung der Adnexe.
Tritt bei der Operation lebhafter Schmerz auf, so ist der Eingriff
sofort zu unterbrechen. — Eine Beschreibung der Technik würde den
Rahmen des Referates zu weit überschreiten, es muss diesbezüglich auf
eine der bezüglichen Publikationen von Pincus verwiesen werden.
Arbeitet man unter den genannten Kautelen, so ist nach dem Aus¬
spruche von Fritsch die Atmokausis „ungefährlich, schmerzlos und wirk¬
sam“, . daher, wenn nicht besondere Gründe vorliegen, eine Narkose nicht
nötig. Die Einwirkungsdauer des heissen Dampfes soll im allgemeinen
möglichst kurz sein, bei kleinem, gut kontraktilem Organ genügen 5"
bis 15", bei grossem Uterus 20—40" der Durchströmung eines Dampfes
von 110—115° C., die völlige Zerstörung der Schleimhaut mit nach¬
folgender Obliteration ist nur durch Sitzungen von längerer Dauer, von
1' und mehr, zu erzielen.
Dank der wirklich unverdrossenen Arbeit des Verf.’s und der
Patronanz mehrerer, von dem Werte des Verfahrens überzeugter klinischer
Lehrer, wie Fritsch, v. Winckel, Winter, erfreut sich die Atmo¬
kausis heute schon einer grossen Zahl von Anhängern und Freunden in
der gynäkologischen Praxis. Es ist zu erwarten, dass sich auch Chir¬
urgen finden werden, welche diese Methode adoptieren, scheint sie doch,
wie kaum eine zweite, geeignet zur Stillung von Blutungen aus paren¬
chymatösen Organen, zur Behandlung von torpiden Eiterprozesseil und
Fistelbildungen. In der Rhinologie hat sie bereits Verwendung gefunden.
Rud. Polluk (Prag).
Therapie der Augenkrankheiten. Von V. Hanke. Medizinische
Handbibliothek, Bd. III. Wien u. Leipzig, Alfred Holder, 1903.
Das vorliegende Buch ist vom Verf. als eine Ergänzung der vor¬
handenen Lehrbücher der Augenheilkunde gedacht, welche in Anbetracht
des grossen Stoffes, den sie zu bewältigen haben, die Therapie nur in
kurzen Zügen schildern können. Für den Praktiker, der sich mit den
Fortschritten und Neuerungen stets im Laufenden erhalten will, ist es
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daher von grossem Interesse, in einem ausführlich, aber kurz abgefassten
Nachschlagebüchlein die Heilmethoden der heutigen Augenheilkunde, wie
sie sich dem Verf. in seiner langjährigen Erfahrung als Assistent an
der Hofrat E. Fuchs’schen Augenklinik bewährt haben, kennen zu
lernen. Da sich eine zielbewusste Therapie nur auf richtige Erfassung
des Krankheitsbildes stützen kann, werden in einigen Kapiteln dia¬
gnostische, besonders differentialdiagnostische Bemerkungen eingeflochten.
Operationen werden mit vollem Recht nur dem Namen nach angegeben,
nicht geschildert. Dem Ungeübten wäre hiermit nicht gedient, so aber
erhält der Praktiker einen Wink, wann er die Behandlung dem Spezia¬
listen zu übergeben habe.
Die klare und knappe Behandlung der Materie, die reiche Fülle
der an einem riesigen Kranken material gesammelten Erfahrung geben
dem Buche die beste Empfehlung.
R. Hitschmann (Wien).
Das Obduktionsprotokoll. Von Prof. Busse. Zweite Auflage, 130 pp.
Berlin, Verlag von Rieh. Schoetz, 1903.
Das vorliegende Buch hat die Aufgabe, den Arzt in der sach-
gemässen Abfassung von Autopsien zu unterstützen. Die Anordnung
des Stoffes ist sehr zweckmässig getroffen und am Schlüsse befindet
sich das preussische Regulativ für das Verfahren der Gerichtsärzte bei
den gerichtlichen Untersuchungen. Im Texte sind thunlichst deutsche
Ausdrücke statt der Fremdwörter gebraucht. Die Ausstattung des Buches
macht dem Verleger alle Ehre, sie ist eine vorzügliche, und es wird das
Busse’sche Obduktionsprotokoll nicht nur dem beamteten, sondern auch
dem praktischen Arzte bei Sektionen ein wertvoller, kaum zu umgehen¬
der Ratgeber bleiben. Zesas (Nyon).
De 1’Ablation de restoinac (Ablation totale et subtotale). Von
J. Boeckel. 167 pp. Paris 1903, Verlag von Felix Alcan.
Obwohl seit ca. 25 Jahren die verschiedenartigsten Operationen
am Magen vorgenommen wurden, datiert doch die erste mit Erfolg aus¬
geführte Gastrektomie vom Jahre 1897 (Schiatter).
Verf., der vor zwei Jahren die gleiche Operation mit günstigem
Resultate auszuführen Gelegenheit hatte, stellt in vorliegender Arbeit
die seit Schiatter publizierten Beobachtungen zusammen, sie kritisch
beleuchtend. Die Zahl der hierher gehörenden Fälle beläuft sich auf 48,
unter denen bei zweien das Resultat unbekannt geblieben ist. Von
diesen 46 Operierten starben 18 und genasen 28 (Mortalität 39,1 %).
Als Todesursache wird neunmal Collaps in den ersten, der Operation
folgenden 12 Stunden, siebenmal eitrige Peritonitis und einmal Pneu¬
monie angeführt. Von den 28 geheilten Fällen sind sieben nicht lange
genug beobachtet worden, um ein endgültiges Urteil zu gestatten. Von
den 21 Uebrigen starben 11 an Recidiv in einem Zeitraum von fünf
Monaten bis fünf Jahren, einer ging an Darmocclusion ohne Recidiv
7 1 / 2 Monate post operat. und ein anderer nach zwei Jahren an Phthisis
pulmonum zugrunde. Acht Operierte erfreuen sich zur Zeit des besten
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Wohlbefindens. Die Operation datiert bei den ältesten dieser Fälle
seit 11, bei dem jüngsten seit einem Jahre.
In klarer Weise bespricht Verf. nach Aufzählung der vorhandenen
Kasuistik die Indikationen sowie die Technik der Operation und gelangt
am Ende der interessanten Arbeit zu der Schlussfolgerung, dass die
totale oder subtotale Gastrektomie einen berechtigten Eingriff darsteile,
indem nunmehr festgestellt worden sei, dass „der Mensch ohne Magen
leben könne“. Im Verdauungstractus, namentlich am Duodenum in der
Nähe der gastrointestinalen Anastomose, bildet sich eine Ausbuchtung
die sich langsam dilatiert und gewissermassen einen neuen Magen dar¬
stellt. Die Verdauung geht physiologisch und ohne Storung von statten
und das Körpergewicht nimmt bei den Operierten zu.
Die Lektüre der Boeckel’schen Arbeit wird nicht nur den Fach¬
chirurgen, sondern jedem sich für die Magenkrankheiten interessierenden
Arzte warm empfohlen. Zesas (Nyon).
De reiuploi des verres dans le traitement du strabisme. These
pour le doctorat en mödecine. Von Henri Le Roux. Paris 1902,
Steinheil.
Schielende sollen vor dem 12. oder 13. Lebensjahre nicht operiert
sondern mit Gläsern behandelt werden, welche die Ametropie möglichst
voll korrigieren. Die Brillenbehandlung soll zwei Jahre durchgeführt
werden, ehe man zur Operation schreitet; sie ist auch geeignet um
Operationserfolge zu erhalten und wird von den stereoskopischen Uebungen,
wo solche durchführbar sind, wesentlich unterstützt.
R. Hitschmann (Wien).
Inhalt
I. Sammel-Referate.
Perutz, F., Der Leberabscess (Fort¬
setzung), p. 769—784.
Klink, W., Die operative Behandlung
der Nephritis (Fortsetzung), p. 784—
796.
II. BUcherbesprechungen.
Schüller, M., Parasitäre Krebsforschung
und der Nachweis der Krebsparasiten
am Lebenden, p. 796.
Heermann, A., Vorschriften aus dein
Gebiet der Krankenpflege, p. 797.
Pincus, L., Atmokausis und Zestokausis,
P. 797 -
Hanke, V., Therapie der Augenkrank¬
heiten, p. 798.
Busse, Das Obduktionsprotokoll, p. 79p.
Boeckel, J., De V Ablation de l’estomac
(Ablation totale et subtotale), p. 799.
Le Roux, H., De Pemploi des verres
dans le traitement du strabisme, p. 800.
Um Einsendang von Monographien and Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien. I, Ebendorferatrasse 10, wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Ad ressen zusatz „Für die Redaktion des
Central blatte« für die Grenzgebiete“ versehen zu wollen.
Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Chirurgie.
Herausgegeben von
H>r*. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VL Band.
Jena, 21. November 1903.
Nr. 21.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , heraus gegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Beitrag
zur Diagnose der Lithiasis pancreatica.
Von Dr. D. G. Zesas,
gewes. Chirurg. Assistenzarzt am Inselspital Bern.
Literatur.
1) Friedreich, Die Krankheiten des Pankreas, v. Ziemssen’s Handbuch,
VIII, 2.
2 ) Claessen, Krankheiten der Bauchspeicheldtüse. Köln 1842.
3) Johns ton, Calculous and other affections of the pancreatic ducts. Anier.
Journ. of med. Sciences 1883.
4) Küster, Deutsche Chirurgie, Lief. 45 d.
5) Capparelli, Virchow-Hirsch's Jahresber. 1888, Vol. II, p. 267.
6) Lancereaux, Bull. Acad. de m&d. de Paris 1888.
7) Leichten Stern, Handb. d. spez. Therapie von Penzoldt u. Stintzing 1896.
8) Lichtheim, Berliner klin. Wochenschr. 1894.
9) Minnich, Berliner klin. Wochenschr. 1894.
10) Holz mann, Münchener med. Wochenschr. 1897.
11) Kinnicutt, Amer. Journ. of med. Sciences, Dec. 1902.
12) Pepper, Clinical remarks on several cases of pancreatic diseases. New
York med. News 1882.
13) Fleiner, Berliner klin. Wochenschr. 1894, Nr* 1 u. 2.
14) Kümmel, Verhandl. d. Gesellsch. deutscher Naturforscher u. Aerzte 1896.
15) Müller, Zeitschr. f. klin. Med. 1887.
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI.
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— 802 -
16) Os er, Die deutsche Klinik, Berlin 1901.
17) Ancelet, Etudes sur les maladies du pancr£as, Paris 1864.
18) v. Mering u. Minkowsky, Archiv f. exper. Pathpl. u. Pharm., XXVI
19) De Dominicis, Münchener med. Wochenschr. 1891, Nr. 41 u. 42.
20) Hedon, Coinpt rend. de la soc. de Biologie 1890.
21) Lepine, Soc. de Science m£d. de Lyon 1889.
22) Gley, Arch. gen. de med. 1891.
23) Harley, cit. bei Minkowsky.
24) Hansemann, Zeitschr. f. klin. Med., Bd. XXVI.
25) Albu, Berliner klm. Wochenschr. 1894.
26) Deuchcr, Korrespondenzbl. f. Schweizer Aerzte 1898.
27) B6courl, Recherches sur le pancreas, Strassburg 1830.
28) Portal, Malad, du foie 1830.
29) Hirschfeic^ Zeitschr. f. klin. Med., Bd. XIX.
30) Senn, Die Chirurgie des Pankreas. Volkmann’s Vortr. Nr. 313 u. 314
31) Tiroloix, Arch. g6n. de mW. 1891.
32) Katz, Wiener med. Wochenschr. 1899.
33 ) Weintraud, Die Heilkunde 1898.
Ein Fall, den ich vor mehr als Jahresfrist zu beobachten Gelegen¬
heit hatte und bei dem die Diagnose zwischen Cholelithiasis und Pankreas-
kalkulose unentschieden blieb, veranlasste mich, in der vorhandenen
Kasuistik von Pankreaslithiasis die dargebotenen Symptome einer ein¬
gehenden Prüfung zu unterziehen, um, wenn möglich, aus den am
häufigst citierten Erscheinungen irgendwelche Stützpunkte zu gewinnen,
die als Grundlage zur Diagnose der Lithiasis pancreatica dienen könnten.
Der Versuch erscheint ein undankbarer, wenn mau bedenkt, dass
unter ca. 70 in der Literatur beschriebenen Fällen von Pankreaskalku-
lose es nur siebenmal gelang, eine zutreffende Diagnose intra vitam zu
stellen, und dass Fried reich in seiner klassischen Bearbeitung der Pan¬
kreaskrankheiten im Ziemssen ’schen Handbuche die Diagnose der
Pankreassteine für unmöglich hält und glaubt, dass Gallensteinkoliken
immer Anlass zu Verwechslungen mit Pankreassteinkoliken geben werden.
Claessen und Johnston haben versucht, der Diagnose intra vitam
einige Anhaltspunkte zu ermöglichen; ersterer konnte jedoch keinen Fall
auffinden, in dem dieselbe hätte gestellt werden können, während letzterer
an der Hand einer 35 Fälle umfassenden Statistik, die Symptomato¬
logie besprechend, deren Unzulänglichkeit hervorhebt. Auch Küster in
der Bearbeitung der Pankreaskrankheiten in der ,,Deutschen Chirurgie“
gelangte zur Schlussfolgerung, dass es nur sehr selten ermöglicht sei.
Pankreassteine zu diagnostizieren.
Ich lasse vorerst die sieben intra vitam diagnostizierten Fälle folgen,
indem die Mehrzahl derselben die charakteristische Symptomatologie der
Pankreaskalkulose am besten zu illustrieren berufen ist.
Fall 1. Capparelli teilt den Fall einer Dame mit, die mit
krampfhaften Schmerzen des Epigastriums erkrankte; an denselben Stellen
entwickeltem sich eine Phlegmone und ein Abscess, der ausser Eiter keine
Steine entleerte; es bleibt eine Fistel zurück, die sechs Jahre besteht
und ab und zu Sleinehen (im ganzen über 100) entleert, dazwischen
eine serös-schleimige Flüssigkeit, die nach den Mahlzeiten an Menge zu-
nimmt. Dabei Salivation, dauernde Störung der Verdauung. Die Dia¬
gnose wurde auf Pankreassteine mit Entzündung und Verwachsung des
Organes gestellt; die chemische Untersuchung der Steine ergab, dass
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dieselben grösstenteils aus organischer Substanz bestanden, darunter Leucin,
Tyrosin und Spuren von Xanthin. Einige Monate nach Schluss der
Fistel wurde durch ein Ekzem an Genitalien und Anus, sowie Trocken¬
heit der Mundschleimhaut die Urinuntersuchung provoziert; es ergab sich
beträchtlicher Diabetes, der unter antidiabetischer Diät, Pankreatin und
Milchsäure in kurzer Zeit heilte.
Capparelli glaubt hier mit Bestimmtheit eine im Gefolge der ent¬
zündlichen Affektion eingetretene cirrhotische Atrophie des Pankreas an¬
nehmen zu können, die als Ursache des Diabetes aufzufassen sei.
Fall 2. Lancereaux. Acht Jahre, bevor die Patientin in Be¬
obachtung kam, hatte sie mehrere Anfälle starker abdominaler Koliken
gehabt Die Stühle waren dabei stets fettig. Keine weiteren bedeutenden
Symptome bis 18 Monate vor ihrer Aufnahme in das Spital, wo sich
Glykosurie entwickelte und Patientin allmählich an schwerem Diabetes er¬
krankte. Das Vorhandensein einer Lithiasis pancreatica wurde als wahr¬
scheinlich angenommen und die Diagnose auf das Spätauftreten des Dia¬
betes und auf die abdominalen Koliken basiert. Bei der Autopsie wurde
der Pankreaskörper in einen fibrösen Strang verwandelt gefunden; der
Kopf desselben war besser erhalten. Der Ductus Wirsung. war durch
einen erbsengrossen Stein verstopft.
Fall 3. Leichtenstern. Im Jahre 1882 demonstrierte Leichten-
stern im Kölner ärztlichen Verein drei linsen- bis erbsengrosse, grau-
weisse, stachelige Oberfläche darbietende mörtelartige Konkremente, welche
im Anschluss an einen schweren Gallensteinkolikanfall ohne Icterus in
den Faeces aufgefunden worden waren. Schon das makroskopische Aus¬
sehen, noch mehr die von Herrn Dr. de Jon ge vorgenommene chemische
Untersuchung, welche kohlensauren und phosphorsauren Kalk ohne
Gallenpigmente und Cholestearin ergab, liess Leichtenstern damals die
Ansicht aussprechen, dass es sich um Pankreaskonkremente handle.
Fall 4. Leichtenstern. Eine 35jährige Frau litt seit zwei
Jahren an periodisch auftretenden ausserordentlich intensiven Schmerz¬
anfällen mit stürmischem Erbrechen. Angeblich 90 II auch einmal Icterus
beobachet worden sein. Mehrere Aerzte hatten die Diagnose auf Gallen¬
leiden gestellt. Ein Chirurg nahm die Cholecystotomie vor, ohne dass
Gallensteine vorgefunden wurden. Mit noch offener Fistel liess sich
Patientin in das Hospital aufnehmen. Die Schmerzanfälle erreichten
einen so hohen Grad, dass einmal in einem solchen ein Tentamen suicidii
stattfand. Darauf willigten wir gerne in den Wunsch der Kranken ein,
nochmals operiert zu werden. Die Laparotomie wurde vorgenommen,
mehrere Adhäsionen, von der ersten Operation herrührend, getrennt, —
aber weit und breit nichts von Gallensteinen entdeckt. Dagegen wurde
das Pankreas bei der Operation vergrössert angetroffen; ein Stückchen
desselben excidiert, zeigte normales Verhalten. Bei der Sektion zeigte
sich das Pankreas von zahlreichen Stecknadelkopf- bis erbsengrossen Abs-
cessen durchsetzt, in welchen, sowie in den Gängen mörtel- oder sand¬
artige Konkremente sich vorfanden. Also: Sialolithiasis, sekundäre In¬
fektion, Pancreatiti9 suppurativa.
Fall 5. Lichtheim. Wilhelm Rubel, ein 3G jähriger Kutscher,
tritt am 20. November 1890 in die medizinische Klinik zu Königsberg
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ein. Er ist verheiratet, Vater von drei gesunden Kindern. Sein Vater
ist gestorben, woran, ist ihm nicht bekannt, die Mutter lebt und ist ge¬
sund. Er selbst war bis zum Jahre 1876 immer gesund. In diesem
Jahre bekam er im Winter, kurz nach seiner Entlassung vom Militär,
plötzlich Magenkrämpfe. Zugleich mit den sehr heftigen Schmerzen stellte
sich Erbrechen ein; das Erbrochene soll schleimig, von grüner Farbe
gewesen sein. Der Stuhl war angehalten, fest, angeblich von schwarzer
Farbe. Patient hatte Fieber, schwitzte sehr stark und lag im ganzen
sechs Wochen zu Bett In den folgenden Jahren wiederholten sich diese
Krämpfe, wenn auch weniger heftig; zwischen den Anfällen hatte Patient
mitunter mehrere Wochen hindurch Ruhe. Der Stuhl war immer 9ehr
angehalten. Im Jahre 1882 trat wieder ein sehr starker Anfall auf,
bei dem Patient 11 Wochen zu Bett liegen musste. Seitdem Besserung
des Zustandes, die Krämpfe hörten fast vollständig auf und der Kranke
konnte wieder arbeiten. Nur der Stuhl blieb hart und angehalten. Vor
einem Jahr bekam Patient plötzlich ohne Veranlassung Durchfall mit
sehr zahlreichen Entleerungen dünnflüssiger, zuerst gelber, allmählich
immer farbloser werdender Stühle. Fieber hatte Patient nicht, ebenso¬
wenig Schmerzen; im Leibe fühlte er ein starkes Rumoren. Mit der
Frequenz der Stühle steigerte sich der Appetit und besonders der Durst,
zugleich magerte der Kranke stark ab. Tenesmen hatte er nicht Die
Diarrhoen hielten, jeder Behandlung trotzend, das ganze Jahr an und
ihretwegen suchte Patient die Klinik auf. Er klagte besonders in der
letzten Zeit über zunehmende Schwäche in den Unterextremitäten. Das
Müdigkeitsgefühl in denselben wird selbst nach geringen Anstrengungen
so stark, dass er seine Beine kaum schleppen konnte. Hie und da,
besonders nachts, bekommt Patient Wadenkrämpfe und ein eigentüm¬
liches Kribbeln in den Zehen. Potus und Lues werden zugestanden.
Status praesens: Der kräftig gebaute, deutlich abgemagerte Patient bat
normale Temperatur, einen langsamen Puls. Beide Lungenspitzen sind
leicht gedampft, besonders die rechte. Ueber derselben neben Vesikulär-
atmen mit scharfem Exspirium mittelgrosse, blasige, teilweise klingende
Rasselgeräusche. Ueber der linken Spitze Vesikuläratmen und klang¬
loses Rasseln. Der Rest des Brustkorbes zeigt normales Verhalten.
Herzstoss, Herzdämpfung, Herztöne normal.
Abdomen im ganzen nicht aufgetrieben, doch ist durch die schlaffen
Bauchdecken hindurch die Peristaltik der etwas gespannten Därme sichtbar.
Leber und Milz sind normal. Leichte Oedeme der Knöchel. Auf der
Haut über dem Sternum einige Flecken von Pityriasis versicolor. Schleimig¬
eitriger Auswurf, in welchem erst später spärliche Tuberkelbacillen auf¬
gefunden wurden. Urin von normalem Aussehen. Menge ca. 2 Liter,
sj>ez. Gewicht 1043. Sehr reich an Zucker. Keine Eiseilchloridreaktion,
kein Aceton. Die Gesamtmenge des nusgesch ; edenen Zuckers schwankte
in den folgenden Tagen zwischen 170 und 122 g bei gemischter Kost.
Am 27. November wird der Kranke auf strenge* Fleischdiät gesetzt
Er erhielt 400 g Fleisch und 3 Liter Flüssigkeit pro Tag, in den
nächsten Tagen ausserdem noch zwei Eier. Die Zuckerausscheidung
ging dabei ziemlich langsam herunter. Wegen des stark zurückgehenden
Körpergewichts wurde die zugeführte Fleischmenge auf 500 g erhöht,
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die Eier wurden fortgelassen. Am 14. Dezember war der Kranke zum
erstenmale zuckerfrei und blieb es seitdem bis zum Tode. Eisenchlorid¬
reaktion trat während der Periode der Entzuckerung nicht auf. Das
Allgemeinbefinden des Kranken besserte sich hingegen nicht, die Ab¬
magerung nahin zu, soweit sie nicht durch die zunehmenden Oedeme
verdeckt wurde. Die Diarrhoe trotzte allen angewandten Mitteln. Mit
Rücksicht auf den später aufgetretenen Diabetes glaubte Lichtheim,
diese Koliken als Pankreaskoliken, bedingt durch Pankreassteine, deuten
zu dürfen. Die Diarrhoen wurden gleichfalls auf die Pankreasaffektion
bezogen und durch die Störung der Verdauung infolge des Fehlens des
Pankreassekretes erklärt. Zwar zeigten sie keineswegs das Aussehen der
Fettstühle, obwohl sie sehr reichlich Fettkrystalle enthielten. Keine
Tuberkelbacillen. In den nächsten Tagen wurde in der Nahrung die
Fettzufuhr gesteigert, in der Hoffung, dadurch charakteristische Fettstühle
zu erzielen, eine Erwartung, welche sich jedoch nicht erfüllte. Der Ver¬
lauf der Krankheit war ein sehr ungünstiger. Die Diarrhoen dauerten
fort und trotzten allen Behandlungsversuchen, die Oedeme nahmen immer
mehr an Umfang zu, die Urinmenge nahm ab und blieb dauernd unter
der Norm. Ende des Monats trat eine Eisenchloridreaktion auf, welche
bis zum Tode an Stärke zunahm. Rapider Kräfteverfall bis zu dem
am 5. Januar 1891 eingetretenen Tode. Die letzten Tage vor dem
Tode waren die Stühle milchähnlich geworden. Die milchige Trübung
bestand jedoch nicht aus Fett, sondern aus ausserordentlich reichlichen
desquamierten Darmepithelien. Die Sektion (Prof. Neumann) ergab: Tuber¬
kulose beider Lungen. Cirrhose des Pankreas mit Konkrementen im er¬
weiterten Ductus Wirsungianu8. Katarrh der Darmschleimhaut in ihrer
ganzen Ansdebnung. Der Ductus pancreaticus ist stark erweitert, erfüllt
mit einer grauen Flüssigkeit, in welcher sich drei grössere und viele
kleinere mörtelartige Konkremente befinden. Vom Hauptgange führten
gleichfalls sehr erweiterte Seitengänge in die Drüse hinein. Der Umfang
der Hauptgänge an der Mündung beträgt 1 cm. Die Mündungen der
Seitengänge sind linsengross. Die Erweiterung erstreckt sich bis in die
Cauda hinein, der Umfang des Ganges beträgt hier l l / 2 cm. Die Sub¬
stanz des Pankreas hat auf dem Durchschnitt eine braunrote Farbe, be¬
steht hauptsächlich aus festem, narbigem Bindegewebe, in welchem jedoch
noch deutliche kleine Drüsenläppchen sichtbar sind. Das ganze Pankreas
ist stark atrophiert, namentlich im mittleren Teile. An der Cauda ist
die Atrophie weniger auffällig. Die Dicke der den erweiterten Gang
einschliessenden Drüsensubstanz beträgt meist kaum x / x cm, gegen die
Cauda hin l / 2 cm. Die Länge des Pankreas beträgt 10 cm. Die Schleim¬
haut des Dünndarms ist mit grauem Schleim belegt. Im Coecunt und
Colon breiige Kotmassen, die eine teils olivengrüne, teils helle Farbe
haben. Die Schleimhaut ist in ihrer ganzen Ausdehnung gerötet und
geschwellt, am stärksten ausgebildet ist dieser katarrhalische Zustand im
Colon ascendens und in der Flexur; im Ueum von der Bauhin’schen
Klappe an aufwärts geringere Schwellung, im Jejunum auffallende Er¬
weiterung der Gefässe, starke ödematöse Schwellung. Die mikroskopische
Untersuchung zeigte eine Inkrustation der feinsten Ausführungsgänge mit
Kalksalzen; in dem sehr stark entwickelten sklerotischen, zellenarmen
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Bindegewebe zeigten sich überall etwas verkleinerte, sonst nicht veränderte
Drüsenläppchen. Die Drüsenzellen selbst zeigen keine wesentlichen Ab*
weichungen von der Norm. Sie sind kaum verkleinert und ihr Kern
färbt sich in vollkommen normaler Weise. In einem erweiterten Gange
des Kopfes ist ein etwa erbsengrosses Konkrement eingeschlossen.
Fall 6. Minnicb. Herr O., Kaufmann, in den besten Verhält¬
nissen, 68 Jahre alt, weist keine hereditären Antecedentien auf; Stein-
diathese, Diabetes, Fettsucht, Gicht und die Gruppe der rheumatischen
Erkrankungen sind bei einzelnen Familienmitgliedern nicht nachweisbar.
Patient selbst erfreute sich stets der ausgezeichnetsten Gesundheit bis
zum 20. Jahre, wo er eine bis heute andauernde Schwerhörigkeit aquirierte.
In seinem 40. Jahre wurde Patient leberleidend. Er bekam schwere
Gallensteinkoliken, die ca. i / l Jahr dauerten, und war eine Zeit lang
icterisch. Die Anfälle waren so stark, dass Patient sich auf dem Boden
wälzte, und hörten angeblich nach Gebrauch des Durandeschen Mittels
vollständig auf. Im Stuhle wurden vom behandelnden Arzte typische
Pigmentgallensteine gefunden. Nun folgte eine Zeit der vortrefflichsten
Gesundheit, die erst nach 10 Jahren 6 Monate lang abermals durch
Gallensteinattaquen unterbrochen wurde. Die während derselben ausge-
stossenen Pigmentcholestearinsteine hat Patient bis vor kurzem aufbe¬
wahrt Von einer Karlsbader Kur kam er ziemlich geschwächt zurück,
ohne dass die Anfälle beseitigt waren. Dieselben blieben erst nach
strengen Diätvorschriften gänzlich aus. Die jetzige Erkrankung des nun¬
mehr 68 jährigen Patienten datiert seit Dezember 1893. Während eines
Sommeraufenthaltes in Ragaz wurde er in einer Nacht von heftigen
Schmerzen befallen, die einen ganz ähnlichen Charakter wie früher hatten.
Ein zweiter, stärkerer Anfall von drei Stunden erfolgte am nächsten
Tage nach einem Spaziergange. Patient war der festen Meinung, es
handle sich wiederum um Stein kolik, traf jedoch keine weiteren Mass¬
nahmen. Die Schmerzen stellen sich erst anfangs November wieder ein,
und zwar mit einem rudimentären Anfalle, wobei Druck und Spannungs¬
gefühl über der Magengegend sich zeitweise einstellten. Patient klagte
während 14 Tagen über Opression an der genannten Stelle. Es stellten
sich Appetitlosigkeit und Widerwillen gegen Flüssigkeiten ein. Karls¬
bader Wasser wurde ohne Erfolg getrunken. Die Beschwerden dauerten
den ganzen Monat hindurch, ohne dass ein eigentlicher Kolikanfall ein¬
getreten wäre, und waren im ganzen erträglich. Gegen Ende des Monats
bestand während drei Tagen ziemlich starker Durchfall ohne Leib-
schmerzen. Am 3. Dezember wurde ich infolge eines heftigen Schmerz¬
anfalles konsultiert. Ich nahm folgenden Status praesens auf: Gut ge¬
nährter, mittelgrosser Patient mit schmerzlichem Gesichtaausdruck. Er
klagt über heftige, krampfartig würgende Schmerzen im linken
Hypochondrium und über der Magengegend. Dieselben haben
nachmittags 4 Uhr begonnen und sich allmählich zur jetzigen Höhe ge¬
steigert. Patient erzählt seine frühere Leidensgeschichte und behauptet,
auch jetzt wieder einen Gallensteinanfall zu haben. Panniculus und
Muskulatur sind wohl entwickelt. Keine Oedeme. Beide Sclerae sind
leicht gelblich gefärbt, die Haut ist trocken, von normaler Warn»,
zeigt keine icterisehe Färbung. Hingegen ist sie Sitz eines lästigen
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Juckens, die Streckseiten der Arme sind von einem chronischen, schuppen¬
den Ekzem befallen. Arteria temporalis leicht geschlängelt, sonst nirgends
deutliche Zeichen von Arteriosklerose. Temperatur 37,2, Puls leicht
arhythmisch. Zunge leicht belegt. Kein Foetor. Ziemlich stark entwickelte
Struma, welche leicht stenotisches Atmen verursacht. Keine Expekto¬
ration. Leichter Grad von Emphysem, namentlich an den vorderen und
unteren Rändern nachweisbar. Keine Rasselgeräusche, Herztöne rein.
Abdomen: Massiger Panniculus. Die Bauchdecken atmen mit. S*e sind
auf Druck nicht schmerzhaft, so dass eine ziemlich tiefe Palpation möglich
ist. Leber nicht vergrössert. Eine Gallenblase ist trotz genauer Untersuchung
nicht zu fühlen; keine Reibegeräusche. Milz nicht palpabel. Normale
Milzdämpfung. Epigastrium nicht gebläht. Auf Druck nicht schmerz¬
haft, keine Magendilatation nachweisbar. Daß übrige Abdomen gibt
überall tympanitischen Darmschall. Erguss nicht nachweisbar. Patient
macht über die Schmerzen folgende Angaben. Er bekam erst eine
dumpfe, drückende, schnürende Empfindung über dem Epigastrium
und unter dem linken Rippenbogenrand, welche ihn veranlasste,
bald tief zu inspirieren, bald die schmerzhaften Stellen mit der Faust
einzudrücken und unruhig im Zimmer umherzugehen. Die Schmerzen
wurden bald stärker und steigerten sich zu wahren Paroxysmcn, sie loka¬
lisierten sich mehr auf eine bestimmte Stelle in der Tiefe dicht unter
dem linken Rippenrand innerhalb der Mammillarlinie. Auf
der Höhe des Anfalles gehen die Schmerzen von hier aus
ringförmig dem Rippenrande entlang bis zur Wirbelsäule und
strahlen heftig bis unter das linke Schulterblatt. Beim Nach¬
lassen der Schmerzen ziehen sie sich an die vorerwähnte Stelle unter
dem linken Rippenbogen zurück, die Patient, wie er sagt, mit
einem Fünffrankenstück bedecken könnte. Eine genaue Exploration
dieser Stelle sowie der übrigen schmerzhaften Teile ergibt nichts Posi¬
tives ausser leichtem Druckschmerz. Der Anfall brach nach zwei
Stunden plötzlich ab, worauf sich vollständiges Wohlbefinden mit aus¬
gesprochenem Hungergefühl einstellte. Der gleich nach dem Anfall
untersuchte Urin ist eiweiss- und zuckerfrei, gibt keine Gallenfarbstoff¬
reaktion. Von nun an wiederholten sich Anfälle ähnlicher Art in mehr
oder weniger heftiger Weise fast täglich, gewöhnlich des Abends und
am späten Nachmittag; sie dauerten manchmal nur kurze Zeit, manchmal
jedoch die ganze Nacht, welche Patient meist ausserhalb des Bettes zu¬
bringt. Die Therapie: strenge, gegen Steinbildung gerichtete Diät, Karls¬
bader Wasser in üblicher Form, Opium, lokale Wärmeapplikation, warme
Bader, hatte vorläufig nur geringen Erfolg. Es werden vom 14. bis
25. Dezember die Gesamtstuhlmengen täglich genau auf dem Siebe unter
Wasserstrahl durchsucht. Die Stühle selbst haben sämtlich nor¬
male Farbe, Form und Konsistenz. Fettglanz ist nicht vor¬
handen, mikroskopisch sind keine Fettkrystalle nachweisbar.
Ee fanden sich in diesen Stühlen niemals Gallensteine, wohl aber in die
Stuhlmassen eingebettet eigenartige, hellgraue, rundliche Kon¬
kremente, und zwar: Am 14. Dezember vier über linsengrosse Kon¬
kremente von unregelmässiger rundlicher Form mit stumpfen Rändern,
wobei eine Fläche etwas vorwiegt. Am 15. Dezember drei ähnliche
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Konkremente, daneben noch kleinere Brockel der verschiedensten Grösse
und Form. Am 17. Dezember nach besonders schwerem Anfall drei
Steine von Kirschkerngrösse, wovon zwei rund und einer plattgedrückt.
In den folgenden zwei Tagen gingen nur noch kleinere Brockel und Gries
ab. Die Stühle wurden aus äusseren Gründen vom 21. bis 31. Dezember
nicht mehr nachgesehen. Die Untersuchung der Konkremente «gab,
dass sie aus einer zähen, halbfesten Masse bestehen, die sich mit dem
Finger zerdrücken lässt, wobei dieselbe aber nicht pulverförmig zer¬
fällt, sondern höchstens einige unregelmässige Risse entstehen lässt.
Die Steinmasse ist zu kohärent, als dass sie sich kneten liesse. Die Ober¬
fläche ist beinahe glatt und durch die Stuhlfarbstoffe leicht gelbgrau
gefärbt Die Schnittfläche der Steine ist vollständig weiss, mattglänzend
und besitzt Aehnlichkeit mit derjenigen eines Obstkernes. Schichtung
und Centralkern nicht erkennbar. Mikroskopisch erweist sich die Steinsub¬
stanz als vollständig amorph. Krystalle und andere morphotische Elemente
lassen sich nicht erkennen. Die Steine sind in Chloroform sehr leicht
unter Bildung einer weissen Trübung löslich. Beim Ausglühen im
Reagensglas entwickelt sich dicker Rauch von stark aromatischem Geruch.
Im obersten Teile des Glases bleibt etwas gelbes Kondenswasser und
als Rückstand ein vollständig weisser Stein, der die Reaktion auf
kohlensauren und phosphorsauren Kalk ergibt
Der weitere Verlauf ergibt sich aus den kurzen Notizen, die ich
folgen lasse, wobei namentlich die Schmerzanfälle in Berücksichtigung
fallen: 27. Dez.: 6 Uhr abends leichte Prodrome; 28. Dez.: 4 Uhr
nachmittags rasch vorübergehende Schmerzen; 29. Dez.: 4 Uhr nach¬
mittags ziemlich starke Schmerzen. In der Nacht starker Anfall. Pat
bleibt bis morgens 4 Uhr ausser Bett; 30. Dez.: Sclerae leicht gelblich
gefärbt, im Urin kein Gallenfarbstoff nachweisbar. Abends vorüber¬
gehende Schmerzen; 31. Dez.: In der Nacht heftiger Anfall bis gegen
Morgen; 1. Jan. 1894: Von morgens 10 bis mittags 1 Uhr beständige
Schmerzen mit wiederholten Paroxysmen; 2. Jan.: Beständiges Druck¬
gefühl im Epigastrium; 3. Jan.: In der Nacht Anfall von 11—1 Uhr;
4. Jan.: In der Nacht ziemlich starker Aufall bis 3 Uhr; 5. Jan.: Wie
gestern bis 5 Uhr morgens; 6. Jan.: Pat ganz wohl; 7. Jan.: Abends
leichte Prodrome, in der Nacht Kolikanfall; 8. Jan.: Nachmittags ziem¬
lich starke Schmerzen; 10. Jan.: Nachts 8—11 Uhr starke Kolik;
11 . Jan.: Abends Schmerzen von 6— l /j7 Uhr, nachts 3 Uhr; 12. Jan.:
Nur vorübergehende geringe Schmerzen; 13. Jan.: Nach einer Eisenbahn¬
fahrt heftiger Anfall nachmittags bis nachts; 14. Jan.: Fast den ganzen
Tag Schmerzen ohne eigentlichen Anfall; 15. Jan.: Abends leichter
Schmerzanfall; 16. Jan.: Pat. ganz wohl; 17. Jan.: 4 Uhr vorüber¬
gehende Schmerzen; 18. Jan.: Wie gestern; 19. Jan.: Vorübergehende
Schmerzen in der Nacht; 20. Jan.: Wie gestern; 21. Jan.; Gegen
Morgen starker, aber kurzer Anfall; 22. Jan.: Kurzer Anfall am Morgen;
23. Jan.: Nachts starker Anfall; 24. Jan.: Tagsüber zu verschiedenen
Malen leichtere Anfälle; 25. Jan.: Wie gestern; 26. Jan.: Heftiger An¬
fall in der Nacht, leichte icterische Sclerafärbung; 27. Jan.: Vorüber¬
gehende Schmerzen; 28. Jan.: Pat. ganz wohl; 29. Jan.: Ebenfalls.
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Es ist hierzu noch zu bemerken, dass vom 1. bis 11. Januar, des¬
gleichen vom 20. bis 26. die sämtlichen Stühle auf Konkremente unter¬
sucht wurden, stets mit negativem Resultat. Die Stühle erwiesen sich in
jeder Richtung als normal und wiederholte mikroskopische Untersuchungen
liessen keine Fettkrystalle erkennen. Desgleichen erwiesen sich die drei
Stunden nach dem Essen aufgefangenen Urinportionen stets als zucker- und
ei weissfrei. Der Patient selbst zeigt nach drei Monaten keine Gewichts¬
abnahme, sein Aussehen ist unverändert, der Appetit ist ausserhalb der
Anfälle ausgezeichnet. Temperatursteigerungen wurden während der An¬
fälle nie beobachtet.
Dieser nämliche Fall kam später in der Züricher medizinischen
Klinik zur Beobachtung und Holzmann berichtet über ihn folgendes:
Nachdem Patient einen Tag ohne irgend welche Beschwerden auf
der Abteilung zugebracht hatte, bekam er am 21. Februar 1894 abends
um 4 Uhr einen heftigen Schmerzanfall im linken Hypochondrium, wel¬
chem Anfalle ein dumpfes, drückendes Gefühl im Leibe einige Stunden
vorausgegangen war. Patient lokalisiert die Schmerzen auf eine
dicht am linken Rippenbogen in der Mammillarlinie gelegene
Stelle, die er mit seiner Faust leicht überdecken könne. Hie und da
sollen sich die Schmerzen etwas nach rechts hinübergezogen haben und
zeitweise so intensiv geworden sein, dass Patient meinte, er werde entzwei
geschnitten. Dabei wurde er gleich vom Beginne des Kolikanfalles an
von heftigem Speichelfluss gequält, so dass er, wie er fortwährend auszu¬
spucken genötigt war, endlich eine Menge von über 1 Liter einer nahezu
klaren, mit einigen Speiseresten untermischten, fadenziehenden Flüssig¬
keit zu Tage förderte. Der Anfall dauerte mit wechselnder Intensität
bis in die Frühe des folgenden Tages. Bei der Morgenvisite kurz vor
7 Uhr wurde der Patient ganz schmerzfrei gefunden. Die Salivation
war verschwunden. Eine nachts vor 12 Uhr gemachte subcutane In¬
jektion von Morph, mur. 0,015 blieb ohne wesentlichen Erfolg.
23. Febr. Während am 21. und 22. die Harnuntersuchung auf
Eiweiss und Zucker negativ ausgefallen war, finden wir unter dem heu¬
tigen Datum folgende Notizen über die Harnanalyse: Menge 910 ccm,
spec. Gewicht 1028. Farbe gelb. Harn von saurer Reaktion. Probe
mit Essigsäure und gelbem Blutlaugen salz negativ. Probe mit Essbach-
schem Reagens zweifelhaft. Sämtliche Zuckerproben positiv, aber schwach.
Die Morre'sche, Nylander’sche und Tromnier’sche Probe zeigen
Spuren von Zucker. Phenylhydracinprobe undeutlich. Die Gärungs¬
probe gibt Gas in geringerer Quantität. Das polarisierte Licht ist kaum
merklich abgelenkt. Die Untersuchung der Speichelflüssigkeit ergab
schwache Rhodankalireaktion und wandelte sehr intensiv Amylum in
Zucker um. Kein Anfall.
24. Febr. Kein Anfall. Im Harn kein Zucker nachzuweisen.
25. Febr. Patient ist vollkommen beschwerdefrei. Im Harn wieder
Zucker vorhanden. Sämtliche Proben positiv. Menge 1100, spec. Ge¬
wicht 1020, Farbe gelb.
26. Febr. Zwei abortive Schmerzanfälle, die nach circa einer Stunde
ganz verschwunden waren. Keine Salivation, kein Zucker im Harn.
Die heute vorgenommene Prüfung der Magenfunktion ergab 20 Minuten
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Resorptionszeit für Jodkali. Im nach der Probemahlzeit erhaltenen Magen¬
saft waren durch Congopapier sehr reichlich freie Säuren nachzuweisen.
Die Günzburg’sehc Reaktion war sehr lebhaft Durch die künstliche
Aufblähung des Magens durch Acid. tartar. und Natr. bicarb. wurde
eine Lage Veränderung wie auch eine Ektasie des Organes mit Sicherheit
ausgeschlossen.
28. Febr. Gestern Abend circa um 6 Uhr trat wieder ein hef¬
tiger Kolikanfall auf mit der gleichen Lokalisation wie bei den früher
beschriebenen Anfällen, nachdem einige Stunden das Gefühl allgemeiner
Unbehaglichkeit vorausgegangen war. Wieder reichlicher Speichelfluss,
250 ccm. Der Anfall dauerte bis heute Morgen 5 Uhr. Morph, mur.
0,01 subcutan brachte keine Linderung der Schmerzen. Harnmenge
1600 ccm, spec. Gewicht 1010, Farbe gelb. Es wurden die AcetylVer¬
bindungen durch Behandlung mit Essigsäureanhydrid und Natriumacetat
aus dem Harne darzustellen gesucht, ebenso das Maltoseglvkosazon.
Beides war resultatlos. Die Aetherlösung dagegen enthielt Traubenzucker,
durch die gewohnten Reaktionen nachweisbar. Dem Aussehen und der
Unmöglichkeit nach, Krvstalle zu bilden, konnte die vermutliche Maltose
vielleicht eine Gummiart sein, da die Lösung, mit FeCl 3 und NaOH
versetzt, eine Art Gallerte bildete. Patient erhält heute eine subcutane
«Injektion von l / 2 g einer 1 °/ Q Piloearpinlösung, worauf etwas vermehrte
Speichelresektion, kein Schweis» auftrat.
3. März. Patient war drei Tage lang von jedem Unbehagen ver¬
schont geblieben. Es wurde täglich 1 ccm einer 1 °/ 0 Pilocarpinlösung
subcutan injiziert, was hie und da leichten Schweissausbruch und etwas
Speichelfluss hervorrief. Heute wieder ein heftiger Kolikanfall, der bis
gegen den folgenden Morgen andauerte. Während diese» Anfalles wurde
wieder etwas vermehrte Salivation beobachtet, ca. 60 ccm Speichel pro¬
duziert. Im Harn war kein Zucker nachzuweisen.
5. März. Seit gestern Abend von (I Uhr an besteht wieder ein
Kolikanfall von nie erreichter Akuität. Brechreiz. Massiger Speichel¬
fluss. Dauer bis heute Morgen früh. Während bis jetzt die Körper¬
temperatur sich immer innerhalb normaler Grenzen gehalten hatte, zeigt
Patient seit gestern Abend fieberhafte Temperaturen: gestern 37,7, heute
früh 38,3. Iin Anfalle wurden Pulse bis auf 120 per Min. gezählt. Es
besteht diffuser Bauchschmerz. Die Palpation des ganzen Abdomens ist
etwas schmerzhaft, sonst keine objektiven Veränderungen.
6 . März. Patient verlässt heute die Klinik. Er fiebert immer noch
leicht. Die letzten Temperaturen waren 37,7, 38,2, 37,4. Im Ham
war nimmer Zucker nachzuweisen. Icterus bestand nie. Im Stuhlgang,
der täglich regelmässig erfolgte, von halbfester Konsistenz war und keinen
abnorm grossen Fettgehalt zeigte, konnten trotz peinlichster Untersuchung
mittelst Drahtnetz im Wasserstrahl keine Konkremente oder gar jene
beschriebenen Steinchen gefunden werden. An vier Tagen wurden die
Faeces genauer auf Fett durch Extraktion der Trockensubstanz mittelst
Aether untersucht. Der Fettgehalt erwies sich 17,1, 10,0, 16,7, 20,7 Proz.
Der Schmelzpunkt lag zwischen 25 und 34 °. Bei der wiederholt vor¬
genommenen mikroskopischen Untersuchung des Stuhlganges wurden hier
und da unverdaute Muskelfasern aufgefunden, jedoch nicht in auffallend
grosser Menge. Keine Fettkrystalle.
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Fall 7. Kinnicutfc. Mann, 42 Jahre alt. Patient begann im
Jahre 188Ö über Schmerzanfälle folgender Natur zu klagen: Plötzlich
auf tretender heftiger Schmerz zwischen den Schulterblättern mit Aus¬
strahlen derselben gegen die Intercostalräume nach vorne, begleitet von
Brechreiz und Erbrechen. Die Anfälle dauerten 8 — 9 Stunden und
liessen allmählich ohne therapeutisches Eingreifen nach. Kein Icterus;
etwas leichte Diarrhoe, in den Stühlen keine Gallensteine auffindbar. Man
nahm aber doch an, dass es sich um eine Cholelithiasis handle. Im
Jahre 1901 folgte ein neuer, heftiger Anfall. Der Schmerz begann
wiederum in den Schulterblättern, strahlte nach vorn aus und lokalisierte
sich im Epigastrium, etwas rechts von der Mittellinie. Der Anfall dauerte
drei Tage, war sehr intensiv und wurde durch Morphiumeinspritzungen
nicht wesentlich beeinflusst. Es stellte sich dabei Erbrechen ein, aber
keine Diarrhoe. Eine gewisse Empfindlichkeit des Leibes war noch vier
Wochen nach dem Anfall bemerkbar. Auch dieses Mol kein Icterus.
Sechs Tage nach dem Anfall wurden in den Entleerungen sechs kleine
Steine von der Grösse einer Erbse gefunden, vier von ihnen wurden chemisch
analysiert, sie bestanden aus kohlen saurem und phosphorsaurem Kalk,
ohne Spuren von Cholesterin oder Gallenpigment. Sie wurden daher
als Pankreassteine angesehen. Drei Wochen später neue Anfälle, im
ganzen fünf bis November 1901. In einem derselben (Monat August)
wurde wiederum in den Entleerungen ein kleiner Stein gefunden und
ein massenhafter Detritus, bestehend aus kohlen- und phosphorsaurem
Kalk. Kinnicut sah den Patient am 25. Dezember 1901 zum ersten
Male. Der au9 dem letzten Anfall stammende Stein wurde analysiert und
stimmte mit der oben angegebenen Analyse überein. Ein anderer, nicht zur
Analyse verwandter Stein wog 7 cg und hatte einen Diameter von 5,8 mm
auf 5,9 und 6,2. Seine Oberfläche war rauh, mit tiefen Rinnen versehen,
der Stein selbst leicht zerbrechlich. Die Komposition seiner Oberfläche
bestand, chemisch untersucht, wesentlich aus phosphorsaurem Kalk. Patient
gab an, seit dem letzten Anfall beständig mehr oder weniger Schmerzen
im Epigastrium zu fühlen; dabei soll das Körpergewicht in der letzten
Zeit bedeutend abgenommen haben. Bei der Untersuchung Hess sich
eine rechtsseitige Wanderniere massigen Grades konstatieren, ebenso eine
gewisse Empfindlichkeit der Gallenblasengegend. Die Gallenblase war
nicht fühlbar. Neue Kolikanfälle traten in der Folge hinzu. Bei allen
begann der Schmerz in den Schulterblättern, strahlte nach vorn aus und
lokalisierte sich stets im Epigastrium, von Brechreiz und Erbrechen be¬
gleitet. Die Anfälle dauerten durchschnittlich 48 Stunden. Der Urin
enthielt während derselben Spuren von Gallenpigment, aber keinen Zucker.
Später trat leichter Icterus auf, verschwand indessen bald wieder. Am
13. und 18. Januar neue Kolikanfälle. Alle Entleerungen wurden sorg-
fältigst untersucht, ergaben jedoch keine Konkremente. In den nächsten
Wochen folgten zwei schwere Anfälle, begleitet von Icterus, wobei
wiederum Steine galligen Ursprungs zu Tage gefördert wurden. Seitdem
ist Patient frei von Koliken, doch ist die Empfindlichkeit im Epigastrium
geblieben. Während der Zeit, in welcher Patient in Beobachtung stand,
wurde der Urin wiederholt auf Zucker untersucht, jedoch mit negativem
Resultat In einem der letzten Kolikanfälle zeigten die Entleerungen
flüssige Galle. Eine Untersuchung aut Fettresorption ergab normale
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Verhältnisse. Es handelt sich in diesem Falle nm eine Lithiasis pan-
creatica, verbunden mit dem Vorhandensein einer gleichzeitigen Cholelithiasis.
Ausser den eben angeführten, intnt vitam gestellten und sei es
durch den Abgang von Steinen oder durch die Sektion kontrollierten
Diagnosen, sei noch beigefügt, dass auch Pepper seinen ini Jahre 1882
publizierten Fall auf Pankreaskonkremente zurückführt, sich stützend
auf „die oft wiederkehrenden kolikartigen Schmerzen im Epigastrium,
welche von Kühle der Extremitäten und Collapsgefühl begleitet waren“.
In der Gegend des Drüsenkopfes war in diesem Falle eine deutliche
Resistenz fühlbar. Auch Flein er ist geneigt, die bei seinem Kranken
längere Zeit vor dein Tode vorgekommenen Gärdialgien einer Pankreas-
steinbildung zuzuschreiben — „wahrscheinlich waren es wirkliche Pankreas¬
steinkoliken gewesen“, sagt er.
Wenn wir die im allgemeinen bei der Pankreaskalkulose ver-
zeichneten Symptome im einzelnen durchgehen, so finden wir, da$9 in
der Mehrzahl derselben die einzelnen Erscheinungen, die übrigens auch
bei anderen Pankreasaffektionen vorzukommen pflegen, verschiedenartig
aufgefasst und gedeutet wurden.
So werden eine fortschreitende Abmagerung de9 ganzen Körpers,
eine sympathische Salivatio pancreatica, eine langdauernde Diarrhoe mit
zu Tage geförderten grossen Mengen unverdauter, quergestreifter Muskel¬
fasern oder unabsorbierten Fettes zu den nicht zu unterschätzenden Er¬
scheinungen bei der Lithiasis pancreatica gerechnet, während das Vor¬
handensein von Glykosurie, Icterus, verbunden mit epigastrischen Schmerzen,
und Abgang der charakteristischen Steine per anum, als pathognomische
Symptome angesehen werden. Versuchen wir den diagnostischen Wert
jeder dieser Erscheinungen einzeln zu prüfen.
Zu den ersten, die Lithiasis pancreatica manifestierenden Symptomen
gehört das Auftreten von heftigen cardialgischen Schmerzen.
Ueber die Natur derselben variieren die Angaben. Sie werden als an¬
dauerndes Druck-, Würg- und Schmerzgefühl im Epigastrium geäussert
oder treten an falls weise auf, um sich zuweilen bis zur Unerträglichkeit
zu steigern. Ein charakteristisches Zeichen ist ihnen nicht eigen; sie
sollen im Gegenteil so grosse Aehnlichkeit mit Gallensteinkoliken besitzen,
dass Kranke, die früher an solchen gelitten, sie von jenen nicht zu unter¬
scheiden vermögen. Davon überzeugte sich Küster bei einem Patienten,
dem er unter der Diagnose „Cholelithiasis“ die Gallenblase eröffnet und
drainiert hatte, nachdem er derselben einen bohnengrossen Gallenstein
entnommen. Die Galle floss durch das angenähte Drainrohr frei ab,
trotzdem traten wieder Schmerzen auf, die der Patient den Gallenstein¬
koliken gleich erklärte. Medianwärts von der Gallenblase war bei
der Operation eine Geschwulst gefühlt worden, die Küster für ein
Carcinom des Pankreaskopfes hielt und als Quelle der Schmerzen be¬
schuldigte. Bei der Sektion fand sich ein Pankreasabscess vor, in
welchem, sowie in der Mündung des Ductus Wirsungianus, Konkremente
gefunden wurden.
Einen ähnlichen Fall erlebte Kümmel. Nach der Cholecystofconne
hielten die Schmerzen an und bei der Sektion fanden sich im er¬
weiterten Wirsungiani’schen Ductus weiche reiskörnerahnliche Gebilde.
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Die kolikartigen, heftigen Schmerzanfälle, die als Pankreasstein¬
koliken beschrieben sind und denen entschieden eine ähnliche diagnostische
Bedeutung zukommt wie den Gallensteinkoliken bei der Cholelithiasis,
verhalten sich folgendermassen: Entweder beginnt der Anfall mit einer
schnürenden, drückenden Empfindung im Epigastrium und am linken
Rippenbogenrand, um von hier aus als heftiger Schmerz nach der Wirbel¬
säule hinaufzustrahlen, oder der Kolikanfall nimmt seinen Anfang mit
einem intensiven Schmerz zwischen den Schulterblättern, strahlt gegen
die linke Brusthälfte aus und lokalisiert sich im Epigastrium, meistens
links oder in der Mitte desselben. Charakteristisches boten die Kolik-
Unfälle daher insofern, als die Schn)erzen vom Epigastrium aus
vorwiegend nach links ausstrahlen und somit die Gallen¬
blasengegend frei lassen.
Kolik artige Schmerzanfälle, wenngleich von geringer In tensität,
werden auch bei anderen Pankreasaffektionen, entzündlichen Erkran¬
kungen (Pankreatitis), hämorrhagischer Nekrose oder Tumoren des Organs,
beschrieben. Am beweiskräftigsten für Pankreassteinkoliken ist unzweifel¬
haft das Auffinden der charakteristischen Konkremente in
den Faeces nach dem Anfall, wie dies von Minnich und Kinni-
cutt beobachtet wurde. Die Steine bestehen aus phosphor- und kohlen¬
saurem Kalk nebst Beimischung organischer Substanz in geringer Menge
und haben im Aeusseren grosse Aehnlichkeit mit Speichelsteinen. Sie
stellen weisse bis w'eissgraue Konkremente dar von kreidigem, zuweilen
mörtelartig w r eichem Gefüge, ihre Grösse variiert von feinem Gries bis zu
Walnussgrösse. De Graaf ist der erste, welcher auf diese Art von
Konkrementen aufmerksam gemacht hat, obwohl nicht vergessen werden
darf, dass sich im Darmkanal selbst Steine aus phosphorsaurem und
kohlensaurem Kalk mit organischer Beimischung bilden können. Charak¬
teristisch für die Pankreaskalkulose wäre also das Auffinden jener
Steine in den Faeces nach einem Kolikanfall.
Anschliessend an den Steinkolikanfall sind bei der Lithiasis pan-
creatica eine Reihe anderweitiger Symptome von mehr oder minder dia¬
gnostischem Belang beobachtet worden. So erwähnt Holzmann, dass
bei seiner Beobachtung in mehreren Anfällen Ptyalismus auftrat,
welches Symptom er in direkten Zusammenhang mit der Pankreasaffektion
zu bringen geneigt ist, während Friedreich die vermehrte Speichel¬
sekretion in solchen Fällen nicht der Pankreaserkrankung, sondern einem
mitvorhandenen Magenleiden zur Last legt.
Es bleibt einer ferneren Zukunft Vorbehalten, zu entscheiden, ob
dem Ptyalismus bei Pankreasaffektionen resp. bei Lithiasis pancreatica
eine besondere diagnostische Wichtigkeit zuerkannt werden darf.
Als Nebenerscheinungen werden vor oder nach dem Anfalle ent¬
weder Verstopfung oder Diarrhoe, häufig verbunden mit Brechreiz oder
Erbrechen, beobachtet. In den publizierten Fällen sind es die Diarrhoen,
die wir ain häufigsten verzeichnet finden. Es werden im übrigen den
Stuhlentleerungen besondere charakteristische, auf Lithiasis pancreatica
hinweisende Merkmale zugeschrieben, nämlich: die in den Faeces
vorkommenden grossen Mengen unverdauter, quergestreifter
Muskelfasern oder abnorme Quantitäten unresorbierten Fettes.
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Die Anwesenheit von unverdauten, quergestreiften Muskelfasern in
den Stühlen bietet kein der Pankreasaffektion eigenes Symptom,
da sie sich bei den verschiedenartigsten Störungen der Darmverdauung eben¬
falls kundgibt.
Anders verhält es sich mit der Steatorrhoe, bezüglich welcher
nach Kunz mann allgemein angenommen wird, dass bei Erkrankungen
iles Pankreas in den Dejektionen ein abnorm reicher Gehalt an Fett
auftritt, welches sich meist als zusammenhängende erstarrende Schicht
am Rande der Kotmassen oder an der Oberfläche der Entleerungen
manifestiert. Als charakteristisches Symptom der Pankreaskalkulose darf
aber auch den Fettstühlen kein grosser Wert beigelegt werden. Voit
und Müller haben den experimentellen Beweis erbracht, dass Fettstühle
im strengen Sinne des Wortes auch bei gesunden Menschen Vorkommen
können, wenn in der Nahrung eine so grosse Menge Fettes gereicht
wird, dass dieselbe vom Darme nicht mehr bewältigt werden kann.
Ancelet erwähnt unter 330 Fällen von Pankreaskrankheiten nur
28mal der Fettstühle und Hartsen hebt hervor, dass bei zwei Diabe¬
tikern, bei welchen die Autopsie eine totale Atrophie des Pankreas nach¬
wies, trotz täglicher Darreichung von 8 —10 Löffeln Leberthran keine
ungewöhnlichen Fettmengen in den Stühlen erkennbar waren.
In der vorliegenden Kasuistik von Pankreaskalkulose begegnen wir
nur neunmal dem Auftreten von charakteristischen Fettstühlen, während
in vereinzelten Fällen milchähnliche Trübung, die aber nicht auf Fett,
sondern auf reichliche desquamierte Darmepithelien zurückzuführen war,
beobachtet wurde.
Fettstühle gehören somit nicht zu den konstanten Sym¬
ptomen der Pankreasleiden resp. der Pankreaskalkulose und
sind da, wo sie Vorkommen, zu den Späterscheinungen zu
rechnen, da aus anatomischen Gründen die Verhinderung des Abflusses
des Pankreassaftes durch Verschluss des Kanalsystems höchst selten Vor¬
kommen kann und die ausgefallene physiologische Pankreasfunktion viel¬
mehr erst dann sich bemerkbar macht, wenn die Pankreassaftproduktion
durch totale Atrophie des Organes gänzlich wegfällt. In diesem Falle
kann entweder Steatorrhoe auftreten oder es stellt sich eine Herabsetzung
der im Stuhlfette enthaltenen Fettsäuren und Seifen ein, welche Er¬
scheinung nach Kalz für eine verminderte resp. vollständig aufgehobene
Wirksamkeit des Pankreassaftes spricht.
Ein ferneres Symptom, das bei der Pankreaskalkulose sowie bei
den Pankreasaffektionen überhaupt berücksichtigt werden muss, ist der
Diabetes.
Obwohl der Zusammenhang von Melliturie und Pankreasleiden
schon über ein Jahrhundert bekannt ist, so haben uns doch erst die
Untersuchungen von Mering und Minkowsky sowie diejenigen von
de Domenicis den experimentellen Beweis verschafft, dass nach voll¬
ständiger Entfernung des Pankreas bei Hunden ausnahmslos
ein Diabetes schwerster Form auftritt. Diese experimentellen Ergebnisse
sind von zahlreichen Forschern, unter ihnen H6don, Lupine, Gley,
Harlev, Oapparelli u. a., in der Hauptsache bestätigt worden.
Was speziell das Vorkommen von Diabetes bei Pankreassteinen
betrifft, so begegnen wir diesem Symptom in der allergrössten Mehrzahl
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der beschriebenen Fälle von Lithiasis pancreatica, obwohl dasselbe auch
in einigen wenigen Fällen vermisst wird, trotz nnchgewicsener schwerer
Degeneration der Drüse.
Hansemann stellte aus der Literatur 72 Fälle von Pankreaser-
krankungen bei Diabetes zusammen, darunter 12 Fälle von Steinbildung
in der Bauchspeicheldrüse. In drei Fällen von Pankreaskalkulose mit
schwerer Degeneration der Drüse fehlte die Glykosurie.
