Skip to main content

Full text of "Handbuch der Anatomie des Menschen"

See other formats


liNivar 


LlBfiARY 


// 


o^,, 


Handbuch 
der  Anatomie  des  Mensehen 

in  aclit  Bänden. 

In  Verbindung  mit 
Dr.  P.  Bartels  in  Berlin,  weiland  Prof.  Dr.  A.  von  Brunn  in  Rostock, 
Prof.  Dr.  J.  DissE  in  Marburg,  Prof  Dr.  Eberth  in  Halle,  Prof  Dr.  Eislbr 
in  Halle,  Prof  Dr.  Pick  in  Prag,  Dr.  Max  Fränkbl  in  Berlin,  Dr.  Fritz 
Frohsb  in  Berlin,  Prof  Dr.  M.  Heidenhain  in  Tübingen,  Prof.  Dr.  P. 
HocHSTETTER  in  Innsbruck,  Prof.  Dr.  M.  Holl  in  Graz,  Prof.  Dr.  Kallius  in 
Greifswald,  Prof,  Dr.  W.  Krause  in  Berlin,  Prof.  Dr.  F.  Merkel  in  Göttingen, 
Prof  Dr.  Nagel  in  Berlin,  Prof.  Dr.  G.  Schwalbe  in  ötraßburg,  Prof.  Dr. 
SiEBBNMANN  in  Basel,  Prof  Dr.  P.  Graf  Spee  in  Kiel,  Prof.  Dr.  Tandler  in  Wien, 
Prof.  Dr.  Zander  in  Königsberg,  Prof.  Dr.  Ziehen  in  Berlin 

herausgegeben  von 

Prof.  Dr.  Karl  von  Bardeleben 

in  Jena. 

Zweiter  Band.    Zweite  Abteilung.    Zweiter  Teil. 

Bänder,  Gelenke  und  Muskeln. 

Bearbeitet  von 

Prof.  Dr.  R.  Fick  Prof.  Dr.  Bisler 

in  Leipzig,  in  Halle, 

Dr.  Fritz  Frohse  und  Dr.  Max  Fränkel. 

in  Berlin,  in  Berlin. 


Zweite  Abteilung.     Zweiter  Teil: 

A.  Die  Muskeln  des  menschlichen  Armes. 

von 

G^l^  Dr.  Fritz  Frohse      und      Dr.  Max  Fränkel 

in  Berlin,  in  Berlin. 

^^  ^         Mit  154  teilweise  farbigen  Abbildungen  im  Texte. 


bt^ 


Jena 

Verlag  von  Gustav  Fischer 
1908. 


^> 


III 


DIE  MUSKELN 


DES 


MENSCHLICHEN  ARMES 


VON 


DR  FRITZ  FROHSE  und  DR  AAAX  FRÄNKEL 


MIT  154  TEILWEISE  FARBIGEN  ABBILDUNGEN  IM  TEXTE 


IK^S^^ 


JENA 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER 

1908 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Herrn  Professor  Dr.  W.  Waldeyer 

in  Dankbarkeit  und  Verehrung 
gewidmet. 


Vorwort  und  Einleitung. 


Das  vorliegende  Buch  hat  eine  sehr  lange  Entstehungsgeschichte. 
Die  erste  Ankündigung  findet  sich  bereits  1897  ^)  im  April,  die  zweite  2) 
wenige  Monate  später  in  den  Proceedings  of  the  Anatomical  Society 
of  Great  Britain  and  Ireland.  Der  erste  Vortrag  über  die  feinere 
Innervation  von  menschlichen  Muskeln  wurde  von  K.  v.  Barde- 
leben gehalten,  die  Demonstrationen  von  Frohse,  die  zweite  Mit- 
teilung mit  Demonstrationen  von  Frohse  allein  in  Dublin  (Irland). 
Die  dritte  mit  10  Abbildungen  veröifentlichte  Mitteilung  ist  1898  im 
Anatomischen  Anzeiger^)  erschienen,  eine  vierte*)  über  die  Palmar- 
aponeurose  1906  im  Archiv  für  Anatomie  und  Physiologie. 

Seit  1898  haben  die  Untersuchungen  keineswegs  geruht,  ge- 
langten aber  erst  1901  zu  einer  nochmaligen,  fast  ununterbrochen 
täglich  durchgeführten  Bearbeitung,  als  sich  M.  Fränkel  zu  einer  ge- 
nauen Nachprüfung  der  von  v.  Bardeleben  und  Frohse  ge- 
wonnenen Ergebnisse  verstand. 

Seit  1902  hat  ferner  Frohse  die  anatomischen  Vorträge  in  der 
Kgl.  Kunstschule  zu  halten.  —  Die  entsprechenden  Bemerkungen 
dürften  sich  besonders  den  Fachgenossen  kundgeben. 

M.  Fränkel,  als  langjähriger  Assistent  der  seinerzeit  von  E.  v.  Berg- 
mann  geleiteten  Kgl.  chirurgischen  Klinik  zu  Berlin,  hat  den  prak- 


1)  K.  V.  Bardeleben  und  Dr.  Frohse:  lieber  die  Innervierung  von  Muskeln, 
insbesondere  an  den  menschlichen  Gliedmaßen.  Verhandlungen  der  Anatomischen 
Gesellschaft  auf  der  11.  Versammlung  in  Gent,  vom  24.-27.  April.  Anat  Anz., 
Bd.  XIV,  Jena,  1898,  No.  13,  8.  38—43. 

2)  Dr.  Frohse,  The  finer  Raraification  of  the  Nerves  in  the  Muscles.  Journal  of 
Anatomy  and  Physiology,  London,  Oct.  1897. 

3)  Dr.  Frohse,  lieber  die  Verzweigung  der  Nerven  zu  und  in  den  menschlichen 
Muskeln.    Anat.  Anz.,  Bd.  XIV,  1898,  No.  13,  8.  321—343. 

4)  Dr.  Frohse,  Die  Aponeurosis  palmaris  und  digitalis  der  menschlichen  Hand,  mit 
besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Funktion.  Archiv  für  Anatomie  und  Physiologie, 
anatomischer  Teil,  1906,  8.  101—108. 


VIII  FROMSE    und   M.    FRÄNKEL, 

tischen  Fragen  sein  besonderes  Interesse  entgegengebracht,  welches 
auch  von  Frohse  geteilt  wird,  der  ebenfalls  als  chirurgischer  Assistent 
monatelang  praktisch  beschäftigt  war. 

Die  neurologischen  Ergebnisse  sind  zuerst  von  F.  Mendel, 
Berlin  1897,  dann  von  H.  Braus,  Jena  1899,  an  Frohse  selbst 
nachgeprüft  w^orden,  neuerdings  wieder  von  Deetjen,  Bad  Nassau 
a.  d.  Lahn  1904,  von  dem  Nervenarzte  T.  Cohn,  Berlin  1906,  letz- 
teres in  Gegenwart  von  Fränkel  sowohl  an  Frohse,  wie  an  einem 
Patienten  und  zuletzt  noch  1908  mit  immer  größerer  Genauigkeit  von 
den  beiden  Autoren  an  mehreren  Personen. 

Die  geschilderten  Tatsachen  sind  von  beiden  Verfassern  un- 
abhängig voneinander  durchgearbeitet  worden,  besonders  in  Zweifel- 
fällen so  oft,  bis  eine  Uebereinstimmung  erzielt  war,  und  nur  die  Er- 
gebnisse miteinander  verglichen,  wie  es  schon  früher  mit  den 
V.  BARDELEBENschen  Untersuchungen  der  Fall  war. 

Der  Text  ist  zum  allergrößten  Teile  vollkommen  selbständig.  So 
weit  es  sich  um  ältere  Bearbeitungen  handelt,  welche  vor  1900  ge- 
macht waren,  finden  sich  wohl  Anklänge  au  Henle  ^),  Hilde  Brandt  -). 
Langer  ^)  und  andere  deutsche  Autoren,  wie  sich  ja  überhaupt  jeg- 
liches Wissen  im  Grunde  aus  den  Erinnerungen  an  frühere  münd- 
liche oder  schriftliche  Darstellungen  aufbaut.  Rückhaltslos  geben 
wir  zu,  daß  wir  Poirier*)  außerordentlich  viel  für  unsere  Dar- 
stellung verdanken.  Die  von  diesem  Autor  gegebene  Einteilung  für 
jeden  einzelnen  Muskel  in:  Synonyma,  systematische  Beschreibung, 
topographische  Darstellung  (Rapports),  Wirkung,  Innervation,  Varie- 
täten und  Anomalien,  diente  bereits  1897  als  Richtschnur.  Die  1899 
von  W.  Waldeyer  in :  Das  Becken  (Bonn,  F.  Cohen)  gegebene  Art  der 
Darstellung  nach  Idiotopie,  Skelotopie,  Syntopie  und  Holotopie  erschien 
uns  hinterher  für  unsere  Darstellung  als  die  zweckmäßigste.  Jedoch  wäre 
es,  für  die  Muskeln  wenigstens,  kaum  angängig  gewesen,  die  Idiotopie 
gesondert  von  der  Skelotopie  zu  beschreiben,  und  ebensowenig,  der 
Syntopie  und  Holotopie  besondere  Abschnitte  zu  widmen.  —  Den 
Autor  PoiRiER  jedesmal  bei  Kleinigkeiten  anzuführen,  hielten  wir 
nicht  für  notwendig.  Wenn  wir  aber  eine  auch  noch  so  freie  Ueber- 
setzung  eines  Abschnittes  gegeben  haben,  hoffen  wir,  ihn  immer 
zitiert  zu  haben.  Insbesondere  sei  auf  die  geradezu  hervorragende 
Abhandlung  über  den  M.  fiexor  pollicis  brevis  verwiesen. 

1)  J.  Henle,  Handbuch  der  Muskellehre  des  Menschen,  2.  Aufl.,  Braunschweig, 

F.  Vieweg  &  Sohn,  1871. 

2)  Friedrich  Hildebrakdt,  Handbuch  der  Anatomie,  4.  Aufl.,   besorgt  von 

G.  H.  Weber,  Bd.  II,  Braunschweig  1830. 

3)  Carl  v.  Langer,  Lehrbuch  der  Anatomie,  4.  Aufl.,  bearbeitet  von  C. 
TOLDT,  Wien  1890. 

4)  Poirier  ,  Trait^  d'anatomie  humaine ,  Tome  second ,  Myologie ,  Paris, 
L.  Bataille  &  Cie. 


Vorwort  und  Einleitung.  IX 

Das  Werk  von  Duchenne  ^)  haben  wir  in  der  deutschen  Ueber- 
setzung  von  Wernicke  genau  durchgearbeitet  —  wahrhaftig  keine 
kleine  Aufgabe!  —  und  nicht  verfehlt,  an  den  jeweiligen  Stellen 
unsere  schweren  Bedenken  gegen  die  Auffassungen  dieses  Autors 
kundzugeben.  —  Wir  glaubten,  auf  die  Einsicht  des  französischen 
Originales  verzichten  zu  können,  weil,  in  Deutschland  wenigstens, 
doch  allermeist  die  Uebersetzung  in  unsere  Sprache  von  den  Inter- 
essenten zu  Rate  gezogen  werden  dürfte. 

Unser  Buch  umfaßt  demgemäß  vielfache  Zwecke,  die  wir  unter 
dßn  nachfolgenden  11  Rubriken  aufzählen  wollen.  Es  handelt  sich 
um  Tatsachen  und  Fragen,  welche  nicht  allein  die  anatomische  Wissen- 
schaft interessieren  dürften,  sondern  auch  für  die  Praxis  von  Wichtig- 
keit waren,  sind  und  vielleicht  in  noch  höherem  Grade  sein  werden: 

1)  Deskriptive  Anatomie  —  eine  genaue  Beschreibung  der 
einzelnen  Muskelindividuen,  einschließlich  ihres  feineren  makro- 
skopischen Aufbaues. 

2)  Eine  allgemeine  Darstellung  für  den  Anfänger. 
Durch  eine  jedem  Abschnitte  und  jedem  einzelnen  Muskel  voraus- 
geschickte allgemeine  Beschreibung  soll  auch  dem  Anfänger  Gelegen- 
heit gegeben  werden,  die  Muskeln  in  ihrem  einfacheren  Aufbaue  zu 
verstehen  und  außerdem,  sich  auf  Grund  der  besonderen  Titel  in  die 
genauere  Darstellung  derjenigen  Abschnitte  zu  vertiefen,  über  welche 
er  gerade  Auskunft  erwünscht.  Selbstverständlich  gelten  diese  Be- 
merkungen auch  für  die  Aerzte  und  Fachgenossen. 

3)  Beziehungen  der  Armmuskeln  zum  Skelete.  Die 
betreifenden  Abbildungen  zeigen  durch  rote  oder  blaue  Farbe  an, 
welcher  Teil  eines  Muskels  in  Ursprung  oder  Ansatz  muskulös  oder 
sehnig  ist. 

4)  Sehnenscheiden  der  Hand.  Im  allgemeinen  haben  sich 
unsere  Untersuchungen  auf  den  Erwachsenen  beschränkt,  an  der 
Hand  jedoch  haben  wir  außer  an  verschiedenen  Neugeborenen  auch 
noch   die  beiden  Hände  zweier  etwa   6-monatlicher  Feten  untersucht 

(Entwickelungsgeschichtli che  Bemerkungen). 

5)  Plastische  Anatomie,  Anatomie  am  Lebenden  für 
Mediziner  und  Künstler.  Die  äußere  Form  in  Ruhe  und  Tätig- 
keit zu  beschreiben,  also  außer  der  von  anatomischer  Seite  wohl 
immer  durchgeführten  Inspektion  auch  den  Anforderungen  der  Künstler 
und  Laien  gerecht  zu  werden,  hielten  wir  aus  dem  Grunde  für  be- 
sonders geboten,   weil  T.  Cohn   diesem  Gebiete  auch  vom  ärztlichen 

1)  G.  B.  Duchenne,  Physiologie  der  Bewegungen  nach  elektrischen  Ver- 
suchen und  klinischen  Beobachtungen  mit  Anwendungen  auf  das  Studium  der 
Lähmungen  und  Entstellungen.  Aus  dem  Französischen  übersetzt  von  C.  Weknicke. 
Mit  100  Abbildungen.    Cassel  und  Berlin,  Theodor  Fischer,  1885. 


X  FROHSE   und   M.   FRANKEL, 

Standpunkte  aus  ein  besonderes  Buch  ^)  gewidmet  hat.  Die  unserem 
Abschnitte  beigefügten  Abbildungen  sind  Vervielfältigungen  von  Photo- 
graphien, welche  entweder  den  rechten  Armen  der  beiden  Autoren 
oder  Gipsabgüssen  des  rechten  Armes  und  der  linken  Hand  von 
Frohse  entstammen. 

6)  Varietäten.  Diese  Sonderheiten,  welche  in  den  älteren 
Lehrbüchern  einen  unverhältnismäßig  großen  Platz  beanspruchen, 
haben  wir,  auch  einer  vertraglichen  Verpflichtung  entsprechend,  nicht 
einmal  in  demjenigen  Umfange  dargestellt,  wie  Henle  oder  Poirier, 
jedoch  im  Texte  einige  und  bei  den  Varietäten  3  besondere  Abbildungen 
eigener  Fälle  gegeben.  Eine  besondere  praktische  Bedeutung  dürfte 
ihnen  nur  in  den  allerseltensten  Fällen  zukommen. 

Uebrigens  ist  diese  Sache  auch  von  Le  Double  2)  so  ausführlich 
behandelt,  daß  sich  eine  genauere  Angabe  erübrigen  dürfte.  Jedoch 
haben  wir  eine  Reihe  von  eigenen  Beobachtungen  erwähnt,  teilweise 
sogar  abgebildet  und  im  besonderen  das  Varietätenbuch  der  Kgl. 
Anatomie  zu  Berlin  durchgesehen  und  danken  dem  Direktor  des  In- 
stitutes, Herrn  Waldeyer,  für  die  Erlaubnis,  die  interessantesten 
Fälle  veröffentlichen  zu  dürfen.  (Varietates  Berolinenses  —  im  Texte 
abgekürzt:  V.  B.). 

7)  Vergleichende  Anatomie.  Diese  Hineinziehung  haben 
wir  prinzipiell  ausgeschlossen,  um  das  Erscheinen  unseres  Buches 
nicht  noch  weiter  hinauszuschieben. 

8)  PhysiologischeBetrachtungen.  In  ausführlicher  Weise 
haben  wir  das  Gewicht  der  Muskeln  beider  Arme  einer  muskel- 
schwachen  Frau  und  eines  muskelstarken  Mannes  unter- 
sucht und  für  einen  mittelkräftigen  Arm  Durchschnittswerte  heraus- 
gerechnet. Wir  glauben,  daß  jede  Nachprüfung  den  von  uns  ge- 
stellten und  unsererseits  durchgeführten  Untersuchungen  gerecht 
werden  muß. 

9)  Neurologische  und  elektrophysiologische  Be- 
trachtungen. Die  durch  anatomische  und  praktische  Untersuchungen 
gewonnenen  Erfahrungen  sind  bildlich  darzustellen  gesucht,  unter 
Gegenüberstellung  der  Abbildungen  von  T.  Cohn=^),  der  sich  bereits 
unseren  Befunden  im  hauptsächlichen  angeschlossen  hat. 

Wir  haben  jedoch  außer  den  gewöhnlich  gegebenen  Abbildungen 
der   Reizungspunkte  in   der  Ansicht  von   vorn   und  hinten  noch   die 


1)  T.  CoHN,  Die  palpablen  Gebilde  des  normalen  menschlichen  Körpers  und 
deren  methodische  Palpation.    I.  Teil.    Obere   Extremität.    Berlin,  S.  Karger,  1905. 

2)  Le  Double,  Traitö  des  Variations  du  Systeme  Musculaire  de  l'Homme,  Paris, 
Schleicher  Freres,  1897. 

3)  T.  CoHN,  Nervenarzt  in  Berlin,  Leitfaden  der  Elektrotherapie  und  Elektro- 
diagnostik,  mit  6  Tafeln  und  53  Abbildungen  im  Text,  8.  vermehrte  und  durch- 
gesehene Auflage,  Berlin,  S.  Karger,  1906,  Fig.  18  und  19,  S.  40  und  43. 


Vorwort  und  Einleitung.  XI 

von  medial  und  lateral  hinzuzufügen  für  nötig  befunden  und  hoffen 
außerdem,  besonders  mit  unseren  systematischen  und  topographischen 
Bildern  über  die  feinere  Verzweigung  der  Nerven  in  den  Muskeln 
etwas  Neues  und  auch  für  die  Praxis  Verwendbares  geschaffen  zu 
haben. 

Auf  die  Nachprüfung  der  Segmenttheorie  hat  Frohse  sehr  viel 
Zeit  verwendet.  Er  gesteht  hier  oifen  ein,  daß  es  ihm  nicht  möglich 
war,  eine  Nervenfaser,  welche  sich  unter  dem  Mikroskope  als  voll- 
kommen isoliert  erwies,  auf  eine  größere  Strecke,  als  höchstens  3  cm, 
einwandsfrei  darzustellen.  Wie  es  andere  Untersucher  erreichen 
konnten,  einzelne,  mikroskopische  Nervenfasern  von  der  Hand  aus 
trotz  der  Vermischung  der  sensiblen  und  motorischen  Bündel,  der 
vielen  Anastomosen  und  sogar  durch  den  Plexus  brachialis  hindurch 
bis  zu  den  entsprechenden  Rückenmarkssegmenten  oder  in  umge- 
kehrter Reihenfolge  präparatorisch  darzustellen,  kann  er  und  können 
wir  uns  überhaupt  nicht  vorstellen.  Unsere  Angaben  beschränken 
sich  deshalb  auf  kurze  Notizen,  welche  L.  Bolk^)  und  R.  Wich- 
mann 2)  entnommen  sind,  unter  Beifügung  zweier  Abbildungen,  welche 
wir  dem  Atlas  der  topographischen  Anatomie  ^)  des  Menschen  entlehnt 
haben. 

10)  Orthopädische  Betrachtungen.  Vielleicht  haben  die  An- 
gaben über  die  Muskelgewichte  und  Muskelbündellänge  auch  für  den 
Orthopäden  Interesse,  wenn  er  sich  danach  fragt,  welchen  Ersatz  er  durch 
Transplantation  einer  Sehne  für  einen  gelähmten  oder  fehlenden  Muskel 
schaffen  kann,  und  wie  groß  die  Ausfallserscheinungen  sein  dürften, 
welche  der  teilweise  oder  ganz  überpflanzte  Muskel  hierbei  erfährt.  Wir 
haben  aus  diesem  Grunde  in  ausführlichen  Tabellen  die  einzelnen 
Muskelgruppen  an  unseren  4  Präparaten  verglichen,  wie  sich  die 
Synergisten  und  besonders  die  Antagonisten  verhalten,  sowohl  in  der 
Zusammenfassung  wie  in  Einzelheiten. 

11)  Chirurgisch  -  anatomische  Betrachtungen.  Wegen 
der  praktischen  Bedeutung  haben  wir  die  topographische  Anatomie 
ausführlichst  behandelt  und  besonders  den  Fascien  und  Sehnen- 
scheiden längere  Kapitel  gewidmet.  Auch  die  Schleimbeutel  sind  des- 
halb genauer  berücksichtigt,  sowohl  die  subcutanen,  intramuskulären, 
submuskulären  wie  peri-  oder  infratendinösen ;  wir  haben  dabei  eine 
Reihe  neuer  Namen  in  Vorschlag  bringen  müssen.    Auch  die  Nerven- 


1)  L.  BoLK,  Die  Segmentaldifferenzierung  des  menschlichen  Bumpfes  und  seiner 
Extremitäten,  II.  (Separat-Abdruck  aus:  Morphologisches  Jahrbuch:  XXVI,  1), 
Leipzig,  W.  Engelmann,  1898. 

2)  R  Wichmann,  Die  Rückenmarksnerven  und  ihre  S^mentbezüge,  Berlin 
1900. 

3)  V.  Bardeleben,  Häckel  und  Frohse,  4.  Aufl.,  Jena,  G.  Fischer,  1908 
(Fig.  109  und  110). 


XII  FROHSE  und  M.  FRÄNKEL,  Vorwort  und  Einleitung. 

Verzweigung  dürfte,  wie  im  Texte  erwähnt  ist,  an  verschiedenen  Stellen 
für  die  Schnittführung  nicht  bedeutungslos  sein. 

Die  Abbildungen  sind  überwiegend  Originalzeichnungen  oder  -Pho- 
tographien, nur  einige  sind  aus  dem  Atlas  der  topographischen  Ana- 
tomie von  V.  Bardeleben,  Häckel  und  Frohse  übernommen.  Sie 
stammen  teils  von  dem  einen  Autor,  Dr.  Fritz  Frohse,  her,  teils 
von  dessen  Bruder,  dem  Kunstmaler  Franz  Frohse,  teils  von  beiden 
gemeinsam.  Die  Signaturen  lauten  deshalb:  Dr.  Frohse  (aus- 
geschrieben oder  abgekürzt,  wie  auch  im  erwähnten  Atlas  der  topo- 
graphischen Anatomie)  oder  Franz  Frohse,  oder  Gebr.(üder)  Frohse, 
wenn  die  betreffende  Abbildung  von  den  Gebrüdern  Frohse  gemein- 
schaftlich hergestellt  ist.  Das  Original  der  Federzeichnung  Fig.  16 
ist  von  dem  Kunstmaler  Herrn  A.  Schmitson  angefertigt. 

Wir  danken  unserem  Verleger,  Herrn  Dr.  med.  et  phil.  G.  Fischer, 
für  die  Sorgfalt  bei  der  Ausstattung  und  das  Eingehen  auf  unsere 
Wünsche,  ebenso  Herrn  F.  Tegetmeyer,  Leipzig,  welcher  die  Holz- 
schnitte zu  unserer  vollsten  Zufriedenheit  ausgeführt  hat;  überhaupt 
allen,  die  durch  Rat  und  Tat  einen  Beitrag  zu  diesem  Buche  gegeben 
haben.  Auch  die  Druckerei  H.  Pohle,  Jena,  hat  sich  die  größte 
Mühe  gegeben,  ihre  schwere  Aufgabe  gewissenhaft  durchzuführen. 

Ebenso  sprechen  wir  den  Herren  Waldeyer,  Berlin,  M.  Für- 
bringer,  damals  in  Jena,  und  Prof.  M.  Borchardt,  dirigierendem 
Arzte  der  Chirurgischen  Abteilung  des  R.  Virchow  -  Krankenhauses, 
Berlin,  unseren  verbindlichsten  Dank  aus,  den  beiden  ersteren,  daß 
sie  uns  das  notwendige  Leichenmaterial  in  reichem  Maße  zur  Ver- 
fügung stellten,  letzterem,  daß  er  Dr.  Frohse  die  Möglichkeit  gab, 
an  6  seiner  Operationskurse  als  Assistent  mitzuwirken  und  das  ihm 
selbst  zugewiesene  Operationsmaterial  auch  unsererseits  ausgiebigst 
zu  benutzen. 

Berlin,  im  Mai  1908. 

Die  Verfasser. 


Inhalt 


Seite 

Widmung V 

Vorwort  und  Einleitimg VII— XII 

Figurenverzeichnis XVI— XIX 

ADKÜrzungen XX 

A.  Allgemeiner  Teil 1—27 

I.  Aeußere  Form 1 —  22 

II.  Beschreibung  nach  Kollmann 22—  25 

III.  Einteilung  der  Armmuskeln 25—  27 

B.  Spezieller  TeU 27—239 

I.  Schultermuskeln     27—  69 

M.  deltoideus 27—  39 

M.  subscapularis 39 —  46 

M.  supraspinatus 46 —  50 

M.  infraspinatus 50 —  54 

M.  teres  minor 54—  58 

M.  teres  major 58—  65 

Vergleich  der  proximalen  Drittel  des  Humerus  und  Femur    .   .  65—  67 

Schultergelenk 67—  69 

II.  Oberarmmuskeln 70—101 

Allgemeines     70 

Beugegruppe 104—151 

M.  biceps  brachii 70—  80 

M.  coracobrachialis • 80—  83 

M.  brachialis 83—  89 

M.  triceps  brachii 89—  99 

M.  anconaeus      99—101 

III.  Vorderarmmuskeln 101—198 

Allgemeines 101 — 104 

M.  Pronator  teres 104 — 110 

M.  ilexor  carpi  radialis 110—115 

M.  palmaris  longus 115 — 118 

M.  ilexor  carpi  ulnaris 118—127 

M.  flexor  digitorum  sublimis 127 — 133 

M.  flexor  digitorum  profundus 133 — 138 

M.  lumbricales 138—144 

M.  flexor  pollicis  longus 144 — 147 

M.  pronator  quadratus 147 — 151 

Brachioradialgruppe 151 — 152 

M.  brachioradiaJis 152—157 

M.  extensor  carpi  radialis  longus 157 — 161 

M.  extensor  carpi  radialis  brevis 161—164 

M.  supinator 164 — 169 

Streckgruppe  des  Vorderarmes 169 — 175 

M.  extensor  digitorum  communis 176 — 179 

M.  extensor  digiti  quinti  proprius 179—182 

M.  extensor  carpi  ulnaris 183—186 

M.  abductor  pollicis  longus 186—190 

Handbewegungen 190—191 

M.  extensor  pollicis  brevis 191 — 194 

M.  extensor  pollicis  longus     194 — 196 

M.  extensor  indicis  proprius 196 — 198 


XIV  FROHSE  und  M.   FRÄNKEL, 


IV.  Handmuskeln 198—239 

Allgemeines 198—199 

M.  abductor  pollicis  brevis 199—203 

M.  flexor  pollicis  brevis 203—207 

M.  opponens  pollicis 207—209 

M.  adductor  pollicis 209—216 

M.  palmaris  brevis 217 — 219 

M.  abductor  digiti  quinti 219—222 

M.  flexor  digiti  quinti  brevis     222—223 

M.  opponens  digiti  quinti 223 — 225 

M,  interossei  manus 225 — 239 

M.  interossei  volares 226—230 

M.  interossei  dorsales 230 — 237 

Varietäten  der  Handmuskeln 237—239 

€.   Anhang- 239—414 

I.  Fascien 239—264 

Allgemeine  Beschreibung 239—242 

Faficie  der  Schulter 242—244 

Fascie  des  Oberarmes 244—247 

Fascie  des  Vorderarmes 247—256 

Fascien  der  Hand     256—264 

A.  Fasciae  volares  manus 256—262 

B.  Fasciae  dorsales  manus 263 — 264 

II.  Sehnenscheiden  und  Schleimbeutel  der  Hand 264—300 

I.  Sehnenscheide  der  Hohlhand  und  Finger 264—284 

A.  Wand  der  Sehnenscheiden 265 — 277 

Vaginae  tendinum  m.  flexorum  communium 266 

Vagina  tendinis  m.  flexoris  pollicis  longi 266—267 

Saccus  carpalis  medialis 267—268 

Bursae  accessoriae  palmae 268 — 270 

Vaginae  digitales  mit  Verstärkungsbändern 270—277 

B.  Inhalt  der  digitalen  Sehnenscheiden 278—284 

a)  Beugesehnen  der  Finger 278 

b)  Vincula  tendinum 278—283 

Praktische  Bemerkungen 283—284 

II.  Dorsale  Sehnenscheiden 284—300 

1)  Lig.  carpi  dorsale 284—285 

2)  Dorsalaponeurose  der  Finger 285—287 

3)  Scheiden  und  Schleimbeutel  der  Strecksehnen 287—300 

III.  Länge  der  Gesamtmuskeln  und  ihrer  Sehnen 300—317 

IV.  Muskelbündellänge 317—324 

Einleitung 317—319 

A.  Allgemeiner  Teil 319—321 

B.  Besondere  Bemerkungen 321 

C.  TabeUe 321—323 

D.  Nutzanwendung 323—324 

V.  Muskelgewichte 325—355 

Einleitung 325—329 

Tabelle  über  die  Muskeln  der  beiden  Männerarme  nach  ihrem 
Gesamtgewichte,  der  Muskel-  und  Sehnensubstanz  in  Grammen 
und  Prozenten,  sowie  den  Differenzen  an  den  rechten  und 

linken  Muskeln 330—331 

4  Tabellen  über  die  Reihenfolge  der  Armmuskeln  nach  ihren 

Gewichten 332—333 

ßeLhenfolge  der  Armmuskeln  nach  den  Prozenten  an  Muskel- 
substanz   334 

Die  50  Armmuskeln  an  unseren  4  Fällen  nach  dem  wahren  Ge- 
wichte ihrer  Muskelsubstanz 335 

Armmuskeln  nach  unserer  gewöhnlichen  Reihenfolge  mit  An- 
gabe des  Platzes,   den  sie  ihrem  Gewichte  nach  einnehmen  336 

Armmuskeln  in  der  Reihenfolge  nach  dem  Durchschnitte  unserer 

4  Bestimmungen 337 


Inhalt.  XV 

Tabelle  über  die  Muskeln  der  beiden  Frauenarme  nach  ihrem 
Gesamtgewichte,  der  Muskel-  und  Sehnensubstanz  in  Grammen 
und  Prozenten,   sowie  den  Differenzen  an  den  rechten  und 

Imken  Muskeln 338—339 

Spezieller  Teil 340-341 

Tabelle  über  die  Gewichte  der  Synergisten  und  Antagonisten, 

miteinander  verglichen 342—346 

Tabellarische  Uebersicht  über  die  Gewichte  der  einzelnen  Muskel- 
gruppen mit  Rücksicht  auf  ihre  Wirkung,   nach  Grammen 

und  Prozenten,  miteinander  verglichen      347 — 354 

Zusammenfassende  Vergleichstabelle 355 

VI.  Die  Knochen  des  Armes  mit  den  Muskelansätzen 356 — 380 

Einleitung 356—357 

Clavicula 357—359 

Scapula 359-364 

numerus 364-370 

Ossa  antebrachii 370—375 

Ossa  manus 375 — 380 

VII.  Varietäten 380-385 

VIII.  Neurologische  Bemerkungen 385 — 414 

A.  Segmentbezüge 385—387 

B.  Durchbohrungen  der  Armmuskeln  durch  die  Nerven   .   .   .  388 

C.  Die  doppelt  innervierten  Armmuskeln 389 

D.  Elektrotherapeutische  Bemerkungen 390—414 

a)  Einleitung 390-391 

b)  Spezielle  Beschreibung      391—414 


Figurenverzeichnis. 


[Die  Figuren,  hinter  deren  fortlaufender  Nummer  keine  Zahl  steht,  sind  von  dem 
einen  Autor  Dr.  Frohse  allein  angefertigt  oder  Originalphotographien ;  die  mit 
einer  ^)  gekennzeichneten  gemeinschaftlich  von  seinem  Bruder,  dem  Kunstmaler 
Franz  Frohse,  und  ihm  und  mit  der  Signatur  Gebr.{üder)  Frohse  versehen.  Wenn 
ersterer  allein  die  Zeichnung  angefertigt  hat,  mit  Franz  Frohse  und  einer  *).  Die 
Federzeichnung  Fig.  16  ist  von  dem  Kunstmaler  A.  Schmitson  gemacht.] 


No. 


Bezeichnung 


Größe  SeUgf- 


10 

11 

12 
13 

14 

15 
16 
17 

18 

19-32 
38 
34 
35 
36 
37 
38») 

39 


Arm  von  vorne,  Hautbild. 

Arm  von  vorne,  Muskelbild. 

Arm  von  hinten,  Hautbild. 

Arm  von  hinten,  Muskelbild. 

Arm  von  innen,  Hautbild. 

Arm  von  innen  Muskelbild. 

Arm  von  außen,  Hautbild. 

Arm  von  außen,  Muskelbild.    (Fig.  1—8  frei  nach  Fau.) 

Arm  in  mittlerer  Beugestellung,  Hautbild  von  der  medialen 
Seite  aus. 

Supinierter  Arm  in  starker  Beugung,  Hautbild  der  medialen 
Seite. 

Eückseite  des  gestreckten  Armes,  Hautbild. 

Außenseite  des  gebeugten,  pronierten  Armes  bei  Radial- 
streckung der  Hand,  Hautbild. 

Handgelenk  von  der  Beugeseite  bei  Dorsalflexion  und  Finger- 
streckung, Hautbild. 

Handgelenk  von  der  ßeugeseite  bei  Volarflexion  und  Finger- 
beugung, Hautbild. 

Handrücken,  Hautbild. 

Hautfurchen  der  Vola. 

Gipsabguß  des  rechten,  supinierten  Armes,  in  7  Querschnitte 
zerlegt. 

Gipsabguß  desselben,  jedoch  pronierten  Armes,  in  entsprechende 
7  Querschnitte  zerlegt. 

Querschnittsstudien  über  den  Arm  (nach  Gipsabgüssen). 

M,  deltoideus,  Muskelbild. 

Bursa  subacromialis  bei  herabhängendem  Arme. 

Bursa  subacromialis  bei  rechtwinklig  abduziertem  Arme. 

M.  deltoideus;  Nerven bild,  auf  die  Oberfläche  projiziert. 

M.  subscapularis  und  coracobrachialis,  Muskelbild. 

M.  subscapularis  und  teres  major  bei  erhobenem  Arme, 
Nervenbild. 

M.  subscapularis  und  teres  major  bei  herabhängendem  Arme, 
Nervenbild. 


12 
13 

14 

14 

15 
16 
17 

17 

18—19 
28 
33 
33 
36 
40 
43 


44 


Figurenverzeichnis . 


XVII 


No. 


Bezeichnung 


Größe 


Seiten- 
zahl 


42 


f)0 
51 

52 

53 

54 1) 

55 

56 

57 

58 

59») 

60 

61^) 

62 

63 

64 

65') 

66 

67 


70 
71 

72  M 

73») 
74«) 
75  >) 
76^) 
77  ■ 
78^) 
79 


90 


Auswärtsroller,  Nervenbild. 

Eollmuskeln  bei  rechtwinklig  abduziertem  Arme,  Muskelbild 

von  der  Eückseite. 
Dreieckige  und  viereckige  Muskellücke  von  der  Eückseite. 
Rollmuskeln  bei  stumpfwinklig  abduziertem  Arme,  Nervenbild 

von  der  Rückseite. 
Ursprung  der  Sehne  des  langen  Bicepskopfes. 
Oberarm  von  vorne,  Muskelbild. 
Mediale  Seite  des  Oberarmes,  Muskelbild. 
Beuger  am  Oberarme,  Nervenbild. 
M.  brachialis   und  supinator  in  ihren  Beziehungen   zu  dem 

N.  radialis. 
Oberarm,  Muskelbild  von  der  Rückseite. 
M.  triceps,  Nervenbild  von  der  Tiefe  aus. 
M.  pronatores  leres  et  quadratus  und  supinator  bei  Supination, 

Muskelbild. 
M.  pronatores  teres  et  quadratus  und  supinator  bei  Pronation, 

Muskelbild. 
M.  p^-onator  teres   und  supinator  bei  Supination,  Nervenbild. 
Beugeseite  des  Vorderarmes   mit  Projektion  der  Verzweigung 

des  N.  medianus. 
M.  flexor  carpi  ulnaris  (Varietät  mit  Innervation). 
Canalis  cubitalis  n.  ulnaris. 

M.  flexor  carpi  ulnaris,  Endsehne  bei  Dorsalflexion. 
M.  flexor  carpi  ulnaris,  Endsehne  bei  Volarflexion. 
Ansatz  beider  M.  flexores  carpi. 
M.  flexor  digitorum  sublimis,  Nervenbild. 
M.  flexor  carpi  ulnaris,  digitorum  profundus  et  pollicis  longus, 

Nervenbild. 
M.  lumbricales,  Nervenbild. 
M.  Pronator  quadratus,  Nervenbild  von  vorne. 
M.  Pronator  quadratus,  Nervenbild  von  hinten. 
Brachioradialgruppe,  Nervenbild. 

M.  extensores  carpi  radiales,  Varietät  der  linken  Seite, 
M.  extensores  carpi  radiales,  Varietät  der  rechten  Seite. 
M.  brachialis  et  supinator,  Muskelbild,  von  der  lateralen  Seite. 
Dorsalseite  des  Vorderarmes,  Muskelbild,  oberflächliche  Schicht. 
Dorsalseite  des  Vorderarmes,  Muskelbild,  mittlere  Schicht. 
Dorsalseite  des  Vorderarmes,  Muskelbild,  tiefe  Schicht. 
Nervenbild  der  vom  N.  radialis  am   Vorderarme  versorgten 

Muskeln  (systematisch). 
Streckmuskeln  und  N.  radialis  am  Vorderarme,  topographisch. 
M.  abductor  pollicis  brevis,  Nervenbild. 
Daumen  ballen,  tiefe  Schicht,  Nerven  bild. 
M.  adductor  pollicis,  Nervenbild  von  der  Dorsalseite. 
M.  abductor  et  flexor  brevis  digiti  V,  Nervenbild. 
Tiefe  Handmuskeln,  Nervenbild. 
Fascia  subscapularis,  drei-  und  viereckige  Muskellücke  von 

vorne. 
Querschnitt  des  Vorderarmes  mit  Fascien. 
Querschnitt  durch  die  Handwurzel.    Links,  distale  Fläche. 
Vola  manus,  mittlere  Schicht,  mit  Sehnenscheiden. 
Sehnenscheiden  der  Vola. 
Sehnenscheiden  an  der  Dorsalseite  der  Hand. 
M.  deltoideus '). 
M.  subscapularis. 
M.  supraspinatus. 
M.  infraspinatus. 
M.  teres  minor. 
M.  teres  major. 


74 

77 
84 

90 

96 

106 

107 

108 
114 

119 
121 
123 
123 
124 
128 
136 

141 
149 
149 
154 
158 
158 
164 
170 
171 
172 
181 

185 


V;   202 

V. 


212 
213 

220 
228 
245 

250 
269 
271 
273 
288 
302 
302 
303 
303 
303 
304 


1)  Die  Figg.  85—129  stellen  die  losgelösten  50  Armmuskeln  in  halber  Größe  dar. 


XVIII 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


No. 

Bezeichnung 

Größe 

Seiten- 
zahl 

91 

M.  biceps. 

'I2 

304 

92 

M.  coracobrachialis. 

vi 

305 

93 

M.  brachialis. 

V. 

305 

94 

M.  triceps  (und  anconaeus). 

V. 

306 

95 

M.  Pronator  teres. 

M.  flexor  carpi  radialis. 

V, 

307 

96 

V 

307 

97 

M.  palmaris  longus. 

M.  flexor  carpi  ulnaris. 

M.  flexor  digitorum  sublimis. 

vi 

307 

98 

Va 

308 

99 

H. 

309 

100 

M.  flexor  digitorum  profundus  xind  M.  lumbricales. 
M.  flexor  pollicis  longus. 

vi 

309 

101 

V 

310 

102 

M.  supinator. 

v^ 

310 

103 

M.  pronator  quadratus. 
M.  brachioradialis. 

v! 

311 

104 

% 

311 

105 

M.  extensor  carpi  radialis  longus. 

V 

311 

106 

M.  extensor  carpi  radialis  brevis. 

V 

312 

107 

M.  extensor  digiti  V. 

V 

312 

108 

M.  extensor  digitorum  communis. 

V 

312 

109 

M.  extensor  carpi  ulnaris. 
M.  abductor  pollicis  longus. 

^4 

313 

110 

V 

314 

111 

M.  extensor  pollicis  brevis. 

V 

314 

112 

M.  extensor  pollicis  longus. 
M.  extensor  indicis  proprius. 

V 

314 

113 

^/ 

314 

114 

M.  abductor  pollicis  brevis. 
M.  flexor  pollicis  brevis. 

v! 

315 

115 

H. 

315 

116 

M.  opponens  pollicis. 
M.  adductor  pollicis. 
M.  palmaris  brevis. 

i 

315 

117 

315 

118 

% 

315 

119 

M.  abductor  digiti  V. 

% 

316 

120 

M.  flexor  brevis  digiti  V. 

V 

316 

121 

M.  opponens  digiti  V. 

v: 

316 

122— 
129 

[M.  interossei  volares  et  dorsales. 
Clavicula  mit  Muskelansätzen  von  oben. 

V. 

317 

130 

V5 

358 

131 

Clavicula  mit  Muskel-  und  Bandansätzen  von  unten. 

% 

358 

132 

Scapula  mit  Muskel-,  Fascien-  und  Bandansätzen  nnd  Schleim- 
beuteln, Rückseite. 

V, 

360 

133 

Scapula  mit  Muskel-,  Fascien-  und  Bandansätzen  und  Schleim- 
beuteln, Vorderseite. 

V, 

361 

134 

Humerus  mit  Muskelansätzen  und  Öchleimbeuteln,  Vorderseite. 

V, 

366 

135 

Humerus  mit  Muskelansätzen,  Rückseite. 

% 

367 

136 

Ossa  antebrachii  mit  Muskelansätzen,  Vorderseite. 

'l 

372 

137 

Ossa  antebrachii  mit  Muskelansätzen,  Rückseite. 

'U 

373 

137 

Ossa  manu«  mit  Muskelansätzen,  Vorderseite. 

"/lO 

376 

139 

Ossa  manus  mit  Muskelansätzen,  Rückseite. 

"/  0 

377 

140 

Varietät  des  M.  biceps. 

M.  flexor  carpi  radialis  accessorius,  Varietät. 

Varietät  des  M.  abductor  digiti  V  Ioukus  digastricus. 

Innervierung     der    Armmuskeln     nach    den    Rückenmarks- 

'/ 

382 

141 

v; 

383 

142 

Va 

384 

143 

% 

387 

segmenten,  Vorderseite. 

144 

Innervierung     der    Armmuskeln     nach    den    Rückenmarks- 
segmenten, Rückseite. 

v* 

387 

145 

Reizungspunkte   der  Armmuskeln   und  -nerven,   Vorderseite, 
nach  ToBY  Cohn. 

V. 

392 

146 

Reizungspunkte    der  Armmuskeln    und    -nerven,    Rückseite, 
nach  ToBY  Cohn. 

V4 

393 

147 

Reizungspunkte   und   -linien    der   Armmuskeln   und   -nerven 
nach    eigenen    Untersuchungen,    auf    die    Haut    projiziert, 
Vorderseite. 

V4 

394 

148 

Arm  von  vorne,  Muskelbild. 

V4 

395 

1)  Die  Figg.  85 — 129  stellen  die  losgelösten  50  Armmuskeln  in  halber  Größe  dar 


Figurenverzeichnis. 


XIX 


No. 


Bezeichnung 


Größe 


Seiten- 
zahl 


149 


150 
151 


152 
153 1) 


154 


Reizungspunkte   und   -linien   der   Annmuekeln    und   -nerven 

nach    eigenen   Untersuchungen,    auf    die  Haut  projiziert, 

Rückseite. 
Arm  von  hinten,  Muskelbild. 
Reizungsfjunkte  und   -linien   der  Armmuskeln   und   -nerven 

nach    eigenen    Untersuchungen,    auf   die    Haut   projiziert, 

Innenseite. 
Arm  von  innen,  Muskelbild. 
Reizungspunkte  und   -linien   der   Armmuskeln   und   -nerven 

nach    eigenen    Untersuchungen,    auf   die    Haut   projiziert, 

Außenseite. 
Arm  von  außen,  Muekelbild. 


V* 


397 


400 
401 


Auf  Wunsch  des  Herausgebers  soll  das  alphabetische  Sach-  und 
Namenregister  nur  einmal,  nämlich  erst  am  Schlüsse  des  auch  von 
uns  zu  liefernden  Abschnittes  über  die  Muskeln  des  menschlichen 
Beines  stehen.  Als  Ersatz  haben  wir  bei  den  Armmuskeln  ein  aus- 
führliches tabellarisches  Inhalts-  und  Figurenverzeichnis  gegeben. 


XX 


FROHSE  und  M.  FRÄNKEL,  Abkürzungen. 


Abkürzungen. 


Die  verschiedenen  Genera  und  Casus  sind  nicht  berücksichtigt.  Die  meisten 
Abkürzungen  sind  ohne  weiteres  verständlich,  oder  ergeben  sich  aus  dem  Zu- 
sammenhange; zu  Schwierigkeiten  könnten  nur  folgende  führen: 

V.  B.  =  Varietates  Beroiinenses,  Mb.-L.  =  Muskelbündellänge,  s.  m.=  substantia 
muscularis,  m.  i.  t.  =  musculus  in  toto,  D.  =  Differentia  oder  Durchschnitt,  Vinc. 
=  Vinculum,  E.  =  Erwachsener,  f.  =  Fetus,  K.  =  Kind. 


A.  =  Arteri-a,  ae. 

med.  =  medialis. 

ant.  =  anteri — or,  us,  etc. 

m.  i.  t.  =  musculus  in  toto. 

Artic.  =  Articulatio. 

N.  =  Nerv — us,  i. 

5.  N.  A.  =  Nomina  anatomica 

(Basel). 

poU.  ==  pollex. 

comm.  =  communis. 

post.  =  posterior. 

cut.  =  cutaneus. 

prof .  =  profundus. 

D.  =  Differentia  oder  Durchschnitt. 

pron.  =  Pronator. 
E.  =  K.am-us,  i. 

dig.  =  digitus. 
E.  =  Erwachsener. 

r.  =  rechts. 

ext.  ===  extensor  oder  externus. 

rad.  =  radialis. 

F.  =  Fetus. 

s.  ra.  =  substantia  muscularis. 

fl(ex)  =  flexor. 

subl.  —  sublimis. 

inf.  =  inferior. 

sup.  =  superior. 

Tub.  =Tuberositas  oder  Tuberculum. 

int.  =  internus. 

K.  =  Kind. 

uln.  =  ulnaris. 

1,  =  Unks. 

V.  =  venter. 

lat.  =  lateralis. 

V.  B.  =  Varietates  Beroiinenses. 

M.  =  Muscul— US,  i. 

vag.  =  vaginalis. 

m.  =  männlich. 

Vinc.  =  Vinculum. 

Mb.-L.  ^  Muskelbündellänge. 

w.  =  weiblich. 

A.  Allgeiueiner  Teil. 
I.  Aeussere  Form. 

Die  äußere  Form  der  beiden  oberen  Extremitäten  wird  in  ihrer 
Gliederung  durch  die  Knochen  erzielt,  welche  aber  nur  an  den 
wenigsten  Stelleu  an  die  Oberfläche  treten,  am  meisten  noch  an  den 
in  Frage  kommenden  Gelenkenden. 

Die  Gelenke  selbst  sind  ebenfalls  meist  nur  wenig  deutlich,  wirk- 
lich klar  nur  an  der  Streckseite  der  freien  Finger,  auch  noch  am 
Ellenbogenfortsatz,  welcher  bei  der  Beugung  des  Vorderarmes  gegen 
den  Oberarm  wie  ein  Winkel  vorspringt,  woher  auch  die  Bezeichnung 
Anconaeus  stammt.  An  der  Beugeseite  sind  die  Gelenke  meist 
durch  Hautfalten  angegeben,  die  aber  durchaus  nicht  in  der  Tiefe 
dem  Gelenkspalte  zu  entsprechen  brauchen. 

Das  Bestimmende  für  die  äußere  Form  sind  die  Muskeln,  welche 
jedoch  ihrer  Wirkung  gemäß  nicht  mit  dem  Knochen,  von  welchem 
sie  entspringen  oder  über  den  sie  hinwegziehen,  aufhören  können, 
sondern  sich  noch  über  ein  oder  mehrere  Gelenke  hinwegbegeben 
müssen,  um  Ursprung  und  Ansatz  der  zu  bewegenden  Knochenteile 
einander  zu  nähern.  Daher  darf  sich  die  beschreibende  Muskellehre 
nicht  an  die  Einteilung  halten,  welche  durch  die  B.N.A.  festgelegt 
ist.  Anderenfalls  müßte  beispielsweise  ein  M.  flexor  carpi  radialis 
nacheinander  in  der  Regio  cubiti  medialis  und  anterior,  antebrachii 
volaris  und  volaris  manus  abgehandelt  werden. 

Diese  topographische  Einteilung  hält  sich  teils  an  Knochen,  Muskeln, 
teils  an  Gelenkgegenden,  an  Bänder,  an  Organe,  oder  an  praktisch 
besonders  wichtige  Stellen,  welche  mehr  oder  minder  willkürlich  ab- 
gegrenzt sind.  So  konnte  sie  nicht  einheitlich  bleiben  und  besitzt 
schließlich  nur  einen  systematischen  Wert  für  denjenigen,  welcher 
einmal  die  Teile  innerhalb  der  angegebenen  Grenzlinien  präparieren 
will.  Ob  das  jemals  von  einem  Wissensdurstigen  nach  den  festgelegten 
Schnitten  vollständig  durchgeführt  ist,  selbst  von  den  verantwortlichen 
Urhebern  dieser  Einteilung,  ist  an  und  für  sich  schon  gleichgültig 
und  vor  allem  für  die  Darstellung  der  Myologie. 

Es  ist  unmöglich,  wenn  wir  von  der  Regio  deltoidea  und  sterno- 
cleidomastoidea  absehen,  die  Muskeln  nach  dieser  Einteilung  zu 
schildern.  Ferner  hat  der  M.  sartorius  häufig  eine  so  beträchtliche 
Breite  und  ist  zudem  das  beste  Beispiel  für  einen  Muskel,  der  in 
seiner  ganzen  Ausdehnung  oberflächlich  unter  Haut  und  Fascie  liegt, 
daß  es  wundernehmen  muß,  wenn  für  und  durch  ihn  nicht  eine  be- 
sondere Regio  sartoria  aufgestellt  ist,  zumal  die  natürliche  Einteilung 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  II,  2.  1 


■I 


M.  trapezius 


"% 


M.  biceps 


M.  triceps,  caput 
laterale 


}\   P<^' 


;or  carpi 


M.  palmaris 
longus 


M.  flexor  carpi 
ulnaris 


M.  flexor  digitorum 
sublimis,  digitus  IV 


M.  palmaris  brevis 
M.  abductor  digiti  V 
Aponeurosis  palmaris^ 


Fig.  1.    Arm  von  vorne,  Hautbild, 


Fig.  2.    Arm  von  vorne,  Muskelbild. 


Aeußere  Form.  3 

der  Vorderseite  des  Oberschenkels  durch  ihn  gegeben  ist,  und  bei 
allen  praktischen  Uebungen,  speziell  der  Chirurgen,  er  die  größte 
RoUe  spielt.  Nach  den  Regionen  der  B.N.A.  würde  er  in  der  Regio 
subinguinalis,  femoris  anterior  und  medialis  und  genu  anterior  zu 
schildern  sein. 

Für  die  Beschreibung  der  Armmuskulatur  kommen  wir  mit  ver- 
hältnismäßig wenigen  Gegenden  aus. 

Oberhalb  des  Schultergürtels  liegt  die  Regio  trapezia,  genau 
gegenüber  nach  unten  hin  die  Regio  deltoidea. 

Der  mediale  Uebergang  zum  Rumpfe  verlangt  entsprechend  der 
Achselhöhle  eine  Regio  axillaris  anterior  mit  den  M.  pectoralis  major 
und  minor,  hinten  eine  Regio  axillaris  posterior,  welche  außer  dem 
M.  latissimus  dorsi  die  Scapula  mit  den  tiefen  Schultermuskeln  um- 
faßt. Am  Oberarme  ist  zu  unterscheiden  die  Regio  brachii  posterior 
oder  dorsalis,  welche  nach  ihrem  Hauptbestandteile,  dem  M.  triceps, 
auch  Regio  tricipitalis  genannt  werden  könnte,  und  die  Regio  brachii 
anterior  oder  ventralis.  Die  Bezeichnung  Regio  bicipitalis  ist  nicht 
angebracht,  weil  der  Name  nicht  umfassend  genug  wäre.  Die  an  der 
Innenseite  gelegene  tiefe  Furche  führt  zwar  schon  lange  den  Namen 
Sulcus  bicipitalis  internus  oder  medialis;  den  Gebrauch,  auch  an  der 
Außenseite  einen  Sulcus  bicipitalis  lateralis  oder  externus  zu  be- 
schreiben, so  bequem  das  sonst  wäre,  wollen  wir  nicht  mitmachen; 
es  ist  hier  keine  konstante  Furche  vorhanden,  sondern  bei  der  Beugung 
sogar  ein  Muskelwulst,  der  eine  besondere  Bezeichnung  Regio  brachii 
lateralis  erforderlich  macht.  So  würde  der  Oberarm  zerfallen :  in  eine 
Regio  posterior,  lateralis,  anterior  und  medial  in  den  Sulcus  bicipitalis, 
welcher  sich  proximal  aus  der  Achselgrube  entwickelt  und  distal  in 
die  Elleubeuge  fortsetzt.  Beim  Vorderarme,  den  wir  in  Supinations- 
stellung  annehmen,  haben  wir  die  Wahl,  entweder  eine  Regio  dorsalis 
und  volaris  anzunehmen,  wenn  wir  ihn  von  rechts  nach  links  in  eine 
hintere  und  vordere  Hälfte  teilen;  oder  eine  Regio  medialis  und 
lateralis,  wenn  wir  die  Trennungsebene  von  vorn  nach  hinten  legen. 
Die  innere  Hälfte  enthält  die  Ulna  und  würde  den  Namen  Regio 
medialis  oder  ulnaris  verdienen,  die  äußere  enthält  den  Radius,  also 
Regio  lateralis  oder  radialis.  Daß  die  letztere  Einteilung  viel  für 
sich  hat,  wird  bei  der  allgemeinen  Beschreibung  der  Vorderarm- 
muskeln auseinandergesetzt  werden. 

Die  Hand  zerfällt  in  Dorsum  und  Vola,  Regio  dorsalis  manus 
bezw.  volaris  oder  Palma,  an  deren  Daumen-  und  Kleinfingerseite  je 
ein  Ballen  vorspringt,  Thenar  und  Hypothenar.  An  den  Fingern  ist 
selbstverständlich  auch  eine  Regio  dorsalis  und  volaris  zu  unterscheiden. 

Die  Schulter  geht  bei  herabhängendem  Arme  in  ziemlich  gleich- 
mäßiger Weise  in  den  Rumpf  über;  vor  allem  ist  keine  Achselgrube 
vorhanden,  sondern  nur  ein  von  vorn  nach  hinten  gerichteter,  sagittaler 
Spalt.  In  Wirklichkeit  liegt  sogar  der  Arm  dem  Rumpfe  dicht  an 
oder  kann  ihm  doch  so  eng  angeschmiegt  werden,  daß  erst  die  flach 
eingeführte  Hand  den  Nachweis  dieses  Achseisp  altes  erbringen 
muß.  In  dem  Maße  aber,  wie  sich  der  Arm  seitwärts  vom  Rumpfe 
entfernt,  entwickeln  sich  in  der  Achselgegend  zwei  Wülste,  zwischen 
denen  der  Luftdruck  eine  sanft  ausgehöhlte  Vertiefung  erzeugt:  die 
Achselgrube.  Die  vordere  Wand  derselben  ist  rein  muskulös  und 
enthält  die  M.  pectoralis  major  und  minor,  die  hintere  hat  als  knöcherne 
Grundlage  die  Scapula,   welcher  von  medial  nach  lateral  3  Muskeln 

1* 
3 


M.  deJ- 
toideus 


M.  infra- 
spinatus 


•^    ■ 


Fig.  3.    Arm  von  hinten,  Hautbild. 


Fig.  4.    Arm  von  hinten,  Muskelbild. 


Aeußere  Form.  5 

aufgelagert  sind,  die  M.  subscapularis,  teres  major  und  latissimius 
dorsi.  Letztere  beiden  bilden  im  wesentlichen  den  hinteren  Achsel- 
wulst; die  mediale  Wand  ist  gewölbt,  entsprechend  der  Krümmung  der 
Rippen,  der  Brustkorb  wird  hier  aber  noch  vom  M.  serratus  anterior 
überlagert.  In  der  lateralen  Wand  liegt  der  Humerus,  jedoch  voll- 
kommen verdeckt  von  dem  Gefäßnervenstrange  und  dem  M.  coraco- 
brachialis.  Der  vordere  Achselwulst  setzt  sich  in  eine  Furche  fort, 
welche  schräg  über  den  M.  biceps  hinwegzieht,  aber  schon  an  seinem 
lateralen  Rande  in  der  Höhe  der  Tuberositas  deltoidea  ihr  Ende  findet. 
Der  hintere  Wulst  bildet  die  entsprechende  Begrenzung  der  Achselgrube 
und  läuft  in  den  Sulcus  bicipitalis  medialis  aus.  Absichtlich  ist  hier 
bisher  die  Bezeichnung  Achselhöhle  vermieden  worden,  am  Lebenden 
oder  an  der  Leiche  bei  unversehrter  Haut  ist  von  der  sogenannten 
Höhle,  Cavum  axillae,  und  ihrem  außerordentlich  verwickelten  Inhalte 
nicht  viel  durchzuerkennen.  —  Je  weiter  der  Arm  über  die  Horizontale 
erhoben  wird,  um  so  mehr  schwinden  die  Grenzwülste  der  Grube  wieder; 
der  Sulcus  bicipitalis  läuft  einfach  in  die  Achselgegend  aus,  welche  dann 
meist  die  Gestalt  einer  Furche  oder  Rinne  annimmt,  bald  flach  erscheint, 
bald  sogar  einen  kleineren  oder  größeren  Wulst  in  der  Mitte  enthält, 
wenn  nämlich  durch  den  Druck  der  gespannten  Muskeln  der  Inhalt 
der  Achselhöhle,  vornehmlich  das  Fett  herausgepreßt  wird. 

Es  sind  also  drei  Haupterscheinungen  in  der  äußeren  Form 
zu  merken : 

1)  der  Achseis  palt  bei  herabhängendem,  dem  Rumpfe  anliegenden, 

2)  die  Achselgrube  bei  wagerecht  abduziertem  und 

3)  die  Achselrinne  oder  der  mittlere  Achsel wul st  bei  senk- 
recht emporgehobenem  Arme. 

Ein  wichtiges  Band,  welches  teils  als  Ligament  suspenseur  de 
l'aisselle  von  den  französischen  Autoren  beschrieben,  teils  geleugnet 
wird,  wie  von  Poirier  [1.  c.  S.  160J  ^),  können  wir  durchaus  bestätigen, 
besonders  bei  Männern  läßt  es  sich  als  deutlicher  Zug  anspannen, 
welcher  breit  aus  der  Facies  profunda  der  Achselgrubenhaut  entspringt 
und,  sich  allmählich  verschmälernd,  zwischen  dem  M.  pectoralis  minor 
und  dem  M.  coracobrachialis  am  Processus  coracoideus  ansetzt.  An 
diesem  Punkte  stellt  es  eine  breite  fibröse  Verbindung  zwischen  den 
beiden  einander  zugekehrten  Rändern  der  genannten  Muskeln  dar. 
Die  Selbständigkeit  und  damit  auch  die  praktische  Bedeutung  dieses 
Bandes  gibt  sich  dadurch  kund,  daß  auch  ein  mit  aller  Kraft  aus- 
geführter Zug  dasselbe  nicht  zerreißt,  sondern  nur  noch  stärker  zur 
Anspannung  bringt.  Zwar  würde  schon  der  Luftdruck  ausreichen,  um 
bei  Abduktion  des  Armes  eine  Vertiefung  zwischen  den  die  Achsel- 
grube vorn  und  hinten  begrenzenden  Muskelwülsten  zu  erzielen.  Die 
Unterstützung  durch  dieses  Band  darf  aber  nicht  außer  acht  gelassen 
werden. 

Da  in  diesem  Abschnitte  die  äußere  Form  behandelt  wird,  sei 
es  uns  gestattet,  auch  die  Kniekehle  zum  Vergleiche  heranzuziehen, 
obschon  dieselbe  nicht  funktionell  der  Achselgrube  gleichzustellen  ist. 
Es  kehren  aber  dieselben  mechanischen  Bedingungen  wieder,  welche 
ähnliche  Formveränderungen  bei  Bewegungen  auslösen.  Wir  müssen 
bei  unserer  Betrachtung  von  einem  Fetus  ausgehen,  welcher  nicht  im 


1)  P,  Poirier.  Trait^  d'anatomie  huraaine.    Tome  second,  premier  fascicule: 
Myologie,  L.  Bataille  et  Cie.,  Paris. 


M.  biccps 


M.  Pronator  teres 
M.  brachioradialis 

M.  flexor  carpi  radialis 
M.  palmaris  longus 

.  flexor  digitorum  sublim  is 
M.l  flexor  carpi  ulnaris 

M.  abductor  poUicis  brevis 
M.  abductor  digiti  V 
Aponeurosis  palmaris 


Fig.  6.    Arm  von 
innen,  Muskelbild. 


Aeußere  Form.  7 

Stande  ist,  seine  Extremitäten,  besonders  die  untere,  in  der  Fruchthöhle 
vollkommen  zu  strecken.  Die  natürliche  Haltung  der  unteren  Extremität 
bei  der  Geburt  ist  ja  die  der  Beugung,  und  dann  finden  wir  den 
Kniekehlen  s  palt  homolog  dem  Achsel  spalte  bei  herabhängendem 
Arme.  Mit  zunehmender  Streckung  entwickelt  sich  die  Kniekehle, 
indem  der  Luftdruck  das  Fett  derselben  zwischen  den  sich  anspannenden 
Beugern  zurücktreten  läßt.  Jedoch  fehlt  hier  ein  Lig.  Suspensorium 
fossae  popliteae,  welches  für  die  Achselgrube  charakteristisch  ist.  Wenn 
die  Streckung  erreicht  ist,  was  erst  nach  der  Geburt  in  ausgiebiger 
Weise  möglich  ist,  und  als  wirklich  aktiver  Vorgang  erst  dann  ein- 
tritt, wenn  das  Kind  zu  stehen  anfängt,  haben  wir  den  Kniekehlen- 
wulst vor  uns,  indem  das  Kniekehlenfett  zwischen  den  passiv  ge- 
dehnten Beugern  herausgepreßt  wird. 

Eine  ganz  besondere  Auffassung  vertritt  Toby  Cohn  ^),  dessen 
Darstellung  wir  wörtlich  wiedergeben,  obwohl  wir  nicht  wissen,  ob 
die  Schilderung  von  ihm  selbst  herrührt  oder  anderen  Autoren  ent- 
lehnt ist :  „Die  Achselhöhle  stellt  bei  hängendem  Arme  einen  Raum 
vor.  der  von  5  Seiten,  nämlich  von  vorn,  hinten,  außen,  innen  und 
oben  geschlossen  und  nur  nach  unten  offen  ist.  Durch  Anpressen 
des  Armes  an  den  Thorax  wird  sie  auch  nach  unten  geschlossen,  so  daß 
dann  ein  richtiges  „Cavum"  entsteht,  bekanntlich  das  einzige  nicht 
mit  dem  Körperinnern  in  Verbindung  stehende  des  gesamten  mensch- 
lichen Körpers  (daher  seine  Verwendung  zur  Thermometrie).  Bei 
Armhebung  ziehen  sich  3  von  den  Wänden,  nämlich  die  äußere,  vordere 
und  hintere,  zurück,  und  es  bleibt  dann  schließlich  nur  der  Winkel 
zwischen  der  oberen  und  der  inneren  Grenze  als  wesentlicher  Bestand- 
teil dieses  eigentümlichen  verwandlungsfähigen  Hohlraumes  zurück." 
Diese  Beschreibung  hat  unseres  Erachtens  viel  für  sich,  sofern  sie  nur 
in  klarerer  anatomischer  Auffassungs weise  gegeben  wäre.  Wir  haben 
unsere  besonderen  Bedenken  durch  gesperrten  Druck  der  unklaren 
Stellen  gekennzeichnet. 

Es  giebt  wohl  nichts  Auffallenderes  im  Gegensatze  zwischen  Skelet 
und  äußerer  Gestalt,  als  die  Hand.  Man  sollte  meinen,  daß  bei  diesem 
verhältnismäßig  platten  Organe  sich  die  ungewöhnlich  starken  Knochen 
auch  in  entsprechender  Deutlichkeit  kundgäben.  Jedoch  ist  es  nur 
an  der  Dorsalseite  einigermaßen  möglich,  das  Skelet,  selbst  an  einer 
abgezehrten  Hand,  richtig  zu  deuten.  Von  der  Hohlhand  aus  dürfte 
ein  solcher  Versuch  auch  einem  Mediziner  beim  ersten  Male  die 
allergrößten  Schwierigkeiten  bereiten.  Nirgends  macht  sich  sonst  am 
Körper  der  Antagonismus,  in  diesem  Falle  zwischen  Beugung  und 
Streckung,  so  bemerkbar :  er  prägt  sich  nicht  nur  während  der  Tätigkeit 
aus ,  sondern  hat  durch  die  tausendfachen  Bewegungen  während  des 
Uterinlebens  schon  einem  Fetus,  auch  wenn  er  totgeboren  wird,  die 
Furchen  eingeprägt,  welche  sich  in  der  einmal  gewonnenen  Anlage  bis 
in  das  späteste  Alter  erhalten,  nur  daß  der  bewußte  oder  meist  unbe- 
wußte Gebrauch  der  Hand  diese  oder  jene  Falte  deutlicher  hervortreten 
oder  zum  Schwinden  bringen  läßt.  Diese  Furchen  finden  sich  unter  allen 
Umständen  nur  an  der  Beugeseite.  Auf  der  Rückseite  sind  zwar  auch 
regelmäßig  über  den  Gelenken  zwischen  Grund-  und  Mittelphalanx 
eine  Anzahl  querer  Fältchen  vorhanden  und  auch  über  dem  Hand- 
gelenke eine  größere  bei  Dorsalflexion;   aber  diese   können   bei  der 

1)  Methodische  Palpation,  Berlin  1905,  S.  63. 


Beugung  fast  zum  voll- 
kommenen Verschwinden 
gebracht  werden.  Die 
Furchen  an  der  Beugeseite 
bleiben  jedoch  immer  er- 
halten, treten  sogar  bei 
der  entgegengesetzten  Be- 
wegung ,  der  Streckung, 
noch  deutlicher  hervor,  in- 
dem die  Furche,  je  nach 
ihrer  früheren  Tiefe,  sich 
in  eine  schmälere  oder 
breitere  seichte  Rinne  ver- 
wandelt. Diese  bleibenden 
Furchen  finden  sich  sowohl 
im  Bereiche  des  Carpus, 
wie  des  Metacarpus  und  der 
Finger.  Alle  diese  Falten 
erfreuen  sich  der  Beachtung 
der  Chirurgie,  aus  beson- 
deren und  guten  Gründen, 
welche  nichts  mit  der  Chiro- 
mantie zu  tun  haben,  welche 
aus  den  Hügeln  und  Furchen 
der  Hand  die  Schicksale  der 
Menschen  herauslesen  zu 
können  glaubt.  Es  ist  be- 
dauerlich, daß  die  Bezeich- 
nungen ,  welche  meist  in 
deutscher  wie  lateinischer 
Sprache  vorhanden  sind,  in 
den  neueren  Lehrbüchern 
der  Anatomie  keine  Berück- 
sichtigung und  Berechtigung 
mehr  gefunden  haben.  Es 
soll  der  Zweck  der  folgenden 
Darstellung  sein,  die  Not- 
wendigkeit dieser  alten 
Namen  nachzuweisen  und 
die  Einführung  einiger 
neuer  als  wünschenswert 
erscheinen  zu  lassen. 

Hyrtl  bezeichnet  die 
nach  den  Fingern  konvexe 
Grenzfurche  zwischen  Vor- 
derarm und  Hand  als  Ras- 
cetta  der  Chiromanten,  sie 
soll  nach  ihm  genau  dem 
Gelenke  zwischen  Vorder- 
arme und  erster  Hand- 
wurzelreihe entsprechen. 
Nach  unserer  Erfahrung 
liegt  sie  aber  in  der 
Höhe  des  Intercarpalge- 
lenkes.     Das    Radiocarpal- 


Fig.  7.    Arm  von  außen,  Hautbild. 


M.  sternocleido- 
mastoideus 


M.  omohyoideus 


M.  del- 
toideus 


M.extensordigitorum 
communis 


M.  extensor  poUicis  brevis 


Lig.  carpi  dorsale 

M.  interosseus  dorsal  is  I 
M.  lumbricalis  I 


M.  abductor  pollicis  longus 


M.  extensor  pollicis 
longus 


M.  adductor  pollicis 


Fig.  8.    Arm  von  außen,  Muskelbild. 


10  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

gelenk  macht  sich  durch  eine,  meist  1 — 2  cm  weiter  proximal  gelegene, 
weniger  deutliche  Furche  bemerkbar.  Anatomisch  wäre  also  für  die 
erste  Furche  der  Name  Sulcus  cutaneus  intercarpalis,  für  die  zweite 
Sulcus  cutaneus  radiocarpalis  berechtigt. 

In  der  eigentlichen  Hohlhand  sind  bereits  3  Furchen  bezeichnet, 
für  die  sich  kaum  ein  bequemerer  Ausdruck  finden  lassen  dürfte. 
Wenn  wir  dem  Studenten  zumuten,  die  Namen  V.  cephalica,  basilica 
(und  salvatella)  zu  lernen,  bei  denen  man  sich  nichts  Rechtes  vor- 
stellen kann,  so  wird  es  auf  das  Mehr  dieser  Bezeichnungen  nicht 
ankommen.  Kann  er  sich  doch  jeden  Augenblick  an  seinen  eigenen 
Händen  von  diesen  Furchen  überzeugen  und  gleichzeitig  die  Ver- 
schiedenheit von  rechts  und  links  beachten  lernen;  denn  es  dürfte  kaum 
eine  Hand  in  dieser  Beziehung  gleich  gebildet  sein,  möge  sie  demselben 
Individuum  angehören  oder  einem  seiner  Millionen  Mitmenschen.  Die 
forensische  Bedeutung  dieser  Tatsache  findet  ihre  Nutzanwendung 
gewöhnlich  nicht  am  Handteller,  sondern  nur  an  Fingerabdrücken. 

Die  3  Linien,  für  welche  wir  Bezeichnungen  gefunden  haben 
(Hyrtl,  Kollmann),  sind: 

1)  Linea  mensalis  ^),  Monatslinie.  Sie  beginnt  am  ulnaren  Rande 
des  Handtellers,  etwa  2  cm  proximal  vom  Freiwerden  des  kleinen 
Fingers,  und  läuft,  leicht  gegen  den  Vorderarm  konvex,  gewöhnlich 
zwischen  Mittel-  und  Zeigefinger  aus.  Sie  entspricht,  wie  hier  gleich 
erwähnt  werden  mag,  der  Articulatio  metacarpophalangea  III.— V. 

2)  Linea  cephalica,  Kopflinie.  Diese  entwickelt  sich  ebenfalls  2  cm 
unterhalb  des  Zeigefingers  und  verläuft  der  vorigen  ungefähr  parallel 
gegen  die  Ulnarseite,  welche  sie  indessen  nur  selten  erreicht.  In  ihrem 
Beginne  entspricht  sie  der  Artic.  metacarpophalangea  IL,  i.  e.  indicis. 

3)  Linea  vitalis,  Lebenslinie.  In  ihrem  Beginne  fällt  sie  mit  der 
Linea  cephalica  zusammen  und  umfaßt  dann  die  Muskulatur  des 
Daumens,  den  Thenar. 

In  Figur  97  des  Atlas  der  topographischen  Anatomie  von 
V.  Bardeleben,  Haeckel  und  Frohse ''^)  sind  diese  Linien  bereits 
berücksichtigt,  jedoch  ohne  besondere  Namengebung,  und  noch  eine 
vierte  (entsprechend  der  FROHSE'schen  Hand,  nach  der  die  Abbildung 
gemacht  ist),  welche  das  ganze  Linienbild  zu  einem  M  oder  W  ge- 
staltet, je  nachdem  man  die  eigene  Hand  in  der  gebräuchlichen 
Supinationsstellung  von  sich  selbst  aus  betrachtet,  oder  ob  man  den 
Arm  bei  unveränderter  Handstellung  so  gegen  seinen  Rumpf  herum- 
dreht, daß  der  ulnare  Rand  nach  außen,  lateralwärts  gekehrt  ist; 
dann  entsteht  das  Bild  eines  W,  des  umgekehrten  M.  Diese  vierte 
Linie  zweigt  sich  in  der  Achse  des  Mittelfingers  und  damit  der  Hand 
von  der  unter  1)  beschriebenen  Linea  mensalis  ab  und  zieht  der 
Hauptsache  nach  in  dieser  Achse  weiter  zum  Handgelenke.  Wir 
schlagen  für  diese,  am  wenigsten  ausgeprägte  Linie  den  Namen  Linea 
axialis  (mediana)  manus  vor. 

Beim  Uebergange  der  Hohlhand  in  die  Finger  spannen  sich  Falten 
an,  in  denen  Braune  ^)  dicht  unter  der  Cutis  das  Ligamentum  nata- 

1)  Der  deutsche  Ausdruck,  den  wir  bei  Kollmann  und  Hyrtl  antreffen,  ist 
nicht  in  üebereinstimmung  mit  der  Erklärung,  welche  im  Konversationslexicon 
(Meyer  1889)  zu  finden  ist.  Linea  mensalis  =  Tischlinie,  distale  ßegrenzungslinie 
des  Tisches. 

2)  III.  Aufl.  Jena  1904. 

3)  s   ß.N.A.,  S.  119  u.  120. 


Aeußere  Form. 


11 


Fig.  9,  An  der  Schulter  sieht  man  die  Einsenkung 
zwischen  den  M.  deltoideus  und  pectoralis  major ;  in 
der  Achseihöhle  den  vorderen  und  den  hinteren  Wulst; 
am  Oberarme  den  scheinbar  mächtigen  kurzen  Biceps- 
kopt,  welcher  in  Wirklichkeit  zum  größten  Teile  dem 
M,  coracobrachialis  und  dem  Gefäßnervenbündel  ent- 
spricht; die  proximalen  zwei  Drittel 
des  Sulcus  bicipitalis  medialis  und  in 
der  Regio  posterior  humeri  die  durch 
M.  fiexor  digitorum  subiimis      eine  zarte  schräge,  hier  heller  erschei- 
,.      ,      .    ,  nende  Furche  getrennten  Bäuche  des 

M.  palmares  longus  j^^^^^    ^^^    mldiaku   TricepskopfcS. 

M.  fiexor  carpi  radialis  Der  Vorderarm  steht  in  halber  Beu- 

gung und  zeigt  durch  willkürliche 


Trigonum  deltoideopectorale 


I 


M.  triceps,  caput 
mediale 

Anspannung  vor  allem  das  Hervortreten  des 
M.  brachioradialis,  wodurch  er  sich  als  Beuger 
des  Vorderarmes  gegen  den  Oberarm  kundgiot. 
Die  geballte  Faust  steht  bei  supiniertem  Vorder-  pjg  g    Arm  in  mittlerer  Beuge- 

arme  gegen   den  Epicondylus  medialis  hinge-      Stellung]  Hautbild  von  der  mediafen 
wendet.    Bei  dieser  Haltung   muß   besonders      ggjjg  ^ug 
die   Sehne  des  M.   fiexor  carpi  radialis   (des 
genaueren  s.  diesen)  hervortreten.    In  unserer 

Abbildung  ist  jedoch  die  Sehne  des  M.  palmaris  longus  noch  deutlicher  zu  erkennen- 
Fig.  10.  Man  kann  hier  den  Zwischenraum  erkennen,  welcher  sich  bei  supiniertem 
Arme  zwischen  dem  Fleische  des  M.  biceps  und  der  Vorder- 
armmuskulatur findet.     Ferner  ist  trotz  halber  Beugung  des 
Vorderarmes  gegen   den  Oberarm  durch  die  willkürliche  An- 
spannung  des  M.  triceps  der  Sehnenspiegel  im  langen  Kopfe 
desselben  zu  sehen.    Beachtenswert  ist  ferner  die  Hautfurcne, 
welche  die  Grenze  des  Vorderarmes  gegen  den  Oberarm  dar- 
stellt und   bis  zum  ulnaren  Rande  des  Lacertus 
..    .,  fibrosus  reicht.    Der  vordere  Achselwulst  trennt 

^''•'uCrir'^'  klar     das     Caput 

.M.  fiexor  digi-  breve   des  M.   bi- 

torum  subiimis  ^       Ceps    VOm   M,   peC- 

M.  palmaris  ^^^HHH||^^^|MHflfl     toralis  major.  Der 

longus  ^^^^^^^^^^^^^^H     hintere       Achsel- 

wulst macht  sich 
bloß  als  dunklerer 
Schatten  bemerk- 
bar. 


Fig.  10.  Su- 
pinierter  Arm  in 
starker  Beugung, 
Hautbild  der  me- 
dialen Seite. 


Spalt  zwischen  M.  biceps 
und  Vorderarm 


12 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Spitze  des  Sehnen- 
spiegels des 
M.  triceps 
Unterer  medialer 
Sehnenspiegel  des 
!M.  trapezius 


,  Lateraler  Sehnenspiegel  des  M.  trapezius 
M.  infraspinatus 


M.  triceps, 

;aput  longum  Epicondyhi 

medialib 


M.  flexor  carpi 
ulnaris 


M.  extensor  digiti  V  — 
M.  extensor  digitoruni  communis 


Unlererer  Grenzwulst  des  M.  serratus 
anterior 


M.  triceps,  caput  laterale 

M.  biceps 

M.  brachialis 

M.  brachioradialis 

M.  extensor  carpi  radialis  longus 

Epicondylus  lateralis 

M.  extensor  carpi  ulnaris 
4     M.  extensor  digitorum  communis 


M.  extensor  carpi  radialis 
brevis 


M.  abductor  poUicis  longus 


Fig.  11.    Rückseite  des  gestreckten  Armes,  Hautbild. 


Die  Photographie  ist  bei  starker  Extension  des  Armes  gewonnen,  wobei  gleich- 
zeitig der  Hand  durch  eine  Stuhllehne  der  Halt  zur  Dorsalflexion  gegeben  wurde. 
Die  Einzelheiten  der  Figur  sind  aus  den  reichlich  beigegebenen  Beschriftungen  zu 
ersehen,  jedoch  sei  auf  die  Gruben  hingewiesen,  welche  der  untere  mediale  und  der 
laterale  Sehnenspiegel  des  M.  trapezius  im  Oberflächenbilde  erzeugt,  ferner  auf  die 
deutliche  Furche,  welche  dem  unteren  Grenzwulste  des  M.  serratus  anterior  ent- 
spricht, obwohl  derselbe  an  dieser  Stelle  fast  bei  allen  Haltungen  gänzlich  unter 
dem  M.  latissimus  dorsi  verborgen  ist.  Am  Vorderarme  sieht  man  die  Konvergenz 
der  Strecker  gegen  den  Epicondylus  lateralis. 


Aeußere  Form. 


13 


Spalt  zwischen  M.  biceps 
und  Vorderarm 


M.    extensor 
T        _.-  carpi  radialis 

■a.  tricipitis  / 


M.  anconaeus 


carpi  ulnaris 


Fig.  12.    Außenseite  des  gebeugten,  pronierten  Armes  bei  Eadialstreckung  der 
Hand,  Hautbild. 


Bei  pronierter  Hand  kommt  der  Wulst  des  M.  biceps  in  unmittelbare  Be- 
rührung mit  der  Vorderarmmuskulatur,  Der  Hautspalt  verläuft  dabei  nicht  gegen 
das  Olecranon  hin,  sondern  würde  in  der  Verlängerung  dem  proximalen  Ende 
des  Ursprunges  des  M.  extensor  carpi  radialis  longus  entsprechen.  Dieser  Muskel 
springt,  da  die  Hand  extrem  radial-  und  dorsal wärts  flektiert  ist,  als  deutlicher 
Wulst  dicht  oberhalb  des  in  der  Abbildung  nicht  erkennbaren  Epicondylus  lateralis 
humeri  hervor.  Sehr  deutlich  ist  aber  die  Verlängerung  des  M,  triceps  zum  Vorder- 
arme, welcher  in  der  Gestalt  des  von  uns  sogenannten  Lacertus  fibrosus  m.  tricipitis 
den  ganzen  M.  anconaeus  und  den  Ursprung  des  M.  extensor  carpi  ulnaris  zudeckt. 
Ein  aufmerksamer  Beobachter  dürfte  auch  unschwer  hinter  dem  oben  beschriebenen 
Wulste  des  M.  extensor  carpi  radialis  longus  die  feine  Erhöhung  erkennen ,  welche 
dem  freien  Rande  des  Caput  laterale  des  M.  triceps  entspricht.  Diese  ist  es  ja, 
welche  am  Vorderarme  den  Lacertus  fibrosus  m.  tricipitis  hervorgehen  läßt.  Näheres 
siehe  M.  triceps. 

13 


14 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


Fig.  13 


Fig.  14. 


Fig.  13.  Handgelenk  von  der  Beugeseite  bei  Dorsalflexion  und  Fingerstreckung, 
HautbUd. 

Fig.  14.  Handgelenk  von  der  Beugeseite  bei  Volarflexion  und  Fingerbeugung, 
Hautbild. 

1  M.  flexor  carpi  radialis.  2  M.  flexor  digitorum  sublimis.  3  M.  flexor  carpi 
ulnaris.    4  N.  medianus. 

In  den  Photographieen  ist  das  Verhalten  der  Gegend  in  der  Umgebung  des 
Handgelenkes  noch  einmal  besonders  illustriert,  weil  bei  dem  so  häufigen  Fehlen 
des  M.  palmaris  longus  ganz  andere  Bilder  sich  ergeben,  wie  in  der  Norm. 


Fig.  13  u.  14.  Beide  Figuren  stammen  von  Gipsabgüssen  der  linken  Hand 
von  Frohse,  bei  dem  der  M.  palmaris  longus  (beiderseits)  fehlt. 

Fig.  13  zeigt  die  Hand  bei  gestreckten  Fingern  in  extremer  Dorsalflexion.  Bei 
dieser  Haltung  treten  dann  die  Beugesehnen  und,  nicht  zu  vergessen ,  ihre  Muskel- 
bäuche durch  passive  Dehnung  als  breiter  Wulst  (2)  zwischen  den  Sehnen  des  M. 
flexor  carpi  radialis  (1)  und  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  (3)  hervor.  In  Fig.  14  ist 
die  Hand  bei  gebeugten  Fingern  stark  volar  flektiert.  Dann  verengert  sich  der  Raum 
zwischen  den  M.  flexores  carpi  radialis  (1)  und  ulnaris  (3) ,  und  es  erscheinen  als 
deutliche  Stränge  die  Sehnen  des  M.  flexor  digitorum  sublimis  III  und  IV.  Außerdem 
kommt  aber  jetzt  noch  ein  schräger  Zug  zur  Geltung  (4),  welcher  auf  den  ersten 
Blick  wohl  kaum  als  N.  medianus  gelten  dürfte.    Näheres  s.  u. 


H 


Aeußere  Form. 


15 


Fig.  15.    Handrücken,  Hautbild. 


Fig.  15.  Die  Abbildung  zeigt  nur  andeutungsweise  die  Strecksehnen.  Jeden 
falls  erscheinen  aber  die  des  3.  und  4.  Fingers  schmäler  und  deshalb  deutlicher 
sichtbar  als  die  des  2.  und  5.  Fingers.  Sehr  charakteristisch  sind  aber  die  Hautvenen, 
welche  durchaus  den  fetalen  Typus  bewahrt  haben,  indem  in  jedem  Spatium  inter- 
osseum  je  eine  derselben  senkrecht  emporsteigt.  Ueber  die  Hautfalten  an  den  Finger- 
gelenken 8.  den  Text.  Ein  Zusammenhang  der  dorsalen  Schwimmhäute,  welche  in 
unserer  Abbildung  sämtlich  proximalwärts  zur  ulnaren  Seite  verlaufen,  mit  dem 
freien  Ende  der  AI.  interossei  dorsales,  wie  es  T.  Cohn  vermutet  (siehe  u.),  konnten 
wir  nicht  nachweisen. 


16 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


Fig.  16.    Hautfurchen  der  Vola. 

torium,  dessen  Wirkung  Frohse  in  seiner  Mitteilung  über  die  Palmar- 
aponeurose  ^)  besonders  beschreibt,  entdeckt  hat,  im  Beginne  der  freien 
Finger  kennzeichnet  sich  aber  dieses  aus  mehren  Abteilungen  zusammen- 
gesetzte Schwimmband  durch  Furchen;  der  Name  Sulci  natatorii 
würde  also  nur  der  obigen  Bezeichnung  entlehnt  und  angelehnt  sein. 
Gerade  über  dem  Gelenke  zwischen  Grund-  und  Mittelphalanx, 
besonders  der  mittleren  Finger  (2 — 4)  sind  die  Hautfalten  gewöhnlich 

1)  Frohse,  Die  Aponeurosis  palraaris  und  digitalis  der  menschlichen  Hand 
mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Funktion.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.,  Anat, 
Abt.,  1906,  S.  101—108. 


i6 


Aeußere  Form. 


17 


Fig.  17. 


Fig.  18. 


Fig.  17.    Gipsabguß  des  rechten,  supinierten  Armes  in  7  Querschnitte  zerlegt. 
Fig.   18.     Gipsabguß    desselben,    jedoch   pronierten   Armes  in   entsprechende 
7  Querschnitte  zerlegt. 


Fig.  17  u.  18.    Diese  beiden  Abbildungen  dienen  nur  zur  Erläuterung  der  in 
Fig.  19—32  dargestellten  Querschnitte. 

Handbuch  der  Anatomie.    II,  II,  2.  2 


18 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Fig.  19. 


Fig.  20. 


Fig.  21. 


Fig.  23, 


r         Fig.  22. 


Fig.  24- 


Aeußere  Eorm. 


Fig.  29. 


Fig.  30. 


Fig.  31 


T^-^         Fig.  32. 


20  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Fig.  19—32.    Querschnittsstudien  über  den  Arm. 

Bei  einem  Vergleiche  der  verschiedenen  Abbildungen,  welche  in  den  Lehrbüchern 
und  Atlanten  vom  Vorderarme  gegeben  sind,  fällt  schon  einem  unbefangenen  Be- 
obachter auf  die  Verschiedenheit  in  der  Lage  der  beiden  Vorderarmknochen  zu- 
einander imd  der  äußeren  Form  der  jeweiligen  Querschnitte.  In  dem  anatomischen 
Institute  zu  Berlin  sind  außerdem  die  Serien  von  aufeinander  folgenden  Quer- 
schnitten der  oberen  und  unteren  Extremität  von  Pansch  vorhanden,  welche  jedoch 
einen  nicht  gerade  schönen,  äußeren  Gesamteindruck  machen.  Diesem  Mangel  abzu- 
helfen, hat  Fkohse  für  die  obere  Extremität  einen  unseres  Wissens  neuen  Versuch 
gemacht,  indem  er  seinen  rechten  Arm  sowohl  im  Zustande  der  Supination,  wie  in 
demjenigen  der  Pronation  abformen  ließ.  Die  so  gewonnenen  Gipsabgüsse  wurden 
zunächst  in  ein  besonderes  Gipslager  eingebettet  und  dann  genau  an  den  entsprechenden 
Stellen  der  supinierte  und  pronierte  Arm  samt  der  Unterlage  durchsägt.  Wir  sagen 
absichtlich  der  ganze  Arm,  denn  die  Pronation  bewirkt  nicht  allein  eine  ohne  weiteres 
erkennbare  Umgestaltung  des  Vorderarmes,  sondern  auch  eine  nicht  zu  vernach- 
lässigende Aenderung  des  Oberarmes. 

Das  typische  Bild  des  Oberarmes  bei  Pronation  erscheint  in  Fig.  22,  das 
des  Vorderarmes  in  Fig.  27  bei  supinierter  Hand.  Der  Oberarm  ist  nämlich  von 
rechts  nach  links  abgeplattet,  während  umgekehrt  beim  Vorderarme  sich  die  Abplattung 
von  vorn  nach  hinten  vollzieht.  Fig.  27  und  31  zeigen  außerdem  in  klarer  Weise 
die  enorme  Verjüngung  des  Vorderarmes  von  der  Ellen  bogen  gegend  bis  in  die  Nähe 
des  Handgelenkes.  Bei  der  Pronation  wandelt  sich  die  cylindrische  Form  des  Quer- 
schnittes, s.  Fig.  27,  in  eine  mehr  gedrungene,  bis  fast  kreisförmige  um,  s.  Fig.  29  u.  30. 

Zum  leichteren  Verständnisse  haben  wir  die  einander  entsprechenden  Stellen 
an  der  Streckseite  durch  Punkte,  an  der  Beugeseite  durch  Kreuze  angegeben,  und 
die  Wirkung  der  Pronation  auf  Ober-  und  Vorderarm  durch  Pfeile  gekennzeichnet. 
Dabei  ergab  sich  die  scheinbar  überraschende  Tatsache,  daß  beim  Oberarme  während 
der  Pronation  eine  umgekehrte  Verschiebung  der  Weichteile  statthat,  wie  am  Vorder- 
arme. Dieses  kann  ja  auch  nicht  weiter  Wunder  nehmen,  weil  der  als  kräftiger 
Supinator  wirkende  M.  biceps  bei  der  Pronation  des  Vorderarmes  am  Oberarme 
passiv  gespannt  oder  gedehnt  wird  und  dem  Zuge  der  Pronatoren  entgegenwirkt. 

Es  wäre  dringend  erwünscht,  daß  diesen  Studien  über  die  äußere  Form  bald 
ein  anatomischer  Nachweis  der  inneren  Veränderung  (Knochen,  Muskeln,  Gefäße, 
Nerven  u.  s.  w.)  bei  Pronation  und  Supination  folgen  wüde.  Natürlich  läßt  sich  eine 
derartige  Untersuchung  an  nur  einer  und  derselben  Leiche  vornehmen,  wenn  beide 
Arme  gleichzeitig  untersucht  werden.  Sind  dieselben  ungefähr  gleich  stark,  so  kann 
man  einen  sehr  guten  Vergleich  ziehen,  indem  man  beispielsweise  den  rechten 
in  Pronation  durchsägt  und  die  Abbildungen  von  den  distalen  Schnittflächen 
nimmt.  Gleichzeitig  läßt  man  den  linken  Arm  härten  oder  gefrieren  und  kann  dann 
ohne  weiteres  die  proximalen  Schnittflächen  zu  den  Abbildungen  heranziehen.  — 
Bei  Formalinbehandlung  der  Präparate  (bei  Gefrierschnitten  natürlich  ohne  Alkohol) 
dürfte  eine  derartige  Untersuchung  auf  keinerlei  Schwierigkeiten  stoßen,  und  be- 
sonders sich  auch  die  Mängel  in  der  plastischen  Darstellung  von  Pansch  zum 
größten  Teile  vermeiden  lassen. 


Aeußere  Form.  21 

nach  Art  einer  bikonvexen  Linse  angebracht,  wie  es  auch  im  „Operations- 
kurs von  V.  Bergmann-Rochs"  beschrieben  ist.  Wir  schlagen  deshalb 
hier  —  oder  wo  es  sich  sonst  einmal  in  ähnlicher  Weise  findet  —  den 
Namen  Sulcus  cutaneus  biconvexus  vor. 

Am  Daumen  und  kleinen  Finger,  sowie  an  den  distalen  Inter- 
phalangealgelenken  des  Zeige-  bis  Ringfingers  sind  die  Hautfalten 
gemeinhin  quer  zur  Achse  der  entsprechenden  Knochen  gestellt; 
es  wird  hier  (und  auch  an  anderen  ähnlichen  Stellen)  die  Bezeichnung 
Sulcus  cutaneus  transversus,  welche  keine  Beziehung  zum  Gelenke 
in  sich  schließt,  vollkommen  genügen. 

Chiromantie  [auch  Chirognomik  und  Chirologie]  ^). 

Danach  wurde  der  Handteller  in  sieben,  von  den  Handlinien 
begrenzte  Planetenregionen  geteilt,  deren  Umgrenzungen  durch  die 
Handlinien  gedeutet  wurden.  Die  hauptsächlichsten  derselben  sind 
die  5  Hauptlinien:  Die  Lebenslinie  (Linea  vitalis),  zwischen  dem 
Daumen  und  Zeigefinger  anfangend  und  krumm  um  den  Daumen 
herum  abwärts  laufend,  sollte  durchschnitten  und  rein  ausgeprägt 
auf  Lebenskraft  und  deshalb  auf  langes  Leben  deuten;  die  Natur- 
oder Hauptlinie  (Linea  naturalis  s.  cephalica),  unter  dem  Zeigefinger 
anfangend  und  gewöhnlich  mit  der  Lebenslinie  sich  vereinigend, 
sollte  bei  gehöriger  Länge  einen  guten  Zustand  des  Magens,  der 
Leber  und  der  Lebensgeister  anzeigen;  die  Tisch-,  Gedärm-  oder 
gemeine  Linie  (Linea  mensalis  s.  inguinalis  s.  communis),  unter  dem 
kleinen  Finger  anfangend,  unter  den  3  letzten  Fingern  quer  über  die 
Hand  laufend  und  unter  dem  Zwischenraum  des  Zeige-  und  Mittel- 
fingers oder  unter  ersterem  endend,  sollte,  stark  ausgeprägt,  gute 
Zeugungskraft,  aber,  wenn  sie  bis  ins  erste  Gelenk  des  Zeigefingers 
geht,  ein  mühseliges  Leben  andeuten;  die  Leber-  oder  Magenlinie 
(Linea  hepatica  s.  stomachica),  von  unbestimmtem  Anfange,  in  der 
Naturlinie  endigend,  sollte  mit  dem  Zustande  der  Verdauung  in  Zu- 
sammenhang stehen ;  die  Rascetta,  die  erste  Querlinie  unter  der  Hohl- 
hand auf  dem  Handgelenk,  deutete,  wenn  ununterbrochen,  auf  glück- 
lichen Fortgang  in  Unternehmungen.  Außerdem  wurden  7  Nebenlinien 
unterschieden:  Mars-  oder  Ehrenlinie  (Linea  Martis  s.  soror  vitalis, 
Schwester  der  Lebenslinie),  Sonnenlinie  (Linea  solis  s.  honoris),  Venus- 
gürtel (Cingulum  Veneris),  Saturn-  oder  Glückslinie  (Linea  Saturnina), 
Heirats-  oder  Ehestandslinien  (Lineae  matrimoniales),  Milchstraße  (Via 
lactea),  Diskriminal-  oder  Entscheidungslinien  (Lineae  discriminales). 
Die  Räume  sind  Stellen  in  der  Hohlhand  zwischen  den  angeführten 
Linien ;  der  Tisch  (Mensa),  zwischen  der  Natur-  und  Tischlinie,  deutete 
auf  Reichtum  und  Freigebigkeit;  die  Marshöhle  oder  das  Dreieck 
(Cavea  Martis  oder  Triangulum),  ein  dreieckiger  Raum  zwischen  der 
Lebens-,  Natur-  und  Leberlinie,  deutete,  wohlgeschlossen,  auf  Glück 
im  Vaterland  (sowie  auf  natürlichen  Verstand,  Bescheidenheit  und 
stilles  Wesen).  Die  fünf  Berge  der  Finger  (Montes)  hießen  die 
fleischigen  Teile  unter  den  ersten  scheinbaren  Gelenken  der  Finger, 
nämlich:  der  Venusberg  (Mons  Veneris)  unter  dem  Daumen,  der 
Jupiterberg  (Mons  Jovis)  unter  dem  Zeigefinger  abwärts  bis  an  die 
Lebens-  und   N.aturlinie,    der  Saturnberg  (Mons  Saturni)   unter   dem 


1)  Wörtlich  nach  Meyer,  Konversationslexikon,  IV.  Aufl.,  Leipzig  1889. 


22  PROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Mittelfinger,  der  Sonnenberg  (Mons  solis)  unter  dem  Ringfinger,  der 
Merkurberg  (Mons  Mercurii)  unter  dem  kleinen  Finger;  der  Mond- 
berg (Mons  lunae)  war  der  dem  Venusberg  entgegengesetzte,  erhabene, 
fleischige  Teil  der  inneren  Hand  unter  dem  kleinen  Finger.  Als  eine 
glückliche  Hand  galt  eine  solche,  die  alle  Linien  und  besonders 
die  Hauptlinien  hat,  und  zwar  am  rechten  Ort,  wo  die  Berge  sich 
genau  unter  ihren  bezüglichen  Fingern  finden,  die  Hauptlinien  un- 
zerrissen sind,  das  Dreieck  nicht  durch  verworrene  Linien  gestört  und 
besonders  auch  der  Venusgürtel  vorhanden  ist,  sowie  alle  Hauptlinien 
und  die  Glückslinie  gehörig  und  der  Tisch  in  beiden  Händen  gleich 
groß  sind. 

Noch  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  wurden  auf  den  meisten 
deutschen  Universitäten  eigene  chiromantische  Kollegien  gelesen,  so 
in  Jena  von  Hexner,  in  Halle  von  Nietzky.  Der  chiromantische 
Aberglaube  findet  sich  jetzt  noch  häufig  selbst  unter  Gebildeten. 


II.  Beschreibung  nach  Kollmann'). 

Die  oberen  Extremitäten  sind,  nebst  der  Zunge,  die  beweglichsten 
Teile  des  Körpers.  Ihre  Beweglichkeit  gründet  sich  auf  ihre  mehr- 
fache Gliederung  und  ihre  fast  verschwenderische  Ausstattung  mit 
Muskeln.  Ein  selbst  wieder  in  hohem  Grade  beweglicher  Knochen, 
das  Schlüsselbein,  vermittelt  ihre  Verbindung  mit  deni  Stamme.  Die 
Pendelbewegungen  der  oberen  Extremitäten  korrigieren  die  seitlichen 
Schwankungen  des  Beines  beim  aufrechten  Gange;  der  Anstand  be- 
müht sich  zwar,  sie  beim  gravitätischen  Gange  in  Zaum  zu  halten; 
ihre  Notwendigkeit  beim  Laufen  tritt  dagegen  unaufhaltsam  hervor. 
Die  Wurfbewegung  der  Arme  unterstützt  die  Vorwärtsbewegung  des 
Leibes  beim  Sprunge  nicht  minder,  als  beim  Laufe.  Der  Verlust 
einer  oberen  Extremität  ist  ein  weit  größeres  Unglück,  als  jener 
einer  unteren,  welche  nur  als  Stütze  zu  dienen  hat,  und  an  deren 
Stelle  ein  hölzernes  Bein  im  Grunde  dasselbe  leisten  kann.  An- 
geborener Mangel  oder  frühzeitiger  Verlust  beider  oberen  Extremitäten 
lehrt  die  Krüppel,  in  den  unteren  Gliedmaßen  Stellvertreterinnen  für 
die  Leistungen  der  oberen  zu  finden.  Der  bekannte  Thomas  Schweiker 
aus  Hall  im  Schwabenland,  dessen  Andenken  als  Kalligraph  durch 
Medaillen  und  Lobgedichte  verewigt  wurde,  hatte  keine  Hände.  Der 
berühmte  Maler  Kittel  wurde  nach  Hochstraten  ohne  Hände  geboren, 
in  neuerer  Zeit  hat  auch  Ducoonet  den  Pinsel  mit  den  Zehen  geführt. 

Die  beiden  oberen  Extremitäten  sind  selten  gleich  lang,  der  Unter- 
schied beträgt  einige  Millimeter.  Auch  die  Stärke,  d.  h.  die  Muskel- 
entwickelung ist  selten  auf  beiden  Seiten  kongruent.  Nicht  der  an- 
gestrengtere Gebrauch  des  rechten  Armes,  wohl  aber  eine  ursprüngliche 
Ungleichheit  der  Muskelmasse  beider  Extremitäten  zu  Gunsten  der  rechten 
gibt  der  rechten  Seite  eine  zuweilen  auffallende  Prävalenz  über  die  linke. 
Wir  gebrauchen  die  rechte  Extremität  mehr  als  die  linke,  weil  sie  die 
stärkere  ist,  nicht  aber  wird  sie  stärker,  weil  sie  die  gebrauchtere  ist. 
Bei  linkshändigen  Menschen  ist  die  linke  Extremität  von  Natur  aus 
stärker  als  die  rechte,    und  deshalb  bedienen  sie  sich  derselben  von  der 


1)  Kollmann,  Plastische  Anatomie  des  menschlichen  Körpers,  I.  Aufl.,  1886, 
Leipzig,  Veit  &  Cie. 


Aeußere  Form.  23 

ersten  Kindheit  an  trotz  alles  Zuredens  und  Strafens  für  diese  vermeint- 
liche ungeschickliche  Angewöhnung. 

Das  Schlüsselbein  durchzieht  eine  Körperregion,  welche  die 
Schlüsselbeingegend  heißt.  Bei  mageren  Individuen  läßt  sich  das 
Schlüsselbein  seiner  ganzen  Länge  nach  gut  sehen,  wohl  auch  bei 
starker  Vorwärtsbewegung  der  Schulter  mit  Daumen  und  Zeigefinger 
umgreifen. 

Dieser  schwach  S-förmig  gekrümmte  Knochen  ist  so  angebracht, 
daß  seine  längere  innere  Hälfte  nach  vorn,  seine  kürzere  äußere 
Hälfte  nach  hinten  konvex  gebogen  ist.  lieber  dem  Schlüsselbeine 
liegt  eine  seichte  Grube,  die  obere  Schlüsselbeingrube,  Fossa  supra- 
clavicularis,  unter  ihm  die  nur  bei  fettarmen  Individuen  deutliche 
Fossa  infraclavicularis.  Diese  beiden  Gruben  werden  um  so  tiefer, 
je  weiter  die  Schulter  nach  vorn  geführt  wird.  Das  Schlüsselbein 
hebt  sich  dabei  von  den  hinter  ihm  gelagerten  Weichteilen  ab,  springt 
stärker  hervor  und  vermehrt  dadurch  die  Tiefe  der  beiden  erwähnten 
Gruben.  Der  mechanische  Nutzen  des  Schlüsselbeines  besteht  darin, 
daß  es  die  Schulter  nach  außen  drängt  und  dadurch  das  Oberarm- 
gelenk in  gebührender  Entfernung  von  der  Thoraxwand  erhält.  Das 
Schlüsselbein  ist  nicht  bestimmt,  die  Schulter  und  den  Arm  zu  tragen, 
das  ist  vielmehr  die  Aufgabe  jener  Muskeln,  welche  an  dem  Rumpf- 
skelet  entspringen  und  an  dem  Schultergürtel  endigen. 

Schulter,  Oberarm  und  Vorderarm  wurden  nur  der  Hand  wegen 
geschaffen,  deren  Beweglichkeit  und  Verwendbarkeit  durch  ihre  Be- 
festigung an  einer  langen  und  mehrfach  gegliederten  Knochensäule 
erheblich  gewinnen  muß.  Das  aus  27  Knochen  bestehende  und  durch 
40  Muskeln  bewegliche  Skelet  der  Hand,  in  welchem  Festigkeit  mit 
geschmeidiger  und  vielseitiger  Beweglichkeit  sich  auf  die  sinnreichste 
Weise  kombiniert,  bewährt  sich  für  die  roheste  Arbeit,  wie  für  die 
subtilsten  Hantierungen  im  gleichen  Grade  geschickt  und  entspricht 
durch  seinen  wohlberechneten  Mechanismus  vollkommen  jener  geistigen 
üeberlegenheit,  durch  welche  der  Mensch,  das  an  natürlichen  Ver- 
teidigungsmitteln ärmste  Geschöpf,  sich  zum  Beherrscher  der  lebenden 
und  toten  Natur  aufwirft. 

Der  Arm,  Brachium,  reicht  in  hängender  Stellung  bis  zur  Mitte 
des  Oberschenkels.  Weiter  herabhängende  Arme  haben  dem  Perser- 
könig Artaxerxes  zu  dem  Beinamen  Longimanus,  und  einer  russischen 
Fürstenfamilie,  deren  Stammvater  mit  dieser  Eigentümlichkeit  be- 
haftet war,  zu  dem  Namen  Dolgoruki  verholfen  (Hyrtl).  Beim 
Neger  soll  der  Arm  erheblich  tiefer  herabreichen,  allein  diese  rassen- 
anatomische Behauptung  wartet  immer  noch  der  sicheren  Feststellung. 
Bei  Rückgratsverkrümmungen  fällt  die  größere  relative  Länge  der 
Arme  zum  Stamme  auf  und  nimmt  mit  dem  Grade  der  Verkümmerung 
zu.  Bei  raschen  Körperbewegungen  schwingen  deshalb  die  Arme  wie 
lange  Pendel  hin  und  her.  Bei  gewissen  Affen  reicht  der  Arm  selbst 
bis  zur  Ferse.  Die  Verlängerung  betrifft  dabei  vorzugsweise  die 
Vorderarme. 

Die  Hand  führt  ihren  lateinischen  Namen  Manus  von  griechisch 
^d(ü  tasten,  ihren  deutschen  aber  von  dem  alten  han,  so  viel  als 
heben.  Bei  den  römischen  Dichtern  heißt  sie  auch  palma,  das  breite 
Ende  eines  Ruders.  Sie  wird  durch  ihren  Hautüberzug,  besonders 
in   der  Hohlhand  (Vola),  mit  hoher  Empfindlichkeit  ausgerüstet  und 

23 


24  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

erhebt  sich  zur  Bedeutung  eines  Tastorgane s,  welches,  nach  allen 
Richtungen  des  Raumes  beweglich,  uns  von  der  Ausdehnung  der 
Materie  und  ihren  physikalischen  Eigenschaften  belehrt.  Die  ältesten 
Maßbestimmungen  (ulna  —  Elle,  spithama  ~  Spanne,  pollex  —  Zoll) 
sind  der  Länge  einzelner  Handabteilungen  entnommen.  Der  jedem 
anderen  Finger  entgegenstellbare  Daumen  wirkt  mit  diesem  wie  eine 
Zange,  welche  zum  Fassen,  Ergreifen  und  Befühlen  kleiner 
Gegenstände  benutzt  wird.  Stammt  doch  das  Wort  Finger  von  Fangen 
ab,  wie  uns  die  Jägersprache  bezeugen  kann,  in  welcher  die  Finger 
der  Raubtiere  Fänge  heißen. 

In  dem  langen,  freibeweglichen  und  starken  Daumen  (Pollex,  von 
pollere  Ansehen  haben,  gelten)  liegt  der  wichtigste  Vorzug  der 
Menschenhand.  Der  Daumen  krümmt  sich  mit  Kraft  gegen  die  übrigen 
Finger  zur  Faust  (Pugnus  Faustkampf,  von  pugnare  kämpfen),  die 
zum  Anfassen  und  Festhalten  schwerer  Gegenstände  dient.  Er  leistet 
hierbei  so  viel,  wie  die  übrigen  Finger  zusammengenommen ;  er  stellt 
das  eine  Blatt  einer  Beißzange  dar,  deren  anderes  Blatt  durch  die 
4  übrigen  Finger  gebildet  wird.  Julius  Caesar  befahl,  allen  in 
Uxellodunum  (einer  Stadt  und  Festung  der  Cadurci  in  Aquitanien  an 
der  Garonne)  gefangenen  Galliern  die  Daumen  abzuhauen,  weil  er  sie, 
so  verstümmelt,  als  Krieger  nicht  mehr  zu  fürchten  hatte.  Aehn- 
liche  Verstümmelungen  von  Kriegsgefangenen  kamen  auch  bei  den 
Hebräern  vor. 

Die  aus  mehreren  Knochen  zusammengesetzte  bogenförmige 
Handwurzel  unterliegt  der  Gefahr  des  Bruches  weit  weniger,  als 
wenn  ein  einziger  gekrümmter  Knochen  ihre  Stelle  eingenommen 
hätte.  Die  feste  Verbindung  der  Mittelhand  mit  der  Handwurzel 
macht  das  Stemmen  und  Stützen  mit  den  Händen  möglich,  und  die 
Längenkrümmung  der  einzelnen  Metacarpusknochen,  sowie  ihre  Neben- 
einanderlegung in  einer  gegen  den  Rücken  der  Hand  konvexen  Ebene 
erleichtert  die  Aushöhlung  der  Hohlhand  zum  Poculum  Diogenis. 

Die  große  Beweglichkeit  der  Finger  und  die  möglichen  zahl- 
reichen Kombinationen  ihrer  Stellungen  machen  sie  zu  Vermittlern 
der  Zeichensprache.  Wir  bitten,  beschwören,  drohen  und  befehlen 
mit  der  Hand;  die  tiefen  Trennungsspalten  zwischen  je  2  Fingern 
erlauben  das  Falten  der  Hände,  und  die  nur  im  Winkel  mögliche 
Beugung  der  2  letzten  Phalangen  gibt  der  geballten  Faust  eine  Kraft, 
die  einst  statt  des  Rechtes  galt.  Auch  die  Römer  gebrauchten  manus 
für  Gewalt. 

Die  tausendfältigen  Verrichtungen  der  Hände  (Hantierungen),  welche 
die  Notwendigkeit  diktiert  und  der  Verstand  raffiniert,  werden  nur  durch 
den  weise  berechneten  Bau  dieses  Werkzeuges  ausführbar.  Wir  können 
uns  keine  Vorrichtung  denken,  durch  welche  die  mechanische  Brauch- 
barkeit der  Hand  auf  einen  höheren  Vollkommenheitsgrad  zu  bringen 
gewesen  wäre.  Jede  wie  immer  beschaffene  Zugabe  würde  eher  hemmend 
als  fördernd  wirken.  So  ist  z.  B.  ein  sechster  Finger  wahrlich  keine 
Vollkommenheit  der  Hand,  sonst  würde  der  Besitzer  desselben  nicht 
wünschen,  dieser  Vollkommenheit  quitt  zu  werden,  und  die  Chirurgen 
würden  sich  nicht  dienstfreundlichst  beeilen,  sie  wegzuschneiden. 

Die  Knochen,  welche  die  oberen  Gliedmaßen  des  Menschen  bilden, 
finden  wir  wieder  in  der  Flosse  des  Walfisches,  in  dem  Vorderfuß  der 
Schildkröte  und  im  Flügel  des  Vogels.    Dieselben  Knochen  sind  es,  die, 


Aeußere  Form.  25 

vollkommen  ihrem  Zwecke  angepaßt,  in  der  Tatze  des  Löwen,  wie  des 
Bären  gefunden  werden;  anders  sind  sie  umgewandelt  im  Vorderbeine 
des  Pferdes  oder  des  Kameles  oder  bei  den  zum  Klettern  und  Graben 
langbeklauten  Beinen  des  Faultieres.  Eine  vortreffliche,  mit  Abbildungen 
illustrierte  Anatomie  und  vergleichende  Anatomie  enthält  das  kleine, 
aber  lehrreiche  Buch:  Die  menschliche  Hand  und  ihre  Eigenschaften, 
von  Sir  Charles  Bell.     Deutsch  von  Dr.  H.  Hauff,  Stuttgart  1836. 

Wir  haben  diese  wirklich  lesenswerte  Abhandlung  durchgesehen 
und  würden  einen  noch  ausführlicheren  Auszug,  der  über  den 
Rahmen  unserer  Ausführungen  hinausgehen  würde,  für  wünschens- 
wert halten. 


III.  Einteilung  der  Armmuskeln. 

Die  Muskeln  der  oberen  Extremität  sondern  sich  nach  dem 
Skelete  ohne  weiteres  in  4  natürliche  Gruppen: 

Die  Schulter-,  Oberarm-,  Vorderarm-  und  Handmuskeln.  Ein 
normaler  Arm,  an  dem  kein  Muskel  fehlt  und  sich  auch  kein  über- 
zähliger findet,  enthält  50  leicht  voneinander  zu  trennende  Muskel- 
individuen, von  denen  6  auf  die  Schulter-,  4  auf  die  Oberarm-,  20  auf 
die  Vorderarm-  und  20  auf  die  Handgruppe  entfallen.  Die  große  Ver- 
schiedenheit in  der  Zahl  erklärt  sich  aber  mit  Leichtigkeit  aus  dem 
Bau  der  Gelenke,  zu  welchen  die  Muskelgruppen  in  Beziehungen 
treten.  Das  kugelige  Schultergelenk  mit  allseitiger  Beweglichkeit 
braucht  mehr  Muskeln,  als  das  Scharniergelenk  der  Articulatio  cubiti. 
Theoretisch  würden  für  letztere  zwei  Muskeln  genügen,  ein  Beuger  und 
ein  Strecker ;  es  kommen  aber  topographisch  noch  zwei  andere  Muskeln 
am  Oberarme  hinzu,  von  denen  der  eine,  der  M.  coracobrachialis,  am 
Schultergelenke  angreift,  während  der  andere,  der  M.  biceps  brachii, 
durch  seine  Anheftung  am  Radius  außer  der  Beuge-  noch  eine  kräftige 
Supinationswirkung  entfaltet.  Die  20  Vorderarmmuskeln  sorgen  teils 
für  die  Supination  und  ausschließlich  für  die  Pronation,  teils  für 
sämtliche  Bewegungen  der  Hand  im  ganzen,  teils  für  die  gröberen 
Bewegungen  der  Finger.  Obwohl  für  die  letzteren  schon  eine  ganze 
Anzahl  (8)  Muskeln  vorhanden  sind,  finden  sich  an  der  Hand  selbst 
noch  20  kleine  Muskeln,  welche  durch  den  Ansatz  an  Mittelhand, 
Grundphalanx  und  durch  Bildung  der  sogenannten  Dorsalaponeurose 
die  feineren  Bewegungen  der  Finger  ausführen ;  nur  einer  von  ihnen 
ist  ein  Hautmuskel  (M,  palmaris  brevis). 

Der  Lage  nach  unterscheiden  wir  in  jeder  Gruppe  oberflächliche 
und  tiefe  Muskeln,  und  zwar  bei  den: 

oberflächlich  tief 

Schultermuskeln                      1  5 

Oberarmmuskeln                     3  1 

Vorderarm  muskeln                10  10 

Handmuskeln                        13  7 


Sa.    27  23 


Wenn  wir  jedoch  als  oberflächlich  einen  Muskel  bezeichnen 
woUen,  der  vom  Ursprung  bis  Ansatz,  also  in  ganzer  Ausdehnung  frei 
unter  Haut  und  Fascie  liegt,  und  als  t  i  e  f  einen  solchen,  der  an  keiner 
Stelle  der  Oberfläche  ohne  Auseinanderschieben  der  deckenden  Muskeln 

25 


26  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

oder  Sehnen  zu  sehen  ist,  so  kommen  wir  zu  einer  ganz  anderen 
Einteilung.  Dann  gehört  nicht  einmal  der  M.  deltoideus  zu  den  ober- 
flächlichen Muskeln,  indem  er  vorn  noch  etwas  vom  Platysma  bedeckt 
wird,  hinten  vom  lateralen  Sehnenspiegel  des  M.  trapezius. 

Dann  bleiben  als  oberflächliche  Muskeln  nur  übrig:  M.  extensor 
carpi  ulnaris,  extensor  digiti  V  und  extensor  digitorum  communis, 
palmaris  longus  und  brevis,  abductor  poUicis  brevis  und  M.  inter- 
osseus  dorsalis  I,  von  der  Rückseite  betrachtet.  Zu  den  tiefen  Muskeln 
wären  zu  rechnen  nur  die  M.  supraspinatus,  subscapularis  und  supinator 
(brevis). 

Die  obige  Einteilung  wäre  also  noch  durch  folgende  zu  ergänzen: 

in  ganzer  Ausdehnung  oberflächlich  7 

teils  oberflächlich,  teils  tief  40 

voUkomnaen  in  der  Tiefe  verborgen  3 

Sa.  50 

Am  losgelösten  Arme  sind  jedoch  auch  der  M.  subscapularis, 
M.  supraspinatus  der  freien  Besichtigung  zugängig,  und  auch  der 
M.  supinator  (brevis)  kann  durch  eine  geringe  radiale  Seitwärts- 
bewegung des  M.  brachioradialis  in  seinem  vorderen  Teile  ohne 
weiteres  zur  Anschauung  gebracht  werdeu. 

Der  Wirkung  nach  zerfallen: 

die  Schultermuskeln  in  2  Seitwärtsheber,  Abzieher  (M.  deltoideus 
—  Nebenwirkungen:  Beugung  und  Streckung  — ,  M.  supraspinatus); 
2  Auswärtsroller  (M.  infraspinatus  und  teres  minor) ;  2  Einwärtsroller 
(M.  subscapularis  und  teres  major;  der  wichtigste  Muskel  dieser  Gruppe, 
der  M.  latissimus  dorsi,  wird  mit  Recht  bei  der  Rumpfmuskulatur  be- 
schrieben) ; 

die  Oberarmmuskeln  in  2  Beuger  (M.  biceps  —  Nebenwirkung : 
Supination  — ,  M.  brachialis),  1  Strecker  (M.  triceps),  1  Beizieher 
(M.  coracobrachialis  —  Nebenwirkung:  Beugung  des  Oberarmes  — ); 

die  Vorderarmmuskeln  in  2  Einwärtsdreher  (M.  pronator  teres  und 
quadratus),  7  Beuger  (sei  es  des  Vorderarmes  —  M.  brachioradialis  — , 
der  Hand  im  ganzen  oder  der  Finger),  1  Auswärtsdreher  (M.  supinator), 
1  Abzieher  (M.  abductor  pollicis  longus)  und  9  Strecker  (sei  es  des 
Vorderarmes  —  M.  anconaeus  — ,  der  Hand  im  ganzen,  oder  der  Finger) ; 

die  Handmuskeln  in  1  Hautmuskel  (M.  palmaris  brevis),  2  Gegen- 
übersteller (M.  opponens  pollicis  und  digiti  V),  6  Beugemuskeln  (M. 
flexor  pollicis  brevis  und  digiti  V,  4  M.  lumbricales) ,  11  Spreiz- 
muskeln (M.  abductor  pollicis  brevis,  adductor  pollicis,  8  M.  inter- 
ossei  —  dorsales  et  volares  — ,  M.  abductor  digiti  V). 

Was  die  Nervenversorgung  anlangt,  so  sei  hier  einstweilen 
nur  erwähnt,  daß  der  Plexus  brachialis  zur  freien  Extremität  eine 
Reihe  von  dorsalen  —  Streck-  und  ventralen  —  Beugenerven  ent- 
sendet. Die  ersteren  versorgen  durch  die  N.  suprascapularis,  sub- 
scapulares  und  axillaris  die  ganze  eigentliche  Schultermuskulatur,  durch 
den  N.  radialis  die  gesamte  Streckmuskulatur  des  Ober-  und  Vorder- 
armes, einschließlich  des  M.  supinator.  Die  ventralen  Nerven  ver- 
sorgen durch  den  N.  musculocutaneus  sämtliche  Beugemuskeln  am 
Oberarme ;  durch  die  N.  medianus  und  ulnaris  die  Beugemuskeln  am 
Vorderarme,  einschließlich  der  Pronatoren,  ferner  die  gesamte  Hand- 
muskulatur. Während  also  die  dorsalen  Nerven  von  der  Schulter 
bis   zum  Vorderarme  reichen,   aber  keine  motorischen  Elemente  zur 

26 


Aeußere  Form.  27 

Hand  senden,  beginnen  die  ventralen  Nerven  erst  mit  dem  Oberarme, 
ohne  einen  Zweig  für  die  eigentliche  Schultermuskulatur  zu  liefern, 
nehmen  dafür  aber  die  ganze  Handmuskulatur  ^)  für  sich  in  Anspruch. 


B.  Spezieller  Teil. 
I.  Schuitermuskeln. 

Dieselben  bestehen  in  oberflächlicher  (longitudinaler)  Schicht  aus 
dem  M.  deltoideus,  in  tiefer  (transversaler)  aus  den  5  sogenannten  Rollern. 

M.  deltoideus  2). 

Synonyma :  Deltamuskel ,  dreieckiger  Armmuskel ,  Armheber ;  M. 
elevator  s,  extensor  humeri,  attollens  humerum;  Deltoide,  sous-acromio- 
humöral,  sous-acromio-clavi-humeral. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  M.  deltoideus  ist  ein  ungefähr  dreiseitiger,  gewölbter  Muskel, 
der  seine  Basis  am  Schultergürtel  hat  und  seine  Spitze  zum  Ober- 
armbeine wendet,  mit  einem  umgekehrten  griechischen  A  also  einige 
Aehnlichkeit  hat.  Er  bedeckt  das  Schultergelenk  in  mehr  als  der 
lateralen  Hälfte  und  trägt  mit  seiner  dicken,  grobbündligen  Fleisch- 
masse wesentlich  zur  Wölbung  und  Rundung  der  Schulter  bei. 

Idiotopie  und   Skeletopie. 

Er  entspringt: 

1)  von  der  Extremitas  acromialis  des  Schlüsselbeines, 

2)  von  der  Spitze  und  dem  lateralen  Umfange  des  Akromion, 

3)  vom  unteren  Rande  der  Spina  scapulae  und 

4)  bisweilen  im  Anschlüsse  daran  von  der  Fascia  infraspinata. 
Der  Ursprung   von   der  Clavicula  umfaßt  ungefähr  das  laterale 

Drittel  dieses  Knochens.  Die  medialen  Bündel  kommen  teils  fleischig, 
teils  mit  kurzen  Sehnen  von  dem  vorderen  Rande  des  Schlüsselbeines, 
lateral wärts  greifen  sie  aber  auch  auf  die  obere  Fläche  über  und 
leiten  so  den  Uebergang  zu  der  akromialen  Portion  ein,  welche  eben- 
falls teils  fleischig,  teils  sehnig  von  dem  ganzen  freien  Umfange  des 
Akromion,  die  breite  Spitze  miteingeschlossen,  ihren  Ursprung  nimmt. 
Diese  mittlere  Portion  ist  dadurch  gekennzeichnet,  daß  3—5  starke 
sehnige  Züge  von  oben  nach  unten  in  die  Dicke  des  Muskelbauches 
ausstrahlen  und  divergierenden  Muskelbündeln  zum  Ursprünge  dienen. 
Der  zwischen  2  Sehnenpfeilern  liegende  Abschnitt  wird  durch  direkt 
vom  Perioste  entspringende  Muskelbündel  eingenommen.  Ueberall, 
wo   sich  Sehnensubstanz  gegen  Muskelfleisch  absetzt,   finden  sich  bei 

1)  Die  Aufstellung  von  20  Handmuskeln  könnte  vielleicht  zu  Mißverständnissen 
Veranlassung  geben.  Wir  gewinnen  diese  Zahl  durch  den  M.  interosseus  volaris  I, 
diejenige  Unterabteilung  des  M.  adductor  pollicis,  welche  an  den  verschiedensten 
Steilen  Erwähnung  findet. 

2)  V.  Bardeleben  hält  noch  an  dem  sprachlich  richtigeren  deltoides  (A-«^»?? 
oder  besser  \;-eidt]g)  fest. 


28 


Fig.  33.    M.  deltoideus,  Muskelbild. 
Cl  Clavicula.   Aa  Acromion,  angulus  anterior.    Ap  Acromion,  angulus  posterior. 
P.  ma  M.  pectoralis   maior.    B.  b  M.  biceps,   caput   breve.     B.  l  M    biceps,   Caput 
longum.    Br  M.  brachialis.     T.la  M.  triceps,  caput  laterale. 


