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l. Jahrgang April-Mai-Juni 1927 Heft 7-8-9
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Zeitschrift für
psychoanalytische
Pädagogik
Herausgeber: Dr. Heinrich Meng, Arzt in Stuttgart
und Univ.-Prof. Dr. Ernst Schneider in Riga
Sonderheft:
Sexuelle Aufklärung
Aus dem Inhalt: Bernfeld: Über sexuelle Aufklärung / Hitschmann: Eine
natürliche Schwierigkeit der Aufklärung / Schneider: Zur Sexual-
forschung des Kindes / Landauer: Die Zurückweisung der Aufklärung
durch das Kind / Graber: Zeugung und Geburt in der Vorstellung
des Kindes / Zulliger: Eltern, Schule und sexuelle Aufklärung / Liertz:
Über kindliche Aufklärung / Wolffheim: Vom Gegensatz der Gene-
rationen / Friedjung: Die sexuelle Aufklärung und die Erwachsenen
/ Reich: Eltern als Erzieher: Die Stellung der Eltern zur kindlichen
Önanie / Hollös: Ein Fall von Schlaflosigkeit bei einem achtein-
halbjährigen Kinde / Gespräche mit einem Knaben / Berichte usw.
NN
Verlag der Zeitschrift für psychoanalytishe Pädagogik
| Wien, VII, Andreasgasse 3 |
| Prof. Schneider, Geltungsbereich der Psychoanalyse
|
e Der Kastrationskomplex beim Kinde — Zulliger, Ein
Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik
12 Hefte jährlich (Der Jahrgang beginnt im Oktober)
Abonnement auf das Il. Halbjahr (Heft 7-9, Apr. bis Sept. 1927) M. 5°- (schweiz. Frk. 625)
Preis dieses dreifachen Heftes M. 250 (schweiz. Frk. 3'20)
Alle geschäftlichen Zuschriften sind zu richten an den
„Verlag der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik“
Wien, VI, Andreasgasse 3,
alle für die Schriftleitung bestimmten Zuschriften, Manuskripte, Rezensionsexemplare an
Dr. med. Heinrich Meng, Stuttgart, Sonnenbergstraße OD, oder an
Univ.-Prof. Dr. Ernst s chnei de er, Absias en PERE M, wann
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|
Die früher erschienenen Hefte 1—6 der
OSLO für psychoanalytische Pädagogik
| enthielten u. a. folgende Beiträge:
für die Pädagogik — Zulliger, Über das kindliche Ge-
wissen — Nunberg, Traum eines sechsjährigen Mädchens
— Härnik, Therapeutische Kinderanalyye — Jakoby,
Muß es Unmusikalische geben? — Wittels, Die Trieb-
haftigkeit des Kindes — Liertz, Über das Traumleben —
Furrer, Trotzneurose eines fünfzehnjährigen Mädchens —
Meng, Gespräche mit einer Mutter — Prof. Baudouin,
Mädchenstreit und seine tieferen Ursachen — Hermann,
Die Begabung im Lichte der Psychoanalyse — Giese,
Psychoanalyse im Fabrikbetrieb — Prof. Scheider, Die
Zukunftsbedeutung Pestalozzis — Bernfeld, Der Irrtum
des Pestalozzi — Prof. Baudouin, Von Pestalozzi zu
| Tolstoi — Hofmann, Pestalozzi und die Psychoanalyse —
| Zulliger, Geständnisangt und Geständniszwang bei
Kindern — Prof. Schneider, Über sachliche und unsach-
liche Erziehung — Reik, Psychoanalyse und Mythos —
| Hackländer, Ärzte und Lehrer über ScHulerselbsLmörde
| — usw.
| Preis des I. Halbjahrganges (Heft 1—6) M. 5°— (schweiz. Frk. 6°25)
| (solange der Vorrat reicht)
|
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Das he Heft Ar. Ph eriheint am 15. Juli
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Wien L Börsegasse 11
HEFT 7-8-9 DER „ZEITSCHRIFT FÜR
PSYCHOANALYTISCHE PÄDAGOGIK“ IST
ALS SONDERHEFT
HERRN PROFESSOR
SIGMUND FREUD
ZUM 6. MAI 1927
DEM 71 GEBURTSTAG
VON DEN
MITARBEITERN
DEN
SCHRIFTLEITERN
UND DEM
VERLAG
IN DANKBARKEIT
GEWIDMET
Stuttgart-Wien, 6. Mai 1927.
Mitteilung an die Leser
Durch Vereinbarungen des H ippokrates-Verlags, Stuttgart”
Berlin-Zürich, des ‚Verlages der Zeitschrift für psychoanalytische
Pädagogik’ -Wien und der Schriftleitung der „ Zeitschrift für
Psychoanalytische Pädagogik”, geht die Zeitschrift mit Begınn
des 2. Halbjahres in den „Verlag der Zeitschrift für psycho-
analytische Pädagogik”, Wien, V. II., Andreasgasse 3, über.
Die Schriftleitung dankt dem Hippokrates-Verlag für seine
opfervolle Arbeit ım Dienste der Ideen unserer Zeitschrift.
Wir bitten die Leser und Mitarbeiter, dem neuen Verlag
das gleiche Vertrauen entgegenzubringen wie dem alten. Für
den Ausbau und die Verbreitung der Zeitschrift ist es sehr
erwünscht, daß die psychoanalytisch interessierten Eltern, Er-
zieher, Lehrer und Ärzte von unseren Lesern auf das Erscheinen
der Zeitschrift aufmerksam gemacht werden. Der Verlag ist für
alle Anregungen, wie die Zeitschrift gefördert werden kann, dank-
bar, die Schriftleitung für jeden Vorschlag zum weiteren Ausbau
der Zeitschrift. |
Hippokrates-Verlag, Stuttgart-Berlin-Zürich, Dr. Lohmeyer
Schriftleitung der „Zeitschrift für psychoanalytische
Pädagogik’, Dr. Heinrich Meng in Stuttgart, Prof. Dr. Ernst
Schneider in Riga
„Verlag der Zeitschrift für psychoanalytische Päda-
gogik”, A.J. Storfer, Wien VIL, Andreasgasse 3
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Über sexuelle Auf klärung
Von Dr. Siegfried Bernfeld, Berlin
Ob man Kindern aufrichtige Mitteilungen über die sexuellen Tatsachen
machen solle; wann damit anzufangen sei und wie die Mitteilung gestaltet
werden sollte, — in diesen Fragen hat sich in den letzten Jahren ein
sehr bemerkenswerter Wandel des Standpunktes vollzogen. So verschieden
die Begründungen sind, deren sich die einzelnen Erzieher zur Recht-
fertigung bedienen, so sehr die Methoden der verschiedenen Aufklärer von
einander abweichen mögen, im wesentlichen dürften alle modernen Erzieher
darin einig sein: das Storchmärchen muß abgeschafft werden. Ein Grund für
diese Wandlung ist gewiß, daß in den vergangenen Jahren die Sexualität
des Kindes — nicht zuletzt ist dies ein Verdienst Freuds und seiner
Schule — tiefer erforscht und allgemeiner, vorurteilsfreier erkannt wurde.
Gekannt hat man sie ja immer. Daß es ein Storchmärchen überhaupt gibt,
beweist, daß man schon immer bemerkt hatte, wie die Kinder in einem sehr
frühen Alter für Fragen, die sexuellen Inhalts sind, Interesse zeigen, und
zwar ein Interesse, das nicht zufällig und nebensächlich ist; denn es
erwies sich als unstillbar durch Antworten, wie etwa die wäre: „Wenn du
größer sein wirst, wirst du die Sache verstehen.“ Die Kinder forderten
hartnäckig eine Antwort, und daher erfand man ihnen das Märchen. Die
Wahrheit mochte man nicht sagen, angeblich, weil sie die Kinder nicht
verstünden, Aber man hatte die Probe gar nicht gemacht. Verstünden die
Kinder die Wahrheit nicht, so könnte man sie ihnen getrost sagen; dann
würden sie von selbst einsehen, daß hier ein Problem vorliegt, das für sie
erst später reif wird. Man verschwieg die Wahrheit, weil man wußte, die
Kinder würden sie verstehen, und eben dies verhindern wollte.
Die neuen Erzieher wollen diese Verheimlichung nicht mehr, und
zwar, wie mir scheint, aus zwei Gründen. Erstens haben sie die Erfahrung
gemacht, daß die Verheimlichung schädlich und überdies gar nicht mög-
lich ist; zweitens, weil der allgemeine Wesenszug der neuen Pädagogik als
Aufrichtigkeit vor sich selbst und vor dem Kinde zu bezeichnen ist. Ich
glaube, sie haben völlig recht, sich so zu verhalten. Aber — wie es so
zu sein pflegt mit allen menschlichen Dingen — nicht wenige der neuen
Erzieher meinen, mit der sexuellen Aufklärung eine weiß Gott wie
— 195 —
wichtige Neuerung eingeführt zu haben, hoffen, mit ihr ungeheueren
Nutzen zu stiften, einige haben sogar den Glauben, mit dieser Frage das
Zentrum pädagogischer Probleme berührt und mit ihrer Lösung den
Schlüssel zum Aufbau einer neuen Menschheitsgeneration gefunden zu
haben. Es sei mir gestattet, kurz anzudeuten, warum ich dies alles nicht
mitglaube, und wie solcher Glaube nicht unschädlich für die Pädagogik ist.
Man kann gelegentlich bei der Psychoanalyse von Kindern und Adoles-
zenten die erstaunliche Erfahrung machen, daß sie Neurosen oder neuro-
tische Züge und dissoziales Verhalten aufweisen, obgleich sie regelrecht,
und zwar sehr frühzeitig und geschickt, von den Eltern aufgeklärt wurden.
Das beweist freilich höchstens, daß die sexuelle Aufklärung allein nicht
jede infantile Entwicklungsstörung verhindern muß, und kein Vernünftiger
wird die Aufklärung so sehr überschätzt haben. Aber, und das ist das
Verwunderliche, diese vollaufgeklärten Kinder benehmen sich in ihrem
Leben und in der Analyse, als hätte die Aufklärung nie stattgefunden.
Sie haben die Aufklärung in keiner Weise zur Kenntnis genommen. Ich
hatte Gelegenheit, in zwei Fällen festzustellen, daß die Ablehnung der
Aufklärung nicht sofort geschah, sondern erst einige Monate später. Und
in einem Fall war auch ein Motiv für diese Ablehnung zu erkennen,
Dieses Kind (Mädchen) erhielt auf seine Fragen mit drei Jahren von der
Mutter alle nötige Auskunft und hat sie sehr wohl verstanden; denn als
die Mutter sagte: „Dein Geschwisterchen wächst eben in meinem Bauche“,
erwiderte die Kleine sehr lebhaft: Bitte, Mami, in meinem! Und mehrfach
bewies sie durch Bemerkungen, daß sie die Sache voll verstanden hatte,
Nach einem Jahr war alles völlig vergessen; als man ihr die Aufklärung
neuerlich geben wollte, nahm sie keine Notiz davon und wollte in Zukunft
nichts mehr davon hören, sondern benahm sich überaus prüde. Sie war
nämlich bitter enttäuscht worden, da ihre Bitte nicht erfüllt worden war;
das Schwesterchen war nun einmal nicht in ihr gewachsen. Sie hatte in
der Zwischenzeit noch ein anderes Trauma erlitten: eine Öperation in
Narkose. Aber der Raum gestattet nicht, den Fall ausführlich zu
beschreiben, Hier genüge die Erkenntnis: die Aufklärung kann auch ver-
drängt werden.
Und wahrscheinlich ist dies sogar in einem gewissen Sinne immer der
Fall. Freud hat uns gelehrt, daß die Kinder in frühem Alter sich ihre
eigenen Theorien über den Unterschied der Geschlechter und über die
Herkunft der Kinder machen. Leicht möglich, daß sie dabei auch von
vererbten Dispositionen geleitet werden. Im großen und ganzen leisten
sie damit aber eigene und wichtige Forscherarbeit. Sie gehen von den
Daten aus, die ihnen ihre Erfahrung bietet, und ziehen daraus ihre
Schlüsse, und zwar in ihrer, freilich kindlichen, eigenen Logik. So ver-
schiedenartig die persönlichen Erfahrungen sein können, so verschieden
sind die Theorien. Einige Voraussetzungen fehlen den Kindern aber bej
dieser Forscherarbeit, die Schlüsse sind daher in manchen charakteristischen
= 196 —
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Punkten mit der Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung. So fehlt den
Kindern ganz allgemein die Vorstellung der Vagina. Man mag sie noch
so richtig aufklären, dies Stück werden sie nicht annehmen, sondern bei
der Theorie bleiben, die sie sich vorher bildeten: das Baby komme beim
Mund, After, Nabel usw. heraus. Sie ziehen die Konsequenzen mit kind-
licher Logik. Diese steht aber noch völlig unter dem Bann der Wünsche,
hat sich von ihnen noch nicht befreit, wie die der Erwachsenen. Daher.
lehnen die Kinder oft ein Stück der Aufklärung ab, weil es ihren
Wünschen weniger entspricht, als ihre eigene Theorie. So ist es z.B. oft
der Fall bei den Knaben, die es absolut nicht wahr haben wollen, daß
nur der Frau Kinder gegönnt sein sollen.
Was folgt daraus? Etwas sehr Einfaches und Selbstverständliches, das
der Erzieher selbst aber nur ungern für wahr anerkennen möchte: daß
die Aufklärung — wie jede Erziehungsmaßnahme — fast nie das erreicht,
was sie anstrebt, sondern bestenfalls ein Kompromiß zwischen den
Tendenzen des Erziehers und den Trieben der Kinder. Freilich sind die
Kinder in der Mehrzahl zu gut erzogen; sie wagen es gar nicht, uns
nicht zu glauben. Sie glauben uns, wenn wir ihnen das Storchmärchen
erzählen, sie glauben uns, wenn wir ihnen die Wahrheit medizinisch
korrekt erzählen, nämlich mit ihrem Bewußtsein, in ihrem Unbewußten
glauben sie uns in beiden Fällen nicht, sondern ausschließlich ihren
eigenen Erfahrungen und Wünschen.
Jene Theorien bilden die Kinder gewöhnlich im dritten, vierten Lebens-
jahre; das ist auch die Zeit, in der sie meistens zu fragen beginnen. Daß
die Aufklärung, soll sie überhaupt einen Nutzen haben, auch so früh
beginnen muß, ist selbstverständlich. Und trotzdem darf man sagen, sie
komme immer zu spät. Denn das Kind fragt erst, wenigstens nachdrück-
lich und mit wirklichem Interesse, wenn es sich eine Theorie gebildet
hat und ihm eine neue Schwierigkeit auftaucht, oder wenn es Bestätigungen
sucht. Daß man aber das Interesse der Kinder abwarten muß, ist eine
wohlbegründete pädagogische Maxime. Die großen intellektuellen Probleme,
die Entwicklung von Wißbegier und Forscherdrang, die ihm gerade die
Sexualfragen bieten, kann man dem Kind nicht ersparen. Wohl aber kann
man ihm ersparen, daß sein Intellekt gebrochen wird, indem es an die
mit erwachsener Autorität vorgebrachten Märchen bewußt glauben muß,
indessen es die ganze Sache selbständig forschend der Wahrheit bereits
näher gebracht hat und nun gezwungen ist, sein Wissen ins Unbewußte
zu verdrängen,
Die Erleichterung der intellektuellen Konflikte ist Nutzen genug, den
die Aufklärung leistet. Sie ist aber keineswegs die Lösung aller Konflikte,
die mit diesem Thema sich für das Kind verbinden. Wir sehen das Kind
zu sehr als Intellektwesen und viel zu wenig als das Trieb- und Sinnes-
wesen, das es wirklich ist. Ursprünglich ist das Interesse des Kindes nicht:
zu wissen, sondern: zu sehen und zu tun. Seine Frage: Woher kommen
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die Kinder? ist oft das Resultat langer gescheiterter Bemühungen, selbst
Kinder zu kriegen. Und dieser Wunsch bleibt triebhaft und unbefriedigt
bestehen, auch wenn er intellektuell befriedigt ist. Nun will es das alles,
was ihm erklärt wurde, auch sehen, und würde man ihm etwa auch
dies aus unverstandener Kinderpsychologie erfüllen, so würde es not-
wendigerweise ebenso unbefriedigt bleiben und würde nun alles tun
wollen. Es muß ein großes Maß seiner Triebe unbefriedigt lassen, auf
jeden Fall. Und aus diesem Zwange erwachsen jene Konflikte, die, so
entwicklungsnotwendig sie sind, doch nicht abzusehende Schwierigkeiten
und zuweilen auch Entgleisungen zur Folge haben. Neurose und Dis-
sozialität sind bloß zwei Formen dafür. Der Drang zu tun, muß lernen,
sich zum Teil durch bloßes Wissen zu befriedigen. Nicht immer gelingt
dies; wir haben keine Mittel, es zu erzwingen. Die sexuelle Aufklärung
ist dieses Mittel gewiß nicht. Aber sie verhindert wenigstens nicht gewalt-
sam diese Verwandlung des Triebes, seine Sublimierung in Wißbesgier.
Noch manche Überlegung ließe sich anstellen, manche Erfahrung
heranziehen, aus denen sich immer wieder zeigen würde, daß die wissen-
schaftliche Prüfung der sexuellen Aufklärung ihre Bedeutung und Wirk-
samkeit einschränkt, sie als viel geringer nachweist, als die Pädagogen ver-
meinen. Nebenbei gesagt, ist das die hauptsächlichste Funktion der Wissen-
schaft in der Pädagogik, deren weit über die Erfahrung hinausgehenden
Wünsche und Hoffnungen auf ein wesentlich reduziertes Maß einzu-
schränken. Der wirkliche Wert der Aufklärung ist wahrscheinlich ein
negativer: sie schädigt nicht, während die Methode, — wenn man das
überhaupt eine Methode nennen will, — die Kinder zu belügen, sehr oft
einen sicheren Schaden herbeiführt. Darüber hinaus aber wirkt sie kaum,
gewiß nicht als Schlüssel zu zentralen Problemen der Erziehung.
Ich möchte nicht mißverstanden werden. Ja, die Kinder sollen, so früh
sie nur wollen, die Wahrheit von ihren Eltern und Erziehern erfahren.
Nur soll man das nicht in der Überzeugung tun, dadurch etwas unver-
gleichlich Wichtiges für die Erziehung getan zu haben. Man soll es selbst-
verständlich tun. Man belügt doch niemanden, oder wenn man dazu
genötigt sein sollte, so wird man doch nicht hoffen, für die Lüge
besonderes Lob zu verdienen. Am wenigsten wird man Kinder belügen
wollen. Der Verkehr mit ihnen ist schwierig genug; man kann es auf
keine Weise rechtfertigen, wenn man durch Lügen die Atmosphäre trübt
und sich so um wichtige Wirkungsmöglichkeiten bringt. Wer nicht
dogmatisch ist, wird zwar zugeben, daß Situationen denkbar sind, in denen
eine Unaufrichtigkeit dem Kind gegenüber am Platz ist. Aber man wird
einen Fall erst nach genauer Überlegung, nur wenn die Nützlichkeit des
Verfahrens außer Zweifel steht, so beurteilen. Die Fragen der Kinder nach
dem Woher und Wie der Babys gehören ganz gewiß nicht in diese
Kategorie. Die sexuelle Aufklärung ist kein besonderer Kunstgriff, keine
eigene Methode mit ihren eigenen guten Folgen und Hoffnungen, sondern
— 198 —
ausschließlich Bestandteil, eine konkrete Bewährung des selbstverständlichen
Prinzips der allgemeinen Achtung des Kindes und der sich daraus
ergebenden Aufrichtigkeit ihm gegenüber.
Und bloß in solchem Zusammenhang hat die Aufklärung jenen ein-
geschränkten Wert, den man ihr auf Grund des heutigen Standes wissen-
schaftlicher Erfahrung zusprechen kann. Wenn man in der pädagogischen
Literatur die begeisterten Lobpreisungen der Aufklärung liest und zugleich
erfährt, daß dieses gepriesene Verfahren im vierzehnten Jahre angewendet
und verknüpft werden soll mit erbaulichen Ermahnungen über den sitt-
lichen Ernst der Sexualfrage und mit Warnungen vor Ausschweifungen
und geschlechtlicher Ansteckung, dann vermeint man die übertriebene
Begeisterung zu verstehen. Denn die Anweisung, wie man und wann man
Kindern Mitteilung über die Sexualvorgänge machen soll, scheint doch
eine so sachliche Angelegenheit, so sehr eine Frage der Erfahrung, des
Abwägens, des Für und Wider, zu sein, daß man schwer begreift, was die
Fanfaren dabei sollen. Diese müssen doch die Aufmerksamkeit von der
Hauptsache ablenken. Aber dies scheint gerade die Absicht zu sein. Indem
man eifrig für die sexuelle Aufklärung eintritt, sich und der Menschheit
tausend Nutzen von ihr verspricht, hat man der modernen Strömung
genug getan, und kann alles übrige lassen, wie es ist. Alles übrige: die
eigene Stellung zur Sexualität, die „Komplexe“ des eigenen Unbewußten
und die gesamte Sexualerziehung braucht man nicht zu revidieren und
mit Aufwand seelischer Arbeit neu zu gestalten. Die „sexuelle Aufklärung“
erspart diese Arbeitsleistung, man ist also mit Recht von ihr begeistert.
Vielleicht gilt etwas ähnliches oft dort, wo die Pädagogik mit leiden-
schaftlichem Enthusiasmus Methoden bekämpft und verteidigt und ganz
große Versprechungen macht. Da heißt es mißtrauisch sein; denn die
Erziehung ist eine schwierige, sachliche Angelegenheit. Die Hoffnungen
müssen immer an den Erfahrungen erst geprüft werden, ein Verfahren,
das allein den Namen wissenschaftlicher Erziehung verdient.
SINTENTINITITNIITIINTITTNNTNTTITITTITTTTITTTTTTTTTTTITTTTTTTITITTTITTT TUT TT LT TTT IT TTTITTNTTITIT UT TTITTI N N
Fine natürliche Schwierigkeit der Aufklärung
Von Dr. med. Eduard Hitschmann, Wien
Wenn Vertreter der psychoanalytischen Wissenschaft aufgefordert werden,
zu Fragen der Erziehung oder sexuellen Aufklärung endgültig Stellung zu
nehmen, so tun sie dies meist nur zögernd. Freud hat einmal deutlich
genug erklärt, er sei Forscher, nicht Reformer.
Uns scheint es so schwierig, zu sagen, was sein soll, da wir doch
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erst daran sind, festzustellen, was ist. Erst wenn die unbewußten
Triebkräfte sämtlich erforscht sind, welche die menschliche Seele heimlich
bewegen, kann endgültig vorgeschlagen werden, wie bewußt zu erziehen
wäre, z. B. wie Schäden der sexuellen Entwicklung verhütet werden
könnten. Aus vielen individuellpsychologischen Erfahrungen heraus kann
dann erst ein genereller Standpunkt gefunden werden.
Vorerst müssen wir wissen, was in der kindlichen Psyche vorgeht, ehe
wir darangehen, ihr Richtung und Weisung zu geben. Die Freud sche
Tiefenpsychologie zeigt die unbewußten, vom individuellen Erleben, aber
auch vom phylogenetischen Erbe beeinflußten latenten Kräfte am Werk
und verfolgt sie bis zu ihrem Ursprung. Ein Beispiel hiefür ist unser Thema.
Die psychoanalytische Forschung der letzten Jahre hat in der mensch-
lichen Psyche einen überaus bedeutsamen, für gewöhnlich unbewußten
Gedanken- und Gefühlskomplex aufgepfürt und mit dem Namen
Kastrationskomplex bezeichnet. Durch Befunde bei Neurosen auf-
merksam gemacht, und Beweismaterial aus der wissenschaftlichen Traum-
deutung und aus der Mythologie herbeiholend, fand die Forschung durch
intensive Beschäftigung mit der kindlichen Seele folgende Tatsachen:
Die kleinen Knaben — über die entsprechenden Vorgänge beim
kleinen Mädchen fehlt uns z. T. die Einsicht — nehmen sicherlich den
äußeren Unterschied von Männern und Frauen wahr, aber sie haben
zunächst keinen Anlaß, ihn mit einer Verschiedenheit ihrer Genitalien
zusammenzubringen. Es ist dem kleinen Knaben natürlich, ein ähnliches
Genitale, wie er es selbst besitzt, bei allen anderen Lebewesen, Menschen und
Tieren, vorauszusetzen; ja wir wissen, daß er auch an unbelebten Dingen
nach einem seinem Gliede analogen Gebilde forscht. Im Laufe dieser
Untersuchungen gelangt das Kind — wir folgen hier der Darstellung
Freuds — zur Entdeckung, daß der Penis nicht ein Gemeingut aller ihm
ähnlichen Wesen sei. Der zufällige Anblick der Genitalien einer kleinen
Schwester oder Gespielin gibt hiezu den Anstoß; scharfsinnige Kinder
haben schon vorher aus ihren Wahrnehmungen beim Urinieren der
Mädchen, weil sie eine andere Stellung sehen und ein anderes Geräusch
hören, den Verdacht geschöpft, daß hier etwas anders sei, und dann
versucht, solche Beobachtungen in aufklärender Weise zu wiederholen.
Auf die ersten Eindrücke des Penismangels reagieren sie mit der Annahme,
er sei noch klein, werde erst wachsen, und kommen dann langsam zu
dem affektiv bedeutsamen Schluß, er sei doch wenigstens vorhanden
gewesen und dann weggenommen worden. Der Penismangel wird als
Ergebnis einer Kastration erfaßt, und das Kind steht nun vor der Aufgabe,
sich mit der Beziehung der Kastration zu seiner eigenen Person auseinander-
zusetzen. Für den Knaben gibt es zwei Wege: Der gesund Veranlagte und
nicht Eingeschüchterte freut sich stolz seiner Männlichkeit; Knaben hingegen,
die zu mehr oder weniger berechtigten Schuldgefühlen (Onanie) neigen,
tragen Angst um ihr Glied und später den Charakter oft ungünstig
— N
beeinflussende hypochondrische und Minderwertigkeitsgefühle davon. Die
endliche Überzeugung von der Penislosigkeit des weiblichen Wesens führt zu
Herabwürdigung des Weibes, Grauen vor ihm und allenfalls zur Disposition
zur Homosexualität. Die kleinen Mädchen fühlen sich, wie die psycho-
analytische Beobachtung lehrt, dem männlichen Geschlecht gegenüber
durch den Minderbesitz der (äußeren) Genitalien ben achteiligt. Unfähig,
eine primäre Benachteiligung seiner Person anzuerkennen, bildet das
Mädchen, wie wir oft feststellen können, die Vorstellung: „Ich habe
ursprünglich ein Glied wie die Knaben gehabt, aber es ist mir genommen
worden“ (Abraham). In dem eifersüchtigen Mädchen werden nun zwei
Reaktionen ausgelöst: Mit dem Antrieb, dem Knaben jenen Besitz zu
nehmen, verbindet sich ein feindseliges Gefühl gegen den Bevorzugten. Die
Vereinigung beider Reaktionen tritt uns als Neid und Eifersucht entgegen.
Viele weibliche Personen, kindlichen oder reiferen Alters, leiden zeitweise oder
dauernd unter der Tatsache, daß sie weiblich geboren sind; wir werden
uns nicht wundern, bei ihnen den Wunsch, männlich zu sein, auf-
zufinden. Eine große Reihe von Charakter- und Neurosentypen entspringen
aus diesen Wurzeln. In Träumen und Wunschphantasien findet der Psycho-
analytiker nicht selten, daß das Weib sich in die beglückende Wunsch-
erfüllung versetzt hat, männlich gebaut zu sein oder männlich zu
funktionieren. Ein anderer Typus neurotischer Frauen kann als Rache-
typus bezeichnet werden; hier finden wir Phantasien, den Mann zu
verstümmeln.
Für eine sehr häufige und überaus bedeutsame Krankheit, nämlich die
Geschlechtskälte (Frigidität) der Frau, liegt die Wurzel vorzugsweise in den
psychologischen Folgen dieser scheinbaren Zurücksetzung durch die Natur.
Die unbewußten Tendenzen, den Mann zu enttäuschen, ihm nicht in
passiver Funktion, als Weib zu dienen, sind die häufigsten seelischen
Ursachen der weiblichen Geschlechtskälte. Viele ehrgeizige Bestrebungen
bei Mädchen und Frauen, dem Manne gleichzukommen, sich von den
weiblichen Beschränkungen zu emanzipieren, auch das Verweigern, Kinder
auszutragen, nehmen aus dem weiblichen Kastrationskomplex ihren Ursprung.
Dies alles, weil die kindliche Forschung — das weibliche Genitale nicht
entdeckt. Der Knabe hat dort etwas, das Mädchen „nichts“. Die
meisten Kinder nehmen an, daß das im Leibe (Darm) der Mutter aus-
getragene, zu gebärende Kind durch den Darmausgang geboren wird. Daß
der weibliche Körper in seinem Inneren ein ebenso
kunstvolles, mit allem Raffinement zur Erzeugung der
Wollust ausgestattetes Organ besitzt, wie der männliche,
bleibt dem kleinen Mädchen wie der frigiden Frau für immer unbekannt.
Diese Tatsache erscheint, wie wir gezeigt haben, von einer so ungeheuren
Bedeutung, daß die Anhänger einer sexuellen Aufklärung von hier aus
ein gewichtiges Argument ableiten müssen; wer sich aber praktisch um
diese Aufklärung bemüht, findet sich nicht belohnt, sondern enttäuscht.
= 208: ——
Man kann Kindern unmöglich die anatomischen Verhältnisse der Scheide
klarlegen, die ja durch das Hymen fast verschlossen ist. Man kann dem
kleinen Mädchen nicht vielleicht noch die Anregung bringen, das
Undemonstrierbare an sich selbst zu untersuchen. Es bleibt also wohl nichts
anderes übrig, wenn man glaubt, dem kindlichen Irrtum von der Zurück-
setzung und Verkürzung des weiblichen Wesens und von der obligaten
Kastriertheit des weiblichen Körpers in einem frühen Alter steuern zu
sollen, als sich mit allgemeinen Andeutungen zu begnügen.
Das weibliche Geschlecht hat aber wahrhaftig ein Recht darauf, daß
dieser so bedeutungsvolle Irrtum wenigstens sofort richtiggestellt wird,
wenn das Fassungsvermögen der heranwachsenden Mädchen es ermöglicht.
Die Gesundheitslehre des Lyzeums und der Mittelschule
hätte also die Pflicht, hier aufklärend zu wirken, wohl auch gleichzeitig
die sittlichen Hemmungen zu verstärken.
Die psychologischen Folgen der Einbildung einer Verkürztheit durch dies
weiblich Geborensein, die Konsequenzen für den Charakter sind aber damit
kaum mehr abzuwenden. Denn das wahre Wesen des menschlichen
Individuums ist schon im fünften bis achten Lebensjahr entschieden;
Anlage und frühes Erleben liefern die Bausteine. So bleibt denn das
Wichtigste, daß wissende Erzieher, wissende Ärzte und wissende Eltern
die zarten Pflanzen der Heranwachsenden dauernd beobachten und behüten,
daß neben diesem Wissen dann Liebe und Instinkt — individuelle Eigen-
art sich entwickeln lassen, zum eigenen und allgemeinen Wohl.
Vermutlich erscheint einem Teil der Leser die große Bedeutung und
der Umfang der weiten Ausstrahlung des Kastrationskomplexes, ja, das
Vorhandensein dieses seelischen Komplexes selbst unwahrscheinlich ; weiters
die Behauptung, daß sich das Interesse kleiner Kinder so intensiv den
Geschlechtsorganen zuwendet, unsympathisch, konstruiert. Da aber hier nicht
der Ort ist, um eklatante Beweise aus der psychoanalytischen Untersuchung
anzuführen, so seien folgende indirekte Beweise vorgebracht:
Die Psychoanalyse hat vielfach nachgewiesen, daß Haeckels biogenetisches
Grundgesetz auch auf psychologischem Gebiete zu Recht besteht. Sowie das
menschliche Individuum als Embryo die ganze Entwicklung von der Tier-
reihe zum Menschen wiederholt, so wiederholen sich im Kinde die Stadien
der Menschheitsentwicklung vom primitivsten bis zum Kulturmenschen.
In frühen Stadien der Kultur ist der Phallus von hervorstechender
Bedeutung. Den Geschlechtsorganen und -funktionen war in primitiven
Kulturen eine ungeheure Wichtigkeit beigelegt, von der wir uns durch
die Ergebnisse der ethnographischen Forschung, die in Kult und Mpythus
erhaltenen Reste, eine annähernde Vorstellung machen können. Was das
Thema der Kastration anbelangt, so sei hier erinnert, wie oft in der ver-
gleichenden Mythengeschichte sich das Motiv derEntmannung nach-
weisen läßt. (Ägyptischer Mythus von Isis und Osiris; Mythus von Uranos;
Orestes; verhüllter im Zerstückelungsmotiv usw.)
— 10% —
|
Der Begriff der Kastration, des blutigen Wegschneidens, fällt ins Gebiet
sadistischer Phantasiebildung; in der Entwicklung des Kindes wird er nicht
selten in den Vordergrund des Bewußtseins geschoben durch die Bedrohung
des mit seinen Genitalien spielenden Kindes mit dem Weeschneiden des-
selben, mit der Ankündigung, dasselbe werde verfault abfallen usw. Solche
Drohungen sind entschieden verwerflich, zumal die ärztliche Erfahrung
ergeben hat, daß nicht die normale Onanie von Schaden ist, sondern es
durch die Schuldgefühle und hypochondrischen Erwartungen, die mit ihr
verknüpft werden, erst wird.
Ein ungekränkter NarziBmus, das ist eine ungeschmälerte Selberliebe,
Vertrauen zur eigenen Kraft und Gesundheit, Zufriedenheit mit der eigenen
Gesamtpersönlichkeit, kann aber nur bestehen, wenn solche Ein-
schüchterungen und Krankheitsandrohungen unterblieben sind. Auch hier
sehen wir wieder, daß im Unbewußten Selbstgefühl und Selbstvertrauen
mit der Sexualität im Zusammenhang stehen. In der Pathologie der
Neurosen findet sich immer wieder der Kastrationskomplex als eine
von den Wurzeln ihrer Psychogenese. Es seien als wichtigste erwähnt:
Frigidität der Frau, psychische Impotenz des Mannes, Errötungsangst,
Hypochondrie. Nach neuesten Feststellungen ist aber derjenige, der aus
dem Kastrationskomplex Minderwertigkeitsgefühe ableitet und sich damit
Weiblichkeit, Schwäche und Erkrankungsneigung suggeriert, auch tatsächlich
das Opfer wiederholten, mehr oder weniger schweren organischen
Erkrankens. Auch das organische Erkranken ist seelisch disponiert.
Angst, Schuldgefühl und Strafbedürfnis sind mit am Werk.
ULLI IP IPUTUETTTTTTIETTETLITITEU ETUI ITITTITTTTTTTTET LITT EITITTTTITTBINTIT RATTEN RTRHNTTNTNTITNTINTTITNTNTITTNNTN
Zur Sexualforschung des Kindes
Von Ernst Schneider
Eine Mutter suchte meinen Rat, weil ihr sechseinhalbjähriges
Töchterchen Erna seit vier Jahren fast regelmäßig jede Nacht das Bett
näßte. Nach verschiedenen erhaltenen Mitteilungen schien eine psycho-
analytische Behandlung Heilung zu versprechen. Ich schlug eine solche
vor. Die Mutter war sehr skeptisch, willigte aber ein, weil sie schon alle
möglichen Mittel erfolglos angewandt hatte. Erna wurde nun gesagt, sie
dürfe regelmäßig zum Onkel Professor gehen, um ihm Geschichten zu
erzählen. Die Kleine, ein gut aussehendes, frisches Mädchen, sprach gerne.
In den Analysen ließ ich sie erzählen, unterbrach nur, um Unklares auf-
zuhellen, auch ließ ich merken, daß ich mich besonders für Träume interessiere.
Das erhaltene Material will ich hier in zwiefacher Hinsicht verarbeiten. Einmal
möchte ich über die kindliche Sexualforschung, die anfangs im Mittel-
punkt stand, berichten und dann das Symptom des Bettnässens aufzulösen
versuchen. Der heutige Aufsatz ist der ersten Frage gewidmet. Ich werde
also im folgenden das herausarbeiten, was zum Problem der Zeugung und
der Geburt gehört. Die Erzählungen des Kindes stehen in Anführungs-
zeichen, meine Fragen oder Bemerkungen an das Kind in eckigen
Klammern —=[]. Das übrige ist verbindender und erläuternder Text. Die
Zahlen beziehen sich auf die Nummer der Sitzung.
1) Erna erzählt von ihren Puppenspielen und meint dann: „Weißt du,
wenn ich groß bin, dann will ich vier Kinder haben. Ich bin dann mit
Willi verheiratet. So wie Mammi. Sie hat auch drei Kinder. Eines soll
noch kommen.“ — [Woher soll es denn kommen ?] — „Erst dachte ich, der
Storch hole die Kinder aus dem Wasser. Dann dachte ich, ein Engel
bringe sie vom Himmel. Das steht so in den Büchern, und deshalb ist es
nicht wahr. Jetzt weiß ich, daß die Kinder von der Mamma kommen.“
— [Woher weißt du das?] — „Das habe ich mir selbst ausgedacht. Ein
Engel legt sie der Mamma ins Herz.“
Nach den Mitteilungen der Mutter stammt die Storchen- und Engel-
geschichte aus der weiteren Umgebung des Kindes. Als die Kleine die Frage
nach der Herkunft der Kinder an die Mutter stellte, bekam sie als Antwort,
die Kinder wüchsen unter dem Herzen der Mutter, so wie im Ei sich ein
Hühnchen entwickle. Die Storchen- und Engelgeschichten seien nicht
wahr, das stehe nur so in den Büchern. Was Erna sich „ausdachte“, das
ist ein Kompromiß der beiden Quellen der Aufklärung.
Erna erzählte nun weiter von ihren Puppenspielen, besonders wie sie
mit ihren Brüdern „Familie“ spielte. Sie hat zwei Brüder: Fritz, neun-
jährig, und Paul, vierjährig. Im Spiel ist meistens Fritz der Vater, Erna
die Mutter und Paul das Kind.
„Einmal haben wir eine Puppe unter den Stuhl gelegt. Dann sind wir
schlafen gegangen. Paul mußte dann die Puppe holen und sie bringen.
Ein andermal mußte Paul in ein Zimmer gehen. Er wurde dann gerufen,
ins Bett gelegt, mit vielen Kissen zugedeckt und gepflegt.“
Als Erna nach der vorhin berichteten Aufklärung die Mutter fragte,
wo denn das Kind herauskomme, so antwortete diese, sie sei in der Klinik
gewesen und habe geschlafen. Als sie erwachte, sei das Kind da gewesen.
Sie konnte also nicht sehen, wo das Kind herausgekommen war. Erna
bekommt auch ein Kind, während sie schläft. Im übrigen scheint im Spiel
die Lösung dervon der Mutter offengelassenen Geburtsfrage versucht worden
zu sein. Ich stellte nun die entsprechende Frage.
[Wie kommen denn die Kinder von der Mutter?] — „Aus dem Munde.
Fritz hat von einer Frau auf dem Lande erzählt, die so ein Kindchen
bekommen hat ...., oder von hier (zeigt auf die Brust). Hier geht’s los,
” . “
das Kind kommt heraus, und dann wächst’s wieder zu.
— 204 —
Jetzt erkundigt sich Erna nach unseren kleinen Hunden, die wir vor
kurzem erhalten hatten. [Wo sind denn die hergekommen?] — „Auch aus
dem Magen. Unsere Katze bekam auch Junge aus dem Magen. Sie hatte
schwarze Kinder, so wie der Kater des Nachbars aussieht. Nicht er hat sie
geboren, aber der Kater hat unsere Katze gesehen. Er ist ja der Vater
unserer kleinen Katzen.“ — [Gesehen hat sie der Kater?] — „Eigentlich
zankten sie sich. Der schwarze Kater läuft immer unserer Katze nach.“
Erna erzählt noch weiter von den kleinen Kätzchen, wie sie diese zu sich
ins Bett genommen habe, usw. Sie hat uns mit zwei Geburtstheorien und
auch mit Anschauungen über die Zeugung bekannt gemacht.
2) „Paul spielt manchmal kleines Mädchen. Ich flechte ihm ein Haar-
band in die langen Haare und ziehe ihm ein Röckchen an. Er hat vor
ein paar Tagen ein Kleid von mir angezogen. Er ist jünger als ich. Fritz
ist ein Jahr jünger, nein, älter als ich.“ — [Du möchtest wohl gerne älter
sein als Fritz?] — „Ja, ich möchte, daß ich neun Jahre alt wäre und
Fritz noch nicht.“ — [Und wenn du so alt wärest?] — „Dann könnte ich die
Hausfrau sein, wenn Mammi nicht zu Hause ist.“... „Eine meiner
Puppen hatte lange Haare. Wir haben sie abgeschnitten. Die Puppe Gisela
hatte lange Haare. Mit ihr spiele ich Junge. Ich hatte einmal einen
Jungen, Den zerriß mir der Hund. Auf dem Tennisplatz fand ich die
Augen. Er hieß Friedel und war der einzige Junge aus Mammas Kinder-
zeit. Er hatte sich eine Hand gebrochen. So habe ich ihn bekommen ...
Ich spiele lieber mit dem Nachbarsjungen. Er ist kleiner als Paul und
sieht aus wie ein Bebechen. Er hat kurze Haare, nicht so lange
wie Paul.“
Aus Buben werden Mädchen und aus Mädchen Buben. Die Spielkinder
sind Buben, ihr Merkmal kurze Haare. Es sei hier auf spätere Erzählungen
Ernas verwiesen.
3) Erna erzählt einen Traum: „Der Fritz trägt die Anna, und dann
klettern sie über das Geländer des Balkons. Die Anna fällt hinunter, denn
sie dachte, es schickt sich nicht, daß der Gast fällt, und dann ließ sie
sich fallen. Und dann sitzt die Anna auf der Erde und lacht.“ — [Wer
ist die Anna?] — „Ich war einmal bei ihr am Strand. Sie ist neun Jahre
alt, glaube ich. Ich habe zwei Nächte dort geschlafen und bin aus dem
Bett gefallen. Als ich ein Jahr alt war, fiel ich auch aus dem Bett. Fritz
und ich, wir schliefen einmal in Papas Bett. Der Papa war im Krieg.
Einmal habe ich geträumt, ich sei mit der Mamma im Bett, beide fielen
hinunter. Die Mamma wachte auf und hob mich ins Bett.“
Jetzt folgt ein zweiter Traum. Die Mutter hat ihn mir vor der Stunde
erzählt und dazu bemerkt, Erna habe ihn ihr mitgeteilt, zuerst bloß
teilweise, den Rest wollte sie nicht vorbringen, weil sie glaubte, die
Mutter werde böse werden, Erna schrie in der Nacht auf und rief nach dem
Kindermädchen. Der Traum lautet in der Erzählung des Kindes: „Auf
einem Hügel lag ein Mann ohne Haut und ohne Hand. Die Hand lag
— 205 —
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weit weg. Ein Wolf kam auf mich los. Paul schlug ihm ein Auge aus,
und ich dachte: Jetzt kann er mich nicht mehr sehen. Er sah mich aber
mit dem anderen Auge. Er schnappte nach meiner Hand. Da fühlte ich,
daß seine Zähne alle wackeln, und ich brach sie ihm alle aus, damit er
Fritz und Paul nicht mehr beißen kann.“
Aus dem ersten Traum dürfte ersichtlich sein, daß Anna = Ema =
Mutter einander gleichgesetzt werden, und zwar als die Hinunterfallenden.
Die weitere Auflösung wollen wir verschieben, bis wir mehr Material
haben. Der zweite Traum knüpft offenbar an das in der vorigen Stunde
erzählte Schicksal der von der Mutter erhaltenen Puppe Friedel an, die
sich eine Hand gebrochen hatte und die der Hund zerriß. Auch die
herausgerissenen Augen kommen im Traume vor. Ob er aus dem gleichen
Gedankenkreise stammt, wie die Erzählungen der letzten Stunde, das
wollen wir später untersuchen.
4) Ema erzählt einen Traum ihres Bruders Fritz: „Wir haben zwei
Sorten Ziegen, Muschi und Trini. Die Knechtsfrau sperrt sie in den Stall,
jede Sorte in einen anderen. Paul vertauscht sie aber, so daß in jedem
Stall gleichviel Muschi und Trini sind, und deshalb bekommen sie Kinder.
Auf beiden Seiten sind Männchen und Weibchen. Das ist auch bei den
Kaninchen so. Die Ratte frißt die Jungen. Die Männchen müssen acht-
geben, daß keine Ratten kommen. Das Männchen ist schrecklich böse.