Die Glyk osurie gehört zu den Späterscheinungen bei
der Pankreaskalkulose.
Dank den experimentellen Untersuchungen über Unterbindungen
oder sonstigen Verschluss des Ductus Wirsungianus (Thiroloix) wissen
wir, dass eine einfache mechanische Obliteration dieses Ganges nicht zur
Glykosurie führt. Bei der Pankreaskalkulose muss zu diesem Zwecke
zuerst der von den eingekeilten Steinen und dem stauenden Sekrete aus¬
gehende Reiz zu einem chronischen Entzündungsprozess des interstitiellen
Drüsengewebes führen, also zu einer chronischen diffusen Pankreatitis
mit nachfolgender Atrophie und Schrumpfung der Drüsen Substanz.
Aus diesem Grunde ist das Spätauftreten des Diabetes bei Lithiasis
pancreatica erklärlich; bei frischen oder nicht vorgerückten Fällen fehlt
er entweder vollständig oder kann intermittierend auf treten. In einer
Anzahl von Pankreassteinfällen, wo schwere Glykosurie bestandeu, hat
die Autopsie noch reichliche Mengen makroskopisch und mikroskopisch
gesunden Drüsengewebes nachgewiesen, was darin seine Erklärung finden
dürfte, dass das eben als anatomisch gesund betrachtete Drüsengewebe
physiologisch doch nicht mehr leistungsfähig war.
♦ *
*
Rekapitulieren wir das Gesagte, so gelangen wir zu der Schluss¬
folgerung, dass die Glykosurie bei der Pankreaskalkulose zu
einer der häufigsten und konstantesten Manifestationen, aber
zu den Spätsymptomen gerechnet werden muss, indem sie er9t
dann auftritt, wenn durch die Atrophie des Drüsenparenchyms die für
den Stoffwechsel bedingte (noch nicht ganz aufgeklärte) Pankreasfunktion
gänzlich aufgehoben oder insufficient geworden ist.
Die An- oder Abwesenheit von Icterus ist bei der Pankreas¬
kalkulose von keinem diagnostischen Belang; oft fehlt er in Fällen von
Cholelithiasis und zeigt sich gerade bei der Sialolithiasis, wie dies in der
vorhandenen Kasuistik nicht selten erwähnt ist. Es kann der Icterus
bei der Pankreaskalkulose direkt vom Stein veranlasst werden, wenn
derselbe im untersten Teile des Ausführungsganges stecken geblieben ist
und den Ductus choledochus komprimiert oder die Papilla Vateri ver-
schliesst. Denkbar wäre es auch, dass die durch die Konkrement¬
bildung verursachte cirrhotische Degeneration des Pankreaskopfes den
Choledochus komprimierend beeinflusste. Auch nicht zu vergessen ist,
dass es Fälle gibt, wo Pankreassteine und Gallenblasensteine gleichzeitig
bestehen. Dies demonstrieren die Fälle von Kinnicutt und Minnich,
wo die Entleerungen zweierlei aus dem Pankreas und der Gallenblase
stammende Steine aufweisen.
Wenn wir nun noch erwähnen, dass, wie bei Gallen- und Nieren-
üteinkoliken, auch bei den Pankreassteinkoliken bisweilen Fieber be-
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— »16 —
obachtet wurde, so hätten wir die wichtigsten, bei der Pankreaskalkulose
vorzukommen pflegenden Symptome zur Sprache gebracht.
Vergegenwärtigen wir uns die einzelnen Symptome, so können wir
dieselben in zwei Kategorien einteilen, und zwar: in primäre Symptome,
die ausschliesslich auf die Anwesenheit des Steines zur&ckzuführen sind,
und in sekundäre Erscheinungen, hervorgerufen durch die durch
die Steinbildung erzeugten Veränderungen der Drusensubstanz resp. den
Ausfall der Funktion des Pankreassaftes. Erstere gehören zu den Früh¬
symptomen und bestehen in den beschriebenen Kolikanfällen,
gefolgt von Entleerungen charakteristischer Konkremente
durch den Stuhl und bisweilen begleitet von leichtem Icterus,
während letztere sich zu den eben erwähnten Erscheinungen erst später
gesellen und in Olykosurie event Steatorrhoe und dyspeptischen
Beschwerden bestehen.
Es wird Aufgabe der klinischen Forschung bleiben, das Symptomen-
bild der Lithiasis pancreatica zu vervollständigen, den symptomatischen
Wert der einzelnen Erscheinungen, ihre Chronologie und Succession be¬
rücksichtigend, näher festzustellen und somit eine frühzeitige Diagnose und
eine rationelle Behandlung der Affektion zu ermöglichen.
Die chirurgische Therapie hat bei verschiedenen Pankreasaffektionen,
wie Tumoren, Abscessen und Cysten der Bauchspeicheldrüse, bereits die
erfreulichsten Erfolge aufzuweisen. Gelingt es einmal, die Schwierigkeiten
der Diagnose zu überwinden, so dürfte auch die Lithiasis pancreatica
wesentlich beitragen, den therapeutischen Erfolgen der Pankreaschiruigie
weitere Grenzen zu ziehen. — Zu diesem Ausspruche berechtigen uns
nicht nur theoretische, sondern auch technische Gründe. 1 2 )
I) Nach Abfassung dieser Abhandlung kommen uns die zwei folgenden treff¬
lichen Arbeiten, die leider nicht mehr berücksichtigt werden konnten, zu Gesicht:
1) v. Mikulicz, Ueber den heutigen Stand der Chirurgie des Pankreas.
Mitteil. a. d. Grenzgeb., Bd. XII, H. i.
2) Diseases of the Pancreas and their surgical Treatement VonMajo Robson
and Moynihan. Philadelphia and London 1903.
In der Arbeit von v. Mikulicz werden drei Fälle von Lithiasis pancreatica
erwähnt, von welchen zwei im Anschluss an die Operation starben; in den letzteren
wurden einmal die Steine aus dem Pankreaskopfe und dem Ductus Wirsungianus ent¬
fernt, das zweitemal die Cholocyst-Enteroanastomose ausgeführt, da die Diagnose auf
Pankreassteine gar nicht gestellt war. — Den dritten günstig verlaufenen Fall hat vor
kurzem Moynihan in Leeds operiert. Die Diagnose war vorher richtig ge¬
stellt und der Stein durch das Duodenum entfernt worden. „Da die
Pankreassteine an und für sich selten charakteristische Symptome machen, wenn sie
nicht zufällig durch den Stuhl abgehen — schreibt v. Mikulicz — so wird der
Chirurg nur die durch sie hervorgerufenen sekundären resp. die gleichzeitig mit ihnen
bestehenden Störungen berücksichtigen können. Diese Störungen würden durch den
Verschluss des Ductus pancreaticus und seiner Zweige gegeben sein und in einer be¬
gleitenden chronischen oder subakuten Pankreatitis sich äussern. — Nur in den durch
die Pankreatitis hervorgerufenen Symptomen wird der Chirurg eine Indikation rum
Eingreifen finden. Jedenfalls muss er bei ihnen immer an die Möglichkeit von Pan¬
kreassteinen denken.“
ln der „Statistique des oj^rations pratiqu^es“ au Mons du 1«“ Janvier au 31
D£cembre 1901“ von Henry Delag£ni£re, publiziert in den Archives provinciales
de Chirurgie, Jahrg. 1902, finden wir noch folgenden Fall kurz erwähnt: „Lithiase
pancreatique et biliaire. Extraction d’un calcul biliaire et excision d’un noyau calcaire
du pancr6n$. Guetison.“
Go gle
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Der Leberabscess.
Kritisches ßammelreferat auf Grund der Literatur von 1892 (inkl.) bis 1903.
Von Dr. Felix Perutz, Spezialarzt für Verdauungskrankheiten
in München.
(Abgeschlossen am i. Januar 1903.)
(Fortsetzung.)
Schluss der Literatur.
126) McNaught, An anomalous case of continued fever wilh abscess of the
liver. JLancet I, 24. Febr. 1900.
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traumatisme. Revue de Chirurg. 1902, p. 367.
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204) Verdelet, Quelques consid^rations sur l’h£patite suppuree des pays chauds.
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Paris 1898, Bd. XXIV, p. 81. Diskussion: Marchant, p. 108.
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208b) Wicklein, Chronischer Leberabscess, verursacht durch einen Kapsel-
bacillus. Cbl. f. Bakt. 1896, Bd. XVIII.
209) Wilms, Operative Behandlung multipler, durch Cholangitis und Chole¬
cystitis entstandener Leberabscesse. Münchener med. Wochenschr. 1902, Nr. 13.
210) Windsor, A brief account of tropic abscess of the liver. Lancet II,
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211) Wyssmann u. Grippeling, Ein Fall von Leberabscess. Berliner klin.
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212) Zancarol, Sur la pathogen, des absces du foie. Verhandl. des VII.
französ. Chirurgenkongresses. Revue de Chirurgie 1893.
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213) Ders., Dysenterie tropicale et absc6s du foie. Verhandl. des VIII. Kon¬
gresses f. Hygiene u. Demographie, Budapest 1894, Bd. II; desgl. Progrfcs medic
1895, Nr. 24.
Nachstehende Arbeiten beziehen sich nicht unmittelbar auf den Leberabscess;
sie mussten aber bei der Besprechung der Aetiologie der Dysenterie herangerogen
werden:
213) Flexner, The etiology of tropical dysentery. Cbl. f. Bakteriol. 1900.
Bd. XXVIII, H. 19.
214) Kriege, Ueber drei Ruhrepidemien in Barmen 1899—1901. Deutsches
Arch. f. klin. Med. 1901, Bd. LXXI 1 I.
215) Kruse, Die Ruhr als Volkskrankheit und ihr Erreger. Deutsche med
Wochenschr. 1900, Nr. 40.
216) Moreul u. Rieux, Unit6 pathog£nique de la dysenlerie, spedficatee de
son germe. Indicat. seroth£rapeutiques. Revue de m£d. 1902, p. 122.
217) Quincke u. Roos, Ueber Amöbenenteritis. Berliner klin. Wochenschr.
1893, Nr. 45.
218) Schuberg, Die parasitären Amöben des menschlichen Darmes. Cbl. f.
Bakt. 1893, Bd. XIII, p. 598.
219) Shiga, Studien über die epidemische Dysenterie in Japan. Deutsche
med. Woehenscbr. 1901.
220) Vedder u. Duval, The etiology of acute dysentery in the United
States. Cbl. f. Bakt. 1902, H. 4.
Nachtrag.
Folgende Arbeiten sind dem Verf. bei der Abfassung des Referates leider ent¬
gangen und konnten erst bei der Korrektur nacbgetragen werden:
221) Auerbach, Zur Klinik der Leberabscesse. Deutsche med. Wochenschr.
1867, Nr. 28. — Transpleurale Eröffnung. Exitus sechs Stunden post operationem.
Ausgangspunkt: Perityphlitis.
222) Baron, Fester med.-chirur. Presse 1900, Nr. 21. — In beiden Fällen
wurde der Leberabscess nicht gefunden. Im ersten Falle war derselbe geplatzt, es be¬
stand schon allgemeine Peritonitis. Im zweiten Falle war der grosse solitäre Abscess
von einer latent verlaufenen Appendicitis ausgegangen, daneben Lungenabscesse. Probe¬
punktion beidemal unterlassen!
223) Defontaine, Absens du foie. Arcb. provinc. de chir. 1897, Nr. 8.
224) Ellsrath, Abscess of the liver. Annals of surgery 1901, II, p. 481. —
Von den drei Fällen zwei wahrscheinlich dysenterischen, einer unbekannten Ursprungs.
Leukocyten vermehrt. Operation. Heilung in zwei Fällen, einer an multiplen Abs-
cessen gestorben.
225) Litten, Ein Fall von aktinomykotischem Leberabscess. Deutsche med.
Wochenschr. 1900, V. B., p. 17.
2 26) Marchard et Bergalonne, Trois cas de collection purulente de U
region hepatique. Revue de la Suisse romande 1900; ref. Virch.-H. 1900, II, p. 6S8.
227) Mül lens, H., Vier Fälle von Abscessus intrahepaticus etc. Inaug.-Diss.,
Bonn 1902. — Bei dem einen der hierher gehörigen Fälle bestanden multiple Abs-
cesse infolge von eitriger Cholangitis bei Cholelithiasis, beim andern war ein grosser
Abscess im rechten Leberlappen vorhanden. Ausgangspunkt: eine 22 Jahre vorher
überstandene Dysenterie. Beide starben. Diaguose wurde erst durch Sektion erhöhten
228) Piard, Des suppurations ä distance dans Tappendicite. Arch. general,
de medcc. 1896, II.
229) Stein thal. Zur Kenntnis und operativen Behandlung des tropischen
Lebcrabscesses. Württemb. med. Korrespondenzbl. 1898. — Nach Dysenterie Abscess
im rechten Leberlappen. Perpleurale, einseitige Incision. Heilung. Eiter steril.
Nach Abschluss des Referates sind ferner erschienen:
230) Butters, Ausgedehnte Thrombose der Pfortader und ihrer Aeste hri
Appendicitis. Festschrift f. Hofrat Goeschel; ref. im Cbl. f. Chir. 1903. p. 418. —
Leichte Perityphlitis mit geringem Lokalbefund. Am 18. Tage Entfernung des katar¬
rhalisch entzündeten Wurmfortsatzes. Icterus. Benommenheit. Tod. — Sektion:
Aufsteigende Thrombose der Pfortaderäste. Leberabscesse.
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231) Hildebrand, Beiträge zur Leberchirurgic. Deutsche Zeitschr. f. Chir.,
Bd. LVII, p. 541. — Von den vier Fällen drei auf Gallensteine zurückzuführen.
Of>eration. Heilung. Einer nach Leberzerreissung durch UeDerfahren. Tod.
232) Megele, Vidal’sche Serumreaktion bei Lel>erabscess. Münchener med.
Wochenschr. 1903, Nr. 14. — Unklares Fieber mit zunehmendem Kräfteverlust ohne
Lokalerscheinungen. Die Vidal’sche Reaktion positiv. Diagnose: Typhus. Sub fincm
Icterus. Autopsie: Kein Typhus, grosser Abscess in der Leber. Ausgangspunkt: wahr¬
scheinlich chronische Mittelohreiterung.
233) Schlager, Zur Diagnose des Leberabscesses nach Ruhr. Münchener
med. Wochenschr. 1903, Nr. 32. — Schlager berichtet über deu Wert der Lcuko-
cytenzählung bei mehreren P'ällen von Hepatitis und Leberabscess. Sic ermöglicht auch
Unterscheidung zwischen Leberabscess und Malariahepatitis. Hohe Leukocy teil werte nach
Eröffnung eines Abscesses lassen auf das Vorhandensein weiterer Abscesse schliessen;
bei abgekapselter Eiteransammlung kann die Vermehrung der Leukocytcn wenig aus¬
gesprochen sein. Schlager betont auch den Heil wert der Leberpunktion bei Hepatitis.
234) Tedenat, Grands absc&s du foie consecutifs k la grippe. Congr. franv-
de chir., Paris, Oct. 1902; ref. Cbl. f. Chir. 1903, p. 499. — Vier Fälle von grossen
Leberabscessen nach Influenza. Durch Operation über 1 Liter sterilen Eiters entleert.
Rasche Heilung in allen Fällen.
Nachdem bereits, wie erwähnt, die Vermehrung der Leuko-
evten bei Leberabscess in früheren Arbeiten gestreift worden war
und Manson 27 ) davon gesprochen hatte, dass diese Erscheinung
in diagnostischer Beziehung zu verwerten sei, gebührt Bo in et das
Verdienst, soweit ich die Literatur übersehe, als erster die Bedeu¬
tung dieser Untersuchungsmethode für die latenten Lebereiterungen
voll anerkannt und ihren Wert in zwei Fällen, die er ausführlich
beschreibt, dargethan zu haben (cf. meine Bemerkung in No. 2 der
Münchener med. Wochenschr. von 1903).
Genaue Zählungen der Leukocyten gibt Boi net in seinen
Arbeiten nicht an, er spricht nur von einer Vermehrung um das
6 — 8 fache der normalen Menge.
Weitere Hinweise auf die diagnostische Bedeutung eiuer Fest¬
stellung der Leukocytenvermehrung finden sich erst wieder, zum Teil
jetzt wohl angeregt durch Curschmann’s inzwischen bekannt ge¬
wordene Untersuchungen über das Verhalten der Leukocyten hei
Appendicitis, bei Perthes, Rogers 2 **), Mannaberg und Schnitz¬
ler 184 ). Den beiden letztgenannten Autoren hat in einem Fall mit
wenig prägnanten Zeichen neben der Leukocytenzählung auch die
Prüfung auf den Glykogengehalt derselben mittels der von Ehrlich
angewandten Jodreaktion gute Dienste zur Erkennung der Eiterung
gethan.
In jüngster Zeit fand Kühn bei einer Patientin mit multiplen,
kleinen Abscessen die Leukocyten auf 45 000 vermehrt; damit stünde
auch Roger’s Mitteilung im Einklang, der erhobliche Leukocytose vor
allem bei kleinen und tiefsitzendeu Abscessen wahrgenommen
haben will.
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Die früheren Angaben von Korcynski, der 23 700, uud von
Itothfeldt, der einmal 28000, das andere Mal 34000 Leukocvten
zählte, ohne dass in den betreffenden Arbeiten der diagnostischen
Seite dieser Befunde Erwähnung gethan wird, sollen hier nur Platz
finden als weiterer Beweis für die bei manchen Fällen von Leber-
abscess beträchtliche Vermehrung der Leukocyten.
Allein es werden die Schlüsse, die aus den Ergebnissen der
Leukocytenzählung gezogen werden dürfen, auch hier vielleicht erst
an der Hand grösserer Untersuchungsreihen die entsprechende Be¬
wertung erfahren. So scheint nach der zweiten Beobachtung von
Kühn bei abgekapselten Eiterungen in der fjeber, die fieber- und
ziemlich beschwerdefreie Intervalle aufweisen, auch die lieukocyten-
vermehrung auf die Fieberanfälle beschränkt zu sein. Doch wurde
auch hierbei mit dem allmählichen Kräftenachlass ein Herabgehen
dieser Zahlen wahrgenommen: sechs Wochen vor dem Exitus betrog
die Leukocytenmenge, die früher im Anfall 23800 erreicht hatte, bei
40° nur 9800. Auch hei Rothfeldt fiel mit der Zunahme der
Allgemeininfektion die Zahl der weissen Blutkörperchen von 34000
auf 17 400, wohl analog dem Vorgang, der durch die letzten Unter¬
suchungen bei ausgebreiteter Infektion der Bauchhöhle im Gefolge
der Appendicitis, festgestellt wurde.
In vielen Fällen von Leberabscess werden aber die völlige Klar¬
stellung der Diagnose und die Lokalisation des Eiterherdes schliesslich
der Probepunktion Vorbehalten bleiben. Von der Notwendigkeit, sie
vorzunehmen, sind daher neben der Mehrzahl der deutschen Chirurgen
(Langenbuch, Körte, Schweiger, Srnits, Perthes und Kramm)
auch Remlinger 170 ), Loison, Robert 119 ), Cagley, Johnston,
Cantlie u. a. m. durchdrungen.
Ihnen stehen Hassler und Boisson, Walter, Giordano* 7 ),
Petridis 185 ) und auf deutscher Seite Kehr 98 ) gegenüber, die alle
eine Freilegung des Organs durch Probelaparotomie oder Rippen-
.resektion und eventuell dann erst Vornahme der Probepunktion
fordern.
Sehen wir von Petridis’ Vorschlag ganz ab, dessen ein¬
greifendes Verfahren, durch Resektion der 7. bis 10. Rippe die
Leber ergiebig blosszulegen, keine Nachahmung gefunden hat, so
thun die Fälle von Flexner, Champonifere und Patel 15 *) dar,
dass die Probelaparotomie nicht immer Gewähr gibt, den Abscess
aufzufinden, und den Kranken möglicherweise noch anderen Eingriffen
aussetzt.
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Bei Patel und Flexner wurde erst durch Rippenresekliou,
die sich der vergeblichen Laparotomie anschloss, der Abscess zu¬
gänglich gemacht, und bei Champonifere gelang es nur, ihn durch
spätere Punktionen festzuRtellen und nach nochmaligem Bauchschnitt
zu eröffnen. Während also die Probepunktion häufig zur Sicherung
der Diagnose nicht zu umgehen ist, kann man sie, wie Loison,
Smits, Perthes betonen, bei den ^ Abscessen des linken Leber¬
lappens, die sich schon durch Vorwölbung etc. zu erkennen geben,
entbehren. Der Gefahr, grosse Gefässe anzustechen oder Nachbar-
organe zu verletzen, die besonders bei Punktionen in der Nähe des
Leberrandes vorhanden sein mag, wird dadurch möglichst begegnet.
Bei Punktionen von hinten oder von der Seite aus kann man
dagegen, wie Cantlie an Leichen versuchen nachgewiesen hat, bis
10 cm tief mit der Nadel eingehen, ohne furchten zu müssen, die
Vena cava oder die Vena portae zu treffen. Ohne Schaden
kann man dabei durch den Pleuraraum oder Belbst durch den
Lungenrand in die Leber dringen. Im letzteren Falle wurde nur
etwas blutiger Auswurf beobachtet, der nach einigen Tagen ver¬
schwand. Um ein tieferes Eindringen als 10 cm zu vermeiden,
empfiehlt Cantlie, Nadeln mit eingeritzter Skala zu verwenden.
Der zähe Eiter wird am besten aspiriert und ein Aussickern
neben der Punktionsnadel vermieden, wenn man die Nadel mit einem
luftleer gemachten Potain’schem Apparat verbindet (Langenbuch,
Perthes u. a.) oder indem man Spritzen von 10—20 ccm Inhalt
benutzt und unter stetem Ansaugen die Nadel herauszieht (Frankel,
Smits).
Der weiterhin von den Gegnern der Punktion angeführten
Möglichkeit des Austrittes von Eiter mit nachfolgender Infektion
der Brust- oder Bauchhöhle ist dadurch wirksam zu steuern,
dass — und diese Forderung wird von fast allen Chirurgen aufs
entschiedenste erhoben — der Punktion sofort die Operation an¬
geschlossen wird. Ein Aufschieben derselben kann besonders bei
oberflächlichen Abscessen zu einer Peritonitis führen, wie in Send-
lers Fall; doch blieb dieselbe hier glücklichweise örtlich beschränkt.
Weiter ist bei der Vornahme der Probepunktion zu beachten,
als Ort hierfür die Stelle grösster Empfindlichkeit zu wählen (Körte,
Smits, Perthes). In manchen Fällen gelingt es hier gleich beim
erstenmal, Eiter zu finden, es können aber auch dazu 8—10 Probe¬
punktionen an verschiedenen Stellen notwendig werden (Kramm).
Ein Abstehen von weiterem Vorgehen nach einigen erfolglosen
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Punktionen verliindert unter Umständen die Aufdeckung des Eiter¬
herdes und kostet dem Patienten das Leben (Moore).
Die Leber verträgt selbst sehr viele Punktionen ohne Nach¬
teil; dies lehren die Angaben von Zancarol, der einmal 30, von
Giordano, Mannaberg, Schnitzler, die ca. 20 Punktionen ohne
weiteren Schaden Vornahmen.
Dringt die Nadel in die Abscesshöhle ein, so wird in der
Mehrzahl der Fälle typischer Lebereiter aspiriert werden; doch ge¬
lang es Kramm, einmal bei sehr dickem Inhalt nur einige Eiter¬
flöckchen an der Spitze der Nadel, ein andermal nur seröse Flüssig¬
keit zu gewinnen. Da dieser Ausfall als negativ angesehen wurde,
unterblieb die Operation; erst bei der Sektion zeigte sich, dass die
Nadel den Abscess erreicht hatte; doch war es zur Sedimentieruog
in demselben gekommen und nur etwas von der oben stehenden
serösen Schicht angesaugt worden.
Die Punktion kann aber auch zuweilen, selbst wenn kein Eiter
gefunden wird, lediglich durch die damit verbundene Blutentziehung
sowohl die subjektiven wie objektiven Krankheitserscheinungen günstig
beeinflussen. Cayley, Smits, Loison, Cantlie heben dies hervor
und auch Kramm war in der Lage, es zu bestätigen.
Es scheint dies vor allem für die der Eiterung vorausgehende
oder sie begleitende entzündliche Leberschwellung bei Dysenterie
zu gelten und Remlinger 170 ) empfiehlt Blutentziehungen geradezu
als wirksamste Behandlung der dysenterischen Hepatitis.
Die Blutmengen, die auf diese Weise, am besten an verschie¬
denen Stellen, der Leber entnommen werden sollen, schwanken nach
den einzelnen Angaben zwischen 100 bis 200 ccm.
Verlaufen mehrere Punktionen ergebnislos, während anderer¬
seits Schüttelfröste, Schmerzen in der Lebergegend, Vermehrung der
Leukocyten und Glykogenreaktion derselben einen versteckten Eiter¬
herd in diesem Organ annehmen lassen müssen, so mag das Wagnis
einer diagnostischen Freilegung der Leber gerechtfertigt sein. Che¬
valier war es zwar auch auf diese Weise nicht möglich, den Abscess
aufzufinden, Schnitzler hingegen glückte es.
Wenden wir uns der Differentialdiagnose zu, so ist in erster
Linie die wichtige Unterscheidung zwischen Pleuritis und Leber-
abscess zu erörtern.
Wie schon erwähnt, spricht beim Auftreten einer Dämpfung
über den abhängigen Partien die nach oben konvexe Begrenzungs¬
linie derselben, ihre respiratorische Verschieblichkeit, die Abschwä¬
chung und nicht völlige Aufhebung des Atemgeräusches darüber
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und das reine vesikuläre Atmen oberhalb für Leberabscess und
gegen Lungen- oder Plenraerkrankung.
Leblond hat weiter auf einen Unterschied in der Stellung
der Rippen bei der supra- und infradiaphragraatischen Erkrankung
aufmerksam gemacht, der auch von Boinet und Proscodini 162 )
bestätigt wird.
Bei Ansammlung von Flüssigkeit im Brustraum soll nämlich
das nach abwärts gedrängte Zwerchfell die unteren Rippen mit sich
hinunterziehen, so dass sie schräg nach abwärts verlaufen, während
beim Emporsteigen des Zwerchfells infolge eines darunter liegenden
Abscesses die letzten Rippen durch seinen Zug nach oben mitge¬
nommen werden und fast horizontal verlaufen; eine Vergleichung der
beiden Brusthälften lässt die angeführten Verschiebungen besonders
deutlich hervortreten.
Ein wertvolles diagnostisches Hilfsmittel, um uns über den
Stand des Zwerchfells und die davon abhängenden Schlüsse zu
unterrichten, bietet das Röntgenbild.
Mit Erfolg hat sich Loison der Durchleuchtung bedient bei
einem Kranken, der einige Zeit nach der Eröffnung eines perityphli-
tiscben Abscesses über Husten und Stiche in der Seite klagte und
bei dem auch vereinzelte bronchitische Geräusche rechts hinten unten
zu hören waren. Dass diese nicht die Ursachen seiner Beschwerden
bildeten, zeigte die Untersuchung mit Röntgenstrahlen. Der Hoch¬
stand des Zwerchfells und seine Ausschaltung bei der Atmung
liessen hier die Diagnose auf Leberabscess stellen.
Meist wird die Entscheidung der Punktionsnadel Vorbehalten
bleiben; doch ist zuweilen, wenn eine begleitende Pleuritis oder ein
Empyem im Vordergrund stehen und nichts in der Vorgeschichte
auf einen Leberabscess hinweist, selbst auf diesem Wege eine Er¬
kennung desselben mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Sehr
lehrreich ist in dieser Hinsicht ein von Fränkel behandelter, von
Körte operierter Fall.
Junges Mädchen mit hohem hektischem Fieber und rechtsseitiger
Pleuritis aufgenommen; trotz mehrfach vorgenommener Entleerungen des
serösen Exsudats bleibt das Fieber bestehen. Nach weiteren Probe¬
punktionen erhält man im 8. Intercostalraume zwischen Axillar- und
Mammillarlinie Eiter. Operation unter der Annahme eines basalen Em¬
pyems; erst während derselben zeigte es sich, dass statt dessen ein Leber¬
abscess vorliegt.
Eine ähnliche Beobachtung beschreibt Dogliotti.
Nach einem Abscess am Oberschenkel entwickelt sich unter hohem
Fieber eine rechtsseitige Pleuritis. Keine Vergrösserung der Leber.
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Viermal Thornkocentese vorgenommen; das hektische Fieber dauert fort
und Pat stirbt. Sektion deckt zwei Abscesse in der Leber auf.
Frankel, Langenbuch, Windsor mahnen daher mit Recht,
bei serösen Pleuritiden, die mit hohem Fieber und Konsumption
des Kranken einhergehen, an Eiterungen in der Leber oder im sub¬
phrenischen Raum zu denken und dementsprechend vorzugehen.
Bei Vorhandensein eiues Empyems, sei es infolge von Fort¬
leitung der Entzündung oder uach Durchbruch des Leberabscesses,
kann in letzterem Falle der schokoladefarbene Eiter (O’Connor),
in dem sich eventuell Leberzellen (Windsor) oder Amöbeu (Flex-
ner) nach weisen lassen, die Diagnose der Lebereiterung ermöglichen.
Ein andermal wurde O'Connor durch den bei der Empyem-
operation wahrgenommenen Hochstand des Zwerchfells veranlasst,
gleich eine Punktion durch dessen Kuppe vorzunehmen, und fand
so den Leberabscess. Oder aber es wird ein ßestehenbleiben des
Fiebers nach Entleerung des Empyems durch Rippenresektion auch
hier unsere Aufmerksamkeit auf die Leber lenken müssen.
(Schluss folgt)
Die operative Behandlung der Nephritis.
Sammelreferat von Dr. Wilhelm Klink (Berlin).
(ForUetxung.)
Pousson,M.: Eine grosse Zahl von Nierenblutungen findet ihre
Ursache in der Kongestion, die durch geringfügige Läsionen her¬
vorgerufen und unterhalten wird, die scheinbar unfähig sind, eine be¬
deutende Blutung hervorzurufen. Die Ansicht Senators und der
deutschen Pathologen, die als Hauptursache eine renale Hämophilie
annehmen, wird bald nicht mehr zu Recht bestehen. Unter den zahl¬
reichen anatomischen Veränderungen, die eine periodische, lange und
massenhafte, direkt gefährliche Blutung verursachen können, sind
die chronischen Nephritiden zu nennen. Dafür hat Albarran acht
Fälle angeführt und Poirier einen. Pousson hat zwei gesehen, die
zur Nephrektomie führten; die Nieren zeigten makroskopisch nichts
Besonderes, erwiesen sich aber mikroskopisch als schwer entzündet
Auch bei Nephroptose kommen allerdings Blutungen vor, aber selten.
In den beiden Fällen, die ihm von sechs chronischen Nephritiden ge¬
storben sind, lag die Todesursache in dem hochgradigen ßrightistnus.
Die Nephritis kommt einseitig vor, wie ja auch in einer Niere nur
einzelne Stellen erkrankt sein können. Das hat auch Israel ge¬
sehen. Wenn wir bei Sektionen gewöhnlich beide krank sehen, so
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kommt das daher, dass der Betreffende erst starb, nachdem auch die
zweite erkrankt war. Denn es besteht die Möglichkeit einer sym¬
pathischen Erkrankung der anderen Niere, nach Analogie der Augen¬
erkrankungen, bei langer Dauer der Entzündung einer Niere. Des¬
wegen ist mit der Operation nicht zu lange zu warten; frühzeitige
Operation beseitigt nicht nur die Leiden der einen Niere, sondern
schützt zugleich die zweite vor Erkrankung. Diagnostisch wichtig
für die Einseitigkeit der Erkrankung ist das einseitige Auftreten der
Schmerzen und das gleichseitige, einseitige Auftreten von Oedem
(Symptom von P o t a i n). — Die gesteigerte intrarenale Spannung
kann man bei der Operation leicht sehen und fühlen. Sie wird
hervorgerufen durch die ungeheure Hyperämie der Niere, durch den
Rlutaustritt ins Gewebe und durch die Wucherung der verschiedenen
Bindegewebs- und Epithelelemente. Die Niere wird so von Blut
und Exsudat überschwemmt und ihre undehnbare Kapsel wird ihr
zu eng. Bei den chronischen Nephritiden kommt die Spannung
zustande durch ein Missverhältnis zwischen Niere und Kapsel; bei
den parenchymatösen Nephritiden entsteht dies durch Volumsver¬
mehrung des Nierengewebes infolge aktiver Proliferation, während
die Kapsel sich nicht dehnen kann; bei den interstitiellen dagegen
schrumpfen Kapsel und interstitielles Bindegewebe. So werden, wie
beim chronischen Glaukom, Gefässe und Nerven der Niere zusam¬
mengedrückt und erleiden schwere Veränderungen. — Bei der
Nephrotomie näht P. die Niere auch noch mit 1 — 2 Catgutnähten
an der Lendenmuskulatur fest. — Er führt sieben einschlägige Fälle
an, die ihres grossen Interesses halber einzeln anzufübren sind:
1. Frau, 23 Jahre. Seit fünf Jahren periodisch Pollakiurie und
Ischurie; seit vier Monaten starke Hämaturie und Schmerzen in
Blase und rechter Niere. Blut entstammt der rechten Niere. Im
Urin Blut, Cylinder, Albumen. Rechts Nephroptose. — Freilegung
der rechten Niere: etwas vergrössert, sehr blutreich, von gewöhn¬
licher Festigkeit, glatter Oberfläche. Spaltung: Rinde gescheckt,
am Becken rote Punkte. Nephrektomie. — Seit der Operation kein
Blut und keine Cylinder im Urin, nur Spuren von Eiweiss. Glatte
Heilung; sechs Monate beobachtet. Mikroskopisch: Ungeheure
Wucherung des interstitiellen Bindegewebes und sehr starke Blut-
ffillung der Capillaren und Glomeruli. — 2. Frau, 31 Jahre. Seit
drei Monaten krank: Oedeme, Hämaturie, links Nieren schmerz.
Im Urin Eiweiss, Blut, Epithelien, keine Nierenelemente. Urämie.
— Nierenspaltung: Niere gross und blutreich; Kapsel unten sehr
fest sitzend. Drainage, Naht. — Sofort grosse Diurese und Schwin-
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den der Urämie. Mit Schluss der Operationswunde kehrt die Urämie
wieder. — Nach sechs Monaten Nephrektomie. — Schnelle Heilung,
zwei Jahre beobachtet. — Mikroskopisch: Chronische parenchyma¬
töse und interstitielle Nephritis. — 3. Frau, 47 Jahre. Seit 28
Jahren mehrmals Urämie, rechts Nierenschmerzen. — Oligurie, leichte
Albuminurie. — Nephrotomie: Niere sehr gross und blutreich. Drai¬
nage und Naht. — Drei Tage Coma, dann grosse Besserung (Polyurie.
Schmerzlosigkeit). Nach 14 Tagen schliesst sich die Wunde und
die urämischen Symptome kehren wieder, auch leichte Schmerzen. —
4. Mann, 45 Jahre. Früher Scharlach, Malaria, gelbes Fieber. Vor
zwei Monaten Influenza mit Oedemen, Hydrothorax, Hydropericard,
starker Albuminurie im Anschluss. — Partielle linke Nierenspaltung:
Niere gross, tiefrot, fest. Drainage, Naht. — Oedeme und Dyspnoe
schwinden. Tod nach zwei Tagen. — Autopsie: Herzhypertrophie;
beide Nieren grünlich und weich, nur der incidierte Teil hat gute
Farbe und ist fest. Mikroskopisch: Chronische parenchymatöse und
interstitielle Nephritis. — 5. Mann, 34 Jahre. Früher Malaria und
biliöses Fieber. Seit über einen Monat starke Oedeme, Kopfschmerz,
Benommenheit, Aufregungszustände, Lungenödem, Dyspnoe; Urin
spärlich, stark eiweisshältig (6—S °/ 00 ); Methylenblau braucht vier
Tage zur Ausscheidung. Innere Behandlung erfolglos. — Nephro¬
tomie rechts: Niere sehr gross und sehr blutreich, braun. Drainage,
Naht. Vom übernächsten Tag an starke Steigerung der Urinmenge
und der Harnsäure; Albumen unverändert, sinkt allmählich bis auf
leichte Spuren zugleich mit dem Schwinden der Oedeme, das sich
erst allmählich einstellt. — Nach acht Monaten guter Gesundheits¬
zustand, leichte Albuminurie, einige hyaline Cylinder. Die urämi¬
schen Erscheinungen waren erst sechs Monate nach der Operation
geschwunden. Diagnose: Subakute diffuse Nephritis. — 6. Mann,
40 Jahre. Alkoholismus. Ueber zwei Monate leichtes Oedem, Kopf¬
schmerz, Hydrothorax, Hydropericard, Oligurie, Aufälle von schwerer
Dyspnoe, leichte Albuminurie. Innere Behandlung erfolglos. Dia¬
gnose: Interstitielle Nephritis. — Rechts Nephrotomie: Niere klein,
uneben, hart, tiefrot, blutreich. Drainage, Naht. — Nach vier Tagen
steigt die Urinmenge und zugleich bessert sich der Allgemeinzustand
beständig. — Nach sieben Monaten Spuren von Eiweiss, sonst ganz
gesund. — 7. Mann, 43 Jahre. Seit 3 / i Jahren Oedeme, Dami-
koliken, Kopfschmerzen, Amblyopie, Atemnot; Hydrothorax, Hydro¬
pericard, Lungenödem. Urin unter 250 ccm, Albumen bis 2 °/ 00 . —
Diagnose: Subakute Nephritis, jedenfalls nach Bleivergiftung. Innere
Behandlung erfolglos. — Links Nephrotomie: Niere klein, hart, ge-
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lappt, Kapsel festsitzend, mehrere Cysten; Rinde sehr schmal, Niere
sehr blutarm. — Drainage, Naht. — Starke Nachblutung. Menge
des Urins und der Harnsäure steigt nach der Operation kolossal,
Atmung wird ruhig, Oedem schwindet. — Nach einem Monat wieder
Dyspnoe und Albuminurie (1,1 °/ 0 ), Oedem. — Rechts Nephrotomie:
Niere sehr gross, glatt, etwas weich, blass; Kapsel leicht abzuziehen,
wird reseziert. — Drainage, Naht. - Sehr geringe Urinsekretion,
Conm. Tod nach einem Tage. — Mikroskopisch: Links: Starke
Sklerose mit Degeneration der Glomeruli und Canaliculi und Arterio¬
sklerose; rechts: der Prozess weniger weit vorgeschritten.
Rovsing, Th.: Bloch hat drei Fälle von N£vralgie r4nale
mitgeteilt; in einem bestand eine chronische Glomerulonephritis, in
zweien eine leichte interstitielle Veränderung, obwohl der Urin in
allen drei Fällen klar und frei von Eiweiss war. Israel hat seine
Fälle nicht mit der nötigen Sorgfalt und Hilfsmitteln untersucht.
Er hat nicht ein einziges Mal Ureterenkathetcrismus ausgeführt, hat
nur fünfmal cystoskopiert (nur einmal positiv), hat den Urin niemals
bakteriologisch untersucht, hat nur einmal den Urin zur Unter¬
suchung mit dem Katheter entnommen, nur in sechs Fällen ist die
Niere mikroskopisch untersucht worden. Die krankhaften Verände¬
rungen in den drei Fällen, wo eine Probeexcision gemacht wurde,
waren nur gering. Die fettige Degeneration in drei verstorbenen
Fällen kann wohl dadurch eingetreten sein, dass der Tod durch eine
operative Sepsis oder durch Vergiftung (Chloroform, Jodoform, Anti-
septica) verursacht worden ist, ist aber kein Beweis dafür, dass eine
chronische Nephritis vorhanden war, besonders da die Niere bei der
Operation normal aussah und vorher keine Albuminurie bestand.
Der Schluss Israels, dass es sich wohl auch in allen übrigen Fällen
aller Wahrscheinlichkeit nach um Nephritis gehandelt hat, ist wohl
sehr gewagt. Ausserdem sind die Erfolge Israels nicht sehr glän¬
zend. — Rovsing bringt im ganzen 17 von ihm selbst operierte
Falle. Er teilt sie ein in aseptische: solche, wo der Urin steril war,
und in infektiöse: solche, wo der Urin Bakterien enthielt. In acht
von den aseptischen Fällen handelte es sich nachweislich um
Nephritiden, in einem konnte nur einseitige Hämaturie von langer
Dauer diagnostiziert werden, die nach der Ausschälung und Spaltung
der scheinbar gesunden Niere aufhörte. In allen Fällen, wo Schmerzen
auftraten, gleichviel, um welche Form von Nephritis es sich handelte,
zeigte sich die Membrana propria infolge von Druck oder Spannung
angegriffen. Das kommt wohl daher, dass nicht das Nierenparenchym,
wohl aber die Kapsel Empfindungsnerven hat. Hierfür und des-
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«30
wegen genügt die Nephrolyse, eine ungefährliche Operation, während
die Nierenspaltung eine gefährliche Operation ist. Namentlich bei
diffuser parenchymatöser oder interstitieller Nephritis ist die Urämie
immer zu fürchten. Dagegen ist die Spaltung zu diagnostischen
Zwecken bei bedenklichen Hämaturien berechtigt. Ist eine Nephritis
sichergestellt, so soll man mit der Spaltung vorsichtig sein. Bis jetzt
ist der Beweis noch nicht erbracht, dass eine aseptische Nephritis
durch Nierenspaltung, wie dies Harrison und Israel gethan haben,
geheilt oder günstig beeinflusst werden kann. Rovsing legt grossen
Wert auf die bakteriologische Untersuchung des Urins, denn sowohl
das ganze Krankheitsbild, als auch die durch die gewöhnliche
klinische Untersuchung festgestellte Beschaffenheit des Urins, ja
sogar das Bild, das die freigelegte und hervorgezogene Niere dar¬
bietet, kann vollständig übereinstimmen mit dem, das wir bei ge¬
wissen aseptischen Formen beobachten. Bei der infektiösen Nephritis
soll man die Niere spalten. Seine Schlussfolgerungen sind: 1. Die
Nephrolyse hat bei den mit Perinephritis verbundenen aseptischen
Nephritiden und bei den infektiösen Formen eine ausgezeichnete
Wirkung; sie behebt die Schmerzen vollständig und gibt der Niere
günstige Bedingung für Reparation der Entzündungsvorgänge. —
2. Die Nierenspaltung ist bei infektiöser Nephritis am Platz; bei
Blutung ist die Wirkung der Nierenspaltung fraglich. — 3. Resektion
der kranken Partie ist bei lokalen Nephriten infektiösen Ursprungs am
Platz. — 4. Die Nephrektomie bei einer einseitigen totalen Nephritis
kann notwendig sein, um das Leben des Patienten zu retten (unauf¬
haltsame Hämaturie, Infektionsfieber, Vergiftung). — Seine aus¬
führlichen und sehr interessanten Krankengeschichten seien hier zum
Teil und im Auszug mitgeteilt: 1. (Fall I): Frau, 42 Jahre. Früher
dreimal rheumatisches Fieber. In den letzten zwei Jahren hin und
wieder Schmerzen über den Lenden und dunkelrötlicher Urin. Vor
fünf Wochen Albuminurie festgestellt. Seit acht Tagen starke Häma¬
turie, die abklingt. Rechte Niere vergrössert und schmerzhaft. Fieber.
Im Urin Eiweiss, Blut, zahlreiche Cylinder, keine Mikroben. Indikation
zur Operation waren die unerträglichen Schmerzen und die palpable
Geschwulst in der Nierengegend. — Nephrotomie in Aethernarkose:
Grosse wernse Niere mit hühnereigrossem, subkapsulärem Hämatom.
Spaltung der ganzen Niere. Naht der Niere und Wunde. Heilung
per primam. Nierenschmerzen schwinden. Fieber, Albuminurie und
Hämaturie bleiben bestehen. — Diagnose: Diffuse parenchymatöse
Nephritis. 2. (Fall II): Mädchen, 21 Jahre. Fünf Jahre lang
Schmerzen in der rechten Nierengegend, im letzten Jahre zweimal
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von Hämaturie begleitet. Dazwischen Urin normal. Seit 14 Tagen
starke Hämaturie. Anämie. Nervös. Schnurfurche der Leber.
Urin steril, enthält viel rote, wenig weisse Blutkörperchen, einzelne
Epitheleylinder. — Diagnose: Stein oder Tumor der rechten Niere.
— In Chloroformnarkose Freilegung und Ausschälung der rechten
Niere: lang, schmal, dünn, blass. Völlige Spaltung der Niere: oberes
Drittel intensiv bläulichrot und sehr mürbe, das übrige von normalem
Aussehen und Konsistenz. Probeexcision. Naht der Niere. — Am
dritten Tage Urin ganz klar. Heilung per primam. Vier Jahre
gesund, dann Schwangerschaftspyelitis mit kurzdauernder Hämaturie.
Mikroskopischer Befund: Stauung, kleine nekrotische Partien, frische
Thromben in den Arterien, Blutextravasate und hyaline Cylinder. —
Diagnose: Nephritis chron. e compressione. — 3. (Fall IV) Mann,
47 Jahre. Seit drei Monaten starke Hämaturie und Druck in der
linken Nierengegend. Grosse Schwäche. Urin steril, enthält viel
Blut. Diagnose: Tumor oder Tuberkulose. — In Chloroformnarkose
Freilegung der linken Niere; Spaltung der ganzen Niere: Niere ganz
normal. Ureter frei. Naht der Niere und Wunde. Freilegung der
anderen Niere ergibt ebenfalls normale Verhältnisse. Urin nach
einem Tage klar, bleibt normal. Glatte Heilung der Wunde. Pat.
sechs Monate lang gesund beobachtet. — 4. (Fall V) Mann, 34 Jahre.
Vor acht Jahren Febris typhoidea. Seitdem Schmerzen in der
rechten Nierengegend, Albumiuurie, einmal mikroskopisch Blut im
Harn festgestellt. Chronische Urethritis post. Im Harn etwas Al-
bumen, Harnsäurekrystalle, Epithelzellen, wenig Leukocyten und
körnige Cylinder, keine Mikroben. Blase normal. Die starken
Schmerzen veranlassen zur Operation. In Chloroformnarkose Frei¬
legung der rechten Niere: oberer Nierenpol stark mit der Umgebung
fibrös verwachsen, cyanotisch, mürbe; unterer Teil der Niere normal.
Subkapsuläre Ausschälung der Niere, Akupunktur der Niere. Nieren¬
becken und Ureter frei. Schluss der Wunde. — Pat. seit drei
Jahren frei von Schmerzen. Albuminurie und Cylindrurie verschwin¬
den vorübergehend, kehren wieder, sobald Pat. arbeitet — Mikro¬
skopisch finden sich Glomerulonephritis und Wucherung des inter¬
stitiellen Gewebes. — 5. (Fall VIII) Mann, 55 Jahre. Vor fünf
Jahren Influenzapneumonie; vor einem Jahre wegen Melanosarcoma
inammae operiert; vor zwei Monaten Influenza; seitdem beständig
Hämaturie. Urin steril, enthält viel Blut, wenig Epithelien, keine
Cylinder. Cystoskopie, Ureterenkatheterismus. Aus «lern linken
Ureter kommt Blut. Freilegung der linken Niere in Chloioform-
narkose. Feste Adhärenzen der Membrana propria und Fettkapsel.
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Niere vergrössert, cyanotisch. Nierenspaltung, Nephrolysis (= Aus¬
schälung aus der Capsula fihrosa). Starke venöse Blutung. Nieren¬
becken und Ureter frei. Naht der Niere und Wunde. I 1 /, Tag
Anurie, dann Coma uraemicum; grosse Anämie. Exitus l 1 /. Tag
post operationem. — Autopsie: Beide Nieren vergrössert, schlaff,
Pyramiden schwarzblau; mikroskopische Untersuchung ergibt hämor¬
rhagische diffuse Nephritis mit Blutextravasaten in der Kapsel der
Glcmeruli. — 6. (Fall III) Frau, 57 Jahre. Seit 12 Jahren häufige
Anfälle von linksseitigen Nierenschmerzen mit Abgang von rotem
feinem Gries im Harn; kein Blutabgang. Wohl genährt. Urin
steril, enthält etwas Albumen, viel Harnsäurekrystalle, wenig rote
und weisse Blutkörperchen, keine Epithelzellen oder Cylinder. Kein
Fieber. Linke Niere sehr schmerzhaft. — Diagnose: Nierensteine.
— Freilegung der linken Niere in Aethernarkose: Niere etwas ver¬
grössert, stark cyanotisch, enthält eine Cyste; mässig feste fibröse
Adhärenzen mit der Umgebung. Völlige Nierenspaltung: Ureter
und Nierenbecken frei. Probeexcision. Naht der Niere und Wunde;
Tamponade. Wundheilung gut. Nach einigen Tagen Urin normal.
Pat. war 4'/ 2 Jahre gesund. Mikroskopisch fand sich leichte inter¬
stitielle Nephritis mit ausgebreiteten sklerotischen Prozessen; hier
und dort geringe Rundzelleninfiltration. — 7. (Fall VI) Mann, 47 Jahre.
Seit 32 Jahren Nierenkoliken links; bisweilen Abgang von kleinen
Konkrementen. Urin steril, enthält Uratkrystalle, Epithelzellen und
körnige Leukocyten. In Chloroformnarkose Freilegung der linken
Niere: Mächtige fibröse perirenale Verwachsungen, hochgradige
Granularatrophie der Niere; Nierenbecken gross und schlaff. Keine
Konkremente. Subkapsuläre Nephrolyse. Naht der Wunde. — Glatte
Heilung. Seit zwei Jahren schmerzfrei. — 8. (Fall VII) Frau,
37 Jahre. Harnsaure Diathese. Seit 14 Jahren Nierenschmerzen
rechts. Seit fünf Jahren heftige Hämaturien, die auf Bettruhe
schwinden. Diagnose: Nephrolithiasis. — Rechte Niere zu fühlen,
empfindlich. Urin enthält vereinzelte Harnsäurekrystalle, Epithelien
und Leukocyten, ist steril. In Chloroformnarkose Freilegung der
rechten Niere: Obere Hälfte fest fibrös verwachsen, cyanotisch, un¬
eben. Subkapsuläre Nephrolysis und Nierenspaltung. Nierenbecken
und Ureter frei. Naht der Niere und Wunde. Glatte Heilung.
Seit D/, Jahren keine Beschwerden. — 9. (Fall IX) Frau, 42 Jahre.
Carcinomatös erblich belastet. 14 Tage Hämaturie bis vor einer
Woche; vorübergehend Nierenschmerzen links; Patientin ist kräftig und
gut genährt. Urin steril, enthält Spuren von Eiweiss und Blut. Aus dem
linken Ureter kommt schwach blutig gefärbter Urin, der Epithelien
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und Oxalate enthält. Wegen Verdacht auf Carcinom Nephrotomie
links in Chloroformnarkoee: Oberer Teil der Niere fest fibrös mit
der Umgebung verwachsen, cyanotisch. Subkapsuläre Nephrolyse und
Nierenspaltung: Nierenbecken normal. Vom vierten Tage nach der
Operation ab Urin eiweissfrei; Diurese steigt bedeutend. Bald nach
der Operation ein kurzer Anfall von starker Hämaturie mit links¬
seitigen Nierensohmerzen, dann ein halbes Jahr gesund. — Mikro¬
skopische Untersuchung zeigt an zahlreichen Stellen im Lumen der
Nierenkanälchen Anhäufung von äbgestossenen Epithelien und um
die Kanäle hier und dort Rundzelleninfiltration und Bindegewebs¬
bildung. In Nr. 6—9 handelte es sich um Nephritis interstitialis
und Perinephritis fibrosa, nach Rovsing’s Ansicht infolge von
Harnsäure- und Oxalsäurediathese. Hierher gehören die meisten
Fälle, die als Nephralgie und Nephralgie hömaturique bezeichnet sind.
Neben Blut beobachtet man nur Krystalle von Harnsäure, Uraten
und oxalsaurem Kalk. Bei Behandlung mit Wasserkuren oder Al¬
kalien können Blutung und Krystalle ganz schwinden, während die
Schmerzanfälle fortdauern. In diesen Fällen findet sich eine feste
Verwachsung der Nierenkapsel mit ihrer Umgebung, in älteren
Fällen eine geschrumpfte, völlig granulierte Niere. Die Harnsäure
selbst ruft diese Kapselverdickung und Verwachsung und die skle-
rosierende interstitielle Nephritis hervor, worauf die geschrumpfte
Kapsel die Niere wieder in eine Einklemmung bringt und krankhaft
verändert Hier sind Operationen am Platz, wie die vorliegenden
Fälle beweisen, die von allen ihren Schmerzen und Blutungen be¬
freit wurden. Der Erfolg in dem einen Falle, wo nur die Kapsel
gelöst wurde, war ebenso gut, wie in den drei anderen Fällen, wo
die Kapsel gelöst und die Niere gespalten wurde. Die Indikation
zur Operation war hauptsächlich durch die Schmerzen gegeben und
zu ihrer Heilung genügt wohl die Nephrolyse.
Routier: Der Fall gehört zwar, streng genommen, nicht hier¬
her, aber er ist insofern interessant, ab sich auch hier makroskopisch
nichts Besonderes erkennen liess, während das Mikroskop Aufschluss
gab: Frau mit lebensgefährlicher Hämaturie. Rechtsseitige Nephrek¬
tomie. Makroskopisch nichts Krankhaftes. Mikroskopisch findet
eich ein ganz kleiner tuberkulöser Herd mit Arrosion einer Arterie.
Heilung.
Senator, H.: Schon Bright hat angegeben und andere
Autoren haben es wiederholt bestätigt, dass es schwere Nephritiden
mit eiwebsfreiem Urin und Abwesenheit von Cylindern gibt. Dieser
Satz Israelis ist also nichts Neues. Ebenso bekannt ist die ein-
CeatndbUtt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 53
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fache Cylindrurie, d. h. das Yorkommen von Cylindem ohne Albu¬
minurie. Ferner ist bekannt, dass es Nephritiden mit anfallsweise auf¬
tretenden profusen Blutungen gibt; es sind das hämorrhagische
Nephritiden, die akut, subakut oder chronisch auftreten können. Am
seltensten sind solche Blutungen bei der Schrumpfniere, aber anch
schon beobachtet nicht bloss bei akuten Exacerbationen oder Ent¬
zündungen, sondern auch ohne solche; bei doppelseitiger Nephritis
stammt die Blutung gar nicht selten aus einer Niere. Eine ein¬
seitige Nephritis kommt vor, wenn der Reiz, der sie hervorruft, ein¬
seitig ist. Aber Morbus Brightii, d. h. eine Nephritis, die nicht auf
örtlich begrenzte, nur einseitig wirkende Ursachen zurückzuführen
ist, kommt nicht einseitig vor. Der innere Kliniker hat oft Ge¬
legenheit, auf dem Sektionstisch zu sehen, wie gewaltig die Nieren
geschwollen und blaurot sind, wie die Kapsel auf das äusserste ge¬
spannt und papierdünn ist; diese Schwellung kommt bei akuter
Nephritis und bei Exacerbationen chronischer Nephritis, sowie als
Folge venöser Stauung bei Kompensationsstörung u. a. vor. Aber
Nierenkoliken werden dabei nicht oder doch nur ganz selten beob¬
achtet. Ja, Israel, der doch die Theorie der intrarenalen Spannungs¬
zunahme so sehr vertritt, gibt selbst in seinen Krankengeschichten
an, dass in 11 von seinen 14 Fällen keine Spannung oder Schwel¬
lung der Niere, ja in einigen sogar das Gegenteil bei der operativen
Autopsie bestand. Wenn nun in diesen Fällen nach der Ope¬
ration eine Besserung eintrat, so kann diese doch unmöglich von der
Entspannung herrühren. Herdchen alter, abgelaufener kleiner Ent¬
zündungsprozesse in den Nieren findet man häufig, ohne dass Spuren
von Nephritis intra vitam bestanden hatten; es ist' zu verwundern,
dass man aus solchen Herdchen ohne weiteres auf eine entzündliche
Kongestion der Niere scbliesst, wenn man dieselben bei einer Ope¬
ration findet. Aber selbst wenn man makroskopisch und mikro¬
skopisch nichts Abnormes findet, so ist damit nicht gesagt, dass
etwa Steinchen oder Tuberkulose nicht die Ursache der Beschwerden
sind. Die Erklärung einer günstigen Beeinflussung oder gar eines
dauernden Erfolges durch Nierenspaltung bei akut entzündlicher
Kongestion infolge eines alten Entzündungsherdes ist schwer zu
erklären. Denn schon das Herausholen der Niere oder gar das Los¬
lösen, das oft sehr schwierig ist und mit grosser Gewalt bewerk¬
stelligt wird, ist ein für die Niere schädlicher Eingriff; dazu kommen
die Nekrosen, die durch bei Abklemmung der Gefässe entstehen.
Aber selbst ohne das wird auch bei Heilung per primam durch die
Spaltung der Niere und Vernähung des Schuittes zu der schon be-
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stehenden Entzündung noch eine adhäsive Entzündung mit narbiger
Verwachsung der Kapsel hinzugefügt Wenn nun infolge der neuen
Entzündung eine Kongestion einträte, müssten ja Schmerzen und
Blutung viel grosser sein, als vor der Operation. Das beste Mittel
zur Entspannung ist die Blutung. Kur die durch Anurie hervor¬
gerufene Spannung kann Schmerzen bis zu wirklicher Kolik hervor-
rufen und hier ist die Nephrotomie wirksam und oft lebensrettend,
gleichviel, wodurch die Anurie hervorgerufen ist. Natürlich lässt
man sich auch hier nur durch gefahrdrohende Symptome zur Ope¬
ration bewegen. Hier handelt es sich aber nicht darum, Blut und
Entzündungsprodukte zu beseitigen, sondern dem Harn Abfluss zu
verschaffen. In einem grossen, vielleicht grössten Teil der Fälle
sind die Verwachsungen der Niere die Ursache für die Koliken;
das gilt auch in neun von Israelis 14 Fällen. Die Blutungen sind
wohl in den meisten Fällen verursacht durch Steinchen oder Sand,
die auf dem Schnitt nicht gefunden werden, Tuberkel und andere
üesohwulstbildungen, erkrankte aneurysmatische oder variköse Ge-
fässchen, hämorrhagische Diathese u. a. m.; daneben kommen wohl
Blutungen auf neuropathischer Grundlage vor. Israel schliesst aus
dem Rayer'schen Fall, dass es einseitige Nephritis gibt; der Fall
beweist nichts, denn er ist nicht mikroskopisch untersucht. Ebenso
schliesst er dasselbe aus einer Reihe von Fällen, bei denen ein
einseitiger Prozess infolge eines einseitigen Eingriffes beseitigt worden
sei und wo dann dauernd oder längere Zeit kein Eiweiss oder son¬
stige Entzündungsprodukte sich im Urin fanden; dem widerspricht,
dass es Nephritiden ohne Eiweiss und Cylinder im Urin gibt. In
den Fällen, wo die Schwellung nach Israelis Ansicht durch den
Entspannungsschnitt beseitigt wird, ist vielleicht die Abschwellung
schon durch die Chloroformnarkose bewirkt. Jedenfalls ist die
Spaltung der Niere nicht indiziert, wenn man im Moment der Ope¬
ration keine Spannung der Kapsel, sondern im Gegenteil eine schlaffe,
kleine, weiche Niere findet. Der chronische Entzündungsherd, der
durch die Operation erzeugt wird, ist doch mindestens ebeuso hoch
einzuschätzen wie die kleinen alten, abgelaufenen Herde, von denen
man so viel redet. — Senator führt einen Fall von renaler Hämo¬
philie bei einem Mädchen von 19 Jahren an: Es stammt aus einer
Bluterfamilie. Seit zwei Jahren hartnäckige Hämaturie, aus der rechten
Niere stammend. Exstirpation der rechten Niere. Noch zwei Tage
Hämaturie, dann Heilung. — Mikroskopisch fanden sich kleine inter¬
stitielle Entzündungsherde uud Extravasate.
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— s:-5G —
Sabatier: Frau, 30 Jahre. Seit 12 Jahren Symptome von
Nephritis; seit vier Jahren Hämaturie und Nieren schmerz. — Frei¬
legung und Spaltung der rechten Niere. Makroskopisch und mikro¬
skopisch ausser Spuren interstitieller Entzündung nichts Besonderes.
— Hämaturie schwiudet nach einem Tage. Glatte Heilung. Nach
Jahresfrist noch gesund.
Schede: 1. Mann, 50 Jahre. Seit vier Wochen Hämaturie
Eröffnung der Harnblase: Blut kommt aus dem linken Ureter. Frei¬
legung der liuken Niere und Eröffnung des Nierenbeckens. Niere
sehr brüchig, sonst nichts Besonderes. Nephrektomie. — Schnelle
Heilung. Mikroskopisch nichts Besonderes. — 2. Frau, 25 Jahre.
Nephralgie links. — Nephrektomie. — Schmerzen gebessert, nach
einem halben Jahre geheilt. — 3. Mann, 50 Jahre. Profuse Blutung
aus der linken Niere. — Nephrotomie. — Mikroskopisch: Hämor¬
rhagische Nephritis. — Heilung; nach sechs Wochen Tod an Erysipel.
Spanton: 1. Mann, 17 Jahre. Seit drei Jahren Anfälle von
Hämaturie und rechtsseitiger Nierenschmerz. Keine Cylinder im
Harn. — Operation: Teil der Niere hart, gespannt, Kapsel verdickt.
Spaltung. Drainage. — Völlige Heilung. — 2. Mann, 18 Jahre.
Hämaturie über sechs Monate. — Hechte Niere gespalten: gespannt
und hart, Kapsel verdickt; Naht. Niere sehr beweglich. — Hei¬
lung, nach acht Tagen Nachblutung. — Völlige Heilung.
Thödenat: Vier Fälle von „essentieller Hämaturie“; zwei
Ncphralgien dabei; zwei sind durch Nephrotomie geheilt, bei einem
dritten hat die Blutuug nach Entfernung einer kleinen „Hydatiden-
cyste“ gestanden. In einem vierten Falle wurde der Nierenstiel
durch ein Carcinom des Colons komprimiert; nach dessen Exstir¬
pation Heilung, sieben Monate (bis zum Tode) beobachtet
(Schluss folgt.)