M.  deltoideus.  29 

der  Kontraktion  Niveaudifferenzen,  und  so  sind  auch  hier  am  Delta- 
muskel die  durch  die  Sehnenpfeiler  hervorgerufenen,  einschneidenden 
Furchen  um  so  tiefer,  je  mehr  sich  der  Unterschied  zwischen  tätiger 
Muskelsubstanz  und  passiver  Sehne  entwickelt  zeigt.  Besonders  zu 
erwähnen  sind  wegen  ihrer  Stärke  die  Sehnenpfeiler  an  der  vorderen 
und  hinteren  Ecke  des  Akromion.  Von  der  letzteren  aus  nach  hinten 
entspringt  noch  eine  kurze,  sehnige  Partie  der  Portio  acromialis. 
Dann  entwickelt  sich  von  der  Spina  scapulae  aus  ein  zunächst  ein- 
faches Sehnenblatt,  welches  der  hinteren  Portion,  dem  von  der  Spina 
scapulae  entspringenden  Anteile  des  Muskelbauches  zum  Ursprünge 
dient.  Der  Muskelbauch  der  Portio  spinata  entfernt  sich,  je  weiter 
nach  hinten  und  medialwärts,  um  so  mehr  von  der  Spina,  und  so 
scheint  der  sonst  bis  an  den  Schultergürtel  reichende  Wulst  des 
Deltamuskels  am  Lebenden  die  Schultergräte  hinten  nicht  mehr  zu 
erreichen.  Die  genauere  anatomische  Untersuchung  ergibt,  daß  hier 
die  Aponeurose  gleichzeitig  mit  der  tiefen  Sehnenplatte  verschmolzen 
ist,  die  ihrerseits  wieder  als  Ursprungsaponeurose  für  einige  Bündel 
des  M.  infraspinatus  dient.  Es  schieben  sich  hier  die  Bündel  ge- 
wissermaßen zwischen  beide  Blätter  der  aponeurotischen  Fascia 
deltoidea  hinein.  Wenn  die  hintersten  Bündel  nicht  mehr  zur  Spina 
streben,  sondern  zum  medialen  Rande  der  Scapula,  so  haben  wir  den 
oben  erwähnten  vierten  Ursprung  von  der  Fascia  infraspinata  zu  ver- 
zeichnen, der  allerdings  nicht  in  allen  P'ällen  zu  beobachten  ist,  jedoch 
konnten  wir  an  2  Präparaten  auf  dem  Präpariersaale,  welche  wahrschein- 
lich demselben  Körper  angehörten,  den  M.  deltoideus  bis  zum  oberen 
Rande  des  M.  teres  major  verfolgen.  Allerdings  blieben  die  medialen 
zwei  Drittel  der  Fossa  infraspinata  von  Muskelsubstanz  frei.  Der 
Deltamuskel  entspringt  nicht  vom  ganzen  unteren  Umfange  der  Spina 
scapulae,  sondern  läßt  den  medialen  Anfang,  ungefähr  2  Querfinger 
breit,  frei. 

Die  genaueren  Knochenursprünge  sind  durch  die  B.  N.A.  nicht  fest- 
gelegt, und  doch  läßt  eine  schnellere  Orientierung  einige  besondere  Be- 
zeichnungen wünschenswert  erscheinen.  Die  Spina  scapulae  beginnt  mit 
einem  flachen  dreieckigen  Felde,  welches  durch  den  darübergleitenden 
lateralen  Sehnenspiegel  der  aufsteigenden  Portion  des  M,  trapezius 
bedeckt  wird.  Auch  dieser  Muskel  findet  dort  nicht  seine  Insertion; 
im  Gegenteile,  an  dieser  Stelle  findet  sich  ein  nur  selten  deutlich  aus- 
gesprochener Schleimbeutel,  meistens  nur  sehr  lockeres,  schlüpfriges 
Bindegewebe.  Für  dieses  dreieckige  Feld,  welches  mit  seiner  Basis  an 
den  medialen  Rand,  die  Basis  der  Scapula  anstößt,  möchten  wir  den 
Namen  Trigonum  basale  vorschlagen.  Es  ist  auch  am  Lebenden 
gekennzeichnet,  indem  der  plötzliche  Uebergang  des  Muskelfleisches  des 
M.  trapezius  in  den  lateralen,  dreieckigen  Sehnenspiegel  hier  eine  mit- 
unter sehr  deutliche  Grube  oder  ein  Grübchen  hervorruft.  —  Unmittel- 
bar daneben  lateral  entwickelt  sich  eine  Ausladung  des  Knochens  nach 
unten,  die  durch  den  Zug  der  eben  erwähnten  Insertionssehne  entstanden 
ist.  Hier  setzen  sich  die  sonst  einander  genau  gegenüber  liegenden 
M.  deltoideus  und  trapezius  übereinander  an,  und  zwar  überlagert 
die  stärkere  Sehne  des  letzteren  die  schwächere  des  M.  deltoideus.  Für 
diesen  ist  der  lateralwärts  sehende  Rand  der  Rauhigkeit  Ursprungsgebiet, 
während  der  medialwärts  schauende,  kräftigere  Rand  Ansatzstelle  für  den 
M.  trapezius  ist.  Als  Bezeichnung  für  diese  Stelle  haben  wir  Tuberositas 

29 


30  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Spinae  gewählt.  Auf  diese  Weise  würde  der  Ursprung  des  M.  deltoideu» 
von  der  Spina  scapulae  nicht  bis  an  den  Margo  vertebralis,  auch  nicht 
an  das  Trigonum  basale,  sondern  an  die  Tuberositas  Spinae,  vornehmlich 
ihren  lateralen  Rand  zu  legen  seien. 

Von  diesem  langen,  kleidoscapularen  Ursprünge  aus  ziehen  die 
Muskelbündel  konvergierend  nach  unten.  Indem  die  vorderen  Bündel 
nach  hinten,  und  umgekehrt  die  hinteren  nach  vorn  verlaufen,  und  sich 
an  beiden  Stellen  die  mehr  lateralwärts  entspringenden  über  die 
medialen  Bündel  hinweglagern,  verschmälert  sich  der  mächtige  Bauch 
beträchtlich.  Die  gefiederten  Bündel  der  mittleren,  akromialen  Portion 
weisen  ebenfalls  eine,  wenn  auch  nicht  erhebliche,  Verschmälerung 
gegen  die  Tuberositas  deltoidea  auf.  So  nimmt  die  am  Schultergürtel 
in  breiter  kontinuierlicher  Linie  entspringende  Muskelmasse  am  Ober- 
arme eine  verhältnismäßig  kleine  Stelle  zum  Ansätze,  die  Tuberositas 
deltoidea,  welche,  kurz  ausgedrückt,  in  der  Mitte  des  Humerus  an 
seiner  Außenseite  ihr  Ende  findet. 

Auf  den  ersten  Blick  unterscheidet  man  bereits  am  Muskelfleische 
die  drei  Portionen:  die  vordere,  claviculare,  die  mittlere,  akromiale 
und  die  hintere.  Die  vordere  tritt  mit  ihren  wesentlich  parallelen 
Bündeln  in  der  unteren  Hälfte  der  Muskellänge  allmählich  hinter  die 
mittlere  Portion  und  entwickelt  eine  starke  Sehne,  welche  erst  durch 
Zurückschieben  des  M.  pectoralis  major  und  gleichzeitiges  Hochheben 
des  M.  deltoideus  sichtbar  gemacht  werden  kann.  Mitunter  sind  beide 
Endsehnen  so  eng  miteinander  verschmolzen,  daß  auch  die  Spaltung 
mit  dem  Messer  zu  keiner  einwandsfreien  Sonderung  führt.  Sie  inseriert 
lateralwärts  von  der  Crista  tuberculi  majoris,  welche  ja  in  der 
Tuberositas  deltoidea  aufzugehen  pflegt,  mit  anderen  Worten,  da  ja 
auch  die  Tuberositas  deltoidea  einem  umgekehrten  A  vergleichbar 
ist,  an  dem  vorderen  Schenkel  derselben. 

Die  hintere,  von  der  Spina  scapulae  entspringende  Portion  ist  der 
vorderen  ähnlich  gebaut.  Sie  besteht  aus  parallelen  Bündeln,  die 
sich  lateralwärts  decken,  und  entwickelt  eine  ebenfalls  versteckte  Sehne^ 
welche  erst  durch  Hochklappen  des  freien,  hinteren  Muskelrandes 
sichtbar  wird  und  sich  an  den  hinteren  Schenkel  der  Tuberositas 
deltoidea  anheftet.  Die  mittlere,  mächtigste  Portion  zeigt  eine  ganz 
andere  Architektur,  wie  die  beiden  eben  beschriebenen.  Sie  ist  so 
charakteristisch  und  kehrt  in  dieser  ausgeprägten  Form  nirgends 
sonst  in  der  menschlichen  Muskulatur  wieder,  so  daß  eine  eingehendere 
Besprechung  am  Platze  erscheinen  dürfte.  Vom  lateralen  Umfange 
des  Akromion  senken  sich  3 — 5  Sehnenpfeiler  senkrecht  in  die  Tiefe 
des  Muskelbauches  hinein ;  sie  liegen  teilweise  an  der  Oberfläche, 
haben  aber  auch  trotz  ihrer  überwiegend  tiefen  Lage  den  oben  erwähnten 
Einfluß  auf  die  äußere  Form  in  Gestalt  einschneidender  Furchen. 
Diese  verlaufen  je  nach  der  Haltung  des  Armes  in  verschiedener 
Weise,  nämlich  bei  herabhängendem  Arme  ungefähr  senkrecht  von 
oben  nach  unten,  bei  einwärts  rotiertem  Arme  schräg  nach  vorn  und 
bei  Auswärtsrotation  schräg  nach  hinten.  Ihnen  gegenüber  und  genau 
in  der  Mitte  zwischen  je  2  oberen,  streben  ihnen  von  unten  aus  der 
Tiefe  der  Ansatzsehne  sehnige  Scheidewände  entgegen,  welche  jedoch 
niemals  die  Oberfläche  erreichen,  ihre  Zahl  schwankt  demgemäß  zwischen 
2  und  4.  Die  von  je  2  benachbarten  oberen  Pfeilern  entspringenden 
Muskelbündel  konvergieren  zu  der  Spitze  und  den  beiden  Seiten  des 

30 


M.  deltoideus.  31 

zwischen  ihnen  liegenden  unteren  Sehnenblattes;  der  zwischen  ihnen 
frei  bleibende  Teil  wird  von  Muskelbündeln  ausgefüllt,  welche  unmittelbar 
vom  Perioste  zur  Spitze  des  unteren  Sehnenblattes  ziehen.  Von  dem 
unteren  Ende  der  oberen  Sehnenpfeiler  entwickeln  sich  ebenfalls  Muskel- 
keile, welche  ihre  Basis  an  dem  unteren  Ende  des  Muskels  haben, 
wie  derselbe  am  Oberflächenpräparat  erscheint  —  absichtlich  ist  hier 
nicht  gesagt:  an  der  Tuberositas  deltoidea,  denn  dieselbe  liegt  je  nach 
der  Muskelstärke  noch  in  einex  Tiefe  bis  zu  1,5  cm. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Deltamuskel  ist  einer  der  wenigen  Muskeln  des  Körpers, 
welche  in  dem  größten  Teile  ihrer  Ausdehnung  nur  von  der  Haut 
bedeckt  sind.  In  dieser  verzweigen  sich  oben  und  auch  vorn  die 
R.  cutanei  supraclaviculares  und  supraacromiales,  unten  hinten  die 
Hautzweige  seines  Muskelnerven,  der  R.  cutaneus  n.  axillaris,  also 
vor  allem  dorsale  Plexuselemente,  welche  dem  vierten  und  fünften 
Dermatome  zukommen.  Des  Uebergreifens  kleiner  Hautzweige  aus 
ventralen  Dermatomen  der  N.  thoracales  I  und  II,  kann  hier  nur  kurz  ge- 
dacht und  muß  deshalb  auf  die  Arbeit  von  L.  Bolk  ^)  verwiesen  werden. 

Die  Fascie  ist  im  allgemeinen  dünn,  nur  in  der  Mitte  entwickelt 
sie  stärkere  Septa,  welche  teils  einzelne  Bündel,  teils  Gruppen  von 
solchen  einschließen.  Besonders  sei  hier  eines  gedacht,  welches  die 
hintere  Abteilung,  die  Portio  spinata,  von  der  Portio  acromialis  scheidet. 
Die  tiefe  Fascie  ist  ebenfalls  schwach  und  nur  in  der  Nähe  der  Spina 
scapulae  stark  entwickelt.  Hier  vereint  sie  sich  mit  der  Fascia  infra- 
spinata  und  dient  einigen  Bündeln  des  gleichnamigen  Muskels  zum 
Ursprünge.  Am  Akromion  verdünnt  sie  sich  wieder  und  bildet  die  obere 
Decke  des  später  zu  beschreibenden  Schleimbeutels,  der  großen  Bursa 
subdeltoidea  oder,  wie  gleich  hier  erwähnt  sein  mag,  besser  der  Bursa 
subacromialis.  Im  übrigen  wird  die  tiefe  Fascie  an  vielen  Stellen  durch 
die  für  den  Muskel  bestimmten  Gefäß-  und  Nervenzweige  durchbohrt. 

Außer  der  Bursa  subacromialis  bedeckt  der  M.  deltoideus  die 
Ansatzsehnen  der  Rollmuskeln,  welche  die  Gelenkkapsel  fast  ver- 
decken, den  Oberarmkopf  mit  seinen  beiden  Tubercula  und  der 
zwischen  ihnen  verlaufenden  Sehne  des  langen  Bicepskopfes ;  ferner 
das  Collum  chirurgicum  mit  den  dasselbe  von  hinten  her  umfassenden 
Gefäßen  und  Nerven,  die  distalen  Enden  der  Roller,  den  oberen  Teil 
des  Caput  laterale  m.  tricipitis  und  vorn-oben  den  Proc.  coracoideus  mit 
dem  Anfange  der  von  ihm  entspringenden  Muskeln.  An  den  vorderen 
Rand  schmiegt  sich  unten  der  M.  pectoralis  major  innig  an,  nach 
oben  verläßt  er  ihn  allmählich,  und  so  entsteht  eine  spitzwinklige 
Furche,  der  Sulcus  deltoideopectoralis,  der  sich  nach  oben  zur  Fossa 
infraclavicularis  erweitert.  In  dieser  Furche  verläuft  oberflächlich  die 
V.  cephalica,  mehr  in  der  Tiefe,  bisweilen  durch  ein  Fascienblatt  ge- 
trennt, Zweige  der  Vasa  deltoideopectoralia  aus  den  Vasa  thoracicoacro- 
mialia.  —  Der  hintere  Rand  ist  schräger,  als  der  vordere;  er  wird 
allmählich  über  der  Fascia  infraspinata  als  Wulst  sichtbar  und  über- 
kreuzt dabei  die  M.  infraspinatus,  teres  minor,  anconaeus  longus  und 
lateralis.  Der  M.  teres  major  hat  hier  bereits  die  hintere  Fläche  des 
Schulterblattes  verlassen,  um  vor  den   langen  Tricepskopf  zu  treten. 

1)  L.  Bolk,  Die  Segmentaldifferenzierung  des  menschlichen  Rumpfes  und  seiner 
Extremitäten.    Morphologisches  Jahrbuch,  XXVI,  1,  1898,  Leipzig,  W.  Engelmann. 

31 


32  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Die  Bursa  subdeltoidea  oder,  wie  wir  sie  nennen  wollen,  sub- 
acromialis  ist  einer  der  am  frühesten  sich  entwickelnden  Schleimbeutel, 
unmittelbar  unter  der  Spitze  des  Akromion  gelegen  und  in  größter 
Ausdehnung  bei  herabhängendem  Arme  sichtbar.  Dann  reicht  sein 
unterer  Rand  bis  3  cm  unter  das  Akromion  herab;  bei  rechtwinklig 
erhobenem  Arme  verschwindet  er  vollkommen  unter  der  Schulterhöhe 
und  dem  Lig.  coracoacromiale.  Bisweilen  sind  mehrere  Kammern  vor- 
handen, oder  er  besitzt  Ausbuchtungen,  wie  in  dem  abgebildeten  Falle, 
einen  kleineren  Recessus  für  das  Tuberculum  minus  und  einen  größeren 
für  das  Tuberculum  majus.  Bei  Einwärtsrotation  spannt  sich  der  Re- 
cessus über  dem  Tuberculum  majus,  bei  Auswärtsrollung  über  dem 
Tuberculum  minus.  In  dem  abgebildeten  Falle  waren  die  Recessus 
mit  Luft  erfüllt,  so  daß  die  Verschiebungen  des  genaueren  beobachtet 
werden  konnten. 

Wir  können  die  alte  Bezeichnung  Bursa  subdeltoidea  nicht  mehr 
beibehalten,  weil  uns  unsere  vielfachen  Präparate  lehrten,  daß  dieser 
Schleimbeutel  eigentlich  nichts  mit  dem  Deltamuskel,  also  der  ober- 
flächlichen Schicht  der  Schultermuskeln  zu  tun  hat,  sondern  aus- 
schließlich der  tiefen  Schicht,  den  sogenannten  Rollern,  seine  Gegen- 
wart verdankt:  in  erster  Linie  dem  M.  supraspinatus,  bei  dessen  Zu- 
sammenziehung, also  der  Elevation  oder  Abduktion,  der  ganze  Schleim- 
beutel gegen  die  Fossa  supraspinata  verschoben  wird,  bei  extremer 
Anspannung  sogar  vollkommen  unter  dem  Lig.  coracoacromiale  ver- 
schwindet. Die  seitlichen  Recessus  über  dem  Tuberculum  majus  und 
minus  sind  durch  den  Zug  der  entsprechenden  Auswärts-  oder  Ein- 
wärtsroller entstanden. 

Der  Deltamuskel  ließ  sich,  wie  nochmals  gesagt  sei,  in  allen  Fällen 
mit  Leichtigkeit  entfernen,  ohne  Eröifnung  des  Schleimbeutels,  und 
das  ist  sonst  bei  jedem  anderen  Muskel  mit  den  größten  Schwierig- 
keiten verknüpft  oder  überhaupt  unmöglich.  In  den  B.N.A.  finden 
wir  neben  der  Bursa  subdeltoidea  die  Bursa  subacromialis  angegeben. 
Wir  halten  es  für  richtig,  die  Bezeichnung  Bursa  subdeltoidea  voll- 
kommen fallen  zu  lassen.  Die  Bursa  subacromialis  beschränkt  sich 
jedoch  nicht  auf  die  untere  Fläche  des  Akromion,  liegt  vielmehr  im 
wesentlichen  unter  dem  Lig.  coracoacromiale.  Indessen  würde  der 
Name  Bursa  coracoacromialis  zu  Mißverständnissen  führen  können,  da 
dieser  Schleimbeutel  nur  in  geringe  Berührung  mit  dem  Processus 
coracoideus  kommt. 

Bei  den  wiederholten  Untersuchungen  des  feineren  Ursprunges 
oder  Ansatzes  haben  wir  zum  Schlüsse  noch  gefunden,  daß  innerhalb 
der  Sehnenpfeiler,  welche  vom  Akromion  entsringen,  sich  i  n  t  e  r  - 
tendinöse  Schleimbeutel  entwickeln  können. 

In  einem  Falle  haben  wir  oberhalb  des  Processus  coracoideus 
einen  Schleimbeutel  von  2  cm  größtem  Durchmesser  gefunden.  Dieser 
lag  in  dem  Räume  zwischen  Clavicula  und  Proc.  coracoideus  und 
vorderem  Teile  des  Deltamuskels.  Bei  Bewegung  der  Clavicula  nach 
hinten  hin  schied  diese  als  Fläche  aus,  so  daß  die  obere  Wand  des 
Schleimbeutels  vom  M.  deltoideus  bedeckt  wurde  und  die  untere  dem 
Proc.  coracoideus  entsprach.  Bei  der  Bewegung  der  Clavicula  nach 
vorn  oder  unten  hin  war  die  obere  Fläche  des  Proc.  coracoideus  nur 
noch  in  Berührung  mit  der  Clavicula.  Wenn  ein  Name  für  den 
Schleimbeutel  gewählt  werden  soll,  so  dürfte  die  Bezeichnung  Bursa 
mucosa  supracoracoidea  dem  Verständnisse  keine  Schwierigkeiten  be- 

32 


M.  deltoideus. 


33 


Handbuch  der  Anatomie 


33 


34  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

reiten,  weil  er  der  Bursa  subcoracoidea  nachgebildet  ist  und  die 
wechselnden  Beziehungen  zu  der  Clavicula  und  dem  M.  deltoideus 
nicht  berücksichtigt.  Die  Häufigkeit  der  Fälle  kam  auch  bei  diesem 
Schleimbeutel  zur  Geltung,  indem  wir  kurz  darauf  einen  vollkommen 
gleich  angelegten  Schleimbeutel  bei  5  anderen  Armen  beobachteten, 
dessen  größte  Länge  (rechter  Arm  eines  mittelkräftigen  40-jährigen 
Mannes)  sogar  2,7  cm  betrug.  Da,  wie  oben  beschrieben,  bei  einer 
gewissen  Stellung  der  M.  deltoideus  überhaupt  nicht  in  Beziehung  zu 
diesem  Schleimbeutel. tritt,  so  könnte  man  zu  der  Anschauung  kommen, 
daß  er  nur  bei  der  Gelenklehre  zu  beschreiben  sei.  In  der  Tat  fand 
Frohse  jetzt  einen  Fall  auf  dem  Präpariersaale,  wo  bei  der  Muskel- 
präparation dieser  Schleimbeutel  nicht  entdeckt,  sondern  erst  von  ihm 
bei  der  Abgabe  der  Gelenke  aufgeschnitten  wurde. 

An  demselben  Präparate  war  außerdem  zwischen  M.  deltoideus 
und  Tuberculum  minus  ein  Schleimbeutel  vorhanden  von  1  cm  größter 
Länge,  welcher  mit  keinem  anderen  der  hier  beschriebenen  typischen 
Schleimbeutel  zusammenhing,  also  eine  wahre  Bursa  subdeltoidea. 
Die  Bursa  subacromialis  war  vorhanden,  wenn  auch  der  mediale 
Recessus  über  dem  Tuberculum  minus  etwas  kleiner  als  gewöhnlich 
war.  Vielleicht  hängt  die  oben  als  Bursa  subdeltoidea  propria  be- 
schriebene Einrichtung  damit  zusammen,  daß  der  kurze  Kopf  des 
Biceps  eine  besondere  Sehne  in  die  Gelenkkapsel  ausstrahlen  ließ. 

Wirkung. 

Der  M.  deltoideus  entfernt  den  Arm  vom  Rumpfe  in  der  Richtung 
nach  außen,  eine  Bewegung,  die  vielfach,  wie  auch  aus  den  eingangs 
aufgeführten  Synonyma  hervorgeht,  als  Elevation  bezeichnet  wird,  aber 
besser  den  Namen  Abduktion  verdient.  Die  Kontraktion  des  Delta- 
muskels allein  bringt  den  Arm  bis  zur  Horizontalen.  Die  Bewegung 
darüber  hinaus  wird  durch  das  Anstoßen  des  Oberarmkopfes  gegen  das 
Akromion  und  den  Proc.  coracoideus,  sowie  das  beide  Knochenpunkte 
verbindende  Lig.  coracoacromiale,  ferner  durch  das  Anspannen  der 
unteren  Kapselwand  und  auch  die  Dehnung  des  M.  teres  major  unmöglich 
gemacht  —  oder  es  entsteht  eine  Luxation. 

Alle  drei  Portionen  beteiligen  sich  an  der  Abduktion  des  Armes : 
die  mittlere  hebt  den  Arm  direkt  nach  außen,  die  vordere  gleichzeitig 
nach  vorn  und  innen,  die  hintere  nach  hinten  und  innen.  Nach 
Duchenne  ^)  vermögen  die  hinteren  Bündel  den  Arm  nur  bis  zu 
einem  Winkel  von  45**  zu  erheben. 

Derselbe  Autor  beschreibt  S.  92  eine  isolierte  Wirkung  des 
M.  deltoideus,  die  man  durch  den  Willen  nicht  nachmachen  kann, 
da  derselbe  nicht  die  gefährliche  Macht  besitzt,  wie  die  lokale 
Faradisation,  den  Muskel  isoliert  zur  Kontraktion  zu  bringen,  fol- 
gende unter  III,  2  beschriebene  fehlerhafte  Stellung  nachzumachen. 
Er  bedingt  eine  Hebelbewegung  des  Schulterblattes  um  eine  imaginäre 
senkrechte,  durch  seinen  äußeren  Winkel  durchgelegte  Achse,  so  daß 
sich  der  spinale  Rand  desselben  um  4—5  cm  von  den  Thoraxwänden 
entfernt  und  sich  flügeiförmig  davon  loszulösen  scheint.  Während 
dieses  Experimentes  bildet  sich  zwischen  dem  spinalen  Rande  des 
Schulterblattes   und  der  entsprechenden  Partie  des  Rückens  eine  Art 


1)  a.  a.  O.  S.  43,  II. 

34 


M.  deltoideus.  35 

Rinne,  die  bald  mehr,  bald  weniger  tief  ist,  und  der  Humeruskopf 
zeigt  eine  Tendenz,  die  Gelenkhöhle  zu  verlassen  und  sich  nach  unten 
zu  subluxieren. 

Wenn  die  Portio  clavicularis  den  Arm  nach  vorn  gehoben,  ge- 
beugt hat,  kann  die  Portio  spinata  ein  kräftiger  Antagonist  werden, 
welche  den  Arm  zuerst  senkt  und  dann  nach  hinten  streckt.  Im 
allgemeinen  reicht  die  Schwerkraft  bei  Erschlaffung  der  vorderen 
Muskelbündel  aus,  um  den  Arm  wieder  in  die  Ruhelage,  seitlich  am 
Rumpfe  herabhängend  zu  bringen. 

Uebrigens  haben  wir  die  isolierte  Wirkung  der  einzelnen  Por- 
tionen und  die  Gesamtwirkung  bei  Anstrengung  bei  einem  62-jährigen 
männlichen  Berufsmodelle  mit  aller  Deutlichkeit  durch  die  fettarme 
Haut  hindurchsehen  können.  Einen  noch  klareren  Ueberblick  gewannen 
wir  natürlich  durch  die  Betastung,  durch  den  Grad  der  Härte,  welchen 
die  einzelnen  Muskelbündel  zeigten.  Bei  herabhängendem  Arme  schien 
der  Deltamuskel  bereits  mit  der  hinteren  Ecke  des  Akromion  auf- 
zuhören, weil  die  Portio  acromialis  gegenüber  der  Portio  spinata  sehr 
stark  entwickelt  war.  Erst  bei  aktiver  oder  passiver  Bewegung  des 
Armes  nach  hinten  erreichte  die  Portio  spinata  dasselbe  Niveau,  wie 
die  nunmehr  etwas  erschlaffende  Portio  acromialis.  Daß  die  letztere 
bei  einfacher  Seitwärtsbewegung,  die  Muskelarchitektur  mit  ihren 
proximalen  und  distalen  Muskelteilen  deutlich  zu  sehen  war,  sei  bei- 
läufig erwähnt.  Die  Portio  clavicularis  trat  bei  Vorwärtsbewegung 
des  Armes,  der  Beugung,  klar  sieht-  und  fühlbar  in  Erscheinung. 
Wenn  wir  der  Abduktion  des  Armes  durch  Festhalten  des  Vorder- 
armes Widerstand  entgegenstellten,  traten  alle  3  Portionen  in  Wirk- 
samkeit. Inwieweit  das  von  Duchenne  beschriebene  flügelartige 
Abstehen  der  medialen  Schulterblattränder,  welches  wir  bei  ver- 
schiedenen Bewegungen  beobachteten,  auf  die  Wirkung  gerade  oder 
ausschließlich  des  Deltamuskels  zurückzuführen  ist,  wagen  wir  nicht 
zu  entscheiden. 

In  einem  Falle  haben  wir  innerhalb  der  proximalen  Sehnenpfeiler 
Schleimbeutel  nachweisen  können ;  diese  sind  dann  den  Schleimbeuteln 
vergleichbar,  welche  sich  im  Innern  der  Tricepssehne  oder  auch  des 
M.  subscapularis  finden,  um  nur  Beispiele  von  der  oberen  Extremität 
anzuführen.  Weil  es  sich  um  neue,  nicht  durch  Abbildungen  fest- 
gelegte Tatsachen  handelt,  sei  hiermit  auf  die  Nachprüfung  der  Fach- 
genossen hingewiesen,  besonders  da  Schleimbeutel  im  Bereiche  eines 
Muskelursprunges  in  Frage  kommen. 

Praktische   Bemerkungen. 

Der  bei  der  Resectio  humeri  vor  allem  in  Betracht  kommende 
Längsschnitt,  welcher  den  M.  deltoideus  von  oben  nach  unten  hin 
längs  durchtrennt,  mehr  dem  Processus  coracoideus  genähert  als  der 
vorderen  Ecke  des  Akromion,  verdient  auch  vom  anatomischen  Stand- 
punkte aus  vollkommene  Billigung.  Es  werden  nur  die  vordersten 
feinen  Nervenzweige  durchschnitten,  unter  Umständen  bleiben  auch 
diese  Muskelbündel  noch  der  Bewegung  fähig,  wenn  sie  nämlich  (in 
Ausnahmefällen)  von  den  N.  thoracales  anteriores  versorgt  werden. 
Aber  auch  mit  Rücksicht  auf  die  Gefäßversorgung  wirkt  dieser  Schnitt 
so  unblutig,  wie  nur  möglich,  weil  an  dieser  Stelle  auch  das  Grenz- 
gebiet   liegt    zwischen   den   Hauptmuskelgefäßen :    hinten   der   Vasa 

3* 

35 


36 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


circumflexa  humeri  posteriora,  vorne  der  Vasa  deltoidea  aus  den  Rami 
deltoideopectorales  der  Vasa  thoracoacromialia. 

Innervation. 

Der  M.  deltoideus  gibt  in  seinem  Nervenbilde  die  Muskelarchitektur 
unverkennbar  wieder.  Sein  Muskelnerv,  der  N.  axillaris,  schickt  zu- 
nächst  einen   gesonderten   Zweig   zur   Portio   spinata.     Wir  können 


Fig.  36.    Eechter  M.  deltoideus;  Nerven bild,  auf  die  Oberfläche  projiziert. 


nämlich  den  N.  axillaris  in  zwei  Abschnitte  zerlegen,  einen  hinteren, 
welcher  außer  der  Portio  spinata  m.  deltoidei  den  M.  teres  minor 
versorgt  und  auch  den  oder  die  Hautzweige  zur  hinteren  Schulter- 
gegend hervorgehen  läßt,  und  einen  vorderen.  Diesem  gewöhnlich 
dreigeteilten  hinteren  Nervenzweige  steht  der  ungeteilte  vordere,  rein 
motorische  gegenüber,  welcher  den  ganzen  Rest  des  M.  deltoideus 
versorgt. 

36 


M.  deltoideus.  37 

Wir  müssen  leider  in  einigen  Punkten  gegen  die  bildliche  Dar- 
stellung von  CuNNiNGHAM^)  Widerspruch  erheben.  Der  hintere  Ast 
des  N.  axillaris  hat  eine  vorzügliche  scheraatische  Abbildung  erfahren, 
besonders  deshalb,  weil  bei  dem  motorischen  Zweige  für  den  M.  teres 
minor  die  spindelförmige  Anschwellung  zwar  nicht  bezeichnet,  aber 
richtig  wiedergegeben  ist.  Wir  vermissen  jedoch  denjenigen  Haut- 
zweig, welcher  sich  durch  die  Portio  spinata  seinen  Weg  zur  Tela 
subcutanea  bahnt,  und  verstehen  vor  allem  nicht,  wie  der  vordere, 
nach  unseren  Erfahrungen  rein  motorische  Ast  sowohl  im  mittleren, 
wie  im  vorderen  Bezirke  des  M.  deltoideus  noch  sensible  Nerven 
liefern  soll.  Diese  haben  vorn  überhaupt  keine  Beziehungen  zur  Haut. 
Glücklicherweise  ist  diese  Abbildung  nicht  in  das  Werk:  Text  Book 
of  anatomy,  Edinburg  and  London  1902,  übernommen  worden.  — 
Ein  Irrtum  ist  aus  dem  Grunde  möglich,  weil  in  der  Tat  auch  im 
mittleren  und  vorderen  Abschnitte  des  M.  deltoideus  Nerven  an  die 
Oberfläche  treten  können,  welche  jedoch  niemals  die  Fascie  durch- 
bohren, sondern  nur  distale  Nervenzweige  für  den  Ansatz  des  M. 
deltoideus  darstellen. 

Die  Portio  spinata  erhält  im  wesentlichen  aufsteigende  Nerven- 
zweige und  nur  wenige  absteigende.  Wenn,  wie  in  unserer  Abbildung, 
die  doppelt  konturierten  Hautzweige  sich  teilweise  durch  die  Muskulatur 
ihren  Weg  bahnen,  kann  allerdings  der  Eindruck  erweckt  werden,  als 
ob  dort  starke,  absteigende  Muskelzweige  vorhanden  wären.  Die  Auf- 
faserung  der  Muskelbündel  aber  läßt  dann  unschwer  diesen  Irrtum  er- 
kennen. 

Wesentlich  ähnlich  ist  die  folgende  parallelfaserige  Muskelabteilung 
gebaut,  welche  bis  zur  hinteren  Ecke  des  Akromion  reicht.  Mit  den 
von  diesem  sich  entwickelnden  Muskelkeilen  und  Sehnenpfeilern  kommt 
erst  das  typische  Bild  der  Doppelfiederung  heraus:  ungefähr  gleichlange 
auf-  und  absteigende  Nervenzweige.  Die  vordere  claviculare  Portion 
gleicht  mit  ihrem  Nervenbilde  wieder  mehr  der  Portio  spinata,  was 
aber  nicht  Wunder  nehmen  kann,  weil  sie  ebenfalls  im  wesentlichen 
parallelbündlig  gebaut  ist. 

Innere  Nerven anastomosen  kommen  verschiedentlich,  wenn  auch 
nicht  gerade  zahlreich,  vor. 

Die  klinische  Angabe  zweier  Reizungspunkte,  eines  mehr  hinten 
gelegenen,  der  Portio  spinata  entsprechenden,  und  eines  vorderen, 
welcher  der  lateralen  Wölbung  des  Deltamuskels  entspricht,  findet 
also  die  anatomische  Bestätigung.  Aus  unserem  Nervenbilde  dürfte 
sich  aber  ohne  weiteres  ergeben,  daß  auch  in  der  vorderen  clavi- 
cularen  Portion  noch  dicke  Nerven  vorhanden  sind,  welche  den  ent- 
sprechenden Muskelabschnitt  in  Tätigkeit  setzen  oder  auch  rückläufig 
die  ganze  Deltamuskulatur  zur  Zuckung  bringen  können. 

Nicht  abgebildet  haben  wir  die  jedenfalls  nur  selten  zur  Be- 
obachtung kommende  Tatsache,  daß  die  vordersten  Bündel  der  Portio 
clavicularis  von  den  N.  thoracales  anteriores  versorgt  werden  können. 
In  einem  derartigen  Falle  fand  Frohse  sogar  eine  Anastomose  mit 
den  Ausläufern  des  N.  axillaris. 

Nach  der  Zeichnung  der  vorliegenden  Abbildung  haben  wir  noch 
genauere  Untersuchungen  angestellt  und  dabei  lange  Sehnennerven 


1)  CuNNiNGHAM,  Manual  of  practical  Anatomy,  Vol.  I,  1896,  p.  51,  Fig.  14. 
—  Diagram  of  the  circumflex  vessels  and  nerve. 


38 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


gefunden  zu  den  Ursprungssehnen,  besonders  auch  zu  den  Sehnen- 
pfeilern, aber  auch  bis  in  die  Nähe  der  Ansatzsehne.  Diese  zeichnen 
sich  jedoch  durch  ihre  tiefe  Lage  aus. 


Muskelbündellänge. 

Minimum  6,5  cm 

Maximum  14,5    „ 

Durchschnitt  aus  45  Messungen  OjS    „ 
Unterschied  in  Centimetern  8,  in  Prozenten  123  "/o 


Segmentbezüge: 
(4.)  5.,  6.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

öehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  hnker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

145 
131,4 
405 
388 

128 
116 

384 
365,8 

17 
15,4 
21 
22,2 

90,6 
90,6 
95,3 
95,3 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

267,4 

248,5 

18,9 

92,4 

Varietäten. 

Die  Portio  clavicularis  oder  acromialis  kann  ganz  oder  teilweise 
fehlen ;  beide  Portionen  sind  bisweilen  untereinander,  sowie  auch  von 
der  Portio  spinata  deutlich  getrennt.  Besondere  Muskelbündel  am 
hinteren  Rande  des  Deltamuskels  kommen  häufiger  zur  Beobachtung. 
Sie  entspringen  entweder  von  der  Fascia  infraspinata  bis  zum  Margo 
vertebralis  scapulae  oder  auch  zur  Achselhöhle  hin  vom  Margo  axillaris. 

Einmal  haben  wir  auch  beobachtet,  daß  sich  ein  ca.  2  cm  breiter 
flacher  Muskel  von  der  Fascia  infraspinata  quer  über  die  hinteren 
Bündel  der  Portio  spinata  hinweg  zur  Fascia  deltoidea  superficialis 
begab.  —  Die  Verbindungen  mit  den  Nachbarmuskeln  sind  individuell 
sehr  verschieden  entwickelt:  als  normal  möchten  wir  den  Zusammen- 
hang der  Endsehne  mit  dem  M.  pectoralis  major  ansehen,  ebenso  wie 
die  mit  dem  M.  brachialis  distalwärts. 

Hier  möchten  wir  beifügen,  daß  wir  dem  von  Poirier  erwähnten 
cas  unique  de  Macalister  4  Fälle,  darunter  einen  doppelseitigen, 
anreihen  können,  daß  der  M.  brachioradialis  proximalwärts  bis  zur 
Tuberositas  deltoidea  reicht  und  sich  hier  mit  dem  Deltamuskel  ver- 
band, teils  muskulös,  teils  durch  eine  sehnige  Scheidewand,  wie  es 
gewöhnlich  mit  dem  M.  brachialis  der  Fall  ist:  der  Zusammenhang 
mit  dem  M.  trapezius  und  dem  M.  infraspinatus  vollzieht  sich  nur 
durch  die  Vermittelung  von  Sehnenzügen  oder  aponeurotischen  Fascien- 
teilen,  aber  nicht  durch  Uebergang  von  Muskelfleisch  zu  Muskelfleisch. 

Vom  M.  deltoideus  löste  sich,  von  der  Spina  scapulae  entspringend, 
ein  12  cm  langes,  1  cm  breites  Fascikel  ab,  welches  in  das  mittlere 
Drittel  der  Armfascie  ausstrahlte  (V.B.  No.  20).   In  einem  Falle  wurde 

38 


M.  subecapularis.  39 

eine  Koiijugationszacke  des  M.  infraspinatus  vom  unteren  Winkel  der 
Scapula  zum  Ansatz  des  M.  deltoideus  beobachtet  (V.B.  No.  182).  Wie 
bereits  im  Texte  erwähnt,  haben  wir  1907  2  wahrscheinlich  doppel- 
seitige Fälle  beobachtet,  in  welchen  das  Muskelfleisch  des  M.  deltoideus 
bis  zum  M.  teres  major  reichte  und  dabei  den  M.  teres  minor  voll- 
kommen zudeckte.  -—  Eine  interessante  Varietät  hat  Dr.  HEiN-Berlin 
beobachtet  an  dem  linken  Arme  eines  etwa  25-jährigen  Mannes,  indem 
der  N.  axillaris  ein  etwa  1  cm  breites  flaches  Bündel  des  M.  sub- 
scapularis  am  Margo  axillaris  scapulae  von  der  Hauptmasse  abzweigte. 


M.  subscapularis. 

Synonyma:  Unter-,  Vorder-Schulterblattmuskel ;  M.  infrascapularis, 
M.  immersus ;  Sous-scapulaire,  sous-scapulo-trochiteiien  Chaussier,  Dumas  ; 
Rotator  humeri  anticus  Duchenne, 

Allgemeine  Bes-ch'reibung. 

Der  M.  subscapularis  ist  ein  ungefähr  dreiseitiger  Muskel,  welcher 
mit  seiner  dicken  Fleischmasse  die  gleichnamige  Grube  des  Schulter- 
blattes fast  vollkommen  ausfüllt.  Seine  starke  Sehne  deckt  das 
Schultergelenk  von  vorn  her  zu  und  findet  ihren  Ansatz  am  ganzen 
Tuberculum  minus.    Er  ist  ein   kräftiger  Einwärtsroller. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskelbauch  entspricht  nicht  genau  der  Fossa  subscapularis 
am  Knochen,  wie  wir  es  auch  beim  M.  infraspinatus  kennen  lernen 
werden,  sondern  läßt  sie  an  einigen  Stellen  frei;  dafür  überschreitet 
sie  aber  auch  den  Knochen  nach  unten  gegen  die  Achselhöhle  zu. 

Entsprechend  dem  Ursprünge  des  M.  serratus  anterior  wird  die 
Basis  des  Schulterblattes,  vornehmlich  der  obere  und  untere  Winkel, 
nicht  vom  M.  subscapularis  eingenommen.  —  Sämtliche  drei  Ecken  des 
Muskelbildes  erscheinen  abgerundet.  Die  beiden  medialen  Winkel 
weisen  entsprechend  den  Anguli  superior  und  inferior  der  Scapula  eine 
ausgesprochene  mediale  Konvexität  auf,  und  auch  der  laterale  Ansatz, 
dessen  Sehne  nicht  mehr  der  Scapula,  sondern  schon  dem  Humerus 
im  Bereiche  des  Tuberculum  minus  entspricht. 

Bei  den  Ursprungsbündeln  unterscheiden  wir: 

1)  oberflächliche;  diese  hängen  teilweise  mit  der  Fascia  sub- 
scapularis zusammen,  besonders  am  äußeren,  axillaren  Rande  der 
Scapula,  wo  sie  sich  mehr  oder  weniger  innig  mit  den  Ursprungs- 
sehnen des  M.  teres  major  und  minor,  sowie  dem  langen  Tricepskopfe 
verbinden  können; 

2)  tiefe  vom  Knochen  her,  teils  muskulös,  teils  durch  Vermittelung 
sehniger  Platten,  welche  die  Lineae  musculares,  frühere  Costae 
scapulae,  hervorrufen.  Dieser  Lineae  gibt  es  3 — 7,  und  es  entwickeln 
sich  von  ihnen  aus,  divergierend,  Muskelbündel  zur  Endsehne.  Der 
zwischen  2  Sehnenpfeilern  frei  bleibende  Raum  wird  von  Muskel- 
keilen eingenommen,  welche  ihre  Basis  am  medialen  Schulterblatt- 
rande haben  und  ihre  Spitze  gegen  die  Endsehne  wenden.  Auch 
von    der    Endsehne   entwickeln   sich   alternierende   Muskelteile.      Die 

39 


40 


FROHSE    und   M.   FRÄNKEL, 


A  ae 


Fig.  37.   M.  subscapularis  und  coracobrachialis,  Muskel 


bild. 


+  =  Lig.  transversum  scapulae  superius ;  +  +  =  Arcus 
tendineus  m.  coracobrachialis ;  A.aG  ^==  Artic.  acromioclavi- 
cularis;  *S'  =  M.  supraspinatus ;  P.mi  =  M..  pectoralis  minor; 
Ssc  =  M.  subscapularis;  B.sd  =  Bursa  (subdeltoidea)  sub- 
acroraialis ;  B.l  =  M.  biceps,  caput  longum ;  C  =  M.  coraco- 
brachialis; T.ma  =  M.  teres  major;  L.d  =^  M.  latissimus 
dorsi;  P.ma  ^=  M.  pectoralis  major;  Z)  =  M.  deltoideus; 
H  —  Humerus ;    Br  =  M.  brachialis. 


40 


M.  subscapularis.  41 

oberen  Bündel  verlaufen  parallel  zueinander,  auch  wenn  der  proximale 
Rand  sich  etwas  konkav  nach  oben  wendet.  Auch  die  unteren  Bündel, 
soweit  sie  zum  Tuberculum  minus  ziehen,  haben  eine  ausgesprochene 
Parallelfaserung ,  ziehen  aber  nicht  horizontal  lateralwärts ,  sondern 
schräg  proximalwärts.  Noch  steiler  ausgesprochen  ist  die  Richtung 
der  knöchernen  Scapula,  welche  aber  vom  Muskelfleisch  um  mehrere 
Centimeter  überragt  werden  kann,  lieber  die  Schultergelenkskapsel 
ziehen  im  Anschlüsse  an  diesen  Teil  noch  eine  Anzahl  rein  fleischiger 
Bündel,  welche  noch  unterhalb  des  Tuberculum  minus  inserieren. 
Mitunter  scharf  von  der  Hauptmasse  gesondert,  haben  sie  zur  Auf- 
stellung eines  M.  subscapularis  minor  Veranlassung  gegeben. 

Bei  jedem  dreieckigen  Muskel  haben  wir  uns  den  Grund  der 
Konvergenz  des  Muskelbauches  klar  zu  machen.  Im  Gegensatz  zum 
M.  deltoideus  ist  es  beim  M.  subscapularis  gerade  das  Zusammenschieben 
der  mittleren,  gefiederten  Bündel,  welches  den  breit  an  der  Basis 
scapulae  entspringenden  Bauch  an  dem  verhältnismäßig  kleinen  Tuber- 
culum minus  zusammenbringt. 

Holotopie   und  Syntopie. 

Die  Facies  profunda  des  Muskels  liegt  auf  der  Fossa  subscapu- 
laris, läßt  jedoch  das  Collum  scapulae  frei,  von  welchem  die  Muskel- 
bündel durch  lockeres,  fetthaltiges  Bindegewebe  getrennt  sind.  Letzteres 
schiebt  sich  auch  noch  lateral  unter  die  Endsehne  herunter,  welche 
je  nachdem  von  der  Gelenkkapsel  getrennt  bleibt.  Auch  ein  Schleim- 
beutel kann  sich  hier  entwickeln,  der  entweder  nicht  mit  dem  Gelenke 
zusammenhängt  oder,  mit  ihm  vereinigt,  einen  besonders  großen 
Recessus  subscapularis  (inferior)  erzeugt.  Die  Insertion  selbst  bildet 
einen  nur  künstlich  trennbaren  Teil  der  Kapsel  des  Schultergelenkes. 

Die  präparatorisch  freiliegende,  in  der  natürlichen  Haltung  vordere 
Fläche  desMuskels,  Facies  superficialis,  muß  noch  in  2  Unterabteilungen 
zerlegt  werden: 

1)  Facies  thoracalis, 

2)  Facies  axillaris. 

Die  letztere  wendet  sich  gegen  die  Achselhöhle,  hilft  von  vorn 
her  die  dreieckige  und  viereckige  Muskellücke  begrenzen  und  ent- 
spricht demjenigen  Teile  des  Muskels,  welcher  den  Knochenrand 
nach  außen  und  unten  überragt.  Die  bei  weitem  größere  Facies 
thoracalis  liegt  dem  Brustkorbe  an,  je  nach  der  Lage  des  Armes  in 
größerer  Ausdehnung  und  Nähe. 

Die  Fascie  des  Muskels,  welche,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  die 
Fossa  subscapularis  zu  einem  lateralwärts  geöffneten  Hohlraum 
verwandelt,  was  wir  jedoch  nicht  bestätigen  können,  ist  verhältnis- 
mäßig dünn.  Am  vertebralen,  medialen  Rande  der  Scapula  ist  sie 
noch  am  stärksten ;  im  mittleren  Drittel  wird  sie  von  zahlreichen  Gefäß- 
und  Nervenzweigen  durchbohrt;  lateralwärts  löst  sie  sich  immer  mehr 
in  das  lockere  Bindegewebe  auf,  welches  das  Caput  humeri  mit  den 
Ansätzen  der  Rollmuskeln  umgibt.  Vor  allen  Dingen  läßt  sich  an 
günstigen  Präparaten  der  Nachweis  führen,  daß  sich  diese  Fascie  auch 
an  der  Bildung  der  äußeren,  oberflächlichen  oder  hautwärts  gekehrten 
Wand  der  Bursa  subdeltoidea  beteiligt,  eines  Schleimbeutels,  für  den 
wir,  wie  anderweitig  erwähnt,  den  Namen  Bursa  subacroraialis  vor- 
geschlagen haben. 

41 


42  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Wegen  der  mannigfachen  topographischen  Beziehungen,  welche 
der  M.  subscapularis  zu  Brustwand,  Achselgegend  und  Schultergelenk 
hat,  wäre  vielleicht  folgende  natürliche  Einteilung  in  3  Unterabschnitte 
empfehlenswert,  welche  mit  Leichtigkeit  durch  2  Linien  erzielt  werden 
können.  Die  erste  verbindet  den  medialen  Rand  der  Incisura  scapulae 
mit  dem  hinteren  Rande  des  Caput  longum  m.  tricipitis,  die  zweite 
die  Spitze  des  Proc.  coracoideus,  entsprechend  seinem  medialen  Rande, 
mit  der  medialen  Fläche  des  Humerus,  gleichviel,  in  welcher  Lage 
sich  der  Arm  gerade  befindet.  So  entsteht  eine  Pars  medialis,  inter- 
media und  lateralis  auf  der  präparatorisch  freigelegten  Oberfläche  des 
M.  subscapularis.  Die  Pars  medialis  entspricht  dem  M.  serratus 
anterior  und  enthält  unten  noch  die  dreieckige  Muskellücke ;  die  Pars 
intermedia  wird  von  dem  Gefäßnervenbündel  des  Armes  zugedeckt; 
schiebt  man  dieses  zur  Seite,  so  wird  oben  das  Lig.  transversum 
scapulae,  der  N.  suprascapularis,  ferner  unter  dem  Proc.  coracoideus 
die  Bursa  subcoracoidea  sichtbar,  in  der  Mitte  des  Muskels  sind  seine 
eigenen  Gefäße  und  Nerven,  am  distalen  Rande  der  lange  Triceps- 
kopf  und  lateralwärts  von  diesem  die  viereckige  Muskellücke  mit  den 
Vasa  circumflexa  humeri  posteriora  und  dem  N.  axillaris.  Die  laterale 
Portion  enthält  die  Endsehne  mit  dem  Ansätze  am  Tuberculum  minus. 
Diese  wird  aber  erst  sichtbar,  wenn  der  M.  coracobiceps  zur  Seite 
geschoben  wird,  wobei  sich  gewöhnlich  eine  Bursa  mucosa  m.  coraco- 
brachialis  vorfindet. 


Innervation. 

In  unserer  ersten  Abbildung  (Fig.  38)  erhält  der  Muskel  5  Nerven- 
zweige, welche  sich  aus  dem  hinteren  Strange  des  Plexus  brachialis 
(letzterer  selbst  ist  fortgenommen)  loslösen,  die  3  proximalen  selb- 
ständig, die  beiden  distalen  erst  aus  dem  Aste  für  den  M.  teres 
major,  bezw.  dem  N.  axillaris.  Auch  durch  die  Innervation  wird  der 
Muskel  der  von  uns  gegebenen  Muskelbeschreibung  gerecht,  da  wir  ihn 
ja  in  eine  Pars  thoracalis  und  eine  Pars  axillaris  zerlegt  haben.  Die 
erstere  füllt  die  Fossa  subscapularis  des  Schulterblattes  aus  und  wird 
von  den  3  selbständigen  Aesten  versorgt.  Die  Pars  axillaris  ragt  über 
den  äußeren  Rand  der  Scapula  nach  unten  und  erhält  die  beiden 
distalen  Zweige.  Wir  haben  des  weiteren  betont,  daß  der  letztere 
Abschnitt  sich  in  seiner  Insertion  verschieden  verhalten  kann,  indem 
der  proximale  Teil  sich  noch  muskulös  im  unmittelbaren  Anschlüsse 
an  die  Hauptsehne  am  Tuberculum  minus  ansetzt,  während  der  distale, 
an  die  freie  Schultergelenkskapsel  angrenzende  Abschnitt  länger  fleischig 
bleibt,  fast  bis  zur  Insertion  an  der  Crista  tuberculi  minoris. 

Charakteristisch  für  die  Hauptportion  ist  die  strebepfeilerartige 
Einschiebung  von  Muskelkeilen  zwischen  die  sehnig  von  den  Lineae 
musculares  (Cristae  costales)  entspringenden,  doppeltgefiederten  Haupt- 
bündel.  Diese  Muskelkeile  werden  nun  nicht,  wie  man  theoretisch 
annehmen  könnte,  von  einem  einzigen  Nerven  versorgt,  welcher  an 
der  Keilspitze  eintritt  und  sich  dann  dichotomisch  fächerartig  verzweigt, 
sondern  von  2  Nerven,  einem  oberen  und  einem  unteren.  In  der  Mitte 
eines  solchen  Keiles  konnten  wir  verschiedentlich,  aber  nicht  regel- 
mäßig, intramuskuläre  Verbindungen  zwischen  diesen  beiden  Nerven 
nachweisen,  Plexus  intramusculares,  die  wir  bei  anderen  Muskeln  noch 
oft  erwähnen  müssen. 

42 


M.  subscapularis. 


43 


Die  an  den  oberen  Schulterblattrand  sich  anschließende,  pa- 
rallelbündlige  Portion  wird  mit  einfach  divergierenden  Zweigen 
versorgt,  genau   wie  die  gleich  gebaute  untere.     Besondere   Beach- 


^ 

&.   .-« 

o 

g§^ 

M 

"1.- 

« 

ifl 

I 

•ff 

a 

«3g 

s 

^S| 

c 

-Hg^a 

.2 

.^^■i 

td 

<ü  o       g 

es 

-2 

■Sä  .^ 

11  i^ 

1  . 

l^ll 

.•  « 

*.g.2S 

a> 

1 

tung  verdient  die  am  meisten  distal  gelegene  Portion,  weil  dort  das 
weite  üebergreifen  der  Muskulatur  zum  Humerus  hier  eine  ent- 
sprechende fächerartige  Ausbreitung  der  Nervenverzweigung  mit 
sich  bringt. 


43 


44 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Nicht  ZU  unterschätzen  ist  auch  die  Haltung  des  Oberarmes  zum 
Schulterblatte,  die  Stellung,  in  welcher  das  Muskelpräparat  fixiert, 
präpariert  und  abgebildet  wird.  Um  einmal  diesen  interessanten 
Unterschied  darzustellen,  haben  wir  von  der  Innen-  oder  Vorderseite 


Bursa  subcoracoidea 

K.  suprascapularis 


Fig.    39.      M.    subscapularis    und    teres    major    bei    herabhängendem    Arme, 
Nervenbild. 


des  Schulterblattes  mit  den  M.  subscapularis  und  teres  major  zwei 
Abbildungen  gegeben,  eine  bei  adduziertem  und  eine  bei  stumpfwinklig 
abduziertem  Oberarmbeine.  Wir  finden  zwar  auch  im  letzteren  Falle 
(s.  Fig.  39)  bei  sämtlichen  Nerven  rückläufige,  d.  h.  der  Richtung  des 


f^ 


44 


M.  subscapularis. 


45 


Hauptnerven  mehr  oder  minder  entgegengesetzte,  zur  Endsehne  hin- 
strebende Seitenzweige;  aber  bei  weitem  ausgesprochener  ist  diese 
Rückläufigkeit  bei  abduziertem  Arme  (s.  Fig.  38). 

Ueberhaupt  wird  das  Nervenbild  durch  das  Zusammendrängen 
der  Muskulatur  ein  viel  dichteres. 

Für  die  Praxis  ist  es  jedoch  wichtig,  den  Muskel  und  damit  auch 
die  Nerven  im  Zustande  der  passiven  Dehnung  darzustellen,  wie  der- 
selbe bei  dauernden  oder  vorübergehenden  Lähmungen  angetroffen 
wird.  Wir  werden  deshalb  weiterhin  nur  den  passiven  Dehnungs- 
zustand berücksichtigen,  welcher  sich  auch  in  der  erfreulichsten  Weise 
mit  der  anatomischen  Darstellungsmethode  deckt.  Diese  wird  fast 
immer  am  natürlich  erschlafften  oder  künstlich  gedehnten  Muskel  aus- 
. geführt;  sie  ist  bei  dünner  Muskelmasse  leichter  zu  erzielen  als  bei 
dickerer;  und  wenn  einmal  ein  Muskel  während  der  Totenstarre  und 
hinterher  durch  die  Injektionsflüssigkeit  zusammengezogen  blieb,  em- 
pfiehlt es  sich  doch,  für  die  Präparation  der  Muskeln^rven  die  Ent- 
spannung oder  passive  Dehnung  mit  entsprechender  Gewalt  aus- 
zuführen. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  4       cm 

Maximum  9,75    „ 

Durchschnitt  aus  41  Messungen  6^6      „ 
Unterschied  in  Centimetern  5,75,  m  Prozenten  135  7o- 


Segmentbezüge 
5.  6.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

105 

96 

251 

212 

88 

77 

236 

202 

17 
19 
15 
10 

91,5 
87,5 
94,1 
95,3 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

164 

152,8 

11,2 

92,1 

Varietäten. 

Ein  Bündelchen,  welches  sich  zur  Fascia  brachii  abzweigen  kann, 
ist  als  M.  tensor  fasciae  et  cutis  foveae  axillaris  beschrieben  worden 
und  wird  als  Rudiment  des  Panniculus  carnosus  aufgefaßt.  Weit 
häufiger  ist  ein  besonderes  Muskelchen,  welches  getrennt  von  der  End- 
sehne sich  erst  unterhalb  des  Tuberculum  minus  anheftet.  Von  den 
verschiedenen  Autoren  hat  es  besondere  Namen  bekommen,  deren 
einfachster  der  lateinische  ist:  M.  subscapularis  minor;  bei  vielen  Tieren 
kommt  er  regelmäßig  vor 

In  den  V.  B.  erwähnt  bei  No.  41,  148 ;  bei  No.  235  ist  ein  drei- 
zipfliger Ursprung  1)  von   der  Gelenkkapsel,  2)  von  der  Spitze   und 


45 


46  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

3)  von  der  Basis  des  Processus  coracoideus  beschrieben;   sodann  bei 
No.  345  u.  442. 

Wir  haben  bereits  beim  M.  deltoideus  der  von  Dr.  Hein  beachteten 
Varietät  gedacht  (s.  S.  39),  in  welcher  der  N.  axillaris  den  M.  sub- 
scapularis  durchbohrt. 


M.  supraspinatus. 

Synonyma:    Obergrätenmuskel;    Sus-epineux,    petit    sus-scapulo-tro- 
chit^rien  Chaussibr,   sus-spini-scapulo-trochiterien  Dumas. 


Allgemeine  Beschreibung. 

Der  dicke,  dreieckige  Muskel  entspringt  aus  der  Fossa  supra- 
spinata  und  zieht  unter  dem  Lig.  coracoacromiale  zum  Schulter- 
gelenke, dessen  obere  Wand  seine  Sehne  je  nach  ihrer  Mächtigkeit 
verstärkt.  Sein  Ansatz  ist  am  Tuberculum  majus,  seine  Wirkung  be- 
sonders eine  abduzierende ;  er  ist  also  der  Hauptsache  nach  ein  Syn- 
ergist des  M.  deltoideus. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Die  Fossa  supraspinata  wird  durch  die  gleichnamige  Fascie  in 
einen  osteofibrösen  Kanal  verwandelt,  welchen  der  Muskel  voll- 
kommen ausfüllt,  ohne  irgendwie  in  nennenswerter  Weise  die  Grenzen 
der  Spina  und  des  oberen  Randes  der  Scapula  zu  überschreiten. 
Er  entspringt: 

1)  oberflächlich  mit  Bündeln,  welche  sich  an  die  oben  erwähnten 
Knochengrenzen  halten,  und  entwickelt  außerdem  feine  oberflächliche 
Sehnen,  welche  an  den  medialen,  vertebralen  Rand  der  Scapula  treten. 

Diese  Sehnen  werden  meist  mit  der  Pascia  supraspinata  zusammen- 
geworfen ;  es  läßt  sich  aber  hier  besonders  leicht  nachweisen,  daß  jedes- 
mal, wo  ein  Muskelbündel  eine  oberflächliche  Sehne  entwickelt,  dieselbe 
zwar  dünner  wird,  aber  nicht  in  der  Fascie  endet,  sich  vielmehr  bis 
zum  nächsten  Bündel  und  so  weiter  bis  zum  Knochen  fortsetzt.  Die 
präparatorischen  Schwierigkeiten,  welche  meist  aus  der  üblichen  Dar- 
stellungsweise entspringen,  können  allerdings  den  Anschein  erwecken, 
als  ob  mit  dem  Entfernen  der  sogenannten  Fascie  auch  eine  ganze  An- 
zahl von  Muskelbündeln  ihren  Ursprung  eingebüßt  hätte ;  hier  ist  es  nur 
klarer,  als  an  vielen  anderen  Stellen,  bei  denen  deshalb  auf  diese  Note 
hingewiesen  werden  soll. 

2)  Tiefe  Ursprünge:  Als  solche  müssen  diejenigen  Muskelbündel 
bezeichnet  werden,  welche  nirgends  an  die  Oberfläche  treten,  sich 
also  nur  von  den  knöchernen  Wänden  der  Fossa  supraspinata  ent- 
wickeln. Wir  finden  dieselben  vom  vertebralen  Rande  bis  zur  Inci- 
sura  scapulae,  also  in  den  beiden  medialen  Dritteln. 

Der  Muskel  ist,  von  der  Oberfläche  aus  betrachtet,  dreiseitig, 
wie  sehr  viele  andere  Muskeln,  aber  auch  der  losgelöste  Muskelbauch 
besitzt  die  Form  einer  dreiseitigen  Pyramide.  Wir  müssen  uns,  wie 
schon  früher  bei  dem  M.  deltoideus  und  subscapularis  darüber  klar 
werden,   wie  der  innere  Bau  des  Muskels   die   Konvergenz  zustande 

46 


M.  supraspinatus.  47 

bringt.  Es  ist  hier  unseres  Wissens  der  einfachste  Typus  verwirklicht : 
einer  sich  im  Innern  des  Muskels  entwickelnden  Sehne  streben  all- 
seitig die  Muskelbündel  zu.  Erst  in  der  Nähe  des  Ansatzes  wird  die 
Endsehne  frei,  welche  sich  abgeplattet  an  der  obersten  (und  gleich- 
zeitig vorderen)  Facette  des  Tuberculum  majus  humeri  ansetzt. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  M.  supraspinatus  gehört  zu  denjenigen  Armmuskeln,  welche 
nirgends  direkt  am  äußeren  Bilde  des  Körpers  teilnehmen ;  selbst  am 
losgelösten  Arme  einer  nicht  weiter  zerlegten  Leiche  ist  nichts  von 
ihm  zu  sehen,  es  sei  denn,  daß  der  M.  trapezius  hochgehoben  oder 
entfernt  ist.  Nichtsdestoweniger  hilft  seine  Anwesenheit,  besonders 
wenn  er  bei  wagerecht  hochgehobenem  Arme  in  Tätigkeit  getreten 
ist,  die  obere  Schulterwölbung  erheblich  verstärken.  Der  Muskel 
ist,  wenn  man  ihn  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  freilegen  will,  wohl 
der  verborgenste  des  ganzen  Körpers,  indem  schon  zu  seiner  aus- 
giebigen, oberflächlichen  Präparation  Muskeln,  Knochen,  Bänder,  Ge- 
lenke, Fettpolster  und  Schleimbeutel  abgetragen  werden  müssen,  und, 
um  die  Tiefe  sichtbar  zu  machen,  sogar  eine  künstliche  Trennung 
zwischen  Sehne  und  Gelenkkapsel  nötig  wird. 

Damit  die  eben  gemachten  Angaben  verständlich  werden,  ist  eine 
genauere  topographische  Darstellung  der  in  Betracht  kommenden 
Gebilde  und  Einrichtungen  geboten. 

Der  Schultergürtel,  welcher  sich  aus  Schlüsselbein  und 
Schulterblatt  zusammensetzt,  hat  als  sieht-,  jedenfalls  immer  fühl- 
baren Kamm  wieder  die  Clavicula  und  von  der  Scapula  die  Spina,  die 
Schultergräte.  Zwischen  beiden  findet  sich  als  Verbindungsstück, 
das  Acromion,  die  Schulterhöhe,  und  die  Articulatio  acromio- 
clavicularis.  Unter  letzterer  ist  der  M.  supraspinatus  zunächst  verborgen, 
ganz  abgesehen  davon,  daß  er  unter  dem  M.  trapezius  liegt,  d.  h.  nur  mittel- 
bar, indem  sich  hier  ein  beträchtliches  Fettpolster,  richtiger  sogar  ein  Fett- 
körper einschiebt :  Corpus  adiposum  suprascapulare  (nobis).  Die  Schulter- 
höhe, das  Acromion,  und  die  Articulatio  acromioclavicularis  werden  durch 
den  M.  supraspinatus  überhaupt  nicht  berührt;  denn  es  schiebt  sich  vom 
Acromion  aus  ein  Band  nach  innen  und  unten  gegen  den  Proc. 
coracoideus,  das  Lig.  coracoacromiale.  Unter  diesen  3  Teilen,  welche 
das  Schulterdach  oder  -ge wölbe  bilden,  verläuft  erst  der  Muskel, 
welcher  hier  in  seine  Sehne  übergeht.  Damit  sich  diese  aber  nicht  an 
den  Knochen  und  Bändern  reibt,  findet  sich  über  ihr  noch  ein  Schleim- 
beutel, die  Bursa  subacromialis.  Die  Endsehne  selbst  ist  in  der  Tiefe, 
wie  schon  erwähnt,  sehr  innig  mit  der  Gelenkkapsel  verwebt. 

Es  sind  also  folgende  Schichten  oder  Abschnitte  zu  beachten: 

1)  Schultergürtel    —    Clavicula    und    Scapula    (M.    trapezius). 
Knochenmuskelbedeckung. 

2)  Schulterkamm     —     Clavicula,     Acromion ,     Spina     scapulae. 
Knöcherne  Umrahmung. 

3)  Schulterhöhe   —   Acromion ,    Articulatio    acromioclavicularis. 
Knöcherne  Decke. 

4)  Schulterfettkörper,  Corpus  adiposum  suprascapulare.    Fett- 
decke. 

5)  Schultergewölbe:     Lig.    coracoacromiale    —    Fascia    supra- 
spinata.     Fibröse  Decke. 

47 


48  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

6)  Schulterschleimbeutel,  Bursa  subacromialis,  muköse  Hülle. 

7)  Schultergelenksdecke  —  Sehne  des  M.  supraspinatus ;  ge- 
wöhnlich verschmolzen  mit  der 

8)  Schultergelenkskapsel  und 

9)  Schultergelenkshöhle. 

Wirkung. 

Nach  Duchenne  S.  94  ist  der  Muskel  erstens  kräftig  genug  (IX), 
um  die  Erhebung  des  Humerus  selbst  dann  zu  besorgen,  wenn  der 
M.  deltoideus  ganz  und  gar  atrophisch  ist.  Zweitens,  bei  seiner  Atrophie 
bemerkt  man  in  der  Muskelruhe  eine  Subluxation  (Diastase)  des 
Humeruskopfes  nach  unten,  welche  ja  bei  der  Deltoideuswirkung 
gerne  eintritt. 

Obwohl  Duchenne  a.  a.  0.  S.  91  sagt:  „die  Muskeln,  die  die 
Fähigkeit  haben,  den  Humerus  gegen  das  Schulterblatt  zu  erheben, 
sind  der  Deltoideus  und  der  Supraspinatus",  schreibt  er  unmittelbar 
danach  unter  I:  „der  Deltoideus  ist  der  hauptsächlichste,  wenn  nicht 
einzige  Muskel,  welcher  infolge  seiner  Kraft  und  der  Verschiedenheit 
der  Bewegungsrichtungen,  die  er  dem  Humerus  erteilt,  bestimmt 
scheint,  die  Erhebung  desselben  gegen  das  Schulterblatt  zu  be- 
wirken." 

Im  Gegensatze  hierzu  steht  die  Beschreibung  von  M.  Duval  ^), 
welche  eigentlich  nur  für  Laien  geschrieben  erscheinen  könnte,  die 
wir  jedoch  aus  voller  Ueberzeugung  bestätigen  können.  Dieser  Autor 
sagt  ungefähr:  „Der  M.  deltoideus  hat  überhaupt  kein  Moment 
seiner  "Wirkung.  Gleichviel  ob  der  Arm  senkrecht  am  Körper  herab- 
hängt, oder  ob  er  seitwärts  bis  zur  Horizontalen  erhoben  ist,  immer 
liegt  die  Richtung  der  Muskelbündel  und  die  Achse  des  Oberarm- 
beines parallel  zueinander."  Es  ist  ein  Spiel  der  Kinder,  nicht  ein 
Kinderspiel,  festzustellen,  wie  lange  man  den  Arm  wagerecht  ab- 
duziert  halten  kann.  Der  M.  deltoideus  würde  sicher  bei  seinen 
denkbar  ungünstigsten,  weil  parallelen  Angriffsbedingungen  viel 
früher  ermüden,  wenn  er  nicht  in  dem  M.  supraspinatus  einen  wirk- 
samen Synergisten  hätte.  Letzterer  hat  wirklich  das  beste  „Moment", 
weil  ja  bei  herabhängendem  Arme  Muskel  und  Sehne  im  rechten 
Winkel  zum  Humerus  verlaufen. 

Innervation. 

Unmittelbar,  nachdem  der  N.  suprascapularis  unter  dem  Lig. 
transversum  scapulae  (superius)  durchgetreten  ist,  schickt  er  einen 
Ast  zum  M.  supraspinatus,  welcher  seine  oberflächliche  Hälfte  ver- 
sorgt. Regelmäßig  ist  für  seine  tiefe  Hälfte  ein  zweiter  Nerv  be- 
stimmt, welcher  bei  seiner  tiefen  Lage  und  der  gewöhnlichen  Art  der 
Präparation  ohne  ausgiebige  Isolierung  des  Muskels  der  Beobachtung 
zu  entgehen  pflegt.  Beide  Nerven  liefern  lange  Aeste  bis  in  die 
Nähe  des  Ursprunges  und  hängen  im  Inneren  des  Muskels  eventuell 
durch  eine  Anastomose  zusammen.  In  unserer  Abbildung  (Fig.  40) 
liefert  der  distale  Ast  auch  noch  einen  dicken  Gelenknerven,  der  sich 
in  2  Zweige  teilt.     Diese  versorgen  die  obere  Wand  der  Schulter- 


1)  Mathias  Duval,  Grundriß  der  Anatomie  für  Künstler.    Herausgeg.  von 
Prof.  Dr.  F.  Neelsen.    Stuttgart,  Verlag  von  Enke,  1890. 

48 


M.  supraspinatus. 


49 


gelenkskapsel    und   können    zwischen    der   Endsehne    des  M.  supra- 
und  infraspinatus  auch  VATER-PACiNische  Körperchen  besitzen.    Ab- 


Handbuch der  Anatomie.    II,  II,  2. 


49 


50 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


weichungen  von  der  Doppelinnervation  haben  wir  niemals  beobachtet, 
obwohl  wir  auf  diese  sonderbare  Einrichtung  genau  geachtet  haben. 
Es  ist  in  der  Tat  wunderbar,  daß  der  einheitliche  Muskelbauch  zwei 
gesonderte  dicke  Nerven  erhält. 


Minimum 
Maximum 


Muskelbündellänge. 

5,5  cm 


Durchschnitt  aus  21  Messungen  6,6 


Unterschied  in  Centimetern  2,5,  in  Prozenten  45,45 "/,,. 


gen 
2,5, 


Segmentbezüge. 
5.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
11.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

35 
32 
72 
71 

32,7 
29 
65 
66 

1^ 
l 

93,5 
90,6 
90,3 
93 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

52,5 

48,2 

4,3 

91,9 

Varietäten. 

Die  Bemerkung  von  Macalister:  „Singularly  invariable  muscle" 
können  wir  bestätigen.  Das  von  demselben  Autor  beschriebene  über- 
zählige Bündel  von  dem  Lig.  transversum  scapulae  ist  jedenfalls 
außerordentlich  selten.  —  Um  so  seltsamer  dürfte  es  sein,  daß  dieser 
einheitlich  erscheinende,  nicht  einmal  ungewöhnlich  kräftige  Muskel 
durch  2  besondere  Nerven  versorgt  wird,  die  beide  von  der  tiefen 
Fläche  aus,  recht  weit  voneinander  entfernt,  zu  den  Muskelbündeln 
gelangen. 


M.  infraspinatus. 

Synonyma:  Untergrätenmuskel;  rotator  humeri  posticus  (Duchenne); 
sous-epineux,  grand  susi)-scapulo-trochit6rien  (Chaussier),  sus-spini-scapulo- 
trochiterien  (Dumas). 


1)  Die  Namengebung  nach  Chaussier  und  Dumas  richtet  sich  nach  der  Lage 
der  Eoiler  an  der  Vorder-  und  Rückseite  des  Schulterblattes:  vorn  ist  nur  ein 
Muskel  vorhanden,  der  M.  subscapularis  =  sous-scapulaire ;  hinten  deren  drei,  welche 
nach  ihrer  Größe  bezeichnet  werden,  nicht  mit  Kücksicht  auf  die  Spina  scapulae, 
sondern  nur  im  Gegensatze  zur  Vorder-  (sous)  und  Rückseite  (sus)  des  Schulterblattes. 

Der  Größe  nach  werden  letztere  drei  (sog.  Auswärtsroller)  aufgeführt  als: 


B.  N.  A.  und  Poirier 

1)  M.  infraspinatus  (sous-^pineux) 

2)  M.  supraspinatus  (sus-6pineux) 

3)  M.  teres  minor  (petit  rond) 


Chaussier  (Dumas) 
grand  sus- scapulo-trochit^rien 
petit  sus-scapulo-trochit6rien 
plus  petit  sus-scapulo-trochit6rien 


50 


M.  infraspinatus.  51 

Allgemeine  Beschreibnng. 

Der  mächtige,  dreieckige  abgeplattete  Muskel  nimmt  den  größten 
Teil  der  Fossa  infraspinata  für  sich  in  Anspruch,  nach  lateralwärts 
und  oben  konvergierend,  entwickelt  er  eine  starke  platte  Sehne,  welche 
die  Schultergelenkskapsel  hinten  verstärkt  und  sich  am  Tuberculum 
majus  ansetzt.  Die  besonders  medial  stark  entwickelte  Fascie  hüllt 
gleichzeitig  den  M,  teres  minor  mit  ein,  mit  dem  gemeinschaftlich  er 
an  der  Rückseite  der  Scapula  entspringt.  Obwohl  auch  die  Wirkung 
dieselbe  ist,  nämlich  die  Auswärtsrotation  des  Armes,  ist  die  Nerven- 
versorgung verschieden,  indem  der  M.  infraspinatus  vom  N.  supra- 
scapularis,  der  M.  teres  minor  vom  N.  axillaris  innerviert  wird.  Be- 
achtenswerts  ist  die  Tatsache,  daß  auch  die  beiden  Abduktoren  des 
Armes  den  gleichen  Unterschied  aufweisen:  der  M.  deltoideus  wird 
ja  vom  N.  axillaris  versorgt,  der  M.  supraspinatus  vom  N.  supra- 
scapularis. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  entspringt: 

1)  oberflächlich  mit  aponeurotischen  Fasern,  welche  teils  mit  der 
Fascia  infraspinata  verwebt  sind,  teils  in  die  untere  Aponeurose  des 
M.  deltoideus  übergehen; 

2)  tief  mit  Knochenursprüngen,  welche  die  medialen  zwei  Drittel 
der  Fossa  infraspinata  einnehmen,  mit  der  Einschränkung,  daß  der 
untere  Winkel  vom  M.  teres  major  und  die  Nähe  des  lateralen,  axillaren 
Randes  vom  M.  teres  minor  besetzt  ist. 

Vorteilhafter,  weil  beide  Arten  von  Ursprungsbündeln  der  Masse 
nach  sehr  ungleichwertig  sind  und  unmittelbar  ineinander  übergehen, 
ist  eine  Einteilung   in  3  Portionen,   eine  obere,  mittlere  und  untere. 

1)  Die  obere  kommt  von  der  Spina  scapulae  her,  kurzweg  also 
Portio  spinata  ^) ; 

2)  die  mittlere  entwickelt  sich  vom  Boden  der  Fossa  infraspinata 
bis  zu  ihrem  medialen  Rande; 

3)  die  untere  legt  sich  an  den  M.  teres  minor  an  und  ist  durch 
ein  starkes  oberflächliches  Sehnenblatt  gekennzeichnet. 

Die  dreieckige  Form  des  Muskels  kommt  im  wesentlichen  da- 
durch zustande,  daß  sich  in  der  Tiefe  der  mittleren  Portion  eine 
starke  Sehne  entwickelt,  zu  welcher  hin  die  Muskelbündel  allseitig 
konvergieren ;  die  obere  und  untere  Portion  bleiben  dagegen  in  ihren 
Bündeln  einander  parallel  und  sind  außerdem  oberflächlich  gelagert, 
so  daß  der  mittlere  Abschnitt  und  besonders  die  Endsehne  zum  großen 
Teile  von  ihnen  verdeckt  wird.  Letztere  wird  erst  über  dem  Schulter- 
gelenke frei  und  bildet  durch  die  innige  Verwachsung  mit  der  Gelenk- 
kapsel eine  wesentliche  Verstärkung  derselben ;  wenn  hier  ein  Schleim- 
beutel vorhanden  ist,  so  wird  doch  der  Schutz  des  Gelenkes  durch 
die  Sehne  nicht  sonderlich  beeinträchtigt.  Der  Ansatz  ist  an  der 
mittleren  Facette  des  Tuberculum  majus  und  hängt  vielfach  innig 
mit  dem  des  M.  teres  minor  und  auch  des  M.  supraspinatus  zu- 
sammen. 


1)  Wenn  es  eine  Fossa  supra-  und  infraspinata  gibt,  muß  analog  auch  spinata 
gebildet  werden  und  nicht  spinalis,  ein  Ausdruck,  welcher  die  Beziehungen  zu  der 
Wirbelsäule  und  den  ihr  benachbarten  Teilen  andeutet.  Ein  dritter  Ausdruck  ist 
spinosus,  welcher  an  der  Wirbelsäule  nur  für  die  Dornfortsätze  in  Gebrauch  ist-J 

4* 


"52  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Holotopie  und  Syntopie. 

Von  dem  dreieckigen  M,  infraspinatus  sieht  man  nur  einen  Teil 
unter  der  Haut,  weil  an  allen  drei  Ecken  eine  Ueberlagerung  durch 
andere  Muskeln  statthat,  vor  allem  lateral  und  oben  durch  den 
M.  deltoideus,  medial  und  oben  durch  den  lateralen  Sehnenspiegel 
des  M.  trapezius,  am  unteren  Winkel  der  Scapula  durch  die  M.  teres 
major  und  latissimus  dorsi. 

Mit  seiner  tiefen  Fläche  entspricht  er  der  Fossa  infraspinata  im 
Bereiche  des  oben  angegebenen  Ursprunges,  Jedoch  läßt  er  die 
Oegend  des  Collum  chirurgicum  scapulae  frei ;  an  dieser,  durch  lockeres 
Binde-  und  Fettgewebe  ausgefüllten  Stelle  liegt  die  Anastomose 
zwischen  der  A.  transversa  und  circumflexa  scapulae,  ferner  am  freien 
üande  der  Spina,  nahe  ihrer  Wurzel,  gegen  den  Knochen  durch  das 
Lig.  transversum  scapulae  inferius  zurückgehalten,  der  N.  supra- 
scapularis  mit  den  Gefäßen. 

Schleimbeutel. 

Der  Muskel  besitzt  2  Schleimbeutel :  der  eine,  fast  konstante  liegt 
an  der  Schultergräte,  dort,  wo  sich  die  Portio  spinata  um  den  medial- 
wärts  konkaven  Rand  des  Knochens  herumschlingt;  der  andere  in- 
konstante zwischen  Endsehne  und  Kapsel.  Poirier  hat  ihn  bei  alten 
Leuten  gewöhnlich  sehr  breit  mit  dem  Gelenke  kommunizieren  gesehen. 

Wirkung. 

Daß  der  M.  infraspinatus  der  kräftigste  Auswärtsroller  ist, 
unterliegt  keinem  Zweifel  und  Widerspruche;  hier  sei  deshalb  be- 
sonders seiner  Nebenwirkung  gedacht,  indem  er  den  emporgehobenen 
Arm  mit  den  unteren  Bündeln  auch  mit  nach  unten  zieht. 

Duchenne  beschreibt  S.  66  unter  No.  90  und  91:  „Durch  den 
elektrophysiologischen  Versuch  ist  soeben  bewiesen  worden,  daß  der 
Umfang  der  Rotationsbewegung  von  innen  nach  außen,  die  der  Arm 
unter  dem  Einfluß  der  Kontraktion  des  Rotator  humeri  posticus  um 
seine  Längsachse  beschreibt,  einen  Viertelkreis  beträgt,  wenn  der 
Arm  zur  Zeit  des  Versuches  in  Rotation  nach  innen  gestellt  ist. 

Diese  Tatsache  wird  besonders  deutlich  sichtbar,  wenn  dabei  der 
Arm  erhoben  und  der  Vorderarm  gegen  ihn  gebeugt  gehalten  wird, 
denn  man  sieht  dann  den  letzteren  um  die  Längsachse  des  Humerus 
rotieren  und  gleichsam  als  Radius  des  Kreises  genau  einen  Viertel- 
kreis um  dieselbe  beschreiben. 

Weniger  leicht  ist  es  aber,  den  Umfang  dieser  Rotationsbewegung 
festzustellen,  wenn  der  Vorderarm  sich  in  Streckung  befindet.  Man 
kann  es  indessen  auch  dann  in  folgender  Weise  genau  beobachten: 
Wenn  der  Arm  vertikal  zur  Seite  des  Rumpfes  herabfällt  und  in 
größtmöglicher  Rotation  nach  innen  gehalten  wird,  so  bemerkt  man, 
daß  der  Condylus  internus  nach  hinten,  der  Condylus  externus  nach 
vorn  gerichtet  ist.  Hat  dann  der  Humerus  unter  dem  Einflüsse  einer 
starken  elektrischen  Reizung  des  Rotator  humeri  posticus  (Infra- 
spinatus) seine  Rotationsbewegung  nach  außen  gemacht,  so  sieht  der 
Condylus  internus  nach  innen  und  der  Condylus  externus  nach  außen. 
Dann  haben  also  diese  beiden  Knochenvorsprünge  jeder  einen  Viertel- 
kreis von  innen  nach  außen  beschrieben." 

52 


M.  infraspinatus.  53 

Unsererseits  sei  bemerkt: 

Zu  90.  Ebensogut,  wie  bei  rechtwinklig  gebeugtem  Vorder- 
arme und  erhobenem  Oberarme,  kann  man  dieselbe  Wirkung  auch  bei 
gehobenem  Oberarme  und  gestrecktem  Vorderarme  oder  bei  herab- 
hängendem Oberarme  und  rechtwinklig  dazu  gebeugtem  Vorderarme 
beobachten,  wofern  man  nur  bei  Beginn  des  Versuches  die  größtmög- 
liche Einwärtsrotation  ausgeführt  hat.  Alsdann  dürfte  ein  größerer 
Kreisbogen  als  90"  bei  der  Auswärtsrotation  zu  erzielen  sein. 

Zu  91.  Die  beiden  Epicondylen  beschreiben  nicht  jeder  einen 
Viertelkreis  von  innen  nach  außen,  im  Gegenteile  gerade  die  umge- 
kehrten Bewegungen.  Der  Epicondylus  medialis  rückt  bei  vorheriger 
starker  Einwärtsrotation  bei  der  Auswärtsrotation  von  hinten  nach 
innen,  medial,  und  andererseits  der  Epicondylus  lateralis  von  vorn 
nach  außen,  lateral. 

Innervation. 

Der  Nerv  für  den  M.  infraspinatus  ist  ein  einheitlicher  Stamm, 
das  Ende  des  N.  suprascapularis.  Obwohl  er  unter  dem  ihm  zuge- 
hörigen Muskel  gelagert  ist,  sind  wir  berechtigt,  von  einem  extra- 
muskulären Verlaufe  zu  sprechen,  weil  sowohl  der  Hauptast,  wie  die 
gröberen  Verzweigungen  außerhalb  der  Muskulatur  gelegen  sind, 
zwischen  dem  Collum  scapulae  und  dem  von  Muskelursprüngen  freien, 
lateralen  Drittel  der  Fossa  infraspinata,  wie  es  bei  der  Muskel- 
beschreibung genügend  hervorgehoben  ist. 

Die  Dreiteilung  des  Muskels  kehrt  auch  in  der  Innervierung 
wieder.  In  unserer  Abbildung  (s.  Fig.  43)  haben  wir  uns  allerdings 
von  diesem  Schema  ferngehalten  und  das  vorliegende  Präparat  natur- 
getreu abgebildet.  Nichts  wäre  leichter  gewesen,  als  die  Trennung 
derjenigen  Bündel,  welche  unserer  Portio  spinata  entsprechen,  auch 
bei  den  Nerven  so  weit  zum  Stamme  hin  fortzusetzen,  daß  auch 
dieser,  wie  unser  abgebildeter  Muskel,  dreigeteilt  erscheint.  In  dieser 
Beziehung  bleibt  der  präparatorischen  Willkür  des  einzelnen  Be- 
obachters die  größte  Freiheit  offen.  Ebensowenig,  wie  die  Muskel- 
bündel eine  scharfe  Sonderung  für  die  drei  von  uns  unterschiedenen 
Abteilungen  rechtfertigen,  so  auch  die  Nerven.  Man  kann  und  muß 
sogar  die  Auffaserung  der  Nerven  zeitweilig  noch  über  den  Rahmen 
des  hier  vorliegenden  Bildes  weiterführen,  bis  in  den  Plexus  brachialis 
hinein,  ja  weiter  proximal  bis  zu  den  Rückenmarkswurzeln. 

Diese  Fragen  sind  theoretisch  von  der  größten  Bedeutung  und 
auch  praktisch  bei  der  Segmentdiagnose  nicht  außer  acht  zu  lassen. 
Ob  für  die  Bedürfnisse  des  praktischen  Arztes,  für  die  isolierte 
physiologische  Reizung  des  Muskels  selbst  auf  Grund  seiner  Nerven- 
versorgung, eine  genauere  Darstellung,  als  die  hier  von  uns  gegebene, 
wünschenswert  ist,  muß  erst  die  Zukunft  lehren. 

An  Einzelheiten  sei  an  unserer  Abbildung  hervorgehoben,  daß 
bei  der  stumpfwinklig  abduzierten  Haltung  des  Oberarmbeines  die 
Portio  spinata  gespannt  ist,  und  deshalb  die  entsprechenden  Nerven 
eine  starke  Rückläufigkeit  aufweisen;  ferner  auf  die  Anastomose  im 
Bereiche  der  mittleren  Portion,  des  weiteren  auf  die  beiden  längsten, 
punktiert  gehaltenen  Zweige,  welche  zum  Perioste  der  Scapula  ziehen 
und  nach  unserer  Meinung  auch  als  Sehnennerven  aufgefaßt  werden 
müssen.    Die  Nerven  für   die  untere,  teilweise  an   der  Fascia  infra- 

53 


54 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 


spinata  entspringende  Portion  bedürfen  deshalb  einer  besonderen  Er- 
wähnung, weil  die  zeichnerische  Darstellung  für  das  Verständnis  nicht 
ausreicht.  Die  Nerven  liegen  zuerst  in  der  Tiefe,  ziehen  fast  bis  zum 
M.  teres  minor  hin  und  biegen  dann  hakenförmig  zur  Oberfläche  um, 
indem  sie  der  zwiebelschalenartigen  Anordnung  der  Muskelbündel  folgen. 

Muskel  bündellänge. 

Minimum  7,2  cm 

Maximum  9,9     „ 

Durchschnitt  aus  21  Messungen    8,7    „ 
Unterschied  in  Centimetern  2,7,  in  Prozenten  38  Vo- 

Segmentbezüge. 
5.,  6.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen-    1  ^-^^f' 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

60 
53 
182 
180 

53,5 

46 
169 
166,5 

6,5 

7 

13 
13,5 

85 
86,8 
92,9 
92,5 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

118,8 

108,8 

10 

89,3 

Varietäten. 

Die  Verbindungen  mit  dem  M.  teres  minor  sind  oft  sehr  innige : 
da  beide  Muskeln  von  derselben  festen  Binde  eingeschlossen  werden, 
hat  die  Verschmelzung  nichts  Besonderes  auf  sich,  um  so  weniger, 
als  auch  die  Nerven  sich  bei  deutlicher  Muskelsonderung  auf  ihren 
Muskel  nicht  zu  beschränken  brauchen.  Die  selten  beobachteten 
Verbindungen  mit  dem  hinteren  Abschnitte  des  Deltamuskels  sind 
uns  beiden  nicht  zu  Gesicht  gekommen.  Wichtig  wäre  es,  bei  jedem 
weiteren  Falle  die  Beziehung  zu  den  Fascien  im  Auge  zu  behalten, 
ob  unter  Durchbohrung  der  Fascia  infraspinata  ein  Zusammenhang 
zwischen  Muskelfleisch  und  Muskelfleisch  statthat,  oder  ob  es  sich  nur 
um  suprafascielle  oder  fascielle  Verbindungen  handelt. 


M.  teres  minor. 

Synonyma:  Kleiner,  runder  Armmuskel;  petit  rond,  plus  petit  sus- 
scapulo-trochiterien  Chaussier,   marginal    sus-scapulo-trochiterien  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  kleine  runde  Armmuskel  entspricht  seinem  Namen  noch 
weniger,  als  der  große  runde;  indessen  dürfte  die  allgemein  ein- 
gebürgerte, bequeme  Bezerchung  kaum  durch  eine  andere  zu  ver- 
drängen sein,  möchte  man  sie  auch  aus  dem  marginalen  Ursprünge 
von  der  Scapula,  von  der  schiefen  Verlaufsrichtung,  oder  aus  der 
Lage  am  unteren  Rande  und  teilweise  unterhalb  des  Schulterblattes 

54 


I 


M.  teres  minor. 


55 


ableiten.  —  Gesichtspunkte,  welche  auch  für  den  M.  teres  major  in 
gleicher  Weise  gelten.  Bezeichnungen,  wie  M.  marginalis  scapulae 
(minor),  ]\I.  infrascapularis  minor,  M.  obliquus  scapulae  (minor)  hätten 
ebensoviele  Berechtigung,  wie  der  Name  M.  teres  minor.  Er  entspringt 
vom  Margo  lateralis  scapulae,  zieht  schräg  nach  oben  und  lateral wärts 
zum  Tuberculum  majus  und  wirkt  wesentlich  als  Auswärtsroller.  Sein 
Nerv  stammt  aus  dem  N.  axillaris,  vergl.  auch  die  Bemerkungen  beim 
M.  infraspinatus. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  des  Muskels  ist  an  seiner  Oberfläche  durch  sehnige 
Fasern   ausgezeichnet,   welche  gleichzeitig  die  Grenzen  zwischen  den 


Fig.  41. 
Rückseite. 


Rollmuskeln  bei  rechtwinklig  abduziertem  Arme,  Muskelbild  von  der 


Cl  =  Clavicula;  S  =  M.  supraspinatus ;  F.i  =  Fascia  infraspinata ;  /  =  M. 
infraspinatus :  1  =  Portio  superior ,  2  =■  Portio  intermedia ,  3  =  Portio  inferior ; 
T.mi  =  M.  teres  minor;  Ca  ==  Capsula  articularis;  T.ma^M.  teres  major;  T.la 
=  M.  triceps,  caput  laterale;  N.ra  =  N.  radialis;  T.  me  =  M.  triceps,  caput  mediale. 

Nachbarmuskeln  angeben  und  diesen  teilweise  wiederjzum  Ursprünge 
dienen.  Wir  lernen  hier  zum  ersten  Male  ein  gutes  Beispiel  für  die 
Aponeuroses  intermusculares  kennen,  welche  sich  in  diesem  Falle 
zwischen  dem  M.  teres  minor  einerseits,  den  M.  infraspinatus,  teres 
major  und  subscapularis  andererseits  einschieben.  Die  Verbindung 
mit  dem  langen  Tricepskopfe  beruht  mehr  auf  der  Anheftung  der 
Aponeurosis  infraspinata  am  Margo  axillaris,   welche,   wie   oben   er- 

55 


Ö6  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Wähnt,  auch  den  M.  teres  minor  einhüllt.  Im  Bereiche  der  musku- 
lösen Oberfläche  kräftig,  wird  die  Fascie  schon  dünn,  wenn  sich  die 
ersten  Fasern  der  Ursprungssehne  zeigen,  und  ist  dort  nicht  mehr 
darstellbar,  wo  sich  die  Aponeuroses  intermusculares  finden.  Die 
Knochenleisten  zu  beschreiben,  welche  den  tiefen  Ursprung  der 
Muskelbündel  vom  äußeren  Rande  und  der  hinteren  Fläche  des. 
Schulterblattes  begrenzen,  ist  Aufgabe  der  Osteologie;  hier  genüge 
der  Hinweis,  daß  der  Raum,  welchen  der  M.  infraspinatus  und,  nicht 
zu  vergessen,  auch  der  M.  teres  major  dem  M.  teres  minor  übrig 
läßt,  von  diesem  auch  vollkommen  ausgenutzt  wird,  fast  vom  Angulus. 
inferior  bis  zum  Tuberculum  infraglenoidale. 

Innervation. 

Obwohl  dieser  Muskel  zusammen  mit  dem  M.  infraspinatus  in 
einer  gemeinschaftlichen  derben  Binde,  der  Fascia  infraspinata,  ein- 
geschlossen ist,  verhalten  sich  doch  die  Nerven  der  beiden  Muskeln 
grundverschieden.  Der  Endast  des  N.  suprascapularis,  welcher  den 
M.  infraspinatus  versorgt,  tritt  von  dessen  Facies  profunda  zu  den 
Muskelbündeln ;  der  Nerv  für  den  M.  teres  minor  tritt  dagegen  regel- 
mäßig von  der  Facies  superficialis  ein.  Es  ist  ein  Endzweig  de& 
N.  axillaris,  und  zwar  aus  dessen  hinterem  Teile,  welcher  auch  den 
Hautast  dieses  Nerven  und  die  Zweige  für  die  Portio  spinata  des 
M.  deltoideus  liefert.  Vor  seinem  Eintritte  in  den  Muskel  zeigt  der 
einheitliche  Nervenstamm  eine  bemerkenswerte  Eigentümlichkeit,  auch 
bei  normalen  Fällen  eine  ganglioforme  Anschwellung,  die  wir  niemals 
vermißt  haben.  Zwar  haben  wir  keine  mikroskopischen  Untersuchungen 
darüber  angestellt,  ob  in  dieser  Anschwellung  Ganglienzellen  vor- 
handen sind ;  wir  sind  aber  auch  ohne  das  der  Ueberzeugung,  daß  es 
sich  hier,  wie  bei  anderen  Nerven  (z.  B.  N.  peronaeus  profundus,  wo 
derselbe  über  das  Köpfchen  des  Talus  oder  besser  die  Articulatio 
talonavicularis  hinwegzieht,  um  eine  Schutzvorrichtung  handelt,  eine 
Vermehrung  des  Bindegewebes,  welche  den  Reibungsdruck  auf  die 
Nervenfasern  abschwächt  ^). 

Der  Nerv  muß,  um  zum  Muskel  zu  gelangen,  die  Fascia  infra- 
spinata durchbohren.  Es  ist  nur  ein  kleines  Loch  an  dieser  Stelle 
vorhanden,  weil  die  Gefäße  andere  Wege  einschlagen.  Alsbald  nach 
der  Durchbohrung  der  Binde  teilt  sich  der  Nerv  in  mehrere  Zweige, 
welche  sich  stets  in  mehrere  Muskelinterstitien  in  der  Nähe  des 
unteren  Randes  einsenken.  Bei  der  von  uns  gewählten  Haltung  des 
Oberarmbeines  darf  es  nicht  wunder  nehmen,  daß  wir  starke  und 
zahlreiche  rückläufige  Zweige  haben.  Die  dichotomische  Verzweigung 
kommt  klar  in  unserer  Figur  zum  Ausdruck. 

Nicht  Rücksicht  genommen  ist  in  dieser  Abbildung,  welche  von 
einem  Einzelfalle  abgezeichnet  ist,  auf  die  langen  Sehnennerven,, 
welche,  bisweilen  in  weiter  Strecke  oberflächlich  gelegen,  bis  zur  In- 
sertion am  Tuberculum  majus  verfolgt  werden  können,  desgleichen 
auf  die  Verbindungen  mit  Endzweigen  des  N.  suprascapularis  und 
Uebergreifen  von  Muskelnerven  auf  den  M.  infraspinatus.  Diese  Be- 
obachtungen   finden    jedoch  in  Fig.  40    eine    bildliche   Darstellung. 

1)  Uebrigens  hat  Frohse  während  des  Druckes  die  gleiche  Bildung  bei  einem 
sensiblen  ISferven  beobachtet,  nämlich  am  N.  cutaneus  femoralis  lateralis,  wo  der- 
selbe das  Lig.  inguinale  (Poupartii)  unterkreuzt. 

56 


M.  teres  minor.  5T 

Bei  der  hervorragenden  Wichtigkeit  dieser  Tatsache  müssen  wir  in 
einem  Nachtrage  den  Zusammenhang  zwischen  M.  teres  minor  und 
infraspinatus  mit  Rücksicht  auf  die  Innervation  besonders  erörtern. 

M.  infraspinatus  und  teres  minor 
(vergleichend-neurologisch). 

Schon  bei  der  Muskelbeschreibung  haben  wir  betont,  daß  die 
M.  infraspinatus  und  teres  minor  häufig,  besonders  für  den  Anfänger^ 
sehr  schwer  zu  trennen  sind.  Gibt  nun  die  Innervation  über  die 
Berechtigung  einer  scharfen  Sonderung  Aufschluß?  Bei  der  geringen 
Anzahl  unserer  genaueren  Beobachtungen  erlauben  wir  uns  kein  ab- 
schließendes Urteil,  sondern  geben  nur  einige  kasuistische  Beiträge 
zu  dieser  Frage. 

Der  abgebildete  Fall  zeigt  eine  vollkommene  Trennung  der 
Muskeln  sowohl,  wie  ihrer  Nerven.  Wir  haben  aber  Fälle  beobachtet,, 
wo  die  beiden  Nerven,  N.  suprascapularis  und  axillaris,  durch  eine 
deutliche  Anastomose  zusammenhingen,  allerdings  gerade  an  der 
Aponeurosis  intermuscularis.  Wir  lassen  es  dahingestellt,  ob  es  sich 
hier  um  Austausch  von  Muskelnerven  handelt,  oder  nur  um  eine  ge- 
meinschaftliche Versorgung  der  beiden  Muskeln  zukommenden  Apo- 
neurosis intermuscularis.  Eine  andere  Tatsache  steht  aber  einwands- 
frei  da:  die  mitunter  vorkommende  Innervation  eines  Teiles  des  M. 
infraspinatus,  und  zwar  seiner  dritten,  unteren  Portion,  durch  den 
N.  axillaris.  Dieselbe  findet  sich  auch  bei  vollkommen  deutlicher 
Trennung  der  beiden  Muskelbäuche.  Trotz  sorgfältigen  Nachforschens 
gelang  es  uns  bisher  nicht,  in  solchen  Fällen  eine  Verbindung  von 
einwandsfreien  Muskelnerven  festzustellen.  Vielleicht  haben  wir  es 
hier  mit  demselben  Mißgeschicke  zu  tun,  wie  anfänglich  mit  dem 
M.  deltoideus  und  dessen  gelegentlicher  Doppelinnervierung  durch  die 
N.  axillaris  und  thoracales  anteriores  und  dem  M.  brachialis  und  dessen 
(fast)  regelmäßiger  Doppelinnervation  durch  die  N.  medianus  und 
radialis.  Auch  hier  konnten  wir  nach  vielen  vergeblichen  Bemühungen 
Verbindungen  feststellen,  Anastomosen  zwischen  verschiedenen  Nerven- 
stämmen. Wir  betrachten  sie  nicht  für  konstant,  halten  aber  auch 
in  besonderen  Fällen  bei  den  beiden  hier  beschriebenen  Muskeln  Ver- 
bindungen zwischen  den  beiden  Nerven  innerhalb  der  Muskulatur 
für  wahrscheinlich.  Können  wir  in  dieser  Weise  die  Muskelinner- 
vation  eines  Teiles  des  M.  supraspinatus  durch  den  N.  axillaris  mit 
Bestimmtheit  behaupten,  so  haben  wir  bis  jetzt  noch  nicht  den  Nach- 
weis erbringen  können,  daß  Muskelbündel  des  M.  teres  minor  teil- 
weise vom  N,  suprascapularis  mitversorgt  werden. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  4,7  cm 

Maximum  7,5    ,, 

Durchschnitt  aus  9  Messungen    6,4    „ 
Unterschied  in  Centimetern  2,8,  in  Prozenten  60  o/o. 

Segmentbezüge. 
5.  Cervicalnerv. 

57 


58 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 

Gewicht. 


Gewicht 

.     .   .           Muskel- 
'^  ^""^        Substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 
III.  rechter  starker  Arm 
VI.  linker  starker  Arm 

18 
15 
50 

45 

16 
13 

42,5 
39,6 

2 
2 

7,5 
4,5 

89 
86,7 
85 
88 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

32 

27,8 

4,2 

87,2 

Varietäten. 

Der  Verschmelzung  mit  dem  M.  infraspinatus  ist  schon  bei 
diesem  Muskel  gedacht  worden.  Im  übrigen  ist  nur  eine  Varietät 
erwähnenswert,  die  Trennung  des  unteren  Abschnittes,  welcher  nicht 
mehr  sehnig  an  der  unteren  Facette  des  Tuberculum  majus  an- 
setzt, sondern  muskulös  unterhalb  und  etwas  nach  vorn  an  dem- 
selben und  so  sich  gegen  die  Crista  tuberculi  majoris  hinwendet. 
Solange  keine  Bestimmungen  über  die  Innervation  vorliegen,  ist  es 
müßig,  darüber  zu  streiten,  ob  man  die  verhältnismäßig  selten  vor- 
kommende Varietät  als  M.  teres  minimus  oder  M.  subscapularis 
minor  bezeichnen  soll. 

Bei  den  beiden  Armpräparaten,  welche  den  Zeichnungen  unserer 
Muskelursprünge  zu  Grunde  gelegen  haben,  konnten  wir  rechterseits 
eine  Atrophie  des  M.  infraspinatus  feststellen,  wobei  gleichzeitig  auch 
die  spindelförmige  Verdickung  des  von  Cunningham  abgebildeten 
Ganglions  des  N.  m.  teretis  minoris  fehlte. 

In  Fall  202  der  V.  B.  fehlt  der  M.  teres  minor  ganz. 

M.  teres  major. 

Synonyma:  Großer  runder  Annmuskel;  M.  rotundus  major;  grand 
rond,  scapulo-humeral  Chaussier,  anguli-scapulo-humeral  Dumas. 


Allgemeine  Beschreibung. 

Der  lange,  parallelbündlige  Muskel  hat  durchaus  keine  runde 
Form,  sondern  ist  in  den  einzelnen  Abschnitten  seines  Verlaufes,  in 
Ursprung,  Mitte  und  Ansatz,  einer  der  wechselvollsten  Muskeln  des 
menschlichen  Körpers.  Es  gibt  keinen  allgemeinen  Ausdruck  für  die 
wirkliche  Form  des  Muskels,  weder  für  den  Zustand  der  Ruhe,  noch 
für  den  der  Kontraktion.  Zwei  Tatsachen  bestimmen  auch  am  Prä- 
parate die  Gestalt. 

1)  Oberflächlich  die  spiralige  Umgreifung  des  Muskels  durch  den 
M.  latissimus  dorsi,  welcher  zunächst  dorsalwärts  gelagert  ist,  dann 
lateralwärts  und  am  hinteren  Rande  der  Achselhöhle  in  die  Endsehne 
übergeht,  welche  ihrerseits  ventral  gelagert  ist  und  eine  konstante  ent- 
weder membranöse  oder  sehnige  Verbindung  mit  dem  Sehnenspiegel 
des  Caput  longum  des  M.  triceps  hervorgehen  läßt.  —  Es  handelt 
sich  hier  um  eine  wichtige  Theromorphie.  Recht  häufig  finden  wir 
auch  beim  Menschen  eine  proximale  muskulöse  Ausstrahlung  des  M. 
latissimus   dorsi   zum  M.   pectoralis  major,    eine   Muskelkonjugation. 

58 


I 


M.  teres  major. 


59 


welche  als  LANGERScher  Muskel  bezeichnet  wird  und  von  Frohse 
etwa  40mal  beobachtet  ist,  bald  einseitig,  bald  bilateral  und  dann 
vollkommen  gleich  gebaut.  Die  distale  Verbindung  ist  beim  Menschen 
nicht  muskulös.  Das  sehnige  Rudiment  wird  aber  niemals  vermißt. 
2)  In  der  Tiefe  bahnt  sich  der  lange  Tricepskopf  seinen  "Weg 
zwischen  M.  teres  minor  dorsal  und  teres  major  ventral.  Dieser 
mächtige  Muskelbauch  drängt  die  mittlere  Partie  des  M.  teres  major 


Fi^.  42.    Dreieckige  und  viereckige  Muskellücke  von  der  Rückseite. 

D  M.  deltoideus.  F.i  Fascia  infraspinata.  T.mi  M.  teres  minor.  N.ax 
N.  axillaris.  H  Humerus.  T.ma  M.  teres  major.  L.d  M.  latissimus  dorsi.  T.lo 
M.  triceps,  caput  longum.     T.  la  M.  triceps,  caput  laterale. 

nach  vorn  hin  und  unterstützt  als  muskulöses  Hypomochlion  die 
Einwärtsrotation  des  M.  teres  major  in  wirksamster  Weise. 

Noch  klarer  wird  die  Verschiedenheit  der  Richtung  des  Muskel- 
bauches, wenn  man  den,  bei  dem  M.  triceps  beschriebenen  Sehnen- 
zug darstellt,  welcher  den  Sehnenspiegel  des  langen  Tricepskopfes 
mit  der  Sehne  des  M.  latissimus  dorsi  verbindet. 

Der  Ursprung  liegt  auf  der  Rückseite  des  Körpers,  auf  der 
Dorsalseite  der  Scapula,  dicht  an  und  oberhalb  ihres  unteren  Winkels, 
der  Ansatz  dagegen  an  der  Vorderfläche  des  Humerus,  an  der  Crista 
tuberculi  minoris,  oft  in  unmittelbarem  Anschlüsse  an  das  Tuberculum 
minus  oder  doch  an  den  M.  subscapularis. 

59 


60  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Vielfach  wird  der  Muskel  als  Caput  scapulare  des  M.  latissimus 
dorsi  aufgefaßt.  Diese  Anschauung  ist  durchaus  berechtigt,  weil  ein- 
mal beide  Muskeln  häufig  durch  eine  Muskelkonjugation,  welche  vom 
unteren  Winkel  des  Schulterblattes  entspringt,  verbunden  sind,  dann 
aber  auch  wegen  der  Innervierung.  Wir  müssen  hier  auch  den  M. 
subscapularis  in  die  Betrachtung  hineinziehen,  welcher  in  seiner 
hauptsächlichsten  Wirkung  den  Arm  einwärts  rotiert.  Auch  die 
Einrichtung  der  Fascie  s.  d.  entspricht  dieser  Anschauung. 

Diese  drei  Muskeln :  M.  subscapularis,  teres  major  und  latissimus 
dorsi,  werden  nacheinander  von  den  verschiedenen  N.  subscapulares 
versorgt.  Die  kürzesten  Zweige  erhält  der  kürzeste  Muskel,  der  M. 
subscapularis,  die  mittleren  der  M.  teres  major  und  die  längsten  der 
M.  latissimus  dorsi  mit  seinem  R.  subscapularis  III  s.  longus  s.  mar- 
ginalis  scapulae  s.  thoracodorsalis.  Letzterer  Name  ist  durch  die 
B.  N.  A.  gewählt  worden ;  wir  halten  aber  auch  die  anderen,  besonders 
in  diesem  Zusammenhange,  für  erwähnenswert,  da  sie  das  Verständnis 
für  die  Praxis  nur  fördern  können. 

Seiner  Wirkung  nach  wird  der  Muskel  nicht  mit  Unrecht  als 
„Gelehrtenmuskel"  bezeichnet,  weil  der  freie  Muskelbauch  bei  rück- 
wärts verschränkten  Armen  besonders  deutlich  hervortritt.  Daß 
diesem  Muskel  jedoch  bei  entsprechenden  turnerischen  Uebungen 
eine  ungleich  größere  Bedeutung  zukommt,  dürfte  ohne  weiteres 
einleuchten. 

Duchenne  S.  83  (No.  115)  gibt  an:  „der  Rhomboideus  und  der 
Teres  major,  welche  sich  ineinander  fortzusetzen  scheinen,  bilden 
folglich  einen  einzigen  Muskel  mit  der  Funktion,  die  Senkung  des 
Armes  zu  bewirken."  S.  84:  „Die  pathologische  Beobachtung  wird 
jedoch  bald  zeigen,  daß  es  sich  physiologischerweise  nicht  so  ver- 
hält." —  „Die  rotierende  Wirkung  des  Teres  major  nach  innen  ist 
sehr  beschränkt,  wenn  sie  nicht  vollkommen  illusorisch  ist."  (No.  116.) 
(No.  117)  „Was  die  Bewegung  nach  hinten  anbetrifft,  so  ist  sie  unbe- 
streitbar." Das  synergische  Wirken  mit  dem  M.  latissimus  dorsi  unter 
der  Benennung  ani  scalptor  stellt  Duchenne  in  Abrede.  Wir  da- 
gegen halten  an  der  alten  Auffassung  fest  und  vermögen  in  keiner 
Weise  die  Ansicht  Duchenne's  zu  unterstützen  S.  85:  „Nur  die 
hintere  Portion  des  Deltoideus  kann  unter  Mitwirkung  des  Rotator 
humeri  anticus  (Subscapularis)  der  Hand  dazu  verhelfen,  die  Funktion 
als  ani  scalptor  zu  erfüllen,  indem  sie  den  Oberarm  nach  hinten  führt 
und  ihn  genügend  weit  vom  Rumpfe  entfernt,  daß  der  mehr  oder 
weniger  gebeugte  Vorderarm  hinter  dem  Rücken  vorbeigelangen  kann." 
(No.  118)  „Die  isolierte  Kontraktion  erhebt  den  Schulterstumpf, 
während  sie  den  unteren  Winkel  des  Schulterblattes  dem  Humerus 
annähert.  Diese  Erhebung  der  Schulter  beträgt  beim  Erwachsenen 
2—3  cm." 

Nach  unserer  Meinung  kommt  diese  Bewegung  dann  zustande,  wenn 
das  Oberarmbein  das  Punctum  fixum  darstellt,  eine  Stellung,  welche 
z.  B.  bei  starker  Orthopnoe  eintritt.  Der  bewegliche  Punkt  ist  dann 
der  untere  Winkel  des  Schulterblattes,  der  mit  großer  Kraft  dem  Ober- 
armbeine genähert  und  gegen  das  Caput  humeri  emporgehoben  werden 
kann,  je  nach  der  Schrägstellung  des  Muskels,  dem  Höhenunterschiede 
zwischen  dem  obersten  Ansatzpunkte  und  dem  tiefsten  Ursprungspuukte 
an  der  Facies  dorsalis  scapulae,  d.  h.  dem  Angulus  inferior. 


M.  teres  major.  61 

Die  Senkung  ohne  Kraft  vollzieht  sich  schon  durch  das  Eigen- 
gewicht des  Armes,  wenn  gleichzeitig  die  Muskeln,  welche  die  Er- 
hebung bewirkt  haben,  erschlaffen. 

Idiotopie  nnd  Skeletopie. 

Der  genauere  Ursprung  ist  1)  teils  knöchern,  2)  teils  sehnig. 

1)  Die  Rückseite  der  Scapula  zeigt  an  ihrem  unteren  Winkel 
beim  Erwachsenen  regelmäßig  eine  scharf  begrenzte  Fläche,  aus  der 
man  auch  am  Skelete  noch  den  Ursprung  des  Muskels  heraus- 
lesen kann;  die  Ausdehnung  ist  sehr  verschieden,  je  nach  der  Aus- 
ladung des  unteren  knöchernen  Winkels.  Anstatt  spitz  oder  stumpf 
zu  enden,  kann  dieser  Knochenpunkt  eine  ziemlich  breite  horizontale 
Platte  nach  lateralwärts  entwickeln,  welche  nicht  zum  geringsten  Teile 
durch  den  Ursprung  des  M.  teres  major  erzeugt  wird. 

2)  Nur  am  Muskelpräparate  kann  man  sich  von  den  Ursprüngen 
überzeugen,  welche  von  den  Aponeuroses  intermusculares  zwischen 
ihm  und  den  Nachbarmuskeln,  den  M.  teres  minor  und  infraspinatus, 
lierkommen. 

3)  Als  nicht  konstantes  Bündel  muß  man  denjenigen  Abschnitt 
noch  erwähnen,  welcher  als  unterster  Teil  sich  mit  dem  M.  latissimus 
dorsi  in  Verbindung  setzt. 

Der  Muskelbauch  zieht  im  wesentlichen  lateralwärts.  Die  Rich- 
tung nach  oben  macht  sich  erst  während  der  Präparation  geltend,  bei 
welcher  man  der  Bequemlichkeit  halber  den  Arm  mehr  oder  weniger 
abduziert. 

Die  Endsehne  ist  breit,  entwickelt  sich  aber  nicht  in  gleichmäßiger 
Entfernung  von  der  Insertionsstelle   an  der  Crista  tuberculi  minoris. 

Auf  der  vorderen  Seite  erscheint  der  Muskel  einigermaßen  parallel 
gefasert;  anders  auf  der  freien  Rückseite. 

Dort  läßt  sich  eine  deutliche  Torsion  erkennen.  Diejenigen 
Bündel,  welche  am  weitesten  nach  oben  am  unteren  Schulterblatt- 
winkel entspringen,  biegen  in  der  Höhe  des  Schultergelenkes  um  und 
finden  am  Oberarmbeine  eine  tiefere  Insertion,  als  die  vom  unteren 
Winkel  des  Schulterblattes  herkommenden. 

Der  Ansatz  an  der  Crista  tuberculi  minoris  ist  ungefähr  5 — 6  cm 
lang  und  ist  entweder  rein  sehnig  oder  halb  sehnig  im  oberen,  halb 
muskulös  im  mittleren  Teile,  oder  überwiegend  fleischig.  Inwieweit 
hierbei  eine  Entwickelung  einer  Bursa  mucosa  statthaben  kann,  möge 
bei  der  Darstellung  der  Muskelansätze  nachgesehen  werden. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Für  das  Verständnis  der  äußeren  Form  ist  am  wichtigsten  die 
Lagebeziehung  zum  M.  latissimus  dorsi.  Dieser  Muskel  bedeckt  ja 
den  unteren  Winkel  des  Schulterblattes  und  damit  den  unteren  Ur- 
sprungsteil des  M.  teres  major.  Darauf  wendet  sich  der  M.  latissimus 
dorsi  im  Bogen  auf  die  Außenseite  des  Rumpfes  und  gelangt  schließ- 
lich auf  die  Vorderseite,  wo  er  die  hintere  Wand  der  Achselhöhle 
bildet.  Ueberall  behält  er  die  oberflächliche  Lage  bei  und  bedeckt 
so  den  M.  teres  major,  sowohl  von  der  Rück-,  Außen-  wie  von  der 
Vorderseite  und  läßt  für  das  Oberflächenbild  nur  verhältnismäßig 
kleine  Teile  dieses  ansehnlichen  Muskels  frei.  Die  Endsehnen  beider 
Muskeln  können  übrigens  ganz  oder  teilweise  miteinander  verschmelzen, 


62  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

andererseits  aber  auch  vollkommen  voneinander  durch  einen  Schleim- 
beutel geschieden  sein,  dessen  Größe  sich  nach  der  Breite  des  M.  la- 
tissimus  dorsi  richtet.  Sind  die  Sehnen  nur  teilweise  durch  lockeres 
Bindegewebe  oder  aponeurotisch  miteinander  verbunden,  so  liegt 
zwischen  dem  nicht  vereinigten  Teile  ein  entsprechend  kleinerer 
Schleimbeutel.  Dieser  an  Größe  enorm  wechselnden  Bursa  mucosa 
steht  die  tiefe,  unter  der  Sehne  des  M.  teres  major,  zwischen  ihr  und 
dem  Oberarmbeine  gelegene  gegenüber,  die  regelmäßig  vorhanden  ist 
und  sich  in  ihrer  Ausdehnung  nach  der  Breite  der  Endsehne  richtet. 

Oberhalb  des  M.  latissimus  dorsi  liegt,  wie  bereits  erwähnt,  ein 
größeres  Stück  des  Muskels  nur  unter  Fascie  und  Haut  und  springt 
bei  rückwärts  verschränkten  Armen  kräftiger  Leute  als  sehr  starker 
Wulst  vor. 

In  seinem  mittleren  Drittel  wird  der  Muskel  vom  langen  Triceps- 
kopfe  senkrecht  überkreuzt. 

Das  Ansatzdrittel  wird  von  der  Endsehne  des  M.  latissimus  dorsi 
überlagert,  läßt  aber  regelmäßig  den  unteren  Teil  frei,  bei  schmaler 
und  nicht  weit  nach  oben  reichender  Endsehne  desselben,  auch  einen 
kleineren  oberen  Abschnitt. 

Der  obere  Rand  begleitet  zuerst  den  M.  teres  minor;  dann  aber 
weichen   beide   Muskeln   auseinander,   und  zwar  in   doppelter  Weise: 

1)  von  oben  nach  unten,  weil  er  selbst  zum  Schafte  des  Ober- 
armbeines geht,  und  zwar  zur  Crista  tuberculi  minoris,  der  M. 
teres  minor  aber  zum  Tuberculum  majus, 

2)  von  vorn  nach  hinten,  weil  nämlich  das  Tuberculum  majus 
auf  der  Rückseite  des  Caput  humeri  liegt,  die  Crista  tuberculi  minoris 
aber  an  der  Vorderseite  des  Schaftes. 

Diese  Verschiedenheit  wird  ja  durch  das  Einschieben  des  langen 
Tricepskopfes  noch  deutlicher,  welcher  die  ursprünglich  einheitliche 
dreieckige  Lücke  in  zwei  getrennte  verwandelt,  die  mediale  dreieckige 
und  die  laterale  viereckige. 

Der  untere  Rand  ist  nahezu  vollständig  durch  den  M.  latissimus 
dorsi  verdeckt,  bis  auf  die  Ansatzstelle. 

Innervation. 

Der  M.  teres  major  bekommt  seinen  Nerven  aus  dem  hinteren 
Strange  des  Plexus  brachialis  und  wird  als  ein  N.  subscapularis  auf- 
geführt. Es  würde  sich  empfehlen,  wenn  die  alten  Bezeichnungen 
und  Unterschiede,  bei  den  N.  subscapulares  wieder  in  den  B.  N.  A.  Auf- 
nahme finden  würden.  Bei  den  3  von  diesen  Nerven  versorgten  sehr 
kräftigen  Muskeln,  welche  mit  zu  den  größten  der  oberen  Extremität 
und  selbst  des  ganzen  Körpers  gehören,  wäre  eine  besondere  Be- 
zeichnung durchaus  angebracht.  Man  hätte  die  Wahl  nach  folgen- 
den Gesichtspunkten:  Erstens  nach  der  Reihenfolge  als  I,  II,  III, 
oder  der  Höhenlage  nach  als  superior,  medius  und  inferior,  oder  der 
Länge  nach  als  brevis,  medius  und  longus.  Viertens  nach  besonderen 
topographischen  Erwägungen,  welche  für  den  praktisch  bedeutsamsten 
Nerven  —  Exstirpatio  mammae!  —  für  den  Nerven,  welcher  den 
M.  latissimus  dorsi  versorgt,  zur  besonderen  Namengebung  als  R. 
marginalis  scapulae  geführt  haben.  Fünftens  das  Einfachste  wäre, 
wenn  man  die  Nerven  nach  den  versorgten  Muskeln  bezeichnen  würde. 
Zwar  erhalten  die  M.  latissimus  dorsi  und  teres  major  nur  je  einen, 

62 


M.  teres  major. 


63 


} 


bis  in  die  Nähe  des  Eintrittes  in  den  Muskel  einheitlichen  Nervenzweig, 
dagegen  müssen  wir  für  den  M.  subscapularis  mindestens  5  einzelne 
Nervenzweige  feststellen,  von  denen  der  am  meisten  distal  gelegene 
Zweig  ein  Ast  des  N.  axillaris  ist,  der  darauf  folgende  proximale  ein 
mehr  oder  minder  dicker  Seitenzweig  des  für  den  M.  teres  major  be- 
stimmten Nerven.  Die  proximal  gelegenen  Nerven,  an  Zahl  mindestens 
3,  sind  nur  für  den  M.  subscapularis  (pars  thoracalis)  bestimmte  Aeste. 

Was  nun  die  Nervenzweige  des  M.  teres  major  anlangt,  so  haben 
wir  sie  in  unseren  Abbildungen  wegen  ihrer  Wichtigkeit  sowohl  von  der 
vorderen  Seite  (Fig.  38  u.  39),  wie  von  der  Rückseite  (Fig.  45)  dar- 
gestellt, wie  auch  andererseits  bei  adduziertem,  herabhängenden  Arme 
(Fig.  39),  wie  bei  abduziertem,  seitwärts  erhobenen  Arme  (Fig.  38). 
Gerade  dieser  Muskel  ist  im  Zustande  der  Kontraktion  enorm  ge- 
drungen, weil  ihm  nur  ganz  geringe  Sehnensubstanz  zukommt,  die 
sich  außerdem  auf  den  flächenartigen  Ansatz  am  Oberarmbeine  be- 
schränkt, und  ist  bei  Elevation  des  Armes  auf  das  Doppelte  ver- 
längert, so  daß  die  Nervenzweige  fast  dicht  an  die  Oberfläche  ge- 
langen. Entsprechend  dem  gedrungenen  Muskelbilde  im  Zustande 
der  Adduktion,  wenn  der  Arm  frei  zur  Seite  des  Rumpfes  herabhängt, 
haben  wir  auch  ein  Nervenbild,  welches  die  Zweige  dicht  neben- 
einander gerückt  ^zeigt,  ein  Verhalten,  das  zeichnerisch  recht  schwierig 
wiederzugeben  ist*  Für  praktische  Zwecke  dürften  die  anderen  Bilder, 
welche  den  Arm  abduziert  zeigen,  größere  Bedeutung  haben,  weil  ja 
bei  der  passiven  Dehnung  die  bei  der  präparatorischen  Darstellung 
der  Nerven  gebräuchliche  Methode  dieselbe  Haltung  mit  sich  bringt, 
in  welcher  der  Muskel  am  Lebenden  seine  Tätigkeit  zu  entfalten  beginnt. 

Im  einzelnen  bietet  das  Nervenbild  wenig  Besonderheiten.  Der 
Nerv  senkt  sich,  gewöhnlich  zweigeteilt,  in  die  Mitte  des  Muskel- 
bauches hinein  und  liefert  in  weiterer  dichotomischer  Teilung  eine 
überaus  reiche  Verzweigung,  welche  sich  durch  die  vielfachen  Ver- 
bindungen zu  einem  wahren  Nervenplexus  gestaltet.  Besonders  leicht 
sind  an  diesem  Muskel  recht  lange  Nerven  bis  zum  Ursprünge  und 
der  Ansatzsehne  zu  verfolgen. 


Muskelbündellänge. 

Minimum  7    cm 

Maximum  12,5  „ 

Durchschnitt  aus  13  Messungen    9,7  „ 
Unterschied  in  Centimetern  5,5,  in  Prozenten  78o/o. 

Segmentbezüge. 
5.  6.  (7).  Cervicalnerv. 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen - 
Substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

CO 

52 

210 

175 

f>8 

49,5 
205 
168 

2 

2,5 

5 

7 

9G,7 
95,2 
97,6 
96 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

124,3 

120,1 

4,2 

96,4 

63 


64 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Varietäten. 


Die  Verschmelzung  des  Muskels  mit  der  Endsehne  des  M.  la- 
tissimus  dorsi  ist  außerordentlich  häufig.  Sie  findet  sich  erst  in  der 
Nähe  der  Crista  tuberculi  minoris.    Entweder  sind  beide  Sehnen  mit 


1 

^■i 

ii 

3 

^'  g 

CS 

(»  2 

_W) 

3   & 

■^   S 

5 

c3   m 

c 

•s,^ 

§-. 