Bei der Ziege muß das Männchen sorgen, daß die Ziegenkinder nicht von
der Kuh gestört werden. Auch bei den Gänsen ist das Männchen böse,
Es schützt die Gans beim Brüten.“
[Und bei den Kühen?] — „Einmal beim Mittagessen, da kam die
Köchin und sagte, die Kuh habe ein Kälbchen bekommen.“ — [Ist da auch
ein Vater?]| — „Nein, die Kuh bekommt so ein Kälbchen. Der Ochse stößt
die Kuh, er muß weggenommen werden. Die Kaninchen bekommen nur
Kinder, wenn ein Männchen dabei ist, bei den Kühen ist es umgekehrt,
bei den Ziegen einerlei. Das Ziegenmännchen stößt nie die Mamma, wie
bei der Kuh.“
[Und beim Hund?] — „Der Hundevater stört niemals. Es ist gleich, ob
er dabei ist oder nicht. Da die Mutter selbst bellen kann, ist der Hunde-
vater nicht nötig. Ich weiß nicht, warum die Kaninchen- und Ziegen-
mütter nicht selbst böse sein können.“
[Und der Menschenvater?| — „Mich und Paul hat Mamma bekommen
ohne Vater, in der Kriegszeit, als Papa weg war. Der Fritz ist in der
Klinik geboren. Ich habe mir einmal eine Geschichte ausgedacht mit
spassigen Namen von Menschen: ein Vater, eine Mutter und ein Kind.
Ich spielte die Mamma, Fritz den Papa und Paul das Kind. Fritz war
fünf Jahre alt, ich zwei und Paul ganz klein. Als ich vier Jahre alt war,
durfte ich Paul bis zum fünften in meinem Bettchen haben. Dann wurde
er wieder zur Mamma gebracht. Er aber schrie. Er wollte wieder zu mir
kommen. Er tat so, als ob ich die Mamma wäre.“
— 200 —
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An dieser ausgedachten Geschichte fällt die Rückdatierung auf, und
zwar ungefähr in die Zeit der Geburt des kleinen Paul. Erna macht sich
zu dessen Mutter. Er will bei ihr bleiben. Daß es sich wirklich um aus-
gedachte Geschichten handelt, verrät schon die Tatsache, daß die Mutter
streng darauf sah, daß von den Kindern jedes in seinem Bettchen schlief.
Die spassige Geschichte dürfen wir so lesen: „Ich bin (bzw. möchte sein)
die Mamma. Paul ist mein Kind. Ich habe ihn geboren. Fritz, d. i. der
Papa, ist der Vater.“ Die rückdatierte Phantasie folgte spontan der
Erzählung über die Geburt der Kinder, wo der Vater zur Seite geschoben
wird. Die voraufgehenden Mitteilungen beschäftigten sich unverkennbar
mit der Frage nach der Holle des Vaters. Erna hat offenbar die Frage
gelöst, denn sie scheint den Traum des Bruders, in dem der kleine Paul
gescheiter ist als die Knechtsfrau, verstanden zu haben. Sie weiß, wie die
Kaninchen zu Kindern kommen, lenkt dann sofort ab und überweist dem
Männchen die Rolle des Beschützers. Sie folgt damit, wie ich feststellen
konnte, der erhaltenen Aufklärung durch die Mutter, läßt aber durch-
blicken, daß sie die Mutter durchschaue, ebenso wie Paul die Knechtsfrau.
Sehen wir uns das Bösesein des Männchens noch etwas näher an. Es soll
den Zweck haben, Mutter und Kinder zu schützen. Dabei fällt auf, daß
der böse Ochse gerade wegen dieser Eigenschaft entfernt werden muß,
und daß die Kuh „so“, d. h. ohne „Mann“ ein Kind bekommt. Hat
vielleicht das Bösesein für das Kind einen auderen Sinn gehabt, wollte es
sich darüber bei der Mutter Klarheit verschaffen, und hat ihm dann diese
die Vorstellung des Schutzes vermittelt? Erna hat uns früher zu verstehen
gegeben, daß der schwarze Kater eine Beziehung hat zu den schwarzen
Kindern einer andersfarbigen Mutter, jener Kater, der die Katze „angeschaut“
hat, „eigentlich mit ihr zankte“. Dürfen wir annehmen, das Bösesein des
Männchens habe etwas mit der Vorstellung von der Zeugung zu tun? Wir
vermuten, daß Erna die Begattung bei den Kühen und wahrscheinlich
auch anderswo beobachtet hat, und daß sie diese als etwas Gewalttätiges
auffaßte. Hier setzte dann die Verdrängung ein. Das Bösesein wurde nur
im Sinne der mütterlichen Aufklärung beibehalten, und zwar dort, wo,
wie bei den Kaninchen, ein Männchen dabei sein muß, wenn sie Kinder
bekommen. Beim Ochsen und beim Menschen wird der Vater entfernt,
da bekommen die Mütter ohne Vater Kinder. Die Kleine identifiziert sich
ja unverkennbar mit der Mutter. Sie möchte auch Kinder haben. Ihr
Entstehen ist aber mit Gewalttätigkeit verbunden. Die Angst davor dürfte
die Verdrängung bewirkt haben. Hier können wir ein Stück des Wolfs-
traums aus der dritten Sitzung verstehen. Aus diesem Traum erfolgte
Aufschrecken. Die Mutter sagte mir, daß das erste Aufschrecken im Alter
von etwa zweieinhalb Jahren erfolgte. Erna schrie und behauptete, ein
Wolf sei im Zimmer. Sie wurde von der Mutter ins Bett genommen.
Diese war damals schwanger, und die Kleine soll von den Kinds-
bewegungen gestoßen worden sein, worauf sie schrie: Der Wolf ist im
— 207 —
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Bett! Sie wollte nicht mehr da bleiben. Der Pavor wiederholte sich noch
einigemal und blieb dann weg. Es ist eine analytisch bekannte Tatsache,
daß das nächtliche Aufschrecken bei Kindern häufig durch die Belauschung
des elterlichen Verkehrs ausgelöst wird. Ein treffendes Beispiel finden die
Leser in den Beobachtungen einer Mutter in dieser Zeitschrift (Nr. 6,
S. 186). Hinter dem Wolf verbirgt sich der Vater. Im erwähnten Traume
wird ihm ein Auge ausgeschlagen, damit er nicht mehr sehen kann. Es
ist dies ein Schutz, eine Abwehr des Böseseins. Dabei werden Sehen und
Bösesein gleichbedeutend gebraucht, wie in der Erzählung vom schwarzen
Kater. Sehen wir zu, ob der weitere Verlauf der Analyse uns
recht gibt.
f) Erna erzählt einen Traum: „Paul guckt zum Fenster hinaus und
sagt: Rulka hat Kindchen bekommen. Er ruft: Rulka ist doch eine
Mamma. Der Knecht bringt einen Wagen mit Holz und Pferden davor.
Rulka wird böse und wirft den Wagen um, und das Holz fällt auf den
Mann. Paul kommt und läuft mit Rulka weg, damit der Knecht auf-
stehen kann.“
„Aulka ist der Nachbarshund. Er ist böse. Er hat einmal den Knecht
ins Bein gebissen, nein, in die Hand. Er ist aber ein Väterchen. Papa
kann niemals Kinder bekommen. Einmal sagte Mamma, der Nachbarshund
sei ein Väterchen, und der hat doch sechs Kinder bekommen. Vor zwei
Jahren habe ich es herausgekriegt, daß Papas keine Kinder bekommen.
Ich dachte einmal, heute werde Papa ein Kind bekommen. Er bekam
aber bis jetzt noch keines... Ich kann nur bei Hunden und Kühen
unterscheiden, ob sie Männchen seien, und auch bei Schweinen. Die haben
so ein Pumperchen unten am Magen.“
„Ich habe Paul verkleidet und ihm Zöpfe geflochten. Dem Fritz kann
ich vorn Zöpfe flechten. Er will es nicht haben. Ich mache mir mit dem
Haarband ein Horn auf der Stirne, und dann muß Fritz lachen, Einmal
fragte mich Fritz: ‚Was spielst du da so im Dunkeln?‘ Ich sagte: ‚Ich
spiele Hundchen, und Paul ist das Kind.‘ Ich bin der Hund, und der
bekommt doch keine Kinder, er ist ja ein Väterchen.“
Die Mitteilungen dieser Stunde beschäftigen sich weiter mit der Rolle
des Vaters, besonders mit der Frage: Kann er auch Kinder bekommen?
Die Lösung, die Erna früher fand, findet auch der Traum: Ein männlicher
Hund bekommt Junge. Es ist zu vermuten, daß das zweite Traumstück
dasselbe Problem in Anwendung auf den Menschen, und daher in ver-
kleideter Darstellung, behandelt. Aus der Analyse wissen wir, daß Träume
vom Um- und Ausleeren eines Wagens Niederkunftsträume sein können. Wagen
und Knecht „kommen nieder“. Fallträume müssen überhaupt häufig als
Geburtsträume angesprochen werden. Man nimmt an, daß der Traum-
dichter diese bildliche Darstellung aus dem Erlebnis der eigenen Geburt
herhole, wo man mit großer Kraft, Kopf voran, nach unten gestoßen
wurde. Ziehen wir noch andere Träume Ernas mit der gleichen Bilder-
+ 208 —
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sprache bei! Die Mutter erzählte mir vor Beginn der Analyse einen Traum
Ernas, den diese wiederholt geträumt habe. Ich ließ ihn mir auch von
der Tochter erzählen. Er lautet: „Mein Lieblingshühnchen kommt zum
Fenster hereingeflogen und klopft unten an der Bettstelle. Ich erwache,
stehe auf, hebe es ins Bett und lege es an meine Seite so unter den
Arm (drückt beide Hände an die rechte Brust). Dann ist’s schön warm.“
Hier wird das Hühnchen wie ein zu stillendes Kind an die Brust gehoben,
Das Klopfen entnimmt der Traum wohl einer Mitteilung der Mutter, daß
das Hühnchen im Ei, wenn es herauskommen wolle, die Schale aufpicke.
Das Aufstehen und Emporheben dürfte dann eine Darstellung der Geburt
sein (Niederkunft und Hebamme). Einen weiteren Beitrag zur Auflösung
dieses Iraumes als Geburtstraum werden wir später hören, wenn wir das
Symptom des Bettnässens aufzulösen haben.
Können wir jetzt auch den Traum von der Anna aus der dritten
Sitzung verstehen? Wir sagten dort schon, daß Anna, Erna und die Mutter
im Hinunterfallen einander gleichgesetzt werden. In den der Traumerzählung
folgenden Aussagen wird etwas Ähnliches vorgebracht, wie wir es aus dem
Hühnchentraum kennen: Die heruntergefallene Mamma wacht auf und
hebt das Kind ins Bett. Auch im Puppenspiel (erste Sitzung) wurde das
„Kind“ aufgehoben. Die folgende Auflösung des Traumes fügt sich leicht
in den Zusammenhang der Gedankengänge, wie sie Erna kundtat, ein:
„Ich möchte wie die Mutter auch ein Kind haben. Fritz soll der
Vater sein.“
Das Hinunterfallen hat aber noch einen anderen Sinn. Er ergibt sich
aus der gegenteiligen Tätigkeit, dem Hinaufsteigen. Fritz klettert mit
Anna hinauf. Wir haben es hier mit dem jedenfalls von Erna oft
beobachteten Aufsteigen bei Tieren und dem Oben und Unten zu tun.
Erna wuchs inmitten von Kühen, Hunden und allerlei Geflügel auf.
Den Traum von der Anna würden wir also auch als Zeugungstraum
ansprechen.
Sehen wir uns nun wieder den Traum von Rulka an! Rulka bringt
den Knecht und den Wagen zu Fall. Das Bösesein des Hundes dürfen
wir hier in der früher besprochenen Bedeutung auffassen. Dazu paßt der
Einfall, daß Rulka den Knecht „einmal ins Bein, nein, in die Hand
gebissen hat“, Im Knechtshause, wo auch Kinder geboren wurden, hat
sehr wahrscheinlich Erna die Storchenfabel gehört und so auch vernommen,
daß der Storch die Mutter ins Bein gebissen habe. Im Traume tritt Rulka
zuerst in der weiblichen Bedeutung auf, dann in der männlichen. Der
Knecht wird zur Frau gemacht, resp. zum Mann, der Kinder bekommen
kann, wie im ersten Traumstück der Hund. Wir haben schon in der
zweiten Sitzung gehört, daß Erna aus Buben Mädchen und aus Mädchen
(Puppen) Buben macht. In dieser fünften Stunde erzählt sie neuerdings,
wie sie die beiden Brüder in Mädchen verwandelte, sich aber in einen
Buben (Hundespiel). Das Horn, das sie sich mit dem Haarband auf der
— 200 —
Stirne anbringt, hat offenbar männliche Bedeutung und ist das Gegenstück
zum Zöpfeflechten bei den Buben.
6) „Ich habe E. B. gespielt. (E. B. ist ein Herr von 2, Jahren.) Er
gefällt mir. Er kam zu uns tanzen. Er ist noch furchtbar jung. Es kommt
mir vor, wie wenn Mammi älter ist als Papa. Es kann aber nicht sein,
weil Papa größer ist. Er sieht aber jünger aus,”
Es ist dies eine häufige Vorstellung der Mädchen, daß die Mutter viel
älter sei als der Vater. So sagte ein anderes Mädchen zur Mutter: „Mamma,
du bist schon alt und wirst bald sterben.“ Die 35jährige Mutter erwiderte: „Ich
bin sechs Jahre jünger als Papi.“ Die Kleine darauf: „O nein, Papi ist noch
ganz jung.“ — Bei den Knaben ist gewöhnlich die Mutter die „ewig
Junge“. Ein Herr beschrieb seiner Braut die Mutter als junge Dame. Sie
war dann überrascht, als sie eine würdige Frau von 70 Jahren kennen
lernte. Dieser Herr hatte während der Analyse Mühe, sich an den Gedanken
zu gewöhnen, daß seine Mutter alt geworden sei. Er hielt illusionshaft an
ihrem Jugendbild fest.
7) Erna hat wieder geträumt. Sie gibt vor, den Traum vergessen zu
haben, und beginnt „Geschichten“ zu erzählen: „Wenn Fritz groß ist,
dann ist er ein Förster und ich bin dann das, was Mammi. Er geht
dann auf die Jagd und bringt viele Tiere und bekommt dafür viel Geld.
7u Hause sind zwei Kinder und eine Mamma und ein Onkel. Paul ist
der Onkel. Wenn Fritz zu Hause ist, dann bin ich die Frau. Als Mammi
die letzten Tage auswärts schlief, dann ging ich zu Fritz ins Bett... Ich
möchte haben, daß Paul älter ist als ich. Ich möchte entweder das Jüngste
oder das Älteste sein, Fritz das Mittlere. Jünger oder älter sein, ist besser.“
[Warum?] — „Ich weiß nicht. Es ist besser, älter zu sein als Fritz. Ich
könnte dann allein zur Schule (Kindergarten) gehen. Wenn ich älter wäre,
dann wäre Mamma auch älter... Eines weiß ich nicht, warum
Geschwister sich nicht heiraten können.“ [Du möchtest wohl den Fritz
heiraten?] — „Ja, das möchte ich furchtbar gerne. Mamma sagt, daß sich
Geschwister nicht heiraten können. Dann möchte ich den Ernstel, deinen
Jungen, heiraten.” — Hier haben wir Tagträume. Die Angabe, daß die
Mutter in den letzten Tagen auswärts schlief, stimmt nicht. Da es Erna
' verboten ist, zu Fritz ins Bett zu gehen, realisiert sie ihre Wünsche
in der Phantasie. Die Mutter wird entfernt und älter gemacht, anscheinend
zur Großmutter. Erna rückt zur Mutter vor. Der Jäger ist offenbar eine
Verdichtung des jungen Vaters und des Bruders.
8) „Alsich vier Jahre alt war, sagte ich, ich möchte ein Junge und
Fritz und Paul wollten Mädchen sein. Paul will jetzt noch kein Junge
sein.“ [Was willst du werden?] — „Schauspielerin. Fritz kann dann
kommen und sehen, wie ich auf dem Pferde sitze. Das verstehe ich schon
heute. Fritz war einmal auf dem Pferd. Es war böse, er hatte Anest.
Seither will er nicht mehr hinauf. Einmal war ich auf dem Pferd mit
Fritz. Es wurde böse. Fritz hatte Angst, ich nicht.“
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„Gestern habe ich mir ausgedacht, daß ich von irgend einem Förster
die Frau sein werde. Nur verstehe ich schlecht zu zeichnen. Weißt du,
warum Fritz so wunderbar zeichnet? Wenn ich dabei bin, dann sag’ ich,
was er machen soll.“ [Warum willst du eine Förstersfrau sein ?] — „Dann
kann mir Fritz schöne Tierchen mitbringen. “ [Fritz soll also der Förster sein 2] —
„Ja, aber ich denke, daßich zu groß für Fritz bin.“ [Er ist ja älter und größer
als du.] — „Die Frau muß sechs Jahre jünger sein, dann kann man sich
heiraten. Paul ist sechs Jahre jünger als Fritz, aber Herren können sich
nicht heiraten. Mammi ist auch sechs Jahre jünger als Papi. Es sieht aber
so aus, als ob Mammi älter wäre... Weißt du, warum es traurig ist,
wenn zwei Frauen sich heiraten? Sie bekommen keine Kinder, weil sie
keinen Mann haben. Wir warten auf ein Schwesterchen. Es kommt aber
keines. Fritz betet dafür, ich nicht.“
Jetzt wird uns der Sinn der schon wiederholt aufgetauchten Vertauschung
der Geschlechtsrolle verständlich. Erna möchte ein Junge sein, sie beneidet
| ihre beiden Brüder. In Spielen und Tagträumen macht sie sich zum |
| Knaben. Wiederholt hat sie sich mit den Brüdern, dem Vater oder anderen
| männlichen Personen identifiziert, z. B. mit E. B. (sechste Sitzung). Wenn
| sie behauptet, Paul wünsche noch heute ein Mädchen zu sein, so stimmt
| das nicht. Sie steckt ihn allerdings häufig in Mädchenkleider, obgleich er
| heftig dagegen protestiert. Was sie mir von den Pferden erzählt, verhielt
sich nach den Mitteilungen der Mutter umgekehrt. Sie hatte Angst, Fritz
war der Mutige. Daß Fritz gut zeichnen kann und sie nicht, das bedrückt
sie schwer. Wie sie ihre Angst durch eine Identifikation mit dem Bruder
als mutige Reiterin verdeckt, so findet ihr Minderwertigkeitsgefühl im
Zeichnen einen Ausgleich in der Annahme, daß Fritz seine Fähigkeit ihr
| verdanke.
Wieder wie in früheren Sitzungen ist für Ernas Heirat das Vorbild der
Eltern maßgebend. Leider kann es hinsichtlich des Altersunterschiedes
nicht analoge Anwendung auf sie und den Bruder finden. Die Mutter
wird wieder alt gemacht. Den realen Anlaß, warum sie Erna schon früher
zur Großmutter gemacht und weggeschickt hat, vernehme ich jetzt aus
der Mitteilung der Mutter: Vor einiger Zeit ist die Großmutter mütter-
licherseits gestorben. Gegenwärtig ist Erbteilung, wovon viel gesprochen
wird. Erna hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sie sich sehr
darauf freue, die Mamma zu beerben. Sie identifiziert sich mit der
Mutter, setzt sich an ihre Stelle und gleicht sich im Alter dem „jungen“
Vater an.
9) Ein Traum wird erzählt: „Ein Hund wohnt in einem kleinen
Häuschen, der heißt Rappi. Den lieb ich. Weiter bei der Ecke wohnt
auch ein großer Hund, und der ist furchtbar böse. Ich träumte, ich hab’
einen Hund, und den lieb ich sehr, und habe einen grauen, und der ist
böse. Dann kommen die zwei Hunde, und ich rufe: Rappi! Da kommt
aber der böse. Ich nehme einen Ast und haue ihm den Kopf ab. Der
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— 21 —
kullert in den Teich. Dann kommt der Rumpf ohne Kopf. Ich haue ihn
in zwei Stücke. Da kommen die Teile. Ich haue die Beine ab. Da kommen
die Beine und dann der Kopf aus dem Wasser. Ich zerhacke ihn. Dann
kommen die Teilchen. Jetzt tue ich alles in einen Kessel und zerstampfe
es, so daß Mehl daraus wird. Ich gebe es Mamma. Sie bäckt daraus Weiß-
brot. Einen Teil vom Brot habe ich auch dem anderen Hund gegeben.
Er ist so wachsam.“
Erna erzählt alle ihre Träume so, als ob sie sich ihrer schäme. Der
heutige wurde äußerst stockend vorgebracht, Erna machte den Eindruck
eines Kindes mit einem schlechten Gewissen. In der dritten Sitzung hörten
wir von einem ähnlichen Traum, den Erna unter Schuldgefühlen der
Mutter berichtete. Auch das Geschichtenerzählen will heute nicht in Fluß
kommen, entgegen den bisherigen Sitzungen. Ich muß immer wieder
durch Hinweise auf den Traum zum Sprechen anregen, was ich bis jetzt
absichtlich vermieden habe.
[Rappi.]| — „Er ist uns einmal nachgelaufen. Wir lieben ihn sehr“.
[Der böse Hund.] — Erna ist äußerst verlegen, endlich lenkt sie ab und
sagt, sie sei heute Schneeschuh gefahren. — [Ast.] — „Am See liegt
einer bei R’s Häuschen. Die dort hatten ein schwarzes Kaninchen, und
das bekam Kinder, die starben. Wir haben auch schwarze Kaninchen, die
weiße Mutter lebt noch und hat drei Kinder. Einmal dachte ich, ich
werde in den Stall gehen zu der Kuh, die ich lieb habe. Ich habe dann
mit ihrem Kälbchen herumgespaßt.“ — [Der böse Hund.] — Wieder große
Verlegenheit. Endlich ze „Ich finde es furchtbar spassig, wenn Paul sagt:
kleingroß für mittel: Über dieses kleine Brückchen ist einmal eine klein-
große Sau gegangen.“ — [Was wollte der Hund?] — „Beißen.“ — [Wo?]
— „In die Füße.“ — [Und der Hund ohne Kopf?] — „Der Kopf ist in
den Teich gekullert. Der Hund wollte mich beißen.“ — [Aber ohne Kopf
kann er das nicht mehr.| — „Aber kratzen.“ — [Die Beine?] — „Jedes
kam für sich, sie wollten mich kratzen.“ [Wo?] Große Verlegenheit, nach
langer Pause: „Gestern haben wir furchtbar gealbert. Als es im Zimmer
dunkel war, ging ich aus dem Bett und zu Fritz, und da haben wir
furchtbar geschrien und getobt. Einmal als das Kindermädchen Wasser
holte, zogen wir uns ganz aus und tanzten im Zimmer herum, ohne
Hemdchen ... Wenn ich am Morgen erwache, dann gehe ich zu Fritz
ins Bett. Dann sprechen wir oder spielen mit den Tieren.“
[Was wollten die Stückchen?] „Sie wollten mich schlagen. Mehl ist
ganz weiß, es kann nichts machen, höchstens in die Augen fliegen,“
[Wohin kamen die kleinen Stückchen?] — „Sie kamen zu den Füßen,
auch auf den Bauch.“ [Und die Beine?]| — „Die kamen auch auf den
Bauch.“ — [Und der Kopf?] — „Der kam zu den Füßen.“ — [Wohin
auf den Bauch?) — Erna zeigt die gleiche Stelle, die sie früher als
Geburtsort bezeichnete. [Hast du auch von dem Brot gegessen?] — „Ja,
und Rappi gegeben.“
= 2:
Die Mitteilungen Ernas geben uns einige nähere Angaben zum Traum
und beschäftigen sich im übrigen mit dem Kinderbekommen der Kaninchen
und mit dem Insbettgehen zu Fritz. Die Mutter meint, das seien Phan-
tasien der Kleinen, sie sehe streng darauf, daß die Kinder nicht zueinander
ins Bett kriechen. Behandelt der Traum die gleichen Gedanken, wie die
Einfälle: Zusammenschlafen und Kinder bekommen? Sind die beiden
Hunde ein Paar? Dann wäre der böse Hund das Männchen. Bösesein wird
bei Erna bekanntlich mit der Begattung in Beziehung gebracht. Der böse
Hund wird, wie das goldene Kalb, zerrieben und schließlich verzehrt, und
zwar vom lieben Hund und von Erna. Das erinnert uns an das
Märchen, wo Königinnen Fische oder Früchte verzehren, damit ihr sehn-
lichster Wunsch nach einem Kinde in Erfüllung gehen kann. Die Auf-
fassung der Zeugung durch Essen können wir zu den in der ersten
Sitzung vorgebrachten Geburtstheorien in Beziehung setzen, wonach die
Kinder aus dem Munde geboren werden und die Hunde und Katzen aus
dem Magen kommen. Auch der Überfall durch die Tierteile wird mit
einer angenommenen Geburtsstelle in Beziehung gebracht. Es entspricht
durchaus der primitiven Logik, daß man, um zu Blut zu kommen, Blut-
würste ißt und roten Wein trinkt. Und wie vom Samenkorn, das ein
Stück einer Pflanze ist, wieder eine ganz neue entsteht, so können doch
aus Hundeteilen wieder ganz neue Hunde werden. Erna will, wie die
Mutter, auch Kinder haben. Um das zu erreichen, muß sie etwas vom
Vater oder in der Überschiebung etwas vom Bruder in sich aufnehmen.
Das geschieht aber irgendwie unter Anwendung von Gewalt. Der Traum
stellt den Zeugungsvorgang als Kampf dar. („Eigentlich zankten sie sich“,
erste Sitzung.) Wir werden später, wenn neues Material gekommen sein
wird, noch weiter in das Verständnis des sonderbaren Traumes dieser Sitzung
vordringen.
10) „Wir spielten: Fritz ist der Storch und bringt mir zwei Kinder.
Paul ist der Sohn... Einmal hatten wir ein Häschen verloren. Das hat
dann unser Hund aus dem Koffer hervorgezogen. Wir wissen nicht, wer es
hineingesteckt hat. Das wird gewiß der Paul gewesen sein.“ [Bringt denn
der Storch die Kinder?] — „Nein, die kommen von selbst. Wenn sie
jemand bringt, dann schon die Engel.“ [Aber du weißt ja, daß die Kinder
in der Mamma wachsen.] „Der Engel kommt überhaupt nicht. Das steht
so in den Geschichten, das vom Engel und vom Storch.“
Diese Mitteilungen muten insofern sonderbar an, als hier wieder der
Storch und die Engel auftreten, nachdem wir erfahren haben, daß Erna
weit über die Aufklärungen der Mutter hinausgehende Beobachtungen
gemacht hat, die sie zu Lösungsversuchen für ihre brennendste Frage ver-
wertet hat. Auch die heutigen „Erzählungen“ dürften klar erkennen lassen,
welchem Wunsch das Spiel seine Entstehung verdankt. (Möglicherweise
war es bloß eine Phantasie.) Der zugrundeliegende Gedanke dürfte lauten:
„Ich wünsche, daß Fritz mit mir ein Kind zeugt, das dann aus mir hervor-
— 213 —
gezogen werden kann.“ Wir haben es hier offenbar mit einem Vorgang
zu tun, den wir häufig beobachten können. Etwa dort, wo an der
Storchentheorie bis ins Pubertätsalter hinaus festgehalten wird. Man meint
dann, es mit besonders „harmlosen“ Kindern zu tun zu haben, mit
Kindern, die ein besonders feines moralisches Empfinden haben und dem
„Schmutz“ aus dem Wege gehen. Wenn wir derartige Fälle in die
Analyse bekommen, so können wir regelmäßig feststellen, daß eine früher
sehr intensive Sexualforschung irgendwie eine Hemmung erfahren hat. Es
erfolgte Verdrängen und später Ausweichen vor den möglichen Aufklärungen,
weil sie eine schlecht vernarbte Wunde wieder aufgerissen hätten. Eine
zirka dreißigjährige Dame produzierte in Träumen und Einfällen ver-
schiedene infantile Sexualtheorien. Anfangs wollte ich eine Korrektur
anbringen und sagte: Aber jetzt werden Sie wissen, daß das nicht stimmt.
Darauf erhielt ich in angstvoll ablehnendem Tone zur Antwort: „Ich
weiß nichts und will nichts wissen.“ Ich mußte Zeit lassen, damit das
ins Bewußtsein steigende Material innerlich verarbeitet werden konnte.
Man hatte deutlich das Gefühl, daß man sich einer besonders schmerz-
haften Stelle nähere. Es war das Versagen der Sexualforschung in der
Kinderzeit. Es äußerte sich auch sonst im Leben der Dame. Wenn sie
vor bestimmten Aufgaben stand, da drängte sich ihr der Gedanke auf:
Was will ich da tun, ich verstehe ja doch nichts. Das Versagen der
infantilen Sexualforschung dürfte im allgemeinen die folgenden Gründe
haben: ı) Es fehlen die notwendigen Kenntnisse. 2) Das Kind merkt, daß
es auf ein verpöntes Gebiet geraten ist, woraus es durch Schuldgefühle
und Angst vertrieben wird. 3) Dieser Rückzug wird beschleunigt und
verschärft durch ein traumatisches Erlebnis. 4) Die Fragen entstammen
Wünschen, deren Realisierung unmöglich ist. 5) Die richtige Lösung
steht in Widerspruch zu bestimmten persönlichen Wünschen. Der Rückzug
wird dann durch die Storchfabel gedeckt, an ihr wird festgehalten, einmal,
um die Verdrängung zu sichern, und andererseits, um die von der Umwelt
geforderte „Unschuld“ und „Harmlosigkeit“ zu dokumentieren.
Das Verhalten Ernas in der neunten Sitzung ließ mich vermuten, daß
die Grenze, die nur unter Entwicklung starker Schuldgefühle und Anest
überschritten werden kann, erreicht sei. Der bisherige Gang der Analyse
ließ erkennen, daß bei unserer Kleinen alle die angeführten Punkte des
Versagens der Sexualforschung vorhanden sind. Ich habe Erna bis jetzt
sich selbst überlassen und jede Aufklärung vermieden. Ich ließ mich mehr
von wissenschaftlichen als praktisch-pädagogischen Absichten leiten. Jetzt
griff ich ein, um der Kleinen weiterzuhelfen, um ein neues Zurück-
weichen zu verhüten, damit sie nicht auch an mir scheiterte. Das würde
mich um jeden weiteren Erfolg bringen. Es war auch zu erwarten, daß
eine nun einsetzende Aufklärung weiteres Material zur „Erzählung“ frei
machen werde, da manches Unverstandene jetzt verständlich und manches
Verpönte jetzt frei werden kann.
— U —
[Weißt du, wie das Hühnchen im Ei wird?] — „Ja, im Ei, da ist ein
Pünktchen. Wenn das Huhn brütet, so wird es immer größer, und zuletzt
wird ein Hühnchen, das die Schale aufpickt und herauskommt. Wir haben
auch so gespielt. Fritz war eine Gans. Wir haben Stoffkaninchen unter-
gelegt. Er hat drei Kaninchen ausgebrütet. Ich habe auch Kaninchen
ausgebrütet.“
[Weißt du, in Mammi, da sind viele ganz kleine Eilein. Wenn sie nun
ein Kindchen bekommen soll, dann wird eines immer größer, es wächst
und es wird zuletzt ein Kindchen daraus.| — „Ja, ich habe gesehen, wie
Mammi dick geworden ist und auch die Knechtsfrau. Tante L. ist nie
dick geworden. — Schade, daß das Kälbchen meiner Kuh ein Ochs war
und es der Metzger fortgenommen hat. — Einmal kam der Gänserich
auf mich zu und ich sprang davon.“
Ich versuche nun, Erna einiges über die Entwicklung des Embryos zu
sagen. Ich weise darauf hin, daß sie esse, daß aus den Speisen Blut
werde, daß das Blut durch Adern in den ganzen Körper geführt werde
und daß sie deshalb wachsen könne. Das Eichen bekommt Blut von der
Mutter und wächst zum Kindchen aus. Wenn dieses alles hat, was es zum
Leben gebracht, Lunge, Magen, Herz usw., so will es hinaus. Es wird
geboren. Dann schneidet man das Blutrohr, das vom Herzen der Mutter
Blut zuführt, ab. Es bleibt dann nur das kleine Knöpfchen, der Nabel.
Jetzt nimmt die Mutter das Kind an die Brust, es trinkt Milch und ver-
wandelt sie in Blut. Darauf ging ich über zur Frage der Befruchtung
und stellte einleitend die Frage: [Wozu ist der Vater da?}) — „Bei den
Enten muß er auf die Eier aufpassen. Die Kuh muß vom Ochsen ange-
sehen werden, daß sie ein Kälbchen bekommt.“
Die Idee des Beschützens haben wir früher kennen gelernt, ebenfalls
die Meinung, daß die Zeugung durch Anschauen geschehe. Hinter dem
Anschauen kam dann ein Zanken zum Vorschein. Dies wurde von der
Katze ausgesagt. Der Ochse wurde früher immer abgelehnt. „Die Kuh
bekommt ‚so‘ ein Kälbchen.“ Wir sahen darin die Abwehr bestimmter
Erlebnisse. Wir können jetzt sehen, daß der Widerstand zu weichen beginnt,
eine Beziehung zwischen Ochse und Kuh wird angenommen. Der Ochse
braucht nicht mehr „entfernt zu werden“. |
11) Ich frage Erna, ob sie geträumt habe. Sie erzählt: „Ich träume
oft vom Kalkunenvater (Truthahn). Ich hatte einmal ein weißes Hühnchen,
und der Hahn sprang immer auf und zupfte es und hat es tot gemacht,
Es sollte viele Eier legen. Weil er es liebte, sollte es viele Eier legen,
und er zupfte es, bis es starb. Jetzt tut der Hahn oft so mit meinem und
Pauls Huhn.“
Die gegebene Erklärung des Zusammenhanges zwischen Bespringen und
Eierlegen stammt von der Mutter. Ob tatsächlich aus jenen Gründen das
Hühnchen starb, ist nicht zu kontrollieren. Wahrscheinlich handelt es
sich um eine Phantasie, die mit den Vergewaltigungsvorstellungen ver-
— 215 —
knüpft ist. Die Erzählungen dieser Sitzung führen die in der vorigen
angeschnittene Frage nach der Rolle des Vaters weiter,
Es ergibt sich nun die Notwendigkeit, den Vergewaltigungskomplex zu
lösen. Ich versuchte dies durch Einführung des Begriffes des Samens. Wir
fanden zusammen, wie es kommt, daß eine Pflanze Samen produziert und
wie hieraus neue Pflanzen entstehen. Anknüpfend an das, was Erna von
den Hühnern vorgebracht hat, wird erklärt, daß im Huhne viele kleine
Eilein sind, die aber erst wachsen können, wenn ein Sämchen dazukommt.
Dieses hat aber der Hahn. Wenn er auf das Huhn springt, so gibt er
ihm Sämchen. Jetzt wachsen die Eier, und wenn sie groß geworden sind,
werden sie vom Huhn gelegt. Werden sie ausgebrütet, so kommt ein
Küchlein heraus.
12) Die heutigen Mitteilungen führen die 'Diskussion spontan weiter.
Die Beziehungen zwischen Ochse und Kuh sind verstanden worden, der
Widerstand weicht weiter. Auf die Frage, was sie mir heute erzählen
wolle, sagt Erna: „Wir wollen, daß unsere Kuh ein Kuhkälbchen bekommt.
Sie hat sonst immer einen Ochsen bekommen. Ich träume oft, sie habe
ein Kälbchen bekommen.“ [Wann bekommt sie es?) — „Ich weiß es
nicht, sie ist schon ganz dick.“ [Wie kann die Kuh denn ein Kälbchen
bekommen?) — „Vom Bullen. Er springt auf die Kuh und gibt ihr
Sämchen.“
Nun stellt sich die Aufgabe, die Geschlechtsunterschiede zu klären. Ich
frage: [Hast du schon gesehen, wie der Bulle anders ist, als die Kuh?] —
„Ja, er hat hinten einen Sack und vorn so einen Büschel, wo Wasser
herauskommt.“ — [Dort im Sack, da sind die Sämchen, und wenn der
Bulle auf die Kuh aufspringt, dann kommen dort, wo du gesehen hast, daß
das Wasser herausfließt, die Sämchen heraus, und dann gibt er sie der
Kuh dort hinein, weißt du, wo auch bei ihr das Wasser herauskommt. ]
— „Wir haben eine Kuh, die will ein Kälbchen haben. Sie will zum
Bullen. Deshalb springt sie auch auf die Kühe.“ [In der Kuh, da sind
auch Eilein. Wenn ihr der Bulle Sämchen gegeben hat, so gehen sie zu
den Eilein. Eines davon, das zuerst ein Sämchen bekommen hat, das
wächst, und es wird dann ein Kälbchen.|
Erna nimmt die gebotenen Aufklärungen entgegen, als ob ich ihr eine
Selbstverständlichkeit gesagt hätte, die sie schon längst wußte. Ich habe
ja auch weiter nichts getan, als das Erfahrungsmaterial des Kindes geordnet
und dadurch möglich gemacht, daß es verstanden werden kann. Ich nahm
nun an, daß die erhaltene Klärung der Verhältnisse bei den Tieren auch
die Vorstellungen über Zeugung und Geburt beim Menschen berichtigen
werden. Hier lagen aber noch Widerstände vor. Wir wissen, daß sich
solche auch gegenüber den Beziehungen zwischen Ochse und Kuh offen-
barten. Hier stellte es sich dann heraus, daß Erna nach eigenen Beob-
achtungen darum wußte. Ich wollte eine Stichprobe anstellen und fest-
stellen, ob die Verhältnise beim Menschen nun durchschaut werden
— 210 —
—— —— ou io
können: [Gibt nicht Papi der Mammi auch Sämchen?]) — „Nein.“ [Wieso
hat denn Mammi Kinder bekommen?] — „Vom Essen. Sie muß Milch
trinken. Das Kindchen wächst von der Milch.“ Erna wird sehr verlegen,
ihr Gesicht bekommt einen gequälten Ausdruck, sie macht verschiedene
„nervöse“ Bewegungen. Ich merke, daß wir auf die angst- und schuld-
bewußte Versagungsgrenze gestoßen sind. Eine der beobachteten
Bewegungen dürfte als unbewußter Verrat zu deuten sein. Erna hob das
Röckchen empor und stieß die Händchen oberhalb dem Knie zwischen die
Beine, Zu der zuletzt erhaltenen Antwort füge ich hinzu: [Aber Tanti L.
trinkt auch Milch und sie bekommt doch keine Kinder (zehnte Sitzung).]
— „Weil sie keinen Mann hat.“ — [Du sagtest, Mammi müsse essen ?]
— „Ja.“ — [Was?] — „Brot.“ Große Verlegenheit, die beschriebenen
Bewegungen wiederholen sich. [Woher weißt du, daß Mammi Milch
trinken und Brot essen muß, wenn sie ein Kindchen bekommen will?)
— „Das habe ich mir so ausgedacht.“ [Da hast du dir aber was Falsches
gedacht.] — Wieder große Bedrücktheit. Die Bewegungen werden stärker
als vorher. Zuletzt hoppst Erna auf dem Stuhl auf und ab. Schließlich
sagt sie: „Ich weiß nicht, warum die Hirsche im Winter ihre Hörner
verlieren. Der Elch verliert seine Hörner nicht, der Hirsch wohl. Mamma
hat eine komische Geschichte erlebt. Sie fuhr mit dem Rad durch den
Wald. Sie meinte, sie sehe ein Pferd, das sich losgerissen hat. Das Pferd
rennt, und was war es? Ein Elch war es, mit großen Hörnern, der
davonläuft.“
Diese sonderbaren zoologischen Anschauungen verraten dem Analytiker
den Vorstellungskomplex, von dem aus der Widerstand geht. Er war
schon lange sichtbar. Ich unterließ aber, näher darauf hinzuweisen, bis
weiteres Material eine Besprechung erleichtern würde. Vorläufig möchte
ich nur sagen, daß wir im Sinne jenes Komplexes die aufgeworfene Frage
von den Hirschen so lesen können: „Ich weiß nicht, warum die Knaben
und Männer ihr Genitale behalten können, während die Mädchen und
Frauen es verlieren.“ Als Antwort auf diese versteckt vorgebrachte Frage
suche ich den Zeugungsvorgang beim Menschen zu klären.
[Du weißt doch, daß du nicht gleich bist, wie Fritz und Paul?] —
„Ich habe lange Haare und trage ein Röckchen.“ [Dann hast du noch
anderes an Fritz und Paul beobachtet.| — „Die haben unten so ein
Pumperchen und ein Zipfelchen.“ [Wenn dann Fritz und Paul groß
geworden sind, dann kommen in dies Pumperchen Sämchen, und wenn
sie heiraten, dann wollen sie Kinder haben. Sie geben dann ihren Frauen
von den Sämchen. Die kommen dann aus dem Pumperchen und gehen
durch das Zipfelchen heraus und dort hinein, wo bei der Frau das
Wässerchen herauskommt. Die Sämchen gehen dann zu den Eilein, und
dann können sie wachsen, bis ein Kindchen geworden ist. Das weißt du
ja schon. — Du kannst erst heiraten und Kinder bekommen, wenn du
groß bist, erst dann sind die Eilein reif. Den Fritz aber kannst du nicht
— 27 —
heiraten. Er wird sich eine andere als Frau suchen. Dich wird dann ein
anderer Mann viel lieber haben als Fritz. Bis dahin mußt du mit Puppen-
kindern vorlieb nehmen.] Nach diesen Mitteilungen geht eine Veränderung
im Kinde vor. Die Unruhe ist verschwunden, das Gesicht mit dem
gequälten Ausdruck hat sich aufgehellt und strahlt fröhlich. Die Mutter
sagt mir nachher, daß Erna sich verändert habe. Sie sei viel harmonischer
und zutraulicher geworden. Sie habe früher bei aller Fröhlichkeit, die sie
sonst auszeichnete, immer etwas Gedrücktes in sich gehabt und sie sei
manchmal schwer zugänglich gewesen, Das Bettnässen verschwand für
längere Zeit. Hierüber habe ich später zu berichten.
Noch ein Wort zu der in dieser Sitzung vorgebrachten Zeugungstheorie
beim Ausweichen von der Angstgrenze. Sie vermittelt uns den Anschluß
an den Traum von den beiden Hunden, wo der böse zerstückelt, in Mehl
umgesetzt, gebacken und das Brot vom anderen Hund und von der
Träumerin verzehrt wurde. Wir haben diesen Traum als Zeugungstraum
angesprochen und bekommen hier die Bestätigung. Das Material wird
einer Aufklärung durch die Mutter entnommen. Zur Zeit, als Riga von
den Bolschewiki besetzt war (1919), hatte Erna oft den Wunsch nach
einem Schwesterchen geäußert. Angesichts der Lebensmittelnot meinte die
Mutter, wenn man ein Kindchen wolle, so müsse man Weißbrot und
Milch haben; da das aber fehle, so könne sie auch kein Schwesterchen
bekommen.
13) Da die Geburtsfrage noch nicht geklärt wurde, so stellte ich die
entsprechende Frage an Erna. Sie beantwortete sie sofort ganz richtig und
fügte spontan bei, daß sie früher geglaubt habe, das Kind komme hinten
heraus; auch meinte sie, daß der Bauch aufgehe. Wenn wir die von Erna
vertretenen Geburtstheorien zusammenstellen, so erhalten wir: Das Kind
wird geboren durch den Mund, nach der Öffnung der Brust, nach der
Öffnung des Bauches, anal, vaginal.
In dieser Sitzung erzählt Erna weiter: „Gestern spielten wir Reiter,
Ich war E. B. und Fritz war Hilde. Beim Schlafengehen bin ich Dorette A,
Früher spielte Fritz Dorette A. Wenn ich Reiter spiele, dann bin ich ein
Mann. Dann habe ich Dorette A. bei mir vornauf... Paul hat gesagt,
als er jung war, da sei er ein Mädchen gewesen und ich ein Junge und
Fritz ein Mädchen. Wenn man größer wird, dann wird’s umgekehrt, , ,
Der Nachbarsjunge klettert überall hin. Wenn ich nur so hoch klettern
könnte wie er. Bei mir dauert es am längsten, der Rock ist mir im
Wege. Mit Hosen ginge es besser. Gestern habe ich mich geübt, auf
Bäume zu klettern.“ |
Die Vertauschung der Geschlechtsrolle ist uns wiederholt begegnet. Es
zeiste sich immer deutlicher, daß sie dem heißen Wunsche entspringt,
ein Bube zu sein, wobei die Buben um das Zipfelchen beneidet werden.
Die Theorie, die in dieser Sitzung Paul zugeschrieben wird, die aber
gewiß Ernas eigene ist, nimmt die Frage, die wir in der vorigen Sitzung
— 235 —
run _
seinen
hinter der Geschichte von den Hirschen vermuteten, wieder auf. Sie wird
jetzt individuell gesehen: „Ich war früher ein Knabe, aber dann bin ich
ein Mädchen geworden, indem ich das Zipfelchen verloren habe. Meine
Brüder waren früher Mädchen. Bei ihnen ist das Zipfelchen gewachsen.“
Die erste Annahme ist ein schlechter Trost und die zweite will nicht in
Erfüllung gehen. Es bleiben noch zwei Auswege. Der eine besteht darin,
daß man sich gedanklich das Zipfelchen beilegt, sich mit den Knaben
identifiziert und in Phantasien, Spielen und Gewohnheiten diese nachahmt.,
Auch in dieser Sitzung identifiziert sich Erna mit E. B. wie in der
sechsten Sitzung. In der Reiterszene übernimmt sie wie in der früheren
achten Sitzung) die männliche Rolle. Der andere Ausweg ist der, den
Neid überflüssige zu machen, indem die Buben in Mädchen verwandelt
werden und ihnen das Zipfelchen weggeschnitten wird. Das geschah
offenbar einmal bei ihr, nimmt sie an.