II. Referate.
A. Magen.
Rome dinieal observations in intestinal snrgery. Von M. Vance.
New York Med. Journal, Vol. LXXVI, Nr. 4.
Verf. hat siebenmal wegen Schussverletxung des Magendannkanals
operiert, dreimal mit Erfolg. Von den Gestorbenen wurden bei einem
Patienten acht Ueumverletzungen versorgt; die Autopsie zeigte eine nicht
entdeckte Ureterwunde; ein zweiter starb an Sepsis infolge von Urin¬
infiltration. welche durch eine bei der Operation nicht gefundene Aus¬
schusswunde an der Blase verursacht wurde; ein dritter an Blutung in
das Darmlumen hinein; der vierte an Shock. Der Erfolg hängt einmal
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davon ab, dass die Operation möglichst frühzeitig vorgenommen wird,
and sodann davon, ob gleichzeitig noch andere, eventuell extraperitoneale
Bauchorgane verletzt sind. Von den mitgeteilten Krankengeschichten
sind folgende bemerkenswert:
1. Revolververletzung mit Einschuss oberhalb und links vom
Nabel. Laparatomie 40 Minuten später. Breite Wunde an der vorderen
Magenwand, welche vernäht wird; ein Ausschuss am Magen ist nicht
zu finden, wohl aber eine Duodenalwunde 7 cm unterhalb des Pylorus.
Streifschuss des Jejunums, welches stark mit Blut gefüllt ist. Entfernung
von Blutgerinnseln und Kleiderfetzen aus der Bauchhöhle, Drainage,
rasche Heilung.
2. Selbstverletzung durch Flobert - Büchse, Einschuss zwischen
Schwertfortsatz und Nabel. Die kurz vorher genossenen Speisen und
Blut werden sofort darauf erbrochen. Sechs Stunden später Operation
bei stark anämischem Zustande. Bauchhöhle mit Blut gefüllt. Verletzt
sind vordere Magenwand, linker Leberlappen und Coecum sowie eine
grössere Mesenterialarterie. Versorgung der Eingeweideverletzungen,
Heilung.
3. Messerwunde, Einstich links zwischen 10. und 11. Rippe, Netz¬
vorfall, starke Anämie. Nach Erweiterung der Wunde und Reposition
des Netzes heftige Blutung. In der Tiefe findet sich eine fast völlig
durchtrennte Ileumschlinge; Resektion und Naht. Trotzdem anhaltende
Blutung, anscheinend aus der Milzgegend. Feste Tamponade nach der
Milz zu, Blutung steht. Heilung. Mohr (Bielefeld).
Meine Erfahrungen über Magenreaektfon wegen Carcinom. Von
0. Kappeier. Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. LXIV, p. 247.
Bericht über 30 von Kappeier im Konstanzer städtischen
Krankenhaus operierte Fälle, wobei die erste Operation im Jahre 188G
ausgeführt wurde. — Eine Frühoperalion war nicht dabei, trotzdem bei
zwei Kranken die Beschwerden erst zwei Monate zurückdatierten. Das
bevorzugteste Alter war das dritte Decennium. Von den Symptomen ist
interessant, dass zwei Kranke mit hochgradiger Pylorusstenose nur über
seltenes Erbrechen klagten. Häufig wurde Obstipation beobachtet. Bei
vier stenosierenden Pyloruscareinomen wurde eine Magendilatation ver¬
misst. Die Indikationen zur Resektion stimmen überein mit den jetzt
allgemein anerkannten. — Von besonderen Zufällen nach der Operation
sei ein während der Narkose beginnender und bis zum achten Tage an¬
haltender, sehr schwerer Singultus erwähnt.
Von den 30 Operierten Kappeler’s sind im Anschluss an die
Operation acht Kranke gestorben = 26,6 °/ 0 . Zwei starben an Lungen-
erkrankungen, einer an hypostatischer Pneumonie, einer an fötaler
Bronchitis mit Gangrän. Embolische Entstehung der Lungenaffektionen
konnte durch die Sektion niemals nachgewiesen werden.
Von den 22, welche die Operation gut überstanden haben, sind
10 Kranke an Carcinomrecidiv gestorben mit einer mittleren postoperativen
Lebensdauer von 1 Jahr 5 ! 2 Monat. Man muss also annehmen, dass
deren Leben durch die Operation etwas verlängert worden ist.
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Wichtiger aber ist, dass alle 10 Kranken ein unvergleichlich besseres
Dasein ohne jede Beschwerde hatten, für längere Zeit sogar wieder arbeits¬
fähig wurden. Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil der Operation.
Ein Teil der Geheilten ist an anderen Krankheiten zu Grunde gegangen,
eine Kranke vier Jahre und sieben Monate nach der Operation. Von
den drei noch lebenden Kranken ist 2 1 / i Jahr die längste Beobachtungszeit
E. Moser (Zittau).
15 Magenöperationen. Von B. S. Koslowski. Die Chirurgie, Bd.
VIII, p. 426. (Russisch.)
Fünf Gastrostomien: eine bei Verätzung mit Schwefelsäure (fl,
eine bei Oesophagusphlegmone, die in den Larynx perforiert war [nach
Verletzung der Speiseröhre durch einen Knochen] (f) und drei bei
Oesophaguscarcinom, wo in einem Falle auch schon Kommunikation mit
den Respirationsorganen bestand (f); die beiden letzten Fälle lebten
nach der Operation 109 resp. 32 Tage. — Koslowski operierte nach
Hacker-Witzel-Franck.
Sechs Gastroenterostomien bei Pyloruskrebs lebten drei Tage
(Todesursache Sepsis), 11 Tage (Tod an Nephritis), 59—58—161 Tage
bis zwei Jahre. Operationsmethode nach Kocher — antecolica anterior.
Vier Pylorusresektionen nach Kocher; die Patienten lebten danach
l®/ 4 Jahre; vier Tage (Peritonitis); in einem Falle wurde der Pylorus
mit einem Stück des Colon transversum reseziert, nach einem Monat
hatte sich Patientin gut erholt; auch im letzten Falle ist nur angegeben,
dass 33 Tage nach der Operation Patientin sich einer doppelten
Herniotomie nach Bassini unterzog.
Gückel (Medwedowka, Kiew).
Die operative Technik der Gastroenterostomie und der Jejuno-
stomie, sowie die mit Hilfe derselben bei verschiedenen Magen¬
leiden erreichten Resultate. Von J. Dollinger. Vortrag, gehalten
im Budapester kgl. Aerzteverein am 29. Nov. 1902.
Dollinger operierte an der Klinik der KgL ungarischen Univer¬
sität in Budapest während der letzten fünf Jahre in 20 Fällen wegen
gutartiger Magenleiden, grösstenteils narbiger Pylorusstenosen. In sämt¬
lichen Fällen führte Doll in ger die Gastroenterostomia antecolica an tica aus,
machte eine 6—8 cm lange Kommunikationsöffnung und vereinigte mittels
Seide und fortlaufender Naht. Die Patienten sind alle geheilt, während
die Mortalitätsziffer anderer Chirurgen bei gutartigen Pylorusstenosen
zwischen 8—20 Proz. schwankt. Ileus oder Circulus vitiosus wurde in
keinem Falle beobachtet. Dollinger kommt daher zu dem Schlüsse,
dass die Gastroenterostomia antecolica antica an Einfachheit und Sicher¬
heit alle übrigen Methoden übertrifft und dass bei aufmerksamem und
exaktem operativen Vorgehen besondere Vorkehrungen gegen den Cir¬
culus vitiosus nicht notwendig sind, da letzterer immer die Folge eines
Kunstfehlers ist.
Aus der Reihe der Indikationen der Gastroenterostomie lässt
Dollinger das Pyloruscarcinom weg. Hier ist die Mortalität selbst bei
jenen Chirurgen, welche die günstigste Statistik aufweisen, eine sehr hohe.
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Der Zweck der Operation wäre, das Leben des Patienten um einige
Monate zu verlängern; dieses Ziel erreicht sie in einer grossen Anzahl
der Fälle nicht, da laut statistischen Ausweisen eine ungemein grosse
Anzahl der Patienten au den unmittelbaren Folgen der Operation zu
Grunde geht Und folglich — so angenehm es auch für die Patienten
wäre, wenn sie sich mit Hilfe der Gastroenterostomie für den Rest ihres
Lebens per os ernähren könnten — so drängt die grosse Mortalitätsziffer
Dollinger doch immer mehr und mehr zur Jejunostomie.
Maydl’s Jejunostomie ist für diese sehr geschwächten Patienten
noch immer eine zu grosse Operation. Der Zweck der grossen Oeffnung
im Jejunum wäre nach May dl der, dass man auf diese Weise dem
Patienten auch kompaktere Nahrung, wie z. B. Klümpchen zerhackten
Fleisches etc., bei bringen könnte. Die Ausführung dieses Planes stösst
jedoch auf mannigfache Hindernisse und das herausfliessende Sekret ver¬
ursacht Ekzeme.
Auch die Albert’sche Jejunostomie ist noch eine viel zu grosse
Operation.
Dollinger macht in der Höhe des Nabels am lateralen Rande
des M. rectus eine kleine, nur 5 cm lange Oeffnung in der Bauchwand,
näht die dem Mesenterialansatze gegenüberliegende Wand einer Jejunum¬
schlinge in der Grösse einer Mandel an das Peritoneum, schliesst den
übrigen Teil der Wunde, öffnet nach drei Tagen das Jejunum in der
Länge von etwa 3 mm, legt eine ganz dünne Drainröhre in den Darm
und ernährt den Patienten von nun an mit verschiedenen flüssigen Nähr¬
stoffen. Die Operation kann unter Lokalanästhesie, event. im Anschluss
an die Probelaparotomie ausgeführt werden. Gergö (Budapest).
B. Leber, Gallenwege.
Ett fall af lefverabscess. Von C. Peterson. Upsala Läkarefören.
Förh., N. F., Bd. VH, p. 165.
Bei einem neunjährigen Knaben entstand 3 1 /* Monate nach einem
Trauma der rechten Körperseite, dessen Symptome bald verschwanden,
und ungefähr \ x f 2 Monate nach einem typhoidähnlichen Krankheitsbilde
eine fluktuierende Geschwulst rechts unten am Thorax, aus der nach
Incision Eiter sich entleerte. Da der Zustand nicht besser wurde und
die Leberdämpfung vergrössert war, resecierte Verf. die 9. Rippe und
erhielt Eiter bei Punktion der Leber. Mit Paquelin Eröffnung einer
gänseeigrossen Höhle in der rechten Leberhälfte. Heilung.
Ob das Trauma oder der Typhus den Abscess in diesem Falle
veranlasst hat, lässt sich nicht sicher entscheiden; Verf. wagt nicht mit
Sicherheit die Möglichkeit, dass das typhusähnliche Krankheitsbild der
erste Ausdruck des Leberabscesses war, auszuschliessen, da bakterio¬
logische Untersuchung auf Typhusbacillen nicht stattfand.
In Betreff der Symptomatologie hebt Verf. hervor, dass eine
„Skapulalgie“ fehlte, dass in der Konvalescenz epileptiforme Krämpfe
auftraten und endlich, dass nach Schluss der Wunde Ascites entstand,
wohl als Folge von Schrumpfungsprozessen in der Leber, der jedoch
wieder bald verschwand. Köster (Gothenburg).
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Temporäre Colostomie bei chronischer Dysenterie. Von A, Nehr-
korn. Deutsche med. Wochenschr. 1902, Nr. 1.
In einem Falle von chronischer Dysenterie bei einem 19 jährigen
Manne war trotz aller Versuche durch innere Medikation eine Besserung
nicht zu erzielen. Lokale Behandlung durch hohe Eingiessungen war
unmöglich, da die eingegossenen Flüssigkeiten 300—400 ccm nicht über¬
steigen konnten, ohne die heftigsten Schmerzen zu erzeugen. Der Stuhl
bestand vorwiegend aus dünnflüssigem Blute, enthielt Schleim in massiger
Menge. Amöben oder Tuberkelbacillen waren ebensowenig nachzuweisen
wie Parasiten.
Nach vierwöchentlicher Behandlung war der Zustand des Patienten
im höchsten Masse gefahrdrohend geworden; das Körpergewicht war auf
85 Pfund herabgegangen, der Hämoglobingehalt des Blutes betrug 30 %,
die Zahl der roten Blutkörperchen 1 800 000.
Am 5. Juli 1901 wurde deshalb von Czerny die Cok>9tomie aus¬
geführt; die Flexurschlinge, welche ödematös und infiltriert erschien,
wurde vorgelagert und fixiert Zwei Tage später wurde sie mit dem
Thermokauter eröffnet. „Auf dem nunmehr freiliegenden kleinen Schleim¬
hautabschnitte präsentierten sich circumscripte hyperämische, wulstige Er¬
habenheiten und im zuführenden Schenkel fühlte der palpierende Finger
in der Schleimhaut zwei etwa pfennigstückgrosse Substanzverluste, die
schon bei leichter Berührung bluteten.“
Nach der Operation blieben die Darmblutungen vollständig aus.
Es wurde in den nächsten Wochen täglich ein- bis zweimal das Colon mit
dünner Salicylsäurelösung ausgespült, von der ohne sonderliche Be¬
schwerden 1 1 / 2 Liter einliefen.
Am 23. August wurde der Patient bei gutem Wohlbefinden mit
einem Körpergewicht von 112 Pfund entlassen.
Am 18. Oktober wurde der künstliche After wieder geschlossen,
und auch danach blieb die Rekonvalescenz eine ungestörte: Der Stuhl
erfolgt spontan, ist von normaler Farbe und Konsistenz, frei von Schleim
und Blut (19. November 1901).
Am Schlüsse der Arbeit folgt ein kurzer historischer Ueberblick
über die bisherigen chirurgischen Eingriffe bei derartigen Fällen. Die
bisher gemachten Erfahrungen sind entschieden ermutigend.
In Frage kommt je nach der voraussichtlichen Lokalisation der
Darmaffektion und der zu erfüllenden Indikation: rechtsseitige Colostomie
bezw. Coecostomie, wenn der ganze Dickdarm als erkrankt angenommen
wird, um denselben völlig ruhig zu stellen; Ausschaltung einzelner Ab¬
schnitte oder des ganzen Colons durch Enteroanastomose; die linksseitige
Colostomie, wenn schon vor der Operation die Flexur als wesentlich
erkrankt angenommen wurde und der Zweck der Operation in erster
Linie der ist, auf die kranke Schleimhaut selbst mit örtlichen medika¬
mentösen Applikationen einzuwirken. Laspeyres (Bonn).
Die chirurgische Behandlung des von Hepatitis interstitialis her
stammenden Ascites. Von 8. Stern. Orvoei Hetilap, XLIV, 22.
Nach kurzem Skizzieren der zehn bekannten Fälle, in welchen
die Heilung des Ascites e cirrhosi hepatis durch Operation, aber nur
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in sechs Fällen mit Erfolg, versucht wurde, führt Verf. seinen Fall an,
in welchem auch die Talma’sche Operation nach dem Prinzip vorge¬
nommen wurde, durch infolge künstlicher Verwachsungen des Bauchfelles
veranlagten kollater&len Kreislauf die Bauchwassersucht zur Heilung zu
bringen.
Der 41 jährige Patient bemerkt seit drei Monaten eine Anschwellung
des Bauches und der Füsse. Atembeschwerden, geringe Cyanose ohne
Erkrankung der Brustorgane infolge sehr grossen freien Ascites. Urin
enthalt nichts Abnormes. Bauchpunktion (13 Liter wenig trübes Serum),
nachher Konstatierung der Verringerung der Leberdämpfung, Vergrosse-
rung der Milz. Nach 10 Tagen verlässt Pak gebessert das Spital,
kehrt aber in 14 Tagen zurück.
Punktion neuerdings (9 Liter Serum) ohne Erfolg. Der Bauch schwillt
wieder rasch an, weshalb am 18. Tage nach der zweiten Aufnahme die
Operation in Lokalanästhesie vorgenommen wird. Bauchschnitt (5 cm
lang) unmittelbar über dem Nabel; nach Abfluss des Serums und Kon¬
statierung der Verkleinerung der Leber wird das Endothel des Bauch¬
fells am Rande der Wunde mit der Räcamier'sehen Curette abge¬
schabt, das Omentum majus, dessen Venen stark dilatiert sind, an das
Peritoneum genäht, eine Ecke des ersteren in den unteren Winkel der
Wunde zwischen Muskel und Haut durch Nähte befestigt, nachher
totale Bauchwandnaht. Ungestörter Verlauf, doch nach sechs Tagen
neuerlicher Ascites mit beschränkter Beweglichkeit. Nach wieder 18 Tagen
Punktion, 5 Liter dickliches, wenig trübes Serum. Dämpfung nicht
ganz verschwunden, es scheinen Absackungen entstanden zu sein. Nach
drei Wochen verlässt Pat. das Spital und kehrt nach 2 1 /* Monaten
gut genährt und gekräftigt, mit bestem Wohlbefinden zurück.
Jetzt ist der linke Leberlappen gut palpabel, von gleichmäesrg glatter
Oberfläche; kleine Dämpfung der Leber, grosse Milz, sonst überall über
dem Bauche tympanitischer heller Schall.
Verf. meint, durch diesen Fall mit Recht auf die Gefahrlosigkeit
und Einfachheit der Talma’schen Operation hinweisen zu dürfen, er¬
wähnt aber nebst diesem seinen zweiten Fall, wo die Operation an
einem mehrfach punktierten, sehr geschwächten Kranken gemacht wurde.
Pat. starb. Bei der Sektion fand man als Todesursache Peritonitis,
entstanden durch zweifache Fixation des Omentum majus und Achsen¬
drehung desselben beim Einnähen in den Wundwinkel.
Eugen Baranyai (Budapest).
Ascite lactescente dans une cirrhose atrophique. Von Achard u.
Loeper. Bull, et m6m. de la Soc. mödic. d. höp. 1902, Nr. 11.
Bei einem 44 jährigen Mann mit Lebercirrhose (alimentäre Glyko-
surie -f-) wurde durch Punktion klare, gelbliche Ascitesflüssigkeit mit
wenig Lymphocyten und Endothelien gewonnen; der NaCl-Gehalt betrug
0,525 %, A 0,44. Bei einer späteren Punktion liess sich eine Ver¬
änderung der ascitischen Flüssigkeit konstatieren; dieselbe war opalescent
geworden, denselben Charakter zeigte auch ein hinzugetretenes Pleura-
transsudat der rechten Seite.
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Zuletzt war das ascitische Exsudat ganz milchweiss. Purpura-
blutungen an den Beinen, Oedeme und Bluterbrechen traten auf und
führten den Tod des Pat. herbei.
Vom Obduktionsergebnis sind eine Verdickung und Schrumpfung
des Omentum hervorzuheben. Einzelne Mesenterialdrüsen waren weich
und geschwollen. Der Canalis thoracicus war normal.
In der laktescierenden Ascitesflüssigkeit fanden sich kleine, 2—3 u
grosse Granula, mononukleare Leukocyten und Fetttröpfchen. (Mit
0s0 4 Schwärzung.) Das milchweisse Aussehen war auf die Granula,
welche aus Nukleoalbumin bestanden, zurückzuführen. Der Fettgehalt
betrug nur 1,10, der Cholestearingehalt 0,52, dagegen der Eiweissgehalt
6 pro Liter. Martin Cohn (Kattowitz).
Beitrag zur Frage der Leberrupturen. Von B. K. Finkeistein.
Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie, Bd. LXIII, p. 408.
Mitteilung von sechs Fällen, von denen zwei schon früher ver¬
öffentlicht sind. — Die Diagnose ist oft nicht leicht; Kontraktion der
Bauchmuskeln, Schmerzen in der rechten Schulter sprechen sehr dafür.
Die Leberdämpfung ist in den ersten Stunden in normalen Grenzen,
später kann sie sich durch Aufblähung der Darmschlingen verringern.
Icterus ist meist nicht vorhanden. Bei Blutergüssen soll in den unteren
Teilen des Abdomens, rechts mehr als links, deutliche Dämpfung sein.
Während der Beobachtungszeit ist Morphium nicht am Platze, noch
weniger Opium. Letzteres bewirkt eine Erschlaffung des kontrahierten
Darms, wodurch bei Darmverletzungen der Austritt von Darminhalt be¬
günstigt würde. Die Operation ist möglichst bald vorzunehmen und
nicht erst nach Delatour das Ende des Shoks abzuwarten.
Im ganzen konnte Verf. 36 Fälle mit 21 Genesungen aus der
Literatur zusammenstellen. E. Moser (Zittau).
Fall af cholecysto-duodenostomi. Von K. Dahlgren. Upsala Lä-
karefören Förh., N. F., Bd. VII, p. 351.
Eine 62jährige Frau litt seit 25 Jahren an anfallsweise auftreten¬
den Schmerzen, die in der letzten Zeit mit Gelbsucht einhergingen; sie
wurde infolgedessen fast vollständig arbeitsunfähig. Operation wie in
der Ueberschrift; ein Stein wurde nicht gefunden, dagegen eine mandel-
grosse Anschwellung der hinteren Duodenalwand, die vom Verf. als eine
Infiltration um eine im Ductus choledochus befindliche, durch Gallenstein
verursachte Ulceration aufgefasst wurde. Heilung. Verf. hebt die Vor¬
teile der Cholecysto-Duodenostomie im vorliegenden Falle gegenüber der
Cholecyatostomie hervor. Köster (Gothenburg).
Trauma uad Cholelithiasis. Von E. Berger. Monatsschr. f. Unfall¬
heilkunde 1902, Nr. 8.
Verf. erörtert im Anschluss an einen von Kehr beobachteten
Fall die Beziehungen zwischen Trauma und Cholelithiasis.
Es handelte sich um einen bisher stets gesunden 39jährigen Mann,
der einen Stoss gegen die Oberbauchgegend erlitt. In den nächsten
Wochen häufig dumpfes Druckgefühl im Oberbauch, das sich allmählich
zu zeitweiligen Schmerzanfällen ausbildete, bis ca. 11 Monate nach dem
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Unfall ein ausgesprochener Gallensteinkolikanfall auftrat* Im Laufe
der nächsten Monate weitere Anfälle, Operation ca. zwei Jahre nach
der Verletzung: Gallenblase, mit Netz und Duodenum ausgedehnt ver¬
wachsen, enthielt Steine und Eiter. Heilung. Kehr bejahte in einem
Unfallgutachten die Frage des ursächlichen Zusammenhanges, da vor dem
Unfall keinerlei auf Gallensteine hinweisende Beschwerden vorhanden
waren, die Gallenblase also vorher entweder steinfrei war oder nur Steine
im Zustande der Latenz enthielt.
Für den ursächlichen Zusammenhang in vorliegendem und sonstigen
Fällen von Cholelithiasis nach Trauma kommen zwei Möglichkeiten in
Betracht: 1. Die Gallenblase enthält zur Zeit des Unfalls be¬
reits Gallensteine, jedoch im Stadium der Latenz. Infolge einer
heftigen Bewegung, einer Erschütterung des Körpers oder eines direkten
Traumas zerfällt das die Gallenblase vorher mit glatter Oberfläche aus-
füllende Konglomerat, die Steine kehren ihre Ecken und Kanten der
Schleimhaut zu, reizen sie und verursachen kleine Blutungen, Substanz¬
verluste und Geschwüre. Oder aber die Schleimhaut erleidet bei direktem
Trauma ähnliche kleine Schädigungen. Durch diese Schleimhautschä¬
digungen wird eine Infektion der Gallen blasen wandung mit den im
Gallenblaseninhalt schon vorher vorhandenen Mikroorganismen vermittelt;
die Folge ist eine mehr oder weniger schwere akute Cholecystitis. Verf.
führt zahlreiche Literaturfälle an, in welchen sich im Anschluss an
direkte oder indirekte Traumen eine derartige Cholecystitis entweder
ganz akut im Laufe von Stunden oder subakut im Laufe von 10—14
Tagen, oder schliesslich ganz chronisch entwickelte; in einem Teile der
Fälle handelte es sich um akute Verschlimmerung einer bisher unter
undeutlichen Symptomen verlaufenen Gallenblasenentzündung, in anderen
waren der Verletzung keine Erscheinungen einer Gallenblasenerkrankung
vorausgegangen. Nach diesem ersten, traumatisch vermittelten Anfall
kann sich dann das ganze Krankheitsbild der recidivierenden Cholecy¬
stitis mit ihren Folgen entwickeln. 2. Die Gallenblase ist zur Zeit
des Unfalls steinfrei. Eine die Gallenblasengegend treffende stumpfe
Verletzung kann zunächst eine Pericholecystitis hervorrufen. Die hieraus
resultierenden Verwachsungen, Abknickungen etc. führen zu Stauung des
Gallenblaseninhalts; tritt eine Infektion hinzu, so sind die Bedingungen
zu einem steinbildenden Katarrhe gegeben. Aber auch primär durch
ein Trauma kann eine akute Cholecystitis entstehen, indem die Ver¬
letzung zu kleinen Schleimhautschädigungen führt, die den auch im nor¬
malen Gallenblaseninhalt bisweilen vorhandenen Keimen Gelegenheit
geben, die bisher ganz gesunde Gallenblase zur Entzündung zu bringen.
Auch für die Möglichkeit dieses Zusammenhanges führt Berger eine
Anzahl von Fällen aus der Literatur an. Mohr (Bielefeld).
The treatment of cholelithiasis. Von H. LilienthaL Medic. Rec.,
Bd. LXI, Nr. 22.
Dieser Vortrag beginnt mit einer kurzen Zusammenstellung der
Entstehungsursachen und einer Aufzählung der aus der Anwesenheit
von Gallensteinen resultierenden Krankheiten. Nachdem der inneren
Medizin die wichtige Aufgabe zugewiesen ist, das Leiden in ein latentes
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Stadium überzuführen und akute Entzündungen — Gallensteinenfälle —
nach Möglichkeit fern zu halten, bezeichnet der Autor alle Fälle als
chirurgische, in denen häufige und schwere Attaquen auftreten oder
Komplikationen, z. B. akute Infektion der Gailenwege, völlige oder un¬
vollständige Einkeilung von Gallensteinen in die Ausführungsgange, sich
eingestellt haben. Er vergleicht in Bezug auf die Gefährlichkeit und
die Notwendigkeit des operativen Einschreitens bei akuten Entzündungs-
zustanden die Cholecystitis mit der Appendicitis und betont, dass die
Steine in der Gallenblase noch bedeutend gefährlicher seien als die im
Wurmfortsatz, weil sie viel häufiger zu maligner Degeneration führen.
Lilienthal führte folgende Operationen bei Cholelithiasis aus:
Cholecystotomie mit Drainage und Cholecystotomie mit sofortiger Naht
der Wunde, Cysticotomie, Choledochotomie und Cholecystektomie, die
radikalste und doch nicht die schwierigste von diesen Operationen. —
Das jeweilige chirurgische Verfahren muss nach Art des Falles gewählt
werden; um die hierbei in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu illu¬
strieren, berichtet Lilien thal über 10 seiner Fälle.
Beim ersten bestand neben dem Gallensteinleiden Herzschwäche
durch Fettsucht; hier wurde nur intern behandelt und die Frau weiter
beobachtet, da keine gefährlichen Symptome Vorlagen. Fall II wurde,
nach häufigen früheren Kolikanfällen, mit akuter Infektion eingeliefert
und, da die Narkose sehr schlecht vertragen wurde, konnte — anstatt
der indizierten Cholecystektomie — nur die weniger zeitraubende Chole-
cysfcotomie gemacht werden. — In einem weiteren Falle wurde die
Gallenblase total entfernt und der Pat. von seinen häufigen Anfällen
mit lokaler Peritonitis befreit. Aehnliche Verhältnisse bot Fall IV, der
ebenso behandelt wurde. Eine „ideale Cholecystotomie“ konnte bei einer
35 jährigen Frau gemacht werden, die fast täglich in der vorangehenden
Zeit Kolikanfälle und zeitweilig Steine im Stuhl gehabt hatte; Fieber
war niemals aufgetreten; da zudem sich bei der Operation die Wandung
der Gallenblase dünn und absolut normal anfühlte, genügte das Ein¬
schneiden auf die in der Gallenblase gelegenen Steine mit direkt an¬
schliessender Wiedervereinigung der Schnittränder. — Der Fall VI betraf
eine ältere Frau, die mit hartnäckiger Obstipation, Schmerzen im rechten
Hypochondrium und fortgesetztem Erbrechen erkrankt war; man musste
nach dein ganzen Krankheitsbilde an eine Neubildung mit akut ent¬
zündlichen Erscheinungen und Darmverschluss denken, fand dann aber
bei der Laparotomie Adhäsionen zwischen der vergrösserten Gallenblase
und dem Blinddarm, wodurch die totale Obstruktion erklärt wurde. Die
Verwachsungen wurden gelöst und aus der Gallenblase durch Cholecysto-
tomie Steine entfernt, da auch hier das Allgemeinbefinden die radikalere
Operation nicht zuliess. — Im Falle VII musste die Bauchhöhle wieder
geschlossen werden, da sich die Gallenblase und Leber mit Carcinoui
durchsetzt fanden. — Die Fälle VIII bis X eigneten sich alle zur
Cholecystektomie und Fall IX verdient deshalb ein besonderes Interesse,
weil hier die Operation an einem 11 jährigen Mädchen, das schon seit
seinem sechsten Lebensjahre an Gallensteinen mit Icterus litt, ausgeführt
wurde. Alle die erwähnten Fälle, mit Ausnahme des durch Carcinom
komplizierten, wurden geheilt. W. Denison (Stuttgart).
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III. Bücherbesprech an gen.
Lehrbuch der inneren Medizin. Herausgegeben von Prof. v. Me ring.
1165 pp., 1 Tafel und 219 Abbildungen im Texte. Jena 1903,
Gustav Fischer.
Nach einer Frist von kaum zwei Jahren erscheint da9 Mering’sche
Lehrbuch in zweiter Auflage, Beweis genug, dass der originelle Ver¬
such gelungen ist, „die Vorzüge der bekannten grösseren Sammelwerke,
in welchen jede Krankheitsgruppe von den durch eigene Forschungen
berufensten Autoren bearbeitet wird, mit derjenigen Kürze, wie sie der
Student und der vielbeschäftigte Arzt fordern müssen, zu vereinigen“.
Wenn auch grössere stoffliche Veränderungen, wie ja bei der Kürze
der Zeit nicht anders zu erwarten war, nicht notwendig wurden, haben
gleichwohl zahlreiche Ergänzungen, namentlich in den Abschnitten über
die Krankheiten der Respirations- und Cirkulationsorgane, die Krank¬
heiten des Blutes und über die Vergiftungen, den Wert des Buches
neuerdings erhöht. Dazu kommen noch Vermehrung der zum Teil far¬
bigen, von der in Ivehrbüchern der inneren Medizin üblichen Schablone
durchaus abweichenden Abbildungen — die hinzugekommene Tafel über
Blutpräparate ist mustergültig — und die Ausgestaltung des nunmehr
vollständigen Registers.
Die einzelnen Kapitel haben die gleichen Verfasser wie in der
ersten Auflage. E. Romberg: Die akuten Infektionskrankheiten; F.
Müller: Die Atmungsorgane; L. Krehl: Die Kreislaufsorgane; D. Ger¬
hardt: Mund, Rachen und Speiseröhre; J. v. Mering: Magen, Sfcoff-
wechseierkrankungen; M. Matthe9: Darm, Peritoneum, Trichinose; O.
Mink owski: Leber und Gallenwege, Pankreas; R. Stern: Hamorgane,
Nebenniere; F. Moritz: Gehirn, Rückenmark, periphere Nerven; F.
Kraus: Centrale und vasomotorisch-trophische Neurosen; O. Vierordt:
Bewegungsorgane, Skrophulose; G. Klemperer: Blut, Milz; W. His d. J.:
Vergiftungen; F. Gumprecht: Therapeutische Technik.
Kein Zweifel, dass die neue Auflage unter Studenten und prak¬
tischen Aerzten neue Freunde finden wird, zumal der Preis bei tadel¬
loser Ausstattung ein ungemein niedriger ist.
Arthur Weise (Wien).
Ergebnisse der Physiologie. Herausgegeben von L. Asher und K.
Spiro. Erster Jahrgang. Wiesbaden 1902, Verlag von J. F. Bergmann.
Nachdem das Lesen der Originalarbeiten aus den zahlreichen Ge¬
bieten der Medizin schon längst zur Unmöglichkeit geworden ist, genügen
jetzt auch Einzelreferate dem Bedürfnisse nicht mehr in jeder Hinsicht.
Das Zusammensuchen der ein Thema betreffenden Arbeiten fängt an,
eine relativ schwierige Aufgabe zu werden. Nur Sammelreferate mit
mehr oder weniger Kritik vermögen noch eine Orientierung von ge¬
nügender Schnelligkeit zu geben.
Da erscheint es nun besonders vorteilhaft, wenn gerade solche
Autoren, welche ein Gebiet spezialistisch bearbeiten, sich bereit finden,
von Zeit zu Zeit den jeweiligen Standpunkt desselben zu fixieren.
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Allerdings kann nicht übersehen werden, dass damit die betreffenden
Ausführungen einen nicht immer wünschenswerten Grad von Subjektivität
erhalten werden. Doch wird dieser Nachteil weit aufgewogen durch die
Sicherheit, mit welcher der Spezialist auf seinem Gebiet sich orientieren kann.
Aus solchen Erwägungen entstand der Plan des oben angekündigten
Buches, das seine Lebensfähigkeit ebenso bewähren wird, wie die Er¬
gebnisse der allgemeinen Pathologie und einige ähnliche derartige Werke.
Es, ist zu hoffen, dass die Herausgeber ihren Zweck erreichen: im Ver¬
laufe der Jahre möglichst gleichmässig alle Gebiete der Physiologie zu
berücksichtigen und so zu einer Gesamtdarstellung zu kommen, welche
dem Flusse der Wissenschaft stetig folgt. Die Namen der Mitarbeiter
dürften diesen Erfolg sichern.
Vom Standpunkte des Praktikers, der gewohnt ist, die Physiologie
als eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Grundlage seines
Handelns zu betrachten, und der gern auf der Höhe bleiben will, sind
vielleicht die „Ergebnisse der Physiologie 44 zunächst etwas erschreckend.
1800 Seiten in einem Jahre! Wenn der Arzt genötigt wäre, nicht nur
diese Ergebnisse, sondern auch die anderer nicht minder grosser und
wichtiger Grundmaterien unserer Wissenschaft jedes Jahr durchzustudieren
— es würde ihm wahrlich auch bei dieser Konzentration nur wenig Zeit
übrig bleiben. So muss denn der Arzt solchen Werken als Eklektiker
gegenübertreten, diejenigen Kapitel heraussuchend, welche ihn jeweils
besonders interessieren. Daun werden ihm die „Ergebnisse 44 ein wert¬
volles Nachschlagewerk sein.
Leider ist noch ein Punkt zu besprechen, weswegen es der Arzt nicht
nötig hat, jeder physiologischen Forschung bis ins einzelne zu folgen.
Es ist dies die nicht immer grosse Anwendbarkeit der gewonnenen Re¬
sultate für die Praxis. Die Zeiten, in denen man von jedem physio¬
logischen Fortschritt einen Fortschritt in unseren Leistungen erwartete,
sind nicht mehr vorhanden. Einerseits ist die Physiologie auf zahlreichen
Gebieten ihren eigenen Weg gegangen, und manche ihrer Resultate haben
für die Klinik entweder gar keine unmittelbare Bedeutung oder sie wider¬
sprechen sogar den Erfahrungen derselben. Andererseits hat die Praxis
mit physiologischen Errungenschaften oft schlechte Erfahrungen gemacht,
wenn dieselben zu frühzeitig, ohne die gehörige Nachprüfung, als fest¬
stehend angenommen wurden. Jeder Abschnitt vorliegenden Werkes
liefert in seinem polemischen Teil Beweise genug, wie oft- Experimente
infolge versteckter Fehlerquellen täuschende Resultate gaben oder zu
fehlerhaften Schlüssen Anlass boten. Die praktische Medizin sollte daher
nicht jedem neuesten Forschungsresultate nachlaufen, sondern gleichsam
wie die Hemmung an einer Uhr den Lauf so regulieren, dass nur sicher
gewonnene Ergebnisse auf das kostbarste Versuchsmaterial, den Menschen,
übertragen werden.
Den Inhalt des Werkes im einzelnen zu skizzieren, ist natürlich
unmöglich. Die Herausgeber haben — ohne damit eine programmatische
Trennung andeuten zu wollen — die eine Abteilung der Biochemie, die
andere der Biophysik und Psychophysik gewidmet.
Im ersten Teil heben wir unter vielem andern die klaren Aus¬
führungen Hofmeister’s über Bau und Gruppierung der Eiweisskörper,
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sowie von Bredig über die Elemente der chemischen Kinetik mit be¬
sonderer Berücksichtigung der Katalyse und der Ferment Wirkung hervor.
Pawlow ist mit seiner physiologischen Chirurgie des Verdauungskanals
vertreten, das Glykogen und die Harnsäure sind in längeren Artikeln
von M. Cremer und Hugo Wiener besprochen.
In der zweiten Abteilung sind die Abschnitte über Protoplasma-
bewegung von P. Jensen und über Regeneration von H. Przibram
hervorzuheben. Der Kreislaufsapparat spielt in drei Essays eine Rolle,
von denen dasjenige von Tigerstedt: „Intrakardialer Druck und Herz-
stoss“ mit bekannter Meisterschaft geschrieben ist. Aber leider muss
ich gerade hier hervorheben, wie schwer es noch ist, eine Uebereinstim-
mung der klinischen Erfahrungen mit den Ergebnissen physiologischer
Forschung herzustellen, ohne weder den einen noch den anderen Gewalt
aftzuthun. Wenn ich noch den Abschnitt über Stimme und Sprache
von Paul Grützner und die ausführliche Monographie von C. v. Mo¬
nakow über den gegenwärtigen Stand der Frage nach der Lokalisation
im Grosshirn als besonders klar geschrieben hervorhebe, so sollen damit
nur diejenigen Themata umschrieben sein, in denen der Referent beson¬
dere Anregung gefunden hat. Andere werden vielleicht anderen der
44 Kapitel des Werkes ihr Hauptinteresse darbringen.
Jedenfalls wünsche ich dem von der Verlagsbuchhandlung sehr
gut ausgestatteten Werke ein weiteres Gedeihen, damit auch zahlreichen
anderen Gebieten, die in den vorliegenden Bänden noch nicht zu Worte
gekommen sind, ähnliche sachverständige Bearbeitung zu teil wird.
H. Herz (Breslau).
De r&ction malfaisante du podophyllin sur l’oeil par contact direct
Von A. V. de Rocca-Serra. Thfese pour le doctorat en m£decine.
Paris 1902. Steinheil.
Verf. beschreibt eine bisher noch nicht publizierte, von ihm an
mehreren Arbeitern in Laboratorien und Droguerien beobachtete Augen¬
affektion, welche nach Hineingelangen von Podophyllinpulver ins Auge
auftrat. Sie besteht in einer heftigen Keratitis mit Anästhesie der
Hornhaut und Iridocyclitis, tritt akut auf und wird nach Aussetzen der
schädlichen Beschäftigung meist rasch wieder gut. Der Autor erklärt
die Affektion durch Einwirkung des in der alkalischen Thränenflüssigkeit
löslichen Podophyllins auf die Trigeminusendigungen in der Hornhaut.
R. Hitschmann (Wien).
Beitrage zur Klinik der Tuberkulose. Herausgegeben von Professor
Dr. L. Brauer. Heft I—III. Würzburg 1903, A. Stuber^s Verlag
(C. Kabitzscb).
Die neue Zeitschrift soll sich im wesentlichen mit der Klinik der
Tuberkulose befassen. „Zum anderen sollen die Beiträge in Einzel¬
darstellungen über die theoretischen Gesichtspunkte berichten, unter
denen die den verschiedensten klinischen Spezialgebieten entnommenen
Thatsachen betrachtet zu werden pflegen“.
Eine grosse Zahl bekannter Aerzte ist dem Unternehmen gewonnen.
Die ersten Hefte enthalten Arbeiten von L. Brauer: Das Auf¬
treten der Tuberkulose in Cigarren fabriken; W. Hofmann: Beitrag zur
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Kenntnis der Tuberkuloßeverbreitung in Baden (mit vier Karten und
fünf Tafeln); Bellmann: Lupus follicularis disseminatus; V. Czerny:
Ueber die häusliche Behandlung der Tuberkulose; Stoeckel: Zur Dia¬
gnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau; B.
Fischer: Ueber die Ausheilung grosser tuberkulöser Lungenkavemen;
Grouven: Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scropbuloderma;
M. Jordan: Pathologie und Therapie der Hoden tuberkulöse; O. Roepke:
Zur Diagnose der Lungentuberkulose.
Die Aufzahlung der Titel der Mitteilungen zeigt die erfreuliche
Tbatsache, dass sich die Vertreter verschiedener Disziplinen zusarmnen-
gefunden haben, um durch gemeinschaftliche Arbeit eine da* schwersten
und vielgestaltigsten Krankheiten genauer zu erforschen und zu be¬
kämpfen.
Wir wünschen dem eigenartigen und dankenswerten Unternehmen
besten Erfolg. Hermann Schlesinger (Wien).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Zesas, D. G., Beitrag zur Diagnose der
Lithiasis pancreatica, p. 801—816.
Perutz, F., Der Leberabscess (Fort¬
setzung), p. 817—826.
Klink, W., Die operative Behandlung
der Nephritis (Fortsetzung), p. 826—836.
II. Referate.
A. Magen.
Vauce, M., Some clinical observations
in intestinal surgery, p. 836.
Kappeier, O., Meine Erfahrungen über
Magenresektion wegen Carrinozn, p. 837.
Koslowski, B. S., 15 Magenoperationen,
p. 838.
Dollinger, J., Die operative Technik
der Gastroenterostomie und der Jejuno-
stomie sowie die mit Hilfe derselben
bei verschiedenen Magenleiden erreichten
Resultate, p. 838.
B. Leber, Gallenwege.
Peterson, C., Ett fall af lefverabscess,
p- 839-
Nehrkorn, A., Temporäre Colostomie
bei chronischer Dysenterie, p. 840.
Stern, J., Die chirurgische Behandlung
des von Hepatitis interstitialis her*
stammenden Ascites, p. 840.
Achard u. Loeper, Asdte lactescente
dans une rirrhose atrophique, p. 841.
Finkeistein, B. K., Beitrag zur Frage
der Leberrupturen, p. 842.
Dahlgren, K., Fall af cholecysto - duo-
denostomi, p. 842.
Berger, E., Trauma und Cholelithiasis.
p. 842.
Lilienthal, H., The treatment of chole*
lithiasis, p. 843.
HI. Bücherbesprechungen.
v. Mering, Lehrbuch der inneren Me¬
dizin, p. 845.
Asher, L. u. Spiro, K., Eigebnisse
der Physiologie, p. 845.
de Rocca-Serra, A. V., De Taetion
malfaisante du podophyllin sur l’oeil
par contact direct, p. 847.
Brauer, L., Beiträge nur Klinik der
Tuberkulose, p. 847.
Um Einsendung von Monographien und Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien, I, Ebendorferstrasfte 10, wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzasatx „Für die Redaktton des
Centralblattes für die Grenzgebiete 44 versehen sn wollen.
Druck von Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Chirurgie.
Herausgegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien,
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 9. Dezember 1903.
Nr. 22.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Uuifange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Qelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Ueber tabische Knochen- und Gelenks¬
erkrankungen.
Von Dr. S. Adler (Berlin).
Literatur.
1) Abadie, Jean, Les ost6o-arthropathies vertebrales dans le tabes. Nouveau
Iconogr. de la SalpStriäre 1900, Bd. XIH, H. 2, 3, 4, 5, p. 116, 260, 439, 502,
Mars—Avril, Mai—Juin, Juillet—Oct.
2) Achard et Loeper, Cytologie d’une Arthropathie tab£tique. Gaz. hebd.
de m£d. II, p. 1037.
3) Adler, Zur künstlichen Fixation der Gelenke bei Tabes. Neurol. Central-
blau 1900, p. 102.
4) Ahrens, E., Beitrag zur Lehre und Behandlung der Arthrop. tab. mit
besonderer Berücksichtigung des Kniegelenkes. Zeitschr. f. orthopäd. Chirurgie 1901,
Bd. VIII, p. 345.
5) Auerbach, F., Ueber tabische Arthropathien. Inaug.-Diss., Berlin 1897.
6) Bäu ml er, Demonstration eines J Radiogram ms von Arthropathie bei Tabes.
Verhandl. d. 15. Kongr. f. innere Med. 1897, p. 478.
7) Barot et Chenin, Ost£o-arthropathies tabetiques. Ost6omes. Bull, de la
Soc. anat. 1896, XVII, p. 43.
8) Barth, Histologische Knochenuntersuchung bei tabischer Arthropathie.
Archiv f. klin. Chir., LXIX, 1—2, p. 174.
9) Benedikt, Röntgogramra bei tabischer Arthropathie der Wirbelsäule.
Centralbl. f. allgera. Pathologie 1901, p. 1812.
Centralbl&tt f. d.Tir. d. Med. u. Chir. VI. 54
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SSO
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10) Bernard, Sur un cas de tabes. Bull, de la Soc. anat. 1896, XVII, p. 79
11) Bloch, Martin, Tabische Veränderungen eines Hüftgelenkes. Deutsche
med. Wochenschr. 1901, Nr. 27, 16. Vereinsbeilage.
12) Ders., Tabes. — Tabische Erkrankung des linken Hüftgelenkes. — Bruch
des linken Oberschenkelhalses. Beitrag zur Entschädigungspflicht von Unfällen bei
Tabikern. Aerztl. Sachverständigenztg. 1901, Nr. 6.
13) Bougle, J., Fracture spontanee du feniur chez un tabdtique. Arch. gen.
1898, 2, p. 242.
14) Bowlby, A. Anthony, A case of Charcots disease of the his joint with
dislocation. Transact. of the clin. soc. of London 1895, 28, p. 242.
15) Brissaud, E., Arthropathies tabdtiques et troubles de la sensibilite. Le^ons
sur les maladies nerveuses. Paris 1895, p. 295.
16) Ders., Arthropathies nerveuses et troubles de la sensibilite. Nouveau
Iconogr. de la Salp., VII, 4, p. 209—273, Juillet— Oct. Internat, med. - photogr.
Monatsschr. 1894, I, 9. p. 261.
17) Biidinger, Ueber tabische Gelenkserkrankungen. Aus der II. chirurg.
Klinik in Wien. Wien u. Leipzig 1896, Braumüller.
18) Cabrol, Sur un cas de tabes avec arthropathies multiples et hemiplegie
organique. Th£se de Paris 1897.
19) Charcot, J. B. et Dufour, Henri, L’hemarthrose tabdtique. Nouveau
Iconogr. de la Salp. 1896, IX, 5, p. 265, Sept.—Oct. (Fall von hämorrhagischer
Gelenkserkrankung bei Tabes.)
20) Chipault, A„ Les arthrop. trophiques au point de vue chirurgical. Nouv.
Iconogr. de la Salp. 1894, VII, 3, p. 299.
21) Ders., Les consequences trophiques de l’dlongation des nerfs: etude ex¬
perimentale et therapeutique. (Mal perforant plantaire, ulcere variqueuse, mal perfo
rant bueale, pied tabetique.) Trav. de neurol. chir., Paris 1901, Oct.
22) Ders., Les arthropathies trophiques consecutives aux affections chirurgicales
de la moelle. Trav. de neurol. chir. 1900, Nr. I, p. 76—113, Jan. Ann6e V.
23) Courtney, J. W., Fracture spontanee du tibia et du pdrond droit dans
un cas d’ataxie locomotrice. Revue neurol. 1896, IV, 13.
24) Cree, James Arthur, Etüde des arthropathies tabetiques et de l’influence
des nerfs trophiques sur la nutrition. Th£se de Paris 1899, 8, 102 pp., Vigor freres.
23) Dan los, Arthropathies tabdtiques du pied. La semaine mdd. 1898, p. 516.
26) Dej£rine, Tabes arretd par la cecite. Med. moderne, Mars 1895.
27) Djelalian, Hektor, Contribution ä l’dtude d’arthropathie tabetique. These
de Paris 1896, 77 pp.
28) Dollinger, J., Kniegelenksresektion wegen tabischer Arthropathie. Ungar,
med. Presse 1902, Nr. 21/22.
29) Ders., Arthropathia tabeticamdl terdiziileti resectio. Orvosi hdtilap 1902,
p. 261.
30) Dufour, Cytologie du liquide d*une arthropathie tabdtique. Gaz. hebd
de med., II, p. 1015.
31) Dupre, Arthropathie tabetique. Ref. Archiv, de Neurol. 1900, Nr. 50,
p. 164.
32) Dupre, E. et Devaux, A., Tabes tropliique. Arthropathies. Radio,
graphie. Nouv. Iconogr. de la Salp. 1901, XIII, 5, p. 498. Ref. Neurol. Centralbl-
1901, p. 1051.
33) Edinger, ref. Centralbl. f. allgem. Path. u. path. Anat. 1898, p. 393.
34) Etienne. G., Frequence relative des arthropathies nerveuses dans les
myelopathies. Revue neurol. 1901, IX, 14, p. 721.
35) Ders., Arthropathie und Muskelatropbie. Neurol. Centralbl. 1901, p. 712.
36) Ferrand et Pecharmant, Arthropathies tabetiques multiples et fracture
spontanee du bassin; nearthrosis. i3*'Congr. int. de MM., Section de Neurol., Paris
1900. Ref. Revue Neurol. 1901, Vol. VIII, p. 747.
37) Frey, Fall von tabischer Arthiopathie. Wiener med. Presse 1893, 34 » 5 °
38) Fr ick, Ungewöhnlicher Fall von Tabes dorsalis mit tabischer Osteo- und
Arthropathie. Monatsschr. f. Unfallheilk. 1895, 7.
39) Gaucher, E., Arthropathie pdroneo- tibiale droite tabdtique. Semaine
m£dic. 1894, XIV, 66, p. 537.
40) v. Genersich, A., Arthropathien bei Tabetikern. Wiener klin. Rund¬
schau 1898, XII, 45.
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41) Ders., Arthropathia tabeses. Gyogyaszat 1898, p. 203.
42) Ghillini, Cesare, Untersuchungen über den Einfluss von Nervenverletzungen
auf das Knochenwachstum. Zeitschr. f. orthop. Chir. 1898, Bd. V.
43) Gibert-Montpellier, Les arthropathies tab£tiques et la radiographie.
Xouv. Iconogr. de la Salp. 1900, 13, p. 145.
44) Gilles de la Tourette et Marinesco. Nouv. Iconogr. de la Salp.
1895, VIII, p. 205.
45) Glorieux, Z. et van Gebuchten, A., Les arthropathies tab6tiques.
Un cas d’arthropathie du genou bilaterale et symm^trique. Rev. neurol., Sept. 1895,
III. x 7» P- 490-
46) Goldstein, L., Arthropathia tabica und spontane Fraktur. Monatsschr.
f. Unfallheilk. 1896, Nr. 10.
47) Gowers, Locomotor-ataxy occurring in a young woman. Tabetic arthro-
pathie etc. Med. chir. transactions 1898, p. 1.
48) de Grandmaison, Sur deux cas de tabes ayant d6but6s par des arthrop.
tab6tiques. M6d. moderne 1896, Nr. 79.
49) Grekow, Ueber die Arthropathie der Tabeskranken. Botkin’sche Kranken-
hausztg. 1898 (russisch). Nach Neurol. Centralbl. 1899, 18.
50) Griffiths, J„ Spontaneous fracture of right tibia and fibula in a case of
locomotor ataxia. Brit. med. Journ., 24. April 1897, p. 1036.
51) Gurapertz, Zeitschr. f. klin. Med., 35, I, II.
52) Hirschl, Tabiscbe Polyarthropalhie. Verein f. Psychiatrie und Neurol.,
Wien, 14. Mai 1895.
53) Hödlmoser, Wiener klin. Rundschau 1895.
54) Höltring, Georg, Ueber tabische Gelenkserkrankungen. Inaug.-Dissert.,
Bonn 1898.
55) Hoffa, Die Orthopädie im Dienste der Nervenheilkunde. Mitteil. a. d.
Grenzgeb. f. Med. u. Chir., Jena 1900, Bd. V, p. 645.
56) Huchzermeyer, Zwei Fälle von tabischer Spontanluxation des Hüft¬
gelenkes. Centralbl. f. Nervenheilk., Mai 1899.
57) Hudovernig, Syringomyelie. Neurol. Centralbl. 1901, p. 1137.
58) Hulke, J. W., A case of fracture of both bones of the leg. occasioned
by a very slight cause in a woman the subject of tabes dorsalis. Med. chir. transact.,
London 1893, 76, p. 187.
59) Jacob, Demonstration des Actinogrammes und Tabesfusses. Berlin, klin.
Wochenschr. 1899, 3. Ref. in Neurol. Centralbl. 1899, p. 847.
60) Jamart, E., Des dystrophies arthropathiques et leur traitement. These
de Paris 1894.
6 1) Josipowicz, Ueber das Ausfallen der Zähne bei Tabes dorsalis. Odontol.
Blätter, V, p. 374—76.
62) Ka lisch er, S., Ein Fall von Tabes dorsalis mit Kiefernekrose. Deutsche
med. Wochenschr. 1895, *9-
63) Ders., Die Tabes dorsalis. Sammelreferat 1894—1897. Monatsschr. f.
Psvch. u. Neurol. 1897.
64) Kapsammer, G., Das Verhalten verletzter Knochen nach Ischiadicus-
durchschneidung. Archiv f. klin. Chir., LVI, 3.
65) Kienböck, R., Die Untersuchung der trophischen Störungen bei Tabes
und Syringomyelie mit Röntgenlicht. Nebst kritischen Bemerkungen zu Nalbandoff’s
Aufsatz: Zur Symptomatologie der trophischen Störungen bei Syringomyelie (Osteo-
malacie). Neurol. Centralbl. 1901, XX, 2, p. 55.
66) Klemm, Paul, Ueber die Arthritis deformans bei Tabes und Syringo¬
myelie. Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1894, XXXIX, 3, 4, p. 281.
67) Klemperer, Zeitschr. f. klin. Med. 1890, XVII.
68) Koenig, Berliner klin. Wochenschr. 1897, p. 658.
69) Kolisko, Neuropathische Gelenksaffektionen und Tabesarthropathien.
Wiener med. Presse 1895, 15/16.
70) Laspeyres, Richard, Anatomische Befunde bei einem Falle von Tabes
mit Kiefernekrose. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. 1899, XIV. Ref. in Neurol.
Centralbl. 1899, p. 840.
^Schluss der Literatur folgt.)
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Pathogenese.
Wenn man die überaus zahlreichen wissenschaftlichen Beiträge
zur Lehre von den tubischen Knochen- und GelenkserkrankungeD einer
kritischen Sichtung unterzieht, so fällt neben der erstaunlichen Fülle
des Materials vor allem die seltene Uebereinstimmung auf, mit welcher
das Krankheitsbild von den meisten Autoren geschildert wird. Diese
Schilderung entspricht, wie wir von vornherein bemerken wollen, auch
heute noch in allen wesentlichen Punkten derjenigen, welche Charcot
bereits in seiner ersten Publikation vom Jahre 1868 in klassischen
Zügen entworfen hat.
Stellen 6omit einerseits die tabischen Osteo- und Arthropathien
ein wohlbekanntes und ausgezeichnet charakterisiertes Krankheits¬
bild dar, so sind wir andererseits trotz Aufwendung des grössten
Fleisses und Scharfsinnes in Bezug auf die Erklärung der Genese
und des Wesens der Krankheit über das Hilfsmittel der Hypothese
noch nicht hinweggekommen.
Es kann an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein, diese zahl¬
reichen Hypothesen, beginnend mit dem alten Streite zwischen der
Charcot’schen und der Volkmann’schen Auffassung, aufzuzählen.
Diese Aufzählung würde einer geschichtlichen Darstellung der Ent¬
wickelung dieser Lehre gleichkommen. Ich darf vielmehr alle diese
Dinge um so mehr als bekannt voraussetzen, als bereits zahlreiche Mono¬
graphien sich sehr eingehend mit dieser historischen Entwickelung
befasst haben (Rotter, Kredel, Weizsäcker, Sonnenburg u. a.).
Insbesondere sei in dieser Hinsicht auf die im Jahre 1896 erschienene
vorzügliche Monographie von Büdinger 17 ) verwiesen, welche eine
erschöpfende Darstellung des Standes der Lehre von den tabischen
Knochen- und Gelenkserkrankungen bis zu jenem Zeitpunkte giebt
Meine Aufgabe soll darin bestehen, die einschlägigen Publi¬
kationen der letzten Jahre unter Verwertung meiner eigenen Er¬
fahrungen darauf hin zu sichten und zu prüfen, ob und inwieweit
dieselben unsere bisherigen Anschauungen und Erfahrungen über
die tabischen Osteo- und Arthropathien zu erweitern, zu ergänzen
oder zu modifizieren geeignet sind.
Beginnen wir zunächst mit der Frage über die Entstehung
und das Wesen des Leidens, so überwiegt jetzt augenscheinlich
die Zahl derjenigen Autoren, welche das Wesen der Krankheit, wie
seinerzeit schon Charcot in einer durch das Rückenmarksleideu
bedingten trophisehen Störung des Knochensystems erblickt Wie
schon früher Sokoloff 127 ), so hat neuerdings auch Nonne 91 ) gegen-
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über der rein mechanischen bezw. traumatischen Theorie auf den
innigen Zusammenhang hingewiesen, welcher zwischen der Lokali¬
sation der Gelenksaffektion und der Rfickenmarkserkrankung besteht :
Bei der Tabes entwickeln sich die Osteo- und Arthropathien vor¬
wiegend an den unteren Extremitäten und treten häufig doppel¬
seitig auf. Bei der Syringomyelie dagegen befallen sie mit Vor¬
liebe die oberen Extremitäten, und zwar häufiger unilateral. Diese
grundlegende Verschiedenheit entspricht durchaus der grundverschie¬
denen Lokalisation der beiden Krankheitsprozesse im Rückenmark.
Bäumler*) äusserte sich im Jahre 1897 auf dem Kongresse
für innere Medizin dahin: „Die Gelenkaffektion, welche man als
Arthropathia tabidorum bezeichnet, nervösen Einflüssen ihre Ent¬
stehung verdankt, dürfte wohl heutzutage kaum noch von jemand
bezweifelt werden“.
Dass aber diese Knochen- und Gelenkserkrankungen nur auf
eine Läsion der Nervenbahnen überhaupt und nicht etwa auf
den tabischen bezw. syringomyelitischen Krankheitsprozess zurück¬
zuführen sind, geht aus den Mitteilungen von Chipault 20 ' 21 - M )
unzweifelhaft hervor. Dieser beobachtete trophische Störungen an
den Gelenken auch bei zahlreichen anderen Erkrankungen des
Rückenmarkes und der Wirbelsäule. Am augenfälligsten treten diese
Erscheinungen auf bei Halbläsionen des Markes, besondere an
den Kniegelenken. Bei den Fällen von Stichverletzung des
Rückenmarkes, welche Vigue6, Joffroy et Salmon, Kir-
misson u. a. beschrieben haben, entwickelte sich auf der Seite der
motorischen Lähmung ohne Fieber ein einfacher Hydrops genu,
meist ohne Schmerzen in der zweiten oder dritten Woche nach der
Verletzung mit periartikulärem Oedem oder auch ohne solches.
Hydrops und Oedem gingen in der Regel nach zwei bis drei Wochen
wieder zurück. Chipault beobachtete ferner bei vier Fällen von
Wirbelfraktur nicht bloss seröse, sondern auch eitrige Ergüsse
und in zwei Fällen Arthropathien mit Veränderungen am Knochen,
Verdickungen an Femur und Tibia, Lockerung der Kapsel mit
starker Crepitation bei Bewegung, schliesslich beim Gebrauch Aus¬
bildung vou Genu valguni. Chipault hält auch die Hallux valgus-
Bildung bei traumatisch Paraplegischen für eine Arthropathie vaso¬
motorischen Ursprungs. Er sah Kniegelenksergüsse bei Mal um
Pottii und bei Wirbeltumoren, bei Gelähmten wie bei Nichtge¬
lähmten; bei letzteren bestanden auch vorübergehend vasomotorische
Störungen (Schwellung, Schmerzen, Hitze). Oft war der Erguss
hämorrhagisch. Am Knochen fanden sich zum Teil Erweiterung
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der Capillaren, zum Teil echte Infarktbildungen. Auf Grund dieser
Beobachtungen erblickt Chipault die Ursache dieser trophischen Ar¬
thropathien im wesentlichen in den vasomotorischen Störungen.
Mouchet und Coronat 88 ) berichten über Fälle, in welchen
lediglich eine Läsion peripherischer Nervenbahnen der Arthro¬
pathie zugrunde lag, andererseits aber auch über Fälle von Arthro¬
pathien und Spontanfrakturen bei Affektionen rein centralen Ur¬
sprungs.
Zu den Anhängern der Lehre von dem neurogenen Ursprung
der Arthropathien gehören auch Leyden und Goldscheider 71 ).
Auch sie halten die Prädisposition zur Erkrankung der Knochen
und (Jelenke für bedingt durch eine Alteration des Nervensystems,
nehmen jedoch nicht eine Erkrankung spezifischer trophischer Centren
oder Nervenbahnen an, sondern lediglich eine Alteration der sen¬
siblen Nervenbahnen. Dass die sensiblen Nervenendigungen sich
bis in die Gelenkenden hinein vorfinden, ist von Goldscheider
nachgewiesen worden. Nach Goldscheider ist die Sensibilität der
Gelenke für die normale Synergie der Muskeln von grösster Be¬
deutung. Ist sie beeinträchtigt so kommt es leicht zu unzweck¬
mässigen Kontraktionen der Muskeln, sowohl was die Verteilung
der Impulse, als die Intensität derselben anbetrifft. Selbst, wenn
noch keine ausgeprägte Ataxie besteht, so werden doch die Gelenke
durch ungleichmässige Druckverteilung, Zerrung, Spannung schä¬
digenden mechanischen Einwirkungen leicht unterliegen. Gerade bei
der Tabes tritt diese Beeinträchtigung der Gelenksensibilität schon
sehr früh ein. Ausserdem nimmt Goldscheider an, dass die centri-
petalen Nervenbahnen für die Ernährung der Gewebe insofern von
grosser Bedeutung sind, als sie reflektorisch die Gefässweite regu¬
lieren, wie auch Marinesco 80 ) und Sörieux nachgewiesen haben.