'n, -? 

h 

a.^' 

'  'S  .  . 

'S  :3 

5-11 

^P5 

^sS^ 

C  t- 

•  t-  ^ 

3' 

1*^ 

^  c 

cS.^   «1 

S  o 

aK*<    . 

a  > 

Ph;s 

o^* 

4 

.^A 

•3    X 

^cT 

CQ  a  CS 

ss^' 

< 

5<>J 

ihrer  ganzen  Berührungsfläche  miteinander  verschmolzen  oder  nur 
der  proximale  Abschnitt.  In  letzterem  Falle  findet  sich  dann  nur  im 
distalen  Abschnitte  ein  unter  Umständen  recht  ansehnlicher  Schleim- 
beutel zwischen  beiden  Sehnenblättern.  Die  bekannte  Muskelzacke, 
welche  vom   unteren  Winkel   des   Schulterblattes   zum  M.  latissimus 


64 


Vergleich  der  Rollhügel  des  Humerus  und  des  Femur.  65 

dorsi  geht,   ist  eine  Muskelkonjugation,   welche   den   Zusammenhang 
auch  der  beiden  Muskelbäuche  miteinander  kundgibt. 

Der  Muskel  kann  sogar  fehlen,  eine  Varietät,  so  selten  wie  eine 
Konjugation  zum  langen  Tricepskopfe  oder  eine  teilweise  Anheftung 
an  die  Fascia  brachii.  Ein  accessorisches  Bündel  des  Teres  major 
inseriert  an  der  Ursprungssehne  des  laugen  Tricepskopfes  No.  102 
(V.  B.).  Unter  330  der  V.  B. :  Ein  accessorischer  Ursprung  des  Teres 
major  vom  Margo  vertebralis  dicht  unterhalb  der  Spina  scapulae. 

Vergleich  der  drei  ßollhügel  am  Oberschenkelbeine  (Trochanter 
major,   minor   und   tertius)    mit  den   entsprechenden   Knochen- 
stellen und  ansetzenden  Muskeln  am  Oberarmbeine. 

Bei  der  unteren  Extremität  verstehen  wir  unter  Beugung  die 
Näherung  des  freien  Beines  gegen  den  Bauch;  eine  Wirkung,  welche 
hauptsächlich  durch  den  Lendendarmbeinmuskel  (M.  iliopsoas)  erzielt 
wird.  Folgerichtig  muß  man  den  entsprechenden  Knochenansatz,  den 
sogenannten  „kleinen"  Rollhügel,  als  Beugehügel  oder  -höcker 
bezeichnen. 

Die  Bewegung  „Rollung"  des  Beines  nach  innen,  seitwärts  oder 
hinten  wird  durch  diejenigen  Muskeln  bewirkt,  welche  am  sogenannten 
„großen"  Rollhügel  oder  -höcker  ihren  Ansatz  finden.  Da,  wie  eben 
auseinandergesetzt  ist,  der  „kleine"  Rollhügel  als  Beugehügel  auf- 
zufassen ist,  kommt  dem  „großen"  Rollhügel  die  Bezeichnung  des 
„Großen"  nicht  zu.    Es  ist  eben  einfach  „der"  Rollhügel. 

Die  dritte  Hauptbewegung,  welche  durch  das  Bein  im  Hüftgelenke 
ausgeführt  werden  kann,  nennen  wir  „Streckung"  und  verstehen  da- 
runter die  Bewegung  der  freien  unteren  Extremität  nach  hinten.  Der 
entsprechende  Muskel,  der  große  Gesäßmuskel,  findet  seinen  Ansatz 
an  einer  Rauhigkeit  des  Oberschenkelbeines,  welche  bei  Tieren  viel- 
fach als  deutlicher  Höcker,  als  dritter  Rollhügel  (Trochanter  tertius) 
vorspringt.  Gemäß  der  Wirkung  des  ansetzenden  Muskels  müssen 
wir  diese  Knochenstelle  als  „Streckhöcker"  bezeichnen. 

Um  also  diese  Betrachtungen  kurz  zusammenzufassen: 

1)  Der  große  Rollhügel  (Trochanter  major)  stellt  den  Ansatz  sämt- 
licher Rollmuskeln  dar  (mittlerer  und  kleiner  Gesäß-,  M.  glutaei  medius 
und  minimus ;  birnenförmiger,  M.  piriformis,  und  Verstopfmuskeln, 
M.  obturatores  int.  et  ext.)  und  verdient  deshalb  nur  den  Namen 

„Rollhügel  oder  -höcker". 

2)  Der  kleine  Rollhügel  (Trochanter  minor)  dient  dem  Lendendarm- 
beinmuskel (M.  iliopsoas)  zum  Ansätze,  welcher  seinerseits  vorwiegend 
die  Beugung  des  Beines  gegen  den  Rumpf  zu  bewirken  hat ;  mit  Recht 
verdient  daher  dieser  deutliche  Knochenpunkt  die  Bezeichnung: 

„Beugehügel  oder  -höcker". 

3)  Der  „dritte"  Rollhügel,  die  Rauhigkeit  des  großen  Gesäß- 
muskels, welche  auch  beim  Menschen  als  Höcker  vorspringen  kann 
(Tuberositas  glutaea  oder  Trochanter  tertius),  muß  nach  der  Wirkung 
dieses  Muskels  benannt  werden: 

„Streckrauhigkeit  oder  -höcker". 

Genau  die  gleichen  Bewegungen,  wie  am  Beine  im  Hüftgelenke, 
lassen  sich  auch  am  Arme  im  Schultergelenke  ausführen :  Bewegungen 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  11,  2.  p. 

65  ^ 


66  FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

nach  vorn:  Armbeugen;  seitwärts:  Armheben  (beim  Beine  in  der 
Turnersprache  Spreizen  genannt);  nach  hinten:  Armstreckung.  Das 
Armrollen  ist  wie  beim  Beine  eine  gemischte  Bewegung  und  zerfällt 
im  Groben  in  das  Einwärts-  und  Auswärtsrollen. 

Wir  beginnen  mit  den  am  höchsten  gelegenen  Knochenvor- 
sprüngen, dem  großen  und  dem  kleinen  Höcker  des  Oberarmbeines 
(Tuberculum  majus  und  minus),  an  welchen  beiden  die  Hauptmasse 
der  Rollmuskulatur  ansetzt.  Es  wäre  ganz  verkehrt,  den  großen 
Höcker  des  Oberarmbeines  dem  „großen"  Rollhügel  des  Oberschenkel- 
beines gleichzusetzen,  oder  auch  den  kleinen  Höcker  dem  kleinen 
Rollhügel.  Großer  und  kleiner  Höcker  des  Oberarmbeines  zu- 
sammengenommen, entsprechen  dem  „großen"  Rollhügel.  Auch 
am  Knochenpräparate  wäre  diese  Tatsache  ohne  weiteres  deutlich, 
wenn  nur  nicht  am  Oberarmbeine  durch  den  Druck  der  Sehne  des 
langen  Bicepskopfes  im  Sulcus  intertubercularis,  in  der  Zwischen- 
höckerrinne, eine  Trennung  des  Rollhügels  in  einen  großen  und 
kleinen  Höcker  bewirkt  wäre. 

Die  Beuge  Wirkung  zwischen  Schultergürtel  und  Oberarm  wird 
durch  den  vorderen  Abschnitt  des  Deltamuskels  und  den  Raben- 
schnabelarmmuskel  (M.  coracobrachialis)  bewirkt,  außerdem  durch  die 
laterale  Portion  des  M.  pectoralis  major,  welche  dem  M.  deltoideus  be- 
nachbart ist.  Der  Ansatz  findet  sich  ebenfalls  nicht  einheitlich  an  der 
Mitte  des  Oberarmbeines ;  hier  bewirkt  der  Ursprung  des  inneren  Arm- 
muskels (M.  brachialis)  eine  Trennung  in  eine  äußere  und  innere  Leiste, 
welche  in  der  Mitte  des  Oberarmbeines  an  der  Vorderfläche  unweit  des 
äußeren  und  inneren  Randes  zu  finden  sind :  lateral  der  Ansatz  der  M. 
deltoideus  und  pectoralis  major,  medial  derjenige  des  M.  coracobrachialis. 

Die  S  t  r  e  c  k  Wirkung  wird  durch  die  hinteren  Bündel  des  Delta- 
muskels erzielt.  Der  entsprechende  Ansatz  an  der  hinteren  Leiste 
der  Deltarauhigkeit  findet  sich  in  der  Mitte  des  Oberarmbeines  beim 
Uebergange  der  äußeren  Kante  auf  die  hintere  Fläche,  in  schräg 
nach  oben  gewandter  Richtung. 

Wir  geben  hier  eine  Gegenüberstellung  der  Roll-,  Beuge-  und 
Streckhügel  am  Humerus  und  Femur;  es  sind  zu  beachten; 

A.  Oberarmbein,  Himerus: 

1)  Eollhügel    ^  großer  +  kleiner  Höcker  (Tuberculum  majus  +  minus). 

2)  Beugehügel  =  vordere  Leiste  der  Deltarauhigkeit  +  Ansatzstelle  des  Rabenschnabel- 
armmuskels  (M.  coracobrachialis). 

3)  Streckhügel  =  hintere  Kante  der  Deltarauhigkeit. 

B.  Oberschenkelbein,  Femur: 

1)  Eollhügel     =Trochanter  major, 

2)  Beugehügel  =  Trochanter  minor, 

3)  Streckhügei  =  (Trochanter  tertius)  Tuberositas  glutaea. 

Oberschenkel  und  Oberarm,  miteinander  verglichen,  ergeben  vom 
Standpunkte  der  Knochenlehre  folgendes: 

Oberschenkel  Oberarm 

1)  Eollhügel :      („großer")  Eollhügel  (Trochanter      großer  +  kleiner  Höcker  (Tuber- 

major)  culum  majus  +  minus) 

2)  Beugehügel:  (kleiner)    Eollhügel    (Trochanter      vordere   Leiste  der  Deltarauhig- 

minor)  keit,  (Crista  tuberculi  majoris), 

Ansatzstelle  des  Eabenschnabel- 
armmuskels  (Crista  tuberculi 
minoris) 

66 


SchultergeleBk.  67 

3)  Streckhügel:  Rauhigkeit    des   großen    Gesäß-      hintere  Kante  der  Deltarauhig- 
muskels,  dritter  RoUhiigel  (Tu-         keit  (Tuberositas  deltoidea) 
berositas  glutaea  oder  Irochan- 
ter  tertius) 

Nach  den  Muskeln  geordnet,  ergeben  sich  folgende  Vergleiche: 

Oberschenkel  Oberarm 

1)  Rollhügel:      mittlerer    und    kleiner    Gesäß-,      Unterschulterblatt-,  Obergräten-, 

birnenförmiger    und    Verstop-  Untergräten-,     kleiner    runder 

fungsmuskeln  (M.  glutaeus  me-  Armmuskel  (M.  subscapularis, 

dius  und  minimus,  piriformis,  supraspinatus ,      infraspinatus, 

M.  obturatores)  teres  minor) 

2)  Beugehügel:  Lendendarmbeinmuskel  (M.  ilio-      vorderer  Teil  des  Deltamuskels, 

psoas)  clavicularerTeil  des  M.pectoralis 

major  und  Rabenschnabelarm- 
muskel  (M,  deltoideus,  pecto- 
ralis  major  und  coracobrachia- 
lis) 

3)  Stareckhügel:  Oberschenkelteil  des  großen  Ge-      hinterer    Abschnitt    des    Delta- 

säßrauskels  (M.  glutaeus  maxi-  muskels  (M.  deltoideus). 

mus) 

lieber  die  genauere  Lage  der  einzelnen  Knochenpunkte  ist  für 
den  Arm  bei  den  Abbildungen  des  Humerus  nachzusehen. 

Wir  haben  bei  dieser  Darstellung  diejenigen  Muskeln  nicht  be- 
rücksichtigt, welche  nicht  an  den  einzelnen  Höckern  ansetzen;  sonst 
wären  beispielsweise  beim  Oberarme  noch  die  M.  teres  major  und 
iatissimus  dorsi  als  Einwärtsroller,  beim  Oberschenkel  noch  der  M. 
quadratus  femoris  als  Auswärtsroller  aufzuführen  gewesen.  Diese 
Roller  erzeugen  jedoch  an  beiden  in  Frage  kommenden  Knochen- 
stellen keinen  Höcker,  sondern  nur  schmale  Leisten,  so  daß  sie  nichC 
mit  zum  Vergleiche  herangezogen  werden  können. 

Schultergelenk. 

Die  Bewegungen  im  Schultergelenke  entsprechen  denen  im  Hüft- 
gelenke, denn  beide  sind  Kugelgelenke  mit  allseitiger  Beweglichkeit, 
welche  nur  durch  den  Bandapparat  wesentliche,  hier  aber  nicht  zu 
erörternde  Einschränkungen  und  Hemmungen  erfährt.  Das  Hüft- 
gelenk muß  schon  hier  zum  Vergleiche  herangezogen  werden,  weil  in 
ihm  die  Bewegungen  des  Oberschenkels  gegen  den  festen  Beckenring, 
d.  h.  mittelbar  gegen  den  Rumpf  mit  großer  Klarheit  zu  erkennen 
sind.  Dagegen  müssen  wir  den  beweglichen  Schultergürtel  theoretisch 
festlegen  als  einen  verhältnismäßig  starren  Knochenring,  an  dessen 
Außenseite  (entsprechend  der  Hüftgelenkspfanne)  die  Pfanne  des 
Schulterblattes  hervorspringt. 

Die  im  Schulergelenke  möglichen  Bewegungen  leiten  wir  aus 
denen  des  Hüftgelenkes  ab  und  unterscheiden  demgemäß: 

1)  Ab duktion  (Beinspreizen),  Seitwärtsheben  des  Armes.  Beim 
Beine  wirken  in  oberflächlicher  Schicht  der  Tractus  iliotibialis 
(MAissiATscher  Streifen)  mit  seinen  beiden  muskulösen  Komponenten 
(vorn  dem  sogenannten  M.  tensor  fasciae  latae,  hinten  dem  oberen 
Teile  des  M.  glutaeus  maximus)  und  in  tiefer  Schicht  die  mittleren 
Teile  der  M.  glutaeus  medius  und  minimus.  Beim  Arme  haben  wir 
ebenfalls  eine  oberflächliche  und  tiefe  Schicht  zu  unterscheiden.  Die 
erstere  ist  gegeben  durch  die  mittlere  Portion  des  M.  deltoideus,  die 

6; 


68  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

tiefe  durch  den  M.  supraspinatus.  Der  Knochenansatz  findet  sich 
also  beim  Arme  für  beide  Schichten  im  Bereiche  des  Humerus  am 
Tuberculum  majus  und  in  der  Mitte  des  Schaftes  an  des  Tuberositas 
deltoidea.  Beim  Beine  liegt  der  Ansatz  teils  am  Trochanter  major, 
teils  am  Schienbeine,  also  am  Ober-  und  Unterschenkel. 

2)  Flexion.  Beim  Beine  ist  die  Beugewirkung  in  einem  einzigen 
Muskel  vereinigt,  dem  JVl.  iliopsoas,  einem  ungewöhnlich  kräftigen 
Muskel,  welcher  durch  seinen  Zug  auch  am  Knochen  einen  entsprechen- 
den Höcker  erzeugt,  den  Trochanter  minor,  welchen  man  im  Deutschen 
besser  als  Beugehöcker  bezeichnen  sollte.  Vergebens  suchen  wir  am 
Humerus  nach  einem  entsprechenden  Knochenvorsprunge,  obwohl 
wir  den  gestreckten  oder  gebeugten  Vorderarm  ganz  in  demselben 
Sinne  bewegen  können,  wie  das  Bein  gegen  den  Rumpf  gebeugt 
wird.  Die  Muskeln,  welche  diese  Bewegung  vornehmen,  sind  der  M. 
coracobrachialis,  der  vordere  Teil  des  M.  deltoideus,  und,  was  für 
die  Armmuskeln  befremdlich  erscheinen  dürfte,  die  Pars  clavicularis 
des  M.  pectoralis  major.  Der  dem  Trochanter  minor  entsprechende 
Knochenpunkt  am  Oberarmbeine  liegt  also  an  der  vorderen  Kante  der 
Tuberositas  deltoidea  und  außerdem  noch  ungefähr  in  gleicher  Höhe 
an  der  Innenseite  des  Knochens,  am  Ende  der  Crista  tuberculi  minoris. 
Es  sind  also  zwei  Knochenpunkte,  welche  durch  die  medialen  Ur- 
sprungsbündel des  M.  brachialis  voneinander  getrennt  werden. 

3)  Extension.  Unter  derselben  verstehen  wir  die  Bewegung 
einer  Extremität  nach  hinten.  Beim  Beine  ist  es  die  untere  Ab- 
teilung des  M.  glutaeus  maximus,  welche  diese  Aufgabe  zu  erfüllen 
hat;  der  Knochenansatz  ist  die  Tuberositas  glutaea,  welche  wir  im 
Deutschen  als  Streckhöcker  bezeichnen  können  (bei  Tieren  ja  viel- 
fach ein  besonderer  Vorsprung,  der  Trochanter  tertius).  Beim  Arme 
haben  wir  parallel  dem  M.  glutaeus  maximus  verlaufend  die  hinteren 
Bündel  des  M.  deltoideus,  welche  auch  die  entsprechende  Wirkung 
ausüben.  Der  hintere  Schenkel  der  Tuberositas  deltoidea  ist  der 
Tuberositas  glutaea  vergleichbar. 

4)  Rotation.  Diese  Bewegung  zerfällt  in  Auswärts-  und  Ein- 
wärtsdrehung. Beim  Beine  finden  die  entsprechenden  Muskeln  ihren 
Ansatz  am  Trochanter  major  oder  in  unmittelbarer  Nähe  desselben. 
Als  deutsche  Bezeichnung  wäre  Rollhügel  angebracht,  nicht  etwa 
großer  Rollhügel,  weil  wir  für  den  Trochanter  minor  bereits  den 
physiologisch  richtigen  Ausdruck  „Beugehügel"  gewählt  haben.  Am 
Trochanter  major  ist  in  der  klarsten  Weise  der  Ansatz  der  Rotatoren 
ausgeprägt ;  es  genügt,  nur  die  M.  glutaeus  medius  und  minimus  in  ihrer 
Wirkung  zu  betrachten.  Der  vordere  Abschnitt  wirkt  als  Einwärtsdreher, 
der  mittlere,  wie  bereits  dargestellt,  als  Abductor,  der  hintere  als 
Auswärtsdreher.  Trotz  der  verschiedenen  Wirkung  der  einzelnen 
Abschnitte  derselben  Muskeln  ist  der  Ansatz  im  Trochanter  (major) 
vereinigt.  Am  Arme  zeigt  das  Knochengerüst  nicht  so  einfache 
Höcker  oder  Linien,  indem  einmal  das  Schulterblatt  durch  die  Spina 
scapulae  in  zwei  nicht  gleichwertige  Unterabteilungen  gespalten  ist 
und  außerdem  am  Kopfe  des  Humerus  die  Sehne  des  langen  Biceps- 
kopfes  ein  Tuberculum  majus  und  minus  erzeugt.  Diese  scheinbare 
Verwickelung  ist  aber  für  das  leichte  Verständnis  der  Bewegungen  nur 
als  erfreulich  zu  begrüßen.  Unterhalb  der  Spina  scapulae  haben  wir 
in  den  M.  infraspinatus  und  teres  minor  die  Auswärtsroller,  der 
M.  supraspinatus  stellt  einen  kräftigen,  tiefen  Abductor  dar,  und  unter- 


Schultergelenk.  69 

halb  des  Proc.  coracoideus  findet  sich  als  erster  Einwärtsroller  der 
M.  subscapularis.  Diese  wohlgetrennten  Muskeln  haben  als  Ansatz- 
punkt das  Tuberculum  majus  und  minus,  welche  also  physiologisch 
zusammenzufassen  sind,  entsprechend  dem  Trochanter  major  des 
Oberschenkelbeines.  Denken  wir  uns  die  Spina  scapulae  und  den 
Sulcus  intertubercularis  fort,  so  haben  wir,  entsprechend  der  seit- 
lichen Gesäßgegend,  eine  einheitliche  Muskelmasse,  welche  Auswärts- 
roller, Abzieher  und  Einwärtsroller  umfaßt  und  zum  Rollhügel  des 
Oberarmbeines  hinzieht,  welcher  sich  allerdings  aus  Tuberculum  majus 
und  minus  zusammensetzt. 

Um  diese  Tatsachen  klar  zu  machen,  ist  vielleicht  folgende  Gegen- 
überstellung am  Platze: 


Bein 

Abduktion :  Oberflächlidi :  Tractus  iliotibialis 
mit  M.  tensor  fasciae  latae  und 
oberem  Teile  des  M.  elutaeus 
maximus.    Ansatz:  Tibia 

Tief :  mittlerer  Teil  der  M.  glutaeus 
medius  und  minimus. 
Ansatz:     mittlerer     Teil     des 
Trochanter  major 


Arm 

Mittlerer  Teil  des  M.  deltoideus. 
Ansatz :  Mitte  der  Tuberositas 
deltoidea 


M.  supraspinatus. 

Ansatz:  obere  Facette  am  Tu- 
berculum majus 


Flexion ; 


M.  iliopsoas. 
Ansatz:  Trochanter  minor 


Physiologischer  Name: 
ßeugehöcker 


Vorderer  Teil  des  M.  deltoideus 
und  M.  coracobrachialis. 
Ansatz :  vorderer  Teil  der  Tu- 
berositas deltoidea  und  medial 
der  unterste  Teil  der  Crista 
tuberculi  minoris 


Extension :        Unterer  Teil  des  M.  glutaeus  maxi- 
mus. 
Ansatz:  Tuberositas  glutaea. 

Physiologischer  Name: 
Streckhöcker 


Hinterer  Teil  des  M.  deltoideus. 
Ansatz:  hinterer  Teil  der  Tu- 
berositas deltoidea 


Eotation:  Auswärtsrotation:    hinterer  Teil 

der   M.   glutaeus   medius  und 
minimus. 

Ansatz:     hinterer     Teil     des 
Trochanter  major 

Einwärtsrotation:  vorderer  Teil 
der  M.  glutaeus  medius  und  mi- 
nimus. 

Ansatz:     vorderer     Teil     des 
Trochanter  major 

Physiologische  Bezeichnung : 

Kollhügel 

«Trochanter  (major) 


M.  infraspinatus  und  teres  minor. 
Ansatz:  mittlere  und  untere 
Facette  des  Tuberculum  majus 


M.  subscapularis  (teres  major 
und  latissimus  dorsij,  Tuber- 
culum minus  (und  Crista  tuber- 
culi minoris) 


Tuberculum  majus  +  minus 


Bei  vielen  Tieren,  schon  bei  Affen,  fehlt  überhaupt  der  lange 
Bicepskopf  und  demgemäß  auch  der  Sulcus  intertubercularis,  dann 
hängt  Tuberculum  majus  und  minus  unmittelbar  als  Trochanter  humeri 
zusammen. 


69 


70  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


II.  Oberarmmuskeln. 

Allgemeines. 

Die  Muskeln  des  Oberarmes  zerfallen  in  2  Gruppen:  eine  vor- 
dere, welche  die  Beuger  enthält,  und  eine  hintere,  welche  aus  den 
Streckern  besteht. 

Jede  der  beiden  Gruppen  enthält  2  Lagen,  eine  oberflächliche, 
welche  mit  langen  Bündeln  vom  Schulterblatte  entspringt  und  bis  zu 
den  Vorderarmknochen  herabreicht  —  die  entsprechenden  Muskeln 
sind  vorn  der  M.  biceps,  hinten  das  Caput  longum  des  M.  triceps  — 
und  eine  tiefere,  welche  mit  kürzeren  Muskelbäuchen  vom  Humerus 
entspringt  und  zum  Vorderarme  hinabzieht,  vorn  der  M.  brachialis 
und  hinten  das  Caput  laterale  und  mediale  des  M.  triceps. 

Der  M.  coracobrachialis  paßt  in  keine  dieser  beiden  Gruppen 
hinein;  er  stellt  für  sich  eine  besondere  Abteilung  dar,  welche  am 
Arme  nur  schwach  entwickelt  ist,  am  Beine  aber  die  mächtige 
Adductorengruppe  darstellt. 

Innerviert  wird  die  vordere  Gruppe  einschließlich  des  M.  coraco- 
brachialis durch  den  N.  musculocutaneus,  die  hintere  durch  die  Ober- 
armzweige des  N.  radialis. 

M.  Ibiceps  brachii. 

Allgemeines. 

Der  M.  biceps  brachii  ist  auch  einer  ganzen  Anzahl  von  Laien 
unter  dem  Namen  „Biceps"  bekannt,  obwohl  dieselben  sich  über  die 
Bedeutung  des  Namens,  der  Anordnung  des  Muskels  und  seiner  Wir- 
kung nur  höchst  undeutliche  Vorstellungen  bilden  können.  Auch  in 
den  anatomischen  Lehrbüchern  und  selbst  denen  der  Kunstanatomie 
findet  sich  keine  rechte  Erklärung  dafür,  warum  gerade  dem  „Biceps" 
die  Bezeichnung  —  Muskel  der  Muskeln  —  zukommen  muß,  genau 
so  wie  dem  Laien  das  Schienbein  der  am  meisten  bekannte  Knochen 
sein  dürfte.  Dieser  Knochen  zeigt  seine  Gegenwart  an  bei  den  un- 
liebsamen Knüffen  und  Püffen,  denen  er  passiv  Geduld  und  Gefühl 
entgegenstellen  muß ;  der  Biceps  macht  sich,  als  aktives  Körperelement, 
durch  die  verschiedensten  Formveränderungen  bemerkbar,  welche  schon 
bei  der  geringsten  Aenderung  der  Lage  des  Ober-  und  Vorderarmes 
eintreten.  Es  müssen  in  der  Tat  eine  Reihe  von  leicht  erkennbaren, 
besonderen  Eigenschaften  bei  diesem  Muskel  vorhanden  sein,  die  aber, 
soviel  wir  wissen,  in  den  anatomischen  Lehrbüchern  nicht  hinreichend 
erklärt,   vielleicht  überhaupt  nicht  in  ihrer  Bedeutung  erkannt  sind. 

Der  bei  der  Streckung  des  Vorderarmes  spindelförmige,  weiche 
Muskelbauch  zieht  sich  bei  der  Beugung  zu  einer  halbkugeligen, 
harten  Anschwellung  zusammen.  Umgreift  man  in  diesem  Zustande 
die  obere  und  untere  Grenze  des  Muskelbauches  mit  Zeigefinger  und 
Daumen  der  anderen  Hand  und  läßt  bei  liegenbleibenden  Fingern  des 
Untersuchenden  den  Arm  wieder  strecken^  so  kann  man  das  Maß  der 
Verkürzung  mit  Leichtigkeit  ablesen,  indem  nämlich  der  distale  Rand 
sich  bei  der  Supination  um  etwa  2  cm  proximalwärts  vorschiebt.  Wenn 
der  Arm  zufällig,  d.  h.  unabsichtlich  in  Supinationsstellung  sich  befand, 

70 


M.  biceps  brachii.  71 

so  braucht  nur  die  Pronation  ausgeführt  zu  werden.  Alsbald  wird  die 
volle  Verkürzung  des  M.  biceps  auf  die  Hälfte  erkennbar  sein. 

Führt  man  die  Beugung  während  der  Pronation  aus,  so  kommt 
die  Muskulatur  des  Vorderarmes  auf  die  des  Oberarmes  zu  liegen; 
läßt  man  dann  die  Supination  eintreten,  so  entsteht  ein  Spalt,  indem 
bei  der  Supination  der  untere  Rand  des  Muskelbauches  proximalwärts 
zurückgeht.  Ebenso  ist  auch  am  Vorderarme  die  Veränderung  der 
Form  bei  der  Pronation  und  Supination  unverkennbar.  Bei  der 
Pronation  senkt  allmählich  mit  dem  Herabrücken  des  unteren  Muskel- 
randes sich  eine  1—2  cm  breite  Furche  immer  tiefer  in  die  Beugegruppe 
ein.  Sie  verläuft  in  Form  eines  Halbbogens  etwa  5  cm  unterhalb 
des  Epicondylus  medialis  und  findet  ihr  Ende  erst  am  Ulnarrande 
des  Vorderarmes.  Es  ist  dies  der  zweite  Ansatz  des  Biceps  an  der 
Vorderarmfascie,  richtiger  an  der  Oberfläche  der  Vorderarmmuskulatur, 
der  Lacertus  fibrosus  oder  Aponeurosis  m.  bicipitis.  Bei  der  Supi- 
nation ist  die  Furche  nicht  vorhanden,  die  Oberfläche  der  Beuge- 
muskeln ist  gleichmäßig  gerundet.  Es  ist  eine  passive  Veränderung, 
indem  die  schwächere  oberflächliche  Endsehne  bei  der  Pronation  durch 
die  Hauptsehne  in  die  Tiefe  gezogen  wird,  ein  Verhalten,  das  sich 
äußerlich  durch  eine  Einschnürung  kundgibt.  Diese  Tatsache  läßt 
sich  aber  nur  erkennen,  wenn  der  Oberarm  das  Punctum  fixum  bildet. 
Läßt  man  den  Vorderarm  durch  Festhalten  in  der  Gegend  des  Hand- 
gelenkes zum  Punktum  fixum  werden,  so  tritt  gerade  das  Umgekehrte 
ein :  bei  der  Pronation  erscheint  die  Oberfläche  der  M.  flexores  gleich- 
mäßig gewölbt,  bei  der  Supination  springt  der  Lacertus  fibrosus  als 
deutliche  Erhebung  vor,  unter  deren  freiem,  ulnaren  Rande  man  be- 
quem den  Finger  einschieben  kann. 

Des  weiteren  läßt  sich  am  Biceps  am  klarsten  der  Einfluß  der 
Binde  erkennen.  Umgrenzt  man  den  Biceps  am  Lebenden  in  passiver 
Dehnung,  d.  h.  bei  gestrecktem  Vorderarme,  mit  einem  weichen  Blei- 
stifte, Tinte  oder  einer  anderen  Farbflüssigkeit,  so  sieht  man  bei  der 
Beugung,  bei  der  aktiven  Spannung,  daß  der  zusammengezogene 
Biceps  sich  nicht  mehr  mit  der  vorher  umgrenzten  Haut  deckt,  daß 
er  sich  unter  ihr,  oder  richtiger  unter  der  allgemeinen  Binde  ver- 
schoben hat. 

Es  sieht  überhaupt  am  Lebenden  so  aus,  als  ob  der  Muskel  mit 
dem  unteren  Rande  des  M.  pectoralis  major  begönne  und  mit  der 
Ellenbeuge  aufhöre.  In  Wirklichkeit  schieben  sich  ja  die  Ursprungs- 
und Ansatzsehnen  in  die  Tiefe,  und  die  Zweiköpfigkeit  läßt  sich  beim 
Lebenden  nur  in  seltenen  Fällen  erkennen.  Frohse  kann  allerdings 
bei  der  Pronation  die  beiden  Köpfe  sich  deutlich  durch  eine  longi- 
tudinale  Furche  scheiden  lassen.  Das  Muskelfleisch  hat  für  gewöhnlich 
am  Oberarme  keinen  Knochenansatz ;  im  Gegenteile  ist  ihm  durch  die 
vordere  Fläche  des  M.  brachialis  eine  Gleitebene  geschafi'en,  welche 
es  dem  kontrahierten  Bauche  ermöglicht,  sich  mit  Leichtigkeit  vom 
Humerus  abzuheben  und  sich  besonders  nach  innen  vorzuwölben. 
Die  Außenseite  des  M.  biceps  ist  leicht  festzustellen,  die  Innenseite 
dagegen  erst  deutlich,  wenn  der  Arm  sich  vom  Rumpfe  entfernt,  nach 
vorn  gehoben,  d.  h.  gegen  den  Schultergürtel  gebeugt  wird.  Diese 
Bewegung  wird  durch  den  M.  coracobrachialis  erzeugt,  der  seinerseits 
eng  mit  dem  kurzen  Bicepskopfe  verschmolzen  ist.  Es  bedarf  genauer 
Beobachtung,  noch  dazu  an  einem  besonders  brauchbaren  Modelle,  um 
überhaupt  zu  erkennen,   daß  an  der  Innenseite  der  Bicepswulst  sich 

71 


72 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


aus  zwei  Muskeln  zusammensetzt,  dem  M.  coracobiceps  oder  dem 
Caput  breve  bicipitis  und  dem  M.  coracobrachialis.  Für  den  Laien 
ist  der  kurze  Kopf  immer  ein  Heuchler,  indem  er  den  M.  coraco- 
brachialis vermöge  des  gemeinschaftlichen  Ursprunges  mit  sich 
zieht. 

Das  Wunderbare  ist  ja,   daß  der  kurze  Kopf  des  Biceps  längere 
Muskelbündel  besitzt,  als  der  lange  Kopf. 


M.  biceps  l)rachii. 

Synonyma :  Zweiköpfiger  Armmuskel,  Speichenbeuger,  Biceps ;  M. 
flexor  radii,  M,  fiexor  biceps  internus,  M.  flexor  antibrachii  radialis; 
biceps  hum^ral  Cruveilhier,  biceps  brachial,  coraco-radial,  scapulo-radial 
(Chaussiee),  scapulo-coraco-radial  (Dumas). 


med. 


Allgemeine   Beschreibung. 

Der  M.  biceps  brachii  hat  einen  doppelten  Ursprung  vom  Schulter- 
blatte und  einen   doppelten  Ansatz   am  Vorderarme.     Sein   scheinbar 

einheitlicher  Muskelbauch,  welcher 
sich  aus  einem  äußeren  langen 
und  inneren  kurzen  Kopfe  zu- 
sammensetzt, ist  auch  vielen  Laien 
unter  dem  Namen  Biceps  bekannt. 
Zwischen  Ursprung  und  Ansatz 
sind  2  Gelenke  gelegen,  das 
Schulter-  und  Ellbogengelenk ;  mit 
dem  Humerus  hat  der  Muskel  nor- 
malerweise nichts  zu  tun.  Während 
der  Muskelbauch  in  ganzer  Aus- 
dehnung an  der  Vorderseite  des 
Oberarmes  frei  zu  Tage  liegt,  ist 
der  Ansatz  nur  zum  Teil  ober- 
flächlich, der  Ursprung  voll- 
kommen unter  anderen  Muskeln 
verborgen.  Die  eine  Ursprungs- 
sehne ist  sogar  in  das  Schulter- 
gelenk hineingewandert.  Die 
Ansatzsehne  schickt  eine  aponeu- 
rotische  Ausstrahlung  als  Lacertus 
fibrosus  auf  die  Oberfläche  der 
Beugemuskeln  des  Vorderarmes; 
die  Hauptsehne  wendet  sich  bald  in  die  Tiefe  und  findet  ihre  Insertion 
an  dem  drehbaren  Knochen  des  Vorderarmes,  dem  Radius,  und  zwar 
an  seiner  Tuberositas.  —  Der  Biceps  ist  bei  fixiertem  Schulter- 
gürtel und  supinierter  Hand  Beuger  des  Vorderarmes ;  bei  pronierter 
Hand  wirkt  er  zunächst  als  kräftiger  Supinator.  —  In  der  Chirurgie 
dient  sein  medialer  Rand  als  Leitstern  bei  Operationen  im  Sulcus 
bicipitalis  medialis.  Auch  die  radiale  Seite  der  Sehne  bietet  für  die 
Aufsuchung  des  N.  radialis  einen  wichtigen  topographisch-anatomischen 
Anhaltspunkt. 


Fig.  44.    Ursprung  der  Sehne  des 
langen  Bicepskopfes. 


M.  biceps  brachii. 


73 


M.  deltoideus 


M.  triceps,  caput 
longum 


M.  triceps,  Caput 
mediale 


Lacertus  fibrosus 
m.  bicipitis 


M.  Pronator 
teres 


Fig.  45.    Oberarm  von  vorn,  Muskelbild. 
73 


74 


FROHSE   und   M.   PRÄNKEL, 


Idiotopie  und  Skeletopie. 

Das  Caput  longum  entspringt  im  Inneren  des  Schultergelenkes 
vom  Tuberculum  supraglenoidale.    Es   geht  aus  dem  Limbus  gleno- 


M.  deltoideus 


M.  pectoralis  major 


M.  coracobrachiali 


M.  biceps,  Caput  bi 


M.  biceps,  caput  longum 


A.  brachialis  (cubitalis) 


M.  brachioradialis 


M.  latissimus  dorsi 


M.  teres  major 


M.  triceps,  Sehnenspiegel 
des  Caput  longum 


—  N.  radialis 


M.  triceps,  caput  mediale 


Septum  intermusculare 
mediale 


M.  Pronator  teres 


M.  flexor  carpi  ulnaris 


Fig.  46.    Mediale  Seite  des  Oberarmes,  Muskelbild. 

idalis  hervor,  und  zwar  mit  2  Schenkeln.  Durch  deren  alsbaldige 
Vereinigung  entsteht  die  platte,  rundliche  Sehne,  welche  über  das 
Caput  humeri  hinweg  in  den  Sulcus  intertubercularis  zieht.  Inner- 
halb desselben  nimmt  sie  mehr  rundliche  Gestalt  an  und  wird  gleich- 
zeitig von  einer  Sehnenscheide  umhüllt,  welche  regelmäßig  mit  dem 


74 


M.  biceps  brachii.  75 

Gelenke  zusammenhängt  und  als  Recessus  (inferior)  desselben  auf- 
zufassen ist.  Nach  Aufhören  der  Sehnenscheide,  der  Vagina  mucosa 
intertubercularis,  wird  die  Sehne  allmählich  dicker,  d.  h.  nur  scheinbar, 
indem  sie  sich  wie  ein  Hohltrichter  auffasert,  aus  dessen  Grunde 
die  ersten  Muskelbündel  entspringen;  aber  erst  wenn  keine  Reibung 
an  Knochen  oder  Sehne  mehr  einwirken  kann,  beginnt  die  Entwicke- 
lung  des  freien  Muskelbauches,  und  zwar  ganz  plötzlich  am  unteren, 
d.  h.  Oberarmrande  des  M.  pectoralis  major.  Da  derselbe  bei  herab- 
hängendem Arme  schräg  nach  unten  und  außen  verläuft,  erklärt  es 
sich,  daß  der  innere  Kopf  des  Caput  breve  schon  höher  oben  Muskel- 
bündel entwickeln  kann.  Erst  in  der  Mitte  des  Oberarmes,  ungefähr 
in  der  Höhe  der  Tuberositas  deltoidea  legen  sich  die  beiden  Köpfe 
oder  besser  Bäuche  des  Muskels  aneinander ;  die  wirkliche  Vereinigung 
findet  aber  noch  tiefer  unten  statt. 

Holotopie  und  Sy Utopie. 

Im  Bereiche  der  Schultergegend  haben  beide  Köpfe  grund- 
verschiedene Lagebeziehnungen  zu  den  Nachbarteilen. 

Der  kurze  Kopf  ruht  eigentlich  nur  auf  dem  M.  coracobrachialis, 
deckt  aber  mit  diesem  gemeinschaftlich  die  Sehnen  der  M.  sub- 
scapularis,  teres  major  und  latissimus  dorsi,  also  der  drei  Schulter- 
muskeln, welche  die  hintere  Wand  der  Achselhöhle  bilden.  Die 
Vorderfläche  wird  von  dem  M.  deltoideus,  zum  größten  Teile  jedoch 
vom  M.  pectoralis  major  bedeckt.  Der  obere  Rand  oder  die  Spitze 
des  kurzen  Kopfes  teilt  mit  dem  M.  pectoralis  minor  den  Ursprung 
am  Proc.  coracoideus. 

Medialwärts  trennt  ihn  der  M.  coracobrachialis  zunächst  von  dem 
Gefäßnervenpaket,  obwohl  auch  proximal  schon  für  die  entsprechende 
äußerlich  sichtbare  Furche  der  Name  Sulcus  bicipitalis  medialis 
in  Gebrauch  ist. 

Der  lange  Kopf  entspringt  im  Inneren  des  Schultergelenkes,  rein 
sehnig,  nur  von  dem  Synovialepithel  bedeckt.  Mitunter,  besonders  an 
Formolpräparaten,  die  bei  günstiger  Lage  gehärtet  waren,  zeigt  sich 
der  Eindruck  der  Sehne  am  Knorpel  des  Humeruskopfes  als  eine 
Furche,  Deutlicher  ist  häufig  an  der  oberen  Wand  der  Gelenkkapsel 
eine  Rinne,  lateral  vom  Lig.  coracohumerale.  Mit  dem  Eintreten  in 
den  Sulcus  intertubercularis  entwickelt  die  Sehne  einen  mit  dem 
Gelenke  zusammenhängenden  Schleimbeutel.  Die  Ursprungssehne 
selbst  tritt  nicht  mehr  mit  dem  M.  deltoideus  in  Berührung,  von  dem 
sie  durch  die  Sehne  des  M.  pectoralis  major  getrennt  ist.  Dessen 
Ansatz  an  der  Crista  tuberculi  majoris  wird  fast  von  der  Insertion 
des  M.'latissimus  dorsi  erreicht,  welcher  seinerseits  die  Austapezierung 
der  Knochenfläche  des  Sulcus  intertubercularis  im  medialen  Abschnitte 
übernimmt.  Diese  Sehne  liegt  selbstverständlich  unterhalb  der  Sehne 
des  langen  Bicepskopfes. 

Erst  in  der  Mitte  des  Oberarmes  ist  der  Muskel  nur  von  Fascie 
und  Haut  bedeckt.  Sein  äußerer  und  innerer  Rand  begrenzen  die 
sogenannten  Sulci  bicipitales  internus  und  externus.  besser  medialis 
und  lateralis.  Die  innere  Bicepsfurche  ist  konstant  und  beherbergt 
regelmäßig  den  N.  medianus,  die  A.  brachialis  mit  Begleitvenen  und 
etwas  mehr  nach  hinten  gelagert  auch  die  Vena  basilica  und  den 
N.  cutaneus   antebrachii  medialis.    Man   kann   allermeist  den  Strang 

75 


76  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

des  N.  medianus  unter  den  Fingern  rollen  lassen  und  den  Puls  der 
großen  Armschlagader  fühlen. 

Die  äußere  Bicepsfurche  ist  an  und  für  sich  inkonstant.  Die 
Angabe,  daß  in  ihr  die  V.  cephalica  verläuft,  ist  rein  schematisch 
und  augenscheinlich  nur  dem  Sulcus  bicipitalis  medialis  zuliebe 
entstanden  und  in  den  Lehrbüchern  angegeben.  Abgesehen  davon, 
daß  die  V.  cephalica  am  Oberarme  als  selbständiges  Gefäß  fehlen 
kann ,  braucht  sie ,  auch  wenn  sie  vorhanden  ist ,  durchaus  nicht 
in  dieser  Furche  zu  verlaufen. 

Die  Facies  profunda  entspricht  dem  M.  brachialis  und  dem  auf 
diesem  liegenden  N.  musculocutaneus. 

In  der  Höhe  der  Ellenbeuge  bleibt  der  Lacertus  fibrosus  ober- 
flächlich und  trennt  die  zur  Haut  gehörigen  Gebilde:  V.  basilica, 
und  den  N.  cutaneus  antebrachii  medialis,  von  den  tiefen  Gebilden:: 
Vasa  brachialia  und  N.  medianus. 

Die  Hauptsehne  bildet  zusammen  mit  dem  M.  brachialis  am 
Präparate  einen  medianen  Wulst,  welcher  medial  mit  dem  M.  Pro- 
nator teres  die  innere  Grube  der  Ellenbeuge  schafft;  gewöhnlich 
wird  ja  diese  mediale  Grube  als  Ellenbeuge  bezeichnet,  besondere 
aus  chirurgischen  Rücksichten,  da  hier  die  Unterbindung  der  A. 
cubitalis  vorgenommen  wird.  Anatomisch  müssen  wir  auch  unter 
normalen  Verhältnissen  an  einer  lateralen  Grube  festhalten,  welche 
außen  vom  M.  brachioradialis,  innen  vom  freien  Rande  der  Haupt- 
sehne des  M.  biceps  brachii  umrahmt  wird.  In  oberflächlicher  Schicht 
liegt  hier  die  Vena  cephalica  mit  dem  Hautnerven  des  N.  musculo- 
cutaneus. In  tiefer  Schicht,  so  ganz  zwischen  den  Muskeln  ein- 
gebettet, der  N.  radialis  mit  verhältnismäßig  kleinen  Gefäßen,  die  prak- 
tisch vernachlässigt  werden  können.  An  der  Vereinigungsstelle  von 
M.  Pronator  teres  und  M.  brachioradialis^  also  der  Beuge-  und  Brachio- 
radialgruppe,  kommen  beide  Furchen  in  einer  zusammen,  indem  sie 
ein  V  oder  Y  bilden. 

In  der  medialen  Grube  verläuft  die  A.  brachialis,  um  sich  in  die 
A.  radialis  und  ulnaris  zu  teilen,  mehr  ulnarwärts  der  N.  medianus,. 
in  der  lateralen  Grube  liegt  in  der  Tiefe  der  N.  radialis  zwischen 
M.  brachioradialis  und  supinator.  Vom  Nerven  ist  ohne  weiteres  nur 
der  R.  superficialis  sichtbar. 

Erst  am  unteren  Rande  des  Ellbogengelenkes  nehmen  dia 
Sehnen  des  Biceps  und  M.  brachialis  einen  verschiedenen  Verlauf,  die 
erstere  wendet  sich  nach  außen  zum  Radius,  die  des  M.  brachialis  nach 
innen  zur  Tuberositas  ulnae. 


Wirkung. 

In  der  Supinationsstellung  der  Hand  beugt  der  Muskel  den 
Vorderarm  gegen  den  Oberarm,  in  der  Pronationsstellung  führt  er 
vor  der  Beugung  die  Supination  aus.  Der  Biceps  ist  also  ein  Flexor- 
Supinator.  Die  beiden  Köpfe  beteiligen  sich  in  verschiedener  Weise 
an  dieser  Aufgabe;  nach  Duohenne  soll  der  kurze  Kopf  besonders 
die  Supination  ausführen. 

Der  Lacertus  fibrosus  soll  nach  Henle  den  Zweck  haben,  die 
Fascia  antebrachii  zu  spannen,  so  dem  Ursprünge  der  oberflächlichen. 

76 


M.  biceps,  caput  longum 


77 


N.  musculocutaneus 


M.  coracobrachiali; 


M.  biceps,  caput 
breve 


M.  biceps,  caput 
tertium 


R.  coUateralis  n. 
mediani' 


N.  cutaneus  ante- 
brachii  lateralis 


_M.  bracbialii 


J N.  radialis 


R.  articularis  cubiti 


Fig.  47.    Beuger  am  Oberarm,  Nervenbild. 

77 


78  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Beugemuskeln   einen  festeren  Halt  geben   und  ihre  ausgiebige  Kon- 
traktion begünstigen. 

Innervation. 

Dieser  Muskel  weist  bezüglich  seiner  Innervation  nicht  die  klare 
Sonderung  in  zwei,  den  Muskelbäuchen  entsprechende  Nerven  auf. 
Es  ist  im  Gegenteil  nur  ein  Nerv  oder  ein  Nervenplexus  vorhanden, 
den  man  künstlich  beliebig  weit  auffasern  kann,  und  aus  dem  sich 
erst  die  Muskelnerven  entwickeln.  Die  Nervenzweige  treten  von  der 
medialen  Seite  her  unter  den  Muskel.  Ihr  extramuskulärer  Verlauf 
ist  unter  allen  Umständen  bei  natürlicher  Haltung  in  der  Tiefe  ver- 
borgen. Wie  erwähnt,  ist  nicht  immer  ein  besonderer  Nerv  für  jeden 
Muskelbauch  vorhanden.  Nach  unseren  Beobachtungen  bekommt  der 
lange  Kopf,  das  Caput  longum  s.  laterale,  häufig  einen  Zweig,  welcher 
vorher  bereits  Muskelbündel  des  Caput  breve  s.  mediale  versorgt  hat. 
Umgekehrt  kann  aber  auch  ein  lateraler  Zweig,  nachdem  er  bereits 
an  der  Versorgung  des  Caput  longum  teilgenommen  hat,  sich  zum 
Caput  breve  wieder  wenden.  Eine  Statistik  hierüber  können  wir  auf 
Grund  unserer  nur  5  Fälle  umfassenden  Untersuchungen  nicht  geben ; 
in  der  Abbildung  (Fig.  47)  sind  wir  dem  Schema  entgegengekommen 
und  haben  beide  Köpfe  gesondert  innerviert  dargestellt. 

Die  Architektur  des  Muskels  wiederholt  sich  im  Nervenbilde.  Der 
trichterförmige  Ursprung  der  Muskelbündel  aus  der  Sehne  des  langen 
Bicepskopfes  bedingt  einen  Sehnennerven  (rudimentären  Muskelnerven). 
Das  Caput  longum  mit  seinen,  im  Verhältnis  zu  denen  des  Caput  breve, 
kürzeren  Muskelbündeln  erzeugt  ein  gedrungeneres  Nervenbild  mit 
wenigen  und  nicht  hoch  emporsteigenden,  rückläufigen  Zweigen.  Das 
Caput  breve  mit  seinen  viel  weiter  nach  oben  bis  in  die  Nähe  des 
Proc.  coracoideus  reichenden  Muskelbündeln  zeigt  zahlreiche  und 
lange  rückläufige  Nervenzweige;  und,  da  auch  das  distale  Ende  der 
Muskelbündel  weiter  zum  Vorderarme  hinabreicht,  als  das  des  Caput 
longum,  so  finden  wir  auch  die  Nervenendäste  weiter  nach  unten, 
distalwärts  reichend. 

Grundgesetz  ist  bei  beiden  Köpfen  die  dichotomische  Teilung. 
Die  einzelnen  Nervenzweige  sind  durch  mannigfache  Anastomosen 
miteinander  verbunden,  deren  Zahl  teilweise  sehr  beträchtlich  sein 
kann,  und  deren  Lage  meistens  der  Mitte  des  Muskelbauches  ent- 
spricht. Mehrfach  konnten  wir  auch  einen  strecken  weisen  extra- 
muskulären Verlauf  der  Nervenfasern  feststellen,  d.  h.  der  Haupt- 
stamm, welcher  von  der  Facies  profunda  s.  posterior  eintritt,  erscheint 
an  dieser  oder  jener  Stelle  mit  feinen  Zweigen  an  der  Facies  super- 
ficialis s.  anterior  und  ist  hier  ohne  weiteres  der  elektrischen  Reizung 
zugängig. 

Wir  haben  in  unserer  Figur  (47)  auch  ein  Caput  tertium  des 
M.  biceps  abgebildet,  weil  dessen  feinere  Innervation  unseres 
Wissens  bisher  noch  nicht  hinreichend  dargestellt  ist.  Nach  dem  Ur- 
sprünge und  Verlaufe  des  Hauptnerven  mußte  unser  abgebildetes 
Caput  tertium  als  Teil  des  Caput  longum  aufgefaßt  werden,  welches 
sich  nach  medial  verschoben  hat.  Wir  können  aber  kein  sicheres 
Urteil  fällen,  weil  bei  einem  anderen  Caput  tertium  sich  der  Haupt- 
stamm aus  dem  Nervenzweige  für  das  Caput  breve  loslöste.  Nach- 
prüfungen hierüber  sind  also  durchaus  erwünscht. 

78 


M.  biceps  brachii. 


79 


Muskelbündellänge. 

Caput  longum,  Minimum  11,9  cm 

„  „         Maximum  13,6   „ 

Durchschnitt  aus  9  Messungen    12,6  „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,7,  in  Prozenten  14  "/q. 
Caput  breve,  Minimum  13,5  cm 

„         „       Maximum  15,4   „ 

Durchschnitt  aus  9  Messungen   14,5  „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,9,  in  Prozenten  14  "/o- 
Zusammengenommen,  Minimum  11,9  cm 
„  Maximum  15,4   „ 

Ducrhschnitt  aus  18  Messungen  13,6  „ 
Unterschied  in  Centimetern  3,5,  in  Prozenten  29  7o- 


Segmentbezüge. 
5.  6.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

58 

48 

185 

155 

50 

40 

165,5 
139 

8 

8 

19,5 
16 

86,2 
83,4 
89,3 
89,7 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

111,5 

98,6 

12,9 

87,2 

Varietäten. 

Besonderheiten  an  diesem  Muskel  sind  außerordentlich  häufig. 
Meistens  handelt  es  sich  um  eine  Vermehrung  der  Ursprungsköpfe, 
auch  recht  oft  um  Varietäten  des  Ansatzes,  äußerst  selten  fehlt  ein 
Ursprungskopf,  das  Caput  longum,  oder  gar  das  Caput  breve,  das 
gänzliche  Fehlen  des  M.  biceps  ist  nur  einmal  beobachtet. 

Der  überzählige  Kopf  kann  lateral  vom  Proc.  coracoideus  ent- 
springen und  sich  dabei  an  die  Schultergelenkskapsel,  die  Sehne  des 
M.  pectoralis  major  oder  auch  an  den  oberen  Teil  des  Oberarm- 
knochens anheften.  Am  häufigsten,  übereinstimmend  nach  Statistiken 
der  verschiedensten  Autoren  in  10  Proz.  der  Fälle,  entspringt  das 
Caput  accessorium  oder  tertium  vom  Mittelstücke  des  Humerus,  dicht 
oberhalb  des  M.  brachialis.  Viel  seltener  ist  der  Ursprung  vom  Septum 
intermusculare  mediale.  Je  weiter  distalwärts  der  Muskel  entspringt, 
um  so  schräger  muß  die  Verlaufsrichtung  zum  Biceps  hin  sein,  und 
dann  findet  sich  auch  eine  Ueberkreuzung  des  Gefäßnervenpaketes 
(N.  medianus  und  Vasa  brachialia). 

Die  Insertionsvarietäten  betreffen  die  Vermehrung  des  Ansatzes 
durch  Sehnen  oder  Muskelbündel,  entweder  an  der  Ulna  oder  mit 
den  Nachbarmuskeln,  nämlich  den  M.  pronator  teres,  flexor  carpi 
radialis  oder  brachioradialis. 

Frohse  hat  in  einem  Falle  eine  etwa  3  mm  dicke,  vollkommen 
isolierte  Endsehne  des  M.  biceps  beobachtet,  welche  sich  an  der 
medialen  Seite  der  Tuberositas  ulnae  anheftete. 


80  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

In  den  V.  B.  finden  sich  folgende  bemerkenswerte  Fälle:  No.  78. 
Caput  longum  hat  2  Sehnen.  No.  249.  Caput  longum  vom  Biceps 
fehlt,  dafür  findet  sich  ein  doppelköpfiger  Ursprung  am  Humerus 
zwischen  Coracobrachialis  und  Brachialis,  welcher  im  wesentlichen  den 
Lacertus  fibrosus  hervorgehen  läßt.  No.  296.  Vom  Lacertus  fibrosus 
geht  zum  Brachialis  internus  ein  Muskelbündelchen.  No.  364.  Der 
Lacertus  fibrosus  entwickelt  sich  ausschließlich  aus  einem  dritten 
Kopfe,  welcher  von  der  radialen  Seite  des  Humerus  über  dem  M. 
brachialis  entsprang.  No.  369.  Verdoppelung  des  Lacertus  fibrosus 
durch  einen  dritten  Bicepskopf. 

M,  coracobrachialis. 

Synonyma:  Haken  -  Armmuskel,  Raben  -  Armmuskel,  Hakenmuskel; 
M.  perforatus  Casserii  s.  coracoideus,  levator  humeri  internus  Arnold  ; 
coraco-humeral  Chaussibr,  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  gewöhnlichen  Darstellung  nach  wird  dieser  Muskel  zu  den 
Beugern  am  Oberarme  gerechnet;  er  muß  jedoch  als  einziger  Ver- 
treter der  am  Beine  so  mächtig  und  zahlreich  entwickelten  Gruppe 
der  Beizieher,  M.  adductores  femoris,  aufgefaßt  werden,  als  M.  adductor 
humeri.  Gemeinschaftlich  mit  dem  kurzen  Bicepskopfe  vom  Proc. 
coracoideus  entspringend,  findet  er  seinen  Ansatz  schon  am  Humerus, 
in  der  ungefähren  Mitte  der  Innenseite.  Seine  Wirkung  als  Adductor 
ist  bei  abduziertem  Arme  unverkennbar;  bei  herabhängendem  Arme 
unterstützt  er  jedoch  die  vorderen  Bündel  des  M.  deltoideus  in  der 
Erhebung  des  Armes  nach  vorn,  eine  Bewegung,  die  wir  mit  Rücksicht 
auf  die  entsprechende  des  Beines  als  Flexion,  Beugung  bezeichnen 
wollen.  Ferner  sei  hier  schon  hervorgehoben,  daß  der  Muskel  durch- 
aus nicht  vom  N.  musculocutaneus  durchbohrt  zu  werden  braucht. 
Aber  auch,  wenn  letzteres  der  Fall  ist,  treten  die  eigenen  Nerven- 
zweige des  Muskels  nicht  aus  dem  durchbohrenden  Aste  hervor, 
sondern  schon  proximal  aus  dem  Plexus  brachialis  selbst. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  entspringt  zusammen  mit  dem  kurzen  Kopfe  des 
M.  biceps  an  der  Spitze  des  Proc.  coracoideus.  Die  innige  Ver- 
schmelzung seiner  Muskelbündel  mit  der  oberflächlicher  gelegenen 
Sehnenplatte  des  kurzen  Bicepskopfes  hat  zu  der  Aufstellung  des 
Namens  M.  coracobiceps  geführt.  Der  Ansatz  liegt  an  der  Innen- 
seite des  Oberarmes,  ungefähr  in  seiner  Mitte  gegenüber  der  Tube- 
rositas   deltoidea,  in   der  Verlängerung   der   Crista  tuberculi  minoris. 

Der  Muskelbauch  selbst  kann  einheitlich  sein,  andererseits  aber 
durch  Spaltung  des  Bauches  oder  durch  Sonderung  proximaler  und 
distaler  Bündel  die  Aehnlichkeit  mit  den  M.  adductores  femoris  auch 
anatomisch  ganz  deutlich  machen.  Rudimentär  ist  ja  dies  immer  zu 
zu  erkennen  durch  die  sehnigen  Züge  des  Septum  intermusculare 
mediale,  welche  in  der  Verlängerung  des  M.  coracobrachialis  schräg 
nach  unten  und  innen  bis  zum  Epicondylus  medialis  humeri  reichen, 
ebenso   wie    es   am   Oberschenkel   der   M.   adductor  magnus  macht, 

8o 


M.  coracobraohialis.  81 

welcher  mit  starker  Endsehne  bis  zum  Epicondylus  medialis  femoris 
reicht.  Die  Durchbohrung  durch  den  N.  musculocutaneus  ist  nicht  ohne 
weiteres  der  Durchbohrung  der  Adductoren  durch  den  N.  obturatorius 
vergleichbar,  da  ja  an  letzterem  Nerven  ein  vorderer  und  hinterer 
Ast  unterschieden  wird,  welche  ihrerseits  den  M.  adductor  brevis  um- 
greifen. Schematisch  kann  man  jedoch  den  M.  coracobrachialis  als 
M.  adductor  humeri  universalis  darstellen.  Der  M.  adductor  brevis 
fehlt,  die  beiden  Aeste  des  N.  obturatorius  sind  zu  einem  Stamme, 
dem  N.  musculocutaneus  vereinigt;  die  Muskulatur,  welche  nach  vorn 
von  dem  Nerven  liegt,  entspricht  dem  M.  adductor  longus,  die  hinter 
ihm  gelegene  dem  M.  adductor  magnus  (und  minimus). 

Der  Ansatz  an  der  Crista  tuberculi  minoris  liegt  gegenüber  der 
vorderen  Kante  der  Tuberositas  deltoidea,  von  welcher  er  durch  den 
medialen  Ursprung  des  M.  brachialis  getrennt  wird. 

Besondere  Beachtung  verdient  ein  Sehnenbogen,  welcher  nahezu 
konstant  ist.  Henle  hat  ihn  besonders  betont  und  darauf  hinge- 
wiesen, daß  außer  der  Sehne  des  M.  latissimus  dorsi  auch  die  Vasa 
circumtlexa  humeri  anteriora  unter  ihm,  d.  h.  knochenwärts  verlaufen. 
Für  die  Sehne  trifft  diese  Darstellung  unter  allen  Umständen  zu, 
nicht  aber  für  die  Gefäße.  Wir  haben,  schon  um  den  Widerspruch 
gegen  unsere  Darstellung  hervorzurufen,  in  unserer  Figur  ein  Prä- 
parat abgebildet,  an  welchem  die  Gefäße  hautwärts  von  diesem  Sehnen- 
bogen verliefen  und  nicht  zwischen  ihm  und  dem  Knochen,  und  dies 
um  so  mehr,  als  wir  bislang  in  keinem  Falle  die  gegenteilige,  unter 
anderen  von  Henle  vertretene  Anschauung  bestätigen  konnten. 
Die  Vasa  circumflexa  humeri  anteriora  benutzen  mit  ihren  Haupt- 
ästen niemals  den  Schutz  dieser  Sehnenarkade.  —  Dieselbe  löst  sich 
als  sehniger  Längsstreifen  aus  dem  oberen  Teile  der  Ansatzsehne  at 
proximalwärts  reicht  sie  bis  zum  Tuberculum  minus  oder  zum  unteren 
Teile  des  Sulcus  intertubercularis.  Irgendwelche  praktische  Bedeutung 
können  wir  dieser  anatomisch  interessanten  Bildung  nicht  beimessen. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Beim  Ursprünge  vom  Proc.  coracoideus  ist  der  Muskel  vom 
kurzen  Kopfe  des  M.  biceps  bedeckt,  mit  dem  er  ja  fest  verschmolzen 
ist.  Er  überragt  ihn  aber  nach  beiden  Seiten.  Der  mediale  Ab- 
schnitt ist  der  praktisch  wichtigste  und  wird  zuerst  vom  M.  deltoideus 
überlagert,  dann  von  der  Sehne  des  M.  pectoralis  major.  Schließlich 
erscheint  am  vorderen  Rande  der  Achselhöhle  seine  innere  Fläche 
frei  unter  der  Haut  und  Fascie,  als  ein  Wulst,  welcher  vielfach  als 
Muskelbauch  des  hier  noch  aponeurotischen  kurzen  Bicepskopfes  auf- 
gefaßt werden  kann.  —  Die  Facies  posterior  s.  profunda  entspricht 
dem  M.  subscapularis ,  je  nach  dem  Zustande  der  Außenrotation 
seiner  Sehne  oder  dem  Uebergange  der  Sehne  in  das  Muskelfleisch. 
Hier  findet  sich  auch  regelmäßig  ein  Schleimbeutel,  die  Bursa 
coracobrachialis.  Von  den  Sehnen  der  M.  latissimus  dorsi  und  teres 
major  wird  er  fast  regelmäßig  durch  den  oben  beschriebenen  Sehnen- 
bogen getrennt.  —  Mit  seinem  Margo  lateralis  wendet  sich  der  Muskel 
gegen  den  Sulcus  intertubercularis  und  damit  gegen  die  Sehne 
des  langen  Bicepskopfes;  der  mediale  Rand  bildet  mehr  eine  Fläche 
und  wendet  sich  gegen  die  Achselhöhle,  deren  laterale  Begrenzung  er 
vor  allem  neben   dem  Oberarmbeine   bildet.     Hier   stößt  er  an   das 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  II,  2.  g 


82  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Gefäßnervenpaket,  an  den  N.  musculocutaneus,  oder  wenn  dieser 
fehlt,  in  langer  Linie  an  den  N.  medianus  und  an  die  A.  axillaris 
beim  Uebergange  in  die  A.  brachialis.  Dieses  wichtige  Lageverhältnia 
ist  bei  der  größeren  Tiefe  der  Arterie  wirklich  klar  erst  nach  Ent- 
fernung des  N.  medianus  sichtbar. 

Wirkung. 

Der  M.  coracobrachialis  bewegt  den  Arm  nach  vorn,  innen  und 
nach  oben.  Als  geringe  Nebenwirkung  ist  noch  die  Rotation  zu  be- 
zeichnen. In  der  gewöhnlichen  Haltung  des  Oberarmes,  nämlich  bei 
schlaff  am  Rumpfe  herabhängender  oberer  Extremität,  kann  sie  über- 
haupt vernachlässigt  werden,  bei  starker  Auswärtsrotation  ist  sie  be- 
trächtlich im  Sinne  der  Adduktion;  umgekehrt  tritt  aber  auch  bei 
vorher  bestehender  Einwärtsrotation  durch  seine  Zusammenziehung 
eine  Abduktion  ein,  bis  die  Crista  tuberculi  minoris  genau  medial- 
wärts  gerichtet,  das  Gleichgewicht  zwischen  Auswärts-  und  Einwärts- 
rollung  hergestellt  ist.  Wenn  der  Oberarm  fixiert  ist,  muß  seine 
Kontraktion  den  oberen-äußeren  Winkel  des  Schulterblattes,  mit 
welchem  ja  der  Rabenschnabelfortsatz  ungefähr  die  gleiche  Lage- 
beziehung hat,  nach  unten  und  vorn  bewegen;  in  nennenswerter 
Weise  tritt  diese  Wirkung  nur  bei  turnerischen  und  akrobatischen 
Uebungen  ein. 

Innervation. 

Die  Nerven  lösen  sich  aus  dem  Teile  des  Plexus  brachialis  ab, 
welcher  den  lateralen  Abschnitt  der  Medianuswurzel  bildet.  Wenn 
also  der  N.  musculocutaneus  den  M.  coracobrachialis  nicht  durch- 
bohrt, kommen  trotzdem  die  Nerven  in  derselben  Höhe  aus  dem 
Plexus  brachialis  heraus  und  nicht  etwa  rückläufig;  aber  auch  im 
Falle  der  Durchbohrung  geht  der  motorische  Anteil  für  den  M.  coraco- 
brachialis nicht  erst  aus  dem  N.  muscolocutaneus  selbst  hervor, 
sondern  schon  mehr  proximal  aus  der  lateralen  Plexuswurzel. 

Der  M.  coracobrachialis  verdankt  seinen  früher  gebräuchlichen 
Namen  M.  perforatus  Casseri  dem  Umstände,  daß  er  sehr  häufig,  aber 
nicht  immer  vom  N.  musculocutaneus  durchbohrt  wird.  Diese  Durch- 
bohrung wird  aber  von  den  eigenen  Nervenzweigen  des  Muskels  nicht 
mitgemacht,  d.h.  diese  Nerven  lösen  sich  nicht  aus  dem  N.  musculo- 
cutaneus heraus,  während  er  durch  den  Muskel  hindurchtritt,  sondern 
proximal  von  der  Eintrittsstelle  entweder  aus  dem  N.  musculo- 
cutaneus selbst  oder  aus  der  lateralen  Wurzel  der  Gabel  de& 
N.  medianus,  dies  natürlich  immer  dann,  wenn  der  N.  musculo- 
cutaneus ohne  Durchbohrung  des  Muskels  erst  in  der  Nähe  des  An- 
satzes des  M.  coracobrachialis  in  den  Spalt  zwischen  M.  biceps  und 
brachialis  eintritt. 

Es  sind  meist  mehrere  Nervenzweige,  welche  mit  überaus  reich- 
licher Verzweigung  die  Muskelbündel  versorgen,  bei  Durchbohrung 
des  Muskelbauches  in  einer  oberflächlichen  und  einer  tiefen  Lage^ 
welche  aber  den  Zusammenhang  der  beiden  Lagen  durch  Anastomosen 
kundgeben.  Bemerkenswert  ist,  daß  sowohl  zur  Ursprungssehne^ 
wie  zur  Ansatzsehne  feine  Nervenzweige  darstellbar  sind. 

82 


M.  coracobrachialis. 


83 


Muskelbündellänge. 

Minimum  6,4  cm 

Maximum  8,3   „ 

Durchschnitt  aus  10  Messungen    7,4   „ 
Unterschied  nach  Centimetern  1,9,  in  Prozenten  33  7o- 


Segmentbezüge. 
6.  und  7.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  hnker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  Hnker  starker  Arm 

18  . 
17 
42 
39 

15,5 
15 
38 
35 

¥ 

4 
4 

86,1 
88 
90,5 
89,6 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

29 

25,9 

3,1 

88,6 

Varietäten. 

In  sehr  seltenen  Fällen  fehlt  der  Muskel  vollkommen.  Der  An- 
satz am  Humerus  ist  großen  Schwankungen  unterworfen:  bald  reicht 
er  proximalwärts  bis  zur  Schulergelenkskapsel,  bald  sendet  er  einen 
besonderen  Bauch  zum  Collum  chirurgicum  humeri  als  M.  coraco- 
brachialis minor;  oder  der  ganze  Muskelbauch  ist  getrennt,  entsprechend 
der  Durchbohrung  durch  den  Nerven,  schließlich  kann  sich  der  Ansatz 
in  deutlicher  Endsehne  unabhängig  vom  Septum  intermusculare  mediale 
bis  zum  Epicondylus  medialis  erstrecken.  Alle  solche  Verschiedenheiten 
lassen  sich  mit  Leichtigkeit  daraus  erklären,  daß  der  M.  coracobrachialis 
alle  M.  adductores  femoris  umfaßt,  nur  daß  beim  Menschen  der  mittlere 
Teil  regelmäßig  entwickelt  ist,  während  die  Anheftung  proximal-  oder 
distalwärts  eine,  noch  dazu  seltene,  Ausnahme  bildet. 

Einen  accessorischen  Kopf,  meistens  als  M.  coracobrachialis  minor 
bezeichnet,  finden  wir  in  den  V.  B.  angegeben  unter  No.  2,  No.  266 
und  No.  412. 

No.  47.     Coracobrachialis  in  3  Sehnenfascikel  gespalten. 

No.  92.  Vom  Coracobrachialis  geht  ein  Sehnenstreifen  vor  der 
A.  brachialis  und  dem  N.  medianus  zum  Anconaeus  (hierunter  ist 
wohl  das  Caput  mediale  m.  tricipitis  gemeint)  hin. 

No.  162.  Coracobrachialis  longus  bis  zum  Epicondylus  medialis, 
außerdem  ein  zweiter  Fall  unter  No.  278. 

No.  363.  Ansatz  an  der  Endsehne  des  Brachialis,  der  Vorder- 
armfascie  und  unter  Entwickelung  zweier  spindelförmiger  Muskeln 
am  Epicondylus  medialis  humeri. 

No.  412.     Coracobrachialis  accessorius. 


M.  brachialis. 

Synonyma  :  Ellbogenbeuger,  innerer  Armmuskel ;  M.  brachialis  internus 
s.  anterior,  M.  brachiaeus  internus,  M.  flexor  antibrachii  ulnaris,  flexor 
cubitalis  internus;    brachial  anterieur,  humöro-cubital  Chaussier,  Dumas. 


84 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Allgemeine  Beschreibung. 

Der  ansehnliche  Muskel  deckt  die  untere  Hälfte  des  Oberarm- 
beines auf  der  Vorderseite  zu  und  findet  seinen  Ansatz  an  der  Tubero- 


Tuberositas  deltoid( 


M.  triceps,  Caput  laterale 


M.  triceps,  caput  mediale 


M.  anconaeus 


A.  interossea  dorsalis 


M.  biceps 


M.  brachialis,  pars  super- 
ficialis (lateralis) 


M.  brachialis,   pars  profunda 
(lateralis) 


Capitulum  humeri 


Tendo  m.  bicipitis 


M.  supinator 


R.  profundus  n.  radialis 


zwischen  beiden  Knochen 
das  dunkle  Zwischenknochenband. 


Fig.  48.    M.  brachialis  und  supinator  in  ihren  Beziehungen  zu  dem  N.  radialis. 

sitas  ulnae.  Obwohl  er  der  tiefer  gelegene  Muskel  der  beiden  Beuger 
am  Oberarme  ist,  und  seine  platte  Vorderfläche  ganz  von  dem  Biceps 
verdeckt  wird,  beteiligt  er  sich  doch  am  Oberflächenbilde,  sowohl  an 


84 


M.  brachialis.  85 

der  Außen-,  wie  an  der  Innenseite.  Jedoch  zeigt  sich  lateral  nach 
Entfernung  des  M.  brachioradialis  noch  eine  zweite,  in  der  Tiefe  ver- 
borgene Fläche,  eine  ausgehöhlte  Facies  lateralis  profunda.  Die  hier 
gelegenen  Muskelbündel  verdienen  einen  besonderen  Namen,  nach 
dem  deckenden  Muskel  am  besten  Portio  brachioradialis  genannt, 
nicht  allein  wegen  dieser  topographischen  Beziehung,  sondern  auch 
wegen  der  Innervation,  da  sich  an  dieser  Stelle  ein  oder  mehrere 
Zweige  des  N.  radialis  in  den  M.  brachialis,  also  Strecknerven  in 
einen  Beugemuskel,  einsenken.  Der  Strecknerv  des  Armes,  der 
N.  radialis,  versorgt  ja  außerdem  den  M.  brachioradialis,  den  wir  als 
dritten  Beuger  zwischen  Ober-  und  Vorderarm  ausschließlich  be- 
zeichnet wissen  wollen,  s.  diesen  Muskel.  Die  Hauptmasse  des 
Muskels  wird  aber  wie  der  Biceps  vom  N.  musculocutaneus  inner- 
viert; wir  schlagen  deshalb  für  letztere,  gleichzeitig  durch  den  Biceps 
größtenteils  verborgene  Portion  den  Namen  Portio  bicipitalis  vor. 

Man  könnte  auch  von  einer  Portio  mediana  und  radialis  sprechen, 
wenn  man  den  N.  musculocutaneus  als  Teil  des  N.  medianus  auffaßte, 
da  ja  die  medialen  Nervenzweige  bisweilen  gar  nicht  aus  dem  eigent- 
lichen N.  musculocutaneus  geliefert  werden,  sondern  aus  einem  erst  distal 
vom  M.  coracobrachialis  entspringenden  gemischten  oder  selbst  rein  motori- 
schen Zweige  des  N.  medianus.  Findet  eine  von  unseren  beiden  Bezeich- 
nungen Anklang,  so  bleibt  die  Wahl  dem  einzelnen  Autor  überlassen. 

Der  eingelenkige  Muskel,  welcher  sich  an  dem  nicht  drehbaren 
Knochen  des  Vorderarmes,  der  Ulna,  befestigt,  ist  ohne  Nebenwirkung 
ein  reiner  Beuger  zwischen  Oberarm  und  Vorderarm. 


Idiotopie  und  Skeletopie. 

Schon  bei  der  allgemeinen  Beschreibung  haben  wir  die  wichtige 
und  bequemere  Unterscheidung  des  Muskels  in  2  Portionen  empfohlen : 
eine  Portio  bicipitalis,  welche  zum  großen  Teile  vom  M.  biceps  be- 
deckt wird,  aber  noch  zu  beiden  Seiten  desselben  am  Oberflächen- 
bilde der  Vorderseite  des  Oberarmes  teilnimmt,  und  eine  Portio 
brachioradialis,  welche  erst  nach  Zurückdrängung  oder  Entfernung  der 
Brachioradialgruppe,   besonders  des  M.  brachioradialis,   sichtbar  wird. 

Da  beide  Portionen  an  der  Oberfläche  und  besonders  im  Inneren 
des  Muskels  ohne  Grenze  ineinander  übergehen,  läßt  sich  die  spezielle 
Beschreibung  vereinigen. 

Der  Muskel  entspringt: 

1)  hauptsächlich  vom  Knochen,  der  vorderen  Fläche  des  Humerus, 
von  der  Höhe  der  Tuberositas  deltoidea  abwärts  bis  in  die  Nähe  des 
Ellenbogengelenkes ; 

2)  von  den  Septa  intermuscularia  mediale  und  laterale,  besonders 
von  ersterem; 

3)  von  den  benachbarten  Muskeln,  und  zwar  regelmäßig  vom 
M.  deltoideus  und  bisweilen  vom  M.  coracobrachialis. 

Der  Muskel  hat  mit  vielen  anderen  tiefen,  in  größerer  Aus- 
dehnung einen  Knochen  einhüllenden  oder  eine  Membran  verdecken- 
den Muskeln  (z.  B.  M.  flexor  digitorum  profundus  manus,  glutaeus 
minimus,  obturatores)  das  Gemeinsame,  daß  der  Ursprung  im  wesent- 

85 


86  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

liehen  muskulös  ist.  Eine  Innensehne,  wie  sie  den  meisten  eben  er- 
wähnten Muskeln  zukommt,  kann  erst  nach  Entfernung  der  oberfläch- 
lichen Muskelbündel  nachgewiesen  werden,  und  zwar  erlangte  sie  in  dem 
abgebildeten  Falle  (Fig.  115)  bei  einer  Gesamtmuskellänge  von  22,5  cm 
die  doch  recht  beträchtliche  Ausdehnung  von  14  cm.  Zwar  entwickeln 
sich  schon  unterhalb  der  Mitte  seines  Muskelbauches  Sehnenfasern 
an  seiner  Oberfläche,  welche  sich  allmählich  in  eine  Aponeurose  ver- 
wandeln, einen  sehnigen  Hohltrichter,  in  dessen  Tiefe  sich  die  Muskel- 
bündel einsenken.  Der  Ursprung  umgreift  die  Tuberositas  deltoidea. 
Ein  klares  Bild  hierüber  kann  man  sich  nur  durch  sorgfältige  Ent- 
fernung des  M.  deltoideus  schaffen;  dann  sieht  man,  wie  sich  der 
mediale  Teil  flach,  wie  ein  schmaler  Keil,  vom  Knochen,  bezw.  dem 
M.  coracobrachialis  erhebt,  während  der  laterale  bereits  eine  Höhe  bis 
zu  1,5  cm  aufweisen  kann.  Wie  bereits  beim  M.  deltoideus  erwähnt 
ist,  entspricht  ja  das  oberflächliche  Ende  dieses  Muskels  durchaus 
nicht  der  Knochenoberfläche.  Auch  die  hintere  Grenze  dieses  Ab- 
schnittes geht  nicht  direkt  an  den  Knochen  heran,  sondern  erst  durch 
Vermittelung  des  Septum  intermusculare  laterale.  Eine  scharfe  Sonde- 
rung dieser  medialen  und  lateralen  Portion  in  der  Verlängerung  der 
Spitze  der  Tuberositas  deltoidea  nach  unten,  d.  h.  distalwärts,  welche 
Henle  erwähnt,  haben  wir  niemals  beobachtet. 

Man  könnte  meinen,  daß  in  dem  Maße,  wie  sich  der  Humerus 
von  der  Mitte  des  Schaftes  aus  nach  unten  zu  den  Epicondylen  ver- 
breitert, auch  der  ihn  deckende  Muskel  an  Breite  zunimmt,  bis  er  sich 
in  der  Nähe  des  Ellbogengelenkes  wieder  verschmälert.  Diese  An- 
schauung Henles  teilen  wir  nicht.  Es  findet  nicht  nur  lateral  ein 
Uebergreifen  auf  das  Septum  intermusculare  laterale  statt,  also  über 
die  Knochengrenze  hinaus,  sondern  auch  medial  durch  den  Muskel- 
wulst. Was  demnach  die  Muskelbreite  betriift,  so  tritt  vom  Ursprünge 
ab  zum  Ellenbogengelenke  keine  wesentliche  Veränderung  in  der 
Breite  ein,  wohl  aber  in  der  Dicke.  Diese  erreicht  ungefähr  in  der 
Mitte  des  Muskelbauches,  d.  h.  im  Beginne  des  unteren  (distalen) 
Drittels  des  Oberarmes  ihre  größte  Stärke.  Von  der  Articulatio 
cubiti  nach  distal  hin  findet  sich  allerdings  eine  erhebliche  Umge- 
staltung in  Bau,  Form  und  Richtung.  Der  bis  dahin  senkrecht, 
frontal  von  oben  nach  unten  verlaufende  Muskelbauch  biegt  im 
stumpfen  Winkel,  besser  Bogen,  nach  hinten  um;  gleichzeitig  wird 
durch  die  Entwickelung  der  Endsehne  die  Masse  dünner  und  schmäler, 
schließlich  finden  alle  Fasern  ihren  Ansatz  an  einem  verhältnismäßig 
kleinen  Knochenpunkte,  der  Tuberositas,  und  auch  darüber,  d.  h. 
proximal  bis  zum  extrascapsulären  Teile  des  Proc.  coronoideus  ulnae. 

Außer  den  bereits  erwähnten  Ursprungsverbindungen  mit  den  M. 
deltoideus  und  coracobrachialis,  finden  sich  bisweilen  muskulöse  Kon- 
jugationen mit  dem  M.  brachioradialis  welche  für  die  von  uns  ge- 
wählte Schilderung  des  letzteren  Muskels  von  der  größten  Bedeutung 
sind,  und  sehnige  mit  dem  tiefen  Kopfe  des  M.  pronator  teres  und 
den  M.  flexores  antebrachii,  also  den  in  der  Umgebung  der  Tuberositas 
ulnae  entspringenden  Muskeln  der  Beugegruppe  des  Vorderarmes. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  vordere  Fläche  des  M.  brachialis  wird  vom  Biceps  bedeckt; 
in   der  trennenden   dünnen   Fascie   ist   der   R.   cutaneus    antebrachii 

86 


M.  brachialis.  87 

lateralis,  der  Hautast  des  N.  musculocutaneus,  eingescheidet.  Die 
Innenseite  bildet,  je  weiter  nach  unten,  einen  um  so  wesentlicheren 
Bestandteil  des  Sulcus  bicipitalis  (medialis)  und  der  Ellenbeuge,  lieber 
die  Außenseite  zieht  oberflächlich  die  V.  cephalica  hinweg,  falls  eine 
solche  vorhanden  ist.  Bei  weitem  wichtiger  ist  die  Portio  brachio- 
radialis :  im  Grunde  der  Rinne  zwischen  den  M.  brachialis  und  brachio- 
radialis  verläuft  nämlich  der  N.  radialis  und  die  Anastomose  zwischen 
den  R.  anteriores  der  Vasa  profunda  brachii  und  den  Vasa  recurrentia 
radialia,  von  welchen  die  Vene  sehr  ansehnlich  zu  sein  pflegt. 

Mit  seiner  tiefen  Fläche  liegt  der  Muskel  dem  Humerus  auf: 
dessen  vordere  Kante  vollkommen  verdeckend,  nimmt  er  den  medialen 
Rand  dieses  Knochens  noch  in  Anspruch,  die  laterale  Kante 
überläßt  er  aber  der  Brachioradialgruppe,  besonders  den  M.  brachio- 
radialis,  extensor  carpi  radialis  longus  und  supinator  (brevis).  Der 
vierte,  der  Reihenfolge  nach  eigentlich  der  dritte  Muskel  dieser 
Gruppe,  der  M.  extensor  carpi  radialis  brevis,  hat  nichts  hiermit  zu 
tun,  weil  er  sich  mit  seiner  schmalen  Ursprungssehne  nur  an  der 
Rückseite  und  der  Spitze  des  Epicondylus  lateralis  anheftet. 

Praktische  Bemerkungen. 

Es  ist  seitens  eines  italienischen  Chirurgen  ^)  bei  der  Osteomyelitis 
humeri  der  Vorschlag  gemacht  worden,  die  ausgiebige  und  doch 
schonende  Freilegung  der  ganzen  Länge  des  Oberarmbeines  in  der 
Weise  vorzunehmen,  daß  vom  Weichteilschnitte  bei  der  Resectio  humeri 
aus  eine  senkrechte  Verlängerung  nach  unten  gemacht  wird,  und  zwar 
durch  das  Fleisch  des  M.  brachialis  hindurch.  Vom  anatomischen  Stand- 
punkte aus  ist  dieser  Schnitt  in  doppelter  Beziehung  gutzuheißen, 
genau  wie  wir  es  bei  dem  Weichteilschnitte  gelegentlich  der  Resectio 
humeri  betont  haben: 

1)  Der  Schnitt  hält  sich  in  die  theoretisch  konstruierbare  und 
meistens  auch  anatomisch  nachzuweisende  Grenzlinie  des  Innervations- 
gebietes  der  beiden  den  M.  brachialis  versorgenden  Nerven  (radial 
oder  lateral  N.  radialis,  ulnar  oder  medial  N.  medianus). 

2)  Auch  die  Gefäßversorgung  trifft  in  günstigster  Weise  das 
Grenzgebiet  zwischen  den  beiden  Hauptgefäßen.  Im  kleineren  lateralen 
Abschnitte  bleiben  die  vorderen  Endäste  der  Vasa  profunda  brachii 
und  vor  allen  Dingen  auch  der  N.  radialis  selbst.  Die  übrigens  nicht 
benannten  medialen  Muskeläste  der  A.  brachialis  gehen  nicht  über 
diese  Schnittlinie  lateralwärts  hinweg. 

Innejrvation. 

Der  Muskel  ist  schon  in  bezug  auf  seine  Form  und  Architektur 
einer  der  merkwürdigsten  Armmuskeln ;  durch  die  feinere  Innervierung 
gewinnt  er  aber  die  erste  Stelle,  besonders  deshalb,  weil  bei  der 
Mächtigkeit  des  Muskelbauches  die  Nervenelemente  verhältnismäßig 
leicht  darzustellen  sind.  Für  Geübtere  kann  sich  nur  das  Grenz- 
gebiet zwischen  M.  adductor  pollicis  und  flexor  pollicis  brevis  inter- 
essanter  gestalten;    für   den,   welcher    sich   in    der  Darstellung   der 

1)  Genau  dieselbe  Schnittfuhrung  hat  FßOHSE,  unabhängig  von  diesem  Autor, 
mehrere  Male  als  die  schonendste  erkannt.  Leider  können  wir  trotz  vielfachen  Nach- 
forschens  die  Literatur  nicht  angeben. 

87 


88  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

feineren  Nervenverzweigung  an  komplizierteren  Muskeln  einüben  will, 
halten  wir  diesen  Muskel  für  das  geeignetste  Beispiel. 

Die  gewöhnliche  Beschreibung  gibt  nur  die  Innervation  vom 
N.  musculocutaneus  an,  vielfach  wird  auch  einer  inkonstanten  Ver- 
sorgung der  lateralen  Portion  durch  den  N.  radialis  gedacht.  So 
leicht  die  ersteren  Nerven  dargestellt  werden  können,  so  schwer 
können  andererseits  die  Bezüge  aus  dem  N.  radialis  extramuskulär 
nachgewiesen  werden. 

Obwohl  wir  zugeben  müssen,  daß  ein  makroskopischer  Nachweis 
von  Nervenfasern  des  N.  radialis  in  seltenen  Fällen  nicht  durchführ- 
bar ist,  halten  wir  doch  daran  fest,  daß  ein  Teil  der  lateralen  Seite 
des  M.  brachialis  dem  N.  radialis  zugehört,  weil  nach  unseren  Er- 
fahrungen mindestens  in  75  Proz.  der  Fälle  sich  der  N.  radialis  an 
dieser  Stelle  an  der  Versorgung  des  M.  brachialis  beteiligt. 

Schon  aus  diesem  Grunde  ist  der  Muskel  interessant,  ob  über- 
haupt Nerven  auf  der  lateralen  Seite  vorhanden  sind,  wie  viele  und 
wie  starke ;  des  weiteren  aber  mit  Rücksicht  auf  die  Frage,  wie  viele 
Nervenzweige  in  der  Tiefe  verborgen,  ob  und  wie  viele  und  starke 
Anastomosen  zwischen  diesen  Zweigen  und  den  medialen  Hauptästen 
aus  dem  N.  musculocutaneus  vorhanden  sind. 

Des  weiteren  ist  aber  ein  besonderer  Nerv  zu  beobachten,  welcher 
sich  in  wechselnder  Höhe  des  Oberarmes  aus  dem  N.  medianus  los- 
löst und  diesem  parallel,  entweder  ihm  oder  der  A.  brachialis  ange- 
schmiegt, zum  Ellenbogengelenke  zieht.  Wir  haben  diesen  Nerv 
niemals  vermißt,  obwohl  seine  Stärke  und  Verbreitungsgebiet  außer- 
ordentlich verschieden  waren,  und  halten  wegen  der  Lagebeziehung 
zum  N.  medianus  den  Namen  R.  coUateralis  n.  mediani  für  durchaus 
zutreffend. 

Wir  werden  später  beim  M.  triceps  einen  R.  coUateralis  n.  ulnaris 
kennen  lernen,  einen  Ast  des  N.  radialis  für  das  Caput  mediale  des 
M.  triceps,  welcher  sich  für  eine  kürzere  oder  längere  Strecke, 
entweder  mittelbar  oder  unmittelbar  dem  N.  ulnaris  anschließt,  sich 
also  der  Bahn  des  letzteren  Nerven  bedient.  Bei  dem  N.  medianus 
handelt  es  sich  um  einen  wahren  R.  coUateralis  desselben 
Nerven  —  um  im  Sinne  der  normalen  Gefäßkollateralen  zu  sprechen 
—  einen  dünneu  Zweig  des  gleichen  Hauptstammes.  Dieser  Ast 
verdient  nicht  allein  wegen  der  hier  hauptsächlich  in  Betracht  kom- 
menden Innervation  der  Muskelbündel  unsere  besondere  Beachtung, 
sondern  auch  wegen  der  Beziehungen  zu  der  Sehnenendigung,  dem 
Ellenbogengelenke  und  den  Gefäßen  bis  über  die  Teilung  der  A. 
brachialis  in  die  A.  radialis  und  ulnaris  hinaus. 

Wir  halten  uns  auf  Grund  von  etwa  10  genauer  untersuchten 
Fällen  einstweilen  für  berechtigt,  folgenden  Innervationsplan  aufzu- 
stellen : 

1)  konstante  Hauptinnervation  von  der  flachen  Vorderfläche  aus 
durch  den  N.  musculocutaneus  ; 

2)  fast  konstante  Innervation  eines  größeren  oder  kleineren  Teiles 
der  lateralen  Seite  von  einem  oder  mehreren  Aesten  des  N.  radialis ; 

3)  häufige  Innervation  des  medialen  distalen  Teiles ,  besonders  in 
der  Nähe  des  Ellenbogengelenkes  durch  den  sogenannten  R.  coUateralis 
n.  mediani. 


M.  brachialis. 


89 


Muskelbündellänge. 

Minimum  4    cm 

Maximum  10,8  „ 

Durchschnitt  aus  22  Messungen     7,8   „ 
Unterschied  in  Centimetern  G,8,  in  Prozenten  170  %. 

Segmentbezüge. 

5.  6.  Cervicalnerv,  sowolil  bei  den  Zweigen  des  N.  medianus,  wie 
bei  denen  des  N.  radialis. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

67 

60 

156 

138 

62,7 

55 
150 
131,5 

4,3 
5 
6 
6,5 

93,6 
91,7 
96,2 
95,3 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

105,3 

99,8 

5,5 

94,2 

Varietäten. 

Der  Muskel  weist  nur  Varietäten  von  speziell  anatomischem  Inter- 
esse auf:  Trennung  des  Ursprunges  zu  beiden  Seiten  der  Tuberositas 
deltoidea  scheinbar  in  2  Köpfe,  dann  accessorische  Bündel  von  dem 
Septum  intermusculare  mediale.  Wenn  sich  diese  zum  M.  biceps 
wenden,  haben  wir  dessen  Caput  tertium  vor  uns.  Die  Beziehungen 
des  Ursprunges  zu  den  Nachbarmuskeln  (M.  deltoideus  und  coraco- 
brachialis)  sind  kaum  als  Varietäten  aufzufassen. 

Auch  die  eventuellen  Ansätze  des  M.  brachialis  außer  an  der 
Ulna  noch  am  Radius,  an  der  meistens  „Chorda  obliqua"  genannten 
Bildung  verdienen  nur  theoretische  Beachtung,  da  sie  auch  in  dieser 
Beziehung  den  M.  brachialis  als  vollkommen  analog  dem  M.  biceps 
gebaut  erscheinen  lassen,  nämlich  durch  den  doppelten  Ansatz  am 
Vorderarme. 

In  den  V.  B.  finden  wir  folgende  Fälle :  No.  214.  Ansatz  des 
M.  brachialis  am  Radius  dicht  unterhalb  der  Tuberositas.  Ursprung 
doppelköpfig,  sowohl  von  der  medialen  wie  von  der  lateralen  Portion. 
No.  292.  Muskelkonjugation  zwischen  M.  brachii  und  M.  flexor  pol- 
licis  longus. 


M.  trlceps  brachii. 

Synonyma :  Dreiköpfiger  Armmuskel,  Vorderamstrecker,  äußerer  oder 
hinterer  Armmuskel ;  M.  extensor  cubiti  magnus ;  brachialis  s.  brachiaeus 
ext.  s.  post,  triceps  cubiti ;  trlceps  brachial,  scapulo-ol^cränien  Chaussier, 
tri-scapulo-humero-ol^cränien  Dumas. 

Caput  longum:  langer  Vorderarmstrecker,  langer  Knorrenmuskel ; 
M.  anconaeus  longus,  caput  primum. 

Caput  laterale:  äußerer  Vorderarmstrecker ;  M.  anconaeus 
brevis  Albin,  caput  externum  s.  magnum  s.  secundum,  Vastus  externus 
CRUVBiiiHiBR ;  chef  externe,  portion  moyenne,  vaste  externe. 

89 


90 


M.  trapezius 


Lateraler  Sehnen 
Spiegel 


M.  infraspinatub 


M.  teres  minor- — 


M.  teres  majoi 


M.  latissimus  dorsi 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Clavicula  (eigentliche  Schulterhöhe) 


Tlr    Fr ol 
Sehnenspiegel  des  Triceps 


M.  triceps,  caput  longum 


N.  ul 
Bursa  subcutanea  olecran 


M.  flexor  carpi  ulnaris 
M.  anconaeus 


M.  extensor  carpi  ulnaris 


M.  triceps,  Caput 
longum 


Spitze  des  Sehnen- 
spiegels 


M.  triceps,  caput 
laterale 


M.  brachioradialis 


M.  extensor  carpi 
radialis  long^s 


Lacertus    fibrosus 
m.  tricipitis 


M.  extensor  carpi 
radialis  brevis 


M.  extensor  digi- 
torum  comnmnis 


Fig.  49.    Oberarm,  Muskelbild  von  der  Eückseite. 


M.  triceps  brachii.  91 

Caput  mediale:  innerer  Vorderarmstrecker,  M.  anconaeus  internus, 
Caput  internum  s.  tertium  s.  parvum,  brachialis  externus  Albin,  anconaeus 
brevis  Thbile.  Vastus  internus  Cruveilhier  ;  chef  interne,  courte  portion, 
vaste  interne. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Als  einziger  Muskel  der  Streckseite  des  Oberarmes  deckt  er  die 
Rückseite  des  Humerus  fast  vollkommen  zu.  Keilartig  nach  oben, 
d,  h.  zum  Schultergürtel,  sich  verschmälernd,  reicht  er  mit  einem  zwei- 
gelenkigen Kopfe,  dem  Caput  longum,  bis  zur  Tuberositas  infragleno- 
idalis  scapulae.  Die  beiden  anderen  Köpfe  beschränken  sich  auf  das 
Oberarmbein,  finden  aber  eine  scharfe  Grenze  ihres  Ursprunges  durch 
den  Sulcus  spiralis  des  N.  radialis.  Die  proximal  hiervon  entspringen- 
den Muskelbündel  vereinigen  sich  zum  Caput  laterale,  unterhalb,  also 
distalwärts  der  Spiralfurche  liegt  bis  in  die  Nähe  des  Ellbogengelenkes 
die  breite  Ursprungsfläche  des  Caput  mediale. 

Die  3  Köpfe  vereinigen  sich  in  einer  starken  Endsehne,  welche 
ihren  Hauptansatz  am  Olecranon  findet,  jedoch  nicht  allein  auf  diesen 
Knochenpunkt  beschränkt  ist,  sondern  mit  einer  derben  Aponeurose 
noch  auf  die  Streckseite  der  Vorderarmmuskulatur  übergeht  und 
dabei  besonders  den  M.  anconaeus  deckt. 

Für  diese  Ausstrahlung  schlagen  wir,  analog  der  Aponeurosis 
bieipitis,  dem  Lacertus  fibrosus,  den  Namen  Aponeurosis  s.  Lacertus 
fibrosus  m.  tricipitis  vor.  Radius  und  Ulna  verhalten  sich  ja  auf  Vorder- 
und  Rückseite  in  bezug  auf  die  Marken  der  Muskelansätze  grund- 
verschieden :  vorn  liegen  Tuberositas  ulnae  und  radii  ungefähr  in  einer 
Höhe,  die  beiden  Beuger  finden  dort  ihren  getrennten  Ansatz;  auf 
der  Rückseite  ist  nur  ein  Knochenpunkt,  nämlich  nur  an  der  Ulna  zu 
merken,  das  durch  den  Muskelzug  mächtig  nach  oben  ausladende 
Olecranon ;  der  Radius  dient  keinem  Streckmuskel  zum  Ansätze.  Im 
Gegensatze  zur  Insertion  des  Biceps  mit  der  scharfen  Sonderung  in 
Haupt-  und  Nebensehne,  verliert  die  Aponeurosis  tricipitis  ihren  Zu- 
sammenhang mit  der  Hauptsehne  nicht.  Das  Wesentliche  ist  aber 
das  Gleiche,  eine  Ausstrahlung  der  Sehne  auf  die  Muskulatur  des 
Vorderarmes,  sowohl  bei  dem  Lacertus  fibrosus  anterior  wie  dem 
posterior. 

Die  Wirkung  ist  gemäß  dem  Ansätze  an  dem  nicht  drehbaren 
Knochen  des  Vorderarmes,  der  Ulna,  hauptsächlich  eine  Streckung 
zwischen  Ober-  und  Vorderarm;  durch  den  Ursprung  des  langen 
Kopfes  vom  Schulterblatte  kann  bei  fixiertem  Schultergürtel  auch  der 
ganze  Arm  nach  hinten  bewegt,  also  extendiert  werden;  bei  fest- 
stehendem Ellbogengelenke  muß  der  Rumpf  der  Extremität  genähert 
werden;  hierin  und  außerdem  im  Schutze  des  Schultergelenkes 
gegen  Luxationen  unterstützt  er  den  Biceps,  dessen  Antagonist  er 
sonst  ist. 

Von  der  größten  Wichtigkeit  ist  die  Durchbohrung  des  Muskels 
durch  den  N.  radialis,  der  ihm  im  übrigen  auch  seine  eigenen  Nerven- 
zweige liefert.  Dadurch  zerfällt  der  Muskel  in  eine  oberflächliche 
und  tiefe  Schicht.  Der  ersteren  gehören  zwei  Köpfe  an :  ein  medialer, 
das  Caput  longum,  und  ein  lateraler,  das  Caput  laterale.  Die  tiefe 
Schicht  unterhalb,   d.  h.   distal  vom  Sulcus  spiralis  n.  radialis   wird 

91 


92  FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

allein  durch  das  Caput  mediale  gebildet.  Letzterer  Kopf  liegt  nicht  nur 
an  der  Innenseite  des  Oberarmes,  sondern  kommt  außerdem  noch  an  der 
Außenseite  zum  Vorscheine  und  entwickelt  sogar  am  Vorderarme  noch 
einen  besonderen  vierten  Kopf,  den  M.  anconaeus,  der,  obwohl  an  der 
Außenseite  der  Ulna  gelegen,  durch  den  meist  vorhandenen  Zu- 
sammenhang der  Muskelbündel,  regelmäßig  der  Innervation  ent- 
sprechend zum  Caput  mediale  gerechnet  werden  muß. 

Es  wäre  wohl  angebracht,  daß  man  bei  dem  sonst  so  schwer  vei- 
ständlichen  Baue  des  Triceps,  also  der  Streckgruppe,  der  Einteilung  ge- 
recht würde,  wie  sie  bei  der  Beugegruppe  am  Oberarme  als  natürlich 
erscheint.  Die  Beuger  zerfallen  ja,  wie  erwähnt,  in  eine  oberflächliche, 
zweiköpfige  Schicht,  den  M.  biceps,  und  eine  tiefe,  welche  nur  durch 
einen  Muskel,  den  M.  brachialis,  dargestellt  ist;  ebenso  haben  wir  auf 
der  Streckseite  eine  zweiköpfige  oberflächliche  Lage,  das  Caput  longum 
und  laterale,  und  eine  tiefe  Schicht  in  Gestalt  des  Caput  mediale.  Der 
tiefen  Schicht  der  Beuger  und  Strecker  ist  gemeinsam,  daß  sie  zum 
großen  Teile  von  der  oberflächlichen  bedeckt,  werden,  aber  sowohl  an 
der  Außen-  wie  Innenseite  unter  der  Fascie  am  Oberflächenbilde  des 
Oberarmes  zu  Tage  treten.  Unangenehm  bei  diesem  Vergleiche  ist  nur, 
daß  seit  alters  her  beim  Biceps  der  lateral  gelegene  Kopf  Caput  longum 
heißt,  während  der  lange  Tricepskopf  medial  gelagert  ist.  Wie  bereits  beim 
Biceps  erwähnt,  ist  aber  das  Muskelfleisch  des  Caput  longum  bei  diesem 
Muskel  kürzer,  als  das  des  Caput  breve,  und  das  Ueberwiegen  der  Ge- 
samtlänge einschließlich  der  Sehne  ist  verhältnismäßig  auch  gering,  anders 
als  beim  M.  biceps  femoris,  wo  man  in  der  Tat  mit  Leichtigkeit  ein 
Caput  longum  und  breve  unterscheiden  kann  und  außerdem,  gemäß  der  In- 
nervation, auch  muß.  Die  Schwierigkeit  eines  passenden  Namens  gibt  sich 
ja  zur  Genüge  durch  die  eingangs  aufgeführten  Synonyma  kund ;  wunder- 
barerweise ist  der  so  naheliegende  Vergleich  bei  der  Nomenklatur 
dieses  Muskels  nicht  ausgenützt  worden. 

Wir  schlagen  als  natürliche  Einteilung  vor  für  Beuge-  und  Streck- 
gruppe am  Oberarme  je: 

1)  eine  oberflächliche  Schicht  mit  einem  Caput  laterale  und  mediale ; 

2)  eine  tiefe  Schicht  mit  nur  je  einem  Muskel; 

3)  eine  Verlängerung  zum  Vorderarme  über  die  3  Hauptrauhig- 
keiten der  Vorderarmknochen,  Olecranon,  Tuberositas  ulnae 
und  radii  distal  hinaus  mit  je  einem  Sehnenfascikel  [für  die 
Beuger  dem  M.  brachioradialis,  für  die  Strecker  dem  M. 
anconaeus  (quartus)], 

oder  in  lateinischer  Ausdrucksweise: 

Flexores  Extensores 

1.  Stratum  superficiale: 

a.  Caput  laterale:  Caput  longum  bicipitis         Caput  laterale  tricipitis 

b.  Caput  mediale:  Caput  breve  bicipitis  Caput  longum  tricipitis 

2.  Stratum  profundum:  M.  brachialis  Caput  mediale  tricipitis 

3.  Stratum  antebrachii  M.  brachioradialis  M.  anconaeus  (quartus) 
(distale) : 

lieber  die  Gründe,  warum  wir  den  M.  brachioradialis  dem  M. 
anconaeus  gegenüberstellen,  soll  gehandelt  werden,  wenn  ersterer 
beschrieben  wird,  dessen  Lage,  Bau,  Fascienverhältnisse,  Funktion 
und  Innervierung  uns  überhaupt  sehr  ausführlich  beschäftigen 
werden. 

92 


M.  triceps  brachii.  93 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Caput  longum.  Das  Caput  longum  entspringt  vornehmlich 
von  einer  Rauhigkeit  dicht  unterhalb  des  Schultergelenkes,  dem  Tuber- 
culum  infraglenoidale  (besser  würde  man  Tuberositas  sagen),  d.  h.  am 
proximalen,  unmittelbar  an  die  Gelenkkapsel  anschließenden  Teile  des 
Margo  axillaris  scapulae.  Ein  Uebergreifen  auf  die  Gelenkkapsel 
selbst  ist  seltener.  Wichtiger  ist  der  Zusammenhang  mit  der  Sehne 
des  M.  latissimus  dorsi.  Wir  haben  diese  Verbindung  niemals  ver- 
mißt, obwohl  sie  bei  den  verschiedenen  Individuen  und  auch  an 
beiden  Armen  desselben  Körpers  sehr  wechselnd  gestaltet  sein  kann. 
Es  ist  eine  sehnige  oder  lamellöse  Arkade,  welche  den  M.  teres  major 
von  vorn  her  zudeckt  und  gegen  den  Triceps  drückt. 

Der  Hauptursprung  von  der  Scapula  ist  sehnig,  von  außen  her 
betrachtet ;  aber  in  der  Tiefe,  unter  der  oberflächlichen  Sehnenschicht, 
sind  bereits  Muskelbündel  bis  zum  Knochen  verfolgbar;  es  ist  auch 
hier  ein  Sehnentrichter  vorhanden,  welcher  sich  alsbald  medialwärts 
öffnet.  Dadurch  zerfällt  die  Ursprungssehne  in  eine  vordere  und 
hintere  Platte,  welche  lateralwärts  noch  sehnig  zusammenhängen.  Das 
hintere  Sehnenblatt  ist  nur  kurz,  das  vordere  dagegen  sehr  lang. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  nun,  wie  die  Achse  des  Schulter- 
blattes, also  der  Ursprung,  und  weiterhin  die  Achse  des  Ober- 
armbeines, also  der  eigentliche  Verlauf  des  Muskelbauches  ge- 
richtet sind. 

Das  Schulterblatt  steht  ungefähr  frontal  und  wird  durch  die 
Weichteile  nicht  wesentlich  in  dieser  Richtung  verändert,  der  Ober- 
arm dagegen,  wohlgemerkt  sämtliche  Weichteile,  die  Haut  miteinge- 
schlossen, bewirken  in  der  Ruhestellung  der  oberen  Extremität,  wenn 
diese  bequem  dem  Rumpfe  anliegt,  eine  von  rechts  nach  links  zu- 
sammengedrückte Form ;  siehe  auch  Fig.  22.  Die  Hauptachse  steht 
also  an  dem  Lebenden  oder  der  unversehrten  Leiche  sagittal. 

Diese  Lageveränderung,  eine  Torsion  nach  innen,  macht  auch  die 
vordere  Sehnenplatte  mit;  sie  wendet  sich  am  Oberarme  nach  innen 
hin  und  bildet  an  der  medialen  Seite  einen,  selbst  durch  die  Haut 
sichtbaren  Sehnen  Spiegel,  welcher  das  verkleinerte  Bild  des  ganzen 
langen  Kopfes  wiedergibt. 

Caput  laterale.  Der  äußere  Kopf  entspringt  von  der  lateralen 
Fläche  des  Humerus,  sowohl  oberhalb,  wie  unterhalb  der  Tuberositas 
deltoidea.  Letzterer  Ursprung  ist  ohne  weiteres  sichtbar  genau  gegen- 
über dem  M.  brachialis ;  der  obere  Ursprung  wird  erst  nach  Hoch- 
klappen oder  Entfernen  des  M,  deltoideus  in  ganzer  Ausdehnung  deut- 
lich und  läßt  sich  dann  bis  zum  Collum  chirurgicum,  d.  h.  bis  an  die 
Schultergelenkskapsel  verfolgen.  Die  Unterbrechung  des  Ursprunges 
durch  die  Tuberositas  deltoidea  bewirkt  auch  eine  Abknickung  der  Ur- 
sprungslinie, entsprechend  diesem  Punkte,  indem  hier  ein  nach  vorn 
stumpfer  W^inkel  gebildet  wird.  Durchtrennt  man  das  Caput  laterale 
quer  in  der  Mitte  der  Muskelbündellänge,  so  erkennt  man  beim  Zurück- 
klappen des  oberen,  proximalen  Abschnittes,  daß  der  Ursprung  ver- 
mittelst kurzer  Sehnen  statthat,  welche  schräg  am  Knochen  ansetzen, 
und  außerdem,  daß  der  Gesamtursprung  oberhalb  des  Sulcus  spiralis 
n.  radialis  gelegen  ist,  und  schließlich,  daß  beim  Uebergange  des  N. 
radialis  von  der  Rückseite  auf  die  Vorderseite  des  Oberarmes  sich  ein 

93 


94  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Sehnenbogen  vorfindet,  eine  besondere  Einrichtung  im  Septum  inter- 
musculare  laterale. 

Caput  mediale.  Der  mediale  Kopf  entspringt  fleischig  von  dem 
Hauptteile  der  ganzen  hinteren  Fläche  des  Humerus,  abwärts,  also  distal- 
wärts  vom  unteren  Rande  des  Sulcus  spiralis  bis  in  die  Nähe  des  Ellen- 
bogengelenkes. Da  der  Sulcus  spiralis  hoch  oben  und  innen  beginnt  — 
am  Knochen  bereits  im  oberen  Drittel,  während  die  Muskelbündel 
sich  noch  bis  zum  Schultergelenke  erstrecken  können  —  und  erst  am 
Ende  des  mittleren  Drittels  aufhört,  müssen  die  medialen  Ursprünge 
bedeutend  länger  sein,  als  die  lateralen. 

Außerdem  ist  zu  betonen,  daß  dieser  Kopf  nicht  allein  Knochen- 
ursprünge hat,  sondern  auch  von  den  beiden  Septa  intermuscularia 
ausgeht,  vornehmlich  von  dem  medialen.  Das  Septum  intermusculare 
laterale  wird  unterhalb  des  Durchtrittes  des  N.  radialis  sehr  niedrig 
und  ist   bei  muskelschwachen  Personen  kaum   der  Erwähnung  wert. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  lange  Portion  wird  zunächst  auf  der  Rückseite  etwas  vom 
M.  teres  minor  bedeckt,  dann  legt  sich  aber  alsbald  der  M.  deltoideus 
mit  seinem  hinteren  Abschnitte  wie  eine  breite  Kappe  über  beide 
Muskeln  hin,  weiter  nach  unten  ist  der  lange  Kopf  nur  von  Fascie 
und  Haut  bedeckt. 

Aehnlich  verhält  sich  das  Caput  laterale,  welches  oben  durch  den 
M.  deltoideus  überlageret  ist,  unten  nur  Fascien-  und  Hautbedeckung 
aufweist.  Mit  seiner  tiefen  Fläche  deckt  es  den  Humerus,  im  Sulcus 
spiralis  den  N.  radialis  mit  verschiedenen  Muskel-  und  Hautästen 
und  die  Zweige  der  Vasa  profunda  brachii,  unterhalb  desselben  den 
lateralen  Teil  des  Caput  mediale. 

Dieses  ist  im  übrigen  durch  die  gemeinschaftliche  Endsehne  ver- 
deckt, und  zwar  zum  größten  Teile.  Aber  zu  beiden  Seiten  der  End- 
sehne wird  noch  Muskelfleisch  dieses  Kopfes  sichtbar,  besonders  innen. 
Der  Triceps  erscheint  mit  seinem  Caput  mediale  sowohl  an  der  Außen- 
seite, wie  besonders  an  der  Innenseite,  ist  aber  der  Hauptsache  nach 
durch  die  Endsehne  verdeckt,  welche  sich  vornehmlich  schon  hoch 
oben  aus  dem  Caput  longum  und  laterale  entwickelt.  An  der 
Innenseite  ragt  der  Muskel  bis  an  den  Coracobrachialis,  nach  oben 
hin,  selbst  darüber  hinaus  bis  zum  oberen  Rande  des  M.  teres  major 
oder  sogar  dem  unteren  Rande  der  Schultergelenkskapsel;  weiter 
unten  liegt  er  gegenüber  dem  Brachialis  und  Pronator  teres.  Die 
Abgrenzung  gegen  den  letzteren  durch  das  Septum  intermusculare 
mediale  ist  eine  vollständige.  Unvollständig  dagegen  ist  sie  gegen 
den  M.  brachialis.  Ueberdies  weist  das  Septum  intermusculare  mediale 
auch  eine  größere  Lücke  auf  zum  Durchtritt  des  N.  ulnaris  und 
der  Vasa  collateralia  ulnaria  superiora  nach  hinten.  In  der  Höhe 
des  Epicondylus  lateralis  läßt  das  Caput  mediale  ihn  für  eine  Strecke 
frei,  so  daß  derselbe  wie  ein  ovales  Grübchen  in  dem  ihn  umgebenden 
Muskelwalle  zurücktritt,  und  distalwärts  setzt  er  sich  meistens  un- 
mittelbar in  den  M.  anconaeus  (quartus)  fort. 

Wie  schon  erwähnt,  nehmen  zwischen  den  3  Köpfen  des  Triceps 
im  Sulcus  spiralis  der  N.  radialis  und  die  Vasa  profunda  brachii 
ihren  Weg,  am  oberen  Rande  des  Caput  mediale  und  überlagert  durch 

94 


M.  triceps  brachii.  95 

das  Caput  longum  und  laterale,  welche  zusammen  die  oberflächliche 
Schicht,  die  Decke,  bilden. 

Die  Endsehne  liegt  vollkommen  frei  unter  Fascie  und  Haut, 
nur  am  Ellenbogen  kommt  eine  geringe  Ueberlagerung  durch  die 
Bursa  subcutanea  olecrani  zustande.  In  der  Tiefe  deckt  sie  das 
Caput  mediale  zu,  bis  in  die  Nähe  des  Ellenbogengelenkes,  dann  die 
obere  Fläche  des  Olecranon  und  einen  kleinen  Teil  der  hinteren 
Fläche  der  Ulna. 

Die  Gestalt  der  Endsehne,  soweit  sie  am  Oberarme  liegt,  glaubt 
Frohse  jetzt  durch  3  ganz  einfache  Linien  bestimmen  zu  können. 
In  der  Breite  des  Olecranon ,  lateral  etwas  darüber  hinaus  zur 
Peripherie  hin,  errichtet  er  2  Senkrechten  in  der  Achse  des  Oberarm- 
beines. Die  obere  Begrenzung  der  Sehnenplatte  wird  durch  eine 
Linie  gebildet,  welche  parallel  dem  allgemein  bekannten  hinteren 
Rande  des  M.  deltoideus  verläuft.  Diese  ist  in  der  Streckstellung 
des  Armes  etwa  öVg  cm,  in  der  Beugehaltung  10  cm  weit  vom  Rande 
des  Deltamuskels  entfernt.  Auch  beim  Triceps  kann  man  also  selbst 
durch  die  Haut  hindurch  die  Kontraktionsbreite,  speziell  am  Caput 
laterale  feststellen;  sie  beträgt  ungefähr  die  Hälfte  der  meßbaren 
Länge.  Unsere  Fig.  50,  welche  den  losgelösten  Triceps  darstellt, 
gibt  diesen  Betrachtungen  eine  schematische  bildliche  Erläuterung. 
Sie  entspricht  auch  dem  Durchschnittsbefunde.  Die  beim  Caput 
laterale  angegebene  Länge  des  Muskelbauches  mit  8  cm  entspricht 
einer  Mittelstellung  zwischen  Beugung  und  Streckung.  Gerade  der 
Triceps  ist  sehr  ungünstig  gestellt,  indem  eine  Präparation  des  in 
äußerster  Streckung  befindlichen  Armes  sich  wohl  nur  in  den  selten- 
sten Fällen,  z.  B.  einer  Strychninvergiftung,  wirklich  einwandsfrei  er- 
möglichen lassen  wird.  Die  postmortale  Streckung  kann  niemals  das 
wahre  Bild  einer  Streckung  in  vivo  einigermaßen  hervorrufen. 

Wirkung. 

Duchenne  will  dem  Caput  longum  m.  tricipitis  nur  eine  unter- 
geordnete Stellung  bei  der  Streckung  des  Vorderarmes  zuerkennen  und 
ihm  die  besondere  Bestimmung  zuweisen,  bei  der  Senkung  des  Armes 
gegen  die  Schulter  mitzuwirken. 

Wir  bemerken  dagegen,  daß  für  eine  derartige  Bewegung  die  An- 
heftung am  Humerus  durchaus  notwendig  ist,  welche  in  direkter  Weise 
nicht  einmal  bei  den  Varietäten  zur  Beobachtung  kommt,  wohl  aber  gibt 
die  Sebnenkonjugation,  welche  den  Ursprunggsehnenspiegel  des  Caput 
longum  mit  der  Endsehne  des  M.  latissimus  dorsi  verbindet,  einen 
indirekten  Zusammenhang  mit  der  Crista  tuberculi  minoris  humeri. 
Wie  wechselnd  indessen  nach  Breite  und  Dicke  diese  Verbindung, 
welche  wir  als  normal  hingestellt  haben,  sich  individuell  gestaltet,  ist 
außerordentlich  verschieden  und  dürfte  demgemäß  auch  zu  ganz  ver- 
schiedenen Ergebnissen  bei  der  elektrophysiologischen  Reizung  führen. 
Wir  haiton  jedoch  diese  Wirkung  nur  für  eine  accessorische,  leugnen 
andererseits  aber  nicht,  daß  dadurch  auch  der  Gelenkkopf  von  dem 
unteren  Rande  der  Pfanne  nach  außen  oder  vorn  gedrängt  werden  kann. 
Unter  allen  Umständen  bleibt  als  Hauptwirkung  nach  unserer  Auffassung 
die  Streckung  des  Vorderarmes  gegen  den  Oberarm,  besonders  bei  senk- 
recht erhobenem  Oberarme  und  gebeugtem  Vorderarme,  weil  dann  der 
Muskelbauch  passiv  gedehnt  ist.     Bei  herabhängendem  Oberarme  macht 

95 


96 


M.  triceps  brach  ii.  97 

sich  die  Wirkung  nicht  in  der  gleichen  Weise  bemerkbar,  weil  dann 
der  vollkommen  erschlaffte  Bauch  infolge  des  stärkeren  passiven  Herab- 
sinkens der  Muskelmasse  seine  volle  Wirkung  nicht  entfalten  kann. 
Uns  ist  es  gelungen,  bei  senkrecht  nach  vorn  gehobenem  Oberarme  die 
isolierte  Kontraktion  ausschließlich  des  Caput  longum  auszulösen,  und 
sahen  dann  bei  kräftiger  Streckung  des  Vorderarmes  den  breiten  Sehnen- 
spiegel als  grubige  Vertiefung  von  dem  Muskelwulste  umrahmt. 

An  unserer  Auffassung  kann  auch  der  S.  99  angeführte  patho- 
logische Fall  nichts  ändern,  den  wir  im  Auszuge  nach  Duchenne 
unter  den  Bezeichnungen  der  B.  N.  A.  anführen :  1)  das  Caput  longum 
streckt  den  Vorderarm  nur  schwach  mit  einer  Kraft  von  3 — 4  kg ;  2)  der 
M.  anconaeus  bewirkt,  wenn  die  3  Portionen  des  M.  triceps  atrophiert 
sind,  die  Streckung  des  Vorderarmes  mit  etwas  größerer  Kraft,  als  die 
lange  Portion;  3)  sowohl  das  Caput  laterale,  wie  mediale  führt  die 
Streckung  des  Vorderarmes  mit  großer  Kraft  aus. 

Daß,  wie  unter  No.  131  geschildert  ist,  bei  Atrophie  aller  Muskel- 
bäuche der  vollständige  Verlust  der  Streckung  zur  Beobachtung  kam, 
dürfte  nicht  sonderlich  wundernehmen. 

Solange  nicht  der  Nachweis  erbracht  ist,  in  wie  hohem  Grade 
die  einzelnen  Muskelbäuche  ihrer  Tätigkeit  beraubt  waren,  solange 
also  nicht  die  Nachprüfung  an  dem  gleichen  Muskelpräparate  statt- 
gefunden hat,  halten  wir  vereinzelte  pathologische  Daten  gegenüber 
der  normalen  Physiologie  nicht  für  absolut  beweisend.  Daß  bei  par- 
tieller Atrophie  die  Sicherheit  der  Bewegungen  leidet  und  besonders 
auch  bei  den  Beugebewegungen  von  diesen  Muskeln  zu  hastig  aus- 
geführt wird,  ist  eigentlich  selbstverständlich. 

Innervation  des  Triceps  und  Anconaeus. 

Die  gewaltige  Muskelmasse  wird  vom  N.  radialis  versorgt.  Unsere 
Figur  zeigt  den  Muskel  nach  Entfernung  der  Knochen  von  der 
Facies  profunda.  Das  Caput  mediale  ist  weiter  ausgebreitet  und 
erscheint  dadurch  platter,  als  es  seiner  natürlichen  Lage  ent- 
spricht. Auch  das  Caput  laterale  und  longum  sind  so  gelagert  und 
verschoben,  daß  möglichst  viele  Nerven  zur  Anschauung  gebracht 
werden  konnten.  Die  Nerven  für  den  gesamten  Muskel,  den  An- 
conaeus miteingerechnet,  entspringen  zu  dritt  unterhalb  der  Achsel- 
höhle aus  dem  N.  radialis  und  treten:  zu  dem  Caput  longum  von 
der  medialen  Seite,  und  zwar  oberflächlich,  zu  dem  Caput  laterale 
von  der  Tiefe  her  ein,  während  das  Caput  mediale  seine  Nerven 
sowohl  von  der  Oberfläche  aus  (an  der  medialen  Seite)  als  von  der 
Tiefe  (Pars  lateralis)  erhält.  Der  Nerv  für  den  M.  anconaeus 
ist  nur  der  Endast  derjenigen  Nerven,  welche  die  Pars  lateralis  des 
Caput  mediale  versorgen. 

Die  Nerven  für  das  Caput  longum  treten  aus  einem  gemein- 
schaftlichen Stamme  heraus  zu  verschiedenen  Muskelinterstitien  und 
in  wechselnder  Höhe.  Besonders  haben  die  absteigenden  Zweige  einen 
verhältnismäßig  langen  extramuskulären  Verlauf  im  Vergleiche  zu  den 
aufsteigenden.  Die  Präparation  der  intramuskulären  Verzweigungen 
ist  bei  der  Dicke  des  Muskelbauches,  dem  oft  sehr  straff"en  Binde- 
gewebe und  den  zarten  Nerven  eine  der  schwierigsten  von  sämtlichen 
Armmuskeln.  Nerven  für  die  Ursprungs-  und  Ansatzsehne  ließen 
sich  nachweisen,  ebenso,  wenn  auch  nur  bei  einzelnen  Köpfen,  intra- 
Handbuch der  Anatomie.    II,  II,  8.  "7 

97 


98  FROHSE    und   M.   FRÄNKEL, 

muskuläre  Verbindungen.  Das  Caput  laterale  erhält  in  unserem  Falle 
2  Nerven  aus  einem  Stamme,  welcher  auch  die  Pars  lateralis  des 
Caput  mediale,  sowie  den  Anconaeus  versorgt.  Extra-  wie  intra- 
muskuläre Verbindungen  sind  vorhanden.  Das  Caput  mediale  ist 
durch  seine  Doppelinnervation  interessant,  indem  die  Pars  medialis 
einen  besonderen  Nervenzweig  von  seiner  freien  Oberfläche  her  er- 
hält, dessen  wir  als  R.  collateralis  n.  ulnaris  gedacht  haben.  Die 
Pars  lateralis  bezieht  ihren  Nerven  aus  demjenigen  Zweige,  welcher 
proximal  das  Caput  laterale  versorgt.  Wir  brauchen  aber  wohl  nicht 
besonders  zu  betonen,  daß  eine  weitere  Präparation  proximalwärts 
auch  hier  für  die  beiden  versorgten  Muskelabschnitte  gesonderte 
und  keinen  einheitlichen  Nervenast  hätte  hervorgehen  lassen.  Die 
Nerven  für  beide  Teile  des  Caput  mediale  zeichnen  sich  durch  ihren 
sehr  langen  extramuskulären  Verlauf  aus;  der  mediale  liegt  ober- 
flächlich, d.  h.  nur  von  Haut  und  Fascie  bedeckt,  wenn  er  auch  in 
seinem  distalen  Abschnitte  sich  von  der  Bahn  des  N.  ulnaris  ab- 
zweigt, um  sich  in  seinen  Muskelbauch  einzusenken.  Für  die  Pars 
lateralis  haben  wir  oben  die  tiefe  Lage  erwähnt,  müssen  jedoch  gleich- 
zeitig darauf  hinweisen,  daß,  wenn  man  den  Muskel  in  situ,  unter 
Durchschneidung  des  Caput  laterale  präpariert,  diese  Nerven  doch 
als  oberflächlich  bezeichnet  werden  müssen,  denn  sie  treten  von  der 
präparatorisch  freiliegenden  Fläche  aus  ein,  und  nicht  von  der  Facies 
profunda  des  Muskels.  Da  \yir  den  Muskel  jedoch  von  dieser  Fläche 
aus  abgebildet  haben,  so  konnten  wir  den  extramuskulären  Verlauf 
nicht  wie  beim  Caput  longum  und  laterale  in  voll  schwarzer  Linie 
darstellen,  sondern  gestrichelt.  Den  gleichen  Kunstgriff"  haben  wir  bei 
den  beiden  Sehnennerven  in  blauer  Farbe  angewandt,  welche  das  Ende 
des  R.  collateralis  n.  ulnaris  darstellen.  Zwischen  beiden  Hauptnerven, 
welche  sich  für  die  Pars  medialis  und  lateralis  des  Caput  mediale 
finden,  sind  eine  Reihe  von  intramuskulären  Anastomosen  vorhanden, 
ein  Beweis  dafür,  daß  beide  Portionen  auch  der  Innervation  nach  zu- 
sammengehören und  nur  künstlich  oder  klinisch  getrennt  werden  können. 
Besonders  interessant  ist  die  Art  und  Weise,  wie  sich  der  Nerv 
für  den  M.  anconaeus  im  wesentlichen  aus  einer  Anastomose  zwischen 
den  beiden  langen  Nerven  für  die  Pars  lateralis  des  Caput  mediale 
entwickelt,  und,  wie  dann  die  intramuskulären  Verzweigungen  nochmals 
eine  Verbindung  eingehen.  An  der  Stelle  der  Anastomose  haben 
wir  anstatt  blau  schwarz  gewählt,  unserer  Darstellung  gemäß,  daß 
ein  extramuskulär  gelagerter  Teil,  gleichviel  ob  er  oberflächlich,  oder 
tief,  wie  in  diesem  Falle,  liegt,  schwarz  gehalten  werden  muß. 