Bei der Analyse des Zwangssymptoms einer Dame, das im Impuls bestand,
männlichen Wesen einen Finger abzubeißen, versteckte sich dahinter ein
früherer zwangsmäßiger Wunsch, den Buben den Penis abzubeißen und
ihn zu verschlucken, in der Meinung, daß sie auf diese Art zu einem
eigenen Penis kommen könne. Eine andere Dame konnte in der Zeit der
Analyse plötzlich kein Fleisch mehr essen. In der Folge wurden frühere
Phantasien bewußt, auf dem Markte Penes von Ochsen zu kaufen, zu kochen
und essen, um dann so zu einem solchen eigenen Organ zu gelangen.
In den Träumen Ernas stoßen wir auch auf den Kastrationskomplex. In der
dritten Sitzung wird ein solcher Traum erzählt. Auf einem Hügel liegt ein
abgehäuteter Mann ohne Hand. Das Modell hiezu lieferte unzweifelhaft
die Puppe Friedel, jene männliche Puppe aus Mammas Kinderzeit, die
eine Hand verloren hatte und die dann vom Hund zerrissen wurde. Ein
Auge fand sich auf dem Tennisplatz. Erna reißt im gleichen Traume dem
Wolfe die Zähne aus, damit er die Brüder nicht beißen kann. Paul hat
ihm vorher ein Auge ausgerissen. Er kann aber noch mit dem anderen
sehen. Den Sinn des Beißens, Böseseins, Anschauens konnten wir ein-
deutig wiederholt feststellen. Augen- und Zähneausreißen waren bild-
liche Darstellungen für Kastration und bedeuten, in den ganzen Traum
eingefügt, eine Abwehr der „Gewalttätigkeit“. Da angegeben wird, das
Zähneausreißen erfolge, um die Brüder zu schützen, so läßt sich hier
noch die Abwehr eines auf diese gerichteten Kastrationswunsches ver-
muten. Als die Analyse weiter fortgeschritten war, kam ein ähnlicher
Traum. Dort wurde die Vergewaltigung durch Kastration abgewehrt, aber
gleichzeitig auch die Zeugung angenommen. Die Hundeteile kommen auf
die Träumerin, werden dann als Brot genossen. Das Essen bedeutet offenbar
nicht bloß Befruchtung, wie wir früher ausführten, sondern wird auch im
Dienste des Wunsches, sich ein männliches Genitale zu erwerben, stehen,
ähnlich den Phantasien der mitgeteilten Zwangssymptome. Wie ja in den
„Erzählungen“ und Spielen Ernas die Mutteridentifikation (Kinderwunsch)
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und die Identifikation mit Vater und Bruder ruhig nebeneinander und
ineinander standen, so ist eine derartige Verbindung auch in den Träumen
möglich. Die bekannten Traummechanismen erleichtern sie. Der Mann,
der Kinder bekommt, ist vielleicht ein Kompromiß der beiden zentralen
Wünsche der kleinen Erna.
>
Wir wollen hier die Mitteilung der Analyse abbrechen. Bei der Besprechung
des Bettnässens werden wir noch verschiedenes ergänzen können. Wir
haben einen Einblick in die verschiedenen von Erna 'entwickelten Zeugungs-
und Geburtstheorien erhalten. Es haben sich uns Dinge gezeigt, die in
der Psychoanalyse von Erwachsenen und Kindern sowie in Kinder-
beobachtungen häufig nachgewiesen wurden. Auch wurden die dazu-
gehörenden völkerpsychologischen Parallelen aufgezeigt.” Für uns ergibt sich
die Frage, wie wir uns als Pädagogen hiezu stellen. Wir können hier nur
eine kurze Antwort geben. Bevor wir sie suchen, wollen wir uns fragen:
Wie ist Erna zu dieser Sexualforschung gekommen? Leider ist das Material
sehr lückenhaft, so daß wir häufig auf Vermutungen angewiesen sind,
Die Forschung scheint mit der Geburt des kleinen Paul eingesetzt zu
haben. Erna war damals zweieinhalb Jahre alt. Die Untersuchung des
Symptoms des Bettnässens wird diese Annahme stützen. Wir hören in der
zehnten Sitzung, daß Erna behauptet, gesehen zu haben, wie die Mutter
dick geworden sei. Das kann sich nur auf die Schwangerschaft mit Paul
beziehen. Es kann sich hier aber auch um eine Beobachtung im Knechts-
hause, die Erna mit erwähnt, die später erfolgt ist und die nun rückdatiert
der Mutter zugedacht wird, handeln. Im weiteren ist zu vermuten, daß Erna
die intimen Beziehungen der Eltern erlauscht hat, worauf sie mit einem Pavor
reagierte. Die Geburt Pauls mußte in der Kleinen den Wunsch wecken,
auch ein Kindchen zu haben. Wir wissen ja, daß die Kinder sich in allem
den Eltern gleichsetzen wollen und die dahin gehenden Wünsche in ihren
Spielen realisieren. Diese Identifikationstendenz bekommt einen starken
Anstoß aus der Tatsache, daß bei der Geburt eines Geschwisters die Mutter
von diesem beansprucht wird. Der erlittene Liebesverlust und die Zurück-
setzung verlangen nach einem Ausgleich. Das Spiel kann ihn bringen.? Es
ergibt sich also als Grundfrage der infantilen Sexualforschung: Wie komme
ich zu einem Kinde? Aus unserem Material ist ersichtlich, wie brennend
diese Frage für Erna war. Die Frage kann auch so lauten: Wie kann die
Wiederholung der Geburt eines Geschwisterchens verhindert werden? Bei
Erna ist, wie es scheint, hievon wenig zu spüren. Ihre Forschung geht in
positiver Richtung nach Kindern. Zur Zeit der Analyse, mit sechseinhalb
Jahren, erweist es sich, daß sie in den Hauptpunkten die Vorgänge der
Zeugung und der Geburt richtig erfaßt hat, und zwar scheinen diese Auf-
ı) Rank, Völkerpsychologische Parallelen zu den infantilen Sexualtheorien. In
„Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung“. (Int. PsA. Bibl., Bd. 4.)
2) Schneider, Über Identifikation, Imago XII (1926), Heft 2/3.
er
fassungen die ältesten zu sein, wobei die anderen Theorien bei der Aus-
weichung entstanden sind, Das Kind ist „natursichtiger“ als der Erwachsene
und wird wahrscheinlich „das Richtige” eben „erfühlen“ können, wenn
allerlei Erfahrungen im Schlafzimmer und in der weiteren Umgebung
gemacht werden. Allerlei Störungen hemmen den natürlichen Ablauf der
Forschung, und es kommt dann dazu, daß vorübergehende Erwägungen zu
Theorien ausgebaut werden, an denen festgehalten wird. So kommt die
Verdrängungs- und Verschiebungsreihe zustande: Vagina, Anus, Bauch,
Brust, Mund, Storch, Engel. Auf diese Störungen habe ich im Bericht
über die zehnte Sitzung hingewiesen. Die dort angeführten Gründe des
Versagens der Forschung lassen sich alle bei Erna nachweisen. Sie suchte
sich die nötigen Kenntnisse zu verschaffen, bekam ausweichende oder
solche Aufklärungen, die leicht zu Mißverständnissen führten. In der
Analyse war auffällig, wie die Träume, die mit dem Bösesein zu tun
hatten, bei der Besprechung Angst und Schuldgefühle auslösten. Die Her-
kunft dieser Affekte ist in unserem Falle noch nicht genügend erforscht.
Immerhin dürfte anzunehmen sein, daß sie im Zusammenhang stehen mit
Beobachtungen im Schlafzimmer der Eltern, mit Tierbeobachtungen, die
jenen folgten, und mit den Erlebnissen (Vorstellungen, Handlungen
und Gefühlen), die dadurch im Kinde ausgelöst wurden. Das führte
dann dazu, dem Kinderwunsch eine „harmlosere“ Richtung zu geben.
Das Ausweichen der Umgebung bestärkte das Kind in seinem Ausweichen.
Das Gebiet, wo die Frage zu lösen ist, wurde zum Verpönten, das nur unter
Angst und Entbindung von Schuldgefühlen betreten werden kann, sowohl
vom Kinde wie von den Erwachsenen. Um loszukommen, wurde die
Lösung auf immer harmlosere Gebiete überschoben. Man hat wiederholt
der Psychoanalyse den Vorwurf gemacht, daß sie die Kinder „entharmlose“.
In unserem Falle zeigt sich deutlich das Gegenteil. Das besprochene Aus-
weichen bedeutet unter der Maske der Erhaltung der Harmlosigkeit eine
Gewissensbelastung einer ursprünglich harmlosen Einstellung des Kindes.
Es war infolgedessen ganz natürlich, daß unsere Erna die erhaltenen Auf-
klärungen wie Selbstverständlichkeiten aufnahm und mit dem Ausdruck einer
Befreiung reagierte. Es erfolgte also das Gegenteil einer Entharmlosung.
Es ist klar, daß der Wunsch des Kindes nach einem Kinde unerfüllt
bleiben mußte. Er kann nur im Spiel realisiert werden. Das ist ja die natürliche
Aufgabe des Spieles, in unserem Falle des Puppenspieles. Der ursprüngliche
Wunsch scheitert an der Unmöglichkeit der Verwirklichung und unterhält,
haften geblieben, immer wieder die Forschung und lenkt sie ab. Sie wird
immer unter Druck erhalten. Andererseits droht eine Fixierung in der
Ödipussituation. Erna macht die Mutter zur Großmutter, läßt sie sterben
und beerbt sie, um ihre Stelle beim Vater einzunehmen. Dadurch könnte
ihr Wunsch realisiert werden. Das hieran sich knüpfende Schuldgefühl
veranlaßt Verdrängung und Verschiebung. Zuletzt sei noch darauf hin-
gewiesen, daß eine Abweichung von der richtigen Lösung in der Sexual-
TE) en
forschung befördert wird durch entgegengesetzte persönliche Wünsche. Bei
Erna ist es der sehr stark betonte Männlichkeitswunsch. Die Illusion, ein
Bube zu sein, führt zur Ignorierung der natürlichen Stelle der Zeugung
und der Geburt. Es kommt auch von hier aus zu Verschiebungen. Wenn
die Kinder den Weg des Verdauungstraktus nehmen, so kann die
Illusion ruhig aufrecht erhalten bleiben, ebenfalls, wenn der Storch die
Kinder bringt. Hier ist es das, was die Psychoanalyse unter dem Begriff
des Kastrationskomplexes zusammengefaßt hat, was Angst und Schuldgefühle
erzeugt und zur Abweichung nötigt. In Ernas Kastrationsträumen waren
diese Affekte deutlich erkennbar.
Die sich nun ergebenden pädagogischen Vorschläge möchte ich hier in
Form von Thesen aufführen. Die Begründung liegt meistens im gebotenen
Analysematerial.
1) Die Sexualforschung in der Spielzeit, die sich bei jedem einigermaßen
begabten Kinde geltend machen dürfte, ist erzieherisch zu leiten, indem die
Fragen nach der Herkunft der Kinder beantwortet werden, und zwara) sobald
das Kind eine entsprechende Frage stellt, gleichgültig in welchem Alter.
Wer die Begabung, hat, eine vernünftige Frage zu stellen, hat auch die
Begabung, eine vernünftige Antwort zu verstehen. b) Die Antwort hat sich
auf den Umfang der Frage einzustellen. Sie darf nicht zu wenig enthalten,
damit im Kinde nicht der Verdacht aufkommt, man habe etwas zu ver-
heimlichen, und damit die Forschung nicht in eine falsche Richtung
abgedrängt wird. Sie darf auch nicht über die gestellte Frage hinausgehen,
denn sonst wird der Forscherdrang des Kindes unterbunden, oder es hört
noch unverständliche Dinge, die leicht falsch verwertet werden können.
c) Die Antwort muß den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Auch
bei Besprechung anatomischer und physiologischer Vorgänge ist Offenheit
geboten. Die Antwort soll also eine rechtzeitige, eine genügende
und eine sachliche sein.
2) Jede Beantwortung muß dem Kinde die „Überzeugung“ aufrecht
erhalten, daß es sich jederzeit vertrauensvoll an die gleiche Quelle um
Aufklärung seiner Fragen wenden könne. |
3) Die Leitung der kindlichen Sexualforschung hat durch die Eltern zu
geschehen, resp. durch die Personen, die das Vertrauen des Kindes
genießen. Eine Massenaufklärung in der Schule ist ein Unding, weil sie
zu spät kommt und keine Rücksicht nimmt auf das, was das Kind bisher
in der Sache erlebt hat. Soll eine spätere Aufklärung wirklich sachlich
wirken, so müssen die bisherigen falschen Anschauungen korrigiert und
die vorhandenen Konflikte gelöst werden. Die Verdrängungen sind auf-
zuheben, und die dahinter oder besser davor liegenden Angst- und Schuld-
gefühle müssen erledigt werden. Eine damit verknüpfte Aufklärung muß
dort einsetzen, wo die besonderen Fragen des Kindes liegen, und hat mit
seinem Erfahrungsmaterial zu arbeiten. Daher kann eine Aufklärung nur
eine individuelle sein. Wo die Eltern versagen, da ist es wünschenswert,
— 22
wenn der Lehrer das Versäumte nachholt. Manche Schwierigkeiten in
Erziehung und Unterricht legen dies sogar sehr nahe. Dabei ist aber immer
nötig, daß das Bewußtsein des Kindes in analytischem Sinne erweitert wird,
damit die bisherigen falschen und schuldbeladenen Anschauungen geklärt
und gereinigt werden können.
4) Die kindliche Sexualforschung setzt zweimal ein, zuerst in der Spielzeit,
dann bei beginnender Pubertät. Die erhaltenen Aufklärungen der Spielzeit
können vollständig verdrängt werden, so daß man bei der zweiten Forschung
bereits früher gestellte Fragen neu beantworten muß.
5) Eine sexuelle Aufklärung im Sinne unserer Forderungen unter ı)
kann bei der Leitung der kindlichen Sexualforschung niemals schaden.
Sie wirkt erziehend und manchen späteren Konflikten vorbeugend. Eine
spätere Aufklärung in Verbindung mit analytischer Lösung verdrängter
Konflikte wirkt befreiend.
UTTTEEFTTTTTTTTTTITTTTTLLITUUTTTITTLTTTTTFTTUTTIITTETEEEEET ET TTTTTTUUUTPDPTTEEE EEE DIEEEEEEEU TU IEOTEEELLE IT UUUUUUDTTTTEEEEEET TU IETETTTFSTTDTUITETTEETTEUTUDTTTTTTTTEIT
Sexuelles Wissen und sexuelle Aufklärung
Von Dr. Heinrich Meng, Stuttgart
Das Kind ist ein Teil des Elternleibes, verläßt ihn und wächst allmählich
zu einem selbständigen Wesen heran. Nach Ewald Hering fallen
Gedächtnis und Vererbung in einen Begriff zusammen, so daß Kinder
Eigenschaften ihrer Vorfahren durch das „Gedächtnis der Materie“ über-
nehmen. Ernst Mach schließt daraus, daß wir durch dieses Wissen
verstehen, weshalb z. B. die Amerikaner der Union die englische Sprache
beibehielten und auch sonst manche Einrichtung, die typisch englisch ist.
Wessely beobachtete, daß die Pflanzen der südlichen Hemisphäre bei
uns dann blühen, wenn in ihrer Heimat Frühling ist, daß sie also eine
Art „Gedächtnis“ haben müssen. Wir nehmen auch vom Menschenkinde
an, daß es ein Wissen mit auf die Welt bringt vom Zeugen, Befruchtet-
werden, Gebären und Geborenwerden.' Biologisch zweckmäßig wird eine
solche „Aufklärung“ sein, bei der eine Klärung erfolgt in den im Kinde
dumpf aufsteigenden Vorstellungen, Gedanken und Gefühlen und bei der
die Trieberziehung nach vernünftigen Gesichtspunkten die Triebbeherrschung
bahnt.
Der Mensch hat schon sehr früh die Fähigkeit, den Gesichtsausdruck
anderer Wesen zu „verstehen“; das kleine Kind deutet aus dem Benehmen
und dem Ausdruck seiner Mitmenschen deren Gefühle. Ferner ahmt es
sehr frih — schon in den ersten Lebensmonaten — das, was es sieht, nach.
ı) Näheres siehe Meng, „Schutz durch sexuelle Aufklärung“ im Band ı des
„Arztlichen Volksbuchs“ (Hippokrates-Verlag, Stuttgart).
— 223 —
un
Bedenken wir, daß das Kind nur ausnahmsweise im Spiegel sich selbst
sieht, seine Bewegungen also nicht nach der wahrgenommenen Gleichheit
zu kontrollieren vermag. Die Nachahmung kann daher nur geleistet werden,
weil es ein bestimmtes Tun, Fühlen und Können bereits in sich trägt.
Deshalb müssen wir einer Annahme von Hans Driesch zustimmen: Der
Mensch hat eine angeborene Fähigkeit, auf Reize in bestimmter Form
und von bestimmtem Rhythmus mit Handlungen von derselben Form und
demselben Rhythmus zu reagieren.
„Sexuelle Aufklärung“ ist daher vorwiegend nicht eine Angelegenheit
des Wortes, sondern des gesamten Verhaltens der Umwelt. Biologisch
gesehen, kann Vermittlung von intellektuellem Wissen sehr unwichtig
oder falsch sein, wenn nicht das gesamte Verhalten des Erziehers, seine
eigene „Sexuelle Aufklärung“, die von ihm ausgehenden Reize und die
von ihm gezeigten Reaktionen den natürlichen Aufklärungsprozeß im
Kinde fördern und erleichtern. Freud hat uns Gesichtspunkte vermittelt,
dem Kinde die Realitätsanpassung zu erleichtern, darunter auch die An-
passung an seine eigene Geschlechtlichkeit und an die Geschlechtlichkeit
der Wesen um ihn herum. Er hat uns gelehrt, daß das Verstehen und
Nachahmen des Kindes einem Identifizierungsprozeß entspricht, bei dem
durch Aufrichten von Idealen, die der Umwelt entnommen sind, wichtige
Anstöße zur Charakterbildung gesetzt werden. Damit ist jeder aufklärenden
Erziehung die Aufgabe gegeben, überhaupt sich nicht mit dem Ja oder
Nein, sich nicht mit dem Sprechen oder Nichtsprechen zu begnügen. Der
Erzieher muß sich vielmehr leiten lassen von der Einsicht und Einfühlung
in die Konflikte der Menschwerdung, er muß sein gesamtes Verhalten als
Reiz werten, der das Kind zum Verstehen und Nachahmen anregt, und
sich für sein gesamtes Verhalten verantwortlich — fühlen.
BELUINNINDUNIILITINRNTIINANIINDTLLNNNTTERRDTILINDERTEKTARTUNKONRUAEIITTNTTENDERLEUNRLLKUDRDELEAKALELDUADADETLINDDALTKODBUDLDKLIDADRULKKLUNDDKRREKRRRBREER ERROR
Die Zurückweisung der Aufklärung durch das Kind
Von Dr. med. Karl Landauer, Frankfurt a. M.
Wenn man Kinder über die körperliche Beschaffenheit, namentlich die
Geschlechtsmerkmale, die Zeugungs-, Schwangerschafts- und Geburtsvorgänge
im Unklaren läßt, treten so häufig und so offenkundig Schädigungen!
zutage, daß man sich die Frage vorlegen muß, wieso es möglich ist,
daß die Sexualaufklärung heute noch bei so vielen Kindern gar nicht,
mangelhaft oder doch zu spät erfolgt. Die Gründe, welche von den
Gegnern der Offenheit vertreten werden, scheinen mir nicht zu genügen,
ı) Ein Beispiel einer solchen Schädigung gebe ich in „Analyse der Phobie eines
achtjährigen Mädchens“ im gleichen Heft dieser Zeitschrift.
— 24 —
re wen
jan ee
Ber
weder die bewußten vernunftmäßigen noch die beträchtlich stärkeren
unbewußten gefühlsmäßigen. Denn wenn das Kind sich mit seiner ganzen
Person für seinen Wunsch, aufgeklärt zu werden, einsetzen würde, würde
es wohl fast stets sein Ziel erreichen, da ihm ja massenhaftes Material
zufließt, wie wir täglich in unseren Analysen sehen. Dieses Material wird
aber entweder gar nicht verwertet — oder dient zum Aufbau bestimmter
meist recht typischer Theorien. Diese können sich also wohl nur deshalb
halten, ja, müssen sich immer wieder erneuern, weil sie dem Kinde gefallen
und wichtigen Triebregungen jener Zeit entsprechen, in der es zu fragen
anfängt und wenn es die Fragen erneuert. Das ist das dritte bis fünfte
Lebensjahr, das achte bis zehnte und die Pubertät.
Bereits mit drei Jahren ist das Kind kein unbeschriebenes Blatt mehr.
Im Gegenteil: es hat schon eine Menge wichtiger Erziehungsmaßnahmen
über sich ergehen lassen müssen, besonders solche, die mit der Beherrschung
von Harn- und Kotentleerung zusammenhängen. Die Verrichtungen des
Enddarms und der Blase, an sich mit recht erheblicher körperlicher Lust
und Unlust verknüpft, sind ihm durch die Stellungnahme der Mutter oder
deren Vertretung auch zu einer Quelle wichtigster seelischer Lust und
Unlust geworden. Belohnungen und Bestrafungen haben nicht nur sein
Verhältnis zu den Pflegepersonen dabei stark berührt, sondern auch seine
Einstellung zu den Organen immer wieder beeinflußt, die ihm in gewisser
Beziehung selbständig, aber als Ursache der Stellungnahme der Pflegeperson
gegenüberstehen. Auch seine Selbstliebe ist durch diese Beziehungen oft
gekränkt und gestützt worden. Dadurch besteht eine kolossale Wertung
dieser Schamgegend beim Kinde in positiver und negativer Art.
Trotz der Bedeutung, die die Erzieher den Funktionen dieser Teile
geben, konnte es dem Kinde nicht entgehen, daß die Produkte nicht in
entsprechender Weise von ihnen gewertet werden. Sie werden weggeschüttet.
Nach ihrer Produktion ist die hauptsächlichste Beachtung, die sie erfahren,
daß ja kein Spürchen von ihnen übrig bleibt, weder an den Händen, noch
am Gesäß, noch in der Luft. Selbst ihr Geruch muß aus dem Raum.
Die Funktionen werden also hochgeschätzt, das Produkt aber verachtet,
damit fördert man den Zwiespalt auch der Wertung der Organe.
Dieser Prozeß erhält neue Nahrung durch die Beobachtung immer
wiederkehrender Tatsachen: diese Gegend wird möglichst rasch verhüllt,
namentlich vor Fremden. Mutter und Vater zeigen sie nicht wie Gesicht
und Hände, ja verbergen sie offenkundig. Bei der Reinigung wird häufig
eilig über die Partien hinweggegangen, jedenfalls ihre Berührung im
Sinne des Kindes, das daran Freude empfindet, zu kurz gestaltet. Durch
all dies wird der psychophysische (leib-seelische) Vorgang der Scham ausgelöst,
der nun seine ererbten Äußerungen zeigt. Es ist bei der Scham (und
beim Ekel) wohl ähnlich wie beim Sprechen, Stehen und Gehen: sie muß
zwar im Einzelleben erlernt werden, aber die Lernfähigkeit, ja, die Lern-
notwendigkeit ist angeboren.
— 195 —
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Gestärkt und unterstützt wird diese Scham durch immer neue Maß-
nahmen. Der After darf nie berührt werden, sonst sind die Finger „ba“.
Das Genitale anzufassen, trägt Schelte, Drohungen und Strafen ein. Auch
die Verhütungsmaßnahmen, wie Festbinden der Hände, erscheinen dem
Kinde als schwere Ahndungen. Gar nicht selten werden Knaben von
neurotischen Eltern zu den drolligsten Maßnahmen gedrill, um nicht
einmal heim Urinieren das schreckliche Ding, vor dem die Mutter sich
so ekelt, anzulangen. Um diese Zeit gelingt es zumeist den Erziehern
mit mehr oder weniger gewaltsamen Mitteln, die Säuglingsonanie zu unter-
drücken, das normalerweise bestehende reflexartige Spielen am Genitale.
Um den Erziehern zu gefallen, — „so, jetzt habe ich dich lieb“, will es
hören, — nimmt das Kind wenigstens mit einem Teil seiner Person
diese Wertung der Schamgegend und bald ihrer Verrichtungen an; ja, da
eine gegenteilige Wertung, eine Vorliebe, gleichfalls besteht, aber verdrängt
werden muß, wird diese Scham häufig übermäßig verstärkt. Jede
Beschäftigung, auch jede gedankliche Beschäftigung mit der Schamgegend,
scheint verboten.
Oft hat es schlimme Folgen, wenn das Kind gegen einen starken
inneren Antrieb gehorsam ist. Dann wird der Gehorsam leicht zwangs-
mäßig. Er bleibt auch bestehen, wenn das Gebot überholt, ja, sinnwidrig
geworden ist. So kann es sich ereignen, daß eine dauernde Unfähigkeit
die Schamgegend am wirklichkeitsgerechten Arbeiten hindert. Neben
Darm- und Blasenstörungen können geschlechtliche Unzulänglichkeiten —
Impotenzen beim Mann, Kälte bei der Frau, Geschlechtsverirrungen und
Neurosen bei beiden Geschlechtern — auf diese Erlebnisse zurückgehen.
Die mangelnden Fragen des Kindes über sexuelle Dinge, die ungenügende
Stärke des Interesses und die Dummheit in Beschaffung und Verwertung
des sich sonst aufdrängenden Materials sind bereits Vorläufer der oben
genannten späteren Störungen. Häufig handelt es sich auch um eine regel-
rechte infantile Neurose, die sich außerdem in anderen Symptomen, wie
Angstanfällen, Zwangshandlungen, Charakterverbildungen, namentlich Trotz
und Jähzorn, und vor allem allgemeiner Dummheit, der häufigsten
neurotischen Erscheinung, äußert.
Auslösend hiefür sind nicht selten Ereignisse, die dem Kinde noch
besonders triftige Gründe geben, nichts von den wahren Zusammenhängen
bei der Entstehung von Menschen wissen zu wollen. Dafür ein kleines
Beispiel: Die Mutter eines vierjährigen Knaben erwartet ein Kind. Sie
will nicht, daß ihr Junge belogen werde, nimmt ihn daher eines Tages
auf den Schoß und erklärt ihm, daß er hier jetzt nicht mehr wie früher
herumtollen dürfe, weil in ihrem Leibe ein Geschwisterchen wachse. Auf-
merksam hört der Knabe zu und stellt auch einige Fragen, die sein Ver-
ständnis beweisen. Trotzdem verlangt er andern Tags ein Stückchen Zucker
für den Storch, damit dieser ein Schwesterchen bringe. Wieder erklärt ihm
die Mutter wahrheitsgetreu alles. Am dritten Tag wiederholt sich die
— 220 —
Szene. Als die Mutter aufs neue beginnt, wird sie von dem wütenden
Ausruf unterbrochen „Du lügst!“.
Also: das Kind will keine Aufklärung. Es will das Storchenmärchen.
Das ist ihm angenehmer, denn wäre es wahr, so brauchte es keine Rück-
sicht zu nehmen auf'den gemeinen Eindringling in die Mutter, der ihm
seinen bisherigen Alleinbesitz an diesem Liebesobjekt raubt. Niemand soll
ihr doch näher sein als er. Jetzt aber schon muß es deshalb Liebesspiele
lassen, aufliebendes Tollen verzichten. Wenn schon ein Konkurrent kommt,
— warum nicht eine lebendige Puppe, gern auch ein Spielgefährte, — so
doch einer von außen, ein Fremder, der der Mutter nicht so nahe kommt.
Eifersucht ist ein Hauptmoment, warum Aufklärung dem Kinde
unerwünscht sein kann. Ein anderes Kind kommt über diese Dinge viel-
leicht dadurch hinweg, daß es ständig Fragen stellt, ob bei ihm dasselbe
sich ereignet habe, verlangt immer wieder, erzählt zu bekommen, wie es
getragen und gestillt worden sei, und beruhigt sich in dem Gefühle, daß
es nicht schlechter gestellt sei als der Ankömmling. |
Noch deutlicher treten all diese Momente in der zweiten Frage- und
Aufklärungsepoche zutage. Hier ist der Tatbestand der bewußten Ver-
fehmung der Schamgegend meist längst gründlich festgelegt. Alles, was
mit ihr zu tun hat, ist Schweinerei. Und dieser Gegend soll man nun
entstammen.
Auch ist der Reiz der Aufklärung häufig zu stark. Das Kind scheut
vor der Erregung, die es packt, zurück. Oft kann man beobachten, daß
die Neugier, immer wieder geschürt durch tropfenweise von Kameraden,
die sich daran aufpeitschen, sexuell erregt Vorgetragenes, das Kind so auf-
wühlt, daß es davon gequält ist und sich aus Selbstschutz, und um weiter
ein braves Kind zu sein, vor neuen Mitteilungen abschließt. Nicht selten
tritt solches Nichtwissenwollen in Form des Ekels auf, der auch körper-
lichen Ausdruck finden kann. So begegnete mir mehrfach morgendliches
Erbrechen als Schutzmittel gegen gemeinsamen Schulweg mit Kameraden,
wodurch Zuhausebleiben oder Fahren erreicht wurden.
Und nun soll gar noch der Vater, der nur allzuoft Störenfried der lust-
vollen Spiele mit der Mutter war, eine wichtige Rolle dabei spielen. Meist
ist er, zu mindesten für einen Teil der kindlichen Persönlichkeit, ein not-
wendiges Übel, der Geldverdiener, Nahrungs- und Geschenkeverschaffer,
den man deshalb bei guter Laune erhalten muß. So kommt es, daß das
Kind, das doch so oft hört, es selbst oder andere ähneln dem Vater, das
weiß, daß der Vater irgendwie zu ihm gehört, nicht wahr haben will,
daß er etwas mit der Entstehung des Kindes zu tun habe. Und gewiß
will es meist nicht wissen, welch schmutzige Dinge mit welch ekelhaften
Organen dabei vorgehen. „So was tun meine Eltern nicht“, ist eine
häufige Antwort auf Erklärungsversuche durch Kameraden.
Sollen wir nun vor diesen Tendenzen zurückweichen und die Auf-'
klärung unterlassen? Ich glaube, die Frage ist falsch gestellt. Da Scham,
Ekel und Eifersucht, stark entwickelt, den Keim kommender Erkrankungen
darstellen können, oft schon kindliche Charakterverbiegungen und Neurosen
sind, ist es Aufgabe des Erziehers, deren Wucherung zu verhüten, beziehungs-
weise, wenn sie einmal eingetreten sind, sie abzubauen. Demnach muß vom
ersten Tage an dafür gesorgt werden, daß die Verrichtungen von Harn-
röhre und After ebensowenig als schlimm empfunden werden wie die des
Mundes. So gut wir nicht in den Fehler mancher Negerstämme verfallen,
die das Essen mit Scham bedecken,'! ebenso können wir Harn- und Stuhl-
verrichtungen zu gleichgültigeren Vorgängen werden lassen. Dazu
gehört, daß wir die ursprünglich bestehende hohe Wertung dieser Tätig-
keiten nicht selbst noch ins Groteske steigern, damit nicht die Scham, die
ererbt ist, übermäßig ausgebaut werden muß, um die lriebkräfte der
Harn- und Kotlust in Schach zu halten. Auch wird die Mutter und deren
Vertretung dadurch, daß sie das Kind nicht allzufest an sich bindet, es
von vorneherein daran gewöhnen, zu teilen, namentlich Zeit und Liebe
der Mutter. Wird all dies vermieden, so sucht das Kind die Aufklärung
und nimmt sie freudig als wertvollen Liebesbeweis entgegen. Dann wird
es nicht der Köchin glauben, die erzählt: Ganz weit weg ist ein Teich;
von dem holt der Storch irgend ein Kind heraus; das ist dann dein Bruder.
IINIIHIIHITHIKUIFTHIEBEBULSIKERUHTEHLHUHUADETLETDDIDDBERRENKTTU RL UROADBELEERADLDRGERARSLDDDERUAODRTRUUATREBEKDDDEEDDRKDKADSEEDDEKUDDDCODOEERRDPSODSIERTDLDDUKDERERROBAREERRR
Eltern, Schule und sexuelle Aufklärung
Von Hans Zulliger, Ittigen (Bern)
I
Die sexuelle Aufklärung der Kinder kommt in der Regel zu spät. Sie
müßte nämlich schon im vorschulpflichtigen Alter ihren Anfang nehmen:
dann, wenn das Kind sich mit der Frage beschäftigt, woher der Mensch
komme und wohin er gehe (Geburt und Tod). In der Regel fangen diese
Fragen die Kinder dann an zu beschäftigen, wenn ein Geschwisterchen
ankommt, oder wenn in der Nachbarschaft ein Kind geboren worden ist.
Alsdann rückt das Kind mit Fragen sexuellen Inhaltes heraus, und je nach
seiner Verschüchtertheit stellt es sie mehr oder weniger direkt.
Ein Kind z. B., dem man einst mit der Kastration drohte, als es mit
seinen Genitalien spielte, und dem man immer als unanständig verbot,
etwas über seine „unteren Körperpartien“ zu sprechen, wird schon als
Vierjähriges auf eine Art fragen, daß der. eigentliche Zweck der Frage
nicht offen zutage liegt. Denn sexuelle Dinge sind für es bereits mit dem
Tabu belegt, die Verdrängungsmechanik müßte durch die Erwachsenen
ı) Immerhin „darf man“ bei uns nicht auf der Straße essen.
a
are
Te ee ee =
schon durchschaut werden können. Man hört Eltern nicht selten über
die leidige „Fragesucht“ ihrer Vierjährigen klagen, die sie nicht ver-
stehen können. Es handelt sich um Kinder, die die Frage der Fragen
dieses Alters stellen möchten: „Woher kommen dieKinder, woher
kam ich?“ Sie wissen es jedoch selber nicht, was sie eigentlich fragen
möchten — von der sexuellen Frage ist ihnen bewußt nur noch der
Drang zum Fragen (Fragen allgemeiner Art) zurückgeblieben. Aufgeklärte
Kinder zeigen diese Fragesucht nie. Denn ihr Fragedrang wurde weder
von seinem eigentlichen Ziel durch Verbote abgelenkt, noch wurden sie
durch eine barsche elterliche Antwort auf eine Frage sexuellen Inhaltes
dahin gebracht, plötzlich und traumatisch eine brüske Ablehnung zu
erfahren, die sie zum Verdrängen zwang.
Oft „verwächst“ ein Kind seine Fragesucht, die von vier bis sieben Jahren
bestand, wenn es schulpflichtig wird. Und fast ebensooft geht alsdann
diese Fragesucht in eine „Lesesucht” über. Das Kind sucht aus seiner
Verdrängung heraus entweder Ablenkung, oder, wo es sich eine infantile
Sexualtheorie zurechtdachte, hofft es in den Büchern irgendwie eine
Bestätigung zu finden. Was ihm seine Eltern oder Pflegepersonen vor-
enthielten, könnten ihm die Bücher verraten.
Ich habe in meinen Schulklassen mehr denn einmal einen „Leseratz“
gesehen, der mit seiner Süchtigkeit fast plötzlich aufhörte, nachdem er entweder
von einer erwachsenen Person ernsthaft aufgeklärt wurde, oder nachdem
es ihm gelang, das berühmte „Doktorbuch” heimlich zu erwischen.
Eine Mutter brachte mir einmal ein zehnjähriges Mädchen, das an
Lesesucht litt. Ich fragte, ob es aufgeklärt worden sei. Die Frau bejahte
es und meinte, gerade diese Tatsache bringe sie in Erstaunen. Es sei ihr
bekannt, was die Kinder in den Büchern eigentlich suchten, nämlich
sexuelle Aufklärung; so behaupteten ja die Psychoanalytiker. Sie war sehr
geneigt, die „psychoanalytische Ansicht über die Bedeutung der Lesesucht“
in Zweifel zu ziehen. — Das Mädchen war, wie sich später herausstellte,
mit neun Jahren von der Mutter aufgeklärt worden. Vorher hatte man
ihm gesagt, die Kinder kommen vom Storch, oder die Hebamme bringe
sie, oder man grabe sie unter einem Findling im Walde hervor. Es waren
Erwachsene (Erwachsene sind für Kinder bis zu neun Jahren immer
„Autoritäten“) gewesen, welche so widersprechende Antworten auf die Frage
der Herkunft des Lebens gegeben hatten. Das gab dem Mädchen zu denken,
es traute schließlich keinem Erwachsenen in der Sache
mehr und bildete sich die sogenannte „anale Geburtsth eorie"“ als
Erklärung und Antwort. Als es dann von der Mutter „richtig“ aufgeklärt
wurde, glaubte es ihr nicht recht und suchte in den Büchern die Bestätigung
für seine eigene Theorie.
Es ist eigentlich unvollständig, wenn von einer „analen“ Geburtstheorie
gesprochen wird. Denn zu ihr gehört die „orale Zeugungstheori e”.
Eine Schülerin hat sich mir gegenüber folgendermaßen geäußert:
f
|
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j:
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En a ng ne ee
Me
Tr eu
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„Ich habe mir gedacht, der Vater gibt der Mutter etwas zu essen. Eine
Medizin. Und daraus entsteht das Kind, und dann kommt es hinten heraus,
wenn es gewachsen ist.“
Andere Kinder teilten mir ähnliche Phantasien mit: der Pfarrer oder
der Zivilstandesbeamte hätten dem Manne etwas, ein geheimes Mittelchen,
übergeben, als sich die Eltern trauen ließen, der Vater habe dann davon
der Mutter übergeben, und so sei ein Kind entstanden. Häufig glauben
Kinder, die schon junge Vögelchen oder Küchlein haben ausschlüpfen sehen,
der Vater lasse die Mutter Eier essen, und diese gingen dann im Leibe
der Mutter aus, und so entständen die Kinder.
Auf einer späteren, mehr verdrängenden Entwicklungsstufe kommt dann
eine neue Annahme hinzu. Man findet es für unschicklich, daran zu denken,
daß das Kind aus dem After ausgetreten sei. Dann glauben viele Kinder,
sie seien aus dem Bauchnabel hervorgekommen.
Oft jedoch bleibt die oral-anale Theorie bestehen bis ins spätere Alter.
Eine Frau Pfarrerin mit einer Schar Kinder erwartete ihr Nesthäkchen,
als die ältesten Töchter schon ı8- und ı6jährig waren. Und nun vernahm
ich die unglaublich „reine“ Vorstellung der Achtzehnjährigen, die aus
folgendem Gespräche ersichtlich wird:
Mutter: „Jetzt nimmt dich wohl wunder, liebe Klara, woher denn die
kleine Hanna kam?“ (Die Mutter hat die Älteste aufklären wollen, weil sie
es jetzt doch schließlich an der Zeit fand.)
Klara: „Ich weiß schon, ein Engel hat Hanna gebracht!”
Die Mutter unterläßt es, Tränen in den Augen über die Reinheit ihrer
Tochter, diese mit dem wahren Sachverhalt bekannt zu machen. Zwei Tage
später drückt sich die Klara an ihre Mutter heran.
Mutter: „Willst du mich etwas fragen ?”
Klara, errötend: „Ja, Mutter, mich quält noch eine Frage wegen der
kleinen Hanna. Aber ich darf fast nicht fragen ?”
Mutter: „Sprich nur, liebes Kind!“
Klara: „Ich möchte nur eines wissen: wo kam der Engel herein?
Kam er vorn durch die Küche oder kam er hinten durch die
Stube herein? Sag’ mir nur dieses, liebe Mutter, damit ich wieder
schlafen kann, ich dachte die ganze Nacht darüber nach!”
Für den psychoanalytisch Orientierten besteht kein Zweifel, wieso eine
scheinbar so „dumme“ Frage die Jungfrau derart intensiv beschäftigte, daß
sie nicht schlafen konnte. Die von ihr — wahrscheinlich unter dem Ein-
flusse ihrer in sexuellen Dingen sehr streng denkenden Eltern — längst
unterdrückte, verpönte und als höchst peinlich empfundene Frage nach der
Herkunft der Kinder beschäftigte sie. „Ist das Kind vorn oder
hinten herausgekommen’?“ so lautet die Frage eigentlich. Aber wir
‘dürfen darin wohl auch die Frage nach der Zeugung vermuten: „Wo kam
der Engel ins Haus herein?“ Aus den Traumanalysen kennen wir die
Bedeutung des Hauses (auch aus dem Sprachgebrauch „Ein altes Haus“ —
„Holz vor dem Haus“ [Brüste] usw.). Die Frage lautet also auch: „Wie
— 230 —
und wo kam das Kind in die Mutter hinein?“ Wir wissen
jedoch auch, was „Küche“ symbolisch bedeutet, und wenn wir gar ver-
nehmen, daß Klara ausdrücklich sagt „... vorn durch die Küche... .“, dann
sind wir nicht mehr im Zweifel, was damit gemeint ist, und was dann
jenes „... hinten durch die Stube. .“ zu bedeuten hat.
Klara ist darüber im Zweifel, ob das Kind anal oder
genital geboren und gezeugt werde. Was sie von ihrem
Bewußten ängstlich als peinliche und verpönte Gedanken abhielt, beschäftigte
sie unbewußt halt doch — ihre Gedanken konnten jedoch infolge der
Verdrängung nicht mehr anders als symbolisch zum Ausdrucke kommen.
2
Ein kleiner Jude hat mir einst eine interessante Geburtstheorie gebracht,
die mit der Beschneidung zusammenhing,
Er litt an hysterischen Schmerzen in der Blinddarmgegend, die physisch
ganz unbegründet waren. Dies war neben seiner Renitenz eines der Haupt-
symptome. Weil er sich zu Hause schlimm verhielt, schickte man ihn zu
mir in Heilbehandlung — dem Blinddarmsymptom schenkte man im
Elternhause keine Beachtung mehr, nachdem der Hausarzt versichert hatte,
der Junge sei durchaus nicht blinddarmkrank.
Der Bub stellte sich vor, daß die Kinder im Blinddarm entstehen.
Den Männern würde, wie seinem Vater, seinem Onkel usw., der Blinddarm
weggeschnitten, deshalb wären die Männer nicht imstande, Kinder zu
bekommen. Den Frauen, die den Blinddarm noch besaßen, wachse darin
von Zeit zu Zeit ein Kind und trete dann durch den Anus aus.
Die Eltern des Knaben hatten es unterlassen gehabt, den Jungen
beschneiden zu lassen. Kameraden aus der konfessionellen Schule, die er
in seiner Heimatstadt besuchte, sah er während des Badens als Beschnittene,
und da er nicht war, wie die anderen, hielt er sich für minderwertig: er
war über seine Geschlechtsrolle im Zweifel.
Das Herausnehmen des Blinddarms hielt er (in dieser Schichte der
Behandlung) als ein Äquivalent für die Beschneidung. Er wollte sich den
Blinddarm herausnehmen lassen: das bedeutete, er wollte sich beschneiden
lassen, um ein männliches Kind zu werden. (Später kam heraus, daß er
sich vor der Beschneidung seines Gliedes fürchtete; sie bedeutete für ihn
die symbolische Kastration, und da wurde es klar, warum er lieber den
Blinddarm als den Penis hergeben wollte.)
Sehr häufig stellen sich die schon älteren Kinder die Zeugung und
Geburtals einen sadistischen Akt vor. Die Hebamme schneidet
der Mutter den Leib auf. Der Vater würgt und schlägt die Mutter, dann
entsteht ein dicker Leib, darin wird ein Kind (Analogieschluß: wenn man
jemand schlägt, so schwillt die betroffene Stelle auf —?).
Vierzehn- und fünfzehnjährige Mädchen, die teilweise schon mitten in
der Pubertät drin stehen, haben mir folgende Fragen gestellt:
Be) Va
Re Tr
a m ee : u .
BE A re a Fe Fe
„Warum bekommen die Mädchen nicht den Stimmbruch ?“
„Weshalb bekommen die Mädchen keinen Schnurrbart ?”
„Wieso erhalten die Knaben die Periode nicht?“ (Menses.)
„Wieso bleiben bei den Knaben die Brüste immer klein ?”
„Warum bedarf man bei der Geburt der Hebamme?“
„Wo kommt das Kind aus dem Mutterleibe heraus ?“
„Was hat der Bauchnabel zu bedeuten?”
„Wie kommt das Kind in die Frau hinein ?“
„Wieso gibt es Zwillinge ?”