„Die auffallende Tatsache der Schmerzlosigkeit der Arthropathien
weist in hohem Grade auf die Bedeutung der centripetalen Ein¬
drücke für die Anpassung der Ernährung hin. Der Schmerz ist
der Wächter des Organismus, das Signal der Gefahr.“
Dass neben der in Entwickelung begriffenen Arthropathie
gleichzeitig lancinierende Schmerzen bestehen können, widerspricht
nicht der Annahme einer Störung der Sensibilität in den Gelenk¬
enden. Denn die lancinierenden Schmerzen werden nicht vom Ge¬
lenk her ausgelöst. Es kann auch nicht ein besonderer Teil der
centripetalen Leitung für das Zustandekommen der Gelenkerkrankuntr
in Frage kommen. Peripherische Läsionen können ebenso, wie cen¬
trale, die Störung der Nutritionsanpassung einleiten.
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Jedenfalls finden diese Erklärungsversuche eine Stütze in der
auffälligen Tatsache, dass gerade diejenigen Rückenmarksaffektionen,
welche mit ausgeprägten Sensibilitätsstörungen einhergehen, die
Tabes und die Syringomyelie, in der Aetiologie der Arthro- und
Osteopathien die hervorragendste Rolle spielen.
Andererseits fehlt es aber auch nicht an exakten Beobach¬
tungen, welche wiederum die Volkmann’sche Hypothese zu stützen
geeignet sind, wonach die tabische Arthropathie nur eine Arthritis
deformans darstellt, welche allerdings unter dem Einfluss häufiger
mechanischer Insulte bei der bestehenden Analgesie einen durchaus
anderen klinischen Verlauf nimmt als die gewöhnliche Arthritis
deformans.
So kommt Wilms 152 ) auf Gruud seiner pathologisch-anato¬
mischen Untersuchungen zu dem Resultate, dass Arthropathie und
Arthritis deformans sich nur durch den bei der ersteren ungleich
höheren Grad der Destruktion unterscheiden, und deduziert aus
seinen Röntgogrammen, auf welche wir später noch zurückkommen,
dass sowohl die Knochenzerstörung, wie die Knochenneu¬
bildung genau korrespondieren mit den mechanischen
Druck und Belastungsverhältnissen. Eines Einflusses ge¬
störter Nervenbahnen bedarf es nach Wilms zur Erklärung dieses
Krankheitsbildes ebensowenig, wie zur Erklärung der sogenannten
Exercier- und Reitknochen, welche auch nur auf mechanischem bezw.
traumatischem Wege entstehen.
Auch die von mehreren Autoren durch Nervendurchschneidungen
experimentell erzeugten Knochenerkrankungen sind nicht als be¬
weisend anerkannt worden, indem entgegengehalten wurde, dass die
infolge der Nervendurchschneidung bestehende Lähmung und Inak¬
tivität des Gliedes, ferner der Reiz des Traumas, die Verletzung
der Vasomotoren und die hierdurch bedingte Ernährungsstörung
schon völlig hinreichen, um eine nachfolgende Veränderung der
Knochenstruktur zu erklären, ohne dass es hierzu eines besonderen
trophischen Nerveneinflusses bedürfte. Es wird ferner darauf hin¬
gewiesen, dass experimentell erzeugte Frakturen bei vorheriger
Durchschneidung der Nerven der betreffenden Extremität ebenso
schnell und sicher mit solidem Callus heilen wie bei intakter Nerven¬
leitung (Kapsammer 64 ), Muscatello und Damerscelli M '),
Weir Mitchell, Ghillini 42 ), Fischer, Förster u. a.).
Sehr treffend bemerkt Barth 8 ), dass man bei Durchmusterung
der zahlreichen Beweismittel, welche für die eine, wie für die andere
Hypothese mit grossem Fleisse zusammengetragen worden sind,
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notwendig zu der Ueberzeugung kommen müsse, dass hier die
Forschung auf einem toten Punkte angelangt sei. Wie kann man
den Unterschied bezw. die Identität zweier Prozesse, wie der Arthro-
pathia tabica und der Arthritis deformans, ergründen wollen, wenn
man über das Wesen beider Affektionen noch im unklaren ist?
Die zahlreichen histologischen Untersuchungen des Rückenmarks
und der peripheren Nerven, sowie das Studium des erkrankten
Teiles des Skelettes haben zwar ergeben, dass bei Tabes ausser¬
ordentlich häufig degenerative Veränderungen an den peripheren
Nerven gefunden werden, und dass diese Veränderungen sich häufig
nur an einer Extremität finden, wenn an dieser zugleich besonders
starke Sensibilitäts- und trophische Störungen vorhanden sind.
In mehreren Fällen von Gelenkerkrankungen wurden sogar die Ge¬
lenknerven degeneriert gefunden (Pitres und Vaillard, Oppen¬
heim und Hiemerling, Goldscheider, Döjdrine, Westphal,
Gumpertz u. a.). Roux und Westphal haben sogar eine Be¬
teiligung der sympathischen Nervenfasern angenommen. Diese peri¬
pherische Neuritis findet sich nicht bei jedem Tabiker und so würde
sich die Tatsache, dass nicht alle Tabiker von Gelenkerkrankungen
befallen werden, hierdurch unschwer erklären lassen.
Bekanntlich war Klemm 66 ) der erste, welcher den Versuch
machte, den „trophischen Einfluss“ des Nervensystems wissenschaft¬
lich zu erklären. Ausgehend von dem Experimente Schiff’s, welcher
bei einem Kaninchen nach Reizung der sensiblen Nerven an den
Gefässen des Obres abwechselnd Kontraktion und Erweiterung beob¬
achtete, nahm er an, dass die sensiblen Nerven durch reflektorische
Verknüpfung mit den Vasomotoren eine gewisse Konstanz in der
Ernährung der Gewebe garantieren, sodass erhöhten Ansprüchen
auch durch erhöhten Blutzufluss Genüge geleistet werden kann.
Wird nun infolge der Degeneration der sensiblen Nerven dieser
Regulator der Ernährung gestört, so entstehen eben jene tro¬
phischen Störungen, wie Mal perforant, Arthropathie und Osteo¬
pathie.
Marinesco 80 ) ist sogar so weit gegangen, auf dieser Grund¬
lage die verschiedenen Formen der Arthropathien zu erklären. Er
nahm an, dass bei vollständigem Ausfall der centripetalen Nerven¬
bahnen die atrophische, bei partieller Degeneration infolge compen-
satorischer Hypertrophie der noch funktionsfähigen Fasern die hyper¬
trophische Form der Arthropathie zustande komme.
Einen vermittelnden Standpunkt zwischen den sich wider¬
sprechenden Theorien nimmt Büdinger 17 ) ein. Er hält die tabische
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Arthropathie für eine wahre Arthritis deformans, welche durch die
beeinträchtigte Funktion des Nervensystems verursacht wird. Er
weist zutreffend darauf hin, dass die erwähnten Degenerationen peri¬
pherer Nerven nicht nur bei Tabes, sondern auch bei vielen
chronischen Schwächezuständen infolge von Alkoholismus, Maras¬
mus senilis, Arteriosklerose, Anämie, Leukämie etc. gefunden werden,
d. h. bei Zuständen, welche in der Aetiologie der Arthritis deformans
eine wesentliche Rolle spielen (Redlich 104 )). Es lag daher die
Vermnthung sehr nahe, dass auch die Arthritis deformans
im allgemeinen durch abnorme nervöse Einflüsse verur¬
sacht wird. Diese Vermutung erschien um so mehr gerecht¬
fertigt, als auch bei der der Arthritis deformans sehr nahestehenden
Ostitis deformans ausgedehnte Degenerationen des Nervensystems
gefunden worden sind (Gilles de la Tourette, Marinesco).
Setzen wir die Richtigkeit dieser Theorie voraus, so würde
sich die Thatsache, dass atrophische Arthropathien bei der Arthritis
deformans niemals Vorkommen, aus der — allerdings hypothetischen
— Verschiedenartigkeit der Nervenläsion unschwer ableiten lassen
nnd damit ein Hauptargument derjenigen Autoren entkräftet werden,
welche die Indentität beider Prozesse bestreiten.
Auch Barth 8 ) führt den von ihm an Tabikergelenken ge¬
fundenen Knorpel- und Knochenschwund auf eine Ernährungsstörung
centralen Ursprungs zurück. Er erblickt, wie Büdinger, in der
tabischen Arthropathie eine Arthritis deformans, welche durch die
Tabes verursacht ist, und meint, dass solche Erklärung für den¬
jenigen nichts Befremdendes haben könne, welcher die Entstehung
von Arthritis deformans im allgemeinen auf eine Nervenläsion zu¬
rückführt. Auch Senator 121 ) hat auf die wichtigsten klinischen
Momente, welche für einen neurogenen Ursprung der Arthritis de¬
formans sprechen, schon früher hingewiesen.
Dabei erscheint die Frage, ob diese nervösen Störungen cen¬
traler oder peripherischer Natur sind, von relativ untergeordneter
Bedeutung. Sowohl nach rein centralen als auch nach rein periphe¬
rischen Nervenstörungen sind Arthropathien in einwandfreier Weise
konstatiert. Es scheint somit weniger auf die Lokalisation der Nerven¬
degeneration anzukommen, als vielmehr darauf, dass überhaupt eine
Schädigung nervöser Bahnen stattgefunden hat.
Unter solchen Umständen würde somit, wie Barth mit Recht
betont, für die weitere Forschung die Fragestellung ganz anders zu
lauten haben: Alle Erklärungsversuche der tabischen Arthropathien
sollten mit der Frage nach dem Wesen und der Entstehung der
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Arthritis deformans beginnen. „Denn so augenscheinlich es ist,
dass die bizarre Gestalt der Arthritis deformans im Bilde der tabischen
Arthropathie durch Ataxie und Analgesie im Sinne der traumatischen
Theorie herbeigeführt und begünstigt wird, so wenig ist über das
Wesen und die Entstehung der tabischen Arthropathien mit diesen
Schlagworten gesagt, wenn nicht eine Erklärung der Arthritis de¬
formans selbst gegeben wird.“ Erst wenn diese wichtige Vorfrage
gelöst ist, wird es möglich sein, festzustellen, auf welche Weise das
Krankheitsbild der Arthritis deformans bei Tabikern durch Analgesie.
Ataxie und andere Momente einen mehr oder weniger abweichenden
eigenartigen Verlauf nimmt. (Schius* folgt.)
Der Leberabscess.
Kritisches Sammelreferat auf Grund der Literatur von 1892 (inkl.) bis 1903.
Von Dr. Felix Perutz, Spezialarzt für Verdauungskrankheiten
in München.
(Abgeschlossen am I. Januar 1903.)
(Schluss.)
Handelt es sich darum, schon bei der Probepunktion festzu¬
stellen, ob eine Eiteransammlung oberhalb oder unterhalb des Zwerch¬
fells sitzt, so wird man nach Jendrassik’s Vorschlag ein Mano¬
meter am Potain’schen Apparat anbringen; in ersterem Falle wird
es bei der Inspiration sinken, bei der Exspiration steigen, in letz¬
terem das umgekehrte Verhalten zeigen. Doch kann auch dieses
Zeichen trügen.
Howard und Hover nahmen in einem Falle, wo mit Sicher¬
heit Leberabscess vorlag, ein Einströmen von Luft bei der Inspira¬
tion, ein Ausströmen bei der Exspiration wahr. Die Sektion zeigte
nun, dass die Leber mit dem Zwerchfell verwachsen und der Pleura¬
sack obliteriert war, so dass bei der Inspiration das Zwerchfell zu¬
sammen mit der Leber passiv nach oben gezogen worden war.
Husten, Atemnot, Auswurf, hektisches Fieber und starke Ab¬
magerung haben bei Leberabscessen schon zur irrtümlichen Auf¬
fassung einer Lungentuberkulose geführt. Die Untersuchung des
Sputums, das bei Verbindung zwischen Lunge und Abscesa Leber¬
zellen oder Amöben enthält, und das Fehlen von Krankheitserschei¬
nungen von seiten der Lungenspitzen werden meist eine Scheidung
ermöglichen. Doch weiss Boi net einen Fall zu citieren, bei dem
die Lunge durch einen Abscess in der Leberkuppe so emporge¬
drängt worden war, dass in der rechten Infraclaviculargrube am¬
phorisches Atmen und tympanitischer Schall auftraten, was zusammen
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mit den übrigen Symptomen die Diagnose Phthisis pulmonum fes¬
tigte; erst die Autopsie stellte die Sachlage klar.
Neben den Lungenerkrankungen sind es dann besonders die
fieberhaften Infektionskrankheiten, mit denen der Leberabscess im
Entwickelungsstadium verwechselt wird.
Mannaberg bekam einen Offizier in Behandlung, der plötz¬
lich erkrankt war und bei dem das remittierende Fieber ohne Lokal¬
symptome vier Wochen lang an eine kryptogene Infektion denken
Hess, bis das Auftreten einer Leberschwellung die Aufmerksamkeit
auf dieses Organ zog.
Zeigt die Fieberkurve einen kontinuierlichen Verlauf, so kann
bei schweren Allgemeinerscheinungen Typhus vorgetäuscht werden, um
so mehr, da auch die VidaFache Reaktion in diesen Fällen, wie
Kramm und Mc. Naught zeigten, unzuverlässige Resultate ergibt
(cf. auch Megele im Nachtrag). Kramm gelang es, durch Probe-
punktion die Lebereiterung nachzuweisen, Mc. Naught unterliess
sie, der Kranke starb.
In den Tropen oder dort, wo die bösartigen Formen des
Schwarzwasserfiebers (fifevre bilieuse haematurique) beobachtet werden,
gewahrt der Leberabscess bei stürmischem Einsetzen ein ähnliches
Bild. Doch ist nach Leblond und Boinet bei der erstgenannten
Krankheit das Fieber höher, die Schwere der Allgemeinerscheinungen
mehr ausgesprochen, der Icterus stärker, auch Schleimhautblutungen
sind meist vorhanden.
Nicht selten ist dagegen die Verwechslung mit Malaria und
Malariakachexie bei der chronischen Form des Leberabscesses, be¬
sonders wenn die Lokalsymptome gegen Blässe, Mattigkeit, zeit¬
weise Fieberattaquen mit Frösten und Schweissen zurücktreten.
Im Krankenbericht der niederländisch-indischen Armee (citiert
nach Beyfuss) wurden 1897 geführt:
4 Europäer, 1 Eingeborener mit Febris intermittens,
1 „ mit Febris remittens,
1 „ mit Anämie,
bei denen insgesamt die Sektion Leberabscesse als Todesursache
enthüllte.
Auch Rumjanzew 181 ) weiss über einen Fall von Leberabscess
zu berichten, der unter der Malariadiagnose zum tödlichen Ende ge¬
führt hatte.
Grosse Schwierigkeiten erwachsen der Diagnose, wie auch
Mannaberg betont, wenn wirklich Malaria vorausgegangen ist;
Pat. und Arzt sind dann geneigt, die Fieberanfälle, mit denen
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sich der Leberabscess einleitet, als Recidiv der früheren Krankheit
aufzufassen, und versuchen vergeblich, durch Klimawechsel etc. das
Uebel zu bekämpfen. Zur Sicherung der Diagnose ist hier neben
der Leber auch die Milz zu beachten, die bei Malaria meist erheb¬
lichere Grade von Vergrösserung bietet als bei Leberabscess.
Hassler und Boisson verweisen auf das von ihnen beschriebene
intrahepatische (?) Reibegeräusch, das sie in 100 Fällen von Leber-
vergrösserung bei Malaria vermisst, dagegen in einem Falle von
Leberabscess wahrgenommen haben. Vor allem aber ist grosser
Wert auf die Blutuntersuchung zu legen.
Plasmodiennachweis spricht für Malaria, eine Vermehrung der
Leukocyten auch ausserhalb des Anfalls und der positive Ausfall
der Glykogenreaktion (Mannaberg) für Leberabscess.
Zur genauen Auskunft wird man der Probepunktion nicht ent-
raten können.
Bei der Hepatitis nach Dysenterie sind Lebervergrösserung,
Schmerzen und Fieber vorhanden, doch sollen im Gegensatz zum
Leberabscess die schwereren Symptome, mit denen diese Erkrankung
einsetzt, nach einigen Tagen zurückgehen (Remlinger, Boinet).
Damit allein ist eine sichere Scheidung häufig nicht zu treffen.
Bei Cayley brach in einem Falle, der als Hepatitis angesehen
wurde, später doch ein Abscess in die Lunge durch, ebenso bei
Walter. Klarheit gibt hier nur die Punktion. Wird mit ihr eine
Blutentziehung verbunden, so folgt bei Hepatitis diesem Eingriff
sofortiger Nachlass der Beschwerden, häufig Heilung, so dass also
ex jnvantibus hier die Diagnose gestellt werden kann.
Einen seltenen Fall von Leberlues, die mit Schüttel¬
frösten, intermittierendem Fieber und beträchtlicher Grössenzunahme
des Organs verbunden war, hat Mannaberg veröffentlicht Die
längere Dauer des Leidens, die anamnestischen Angaben, in erster
Linie aber der Erfolg von Jodkalium Hessen dabei den Verdacht einer
Eiteransammlung in der Leber zurücktreten.
Eine Verwechslung mit Lebercarcinom ist Smits bei einem
60 jährigen Manne mit HinbUck auf das Alter und den fieberlosen
Verlauf passiert; die Sektion ergab, dass die Lebervergrösserung
und die rasch fortschreitende Kachexie in einem grossen Abscess
ihre Ursache gehabt hatten.
G'al lensteinan fälle werden sich in vielen Fällen durch
Anamnese, Druckempfindlichkeit der Gallenblase und raschen Ab¬
lauf der schwereren Symptome vom Leberabscess unterscheiden. Das
Bestehenbleiben von Icterus und Fieber wird an Choledochns-
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Verschluss mit Cholangitis denken lassen, erst die Operation deckt
unter Umstanden, wie bei Wilms, das Vorhandensein von Leber-
abscessen auf.
Um zu erkennen, ob das intermittierende Gallenfieber bei
Cboledochusverschluss auf schleimigen Katarrh oder eitrige Erkran¬
kung der Gallenwege und Leberabscess zurückzuführen sei, schlägt
Pick 159 ) vor, das Verhalten der Leukocyten zu prüfen; dieselben
sollen im ersteren Falle nur im Fieber, im letzteren auch in der
Zwischenzeit vermehrt sein. Doch ist auch dies kein verlässliches
Kriterium, da bei Invasion sehr virulenter Keime die Leukocyten-
vermehrung im Anfall selbst fehlt.
Schliesslich lehrt eine Beobachtung von Walter, dass ein
Leberabscess der Unterfläche des rechten Lappens sogar einen
pyelonephritischen Sack vortauschen kann.
Es handelte sich dabei um eine Patientin, die früher eine
schwere Cystitis durchgemacht hatte und bei der nun eine Vorwölbung
in der Lendengegend aufgetreten war. Bei bimanueller Untersuchung
war in der Tiefe unterhalb des Leberrandes und von diesem durch
das Querkolon getrennt ein Tumor zu fühlen, der sich gegen die
hinten angelegte Hand andrangen Hess. Diagnose: Pyelonephritis.
Operation: tief herabreichender Abscess der hinteren und unteren
Partie des rechten Leberlappens.
Prophylaxe.
Die wirksamste Prophylaxe der dysenterischen Leberabscesse
beruht in der Bekämpfung des epidemischen Auftretens der Dysen¬
terie. Ihre Erreger scheinen mit verunreinigtem Trinkwasser auf¬
genommen zu werden, wenigstens war in den letzten Jahren in Indien
mit der Besserung der Wasserversorgung ein Rückgang der Erkran¬
kungen an Dysenterie und Leberabscess zu beobachten (Windsor).
Auch Schweiger konnte dies in Travnik nach Anlage einer neuen
Wasserleitung feststellen. Daneben ist der persönlichen Prophylaxe
durch Mässigkeit im Alkoholgenuss, Vermeidung einer stark ge¬
würzten, allzu üppigen Ernährung etc. Rechnung zu tragen.
Im Falle einer Erkrankung an Dysenterie gewährt nach Kar-
tulis 9 *) Erfahrungen eine gründliche Behandlung derselben die beste
Aussicht, vom Leberabscess verschont zu bleiben. Perthes und
Kramm sahen im Chinafeldzug im Anschluss an grosse Märsche
oder Ritte die ersten Symptome der Lebereiterung auftreten. Solche
körperliche Anstrengungen sind daher, solange Spuren der Dysenterie
zurückgeblieben sind, nach Thunlichkeit zu meiden.
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Ist ein Leberabscess durch Operation zur Heilung gekommen,
so begünstigt der Aufenthalt in den Tropen oder die Rückkehr
dorthin vor Ablauf von zwei Jahren nach Marshai] die Gefahr eines
Recidivs.
Für die Leberabscesse nach Appendicitis liegt das beste Vor¬
beugungsmittel in einer möglichst frühen operativen Inangriffnahme
der letzteren, für die Dieulafoy eben aus diesem Grunde mit
Entschiedenheit eintritt. Doch abgesehen von den hier noch herr¬
schenden Streitfragen werden die latent oder mit sehr undeutlichen
Symptomen verlaufenden Formen der Appendicitis ein rechtzeitiges
Eingreifen manchmal vereiteln.
Bei Cholelithiasis befinden wir uns in einer besseren Lage.
Die Stellung der Chirurgen, beim chronischen Choledochus-
verschluss die operative Behandlung nicht länger als sechs bis acht
Wochen aufzuschieben, scheint sich auch in anderen Kreisen wach¬
sende Anerkennung zu verschaffen (cf. Sitzg. des Vereins f. i. M.
in Berlin vom 12. u. 19. Jan. 1903) und wird in manchen Fällen
eine aufsteigende Infektion der Galleuwege zu verhüten imstande
sein.
Kommt es aber doch zu derselben, so schliesst dies, nach
Kehr’s Beispiel und Erfolgen, für viele Operateure die Indikation
zum baldigen Eingreifen in sich; Choledochotomie und Hepaticus-
drainage vermögen dann noch die Ausbreitung der Infektion auf
das Lebergewebe hintanzuhalten.
Therapie.
Die Behandlung des Leberabscesses ist eine rein chirurgische.
Beim Abscess nach Dysenterie kann wohl die vorausgehende oder
begleitende Hepatitis durch Salina, hydropathische Umschläge etc.
beeinflusst werden (Steudel, Kramm), doch ist damit nicht zuviel
Zeit zu verlieren. „Exspecting treatement cannot be too strongly
condamned“, sagt Cantlie.
Ratsamer ist es daher, möglichst bald mit der Punktionsnadel
nach einem vorhandenen Abscess zu suchen, umsomehr, als dieses
Vorgehen, wie erwähnt, zugleich die beste Behandlungsmethode für
die Hepatitis darbietet.
Was die Indikation zum Eingreifen betrifft, so ist dieselbe
nach dem früher Auseinandergesetzten unverzüglich zu stellen, so;
bald die Probepunktion Eiter ergeben hat, ferner, wenn eine unter
mehr oder weuiger deutlichen Zeichen der Infektion entstandene Vor¬
wölbung oder fluktuierende Geschwulst im Epigastrium eine Eiter¬
ansammlung anzuneluncu berechtigt.
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Original frn-m
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863
Als Operationsmethoden kommen in Betracht die Aspiration,
Punktionsdrainage und die breite Eröffnung durch Incision.
Die Punktion und Aspiration des Eiters mittels Potain’schen
Apparates ist die unzureichendste und deshalb auch fast ganz ver¬
lassene Art der Entleerung.
Kleinere Abscesse können danach wohl manchmal in Heilung
übergehen. Kramm wenigstens hat in einem Falle, als er der positiv
ausgefallenen Probepunktion einige Tage später die breite Eröffnung
anschloss, einen Abscess nicht mehr auffinden können und Heilung
beobachtet; ebenso berichtet Clarke® 8 ) über einen Erfolg der Punktion
und Aspiration.
Dem stehen aber die Beobachtungen gegenüber von Nicol 144 ),
von Wyssmann und Grippeling, die nach zweimal wiederholter
Aspiration die Heilung erst nach Incision erzielen konnten, von
Johnston, der von 11 Fällen 10, von Paul, der zwei, von Mori-
son, der einen Fall trotz wiederholter Aspiration verlor 147 ).
Oefele’s Empfehlung, mit einer kleinen Spritze den Eiter an¬
zusaugen und zur Verdünnung desselben immer wieder Kamillentbee
in die Abscesshöhle einzuspritzen, hat begreiflicher Weise keine
Nachahmer gefunden.
Bei der Punktionsdrainage wird nach der Probepunktion die
Nadel durch einen stärkeren Troikart ersetzt; an die Stelle der
Troikartcanüle wird nach einigen Tagen ein Drainagerohr in die
Abscesshöhle geschoben (Näheres über dieses Verfahren siehe bei
Langenbuch und Madelung).
Die Methode hat ihre entschiedensten Verfechter in England.
Vor allem tritt Cantlie aufs wärmste für sie beim tropischen Abs¬
cess ein und wird darin von Mc. Leod und Manson unterstützt.
Er rühmt die relative Einfachheit gegenüber dem Schnittverfahren;
die Infektionsmöglichkeit von Pleura und Bauchraum sei dabei ge¬
ringer!?) und in ihren Erfolgen stehe sie gegen jene nicht zurück,
die von Cayley, Johnston, Godlee u. a. empfohlen wird.
In Frankreich bevorzugt man im allgemeinen die breite Incision
(Fontan, Walter, Loison u. a.). Zancarol hat 100 Fälle mit
Punktionsdrainage behandelt; von 91 zu Ende beobachteten starben
73, die meisten davon waren solitäre Abscesse.
In Deutschland hat sich die Punktionsdrainage wenig einge¬
bürgert. Körte hat sie einmal bei einer bereits hochgradig erschöpften
Patientin angewendet, der Tod trat an multiplen Abscessen ein.
Israel 85 ) war 1892 geneigt, sie auf Grund zweier günstig verlaufener
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864
Fälle zu empfehlen, nicht ohne dabei bei Langenbuch und ßotter
auf Widerspruch zu stossen.
Hoepfel 80 ) hat nach Punktion und Drainage mit Nelaton-
katheter eine sehr verzögerte Heilung gesehen.
Smits ist nach seinen Erfahrungen in Niederländisch-lndieu
Gegner dieser Methode, ebenso Perthes, der betont, dass die grossen
Lebersequester, die sich häufig nach Eröffnung abstossen, schwerlich
ihren Weg durch die verhältnismässig kleine Punktionsöffnung
nehmen können.
Bei der breiten Incision des Abscesses wird man je nach seiner
Lage die Laparotomie oder die Rippenresektion mit Durchquerung
der Pleurahöhle wählen müssen.
Little’s Methode, mit einem durch alle Schichten geführten
Schnitt den Abscess zu eröffnen, bat bereits bei Langenbuch und
Madelung die entsprechende Würdigung erfahren; auch von franzö¬
sischer Seite (Lafoucade, Richelot) ist dieses Vorgehen als Coup
de 6abre bezeichnet und als unchirurgisch verworfen worden. Wenn
Peyrot 156 ) 1892 auf Grund einer Operation, bei der das Einfliessen
des sterilen Lebereiters in die Bauchhöhle von keinen nachteiligen
Folgen begleitet war, noch geneigt ist, diese Möglichkeit als unbe¬
denklich anzusehen, so hat sich auch hierin im Laufe der nächsten
Jahre bei den Franzosen eine Wandlung der Ansichten vollzogen, die
anlässlich der Debatte über die Behandlung des Leberabscesses in
der Pariser chirurgischen Gesellschaft zum Ausdruck kam. Riche¬
lot, Potherat 160 ), Walter äusserten sich damals übereinstimmend
dahin, dass man den Eiter als virulent betrachten und daher Pleura
wie Peritoneum aufs sorgfältigste vor ihm schützen müsse. Bestehen
Verwachsungen zwischen Leber und Peritoneum oder zwischen Leber
und Zwerchfell einer- und den Pleurablättern andererseits, so kann
der Abscess freilich ohne weitere Gefahr incidiert werden. Doch
gibt uns weder das längere Bestehen eines Abscesses, noch selbst
das Auftreten von circumscriptem Oedem oder Rötung der Haut
Gewähr dafür, dass Verklebungen bestehen (Johnston). Erst die
Operation wird darüber aufklären.
Beim Fehlen von Verwachsungen kann man zweizeitig Vor¬
gehen und die Eröffnung des Abscesses erst nach einigen Tagen
vornehmen, wenn die Tamponade zu einem Abschluss gegen die
Umgebung geführt hat In dieser Weise haben Sonnenburg,
Schweiger, Smits, Kramm u. a. operiert
Das Hinausschieben der Eröffnung des Abscesses bedeutet
aber, wie Perthes hervorhebt, nicht bloss eine Verlängerung des
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Ö65
Leidens für den meist schwer erkrankten Patienten, sondern auch
bei rasch wachsenden Abscessen eine gewisse Gefahr. Hart erlebte
eine tödliche Peritonitis nach Sprengung der zarten Verwachsungen
durch einen Hustenstoss.
Mehr bevorzugt wird die einzeitige Eröffnung. Die Sicherung
der Pleurahöhle vor Infektion geschieht hier durch Vemähung der
durchtrennten Pleurablatter (Langenbuch, Smits, Johnston,
Walter) oder durch Naht der äusseren Muskelplatte des Dia¬
phragmas an die Pleura parietalis (Fontan, Perthes, Godlee u.a.).
Wird diese Vorsichtsmassregel unterlassen, so kann es, wie bei
Makarytschew, zum Empyem mit tödlichem Ausgang kommen.
Des weitern muss nach Durchtrennung des Diaphragmas eine Ver-
nähung der Leber mit dem Peritoneum parietale vorgenommen werden.
In einem Fall, den Lipstein beschreibt, wo dies übersehen wurde,
trat Peritonitis ein.
Beim Vorgeben auf abdominalem Wege ist der Schutz der
Bauchhöhle durch Umstopfen (Körte) oder hepato-peritoneale Naht
anzustreben (Langenbuch, Smits, Kramm). Derselben geht zweck¬
mässiger Weise eine Entleerung des Abscesses durch Aspiration
voraus; dann wird bei nicht an der Oberfläche der Leber gelegenen
Abscessen die Durchtrennung des Lebergewebes mit Messer oder
Glüheisen vorgenommen.
Ausspülungen der Abscesshöhle werden von Walter, von
Johnston a. a. empfohlen; Fontan befürwortet aufs wärmste eine
vorsichtige Ausschabung derselben. Sie ist in Deutschland bis jetzt nie
angewendet worden und hat auch in Frankreich bei Fargandel 56 ) u. a.
trotz der guten Erfolge von Fontan geteilte Aufnahme gefunden.
Was die Behandlung der Komplikationen betrifft, so raten Mc.
Leod 1 * 8 ) und Godlee für den Fall, dass nach Durchbruch in die Lunge
sich die Heilung nicht einstellen will, den Lungenherd operativ anzu¬
greifen; manchmal schliesst sich dann der ursprüngliche Eiterherd
in der Leber von selbst. Goebel 70 ) musste einmal, um eine der¬
artig eröffnete grosse Lungenhöhle zur Heilung zu bringen, die
Thorakoplastik nach Schede vornehmen.
Ueber einen Fall, bei dem eine Verbindung des incidierten
Leberabscesses mit dem Darm bestand, berichtet Maasland 1 * 1 ). Die
Heilung der Wunde wurde hier durch das Einfliessen des Kots aus
der Darmfistel solange geBtört, bis nach Anlegung eines Anus praeter¬
naturalis das mit der Leberhöhle kommunizierende Dickdarmstück
ausgeschaltet wurde.
Centralblatt t. d. Gr. d. Med. a. Chir. VI. 55
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— 860 —
Eine Uebersicht über die Erfolge der operativen Behandlung
soll im nachstehenden an der Hand von 182 aus der Literatur der
letzten 10 Jahre gesammelten Fälle gegeben werden.
Da der Kaum keine tabellarische Aufstellung erlaubte, so mag
die Angabe genügen, dass die Sammlung neben den von den
deutschen Autoren operierten Fällen, die von Fontan, Walter,
Richelot, Loison, Lafoucade, von Godlee, Windsor, John-
ston behandelten umfasst. Um ein nach Möglichkeit gleichwertiges
Material zu bekommen, habe ich nur diejenigen Beobachtungen ein¬
bezogen, bei denen ich mich im Original oder im Referat überzeugen
konnte, dass mit Beachtung aller Kautelen der modernen Abdominal-
chirurgie vorgegangen worden wor.
Aus diesem Grunde habe ich die 72 von Giordano 67 ) ebenso
wie die 184 von Zancarol Operierten nicht aufgenommen.
Letzterer versucht bei der einzeitigen Operation ein Einfliessen
von Abscessinhalt in die Bauchhöhle durch festes Anpressen der
Wundränder an die Leber zu verhindern (!). Von 115 Abscessen des
rechten Lappens, bei denen er alle Schichten mit dem Thermokauter
durchtrennte, wurden 54 geheilt, 57 =49°/ 0 starben (46mal konnte
die Sektion vorgenommen werden und ergab 32 mal multiple Ab¬
scesse). In weiteren 69 Fällen (darunter 30 Abscesse des linken
Lappens), die mit dem Messer behandelt wurden, erzielte er 28
Heilungen, 41 Todesfälle — 59 °/ 0 .
Giordano sucht mit einem mit Gaze umwickelten Finger den
Abscess in der Leber auf und eröffnet ihn stumpf mit dem Finger, in¬
dem er das Peritoneum durch Umstopfung vor dem Einfliessen von
Eiter sichert. Von 72 Fällen hat er 42 geheilt, 30 = 41,6 °/o verloren.
Von den 182 von mir gesammelten Fällen wurden geheilt
138, gestorben sind 44 = 24°/ 0 .
Davon wurden operiert:
geheilt gestorben
Abdominal .... 48 35 13
Transpleural .... 132 101 31
Nach Lannelongue .2 2 —
In 25 Fällen bestanden bei der Operation bereits Komplika¬
tionen mit subphrenischem Abscess, mit Empyem oder mit Durch¬
bruch in die Lunge, 17 Fälle davon starben, 8 wurden geheilt.
In sieben Fällen wurde mehr als ein Eingriff an der Leber
vorgenommen; davon starben drei, bei vier trat Heilung ein. Bei
zweien derselben waren zwei Abscesse nacheinander eröffnet worden
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867
(Berndt, Walter), bei einem drei (Richelot), bei einem vier
(Kerkhoff).
Nur in drei Fällen wurde der ungünstige Ausgang durch eine
durch die Operation hervorgerufene Infektion beschleunigt, und zwar
einmal durch Empyem (Makarytschew), zweimal durch Perito¬
nitis. Doch bestanden in den beiden letzten vonLipstein angeführten
Beobachtungen ausserdem Pylephlebitis und multiple Abscesse, die
auch bei Vermeidung der Iufektion zum Tode geführt hätten.
In den übrigen '21 letal verlaufenen Fällen war der Tod durch
Erschöpfung, durch multiple Abscesse in der Leber oder durch
Metastasen in den anderen Organen bedingt.
Scheiden wir bei der weiteren Betrachtung die 182 Fälle nach
den hauptsächlichen ätiologischen Faktoren, so ist bei 147 Dysenterie
vorausgegangen oder wenigstens, nach dem eingangs Erörterten, in
der Mehrzahl als verursachendes Moment zu vermuten.
Von diesen 147 Fällen starben 32 = 21,7°/ 0 . Als Todes¬
ursache ist in erster Linie das Vorhandensein multipler Abscesse in
der Leber selbst, an zweiter Stelle das Bestehen von Komplikationen
von seiten der Nachbarorgane zu betrachten. Mehrere Fälle wurden
trotz multipler Abscesse in der Leber geheilt, entweder durch mehrere
operative Eingriffe oder dadurch, dass die noch vorhandenen Ab¬
scesse in den bereits eröffneten durchbrachen und sich auf diese Weise
entleerten (Windsor, Johnston, Krnram). Die Mortalitatsziffer
von 21% entspricht ungefähr Cantlie’s Angaben, der dieselbe
zwischen 20 und 25 % annimmt.
Wenn Haasler angesichts der ausgedehnten Zerstörungen in
der Leber, die er an seinem Leichenmaterial sah, glaubt, dass die
Abscesse bei Dysenterie einer erfolgreichen chirurgischen Behand¬
lung nicht wohl zugänglich wären, so dürfte sein Skepticismus doch
viel zu weit gehen.
In kleineren Beobachtungsreihen einzelner Chirurgen kann die
obenerwähnte Prozentzahl weit geringer sein, so bei Smits, der
von 21 Patienten nur drei verlor, oder gar bei Fon tan, der unter
52 Operierten nur vier Todesfälle hatte.
Schweiger dagegen, der die Fälle meist im vorgerückten
Stadium und häufig kompliziert mit Durchbruch in die Lunge oder
Pleura zur Operation bekam, konnte von 11 Operierten nur drei
retten.
Von Leberabscessen, die im Gefolge der Cholelithiasis oder nach
Infektion der Gallenwege aufgetreten sind, wurden sechs geheilt,
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darunter ein Fall mit multiplen Abscessen (Wilma); eine Patientin
starb an ausgedehnter Eiterung in der Leber.
Von den 10 operierten Leberabscessen nach Appendicitis
wurden drei Patienten durch die Operation geheilt.
In sechs Fällen war die ungünstige Verbindung mit Pylephle-
bitis vorhanden, es bestanden neben den die Leber durchsetzenden
Abscessen auch sonst noch im Wurzelgebiet der Pfortader Eiter¬
ansammlungen.
Bei den drei geheilten Fällen existierte nur ein Abscess in der
Leber. Diese von Körte, Sonnenburg, Loisou als besonderer
Glücksfall hervorgehobene Wendung scheint bei der selteneren
Infektion der Leber durch Fortleitung der Eiterung im retrocöcalen
Gewebe einzutreten. Doch verlief auch ein Fall der Art tödlich,
indem es durch weiteres Hinaufsteigen der Infektion auch zur Bil¬
dung zahlreicher Abscesse im prävertebralen Gewebe gekommen war.
Die übrigen 18 Fälle verteilen sich abzüglich der drei post¬
typhösen geheilten Leberabscesse (Berndt, Swain, Perthes) auf
Abscesse unklaren Ursprungs unserer Breiten, auf solche nach
Trauma, Ascarisinfektion und im Verlauf der chronischen Pyärnie
aufgetretene.
Von diesen 15 Fällen wurden 11 geheilt, 4 starben.
Was im vorstehenden die Betrachtung der Literatur der letzten
10 Jahre an älteren wie neueren Thatsachen hauptsächlich ergeben
hat, lässt sich zum Schluss nochmals kurz in folgende Sätze zu¬
sammenfassen :
Als Ursache der in den Tropen, aber auch in ge¬
mässigt warmen Gegenden (Bosnien, Südfrankreich) vor¬
kommenden Leberabscesse ist wohl in den meisten Fälleu
die Amöbendysenterie anzusehen.
Die grossen solitären Abscesse entstehen wahrschein¬
lich durch Konfluieren mehrerer kleiner Abscesse.
Neben den anderen Symptomen bildet die Feststel¬
lung der LeukocytenVermehrung ein wertvolles diagnosti¬
sches Hilfsmittel ebenso die Durchleuchtung mit Röntgen¬
strahlen.
Zur Sicherung der Diagnose dient die frühzeitige
Probepunktion. Dieselbe ist ein ungefährlicher Eingriff.
Zeigt sich das Vorhandensein eines Abscesses schon durch
eine Vorwölbung an, so kann mau von ihr absehen. Be-
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sonders ist dies wünschenswert bei Abscessen des linken
Lappens und in der Nähe des Leberrandes.
Der Probepunktiou ist sogleich die Eröffnung des Ab-
scesses anzuschliessen.
Die beste Operationsraethode ist die breite einzeitige
Eröffnung. Nur bei sehr geschwächten Personen und
unter ungünstigen äusseren Verhältnissen kann die Punk¬
tionsdrainage in Frage kommen.
Die Erfolge sind beim dysenterischen Abscess und
bei den im Gefolge der Cholelithiasis auftretenden Eiter¬
ansammlungen gut; sie werden um so besser, je eher die
Diagnose gestellt und die Operation vorgenommen wird.
Die Abscesse nach Appendicitis geben wegen der
häufigen Verbindung mit eitriger Pfortaderthrombose im
allgemeinen eine ungünstige Prognose.
Die operative Behandlung der Nephritis.
Sammelreferat von Dr. Wilhelm Klink (Berlin).
(Fortsetzung statt S:hluss.)
Als Gustav Simon vor reichlich 80 Jahren nach wohlüber¬
legtem Operationsplan die erste Nierenexstirpation ausführte, da
war sich jeder Arzt klar, dass nun für die Nierenchirurgie eine
neue Aera gekommen sei. Aber selbst der kühnste Chirurg hat da¬
mals nicht gedacht, dass so bald die chirurgische Behandlung der
Bright’schen Nierenkrankheit zur Diskussion stehen würde. Die Be¬
handlung der Cholelithiasis, Nephrolithiasis, der Perityphlitis und vieler
anderer früher dem Internisten zufallenden Krankheiten sucht die
Chirurgie, gestützt auf Anti- und Asepsis und auf vervollkommuete
Technik, in ihren Machtbereich zu ziehen. So macht sie sich jetzt
auch an die Nephritis, die doch seit alters dem Internisten niemals
streitig gemacht wurde. Wenn auch die Nierenchirurgie jetzt unter
dem Zeichen des Konservativismus steht, so ist es doch Aufgabe des
Internisten wie auch des Chirurgen, in jedem einzelnen Fall genaue
Indikationen zu stellen, da niemand leichter übermütig wird, als
der erfolgreiche Chirurg. Zum Glück sind schon jetzt die Unter¬
suchungsmethoden so weit vervollkommnet, dass man mit mehr als
mit Wahrscheinlichkeit sich sagen kann, ob man einen Erfolg von
einer Operation haben wird oder nicht.
Eine Nierenoperation mit der Absicht, therapeutisch auf eine
bestehende Nephritis, im Sinne des Morbus Brightii aufgefasst,
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einzuwirken, haben bisher nur Edebohls und Kümmell und Pous-
son unternommen. In den übrigen Fällen handelte es sich um Ne¬
phritiden, die bei der Operation gefunden wurden, die auf eine falsche
Diagnose hin, wie Nierenstein, Neubildung, Tuberkulose, essentielle
Nierenblutung etc. unternommen wurde. Aus diesem Grunde mussten
auch die „essentielle Hämaturie, renale Hämophilie, neuropathische
Nierenblutung, Nephralgie h&naturique“, verschiedene Bezeichnungen
für dasselbe Krankheitsbild, mit in die Besprechung gezogen werden.
Sehr zurückhaltend müssen wir einstweilen mit operativem Vor¬
gehen bei der akuten Nephritis sein. Wenn wir auch wissen, dass
eine Reihe von akuten Nephritiden in die chronische Form übergehen
kann, so ist doch sicher, dass der weitaus grösste Teil sowohl
primärer, als auch sekundärer akuter Nephritiden in Heilung bei
innerer ^Behandlung übergeht. Die schwere Wassersucht, sowohl an
der Oberfläche, als in den Höhlen des Körpers, kann ja im Notfall
Gegenstand chirurgischer Behandlung bei innerer Behandlung werden,
ohne dass die Nieren selbst dem Messer anheimfallen. Anders schon
liegt die Sache, wenn urämische Symptome infolge Oligurie oder
gar Anurie eintreten: wenn wir auch wissen, dass die schwersten
urämischen Symptome, namentlich bei Kindern, zurückgehen können,
so wissen wir doch auch, dass sie zum Tode führen können und
dass eine rechtzeitig ausgeführte Nierenspaltung hier lebensrettend
wirken kann. Leider ist die Zahl der hierher gehörenden chirurgisch
behandelten Fälle noch zu klein, um ein entscheidendes Urteil zu
fällen. In den Fällen Harrison's war die Operation auf Grund
falscher Diagnose ausgeführt; sie lagen nicht so, dass man nicht
annehmen konnte, sie wären ohne Operation gesund geworden.
Ganz anders steht es mit der chronischen Nephritis. Hier ist
eine Heilung unter die Seltenheiten zu rechnen und für die paren¬
chymatöse Form gilt das Wort v. Jürgensen’s, dass alles in allem
der Tod der sichere Ausgang ist, sobald die Krankheit ein Jahr
und darüber gedauert hat, während bei der interstitiellen Form eine
Heilung völlig ausgeschlossen ist. Wenn uns hier die Erfahrung
lehrt, dass wir durch chirurgisches Einschreiten eine Heilung oder
wenigstens eine erhebliche und anhaltende Besserung der Krankheit
herbeiführen können, so müssen wir das als einen ungeheuren Fort¬
schritt in der Behandlung der Nephritis betrachten, wenn wir an
das Siechtum und die Qualen des chronischen Nephritikers denken.
Bei der Beurteilung des Erfolges der Operation dürfen wir aller¬
dings nicht vergessen, dass der Verlauf einer interstitiellen Nephritis
Jahrzehnte dauern kann und die Träger derselben sich während dieser
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Zeit bei zweckmässiger Lebensweise verhältnismässig wohl befinden
können.
Bei der Frage der chirurgischen Behandlung der Nephritis ist
auch die Frage viel erörtert worden, ob es eine einseitige Nephritis
gibt, während die andere Niere gesund ist. Die Fälle, die hierfür
als Beweis angeführt sind, sind nicht stichhältig. Senator, wohl
unser zuverlässigster Gewährsmann auf dem Gebiete der Nierener¬
krankungen, sowohl was Erfahrung als nüchterne Beurteilung anbe¬
trifft, ist der Ansicht, dass eine Nephritis im Sinne der Bright’schen
Krankheit nur beiderseitig vorkommt. Von den Chirurgen schliesst
sich Kümmell, dem wir so viel auf dem Gebiet der modernen
Nierenchirurgie und-Diagnostik verdanken, dieser Ansicht Senators
an. Seit der Einführung des Ureterenkatheterismus in die Dia¬
gnostik der Nierenerkrankungen können wir schon intra vitam uns
ein recht gutes Bild von der Funktionsfähigkeit und indirekt von
der anatomischen Beschaffenheit jeder der beiden Nieren machen.
Die Diagnosenstellung ist gegen früher bedeutend verfeinert
durch Einführung neuer chemischer und physikalischer Untersuchungs¬
methoden und durch Vervollkommnung der Technik. Heute genügt
nicht mehr die Feststellung der Reaktion und der Menge sowie des
spezifischen Gewichtes des Urins, die Feststellung der Anwesenheit
von Eiweiss, Blut, Eiter, geformten Elementen der Niere, Cylindern
u. s. w., heute gehören zu einer genauen Diagnosestellung Feststellung
des Gefrierpunktes des Blutes, Cystoskopie, Ureterenkatherismus mit
genauer Untersuchung, quantitativ und qualitativ, des Urins jeder
einzelnen Niere, sowie Bestimmung von dessen Gefrierpunkt, Fest¬
stellung des Verhaltens jeder Niere gegenüber Methylenblau und
Phloridzin, bakteriologische Untersuchung des Urins. Die genauesten
Untersuchungen auf diesem Gebiet und zahlreiche wertvolle Be¬
reicherungen haben wir Kümmell zu verdanken.
In der Indikationsstellung zur Operation geht am weitesten
Edebohls, der seine Ansicht folgendermassen zusammenfasst:
„Vorläufig würde ich jeden Patienten mit Morbus Brightii operieren,
vorausgesetzt, dass er keine unheilbare Komplikation hat, dass er
eine Narkose ertragen kann und dass er ohne Operation voraus¬
sichtlich noch mindestens einen Monat zu leben vermag.“ Wir
nehmen an, dass die übrigen amerikanischen Chirurgen diese An¬
sicht von Edebohls nicht teilen. Sie erinnert etwas an die Zeit,
da man voller Freude über die Möglichkeit, eine Niere exstirpieren
zu können, jede bewegliche Niere entfernte. Edebohls gegenüber
steht Schmieden, der eine einfache Nephritis nicht chirurgisch
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behandelt wissen will. Die grösste Einigkeit herrscht in der An¬
sicht, dass starke Verminderung bis völlige Aufhebung der Harn¬
absonderung bei akuter oder chronischer Nephritis Indikation zu
chirurgischem Einschreiten abgeben kann; diesen Standpunkt vertreten
Cousins, Harrison, Klcmperer, Lennander, Pel, Senator. —
Korteweg und Naunyn sehen in der gesteigerten intrarenalen
Spannung eine Indikation zum chirurgischen Vorgehen. Dem fügen
Harrison und Lennander als Indikation hinzu, dass eine akute
Nephritis Miene macht, chronisch zu werden, oder dass von Seiten
des Cirkulationsapparates Störungen auftreten.
Was die Operationsmethode bei Nephritis anbetrifft, so ist
eines von vornherein wohl heute nicht mehr zweifelhaft, das ist:
e6 darf wegen Nephritis keine Niere entfernt werden. Man darf
die Menge des noch sekretionsfähigen Gewebes nicht noch ver¬
mindern, man sollte viel eher noch eine dritte Niere einpflanzen.
Man wird durch eine der verschiedenen Schnittfübrungen sich die
Niere möglichst freilegen. Darauf wird sie aus ihrer Fettkapsel
recht vorsichtig ausgeschält, ohne jede Gewalt anzuwenden. Dies
ist manchmal wegen der festen Verwachsung sehr schwierig. Die
ausgelöste Niere wird dann aus ihrem Bett luxiert und vor die
Wunde gebracht. Nach Kompression des Stieles wird die fibröse
Kapsel auf der Konvexität gespalten. Steht die Niere unter hoher
Spannung, klafft der Schnitt und quillt das Parenchym hervor, so
wird diese einfache Kapselspaltung oft sehr gut wirken. Ist die
Diagnose nicht ganz sicher gestellt, so wird man die Spaltung der
Niere durch den Sektionsschnitt nicht umgehen können. Zeigen die
Schnittfläche, Nierenbecken und Ureter nichts Abnormes, so kann
die Niere wieder vernäht werden. Bei Anurie muss die Niere ge¬
spalten werden, auch wenn die Niere nicht abnorm gespannt ist,
und der Schnitt ist offen zu lassen. Die oft hiernach einseteende
Harnflut aus der Wunde zeigte die Berechtigung der Operation.
Steht die Diagnose Nephritis sicher, so kann man nach dem Vor¬
gehen von Ede.bohls die Kapsel spalten, bis zum Hilus loslösen
und resezieren und die Niere in die Capsula adiposa zurückbetten.
Statt die Capsula fibrosa zu entfernen, kann man sich auch damit
begnügen, die Niere aus ihr auszuschälen. Statt der Nierenspaltung
kommen noch mehrfache Akupunkturen in Betracht. Zur Berechti¬
gung der Exstirpation einer Niere hat man angeführt, dass die andere
Niere noch gesund sein könne und dass sie durch sympathischen
Einfluss auch erkranken würde, wenn die kranke nicht entfernt
würde. Dass eine reflektorische Beziehung zwischen beiden Nieren
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besteht, ist sicher festgestellt, doch wird man die Exstirpation einer
nephritischen Niere aus diesem Grunde solange nicht entschuldigen
können, als das Vorkommen einer einseitigen Nephritis nicht sicher
nachgewiesen ist
Bei allen Operationen an der Niere sind Antiseptica zu vermeiden,
da sie das Nierengewebe sehr schädigen, auch wird es von Chloro¬
form nachteilig beeinflusst; man wird deshalb zweckmässig Aether
zur Narkose verwenden oder eventuell Cocainisierung des Rücken-
raarks ausfuhren. Eine der ersten Bedingungen ist, dass schnell
operiert wird, damit die Narkose möglichst kurz dauert
Operationen an der Niere zur therapeutischen Beeinflussung einer
diagnostizierten Nephritis sind in erster Linie von Edebohls aus¬
geführt Leider lassen seine Krankengeschichten an Oberflächlich¬
keit nichts zu wünschen übrig. Die Anamnese besagt meist nur:
Seit so und so lange Nephritis festgestellt, bisweilen sogar „zufällig
entdeckt“: CJeber die Beschaffenheit des Urins fehlt jede Angabe,
desgleichen über den Zustand des Patienten im übrigen; die Be¬
schreibung des Nierenbefundes bei der Operation beschrankt sich auf
diffuse chronische Nephritis oder chronische interstitielle Nephritis.
Der Zustand nach der Operation ist nur mit einigen Worten er¬
wähnt. Die neueren Untersuchungsmethoden, wie Kryoskopie,
Ureterenkatheterismus u. s. w. sind nicht angewandt. Von seiner
diagnostischen Fertigkeit ist Edebohls sehr überzeugt, wenn er
sagt: „Da sich meine persönlichen Erfahrungen auf mehr als 300
Nierenoperationen erstrecken, kann ich aus der Inspektion und Pal¬
pation der Niere während der Operation unfehlbar eine etwa be¬
stehende Erkrankung derselben feststellen:“ Infolgedessen hat er
auch nur einmal eine Probeexcision zur mikroskopischen Unter¬
suchung gemacht. Wenn Edebohls sich immer so kontrolliert,
wird er wohl immer recht Inhalten. Bekanntlich macht dem patho¬
logischen Anatomen die Diagnose Nephritis an der herausgenommenen
Niere oft grosse Schwierigkeit oder ist ohne Mikroskop unmöglich; wie
viel schwieriger ist aber die Dignose in vivo, namentlich nach Kom¬
pression der Nierengefässe. Auch die Beobachtungszeit ist in vielen
Fällen Edebohls’s nach der Operation zu kurz, um ein endgülti¬
ges Urteil zu fällen. Die Indikation zur Operation ist aus den
Krankengeschichten nicht recht zu ersehen. In den meisten (77%)
handelte es sich um chronische interstitielle Nephritis; von diesen
14 Fällen bestand dieselbe beiderseits in acht, einseitig bei normaler
Beschaffenheit der anderen Niere in sechs. Ich glaube, wenn Ede¬
bohls die gesunde andere Niere mikroskopisch untersucht hätte,
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hätte er sie auch krank gefunden, denn es ist doch sehr auffallend,
dass unter 18 Nephritiden 6 (= 33°/ 0 ) einseitig sein sollen, wo er¬
fahrene Kliniker das Vorkommen einer einseitigen Nephritis leugnen.
Chronische diffuse beiderseitige Nephritis fand sich in vier Fällen
(== 22°/ 0 ). Das Resultat der Operation war folgendes: geheilt
11 (= 61°/ 0 ), gebessert 4 (= 22°/ 0 ), ungeheilt 3 (= 16°/ 0 ), ge¬
storben 0. Unter den geheilten waren sechs Fälle beiderseitiger
und fünf Fälle einseitiger chronischer Nephritis interstitialis. Diese
Fälle sind zum grössten Teil über ein Jahr beobachtet. Könnten
wir uns sicher auf die Diagnose verlassen, so müssten wir diesen
Erfolg als einen grossen verzeichnen. Allerdings dürfen wir nicht
vergessen, dass die Prognose der interstitiellen chronischen Nephritis
an und für sich eine bessere ist als die der parenchymatösen. Unter
den vier gebesserten Fällen handelte es sich einmal um beiderseitige
chronische interstitielle Nephritis, dreimal um chronische diffuse
Nephritis. Die drei ungeheilten Fälle verteilen sich zu gleichen
Teilen. Besonders bemerkenswert ist Fall Nr. 17: Frau von 33
Jahren; seit fünf Jahren Morbus Brightii. Jetzt starke Dyspnoe.
Puls 120, weich, klein. Oedem beider Lungenunterlappen; moribund.
— Excision der Nierenkapseln beiderseits: beiderseits grosse weisse
Niere. — Allmähliche Besserung. Zwei Monate beobachtet.
Edebohls hat Gelegenheit gehabt, bei späteren Operationen
die grosse Gefässneubildung und gesteigerte Cirkulation zwischen
Niere und ihrer Umgebung zu sehen, nachdem das Hindernis der
fibrösen Kapsel weggefallen ist. Er giebt eine Parallele zur Talma¬
schen Operation bei Lebercirhose. Das ist ja auch ganz einleuchtend,
aber nicht richtig ist die Ansicht Edebohl’s, dass die vermehrte
und verbesserte Blutzufuhr eine allmähliche Resorption der inter¬
stitiellen und intertubulären Entzündungsprodukte herbeiführt. Das
mag geschehen, solange es sich um ganz frische Entzündungspro¬
dukte handelt; sobald dieselben sich aber organisiert haben, werden
sie nicht mehr resorbiert. Dann kann es sich höchstens um eine
Neubildung der epithelialen Elemente von den noch vorhandenen
Resten aus infolge der gebesserten Ernährung handeln.
Pousson hat im ganzen sieben Fälle von Morbus Brightii operiert.
Seine Krankengeschichten zeichnen sich durch grosse Ausführlichkeit
und Genauigkeit aus. Leider waren die behandelten Fälle meist
schon so weit vorgeschrittene Nephritiden, dass die Operation von
vornherein aussichtslos war. Trotzdem ist man oft von der Besse¬
rung überrascht, die nach der Operation eintrat; der Eintritt derselben
brauchte meist zwei bis mehr Tage nach der Operation. Pousson
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hat in seinen sieben Fällen einseitige Nephrotomie viermal, beider¬
seitige Nephrotomie einmal, einseitige Nephrektomie zweimal ausge¬
führt. Die letztere Operation wurde einmal in einem Fall ausge¬
führt, wo an derselben Niere die Nephrotomie ausgeführt war; nach
der Nephrotomie trat sofort starke Diurese ein und die vorher be¬
stehende Urämie schwand; sobald aber die Wunde sich schloss, kehrte
die Urämie wieder. Es bestand eine hämorrhagische Nephritis auf
der operierten Seite infolge Kompression des Ureters durch ein
Utcrusfibrom. Nach Schluss der Wunde hörte die Abflussmöglich¬
keit für den von dieser Niere ausgeschiedenen Harn auf. Sei es
nun, dass die andere Niere nicht genügend vikariierend thätig war
oder dass die operierte Niere auf dem Reflexweg die andere Niere
ungünstig beeinflusste, die Gesamtmenge des Urins war zu klein.
Nach Exstirpation der vorher nephrotomierten Niere, sechs Monate
später, trat Genesung ein, die zwei Jahre lang beobachtet wurde.
Hier kann ja sehr gut eine einseitige Nephritis bestanden haben,
denn die Ursache der Nephritis war ja hier doch wohl die Ureter¬
kompression und nicht Gifte, die im Blute cirkulierten und beide
Nieren beinflussen konnten. Diese Beobachtung, dass nach der Ne¬
phrotomie grosse Besserung eintrat, die nach Schluss der Wunde
schwand und dem alten Kraukheitsbilde Platz machte, konnte in
zwei weiteren Fällen gemacht werden; in einem handelte es sich
um chronische diffuse Nephritis, in dem anderen um chronische
interstitielle Nephritis. Tn einem Fall, Nr. 8 (subakute diffuse Ne¬
phritis), tritt die Besserung erst sechs Monate nach der Operation
ein; es ist also sehr fraglich, ob man der Operation einen Einfluss
in diesem Fall zuschreiben darf. Es wäre sehr interessant, zu wissen,
welchen Einfluss die Operation gehabt hätte, wenn sie nach der
Weise von Edebohls oder Nephrolyse von Rovsing ausgeführt
worden wäre. Die sieben Fälle zerfallen in vier chronische diffuse
Nephritiden, eine subakute Nephritis, zwei chronische interstitielle
Nephritiden. Indikation zur Operation war gegeben durch Schmerzen
und Blutung einmal, Urämie dreimal, Urämie und Wassersucht ein¬
mal, Wassersucht einmal, Oligurie und Schmerzen einmal. Die Dia¬
gnose können wir in den gut beobachteten Fällen Poussons wohl
überall als richtig annehmen, obwohl nur in dreien die mikroskopische
Untersuchung ausgeführt wurde. Die Resultate waren nicht er¬
mutigend, was bei der Schwere der Fälle nicht zu verwundern war:
gebessert wurden drei, geheilt einer (es ist der Fall mit Ureter¬
kompression, also kein reiner Fall von Morbus Brightii), ungeheilt
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blieb einer (bezw. zwei, da in einem erst die nachfolgende Nephrek¬
tomie Heilung brachte), gestorben sind zwei.
In den drei Fällen Kümmells handelte es sich um akute,
parenchymatöse Nephritis, chronische interstitielle Nephritis. Indi¬
kation zur Operation bildeten Urämie und starke Oedeme. Einmal
wurde einseitige Kapselspaltung ohne Erfolg vorgenommen; Pat.
starb nach fünf Monaten. In den beiden anderen Fällen wurde
beiderseits die fibröse Kapsel reseziert; hier stellte sich Besserung
nach drei Wochen, bezw. drei Monaten ein. Inwieweit dieselbe der
Operation zuzuschreiben ist, sei dahingestellt.
(Schluss folgt.)
II. Bucherbesprechungen.
Berichte aas der zweiten geburtsh.-gynäkologischeii Klinik in Wien.
Von R. Chrobak. II. Teil. gr. 8°, 349 pp. Wien 1902, Alfred
Holder. Preis 5,20 Mk.
Diesen zweiten Teil der Berichte aus der zweiten geburtsh.-gynäko-
logischen Klinik in Wien (der erste erschien im Jahre 1897) leitet
Chrobak selbst mit einem besonders für österreichische Verhältnisse be¬
herzigenswerten, „Caveant“ betitelten Artikel ein, indem er auf die mangel¬
hafte Ausbildung vieler sogenannter Spezialisten im Spezialfach und
zahlreicher im Spezialfach gut ausgebildeter Aerzte im allgemein-ärztlichen
Wissen und Können hin weist, wie man es namentlich in früheren Jahren
bei den — jetzt leider immer stärker in den Hintergrund gedrängten
— Hausärzten anzutreffen gewöhnt war. Chrobak beklagt ferner
den — in Deutschland und Ungarn bereits abgestellten — in Oesterreich
aber immer noch vorhandenen Mangel einer praktischen Unterweisung
junger Aerzte während eines sogenannten „praktischen Jahres“. Endlich
plädiert er für umfangreichere Einrichtungen von Polikliniken und
vor allen Dingen auch von besonderen gynäkologischen Stationen an
jedem grösseren Krankenhaus einer Stadt. Im letztem überaus wichtigen
Punkte begegnen sich bekanntlich Chrobak’s Wünsche mit den schon
seit langem von Fritsch in Wort und Schrift vertretenen Anschauungen.