Muskelbündellänge. 

Caput  longum:         Minimum  8,6  cm 

Maximum  10,1    „ 

Durchschnitt  aus  9  Messungen  9,2    „ 

Unterschied  in  Centimetern  1,5,  in  Prozenten  17  Vo- 

Caput  laterale:       Minimum  7,8  cm 

Maximum  9,9    „ 

Durchschnitt  aus  11  Messungen         8,9    „ 
Unterschied  in  Centimetern  2,1,  in  Prozenten  27  7o- 

Caput  medialje:        Minimum  4,2  cm 

Maximum  9,4    „ 

Durchschnitt  aus  14  Messungen        7,8    „ 
Unterschied  in  Centimetern  5,2,  in  Prozenten  124  7o- 


M.  triceps  brachii. 


99 


M.  anconaeus:  Minimum  2,8  cm 

Maximum  4,1    „ 

Durchschnitt  aus  7  Messungen  3,5    „ 

Unterschied  in  Centimetern  1,3,  in  Prozenten  46  "/o- 

M.  triceps  in  toto:  Minimum  2,8  cm 

Maximum  10,1    „ 

Durchschnitt  aus  41  Messungen         7,7    „ 
Unterschied  in  Centimetern  7,3,  in  Prozenten  261  "/o* 

Segmentbezüge,  sämtlich  aus  den  Cervicalnerven. 

In  toto  6.  7.  8.    Caput  longum  6.  7.  8.    Caput  laterale  6.  7.  (8.). 
Caput  mediale  (6.)  7.  8.    M.  anconaeus  7.  8. 


Gewicht. 

Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
11.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

165 
148 
442 
388 

138 
127,25 
405,7 
344 

27 

20,75 
36,3 
44 

83,7 
86 
91,4 
88:7 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

285,8 

253,7 

34,1 

87,5 

Varietäten. 

Dieselben  sind  recht  selten.  Das  Caput  longum  kann  unter 
Umständen  den  ganzen  axillaren  Rand  des  Schulterblattes  bis  zum 
Angulus  inferior  einnehmen.  Mitunter  beschränkt  er  sich  sogar 
nicht  auf  diesen  Knochen,  sondern  greift  noch  auf  das  Oberarm- 
bein über.  Der  überzählige  Muskel  kann  bis  zum  Proc.  coracoideus 
reichen,  an  der  Schultergelenkskapsel  inserieren,  sich  von  der  Sehne 
des  M.  latissimus  dorsi  loslösen,  oder  vom  Humerus  in  der  Nähe 
des  Collum  chirurgicum  entspringen.  Wie  wir  bereits  bei  der  Be- 
schreibung des  normalen  Muskels  erwähnt  haben,  dürfen  die  Ver- 
bindungen des  langen  Bicepskopfes  mit  der  Sehne  des  M.  latissimus 
dorsi  durch  Sehnenbündel  die  Regel  darstellen.  Das  Vorhandensein 
eines  Muskelbauches  an  dieser  Stelle  deutet  auf  eine  Theromorphie 
(M.  dorso-epitrochlearis). 


M.  anconaeus. 

Synonyma:  Ellenbogenmuskel,  vierter  Kopf  des  Streckers,  M.  anconaeus 
quartus  s.  parvus  s.  brevis;  ancone,  6picondylo-cubital  Chaussibr,  Dumas. 


Allgemeine  Beschreibung. 

Der  kurze,  dreiseitige  Muskel  stellt  in  seinem  Fleische  oft  die  un- 
mittelbare Fortsetzung  des  Caput  mediale  des  M.  triceps  dar  und  ist 
regelmäßig  durch  die  Art  seiner  Innervierung  als  unterster  Teil  des- 
selben erkennbar.  Aber  im  Gegensatze  zu  diesem  vorwiegend  mus- 
kulös entspringenden  und  auch  bleibenden  Kopfe  hat  er  eine  starke 
Ursprungssehne,  welche  noch  weit  in  das  Innere  des  Muskels  hinein- 
geht.   Von  der  Tiefe  des  Epicondylus  lateralis  humeri  geht  die   Ur- 

7* 
99 


100  FROH-SE   und   M.    FRÄNKEL, 

Sprungssehne  aus;  die  zuerst  horizontalen  Muskelbündel  ziehen,  je 
weiter  distal,  um  so  schräger  zur  hinteren  Kante  der  Ulna  und  ihrer 
äußeren  Fläche,  an  der  sie  das  obere  Drittel  einnehmen,  gegenüber 
dem  Ursprünge  des  M.  supinator. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  ist  kurzbündlig,  aber  dick.  Obwohl  die  Ursprungs- 
sehne von  keinem  anderen  Muskel  bedeckt  ist,  tritt  sie  doch  so 
sehr  hinter  den  Muskelwulst  zurück  und  wird  auch  durch  die  enge 
Beziehung  zur  Kapsel  des  Ellenbogengelenkes  so  in  der  Tiefe  ge- 
halten, daß  sie  sich  nicht  am  Oberflächenbilde  des  Lebenden  beteiligt, 
und  es  sogar  einiger  Aufmerksamkeit  bedarf,  um  sie  am  Präparate 
klar  freizulegen. 

Die  proximalen  Muskelbündel  verlaufen  horizontal  zur  hinteren 
Kante  der  Ulna,  wo  sich  dieselbe  zum  Olecranon  verbreitert,  gehen 
aber  nicht  über  den  Außenrand  desselben  herüber,  weil  sie  durch 
den  oben  (siehe  S.  91)  beschriebenen  Lacertus  fibrosus  m.  tricipitis 
überlagert  und  fest  gegen  die  Ulna  gedrückt  werden.  Einige  Bündel 
entspringen  auch  von  der  fibrösen  Scheidewand  zwischen  ihm  und 
dem  M.  extensor  carpi  ulnaris. 

Da  die  an  der  radialen  Seite  gelegene  Sehne  weit  in  die  Muskulatur 
ausstrahlt,  finden  wir  eine  Doppelfiederung. 

Die  Beziehungen  des  M.  anconaeus  zum  medialen  Tricepskopfe 
sind  verschiedene.  Am  häufigsten  gibt  es  keinen  nennenswerten 
Zwischenraum  zwischen  beiden  Muskeln.  Die  proximalen  Bündel  des 
M.  anconaeus  schließen  sich  ohne  Unterbrechung  an  die  distalen 
des  Caput  mediale  an,  wie  auch  der  Ansatz  an  der  Ulna  diejenigen 
Muskelbündel  des  Caput  mediale  des  Triceps  fortsetzt,  welche  an  der 
lateralen  Fläche  des  Olecranon  sich  anheften.  Auf  Grund  dieses  Zu- 
sammenhanges wird  der  M.  anconaeus  auch  von  manchen  Autoren 
mit  Theile  im  Anschlüsse  an  den  M.  triceps  beschrieben,  unter  dem 
Namen  M.  anconaeus  quartus  s.  parvus.  Die  Innervierung  des  Mus- 
kels durch  einen  aus  dem  Caput  mediale  vom  Oberarme  herab- 
steigenden Zweig  des  N.  radialis  und  die  gleiche  Wirkung  als  Strecker 
des  Vorderarmes,  geben  dieser  Auffassung  des  M.  anconaeus  als 
vierten  Tricepskopfes  die  anatomische  und  physiologische  Berechtigung. 

In  einigen  Fällen  ist  zwischen  M.  anconaeus  und  Caput  mediale 
m.  tricipitis  eine  an  Größe  wechselnde,  muskelfreie  Lücke,  in  welcher 
dann  der  Nerv  für  den  M.  anconaeus  frei  verläuft. 

Weit  seltener  setzt  sich  die  tiefe  Lage  des  M.  anconaeus  mit 
schräg  nach  oben  gehenden  Fasern  unter  dem  medialen  Tricepskopf 
fort. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  präparatorisch  freiliegende  Facies  superficialis  wird  zum 
größten  Teile  von  der  Aponeurosis  s.  Lacertus  fibrosus  des  M.  triceps 
bedeckt,  die  Sehne  nur  von  der  Fascie.  Die  Facies  profunda  geht 
unmerklich  in  den  Margo  medialis  über  und  entspricht  dem  Ursprünge 
des  Muskels  am  Epicondylus  lateralis  und  dem  Ansätze  an  dem  proxi- 
malen Viertel  des  Schaftes  der  Ulna.  Die  Facies  lateralis  entspricht 
oberflächlich  dem  M.  extensor  carpi  ulnaris,  in  der  Tiefe  dem  M.  supi- 
nator.   Die  untere  Spitze  liegt  noch  im  oberen  Drittel  der  Ulna ;   der 


M.  anconaeus,  101 

obere  Rand  schließt  sich  meist  an  den  medialen  Tricepskopf  an,  in 
der  Tiefe  liegt  in  dieser  Höhe  der  Gelenkspalt  und  der  obere  Rand 
des  Capitulum  radii. 

Schleimbeutel. 

Recht  oft  findet  man  unter  der  Ursprungssehne  einen  ziemlich 
großen  Schleimbeutel,  welcher  seine  Entstehung  sicherlich  der  Reibung 
dieser  Sehne  gegen  das  Radiusköpfchen  verdankt.  Nach  Grub  er  soll 
sie  bei  jungen  Individuen  gewöhnlich  fehlen,  was  jedoch  nach  Poirier 
nicht  richtig  ist,  der  sie  auch  bei  solchen  in  der  Hälfte  der  Fälle 
beobachtet  hat.  Beim  Erwachsenen  kommt  es  meistens  zu  einem 
Durchbruche  in  die  Gelenkhöhle.  Trotzdem  wäre  es  verkehrt,  'den 
Schleimbeutel  als  eine  Ausstülpung,  einen  Recessus  der  Gelenkhöhle 
zu  betrachten. 

Wirkung. 

Der  ziemlich  kräftige  Muskel  bewirkt  die  Streckung  des  Vorder- 
armes gegen  den  Oberarm,  wie  die  drei  Köpfe  des  M.  triceps. 

Außerdem  kann  er  aber  die  Ulna  und  damit  den  ganzen  Vorder- 
arm im  Ellenbogengelenke  etwas  nach  außen  zur  Seite  wenden,  eine 
Bewegung,  welche  für  die  Pronation  und  Supination,  also  für  die 
Drehbewegungen  des  Radius  sehr  vorteilhaft  ist. 

Duchenne  hat  beschrieben,  daß  die  Ulna  beim  Uebergange  der 
Hand  von  der  Supination  in  die  Pronation  der  Reihe  nach  3  Phasen 
durchmacht:  1)  eine  leichte  Streckung,  2)  eine  geringe  Bewegung  von 
innen  nach  außen,  3)  eine  schwache  Beugung. 

Der  M.  anconaeus  bewirkt  die  zweite  Bewegung,  die  Entfernung 
der  Ulna  nach  außen. 

Muskelbündellänge. 
S.  beim  M.  triceps  S.  99. 

Segmentbezüge. 
7.  8.  nicht  mehr  6.  Cervicalnerv.     S.  auch  hier  M.  triceps. 


III.  Vorderarmmuskeln. 

Allgemeines. 

Die  Einteilung  der  Vorderarmmuskeln  ist  bei  weitem  schwieriger, 
als  die  der  Muskulatur  des  Unterschenkels,  an  welchem  die  drei 
Gruppen :  Strecker,  Wadenbeinmuskeln  und  Beuger,  mit  Leichtigkeit  zu 
sondern  sind.  Die  Grenzen  werden  da  zum  großen  Teile  durch 
Knochen  bestimmt,  welche  sonst  an  keiner  anderen  Stelle  des  Körpers 
in  solcher  Ausdehnung  muskel-  und  sehnenfrei  zu  Tage  liegen,  und 
außerdem  vermöge  der  starren  Gelenkverbindungen  so  gut  wie  unbe- 
weglich, parallel  nebeneinander  liegen,  zum  geringeren  Teile  durch 
Zwischenmuskelbänder,  welche  bei  jeder  Haltung  des  Oberschenkels, 
Unterschenkels  oder  Fußes  senkrecht  von  oben  nach  unten  verlaufen. 
Anders   beim  Vorderarme:  Nur  die  hintere   Kante  der  Ulna  nimmt 


102  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

am  Oberflächenbilde  teil,  und  selbst  die  am  Fuße  so  deutlichen  Knöchel 
sind  an  der  Hand  als  Proc.  styloidei  mehr  dem  Gefühle  als  dem  Ge- 
sichte erreichbar.  Viel  wichtiger  ist  aber  die  Tatsache,  daß  beide  Vorder- 
armknochen beweglich  miteinander  verbunden  sind.  Die  für  die  ana- 
tomische Beschreibung  meist  als  Grundstellung  angenommene  Supi- 
nation,  in  welcher  die  Knochen  einander  parallel  verlaufen,  ist  nicht  die 
natürliche.  Wenn  wir  uns  einen  Menschen  auf  allen  Vieren  sich  be- 
wegend vorstellen,  wie  ja  kleine  Kinder  tun,  welche  noch  nicht  aufrecht 
zu  gehen  vermögen,  so  haben  wir  einen  Vierhänder  oder  Vierfüßler  vor 
uns.  Dann  ist  aber  die  Hand  in  Pronationsstellung,  Ulna  und  Radius 
kreuzen  sich  spitzwinklig.  Der  bei  der  Supination  vollkommen  lateral 
gelegene  Radius  bleibt  dann  nur  in  seinem  oberen  Drittel  lateral,  im 
mittleren  liegt  er  vorn  und  in  dem  unteren  medial;  umgekehrt  die 
Ulna  zuerst  me4ial,  dann  hinten  und  schließlich  lateral.  Die  dem 
Knochen  anhegenden  Muskeln,  Fascien  und  Zwischenmuskelbänder 
machen  die  Drehung  mit.  Die  vielfach  schon  bei  der  Supination  vor- 
handene Abweichung  von  der  senkrechten  Richtung  kommt  noch 
stärker  zur  Geltung,  woraus  sich  für  die  Beschreibung  —  und  auch 
für  das  schnelle  Verständnis  —  große  Uebelstände  ergeben  würden. 
Wir  halten  deshalb  auch  an  der  Grundhaltung  der  extremen  Su- 
pination fest,  bezeichnen  also  die  Ränder  des  Vorderarmes  als  medial, 
wohl  auch  der  Ulna  entsprechend  als  ulnar,  und  den  äußeren  als 
lateral,  oder  auch,  dem  Radius  entsprechend,  als  radial. 

v.  Bardeleben  wünscht,  und  das  mit  gutem  Rechte,  daß  die  Be- 
zeichnung „ulnar"  und  „radial"  anstatt  „medial"  und  „lateral"  beim 
Vorderarme  Anwendung  findet,  und  diese  Bezeichnung  auch  auf  die 
Epicondylen  des  Humerus  übertragen  wird.  Wir  müssen  jedoch  auf 
eine  Schwierigkeit  hinweisen,  indem  dann  3  Bezeichnungen  für  die  beiden 
Epicondylen  des  Humerus  benutzt  werden  könnten  :  1)  Epicondylus  humeri 
medialis  s.  flexorius  s.  ulnaris ;  2)  Epicondylus  lateralis  s.  extensorius 
s.  radialis.  Den  Bezeichnungen  der  N.  B.  A.  dürfte  deshalb  bis  zu  einer 
Neuauflage  zu  folgen,  und  dieselben  auch  weiter  beizubehalten  sein,  wenn 
nicht  durch  die  Majorität  in  diesem  oder  jenen  anderen  Sinne  beschlossen 
wird. 

Bei  der  Abgrenzung  der  Muskelgruppen  müssen  wir  in  erster 
Linie  nach  Knochenmarken  suchen.  Die  meist  sichtbare,  sicher  aber 
deutlich  fühlbare  hintere  Kante  der  Ulna  dient  schon  seit  alters  her 
als  Grenze  zwischen  Beugern  und  Streckern.  Am  Radius  haben  wir 
vergeblich  in  den  Lehrbüchern  nach  einer  ähnlichen  Angabe  gesucht. 
Gleichwohl  ist  eine  unverrückbare  Grenze  vorhanden,  über  welche 
hinaus  sich  kein  Beuger  oder  Strecker  in  das  benachbarte  Gebiet  be- 
geben kann.  Das  Bedürfnis  nach  dieser  Linie  ist  auch  weniger  vor- 
handen, weil  der  Radius  zu  sehr  in  der  Tiefe  verborgen  liegt,  und 
besonders  an  der  vorderen  Fläche  sich  der  M.  brachioradialis  mit 
seinem  Muskelfleische  auch  über  die  M.  flexorii  hinüberlegt. 

Es  sind-  2  Linien  zu  merken,  welche  ihren  Scheitelpunkt  am 
Ansätze  des  M.  pronator  teres  haben.  Die  obere,  schräge  entspricht 
seinem  proximalen  Rande;  äußerlich  ist  sie  nur  bis  zu  dem  Punkte 
sichtbar,  wo  der  Muskel  von  dem  M.  brachioradialis  überkreuzt 
wird.  Die  untere,  senkrechte  folgt  dem  freien  lateralen  Rande 
des  Radius  und  endet  dicht  proximal  von  dem  Proc.  styloideus 
entsprechend   dem   Ansätze   des  M.  brachioradialis.     Ob   man   diesen 


Vorderarmmuskeln.  103 

iskel  seiner  Funktion  nach  zu  den  Beugern  oder  seiner  Lage  nach 
der  Streckmuskelgruppe  rechnen  will,  spielt  für  unsere  augen- 
blickliche Betrachtung  keine  Rolle.  Der  Ansatz  liegt  genau  an  der 
Grenze  und  am  Ende  der  Beuger  und  Strecker,  und  es  mag  dem 
Belieben  des  Einzelnen  überlassen  bleiben,  den  Knochenpunkt  als 
zur  einen  oder  anderen  Gruppe  gehörig  zu  betrachten. 

Ursprung  und  Lage  am  Oberarme,  wie  auch  am  Vorderarme  lassen 
ihn  zu  den  Beugern  gehören,  erst  die  Fascie  scheint  einen  engeren 
Anschluß  an  die  Brachioradialgruppe  zu  bewirken,  bei  der  er  aus 
topographischen  Gründen  beschrieben  werden  muß. 

Nach  Knochenansatz  und  Fascieneinrichtung  ergeben  sich  nur  zwei 
große  Muskelgruppen,  eine  innere,  ulnare  und  eine  äußere,  radiale. 
Die  mediale  Gruppe  umfaßt  die  M.  flexorii  einschließlich  der  Prona- 
toren, die  laterale  die  M.  extensorii  einschließlich  der  sogenannten 
Brachioradialgruppe  mit  dem  M.  supinator. 

Wie  die  Haltung  des  Vorderarmes  in  Supination  ausschließlich 
aus  Bequemlichkeitsrücksichten  gewählt  ist,  so  kann  auch  für  die  Ein- 
teilung der  Vorderarmmuskeln  eine  ebensolche  gewählt  werden,  welche 
einfach  ist,  ohne  im  wesentlichen  von  den  gewöhnlichen  Darstellungs- 
weisen abzuweichen.  Eine  solche  findet  sich  in  M.  Duval  ^),  welcher 
die  20  Muskeln  des  Vorderarmes  zunächst  in  die  3  Hauptgruppen 
Flexoren,  Extensoren  und  Brachioradialgruppe  zerlegt,  bei  den  beiden 
ersteren,  wie  üblich,  eine  oberflächliche  und  tiefe  Schicht  unterscheidet 
und,  was  das  Wichtige  ist,  jeder  der  so  entstehenden  5  Gruppen 
4  Muskeln  namentlich  zuweist. 

L  M.  flexorii: 

a)  oberflächliche  Schicht: 

1)  M.  Pronator  teres, 

2)  M.  flexor  carpi  radialis, 

3)  M.  palmaris  longus, 

4)  M.  flexor  carpi  ulnaris; 

b)  tiefe  Schicht: 

5)  M.  flexor  digitorum  sublimis, 

6)  M.  flexor  digitorum  profundus, 

7)  M.  flexor  pollicis  longus, 

8)  M.  Pronator  quadratus; 

IL  M.  extensorii: 

a)  oberflächliche  Schicht: 

9)  M.  anconaeus, 

10)  M.  extensor  carpi  ulnaris, 

11)  M.  extensor  digiti  minimi, 

12)  M.  extensor  digitorum  communis: 

b)  tiefe  Schicht: 

13)  M.  abductor  pollicis  longus, 

14)  M.  extensor  pollicis  brevis, 

15)  M.  extensor  pollicis  longus, 

16)  M.  extensor  indicis  proprius  s.  indicator; 


1)  1.  c.  S.  181. 

103 


104  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

III.  Brachioradialgruppe : 

17)  M.  brachioradialis, 

18)  M.  extensor  carpi  radialis  longus, 

19)  M.  extensor  carpi  radialis  brevis, 

20)  M.  supinator. 


M.  Pronator  teres. 

Synonyma:  Länglicher  oder  runder  Vorwärts-  oder  Einwärtswender 
oder  -dreher;  M.  pronator  rotundus;  long  ou  rond  pronateur,  pronateur 
oblique  (Winslow),  grand  pronateur  (Bichat),  epitroclileo-radial  (Chaussibr^ 
Dumas). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  am  meisten  proximal  gelegene  Muskel  der  Beugegruppe 
des  Vorderarmes  besteht  aus  2  Köpfen  von  sehr  ungleicher  Stärke, 
welche  vom  Epicondylus  medialis  humeri  bezw.  von  der  Tuberositas 
ulnae  entspringen  und  sich  in  schräg  nach  unten  und  lateralwärts  ge- 
richtetem Verlaufe  zu  der  Mitte  des  Radius  begeben.  Indem  der 
Muskel  so  die  proximale  Hälfte  des  Vorderarmes  schräg  durchschneidet, 
kreuzt  er  auch  die  Flexions-  und  Rotationsachse  des  Ellenbogen- 
gelenkes. Außer  der  besonders  pronierenden  Wirkung  sind  hier 
schon  seine  wichtigen  Lagebeziehungen  zu  den  Gefäßen  und  Nerven 
der  Ellenbeuge  zu  erwähnen,  deren  mediale  distale  Begrenzung  er 
bildet.  Noch  über  der  ihn  deckenden  Fascie  verlaufen  die  V.  basilica 
und  mediana  cubiti,  sowie  die  Zweige  des  N.  cutaneus  antebrachii 
medialis.  An  seiner  freien  Radialseite  kommt  zunächst  der  N.  medianus, 
der  zwischen  beiden  Köpfen  seinen  Weg  nimmt,  den  Muskel  also 
durchbohrt,  dann  die  Vasa  brachialia,  deren  Endäste  den  Muskel  um- 
fassen. Die  Vasa  radialia  ziehen  nämlich  über  das  distale,  radiale 
Ende  des  Muskels  hinweg,  während  die  Vasa  ulnaria  noch  unter 
dem  tiefen  Kopfe  ihren  Weg  ulnarwärts  nehmen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

I.  Das  Caput  humerale  entspringt: 

1)  vor  allem  vom  Epicondylus  medialis  humeri,  auf  dessen  ganze 
vordere  Fläche  sich  der  humerale  Ursprung  beschränken  kann ; 

2)  in  der  Regel  aber  auch  im  Anschlüsse  daran  vom  Septum 
intermusculare  mediale ; 

3)  dazu  kommt  der  Ursprung  aus  dem  Sehnenblatte,  welches  ihn 
vom  M.  flexor  carpi  radialis  und  digitorum  sublimis  trennt. 

Der  beim  Ursprünge  platte,  radialwärts  zugeschärfte  Rand  zeigt 
an  der  freien  Oberfläche  sehnige  Einlagerungen,  ferner  besonders  an 
der  dem  M.  flexor  carpi  radialis  zugewandten  Fläche  ein  starkes  ein- 
heitliches Sehnenblatt.  An  der  Stelle,  wo  ihn  der  Lacertus  fibrosus 
überkreuzt,  ist  der  Bauch  plattrundlich  geworden,  dann  bleibt  er  noch 
unterhalb  desselben  für  eine  Strecke  unter  der  Fascie  frei.  In  der 
Tiefe  tritt  in  diesem  Bereiche  gewöhnlich  der  tiefe  Kopf  an  ihn  heran. 
IL  Das  Caput  ulnare  ist  bei  weitem  schwächer  und  nicht  einmal 
immer  vorhanden.  Dasselbe  entspringt  mit  platter  Sehne  am  medialen 
Rande  der  Tuberositas  ulnae,  unmittelbar  neben  der  Ansatzsehne  des 

104 


M.  Pronator  teres.  105 

M.  brachialis,  mit  der  es  häufig  innig  verbunden  ist.  An  einem 
unserer  Präparate  hatte  das  Caput  ulnare  eine  kontinuierliche  Ur- 
sprungslinie von  5  cm. 

Nach  der  Vereinigung  beider  Köpfe  setzt  der  Muskel  seinen 
schräg  radialwärts  gerichteten  Verlauf  fort,  verschwindet  dabei  aber 
unter  dem  M.  brachioradialis.  Die  Endsehne  entwickelt  sich  nunmehr 
und  wird  zunächst  an  der  vorderen  und  proximalen  Fläche  des  Muskels 
frei,  s.  Fig.  öl.  Während  sich  die  oberflächlichen  Muskelbündel  direkt 
in  die  Sehnenfasern  fortsetzen,  gewinnen  die  kürzeren,  distalen  Bündel 
unter  spitzen  Winkeln  die  Seitenfläche  der  Endsehne.  Breit,  stark, 
jedoch  abgeplattet  tritt  diese  an  die  laterale  Kante  des  Radius  unter- 
halb der  Stelle,  wo  sich  der  distale  Rand  des  M.  supinator  in  um- 
gekehrter Richtung  um  den  Knochen  nach  vorn  herumschlägt,  und 
windet  sich  schräg  abwärts  um  den  Radius  herum,  um  noch  etwas 
auf  die  dorsale  Fläche  überzugreifen.  Am  Knochen  ist  diese  ungefähr 
in  der  Mitte  des  Radius  gelegene  Stelle  meistens  durch  eine  deut- 
liche Rauhigkeit  gekennzeichnet;  vielleicht  wäre  für  sie  die  Ein- 
führung der  Bezeichnung  „Tuberositas  pronatoria"  angebracht. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Betrachtet  man  den  M.  pronator  teres  im  Zusammenhange  mit 
seiner  Umgebung,  so  muß  man  den  nur  von  der  Haut  und  Fascie 
bedeckten  größeren  Teil  von  dem  unter  der  Brachioradialgruppe  ver- 
borgenen kleineren  Endteile  unterscheiden.  Die  Pars  superficialis 
zerfällt  nun  wieder  durch  den  Lacertus  fibrosus  in  3  Unterabteilungen, 
eine  mittlere  in  seinem  Bereiche,  eine  obere,  proximale  und  eine 
untere,  distale.  Die  obere  Abteilung  begrenzt  mit  ihrem  freien, 
radialen  Rande  die  Ellenbeuge  von  innen  her;  hier  liegen  der  N. 
medianus  und  radialwärts  von  ihm  die  A.  brachialis  (cubitalis)  mit 
Begleitvenen.  Unter  dem  Lacertus  fibrosus  teilt  sich  die  Arterie. 
Während  die  A.  radialis  sich  noch  weiter  dem  radialen  Rande  des 
Muskels  anschließt,  tritt  die  A.  ulnaris  unter  den  mittleren  Teil,  und 
zwar,  wie  oben  schon  erwähnt,  noch  unter  das  Caput  ulnare,  falls 
dieses  nicht  fehlt.  Dabei  gibt  der  schräge  Verlauf  des  Lacertus 
fibrosus  zugleich  die  ungefähre  Richtungslinie  für  die  A.  ulnaris 
unter  dem  M.  pronator  teres  an.  An  dem  von  der  Brachioradial- 
gruppe bedeckten,  also  ohne  weiteres  nicht  sichtbaren  Teile  des 
Muskels,  ist  besonders  auf  die  spitzwinklige  Ueberkreuzung  durch 
die  A.  radialis  hinzuweisen,  welche  dem  M.  pronator  teres  so  eng 
anliegt,  daß  die  injizierte  Arterie  am  gehärteten  Präparate  eine  deut- 
liche Furche  in  dem  Muskelfleische  hervorruft.  Auch  der  R.  super- 
ficialis n.  radialis  liegt  noch  über  dem  M.  pronator  teres,  sowie  der 
M.  extensor  carpi  radialis  brevis.  Ueber  alle  diese  Teile  legt  sich  aber 
wie  eine  breite  Decke  der  ulnarwärts  abgerundete  M.  brachioradialis. 

Mit  der  tiefen  Fläche  liegt  er  zunächst  auf  dem  Epicondylus 
medialis,  dann  auf  dem  M.  brachialis,  entsprechend  dem  medialen 
Teile  der  Trochlea  humeri,  darauf  legt  sich  der  tiefe  Kopf  auf  die 
Ansatzsehne  des  M.  brachialis,  überlagert  die  A.  ulnaris  und  den  M. 
flexor  digitorum  sublimis.  Der  schräge  Verlauf  des  Muskels  gibt 
noch  einen  guten  Anhaltspunkt  für  die  Richtung  des  Ansatzes  des 
M.  supinator  und  des  Ursprunges  des  M.  flexor  pollicis  longus,  indem 
diese  drei  Linien  zusammenfallen. 

105 


106 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


Epicondylus  medialis 


Lacertus  fibrosus  m 
bicipitis 


Membrana  interossea 


M.  Pronator  quadratus 


Epicondylus  lateralis 


Bursa  bicipitoradialis 


M.  supinator 


Fig.  51.    M.  pronatores  teres  et  quadratus  und  supinator  bei  Supination,  Muskelbild. 


M.  Pronator  teres. 


107 


M    Pronator  teres,  Caput 
ulnare 


M.  Pronator  teres,  caput 
humerale 


Capitulum  humeri 


Capitulum  radii 


Hiatus  superior  canali: 
supinatorii 


M.  supinator 


Hiatus  inferior  canalis 
supinatorii 


Membrana  interossea 


M.  Pronator  quadratus 


Capitulum  ulnae 


Fig.  52,    M.  pronatores  teres  et  quadratus  und  supinator  bei  Pronation,  Muskelbild. 


108 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Fig.  53.    M.  Pronator  teres  und  supinator  bei 
Supination,  Nervenbild.  +  Bursa  bicipitoradialis. 


Die  untere,  distale  Fläche 
schließt  sich  eng  an  die  M. 
flexor  carpi  radialis  und  digi- 
torum  sublimis  an,  so  eng, 
daß  nur  eine  künstliche  Tren- 
nung möglich  ist. 

Wirkung. 

Der  Muskel  hat  bei  su- 
piniertem  Arme  eine  hervor- 
ragend pronierende  Wirkung; 
wenn  die  Zusammenziehung 
nach  vollendeter  Pronation 
weitergeht,  muß  auch  eine 
beugende  Nebenwirkung  ein- 
treten. Aber  diese  Bewegung 
ist  für  gewöhnlich  unbedeu- 
tend, nur  wenn  seine  pro- 
nierende Wirkung  durch  die 
Kontraktion  eines  Antago- 
nisten, z.  B.  des  M.  biceps, 
aufgehoben  ist,  wird  er  zu 
einem  kräftigeren  Beuger. 
Liegt  das  Punctum  fixum 
am  Vorderarme,  z.  B.  beim 
Klimmziehen  am  Recke  mit 
Untergriff^  d.h. bei  Supination, 
so  beugt  er  den  Oberarm 
gegen  den  Vorderarm,  genau 
wie  es  die  anderen,  noch  vom 
Epicondylus  medialis  ent- 
springenden Muskeln  der 
Beugegruppe  tun.  Daß  der 
bei  den  Streckern  zu  be- 
schreibende M.  brachioradialis 
die  gleiche  Wirkung  hat,  sei 
schon  hier  beiläufig  erwähnt. 

Innervation. 

Die  1 — 3  Nervenzweige 
verlassen  den  N.  njedianus 
an  wechselnder  Stelle,  bald 
schon  hoch  oben  in  der  Ellen- 
beuge, bald  in  ihrer  Mitte, 
bald  erst  unter  dem  Muskel. 
Sie  können  sowohl  medial- 
wie  lateralwärs  vom  Stamme 
austreten,  überkreuzen 
ihn  aber  stets,  bevor  sie  von 
der  Tiefe  aus  an  den  Muskel 
herantreten.  Gewöhnlich  sind 


M.  Pronator  teres. 


109 


es  2  Zweige,  von  denen  der  eine  oberhalb  des  Lacertus  fibrosus  wesent- 
lich zum  Caput  humerale  zieht,  der  andere  distalwärts  von  demselben 
am  freien  radialen  Rande  des  Muskels  bis  zur  Höhe  der  Endsehne 
herabsteigt  und  sich  dann  erst  in  die  Tiefe  senkt.  Er  versorgt  außer 
dem  Caput  ulnare  noch  einen  beträchtlichen  Teil  der  unteren  Muskel- 
bündel des  Caput  humerale,  oder  richtiger  diejenigen,  welche  oben  als 
von   der  Aponeurosis  intermuscularis  entspringend  beschrieben  sind. 

G  e  f  ä  ß  V  e  r  s  0  r  gju  n  g. 

"Wir  geben  hier  einmal  eine  genauere  Gefäßbeschreibung,  weil 
sie  für  den  Kollateralkreislauf  an  der  vorderen  Seite  des  Ellenbogen- 
gelenkes von  "Wichtigkeit  ist,  und  verweisen  im  übrigen  auf  die  Dar- 
stellung der  Fascien. 

Die  Arterien  kommen  oben  aus  der  A.  brachialis,  unten  aus  der  A. 
radialis,  zum  geringen  Teile  auch  aus  der  A.  ulnaris.  Erwähnens- 
wert ist  nur  die  Anastomose  zwischen  der  A.  collateralis  ulnaris 
inferior  und  dem  R.  anterior  der  A.  recurrens  ulnaris,  welche  in  Be- 
gleitung einer  ansehnlichen  Vene  an  der  medialen  Seite  des  N. 
medianus  zwischen  beiden  Köpfen  des  M.  pronator  teres  hindurch- 
zieht.    Die  anderen  Gefäße  sind  unbedeutende  R.  musculares. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  3,9  cm 

Maximum  7       „ 

Durchschnitt  aus  11  Messungen  5,4   „ 
Unterschied  in  Centimetern  3,1,  in  Prozenten  80  %• 

Segmentbezüge. 
6.  7.  Cervicalnerv. 


Gewicht. 


Gewicht 

in  tote 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

20 

16       - 
42 
38 

16,5 
14 
38,5 
34 

3,5 
2 

3.5 
4 

82,5 
87,5 

9i;3 

89,5 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

29 

25,8 

3,2 

87,7 

Varietäten. 

Die  meisten  Varietäten  spielen  sich  am  Ursprünge  vom  Oberarm- 
beine ab.  Hier  können  sie  bis  zu  seiner  Mitte  reichen  und  sich  dort 
von  einem  besonderen  Proc.  supracondyloideus  loslösen.  Notwendig 
ist  dieser  Knochenvorsprung  nicht  und  auch  nicht  das  Umfassen  des 
Gefäßnervenbündels  durch  das  Muskelfleisch  des  M.  pronator  teres. 
Die  dem  Ursprünge  benachbarten  Gebilde:  Septum  intermusculare 
mediale,  M.  brachialis  bis  hinauf  zum  Ansätze  des  M.  coracobrachialis. 
Fascia  brachii  bis  herunter  zu  dem  Lacertus  fibrosus  oder  der  Apo- 
neurosis antebrachii  können  accessorischen  Bündeln  oder  Köpfen  zum 

109 


110  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Ursprünge  dienen.  Sie  können  auf  eine  kleinere  oder  größere  Strecke 
selbständig  bleiben:  Verdoppelung  des  Caput  humerale.  Ist  gleich- 
zeitig ein  Caput  ulnare  vorhanden,  so  ist  der  Muskel  drei-  oder  viel- 
köpfig. 

Der  Ansatz  am   Radius  kann   mitunter  eine    beträchtliche   Aus- 
dehnung erfahren. 


M.  flexor  carpl  radialis. 

Synonyma.  Innerer  Speichenmuskel,  Speichenbeuger  der  Hand;  M, 
radialis  int.  s.  anticus,  Palmaris  longus  Gallorum,  Flexor  manus  radialis ; 
grand  palmaire,  radial  anterieur,  epitrochl^o-metacarpien  Chaussier,  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  spindelförmfge  Muskel  entspringt  von  der  Spitze  des  Epi- 
condylus  medialis  humeri,  zieht  schräg  lateralwärts  nach  distal  und 
entwickelt  schon  in  der  Mitte  des  Vorderarmes  seine  lange  Sehne, 
welche  vornehmlich  an  der  Basis  des  zweiten  Mittelhandknochens  ihren 
Ansatz  findet.  Von  seinem  Ursprünge  bis  zum  Handgelenke  ist  er  nur 
von  Haut  und  Fascie  bedeckt,  also  eine  Pars  superficialis;  die 
verhältnismäßig  kurze  Strecke  von  hier  bis  zum  Ansätze  wendet  sich 
immer  mehr  in  die  Tiefe.  Diese  Pars  profunda  verdient  eine  ganz  be- 
sondere Besprechung,  nicht  allein  wegen  ihrer  eigenen  Sehnenscheide, 
sondern  auch  wegen  der  Beziehungen  zum  sogenannten  Hohlhandtunnel. 
Am  wichtigsten  ist  jedoch  die  Namengebung  mit  Rücksicht  auf  die  phy- 
siologische Wirkung ;  der  augenblicklich  durch  die  B.  N.  A.  festgelegte 
Name  ist  nämlich  ein  rein  topographischer,  weil  er  bezeichnet  wird 
als  der  radiale  Handwurzelbeuger,  obwohl  er  mit  dem  Radius  nicht 
das  geringste  zu  tun  hat.  Wie  man  sich  an  seinem  eigenen  Arme 
durch  das  Vorspringen  bei  Ulnarflexion  oder  Unverändertbleiben  seiner 
Sehne  bei  Radialflexion  sehr  leicht  überzeugen  kann,  bewegt  er  die 
Hand  nicht  radialwärts,  sondern  gegen  den  Ursprung  hin,  gegen 
den  Epicondylus  medialis,  d.  h.  ulnarwärts.  Der  M.  flexor  carpi 
ulnaris  entspricht  seinem  anatomischen  Namen  insoweit,  als  er  noch 
in  großer  Ausdehnung  von  der  hinteren  Kante  der  Ulna  entspringt; 
wir  müssen  aber  hier  schon-  betonen,  daß  bei  elektrischer  Reizung 
nur   der  vorderen  Bündel  die  Hand  radialwärts  gebeugt  wird. 

Der  Nerv,  ein  Zweig  des  N.  medianus,  tritt  bereits  hoch  oben, 
etwa  an  der  Grenze  zwischen  dem  oberen  (proximalen)  und  mitttleren 
Drittel  des  Vorderarmes,  von  der  Tiefe  her  in  den  Muskel  ein,  was 
ja  verständlich  ist,  weil  in  der  distalen  Hälfte  des  Vorderarmes  nur 
unbedeutende  Muskelbündel  noch  vorhanden  sind. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  des  Muskels  vom  Epicondylus  medialis  ist  zwar 
stark  sehnig,  aber  räumlich  recht  gering,  die  Muskelbündel  entwickeln 
sich  besonders  aus  den  Aponeuroses  intermusculares  zusammen  mit 
denen  der  Nachbarmuskeln;  die  sogenannten  Ursprünge  aus  der 
Fascia  antebrachii  sind  kaum  der  Rede  wert  und  werden  von  uns  in 
anderer  Weise  aufgefaßt. 


M.  flexor  carpi  radialis.  111 

Systematisch  wäre  also  aufzuführen: 

1)  knöcherner  Ursprung,  starksehnig,  aber  abgeplattet,  an  der 
Spitze  des  Epicondylus  medialis; 

[2)  scheinbarer  Ursprung  von  der  Fascia  antebrachii  und  dem 
Lacertus  fibrosus  m.  bicipitis;] 

3)  Hauptursprünge  von  den  Aponeurosen,  die  ihn  mit  den  Nachbar- 
muskeln vereinigen  und  gleichzeitig  das  jeweilige  Muskelfleisch  von- 
einander trennen.  Diese  Muskeln  sind  regelmäßig:  lateral  der 
M.  Pronator  teres,  unten,  in  der  Tiefe,  der  M.  flexor  digitorum 
sublimis;  unregelmäßig  ist  der  Abschluß  nach  innen.  Da  ist  es  ent- 
weder der  M.  palmaris  longus  oder,  wenn  dieser,  wie  so  häufig,  fehlt, 
ebenfalls  der  M.  flexor  digitorum  sublimis. 

Der  sich  aus  diesen  Ursprüngen  entwickelnde  Muskelbauch  ist 
in  seiner  Gesamtform  spindelförmig,  in  der  Architektur  fiederförmig, 
der  gewöhnlichen  Ausdrucksweise  nach  doppeltgefiedert,  gebaut.  Da 
sich  die  Endsehne  an  der  Oberfläche  entwickelt,  und  zwar  schon 
in  der  proximalen  Hälfte  des  Vorderarmes,  konvergieren  die  ober- 
flächlich gelegenen  Muskelbündel  gegen  sie  hin,  wie  die  Blätter  einer 
doppeltgefiederten  Pflanze  gegen  den  Hauptstiel.  Bis  hierher  trifft 
der  Vergleich  zu;  wir  dürfen  aber  die  in  der  Tiefe  gelegenen  Ur- 
sprünge, welche  überhaupt  die  Hauptmasse  des  Muskelbauches  dar- 
stellen, nicht  vernachlässigen.  Bereits  in  der  Mitte  des  Vorderarmes 
macht  sich  am  Oberflächenbilde  die  beiderseits  vom  Muskelfleische 
umrahmte  Endsehne  bemerkbar,  welche  jedoch  wirklich  frei  erst  im 
distalen  Drittel  wird.  Zuerst  ist  sie  platt,  je  näher  zum  Handgelenke 
hin  nimmt  sie  cylindrische  Form  an  und  verschwindet  am  Ulnarrande 
des  Daumenballens  etwas  radialwärts  von  der  Mitte  in  der  Tiefe. 
Hierbei  erhält  sie  eine  Schleimscheide,  welche  in  den  Abbildungen 
meistens  vernachlässigt  wird,  obwohl  ihre  Länge  6  cm  erreichen  kann. 
Der  Hauptansatz  findet  an  der  Basis  des  2.  Mittelhandknochens  statt. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  der  Fascie  und  Haut,  die  End- 
sehne beherrscht  in  der  ausgesprochensten  Weise  das  Bild  der  Beuge- 
seite. Besonders  wenn  der  M.  palmaris  longus  fehlt,  springt  sie  bei 
ulnarer  Flexion  der  Hand  als  deutlich  sichtbarer  und  leicht  zu  um- 
greifender Strang  hervor.  Aber  auch  bei  Dorsalflexion  der  Hand 
macht  sich  ihre  Gegenwart  bei  ihrer  oberflächlichen  Lage  noch  dem 
Auge  durch  die  hellere  Farbe  bemerkbar.  Da  der  Vorderarm  an 
dieser  Stelle  auch  bei  fetten  Leuten  nur  wenig  Panniculus  adiposus 
aufweist,  ist  die  Endsehne  immer  deutlich  erkennbar,  und  praktisch 
spielt  sie  ja,  sei  es  beim  Aufsuchen  des  Pulses  oder  des  N.  medianus, 
die  allergrößte  Rolle.  Die  Facies  medialis  s.  ulnaris  und  lateralis 
s.  radialis  stellen  im  Muskelteile  eigentlich  nur  die  entsprechenden 
freien  Ränder  dar,  deren  lateraler  sich  gegen  den  M.  pronator  teres, 
und  deren  medialer  sich  gegen  den  M.  palmaris  longus  bezw.  den 
M.  flexor  digitorum  sublimis  wendet.  Im  sehnigen  Teile  bildet  die 
A.  radialis  die  laterale  Nachbarschaft,  der  N.  medianus  besonders  bei 
Volarflexion  der  Hand  und  Beugung  der  Finger  die  mediale.  Diese 
Haltung  muß  allerdings  gewählt  werden,  weil  sonst  der  N.  medianus 
nicht  an  die  Oberfläche  gelangt,  und  nur  der  M.  flexor  digitorum 
sublimis  in  Betracht  kommt.    Die  Facies  profunda  entspricht  gemein- 


112  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

hin  dem  M.  flexor  digitorum  sublimis,  unter  allen  Umständen  dann, 
wenn  die  Hand  dorsal  flektiert,  und  die  Finger  gestreckt  werden.  Bei 
der  Wichtigkeit  dieser  Tatsache  haben  wir  die  beiden  Figuren  13 
und  14  beigefügt. 

Wirkung. 

Er  beugt  die  Hand  nicht  nach  radialwärts,  wie  die  Bezeichnung 
radialis  vermuten  lassen  könnte,  sondern  vielmehr  ulnarwärts  gegen 
den  Epicondylus  medialis  hin.  Das  kann  ja  auch  nicht  wunder- 
nehmen, wenn  man  sich  den  Verlauf  des  Muskels  klar  macht.  Der 
feste  Punkt,  das  gewöhnliche  Punctum  fixum  liegt  ganz  medial, 
der  Ansatz  an  der  Hand,  das  gewöhnliche  Punctum  mobile, 
ziemlich  radial,  jedenfalls  radialwärts  von  der  Mittellinie.  Daraus  er- 
gibt sich,  daß  die  Hand  bei  der  Kontraktion  des  Muskels  medial  ge- 
beugt werden  muß.  Wer  diesen  theoretischen  Erwägungen  nicht  ohne 
weiteres  beipflichten  will,  überzeuge  sich  nur  an  dem  eigenen  Arme 
oder  dem  eines  geeigneten  Modelies.  Bei  der  Beugung  der  Hand 
radialwärts  verschwindet  die  Sehne  fast  in  der  Tiefe  und  kann  von 
dem  palpierenden  Finger  unschwer  nach  rechts  oder  links  verschoben 
werden.  Bei  der  Beugung  der  Hand  ulnarwärts  dagegen  springt  die 
Sehne  mit  außerordentlicher  Deutlichkeit  hervor  und  setzt  den  palpa- 
torischen  Untersuchungen  energischen  Widerstand  entgegen.  An  ge-r 
eigneten  Armen  kann  man  sogar  den  ganzen  Verlauf  des  M.  flexor 
carpi  radialwärts  durch  die  Haut  erkennen,  besonders  wenn  man  den 
untersuchten  Arm  hoch  heben  läßt,  damit  vor  allen  Dingen  die  Haut- 
venen blutleer  werden.  Dann  sieht  man  bei  Dorsalflexion  und  radialer 
Abduktion  der  Hand  den  Muskelbauch  passiv  gedehnt,  d.  h.  hand- 
wärts  verschoben,  bei  der  Kontraktion  des  Muskels,  d.  h.  der  ulnaren 
Flexion  der  Hand  dem  Epicondylus  medialis  zugerückt.  Man  kann 
unter  Umständen  das  ganze  Spiel  des  Muskels  beobachten,  wie  er 
sich  in  seinem  Fascien-,  bezw.  aponeurotischen  Bette  hin  und  her 
bewegt. 

Die  eben  von  uns  gegebene  Schilderung,  welche  wir  vor  der  Kenntnis- 
nahme des  Buches  von  Duchenne:  Die  Physiologie  der  Bewegungen, 
niedergeschrieben  und  in  dieser  Form  absichtlich  beigehalten  haben,  gibt 
uns  nach  unserer  Meinung  das  Recht,  auch  seine  sonstigen  Untersuchungen 
einer  scharfen  Nachprüfung  zu  unterziehen.  Denn  gerade  bei  diesem 
so  leicht  der  elektrischen  Reizung  zugängigen  Muskel  hätte  er  auf  unsere 
Folgerungen  kommen  oder  wenigstens  den  Widerspruch  mit  den  üblichen 
Darstellungen  ahnen  müssen.  Bei  der  Wichtigkeit  dieses  Punktes  sei 
der  S.   125  angeführte  kurze  Absatz  wörtlich  erwähnt: 

„Wird  der  Radialis  internus  [M.  flexor  carpi  radialis]  faradisiert, 
so  beugt  er  zuerst  die  Hand  gegen  den  Vorderarm.  Bei  einem 
stärkeren  Kontraktionsgrade  bringt  er  die  Hand  in  Pronation.  Wenn 
man  die  Pronation  verhindert  und  die  Hand  in  Supination  festhält, 
so  bemerkt  man,  daß  der  äußere  Rand  der  Hand  sich  mehr  beugt, 
als  ihr  innerer,  und  daß  die  Palmarfläche  ein  wenig  nach  innen 
sieht." 

Der  behauptete  Einfluß  auf  die  Pronation  ist  undenkbar,  weil  dazu 
eine  Anheftung  des  Muskels  am  Radius  gehörte,  und  höchstens  erklär- 
lich durch  eine  passive   Wirkung  auf  die  Haut,  welche  bei  Anspannung 


M,  flexor  carpi  radialis. 


113 


der  Sehne  die  Verlaufsrichtung  des  M.  pronator  teres  in  -stumpferem 
Winkel  wiedergibt.  Wahrscheinlicher  wirkt  aber  die  Elektrizität  bei 
stärkeren  Strömen  gleichzeitig  auf  den  M.  pronator.  teres  selbst  (s.  Fig.  54). 

Innervation.  " 

Der  in  der  oberen  Hälfte  des  Vorderarmes  gelegene  spindel- 
förmige Muskelbauch  erhält  seinen  Nerven  von  der  Facies  profunda 
aus,  und  zwar  benutzt  derselbe  ein  sehnig  umgrenztes  Loch  zum 
Durchtritte,  welches  entweder  im  Ursprungsgebiete  des  M.  flexor  digi- 
torum  sublimis  liegt  oder  an  der  Grenze  dieses  und  des  M.  pronator 
teres.  Bei  der  Muskelbeschreibung  ist  bereits  darauf  hingewiesen 
worden,  wie  er  von  der  Aponeurosis  muscularis  eingescheidet  wird; 
ferner  darauf,  daß  die  Hauptmasse  des  Muskelbauches,,an  der  Grenze 
des  oberen  und  mittleren  Drittels  des  Vorderarmes  gelegen  ist.  Dicht 
darüber,  also  noch  im  proximalen  Drittel  des  Vorderarmes,  liegt  die 
anatomische  Eintritts-  und  auch  die  elektrische  Reizungsstelle  des 
Nerven.  Alsbald  teilt  sich  dann  der  Nerv  in  2  oder  mehr  Aeste.  Die 
rückläufigen  Zweige  sind  weniger  stark  als  die  absteigenden.  Beide 
konnten  wir  bis  in  die  Nähe  der  Ursprungssehne  und  das  distale 
Ende  des  Muskelfleisches  verfolgen  und  außerdem  mehrere  intra- 
muskuläre Verbindungen  nachweisen. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  4,5  cm 

Maximum  6,7    „ 

Durchschnitt  von  12  Messungen  5,8    „ 
Unterschied  in  Centimetern  2,2,  in  Prozenten  50  "/o* 

Segmentbezüge. 
6.  7.  (8).  Cervicalnerv. 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  Unker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  Hnker  starker  Arm 

15 
12 
33 
30 

11,2 
10,5 
26,5 
23 

3,8 
1,5 
6,5 

67 

87,5 

80,3 

77 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

22,5 

17,8 

4,7 

77,9 

Varietäten. 

Die  Varietäten  beim  Ursprünge  betreff'en  Verbindungen  mit 

1)  M.  biceps, 

2)  Ulna  und 

3)  Radius; 

die  des  Ansatzes  Insertionen  am: 

1)  Lig.  carpi  transversum, 

2)  Os  naviculare, 

3)  Os  multangulum  majus. 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  II,  8.  Q 

"3 


114 


M.  trio 
Caput  mediale 


Septum  intermusculare  mediale 


M .  f lexor  digitorum 
iblimis,  Caput  pro 
■■  ito  IV 


M.  palmaris  longus 


M.   flexor  digitorum 
profundus 


Tendo  intermedius  flexor 
indicis  sublimis 


M.    flexor  digitorum  sublim: 
Caput  pro  digito  V 


M.  flexor  carpi  ulnaris 


M.  flexor  carpi  radialii 


M.  flexor  digitorum  sublimis, 
Caput  radiale  pro  digito  III 


M.  flexor  digitorum  sublimis, 
venter  inferior  pro  digito  II 


M.  Pronator  quadratus 


Os  pisi  forme 


M.  flexor  poUicis  longus 


M.  abductor 
pollicis  longus 


.Lig.  carpi 
volare 


Fig.  54.   Beugeseite  des  Vorderarmes 

mit  Projektion  der  Verzweigung  des 

N.  medianus. 


^.»«3-'■'i^- 


M.  flexor  carpi  radialis.  115 


p 

^^ß    Recht  häufig  findet  sich  auch  ein  Uebergreifen  der  Endsehne  auf 

!      <1as  Os  metacarpale  III,  selbst  IV. 

In  den  V.  B.  findet  sich  unter  No.  82  ein  Flexor  carpi  radialis 
brevis,  welcher  von  der  Ulna  entspringt  und  vor  dem  langen  am 
Os  multangulum  majus  und  den  Handbändern  ansetzt.  Unter  No.  104 
ist  folgender  Fall  beschrieben:  Der  M.  pronator  quadratus  fehlte 
beiderseitig,  dafür  war  jedoch  ein  M.  flexor  carpi  radialis  brevis  vor- 
handen. Ursprung  von  der  Ulna  sowohl,  wie  vom  Radius.  Ansatz 
fächerförmig  vor  dem  eigentlichen  M.  flexor  carpi  radialis  am  Os 
multangulum  majus  und  minus,  sowie  den  volaren  Handbändern. 
No.  420.    2  M.  flexores  carpi  radiales. 

M.  palmaris  longus. 

Synonyma:  Langer  Hohlhandmuskel,  Handsehnenspanner;  petit 
palmaire  Poirier,  long  palmaire,  palmaire  grele  Cruveilhier,  6pitrochl6o- 
palmaire  Chaussier,  epitrochleo-carpi-palmaire  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Da  dieser  Muskel  zu  den  wenigen  gehört,  welche  in  der  ganzen 
Ausdehnung  oberflächlich  liegen,  und  er  außerdem  recht  häufig  voll- 
kommen fehlt,  muß  sich  letztere  Tatsache  mit  Leichtigkeit  an  jedem 
Arme,  besonders  dem  des  Lebenden  feststellen  lassen.  Wenn  er  vor- 
handen ist,  springt  seine  Sehne  nämlich  bei  der  Handbeugung  als 
dünner  Strang  am  allermeisten  vor  sämtlichen  anderen  Sehnen  hervor. 

Er  liegt  mit  seinem  Muskelbauche  zwischen  den  M.  flexores  carpi 
radialis  und  ulnaris,  ersterem  dicht  angeschmiegt,  von  letzterem  ge- 
wöhnlich durch  eine  an  die  Oberfläche  des  Vorderarmes  gelangende 
Abteilung  des  M.  flexor  digitorum  sublimis  getrennt. 

Es  gibt  keinen  anderen  Muskel  des  menschlichen  Körpers,  welcher 
so  enorme  Unterschiede  nach  Ursprung,  Lage  und  Größe,  Vorkommen 
und  Fehlen,  Einköpfigkeit,  Zweiköpfigkeit  u.  s.  w.  aufweist,  wie  gerade 
der  M.  palmaris  longus. 

Vergleichend-anatomisch  ist  der  Zusammenhang  mit  der  Aponeurosis 
palmaris  erwähnenswert.  Auch  wenn  der  M.  palmaris  longus  fehlt, 
ist  diese  aponeurotische  Platte  immer  vorhanden,  d.  h.  der  Muskelbauch 
am  Vorderarme,  welcher  diese  Aponeurose  hervorgehen  ließ,  ist 
hinterher  degeneriert  und  dem  Auge  verschwunden. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  liegt  an  dem  scharfen  Winkel  des  Epicondylus 
medialis  (ulnaris)  humeri.  » 

Wir  wollen  hier  den  Muskel  so  darstellen,  wie  er  für  gewöhnlich 
beschrieben  und  abgebildet  wird,  als  spindelförmigen  dünnen  Muskel- 
bauch, der  ungefähr  in  der  Mitte  des  Vorderarmes  in  seine  dünne 
Endsehne  übergeht  und  in  der  Hohlhand  in  die  Aponeurosis  palmaris 
ausstrahlt.  Wer  einmal  diesen  Muskel  an  einer  Reihe  von  Präparaten 
durchgearbeitet  hat,  wird  wissen,  daß  diese  Schilderung  nur  kon- 
ventionell ist. 

In  normalen  Fällen  liegt  der  Ursprung  in  einem  fibrös-sehnigen 
Trichter,    welcher  hautwärts   von    der    Fascia   antebrachii    und   dem 

8* 
"5 


116  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Lacertus  fibrosus  bicipitis,  radialwärts  vom  M.  flexor  carpi  radialis, 
ulnarwärts  und  in  der  Tiefe  vom  M.  flexor  digitorum  sublimis  ge- 
bildet wird.  Sämtliche  Grenzen  sind  aponeurotisch.  Auch  hier  müssen 
wir  hervorheben,  daß  die  Fascien,  wie  es  sonst  wohl  beschrieben 
wird,  nichts  mit  dem  Muskelursprunge  zu  tun  haben. 

Die  End sehne  bettet  sich  frühzeitig  in  eine  Duplikatur  der  Fascia 
antebrachii  ein,  entwickelt  aber  keine  Sehnenscheide;  deshalb  nicht, 
weil  weder  haut-  noch  knochenwärts  eine  Reibung  an  festen  Gebilden 
statthat. 

Eine  weitere  Beschreibung  ist  nach  den  vielen  angedeuteten 
Varietäten  in  dieses  Gebiet  zu  verweisen,  auch  die  Wirkung  wird 
erst  bei  der  Aponeurosis  palmaris  behandelt  werden. 

Innervation. 

Der  Muskel  ist  nach  der  Häufigkeit  seines  Vorkommens  und  der 
Mächtigkeit  seiner  Entwickelung  den  größten  individuellen  Schwan- 
kungen unterworfen,  selbst  an  den  beiden  Seiten  desselben  Körpers; 
dementsprechend  auch  seine  Innervation.  Ulnar  von  dem  M.  flexor 
carpi  radialis  gelagert,  erhält  er  seinen  meist  sehr  feinen  und  schwer 
darzustellenden  Nerven  durch  die  Muskulatur  des  M.  flexor  digi- 
torum sublimis  hindurch;  bisweilen  ebenfalls  unter  Bildung  eines 
Sehnenloches;  was  aber  von  großer  Wichtigkeit  ist.  Er  tritt  weiter 
proximal  in  seinen  Muskel  ein,  als  der  Nerv  für  den  M.  flexor  carpi 
radialis.  Unsere  anatomischen  Befunde  sind  inzwischen  von  Toby 
CoHN  bei  unseren  gemeinschaftlichen  Untersuchungen,  welche  wir 
am  Lebenden  angestellt  haben,  bestätigt  und  bei  der  dritten  Auflage 
dieses  Autors  umgeändert  worden. 

Die  innere  Verzweigung  bietet  keine  Besonderheiten  und  ist  die 
der  spindelförmigen  Muskeln. 

In  der  Astfolge  der  Zweige  des  Medianus,  welche  dieser  zu  den 
Muskeln  des  Vorderarmes  liefert,  steht  er  an  zweiter  Stelle,  und  zwar 
sondert  sich  der  Nerv  gewöhnlich  aus  demjenigen  Aste  ab,  welcher 
die  zahlreichen  Zweige  für  den  oberen  Bauch  des  M.  flexor  sublimis 
für  den  Zeigefinger  liefert. 

Anmerkung.  T.  Cohn  hat  den  gewiß  sehr  anerkennenswerten 
Vorschlag  gemacht,  die  Maßbestimmungen  an  einem  Individuum  nach 
der  Breite  der  3  mittleren  Finger  des  Patienten  zu  machen.  Wir 
halten  es  aber  für  einfacher  und  bequemer,  solche  topographischen 
Bestimmungen  nach  Centimetern  zu  geben  unter  Angabe  der  Knochen- 
länge von  dem  entsprechenden  Teile  des  Armskeletes.  Wenn  wir 
von  diesem  Gesichtspunkte  ausgehen  wollen,  so  liegt  die  günstigste 
Reizungsstelle  für  den  M.  flexor  carpi  radialis  9  cm  distal  vom  Epi- 
condylus  medialis  humeri,  etwas  ulnarwärts  von  der  Mittellinie  des 
supinierten  Vorderarmes. 

Für  den  M.  palmaris  longus  liegt  die  Reizungsstelle  etwa  7  cm 
distal  vom  Epicondylus  medialis,  dem  Ulnarrande  des  Vorderarmes 
näher,  als  der  Mittellinie. 

Segmentbezüge. 
7.  8.  Cervicalnerv,  I.  Thoracalnerv. 

Ii6 


M.  palmaris  longus. 


117 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
11.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

5 

8 
8 

3,7 

6 
5,5 

1,3 

l 

74 

75 
68,7 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

7 

5,1 

1,9 

72,9 

Varietäten. 

Dieser  Muskel  variiert  eigentlich  so  häufig,  daß  man  keinen 
Typus  aufstellen  kann. 

Wir  haben  diese  Tatsache  schon  oben  vollauf  berücksichtigt  und 
geben  deshalb  nur  eine  eigene  Angabe.  Jede  genauere  Untersuchung 
kann  neue  Varietäten  kundtun.  Wir  möchten  unsererseits  die  künftigen 
Beobachtungen  auch  auf  die  Innervation  ausgedehnt  wissen,  weil  wir 
eine  teilweise  Versorgung  dieses  Muskels  auch  durch  den  N.  ulnaris  nach- 
weisen konnten.  —  Obwohl  der  Muskelbauch  beim  Erwachsenen  in- 
konstant ist,  muß  seine  sehnige  Endausbreitung  als  konstante  und  vom 
Muskel  unabhängige  Bildung  bezeichnet  werden.  Wir  haben  deshalb  der 
Aponeurosis  palmaris  einen  besonderen  Abschnitt  gewidmet,  dessen 
Umfang  über  das  gewöhnliche  Maß  hinausgeht. 

Das  Fehlen  ist  von  W.  Gruber  beiderseits  auf  22  Proz.,  einer- 
seits auf  27  Proz.  festgelegt.  Der  ganze  Muskel  kann  fleischig  sein, 
Henle,  oder  bloß  das  mittlere  Drittel,  andererseits  das  mittlere 
Drittel  sehnig  und  ein  oberer  und  unterer  Bauch,  M.  digastrique 
Macalister,  oder  nur  ein  breiterer  oder  schmaler  sehniger  Streifen. 
Er  kann  auch  dicht  oberhalb  des  Handgelenkes  entspringen  von  der 
Fascia  antebrachii,  Hallet,  oder  oben  vom  Lacertus  fibrosus,  Grüber, 
und  den  benachbarten  Muskeln  (Flexor  carpi  ulnaris  und  radialis),  oder 
auch  mit  überzähligen  Bündeln  von  den  Knochen  selbst,  vom  Humerus, 
Radius  oder  Ulna;  kurz  und  gut  der  Ursprung  ist  den  außerordent- 
lichsten Schwankungen  ausgesetzt;  ebenso  aber  auch  der  Ansatz: 

entweder  schon  an  der  Fascia  antebrachii, 

oder  am  Thenar, 

oder  am  Carpus, 

oder  an  den  Beugesehnen, 

oder  am  M.  abductor  pollicis  longus. 
Aber  nicht  genug  hiermit;  der  Muskel  kann  sich  auch  verdoppeln, 
besonders   in   der   Sehne,    und  jede  Sehne   kann    sich   der   oben  ge- 
schilderten Ansatzmöglichkeiten  bedienen. 

Aus  allen  diesen  Gründen  halten  wir  es  für  zwecklos,  für  den 
M.  palmaris  longus  eine  Norm  für  Ursprung,  Muskelbauch  oder  An- 
satz aufzustellen. 

In  den  V.  B.  finden  sich  neben  vielen  anderen  2  Fälle  von  Ver- 
doppelung des  Muskels,  wobei  der  accessorische  Muskelbauch  im 
unteren  Drittel,  No.  289,  oder  im  mittleren  Drittel,  No.  396,  gelegen 
sein  kann.  Ferner  findet  sich  eine  Angabe  über  eine  vierfache  Teilung 
der  Endsehne  No.  220,  des  weiteren  3  Fälle  eines  M.  palmaris  pro- 
fundus No.  193.  Die  Sehne  verschmilzt  mit  der  des  M.  flexor  digi- 
torum  profundus.  —  No.  438.    Der  M.  palmaris  profundus  entspringt 


118  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

unter  dem  M.  pronator  teres  an  der  lateralen  Kante  des  Radius. 
Muskelbauch  auf  dem  M.  flexor  pollicis  longus.  Endsehne  unter  dem 
M.  flexor  carpi  radialis,  über  dem  N.  medianus  und  unter  dem  Lig. 
carpi  transversum  gelagert.  Definitiver  Ansatz  in  der  Palmarapo- 
neurose.  —  No.  460.  Ursprung  von  der  Facies  profunda  des  M.  flexor 
digitorum  sublimis.     Ansatz  erst  in  der  Vola  oberflächlich. 

Eigene  Beobachtung:  Rechter  Männerarm.  Der  M.  palmaris 
longus  entspringt  überhaupt  nicht  vom  Epicondylus  medialis  humeri, 
sondern  zweiköpfig  von  beiden  Vorderarmknochen.  Der  kleinere  ulnare 
Kopf  löst  sich  mit  schmaler  Ursprungssehne  von  der  Ulna  in  der 
Höhe  ihrer  Tuberositas  los,  ist  mit  seinem  dünnen  spindelförmigen 
Bauche  7  cm  lang  und  geht  mit  dünner  Endsehne  in  diejenige  des 
radialen  Kopfes  über.  Der  letztere  entspringt  unter  dem  M.  pro- 
nator teres  und  dem  Caput  radiale  des  M.  flexor  digitorum  sublimis 
mit  breiter  platter  Sehne,  welche  einen  11  cm  langen,  bis  1,5  cm 
breiten  spindelförmigen  Muskelbauch  hervorgehen  läßt.  Nach  der 
Unterkreuzung  der  Sehne  des  M.  flexor  carpi  radialis  wird  die  über 
dem  N.  medianus  gelegene  Endsehne  frei  und  findet  in  der  Folge 
den  gewöhnlichen  Ansatz  in  der  Hohlhand.  Unser  Fall  ist  beinahe 
identisch  mit  dem  oben  unter  No.  438  beschriebenen  der  V.  B. 
(Jedoch  haben  wir  die  Empfindung,  daß  dort  unter  dem  Lig.  carpi 
transversum  das  Lig.  carpi  volare  zu  verstehen  ist.) 

M.  flexor  carpi  ulnaris. 

Synonyma :  Ellenbogenbeuger  der  Hand,  innerer  Ellenbogenbeuger, 
innerer  Ellenbogenmuskel,  (abgekürzt:  Ellenbeuger  Prohse);  M.  ulnaris 
internus  Albin;  Cubital  anterieur  Cbüveilhier,  cubital  interne  Winslow, 
cubito-carpien  Chaussibr,  epitrochl6o-cubito-carpien  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  vierte  und  letzte,  ganz  ulnar  gelegene  Muskel  der  ober- 
flächlichen Beugeschicht  hüllt  in  Form  einer  muskulös-sehnigen  Platte 
die  vom  M.  flexor  digitorum  profundus  überlagerte  Ulna  ein.  Seine 
Ursprünge  sind  scharf  durch  folgende  Knochenmarken  begrenzt: 
Epicondylus  medialis  humeri,  Olecranon  und  im  Anschlüsse  daran  die 
hintere  Kante  der  Ulna  in  ihren  beiden  oberen  Dritteln,  während  das 
distale  Drittel  der  Ulna  und  der  hier  liegende  untere  Teil  des  M. 
flexor  digitorum  profundus,  sowie  ein  kleiner  Teil  des  M.  pronator 
quadratus  nur  von  Fascie  bedeckt  werden.  Sehr  verwickelt  und  zu- 
dem in  der  Tiefe  verborgen  ist  sein  Ansatz:  zunächst  scheinbar  am 
Erbsenbeine,  welches  als  Sesambein  in  der  Sehne  aufgefaßt  werden 
muß,  und  noch  mehr  durch  die  von  diesem  Knochen  ausgehenden  Lig. 
piso-hamatum  und  piso-metacarpeum,  welche  ja  von  dem  fleischigen 
M.  abductor  digiti  V.  bedeckt  sind. 

Chirurgisch -anatomisch  ist  besonders  der  vordere  Rand  wichtig, 
welcher  den  Epicondylus  medialis  humeri  mit  dem  vorderen  Rande 
des  Erbsenbeines  verbindet,  die  sogenannte  „Richtungslinie"  für  die 
Aufsuchung  der  A.  ulnaris.  Dies  Gefäß  tritt  erst  im  mittleren  Drittel 
des  Muskels  unter  ihn,  während  der  N.  ulnaris  in  seinem  ganzen  Ver- 
laufe am  Vorderarme  von  dem  Muskel  bedeckt  wird  und  erst  am  Hand- 
gelenke zu  beiden  Seiten  der  Sehne  sichtbar  wird,  vorn  mit  dem  volaren, 
gemischten  Hauptzweige,  hinten  mit  dem  rein  sensiblen  R.  dorsalis  manus. 

.     ii8 


M.  triceps,  caput  mediale 


Epicondylus  medialis 


M.  fleior  digitorum 
profundus      ,  ^ 


M.  flexor  digitorum  sub- 

limis,  caput  radiale  pro 

digito  UI 


Fig.  55.    M.  flexor  carpi 

xilnaris  (Varietät  mit 

Innervation). 


120  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Vielfach  spricht  man  von  einer  Durchbohrung  des  Muskels  am 
Ellenbogengelenke  in  der  Höhe  des  Sulcus  ulnaris  humeri  durch  den 
N.  ulnaris;  es  ist  aber  an  dieser  Stelle,  wie  hinterher  genauer  be- 
schrieben wird,  nur  eine  Ueberbrückung  vorhanden;  in  Wirklichkeit 
bildet  sich  sogar  ein  Canalis  cubitalis  posterior  n.  ulnaris,  s.  Fig.  56. 

Was  nun  die  Wirkung  anlangt,  so  muß  als  hauptsächlichster 
Punkt  hervorgehoben  werden,  daß  der  Name  M.  flexor  carpi  ulnaris 
ein  rein  anatomischer,  und  zwar  im  topographischen  Sinne  ist. 
Obwohl  in  den  anatomischen  Lehrbüchern  vielfach,  in  den  älteren 
sogar  allermeist  angegeben  wird,  daß  der  Muskel  die  Hand  ulnar- 
wärts  wendet,  tut  er  es  nur  mit  den  hinten  entspringenden  Bündeln, 
während  die  vorn  gelegenen  die  Beugung  nach  radial-  und  vorwärts 
ausführen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 
Der  Ursprung  ist  unmittel-  oder  mittelbar  ein  knöcherner,   von 
dem   Humerus   und   der  Ulna.     Die   beiden,   ungleichartigen   Köpfe 
unterscheiden  wir  deshab  als 

1)  kleineres  Caput  humerale; 

2)  größeres  Caput  ulnare. 

Der  keilartige,  dünne  Ursprung  vom  Humerus  beschränkt  sich 
nach  der  gewöhnlichen  Darstellung,  die  wir  hinterher  noch  auf  ihre 
Genauigkeit  prüfen,  auf  die  Spitze  des  Epicondylus  medialis,  setzt 
sich  aber  durch  einen  nach  unten  konvexen  Sehnenbogen  unmittelbar 
zum  Olecranon  fort,  bis  an  die  Insertion  des  M.  triceps,  und  zwar  seines 
Caput  mediale,  heran.  Zieht  man  von  diesen  beiden  Knochenpunkten, 
dem  Epicondylus  medialis  humeri  und  der  vorderen,  medialen  Ecke  des 
Olecranon,  entsprechende  Linien  zum  vorderen  und  hinteren  Rande  des 
Erbsenbeines,  so  hat  man  die  ungefähre  Umgrenzung  des  Muskel- 
fleisches. Was  hinter  der  hinteren  Linie  liegt,  ist  nur  noch  Ur- 
sprungsaponeurose,  welche,  in  der  angegebenen  Grenze  bis  zur  hinteren 
Kante  der  Ulna  reicht.  Der  langgestreckte  Muskel  muß  also  in  zwei 
Abteilungen  zerlegt  werden,  ein  vorderes  muskulöses  Dreieck,  in  dem 
auch  die  ganze  Endsehne  enthalten  ist,  mit  der  Basis  am  Ellen- 
bogengelenke und  der  Spitze  am  Erbsenbeine,  und  eine  hintere,  un- 
gefähr spindelförmige  aponeurotische  Platte,  deren  vordere  Linie  sich 
unmittelbar  aus  dem  Muskelfleische  entwickelt,  und  deren  hintere  den 
proximalen  zwei  Dritteln  der  hinteren  Kante   der  Ulna  entspricht. 

Der  Muskelbauch  selbst  ist  doppelt  gefiedert:  vorn  verlaufen  die 
Bündel  senkrecht  nach  unten,  hinten  haben  sie  eine  schrägere  Rich- 
tung zu  der  Endsehne  hin,  die  sich  näher  dem  vorderen  Rande 
bereits  hoch  oben,  proximal  entwickelt.  Die  Muskelbündel  enden  erst 
in  der  Nähe  des  Handgelenkes.  Hieraus  erklären  sich  zwei  wichtige 
Tatsachen : 

1)  Die  Sehne  kann  sich  nicht,  wie  beim  M.  flexor  carpi  radialis, 
während  der  Muskelzusammenziehung  als  scharfbegrenzter,  rundlicher 
Strang  harausheben. 

2)  Da  die  Gegenwart  von  Muskelfleisch  auch  eine  Fascie  er- 
forderlich macht,  finden  wir  eine  scheinbare  Verdoppelung  derselben, 
wenn  wir  bei  der  unteren,  distalen  Unterbindung  der  A.  ulnaris  in 
der  von  v.  Bergmann -Rochs  (v.  Bergmann  u.  Rochs,  Anleitende 
Vorlesungen  für  den  Operationskursus  an  der  Leiche,  2.  Aufl.  1892,  S.  45) 
angegebenen  Weise  auf  die  Sehne   einschneiden.     Das  oberflächliche 


M.  flexor  carpi  ulnaris. 


121 


Blatt  ist  die  Fascia  antebrachii,  zusammenhängend  mit  dem  vorderen 
Teile  der  Muskelbinde,  das  tiefe  Blatt  entspricht  ihrem  hinteren  Teile. 
Bei  der  Durchsicht  des  Manuskriptes  und  der  Anfertigung  eines 
letzten  Kontrollpräparates  fanden  wir  auch  beim  M.  flexor  carpi  ulnaris 
eine  unseres  Wissens  noch  nicht  beschriebene  Besonderheit,  die  sich 
vielleicht  als  Norm  erweisen  dürfte,  nämlich  im  Anschlüsse  an  das 
Caput  humerale  eine  kontinuierliche  sehnige  Ursprungsplatte  zunächst 


Epicondylus  medialis 


Capsula  articularis  cubiti 


M.  supinator 


Bursa  bicipitoradialis 
und  Bicepssehne 


Linea  supinatoria  radii  — 


M.  flexor  pollicis  longus_ 


Olecranon 


Hiatus  superior 
canalis  cubitalis 


Lig.  collaterale  mediale 


M.  flexor  carpi  ulnaris 


Hiatus  inferior  canalis 
cubitalis 


M.  flexor  digitorum 
profundus 


0:5. 


*^ 


i     " 


Fig.  56.    Canalis  cubitalis  n.  ulnaris.    Nat.  Gr. 

vom  Lig.  collaterale  mediale  und  dann  noch  von  der  Ulna  selbst.  Die 
Ursprungslänge  betrug  in  unserem  Falle  3  cm.  Vermöge  des  schräg 
gerichteten,  freien  unteren  Randes  erwies  sich  jedoch  die  Länge  vom 
Epicondylus  medialis  senkrecht  herunter  bis  zur  Vereinigung  mit 
dem  Muskelbauche  auf  5  cm.  In  dieser  Weise  wurde  der  N.  ulnaris 
und  die  Vasa  recurrentia  ulnaria  posteriora  in  einen  vollkommenen 
Kanal  eingeschlossen,  dessen  Länge  3,5  cm  betrug.  Durch  diesen 
accessorischen  Ursprung  kommen  wir  in  Verlegenheiten,  weil  die  B.  N.  A. 


122  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

ein  Caput  humerale  und  ein  Caput  ulnare  annehmen.  Hier  liegt  aber 
noch  ein  zweites  Caput  ulnare  vor.  Man  könnte  sich  vielleicht  in 
der  Weise  helfen,  daß  man  den  von  uns  beschriebenen  vorderen 
ulnaren  Ursprung  als  Caput  ulnare  anterius,  das  frühere,  einfache 
Caput  ulnare  als  Caput  ulnare  posterius  bezeichnen  würde.  Zweifels- 
ohne ist  diese  Einrichtung  für  den  Schutz  des  N.  ulnaris  während 
der  Beuge-  und  Streckbewegungen  von  großer  Wichtigkeit  und  trägt 
nicht  wenig  dazu  bei,  daß  der  N.  ulnaris  bei  extremer  Beugung  nicht 
um  dem  Epicondylus  medialis  nach  vorn  luxiert  wird. 

Bei  der  praktischen  Bedeutung  des  N.  ulnaris  müssen  wir  diesen 
Kanal  auch  in  seinen  einzelnen  Teilen  beschreiben.  Der  Name  dürfte 
wohl  ohne  weiteres  gegeben  sein,  „Canalis  ulnaris"  ^).  Im  Querschnitte 
würde  er  dreieckig  erscheinen,  die  Basis  würde  der  „Richtungslinie" 
entsprechen,  die  Spitze  der  hinteren  Kante  der  Ulna,  der  vordere 
Schenkel  des  Dreieckes  der  Haut,  die  Tiefe  der  Artic.  cubiti  und 
weiterhin  der  Ulna,  welche  jedoch  beinahe  sofort  vom  M.  flexor  digi- 
torum  profundus  verdeckt  wird.  Die  obere  Oeffnung  ist  nach  unten 
konvex,  und  der  Form  nach  dem  Hiatus  superior  des  JoESSEL'schen 
Adductorenkanales  vergleichbar.  Der  Hiatus  inferior  wird  ebenfalls 
ausschließlich  vom  M.  flexor  carpi  ulnaris  gebildet,  verläuft  aber  bei 
natürlicher  Haltung  ohne  Knickung  oder  Rundung  senkrecht  von  oben 
nach  unten,  beim  Herumdrängen  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  nach 
ulnarwärts  hin,  schräg  von  lateral  nach  medial,  in  beiden  Fällen 
jedoch  vom  Knochen  aus  mehr  zu  der  Fascie  oder  der  Haut  hin. 

Die  Endsehne  schlingt  sich  bei  extremer  Dorsalflexion  der  Hand 
rechtwinklig  um  das  Erbsenbein  herum,  gleichzeitig  verläuft  dann  das 
Lig.  carpi  dorsale,  welches  mit  der  Sehne  verwebt  ist,  beinahe  rückläufig 
zum  Dorsum.  Bei  Supinationsstellung  der  Hand,  welche  unsere  Figuren 
(57  u.  58)  zeigen,  wird  außerdem  der  Muskel  passiv  der  Ulna  genähert. 

Bei  der  Beugung  der  Hand  volarwärts  entfernt  sich  umgekehrt 
aktiv  der  Muskel  von  der  Elle,  und  das  Erbsenbein  nähert  sich  dem 
Capitulum  ulnae.  Die  Endsehne  (besonders  deutlich  ist  das  Lig. 
pisometacarpeum  zu  erkennen)  liegt  nunmehr  fast  in  der  Verlängerung 
gegen  die  Hauptsehne.  Gleichzeitig  verläuft  jetzt  das  Lig.  carpi  dorsale 
nicht  rückläufig,  sondern  geht  etwas  schräg  nach  vorn  zum  Dorsum 
hin.  Also:  rechtwinklige  Knickung  der  Lig.  pisohamatum  und  piso- 
metacarpeum gegen  die  Hauptsehne  und  Rückwärtsrichtung  des  Lig. 
carpi  dorsale  bei  Dorsalflexion ;  ungefähr  paralleler  Verlauf  der  Lig.  piso- 
metacarpeum und  pisohamatum  mit  der  Hauptsehne  und  nur  geringer 
Abweichung  des  Lig.  carpi  dorsale  bei  der  Volarflexion. 

Wir  haben  deshalb  dem  Ansätze  der  Endsehne  des  M.  flexor  carpi 
ulnaris  2  besondere  Figuren  (Fig.  57  u.  58)  gewidmet,  welche  die 
Wirkung  des  Muskels  auf  die  ulnare  Seite  der  Hand  bei  Dorsal-  und 
Volarflexion  darstellen. 

Viel  wichtiger  erschien  uns  der  Befund  an  der  volaren  Seite  des 
Handgelenkes,  welchen  Frohse  zufällig  bei  Gelenkpräparaten  gefunden 
hat  und  den  Fränkel  auf  Grund  eigener  Untersuchungen  in  vollem 
Umfange  bestätigen  kann. 

Vor  allem  freut  es  uns,  daß  wir  die  von  Henle  als  Lig.  carpi 
volare  commune  bezeichnete  Einrichtung  vollauf  anerkennen  können; 
allerdings  mit  dem  Vorbehalte,  daß  es  sich  hier  um  einen  besonderen 
volaren  zweiten  Zipfel  der  Ansatzsehne  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  han- 

1)  Genauer:  Canalis  cubitalis  n.  ulnaris. 


M.  flexor  carpi  ulnaris. 


123 


delt,  bevor  dieselbe  das 
Os  pisiforme  erreicht. 
Dieser  radiale  Zipfel  hat, 
wie  die  Fig.  59  zeigt, 
direkt  nichts  mit  dem 
Lig.  carpi  transversum 
zu  tun,  auch  nicht  mit 
der  Endsehne  des  M. 
flexor  carpi  radialis, 
dessen  Schleimscheide 
ihn  hautwärts  nur  wenig 
zudeckt,  während  der 
Hauptteil  sic"h  knochen- 
wärts  zum  lateralen 
Rande  des  Radius  be- 
gibt, zum  Beginne  des 
Processus  styloideus. 

Man  kann  sich  von 
dem  Ansätze  des  M.  tiexor 
carpi  ulnaris  nur  dann 
eine  richtige  Vorstellung 
machen,  wenn  man  an 
einer  unversehrten  Hand 
nichts  weiter  darstellt, 
als  die  Systematik  und 
Topographie  der  Um- 
gebung des  Os  pisiforme, 
wie  wir  es  in  gemein- 
schaftlicher Arbeit  durch- 
geführt haben.  Dann  läßt 
sich  der  Muskelbauch  des 
M.  flexor  carpi  ulnaris  bis 
zum  Os  pisiforme  mit 
Leichtigkeit  gegen  die 
tiefe  Schicht  der  M. 
flexores  antebrachii  ab- 
setzen. Noch  proximal 
vom  Os  pisiforme  finden 
die  Ausstrahlungen  volar- 
wärts  als  Lig.  carpi  volare 
commune,  dorsal  zum 
Lig.  carpi  dorsale  statt. 
Der  eigentliche  Ansatz 
liegt  in  der  Tiefe  und 
kann  erst  durch  Abtra- 
gung des  M.  abductor 
sowie  des  mitunter  feh- 
lenden M.  flexor  brevis 
digiti  V  klargestellt  wer- 
den. Die  bekannte  Dop- 
pelteilung der  Endsehne, 
welche  als  Lig.  piso- 
hamatum  und  pisometa- 


Os  metacarpale  V 


Lig.  carpi  dorsale 


Os  pisiforme 


M.  flexor  carpi  ulnaris 


Fig.  57.    M.  flexor  carpi  ulnaris,  Endsehne 
bei  Dorsalflexion.    Nat.  Gr. 


Fig.  58.    M.  flexor  carpi  ulnaris,  Endsehne 
bei  Volar flexion.    Nat.  Gr. 


123 


124 


PROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


carpeum  bezeichnet  wird,  bedarf  keiner  besonderen  Beschreibung,  wohl 
aber  müssen  wir  darauf  hinweisen,  daß  mitunter,  wie  es  hier  auch  ab- 
gebildet wird,  von  dem  Lig.  pisometacarpeum  aus  sich  ein  besonderer 
Zipfel  unter  dem  Lig.  hamometacarpeum  hin  zur  Basis  des  4. 
und    sogar    des    'S.    Mittelhandknochens    entwickeln    kann.      Gerade 

unsere  Abbildung 
zeigt,  obwohl  sie  dem 
Präparate  naturgetreu 
entnommen  ist,  gleich- 
sam das  Schema,  wel- 
ches dem  Rahmen  des 
üblichen  Vortrages 
für  StucBerende  ent- 
spricht. 

P'ür  unsere  Zwecke 
handelt  es  sich  jedoch 
um  die  Berücksichti- 
gung der  Physiologie. 
Unter  keinen  Umstän- 
den dürfen  die  M. 
flexor  carpi  radialis 
und  ulnaris  in  dem- 
selben Atemzuge  be- 
handelt werden.  Die 
in  eine  besondere 
Schleimscheide  einge- 
bettete Sehne  des  M. 
flexor  carpi  radialis 
entwickelt  erst  im  Be- 
reiche des  Metacarpus 
ihre  Wirkung;  da- 
gegen hat  die  End- 
sehne des  M.  flexor 
carpi  ulnaris  bereits 
am  distalen  Ende  des 
Vorderarmes  die  wich- 
tigsten Beziehungen 
zu  dem  gemeinhin 
als  Verstärkungen  der 

Fascie  aufgefaßten 
Lig.  carpi  volare  (com- 
mune) und  dorsale. 
Auch  im  Bezirke  des 
Carpus  haben  wir  Be- 
festigungen zu  erwäh- 
nen :  am  Os  pisiforme, 
am  Hamulus  ossis 
hamati,  und  schließlich  noch  indirekt  am  Lig.  hamometacarpeum. 
Auch  die  Mittelhandknochen  kommen  nicht  zu  kurz  weg.  Dem  typi- 
schen Ansätze  an  der  Basis  des  Os  metacarpale  V,  welcher  in  üb- 
licher Weise  als  Lig.  pisometacarpeum  bezeichnet  wird,  stehen  eventuell 
noch  Hilfsansätze  an  der  Basis  des  4.  und  sogar  des  3.  Mittelhand- 
knochens zur  Seite.    Ein  Blick  auf  unsere  P'igur  lehrt,  daß  beim  Zu- 


Fig.  59.    Ansatz  beider  M.  flexores  carpi.    (Nat.  Gr.) 

1  M.  flexor  carpi  radialis,  Hauptansatz  am  Os 
metacarpale  II,  Nebenansatz  am  Os  metacarpale  III. 
2  Nebenansatz  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  bis  zum  Os 
metacarpale  III.  3  Artic.  carpometacarpea  poUicis. 
4  M.  abductor  pollicis  longus.  5  Tuberositas  ossis 
multanguli  majoris.  6  Eröffnete  Schleirascheide.  7 
Bänder  an  der  volaren  Seite  des  Handgelenkes.  8  M. 
flexor  carpi  radialis.  9  M.  brachioradialis.  10  Lig. 
basium  volare.  11  Hamulus  ossis  hamati.  12  Lig.  hamo- 
metacarpeum. 13  Lig.  pisohamatum.  14  Lig.  piso- 
metacarpeum. 15  M.  ext.  carpi  ulnaris.  16  Os  piso- 
forme.  17  Foramen  carpi  ulnare.  18  Lig.  carpi  dorsale. 
19  Membrana  sacciformis.    20  M.  flexor  carpi  ulnaris. 


M,  tiexor  carpi  ulnaris.  125 

samraenwirken  der  M.  flexores  carpi  radialis  und  ulnaris  die  Aus- 
strahlungen der  Endsehnen  im  3.  Mittelhandknochen  zusammenkommen 
und  in  denkbar  günstiger  Weise  die  energische  Volarflexion  der  Hand 
gegen  den  Vorderarm  ermöglichen.  Bei  einer  Kontraktion  nur  des 
M.  flexor  carpi  radialis  kann  dieser  Muskel  seine  Sehne  frei  spielen  lassen; 
dagegen  ist  der  M.  flexor  carpi  ulnaris  schon  in  der  Höhe  des  distalen 
Vorderarmendes  vermöge  seiner  komplizierten  Verbindung  mit  den 
Nachbarteilen  zu  anderen  Wirkungen  berufen.  Die  Funktion  dieses 
Muskels  wird  in  der  Hauptsache  eine  kräftige  Handbewegung  im  Sinne 
der  ulnaren  Abduktion  sein,  wie  sie  in  schönster  Weise  bei  einer  Tief- 
quart zur  Anwendung  kommt.  Die  Nebenansätze  verschaften  dem  Muskel 
auch  Beziehungen  zur  Radial-  und  Dorsalflexion  der  Hand. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Unsere  ausführliche  idiotopische  und  skeletopische  Beschreibung, 
bei  welcher  wir  unsere  neuen  Anschauungen  dargestellt  haben,  er- 
übrigt in  diesem  Falle  eine  holo-  und  syntopische  Wiederholung. 

Ulnare  Beugegruppe. 

Der  M.  flexor  carpi  ulnaris  stellt  mit  dem  ulnaren  Teile  des 
M.  flexor  digitorum  profundus  die  Gruppe  derjenigen  Vorderarm- 
beuger dar,  welche  vom  N.  ulnaris  versorgt  werden.  Da  dieser  Nerv 
am  bequemsten  im  unteren  distalen  Drittel  des  Vorderarmes  zu  reizen 
ist,  wo  er  nur  von  der  Fascie  oder  dem  Septum  intermusculare  mediale 
bedeckt  ist,  muß  auch  hier  schon  die  elektrische  Reizung  Zuckungen 
in  den  versorgten  Muskeln  auslösen.  Es  gelingt  sehr  leicht  für  den 
M.  flexor  carpi  ulnaris.  Um  letzteren  Muskelbauch  selbst  zu  treffen, 
müssen  wir  zum  oberen,  proximalen  Drittel  des  Vorderarmes  über- 
gehen, nachdem  der  zweite,  für  den  M.  flexor  digitorum  profundus 
bestimmte  Ast  den  Stamm  des  N.  ulnaris  bereits  verlassen  und  sich 
in  die  tiefer  gelegenen  Muskelschichten  eingesenkt  hat. 

Wirkung. 

Nach  unseren  neuesten  anatomischen  und  elektrischen  Unter- 
suchungen müssen  wir  dem  Muskel  mindestens  3  Aufgaben  zuschreiben : 

1)  Die  hinteren,  schrägen  Muskelbündel  bewegen  die  Hand  ulnar- 
und  dorsalwärts; 

2)  die  vorderen,  senkrechten  Muskelbündel  radial-  und  volarwärts ; 

3)  bei   Zusammenziehung   des   ganzen   Muskels   wird   die   Hand 
einfach  ulnarwärts  abduziert. 

Innervation. 

Die  Nerven  können  bereits  in  der  Höhe  des  Epicondylus  ulnaris, 
also  am  Oberarme  deutlich  vom  Stamme  gesondert  sein  und  schieben 
sich  dann  unter  den  Sehnenbogen  beider  Ursprungsköpfe  ein.  In  dem 
abgebildeten  Falle  sind  es  2  Aeste,  ein  kürzerer  vorderer  und  ein  längerer 
hinterer,  welche  ziemlich  geradlinig  die  ganze  Länge  des  Muskels  durch- 
setzen und  eine  Reihe  von  kleinen  Aesten  abgeben.  Wir  haben  uns  ver- 
gebens bemüht,  zwischen  den  beiden  langen  Aesten  eine  Anastomose 
aufzufinden,  und  halten  darum  einstweilen  an  der  Auffassung  fest,  daß 
der  Muskel  aus  zwei  gesonderten  Abteilungen  zusammengesetzt  ist. 

"5 


126 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


Bei  den  feineren  Verzweigungen  desselben  Astes  kommen 
verschiedentlich  Anastomosen  vor.  Beide  Hauptäste  sind  nur  im 
proximalen  Drittel  extramuskulär  gelagert.  Will  man  den  Muskel 
isoliert  reizen,  so  können  wir  uns  hierzu  der  chirurgischen  Richtungs- 
linie zur  Unterbindung  der  A.  ulnaris  bedienen,  jener  Linie,  welche 
den  vorderen  Rand  des  Erbsenbeines  bei  supiniertem  Arme  senkrecht 
mit  der  Spitze  des  Epicondylus  medialis  verbindet.  Etwa  6  cm  unter- 
halb des  letzteren  liegt  nach  unseren  Beobachtungen  der  günstigste 
Muskel  punkt ;  recht  häufig  haben  wir  außer  den  beiden  abgebildeten 
Nerven  noch  einen  dritten  feineren  gefunden,  welcher  erst  im  mittleren 
Drittel  des  Vorderarmes  die,  nebenbei  bemerkt,  sehr  dicke  Fascia 
profunda  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  durchbohrt,  während  die  beiden 
anderen  Nerven  schon  weit  proximal  feine  Muskelzweige  entsenden. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  4,5  cm 

Maximum  5,3    „ 

Durchschnitt  aus  11  Messungen  4,8   „ 
Unterschied  in  Centimetem  0,8,  in  Prozenten  18  7o« 

Segmentbezüge. 
(7.)  8.  Cervicalnerv.    I.  Thoracalnerv. 

Gewicht.    . 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen - 
substan?; 

Muskel- 
substanz 
in  Proz, 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

18 
15 
50 
46 

11 
8,5 
36 
80 

7 

6,5 
12  >) 
14^) 

61 
56,7 
76 
69,6 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

32,3 

21,4 

9,9 

65,8 

Varietäten. 

Bei  der  Wichtigkeit  der  Innervation  haben  wir  eine  besondere 
Abbildung  eines  Falles  gegeben,  in  welcher  ein  gesondertes  vorderes 
Ursprungsbündel  sich  erst  in  der  Mitte  des  Vorderarmes  in  den 
Hauptmuskel  einsenkte,  weil  es  nämlich  nicht  von  dem  N.  ulnaris  ver- 
sorgt wurde,  sondern  vom  N.  medianus  aus.  Als  Besonderheit  muß 
also  auch  der  M.  flexor  carpi  ulnaris  zu  den  doppelt  innervierten 
Muskeln  gerechnet  werden.  Aber  nicht  allein  dieser  als  Varietät  zu 
bezeichnende  vordere  Kopf  wird  vom  N.  medianus  aus  versorgt, 
sondern  auch  der  oben  als  dritter  Nerv  bezeichnete  eigentliche  Muskel- 
zweig löst  sich  nicht  aus  dem  I^jT.  ulnaris  ab,  sondern  aus  dem 
N.  medianus,  sowohl  bei  der  Varietät,  wie  bei  der  sonst  normal 
erscheinenden  Hauptmasse  desselben  Muskels  (s.  Fig.  55). 

In  den  V.  B.  (No.  200),  accessorischer  Ansatz  einer  langen,  dünnen 
Sehne  unter  dem  M.  palmaris  longus  am  Ursprünge  des  M.  abductor 
pollicis  brevis. 

Beim  Ansätze  handelt  es  sich  nur  um  eine  Erweiterung  der  An- 
heftung an: 

1)  Das  mitberechnete  Os  pisiforme  wog  je  2  g. 

126 


M.  flexor  caipi  ulnaris.  127 

1)  Lig.  carpi  volare, 

2)  Lig.  carpi  transversum, 

3)  Os  metacarpale  IV  oder  selbst  bis  zum  III., 

4)  oder  bis  zur  Artic.  metacarpophalangea  digiti  V. 

M.  flexor  digitoruin  sublimis. 

Synonyma:  Oberflächlicher  oder  durchbohrter  Fingeibenger;  M.  flexor 
digitorum  superficialis  s.  perforatus,  digitorum  secundi  internodii  flexor; 
Flechisseur  commun  superficiel  des  doigts,  fl.  sublime  ou  perfore,  epi- 
trochleo-phalangien  commun  Chaussier  ,  ^pitrochleo-coroni-phalangien 
Dumas:  Beuger  der  zweiten  Phalangen  Duchenne- Weenicke, 

Allgemeine  Beschreibung. 

Wie  wir  bereits  bei  der  allgemeinen  Beschreibung  der  Beuge- 
muskeln am  Vorderarme  dargestellt  haben,  führen  wir  diesen  Muskel  als 
ersten  der  tiefen  Beuger  auf,  allein  aus  Zweckmäßigkeitsgründen. 
Obwohl  er  sich  regelmäßig,  und  besonders  bei  Fehlen  des  M.  pal- 
maris  longus,  erheblich  am  Oberflächenbilde  beteiligt,  müssen  wir  ihn 
zur  tiefen  Schicht  rechnen,  wenn  man  will,  sogar  als  zweite  Schicht 
der  Beuger  auffassen,  und,  wenn  man  dieser  Anschauung  beipflichtet, 
ihn  in  mindestens  zwei  Unterabteilungen  zerlegen :  eine  oberflächliche 
Lage,  welche  die  Sehneu  für  den  Mittel-  und  Ringfinger  entwickelt, 
und  eine  tiefe  für  den  Zeige-  und  kleinen  Finger. 

Als  dritte  Schicht  kommen  in  Sonderfällen  die  Konjugationen  mit 
den  M.  flexor  pollicis  longus  und  digitorum  profundus  in  Betracht. 

Im  Gegensatze  zu  sämtlichen  anderen  Flexoren  der  tiefen  Schicht 
entspringt  dieser  Muskel,  abgesehen  vom  humeralen  Hauptursprunge, 
von  beiden  Vorderarmknochen;  von  dem  Radius  direkt  durch  das 
Caput  radiale,  welches  dem  Mittelfinger  entspricht,  von  der  Ulna 
indirekt,  durch  Vermittelung  einer  Aponeurosis  intermuscularis,  welche 
ihn  an  der  ulnaren  Kante  der  Tuberositas  ulnae  anheftet.  Dieser  Tat- 
sache wird  durch  den  DuMASschen  Namen,  epitrochleo  -  coroni- 
phalangien,  Rechnung  getragen. 

Eine  derartige  Ursprungsweise  muß  bei  seiner  verhältnismäßig 
oberflächlichen  Lage  einen  Sehnenbogen  schaff'en,  ähnlich  dem,  welcher 
beispielsweise  beim  M.  soleus  immer  beschrieben  wird,  eine  Arkade, 
unter  welcher  die  tiefer  gelegenen  Gefäße  und  Nerven  des  Vorder- 
armes verlaufen.  Wenn  wir  beim  M.  flexor  carpi  ulnaris  von  einer 
Durchbohrung  durch  den  N.  ulnaris  (und  die  Anastomose  zwischen 
Vasa  collateralia  ulnaria  superiora  und  recurrentia  ulnaria  posteriora) 
reden,  so  muß  hier  mit  noch  größerem  Rechte  von  einer  Durchbohrung 
durch  den  N.  medianus  und  die  starken  Vasa  ulnaria  gesprochen  werden. 
Die  Lücke  des  Ursprunges  zwischen  Radius  und  Epicondylus  medialis 
stellt  die  Pforte  dar,  mittelst  welcher  die  tiefen  Gebilde  des  Vorder- 
armes mit  denen  der  Ellenbeuge  in  Beziehung  treten,  eine  außer- 
ordentlich wichtige  Frage,  weil  hierdurch  das  Fortschreiten  der  tiefen 
Vorderarmphlegmonen  auf  den  Oberarm  verständlicher  wird. 

Die  oben  erwähnte  zweischichtige  Lage  bewahrt  der  Muskel  bis 
zum  Handgelenke;  daß  die  oberflächliche  Sehne  für  den  kleinen 
Finger  fehlen  kann,  ist  für  unsere  Darstellung  belanglos. 

127 


128 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 


R.  superior  (pro  venire  superiori  digiti  U) 


Corpusculum  lamellosum  (Vater-Pacim) 


R.  medius  (pro  digitts 
III,  IV  et  V) 


R.  inferior  (pro  ventre 
inferiori  digiti  II) 


Fig.  60.    M,  flexor  digitorum  subUmis,  Nervenbild. 
128 


M.  flexor  digitorum  sublimis.  129 

Nachdem  die  4  (oder  3)  Sehnen  den  Hohlhandtunnel  durchsetzt 
haben,  finden  wir  sie  an  seinem  distalen  Ende  schon  nebeneinander 
gelagert,  divergierend  zur  Achse  ihrer  Finger  hinstrebend.  Ungefähr 
in  der  Mitte  der  Grundphalanx  findet  die  Teilung  der  Sehne  zum 
Durchbruche  der  tiefen  Beugesehne  statt,  die  Bifurcatio  tendinis ;  das 
Chiasma  tendinum  (Camperi),  die  teilweise  Kreuzung  der  Sehne,  liegt 
erst  in  ungefährer  Höhe  des  Gelenkes  zwischen  (I)  Grund-  und  (II> 
Mittelphalanx.  Die  Endsehne  setzt  gespalten  etwa  in  der  Mitte  der 
Mittelphalanx  an,  an  Leisten,  die  mit  Leichtigkeit  an  jedem  Knochen- 
präparate zu  erkennen  sind,  schon  bei  älteren,  etwa  10-jährigen 
Kindern. 

Der  Muskel  reicht  also  vom  Epicondylus  medialis  bis  zur  Mittel- 
phalanx des  Zeige-  bis  kleinen  Fingers.  Indessen  ist  er  durchaus 
nicht  gleichmäßig  angelegt,  mehr  noch  der  Architektur,  als  der  In- 
nervation nach.  Wie  erwähnt,  liegt  in  oberflächlicher  Schicht  Muskel- 
fleisch und  Sehne  für  den  3.  und  4.  Finger,  in  tiefer  für  den  2.  und  5. 
Nichts  wäre  natürlicher,  als  anzunehmen,  daß  der  3.  und  4.  Finger 
einen  besonderen  oberflächlichen  Nerven  erhalten,  und  der  2.  und  5. 
einen  gesonderten  tiefen.  Dem  ist  aber  nicht  so:  der  3.,  4.  und  5. 
Finger  erhalten  einen  gemeinschaftlichen  Nerven,  während  der 
Zeigefinger  auch  an  der  Beugeseite  eine  Besonderheit  aufweist.  Er 
erhält  nämlich  für  seine  beiden  Bäuche  zwei  Nerven,  einen  hoch 
oben,  dicht  unterhalb  der  Ellenbeuge  und  einen  unteren,  erst 
in  der  distalen  Hälfte  des  Vorderarmes.  Der  M.  flexor  in- 
dicis  sublimis  ist  in  der  Tat  ein  zweibäuchiger  Muskel  mit  deutlicher 
Zwischensehne,  getrennt  auch  durch  den  ganz  verschiedenen  Ursprung 
der  Nervenzweige   der  beiden  Muskelbäuche. 

Das  genauere  Verhalten  der  Sehnen  im  Tunnel  des  Handgelenkes^ 
beim  Verlaufe  durch  die  Hohlhand  und  innerhalb  der  Sehnenscheiden  der 
Finger  kann  erst  bei  den  betreffenden  Abschnitten  beschrieben  werden. 

Idiotopie  und  Skeletopie  unter  gleichzeitiger  Berück- 
sichtigung der  Innervation. 

Der  M.  flexor  digitorum  sublimis  ist,  wie  wir  bei  der  Muskel- 
beschreibung kennen  gelernt  haben,  der  komplizierteste  Muskel  des 
Armes,  vielleicht  sogar  des  ganzen  Körpers.  Ueber  den  richtigen 
Bau  gibt  erst  das  Nervenbild  klaren  Aufschluß.  Der  Muskel  erhält 
im  allgemeinen  3  Nervenstämme,  von  denen  2  im  oberen  Drittel 
des  Vorderarmes,  der  dritte  erst  in  der  ungefähren  Mitte  des  Vorder- 
armes sich  als  selbständiger  Ast  vom  N.  medianus  sondert.  Der 
obere  und  der  untere  Nerv  sind  für  die  beiden  Muskelbäuche  des 
oberflächlichen  Zeigefingerbeugers  bestimmt,  der  mittlere  Ast  versorgt 
die  Beuger  für  den  3.-5.  Finger.  Charakteristisch  für  den  Zeige- 
fingerbauch ist  die  tiefe  Lage  unter  den  Bäuchen  für  den  3. 
und  (4.)  Finger.  Die  Besprechung  seiner  Nerven  bleibt  deshalb 
besser  für  später  aufgehoben,  w^enn  die  oberflächliche  Schicht  ge- 
schildert worden  ist. 

Bei  Beugung  des  Mittelfingers  sieht  man  mitunter  außerordent- 
lich klar,  wie  die  Sehne  und  der  angrenzende  Muskelbauch  sich 
nicht  allein  gegen  den  Epicondylus  vorschiebt,  sondern  auch  gegen 
den  Radius  und  an  der  radialen  Seite  des  M.  flexor  carpi  radialis 
erscheint.  Diese  Stelle  bietet  auch  den  besten  Punkt  für  die  ge- 
Handbuch der  Anatomie.    II,  II,  2.  Q 

129  ^ 


130  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

sonderte  elektrische  Reizung  des  oberflächlichen  Mittelfingerbeugers 
durch  das  sogenannte  Caput  radiale. 

Der  oberflächliche  Beuger  für  den  Ringfinger  liegt  mehr  ulnar- 
wärts  und  strebt  ausschließlich  gegen  den  Epicondylus  medialis  hin. 
Wie  unsere  Abbildung  zeigt,  ist  das  Nervenbild  sehr  ausgedehnt,  und 
eine  Reizung  fast  in  der  ganzen  Länge  des  Vorderarmes  möglich. 
(Bei  einem  27  cm  langen  Vorderarme  beträgt  das  Reizungsgebiet 
bei  Dorsalflexion  der  Hand  und  Fingerstreckung  etwa  20  cm,  die  7 
fehlenden  Centimeter  verteilen  sich  ungefähr  auf  3  cm  proximal  und 
4  cm  distal.) 

Die  wunderbarste  Einrichtung  findet  sich  aber  in  der  tiefen 
Schicht,  welche  die  Muskelbäuche  für  den  2.  und  5.  Finger  enthält. 
Eine  nicht  sorgfältig  durchgeführte  Präparation  läßt  es  so  erscheinen, 
als  ob  die  beiden  Muskelbäuche  einer  einheitlichen  Sehne  entstammten, 
welche  sich  proximalwärts  in  dem  gemeinschaftlichen  Bauche  des  M. 
flexor  digitorum  sublimis  verliert.  In  Wirklichkeit  ist  aber,  wie  die 
Innervation  auf  das  überzeugendste  nachweist,  der  Bauch  für  den 
kleinen  Finger  rudimentär  geworden  und  hat  den  proximalen  Zu- 
sammenhang mit  dem  Epicondylus  medialis  gewöhnlich  verloren. 
Sein  Nerv  kommt  regelmäßig  aus  dem  Muskelbauche  für  den  Ring- 
finger heraus,  dessen  distale  Verlängerung  bis  in  die  Nähe  des  Hand- 
gelenkes er  gemäß  seiner  Innervation  bildet. 

Am  schwersten  darzustellen  ist  die  Innervation  des  deshalb  bis 
zum  Schlüsse  verschobenen  M.  flexor  indicis  sublimis.  In  unserer  Ab- 
bildung erscheint  der  obere,  proximale  Bauch  verhältnismäßig  lang 
und  dementsprechend  auch  das  Nervenbild  in  die  Länge  gezogen. 
Verschiedene  Anastomosen  haben  wir  mit  abgebildet,  und  auch  ein 
VATER-PACiNi'sches  Körpercheu,  welches  besonders  bezeichnet  ist. 
Auch  an  den  Endsehnen  haben  wir  verschiedene  Male  solche  nach- 
weisen können.  Der  obere  Bauch  dürfte  bei  seiner  versteckten  Lage 
und  dem  ganz  aus  der  Tiefe  herauskommenden  Zweige  des  N.  me- 
dianus  kaum  gesondert  gereizt  werden  können.  Bedeutend  leichter 
ist  es  bei  dem  unteren  Bauche,  dessen  isolierte  Reizung,  ungefähr  in 
der  Mitte  des  Vorderarmes,  den  Klinikern  bekannt  ist.  Dieser  spindel- 
förmige Muskelbauch  verhält  sich  in  seinem  Nervenbilde  durchaus 
typisch.  Da  der  entsprechende  Nerv  ungefähr  in  seiner  Mitte  eintritt, 
finden  sich  beinahe  gleich  lange  auf-  und  absteigende  Nervenendäste. 

Um  also  unsere  anatomischen  Befunde  über  die  vorteilhaftesten 
isolierten  Reizungspunkte  der  einzelnen  Bäuche  des  M.  flexor  digi- 
torum sublimis  kurz  festzulegen,  betonen  wir  folgendes: 

Die  beiden  oberflächlich  gelegenen  Beuger  für  den  Mittel-  und 
Ringfinger  werden  in  der  oberen  Hälfte  des  Vorderarmes  am  besten 
gereizt.  Der  für  den  Mittelfinger  bestimmte  wird  sogar  (entsprechend 
seinem  Caput  radiale)  an  der  radialen  Seite  des  M.  flexor  carpi 
radialis  isoliert  gefunden,  in  der  Mitte  des  Vorderarmes  und  etwas 
darunter ;  der  Bauch  für  den  4.  Finger  etwas  nach  vorn  von 
der  Richtungslinie  für  die  Unterbindung  der  A.  ulnaris;  der 
Bauch  für  den  kleinen  Finger  entsprechend  derselben  Linie,  nur 
weiter  distalwärts.  Der  Bauch,  oder  richtiger  die  Bäuche  für  den 
Zeigefinger  verhalten  sich  verschieden.  Der  im  proximalen  Viertel 
des  Vorderarmes  liegende  obere  Bauch  ist  kaum  einer  isolierten 
Reizung  zugängig,  die  des  unteren  gelingt  in  der  unteren,  distalen 
Hälfte  des  Unterarmes,   ungefähr  in  der  Mittellinie   unter  der  Sehne 

130. 


M.  flexor  digitorum  sublimis.  131 

des  M.  palmaris  longus,  oder,  wenn  dieser  fehlt,  etwas  ulnar  von  der 
Sehne  des  M.  flexor  carpi  radialis. 

Nach  vielen  vergeblichen  Bemühungen,  für  den  M.  flexor  digi- 
torum sublimis  die  Doppelinnervation  aus  den  N.  medianus  und 
ulnaris  auch  für  den  Menschen  nachzuweisen,  glückte  es  uns  bei 
unserem  letzten  Vergleichspräparate,  in  einwandsfreier  Weise  einen 
Nerven  zu  finden,  welcher  den  oberen  Bauch  des  M.  flexor  indicis 
sublimis  mitversorgen  half.  Damit  würde  auch  der  M.  flexor  digi- 
torum sublimis  in  Ausnahmefällen  in  die  Reihe  der  diploneuren  Mus- 
keln eintreten. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  den  4  Muskeln  der  ober- 
flächlichen Lage  je  nach  der  Mächtigkeit  der  entsprechenden  Muskel- 
bäuche und  Sehnen  und  scheint  beim  Fehlen  des  M.  palmaris  longus 
unmittelbar  zur  oberflächlichen  Schicht  zu  gehören.  Der  Margo 
proximalis  stellt  regelmäßig  eine  Verbindung  zwischen  Radius  einer- 
seits, Ulna  und  Epicondylus  medialis  humeri  andererseits  dar  und 
entspricht  topographisch  ungefähr  dem  distalen  Rande  des  M.  Pro- 
nator teres.  Zwischen  Radius  und  Ulna  muß  sich  ein  Sehnen  bogen 
finden,  unter  welchem  die  bis  dahin,  eventuell  getrennten  N.  me- 
dianus und  Vasa  ulnaria  ihren  Weg  handwärts  nehmen.  Der 
Margo  lateralis  entspricht  der  dünnen,  sehnigen  Anheftung  des  Caput 
radiale  an  der  vorderen  lateralen  Kante  der  Speiche.  Der  Margo 
medialis  schließt  sich  an  die  ulnare  Gruppe  der  Vorderarmbeuger 
an,  soweit  nicht  eine  teilweise  Einschiebung  durch  den  N.  und  die 
Vasa  ulnaria  u.  s.  w.  geschaff'en  ist.  Der  Margo  distalis  ist  im  Be- 
zirke des  Vorderarmes  überhaupt  nicht  festzustellen,  weil  die  End- 
sehnen sich  bis  zu  den  Fingern  begeben.  Theoretisch  kann  hier  die 
Grenze  zwischen  Vorderarm  und  Hand,  d.  h.  der  proximale  Rand  des 
Lig.  carpi  transversum  an  die  Stelle  treten.  Die  Facies  profunda 
deckt  unter  allen  Umständen  die  tieferen  Schichten  der  tiefen  Lage, 
d.  h.  die  M.  flexor  pollicis  longus  und  digitorum  profundus,  ferner 
als  praktisch  wichtigstes  Gebilde  in  noch  oberflächlicherer  Lage  den 
N.  medianus,  welcher  unter  Umständen  noch  vom  gleichnamigen  Ge- 
fäße begleitet  sein  kann.  Die  sonst  noch  in  Frage  kommen  können- 
den Konjugationen  zwischen  den  verschiedenen  Beugemuskeln  des 
Vorderarmes  können  h'ier  nicht  im  besonderen  beschrieben  werden 
und  sind  bei  den  einzelnen  Muskeln  nachzusehen. 

Muskelbündellänge. 

Caput  II,  Venter  superior,  Minimum  2,3  cm 

„        „         „  „         Maximum  3,5     „ 

Durchschnitt  aus  5  Messungen  2,8     „ 

Unterschied  in  Centimetern  1,2,  in  Prozenten  52  %• 
Caput  II,  Venter  inferior,  Minimum  4     cm 

)i        „         „  „        Maximum  6       „ 

Durchschnitt  aus  5  Messungen  4,6    „ 

Unterschied  in  Centimetern  2,  in  Prozenten  50  7o« 
Caput  II  in  toto,  Minimum  2,3  cm 

Maximum  6 


Durchschnitt  aus  10  Messungen  3,7 

em 

131 


uurcnscnniit  aus  lu  Messungen  3,7     „ 

Unterschied  in  Centimetern  3,7,  in  Prozenten  161  "/q. 

9* 


132 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


Caput  III,  Minimum  4,5  cm 

„         „  Maximum  6,9     „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen  5,5    „ 

Unterschied  in  Centimetern  2,4,  in  Prozenten  44  "/o- 
Caput  IV,  Minimum   5,5  cm 

„         „  Maximum  7,7     „ 

Durchschnitt  aus  7  Messungen  6,4    „ 

Unterschied  in  Centimetern  2,2,  in  Prozenten  40  7o- 
Caput  V,  Minimum  4,1  cm 

„        „  Maximum  4,7     „ 

Durchschnitt  aus  3  Messungen  4,4    „ 

Unterschied  in  Centimetern  0,6,  in  Prozenten  15  7o' 
In  toto  Minimum  2,3  cm 

„      „  Maximum  7,7     „ 

Durchschnitt  aus  26  Messungen  4,9    „ 

Unterschied  in  Centimetern  5,4,  in  Prozenten  235  7o« 

Segmentbezüge. 
7.  8.  Cervicalnerv.     I.  Thoracalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  Unker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

42 
32 
91 
90 

29,5 
22,65 
75,5 
71,5 

12,5 
9,35 
15,5 
18,5 

70,2 
70,8 
83 
79,4 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

63,8 

49,8 

14 

75,9 

Varietäten. 

Da  wir  in  keinem  Falle  die  Zwischensehne  in  der  Tiefe  des  Mus- 
kels vermißt  haben,  welche  im  wesentlichen  für  den  Doppelbauch 
des  Zeigefingers  bestimmt  ist,  können  wir  diesen  M.  flexor  digastricus 
indicis  (Chüdzinski)  nicht  als  Varietät  weiter  beachten. 

Ferner  sind  hervorzuheben  die  Verbindungen  mit  den  Nachbar- 
muskeln oder  besser  mit  der  oberflächlichen  und  tiefen  Schicht.  In 
oberflächlicher  Lage  kann  er  sich  an  den  M.  palmaris  longus  an- 
schließen, diesen  vertreten,  d.  h.  bis  zur  Aponeurosis  palmaris  reichen, 
oder  schon  früher  in  der  Fascia  antebrachii  enden.  Die  Verbindungen 
zur  tieferen  Schicht  führen  entweder  zum  M.  flexor  pollicis  longus, 
was  nicht  selten  ist,  oder  zum  M.  flexor  digitorum  profundus  mittelst 
einer  oder  mehrerer  schlanker,  langer  Sehnen,  oder  sogar  bis  zu  den 
M.  lumbricales,  die  nur  als  distale  Muskelbäuche  des  M.  flexor  digi- 
torum profundus  aufzufassen  sind. 

Das  Fehlen  eines  Muskelkopfes  kommt  am  häufigsten  beim  Klein- 
finger zur  Beobachtung:  wir  selbst  können  bestätigen,  daß  dann  ent- 
weder kein  Ersatz  statthat,  der  M.  flexor  profundus  eine  entsprechende 
oberflächliche  Sehne  hervorgehen  läßt,  oder  diese  sich  erst  aus  einem 
Muskelbündel  entwickelt,  welches  am  Lig.  carpi  transversum  ent- 
springt oder  ein  Teil  des  M.  lumbricalis  IV  ist. 

Auch  innerhalb  der  Beugesehnenscheide  kann  die  oberflächliche 
Sehne  noch  eine   Varietät  aufweisen,  indem   die  Teilung  der  ober- 


M.  flexor  digitorum  sublimis.  133 

flächlichen  Beugesehne  nicht  eintritt,  sondern  ein  ungeteilter  Ansatz 
an  der  radialen  Seite  der  Mittelphalanx. 

Das  Caput  radiale  geht  nicht  zu  der  Sehne  für  den  3.  Finger, 
sondern  zieht  zum  4.  Finger  und  liegt  hierbei  oberflächlicher,  als  die 
Sehne  für  den  3.  Finger,  welcher  nur  oberhalb  des  Ansatzes  des  M. 
Pronator  teres  einige  dünne  Ursprünge  vom  Radius  besitzt;  die  vom 
Epicondylus  medialis  entspringenden  Muskelbündel  liefern  eine  be- 
sondere Sehne,  welche  sich  erst  unter  dem  Lig.  carpi  transversum 
mit  derjenigen  des  abnormen  Caput  radiale  verbindet.  Wir  legen 
auf  diese  Varietät  aus  neurologischen  Gründen  großes  Gewicht,  weil 
ein  derartiger  Befund  am  Lebenden  die  von  uns  aufgestellte  Be- 
hauptung in  Mißkredit  bringen  könnte,  daß  nämlich  die  Reizung  des 
Caput  radiale  an  der  radialen  Seite  des  M.  flexor  carpi  radialis  eine 
isolierte  Bewegung  des  Mittelfingers  auslöst,  während  bei  einer  solchen 
Varietät  der  4.  Finger  gebeugt  werden  würde.  Außerdem  haben  wir 
einen  Teil  des  M.  flexor  indicis  profundus  ein  Caput  radiale  ent- 
wickeln sehen,  so  daß  auch  der  Zeigefinger  von  dieser  Stelle  aus 
isoliert  zur  Zuckung  gebracht  werden  könnte.  Alle  diese  Fälle  ge- 
hören aber  zu  den  Ausnahmen  und  sind  dazu  sehr  selten. 

Das  Caput  radiale  des  M.  flexor  digitorum  sublimis  unterliegt 
unglaublichen  Schwankungen :  es  kann  vollständig  fehlen,  zum  4.  und 
2.  Finger  hingehen  oder,  wie  es  in  den  V.  B.  (No.  459)  verzeichnet 
ist,  sich  sogar  zum  Flexor  digitorum  profundus  begeben. 

M.  flexor  digitorum  profundus. 

Synonyma:  Tiefer  oder  durchbohrender  Fingerbeuger ;  M.  flexor 
digitorum  perforans,  digitorum  tertii  internodii  flexor ;  Flechisseur  commun 
profond  des  doigts,  fl.  perforant  cubito  -  phalangien  commun  Chaussier, 
m.  cubito-phalangettien  commun  Dumas,  Beuger  der  zwei  letzten  Phalangen 
Düchenne-Wernicke. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  tiefe  Fingerbeuger  ist  in  der  erheblichsten  Weise  von  dem 
oberflächlichen  Beuger  verschieden,  sowohl  nach  Lage,  Gestalt  und 
Bau,  wie  besonders  nach  der  Innervierung.  Die  Wirkung  entspricht 
ja  bei  beiden  dem  Namen,  die  Finger  zu  beugen,  entweder  die  Mittel- 
oder die  Nagelphalanx.  Es  ist  aber  die  merkwürdige  Einrichtung  zu 
verzeichnen,  daß  beim  Ansätze  die  Sehne  des  M.  flexor  sublimis  voll- 
kommen von  der  des  M.  flexor  profundus  verdeckt  wird. 

Während  der  M.  flexor  sublimis  noch  auf  den  Humerus  über- 
greift und  unmittel-  oder  mittelbar  von  beiden  Vorderarmknochen 
entspringt,  finden  wir  den  M.  flexor  profundus  auf  den  Vorderarm, 
sogar  fast  ausschließlich  auf  die  Ulna  beschränkt;  dagegen  greift  der 
Ansatz  bis  auf  die  Endphalanx  über. 

Die  mächtige  Muskelmasse,  sowie  die  sich  aus  ihr  entwickelnden 
4  Sehnen,  liegen  nicht  übereinander  geschichtet,  wie  beim  M.  flexor 
sublimis,  sondern  parallel  nebeneinander.  Wenn  in  der  Hohlhand 
die  Sehnen  zu  den  einzelnen  Fingern  auseinanderweichen,  dienen  sie 
aber  außerdem  noch  den  M.  lumbricales  in  charakteristischer,  später 
zu  schildernder  Weise  zum  Ursprünge. 

133 


134  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Während  des  Verlaufes  innerhalb  der  Fingersehnenscheide  bleibt 
die  Sehne  einheitlich,  nach  Durchbohrung  der  oberflächlichen  Sehne 
macht  sich  allerdings  die  Andeutung  einer  Zweiteilung  bemerkbar  in 
Gestalt  einer  seichten  axialen  Furche,  die  jedoch  beim  Ansätze  an 
der  Basis  der  Nagelphalanx  schon  gänzlich  wieder  ausgeglichen  sein 
kann. 

Weit  wichtiger  ist  die  Innervierung.  Der  Muskel  ist  diploneur, 
wird  sowohl  vom  N.  medianus  wie  vom  N.  ulnaris  versorgt,  während 
der  M.  flexor  sublimis  allein  dem  N.  medianus  untersteht.  Im  all- 
gemeinen wird  angegeben,  daß  die  radiale  Hälfte  des  Muskels  vom 
N.  medianus  versorgt  wird,  die  ulnare  vom  N.  ulnaris.  Inwieweit 
das  nach  unseren  Untersuchungen  zutrifft,  soll  erst  hinterher  erläutert 
werden. 

I-diotopie  und  Skeletopie. 

Man  kann  sagen,  daß  der  Ursprung  die  ganze  Vorderfläche  der 
Ulna  einnimmt,  von  der  Tuberositas  bis  zum  oberen  Rande  des 
M.  Pronator  quadratus  und  noch  darüber  hinaus,  beiderseits  Apo- 
neurosen  benutzt:  radial  das  Lig.  oder  die  Membrana  interossea, 
ulnar  die  sehnige  Ursprungsplatte  des  M.  flexor  carpi  ulnaris. 