„Ist es wahr, dal3 eine Geburt so schmerzhaft ist a“
„Was heißt das, eine Fehlgeburt ?”
„Warum müssen die Frauen Röcke tragen, und warum dürfen die Männer
Hosen anhaben ?“
Knaben des gleichen Alters sind weniger entwickelt, stärker in sich gekehrt,
die Teilfragen der Sexualität beschäftigen sie nicht so stark. Möglicher-
weise begnügen sie sich auch eher mit der Aufklärung, die von Kameraden
kommt, von Knechten, von der Gasse. Sie fragen hie und da wegen
der sekundären Geschlechtsmerkmale, verraten sich gelegentlich als
Masturbanten (— vielleicht fragen sie aus Schuld-
gefühlen weniger als die Mädchen —) und geben sich nach
meinen Beobachtungen mehr in anal-sadistischen Spielen sexuell
aus, denn in sexueller Neugier. Es ist so, als ob das sexuelle Problem
in diesem Lebensalter für sie nicht so brennend wäre als für ihre gleich-
alterigen Schulgenossinnen.
Kinder, die auf der Gasse mehr oder minder genau aufgeklärt worden
sind, verlangen doch nach Aufklärung durch eine erwachsene
Vertrauensperson. Wieso dem so ist, war mir lange Zeit ein Rätsel,
bis mir einst eine Schülerin mitteilte - „Wenn Sie es mir sagen
dann kann man es glauben, und dann ist es nicht so
dreckig I“ Dieser Ausspruch verrät schlaglichtartig, was die Eltern
versäumen, wenn sie die Gelegenheiten unbenutzt lassen, um ihre Kinder
aufzuklären: sie verlieren dabei das Vertrauen ihrer Jungen und
Mädels! Das ist später schwer wieder gut zu machen, und die meisten
Eltern gewinnen es nie wieder.
3
Wir haben im Sittenunterrichtt Lügen der Schüler gesammelt und
besprochen. Dabei hielt ich darauf, wo immer möglich das Ideal der
‚Wahrhaftigkeit hoch zu halten.
(Es gibt Fälle, wo dies unmöglich ist, z. B. wenn ein Knabe aussagt:
„Der Vater kommt betrunken heim. Seinen Zahltag hat er verspielt und
vertrunken. Er weiß, daß Mutter noch Geld hat. Ich weiß es auch und
weiß wo. Der Vater verlangt von der Mutter Geld. Sie sagt, sie habe
keines mehr. Er kommt zu mir und sagt, ich solle ihm das Versteck
verraten, wo die Mutter das Geld verborgen hält. Ich sage, ich wisse von
nichts, denn ich weiß, das Geld ist nötig, um Lebensmittel zu
kaufen, und er würde es nur vertrinken und verspielen. Da darf ich doch
lügen ?“)
Wir kommen schließlich, nachdem wir alle Sorten von Lügen geprüft
haben, nach der Formel: „Wäre es in diesem Falle nicht möglich gewesen,
die Lüge zu vermeiden ?* dazu, die Regel aufzustellen, daß eine Lüge nur
dann erlaubt sei, wenn sich der Mensch entscheiden müsse zwischen der
Wahrhaftigkeit als dem niedrigeren und einem höheren Ideale.
Da fliegt auf einmal eine Hand auf:
„Lehrer, dürfen denn die Erwachsenen lügen?” „Die
Erwachsenen ? Wen meinst du damit?” „Die Großen — die Eltern —
(zaghaft:) die Lehrer!“ „Wie hat man euch Kinder denn angelogen ?"
Da gibt es hohnvolles Gelächter: „Vom Osterhasen — vom Weihnachts-
kinde — vomStorch!” Das letzte klingt wie Wut. Und ein Junge, dessen
Stimme schon im Stimmbruch schwankt, erklärt trotzig: „Die Großen
(Erwachsenen) lehren einen das Lügen! Wenn sie einen so blöd
mit dem Storche betrügen, so hat man ganz recht, wenn man
sie auch belügt und betrügt, wo man kann!"
Eine neue Perspektive! Die Lügenhaftigkeit der Kinder basiert oft —
vielleicht überhaupt — auf der sexuellen Verlogenheit der Erwachsenen.
Diese enttäuscht und erbittert stärker, als wir so obenhin anzunehmen
geneigt sind. Bei näherem Zusehen wird auch ganz klar, warum das so ist.
Ich habe einmal, nämlich im Anschluß an die Sittenlektionen über die
Lüge, die Klasse gefragt: „Warum möchtet ihr denn so gern wissen, wie
die Kinder entstehen?“ und ich erhielt prompt zur Antwort: „Wir
wollen wissen, woher wir kommen!“
Die Frage nach der Herkunft des Menschen ist eine sehr persönliche
Frage, eine persönlichere als beispielsweise die der Herkunft des Kaffees
oder der Baumwolle. Je persönlicher der Mensch mit einer Frage verhängt
ist, desto schmerzhafter und brennender bedrängt sie ihn. Und wenn er
weiß: Ich könnte Auskunft erhalten, ich könnte aus dem Dilemma
heraus, wenn man mir gut wollte, aber man will nicht, — dann muß er
mit Zorn, Haß und Rachegefühlen reagieren. Das Kind, das man
in seinem Gefühlsleben mit den temperamentvollen Primitiven gleich-
gesetzt hat, wird heftiger reagieren, als es der zivilisiertere erwachsene
Europäer tun würde.
4
„Wer soll aufklären?“ das ist die oft gehörte Frage. Sollen es die
Eltern, soll es die Schule tun?
Es scheint klar, daß die Eltern es tun müßten. Denn wenn die sexuelle
Aufklärung richtig vorgenommen wird, so beginnt sie schon sehr früh,
jedenfalls vor dem schulpflichtigen Alter. Außerdem sollen sich die Eltern
durch ihre Aufklärung in dieser persönlichsten aller Fragen das Vertrauen
der Kinder erhalten und festigen — ein Vertrauen, auf das gestützt später
— 1233 —
alle sexuellen Verwicklungen und Verirrungen viel besser umgangen oder
beseitigt werden können. Denn durch die Erhaltung des Vertrauens gerade
in sexuellen Dingen wird bewirkt, daß der Jüngling und die Jungfrau
auch später, nach Eintritt der Reife, bei ihren Vertrauensleuten Rat in
ihren Nöten holen.
„Wie soll man aufklären?“
Da gibt es verschiedene Wege. Am besten ist wohl, man stellt dem
Kinde bei seiner sexuellen Frage vorerst die Gegenfrage: „Wie stellst
du es dir denn vor — was denkst du, wie es sei?“ oder ähn-
lich. Dann kann man sich am besten einfühlen und infolgedessen am
angepaßtesten antworten. Und man antwortet nuraufdie Teil-
frage, die das Kind gestellt hat. Ein Vierjähriger fragt noch nicht nach
der Bedeutung des Vaters (Mannes) bei Ehe und Zeugung. Ihn wird nur
interessieren: „Wo war ich vor der Geburt?“, und es genügt ihm voll-
kommen, wenn ihn die Mutter belehrt: „Du schliefst unter meinem
Herzen, bis du groß genug warst, um auf die Welt zu kommen!“ Erst
nach längerer Zeit wird der Junge fragen: „Wo kam ich denn heraus?“ —
und viel später noch: „Wie kam ich denn in dich hinein?“
Ich habe weiter oben angedeutet, wie ältere Schüler über sexuelle
Dinge fragen. Vielleicht hat meine Aufzählung der Kinderfragen glauben
lassen, sie wären nacheinander während einer Besprechung gestellt worden.
Dem ist nicht so. Es lagen wochen- und monatelange Zeiträume dazwischen.
Jede beantwortete Frage beruhigt das Kind für eine geraume Zeit, und
erst später tauchen neue Fragen in ihm auf.
„Sie haben als Lehrer aber doch aufgeklärt?“ sagt man mir. Gewiß!
Warum sollte dies ein Lehrer nicht tun dürfen! Es kommt dabei nicht
ungefähr, sondern ganz auf das „Wie“, auf das persönliche Ver-
hältnis zwischen Schüler und Lehreran.
Die Eltern leiden in der Mehrzahl selber an sexuellen Hemmungen
und Verklemmungen, die sie hindern, gegen ihre Kinder offen und natürlich
zu sein. „Wir können die Aufklärung nicht übernehmen; wenn Sie sie
auf sich nehmen wollen, so ist es uns recht!” — diese Erklärung habe
ich schon oft von Eltern ausgesprochen gehört, wenn ich sie von der Not-
wendigkeit überzeugte, daß sie eines ihrer Kinder aufklären sollten. Andere
sagen direkter: „Wir schämen uns, etwas zu sagen!“ Wieder andere
erklären: „Das ist Sache der Schule oder des Unterweisungsunterrichtes!“,
oder aber: „Wozu haben wir einen Schularzt ?!“
Im kirchlichen Unterweisungsunterrichte, an vielen Orten auch durch
Schulärzte, ist bei den austretenden Schülern der Versuch einer Massen-
aufklärung gemacht worden. Massenaufklärung ist in der Regel ein
verfehltes Unterfangen. Das könnte nicht einmal der Lehrer tun, der die
Kinder ein oder mehrere Jahre unter seiner Obhut hielt und genau kennt,
geschweige denn ein Geistlicher, der die Kinder während des spärlichen
Unterweisungsunterrichtes sah, oder gar ein Mediziner, der besonders dazu
— 134 —
a
herkommt. Zuerst muß der gefühlsmäßige Kontakt vorhanden
sein. Und auch dann noch wirkt eigentlich nur das Gespräch unter
vier Augen.
Wo der Lehrer die Erlaubnis der Eltern erhält, oder wo er gar
darum gebeten wird, darf er aufklären, und wenn er es als eine
persönliche Sache nach oder außerhalb der Schule unter vier Augen tut,
da wird sein Vertrauen von den Schülern sicherlich nie mißbraucht. Ich
dürfte mich nicht beklagen, je so etwas erlebt haben zu müssen.
Ö
Als mein Erster vier Jahre alt war, wurde er aufgeklärt über die
Geburt: Als später sein um zwei Jahre jüngeres Schwesterchen vier Jahre
und er sechse alt war, brachte er ihm ein Buch, worin der Storch am
Kindleinteich abgebildet ist. Die Kleine war damals auch aufgeklärt.
Dennoch redeten die beiden nun, als ob sie an die Storchenfabel glauben
würden.
Später einmal erwischte die Kleinste das Buch, und sie glaubte an die
Abbildung — also an das Storchenmärchen.
Da gaben die beiden anderen auf einmal ihre Überlegenheit kund,
indem sie die Kleinste belächelten und die Mutter zum Zeugen anriefen,
daß sie alle drei als ganz klein in der Mutter geschlafen hätten.
Dieses Zurückkommen und Wiederverlassen der Auffassung der Geburt
im Sinne der Storchenfabel ist nicht Einzelerscheinung. Viele anderen
Eltern haben ähnliches beobachtet.
Offenbar hat das Storchenmärchen etwas an sich, was der Phantasie
der Kinder in einem gewissen Alter mehr entgegenkommt als die realen
Tatsachen. Vom psychoanalytischen Gesichtspunkt aus bedeutet das Storchen-
märchen gar nichts so Unsinniges — es liegt in seiner Symbolik dem
Kinderdenken wohl wenigstens ebenso nahe, wie eine wirklich sachgemäße,
materialistische Erklärung. Wahrscheinlicherweise liegt darin ein Stück
uralten Volksgutes wie etwa in den Sagen und Mythen. Darum die
„Affinität“ des frühkindlichen Gemütes für die Storchenfabel. Wo aber
ein Kind ins „Realitätsalter“ hineinkommt, da ist es für seine Erzieher
höchste Zeit, das Storchenmärchen zu berichtigen.
Ö
Wo ein Lehrer sieht, daß einer seiner Schüler oder Schülerinnen um
der sexuellen Frage willen in arge Not gerät und das Kind zu ihm
kommt und ihn um Hilfe bittet, da könnte er in die Lage kommen, ihm
ohne Erlaubnis der Eltern aufklärend zu helfen, |
Er steht alsdann vor zwei Übeln: er kann das Kind aufklären und
muß erwarten, daß es möglicherweise zu Hause etwas davon berichtet,
und dann ist er dem Haß und der Verfolgung der Eltern ausgesetzt, denn
er hat kein im Lehrplan verbrieftes Recht zur sexuellen Aufklärung. Oder
N I EE
aber, er will sich lieber nicht „aufs Glatteis“ begeben, er schützt sich
von der oben bezeichneten möglichen Gefahr und unterläßt die Auf-
klärung. Das Kind, das in Not ist, wird dann irgendwo anders her,
vielleicht auf der Gasse, Aufklärung suchen. |
Ich gestehe, daß ich in solchen Fällen die Aufklärung ohne Bedenken
auf mich nahm. Die pädagogische Pflicht — so erscheint mir
— gehtvor der persönlichen Sicherheit und der Bewahrung
von etwelchen Kämpfen und Verantwortungen. Was mich betrifft, so sind
mir bei solchen Maßnahmen noch nie irgendwelche durch die aufgeklärten
Kinder verursachten Schwierigkeiten erwachsen. Kinder haben auch Takt,
oft nicht weniger als etwa die Erwachsenen ..,
Manchmal kommen die Kinder mit „heiklen“ Fragen. Eine
Fünfzehnjährige hatte z. B, zu Hause „so Dinger gefunden“, die ihre
Neugier erweckten, und von denen sie aus bestimmten Gründen überzeugt
war, daß sie mit dem Sexualleben ihrer Eltern zusammenhängen mußten.
Die „Dinger“ beschrieb sie mir deutlich als Kondoms,
„Ich habe gedacht,” teilte sie mir vertrauensvoll mit, „vielleicht geben
Sie mir Auskunft. Und was Sie mir sagen, das kann ich glauben. Und es
wird wohl nichts Schlechtes sein, wenn Mutter und Vater damit zu tun
haben —. Es nimmt mich halt sehr wunder! Und wenn man mich
abweist, so nimmt es mich noch viel mehr wunder!“
Sie hatte schon die Mutter gefragt, diese hatte sie jedoch schroff
abgewiesen. Deshalb kam sie nun zu mir. Nachdem ich mich überzeugt
hatte, daß sie wirklich nicht wußte, zu was man die „Dinger“ gebrauchte,
fragte ich, wieviele Kinder zu Hause seien — es handelte sich für eine
Arbeiterfamilie um eine beträchtliche Schar. Und dann sagte ich: „Siehst
du, da werden deine Eltern denken, sie haben genug zu schaffen, um
euch acht Kinder ernähren und schulen zu können. Du bist die älteste,
kommst bald aus der Schule, und dann willst du in eine Berufslehre —
das kostet den Vater wiederum viel Geld. Darum werden deine Eltern
wohl beschlossen haben, sie wollen, wenn möglich, kein weiteres Kind mehr
bekommen. Und nun gibt es sogenannte Verhütungsmittel. Die sollen ver-
hindern, daß eine männliche und eine weibliche Zelle sich treffen. Und
ich denke, was du zu Hause im Nachttischehen gesehen hast, ist ein
solches Verhütungsmittel.“
Die Schülerin gab sich mit der Erklärung zufrieden. Sie hatte mit
großem Ernst zugehört und blickte mich dankbar an, als sie von mir
wegging.
Ein gleichaltriger Bub versuchte mich einmal auf die Probe zu stellen,
indem er mich fragte: „Lehrer, wieso kommt das? Da wohnt bei uns
zuoberst im Haus in einem Dachzimmerchen ein Fräulein, das schafft
nichts. Am Abend geht sie in einer vornehmen Toilette weg, in der Nacht
oder am Morgen früh kommt sie im Auto zurück, oft betrunken, und oft
sind Herren bei ihr. Wo nimmt die das Geld zu ihrem Leben her?“
za 230 —
Ich spreche zuerst die Vermutung aus, vielleicht besitze sie Geld, und
da verrät er sich, indem er es verneint und aussagt: „Die Mutter
hat gesagt, die verdieneihr Geld — ‚anders —!“
Nun frage ich ihn, warum er denn nicht die Mutter gefragt habe —
und ob ich etwa für ihn die Mutter fragen solle. Da verliert er seine
Haltung, bekommt Angst, ich könnte mit seiner Mutter reden, und er
gesteht mir, daß er weiß, daß es sich um ein „chlechtes Mädchen”
handelt, und daß er mich habe „ans Seil nehmen wollen“, weil er
dachte, ich wage es doch nicht, ihm Auskunft zu erteilen. Er bat mich
alsdann für seine schlimme Absicht — ohne mein Drängen — um
Verzeihung, die ich ihm gewährte, und ich konnte in der Folge mit
dem Burschen anfangen, was ich wollte, er war wie umgewandelt, und er
wäre für mich durchs Feuer gegangen.
Ich meine, der Lehrer darf sich nicht durch heikle Fragen verblüffen
lassen. Wo er nicht in Angst gerät, findet er auch daraus einen Ausweg,
und wo ihm dies gelingt, gewinnt er die Schüler für ein Vertrauens-
verhältnis, das moralische und intellektuelle Früchte zeitigt. Denn das gute
Gefühlsverhältnis zwischen Lehrer und Schüler ist nicht unbedeutend für
die intellektuellen Leistungen des Schülers."
”
Die Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hat unter
ihrem Patronate „Aufklärungsfilm e“ herstellen und aufführen lassen.
Sie sind ebensogut gemeint, wie die medizinische Massenaufklärung in
den Schulen bei den Austretenden.
Sie haben jedoch einen großen Nachteil: sie wirken abschreckend
und oft neurosenfördernd. Einige junge Leute, welche die Filme
sahen, haben mir nachher schaudernd erklärt, sie hätten auf der Straße
jeden Menschen beobachten müssen, ob er nicht Anzeichen von Syphilis
zeigte. Ein junges Mädchen erklärte mir: „Ich sah mir jeden jungen
Mann an und dachte: „Bist du wohl auch so ein Schuft?"
Damit will ich nur andeuten, daß derartige Aufklärungsarbeit Schäden
entstehen lassen kann. Sie wirken weiter als die Ärzte, die die Herstellung
der betreffenden Filme begünstigten oder veranlaßten, voraussahen und
beabsichtigten. Die Ansteckungsangst, wie man sie bei vielen
Neurotikern vorfindet, wird genährt und ist imstande, die natürliche
Verbindung mit dem anderen Geschlechte zu unterbinden. Sexuelle Auf-
klärung tut not, gewiß, aber sie dürfte nicht in sexuelle Abschreckung
ausarten.
Die Einsicht, die aus dem Verhalten vieler junger Menschen zu den
Aufklärungsfilmen gewonnen werden kann, überzeugt uns noch stärker,
daß alle Aufklärung eigentlich persönlich geschehen müßte. Ärztliche
ı) Vgl. „Gefühlsverhältnis und intellektuelle Leistung“ in meinem Buche „Gelöste
Fesseln“. Verlag Alwin Huhle, Dresden.
Autoren haben für die Kinder kleine populäre Aufklärun gs-
schriftchen geschrieben. Zahlreiche Eltern, die gerne in der Sache
etwas an ihren Kindern tun wollen und doch das offene Wort nicht
wagen, machen es nun so, daß sie ihren Kindern einfach so ein Schriftchen
diskret in die Hand drücken: „Da, lies!“
Solches Vorgehen ist verfehlt: es braucht unbedi ngt das
gesprochene Wort, nicht das geschriebene! Das Kind soll fra gen,
diskutieren können, und die beste derartige Aufklärungsschrift ist
niemals imstande, alle die kindlichen Fragen zu beantworten, weil die
Fragen der Kinder anders lauten, als sich der Erwachsene vorstellt, und
weil sie bei jedem Kinde wieder anders lauten: ein Kind ist von der
einen, ein anderes von einer anderen Teilfrage bewegt.
Schließlich sollten in den Seminarien die jungen Lehrer
richtig aufgeklärt werden. Man könnte dies sachlich tun im Unterricht
über den Bau des Menschen, und im Psychologieunterricht sollte man
sich auch nicht scheuen, die Fragen zu berühren. Es gibt nicht
‚bald einen Stand wie den der Lehrer, der so viele
„nervöse“ Leute aufweist, und, nachdem die Ätiologie der Neurosen
bekannt ist (Freud), könnte möglicherweise noch in den Seminarien viel
zurechtgebogen oder im Sinne einer Prophylaxe verhindert werden,
was sich heute zu Neurosen auswächst. Einer Lehrerschaft, die
selber weniger unter sexuellen Hemmungen und Ver-
klemmungen litte, würde es nicht so schwer fallen, sich
über sexuelle Themen mit ihren Schülern zu unter-
halten, sie fände auch eher und leichter den Weg, um mit den Eltern
ihrer Schüler zu sprechen und ihnen Anleitungen darüber zu geben, auf
welche Art diese ihren Kindern Aufklärung erteilen könnten.
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Sexuelle Aufklärung ist Sache der Eltern. Wo es diese jedoch nicht
tun können und wollen, da muß die Schule stellvertretend einspringen.
Die Schulaufklärung darf niemals Massen-, sondern muß unter allen Um-
ständen Individualaufklärung sein und schon früh einsetzen. Spätere Auf-
klärung wirkt nur als Bestätigung, Klärung und Reinlichmachung, wo
Schulkinder auf sch mutzige Art aufgeklärt worden waren. Vor der
Schulentlassung sollte der Lehrer (wo es die Eltern nicht
tun) seine Schüler mit den Gefahren desauß erehelichen
Verkehrs bekannt machen (Geschlechtskrankheiten, Verhütungs-
mittel), damit die Möglichkeit geringer werde, daß junge
Leute ins Unglück kommen, sei es durch Ansteckung
oder durch uneheliche Zeugung. Hier gilt nur ehrliche
Offenheit!
Wo ein Kind in Not ist, hat der Lehrer die Pflicht, zu helfen, wo er
helfen kann, auch wenn er sich dabei exponiert: er ist für das Kind
da, und nicht das Kind für ihn!
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Es ist zu hoffen, daß die Erfahrungen und Wirkungen der Psycho-
analyse und der Sexualforschung in absehbarer Zeit eine Menschheits-
generation entstehen lassen, die weniger verdrängt und weniger prüde ist,
so daß die Elternaufklärung etwas Selbstverständliches wird. Darum halte
ich es für verfrüht und verfehlt, wenn von gewisser Seite her angestrebt
wird, daß der Staat die sexuelle Aufklärung in der Schule lehrplanmäßig
vorschreibe.
Wo die Eltern aufklären, wird die Schulaufklärung überflüssig.
Wenn diese heute notwendig wird, so bedeutet sie nichs weiter als einen
vorläufigen Notbehelf.
ITTITRTTNTTTTTITTTRTTTNITNITTNITTITNTTTTHTITTTTTL TITEL TTLTTU LITT LIT TUT AITTITTTITIU TUT TTUTTUTPULTET ETUI EUUU UT PIPU EU
Vom Gegensatz der Generationen
Von Nelly Wolffheim
I
Es ist offenkundig, daß zwischen den Generationen — zwischen Eltern
und Kindern — ein Gegensatz besteht. Man irrt sehr, wenn man annimmt,
daß die sich abspielenden Konflikte erst in unserer Zeit in
Erscheinung traten. Bereits in der Geschichte der Urvölker hören wir
vom Kampf der Söhne gegen den Stammivater. Die Rivalenschaft zwischen
Vater und Sohn fand in vielen Mythen Darstellung. Im besonderen sei
da an die Sage vom König Oedipus erinnert; die Furcht der älteren
Generation vor der nachfolgenden und das Besitzergreifen der jüngeren haben
in dieser Verarbeitung eine klassische Darstellung gefunden.
Wer Märchen und Sagen auszulegen weiß, wird in ihnen eine Fülle
von Andeutungen und Symbolisierungen finden, die auf unser Thema
zurückgehen. Die bösen Stiefmütter der Märchen stehen an Stelle der
Mütter im allgemeinen. Die Schneewittchen-Stiefmutter sucht sich ihrer
Tochter zu entledigen, weil sie auf deren Schönheit eifersüchtig ist und
fürchtet, hinter ihr zurückstehen zu müssen. Aschenbrödel darf nicht mit
auf den Ball gehen und sticht, als es ihr doch gelingt, die Mutter (und
die sie auch symbolisierenden Schwestern) aus. In anderen Märchen und
Sagen werden Riesen — die Väter — von ihren Gegnern, den Zwergen —
also den Kleinen, den Kindern — bekämpft. Könige — als Vatersymbol —
stehen in Konflikt mit ihren Untertanen.
Alles dies sind dem Leben entlehnte Stoffe. Eifersucht und Rivalenschaft,
Herrschsucht und der Kampf gegen sie werden als etwas allgemein Vorhandenes
aufgefaßt, da eben Sagen und Märchen Typisches zum Ausdruck bringen. Die
feindlichen Triebe der Generationen gegen einander wirken auch noch heute
in den Menschen, doch hat die Kultur dafür gesorgt, daß sie ins Unbewußte
verdrängt werden und daher weniger stark zur Auswirkung kommen. Wir
schenken in der neueren Zeit dieser Materie mehr Aufmerksamkeit,
wissen und erfahren heute mehr von den Konflikten zwischen Eltern und
Kindern, weil sich jetzt alles freier durchzusetzen vermag, was früher durch
den Kespekt vor der Autorität zum Schweigen gebracht wurde. Dann aber
sind uns durch die Ergebnisse moderner Forschung Kenntnisse von den
seelischen Geschehnissen übermittelt worden, die uns zu diesen Problemen
eine andere Stellung einnehmen lassen. |
Die Psychoanalyse hat aufgedeckt, wieviele Konflikte der Eifersucht
und Rivalenschaft aus der unter dem Namen „Ödipuskomplex“ bekannten |
frühkindlichen Liebe des Sohnes zur Mutter, der Tochter zum Vater
erwachsen. Wenn hier auch nicht des Näheren auf diese Zusammenhänge
eingegangen werden soll, so sei doch kurz hervorgehoben, wie viel für
die ganze Entwicklung des Menschen davon abhängt, daß die an sich als
normal zu bezeichnende Sohn-Mutter-, 'Tochter-Vaterbindung in rechter
Weise zum Abklingen kommt. Wo die Kinder zu stark an die Eltern
gebunden bleiben, ist der Boden für Schwierigkeiten geschaffen, die sich
nicht nur in entwicklungshemmender Weise bei den Heranwachsenden
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auswirken, sondern die auch bei aller Liebe — und vielleicht gerade durch
sie — das Verhältnis der Generationen zu einander ungünstig beeinflussen. |
Aber die Gegensätzlichkeit zwischen Eltern und Kindern hat noch andere |
Ausgangspunkte, von denen hier der eine — vielleicht der alltäglichste — |
beleuchtet werden soll.
Die Erzieher — fast ohne Ausnahme — wollen das Kind haben, wie
sie es sich denken, wie sie es sich aus irgend einer Idealvorstellung heraus
wünschen, und darauf baut sich das Gegen-das-Kind-Arbeiten auf.
Das Kind lernt dadurch früh erkennen, daß es sich fügen muß. Aus dem
Gefühl des Schwächerseins entstehen beim Kinde starke Minderwertigkeits-
gefühle, die es hilflos machen und gemeinsam mit den aus frühester
Kindheit stammenden Schuldgefühlen dazu beitragen, es zu hemmen. Aber
neben diesem Gefühl der Minderwertigkeit steht der Protest, das Sichwehren
gegen die Übermacht, so daß schon in erster Entwicklung sich ein
Gegensatz auftut.
Frühes Minderwertigkeitsgefühl und frühes Aufbegehren werden besonders
dort stark zur Entwicklung kommen, wo man die Kluft zwischen den |
Eltern, überhaupt den Erwachsenen und den Kindern in einer bei der |
alten Erziehung selbstverständlichen, heute weniger allgemeinen Weise |
betont. Denn das Kind will den Eltern ähnlich sein, ihnen gleichen.
Es mißt sich an ihnen, vergleicht sich, strebt danach, das Vorbild zu
erreichen. Drückt man das Kind zu sehr herab, so bringt man es in eine
schiefe Stellung zu seiner Umgebung: Man läuft Gefahr, das Kind zu einem
sich minderwertig fühlenden Menschen heranzubilden, oder aber man
erreicht das Gegenteil: Man züchtet eine überstarke Gegnerschaft, die dem
Kinde — und auch zumeist den späteren Erwachsenen — zu einer
dauernden Opposition Veranlassung geben.
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|
Es sind neben vielen anderen Gründen auch die hier erwähnten Tat-
sachen, die es wünschenswert erscheinen lassen, daß das Kind mitKindern
aufwächst, sich mit vielen verschiedenartigen Kindern messen kann. Unter
Kindern kommt sich das Kind nicht immer „klein“ und unterliegend
vor; es steht dort nicht immer einem Mächtigeren gegenüber, der es,
auch wenn er es nicht beabsichtigt, in gewissem Sinne herabdrückt. Die
Kinder verstehen sich trotz aller Händel und Kämpfe untereinander besser,
als wir Erwachsenen sie verstehen können. Sind wir offen gegen uns, dann
müssen wir zugeben, daß wir dem Kinde gegenüber oft vor Unbegreiflich-
keiten stehen und mit unseren erziehlichen Maßnahmen daher meist im
Dunkeln tappen. Wir richten so leicht Schaden an, reizen das Kind und
nehmen es gegen uns ein. |
Doch auch die Kinder verstehen die Erwachsenen nicht; sie wissen im
Grunde nicht, was wir von ihnen wollen, warum wir sie stören und in
ihrer Freiheit beschränken. Es ist nur zu natürlich, daß die Kinder den
wahren Sinn unserer Erziehungsversuche nicht erfassen können; denn der
Erwachsene überschaut die Folgen einer Handlung anders, als das Kind
es tut, und unsere Erfahrungen führen uns zu Folgerungen, die dem
Kinde ganz fern liegen.
So liegt zwischen Kind und Erwachsenen eine Kluft, die sich nicht leicht
überbrücken läßt, und schon in frühester Kindheit wird so der Boden
vorbereitet, aus dem spätere Konflikte erwachsen können. Aller Erziehungs-
erfolg hängt davon ab, wie wir es verstehen, das Problem der Gegensätz-
lichkeit, des Gegeneinandergestelltseins zu lösen. Es gilt, eine Vermittlung
zu schaffen zwischen Vorbildsein — denn das Kind will wachsen, sich
angleichen, hinaufstreben — und Kameradschaft, d. h. einer herab-
setzendes Kleinmachen vermeidenden Umgangsform.
Der heranwachsende Mensch muß sich seine Erfahrungen erst
erarbeiten, sie nicht nur einfach übernehmen. Es liegt in dem Kinde
ein Trieb, der zum Selbsterfahren drängt; so will es sich durchsetzen,
erproben, seine Umwelt erforschen. Zuviel Bevormundung wirkt hemmend
und aufreizend.
Die Verschlossenheit vieler Kinder, auch die sogenannte Verstocktheit,
beruht häufig auf einem Gefühl des Nichtverstandenseins, das das Nicht-
verstehenkönnen der Erwachsenen zur Ursache hat. Was wir können
— und auch müssen — ist: das Ernstnehmen des Kindes und seiner
Konflikte. Das Bewußtsein des Gewürdigtwerdens und Geachtetseins ist
für das Kind Notwendigkeit.
Wie viele Rücksichten verlangen wir Erwachsenen vom Kinde, meist
ohne daß wir uns bewußt sind, welche Überwindung und Opfer wir
eigentlich vom Kinde fordern. Wie wenig Rücksicht wird aber auf Spiel
und Beschäftigung der Kinder genommen, wie leichtfertig stören wir
das Kind. Dem Erwachsenen erscheint ja im Grunde des Kindes Tun klein
und nebensächlich. Nicht aus Mangel an Liebe sind wir rücksichtslos
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Susi
gegen das Kind, — die Liebe ist ja vielfach zu groß und führt zu
unerwünschter Verwöhnung, — unsere falsche Einstellung ist es, die uns
dazu bringt, Die Erwachsenen glauben zumeist, daß sie als fertige
Menschen die Wichtigen sind und tragen zu wenig Achtung vor dem
Werden der Kindheitsepoche in sich. Immer wird der Gegensatz betont;
das Gleichsein wird im Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern
zu wenig in den Vordergrund gestellt. Es ist ein Wahn der Erzieher, daß
sie glauben, den Kindern eine Rolle vorspielen zu müssen, Man meint,
etwas von seinem Einfluß zu verlieren, wenn man den Kindern in
Natürlichkeit gegenübertritt, sich ihnen als ein mit Schwächen behafteter
Mensch zu zeigen getraut. Eines Tages aber durchschauen die Kinder dies
Verhalten, und im besten Fall belächeln sie es; oft aber fühlen sich die
Kinder dadurch hintergangen und verlieren den Glauben an ihre Umgebung,
Gereiztheit und Aufsässigkeit heranwachsender Kinder können hier eine
Quelle haben.
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Besonders in der Pubertätszeit — doch auch bereits in der Vorpubertät —
wird man Trennungswände aufrichten, wenn man zu sehr den Erzieher
spielt. Die aus inneren Schwierigkeiten entstehende Überempfindlichkeit
des jungen Menschen läßt ihn in allem einen Eingriff in die Freiheit
seiner Persönlichkeit erblicken. Die Jugendlichen leben in einem Zwischen-
land, wie Lou Andreas-Salome& diese Epoche genannt hat. Sie fühlen sich
nicht mehr als Kinder, streben nach dem Erwachsensein, können aber den
rechten Anschluß dahin schwer finden und leiden unter dem Noch-nicht-
für-voll-Genommenwerden.
Die innere Loslösung der Kinder von den Eltern ist in dieser Zeit
selbstverständliche Notwendigkeit. Man kann es fast mit Sicherheit als ein
neurotisches Symptom deuten, wenn Kinder diesen Entwicklungsweg nicht
gehen. Es pflegen nicht die schlechtesten Menschen zu sein, die sich in
ihrer Sturm- und Drangperiode schroff-ablehnend und oppositionell betrugen.
Nach Spranger „gelangen die Söhne, die ohne tiefere Krisis einfach der
Linie des Vaters folgen, selten über das Mittelgut hinaus.” (Zur Psychologie
des Jugendalters.)
Besonders schwer ‘haben es unter Anerkennung dieser Einsichten die
. heutigen Mütter herangewachsener Kinder. Die Väter sind durch Beruf
und mancherlei andere Interessen innerlich mehr in Anspruch genommen
als die Frauen, die, ohne Beruf lebend, immer nur für die Kinder da
sein wollten, sich ihnen aufopferten, und denen die Kinder eben Kern-
punkt des Lebens waren. Diese Nur-Mütter leiden schwer, wenn sie sich
eines Tages überflüssig fühlen; sie erkennen vielleicht mit dem Verstande
an, daß die Kinder sich von ihnen fortentwickeln müssen, aber gefühls-
mäßig empfinden sie den Vorgang als etwas Kränkendes und werden —
auch beim besten Willen — schwer damit fertige. Wenn Mütter sich zu
sehr aufopferten, müssen sich die Schuldgefühle der Kinder, die im Los-
— 2142 —
— —_ —— __ m
lösungsprozeß stehen, so stark entfachen, daß schon dadurch eine Gegner-
schaft — wenn auch vielleicht unbewußt — entsteht, Sich enttäuscht
fühlende Eltern pflegen die Heranwachsenden in ihrer Entfaltung zu
stören, ohne zu ahnen, daß ihre eigenen Schwierigkeiten sie veranlassen,
die Kinder zu quälen.
Wir müssen uns ja überhaupt darüber klar sein, daß Unbewußtes
in erheblichem Maße dazu beiträgt, die Familienbeziehungen zu beeinflussen.
Wenn Kinder stark geistig gerichteter Eltern z. B. betont ins praktische
Gebiet übergehen, wie man dies vielfach beobachten kann, so ist dies
nicht — wie übrigens nichts im Leben! — reiner Zufall, sondern die
Opposition steht dahinter. Die bekannten Schwierigkeiten der Söhne
berühmter Väter sind in diesem Zusammenhange auch zu erwähnen.
Wenn aus einer starken Identifizierung mit dem Vater der gleiche Beruf
von einem der Kinder gewählt wird, bleiben meist Schwierigkeiten nicht
aus, und Rivalenschaft und Eifersucht pflegen hier eine große Rolle
zu spielen.
Besonders stark mischen sich unbewußte Komponenten in das Verhalten
der Mütter erwachsenen Töchtern gegenüber. Die oft verhältnismäßig jungen
Mütter leiden — ohne daß die Motive ihnen immer ins Bewußtsein
kommen —- darunter, daß sie hinter den aufblühenden Töchtern zurück-
stehen müssen; sie werden durch die Töchter immer wieder an nahendes
Altsein, an das Verzichtenmüssen erinnert. Dieser Neid gibt sicherlich eine
der Grundlagen für die meist vorhandenen Schwierigkeiten zwischen
Müttern und Töchtern. Fast überall besteht aber auch eine Gegnerschaft
der Töchter gegen die Mütter, die wir aus infantilen Quellen ableiten
müssen. Zur Zeit der vorher erwähnten frühkindlichen Liebe des kleinen
Mädchens zum Vater entwickelt sich eine Eifersucht auf die Mutter, die
im Unbewußten nachwirkt.
Wenn wir die hier geschilderten Gegensätzlichkeiten zwischen den
Generationen als naturgegeben anerkennen, so wird ein gewisser Fatalismus
von seiten der Eltern nötig, um mit den Dingen innerlich fertig” zu
werden. Mit direkter Erziehung ist bei den Herangewachsenen noch
weniger zu erreichen als beim kleinen Kinde, und wo nicht in der früheren
Zeit ein festes Leitmotiv gegeben wurde, ist auf einer späteren Altersstufe
nichts mehr auszurichten. Der Jugendliche lehnt aus einem gewissen
Selbsterhaltungstrieb heraus die Leitung durch die Eltern ab; er fühlt
instinktiv, daß ihm das Durchkämpfen seiner Konflikte auf eigene,
individuelle Art zur Selbstentfaltung nötig ist. Alle, denen jederzeit
Beratung und Vorschrift den Weg zu ebnen suchten, leiden darunter.
Wenn es ihnen nicht gelingt, sich in oppositioneller Stellungnahme zu
befreien, werden sie mit ihrem ins Unbewußte verdrängten Aufbegehren
zu schaffen haben. Solche Menschen bleiben auch leicht irgendwie unentwickelt
und zeigen noch in späten Jahren eine unnatürliche Abhängigkeit von
ihren Angehörigen und von ihrer Umgebung überhaupt.
.— 43 —
Nur wenn die Eltern es verstehen, sich im gegebenen Augenblick zu-
rückzuziehen und sich abwartend im Hintergrund zu halten, bis — oder
ob — die Kinder sich wieder zu ihnen finden, kann man erwarten, daß
sich nach Ablauf der kritischen Periode ein, wenn auch vielleicht um-
gestaltetes, so doch gutes Verhältnis anbahnt. Den Gegensatz der Gene-
rationen können wir nicht aus der Welt schaffen; gewinnen wir aber eine
richtige Einstellung zu diesen Fragen, so wird das Lebensglück von Eltern
und. Kindern weniger gefährdet sein. Bis zum Tiefsten verstehen können
wir die Jugendlichen nicht, auch dann nicht, wenn wir mit der Zeit
mitzugehen versuchten und innerlich jung geblieben sind. Ein jeder wurzelt
ja in seiner eigenen Jugend und trägt mit sich, was ihm einst wertvoll
und wichtig war. Wir müssen doch anerkennen, daß sich die Einstellungen
wandeln, und was der einen Jugend Ideal und Lebenswert war, wird von
der nächsten Generation in einem anderen Lichte gesehen. Der Lebens-
trieb der neuen Jugend, ihr Geltungsdrang und ihr Machtbedürfnis lassen
sie ihre Wege gehen, wie wir die unseren gingen. Moderne Erkennt-
nisse haben uns die Zusammenhänge aufgezeigt; wir haben den Schluß
zu ziehen, daß Kampf Gegebenes ist, daß Elternaufgabe — Resignation.
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Zeugung und Geburt in der Vorstellung des Kindes
Von Dr. Gustav Hans Graber (Bern)
I) Werden und Vergehen
Daß das Urinteresse am Werden und Vergehen beim Kinde die Seele
und das Denken noch uneingeschränkter als beim Erwachsenen erfüllt,
das erkennen wir (und wir haben es in der psychoanalytischen Literatur
oft — vielleicht noch nicht zur Genüge — dargestellt) an der ständig
hierauf gerichteten Aufmerksamkeit, den unaufhörlichen Fragen, hinter
denen sich die Urfrage nach Geburt und Tod verbirgt, vor allem aber
auch daran, daß wir in der Kinderanalyse meist sehr schnell auf jene
Fragen treffen. Wir staunen dabei immer erneut über die Fülle dieses
von außen überkommenen oder intuitiv erfaßten Wissens in Bezug auf
diese Phänomene, über welches das Kind verfügt, und wir sind gleicher-
zeit erstaunt über die mächtige Gewalt der vollzogenen Verdrängung beim
Erwachsenen, der uns gelegentlich unglaubliche Rätsel seiner Unkenntnis
aufgibt.
Eine Frau, Mutter dreier Kinder, die in einer Großstadt bei Mittel-
schulbildung aufwuchs, berichtet mir verschämt, sie sei bereits verheiratet
— 44 —
und im vierten Monat der Schwangerschaft gestanden und habe den
Grund ihres veränderten Zustandes nicht gekannt, habe überhaupt nicht
gewußt, wie lange eine Schwangerschaft dauere und nicht gewußt, welcher
Art das Kind zur Welt komme. Der Arzt habe sie dann aufgeklärt. Sie
hätte nämlich gemeint, die Kinder würden aus dem Bauche geschnitten.
Ich lächelte etwas ungläubig, doch die Dame, die mein Lächeln wohl
auf ihre Einfalt bezog, fand zu ihrer Entschuldigung Worte, die meiner-
seits erneutes Staunen erzeugten:
„Und meine Freundin! Die hat doch sogar einen Zahnarzt zum
Mann, und sie meinte noch in der letzten Periode ihrer Schwanger-
schaft, der Nabel werde aufschwellen, sich öffnen, und das Kind werde
da heraustreten.“
Der Leser wird wahrscheinlich lächeln, wie ich lächelte, aber wenn
solche Fälle auch nur ganz vereinzelt bekannt werden, sie sind — viel-
leicht nicht gerade in dieser krassen Form — gar nicht so selten, und
die Witze, die landauf, landab über Unkenntnis (besonders den Zeugungs-
vorgang betreffend) umgehen, reden auch ein nicht mißzuverstehendes
Kapitel.
Aber ich will mich beschränken und will mich nicht weiter verbreiten
über die üblen Folgen solchen Maulwurfdaseins im Dunkeln und auch
nicht über die Notwendigkeit der Aufklärung der Jugend. Wir haben alle
ein Stück Einsicht. Und Einsicht gibt Aussicht — auf Besserung.
2) dus der Menschheits- und Einzelentwicklung
Die Frage „Wie kommt das Kind (der Same) in die Mutter?” tritt
sowohl in der Menschheits- als in der Einzelentwicklung erst nach der
Geburtsfrage auf. Antike Symbole, Darstellungen hermaphroditischer (zwei-
geschlechtiger) Menschen und Götter belehren uns,’ daß dem Urmenschen
die Rolle des Mannes als Erzeuger nicht bekannt war. Das Weib zeugt
und gebiert aus sich selbst, wie der Sumpf, die noch unentmischte (zwei-
geschlechtige) Verbindung von Wasser und Erde, sich mit sich selbst
begattet. „In den Sumpfpflanzen, welche aus der Tiefe des Schlammes
ans Licht emporwachsen, tritt die Frucht des in Selbstumarmung
empfangenen Stoffes vor der Sterblichen Blick.”?
Das Kind hat, wie wir hören werden, eine ähnliche Auffassung wie die
Alten. Wenn es sich einmal volle Klarheit über seine Herkunft verschafft
hat, so bleibt ihm die Zeugung immer noch ein Rätsel. In der päd-
ı) Siehe J. J,. Bachofen: Urreligion und antike Symbole, herausgegeben von
C. A. Bernoulli, Leipzig, 1926. Rank, Beiträge zur Mythenforschung (Internat. PsA.
Bibl. Nr. IV). Ferner: G.H. Graber: Die schwarze Spinne, Menschheitsentwicklung
nach Jeremias Gotthelfs gleichnamiger Novelle, dargestellt unter besonderer Berück-
sichtigung der Rolle der Frau, Wien, 1925.
2) Bachofen: Op. cit., Bd. I, $. 378.
— 2145 —
zn rn
agogischen Analyse erlebt man meist dieselbe sich stets wiederholende Ent-
rollung der Probleme. Vorerst taucht die Frage des nächsten „Woher“ auf,
und erst wenn diese erledigt ist und das Kind weiß, daß es aus der
Mutter stammt, will es auch wissen, wie es da hineingekommen ist. Wir
können dabei die interessante Beobachtung machen, daß im allgemeinen
das jüngere Kind (sowie der entwicklungsgeschichtlich ältere Mensch) den
Fragenkomplex viel weniger entmischt hat als das ältere, so daß Geburts-
und Zeugungsprobleme meist in enger Verschränkung gelöst werden
wollen, während beim älteren Kind, das bereits des Vaters Rolle bei der
Zeugung ahnt oder kennt, diese, weil mit erheblich stärkerem Affekt
belegt, viel heftiger verdrängt ist, so daß oft während längerer Zeit in der
Analyse das Interesse krampfhaft auf die Geburt gerichtet bleibt, während
das Zeugungsproblem erst nach Überwindung stärkster Widerstände zur
Sprache kommt und natürlich auch erst nachher seinen konfliktschaffenden
Zwangscharakter verliert.