1. O. Liemberger (Levico): Ueber 232 Kraniotomiefälle
aus der II. geburtsh.-gynäkologischen Klinik in Wien.
Auf Grund der zehnjährigen Beobachtungen und Erfahrungen, die
an der Hand der einschlägigen Geburtsfälle näher erörtert werden,
kommt Liemberger zu der in der Chrobak'schen Schule schon seit
vielen Jahren als richtig anerkannten Anschauung, bei engem Becken
möglichst lange exspektativ zu verfahren. — Das in Kopflage befind¬
liche lebende Kind wird nur bei für die Mutter gefahrdrohenden Ver¬
hältnissen perforiert. Liegen aber die Bedingungen für die Sectio caesarea
vor, so wird — das Einverständnis der Gebärenden vorausgetzt — diese
Operation der Perforation vorgezogen. Bei totem Kinde in Kopflage
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wird möglichst das vollständige Verstreichen des Muttermundes abge¬
wartet, ehe perforiert wird; die Indikation zu diesem Eingriff darf auch
jetzt nur die drohende Gefahr für die Parturiens oder allenfalls eine allzu¬
lange Dauer der Geburt sein. — Der nachfolgende Kopf wird stets,
wenn er infolge von Hindernissen seitens des Beckens oder der Weich¬
teile nicht vor Absterben des Kindes entwickelt werden kann, nach ein-
getretenem Tode des letzteren perforiert.
Bei pathologischen Zuständen der Weich teile, wie z. B. bei stär¬
kerer narbiger Verengerung des Scheidengewölbes und der Cervix und
bei bedeutender narbiger Verkürzung der Parametrien ist die Sectio
caesarea als das weniger gefährliche Verfahren gegenüber der Kraniotomie
zu betrachten.
2. H. Keitler (Wien): Ueber die in der Klinik ausgeführten
Kaiserschnitte in den Jahren 1889—1900.
Bericht über 64 vom Oktober 1889 bis Ende 1900 an der Klinik
ausgeführte Kaiserschnitte aus folgenden Indikationen: Enges Becken in
53 Fällen, Uterusruptur, drohende Uterusruptur bei Steisslage, Eklampsie,
vorzeitige Placentalösung Physometra bei Riesenkind, Stenose der Vagina,
Portiocarcinom. — Die absolute Indikation wird durch alle jene Becken
gegeben, welche eine Conjugata vera oder einen derselben gleichwertigen
kleinsten Durchmesser von weniger als 6 cm besitzen. Unter die abso¬
lute Indikation fallen auch die nicht ausgeheilten Fälle von Osteomalacie mit
höherer Beckenverengerung. Aus relativer Indikation wird nur nach
eingeholter Entscheidung der Mutter operiert, und zwar in Ueberein-
stimmung mit den Anschauungen aller Geburtshelfer beim platten Becken
bei einer Conjugata vera von 6—7, beim allgemein verengten Becken
bei einer solchen von 7,5 cm. Als Konkurrenzoperationen kommen zu¬
nächst prophylaktische Wendung und künstliche Frühgeburt nicht in
Betracht, weil ja dem ausdrücklichen Wunsche der Mutter gemäss
möglichst ein lebendes Kind erzielt werden soll. Es bleiben in solchen
Fällen nur der Kaiserschnitt, der auch bei gesprungener Blase und
fehlenden Zeichen irgend einer staUgefundenen Infektion ausgeführt wird,
und die Symphyseotomie übrig; letztere wäre in jenen Fällen anzu¬
wenden, wo nach gesprungener Blase und trotz kräftigster Wehen der
Schädel nicht tiefer tritt und, obwohl kein Verdacht auf Infektion besteht,
seit dem Blasensprunge doch zu lange Zeit verflossen wäre, um an den
Kaiserschnitt zu denken. — Erwähnenswert ist auch der Standpunkt
der Chrobak*sehen Schule zum Kaiserschnitt bei Eklampsie, den
Keitler folgenderweise kennzeichnet: „ . . . dass wir bei mangelndem
Fortschritt der Geburt und elendem Befinden der Mutter uns eher zum
Kaiserschnitt entschlossen würden, wenn das Kind lebt, als unter gleichen
Umständen bei totem Kinde. Doch auch im ersteren Falle glauben wir
durch die Operation eher dem Kind als der Mutter wesentlich zu nützen,
und in manchem dieser Fälle wird der Kaiserschnitt höchstens den Erfolg
eines an einer Moribunden ausgeführten haben.“ Bezüglich der Vorbedin¬
gungen zur Sectio caesarea aus relativer Indikation gelten die allgemeinen
Forderungen eines kräftigen Organismus und stark eingesetzter Wehen der
Parturiens und möglichst zweifelloser Asepsis. Bei in letzterem Punkte
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zweifelhaften Fällen werden ausser der Anstalt Untersuchte, wenn kein
Anzeichen von Infektion besteht, dem konservativen Kaiserschnitt unter¬
zogen ; in infizierten Fällen muss eventuell der Porro gemacht werden.
Ausser der letztem Indikation gibt es nur bestimmte, jetzt allgemein
gültige Anzeigen für die Ausführung des „entfernenden“ Kaiserschnittes;
denn im allgemeinen ist das beim Kaiserschnitt in Betracht kommende
Verfahren die konservative Methode. In gewissen Fällen kommt statt
des Porro die Sterilisation im An>chluss an den Kaiserschnit in Betracht,
und zwar die Exstirpation der Ovarien bei Osteomalacie, sonst am besten
die FränkePsche keilförmige Excision der Tube aus dem Uterus. —
In neun Fällen wurde nach Fritsch der quere Fundalschnitt gemacht
und zwar mit bestem Erfolge, so dass er, zumal die Extraktion erleichtert
und das Nähen sehr bequem ist, auch fernerhin seine Anwendung finden
soll. — Auf die 64 Fälle des Berichtes entfallen 11 Todesfälle, von
denen jedoch nur ein kleiner Teil der Klinik zur Last fällt. Spatere
Nachuntersuchungen der Operierten ergeben betreffs Arbeitsfähigkeit bezw.
Allgemeinbefindens gute Resultate; ganz auffallend ist die grosse Sterb¬
lichkeit der Kaiserschnittkinder. Von allen Nachuntersuchten hat später
eine einzige spontan, und zwar ein totes Kind geboren.
3. H. Keitler und G. Pernitza: Ueber die künstlichen
Frühgeburten der Jahre 1889 —1900.
Unter 35 062 Geburten kamen 93 Frühgeburten zur Einleitung,
davon entfallen aufs enge Becken 57, auf andere Indikationen 36. Als
Hauptmethode kamen zur Anwendung: die Blasensprengung; das Ein¬
legen von Bougies und die Hystereuryse; unterstützend wurden verwendet:
Scheidendouchen, Kolpeuryse, Tamponade des Cervikalkanals, Tamponade
der Scheide, Wendung und Herabholen eines Fusses. Blasensprengung
ist ausgeschlossen bei engem Becken und da, wo Eile not thut; in den
meisten Fällen wurde die Frühgeburt durch Einlegen eines elastischen
Bougies eingeleitet. Von den unterstützenden Methoden wurde wieder¬
holt zur Beschleunigung der Geburt die Wendung resp. das Herabholen
eines Fusses in Anwendung gebracht, ein Verfahren, das jedesmal zum
Ziele führt, besonders wenn man am herabgeholten Fusse einen elastischen
Zug anbringt. Ist bei dringender Indikation für raschere Beendigung
der Geburt der Cervikalkanal noch nicht genügend verstrichen, dann
wird mit gutem Erfolge die Hystereuryse mit elastischem Zug oder mit
Durchziehen immer grösserer Ballons angewendet. — Die Indikationen
verteilen sich auf zwei grosse Gruppen: auf Fälle mit normalen Becken¬
verhältnissen und auf solche mit engem Becken bezw. Missverhältnissen
zwischen Becken und Frucht. Bei normalem Becken wird die Frühge¬
burt indiziert sein im Interesse der Frucht, da wo das Ende der
Schwangerschaft wegen des nahe bevorstehenden Todes der Mutter nicht
mehr abgewartet werden kann, und selten in den Fällen von „habituellem
Fruchttod“, dessen Indikationsstellung zum Partus praemat. eine im
allgemeinen recht vage ist. — Im Interesse der Mutter können eine
Anzeige abgeben: Nephritis der Schwangeren, viel seltener blosse Albu¬
minurie; Tuberkulose nur dann, wenn nach mehrmaligen genauen Unter¬
suchungen ein Fortschreiten des Prozesses zu konstatieren ist. Singuläre
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Fälle sind die, in denen wegen Pleuritis, Emphysem, Pylorustumor, Coxitis
und Cystopyelonephritis die Frühgeburt herbeigeführt worden ist. — Bei
herzkranken Frauen wurde stets erst versucht, im Stadium etwaiger In¬
kompensationserscheinungen durch die allgemeine Therapie Besserung zu
erzielen; bei Erfolglosigkeit wurde die Frühgeburt durch künstlichen
Binsensprung eingeleitet. Eine vorausgegangene Vaginofixation und eine
im Anschluss an einen Kaiserschnitt entstandene Blasen-Uterusfistel
gaben in ]e einem Falle dringende Indikationen zum Partus praem. ab.
— Bei Beckenenge eingeleitete und beobachtete Frühgeburten zeitigten
folgende Anschauungen, die nunmehr in der Chrobak’schen Schule
inassgebend sind: bei I-par. wird die Schwangerschaft nur da unter¬
brochen, wo ein grosses Missverhältnis zwischen der Grösse der Frucht
und der sicheren, wenn auch nur massigen Beckenenge anzunehmen ist;
hier ist die Indikation viel vorsichtiger zu stellen als bei Pluriparen, bei
denen die anamnestischen Angaben grosse Bedeutung haben. „Die Re¬
sultate für die Mutter sind derzeit trotz der glänzenden Resultate, die
einzelne mit dem Kaiserschnitt erzielt haben, beträchtlich bessere als bei
demselben. Demgemäss wird die künstliche Frühgeburt bei Beckenenge
hauptsächlich in der Privatpraxis immer noch eine anerkannte Operation
bleiben und es besteht die Notwendigkeit, sie an der Klinik die Studie¬
renden zu lehren. Es muss danach gestrebt werden, dass die Geburt
in Schädellage vor sich geht.“
4. Emil Klein: lieber 138 Geburten bei Placenta praevia
(1896 — 1900).
Unter 17 184 Geburten kam 138 mal PL pr. vor, und zwar bei
20 Erst- und bei 108 Mehrgebärenden; bei letzteren waren in 45°/ 0
der Fälle Abnormitäten der früheren Geburten vorausgegangen; trotzdem
lassen sich daraus keine allgemeinen Schlüsse auf die Entstehungsur¬
sache der PI. pr. ziehen. Unter den I-par. lag das von Strassmann
als disponierendes Moment angegebene höhere Alter (über 30 Jahre)
sechsmal vor. In 8,5 % der Fälle kam es zum Abortus, in 54°/ 0
zur Frühgeburt und nur in 36,9% zur Geburt am normalen Ende.
Placenta praevia disponiert also zu Fehl- und Frühgeburt; dabei muss
aber daran gedacht werden, dass in vielen Fällen aus dringender An¬
zeige durch Kunsthilfe die Geburt hat beschleunigt oder gar eingeleitet
werden müssen. — 28 Geburten verliefen spontan; zumeist wurde die
innere Wendung oder Braxton Hicks mit Manualhilfe ausgeführt;
sofortige Extraktion galt als Ausnahme; Kraniotomie musste zweimal,
Dekapitation einmal gemacht werden. — In allen Fällen von PL pr.
centralis wurde die Placenta künstlich durchbohrt. Zur Erweiterung des
Muttermundes wurde in 45 Fällen der Kolpeurynter ein- und mehrmal
angewendet, Kolpeuryse und Hystereuryse zweimal kombiniert, zweimal
die Cervix-Scheidentamponade, einmal der Laminarinstift. — Von sieben
Fällen mit atonischen Blutungen im Anschluss an Wendung und Ex¬
traktion verliefen drei tödlich. Die Gesamtmortalität der Mütter betrug
9,4%, von den Kindern lebten nur 31,2% bis zum neunten Tage
nach der Geburt. 52,4% der Kinder kamen überhaupt tot zur Welt.
Es ist daher bei einem Vergleiche dieser Verhältnisse mit der in einer
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vomngegangcnen Arbeit von Donath aus derselben Klinik gegebenen
Aufstellung in den letzten fünf Jahren weder gelungen, „das Mortali-
tätsprozent der Mütter herabzusetzen,, noch haben sich die Chancen für
das Kindesleben wesentlich günstiger gestalten lassen“.
5. Reinprecht: Die Einrichtung der gynäkologischen
Station:
Die Arbeit beschreibt die Räumlichkeiten der Klinik und die in
derselben gehandhabte subjektive und objektive Antisepsis resp. Asepsis.
Münzer (Breslau).
Travanx de Chirurgie anatomo-clinique. Voies urinaires, Estomac.
Von H. Hartmann. 360 pp. Paris 1903, G. SteinheiL
Das vorliegende Buch entstammt den Erfahrungen Hartmann’s
und seiner Schüler. Es will keine erschöpfende Darstellung des Gegen¬
standes geben, sondern sucht einige wichtige Kapitel aus. Die französische
und ausländische Literatur ist mit herangezogen. Die Einteilung und
äussere Ausstattung sind die bei französischen Werken gewohnten. Die
Darstellung ist leicht fasslich, die zahlreichen Abbildungen 9ind sehr
gut. Für den Chirurgen und Urologen bietet das Buch viel Interessantes.
Die einzelnen Kapitel sind: Einrichtung und Dienst im Hospital Lari-
boisiere für Erkrankungen der Harnwege; Cystoskopie; Ureterenkathete-
rismus; Nierentumoreu; Urethrotomia interna; Prostatectomia perinealis;
Chirurgie der nicht neoplastischen Magenerkrankungen; Chemismus nach
Gastroenterostomie; pathologische Anatomie des Magencarcinoms; Duode-
nostomie. Klink (Berlin).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Adler, S., Ueber tabische Knochen- und H. Bücherbesprechungen.
Gelenkserkrankungen, p. 849—858. Chrobak, R., Berichte aus der zweiten
Perutz, F. f Der Leberabscess (Schluss), geburtsh.-gynäkologischen Klinik in
p. 858—869. Wien, p. 876.
Klink, W., Die operative Behandlung j Hartmann, H., Travaux de Chirurgie
der Nephritis (Fortsetzung statt Schluss), anatomo-clinique, p. 880.
p. 869—876. j
Um Einsendung von Monographien and Büchern an den Redakteur Professor
Dr. HERMANN SCHLESINGER, Wien. I. Ebendorferstrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Znsebrlften mit dem Adressenzusatz „Für die Redaktion des
Centralblattes für die Grenzgebiete 4 ‘ versehen zu wollen.
Druck ton Ant. Kämpfe in Jena.
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CENTRALBUTT
für die
Qrenzgebiete der fiiedizin u. Ghirurgie.
Herausgegeben von
Dr. Hermann Schlesinger*,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band. I Jena, 24. Dezember 1903. Nr. 23.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, desseu Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenannahme durch: Max Qelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Bohme-Btrasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Sammel-Referate.
Ueber angeborene Colonerweiterung.
Von Otto Silberberg (Breslau).
Literatur.
1) Berti, Beilrag zur Kasuistik der angeborenen Dilatation des Colons. La
Paediatria 1895, p. 136 11. 161.
2) Beighing, Megalocolon congenitum. La Clinica medica italiana, XL, H. 1.
3) Björkesten, Ein Fall von angeborener Dilatation des Colons bei einem
Kinde. Jahrb. f. Kinderheilk., LV, p. 714.
4) Concetti, Ueber einige angeborene, bei Kindern die habituelle Verstopfung
hervorrufende Missbildungen des Colons. Archiv f. Kinderheilk., XXVII, p. 319.
5) Dtihamel, Ueber die Erweiterung der Flexura sigmoidea coli. Inaug.-Diss.,
Strassburg 1899.
6) Escherich, Ein Fall von kongenitaler Dilatation des Colons. Mitteil, des
Vereins der Aerzte in Steiermark 1901.
7) Favelli, Caso di ipertrofia con dilatazione del colon. Gaz. med. di Milano
1846, V, 213.
8) Fenwick, Hypertrophie and dilatation of the colon in infancy. New York
med. Journ., 1. Sept. 1900.
9) Fütterer, Erweiterung der Flexura sigmoidea. Virchow’s Archiv. CVI.
10) Genersich, Ueber angeborene Dilatation und Hypertrophie des Dick¬
darms. Jahrb. f. Kinderheilk., XXXVII.
11) Göppert, Ueber einen Fall von angeborener Abknickung des Dick-
darms etc. Archiv f. Verdauungskr., V.
12) Griffith, Congenital idiopathic dilatation of the colon. The American
Journ. of the medical Sciences, Sept. 1899.
Ontralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI
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13) Grüneberg, Fall von chronischer Darmerweiterung. Münchener med.
Wochenschr. 1901, Nr. 33.
14) Henoch, Beiträge zur Kinderheilkunde 1861, p. 123.
15) Hirschsprung, Stuhlträgheit Neugeborener infolge von Dilatation und
Hypertrophie des Colons. Jahrb. f. Kinderheilk., XXVII.
16) Ders., Die angeborene Erweiterung und Hypertrophie des Dickdarms.
Henoch’s Festschrift 1890, p. 78.
17) Ders., Erweiterung und Hypertrophie des Dickdarms. Berliner klinische
Wochenschr. 1899, Nr. 44.
18) Johannessen, La dilatation hypertrophique du gros iutestin chez l'enfant.
Revue mens. d. malad, de l’enfance, F£vr. 1900.
19) Koch, Die angeborenen ungewöhnlichen Lagen und Gestaltungen des
menschlichen Darmes. Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. L.
20) Lennander, Fall von angeborener Dilatation und Hypertrophie der
Flexura sigmoidea bei einem Kindt. Nord. med. Arkiv. N. F., XI, Abt. 3.
21) Mya, Zwei Fälle von angeborener Dilatation und Hypertrophie des Colons.
Lo Sperimentale 1894, Sexione biologica, p. 215.
22) Pearck, hatal constipation from excessive dilatation of the colon. 1872.
23) Stewart, Dilatation of the colon. Archives of Pediatrics, März 1900.
24) Tittel, Ueber eine angeborene Missbildung des Dickdannes. Wiener
klin. Wochenschr. 1901, Nr. 39.
25) Walker, Angeborene Colonerweiterung. Brit. med. Journ. 1893, p. 230.
Nicht selten werden kleine Kinder, selbst Säuglinge, wegen
Obstipation zum Arzt gebracht. Den Grund dieser Erscheinung zu
ermitteln und unter Beseitigung der Causa efficiens das Leiden zu
heben, ist oft nicht leicht. Relativ einfach gestaltet sich die Sache,
wenn man durch die Beobachtung zur Diagnose einer chronischen
Darmaffektion kommt. Man wird in solchen Fällen durch künst¬
liche Nachhilfe leicht des Uehels Herr werden können. Schwieriger
gestaltet sich die Sache schon bei erst wenige Tage alten Kindern,
wo man schon vor die Frage gestellt wird, ob das Leiden in diesen
wenigen Tagen erworben oder schon mit auf die Welt gebracht ist.
In letzterem Falle wird man zunächst nachzusehen haben, ob etwa
eine äusserlich wahrnehmbare Missbildung vorhanden ist, und in
zweiter Linie herauszufinden suchen müssen, ob es sich um eine
intraabdominale Erkrankung handelt. Hat man eretere ausgeschlossen,
so können hinsichtlich der zweitgenannten Affektion vor allem alle
jene den Darm verengenden Momente sich finden, die sich auch im
späteren Leben als erworben finden können. Hierher gehören vor
allem Stenosen, dann alle jene Erkrankungen, die in letzter Linie
zur Erscheinung des Ileus führen. Ferner aber müssen wir auch
an eine Affektion denken, die zuerst von Hirschsprung beschrieben
worden ist und seither nach ihm den Namen der Hirsch-
sprung’schen Krankheit führt.
Das klinische Bild dieser Hirschsprung’schen Krankheit ist.
wenn wir uns die in der Literatur nun schon ziemlich zahlreich be¬
schriebenen Fälle ansehen, etwa folgendes: Die Kinder werden zum
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Arzt mit der Angabe gebracht, dass eine hochgradige Verstopfung
tage- bis wochenlang bestehe und dass diese selbst durch Ab¬
führmittel kaum zu beheben sei. Ausserdem bestehe eine starke
Auftreibung des Leibes. Mehr ist gewöhnlich von der das Kind
bringenden Mutter anamnestisch nicht herauszubekommen. Die ob¬
jektive Untersuchung ergibt dann folgendes Bild: Die Kinder, meist
Knaben, sind gewöhnlich im Zustand ziemlich hochgradigen körper¬
lichen Verfalls; das auffallendste an ihnen ist eine starke Auftreibung
des Leibes. Die Bauchdecken erscheinen stark gespannt, auf den¬
selben sieht man ein reich verzweigtes Venennetz. Mitunter sieht
und fühlt man durch die Batichdecken hindurch luftgeblähte Darm-
schlingen, deren Perkussion einen deutlichen tympanitischen Schall
mit metallisch klingenden Plätschergeräuschen ergibt. Nicht selten
ist auch eine reichliche Peristaltik wahrzunehmen. Das Zwerchfell
erscheint durch diese übergrosse Auftreibung des Abdomens stark
in die Höhe gedrängt. Eine notwendige Folge davon ist eine
Störung in der Atmung, die in ihrer Zahl als erhöht und mehr oder
weniger schöpfend erscheint. Leber, Milz und Nieren sind, be¬
sonders nach Beobachtungen von Escherich, abnorm beweglich.
Bei einer Untersuchung per rectum fühlt man die Ampnlla recti
trotz der hochgradigen Obstipation meist leer. Ein eingeführtes Dartn-
rohr kann hoch in die Höhe geschoben werden, wobei man jedoch
das Gefühl hat, dass es sich in einem weiten sackförmigen Gebilde
aufrollt. Diese Einführung des Darmrohrs erleichtert dann gewöhn¬
lich die weitere Feststellung des Status. Es entweicht nämlich
ein Teil der im Darm enthaltenen Gase, wodurch die Spannung des
Abdomens nachlässt und dessen Inhalt nun leichter palpabel wird.
Es ist in vielen Fällen dann ohne weiteres möglich, ein grosses er¬
weitertes Darmstück durch die Bauchdecken hindurch zu fühlen,
meist in der rechten Seite des Hypochondriums gelegen. Die er¬
schlafften Bauchdecken erscheinen mit ziemlich atrophischer Musku¬
latur, so dass man das Gefühl hat, dass sie die Funktion der
Bauchpresse nicht mehr in vollem Masse auszuüben in der Lage sind.
Bei der Einführung des Fingers in den Anus stellen sich bis¬
weilen Schwierigkeiten entgegen, wie dies besonders in einem von
Fenwick beschriebenen Falle gewesen zu sein scheint. Es handelt
sich wohl iu solchen Fällen um eine krampfhafte Zusammenziehung des
Sphincters. Dass solche krampfhafte Zusammenziehungen bei Kindern
mit der in Frage kommenden Affektion leicht erklärlich sind, liegt
auf der Hand. Es tritt ja durch die geradezu enorme Obstipation
eine überaus starke Verhärtung der Scybala ein, deren Entleerung
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naturgeinäss einerseits bei der Passage des Sphincters Schmerzen ver¬
ursachen muss, andrerseits aber auch leicht zu Fissuren führt, die
natürlich nachher doppelt schmerzhaft empfunden werden. Dass es
sich um Sphincterkrampf infolge von Fissuren wirklich handelt, lehrt
der Augenschein sowie der Umstand, dass auf den Scybala nicht
selten Blutspuren gefunden werden. Gelingt es, den krampfhaft zu¬
sammengezogenen Sphincter mit dem Finger zu passieren, so ent¬
leert sich gewöhnlich eine kleine Menge flüssigen Darminhalts. Das
Gros bleibt natürlich zurück.
Das ist gewöhnlich das Bild, das sich bei der ersten Unter¬
suchung darbietet. Der Arzt hat nun zu entscheiden, welche patho¬
logische Veränderung dem Bild zu Grunde liegt. Die Differential¬
diagnose ist keine leichte. Aus «len einleitenden Worten geht
schon hervor, dass das genannte Bild den verschiedensten Affektionen
entsprechen kann. Vor allem ist zu erwägen, dass dasselbe
vollkommen dem Bilde einer Darmstenose entsprechen kann
Gegen eine solche Stenose würde der Befund einer stark erweitert
zu fühlenden Darmschlinge nicht sprechen. Es kann sich ja um
eiue oberhalb der Stenose liegende Schlinge handeln. Eins jedoch
ist differentialdiagnostisch von besonderem Wert: es fehlt nämlich
bei den Kindern mit der hier beschriebenen Affektion in der
Regel das Erbrechen. Solches wäre unvermeidlich, wenn es sich
um eine Behinderung der Darmpassage handelte. Ausserdem spricht
auch der Abgang von Gasen durch das eingeführte Darmrohr gegen
ein absolutes Hindernis. Wir werden somit ohne weiteres mindestens zu
der Annahme gedrängt, dass kein absolutes Hindernis vorliegen kann.
Wir brauchen demnach nur weiter zu probieren, ob wir nicht etwa
in der Lage sein sollten, durch geeignete Mittel, wie z. B. Ein-
giessung oder Abführmittel von oben, Entleerungen herbeizuführen;
gelingt uns das, so ist eine Stenose ausgeschlossen. Und in der That
liegt die Sache bei der Hirschspruug’schen Krankheit so, dass,
wenn wir diese Probe machen, wir sowohl durch das hoch hinauf¬
geschobene Darmrohr unter Applikation von Eingüssen ebenso wie
durch Laxantien sehr reichliche Entleerungen herbeiführen. Wir
haben demnach im therapeutischen Mittel gleichzeitig ein Mittel
zur Stellung der Differentialdiagnose.
Weitere diagnostische Schwierigkeiten können vielleicht durch
Affektionen kongenitalen Ursprungs entstehen, die nicht auf den
ersten Blick zu sehen sind. Hierher würden z. B. die Missbildungen
des Rectums bei vorhandenem Anus gehören. Ohne weiteres klar
würde ja die Sache bei Fehlen des Anus liegen. In erstgenanntem
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Falle kann die Diagnose sogar unüberwindliche Schwierigkeiten be¬
reiten, wenn es sich, wie Porro 1871 einen Fall beschrieben hat,
darum handelt, dass das dilatierte Colon bezw. Rectum in einer
Ampulle endet, die mit der Urethra kommuniziert.
Im allgemeinen jedoch wird man bei einiger Beobachtung
schliesslich doch in der Regel zur richtigen Diagnose kommen, ins¬
besondere wenn man vielleicht Gelegenheit gehabt hat, auch die pa¬
thologische Anatomie der Krankheit auf dem Sektionstische zu
studieren. Das Bild, das man bei der Autopsie vorfindet, ist meist
ein sehr charakteristisches. Es springt sofort eine Erweiterung des
Dickdarms in die Augen, entweder vom Coecum ab oder nur des ab¬
steigenden Astes. Das Colon kann, wie es Jo ha linsen beschrieben
hat, die Stärke eines Männerarmes erlangen. Das Sromauum findet
sich häufig — dies war auch z. B. in dem Kall von Johannsen
vorhanden — stark gewulstet und liegt dann unter dem Colon trans-
versum. Stewart hat einen Fall beschrieben, wo bei einem Colon¬
umfang von 17 cm 10 cm oberhalb der Ileocoecalklappe sich eine
fibröse Einschnürung von 6 cm Umfang fand und eine ebensolche
von 5 cm 30 cm oberhalb des Anus. Abgesehen von solchen
fibrösen Stellen erscheint die Darmwand stark gerunzelt und verdickt;
an der Innenseite im Bereiche der Schleimhaut finden sich häufig
Geschwüre. Diese Geschwüre deuten wohl auf einen sekundär
entstandenen Darmkatarrh und sind wohl auch der Anlass einer
nicht selten vorkomraenden Erscheinung, nämlich dass sich nach
Hebung der Obstipation Diarrhoeen einstellen. Die Lage des
erweiterten Darmteils ist eine variable. In der überwiegenden
Anzahl der Fälle liegt er im rechten Hypochondrium, bisweilen
auch in der Mittellinie (Berti). In einer verschwindenden Anzahl
von Fällen ist die Darmwand verdünnt. Einen derartigen Fall
hat Beighing beschrieben. Vielleicht ist diese Verdünnung der
Wände als etwas Sekundäres anzusehen.
Auf genauere Messungen hiereinzugehen, würde zu weit führen,
es sind solche unter anderem von Björkesten ausgeführt worden.
Auch Koch und Concctti haben sich näher mit dieser Frage be¬
schäftigt; die angegebenen Zahlen schwanken, jedenfalls aber sind
die angegebenen Dimensionen ausserordentlich grosse.
Mikroskopisch sieht man folgende Veränderungen: Die Dicke
der Darrawand hat beträchtlich zugenommen. Diese Verdickung
geschieht hauptsächlich auf Kosten der infiltriert erscheinenden
Schleimhaut. Die Lieberkühn’schen Drüsen sind meist erhalten,
zwischen und unter ihnen finden sich Lymphzellen, stellenweise ist
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die Infiltration starker. Mitunter werden auch die Lieberkühn¬
scheu Drüsen durch die Infiltrate verdeckt. Auch die Follikel er¬
scheinen infiltriert, die Gefässe sind erweitert, ihre Adventitia ist
verdickt. Die Geschwüre reichen bis zur Muscularis mucosae oder
noch tiefer. Diese Beschreibung des histologischen Bildes, wie sie
uns vor allem Gen ersieh gegeben hat, entspricht der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle. Schwankungen finden sich nur über die An¬
gaben in «1er Grosse der Infiltration sowie darin, dass von einem
Teil der Autoren behauptet wird, dass die Dickenzunahine der Wand
in letzter Linie durch eine Bindegewebshypertrophie hervorgerufen wird.
Hinsichtlich «ler Deutung dieses anatomischen Befundes stehen
sich noch verschiedene Meinungen entgegen. Die meisten Autoren
sind der Ansicht, dass es sich um eine kongenitale Erkrankung
handelt. In diesem Falle sind nach Gen ersieh zwei Möglich¬
keiten vorhanden: Entweder handelt es sich um eine fötale Dick-
dnrmerkrankung oder um eine Entwicklungsanomalie, welch letzteres
Genersich das wahrscheinlichere zu sein scheint. Mya beschreibt
die Affektion als einfache angeborene Hypertrophie und Dilatation
(Megalokolon). Nothnagel und C«>ncetti sprechen von einer an¬
geborenen Schwäche oder partiellem Defekt der Muscularis im
untersten Abschnitt des Dickdarms mit sekundärer Hypertrophie
der oberhalb gelegenen Partien. Nach Auffassung anderer ist die
Hypertrophie eine Arbeitshypertrophie, die Dilatation eine sekundäre.
— Was die Prognose der Erkrankung betrifft, so ist dieselbe
mindestens als dubiös zu stellen. Die meisten der Kinder sterben
im frühesten Kindesalter, jedoch haben Concetti und Hirschsprung
auch Fälle beobachtet, wo sich durch geeignete therapeutische Mass¬
nahmen ein längeres Leben, ja sogar ein Leben bis ins Mannesalter
hinein erzielen liess. Im allgemeinen aber dürfte die Erkrankung
höchst ungünstige Aussichten für das Leben geben, ganz abgesehen
davon, dass wohl Patienten mit der Affektion kaum viel von ihrem
Leben haben dürften, geschweige denn als arbeitsfähig zu Itezeichnen
wären.
Th«*rapeutisch kommt vor allem eine symptomatische Be¬
handlung in Frage: Hohes Einlegen des Darmrohrs, damit die Gase
entfernt werden können, hohe Eingüsse und Abführmittel sind die¬
jenigen Dinge, die zunächst in Betracht zu ziehen sind. Nebenher ist
die Massage der Bauchmuskulatur empfohlen, eine Massnahme, die
sicherlich für die Hebung der Bauchpresse von Bedeutung ist, ferner
thut auch die hauptsächlich von Leander empfohlene Anwendung
der Elektrizität auf die Bauchmuskulatur gute Dienste. Von den
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operativen Eingriffen scheint im grossen ganzen nicht viel heraus¬
zukommen. Ein Anus praeternaturalis, zur richtigen Zeit angelegt,
kann wohl fürs erste Linderung der Beschwerde^, unter keinen Um¬
ständen aber eine dauernde Heilung bewirken. Anders würde es
mit der Frage einer Radikaloperation, von der sich Fenwick etwas
zu versprechen scheint, stehen. Es würde hierbei die Resektion
der erkrankten Darmpartie in Frage kommen. Es dürfte das jedoch
namentlich für kleine Kinder ein so schwerer Eingriff sein, dass
wohl nur wenige denselben überstehen würden.
Zum Schluss noch ein Wort, wie auch die ganz moderne
Diagnostik in diesem wohl in vielen Punkten noch sehr dunklen
Leiden Licht zu schaffen gesucht hat.
Johannesen hat bei einem 2 */, jährigen Knaben nach In¬
jektion einer Wismutsuspension ein Röntgenbild angefertigt. Es ist
gar keine Frage, dass ein derartiges Vorgehen in Fällen, wo man
anderwärts schwer oder gar nicht zur Diagnose kommen kann, Nach¬
ahmung verdient. Leicht wird aber eine derartige Aufgabe kaum
sein, da es mit dem Stillhalten eines so juugen Kindes seine
Schwierigkeiten haben wird.
Ziehen wir das Facit aus dieser gesamten Darstellung, so
müssen wir zugeben, dass diese für den Arzt sehr interessante
Affektion, die, wir können wohl sagen, Gott sei Dank nicht allzu
häufig beobachtet wird, noch in vielen Punkten einer Aufklärung
bedarf und dass es wohl noch einer reichlichen Beobachtungsmenge
sowie einer reichlichen Arbeit des Embryologen, des Pathologen
und des Klinikers Vorbehalten bleiben muss, klares Licht in den
Gegenstand zu bringen.
Ueber tabische Knochen- und Gelenks¬
erkrankungen.
Von Dr. S. Adler (Berlin).
(Schluss.)
Literatur.
71) Legnani, F.. Tabes dorsale con fratture spontanee. Arch. ital. di clin.
med. 1894.32-
72) Leimbach, Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk., VII, p. 502.
73) Lupine, R., Deux cas anormaux d’arlhropathie tab6tique de la hanche.
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Inaug.-Diss., Strassburg i. E. 1899, J. Göller, 88 p.
Symptomatologie, Diagnose (Röntgenographie), pathologische
Anatomie. Statistik.
Fast alle Autoren schildern übereinstimmend Symptome und
Verlauf des Leidens in ihren markanten Eigentümlichkeiten:
Meist plötzlicher Beginn der Gelenkaffektion ohne prämo-
nitorische Symptome lind meist ohne wesentliche Gelegenheitsur¬
sache ; zum mindestens steht das angeschuldigte geringfügige Trauma
in keinerlei Verhältnis zu der hochgradigen Gelenkdestruktion. Aus¬
nahmen von diesem Typus des Beginns des Leidens kommen vor.
In vereinzelten Fällen fühlt der Kranke schon vor dem Eintritt
einer sichtbaren Schwellung ein Krachen im Gelenk (Westphal).
Ich selbst beobachtete die plötzliche Entwickelung einer
Arthropathie des rechten Hüftgelenkes bei einem 44 jährigen Tabiker
ohne jegliche Vorboten. Bei demselben Kranken entwickelte
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sich sieben Monate später ganz allmählich eine Arthropathie der
linken Hüfte und der Kranke selbst hatte mich auf ein eigentüm¬
liches Gefühl von Krachen im linken Hüftgelenk schon drei Monate
vor Eintritt der Schwellung aufmerksam gemacht.
Meist Beginn im präataktischen Stadium der Tabes, zeitweise
sogar das Initialsymptom des Leidens darstellend, wie z. B. in
den von de Grandmaison 4S ), Tilmann 140 ) u. a. beschriebenen
Fällen.
In kürzester Frist sich entwickelnde hochgradige Destruktion
der Gelenke, rapide Zerstörung des ganzen ßandapparates und
schnellste Resorption der Gelenkeuden.
In der Regel vollständiges Fehlen jeder allgemeinen und lokalen
Reaktion, in der Regel auch absolute Schmerzlosigkeit. Diese völlige
Schmerzlosigkeit und das völlig ungestörte Allgemeinbefinden sind
das auffallendste Symptom dieses Krankheitsprozesses! Die Schwellung
kann schon nach wenigen Stunden ihr Maximum erreichen. Sie er¬
streckt sich oft vom befallenen Gelenke aus über die ganze Extre¬
mität. Es besteht ein hartes Oedem, welches keinen oder doch nur
einen ganz flachen Fingereindruck hinterlässt. Es besteht in der
Regel keine lokale Temperaturerhöhung. Die Haut ist meist prall
gespannt, von derber Beschaffenheit, aber ohne jede Spur von
Rötung, häufig ist sie von dilatierten Venen durchzogen. Nur ganz
vereinzelt werden Fälle mit lokaler Rötung und Temperaturerhöhung
beschrieben. Nur ganz ausnahmsweise gehen dem Ausbruch der
Arthropathie Schmerzkrisen oder Parästhesien in dem betreffenden
Gelenke sowie Fieber voran.
Trotz der hochgradigsten Schwellung und Gelenksdestruktion,
welche letztere sich auch durch starke Crepitatiou bei passiven Be¬
wegungen dokumentiert, ist die Funktion des Gelenks anfänglich
meist so wenig gestört, dass die Kranken oft noch ihrem Beruf
nachgehen können.
Erst bei weitergehender Zerstörung, beim Schlottrigwerden des
Gelenkes verlieren die Kranken ihre Gehfähigkeit und begeben sich
meist erst deshalb in ärztliche Behandlung. Gebraucht der Kranke
in diesem Stadium sein krankes Bein weiter, so schreitet auch der
Zerstörungsprozess unaufhaltsam weiter fort, zumal dann, wenn schon
Ataxie besteht. Die ad maximum gedehnten Bänder reissen schliess¬
lich, die Knochenenden schleifen sich immer mehr ab, die um¬
gebenden Weichteile verknöchern, der Kranke vermag schliesslich
gar nicht mehr zu gehen.
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Kann somit der Beginn des Gelenksleidens dank der Konstanz
der geschilderten Erscheinungen als ein ziemlich typischer bezeichnet
werden, so ist der weitere Verlauf im Gegenteil hierzu durch eine
gewisse Regellosigkeit der Erscheinungen gekennzeichnet,
welche allerdings zum Teil auch durch das weitere Verhalten des
Kranken und durch die eventuell eingeschlagene Behandlung erheb¬
lich beeinflusst wird.
Nur wenige Autoren haben noch die von Charcot eingefühlte
Unterscheidung einer benignen und malignen Form der Arthro¬
pathie beibehalten, je nachdem Schwellung und der Erguss bei Ruhe
rasch unter Hinterlassung von Krepitation zurückgehen oder die
Destruction trotz Ruhe weiter fortschreitet und die Schwellung
dauernd bestehen bleibt.
Die meisten Autoren haben vielmehr die pathologisch-anatomische
Unterscheidung einer atrophischen und hypertrophischen Form
der Arthropathie angenommen. In der Regel kommt es im weiteren
Verlaufe zu hochgradigen Zerstörungen des ßandapparates, zu Kapsel¬
dehnungen, Schlottergelenken, unvollständigen und vollständigen Luxa¬
tionen. Die Gelenkflächen können mehr oder weniger abgeschliffen
sein (atrophische Form) oder es bilden sich über und neben den
tief usurierten Gelenkenden in der Kapsel, ja sogar in den um¬
gebenden Weichteilen, den Sehnen und Muskeln Knochenwucherungen
und Kalkeinlagerungen und in der Gelenkhöhle selbst freie und ge¬
stielte Gelenkkörper (hypertrophische Form). Die Zerstörung
des Bandapparates gestattet dein Gliede die perversesten Stellungen
(„jambe de polichinelle“). Die atrophische Form befällt mit Vor¬
liebe die Hüft- und Schultergelenke, die hypertrophische die Ellen¬
bogen und Fussgelenke, während bei dem Kniegelenke beide Formen
in annähernd gleicher Häufigkeit beobachtet werden. Leimbach 72 *
fand unter 400 Fällen von Tabes 7 Arthropathien. Nur in der
Minderzahl der Fälle bleibt der Prozess bei Tabes auf ein Gelenk
beschränkt; sehr häufig ist ein bilateral symmetrisches Auftreten des
Krankheitsprozesses. In der Statistik von Biidinger 17 ) finden wir
unter 297 tabischen Gelenkerkrankungen 87 doppelseitige Arthro¬
pathien, darunter 25 doppelseitige Kniegelenks- und 18 doppelseitige
Hüftgelenkserkrankungen. Nach den Berechnungen von Schle¬
singer 112 ) kommt auf 3 — 4 tabische Arthropathien ein Fall von
doppelseitiger Erkrankung, während bekanntlich bei der Syrin¬
gomyelie ein doppelseitiges Auftreten viel seltener beobachtet wild.
Unter 297 Fällen tabischer Arthropathie betrifft nach Büdinger
die Erkrankung 240 mal die untere Körperhälfte (= 80°/ o der Fälle).
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Auch Rotter berechnete 80% Erkrankungen der unteren und 20%
«ler- oberen Extremitäten. Bei «ler Syringomyelie ist dieses Ver¬
hältnis nach der Statistik von Schlesinger annähernd umge¬
kehrt (83% Erkrankungen der oberen und 17% der unteren Ex¬
tremitäten).
Wir haben auf die prinzipielle Bedeutung dieser Zahlen be¬
reits oben bei der Erörterung der Pathogenese der Arthropathien
hingewiesen.
In Bezug auf die Häufigkeit, in welcher die einzelnen Gelenke
von der tahischen Erkrankung befallen werden, giebt die umfassende
Statistik von Büdinger den besten Aufschluss. Von 251 Fällen
tabischer Arthropathie betrafen 38 das Schultergelenk, 9 das Ellen-
bogengelenk, 8 die Hand- und Fingergelenke, 59 das Hüftgelenk,
110 das Kniegelenk, 25 das Fussgelenk und 2 das Kiefergelenk.
Auf die beiden Geschlechter verteilen sich die tabischen
Arthropathien in anuähernd ähnlichem Prozentverhältnisse, wie bei
der Syringomyelie: Von 109 tabischen Arthropathien betrafen nach
Weizsäcker 72 Männer und 37 Weiber; von 105 Arthropathien
bei Syringomyelie betrafen nach Schlesinger 70 Männer und 35
W eiber.
Wenn nach obigen Ausführungen die Diagnose der tabischen
Arthropathien selbst beim Auftreten im präataktischen Stadium
allzugrossen Schwierigkeiten kaum unterliegen dürfte, so ist uns
«loch mit der Einführung der Röntgographie in die Medizin ein
neues, äusserst wertvolles Mittel zur Sicherung und Verfeinerung
der Diagnose an die Hand gegeben worden und aus den zahlreichen
Publikationen von Wilde 150 ), Wilms 152 ), Duprö und Devaux 31 - 32 )
Schulz 118 ), Höltring 54 ), Gibert 43 ), Kienböck 65 ), Jacob 59 ),
Bloch 11 ' 1 *) u. a. geht ja zur Genüge hervor, in welchem ausgedehnten
Masse und mit welchem Erfolge von diesem Mittel bereits Gebrauch
gemacht worden ist. Insbesondere werden die Unterscheidung der
atrophischen und hypertrophischen Formen sowie die Erkennung
«ler für die tabischen Arthropathien so charakteristischen periar-
tikulären Ossifikationen durch die Radiographie ungemein er¬
leichtert.
So veranschaulichen z. B. die von Wilde 150 ) veröffentlichten
Radi«)gramme vortrefflich alle Einzelheiten der Destruktion eines
tabischen Kuiegelenkes. Man erkennt deutlich auf den Bildern die
Luxation der Tibia nach hinten. Durch zahlreiche Schatten machen
sich die Knocheneinlagerungen in die Gelenkkapsel erkennbar; die
Abschleifungen an der Gelenkfläche der Tibia, mehrfache Knochcn-
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absprengungen, Ossifikationen der Gelenkbänder und der l>enacli-
barten Sehnen, welche sich dem palpatorischen Nachweis entziehen,
sind unschwer auf dem Bilde zu sehen. Sehr gut dargestellt sind
ferner: die einzelnen Stadien der Knochenwucherung bei der hyper¬
trophischen Form, tabische Spontanfrakturen am Calcaneus, an der
Fusswurzel, Luxationen des Fussgelenks, Abschleifungen der Malle-
olen u. s. w.
An einem von Jakob 59 ) veröffentlichten Aktinogrnmm eines
Tabesfusses erscheint das Fussskelett im Bereiche der Fuss¬
wurzel verkürzt, die Grenzen der einzetuen Fusswurzelknochen sind
zum Teil verwischt und letztere bilden eine compakte Masse. Die
Basis des Metatarsus V ist verschwunden. Ausserdem finden sich
Knochen Wucherungen um Kahnbein und an den Keilbeinen.
Ein tabischer Klumpfuss präsentiert sich nach einer Pu¬
blikation von Schulz 119 ) im Röntgenbilde folgendermassen: Die
Gelenkverbindungen zwischen Talus, Naviculare, Calcaneus und Cu-
boideum sind fast vollkommen verwischt, besonders in den medialen
Teilen. Würfelbein, Keilbein und die Basis oss. metatarsi V bilden
eine verschwommene Masse, die Gelenklinien sind nicht mehr er¬
kennbar. Das Würfelbein erscheint in der Mitte frakturiert, die
Frakturlinie setzt sich direkt in den auffallend weiten Gelenkspalt
zwischen Naviculare und Ossa cuneiformia fort Die Köpfchen der
Metatarsi I und III sind verdickt, letzterer ist ausserdem verlängert.
Das Kahnbein ist deutlich vergrössert; an seiner Innenseite erkennt
man einen Vorsprung, die Tuberositas ossis navicularis; an einem
lichten Streifen zwischen dieser und dem Naviculare selbst erkennt
man, dass eine Fissur im Os naviculare vorhanden ist.
Eine grössere Anzahl publizierter Aktinogramme illustriert die
bereits oben erwähnte Tatsache, dass die periarticulären Ver¬
änderungen an der Kapsel, deu Sehnen und Muskeln bei der tau¬
schen Arthropathie eine Ausdehnung annehmen, wie sie der Arthritis
deformans nicht eigen ist. Hierher gehören vor allem die Arbeiteu
von Gibert 43 ), Duprd und Devaux 31 - 3i ), Wilnas 154 ) und Höl-
tring 54 ). Bemerkenswert ist in den 4 von Gibert beschriebenen
Fällen bei der Hochgradigkeit der Gelenkdestruktion die relative
Geringfügigkeit der übrigen Tabessymptome. Die von Duprd und
Devaux beschriebenen Röntgenbilder einer Arthropathie des Knie¬
gelenks zeigen, dass hinter den osteofibrösen Neubildungen in der
Gelenkkapsel die Veränderungen am Knochen selbst völlig in den
Hintergrund treten, weshalb die Verfasser vorschlagen, den Prozess
als Periarthropathie zu bezeichnen.
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In dem von Höltring publizierten Falle waren auf dem Rönt¬
genbilde einer tabischen Arthropathie de9 Fussgelenks eine gleich-
massige Verdickung des unteren Tfbiarandes, eine Verbreiterung
des Proc. posterior calcanei und eine Verknöcherung der Achilles¬
sehne zu erkennen.
Besonders instruktiv aber sind die vorzüglichen Röntgenbilder
von Wilms, welche uns an einer tabischen Arthropathie des Knie¬
gelenkes folgende Verhältnisse unzweideutig erkennen lassen: Die
Tibia ist nach aussen subluxiert, so dass der Condylus internus
femoris an der medialen Seite frei in den Weichteilen neben der
Tibia steht. Der Cond. ext. femoris ist in einer Höhe von 2-3 cm
abgeschliffen, die Gelenkkapsel ist deutlich verknöchert, ebenso sind
die Bebnen des M. semitendinosus, semimembranosus und gracilis
ossificiert Die stärkste Knochenabschleifung entspricht der Stelle
des stärksten Druckes. Die nachher vorgenommene Resektion des
Kniegelenks bestätigte durchweg die Röntgendiagnose.
Ebenso deutlich sieht man auf dem Röntgenbilde einer tabischen
Hüftgelenkserkrankung die mächtigen periartikulären Wucherungen.
Von der Spina ant. sup. schiebt sich ein kompaktes festes Knochen¬
dach über das Hüftgelenk herab, welches besonders an der Aussen-
seite mit einer breiten Spange noch ein beträchtliches Stuck ain
Oberschenkel herabzieht. Eine unterhalb des Trochanter major ver¬
laufende Fraktur ist mit stark hypertrophischem Callus geheilt.
Die Cristae oss. ilei sind stark verbreitert. Auch hier zeigen sich
zahlreiche ausgedehnte Ossifikationen in den Muskel- und Sehnen¬
ansätzen, insbesondere an der Ansatzstelle des Musculus ileopsoas
am Becken.
Auch bei einem Falle von Arthropathie beider Hüftgelenke
mit Spontanfraktur des Schenkelhalses springt an den Röntgenogrammen
vor allem in die Augen das Bild hochgradigster Arthritis deformans
mit Uebergreifen der stalaktitenförmigen Knochenneubildungen auf die
benachbarten Muskeln und Sehnen (Musculi glutaei, obturator,
pectineus, adductor brevis, quadratus femoris, rectus femoris vastus
und ileopsoas). Besonders stark sind die Muskelansätze ver¬
knöchert. Auch finden sich zahlreiche isolierte Knocheninseln in
den Muskeln.
Für die Lehre von dem neurogenen Ursprung der Arthro-
und Osteopathien sind die Untersuchungen von Sudeck 186 ) von
prinzipieller Bedeutung. Sudeck stellte durch zahlreiche Röntgen¬
untersuchungen fest, dass nach Verletzungen und Entzündungen an
den Extremitäten sehr häufig und in ganz rapider Weise eine akute
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Knochenatrophie sich entwickelt, welche so hochgradig werden
kann, dass die Konturen der Knochen im Röntgenbilde verschwinden,
und welche nach Ansicht Sudeck’s in Anbetracht der überaus
schnellen Entwickelung unmöglich nur durch die Inaktivität der
erkrankten Extremität erklärt werden kann, wie Kümmel und die
Mehrzahl der Chirurgen anzunehmen geneigt sind. Sudeck nimmt
vielmehr an, dass hier eine trophoneurotische Störung vorliegen
müsse, und Neurologen, wie Nonne, Nalbandoff u. a. teilen diese
Ansicht. Non ne ! ' 2 ) hat zur Entscheidung dieser bedeutsamen Frage
zahlreiche Röntgenuntersuchungen bei solchen spinalen und cerebralen
Affektiouen angestellt, bei welchen das klinische Verhalten der
Knochen nicht auf eine Anomalie ihrer Struktur hinwies (Polio¬
myelitis ant. acuta, Myelitis transversa, Polioencephalitis etc.) und er
konnte feststellen, dass diese „radiographische Knochenre-
sorptiou 4 ’ in der Regel dort gefunden wird, wo die bisherige
klinische Untersuchung auch an den Weichteilen trophiscbe Störungen
zeigte, welche nach der herrschenden Auffassung durch eine Er¬
krankung der spinalen und cerebralen trophischen Centren be¬
dingt sind.
Demgegenüber bestreitet Kienböck 05 ), welcher sich sehr ein¬
gehend mit der Radiographie der Arthropathien beschäftigt hat,
dass diese Knochenatrophie, welche man nach Panaritien und Ent¬
zündungen an den Extremitäten häufig beobachtet, eine Atrophie
der Knochensubstanz darstelle, und behauptet vielmehr, dass es
sich hier lediglich um Kalkscbwund handle. Diesen Kalkschwund
findet man nun nach Kien bock’s Erfahrungen bei den tabischen
Arthro- und Osteopathien gerade nicht. Die Knochenbrüchigkeit
bei letzteren lässt sich somit nicht durch Kalkschwund, sondern nur
durch Strukturveränderungen der Grundsubstanz des Knochens
erklären.
Im übrigen erkennt Kienböck in Uebereinstimmung mit fast
allen Autoren die hohe diagnostische Bedeutung der Aktinographie
bei den tabischen Knochen- und Gelenkserkrankungen vollkommen
an und teilt fünf eigene einschlägige Beobachtungen mit. Selbst
beim Fehlen sonstiger tabischer Symptome ermöglicht nach Kien¬
böck schon die Aktinographie allein die Erkennung des tabischen
Charakters des Gelenk- oder Knochenleidens. Besonders charakte¬
ristisch zeigt das Röntgenbild neben den Abschleifungen und Wuche¬
rungen der Gelenksenden die Verknöcherungen im Bandapparate, in
den Sehnen und Muskeln, die Eburneation, die Rarefaktion und
Umlagerung der Knochenbälkchen.
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Gegenüber den überaus zahlreichen Beiträgen zum Studium
der Arthropathien im Röntgenbilde sind pathologisch-anatomische
und insbesondere histologische Untersuchungen in der neueren Literatur
spärlich vertreten. Seit den Untersuchungen von Lionville, Heiden¬
reich und Blanchard, durch welche eine Rarefaction des Knochen¬
gewebes durch Erweiterung der Havers’schen Kanäle und An¬
häufung von Fettgewebe in diesen erweiterten Kanälen festgestellt
wurde, sind wesentliche Fortschritte in dieser Richtung nicht zu
verzeichnen gewesen. Nur die erst vor kurzem erschienene bereits
oben erwähnte Arbeit von Barth 8 ) beschäftigt sich eingehend mit
dem pathologisch-anatomischen bezw. histologischen Befunde bei
einer tabischen Fussgelenksarthropathie. Die beschriebenen Präparate
stammen von einem 44jährigen Manne, welche durch einen Sprung
vom Wagen angeblich eine Verstauchung des linken Fussgelenks erlitten
hatte. Er konnte zunächst ohne besondere Schmerzen mit ihr weiter
umhergehen. Erst drei Monate später schwoll das Fussgelenk un¬
förmlich an und blieb dauernd dick, ohne jedoch den Kranken an
der Arbeit zu hindern. Nach l 3 / t Jahre konstatierte Barth, dass
das Fussgelenk bis zur Kindskopfgrösse kugelig aufgetrieben war.
Durch die dünne Haut fühlte man an einzelnen Stellen weiche
Massen, an anderen enorme Knochenneubildungen. Dabei war die
Beweglichkeit des Gelenks nicht beschränkt! Auffallend war das
Fehlen jeglicher Schwellung am Vorder- und Mittelfuss. Auch die
normale Fersengegend setzte sich schürf von der kugelförmigen Ge¬
schwulst ab. Es bestand Analgesie, die Reflexe waren erloschen.
Auf Wunsch des Kranken wurde der Fuss amputiert und nach neun
W'ochen konnte der Kranke mit gut funktionierendem Stelzfuss ent¬
lassen werden.
Durch den amputierten Fuss hat Barth drei sagittale Gefrier¬
schnitte angelegt und diese in Formalin gehärtet. Makroskopisch
zeigten sich auf den Durchschnitten die Knöchel massig verdickt
und mit Knorpelwucherungen umgeben, die Knöchelenden frakturiert
und dislociert. Der Talus war um die Hälfte seiner Höhe abge¬
plattet und in zwei Stücke zerlegt, der Knorpelüberzug desselben
nur zum Theil erhalten, zum anderen Theil durch Bindegewebe er¬
setzt, welches sich in der Spongiosa verliert. Talus und Calcaneus
zeigten noch normale Gelenkverbindung. Die Gelenkkapsel des
Fussgelenks war mit starken zottigen Wucherungen besetzt, in der
vorderen Gelenktasche fand sich ein flacher, über bohnengrosser
Gelenkkörper angeheftet, welcher offenbar aus der Kapsel selbst
entstanden war und aus unregelmässigen Wucherungen bestand. Eine
Centnlblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 57
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noch ausgedehntere Knorpel- uod Knochen Wucherung fand sich in
der Achillessehne, wo sich der Prozess ohne scharfe Grenze in
schwieligem Bindegewebe verlor. Die Gelenkfläche der Tibia bot
ein normales Aussehen.
Die mikroskopische Untersuchung der Schnitte erfolgte
nach Entkalkung, Einbettung und Hämatoxylin - Eosin - Färbung
und ergab folgenden Befund: Am Talus ist der Knorpel nur zum
Theil erhalten, zum Theil durch Bindegewebe ersetzt mit Resten .
von Knorpelinseln. Der Umwandlung des Knorpels in Bindege¬
webe geht eine Vacuolenbildung und Auffaserung am Rande des
Knorpels voraus und mit der Zerstörung des Knorpels geht eine
solche des darunter gelegenen Knochens auf weite Strecken einher.
Dadurch entstehen mächtige, von einem weitmaschigen Binde- und
Fettgewebe ausgefüllte Defekte. Die Spongiosabälkchen verlieren sich
hier ohne scharfe Grenze in dem maschigen Bindegewebe, welches
sich in das Markgewehe der Spongiosa direkt fortsetzt Barth
weist nun nach, dass es sich hier durchaus nicht um eine Nekrose
handelt Die normale Kerntinktion ist in den Knochen- und Knorpel¬
zellen überall erhalten. Der Gelenkknorpel zeigt, soweit er erhalten
ist, einen normalen Bau und es finden sich weder an der hyalinen
Grundsubstanz, noch an den Knorpelzellen bemerkenswerte Ver¬
änderungen, abgesehen von einer Auffaserung des Knorpels am De¬
fektrande; hier sind die Knorpelzellen stark gewuchert, die Kapseln
blasig aufgetrieben, und am Rande selbst kommt es durch Unter¬
gang der Zellen zu einer Höhlenbiidung, welche an manchen Stellen
einen solchen Umfang annimmt, dass ein ganzes System von Vacu-
olen entsteht, welche kaum noch Reste von Knorpelsubstanz zwischen
sich erkennen lassen. Der Schwund der Knochenbälkchen an der
Grenze des Defektes wird vielfach durch Anlagerung von Riesen¬
zellen herbeigeführt. Die verschmälerten, mit normalen Knochen¬
zellen versehenen Bälkchen sind hier am Rande von massenhaften
Riesenzellen besetzt. Auch an den entfernt von dem Defekte liegenden
Knochenbälkchen findet man häufig Riesenzelleneinlagerungen, während
an anderen Stellen die Grundsubstanz der Bälkchen unter Schwinden
der Kalksubstanz ohne scharfe Grenze in Bindegewebe übergeht;
in letzterem findet man dann noch an zahlreichen Stellen kleinste
Reste von Kuochengewebe. Im übrigen besteht das Gewebe des
beschriebenen Knochendefektes aus einem gefäss- und zellenreichen
Bindegewebe und aus Fettzellen. Anhäufungen von Leukocvton
finden sich nirgends.
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Nach diesem Befunde nimmt Barth an, dass der den tabischen
Arthropathien eigentümliche Zerstörungsprozess ohne alle entzünd¬
lichen Erscheinungen verläuft und ausgedehnte Teile des Gelenk¬
knorpels und des darunter liegenden Knochens zum Schwunde bringt
Es handelt sich auch nicht um eine Nekrose mit nachfolgender De¬
fektbildung infolge von Resorption, wie bisher vielfach angenommen
wurde; denn Knorpel und Knochen sind bis zum Defektrande
lebend, wie die Kerntinktion beweist Schliesslich ist auch nicht
anzunehmen, dass es sich hier um Folgezustande einer Fraktur
handelt Denn von einer Verletzung des Knochengewebes ist auf
den Schnitten durch den Defekt ebensowenig etwas zu sehen wie
von einer Callusbildung. Nach Barth ist vielmehr dieser mikro¬
skopische Befund so zu deuten, dass es sich um einen eigentümlichen
Schwund von Knorpel und Kuochen ohne alle entzündlichen
Erscheinungen handelt, wobei der Knorpel auffasert und seine
Grundsubstanz schwindet. Die Zellen gehen unter und Binde¬
gewebe tritt an die Stelle des geschwundenen Knorpels. In gleicher
Weise schwindet auch die Knochensubstanz und wird durch Binde¬
gewebe ersetzt, wobei die Osteoklasten am Defektrande ohne Zweifel
eine Rolle spielen. Der Prozess erinnert, in gewisser Hinsicht an
den Befund bei Arthritis deformans und wird von Barth als eine
Ernährungsstörung aufgefasst, welche wohl keine andere Deutung
zulässt, als dass sie durch das bestehende Rückenmarksleiden verur¬
sacht worden ist.
Die tabischen Osteopathien.
Auch die tabischen Osteopathien sind in den letzten Jahren
Gegenstand zahlreicher Publikationen gewesen. Die Entstehung von
Spontanfrakturen ohne jede Ursache oder aus ganz geringfügigen
Anlässen wird durch neue Beiträge illustriert, so das Auftreten von
Unter- und Oberschenkelfrakturen beim Stiefelanziehen, von Unter¬
kieferfrakturen beim Kauen, von Vorderarmfrakturen beim einfachen
Aufstützen im Bett u. s. w.
Bei den tabischen Spontanfrakturen ist die absolute Schmerz¬
losigkeit fast noch auffälliger als bei den Arthropathien. Sie
deutet fast mit Bestimmtheit auf das bestehende Rückenmarksleiden
hin! In Bezug auf den Heilungsverlauf dieser Frakturen kann nur
gesagt werden, dass auch hier die Regellosigkeit die Regel zu sein
scheint. Die Consolidierung erfolgt bald sehr rasch, bald auffallend
langsam, bald mit spärlichem, bald mit sehr hypertrophischem Gallus.
Auch Pseudarthrosen wurden mehrfach beobachtet. Ueber multiple
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Frakturen wird wiederholt berichtet. Ebenso, wie bei den Arthro¬
pathien, beobachtet man nach Frakturen nicht selten multiple Exo¬
stosen und Verknöcherungen der benachbarten Muskeln und Sehnen.