Wir  unterscheiden  demgemäß: 

1)  knöchernen  Ursprung  von  den  oberen  zwei  Dritteln  der 
vorderen  Fläche  der  Ulna  bis  zur  hinteren  Kante; 

2)  oberflächlichen  Ursprung  von  der  Aponeurosis  des  M.  flexor 
carpi  ulnaris; 

3)  ligamentösen  tiefen  Ursprung  von  der  Membrana  interossea, 
bisweilen  sogar  bis  an  den  Radius  heran. 

Als  obere,  proximale  Grenze  dient  der  keilartig  nach  unten 
geschobene  Ansatz  des  M.  brachialis  an  der  Tuberositas  ulnae. 
Waldeyer  vergleicht  dies  Verhalten  mit  einem  nach  unten  ge- 
richteten gothischen  Spitzbogen,  welcher  beiderseits  von  Muskel- 
bündeln umrahmt  wird.  Diese  Tatsache  ist  konstant  und  zwar  meistens 
in  der  Weise  verwirklicht,  daß  der  radiale  Teil  dem  Muskelbauche  für 
den  Zeigefinger  entspricht,  der  größere  ulnare  dem  hier  noch  ein- 
heitlichen Bauche  für  den  3.  bis  5.  Finger.  Es  sei  hier  gleich  er- 
wähnt, daß  diese  Trennung  auch  praktische  Berechtigung  hat,  indem 
nämlich  sich  bei  Reizung  des  N.  ulnaris  etwa  2—3  Querfinger  unter- 
halb des  Ellenbogengelenkes  sich  die  Finger  3 — 5  in  der  allerkräftig- 
sten  Weise  beugen.  Ob  eine  wirkliche  anatomische  Trennung  der 
Muskeln  nach  den  Nerven  und  der  Lage  an  dieser  Stelle  statthat, 
erscheint  uns  zweifelhaft ;  aber  auch  die  normal-physiologische  Sonde- 
rung wäre  praktisch  nicht  so  bedeutsam ;  die  hier  meist  vorhandenen 
extra-  und  intramuskulären  Verbindungen  zwischen  N.  medianus  und 
ulnaris  dürften  in  pathologischen  Fällen  ausreichen,  um  dem  elektri- 
schen Strome  auch  über  das  anatomisch  nachweisbare,  richtiger  von 
uns  bis  jetzt  nachgewiesene  Verbreitungsgebiet  Wirkung  zu  ver- 
schaffen. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  wird  bedeckt  von  dem  M.  flexor  digi- 
torum   sublimis   und  flexor   carpi  ulnaris,   von  letzterem  in  seinem 

134 


M,  flexor  digitorum  profundus.  135 

vorderen  Abschnitte  muskulös  oder  genauer  fasciell,  in  seinem  hinteren 
Abschnitte,  welcher  gleichzeitig  als  Ursprungssehne  dient,  aponeuro- 
tisch.  Der  Margo  superior  s.  proximalis  umrahmt  die  Tuberositas 
ulnae.  Der  Margo  lateralis  s.  radialis  schließt  sich  an  den  M.  flexor 
l)ollicis  longus  an ;  dicht  an  der  Membrana  interossea  antebrachii  ver- 
laufen dem  Schema  nach  in  der  trennenden  Furche  der  N^  und  die 
Vasa  interossea  volaria,  jedoch  können  diese  Gebilde  gemeinschaft- 
lich oder  getrennt  auf  eine  kürzere  oder  größere  Strecke  einen  ent- 
sprechenden Abschnitt  der  beiden  Muskeln  umfassen.  Varietäten 
hierbei  sind  so  häufig  und  nebenbei  belanglos,  daß  eine  genauere  Be- 
schreibung über  den  Rahmen  dieses  Buches  hinausgehen  würde,  nach 
dem  Umfange,  welchen  wir  für  gewöhnlich  den  Varietäten  zugemessen 
haben.  Die  Pars  inferior  s.  distalis  ist  nicht  scharf  begrenzt,  weil 
sie  sich  durch  den  Hohlhandtunnel  bis  zu  den  Nagelgliedern  der 
Finger  fortsetzt.  Die  Facies  profunda  setzt  sich  rein  muskulös  inner- 
halb der  eben  beschriebenen  Grenzen  an  der  Vorderfläche  der  Ulna, 
der  Membrana  interossea,  bisweilen  auch  an  dieser  oder  jener  Stelle 
des  Margo  interosseus  radii  an.  Die  Nerven  und  Gefäße,  welche  hart 
über  die  Facies  superficialis  verlaufen,  sind  der  N.  medianus  (eventuell 
mit  gleichnamigen  Gefäßen)  und  der  N.  und  die  Vasa  ulnaria.  Ferner 
am  ulnaren,  proximalen  Rande  die  hinteren  Aeste  der  Vasa  recurrentia 
ulnaria. 

Innervation. 

Die  gemeinschaftliche  Nervenreizung  des  M.  flexor  digitorum 
profundus  ist  am  sichersten  im  oberen  Drittel  der  Richtungs- 
linie auszuführen.  Die  isolierte  Reizung  für  die  einzelnen  Finger 
kann  eventuell  durch  Ansatz  der  Elektrode  auf  die  Muskelbäuche 
selbst  in  der  Mitte  des  Vorderarmes  ausgeführt  werden.  Von  der 
hinteren  Kante  aus  nach  vorn  beginnt  der  Ursprung  des  5.  Beugers, 
der  4.  entspricht  der  ulnaren  Kante  des  Vorderarmes,  der  3.  Beuger 
liegt  bereits  auf  der  Vorderseite.  Fast  unmöglich  erscheint  uns  da- 
gegen eine  isolierte  Reizung  des  tiefen  Zeigefingerbeugers,  einmal 
weil  der  Nerv  aus  dem  N.  medianus  kommt  und  sogar  erst  aus  dem 
N.  interosseus  volaris,  dann  aber,  weil  der  isolierte  Abgang  aus  dem 
N.  medianus  von  sämtlichen  oberflächlichen  Beugern  und  auch  noch 
von  dem  M.  flexor  digitorum  sublirnis  überlagert  ist. 

Als  Typus  für  die  Innervation  des  M.  flexor  profundus  möchten 
wir  eine  Teilung  in  der  Weise  vornehmen,  daß  der  2.  Finger  aus- 
schließlich vom  N.  medianus  versorgt  wird,  der  3.-5.  Finger  ge- 
wöhnlich vom  N.  ulnaris  aus.  Das  am  häufigsten  vorkommende 
Uebergreifen  eines  der  Nerven  auf  andere  Muskelbündel  spielt  sich 
beim  Mittelfinger  ab.  So  sehen  wir  in  unserer  Fig.  61  eine  aus- 
gesprochene Doppelinnervation  des  3.  Fingers,  aber  es  gehen  auch 
noch  einige  feine  Nerven  zur  Muskulatur  des  4.  Fingers.  Die  lange 
Anastomose,  welche  wir  auch  noch  zwischen  dem  N.  medianus  und 
ulnaris  bis  in  die  Nähe  der  Endsehne  des  5.  Fingers  verfolgen  konnten, 
ist  uns  in  ihrer  Bedeutung  zweifelhaft,  ob  es  sich  nämlich  um  einen 
Austausch  von  Nerven  für  Muskelbündel  handelt,  oder  nur  um  Sehnen- 
nerven, wie  wir  auch  an  anderer  Stelle  ein  ähnliches  Verhalten  ge- 
sehen haben,  so  bei  den  M.  teres  minor  und  infraspinatus  mit  den 
N.  suprascapularis  und  axillaris. 

135 


136        "^  f  1  1(1  nar. 


M.  flex.  carp.  uln. 


II  M.  flex.  potl.  long. 


V ■  IV        in 

M.  flex.  digit.  prof. 

Fig.  61.    M.  flexor  carpi  ulnaris,  digitorum  profundus  et  pollicis  longus,  NetTenbild. 


M.  flexor  digitorum  profundus. 


137 


Im  Innern  der  einzelnen  Muskelabschnitte  haben  wir  an  wechseln- 
der Stelle  in  der  ganzen  Länge  verschiedene  Anastomosen  nach- 
gewiesen und  hier  dem  Einzelpräparate  naturgetreu  nachgebildet. 

An  demselben  ist  der  Anteil  der  Zweige  des  N.  medianus  also 
ein  unverhältnismäßig  großer,  da  er  außer  zum  3.  Finger  noch  zum 
4.  und  sogar  zum  5.  Finger  Nerven  hervorgehen  läßt. 


Muskelbündellänge. 

Caput  II,  Minimum  6     cm 

„        „    Maximum  7,2    „ 

Durchschnitt  aus  7  Messungen     6,6   „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,2,  in  Prozenten  20  7o' 
Caput  III,  Minimum  6,3  cm 

„         „     Maximum  7,7    „ 

Dxu-chschnitt  aus  7  Messungen      7,1   „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,4,  in  Prozenten  22  °j^. 
5,6  cm 
7,6    „ 

Durchschnitt  aus  7  Messungen     6,5   „ 
Unterschied  in  Centimetern  2,  in  Prozenten  36  "/o- 
Caput  V,  Minimum  5,5  cm 

„       „    Maximum  6,5   „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen     5,9   „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,  in  Prozenten  18  Vo- 
In  toto,  Minimum  5,5  cm 

„       y,     Maximum  7,7    „ 

Durchschnitt  aus  27  Messungen   6,6   „ 
Unterschied  in  Centimetern  2,2,  in  Prozenten  40  7o« 


Caput  IV,  Minimum 
_     Maximum 


Segmentbezüge. 
7.  8.  Cervikalnerv.    I.  Thorakalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel-        Sehnen- 
substanz      Substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

48,7 
42,9 

115 

100 

36,7 
32,3 
95 
80 

12 
10,6 
20 
20 

75,4 
75,3 
82,6 
80 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

76,7 

61 

15,6 

78,3 

Varietäten. 

Der  tiefe  Fingerbeuger  kann  eine  ausgesprochene  Sonderung  der 
einzelnen  parallel  zueinander  gelagerten  Muskelbäuche  aufweisen,  als 
Norm  fassen  wir  es  für  den  Muskelbauch  des  Zeigefingers  auf,  der 
bis  zu  seinem  Ursprünge  an  der  radialen  Seite  der  Tuberositas  uluae 
durchaus  selbständig  sein  kann.  Weniger  scharf  sind  die  Muskel- 
bäuche für  den  3. — 5.  Finger  voneinander  getrennt  und  hängen  häutig 
auch  durch  schmale  lange  Sehnen  miteinander  zusammen.  Teilweise 
dienen  solche  langen  Sehnen,  die  sich  auch  von  dem  M.  flexor  sublimis 
loslösen  können,  den  Bündeln  der  M.  lumbricales  zum  Ursprünge 


138  FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

No.  361  der  V.  B.  gibt  folgenden  Fall  an:  Verdoppelung  der 
Sehne  des  Profundus  II.  Verschmelzung  unter  dem  Lig.  carpi  trans- 
versum,  dann  Teilung  und  accessorischer  Ansatz  der  einen  Sehne  am 
radialen  Rande  der  Basis  der  Grund  phalanx.  —  Beide  Beugesehnen 
für  den  kleinen  Finger  fehlen.  (No.  411.)  Rudimente  (nicht  patho- 
logischer Art)  finden  ihren  Ansatz  zu  beiden  Seiten  der  Basis  der 
Grundphalanx.  Der  Digitalteil  der  Beugesehnen  ist  nur  durch  ein 
Vinculum  tendineum  angedeutet,  welches  von  der  Mittel-  bis  zur 
Nagelphalanx  verläuft. 

Unter  No.  474  ist  ein  Fall  von  erblicher  Verkümmerung  des 
kleinen  Fingers  in  4  Generationen  berichtet  von  stud.  med  Wolf. 


M.  lumbricales. 

Synonyma:  M,  flectentes  primum  internodium,  Regenwurm-,  Spul- 
wurmmuskeln; Lombricaux,  palmi-phalangiens  Chaussier,  annuli-tendo- 
phalangiens  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Diese  4  dünnen  und  trotzdem  so  wichtigen  Muskeln  haben  beim 
Menschen  folgende  schematischen  Beziehungen  gewonnen,  von  denen  die 
systematische  Darstellung  auszugehen  hat: 

1)  Der  Ursprung  liegt  an  den  Sehnen  des  M.  flexor  digitorum 
profundus. 

2)  Der  Ansatz  findet  sich  an  der  radialen  Seite  der  Dorsal- 
aponeurose  des  2. — 5.  Fingers. 

Besonderheiten  sind  so  häufig,  daß  sie  nach  manchen  Beobachtern 
fast  dem  Prozentsatze  des  normalen  Verhaltens  gleichkommen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Man  bezeichnet  die  einzelnen  Muskeln  als  M.  lumbricalis  I — IV, 
wobei  zu  bemerken  ist,  daß  der  M.  lumbricalis  I  erst  am  Zeigefinger 
ansetzt;  in  entsprechender  Folge  setzt  beispielsweise  der  M.  lumbri- 
calis III  unter  typischen  Verhältnissen  erst  am  4.  Finger,  genauer 
gesagt,  an  seinem  radialen  Rande  an  u.  s.  w.  Dieser  Schwierigkeit  in 
der  Namengebung  dürften  sich  auch  die  früheren  Autoren  bewußt 
gewesen  sein;  wir  selbst  wissen  zur  Zeit  ebenfalls  keinen  Ausweg, 
den  vorhandenen  Widerspruch  zu  beseitigen.  Die  Analogie  mit  den 
Zwischenknochenmuskeln  hilft  uns  nicht  darüber  hinweg,  besonders 
wenn  man,  wie  wir  es  tun  werden,  einen  M.  interosseus  volaris  I  an- 
nimmt, welcher  als  tiefster  Teil  des  M.  adductor  pollicis  zum  Daumen 
geht.  Wir  können  jedoch  sämtlichen  Mißverständnissen  aus  dem 
Wege  gehen,  wenn  wir  als  Grundlage  für  die  entsprechenden  Be- 
zeichnungen I,  II,  III  und  IV  —  gleichviel,  ob  es  sich  um  einen 
M.  interosseus  dorsalis  oder  volaris  oder  um  einen  M.  lumbricalis 
handelt  —  das  knöchern  begrenzte  Spatium  interosseum  annehmen. 
Dann  hat  die  Zahlenbezeichnung  I— IV  nur  den  Zweck,  anzugeben, 
in  welchem  der  betreffenden  Zwischenknochenräume  der  fragliche 
Muskel  gelagert  ist. 

Die  M.  lumbricales  sind  an  der  Hand  trotz  ihrer  bedeutenderen 
Größe  schwerer  verständlich,  als  am  Fuße.   Letztere  entspringen  von  der 

138 


i 


M.  lumbricales.  139 

ursprünglich  einheitlichen,  dann  sich  in  4  Sehnen  teilenden  Hauptsehne 
des  M.  flexor  digitorum  pedis  longus.  Hieraus  ergibt  sich,  daß  der  M. 
lumbricalis  I  sich  vom  freien,  d.  h.  dem  Großzehenrande  der  Sehne  für 
die  zweite  Zehe  als  parallelfaseriger  Muskel  entwickeln  muß,  während  die 
drei  äußeren  Spulwurmmuskeln  zwischen  den  einander  zugekehrten 
Rändern  der  Sehnen  II — V  entstehen,  also  gefiedert  sein  müssen.  Die- 
selbe Einrichtung  findet  sich  auch  primär  an  der  Hand.  Der  M.  lumbri- 
calis I  kann  niemals  gefiedert  sein,  die  M.  lumbricales  III  und  IV 
sind  es  wohl  immer  und  auch  der  M.  lumbricalis  II  entspringt  nach 
unserer  Meinung  häufig  von  den  Nachbarrändern  der  tiefen  Beuge- 
sehne für  den  Zeige-  und  Mittelfinger. 

Andererseits  dürfen  wir  niemals  den  funktionellen  Unterschied 
zwischen  Hand  und  Fuß  außer  acht  lassen.  Bei  der  Hand  ist  die 
ausgiebige  Oppositionsfähigkeit  das  charakteristische  Merkmal;  beim 
Fuße  fehlt  für  die  große  Zehe  der  M.  opponens,  obwohl  andere 
Muskeln  der  Gegenüberstellung  teilweise  gerecht  werden.  Gerade 
die  Oppositionsbewegung  bewirkt  auch  für  die  Spulwurmmuskeln  der 
Hand  bedeutsame  Abweichungen  im  Verhalten  zu  denjenigen  des 
Fußes.  Der  M.  lumbricalis  I  wird  nämlich  in  seinem  proximalen 
Teile  über  die  Sehne  des  M.  flexor  sublim  is  digiti  II  hin  weg- 
geschoben, es  sieht  bei  oberflächlicher  Betrachtung  sogar  so  aus,  als 
ob  der  Muskel  von  der  oberflächlichen  Sehne  entspringe.  Die  viel- 
fach beliebte  Darstellung  seines  Ursprunges  —  auch  in  natürlicher 
topographischer  Haltung  —  von  der  tiefen  Beugesehne  dürfte  nur 
der  Liebe  zum  Schema  ihre  Berechtigung  verdanken. 

Der  M.  lumbricalis  II  muß,  auch  im  Vergleiche  zum  Fuße,  von 
den  beiden  benachbarten  Sehnen  II  und  III  entspringen.  Da  aber 
der  Flexor  indicis  profundus  gewöhnlich  eine  große  Selbständigkeit 
erreicht,  pflegt  auch  der  Ursprung  des  M.  lumbricalis  II  vom 
ulnaren  Rande  der  Sehne  zu  verkümmern.  Indessen  haben  wir  auch 
gut  entwickelte,  zweiköpfige  M.  lumbricales  II  gesehen.  —  Die 
M.  lumbricales  III  und  IV  sind  gefiedert,  da  sie  von  den  benach- 
barten Rändern  der  tiefen  Beugesehnen  IV  und  V  entspringen.  Un- 
gefähr so  selten,  wie  beim  M.  lumbricalis  II  die  Fiederung  vorkommt, 
ist  beim  M.  lumbricalis  III  oder  IV  die  einfache  Parallelfaserung, 
d.  h.  der  Ursprung  von  nur  einer  Beugesehne. 

Der  freie  Muskelbauch  verläuft  in  der  Achse  eines  Zwischen- 
knochenraumes zu  den  freien  Fingern  hin.  Je  näher  sie  dem  Mittel- 
finger, der  Handachse,  liegen,  um  so  senkrechter  ist  ihre  Richtung;  die 
peripheren  Muskeln,  also  I  und  IV,  ziehen  schräger  zu  den  Articulationes 
metacarpophalangeae,  als  die  zentralen  Muskeln,  d.  h.  II  und  III. 

Der  Ansatz  findet  an  der  radialen  Seite  der  Dorsalaponeurose 
statt;  jedoch  ist  zu  beachten,  daß  der  M.  lumbricalis  III  gewöhnlich 
einen  doppelten  Ansatz  besitzt,  nämlich  außer  dem  typischen  am 
radialen  Rande  des  Ringfingers  noch  einen  accessorischen  am  ulnaren 
Rande  des  Mittelfingers;  seltener  ist  dies  Verhalten  beim  M.  lumbri- 
calis IV  und  ganz  selten  beim  M.  lumbricalis  IL 

Holotopie  und  Syntopie. 

Im  Bereiche  der  Mittelhandknochen  liegen  die  Spulwurmmuskeln 
in  dem  lockeren  Bindegewebe  zwischen  Palmaraponeurose,  Beuge- 
sehnen und  tiefen  Handmuskeln,   d.  h.  in  der  ulnaren  Handhälfte  auf 

139 


140  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

den  M.  interossei,  in  der  radialen  auf  dem  M.  adductor  pollicis.  Mit 
dem  Kleinfingerballen  haben  die  M.  lumbricales  nichts  zu  tun,  wohl  aber 
mit  dem  Daumenballen.  Die  wichtigste  Lagebeziehung  dürfte  aber 
in  dem  Verhalten  zu  den  Beugesehnenscheiden  zu  suchen  sein.  Nach 
unserer  Auffassung  ist  nämlich  die  Gegenwart  der  M.  lumbricales 
der  Grund  dafür,  daß  die  digitale  (distale)  Sehnenscheide  des  2.  bis 
4.  Fingers  nicht  mit  der  carpalen  (proximalen)  zusammenhängt.  Wir 
kommen  zu  dieser  Anschauung  durch  einen  Befund  von  Frohse  an 
einer  Hand,  an  welcher  der  M.  lumbricalis  I  fehlte.  An  derselben 
hing  die  proximale  und  distale  Sehnenscheide  miteinander  zusammen. 

Die  Daumensehnenscheide  bildet  ja  beim  Erwachsenen  fast  immer 
eine  einheitliche  Scheide  vom  Beginne  der  Sehne  am  Vorderarme  bis 
zum  Ansätze  an  der  Nagelphalanx,  und  das  gleiche  gilt  für  die 
Sehnenscheide  des  kleinen  Fingers.  Beim  Daumen  kommt  überhaupt 
kein  M.  lumbricalis  in  Betracht,  beim  Kleinfinger  bleibt  die  ulnare 
Seite  von  dem  Ursprünge  des  M.  lumbricalis  IV  frei.  Bei  den 
Fingern  II — IV  bewirken  aber  die  M.  lumbricales  eine  Unterbrechung 
der  proximalen  und  distalen  Scheide  für  die  entsprechenden  Beuge- 
sehnen. Wir  haben  bei  unseren  Bestimmungen  der  Länge  der 
Sehnenscheiden  unser  besonderes  Augenmerk  auf  die  Lage  der  Spul- 
wurmmuskeln gerichtet  und  müssen  deshalb  sie  in  erster  Linie  für 
die  Teilung  der  Sehnenscheiden  in  einen  carpalen  und  digitalen  Ab- 
schnitt verantwortlich  machen;   auch  für  den  Fuß   gilt   das  gleiche. 

Wenn  die  M.  lumbricales  sich  über  die  quere  Hohlhandfurche, 
d.  h.  die  Höhe  der  Articulationes  metacarpophalangeae  hinaus  zu  den 
Fingern  begeben  haben  und  damit  in  den  Interdigitalraum  eingetreten 
sind,  so  werden  sie  gegen  die  nunmehr  derben  Sehnenscheiden  durch 
eine  besondere,  leicht  darstellbare,  wenn  auch  dünne  Fascie  fest- 
gehalten, wodurch  sie  gleichzeitig  auch  von  den  A.  et  N.  digitales 
communes  getrennt  werden.  Diese  verlaufen  ihrerseits  frei  im  inter- 
digitalen  Fettkörper  und  teilen  sich  dort  gabelförmig  in  ihre  R.  digi- 
tales proprii.  Dann  treten  sie  hautwärts  von  den  Lig.  capitulorum 
transversa  zur  radialen  Seite  der  Grundphalanx,  während  dorsal- 
wärts  von  dieser  die  M.  interossei  zur  Dorsalaponeurose  streben. 

Die  M.  lumbricales  bieten  ein  schönes  Beispiel  dafür,  wie  ein 
Muskel,  der  ganz  in  der  Tiefe  entspringt  (hier  unterhalb  der  Palmar- 
aponeurose  und  der  oberflächlichen  Beugesehnen),  sich  allmählich  an 
die  Oberfläche  wendet  und  schließlich  in  der  Nähe  des  Ueberganges 
in  die  Endsehne  nur  von  der  Haut  und  einer  sehr  dünnen  Spezial- 
binde  bedeckt  ist. 

Wirkung. 

Die  M.  lumbricales  haben  vermöge  der  Verschmelzung  ihrer  Sehne 
mit  der  Dorsalaponeurose  dieselbe  W^irkung,  wie  die  entsprechenden 
M.  interossei:  sie  beugen  die  Grundphalanx  und  strecken  die  Mittel- 
und  Nagelphalanx.  Gleichzeitig  aber  bewirken  sie  durch  ihren  An- 
satz an  der  radialen  Seite  eines  Fingers  die  Näherung  gegen  den 
Daumen.  Sie  sind  die  eigentlichen  Schreib-,  Zeichen-  oder  Geigen- 
spielermuskeln. Die  beugende  Wirkung  kommt  deshalb  so  aus- 
gezeichnet zur  Geltung,  weil  —  im  Gegensatze  zu  den  M.  interossei 
—  die  M.  lumbricales  durch  die  Lig.  capitulorum  transversa  keinerlei 
Hemmung  bei  der  Flexion  erfahren.    Im  übrigen  wird  bei  den  M.  inter- 

140 


M.  lumbricales. 


141 


ossei  die  Wirkung  auf  die  einzelnen  Phalangen  noch  einmal  ausführ- 
lich besprochen  werden. 

Duchenne  spricht  S.  137  die  Vermutung  aus:  „daß  die  M.  lumbri- 
cales, welche  die  beiden  letzten  Phalangen  kräftig  strecken,  ohne  ihre 
Abduktion  zu  bewirken,  ihre  Tätigkeit  mit  derjenigen  der  abduzieren- 
den  M.  interossei  vereinigen."  Wie  dies  bei  den  M.  lumbricales  III 
und  IV  in  normalen  Fällen  (s.  die  Varietäten)  sein  soll,  ist  uns  un- 
erklärlich. 

Innervation. 

Gewöhnlich  werden  die  M.  lumbricales  I  und  II  vom  N.  medianus, 
III  und  IV  vom  N.  ulnaris  versorgt. 

Die  M.  lumbricales  teilen  mit  dem  M.  flexor  digitorum  profundus, 
von  dessen  Endsehnen  sie  entspringen,  die  Doppelinnervation  durch 
die  N.  medianus  und  ul- 
naris. Während  aber  bei 
dem  M.  flexor  digitorum 
profundus  die  Hauptmasse 
der  Muskulatur,  nämlich 
für  den  3. — 5.  Finger,  vom 
N.  ulnaris  versorgt  wird, 
und  der  Bauch  für  den 
Zeigefinger  vom  N.  me- 
dianus, teilen  sich  die 
beiden  Nerven  der  üb- 
lichen Beschreibung  nach 
in  die  4  Lumbricales  zu 
gleichen  Teilen.  Dem  müs- 
sen wir  aber  hinzufügen, 
daß  nach  unseren  Unter- 
suchungen der  dritte  sehr 
häufig  vom  N.  medianus 
und  ulnaris  ungefähr  zur 
Hälfte  versorgt  wird,  auch 
wenn  der  Muskel  nicht 
doppelt  geteilt  sowohl  zur 
typischen  radialen  Seite 
des  Ringfingers,  sondern 
auch  zur  ulnaren  Seite  des 
Mittelfingers  geht.  Beson- 
deres Gewicht  legen  wir 
auf  die  Tatsache,  daß  bei 
den  Fällen  der  Doppel- 
innervation eine  intramus- 
kuläre Anastomose  zwi- 
schen den  beiden  Nerven 

besteht.  In  erfreulicher  Weise  ergeben  unsere  Nervenbefunde  auch  für 
den  Ringfinger  im  tiefen  Beuger  bisweilen  die  Doppelinnervation  durch 
die  N.  medianus  und  ulnaris,  wodurch  eine  weitere  Zusammengehörig- 
keit dieses  Muskels  mit  dem  M.  lumbricalis  III  dargetan  wird.  Auf 
ihre  Bedeutung  kommen  wir  erst  bei  der  Abhandlung  der  M.  ad- 
ductor  pollicis  und  flexor  pollicis  brevis  zu  sprechen.  Wir  behandeln 
dann  ausführlich  die  Anastomosen  zwischen  N.  medianus  und  ulnaris, 


Fig.  62.    M.  lumbricales,  Nervenbild. 


141 


142 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


welche  an  Vorderarm  und  Hand  sich  zwischen  den  beiden  Nerven 
finden.  Einstweilen  sei  nur  betont,  daß  die  Anastomose  nichts  mit 
der  allgemein  bekannten  sensiblen  zwischen  den  Digitalnerven  zu  tun 
hat.  Topographisch  und  damit  auch  für  die  elektrische  Reizbarkeit 
beachtenswert  ist,  daß  die  Aeste  des  N.  medianus  sich  von  der  Vorder- 
fläche aus  in  die  entsprechenden  M.  lumbricales  einsenken,  hingegen 
die  Ulnariszweige  immer  von  der  Tiefe  aus  den  Weg  zu  den  Muskel- 
bäuchen nehmen.  Die  Lumbricales  I  und  II  sind  demnach  teils  ihrer 
Größe,  teils  wegen  der  oberflächlichen  Lage  der  Nerven  viel  leichter 
reizbar,  als  die  Lumbricales  III  und  IV,  bei  denen  es  nur  in  Ausnahme- 
fällen einwandsfrei  möglich  ist. 

Die  feinere  Verzweigung  gibt  ein  sehr  zierliches  Nervenbild, 
welches  durchaus  dem  der  spindelförmigen  Muskeln  entspricht  und 
sich  nur  ändert  insofern,  wie  die  Nähe  der  Eintrittsstelle  in  der  Mitte 
des  Muskels,  oder  mehr  zur  proximalen  oder  distalen  Hälfte,  die 
Länge  der  rückläufigen  oder  absteigenden  Zweige  beeinflußt.  Ana- 
stomosen und  Sehnennerven  kommen  vor,  wir  haben  sie  aber  in 
unserer  Abbildung  nur  so  weit  berücksichtigt,  wie  sie  an  dem  Prä- 
parate vorhanden  waren. 

Muskelbündellänge. 

M.  lumbricalis  I:         Minimum  4,5  cm 

Maximum  5,6   „ 

Durchschnitt  aus  4  Messungen     5,1    „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,1,  in  Prozenten  25  "/ß. 

M.  lumbricalis  II:       Minimum  5,1  cm 

Maximum  5,3   „ 

Durchschnitt  aus  3  Messungen     5,2   „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,2,  in  Prozenten  4  7o- 

M.  lumbricalis  III:     Minimum  6     cm 

Maximum  7,2    „ 

Durchschnitt  aus  4  Messungen     6,7    „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,2,  in  Prozenten  20  "/o- 

M.  lumbricalis  IV:      Minimum  5.2  cm 

Maximum  5,6    „ 

Durchschnitt  aus  3  Messungen     5,4   „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,4,  in  Prozenten  8  7o- 

In  toto:  Minimum  4,5  cm 

Maximum  7,2    „ 

Durchschnitt  aus  14  Messungen  5,6   „ 
Unterschied  in  Centimetern  2,7,  in  Prozenten  60  "/o- 


8.  Cervicalnerv. 
8.  Cervicalnerv.) 


Segmentbezüge. 
I.  Thoracalnerv.     (Für  III.  und  IV.  besonders 

Gewicht. 


Gewicht 


in  toto 


Muskel-       Sehnen - 
Substanz       Substanz 


Muskel - 
Substanz 
in  Proz. 


M.  lumbricalis  I. 


I.  rechter  schwacher  Arm 
ir.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

1 

0,8 
0,6 
1,8 
1,9 

0,2 
0,4 
0,2 
0,6 

80 
60 
90 
76 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

1.6 

1,3 

0,3 

76,5 

142 


M.  lumbricales. 


143 


Gewicht 


in  toto 


Muakel- 
substanz 


Sehnen- 
substanz 


Muskel- 
substanz 
in  Proz. 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Ann 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 


M.  lumbricalis  II. 

0,5        I 
0,9        I 

^  I 

2 


Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 


0,4 
0,5 
1,5 
1.7 


1.4        I 


M.  lumbricalis  III. 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 


M.  lumbricalis  IV. 

0,8 
0,4 
1 
1,1 


0,6 
0,39 
0,7 
1 


0,1 
0,4 
0,5 
0,3 


0,4 


0,2 
0,01 
0,3 
0,1 


80 
55,6 
75 
85 


73,7 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

1 

0,8 

0,8 
0,7 
0,9 
1,9 

0,2 
0,1 
0,6 
0,1 

90 
87,5 
60 
95 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

1,3 

1 

0,3 

83,1 

83,8 
99,75 
70 
90,1 


Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 


0,8 


0,7 


0,1 


85,9 


Varietäten. 

Die  zahlreich  beschriebenen,  anatomisch  teilweise  hochinteressan- 
ten Abweichungen  dürften  vielleicht  dann  auch  praktische  Bedeutung 
gewinnen,  wenn  gleichzeitig  die  jedesmaligen  Befunde  über  die  ent- 
sprechenden Beugesehnenscheiden  mitangegeben  werden.  In  dem 
von  Frohse  beobachteten  Falle,  wo  der  M.  lumbricalis  I  fehlte, 
kommunizierte,  wie  bereits  erwähnt,  die  carpale  Sehnenscheide  des 
Zeigefingers  mit  der  digitalen.  Da,  wie  eine  Beobachtung  von 
Macalister  lehrt,  sämtliche  M.  lumbricales  fehlen  können,  wäre 
es  von  Wichtigkeit,  in  einem  ähnlichen  Falle  genauen  Aufschluß  über 
die  Länge  der  Sehnenscheiden  für  die  einzelnen  Finger  zu  bekommen, 
besonders  darüber,  ob  dann  carpaler  und  distaler  Abschnitt  ineinander 
übergehen. 

In  den  V.  B.  finden  sich  folgende  Varietäten,  wobei  wir  auf  die 
gewöhnlichen  Fälle  verzichten:  Lumbricalis  I  (No.  177)  Ursprung 
vom  Profundus  III.  Lumbricalis  I  (No.  440)  Ursprung  auch  von 
der  Sehne  des  M.  flexor  digitorum  sublimis.  Lumbricalis  III  und  IV 
(No.  41)  entspringen  mit  besonderen  Sehnen  vom  M.  flexor  digitorum 
profundus.  Lumbricales  III  -j-  IV  (No.  230)  kommen  bloß  vom  M. 
flexor  digitorum  profundus  IV. 

Lumbricalis  III  (No.  327)  vom  Lig.  carpi  transversum. 

Lumbricalis  I  (No.  332)  accessorischer  Ursprung  von  der  Sehne 
des  M.  flexor  pollicis  longus. 

Lumbricalis  I  (No.  152)  gleichfalls. 

Unsere  Untersuchungen  über  das  Muskelgewicht  haben  uns  be- 
lehrt, daß  diese  Muskeln  die  wechselvollsten  des  Armes  sind.  Nach 
den  Untersuchungen  von  F.  Kopsch  (Die  Innervation  der  M.  lum- 
bricales etc..  Intern.  Monatsschr.,  Bd.  15,  1898)  steht  fest,  daß  zwar  die 


M3 


144  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Abweichungen  der  verschiedensten  Art  die  absolute  Mehrheit  (61  Proz.) 
bilden,  daß  man  aber  zwei  Haupttypen  der  Innervation  aufstellen 
kann,  welche  relativ  am  häufigsten  vorkommen.     Dieselben  sind: 

I.  Sämtliche  4  M.  lumbricales  gehen  auf  der  Radialseite  ihres 
Fingers  in  die  Dorsalaponeurose  über.  —  39.  Proz. 

II.  Von  den  4  M.  lumbricales  inserieren  der  1.,  2.  und  der  4. 
am  Radialrande  des  2.,  3.  und  5.  Fingers;  der  3.  M.  lumbricalis  ist 
gespalten  und  geht  mit  der  einen  Sehne  zum  Ulnarrande  des  3.,  mit 
der  anderen  zum  Radialrande  des  4.  Fingers.  —  35,45  Proz.  Zu 
genau  denselben  Resultaten  kam  Reichardt  (Anat.  Anz.,  Bd.  20, 1901). 


M.  flexor  poUicis  longns. 

Synonyma:  Langer  Daumenbeuger,  M,  flexor  pollicis  proprius  longus, 
longissimus  pollicis  Cowper;  Grand  flechisseur  du  pouce  Bichat,  m.  radio- 
phalangettien  du  pouce  Chaussier. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  spindelförmige  Muskel  entspringt  von  demjenigen  Vorder- 
armknochen, welcher  dem  Daumen  entspricht,  nämlich  dem  Radius, 
und  wird  über  dem  M.  pronator  quadratus  rein  sehnig;  in  eine 
Scheide  eingeschlossen,  geht  die  Endsehne  durch  den  Hohlhandtunnel 
und  die  Tiefe  des  Daumenballens  und  tritt  in  einer  Furche  zwischen 
beiden  Sesambeinen  zum  freien  Daumen,  an  dessen  Nagelphalanx  sie 
ihren  breiten  Ansatz  findet. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  entspringt  rein  fleischig  von  der  vorderen  Fläche  des 
Radius,  von  der  Richtungslinie  des  M.  pronator  teres  an  bis  zum 
distalen  Rande  des  M.  pronator  quadratus.  Am  Daumen  und  Radius 
entsprechen  sich  also  Knochen-  und  Muskelursprung  in  der  Lage; 
anders  wie  bei  der  großen  Zehe,  bei  welcher  ja  nicht  der  innen  ge- 
legene Unterschenkelknochen,  die  Tibia,  dem  Muskelbauche  des  M. 
flexor  hallucis  longus  zum  Ursprünge  dient,  sondern  der  laterale 
Knochen,  die  Fibula. 

Da  ein  zweiter  Kopf  häufiger  vorhanden  ist,  als  nicht,  müssen 
wir  ihn  als  normal  auffassen.  Dieser  entspringt  aus  der  Tiefe  des 
M.  flexor  digitorum  sublimis  und  kann  sogar  bis  zum  Epicondylus 
medialis  humeri  verfolgt  werden.  Er  stellt  nach  der  üblichen  Aus- 
drucksweise eine  Muskelkonjugation  zwischen  M.  flexor  pollicis  longus 
und  flexor  digitorum  sublimis  dar.  Die  Verschmelzung  beider  Köpfe 
findet  stets  durch  eine  Sehne  statt.  Die  sich  aus  dem  oberen,  birnen- 
oder  spindelförmigen  Kopfe  entwickelnde  dünne  Sehne  setzt  sich 
direkt  in  die  andere  fort,  welche  bereits  hoch  oben  am  ulnaren 
Rande  zwischen  den  Muskelbündeln  des  unteren  Kopfes  zu  Tage  tritt. 
Wir  haben  für  diesen  accessorischen  Kopf  die  drei  Namen :  Caput 
superficiale,  superius  oder  humerale,  dementsprechend  für  den  Haupt- 
muskel Caput  profundum,  inferius  oder  radiale. 

Wir  möchten  die  Namen  Caput  radiale  und  humerale  für  die  be- 
zeichnendsten halten,  um  so  mehr,  als  wir  auch  beim  M.  pronator  teres 
ein    Caput   humerale    und    ulnare,    entsprechend    dem   medialen    Ur- 

144 


M.  flexor  pollicis  longus.  145 

Sprunge,  und  des  weiteren  beim  M.  flexor  digitorum  sublimis  ein 
Caput  radiale  und  humerale  unterscheiden,  d.  h.  in  allen  3  Fällen  wird 
dann  der  Knochenursprung  maßgebend. 

Wir  glaubten  bis  Ende  1907,  daß  dieser  accessorische  Kopf  immer 
nur  in  der  Einzahl  vorhanden  sein  und  bereits  an  der  Ulna  auf- 
hören könnte,  den  Epicondylus  medialis  humeri  also  nicht  erreichte, 
bis  die  Beobachtung  eines  doppelseitigen  Falles  von  Hein  und 
Frohse  uns  folgendes  lehrte:  Accessorische  Ursprünge  können  un- 
abhängig voneinander,  d.  h.  gleichzeitig  sowohl  als  Caput  humerale 
wie  Caput  ulnare  verwirklicht  sein. 

Duchenne  gibt  306  (S.  244)  folgende  sehr  interessante  Be- 
schreibung: „Die  Anatomen,  die  dem  Flexor  pollicis  longus  eine  so 
kräftige  Wirkung  auf  die  erste  Phalanx  und  den  ersten  Mittelhand- 
knochen zuerteilten,  sind  durch  den  Leichenversuch  getäuscht  worden. 
Da  sie  nämlich  bei  starkem  Ziehen  an  dem  Flexor  pollicis  longus 
außer  der  Beugung  der  zweiten  Phalanx  die  Beugung  der  ersten  und 
die  Adduktion  des  ersten  Mittelhandknochens  erzeugten,  so  mußten 
sie  glauben,  daß  dies  die  diesem  Muskel  zukommende  Wirkung  wäre. 
Unter  physiologischen  Verhältnissen  kann  sich  aber  der  Flexor  pollicis 
longus  nicht  über  einen  gewissen  Grad  hinaus  verkürzen,  oder,  mit 
anderen  Worten,  nicht  so  weit  verkürzen,  daß  er  eine  kräftige  Beugung 
der  ersten  Daumenphalanx  und  Adduktion  des  ersten  Mittelhandknochens 
bedingen  könnte;  ebenso  hat  die  klinische  Beobachtung  ergeben,  daß 
aus  demselben  Grunde  der  Flexor  sublimis  und  profundus  auf  die 
ersten  Phalangen  fast  ohne  Wirkung  ist,  obgleich  man  durch  starkes 
Ziehen  an  ihnen  beim  Leichnam  alle  3  Phalangen  kräftig  beugen 
kann." 

Der  Grund  hierfür  liegt  in  der  Kürze  der  Muskelbündellänge,  welche 
nur  ungefähr  5  cm  beträgt.  Solange  der  Ursprung  vom  Radius  in  Ver- 
bindung mit  diesem  Knochen  gelassen  ist,  läßt  sich  durch  Zug  keine 
wesentliche  größere,  als  die  physiologische  Wirkung  erzielen,  d.  h,  bei 
einer  Verkürzung  um  die  Hälfte  höchstens  3  cm.  Sobald  aber  die 
Sehne,  an  der  beliebig  viel  Muskelsubstanz  gelassen  werden  kann,  vom 
Knochen  getrennt  wird,  ist  es  möglich,  mit  einer  Kraft,  welche  das 
physiologische  Verhalten  bei  weitem  übertrifft,  auf  die  Sehne  zu  wirken, 
einer  Kraft,  welche  sich  besonders  bei  erhaltener  Sehnenscheide  energisch 
auf  die  Grundphalanx  und  den  ersten  Mittelhandknochen  überträgt. 
Bei  eröffneter  Sehnenscheide  wirkt  der  Zug  im  wesentlichen  durch  die 
Vincula  tendinum. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Da  die  accessorischen  Köpfe,  die  Capita  ulnare  und  humerale, 
inkonstant  sind,  und  die  durch  dieselben  bedingten  Lagebeziehnungen 
für  jeden  einzelnen  Fall  eine  sehr  ausführliche  Beschreibung  bean- 
spruchen würden,  beschränken  wir  uns  ausschließlich  auf  das  praktisch 
bei  weitem  wichtigste  Caput  radiale. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  proximal  dem  M.  pronator 
teres,  von  dem  sie  jedoch  durch  die  dünne  Ursprungssehne  des  Caput 
radiale  des  M.  flexor  digitorum  sublimis  getrennt  ist,  weiterhin  dem 
Muskelbauche  dieses  Kopfes,  welcher  gemeinhin  für  den  Mittelfinger 
bestimmt  ist;  dann  liegt  sie  für  eine  kurze  Strecke  frei  unter  Haut 
und  Fascie,   und  es  ziehen  hier  nur  die  Vasa  radialia   dicht  über  sie 

Handbuch  der  Anatomie,  II,  H,  2.  i/\ 

^45 


146  FROHSE  und  M.   FRÄNKEL, 

hinweg.  Der  obere,  proximale  Rand  verläuft  schräg  nach  oben, 
ulnarwärts  und  liegt  genau  vis-ä-vis,  gegenüber  dem  Ansätze  des  M. 
supinator,  soweit  sich  derselbe  an  der  Vorderfläche  des  Radius  an- 
heftet. Der  radiale  Rand  geht  ohne  wesentliche  Erhöhung  der  Ober- 
fläche in  die  entsprechende  Kante  des  Radius  über.  Der  ulnare 
Rand  ist  hoch  und  schmiegt  sich  an  den  M.  flexor  digitorum  pro- 
fundus (Zeigefingerbauch)  an;  die  Beziehungen  zu  den  Vasa  und  N. 
interossea  volaria  antebrachii  und  der  gleichnamigen  Membran  mit 
ihren  Besonderheiten  müssen  —  zur  Vermeidung  von  Wiederholungen 
—  bei  der  Holotopie  des  M.  flexor  digitorum  profundus  nachgesehen 
werden.  Der  distale  Rand  verläuft  schräg  von  proximal  -  radial  nach 
distal  -  ulnarwärts  und  verschwindet  mit  der  freien  Endsehne  im 
Hohlhandtunnel. 

Die  Facies  profunda  deckt  fast  die  ganze  vordere  Fläche  des 
Radius,  welche  zwischen  den  M.  pronator  teres  und  quadratus  vor- 
handen ist,  bisweilen  nehmen  auch  einige  Muskelbündel  von  der 
Membrana  interossea  ihren  Ursprung. 

Bei  dem  Verlaufe  der  Sehne  zur  Nagelphalanx  ist  folgende  Tat- 
sache zu  beachten:  Am  distalen  Ende  des  Hohlhandtunnels  bettet 
sich  die  Sehne  in  eine  fibröse  Verbindung  der  beiden  Ursprungsköpfe 
des  M.  flexor  pollicis  brevis  ein;  dieser  findet  sein  Ende  am  radialen 
Sesambeine  und  hat  direkt  nichts  mehr  mit  der  Endsehne  zu  tun. 
Bei  der  Endsehne  des  M.  flexor  hallucis  longus  ist  dies  Verhalten 
anders,  indem  der  Ursprung  des  M.  flexor  hallucis  brevis  einheit- 
lich ist,  während  der  doppelte  Ansatz  am  medialen  (tibialen)  und 
lateralen  (fibularen)  Sesambeine  eine  sichere  Gleitrinne  für  die  Sehne 
des  M.  flexor  hallucis  longus  schafft.  Die  weiteren  Einzelheiten  sind 
bei  den  volaren  Sehnenscheiden  nachzusehen. 

Innervation. 
Für  den  Hauptkopf  ist  ein  einheitlicher  Nerv  vorhanden,  welcher 
sich  aus  dem  N.  interosseus  volaris  loslöst,  jedoch  bereits  in  2  Zweige 
geteilt  ist,  wenn  er  sich  zu  beiden  Seiten  der  schon  hoch  oben  sicht- 
baren Endsehne  lagert.  Die  Verzweigung  eines  jeden  Nervenastes 
ist  eine  sehr  reichliche,  und  außerdem  sind  verschiedene  intramuskuläre 
Anastomosen  von  uns  nachgewiesen,  was  uns  bei  dem  doppeltgefieder- 
ten M.  flexor  carpi  ulnaris  bisher  nicht  möglich  war.  Ferner  war  in 
dem  abgebildeten  Falle  neben  der  freien  Endsehne  ein  Vater-Pacini- 
sches  Körperchen  vorhanden  und  außerdem  verschiedene  Periostnerven 
zum  freien  lateralen  Rande  des  Radius.  Die  in  der  Membrana 
interossea  beschriebenen  VATER-PACiNischen  Körperchen  stammen  in 
der  Regel  aus  dem  N.  interosseus  volaris,  sind  aber  hier  nicht  ab- 
gebildet, da  dieser  Nerv  kurz  abgeschnitten  ist;  sie  können  jedoch 
auch  an  Muskelnerven  sitzen,  welche  den  ulnaren  Teil  des  M.  flexor 
pollicis  longus  oder  den  radialen  Teil  des  M.  flexor  indicis  profundus 
versorgen. 

Muskelbündellänge, 
a)  Wenn  nur  das  Caput  radiale  vorhanden  ist. 
Fall  1.  Minimum  3,4     cm 

Maximum  5,2      „ 

Durchschnitt  aus  11  Messungen  4,2      „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,8,  in  Prozenten  53  "/q. 

146 


M.  flexor  pollicis  longus. 


147 


b)  Wenn  ein  Caput  acceesoriuiu  humerale  oder  ulnare  vorhanden  ist. 
Fall  2.  Venter  superior:  Minimum  4,5    cm 

Maximum  5,3      „ 

Durchschnitt  aus  2  Messungen     4,9      „ 
Unterschied  in  Centimetem  0,8,  in  Prozenten  18  "/o- 

Venter  inferior:    Miniraum  3       cm 

Maximum  4,5      „ 

Durchschnitt  aus  18  Messungen  3,6      „ 
Unterschied  in  Centimetem  1,5,  in  Prozenten  50  "/q. 

In  toto:  Minimum  3       cm 

Maximum  5,3      „ 

Durchschnitt  aus  20  Messungen  3,75    „ 
Unterschied  in  Centimetem  2,3,  in  Prozenten  77  "/o« 

Segmentbezüge. 
6.  7.  (8).  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
öubstanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substAnz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
11.  hnker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

11,5 
11 
26 
25 

9 

9 

22,5 
20,5 

¥ 

3,5 
4^ 

80 
81,8 
86,5 
82 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

18,4 

15,3 

3,1 

82,6 

Varietäten. 

Die  Sonderung  des  Muskelbauches  erreicht  beim  Menschen  ihre 
höchste  Entwickelung.  Beim  Orang  fehlt  Muskel  und  Sehne,  beim 
Gibbon  ist  zwar  der  Muskelbauch  selbständig,  die  Sehne  aber  teil- 
weise mit  dem  M.  flexor  digitorum  profundus  verschmolzen,  bei  den 
niederen  Affen  fehlt  der  Muskelbauch,  und  nur  ein  zartes  Sehnenblatt 
löst  sich  als  Endsehne  für  den  Daumen  aus  dem  gemeinschaftlicheu 
M.  flexor  profundus  ab. 

Auch  beim  Menschen  kommen  Verschmelzungen  mit  dem  M. 
flexor  digitorum  profundus  und  auch  dem  sublimis  vor. 

Unter  dem  M.  flexor  pollicis  longus  entspringt  gar  nicht  so 
selten  ein  besonderer  Muskel,  der  M.  radialis  internus  brevis  Gruber, 
den  auch  wir  mehrere  Male  beobachtet  haben.  Wir  möchten  ihn  aber 
lieber  als  M.  flexor  carpi  radialis  brevis  bezeichnen.  Wir  haben 
einen  derartigen  Fall  mit  dem  Ansätze  an  den  radialen  Carpal-  und 
Metacarpalknochen  abgebildet. 

M.  Pronator  quadratiis. 

Synonyma:  Viereckiger  Vorwärtswender  oder  Einwärtsdreher;  M. 
Pronator  inferior,  quadratus  antibrachii;  Carre  pronateur  Cruveilhikr, 
pronateur    transverse,    petit   pronateur,    cubito-radial    Chaussier,   Dumas. 


Allgemeine  Beschreibung. 
Der  viereckige,  platte  Muskel  deckt  ungefähr  das  untere  Viertel 
beider  Vorderarmknochen  dicht  proximal  von   der  Articulatio  radio- 

10* 


H7 


148  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

ulnaris  distalis  inferior  von  der  Vorderseite  her  zu.  Bei  einer  Reihe 
von  Tieren  steht  er  mit  dem  M.  pronator  teres  in  unmittelbarem  Zu- 
sammenhange, beim  Menschen  kommt  diese  Zusammengehörigkeit  nur 
an  der  Radialseite  noch  einigermaßen  zur  Geltung.  Sein  sich  aus 
dem  N.  medianus  schon  hoch  oben  loslösender  Nerv  ist  der  motorische 
Endast  des  R.  interosseus  volaris,  der  sich  allerdings  am  oberen 
Rande  des  Muskels  zur  Dorsalseite  wendet.  Hieraus  erklärt  sich 
die  Tatsache,  daß  der  Muskel  am  besten  von  der  Dorsalseite  aus 
elektrisch  gereizt  wird,  obwohl  der  Muskelbauch  an  der  Beugeseite 
liegt.  Die  volar  über  ihm  gelegenen  Sehnen  der  Beuger  und  vor 
allem  die  Gegenwart  des  N.  medianus  und  auch  des  N.  ulnaris 
machen  die  Reizung  von  der  Beugeseite  aus  sehr  schmerzhaft  und 
oft  unmöglich.  Auf  der  Dorsalseite  dagegen  liegt  der  Muskelnerv 
näher  der  Hautoberfläche  und  ist  auch  nicht  von  nennenswerten 
sensiblen  Aesten  überlagert.  Die  ausschließlich  und  zwar  stark 
pronierende  Wirkung  muß  trotz  des  Zweifels  von  Hyrtl  als  sicher 
angenommen  werden. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Die  örtliche  und  bildliche  Darstellung  beschränkt  sich  im  all- 
gemeinen auf  die  Vorderansicht  im  Zustande  der  Supination,  d.  h.  es 
wird  nur  die  Facies  superficialis  berücksichtigt;  dann  sieht  der  Muskel 
in  der  Tat  ungefähr  viereckig  aus  mit  parallelfaserigen  Bündeln. 

An  der  ulnaren  Seite  besonders  findet  sich  häufig  eine  größere 
oder  kleinere  Sehnenplatte.  Ein  wirkliches  Verständnis  kann  man 
sich  aber  erst  durch  Präparation  auch  der  Rückseite  verschaff'en, 
wobei  eine  ausgiebige  Eröifnung  des  unteren  Radioulnargelenkes  und 
die  Entfernung  der  Gelenkkapsel  unerläßlich  sind.  Dann  sieht  man, 
wie  die  Rückseite  durchaus  nicht  parallelfaserig  gebaut  zu  sein  braucht, 
sondern  sich  aus  eigentümlich  geformten,  unregelmäßigen  Bündeln 
zusammensetzen  kann,  die  in  den  einzelnen  Fällen  erheblich-  ver- 
schieden sind.  Ferner  wird  man  dann  klar  darüber,  warum  sich  der 
oben,  proximal,  verhältnismäßig  schmale  Bauch  nach  unten  erheblich 
verstärkt,  wenn  auch  der  untere  freie  Rand  wieder  dünner  erscheint. 
Im  proximalen  Teile  geht  die  Muskulatur  hauptsächlich  nur  von  den 
beiden  Rändern  und  vorderen  Flächen  der  Vorderarmknochen  zu- 
einander, im  distalen  dagegen,  wenn  sich  der  Radius  gegen  die  Ulna 
hin  verbreitert,  wird  auch  diese  ulnare  Fläche  des  Radius  von  den 
tiefen,  kurzen  Muskelbündeln  in  Anspruch  genommen.  An  der  Stelle, 
wo  der  M.  pronator  quadratus  beginnt,  verliert  übrigens  auch  die 
Membrana  interossea  antebrachii  ihren  bis  dahin  durchaus  sehnigen 
Charakter  —  man  kann  sagen,  daß  die  Gegenwart  dieses  Muskels 
den  fibrösen  Apparat  unnötig  macht,  um  so  mehr,  als  eine  ziemlich 
derbe  Fascie  ihn  fest  gegen  die  Vorderarmknochen  preßt. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  gehört  zu  den  versteckteren  des  Körpers.  Der  Mehr- 
zahl der  Aerzte  dürfte  es  wohl  nicht  gegenwärtig  sein,  daß  trotz 
seiner  geringeren  Anteilnahme  am  Oberflächenbilde  er  doch  am  aller- 
häufigsten  direkt  bei  der  Untersuchung  getroffen  wird,  wenn  man 
nämlich  den  Puls  fühlt.  Hierbei  wird  ja  die  A.  radialis  nicht  un- 
mittelbar gegen  den  Radius  gedrückt,  sondern  zuerst  gegen  die,  wenn 

148 


M.  Pronator  quadratus. 


149 


auch  hier  dünne,  Muskellage  des 
M.  Pronator  quadratus  in  der 
Furche  zwischen  der  Sehne  des 
M.  brachioradialis,  welche  am 
freien  Rande  des  Radius  durch 
die  Sehnen  der  M.  abductor  pol- 
licis  longus  (und  extensor  pollicis 
brevis)  überhöht  wird,  und  der 
Sehne  des  M.  flexor  carpi  radialis, 
welche  ihrerseits  wieder  teilweise 
die  des  M.  flexor  pollicis  longus 
zudeckt.  Ueber  der  Mitte  des 
Muskels  liegen  die  Beugesehnen 
für  die  Finger  samt  dem  N.  me- 
dianus,  an  der  ulnaren  Seite  die 
Vasa  ulnaria  mit  der  Teilungs- 
stelle des  N.  ulnaris  in  den  R. 
volaris  communis  und  dorsalis 
manus,  mehr  hautwärts  der  M. 
flexor  carpi  ulnaris,  mit  anderen 
Worten,  kürzer  zusammengefaßt, 
sämtliche  wichtigen  Gebilde, 
welche  zur  Hand  ziehen,  müssen 
den  Muskel  überkreuzen,  und  be- 
stimmt e  r  allein  die  Beziehungen 
zu  den  Knochen  und  Gelenken, 
denen  er  unmittelbar  auf- 
liegt, und  die  er  fast  voll- 
kommen bedeckt.  Seine  tiefe 
Fläche  bedeckt  ja  das  untere, 
distale  Viertel  der  Vorder- 
armknochen und  den  Haupt- 
teil der  Articulatio  radio- 
ulnaris  distalis,  während  die 
Articulatio  radiocarpea  frei- 
gelassen wird.  Daß  nach  Ent- 
fernung der  dort  dünn  ge- 
wordenen Membrana  inter- 
ossea  die  Rückseite  auch  zu 
den  Extensoren  in  Beziehung 
tritt,  vornehmlich  zum  M. 
extensor  indicis  proprius, 
muß  noch  einmal  betont 
werden,  weil  der  Nerv  von 
hinten  her  in  den  Muskel 
eintritt  und  dorsal  am  besten 
der  elektrischen  Reizung  zu- 
gängig ist. 

Wirkung. 

Man  sieht  ohne  weiteres 
die  Bedeutung  für  die  Pro- 
nation.   Das  Punctum  fixum 


Fig.  63.    M.  Pronator  quadratuB,  Nerven- 
bil " 


)ild  von  vorne. 


Fig.  64.    M.  Pronator  quadratus,  Nervenbild 
von  hinten. 


150  PROHSE   und   M.    FRANKEL, 

ist  unter  allen  Umständen  der  bei  der  Drehung  unbeteiligte  Vorder- 
armknochen, die  Ulna,  eine  Kontraktion  des  Muskels  kann  nur  eine 
Näherung  des  Radius  an  die  Ulna  im  Sinne  der  Pronation  auslösen. 

Innervation. 

Der  M.  pronator  quädratus  läßt  sich  nur  sehr  schwer  in  Bezug 
auf  seine  feineren  Nervenzweige  präparieren,  und  es  empfiehlt  sich, 
den  Kunstgriff  anzuwenden,  zuerst  die  Artic.  radioulnaris  distalis  zu 
durchtrennen,  die  beiden  Vorderarmknochen  auseinanderzudrängen 
und  die  Kapsel  sorgfältig  zu  entfernen,  wie  es  in  unserer  Figur  63 
zu  sehen  ist.  Die  Nervenzweige  halten  sich  im  allgemeinen  an  das 
Spatium  interosseum,  welches  durch  die  Entfernung  der  beiden 
Knochen  voneinander  natürlich  erheblich  vergrößert  wird.  Schon  bei 
der  Muskelbeschreibung  ist  betont  worden,  wie  verwickelt  der  Aufbau 
der  tief  gelegenen  Muskelschicht  sein  kann,  und  auch  bei  der  Nerven- 
präparation  ist  es  schwer,  dem  oft  sehr  verwickelten  Verlaufe  der 
einzelnen  Nervenfasern  zu  den  accessorischen  Muskelbündeln  zu 
folgen.  In  dem  abgebildeten  Präparate,  dessen  Vorder-  und  Rück- 
seite wir  dargestellt  haben,  tritt  der  Nerv  erst  in  der  Mitte  des 
Muskelbauches  in  denselben  hinein.  Hieraus  folgt  ohne  weiteres, 
daß  sich  lange  rückläufige  Zweige  für  den  proximalen  Teil  vorfinden 
müssen.  Im  übrigen  weist  das  bäumchenartige  Nervenbild,  welches 
verschiedene  Anastomosen  zeigt,  nichts  Besonderes  auf. 

Weit  wichtiger  ist  die  praktische  Anwendung  unserer  Befunde. 
Obwohl  der  Nerv  als  motorisches  Ende  des  N.  interosseus  volar is 
zu  dem  volar  von  den  Vorderarmknochen  gelegenen  Muskelbauche 
tritt,  ist  die  elektrische  Reizung  von  vorn  sehr  schwierig,  weil  außer 
den  Beugesehnen  auch  der  N.  medianus  die  gesonderte  Reizung  des 
Muskels  oder  gar  des  Nerven  in  unangenehmster  Weise  hindert.  Der 
N.  interosseus  volaris  muß  vielmehr,  indem  er  die  Membrana  inter- 
ossea  durchbohrt,  schon  am  oberen,  proximalen  Rande  des  M.  pro- 
nator quädratus  als  ein  N.  interosseus  dorsalis  antebrachii  aufgefaßt 
werden,  ähnlich,  wie  das  Ende  der  A.  interossea  volaris  schon  früher 
den  durchaus  berechtigten  Namen  A.  interossea  dorsalis  inferior 
hat,  eine  Bezeichnung,  welche  leider  in  den  B.  N.  A.  keine  Aufnahme 
gefunden  hat,  wenn  sie  genau  durch  dieselbe  Lücke  wie  der  Nerv  in 
der  Membrana  interossea  durchgetreten  ist.  In  der  Tat  ist  auch  die 
elektrische  Reizung  des  Nerven  und  damit  auch  des  Muskels  bei 
supinierter  Hand  im  Beginne  des  unteren,  distalen  Viertels  des 
Vorderarmes  verhältnismäßig  leicht  auszuführen,  viel  leichter  jeden- 
falls, als  diejenige  von  der  entsprechenden  Stelle  der  Volarseite  aus. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  1,7  cm 

Maximum  3,2    „ 

Durchschnitt  aus  12  Messungen   2,5   „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,5,  in  Prozenten  88  7o- 

Segmentbezüge. 
(6).  7.  8.  Cervicalnerv.    I.  Thoracalnerv. 

150 


M.  Pronator  quadratus. 


151 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

5.5 
5 
15 

16 

5 

4,9 
14,5 
15 

0,5               90,8 
0,1               98 
0,5               96,7 
1                  93,7 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

10,4 

9,9 

0,5 

94,3 

Varietäten. 

Der  Muskel  kann  fehlen  oder  auch  weit  proximal  reichen.  Die 
Gestalt  braucht  nicht  viereckig  zu  sein,  sondern  auch  von  der  Vorder- 
seite aus  dreieckig;  die  verschiedene  Richtung  der  einzelnen  Muskel- 
bündel ist  in  unserer  Fig.  64,  welche  die  Rückseite  des  Muskeln 
wiedergibt,  in  einer  ziemlich  ungewöhnlichen  Weise  verwirklicht. 

Bisweilen  hört  der  Muskel  nicht  mit  der  Articulatio  radioulnaris 
distalis  auf,  sondern  greift  distal  noch  auf  die  Capsula  articularis 
radiocarpea,  das  Os  naviculare  und  multangulum  majus,  oder  radial- 
wärts  noch  auf  die  Muskulatur  des  Daumenballens  und  selbst  mit  einer 
Sehne  bis  auf  die  Basis  des  ersten  Mittelhandknochens  über. 

Das  doppelseitige  Fehlen  ist  auch  in  den  V.  B.  beobachtet  und 
von  uns  beim  M.  flexor  carpi  radialis,  s.  S.  115,  beschrieben. 
(No.  104.) 

Brachioradialgruppe. 

Synonyma :  Muskeln  des  radialen  Randes  Henle  ,  der  lateralen 
Region,  der  Radialseite  des  Unterarmes  Langer,  Radiale  Gruppe 
Gegenbaür  (Außenarmgruppe  Frohse);  Muscles  de  la  region  externe 
Poirier;  Marginal  muscles  Macalister. 

Die  4  Muskeln  dieser  Gruppe  entspringen  am  unteren,  distalen 
Drittel  des  Oberarmes  und  dem  oberen,  proximalen  des  Vorderarmes, 
3  ausschließlich  vom  Humerus,  der  vierte  zum  größten  Teile  von  der 
Ulna.  Die  Muskelbäuche  geben  dem  Vorderarme  die  charakteristische 
Wölbung  der  Radialseite  in  der  Höhe  des  Ellenbogengelenkes.  Das 
weite  Uebergreifen  der  starken  Muskulatur  läßt  nicht,  wie  auf  der 
Innenseite,  den  entsprechenden  Epicondylus  in  Form  einer  scharfen 
Ecke  an  die  Oberfläche  treten.  Das  Ende  des  Muskelfleisches  liegt 
bereits  im  mittleren  Drittel  des  Vorderarmes,  aber  die  Endsehnen 
gehen  teilweise  bis  zu  den  Mittelhandknochen.  Der  Reihe  nach,  wie 
die  Muskeln  von  oben  nach  unten  entspringen,  decken  sie  sich  auch 
von  der  Oberfläche  nach  der  Tiefe  zu,  aber  nicht  vollkommen ;  denn 
es  erscheint  jedesmal  ein  Teil  des  tieferen  Muskels.  Vorn  und  radial 
sieht  man  nur  den  M.  brachioradialis ,  dann  erscheint  am  freien 
radialen  Rande  des  Vorderarmes  zuerst  der  M.  extensor  carpi  radialis 
longus  und  dann  der  brevis,  am  ulnaren  Rande  dieses  Muskels  sieht 
man,  aber  erst  nach  Entfernung  der  oberflächlichen  Streckschicht,  den 
M.  supinator.  Am  Oberflächenbilde  nehmen  nur  die  3  ersten  Muskeln 
teil,  die  sich  überdies  durch  ihre  Länge  gegenüber  dem  verhältnis- 
mäßig kurzen  M.  supinator  auszeichnen.     Wenn  man  will,  kann  man 


151 


152  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

deshalb  von  einer  oberflächlichen  Schicht  sprechen,  welche  3  lange 
Muskeln  enthält,  und  einer  tiefen,  welche  nur  von  dem  kurzen 
M.  supinator  gebildet  wird. 

Wichtiger  ist  jedoch  das  physiologische  Verhalten,  indem  in 
dieser  Gruppe  ein  Beuger  zwischen  Oberarm  und  Vorderarm,  der 
M.  brachioradialis,  zwei  Handstrecker  und  ein  Supinator  vereinigt  sind. 

Wenn  man  die  Brachioradialgruppe  für  sich  allein  darstellt,  so 
sieht  man,  wie  sie  nicht  allein  die  Außenfläche  des  Radius  voll- 
kommen zudeckt,  sondern  auch  einen  ansehnlichen  Teil  der  Volar- 
und  Dorsalseite.  So  wird  dieser  Knochen  nicht  unmittelbar  dem  Ge- 
sichte und  dem  Gefühle  zugängig;  auch  nicht  im  unteren,  distalen 
Drittel,  wo  nur  noch  Sehnen  der  Brachioradialgruppe  vorhanden  sind. 
Hier  ist  die  so  wichtige  Ueberkreuzung  durch  das  Muskelfleisch  der 
M.  abductor  pollicis  longus  und  extensor  pollicis  brevis,  in  der  Höhe 
des  Handgelenkes  eine  weitere  distale  durch  die  Sehne  des  M.  ex- 
tensor pollicis  longus. 

Der  vordere  Rand  der  Gruppe  bildet  die  laterale  Begrenzung  der 
Ellenbeuge  und  weiterhin  des  Sulcus  radialis  des  Vorderarmes,  die 
Außenfläche  ist,  solange  Muskelfleisch  vorhanden  ist,  durch  keinen 
anderen  Muskel  überlagert,  die  Sehnen  jedoch  erscheinen  nur  stück- 
weise an  der  Oberfläche.  Von  einem  hinteren  Rande  können  wir  im 
unteren,  distalen  Drittel  des  Vorderarmes  nicht  mehr  reden,  sondern 
nur  bis  dahin,  wo  der  M.  abductor  pollicis  longus  an  die  Oberfläche 
kommt,  d.  h.  unter  dem  M.  extensor  digitorum  communis  verschwindet ; 
von  hier  aus  proximalwärts  verläuft  die  senkrechte  Orientierungslinie 
zwischen  den  beiden  Muskeln,  d.  h.  in  mehr  als  der  proximalen  Hälfte 
des  Vorderarmes  liegt  die  Brachioradialgruppe  dem  M.  extensor 
digitorum  communis  genau  gegenüber,  so  innig,  daß  die  zwischen 
beiden  vorhandene  Aponeurosis  intermuscularis  zu  beiden  benach- 
barten Muskeln  divergierende  Bündel  entsendet.  Am  Oberarme  ent- 
spricht die  Brachioradialgruppe  hinten  dem  M.  triceps,  soweit  dieser 
unterhalb  des  Sulcus  des  N.  radialis  entspringt,  bei  unversehrter 
Haut  scheinbar  dem  Caput  laterale,  am  anatomischen  Präparate,  nor- 
male Verhältnisse  vorausgesetzt,  nur  dem  Caput  mediale. 

M.  brachioradialis. 

Synonyma:  Langer  Rückwärtswender  oder  Auswärtsdreher,  Arm- 
speichenmuskel, Bettlermuskel;  M,  supinator  longus,  supinatorum  primus, 
satelles  a.  radialis,  pauperum  s.  mendicantium ;  Humero-stylo-radial,  long 
supinateur,  brachio  -  sus  -  radial,  humero  -  sus  -  radial  Chaussier,  humero- 
styloidien  Cruveilhier. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Mit  Freuden  dürfen  wir  es  begrüßen,  daß  durch  die  B.  N.  A.  der 
alte  Name  M.  supinator  longus  über  Bord  geworfen  ist.  Es  würde 
sonst  ein  physiologischer  Irrtum,  wie  er  nicht  schlimmer  gedacht 
werden  kann,  anatomisch  weiter  geheiligt  sein. 

Der  oberhalb  des  Epicondylus  lateralis  breit  und  lang  vom 
Margo  lateralis  entspringende  Muskelbauch  findet  seinen  verhältnis- 
mäßig schmalen,  sehnigen  Ansatz  dicht  oberhalb,  proximal  von 
dem  Proc.  styloideus  radii. 

152 


M.  brachioradialis.  153 

Seine  Wirkung  ist  die,  den  Oberarm  gegen  den  Vorderarm  zu 
l)eugen.  Eine  irgendwie  nennenswerte  supinierende  oder,  wie  sogar 
angegeben  wird,  pronierende  Wirkung  müssen  wir  auf  das  ent- 
schiedenste in  Abrede  stellen.  Nach  unserer  Auffassung  ist  der 
Muskel  eine  abgesprengte  Portion  des  M.  brachialis,  soweit  derselbe 
vom  N.  radialis  versorgt  wird,  nur  daß  der  Ansatz  weit  distalwärts 
hin  verlegt  ist,  fast  bis  an  den  Proc.  styloideus  radii  heran.  Wie 
der  zweigelenkige  Beuger,  der  Biceps  durch  die  Hauptsehne  sich  am 
Radius  befestigt,  andererseits  aber,  durch  den  Lacertus  fibrosus  sich 
gegen  die  Ulnarseite  wendet  und  in  besonderen  Fällen  sogar  die  Ulna 
erreicht,  so  haben  wir  auch  bei  den  eingelenkigen  Beugern  den 
doppelten  Ansatz  an  beiden  Vorderarmknochen  zu  verzeichnen,  den  des 
M.  brachialis  an  der  Ulna  und  den  des  M.  brachioradialis  am  Radius. 

Chirurgisch  ist  der  Muskel  wichtig,  weil  sein  freier  ulnarer  Rand 
als  Leitstern  bei  der  Aufsuchung  der  A.  radialis  dient.  Ferner  liegt 
die  Stelle,  wo  der  Puls  gefühlt  wird,  zwischen  seiner  Sehne  und 
der  des  M.  flexor  carpi  radialis.  Nachdem  neuerdings  die  Lokal- 
anästhesie durch  Injektion  der  Hautnerven  selbst  eine  allgemeinere 
Anwendung  gefunden  hat,  verdient  hier  schon  die  Tatsache  besondere 
Erwähnung,  daß  an  der  Grenze  des  mittleren  und  distalen  Drittels 
des  Vorderarmes  der  weiter  proximal  vom  Muskelfleische  bedeckte 
R.  superficialis  n.  radialis  die  Fascie  durchbohrt,  unmittelbar  am 
hinteren  oder  dorsalen  Rande  der  Sehne. 


Idiotopie  und  Skeletopie. 

Die  äußere  Form  gerade  dieses  Muskels  wechselt  in  den  einzelnen 
Abschnitten  ganz  außerordentlich:  Am  Oberarme  zeigt  er  eine  freie 
Außenfläche  mit  einem  vorderen  schrägen  und  hinteren  geraden  Rande, 
nach  der  Ellenbeuge  zu  wird  allmählich  der  vordere  Rand  zum 
medialen,  ulnaren,  der  hintere  zum  lateralen,  radialen;  im  Ansätze 
dagegen  kehrt  dasselbe  Lageverhältnis  wieder  wie  am  Oberarme; 
wohlgemerkt  nur  im  Zustande  der  Supination.  Bei  der  Pronation 
beschreibt  der  Muskel  eine  halbe  Spiraltour  um  den  Radius  herum. 
Die  sich  hierbei  ergebenden,  fast  unglaublichen  Veränderungen  und 
Verschiebungen  der  Flächen  und  Ränder  können  hier  nicht  ausführ- 
licher beschrieben  werden,  man  kann  sich  am  Präparate  oder  am 
Lebenden  sehr  leicht  ein  anschauliches  Bild  hiervon  verschaffen. 

Noch  verwickelter,  als  die  Oberfläche  ist  die  Facies  profunda  des 
Muskels,  indem  er  sich  nämlich  am  Oberarme  keilartig  in  eine  ent- 
sprechende Auskehlung  des  M.  brachialis  hineinlegt. 

Am  Oberarme  dreieckig,  wird  der  Querschnitt  des  Muskelbauches 
in  der  Ellenbeuge  retortenartig  mit  ulnarer  Rundung,  am  Vorder- 
arme einer  abgeplatteten,  planconvexen  Linse  vergleichbar. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  am  Oberarme  keilartig  dessen 
lateraler  und  vorderer  Seite,  am  Vorderarme  den  2  proximalen  Dritteln 
der  Vorderseite.  Das  distale  Drittel  wird  von  den  M.  abductor  pollicis 
longus  und  extensor  pollicis  brevis,  vornehmlich  durch  ihre  Endsehnen 
überlagert.  Es  findet  sich  dann  fast  regelmäßig  beim  Erwachsenen, 
selten   schon  beim  Neugeborenen  ein  Schleimbeutel,   welcher  in   den 

153 


154 


N    radialis  ronimums 


t..  profundus  n.  radialis 


R.  superficialis  n. 
radialis 


M.  brachioradialis 


M.  extensor  carpi 
radialis  longus 


M.  extensor  carpi 
radialis  brevis 


Fig.  65.    Brachioradialgruppe,  Nervenbild. 


M.  brachioradialis.  155 

B.  N.  A.  keine  Bezeichnung  gefunden  hat,  von  Poirier  abgebildet 
(Fig.  123,  S.  172)  und  von  uns  als  Bursa  subabductoriaradialis 
nobis  ausführlich  beschrieben  ist.  Von  einem  Margo  superior  können 
wir  kaum  reden,  weil  derselbe  meistens  in  eine  Spitze,  den  Apex 
superior  s.  proximalis  ausgezogen  ist,  genau  wie  wir  auch  an  der 
Ansatzsehne  nur  einen  Apex  distalis  dicht  proximal  vom  Processus 
styloideus  radii  beschreiben  können.  Die  proximale  Spitze  liegt  in 
normalen  Fällen  am  distalen  Ende  des  Sulcus  spiralis,  reicht  bei 
Varietäten  jedoch  bis  zur  Tuberositas  deltoidea  hin.  In  letzterem 
Falle  entspricht  dann  der  Margo  posterior  auch  dem  Caput  laterale 
des  M.  triceps,  in  den  normalen  Fällen  nur  dem  Caput  mediale  dieses 
Muskels.  Am  Vorderarme  entspricht  der  zugeschärfte  Margo  posterior 
dem  M.  extensor  carpi  radialis  longus  bis  zu  dessen  distalem  Drittel. 
Der  vordere  Rand  schmiegt  sich  am  Oberarme  eng,  mitunter  fast 
untrennbar  an  den  M.  brachialis  an,  dann  etwas  distal  von  der  Ellen- 
beuge dem  M.  pronator  teres,  dessen  Endsehne  er  überlagert.  Die 
A.  radialis  wird  zunächst  vollkommen  von  dem  Muskelbauche  verdeckt 
und  gelangt  ungefähr  erst  in  der  Mitte  des  Oberarmes,  an  seinem 
ulnaren  Rande  an  die  Oberfläche.  Die  Facies  profunda  entspricht 
am  Oberarme  mit  dem  Ursi)runge  dem  Margo  lateralis  humeri,  und 
mehr  nach  vorn  dem  M.  brachialis,  von  welchem  er  teilweise  durch 
den  N.  radialis  und  dessen  Begleitgefäße  getrennt  wird,  vom  Ellen- 
bogengelenke an  abwärts,  hinten  dem  M.  extensor  carpi  radialis 
longus,  vorn  den  M.  supinator  und  pronator  teres.  Mit  dem  Ansätze 
dieses  Muskels  gewinnt  er  die  Nachbarschaft  des  Radius  selbst,  den 
er  bis  zum  Proc.  styloideus  begleitet,  ohne  jedoch  dabei  einen  tiefen 
Schleimbeutel  zu  entwickeln.  Wir  halten  es  für  zu  weitgehend,  hier 
noch  geringfügige  Lagebeziehnungen  zu  anderen  Nachbarmuskeln, 
z.  B.  M.  flexor  pollicis  longus,  zu  beschreiben. 


Brachioradialgruppe. 

Innervation. 

Unsere  Figur  zeigt  die  gesamte  Masse  der  drei  langen  Muskeln 
der  Brachioradialgruppe,  von  der  Facies  profunda  aus  gesehen. 
Ferner  haben  wir  auch  neben  dem  Stamme  des  N.  radialis  die  beiden 
Endzweige  (R.  superficialis  und  R.  profundus)  zur  Darstellung  ge- 
bracht. 

M.  brachioradialis. 

Wir  sehen,  wie  der  Nerv  zu  dem  M.  brachioradialis,  in  unserem 
Falle  ein  Ast,  es  können  aber  auch  mehrere  sein,  von  oben  her  in 
den  Muskel  eintritt  und  bald  einen  feinen  proximalen  Sehnennerven 
abgibt.  Seine  Aeste  haben  das  Charakteristische,  daß  sie  ziemlich 
lang  nach  unten  auf  der  präparatorisch  freigelegten  ulnaren  Ober- 
fläche verlaufen,  ehe  sie  in  die  Tiefe  gehen  und  dann  wieder  stellen- 
weise extramusculär  zu  Tage  treten,  hier  allerdings  auch  unter  der 
Haut,  ohne  daß  eine  radiale  Seitwärtsschiebung  des  Muskels  not- 
wendig ist.  Anastomosen  finden  sich  in  diesem  Falle  wenige;  treten 
mehrere  Nerven  aus  dem  Stamme  des  N.  radialis  heraus,  so  finden 
sich  auch  reichlichere  Anastomosen.  Ein  langer  Sehnennerv  zieht 
bis  zur  Endsehne:  bisweilen  kommen  auch  mehrere  vor. 


156 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 


M.  extensor  carpi  radialis  longus. 

Der  Nerv  tritt  von  der  ulnaren  Seite  des  Muskels  heran,  löst 
sich  in  eine  größere  Anzahl  von  Zweigen  auf,  welche  einen  kurzen 
extramuskulären  Verlauf  haben  und  mehrfach  miteinander  anasto- 
mosieren.  Sehnennerven  haben  wir  in  ihm  bisher  nicht  auffinden 
können. 

M.  extensor  carpi  radialis  brevis. 

Der  Nerv  für  den  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  hat  die  be- 
sondere Eigentümlichkeit,  daß  er,  zu  dem  im  mittleren  Drittel  des 
Vorderarmes  gelegenen  Muskelbauche  hinziehend,  extramuskulär  an 
der  scharfen  volaren,  ulnar  gerichteten  Kante  des  Muskels  verläuft. 
Von  dieser  Kante  aus  schickt  er  eine  ganze  Reihe  von  Zweigen  in 
die  Muskulatur  hinein.  Ein  feiner  Nerv  geht  zu  der  bei  der  Muskel- 
beschreibung erwähnten  platten,  dünnen  Ursprungssehne.  Wir  haben 
einen  solchen  Eintritt  eines  Nerven,  welcher  weder  der  oberflächlichen 
oder  der  tiefen  Lage,  sondern  dem  freien  Rande  entspricht,  als  mar- 
ginal bezeichnet.  In  diesem  speziellen  Falle  tritt  der  Muskelnerv 
nicht  in  die  Facies  volaris  oder  dorsalis  ein,  sondern  am  marginalen 
i.  e.  ulnaren  Rande. 


Muskelbündellänge. 

Minimum  13,6  cm 

Maximum  20       „ 

Durchschnit  aus  7  Messungen      16,9    „ 
Unterschied  in  Centimetern  6,4,  in  Prozenten  47  %. 

Segmentbezüge. 
5.  6.  Cervicalsegment. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel-        Sehnen- 
substanz      substÄn?; 

Muskel- 
subötanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

22 

17 
80 
65 

20,5 
16,5 
77 
62,5 

1,5 
0,5 
3 
2,5 

93,6 
97,1 
96,2 
96,2 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

46,8 

44,1 

2,7 

95.8 

Varietäten. 

Der  Ursprung  kann  sich,  wie  wir  auch  mehrfach  bestätigen 
können,  bis  zu  der  Tuberositas  deltoidea  erstrecken  und  tritt  dann 
außer  mit  dem  M.  brachialis  noch  mit  dem  Ansätze  des  M.  deltoideus 
in  Beziehung.  —  Diese  Varietät  wird  von  Wichtigkeit,  wenn  man 
operativ  den  N.  radialis  aufzusuchen  oder  zu  vermeiden  hat,  weil  die 
von  uns  vorgeschlagenen  Bestimmungen  sich  nicht  mit  den  Angaben 
anderer  Autoren  decken. 

Das  Fehlen  des  ganzen  Muskels  hat  Henle  einmal  beiderseits, 
beobachtet. 


156 


Braohioradialgruppe.  157 

Von  besonderem  Interesse  wäre  eine  von  Henle  beobachtete 
Varietät,  daß  sich  ein  oberstes  Ursprungsbündel  des  Supinator  (brevis) 
schon  vom  mittleren  Drittel  des  Humerus  loslöste  und  an  der  oberen 
Seite  des  Radius  ihren  Ansatz  fand.  Hiernach  hätte  man  es  wirk- 
lich mit  einem  Supinator  longus  zu  tun.  Nach  unserer  Meinung, 
welche  in  jedem  Falle  erst  durch  Prüfung  der  Fascien Verhältnisse 
und  Nervenversorgung  nachzuuntersuchen  wäre,  handelt  es  sich 
jedoch  nicht  um  eine  Verschiebung  des  M.  brachioradialis  nach  unten 
distalwärts,  sondern  um  eine  Verlagerung  des  M.  supinator  brevis  nach 
oben  hin,  d.  h.  proximalwärts.  Bei  dem  Bezüge  der  Nerven  aus  dem- 
selben Stamme  ist  für  uns  die  Abkunft  dieses  zwischen  den  M.  brachio- 
radialis und  supinator  brevis  gelegenen  Bündels  für  den  letzteren 
wahrscheinlich. 

Alle  anderen  Varietäten,  des  Ursprunges  oder  Ansatzes,  selbst 
wenn  letztere  bis  zur  Ulna  oder  zu  den  Metacarpalknochen  (Dursy) 
gehen,  beanspruchen  nur  theoretisches  anatomisches  Interesse. 

In  den  V.  B.  ist  unter  No.  132  ein  dem  HENLEschen  Falle 
analoger  beschrieben,  welchen  wir  nicht  wortgetreu  wiedergegeben, 
sondern  unserer  physiologischen  Auffassung  entsprechend  etwas  um- 
geändert haben:  Vom  M.  brachioradialis  zweigt  sich  ein  dünner 
Muskelbauch  ab  und  inseriert  am  Pronator  teres  selbst,  mittelbar 
also  am  Radius.  Funktion:  Supinator.  Es  handelt  sich  demnach  um 
einen  M.  supinator  verus,  welcher  sich  aus  dem  nach  unserer  Meinung 
nur  Beugewirkung  besitzenden  M.  brachioradialis  abzweigt. 


M.  extensor  carpi  radialis  longus. 

Synonyma:  Langer  äußerer  Speichenmuskel,  langer  Speichenstrecker; 
M.  radialis  externus  longus,  extensor  radialis  longus ;  Premier  ou  long  radial, 
prämier  radial  externe  Cruvbilhier,  humero-sus-metacarpien  Chaussier, 
Dumas  ;  extensor  carpi  radialis  longior  Macalister  ,  extensor  abductorius 
Duchenne. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Ursprung  entspricht  einigermaßen  dem  des  M.  pronator  teres, 
wofern  man  diesen  auf  die  radiale  Seite  überträgt,  d.  h.  er  kommt  nicht 
allein  vom  Epicondylus  lateralis,  sondern  greift  noch  auf  den  Schaft  des 
Oberarmbeines  über.  Eine  klare  Uebersicht  hiervon  kann  man  nur  durch 
die  vollständige  Loslösung  des  M.  brachioradialis  gewinnen.  Der  prisma- 
tische Muskelbauch  ist  kräftig,  hört  aber  bereits  mit  dem  proximalen 
Drittel  des  Vorderarmes  auf.  Die  Sehne  legt  sich  in  den  M.  extensor 
carpi  radialis  brevis  wie  in  ein  Bett  hinein,  ein  Verhalten,  das  wir 
bei  den  M.  peronaei  fast  in  gleicher  Weise  zu  schildern  haben 
werden.  Beide  Sehnen  treten  im  distalen  Drittel  des  Vorderarmes  in 
einen  Muskeltunnel,  indem  die  Bäuche  des  M.  abductor  pollicis  longus 
und  extensor  pollicis  brevis  über  sie  hinweg  aus  der  Tiefe  heraus  an 
die  Oberfläche  gelangen.  Noch  über  dem  Handgelenke  wird  die 
Sehne  wieder  frei,  ist  nie  vom  Lig.  carpi  dorsale  commune  bedeckt, 
erfährt  aber  eine  nochmalige  Ueberlagerung  durch  die  Sehne  des 
M.  extensor  pollicis  longus,  welche  den  freien  Endteil  ungefähr  in  der 
Mitte  der  Länge  schräg  überkreuzt. 

157 


158 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


M.  extensores  carpi  radiales. 


Fig.  66.    Varietät  der  linken  Seite.  Fig.  67.    Varietät  der  rechten  Seite. 

158 


M.  extensor  carpi  radialis  longns.  159 

Vom  N.  radialis  versorgt,  hat  der  Muskel  die  Aufgabe,  nicht 
allein  die  Hand  zu  strecken,  sondern  sie  auch  radialwärts  zu  ab- 
duzieren;  besonders  deutlich  ist  das  dann  zu  erkennen,  wenn  die 
Hand  vorher  ulnarwärts  abduziert  war.  Dann  ist  das  Primäre  die 
radiale  Abduktion  bis  zur  Mittelstellung;  jetzt  erst  tritt  die  Dorsal- 
flexion ein  unter  gleichzeitiger  weitergehender  Radialabduktion.  Der 
Ansatz  an  der  Basis  des  2.  Mittelhandknochens,  also  von  der  Hand- 
achse entfernt,  macht  diese  Nebenwirkung  ohne  weiteres  verständ- 
lich. Dem  M.  abductor  pollicis  longus  kommt  die  Aufgabe  der 
radialen  Abduktion  der  ganzen  Hand  viel  weniger  zu,  weil  die 
Hauptmasse  des  Ansatzes  distal  von  der  Articulatio  carpo-metacarpea 
pollicis  gelegen  ist  und  der  in  diesem  Gelenke  so  bewegliche  Daumen 
bequem  nach  außen  abweichen  kann ;  erst  sekundär  tritt  eine  geringe 
Abduktionsbewegung  der  ganzen  Hand  ein. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  reicht  vom  Epicondylus  lateralis  etwa  3  cm  am 
äußeren  Rande  des  Oberarmbeines  proximalwärts,  bis  unmittelbar  an  den 
Ursprung  des  M.  brachioradialis  hinan.  Er  gewinnt  also  noch  Be- 
ziehungen zum  Septum  intermusculare  laterale.  An  seiner  Oberfläche 
liegen  einige  Sehnenbündel,  welche  einen  Ursprung  von  der  Fascie 
vortäuschen  können.  Am  Vorderarme  gegen  seinen  Nachbarmuskel, 
den  M.  extensor  carpi  radialis  brevis,  entwickelt  sich  eine  sehr  starke 
Aponeurosis  intermuscularis,  welche  den  distalen  Bündeln  zum  Ur- 
sprünge dient.  Sein  Muskelbauch  ist  es  vor  allem,  welcher  dem 
Epicondylus  seine  tiefe  Lage  verschafft.  Während  der  Epicondylus 
medialis  als  scharfer  Winkel  an  der  Innenseite  vorspringt  und  auch 
von  vorn  und  hinten  gleich  gut  erkannt  werden  kann  und  sich  mit 
Leichtigkeit  selbst  durch  die  Kleider  hindurchfühlen  läßt,  erscheint 
der  Epicondylus  lateralis  im  Gegenteile  als  Vertiefung,  kann  von 
vorn  her  überhaupt  nicht  gesehen  werden,  von  der  Außenseite  auch 
nicht  deutlich,  sondern  nur  an  der  Rückseite. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  obere  Spitze  und  der  Beginn  der  Facies  superficialis  werden 
vom  M.  brachioradialis  überdeckt.  Dann  erscheint  aber  der  freie 
Muskelbauch  keilartig  an  der  Oberfläche.  Seine  Basis  entspricht 
genau  dem  Ursprünge  von  dem  Margo  lateralis  humeri.  Mit  dieser 
Beschreibung  ist  auch  bereits  der  Margo  posterior,  soweit  er  am 
Oberarme  liegt,  erledigt.  Die  Fortsetzung  zum  Vorderarme  bildet 
für  den  Margo  posterior  einen  stumpfen  Winkel,  dessen  Scheitelpunkt 
am  Epicondylus  lateralis  humeri  gelegen  ist.  Im  übrigen  richtet  sich 
die  Ausdehnung  der  am  Vorderarme  frei  liegenden  Oberfläche  nach 
der  Entwickelung  der  beiden  Nachbarmuskeln,  vorn  des  M.  brachio- 
radialis, hinten  der  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  und  abductor 
pollicis  longus.  Es  ist  mitunter  sehr  schwer,  am  Lebenden  die 
Sonderung  gegen  den  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  festzustellen, 
um  so  mehr,  als  beide  Muskeln  die  gleiche  Aufgabe  haben,  im  wesent- 
lichen die  Hand  dorsal  zu  beugen  und  gleichzeitig  zu  abduzieren. 
Der  Margo  distalis  ist  einer  Spitze  vergleichbar  und  identisch  mit 
der  Anheftung  an  der  Basis  des  2.  Mittelhandknochens.    Daß  knochen- 

159 


160 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


wärts  von  der  Sehne  sich  nur  in  den  allerseltensten  Fällen  ein 
Schleimbeutel  entwickelt,  sei  im  Gegensatze  zum  M.  extensor  carpi 
radialis  brevis  besonders  betont.  Von  der  Facies  profunda  sei  nur 
die  eine  wichtigste  Tatsache  hervorgehoben,  daß  sie  sich  bis  fast 
zum  Handgelenke  unmittelbar  auf  die  Facies  superficialis  des  M.  ex- 
tensor carpi  radialis  brevis  auflagert.  Sie  ist  von  derselben  weder 
durch  Gefäße,  noch  Nerven  getrennt,  sondern  ausschließlich  durch 
lockeres  Bindegewebe.  Die  Zusammengehörigkeit  beider  Muskeln 
gibt  sich  nicht  allein  durch  die  so  häufigen  sehnigen  Verbindungen, 
deren  wir  zwei  demselben  Individuum  entstammende  abgebildet 
haben  (s.  Fig.  66  und  67),  zwischen  den  Endsehnen  kund,  welche 
meistens  nur  als  Varietäten  bezeichnet  werden,  sondern  in  noch 
höherem  Maße  durch  die  Vereinigung  beider  Sehnenscheiden  zu  einem 
einheitlichen  Hohlräume,  welcher  erst  am  proximalen  und  distalen 
Ende  des  Lig.  carpi  dorsale  eine  Sonderung  hervorgehen  läßt. 
Einzelheiten  s.  bei  den  dorsalen  Sehnenscheiden. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  6,2  cm 

Maximum  10,2   „ 

Durchschnitt  aus  10  Messungen     7,6    „ 
Untersciiied  in  Centimetern  4,  in  Prozenten  65  "/o- 

Segmentbezüge. 
(5.)  6.  7.  Cervicalsegment. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

cj  .                Muskel- 

^«^^^^-       Substanz 
Substanz  |   !^^p^^ 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

22 

18 

45,5 

32 

18,5 
15,75 
40,5 
29 

3,5 

r 

3 

84,1 
87,5 
89,1 
91,6 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

29,4 

25,9 

3,5 

88,1 

Varietäten. 

Die  Varietäten  betreffen  vorzüglich  den  Ansatz,  indem  sich 
accessorische  Sehnen  entweder  ulnar  oder  radial  wenden. 

Anatomisch  interessanter  sind  die  radialwärts  ziehenden  über- 
zähligen Sehnen,  bei  denen  Uebergänge  oder  Ansätze  am  M.  ab- 
ductor  pollicis  brevis,  interosseus  dorsalis  und  volaris  I  oder  an  der 
Basis  des  1.  Mittelhandknochens  oder  am  Os  multangulum  majus  be- 
schrieben sind. 

In  den  V.  B.  findet  sich  unter  No.  297  folgender  Fall:  Extensores 
radiales  5-köpfig.  Die  gewöhnlichen  Muskeln  verdoppelt.  Außerdem 
ein  fünfter  Kopf.  Ursprung  ulnar  von  den  anderen  Köpfen.  Besonderes 
Loch  für  die  Sehne  unter  dem  Lig.  carpi  dorsale.  Erster  Ansatz  am 
1.  Metacarpophalangealgelenk.    Auf  dem  Handrücken  zweiter  Muskel- 

i6o 


M.  extensor  carpi  radialis  brevis.  161 

bauch,   welcher   mit  dem  M.  abductor  pollicis  brevis  gemeinsam  an- 
setzt (W.  Krause). 

No.  456.  Muskelkonjugation  in  Form  eines  M.  biventer  am  Ober- 
arme und  Handrücken  mit  dünner  Zwischensehne  am  Vorderarme 
zwischen  den  M.  extensor  carpi  radialis  longus  und  abductor  pollicis 
longus. 

M.  extensor  carpi  radialis  brevis. 

Synonyma :  Kurzer,  äußerer  Speichenmuskel,  kurzer  Speichenstrecker ; 
M.  radialis  externus  brevis,  M,  extensor  carpi  radialis  secundus; 
Deuxieme  ou  court  radial,  second  radial  externe,  epicondylo  -  sus  -  meta- 
carpien  Chaussier,  Dumas;  Extensor  carpi  radialis  brevis  Macalistbr; 
extensor  rectus  Duchenne. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Muskel  steigt  nicht  nur  bei  der  Supination,  sondern  auch 
bei  der  Pronation  der  Hand  fast  senkrecht  vom  Epicondylus  lateralis 
herab  zur  Basis  des  3.  Mittelhandknochens.  Beachtenswert  an  ihm 
sind  4  Punkte: 

1)  die  starke,  aber  äußerlich  kaum  sichtbare  Ursprungssehne; 

2)  der  lange  Muskelbauch,  welcher  ungefähr  in  der  Verlängerung 
des  Bauches  des  M.  extensor  carpi  radialis  longus  bis  über  die  Mitte 
des  Vorderarmes  distal  herabreicht; 

3)  die  Ueberkreuzung  dieser  beiden  Sehnen  im  distalen  Drittel 
des  Vorderarmes  durch  die  M.  abductor  pollicis  longus  und  extensor 
pollicis  brevis; 

4)  in  Handgelenkshöhe  die  Sehnenscheide,  die  Ueberkreuzung 
durch  den  M.  extensor  pollicis  longus  und  das  Freiwerden  der  Sehne 
bis  fast  an  den  Ansatz  heran. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Die  Art  und  Weise  des  Ursprunges  entspricht  am  meisten  der  des 
M.  flexor  carpi  radialis.  An  eine  starke,  am  Epicondylus  lateralis  ent- 
springende Sehnenplatte  setzen  sich  die  Nachbarmuskeln  noch  an ;  es 
bildet  sich  eine  Art  Sehnentrichter,  aus  dessen  Tiefe  erst  die  Muskel- 
bündel entspringen.  Dieser  Sehnentrichter  ist  ungefähr  5  cm  lang 
und  ulnarwärts  geöffnet,  mit  einem  scharfen  Rande,  in  welchen  sich 
die  Gefäße  und  Nerven  einsenken. 

Der  Hauptursprung  der  Muskelbündel  liegt  gegenüber  vom  M. 
extensor  digitorum  communis.  Von  dieser  Aponeurosis  intermuscularis 
gehen  die  Muskelbündel  schräg  nach  unten  und  vorn ;  indessen  reicht 
sie  nicht  so  weit  als  Aponeurose  nach  unten  bis  zum  Hervortreten 
des  M.  abductor  pollicis  longus,  sondern  stellt  unten  nur  ein  Septum 
intermusculare  dar. 

Sehr  stark  ist  auch  die  tiefe  Sehnenplatte,  welche  außerdem  mit 
dem  M.  supinator  verbunden  ist,  unser  Lig.  intermusculare  radiale 
s.  laterale.  Von  diesem  tiefen  Blatte  ziehen  die  Muskelbündel  ziemlich 
senkrecht  nach  unten. 

Der  ansehnliche  prismatische  Muskelbauch  zeigt  hautwärts  eine 
Rinne  zur  Aufnahme  des  Muskelbauches  und  dann  der  Sehne  des  M. 
extensor  carpi  radialis  longus,   knochenwärts  eine  Abflachung,  welche 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  1!,  8.  1  l 

i6i  ^^ 


162  FROHSE   und  M.  FRÄNKEL, 

dem  Radius  entspricht.  Daß  dieser  Knochen  noch  von  dem  dünnen 
M.  supinator  und  dem  ganz  flachen  Ansätze  des  M.  pronator  teres 
bedeckt  ist,  spielt  für  die  Hauptform  der  tiefen  Fläche  keine  wesent- 
liche Rolle. 

Die  Endsehrie  wird  schon  am  distalen  Ende  des  mittleren  Drittels 
vollständig  frei,  nachdem  sie  bereits  vorher  dort  sichtbar  ist,  wo  die 
Sehne  des  M.  extensor  carpi  radialis  longus  über  den  Muskel  hin- 
weggleitet. 

Das  Verhalten  der  Endsehne  unter  dem  M.  abductor  pollicis  ist 
bei  diesem  Muskel  und  dem  M.  extensor  carpi  radialis  longus  nach- 
zusehen. 

Der  Ansatz  findet  statt  am  Proc.  styloideus  ossis  metacarpalis  III, 
richtiger  etwas  distal  davon,  weil  er  von  diesem  Knochenpunkte  —  nach 
unseren  Befunden  regelmäßig  —  durch  einen  Schleimbeutel  getrennt  ist. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Am  Oberflächenbilde  nimmt  der  Muskel  spindelförmig  teil  im 
unmittelbaren  Anschlüsse  an  den  Margo  posterior  des  M.  extensor 
carpi  radialis  longus.  Die  Länge  der  Spindel  beträgt  ca.  12  cm,  ihre 
größte  Breite  2  cm. 

Der  Einfachheit  halber  wollen  wir  —  selbstverständlich  bei  der 
Supination  —  seine  Flächen  als  lateralis,  medialis,  anterior  und  posterior 
bezeichnen. 

Die  laterale  gewölbte  Fläche  entspricht  der  Haut,  die  mediale 
stellt  nur  einen  scharfen  Rand  dar,  welcher  sich  gegen  die  Ulna 
wendet  und  hier  an  unserem  Margo  marginalis  den  Hilus  für  den 
Nerven  und  die  Hauptgefäße  darstellt.  Die  Facies  anterior  entspricht 
dem  M.  extensor  carpi  radialis  longus,  die  Facies  posterior  s.  pro- 
funda vom  Ellenbogengelenke  bis  zur  Hand  der  Reihenfolge  nach 
den  M.  supinator,  pronator  teres  und  schließlich  dem  Radius  selbst 
und  zieht  in  einer  Sehnenscheide  bis  zum  Ansätze. 

Die  Facies  lateralis  entspricht  der  Fascie  und  Haut,  während  die 
Facies  anterior  nur  ganz  wenig  zu  beiden  Seiten  der  Sehne  der  M.  ex- 
tensor carpi  radialis  longus  erscheint,  über  welchen  sich  auch  noch  der 
M.  brachioradialis  herüberlegt.  Ferner  ziehen  über  die  Sehnen  aller 
3  letztgenannten  Muskeln  die  M.  abductor  pollicis  longus  und  extensor 
pollicis  brevis  schräg  hinweg,  im  Bereiche  der  Handwurzel  auch 
noch  die  Sehne  des  M.  extensor  pollicis  longus  und  schließlich  ein 
kleines  Stück  der  Zeigefingersehne  des  M.  extensor  digitorum  communis. 

Letzterer  bildet  oben  am  Vorderarme  den  Anschluß  an  die  Facies 
posterior.  Am  vorderen  Rande  des  Muskels  liegen  die  Verzweigungen 
der  A.  recurrens  radialis,  sein  eigener  langer  Muskelnerv  und  der  R. 
superficialis  n.  radialis. 

Schleimbeutel. 

Bisweilen  (10  Proz.  Gruber)  liegt  zwischen  Ursprungssehne  und 
M.  supinator  ein  Schleimbeutel, 

Macalister  beschreibt  einen  oberen  Schleimbeutel  bei  der 
Ueberkreuzung  durch  die  M.  abductor  pollicis  longus  und  extensor 
pollicis  brevis  und  sagt,  daß  dieser  mit  der  unteren  Sehnenscheide, 
der  typischen  im  zweiten  Dorsalfache  kommunizieren  könne.  Poirier 

162 


M.  extensor  carpi  radialis  brevis. 


163 


bildet   die  obere   Sehnenscheide  zwar  als  isoliertes   Gebilde  ab,    er- 
wähnt sie  aber  im  Texte  nicht. 

Den  kleinen  Schleimbeutel,  welcher  sich  zwischen  Proc.  styloideus 
ossis  metacarpalis  III  und  Sehnenansatz  befindet,  hält  Gruber  nur  für 
„zuweilen"  vorkommend;  Poirier  sagt  „gewöhnlich";  Macalister 
schreibt:  ein  kleiner  und  gewöhnlich  getrennter  Schleimbeutel  liegt 
unter  jeder  Sehne  (d.  h.  auch  der  des  M.  extensor  carpi  radialis  longus) 
dicht  vor  dem  Ansätze.  Wir  halten  einen  Schleimbeutel  an  der  Basis 
des  2.  Mittelhandknochens  für  außerordentlich  selten,  dagegen  den 
am  3.  Mittelhandknochen  für  fast  konstant  und  machen  diese  Stelle 
aus  theoretischen  und  praktischen  Gründen  für  das  „Ueberbein" 
(Ganglion)  verantwortlich. 

Wirkung. 

Der  Muskel  ist  der  vornehmlichste  Dorsalbeüger  der  Hand.  Der 
Ansatz  am  3.  Mittelhandknochen  entspricht  fast  der  Mitte  der  Hand 
und,  wie  oben  erwähnt,  verläuft  der  Muskel  sowohl  bei  der  Pronation 
wie  bei  der  Supination  ungefähr  senkrecht  von  oben  nach  unten.  Er 
erfährt  bei  der  Drehung  des  Radius  um  die  Ulna  nur  eine  geringe 
Lageveränderung.  Ihn  in  irgend  einer  Weise  mit  dem  Ellenbogen- 
gelenke in  Beziehung  setzen  zu  wollen,  wie  es  verschiedentlich  ver- 
sucht ist.  halten  wir  schon  aus  dem  Grunde  für  gewagt,  weil  noch 
der  M.  supinator  über  dem  Gelenke  liegt. 

Der  Muskel  ist  an  und  für  sich  schon  so  kräftig,  daß  er  zur 
Dorsalflexion  der  Hand  vollkommen  ausreicht.  Wir  müssen  Duchenne 
beistimmen,  daß  die  M.  extensor  carpi  radialis  longus  und  carpi  ul- 
naris  nur  dann  zur  Mitwirkung  herangezogen  werden,  wenn  die  Hand 
mit  aller  Gewalt  gestreckt  wird. 

Wenn  sich  die  Hand  in  ulnarer  Abduktion  befindet,  so  löst  ein 
Zug  an  dem  Muskel  zunächst  eine  radiale  Abduktion  aus,  und  erst 
dann  tritt  eine  Dorsalbeugung  ein,  wobei  nur  eine  ganz  geringe 
radiale  Abduktion  statthat.  Das  ist  auch  verständlich,  weil  die  Sehne 
ungefähr  in  der  Achse  der  Hand  ansetzt. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  5     cm 

Maxiraum  6,2     „ 

Durchschnitt  aus  8  Messungen       5,6    „ 

Unterschied  in  Centimetern  1,2,  in  Prozenten  24  "/o- 


Segmentbezüge. 
(5.)  6.  7.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
Substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

20 
15 
37,5 
45 

15,6 
11 
31,5 
38,5 

4,4 
4 
6 
6,5 

78 
73,3 
84 
86 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

29,4 

24,2 

5,2 

mß 

'63 


11* 


164 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


Varietäten  (Henle  S.  218). 

Die  Endsehne  kann  gespalten  zum  3.  Mittelhandknochen  ziehen 
oder  schickt  in  wechselnder  Höhe  einen  Seitenzipfel  zum  M.  extensor 
carpi  radialis  longus,   d.  h.  mittelbar  oder  unmittelbar  zur  Basis  des 

2.  Mittelhandknochens.  Diese 
einfache  Verbindung  ist  in  Fig.  67 
abgebildet,  welche  dem  rechten 
Arme  eines  40-jährigen  Mannes 
entstammt,  während  am  linken 
Arme  desselben  Individuums 
eine  doppelte  (wechselseitige) 
Konjugation  vorlag,  s.  Fig.  66. 


Tuberositas  deltoidea 


M.  brachialis,   facies 
lateralis  superficialis 


M.  brachialis, 

facies  lateralis 

profunda 


Hiatus  superior 
canalis   supinatorii 


M.  supinator 


Hiatus  inferior 
canalis  supinatorii 


Fig.  68.  M.  brachialis  et  supinator,  Muskel- 
bild, von  der  lateralen  Seite. 


M.  supinator. 

Synonyma :  Kurzer  Aus- 
wärts- oder  ßückwärtsdreher 
oder  -wender;  M.  supinator  bre- 
vis;  Court  supinateur,  epicondylo- 
radial  Chaussier,  Dumas,  epicon- 
dylo-cubito-radial. 

Allgemeine 
Beschreibung. 

Das  Charakteristische  für 
diesen  Muskel  ist  das  cylindßr- 
artige  Umfassen  des  proximalen 
Drittels  des  Radius,  den  er  bis 
auf  die  Tuberositas  vollkommen 
einhüllt.  Ein  derartiges  tiächen- 
haftes  Herumrollen  eines  Mus- 
kels um  einen  Knochen  kommt 
niemals  auch  nur  annähernd  in 
demselben  Maße  wieder  am 
menschlichen  Körper  vor.  Der 
Vergleich  mit  Sehnen,  die  sich 
um  Knochen-  oder  Bandrollen 
her  umschlingen,  ist  nicht  statt- 
haft, weil  in  derartigen  Fällen 
sich  regelmäßig  ein  Schleim- 
beutel oder  eine  Sehnenscheide 
findet,  die  hier  fehlt. 

Als  zweiter  wichtiger  Punkt 
ist  die  Durchbohrung  des  Mus- 
kels durch  den  tiefen  Ast  des 
N.  radialis  zu  betonen. 

Der  dritte  Punkt  ist  der, 
daß  der  Muskel  der  versteck- 
teste Armmuskel  und  erst  nach 
ausgiebigster  Spaltung  oder  Ent- 
fernung     der      oberflächlichen 


164 


M.  supinator.  165 

Schicht  sichtbar  zu  machen  ist  und  aus  diesem  Grunde  dem  Studenten 
die  allergrößten  Schwierigkeiten  bereitet. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Er  entspringt: 

1)  vom  freien  Rande  des  Epicondylus  lateralis,  eng  verschmolzen 
mit  der  Ursprungssehne  der  beiden  M.  extensores  carpi  radiales  und 
des  M.  extensor  digitorum  communis; 

2)  von  der  Ulna,   genau  gegenüber  dem  M.  anconaeus  (quartus). 
Der  Ursprung  vom  Epicondylus  lateralis  hängt  sehr  eng  mit  der 

Gelenkkapsel  und  dem  Lig.  collaterale  laterale  zusammen.  Bei  un- 
vorsichtigem Präparieren  kann  man  diesen  Ursprung  leicht  ent- 
fernen, so  daß  er  dann  dieses  nicht  sehr  mächtige  Band  wesentlich 
verstärken  hilft  oder  überhaupt  darstellt. 

Die  von  der  Ulna  entspringenden  Fasern  sind  an  der  Oberfläche 
teilweise  aponeurotisch,  die  Hauptmasse  entspringt  aber  fleischig  in 
der  Tiefe. 

Die  Länge  des  Ursprunges  beträgt,  d.  h.  den  Ursprung  von  dem 
Humerus  miteingerechnet,  ungefähr  7—8  cm;  andernfalls  würde  man 
unsere  Darstellung  vom  Muskelursprunge  nicht  verstehen.  Es  muß 
also  in  diesem  Falle  nicht  allein  die  Abbildung  des  Humerus  von  vorn, 
sondern  auch  diejenigen  der  Vorder-  und  Rückseite  der  Vorderarm- 
knochen zu  Rate  gezogen  werden. 

Die  Dicke  des  von  außen  her  sehr  dünn  erscheinenden  Muskels 
erreicht  stellenweise  gegen  1,5  cm. 

Die  obersten  Muskelbündel  entspringen  am  vorderen  Abschnitte 
des  Lig.  collaterale  laterale,  verlaufen  nahezu  horizontal  in  der  Höhe 
des  Capitulum  radii  und  setzen  proximalwärts  von  der  Tubero- 
sitas  radii  an.  Sie  gehören  eigentlich  zur  tiefen  Schicht,  weil  sie 
vom  R.  prpfundus  n.  radialis  bedeckt  sind.  Die  von  dem  hinteren  Ab- 
schnitte desselben  Bandes  entspringenden  Bündel  bilden  einen  deut- 
lichen Sehnenbogen  mit  distalwärts  gerichteter  Konvexität.  Erst  unter- 
halb dieses  Arcus  tendineus  kommt  die  charakteristische,  schräge 
Verlaufsrichtung  zur  Geltung,  welche  den  Hauptteil  des  Muskels  aus- 
zeichnet. 

Da  die  Muskelbündel  sowohl  von  vorn  wie  von  hinten  zu  er- 
kennen sind,  jedoch  in  dieser  lateralen  Hälfte  verschieden  verlaufen 
und  endigen,  ist  eine  getrennte  Beschreibung  durchaus  notwendig. 

Das  distale  Ende  des  Muskels  verläuft  von  der  Ulna  schräg  her- 
unter zum  Radius  bis  zum  Ansätze  des  M.  pronator  teres,  zieht  also 
von  medial-oben  nach  lateral-unten,  beschränkt  sich  demgemäß  auf 
die  Rückseite.  Man  kann  aber  die  Insertion  dieses  Muskels  niemals 
von  nur  einer  Seite  her  übersehen,  muß  also  theoretisch  den  Vorder- 
arm von  der  Rück-,  Außen-  und  Vorderseite  betrachten.  Die  Außen- 
seite entspricht  nur  der  stumpfen,  abgerundeten  Vereinigungsstelle 
der  hinteren  und  vorderen  Insertionslinie.  Die  vordere  Ansatzgrenze 
verläuft  etwas  schräg  von  proximal-ulnar  nach  distal-radialwärts.  Jedoch 
ist  sie  nicht  gleichmäßig,  sondern  zeigt  eine  lateral  konvexe  Unter- 
brechung, welche  dem  Ansätze  des  M.  biceps  oder  richtiger  seines 
Schleimbeutels  an  der  Tuberositas  radii  entspricht.  Poirier  be- 
zeichnet diese  Stelle  als  „vierge  de  toute  Insertion". 

165 


i6i5  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Die  Durchbohrung  durch  den  R.  profundus  n.  radialis  bewirkt 
«ine  Zerlegung  des  Muskels  in  eine  oberflächliche  und  tiefe  Lage. 
Wie  schon  erwähnt,  reicht  die  tiefe  Schicht  weiter  proximalwärts,  als 
die  oberflächliche.  Dasselbe  Verhalten  finden  wir  auch  am  distalen 
Ende,  nur  daß  im  allgemeinen  hier  kein  deutlicher  Sehnenbogen  vor- 
handen ist.  Gewöhnlich  ist  die  oberflächliche  Lage  nur  3 — 4  cm  lang, 
d.  h.  während  des  Durchtrittes  des  R.  profundus,  durch  dessen  An- 
spannen man  die  oberflächliche  dünne  Schicht  besonders  deutlich 
zeigen  und  nach  außen  von  der  tiefen  dickeren  Schicht  abheben  kann ; 
wir  haben  aber  einen  Fall  beobachtet,  wo  sie  kaum  2  cm  lang  war, 
obwohl  der  ganze  Muskel  die  gewöhnliche  Länge  von  6  cm  in  der- 
selben Richtung  besaß. 

Die  oberflächlichsten  Muskelbündel  sind  die  längsten,  die  der 
tiefen  Schicht  sehr  kurz.  Je  weiter  wir  nach  unten  gehen,  um  so 
länger  jedoch  werden  sie.  Die  Veränderung  der  Länge  geht  aber 
nicht  sprungweise,  sondern  ganz  allmählich  vor  sich. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Durchbohrung  des  Muskels  durch  den  ß.  profundus  n.  radialis 
ist  so  wichtig  und  für  die  Gesamtarchitektur  der  Muskelbündel  so 
einschneidend,  daß  dieses  Verhalten  bereits  bei  der  Idiotopie  aus- 
führlich hat  dargestellt  werden  müssen. 

Bei  der  tiefen  Lage  des  Muskels  und  der  allseitigen  Umgreif ung 
des  Radius  müssen  wir  alle  4  Flächen  des  Vorderarmes  berück- 
sichtigen: die  Facies  dorsalis,  lateralis,  volaris  und  medialis. 

Der  Ursprung  liegt  gegenüber  vom  M.  anconaeus,  welcher  ihn 
zum  Teil  noch  überlagert,  ebenso  wie  die  anderen  oberflächlichen 
Strecker:  die  M.  extensor  carpi  ulnaris,  digiti  minimi  und  digitorum 
communis.  Lateral  wird  er  von  der  Brachioradialgruppe  bedeckt, 
unmittelbar  allerdings  nur  vom  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  und 
noch  etwas  vom  longus. 

Die  Facies  volaris  bildet  den  lateralen  Boden  der  Ellenbeuge. 

Medial  haben  wir  den  Schleimbeutel  der  Bicepssehne  und  diese 
selbst,  noch  weiter  nach  innen  die  Chorda  obliqua  und  die  Ulna.  Es 
sei  hier  aber  auch  des  eigentümlichen  Verhaltens  gedacht,  daß  man 
auch  von  vorn  her  den  Ursprung  des  Muskels  von  der  Ulna  über 
dem  oberen  Rande  der  Membrana  interossea  sehen  kann.  Diese  Muskel- 
bündel verlaufen  von  oben-innen  nach  unten-außen,  während  am 
freien  Rande  des  Radius  beim  Uebergange  auf  die  vordere  Fläche 
dieses  Knochens  die  Ansatzbündel  den  umgekehrten  Verlauf  nehmen. 
Legt  man  seine  beiden  Zeigefinger  an  einem  Präparate,  den  einen 
von  der  Rück-,  den  anderen  von  der  Vorderseite  her,  in  die  Richtung 
der  Muskelbündel,  so  erkennt  man,  daß  sich  die  beiden,  nach  unten 
verlängert,  kreuzen  würden,  und  die  Form  eines  X  entsteht. 

Die  tiefe  Fläche  umkreist  das  obere,  proximale  Drittel  des  Radius, 
deckt  also  außerdem  die  Articulatio  radiohumeralis,  das  Lig.  anulare 
radii,  sowie  den  Recessus  sacciformis. 

Der  obere  Rand  entspricht  dem  Epicondylus  lateralis  humeri  von 
vorn  her,  dem  Capitulum  humeri  und  der  darüber  liegenden  Gelenk- 
kapsel, dann  dem  M.  brachialis  und  bei  der  Supination  auch  noch  der 
Bicepssehne.  Bei  der  Pronation  gehört  diese  aber  wesentlich  der 
inneren  und  selbst  der  hinteren  Seite  an. 

i66 


M.  supinator.  167 

Der  untere  Rand  schmiegt  sich  an  die  tiefen  Streckmuskeln  an, 
nämlich  den  M.  abductor  pollicis  longus  und  selten  auch  den  M.  ex- 
tensor  pollicis  longus. 

Mit  nennenswerten  Gefäßen  hat  der  Muskel  nichts  zu  tun.  Die 
eigenen  Gefäße  treten  nur  zum  Teil  durch  den  oberen  Sehnenbogen 
zusammen  mit  den  Nerven  in  den  Muskel  hinein.  Die  A.  interossea 
dorsalis  kommt  erst  am  unteren  Rande  des  Muskels  zum  Vorscheine 
und  schickt  die  A.  interossea  recurrens  in  der  Rinne  zwischen  ihm 
und  dem  M.  anconaeus  (quartus)  zum  Ellenbogengelenke  zurück. 

Die  verhältnismäßig  breite  Ursprungsaponeurose  ist  mit  den  dar- 
überliegend^n  Muskeln  oder  den  Sehnen  stellenweise  sehr  eng  verbunden. 

Gerade  der  nicht  einheitliche  Zusammenhang  erzeugt  hier  selten 
einen  größeren  oder  mehrere  kleine  Schleimbeutel.  Es  ist  einerlei, 
ob  man  dieselben  den  M.  extensores  carpi  radiales  und  extensor  digi- 
torum  communis  einerseits  zurechnen  will,  da  sie  gemeinschaftlich 
die  obere  Decke  bilden,  oder  andererseits  dem  M.  supinator,  welcher 
gegebenenfalls  den  Boden  für  solche  Schleimbeutel  bildet. 

Wo  immer  eine  Reibung  zwischen  verschiedenen  gegeneinander 
beweglichen  oder  sich  gegeneinander  reibenden  Gebilden  statthat,  muß 
sich  ein  Schleimbeutel  ausbilden.  Bei  geringerer  Reibung  findet  sich 
bloß  schlüpfriges  oder  lockeres  Bindegewebe,  bei  fester  Vereinigung 
dui'ch  stärkere  oder  breite  Lig.  intermuscularia  ist  eine  Verschiebung 
gegeneinander  ausgeschlossen  —  und  dann  fehlt  der  Schleimbeutel. 
Niemals  kommuniziert  ein  solcher  aber  mit  dem  Ellenbogengelenke. 

Wirkung. 

Der  Muskel  bewh'kt  sehr  energisch,  wenn  auch  nicht  so  schnell, 
wie  der  langbündlige  M.  biceps,  die  Supination  des  Vorderarmes 
und  der  Hand.  Daß  der  M.  brachioradialis  keinen  nennenswerten 
Einfluß  auf  die  Drehbewegungen  hat,  weder  auf  die  Supination,  wie 
sein  alter  Name  M.  supinator  longus  sagt,  noch  auf  die  Pronation, 
wie  auch  behauptet  wird,  ist  oben  von  uns  erläutert  worden.  Gleich- 
wohl sind  auch  für  die  Supination  2  Muskeln  vorhanden,  wie  für  die 
Pronation  die  M.  pronator  teres  und  quadratus.  Es  würde  nichts 
im  Wege  stehen,  wenn  man  den  M.  supinator  mit  dem  alten  Zusätze 
brevis  bedächte,  wofern  man  unter  dem  M.  supinator  longus  den  M. 
biceps  brachii  versteht. 

Innervation. 

Bei  der  Beschreibung  des  Muskels  selbst  haben  wir  hervor- 
gehoben, daß  der  Muskel  aus  zwei  Portionen  besteht,  einer  oberfläch- 
lichen und  einer  tiefen.  Die  erste  ist  in  ihrer  Breite  Schwankungen 
unterworfen,  die  tiefe  regelmäßig  länger.  Getrennt  werden  beide 
Muskelschichten  durch  den  R.  profundus  n.  radialis.  Die  Nerven- 
verzweigung gibt  diese  Klarheit  der  Einteilung  in  zwei  Portionen  nicht 
so  deutlich  wieder.  Es  ist  kein  einheitlicher  Stamm  für  die  ober- 
flächliche und  kein  zweiter  für  die  tiefe  Schicht  vorhanden,  viel- 
mehr eine  Reihe  von  Zweigen,  welche  sowohl  oben,  als  wie  unten 
zur  Muskulatur  beider  Schichten  treten  und  verschiedentlich  sogar 
miteinander  zusammenhängen  können.  Als  charakteristisch  möchten 
wir  aber  hervorheben,  daß  die  Hauptzweige  nicht  erst  während  der 
Durchbohrung  vom  Hauptstamme   abgehen,   wie  wir  es  ja  beim  M. 

167 


168 


FROHSE   und  M.    FRANKEL, 


coracobrachialis  und  dem  N.  musculocutaneus  oder  beim  Caput  longum 
und  ulnaren  Teile  des  M.  triceps  und  den  versorgenden  Aesten  des 
N.  radialis  gesehen  haben,  sondern  schon  oberhalb  derselben,  so  daß 
man  die  einzelnen  Nervenzweige  extramuskulär  bereits  darstellen 
kann.  Eine  frühzeitige  Teilung  der  Hauptzweige  kann  hierbei  schon 
bis  8  extramuskuläre  Aeste  hervorgehen  lassen ;  wir  haben  deren  nur 
3  abgebildet. 

Weiter  haben  wir  bei  der  Muskelbeschreibung  hervorgehoben, 
daß  der  Muskel  der  am  meisten  versteckte  des  ganzen  Armes  ist. 
Auch  die  elektrische  Reizung  stößt  mitunter  auf  unüberwindliche 
Schwierigkeiten.  Die  direkte,  isolierte  Reizung  des  Nerven  von  vorn 
her  ist  ausgeschlossen,  einmal  wegen  der  tiefen  Lage,  dann  auch 
wegen  der  sensiblen  Nerven,  die  gerade  über  ihm  verlaufen,  nämlich 
subkutan  der  Hautast  des  N.  musculocutaneus,  der  N.  cutaneus  ante- 
brachii  lateralis  und  der  unter  dem  M.  brachioradialis  allmählich  zum 
Handrücken  ziehende  R.  superficialis  des  N.  radialis.  Von  der  Rück- 
seite her  kann  der  elektrische  Strom  erst  nach  Durchdringung  der 
oberflächlichen  Streckmuskulatur  auf  den  Muskel  selbst  und  nur 
wenige  Endästchen  einwirken.  Der  günstigste  Punkt  ist  3  cm  distal 
vom  Capitulum  radii,  d.  h.  des  Gelenkspaltes,  senkrecht  nach  unten 
zwischen  dem  M.  extensor  carpi  ulnaris  und  digitorum  communis. 

Die  Rinne  zwischen  dem  M.  extensor  digitorum  und  den  M.  ex- 
tensores  carpi  radiales  ist  deshalb  nicht  zu  empfehlen,  weil  dort  der 
aus  dem  N.  radialis  stammende  R.  cutaneus  antebrachii  dorsalis  ver- 
läuft und  außerordentlich  schmerzempfindlich  ist.  Selbstverständlich 
achte  man  bei  der  Reizung  dieses  Muskels  darauf,  daß  die  Hand 
stark  proniert  ist. 


Caput  superficiale:    Minimum 
Maximum 


Muskelbündellänge. 

2,4  cm 
2,8   „ 

Durchschnitt  aus  5  Messungen      2,6   „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,4,  in  Prozenten  17  "/o- 

Caput  profundum:      Minimum  2,2  cm 

Maximum  3,1    „ 

Durchschnitt  aus  9  Messungen     2,8   „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,9,  in  Prozenten  41  "/o- 

In  tote:  Minimum  2,2  cm 

Maximum  3,1    „ 

Durchschnitt  aus  14  Messungen    2,7    „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,9,  in  Prozenten  41  "/o- 


Segmentbezüge. 
5.  6.  (7.)    Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz^ 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

15 
10 
26 
23 

14 
9,5 
24 
21,5 

f 

1,5 

93,3 
95 
92,3 
93,9 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

18,5 

17,3 

1,2 

93,6 

i68 


M.  supinator.  169 

Varietäten  (nach  Raüber-Kopsch,  7.  Auflage,  Leipzig,  Georg 
Thieme,  1906,  S.  638). 