3) „Die sexuelle Frage“
Die Frage, die man noch gelegentlich zu hören bekommt, warum der
analytische Pädagoge die Kapitel über Zeugung und Geburt (also im
weitesten Sinne = „die sexuelle Frage“) derart in den Vordergrund schiebe,
ist falsch gestellt, von falscher Voraussetzung ausgehend. Ich habe
ausgeführt, daß sie beim Kinde lebendiger ist als beim Erwachsenen, der
sie — und damit das Natürlichste — einesteils verdrängt und anderenteils,
wie angedeutet, durch sekundäre Interessen (ökonomische, usw.) ersetzt hat. Es
ist nicht der Analytiker, der das Kind auf die Geburts- und Zeugungs-
frage führt, sondern es ist das Kind selbst’ das hier einmal in unge-
zwungener Weise sich der ungeheuren Spannung seines Lebensinteresses
auf natürlichere Weise, als dies in der ungesunden, stickigen Luft der
Hintertreppe geschieht, entledigen kann. Es wird gefragt: Ist diese Ent-
spannung notwendig? — Ja! Das Kind findet die innere Ruhe und kann
bald — zum Erstaunen der Eltern — seine freigewordenen Kräfte auf
reale Aufgaben des täglichen Lebens, wie sie ihm vor allem von der
Schule gestellt werden, richten und sie bewältigen.
Gewiß ist damit das Kind „erwachsener“ geworden, aber dies ist kein
Unglück. Es wird dabei bloß eine alte Illusion des Erwachsenen zerstört,
die Illusion, als ob das Seelenleben und Denken des Kindes im „Paradiese
der Jugend“ nach völlig anderen Gesetzen sich abwickle, als dasjenige der
Erwachsenen. Das Glück des Kindes besteht nicht in seiner Unwissenheit
gegenüber tiefsten Lebensfragen, wie dies die landläufige Meinung sein mag.
Dadurch, daß dem Kinde diese Dinge, an denen der Erwachsene vielleicht
ı) Vgl. Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (Ges. Schriften, Bd. V). —
Über infantile Sexualtheorien (ebendort), — Zur sexuellen Aufklärung der Kinder
(ebendort). — Die Traumdeutung (ebendort, Bd. II u. II).
— 2406 —
bittere Erfahrungen gemacht hat, vorenthalten werden, — damit es bewahrt
bleibe vom Leide, das man selbst zu erdulden hatte, — wird es eben
nicht bewahrt, sondern im Gegenteil tiefer hineingestoßen.
Ich will aus der Erfahrung meiner pädagogisch-analytischen Tätigkeit
hier nur einen Fall herausgreifen. Er erscheint mir als typisch
ınd bietet uns wesentliche Einsichten in die kindliche Auffassung von
Zeugung und Geburt.
4) Unbewußte und symbolische Zeugungsvorstellungen
Eine Frau aus einfachen Arbeiterverhältnissen kommt mit ihrem neun-
jährigen Söhnchen Rudolf in die Sprechstunde der Erziehungsberatung.
Ich rede vorerst mit der Mutter allein und lege Rudolf im Nebenzimmer
verschiedene Bilderbücher vor. Sie klagt über Rudolf, mit dem sie sich so
eine furchtbare Mühe gegeben habe. Er sei so nervös, schreie des Nachts
im Schlafe, sei empfindlich, gerate oft in Wutausbrüche und zeige seinen
Schularbeiten gegenüber gar keine Freude, sondern beginne sie immer mehr
zu vernachlässigen. Dagegen sei er darauf versessen, immer mit ihr Halma
zu spielen. Seine Kameraden quälten ihn, und das müsse doch auch seinen
Grund haben usw.
Rudolf, mit dem ich nachher allein spreche, zeigt einen leichten Augen-
tic, verkrampft während des Sprechens beständig seine Finger ineinander,
sitzt öfters zum Sprechen auf und nieder und macht wirklich den Eindruck
großer Unsicherheit und Nervosität. Ich frage ihn:
„Haben dir die Bilder gefallen?“
„Hm, ja.“
„Was hast du dir für welche angeschaut?“
„Viele.“
„Und welche haben dir besonders gefallen?“
„Hm, von den zwei Dieben,' wie sie den Mann im Bett mit dem
Messer erstechen wollen, wie sie sich im Schrank verstecken und dann
vor der Polizei fliehen, zum Fenster hinausspringen und von ihren
‚Paraplüs‘ durch den Bauch aufgespießt werden.“? Schon diese Erwähnung
ließ mich darauf schließen, daß Rudolf sich mit dem Zeugungsproblem
beschäftigte. Nach Träumen gefragt, erzählte er einen Traum, der meine
Vermutung bestärkte:
ı) „Die zwei Diebe“ aus einem Wilhelm-Busch-Album.
2) Diese Buschgeschichte ist — wie übrigens die meisten anderen auch — voll
nicht mißzuverstehender Mutterleibs- und Sexualsymbolik. Die Diebe beginnen mit
dem Privatier eine Messer- und Säbelstecherei im Bett. Eine Pistole wird unter dem
Federbett losgefeuert. Darauf wird der Privatier mit verstopftem Mund in embryo-
naler Lage gleichsam an der Nabelschnur an die Wand gehängt. Auch die Köchin
muß dieselbe Regression erdulden und wird in einen Sack gesteckt. Schließlich
ereilt sie selber gleiches Schicksal. Die Diebe fliehen vor der Polizei in einen Schrank,
dann aber mit gespanntem Regenschirm zum Fenster hinaus. Unten werden sie
übereinanderliegend durch die Geschlechtsteile hindurch aufgespießt.
„Ich bin mit der Mutter in der Küche. Da kommt ein Engländer und
will die Mutter erstechen. Ich sage, er dürfe nicht. Aber er ersticht
_ die Mutter durch den Bauch. Ich ziehe ihr das Messer heraus und jage
den Mörder fort.“
In der nächsten Stunde lasse ich Rudolf Einfälle zum Traum geben.
Er spricht von einem Gedicht, „Ach, wer doch das könnte“ (Viktor
Blüthgen). „Ein Knabe fliegt auf einem Papierdrachen durch die Luft,
stattet dem Storchen einen Besuch ab und sieht weit unter sich Papachen
und Mamachen, wie sie so klein sind.“ |
Der tiefere Sinn der Geschichte ist klar. Rudolf identifiziert sich mit
dem Knaben, der fliegend sich über Vater und Mutter erhebt und auf
dem Papierdrachen liegend zum Zeuger (Storch) wird.
Vom Engländer nun berichtet Rudolf: „Er hat eine grüne Kleidung
getragen wie ein Hotelangestellter (der Beruf seines Vaters). Dazu trug er
einen großen Schnurrbart, wie ein anderer Hotelangestellter der Stadt, den
ich kenne. Auch ein großes Maul hat er, wie Fernando, der Italiener-
knabe, der mich immer quält. Der Engländer ist ein Fremder (wie der
Italienerknabe), und mein Papa hat auch mit den Fremden zu tun.“
Der Engländer ist die im Traum entstellte und verdichtete Vaterfigur
(aber auch Rudolf selbst). Er wird von Rudolf vertrieben, weil er sich
selbst mit seiner Mutter identifiziert, und weil er gleichzeitig aber auch
den Platz des Vaters einnehmen möchte Mehrmals, und zwar immer im
Anschluß an Aussagen über das In-den-Bauch-Stechen, erzählt der Knabe
unter heftigen Affektäußerungen von seinem Halmaspiel mit der Mutter:
„Ich hüpfe immer mit meinen Kügelchen in das Feld der Mutter. Ich
spiele alle Tage Halma. Ich möchte immer mit ihr spielen.“
Rudolf dringt bei diesem Kampfspiel in das Feld der Mutter, Er
„ersticht” sie. Am Schluß der zweiten Sitzung gebe ich Rudolf diesen
Zusammenhang. Ich sage ihm, ohne auf das sexuelle Moment anzuspielen,
daß er wie der Engländer ins Feld der Mutter, in die Mutter dringen
möchte. In der nächsten Stunde (einige Tage später) berichtet mir Rudolf
als erstes, er habe seither nicht mehr Halma gespielt. Es sei ihm ver-
leidet. Er wisse nicht warum. Dann schweigt er, lenkt ab und erzählt die
Geschichte von einem verlorenen Büblein, das man unter einem Gebüsch
im Walde wieder fand. Das aktuelle Interesse an der Zeugung wird ver-
drängt, denn das Bewußtsein „merkt“ plötzlich den Sinn des Traumes
und der Symbole. Die Übertragung aber ist noch nicht soweit gediehen
und die Widerstände noch zu mächtig, als daß dieser Komplex erledigt
werden könnte. Wir werden ihm später wieder begegnen. An seine Stelle
tritt ds Geburtsproblem (gefundenes Knäblein im Gebüsch).
Es wird bewußt zu lösen versucht. Dazwischen tauchen aber immer
wieder symbolische Vorstellungen, die mit dem Zeugungsvorgang im
Zusammenhang stehen, auf, So beschäftigt Rudolf noch lange das Loch,
das durch den Stich an die Stelle des Nabels getreten. Ein Loch muß
— 248 —
sein, und zwar das Loch, wo man hinein kann und wo das Kind heraus-
kommt. Rudolf erzählt die Geschichte von den Schildbürgern und dem
fensterlosen Rathaus, wo das Licht (als männliches Prinzip = Phallus,
siehe Bachofen, op. cit. I 114—ı6, 118, 120—22, 503f. II 52, 62—66,
68—7ı, 118, ı78f, 246—49, 298—303 usw.) nicht in das Dunkel
(Nacht = Weib, Rathausinnere = Mutterleib, Bachofen I 63f., ı20, 462,
486, II 29, 56, 95, 117, 299) hineindringen kann. Aber hier ist Tabu,
Verbot, Gefahr, Tod. „Es tut weh,“ erzählt Rudolf, „wenn man in den
Bauch sticht, man (mit der verallgemeinernden Bezeichnung bezieht er
sich in seiner Mutteridentifikation mit hinein) wird krank und muß
sterben. Auf der Schützenmatte schaute ich in einer Meßbude durch
Löcher und sah Bilder von Unglücken, und vor einiger Zeit fuhr ein
Knabe auf einem Velo den Aargauerstalden hinunter, wobei die Bremse
versagte und er in den Bärengraben (Loch) stürzte. Er riß noch einen
anderen Knaben mit sich hinunter, den die Bären fraßen.“ Die Vor-
stellung „Lochstechen“ (Koitus) verbindet sich dem Knaben mit Todes-
phantasien. Zeugung = Tod, und zwar für beide Teile, für den ins Loch
Fallenden und den Gestochenen (Mutter).
Die Widerstände Rudolfs werden in folgender Sitzung noch stärker.
Unbewußtes und Bewußtsein sind nun fast voll in Anspruch genommen
durch das Geburtsproblem.
5) Das Geburtsproblem!
Rudolf ist ungehalten darüber, daß er nichts weiß, daß er nicht auf-
geklärt wurde über „das Loch“ und den dazugehörigen Fragenkomplex.
Er selbst ist das verlorene Büblein der erwähnten Geschichte, das sich, des
Weges unkundig (unaufgeklärt), verläuft und schließlich unter dem Gebüsch
gefunden wird (Wiedergeburt). Ein Traum zeigt ihn auch seinen Schul-
kameraden gegenüber in dieser Beziehung im Nachteil:
„Ich ging mit der Klasse zum Baden. Wir hatten ein Schifflein, aber
ich durfte nicht mit ihnen übers Wasser fahren. Ich schwamm ihnen
nach und hielt mich am Schifflein fest. Dabei versteckte ich mich und
sah und hörte, was sie machten.“
Hören wir, was Rudolf zum Traum vorbringt: „Einmal hatte ich die
Rechnungen in der Schule recht und derjenige neben mir nicht. Fernando
(Italienerknabe) rief nach der Schule die Knaben zusammen, und sie
schlugen mich durch, aber ich sagte ihnen die Rechnungsresultate gleich-
wohl nicht. Ich darf auch nicht immer helfen, wenn gespielt wird, oder
nur als Ersatz. — Im Schifflein war zu wenig Platz. — Die Knaben
sagen immer so grausige Sachen von dem... (Hemmung).
ı) Den ganzen Komplex über die Geburt als Trauma, der das Kind auch
beschäftigt, ließ ich hier unberührt. Siehe darüber Rank: Das Trauma der Geburt,
Wien, 1924, und Graber: Die Ambivalenz des Kindes, Wien, 1924.
Rudolf erzählt nun unzusammenhängend einige von Knaben gehörte „Sau-
Sachen“, wie er sie nennt, die hauptsächlich ins Gebiet der Zeugung
gehören und später noch Erwähnung finden sollen. Plötzlich kommt her-
aus, was ihn längst schon quälte: „Ich glaube nicht, daß der Storch die
Kindlein bringt, aber Mama sagte es immer, noch als ich in das dritte
Schuljahr ging (Pause). Einmal sagte sie auch, sie habe alle Tabletten
gegessen, sie wolle (?) mir keine geben. Ich habe es nicht geglaubt. Ein
andermal sagte sie, Akila, die Wölfin (Rudolf ist Wölfling bei den Pfad-
findern), sei dagewesen und wollte mich mitnehmen. Aber es war gelogen.“
Die Aussagen brauchen keines großen Kommentars. Rudolfs Fall ist der
Fall. Er ist von den Eltern betrogen, ist das verlorene, verstoßene Kind,
das man nicht einmal einer Wahrheit würdig erachtete. Die Kameraden
wissen mehr. Sie fahren im Schiff, und er muß hinten nachschwimmen
und im Versteckten erspähen, was sie treiben, Daß er aber schwimmt, ist
für das Verständnis seiner Psyche aufschlußreich. Es zeigt bereits eine
Regenerationstendenz (dürfte auch die analytische Situation darstellen, wo
ebenfalls dem verpaßten Leben nachgeschwommen wird).
Rudolf hatte es nämlich früh schon verstanden, aus der Not seiner
Unwissenheit eine Tugend zu machen. Er sonderte sich von seinen
Kameraden ab, verstopfte sich die Ohren, wenn sie über „Sau-Sachen“
sprachen und wurde natürlich deswegen ständig als Sonderling gehaßt und
verfolgt. Das Mißverhältnis gestaltete sich durch seine starke kompen-
sierende intellektuelle Tätigkeit in der Schule noch krasser (Obgleich er
sich oft lernfaul zeigte, war er doch einer der Ersten der Klasse), Rudolf
fährt fort: „Ich habe es dann selber herausbekommen. Einmal lag auf
dem Tisch ein Büchlein von einem Doktor,’ und ich las darin. Es hieß,
der liebe Gott schenkt die Kindlein der Mutter, aber nur wenn sie sie
verdient hat (Pause). Es stand noch mehr im Büchlein: Eine Klasse hatie
nur einen Onkel. Sie war nur wie eine Familie, eine Privatschule. Die Kinder
gingen einmal mit dem Onkel heim ins Gartenhäuschen. Er erzählte, daß
die Mutter ein Kindlein bekomme. Wenn sie still seien, wolle er fragen
gehen, woher. Sie versprachen es. Die Hebamme gab ihm Auskunft und
erlaubte ihm, es auch den Kindern zu sagen. Er sagte ihnen, daß bei
Mutters Brust ein Kästlein sei mit Eilein, die größer werden, und man {f)
werde krank, und das Kindlein komme dann aus der Brust.“
Die Verlegung des Geburtsaktes scheint des Knaben eigene Erfindung
zu sein. Die nächste Stunde leitet Rudolf mit folgenden Worten ein: „Ein
Knabe sagte mir einmal, wenn es stinke, so komme das Kindlein zur
Welt.“ Es war die Einleitung zur Theorie der analen Geburt. Ich war
von Anfang an überzeugt, daß Rudolf den richtigen Vorgang der Geburt
kennt. Ich habe die Erfahrung öfters gemacht, daß die Kinder in der
ı) Hoppeler: „Woher die Kindlein kommen“, Zürich. Der Inhalt ist aller-
dings von Rudolf — typisch — entstellt.
— 250. —
Analyse gleichsam in konzentrischen Kreisen der richtigen Darstellung
zusteuern, ungefähr nach den entsprechenden verschiedenen Phasen der
Aufklärung, die sie erhalten haben, und entsprechend derjenigen der
Phylogenese, und so überließ ich denn Rudolf sich selbst, äußerte höchstens
gelegentlich meine Zweifel gegen die Richtigkeit der vorgebrachten
Lösungen. Ich fragte, wieso es denn stinke, wenn das Kindlein zur Welt
komme. Aber ich erhielt keine Antwort. Rudolf greift statt dessen
beständig in die Kreuzgegend, und nach einiger Zeit stottert er hervor:
„Beim Kreuz kommt das Kindlein heraus. Das Kästlein mit den Eilein
ist weiter unten. Das Loch gibt es von selbst.“ Ich sage ihm, daß dies
unmöglich sei, und als Antwort darauf meint er kleinlaut: „Dann kommt
das Kindlein zum Mund heraus.” Ich äußere meine Zweifel. Er schweigt
lange und erzählt schließlich eine Geschichte von einem Sauhirten, wobei
deutlich ersichtlich ist, daß er sich mit diesem identifiziert, denn er ist
nun derjenige, der auch mit „Sau-Sachen“ zu tun hat. Mehr wie eine
Stunde arbeitet er daran herum, zu sagen, daß die Kinder aus dem
„Hindere“ (Anus) kommen. Immer wieder setzt er an: „Ich weiß jetzt
woher, aber ich darf es nicht sagen. Sie kommen vom... Es ist ein
grausiges Wörtchen.“ In diesem Zusammenhang äußerst interessant ist die
Geschichte, die ihm plötzlich zwischenhinein einfällt. Ich gebe sie stark
gekürzt wirder:
„Eine Mutter bekommt ein Kind. Sie bettet es im Walde auf ein
Bärenfell. Da kommt ein Wildschwein und greift es an. Die Mutter wehrt
sich, sie wird gebissen. Da kommt der Vater. Er findet das Kind heil,
die Mutter aber ganz zerbissen, und er ersticht das Wildschwein. Sie stirbt
nachher.“
Aus der sehr beziehungsreichen Geschichte sickert erneut neben dem
Geburtsproblem (Bärenfell = Mutterleib) das Zeugungsproblem, verbunden
mit der Vorstellung von Blut und Tod, durch. Das Erstechen ist aber
bereits auf das T'otemtier übertragen worden. Das Schwein ist ein bekannter
Vertreter des Muttertums, in unserer Geschichte aber tritt es hermaphro-
ditisch auf. Es schlägt (männlich) seine Hauer (Messer, Phallus) in die
Mutter und wird selbst vom Mann erstochen. Die Erzählung erinnert an
den Amazonenbekämpfer und zugleich Frauenbeschützer Bellerophon und
an seine Erlegung des Wildschweines.' Auch die Amazonen sind herma-
phroditischer Natur.
Rudolf schildert den Muttercharakter des Schweines in lebhaften Farben
und mit viel Liebe. Er sah im Kino die Szene einer säugenden „Färli-
mutter“ (Mutterschwein), sah, wie die Jungen genährt wurden, wie die
Alte den schwächeren riet, sie müßten halt sehen, daß sie auch etwas zu
trinken erwischten.
Eine alte Schranke des Widerstandes ist gebrochen, die Versöhnung mit
der Sau, den „Sau-Sachen“, gefunden, und Rudolf kann von da an ziem-
ı) Bachofen op. cit. II, 166.
— 251 —
er
lich frei über Geburt und Zeugung sprechen. Er sagt im Anschluß, er
habe geglaubt, das Kindlein könne da (Anus) nicht zur Welt kommen,
weil dort sonst nur Wüstes herauskomme, aber es sei halt eben schon ein
Loch. Ich frage ihn, ob er auch ganz sicher sei, daß das Kind da hinten
geboren werde. Er stutzt. Als Antwort erzählt er mir zwei neue Schild-
bürgergeschichten: „Die Schildbürger tauschten in Schilda einst die Häuser.
Sie brachen sie ab, und wer zu unterst wohnte, ging nun zu oberst und
umgekehrt.“ Wir merken die Absicht: Die Schildbürger wohnten verkehrt,
was oben war, kommt nun unten, oder auf die Geburtstheorie übertragen:
Was hinten war, ist nun vorn. Auch die zweite Geschichte spiegelt dieses
Verkehrte wieder: Die Schildbürger ziehen eine Kuh am Hals zu einem
Grasbüschel auf das Dach. Ebenfalls verkehrt ist die Handlungsweise
der Eierfrau, von der Rudolf auch noch erzählt, daß sie, als sie auf den
Markt ging, sich träumte, wie sie vom Eierhandel immer reicher werde,
Schafe kaufe, einen Mann bekomme, Kinder usw., wie sie aber hinfiel
und alles zerschlug.
Es ist interessant zu beobachten, wie beim Brechen des Widerstandes
immer, sobald ein peinliches Thema sich in den Vordergrund zum
Geständnis drängt, vorerst der Weg des geringeren Widerstandes über eine
symbolische Erzählung oder Begebenheit eingeschlagen wird. So auch hier.
Rudolf sagt selbst, daß es verkehrt sei, wenn das Kind hinten heraus-
komme, denn es komme doch vorn, beim Nabel heraus. Er weicht also
noch einmal aus, spricht ausführlich über Nabel, Nabelschnur usw., um
schließlich endlich bei der vaginalen Geburt zu endigen.
Wenn wir den Ablauf der analytischen Aufklärung uns kurz resümierend
vergegenwärtigen, dann fällt uns vor allem auf, daß Rudolf so ziemlich
erschöpfend all die infantilen Auffassungen über die Geburt äußert, und
zwar stehen sie in einer Reihenfolge da, wie sie, wenigstens nach meinen
Erfahrungen, genetisch in der kindlichen Psyche meistens auftreten.
Die Kinder kommen also:
ı) Vom lieben Gott: Gott ist also hermaphroditisch, der Gott des
Altertums. Ihn vertreten: Himmel, Engel, Heiland, Mond."
2) Vom Storch: Der Storch als kosmisches Wesen ist der Übermittler
aus dem uranischen Reich. Er ist aber gleichzeitig auch das Sumpftier, wo
das Kind wie aus androgyner Geschlechtsvereinigung entsprießt. Das Kind
und die Alten teilen dieselbe Meinung: Neues Leben entsprießt
hermaphroditischem Urgrund.? Darin liegt ein Beweis für Bachofen.
Auch der Mond, den besonders die Ägypter mit dem Sumpf in engsten Zu-
sammenhang brachten, trägt den zweigeschlechtigen Charakter (Luna, Lunus),3
ı) Über die lunare Mütterlichkeit siehe Bachofen op. eit. I, 64, 109, ı22,
zı48£., II 49, 52, 62f., 468 usw.
2) Vgl. Freud: Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci (Ges. Schr. Bd. IX).
3) Bachofen Op. cit. I z314f., 377: II 65— 71, 298— 300.
— 12 —
.— — —
z) Aus dem Gebüsch (Höhle, Quelle, Brunnen, Teich, See, Meer,
Schlucht, Wald usw.). Das Hermaphroditische ist gesprengt. Der Himmel
befruchtet die Erde.
4) Von der Mutter:
a) Aus der Brust (Verlegung nach oben und Gleichstellung mit
der Nahrungsquelle).
b) Aus dem Kreuz (Schmerzen im Kreuz bei den Geburtswehen).
c) Aus dem Mund. Die Nahrung vertritt das Sperma. Wo sie
hineinkam, muß die Frucht herauskommen.
d) Anal (Entsprechend dem Abgang der Nahrung).
e) Aus dem Nabel.
pP Vaginal.
6) Das Zeugungsproblem
Mit der Erledigung des Geburtsproblems war für Rudolf der Wider-
stand gegen die bewußte Lösung des Zeugungsproblems gelockert. Die
enge Verschränkung der Phylo- und Ontogenese erwies sich auch hier.
Nachdem Rudolf sich zwischenhinein eingehender mit dem Geschlechts-
unterschied beschäftigt hatte, stellte er die Frage, wie das Kindlein in die
Mutter komme. Er versucht eine Lösung zu finden, wobei er die kosmi-
schen Darstellungen mit ihrem vornehmlich hermaphroditischen Charakter
übergeht (was sonst im allgemeinen in Kinderanalysen ebenfalls zutage
tritt) und sich auf die Mutter beschränkt, auf die er allerdings den
Hermaphroditismus überträgt und konzentriert. Zur Stütze des auch
männlichen Charakters des Weibes (er selber ist ja als Knabe in der
Identifikation mit der Mutter ebenfalls hermaphroditisch) erzählt er von
seinem Schwesterchen (vier Jahre jünger), das immer früher so tat, als ob
es wie die Buben „bisle“ (uriniere). Ferner: „In der Schule hatte ein
Mädchen eine Stricknadel in der Hand und schlug damit immer auf die
Heizungsröhre. — Ich weiß noch einen Witz: Ein Knabe fragte mich, ob
ich es auch gehört habe. Ich fragte: Was gehört? Er sagte: Daß am
Bahnhof in Zürich ein Fräulein einen ‚Stink‘ (Flatus) losgelassen hat?
Er lachte. Ich sagte ihm, das könne man doch in Bern nicht hören.“
— Nachdem Rudolf dieserart den männlich selbstzeugenden Charakter des
Weibes angedeutet hatte, rückte er der eigentlichen Zeugung näher: „Das
Kindlein kommt im Essen in die Mutter, und zwar entsteht es aus dem
Guten, das nicht fortgeht. Das Kind entsteht aber nicht vom Fleisch,*
sondern von den Haferflocken (spermaartig) oder aus Brei, jedenfalls
von einer guten und gesunden Speise.“ Ich frage ihn: „Könnte das Kind
nicht noch auf andere Weise in die Mutter gelangen?”
Als Antwort erzählt mir Rudolf wieder zwei Schildbürgergeschichten:
Die Versenkung der Glocke im See und die Ersäufung des Krebses. Beide
Geschichten spiegeln typisch die Zeugungssymbolik.
ı) Siehe dagegen: Graber, Die Ambivalenz des Kindes, Wien, 1924 9. 42.
Schon früher erzählte mir Rudolf, ein Knabe hätte ihm gesagt, der
Mann stoße der Frau einen langen Stock durch den Rücken (siehe seine
Auffassung über die Geburt im Kreuz), daß er vorn herausschaue (Ver-
männlichung des Weibes), und dann gehe er vorn dran und stoße sich
selbst den Stock durch den Bauch. Jetzt erinnert sich Rudolf auch an eine
zweite Geschichte aus dem Busch-Album: „Schreckliche Folgen eines Blei-
stiftes.“ Es ist eine äußerst eindrucksvolle Darstellung der Analogie
Zeugung = Tod! Der Zeichner Pedrillo trägt stets einen an beiden Enden
wohlgespitzten Bleistift in der Tasche. Als er nun einstmals bei Monden-
schein im Myrtenhaine seine Geliebte an die Brust drückte, fielen beide
vom Bleistift durchbohrt tot zu Boden.
Leider widerfuhr mir, an diesem Punkte der Analyse angelangt, ein
kleines Mißgeschick. Ich hatte wahrscheinlich den Eltern Rudolfs zu wenig
eindrücklich die Einmischungin die Analyse verboten, und so kam es, daß
nun der Vater den Knaben vorgreifend über die Zeugung aufklärte. Ich
hörte deshalb darüber von Rudolf wenig mehr als diese Mitteilung. Das
Zeugungsproblem wurde bald vom Kastrationskomplex abgelöst. Dabei stellte
sich allerdings heraus, daß Rudolf die Zeugung auch als Kastration
auffaßte.
Ich breche hier ab und beschränke mich, abschließend darauf hin-
zuweisen, daß nach meiner Erfahrung in Analysen von Kindern der Zeugungs-
vorgang genetisch analog der Geburt vorgestellt wird. Wir würden also ohne
das Vorgreifen des Vaters von Rudolf wahrscheinlich Theorien über Zeugung
durch den Mund, Brust, Nabel, Anus usw. gehört haben.
Das Thema ist nicht erschöpft. Auch das Therapeutische habe ich
unberührt gelassen."
UFFFTTFTFTTTIETUTHUUUUUUUUUTTTTEAPITTLLT LTE LALTTTTTEIFEP PETE TFT DPPTTELEP LET EIPUUUUUTSTTTTT FETTE TTTPTTTTTTTLTTLETTTLETEUTTETTTTTTEETEETTTTTTTTTTITN)
Analyse der Phobie eines achtjährigen Mädchens
Von Dr. med. Karl Landauer, Frankfurt a. M.
Nachfolgende Beobachtung, welche bereits mehrere Jahre zurückliegt,
soll zeigen, daß im Mittelpunkt mancher kindlicher Neurosen die „Auf-
klärung“ steht. Man darf dann allerdings diesen Begriff nicht eng fassen,
sondern muß in ihn sowohl die Antwort auf das Woher und Wie — kindlich:
Warum? — als auch das Wohin — in der Kindersprache: Und dann? —
die Frage nach dem Sterben und Totsein einschließen.
Kurz vor den Weihnachtsferien suchte mich eine Frau aus einer
nahe gelegenen Stadt auf, da die zweite ihrer drei Töchter, damals acht Jahre
ı) Rudolf ist ruhiger geworden. Er hat mit seinen Kameraden mehr Kontakt
gefunden und arbeitet in der Schule mit Fleiß und Ausdauer. Sein Augentic ist nach
Erledigung des Voyeur- und Kastrationskomplexes verschwunden.
SEHE
alt, sehr unter Angstzuständen leide, die das Kind herunterkommen ließen,
weil es nicht schlafen und nicht essen könne. Immer meine es, die Speisen
seien vergiftet. Zuerst wurde diese Erscheinung während des Sommer-
aufenthaltes beobachtet, nachdem tags zuvor die Jüngste sich den Magen
verdorben hatte. Abends weine die Kleine immer und könne nicht einschlafen,
wenn nicht die Mutter bei ihr sitze, und selbst dann beruhige sie sich oft
erst 'nach Stunden. Wenn sich auch diese Erscheinung zuerst gleichfalls
während des Badeaufenthaltes ab und zu gezeigt habe, so sei der Zustand
doch erst während der Herbstferien unleidlich geworden, die das Kind zu
Hause verbracht hatte.
In der Tat war das Mädchen sehr herabgekommen, sah körperlich
zurückgeblieben aus (etwa wie sechsjährig), hatte aber einen alten müde-
traurigen Blick.
Wir verabredeten, daß das Kind während der Weihnachtsferien zu einer
Tante nach Frankfurt kommen solle und mir täglich für eine halbe Stunde
gebracht werde. Kinder behandle ich wegen ihrer leichten Ermüdbarkeit
stets nur so kurz. Zur Vorsicht machte ich die Mutter darauf aufmerksam,
daß es wohl nötig werden würde, auch über Sexuelles zu reden. Ihr
Töchterchen sei noch ganz naiv. Bei ihr spiele so was keine Rolle. Im
übrigen, wenn ich es für nötig hielte, sie aufzuklären, so wäre ihr das
nur recht. Auch bei der Ältesten, damals zwölf Jahre alt, habe es die
Erzieherin auf einem Spaziergang in den letzten Herbstferien gemacht,
gemeinsam mit einer gleichalterigen Tochter einer Freundin.
In den ersten zwei Behandlungsstunden war das Mädchen kaum zum
Reden zu bringen. Jedoch war es kein trotziges Schweigen, sondern ein
vorsichtiges. Einzig wenn man auf die Angstzustände kam, wurde es
gesprächig. Es fühlte sich deutlich dadurch interessant. Allmählich wird
durch Plaudern über die Schule, die wenig bekannte Stadt usw. das Kind
zutraulich. Es freut sich, daß ich mich so eingehend mit ihm befasse, mit
ihm ganz allein. Die anderen hätten auch immer Geheimnisse. Hier hacke
ich ein und erfahre nun: die Schwester habe mit ihrer Freundin immer
was zu tuscheln. Dann werde es weggeschickt, es verstehe nichts davon,
sei noch zu klein. Das ginge seit den Herbstferien so, wo das Fräulein
sie beim Spazierengehen vorausgeschickt und mit den Großen Geheimnis
gemacht habe. Auf die Frage, was da wohl gesprochen worden sei, wird
die Kleine rot und schweigt verlegen. Der Ausdruck ist so eindeutig, daß ich ihr
auf den Kopf zusage, daß sie es wüßte. Sie dürfe es mir ruhig sagen, ich
hielte sie für groß genug, um mit ihr darüber zu sprechen. Jetzt sagt
sie ohne weiteres, daß sie von Kinderkriegen gesprochen hätten, und daß
sie alles wisse. Die brauchten gar nicht zu denken, daß sie das nicht
verstehe. Als ich ihr recht gebe, wird sie heiter. Nun frage ich weiter,
was ihr denn wirklich bekannt sei. Wenn sie noch etwas wissen wolle, so
würde ich wahrheitsgetreu antworten. Daraufhin stellte sie die Frage, wie
die Kinder in den Bauch der Mutter kommen. Ich sagte ihr, daß sie
nn nn rn m |
Br a
doch wisse, daß der Bauer Samen in die Erde lege, damit das Getreide in
ihr wachse. Dasselbe täte der Vater. Diese ganze Unterhaltung hatte etwa
zehn Minuten gedauert und nun plauderte sie frei über alles mögliche,
durchaus verwandelt, ein frisches Kind. Offenkundig war ihr das
Wesentliche an dem Gespräch der Liebesbeweis, den ich ihr dadurch
gegeben, daß ich sie für voll nahm. Von diesem Tag an ißt und schläft
die Kleine etwa zehn Tage vollkommen normal, nimmt sichtlich zu, ihre
körperliche und seelische Entwicklung macht einen deutlichen Sprung,
Während unserer Stunden tritt immer mehr die Eifersucht auf die
Geschwister, namentlich auf das vier Jahre jüngere Schwesterchen, hervor.
Im Mittelpunkt ihrer Liebe steht die Mutter, deren Liebling aber die
Jüngste sei. Die verstehe sich einzuschmeicheln. Wenn sie nur den Magen
verdorben habe, dann weiche die Mutter nicht von ihr. Da auf diese
Bemerkung hin vom Kinde, selbst auf direktes Fragen, keine neuen Einfälle
zu erzielen sind, entschließe ich mich, ihr die Erzählung der Mutter von
der Entstehung der Vergiftungsangst im Sommer mitzuteilen.” Daraufhin
fällt ihr ein, daß die Angst gewöhnlich zuerst in der Form auftrete, daß
sie Angst für das Leben des Schwesterchens und des Vaters empfinde, erst
später für sich selbst. Das allererste Mal überhaupt sei die Angst auf-
getreten, als die Mutter im Sommer abends mit dem Vater ins Kurhaus
habe gehen wollen. Sie wäre damals so gern mitgegangen, habe geweint,
weil sie nicht mit dem Vater habe gehen dürfen. Als ihr nun die Mutter
Adieu gesagt habe, habe sie so schön ausgesehen, und da sei plötzlich die
Angst gekommen. Diese ganzen Mitteilungen erfolgen ohne weiteres
Zutun von meiner Seite. Leider mußte hier die Unterredung abgebrochen
werden.
Anderen Tags ist die Kleine wieder blaß und verstört, spricht stockend wie
in der ersten Stunde, klagt, daß es nicht geschlafen und kaum gegessen
habe und sehr von Angst über die Mutter gequält worden sei. Auch für
mich habe sie Angst gehabt. Hier setzte nun der zweite Teil der Auf-
klärung ein: Sie habe sich wohl über mich geärgert, weil ich gestern hatte
abbrechen müssen, da sie im besten Reden war. Sie habe das als Zurück-
weisung ihrer Liebe empfunden. „Aber ich will doch nicht, daß du stirbst.
Das ist doch gräßlich, wenn man tot ist.“ Ich bemerke ausdrücklich, daß
ich selbst nichts von Todesgedanken erwähnt hatte. Nunmehr aber spreche
ich ausführlich mit ihr, daß man natürlich jemanden, der einem wehe
tue, zum Teufel wünsche, das sei nicht schlimm. Man dürfe ihm nur
nichts Böses tun. Sie aber strafe sich schon wegen der Gedanken mit
ebensolchen Todeswünschen. Jetzt beruhigt sie sich etwas, fragt aber dann,
was nach dem Tode sei. Sie berichtet über Erzählungen von der Hölle,
die reichlich blutrünstig sind. Ich erkläre ihr, daß wir nur wüßten, daß
ı) Anna Freud hat in ihrer „Einführung in die Technik der Kinderanalyse“
(Internat. PsA. Verlag, Wien ıg27) dargelegt, daß eine derartige Verwendung von
Mitteilungen der Angehörigen in Kinderanalysen oft nötig ist.
—— 256 —
mit dem Tode eben das Leben aufhöre. Was dann sei, wisse niemand.
Was sie erzählt habe, seien Märchen, um die Menschen zu schrecken.
Jetzt will sie ausführlich wissen, wie das Sterben vor sich gehe, ob es
schmerzhaft ist und dergleichen. Alles wird wahrheitsgetreu beantwortet,
soweit nicht die Einschränkung gemacht werden muß, daß auch kein
Erwachsener es wisse. Ohne weitere Nachhilfe zieht das Mädchen nun
selbst die Schlußfolgerungen, wie ihre Krankheit entstanden ist: als Angst,
daß die Todeswünsche gegen sich in Erfüllung gehen, weil sie Todes-
wünsche gegen ihr Nahestehende gehabt habe.
Von diesem Tag ab ist das Kind völlig geheilt. Die 20 Tage des Ferien-
aufenthaltes bedeuten nicht nur eine Zunahme von 8 Pfund, sondern auch
eine deutliche Änderung des Ausdrucks und des Charakters. Etwa vier Jahre
später, aus Anlaß einer anderweitigen Behandlung in der Familie, sah ich
sie wieder: Ein hübsches gesundes freies Ding, dessen Erziehung weder
in körperlicher noch in geistiger Hinsicht Schwierigkeiten bereitete.
Ich bin mir wohl bewußt, daß die Psychoanalyse dieses Falles recht
wenig in die Tiefe ging. Es scheint mir aber, daß dies in Fällen wie
hier durchaus nicht nötig ist. Trotz der schweren Erscheinungen, die das
Kind zuerst bot, handelt es sich doch nur um eine Schädigung, die durch
besondere Erlebnisse bei einem sonst relativ gesunden Kind entstanden
waren. Die kurze Behandlung reichte aus, um es wieder auf den normalen
Stand zu setzen, von dem aus dann die Entwicklung normal weiter ging.
Nach dem Erfolg der Behandlung erscheint es wohl kaum zweifelhaft, daß
wahrheitsgetreue Aufklärung durch die Mutter, zur rechten Zeit gegeben,
den Ausbruch der Erkrankung hätte verhindern können, allerdings eine
Aufklärung, die sich sowohl auf das Werden wie auf das Vergehen des
Menschen bezogen hätte.
ALFETTTTTTTTEEF LEUTE ITTTTTTTTELTIT PUTIN T ETF ITTTTTTTTPTPDRTTTL TUT TE ETTTT U TETTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTETTTTTTTETTETTTTRTITITTTTTTITTTIITETRTNTITTTTTTTTT
Die „sexuelle Aufklärung® und die Erwachsenen
Von Josef K. Friedjung
Dozent der Kinderheilkunde in Wien
Seit meiner studentischen Jugend, also seit reichlich 40 Jahren, habe
ich die Einsicht gewonnen, daß die Verlogenheit der üblichen Erziehung
in geschlechtlichen Dingen für die physische und psychische Entwicklung
der heranwachsenden Generation gleich folgenschwer sei, und mich um
ihre Anerkennung bemüht. In ungezählten Vorträgen vor Eltern habe
ich die Frage erörtert, in Diskussionen meinen Standpunkt vertreten, in
meiner Sprechstunde auch darin Rat erteilt. So glaube ich mich denn
dazu befugt, vom Verhalten der Erwachsenen zu der Frage einiges
zu berichten.
Zwiespältig stellen sich die Menschen zu unserem Probleme. Vorerst
lehnen sie es als Problem ab. Konnten sie ohne solche Skrupeln erzogen
werden, ging es auch so, — wie schlecht es ging, wissen sie entweder
nicht oder wollen es nicht wahr haben, — so ist es eine Störung ihres
satten und im ruhigen Gewissen verankerten Behagens, solche Probleme
aufzuspüren und Stellungnahme zu ihnen zu fordern. Und da man sich
und anderen nicht gerne gestehen mag, daß man bloß sein blinzelndes
Behagen verteidige, so verschanzt man sich lieber hinter sittlichen Bedenken.
Es ist also nicht nur bequem, sich um diese Fragen zu drücken, sondern
auch sittlich. Und die anderen sind ruchlose Entweiher kindlicher
Unberührtheit. Aber dann regt sich das einmal geweckte Gewissen doch
wieder, es läßt den Leutchen keine Ruhe, und so verlangt man von allen
Seiten nach einem Vortrage über „sexuelle Erziehung“, dem der Ruf
vorausgeht, er gebe auf die vielen Zweifel erschöpfende Auskunft, schrecke
vor der „Wahrheit“ nicht zurück und wahre doch ein hohes sittliches
Niveau. Dankbarer Beifall, erfreulich-offene Aussprache, ehrende
Zustimmung auch hoher kirchlicher Würdenträger, herzliches Geleite,
Dankesbriefe, — und zu Hause fehlt dann doch meist der Mut zu neuen
Wegen, man schiebt die Tat so lange auf, bis sich das aufgescheuchte
Gewissen wieder halbwegs beruhigt hat. Und fromme Eiferer reihen mich
in bewegten Zeilen unter die „Kinderverderber“. Eine kleinere Zahl nur
von Eltern folgt meinen Ratschlägen und dankt mir mehr oder weniger
überschwenglich. — Es ist also eine wahre Sisyphusarbeit, die ich hier
unverdrosssen leiste, weil sie getan werden muß.
Weit erfreulicher ist es, vor Jugendlichen über das „Sexualproblem der
Jugend“ zu sprechen. Diese mit sich selbst und ihrer Umgebung ringenden
jungen Menschen suchen nach einem Virgil, der sie durch das „Inferno“
geleite, sie freuen sich des Vortragenden, der sie ernst nimmt, sich
rückhaltslos äußert, der gewohnten Scheinheiligkeit entbehren kann.
Sie folgen ihm willig, weil er ihnen, die an ihren Eltern Enttäuschungen
erlebt haben, eine Übertragungsmöglichkeit bietet, ihnen ein Ichideal
setzt, das im Einklang steht mit dem Klassenideal, von dem sie mehr
oder weniger klar erfüllt sind. Seine Gedanken werden als revolutionär
empfunden und daher gerne angenommen. Und so scheint es denn, daß
die neue geschlechtliche Erziehung erst von der Generation wird im
größerem Ausmaße geübt werden, der sie einen prometheischen Feuerbrand
bedeutet, vom Herde der „Götter“ heimlich entwendet und den „Menschen“
trotzig gebracht.
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Über kindliche Aufklärung
Von Dr. med. Rhaban Liertz, Müncen
Die Kenntnis der Wurzeln vieler Seelenleiden und der Schwierigkeiten,
die sich oft infolge unwirklichen Einstellens bei Kranken mit gestörtem
seelischem Gleichgewicht während der Behandlung zeigen, drängt uns zu
der Überzeugung, daß ein Verhüten der Leiden leichter ist und daher
in der Erziehung geboten erscheint. Vor allem sind die Wirklichkeits-
erziehung, das wahrhaftige Unterweisen und die Erziehung zur Wahrheit
nicht zu unterschätzende Hilfsmittel zum Bewahren des Menschen vor
Seelenleiden.
Vor allem ist die Unterweisung über das Geschlechtliche nach Form
und Inhalt so zu geben, daß sich ein Seelenleiden aus kindlichem Miß-
verstehen nicht bilden kann. Der Unterricht hierüber muß immer wahr
sein und sich vor jeder selbst gutgemeinten Überspannung hüten. Eine
natürliche, gesunde Erziehung des Kindes zur Keuschheit als menschlicher
Tugend, also im bejahenden Sinn, wird entschieden mehr nutzen als
alles Warnen, Drohen und alle Heimlichtuerei in Form dem Kind
unverständlicher Andeutungen.
Es gibt keinen Zweig des menschlichen Lebens, der so tief in das
Innenleben und das gesellschaftliche Verhältnis der Menschen eingreift,
wie gerade die Regungen des Arterhaltungstriebes von seinem Erwachen
in der Kindheit bis zu seinem Erlöschen, vielleicht erst am Ende des
Lebens überhaupt. Daher ist es geboten, dem Kind von Anfang an klare
Begriffe über das Geschlechtsleben zu vermitteln, damit der Heranwachsende
die von selbst wachsende Aufklärung, d. h. die Zunahme der Einblicke
in sich, guten Glaubens abwickeln läßt.