Vielfach wird über Fälle berichtet, in welchen die Spontanfraktar
ein Frühsymptom der Tabes darstellte und die Tabessymptome
erst mehrere Jahre später manifest wurden! Augenscheinlich bilden
Femur und Humerus eine Prädilektionsstelle für diese Frakturen.
Die Heilung erfolgt an den Diaphysen meist gut unter reichlicher
Callusbildung, während die Frakturen an den Epiphysen weniger
gute Heiltendenz zeigen und nicht selten eine Arthropathie des
angrenzenden Gelenkes einleiten. So beobachtete Obermaier* 4 )
einen Bruch der oberen Femurepiphyse, welcher ohne jede Ursache
eintrat. Im Anschluss hieran entwickelte sich eine Arthropathie
des Hüftgelenkes. In anderen Fällen wiederum, so z. B. in einem
Falle von Cabrol 18 ), geht die Arthropathie der Spontanfraktur der
benachbarten Epiphyse voraus.
In einem von Zimmermann 1S5 ) mitgeteilten Falle von Spon¬
tanfraktur des Radius erfolgte die Konsolidierung erst nach drei
Monaten.
In einem von mir selbst beobachteten Falle von tabischer
Spontanfraktur des Oberschenkels war diese Fraktur das erste Sym¬
ptom, durch welches das Leiden erkannt wurde. Es handelte sich
um einen 52 jährigen Mann, welcher, ohne zuvor jemals ernstlich
erkrankt gewesen zu sein, auf der ebenen Landstrasse mit dem
Fahrrade stürzte und mit einem Schrägbruch in der Mitte des Ober¬
schenkels in das Krankenhaus eingeliefert wurde. Die absolute
Schmerzlosigkeit der Fraktur trotz bestehender erheblicher Dis¬
lokation der Fragmente und starker Weichteilschwellung erweckte
alsbald den Verdacht auf ein bestehendes Rückenmarksleiden und
tatsächlich ergab die Untersuchung bei dem Verletzten eine hoch¬
gradige Hypalgesie der Extremitäten, beträchtliche Abschwächung der
Kniereflexe, Miosis und reflektorische Pupillenstarre. Die Konso¬
lidierung erfolgte nach sechs Wochen mit starkem Callus und einer
Verkürzung von 2 cm. Der Kranke wurde mit einem Stützapparat
entlassen, geht aber jetzt, d. i. ®/ 4 Jahre nach der Verletzung,
tadellos ohne den Apparat. Weitere Symptome der Tabes sind
während der Beobachtungszeit nicht aufgetreten.
Ich beobachte ferner zur Zeit einen 44 jährigen Bureaubeamten,
welcher trotz hochgradiger Arthropathie des Fussgelenkes noch voll¬
kommen dienstfähig und völlig frei von Beschwerden ist. Bereit?
vor drei Jahren hatte er, während er sich beim Kegelschieben
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bückte, eine Fraktur im unteren Drittel des Oberschenkels derselben
Extremität erlitten, welche in normaler Weise ohne Hinterlassung
von Funktionsstörungen heilte. Augenscheinlich war auch hier die
Spontanfraktur das erste Symptom der Tabes, von deren Vor¬
handensein der Kranke keine Ahnung hat. Dabei besteht reflek¬
torische Pupillenstarre, starke Hypalgesie und die Kniereflexe sind
erloschen!
In einem von Wilnas 15 *) beschriebenen Falle trat bei einem
54 jährigen Arbeiter eine Spontanfraktur des Oberschenkels ein,
während derselbe über den ebenen Hof ging, und Griffiths 50 ) teilt
einen Fall mit, in welchem ein Tabiker beim Eintritt in sein Haus
eine Unterschenkelfraktur erlitt Schulze 113 ) beschreibt einen Fall
von Gelenkfraktur an der oberen Tibiaepiphyse, welche bei einem
50 jährigen Manne beim Aussteigen aus der Droschke eintrat. Auch
hier erweckte erst die absolute Schmerzlosigkeit der Fraktur den
Verdacht auf bestehende Tabes und dieser Verdacht wurde durch
die Untersuchung alsbald bestätigt (Ataxie, Analgesie, Pupillenstarre,
Fehlender Patellarreflexe). Durch die später vorgenommene Autopsie
wurde festgestellt, dass eine hochgradige Zerstörung der Gelenks¬
enden und des Bandapparates des Kniegelenkes sowie ausgedehnte
periartikuläre Ossifikationen vorhanden waren. Wir finden also auch
in diesem Falle die bereits erwähnte Kombination von Arthro- und
Osteopathie.
Auch bei den von Tilmann 140 ) mitgeteilten fünf Fällen von
Torsionsfraktur des Oberschenkels konnte letztere dreimal als
Initialsymptom der Tabes angesehen werden! Erst nach 3 1 / 2 ,
bezw. 5 und 8 Jahren wurde in diesen Fällen die Tabes manifest.
Von Interesse ist in diesen fünf Fällen auch die Entstehung der
Fraktur: vier von diesen Kranken erlitten die Fraktur beim Ver¬
such, sich die Stiefel auszuziehen, und zwar drei im Sitzen, einer
im Stehen. Der fünfte erlitt die Fraktur beim Versuch, sich eine
Wunde an seiner Fusssohle zu betrachten. Tilmann hat nun
durch Versuche an 90 Leichen festgestellt, dass bei normal er¬
nährtem Knochen durch Rotation des Oberscheukels mittelst Hebe-
lung am Unterschenkel eine Torsionsfraktur nicht hervorgerufen
werden kann.
In einem von Raviart 103 ) beschriebenen Falle erfolgte ohne
jede nachweisbare Ursache eine Spontanfraktur erst des rechten
und einige Monate später auch des linken Oberschenkels. Einen
ganz ähnlichen Fall hat Monski 84 ) publiziert.
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Sabrazös und Fauquet 110 ) beobachteten bei einem Tabiker
eine derartig ausgedehnte Brüchigkeit des Oberkiefers, dass
der gesamte Alveolarrand des Oberkiefers mit 11 Zähnen unter
Zerreissung der Mucosa bei einer einfachen Zahnextraktioa
abbrach!
Den seltenen Fall einer Spontanfraktur des Beckens und
des Oberschenkels beobachteten Ferrand und Pöcharmand**)
bei einem mit multiplen Arthropathien behafteten Tabiker. Die
Diagnose wurde durch die Autopsie bestätigt.
Unter den äusseren Anlässen, welche die tabischen Spontan¬
frakturen herbeiführen, spielt augenscheinlich, wie zahlreiche ältere
Publikationen und die neueren Arbeiten von Tilmann 140 ), Huchzer-
meyer 5B ) u. a. beweisen, das Ausziehen der Stiefel eine dermassen
hervorragende Rolle, dass für den Arzt aus dieser Erfahrungstat¬
sache die Pflicht erwächst, den Tabiker vor allen mit mehr oder
weniger forcierter Rotation des Beines einhergehenden Bewegungen
zu warnen. Auch ein von F r i c k Sb ) veröffentlichter Fall von
tabischer Oberschenkelfraktur erfolgte in dem Augenblicke, als im
Sitzen der linke Unterschenkel zum Zwecke des Ausziehens des
Stiefels über das rechte Knie gelegt wurde!
Dieser Fall von Frick ist ferner insofern von Interesse, als
der nach 8 Wochen mit 3 cm Verkürzung unter reichlicher Callusent-
wicklung geheilte Oberschenkel bald nach dem Verlassen des Bettes
zum zweitenmale dadurch brach, dass der Kranke gegen eine
Tischkante stiess. Noch ehe diese Fraktur geheilt war, entwickelte
sich eine Arthropathie des Fussgelenkes der betreffenden Seite und
nun wurde erst der tabische Ursprung der Fraktur und des Ge¬
lenkleidens erkannt (reflektorische Pupillenstarre, Fehlen beider Pa-
tellarreflexe), an welchen vorher trotz der geringen Schmerzhaftigkeit
der Fraktur nicht gedacht worden war.
Dieser Fall von Frick wurde ursprünglich als entschädi¬
gungspflichtiger Betriebsunfall anerkannt, bis durch die neu¬
rologische Untersuchung die Tabes festgestellt wurde. Der Fall
illustriert somit auch die hervorragende Bedeutung der Frage für
die ärztliche Sachverständigentätigkeit in ebenso ausgezeich¬
neter Weise, wie der folgende von Goldstein 46 ) mitgeteilte Fall:
Ein 44jähriger Weber brach das linke Schienbein, als er sich
niederbückte, um Spulen aus einem Kasten zu nehmen. Als Gold¬
stein den Verletzten 13 Wochen später behufs Begutachtung wegen
des angeblich erlittenen Betriebsunfalles untersuchte, stellte er fest
dass ausser der geheilten Fraktur ein monströs verdicktes Kniege-
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903
lenk derselben Seite bestand und dass bereits 2 Jahre zuvor wegen
einer „Geschwulst“ das rechte Fussgelenk reseziert worden war.
Fehlen der Patellarreflexe, Pupillenstarre, Analgesie. Es handelte
sich also zweifellos um tabische Osteo- und Arthropathie uud dem¬
gemäss wurde auch die Entschädigungspflicht in allen Instanzen ab¬
gelehnt, da die Fraktur beim einfachen Bücken auf ebener Erde
ohne Umknicken oder ein sonstiges aussergewohnliches, von der
üblichen Berufstätigkeit abweichendes Ereignis erfolgt war.
Auch die mehrfach erwähnte neuere Arbeit von Wilde ,50 )
beschäftigt sich mit der Frage der traumatischen Tabes und der
forensischen Beurteilung der Unfallfolgen bei Tabikern. Wilde er¬
wähnt einen Fall von Entwicklung einer tabischen Osteopathie des
Unterschenkels an einer Stelle, an welcher mehrere Jahre zuvor eine
Fraktur erfolgt war. Da diese Fraktur äusserst schmerzhaft war,
nimmt Wilde an — unseres Erachtens mit Unrecht —, dass da¬
mals noch keine Tabes bestand, und hält es für möglich, dass im
Anschluss an die Fraktur die tabische Osteopathie erst entstanden sei.
In einem zweiten, von Wilde erwähnten Falle entwickelten
sieh bei einem 26 jährigen Patienten 1 / i Jahr nach einer äusserst
schmerzhaften Distorsion des Fussgelenks die Symptome der tabischen
Arthropathie. In diesem Falle glaubt Wilde, dass die von Tröramer
für den Beweis eines Causalzusammenhanges zwischen Tabes und
Trauma geforderten drei Bedingungen, nämlich:
1. ein zeitlicher Zusammenhang der Erscheinungen mit der
Verletzung;
2. ein örtlicher Connex bei peripheren Verletzungen und
3. eine schwere Ijäsion
zweifellos vorhanden seien. Wilde präzisiert also seinen Stand¬
punkt, abweichend von Frick, Goldstein u. a., dahin, dass alle
Fälle, in welchen tabische Symptome vor dem Unfall nicht kon¬
statiert waren, als auf traumatischer Basis entstandene Fälle von
Tabes anzusehen und demgemäss zu entschädigen seien. Er er¬
achtet ferner stets eine entschädigungspflichtige Verschlimmerung
der Tabes für vorliegend, wenn bei einem Tabiker im Gefolge einer
lokalen Verletzung eine Arthro- oder Osteopathie eintritt.
Ein von Bloch 11 ' l2 ) veröffentlichter Fall von tabischer Hüft¬
gelenksarthropathie mit Spontanfraktur des Schenkelhalses
ist für die Frage der Entschädigungspflicht von Unfällen bei Tabikern
von ganz besonderem Interesse: Ein 60jähriger Strasseubahnschaffner,
welcher bereits seit 24 Jahren ununterbrochen im Dienste der Strassen-
bahn stand und zuvor nur zeitweise an „Reissen“ und Blasenbe-
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schwerden gelitten hatte, aber nur einmal acht Tage dienstunfähig:
gewesen war, glitt beim Anspannen der Pferde auf dem schlüpfrigen
Pflaster aus und fiel zu Boden. Er wurde 30 Tage in einem
Krankenhause behandelt. Aber erst nach der Entlassung aus dem¬
selben wurden die Verkürzung des Beines sowie das Bestehen der
Tabes festgestellt und der Verletzte mit seinen Ansprüchen von
der Berufsgenossenschaft abgewiesen. Bloch konstatierte l>ei der
Untersuchung neben den ausgesprochenen Symptomen der Tabes
eine Verkürzung des linken Beines um 2,5 cm. Das linke Hüftge¬
lenk war hochgradig aufgetrieben. Das Röntgenbild eigab eine
typische Arthropathie des linken Hüftgelenkes und eine Fraktur des
Schenkelhalses. Bloch gab seiu Gutachten dahin ab, dass die Tabes
wahrscheinlich schon vor dem Unfälle bestanden hat. Es war auch
nicht ausgeschlossen, dass schon vor dem Unfälle eine leichte Er¬
krankung des Hüftgelenks vorhanden war. Zweifellos war aber erst
infolge des Unfalls eine Fraktur des linken Oberschenkelhalses und
damit eine derartige Verschlimmerung des Hüftgelenkleidens her¬
beigeführt worden, dass der Verletzte hierdurch völlig erwerbsun¬
fähig wurde. Dabei erschien die Frage unerheblich, ob etwa bei
dem Verletzten infolge des Rückenmarksleidens eine besondere
Brüchigkeit des Knochengewebes bestand. Es genügt für die Fest¬
stellung der Entschädigungspflicht der Nachweis, dass bei einem Tabiker
durch einen Betriebsunfall eine wesentliche Verschlimmerung des
Leidens mit Wahrscheinlichkeit herbeigeführt worden ist. Das Schieds¬
gericht hat auf Grund dieses Gutachtens den Unfall als entschädigungs¬
pflichtig anerkannt.
Der Tabesfnss.
Der Tabesfuss (Pied tabötique) erfordert eine gesonderte Be¬
sprechung, da es sich bei dieser Erkrankungsform wohl meist uro
eine Kombination vou tabischer Osteo- und Arthropathie
handelt. Auch hier kann nicht behauptet werden, dass die recht
zahlreichen einschlägigen Publikationen dem im Jahre 1885 zuerst
von Charcot und Förö beschriebenen Krankheitsbilde etwas wesent¬
lich Neues hinzugefügt hätten. Aus einer Durchsicht der Fälle
geht hervor, dass in der Regel die Knochenerkrankung mehr ausge¬
prägt ist als die Gelenkaffektion. Die meist allmähliche, vollkommen
schmerzlose, nicht selten doppelseitige Entwickelung des Leideus,
die anfänglich meist ganz unerhebliche Funktionsstörung führt die
Kranken gewöhnlich erst in einem sehr vorgerückten Stadium des
Leidens in ärztliche Behandlung. In der Regel findet man dann
den Fuss schon hochgradig verdickt. Die scheinbar ödematös ge-
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schwollene Haut hinterlässt hei Fingerdruck keine Delle. Sehr
charakteristisch ist eine wirkliche Abknickung des Fusses in den
Tarsometatarsalgelenken in der Regel nach aussen, seltener nach
innen. Es entsteht hierdurch eine wirkliche Ausbuchtung meist des
inneren Fussrandes. Das Os scaphoideum, cuneiforme I und die
übrigen Tarsalknochen sind hochgradig verdickt, das Fussgewölbe
verschwindet immer mehr und nicht selten entsteht ein hochgradiger
Plattfuss; nur ausnahmsweise erscheint das Fussgewölbe abnorm
stark ausgehöhlt („Chinesenfuss“). In weiter vorgerückten Stadien
kommt es, zumal wenn die Kranken infolge der Unempfindlichkeit
der Extremität das Bein nicht schonen, zu vielfachen Frakturen der
Fusswurzelknochen, zu hochgradigen Deformierungen und Abschlei¬
fungen der Gelenkfiächen. Nicht selten verwachsen derartige Bruch¬
stücke wieder mit einander in mehr oder weniger dislocierter Stellung.
Der Tabesfuss ist eine relativ seltene Form der tabischen Osteo¬
pathie. Unter 274 Fällen von Arthropathie bei Tabes fand Pan-
sini 96 ) 13 = 4,75°/ 0 Fälle von Tabesfuss. Er berechnet ferner, dass
auf 1250 Fälle von Tabes ein Fall von Tabesfuss kommt.
Ziemlich typische Fälle dieser klinisch und anatomisch höchst
eigenartigen tabischen Osteoarthropathie haben Schulz 118 ), Jacob 59 ),
Wilde 150 ) und Wilms 152 ) beschrieben und durch Röntgogramme
illustriert. Wir haben dieser Arbeiten ■ bereits bei der Besprechung
der Röntgenuntersuchungen Erwähnung gethan.
Ein von Senator 122,124 ) beschriebener Fall von Tabesfuss be¬
trifft einen 45 jährigen Postbeamten im vorgerückten paralytischen
Stadium der Tabes. Der linke Fuss war verdickt, verkürzt und
abgerundet. Die Einbuchtung am inneren Rande, die Wölbung der
Sohle waren verloren gegangen. Der Fuss glich einer oben am Fuss-
rücken noch besonders verdickten Walze, an welche vorne die nicht
vergrösserten Zehen wie kleine Anhängsel sassen. Die mitgeteilten
Masse lassen erkennen, dass der kranke Fuss im Vergleich zum
gesunden um 2 cm verkürzt und um 4 cm verdickt war. Beim
Gehen wird der Fuss nach innen und oben rotiert gehalten; die
aktive und passive Beweglichkeit im Fussgelenk ist fast ganz auf¬
gehoben, Hautveränderungen bestehen nicht. Die Schwellung ist
absolut schmerzlos.
In einem von Westphal U8> u9 ) publizierten Falle trat die
Fussschwellung plötzlich über Nacht auf. Sie war vollkommen
schmerzlos. Am Innenrand des Fusses in der Gegend des Os sca¬
phoideum bestand die stärkste Knochenauftreibung. Ein solcher
Knochenvorsprung am Innenrande des Fusses in der Gegend des
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Os scaphoideum und cuneiforme I. fand sich auch in einem zweiten
von Westphal beschriebenen Falle von Osteoarthropathie des
Fusses. Allerdings handelte es sich in diesem Falle nicht um Tabes,
sondern um progressive Paralyse.
Dass der klinische Verlauf beim Tabesfuss nicht immer ein
so reaktionsloser ist, beweist ein Fall von Zimmermann 155 ), in
welohein wegen Bildung multipler Abscesse mehrere Incisionen am
FuBse erforderlich wurden. Nach der Incision blieben stark secer-
nierende Fisteln zurück, die Deformierung des Fussskelettes nahm
zu, das Allgemeinbefinden litt hochgradig, bis schliesslich durch
die vorgenommene Amputation des Unterschenkels Heilung
erzielt wurde.
Die übrigen Erkrankungen des Skeletts (Kiefernekrose,
Zahnausfall, Wirbelerkrankungen etc.).
Die bekanntlich bei Tabes wiederholt beschriebene Atrophie
des Processus alveolaris der Kiefer, die damit zusammen¬
hängende Brüchigkeit des Alveolarfortsatzes, das schmerz¬
lose Ausfallen der Zähne (meist einhergehend mit Anästhesie
und Analgesie des Zahnfleisches, der Gaumen- und Wangenschleim¬
haut) sind durch neue Beiträge von Raviart, Monski, Sabrazfes
und Fauquet, Auerbach, Pons u. a. illustriert worden. Bereits
im Jahre 1891 hat Rosin 22 derartige Fälle von trophischer Kiefer¬
erkrankung bei Tabes gesammelt und publiziert (Deutsche Zeitschr.
f. Nervenheilkunde 1891, Bd. I, 5—6). Nach den Untersuchungs¬
ergebnissen von Westphal, Oppenheim, Demange, Ross u. a.
ist die Erkrankung auf degenerative Prozesse im Gebiete des
Trigeminus zurückzuführen.
Auerbach 5 ) beschreibt einen Fall von Tabes im ataktischen
Stadium, bei welchem zunächst eine Arthropathie des rechten Knie¬
gelenks, dann leichte Veränderungen an den Schulter- und Fuss-
gelenken und schliesslich eine trophische Erkrankung des Ober- und
Unterkiefers eintrat. Die Kranke verlor plötzlich obne Schmerzen
mehrere nicht cariöse Unterkieferzähne, bald darauf entstand an der
Stelle des Zahndefektes eine akute Periostitis, welche eine Incision
erforderte. Hierauf entstanden ziemlich akut Zahncysten an beiden
Oberkiefern, welche eröffnet werden mussten. An Ober- und Unter¬
kiefer trat allmählich ein sehr ausgedehnter Schwund des Alveolar¬
fortsatzes ein. Beide Kiefergelenke waren abnorm schlaff.
Bei dieser tabischen Kiefererkraukung, welche sich als rare-
ficierende Ostitis charakterisiert, besteht eine evidente Tendenz
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zur Nekrose des Knochens. Bei den von Rosin gesammelten
22 Fällen von tabischer Ostitis des Kiefers war es neunmal der Fall.
In einem von Kalischer **) veröffentlichten Falle begann das
Leiden mit schmerzlosem Ausfall von drei ganz gesunden Unter¬
kieferbackenzähnen. Acht Tage später traten Stiche in der linken
Unterkieferseite auf, das Zahnfleisch schwoll an und es entleerte
sich fötider Eiter aus den Alveolen. Erst nach Entfernung eines
2 Yj cm grossen, völlig nekrotischen Knochenstückes aus dem Unter¬
kiefer hörte die Eiterung auf, die Beschwerden wichen und in
wenigen Tagen erfolgte Heilung.
Pons 102 ) fand bei 30 von ihm untersuchten Tabikern achtmal,
also in 26°/ 0 der Fälle, Zahnausfall. In 90"/ o dieser Fälle war
Lues anamnestisch festzustellen. Der Zahnausfall gehört vorwiegend
dem präataktischen Stadium der Tabes an im Gegensatz zum
Mal perforant buccal, welches in der Regel erst in den späteren
Perioden des Leidens auftritt. Häufig wird beim Ausfall der Ober¬
kieferzähne das Antrum maxillare eröffnet, wodurch leicht eine In¬
fektion desselben und sekundäres Empyem zu Stande kommen. Der
Zahnausfall geht oft ganz plötzlich vor sich. In der Minderzahl
der Fälle gehen ziehende Schmerzen im Gesicht, ein Gefühl des
Längerwerdens der Zähne, Schwellungen der Lippe und des Zahn-
• fleisches dem Zahnausfall voran. Dagegen hat Pons nie Periostitis
vor Eintritt des Zahnausfalles beobachtet. Die Zähne sind nicht
druckempfindlich, werden aber immer lockerer und fallen schliess¬
lich ohne Blutung aus. Die ausgefallenen Zähne zeigen in der
Regel an ihrer Oberfläche und Pulpa ein durchaus gesundes Aus¬
sehen. Mit besonderer Vorliebe fallen die Prämolaren und Eckzähne
des Oberkiefers aus. Man findet dann den Alveolarfortsatz in der
Regel schon im Schwund begriffen, Abstossungen von kleinen Se¬
questern desselben sind nicht selten. Die Therapie ist diesem Zahn¬
ausfall gegenüber völlig machtlos und muss sich auf antiseptische
Massnahmen zur Verhütung der Periostitis und Necrosis alveolaris
beschränken.
Die tabi8chen Osteo- und Arthropathien der Wirbel-
sänle sind, wie schon aus den früheren Publikationen von P.
Marie, Pitres und Vaillard, Krönig, Richer und Oppen¬
heim hervorgeht, ziemlich selten. Abadie 1 ) berichtet in einer
umfassenden Arbeit über neun ihm bekannt gewordene Fälle und
fünf eigene Beobachtungen. Das Leiden entwickelt sich fast aus¬
nahmslos sehr langsam und vollkommen schmerzlos. Eine plötzliche
Erkrankung beruht meist auf einer Fraktur eines schon vorher
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erkrankt gewesenen Wirbels. Fast konstant tritt Kyphoskoliose
auf, meist ohne Gibbus. Abadie teilt die tabischen Wirbelosteo¬
arthropathien in zwei Gruppen ein: 1. in solche mit einfacher De¬
viation der Wirbelsäule; 2. in solche, bei welchen diese Deformität
auf bestimmt lokalisierbare Läsionen zurückzuführen ist. In einem
der von Abadie beschriebenen Fälle handelte es sich um eine
Arthropathie des 3. und 4. Lendenwirbels bei einer 51 jährigen
Tabica mit gleichzeitiger Arthropathie eines Hüft- und Kniegelenks.
Tod an zunehmender Taboparalyse. Die Autopsie eigab hochgradige
Abschleifung der Wirbelgelenke, Osteoporose der Wirbelkörper mit
Osteophytenbildung in der Umgebung. In den übrigen Fällen
Abadie’s stützte sich die Diagnose auf die klinischen Symptome:
mehr weniger hochgradige Kyphoskoliose, Crepitation in den Wirbel¬
gelenken und Ankylose einzelner Wirbelgelenke. Der Arbeit sind
sehr gute Abbildungen beigegebeu. Ein instruktives Röntgenogramm
einer tabischen Arthropathie der Wirbelsäule ist von Benedikt ')
veröffentlicht worden.
Erst neuerlich ist ferner von Spiller 129a ) ein Fall von ta-
bischer Arthropathie der Wirbelsäule bei einer 59 jährigen Frau
beschrieben worden. Es bestanden eine sehr ausgesprochene Skoliose
und Lordose im Brust- und Lendenteil der Wirbelsäule. Gleich-
zeitig bestanden Arthropathien des linken Fuss- und Kniegelenks,
sowie beider Schulteigelenke.
Aus der überaus grossen Fülle rein casuistischer Beiträge zur
Lehre von den tabischen Osteo- und Arthropathien, welche in den
letzten Jahren erschienen sind (vgl. obiges Literaturverzeichnis), sei
an dieser Stelle anhangsweise noch einiger weniger besonders Er¬
wähnung gethan, da, wie ich bereits erwähnt habe, zahlreiche Arbeiten
eben nur als ein weiterer Beweis für die Thatsache gelten können,
wie wohlcharakterisiert und typisch dieses Krankheitsbild ist, dessen
Charakter in seinen wesentlichsten Zügen schon in den grundlegenden
Publikationen Charcot’s so treffend gezeichnet ist.
Die von Strümpell, Kienböck und zahlreichen anderen
Autoren hervorgehobene Thatsache, dass die Arthropathie häufig
das erste dem Kranken auffallende Symptom der Tabes darstellt,
wird sehr gut durch die von Schneider 114 ) mitgeteilten Fälle aus
der Hallenser Klinik illustriert. In 4 von den 11 publizierten Fällen
konnte auf Grund des Gelenkleidens die Frühdiagnose der Tabes
gestellt werden und in 3 weiteren Fällen waren dem Gelenkleiden
nur Sehstörungen als einziges Symptom vorausgegangen! Sur in
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einem einzigen der 11 Fälle trat die Arthropathie erst im atak¬
tischen Stadium der Tabes auf.
Von den fünf durch Auerbach 5 ) beschriebenen Fällen tabischer
Arthropathie ist einer dadurch von besonderem Interesse, dass die
Arthropathie des Kniegelenkes sich während der Bettruhe ent¬
wickelte.
Ein von Westphal 441 ') mitgeteilter Fall ist bemerkenswert
durch die Kombination tabischer Gelenkveränderungen mit pro¬
gressiver Paralyse bei einer 38jährigen Frau.
Der seltene Fall einer gleichzeitigen tabischen Erkrankung
von Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenk des rechten Armes mit
ganz plötzlichem Beginn der Affektion ist aus den sechs von
Zimmermann 155 ) aus der Strassburger Klinik veröffentlichten Fällen
besonders hervorzuheben.
Besonderes Interesse beanspruchen ferner zwei von Huchzer-
ineyer 5 ®) publizierte Fälle von tabischer Spontanluxation des
Hüftgelenks: Der erste Fall betraf einen 61jährigen Amtsrichter
mit vorgeschrittenen Tabessymptomen. Nachdem der Kranke be¬
reits längere Zeit zuvor ein Knacken im linken Oberschenkel
empfunden hatte, entwickelte sich plötzlich während einer Kur in
Oeynhhausen ein teigiges schmerzloses Oedem der linken Hüft-
gegend, welches bis zur Mitte des Oberschenkels herabreichte. Die
Untersuchung ergab eine Luxation des Schenkelkopfes nach
hinten und oben, sowie eine Verkürzung des Beines um 6 cm.
Diese hochgradige Störung hinderte den Kranken nicht, seine Kur
fortzusetzen.
Im zweiten Falle handelte es sich gleichfalls um vorgerückte
Tabes bei einem Offizier. Derselbe empfand beim Versuch, sieh
den Stiefel mit Hilfe des Stiefelknechtes auszuziehen, plötzlich einen
Ruck in der linken Hüftgegend und Stiche im Leibe. Es wurde
durch die gleich darauf vorgenommene Untersuchung eine voll¬
kommene Luxation des linken Oberschenkelkopfes nach
hinten und oberhalb der Pfanue mit erheblicher Verkürzung
des linken Beines ohne jedes Oedem der Umgebung festgestellt.
Dabei bestanden, abgesehen von dem durch die Verkürzung be¬
dingten stark hinkenden Gang, beim Stehen und Geheu nicht mehr
Beschwerden als vor Eintritt der Luxation!
Um ein rein zufälliges Zusammentreffen zweier von einander
unabhängiger Krankheitsprozesse durfte es sich in dem von Ritter 106 )
mitgeteilten Falle von „Tabes mit multiplen Exostosen“ handeln.
Denn die meist bilateral symmetrisch und vorwiegend an den Epi-
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Ürigiral fro*m
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physen der Röhrenknochen der Extremitäten lokalisierten zahlreichen
Exostosen bestanden bei der 50jährigen Tabica bereits seit frühester
Kindheit.
Schliesslich sei noch in Kürze zweier Arbeiten gedacht, welche
sich mit der chemischen und mikroskopischen Untersuchung
der aus den Tabikergelenken durch Punktion entleerten Flüssigkeit
beschäftigen:
Achard und Loeper*) entleerten aus dem Kniegelenk hei
einer seit vier Jahren bestehenden hochgradigen tabischen Arthro¬
pathie eine rötliche fadenziehende Flüssigkeit ohne Fibrin von
einem spezifischen Gewichte von 1009. Dieselbe zeigte im Spec-
troskop Oxyhämoglobinstreifen. Im Sediment fanden sich zahlreiche
rote Blutkörperchen. Von den Leukocyten waren etwa 60 °/ 0 Lym-
phoeyten. Ferner fanden sich zahlreiche Endothelzellen.
Dufour 80 ) fand den tabischen Gelenkerguss entweder rein
serös oder serös-hämorrhagisch. Aber auch bei manchen serös er¬
scheinenden Ergüssen ist eine rasche Volumsvermehrung meist auf
einen Bluterguss zurückzuführen. Dufour beschreibt einen Fall,
in welchem bei einem Tabiker im ataktischen Stadium über Nacht
ein grosser schmerzloser Erguss im Kniegelenk entstanden war.
Die Punktion ergab eine gelbe, seröse, fadeuziehende, fibrinarme
Flüssigkeit. In dem zentrifugierten Sediment fanden sich zahlreiche
rote Blutkörperchen. Von den Leukocyten waren nur 6% multi-
nucleäre Zellen.
Bei einer zweiten Punktion desselben Gelenks fanden sich
nur noch wenige rote Blutkörperchen. Als der Erguss wieder
plötzlich zunahm, fanden sich bei einer dritten Punktion wieder
zahlreiche rote Blutkörperchen. Dufour schliesst daraus, dass den
meisten tabischen Gelenkergüssen, zumal den plötzlich auftretenden,
eine Hämorrhagie, wahrscheinlich infolge von Gefässrupturen, zu
Grunde liegt.
Prognose und Therapie.
Fast von allen Autoren wird übereinstimmend das Auftreten
von Arthro- bezw. Osteopathien als eine für den weiteren Verlauf
der Tabes in prognostischer Hinsicht äusserst ungünstige Wendung
der Krankheit angesehen. Möbius 82 ) misst dieser Komplikation
denselben Grad übler Vorbedeutung bei, wie etwa den gastrischen
Krisen: „Denn abgesehen davon, dass ein Knochenbruch oder eine
Arthropathie schon an und für sich ein grosser Schaden ist, welcher
durch die Hemmung der Bewegungen dem Kranken vielen Nachteil
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bringen kann, häufen sich diese Zufälle sehr oft, weil eben die
Schädigung der Knochen eine mehr oder weniger allgemeine ist“
Gerade der letzterwähnte Umstand, die mehr weniger allge¬
meine Schädigung des Knochensystems der Tabiker, die Neigung
zu multiplen Erkrankungen, die Furcht vor Störungen des Wund¬
verlaufes, vor Decubitus und Cystitis bei längerem Krankenlager
und die Rücksicht auf den leidenden Allgemeinzustand lassen es
begreiflich erscheinen, dass grössere, chirurgische Eingriffe bei den
tabischen Osteo- und Arthropathien von den Chirurgen gern ver¬
mieden werden und diese Zurückhaltung erscheint umsomehr gerecht*-
fertigt, als erfabrungsgemäss durch konservative mechanische und
orthopädische Behandlung sich recht viel erreichen lässt.
Die hochgradigen periarticulären Oedeme werden häufig
schon durch Bettruhe, Massage und Bindeneinwickelung in über¬
raschend kurzer Zeit zum Rückgang gebracht. (Klemm u. a.)
P£charmand und P. Marie") sahen in einem Falle guten Erfolg
von der innerlichen Darreichung von Aspirin.
Bei den Wirbelerkrankungen der Tabiker sind wir auf die
orthopädische Behandlung von vornherein angewiesen. Das Korsett,
welches dem ataktischen Tabiker ein Gefühl der Sicherheit gibt, ist
vielleicht sogar geeignet, durch seine entlastende Wirkung Erkran¬
kungen der Wirbel zu verhüten und die Rückbildung bereits be¬
stehender Osteoarthropathien der Wirbel zu begünstigen.
Wie das Korsett dem Rumpfe die wohlthuende Stütze verleiht,
so leistet der Hessing’sche Schienenhülsenapparat vorzügliche
Dienste bei den Arthropathien der unteren Extremitäten.
Hoffa") empfiehlt die möglichst frühzeitige Applikation der
Stützapparate, welche durch ihre entlastende distrahierende Wirkung
einem Fortschreiten des Prozesses Vorbeugen und das kranke Ge¬
lenk vor weiteren mechanischen Insulten bewahren. Hoffa nimmt
ebenso wie Wi l ms 15 *) an, dass die konstanten Reibungen der Ge¬
lenkoberflächen nicht nur die Knochen- und Knorpelusuren, sondern
auch die Knochenproliferation und die periarticulären Ossificationen
herbeiführen, und glaubt, dass durch rechtzeitige Applikation des
Entlastungsapparates diesen hochgradigen Destruktionen vorgebeugt
werden kann. Hoffa sah sogar in einem Falle von doppelseitiger
tabischer Arthropathie der Kniegelenke nach jahrelangem Tragen
der Stützapparate eine derartige Besserung der Affektion eintreten,
dass der Apparat auf einer Seite wieder dauernd abgelegt werden
konnte.
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Auch bei den tabischen Spontanfrakturen und -Luxationen
sind die Schienenhülsenapparate sehr zu empfehlen. Sie bieten deu
besten Schutz gegen erneute Frakturen.
Mit der Behandlung der tabischen Gelenkserkrankungen durch
Stützapparate befassen sich auch die Arbeiten von Ahrens 4 ) und
Vulpius 148 ). Dieselben bestätigen durchaus die eben mitgeteilten
Erfahrungen von Hoffa.
Bei gleichzeitig bestehenden Symptomen von Lues erscheint
der Versuch einer antisyphilitischen Behandlundlung jedenfalls ge¬
rechtfertigt.
Die Resultate der operativen Therapie sind bisher nicht sehr
befriedigend und rechtfertigen den Standpunkt der Mehrzahl der
Chirurgen, bei den Arthropathien der Tabiker nur notgedrungen
zum Messer zu greifen.
Schocherd Uüa ) hat die Resultate zahlreicher Arthrektomien
und Resektionen bei Tabikern zusammengestellt. Nur in wenigen
Fällen wurde die erwünschte feste knöcherne Vereinigung erzielt,
so dass die Kranken auch nach der Operation meist noch auf die
Stützapparate angewiesen waren.
Amputationen sind nur indiziert bei Komplikation mit
schweren, das Leben bedrohenden Eiterungen oder bei so hoch¬
gradiger Ausdehnung des Prozesses, dass die Kranken selbst mit
Stützapparaten nicht gehen können. Derartige Fälle dürften jedoch
äusserst selten Vorkommen.
So gerechtfertigt nun auch der konservative Standpunkt bei
der Behandlung der tabischen Arthropathien sein mag, so darf man
andererseits in dieser Zurückhaltung auch nicht zu weit gehen und
— wie manche Chirurgen — jeden operativen Eingriff von vorn¬
herein als zwecklos und verfehlt betrachten.
Die weit verbreitete Ansicht, dass neuropathische Individuen
mehr zu Eiterungen neigen, ist keineswegs erwiesen und es kann
nur zugegeben werden, dass die Nachbehandlung operierter Fälle
bei Tabes, insbesondere die Prophylaxe des Decubitus und der In¬
fektion der Harnwege, bei der bestehenden Analgesie und Blasen¬
schwäche ganz besondere Sorgfalt erheischt.
Nach der Zusammenstellung von Ullmann 148 ) wurden durch
wiederholte Punktionen namentlich bei Blutergüsssen ins Gelenk,
ferner bei Gelenksvereiterungen durch Arthrotomie mit oder ohne
Drainage mehrfach gute funktionelle Resultate erzielt So hat
Schede im Jahre 1890 bei einer tabischen Hüftgelenksvereiterung
durch einfache Arthrotomie Heilung mit vorzüglicher aktiver und
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passiver Beweglichkeit erzielt, jedoch musste der Kranke ein halbes
Jahr später wegen Recidivs von neuem operiert werden, wobei ein
vom Gelenkskopfe losgelöster Sequester entfernt wurde. Nach dieser
zweiten Operation war das Resultat dauernd günstig.
Ebenso wie Schede haben auch Czerny, Müller u. a. durch
Arthrotomie und Drainage gute. Erfolge erziele
Behufs Feststellung der Erfolge der Gelenksresektion bei
tabischen Arthropathien hat (Jllmann 16 einschlägige Fälle aus der
Literatur gesammelt (ein Fall betraf das Schultergelenk, zwei das
Hüftgelenk, drei das Sprunggelenk, 10 das Kniegelenk). Meist war
der Eingriff durch weitgehende Zerstörung des Gelenks oder durch
komplicierende Eiterung geboteu, und wenn in. der Mehrzahl der
Fälle nach der Operation auch nicht die gewünschte Festigkeit des
Gelenkes erzielt wurde, welche einen Stützapparat entbehrlich machte,
so ist doch bei einigen operierten Fällen durch die Operation eine
funktionelle Besserung herbeigeführt, bei einigen sogar das Gehen
erst ermöglicht worden.
So wurde bei einer von Czerny vorgenommenen Resektion
des Schultergelenkes einen Monat nach der Operation Heilung erzielt.
Bei zwei Resektionen des Hüftgelenks war der Erfolg ein voll¬
kommen guter (v. Bergmann, Rotter). Bei fünf Resektionen im
Fussgelenk war ein Fall erfolglos, bei einem Fall trat bei den ersten
Gehversuchen ein Recidiv ein- und in drei Fällen war das Resultat
ein günstiges (v. Bergmann, Ullmaun). Am wenigsten befriedigen
die bei der Resektion des Kniegelenks bisher erzielten Resultate:
Bei neun Resektionen des Kniegelenks starben drei Kranke 14 bezw.
19 Tage nach der Operation (May, Bardeleben, Sick); bei drei
Fällen war das Resultat schlecht, so dass nachträglich amputiert
werden musste (Korteweg, Müller, Wolff); in einem Falle blieb
die Konsolidierung aus (y. Bergmann), ein Fall ergab ein gün¬
stiges Resultat (Wolff), in einem Fall ist das Endresultat un¬
bekannt.
Dollinger 1 ’ 8 ’ 29 -,) resecierte in einem Falle von schwerer tabischer
Kniegelenksarthropathie die stark destruierten Gelenkenden
von Femur und Tibia. Es trat keine Konsolidierung ein. indessen
vermochte die Kranke mit einem Stützapparat gut umherzugehen.
Eine doppelsei tigeFussgelenksresektion hat LJllmann U4 )
ausgeführt. Es handelte sich um eine doppelseitige schwere hyper¬
trophische Fussgelenksarthropathie mit Luxation des Fusses, starker
Zerstörung des Bandapparates und zahlreichen freien Gelenkkörpern.
Ullmann legte zunächst das rechte Fussgelenk durch zwei seitliche
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. ti. Chir. VI. 08
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Längsschnitte frei, entfernte die freien Körper, trug die Knochen¬
wucherungen an den Gelenkenden ab und fixierte letztere mitein¬
ander durch Silberdraht. Tamponade. Gipsverband. Nach acht
Tagen Entfernung des Tampons, nach sechs Wochen Abnahme des
Gipsverbandes und Entfernung der Silberdrahtnähte. Heilung mit
guter Beweglichkeit. Stützapparat. Sechs Monate später wurde
das linke Fussgelenk in derselben Weise operiert, nur musste hier
ein ziemlich grosses Stück der zerstörten Gelenkfläche der Tibia
und des Talus mit entfernt werden. Glatte Heilung. Der Gang
war, trotzdem der Kranke sich bereits im ataktischen Stadium der
Tabes befand, als sehr gut zu bezeichnen.
Einen von v. Hacker operierten Fall von tabischer Hüftge¬
lenksarthropathie mit Spontanfraktur des Schenkelhalses
hat Lotheissen 78 ) beschrieben. Die Fraktnr erfolgte bei der 34jähr.
Kellnerin, als sie sich stehend umdrehte, um eine Thür zu schliessen.
Sie wurde 12 Woehen später in die Klinik aufgenommen, wo als¬
bald die ausgeprägten Symptome der Tabes ohne Ataxie festgestellt
wurden. Hochgradige Verkürzung und Atrophie des Beins, aktive
Beweglichkeit fast aufgehoben, starke Krepitation bei passiven Be¬
wegungen, Trochanterspitze 7 cm oberhalb der Roser-N^laton-
schen Linie. Die Radiographie ergab, dass Schenkelkopf
und -Hals fast vollkommen geschwunden waren und dass
eine hochgradige Atrophie des Femurschaftes bestand.
Der operative Eingriff erschien geboten, da das Bein 12 Wochen
nach erfolgter Verletzung noch vollkommen gebrauchsunfähig war.
Die Operation bestand in ausgiebiger Arthrektomie mittelst des
v. Langenbeck’schen Resektionsschnittes. Es entleerte sich eine
reichliche Menge seröser Flüssigkeit. Thatsächlich fehlten Schenkei¬
kopf und -Hals" völlig und an der Ansatzstelle des Halses war nur
noch ein kleiner, 1 cm langer Stumpf zu sehen, welcher mit Osteo-
phyten besetzt war. Die Pfanne war von einem graurötlichen.
zottigen Gewebe erfüllt, die Gelenkkapsel war geschwunden und
durch ähnliche Massen ersetzt. Ein grosser Teil der Glutaealmus-
kulatur war in den Schwielen aufgegangen, welche den zweimanns¬
faustgrossen Hohlraum auskleideten. Diese mächtigen Schwielen
wurden exstirpiert. Die grosse Wundhöhle selbst blieb offen, da
beabsichtigt wurde, durch die Heilung per granulationem ein mög¬
lichst straffes Narbengewebe hervorzubringen, welches imstande wäre,
den Oberschenkelknochen an der Pfanne zu fixieren. In der That
ist es gelungen, die Verkürzung auf 4 cm zu reduzieren. Die Kranke
konnte nach der Heilung mit einem Stützapparat umhergehen. Bei der
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mikroskopischen Untersuchung der excidierten Schwielen
waren nirgends mehr Reste von Synovialis zu erkennen; auch die
umgebende Muskulatur zeigte ausgedehnte rundzeilige Infiltration,
zahlreiche Bindegewebszüge und degenerierte Muskelfasern. Die
innerste Schicht der zottigen Massen wurde durch nekrotisch zer¬
fallenes Gewebe gebildet.
Schede hat in einem von Höltring 54 ) publizierten Falle von
tabischer Arthropathie des Fussgelenkes eine osteoplastische Am¬
putation nach Pirogoff ausgeführt. Eine knöcherne Anheilung
des Calcaneusstumpfes trat trotz langer Fixierung mittelst Gips¬
verbandes nicht ein. Trotzdem konnte der Kranke mit der Prothese
sehr gut gehen.
In einem von Zimmermann 158 ) mitgeteilten Falle von Pied
tabätique bei einem 30jährigen Kutscher erforderte der schwer
leidende Allgemeinzustand die Amputation des Unterschenkels.
Es handelte sich um eine Vereiterung der Fusswurzel; nach der
Incision blieben zahlreiche Fisteln zurück. Erst die Amputatio
cruris brachte rasche Heilung.
In einem zweiten von Zimmermann erwähnten Falle von
Arthropathia tabica coxae wurde die Exartikulation im Hüft¬
gelenk ausgefuhrt, weil der tabische Charakter des Leidens nicht
erkannt wurde. Erst das Auftreten der Arthropathie im Hüftgelenk
der anderen Seite führte nachträglich zur richtigen Diagnose.
Uli mann hat auch die bei Arthropathien ausgeführten Am¬
putationen zusammengestellt. Er berichtet über 13 Amputationen
(acht primäre und fünf sekundäre). Von den primären betrafen
drei den Oberschenkel, fünf den Unterschenkel. Thiersch ampu¬
tierte den Oberschenkel wegen Verjauchung eines tabischen Fuss-
gelenks mit septischer Phlegmone. In einem Falle von Tuffier
und Chipault wurde erst der rechte Unterschenkel wegen Mal
perforant und 3*/, Jahre später der linke Oberschenkel wegen Pied
tabötique amputiert. Roser amputierte den Unterschenkel bei einem
Tabiker wegen tuberkulöser (?) Vereiterung des Fussgelenks.
Die Resultate der Amputationen waren folgende: Von drei
Oberschenkelamputationen musste in einem Falle (Krauss) später
eine Neurektomie wegen Neuritis des Stumpfes gemacht werden.
Patient starb zwei Monate nach der Operation. Im Falle von
Ullmann konnte der Kranke nach der Oberschenkelamputation mit
einem Stelzfuss nicht gehen. Im Falle von Thiersch ist das End¬
resultat nicht bekannt.
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Ueber die Resultate der von Möller, Korteweg und Wolff
erst resecierten und dann sekundär amputierten Fälle habe ich be¬
reits oben berichtet. Ausserdem haben Rotter und Korteweg in
je einem Falle sekundär den Unterschenkel mit leidlich befriedigen¬
dem Resultate amputiert. In dem Falle von Korteweg wurde
drei Monate nach einer Exstirpation des Talus, welche in der
irrigen Annahme eines Neoplasma vorgenommen worden war, sekundär
amputiert.
Nach Ull mann’s Erfahrungen konkurrieren bei der Arthro-
pathia tabica alle diejenigen therapeutischen Eingriffe, welche bei
destruktiven Gelenksprozessen überhaupt in Frage kommen. Bei der
Wahl der Methode werden ausser dem Zustande des Gelenks die Aus¬
dehnung des tabischen Prozesses und der Allgemeinzustand mitbe¬
stimmend sein. Insbesondere wird zuvor die Frage zu entscheiden
sein, ob das Rückenmarksleiden dem Kranken nach eventuell ge¬
lungener Operation voraussichtlich ein Umhergehen gestattet. Resek¬
tionen sind nur dann zulässig, wenn begründete Aussicht vorhanden
ist, dass der Kranke nach der Operation imstande sein wird, umher¬
zugehen. Amputationen sind nur indiziert, wenn langwierige oder
progrediente Eiterungen den Kranken sehr heninterbringen und das
Leben gefährden und wenn eine Resektion aus dem Grunde contra¬
indiziert erscheint, weil die Rückenmarkserkrankung schon so weit
vorgeschritten ist, dass der Kranke selbst unter der Voraussetzung
des vollkommenen Gelingens der Operation doch nicht würde um¬
hergehen können. In solchen Fällen ist die Amputation, da sie
den kleineren Eingriff bedeutet, vorzuziehen. Stützapparate müssen
selbst nach gelungener Resektion zur Verhütung von Recidiven in
der Regel getragen werden, zumal da eine vollkommene Konsoli¬
dierung nach ausgeführter Resektion nur in der Minderzahl der
Fälle erzielt wird.
Die operative Behandlung der Nephritis.
Sammelreferat von Dr. Wilhelm Klink (Berlin).
(Schluss.)
Rovsing hat in 12 einschlägigen Fällen siebenmal Nephritis
gefunden: chronische parenchymatöse Nephritis zweimal, chronische
diffuse Nephritis dreimal, chronische interstitielle Nephritis zweimal.
Indikation zur Operation waren Schmerzen und Blutung. Die Art
der Operation war: 1. Nierenspaltung, 2. Nephrolysis (Ausschälung
aus der fibrösen Kapsel), 3. Nephrolysis und Spaltung. Die Resul-
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täte waren: gebessert 1, geheilt 4, imgeheilt 1, gestorben 1. Eine
Heilung von 56% und eine Mortalität von 14% ist ein gutes Re¬
sultat. In drei von den vier geheilten Fällen war der pathologisch¬
anatomische Befund geringen Grades, die nephritischen Symptome
waren sehr wenig ausgesprochen. Der Fall, der zum Exitus kam»
mahnt wieder zur Vorsicht. Hier hatte sich im Anschluss an eine
vor zwei Monaten uberstandene Influenza eine Blutung aus der linken
Niere eingestellt; sonst keine Beschwerden. 1m Urin ausser Blut
spärliche Epithelien, sonst nichts Krankhaftes. Die Niere wurde frei¬
gelegt, ausgeschält, gespalten. Nach der Operation trat 1 % Tage
Anurie ein, dann Coma uraemicum. Tod 1% Tag post operat. Bei
der Sektion fand sich diffuse hämorrhagische Nephritis.
In 12 Fällen I. Israelis fand sich viermal Nephritis und zwar
chronisch parenchymatöse Nephritis. Die Indikation zur Operation
war auch in diesen Fällen durch Schmerzen und Blutung gegeben.
Die Operation bestand in Nierenspaltung. Das Resultat war: ge¬
bessert einer, geheilt einer, gestorben zwei Fälle. In dem geheilten Fall
war die Nephritis auf einen Teil der Niere beschränkt. In den beiden
verstorbenen Fällen hatten, ausser Nierenschmerzen bezw. Schmerzen
und Blutung, keine nephritischen Symptome bestanden, in dem einen
Fall bestand noch ein Herzfehler. In beiden Fällen trat nach der
Nierenspaltung Oligurie bezw. Anurie und schwarzes Erbrechen auf
und die Kranken starben innerhalb zwei Tagen. Auch diese Fälle
mahnen zur Vorsicht.
Mit der Besprechung der Fälle Israel’s und Rovsing’s bin
ich schon auf dasjenige Krankheitsbild übergegangen, das bisher
unter dem Namen „essentielle Hämaturie, renale Hämophilie, Neph¬
ralgie haematurique, Blutung aus anatomisch unveränderten Nieren“
ging. Hier stehen sich nun zwei Lager feindlicher Brüder gegen¬
über: die einen, an ihrer Spitze Israel und Rovsing, führen die
Erscheinungen bei dieser Krankheit auf anatomische Veränderungen
zurück, die anderen, an ihrer Spitze Klemperer, leugnen die ana¬
tomische Grundlage und lassen eine Störung des Nervensystems
des Harnapparates das ganze Krankheitsbild hervorrufen. Beide
führen eine Reihe von Fällen an, die ihre Ansicht beweisen. Israel
nimmt nephritische Veränderungen, wenn auch ganz geringen Grades,
als Ursache an. Rovsing legt neben nephritischen Veränderungen
grossen Wert auf die Verwachsung der Niere mit ihrer Nachbarschaft.
Die Ansichten Israel’s und seine Schlüsse aus seinen Fällen sind
hinreichend und sehr treffend von Rovsing, Klemperer, Senator
kritisiert. Nur dem Einwurf möchte ich entgegentreten, dass man
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kein Recht hätte, den Schmerzanfall chirurgisch zu bekämpfen, da
derselbe ja auch von selbst vorübergeht. Damit wäre auch jeder
chirurgischen Behandlung der Cholelithiasis, Nephrolithiasis, Neur¬
algien u. 8. w. die Berechtigung abgesprochen, und doch werden
diese Krankheiten immer chirurgisch behandelt und oft geheilt
werden, wenn die interne Medizin ihre Ohnmacht daigethan hat
Ebenso ist der Standpunkt nicht richtig, dass die Niere nicht ange¬
griffen werden darf, wenn sie bei der operativen Autopsie weich
oder schlaff ist. Wir haben aus einer ganzen Reihe von Beob¬
achtungen das Recht, zu schliessen, dass während des Anfalls der
Nephralgia haematurica die Niere anschwillt, und wenn die Er¬
fahrung lehrt, dass durch eine Operation der Niere diese Anschwellung
und die damit verbundenen Beschwerden schwinden, so sind wir
zu dieser Operation berechtigt, denn sie ist eine heilende. Und
diese Erfahrung wurde in zahlreichen Fällen gemacht. Von zwei Seiten
ist die Anwesenheit von reichlichen Uraten und Oxalaten im Urin
als Ursache der Schmerzanfälle bezeichnet worden; dieselben sollen
einen direkten Reiz auf die Nieren ausüben. Wirklich lässt sich in
einer ganzen Reihe von Fällen dieses Zusammenfallen feststellen.
Ich habe selbst Gelegenheit gehabt, längere Zeit eine Patientin zu
beobachten, die wegen Gicht und chronischer Bronchitis im Kranken¬
haus lag. Dieselbe litt an kolikartigen Schmerzanfällen der rechten
Nierengegend. Der Urin war reich an Uraten und enthielt etwas
Albumen. Die Diagnose lautete: Nierenstein. Zur Operation war
die Patientin zu elend. Bei der Autopsie fand sich eine typische
Gichtniere. — Klemperer’s Ansicht, dass es eine Hämaturie
ohne Erkrankung der Nieren gibt, halte ich ebenfalls für richtig, denn
eine ganze Anzahl von Fällen ist beschrieben, in denen trotz ge¬
nauer mikroskopischer Untersuchung die Niere sich als gesund er¬
wies. Hier wird Israel sugen, dass man nicht die ganze Niere in
Serienschnitten untersucht und folglich kleine Herde übersehen
hat, die er gerade für so wichtig hält Dann möchte ich aber
wissen, welcher Mensch in höheren Jahren wäre dann frei von
Nierenschmerzen und Nierenblutung, denn bei welchem Menschen
in höheren Jahren findet man in der Niere nicht kleine Herde von
pathologischer Veränderung des Parenchyms oder des interstitiellen
Gewebes. Ich habe Gelegenheit gehabt, einen Einjährigen zu be¬
obachten, der nach scharfen Uebungen ziemlich viel Blut im Urin
hatte. Sonst zeigte der Urin keine krankhafte Veränderung, auch
war der Mann sonst gesund. Das Blut schwand sofort, wenn der
Dienst leichter wurde. Ich halte die Niere des Mannes für anato-
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misch gesund. Ich brauche nur an die schon lange bekannte, neuer¬
dings von Leube genauer beschriebene physiologische Insuffizienz
gesunder Nieren zu erinnern, bei denen nach Anstrengung Albumen
auftritt. Warum soll nicht ebenso gut, wie Albumen, auch Sanguis
auftreten? In der Literatur habe ich 23 Fälle gefunden, die man
in Klemperer’s Sinne als angioneurotische Nierenblutung auffassen
könnte (Baar. Casper viermal, Castan, Debaisieux, Durham,
Grosglick, Guyon zweimal, Hamonic, Israel, Klemperer
sechsmal, Naunyn, Passet, Potherat, Schede). Der Fall von
Baar scheint mir allerdings sehr fraglich. Wäre es nicht möglich,
dass bei dem Schütteln während der Fahrt über die Prairie ein
Stein gelöst wurde? Der Fall von Passet erinnert mich an einen
Fall, der vor einem Jahr in meiner Behandlung war und der
an anderem Orte ausführlicher beschrieben ist. Bei eiuem
jungen, sonst gesunden Menschen bestanden seit zwei Monaten
Nierenkoliken und Hämaturie. Da letztere zu bedenklicher Anä¬
mie geführt hatte und innere Behandlung nickt zum Ziele führte,
der Verdacht einer Neubildung der Blase bestand, wurde die Blase
eröffnet. Aus dem rechten Ureter entleerte sich Blut. Wegen
des elenden ZustandeB des Kranken wurde von einer sofortigen
Nierenoperation abgesehen. Die Folge der Operation war völliges
Schwinden der Schmerzen und der Blutung und völlige Heilung. Ob
natürlich die Blutung eine angioneurotische war, kann ich nicht
beweisen, aber den Einfluss der Blasenöffnung auf die Nierenblutung
kann ich mir nur als nervöse Wirkung erklären; vielleicht genügte
die suggestive Wirkung der Operation als solche schon. Oder
sollte die Chloroformnarkose gewirkt haben, da wir doch den grossen
Einfluss des Chloroforms auf die Niere kennen ?
Ich lasse eine Uebersicht über die einschlägigen Fälle folgen,
die ich sammeln konnte. (Die Nummer, die bei Autoren, die mehrere
Fälle beschrieben haben, hinzugesetzt ist, ist die einer fortlaufen¬
den Liste.)
Indikation zur Operation.
a) Blutung: Hofbauer, Schede 27, Senator, Passet, Piquö
und Kebland, Klemperer 39,Poirier, Nimier, Potherat, Harri-
son 50, Schede 53, Guyon 108, 109, Hamonic, Loumeau,
Barling, Pinner, Rovsing 4, 8.
b) Blutung und Nierenschmerz: Rovsing 1, 2, 7, 9, Israel
97, 98, 99, 101, 102. 103, 30, Pousson 42, Lauenstein, Broca,
Harrison 49, Martens 69, Abbe 104, Anderson, Durham 28,
Debaisieux, Albarran, Spanton, Debersaques.
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e) Nierenschmerz: Pdan, Harrison 48, Schede 54, Casper
65, 90, 90a, Rovsing 3, 5, 6, Israel 91, 93, 94, 95, 100.
d) Nephritische Symptome: Sabatier, Schönborn, Harrison
48, 52, Ferguson 71, 71a, Casper 89, Chibret, Pousson 56, 57.
58, 59, 60, 61, Kümmell 124, 125, 126, Edebohls, 70, 72. 73.
74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88.
Art der Operation.
a) Freilegung der Niere: (Durham), Broca, Albarran.
b) Kapselspaltung und Akupunktur: Harrison 52.
c) Nephrolysis: Rovsing 5, 6.
d) Kapselexstirpation einseitig: Edebohls 72, 76, 80.
e) Kapselexstirpation beiderseits: Kümmell 125, 126. Eile-
bohls 70, 73, 75, 77, 78, 79, 81.
f) Nephropexie: Ferguson 71, 71a.
g) Nephropexie und Incision: Edebohls 74.
h) Freilegung und Akupunktur Lauenstein, Anderson.
i) Nierenspaltuug einseitig: Rovsing 1, 2, 3, Sabatier, Israel
30, 91, 93, 94, 95, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, Picqud und Reb-
land, H arrison 48, 49, 50, Schönborn, Pousson (56), 57, 5S,
59, 60, Abbe, Casper 65, 89, 90, 90a, Martens, Debersaques,
Debaisieux, (Pinner), Kümmell 124, Hamonic, Chibret, Span¬
ton, Barling.
k) Nierenspaltung beiderseits: Pousson.
l) Spaltung einer und Freilegung der anderen Niere: Rovsing
4, Schede 53, 54.
m) Nephrolyse und Nierenspaltung: Rovsing 7, S, 9.
n) Partielle Nierenexstirpation: Pinner.
o) Nierenexstirpation: Hofbauer, Schede 27, Durham, Sena¬
tor, Poirier, Nimier, Potherat (Schönborn), Pousson 42,56.
Loumeau, Klemperer 39, Pdan.
Resultat.
a) Gebessert: Rovsi ng, N imier, Pousson 42, 59,60, Marten?,
Edebohls 70, 74, 85, 87, 88, Israel 97, 101, 102, Kümmell 125.
b) Geheilt: Rovsing 2,3,4, 6, 7, 9, Hofbauer, Lauenstein.
Sabatier, Senator, Passet, Broca, Picqu6 und Reblnnd, Klem¬
perer 39, Pdan, Pousson 42, 56, Harrison 48, 49, 50,52, Schede
54, Schönborn, Fergusson 71,71a, Casper 65, 89, 90, 90a, Ede¬
bohls 72, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 83, 84, 86, Anderson, Hamo¬
nic, Israel 91, 93, 94, 103, 30, Abbe, Debersaques, Debaisieux
Guyon 108, 109, Chibret, Spanton, Barling.
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c) Ungeheilt: Rovsing 1, (Durham), Pousson (56),57, Ede-
bohls 73, 81, 82, Israel 95, Kümmell 126.
d) Gestorben: Rovsing 8, Durham, Poirier, Potherat,
Schede 53, Pousson 58, 61, Israel 98, 100, Loumeau, Pinner,
Kümmell 124.
Nephritis war aus dem Urinbefund und sonstigen Symptomen
zu diagnostizieren in folgenden Fällen: Naunyn 19, Broca, Harri-
son 48, 52, Pousson 56, 57, 58, 59, 60, 61, Chibret, Israel 95,
97, 101, 102, Loumeau, Kümmell 124, 125, 126, Sabatier,
Schönborn, Ferguson 71, 71a, Casper 89, Edebohls 70, 72,
73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88.
Aus dem makroskopischen Nierenbefund wurde Nephritis dia¬
gnostiziert in folgenden Fällen: Potherat, Rovsing 1,6, Harri-
son 48, 49, 50, 52, Schönborn, (Pousson 60), Edebohls 70,
72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88,
Ferguson 71, 71a, Debersaques, Chibret, Spanton, Kümmell
(124) 125.