„In  seinem  Ursprung  befindet  sich  (äußerst  selten)  ein  Sesam- 
bein. Als  überzählige  Bündel  sind  beobachtet  worden  ein  Bündel 
vom  Epicondylus  medialis.  Ferner  ein  querverlaufendes  selbständiges 
Bündel  —  M.  tensor  Ligamenti  anularis  radii  dorsalis  — ,  welches 
von  der  Dorsalfläche  der  Ulna,  unterhalb  der  Incisura  semilunaris 
entspringt,  und  am  radialen  Abschnitt  des  Lig.  anulare  ansetzt.  Selten 
ist  ein  M.  tensor  Lig.  anularis  radii  volaris,  welcher  am  Processus 
coracoideus  ulnae  entspringt." 

Wir  halten  die  Sucht,  für  jedes  Gelenk  einen,  oder  wie  in  diesem 
Falle  mehrere  Gelenkmuskeln  herauszutüfteln,  nicht  für  angebracht. 
Sollten  da  nicht  häufig  präparatorische  Ungeschicklichkeiten  mitunter- 
laufen'? Wir  haben  im  Texte  bereits  erwähnt,  daß  die  oberflächliche 
Schicht  des  M.  supinator  in  einem  Falle  nur  2  cm  lang  war,  während 
die  gewöhnliche  Länge  ungefähr  4  cm  Querbreite  beträgt,  und 
möchten  für  den  Durchtritt  des  R.  profundus  n.  radialis  durch  das 
Muskelfleisch  der  Darstellung  von  Rauber-Kopsch,  s.  oben,  folgen. 
Dort  steht:  „Sein  Fleisch  wird  vom  Canalis  supinatorius  (nicht  in 
den  B.  N.  A.)  durchsetzt,  welchen  der  R.  profundus  des  N.  radialis 
durchschreitet." 

Streckmuskeln  des  Vorderarmes. 

Allgemeines. 

Die  8  Streckmuskeln  des  Vorderarmes  sind  in  2  Lagen  ange- 
ordnet, einer  oberflächlichen  und  einer  tiefen,  deren  jede  4  Muskeln 
enthält.  Die  oberflächliche  Schicht  entspringt  vom  Epicondylus  late- 
ralis humeri  und  zieht  mit  dem  M.  anconaeus  zur  Ulna,  also  zum 
Vorderarme,  mit  dem  M.  extensor  carpi  ulnaris  zum  0  s  metacarpale  V, 
also  zur  Mittelhand,  mit  den  M.  extensor  digiti  V  proprius  und  ex- 
tensor digitorum  zu  den  Phalangen  des  Klein-  bis  Zeigefingers ;  d.  h. 
die  Muskeln  entspringen  radialwärts  und  bleiben  im  Ansätze  auf  die 
ulnare  Seite  des  Vorderarmes  und  der  Mittelhand  beschränkt,  nur  an 
den  Fingern  gehen  sie  etwas  auf  die  radiale  Seite  über.  Genau  um- 
gekehrt ist  die  Richtung  der  tiefen  Schicht,  der  Ursprung  liegt  auf 
der  ulnaren  Seite  der  Vorderarmknochen,  der  Ansatz  wendet  sich 
ganz  radialwärts  zu  Daumen  und  Zeigefinger.  Diese  Muskeln 
heißen:  M.  abductor  pollicis  longus,  extensor  pollicis  brevis,  extensor 
pollicis  longus  und  extensor  indicis  proprius  (s.  indicator).  Von  dem 
letzteren  abgesehen,  gelangen  die  tiefen  Muskeln  am  lateralen  Rande 
des  M.  extensor  digitorum  communis  für  eine  ganze  Strecke  an  die 
Oberfläche,  und  zwar  nehmen  die  M.  abductor  pollicis  longus  und 
extensor  pollicis  brevis  mit  ihren  Bäuchen  mittleres  und  distales  Drittel 
des  Vorderarmes  ein ;  in  letzterem  kommen  sie  an  die  Oberfläche,  im 
Bereiche  des  Handgelenkes  zieht  die  Sehne  des  dritten  Muskels,  der 
M.  extensor  pollicis  longus,  schräg  über  die  Sehnen  der  M.  extensores 
carpi  radiales  hinweg  zum  Daumen. 

Noch  mehr  als  auf  der  Beugeseite  ist  auf  der  Dorsalfläche 
Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  Verbindung  zwischen  oberflächlicher 
Muskulatur  und  tiefer  Schicht,  vor  allem,  weil  wir  es  hier  teilweise  mit 
Aponeuroses  intermusculares  zu  tun  haben,  von  welchen  keine  Muskel- 

169 


170 


M.  brachioradiaüs 


M.  extensor  carpi  radialis 

longus 


M.  extensor  carpi 
radialis  brevis 


M    extensor  digitorum 
communisl 


M.  extensor  dig^ti  minimi 


Epicondylus  laterali: 


M.  anconaeus 


M.  extensor  carpi 
ulnaris 


M.  abductor  poll 
longus 


M.  extensor  pollicis 
brevis 


M.  extensor  pollicis 
long^us 


Lig.  carpi  dorsale 


M.  extensor  carpi 
radialis  longus 


M.  extensor      ^ 

carpi  radialis 
brevis 


—  M.  flexor  carpi  ulnaris 


M.  extensor  indkis  proprius 


M.  abductor  digiti  V 


Fig.  69.    Dorsalseite  des  Vorderarmes,  Muskelbild,  oberflächliche  Schicht. 


M.  brachioradial 


Epicondylus  lateralis' 


M.  extensor  caipi 
radialis  brevis 


171 


M.  triceps,  caput 
latferale 


M.  triceps,  Caput 
mediale 


Epicondylus  medialis 


M.  anconaeus 


M.  extensor  carpi 
ulnaris 


extensor  indicis  proprius 


extensor  digiti  V 


Fig.  70.    Dorsalseite  des  Vorderarmes,  Muskelbild,  mittlere  Schicht. 


172 


M.  triceps,  caput 
laterale 


M.  brachioradial 

Spitze  des  Olecranon 

Epicondy lus   lateralis 

Lig.  anulare  radii 


M.  extensor  carp 
radialis  longus 


M.  extensor  carpi 
radialis^brevis 


Austrittsstelle  für  den 

R.  profundus  n. 

radialis 


M.  abductor  pollicis 
longus 


M.  extensor  pollicis 
longus 


M.  extensor  poUii 
brevis 


M.  extensor  indicis 
proprius 


Oeffnung  für  die  Vasa 
interossea  dorsalia 


M.  fiexor  digitorum 
profundus 


—  M.  fiexor  carpi  ulnaris 


Fasciculus  longitudinalii 
ulnaris 


M.  extensor  carpi  ulnaris 


Fig.  71.    Dorsalseite  des  Vorderarmes,  Muskelbild,  tiefe  Schicht. 


Streckmuskeln  des  Vorderarmes.  173 

bündel  entspringen.  Obwohl  jedem  aufmerksamen  Präparator  diese 
Beziehung  aufgefallen  sein  wird,  finden  wir  keine  besonderen  Namen 
hierfür;  wir  schlagen  vor:  Lig.  intermusculare  profundum  ulnare  für 
den  sehnigen  Zug,  welcher  sich  zwischen  dem  proximalen  Ende  des 
M.  extensor  carpi  ulnaris  und  dem  ulnaren  Rande  des  M.  extensor 
digitorum  communis  (M.  extensor  digiti  V  proprius)  einerseits,  dem 
M.  supinator  andererseits  befindet,  und  Lig.  intermusculare  profundum 
radiale  für  das  Band,  welches  mit  dem  radialen  Rande  des  M.  extensor 
digitorum  communis,  wo  dieser  mit  dem  M.  extensor  carpi  radialis 
brevis  innig  zusammenhängt,  einerseits  und  wiederum  dem  M.  supi- 
nator andererseits  meistens  in  sehr  innige  Verbindung  tritt. 

Langer  bezeichnet  den  M.  extensor  carpi  ulnaris  deshalb  als 
einzigen  Repräsentanten  der  Ulnargruppe ;  sämtliche  anderen  Muskeln 
gehören  den  Fingern  an.  Wir  können  seine  Auffassung  bestätigen, 
indem  wir  an  einem  besonders  günstigen  Präparate  feststellen  konnten, 
daß  der  M.  extensor  digitorum  communis  nicht  allein  vom  Epicondylus 
lateralis  humeri  entsprang,  sondern  noch  mit  einer,  freilich  mehrfach 
unterbrochenen.  Sehnenplatte  von  der  Ulna,  so  daß  dem  M.  extensor 
carpi  ulnaris  scheinbar  ein  tiefes  aponeurotisches  Blatt  zukam.  Ver- 
gleichbar wäre  dieser,  unseres  Wissens  in  dieser  Auffassung  noch 
nicht  beschriebene  Ursprung  des  M.  extensor  digitorum  communis 
von  der  Ulna  dem  des  M.  flexor  digitorum  sublimis  vom  Radius,  dem 
sogenannten  Caput  radiale.  Dieser  Zug  würde  dann  ein  Caput  ulnare 
für  den  M.  extensor  digitorum  darstellen,  und  wunderbarerweise 
konnten  wir,  nachdem  wir  es  einmal  beobachtet  hatten,  in  ähnlicher 
Weise  es  auch  an  den  folgenden  Präparaten  erkennen,  bald  nur  an- 
deutungsweise, bald  in  noch  mehr  ausgesprochener  Form. 

Wohl  zu  unterscheiden  von  diesen  Zwischenmuskelbändern  sind 
aber  die  Aponeuroses  intermusculares,  welche  zwei  einander  zuge- 
kehrten Muskelbäuchen  zum  Ursprünge  dienen.  Die  Fascie  hängt 
mit  den  Aponeuroses  intermusculares  zusammen,  welche  ihrerseits 
durch  die  Lig.  intermuscularia  Beziehungen  zur  tiefen  Muskelschicht, 
sogar  bis  zum  Knochen  gewinnen.  So  ist  die  Darstellung  gang  und 
gäbe  geworden,  als  ob  die  Streckmuskeln,  besonders  die  der  ober- 
flächlichen Schicht,  in  besondere  Fascie nfächer  eingeschlossen  sind, 
welche  die  Muskelbäuche  fast  unverrückbar  in  ihrer  Lage  erhalten. 
Für  die  Praxis  ist  das  gleichgültig,  aber  nicht  für  die  anatomische 
Darstellung,  wie  wir  bei  den  einzelnen  Muskeln  nachweisen  werden. 

Der  Unterschied  zwischen  Fascie  einerseits,  Muskel  oder  Sehne 
andererseits  muß  vom  Handgelenke  aus,  wo  er  so  augenfällig  ist,  bis 
zum  Ursprünge  zurückverfolgt  werden.  Am  Handgelenke  sind  ja 
sämtliche  Sehnen  in  besondere  Leitkanäle  eingeschlossen,  welche  von 
den  entsprechenden  Furchen  an  dem  Radius  und  der  Ulna  und  der 
zum  Lig.  carpi  dorsale  verdickten  Fascie  des  Vorderarmes  gebildet 
werden;  zum  leichteren  Gleiten  der  Sehnen  finden  sich  überall  noch 
Schleimscheiden,  denen  ein  besonderer  Abschnitt  späterhin  gewidmet 
werden  muß. 

Außer  dem  M.  anconaeus,  der  schon  von  einem  Oberarmzweige 
des  N.  radialis  versorgt  wird,  werden  sämtliche  Muskeln  erst  vom  R. 
profundus  desselben  Nerven  innerviert,  und  zwar  nach  dem  Heraus- 
tritte aus  dem  M.  supinator.  Auch  die  Nerven  lassen  sich  in  eine 
oberflächliche  und  tiefe  Schicht  trennen,  entsprechend  den  Muskeln,  zu 
welchen  sie  treten. 

»73 


174  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Streckwirkung  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Physiologie. 

Der  M.  extensor  digitorum  communis  bewirkt  scheinbar  auch  die 
Streckung  der  Mittel-  und  Nagelphalanx  gegen  die  Grundphalanx,  in 
Wirklichkeit  aber  fast  ausschließlich  die  Streckung  der  Grundphalangen 
gegen  die  Mittelhandknochen  und  nur  eine  geringe  Dorsalbeugung 
der  Hand  gegen  den  Vorderarm. 

Am  kräftigsten  äußert  sich  die  Wirkung  auf  die  Grundphalanx,, 
d.  h.  den  ganzen  Finger,  während  die  Wirkung  auf  die  Hand  selbst 
sehr  begrenzt  ist;  die  Streckwirkung  auf  die  Mittel-  und  Nagel- 
phalanx ist  nur  passiv,  weil  die  aktive  durch  die  M.  interossei  und 
lumbricales  ausgelöst  wird. 

Wenn  man  den  Muskel  bei  volar  gebeugter  Hand  und  gestreckter 
Mittel-  und  Nagelphalanx  elektrisch  reizt,  sieht  man,  daß  die  beiden 
letzten  Phalangen  sich  sogar  beugen,  während  die  Hand  in  eine 
Ebene  mit  der  Rückseite  des  Vorderarmes  zu  liegen  kommt.  Der 
elektrische  Strom  wirkt  nämlich  gleichzeitig  auf  die  Beuger  ein,  deren 
Tonus  mächtiger  ist,  als  die  Wirkung  der  Strecker  auf  Mittel-  und 
Nagelphalanx.  Schon  Duchenne  hat  nachgewiesen,  daß  die  Streck-^ 
Wirkung  sich  deutlich  anatomisch  erzielen  läßt,  wenn  man  die  End- 
sehnen der  M.  lumbricales  und  interossei  zu  beiden  Seiten  der  Ex- 
tensorensehne  durchtrennt,  besonders  im  Bereiche  der  Grund-  und 
Mittelphalanx.  Wenn  man  dann  an  der  Strecksehne  zieht,  so 
tritt  alsbald  die  Streckwirkung  auf  Mittel-  und  Nagelphalanx  ein. 
Vom  physiologischen  Standpunkte  aus  muß  man  also  sagen,  daß  der 
M.  extensor  digitorum  communis  nur  bis  zur  Grundphalanx  reicht; 
der  bis  zur  Mittel-  und  Nagelphalanx  gehende  Teil  muß  den  M. 
interossei  zugerechnet  werden.  Duchenne  fragt  sich  deshalb  mit 
Recht,  warum  die  Sehne  eines  M.  interosseus  nicht  an  der  Grund- 
phalanx selbst  angreift,  und  weshalb  die  breite,  durch  den  ent- 
sprechenden M.  lumbricalis  noch  verstärkte  Aponeurose  an  den  beiden 
letzten  Fingergliedern  gemeinschaftlich  mit  der  Pars  digitalis  der 
Extensorsehne  knöchernen  Ansatz  gewinnt. 

Hierzu  sei  bemerkt,  daß  wir  fast  regelmäßig  den  Ansatz  der  M. 
interossei  und  in  besonderen  Fällen  sogar  eines  M.  lumbricalis  seitlich 
an  der  Basis  einer  Grundphalanx  beobachtet  und  deshalb  auch  bei  den 
Knochenabbildungen  mit  Rücksicht  auf  Ursprung  und  Ansatz  der  Muskeln 
besonders  angegeben  haben. 

Inzwischen  haben  wir  auch  die  M.  interossei  pedis  untersucht  und 
gefunden,  daß  diese  im  wesentlichen  sich  an  der  Basis  der  Seiten- 
ränder der  Grundphalanx  anheften ;  mit  Rücksicht  hierauf  haben  wir  noch 
einmal  unsere  Zeichnungen,  Beschreibungen  und  Präparate  verglichen 
und  noch  neue  präparatorische  Befunde  erhalten.  Da  hat  sich  in  der 
Tat  herausgesteUt,  daß  auch  die  M.  interossei  manus  fast  regelmäßig 
den  seitlichen  Ansatz  an  der  Basis  der  Grundphalanx  gewinnen, 
hiermit  den  M.  interossei  pedis  entsprechen  und  vor  allem  auch  der 
von  Duchenne  angegebenen  Theorie  gerecht  werden. 

Seine  fundamentalen  Untersuchungen  haben  ihn  gelehrt,  daß  die 
Extensorsehne  durch  ihre  Ausdehnung  bis  zur  Nagelphalanx  hin  und 
durch  die  Verschmelzung  mit  den  Lumbricalis-  und  Interosseussehnen 

174 


Streckmuskeln  des  Vorderarmes.  175 

die  zu  starke  Wirkung  der  Muskeln  hemmt,  da  ja  in  Bezug  auf  Mittel- 
und  Grundphalanx  bei  seiner  Reizung  eine  Beu gewirkung  ausgelöst 
werden  kann. 

Die  einzelnen  Abschnitte  des  M.  extensor  digitorum  communis 
haben  bei  dem  verschiedenen  Sehnenverlaufe  auch  Bedeutung  für  die 
seitlichen  Bewegungen  der  Finger,  welche  bereits  von  Galen  gesehen 
und  wieder  von  Duchenne  gleichsam  neu  entdeckt  sind.  Die  Sehne, 
welche  sich  zum  Zeigefinger  begibt,  bewirkt  bei  Reizung  ihres  Muskel- 
bauches eine  Näherung  zum  freien  Daumen,  d.  h.  Entfernung  von 
der  Mittellinie;  dieselbe  Beobachtung  läßt  sich  auch  am  Kleinfinger 
und  noch  am  Ringfinger  machen.  Die  Sehne  für  den  Mittelfinger 
entspricht  der  Achse  der  Hand;  diese  kann  also  durch  den  Streck- 
muskel nicht  zur  Seite  bewegt  werden  (s.  auch  unsere  Bemerkungen). 

Die  Sehnenkonjugationen  auf  dem  Handrücken  sind  zwischen 
Zeigefinger  und  Mittelfinger  sehr  schwach.  Der  Zeigefinger  kann 
deshalb  sehr  gut  für  sich  allein  gestreckt  werden,  zumal  er  noch 
einen  besonderen  Indicator  besitzt.  Der  Mittelfinger  kann  schon 
weniger  leicht  selbständig  gestreckt  werden,  weil  er  mit  dem  Ring- 
finger durch  eine  sehr  derbe,  schräge  Sehnenbrücke  verbunden  ist.  Am 
ungünstigsten  ist  der  Ringfinger  gestellt,  weil  er  außer  mit  der  Mittel- 
fingersehne auch  mit  der  Kleinfingersehne  straflF  zusammenhängt.  Die 
selbständige  Streckung  dieses  Fingers  ist  mitunter  aus  anatomischen 
Gründen  so  gut  wie  unmöglich,  wie  Klavierspieler  und  Geiger  häufig 
in  unliebsamer  Weise  erfahren  müssen.  Der  Kleinfinger  hat  zwar 
auch  und  mitunter  mehrfache  Verbindungen  mit  den  gemeinschaftlichen 
Strecksehnen  zum  Ringfinger,  besitzt  aber  einen  besonderen  Strecker, 
welcher  ihm,  wie  es  in  ähnlicher  Weise  beim  Zeigefinger  erwähnt  ist, 
eine  bevorzugte  Stellung  einräumt. 

Im  übrigen  verhält  sich  der  M.  extensor  digiti  minimi  proprius 
wie  das  entsprechende  Bündel,  welches  dem  Kleinfinger  vom  M. 
extensor  digitorum  communis  zugeht,  nur  ist  bei  seinem  schrägeren 
Verlaufe  d  i  e  Wirkung  eine  größere,  den  kleinen  Finger  zur  Seite  zu 
wenden,  gegen  den  Ulnarrand  hin(?). 

Unsere  Beobachtungen  am  Lebenden  haben  uns  gelehrt,  daß  die 
Darstellung  von  Duchenne  zu  wenig  auf  die  jeweiligen  Stellungen 
der  Hand  Rücksicht  nimmt :  ob  1)  radiale  Abduktion,  2)  Grundstellung 
oder  3)  ulnare  Abduktion,  vulgo  Adduktion  vorliegt. 

1)  Bei  radialer  Abduktion  verlaufen  sämtliche  Sehnen  schräg 
radial-  und  distalwärts  nud  müssen  bei  der  Zusammenziehung  eine 
Bewegung  ulnarwärts  bei  den  Fingern  2—5  auslösen. 

2)  Bei  der  Grund-  oder  Mittelstellung  der  Hand,  wenn  der 
Mittelfinger  die  unmittelbare  Verlängerung  des  Vorderarmes  gegen 
die  Hand  darstellt,  sind  die  M.  extensor  indicis  communis  und  proprius 
im  Stande,  den  Zeigefinger  nach  beiden  Seiten  zu  bewegen ;  jedoch  kann 
die  für  den  Ringfinger  bestimmte  Sehne  des  M.  extensor  digitorum 
communis  und  die  besondere  Sehne(n)  des  Kleinfingers  niemals  die 
Abduktion  ulnarwärts  auslösen,  sondern  nur  die  Adduktion  gegen 
die  Achse  der  Hand.  Der  anatomische  Grund  hierfür  liegt  darin, 
daß  bei  abduziertem  Klein-  und  Ringfinger  der  Ursprungspunkt  mehr 
der  Achse  genähert  ist,  als  die  Ansatzpunkte  an  den  Fingern. 

3)  Bei  ulnarer  Abduktion,  vulgo  Adduktion  (manus  et  digitorum) 
haben  sämtliche  Sehnen  der  M.  extensor  digitorum  et  digiti  V 
proprii  die  Nebenaufgabe,  die  Finger  dem  Daumen  zu  nähern. 

175 


176  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


M.  extensor  digitoruin  commniiis. 

Synonyma:  Gemeinschaftlicher  Fingerstrecker;  Strecker  der  ersten 
Phalangen  Duchenne- Wbrnickb;  Extenseur  commun  des  doigts,  epi- 
condylo-sus-phalangettien  commun  Chaussier,  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Singular  extensor  communis  besagt  schon,  daß  der 
Ursprung  gemeinschaftlich  ist,  der  Plural :  digitorum,  daß  der  An- 
satz mehrere  Finger  umgreift,  ausschließlich  die  des  3.  und  4.,  zur 
Hälfte  etwa  die  des  2.  und  5.  Der  an  der  Mitte  der  Streckseite  des 
Vorderarmes  gelegene  Muskelbauch  hat  seine  starke,  aber  räumlich 
geringe  Ursprungssehne  am  Epicondylus  radialis  s.  lateralis.  Die 
freien  Endsehnen  entwickeln  sich  bereits  im  unteren,  distalen  Drittel 
des  Vorderarmes,  treten  zusammen  mit  dem  M.  extensor  indicis  pro- 
prius  am  Handgelenke  in  einer  Sehnenscheide  zum  Handrücken.  Am 
distalen  Ende  des  Lig.  carpi  dorsale  weichen  die  Sehnen  auseinander 
und  begeben  sich  gewöhnlich  mit  4  Strängen  zu  dem  2.-5.  Finger. 
Im  distalen  Drittel  der  Mittelhand  finden  sich  besondere  Verbindungen 
zwischen  den  einzelnen  Sehnen. 

Im  Bereiche  der  Grundphalanx  wird  durch  das  Hinzutreten  der 
Sehnen  der  M.  interossei  und  lumbricales  die  sogenannte  Dorsal- 
aponeurose  gebildet.  Der  erste  Ansatz  am  Knochen  findet  sich  nach 
der  gewöhnlichen  Darstellung  erst  an  der  Mittelphalanx;  die  zwei 
seitlichen  Zipfel  vereinigen  sich  über  der  Mittelphalange  zu  einer 
einheitlichen,  platten  Sehne,  welche  an  der  Basis  der  einzelnen  Nagel- 
phalangen endet. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  starksehnige  Ursprung  vom  Epicondylus  lateralis  humeri 
löst  sich  nach  unten  gewissermaßen  in  einen  Trichter  auf,  aus  dessen 
Tiefe  die  Muskelbündel  entspringen.  Allgemein  bekannt  ist  die  ober- 
flächliche Partie,  welche  mit  der  Fascie  eng  verbunden  ist,  wodurch 
auch  die  irrige  Vorstellung  sich  ableitet,  daß  der  Muskel  auch  von 
der  Fascia  antebrachii  entspringen  soll;  zahlreiche  Muskelbündel  ent- 
springen von  der  Aponeurosis  intermuscularis  zwischen  ihm  und 
seinem  radialen  Nachbar,  dem  M.  extensor  carpi  radialis  brevis;  die 
Verlängerung  dieser  Aponeurosis  intermuscularis  nach  unten  zu 
gegen  das  Handgelenk  haben  wir  als  Fasciculus  longitudinalis  radialis 
bezeichnet.  Ulnarwärts  liegt  der  M.  extensor  digiti  minimi  proprius; 
so  deutlich  ausgesprochen  der  getrennte  Verlauf  in  der  distalen  Hälfte 
des  Vorderarmes  ist,  so  wenig  ist  er  es  in  der  proximalen;  man 
muß  in  vielen  Fällen  auch  den  Ursprung  dieses  kleinen  Muskels  zu 
dem  des  Extensor  communis  mitzuzählen. 

Die  tiefe  Fläche  ist  dadurch  interessant,  daß  sie  sich  durch  band- 
artige Verbindungen  mit  den  tiefen  Muskeln,  besonders  dem  M. 
supinator  vereinigt ;  wir  haben  hierfür  den  Namen  Lig.  intermuscularia 
(profunda)  vorgeschlagen. 

Schon  in  der  Mitte  des  Vorderarmes  können  die  Sehnen  an  der 
Oberfläche  erscheinen. 

176 


M.  extensor  digitorum  communis.  177 

Wie  wir  es  beim  M.  extensor  indicis  bereits  beschrieben  haben 
(und  späterhin  beim  M,  extensor  digiti  II  pedis  kennen  lernen  werden) 
zeichnet  sich  gerade  der  Digitus  II  durch  eine  große  Selbständigkeit 
aus,  welche  durch  einen  besonderen  Muskel,  den  JM.  extensor  indicis 
proprius  im  wesentlichen  hergestellt  wird. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  beim  Ursprünge  pyramidenförmige  Muskel  plattet  sich  am 
Vorderarme  ab,  zweifelsohne  durch  den  Druck  der  Vorderarmfascie 
und  der  Nachbarmuskeln ;  bei  passiver  Dehnung  ist  der  Muskelbauch 
als  spindelförmiger  Wulst  durch  die  Haut  sichtbar. 

Das  Verhalten  der  Sehnen  in  der  Handgelenksgegend  wird  bei 
den  Sehnenscheiden  ausführlich  besprochen  werden. 

Entgegen  der  gewöhnlichen  Darstellung  brechen  wir  unsere  Be- 
schreibung aber  nicht  an  diesem  Punkte  ab,  sondern  verfolgen  die 
Sehnen  noch  bis  zu  den  Knöcheln,  zu  den  Capitula  ossium  meta- 
carpalium,  bis  dahin,  wo  noch  keine  Verbindungen  mit  den  Sehnen 
anderer  Muskeln  eingetreten  sind. 

Am  distalen  Ende  des  Lig.  carpi  dorsale  weichen  die  in  der 
Mitte  des  Handgelenkes  gelegenen  Sehnen  schnell  auseinander;  am 
3.  und  4.  Finger  können  sie  ungefähr  dem  Verlaufe  der  Mittelhand- 
knochen folgen.  Die  zum  Zeige-  und  Kleinfinger  ziehenden  Sehnen 
müssen  jedoch  die  Zwischenknochenräume  schräg  kreuzen,  die  Zeige- 
fingersehne das  Spatium  interosseum  II,  die  Konjugation  zum  5.  Finger 
das  Spatium  interosseum  IV. 

Die  Zahl  und  Breite  der  Sehnen  ist  außerordentlichen  Schwan- 
kungen unterworfen.  Sie  können  zu  einer  fast  einheitlichen  Sehnen- 
platte über  dem  Dorsum  manus  verschmolzen  sein ;  das  wird  ver- 
ständlich durch  die  beobachtete  Vermehrung  der  Einzelsehnen  bis 
auf  11;  gewöhnlich  sind  4  Endsehnen  vorhanden;  durch  das  Fehlen 
der  Sehne  für  den  Kleinfinger  oder  Zeigefinger  kann  aber  diese  Zahl 
noch  verringert  werden. 

Von  nicht  allein  anatomischer  Wichtigkeit  sind  ferner  die  Ver- 
bindungen der  Sehnen  miteinander  im  distalen  Drittel  der  Mittelhand- 
knochen. Sie  sind  an  mageren  Händen  gut  durch  die  Haut  hindurch  zu 
erkennen.  Gleichzeitig  bemerkt  man  dann  den  Grad  der  Verschiebungs- 
möglichkeit. Bei  extremer  Fingerbeugung  sieht  man  sie  nämlich  in 
ungefährer  Höhe  der  Knöchel,  d.  h.  in  Gelenkhöhe,  bei  der  Streckung 
rücken  sie  ca.  2  cm  gegen  das  Handgelenk,  mit  anderen  Worten, 
man  kann  aus  der  Verschiebung  dieser  Sehnenkonjugationen  nach 
proximal  und  distal  die  Verkürzung  des  Muskels  bei'  der  Zusammen- 
ziehung durch  die  Haut  hindurch  ablesen.  Da  die  Muskelbündel- 
länge im  Durchschnitte  6  cm  beträgt,  die  Sehnen  sich  aber  bei  An- 
spannung nur  um  2  cm  zurückziehen,  so  steht  der  Muskel  mit  nur 
Vs  Verkürzungsmöglichkeit  recht  ungünstig  da,  wie  er  überhaupt  in- 
folge der  Menge  der  Sehnensubstanz  unter  sämtlichen  Armmuskeln 
an  letzter  Stelle  steht.  Die  Sehnenverbindungen  sind  in  den  aller- 
meisten Fällen  ganz  charakteristisch,  jede  jedoch  in  ihrer  Art  ver- 
schieden gebaut.  Zwischen  Zeigefinger-  und  Mittelfingersehne  ist  ein 
breites,  aber  sehr  dünnes,  queres  Blatt  ausgespannt,  welches  die  Sehne 
des  M.  indicator  überbrückt,  jedoch  nichts  mit  dieser  zu  tun  hat. 
Zwischen  Mittel-  und  Ringfingersehne  ist  ein  meist  derber  Sehnen- 
Handbuch  der  Anatomie.    II,  II,  2.  10 


178  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

streifen  vorhanden,  der  schräg  vom  Ringfinger  aus  gegen  das  Knöchel- 
gelenk des  Mittelfingers  heruntersteigt.  Zwischen  Ring-  und  Klein- 
flnger  verläuft  gewöhnlich  eine  starke  Sehne,  welche  sich  im  distalen 
Drittel  der  Mittelhand  ypsilonförmig  spaltet  und  beiden  benachbarten 
Fingern  je  einen  Zipfel  zuschickt. 

Die  topographischen  Beziehungen  sind  verhältnismäßig  einfach, 
besonders  deshalb,  weil  der  Muskel  zu  den  wenigen  gehört,  welche 
in  ganzer  Ausdehnung  von  Ursprung  bis  Ansatz  nur  von  Haut  und 
Fascie  bedeckt  sind.  Die  Facies  superficialis  bedarf  also  nach  der 
genauen  idiotopischen  Beschreibung  keine  besondere  holotopische 
Darstellung  mehr. 

Am  radialen  Rande  ist  oben  die  Nachbarschaft  des  Ursprunges 
des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  zu  betonen,  dann  treten  die  M. 
abductor  pollicis  longus  und  extensor  pollicis  brevis  an  die  Ober- 
fläche und  trennen  ihn  für  eine  Strecke  von  der  Endsehne  des  M.  ex- 
tensor carpi  radialis  brevis;  am  Handgelenke  schiebt  sich  noch  eine 
andere  Sehne  dazwischen,  die  des  M.  extensor  poUicis  longus ;  schließ- 
lich wird  das  Endstück  der  Sehne  des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis 
noch  überkreuzt  von  der  für  den  Zeigefinger  bestimmten  des  M.  extensor 
digitorum  communis. 

Ueber  den  ulnaren  Rand  ist  nur  zu  sagen,  daß  hier  der  M.  ex- 
tensor digiti  minimi  proprius  gelegen  ist,  oben  innig  mit  ihm  ver- 
schmolzen, distal  deutlich  getrennt.  Die  Facies  profunda  entspricht 
der  Reihe  nach  dem  M.  supinator,  den  4  tiefen  Streckmuskeln,  dem 
Radius,  den  mittleren  Handwurzelknochen,  zunächst  den  Mittelhand- 
knochen III  und  IV,  gegen  die  Knöchel  hin  auch  noch  dem  II  und 
V,  an  den  Fingern  der  Rückseite  der  Phalangen  bis  zur  Basis  der 
Nagelphalanx  und  besonders  den  Gelenken,  mit  deren  Kapsel  die 
Sehne,  wie  schon  vorweg  erwähnt  werden  soll,  eng  verschmolzen  ist. 

Ueber  die  Wirkung  soll  erst  bei  dem  besonderen  Abschnitte 
„Fingerbewegungen"  gehandelt  werden. 


Muskelbündellänge, 

Caput   II:        Minimum  6,2  cm 

Maximum  7,2    „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen     6,5    „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,  in  Prozenten  16  %• 

Caput  III:     Minimum  5,6  cm 

Maximum  7,1    „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen     6,2    „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,5,  in  Prozenten  27  "/o. 

Caput  IV:      Minimum  5,2  cm 

Maximum  6,2    „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen     5,9   „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,  in  Prozenten  19  "/„. 

In  toto:  Minimum  5,2  cm 

Maximum  7,2    „ 

Durchschnitt  aus  18  Messungen    6,2    „ 


Unterschied  in  Centimetern  2,  in  Prozenten  38  7o- 

Segmentbezüge. 
6.  7.  8.  Cervicalnerv. 


C78 


M.  extensor  digiti  minimi  proprius. 


179 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

iMuskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  Unker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  ünker  starker  Arm 

22 
17 
50 
50 

13,5 
10,5 
33 
31,5 

8,5 
6,5 

17 

18,5 

61,4 
61,8 
66 
63 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

34,8 

22 

12,8 

63,1 

Varietäten. 

Der  Muskelbauch  für  den  Zeigefinger  gewinnt  oft  eine  große 
Selbständigkeit.  Die  accessorische  Sehne  für  den  kleinen  Finger 
kann  fehlen ;  viel  häufiger  ist  eine  Vermehrung  der  einzelnen  Sehnen, 
welche  entweder  als  besondere  Stränge  auftreten  oder  eine  fiächen- 
hafte  Ausbreitung  erfahren.  Die  Nebensehnen  können  sogar  den 
Daumen  erreichen.  Uns  schwebt  besonders  ein  Fall  vor,  in  welchem 
eine  besondere  Sehne  sich  an  der  Basis  des  ersten  Zwischenknochen- 
raumes Y-artig  teilte,  um  schließlich  in  den  Articulationes  meta- 
carpophalangeae  I  und  II  zu  enden. 

Der  als  Extensor  digitorum  brevis  manus  beschriebene  Muskel 
findet  bei  den  Varietäten   der  Handmuskeln   seine  Berücksichtigung. 

M.  extensor  digiti  minimi  proprius. 

Synonyma:  Besonderer  Kleinfingerstrecker;  Extenseur  propre  du 
petit  doigt,  6picondylo-sus-phalangettien  du  petit  doigt  Chaussiek. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  lange  spindelförmige  Muskel  liegt  zwischen  den  M.  extensor 
carpi  ulnaris  und  extensor  digitorum  communis.  Er  verdient  seinen 
besonderen  Namen  weniger  seines  Ursprunges  wegen,  der  eng  mit 
dem  gemeinschaftlichen  Fingerstrecker  zusammenhängt,  sondern  wegen 
des  gesonderten  Faches,  welches  seine  Endsehne  beim  Durchtritte  unter 
dem  Lig.  carpi  dorsale  besitzt.  Während  die  Sehnenscheide  für  den 
gemeinschaftlichen  Fingerstrecker  noch  auf  dem  Radius  ausschließ- 
lich gelagert  ist,  finden  wir  seine  Sehnenscheide  über  der  Artic. 
radioulnaris  distalis. 


Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  reicht  scheinbar,  aber  nur  durch  die  Vermittelung 
des  M.  extensor  digitorum  communis  sehnig  bis  zur  Spitze  des 
Epicondylus  lateralis  (radialis) ;  die  Muskelbündel  selbst  entwickeln  sich 
aber  hauptsächlich  von  der  Aponeurosis  intermuscularis  zwischen  ihm 
und  dem  gemeinschaftlichen  Fingerstrecker,  einige  wenige  auch  von  der 
Aponeurosis  intermuscularis  zwischen  ihm  und  seinem  ulnaren  Nach- 
bar, dem  M.  extensor  carpi  ulnaris.  Die  Ursprünge,  welche  als  von 
der  Fascia  antebrachii  kommend  angegeben  werden,  müssen  wir  nach 
unserer  Darstellung  anders  beschreiben,  als  von  einem,   nicht  immer 

12* 

179 


180  PROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

vorhandenen  oberflächlichen  Sehnenspiegel  ausgehend.  Wenn  man 
will,  kann  man  auch  hier  gegebenenfalls  von  einem  Sehnentrichter 
sprechen,  aus  dem  heraus  die  Muskelbündel  sich  entwickeln.  Die 
Spitze  dieses  Trichters  geht  bisweilen  oben  nur  bis  zur  Höhe  des 
Collum  radii  und  läßt  sich  nicht  bis  zum  Epicondylus  lateralis  ver- 
folgen. 

Die  freie  Endsehne  entwickelt  sich  im  distalen  Drittel  des  Vorder- 
armes und  bleibt  bis  zur  Basis  des  Os  metacarpale  V  ungeteilt,  in 
wechselnder  Höhe  dieses  Knochens  tritt  aber  gewöhnlich  eine  Zwei- 
teilung der  Sehne  ein,  welche  sich  auch  der  Sehnenscheide  mitteilt. 
Beiläufig  sei  hier  schon  erwähnt,  daß  diese  sehr  lang  ist. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Da  dieser  Muskel  in  ganzer  Ausdehnung  oberflächlich  liegt  und 
einfach  spindelförmig  gebaut  ist,  so  lassen  sich  die  Flächen  leicht  an- 
geben: Facies  superficialis,  profunda,  medialis  und  lateralis. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  der  Fascia  antebrachii,  dem 
Lig.  carpi  dorsale  und  der  Fascia  dorsalis  manus,  die  Facies  pro- 
funda lagert  auf  den  tiefen  Muskeln  der  Streckseite.  Der  M,  ex- 
tensor  pollicis  brevis  dürfte  nicht  immer  so  weit  oberflächlich  und 
ulnar  liegen,  daß  er  mit  ihm  in  Beziehung  treten  kann.  Die  mediale 
Fläche  entspricht  dem  M.  extensor  carpi  ulnaris,  die  laterale  dem 
M.  extensor  digitorum  communis. 

Von  Gefäßen  und  Nerven  kommen  nur  unbedeutende  Zweige  des 
R.  profundus  n.  radialis  und  der  Vasa  interossea  dorsalia  in  Betracht. 

Innervation  des  M.  extensor  digitorum  communis  et 
digiti  minimi. 

Die  Nervenversorgung  dieser  beiden  Muskeln  muß  gemeinschaft- 
lich behandelt  werden,  weil  nämlich  die  anatomische  Sonderung  des 
M.  extensor  digiti  minimi  durch  die  Innervation  nicht  bestätigt  zu 
werden  braucht,  wie  unsere  Abbildung  zeigt.  Sehr  scharf  ausge- 
sprochen ist  aber  die  Sonderung  des  Zeigefingerbauches  von  der 
übrigen  Muskelmasse.  Beim  Digitus  III  ist  der  feine  rückläufige 
Nervenzweig  zu  beachten.  Die  feinere  Innervation  richtet  sich 
danach,  wie  weit  die  Muskelbündel  zum  Epicondylus  lateralis 
emporstreben.  In  unserem  Präparate  reicht  der  Bauch  für  den 
Zeigefinger  und  kleinen  Finger  nicht  weit  nach  oben,  proximal. 
Dementsprechend  sind  hier  nur  kurze  rückläufige  Nervenzweige  vor- 
handen. Mehr  und  längere  weist  der  Bauch  für  den  Mittelfinger 
und  besonders  für  den  Ringfinger  auf.  Distalwärts  verlaufen  in 
sämtlichen  Bäuchen  die  Nerven  bis  in  die  Nähe  der  Endsehne  d.  h. 
bei  volarer  Handbeugung  und  daraus  hervorgehender  passiver 
Dehnung  des  Muskels,  bis  in  die  Nähe  des  Handgelenkes. 

Besonders  beachtenswert  ist  die  hier  dargestellte  Doppelinnervation 
des  M.  extensor  digiti  minimi.  Der  obere  Zweig  senkt  sich  unweit 
unterhalb  der  Austrittsstelle  des  R.  profundus  n.  radialis ,  in  den 
Muskel  ein;  der  untere  begibt  sich  erst  in  der  unteren,  distalen 
Hälfte  des  Vorderarmes  aus  dem  Nerven  für  den  Ringfingerbauch 
zu  den  distalen  Muskelbündeln.  Dieser  Nerv  weist  auch  einen  langen 
rückläufigen  Zweig  auf,  und  wir  zweifeln  nicht,  daß  er  sich  gelegent- 

i8o 


Innervation  der  oberflächlichen  Fingerstrecker. 


181 


N.  radialis  communis 


M.  brarhioradial 


R.  superficialis  n.  radia 


M.  extensor  digi- 
torum  communis 


M.  extensor 
digiti  V 


M.  extensor 
indicis  proprius 


Fig.  72.    Nervenbild  der  vom  N.  radialis  am  Vorderarme  versorgten  Muskeln. 


182 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 


lieh  mit  den  Ausläufern  des  oberen  Astes  verbindet,  und  daß  auch 
hier  intramuskuläre  Nervenverbindungen  vorhanden  sind,  welche  im 
allgemeinen  bei  den  Extensoren  selten  vorkommen. 

Wir  können  auch  hier  schematisch  die  Dreiteilung  festhalten: 
1)  mehr  oder  weniger  zahlreiche  lange  rückläufige  Zweige,  2)  quere 
Zweige  zur  Dicke  des  Muskelbauches  und  3)  lange  absteigende  zum 
unteren  Muskelabschnitte. 

Die  elektrische  Reizungsstelle  liegt  im  Beginne  des  mittleren 
Drittels  des  Vorderarmes  und  muß  je  nach  der  Empfindlichkeit  der 
etwa  gereizten  Hautnerven  bisweilen  etwas  seitlich  von  der  schmerz- 
haften Stelle  verlegt  werden.  Je  nach  dem  Muskelbauche,  welcher 
isoliert  gereizt  werden  soll,  muß  die  Elektrode  mehr  ulnar  oder  radial 
aufgesetzt  werden.  Bei  passiver  Dehnung  und  supiniertem  Arme 
liegt  die  günstigste  Reizungsstelle  9 — 12  cm  senkrecht  unter,  d.  h. 
distal  von  dem  Epicondylus  lateralis. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  5,1  cm 

Maximum  5,5    „ 

Durchschnitt  aus  7  Messungen     6,3    „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,4,  in  Prozenten  8"/„. 


Segmentbezüge. 
6.  7.  8.  Cervicalnerv. 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

5 

3 

11 

12 

3 
2 

8 
8 

2 
1 
3 
4 

60 
67,7 
72,8 
66,7 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

7,8 

5,3 

2.5 

66,8 

Varietäten. 

Selten  ist  ein  accessorischer  Ursprung  von  der  dorsalen  Fläche 
der  Ulua.  Die  Teilung  der  Endsehne  in  zwei  Bündel  müssen  wir 
als  Regel  bezeichnen;  eine  in  3  oder  selbst  4  feinere  Sehnenbündel 
ist  Ausnahme.  Ein  vollständiges  Fehlen,  welches  beobachtet  ist,  kam 
uns  nicht  zu  Gesicht.  Notwendig  ist  eine  besondere  Sehne  ja  nicht, 
wenn  sich  aus  der  gemeinschaftlichen  Muskelmasse  des  M.  extensor 
digitorum  communis  die  Sehne  für  den  kleinen  Finger  loslöst.  In 
solchen  Fällen  kann  mau  auch  von  einer  Verschmelzung  der  beiden 
Muskeln  sprechen. 

In  einem  Falle,  bei  einem  ca.  7-monatlichen  Fetus,  war  die  sonst 
normal  entwickelte  Sehne  bis  zur  Mittelhand  in  die  gemeinschaft- 
liche Sehnenscheide  der  M.  extensor  digitorum  communis  et  indicis 
proprius  miteiugebettet. 

182 


M.  extensor  carpi  ulnaris.  183 


M.  extensor  carpi  ulnaris. 

Synonyma:  Ellenstrecker;  M.  ulnaris  externus;  Cubital  post^rieur, 
cubital  externe,  cubito-sus-metacarpien  Chaussieb,  6picondylo-cubito-8us- 
metacarpien  Dumas,  extensor  adductorius  Duchenne. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  langgestreckte,  spindelförmige  Muskel  entspringt  vom  Epi- 
condylus  lateralis  humeri.  Der  Muskelbauch  zieht  schräg  über  die 
Rückfläche  des  Vorderarmes  nach  innen;  schon  proximal  vom  Hand- 
gelenke kann  die  starke  Endsehne  völlig  frei  werden,  welche  an  der 
Basis  des  5.  Mittelhandknochens  ansetzt. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  am  Epicondylus  lateralis  nimmt  genau  die  untere 
Spitze  ein  und  erweitert  sich  nach  unten  zu  einem  Trichter,  aus 
dessen  Tiefe  erst  die  Muskelbündel  entspringen.  Der  oberflächliche 
Teil  erfährt  hier  eine  Verstärkung  durch  diejenigen  Ursprungsbündel, 
welche  sich  aus  der  von  uns  als  Lacertus  fibrosus  m.  tricipitis  be- 
zeichneten Sehnenplatte  loslösen. 

Radialwärts  ist  die  Abgrenzung  gegen  den  Nachbarmuskel,  den 
M.  extensor  digiti  V  proprius,  fast  ligamentös;  mehr  fibrös  und  in 
seltenen  Fällen  auch  aponeurotisch  die  Scheidewand  gegen  die  tiefe 
Schicht  der  Strecker. 

Darum  kann  man  mit  Langer  sagen,  daß  er  in  eine  besondere 
Loge  eingeschlossen  sei  und  mit  dem  M.  anconaeus  [quartus],  dessen 
Sonderstellung  wir  bei  den  Fascien  gedenken  werden,  die  ulnare 
Gruppe  der  Extensoren  repräsentiere. 

Die  Endsehne  entwickelt  sich  schon  hoch  oben  im  Muskel;  zu 
ihr  streben  die  Bündel  fiederförmig  nicht  nur  von  beiden  Seiten, 
sondern  auch  von  der  Tiefe  aus  hin.  Im  Bereiche  des  Lig.  carpi 
dorsale  ist  eine  Sehnenscheide  vorhanden,  welche  fast  bis  zum  An- 
sätze an  einer  Rauhigkeit  des  5.  Mittelhandknochens  (tubercule  postero- 
interne  Poirier)  reicht. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  liegt  von  Ursprung  bis  Ansatz  frei  unter  Haut  und 
Fascie.  Von  wichtigen  Gebilden  liegt  über  ihm  nur  in  der  Gegend 
des  Handgelenkes  der  R.  dorsalis  manus  n.  ulnaris. 

Der  ulnare  Rand  entspricht  zuerst  dem  M.  anconaeus  und  dann 
im  Anschlüsse  daran  der  hinteren  Kante  der  Ulna,  der  radiale  dem  M. 
extensor  digiti  minimi  proprius.  Mit  seiner  tiefen  Fläche  deckt  er 
den  entsprechenden  Abschnitt  des  M.  supinator  zu,  dann  die  dorsale 
Seite  der  Ulna  und  den  ulnaren  Teil  der  tiefen  Extensoren,  nämlich 
die  M.  extensor  pollicis  brevis,  longus  und  indicis  proprius.  Der  M. 
abductor  pollicis  longus  kommt  meistens  nur  wenig  in  Betracht. 

Der  M.  extensor  carpi  ulnaris  hat  die  Aufgabe,  die  Dorsalflexion 
der  Hand  im  Sinne  der  ulnaren  Abduktion  zu  besorgen.  Die  reine 
Dorsalflexion    der   Hand    gegen    den   Vorderarm    zu    ist    eine   ganz 

x83 


184 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


minimale;  diese  Aufgabe  liegt  fast  ausschließlich  den  M.  extensores 
carpi  radialis  longus  und  brevis  ob,  besonders  letzterem. 

Nachdem  wir  bei  der  Eröffnung  der  Sehnenscheide  die  dorsale 
Nebensehne  einmal  gefunden  hatten,  die  wir  zunächst  für  ein  Vinculum 
tendinum  hielten,  haben  wir  sie  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  beobachtet, 
desgleichen  auch  eine  volare  Nebensehne  und  sie  auch  in  unserer 
Abbildung  dargestellt.  Nach  unserer  Autfassung  hat  der  Muskel  einen 
dreifachen  Ansatz :  nämlich  die  allbekannte  Hauptsehne,  sodann  sowohl 
«ine  dorsale,  wie  volare  Nebensehne. 

Folgende  Angabe  von  Duchenne,  S.  168  sei  hier  noch  angeführt : 
„Daß  der  Wille  die  Abduktionsmuskeln  des  ersten  Mittelhandknochens 
und  des  Daumens  nicht  isoliert  zur  Kontraktion  bringen  kann,  ist  leicht 
zu  konstatieren.  Wenn  man  nämlich  den  Zeigefinger  auf  die  Sehne  des 
Ulnaris  externus  nahe  seiner  Insertion  am  letzten  Mittelhandknochen 
legt,  während  man  den  ersten  Mittelhandknochen  vom  zweiten  ent- 
fernt, so  fühlt  man  die  Sehne  sehr  deutlich  in  Spannung  geraten." 

Es  läßt  sich  sowohl  durch  den  Willen,  wie  beim  elektrischen  Ver- 
suche leicht  konstatieren,  daß  die  genannten  Muskeln  bei  dieser  Be- 
wegung nichts  mit  einander  zu  tun  haben. 

Innervation. 
Der  spindelförmige  Muskel  ist  bis  weit  nach  unten  muskulös. 
Der  versorgende  Nerv  tritt  erst  nach  Durchbohrung  des  M.  supi- 
nator,  d.  h.  ungefähr  an  der  Grenze  des  proximalen  und  mittleren 
Drittels  zur  Muskulatur,  an  der  Stelle,  wo  der  Muskel  auch  seine 
größte  Breite  aufweist.  Daraus  ergibt  sich  eine  theoretische  Ver- 
zweigung der  Nerven:  kurze  rückläufige;  mittlere,  ungefähr  querver- 
laufende; lange  absteigende.  Meistens  ist  auch  dieses  theoretische 
Schema  der  Dreiteilung  am  Präparate  verwirklicht.  Da  bei  schmalen, 
spindelförmigen  Muskeln  keine  inneren  Anastomosen  vorhanden  zu  sein 
brauchen,  haben  wir  auch  keine  abgebildet,  gelegentlich  kommen  sie  wohl 
vor.    Wir  legen  solchen  Befunden  aber  keine  große  Bedeutung  bei. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  4,7  cm 

Maximum  6       „ 

Durchschnitt  aus  9  Messungen  5,3   „ 

Unterschied  in  Centimetem  1,3,  in  Prozenten  28  "/o- 

Segmentbezüge. 
6.  7.  8.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

12,5 

10 

31 

24 

9,2 
7,3 

23 

18,2 

3,3 

2,7 

8 

5,8 

73,6 

73 

74,2 

75,8 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

19,4 

14,4 

5 

74,2 

184 


M.  biceps 
M.  brachialis 

M.  triccps,  Caput  laterale 

M.  extensor  carpi  radialis  longus 

Epicondylus   lateralis 


R.  musculares  pro  m.  supinatore 
M.  extensor  carpi  radialis  brevis 


R.  musculares  pro  m, 
extensore  carpi  radiali  bi 


Sehne  des  M.   extensor  indicis  proprius 


Konjugationen  der  Endsehnen  des 
>I.  extensor  digitoruni  communis 


Fig.  73.    Streckmuskeln  und  N.  radialis  am  Vorderarme,  topographisch. 


186  FROHSE  und  M.   FRÄNKEL, 


Varietäten. 

1)  Teilweise  Verschmelzung  mit  dem  M.  triceps  und  besonders 
dem  M.  anconaeus  (durch  unsere  Aponeuroses  intermusculares) ; 

2)  Verdoppelung  des  Muskelbauches  und  doppelter  Ansatz,  ent- 
weder am  5.  Mittelhandknochen  oder  auch  noch  am  4.  Diese  An- 
ordnung kann  nicht  wundernehmen,  da  der  Muskel  die  beiden  M. 
peronaei  in  sich  vereinigt; 

3)  eine  dorsale  Nebensehne,  welche  bis  zur  Grundphalanx  sich  er- 
strecken kann,  welche  wir  aber  als  normal  bezeichnen  müssen.  Auf 
letztere  möchten  wir  besonders  aufmerksam  machen,  weil  sie  sehr  leicht 
der  Beobachtung  entgeht,  wenn  man  nicht  erst  die  Schleimscheide  er- 
öffnet hat.  Die  an  der  radialen  Seite  der  Hauptsehne  sich  loslösende, 
fadendünne  Nebensehne  strahlt,  analog  der  Nebensehne  des  M. 
peronaeus  brevis,  zum  Handrücken  aus,  wo  sie  sich  wie  die  viel  be- 
kanntere Sehne  des  Fußrückens  verhält.  In  ähnlicher  Weise  haben 
wir  als  normale  Bildung  einen  vorderen  Sehnenzipfel  beobachtet, 
welcher  sich  über,  d.  h.  volar  vom  M.  opponens  digiti  V  bis  zur 
Artic.  metacarpophalangea  V.  erstrecken  kann. 


M.  abductor  poUicis  longus. 

Synonyma:  Langer  Daumenabzieher;  Long  abducteur  du  pouce, 
grand  abducteur,  cubito-sus-metacar{)ien  du  pouce  Chaussier,  cubito- 
radio-sus-metacarpien  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Theoretisch  wäre  es  wohl  berechtigt,  diesem  Muskel,  welcher  mit 
seinem  Ansätze  am  1.  Metacarpalknochen  den  M.  flexores  et  ex- 
tensores  carpi  entspricht,  den  Namen  M.  abductor  carpi  zu  geben, 
zumal  auch  Ansätze  am  Os  multangulum  majus  vorkommen.  Die 
meist  vorhandene  Konjugation  zum  M.  abductor  pollicis  brevis  ist 
nach  unseren  Befunden  die  Regel  und  verdiente  sogar  einen  be- 
sonderen Namen :  M.  abductor  pollicis  intermedius  nobis.  Wir  müssen 
uns  nun  fragen,  warum  von  den  alten  Anatomen  der  Name  M.  ab- 
ductor pollicis  longus  und  nicht  M.  abductor  carpi  gewählt  ist.  Der 
Grund  liegt  in  der  verschiedenen  Gelenkeinrichtung  zwischen  Os 
multangulum  majus  und  Os  metacarpale  I  einerseits  und  den  anderen 
Carpometacarpalgelenken  andererseits.  Letztere  sind  straffe  Ge- 
lenke; das  Carpometacarpalgelenk  des  Daumens  gestattet  ausgiebige 
Bewegungen.  Der  Zug  der  Sehne  wird  also  zunächst  den  beweg- 
lichsten Teil,  den  Daumen  selbst  abduzieren  und  erst  hinterher,  oder, 
wenn  der  Daumen  mit  aller  Kraft  adduziert  gehalten  wird,  die  Ab- 
duktion  der  Hand  auslösen.  Dann  ist  der  Name  M.  abductor  carpi 
berechtigt. 

Sein  Ursprung  von  beiden  Vorderarmknochen  und  der  Membrana 
interossea  liegt  in  der  Tiefe  verborgen,  aber  bereits  im  unteren,  distalen 
Drittel  des  Vorderarmes  wird  der  Muskelbauch  frei.  Da  dasselbe  für  die 
Endsehne  gilt,  ist  der  Gesamtmuskel  zur  Hälfte  tief,  zur  Hälfte  ober- 
flächlich gelagert. 

i86 


M.  abductor  poUicis  longus.  187 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Seine  Ursprünge  liegen  im  unmittelbaren  Anschlüsse  an  den 
unteren  Rand  des  M.  supinator: 

1)  an  der  Rückseite  der  Ulna,  zwischen  hinterer  Kante  und 
Margo  interosseus,  radial  von  der  Membrana  interossea; 

2)  einer  hier  oft  am  Knochen  sichtbaren  Leiste; 

3)  der  Hauptsache  nach  am  Radius  und 

4)  bisweilen  von  einem  distalwärts  konvexen  Sehnenbogen,  welcher 
vom  radialen  Ursprünge  zur  Sehne  des  M.  brachioradialis  hinüberzieht. 

Dieser  Sehnenbogen  dient  als  Grenze  für  die  Oeffnung,  durch 
welche  der  R.  superficialis  n.  radialis  an  die  Oberfläche  gelangt,  in 
der  Tiefe  als  Eingangspforte  in  den  Tunnel,  unter  welchem  die  beiden 
Sehnen  der  M.  extensores  carpi  radiales  ihren  Weg  nehmen.  Zu- 
nächst ziehen  die  Muskelbündel  ziemlich  senkrecht  zu  der  in  der 
Tiefe  verborgenen  Endsehne.  Allmählich  wendet  sich  aber  der 
Muskelbauch  von  der  Rückfläche  auf  die  Außenkante  des  Radius, 
deren  Verlängerung  über  den  Processus  styloideus  hin  gegen  das 
Handgelenk  seine  Endsehne  bildet.  Der  doppelt  gefiederte  Bauch  ist 
in  seinem  tiefen  Teile  abgeplattet,  vor  allem  durch  den  Druck  des  auf 
ihm  liegenden  M.  extensor  digitorum  communis,  aber  auch  ulnar- 
wärts  durch  den  M.  extensor  pollicis  brevis. 

Die  Sehnenscheide  an  der  Außenfläche  des  Radius,  welche  er 
meistens  mit  dem  M.  extensor  pollicis  brevis  teilt,  wird  bei  den 
Sehnenscheiden  des  Dorsum  manus  beschrieben  werden,  desgleichen 
im  Anschlüsse  daran  der  zwischen  ihm  und  den  Sehnen  der  M.  ex- 
tensores carpi  radiales  gelegene  Schleimbeutel,  sowie  der  noch  wenig 
in  den  deutschen  Lehrbüchern  der  Anatomie  erwähnte  Schleimbeutel 
unter  dem  Ansätze  der  Endsehne,  d.  h.  über  der  Artic.  carpo- 
metacarpea  I. 

Die  Endsehne  findet  ihren  Hauptansatz  an  der  Basis  des  1.  Mittel- 
handknochens, gewöhnlich  mit  mehreren  Zipfeln.  Fast  regelmäßig 
läßt  sich  einer  dieser  Zipfel  zum  M.  abductor  pollicis  brevis  ver- 
folgen, der  seinerseits  diese  Konjugation  zum  Ursprünge  von  Muskel- 
bündeln benutzt.  Die  Angabe  von  Poirier,  daß  diese  Verbindung 
konstant  sei,  können  wir  nicht  bestätigen.  So  selten,  wie  allerdings 
diese  Sehne  einerseits  fehlt,  so  selten  findet  sich  andererseits  der  An- 
satz eines  Sehnenzipfels  am  Os  multangulum  majus. 

Holotopie  und  Syntopie.^ 

Der  M.  abductor  pollicis  longus  gewinnt  als  der  am  meisten 
proximal  und  radial  gelegene  Muskel  der  tiefen  Streckschicht  die 
ausgedehntesten  Beziehungen  zu  der  radialen  Nachbar-,  der  Brachio- 
radialgruppe ;  sämtliche  4  Muskeln  derselben  treten  mit  ihm  in  Be- 
rührung; sein  ulnarer  und  distaler  Nachbar,  der  M.  extensor  pollicis 
brevis,  nur  noch  mit  3,  indem  der  M.  supinator  als  Nachbarmuskel 
ausscheidet;  der  dritte  tiefe  Muskel,  der  M.  extensor  poUicis  longus, 
nur  noch  mit  2  oberflächlichen,  nämlich  den  überkreuzten  Endsehnen 
der  beiden  M.  extensores  carpi  radiales,  und  der  letzte  der  M.  in- 
dicator,  nur  noch  mit  einem  winzigen  Stücke,  dort,  wo  er  den 
Ansatz  des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  kreuzt. 

187 


188  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Die  freie  Oberfläche  entspricht  in  der  ulnaren  Hälfte  der  ober- 
flächlichen Streckschicht,  speziell  dem  M.  extensor  digitorum  com- 
munis und  dem  M.  extensor  digiti  V  proprius ;  in  der  radialen  Hälfte, 
also  im  distalen  Drittel  des  Vorderarmes  der  Fascie  und  Haut.  Der 
obere,  proximale  Rand  schließt  sich  unmittelbar  an  den  M.  supinator 
an  bis  zur  Endsehne  des  M.  pronator  teres.  Der  freie  radiale  Rand 
begleitet  zuerst  den  M.  extensor  carpi  radialis  brevis,  dann  über- 
kreuzt er  dessen  Sehne,  die  des  M.  extensor  carpi  radialis  longus  und 
schließlich  die  des  M.  brachioradialis.  Letztere  hat  sich  inzwischen 
so  eng  an  den  Radius  angeschmiegt,  daß  sie  sich  nicht  mehr  bei  der 
Kontraktion  des  Muskels  von  dem  Knochen  abheben  kann,  wir  finden 
darum  an  dieser  Stelle  keinen  Schleimbeutel  weder  zwischen  Knochen 
und  Sehne  des  M.  brachioradialis,  noch  letzterem  und  den  darüber 
hinwegziehenden  M.  abductor  poUicis  longus  und  extensor  pollicis 
brevis;  wohl  aber  zwischen  dem  Muskelbauche  des  M.  abductor  und 
den  Sehnen  der  beiden  M.  extensores  carpi  radiales.  Wir  halten 
diesen  nicht  für  konstant,  indessen  ist  in  dem  Muskeltunnel  des 
Vorderarmes  immer  sehr  lockeres,  schlüpfriges  bis  schleimiges  Binde- 
gewebe vorhanden.  Jedenfalls  haben  wir  diesen  Schleimbeutel  bei 
7-monatlichen  Feten  noch  nicht  gefunden  und  ihn  auch  mehrmals  bei 
Erwachsenen  vermißt.  Die  freien  Ränder  schließen  sich  proximal  an  den 
M.  extensor  pollicis  longus,  distal  an  den  M.  extensor  poUicis  brevis  an. 

Die  Endsehne  beteiligt  sich  mittelbar  an  der  Bildung  der  Tabatiere 
anatomique,  der  anatomischen  Schupftabaksdose.  Durch  die  Haut 
hindurch  sieht  es  oft  so  aus,  als  ob  sie  es  wäre,  welche  den  radialen 
Rand  dieser  Grube  darstelle;  in  Wirklichkeit  ist  es  aber  nur  die 
Sehne  des  M.  extensor  pollicis  brevis.  Die  tiefe  fläche  entspricht 
zunächst  den  Ursprüngen  an  Ulna,  Membrana  interossea  und  Radius, 
dann  den  3  zur  Genüge  erwähnten  überkreuzten  Sehnen  der  langen 
Brachioradialmuskeln. 

Nach  Entfernung  der  beiden  M.  extensores  carpi  radiales  sieht 
man  nunmehr  in  größerer  Ausdehnung  in  der  Mitte  des  Radius  auch 
noch  die  Ansatzsehne  des  M.  pronator  teres  bis  an  den  Muskelrand 
herantreten. 

Der  Wichtigkeit  halber  sei  hier  schon  auf  den  von  den  deutschen 
Autoren  vernachlässigten,  von  Poirier  ausführlich  beschriebenen  und 
als  konstant  bezeichneten  Schleimbeutel  hingewiesen.  Nach  diesem 
Autor  ist  der  Schleimbeutel  15  mm  lang,  7  mm  breit  und  kom- 
muniziert in  der  Hälfte  der  Fälle  mit  dem  Gelenke  zwischen  Os  mult- 
angulum  majus  und  dem  Os  metacarpale  I.  Wir  haben  diese  Kom- 
munikation verschiedentlich  schon  beim  Neugeborenen  beobachtet, 
jedoch  können  wir  Poirier  nicht  beistimmen,  daß  er  konstant  sei. 
In  verschiedenen  Fällen,  schon  beim  Fetus  bis  hinauf  zu  ganz  alten 
Leuten,  haben  wir  ihn  trotz  genauester  Untersuchung  vermißt.  Wir 
können  ihn  also  nur  als  normal  (mehr  als  50  Proz.)  hinstellen  und 
schlagen  als  Bezeichnung:  Bursa  subabductoria  carpalis  vor. 

Wirkung. 

Die  gewöhnliche  Darstellung  ist  die,  daß  er  den  1.  Mittel- 
handknochen und  damit  auch  den  Daumen  und  überhaupt  die  ganze 
Hand  nach  außen  und  gleichzeitig  nach  hinten  zieht.  Die  letztere 
Wirkung  möchten  wir  als  als  ganz  nebensächlich  hinstellen,  dagegen 


M.  abductor  pollicis  longus. 


189 


die  Ansicht  von  Duchenne  für  richtig  halten,  daß  er  die  Hand 
nebenbei  auch  beugt.  Niemals  hat  der  Muskel  etwas  mit  der  Supina- 
tion  zu  tun.  Im  übrigen  sei  noch  auf  den  besonderen  Abschnitt 
„Handbewegungen"  verwiesen. 

Die  von  Duchenne  unter  XXII  (S.  250,  251)  angegebene  Be- 
obachtung :  „Der  Abductor  pollicis  longus  führt  den  1.  Mittelhandknochen 
schief  nach  außen  und  vorn,  so  daß  er  ihn  mit  dem  Außenrande  des 
2.  Mittelhandknochens  in  Opposition  stellt",  können  wir  nur  dadurch 
erklären,  daß  der  M.  abductor  pollicis  longus  normalerweise  eine 
Konjugation  zum  M.  abductor  pollicis  brevis  schickt  und  dieser  ja 
neben  der  Abduktion  des  Daumens  trotz  seines  Namens  auch  noch 
die  Adduktion  bei  bestimmten  Stellungen  bewirken  kann. 

Unter  LVII  (S.  259)  führt  er  die  Behauptung  an :  „Vor  meinen  Unter- 
suchungen hatten  die  Anatomen  irrige  Meinungen  ausgesprochen: 
1)  über  die  Einwirkung  des  Extensor  brevis  pollicis,  aus  dem  sie 
einen  Strecker  des  1.  Mittelhandknochens  gemacht  hatten,  während  er 
der  einzige  Muskel  ist,  der  die  Abduktion  derselben  in  gerader  Rich- 
tung [in  welcher?]  bewirkt;  2)  über  die  Eigenwirkung  des  Abductor 
longus  pollicis;  derselbe  ist  einer  von  den  GegensteUern  des  1.  Mittel- 
handknochens und  nicht  ein  Abduktionsmuskel  desselben ;  bei  maximaler 
Kontraktion  bewiikt  er  die  Pronation  der  Hand  und  nicht  ihre  Supination." 

Zu  2)  sei  bemerkt,  daß  der  M.  abductor  pollicis  longus  bei  vor- 
heriger Volarflexion  der  Hand  letztere  in  die  Ebene  der  Vorderarm- 
knochen zu  bringen  vermag  und  damit  bei  gleichzeitiger  Abduktion 
scheinbar  die  Supination  unterstützen  kann.  Bei  vorheriger  Dorsalflexion 
der  Hand  muß  eine  Kontraktion  des  Muskels  unter  gleichzeitiger  Ab- 
duktion die  Hand  wieder  in  die  Normalstellung  zurückbringen  und 
so  scheinbar  die  Pronation  unterstützen. 

Innervation. 
Dieselbe  ist  bei  dem  M.  extensor  pollicis  brevis  nachzusehen. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  4     cm 

Maximum  5,5   „ 

Durchschnitt  aus  8  Messungen     4,7    „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,5,  in  Prozenten  38%. 

Segmentbezüge. 
6.  7.  (8.)  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

1.  rechter  schwacher  Arm 
II.  h'nker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

12 
10 
22 
22 

9 

8 

18,5 
18,6 

3 
2 

3,5 
3,4 

75 
80 
84,1 
84,5 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

16,5 

13,5 

3 

80,9 

189 


190  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


Varietäten. 

Der  Muskelbauch  kann  doppelt  sein  oder  fehlen.  Regelmäßig- 
ist  die  Endsehne  in  mehrere  Bündel  zerlegt;  als  Norm  betrachten 
wir  die  Konjugation  mit  dem  M.  abductor  poUicis  brevis,  wofür  wir 
sogar  den  besonderen  Namen  M.  abductor  poUicis  intermedius  vor- 
geschlagen haben.  Ausnahmen  dagegen  stellen  Ansätze  an  den 
Carpalknochen  (Os  multangulum  majus),  am  Lig.  carpi  volare,  dem 
M.  flexor  pollicis  brevis  oder  opponens  dar. 

In  den  V.  B.  ist  sogar  ein  Ansatz  am  Lig.  carpi  transversum  be-^ 
schrieben  (No.  120). 

Handbewegungen. 

Duchenne,  S.  120:  „Man  hat  aus  theoretischen  Gründen  be- 
hauptet, daß  die  Bewegungen  der  Hand  gegen  den  Vorderarm  in 
der  Articulatio  carpometacarpea  und  in  der  Articulatio  radiocarpea 
zugleich  stattfinden  müssen ;  in  den  vorstehenden  elektrophysiologi- 
schen  Versuchen  ist  es  unmöglich,  das  Vorhandensein  solcher  Be- 
wegungen zu  konstatieren." 

Nach  unserer  Auffassung  vollzieht  sich  die  Dorsalflexion  in 
keinem  von  diesen  beiden  Gelenken,  vielmehr  in  der  Articulatio  inter- 
carpea.  Für  die  Volar flexion  der  Hand  kommen  die  M.  flexor 
carpi  radialis,  ulnaris  und  palmaris  longus  in  Betracht,  welche  den 
Dorsalteil  der  Articulationes  radiocarpea  und  intercarpea 
dehnen. 

Einen  Einfluß  auf  die  Articulationes  carpometacarpeae  der  drei- 
gliedrigen  Finger  vermögen  wir  in  nennenswerter  Weise  nicht  zu- 
zugeben. Daß  das  Sattelgelenk  der  Articulatio  carpometacarpea  pollicis 
eine  Sonderstellung  einnimmt,  ist  bei  dem  M.  abductor  pollicis  longus 
ausführlich  erörtert. 

Duchenne,  S.  126,  No.  162:  „Ich  will  übrigens  darauf  aufmerksam 
machen,  daß  die  Seitwärtsbewegungen  der  Hand  um  so  schwieriger  werden 
je  mehr  sie  sich  in  Beugung  befindet.  Wenn  man  nämlich  an  einem 
lebenden  Individuum  die  Hand  mechanisch  beugt,  während  man  ihre  Pro- 
nation oder  Supination  verhindert,  und  sie  dann  seitwärts  bewegt,  so  kon- 
statiert man,  daß  diese  Bewegungen  im  Maximum  der  Beugung  un- 
möglich sind,  und  daß  sie  mehr  und  mehr  zunehmen,  wenn  man  die 
Hand  erhebt,  bis  sie  in  einer  Richtung  steht,  die  der  des  Vorder- 
armes parallel  geht.  In  dieser  Stellung  haben  die  Seitwärtsbewegungen 
der  Hand  ihren  größten  Umfang;  sobald  man  sie  dann  wieder  mehr 
und  mehr  beugt,  so  sieht  man,  daß  sie  in  geradem  Verhältnis  zum 
Grade  der  Beugung  an  Umfang  abnehmen.  —  Durch  die  Streckung 
der  Hand  gegen  den  Vorderarm  wird  der  Umfang  dieser  Seiten- 
bewegungen nicht  modifiziert." 

In  der  Tat  sind  die  ausgiebigsten  Seitwärtsbewegungen  der  Hand 
möglich,  wenn  sich  die  Mittelhand  in  der  gleichen  Ebene  mit  dem 
supinierten  Vorderarme  befindet  und  erreichen  eine  wesentliche  Ein- 
schränkung erst  bei  nahezu  rechtwinkliger  Volarflexion,  weil  dann  die 
proximale  Reihe  der  Handwurzelknochen  nur  in  geringer  Berührung  mit 
der  distalen  Gelenkfläche  des  Radius  steht,  und  die  Beuger  ihre  Kraft 
erschöpft  haben.     Bei  der  Dorsalflexion    der  Hand    tritt  allmählich  auch 

190 


M.  extensor  poUicis  brevis.  191 

eine  Beschränkung  ein,  besonders  bei  stärkster  Hyperextension.  Diese 
Bewegungen  vollziehen  sich  ja  nicht  allein  in  der  Articulatio  radio- 
carpea,  sondern  auch  in  der  Articulatio  intercarpea,  welche  durch  die 
Dorsalflexion  nicht  in  nennenswerter  Weise  für  die  Seitwärtsbewegungen 
in  Mitleidenschaft  gezogen  wird,  während  es  gerade  bei  der  Volarflexion 
der  Fall  ist.  Außerdem  haben  nach  unseren  Gewichtsbestimmungen  die 
Extensores  carpi  eine  bedeutend  größere  Muskelmasse  zu  ihrer  Ver- 
fügung. In  der  Gleichgewichtslage  der  Hand  kann  jeder  Flexor  oder 
Extensor  carpi  seine  volle  Wirkung  entfalten ;  bei  der  Volarflexion  werden 
die  Seitwärtsbewegungen  durch  die  Beuger,  bei  der  Dorsalflexion  durch, 
die  Extensores  carpi  ausgelöst. 

M.  extensor  pollicis  l>revis. 

Synonyma:  Kurzer  Daumenstrecker ;  Court  extenseur  du  pouce,  petit 
extenseur  Bichat,  cubito-sus-phalangien  du  pouce  Chaussier,  radio-sus- 
phalangien  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Die  oben  angegebenen  französischen  Bezeichnungen  lassen  er- 
kennen,  daß  der  Ursprung  von  den  Vorderarmknochen  nicht  kon- 
stant ist.  Auch  nach  unserer  Ueberzeugung,  welcher  bereits  Morel 
und  Mathias  Duval  Ausdruck  gegeben  haben,  entspringt  dieser 
Muskel  weit  häufiger  vom  Radius,  als  von  der  Ulna,  an  der  er  in 
solchen  Fällen  kaum  über  den  Margo  interosseus  hinausreicht. 

Für  unsere  Betrachtung  genügt  es  vollkommen,  ihn  als  einen 
Satelliten  des  M.  abductor  pollicis  longus  aufzufassen,  wenigstens  bis^ 
zur  Höhe  der  Artic.  carpometacarpea  pollicis,  wo  der  getrennte  Ver- 
lauf seiner  Endsehne  und  Sehnenscheide  zu  beginnen  pflegt. 

Der  Ansatz  findet  gewöhnlich  an  und  in  der  Kapsel  der  Artic. 
metacarpophalangea  pollicis  statt,  jedoch  kann  man  die  Sehne  auch 
bis  zur  Nagelphalanx  verfolgen  oder  doch  bis  zum  Ansätze  des  M.  ab- 
ductor pollicis  brevis,  d.  h.  zur  Dorsalaponeurose. 

Ijdiotopie  und  Skeletopie. 

Der  schmale  Muskelbauch  entspringt  zwischen  den  M.  abductor 
und  extensor  pollicis  longus,  je  nach  deren  Mächtigkeit  entweder  aus- 
schließlich vom  Radius,  oder  noch  von  der  Membrana  interossea 
antebrachii,  in  seltenen  Fällen  sogar  noch  von  der  Ulna.  Der  Muskel- 
bauch ist  oft  fast  untrennbar  mit  dem  M.  abductor  pollicis  longus  ver- 
bunden. Die  Anschauung,  ihn  als  einen  Satelliten  des  eben  ge- 
nannten Muskels  aufzufassen,  dürfte  außer  durch  die  Nerven- 
^yersorgung  durch  einen  von  Frohse  beobachteten  Fall  gesichert  sein, 
oei  welchem  der  M.  abductor  pollicis  longus  doppelköpfig  entsprang 
und  wie  ein  Muskeltunnel  den  in  der  Tiefe  verborgenen  M.  extensor 
pollicis  brevis  umgab.  Andererseits  gibt  sich  die  Selbständigkeit 
dieses  Muskels  durch  andere  Befunde  kund,  sowohl  an  Neugeborenen 
wie  an  ganz  alten  Leuten,  daß  nämlich  die  Sehnenscheide  voll- 
kommen von  derjenigen  des  M.  abductor  pollicis  longus  getrennt  sein 
kann.  Der  Ansatz  dieser  dünnsten  Extensorensehne  findet  meistens, 
an  der  Artic.  metacarpophalangea  I  statt.  Häufig  jedoch  läßt  sich 
die  Endsehne  bis  zur  Nagelphalanx  des  Daumens  verfolgen. 

191 


192 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 


Holotopie  und  Syntopie. 

Eine  Sonderbeschreibung  derselben  erübrigt  sich,  jedoch  sei  auf 
die  Beschreibung  der  dorsalen  Sehnenscheiden  verwiesen.  Als  ein- 
ziger Punkt  sei  für  die  Topographie  erwähnt,  daß  die  freie  End- 
sehne die  radiale  Begrenzung  der  Tabatiere  anatomique  bildet. 

Wirkung. 

Obwohl  der  Muskel  im  stände  ist,  den  freien  Daumen  im  ganzen 
zu  strecken,  auch  wenn  die  Nagelphalanx  gebeugt  ist,  so  möchten 
wir  doch  als  Hauptwirkung  hervorheben,  daß  er  der  eigentliche  Ab- 
duktor  des  freien  Daumens  ist,  und  betonen,  daß  der  kurze  Strecker 
A b z i e h  Wirkung  ausübt,  während  der  lange  Strecker  auch  als  Ad- 
duktor  wirken  muß,  wie  hinterher  auseinandergesetzt  wird. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  4,1  cm 

Maximum  4,7    „ 

Durchschnitt  aus  5  Messungen     4,4   „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,6,  in  Prozenten  15  "/«• 

Segmentbezüge. 
6.  7.  (8.)  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  staricer  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

1,5 

1 
9 

7 

1 
0,85 

7 
6 

0,5 
0,15 
2 
1 

67 

85 

77,8 
85,7 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

4,6 

3,7 

0,9 

78,1 

Varietäten. 

Der  Muskel  ist  oft  eng  mit  dem  M.  abductor  pollicis  longus  ver- 
schmolzen, andererseits  kann  er  auch  fehlen.  Die  Endsehne  kann 
doppelt  sein  und  die  accessorische  sich  am  Mittelhandknochen  oder 
der  Nagelphalanx  anhaften. 

Gemeinschaftliche  Wirkung  der  drei  dorsalen 
Daumenmuskeln. 

Vollkommen  unverständlich  ist  für  uns  die  von  Duchenne  unter 
XXIV  (S.  251)  gegebene  Darstellung,  deren  innerer  Widerspruch  sich 
bei  der  Betrachtung  der  Einzelwirkung  ergeben  dürfte,  nicht  allein 
durch  die  eigenen  Angaben  dieses  Autors,  sondern  auch  die  von  uns 
vertretene  Anschauung: 

„Wenn  die  genannten  3  Muskeln  [M.  abductor  longus,  extensor 
brevis  und  longus  pollicis]  sich  im  höchsten  Grade  ihrer  Kontraktion 
befinden,  so  erteilen  sie  der  Hand  ganz  andere  Bewegungen.  Der 
Abductor  longus  beugt  dieselbe  kräftig  und  neigt  sie  dabei  nach 

192 


M.  abd.  poll.  long,  et  ext.  brev.,  Innervation.  193 

seiner  Seite,  der  Extensor  longus  übt  auf  sie  die  entgegengesetzte 
Wirkung  wie  der  Abductor  longus,  der  Extensor  brevis  zieht  sie 
gerade  nach  außen." 

Nach  unserer  Meinung  entspricht  die  Hauptwirkung  der  einzelnen 
Muskeln  durchaus  den  Namen ;  als  Nebenwirkungen  sind  zu  beachten : 
1)  beim  M.  abductor  pollicis  longus  =  Volar-  oder  Dorsalflexion  bis  zur 
Grundstellung,  je  nach  der  Haltung  der  ganzen  Hand  —  ohne  Einfluß 
auf  Pronation  und  Supination ;  2)  M.  ext.  poll.  brev.  =  Abduktion  der 
Grundphalanx ;  3)  M.  ext.  poll.  long.  =  Adduktion  des  ganzen  Daumens. 

Innervation    der   M.   abductor   pollicis    longus    und 
extensor  pollicis  brevis. 

Während  die  M.  extensor  digitorum  communis  et  digiti  minimi, 
wie  auch  der  M.  extensor  carpi  ulnaris  als  oberflächliche  Schicht  der 
Strecker  aufgefaßt  werden  müssen  und  ihre  Nerven  von  der  prä- 
paratorisch tiefen  Fläche  aus  erhalten,  müssen  nun  die  4  Muskeln 
der  tiefen  Schicht  als  von  der  Oberfläche  aus  innerviert  beschrieben 
werden.  In  Wirklichkeit  aber  liegen  beide  Nervengruppen  in  der- 
selben Schicht,  in  dem  Spatium  intermusculare  zwischen  oberfläch- 
licher und  tiefer  Streckmuskulatur. 

Der  M.  abductor  pollicis  longus  zeichnet  sich,  wie  der  eng  mit 
ihm  verbundene  M.  extensor  pollicis  brevis  dadurch  aus,  daß  ein  Teil 
seines  Muskelbauches  nur  von  Haut  und  Fascie  bedeckt  ist.  So 
kommt  die  merkwürdige  Tatsache  heraus,  daß  ein  Muskel  der  tiefen 
Schicht  einige  Nerven  an  seiner  freien  Oberfläche  zu  liegen  hat.  Die 
Nerven  für  die  oberflächliche  Streckschicht  bleiben  sämtlich  in  der 
Tiefe  verborgen,  für  die  beiden  eben  erwähnten  Muskeln  der  tiefen 
Schicht  liegen  dagegen  die  Nerven  teilweise  tief,  teilweise  oberflächlich. 

Der  doppeltgeiiederte  Muskelbauch  empfängt  der  Hauptsache  nach 
zwei  Gruppen  von  Nerven,  eine  radiale  und  eine  ulnare,  von  einem, 
gewöhnlich  aber  von  mehreren  Zweigen,  welche  sich  aus  dem  R.  pro- 
fundus n.  radialis  loslösen.  Anastomosen  zwischen  den  beiden  Teilen 
sind  jedenfalls  sehr  selten. 

Da  der  Muskelbauch  sich  sehr  weit  distalwärts  erstreckt  und 
gerade  am  Radialrande  als  deutlicher  Wulst  subkutan  sichtbar  wird, 
besonders  bei  passiver  Dehnung,  liegt  auch  die  günstigste  Reizungs- 
stelle an  dem  proximalen  Ende  dieser  Verdickung.  In  leichter  Weise 
kann  man  die  elektrische  Wirkung  vorführen,  wenn  man  vorher,  aktiv 
oder  passiv,  drei  Bewegungen  ausführt:  1)  Pronation,  2)  Daumen- 
adduktion  und  3)  Daumenflexion  (letztere  für  den  folgenden  Muskel, 
welcher  leicht  mitgereizt  wird). 

Der  M.  extensor  pollicis  brevis  stellt  eigentlich  nur  eine  kleinere 
Wiederholung  des  stärkeren  Wulstes  des  M.  abductor  dar,  von  welchem 
er  weder  durch  Inspektion  noch  Palpation  scharf  gesondert  zu  sein 
braucht.  Jedoch  ist  der  Muskel  nicht  gefiedert  gebaut,  sondern 
parallelfaserig  und  in  der  Gesamterscheinung  einfach  spindelförmig. 
Dementsprechend  zeigt  das  Nervenbild  die  charakteristische  Anord- 
nung der  den  spindelförmigen  Muskeln  zukommenden  Verzweigung. 
Besonders  erwähnen  wollen  wir  den  Sehnennerven,  welcher  über  die 
Muskulatur  hinaus  sich  in  den  Teilungswinkel  seiner  Sehne  und  der 
des  M.  abductor  begibt.  Makroskopisch  sichtbare  VATER-PACiNische 
Körperchen,  Corpuscula  lamellosa,  konnten  wir  hier  bisweilen  nach- 
weisen. 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  II,  2.  IQ 


194  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Der  topographisch-anatomischen  Lage  des  Muskels  als  distalen 
Adnexes  des  M.  abductor  pollicis  longus  entspricht  auch  die  Nerven- 
versorgung; es  ist  ein  Zweig  desjenigen  Nerven,  welcher  den  ulnaren 
Teil  des  M.  abductor  versorgt,  und  welcher,  um  zu  seinem  Muskel 
zu  gelangen,  den  langen  Daumenabzieher  kreuzen  muß. 

M.  extensor  pollicis  longus. 

Synonyma:  Langer  Daumenstrecker;  Extensor  pollicis  major  s. 
secundi  internodii;  Long  extenseur  du  pouce,  grand  extenseur  du  pouce 
BiCHAT,  cubito-sus-phalangettien  du  pouce  Chaussier. 

Allgemeine  Beschreibung. 
Der  für  den  radialwärts  gelegenen  Daumen  bestimmte  Muskel 
gewinnt  gewöhnlich  mit  seinem  Ursprünge  keine  Beziehungen  zum 
Radius  mehr,  sondern  greift  sogar  in  großer  Ausdehnung  von  der 
Membrana  interossea  auf  die  Ulna  über.  In  der  Höhe  des  Lig.  carpi 
dorsale  zieht  die  Sehne,  in  eine  Scheide  eingeschlossen,  schräg  zum 
Daumen  hin,  an  dessen  Nagelphalanx  sie  sich  ansetzt.  —  Er  ist  ein 
kräftiger  Strecker  der  Nagelphalanx;  als  Nebenwirkung  ist  bei  vor- 
heriger Abduktion  eine  nicht  unbeträchtliche  Adduktion  des  ganzen 
Daumens  zu  betonen,  gleichviel  ob  seine  Glieder  gebeugt  oder  ge- 
streckt waren. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 
Der  Ursprung  liegt: 

1)  im  mittleren  Drittel  der  Ulna,  an  deren  hinterer,  radialer 
Fläche,  zwischen  den  M.  extensor  pollicis  brevis  und  indicis  proprius; 

2)  von  der  Membrana  interossea  antebrachii  an  der  entsprechenden 
Stelle ; 

3)  von  dem  Septum  iutermusculare,  welches  ihn  von  dem  M, 
extensor  carpi  ulnaris  trennt.  Wir  haben  für  diese  Scheidewand,  weil 
in  ihr  ein  sehniger  Längsstreifen  vorhanden  ist,  den  Namen  Fasciculus 
longitudinalis  (ulnaris)  gewählt. 

Die  Muskelbündel  begeben  sich  fiederförmig  zu  einer  sich  schon  hoch 
oben  im  Muskelfleische  entwickelnden  Sehne,  lassen  sich  aber  außerdem 
bis  zum  Lig.  carpi  dorsale  nach  unten  verfolgen.  Bei  extremer  Beugung 
des  Daumens  gehen  sie  sogar  noch  unter  dasselbe  herunter. 

Bis  hierher  verläuft  der  Muskel  nur  etwas  schräg  radialwärts: 
am  distalen  Ende  des  Radius  findet  sich  aber  eine  nicht  genug  zu 
betonende  schräge  Rinne,  welche  die  Umänderung  der  Richtung  kund- 
gibt, ein  Hypomochlion,  wie  es  nicht  schöner  gedacht  werden  kann,  weil 
es  durch  die  Haut  hindurch  dem  Gesichte  zugänglich  ist.  Für  Wulst  und 
Rinne  am  Knochen  werden  wir  hinterher  besondere  Namen  vorschlagen. 

Hier  liegt  die  Sehne  bereits  in  der  später  genauer  beschriebenen 
Scheide  und  wendet  sich  bei  gewöhnlicher  Haltung  schräg  zum  Daumen,, 
bei  starker  Abduktion  der  Hand  und  des  freien  Daumens  beinahe 
rechtwinklig. 

Sie  kreuzt  hierbei  die  Sehnen  der  M.  extensores  carpi  radiales 
brevis  und  longus  und  verläuft  dann  auf  dem  Mittelhandknochen  des 
Daumens,  seiner  Ulnarseite  genähert,  weiterhin  über  die  Kapsel  der 
Artic.  metacarpophalangea  und  setzt  breit  an  der  dorsalen  Seite  der 
Basis  der  Nagelphalanx  des  Daumens  an. 

194 


M.  extensor  pollicis  longus. 


195 


Holotopie  und  Syntopie. 

Bis  zum  Handgelenke  kann  man  kaum  etwas  von  dem  Muskel- 
bauche durch  die  Haut  oder  die  Fascie  erkennen,  dann  aber  ist. 
spätestens  vom  distalen  Rande  des  Lig.  carpi  dorsale,  die  Sehne 
deutlich  zu  sehen.  Weiter  ist  hervorzuheben,  daß  sie  die  ulnare  Be- 
grenzung der  Tabatiere  bildet,  in  welcher  die  A.  radialis  mit  ihrem 
Hauptaste  zur  Hohlhand  zieht.  Diese  Arterie  verläuft  nicht  allein 
innerhalb  dieser  Grube,  sondern  unterkreuzt  auch  die  Sehne,  um 
ihren  ulnaren  Rand  zu  gewinnen  und  sich  dann  sofort  an  der  Basis 
des  Spatium  interosseum  I,  in  die  dort  befindliche,  ansehnliche  Lücke 
hineinzusenken.  Die  Sehnenscheide  findet  in  dem  besonderen  Ab- 
schnitte über  die  dorsalen  Sehnenscheiden  ihre  Berücksichtigung. 

Wirkung. 

Duchenne  gibt  unter  XXXI  (S.  253)  an :  „Der  Extensor  pollicis 
longus  dient  hauptsächlich  dazu,  den  Daumenballen  abzuflachen,  und 
gleichzeitig  streckt  er  die  beiden  Phalangen  des  Daumens,  wie  z.  B., 
wenn  man  die  Hand  weit  öffnet,  ohne  den  Daumen  von  den 
anderen  Fingern  zu  entfernen."  Ebenso  sonderbar  berührt 
uns  die  unter  XXXVII  (S.  255)  erwähnte  Bemerkung:  „In  Bezug 
auf  den  ersten  Mittelhandknochen,  [an  welchem  diese  Muskeln  doch 
überhaupt  nicht  ansetzen]  sind  also  der  Abductor  brevis  und  die 
äußere  Portion  des  Flexor  brevis  pollicis  [Caput  superficiale]  die  not- 
wendigen Moderatoren  des  Extensor  pollicis  longus,  während  der 
partiellen  Streckung  der  zweiten  Phalanx  durch  diesen  letzteren  Muskel." 

Um  die  Wirkung  leicht  zu  erkennen,  bringe  man  den  Daumen 
zuvor  in  die  Abduktionsstellung  unter  Beugung  der  Phalangen ;  man 
sieht  dann  bei  elektrischer  Reizung  die  aktive  Streckung  der  Nagel- 
phalanx, welche  sich  (meistens  nur  passiv)  auf  die  Grundphalanx  über- 
trägt; ferner  die  Adduktion  des  gesamten  Daumens. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  4,3  cm 

Maximum  5,3    „ 

Durchschnitt  aus  4  Messungen     4,7    „ 
Unterschied  in  Centiraetern  1,  in  Prozenten  23  "/o- 

Segmentbez  üge. 
6.  7.  8.  Cervicalnerv ;  in  dem  Falle  von  Bolk  nur  7.  Cervicalnerv. 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel-        Sehnen-       ^^g.ttz 
Substanz    •    Substanz       j^  pj.^^ 

I.  rechter  schwacher  Arm 
11.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

5,25 

5 

10,5 
10,5 

4,25 

4,4 

8,5 

1 

0,6 
2 
1,5 

79,1 
88 
81 
85,7 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

7,8 

6,5 

1.3 

83.5 

'95 


13* 


196  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL. 

Varietäten. 

Diese  betreffen  nur  die  Endsehne,  sei  es,  daß  noch  eine  Ver- 
stärkungssehne vom  M.  extensor  dig-itorum  communis  hinzukommt 
oder  von  ihm  zum  Zeigefinger  abgegeben  wird.  Auch  diese  Sehne 
kann,  wie  wir  es  bereits  beim  M.  abductor  pollicis  longus  (regel- 
mäßig) und  extensor  brevis  kennen  gelernt  haben,  doppelt  sein. 

Wir  sind  der  Ansicht,  daß  es  sich  bei  der  Verbindung  mit  dem 
M.  extensor  digitorum  communis,  dem  von  uns  so  genannten  M. 
ypsiloformis,  um  eine  normale  Bildung  handelt,  welche  als  scheinbare 
Fascie  den  proximalen  Teil  des  Spatium  interosseum  I  umrahmt,  nur 
in  seltenen  Fällen  fehlt,  andererseits  aber  auch  eine  gut  entwickelte 
Doppelsehne  mit  eventuell  selbständigem  Muskelbauche  entwickeln 
kann. 

M.  extensor  indicis  proprius. 

Synonyma:  Besonderer  Zeigefingerstrecker;  M.  abductor  indicis, 
indicator  s.  indicatorius,  M.  abducens  indicem  (Spig.) ;  extensor  s.  adductor 
indicatorius  s.  indicis;  Extenseur  propre  de  l'index;  cubito-sus- 
phalang.  de  l'index  (Chaussier,  Dumas). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Muskel  entspringt  fast  ausschließlich  von  der  Ulna,  zieht  mit 
dem  M.  extensor  digitorum  communis  durch  ein  gemeinschaftliches 
Fach  des  Lig.  carpi  dorsale  und  geht  in  Knöchelhöhe  in  die  Dorsal- 
aponeurose  des  Zeigefingers  über.  Er  streckt  die  Grundphalanx; 
jedoch  glauben  wir,  daß  gerade  ihm  auch  eine  Streckwirkung  auf  die 
Mittel-  und  selbst  die  Nagelphalanx  zukommen  kann. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Als  letzter  Muskel  der  tiefen  Streckgruppe  entspringt  er  am 
weitesten  distal  von  der  Ulna,  verläuft  schräg  über  diesen  Knochen 
nach  außen  und  tritt  gemeinschaftlich  mit,  jedoch  auch  unter  dem 
M.  extensor  digitorum  communis  durch  das  größte  Fach  der  dorsalen 
Handfächer  und  endet  in  der  gemeinschaftlichen  Strecksehne  am 
Capitulum  ossis  metacarpalis  II.  Des  genaueren  sind  die  Ursprünge : 
1)  von  der  Ulna  ungefähr  entsprechend  dem  dritten  Viertel  dieses 
Knochens  ziemlich  nahe  dem  Margo  interosseus;  dieser  Ursprung 
kann  bis  8  cm  lang  sein;  2)  von  der  tiefen  Fascie  des  M.  extensor 
carpi  ulnaris  an  dem  Längsstreifen,  welchen  wir  als  Fasciculus  longi- 
tudinalis  ulnaris  bezeichnet  haben ;  3)  im  Anschlüsse  an  den  Knochen- 
ursprung von  der  Membrana  interossea;  indessen  können  solche  Bündel 
auch  fehlen.  Der  Muskelbauch  ist  der -einzige,  welcher  sich  bei  Volar- 
flexion  der  Hand  und  Beugung  der  Phalangen  noch  fast  konstant  auf 
das  Handgelenk  hin  erstreckt.  Sämtliche  anderen  Muskeln,  sei  es  der 
Beuge-  oder  Streckseite,  von  den  Varietäten  des  M.  pronator  quadratus 
abgesehen,  haben  in  dieser  Höhe  kein  Muskelfleisch  mehr. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  wird  von  den  M.  extensor  carpi  ulnaris,  digiti 
minimi  proprius  und  digitorum  communis  der  Reihe  nach  überlagert. 

196 


M.  extensor  indicis  proprius.  197 

Erst  iu  Knöchelhöhe  ist  die  Sehne  oberflächlich  gelagert,  d.  h.  bloß  von 
der  Haut  bedeckt;  indem  sie  sich  hier  breit  an  die  des  M.  extensor 
digitorum  communis  anlehnt,  verschafft  sie  der  Strecksehne  ein  ganz 
anderes  Aussehen,  wie  es  beim  Mittel-  und  Ringfinger  der  Fall  ist, 
an  welchem  wir  die  Verschmälerung  und  Verdickung  der  Sehne  be- 
tonen mußten.  Die  Facies  lateralis  schmiegt  sich  dem  M.  extensor 
poUicis  longus  an,  die  Facies  medialis  bildet  eigentlich  nur  den  ent- 
sprechenden freien  Rand  des  Muskels.  Die  Facies  profunda  deckt 
die  Ulna,  mit  einem  größeren  oder  kleineren  Bezirke  die  Membrana 
interossea;  der  Muskelbauch  geht  über  den  Radius,  die  Handwurzel 
(Os  lunatum  und  capitatum),  Spatium  interosseum  II  hinweg  und 
kommt  erst  in  der  Nähe  des  Capitulum  auf  den  2.  Mittelhandknochen 
zu  liegen. 

Daß  unter  dem  Muskel  außer  dem  N.  interosseus  dorsalis  und 
der  A.  interossea  volaris  (dorsalis  inferior)  auch  der  N.  interosseus 
volaris  gelegen  ist,  welcher  den  M.  pronator  quadratus  versorgt,  ist 
bei  diesem  mehrfach  betont.  Die  Möglichkeit  der  elektrischen  Reizung 
des  M.  Pronator  quadratus  vom  Dorsum  her  sei  auch  an  dieser  Stelle 
wiederholt.  ' 

Innervation  der  M.  extensor  pollicis  longus  und  indicis 

proprius. 

Wir  könnten  diese  beiden  Muskeln  gemeinschaftlich  behandeln, 
weil  sie  nicht  allein  aus  einem  Hauptstamme  versorgt  werden,  sondern 
auch  die  feinere  Verteilung  in  den  aneinander  grenzenden  Muskel- 
abschnitten zu  beiden  Muskeln  Zweige  hervorgehen  läßt. 

Der  doppelt  gefiederte  M.  extensor  pollicis  longus  erhält  je  einen 
radialen  und  ulnaren  Zweig,  ungefähr  wie  der  M.  abductor  pollicis 
longus.  Der  spindelförmige  M.  extensor  indicis  proprius  verhält  sich 
ungefähr  wie  der  entsprechend  gebaute  M.  extensor  pollicis  brevis. 
Der  Sehnennerv,  welcher  zwischen  den  M.  extensor  pollicis  longus 
und  indicis  proprius  verläuft,  läßt  sich  auch  mit  dem  entsprechenden 
Sehnennerv  zwischen  den  M.  abductor  pollicis  longus  und  extensor 
pollicis  brevis  vergleichen.  Da  sich  die  beiden  Muskeln  nur  auf  ganz 
kurzen  Strecken  am  Oberflächenbilde  beteiligen,  wo  sie  nämlich 
zwischen  den  oberflächlichen  Strecksehnen  zum  Vorscheine  kommen, 
so  ist  die  elektrische  Reizung  viel  ungünstiger,  als  bei  den  radialen 
Daumenmuskeln.  Die  günstigste  Reizungsstelle  liegt  für  den  M.  ex- 
tensor pollicis  longus  an  der  Grenze  des  mittleren  und  unteren, 
distalen  Drittels  des  Vorderarmes ;  für  den  M.  extensor  indicis  proprius 
im  unteren  Drittel  selbst.  Für  diesen  Muskel  ist  mäßige  Handgelenks- 
beugung bei  extremer  Zeigefingerbeugung  empfehlenswert.  Man  kann 
dann  eventuell  das  distale  Ende  des  Muskelbauches  bis  über  das 
Handgelenk  als  Wulst  hervortreten  lassen. 

Noch  auf  einen  anderen  Punkt  sei  hingewiesen.  Wenn  man  die 
elektrische  Untersuchung  bei  supinierter  Hand  vornimmt,  kommt  es 
oft  zu  einer  energischen  Pronationsbewegung,  welche  durch  die 
Erregung  des  N.  interosseus  volaris  hervorgerufen  wird.  Wir 
haben  dies  beim  M.  pronator  quadratus  bereits  ausführlich  erwähnt, 
wollen  aber  hier  noch  einmal  betonen,  daß  dieser  auf  der  Beugeseite 
gelegene  Muskel  sich  am  vorteilhaftesten  von  der  Streckseite  aus 
reizen  läßt. 

197 


198 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


Muskelbündellänge. 

Minimum  4,9  cm 

Maximum  6,2    „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen     5,7    „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,3,  in  Prozenten  27  7o 


Segmentbezüge. 
6.  7.  8.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
Substanz 

„  ,               Muskel- 
Sehnen-       Substanz 
Substanz       ^^  p^o^. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

4 

.        3 

10 

9 

3 

2,5 
8,5 
6,5 

1 

0,5 
1,5 
2,5 

75 
83,4 
85 
72,3 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

6,5 

5,1 

1,4 

78,9 

Varietäten. 

Dieselben  sind  häufig,  besonders  die  der  Sehne.  Der  Muskel- 
bauch kann  doppelt  sein  bei  einheitlicher  Eudsehne,  oder  der  ein- 
heitliche Bauch  entwickelt  2  oder  selbst  3  Sehnen,  die  entweder  auf 
den  Zeigefinger  beschränkt  bleiben  oder  noch  auf  den  Mittel-  und 
Ringfinger  übergreifen.  Auch  sehnige  Ausstrahlungen  vom  Daumen 
kommen  vor,  sowie  Verschmelzungen  mit  den  Extensoren  des  Daumens. 
Bisweilen  fehlt  er. 

In  den  V.  B.  ist  unter  No.  425  der  Ursprung  vom  distalen  Radius- 
ende beschrieben. 


IV.  Handmuskeln. 


Allgemeines. 

Die  Eigenmuskulatur  der  Hand  oder  ihres  Analogons  in  der 
Reihe  der  Säugetiere  wird  ursprünglich  durch  ein  System  kleiner 
Muskeln  gebildet,  welche  die  Vertiefungen  zwischen  den  Ossa  meta- 
carpalia  ausfüllen  und  morphologisch  den  menschlichen  M.  interossei 
entsprechen. 

Bei  denjenigen  Tieren,  deren  seitlich  liegende  Finger  eine  aus- 
gesprochenere Beweglichkeit  und  wichtigere  Funktionen  erlangen, 
sieht  man  in  ihrem  Bezirke  eine  Gruppe  von  neuen  Muskeln  auf- 
treten, welche  als  mehr  oder  weniger  direkte  Abkömmlinge  der 
Zwischenknochenmuskeln  aufgefaßt  werden  können  und  sich  diesen 
Seitenfingern  angliedern.  Die  höchste  Stufe  der  Entwickelung  in 
dieser  Richtung  ist  bei  den  Anthropoiden  und  dem  Menschen  erreicht. 

Beim  Menschen  sind  die  Muskeln  der  Hand  in  drei  Gruppen  ge- 
teilt: eine  laterale,  dem  Daumen  angegliederte,  welche  durch  die 
Muskeln  des  Thenar  gebildet  wird,  eine  mittlere  oder  tiefe  Gruppe, 
welche    die  8  M.   interossei   enthält,   und   eine   mediale,    dem   Klein- 


Handmuskeln.  199 

finger  zugehörige,  in  der  wiederum  4  Muskeln,  die  M.  hypothenaris, 
vereinigt  sind. 


Theiiar. 

Synonyma:  Daumenballen,  Maus;  Muscles  de  l'eminence  thenar. 

Der  Daumenballen  setzt  sich  aus  4  Muskeln  zusammen,  von 
denen  2  ausschließlich  der  oberflächlichen  Lage  angehören,  die  M.  ab- 
ductor  brevis  und  opponens ;  einer,  der  M.  adductor  pollicis,  die  tiefe 
Schicht  darstellt;  und  der  vierte,  der  M.  flexor  pollicis  brevis,  teils 
oberflächlich  gelegen  ist  —  Caput  superficiale  —  teils  in  der  Tiefe  — 
Caput  profundum.  Alle  4  Muskeln  lassen  sich  mit  Leichtigkeit  von- 
einander trennen,  abgesehen  vielleicht  von  der  Stelle,  wo  sich  der 
M.  opponens  an  den  M.  flexor  brevis  anlehnt.  Der  Ansatz  vollzieht 
sich  teils  am  Os  metacarpale  I  durch  den  M.  opponens,  teils  an  der 
lateralen  Seite  der  Grundphalanx  mit  dem  Uebergange  in  die  Dorsal- 
aponeurose  —  M.  abductor  —  oder  etwas  weiter  nach  vorn  hin  am 
lateralen  Sesambeine  durch  den  M.  flexor  brevis;  der  M.  adductor 
pollicis  wendet  sich  zum  medialen  Sesambeine,  ohne  wesentlich  in  die 
Dorsalaponeurose  auszustrahlen,  eine  Aufgabe,  welche  in  verschiedenem 
Grade  seine  tiefste  Schicht,  unser  M.  interosseus  volaris  I,  zu  er- 
füllen hat. 

Eine  ganz  eigenartige  Stellung  nimmt  Duchenne  S.  168  und  169 
ein,  welche  ihrer  Wichtig^^eit  halber  wörtlich  angeführt  sei.  Eine 
Widerlegung  derselben  und  die  Berechtigung  der  anatomischen  Ein- 
teilung auch  für  die  Physiologie  und  Elektrophysiologie  soll  bei  den 
einzelnen  Muskeln  erfolgen.  Es  ist  auffallend,  daß  dieser  Autor  in 
seiner  Einteilung  den  M.  opponens  überhaupt  nicht  anführt.  „Die 
Muskelbäuche,  die  zusammen  den  Abductor  brevis,  den  Flexor 
brevis  und  den  Adductor  pollicis  bilden,  sind  in  anatomischer  Hin- 
sicht sowohl  wie  in  physiologischer  ganz  willkürlich  in  die  Muskeln 
geteilt  worden.  Durch  meine  elektrophysiologischen  Untersuchungen 
wird  nämlich  bewiesen,  daß  die  Muskelbündel,  die  sich  zur  Außen- 
seite der  1.  Phalanx  des  Daumens  oder  dem  1.  Mittelhandknochen 
begeben,  alle  dieselbe  Wirkung  auf  den  Mittelhandknochen  und  die 
beiden  Daumenphalangen  ausüben,  und  daß  andererseits  die,  welche 
gegen  die  Innenseite  der  1.  Phalanx  konvergieren,  gleichfalls  eine 
gemeinsame  Aktion  besitzen. 

Alle  diese  Muskelbündel  bilden  also  in  physiologischer  Hinsicht 
zwei  Muskelgruppen,  die  sich  durch  die  verschiedenen  Bewegungen, 
die  sie  dem  1.  Mittelhandknochen  und  der  1.  Phalanx  erteilen,  unter- 
einander unterscheiden." 


M.  abduetor  pollicis  brevis. 

Synonyma :  Kurzer  Daumenabzieher,  M.  abductor  externus  Sömmereing, 
abductor  brevis  pollicis  manus ;  Court  abducteur  du  pouce,  carpo- 
sus-phalangien  du  pouce  (Chaussier)  ;  scapho-sus-phalanginien  (Dumas)  ; 
Gegensteller  des  Daumens  gegen  die  dritten  Phalangen  des  Zeige-  und 
Mittelfingers  (Dlchenne-Wernicke). 

199 


200  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  flache  Muskelbauch  bildet  die  oberflächlichste  Lage  des 
Daumenballens  und  liegt  in  ganzer  Ausdehnung  von  Ursprung  bis 
Ansatz  nur  unter  der  Haut,  einer  der  wenigen  Muskeln,  bei  denen 
dies  der  Fall  ist,  und  besonders  darum  interessant,  weil  es  sich  um 
einen  Muskel  der  Beugeseite  handelt. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  des  Muskels  besteht  aus  zwei  Abteilungen,  einer 
ulnaren  und  radialen.  Die  ulnare  entspringt  vom  Lig.  carpi  trans- 
versum,  die  radiale  löst  sich  gewöhnlich  aus  einer  accessorischen 
Sehne  des  M.  abductor  pollicis  longus  ab,  für  welche  wir  mit  dem 
zugehörigen  Muskelbauche  den  Namen  M.  abductor  pollicis  intermedius 
vorschlagen  möchten.  Da  der  Muskel  der  oberflächlichen  Schicht  an- 
gehört, kann  der  Ursprung  sich  normalerweise  nur  auf  die  proximale 
Reihe  der  Handwurzelknochen  erstrecken.  Die  Angabe  von  Henle, 
daß  er  sich  zum  Teile  bis  gegen  das  Erbsen bein  verfolgen  läßt;  können 
wir  in  mehreren  Fällen  bestätigen.  Im  allgemeinen  wollen  wir  als 
Regel  den  Ursprung  vom  Os  naviculare  festhalten.  Es  ist  allerdings 
gerade  bei  diesem  Muskel  besonders  schwer,  den  unmittelbaren  Nach- 
weis des  Ursprunges  vom  Knochen  zu  führen,  weil  hier  der  Band- 
apparat des  Lig.  carpi  transversum,  die  Sehne  des  M.  palmaris  longus 
und  die  Fascia  antebrachii  volaris  mit  in  Frage  kommen.  Der  radiale 
Ursprung  aus  einer  Nebensehne  des  M.  abductor  pollicis  longus  führt 
eventuell  zur  Bildung  eines  Sehnenbogens,  unter  welchem  sich  der 
R.  superficialis  der  A.  radialis  herunterschieben  kann.  Jedoch  ist 
gerade  dieses  Gefäß  nach  Lage  und  Mächtigkeit  den  allergrößten 
Schwankungen  unterworfen  und  kann  bald  hautwärts  von  diesem 
Muskel  verlaufen,  bald  den  ulnaren  Muskelursprung  durchsetzen,  oder 
auch  unter  den  Sehnenbogen  heruntertreten,  oder  schließlich,  wie  wir 
in  einer  Varietät  beschrieben  haben,  sogar  das  Lig.  carpi  trans- 
versum durchbohren.  Der  im  Ursprünge  breite,  platte  Muskelbauch 
geht  schräg  radialwärts  gegen  die  laterale  Seite  der  Grundphalanx 
des  Daumens  hin,  wo  er  teilweise  seinen  Ansatz  findet.  Jedoch  ist 
hier  durch  das  Uebergreifen  auf  die  Streckseite  durch  eine  ziemlich 
ausgesprochene  Bildung  einer  Dorsalaponeurose  an  dieser  Stelle  die 
Analogie  mit  einem  M.  interosseus  dorsalis  gewahrt,  welchem  er  ja  in 
seiner  Wirkung  entspricht. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  der  Haut.  Praktisch  wichtige 
Gebilde  sind  in  normalen  Fällen  nicht  in  derselben  gelegen,  wenn 
wir  von  den  Varietäten  der  A.  radialis  absehen,  welche  wir  jedoch 
mehrfach  am  Lebenden  in  aller  Deutlichkeit  feststellen  konnten.  Die 
Facies  ulnaris  s.  medialis  und  radialis  s.  lateralis  stellen  eigentlich 
nur  den  entsprechenden  Rand  dar.  Die  Facies  profunda  deckt  die 
mittlere  Schicht  des  Daumenballens,  welche  ja  ulnar  aus  dem  Caput 
superficiale  des  M.  flexor  pollicis  brevis,  radial  aus  dem  M.  opponens 
pollicis  besteht;  jedoch  in  der  Weise,  daß  die  freien  Ränder  dieser 
beiden  Muskeln  noch  neben  den  entsprechenden  des  M.  abductor 
pollicis  brevis  erscheinen.    In  der  trennenden  Schicht,  welche  deutlich 


M.  abductor  polHcis  brevis.  201 

fasciell  ist,  verlaufen  die  extramuskulären  Aeste  des  R.  muscularis 
11.  mediani. 

Wirkung. 

In  der  Hauptsache  ist  die  abduzierende  Wirkung  auf  den  freien 
Daumen  zu  betonen.  Als  Nebenwirkung  jedoch  ist  auch  durch  die  ulnar 
entspringenden  Fasern  eine  opponierende  zu  erwähnen.  Daß  sich  das 
Bild  der  Opposition  mit  dem  der  Adduktion  sehr  leicht  vermischt  und 
verwischt,  kommt  oft  genug  bei  den  elektrischen  Untersuchungen  zur 
Geltung  und  ist  vom  theoretischen  Standpunkte  nicht  genügend  her- 
vorzuheben, weil  die  entsprechenden  Wirkungen  durch  zwei  ver- 
schiedene Nerven  ausgelöst  werden,  nämlich  die  Opposition  durch 
den  N.  medianus,  die  Adduktion  durch  den  N.  ulnaris.  Eine  Reizung 
dieser  beiden  Nerven  über  dem  Handgelenke  kann  also  —  nach 
unserer  Auffassung  höchstwahrscheinlich  auch  durch  die  mehrfach  er- 
wähnten motorischen  Anastomosen  zwischen  den  beiden  Nerven  — 
sowohl  die  Adduktions-  wie  Oppositionsstellung  auslösen.  Henle 
ist  wahrscheinlich  zu  der  Aufstellung  eines  tiefen  Bauches,  welcher 
unserem  Caput  superficiale  des  M.  flexor  poUicis  brevis  entspricht, 
durch  die  Beobachtung  am  Lebenden  gekommen,  vielleicht  seiner 
eigenen  Hände.  Besonders  bei  Menschen,  welche,  wie  die  Anatomen, 
Maler,  Bildhauer  u.  s.  w.,  ihre  Hand  und  besonders  die  Muskeln  des 
Daumenballens  ausgiebig  verwenden  müssen,  stellt  sich  sehr  oft  eine 
Hypertrophie  dieses  Teiles  im  ganzen  und  einzelnen  ein.  Bei  Ab- 
duktion  des  Daumens  springt  nämlich  nicht  der  M.  abductor  pollicis 
brevis,  der  in  Tätigkeit  befindliche  Muskel,  hervor,  sondern  sein 
ulnarer  Nachbar,  der  M.  flexor  brevis  tritt  passiv  als  Wulst  heraus. 
Man  kann  sich  aber  mit  Leichtigkeit  durch  das  Gefühl  davon  über- 
zeugen, daß  der  Wulst  weich  ist,  während  über  dem  M.  abductor 
pollicis  brevis  der  palpierende  Finger  die  Härte  des  kontrahierten 
Muskels  fühlt.  Wenn  man  den  vorher  extendierten  Daumen  in  der 
Grundphalanx  beugt,  gleicht  sich  das  Gefühl  der  Härte  wieder  aus. 

Duchenne  erwähnt  unter  246  (S.  190)  die  Ausfallserscheinungen 
bei  Atrophie  oder  Lähmung  des  M.  abductor  pollicis  brevis  eines  Er- 
wachsenen mit  mittelgroßer  Hand :  „Die  Entfernung  des  Daumens  von 
der  Spitze  des  ausgestreckten  Zeigefingers  beträgt  in  gespreizter 
Stellung  auf  der  kranken  Seite  ungefähr  10  cm,  während  auf  der 
gesunden  Seite  das  Maxiraum  dieser  Entfernung  des  Daumens  unter 
der  Wirkung  seines  Abductor  brevis  ungefähr  16 — 17  cm  beträgt. 
Wir  bemerken  hierzu,  daß  der  M.  abductor  pollicis  longus  vermöge 
seiner  Konjugation  mit  dem  brevis,  welche  wir  als  normal  bezeichnen 
müssen,  auch  eine  erhebliche  Wirkung  auf  die  Grundphalanx  aus- 
üben kann.  Stellt  denn  bei  Lähmung  des  M.  abductor  pollicis  brevis 
der  atrophierte  Muskelbauch  mechanisch  etwas  anderes  dar,  als  eine 
accessorische  Sehne,  welche  sich  vom  M.  abductor  pollicis  longus  aus 
mit  Einbeziehung  des  Radialteiles  des  M.  abductor  pollicis  brevis  zur 
Grundphalaux  des  Daumens  erstreckt? 

Vollkommen  unverständlich  blieb  uns  die  Bemerkung  von 
Duchenne,  XXVII  (S.  251):  „Der  Abductor  pollicis  brevis  erteilt 
dem  1.  Mittelhandknochen  eine  ähnliche  Bewegung  wie  der 
Opponens  pollicis.  Gleichzeitig  streckt  er  die  zweite  Phalanx,  und 
neigt  die  erste  Phalanx  nach  seiner  Außenseite,  indem  er  sie  von 
außen   nach   innen    um   ihre  Achse  rotieren   läßt.    Aus  dieser  Ge- 


202 


FROHSE    und    M.    FRANKEL, 


samtheit  von  Bewegung-en  resultiert,  daß  die  Daumenkuppe  zu  den 
Spitzen  des  2.  und  3.  Fingers,  welche  in  der  Articulatio  metacarpo- 
phalang-ea  g-ebeugt,  in  den  beiden  anderen  Gelenken  gestreckt  sind, 
in  Oppositionsstellung-  steht." 

Die  von  Duchenne  soeben  unter  XXVII  (S.  251)  und  auch  an 
anderen  Stellen,  die  aufzuzählen  sich  erübrigen  dürfte,  angeführte 
Behauptung,  „daß  die  Daumenkuppe  zu  den  Spitzen  des  2.  und 
3.  Fingers,  welche  in  der  Articulatio  metacarpophalangea  gebeugt,  in 
den  beiden  anderen  Gelenken  gestreckt  sind,  in  Oppositionsstellung 
steht",  ist  aus  räumlichen  Gründen  hinfällig.  Keiner  von  den  drei- 
gliedrigen Fingern  (2—5)  kann  dem  gestreckten  Daumen  genähert 
werden,  gleichviel  ob  der  letztere  sich  in  Abduktion,  wo  es  über- 
haupt unmöglich  ist,  Mittelstellung  oder  sogar  in  x4dduktion  bis 
über  den  Kleinflngerrand  hinaus  befindet.  Wenn  der  Daumen  die 
Achse  der  Hand  erreicht  hat,  so  kann  er  durch  gleichzeitige  Beugung 
der  Nagel-  und  Mittelphalanx  den  Fingerkuppen  2—5  mit  Leichtig- 
keit genähert  werden.  Wenn  der  Daumen  nicht  gestreckt  ist,  sondern 
gebeugt,  so  muß  eine  stärkere  Beugung  der  dreigliedrigen  Finger 
eintreten,  um  die  entsprechenden  Nagelglieder  miteinander  in  Be- 
rührung zu  bringen,  und  dann  tritt  gewöhnlich  nur  die  Nagelseite  des 
Daumenendgliedes  in  Berührung  mit  den  Fingerkuppen  der  drei- 
gliedrigen Finger  2 — 5  (oder  die  Daumenkuppe  gleitet  über  die  Nägel 
der  anderen  Finger  hinweg). 

Die  Muskulatur  des  Daumenballens  wird  in  der  oberflächlichen  Lage 
vom  N.  medianus  aus  versorgt,  die  tiefe  Lage,  welche  nur  den  M.  ad- 
ductor  enthält,  vom  N.  ulnaris.  Ueber  die  Verbindung  der  beiden  Nerven 
miteinander  wird  bei  letzterem  Muskel  ausführlich  geschrieben  werden. 

Innervation. 

Der  M.  abductor  pollicis  brevis  erhält  einen  Zweig  aus 
dem  N.  medianus,  welcher  sich  rückläufig  um  das  Lig.  carpi  trans- 
versum  schlingt  und  bis  zum  ulnaren 
Rande  des  Muskels  oberflächlich  gelagert 
ist.  Die  Länge  dieser  Strecke  ist  Schwan- 
kungen von  ungefähr  2 — 7  mm  ausgesetzt. 
Die  innere  Innervation,  welche  in  unserer 
Abbildung  von  der  Rückseite,  der  Facies 
profunda  dargestellt  ist,  zeigt  aus  diesem 
Grunde  die  extramuskuläre,  schwarz  ge- 
haltene Innervation  bei  weitem  ausgiebiger, 
als  es  bei  der  Betrachtung  von  vorn  der 
Fall  ist,  und  dies  um  so  mehr,  als  wir  die 
Muskelbündel  auseinandergedrängt  abge- 
bildet haben.  Ueber  das  feinere  Nerven- 
bild ist  wenig  zu  sagen.  Der  ungefähr  in 
der  Mitte  des  Muskels  quer  zu  den  Muskel- 
bündeln verlaufende  Nerv  liefert  auf-  und 
absteigende  Zweige,  unter  denen  wir  be- 
sonders die  letzteren  mit  Leichtigkeit 
bis  in  die  Nähe  der  Endsehne  verfolgen 
konnten. 

Fig.  74.    M.  abductor  pollicis  brevis,  Nervenbild. 


M.  abductor  poUicis  brevis. 


203 


Muskelbündellänge. 

Minimum  3,1  cm 

Maximum  4,2   „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen     3,7    „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,1,  in  Prozenten  35  "/o- 

Segmentbezüge. 
6.  7.  Cervicalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

5,5 
2,5 
9 
9 

4,5 
2,3 
8,5 

1 

0,2 

0.5 

1 

82 
92 
94,4 
88,9 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

6,5 

5,8 

0,7 

89,4 

H,  flexor  poUicis  breyis. 

Synonyma :  Kurzer  Daumenbeuger ;  M.  flexor  secundi  internodii  pollicis 
manus;  Court  flechisseur  du  pouce,  trapezophalangien,  carpo-pbalangieu 
du  pouce  Chaussier;  Aeußere  Portion  des  M,  flexor  pollicis  brevis  = 
Gegensteller  des  Daumens  gegen  die  zweiten  Phalangen  aller  4  Finger 
(Duchenne- Wernicke). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Trotz  seiner  Kleinheit  ist  dieser  Muskel  einer  der  am  schwierigsten 
zu  beschreibenden  des  ganzen  menschlichen  Körpers.  Er  liegt  nicht 
in  einer  und  derselben  Ebene,  sondern  ist  hakenförmig  umgebogen 
mit  einem  oberflächlichen  und  tiefen  Kopfe,  entspringt  auch  nicht 
von  einem  einzigen  Knochen,  sondern  an  mehreren,  ferner  nicht  mit 
deutlicher  Ursprungssehne,  sondern  teilweise  von  Bändern,  die  sogar 
Gelenkkapseln  verstärken  helfen.  Der  Ursprung  erstreckt  sich  auf 
die  radiale  Hälfte  der  distalen  Reihe  der  Handwurzelknochen  und 
der  hier  gelegenen  Bänder,  ist  also  recht  verwickelt.  Der  Ansatz 
ist  aber  noch  schwieriger,  wenn  man  der  FLEMMiNGschen  Darstellung 
folgt,  dessen  Schema  gang  und  gäbe  geworden  ist,  obwohl  die  Arbeit  — 
um  es  gelinde  auszudrücken  —  die  größte  Verwirrung  angerichtet  hat. 

Bei  der  ungeheuren  Verschiedenheit  der  einzelnen  Fälle,  welche 
wir  bei  der  Präparation  der  Tiefe  des  Daumenballens  beobachten, 
müssen  wir  eine  klare,  ungekünstelte  Einteilung  haben.  Nach 
unserer  Autfassung  müssen  und  können  sämtliche  Muskelbündel,  welche 
zum  radialen  Sesambeine  ziehen,  als  M.  flexor  pollicis  brevis  aufgefaßt 
werden,  nicht  mehr  und  nicht  weniger.  Daß  physiologisch  eine  scharfe 
Trennung  nicht  möglich  ist,  wie  wir  auch  sonst  vielfach  betont  haben 
und  noch  mehr  bei  den  unteren  Extremitäten  erwähnen  müssen,  sei 
hier  nochmals  hervorgehoben.  Aber  anatomisch  läßt  es  sich  durch- 
führen,  wofern   man   sämtliche  Muskelbündel,    welche  zum   radialen 


203 


204  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

oder  lateralen  Sesanibeine  ziehen,  als  M.  flexor  brevis  poUicis  be- 
zeichnet, und  alle  zum  medialen  oder  ulnaren  Sesambeine  sich 
wendenden  dem  M.  adductor  zurechnet.  Eine  derartige  Auffassung  ist 
für  jeden,  noch  so  komplizierten  anatomischen  Fall  anwendbar,  und  selbst 
für  den  Anfänger  mit  der  größten  Leichtigkeit  verständlich  und  prä- 
paratorisch zu  erkennen,  und  steht  auch  mit  den  neurologischen  Tat- 
sachen in  keinem  Widerspruche.  Daß  der  eigentliche,  äußerlich  als 
solcher  imponierende  Daumenballen  vom  N.  medianus  versorgt  wird, 
dagegen  der  M.  adductor  vom  N.  ulnaris,  ist  allgemein  bekannt  und 
anerkannt.  Ueber  und  durch  den  M.  flexor  pollicis  brevis  verlaufen 
aber  1—3  Anastomosen  zwischen  beiden  Nerven,  die  den  Muskel 
selbst  und  die  nächstgelegenen  Bündel  der  Nachbarmuskeln  ver- 
sorgen, so  daß  auch  nach  der  Innervierung  sich  kein  scharf  abge- 
grenzter Muskelbauch  mit  einheitlichen  Nerven  herauspräparieren 
läßt,  und  unsere  Darstellungsweise  auch  in  dieser  Hinsicht  die  ein- 
fachste sein  dürfte. 