Beim Unterweisen über die geordnet geleitete 'Triebregung, die wir
unter dem Sammelbegriff des F ortpflanzungstriebes zusammenfassen, ist es
ratsam, die Selbstbeobachtung daran zu gewöhnen, daß sie den Geschlechts-
organen und ihrem weiteren Begriff nur die Aufmerksamkeit widmet, die
dem Teilverhältnis zum Gesamtkörper entspricht. Hierdurch wird das
Geschlechtliche in das Gesamtbild der Person richtig eingereiht. Wie das
wirklich unterwiesene Kind es als selbstverständlich annimmt, daß nicht
jede Triebregung im Menschen befriedigt werden muß, weder die Eßlust
noch die Wollust, so überzeugt es sich durch Übung, daß die Spannung
aus dem Triebleben nicht nur im Genuß gelöst werden muß. Neben das
natürliche Ablenken als Ersatzmittel tritt das Erhöhen des geschlechtlichen
Triebes, d. h. das Einordnen des ursprünglich gesellschaftlich gleichgültigen
Lustsuchens in den Fortschritt des Weltganzen. Daß diese Kräfte bei jedem
geistigen Mehrleisten mitarbeiten, ist nicht erst in der Erhöhungslehre
ne wem Zn
aufschließender Seelenforschung ausgesprochen worden, sondern war schon
längst teilweise vermutet, teilweise behauptet worden.
„An den Tagen und Stunden, wo der Trieb der Wollust am stärken
ist, eine brennende Gier, gerade dann sind auch die höchsten Kräfte des
Geistes, ja, das bessere Bewußtsein zur höchsten Tätigkeit bereit. Es bedarf
nur einer gewaltigen Anstrengung zur Richtungsumkehr, und statt einer
quälenden, bedürftigen, verzweifelnden Begierde füllt die Tätigkeit der
höchsten Geisteskräfte das Bewußtsein“ (Schopenhauer).
Der dauernd in Unkenntnis über das Geschlechtsleben gelassene Mensch
wird überhaupt nicht fertig mit der Entwicklung. Er bleibt geistig in all
seinen Auffassungen kindlich oder, besser gesagt, kindisch. Das unauf-
geklärtte Mädchen kommt zur Ehe, deren Zusammenbruch meist schon
in der ersten Nacht entschieden ist.
Die geschlechtliche Erziehung, also Aufklärung über das Geschlechts-
leben des Menschen, kann nur im Rahmen der Gesamterziehung sinnvoll
geleistet werden. Würde im Elternhaus oder in der Schule am richtigen
Ort und zur rechten Zeit taktvoll aufgeklärt werden, so wäre ein Teil des
Kampfes gegen die Schmutzliteratur und die unsittlichen Bildwerke für
die Jugend unnötig, weil die Neugierde des Kindes einen Hauptinhalt
verloren hat. Dadurch würde außerdem eine Fülle von nervösen Leiden
auf dem Gebiet des Geschlechtslebens vermieden werden.
Von wesentlichem Einfluß auf die Entwicklung der Gefühle bei beiden
Geschlechtern ist die Zeit der Geschlechtsreife. Bei deren Eintritt findet
häufig eine Änderung der kindlichen Gefühle im Sinn einer anderen Ziel-
bestimmung statt. So kann bei zu seelischer Erkrankung veranlagten
Knaben, die bis dahin ohne jede Aufklärung über die geschlechtlichen
Verhältnisse geblieben sind, durch den ersten Samenerguß ein Schrecken
entstehen, der nachhaltige Folgen hat. Wir konnten Fälle beobachten, bei
denen von diesem FEreienis an die Gefühle nicht Lust, sondern Unlust
verursachten. Es entstehen dann Verdrängungen und alle ihre gefährlichen
Nebenerscheinungen. So wurde mitunter von der Zeit der krankhaften
Gefühlsäußerung an die geistige Person völlig umgewandelt und eine
Erkrankung ausgelöst, die sich als Zwangsneurose, Angstleiden oder, bei
geisteskranker Anlage, in jugendlichem Irresein geltend machte.
Bei Mädchen war der Schrecken bei der erstmaligen Monatsblutung
und die damit verbundene Angst, die sich danach auf alle Geschlechts-
vorgänge erstreckte, die Ursache der Verdrängung der natürlichen geschlecht-
lichen Gefühle. In manchen Krankheiten gewannen wir den Eindruck,
als hätte ein Seelenleiden nicht das schwere Gepräge angenommen, wenn
die Kranken im Entwicklungsalter seitens der Mutter verständnisvoll auf-
geklärt worden wären. Gewiß ist zuzugeben, daß regelrechte Kinder trotz
mangelnder Aufklärung sich von selbst ohne Schaden zurechtlinden werden,
sonst müßte das Heer der so entstandenen kranken Zustände noch größer
sein als es leider schon ist, da der Erwachsene so leicht geneigt ist, sich
— 260 —
u
vor dem ihn fragenden Kinde zu schämen und ausweichend zu
antworten.
Mit dem Beginn der Geschlechtsreife treten besonders für das männliche
Geschlecht Unruhen auf, die sich an die ersten Samenergüsse anschließen.
Durch diese Vorgänge werden auch sonst durchweg gesund veranlagte
Jünglinge Jahre hindurch beunruhigt. Sie leben teils im Ungewissen, teils
in Angst oder in Sorge, ob sich da bei ihnen nicht krankhafte Erschei-
nungen zeigen. Der Mangel an Aufklärung bildet hier eine Quelle stiller
Leiden und läßt wahre Jugendfröhlichkeit häufig nicht aufkommen. Je
feinfühlender in sittlicher Beziehung der Jüngling und die Jungfrau sind,
um so schwerer leiden sie in den Zeiten des inneren Ringens nach
Reife.
Wenn zu Hause oder besonders in der Schule bei sonst geweckten,
teilnahmsvollen und aufmerksamen Kindern auf einmal die Schultugenden
nachlassen oder sogar in das Gegenteil umschlagen, so kann man gewiß
sein, daß die Fragen nach dem Woher und Wie der eigenen Entstehung
das Kind lebhaft beschäftigen. Einige kurze, verständnisvolle Worte stellen
dann oft die alte Seelenstimmung und Leistungsfähigkeit wieder her.
Der Aufklärungspflicht dürfen Eltern und Erzieher sich nicht entziehen.
Die Aufklärung soll schon vor der Geschlechtsreife stattfinden, damit die
Kinder den Ereignissen der ersten IMonatsblutung und des ersten Samen-
ergusses mit Ruhe entgegengehen und nicht davon überrascht und
erschreckt werden. Dabei sollen die Erzieher sich wie in allem so auch
beim Aufklären dem Auffassungsvermögen und der Empfindungsweise des
einzelnen Kindes anpassen. Also keine Massen-, sondern Einzel-
aufklärung.
Den Mädchen und Knaben gegenüber müssen offen die Gefahren
geschildert werden, die das frühzeitige Auslösen der geschlechtlichen
Gefühle mit sich bringt, allerdings ohne Furcht zu erzeugen oder ängstlich
zu machen. Wie manches Unglück könnte so verhütet werden! Die
Lebensgeschichten unserer Kranken sind voll von den schweren Schäden,
die die unterbliebene richtige Belehrung mit sich brachte. Wird das Kind
nicht von berufener Seite unterrichtet, so übernimmt die Gasse diese
Aufklärung oft in schmutzigster Form; was Gegenstand der Eihrerbietung
sein sollte, wird als häßlich hingestellt; das Geschlechtsleben wird so von
vorneherein zu etwas Gemeinem, und auf die Eltern fällt ein Makel, der
die Mutter in Träumen und neurotischen Handlungen, in Zwangsliebe zu
Dirnen oder in Donjuanismus als Dirne, den Vater als Wüstling erscheinen
läßt. Oft schließt sich andererseits daran ein unbezwingbarer Ekel vor dem
natürlichen Geschlechtsleben, Geschlechtskälte und eine Menge anderer
seelischer Krankheitszeichen, die ein Menschenleben zu verpfuschen in der
Lage sind. Bleibt die wirkliche Aufklärung aus, so treten falsche Kindheits-
bilder an ihre Stelle, oft quälerische oder mit sonstigen abirrenden Vor-
gängen übereinstimmende Zeugungs-- und Geburtsvorstellungen, deren
— 201 —
Folgen schließlich in krankem Abirren des Geschlechtsempfindens zutage
tritt.
Bei der Darbietung der Aufklärung kommt es darauf an, daß die Kinder
nie auf den Gedanken kommen, wir wollten ihnen aus der "Tatsache des
Geschlechtslebens eher ein Geheimnis machen als aus anderem, was ihrem
Verständnis zugängig ist. Bei aller sittlichen Achtung vor dem richtig
gepflegten Schamgefühl als einer menschlichen Tugend müssen wir doch
bemüht sein, das Geschlechtliche von dem kitzelnden Strahlenkranz des
allzu Geheimnisvollen oder an sich Unerlaubten zu entkleiden. Um dies
zu erzielen, ist es erforderlich, daß das Geschlechtliche von Anfang an
gleich wie anderes Wissenswertes behandelt wird. Vor allem ist es Aufgabe
der Eltern und der Schule, der Erwähnung des Geschlechtlichen nicht
auszuweichen, die großen Tatsachen der Fortpflanzung beim Unterricht
über die Pflanzen- und Tierwelt in ihrer Bedeutung einzusetzen und
sogleich zu betonen, daß der Mensch alles Wesentliche seiner körperlichen
Einrichtung ähnlich dem der höheren Tiere hat,
Die Neugierde des Kindes wird dann nie einen hohen Grad erreichen,
wenn sie auf jeder Stufe des Lebens die entsprechende Befriedigung findet,
Die Aufklärung über die besonderen, rein menschlichen Verhältnisse des
Geschlechtslebens und der Hinweis auf die gesellschaftliche Bedeutung der
Ehe, und vor allem die daran geknüpfte weise Einrichtung der Erhaltung
des Menschengeschlechts, hätten sich in der Zeit des reifenden Alters
anzuschließen und sich dabei an das Verständnis bei Großstadtkindern
anzupassen.
Daran anschließend würden dann dem über alles Körperliche, soweit es
ihm verständlich, aufgeklärten Kind die sittlichen Pflichten, die an die
Ausübung des Fortpflanzungstriebes geknüpft sind, das sittliche Band
zwischen Eltern und Kindern, darzustellen sein. Hierbei könnte durchaus
auch schon über das seelische Verhältnis zwischen Mann und Weib, über
die Reinerhaltung des Geschlechtslebens und das Sichbewahren für den
zukünftigen Ehegatten für beide Geschlechter unterwiesen werden.
Kurz, je vornehmer und edler wir über all diese Dinge mit dem Kinde
sprechen, um so mehr wecken wir in ihm die Hochachtung für das
Natürliche in ihm und in anderen.
Die „sexuelle Frage“ muß genau in der nämlichen Weise in ihrer
Gesamtheit erfaßt werden, wie die anderen seelischen Begebenheiten und
Lebenserscheinungen, wie das Leben überhaupt. Es verlangt, um verstanden
zu werden, nicht nur in Gattungen eingeteilt, nach bestimmten Zwecken
und begründeten Gesetzen untersucht zu werden, oder daß der lebendige
Stoff festgehalten wird, sondern es beansprucht umgekehrt, daß aus der
stetig fortdauernden Schöpfung, wie sie uns im Geschlechts- und Fort-
pflanzungsleben der Menschen entgegentritt, alle die Äußerungen, Formen
und Inhalte mit ihrer Abwechslung und Abweichung sich gedanklich
ableiten lassen.
— 202 —
Das Beherrschen des Liebesdranges an Stelle seiner Vernichtung, seine
Erhöhung gegenüber dem rein körperlichen, menschenunwürdigen Aus-
toben des Arterhaltungstriebes, sind abhold jeder Verdrängung. Dies wird
erst durch die höhere Entfaltungsmöglichkeit des Lebenstriebes gegenüber
dem ursprünglichen, alleinherrschenden Ichtrieb ermöglicht. Soll aber der
Schwerpunkt der Lebensaufmerksamkeit von den körperlichen in die
geistigen Vorgänge gelegt werden, so muß das Denken mit den Gemüts-
regungen gepaart sein und ebensowohl den verstandesmäßigen als auch
den Triebansprüchen entsprechen.
Eine dem kindlichen Verständnis angepaßte, mit ihm wachsende, stufen-
weise fortschreitende und eigentlich zu keiner Zeit der Entwicklung
unterbrochene Aufklärung erscheint uns als die einzig menschgemäße,
die ganz der Entwicklung und damit dem Verständnis des Kindes
Rücksicht trägt.
TESTTEITTESSNEITLEDDDTELLLELLTRLEDEITTTTLETBETFETLLELTTLTTELISTTEETTETTTTTULEPSTETUETTEILLUT U TEUITEETLTITEIU UST LEE LTE TEE ELDTIPPE TEILTE UUU ULLI
Eltern als Erzieher
Von Dr. Wilhelm Reich
Assistent am Psychoanalytischen Ambulatorium in Wien
II) Die Stellung der Eltern zur kindlichen Onanie
Als wir vom Erziehungszwang der Eltern und seinen unbewußten Motiven
sprachen,! erwähnten wir unter anderem auch die Tatsache, daß die Trieb-
äußerungen des Kindes eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der Sexual-
verdrängungen der Erwachsenen bedeuten. Diese erwehren sich der Gefahr
entweder dadurch, daß sie die Triebäußerung garnicht wahrnehmen oder
als „krankhafte Unart“ verurteilen. Unter den kindlichen Triebhand-
lungen kommt in dieser Hinsicht der Onanie eine besondere Bedeutung
zu. Werden andere Triebäußerungen noch als natürliche Unarten aufgefaßt,
so gilt die Onanie des Kindes, beziehungsweise des Puberilen, als ein
„krankhaftes Laster“, das unbedingt abgestellt werden müsse.
Woher kommt es, daß sich diese Ansicht festsetzen, ja, daß eine große
Schundliteratur über die Onanie entstehen konnte? Und warum nützen
alle Aufklärungen, daß die Onanie zu den natürlichen Erscheinungen in
einem bestimmten Alter gehört, nichts? Auch namhafte Autoritäten auf
dem Gebiete der Hygiene und der Sexualwissenschaft sind der gleichen
irrigen Ansicht. Außer den unbeweisbaren ethischen Argumenten, die sie
anführen, lassen sich die angeblichen Schäden der Onanie sämtlich auf
andere Ursachen zurückführen. Wenn wir auf starre, unbeeinflußbare
ı) Der Erziehungszwang und seine Ursachen (diese Zeitschrift, Heft 3, Dez. 1926).
ER 203 —
und dazu groteske Ansichten stoßen, liegen unbewußte Motive vor,
die diese Haltung bedingen. Wir verdanken Freud die Aufklärung nicht
nur des Wesens der Onanie, sondern auch der Motive ihrer Bewertung als
eines krankhaften Lasters.
Es ist hier nicht der Ort, auf das Wesen der Onanie näher einzugehen :
eine kurze Orientierung über die diesbezüglichen Ergebnisse der psycho-
analytischen Forschung" möge das Verständnis der Unzweckmäßigkeit der
derzeit üblichen die Onanie betreffenden Erziehungsmaßnahmen erleichtern.
Die Onanie ist eine Reaktion auf körperliche Reize am Genitalapparat.
Der Anlaß zur Onanie ist ein Spannungsgefühl oder eine Juckempfindung
am Genitale; diese Empfindungen werden durch Kratzen oder Reiben be-
seitigt, wobei sich eine wollustartige Sensation einstellt. Wurde diese
einmal erlebt, so wird um der Lust willen onaniert. Man unterscheidet
drei Onanieperioden: ı. Die Säuglingsonanie. Sie wird häufig
beobachtet als reflexartige Reibung des Genitales und dürfte auf zufälligen
äußeren Reizungen beruhen (Reinigung usw.). 2. Die OÖnanie des Ödipus-
alters (etwa 4. bis 6. Lebensjahr). Für diese Zeit ist eine körperliche
Grundlage der genitalen Reize noch nicht festgestellt worden, doch läßt
die Gesetzmäßigkeit, mit der die Onanie in diesem Alter aufblüht, auf
erregende körperliche Vorgänge schließen. 3. Die Pubertätsonanie.
Diese hat ihren physiologischen Grund in der rapiden, schubartigen Reifung
des Geschlechtsapparats.
Die allgemeine Ansicht, daß nur solche Kinder onanieren, die verführt
wurden, ist durchaus irrig, weil ja die Onanie Ausdruck eines inneren
Entwicklungs- und Erregungsprozesses ist. Das bekannte „Doktorspielen“ und
das gegenseitige Betasten und Beschauen der Genitalien sind Folgen, nicht
Ursachen des Erregungsvorganges, wenn sie ihn auch sekundär steigern.
Gelegentlich bieten ein juckendes Ekzem am Genitale oder Würmer
einen aktuellen Anlaß, doch ist auch die Annahme falsch, daß diese
zufälligen Erscheinungen die Ursache der Onanie sind. Es ist vielmehr
wahrscheinlich, daß erst das Kratzen am Genitale das Ekzem hervorruft;
dieses verstärkt seinerseits wieder den Onaniedrang,.
Diesem Juckgefühl steht das Kind des Ödipusalters anfänglich harmlos
gegenüber, es entledigt sich seiner durch Kratzen oder Reiben, solange
keine Komplikationen durch elterliche Verbote und Drohungen oder durch
Phantasien eintreten. Die infantile Onanie ist ein Zeichen
dafür,daß die genitale Stufe der Libido entwicklung erreicht
wurde, was zur normalen seelischen Entwicklung gehört.
Krankhaft ist also nicht, wie allgemein angenommen wird, das
Onanieren, sondern vielmehr das Ausbleiben der Onanie.
Die körperliche sexuelle Erregung ist bloß die eine Seite des onanistischen
Geschehens. Mit dem Drang zur körperlichen Erledigung der Reize stellt
sich auch ein Drang zur Annäherung an das geliebte Objekt — gewöhnlich
ı) Vgl. hiezu: Die Onanie, Diskussion der Wiener PsA. Vereinigung 1910.
— 204 —
—
an das heterosexuelle — ein. Manche Kinder werden in diesem Stadium
sehr aggressiv, sie verlangen stürmisch, umarmt, geküßt, ins Bett ge-
nommen zu werden, ja sexuelle Attacken — mehr oder minder verhüllt —
kommen gar nicht selten vor. Erst jetzt setzt ein mächtiger Konflikt ein:
Das Kind lernt sehr bald begreifen, daß das Genitale etwas ist, wovon
man nicht spricht. Kommt ein Onanieverbot hinzu, so wird das Genitale
mitsamt allen Wünschen, die durch seine Erregung hervorgerufen werden,
„tabu“, es darf nicht einmal mehr berührt werden. Hier wird der Keim
zur späteren Sexualablehnung und Sexualverdrängung gelegt. Die Eltern
richten das genitale Tabu auf, übersehen aber in ihrer Unwissenheit, daß
gewisse Notwendigkeiten des Alltags, das kindliche Spiel, ja, ihre eigenen
Sexualwünsche — je verdrängter diese sind, desto mehr — die genitalen
Reize steigern.
Wie gern nehmen die Eltern ihre Kinder morgens oder abends ins Bett,
und wie freuen sie sich mit den Kindern, wenn sie „Hoppa—Hoppa—
Reiter“ oder „Huckepacktragen“ spielen. Beides wirkt direkt genital erregend.
Die notwendigen täglichen Waschungen des Genitales seien hier bloß
erwähnt.
Ohne es zu wissen, bewirken die Eltern Steigerungen der genitalen
Reize auch durch ihre sei es spaßhaften, sei es ernsten Drohungen. Die
Angstbereitschaft des Kindes ist gerade im kritischen Ödipusalter enorm
groß. Nun überträgt sich bekanntlich die Angsterregung sehr leicht auf das
Genitale und ruft hier eine Sensation hervor, die man als „Angs tlust“
bezeichnet: eine wollüstise Empfindung, die angstvoll erlebt wird und
völlie der onanistischen Erregung gleichkommt. Man denke an den
plötzlichen Harnverlust im Angstzustand bei Kindern, die einen Schreck
erleben. Daß es sich dabei auch um ein lustvolles Erleben handelt, beweist
die Vorliebe vieler Kinder für gruselige Geschichten: Sie nehmen die
Angst mit in Kauf wegen der genitalen Sensation, die dabei auftritt. Und
daß das Schrecken, Mit-dem-schwarzen-Mann-Drohen, das Erzählen unheim-
licher, gruseliger Geschichten und ähnliches allgemein geübt wird, braucht
nicht erst bewiesen zu werden.
Ferner besteht — notgedrungen in Armenkreisen — die‘ Unsitte, die
Kinder, wenn nicht im selben Bett, so doch im selben Zimmer schlafen
zu lassen. Den Wirkungen der Koitusbelauschung entgeht dabei kaum
je ein Kind. In den Analysen Erwachsener lassen sich hier zwei typische
Reaktionen feststellen. Zuerst reagiert das Kind auf die Koitusbelauschung
mit Angst, natürlich mit Angst vor dem unheimlichen, weil unbekannten
Geschehen im dunklen Zimmer. Es vermutet eine Prügelszene, das
Keuchen und Stöhnen, eventuell das Sträuben der Mutter geben Anlaß zur
Bildung einer „sadistischen Auffassung des Geschlechtsaktes“. Die Angst,
die dabei erlebt wird, löst gewöhnlich genitale Erregungen aus, die den
Wert einer spontan entstandenen Sexualerregung haben. Allmählich begreift
das Kind ungefähr den Sinn der nächtlichen Szenen als eines lustvollen
— 265 —
Vorganges und die genitale Erregung, die ursprünglich aus Angst zustandekam,
tritt jetzt in ihrer eigentlichen Eigenschaft auf: das Kind onaniert in
bewußter oder unbewußter Identifizierung mit einem der Eltern. Viele
Fälle nächtlicher Angstzustände (pavor nocturnus) und von Bettnässen
fußen auf diesen Erregungen.
Wir haben nur einige von den vielen äußeren Anlässen erwähnt, die
infolge der Unwissenheit der Eltern reizsteigernd auf die ohnehin gegebene
genitale Erregung wirken. Das Kind würde zwar sicherlich auch onanieren,
wenn die Anlässe wegfielen, aber erstens bliebe die Onanie dann in den
physiologisch vorgeschriebenen Grenzen und zweitens geriete das Kind
nicht unter die Wirkung der Inkonsequenz der die Onanie betreffenden
Erziehungsmaßnahmen, die darin besteht, daß die Eltern das Resultat des
onanistischen Reizes beseitigen wollen und nicht deren Anlässe, die sie
vielmehr, ohne es zu wissen, ungeheuer vermehren,
Der Hauptmangel der heutigen Erziehung besteht darin, daß sie sich
des Mittels. der Angsteinflößung bedient und trotzerzeugend wirkt. -
Beides, Angst und Trotz, ist aber geeignet, den Onaniekonflikt zu verschärfen.
Die Angst tut es dadurch, daß sie einerseits genitale Sensationen hervorzu-
rufen vermag, andererseits zu einem Kampf gegen ebendieselben Empfin-
dungen führt, der notwendigerweise in ein krankhaftes Kompromiß ausläuft.
Der Trotz, der durch das ÖOnanieverbot hervorgerufen wird, steigert
ebenfalls die Neigung zur Onanie dadurch, daß die „Lockung des Verbotenen“
hinzutritt. Bei vielen chronischen Onanisten findet man diesen Mechanismus:
sie onanieren dann besonders exzessiv, wenn ihnen etwas versagt wurde,
mit einer unverkennbaren, häufig sogar bewußten Absicht, sich den Eltern
zu m-Erotz zu<sruinieren.
Die Onanieverbote führen ferner, je nach ihrer Art, zu einer mehr oder
minder weitgreifenden Verbildung des Charakters. Gelang es der Anost
nicht, die Onanie völlig zu unterdrücken, so pflegen die Kinder — was
die Eltern weder sehen noch erfahren — zu heimlichen Formen der
Onanie zu greifen. Sie onanieren dann nicht mehr im Bett, sondern im
Klosett, nicht mehr mit der Hand, sondern etwa durch /usammenpressen
der Schenkel, durch Andrücken des Genitales an Gegenstände, durch
Einklemmen des Gliedes usw. Die Heimlichkeit der Onanie führt zu
allgemeiner Scheu, Verlogenheit und Unaufrichtigkeit. Welchem Erzieher
wären nicht jene Kinder aufgefallen, welche sich immer isolieren, niemals
in die Augen schauen können, einen scheuen Blick oder verkniffene
Gesichtszüge aufweisen? Wer kennt nicht die „facies masturbatorica“ des von
Onanieschuldgefühl gedrückten Pubertätsknaben? Solche Kinder weisen
später eine Lähmung der Liebes- und genitalen Leistungsfähigkeit auf,
werden impotent, bzw. frigid und sind auch sozial wenig leistungsfähig.
Gewiß, nicht alle Kinder, die später neurotisch werden, haben Onanie-
verbote erlebt, und viele, die sie erlebten, sind doch noch gesunde und
leistungsfähige Menschen geworden. Das Önanieverbot ist ja nur ein
— 20606 —
FF
Teilstück der Gesamterziehung, und seelische Gesundheit oder Krankheit
ist immer überdeterminiert. Das darf aber nicht dazu verleiten, die
schlechte Wirkung der Önanieverbote zu unterschätzen. In den Analysen
Erwachsener kann man beobachten, daß die späteren Sexualstörungen den
Onanieverboten entsprechende Formen annehmen und daß die krankhafte
Gestaltung der Gesamtpersönlichkeit proportional ist der asketischen Strenge
und der Inkonsequenz der genossenen Erziehung. Besonders zu verpönen
sind die üblichen Erziehungsmaßnahmen gegen die Onanie: Drohung des
Hände- oder Gliedabschneidens, die Warnung, das Glied werde abfallen,
eine tödliche Krankheit werde sich einstellen, der böse Geist oder der
Teufel werde das Kind holen, ferner das Schlagen, das Anbinden der
Hände, das Verbinden des Genitales und anderes mehr. Diese sinnlosen
und unwürdigen Maßnahmen verunstalten bloß die kindliche Persönlichkeit
gerade im Zeitpunkt ihrer blühendsten Entwicklung und erreichen überdies
nichts, denn entweder bricht sich die natürliche sexuelle Erregung auf
krankhafte Weise Bahn oder, was noch weit häufiger ist, die Onanieperiode
geht nicht vorbei, sondern fixiert sich aus mannigfachen Gründen, von
denen früher einige hervorgehoben wurden.
Und warum dies alles? Warum lassen die Eltern einem natürlichen
Prozeß nicht seinen Lauf? Wieder ist es der Erziehungszwang, unbewußt
determiniert, diesmal durch die eigene Onanieangst. Ein Beispiel, das
keinen Sonderfall darstellt, veranschauliche das Zustandekommen der
elterlichen Onanieangst.
Eine z2jährige Frau, Mutter eines ı2Jährigen Mädchens und eines
8jährigen Knaben, erkrankte akut an einer hypochondrischen Angsthysterie.
Sie wurde von der Angst, bzw. dem Zwangsgedanken gequält, sie und ihr
Bub könnten an Lungentuberkulose sterben. Die Analyse ergab als Anlaß
der Erkrankung folgendes: Ihr Knabe hatte ein Jahr vorher schlecht aus-
gesehen, der konsultierte Arzt konnte nichts feststellen und meinte bloß,
sie solle das Kind gut nähren, damit sich keine Tuberkulose entwickle.
Ungefähr zur selben Zeit bemerkte sie, daß ihre Tochter im Halbschlaf
onanierte. Sie erschrak heftig und konnte den Gedanken nicht los werden,
daß die Tochter den Buben zur Onanie verleiten werde, er würde dann
an Tuberkulose erkranken und sterben. Warum übertrug sie aber die
Onanieangst auf sich und den Knaben, wo es doch logischer gewesen
wäre, sie hätte für ihre Tochter gefürchtet? Sie selbst hatte von ihrem
4. bis 16. Lebensjahre exzessiv (allein und mit anderen Kindern) masturbiert,
später, als sie heiratete und Inzestwünsche wegen der nicht sehr glücklichen
Ehe wieder auftraten, unterdrückte sie die Onanie aus Angst vor den ver-
meintlichen Folgen (Tuberkulose, Syphilis) und die Verdrängung gelang
vorübergehend vollkommen. Als sie nun ihre Tochter onanieren sah,
wurden in ihr die verdrängten Wünsche wieder wach, ohne jedoch bewußt
zu werden. In Träumen verriet sich nicht nur der Onaniewunsch, sondern
auch die Tendenz, mit dem Genitale ihres Buben zu spielen. So
— 207 ai
träumte sie einmal, daß der Junge mit einem Handwagerl hin und her
fuhr („Handwagerl fahren“ ist eine ar Umschreibung der Masturbation)
und sie hinter ihm „hin und her“ rannte, wie um ihn davon abzu-
halten, weil es gefährlich wäre. Bis zur Analyse schlief sie mit dem Jungen
in einem Bett, dabei lag sie hinter ihm und pflegte ihre Hand an
seinem Genitale zu halten. Das alles bedarf keines weiteren Kommentars.
Ich erwähne nur noch, daß sie die ganze Liebe, die einst dem Vater
gegolten hatte, auf den Knaben übertrug, und darin hatte auch die
Befürchtung, er könnte an Tuberkulose sterben, eine weitere Begründung:
Der Vater war an Lungentuberkulose gestorben. Ferner hatte sie als Kind
bis zu ı2 Jahren mit ihrem Vater in einem Bette geschlafen und war von
ihm einmal bei der Onanie ertappt und gescholten worden. „Ich und der
Junge werden an Tuberkulose sterben“ hatte den Gefühlswert der ver-
drängten Wunschvorstellung: „Ich und mein Junge (Vater) werden mit-
einander spielen (onanieren)“; als Strafe dafür waren schwere Erkrankung
und Tod zu befürchten.
Wie tief die Onanieangst auch bei aufgeklärten Erwachsenen wurzelt,
konnte man an einer vernünftigen, klardenkenden Mutter sehen, die beim
Anblick der Onanie ihres kleinen Sohnes geradezu reflektorisch ausrief:
„Ja, wirst du die Hand weggeben?“; sie konnte nur mehr über sich
selbst staunen.
Warum wird die Onanie ganz allgemein als ein sträfliches Laster
bewertet? Ein oberflächlicher Grund ist der, daß die Eltern diese Ansicht
als Kinder wie selbstverständlich in sich aufgenommen haben. Sie verhalten
sich dann gegen ihre eigenen Kinder so, wie sie es an ihren Eltern erlebt
haben. Das zweite Motiv hat mit äußeren Einflüssen wenig zu tun und
ist rein innerer Herkunft. Die Analyse des Onaniekonfliktes, den wir aus-
nahmslos bei jedem unserer Patienten antreffen, ergibt nämlich, daß
bewußt zwar die onanistische Manipulation, unbewußt aber die Phantasien
das Schuldgefühl und die Angst erzeugen, die dieser Bewertung der Onanie
zugrunde liegen. Mit den genitalen Reizen verbanden sich in der frühen
Kindheit auch Sexualwünsche, die auf den gegengeschlechtlichen Elternteil
gerichtet waren; man faßt sie in der Psychoanalyse als „Ödipuskomplex“
zusammen. Der Junge wünscht die Mutter zu „heiraten“ und aus diesem
Grunde den Vater zu beseitigen, das Mädchen umgekehrt. Das Schuld-
gefühl, das später mit der Onanie erscheint, entstammt dem Haß, der
infolge des Ödipuswunsches gegen den ja auch geliebten gleich-
geschlechtlichen Elternteil entwickelt wurde. Der Gefühlswert des
phantasierten Verbrechens (Beseitigung des Vaters bzw. der Mutter) und
das ihm entstammende Schuldgefühl übertragen sich nun auf den Inzest-
wunsch und die ihm geltende onanistische Manipulation, so werden diese
selbst zu verbrecherischen Akten. Im Bewußtsein verbleibt nach der Ver-
drängung des Ödipuswunsches bloß ein Onanieschuldgefühl, und nach der
Verdrängung des Onaniewunsches verwandelt sich dieses in die beschriebene
— 265 —
FRE
Lusi
hu ul
Ansicht, daß die Onanie überhaupt ein strafbares Laster sei. Da kein
Mensch dem Schicksal des Ödipuskomplexes entgeht und ‘da zumindest der
Onaniewunsch ganz allgemein ist, ist es begreiflich, daß jeder ein Onanie-
schuldgefühl hat und daher diese seine Abwandlung ein so festgewurzeltes
Vorurteil ist.
Es verbleibt nun noch die Frage, ob und inwiefern die Onanie wirklich
schädlich ist; ferner ob sich die Onanie nicht fixieren würde, wenn man
sie nicht einschränkte. Diese Fragen wären nur dann einwandfrei zu
beantworten, wenn zahlreiche Beobachtungen an Kindern vorlägen, bei
denen die Onanie erzieherisch nicht beeinflußt wurde. Vereinzelte Beob-
achtungen erlauben die Vermutung, daß die Onanieperiode spontan vorüber-
geht. Das Schuldgefühl aus dem Ödipuskomplex hat genügend verdrängende
Kraft. Trotzdem wären Beobachtungen zu dieser Frage im Interesse einer
sicheren Entscheidung sehr erwünscht.
Dauernde Onanie schadet — nach den klinischen Befunden an Erwachsenen
zu schließen — weniger körperlich als seelisch durch die aufreibenden
Kämpfe. Sie lähmt ferner die Werbekraft gegenüber realen Sexualobjekten.
In körperlicher Hinsicht sehen wir im Gefolge exzessiver Masturbation
Neurasthenie auftreten. Es gibt aber auch viele exzessive Onanisten, die
keinerlei Beschwerden haben. Ein Vergleich ergibt, daß bei jenen der
körperliche Erregungsablauf durch das Schuldgefühl unmittelbar gestört
wird, so daß sich akute körperliche Beschwerden einstellen.
Im ganzen muß festgestellt werden, daß die Nachteile der üblichen
Sexualerziehung die möglichen Nachteile des Gewährenlassens unvergleichlich
übertreffen. Da Schlimmeres als das, was heute erzielt wird, nicht zu
erwarten ist, darf das Experiment des Gewährenlassens nicht unversucht
bleiben. Korrekturen sind ja prinzipiell immer möglich. |
TITTTITERTERTISEETOTTTTTETTTTTTOTTTTTTNEITOLTTLTTTTTETTITSETTL IT TTITIT TI TTITT TITTEN IT IT IT ITI TEILTE ITTIT LITE
Aus einem Briefe des holländischen Dichters Multatuli:
„Im allgemeinen werden einzelne Dinge nach meinem Gefühl zu sehr umschleiert. Man
tut recht, die Phantasie der Kinder rein zu halten, aber diese Reinheit wird nicht gewährt
durch Unwissenheit. Ich glaube eher, daß das Verdecken von etwas den Knaben und das
Mädchen um so mehr die Wahrheit argwöhnen läßt. Man spürt aus Neugierde Dingen nach,
die uns, wenn sie uns ohne viel Umstände mitgeteilt würden, wenig oder kein Interesse
einflößen würden. Wäre diese Unwissenheit noch zu bewahren, so könnte ich mich damit
versöhnen, aber das ist nicht möglich; das Kind kommt in Berührung mit anderen Kindern,
es bekommt Bücher in die Hände, die es zum Nachdenken bringen; gerade die Geheimtuerei,
womit das dennoch Begriffene von den Eltern behandelt wird, erhöht das Verlangen, mehr
zu wissen. Dieses Verlangen, nur zum Teil, nur heimlich befriedigt, erhitzt das Herz und
verdirbt die Phantasie, das Kind sündigt bereits und die Eltern meinen noch, daß es nicht
weiß, was Sünde ist,“ (Zitiert nach Sigm. Freud, Gesammelte Schriften, Bd, F, Seite 135f.)
= 200° —
INN MUMUMUMMMUMUNMUMNINNNUNN
BEOBACHTUNGEN AN KINDERN
NUN
Fin Fall von Schlaflosigkeit bei einem achteinhalbjährigen Kinde
Von Dr. Istvan Hollös, Budapest
Während des Krieges war ich in der Nähe einer Stadt Kärntens als Arzt tätig.
In dieser Zeit brachte man mir ein Mädchen wegen Schlaflosigkeit in die Ordination.
Jede Schlafstörung konnte man allgemein mit dem Umstand begründen, daß in der
Zeit öfters von Fliegern Bomben auf die Stadt geworfen wurden. Auch die Eltern
waren dieser Meinung, hatten jedoch den Wunsch, daß das Kind, das vordem auch
verschiedene Zeichen von Nervosität darbot, dem Nervenarzt gezeigt werde. Nebst-
dem war es auffallend, daß das Kind in dieser Zeit eine größere Neigung zur Reli-
giosität bekundete und jeden Morgen spontan in die Kirche ging.
Das Kind machte keinen aufgeregten oder ängstlichen Eindruck. Eher lag ein
gespanntes Interesse im Gesichte, eine Neugier, was wohl bei dem Besuche beim
Arzte herauskommen werde. Mir schien, die Kleine hätte etwas zu erzählen, und ich
brachte sie ohne Mühe zum Sprechen. Sie hatte mit einem veränderten, etwas
ängstlichen Blick auf meine Bücher geschaut. Daran knüpfte ich mit einer Frage an.
Dann sprach sie von selbst, wie jemand, der froh war, endlich von geheimen Sorgen
befreit zu werden.
Sie erzählte, daß sie, ohne daß jemand davon Kenntnis hätte, ein Buch in die
Hände bekommen hatte. Dort fand sie ein großes Bild, wo eine „Dame“ nackt stand.
Man konnte den Bauch wie einen Deckel aufheben und da stak in dem Bauch der
Dame ein Baby (Wahrscheinlich war das ein volkstümliches Ärztebuch, das zumeist,
um klar zu sein, mit krassen, grellfarbigen, zerlegbaren Bildern versehen wird.)
Sie meinte, daß sie seitdem immer nachdenken hat müssen, wie denn das möglich
sei, daß solch ein Kind in den Mutterleib komme. Besonders mußte sie des Nachts
grübeln und davon konnte sie nicht schlafen. Sie war endlich zum Ergebnis
gekommen, daß jedes Mädchen schon mit einem ganz kleinen Baby im Bauche zur
Welt komme; aber erst wenn eine Dame heiratet und der Mann sie küßt, kann das
Baby zur Welt kommen. Ich sagte ihr, daß sie das ja beinahe richtig wisse, und
wenn sie mehr wissen wolle, so würde ich ihr es gerne sagen, wenn sie wieder
kommen würde. Sie erwiderte nun, daß sie aber nicht recht sich erklären könne,
wie denn ein zweites und drittes Baby zustande komme.
Das zweitemal berichtete sie, daß sie jetzt schon schlafen könne. Auch sei sie
darauf gekommen, wie es mit dem zweiten Kinde sein möge. Sie habe sich die
Meinung gebildet, es müsse so sein, daß das erste Kind ein Fingerchen im Bauche
der Mutter zurücklasse, aus dem wächst dann das zweite Kind und so weiter.
Das Kind hat seit unserer Unterredung wieder gut geschlafen und, wie ich später
hörte, hat es sich anscheinend normal entwickelt.
— 70 —
—-
Da es von mir keine Aufklärung erhalten hatte, so hat die bloße Befreiung
vom Geheimhalten seiner Grübeleien ihm den Schlaf wiedergeben können. Der
Fall ist deswegen interessant, weil er zeigt, um wie viel mehr der innere Kampf
mit der sexuellen Gefahr den Schlaf rauben kann, als selbst der Schrecken der
explodierenden Bomben.
Aus einem Kindergarten
Mitgeteilt von der Vorsteherin
1)
Eine Gruppe fünf- bis siebenjähriger Knaben und Mädchen malt mit Wasserfarben.
Den Knaben wird die Arbeit langweilig. Sie gehen ans Fenster und schauen hinaus.
Die Erzieherin ist hinten in der Klasse beschäftigt. Die Knaben nehmen ihre Genitalien
heraus und betrachten sie. Darauf holen sie Farbe und bemalen ihre Hoden, der erste
grün, der zweite rot, der dritte blau und der vierte schwarz. Jetzt kehren sie sich den
Mädchen zu, um ihnen zu zeigen, wie schön sie jetzt aussehen. Während der ganzen
Szene war ich unvermerkt ins Zimmer getreten und fragte die Buben nach ihrem
Tun. Sie erklärten, daß Janis und Petris im „Lihgo dsiesma“ (Johannislied) auch
gefärbte Hoden hätten, und daß das sehr schön sei. Sie zitierten folgenden Vers:
Jahnischami sili pauti, Lihgo!
Peterami puspeleki, Lihgo!
(Johann hat blaue Hoden,
Peter hat graue.)
(Lihgo = Anrufen der Göttin Lihgo, ein ständiger Kehrreim in den lettischen
Johannisliedern.)
2)
Einige Knaben spielten im Sande. Sie hatten Löcher gegraben, legten sich darauf
und urinierten hinein. Auf die Frage, was sie da tun, antwortete der eine: „Wir
machen das, was Vater und Mutter in der Nacht zusammen tun.“ — „Woher weißt
du das?“ — „Das habe ich doch gesehen.“
3)
Eine Mutter beklagte sich, ein sechsjähriges Mädchen O. habe ihrem vierjährigen
Töchterchen B. das Geschlechtsorgan mit Papier verstopft, als sie zusammen auf dem
Abort waren. Auf die Frage, warum sie das getan habe, erklärte OÖ. zuerst, sie wisse
es nicht. Nach und nach kam dann heraus, sie hätte es getan, weil die Öffnung zu
groß sei, später, weil sie blutete. Das Blut komme aus dem Bauch. Zuletzt stellet
sich heraus, daß sie bei der Mutter Blutungen beobachtet hatte. Sie glaubte, es tue
ihr weh, und sie lege daher Papier vor.
4)
Ein kleiner Knabe reizte auf dem Abort sein Genitale mit den Händen und sagte
zu den anderen, das sei sehr schön.
5)
Drei Knaben stehen abgesondert und unterhalten sich. Der eine meint, es sei
schön, das Genitale in dasjenige des Mädchens zu legen. Auf die Frage eines
Kameraden, woher er das wisse, meinte er, er habe gehört, wie der Vater davon
gesprochen habe, und fährt fort: „Ich möchte gern mit den Mädchen zusammen-
schlafen. So tun die Verheirateten. Wenn die Frau dem Manne nicht gut ist, so geht
er ins Dirnenhaus. Das werde ich auch tun. Dort bezahle ich zehn Rubel und kann
machen, was ich will.“ — An einem anderen Tage biegt er sein Frühstücksbrot in
die Form eines weiblichen Genitales und meint zu den anderen Knaben, es wäre sehr
angenehm, hier sein Genitale hineinzulegen.
6)
Zwei Knaben kommen aus dem Abort. Der eine erzählt, daß sie gegenseitig die
Genitalien gemessen hätten, das seine sei größer und dicker. Diese Feststellung
erfüllte ihn sichtlich mit Stolz.
*
(Diese Mitteilungen zeigen, wie die unbefangene Beobachtung die frühkindliche
Sexualität, welche durch die Psychoanalyse Erwachsener zuerst aufgefunden wurde,
unmittelbar bestätigt. Die Mitteilung ı) zeigt den Trieb, die Genitalien auffällig zu
machen und zu zeigen, den Exhibitionismus; — 2) zeigt eine infantile
Zeugungstheorie auf der Stufe der Harnerotik, ferner die Gleichsetzung
der Mutter-Erde mit dem Weibe; — z-6) zeigt frühe Sexualinteressen
und Geschlechtstrieb mit speziellen Inhalten; — 3) zeigt Sadismus und Abwehr
der weiblichen Sexualorganisation; — 5) zeigt besonders die Identifizierun £
mit dem Vater. — Die Schriftleitung.)
/ur kindlichen Sexualtheorie
Mitgeteilt von Frau Dr. med.L.
Das Dienstmädchen machte meinem sechseinhalbjährigen Knaben davon Mitteilung,
daß die Nachbarin heute morgen um acht Uhr einen Knaben bekommen hätte. Darauf
kam der Bube zu mir und fragte mich: „Wie wäre es gewesen, wenn das Kind
nachts um zwölf Uhr geboren worden wäre? Dann hätte ja die Mutter geschlafen
und gar nichts gemerkt.“ Ich erklärte darauf, daß die Mutter immer weiß, wann
das Kind geboren wird. Sie hat dann Schmerzen und schläft nicht. Darauf der
Kleine: „Wo kommt denn das Kind heraus?“ Es erfolgt eine einfache und sachliche
Aufklärung. Ganz erstaunt erwidert der Knabe: „Das kann ja gar nicht sein. Ich
glaubte, das Kind komme dort heraus, wo man ‚groß‘ macht. Der Pipimacher ist ja
viel zu klein.“ Ich erkläre den Unterschied der männlichen und weiblichen Genitalien,
spreche von der Vagina und ihrer Elastizität. Diese Aufklärung paßt offenbar nicht
in seine gegenwärtige Gedanken- und Wunschwelt und er entgegnet mir: „Nein,
Mama, ich kann doch auch ein Kind kriegen!“ — Ich wiederhole, daß nur Frauen
Kinder bekommen können, daß er, wenn er groß sein werde, eine Frau haben werde
und die werde ihm dann Kinder schenken. Damit war die Unterredung beendigt;
ich warte auf die folgende. Es interessiert mich, dann zu vernehmen, wie er die
erhaltene Aufklärung verarbeitet hat und wo er den Faden weiıterspinnt.