Aus dem mikroskopischen Nierenbefund wurde Nephritis dia¬
gnostiziert in folgenden Fällen: Schede 53, Rovsing 3, 5, 8, 9,
Hofbauer 17, Poirier, Pousson 42, 56, 58, 61, Martens 69,
Edebohls 87, Albarran, Pinner, Israel 98, 99, 100.
Miminale Veränderungen der Niere mikroskopisch festgestellt:
Sabatier, Senator, Nimier.
Feste Verwachsung der Niere mit der Umgebung bestand:
Rovsing 3, 5, 6, 7, 8, 9, (Poirier), Israel 91, 93, 94, (97), (99),
( 100 ), 101 .
Niere ausdrücklich als makroskopisch gesund angegeben:
Rovsing 4, Lauenstein 25, Durham 28, Israel 30, Guyon 34,
Pöan, (Israel 102), Casper 65, 89, 90, 90a, Abbe, Anderson,
Debaisieux, Hamonic, Barling.
Niere bei mikroskopischer Untersuchung gesund befunden:
Schede 27, Klemperer 39, Nonne, Israel 103.
Wir sehen aus dieser Zusammenstellung, dass von den 66
Fällen, in denen Nephritis aus dem Harnbefund oder sonstigen
Symptomen oder aus der Beschaffenheit der Niere diagnostiziert
wurde, 32 geheilt, 14 gebessert wurden, 7 blieben ungeheilt und 13
starben nach der Operation.
Von diesen 66 Fällen bestand in 8 akute parenchymatöse
Nephritis; hiervon wurden geheilt 6, gebessert 0, ungeheilt blieb 1,
es starb keiner. In 7 Fällen bestand chronische parenchymatöse
Nephritis: geheilt 4, gebessert 1, ungeheilt 0, gestorben 2. In 24
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Fallen handelte es sich um chronische diffuse Nephritis: .geheilt 5,
gebessert 10, ungeheilt 2, gestorben 7. ln 27 Fällen fand sich
chronische interstitielle Nephritis: geheilt 32, gebessert 14, ungeheilt 7,
gestorben 13. Für die Heilung stellt sich also ein Prozentsatz von
75%. 56%, 21%, 63%, d. h. die Aussichten sind am besten bei
der akuten parenchymatösen Nephritis; das gilt aber für diese Fälle
auch ohne operative Behandlung. Am niedrigsten ist der Prozent¬
satz für die diffuse chronische Nephritis. 63% Heilung bei der
chronischen interstitiellen Nephritis ist als ein glänzender Erfolg zu
bezeichnen, da diese Krankheit sonst als unheilbar zu betrachten ist.
Aber auch der Prozentsatz von 40% der gebesserten chronischen
diffusen Nephritis ist ein sehr hoher. Die Mortalität betrug 12%,
bezw. 28%, bezw. 29%, bezw. 11%, war also am grössten bei
chronischer parenchymatöser und diffuser Nephritis, am kleinsten
bei akuter parenchymatöser und chronischer interstitieller Nephritis.
Nimmt man die vier Formen zusammen, so ergeben sich für die 66
Fälle als geheilt 50%, gebessert 21%, ungeheilt 10%, gestorben
19%, gewiss kein schlechtes Resultat
In den 14 Fällen, wo die Niere fest mit ihrer Umgebung ver¬
wachsen war, betrug die Heilung 56%.
In den 19 Fällen, in denen die Niere normal befunden wurde,
betrug die Heilung 84%, die Mortalität 5%.
Von den 18 Fällen, die wegen Blutung operiert wurden, sind
12 geheilt, 1 gebessert, 0 ungeheilt, 6 gestorben, mithin eine Heilung
von 66% und Mortalität von 33%. Unter den wegen Blutung und
Nierenschmerzen operierten Fällen sind 15 (= 65%) geheilt, 5 ge¬
bessert, 1 ungeheilt, 2 (= 8%) gestorben. Von den wegen Nieren¬
schmerzen operierten 14 Fällen sind 11 (= 78%) geheilt, 1 gebessert,
1 ungeheilt, 1 (= 7%) gestorben. Von den 35 Fällen, in denen
nur nephritische Symptome die Indikation zum Eingriff gaben, sind
19 (= 54%) geheilt, 8 gebessert, 5 ungeheilt, 3 (= 8%) gestorben.
Sache der Internisten ist es nun, in Fällen, wo die innere Medi¬
zin nicht mehr helfen kann, den Chirurgen hinzuzuzieben. Werden
dann Fälle, die nicht von vornherein aussichtslos sind, zur
Operation kommen, so werden die Resultate voraussichtlich auch
besser werden. Vorderhand überwiegen bei der Besprechung der
reinen Nephritisbehandlung die Edebohls’schen Fälle noch so sehr,
dass die Resultate nicht einwandslos angenommen werden dürfen,
wofür die Gründe oben auseinandergesetzt sind.
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II. Bucherbesprechnngen.
Pankreas-Pathologie. I. Teil. Multiple abdominale Fettnekrose.
Von H. Truhart. 498 pp. Wiesbaden 1902, J. Bergmann.
Das gross angelegte Werk soll das zerstreute Gesamtmaterial über
da9 kranke Pankreas in einem orientierenden Handbuche zusammen¬
fassen. Die mit ausserordentlicher Beherrschung der Literatur verfasste
Monographie ist keineswegs ein blosses Zusammentragen von Literatur¬
angaben, sondern eine kritische Durcharbeitung des Themas, vielfach
unter Beibringung neuer Momente und einer neuen Auffassung wich¬
tiger Fragen.
Dem ersten Teile ist ein historischer Rückblick über die bis¬
herigen Forschungen auf dem Gebiete der Pankreaspathologie voran¬
geschickt. Das übrige Buch enthält die Erörterung der Frage der
multiplen abdominalen Fettgewebsnekrose sowie eine ausführliche Dar¬
stellung des Einflusses, welchen die Alterationen des Gesamtorganismus
(wie Infektionskrankheiten, Dyskrasien), die Erkrankungen der benach¬
barten Bauchorgane, die Blutbeschaffenheit, das Nervensystem und das
Trauma auf das Pankreas ausüben. Jeder einzelne Abschnitt enthält
eine nach Möglichkeit vollständige Kasuistik. In je einem eigenen
Kapitel sind die Beobachtungen aus älterer Zeit, der anatomische Befund,
die Häufigkeit des Auftretens der Fettgewebsnekrose bei Tieren und
Menschen und die prädisponierenden Momente, die Aetiologie, die Patho¬
genese, Symptomatologie und Diagnose sowie endlich Verlauf und The¬
rapie der abdominalen Fettgewebsnekrose geschildert.
Das ursächliche Moment für die Häufigkeit der Affektionen des
Pankreas sucht Verf. vor allem in zwei Hauptfaktoren: 1. in der ex-
cepüonellen Prädisposition dieses Organes zu folgenschweren Anomalien
des lokalen Blutkreislaufes (durch die topographisch-anatomische Lage
der Drüse und durch die vielfache funktionelle Inanspruchnahme) und
2. in der entsprechend dem Fermentreich tum sehr verschiedenartig sich
äussernden pathogenen Einwirkung des Pankreassaftes auf die einzelnen
Organgewebe.
Diese mit den Anschauungen der meisten Forscher in Widerspruch
stehenden Ansichten führt Verf. ausführlich aus und begründet sie
eingehend.
Das interessante Werk ist zweifellos eines der bedeutsamsten über
den Pankreas veröffentlichten Bücher.
Hermann Schlesinger (Wien).
Deutsche Chirurgie. Herausg. von E. v. Bergmann u. P. v. Bruns.
Lief. 52 b, zweite Hälfte. Prof. Dr. Küster: Die Chirurgie der
Nieren, der Harnleiter und der Nebennieren. II. Hälfte. Mit
51 Abbild, im Text und 4 Farbentafeln. Stuttgart 1902, Verlag von
Ferdinand Enke.
Die vorliegende zweite Hälfte des ausgezeichneten Küster'schen
Werkes enthält die Kapitel VIII—XV, sowie das Literaturverzeichnis,
welches allein 106 Seiten umfasst.
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Die Ueberschrift des VIII. Kapitels lautet: Die Entzündungen de*
Nierenbeckens und der Niere. Pyelonephritis, Empyem des Nierenbecken*
und Nierenabscess. Nach einigen einleitenden Bemerkungen betreffs der
Benennung des Leidens und seiner Abgrenzung gegenüber anderen Er¬
krankungen wendet sich Küster der Aetiologie dieser Entzündungen zu.
Unterschiede bezüglich des Geschlechtes und der Körperseite lassen sich
in den statistisch verwertbaren Krankengeschichten nicht finden; was
das Alter betrifft, so wird bei beiden Geschlechtern das mittlere Lebens¬
alter am meisten befallen, doch sinkt nach dieser Zeit die Frequenz bei
der Frau sehr erheblich, beim Manne nur unbetleutend. Als Erreger
der Pyelonephritis kommen nach Küster in erster Linie Staphylococcen,
Streptococcen, Proteusarten und Bact. coli in Betracht. Der Gouocoecus
kann, wenigstens unmittelbar, nicht als Erreger dieser Krankheit ange¬
sehen werden. Küster schildert nun die pathologische Anatomie der
absteigenden (hämatogenen) und der aufsteigenden Pyelonephritis und
beschreibt dann in ausführlicher Weise Symptome, Diagnose und Prognose
dieser Erkrankung. Grosse Sorgfalt ist der Darstellung der Therapie
gewidmet. Die Prophylaxe ist von grosser Wichtigkeit, kann aber oft
nicht in geeigneter Weise (lurchgeführt werden. Von inneren Mitteln
hebt Küster besonders die Borsäure, das Salol und das Urotropin
hervor, welches letztere oft sehr gute Wirkung zeigt, ohne dass schädliche
Nebenerscheinungen beobachtet werden können. Bei schweren Fällen ist
aber eine völlige Heilung durch Urotropin allein ausgeschlossen. Von
chirurgischen Eingriffen kommt zweifellos dem mit Spülungen oder Instilla¬
tionen verbundenen Harnleiterkatheterismus eine gewisse Bedeutung zu.
Als am zuverlässigsten empfehlen sich die direkt gegen das Nierenbecken
oder die Niere gerichteten Operationen und zwar besonders die Nephrotomie
mit Anlegung einer Nieren beckenfistel. Die Nephrektomie ist einzu¬
schränken, wird aber in manchen Fällen nicht zu vermeiden sein. AU
Anhang folgt eine kurze Darstellung der Nierensyphilis.
Das IX. Kapitel handelt von der Tuberkulose der Niere. Bezüg¬
lich dieser Erkrankung ist Küster der Ansicht, dass 1. die aus den
Nieren absteigende Tuberkulose im pathologisch-anatomischen Sinne wahr¬
scheinlich immer oder doch in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle
sekundär ist; 2. dass es eine aufsteigende Tuberkulose in den Harn¬
organen zwar gibt, aber wahrscheinlich seltener als die absteigende;
3. dass die aufsteigende Tuberkulose der Niere unter allen Umständen
als eine sekundäre Erkrankung zu betrachten ist. In therapeutischer
Hinsicht steht Küster auf dem Standpunkte, dass ohne Operation die
Heilung der Nieren tuberkulöse so gut wie ausgeschlossen isr. Von
operativen Massnahmen kommt als sicherste die Nephrektomie in Be¬
tracht, welche so bald als möglich auszuführen ist. Dem lumbalen Wege
ist der Vorzug zu geben. Was den Harnleiter betrifft, so empfiehlt e*
sich, in den meisten Fällen von demselben nur so viel wegzunehmen, ab
von der Wunde her leicht erreichbar ist. In einzelnen Fällen wurden
auch partielle Nierenexstirpationen oder Resektionen zur Ausführung ge¬
bracht, teilweise mit sehr günstigem Erfolge. Als vorbereitende oder
gegen die Schmerzen gerichtete Operation kommt nicht selten die Nephro¬
tomie in Betracht.
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Das X. Kapitel ist der Darstellung der Nephrolithiasis gewidmet.
Küster teilt die körperlichen Störungen, durch welche die Steinbildung
in den Nieren hervorgerufen oder begünstigt wird, in drei Gruppen:
A. Erkrankungen, welche die Steinbildner vermehren (Stoffwechselano¬
malien infolge unzweckmässiger Lebensweise, Erkrankungen, bei denen es
zu einer schnellen Zerstörung des Knochens kommt oder bei denen die
zur Ablagerung bestimmten Kalksalze im Blute zurückgehalten werden.
B. Erkrankungen, welche zur Ablagerung anorganischer oder organischer
Substanzen in den oberen Harnwegen Veranlassung geben (Verletzungen,
bei denen Fremdkörper in der Niere stecken bleiben, Eier oder Körper¬
teile von Eingeweidewürmern, Steinbildungen und Tuberkulose, alle Formen
von Entzündung und Eiterung). C. Stauung in den Harnwegen. Nach¬
dem Küster die Pathologie und Therapie dieses Leidens eingehend be¬
sprochen hat, gibt er seiner freudigen Genugtuung darüber Ausdruck,
wie angestrengt und erfolgreich auf dem Gebiete der Nierensteinerkrankung
in den letzten 20 Jahren gearbeitet worden ist, so dass die Steinkrank¬
heit heute einen grossen Teil ihrer Schrecken eingebüsst hat, da sie,
rechtzeitig und in geschickter Weise angegriffen, fast in allen ihren Er¬
scheinungsformen heilbar geworden ist
Unter dem Namen Sackniere, von welcher das XI. Kapitel handelt,
fasst Küster alle diejenigen Geschwulstbildungen zusammen, die aus
einer primären, aseptischen Stauung im Nierenbecken hervorgegangen sind.
Er unterscheidet in ätiologischer Hinsicht zwei Gruppen dieser Er¬
krankung: Sacknieren durch Bildungsfehler und erworbene Sacknieren.
Pathologisch-anatomisch kann man drei Formen der Sackniere aufstellen:
1. Die auf einen oder doch nur wenige Kelche beschränkte Erweiterung
([Cystinephrosis calycina). 2. Die Erweiterung des Nierenbeckens und
sämtlicher Kelche (Cystinephrosis pelvina totalis). 3. Die Erweiterung
einer längeren oder kürzeren Strecke der Harnleiter sowie des Beckens
und der Kelche (Cystynephrosis uretero-pelvina). Auch bei diesem Leiden
kann Küster mit Befriedigung auf die Fortschritte hinweisen, die in
therapeutischer und diagnostischer Beziehung in neuerer Zeit gemacht
worden sind. Von therapeutischen Massnahmen erwähnt Küster zu¬
nächst den Ureterenkatheterismus, welchen er aber nur „für ein gutes
Unterstützungsmittel für andere Behandlungsmethoden“ hält, sowie einige
andere, zum Teil schon veraltete Operationsmethoden. Als typischen
Eingriff bei jeder Sackniere bezeichnet er die Pyelotoinie; doch darf sich
der Chirurg nicht mit der Eröffnung des Nierenbeckens zufrieden geben,
sondern muss sofort zur Untersuchung und Beseitigung des Hindernisses
übergehen. Gelingt dies nicht, so ist eine temporäre Nierenbeckenfistel
anzulegen. Die lumbale Nephrektomie ist nur dann berechtigt, wenn
entweder das Nierengewebe ganz oder bis auf einen geringen Rest zer¬
stört ist oder wenn seit mehr als einem bis zwei Jahren eine hartnäckig
absondernde Fistel besteht.
Das XII. Kapitel führt den Titel Cystenniere und Nierencysten.
Küster ordnet die echten cystischen Geschwülste der Niere in drei
Gruppen: A. Das Kystom der Niere. B. Einzelcysten der Nierensub¬
stanz. C. Cysten der Nierenkapsel. Das Ky9tom der Niere ist wahr¬
scheinlich in allen seinen Formen für eine Krankheit zu erklären, die
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aus versprengten Schläuchen des Wölfischen Körpers ihren Ursprung
nimmt, weshalb Küster die fötale und die postfötale cystische Entartung
als eine und dieselbe Krankheit ansieht. Von den Einzelcysten der
Nierensubstanz ist ein Teil auf fötale Einschlüsse zurückzuführen, während
ein anderer Teil durch Abschnürung von Harnkanälchen zu stände
kommen mag. Von der dritten Gruppe kann man folgende Formen
unterscheiden: 1. Blutcysten, wohl ausschliesslich Folge von Verletzungen.
2. Epithelhaltige Cysten, die durch Ausstülpungen am Nierenbecken ent-
standen sind. 3. Lymphcysten. 4. Cysten aus versprengten Keimen des
Wölfischen Körpers. 5. Dermoidcysten. Was die chirurgische Be¬
handlung betrifft, so ist nach Küster die Ausschälung einer Cysten¬
niere selbst dann ungerechtfertigt, wenn die zweite Niere gesund oder
nur wenig verändert ist Hingegen wäre unter Umstanden eine Be¬
seitigung der Drucksteigerung durch Incision der sich vorwölbenden
Cysten, Nephrotomie etc. zu erwägen. Die Cysten der zweiten Groppe
sind in der Regel leicht zu entfernen, so dass sie fast niemals die Ent¬
fernung des ganzen Organes rechtfertigen. Bei der dritten Gruppe ist
die Entfernung einer nicht oder nur wenig veränderten Niere wegen des
Vorhandenseins einer Cyste in ihrer Umgebung direkt als ein Fehler zu
betrachten
Eines der umfangreichsten Kapitel ist das XIII., welches von den
Neubildungen der Niere, der Nierenhüllen und der Nebenniere handelt.
Küster teilt die in der Niere vorkommenden Geschwülste in drei
Gruppen: die bindegewebigen (Fibrome, Myxome, Lipome und Sarkome),
epitheliale (papilläre Geschwülste, Adenome, Carcinome) und ektopische
(die embryonale Drüsengeschwulst und das Epinephroid). Bezüglich der
Therapie ist Küster der Ansicht, dass dieselbe zwar ausschliesslich ope¬
rativer Natur ist, aber keineswegs schablonenhaft gehandhabt werden
darf. Festsitzende Geschwülste dürfen als Gegenstand chirurgischer Ein¬
griffe nicht mehr betrachtet werden. Neubildungen der Nierenhüllen und
ihrer Umgebung gehören zum grössten Teile der Bindegewebsgruppe an.
Ausnahmsweise finden sich Epinephroide und epithelhaltige Geschwülste.
Die Behandlung kann nur eine chirurgische sein, doch genügt für manche
Fälle eine teilweise Nephrektomie. Tumoren der Nebennieren sind nicht
häufig; die Kenntnis derselben in pathologisch-anatomischer Hinsicht ist
noch ziemlich ungenügend. Die Prognose ist auch bei operativer Be¬
handlung schlecht, da die Nebennierengeschwülste die Nierentuinoren an
Bösartigkeit noch übertreffen.
Im XIV. Kapitel beschäftigt sich Küster mit den tierischen
Schmarotzern der Niere, in erster Linie mit der Echinococcenkrankheit.
Von 2474 in der Literatur gesammelten Fällen von Echinococcus ent¬
fallen 112 = 4,52% auf die Niere. Die Erkrankung ist fast immer
einseitig. Ihre Prognose ist nicht schlecht. Die typische Operation für
den Nierenechinococcus besteht in der Eröffnung und Ausräumung des
Sackes von der Lendengegend her.
Im XV. Kapitel „Die Operationen an der Niere, Nephrektomie und
Nephrotomie“ werden die operativen Eingriffe, welche bei den verschie¬
denen Erkrankungen der Niere in Frage kommen, nochmals zusammen¬
fassend und unter allgemeinen Gesichtspunkten betrachtet. Küsler
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stellt sich bei der chirurgischen Behandlung der Nierenerkrankungen auf
einen ausgesprochen konservativen Standpunkt. Die Indikationen für
die Nephrektomie werden eingeschränkt, die für Nephrotomie und par¬
tielle Nephrektomie erweitert.
Die vier dieser Abteilung beigegebenen Farbentafeln sind vorzüg¬
lich ausgeführt und auch die Abbildungen im Texte hehr gelungen. Das
nunmehr vollständige Werk Küster’s zählt zu den besten Werken über
Nierenchirurgie und wird sicherlich eines der gelesensten chirurgischen
Bücher werden. Als besonderer Vorzug des Werkes erscheint, dass, wie
der Verfasser selbst hervorhebt, zum erstenmale die Literatur, auch die
Kasuistik, in einem Umfange verwertet wurde, wie es in früheren Ar¬
beiten nicht geschehen ist. v. Hof mann (Wien).
Origine ränale de l’urobiline. Von M. Herscher. Thfese pour le
doctorat en mödecine. Paris 1902, Steinheil.
Verf. zeigt an einer Reihe von Fällen mit Urobilinurie ohne Uro-
bilinämie, dass dieser Farbstoff, fast immer renalen Ursprunges, keinen
Aufschluss über die Leberzellenthätigkeit gibt, sondern einzig als Zeichen
von Cholämie auf zufassen ist. L. Hof baue r (Wien).
De la proatatectomie pörinöale dans l’hypertrophie simple de la
prostate. Von J. Petit. Thöse de Paris 1902, G. Steinheil.
Die perineale, subkapsuläre Prostatektomie mit Durch-
trennung des prostatischen Teiles der Harnröhre ist eine gut begründete
Operation, die bei geschickter Ausführung grosse Erleichterung verschafft.
Albarran hat mit diesem Verfahren folgende Resultate erzielt: Von
fünf Kranken, die im Stadium einer frischen vollkommenen Retention
operiert wurden, genasen vier; von 13 Kranken, die im Stadium einer
alten inkompletten Retention operiert wurden, genasen 12, einer wurde
gebessert; von 12 Kranken, die im Stadium einer alten kompletten Re¬
tention behandelt wurden, genasen 11, einer wurde gebessert Mit Aus¬
nahme von zwei Kranken können alle Operierten ihre Blase aktiv voll¬
ständig entleeren; nur bei vier wegen unvollständiger Retention Ope¬
rierten ist auch nach der Operation noch ein Residualharn von 10—30 g
vorhanden. Ganz besonders gebessert wurden durch die Operation bei
allen Kranken die Urinentleerung, die Beschaffenheit des Urins, der
Zustand der Nieren, das Allgemeinbefinden. Auch auf die Defäkalion
hatte der Eingriff meist günstigen Einfluss. Bei der Mehrzahl der
Operierten wurden die Erektionen in ihrer Intensität vermindert oder
auch ganz unterdrückt; dasselbe gilt auch von den Ejakulationen, soweit
die Kranken vor der Operation noch welche gehabt hatten.
Die Kontraindikationen der Prostatektomie sind vor allen Dingen
sehr hohes Alter, schwere Kachexie, schwere Urininfektion mit Betei-
ligung beider Nieren; auch in den Fällen, wo der Katheterismus leicht
ausführbar ist, ist die Operation nicht angezeigt. Diskutabel ist der
Eingriff dann, wenn die Blase alte cystitische Veränderungen und eine
beträchtliche Verringerung ihrer Kontraktilität zeigt. Im übrigen ist
die Prostatektomie in jedem Stadium des „Prostatismus“ indiziert; nur
wird man gut thun, bei Prostatikern der ersten Periode, bei denen es
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noch nicht zu einer Retention gekommen ist, zu warten, bis schwerere
Symptome von Dysurie u. s. w. auf treten.
Die Technik der Prostatektomie, wie sie ganz besonders von
Albarran ausgebildet worden ist, wird an der Hand instruktiver Ab¬
bildungen eingehend beschrieben. Wir wollen hier nur noch hervor¬
heben, dass die dürchtrennte Urethra nach der vollkommenen Excision
der Prostata über einem Katheter genau wieder mittelst feiner Catgut¬
naht vereinigt wird. Eine cystoperineale Drainage ist sicherer als die
mittelst Dauerkatheters. Paul Wagner (Leipzig).
£tude thörapeutique sur la lecitliine. Von Moricheau - Besu¬
ch an t. These de Paris 1901, Steinheil.
Verf. empfiehlt, die aus dem Eidotter dargestellte organische Phos¬
phorverbindung Lecithin, welche bekanntlich einen chemischen Bestand¬
teil insbesondere des nervösen Gewebes bildet, in einer Dosis von 0,2
bis 0,3 g per os in Pillenform bezw. 0,05—0,1 g in öliger Emulsion
subcutan täglich oder jeden zweiten Tag bei den verschiedenartigsten
Krankheitszuständen. Es wirke als Tonicum bei verschiedenen, den Er¬
nährungszustand beeinträchtigenden Affektionen. Er zählt da auf: die
Initialstadien der Lungentuberkulose, den Diabetes, die anämischen Zu¬
stände und die Neurasthenie (wo es insbesondere auf die darniederliegen¬
den psychischen Funktionen einwirken soll). Er beruft sich auf Tier¬
experimente sowohl wie auf Erfahrungen am Krankenbette und citiert
auch eine Reihe von gleichlautenden Angaben aus der Literatur.
Toxische Nebenwirkungen soll das Lecithin nicht haben.
Erwin Stransky (Wien).
Inhalt.
I. Sammel-Referate.
Silberberg, O., Ueber angeborene
Colonerweiterung, p. 881—887.
Adler, S., Ueber tabische Knochen- und
Gelenkserkrankungen (Schluss), p. 887 —
916.
Klink, W., Die operative Behandlung
der Nephritis (Schluss), p. 916—922.
II. Bücherbesprechungen.
Truhart, H., Pankreas-Pathologie, p. 923.
Bergmann, E. v. und Bruns, P. v.,
Deutsche Chirurgie, p. 923.
Herscher, M., Origine renale de Puro-
biline, p. 927.
Petit, J., De la prostatectomie perineale
dans l’hypertrophie simple de la pro-
state, p. 927.
Moricheau-Beauchant, Etüde thera-
peutique sur la lecithinc, p. 928.
Uro Einsendung von Monographien nnd Büchern an den Redakteur Professor
I)r. HERMANN SCHLESINGER. Wien. I. Ebendorferstrasse 10. wird gebeten.
Man bittet, redaktioneUe Zuschriften mit dem Ad ressenzusatz „Für die Redaktion des
Central blatte* für die Grenzgebiete“ versehen zu wollen.
Druck ron Ant. Kämpfe in Jena.-
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CENTRALBLATT
für die
Grenzgebiete der Medizin u. Chirurgie.
Herausgegeben von
Dr. Hermann Schlesinger,
Professor an der Universität in Wien.
Verlag von GUSTAV FISCHER in Jena.
VI. Band.
Jena, 3L Dezember 1908.
Nr. 24.
Das Centralblatt für die Grenzgebiete der Medizin und Chirurgie erscheint in
zwanglosen Heften im Umfange von etwa 3 Druckbogen, die zu einem Bande
vereinigt werden, dessen Umfang 60 Druckbogen betragen wird. Das Abonne¬
ment für das Centralblatt kostet 24 Mark für den Band. — Die Abnehmer
der Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie , herausgegeben
von J. von Mikulicz und B. Naunyn, erhalten das Centralblatt
zum Vorzugspreise von 20 Mark.
Ausschliessliche Inseratenännahme durch: Max Gelsdorf, Leipzig-Gohlis.
Böhme-Strasse 9.
Buchhändlerinserate werden an die Verlagshandlung erbeten.
I. Referate.
A. Periphere Nerven.
Trifacial neuralgia and its treatment Von T. Barber. New York
med. Journal, Vol. LXXV.
Verf. empfiehlt bei Trigeminusneuralgien die Behandlung mit
Aconitin und später mit Eisen. In einem sehr schweren, seit
3 l / 2 Jahren bestehenden Falle von Tic douloureux, welcher mit den
verschiedensten Mitteln vergeblich behandelt worden war, wurde völlige,
seit 10 Monaten bestehende Heilung erzielt. Es wurden vierstündlich
Vio m g Aconitin bis zum Aufhören der Schmerzen und sodann Eisen¬
pillen verabfolgt. Mohr (Bielefeld).
A case of tic douloureux, with successful removal of the Gasserian
gauglion. Von H. T. Williams. Philadelphia med. Journal,
VoL VHI.
38 jährige Frau. Rechtsseitige, während der letzten Monate einer
Schwangerschaft zuerst etwa vor 10 Jahren aufgetretene rechtsseitige
Gesichtsneuralgie; in den nächsten Jahren mehrfache periphere Opera¬
tionen ohne Erfolg, zeitweilige Verschlimmerung während neuer Schwanger¬
schaften und Nachlass nach den Geburten. Nachdem schliesslich der
Zustand unerträglich geworden war, wird das Ganglion Gasseri nach
Krause intrakraniell freigelegt und werden „dieNerven durchtrennt“. Kein
Erfolg, drei Tage später Wiedereröffnung der Schädelhöhle, Erweiterung
Ontralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI. 59
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der Oeffnung, Resektion des zweiten und dritten Astes auf etwa s / 4 cm
Länge. Die distalen Nervenenden werden mittelst einer Sonde durch
ihre Foramina durchgestossen, die centralen Enden und das Ganglion
ausgekratzt. Glatter Verlauf, die Schmerzen hörten sofort auf und waren
mehrere Monate nach der Operation noch nicht wiedergekehrt
Mohr (Bielefeld).
Two snccessful cases of secondary sntnre, one of the posterior
interosseons nerve and one of the median and ulnar nerves.
Von W. W. Keen. Philadelphia med. Journal, VoL VTL
Fall 1. Quere, bis auf den Knochen gehende Hiebwunde an der
Streckseite des Vorderarmes, Durchtrennung des Nervus interosseus dor-
salis und des Extensor digitorum communis. Befund drei Monate spater:
Fingerstreckung unmöglich, elektrische Entartungsreaktion der Muskulatur
peripher von der Wunde, Sensibilität normal. Freilegung des verletzten
Nerven. Der hintere Ast für den Extensor digitorum communis ist ober¬
halb der Stelle der Verletzung stark verdickt, entsprechend der Stelle
selbst sehr verdünnt, Resektion des Nerven in 7 mm Länge und Naht
Erste Zeichen der wiederkehrenden Funktion schon nach einer Woche.
Fünf Monate nach der Operation ist die Streckung der Finger und des
Handgelenkes vollkommen möglich, nur bei dorsalflektiertem Hand¬
gelenk bleiben die Finger etwas zurück.
Fall 2. Glasverletzung der Beugeseite des Vorderarms, Durch¬
trennung sämtlicher Beugesehnen und des Ulnar- sowie Mediannerven,
welche nicht vernäht wurden. Sechs Monate später Auslösung der
durchtrennten Teile aus dem Narbengewebe, Nerven- und Sebnennaht
Die letzteren können nicht mehr im einzelnen differenziert werden. Es
erfolgte schon nach wenigen Wochen Besserung. Neun Jahre nach der
Operation besteht nur noch eine ganz geringe Einschränkung der Beu¬
gung, die Hand ist kräftig und voll arbeitsfähig. Mohr (Bielefeld).
Puerperal polyneuritis and poliomyelitis. Von Stewart. Philadel¬
phia med. Journ., Vol. VII.
Eine 33 jährige Frau erkrankte im siebenten bis achten Monat der
Schwangerschaft, nachdem sie an heftigem Erbrechen gelitten hatte, mit
einem Gefühl von Taubheit in den unteren Extremitäten, kurz darauf
auch in den oberen. Zwei Monate darauf langsam zunehmende mo¬
torische Paralyse aller vier Extremitäten mit ascendierendem Typus;
Sensibilität herabgesetzt, Schmerz- und Temperatursinn erhalten, Knie-
und Plantarreflex aufgehoben, Bauchdeckenreflex erhalten. Schliesslich
bedeutende Muskelatrophie und elektrische Entartungsreaktion, Parese
der Atmungsmuskulatur, infolgedessen Pneumonie und Tod am dritten
Tage, etwa 5 x / 2 Monate nach Beginn der ersten Symptome. Autopsie¬
befund: Periphere Nerven, besonders an den Beinen, makroskopisch
geschwollen und rötlich verfärbt, mikroskopisch parenchymatöse Degene¬
ration mit interstitiellem entzündlichen Exsudat und zahlreichen kleinen
Blutungen. Je peripherer der betreffende Nerv, um so ausgesprochener
die Veränderungen. Im Rückenmark: Degeneration der Hinterstlänge,
und zwar in der Lumbalgegend der Goll’schen und Bur dach 'sehen,
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in der Cervicalgegend nur der letzteren. Einzelne degenerierte Fasern
finden sich auch in den hinteren Wurzeln und Seitensträngen. Mikro¬
skopisch: Ausgesprochene chromolytische Kernveränderungen in den
Ganglienzellen der grauen Substanz, besonders in den Vorderhörnem
und Clark’sehen Säulen, und zwar in den unteren Cervicalsegmenten
bis zu völliger Atrophie und Schwund der Zellen vorgeschritten, weniger
ausgesprochen in den unteren Teilen des Marks.
Verf. nimmt an, dass es sich zunächst um eine periphere Neuritis
gehandelt habe, die dann später zum Mark aufstieg, und zwar verursacht
durch ein während der Schwangerschaft auftretendes Toxin (im Gegensatz
zu den viel häufigeren puerperalen Neuritiden, welche auf Sepsis beruhen).
Mohr (Bielefeld).
Ein Fall von reiner Metatarsalgie. Von A. Blencke. Deutsche
med. Wochen sehr., 27. Jahrg.
Eine Patientin klagt über Schmerzen in der Gegend der rechten
vierten Zehe, welche anfallsweise auftreten, zuweilen auch nachts im
Bett und morgens beim Aufstehen wieder verschwinden. Oft stellen sie
sich auch beim Gehen ein, lassen aber meist nach, wenn die Patientin
ihre Schuhe auszieht.
Objektiv ist an der Stelle nichts nachzuweisen, doch ist Druck
auf dieselbe immer von intensivem Schmerz begleitet. Von Plattfuss
war keine Andeutung.
Blencke deutet deshalb den Fall als reine Metatarsalgie. Er be¬
spricht im Anschluss an den Fall dieses ziemlich seltene Krankheitsbild,
die spärliche Literatur und die Behandlungsweise. In seinem Falle ver¬
schwanden die Schmerzen vollständig, als Patientin ihre unzweckmässige,
enge Fussbekleidung änderte. Laspeyres (Bonn).
Zur Entwickelung der Frage von der Resektion des Ganglion
GasserL Von K. Ssapeshko. Annalen der russischen Chirurgie,
Bd. VI, H. 4.
Ssapeshko machte die Resektion nach eigener Methode bei einem
Patienten, dem vorher zweimal ohne Erfolg der Nervus mandibularis
reseziert worden war. — Schlussfolgerungen: 1. Wenn die Schmerzen
sich auf einen oder zwei Aeste beschränken und nach Resektion der
Nerven schwinden, muss man peripheren Ursprung der Neuralgie an-
nehmen. 2. Ergreifen die Schmerzen alle drei Aeste, so muss man ein
intrakranielles Leiden annehmen; bleiben die Schmerzen auf eine Ge¬
sichtshälfte beschränkt, so handelt es sich am wahrscheinlichsten um
Ganglionaffektion oder Affektion der Nervenwurzel; greifen aber die
Schmerzen auf die andere Seite herüber, so sind die Kerne der Trigemini
befallen. 3. In der grossen Mehrzahl der Fälle von peripherer Neuralgie
kann man sich mit ausgedehnter Resektion nach Thiersch begnügen.
4. Ist die Neuralgie centralen Ursprungs, so muss sofort das Ganglion
Gasseri reseziert werden. 5. Ebenso nach erfolgter vorheriger Nerven-
resektion. 6. Da die Schmerzen auch nach Resektion des Ganglion
wiederkehren können (was scheinbar auch im Falle des Verfassers be¬
obachtet wurde), so muss das Ganglion möglichst vollständig entfernt
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werden, gleichzeitig auch die Hauptaste des Nervus trigeminus. — End¬
lich muss man die Diagnose möglichst genau ziehen zwischen Neuritis
trigemini (wo die interne Behandlung je nach der Aetiologie gute Re¬
sultate gibt) und Neuralgie desselben; bei letzterer muss gewöhnlich
operiert werden. Gückel (Medwedowka, Kiew).
Paralysie radiale par dlongation du nerf. Von Labbö. La Presse
mödicale, 9. annöe, Nr. 83.
Während früher der Erkältung in der Aetiologie der Radialis-
lähmungen eine führende Rolle zugeschrieben wurde, ist man jetzt all¬
mählich dazu übergegangen, traumatische Ursachen, wie die Kompression
und Zerreissung des Nervus radialis, als Hauptmomente anzusehen. Der
Verf. macht nun auf ein ätiologisches Moment aufmerksam, das der
Aufmerksamkeit der Forscher bisher entgangen zu sein scheint, nämlich
auf eine durch Hyperextension der Haut verursachte Zerrung des Nervus
radialis. Er beschreibt einen Fall, bei dem bei gestrecktem Vorderarm
eine forcierte Flexion und Pronation der Hand mit konsekutiver Zerrung
des Nervus radialis erfolgte. Die Behandlung dieser Form von Radialis-
lähmung unterscheidet sich nicht von derjenigen anderer Formen und
gibt eine günstige Prognose. Freyhan (Berlin).
Recidivierende, doppelseitige, traumatische Radialislähmung. Von
Borntraeger. Aerztl. Sachverständigenztg. 1901, Nr. 21.
Ein 44 jähriger Arbeiter war von einer Leiter herab in einen
Brunnenschacht gefallen; im Fallen schlug er mit beiden ausgebreiteten
Armen auf eine Balkenlage auf. Eine beiderseitige typische Radialis¬
lähmung entwickelte sich darnach, ging aber langsam zurück, so dass
die Unfallsrente nach zwei Jahren entzogen werden konnte. Weitere
zwei Jahre konnte der Patient seine Arbeit völlig verrichten, bis ohne
besondere Veranlassung die Lähmung recidivierle und in ascendierendem
Verlauf unter gleichzeitiger Atrophie auch die Muskulatur des Schulter¬
gürtels ergriff.
Eine doppelseitige Radialislähmung ist bisher nur äusserst selten
beobachtet worden, ebenso das erneute Auftreten der Erkrankung nach
so langem Intervall, wofür Verf. keine Erklärung geben kann. Leider
fehlen genauere Angaben über den Fortgang der Erkrankung.
A. Berliner (Berlin).
Sciatique traitöe et gudrie par injection öpidurale de cocaine.
Von Souques. Sociötö mödic. de höp., Paris, 18. annöe.
Eine 64jährige Frau litt seit fünf Jahren an rechtsseitigen iscbia-
dischen Schmerzen, die sich in letzter Zeit wesentlich verstärkten. Nach
epiduraler Injektion von 0,02 Cocain hörten die Schmerzen sofort auf;
als nach vier Tagen sich wiederum leichte Schmerzen bemerkbar
machten, bewirkte eine erneute Injektion von 0,02 g Cocain das dauernde
Cessieren derselben.
Nach Cathelin wirkt das Cocain bei der epiduralen Injektion
nicht direkt auf die Nerven wurzeln, weil dies der periradikuläre Dural¬
sack hindert, vielmehr durch osmotischen Uebergang in die daselbst
gelegenen Venenplexus. Indessen glaubt Souques, wegen der plötz-
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liehen Analgesie für eine direkte Wirkung eintreten zu können. Die
behandelte Patientin litt auch an einer linksseitigen Hemiparese mit
Schmerzen und Parästhesien; dieser anscheinend cerebrale Prozess wurde
durch die Injektion nicht beeinflusst.
Achard hebt hervor, dass die intraarachnoideale Injektion wirk¬
samer sei. Martin Cohn (Kattowitz).
Traitement de ia sciatique. Von Bernard. Sociötö mödic. des höp.,
18. annöe.
Bericht über die Behandlung von Ischias und Pleurodynie mit
Kochsalzlösung-Injektion; mehr als 20 Fälle von Ischias sind so dauernd
geheilt worden. Injektion von destilliertem Wasser (nach dem Vor¬
schläge von Dieulafoy) ergab dagegen keinerlei Besserung.
Verf. verfährt so, dass er 5 ccm einer physiologischen Kochsalz¬
lösung in die schmerzhaften Stellen injiziert; eventuell wird die Injektion
wiederholt.
Gute Erfolge wurden mit dieser Behandlung auch bei Muskel¬
rheumatismus erzielt. Martin Cohn (Kattowitz).
*
B. Leber.
Contribution k l’£tude de l’ictöre acholurique simple. Von Gilbert
und Lereboullet. Sociötö möd. des höp., 18. annöe.
Von dem acholurischen Icterus, dessen Bild die Verff. schon
früher gezeichnet haben und als dessen Substrat sie eine Angio-
cholitis chronica ansehen, lassen sich zweckmässig, je nach dem Vor¬
handensein oder Fehlen der icterischen Hautverfärbung, zwei Formen
unterscheiden:
1. Die Cholömie subietörique, der acholurische Icterus im
engeren Sinne, und
2. die Cholömie anietörique, bei welcher der Gallengehalt
des Blutserums zu schwach ist, um zu einer sichtlichen Imprägnierung
der Haut zu führen; sie ist demnach nur durch eine Untersuchung des
Serums kenntlich.
Man beobachtet sie auffallend häufig, besonders bei Personen, die
früher an irgend einer Leber- oder Gallen blasen krankheit gelitten hatten,
zur Zeit aber anscheinend frei von solcher sind, ferner bei Personen, in
deren Verwandtschaft Leberleiden Vorkommen; überhaupt spielt, wie dies
die Verff. durch einschlägige Mitteilungen beweisen, die Heredität eine
grosse Rolle. Diese Cholämie ist oft von gewissen Störungen, wie
Dyspepsie, Urticaria, hartnäckigem Pruritus, begleitet In der Regel ent¬
hält der Urin keinen Gallenfarbstoff.
Ausser dieser anicterischen Cholämie als Krankheit sui generis gibt
es auch eine symptomatische acholurische und anicterische Cholämie,
und zwar ist diese nach den Verff. bei allen Leberkrankheiten vorhanden.
Die Verff. beschreiben nun genauer die dyspeptische Form des
acholurischen Icterus:
Ihre Symptome sind sehr variabel. Die Patienten klagen zuweilen
über Uebelkeiten, Magenschmerzen; oft ist Konstipation, weniger häufig
habituelle Diarrhoe vorhanden.
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Der Magen ist meist etwas dilatiert, selten normal; Milz und Leber
sind nicht vergrössert. Die Prüfung des Magenchemismus ergibt Hyper-
pepsie und Hyperchlorhydrie.
Ist Icterus vorhanden, so ist er am deutlichsten im Gesicht Das
Blutserum enthält immer Gallenfarbstoff, doch mitunter so wenig davon,
dass derselbe nur durch spektroskopische Prüfung kenntlich wird.
Sehr häufig sind nervöse Storungen, besonders melancholische
Stimmung; ausserdem beobachtet man zuweilen Urticaria, Pruritus, inter¬
mittierende Albuminurie, Neigung zu Hämorrhagien.
Wichtig und für die Existenz einer Angiocholitis scheinen dem
Verff. zu sprechen mitunter auftretende Fieberanfälle von kurzer
Dauer, zumeist des abends beobachtet. Seltener ist ein umgekehrter
Temperaturtypus mit morgendlichem Maximum und abendlichem Minimum.
Fast stets ist der Puls verlangsamt.
Bei der Diagnose hat man die Fälle zu trennen, bei welchen
eine primär vorhandene Dyspepsie einen acholurischen Icterus hervorruft
(Hayem), von den Fällen von originärem acholurischen Icterus, bei
denen die Dyspepsie lediglich eine intercurrente Episode darstellt
Bezüglich der Entstehung der dyspfeptischen Störungen lassen die
Verff. die Frage offen, ob eine direkte Reizung der Magenschleimhaut
durch die Gallenbestandteile stattfindet oder indirekt die Angiocholitis
eine Intoxikation des Nervensystems und damit sekundär die dyspep¬
tischen Erscheinungen hervorruft
Die Behandlung besteht in der Verordnung von möglichster
Körperruhe und einer reizlosen Kost, deren Hauptbestandteil abgerahmte
Milch bildet Besonders ist Brot zu meiden, allenfalls nur die Kruste
zu geniessen. Innerlich thun Bismuth und Dermatol gute Dienste; der
Stuhlgang soll durch tägliche Darmspülungen reguliert werden, Laxativs
sind kontraindiziert. Martin Cohn (Kattowitz).
Ascite lactescente et cirrhose atrophiqne. Von Souques. Bull,
et möm. de la soc. möd. des höp., 19. annöe.
Bei einem Alkoholiker mit Lebercirrhose wurden 13, einen Monat
später 15 Liter milchweisser Ascitesflüssigkeit durch Punktion gewonnen.
Vier Tage nach der zweiten Punktion starb der Pat. Bei der Obduk¬
tion erwies s^h das Peritoneum als glatt, glänzend und ohne Zeichen
einer Entzündung. Die Chylusgefässe de9 Mesenteriums waren nicht
erweiteit, eine Perforation derselben war nicht aufzufinden.
Die Ci9terna chyli am Aortenschlitz des Zwerchfells war nuss¬
gross und mit geronnenem Blut gefüllt; hier sass offenbar das Hindernis
für die Chylusgefässe.
Die Ascitesflüssigkeit enthielt rote Blutkörperchen, Leukocyten
fast ausschliesslich mononucleärer Natur, lichtbrechende Fetttröpfchen
und kleine Granula. Der Aetherextrakt betrug 3,20 g, der Eiweiss¬
gehalt 8 g per Liter.
Die Entstehung von chylösem Ascites kann eine verschiedene sein.
In einzelnen Fällen kommt er durch eine Spontanruptur von Chylus-
gefässen zu stände, in anderen Fällen durch Peritonitis. Protrahierter
Alkoholgenuss kann zu einer Entzündung der feinen Chylusgefässe
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(Radiculitis) mit Diapedesis von Leukocyten führen, welche emulsioniertes
Fett tragen. Auch durch fettige Metamorphose von Leukocyten kann
die chylöse Beschaffenheit bedingt werden.
Eine Kompression des Canalis thoracicus prädisponiert zwar zur
Entstehung von Ascites chylosus, genügt aber allein nicht, da man im
Experiment nach Ligatur des Canalis thoracicus weder Ruptur noch
Dilatation der Chylusgefässe findet Martin Cohn (Kattowitz).
Fall af Operation ä gallbläsan. Von F. Kayser. Hygiea, F. II,
Jahrg. I, p. 526.
Eine 50 jährige Frau, die seit einigen Monaten an Schmerzen im
Leibe litt, erkrankte an heftigen, rechts lokalisierten Schmerzen mit
Empfindlichkeit und Auftreibung des Bauches; grosser Tumor rechts,
Niere normal, kein Icterus. Bei der Laparotomie Gallenblase vergrössert,
Wand verdickt, von leicht lösbaren Adhärenzen umgeben, in denen
grauweisse Massen sich fanden. Colon an Leber und Gallenblase ad-
härent; Processus vermiformis fingerdick, rot und entzündet Nach Ex¬
stirpation desselben wurde die vorgezogene Gallenblase eröffnet Dieselbe
enthielt Eiter, die Schleimhaut rot von grauweissen nekrotischen Massen
bekleidet Heilung. Auch der entfernte Wurmfortsatz enthielt Eiter.
Bemerkenswert ist das gleichzeitige Vorkommen eines eitergefüllten
Appendix und ebensolcher Gallenblase. Köster (Gothenbürg).
Beitrag zur Kasuistik der Stich - Schnittverletzungen der Leber.
Von J. L. Grekow. Deutsche Zeitschr. f. Cbir., Bd. LXIH, p. 402.
Grekow berichtet über drei Fälle von Messerverletzungen. In
zweien davon waren die äusseren Wunden kleiner als die entsprechenden
Wunden in der Leber, was durch die respiratorische Verschiebung der
Leber erklärlich ist. Alle Wunden bluteten stark. Im dritten Falle
war die Leber durch den accessorischen Lungenraum hindurch verletzt
worden, daneben bestand noch eine Verletzung der Lunge mit Hämo-
Pneumothorax und schliesslich noch eine penetrierende Wunde der Bauch¬
höhle. Es handelte sich ausserdem um eine schwangere Frau. Alle
Fälle gingen, teils nach Naht der Leberwunde, teils nach Tamponade,
in Heilung über.
Vorzuziehen bei Leberstichwunden ist stets die Naht, um so mehr,
als die Leberwunden stark bluten, die Infektionsgefahr daher nicht gross
ist; nur bei tiefen, stark blutenden Wunden ist die Tamponade schneller
und sicherer auszuführen und bleibt in ihrem Recht.
E. Moser (Zittau).
C Knochen, Gelenke.
Notes sur deux cas de Spondylose (type Bechterew et type P.
Marie). Von De Buck et Debray. Journal de Neurologie 1902,
Nr. 14.
I. 32jähriger Mann aus arthritischer Familie; stark sexuell und
in Alkoholicis excediert; vor 10 Jahren Typhus; bald darauf Beginn
der Erkrankung mit Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und Gürtel-
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schmerz, woran sich zunehmende Schwerbeweglichkeit der Rückenwirbel-
säule schloss. Häufige Parästhesien in den Beinen, Schmerzen längs
der Wirbelsäule bei stärkeren Bewegungen und zunehmende Steifigkeit
der unteren Extremitäten, so dass Pat. trippelnd zu gehen genötigt
ist. — Status praesens: Vorgebeugte Körperhaltung, dorsale Kyphose;
am Bauche eine breite transversale Hautfalte. Die Knie leicht gebogen;
Thorax abgeplattet, unbeweglich, fast keine Thoraxatmung. Beugung,
Streckung und Drehung in der Wirbelsäule aüfgehoben. Auch die Beweg¬
ungen der Extremitäten sind durch Muskelsteifigkeit sehr erschwert.
Keine Ataxie. Abwärtsbewegung des Körpers bloss durch Kniebeuge
möglich. Horizontale Rückenlage nur bei Unterstützung des Kopfes
möglich. Die grobe Kraft der Rückenmuskeln stark beeinträchtigt (daher
beim Sich-erheben ähnliche Stellungsbilder wie bei der Pseudohypertro¬
phie). Kernig’sches Symptom. Sensibilität bis auf die oben erwähnten
Schmerzen nicht affiziert. Sehnenreflexe erhöht, rechts Fussklonus.
Links Pupille weiter, Lidspalte enger. Allgemeine neurasthenische
Beschwerden. Keine trophischen Störungen. — Die Halswirbelaäule
hypertrophisch. — Der Fall sei aufzufassen als chronische Meningitis
mit daranschliessenden chronisch-deformierenden Veränderungen in den
Wirbelgelenken von ascendierendem Typus; er schliesst sich den Bech¬
terewschen Fällen an. Aetiologisch kämen Heredität, Surmenage,
Potus und die überstandene Infektionskrankheit in Betracht.
II. 28jähriger Mann aus „nicht arthritischer“ Familie; vor fünf
Jahren ein Sturz (Fraktur des linken Oberschenkels, verheilte mit De¬
formation , hierauf Osteoklase (?), wodurch Luxation im Kniegelenk
verursacht ward, die nicht mehr restituiert werden konnte; lebhafte Schmerzen,
sekundäre Ankylose mit Atrophie der Wade; bald darauf Schmerzen
und Ankylose im rechten Knie mit Atrophie des Unterschenkels im
Gefolge. In den folgenden Jahren etabliert sich derselbe Prozess in
einer Reihe anderer Gelenke. Später abermals eine linksseitige Femur¬
fraktur. Indes zunehmende Schmerzen, Krachen und Schwerbeweglichkeit
in den betroffenen Gelenken. Bald darauf Schmerzen in der Wirbel¬
säule, an der Grenze zwischen Hals- und Brustteil. — Status praesens:
„Nervöses“ Individuum. Keine wesentlichen sonstigen Störungen seitens
des Nervensystems bis auf die — sekundären — Muskelatrophien zu
konstatieren.
Die Autoren glauben, in diesem zweiten Falle den Schmerzen im Knie
die Schuld an der Entwickelung des Prozesses beimessen zu sollen, indem
diese die trophischen Zellen in beiden Vorderhörnern des Rückenmarks
in einen dauernden Reizzustand, eine Art Surmenage versetzten, wodurch
diese wiederum geschädigt werden (!). Die Weiterausbreitung de9 Pro¬
zesses, insbesondere auf die Wirbelsäule, erfolgt dann natürlich auf
„reflektorischem“ Wege, wobei die Autoren freilich einräumen müssen,
dass wohl noch zahlreiche andere prädisponierende und Gelegenheits¬
ursachen mit im Spiele sein werden; wie man sieht, ein jäher Sprung
aus luftigster Poesie in die nüchternste Prosa.
Erwin Stransky (Wien).
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Ueber die Spontonlnxationen des Hüftgelenkes im Verlaufe von
akuten Infektionskrankheiten. Von H. Graff. Deutsche Zeit¬
schrift für Chirurgie, Bd. LXII, p. 588.
Verf. kommt auf Grund einiger in der Schede’schen Klinik
operativ angegangener Fälle, dann auf Grund vergleichender Studien an
Röntgenaufnahmen zu dem Schlüsse, „dass ein einfacher Gelenkhydrops
nur in seltenen Fällen die alleinige Ursache einer Spontanluxation ist,
dass vielmehr noch Veränderungen am oberen Pfannendach vorhanden
sein müssen, die den Eintritt der Luxation erleichtern“. Es ist noch
nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob diese Formveränderung eine an¬
geborene ist oder vielmehr, was nach den Ausführungen des Verf.’s
durchaus wahrscheinlich ist, die „Folge eines entzündlichen Vorganges
im Gelenk, einer Erweichung durch ein entzündliches Exsudat und einen
Schwund durch Druck des in Flexion und Adduktionsstellung stehenden
Oberschenkels auf den oberen und hinteren Pfannenrand“.
Als die stets zu versuchende Methode der Behandlung auch ver¬
alteter Fälle ist die unblutige Reposition anzusehen. Sie gelingt oft
leicht wegen der Abplattung des oberen Pfannenrandes; aus demselben
Grunde tritt aber auch leicht Reluxation ein. Erst nach mehreren er¬
folglosen Versuchen und bei schlechter Funktion des luxierten Gelenkes
(ritt die blutige Methode in ihr Recht. Die so wichtige Nachbehandlung
nach der blutigen Reposition wird näher besprochen.
E. Moser (Zittau).
The differential diagnosis of acute polyarticular rheumatism, froiu
a surgical standpoint Von W. Stern. New York med. Journal,
Vol. LXXVI, Nr. 1.
Die Differentialdiagnose zwischen der akuten Polyarthritis rheu-
matica und sonstigen infektiösen und anderen Erkrankungen mit Betei-
ligung der Gelenke kann einerseits schwierig sein, wenn der akute
Gelenksrheumatismus in ungewöhnlicher Form auftritt, besonders in
folgenden Fällen: 1. Die Erkrankung beschränkt sich während ihrer
ganzen Dauer nur auf ein Gelenk. 2. Sie verläuft lokal und allgemein
aussergewöhnlich milde. 3. Die akuten Anfangserscheinungen und der
polyartikuläre Charakter sind zunächst maskiert und die Erkrankung
wird manifest mit plötzlichen, aussergewöhnlich schweren Erscheinungen
in nur einem Gelenk. 4. Die Schwellung beschränkt sich nicht oder
nicht allein auf den Gelenksraum, sondern ergreift die Nachbarschaft
und macht phlegmonöse Erscheinungen. Folgende Erkrankungen können
andererseits mit akutem Gelenksrheumatismus verwechselt werden:
1. Primäre Formen von Arthritis: a) pseudo-rheumatische
akute tuberkulöse Arthritis: Die Erkrankung beginnt akut mit
hohem Fieber, ein Gelenk oder mehrere sind ergriffen, es bestehen
Nachtschweisse. Differentialdiagnostisch wichtig ist die Thatsache, dass
Salicylate wirkungslos sind und frühzeitig Fixation und Tumor albus-
Bildung des, Gelenkes auftreten. Dazu kommt eine positive Reaktion auf
Tuberkulin und Verimpfung des Gelenksinhalts auf Tiere (Mitteilung
zweier einschlägiger Fälle); b) multiple Synovitis serosa; c) primäre
Synovitis purulenta; d) intermittierender Gelenkshydrops,
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besonders die fieberhafte Form, die allerdings wahrscheinlich eine sekun¬
däre Arthritis infolge von Osteomyelitis ist; e) luetische Arthritis,
besonders die akute, fieberhafte Form. Unterscheidungsmerkmale gegen¬
über dem akuten Gelenksrheumatismus sind: Geringfügigkeit des Ergusses,
Fehlen von Rötung und Schmerzhaftigkeit, sonstige Zeichen von Lues;
f) Arthritis deformans, besonders die akute, anscheinend infektiöse
Form. 2. Sekundäre Arthritiden: g) gonorrhoische Arthritis,
besonders bei mildem, polyartikulärem Beginn und Fehlen gonorrhoischer
Lokalveränderungen. Differentialdiagnostisch sind von Wichtigkeit: die
Fixation des Gelenkes in Extension, die Anwesenheit irgend einer
Form von gonorrhoischer Urethritis und der Gonococcennachweis in der
Gelenksflüssigkeit; h) Arthritis nach Scharlach, Typhus, Pneu¬
monie etc. (gewöhnlich monoartikulär); i) polyartikuläre Arthritis
bei Septikämie; k) Arthritiden bei akuter Osteomyelitis der
Kinder, welche oft multipel die Diaphysenenden ergreift und in milden
Fällen zu entzündlichem Hydrops der Gelenke ohne Vereiterung führt
Arthritis eines Gelenkes bei einem Kinde, welche mehr als 10 Tage
anhält und durch Salicylate nicht beeinflusst wird, ist entweder akute
Tuberkulose oder Osteomyelitis; 1) syphilitische oder rhachitische
Osteochondritis der Epiphysen; m) Gelenksaffektionen bei
Lungentuberkulose. Mohr (Bielefeld).
Ueber eine eigentümlich lokalisierte Arthropathie bei einem an
Syringomyelie und gleichzeitiger Hypoplasie des Genitalappa¬
rates leidenden Individnnm. Von C. Hödlmoser. Wiener klin.
Wochenschr., 14. Jahrg., Nr. 26.
Hödlmoser teilt einen Fall von Syringomyelie mit, der von be¬
sonderem Interesse durch eine eigentümliche isolierte Arthropathie des
Acromio-Claviculargelenkes ist. Es handelte sich um eine Luxation der
Clavicula nach oben, wobei das acromiale Ende der Clavicula die Haut
perforiert hatte. An den Gelenksenden konnten Veränderungen weder
hypertrophischer noch atrophischer Natur gefunden werden, im Vorder¬
gründe des Verlaufes stand vielmehr eine Atrophie des Bandapparates,
jedenfalls trophoneurotischer Natur. Der Druck des luxierten Clavicular-
endes hatte jedenfalls zur Entstehung der Hautperforation beigetragen,
aber es müssen auch trophische Einflüsse mitgespielt haben, denn unter
gewöhnlichen Verhältnissen ruft ein kurierter Knochen keinen so inten¬
siven Hautdecubitus hervor. Uebrigens verheilte die Perforationsöffnung
sehr rasch. Bedeutsam ist im Hinblick darauf, dass entwickelungs¬
geschichtliche Anomalien für das Entstehen der Gliose verantwortlich
gemacht werden, das gleichzeitige Bestehen einer angeborenen Hypoplasie
des Genitalapparates. Eisenmenger (Wien).
Ueber Inetische Gelenksentzündungen. Von Borchard. Deutsche
Zeitschr. für Chir., Bd. LXI, p. 110.
Es gibt viererlei Arten von Gelenksbeteiligung bei der Syphilis:
1. Gelenksschmerzen ohne anatomische Läsion, wie solche bei allen
Allgemeininfektionen beobachtet werden können. 2. Der einfache, meist
monartikuläre seröse Hydrops, der mit dem Ausbruch des Exanthems
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auftritt und unter Hg schnell und glatt heilt; gröbere Veränderungen
finden sich dabei an der Synovialis nicht. 3. Die chronische syphilitische
Gelenksentzündung bei der tertiären und der kongenitalen Lues mit
Zotten Wucherung und Gummenbildung. 4. Die sekundär übergreifende
Arthritis bei vorangehender syphilitischer Periostitis und Osteomyelitis.
Was die sub 3 genannte Form anlangt, so kann eine einmalige
antisyphilitische Kur versagen; auch wenn sie erfolgreich ist, können
durch die narbige Verödung hochgradige Störungen der Beweglichkeit
im Gelenk auftreten; es erscheint daher rätlich, da, wo starke Weichteil¬
deformitäten im Gelenk nachzuweisen sind, chirurgisch einzugreifen und
dann erst zu inungieren. So machte der Verfasser bei einer syphilitischen
Gravida, die eine seit fast vier Jahren bestehende luetisehe Kniegelenks¬
affektion hatte, die breite Eröffnung des Gelenks und exstirpierte ein
taubeneigrosses intraartikuläres Gumma. Während der Nachbehandlung
Schmierkur und Jodkali. Schöne Heilung. Verf. ist der Meinung, dass
ohne die operative Entfernung eines so grossen Gummas keine so schnelle
und gute Heilung mit vollem funktionellem Erfolge erzielt worden wäre.
U. Rose (Strassburg).
Ueber intermittierende Gelenkswassersncht. Von O. Burchard.
Deutsche med. Wochenschr., 28. Jahrg., Nr. 21.
Es handelt sich um einen typischen Fall von intermittierender
Gelenkswasseraucht, und zwar der idiopathischen Form.
Die Anfälle traten zuerst während, später kurz vor und nach der
Menstruation auf, verschwanden während aller Graviditäten.
Interessant ist die Kombination mit Asthmaanfällen; bestanden
solche, so traten nie Knieschwellungen auf. Burchard glaubt aber
nicht, in diesem Zusammentreffen einen Beweis für die Schlesinger’sche
Anschauung, dass gewisse Formen des Asthma bronchiale zu dem soge¬
nannten Hydrops hypostrophos gehören, sehen zu sollen, da auch an¬
dere Erkrankungen die Erscheinungen des Hydrops intermittens zurück¬
treten lassen können.
Dagegen scheinen ihm für die Schlesinger’sehe Ansicht, dass
das akute intermittierende Hautödem und die intermittierende Gelenks¬
wassersucht dieselbe Krankheit, nur mit verschiedener Lokalisation seien,
zu sprechen, dass die Patientin und ihre nächsten weiblichen Verwandten
an Migräne litten, und dass kutane Blutungen bei ihr auftraten.
Eine wichtige Rolle scheint ihm bei der Genese des Krankheits¬
prozesses die Labilität des Gefässsystems zu spielen.
Laspeyres (Bonn).