Die  von  uns  eben  gegebene  Beschreibung  des  kurzen  Daumen- 
beugers lehnt  sich  im  wesentlichen  an  die  Beschreibung  von  Poirier 
(Traite  d'anatomie  humaine,  Tome  II,  p.  143  u.  145,  an)  welcher 
seinerseits  Cruveilhier,  Sappey,  kurz  gesagt  den  klassischen  fran- 
zösischen Autoren  folgt.  Von  dieser  Schilderung  weichen  deutsche 
sowohl,  wie  nichtfranzösische  Autoren  erheblich  ab,  nicht  allein  die 
älteren,  sondern  auch  die  modernen. 

Wir  hoffen,  daß  bei  unserer  freien  Uebersetzung  der  Sinn  ge- 
wahrt ist,   ohne  daß  neue  Fehler  und  Irrtümer  mitunterlaufen  sind. 

Nach  unserer  Meinung  sollte  die  von  Flemming  gegebene,  auch 
von  Poirier  übernommene  schematische  Figur  nicht  weiter  in  den 
Lehrbüchern  abgebildet  werden,  sondern  einfach  der  Originalarbeit 
überlassen  bleiben. 

„Albinus  betrachtet  diesen  Muskel  als  aus  zwei  Köpfen  zu- 
sammengesetzt, aus  einem,  welcher  zum  radialen  Sesambeine  geht 
(unserem  Flexor),  und  einem  zweiten,  welcher  sich  zum  ulnaren  Sesam- 
beine erstreckt  (das  ist  das  Caput  carpale  des  M.  adductor).  Sömmerring 
legte  mehr  Gewicht  auf  die  Ursprünge:  er  rechnete  diejenigen  Bündel, 
welche  vom  Lig.  carpi  transversum  entspringen,  zum  M.  abductor 
pollicis  brevis  unter  dem  Namen  M.  abductor  internus  und  bezeichnete 
als  M.  flexor  brevis  diejenigen  Bündel,  welche  von  den  Carpalknochen 
entspringen  und  sich  von  hier  aus  zu  beiden  Sesambeinen  begeben. 

Auch  Henle  schließt  sich  der  Auffassung  Sömmerrings  an.  Er 
rechnet  unser  Caput  superficiale  zum  M.  abductor  brevis  und  läßt 
den  M.  flexor  brevis  in  zwei  Abteilungen  zu  beiden  Sesambeinen 
ziehen.  Allerdings  ist  nach  ihm  der  Kopf,  welcher  zum  medialen 
Sesambeine  zieht,  mehr  oder  weniger  deutlich  vom  M.  adductor  ge- 
sondert und  entspringt  nur  vom  Os  metacarpale  L  Uebrigens  gibt 
er  selbst  zu,  daß  er  nur  mit  Rücksicht  auf  die  klare  Doppelteilung 
des  M.  flexor  brevis  hallucis  auch  dieselbe  Beschreibung  für  den  M. 
flexor  brevis  pollicis  gewählt  hat. 

Krause,  Meckel,  Hyrtl,  Heitzmann  nehmen  im  allgemeinen 
die  Darstellung  von  Albinus  an.  Sie  beschreiben  als  Flexor  brevis 
einen  äußeren  Kopf,  welcher  unseren  gesamten  Flexor  darstellt,  und 
einen  inneren  Kopf  (und  das  ist  der  Punkt,  in  welchem  sie  von 
Albinus  abweichen),  welcher  nicht  durch  den  ganzen  carpalen  Ur- 


M.  flexor  poUicis  brevis.  205 

Sprung  des  M.  adductor  gebildet  wird,  sondern  nur  durch  den  lateralen 
Abschnitt  dieses  Muskels. 

Um  diese  abweichenden  Darstellungen  zu  klären,  hat  es  Flemming 
(Anatomischer  Anzeiger,  1.  Februar  1887)  unternommen,  eine  Reihe  von 
Präparationen  auszuführen,  und  hat  ein  Schema  herausgefunden,  welches 
auch  auf  die  Innervation  Rücksicht  nehmen  soll.  Wir  müssen  gestehen, 
daß  weder  durch  das  Muskelschema,  noch  durch  die  von  ihm  behauptete 
Innervationsweise  Klarheit  geschaffen  ist,  sondern  gerade  das  Gegenteil. 

Er  sagt,  daß  nur  der  Teil,  welcher  vom  N.  medianus  versorgt  wird, 
als  M.  flexor  brevis  aufzufassen  sei,  also  das  Caput  superficiale  von 
Cruveilhier.  Dessen  Caput  profundum  müsse,  weil  es  vom  N.  ulnaris 
versorgt  würde,  obwohl  es  zum  lateralen  Sesambeine  ginge,  zum  M.  ad- 
ductor gerechnet  werden ;  desgleichen  das  in  derselben  Weise  versorgte 
Caput  internum  s.  mediale  s.  ulnare  von  Henle.  Krause  und  Meckel. 

Wenn  wir  uns  einen  schematischen  M.  flexor  pollicis  brevis  auf 
Grund  der  verschiedenen  Auffassungen,  Präparationen  und  Theorien 
aufbauen  wollen,  so  hätten  wir  einen  vierköpfigen  Muskel: 

1)  Caput  I,  entsprechend  unserem  Caput  superficiale,  =  dem 
Chef  superficiel  der  französischen  Autoren  -=  dem  M.  abductor  in- 
ternus  von   SÖMMERRING   UUd  HeNLE. 

2)  Caput  II,  entsprechend  unserem  Caput  profundum  =  Chef 
profond  der  Franzosen  =  Caput  superficiale  von  Henle. 

3)  Caput  III  =  carpaler  Ursprung  des  M.  adductor  pollicis  (ange- 
geben von  sehr  vielen  deutschen  Anatomen  des  vorigen  Jahrhunderts). 

4)  Caput  IV  =  Caput  profundum  des  Albinus  =  dem  lateralen 
Teile  des  vorigen  Kopfes. 

Wenn  wir  auch  die  Auffassung  des  letzteren  Autors,  welche 
sonst  nicht  geteilt  wird,  beiseite  lassen,  so  bleiben  doch  noch  drei. 
Um  wirklich  Klarheit  über  diesen  Muskel  zu  schaffen,  stehen  uns 
drei  Wege  zur  Verfügung:  1)  die  Innervation,  2)  die  vergleichende 
Anatomie,  3)  die  sorgfältige  Präparation  der  einzelnen  Muskelbündel 
an  der  menschlichen  Hand. 

Die  physiologische  Untersuchung  versagt  bei  der  Tiefe  und  Fein- 
heit der  in  Betracht  kommenden  kleinen,  dicht  neben-  und  über- 
einander liegenden  Muskelbäuche  vollkommen. 

Mit  Recht  legt  Flemming  Wert  auf  die  durch  die  Innervation 
sich  ergebenden  Tatsachen ;  wir  werden  aber  hinterher  auf  Grund 
der  fremden  und  der  eigenen  Beobachtungen  Kritik  anzulegen  haben, 
inwieweit  seine  Beschreibung  und  Einteilung  zu  Recht  bestehen. 

Hier  müssen  wir  einstweilen  nur  den  Wert  seiner  Methode 
erörtern.  Brooks  hat  die  enormen  Verschiedenheiten  des  Nerven- 
verlaufes gerade  am  M.  flexor  pollicis  brevis  hervorgehoben.  Darauf- 
hin hat  auch  Flemming  in  einer  Mitteilung  im  Anatomischen  An- 
zeiger (14.  April  1887)  und  in  Gegenbaurs  Morphologischen  Jahres- 
berichten (Bd.  XV,  S.  483)  sich  dazu  verstanden,  in  besonderen  Fällen 
die  BnooKSsche  Ansicht  anzunehmen,  jedoch  mit  dem  Vorbehalte,  daß 
die  Nervenversorgung  allein  für  die  Muskelbestimmung  nicht  ausschlag- 
gebend sein  könne  und  nur  für  den  einzelnen  Fall  anwendbar  ist. 

Gibt  nun  die  vergleichende  Anatomie  sichere  Anhaltspunkte?  Es 
scheint  heutzutage  festgestellt  zu  sein  —  durch  die  älteren  Unter- 
suchungen von  Duvernoy  und  Bischoff  und  durch  die  neueren 
von  Macalister,  Cunningham,  Brooks  und  Quain,  Gegenbaur 
und   Hepburn    —    daß    der   wirkliche   äußere   Kopf  (C'hef  externe 

205 


206  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

des  M.  flexor  brevis,  das  Homologon  des  Caput  fibulare  (Chef 
peronier  du  court  flechisseur  du  gros  orteil),  der  M.  interosseus 
volaris  I  von  Henle  ist. 

Folgerichtig  müßte  man  dann  als  Caput  externum  (dorsale)  des 
M.  flexor  brevis  den  M.  interosseus  volaris  primus  betrachten  und 
andererseits  zum  M.  adductor  des  Caput  profundum  rechnen.  Aber 
praktisch  ist  diese  Forderung  nicht  durchführbar.  Der  immer  mehr 
sich  ausdehnende  M.  adductor  hat  im  Laufe  der  Entwickelung  das 
Caput  ulnare  in  einer  Weise  von  der  Dorsalseite  entfernt,  daß  man 
diesen  Ursprung  praktisch  nicht  mehr  berücksichtigen  kann.  In  der 
Tat,  wenn  ein  Muskel  phylogenetisch  so  große  Umwandlungen  erfahren 
hat,  wie  der  M.  flexor  pollicis  brevis,  so  ist  man,  natürlich  unter  Berück- 
sichtigung der  vergleichenden  Darstellung,  nach  unserer  Meinung  be- 
rechtigt, diesen  so  zu  beschreiben,  wie  er  sich  beim  Menschen  vorfindet, 
und  nicht,  wie  er  sich  bei  höheren  oder  niederen  Tieren  entwickelt  hat. 

Das  ist  auch  die  Meinung  Gegenbaurs,  welcher  in  seinem 
Lehrbuche  der  menschlichen  Anatomie  sich  bezüglich  des  M.  flexor 
pollicis  brevis  an  Cruveilhier  anschließt. 

Damit  erreichen  wir  die  letzte,  von  uns  aufgestellte  Forderung,, 
den  menschlichen  kurzen  Daumenbeuger  mit  Rücksicht  auf  seine 
Muskelbündel  zu  untersuchen ;  eine  derartige  Nachprüfung  wird  unsere 
Darstellung  bestätigen. 

Allerdings  müssen  wir  zugeben,  daß  der  in  dieser  Weise  be- 
schriebene M.  flexor  pollicis  brevis  ziemlich  häufig  Varietäten  unter- 
worfen ist;  beispielsweise  kann  unser  Caput  profundum  gänzlich 
fehlen.  Wir  schließen  uns  jedoch  der  Auffassung  von  Gegenbaur 
an,  daß  diese  nur  kundgeben,  einen  wie  verschiedenen  Weg  die  Ent- 
wickelung nehmen  kann.  Das  Caput  ulnare  kann  ein  ganz  bedeutungs- 
loses, mit  dem  M.  adductor  pollicis  verschmelzendes  Muskelbündelchen 
werden  und  überläßt  dem  Caput  radiale  die  ganze  Arbeit  der  Flexion. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  zerfällt  in  2  Bäuche :  ein  Caput  superficiale,  welches 
die  äußerlich  sichtbare  ulnare  Begrenzung  des  Daumenballens  dar- 
stellt, und  ein  Caput  profundum,  welches  in  der  Ebene  des  M.  ad- 
ductor pollicis  gelegen  ist.  Beide  Bäuche  werden  voneinander  ge- 
trennt durch  die  Endsehne  des  M.  flexor  pollicis  longus,  jedoch  nicht 
vollständig,  weil  die  doppelten  Ursprünge  durch  einen  Sehnenbogen 
miteinander  in  Verbindung  stehen.  Der  Ansatz  findet  gemeinschaftlich 
am  radialen  Sesambeine  statt.  Der  Ursprung  des  Caput  superficiale 
vollzieht  sich  knöchern  von  der  Tuberositas  ossis  multanguli  majoris,. 
außerdem  vom  Lig.  carpi  transversum  —  diese  Fasern  lassen  sich 
sehr  oft  bis  zur  Eminentia  carpi  ulnaris  verfolgen.  Das  Caput 
profundum  entspringt  aus  der  Tiefe  des  Hohlhandtunnels  vom  Lig. 
carpi  radiatum.  Wenn  man  einen  besonderen  Knochen  angeben  will, 
so  wäre  in  erster  Linie  das  Os  multangulum  minus  zu  erwähnen. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  liegt  zum  größten  Teile  frei  unter  der 
Haut,  ein  kleiner  ulnarer  Teil  unter  dem  M.  abductor  pollicis  brevis 
verborgen,  bei  dessen  Zusammenziehung  der  Muskel  als  weicher  Wulst 
hervorquillt  und  gleichzeitig  breiter  wird.     Die  Facies  lateralis  ist 

206 


M.  flexor  poUicis  brevis. 


207 


eng  mit  dem  M.  opponens  poUicis  verbunden.  Die  Facies  medialis 
bildet  die  abgerundete  Kante  des  äußerlich  sichtbaren  Daumenballens. 
Die  Facies  profunda  entspricht  im  wesentlichen  der  Sehne  des  M. 
flexor  pollicis  longus,  und  biegt  hakenförmig  um  sie  herum,  um  un- 
mittelbar in  das  Caput  profundum  überzugehen.  Dieses  hat  als  ulnaren 
Nachbar  den  M.  adductor  pollicis,  radial  legt  es  sich  gegen  den  ersten 
Mittel handknochen ;  in  der  Tiefe  verborgen  ist  hier  der  M.  interosseus 
volaris  I  aufzusuchen.  Von  sonstigen  topographischen  Angaben  sei 
nur  erwähnt,  daß  sich  hart  am  Muskelfleische,  d.  h.  um  den  radialen 
Rand  der  Sehne  des  M.  flexor  pollicis  longus  herum,  die  wichtige 
Anastomose  zwischen  dem  R.  profundus  n.  ulnaris  und  dem  R.  mus- 
cularis  n.  mediani  konstant  vorfindet. 


Muskelbündellänge. 

Minimum  2,6  cm 

Maximum  3,5    „ 

Durchschnitt  aus  7  Messungen     3,1    „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,9,  in  Prozenten  35  "/o« 


Segmentbezüge. 
6.  7.  Cervicalnerv. 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

1 
Muskel-    ;    Sehnen - 
Substanz       Substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

4,5 
2,5 
7 
7,5 

3,5 

1 

0,25 
1 
1,5 

78 
90 
85,7 
80 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

5,4 

4,5 

0,9 

83,4 

M.  opponens  pollicis. 

Synonyma:     Gegenübersteller    des    Daumens: 
carpo-metacarpien  du  pouce  Chaussibr. 


Opposant    du    pouce, 


Allgemeine  Beschreibung. 

Der  ziemlich  dicke,  dreieckige  Muskel  liegt  mit  dem  Caput  super- 
ficiale des  M.  flexor  pollicis  brevis  in  einer  Schicht.  Es  ist  oft  nicht 
leicht,  ohne  weiteres  die  Grenze  zwischen  beiden  zu  treff'en,  wenn 
man  sich  nicht  an  die  Regel  hält,  daß  jedes  Muskelbündel,  welches 
am  freien  Seitenrande  eines  Os  metacarpale  oder  metatarsale  ansetzt, 
dem  entsprechenden  M.  opponens  zuzurechnen  ist.  Geht  man  nacli 
diesem  Gesichtspunkte  am  distalen  Ende  des  Os  metacarpale  I  vor,  so 
wird  man  erstaunt  sein,  wie  leicht  sich  auch  in  vorher  undeutlichen 
Fällen  die  Trennung  bis  zum  Lig.  carpi  transversum  durchführen  läßt. 


207 


208  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  entspringt: 

1)  vom  Lig-.  carpi  transversum  in  einer  schrägen  Linie,  welche 
vom  lateralen  Rande  des  Os  naviculare  bis  zum  Hamulus  des  Os 
hamatum  reicht; 

2)  vom  Os  multangulum  majus. 

Ungefähr  parallelbündlig  findet  er  seinen  Ansatz  am  ganzen  radialen 
Rande  des  1.  Mittelhandknochens,  außerdem  nimmt  er  noch  die  vordere 
radiale  Fläche  bis  zu  der  dort  deutlich  vorspringenden  volaren  Kante 
in  Anspruch. 

Kurze  Sehnenfasern  kommen  nur  in  der  Nähe  des  Ursprunges 
vor.  Trotz  seiner  Kleinheit  kann  man  an  diesem  Muskel  zwei  ver- 
schiedene Lagen  erkennen,  eine  dünne  oberflächliche  und  eine  stärkere 
tiefe,  welche  die  oberflächliche  proximal-  wie  distalwärts  überragt. 
Was  die  oberflächliche  Schicht  anlangt,  so  konnten  wir  in  günstigen 
Fällen  eine  Verbindung  mit  dem  Beginne  der  Endsehne  des  M.  flexor 
carpi  ulnaris  nachweisen ;  ein  Zug  an  dieser  hatte  sowohl  auf  die  Ur- 
sprungssehne des  M.  opponens  pollicis  Einfluß,  wie  umgekehrt  ein 
Zug  an  der  Ursprungssehne  des  M.  opponens  pollicis  die  Sehne  des 
M.  flexor  carpi  ulnaris  in  Mitleidenschaft  zog. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  ist  von  dem  M.  abductor  pollicis  brevis  überlagert 
und  von  ihm  durch  eine  dünne  Fascie  getrennt.  Nur  hart  am  radialen 
Rande  des  Mittelhandknochens  nimmt  er  mit  einem  schmalen  Saume 
am  Oberflächenbilde  teil.  Ulnar  legt  er  sich  an  den  M.  flexor  pollicis 
brevis  an  und  bedeckt  seinerseits  den  1.  Mittelhandknocheu,  die  A. 
princeps  pollicis,  den  radialen  Teil  des  M.  adductor  pollicis  und  den 
tiefen  Kopf  des  M.  flexor  pollicis  brevis.  Der  proximale,  fast  trans- 
versale Rand  legt  sich  über  den  Ansatz  des  M.  abductor  pollicis 
longus,  dann  die  Basis  des  1.  Mittelhandknochens  und  damit  auch 
über  die  Articulatio  carpometacarpea  pollicis. 

Innervation. 

Er  wird  als  letzter  Muskel  des  oberflächlichen  Teiles  des  Daumen- 
ballens durch  einen  Zweig  des  N.  medianus  versorgt,  welcher  in  seiner 
Richtung  von  proximal  nach  distal  den  Ursprung  aus  diesem  Nerven 
wahrscheinlich  macht.  Jedoch  ist  in  der  Abbildung  (Fig.  77)  eine 
mächtige  Anastomose  zwischen  dem  motorischen  Teile  des  N.  medianus 
und  dem  R.  profundus  n.  ulnaris  dargestellt,  welche  nicht  allein  zu 
theoretischen,  sondern  besonders  zu  praktischen  Bedenken  Veran- 
lassung geben  sollte.  Wir  möchten  hier  noch  einmal  unsere  Auf- 
fassung kundgeben  und  ausdrücklich  erklären,  daß  eine  Auffaserung 
dieser  Anastomose  uns  unmöglich  war,  wir  also  nicht  sagen  können, 
wie  viel  Nervenmasse  in  derselben  überhaupt  dem  N.  medianus  oder 
ulnaris  zukommt,  und  erst  recht  nicht,  ob  vielleicht  nur  sensible 
Zweige  zu  den  Gelenkkapseln  oder  Knochen  in  ihr  gelegen  sind,  ob 
und  welche  Muskeln  oder  Muskelabschnitte  von  ihr  aus  versorgt  werden. 

Im  einzelnen  ergibt  sich,  daß  der  ziemlich  nahe  am  Ursprünge 
eintretende  Nerv  kurze,  rückläufige  Zweige  aufweist  und  lange  ab- 
steigende, und  sich  außerdem  intramuskuläre  Verbindungen  vorfinden. 

2o8 


M.  opponens  pollicis. 


209 


Muskelbündel  länge. 

Miniraum  1,8  cm 

Maximum  3      „ 

Durchschnitt  aus  7  Messungen     2,6  „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,2,  in  Prozenten  67  7o. 

Segmentbezüge. 
6.  7.  Cervicalnerv. 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen - 
Substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
11.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

3,5 
2 

10 
9 

3,5 
2 

9,5 
8,5 

o"^ 

0,5 

ca.  100 
„   100 
95 
94,5 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

6,1 

5,9 

0,2 

97,4 

Varietäten. 

Er  kann  fehlen  oder  ist  mit  den  M.  abductor  oder  llexor  pollicis 
brevis  verbunden. 


M.  addiictor  pollicis. 

Synonyma :  An-  oder  Beizieher  des  Daumens ;  Pars  profunda,  hypo- 
thenaris  pollicis;  Adducteur  du  pouce,  m^sothenar,  metacarpo-phalangien 
du  pouce  Chaussier. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Er  ist  der  ansehnlichste,  wenn  auch  der  am  tiefsten  gelegene 
Muskel  des  Daumenballens.  Seine  Größe  erklärt  sich  daraus,  daß  er  sich 
nicht  auf  das  Skelett  des  Daumens  beschränkt,  sondern  noch  ausgiebig 
auf  die  Tiefe  der  Handwurzelknochen  übergreift  und  vor  allem  noch  den 
2.  und  3.  Mittelhandknochen  zum  Ursprünge  benutzt.  Der  Ansatz 
findet  ausschließlich  am  medialen,  ulnaren  Sesambeine  statt  und  im 
Anschlüsse  daran  noch  an  der  Kapsel  der  Articulatio  metacarpo- 
phalangea  pollicis. 

Der  von  den  3.  Mittelhandknochen  entspringende  Kopf  wird  als 
Caput  transversum  bezeichnet,  der  von  den  Handwurzelknochen  sich 
entwickelnde  als  Caput  obliquum.  Zwischen  beiden  Köpfen  nehmen  der 
R.  profundus  n.  ulnaris  und  der  Arcus  volaris  profundus  ihren  Weg. 

Innerviert  wird  der  Muskel  vom  N.  ulnaris;  auch  in  dieser  Be- 
ziehung, wie  auch  seiner  Wirkung  nach  ist  er  ja  als  M.  interosseus 
volaris  aufzufassen.  • 


Idiotopie  und  Skeletopie. 

Von  den  Ursprüngen   machen   sich  zwei  in  auffallendster  Weise 
geltend : 

Handbuch  der  Anatomie,     II,  II,  2.        ■  \A 


209 


210  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

1)  von  den  Handwurzelknochen,  speziell  vom  Os  capitatum  und 
den  von  diesem  Knochen  ausj^ehenden  Bändern,  welche  unter  dem 
Namen  Lig.  radiatum  zusammengefaßt  werden; 

2)  von  der  vorderen  Kante  des  3.  Mittelhandknochens. 
Dazu  kommen  aber  noch  kleinere  Ursprünge,  nämlich 

3)  von  der  vorderen  Kante  des  2.  Mittelhandknochens; 

4)  von  der  ulnaren  Kante  des  1.  Mittelhandknochens:  der  so- 
:g-enannte  CuNNiNGHAMSche  Adductor,  wofern  man  diesen  Muskel  nicht 
nach  Henle  und  Poirier  als  M.  interosseus  volaris  primus  auffassen  will ; 

5)  von  der  Fascia  interossea  volaris  im  Bereiche  des  3.  und  selbst 
<ißs  4.  Spatium  interosseum  Leboucq; 

6)  bisweilen  von  der  Gelenkkapsel  der  Articulatio  raetacarpo- 
phalang-ea  II— IV. 

Diese  beiden  letzten  Ursprünge  zeigen  eine  Uebereinstimmung 
mit  dem  Caput  transversum  des  M.  adductor  hallucis. 

Die  meist  fleischigen  Ursprünge  vereinigen  sich  im  Ansätze  erst 
sehr  spät;  erst  in  der  Nähe  des  Os  sesamoideum  ulnare,  des 
medialen  Sesambeines,  treten,  von  vorn  her  sichtbar,  das  Caput 
obliquum  und  transversum  zur  Endsehne  zusammen.  Wir  haben 
hinterher  bei  der  Beschreibung  der  Innervation  (siehe  Fig.  76) 
ausführlicher  dargestellt,  daß  die  Schaffung  eines  dritten  Caput  pro- 
fundum  wünschenswert  wäre,  welches  diejenigen  Ursprünge  umfaßt, 
welche  ohne  Spaltung  oder  Entfernung  von  Muskeln  nicht  sichtbar  zu 
machen  sind.  Vorn  kommt  hierbei  der  M.  adductor  pollicis  mit  seinen 
beiden  oberflächlichen  Köpfen,  dem  Caput  obliquum  und  transversum 
in  Betracht,  hinten  der  M.  interosseus  dorsalis  I. 

Der  Ansatz  hat  statt  vor  allem  am  Os  sesamoideum  mediale,  im 
Anschlüsse  daran  auch  an  der  Gelenkkapsel  und  Rauhigkeiten  der 
Grundphalanx  des  Daumens,  welche  Poirier  als  Tuberosite  interne 
€t  superieure  de  la  premiere  phalange  du  pouce  beschreibt. 

Vielfach  rechnete  man  zum  M.  adductor  auch  noch  die  Muskel- 
bündel, welche  vom  Os  metacarpale  I  und  im  Anschlüsse  daran  von 
«inem  Sehnenbogen  entspringen,  der  sich  bis  zum  Os  multangulum 
majus  oder  auch  der  Basis  des  2.  Mittelhandknochens  erstrecken  kann. 

Dieser  Muskelabschnitt  hat  die  Funktion  eines  M.  interosseus 
volaris;  er  adduziert  den  Daumen  etwas,  beugt  die  Grundphalanx, 
hat  aber,  weil  von  dem  M.  adductor  pollicis  eine  eigentliche  Dorsal- 
aponeurose  kaum  ausgeht,  keine  wesentliche  Wirkung  auf  die  Nagel- 
phalanx. Der  von  dem  2.  und  3.  Mittelhandknochen  entspringende 
Muskelabschnitt  wirkt  physiologisch  als  M.  opponens,  der  von  den 
Handwurzelknochen  sich  entwickelnde  physiologisch  in  erster  Linie 
iils  Beuger  wie  auch  der  M.  interosseus  volaris  I. 

Wirkung. 

Es  würde  zu  weit  führen,  die  von  Duchenne  unter  XXIX  (S.  252) 
angegebenen  vier  Wirkungen  im  einzelnen  zu  erläutern.  Wir  selbst 
können  nur  einen  ganz  kleinen  Teil  der  Angaben  bestätigen  (Adduktion 
des  freien  Daumens  durch  das  Caput  transversum,  Flexion  durch  das 
Caput  obliquum)  und  überlassen  dem  Leser  das  Urteil  über  die  Aus- 
führungen dieses  Autors: 

„Der  Adductor  pollicis  (unter  dem  man  das  innere  Bündel  des 
Flexor  brevis,   das  sich  wie  er  zum  inneren   Sesamknochen  begibt. 


M.  adductor  poUicis.  211 

mitbegreifen  muß,  weil  sie  beide  dieselbe  Wirkung  haben)  zieht  den 
1.  Mittelhandknochen  nach  außen  und  stellt  ihn  etwas  nach  vorn 
von  dem  2.  Mittelhaudknochen,  wenn  er  sich  im  Kontraktionsmaximum 
befindet.  Daraus  folgt,  daß  der  Muskel  dem  1.  Mittelhandknochen 
vier  Bewegungen  von  entgegengesetzter  Richtung  erteilen  kann,  näm- 
lich: [1]  eine  Adduktionsbewegung,  wenn  sich  der  Knochen  vorher 
durch  den  Extensor  pollicis  brevis  nach  außen  gestellt  befand ; 
[2]  eine  Abduktionsbewegung,  wenn  er  durch  die  äußere  Por- 
tion des  Flexor  pollicis  brevis  im  höchsten  Grade  der  Adduktion 
oder  Opposition  stand;  [3]  eine  Streckbewegung,  wenn  er  durch  den 
Abductor  pollicis  brevis  gegen  den  Carpus  gebeugt  worden  war; 
[4]  und  endlich  eine  Beugebewegung,  wenn  er  [d.  h.  nur  die  Nagel- 
phalanx, auf  welche  der  M.  adductor  nur  eine  ganz  minimale  Einwir- 
kung besitzt]  durch  den  Extensor  pollicis  longus  in  Streckung 
versetzt  worden  war." 

Innervation. 

Der  M.  adductor  pollicis  zerfällt  in  ein  Caput  transversum  und 
ein  Caput  obliquum.  In  den  Spalt  zwischen  beiden  senkt  sich  der 
R.  profundus  n.  ulnaris  mit  seinem  Endzweige  ein.  Ferner  verbindet 
sich  hier  das  Ende  der  gleichnamigen  Arterie  mit  dem  Endaste  der 
A.  radialis  zum  Arcus  volaris  profundus.  Der  Muskel  wird  nicht  von 
seiner  vorderen  Fläche  —  Facies  volaris  —  aus  innerviert,  sondern 
von  der  Rückfläche.  Um  dies  Verhalten  anschaulicher  zu  machen, 
haben  wir  noch  ein  Bild  von  der  Facies  dorsalis  gegeben  unter  Ent- 
fernung des  2.  Mittelhandknochens  bis  in  die  Nähe  der  Basis; 
nicht  allein  wegen  des  verschiedenen  Nervenbildes,  sondern  auch  mit 
Rücksicht  auf  die  Muskelarchitektur.  So  bekannt  der  Anblick  von 
vorn  her  durch  zahlreiche  Abbildungen  in  Atlanten  und  Lehrbüchern 
ist,  so  überraschend  dürfte  vielen  die  Darstellung  des  M.  adductor 
von  der  Rückseite  her  sein. 

In  anderer  Weise  läßt  sich  aber  der  Aufbau  der  Muskulatur,  so- 
weit sie  vom  Os  metacarpale  II  und  vor  allem  vom  Os  metacarpale  I 
entspringt  (M.  interosseus  volaris  I,  CuNNiNGHAMscher  Adductor 
u.  s.  w.,  über  deren  feinere  Innervation  recht  wenig  bekannt  ist),  nicht 
gut  zur  Anschauung  bringen. 

Der  Nerv  für  das  Caput  transversum  verzweigt  sich  ungefähr  in 
der  Mitte  der  Muskelbündellänge.  Man  kann  bisweilen  eine  Spaltung 
in  zwei  größere  Muskelabschnitte  unterscheiden,  von  denen  jede  eine 
besondere  Nervenverzweigung  aufweist.  Die  Sehnennerven  für  den 
proximalen  Abschnitt  werden,  wie  es  scheint,  von  besonderen  Aesten 
der  sensiblen  Nerven  geliefert.  Im  distalen  Abschnitte  lösen  sie 
sich  im  Inneren  des  Muskels  unweit  des  freien  Muskelrandes  aus  den 
intramuskulären  Nerven  los  und  verlaufen  sowohl  zum  Ursprünge 
vom  Os  metacarpale  III,  wie  auch  zum  Ansätze  gegen  die  Articulatio 
metacarpophalangea  pollicis  hin. 

Das  (-aput  obliquum  verlangt  eine  besondere  Besprechung  der 
Vorder-  und  Rückseite.  Die  reichliche  Innervierung  beansprucht  eine 
gewisse  Schematisierung,  so  daß  das  Nervenbild,  obwohl  es  von  dem- 
selben Präparate  genommen  ist,  auf  unseren  beiden  Abbildungen  etwas 
verschieden  aussieht.  Bei  Betrachtung  der  Vorderseite  müssen  nämlich 
in  erster  Linie  die  Verbindungen  zwischen  dem  motorischen  Anteile 

14* 


212 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


des  N.  medianus  und  des  N.  ulnaris  berücksichtigt  werden,  deren  wir 
hier  zwei  dargestellt  haben,  eine  proximale,  welche  rein  extramuskulär 


verläuft,  und  eine  distale,  welche  teilweise  unter  einigen  Muskelbündeln 
verborgen  ist,    also    einen    gemischten   Plexus    darstellt.    Die  dritte 


M.  adductor  pollicis. 


213 


Möglichkeit  einer  leiu  iutiamusJvuläien  Verbindung,  welche  wir  in 
anderen  Fällen  gesehen  haben,  ist  nicht  mitdargestellt,  weil  sie  an 
unserem  Präparate  fehlte. 


Von  der  Rückseite  her  erkennen  wir  zunächst  eine  teils  extra-, 
teils  intramuskulär  gelegene  Schlinge,  aus  welcher  sich  am  radialen 
Rande  des  2.  Mittelhandknochens  die  Nervenzweige  für  das  Caput 
obliquum    loslösen.     Wir    konnten    dabei    mehrere    intramuskuläre 


214 


FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 


Anastomosen  feststellen  und  die  Nerven  bis  zum  M.  interosseus 
volaris  I,  dem  von  dem  1.  Mittelhandknochen  entspringenden  Teile 
des  M.  adductor,  verfolg-en. 

Für  die  vom  Os  metacarpale  II  (und  I)  entspringenden  Bündel 
haben  wir  bereits  den  Namen  Caput  profundum  s.  pars  profunda  vor- 
geschlagen. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  2,3  cm 

Maximum  3,2    „ 

Durchschnitt  aus  9  Messungen     2,7    „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,9,  in  Prozenten  39  7o- 


Segmentbezüge. 

Wenn  man  die  Anastomose  vom  Daumenballen  aus  mitberück- 
sichtigt, d.  h.  den  N.  medianus,  würden  eventuell  6.  und  7.  Cervical- 
nerv  noch  mit  in  Frage  kommen;  für  den  R.  profundus  n.  ulnaris, 
den  Hauptnerven,  würde  8.  Cervicalnerv  und  1.  Thoracalnerv  zu 
nennen  sein. 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

8          1         6,8 
6                   5 
17,5               16 
18                 16 

1,2 

1 

85 
83,4 
91,4 
88,9 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

12,4 

10,9 

1,5 

87,2 

Varietäten. 

Henle  gibt  eine  Reihe  von  Varietäten  an,  welche  jedoch 
nach  der  von  uns  gegebenen  Schilderung  eigentlich  in  nichts  zu- 
sammenfallen, denn  es  handelt  sich  fast  nur  um  die  Sonderung  seines 
Muskelbauches  von  dem  des  M.  flexor  pollicis  brevis.  Wenn  man 
von  dem  Grundsatze  ausgeht,  daß  die  Bündel,  welche  zum  radialen 
Sesambeine  ziehen,  als  M.  flexor,  andererseits  diejenigen,  welche  am 
ulnaren  ansetzen,  als  M.  adductor  zusammengefaßt  werden  müssen, 
so  fallen  die  Varietäten  beinahe  fort,  wenn  auch  mitunter  sich  prä- 
paratorisch Schwierigkeiten  ergeben. 

„Durch  einen  größeren  Zwischenraum  zerfäUt  der  Muskel  in 
2  Köpfe,  von  denen  der  quere  (M.  transversus  manus  Hallette)  an 
den  transversalen  Kopf  des  M.  adductor  hallucis  erinnert." 

Die  Durchbohrung  der  beiden  Köpfe  des  Muskels  durch  den  R. 
profundus  des  N.  ulnaris  und  den  Arcus  volaris  profundus  haben  wir 
im  Texte  ausführlich  bei  den  Durchbohrungen  der  Armmuskeln  durch 
die  jeweiligen  Nerven  beschrieben  und  können  noch  die  scharfe 
Sonderung  beider  Köpfe  durch  eine  breite  Lücke  bestätigen. 


214 


Innervation  des  Daumenballens.  215 


Innervation  des  Daumenballens. 

Die  Muskeln  des  Thenar  werden  von  den  N.  medianus,  ulnaris 
und  radialis  in  verschiedenem  Grade  versorgt.  Der  motorische  Ast 
des  N.  medianus  zweigt  sich  gewöhnlich  an  der  Stelle  ab,  wo  auch 
die  sensiblen  Zweige  für  die  Volarseite  des  Daumens  sich  aus  dem 
radialen  Hauptaste  lösen,  oder  auch  erst  nach  Teilung  desselben  in 
die  R.  digitales  proprii  pollicis.  Er  biegt  hakenförmig  um  den  distalen 
Rand  des  Daumenballens  hart  an  dessen  Beginn  proximalwärts  um 
und  liefert  dann  3  Aeste :  der  oberflächliche  geht  am  ulnaren  Rande 
des  M.  abductor  pollicis  brevis  zu  der  Facies  profunda  dieses  Muskels ; 
die  beiden  tiefen  Zweige  senken  sich  in  die  Facies  superficialis  des 
M.  opponens  und  das  Caput  superficiale  des  M.  flexor  brevis  pollicis 
ein.  —  Der  N.  ulnaris  versorgt  mit  seinem  R.  profundus  den  M.  ad- 
ductor  i)ollicis,  in  dessen  Facies  profunda  er  2—3  Nervenfäden  hinein- 
schickt. 

Dies  ist  das  gewöhnliche  Verhalten,  aber  die  Varietäten  sind  gar 
nicht  selten.  Brooks  (Journal  of  Anatomy  and  Physiology,  Vol.  XX, 
1885/6,  p.  641)  erwähnt  einen  Fall,  wo  der  R.  profundus  n.  ulnaris 
den  M.  flexor  brevis  innervierte  und  auch  den  M.  opponens  und  M. 
abductor  pollicis  brevis,  also  den  gesamten  Daumenballen. 

Im  Gegensatze  dazu  kann  der  M.  adductor  pollicis  bisweilen 
einen  Zweig  des  N.  medianus  erhalten,  welcher  sich  zum  radialen 
Teile  des  Caput  carpale  begibt.  Obwohl  dieser  Zweig  gemeinhin  nur 
in  10  Proz.  der  Fälle  vorkommt,  betrachtet  ihn  Fromont  als  kon- 
stant. Flemming  dagegen  (Anatomischer  Anzeiger,  1886,  15.  Febr.) 
bezeichnet  unser  Caput  profundum  m.  flexoris  brevis  als  dem  N. 
ulnaris  zugehörig.  Nach  der  Statistik  von  Brooks  (H.  St.  John 
Brooks,  Variations  in  the  nerve  supply  of  the  flexor  brevis  pollicis 
muscle,  Journal  of  Anatomy  and  Physiology,  Vol.  XX,  1886,  p.  642) 
ist  in  31  Fällen  folgende  Innervation  beobachtet: 

Caput  superficiale,  ausschließlich  vom  E.  profundus  n.  ulnaris  5 

„              „            gemeinschaftlich  von  den  N.  medianus  und  ulnaris  19 

„              „            vom  N.  medianus,  C.  profundum  vom  N.  ulnaris  5 

Beide  Bäuche  vom  N.  medianus  versorgt,  das  Caput  profundum  außerdem 

vom  N.  ulnaris  2 

Die  gemeinschaftliche  Versorgung  von  beiden  Nerven  wäre  hier- 
nach die  Regel,  eine  Anschauung,  die  wir  nur  bestätigen  können, 
und  der  wir  auch  in  unserer  Abbildung  (Fig.  75)  Rechnung  ge- 
tragen haben. 

Gegenbaur  legt  den  Varietäten  der  Nerven  die  größte  Bedeutung 
bei,  auch  wenn  man  keine  praktischen  Ergebnisse  zur  Abgrenzung  der 
Muskeln  dabei  erzielt,  besonders  hier  beim  M.  flexor  pollicis  brevis;  inter- 
essant sind  sie  unter  allen  Umständen  und  werden  bei  genauerem 
Studium  auch  sicher  zur  Erklärung  der  Muskelumwälzung  am  mensch- 
lichen Daumenballen  beitragen  helfen. 

Auch  der  N.  radialis  liefert  (ob  regelmäßig,  erscheint  uns  sehr 
fraglich)  feine  Zweigchen  zum  Daumenballen.  Diese  lösen  sich  aus 
dem  R.  superficialis  ab  und  senken  sich  in  den  proximalen  Teil  des 
M.  abductor  pollicis  brevis  ein  (nach  den  Angaben  von  Vogt,  Kasper, 
Etzold).  Demnach  hätte  dieser  Muskel  eine  doppelte  Innervation: 
einmal   durch    den   N.  medianus   und    dann    durch   den   N.  radialis. 


216  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Letztere  soll  sogar  nach  Lejars  (Bull.  Soc.  Anat.,  10.  Oct.  1890) 
vorherrschend  sein. 

Theoretisch  ist  diese  Innervation  nicht  wunderbar,  weil  ja  der 
vom  R.  profundus  n.  radialis  versorgte  M.  abductor  pollicis  longus 
fast  regelmäßig  durch  eine  Sehnenkonjugation  mit  dem  M.  abductor 
pollicis  brevis  zusammenhängt.  Wird  der  hiervon  entspringende  Ab- 
schnitt des  letzteren  Muskels  vom  R.  superficialis  n.  radialis  versorgt,, 
so  hätten  wir  einen  M.  abductor  digastricus  vor  uns,  vergleichbar  dem 
M.  biventer  flexoris  indicis  sublimis. 

Unsere  Präparation  der  Nerven  zu  den  einzelnen  Muskelbündeln 
läßt  uns  allerdings,  die  LEJARSsche  Darstellung  sehr  fragwürdig  er- 
scheinen. Wir  geben  zu,  daß  sich  Zweige  des  R.  superficialis  n. 
radialis  in  die  Muskulatur  hineinsenken  können,  sie  enden  dann  aber 
nicht  in  den  Muskelbündeln,  sondern  nach  unseren  Beobachtungen  in 
VATER-PACiNischen  Körperchen.  Auch  das  ist  nicht  wunderbar ;  denn 
diese  finden  sich  nicht  allein  an  der  Oberfläche,  in  der  Haut,  makro- 
skopisch im  Unterhautfettgewebe  darstellbar,  sondern  auch  mit  bloßem 
Auge  sichtbar  zwischen  den  Aponeuroses  intermusculares  oder  den 
Muskeln  selbst,  an  den  Membranae  interosseae  oder  auch  an  den 
Sehnen.  In  diesem  Falle  handelt  es  sich  gewöhnlich  um  Tast- 
körperchen, welche  in  die  schützende  Tiefe  des  Muskels  hinein- 
gewandert sind,  weil  ja  die  Haut  des  Daumenballens  dünn  und  be- 
sonders fettarm  ist. 

Hypothenar. 

Synonyma:  Kleinfingerballen;  Muscles  de  l'eminence  hypothenar. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Im  Hypothenar  sind  4  Muskeln  vereinigt,  der  Zahl  nach  ebenso- 
viel wie  im  Thenar.  Jedoch  kommt  hier  ein  Hautmuskel  hinzu,  der 
M.  palmaris  brevis,  und  dafür  fällt  der  M.  adductor  fort,  welcher 
durch  den  M.  interosseus  volaris  IV  (III)  ersetzt  wird. 

Die  4  Muskeln  heißen : 

1)  M.  palmaris  brevis  (Hautmuskel), 

2)  M.  abductor  digiti  minimi, 

3)  M.  flexor  brevis  (inkonstant), 

4)  M.  opponens  digiti  minimi. 

Brooks  (Journal  of  anatomical  Physiology,  Vol.  XX,  p.  645)  richtet 
sich  mit  Cunningham  in  seiner  Namengebung  nach  der  Fußsohle  und 
unterscheidet   an  derselben 

1)  eine  Pars  plantaris  adductoria, 

2)  eine  Pars  intermedia  flexoria, 

3)  eine  Pars  abductoria  dorsalis. 

Diese  Dreiteilung  hat  vom  vergleichend-anatomischen  Standpunkte,, 
soweit  die  Urteile  der  Autoren  gehen,  ihre  Berechtigung.  Pur  den  Klei- 
fingerballen wäre  dann  folgende  Einteilung  geboten : 

1)  Pars  adductoria  =  M.  flexor  brevis  -\-  oberflächlicher  Teil  de» 
M.  opponens,  soweit  er  über  dem  R.  profundus  n.  uhiaris  liegt; 

2)  Pars  intermedia  flexoria  =  tiefer  Schicht  des  M.  opponens  -\-  M^ 
interosseus  volaris  III  s.  IV; 

3)  Pars  abductoria  =  M.  abductor  digiti  minimi. 

2l6 


M.  palmaris  brevis.  217 

M.  palmaris  brevis. 

Synonyma :  Kurzer  Hohlhandmuskel ;  M.  carpieus,  caro  quaedam 
quadrata ;  Palmaire  cutan^. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  Hautrauskel  verdiente  eine  ganz  besondere  Darstellung ;  da 
er  aber  im  Bereiche  des  Kleinfingerballens  liegt  und  sogar  dessen 
oberflächlicher  Schicht  entspricht,  hat  sich  die  Gewohnheit  breit  ge- 
macht, ihn  zusammen  mit  den  anderen  Muskeln  des  Hypothenar  zu 
beschreiben. 

Als  flaches,  abgeplattetes  Muskeltrapez  zieht  er  vom  Lig.  carpi 
transversum  oder  der  Aponeurosis  palmaris  transversal  hinüber  zur 
Haut  der  ulnaren  Handseite. 

Er  besteht  aus  parallelen  Muskelbündeln,  welche  entweder  in 
einheitlicher  Schicht  zusammenhängen  oder  in  mehrere  Abteilungen 
zerfallen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Bisweilen  besitzt  dieser  Muskel  keinen  unmittelbaren  Knochen- 
ursprung, wenn  er  sich  nämlich  an  der  Aponeurosis  palmaris  an- 
heftet; in  anderen  Fällen  dagegen  läßt  er  sich  bis  zur  Tuberositas 
ossis  navicularis  und  der  des  Os  multangulum  majus  verfolgen.  Die 
Fasern  verlaufen  hauptsächlich  transversal,  die  proximalen  können 
jedoch  rückläufig  noch  bis  zum  Vorderarme  reichen,  die  distalen 
Bündel  andererseits  können  schräg  medialwärts  verlaufen  und  ihre 
Wirkung  auf  die  Haut  bis  zur  Höhe  der  Artic.  metacarpophalangea  V 
äußern. 

Der  Ansatz  des  Muskels  geschieht  mit  feinen  Sehnenfasern  an 
der  Haut  noch  im  Bereiche  der  Vola,  aber  dicht  oberhalb  ihres 
ulnaren  Randes.  Bei  dem  oft  divergierenden  Verlaufe  der  Muskel- 
bündel ist  dann  der  Ansatz  auf  eine  breitere  Strecke  verteilt  als  der 
Ursprung. 

Der  Muskel  liegt  vollkommen  in  Fett  eingebettet,  welches  fast 
ausschließlich  dem  Hypothenar  die  Rundung  verschaff't.  Bei  mageren 
Händen,  welche  außerdem  muskelschwach  sind,  erscheint  der  Klein- 
fingerballen fast  ebenso  flach,  wie  der  Daumenballen.  Die  Ursache 
ist  aber  verschieden :  am  fast  fettlosen  Thenar  handelt  es  sich  um  die 
Verringerung  der  Muskulatur,  am  fettreichen  Hypothenar  auch  um  die 
Abnahme  des  Fettes. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  präparatorisch  freiUegende  Fläche  entspricht  der  Haut,  von 
der  sie  jedoch  durch  eine  Fettschicht  getrennt  ist;  auch  die  Facies  pro- 
funda legt  sich  zunächst  auf  Fett.  Frohse  hat  für  diesen  Fett- 
körper (Frohse,  Die  Aponeurosis  palmaris  und  digitalis  der  mensch- 
lichen Hand  mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Funktion,  Archiv 
für  Anat.  und  Physiologie,  1906,  S.  108)  den  Namen  „Corpus  adiposum 
hypothenaris  profundum"  vorgeschlagen,  welches  sich  bei  Druck  auf 
den  Hypothenar  wie  eine  bis  bohnengroße  Hernie  gegen  den  Vorder- 
arm vorschieben  kann.  Erst  nach  Entfernung  desselben  kommt  man 
auf  den  N.  und  die  Vasa  ulnaria. 

217 


218  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Augenscheinlich  hat  der  M.  palmaris  brevis  nur  den  Zweck  und 
daher  seine  Existenzberechtigung,  diese  wichtigen  Gebilde  gegen 
Druck  zu  schützen.  Das  doppelte  Fettpolster  unterstützt  ihn  darin 
in  der  wirksamsten  Weise. 

An  der  rechten  Hand  eines  alten  Mannes  stellte  der  Muskel  eine 
breite  einheitliche  Platte  von  4  cm  Breite  und  bis  3  cm  Länge  der 
Muskelbündel  dar.  Der  oberflächliche  Fettkörper  war  sehr  stark  ent- 
wickelt. Das  Corpus  hypothenaris  profundum  (Frohse)  zerfiel  in  3  Lappen, 
einen  proximalen  bohnengroßen,  der  bei  Druck  auf  den  Hypothenar  deut- 
lich zum  Vorderarme  vorquoll,  einen    mittleren  und  einen  distalen. 

Wirkung. 

Bei  einiger  Uebung  kann  man  den  Muskel  sich  willkürlich  zu- 
sammenziehen lassen,  ohne  daß  der  Handballen  gegen  eine  Unter- 
lage gepreßt  wird,  also  bei  frei  schwebender  Hand.  Dann  wölbt  sich 
der  Fettkörper  volarwärts  deutlich  vor. 

Der  Ansatz  erscheint  im  ganzen  als  sagittale  Furche  in  der 
proximalen  Hälfte  des  Hypothenar,  mehr  dorsalwärts  wird  der  muskulöse 
Kleinflngerballen  als  flachere  Vorwölbung  sichtbar.  Bei  genauerer 
Betrachtung  erkennt  man  aber,  daß  die  einzelnen  Sehnenansätze  die 
Furchen  der  Cutis  und  Oberhaut  mitbestimmen  helfen,  indem  jedem 
Ansätze  eine  fächer-  oder  selbst  sternartige  Bildung  an  der  Ober- 
fläche entspricht. 

Innervation. 

Da  dieser  Muskel  die  oberflächlichste  Schicht  des  Hypothenar, 
gewissermaßen  einen  Teil  der  Haut  bildet,  so  muß  der  Nerv  oder 
besser  die  feinen  Nerven  ebenfalls  eine  sehr  oberflächliche  Lage 
haben.  Nach  unseren  Befunden  lösen  sich  diese  nicht  aus  dem  E. 
profundus  n.  ulnaris  ab,  welcher  im  übrigen  ja  den  Kleinfingerballen 
versorgt,  sondern  aus  dem  R.  superficialis,  und  zwar  demjenigen  Aste, 
welcher  als  R.  digitalis  proprius  den  ulnaren  Rand  des  Kleinfingers 
versorgt.  Bei  der  Kleinheit  der  in  Betracht  kommenden  Muskel- 
bündel, ihrer  Unregelmäßigkeit  nach  Zahl  und  Stärke  läßt  sich  für 
die  Innervation  keine  einheitliche  Beschreibung  aufstellen.  Außerdem 
ist  die  Präparation  dadurch  sehr  erschwert,  daß  die  einzelnen  Muskel- 
zweige an  sensiblen  Nerven  sitzen,  welche  unter  Durchbohrung  der 
Muskelbündel  an  die  Oberfläche  zur  Haut  des  Kleinfingerballens  selbst 
treten.  Jedenfalls  lehrten  unsere  Befunde,  daß  kein  einheitlicher 
Nerv  für  den  Muskel  bestimmt  ist,  welcher  der  Reihe  nach  von  proximal 
nach  distal  Seitenzweige  zu  den  Muskelbündeln  sendet,  sondern  immer 
mehrere  Einzelzweige.  In  einem  Falle,  bei  sehr  stark  entwickeltem 
Muskelbauche  konnten  wir  unter  Ausscheidung  der  sensiblen  Elemente 
5  einwandsfreie,  isolierte  Muskelnerven  nachweisen. 


Muskelbündellänge. 

Minimum  1,7  cm 

Maximum  2      „ 

Durchschnitt  aus  3  Messungen      1,8    „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,3,  in  Prozenten  18  7o- 

2l8 


M.  abductor  digiti  quinti. 


219 


Segmentbezüge. 
Wahrscheinlich  (7.)  8.  Cervicalnerv,  I.  Thoracalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

0,7 
0,5 

1,7 
1 

0.7 
0,5 
1,7 
1 

— 

ca.  100 
„    100 
„    100 
„    100 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

1 

1 

- 

ca.  100 

Varietäten. 

Ein  Fehleu  des  Muskels,  wie  es  Arnold  und  Wood  beschrieben 
haben,  ist  uns  uicht  zu  Gesicht  gekommen,  auch  wenn  wir  ihn  bis- 
weilen äußerst  dünn  gefunden  haben. 


M.  abductor  digiti  quinti. 

Synonyma:  Abzieher  des  kleinen  Fingers;  Abductor  digiti  minimi; 
Abducteur  du  petit  doigt,  pisi-phalangien,  carpo-phalangien  du  petit  doigt 
Chaussier,  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  langgestreckte  Muskel  geht  vom  Erbsenbeine  und  dem  an- 
liegenden Bandapparate  an  der  freien  Seite  des  Kleinfingerballens 
zur  Basis  der  1.  oder  Grundphalanx  des  5.  Fingers. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  genaue  Ursprung  des  Muskels  liegt,  zum  größten  Teile 
fleischig : 

1)  am  Os  pisiforme,  dessen  vordere  Fläche  und  distaler  Rand 
dadurch  zugedeckt  wird; 

2)  am  Lig.  pisohamatum  und  bisweilen 

3)  am  Lig.  carpi  transversum,  besonders  dann,  wenn  der  M.  flexor 
brevis  fehlt. 

Einige  Bündel  gehen  sehr  häufig  auch  über  das  Os  pisiforme 
hinweg  bis  zu  der  Sehne  des  M.  flexor  carpi  ulnaris.  Dann  sieht  es 
so  aus,  als  ob  diese  beiden  Muskeln  teilweise  zusammengehörten. 
Das  darf  aber  weiter  nicht  wundernehmen,  da  wir  auf  der  Radial- 
seite ein  ähnliches  Verhalten  als  fast  konstant  bezeichnen  mußten: 
den  Uebergang  eines  Sehnenbündels  des  M.  abductor  pollicis  longus 
zum  M.  abductor  pollicis  brevis,  unser  M.  abductor  pollicis  inter- 
medius. 

Die  einander  parallelen  Muskelbündel  steigen  fast  senkrecht 
herab.  Der  ganze  Muskelbauch  ist  in  der  Mitte  etwas  stärker,  als  an 
den  Enden,  so  daß  man  ihn  als  spindelförmig  bezeichnen  kann. 

219 


220 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


Der  Ansatz  ist  ein  doppelter: 

1)  am  freien,  ulnaren  Rande  der  Basis  des  5.  Mittelhandknochens, 
oder,  wenn  hier  ein  Os  sesamoideum  vorhanden  ist,  auch  an  diesem ; 

2)  durch  Vermittelung-  der  Dorsalaponeurose  zur  Strecksehne, 
gegenüber  von  dem  M.  interosseus  volaris  des  Kleinflngers. 

Letztere  Einrichtung-  entspricht  der  Funktion  des  Muskels,  welcher 
sich  als  Abductor  genau  so  verhält,  wie  an  den  mittleren  Fingern  die 
M.  interossei  dorsales. 


Holotopie  und  Syntopie. 

Die  ulnare  und  vordere  Fläche  entspricht  der  Haut,  soweit  nicht 
in  der  proximalen  Hälfte  der  M.  palmaris  brevis  darübergelagert  ist. 
Der  radiale  Rand  legt  sich  proximal  gegen  den  oberflächlichen  Ast 
des  N.  ulnaris  und  seiner  Begleitgefäße,  distal  gegen  den  M.  flexor 
brevis  digiti  minimi.  Wenn  sich  der  Ursprung  weit  gegen  das  Lig. 
carpi  transversum  erstreckt,  kann  es  zur  Bildung  eines  Sehnenbogens 
kommen,  unter  welchem  die  R.  profundi  des  N.  und  der  Vasa  ulnaria 
zur  Tiefe  der  Hohlhand  ziehen;  über  demselben  verlaufen  dann  die 
Hautnerven  für  die  Finger  und  der  Beginn  des  Arcus  volaris  super- 
ficialis. 

Wirkung. 

Analog  den  M.  interossei 
hat  der  Muskel  eine  dreifache 
Wirkung  auf: 

1)  den    Finger  als   Ganzes, 

2)  die  1.  oder  Grundphalanx, 

3)  auf  die  Mittel-  und  End- 
phalanx, 

d.  h.  physiologisch: 

1)  Abduktion  des  Klein- 
fingers, die  durch  den  Namen  an- 
gegebene Hauptwirkung;  neben- 
bei 

2)  Beugung  der  Grundpha- 
lanx und 

3)  Streckung  der  Mittel-  und 
Nagelphalanx. 

Innervation  der 

M.   abductor   und   flexor 

brevis  digiti  V. 

Das  breit  aufgefaserte  Prä- 
parat zeigt  das  Nervenbild  von 
der  Facies  profunda  aus.  Der 
Nerv  tritt  nicht  als  einheitlicher 
Stamm  zu  den  Muskelbündeln,  sondern  mit  einem  stärkeren  und  einem 
schwächeren  Aste.  Gerade  diese  Tatsache  war  uns  sehr  lieb,  weil  wir 
auch  hier  wieder  den  Zusammenhang  der  beiden  Nerven  durch  eine 
intramuskuläre  Verbindung  beobachten  konnten.  Das  feinere  Nerven- 
bild bietet  keine  Besonderheiten.  Der  fast  am  Ursprünge  dreigeteilt 
eintretende   Nerv  verzweigt  sich   dichotomisch   und  läßt  auch   einen 


Fig.  77.    M.  abductor  et  flexor  brevis 
digiti  V,  Nervenbild. 


M.  abductor  digiti  quinti. 


221 


längeren  Zweig  bis  in  die  Nähe  der  Endsehne  verlaufen.  Bemerkens- 
wert ist  das  VATER-PACiNische  Körperchen  an  dem  mittleren  Nerven- 
zweige, welches  in  situ  zwischen  dem  M.  abductor  digiti  minimi  und 
dem  M.  opponens  gelagert  war.  Es  handelt  sich  hier  um  keinen  Aus- 
nahmefall, da  auch  an  den  anderen  Präparaten  sogar  mehrere  Corpus- 
cula  lamellosa  vorhanden  waren.  Der  M.  flexor  brevis  digiti  V,  der  auch 
bei  unserem  Falle  sehr  schwach  war,  erhält  einen  feinen  Nervenzweig. 
Trotz  seiner  geringen  Stärke  ließ  er  sich  mit  Leichtigkeit  bis  zur 
Nähe  der  Endsehne  verfolgen  —  ein  Beweis,  daß  der  Nerv  trotz  der 
Atrophie  des  Muskels  leicht  darstellbar  war. 

Muskelbündellänge. 

Minimum  3,4  cm 

Maximum  4,5   „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen      3,9   „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,1,  in  Prozenten  32  °L. 


Segmentbezüge. 
(7.)  8.  Cervicalnerv,  I.  Thoracalnerv. 


Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen - 
Substanz 

Muskel- 
substan/, 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
11.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

2,5 
3 
9 
11 

2 

2,6 

7,5 

10,3 

0,5 
0,4 
1,5 
0,7 

80 
87 
83,3 
93,6 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

6,4 

5,6 

0,8 

85,9 

Varietäten. 

Er  fehlt  selten;  er  ist  häufig  mit  dem  M.  flexor  brevis  digiti  V 
verwachsen,  kann  zweiköpfig  oder  dreiköpfig  sein  und  mit  seinem  Ur- 
sprünge proximalwärts  über  das  Erbsenbein  hinausreichen.  Diese 
Köpfe  liegen  lateral  und  entwickeln  sich  entweder  aus  der  Fascie, 
aus  dem  Lig.  carpi  transversum  oder  aus  der  Fascia  antebrachii,  der 
Sehne  des  M.  palmaris  longus  (Macalister,  Wood),  vom  M.  flexor 
carpi  ulnaris  und  selbst  der  Ulna  (Günther).  Bei  dem  wohl  einzig 
dastehenden  Falle  einer  einseitigen  Varietät  haben  wir  sie  mit- 
abgebildet. An  dem  Präparate  reichte  der  im  ganzen  dreibäuchige 
Muskel  erstens  zum  Os  pisiforme,  zweitens  zur  Zwischensehne  des 
M.  flexor  digitorum  sublimis,  drittens  sogar  bis  zum  Epicondylus 
medialis  humeri  (Figur  siehe  beim  Abschnitte:  Varietäten). 

In  den  V.  B.  ist  jedoch  ein  ähnlicher  Fall  beschrieben,  als  M.  ab- 
ductor digiti  minimi  longus,  welcher  nur  bis  zur  Mitte  des  Vorder- 
armes reichte  (429  und  458),  ein  anderer  zeigte  die  Ueberlagerung  des 
N.  und  der  Vasa  ulnaria  durch  eine  oberflächliche  Schicht  des  M.  ab- 
ductor digiti  minimi  (No.  179).  Ferner  ist  unter  No.  269  ein  fächer- 
artiger Ansatz  am  Metacarpophalangealgelenk  V  und  IV  erwähnt. 


222  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Rechte  Hand  einer  ca.  40-jährigen  Frau: 

Der  Muskel  hatte  außer  seinem  gewöhnlichen,  normal  entwickelten 
Ursprünge  einen  accessorischen  von  der  radialen  Seite  des  Carpus 
vom  Os  multangulum  majus  in  einer  Breite  von  0,7  cm;  proximal 
muskulös,  distal  rein  sehnig.  Es  mußte  demzufolge  ein  Sehnenbogen 
vorhanden  sein,  den  nach  theoretischer  Annahme  nur  die  R.  profundi 
des  N.  und  der  A.  ulnaris  durchsetzen  konnten.  Indessen  waren  in 
unserem  Präparate  nur  die  Vasa  superficialia  des  Arcus  hautwärts 
gelagert,  während  auch  der  R.  superficialis  n.  ulnaris  unter,  d.  h. 
knochenwärts  von  diesem  accessorischen  Bauche  mit  den  tiefen  Ge- 
bilden verlief. 


M.  flexor  digiti  quinti  brevis. 

Synonyma:  Kurzer  Beuger  des  kleinen  Fingers;  Flexor  proprius 
digiti  minimi;  Court  fl^chisseur  du  petit  doigt,  unci-phalangien. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Muskel  kann  vollständig  fehlen  oder  untrennbar  mit  dem 
radialen  Ursprünge  des  M.  abductor  digiti  quinti  verschmolzen  sein, 
wenn  dieser  sich  bis  gegen  den  Hamulus  ossis  hamati  erstreckt. 
Ueberhaupt  stellt  er  häufig  nur  einen  Satelliten  seines  oben  erwähnten 
größeren  ulnaren  Nachbars  dar,  ein  Verhalten,  wie  wir  es  ähnlich  bei 
den  M.  abductor  poUicis  longus  und  extensor  poUicis  brevis  betont 
haben. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  liegt  am  ulnaren  Rande  des  Hamulus  ossis  hamati 
und  greift  noch  auf  das  Lig.  carpi  transversum  über.  Die  Ver- 
bindungen mit  dem  M.  abductor  digiti  quinti  sind  wechselnd.  Der 
bei  letzterem  Muskel  erwähnte  Sehnenbogen  kann  auch  von  beiden 
Ursprüngen  gebildet  werden  oder  auch  ausschließlich  durch  den  M. 
flexor  brevis.  Da  jedoch  diese  Arkade  inkonstant  ist,  wollen  wir 
nicht  länger  bei  ihr  verweilen. 

Der  im  allgemeinen  schmale,  mitunter  kaum  bindfadendicke 
Muskelbauch  zieht  schräg  zur  freien  ulnaren  Seite  der  Grundphalanx 
des  kleinen  Fingers,  wo  er  mit  dem  M.  abductor  verschmilzt. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Sein  innerer,  ulnarer  Rand  legt  sich  mehr  oder  weniger  dicht  an 
den  M.  abductor  heran,  der  radiale  Rand  sieht  gegen  die  Hohlhand, 
d.  h.  die  Beugesehnen  des  Kleinflngers.  Die  Facies  superficialis  wird 
proximal  von  den  N.  et  Vasa  ulnaria  superficialia  und  dem  M.  pal- 
maris  brevis  überlagert,  distal  entspricht  sie  der  Fascie  und  Haut. 
Die  Facies  profunda  ruht  auf  dem  M.  opponens  digiti  minimi. 

Wirkung. 

Er  beugt  die  Grundphalanx.  Bei  der  schrägen  Richtung  des 
Muskels  von  der  Achse  der  Hand  fort  zum  freien  Rande  muß  auch 
eine   geringe   Adduktionswirkung   eintreten   können.     Da   eine   Aus- 


M.  flexor  digiti  quinti  brevis. 


223 


Strahlung  der  Sehne  bis  zur  Dorsalaponeurose  nur  ein  Ausnahme- 
fall ist,  kann,  auch  schon  wegen  der  geringen  Muskelmasse,  eine 
Streckwirkung  auf  die  Mittel-  und  Nagelphalanx  füglich  außer  acht 
gelassen  werden. 

Innervation. 

Die  Innervation  entspricht  der  der  spindelförmigen  Muskeln,  bei 
denen  der  Nerv  im  proximalen  Teile  eintritt. 


Muskelbünde  Hänge. 

Minimum  3,2  cm 

Maximum  3,8   „ 

Durchschnitt  aus  2  Messungen    3,5    „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,6,  in  Prozenten  19  %. 


Segmentbezüge. 
(7.)  8.  Cervicalnerv,  I.  Thoracalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel- 
substanz 

Sehnen- 
substanz 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV,  linker  starker  Arm 

1 
1^ 

0,8 
1,3 

0.2 
0,2 

80 
86^7 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

1.3 

1,1 

0,2 

83,4 

Varietäten. 

Dieser  unbeständige  Muskel  ist  häufig  mit  dem  M.  abductor 
digiti  V  verschmolzen.  Niemals  erreicht  er  auch  nur  annähernd  die 
Mächtigkeit  des  M.  flexor  poUicis  brevis.  Die  anderen  Varietäten 
mögen  beim  M.  abductor  digiti  V  nachgesehen  werden,  weil  man  ja 
im  Zweifel  sein  kann,  ob  nicht  diese  Besonderheiten  auf  Varietäten 
des  letzteren  Muskels  zurückzuführen  sind. 


M.  opponens  digiti  quinti. 

Synonyma:  Gegenübersteller  des  kleinen  Fingers;  Adductor  ossis 
metacarpi  quinti;  Opposant  du  petit  doigt,  unci-metacarpien,  carpo- 
mötacarpien  du  petit  doigt  Chaussier,  Dumas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  dreieckige  Muskel  stellt  die  tiefste  Lage  des  Kleinfinger- 
ballens dar  und  verbindet  den  Hamulus  ossis  hamati  mit  dem  ulnaren 
Rande  des  5.  Mittelhandknochens. 


223 


224         .  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung-  reicht  etwas  weiter  vom  Hamulus  proximal,  als 
der  des  M.  flexor  brevis.  Die  proximalen  Bündel  verlaufen  horizontal 
und  sind  sehr  kurz ;  je  weiter  distal  sie  von  diesem  Knochenpunkte 
und  den  angrenzenden  Teilen  des  Lig.  carpi  transversum  entspringen, 
um  so  länger  und  schräger  werden  sie. 

Der  Ansatz  findet  nicht  allein  am  ulnaren  Rande  des  Os  meta- 
carpale  V  statt,  sondern  nimmt  auch  noch  die  vordere  Fläche  bis 
zur  Mitte  ein. 

Bisweilen  ist  der  Muskel  in  eine  oberflächliche  und  tiefe  Schicht 
zerlegbar. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  wird  von  den  M.  abductor  und  flexor 
brevis  digiti  minimi  fast  vollkommen  bedeckt.  Die  eben  genannten 
Muskeln  lassen  nur  einen  Teil  seines  ulnaren  und  radialen  Randes 
frei.  Die  trennende  Fascie  ist  gut  ausgeprägt.  Die  Sonderung  des 
M.  flexor  vom  M.  opponens  macht,  im  Gegensatze  zum  Daumenballen, 
nicht  die  geringsten  Schwierigkeiten  am  Kleinfingerballen;  denn  hier 
sind  die  beiden  Muskeln  nicht  dicht  nebeneinander  gelagert,  sondern 
übereinander  und  außer  durch  die  Fascie  durch  lockeres  Bindegewebe 
gut  voneinander  geschieden.  Noch  schärfer  wird  die  Trennung  durch 
einen  accessorischen  Ansatz  des  M.  extensor  carpi  ulnaris,  welcher, 
wie  in  dem  abgebildeten  Falle  (siehe  Fig.  77),  sogar  weit  auf  die 
volare  Seite  überzugreifen  pflegt,  obwohl  es  sich  um  einen  Muskel 
der  Streckseite  handelt. 

Während  wir  bei  den  M.  abductor  und  flexor  brevis  digiti  minimi 
nur  einen  inkonstanten  Sehnenbogen  erwähnen  konnten,  eine  Durch- 
bohrung durch  die  R.  profundi  des  N.  und  der  Vasa  ulnaria,  müssen 
wir  beim  M.  opponens  die  Regelmäßigkeit  der  Durchbohrung  — 
wenigstens  durch  den  Nerven  ~  betonen. 

Die  oberflächlich  zu  Tage  tretende  Art  und  Weise,  wie  der  Nerv 
in  der  Tiefe  verschwindet,  d.  h.  die  Form  der  Eintrittslücke  ist  im 
wesentlichen  die  gleiche.  Wir  haben  jedoch  bei  der  speziellen 
Muskelbeschreibung  gesagt,  daß  der  M.  opponens  in  zwei  Lagen  zer- 
fallen kann:  eine  oberflächliche  und  eine  tiefe.  Das  tritt  dann  ein, 
wenn  der  Nerv  zwischen   den  Muskelbündeln   seinen  Weg   nimmt. 

Die  Facies  profunda  entspricht  ulnar  dem  5.  Mittelhandknochen^ 
radial  dem  auf  diesem  lagernden  M.  interosseus  volaris  des  Klein- 
fingers. 

An  der  Facies  superficialis  sei  noch  einmal  des  Sehnenzuges 
gedacht,  welcher  als  volare  Nebensehne  des  M.  extensor  carpi  ulnaris 
die  Fascie  zu  verstärken  scheint. 

Wirkung. 

Er  nähert  den  5.  Mittelhandknochen  der  Handachse  und  beugt 
ihn  gleichzeitig  etwas  nach  vorn;  so  entsteht  eine  Rotation  des 
Kleinfingers  gegen  dieselbe,  eine  Bewegung,  welche  man  gemeinhin 
als  Opposition  bezeichnet. 

224 


M.  opponens  digiti  quinti 


225 


Innervation. 

Er  erhält  im  proximalen  Drittel  seinen  Hauptnerven,  welcher 
sich  bäumchenartig  bis  zum  distalen  Ende  des  Muskels  verzweigt. 
Außerdem  haben  wir  aber  noch  2  Zweige  abgebildet,  welche  sich  am 
radialen  Rande  aus  Nerven  für  die  Gelenkkapsel  loslösen  und  sich 
im  Innern  des  Muskels  mit  dem  Hauptzweige  verbinden.  Wir  hätten 
diese  Zweige  nicht  mitabgebildet,  wenn  es  sich  nur  um  eine  ein- 
malige Beobachtung  gehandelt  hätte.  Unser  zweites  Präparat  wies 
aber  fast  die  gleiche  Versorgung  auch  vom  radialen  Rande  auf. 
Welcher  Art,  ob  sensibel  oder  motorisch,  diese  accessorischen  Zweige 
sind,  vermögen  wir  nicht  anzugeben. 


Muskelbündellänge. 

Minimum  1,8  cm 

Maximum  2,8    „ 

Durchschnitt  aus  5  Messungen     2,2    „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,  in  Prozenten  55  %• 


Segmentbezüge. 
(7.)  8.  Cervicalnerv,  I.  Thoracalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 

in  toto 

Muskel-       Sehnen- 
substanz  1   Substanz 

1 

Muskel- 
substanz 
in  Proz. 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

1% 

1,8 
1.9 
2,5 
1,5 

0,4 
0,1 

1 

1 

84,5 
95 
71,4 
60 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

2,6 

1,9 

0,7 

77,7 

Varietäten. 

Er  kann  fehlen  oder  auch  einen  accessorischen  Kopf  aus   der 
„Aponeurose  des  Unterarmes"  (Henle)  haben. 


M.  interossei  maniis. 

Synonyma :  Zwischenknochenmuskeln  der  Hand ;  Muscles  interosseux, 
metacarpo-phalangiens  lat.  Chaussier,  metacarpo-lateri-phalangiens  Dumas. 


Einleitung. 

Diese  Muskeln  füllen  die  Räume  zwischen  den  Mittelhandknochen 
aus  und  werden  nach  ihrer  Lage  als  M.  interossei  dorsales  und 
palmares  s.  volares  unterschieden.  Aeltere  Ausdrücke  sind  M.  inter- 
ossei externi  und  interni.  Für  mnemotechnische  Zwecke  des  Studenten 
sind  diese  Bezeichnungen  der  Erwähnung  wert:  M.  interossei  ex- 
terni =  abductores  digitorum. 


Handbuch  der  Anatomie.     II,  11,  2. 


225 


15 


226  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


M.  interossel  rolares. 

Synonyma:  Innere,  volare  oder  palmare  Zwischenknochenmuskeln; 
M.  interossei  intern!  s.  adductores;  Interosseux  palmaires,  metacarpo- 
phalangiens  sous-palmaires  Chaussibr. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Die  meisten  Autoren,  deutsche  sowohl  wie  ausländische,  be- 
schreiben nur  3  M.  interossei  volares,  indem  sie  den  M.  interosseus 
volaris  primus  als  den  radialen  Teil  des  M.  adductor  pollicis  auifassen. 
Man  kann  jedoch  regelmäßig  aus  dem  M.  adductor  pollicis  einen  Teil 
herauslösen,  welcher  nach  Ursprung  und  Ansatz  sämtlichen  Kenn- 
zeichen eines  M.  interosseus  volaris  gerecht  wird,  d.  h.  er  entspringt 
von  dem  zugehörigen  Os  metacarpale  (primum)  und  setzt  an  der- 
selben Seite  der  Grund-  oder  1.  Phalanx  an.  Es  mag  erlaubt  sein, 
da  sich  auch  die  anderen  M.  interossei  volares  bis  zu  den  Hand- 
wurzelknochen erstrecken  können,  noch  den  Teil  mithinzuzurechnen, 
welcher  sich  aus  dem  Caput  metacarpale  noch  zu  den  Ossa  carpalia, 
besonders  dem  Os  multangulum  majus,  fortsetzt,  aber  nur  diesen  Teil 
—  und  dann  können  wir  in  der  Tat  von  einem  M.  interosseus  volaris  I 
reden,  welcher  die  am  meisten  radial  gelegene  Portion  des  M. 
adductor  pollicis  darstellt,  und  kaum  einmal  fehlt. 

Diese  von  Henle  gegebene  Darstellung  ist  in  der  oben  be- 
schriebenen Weise  logisch  und  deshalb  durchaus  gerechtfertigt. 

Wir  wollen  jedoch  nicht  verhehlen,  daß  es  sich  hierbei  um 
anatomische  Kleinkrämerei  handelt.  Für  die  schematische  Darstel- 
lung der  Fingerbewegungen  ist  dieser  M.  interosseus  volaris  I  eher 
hinderlich  als  förderlich.  Für  praktische  Zwecke  hat  er  außerdem 
nicht  die  geringste  Bedeutung,  jedoch  ist  er  für  eine  schematische 
Einteilung  der  in  jedem  einzelnen  Zwischenknochenraume  gelegenen 
Muskeln  durchaus  wünschenswert.  Bekanntlich  haben  wir  in  der 
Hohlhand  3  Muskelgruppen  gelegen,  nämlich  die  M.  lumbricales, 
interossei  volares  und  dorsales,  welche  durch  die  Aufstellung  eines 
besonderen  M.  interosseus  volaris  I  in  jeder  Gruppe  auf  4  kommen 
würden. 

Dann  würden  liegen: 

a)  im  Spatium  interosseum  I: 

1)  M.  lumbricalis  I.  II 

2)  „    interosseus  volaris  I.  I 

3)  ,,  „  dorsalis  I.  II 

b)  im  Spatium  interosseum  II: 

1)  M.  lumbricalis  IL  III 

2)  „    interosseus  volaris  II.  II 

3)  „  „  dorsalis  II.  III 

c)  im  Spatium  interosseum  III: 

1)  M.  lumbricalis  III.  IV 

2)  „    interosseus  dorsalis  III.     III 

3)  „  „  volaris  III.       IV 

d)  im  Spatium  interosseum  IV: 

1)  M.  lumbricalis  IV.  V 

2)  „    interosseus  dorsalis  IV.      IV 

3)  „  „  volaris  IV.       V 


Ansätze  an  den 
entsprechenden  Fingern. 


226 


M.  interossei  volares.  227 

In  dieser  Weise  würde  einem  jeden  Zwischenknochenraume  genau 
der  gleichbezilferte  M.  lumbricalis,  interosseus  volaris  und  dorsalis 
zukommen,  obwohl  der  Ansatz  nicht  dem  gleichen  Finger  zu  ent- 
sprechen braucht,  und  zwar  ist  immer  nur  ein  Muskel  im  Ursprünge 
und  Ansätze  in  einem  jeden  Zwischenknochenraume  gleich,  radial  die 
M.  interossei  volares  I  und  II,  ulnar  die  M.  interossei  dorsales  III 
und  IV. 

Die  4  M.  interossei  volares  entspringen  von  den  der  Handachse 
zugekehrten  Rändern  folgender  Mittelhandknochen :  die  beiden  radialen 
M.  interossei  volares  i.  e.  I  und  II  von  I  und  II,  also  den  entsprechen- 
den Mittelhandknochen,  die  beiden  ulnaren  i.  e.  III  und  IV  von  IV 
und  V,  also  den  nicht  entsprechenden  Mittelhandknochen,  sie  ent- 
springen nur  einseitig,  sind  also  im  Gegensatze  zu  den  doppelt- 
gefiederten dorsalen  nur  einfach  gefiedert,  oder  wie  auch  gesagt 
wird,  nur  halb  gefiedert. 

Der  Muskelbauch  ist  deutlich  von  der  Vola  her  zu  erkennen, 
von  der  Dorsalseite  meist  erst  nach  Durchtrennung  der  Schwimm- 
bänder und  des  Lig.  capitulorum  transversum. 

Die  Häufigkeit  des  Vorkommens  des  M.  interosseus  volaris  I 
wird  von  den  einzelnen  Autoren  verschieden  angegeben.  Wood  will 
ihn  nur  13mal  unter  144  Fällen  beobachtet  haben,  also  in  9  Proz., 
Henle,  Cunningham  und  Brooks  halten  ihn  für  konstant. 

Macalister  stellte  früher  in  seinem  Werke  über  Muskelanomalien 
das  Verhältnis  3 :  36,  also  ca.  8,3  Proz.  auf,  hält  ihn  aber  neuerdings 
für  allermeistens  vorkommend. 

Auch  Ledouble  schließt  sich  dieser  Ansicht  an,  wenn  er  auch 
den  Muskel  oft  rudimentär  gefunden  hat. 

Innervation. 

Die  Zwischenknochenmuskeln  werden  vom  R.  profundus  n.  ulnaris 
versorgt,  der  für  die  3  ulnaren  M.  interossei  3  absteigende  Zweige 
liefert  und  für  die  M.  interossei  dorsales  4  durchbohrende  Aeste, 
welche  sich  zwischen  den  beiden  Köpfen  einsenken,  mit  feinen  Aesten 
das  Dorsum  manus  erreichen  und  dort  mit  den  betreffenden  sen- 
siblen Nerven  anastomosieren  können.  Uns  selbst  ist  der  Nachweis 
dieser  Anastomosen  bislang  nicht  geglückt. 

Ledouble  glaubt,  daß  der  M.  interosseus  volaris  I  beim  Menschen, 
wie  auch  bei  den  Anthropoiden  vom  N.  medianus  versorgt  wird. 
Hepburn  hat  bei  einem  Chimpansen  die  Innervierung  durch  den 
N.  ulnaris  beobachtet. 

Brooks  sagt,  daß  er  beim  Menschen  den  entsprechenden  Nerven 
nicht  habe  herausfinden  können. 

Wir  selbst  können  nur  sagen,  daß  er  das  mit  bloßem  Auge  und 
ohne  besondere  Hilfsmittel  darstellbare  Ende  des  R.  profundus  n. 
ulnaris  darstellt. 

Sämtliche  M.  interossei  und  der  einem  M.  interosseus  volaris  gleich- 
wertige M.  adductor  pollicis  werden  vom  R.  profundus  n.  ulnaris  versorgt. 
Trotz  der  Kleinheit  der  Muskelbäuche  sind  die  Nervenäste  recht  an- 
sehnlich und  unschwer  vom  Ursprünge  bis  zum  Ansätze  zu  verfolgen; 
allerdings  nicht  in  einem  Präparate  in  situ,  weil  die  Wände  des  un- 
nachgiebigen Knochenzwischenraumes  kein  ausreichendes  Auseinander- 
drängen der  kurzen  Muskelbündel  gestatten. 

15* 

227 


228 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


Die  einzelnen  M.  interossei  erhalten  der  Reihe  nach  vom  R.  profundus 
n.  ulnaris  ihren  Nerven,  der  M.  interosseus  volaris  IV  (für  den  kleinen 


Finger)  als  erster  Muskel  und  der  M.  interosseus  volaris  I  als  letzter.  Es 
gehen  also  einschließlich  der  für  den  M.  adductor  pollicis  bestimmten 


228 


M.  interossei  volares.  229 

Aeste  8  Nervenzweige  aus  dem  N.  ulnaris  hervor,  abgesehen  von  den 
wohl  zu  beachtenden  Gelenk-  und  Sehnenscheidennerven.  Das  Hand- 
gelenk empfängt  von  der  volaren  Seite  aus  nicht  unbeträchtliche  Nerven- 
zweige; nach  distal  hin  sind  ebenfalls  mit  Leichtigkeit  ansehnliche 
Nervenzweige  bis  zu  den  Articulationes  metacarpophalangeae  und  dem 
dort  beginnenden  dickeren  Teile  der  Fingersehnenscheiden  zu  ver- 
folgen. Auch  VATER-PACiNische  Körperchen  finden  sich  an  diesen 
Nerven.  Schon  bei  der  Muskelbeschreibung  haben  wir  darauf  hin- 
gewiesen, daß  der  Unterschied  zwischen  den  M.  dorsales  und  volares 
in  der  Architektur  die  Zweiköpfigkeit  eines  M.  dorsalis  und  die  Ein- 
köpfigkeit  eines  M.  volaris  doch  nicht  vollauf  bestätigt.  Zwar  läßt 
der  doppelte  Ursprung  eines  M.  interosseus  dorsalis  von  2  benach- 
barten Mittelhandknochen  und  die  daraus  entstehende  Muskeldoppel- 
fiederung  auch  ein  doppeltgefiedertes  Nervenbild  hervorgehen.  Aber 
auch  ein  M.  volaris  besitzt  meistens  eine  in  seinem  Innern,  in  der 
Tiefe  verborgene  Sehne,  welche  das  Nervenbild  ebenfalls  zu  einem 
doppeltgefiederten  machen  kann.  Man  kann  sich  das  etwa  in  folgen- 
der Weise  vorstellen.  Wenn  man  einen  losgelösten  M.  interosseus 
dorsalis  zusammendrückt,  so  entsteht  durch  das  Zusammenrücken  der 
Nervenzweige  das  Bild,  wie  wir  es  bei  den  Nerven  eines  M.  inter- 
osseus volaris  sehen.  Die  Nervenzweige  reichen  von  der  Ursprungs- 
sehne bis  in  die  Nähe  der  Endsehne.  Die  rückläufigen  Zweige  sind 
bei  dem  Eintritte  des  Nerven  an  der  Basis  des  Zwischenknochen- 
raumes nur  kurz.  Innere  Anastomosen  kommen  vor,  sind  aber  nur 
zart  und  nicht  zahlreich. 


Muskelbündellänge. 

M.  interosseus  volaris  I:    Minimum  1,6  cm 

Maximum  1,9    „ 

Durchschnitt  aus  2  Messungen  1,75  „ 
Unterschied  in  Centimetem  0,3,  in  Prozenten  19  %. 

M.  interosseus  volaris  II:    Minimum  1,5  cm 

Maximum  2,3    „ 

Durchschnitt  aus  5  Messungen  2       „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,8,  in  Prozenten  53  "j^. 

M.  interosseus  volaris  III:  Minimum  2,2  cm 

Maximum  2,6    „ 

Durchschnitt  aus  5  Messungen  2,3    „ 
Unterschied  in  Centimetem  0,4,  in  Prozenten  18  "/e- 

M.  interosseus  volaris  IV:  Minimum  2,2   cm 

Maximum  2,5    „ 

Durchschnitt  aus  5  Messungen  23    „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,3,  in  Prozenten  14  "/o* 

In  toto:  Minimum  1,5   cm 

Maximum  2,6    „ 

Durchschnitt  aus  17  Messungen  2,15  „ 
Unterschied  in  Centimetem  1,1,  in  Prozenten  73  %. 


Segmentbezüge. 
8.  Cervicalnerv,  I.  Thoracalnerv. 

229 


230 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Gewicht. 


Gewicht 


m  toto 


Muskel- 
substanz 


Sehnen-        ^»«kel- 

substanz      ^^bstanz 

I    in  Proz. 


M.  interosseus  volaris  I. 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

1 
0,75 

0,6 

0,55 

0,9 

1 

0,4 
0,2 

0,3      ' 
1 

60 
75 
75 
50 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

1,24 

0,8 

0,44 

65 

M.  interosseus  volaris  II. 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV,  linker  starker  Arm 

1,5 
1 
3 
2,5 

1 

0,7 
2 
1,5 

0,5 
0,3 

1 

67 
70 
66,7 
60 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

2 

1,3 

0,7 

63,4 

M.  interosseus  volaris  III. 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rediter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 


1,5 
1 

3,5 
3,5 


1 
0,6 

2,75 
2,75 


0,5 
0,4 
0,75 
0,75 


67 
60 
78,6 
78,6 


Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 


2,4 


1,8 


M.  interosseus  volaris  IV. 


0,6 


71,1 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

2 

1 

2,5 

2,5 

1,2 
0,8 

1,5 

0,8 
0,2 
0,5 
1 

60 
80 
80 
60 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

2 

1,4 

0,6 

70 

Varietäten. 

Dieselben  sind  jedenfalls  äußerst  selten.  Wir  haben  weder  in 
der  von  uns  nachgesehenen  Literatur  solche  angegeben  gefunden, 
noch  können  wir  über  eigene  Beobachtungen  berichten,  abgesehen 
davon,  daß  einmal  ein  Uebergreifen  auf  irgend  einen  Carpalknochen 
der  distalen  Reihe  statthat. 


M.  interossei  dorsales. 

Synonyma :  Aeußere  Zwischenknochenmuskeln ;  M.  interossei  ex- 
terni;  Interosseux  dorsaux,  metacarpo-phalangiens  lateraux  sus-palmaires 
Chaussier. 

Diese  4  Muskeln  bezeichnet  man  nach  den  entsprechenden  Zwischen- 
knochenräumen als  M.  interossei  dorsalis  I — IV.  Sie  entspringen 
von  den  beiden  benachbarten  Mittelhandknochen,  im  Gegensatze  zu 
den  M.  interossei  volares,  welche  nur  das  Os  metacarpale  als  Ur- 
sprung benutzen,  welches  dem  jeweiligen  Fingeransatze  entspricht. 


230 


M.  interossei  dorsales.  231 

Damit  diese  Muskeln  einen  günstigen  Angriffspunkt  an  der  Grund- 
phalanx haben,  darf  der  Ursprung  nicht  die  ganze  Länge  des  Zwischen- 
knochenraumes einnehmen.  Ihre  Wirkung  ist  ja  die  Abduktion,  d.  h. 
die  Entfernung  des  betreffenden  Fingers  von  der  Mittelachse  der 
Hand,  welche  durch  den  längsten  Finger,  den  Mittelfinger,  verläuft. 
Am  Fuße  ist  es  allerdings  anders:  dort  verläuft  die  Achse  durch  die 
2.  Zehe,  welche  bei  wohlgebildeten  Füßen  etwas  länger  ist,  als  die 
der  großen  Zehe,  und  bedeutend  länger  als  die  3. — 5. 

Dieser  Wirkung  entsprechend,  können  wir  auch  die  anatomische 
Tatsache  feststellen,  daß  der  Ursprung  von  den  Metacarpalknochen 
um  so  mehr  von  den  Knöcheln  zurückrückt,  je  weiter  die  Muskeln 
von  der  Mittelachse  der  Hand  entfernt  sind,  nicht  allein  bei  den  ein- 
zelnen Muskeln,  sondern  auch  bei  den  beiden  Bäuchen,  welche  den 
Gesamtmuskel  zusammensetzen. 

Ausnahmsweise  findet  ein  kleines  Bündel  auch  von  der  Dorsal- 
fläche eines  Mittelhandknochens  seinen  Ursprung  oder  greift  sogar 
auf  einen  Handwurzelknochen  über. 

Die  von  den  beiden  Seiten  eines  Zwischenknochenraumes  ent- 
springenden Muskelbündel  ziehen  konvergierend  zu  einer  schon  früh- 
zeitig im  Innern  des  Muskels  auftretenden  sagittalen  Sehnenplatte, 
welche  in  der  Höhe  der  Knöchel  vollkommen  frei  wird. 

Der  Ansatz  ist  ein  doppelter: 

1)  an  der  Gelenkkapsel  der  Art.  metacarpophalangea,  ungefähr  an 
der  Stelle,  wo  auch  das  Lig.  coUaterale  sich  an  der  1.  Phalanx  anheftet; 

2)  aponeurotisch  zur  Strecksehne  auslaufend  und  mit  dieser  die 
Dorsalaponeurose  eines  Fingers  bildend,  natürlich  immer  nur  zur 
Hälfte. 

Der  Sehnenteil,  welcher  die  Dorsalaponeurose  bildet,  muß  seiner- 
seits wieder  in  Unterabschnitte  zerlegt  werden ;  einige  Fasern  bleiben 
im  Bereiche  der  Grundphalanx  und  verbinden  sich  mit  den  ander- 
seitigen  dorsalwärts  von  der  Strecksehne;  der  Hauptteil  läßt  sich 
aber  bis  zum  Seitenrande  der  Strecksehne  verfolgen  und  findet,  mit 
dieser  gemeinschaftlich,  nicht  allein  einen  Ansatz  an  dem  Gelenke 
zwischen  Grund-  und  Mittelphalanx,  sondern  läßt  sich  bis  zur  Nagel- 
phalanx nach  unten,  distal  verfolgen;  für  unsere  physiologischen  Be- 
trachtungen sind  diese  anatomischen  Tatsachen  nicht  zu  unter- 
schätzen. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Im  Bereiche  der  Zwischenknochenräume  sind  die  M.  interossei 
dorsales  durch  eine  straffe,  wenn  auch  dünne  Fascie  bedeckt,  welche 
sie  scharf  von  den  Strecksehnen  trennt.  Jedoch  finden  sich  an  den 
Basen  der  Ossa  metacarpalia  Lücken  zum  Durchtritte  für  die  Vasa 
perforantia.  Am  ausgesprochensten  ist  diese  dorsale  Oeffnung  im 
Spatium  interosseum  I,  wo  sich  die  A.  radialis  mit  ansehnlichen  Be- 
gleitvenen in  die  Tiefe  der  Hohlhand  senkt.  In  den  anderen  Zwischen- 
knochenräumen sind  es  nur  Aeste  der  A.  carpeae.  Es  kommt  vor, 
daß  der  Hauptast  der  A.  radialis  sich  erst  in  den  zweiten  Zwischen- 
knochenraum hineinsenkt  oder  auch  einen  starken  Verbindungsast 
zum  dritten  Spatium  interosseum  sendet;  dann  sind  selbstverständ- 
lich diese  Lücken,  welche  die  Zweiköpfigkeit  der  dorsalen  Zwischen- 
knochenmuskeln besonders  deutlich  machen,  über  das  gewöhnliche 
Maß  vergrößert.    Im  vierten  Zwischenknochenraume  kann  der  R.  per- 

231 


232  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

forans  häufiger  fehlen ;  dann  geht  die  Fascie  glatt,  ohne  Unterbrechung^ 
von  Knochen  zu  Knochen  über  den  Muskel  hinweg. 

Der  äußere  Rand,  d.  h.  derjenige,  welcher  von  der  Achse  der  Hand 
entfernt  liegt,  tritt  in  Beziehung  zum  benachbarten  M.  interosseus 
palmaris  s.  volaris  s.  internus. 

Noch  nicht  erwähnt  ist  das  eigentümliche  Verhalten  der  M.  inter- 
ossei  dorsales,  daß  sie  auch  von  der  Vola  aus  sehr  deutlich  zu  er- 
kennen sind,  nicht  als  doppelt  gefiederte  Muskeln,  sondern  als  parallel- 
faserige Wülste,  welche  sich  nur  durch  ihren  Ansatz  an  der  Abduk- 
tionsseite  von  den  an  der  Adduktionsseite  inserierenden  M.  interossei 
volares  unterscheiden  lassen.  In  der  ulnaren  Hälfte  der  Hohlhand 
entsprechen  die  M.  interosseus  dorsales  III  und  IV  ohne  weiteres 
den  tiefen  Beugesehnen ;  in  der  radialen  Hälfte  sind  die  entsprechen- 
den M.  interossei  durch  den  M.  adductor  poUicis  von  der  Beugesehne 
getrennt. 

In  Knöchelhöhe  findet  die  Trennung  der  Insertion  statt.  Der 
proximale  Teil  geht  zur  Gelenkkapsel,  der  distale,  zur  Dorsalaponeurose 
sich  wendende  ist  von  ihr  meistens  durch  einen  Schleimbeutel  ge- 
trennt. 

Wir  haben  jedoch  fast  regelmäßig  einen  mitunter  sehr  ansehn- 
lichen Ansatz  an  der  Basis  der  Grundphalanx  selbst  beobachtet  und 
demgemäß  bei  den  Muskelursprüngen  und  -ansätzen  bei  den  Hand- 
skeleten  mitangegeben. 

Auch  innerhalb  jedes  Zwischenknochenraumes,  mit  Ausnahme  des 
ersten,  kann  zwischen  den  Sehnen  der  dort  jedesmal  liegenden  M. 
interossei  dorsalis  und  volaris  sich  ein  Schleimbeutel  entwickeln. 

In  Knöchelhöhe  ist  volar  eine  scharfe  Grenze  durch  das  Lig. 
capitulorum  transversum  gegeben.  Die  hautwärts  von  diesem  ge- 
legenen Fingergefäße  und  -nerven,  sowie  die  M.  lumbricales  haben 
hier  mittelbar  nichts  mit  den  Zwischenknochenmuskeln   zu  schaffen. 

Die  Dorsalaponeurose  entspricht  nur  der  Haut  und  den  in  ihr 
liegenden  Nerven  und  Gefäßen;  unter  letzteren  sind  die  Venen  am 
mächtigsten  entwickelt,  obwohl  gerade  diese  Teile  am  nicht  in- 
jizierten Präparate  der  oberflächlichen  Beobachtung  vollkommen  ent- 
gehen können.  Der  freie  Rand  sieht  gegen  die  Vorderseite  und  ist 
mitunter  scharf  durch  die  Haut  hindurch  zu  erkennen ;  die  dorsale 
Fläche  ist  entsprechend  der  1.  oder  Grundphalanx  gewölbt. 

Wirkung  der  M.  interossei. 

Die  Zwischenknochenmuskeln  haben  eine  dreifache  Wirkung: 

1)  sie  ziehen  die  Finger  bei  einseitiger  Kontraktion  zur  Seite, 
nähern  oder  entfernen  sie  der  Achse  der  Hand,  welche  durch  den 
Mittelfinger  gelegt  zu  denken  ist; 

2)  sie  beugen  die  1.  oder  Grundphalanx,  bei  einseitiger  Wirkung 
zur  Seite  hin,  bei  doppelseitiger  direkt  zur  Vola; 

3)  sie  strecken  die  2.  und  sogar  die  3.  Nagelphalanx. 

Die  Achse  der  Hand  geht  durch  den  Mittelfinger;  diejenigen 
Muskeln,  welche  einen  Finger  von  ihr  entfernen,  sind  Abductoren, 
die  M.  interossei  dorsales,  diejenigen,  welche  einen  Finger  der  Mitte 
nähern,  sind  Adduktoren,  die  M.  interossei  volares. 

1)  Man  kann  von  vornherein  annehmen,  daß  die  Abduktionsbewegung 
energischer  ist,  als  die  Adduktion,  da  die  M.  interossei  dorsales  mehr 

232 


Wirkung  der  M.  interossei.  233 

Muskelmasse  besitzen;  diese  Tatsache  wird  auch  durch  die  elektrische 
Untersuchung  bestätigt. 

2)  Die  Beugebewegung  der  Grundphalanx  vollzieht  sich  mit  großer 
Kraft,  obwohl  kein  direkter  Ansatz  sowohl  an  der  volaren,  wie  an  der 
dorsalen  Seite  für  gewöhnlich  beschrieben  wird.  Unsere  Abbildungen 
(siehe  Fig.  144—151)  liefern  jedoch  den  Beweis,  daß  seitliche  Ansätze 
vorhanden  sind,  welche  an  der  Hand  als  normal,  am  Fuße  sogar  als 
konstant  aufzufassen  sind.  Diese  Anheftungen  au  der  Grundphalanx 
ermöglichen  in  der  ausgedehntesten  Weise  die  Seitwärtsbewegung  des 
entsprechenden  Fingers  oder  der  entsprechenden  Zehe. 

3)  Die  Streckung  der  beiden  letzten  Phalangen  ist  jedoch  nur  an 
der  Hand  sehr  ausgesprochen.  Gleichzeitig  kann  man  feststellen,  daß 
die  Wirkung  der  verschiedenen  M.  extensores  digitorum,  mit  Aus- 
nahme des  M.  extensor  pollicis  longus,  auf  diese  beiden  Phalangen 
sehr  gering  ist,  und  daß  diese  fast  ausschließlich  die  Grundphalanx 
strecken.  Indessen  scheint  es  bei  Atrophie  der  M.  extensores  digi- 
torum, daß  die  Streckung  der  beiden  letzten  Phalangen  weniger  gut 
gemacht  werden  könne,  als  unter  normalen  Verhältnissen.  Aber  man 
braucht  nur  die  Hand  und  die  Grundphalanx  dorsalwärts  zu  beugen, 
um  festzustellen,  daß  sich  die  Mittel-  und  Nagelphalanx  genau  so 
gut  strecken  lassen,  als  ob  die  Streckmuskeln  nicht  gelähmt  wären, 
weil  man  dann  nämlich  passiv  die  Wirkung  der  M.  extensores  digi- 
torum wiederherstellt. 

Diese  drei  Wirkungen  der  M.  interossei,  welche  sich  durch  die 
physiologische  Untersuchung  sondern  lassen,  verbinden  sich  bei 
manchen  komplizierten  Bewegungen. 

Galen,  welcher  die  M.  interossei  zuerst  beschrieben  hat,  erkannte 
bereits  die  Beugewirkung  auf  die  Grundphalanx,  aber  er  verkannte 
die  Streckwirkung  auf  die  beiden  letzten  Phalangen  und  die  Be- 
deutung für  die  Seitwärtsbewegung  der  Finger.  Die  Streckwirkung 
wurde  klar  von  Fallopia  hervorgehoben  (Observationes  anatomicae, 
T.  1,  1561,  p.  31),  der  aber  die  Beugewirkung  auf  die  Grundphalanx 
leugnete  und  die  Adduktions-  und  Abduktionsmöglichkeit  nicht  er- 
kannte. Die  dreifache  Wirkung  der  M.  interossei,  Beugung  der 
Grundphalanx,  Streckung  der  beiden  anderen  und  Seitwärtsbewegung 
der  Fioger,  wurde  zuerst  von  Albinus  (Hist.  musculorum  hominis, 
1734,  p.  514)  und  von  Sabatier  (1775,  T.  II,  p.  337)  erläutert. 
Aber  bis  zu  Duchenne  betrachtete  man  sie  nur  als  schwache  Hilfs- 
muskeln der  Extensoren  und  Flexoren.  Den  physiologischen  Nach- 
weis ihrer  Wichtigkeit  für  die  eben  genannten  Fingerbewegungen  hat 
er  erst  erbracht. 

•  Duchenne  wählt  als  Beispiel  hierfür  einen  sehr  einfachen  Ver- 
such. Man  braucht  nur  eine  Reihe  vertikaler  Linien  auf  einem  Blatte 
Papier  zu  ziehen  und  sieht  dann  sofort  den  Unterschied  in  der  Dicke 
der  Linien  oben  und  unten.  Oben  beim  Federansatz  ist  der  Strich 
dick  und  unten  läuft  er  spitz  aus.  Zuerst  bewirken  die  M.  interossei 
Beugung  der  Grundphalanx  und  Streckung  der  beiden  anderen,  die 
gewöhnliche  Haltung  des  Zeigefingers  beim  Schreiben;  dann  aber 
wirken  auch  die  Beuger  der  beiden  letzten  Phalangen  (M.  flexores 
sublimis  und  profundus),  und  bei  dieser  Bewegung  verläuft  der  Strich 
fein  aus. 

Für  die  normale  Haltung  der  Finger  in  der  Ruhe  sind  die  M. 
interossei  unerläßlich.   Bei  ihrer  Lähmung  gewinnen  die  Antagonisten 

233 


234  FROHSE    und   M.   FRÄNKEL, 

ein  solches  Uebergewicht,  daß  das  Endresultat  eine  Hyperextension 
der  Grundphalanx  und  eine  starke  Flexion  der  Mittel-  und  Nagel- 
phalanx ist,  das  typische  Bild  einer  Lähmung  der  M.  interossei. 

Einigermaßen  können  die  M.  interossei  in  ihrer  Beuge-  und 
Streckwirkung  durch  die  M.  lumbricales  ersetzt  werden.  Bei  Schädigung 
des  R.  profundus  n.  ulnaris  sieht  man  zwar  den  Zeige-  und  Mittel- 
finger, deren  M.  lumbricales  ja  regelmäßig  vom  N.  medianus  versorgt 
werden,  weniger  in  Mitleidenschaft  gezogen,  als  den  4.  und  besonders 
den  5.  Finger. 

In  ähnlicher  Weise  können  die  M.  interossei  in  ihrer  Wirkung 
als  M.  abductores  oder  M.  adductores  durch  die  M.  extensores  digi- 
torum  unterstützt  werden.  Wir  haben  bei  diesen  Muskeln  bereits 
hervorgehoben,  daß  Duchenne  besonders  die  Möglichkeit  der  Seit- 
wärtsbewegung betont  hat.  Mag  diese  bei  Gesunden  auch  unbedeutend 
sein,  so  spielt  sie  gegebenenfalls  bei  Störungen  doch  eine  wichtige 
Rolle.  Beispielsweise,  wenn  der  Zeigefinger  vom  Mittelfinger  ent- 
fernt werden  soll,  während  die  1.  Phalanx  gestreckt  und  die  beiden 
anderen  gebeugt  sind,  so  müssen  die  M.  extensor  digitorum  communis 
und  proprius  indicis  eingreifen.  Bei  dieser  Haltung  kann  nämlich 
der  M.  interosseus  dorsalis  I  nicht  wirken,  ohne  seiner  Aufgabe  ge- 
mäß die  Grundphalanx  zu  beugen  und  die  beiden  anderen  zu  strecken. 

Duchenne  gibt  S.  209—210  folgendes  an:  „Die  Anatomen  haben 
bis  auf  diesen  Tag  allgemein  geglaubt,  daß  die  Extensoren  und 
Flexoren  der  Finger  (Extensor  digitorum  communis,  Extensor  proprius 
indicis  und  Extensor  proprius  digiti  minimi,  Flexor  digitorum  sublimis 
und  profundus)  ausschließlich  die  drei  Phalangen  streckten  oder 
beugten.  Wenn  einige  unter  ihnen  daran  gedacht  haben,  daß  andere 
Muskeln  (die  Lumbricales  und  Interossei)  an  der  Streck-  oder  Beuge- 
bewegung der  Phalangen  teilnehmen,  so  haben  sie  deshalb  doch,  wie 
die  anderen,  gelehrt:  1)  daß  die  seitlichen  Sehnen  der  Finger,  die 
sich  von  der  mittleren  Sehne  trennen,  um  zu  ihrem  Fixationspunkt 
an  der  hinteren  Fläche  der  letzten  Phalanx  zu  gelangen,  unter  der 
Abhängigkeit  der  Extensores  digitorum  ständen,  und  daß  demzufolge 
diese  letzteren  Muskeln  als  die  wirklichen  Strecker  der  3  Phalangen 
betrachtet  werden  müßten ;  2)  daß  die  Flexoren  mit  gleicher  Kraft  auf 
alle  3  Phalangen  wii'kten." 

Gleichzeitig  schreibt  er  jedoch  S.  224—225,  daß  Columbus,  ein 
berühmter  Anatom  des  16.  Jahrhunderts,  sagt:  „daß  diese  Muskeln 
mit  einer  Sehne  endigen,  die,  der  Länge  der  Finger  nach  an  ihrer 
Außenseite  verlaufend  Adhärenzen  mit  dem  Extensor  communis  ein- 
geht, und  an  der  3.  Phalanx  endigt",  oder  wörtlich:  „Desinunt 
autem  (vermiculares)  in  teretem  et  nerveum  tendinem  et  per  internes 
digitos  delati  juxta  eorum  longitudinem,  adhaerescunt  tendinibus  primi 
musculi  exterioris ,  a  quibus  quattuor  digiti  extendebantur  et  in 
tertium  articulum  suis  flnibus  immittuntur,  non  autem  in  primum, 
quemadmodum  Galenus  et  Vesalius  voluere. 

Falloppio  weicht  insofern  von  ihm  ab,  daß  er,  anstatt  die  Sehnen 
der  Lumbricales  an  den  3.  Phalangen  endigen  zu  lassen,  behauptete, 
daß  sie  sich  ungefähr  in  der  Mitte  des  ersten  Gelenkes  inserierten 
(des  Gelenkes  zwischen  der  1.  und  2.  Phalanx). 

Falloppio  sagt  nämlich,  bei  Zurückweisung  der  Ansichten  seines 
Lehrers  Vesal  :  Dissideo  ab  eodem  Vesalio  sub  musculis  qui  manum 
movent.    Quoniam,  dum  tradit  insertionem  et  usum  illorum  quattuor, 

234 


Wirkung  der  M.  interossei.  235 

qui  parvi  adraodum  in  vola  haerent  chordis  secuudi  musculi,  ter- 
tium  dig-itorum  internodiuni  flectentes,  asserit  hos  musculos  implantari 
in  primum  digitorum  os,  atque  manus  hoc  subire,  ut  digitos  introagant 
et  ad  pollicein  adducant.  Dico  hos  musculos  non  inseri  in  primum 
os  digitorum,  sed  potius  desinere  in  chordam  posteriorem,  quae  omnes 
digiti  articulos  extendit,  atque  insertio  haec  circa  medium  primi 
internodii  fieri  solet." 

S.  226  sagt  Duchenne  des  weiteren:  „Die  anatomische  Ent- 
deckung der  Interossei  verdankt  man  Galen.  Er  ist  auch  der  erste, 
der  erkannt  hat,  daß  sie  die  1.  Phalanx  beugen."  Weiter  unter 
279  (S.  226) :  „Die  Kenntnis  der  Wirkung  der  Interossei  auf  die  zwei 
letzten  Phalangen  hat  man  wieder  dem  Beobachtungsgenie  Fallopias 
im  16.  Jahrhundert  zu  verdanken,  da  diese  Muskeln  sich  seitlich  zu 
den  Sehnen  der  Extensoren  begeben  und  sich  an  denselben  anheften, 
um  zur  Streckung  der  zweiten  und  dritten  Phalangen  zu  dienen." 

Dann  weiter  unter  280  (S.  227):  „Im  Jahre  1732  gab  Winslow  i) 
zwei  verschiedene  Sehnen  an,  die  den  Interosseis  gehörten,  davon 
hefte  sich  die  eine  an  die  erste  Phalanx,  die  andere 
setze  sich  in  die  seitlichen  Bändchen  des  Extenso r 
communis  fort;  er  beschrieb  auch  die  Funktion  der  Interossei  und 
Lumbricales  weit  besser,  wie  seine  Vorgänger,  und  betrachtet  sie 
als  Beuger  der  ersten  Phalangen  und  Strecker  der 
beiden  letzten. 

Von  berühmten  Anatomen,  die  die  Meinungen  Fallopias  und 
Winslows  bezüglich  des  anatomischen  Verhaltens  und  der  Funk- 
tion der  Interossei  und  Lumbricales  geteilt  haben,  führe  ich 
SÖMMERiNG,  Sabatier  uud  BoYER  an." 

Hierdurch  gibt  Duchenne  selbst  den  historischen  Nachweis,  daß 
auch  die  sogenannten  alten  Anatomen  bereits  alles  über  die  Funk- 
tion der  M.  interossei  Wichtige  gekannt  haben,  ohne  daß  sie  zuerst 
die  Elektrophysiologie  zu  Rate  ziehen  brauchten. 

Die  darauf  folgende  Polemik  gegen  Herrn  Cruveilhier  ist  ge- 
hässig. Wer  Interesse  für  das  Recht  der  Priorität  hat,  ob  den  alten 
erwähnten  Anatomen,  den  neueren  wie  Cruveilhier,  Bouvier  oder 
Jarjavay,  oder  den  elektrophysiologischen  Untersuchungen  des  Herrn 
Duchenne  die  Siegespalrae  zuzuerkennen  ist,  möge  sich  selbst  des 
Durchlesens  der  teilweise  recht  unerquicklichen  Seiten  224 — 245  unter- 
ziehen. 

Von  interessanten  Einzelheiten  gibt  er  an  288  (S.  232):  „das 
Fehlen  der  ausschließlich  phalangealen  Anheftung  eines  Interosseus 
habe  ich  selbst  an  einem  Finger  konstatiert,  den  Herr  Jarjavay  die 
Güte  hatte,  unter  meinen  Augen  zu  präparieren",  und  des  weiteren: 
„der  doppelte  Ansatz  der  Interossei  außer  an  der  Dorsalaponeurose 
auch  noch  an  der  Seite  der  Basis  der  Grundphalanx  ermöglicht  es 
der  letzteren,  die  Seitwärtsbewegung  der  ersten  Phalanx  unabhängig 
von  der  Beugung  auszuführen." 

Etwas  schwer  verständlich  erschien  uns  die  S.  234  und  235  (unter 
292)  geschilderte  gemeinschaftliche  Wirkung  auf  sämtliche  Phalangen. 
Wie  wir  es  bei  unseren  anatomischen  Versuchen  überall  durchgeführt 
haben,  brachten  wir  die  Gelenke  in  diejenige  Stellung,  welche  der 
zu  erwartenden  Wirkung  des  untersuchten  Muskels  entgegengesetzt 

1)  Observationum  anatomicarum  Fallopii  examen. 


236  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

erschien,  und  waren  sicher,  die  richtige  Lage  gewonnen  zu  haben,, 
wenn  der  Muskel  straff,  d.  h.  passiv  gedehnt  war,  während  am  Leben- 
den gerade  bei  dieser  Stellung  der  höchste  Grad  der  Nichttätigkeit 
entwickelt  ist.  Für  die  Wirkung  eines  M.  interosseus  auf  Beugung 
oder  Streckung  der  einzelnen  Phalangen  ist  im  Präparate  möglichst 
folgende  Grundhaltung  zu  geben:  1)  Extension,  noch  besser  Hyper- 
extension  der  Grundphalangen  (Nachahmung  der  Wirkung  des  M.  ex- 
tensor  digitorum  communis);  2)  Beugung  der  Mittel-  und  Nagel- 
phalanx (Nachahmung  der  Wirkung  der  M.  flexores  digitorum  sublimis 
und  profundus).  Vielfach  ließ  genau,  wie  bei  dem  elektrophysio- 
logischen  Versuche,  ein  Zug  schon  an  einem  M.  interosseus  oder 
lumbricalis  die  schon  so  oft  erwähnte  verschiedene  Wirkung  auf  die 
einzelnen  Phalangen  prompt  hervorgehen,  nämlich  die  Beugung 
der  Grundphalanx  bei  gleichzeitiger  Streckung  der  2.  und  letzten. 
Anatomisch  ist  keine  Schwierigkeit  der  Erklärung  vorhanden,  weil  die 
Sehne  nicht  in  3  einzelne  Zipfel  zerfällt,  sondern  in  einheitlicher, 
wenn  auch  nicht  gleichmäßig  starker  Schicht  zusammenhängt.  Selbst- 
verständlich kann  bei  nur  einseitigem  Zuge  an  einem  M.  interosseus 
oder  lumbricalis  das  Bild  der  einfachen  Beugung  der  Grundphalanx 
durch  die  Ab-  bezw.  Adduktion  gestört  werden. 

Für  die  Hyperextension  der  beiden  letzten  Phalangen  gibt 
Duchenne  folgende  Erklärung  S.  236—237  (294) :  „als  ich  Gelegen- 
heit fand,  Sektionen  an  Personen  zu  machen,  bei  denen  sich  die 
Fingerphalangen  normalerweise  beträchtlich  gegen  einander  zurück- 
bogen, konnte  ich  konstatieren,  daß  in  diesen  Fällen  die  mediane 
Sehne  des  Extensor  digitorum  communis  zu  frei  spielte,  und  die 
Fasern,  die  sie  an  die  Articulatio  metacarpophalangea  befestigten,, 
eine  übermäßige  Dehnung  erlitten  hatten.  Andererseits  habe  ich  bei 
Individuen,  deren  Phalangen  sich  so  überbogen,  beobachtet,  daß  diese 
Ueberbiegung  bei  der  Faradisation  der  Interossei  noch  zunahm." 

Die  übermäßige  Dehnung  kann  so  weit  gehen,  wie  wir  in 
einem  Falle  beobachtet  haben,  daß  die  Strecksehne  durch  einen  Schleim- 
beutel, der  nicht  mit  der  Gelenkhöhle  zusammenzuhängen  braucht,  voll- 
kommen von  der  Gelenkkapsel  getrennt  ist. 

Muskelbündellänge. 

M.  interosseus  dorsalis  I:    Minimum  2,4  cm 

Maximum  3,5   „ 

Durchschnitt  aus  7  Messungen  3      „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,1,  in  Prozenten  46  "/o^ 

M.  interosseus  dorsalis  II:  Minimum  2     cm 

Maximum  3      „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen  2,6   „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,  in  Prozenten  50  "/q. 

M.interosseus  dorsalis  III:  Minimum  1,8  cm 

Maximum  .  2,5   „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen  2,1    „ 
Unterschied  in  Centimetern  0,7,  in  Prozenten  39  »/o^ 

M.interosseus  dorsalis  IV:  Minimum  1,8  cm 

Maximum  3,5    „ 

Durchschnitt  aus  6  Messungen  2,6   „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,7,  in  Prozenten  94  7o* 

In  toto:  Minimum  1,8  cm 

Maximum  3,5    „ 

Durchschnitt  aus  25  Messungen  2,6   „ 
Unterschied  in  Centimetern  1,7,  in  Prozenten  94  7«- 

236 


M.  interossei  dorsales. 


237 


Segmeiitbezüge. 
8.  Cervicalnerv,  I.  Thoracalnerv. 

Gewicht. 


Gewicht 


•     .^.  Muskel- 

^°  *°^        Substanz 


Sehnen - 
Substanz 


Muskel- 
substanz 
in  Proz. 


M.  interosseus  dorsalis  I. 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

7 

5,5 
13 
12,5 

5,8 

5 
11 
10 

1,2 
0,5 

2,5 

83 
91 
84,6 
80 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

9,5 

7,9 

1,6 

84,6 

M.  interosseus  dorsalis  II. 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 


Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 


4 

3,5 
6,5 
6 


3 
2,6 

5,2 
5 


3,9 


M.  interosseus  dorsahs  III. 


interosseus  dorsalis  IV. 


1 

0,9 

1,3 

1 


1,1 


75 
74,3 
80 
83,3 


78,1 


I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

6 
6 

3 

2,2 
4,5 
4,5 

0,5 

o;8 

1,5 
1,5 

86 
73,4 
75 
75 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

4,6 

3,8 

0,8 

77,4 

I.  rechter  schwacher  Arm 
II.  linker  schwacher  Arm 

III.  rechter  starker  Arm 

IV.  linker  starker  Arm 

2,75 
2 
4 
4 

1,75 
1 

3,5 
3,5 

1 
1 

0,5 
0,5 

60 
50 
87,5 
87,5 

Durchschnitt  aus  diesen  Messungen 

4,6 

3,8 

0,8 

71,3 

Varietäten  der  Handmuskeln. 

Dieselben  sind  außerordentlich  zahlreich.  Diese  Häufigkeit  hat 
aber  nichts  Wunderbares  mehr,  wenn  man  daran  denkt,  daß  die  Hand- 
muskeln, wie  sie  beim  Menschen  vorhanden  sind,  vom  phylogenetischen 
Standpunkte  aus  erst  rezente  Bildungen  sind,  welche  sich  auch  jetzt 
noch  weiter  ausbilden  und  deshalb  auch  individuelle  Verschiedenheiten 
darbieten,  Etappen  der  großen  allgemeinen  Entwickelung,  wie  sie  sich 
im  Einzelfalle  gerade  vorfinden  (Poirier,  S.  158). 

Daumenballen. 

Der  M.  abductor  poUicis  brevis  kann  fehlen  (Fromont, 
Bulletin  de  la  Societe  anat.  de  Paris,  Avril  1895),  in  2  Köpfe  geteilt 
sein,  einen  überzähligen  Ursprung  haben,  und  zwar  von  dem  Kahn- 
beine, dem  Proc.  styloideus  radii  oder  der  Fascia  antebrachii. 


237 


238  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Die  sehnige  Verbindung  mit  dem  M.  abductor  pollicis  longus  ist 
so  oft  vorhanden,  daß  wir  sie  als  normal  bezeichnen  müssen,  aber  er 
kann  sich  auch  mit  anderen  Nachbarmuskeln  in  ähnlicher  Weise  ver- 
einigen, mit  dem  M.  extensor  carpi  radialis  longus  (Cruveilhier), 
dem  M.  opponens  (Macalister)  oder  dem  M.  extensor  pollicis  brevis 
(Kelly). 

Der  M.  opponens  pollicis  kann  fehlen  (Ledouble,  Fromont), 
in  anderen  Fällen  zweiköpfig  sein,  wie  es  bei  einigen  Anthropoiden 
die  Regel  ist. 

Der  M.  flexor  pollicis  brevis  kann  fehlen  (Gegenbaur, 
Fromont,  Macdonald,  Brown),  im  ganzen  selten,  häufiger  aber 
das  Caput  profundum.  Die  Verschiedenheiten  in  der  Stärke  des 
Muskelbauches  und  des  Ursprunges  sind  sehr  erheblich.  Beide  Köpfe 
können  doppelt  sein,  so  daß  ein  M.  quadriceps  entsteht. 

An  den  freien  Rändern  hängt  der  Muskel  mit  seinen  Nachbarn 
sehr  oft  innig  zusammen,  d.  h.  das  Caput  superficiale  radiale  mit  dem 
M.  opponens  und  das  Caput  profundum  ulnar  mit  dem  M.  adductor 
pollicis.  Ueber  die  Bedeutung  dieser  Verschmelzung  haben  wir  schon 
oben  gesprochen. 

Der  M.  adductor  pollicis  gehört  zu  den  niemals  fehlenden 
Muskeln,  Brown  und  Fromont  haben  je  einen  Fall  beschrieben,  in 
dem  die  anderen  Muskeln  des  Daumenballens  fehlten,  aber  der  M.  ad- 
ductor vorhanden  war. 

Chudzinski  (Bull.  Societe  d'Anthropologie,  1881,  p.  748)  hat  das 
Fehlen  der  mittleren  Bündel  beobachtet,  so  daß  das  Caput  carpale 
und  metacarpale  sehr  deutlich  voneinander  geschieden  waren.  Die 
Insertionen  an  der  Gelenkkapsel  können  weit  über  das  Sesambein 
hinausreichen  (Bourgery,  Merkel).  Hierdurch  gewinnt  der  Muskel 
einmal  größere  Aehnlichkeit  mit  dem  M.  adductor  hallucis,  dann 
aber  auch  mit  den  M.  interossei. 

Klein  fingerballen. 

Der  M.  palmaris  brevis  fehlt  selten  (1 :  45  =  2,2  Proz.  Maca- 
lister); (3:137  =  2,2  Proz.  Ledouble);  bisweilen  ist  er  sehr  stark 
entwickelt  und  entspringt  noch  an  der  Sehne  des  M.  flexor  carpi 
ulnaris. 

Der  M.  abductor  digiti  minimi  kann  fehlen  (Macalister), 
doppelt  sein  (Flower)  oder  sogar  dreifach  (Chudzinski);  bisweilen 
verschmilzt  er  mit  dem  M.  flexor  brevis.  Chaussier  sieht  dieses 
Verhalten  als  normal  an  und  gibt  beiden  Muskeln  zusammen  den 
Namen  Carpo-phalangien  du  petit  doigt.  Er  kann  ein  überzähliges 
Bündel  von  dem  Lig.  carpi  dorsale,  der  Sehne  des  M.  flexor  carpi 
radialis  oder  der  Fascia  antebrachii  erhalten. 

Der  M.  flexor  brevis  digiti  minimi  kann  fehlen  (J.  Cloquet  und 
Wood)  oder,  wie  eben  erwähnt,  mit  dem  M.  abductor  und  selbst 
mit  dem  M.  opponens  verschmelzen. 

Ueber  den  M.  opponens  ist  noch  zu  sagen,  daß  er  fehlen  kann 
(Macalister). 

M.  interossei. 

Die  Zwischenknochenmuskeln  können  sich  verdoppeln,  was  bei 
Fleischfressern    die   Regel   ist.     Einer    oder    der    andere    kann  auch 

238 


Fascien.  239 

fehlen.  Eine  sehr  interessante  Anomalie  ist  der  Ansatz  des  M. 
interosseus  dorsalis  II  am  Zeigefinger  und  die  des  im  zweiten  Zwischen- 
knochenraume  liegenden  M.  interosseus  volaris  am  Mittelfinger.  Es 
ist  das  genau  das  gleiche  Verhalten,  wie  es  beim  Fuße  die  Regel  ist. 
Bei  einer  solchen  Anordnung  der  Zwischenknochenmuskeln  darf  die 
Achse  der  Hand  nicht  durch  den  Mittelfinger,  sondern  sie  muß 
durch  den  Zeigefinger  gelegt  werden. 

In  den  V.  B.  überzähliger  Ursprungskopf  des  M.  interosseus  dor- 
salis I  dicht  proximal  vom  Capitulum  ossis  metacarpalis  III  (No.  73). 
Unsere  eigenen  Beobachtungen  von  3  Fällen  eines  teilweise  sehr 
breiten,  noch  dorsal  vom  M.  interosseus  dorsales  I  gelegenen  Muskel- 
bauches zwischen  dem  Os  metacarpale  I  und  II  finden  wir  auch  in 
den  V.  B.  unter  No.  298  angegeben.  Der  Name  M.  intermetacarpalis  I 
dürfte  dem  Verständnisse  keine  Schwierigkeiten  bereiten.  Funktionell 
handelt  es  sich  um  eine  Näherung  des  Os  metacarpale  I  gegen  das 
Os  metacarpale  II.  Jedoch  muß  auch  hier  Rücksicht  darauf  genommen 
werden,  ob  dieser  oder  jener  Knochen  das  Punctum  fixum  darstellt. 
Nach  der  für  die  M.  opponentes  manus  et  pedis  geltenden  Darstellung 
wäre  man  sogar  berechtigt,  diesen  Muskel  als  M.  opponens  dorsalis 
pollicis  zu  betrachten. 


C.  Anhang. 
I.  Fascien. 

Allgemeine  Betrachtung. 