— 2172 —
Gespräche mit einem Knaben
Es wird hier die skizzenhafte Wiedergabe einer Reihe von Gesprächen
versucht, in deren Verlauf ein kleiner Junge sein Interesse für Sexuelles ebenso
wie für alles andere seit den ersten Lebensjahren kundgeben konnte und von
der Mutter aufrichtige, den jeweilig erfaßten Bedürfnissen des Kindes mög-
lichst angepalite Aufklärungen erhielt. Interessanteres wurde meist noch am
selben Tage schriftlich festgehalten. In dieser fortlaufenden Entwicklung ergaben
sich naturgemäß zwei hervorragende Momente, derjenige, in welchem dem
Kinde klargemacht wurde, woher die Kinder kommen, und der andere, wo
er die ergänzende Aufklärung erhielt, wie sie dort hineingelangen. Die Mutter
hat tunlichst von Anfang an die sogenannte „sokratische” Methode befolgt,
indem sie ganz auf den Gedankengang des Kindes einging, um aus ihm selbst
herauszuholen, was er eben brauchte. Sie tat dies lediglich intuitiv, bis sie
— im siebenten Lebensjahr des Kindes und mehr als ein Jahr nach den
ersten großen Mitteilungen über Geburt und Schwangerschaft — selbst
analysiert wurde und nun auf Grund psychoanalytischer Erkenntnisse in
gesteigertem Maße bestrebt war, nicht nur dem Wissensdrang, sondern auch
den unbewußten triebhaften Erregungen des Kindes Rechnung zu tragen. Sie
machte ihm Mut, seine triebhaften Ahnungen zu äußern, bestätigte dieselben
und kam ihm, wo ihn die Unkenntnis der Tatsachen verwirrte, mit den
nötigen Aufklärungen zu Hilfe. Dies ist schwieriger, als einem Kinde theore-
tische Mitteilungen über Pflanzen und 'TTiere zu machen, hat aber einen
sroßen Vorteil; es ermöglicht nämlich, daß sexuelles Wissen und Erotik sich
in natürlichem Zusammenhange in die seelische Entwicklung einfügen. Somit
wird der Durchbruch von hier verdrängten dunklen Sensationen an einer
unrechten Stelle, die Entzweiung der intellektuellen und der affektiven Ein-
stellung zur Sexualität vermieden, welche — der Entzweiung von zärtlichen
und erotischen Liebesstrebungen analog — Konflikte unterhält und das
künftige Liebesleben störend beeinflußt.
Wie wichtig das ist, wird jeder bestätigen, der am eigenen Leibe erfahren
hat, wie unzulänglich die vor 20 bis 25, Jahren „modern“ gewordenen, recht
spät gebotenen akademisch-naturwissenschaftlichen Aufklärungen waren, wie
sie gleichsam Fremdkörper blieben. Eine hochintelligente Freundin erwähnte
eben unlängst, wie sie als schon erwachsenes Mädchen über alle Tatsachen
des Geschlechtsleben gelehrt und überlegen diskutierte und dabei ihre erotischen
Sensationen, verwirrt und beschämt, beim Lesen von Selbstmordnachrichten
erlebte. Ähnlich erzählt der große ungarische Schriftsteller Michael Babits in
seinem neuerschienenen Entwicklungsroman „Die Söhne des Todes“, wie sein
äußerst scheuer und verschüchterter Held in einen kleinen Studentenkreis
gerät, wo sich Mädchen und Jünglinge in einer Art freimaurerischer Brüder-
lichkeit verbinden. Denn Mädchen waren auch dabei, Mädchen, mit denen
sogar Imre sans gene über Feminismus und freie Liebe, über Weininger
und Strindberg diskutierte. Die Sprechenden schwebten akademisch über dem
Thema, als ob es sich gar nicht um die Liebe und um Probleme ihnen
gleichartiger Geschöpfe handelte.
Natürlich muß man aber mit der größten Umsicht und der größten Vor-
sicht darauf bedacht sein, die sich vordrängenden Erregungen des Kindes
nicht in der aktuellen Situation ausleben zu lassen, den dunkel mitschwingenden
libidinösen Trieben nicht so viel Befriedigung zu gewähren, daß sie an die
aktuelle Situation und an die Person des Aufklärenden fixiert werden. Man
muß ganz unpersönlich bleiben und mit rascher Einfühlung das Interesse
wieder dem Wissensmaterial selbst zuzulenken, die Gefühlsspannung durch eine
objektive, lösende Erklärung herabzusetzen suchen. Und wenn man dem Kinde
in der Lösung seiner dringendsten Probleme und Konflikte zu Hilfe kam,
hat man auch Aussicht, es zur Einsicht zu bringen, daß es nun warten müsse,
bis es groß wird, um diese ernsten, großen Dingen in der Realität zu
erkennen und zu erleben.
>k
Die Aufzeichnungen sind aus der Kleinkindzeit des fröhlichen, geweckten
Jungen — geboren im Juni ı911 —- sehr dürftig, da damals, wie oben
erwähnt, das psychoanalytische Interesse der Mutter noch nicht geweckt war.
Im allgemeinen waren die Äußerungen des Kindes recht normal, seine Ein-
stellung zu beiden Eltern überwiegend zärtlich. Er hat nie im Schlafzimmer
der Eltern geschlafen, hat keine Geschwister gehabt. Er verlor den Vater mit
viereinhalb Jahren und lebte seitdem mit der verwitweten Mutter im Hause
der Großeltern. Er hat die Phase der Säuglingsonanie ohne sichtbare
Schwierigkeiten überwunden. Die Nachwirkung von unvermeidlichen Kastrations-
drohungen wurde von der Mutter manchmal beobachtet.
Seit seinem fünften Jahre richtet sich der Fragedrang des Jungen vorzüg-
lich auf das Thema: wie oder woraus die Dinge entstehen, wobei die Fragen
oft ohne Abwartung einer Antwort sich überstürzen. Er fragt zum Beispiel
beim Kastaniensammeln: „Mutti, woraus werden die Kastanienbäume?“ Das
hat man ihm schon wiederholt erklärt. „Wie wurde aber der erste Kastanien-
baum, als es noch keine Kastanien gab?... Wie wurde die erste Mutter, die
noch keine Mutter hatte?” — Ich weiß nicht. — „Mutti, gibt es überhaupt
etwas, was du nicht weißt? Was niemand weiß, gar niemand?” Die Mutter
fühlt, wohin die Frage zielt, konnte aber damals den Übergang noch nicht
finden.
Einige Monate später fragt das Kind unvermittelt: „Mutti, wie wird das
Baby?" Die Mutter, zuwartend: „Es wird geboren.“ Das Kind scheint sich
mit dem bloßen neuen Worte zu begnügen. Die Fortsetzung kommt wieder
einige Monate später, während eines kurzen Aufenthaltes auf einem Landsute,
wo sich das Kind — es ist nun genau fünf Jahre alt — freudig in Stall und
Hühnerhof herumtreibt. Eine Brut kleiner Enten und ein neugeborenes Kalb
sind sein Entzücken. Eines Tages, wie der Knabe zum Nachmittagsschlaf ins
Zimmer gebracht wird, wiederholt er wortwörtlich die Frage:
„Mutti, wie wird das Baby?” — Es wird geboren.
„Wie, geboren? — Du, wie kamen die kleinen Enten zur Welt?
„Sie krochen aus den Eiern. Oh, ich habe die Schalen gesehen.“
Und das kleine Kälbchen? — „Das — das nicht.“
Weißt du, was das Kälbchen zu essen kriegt? — „Es trinkt bei der
Mutter.” — Also siehst du, es ist auch im Leibe der Mutter gewachsen und ganz
fertig, lebendig, so wie die Enten aus dem Ei, herausgekommen. — „Wo im
Leibe der Mutter? Im Bauch?* — Ja, im Bauch. — „Und ist dort Platz?“
(Betastet die Mutter.) — Schon, ‚denn erst ist das Kleine ganz winzig und
|
wenn es wächst, wird der Bauch auch größer, wie ein Luftballon. — „O ja,
und dann wird die Sau im Hof, die sehr dicke, auch ein Kleines haben?“
— Hast du es dir vielleicht schon gedacht? — „Ich... vielleicht. Aber, wie
kommt es heraus, im Bauch ist doch kein Loch!” — O ja, unten beim
Bauch ist ein Loch, aber nur ein kleines, und wenn das Kleine fertig ist und
hinaus will, dann wird die Öffnung auch größer, damit es herauskommen
kann, das wirst du schon noch erfahren, wie. — „Und ich bin auch so
herausgekommen?“ — Ja, mein Bub. — Er hüpft froh herum, legt sich dann
befriedigt schlafen und kommt längere Zeit auf das 'Thema nicht zurück. Das
heilt mit weiteren Fragen nicht. Sonst behandelt er seine neuen Kenntnisse
wie alles andere, was er weiß. „Schau, diese Hündin wird Junge kriegen, sie
ist furchtbar dick,“ — sagt er beim Spazierengehen seiner Tante. — „Oh,
das war sehr, sehr lang her, da war ich noch nicht aus dem Bauch meiner
Mutti herausgerutscht", — bemerkt er wiederholt, wenn er etwas in die ferne
Vergangenheit versetzen will.
Als die Tante heiratet, erwartet er ihr erstes Baby mit freudigem Interesse.
Im Wochenbett sah er die junge Mutter nicht und hat dann mehr Interesse
für das Neugeborene als für die Mutter. Er hält sich für verpflichtet, als
„großer Junge“ recht zärtlich zu ihm zu sein, verrät aber deutlich seine
Eifersucht. „Ich möchte auch so an der Brust trinken“, meint er einmal.
Die folgenden Jahre bringen nichts wesentlich Neues. Die Gespräche über
die Entwicklung des Embryos im Mutterleib, über das Spielen mit seinem
Gliede, das im achten bis neunten Jahre (vielleicht unter dem Einfluß von
Schulkameraden) wieder auffallender wird, werden natürlich gelegentlich fort-
gesetzt. Einmal notiert die Mutter eine auffallende Frage, die kühn zur
schwierigeren Seite des Problems weiterschreitet: „Mutti, warum bekommt
eine Frau gerade zu dieser Zeit ein Kind und nicht früher oder später?“
Jedoch ohne die Antwort abzuwarten, spricht er weiter, lenkt vom Gegen-
stand ab und Mutter und Kind haben nun längere Zeit keine Gelegenheit,
auf denselben zurückzukehren. Es waren die furchtbar schweren Krisenjahre
nach dem Kriege, der Kampf ums tägliche Brot nahm die Mutter immer
mehr in Anspruch, und da dieses Brot so auch zu karg ausfiel, mußte sie
froh sein, ihr blasses Kind für lange Monate nach Holland schicken zu können.
Er kam dort im Hause eines vornehmen Advokaten —- sein verstorbener
Vater ist auch Rechtsanwalt gewesen — in ein kulturell hochstehendes, fröh-
liches, gesundes Milieu, hatte Kindergespielen und wußte sich die Liebe der ganzen
Familie zu gewinnen. Der Haarlemer Gastfreund ist ihm zum väterlichen
Freund und zum Vaterideal geworden, bei dem er noch alljährlich die Ferien
verbringt. Ein derartiges Zutrauen, wie zu der Mutter, hat der Junge zu ihm
aber nicht fassen können. Er verbarg sein Wissen nicht, verlangte aber von
seinen neuen Freunden keine weiteren Auskünfte.
*
Nach einer Abwesenheit von zehn Monaten kehrt das Kind kurz vor
seinem zehnten Geburtstag zur Mutter zurück. Der Kontakt ist — wenn
auch nicht so rückhaltlos — bald wieder hergestellt. Während des Sommers
macht noch das Kind einen mehrtägigen Ausflug, wo es mit größeren Jungen
zusammen schläft. Seitdem bemerkt die Mutter eine gesteigerte Unruhe,
Unarten, Neugierde, aber auch eine gewisse Furchtsamkeit. Er scheint damit
was ihn beschäftigt, sich spontan nicht hervorzuwagen. Die Mutter beschließt,
ihm entgegenzukommen, um so eher, da er nun ins Gymnasium geht und sie
eventuell recht dummen oder erschreckenden Aufklärungen seitens der
Kameraden zuvorkommen will.
Die Mutter richtet es so ein, einen Septembernachmittag ungestört mit dem
Kinde zusammenzubleiben, ohne daß es eine Absicht merken kann; sie ist
mit einer leichten häuslichen Arbeit beschäftigt und hört inzwischen dem
Jungen die Lektionen ab. Erst kommt die rosa rosae, dann die Naturgeschichte.
Es ist gerade von der Pflaume die Rede (die Saisonfrucht). Nun sind sie
schon bei den Fortpflanzungsvorgängen bei den Pflanzen. Das Kind erzählt,
was er von Staubfäden, Fruchtknoten, Blütenstaub, von der Rolle von Insekten,
Wind usw. bei der Befruchtung gelernt und in Ewalds „naturhistorischen
Märchen“ gelesen hat. Die Mutter erklärt ihm, wie diese Art der Fort-
pflanzung eine „weigeschlechtliche ist. „Und bei den Tieren ist es
auch so?“ — Bei allen höher organisierten Lebewesen. (Denn von der Ver-
mehrung durch Teilung weiß der Junge auch schon.) — Die Mutter fährt fort,
erklärt, wie ein neues Lebewesen immer aus der Verschmelzung zweier
Zellen, einer männlichen und einer weiblichen, des Samens und der Keim-
zelle, entsteht, und wie diese aus zweien eins gewordene, diese befruchtete
Zelle durch Teilung zu einem Organismus wird. Der Junge äußert jetzt ganz
unverhohlen, daß ihn vor allem die Frage interessiert, wie der Samen zur
Keimzelle gelangt. Die Mutter weist noch einmal auf Pollen und Stempel
hin, erinnert noch kurz an das bei Ewald Gelesene, wie bei den Fischen die
vom Weibchen in den Meeressand gelegten Eier nachträglich mit Samen
befruchtet werden, und geht geradewegs zu der — für den Jungen doch einzig
interessanten — Art der Befruchtung über, wo der Samen vom männlichen
Individuum direkt in den Leib des weiblichen übertragen wird. Dies geschieht
mit Hilfe besonderer Organe, der Geschlechtsorgane. Der Junge nennt sie
Fortpflanzungsorgane. Der Junge wird immer lebendiger, spricht von Hahn
und Henne, von Säugetieren. Selbstverständlich vom Menschen. Aber, sagt er
etwas zögernd, er wisse doch nicht genau, was der Unterschied zwischen
Bub und Mädel sei. — Aber natürlich weißt du es, meint die Mutter,
denk nur mal dran, du hast doch mit der Mitzi und mit Baby (kleine
Verwandte von zwei und fünf Jahren) in einer Wanne gebadet. — „Ach
ja, aber ich weiß nicht ... sie... ich habe den kleinen Schwanz nicht
sesehen....” — Ja, also das haben sie nicht, sondern statt dessen eine kleine
Öffnung. — Der Junge schweigt, dann erzählt er plötzlich mit vielen Worten,
aber verwirrt, daß er vor einiger Zeit in der Gasse Hunde beim Geschlechits-
akt beobachtet hat. Er hat aber nicht gut hinschauen können, er versteht
doch nicht, wie... wie das vor sich gehen kann. Sein Gesicht ist gespannt,
grüblerisch, die Augen glänzen aufgeregt. Der Mutter fährt plötzlich durch
den Sinn, wie Freuds kleiner Hans von seinen eigenen Penissensationen aus
der Wahrheit so nahe kam. „Ja, das weißt du auch,” bemerkt sie selbst-
verständlich. — „Ich weiß ja, von ganz klein auf, von den Wickelkindern
angefangen, sieht man es bei kleinen Jungen, daß ihr kleines Glied steif wird.
Du kennst ja das sehr gut, du pflegst ja auch damit zu spielen. Also, dieses
Steifwerden dient dazu, das Eindringen in die weibliche Öffnung zu ermög.
ae 2706 —
lichen.” Da, bevor die Mutter noch den Satz beendet hat, ruft der Junge
dazwischen: „... Weißt du was? Jetzt ist es auch steif!“ Die Mutter fährt
ruhig fort, erklärt noch, daß da natürlich von erwachsenen, reifen,
fertigen Individuen die Rede ist. Und siehst du, sagt sie beiläufig, deshalb
ist es auch nicht gescheit, wenn kleine Jungen zu viel über solche Dinge
reden, denn da werden sie auch gleich erregt. Wissen sollen sie ja alles,
das sind ja ganz natürliche Dinge, aber nicht fort und fort mit solchen
Gedanken spielen. „Willst du jetzt vielleicht noch sehen, wie das Kindchen
im Mutterleib wächst? Bring’ mir nur das große Buch, ich werde dir viele
schöne Bilder zeigen.‘ Der Junge ist nun mit Leib und Seele bei den
Abbildungen, die den Entwicklungsgang des Embryos zeigen, wird darauf
aufmerksam gemacht, wie es erst einer Kaulquappe und einem Fischchen
usw. ähnelt und endlich ein winziger Mensch wird. Er stellt auch Fragen
über Ernährung und Atmung des Embryos und endlich über die Geburt. Die
Antworten versteht er sofort und freudig, da er schon vom Blutkreislauf
gewußt hat, nur wie er hört, daß der. „Schlauch, durch welchen das Blut
der Mutter in das Kind überfloß”, durchschnitten wird, zeigt er eine gewisse
Ängstlichkeit. „Tut das dem Kind weh?“ Die Mutter meint, die Angst vor
der Trennung von der Mutter zu erkennen und sagt beschwichtigend: „Da
die Ärzte sagen, daß Organe, die keine Funktion mehr haben, von selbst
absterben, sicher nicht.“
Wie deutlich die gewonnenen Vorstellungen beim Jungen waren, ist daraus
ersichtlich, daß er noch nachdenklich hinzusetzte: „Wenn aber der Schlauch
beim Nabel des Kindes durchschnitten wird und an der anderen Seite das
Blut noch hineinfließt, muß ja die Mutter verbluten“; worauf ihm noch
etwas von der Ablösung der Plazenta mitgeteilt wurde. — Jetzt sprangen
übrigens seine Assoziationen auch zu anderen Gegenständen über, er ist froh
und erleichtert. Die Mutter hat ihre Arbeit beendigst, steht auf und sagt
ihm nur noch: „Du mußt das alles nicht deinen Kameraden erzählen. Viele
Mamas wünschen nicht, daß ihre Kinder dies wissen sollen. Ich habe es
allenfalls für das beste gehalten, dir die Wahrheit zu sagen.” „— Oh, wie
sehr hast du recht, Mutti!” Und dann nach einer Weile, nachdem er seine
Bücher eingepackt und zu spielen begonnen hat: „Weilst du, Mutter, ich hab’
mir ja etwas gedacht und auch von den Jungen gehört, aber ich wollte dich
fragen, denn da wußte ich, werde ich alles verstehen und die Wahrheit
hören.“ (Kann man deutlicher sagen: Und wenn du gelogen hättest, hätte ich
dir auch das nicht verraten, was ich ahnte.) Einige Tage später holt er sich
das noch immer fehlende Stück Wissen, als er auf einem Spaziergang fragt:
„Mutter, noch eins möchte ich wissen, was sind die zwei runden, so wie
Zwetschgen, die in einem kleinen Sack hängen ?° Worauf er erfuhr, daß dies
die eigentlichen Geschlechtsdrüsen sind, die den Samen produzieren.
Seitdem sind diese Fragen noch viel gemeinsam besprochen worden. Der
Junge erzählte der Mutter auch, was er von den Kameraden hört, und fühlt
sich ihnen oft überlegen. Das sexuelle Interesse war in den Vorpubertäts-
jahren — mit ız bis 14 Jahren — stark aufgeflackert, nun ist es wieder gleich-
mäßiger. Vor kurzem erwähnte der Junge, wie ein Kamerad in seinen Studien
zurückbleibt, weil er immer mit diesen Dingen beschäftigt ist. „Huh, ganz
wild ist er, und seitdem er Zolas Nana bei seiner Mutter gesehen hat, kann
er nicht leben vor Neugierde.” „Und du möchtest das Buch nicht lesen?” —
„Jch möchte schon, aber ich weil doch, was ich wissen will, und da denke
ich mir, es muß nicht alles jetzt sein, ich kann schon noch warten.” — „Und
wie stehst du jetzt mit den Mädchen?” — „Ich tanze und spreche gerne mit
ihnen (er ist auch sehr stolz, wenn er gefällt), aber sehr verliebt bin ich in
keine.“ — „No, und die Onanie?” — „Ich tu es wirklich nicht häufig, nur
manchmal, wenn wir schulfrei haben und ich einen sehr guten Tag sehabt
habe und abends noch gar nicht müde bin, dann denke ich im Bett noch
an allerlei und zuletzt meist an ein Mädchen und dann kommt es so ganz
mechanisch.“ Dann: „Es gibt auch Buben, die brüsten sich, daß sie schon
mit Weibern waren, aber sie lügen meist, und wie sie es machen, ist es auch
so ekelhaft.”“ — „Ja, und meinst du nicht, daß es schade ist, sich das Ganze
aus roher Neugierde, ohne den richtigen, wirklich starken Wunsch, ein
Liebesgefühl zu erwarten, so zu verderben und abscheulich zu machen ?“
(Davon war schon wiederholt die Rede; in der Großstadt wird ja die
Begierde direkt aufgerissen, unreif Auissabrchelt und beschmutzt.) — „Ich stelle
mir vor, ich kann noch eine gute Weile warten, mich interessiert das gar
nicht so sehr, ich hab’ die Schule und das Tanzen und Ausflüge, und dann
soll es zur rechten Zeit kommen, und natürlich muß es die rechte Person
sein, die mir gefällt.”
Was für Erfolge erzieherische Bemühungen zeitigen, das kann ja nur die
Zukunft, der Erwachsene zeigen. Nur die eine Bemerkung wäre noch hier
eafiren; daß der Junge — jetzt bald sechzehn Jahre alt — keineswegs zu
sehr an die Mutter fixiert, im Gegenteil ein sehr selbständiger, froher, sogar
„frecher“ Kerl, ein Sroßer Raufer ist und sehr mannigfaltige Freundschafts-
beziehungen har:
Dr. M.T.
Zur Ergänzung der Mitteilung:
Die Entstehung des Pavor nocturnus
(Heft 6)
Gerda (31%, Jahr) schläft abends nicht ein, ängstigt sich. Die Angst begann
sichtbar zu werden, nachdem der Vater sich als Weihnachtsmann (als freundlicher !)
verkleidet hatte. Als Gerda ihn sah, flüchtete sie zur Mutter, die bei ihr starkes
Herzklopfen bemerkte. Seitdem bekommt das Kind Angst, sobald sie auf der Straße
einen alten Mann sieht.
Es fiel auf, daß die Angst weniger auftrat, wenn die Eltern nicht zu Hause
waren, was man sich nicht erklären konnte. Da erzählte mir die Kleine: „Ich kann
nicht schlafen, weil es dunkel ist. Ich habe Angst, daß der Schornstein kommt. Ich
hahe vor dem Vater Angst, daß mir der Vater auch etwas tut, er stößt Mutter
mit dem Fuß.“ — Es bedarf kaum der Mitteilung, daß das Kind im Zimmer der
Eltern schläft. Auf die symbolische Ausdrucksweise des Kindes sei aufmerksam
gemacht.
— 178 —
INN
BERICHTE
TTETTITTEESISTTTEEELLELLLSLLLLLLLLELLLLLLELLLLDGOSTTETLEUPUPTTIDDETTELELLLLTITTUUTTTDTITTTIDTITETTELITTTTTTPPPUPUUUUUUTEAL EEE FEPEPTEFIPETEEITEEPEEEEUUUUUUUUTULEITUUEEETTETTTTEETTTTLLU
ANNA FREUD, Einführung in die Technik der Kinderanalyse.
Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien, 1927.
Anna Freud gibt in diesen vier Vorträgen ihre Erfahrungen in der Kinderanalyse
und knüpft daran interessante theoretische Erörterungen. Sie vertritt im Gegensatz
zu Melanie Klein die Auffassung, daß die Analyse nur für neurotische Kinder
angebracht ist, und auch da nur mit Auswahl, Ihre Technik weicht in vielem von
der der Erwachsenen ab; die Analyse des Kindes ist etwas ganz anderes als die der
Erwachsenen.
Der erste Vortrag zeigt, wie Anna Freud die Kinder für die Analyse vorbereitet;
sie schafft eine gute Übertragung und zärtliche Bindung. Der zweite Vortrag zeigt
die Mittel der Kinderanalyse, die Straßen, die zum Unbewußten des Kindes führen.
Von den vier technischen Hilfsmitteln der Erwachsenenanalyse: bewußte Erinnerungen,
Träume, Assoziationen und Deutung, kommen beim Kind vorwiegend Traum und
Deutung in Betracht. Hervorragend wichtig kann die Deutung der Tagträume sein
und die Auswertung der Zeichnungen des Kindes. Der dritte Vortrag bringt eine
Auseinandersetzung mit der Spieltechnik von Melanie Klein und eine Untersuchung
über das Wesen der Übertragung in der Kinderanalyse.. Das Kind bildet keine
Übertragungsneurose, vor allem, weil die Objekte der ersten Gefühlsbindung: Eltern,
Erzieher, noch real im Leben des Kindes vorhanden sind und weil der Kinder-
analytiker während der Analyse nicht in der Zurückhaltung verharrt wie in der
Erwachsenenanalyse.. Das Kind erlebt einen großen Teil von dem, was der
Erwachsene in der Analyse agiert, im Hause, vor allem seine Reaktionen auf die
Personen, die fir den Aufbau des Ideal-Ichs bedeutungsvoll sind. Die Analyse muß,
um die Haß- und Liebesreaktionen des Kindes analytisch zu verstehen und zu
verwerten, sich auf die Zusammenarbeit von Analytiker und Erzieher stützen.
Im vierten Vortrag wird das Verhältnis der Kinderanalyse zur Erziehung besprochen.
Der Analytiker muß an die Stelle des Ideal-Ichs beim Kinde treten. Analytiker
und Erzieher müssen sich in die erzieherische Arbeit teilen. Eine Kinderanalyse
ohne die Sicherheit, daß die Erzieher den Ablauf der Analyse nicht stören, sollte
nicht unternommen werden.
Anna Freud hebt zum Schluß die drei Möglichkeiten der Kinderanalyse gegen-
über der Erwachsenenanalyse hervor; die Charakteranalyse hat bessere Aussicht als
beim Erwachsenen. Die Über-Ich-Bildung kann entscheidend beinflußt werden, die
Anpassung an die Umwelt wird erleichtert, die gesamte Umwelt kann nicht selten
so umgeändert werden, daß das Kind sich leichter an die Realität anpaßt.
Die Arbeit von Anna Freud zeichnet sich durch eine klare Sprache, eine besondere
Feinheit in der Formulierung und durch gute Verständlichkeit für Ärzte, Eltern und
Erzieher aus. Wer selbst Kinderanalysen durchführt, merkt beim Lesen, mit
welcher Vorsicht die Verfasserin ihre Ergebnisse verarbeitet und wie gut gesichert
das Fundament ist, das sie legt, damit sie und andere in den nächsten Jahren gut
weiterbauen können, | Dr. Heinrich Meng
— 2179 —
C. G. JUNG: Analytische Psychologie und Erziehung. Nick
Kampmann Verlag. Heidelberg, 1926.
Jung, der in seinen früheren Jahren ein hervorragendes Mitglied der Freudschen
Schule war, sich dann von ihr trennte und nun seine Lehre analytische Psychologie
nennt, entwickelt hier kurz und populär, auf den Erzieher berechnet, seine An-
schauungen. Leider nimmt er sich nicht die Mühe, die Gründe für seine Abwendung
von der Psychoanalyse deutlich zu machen. Jung gibt nur zu erkennen, daß er an
der Sexualtheorie Freuds Anstoß nahm. Er entwickelt aber nicht die Tatsachen, die
er festgestellt hat und die den von Freud entdeckten widersprächen. Er findet, Freud
sei einseitig, dogmatisch, fanatisch, er überschätze die Bedeutung des Sexualinstinkts.
Dies alles sind Eindrücke, aber keine Gegenbeweise. Freud hat in seinem Lebens-
werke eine solch ungeheuere Fülle von Tatsachen, nicht bloß Theorien geboten, daß
ihn zu widerlegen ein ernsthafteres Argument nötig ist, als die Eindrücke, die der
Menschenverstand, auf ihn beruft sich Jung, vermittelt. Dabei erweckt Jung den
Anschein, als kennte Freud nichts anderes als Sexualität; dies wäre nun freilich eine
Theorie, die vor den höchst komplizierten Tatsachen des Seelenlebens zu einfach
wäre. Aber gerade das war niemals Freuds Ansicht, sondern er versuchte immer
die seelischen Erscheinungen aus dem Zusammenwirken oder Gegeneinanderkämpfen
von zwei verschiedenen Trieben zu erklären, vom Sexualtrieb und dem Ichtrieb.
Jung vereinseitigt zuerst die Psychoanalyse und hat es dann leicht, sie als „lächer-
lich und pervers einseitig“ zu bekämpfen. Fehlen somit die wissenschaftlichen Gründe
(Tatsachen) gegen die Psychoanalyse, so strömen die moralischen und ästhetischen
ın Fülle. Die Psychoanalyse sehe „nichts als Sexualität und zerre jede Schönheit und
jeden Wert in den Schlamm perverser Phantasie herunter“. „Das Gefühl wird
aufs tiefste beschädigt durch die Freudsche Doktrin, während wir nur durch ein
anständiges Gefühl hoffen können, in der Lösung der Sexualprobleme vorwärts zu
kommen.“ Solche Sätze sind für Jung sehr bezeichnend. Sie mögen sehr sympathisch
und wertvoll sein, eines sind sie nicht: wissenschaftlich. An der Richtigkeit der
Freudschen Befunde wird gar nichts geändert, wenn sie unfähig sein sollten, die
Sexualprobleme zu lösen. Freud will keine sozialen Sexualprobleme lösen, — dies
beabsichtigt Jung, — sondern die Tatsachen des Seelenlebens erforschen. Wenn diese
Tatsachen es Jung erschweren, in seiner Weise die Sexualprobleme zu lösen, so
spricht das garnicht gegen die Tatsachen, sondern gegen Jung, gegen seine unge-
eigneten Methoden. Freilich liegt hier ein wichtiges Problem; die Pädagogik, der
Erzieher muß werten, ethisch, moralisch, ästhetisch; die Wissenschaft aber bemüht
sich, möglichst wertfrei Tatsachen festzustellen. Gewiß ist der Weg, den Jung zur
Lösung dieses Problems einschlägt, nicht der richtige, nämlich das Wesen der
Wissenschaft um der — in der erzieherischen Praxis nötigen — Werte willen zu
fälschen. Sondern der Erzieher muß die Tatsachen, die die Wissenschaft ihm bietet,
in ihrer ganzen Reinheit und Strenge zur Kenntnis nehmen. Die Wertkonflikte, die
sich hieraus ergeben können, sind nicht die Sache der Wissenschaft und werden
auch nicht durch rasche, wehleidige Resignation vor der Wissenschaft erledigt
Diesen Weg Jungs müssen wir zurückweisen. Wir sind nicht Dogmatiker. Vor Tat-
sachen sind wir bereit, zu kapitulieren, aber nicht vor der Angst Jungs und seiner
Nachfolger, die wissenschaftlichen Tatsachen könnten die Welt verderben. Wohl
aber muß man Jung in vielen Punkten recht geben. Er tadelt, daß viele sich die
Psychologie und ihre Anwendung auf das Kind zu leicht vorstellen, daß viele ohne
— 280 —
nn
genügende Kenntnis analysieren; er wendet sich dagegen, daß man als Aufgabe der
Erziehung hinstellt: „Verdrängungen zu vermeiden“, er bekämpft die Anschauung,
daß das „Unterbewußte nur aus Verdrängungen bestehe“, man es also sozusagen
weganalysieren könnte, usw. In all dem hat er völlig recht. Nur ist das alles nicht
die Meinung der Psychoanalyse, sondern solcher, die Freuds Psychoanalyse nicht
kennen oder ungenügend verstanden haben. All diesen müßte man demnach ein
tieferes Studium der Psychoanalyse empfehlen, nicht aber das Studium des recht
selbstgefälligen Buches von Jung. Dr. Bernfeld
OTTO SEELING: ReifezeitundsexuelleAufklärung. Pyramiden-
verlag, Berlin, 1925.
In dieser wenig geschickten und kaum nützlichen Zusammenstellung höchst
verschiedenwertiger Autoren findet sich ein sehr lehrreicher, ein erschütternder
Bericht über den Versuch, der mit ı2- bis ı4jährigen Schülerinnen einer groß-
städtischen Volksschule gemacht wurde. Die Mädchen wurden aufgefordert, „irgend
eine Frage oder mehr auf einen Zettel zu schreiben, die sie gern beantwortet haben
möchten.“ (Natürlich ohne Namensnennung). Die Klasse der ı4jährigen Mädchen
stellte 46 Fragen, darunter folgende ı5: Wie kommt es, daß neugeborene Kinder,
solange sie im Mutterleib sind, keine Luft brauchen? Steht Ausfluß mit der Periode
in Verbindung? Was ist Weißfluß; ist es gefährlich? Was kann man dagegen tun?
Was ist pervers? Warum sterben manchmal Frauen bei der Geburt des Kindes?
Was ist Beischlaf? Haben Tiere auch die Regel? Können Männer unwohl sein?
Warum bekommt man das Unwohl? Was ist Weißfluß? Ist Weißfluß schädlich ?
Wie kann man einer zu langen Menstruation abhelfen? Was ist Fehlgeburt? Wie
enisteht Weißfluß? Was ist Gebärmutterentzündung? Die ızjährigen stellten
45 Fragen, hievon folgende 26: Mit wieviel Jahren darf man einen Freund haben ?
Wie entwickelt sich in der Brust die Milch? Wieviel Tage darf das Unwohl
dauern? Ist es gut, wenn man das Unwohl schon mit ı2 Jahren bekommt ?
Warum lieben Leute, die verheiratet sind, mehr ihren Bräutigam als ihren
eigenen Vater? Wie entstehen die Kinder ? Was sind Wechseljahre? Wie verhindert
man Unwohl? Wie kommt es, daß Zwillinge geboren werden? Warum bekommen
die meisten Mädel bereits mit ı2 Jahren das Unwohl? Darf man beim Unwohlsein
baden gehen? Wie lange hält Unwohl an? Wie kommt es, daß manche Mädchen
mit ı7 Unwohl werden? (Und noch drei Fragen nach „Unwohl“.) Woher kommen
die Kinder? Wodurch entsteht Liebe? Wodurch entsteht eine rechte Liebe unter-
einander? Wann wird uns erklärt, wie ein Mensch entsteht? Was sind Geschlechts-
krankheiten? Wann treten die Wechseljahre ein? Warum bekommt man unter dem
Arm Haare? Wie entsteht der Mensch? Warum sprechen mich Leute auf der
Straße an? Wie kommt es, daß Zwillinge zusammenwachsen ? Von den 29 Fragen
der ı2jährigen lauten 26: Was heißt schwanger? Was bedeutet pussieren? Woher
kommen die Kinder? (Noch dreimal.) Was ist Beischlaf? (Noch zweimal.) Wie ist
der erste Mensch entstanden? Was ist eine Fose? Was ist pussieren? Was ist
Schwangerschaft? Woher kommt man auf die Welt? Was ist Eierstock ? Ist Weiß-
fluß gefährlich? Von wo kommen die Kinder? Und neunmal: Was ist Unwohl? Und
dies sind Kinder, die viel wissen und zu fragen verstehen, weil in ihrer Schule die
empfehlenswerte Einrichtung des Fragekastens besteht. Haben wir ein Recht, durch
systematisches Lügen, Ausweichen, Vertrösten diesen Alp von Unwissenheit und
Sorge in den Kindern anwachsen zu lassen ? Seeling hat freilich sehr recht: „Eltern,
et
Lehrer und Erzieher können die Jugend nur dann aufklären, wenn sie selbst völlig
unbefangen sind und die in Frage kommenden Dinge weit über den Umfang
hinaus, den die Aufklärung allenfalls erfordert, übersehen und sachlich klar
beherrschen. Wer sich selbst befangen fühlt, der unterlasse jeden Versuch, der
Jugend hier Führer und Berater zu sein.“ Aber darf man von Lehrern und Erziehern
nicht fordern, daß sie sich selbst zur Unbefangenheit erziehen? Dr. Bernfeld
ALFRED SEIDEL: Bewußtseinals Verhängnis. Aus dem Nachlaß
herausgegeben von Hans Prinzhorn. Verlag Friedrich Cohen, Bonn, 1927.
Das Problem des Buches, für das S. ein glänzendes Schlagwort gefunden hat,
begegnet uns außerordentlich häufig als Widerstandserscheinung im Laufe der
Analysen, namentlich am Anfang von Analysen von Zwangsneurotikern und im
speziellen Zwangsgrüblern: Was wird sein, wenn ich gesund bin? Werde ich dann
jegliche Handlung und vor allem jegliche Regung bewußt besitzen? Das Leben
erscheint diesen Leuten, deren Wortführer S. hier ist und deren Sache er glänzend
führt, dann nicht mehr lebenswert, tot. Und mit Recht. Denn ein Leben unter dem
Druck des Zwangsdenkens und Zwangsgrübelns ist kein gesundes Leben. S. erfaßt
nicht den Unterschied zwischen bewußtseinsfähig und bewußt. Nur der geringste
Teil unserer Handlungen wird vorher, das heißt vor ihrer Ausführung, durch Über-
legung vorweggenommen, schon einmal in Wortbildern vorgelebt. Der Gesunde läßt
sich treiben, fühlt nur weitgehend Gefahren voraus, die ihn in Widerstreit mit der
Außenwelt und seiner Vertretung in ihm selbst, dem Ich und Über-Ich, bringen
werden, und weichtihnen, indem er diese Gefahren gedanklich vorwegnimmt, unter
Übernahme von geringerer Unlust aus. Wenn aber ein Patient auch nur ein einziges
Mal das tiefe Erlebnis in der Analyse hatte, nicht nur mit Wortvorstellungen,
intellektuell, Zusammenhänge zu erfassen, wenn er als Ganzer von einer Deutung
ergriffen wurde, so wird er über seine frühere Einstellung lächeln, da er glaubte, er
kenne sein Unbewußtes, habe es bewußt gemacht, während er in der Tat nur ein
intellektualistisches Verzeichnis von Dingen besaß, die in seinem Unbewußten auch
repräsentiert sind und weiter daraus wirken. $. hat nie dieses Erlebnis gehabt. Er
war ein Zwangsgrübler. Hätte P. das ganze Material veröffentlicht, all die tausend
Anläufe, Versuche von Formulierungen usw., es wäre eine wunderbare Kranken-
geschichte dieser interessanten Erscheinung geworden. Vor allem hätte man gesehen,
daß S. an der Hauptfrage vorbeigegangen ist, wie er 'ja überhaupt trotz fabelhaft
scharfem Denken nicht in die Tiefe, sondern in die Weite geht: Über das Bewußt-
sein, seine Aufgabe und seine Arbeitsweise wissen wir noch sehr wenig. Kann das
Bewußtsein überhaupt wollen? Dann: Durch das ganze S.sche Buch, wie überhaupt
durch die ganze Literatur, soweit sie eine oberflächliche Ahnung von Analyse hat,
geht die Vermengung der Begriffe bewußt und bewußtseinsfähig.
Es ist kein Einwand gegen die Aufstellungen $.s, daß S. entgegen der Behauptung
seines Herausgebers ein schwer Geisteskranker war. Dies ist der Fall, wie Referent
aus einer langen, mehrere Jahre vor dem Selbstmorde von S. stattgefundenen Unter-
redung selbst weiß. Deshalb könnte eine Aufstellung von ihm durchaus wahr sein,
ja, einen Kernpunkt zum erstenmal darstellen. Aus der geistigen Erkrankung von S.
aber läßt sich verstehen, warum trotz erstaunlichen Wissens noch erstaunlichere
Lücken da sind, und vor allem Unkenntnis über die Lücken besteht. So mußte natur-
notwendig das Werk Fragment bleiben, nicht nur unbeendet, sondern innerlich
zerrissen, unbeendbar. Dies hat P., trotzdem er sich von S. blenden ließ, richtig erkannt,
— 2 —
Dem, der das Buch nicht als Krankengeschichte studieren will, als typische
Krankengeschichte allerdings in anderem Sinne als P. es denkt, wird es trotz
mancher Anregung eine enttäuschende Lektüre sein.
Dr. Landauer, Frankfurt a. M.
Büchereinlauf
Alexander,Dr. Franz: Psychoanalyse der Gesamtpersönlichkeit,
(Neun Vorträge über die Anwendung von Freuds Ichtheorie auf die Neurosen-
lehre.) Internationale Psychoanalytische Bibliothek Nr. XXII. 235 Seiten,
Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1927. Geh. M g’—, Leinen ı1'—.
Eliasberg, Dr. med. et phil, Nervenarzt in München: Psychotherapie.
Bericht über den I. Allgemeinen ärztlichen Kongreß für Psychotherapie in
Baden-Baden, ı7.—ı9. April ı926. Im Auftrag des Vorstandes der Kongreß-
organisation herausgegeben vom Verfasser. 327 Seiten. Verlag von Carl
Marhold, Halle a. d. S., 1927.
Häberlin, Dr. Carl, Arzt in Bad Nauheim: Grundlinien der Psycho-
analyse. Zweite durchgesehene und vermehrte Auflage. ıı2 Seiten. Verlag
der Arztlichen Rundschau Otto Gmelin, München.
Aichhorn, Augut: Verwahrloste Jugend. Die Psychoanalyse in der
Fürsorgeerziehung. Mit einem Geleitwort von Prof. Sigm. Freud. (Inter-
nationale Psychoanalytische Bibliothek Nr. XIX.) 290 Seiten. Internationaler
Psychoanalytischer Verlag, Wien, 1925. Geh. M 9’—, Leinen ı1°—.
Stieve, Prof. Dr. med. et phil, H.: Unfruchtbarkeit als Folge
unnatürlicher Lebensweise. Ein Versuch, die ungewollte Kinder-
losigkeit des Menschen auf Grund von Tierversuchen und anatomischen
Untersuchungen auf die Folgen des Kulturlebens zurückzuführen. Mit
20 Abbildungen im Text. 52 Seiten. Preis geheftet RM z'60.
Bernfeld, Dr. Siegfried: Die heutige Psychologie der Pubertät.
Kritik ihrer Wissenschaftlichkeit. Sonderakdruck aus „Imago, Zeitschrift für
Anwendung der Psychoanalyse auf die Natur- und Geisteswissenschaften“
(herausgegeben von Sigm. Freud), Band XIII (1927). 58 Seiten. Internationaler
Psychoanalytischer Verlag, Wien. Geh. M 2'80, Leinen 4'20.
Kaplan, Leo: Das Problem der Magie und die Psychoanalyse.
(Die magische Bibliothek, zweiter Band.) ı89 Seiten. Im Merlin-Verlag,
Heidelberg. Preis broschiert RM 5'50, gebunden RM 7'50. |
Thoden van Velzen, Dr. 5. K.: Psychoencephale Studien. VI. ver-
mehrte Auflage. ıgo Seiten. Jänner ı926. Verlag Uelzen, Joachimsthal/Mark.
Preis broschiert RM 3°—.
Pfister, Dr. Oskar: Was bietet die Psychoanalyse dem Erzieher?
Zweite verbesserte Auflage. ı58 Seiten. Verlag von Julius Klinkhardt in
Leipzig, 1923.
Ferenczi, Dr. S: Bausteine zur Psychoanalyse, I. Band: Theorie.
II. Band: Praxis. 304 und zı35 Seiten. Internationaler Psychoanalytischer
Verlag, Wien, 1927. Preis geheftet RM 24°—, Ganzleinen RM 28 —.
Reich, Dr. Wilhelm: Die Funktion des Orgasmus. Zur Psychopathologie
und zur Soziologie des Geschlechtslebens. (Neue Arbeiten zur ärztlichen
Psychoanalyse, Nr. VI. Herausgegeben von Prof. Sigm. Freud.) 208 Seiten,
Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien. Preis geheftet RM ı0°—,
Ganzleinen RM ı2'—.
Stern, William: Psychologie der frühen Kindheit. Bis zum sechsten
Lebensjahre. Mit Benutzung ungedruckter Tagebücher von Klara Stern und
einem Bild- und Textbeitrag von Kurt Lewin. Vierte überarbeitete und
erweiterte Auflage. ıı. bis ı4. Tausend. 5532 Seiten. Verlag von Quelle &
Meyer in Leipzig. Preis gebunden RM ı2°8o.