D. Niere.
Zar Diagnose der Nierensteine. Von M. Margulies. Russ. chir.
Archiv, Bd. XVHI, p. 832.
Als Beispiel, wie schwer manchmal die Diagnose eines Nieren¬
leidens zu stellen ist, bringt Margulijes zwei Fälle, beide bei Männern
von 20 resp. 26 Jahren, die unter beinahe identischen Symptomen ver¬
liefen und sich bei der Operation als ganz verschieden herausstellten.
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Beide klagten über typische Koliken in der linken Niere, die nach Be¬
wegung leicht auftreten; in der Anamnese Hämaturie; im abends ge¬
lassenen Harn viel mehr Erythrocyten als im morgens gelassenen. Cysto-
skopisch Hyperämie in der Umgebung der linken Uretermündung.
Röntgenoskopie aus technischen Gründen negativ. Linke Niere schmerz¬
haft bei Palpation. — In beiden Fällen Nephrotomie; im ersten wurde
ein Stein gefunden, im zweiten eine makroskopisch gesunde Niere; in
letzterem Falle schwanden nach der Operation die krankhaften Symptome.
In diesem Falle war der linke Harnleiter bis zum Nierenbecken mit nega¬
tivem Resultat katbeterisiert worden. Harnuntersuchung nach Casper:
Harnquantität: rechte Niere (aus der Blase) 28 ccm, linke Niere (Katheter)
21 ccm; Zucker 1 °/ 0 bis 1,6%, A —1,24 resp. —1,67; N (in 1 ccin)
0,0053 bis 6,0062; spezifisches Gewicht 1,019 bis 1,028. Die linke
Niere funktionierte also besser als die rechte. Margulijes lässt unent¬
schieden, um was es sich in seinem zweiten Falle handelte.
Zum Schlüsse betont Verf., dass alle neueren Untersuchungs¬
methoden zuweilen im Stiche lassen. Bei Verdacht auf Nierenstein und
schweren Symptomen ist die Nephrotomie angezeigt; ist interstitielle Ent¬
zündung zu vermuten, so soll die Operation besser unterbleiben. End¬
lich sollte jeder Fall von unrichtiger Diagnose aus der Nierenchirurgie
genau veröffentlicht werden.
Gückel (Kondal, Saratow).
A case of pregnancy complicated by pyonephrosis. Von Ch.
Cu ms ton. New York med. Journ., Vol. LXXV, Nr. 26.
29jährige Patientin, multipara, zur Zeit im vierten Monate gravid.
Vor zwei Monaten wurde zuerst eine grosse, die ganze rechte Bauchhälfte
einnehmende Geschwulstbildung festgestellt, welche zeitweilig druckschmerz¬
haft ist, zu fluktuieren scheint und nach der Mittellinie zu sich gegen den
graviden Uterus scharf abgrenzen lässt. Der Urin enthält Eiterkörperchen
und Blasenepithelien. Durch üreterenkatheterismus wird festgestellt, dass
der eitrige Urin nur aus der rechten Niere stammt. Diagnose: rechts¬
seitige Pyonephrose, lumbaler Einschnitt, Entleerung von 1% Liter
dünnen Eiters. Bei Abtastung des eröffneten Hohlraums findet sich
von oben in ihn hineinragend eine zweite fluktuierende Vorwölbung,
aus welcher durch Incision dicker Eiter entleert wird. Drainage; im
weiteren Verlaufe Eiterretention, daher nochmalige Operation und Ent¬
fernung der kindskopfgrossen Niere, die von eitergefüllten Cysten durch¬
setzt ist. Ausserdem findet sich eine Striktur des Ureters am Eingang
ins Nierenbecken. Es handelte sich demnach wohl um eine angeborene
Cystenniere mit sekundärer eitriger Infektion. Heilung ohne
Unterbrechung der Schwangerschaft.
In drei vom Verf. zusammengestellten Literaturfällen von Nephrek¬
tomie während der Schwangerschaft wurde dieselbe nicht unterbrochen.
Mohr (Bielefeld).
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II. Bücherbespreclmngeii.
Die otitische Sinusthrombose and ihre operative Behandlung. Von
Hölscher. Samml. zwangloser Abhandlungen aus d. Geb. d. Nasen-,
Ohren-, Mund- u. Halskrankheiten, herausgegeb. von M. Bresgen.
Bd. VI, Nr. 5, 6, 7.
Unter den statistischen Bemerkungen des Verf/s seien hervor¬
gehoben, dass nach Körner’s Zusammenstellungen die Sinuserkrankungen
etwa die Hälfte der otitischen Folgekrankheiten überhaupt darstellen:
unter 115 entsprechenden Sektionen waren 52 Sinusthrombosen, 50 Ge-
hirnabscesse. Dem Alter nach sind Individuen bis zum 30. Lebensjahr
bevorzugt (Zusammenstellungen von Körner, Jansen, Hölscher). Das
männliche Geschlecht wird 3,5mal öfter befallen als das weibliche. Die
Sinusphlebitis ist rechts häufiger als links, was mit den anatomischen
Verhältnissen zusammenhängt.
Bei der Besprechung der Ursachen und des Verlaufes der
Krankheit erwähnt Verf., dass es ihm gelungen sei, in einem (an anderer
Stelle ausführlich veröffentlichten) Falle den Staphylococcus pyogenes
aureus durch direkte mikroskopische Untersuchung in dem unter allen
Vorsichtsmassregeln entnommenen Blut nachzuweisen.
Hölscher hat die seltene Gelegenheit gehabt, in drei Fällen das
spontane Ausheilen von Sinusphlebitis in loco feststellen zu können.
Bezüglich seiner Erfahrungen über die diagnostische Bedeutung des
Augenhintergrundes hebt der Verf. hervor, dass nur der positive Befund
direkt zu verwerten ist, während aus dem Fehlen von Veränderungen am
Augenhintergrund nicht auf das Fehlen einer Sinusaffektion geschlossen
werden darf.
Für die Ausführung der Sinusoperation fordert er: 1. Zuverlässige
Entfernung alles Erkrankten; 2. Schaffung einer aseptischen Sinuswunde;
3. Sichere Vermeidung jeder Infektion bei Blutstillung und Verband. Er
glaubt, dass diesen Forderungen am besten ein von ihm im Archiv für
Ohrenheilkunde 1900 zuerst beschriebenes Verfahren genügt. (Zur selben
Zeit kam Hofmeister, von den gleichen Ideen ausgehend, auf das gleiche
Verfahren). Das Prinzip besteht in einem Vorgehen vom Gesunden
au9. „Der Sinus wird zunächst soweit freigelegt, dass man mit Sicher¬
heit über das Ende des Thrombus hinauskommt. Bei auf den Sinus
sigmoideus beschränkter Thrombose muss die Freilegung bis über das
Knie hinaufgehen, da hier nicht selten Metastasen sitzen; reicht der
Thrombus schon über das Knie, entsprechend weiter. Im zuverlässig
Gesunden wird ein Längsschnitt in die vordere Wand gemacht. Die
Blutung wird durch Kompression des Sinus mit einem sterilen Tupfer,
der oberhalb der Incision auf die Wand gedrückt wird, gestillt. Von
jetzt ab wird unter Blutleere weiter gearbeitet, wenn der erste Schnitt
unterhalb der Einmündung des Sinus petrosus superior gemacht wurde,
sonst unter geringer Blutung aus den in den Zwischenabschnitt ein¬
mündenden Venen. Der Schnitt wird nach abwärts über die thrombosierte
Stelle verlängert, die Thrombusinassen werden vollständig entfernt und die
erkrankte Sinus wand abgetragen. Der komprimierende Tampon oben wird
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abgehoben und durch einen frischen Jodoformgazetampon ersetzt, der die
Blutung wieder durch Zusammendrücken der Sinuswände stillt Ueber
ihn werden Jodoformgazestreifen gelegt, die den gesunden Sinusteil mit
auseinanderhalten und bedecken. Bis zu der Stelle des Thrombus hin
wird der Hautschnitt über den Tampons mit Nähten geschlossen und
mit Airolpaste überstrichen. Der erkrankte Sinusteil mit der Ohrwarzen¬
fortsatzwunde wird für sich tamponiert und als offene Wunde weiter
behandelt/* Die einzelnen Teile des Verbandes werden gesondert be¬
handelt: die eigentlichen Sinustampons in der Tiefe bleiben bis zum
völligen Verschluss des Sinus, also etwa 8—11 Tage, liegen, der andere
Teil des Verbandes wird nach Bedarf gewechselt Hölscher sieht den
grossen Vorteil der Methode darin, dass mit dem gesunden Sinusinneren
nur ein einziges Messer in Berührung kommt, wodurch nach Möglichkeit
der Schutz vor einer Infektion gegeben ist und man auf eine Heilung
der Sinuswände per primam unter dem ersten Verbände rechnen könne.
Im allgemeinen vertritt Verf. den Standpunkt möglichst frühzeitigen
Operierens und stellt sich auf die Seite derer, die für die Jugularis-
unterbindung eintreten. Alfred Goldschmidt (Breslau).
Monographie über die Streptococcen und den Erreger der meta-
diphtheritischen Septikämien, mit besonderer Berücksichtigung
der Diplococcen. Von F. L. Gros. Thfese de Paris 1902, G. SteinheiL
Auf Grund eigener Untersuchungen sowie gestützt auf ein um¬
fassendes Literaturstudium (fast 600 Nummern) teilt Gros das gesamte
vorliegende Material in vier Abschnitte. Der erste umfasst die morpho¬
logische Beschreibung aller bisher bekannten Streptococcen, sowohl der
beim Menschen als auch bei Thieren und Pflanzen und im Wasser ge¬
fundenen. Den Schluss des Kapitels bildet der Versuch einer Einteilung
der Streptococcen in 10 Gruppen, wobei jedoch als Einteilungsgrund bei
den verschiedenen Gruppen verschiedene Eigenschaften massgebend waren
(Pathogenität, Beweglichkeit, Färbbarkeit nach Gram, Verflüssigung der
Gelatine, reichliches Kartoffelwachstum, Kapselbildung etc.), diese Klassi¬
fikation jedoch kann bei der Variabilität desselben Stammes bezüglich
dieser Merkmale, vor allem der Pathogenität, wohl nicht Anspruch auf
Allgemeingültigkeit erheben, da ja die Grenzen dieser Gruppen durchaus
schwankende sind. Die zweite Abteilung ist der Beschreibung des Vorkommens
der verschiedenen Streptococcenarten gewidmet, zuerst nach den Fundorten,
sodann nach den Krankheiten geordnet, welche sie erregen oder sekundär
begleiten. Ein eigenes Kapitel (III) enthält die Ergebnisse der eigenen
Untersuchungen über die Mitwirkung von Streptococcen bei der Diphtherie,
welche in den Schlusssätzen erwähnt seien. Eine Reihe diesbezüg¬
licher Krankengeschichten und bacteriologischer Untersuchungsprotokolle
sowie die Empfehlung subcutaner Jod-Olivenölinjektionen bei diesen
septischen Allgemeininfektionen schliessen den Abschnitt. Im IV. Ab¬
schnitt werden die Toxine der Streptococcen sowie die Serumtherapie in
erschöpfender Weise abgehandelt Als Schluss der gesamten Arbeit stellt
der Autor folgende Sätze auf: Der Name „Streptococcus“ ist nur ein
Sammelbegriff für alle Mikroben, die sich in Ketten anordnen; inner¬
halb dieser grossen Gruppe müssen viele verschiedene Arten unter-
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schieden werden. Ihre Unterscheidung erfolgt auf Grund morphologischer
und biologischer Merkmale: Beweglichkeit, Anordnung in Diplococcen
oder längeren Ketten, Produktion von Hämolysinen, Toxinen, ihre ver¬
schiedene Reaktion auf Antistreptococcensemm etc. Im Verlaufe der
Diphtherie, namentlich der mit letalem Ausgange, sowie jener, die mit
scharlachähnlichem Exanthem verlaufen, finden sich neben den Diphtherie¬
bacillen zwei Arten von Diplococcen, welche sich durch ihre Diplococcen-
anordnung, durch Beweglichkeit, durch Fehlen der Milchgerinnung sowie
durch den Umstand von den anderen Streptococcen unterscheiden, dass
sie nur auf den mit Blut versetzten Nährböden reichlich wachsen. Sie
seien Diplococcus haemophilus perlucidus [und Diplococcus haemophilus
albus genannt. Da die Inkubationsdauer dieser Diplococcen bis zum
Auftreten des Exanthems sieben bis neun Tage beträgt, die Angina
jedoch erst drei bis vier Tage vor dem Exanthem zur Beobachtung
kommt, käme die Möglichkeit in Betracht, dass die Diplococceninfektion
das Primäre, die Diphtherieinfektion daher nur eine Komplikation ist.
Schnürer (Wien).
Du döcollement öpiphysaire traumatique de l’extrdmitd infdrieure
du tibia. Von Life vre. Thöse de Paris 1903, G. Steinheil.
Der Verf. kommt auf Grund "der genauen Analyse von 16 Beob¬
achtungen (darunter eine eigene), die am Schlüsse der Arbeit, durch
vier wohlgelungene Skiagramme illustriert, zusammengestellt sind, zu
folgenden Schlüssen:
1. Die traumatischen Epiphysenlösungen am unteren Ende des
Schienbeines sind ziemlich selten; nach einer von Bruns aufgestellten
Häufigkeitsskala der Epiphysenlösungen stehen sie an fünfter Stelle.
2. Abgesehen von Geburtsverletzungen, kommen sie am häufigsten
zwischen 14 und 17 Jahren und nie mehr nach dem 19. Lebensjahre vor.
3. Als Ursache der Verletzung kommen besonders forcierte Ab¬
duktion und Auswärtsrotation des Fusses in Betracht. Die Epiphysen¬
lösung kann kompliziert werden durch Ablösung des äusseren Periosts
der Tibia oder durch Abriss eines Diaphysenfragments; auch Verletzungen
der Fibulaepiphyse kommen daneben vor.
4. Klinisch markiert sich die Epiphysenlösung durch Verschiebung
der Tibiadiaphyse nach vorn; daraus ergibt sich eine stufenartige Defor¬
mität (döformation en marche d’escalier). Dieselbe ist sehr oft irre-
ponibel. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk ist erhalten. Die
Diagnose ist durch Radiographie zu sichern. Die schwerste Komplikation
bilden Weichteilwunden mit Heraustreten der Tibiadiaphyse. In un¬
komplizierten Fällen ist die Prognose günstig. Dauernde Störungen der
Gelenkbeweglichkeit, des Ganges oder des Wachstums der Tibia bilden
die Ausnahme.
5. Die Behandlung besteht in oft fruchtlosen Versuchen der Repo¬
sition. Bei Neigung zur Wiederkehr der Dislokation ist ein immobili¬
sierender Gipsverband nötig. Sonst genügt eine gepolsterte Rinnen¬
schiene und täglich auszuführende Massage. Heilungsdauer: drei bis
fünf Wochen. F. Honigmann (Breslau).
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Encyklopädie der gesamten Chirurgie. Von Th. Kocher und F.
de Quervain. Leipzig 1903, F. C. W. Vogel.
Mit der Lieferung 35/37 ist nunmehr das genannte Werk, über
das schon mehrfach berichtet worden ist, zu Ende geführt und liegt in
zwei stattlichen Bänden von je 750 pp. vor.
Das Werk ist für den beschäftigten Arzt geschrieben, der hier in
knapper Form alles ihn im bestimmten Falle Interessierende finden soll,
und zwar dem heutigen Standpunkte der Wissenschaft entsprechend aus
der Feder berufenster Autoren, die auf dem von ihnen bearbeiteten Ge¬
biete durch eigene wissenschaftliche Leistungen sich bethätigt haben.
Dass einem derartigen Werke stets gewisse Mängel anhaften werden,
ist natürlich. Bei der grossen Zahl von Mitarbeitern und der Schwierig¬
keit, unter diese das grosse Material gleichartig zu verteilen, lässt sich
eine Einheitlichkeit in der Anordnung des Stoffes nur bis zu einem
gewissen Grade erzielen. So sind Wiederholungen und Zerreissungen eng
zusammengehörender Gebiete unvermeidlich und zahlreiche Hinweise be¬
lasten den Umfang des Werkes über Gebühr.
Abgesehen aber von diesen Aeusserlichkeiten wird das Werk seinem
Zwecke in vollem Masse gerecht. Ref., der das Buch selbst schon viel¬
fach zu Rate gezogen hat, kann dasselbe angelegentlichst den in der
Praxis stehenden Kollegen empfehlen.
Wer eingehendere Auskunft über die neueren Forschungen wünscht,
findet in dem dem zweiten Bande angefügten, bis Anfang 1903 fort¬
geführten Literaturverzeichnis alle notwendigen Angaben.
Die Ausstattung des Werkes ist trotz des ziemlich kleinen Druckes
vorzüglich. Laspeyres (Bonn).
L’acanthosis nigricans. Von H. Guörault. Thöse pour le doetorat
en mödecine, Paris 1903.
Ueber den gegenwärtigen Stand der Acanthosis nigricans-Frage
bringt Guerault eine sehr fleissige und erschöpfende Darstellung. Aus
der Literatur sind 34 Arbeiten französischer, deutscher, englischer und
russischer Herkunft verarbeitet. Nach einer historischen Einleitung be¬
spricht Guerault die Aetiologie, Entwickelung, Symptomatologie, das
klinische Bild und die pathologische Anatomie dieser Erkrankung. Ein
gut beobachteter Fall aus der Abteilung Jeanselme’s wird eingehend
geschildert. (Eine an sich vortreffliche Phototypie des Falles, die aber
durch den Mangel der Farben wenig instruktiv wirkt, ist beigefügt)
Nach kurzer Besprechung der Differentialdiagnose und der sehr wenig
aussichtsreichen Therapie kommt Guerault zu folgenden Schlüssen:
„Die Bezeichnung Acanthosis nigricans ist nicht exakt; der Ausdruck
„Dystrophie papillaire“ ist vorzuziehen. Charakterisiert ist die Affektion
durch Papillenhypertrophie der Haut und der Schleimhäute; an der folgen¬
den Pigmentierung nimmt nur die Haut teil, nicht die Schleimhäute;
Schuppung fehlt; die Affektion juckt und geht einher mit Dystrophie
der Haare und Nägel. Gleichzeitig besteht sehr häufig, nicht immer,
Unterleibskrebs. Die Pathogenese ist absolut dunkel. Die Prognose
der nicht mit Carcinom vergesellschafteten Fälle ist nicht absolut in¬
faust. Die Affektion ist differentialdiagnostisch meist gut abzugrenzeu.
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Die Behandlung ist im allgemeinen nur symptomatisch und beschränkt
sich auf Verhütung von Sekundärinfektion. Hindern die Vegetationen
die Bewegungen, so kann Excision in Frage kommen. Die Fälle mit
Carcinom sind, wenn möglich, natürlich frühzeitig gynäkologisch zu
operieren. Ferdinand Epstein (Breslau).
La peste au Frioul (Lazaret de Marseille). Von Pelissier. Thöse
de Paris 1902, G. Steinheil.
Eine sehr umfangreiche, 38 Krankheitsfälle enthaltende Mono¬
graphie. Der Autor kommt zum Ergebnisse, dass die Vermehrung der Pest¬
herde im Mittelmeergebiete eine Gefahr für Europa bedeute. Za be¬
kämpfen ist sie vor allem durch Massregeln gegen die Ratten auf
Schiffen und in Hafenstädten, aber auch durch strenge Ueberwachung
der Passagiere verdächtiger Provenienz. Das Yersin’sche Pestserum
hat grossen prophylaktischen Wert, doch ist ihm die Haffkin'sche
Methode überlegen. Am besten ist es, beide Verfahren individualisierend
anzuwenden.
Die von der Konferenz in Venedig aufgestellten Grundsätze hält
der Autor für geeignet, allen Zwischenfällen erfolgreich zu begegnen.
Vorzüglich hat sich das auf einer Inselgruppe gelegene Marseiller Isolier-
spital Frioul bewährt, indem kein einziger Fall von Verschleppung der
dort behandelten Fälle auf das Festland beobachtet wurde.
F. Hahn (Wien).
Les maladies que l’on soigne au Sanatorium de Hendaye. Von
Verne au. Paris 1902, Steinheil.
Genaue Beschreibung der in den Pyrenäen gelegenen Kinderheil¬
statte Hendaye, sowie der zur Aufnahme gelangenden Krankheiten und
der Heilresultate. Auf Grund dieser fordert Verneau mehrere Ver¬
besserungen, vor allem Ausschluss der Rhachitis und Skrophulose und
Reservierung der Anstalt für Tuberkulose. Baer (Wien).
Cancer primitif de Fappendice vermiforme. Von Claude. Paris
1903, Steinheil.
Auf Grund von 25 aus der Literatur gesammelten und einem
eigenen Fall kommt Claude zu folgenden Schlüssen:
Der Krebs des Wurmfortsatzes ist eine seltene Erkrankung, doch
ist diese Seltenheit vielleicht nur eine scheinbare, da Verwechslung mit
Appendicitis vorkommt und oft nur genaue histologische Untersuchung
Aufschluss gibt.
Er scheint häufiger als andere Neoplasmen im jugendlichen Alter
vorzukommen.
Möglicherweise entsteht er oft auf entzündlicher Basis.
Claude fordert zu häufigerer histologischer Untersuchung der ent¬
fernten Appendices auf.
Bei rechtzeitiger Exstirpation scheint ein Recidiv selten zu sein.
Baer (Wien).
Centralblatt f. d. Gr. d. Med. u. Chir. VI.
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Inhalt
I. Referate
A. Periphere Nerven.
Barber, T., Trifacial neuralgia and its
treatment, p. 929.
Williams, H. T., A case of tic doulou-
reux, with successful removal of tbe
Gasserian ganglion, p. 929.
Keen, W. W., Two successful cases of
secondary suture etc., p. 930.
Stewart, Puerperal polyneuritis and pol io-
myelitis, p. 930.
Blencke, A., Ein Fall von reiner Meta-
tarsalgie, p. 931.
Ssapeshko, K., Zur Entwickelung der
Frage von der Resektion des Ganglion
Gasseri, p. 931.
Labb6, Paralysie radiale par elongation
du nerf, p. 932.
Borntraeger, Recidivierende, doppel¬
seitige, traumatische Radiaüslähmung, j
P- 932 .
Souques, Sdatique trait£e et gu£rie par
injection £pidurale de cocaine, p. 932.
Bernard, Trailernent de la sciatique,
P* 933 - I
B. Leber.
Gilbert, Contribution k l*6tude de l’ic-
t£re acholurique simple, p. 933.
Souques, Ascite lactescente et cirrhose |
atrophique, p. 934. !
Kayser, F., Fall af Operation a gall- |
blasan, p. 935.
Grekow, J. L., Beitrag zur Kasuistik
der Stich-Schnittverletzungen der Leber,
P. 935 .
C. Knochen, Gelenke.
De Buck et Debray, Notes sur deux
cas de Spondylose (type Bechterew et
type P. Marie), p. 935.
Graff, H., Ueber die Spontanluxation
des Hüftgelenkes ira Verlaufe von akuten
Infektionskrankheiten, p. 937.
Stern, W., The differential diagnosis of
acute polyarticular rheumatism, from
a surgical standpoint, p. 937.
Hödlmoser, C., Ueber eine eigentüm¬
lich lokalisierte Arthropathie bei einem
an Syringomyelie und gleichzeitiger
Hypoplasie des Genitalapparates leiden¬
den Individuum, p. 938.
Borchard, Ueber luetische Gelenksent¬
zündungen, p. 938.
Burchard, O., Ueber intermittierende
Gelenkswassersucht, p. 939.
D. Niere.
Margulijes, M., Zur Diagnose derNieren-
steine, p. 939.
C ums ton, Ch., A case of pregnaocv
complicated by pyonephrosis, p. 940.
II. Bücherbesprechungen.
Hölscher, Die otitische Sinusthrombose
und ihre operative Behandlung, p. 941.
Gros, F. L., Monographie über die
Streptococcen und den Erreger der
metadiphtheri tischen Septikämicn mit
besonderer Berücksichtigung der Diplo-
coccen, p. 942.
Li£vre, Du d£collemenl £piphysaire trau-
matique de l’extr&nite inf6rieure du tibia,
P* 943 -
Kocher, Th. u. de Quervain, Ency-
klopädie der gesamten Chirurgie, p. 944.
Gu6rault, H., L’acanthosis nigricans,
p. 944.
Pelissier, La peste au Frioul (Lazaret
de Marseille), p. 945.
Verneau, Les maladies que l'on soigne
au Sanatorium de Hendaye, p. 943.
Claude, Cancer primitif de l’appendice
vermiforme, p. 945.
Um Einsendung von Monographien und Büchern an den Redakteur Professor
I)r. HERMANN SCHLESINGER. Wien. 1. Ebendorferstraase 10, wird gebeten.
Man bittet, redaktionelle Zuschriften mit dem Adressenzusatz „Für die Redaktion des
Centralblattes für die Grenzgebiete“ versehen zu wollen.
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I. Verzeichnis der Sammelreferate
Adler, S., Ueber tabische Knochen- und
Gelenkserkrankungen 849, 887.
Adrian, C., Die multiple Neurofibroma¬
tose (Recklinghausen sehe Krankheit)
81, 129. 161, 209, 251, 289, 321,
433.460,514, 548, 591,699,721.
Baer, Arthur, Volvulus des S romanum
561 , 609 , 676 .
Goldschmidt, Alfred, Die otitische Pyä-
mie 29, 59.
Herszky, E., Nierenabscess und Peri¬
nephritis 9, 49, 102, 146, 182, 224.
Herz, Hans, Ueber die nach Verletzungen
zurückbleibenden Veränderungen des
Gefässapparates 401, 449, 502, 539,
590, 626.
Hoffmann, Karl Ritter v., Gonorrhoische
Aligemeininfeklion und Metastasen
(mit Ausschluss der Gelenks-, Knochen-,
Sehnen- und Schleimbeutel- sowie der
1 nervösen Erkrankungen), 241, 308,
I 347 1 375 *
Klink, Wilhelm, Die operative Behänd
lung der Nephritis 641, 740, 784,
82b, 869, 916.
Landau, Jan, Enuresis nocturna 412.
, Münzer, Max, Pankreascysten 490, 529,
573,619,664.
Perutz, Felix, Der Leberabscess 651,
751,800,817,858.
Schnürer, Josef, Ueber die Puerperal¬
eklampsie 90, 136, 171, 217, 265,
298,333.369-
Silberberg, Otto, Ueber angeborene Colon¬
erweiterung 881.
Zesas, D. G., Beitrag zur Diagnose der
Lithiasis pancreatica 801.
Ueber die Laparotomie bei tuberku-
■ löser Peritonitis 481.
1 Ziegler, Paul, Das Nierenaneurysma 2.
II. Sachregister
Abdominale Chirurgie 44.
Abdominalkrankheiten, Untersuchung auf
Appendicitis bei dens. 76.
Abdominalorgane, Palpation 202.
Abscess des Gehirns, otitischer 157.
— der Leber 651, 751, 800, 817, 839,
858.
— der Lunge 710.
— der Nieren 9, 49, 102, 146, 182, 224.
— des Wurmfortsatzes 79.
Acanthosis nigricans 944.
Adenitis gonorrhoica 393.
Albuminurie, gonorrhoische 357.
Altersveränderungen und ihre Behandlung
447-
Amputation, spontane 762.
Anatomie, pathologische, und Krebs¬
forschung 765.
— pathologische (Lehrbuch) 237.
— physikalische 125.
Aneurysma der Nierenarterien 2.
— des Truncus coeliacus 195.
— varicosum eines Saphenaastes 195.
Angioneurose aller Extremitäten 200.
Angiosklerotischc paroxysmale Myasthenie
196.
Aponcurosis palmaris, Contractur 203.
— Aetiologie 204.
Appendicitis 234, 236.
— Behandlung 73, 235.
— chronica 73.
— Complication mit Lungenprozessen 75.
— Complication mit Peritonitis und Diinn-
darmcinklennming 74.
— nach Fremdkörpern 74.
- operative Behandlung 72, 237, 360.
mit plötzlichem Exitus 73.
— - und Schwangerschaft 74.
— Untersuchung auf dieselbe bei Bauch¬
kranken 76.
— mit Urinbeschwerden 234.
— mit Venenthrombose 361.
— Verhalten der weissen Blutkörperchen
bei ders. 235.
— Zeitpunkt der Operation 71.
( 30 *
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948
Sachregister.
Artet ia carotis, Ligatur 196.
— ileo-coecalis, abnorme Entwickelung 234.
— renalis, Aneurysma 2.
— subclavia, Ligatur 196.
Arterien s. auch Gefösssystem.
— Atrophie bei Pellagra 194.
— Hypoplasie bei Pellagra 194.
Arthropathie bei Syringomyelie 938.
Ascites bei atrophischer Leberdrrhose,
operative Behandlung 276.
— bei Hepatitis interstitialis, chirurgische*
Behandlung 840.
— milchweisser, bei atTophischer Leber-
cirrhose 841, 934.
Aethernarkose 480.
Atmokausis und Zestokausis 797.
Atrophie der Arterien und Eingeweide
bei Pellagra 194.
Auge, Erkrankung durch Podophyllin 847.
— gonorrhoische Erkrankungen 379.
— Krankheiten, Therapie 798.
— Neurologie 638.
Augenheilkunde, Encyklopädie 127.
Bakteriologie, Anwendung in der prak¬
tischen Medizin 767.
— der otitischen Pyämie 59.
Barlow'sche Krankheit 761.
Bauchchirurgie 44.
Becken, entzündliche Prozesse in dem¬
selben als Ursache von Rectumstenose
442.
Bindegewebe, entzündliche Neubildung
205.
— gonorrhoische Erkrankungen 392.
Blut, Pathologie 125.
Blutkörperchen, weisse, Verhalten bei Er¬
krankungen 235.
Blutleiter s. Sinus.
Blutung, intrameningeale, Lumbalpunktion
bei ders. 117.
Botryomykose beim Menschen 603.
Brillenbehandlung bei Strabismus 800.
Bronchus, Cardnom 710.
— Fremdkörper 7x1.
— Gallenwege-Fistel 711.
Bulbus venae jugularis, operative Eingriffe
an dems. bei optischer Pyämie 71.
Oarcinom der Bronchien 710.
— der Gallenwege 277.
— Einfluss auf die gastrischen Verdau¬
ungsvorgänge 714.
— des Harnblasensphincters 361.
— der Lunge 710.
— des Magens 525, 837.
— Parasitennackw p eis 796.
— des Peritoneums 525.
—• der Pleura 525.
— des Pylorus 715.
— der Tuba Fallopii 158.
— des Wurmfortsatzes 361, 945.
Cardnomatose, miliare 710.
Centralnervensystem, mikroskopisch - topo¬
graphischer Atlas 638.
Chirurgie, deutsche 923.
— Encyklopädie 206, 944.
Chirurgische Anatomie und Klinik 880.
— Eingriffe bei inneren Erkrankungen, In¬
dikationen 767.
Chloroformnarkose 480.
Cholämie als Ursache von Hautpigmen¬
tierung 394.
Cholecystektomie bei Gallensteinen 278.
Cholecystitis, akute 277.
Cholecysto-Duodenostomie 842.
Cholecystotomie 276.
Cholelithiasis 278, 279, 604, 717.
— Behandlung 843.
— chirurgische Behandlung 279, 525.
— Frequenz in den Vereinigten Staaten
280.
— Kolik 279.
— mit spontanem Steinabgang 279.
— und Trauma 842.
Cirkulationsorgane, Erkrankungen 477.
Cocaininjektionen, epidurale bei Ischias
93 2 «
Coecum, abnormale Entwickelung seiner
Muskelbänder 234.
— Entwickelung 282.
— in einer Hernie 361.
Colitis membranacea 440.
Colo-Colostomie bei Dickdarmstenose 442.
Colon, Erweiterung, angeborene 88.
— Resorption in dems. 281.
— Stenose 442.
— Syphilis 444.
Colostomie, temporäre, bei Dysenterie 840.
Conjunctivitis gonorrhoica 379.
Constitutionskrankheiten 717.
Contractur der Aponeurosis palmaris 203.
—- Aetiologie 204.
Craniotomie 876.
Cyste des Pankreas 490, 529, 573, 619,
664.
Dacryocystitis gonorrhoica 383.
Darm, Einklemmung bei Appendidtis 74.
— Gallenabschluss von dems. als Ursache
von Fäulnisvorgängen 281.
— Krankheiten 717.
— perforiertes Divertikel als Ursache von
Blasendivertikel 444.
— S romanum s. das.
— Schuss Verletzung 836.
— Verschluss s. Ileus, Volvulus.
Darmfäulnis bei Gallenabschluss vom
Darme 281.
Darmgries 441.
Deformitäten, paralytische 203, 204.
Dickdarm s. Colon.
Diplococcen 942.
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Sachregister.
949
Divertikel des Pharynx 41.
Dünndarm, Resorption in dems. 281.
— Stenose 283.
— Verdauung nach weitgehender Resek¬
tion 440.
Duodeno-Cholecystostomie 842.
Duodenum, Geschwür s. Ulcus.
Dupuytren’sche Kontraktion 203.
— Aetiologie 204.
Dura mater, Blutleiter 34.
— Sinuszerr ei ssung 198.
— Venen 34.
Dysenterie, chronische 840.
— tropische, Aetiologie 441.
Echinococcus der Niere 599.
— der Pleura 155.
Eingeweide, Atrophie bei Pellagra 194.
Eklampsie, puerperales. Puerperaleklampsie.
Elektrotherapie und Elektrodiagnostik 80.
Elephantiasis 200.
Endocarditis nach Gonorrhoe 312.
Entzündliche Neubildung von Bindegewebe
205.
Enuresis nocturna 412.
— Aetiologie 415.
— Pathogenese 415.
— Prognose 423.
— Symptome 420.
— Therapie 424.
— Verlauf 423.
Epileptischer Anfall als Todesursache 763.
Epiphysenlösung an der Tibia 943.
Erbredien, Semiotik 716.
Erysipel, Aetiologie und Verhältnis zu
pyogenen Infektionen 124.
— Verhältnis zu den Streptomykosen 395.
Erythema circinnatum bei Menstruation
395 *
— papulatum uraemicum 396.
— nodos um bei Gonorrhoe 387.
— — durch Streptococcen 394.
Etytheme, gonorrhoische 386.
Exantheme, hämorrhagische und bullöse
bei Gonorrhoe 388.
Exostosen, multiple 762.
Eibroma molluscum mit Steigerung des
Knochen Wachstums 123.
Fibromyom des Pylorus 524.
Fistel zwischen Blase und Flexura sig-
moidea 444.
— zwischen Bronchus und Gallen wegen
7 11.
Flexura sigmoidea, Fistel zur Blase 444.
Fossa iliaca, Palpation des Inhaltes ders.
202.
Frauenleiden und Nervenkrankheiten 40.
Fremdkörper im Bronchus 711.
Fremdkörper der Lunge 120, 121.
— als Ursache von Appendicitis 74.
Frühgeburt, künstliche 878.
Fuss des Tabikers 904.
Grallenabschluss vom Darme als Ursache
von Darmfäulnis 281.
Gallenblase, Operation an ders. 935.
Gallenstein s. Cholelithiasis.
Gallenwege, Carcinom 277.
— Erkrankungen als Ursache von Pleu¬
ritis 153.
— Fistel in einen Bronchus 711.
Ganglion Gasseri, Resektion 929, 931.
Gangrän der Lunge 710.
— des Meckersclien Divertikels 282.
— spontane 196.
Gastrektomie wegen Geschwürs 524.
Gastroenterostomie 716, 838.
— Methoden 525.
Gastroptosis 522.
Gastrostomie 716.
Geburt bei Placenta praevia 879.
Geburtshilfliche Kasuistik 159.
Geburtshilflich-gynäkologischer Bericht 876.
Gefässe s. auch Herz, Arterien, Venen.
— Dilatation 541.
— gonorrhoische Erkrankungen 312.
— Neurose s. Angioneurose 200.
— Tumoren nach Traumen 628.
— Veränderungen nach Verletzungen 401,
449, 502, 539, 590, 626.
— Verengerung nach Traumen 510.
— Verletzungen 508.
Gehirn, Abscess, otitischer 157.
— otitische Erkrankungen 362, 445.
— Tumoren 316; psychische Störungen
bei dens. 557.
— Venen 34.
Gehimsinus, Anatomie 34.
Gelenke, tabische Erkrankungen 849, 887.
— luetische Entzündung 938.
Gelenksrheumatismus 763, 937.
Gelenkswasscrsucht, intermittierende 939.
Genitalapparat, Hypoplasie 938.
Geschwülste s. Tumoren.
Geschwüre, Heilung durch hochgespannte
Dämpfe 158.
Gicht 478.
Gonorrhoische Adenitis 393.
— Albuminurie 357.
— Allgemeininfektion und Metastasen 241,
308, 347 . 375 -
— Augenerkrankungen 379.
— Bindegewebserkrankungen 392.
— Conjunctivitis 379.
— Dakryoadenitis 383.
— Endocarditis 312.
— Erythema nodosum 387.
— Erytheme 38b.
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950
Sachregister.
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Gonorrhoische Gefäßerkrankungen 312.
— hämorrhagische und bullöse Exantheme
388 .
— Hautaffektionen 385.
— Herzerkrankungen 312.
— Hyperkeratosen 389.
— Iritis und Iridocyclitis 381.
— Muskelerkrankungen 359.
— Myocarditis 353.
— Nephritis 357.
— Neuritis 383.
— Pericarditis 354.
— Phlebitis 354.
— Pleuritis 355.
— Retinitis 383.
— Tenonitis 383.
— Urticaria 387.
Granulosis rubra nasi 125.
Gravidität und Appendicitis 74.
— mit Pyonephrose 940.
Guajakoltherapie der Lungentuberkulose
120.
Gynäkologische Erkrankungen und Nerven¬
leiden 40.
— Station, Einrichtung 880.
Harnbesch werden bei Appendicitis 234.
Harnblasen-Flexur-Fistel 444.
Harnblasensphincter, Carcinom 361.
Harnsaures Natrium, Vorkommen in
Schl ei in beute ln 764.
Haut, analgetische Zone 121.
— gonorrhoische Affektionen 385.
— Krankheiten, Handbuch 638.
—- Melanodermie I 21.
Helinholtz, Biographie 528,
Hepatitis interstitialis 840.
Hernia cruralis, vorgetäuscht durch ein
Aneurysma varicosum 195.
— inguinalis, Radikaloperation 234.
Hernie mit Coecum und Wurmfortsatz 361.
— eingeklemmte 76.
Herz s. auch Gefässsystem.
— gonorrhoische Erkrankungen 312.
Hypertrophie und Dilatation 558.
Verletzungen 402.
Hinken, intermittierendes 196.
Histologische Vorträge 79.
Hoden, Verhalten bei Infektionskrank¬
heiten 719.
Holzphlegmone 394.
Hüftgelenk, Entzündung nach Unfall 119.
— - Luxation, angeborene 287.
-- Spontanluxation bei Infektionskrank¬
heiten 937.
Hydronephrose, acquirierte 475.
Hydrops articulorum intermittens 939.
Hyperkeratosen, gonorrhoische 389.
Hypertrophie des Platysma myoides 202.
Hypochondrium, Tumoren 475.
Hypophysis und Sklerodermie 122.
Gck igle
Hysterie mit syringomyelitischen Sym¬
ptomen 762.
Tcterus, acholurischer 933.
— gravis Neugeborener 276.
Ileum, Stenose 284.
Ileus bei Appendicitis 74.
Infektion, gonorrhoische 241,308,347,375.
— pyogene, Verhältnis zum Erysipel 124.
Infektionskrankheiten, Verhalten des Ho¬
dens bei dens. 719,
— Hüftgelenksluxation bei dens. 937.
Injektion, epidurale 399.
— bei Ischias 932.
Iritis und Iridocyclitis, gonorrhoische 381.
Ischias, Behandlung 933.
— epidurale Cocaininjektionen bei ders.
93 2 «
Jejunostomie 838.
Jejunumstenose, tuberkulöse 441.
Kaiserschnitt 877.
Kalomelinjektion, Wahl der Injektions¬
stelle 121.
Kiefernekrose, tabische 906.
Kinderkrankheiten 526.
Knochen, Exostosen 762.
— tabische Erkrankungen 849, 887.
— Wachstumssteigerung bei Fibroma
molluscum 123.
Knochen in etastasen bei Schilddrüsen tumo-
ren 760.
Kolik bei Gallensteinen 279.
Krankenpflege, Vorschriften 797.
Krankheiten, innere, chirurgische Eingriffe
bei dens. 767.
— innere, Pathogenese 366.
-- der warmen Länder 604.
Krebsforschung, parasitäre 796.
— und pathologische Anatomie 765.
Kriegswissenschaft, ärztliche 318.
Laune 367.
Leber, Infarkt nach Netzresektion 523.
— Ruptur 842.
- Schädigungen b. Nierenkrankheiten 275.
Stich- und Schnittverletzungen 935.
Leberabscess 651, 751, 800, 817, 839,
858.
— Aetiologie 653.
- Ausgang 776.
— Bakteriologie 653.
— chirurgische Behandlung 277.
— Complikationen 776.
— Diagnose 782.
— pathologische Anatomie 754.
Prognose 782.
— Prophylaxe 86 i.
— Symptome 771.
— Therapie 862.
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UNIVERSITY 0 F CALIFORNIA
Sachregister.
951
Leberabscess, Verlauf 776.
Leberdrrhose, atrophische 841.
— atrophische, operative Behandlung des
Ascites 276.
— bei Malaria 276.
— mit milchweissem Ascites 841.
Lecithintherapie 928.
Leukocytose bei Erkrankungen 235.
Lichttherapie 319.
Liquor cerebrospinalis, Abfluss aus einer
Wirbelsäulenwunde 114.
Lithiasis pancreadca 801.
Lumbalpunktion bei intrameningealer Blu¬
tung 117.
— bei otidscher Pyämie 64.
— Üble Zufälle bei ders. 116.
Lunge, Abscess 710.
— Carcinom 710.
— Decortikadon 155.
— Entzündung s. Pneumonie.
— Fremdkörper 120, 121.
— Gangrän 710.
— Tuberkulose, Guajakoltherapie 120.
— ulceröse Prozesse, Indikadonen zur
chirurgischen Behandlung 119.
Lungenkomplikadonen der Appendicids 75.
M!agen, Auswaschung bei Gastrorrhagie
713 -
— Blutung 713; bei Cholämie 524.
— Carcinom 525, 837.
— Exsdrpadon 715.
— Krankheiten 717.
— Leiden, Tetanie bei dens. 712.
— Operationen an dems. 838.
— Perforation, voigetäuschte 713.
— Resektion 799, 837.
— Sarkom 715.
— Schuss Verletzung 714, 836.
Magencurvatur, Feststellung der Grenzen
durch Inspektion 712.
Magen Verdauung bei Carcinom 714.
Malaria mit Lebercirrhose 276.
Massage 479.
Meckel’sches Divertikel, Entzündung und
Gangrän 282.
— Persistenz 281.
Medizin, innere, Lehrbuch 845.
Melanodermie biliären Ursprungs 394.
— mit Milztumor 121.
Meningen, otitische Erkrankungen 445,446.
— Venen 34.
Meningids, otitische 157.
Menstruelles Erythem 395.
Metastasen, gonorrhoische 241, 308, 347,
375 -
Metatarsalgie 931.
Mikroorganismen, pathogene (Handbuch)
396.
Milzvergrösserung bei Melanodermie 121.
Moral insanity 47.
Musculus ileop»oas, Kontraktion desselben
als unterstützendes Moment bei der
Bauchpalpation 202.
Muskel, Deformitäten nach Lähmungen 203.
— Erkrankungen, gonorrhoische 359.
— Hypertrophie 202.
Myalgie, iliopathische und symptomatische
20 t.
Myasthenie 20 f.
— angiosklerotische paroxysmale 196.
! Myelitis, puerperale 114.
Myocarditis gonorrhoica 353.
Myopathie, familiäre paroxysmale 201.
Myoplegie 201.
Myotonie 201.
Nabelfistel 281.
Nabelhernie 281.
Narkose in der Praxis 480.
Nasenhaut, eigenartige Erkrankung 125.
Nebenniere, Chirurgie 923.
Nephrektomie bei Nierenechinococcus 599.
Nephritis gonorrhoica 357.
— Indikation zur operativen Behandlung
919.
— operative Behandlung 472, 474, 641,
740, 784, 826, 869, 916.
Nephrolithiasis, Diagnose 939.
— und Rückenmarkserkrankungen 116.
Nervenkrankheiten und Frauenleiden 40.
Nervennaht 930.
Nervenphysiologie, Bedeutung der Neu¬
ronenlehre für dies. 205.
Nervensystem, Veränderungen bei Tetanie
712.
— Verletzungen 628.
Nervöse Störungen nach Unterbindung der
Subclavia und der Carotis 196.
I Nervus medianus, Naht 930.
— radialis, Lähmung 932.
-- trigeminus, Neuralgie 929.
— ulnaris, Naht 930.
Neuritis ascendens in der Aetiologie der
Syringomyelie 115.
— gonorrhoica 383.
Neuritische Symptome bei Bronchialcarci-
nom 710.
Neurofibromatose, multiple 81, 129, 161,
*09, 251, 289, 321, 433, 460, 514,
548, 591, 699, 721.
— Aetiologie 132,
— Beginn 594.
— Komplikationen 548.
| — klinische Formen 84.
| pathologische Anatomie 702.
— Prognose 733.
— Symptomatologie 167.
I — Therapie 735.
j — Verlauf 594.
— Wesen 727.
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
952
Sachregister.
Digitized by
Neurologie des Auges 638.
Neurologische Fragen bei der Sehnen¬
transplantation 204.
Neuronenlehre, Bedeutung für die Nerven -
physiologie 205.
Neurosen, funktionelle 366.
Niere, cystische Entartung beim Fötus 476.
— Echinococcus 599.
— als Entstehungsort des Urobilins 927.
— Entzündung s. Nephritis.
— Exstirpation wegen Hydronephrose 475.
— Operationen an ders. 475.
— Verletzungen 477, 599.
Nierenabscess und Perinephritis 9, 49, 102,
146, 182, 224.
— Aetiologie 16.
— Diagnose 108.
— Nomenklatur 15.
— Pathogenese 16.
pathologische Anatomie 26.
— Prognose 108.
— Symptome 102.
— Therapie 148.
— Verlauf 102.
Nierenarterien, Aneurysma 2.
Nierenbecken, papilläre Tumoren 476.
Nierenchirurgie 923.
Nierenkrankheiten als Ursache von Leber¬
schädigungen 275.
Nierensteine s. Nephrolithiasis.
Nietzsche, Pathologisches bei dems. 206.
Obduktionsprotokoll 799.
Occulte Phänomene, Psychologie und Pa¬
thologie 47.
Oedem, cyanotisches, der unteren Körper¬
hälfte nach Thrombose der V. cava 197.
Oesophagus, Divertikel 41.
Ohr, Entzündung s. Otitis.
Omentumresektion als Ursache von Magen¬
geschwüren und Leberinfarkten 523.
Operationen, dringliche, Technik 78, 240.
Operationsübungen an-der Leiche 559.
Orchitis, experimentelle 719.
Organerkrankungen, Regeneration durch
Anwendung hochgespannter Dämpfe 158.
Osteologische Vorträge 79.
Osteopathie, tabische 899.
Ostitis, posttyphöse 761.
Otitis media, Komplikationen von Seiten
des Proc. mastoideus 362.
— intrakranielle Komplikationen 362.
Oti tische endokranielle Komplikationen 157.
Otitische Erkrankungen des Gehirns 445.
—- der Hirnhäute 445, 446.
— der Sinus 445.
Otitische Pyämie 29, 59.
— Bakteriologie 59.
— Diagnostik 59.
-— Geschichtliches 32.
— klinischer Verlauf 59.
Gck igle
Otitische Pyämie, operative Behandl. 65.
— operative Eingriffe am Bulbus v. ju-
gularis bei ders. 71.
— Pathologie 38.
— Statistik 36.
— Symptomatologie 59.
Otitische Sinusthrombose 941.
Ovarium, Wirkung seiner Erhaltung bei
Operationen 559.
Paget’sche Krankheit 761.
Pankreas, Cysten 490, 529, 573, 619,
664.
— Pathologie 923.
— Steine 801.
Pan Ophthalmitis, septische 197.
Paralyse von Muskeln als Ursache von
Deformitäten 203.
— des Radialis, reddivierende, doppel¬
seitige 932.
Paralytische Deformitäten 203, 204.
Paranephritis und Perinephritis 9, 49,
102, 146, 182, 185, 224.
— Aetiologie 187.
— Diagnose 228.
— Nomenklatur 185.
— Pathogenese 187.
— Pathologische Anatomie 192.
— Symptome 224.
— Therapie 232.
— Verlauf 224.
Parasiten des Menschen, tierische 127.
Paronychie, tuberkulöse 603.
Pathologie, spezielle, und pathologische
Anatomie (Lehrbuch) 237.
Pathologisch - anatomische Arbeiten aus
dem hygienischen Institute zu Posen
239 -
Pathologische Anatomie und Krebs¬
forschung 765.
Pellagra, Atrophie der Eingeweide und
der Arterien bei ders. 194.
— mit Dupuytren’scher Kontraktur 203.
— als Ursache von Eingeweide- und
Arterienhypoplasie 195.
Pemphigus neonatorum 123.
Pericarditis gonorrhoica 354.
Peritoneum, Carcinom 525.
Peritonitis bei Appendicitis 74.
— tuberculosa, Behandlung mit Wasser¬
spülungen 154.
— tuberculosa, Laparotomie bei ders. 481.
Pest in Friaul 945.
Phänomene, occulte, Psychologie und Pa¬
thologie 47.
Pharynx, Divertikel 41.
Phlebitis bei Appendicitis 361.
— gonorrhoica 354.
Phlegmone ligneux 394.
Physikalisch-diätetische Therapie 366.
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Sachregister.
953
Physiologie, Ergebnisse 845.
Placenta praevia 879.
Platysma myoides, Hypertrophie 202.
Pleura, Carduom 525.
— Echinococcus 155.
— Empyem, chronisches 155.
— Resorptionsvermögen bei Entzündung
154 -
Pleuritis bei biliären Prozessen 153.
— gonorrhoica 355.
— tuberculosa, Behandlung mit Wasser¬
spülungen 154.
Pneumonie nach Unfall 119.
Pneumotomie wegen Lungenabscess 710.
Podophyllin, Wirkung auf das Auge 847.
Poliomyelitis und Polyneuritis, puerperale
930 .
Porokeratose 603.
Processus mastoideus, Erkrankungen bei
Otitis 362.
Prostata, Hypertrophie 927.
— Verletzungen und Erkrankungen 286.
Prostatektomie, perineale 927.
Pseudorheumatismus, tuberkulöser 764.
Psychische Störungen bei Gehirntumoren
557 .
Psychologie, Grenzwissenschaften ders. 47.
— occulter Phänomene 47.
Puerperale Eklampsie 90, 136, 171, 217,
»65,298,333.369.
— Differentialdiagnose 272.
— Disposition 265.
— Häufigkeit 371.
— Mortalität 373.
— Pathogenese 93.
— pathologische Anatomie 93.
— Prognose 298.
— Symptomatologie 266.
— Theorie 217.
— Therapie 301.
— Verlauf 266.
Puerperale Myelitis 114.
— Poliomyelitis 930.
— Polyneuritis 930.
Pyämie, otitiscbe, s. otitische Pyämie.
Pyloroplastik 716.
Pylorus, Carcinom 715.
— Fibromyom 524.
— Spasmus 524.
— Stenose nach Salzsäureverätzung 523.
Pyonephrose 15.
— Aetiologie 16.
— bei Gravidität 940.
— Diagnose 108.
— Nomenklatur 15.
— Pathogenese 16.
— pathologische Anatomie 26.
— Prognose 108.
— Symptome 102.
— Therapie 148.
— Verlauf 102.
Radiographie bei Paget’scher Krankheit
761.
— bei Ureterenkatheterismus 602.
— bei Uretersteinen 602.
— als Ursache von Sklerodermie 603.
Raynaud’sehe Krankheit 199, 200.
— neues Symptom 200.
Recklinghausen’sche Krankheit 81, 129,
161,209,251, 289,321,433,460,
5 * 4 . 548. 59 «. 699, 72 i-
Rectum, Striktur bei entzündlichen Pro¬
zessen im Becken 442.
Respirationsorgane, Erkrankungen 477.
Respirationswege, Fremdkörper 120, 121.
Retinitis gonorrhoica 383.
Rheumatische Symptome bei Tuberkulose
764.
Rheumatismus, gonorrhoischer 764.
— polyarticulärer 937.
Rückenmark, Chirurgie 117.
— Cocainisiemng bei Ischias 932.
— Cocainisiemng als Todesursache 117.
— Entzündung s. Myelitis.
— epidurale Injektion 399.
— Erkrankungen und Nephrolithiasis 1x6.
— Pathologie des unteren Abschnittes
[” 3 -
Sacralkanal, Punktion 399.
Sanatorium von Hendaye 945.
Sanduhrmagen 522.
— Diagnose 522.
Sarkom des Magens 715.
Schädelbruch im epileptischen Anfall 763.
Schädelknochen, Venen 34.
Schleimbeutel, gefüllt mit hamsaurem Na¬
trium 764.
Schultergelenksentzündung nach Unfall 119.
Schwangerschaft s. Gravidität 74,
Sehnen, Transplantation 204.
Septikämie, metadiphtheritische 942.
Septische Panophthalmitis 197.
Sinus cavernosus 35; Thrombose 197.
— der Dura mater 34; otitische Erkran¬
kungen 445.
-- longitudinalis superior 35; Zerreissung
198.
— Thrombose, Aetiologie 198.
— — otitische 941.
~ transversus 35.
Sklerodermie 200.
— und Hypophysis 122.
— nach Röntgenbestrahlung 603.
— und Sklerodactile 122.
Sklerose, multiple, nach Trauma 114.
Skrophulose und Tuberkulose 284.
Spasmus des Pylorus 524.
Spina bifida, Radikalbehandlung 116.
Spinalparalyse, spastische, als Betriebsun¬
fall 115.
Spondylosis rhizomelica 935.
S romanum, Volvulus 561, 609, 676.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
954
Sachregister.
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Stenose des Colon 442.
— des Dünndarms 283.
— des Ileum 284.
— des Pylorus nach Salzsäureverätzung
523 -
— des Rectum 442.
Stillen der Kinder, Dauer 400.
Strabismus, Brillenbehandlung 800.
Streptococcen 942.
— als Ursache von Eiythema nodosum
und Holzphlegmone 394.
Streptomykosen, Verhältnis zum Erysipel
395 .
Struma, acute 759.
Strumektomie, Folgen 760.
— als Ursache von Tetanie 759.
Syphilis des Gastrointestinaltractus 444.
Syphilitische Gelcnksentzündung 938.
Syringomyelie, Aetiologie 115.
— mit Arthropathie 938.
— spastische 115.
Syringomyelischer Symptomenkomplex bei
Hysterie 762.
Tabes, Zahnausfall bei ders. 906.
Tabesfuss 904.
Tabische Kiefernekrose 906.
Tabische Knochen- u. Gelenkserkrankungen
849, 887.
— Diagnose 890.
— Pathogenese 852.
— pathologische Anatomie 890.
— Prognose 910.
- Statistik 890.
— Symptomatologie 890.
— Therapie 910.
Tabische Osteopathie 899.
— Wirbelerkrankungen 906.
Taubstummheit 605.
Tenonitis gonorrhoica 383.
Tetanie 200.
— bei Magenleiden 712.
— nach partieller Strumektomie 759.
Therapie, physikalisch-diätetische 366.
— spezielle Technik 764.
Thrombose der Sinus, Aetiologie 198.
— des Sinus cavernosus 197.
— der V. cava sup. 197.
— der V. iliaca und femoralis bei Appen-
dicitis 361.
Thyreoidea, Tumoren mit Knochenmetasta¬
sen 760.
Thyreoideatherapie bei akutem Kropf 759.
Thyrcoidcktomie bei akuter Thyreoiditis
Tibia, Epiphysenlösung 943. [759.
Tic douloureux, Behandlung 929.
Tod bei Appendicitis 73.
Trichophytin 604.
Trigeminusneuralgie 929.
Truncus coeliacus, Aneurysma 195.
— venosus brachio-cephalicus, Obliteration
197 -
Tuba Falopii, Carcinom 158.
Tuberkulose, Klinik 847.
— und Skrophulose 284.
Tuberkulöse Jejunumstenose 441.
— Paronychie 603.
— Peritonitis, Laparotomie bei ders. 481.
Tuberkulöser Pseudorheumatismus 764.
Tumoren des Gehirns 316, 557.
— des Hypochondriums 475.
— Lehre von dens. 77.
des Nierenbeckens 476.
— der Schilddrüse 760.
Typhus, Komplikation mit Wirbelerkran¬
kung 761.
TJlcus duodeni, Diagnose 283.
— perforiertes 443.
Ulcus ventriculi, hämorrhagisches 524.
— nach Netzresektion 523.
— perforiertes 712.
— vorgetäuscht durch Cholämie 524.
Urämisches Erythem 396.
Ureter, Chirurgie 923.
— Katheterismus 601, 602.
— Radiographie 602.
— Missbildung 601.
Uretersteine, Radiographie 602.
Urobilin, Ursprung in der Niere 927.
Urologie, Handbuch 607.
Urticaria gonorrhoica 387,
Uterus, Exstirpation 559.
— supravaginale Amputation 559.
Vena cava sup., Thrombose 197.
— femoralis, Thrombose 361. [361.
— iliaca, Thrombose bei Appendicitis
— jugularis, Unterbindung bei otitischer
Pyämie 68.
— jugularis int., Anatomie 35.
— saphena, Aneurysma varicosum ders.
195 .
Venen s. auch Gefässsystem.
— der Dura raater 34.
— des Gehirnes 34.
— der Schädelknochen 34.
Verdauung nach weitgehender Dünndarm-
lesektion 440.
Verdauungsorgane, Krankheiten im Kindes¬
alter 77.
Volvulus des S romanum 561, 609, 67b.
— Therapie 681.
Wasser, Hygiene 367.
Willensfreiheit vom Standpunkte der
Psychopathologie 368.
Wirbel, Erkrankungen, tabische 906.
posttyphöse Ostitis 761.
Wirbelsäule, Verletzung mit Abfluss von
Liquor cerebrospinalis 114.
— Steifigkeit 935.
Wundheilung durch hochgespannte
Dämpfe 158.
Original fro-m !
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Sach- und Autorenregister.
955
Wurmfortsatz, Abscess, perforierter 74.
— Analogie mit drüsigen Gebilden 233.
— Aplasie 234.
— Carcinom 361, 945.
— und Coecum, Entwickelung 282.
— Einklemmung in einer Hernie 76.
Wurmfortsatz, Entzündung s. Appendicitis.
— in einer Hernie 361.
— Lage im Mesenterium 234.
Zahnausfall bei Tabes 906.
Zelle, chemische Konstitution 160.
III. Autorenregister.
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cites bei Lebercirrhose 841.
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81, 129, 161, 209, 251, 289, 321,
433. 460, 514, 548, 591, 699, 721.
Apert, Obliteration des Truncus brachio-
cephalicus venosus mit cyanotischen
Oedemen 197.
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Audebert - Lasrochas , Porokeratose
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| C u m s t on, Ch., Pyonephrose b. Schwanger■-
| schaft 940.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
956
Autorenregister.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Autorenregister.
957
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UMIVERSITY OF CALIFORNIA
958
Autorenregister.
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234 -
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Mesenterialblättern 234.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Autorenregister.
959
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des Gelenksrheumatismus 763.
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verletzung 599.
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R each, F., Resorption im Darm 281.
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Reinprecht, Einrichtung der gynäko¬
logischen Station 880.
Ribbert, Hugo, Lehrbuch der speziellen
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Richter, P., Pemphigus neonatorum
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R i c k e 11 s, M„ Wurmfortsatz und Coecum
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tudinalis 198.
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trophie des Platysma myoides 202.
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durch Podophyllin 847.
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Rosenberger, J. A., Chirurgische Ein¬
griffe bei Blinddarmentzündung 360.
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Schlundes 41.
Rothrock, J. L., Rectumstenose bei
entzündlichen Prozessen im Becken
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Strabismus 800.
— J., Sklerodermie und Hypophysis 122.
Roy u. Launois, s. Launois.
Rühle, W., Icterus gravis Neugeborener
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Russell, A. L., Grosser Gallenstein 279.
Sachs, B., Sklerodermie und Sklero-
daktylie 122.
Sacqu6p£e u. Follet, s. Follet.
Salomon, O., Sklerodermieartige Haut¬
veränderung nach Röntgenbestrahlung
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Sch ab ad, C. J., Angioneurose aller Ex¬
tremitäten 200.
Schenk, F., Bedeutung der Neuronea-
lehre für die Nervenphysiologie 205.
Scheube, B., Krankheiten der wannen
Länder 604.
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chirurgischen Eingriffen bei inneren
Erkrankungen 767.
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erkrankungen 116.
Schmidt, P„ Pathologie des Blutes 125.
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der Nephritis 474.
Schnürer, Josef, Puerperaleklampsie 90,
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Schreiber, E., Krankheiten der Ver¬
dauungsorgane im Kindesalter 77.
Schüller, M., Parasitäre Krebsforschung
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Hirntumoren 557.
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Schwoger-Lettezki, N. F., Fremd¬
körper der Respirationswege 121.
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thrombose 361.
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Smith, A., Magenperforation 713.
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j Poliomyelitis 930.
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Leberinfarkte nach Netzresektion 523.
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Autorenregister.
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Theinhaus, C. O., Hydronephrose 475.
Thursfield, H., Rundzellensarkom des
Magens 715.
Touche, Ligatur einer Subclavia und
einer Carotis 196.
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Muskelparesen 203.
T r i e p e 1 , H., Physikalische Anatomie 125.
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stenose 441.
Truhart, H., Pankreaspathologie 923.
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Magenleiden 712.
v. TJnge, H., Nierenoperationen 475.
"Valenee, Lebercirrhose bei Malaria 276.
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fortsatz in einer Hernie 361.
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logie des Auges 683.
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leiden 40.
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Gasseri bei Gesichtsneuralgie 929.
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Trauma 114.
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