— 283 —
Stählin, Dr. Otto: Zwang und Freiheit in der Erziehung. Vierte
Auflage. 64 Seiten. Verlag der Arztlichen Rundschau Otto Gmelin, München, 1927.
Chadwick, Mary: Psychology for Nurses. Introductory Lectures for
Nurses upon Psychology and Psycho-Analysis. 1ı49 Seiten. Verlag William
Heinemann, London, 1915.
Wolf, Prof. Dr. Heinrich: Angewandte Kulturgeschichtein Mythus,
Sage, Dichtung. 398 Seiten. Verlag Theodor Weicher, Leipzig.
Freud, Anna: Einführung in die Technik der Kinderanalyse. Vier
Vorträge am Lehrinstitut der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 87 Seiten.
Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien, ı927. Geh. M 2'70, Ganz-
leinen 2—.
Ziehen, Prof. Dr. Theodor: Die Geisteskrankheiten einschließlich
des Schwachsinns und die psychopathischen Konstitutionen
im Kindesalter. Mit 33 Abbildungen. Zweite umgearbeitete und erweiterte
Auflage. 544 Seiten. Preis broschiert RM 16°—, gebunden RM 18° —.
Wittels, Fritz: Die Befreiung des Kindes. Bücher des Werdenden,
Band III (Herausgeber Paul Federn, Wien, und Heinrich Meng, Stuttgart).
258 Seiten. Hippokrates-Verlag, Stuttgart—Berlin— Zürich. Geheftet RM 5—,
Gebunden RM 7'—.
Friedjung, Privatdozent Dr. Josef K.: Vom normalen und vom krankhaften
Triebleben des Kindes. Verlag von Julius Springer in Wien 1927.
INN
OFFENE HALLE
TTTTTNTTEITTTTTTNETTLTEITTTTTTTTTTDTTERERTEETTTTTTTTEIUUTTTTTIETEE LITT ITITTEELEULLUTTTTTTITTEETEPTPVTTTTTTETEEPPUUUT TE PPEETTTUPPUUUUUTTTTTELUUUUUUUUPPELTTTLLIPEEEP PIE
Antwort auf Frage Nr. 4
Die psychoanalytische Methode ist allen speziellen Stotternbehandlungen weit
überlegen und die einzige kausale Therapie dieser durchaus nicht leichten Neurose,
deren seelische Verursachung leider noch zu wenig bekannt ist, sonst würde nicht
so viel Zeit und Kraft auf Übungen verwendet werden, deren Dauererfolge ganz
minimal sind.
Der Mutier sei die gemeinverständlich geschriebene vorzügliche Schrift von
Prof. Emst Schneider: „Über das Stottern (Entstehung, Verlauf und Heilung)“,
1922, Verlag Francke, Bern, empfohlen und den Lesern dieser Zeitschrift im
folgenden ein Literaturverzeichnis einiger psychoanalytischer Aufsätze über Stottern
gegeben, wobei — als Ergänzung — noch auf die nach meiner Erfahrung wichtige
unbewußte exhibitionistische Komponente des Stotterns hingewiesen sei, die (bezw.
deren Abwehr) auch die bekannte Tatsache erklärt, daß in der Einsamkeit, überhaupt,
wenn sich der Stotterer ganz unbeobachtet glaubt, das Stottern sofort verschwindet.
Literatur: ı) Dattner Eine psychoanalytische Studie an einem Stotterer,
Zentralblatt f. Psychoanalyse (ıgı2), — 2) Loquens: Selbstbeobachtungen eines
Stotterers. Zentralblatt f. Psychoanalyse (1914). — 3) Eder: Das Stottern eine
Psychoneurose und seine Behandlung durch die Psychoanalyse. Internat, Ztschr. f.
ärztl. PsA. (1913). — 4) In Graber, Die Ambivalenz des Kindes. Int. PsA. Verlag,
ist über die Analyse eines Stotterers berichtet. Dr. Walter Cohn (Berlin)
Der Verfasser der Arbeit „Unartige Kinder”, die in einem der nächsten Hefte
erscheinen wird, wird ersucht, seine genaue Adresse der Schriftleitung bekanntzugeben.
— 14 —
Frage Nr. 5
Wir haben bis dahin unser annähernd zweieinhalbjähriges Töchterchen an der
infantilen ÖOnanie möglichst verhindert, und zwar durch zweckentsprechende
Kleidung (Schlafsack, Badehöschen) und Ablenkung, nie aber durch Strenge. Nach
dem Studium psychoanalytischer Werke haben wir nunmehr Bedenken, ob wir nicht
Gefahr laufen, dadurch seine Sexualität an die prägenitale Phase zu fixieren, über-
haupt das Kind in der normalen Entfaltung zu hemmen und ihm Sublimierungen zu
erschweren. Sollten wir ihm für solche Betätigungen einige Möglichkeiten offen
lassen ? — Aufgefallen ist uns, daß unser Töchterchen offenbar am Berühren der Dinge
großes Gefallen findet und sich bei ihm unbekannten Gegenständen die Erlaubnis
hierzu in freudiger Erregung einholt. | K.-E.
Frage Nr. OÖ nebst Antwort
Ich bitte um gefl. Auskunft, ob und welche Wörterbücher über Psychoanalyse
es gibt. \W. L., Remscheid
Ein eigentliches „Wörterbuch über Psychoanalyse“ gibt esnoch nicht. Als Beilage
zu der von Freud herausgegebenen „Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse“
(1924, Heft z)ı sind „Proben aus einem in Arbeit befindlichen ‚Wörterbuch der
Psychoanalyse‘* von A. J. Storfer (Wien) erschienen. Der Zeitpunkt des Erscheinens
dieses Wörterbuches ist leider aber noch nicht abzusehen. Die dort probeweise
veröffentlichten drei „Worte“ („Alkoholismus“, „Allmacht der Gedanken“, „ÄAnwend-
barkeit der psychoanalytischen Therapie“) umfassen ı4 Seiten in Lexikonformat, es
läßt sich daher der Gesamtumfang so eines Wörterbuches auf mehrere dickleibige
Bände schätzen. Ein Wörterbuch in diesem Umfang dient viel mehr einer eingehenden
Gesamtdarstellung am Schlusse eines großen Forschungsabschnittes, als einer kurzen
Einführung, wie sie dem Steller der Frage offenbar vorschwebt. Mangels eines
kleineren, einführenden Wörterbuches muß derjenige, der mit den Grundbegriffen
der Psychoanalyse, den gebräuchlichsten Fachausdrücken dieser jungen Wissenschaft
vertraut werden will, auf Freuds „Vorlesungen zur Einführung in die Psycho-
analyse“2 verwiesen werden (welchem Werke auch ein alphabetisches Register
beigegeben ist) und auf das „Psychoanalytische Volksbuch“ von Federn und
Meng3 (das im Anhang eine erklärende Verdeutschung der gebräuchlichsten Fremd-
worte im psychoanalytischen Schrifttum enthält). — Vollständigkeitshalber sei auch
das als Beiheft des in London erscheinenden „International Journal of Psycho-
Analysis“ von E. Jones herausgegebene „Glossary for the use of translators of
psychoanalytical works“ (Wörterverzeichnis für den Gebrauch der Übersetzer
psychoanalytischer Werke) angeführt, das etwa 35350 in der deutschen psycho-
analytischen Literatur übliche Ausdrücke mit englischer Übersetzung und z. T. mit
englischer Erklärung aufweist.
r) Preis des Heftes M. 5—; Internat. PsA. Verl. Wien. — 2) Das Werk ist in zwei textlich
übereinstimmenden Ausgaben erschienen; große Ausg. geh. M. 127° —, Ganzleinen M, 17—; Taschen-
ausgabe Ganzleinen, M. 5'50, Ganzleder M. 7'50 ; Internat. PsA. Verl. Wien. — 3) Geheftet M. 7'50,
Ganzleinen M. 950; Hippokrates-Ferlag, Stuttgart. — 4) Geheftet 2 s 6.d. Vertrieb durch Baitlöre
Tyndail & Co. London.
hair 255 Bun,
Frage Nr. 7
Kann man die psychoanalytische Methode auch lediglich durch Buchstudium,
beispielsweise an Hand der „psychoanalytischen Methode“ von Dr. Pfister, Zürich,
erlernen? Meiner Meinung nach genügt dies nicht, da gerade in diesem Fache die
praktische Erfahrung eines Geübten unbedingt erforderlich ist. Die Lehrinstitute
Berlin oder Wien zu besuchen, ist aus verschiedenen, entscheidenden Gründen
unmöglich. Wie komme ich in Nürnberg, meinem Betätigungsort, zu einer prak-
tischen Einweisung? Besteht eine psA. Gesellschaft? Sind etwa eingeschulte Ärzte
vorhanden, die man um Rat angehen könnte? R. P., Studienassessor (Nürnberg)
INN MN
Pädagogische Woche
zur Finführung in die psychoanalytische Pädagogik
für Erzieher, Lehrer und Ärzte in Stuttgart vom 25. bis 31. August 1927.
Vorläufige Mitteilung
I) Vortragsfolgen:
Dr. Siegfried Bernfeld, Berlin: ı) Dressur—Erziehung—Führung. — 2)
Psychologie der Kinder- und Jugendgruppe; ihre pädagogische Bedeutung. —
z) Psychologie des Erzieherberufs.
Dr. med. Karl Landauer, Frankfurt a. M.: ı) Allgemeine Pathologie der
Psychoneurosen. — 2) Die Auswirkung von Neurosen der Erzieher auf die
Klassen und die Kinder.
Dr. med. Heinrich Meng, Stuttgart: ı) Was muß der Lehrer von der Psycho-
analyse wissen? — 2) Ergebnisse aus Kinderanalysen. — 3) Lehrerfehler.
Pfarrer Dr. Oskar Pfister, Zürich: Tiefenpsychologische Schülerberatung,
Prof. Dr. Ernst Schneider, Riga: ı) Der seelische Organismus (Grundbegriffe
der Psychoanalyse). — 2) Die seelische Entwicklung des Kindes.
Hans Zulliger, Lehrer, Bern: ı) Psychoanalytische Erziehungsberatung und
Erziehungshilfe. — 2) Beobachtungen über die Sexualität bei Schülern beiderlei
Geschlechts im Alter von ız bis ı6 Jahren. — 3) Führung einer Volksschulklasse
nach psychoanalytischen Grundsätzen.
II) Kolloquien, gemeinsame Ausflüge, Unterhaltungen.
>k
Kursgebühr M z30°—. Anmeldungen mit Kursgebühr an Herrn Dr. Heinrich
Meng, Arzt, Stuttgart, Sonnenbergstraße 6D, bis zum ı. August 1927 erbeten. —
Mitteilungen über das Kurslokal und die Wohnungsmöglichkeiten erfolgen später
an dieser Stelle. — Befreundete Zeitschriften werden um Abdruck des Kurs-
programms gebeten.
INN
Herausgeber: Dr. Heinrich Meng, Arzt in Stuttgart
und Universitätsprofessor Dr. Ernst Schneider in Riga
Eigentümer, Verleger und Herausgeber für Österreich: Adolf Josef Storfer, Wien, VII., EU
(„Verlag der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik“). — Verantwortlicher Redakteur & Dr. Pa
Federn, Wien, I., Riemergasse 1. — Druck: Elbemühl Papierfabriken und Graphische Industrie A.-G.,
Wien, III., Rüdengasse ıı (Verantwortlicher Druckereileiter: Karl Wrba, Wien).
SEERKRRKKTTKTNN N RRERRTKLKLKKKEKEK KK EE EK EEE
f |
/ Arzt und Geelforger
G Eine Säriftenreihe, herausgegeben in Verbindung mit Medizinern und Theologen
/ von Direftor Baftor Dr. Carl Schweißer, Spandau
Soeben erfheint Heft 11:
Das Berhaltnis der Pinchoanalnfe
zu Erhif, Religion und Seelforge
von Dr. phil. Earl Müller-Braunfchweig in Berlin
Einzelpreis 270, für Subffribenten‘ 2°43 RM; in Halbleinen 350, für Subffribenten 315 RM
Der Verfafler behandelt u. a. den pfphoanalytijhen Libidobegriff, den pfphoanalptifhen Kurprozeh, die
Entwidlungsgefhihte des Iber-Shs (Bewifens), deffen normale und deffen Fehlfunktion (bei Zwangsneurofe
und Hpfterie) und das Thema der Berwendung der pfphoanalptifhen Lehre in der feelforgerlihen Braris. Bei
aller Betonung der grundfäglihen Derfhiedenheit von Wilfenfhaft und Glauben fucht er zu zeigen, daf, die
Binhoanalyfe al8 eine Naturwijjenfhaft der Seele gleihwohl die Grundftruktur des Religiöfen in der Auge
orudsform einer empirifhen Wiffenfhaft wiederfpiegelt.
1925/1927 find ferner erfhienen:
Heft 1: Pfuchotherapie und Geelforge, Don Dr. med. Frit Künkel, Nervenarzt in Berlin,
- Zur Frage der religisfen Heilungen. Don Dr. med. Herbert Seng, Nervenarst
in Rönigsfeld i. B. Mit einem Dorwort ded Herausgebers, Einzelpreis 1740, für Subffribenten 126 RM-
Heft 2: Binchiatrie, Piuchotherapie und GSeelforge. Bon Prof. Dr. med. I. 9. Shuls,
Nervenarzt, Spezialarzt für PBfpcotherapie in Berlin. Einzelpreis 1'20, für Subffr. 1708 RM.
Heft 3: Die feruelle Frage und der GSeelforger, Don Erih Karl Knabe, Pfarreran
der Staatl, Heile und Pflegeanftalt in Arnsdorf (Sachfen). Einzelpreis O°60, für Subftr. 054 RM.
Heft 4: Die Hetlungen Iefu in medizinischer Beleuchtung. Don Dr. med. Herbert
Seng, Nervenarzt in Königsfeld 1. B, Mit einem Dorw. d. Herausg. Einzelpreis O'90, für Subjfr,
0.51 RM.
Heft 5: Auf metaphufifchen Wegen. Bon Dr. med. Walter Jacobi, Brof, in Iena -
Charakter, Geiftesfranfheit und Förperliche Geftalt. Bon Dr. med. Kurt Rolle,
Kiel. Einzelpreis O'90, für Subffr. O'81 RM.
Heft 6: Pfnchiatrifhe Seelforge im Lichte der Individualpfuchologie. Don
Sobannes Neumann, At-Ruppin. Einzelpreis 120, für Subffr. 1708 RM.
Heft 7: Seelforge im Licht der gegenwärtigen Bipchologie von Lie. Werner Gruebn,
Brivatdozent in Dorpat, Einzelpreis 3°—-, für Subffr. 270 RM. In Halbleinen 380, fir Gubjfr, 3°50 RM.
Heft 8: Piuchnanalyfe und Synthefe. Der Wiederaufbau der Perfönlihkeit neben ihrer Ana-
Infe. Bon Dr. med. Alphbonfe Maeder, Züri. Einzelpreis 1'05, für GSubffr. —'95 RM.
Heft 9: Weten und Grenzen der Piychvanalvfe. DBonLic. Ernft Jahn, Pfarrer in Berlin-
Steglig. Einzelpreis 210, für Subffr. 189 RM.
Heft 10: Serualethif und Bendlferungspolitif, Bon Dr. med. Heinrih Widern,
Bielefeld. Einzelpreis 210, für Subftr. 189 RM.
Die Inanfpruchnahme Des Subffriptionspreifes verpflichtet
zur Abnahme von feh8 anfeinanderfolgenden Heften.
Die Hefte werden iin zwanglofer Reihenfolge fortgefetßt
Derlag Friedrih Bahn, Schwerin i, Mecklb.
TIheowill Uebelader
‚Der Frühling fteigt aus dem Örabe |
| Gebunden Mart 4, kartoniert Mart I’—
Einige Stimmen über den Dichter:
Man muß fhon die Namen der tiefften und deutfheften Dichter nennen, wenn man von Lebeladers geiftigem
Stammbaum fpreden will... (Bayer. Landeszeitung)
... durch all die vielen Chöre aber zieht fih wie ein tiefer Orgelpuntt eine ganz ungemein leidenf&haftlide,
inbrünftige Mnftil. Diefes mertwiirdige Durchfhanen durch alles Sihtbare und Körperlihe auf den geiftigen
Hintergrund, diefes fortwährende Erfpliven des Ewigen, des Univerfums! les Sihtbare it nur ein Gleihnis,
Symbol großer Geheimniffe... (Frank, Kurier)
Mebelader ift fihlechthin Dichter, und zwar ein Dichter, wie er und nit alle Jahre geboren wird, In
ihn vereinigt fih die Buntefte Bilohaftigkeit Des Impreffionismus mit der Erlebnistiefe und Ausdrudsgewalt des
Erpreffionismus zu jener dichterifchen Schöpfungskraft, der allein die gefunde Weiterentwidlung unferer deutfchen
Diitunft gelingen wird. Mag im Ringen Lebeladers nad neuen Ausdrudsformen, nah bislang unerhörter Bild-
baftigkeit, nach gedanklihen Tiefen, nad fünftlerifher Bewältigung von Raum und Zeit auch no viel unvergorener
Saft fieden — das ift im großen und ganzen nebenfählih,; viel wichtiger if, daß in Uebelader uns gottlob
wieder ein Dichter erftanden ift von einer Urfprünglichkeit und Unmittelbarkeit, die zur Bewunderung hinreifen ...
(Regensburger Anzeiger)
Im gleichen Verlag erfhien ferner von Zheowill Lebelader:
Marienfind Schlaf und Tat
Ein Gedicht in Bildern, geb, Mf, 150 Ein Dreitönigsfpiel, geb, ME. 150
DER BÄRENREITERVERLAG ZU AUGSBURG
BEITRÄGE ZUM SEXUALPROBLEM
Herausgegeben von Dr. Felix A. Theilhaber
Heft 1: DR. FELIX A. THEILHABER | Die
menschliche Liebe
Heft 2: DR. FELIX SERNAU |! Das Fiasko
der Monogamie
Heft 5: ALFONS SCHOENE ! Krieg und
Sexualität
Heft 4: DR. BATKIS, Moskau ! Die Sexual-
revolution in Rußland
HEIM-
KINDERGARTEN
INSCHWARZWALDKURORT
Heft 5: DR. HAUSTEIN ! Prostitution und
; Aıimmt Geschlechtskrankheiten in Skandinavien
I | Heft 6: VICTOR NOACK | Kulturschande, |
: “ . Die Wohnungsnot als Sexualproöl
Kinder mit seelischen Heft 7: DR. FELIX A. THEILHABER | Die
. u Prostitution
Eintwicklungsstörungen zu Heft 8: WILHELM SCHÖFFER | Das Recht |
x j h 2 auf den eigenen Körper
heilerzieherischer Einzelbehand- Heft 9: DR. FELIX A. THEILHABER | Sexu-
alität und Erotik B
Heft 10: DR. HANS GRAAZ! Nacktkörperkultur
Heft 11: WILHELM SCHÖFFER, DR. FELIX |
A. THEILHABER, DR. MARTHA
RUBEN-WOLF, DR. LEO KLAUBER
Zuchthaus oder Mutterschaft
Heft Ila: MARIA KRISCHE | Die geschlecht-
liche Belastung der Frau und ihre
gesellschafilichen Auswirkungen
Preis für jedes Heft 0'40 Mk.
DR. LUDWIG BERGFELD: Seliges Verstehen,
Das Erkenntnisproblem des Jungmädchens.
Ein offener Brief an die Frauenweli 0&0 Mk.
FRITZ OERTER | Freie Lıiebe..........VO"15 MR.
MAX WINKLER |! Das Geburtenproblem
u. die Veıhütung der Schwangerschaft 0°50 Mr.
Verlag „DER SYNDIKALIST“, FRITZ KATER,
BERLIN 034. Postscheck Berlin 138.928,
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Kinder
ILSE DÖHL
KÖNIGSFELD (BADEN)
Vom kosmogonischen Fros
4. Tausend / broschiert M.6°—, Halbleinen M. &°—, Leinen M,8'5o
Inhalt: Begriffliche Betrachtung / Vom Erosbegriff des Altertums / Der elementare Eros / Vom Zu-
stand der Ekstase / Vom Wesen der Ekstase / Vom Ahnendienst /Schlußwort über Eros u. Leidenschaft.
Frankfurter Nachrichten: Das Buch ist eine sich immer großartiger steigernde Beschwörung
des gewaltigen Seelen- und Weltphänomens, das die Alten noch als die Vermählung der Menschen-
seele mit Gott und die daraus entspringende Bildgeburt kannten; es führt tief hinein in die Unter-
gründe alles künstlerischen Schaffens, es deckt den Sinn geheimnisvoller Weihebräuche der Vorzeit
auf, es entschleiert die Tragödie des weltgeschichtlichen Lebens und offenbart, worum in ahnungs-
vollem Tiefsinn die Besten von Platon bis Goethe und Nietzsche geworben haben; das letzte und
elementar Wirkliche der Wirklichkeit, das weltenschaffende Wesen der Urbilder.
Mensch und Erde
Fünf Abhandlungen | 2. Auflage | broschiert M. 3°—, Halbleinen M. 5'—, Leinen M. 5'5o
Inhalt: Mensch und Erde [| Bewußtsein und Leben | Über den Begriff der Persönlichkeit / Be-
merkungen über die Schranken des Goetheschen Menschen / Wilhelm Jordan.
Der Kärrner: Das Buch will, gestützt auf den „Widerstreit von Geist und Seele“, die Gründe
erhellen, wohin wir mit der Zivilisation des 20. Jahrhunderts durch die Sünde nicht gegen das
heilige Geistige, wohl aber gegen das heilige Beseelte gekommen sind und kommen mußten; das
Beseelte in der Welt ist zertreten, es herrscht nur der Geist, der Geist des „Fortschrittes“. Der
Leitgedanke ist: wir kranken an dem Leben, an der Seele, an dem Beseelten, der Geist hat es über-
wuchert und den Wahn vom Fortschritt proklamiert.
C. G. Carus / Psyche
Gekürzt herausgegeben und eingeleitet von Ludwig Klages
Mit einem Porträt / broschiert M.9’—, Leinen M. ı2"—
Das bedeutendste Werk des von Goethe hochgeschätzten Naturphilosophen Gustav Carus, zugleich
das Hauptwerk der philosophischen Romantik überhaupt. In vorliegender Ausgabe durch den
modernen Naturphilosophen Ludwig Klages stellt es das Grundwerk dar für alle Bemühungen
unserer Zeit, die „Psychologie olıne Seele* zu überwinden und eine Psychologie des seelenhaften
Unbewußten aufzubauen.
Eugen Diederichs Verlag in Jena
Vom 3. Jahrgang an erscheint ın meinem Verlag
PHILOSOPHIE
UND LEBEN
Herausgeber: Prof. Dr. August Messer, Gießen
Philosophie und Leben ist eine Zeitschrift, die tapfer und gerade auf die
großen sittlichen und erkenntnistheoretischen Probleme
unserer Zeit losgeht. Sie ist bemüht, bei allem Ernst und bei
aller Gründlichkeit eine Sprache zu sprechen, diejeder
denkende Mensch begreifen kann.
Aus dem Inhalt der Hefte des neuen Jahrgangs:
Heft 1: Das Organifhe im Lichte der Philofophie. Don Hans Driefh / France |
als Thronfolger Hardels. Bon Auguft Mefier / Kebensfinn. Bon Paula Mefjer-Plab / 5
Lebensfreude. Don U. Berendfohn. | |
Heft 2: Die Tragik in Peftalozzis Wefen und Leben. Don Auguft Mefler /
Schaffendes Leben. Don Romano Suarbini / Die innere Lage des Arbeiters. Bon
Karl Küßner ı Wege zu neuem Adel, Don Hellmut Wolff.
Heft 3: Sind alle Serufe ethifierbari Don Baul Seldkeller ! Betrahtungen
über Schiefal und Sendung des Genius. Don *,* / Deutfches Wollen. Don
Baul Hohe / Autorität der Bemeinfhaft und Gewiffen des Tinzelnen als
foziologifch-pädngogifhes Problem. Bon Auguft Meffer.
Heft 4: Der Sinn der demokratifhen Staatsform. Bon Reinhard Streder i Volk,
Staat und Kirche im Sinne der deutfchenältifhen Weltanfhauung. Bon Mar
Wundt / Die Dolksvertretung in einem organifchen Kulturftaat. Bon Johannes
Unold ı Das Wefen der Staatsräfon. Don Friedrih Meinede.
Doppelheft 316 erscheint Anfang Juni, Heft 7 wird
der Jugend und ihrer Problematik gewidmet sein.
In jedem Heft wird der Herausgeber ganz kurze Aufsätze über Grundbegriffe und Grundfragen
der Philosophie bringen, die als Ganzes eine Einführung in die Philosophie dar-
stellen sollen. — Der Erörterung von Ansichten und Fragen aus dem Leserkreise in
der „Aussprache“ wird besondere Sorgfalt gewidmet. — Außerdem
vierteljährlich wertvolle Buchbeigaben ohne jede Mehrkosten.
Monatlich ein Heft von 32 Seiten
Bezugspreis: Vierteljährlich RM. 2°—, 3'50 österr. Schilling
" 2'50 Schweizer Franken, '/, Dollar
Probehefte verfendet umfonft der
VERLAG FELIX MEINER IN LEIPZIG
Für jeden Leser dieser Zeitschrift sind unentbehrlich die
Selbstdarstellungen
SIGMUND FREUD
und von
OSKAR PFISTER
Beide geben in knappen Strichen einen Überblik über ihre geistige Ent-
wicklung und ihre Stellung zu den Problemen ihrer Zeit.
Die genannten Selbstdarstellungen finden sich in
Band IV der „Medizin der Gegenwart in Selbstdarstellungen“:
Freud (Wien), Gottstein (Berlin), Heubner (Dresden),
v. Kries (Freiburg), Much (Hamburg), Ortner (Wien)
und in Band II der „Pädagogik der Gegenwart in Selbstdarstellungen“:
Hans Blüher, Ludwig Gurlitt, August Lay, Rudolf
Pannwitz, Oskar Pfister, Ernst von Sallwürk
Bisher 22 Bände mit 150 Mitarbeitern auf den Gebieten der Philosophie,
Medizin, Rechtswissenschaft, Kunstwissenschaft, Volkswirtschaftslehre,
Geschichtswissenschaft, Religionswissenschaft und Pädagogik.
Jeder Beitrag mit Bild und Namenszug des Perfassers / Geschmackvolle Halb-, bzw. Ganzleinen-
Geschenkbände zu je RM 12°— / Alle diese Sammlungen werden fortgesetzt, andere vorbereitet.
Ein Gesamtverzeichnis,
das alle Mitarbeiter an den einzelnen Bänden der verschiedenen Disziplinen nennt,
und ein Heft „Leseproben“ versendet der Verlag auf Ansuchen.
„Keine Zeithat dem Kulturforscher Ähnliches geboten, — und keiner,
dem es um die Erforschung oder um das Verständnis unserer geistigen Kultur zu tun ist, darf
an diesen Büchern vorübergehen. Das ist die beste Empfehlung, die man ihnen mitgeben kann,
— eine Empfehlung, die jede Kritik überflüssig macht; denn so gesehen
sind auıh die Schwächen einzelner Aufsätze die Stärke der Bücher,
Sie offenbaren, so wie das Schöne und Große der Sammlung, das
was sie offenbaren sollen — den Mensehen und die Zeit.
Fiktor Engelhardt in der „Gesellschaft“ (April 1925).
VERLAG FELIX MEINER IN LEIPZIG
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DR. OSKAR PFISTER
DIE
PSYCHOANALYTISCHE
METHODE
Eine erfahrungswissenschaftlich - systematische Darstellung / 3., stark
umgearbeitete Auflage / XVI und 585 Seiten, Gebunden Rm. 20°—
Eine erschöpfende, tiefgründige Darlegung neuer Wege zum besseren Ver-
ständnis des seelischen Lebens bei Jugendlichen und Erwachsenen. Das klassische
Buch über die Tiefenpsychologie.
‚Der Verfasser ist eine Persönlichkeit in des Wortes schärfster Bedeutung.
Wer sich über Entwicklung, Art und Bedeutung der Psychoanalyse unterrichten
will, dürfte kaum ein klareres, kritischeres und ernsteres Buch finden wie dieses... .“
(„Pädagogischer Jahresbericht.“)
*
WAS BIETET
DIE PSYCHOANALYSE
DEM ERZIEHER?
Zweite, verbesserte Auflage / 158 Seiten / Geheftet Rm. 3.60
„Wer die eigenartige Pädagogik der Psychoanalytiker noch nicht kennt,
erfährt darin wohl die beste Einführung.“ („Blätter für die Schulpraxis.“)
„... Für Freunde und Gegner der Psychoanalyse gleich wertvoll.“
(„Schaffende Arbeit und Kunst in der Schule.‘)
„Gegenüber der ersten, vor sieben Jahren erschienenen Auflage dieser zur
Einführung in die psychoanalytische Theorie und Praxis sehr brauchbaren Schrift
erweist sich die vorliegende zweite Auflage insbesondere insofern als verändert,
als der Begriff der ‚Sublimation‘ anders gefaßt und der der ‚Einstellungsanalyse‘
ganz fallen gelassen worden ist. Außerdem wird der Analyse am gesunden
Kinde eine weit größere Bedeutung als früher beigelegt, so daß an die Zukunft
der ‚analytischen Erziehung‘ große Hoffnungen geknüpft werden.“
(„Pädagogisches Zentralblatt.“)
JULIUS KLINKHARDT
VERLAGSBUCHHANDLUNG IN LEIPZIG
Dr. Oskar Pfister
Die Liebe vor der Ehe
und ihre Fehlentwicklungen
Gewidmet denen, die nicht lieben können, und ihren Freunden
Gr. 8°, VIT und 304 Seiten (4. bis 9. Tausend) Preis brosch. Mk. 6. —, geb. Mk. 7.20
Aus dem Inhalt: Vorstadien der Liebe — Ungestillte und unstillbare Sehnsucht nach Liebe — #
| Physische Untauglichkeit — Sexuelle Abnormalität — Homosexualität — Liebe auf den ersten Blick — Liebe #
in Bruchstücken — Sinnliche Liebe — Geistige Liebe — Aktive und passive Grausamkeit in der Liebe —
Der Don Juan und sein weibliches Gegenstück — Die Bevorzugung minderwertiger Objekte — Der Wechsel
zwischen der Reinen und der Dirne — Die Entwicklung der Liebesfunktionen — Das Liebesziel und seine
Verwirklichung — Kinderliebe und Flirt — Die Gefahren der „freien“ Liebe — Die Verlobung — Die
Angst vor und nach der Verlobung — Theoretische Ergebnisse — Praktische Folgerungen — usw.
Die Liebe des Kindes
und ihre Fehlentwicklungen
Gr. 8°, XII und 376 Seiten. Preis brosch. Mk. 6.—, geb. Mk. 7.20
Der psychologische und biologische Untergrund
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Zur Psychologie des philosophischen Denkens
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VERLAG HANS HUBER BERN
Wertvolle Beiträge
zur psychoanalytischen Pädagogik
SYCHOANALYSE. Geschichte, Wesen, Aufgaben und Wir-
kung. Von San.-RatDr. Georg Wanke. Zweite, verb.
Aufl. Geh. 6'70 RM, in Ganzl. gebd. 8:50 RM.
Als eine ausgezeichnete Einführung möchte ich das Buch allen Lehrern empfehlen „..
Sie mögen zuerst dies Buch durcharbeiten, das sich leicht liest und das in seinem päd-
agogischen Teil für Eltern und Erzieher eine Fundgrube freier Beobachtungen und Erziehungs-
hilfen darstellt. (Schulwart, April 1925.)
N)' FRÜUHERINNERUNG als Trägerin kindlicher Selbsibe-
LF obachtungen in den ersten Lebensjahren. Von Dr. Hanns
Reichardt. Geh. 13'40 RM, in Ganzl. gebd. 15'40 RM.
Mit diesem in seiner Art bisher einzigartigen Buche hat der Verfasser eine für die
Kinderpsychologie außerordentlich bedeutsame Arbeit geleistet. Alle, die wissen sollten, „wie
Kinder sind“, werden das flüssig geschriebene, anregende Buch mit großem Nutzen lesen.
(Zeitschr. f, Kinderheilkunde, Dez. 1926.)
ee DER MENSCHENKUNDE. Von Priv.-
Doz. Dr. Fritz Giese. 5 Tle, Xll und 95 Seiten 2. Aufl.
Geh. 1:40 RM.
„Das Buch erfüllt seinen Zweck, die Jugend über die Erscheinungen des Sexuallebens
aufzuklären, in vollkommener Weise."
EEE EIERN ER EREEEREEZEEEERTERE TE
CARL MARHOLD VERLAGSBUCHHANDLUNG, HALLE-S
HUNIIUNLUIENLIUAIUULIIEEILIUDEUDEIIEUIUULHNUVEIIDIIDEUULILDUAILIDEEENRUAEIEILIIDENBENUUDNUKULLILIIUDIKEUBDLNLIGLIDLNDDIENGOUNNLLE
DAS ÄRZTLICHE VOLKSBUCH
Gemeinverständliche Gesundheitspflege und
‚Heilkunde. Herausgegeben von Dr. Heinrih Meng- Stutt-
gart, Dr. K. A. Fießler-Berlin und Dr. Paul Federn-Wien,
unter Mitwirkung von 45 namhaften Ärzten und Universitäts-
professoren. Band I: GESUNDHEITSSCHUTZ
680 Seiten, 54 Tafeln. Band I: KRANKHEITSLEHRE,
936 Seiten, 56 Tafeln. Jeder Band in Halbleinen Rm. 20.-
NEUE FREIE PRESSE: ... Hat ein Anrecht darauf, zum Standardwerk ernannt zu werden
und den Namen „Meng“ so populär zu machen, wie Meyer, Brockhaus oder Sanders .. »
Der „große Meng“ wird seine Vorläufer, welche die ganze Richtung populärer Darstellung
von medizinischen Themen anrüchig gemacht haben, mit Leichtigkeit verdrängen.
FRANKFURTER ZEITUNG: ...Ist Ausdruck eines wahren wissenschaftlichen Freimutes ...
Endlich tun sich Wissenschaftler aus allen Lagern zusammen, um ihre Voraussetzungen und
Methoden vor aller Öffentlichkeit klarzulegen. . . . übermittelt dem Laien gründliche Kennt-
nisse . . . Einzelne Kapitel Musterbeispiele wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellung.
HIPPOKRATES-VERLAG / STUTTGART - BERLIN — ZÜRICH
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Bücher des Werdenden Band III
Fritz Wittels
Die Befreiung des Kindes
I)* Seelenleben des Kindes folgt seinen eigenen Gesetzen, die schwer
erforschbar sind, weil die Erwachsenen nicht mehr wissen, wie sie als
kleine Kinder gefühlt und gedacht haben. So erweist sich die Erziehung
als eine sehr schwere Aufgabe, der sich Erwachsene nur selten gewachsen
zeigen. Eher wäre es möglich, daß die Kinder uns erzögen, als wir sie. —
Das Buch von Wittels rückt die Erziehung ins Licht der modernen Seelenkunde
und gibt Eltern und Erziehern im weiteren Sinne sehr wertvolle Richtlinien
254 Seifen, 8°, broschierf Rm. 5.—, in Leinen Rm. 7.—
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DER CHARAKTEROLOGIE
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Gr. 8°, 375 Seiten mit 18 Tafeln u. 6 Abbildg. im Text. Preis Rm. 15°— in Ganzin.
INHALT: |
Rud. Allers: Charakter als Ausdruck / F. Baumgarten: Charakterologisches in dem
Berufe der Regulierungsbeamten / G. Gesemann: Grundlagen einer Charaktero-
logie Gogols / Rob. Heindl: Strafrechtstheorie und Praxis / H. Hildebrandt: Der
Gelehrte / L. Klages: Die psychologischen Errungenschaften Nietzsches / Kronfeld:
Der Verstandesmensch / A. Liebert: Immanuel Kants geistige Gestalt / J. Lind-
worsky: Die charakterologische Bedeutung der Exerzitien des hl. Ignatius von
Loyola / A. Pfänder: Grundprobleme der Charakterologie / K. Scheffler: Künstler:
studien / K. Schneider: Der triebhafte und der bewußte Mensch / Fr. Walter:
Die materiellen Grundlagen der geistigen Persönlichkeit
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Gr. 8°, 482 Seiten mit 27 Tafeln. Preis Rm. 20°— in Ganzleinen
INHALT:
Hans Prinzhorn: Wege zur Charakterologie / Richard Müller:Freienfels: Charaks
ter und Erlebnis / Hans Kern: Die Charakterologie des Carl Gustav Carus / Luds
wig Klages: Die psychologischen Errungenschaften Nietzsches / Ludwig Marcuse:
Die Struktur der Kultur / Paul Plaut: Soziologie als Typologie / Franziska Baum-
garten: Charakter und Beruf / Karl Birnbaum: Das Persönlichkeitsproblem in der
Psychiatrie / Robert Gaupp: Vom dichterischen Schaffen eines Geisteskranken
Alexander Lipschütz: Innere Sekretion und Persönlichkeit / Franz Brentano:
Über Prophetie / Willy Andreas; Peter von Meyendorff, Ein russischer Staatsmann
der Restaurationszeit / Oskar Kraus: Albert Schweitzer, Zur Charakterologie der
ethischen Persönlichkeit und der philosophischen Mystik / Hans Schneickert: Zum
Problem der Handschriftensammlung / Robert Heindl: Der Berufsverbrecher °
BANDIV
Gr. 8°, 420 Seiten mit Abbildungen u. Tabellen, Preis Rm, 20°—- in Ganzin. gebund.
INHALT:
Erich Everth: Individualität und Geistesgeschichte / Arthur Liebert: Die Angst
vor der Technik / Alfred Petzelt: Vom Problem des Verstehens / Emil Utitz:
Charakterologie und Ethik / Hans Prinzhorn: Die Begründung einer reinen Cha-
rakterologie durch Ludwig Klages / W. Gundel: Individualschicksal, Menschen»
typen und Berufe in der antiken Astrologie / Theodor Ziehen: Charakterologische
Studien an Verbrechern / Th. Erismann: Der Massenmensch / Arthur Kronfeld:
Zur phänomenologischen Psychologie und Psychopathologie des Wollens und der
Triebe / Walter: Über die Elektrodiagnose seelischer Eigenschaften nach der Dia-
gnoskopie Bißky / Hoffmann: Charakterforschung und Vererbungslehre / Lipp=
mann: Der Periphertrieb / David Katz: Charakterologie und Tierpsychologie
Konrad Eilers: Hermann Löns als Mensch und Dichter
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A. MARCUS & E.WEBER’S Verlag BERLIN W 10, GENTHINERSTR. 38
ZEITSCHRIFT FÜR AURUMENIERENNLE ONE
Gegründet von Prof. Dr. A. Eulenburg und Dr. Iwan Bloch
, Herausgegeben ; im Auftrage der
Internationalen Gesellschaft für Sexualforschung
Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter redigiert von Dr. Max Marcuse
Jahrgang 1927|28. Band XIV. Jährlich erscheinen 12 Hefte im Umfang von 2—3 Bogen.
| Abonnementspreis vierteljährlich M 5°— (Probenummer kostenlos).
Die Sexualwissenschaft hat es schwerer als andere Disziplinen, ihren wissenschaftlichen Charakter überall anerkannt
zu sehen, weil gar zu leicht Halbbildung oder gar Sensationslust sich ihren Problemen zuwendet. Die Führung dieser
Zeitschrift und ein Einblick in ihre Aufsätze beweisen nicht nur, daß es sich hier um eine ernste Forschungsarbeit
handelt, sondern auch, wie wesentlich für das Leben und seine tiefere Erkenntnis die Sexualprobleme sind, ‚wie
umfassend ihr Radius, wie stark beeinflußt von den verschiedensten Seiten der menschlichen Persönlichkeit und der
sozialen Umwelt. Es versteht sich daher von selbst, daß sowohl Mediziner wie Juristen, Soziologen, Pädagogen,
Kulturhistoriker, Philosophen an dieser Zeitschrift mitarbeiten und daß die Zeitschrift für alle diese verschiedenen
Wissenskreise, aber auch für den ernsten, gebildeten Laien jeder Berufe von Bedeutung ist.
Mit dem neuen Jahrgang erscheint die Zeitschrift in erweitertem Umfange, um noch stärker als bisher der Vielseitigkeit
ihrer Aufgaben gerecht zu werden und allen Problemen des umfangreichen Gebietes Beachtung schenken zu können.
FE: Ausführliche Prospekte über die
GESAMMELTEN SCHRIFTEN
SIGM. FREUD
und über Veröffentlichungen über
psychoanalytische Erziehung
sendet auf Verlangen der
Iinernäaftionale Psychoanalytische Verlag
wien, WVälI., Andreasgasse 5
durch den auch alle in diesem Hefte angekündigien
werke bezogen werden können
7 ren 2
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Zum Then
„Sexuelle Aufklärung“
Sigm. Freud
Drei Abhandlungen
zur Sexualtheorie
Gebunden M 3°80 (schw. Frk. 4°75)
Aus der Fülle psychoanalytischer Schriften haben
die „Drei Abhandlungen‘ bisher die meiste Beach-
tung gefunden, und dies mit Recht. Sie tragen die
Züge einer „klassischen“ Darstellung ihrer Richtung
an sich und werden auch von Gegnern der Psycho-
analyse mit wissenschaftlichem Genuß und mit Hoch-
achtung gelesen werden... Während man in den
Schriften der Mediziner (gerade auch über Fragen
des Geschlechtslebens) nicht selten lediglich eine
Zusammenstellung von kasuistischem und notizen-
haftem Material findet, ist man bei Freud angenehm
überrascht, eine zügige, konsequent auf erkenntnis-
mäßige Erfassung des Gegenstandes gerichtete Dar-
stellung zu finden. Was aber Freud besonders aus-
zeichnet, ist eine für sexualtheoretische Schriften
selten reine psychologische Einstellung, ein
ungemein feines und sicheres Gefühl für die spezi-
fisch seelischen Probleme und Fragestellungen auf
dem Gebiete der Sexualität. Daß daneben gleich-
zeitig eine biologische Durchdringung der Materie
erfolgt, ist für Freud als Arzt selbstverständlich.
Darüber hinaus erfreut er aber noch durch saubere
logische Arbeit und durch das knappe, vornehme
sprachliche Gewand, in das er seine Ausführungen
kleidet.
(Leipziger Lehrerzeitung.)
Die ‚Drei Abhandlungen‘ müssen in ihrer
gedrängten, programmatischen Form nicht nur ge-
lesen, sondern studiert werden... Sie bilden den
Unterbau, auf dem die Freudsche Lehre und ihre
praktische Verwertung, die Psychoanalyse, ruhen.
Wer die „Abhandlungen“ nicht kennt, kennt Freud
nicht. -
(Monatschr. f. Psychiatrie u. Neurologie.)
Sigm. Freud
Aus der Geschichte
einer infantilen Neurose
Gebunden M r'fo (schweiz. Frk. I*90\
Freud hat es gewagt, aus der mehrjährigen
Analyse eines zirka 30 jährigen Mannes die neu-
rotische Kindheitsgeschichte herauszuarbeiten...
Wir wissen, wie das Genie des Autors vor mehr als
zwei Jahrzehnten aus viel geringerem Material
scheinbar kühne Schlüsse zu ziehen vermochte, die
sich nachher bewahrheiteten, und werden uns des-
halb hüten, einfach über seine Ansicht hinweg-
zugehen. Es gibt wohl keine Arbeit Freuds, die so
wie die vorliegende geeignet ist, in die weniger ge-
wöhnlichen Gedankengänge des Autors einzuführen.
(Prof. Bleuler i. d. Münch. Med. Wochenschr,)
Ein solch tiefer und wichtiger Beitrag zur Kenntnis
vom Seelenleben des Kindes ist in der gesamten
Literatur kaum mehr zu finden.
(Volksstimme, Frankfurt.) -
Diese zum Teil nachträgliche Analyse einer Neu-
rose, die beim vierjährigen Kinde als Angsthysterie
(Phobie vor geträumten Wölfen) begann, sich dann
beim Knaben in krankhafte Frömmigkeit umsetzte
und im jugendlichen Mannesalter schließlich den
Charakter eines schweren Zwanges aufwies, hat aut
ungeahnte Möglichkeiten der Psychoanalyse Licht
geworfen. Die vom ebenso kühn schürfenden wie
skeptischen Verfasser mit sich selbst geführte Dis-
kussion, ob die in der Analyse rekonstruierte Ur-
szene (die Belauschung des elterlichen Geschlechts-
verkehres) wirklich erlebt worden ist, oder ob die
Phantasie des Kindes eine Anleihe bei dem Er-
innerungsschatz der Gattung macht, wirkt als eine
spirituelle Höchstleistung auf steilen Graten der
Erkenntnis geradezu spannend und atemraubend.
(Nation.)
Internationaler Psychoanalytischer Verlag
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Wien, VII, Andreasgasse 3
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Zürich VII 11.479
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