Die  Fascien  der  Extremitäten  weichen  dadurch  von  der  des 
Rumpfes  ab,  daß  sie  nicht  nur  als  dichtere  Lage  von  geformtem 
Bindegewebe  die  Oberfläche  der  Muskeln  und  Sehnen  bedecken, 
sondern  sich  vielfach  so  eng  mit  ihnen,  besonders  den  letzteren  ver- 
einigen, daß  einzelne  Muskelbündel  oder  auch  ganze  Muskeln  aus  der 
Fascie  zu  entspringen  scheinen ;  es  wird  dann  sogar  von  einer  höheren 
Differenzierung  gesprochen.  Das  Gemeinsame  ist,  daß  überall  da,  wo 
Knochenteile  an  der  Oberfläche  des  Körpers  vorspringen,  sich  auch 
die  Fascie  mit  dem  Perioste  verbindet.  Am  Rumpfe  sind  es  oben 
die  hintere  Schädelfläche,  entsprechend  der  Linea  nuchae  superior, 
am  Schultergürtel  die  Clavicula  und  die  Spina  scapulae,  unten  haupt- 
sächlich die  Crista  iliaca,  welche  man  sich  aber  nach  hinten-unten 
bis  zur  Steißbeinspitze,  vorn  durch  das  Lig.  inguinale  (Pouparti)  bis 
zum  Tuberculum  pubicum  und  weiterhin  noch  bis  zur  Symphyse  ver- 
längert denken  muß;  in  der  Mittellinie  liegt  vorn  das  Brustbein, 
hinten  die  doch  als  einheitliche  Ursprungslinie  aufzufassende  Reihe 
der  Dornfortsätze  der  Wirbelsäule ;  jedenfalls  überall  lange  Knochen- 
ursprünge und  breite  Muskeln. 

Beim  Uebergange  des  Rumpfes  in  die  freie  obere  Extremität 
haben  wir  teilweise  die  gleichen  Ursprungsbedingungen;  deshalb  ist 
auch  beim  M.  deltoideus  (und  glutaeus  maximus)  die  Fascie  der  des 
Rumpfes  ähnlich  gebaut. 

239 


240  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Die  Knochen  des  freien  Armes  sind  aber  zum  großen  Teile  in 
der  Tiefe  verborgen  und  treten  deutlicher  und  massiger  erst  an  den 
Gelenkenden  an  die  Oberfläche. 

Die  Binde  stellt  im  allgemeinen  eine  häutige  Röhre  dar,  zu 
welcher  sich  der  Knochen  bald  konzentrisch,  wie  Humerus  und  Femur, 
bald  exzentrisch,  wie  Ulna  und  Tibia,  verhält.  Bei  letzterem  Knochen 
ist  die  Anteilnahme  an  der  Oberfläche  so  bedeutend,  daß  er  einen 
nicht  unbeträchtlichen  Teil  der  osteoflbrösen  Röhre  einnimmt. 

Die  scharfe  Trennung  der  einzelnen  Muskelgruppen  nach  ihren 
Wirkungen  bedingt  ferner  eine  deutlichere  Sonderung  durch  Zwischen- 
wände, welche  je  nach  ihrer  Stärke  als  Fascien,  Septa  intermuscularia 
oder,  wie  weiterhin  auseinandergesetzt  werden  soll,  als  Aponeuroses 
intermusculares  bezeichnet  werden  müssen;  daß  auch  die  Membranae 
interosseae,  besonders  in  praktischer  Hinsicht,  als  Teile  des  Fascien- 
apparates  aufzufassen  sind,  braucht  wohl  nicht  besonders  hervor- 
gehoben zu  werden. 

Die  Fascien  sind  aus  demselben  Materiale  gewebt,  wie  die  Sehnen 
und  Aponeurosen,  glänzende  Fasern  und  Bündel,  welche  als  dünne, 
hautähnliche  Ausbreitung  die  ganze  Extremität  einhüllen  und  je  nach 
ihrer  Anheftungsbedingung  die  darunter  liegenden  Knochen  und 
Muskeln  verhüllen. 

Besonders  an  den  Extremitäten,  wo  eine  solche  Sonderung  mit 
Leichtigkeit  durchführbar  ist,  unterscheiden  wir  die  allgemeine,  das 
ganze  Glied  deckende  Binde  von  den  darunter  gelegenen  Spezial- 
fascien.  Die  besondere  Binde  mag  als  Perimysium  externum  einen 
Muskel  für  sich,  als  Periost  einen  Knochen  umhüllen,  durch  die  Glied- 
binde, die  Fascia  extremitatis  communis,  wird  erst  der  Zusammen- 
hang gewonnen. 

Die  Gliedbinde  kann  mit  einem  eng  anliegenden  Trikot  ver- 
glichen werden,  oder  auch  mit  einem  Gummistrumpfe,  wie  er  bei  Er- 
krankungen des  Zirkulationsapparates  vielfach  an  der  unteren  Ex- 
tremität Anwendung  findet;  nur  darf  nicht  der  mit  „Gummi"  ver- 
bundene Begriff  „Elastizität"  ohne  weiteres  auf  die  Fascie  übertragen 
werden.  Schmiegsam  ist  dieselbe  allerdings  in  höchstem  Grade,  aber 
doch  nicht  so  elastisch,  daß  ihre  Wirkung  genügen  könnte,  den 
Ruhezustand  wiederjierzustellen,  wie  es  beispielsweise  die  elastischen 
Bänder  des  Kehlkopfes  und  die  Lig.  flava  der  Wirbelsäule  vermögen. 
Indessen  enthält  jede  Fascie  hinreichend  elastische  Elemente,  wie 
jedes  andere  Bindegewebe,  daß  sie  auch  ausgiebigen  Verschiebungen, 
wie  sie  an  den  Beugeseiten  der  Extremitäten  vorkommen,  mit  Leichtig- 
keit gerecht  wird.  Genau,  wie  der  Trikot  sich  den  an-  und  ab- 
schwellenden Formen  des  Körpers  anschließt,  ohne  doch  Falten  zu 
werfen,  so  auch  die  Gliedfascie.  Ist  z.  B.  der  Arm  gestreckt,  so  wird 
die  Binde  eine  eng  anliegende,  glatte  Hülle  für  den  Biceps,  und 
dennoch  folgt  sie  der  Anschwellung  dieses  Muskels,  mag  er  sich  auch 
auf  die  doppelte  Höhe  erheben,  und  sie  tut  es,  ohne  den  leisesten 
Widerstand  zu  verursachen. 

Eine  weitere  Uebereinstimmung  liegt  darin,  daß  der  anliegende 
Trikot,  ebenso  wie  die  Muskelbinde,  nach  irgend  einem  Schnitte 
oder  Risse  sofort  klaffen.  Der  Druck  der  Unterlage  trägt  daran 
die  Schuld.  Bei  dem  Menschen  sind  die  Muskeln  so  fest  von  der 
Fascie    umschnürt,    daß   sogar  das  Fleisch  aus  dem   Spalte   hervor- 

240 


Fascien.  241 

quillt  (Muskelhernie).  Allein  mit  der  Schmiegsamkeit  und  einem  ge- 
wissen Drucke  auf  die  darunterliegenden  Gebilde  hört  die  Ueberein- 
stimmung  auf;  in  allen  anderen  Punkten  ist  die  Fascie  völlig 
verschieden,  weil  sie  nämlich  nicht  wie  der  Trikot  nach  Gebrauch 
abgestreift  werden  kann,  sondern  sowohl  haut-  wie  knochenwärts  nur 
künstlich  trennbar  mit  ihrer  Nachbarschaft  zusammenhängt:  mit  der 
Haut  durch  stärkere  und  dünnere  Bindegewebsbalken  und  -platten, 
sowie  durch  die  Hautgefäße  und  Nerven,  mit  der  Tiefe  durch  derbere 
Züge,  welche  zwischen  den  Muskeln,  Sehnen,  Gefäßen  und  Nerven 
ihre  Anheftung  am  Knochen  suchen. 

Gerade  die  tiefen  Verbindungen  der  Fascie  müssen  uns  in  der 
Muskellehre  beschäftigen,  und  zwar: 

1)  als  scheiobare  Ursprünge  von  oder  Ansätze  der  Muskulatur 
an  dem  oberflächlichen  Blatte  der  Binde; 

2)  als  Septa  intermuscularia,  wie  sie  am  Oberarme,  Ober-  und 
Unterschenkel  zur  Genüge  bekannt  sind; 

3)  als  Membranae  interosseae  an  Vorderarm  und  Unterschenkel ; 

4)  als  Ring-,  Kreuz-  oder  Schleuderbänder:  Lig.  carpi  dorsale, 
anularia  et  cruciata  digitorum  manus,  Lig.  transversum  cruris, 
cruciatum  pedis  etc.; 

5)  als  Ursprungsaponeurosen  zwischen  benachbarten  Muskeln,  be- 
sonders am  Vorderarme.  Diese  gehören  nicht  zu  den  Septa  inter- 
muscularia, sind  aber  doch  für  die  Architektur  der  Muskeln  und  der 
daraus  sich  ergebenden  Innervation  von  der  größten  Bedeutung  und 
verdienen  als  Aponeuroses  intermusculares  schon  aus  dem  Grunde 
die  ausführlichste  Beschreibung,  als  sie  bisher  nicht  in  dieser  Weise 
dargestellt  zu  sein  pflegen. 

Die  eben  gegebenen  Unterabteilungen  dürfen  durchaus  nicht  als 
zu  weitschweifig  angesehen  werden,  wie  aus  folgenden  Darstellungen 
ersehen  werden  mag. 

Ad  1.  Um  überhaupt  ein  anschauliches  Bild  von  der  unrichtigen 
Darstellung  einer  Binde  zu  bekommen,  braucht  man  sich  bloß  an  den 
M.  tensor  fasciae  latae  zu  halten.  Unter  einer  Fascie  verstehen  wir 
eine  membranöse  (d.  h.  nicht  gleichmäßig  sehnige,  aponeurotische) 
Ausbreitung  über  einem  Körperteile,  welche  im  allgemeinen  senkrecht 
zur  Richtung  der  Muskelbündel  orientiert  ist,  nämlich  an  den  Ex- 
tremitäten quer  zur  Längsrichtung  des  Gliedes.  Es  ist  nun  nichts 
leichter,  als  nachzuweisen,  daß  die  Fascia  lata  des  Oberschenkels  aus 
transversalen  Zügen  besteht,  welche  die  longitudinalen  Fasern  des 
Tractus  iliotibialis  überkreuzen.  Nach  dem  Verfahren  von  Frohse, 
welches  derselbe  seit  10  Jahren  immer  mit  gleich  günstigem  Erfolge 
anwendet,  geht  man  etwa  5  cm  oberhalb  des  Kniegelenkspaltes  scharf 
auf  den  Tractus  iliotibialis  ein,  bis  man  auf  die  longitudinale  Fase- 
rung gelangt.  Die  vordere  Begrenzung  des  MAissiATschen  Streifens 
in  der  Verlängerung  des  vorderen  Randes  des  M.  tensor  fasciae  latae 
und  die  hintere  Abgrenzung,  ungefähr  entsprechend  der  Mitte  des 
M.  glutaeus  maximus,  muß  allerdings  vorher  gemacht,  und  außer- 
dem das  Präparat,  was  nachträglich  durch  Aufquellen  in  Wasser  nicht 
immer  mehr  gut  zu  machen  ist,  vor  Austrocknung  geschützt  gewesen 
sein.  Sind  aber  keine,  durch  Unvorsichtigkeit  entstandenen,  prä- 
paratorischen Schwierigkeiten  vorhanden,  so  gelingt  es  leicht,  durch 
den   zwischen  transversaler  und  longitudinaler  Schicht   eingeführten 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  II,  2.  Iß 

241 


242  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Daumen,  einen  großen  Teil  des  Tractus  iliotibialis  als  atlasschülernde 
Lamelle  darzustellen,  frei  von  allen  transversalen  Elementen,  welche 
die  hochgehobene  Platte  der  Fascia  lata  darstellen.  Es  ist  Frohse 
verschiedentlich  gelungen,  die  longitudinalen  Sehnenzüge  vom  Darm- 
beine bis  zum  Schienbeine  zu  verfolgen,  ohne  daß  an  irgend  einer 
Stelle  eine  transversale  Beimischung  dabei  gewesen  wäre,  welche  ja 
einem  Teile  der  Fascia  lata  entsprochen  habe  würde.  Ueberhaupt 
stellt  der  MAissiATsche  Streifen,  nach  der  Daumennagelmethode  prä- 
pariert, das  schönste  Beispiel  einer  Aponeurose  dar,  wie  es  klarer 
und  übersichtlicher  nicht  einmal  bei  der  Bauchmuskulatur  nach- 
zuweisen ist.  Wir  behaupten  deshalb,  schon  an  dieser  Stelle,  daß  der 
Name  M.  tensor  fasciae  latae  zu  Unrecht  besteht:  der  Muskel  ist, 
wenn  er  für  sich  allein  wirkt,  Einwärtsdreher  und  Heber  des  Beines 
nach  vorn-innen;  wenn  aber  diese  Wirkung,  entsprechend  dem 
Parallelogramme  der  Kräfte,  durch  den  entgegengesetzten  Zug  des 
M.  glutaeus  maximus  aufgehoben  ist,  so  wirkt  er  mit  ihm  zusammen 
als  M.  abductor  des  gestreckten  Beines. 

Ad  2.  Die  Zwischenmuskelbänder  sind  durchaus  nicht  einheit- 
liche Gebilde,  wie  ihr  Name  vermuten  lassen  könnte.  Ihr  binde- 
gewebiges Gerüst  setzt  sich  vielmehr  aus  festeren  und  dünneren  Ab- 
schnitten zusammen,  deren  Faserung  durchaus  nicht  senkrecht  zur 
Muskelfaserung  angebracht  zu  sein  braucht.  Diese  Betrachtung  ist  von 
theoretischem  Interesse,  weil  es  sich  (vergl.  No.  5)  um  die  Frage: 
ob  Fascie  oder  Aponeurose,  handelt.  Das  Septum  intermusculare 
brachii  mediale  könnte  zu  Mißverständnissen  Veranlassung  geben. 
Nach  unserer  Meinung  ist  nämlich  derjenige  Teil  des  Septum,  welcher 
vom  N.  ulnaris  durchbohrt  wird,  ein  Sehnenfascikel ,  also  eine 
Aponeurose,  welche  als  rudimentäres  Gebilde  sich  vom  Ansätze  des 
M.  coracobrachialis  an  der  medialen  Seite  der  Mitte  des  Oberarm- 
beines bis  zum  Epicondylus  medialis  humeri  verlängert  (Analogie  mit 
den  Adductoren  des  Oberschenkels). 

Ad  3,  4  und  5.  Die  unter  diesen  Ziffern  angedeuteten  Punkte 
bedürfen  jedesmal  einer  genauen  Erläuterung  durch  den  einzelnen  Fall. 
Es  kann  deshalb  erst  nach  Abhandlung  auch  der  unteren  Extremität 
versucht  werden,  dem  Leser  ein  zusammenhängendes  Bild  über  die 
angeregten  Fragen  zu  geben,  obschon  in  der  Einzelbeschreibung  den 
allgemeinen  Gesichtspunkten  Rechnung  getragen  werden  soll. 


Fascie  der  Schulter. 

Dieselbe  sondert  sich,  soweit  sie  zum  Arme  gehört,  deutlich  in 
2  Unterabteilungen,  eine  oberflächliche  und  eine  tiefe  Schicht.  Erstere 
deckt  die  oberflächliche  Lage  der  Schultermuskeln  zu,  entspricht  also 
dem  M.  deltoideus  —  Fascia  deltoidea  —  letztere  umhüllt  sämtliche 
Rollmuskeln,  welche  ja  vom  Schulterblatte  ausschließlich  entspringen. 
Als  zusammenfassender  Name  dürfte  die  Bezeichnung,  Fascia  scapularis, 
verständlich  sein.  Sie  zerfällt  jedoch  entsprechend  den  gleichnamigen 
Gruben  des  knöchernen  Schulterblattes  in  3  Unterabteilungen :  Fascia 
supraspinata,  infraspinata  und  subscapularis.  Von  der  Fascia  infra- 
spinata  nicht  miteingehüllt  wird  der  M.  teres  major,  der  als  accesso- 
rischer  scapularer  Ursprung  des  M.  latissimus  dorsi  aufgefaßt  werden 

242 


Fascie  der  Schulter,  243 

kann.  Gerade  die  Binde  über  dem  M.  teres  major  ist  auffallend  dünn, 
was  aber  eine  ungezwungene  physiologische  Erklärung  dadurch  findet, 
daß  dieser  Muskel  bei  der  Erhebung  des  Armes  eine  ganz  bedeutende 
Verlängerung  erleidet,  während  er  bei  der  Kontraktion  bei  nach  hinten, 
über  die  Mittellinie  hinaus  und  gleichzeitig  einwärts  gedrehtem  Arme 
eine  Verkürzung  um  die  Hälfte  erfährt,  welche  bei  geeigneten  Modellen 
durch  die  Haut  hindurch  zu  erkennen  ist.  Die  Fascia  deltoidea  läßt 
sich  im  aUgemeinen  nur  schwer  präparieren,  besonders  im  unteren 
Abschnitte,  wo  das  Unterhautfettgewebe,  namentlich  bei  Frauen,  sehr 
reich  entwickelt  zu  sein  pflegt.  Sie  sendet  zwischen  die  einzelnen 
Muskelbündel  ziemlich  derbe  Scheidewände  bis  zur  Tiefe  des  Muskels, 
unter  denen  eine  besondere  Erwähnung  verdient.  Sie  grenzt  näm- 
lich in  scharfer  Weise  die  Portio  spinata  von  dem  bei  weitem 
größeren  Reste  des  Muskels  ab.  Immerhin  erschweren  die  binde- 
gewebigen Scheidewände,  welche  dem  M.  deltoideus  die  groben  Bündel 
verschaffen,  die  Präparation  der  Nerven  ungemein,  namentlich  wenn 
man  von  der  Facies  superficialis  aus  auf  sie  fahndet.  Die  Fascia 
deltoidea  profunda  ist  entsprechend  dem  geringeren  Umfange  der 
tiefen  Fläche  kleiner  und  wird  vor  allem  durch  die  breite  Insertions- 
fläche  der  Endsehne  verkleinert.  Außerdem  weist  sie  in  der  Mitte  des 
Muskels  eine  ganze  Reihe  von  Lücken  auf,  durch  welche  die  ein- 
zelnen Nerven  und  Gefäße  zum  Muskelfleische  gelangen.  In  dem 
hinteren- oberen  Teile  verschmilzt  sie  mit  der  Fascia  infraspinata,  im 
übrigen  ist  sie  jedoch  in  scharfer  Weise  von  den  Rollmuskeln  und 
vor  allem  von  der  fälschlich  so  genannten  Bursa  subdeltoidea  ge- 
trennt. Ueber  unsere  diesbezügliche  Auffassung  möge  bei  der  Bursa 
subacromialis  (siehe  S.  31)  nachgesehen  werden. 


Fascia  scapularis. 

Nach  der  Mächtigkeit  der  Binde  sind  die  Unterabteilungen  in 
der  Reihenfolge :  Fascia  infraspinata,  supraspinata  und  subscapularis 
zu  beschreiben. 

Fascia  infraspinata. 

Dieselbe  liegt  nicht  allein  in  der  Tiefe  verborgen,  sondern  ge- 
hört sogar  mit  einem  ebenso  großen  Abschnitte  dem  Oberflächenbilde 
an,  und  gerade  an  dieser  Stelle,  in  dem  Räume  zwischen  M.  deltoideus, 
teres  major  (latissimus  dorsi)  bis  zum  medialen,  vertebralen  Rande 
des  Schulterblattes  hin  bildet  sie  eine  der  mächtigsten  Binden  des 
Körpers,  indem  sie  noch  durch  einen  aponeurotischen  Zug  verstärkt 
wird,  welcher  sich  etwas  oberhalb  des  Angulus  inferior  scapulae,  vom 
oberen  Rande  des  M.  teres  major  bis  zu  unserer  Tuberositas  Spinae 
erstreckt.  Lateralwärts  ist  sie  noch  immer  ansehnlich  und  geht 
in  der  Höhe  des  Sulcus  intertubercularis  kontinuierlich  in  die 
Fascia  subscapularis  und  supraspinata  über.  Hier  bildet  sie 
gleichzeitig  die  obere  Wand  der  Bursa  subacromalis.  Sie  um- 
hüllt sowohl  den  M.  infraspinatus  wie  den  M.  teres  minor.  Lücken 
für  den  Durchtritt  von  Gefäßen  und  Nerven  brauchen  oben  gegen  die 
Spina  scapulae  hin  nicht  vorhanden  zu  sein,  weil  ja  der  N.  supra- 
scapularis  und  die  Vasa  transversa  scapulae  von  der  Facies  profunda 
aus  zum  M.  infraspinatus  gelangen.    Wohl  aber  müssen  im  unteren, 

16* 
243 


244  FROHSE    und   M.   FRÄNKEL, 

axillaren  Abschnitte  solche  bestehen:  eine,  welche  dem  die  vier- 
eckige Muskellücke  durchsetzenden  und  aus  dem  N.  axillaris  stam- 
menden Zweige  für  den  M.  teres  minor  entspricht,  und  eine  zweite, 
welche  von  den  Vasa  circumflexa  scapulae  benutzt  wird,  die  ihrer- 
seits die  dreieckige  Muskellücke  passieren  und  die  wichtige  Anastomose 
mit  den  Vasa  transversa  scapulae  bilden.  Es  können  aber  hier  auch 
2  oder  mehrere  Lücken  für  die  Gefäße  vorhanden  sein,  von  denen 
die  obere  die  Anastomose  bildet,  die  untere  den  entsprechenden 
Muskelabschnitt  der  M.  teres  minor  und  infraspinatus  versorgt.  Die 
mehr  oder  minder  scharfe  Sonderung  zwischen  M.  teres  minor  und 
infraspinatus  bedingt  es  andererseits,  daß  bald  überhaupt  keine,  bald 
nur  eine  schwächere,  bald  eine  präparatorisch  als  Blatt  darstellbare 
bindegewebige  Scheidewand  zwischen  beiden  Muskeln  vorhanden  ist. 

Fascia  supraspinata. 

Dieselbe  braucht  nicht  sehr  derb  zu  sein,  weil  der  M.  trapezius 
und  darunter  eine  meist  ansehnliche  Fettschicht  vorhanden  ist,  welche, 
wenn  scharf  umgrenzt,  ein  Fettkörper  werden  kann  und  dann  den 
Namen  Corpus  adiposum  suprascapulare  bekommen  könnte,  ent- 
sprechend einem  Corpus  adiposum  subscapulare,  welches,  wie  bei  der 
Achselhöhle  beschrieben  ist,  den  toten  Raum  zwischen  der  medialen 
und  hinteren  Achselwand  ausfüllt,  d.  h.  medial  dem  M.  serratus 
anterior,  hinten  den  3  Einwärtsrollern,  den  M.  subscapularis,  teres 
major  und  latissimus  dorsi.  Die  Namengebung  würde  sich  dann  nach 
den  Nerven  richten,  proximal  dem  N.  suprascapularis,  distal  dem  N. 
subscapularis.  Außerdem  würde  dies  einer  ausgiebigen  Zusammen- 
ziehung des  Muskelbauches,  der  in  der  energischsten  Weise  den  M. 
deltoideus  unterstützt,  nur  hinderlich  sein.  An  Lücken  sind  die  für 
die  Gefäße  nur  unansehnlich  und  inkonstant,  etwa  in  der  Breite  des 
Lig.  transversum  superius,  während  der  versorgende  Nerv,  der  N. 
suprascapularis,  den  bekannten  Weg  unter  dem  Bande  nimmt.  Daß 
auch  die  Gefäßzweige  zum  kleineren  oder  größeren  Teile  mit  dem 
Nerven  zusammen  verlaufen  können,  sei  nebenbei  bemerkt. 

Fascia  subscapularis. 

Dieselbe  ist  die  dünnste  sämtlicher  Schulterfascien,  jedoch  meistens 
gut  darstellbar,  vom  medialen  Rande  der  Scapula  an  bis  zum  Sulcus 
intertubercularis.  Nur  über  der  Mitte  des  Muskelfleisches,  über  dem 
mittleren  Drittel  des  M.  subscapularis  ungefähr,  zeigt  sie  eine  viel- 
fache Durchlöcherung  entsprechend  den  zahlreichen  Nerven-  und  Ge- 
fäßzweigen; jedoch  darf  nicht  von  besonderen  Lücken  gesprochen 
werden,  weil  sich  die  Fascia  subscapularis  durch  die  versorgenden 
Gebilde  kontinuierlich  mit  dem  Gefäßnervenstrange  der  Axilla  in 
Verbindung  setzt  und  die  sogenannten  Lücken  erst  präparatorisch 
geschaffen  werden. 

Fascie  des  Oberarmes. 

Am  Oberarme  wie  auch  am  Oberschenkel  haben  wir  die  kon- 
zentrische Anordnung  der  Muskulatur  um  die  entsprechenden  Knochen, 
Humerus    und-  Femur,    zu    beachten,  während  am  Vorderarme    und 

244 


Fascie  des  Oberarmes, 


245 


Unterschenkel  eine  exzentrische  Lage  dieses  oder  jenes  Knochen- 
stückes zu  beschreiben  sein  wird.  Am  Oberarme  ist  die  Schilderung 
sehr  einfach,  indem  die  beiden  Hauptmuskelgruppen,  die  Beuger  und 
die    Strecker,    vorn   bezw.   hinten   gelagert   sind   und   durch   binde- 


Fig.  79.    Fascia  subscapularis,  drei-  und  viereckige  Muskellücke  von  vorne. 

+  Tendo  intermedius  originis  m.  bicipitis.  Sc  M.  subclavius.  L.  cc  Lig.  coraco- 
claviculare.  A"".  spsc  N.  suprascapularis.  P.  ma  M.  pectoralis  major.  D  M.  deltoideus. 
C  M.  coracobrachialis.  N.  ax  N.  axillaris.  N.  tnc  N.  musculocutaneus.  F.  ssc 
Fascia  subscapularis.  X.ra  N.  radialis.  T.ma  M.  teres  major.  L.d  M.  latissimus 
dorsi.  B.l  M.  biceps,  caput  longum.  B.b  M.  biceps,  caput  breve.  T.me  M.  triceps, 
Caput  mediale.     T.lo  M.  triceps,  caput  longum. 

gewebige,  teilweise  sehnig  verstärkte  Scheidewände  in  eine  vordere 
und  hintere  Gruppe  zerfallen,  und  die  beim  Oberschenkel  so  mächtig 
entwickelte,  am  Oberarme  nur  durch  den  M.  coracobrachialis  vertretene 
Adductorengruppe  keine  besondere  Fascienloge  aufweist.   Die  als  Septa 


245 


246  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

intermuscularia  mediale  und  laterale  bezeichneten  Bildungen  stellen 
nichts  weniger  dar,  als  geschlossene  Scheidewände.  Bei  beiden  ist 
jedoch  nicht  genug  zu  betonen,  daß  sie  erst  in  der  distalen  Hälfte  des 
Humerus  beginnen,  lateral  an  der  Tuberositas  deltoidea,  medial  mit 
dem  Ansätze  des  M.  coracobrachialis  in  der  Verlängerung  der  Crista 
tuberculi  minoris.  In  der  proximalen  Hälfte  der  medialen  Oberarm- 
seite gestatten  die  sich  aus  der  Achselgrube  allmählich  loslösenden 
Gebilde:  N.  radialis,  Vasa  profunda  brachii,  N.  ulnaris  und  Vasa 
collateralia  ulnaria  superiora,  nicht  die  Entwickeluug  eines  einheit- 
lichen, bis  in  die  Achselgrube  reichenden  Septum  intermusculare 
mediale.  In  der  distalen  Hälfte  dagegen  sind  wir  berechtigt,  von 
einem  Septum  oder  selbst  einem  Lig.  intermusculare  zu  reden,  be- 
sonders wenn  der  M.  coracobrachialis  mit  sehnigen  Ausstrahlungen 
den  Epicondylus  medialis  erreicht.  Hier  bildet  es  dann  eine  Scheide- 
wand zwischen  den  Beuge-  und  Streckmuskeln,  d.  h.  vorn  von  ihm 
sind  gelagert  an  Muskeln  die  M.  brachialis  und  pronator  teres, 
hinten  das  Caput  mediale  des  M.  triceps.  Außerdem  hat  sich  hier 
die  Trennung  der  oben  erwähnten  Gebilde  vollzogen.  Der  N.  radialis 
und  die  Vasa  profunda  brachii  sind  bereits  zwischen  dem  langen  und 
medialen  Tricepskopfe  in  der  Tiefe  verschwunden,  während  der  N.  ulnaris, 
die  Vasa  collateralia  superiora  noch  hinter  dem  Septum  intermusculare 
mediale  als  an  dem  Oberflächenbilde  des  Körpers  teilnehmende  Ge- 
bilde sichtbar  bleiben.  Nach  vorn  vom  Septum  finden  wir  den  N. 
medianus  und  die  Vasa  brachialia;  außerdem  jedoch  die  V.  basilica 
und  den  N.  cutaneus  antebrachii  medialis,  welche  jedoch  durch  eine 
besondere  Scheidewand  von  den  beiden  vorher  erwähnten  tiefen  Ge- 
bilden getrennt  sind.  Es  wäre  wünschenswert,  daß  der  durchaus  be- 
rechtigte, von  Henle  als  Hiatus  semilunaris  fasciae  brachialis  und 
von  Hollstein  unter  dem  gleichen  Namen  bezeichnete  Spalt  zum 
Eintritte  für  die  V.  basilica  und  Austritte  für  den  N.  cutaneus  ante- 
brachii medialis  in  den  B.  N.  A.  nachträglich  Aufnahme  fände. 

Das  Septum  intermusculare  laterale  verdient  seinen  Namen  noch 
weniger  als  das  entsprechende  mediale.  Es  soll  von  der  Tuberositas 
deltoidea  bis  zum  Epicondylus  lateralis  humeri  reichen,  jedoch  dürfte 
es  einigermaßen  klar  nur  im  proximalen  Drittel  dieser  Entfernung 
darzustellen  sein,  wo  es  nämlich  die  Grenze  zwischen  dem  Caput 
laterale  des  M.  tricaps  und  dem  M.  brachialis  bildet.  Wo  diese 
beiden,  ungefähr  einander  gegenüber  gelagerten  Muskeln  aufhören, 
findet  oberflächlich  der  Austritt  des  N.  cutaneus  antebrachii  dorsalis 
und  des  lateralen  Endzweiges  der  Vasa  profunda  brachii  statt,  in  der 
Tiefe  liegt  hier  die  Umschlagsstelle  des  N.  radialis  und  der  mit  ihm 
verlaufenden  Gefäße.  Die  oben  erwähnten  oberflächlichen  Gebilde 
haben  keine  typische  Austrittstelle,  dagegen  findet  sich  fast  regel- 
mäßig an  der  Umschlagsstelle  des  N.  radialis  ein  Sehnenbogen,  der 
mit  seiner  distalen  Anheftung  noch  auf  dem  Fleische  des  M.  brachio- 
radialis  sein  eigentliches  Ende  findet.  Von  hier  ab  lassen  sich  nämlich 
die  sehnigen  Fasern  nicht  mehr  gegen  den  Knochen  verfolgen,  wo  der 
gesonderte  Ursprung  des  Caput  mediale  m.  tricipitis  einerseits,  des  M. 
brachioradialis  und  M.  extensor  carpi  radialis  longus  andererseits  ge- 
legen ist,  vielmehr  liegen  die  feinen,  sehnig  glänzenden,  longitudinalen 
Ausläufer  des  Septum  intermusculare  laterale  auf  den  letzten  beiden 
Muskeln  ungefähr  1  cm  von  dem  Knochenursprunge  der  beiden  zuletzt 
genannten  Muskeln   entfernt  und  bilden  nur  die  vordere  Begrenzung 

246 


Fascie  des  Vorderarmes.  247 

eines  Kanales,  welcher  durch  Entwickeluiig  einer  von  uns  so  genannten 
Haut  fascie  die  oberflächlichen  Gebilde,  nämlich  N.  cutaneus  ante- 
brachii  dorsalis  nebst  Begleitg-efäßen  einstweilen  in  der  Tiefe  zurück- 
hält und  dadurch  vor  Druck  schützt. 

Die  Fascie  ist  verhältnismäßig  dünn,  an  der  Vorderseite  sehr 
elastisch,  da  ja  der  M.  biceps  einer  so  auffallenden  Formverände- 
rung bei  Beugung  und  Streckung  unterworfen  ist.  Der  M.  triceps 
ist  nicht  so  verwandelungsfähig  in  seiner  äußeren  Gestalt;  es  könnte 
scheinen,  als  ob  die  Fascie  über  ihm  stärker  entwickelt  wäre,  weil  sie 
sich  bei  der  präparatorischen  Durch trennung  weniger  stark  zurück- 
zieht. Wir  glauben  jedoch  aus  theoretischen  Erwägungen  diese  Tat- 
sache auf  eine  geringere  Entwickelung  der  elastischen  Elemente  zu- 
rückführen zu  müssen. 

Die  Fascie  ist  im  allgemeinen  durch  quere  Faserzüge  gekenn- 
zeichnet, d.  h.  sie  verlaufen  senkrecht  zu  der  darunter  gelegenen 
Richtung  der  jeweiligen  Muskelbündel.  Nur  an  einer  Stelle  wird  eine 
bemerkenswerte  Ausnahme  gemacht,  nämlich  über  der  Ellenbeuge. 
Hier  gehen  die  Faserzüge  parallel  und  in  der  Verbreiterung  des  Septum 
intermusculare  mediale  als  ziemlich  derbe  Schicht  bis  zum  Lacertus 
flbrosus  m.  bicipitis  hin.  Dieser  Teil  der  Oberarmfascie  mit  sehr  schräg 
abweichender  Verlaufsrichtung  der  queren  Fasern  der  Fascie  dürfte 
aber  dann  seine  anatomische  Berechtigung  finden,  wenn  man  ihn  noch 
zum  M.  Pronator  teres,  also  zu  den  Vorderarmmuskeln  rechnet.  In 
der  Tat  sehen  wir  auch  bei  Ellenbogenbeugung  und  Pronation  des 
Vorderarmes,  daß  der  Wulst  des  M.  pronator  teres  bei  dieser  Haltung 
des  Armes  nicht  dem  Vorderarme  angehört,  sondern  dem  Oberarme, 
und  noch  weniger  Schwierigkeiten  wird  unsere  Darstellung  ergeben, 
wenn  wir  uns  die  Varietät  des  Ursprunges  dieses  Muskels  von  einem 
Processus  supracondyloideus  vergegenwärtigen. 

Fascie  des  Vorderarmes. 

Die  Fascie  des  Vorderarmes  zeichnet  sich  gleich  der  des  Unter- 
schenkels dadurch  aus,  daß  Teile  von  Ursprungssehnen  mit  ihr  verwebt 
sind.  Jedoch  haben  wir  bereits  bei  der  Muskelbeschreibung  darauf 
hingewiesen,  daß  es  sich  nur  um  einen  scheinbaren  Zusammenhang 
handelt,  und  die  entsprechenden  Bildungen  oder,  den  allgemein  an- 
erkannten Lacertus  fibrosus  des  M.  biceps  oder  den  von  uns  unseres 
Wissens  noch  nicht  als  solchen  bezeichneten  Lacertus  fibrosus 
des  M.  triceps  ausführlich  bei  den  beiden  Muskeln  beschrieben,  als 
deren  plattenartige  Nebensehne  wir  sie  ausschließlich  auffassen 
müssen. 

Die  Faserrichtung  der  eigentlichen  Binde  ist  senkrecht  zu  der 
Vorderarmachse  angeordnet.  Entsprechend  dem  fast  durchweg  longi- 
tudinalen  Verlaufe  der  am  Oberflächenbilde  teilnehmenden  Vorder- 
armmuskeln, besonders  an  der  Beugeseite,  läßt  sich  an  geeigneten 
Modellen  mit  dünner  Haut  bei  Hand-  und  Fingerbeugung  die  Struktur 
der  Fascie  durch  die  Haut  hindurch  erkennen.  Es  gibt  sich  dabei 
äußerlich  die  am  Präparate  mit  Leichtigkeit  nachweisbare  Tatsache 
kund,  daß  die  Binde,  speziell  der  Beugeseite,  nicht  aus  einer  gleich- 
mäßig dicken  Schicht  besteht,  sondern  an  verschiedenen  Stellen  ring- 
förmige Verstärkungszüge  besitzt,  welche  sich  am  Lebenden  als  seichte 
Querrinnen  bemerkbar  machen. 

^47 


248  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Die  Vorderarmknocheu  beteiligen  sich  iu  ganz  verschiedener 
Weise  an  der  Gliederung  der  Binde  und  ihrer  Sonderung  in  Unter- 
abteilungen. Der  nicht  drehbare  Knochen,  die  Ulna,  bietet  mit  ihrem 
frei  unter  der  Haut  zu  Tage  liegenden  hinteren  Rande  der  Fascie  einen 
günstigen  Ansatzpunkt,  der  als  Trennungslinie  zwischen  den  Muskeln 
der  Beuge-  und  Streckseite  nicht  genug  betont  werden  kann.  Das 
proximale  Ende  bietet  der  Entwickelung  von  Schleimbeuteln  die 
günstigsten  Bedingungen;  die  Bursa  subcutanea  olecrani  haben  wir 
an  unseren  Präparaten  Erwachsener  niemals  vermißt.  Es  ist  mög- 
lich, daß  an  einem  Materiale,  welches  Leuten  höherer  Stände  und 
besonders  Damen  entstammt,  einmal  das  Fehlen  derselben  beobachtet 
werden  könnte.  Wir  halten  es  nicht  für  sehr  wahrscheinlich,  weil 
der  Ellenbogen  viel  zu  vielen  Insulten  ausgesetzt  ist,  schon  bei  starker 
Beugung  tritt  ja  eine  beträchtliche  Reibung  der  Haut  gegen  den 
dann  vorspringenden  Knochen  ein.  Eine  mehr  distal  vom  Olecranon, 
beim  Uebergange  in  die  hintere  Kante  gelegene  gesonderte  Bursa 
ulnaris  dorsalis  haben  wir  mehrfach  gesehen,  und  auch  am  distalen 
Ende  über  dem  Capitulum  ulnae  konnten  wir,  allerdings  nur  in 
einem  Falle,   eine  Bursa  subcutanea  capituli  ulnae  nobis  feststellen. 

Ganz  anders  verhält  sich  der  Radius,  der  bei  seiner  ausgiebigen 
Beweglichkeit  nicht  so  eng  mit  der  Fascie  verbunden  sein  darf.  Außer- 
dem kommt  er  ja  mit  Ausnahme  seiner  beiden  Enden,  und  auch  da^ 
nur  undeutlich  mit  der  Oberfläche  in  Berührung.  Eine  tiefe  Fascie 
ist  jedoch  vorhanden,  die  Membrana  interossea  antebrachii,  welche  in 
der  in  den  B.  N.  A.  vorgeschlagenen  Bezeichnung:  Membrana  und  nicht 
Ligamentum,  auch  der  praktischen  Bedeutung  gerecht  wird.  Sie  stellt 
die  stark  fibröse  Verbindung  zwischen  den  beiden  Vorderarmknochen 
dar,  wo  dieselben  nicht  von  Muskeln  bedeckt  sind,  d.  h.  zwischen  dem 
distalen  Rande  des  M.  supinator  und  dem  proximalen  des  M.  pronator 
quadratus. 

Die  Trennung  zwischen  der  Beugegruppe  einschließlich  der  Pro- 
natoren und  der  Streckgruppe  einschließlich  des  M.  brachioradialis 
und  der  Supiuatoren  ist  entsprechend  der  hinteren  Kante  der  Ulna 
eine  vollständige  und  derbe,  aber  dort,  wo  sich  am  Radius  die 
Beuger  unter  die  Strecker  herunterschieben,  besonders  in  der 
proximalen  Hälfte  nur  eine  undeutliche.  Andererseits  müssen  wir 
einer  ganzen  Reihe  ton  Muskeln,  nämlich  allen,  welche  am  Carpus 
ansetzen,  ferner  den  beiden  Pronatoren,  den  M.  brachioradialis^ 
supinator  und  palmaris  longus  eine  Sonderstellung  einräumen,  indem 
sie  besondere  Logen  von  allerdings  ungleichwertiger  Wandstärke 
besitzen.  Nur  die  Beuger  und  Strecker  der  Finger  machen  eine 
Ausnahme,  indem  zwischen  oberflächlicher  und  tiefer  Schicht  keine 
scharf  ausgesprochene  Scheidewand  existiert.  Das  trennende  Binde- 
gewebe verdient  nur  an  einigen  Stellen  den  Namen  einer  Fascia 
intermuscularis.  Das  lockere,  fetthaltige  Zwischengewebe  begünstigt 
eine  schnelle  Ausbreitung  der  so  gefürchteten  tiefen  Phlegmonen, 
besonders  der  Beuge-,  aber  auch  der  Streckseite.  Die  besonderen 
Fächer  für  die  verschiedenen  Muskeln  wollen  wir  als  Logen  be- 
zeichnen und  dieselben  in  der  Reihenfolge  beschreiben,  wie  es  der 
Stärke  der  Wand  und  der  Vollkommenheit  des  Abschlusses  entspricht. 
Vorher  sei  betont,  daß  die  Präparation  durchweg  in  der  Weise  aus- 
geführt ist,  daß  wir  die  Fascie  in  ganzer  Länge  über  der  Mitte  eines 
Muskelbauches  gespalten,  nach  beiden  Seiten  zurückpräpariert  und, 

248 


Logen  am  Vorderarme.  249 

weim  es  nicht  anders  angängig  war,  den  Muskel  vollkommen  aus  dem 
fascieUen  Bette  herausgehoben  haben. 

Gleichzeitig  wurde  dabei  auf  die  Nerven  und  Gefäße  geachtet, 
au  welcher  Stelle,  und  in  welcher  Zahl  sie  den  fibrösen  Kanal  durch- 
setzten, und  wie  groß  die  entsprechenden  Lücken  waren.  Im  all- 
gemeinen nur  rundliche  Oetfnungen,  bildeten  sie  jedoch  an  den  Stellen, 
wo  die  Nerven  durchtraten,  sehr  häufig  Sehnenbögen  bis  zu  1  cm 
Länge ;  wohl  aus  dem  Grunde,  daß  der  Nerv  bei  den  Verschiebungen 
des  Muskelbauches  keinerlei  Zerrungen  ausgesetzt  zu  werden  braucht. 
Wir  fassen  der  Einfachheit  halber  die  Oefi'nungen  für  die  Gefäße  nur 
in  der  Einzahl  auf,  obwohl  in  den  meisten  Fällen  durch  eine  der- 
artige Lücke  gleichzeitig  die  Arterie  mit  einer  oder  zwei  Begleitvenen 
hindurchtreten  dürfte. 

I.  Loge  des  M.  anconaeus.  Seine  bei  der  Muskelbeschreibung 
betonte  Zusammengehörigkeit  mit  dem  M.  triceps  gibt  sich  in  der 
schönsten  Weise  auch  durch  die  Fascie  kund.  Es  findet  sich  näm- 
lich gar  kein  Abschluß  gegen  den  Oberarm  hin,  dagegen  ein  voll- 
kommener distaler.  Für  die  deckende  Schicht  haben  wir  die  Be- 
zeichnung Lacertus  fibrosus  m.  tricipitis  vorgeschlagen,  dessen  starke 
Entwickelung  das  Vorhandensein  einer  speziellen  Fascie  überflüssig 
macht.  Mit  bloßem  Auge  ist  nichts  von  einer  besonderen  Fascie  zu 
erkennen,  und  erst  recht  nicht  mit  dem  Messer  der  präparatorische 
Nachweis  zu  erbringen.  Die  Scheidewand  gegen  den  M.  extensor 
carpi  ulnaris  ist  deutlich  vorhanden,  wenn  auch  nicht  sonderlich  stark. 
Der  Nerv  und  die  Gefäße  treten  vom  Oberarme  aus  durch  keine  be- 
sondere Lücke  zum  Muskel.  Unbedeutende  Aeste,  welche  der  A. 
interossea  recurrens  entstammen  können,  dienen  nur  dem  Kollateral- 
kreislaufe. 

IL  Loge  des  M.  extensor  carpi  ulnaris.  Dieselbe  wird  medialwärts 
durch  die  Ulna  und  die  Scheidewand  gegen  den  M.  anconaeus,  radial 
durch  den  von  uns  so  genannten  Fasciculus  longitudinalis  ulnaris  be- 
grenzt, der  sich  meistens  von  der  Articulatio  radioulnaris  distalis  aus 
bis  zum  Epicondylus  lateralis  humeri  verfolgen  läßt,  jedoch  auch 
bereits  an  der  Ulna,  an  der  Grenze  ihres  proximalen  und  mittleren 
Drittels  mit  seinen  sehnigen  Zügen  endigen  kann.  Radial  liegt 
hier  daneben  der  M.  extensor  digiti  minimi  proprius,  der  gewöhnlich 
nicht  den  Epicondylus  lateralis  erreicht  und  dann  auch  den  M.  ex- 
tensor digitorum  communis  in  seine  Nachbarschaft  bringt.  Hier  findet 
sich  in  der  Tiefe  recht  oft  eine  derbe  Verbindung  der  zur  Aponeurosis 
intermuscularis  verdickten  Scheidewand  mit  dem  M.  supinator,  für 
welche  uns  der  Name  Lig.  intermusculare  profundum  ulnare  an- 
gebracht erscheint.  Wir  werden  nämlich  hinterher  noch  ein  zweites 
zu  beschreiben  haben,  welches  sich  vom  M.  extensor  carpi  radialis 
brevis  aus  auf  den  M.  supinator  überzuschlagen  pflegt,  welchem  dann 
die  Bezeichnung  Lig.  intermusculare  profundum  radiale  zukommen 
müßte.  Die  Anheftung  des  tiefen  Blattes  der  Loge  vollzieht  sich  an 
der  Ulna  entsprechend  dem  Ursprünge  der  tiefen  Extensoren  von  ihr; 
läßt  also  den  Knochen  in  nicht  unbedeutendem  Maße  frei,  dessen 
Periost  sie  indessen  verstärken  hilft.  Nur  eine  größere  Perforation 
ist  zu  merken:  7—8  cm  distal  vom  Epicondylus  lateralis.  Sie  ist 
ungefähr  1  cm  lang,  schlitzartig  und  für  den  Durchtritt  des  Nerven 
und  des  Haupternährungsgefäßes  bestimmt.  Da  sich  jedoch  das 
Muskelfleisch  bis  in   das  distale  Drittel  des  Vorderarmes  erstreckt, 

249 


250 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


sind  noch  ein  oder  mehrere  accessorische  Oeifnungen  für  Gefäße  im 
mittleren  Drittel  des  Vorderarmes  vorhanden.  Ueberhaupt  kehrt 
dieser  Gesichtspunkt  überall  wieder  und  soll  deshalb  bei  den  folgenden 
Muskeln  nicht  weiter  berücksichtigt  werden,  daß  nämlich  bei  Muskeln, 
deren  Fleisch  eine  größere  Strecke  einnimmt,  immer  mehrere  Gefäße 
vorhanden  sind,  welche  den  Kollateralkreislauf  begünstigen,  die 
schnelle  ausgiebige  Ernährung  des  Muskels  von  mehreren  Punkten 
aus  bewerkstelligen.  In  den  einzelnen  Fällen  wird  demgemäß  nur 
die  Topographie  dieser  Ernährungsgefäße  zu  berücksichtigen  sein,  an 
welcher  Stelle  und  Fläche  des  Muskels  sie  gerade  eintreten. 

III.  Loge  des  M.  flexor  carpi  ulnaris.  Die  von  der  Ulna  her- 
kommende breite  Ursprungsaponeurose  spaltet  sich  mit  Beginn  des 
Muskelfleisches   in  2  Blätter,   welche   eine   wohlbegrenzte  Loge  für 


M.  flexor  digito 


M.  flexor  carpi  radialis 
N.  medianus 


pollicis  longus 
radialis 


N.  et  A.  ulnaria 


M.  extensor  carpi 
ulnaris 


Sehne  des  M. 
extensor  carpi 
radialis  longus 

M.  Pronator 
teres 


M.  extensor  carpi 
radialis  brevis 


M.  extensor  pollicis  longus 

A.  interossea  volaris 


/^r^\ 


M.  extensor 
digiti  V 


M.  abductor  pollicis  longus 
M.  extensor  digitorum  communis 


Fig. 


Querschnitt  des  Vorderarmes  mit  Fascien. 


den  Muskel  erzeugen.  Im  proximalen  Drittel  ist  sie  durchaus  aponeu- 
rotisch,  im  mittleren  nur  an  der  ulnaren  Seite,  im  distalen  rein 
fasciell.  Ungefähr  2  cm  distal  vom  Epicondylus  medialis  und  Olecranon 
findet  die  Durchbohrung  der  hier  dünnen  Binde  durch  die  beiden 
Hauptnerven  statt.  Ein  dritter  accessorischer,  jedoch  inkonstanter 
Nerv  findet  nach  unseren  Beobachtungen  seine  gesonderte  Oeffnung 
erst  durchschnittlich  6  cm  distal  vom  Epicondylus  medialis.  Die  Ge- 
fäße treten  bei  der  Länge  des  Muskelbauches  fast  im  ganzen  Be- 
reiche des  Vorderarmes  in  wechselnder  Zahl  ein.  Die  proximalen, 
von  der  A.  recurrens  ulnaris  posterior  stammenden  Zweige  senken 
sich  von  der  Facies  profunda,  die  mittleren  (A.  ulnaris)  von  der 
radialen  Fläche  und  unter  Umständen  ein  ganz  distaler  von  der 
ulnaren  Seite  aus  ein,  welcher  sich  dann  sogar  aus  einem  Gefäße 
des  Dorsum  antebrachii  entwickeln  kann. 


250 


Logen  am  Vorderarme.  251 

IV.  Loge  des  M.  flexor  carpi  radialis.  Im  proximalen  Drittel  ist  sie 
seitlich  durch  die  Apoueuroses  intermusculares  zwischen  ihm  einerseits, 
dem  M.  pronator  teres  und  dem  M.  flexor  digitorum  sublimis  (M. 
palmaris  longus)  andererseits  stark  sehnig,  im  übrigen  fasciell.  Eine 
bis  1  cm  lange  Sehnenarkade  liegt  ungefähr  6  cm  unterhalb  des  Epi- 
condylus  raedialis  (in  der  Richtung  des  Muskels  gemessen)  und  dient 
regelmäßig  dem  Nervenstamme,  oft  auch  dem  Haupternährungsgefäße 
zum  Durchtritte.  Die  distalen  accessorischen  Gefäße  stammen  aus 
der  A.  radialis  und  haben  bis  zu  4  besondere  Oeffnungen  in  der 
radialen  Kante  der  Loge. 

V.  Loge  des  M.  brachioradialis.  Dieselbe  bietet  das  größte  Inter- 
esse, weil  auch  durch  die  Einrichtung  der  Fascie  seine  Zusammen- 
gehörigkeit mit  den  Beugern  des  Oberarmes  dargetan  wird.  Die 
Fascie  der  Beugegruppe,  proximal  des  M.  pronator  teres,  distal  des 
M.  flexor  carpi  radialis,  läßt  sich  nämlich  unschwer  hinter  der  Facies 
profunda  des  Muskels  bis  zum  radialen  Rande  des  Vorderarmes  ver- 
folgen und  bildet  besonders  hier  eine  scharfe  Grenze  gegen  die  M. 
extensores  carpi  radiales,  Muskeln,  welche  allgemein  zu  den  Streckern 
gerechnet  werden.  Die  Abgrenzung  gegen  den  M.  extensor  carpi 
radialis  longus  am  Oberarme  ist  zwar  nicht  so  scharf,  aber  jeden- 
falls noch  deutlicher,  als  die  gegen  den  M,  brachialis.  Hier  kann 
man  eigentlich  nur  von  lockerem  Bindegewebe  reden,  in  welchem  der 
N.  radialis  mit  seinen  Begleitgefäßen  seinen  Weg  nimmt.  Ebenso 
wie  wir  die  Loge  des  M.  anconaeus  als  eine  Fortsetzung  des  Ober- 
armes auf  den  Vorderarm  dargestellt  haben,  möchten  wir  diese  Auf- 
fassung auch  für  die  Loge  des  M.  brachioradialis  betont  wissen. 
Unterstützt  dürfte  diese  Anschauung  auch  dadurch  werden,  daß  der 
R.  superficialis  n.  radialis  durch  eine  besondere  Fascie  gegen  die  Loge 
abgegrenzt  ist  und  sich  sogar  einer  besonderen  Scheide  (s.  Fig.  80) 
erfreut,  die  ihn  von  den  Vasa  radialia  trennt,  die  ja  ihrerseits  topo- 
graphisch am  Vorderarme  der  Beugeseite  angehören.  Diese  eigen- 
tümliche Sonderung  der  Vasa  radialia  und  des  R.  superficialis  n. 
radialis  bedingt  es,  daß  man  bei  der  Unterbindung  der  A.  radialis 
im  oberen  Drittel  den  Nerven  überhaupt  nicht  zu  Gesicht  zu  be- 
kommen braucht,  und  seine  besondere  Freilegung  in  den  Operations- 
kursen häufig  Schwierigkeiten  macht.  Der  eigene  Nerv  tritt  bereits 
am  Oberarme  zum  Muskel.  Das  Haupternährungsgefäß  (A.  recurrens 
radialis)  in  der  Höhe  der  Tuberositas  radii.  Accessorische  Gefäße  aus 
der  A.  radialis  kommen  im  distalen  Teile  vor. 

VI.  Loge  der  M.  extensores  carpi  radiales.  Die  funktionelle  Zu- 
sammengehörigkeit beider  Muskeln  spricht  sich  auch  durch  die  Ein- 
richtung einer  einheitlichen  Loge  aus.  Eine  trennende  Fascie  zu 
unterscheiden,  ist  wohl  nur  am  ulnaren  Rande  und  an  Präparaten  ge- 
stattet, welche  mit  Formalin  gehärtet  sind,  dessen  Einwirkung  selbst 
lockerem  Bindegewebe  die  Derbheit  einer  Fascie  verschaffen  kann. 
Eine  besondere  Stärke  entwickelt  diese  Loge  als  Aponeurosis  inter- 
muscularis  zwischen  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  und  dem  M. 
extensor  digitorum  communis.  Die  Verbindung  dieser  Aponeurose 
mit  dem  M.  supinator  ist  nur  eine  ganz  lockere.  Erst  proximal  vom 
Capitulum  radii  bis  zum  Epicondylus  lateralis  humeri  pflegt  sie  sich 
eng  an  diesen  hier  sehnigen  Muskel  heranzulegen.  Ueber  unsere 
Bezeichnung  als  Lig.  intermusculare  profundum  radiale  haben  wir  bei 
der  Beschreibung  des  M.  extensor  carpi  ulnaris  gesprochen.    An  einem 


252  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Männerarme,  wo  das  Lig.  intermusculare  profundum  ulnare  6  cm  lang- 
und  außerordentlich  kräftig  entwickelt  war,  fanden  wir  nicht  die  Spur 
des  entsprechenden  radiale.  Vielmehr  war  an  dieser  Stelle  ein  an- 
sehnlicher Schleimbeutel  von  etwa  Fünfpfennigstück-Größe  entwickelt. 
Eine  stärkere,  wenn  auch  nur  fibröse  Anheftung  am  Radius  findet 
sich  dorsal  von  der  Insertion  des  M,  pronator  teres,  deren  Länge  sie 
entspricht.  Diese  Breite,  durchschnittlich  4 — 5  cm,  ist  gleichbedeutend 
mit  der  Entfernung  des  distalen  Endes  des  M.  supinator  von  dem 
proximalen  des  M.  abductor  pollicis  longus,  wo  dieser  den  lateralen 
Rand  des  Radius,  bezw.  die  Sehnen  der  M.  extensores  carpi  radiales 
zu  überkreuzen  beginnt.  Unter  den  M.  abductor  pollicis  longus  und 
extensor  pollicis  brevis  ist  die  oberflächliche  Wand  der  Loge  immer 
nur  sehr  dünn.  Beim  Erwachsenen  findet  sich  sogar  als  Norm  ein 
recht  ansehnlicher  Schleimbeutel,  unsere  Bursa  subabductoria  radialis. 
Die  vordere  x-^nheftung  der  Loge,  unter  dem  M.  brachioradialis 
verborgen,  ist  dagegen  gut  entwickelt.  Durch  den  schrägen  Ver- 
lauf der  aus  der  Tiefe  in  die  Oberfläche  gelangenden  M.  ab- 
ductor pollicis  longus  und  extensor  pollicis  brevis  kommt  es  zu  einer 
nochmaligen  Unterbrechung,^  des  Fasciculus  longitudinalis  radialis, 
welcher  als  derbe  Trennungsschicht  erst  am  distalen  Ende  des  M. 
extensor  pollicis  brevis  beginnt  und  bis  zum  M.  extensor  pollicis 
longus  reicht,  dort,  wo  dessen  Sehne  stumpfwinklig  zum  Daumen  um- 
biegt. —  Der  Nerv  für  den  M.  extensor  caipi  radialis  longus  tritt  in 
der  Höhe  des  Epicondylus  medialis,  d.  h.  des  Ellenbogengelenkes, 
selbstverständlich  an  dessen  radialer  Seite,  zum  Muskel;  das  Haupt- 
gefäß in  der  Höhe  der  Tuberositas  radii,  ein  accessorisches  von  der 
Tiefe  aus  unter  Durchbohrung  des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis; 
der  Nerv  für  letzteren  Muskel  in  der  Höhe  der  Tuberositas  radii,  die 
Gefäße  teils  mit  ihm  (A.  recurrens  radialis)  teils  weiter  distal  bis  in 
das  distale  Drittel  des  Vorderarmes  (A.  radialis).  Noch  weiter  gegen 
das  Handgelenk  hin  entwickeln  sich  einige  kleine  Zweige  für  Logen- 
wand und  Sehnenscheide. 

VII.  Loge  des  M.  pronator  teres.  Besonders  stark  ist  die  ulnare 
Wand  durch  die  Aponeurosis  intermuscularis  zwischen  ihm  und  dem 
M.  flexor  carpi  radialis.  Die  Facies  profunda  ist  nur  dann  deutlich, 
wenn  das  Caput  ulnare  fehlt;  in  solchen  Fällen  ist  auch  der  N. 
medianus  fasciell  gegen  die  Loge  abgetrennt,  die  er  bei  vorhandenem 
Caput  ulnare  durchsetzen  muß.  Die  Facies  profunda  läßt  die  Sehne 
des  M.  brachialis  durchschimmern,  die  Teilung  der  A.  brachialis  und 
den  Anfangsteil  der  A.  radialis  und  ulnaris  deutlich  erkennen.  — 
Die  Nerven  treten  in  der  proximalen  Hälfte  zum  Muskel,  ohne  be- 
sondere Löcher  zu  benutzen.  Solche  werden  erst  in  der  distalen 
Hälfte  durch  Vasa  accessoria  (A.  radialis)  erzeugt.  Die  Anastomose 
zwischen  A.  coUateralis  ulnaris  inferior  und  R.  anterior  der  A.  re- 
currens ulnaris  erzeugt  ebenfalls  einige  Muskeläste. 

VIII.  Loge  des  M.  palmaris  longus.  Eintritt  des  Nerven  und 
des  einzigen  Ernährungsgefäßes  in  unserem  einen  Falle  —  an  den 
beiden  anderen  Armen  fehlte  er  —  4  cm  distal  vom  Epicondylus 
medialis. 

IX.  Loge  des  M.  extensor  digiti  minimi  proprius.  Von  einer 
solchen  kann  eigentlich  nur  durch  die  Begrenzung  gegen  den  M.  ex- 
tensor carpi  ulnaris  gesprochen  werden,  welchen  wir  als  Fasciculus 
longitudinalis  ulnaris  bezeichnet  haben.    Besonders  ist  gegen  die  tiefe 

252 


Logen  am  Vorderarme.  253 

Schicht  der  Extensoren  keine  deutliche,  trennende  Fascie  entwickelt. 
—  Eintritt  des  Nerven  9  cm  distal  vom  Epicondylus  radialis,  Ge- 
fäße teils  hier,  teils  weiter  distal.  Das  proximale  tritt  wie  der  Nerv 
von  der  Tiefe  aus,  die  distalen  von  der  ulnaren  Kante  in  den  Muskel 
ein:  A.  interossea  dorsalis  (superior). 

X.  M.  extensor  digitorum  communis.  Die  Loge  ist  im  proximalen 
Drittel  stark  sehnig  durch  die  Aponeurosis  intermuscularis  zwischen 
ihm  und  den  Nachbarmuskeln,  radial  dem  M.  extensor  carpi  radialis 
brevis,  ulnar  dem  M.  extensor  carpi  ulnaris ;  mit  letzterem  zusammen 
bildet  sie  die  Fortsetzung  des  Fasciculus  longitudinalis  ulnaris  bis 
zum  Epicondylus  lateralis  als  unser  Lig.  intermusculare  profundum 
ulnare.  Die  Abgrenzung  gegen  die  tiefe  Schicht  der  Extensoren 
findet  sich  nur  sehr  undeutlich  angegeben,  weshalb  wir  nicht  weiter 
bei  einer  Fascia  dorsalis  antebrachii  intermedia  als  Grenzschicht 
zwischen  oberflächlichen  und  tiefen  Extensoren  verweilen  werden. 
Der  Grund  dafür  liegt  darin,  daß  die  Nerven  und  Gefäße  zwischen 
der  oberflächlichen  und  tiefen  Schicht  ihren  Weg  nehmen  und  an  ver- 
schiedenen Stellen  ihre  Zweige  nach  beiden  Richtungen  hin  schicken. 
Außerdem  gehören  beide  Muskelgruppen  funktionell  zusammen,  und  wie 
wii'  es  bei  den  beiden  M.  extensores  carpi  radiales  kennen  gelernt 
haben  und  bei  den  beiden  M.  flexores  digitorum  bezw.  dem  jNI.  flexor 
poUicis  longus  sehen  werden,  bedingt  die  gleiche  Wirkung  auch  den 
Einschluß  in  eine  gemeinschaftliche  Loge,  bisweilen  sogar  dieselbe 
Sehnenscheide,  Die  Nerven  treten  ungefähr  8  cm  distal  vom  Epicondylus 
lateralis  d.  h.  an  der  Grenze  des  proximalen  und  mittleren  Drittels 
von  der  Tiefe  aus  zum  Muskel,  die  zahlreichen  Gefäße  teils  an  dieser 
Stelle,  teils  proximal  und  besonders  distal:  A.  interossea  dorsalis 
(superior). 

XL  Loge  des  M.  pronator  quadratus.  Die  eigentümliche  Vgr- 
laufsrichtung  der  Muskelbündel  quer  zur  Achse  des  Vorderarmes  be- 
dingt es,  daß  die  Fascie  letzterer  parallel  gefasert  ist,  und  zwar  ent- 
sprechend der  Richtung  der  Vorderarmknochen.  Obwohl  die  Binde 
nicht  sonderlich  stark  ist,  läßt  sie  sich  doch  als  einheitliche  Lamelle 
leicht  von  dem  Muskel  abheben,  ein  Verhalten,  wie  es  gleich  beim 
M.  supinator  wiederkehren  wird.  Bei  beiden  Muskeln  ist  nämlich 
die  breite  Muskelplatte  bei  den  entsprechenden  Bewegungen  einer 
ausgiebigen  Verkürzung  fähig,  welche  bei  einer  schwachen  Fascie  am 
wenigsten  beeinträchtigt  wird.  Besonders  erwähnenswert  sind  jedoch 
beim  M.  pronator  quadratus  die  im  wesentlichen  longitudinalen  Ver- 
stärkungszüge, welche  über  der  Mitte  des  Muskels  in  die  Fascie  ein- 
gewebt sind.  —  Der  Nerv  und  das  Hauptgefäß  verschwinden  am 
proximalen  Ende  der  Fascie,  um  sich  von  der  Tiefe  aus  zum  Muskel 
zu  verbreiten.  Accessorische  Gefäße  aus  den  A.  radialis,  ulnaris  und 
dem  Rete  carpi  volare  sorgen  für  eine  ausgiebige  allseitige  Ernährung 
des  Muskels. 

XIL  Loge  des  M.  supinator.  Ihre  Beschaffenheit  im  allgemeinen 
haben  wir  bei  dem  vorhergehenden  Muskel  beschrieben.  An  Be- 
sonderheiten ist  zu  erwähnen  die  innige  Verbindung  des  Muskel- 
ursprunges mit  der  Aponeurosis  intermuscularis  zwischen  den  M.  ex- 
tensor carpi  radialis  brevis  und  digitorum  communis  auf  der  radialen 
Seite,  und  den  M.  extensor  carpi  ulnaris  und  digitorum  communis 
(extensor  digiti  minimi  proprius)  auf  der  ulnaren  Seite.  In  dieser 
Weise    entsprechen    die    beiden   Ränder   des  M.   extensor   digitorum 

253 


254  FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

communis  in  der  Tiefe  unseren  beiden  gleichnamigen  Lig.  inter- 
muscularia  profunda.  Wir  haben  für  diese  Bildungen,  welche  die 
saubere  Präparation  des  M.  supinator  oft  sehr  erschweren,  die  Namen 
Lig.  intermuscularia  profunda  radiale  und  ulnare  vorgeschlagen.  — 
Die  Nervenzweige  lösen  sich  bereits  in  der  Höhe  des  Gelenkspaltes 
aus  dem  R.  profundus  n.  radialis  los  und  treten  in  wechselnder  An- 
zahl unter  den  Sehnenbogen  herunter.  Von  einer  Oeffnung  oder 
einem  Schlitze  in  der  Fascie  kann  nicht  gesprochen  werden,  weil  sich 
diese  auf  die  Teilungsstelle  des  N.  radialis  ganz  allmählich  herüber- 
schlägt. Die  Gefäße  entstammen  für  den  proximalen  Teil  des  Muskels 
aus  der  A.  recurrens  radialis,  für  den  distalen  aus  der  A.  interossea 
dorsalis,  wo  dieselbe  die  A.  interossea  recurrens  abgibt,  und  auch 
aus  letzterer.  Ein  KoUateralkreislauf  zwischen  diesen  beiden  Ge- 
fäßen ist  normalerweise  kaum  angedeutet,  dürfte  aber  in  patho- 
logischen Fällen  nicht  außer  acht  zu  lassen  sein. 

XIII.  Loge  der  Fingerbeuger.  Dieselbe  beherbergt  die  M.  flexores 
digitorum  sublimis,  profundus  und  pollicis  longus;  außerdem  den 
N.  medianus,  N.  et  Vasa  ulnaria,  N.  et  Vasa  interossea  volaria.  Eine 
Sonderung  in  Unterfächer  halten  wir  nicht  für  ratsam,  weil  die 
trennenden  Bindegewebsschichten  sehr  zart  sind^  und  außerdem 
zwischen  den  3  Muskeln  die  mannigfachsten  Konjugationen  vor- 
kommen können,  von  denen  wir  eine,  nämlich  den  accessorischen 
Kopf  des  M.  flexor  pollicis  longus  vom  M.  flexor  digitorum  sublimis 
als  Norm  bezeichnen  müssen.  Wenn  wir  jedoch  eine  große,  alle 
3  Muskeln  und  alle  sonstigen  Gebilde  einschließende  Loge  annehmen 
wollen,  wozu  wir  durchaus  berechtigt  sind,  so  müssen  wir  als  Decke 
die  Facies  profunda  der  Logen  für  die  oberflächlichen  Beugemuskeln 
annehmen,  d.  h.  die  M.  pronator  teres,  flexor  carpi  radialis,  palmaris 
longus  und  flexor  carpi  ulnaris,  und  in  den  Zwischenräumen,  welche 
diese  Muskeln  mit  ihren  Sehnen  zwischen  sich  lassen,  die  Fascia 
antebrachii  volaris  mitheranziehen.  Diese  oberflächliche  Wand  der 
Loge  bildet  einen  Bogen,  welcher  sich  vom  freien  Rande  des  Radius 
zu  dem  der  Ulna  herüberspannt  (s.  Fig.  80).  Als  Boden  wären  die 
beiden  Knochen  mit  ihrer  Membrana  interossea  aufzufassen,  welche  ja 
nur  in  ihren  beiden  mittleren  Vierteln  stark  sehnig  ist,  im  proximalen 
Viertel  dagegen  nur  bindegewebig,  weil  dort  der  M.  supinator,  die 
Ansatzsehne  des  M.  biceps  und  die  verschiedensten  Gefäße  und  Nerven 
liegen.  Im  distalen  Viertel  haben  wir  nicht  die  beiden  Vorderarm- 
knochen als  Boden  aufzufassen,  auch  nicht  die  hier  sehr  schwache 
Membrana  interossea,  sondern  den  M.  pronator  quadratus  mit  seiner 
Spezialfascie.  Die  proximale  Pforte  führt  mit  den  Vasa  brachialia 
und  dem  N.  medianus  in  die  Ellenbeuge  und  weiterhin  in  den  Sulcus 
bicipitalis  medialis,  durch  den  N.  radialis  und  die  Vasa  recurrentia 
radialia  zur  lateralen  Seite  des  Oberarmes,  und  zwar  nur  zur  Tiefe 
hin.  Der  erstere  Weg  wird  von  den  tiefen  Phlegmonen  des  Vorder- 
armes gewöhnlich  benutzt,  aber  auch  der  radiale  kann  in  Frage 
kommen.  Auch  distal  findet  sich  keine  Abgrenzung  der  Loge,  indem 
die  Sehnen  sich  unmittelbar  durch  den  Hohlhandtunnel  in  die  Vola 
manus  fortsetzen.  Indessen  könnte  man  das  proximale  Ende  der 
Sehnenscheiden  sämtlicher  Fingerbeuger  als  ideelle  Grenze  auffassen, 
welche  bei  Entzündungen  jedoch  keinen  erheblichen  Widerstand  bietet. 

Die  gewöhnlich  vorhandenen  3  Nerven  für  den  M.  flexor  digi- 
torum  sublimis  treten  in  folgender  Weise  ein:    Der  erste  Zweig  für 

254 


Logen  am  Vorderarme.  255 

den  Venter  superior  des  oberflächlichen  Zeigefingerbeugers  3,5  cm 
distal  vom  Epicondylus  medialis,  der  gemeinschaftliche  Nerv  für  III, 
IV  und  V  etwa  7  cm  distal,  eventuell  aus  dem  N.  interosseus  volaris, 
heraus.  Der  dritte  Nerv  für  den  Venter  inferior  sublimis  indicis  15  cm 
distal,  d.  h.  erst  in  der  distalen  Hälfte  des  Vorderarmes.  Die  Ge- 
fäße werden  im  proximalen  Viertel  von  Zweigen  der  A.  recurrens 
ulnaris  geliefert,  im  mittleren  Viertel  von  der  A.  mediana,  in  den 
beiden  distalen  Vierteln  von  der  A.  radialis  sowohl,  wie  der  ulnaris. 
Durch  die  zahlreichen  Gefäße  ist  für  eine  bequeme  Blutzufuhr  von 
allen  Seiten  gesorgt. 

Die  Nerven  für  den  M.  flexor  digitorum  profundus  treten  vom 
N.  ulnaris  aus  5  cm,  die  vom  N.  medianus  oder  besser  dem  N.  inter- 
osseus volaris  aus  10  cm  distal  vom  Epicondylus  medialis  zum  Muskel. 
Die  accessorischen  Zweige,  welche  sich  von  letzterem  Nerven  aus 
distal  zum  Muskel  loslösen,  haben  wir  keiner  besonderen  Messung 
unterzogen.  An  Zahl  wechselnd,  können  sie  sich  erst  distal  bis  zur 
Grenze  des  mittleren  und  unteren  Drittels  des  Vorderarmes  ab- 
zweigen. Die  Gefäße  treten  von  der  Oberfläche  oder  vom  radialen 
Rande  in  den  Muskel  ein.  Erstere  werden  proximal  von  dem  R. 
posterior  a.  recurrentis  ulnaris  geliefert,  distal  von  der  A.  ulnaris 
selbst.  Die  tiefen  Gefäße  sind  Seitenzweige  der  A.  interossea 
volaris. 

Der  M.  flexor  pollicis  longus  erhält  seine  Nerven  zweigeteilt  beim 
Beginne  seines  Muskelfleisches  etwa  10  cm  distal  vom  Epicondylus 
medialis  aus  dem  N.  interosseus  volaris.  Die  zahlreichen  feinen  Ge- 
fäße stammen  proximal  aus  der  A.  mediana,  lateral  aus  der  A. 
radialis,  medial  aus  der  A.  interossea  volaris. 

XIV.  Loge  der  M.  abductor  pollicis  longus  und  extensor  pollicis 
brevis.  Obwohl  diese  in  der  Höhe  der  Membrana  interossea  nicht 
scharf  gegen  die  oberflächlichen  und  tiefen  Nachbarmuskeln  der  Streck- 
gruppe abgegrenzt  ist,  verdichtet  sie  sich  jedoch  gegen  unseren  Fasci- 
culus  longitudinalis  radialis  immer  mehr  und  bildet  von  der  Stelle  an, 
wo  die  Muskeln  an  die  Oberfläche  gelangen,  eine  hautwärts  scharf 
umschriebene  Loge,  während  in  der  Tiefe,  knochenwärts  die  binde- 
gewebige Abgrenzung  gegen  die  Sehnen  beider  M.  extensores  carpi 
radiales  durch  einen  Schleimbeutel,  unsere  Bursa  subabductoria 
radialis,  in  breiter  Ausdehnung  dünn  geworden  zu  sein  pflegt,  wenigstens 
beim  Erwachsenen.  Mit  dem  Beginne  der  Sehnenscheide,  d.  h.  in  der 
Höhe  des  proximalen  Randes  des  Lig.  carpi  dorsale  tritt  erst  die 
-charfe  Sonderung  ein,  welche  auch  bei  den  anderen  Muskeln  der 
Streckseite  wiederkehrt,  die  wir  jedoch  nicht  bei  der  Fascie  des 
Vorderarmes  besprechen  konnten,  sondern  bei  den  Sehnenscheiden 
der  Streckseite  ausführlich  berücksichtigen  werden. 

Die  Nerven  für  den  M.  abductor  pollicis  longus  treten,  da  der 
Hiatus  distalis  des  Canalis  für  den  R.  profundus  n.  radialis  der 
Grenze  zwischen  proximalem  und  mittleren  Drittel  des  Vorderarmes 
zu  entsprechen  pflegt,  erst  im  mittleren  Drittel  zu  den  Muskelbündeln ; 
gewöhnlich  ein  radialer  und  ein  ulnarer  Zweig.  In  welcher  Höhe 
sich  aus  dem  medialen  Aste  der  besondere  Zweig  für  den  M.  ex- 
tensor pollicis  brevis  entwickelt,  richtet  sich  nach  der  Ausdehnung  dieses 
Muskels  proximalwärts.  Die  Gefäße  kommen  für  den  M.  abductor  aus 
der  A.  interossea  dorsalis  und  auch  der  A.  radialis ;  für  den  M.  extensor 
pollicis  brevis  vornehmlich  aus   der  A.  interossea  volaris,   welche 

255 


256  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

von  der  Durchbohrung   der  Membrana  interossea  an  früher  auch  als 
A.  interossea  dorsalis   inferior  bezeichnet  zu  werden  pflegte. 

XV.  M.  extensor  pollicis  longus  und  indicis  proprius.  Die  Ein- 
trittsstelle der  Nerven  befindet  sich  erst  in  der  distalen  Hälfte  des 
Vorderarmes  in  dessen  Beginne.  Die  Gefäße  stammen  im  proximalen 
Teile  aus  der  A.  interossea  dorsalis  (superior),  im  distalen  der  A. 
interossea  volaris  (dorsalis  inferior).  Für  den  distalen,  sehr  weit 
fleischigen  M.  extensor  indicis  proprius  kommt  auch  noch  das  Rete 
carpi  dorsale  in  Betracht.  Der  sehr  stark  entwickelte  Kollateral- 
kreislauf  auf  der  dorsalen  Seite  des  Handgelenkes  kommt  auch  den 
Muskeln  und  besonders  den  Sehnen  und  Sehnenscheiden  zu  gute. 


A.  Fasciae  volares  inanus. 

1)  Oberflächliche   Schicht. 

a)  Palmaraponeurose. 

Synonyma:  Hohlhandaponeurose  oder  -binde;  Aponeurosis  palmaris; 
Aponevrose  palmaire. 

Die  folgende  Beschreibung  der  Palmaraponeurose  ist  im  wesent- 
lichen PoiRiER  entlehnt,  der  sie  wohl  am  ausführlichsten  berück- 
sichtigt hat,  S.  167—170,  teils  in  fast  wörtlicher  Uebersetzung,  teils 
in  freier,  unter  Auslassung  verschiedener  Stellen,  welche  uns  noch 
nicht  sicher  genug  nachgewiesen  schienen,  unter  Hinzufügung  eigener 
Beobachtungen.  Wer  sich  der  Mühe  unterziehen  will,  die  teilweise 
recht  schwer  verständliche  Darstellung  von  Poirier  im  Originale  zu 
lesen,  wird  selbst  herausfinden,  wo  wir  mit  ihm  übereingestimmt 
haben,  wo  wir  seine  Ausführungen  nicht  mitunterschrieben  und 
durch  eigene  ergänzt  haben. 

Im  Bereiche  der  Hohlhand  gibt  es  2  Binden,  eine  oberflächliche 
und  eine  tiefe. 

Die  oberflächliche  Schicht  zerfällt,  wie  man  auf  den  ersten  Blick 
erkennen  kann,  in  drei  Unterabteilungen :  eine  zentrale,  aponeurotische 
im  Bereiche  der  eigentlichen  Hohlhand,  und  zwei  periphere,  fascielle, 
welche  Thenar,  Daumenballen  und  Hypothenar,  Kleinfingerballen  ent- 
sprechen. Die  wichtigste  ist  die  mittlere,  welche  als  Aponeurosis 
palmaris  im  engeren  Sinne,  oder  überhaupt  als  diese,  wenigstens  bei 
den  deutschen  Autoren,  aufgeführt  wird. 

Aponeurosis  palmaris  s.  str. 
(Aponevrose  palmaire  moyenne  Poirier). 

Idiotopie  und  Skelotopie. 

Die  mittlere  oder  eigentliche  Hohlhandaponeurose  stellt  eine 
dreieckige  Sehnenlamelle  dar  mit  distaler  Basis  und  zum  Lig.  carpi 
transversum  gewandter  Spitze.  Es  wäre  verkehrt,  zu  sagen,  daß  sie  die 
Fortsetzung  des  M.  palmaris  longus  bildete.  Denn  dieser  Muskel 
kann  vollständig  fehlen,  ohne  daß  deshalb  die  Aponeurose  die  ge- 
ringste Einbuße  in  ihrer  gewöhnlichen  Stärke  und  Gestalt  zu  er- 
fahren braucht.     Trotzdem,   daß  die  Aponeurose  sehnenartigen  Glanz 

256 


Tascien  der  Hand.  257 

besitzt,  kann  sie  nicht  ohne  weiteres  mit  einer  ausgebreiteten  Sehne, 
einer  Muskelaponeurose  verglichen  werden,  eher  noch  die  Plantar- 
aponeurose,  welche  ihrerseits  ja  noch  einem  Muskel  zum  Ursprünge 
dient.  Wenn  man  den  Befunden,  welche  gewöhnlich  am  erwachsenen 
Menschen  verwirklicht  sind,  ohne  Rücksicht  auf  vergleichende  Anatomie 
u.  s.  w.,  Rechnung  trägt,  kann  man  jedoch  sagen,  daß  die  Aponeurosis 
palmaris  eine  wirkliche  Aponeurose  darstellt,  allerdings  von  ganz  be- 
sonderem Baue. 

Ihr  Beginn  fällt  in  der  Vola  mit  dem  distalen  Ende  des  Lig.  carpi 
transversum  zusammen,  sei  es  als  unmittelbare  Fortsetzung  der  Sehne 
des  M.  palmaris  longus,  sei  es  als  fächerförmiger  Ursprung  aus  der 
Fascia  antebrachii,  sei  es  als  sich  verjüngender  Zug,  der  die  Höhe 
der  Artic.  radiocarpea  überhaupt  nicht  erreicht. 

Die  distale  Grenze  ist  noch  schwerer  anzugeben.  Der  eigentlich 
sehnige  Charakter  hört  volarwärts  in  der  Höhe  der  Articulationes 
metacarpophalangeae  auf,  d.  h.  in  der  queren  Linie,  welche  man  un- 
gefähr 2  cm  proximalwärts  von  den  volaren  Schwimmhäuten  über  die 
ganze  Breite  der  Vola  manus  —  vom  Zeige-  bis  Kleinfinger  —  ziehen 
kann.  Die  Verlängerungen  der  Aponeurose  über  diese  Linie  hinaus 
sind  zwar  regelmäßig  vorhanden,  aber  in  ihrem  Baue  so  verschieden 
gestaltet,  daß  sie  eine  besondere  Besprechung  verdienen. 

Seitlich  setzt  sich  die  Aponeurosis  palmaris,  mehr  oder  minder 
scharf  abgegrenzt,  auf  die  Fascien  des  Daumen-  und  Kleinfinger- 
ballens fort. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Von  den  beiden  breiten  Flächen  der  Aponeurose  ist  die  vordere 
oder  oberflächliche  eng  mit  der  Haut  verbunden,  die  hintere  oder 
tiefe  entspricht  zunächst  in  ihrem  proximalen  Teile  dem  Lig.  carpi 
transversum.  Man  kann  sich  aber  leicht  durch  die  Durchschneidung 
der  seitlichen  Befestigungen  am  Thenar  und  Hypothenar  davon  über- 
zeugen, daß  die  Verbindung  mit  dem  Bande  selbst  in  dessen  Mitte  nur 
eine  lockere  ist.  —  Am  distalen  Rande  des  Lig.  carpi  transversum 
findet  sich  dagegen  eine  stärkere  Verbindung  mit  demselben. 

In  der  Hohlhand  selbst  legt  sich  die  Aponeurose  der  Reihe  nach 
auf  den  Arcus  volaris  superficialis,  die  von  diesem  ausgehenden 
Digitalarterien,  auf  die  Zweige  des  N.  medianus  und  ulnaris,  die 
Beugesehnen  und  die  M.  lumbricales;  die  noch  tiefer  gelegenen  Ge- 
bilde kommen,  weil  sie  durch  die  Fascia  interossea  volaris  abgegrenzt 
sind,  nicht  mehr  in  direkte  Berührung  mit  ihr. 

Feinerer  Bau. 

Die  Aponeurosis  palmaris  besteht  aus  longitudinalen  und  trans- 
versalen Fasern. 

Die  longitudinalen  lassen  einen  doppelten  Ursprung  erkennen. 
Die  zahlreichsten  und  gleichzeitig  oberflächlichen  Fasern  setzen  ent- 
weder die  Sehne  des  M.  palmaris  longus  fort  oder  entspringen,  wenn 
dieser  fehlt,  in  der  Richtung,  welche  er  sonst  nimmt.  Die  weniger 
zahlreichen  tiefen  Fasern  entspringen  vom  distalen  Rande  des  Lig. 
carpi  transversum,  bilden  zwei  starke  Bündel,  welche  sich  X-förmig 
überkreuzen,  und  strahlen  bald  in  die  oberflächliche  Schicht  aus.    Ihr 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  II,  2.  l'T 


258  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

Ursprung  setzt  sich  bisweilen  bis  zum  Os  multangulum  majus  und 
hamatum  fort. 

Möge  auch  der  Ursprung  sein,  wie  er  wolle,  die  longitudinalen 
Fasern  steigen  divergierend  zu  den  Fingern  hinunter.  Sie  bilden 
dabei  eine  ziemlich  einheitliche  Platte,  weisen  aber  häufig  einen  so 
erheblichen  Unterschied  in  der  Dicke  an  einzelnen  Stellen  auf,  welche 
den  Achsen  der  Finger  entsprechen,  daß  es  erlaubt  ist,  sie  in  ein- 
zelne Streifen  zu  zerlegen. 

Am  wichtigsten  sind  die  vor  den  Beugesehnen  gelegenen  Züge, 
die  Languettes  pretendineuses  von  Legueu  und  Juvara  ;  die  weniger 
bedeutsamen  verlaufen  zur  Tiefe  an  den  Seiten  der  Sehnen  vorbei; 
sie  sind  Languettes  intertendineuses  genannt. 

Diese  Fasern  verdienen  eigentlich  nur  an  den  beiden  Rändern 
der  Hohlhand  Beachtung,  ulnar  begrenzen  sie  den  Hypothenar  und 
strahlen  am  Handrande  in  den  Beginn  der  Linea  mensalis  aus; 
radial  begrenzen  sie  den  Thenar  und  enden  mit  dem  radialen  Be- 
ginne der  Linea  vitalis,  derjenigen  Hautfalte,  welche  sich  scharf 
zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  einschiebt. 

Das  Ende  der  Fasciculi  praetendinosi,  languettes  pretendineuses, 
ist  sehr  verwickelt,  man  kann  sogar  3  verschiedene  Abteilungen  unter- 
scheiden : 

1)  Insertionen  an  der  Tiefe  der  Haut.  Diese  machen  sich,  be- 
sonders bei  Frauen  oder  bei  wohlgenährten  Männern,  welche  keine 
schweren  Handarbeiten  auszuführen  gewohnt  sind,  distal  von  den 
Articulationes  metacarpophalangeae  als  Vertiefungen  bemerkbar,  gegen- 
über den  Vorwölbungen  der  Fettpolster  in  den  Interdigitalräumen, 
den  Monticuli  der  Chiromanten.  Am  deutlichsten  sind  sie  bei  Hyper- 
extension  der  Finger  zu  erkennen.  Einige  dieser  Fasern  gehen  bis 
zu  den  Fingern,  wo  man  sie  bis  zur  ersten  Beugefalte  verfolgen  kann, 
zeitweilig  in  Form  von  zwei  zarten  Bändchen  bis  zu  den  Seitenrändern. 
Frohse  hat  sogar  (Arch.  f.  Anat.  u.  Phys.,  1906,  S.  101 — 108)  eine 
besondere  Aponeurosis  digitalis  ausführlich  nach  Bau  und  Funktion 
beschrieben. 

2)  Insertionen  in  der  Tiefe  bis  zur  Fascia  interossea  volaris 
(anterior)  und  dem  Lig.  capitulorum  transversum.  Da  die  Haupt- 
stränge der  Palmaraponeurose  gerade  über  den  Beugesehnen  liegen, 
ist  es  klar,  daß  die  tiefen  Fasern  sich  um  die  Sehnen  herumschlingen 
müssen.  Auf  der  Rückseite  derselben  vereinigen  sie  sich  aber  wieder 
und  bilden  so  eine  Reihe  von  4  sekundären  Sehnenfächern  in  dem  ge- 
meinschaftlichen primären  Höhlhandfache,  welches  seinerseits  außerdem 
die  Gefäße,  Nerven  und  M.  lumbricales  enthält. 

Die  Angaben  von  Poirier  über  die  seitlichen  Ausstrahlungen 
der  Palmaraponeurose,  welche  die  beiden  Beugesehnen  umgeben, 
möchten  wir  an  einem  Befunde  einer  sehr  langen  (21  cm)  rechten 
Männerhand  erweitern.  Die  einzelnen  Maße,  von  unserer  queren 
Hohlhandfurche  aus  distal wärts  gemessen,  waren  nicht  nur  für  jeden 
dreigliedrigen  Finger  verschieden,  sondern  auch  an  der  radialen  und 
ulnaren  Seite.  Auch  hier  spielte  die  jeweilige  Anheftung  der  M. 
lumbricales  die  entscheidende  Rolle,  inwieweit  der  radiale  Umfang  sich 
als  der  kürzere  gegenüber  dem  ulnaren  erwies.  Unsere  Maßbestim- 
mungen in  der  Längsrichtung  der  Fasern  ergaben  für  die  ulnare 
Seite  ein  Schwanken  zwischen  1 — 3  cm,  für  die  radiale  ein  solches  von 
0,2-1,5. 

.    258 


Fascien  der  Hand.  259 

Die  seitlichen  Ausstrahlungen  der  Aponeurosis  palmaris  zu 
dem  Lig.  capitulorum  transversum  und  der  mit  diesem  unmittelbar 
zusammenhängenden  Fascia  interossea  volaris  dürften  für  das  Zu- 
standekommen der  DuPUYTRENSchen  Kontraktur  von  Bedeutung  sein. 
Frohse  hat  diese  Krankheit  an  mehreren  Fällen  im  Beginne  oder 
ausgesprochener  Form  zu  präparieren  Gelegenheit  gehabt,  und  zwar 
am  4.  oder  3.  Finger  oder  beiden  gemeinsam,  und  fand  dabei  eine 
fast  unglaubliche,  bandartige  Verdickung  dieser  Fibrae  laterales, 
welche  nach  Durchtrennung  der  zur  Haut  ziehenden  oberflächlichen 
Züge  wie  eine  starre  Gabel  den  Beginn  der  Fingersehnenscheiden 
umfaßten.  Fränkel  hat  weiland  Professor  NASSE-Berlin  oft  die 
DuPUYTRENsche  Kontraktur  operativ  behandeln  gesehen.  Dieser 
Chirurg  legte  einen  ungefähr  3  cm  langen  Längsschnitt  an,  welcher 
kaum  über  unsere  quere  Hohlhandfurche  distalwärts  hinausreichte 
und  entfernte  dann  in  diesem  Bezirke  unter  peinlichster  Schonung 
der  eigentlichen  Sehnenscheidenwand  die  verdickte  Palmaraponeurose, 
stellte  also  eine  künstliche  Unterbrechung  zwischen  Ursprung  und 
Ansatz  der  Palmaraponeurose  her,  ungefähr  dasselbe  aktive  Vorgehen, 
wie  es  passiv  bei  einer  Sehnendurchtrennung  der  Fall  ist.  Der  Er- 
folg war  durchweg  ein  befriedigender,  wie  auch  Fränkel  an  eigenen 
Fällen  bestätigen  kann. 

3)  Insertionen  an  den  Kapseln  der  Articulationes  metacarpo- 
phalangeae.  Sie  entspringen,  wie  die  vorigen,  zu  den  Seiten  der 
Sehnen  von  der  Aponeurose,  finden  aber  nicht  mit  der  Fascia  inter- 
ossea anterior  und  dem  Lig.  capitulorum  transversa  ihr  Ende,  sondern 
gehen  noch  zwischen  den  Köpfchen  der  Mittelhandknochen  und  den 
dazwischen  gelegenen  M.  interossei  weiter  bis  zur  Fascia  interossea 
dorsalis.  Zwischen  je  zwei  benachbarten  M.  interossei  ist  sogar  noch 
eine  dünne  Scheidewand  vorhanden,  als  Abgrenzung  gegen  die  Ge- 
lenkkapseln ;  häufig  sogar  ein  Schleimbeutel,  der  jedoch  als  durch  die 
Sehne  der  M.  interossei  entstanden  aufzufassen  ist. 

Die  transversalen  Querfasern  sind  weniger  zahlreich.  Unter  den 
longitudinalen  gelegen,  können  sie  im  proximalen  Drittel  vollkommen 
fehlen,  nehmen  aber  bald  einen  bandartigen  Charakter  an.  Diese 
Fibrae  transversae,  welche  von  der  Höhe  der  Articulatio  metacarpo- 
phalangea  indicis  bis  zu  der  gleichen  des  Kleinfingers  gehen,  können 
direkt  als  Lig.  palmae  transversum  superficiale  bezeichnet  werden. 
Die  längsten  Züge  können  sogar  noch  über  den  ulnaren  Rand  der 
Hand  hinaus  auf  das  Dorsum  bis  auf  die  Strecksehne  des  kleinen 
Fingers  übergreifen.  Außerdem  finden  sich  aber  noch  kürzere  Züge, 
welche  zwischen  zwei  benachbarten  Sehnen  verlaufen,  in  der  Tiefe 
hängen  sie  mit  der  Fascia  interossea  (volaris)  zusammen. 

Lig.  natatorium  (BRAUNE). 

Synonyma:  Volares  Schwimmband,  Schwimmhaut;  Ligament  palmant 
inter-digital  Poirier,  bandelette  transversale  souscutanee  Bourgery,  liga- 
ments  interdigitaux  Legueu,   Juvara. 

Dieses  Band  stellt  einen  queren  Streifen  dar,  welcher,  dicht  unter 
der  Haut,  im  sogenannten  volaren  Schwimmbande  vom  Kleinfinger 
zu  Ring-,  Mittel-  und  Zeigefinger  sich  erstreckt.  Die  Fasern,  welche 
Zeigefinger-  und  Daumenhaut  verbinden,  können  nicht  hier  mitheran- 
gezogen werden;  sie  verdienen  den  Namen  eines  Bandes  nicht. 

17* 

259 


260  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Der  proximale  Rand  des  Bandes  ist  nahezu  quer  und  kann  ein- 
heitlich dargestellt  werden,  wenn  die  Hautansätze  der  Palmaraponeurose 
bis  zum  distalen  Rande  ihrer  Fibrae  transversae  entfernt  werden. 
Dann  sieht  man  gleichzeitig,  daß  das  Lig.  natatorium  und  die  Fibrae 
transversae  mindestens  1  cm  voneinander  entfernt  sind. 

Der  gegen  die  Hohlhand  zu  konkave  Rand  des  Lig.  natatorium 
ist  es  nicht  allein  proximal  in  der  Gesamtheit,  sondern  auch  distal, 
zwischen  den  3  Kommissuren  des  2.  bis  5.  Fingers.  Der  freie  Rand 
hebt,  wie  man  beim  Fingerspreizen  leicht  beobachten  kann,  den  freien 
Interdigitalrand  etwas  empor. 

Die  Fasern  des  Bandes  sind  verschieden  lang  und  auch  ver- 
schieden gerichtet;  im  allgemeinen  verbinden  sie  nur  die  Nachbar- 
finger miteinander  und  hindern  ein  zu  weites  Entfernen  derselben, 
am  schönsten  sieht  man  die  Wirkung  dieses  Bandes  durch  die  Haut, 
wenn  man  die  Finger  stark  spreizt  und  sie  dann  etwas  beugt, 
oder  wenn  man  Mittel-  oder  Ringfinger  beugt,  während  die  betreffen- 
den Nachbarfinger  gestreckt  bleiben,  dann  legt  es  sich  wie  eine 
Schlinge  um  den  Finger  herum  und  hindert  sehr  bald  seine  selb- 
ständige Ueberbeugung. 

Eine  besondere  Beachtung  werden  hinterher  die  Fasern  ver- 
dienen, welche  sich  mit  den  intertendinösen  Fasern  der  Palmar- 
aponeurose einerseits  und  der  seitlichen  Fingerhaut  andererseits  ver- 
binden. 

Bedeutung. 

Wie  das  Lig.  carpi  transversum  die  Handwurzelknochen  fest  zu- 
sammenhält und  mit  ihnen  einen  förmlichen  Tunnel  bildet  zum  Durch- 
tritte für  die  Beugesehnen  und  den  N.  medianus,  so  hält  die  Hohl- 
handaponeurose  die  Mittelhandknochen  zusammen  und  entwickelt  aus 
dem  gemeinschaftlichen  Hohlhandtunnel,  der  einem  Zentralbahnhofe 
vergleichbar  ist,  eine  Reihe  von  Zweiggeleisen,  nicht  allein  für  die 
eben  genannten  Gebilde,  sondern  auch  noch  für  die  Muskeln,  welche 
sich  von  den  tiefen  Beugesehnen  entwickeln,  die  Hautäste  des  N. 
ulnaris  und  den  Arcus  volaris  superficialis  mit  seinen  Fingerarterien. 
Um  die  Sehnen  herum  sind  besondere  Verstärkungszüge  angelegt, 
während  die  Muskeln,  Nerven  und  Gefäße  nur  durch  dünne  Binden 
eingescheidet  sind  und  größere  Bewegungsfreiheit  haben. 

b)  Fascien  der  Handballen. 

Synonyma:  Aponevroses  palmaires  externe  et  interne. 

Die  dünnen  Bindegewebslagen,  welche  Thenar  und  Hypothenar 
einhüllen,  verdienen,  deutschem  Sprachgebrauche  nach,  den  Namen 
Aponeurosis  nicht,  ebensowenig  wie  wir  von  einer  Aponevrose 
brachiale  reden.  Es  fehlen  ihnen  die  festen  und  glänzenden  Züge 
der  eben  beschriebenen  eigentlichen  Aponeurosis  palmaris,  nur  beim 
Uebergange  in  dieselbe  finden  wir  noch  einige  auf  die  Handballen 
übergreifende  sehnige  Fasern. 

a)  Fascie  des  Tüenar. 

Diese  Fascie  deckt  die  4  Muskeln  des  Daumenballens.  Vom 
äußeren,  lateralen  Rande  des  Os  metacarpale  I  ausgehend,   deckt  sie 

260 


Fascien  der  Handballen,  261 

nacheinander  die  präparatorisch  freiliegenden  Teile  der  M.  opponens, 
abductor,  flexor  und  adductor  pollicis.  Bis  zum  ulnaren  Rande  des 
oberflächlichen  Kopfes  des  M.  flexor  pollicis  brevis  liegt  sie  also  nur 
unter  der  hier  ziemlich  fettarmen  Haut,  von  der  sie  deshalb  schwer  zu 
trennen  ist,  dann  biegt  sie  hakenförmig  gegen  den  1.  Mittelhand- 
knochen um,  um  auf  dem  tiefen  Flexorkopfe  die  Sehne  des  M.  flexor 
pollicis  longus  zu  umfassen,  und  zwar  von  der  tiefen  Seite  aus;  auf 
dem  M.  adductor  pollicis  verläuft  sie  wieder  in  der  Ebene  der  Mittel- 
handknochen, bis  sie  am  3.  ihr  Ende  findet  oder  besser  sich  mit  der 
Fascia  interossea  volaris  vereinigt.  Das  obere  uhd  untere  Ende  der 
Fascie  ergibt  sich  aus  Ursprung  und  Ansatz  der  bedeckten  Muskeln ; 
sie  erstreckt  sich  also  im  radialen  oder  auch  proximalen  Teile  vom 
Lig.  carpi  transversum  bis  zur  Basis  der  1.  oder  Grundphalanx  des 
Daumens  und  vom  ulnaren  Sesambeine  nahezu  transversal  bis  zum 
3.  Mittelhandknochen. 

Zwischen  den  einzelnen  Daumenmuskeln  finden  sich  auch  dünne 
Scheidewände,  sehr  undeutlich  ist  aber  bisweilen  die  Grenze  zwischen 
den  M.  opponens  und  flexor  brevis. 

Der  den  M.  adductor  deckende  Teil  der  Fascie  liegt  natürlich 
tief  und  wird  von  den  Beugesehnen  für  den  2.  und  3.  Finger  über- 
lagert. 

ß)  Fascie  des  Hypothenar. 

Vom  ulnaren  Rande  des  5.  Mittelhandknochens  ausgehend,  über- 
zieht sie  nacheinander  die  M.  opponens,  abductor,  flexor  brevis 
digiti  minimi  und  setzt  sich  in  der  Tiefe  an  dem  radialen  Rande 
des  5.  Mittelhandknochens  an.  Bei  der  scharfen  Trennung  des  M. 
abductor  und  opponens  ist  am  ulnaren  Rande  auch  die  trennende 
Zwischenfascie  gut  entwickelt;  mit  ihr  verbunden  ist  außerdem  die 
volare  Nebensehne  des  M.  extensor  carpi  ulnaris,  welche  sich  bis 
zum  distalen  Ende  des  M.  opponens  verfolgen  läßt.  Das  obere  und 
untere  Ende  der  Fascie  richtet  sich  wieder  nach  Muskelursprung  und 
-ansatz,  d.  h.  die  Binde  geht  von  der  Höhe  des  Erbsenbeines  bis  zur 
Basis  der  1.  oder  Grundphalanx  des  kleinen  Fingers,  wo  sie  in  die 
Wand  der  Beugesehnenscheide  übergeht.  Mit  dem  M.  palmaris  brevis 
hat  diese  Fascie  nichts  zu  tun ;  derselbe  ist  vielmehr  in  seinem 
fleischigen  Teile  in  das  Fett  eingeschlossen,  welches  vor  allem  dem 
Kleinfingerballen  seine  Rundung  verschafft.  Von  einer  besonderen 
Binde  darf  man  bei  ihm  ebensowenig  sprechen,  wie  bei  den  Gesichts- 
muskeln oder  dem  Platysma.  Auch  in  dieser  Beziehung  erweist  er 
sich  als  ein  wahrer  Hautmuskel. 

2)  Mittlere   Schicht. 

Hohlhandfächer. 

Synonyma :  Spatia  interfascialia  palmaria,  Loges  de  la  paume  de 
la  main. 

Die  eigentliche  Hohlhand  wird  von  den  Mittelhandknochen  und 
den  dazwischen  liegenden  M.  interossei  durch  die  Fascia  interossea 
volaris  getrennt.  Die  besonderen  4  osteofibrösen  Räume,  in  welchen 
die  Zwischenknochenmuskeln  liegen,  sind  bereits  bei  der  Beschreibung 
der  Fascia  interossea  dorsalis  dargestellt  worden. 

261 


262  FROHSE   und   M,    FRÄNKEL, 

Anatomisch  berechtigt  uud  den  Bedürfnissen  der  Chirurgen  an- 
gepaßt ist  eine  Zerlegung  in  3  Fächer.  Es  empfiehlt  sich,  die  Daumen- 
sehnenscheide dem  Thenar,  und  die  Sehnenscheide  des  kleinen  Fingers 
dem  Hypothenar  anzugliedern. 

Das  äußere,  laterale  oder  radiale  Fach  enthält  also  sämtliche  kurze 
Daumenmuskeln  und  die  Sehnenscheide  des  M.  flexor  poUicis  longus, 
das  innere,  mediale  oder  ulnare  die  Muskeln  des  Kleinfingerballens 
mit  Ausnahme  des  M.  palmaris  brevis,  ferner  den  R.  profundus  des 
N.  und  der  A.  ulnaris  und  vor  allem  auch  die  Sehnenscheide  der 
beiden  Kleinfingerbeuger.  Das  mittlere,  anatomisch  interessanteste 
Fach  enthält  die  Beugesehnen  des  Zeige-  bis  Ringfingers,  sämtliche 
Lumbricalmuskeln,  den  Arcus  volaris  sublimis  mit  seinen  Zweigen  und 
die  sensiblen  Nerven  der  Finger  mit  Ausnahme  desjenigen  für  den 
ulnaren  Kleinfingerrand. 


3)  Tiefe   Schicht. 

Fascia  interossea  anterior. 

Synonyma:  Vordere  oder  volare  Zwischenknochenbinde ;  Aponevrose 
palmaire  profonde  ou  interosseuse  anterieure. 

Man  hat  die  Wahl,  ob  man  sie  mit  Henle  als  einheitliche  Lage 
betrachten,  oder  sie  mit  Sappey  in  4  Unterabteilungen  zerlegen  will, 
deren  jede  einem  Zwischenknochenraume  entspricht. 

Wir  möchten  jedoch  eine  Mittelstellung  einnehmen,  indem  wir 
einen  ulnaren  Teil  unterscheiden,  medial  von  dem  vorderen  Rande 
des  3.  Mittelhandknochens,  der  schon  nach  Entfernung  der  Beuge- 
sehnen sichtbar  wird,  und  einen  radialen,  der  erst  nach  Entfernung 
der  Ursprünge  des  M.  adductor  polhcis  vom  3.  und  2.  Os  meta- 
carpale  frei  zu  Tage  liegt. 

Die  Fascie  beginnt  im  Anschlüsse  an  die  des  Hypothenar,  Klein- 
fingerballens, und  geht  brückenartig  zum  vorderen  Rande  des  4.  und 
weiter  des  3.  Mittelhandknochens,  wo  sie  zunächst  eine  Verschmelzug 
mit  der  Fascie  des  M.  adductor  pollicis  und  dadurch  der  des  Daumen- 
ballens erfährt.  Unter  dem  Caput  transversum  des  M.  adductor 
pollicis  setzt  sie  sich  zunächst  bis  zur  volaren  Kante  des  Os  meta- 
carpale  II  fort  und  findet  ihr  Ende  am  inneren,  ulnaren  Rande  des 
Mittelhandknochens  des  Daumens. 

Proximal  geht  sie  unmerklich  in  den  Bandapparat  der  Handwurzel- 
knochen über,  distal  endet  sie  in  der  Höhe  der  Articulationes  meta- 
carpophalangeae  als  immer  dicker  werdende  Schicht,  die  aber  in  Wirk- 
lichkeit mit  den  sogenannten  Lig.  capitulorum  transversa  zusammen- 
hängt. Bei  der  Muskelpräparation  pflegt  man  diese  Bänder  scharf 
gegen  die  Fascie  abzusetzen  und  letztere  zu  entfernen.  Dann  zieht 
dieses  Band  vom  Gelenke  zwischen  Mittelhandknochen  und  Grund- 
phalanx des  kleinen  Fingers  bis  zu  dem  entsprechenden  des  Zeige- 
fingers und  trennt  in  erster  Linie  die  M.  lumbricales  und  die  Gefäße  und 
Nerven  der  Finger  von  den  M.  interossei,  in  zweiter  Linie  wäre  erst 
die  selbstverständliche  Tatsache  zu  erwähnen,  daß  die  Beugesehnen 
vor,  d.  h.  hautwärts  von  der  Fascie  und  diesem  Bande  ihren  Weg 
zu  den  Fingern  nehmen.  An  dieser  Stelle  trennt  das  Band,  besser 
die  bandartig  verdickte  Fascie   die  Beugesehnen   von   den  Gelenken. 

262 


Fasciae  dorsales  manus.  263 

B.  Fasciae  dorsales  iiiaiius. 

Synonyma:  Fascien  des  Handrückens;  Aponevroses  dorsales. 

Leicht  darstellbar  sind  deren  zwei,  eine  oberflächliche,  die  Streck- 
sehnen bedeckende,  und  eine  tiefe,  welche  auf  den  M.  interossei  dor- 
sales liegt. 

Die  schwächere  von  beiden  ist  die  oberflächliche,  welche  das 
Lig.  carpi  dorsale  distalwärts  fortsetzt  und  in  der  Höhe  der  Knöchel 
sich  mit  dem  Bindegewebe  hautwärts  von  den  Strecksehnen  vereint 
und  an  den  Fingern  selbst  nicht  mehr  als  selbständiges  Gebilde  dar- 
gestellt werden  kann. 

Daß  sie  in  Knöchelhöhe  auch  mit  der  tiefen  Fascie  verschmilzt, 
bedarf  wohl  kaum  besonderer  Erwähnung,  weil  ja  hier  das  Fleisch 
der  M.  interossei  aufhört.  Wo  aber  das  Muskelfleisch  beginnt,  also 
proximal  von  den  Knöchelgelenken,  haben  wir  auch  eine  deutliche 
Fascia  profunda.  Diese  spannt  sich  der  Reihe  nach  flächenartig  von 
einem  Mittelhandknochen  zum  anderen  aus :  am  Mittelhandknochen  des 
Daumens  hängt  sie  mit  der  Fascie  des  Thenar  zusammen,  an  dem 
des  Kleinfingers  mit  der  Binde  des  Hypothenar. 

Obwohl  die  Fascie  verhältnismäßig  dünn  ist  und  mit  den  Ur- 
sprungsfasern der  M.  interossei  eng  zusammenhängt,  bietet  sie  doch 
einen  bedeutsamen  Abschluß  der  Zwischenknochenräume. 

Zwischen  oberflächlicher  und  tiefer  Fascie  verlaufen  die  Streck- 
sehnen, die  also  gewissermaßen  zwischen  beiden  Binden  wie  in  einem 
flachen  breiten  Fache  eingescheidet  sind.  Wie  wir  bei  der  Muskel- 
beschreibung bereits  hervorgehoben  haben,  können  sich  die  Streck- 
sehnen fast  wie  eine  einheitliche  Sehnenplatte  über  den  ganzen  Hand- 
rücken ausbreiten.  Ein  gewisser  Zusammenhang  bleibt  ja  immer 
durch  die  normalen  Sehnenkonjugationen  erhalten.  Von  diesen  ab- 
gesehen aber  findet  sich  regelmäßig  eine  bindegewebige,  flächenartige 
Verbindung  zwischen  den  benachbarten  Sehnen  vom  Handgelenke 
bis  zu  den  Knöcheln,  welche  den  Namen  einer  Fascia,  besser  Lamina 
intermedia  s.  intertendinosa  verdient. 

Wir  unterscheiden  demgemäß: 

1)  Fascia  dorsalis  superficialis,  hautwärts  von  den  Strecksehnen; 

2)  Fascia  intermedia  dorsalis  s.  intertendinosa,  das  Rudiment  der 
einheitlichen  Sehneuplatte,  und 

3)  Fascia  interossea  dorsalis  s.  posterior,  dicht  auf  den  M.  inter- 
ossei und  den  verbindenden  Flächen  der  Ossa  metacarpi. 

Eine  Sonderstellung  nimmt  bei  der  Fascia  dorsalis  manus  pro- 
funda der  radiale  Abschnitt,  d.  h.  der  über  dem  Spatium  interosseum  I 
und  dem  M.  interosseus  dorsalis  I  gelegene  Teil  ein.  Bei  der 
durch  die  Artic.  carpometacarpea  pollicis  bedingten  ausgiebigen  Be- 
weglichkeit des  Os  metacarpale  des  Daumens  können  die  Muskeln, 
welche  ihn  den  übrigen  Fingern  nähern ,  nicht  von  einer  derben 
Fascie  bedeckt  sein,  welche  der  Bewegungsfreiheit  nur  hinderlich 
wäre.  Nichtdestoweniger  bildet  sich  im  proximalen  Teile  des  1.  Zwischen- 
knochenraumes eine  Verstärkung  aus,  welche  wir  niemals  vermißt 
haben.  Oft  nur  andeutungsweise  vorhanden,  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  deutlich  sehnig,  kann  sie  zum  Vorderarme  hin  sogar  einen 
besonderen  Muskel  entwickeln,  welcher  sich  bald  dem  Bauche 
des    M.    extensor     pollicis    longus,     bald     dem    des    M.    extensor 

263 


264  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

digitorum  communis  anschließt.  Die  zwischen  den  beiden  ersten 
Mittelhandknochen  gelegene  sehnige  Arkade  mit  proximal  kon- 
vexem Rande  ist  besonders  deutlich  am  radialen  Rande  des  Zeige- 
fingers und  verliert  sich  radialwärts  gegen  die  Sehne  des  M.  extensor 
pollicis  longus  hin.  Um  den  freien  Rand  schlingt  sich  regelmäßig 
eine  Vene,  welche  eine  Verbindung  zwischen  den  Satellitenvenen  der 
A.  radialis  und  der  V.  cephalica  herstellt.  Wir  fassen  diesen  fibrösen 
oder  sehnigen  Bogen  als  normalen  üeberrest  eines  für  gewöhnlich 
beim  Menschen  verloren  gegangenen  Muskels  auf.  In  den  entsprechen- 
den Fällen  würde  je  nach  dem  Grade  der  Entwickelung  ein  ver- 
schiedener Name  gewählt  werden  müssen:  entweder  1)  Arcus 
fibrosus,  oder  2)  Tendo  bifurcatus,  oder  3)  M.  extensor  intermedius 
pollicis  et  indicis.  In  der  Tat  stellt  diese  Bildung,  besonders  wenn 
sie  einen  proximalen  Muskelbauch  aufweist,  einen  nur  willkommen 
zu  heißenden  Zusammenhang  dar  zwischen  den  Strecksehnen  der  drei- 
gliedrigen Finger  und  denjenigen  des  Daumens,  die  Andeutung  einer 
einheitlichen  Sehnenplatte  vom  Kleinfinger  bis  zum  Daumen.  In 
einem  Falle  fanden  wir  an  einem  sehr  kräftigen  Männerarme  den 
starken  Muskelbauch  mit  dem  M.  extensor  indicis  proprius  zusammen- 
hängend. 

Was  die  Fascia  dorsalis  manus  superficialis  anlangt,  so  ist  sie 
nur  in  ihrer  proximalen  Hälfte  sehr  deutlich  ausgesprochen.  Durch 
Zug  ausschließlich  an  den  Muskelballen  der  Vola  läßt  sich  dieser 
Teil  über  den  Strecksehnen  in  schwache  Querfalten  anspannen.  In 
der  distalen  Hälfte  kann  man  diese  Binde  nicht  so  klar  zur  An- 
schauung bringen  wegen  ihrer  geringeren  Stärke,  wenn  man  die  ent- 
sprechenden Teile  des  Kleinfingerballens  und  des  M.  interosseus  dor- 
salis I  volarwärts  zurückdrängt.  Aus  dem,  was  für  die  proximale 
Hälfte  gesagt  ist,  geht  hervor,  daß  die  Verbindung  mit  den  Ossa 
metacarpalia  I  und  V  nur  eine  lockere  sein  kann,  während  die  Haupt- 
masse der  Fascie  sich  kontinuierlich  in  die  des  Thenar  und  Hypo-^ 
thenar  fortsetzt. 


II.  Sehnenscheiden  und  Schleimbeutel  der  Hand. 

Synonyma:  Vaginae  et  bursae  mucosae  tendinum  manus;  organes 
sereux  annexes  aux  tendons  de  la  main  et  des  doigts. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieselben  kommen  vor  sowohl  an  der  Vola  wie  am  Dorsum.  Die 
dorsalen  finden  sich  als  Sehnenscheiden  nur  in  der  Umgebung  des 
Handgelenkes,  während  die  volaren  auch  die  Finger  betreffen,  so  daß 
an  der  Beugeseite  carpaler  und  digitaler  Abschnitt  unterschieden 
werden  muß;  jedoch  treten  am  Daumen  und  Kleinflnger  beide  Teile 
gewöhnlich  miteinander  in  Verbindung. 

I.  Sehnenscheiden  der  Hohlhand  und  Finger. 

Synonyma:  Vaginae  mucosae  volae  manus;  Gaines  sereuses  des 
tendons  flechisseurs. 

264 


Sehnenscheiden  der  Hand.  265 


A.  Wand  der  Sehnenscheiden. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Abgesehen  von  der  Sehnenscheide  des  M.  flexor  carpi  radialis 
und  dem  Gelenke  zwischen  Os  triquetrum  und  pisiforme,  welches 
einer  Bursa  mucosa  zu  vergleichen  ist  —  diese  beiden  Bildungen  haben 
wir  bereits  aus  Zweckmäßigkeitsgründen  bei  den  Vorderarmmuskeln 
beschrieben  —  kommen  an  dem  Handteller  und  den  Fingern  besondere 
Sehnenscheiden  für  die  Beugesehnen  sämtlicher  Finger  in  Betracht. 
Da  diese  praktisch  von  der  allergrößten  Wichtigkeit  sind  und  auch 
anatomisch  eine  Fülle  des  Interessanten  bieten,  ist  eine  ausführlichere 
Beschreibung  durchaus  geboten.  Wir  werden  sehen,  daß  auch  der 
Handteller  eines  gesunden  Individuums  eine  ganze  Reihe  von  An- 
haltspunkten für  die  Lage  dieser  Sehnenscheiden  gibt.  Ohne  ein 
Verständnis  der  normalen  Verhältnisse  wird  auch  die  Deutung  patho- 
logischer Fälle  nicht  so  leicht  sein,  sogar  zu  erheblichen  Irrtümern 
führen  können. 

Es  gibt  an  der  Volarseite  der  Hand  und  Finger  im  Anschlüsse 
an  die  Beugesehnen  zwei  verschiedene  Formen  der  Sehnenscheiden, 
die  einen  im  Bereiche  des  osteofibrösen  Fingerkanales,  die  anderen 
muskuloiibrös  zwischen  M.  interossei  oder  adductor  pollicis  und  Falmar- 
aponeurose  in  der  Hohlhand,  die  sich  aber  noch  durch  den  osteo- 
fibrösen Hohlhandtunnel  bis  zum  Vorderarme  fortsetzen.  Dort  finden 
sie  ein  sackartiges  Ende  und  grenzen  dabei  an  die  benachbarten 
Sehnen,  Muskeln,  Gefäße  und  Nerven,  aber  nicht  mehr  an  die 
Knochen ,  von  denen  sie  durch  den  M.  pronator  quadratus  ge- 
schieden sind. 

Den  5  Fingern  entsprechen  5  digitale  Sehnenscheiden;  an  dem 
eigentlichen  Handteller  haben  wir,  der  in  Deutschland  meist  üb- 
lichen Darstellungsweise  entsprechend,  nur  2  Scheiden,  je  eine  für  die 
Daumen-  und  Kleinfingerseite,  welch  letztere  sackartig  erweitert  ist, 
weil  sie  auch  die  Sehnen  des  2. — 4.  Fingers  für  eine  längere  oder 
kürzere  Strecke  mit  einschließt.  Recht  häufig  findet  sich  jedoch 
zwischen  diesen  beiden  eine  dritte,  entsprechend  den  Zeigefinger- 
sehnen. 

Die  Sehnenscheide  an  Daumen  und  Kleinfinger  kann  im  Finger- 
und Handteile  miteinander  in  Verbindung  stehen.  Fehlt  gleichzeitig 
die  eigene  Sehnenscheide  für  den  Zeigefinger,  so  kann,  ohne  daß  des- 
halb eine  Varietät  vorläge,  die  Gesamtzahl  der  Sehnenscheiden  nur  5 
betragen;  behält  dagegen  jede  der  digitalen  und  carpalen  Scheiden 
ihre  eigene  geschlossene  Höhle,  so  haben  wir  5  Fingerscheiden  und 
3  eigene  Handscheiden,  insgesamt  8  Höhlen.  Besonderheiten,  vor 
allem  sogenannte  accessorische  Scheiden  kommen  aber  vor. 

Für  die  anatomische  Betrachtung  sind  also  verschiedene  Gesichts- 
punkte zu  beachten,  deren  Lösung  uns  teilweise  noch  nicht  ge- 
lungen ist: 

1)  In  welcher  Weise,  wie  oft  und  zu  welcher  Zeit  entstehen  die 
Verbindungen  zwischen  der  Fingerscheide  und  der  Palmarscheide  an 
Daumen  und  Kleinfinger  V 

2)  Wie  steht  es  in  derselben  Weise  mit  den  accessorischen  Sehnen- 
scheiden, welche  besonders  am  Zeigefinger  als  Bursa  palmaris  inter- 
media beschrieben  wird? 

265 


266  FROHSE   und"  M.    FRÄNKEL, 

Spezielle  Beschreibung. 
Vaginae  tendinum  m.  flexorum  communium. 

Zahl  und  Länge.  Ursprünglich  angelegt  sind  5,  für  jeden 
Finger  eine.  Da  aber  die  des  Daumens  und  Kleinfingers  sich  häufig 
mit  der  entsprechenden  Hohlhandscheide  verbinden,  bleiben  nur  3  selb- 
ständige für  den  Zeige-,  Mittel-  und  Ringfinger,  digitus  II— IV,  übrig. 
Ein  Abweichen  von  diesem  Verhalten  ist  unseres  Wissens  bisher  noch 
nicht  beschrieben,  jedoch  können  wir  einen  Fall  erwähnen,  wo  Frohse 
bei  Fehlen  des  M.  lumbricalis  I  den  Zusammenhang  zwischen  der 
digitalen  und  carpalen  Scheide  am  Zeigefinger  gesehen  hat.  Der  Grund 
für  das  Nichtkommunizieren  der  Scheiden  an  den  3  mittleren  Fingern 
liegt  an  den  M.  lumbricales  (s.  S.  143).  Die  Länge  dieser  3  Finger- 
scheiden beträgt  an  einer  mittelgroßen  Hand  8—9  cm. 

Der  Beginn  der  Sehnenscheide  liegt,  auf  die  äußere  Haut  über- 
tragen, etwa  2  cm  proximal  von  den  volaren  Schwimmhäuten,  in  der- 
jenigen Linie,  welche  bei  Beugung  der  Finger  quer  über  das  knöcherne 
Ende  der  Mittelhand  verläuft.  Sie  entspricht  den  oben  erwähnten 
(siehe  S.  21)  Lineae  mensalis  und  cephalica,  der  Tischlinie  in  ihrem 
ulnaren,  der  Kopf  linie  in  ihrem  radialen  Teile.  Die  volaren  Schwimm- 
häute, welche  den  Beginn  der  freien  Finger  darstellen,  entsprechen 
durchaus  nicht  dem  Anfange  der  Digitalscheide. 

Man  muß  vielmehr  von  der  queren  Hohlhandfurche  aus  senkrecht 
in  die  Tiefe  gehen,  um  den  Beginn  der  Sehnenscheide  zu  erreichen. 
Weiter  dorsalwärts  liegen  ja,  wie  schon  verschiedentlich  hervor- 
gehoben ist,  die  Articulationes  metacarpophalangeae  und  damit  der 
eigentliche  Beginn  der  Finger.  Es  decken  sich  also- im  anatomischen 
Sinne  Fingersehnenscheide  und  Basis  der  Grundphalanx. 

Das  Ende  der  Sehnenscheide  liegt  an  der  Basis  der  3.,  End- 
oder Nagelphalanx,  dicht  nagelwärts  vom  Gelenkspalte,  auf  die  Haut 
übertragen  4—6  mm  distal  vom  Sulcus  cutaneus  transversus. 

Praktisch,  besonders  bei  den  so  häufigen  Panaritien,  rechnet  man 
den  Beginn  der  Sehnenscheide  vielfach  umgekehrt.  Dieser  liegt 
dann,  wenn  man  die  Entfernung  zwischen  Fingerkuppe  und  1.  Quer- 
furche in  drei  Drittel  zerlegt,  beim  Uebergange  des  mittleren  in  das 
der  Hautfurche  zugekehrte. 

Die  Sehnenscheide  selbst  ist,  auch  in  ausgedehntem  Zustande 
nahezu  cylindrisch,  Ausbuchtungen  sind  pathologisch  und  kommen  ge- 
wöhnlich als  Hygrome  vor. 

Die  äußeren  Verstärkungsbänder,  Lig.  vaginalia,  cruciata  und 
obliqua  und  die  inneren  Ernährungsbänder,  Vincula  tendinum  sind 
besonders  beschrieben. 

Vagina  tendinis  m.  flexoris  pollicis  longi. 

Synonyma:  Daumensehnenscheide;  Synoviale  palmaire  radiale,  gaine 
externe,  radiale,  carpo-phalangienne  externe,  digito-carpienne  externe, 
capsule  carpienne  externe  radio-thenarienne. 

Beim  Erwachsenen  reicht  die  12—14  cm  lange  Sehnenscheide 
von  dem  Ansätze  der  Sehne  an  der  Nagelphalanx  bis  über  das  Hand- 

266 


Saccus  carpalis  medialis.  267 

gelenk  hinaus  proximalwärts,  ungefähr  bis  zu  den  untersten  Muskel- 
bündeln des  M.  flexor  pollicis  longus,  d.  h.  im  Zustande  der  Beugung 
rückt  die  Sehnenscheide  weiter  am  Vorderarme  hinauf,  bei  der  Daumen- 
streckung wird  sie  entsprechend  dem  passiven  Herabrücken  des  Muskel- 
bauches distalwärts  hinabgezogen.  Die  Form  in  der  Hohlhand  bis 
zum  Ansätze  ist  keinen  nennenswerten  Schwankungen  unterworfen, 
weil  hier  nur  die  Sehne  in  ihrer  Scheide  hin  und  her  gleitet. 

Der  proximale  Abschnitt  aber  kann  durch  pathologische  Prozesse 
oder  künstliche  Injektionen  sackartig  ausgebuchtet  werden. 

Saccus  carpalis  medialis. 
Synonyma:  Kleinfingersehnenscheide;  Synoviale  cubitale  palmaire. 

Die  proximale  Erweiterung,  für  welche  wir  den  Namen  Saccus 
carpalis  medialis  s.  ulnaris  vorschlagen  möchten,  ist  als  die  gemein- 
same Palmarscheide  für  die  Sehnen  sowohl  des  M.  flexor  digitorum 
sublimis,  wie  des  profundus  aufzufassen.  Wie  die  Daumensehnen- 
scheide weist  auch  sie  eine  Verbindung  mit  der  Vagina  digitalis  V 
auf,  aber  niemals  mit  den  digitalen  des  2.  bis  4.  Fingers.  Nimmt 
man  diese,  gewöhnliche,  Verbindung  bei  der  Maßbestimmung  mit 
hinzu,  so  ergibt  sich  die  größte  Länge  an  der  Ulnarseite  mit  13 — 14  cm, 
am  Ringfinger  ist  die  carpale  Scheide  nur  noch  4—6  cm  lang;  am 
Mittelfinger  ist  eine  Messung  nicht  mehr  gut  möglich,  weil  sich  die 
Scheide  an  Rück-  und  Vorderseite  grundverschieden  verhält;  beim 
Zeigefinger  findet  sich  sehr  häufig  eine,  mitunter  sogar  eine  doppelte, 
besondere  Scheide,  die  natürlich  für  sich  besonders  bestimmt  werden  muß. 

Der  Hohlhandtunnel  bewirkt  schon  in  normalen  Fällen  eine  Ein- 
schnürung der  serösen  Höhle,  vergleichbar  einem  sehr  wenig  durch 
ein  Korsett  eingezwängten  weiblichen  Rumpfe.  An  injizierten  Prä- 
paraten oder  in  pathologischen  Fällen  (Phlegmone,  Zwerchsackhygrom) 
tritt  die  Einschnürung  auch  durch  die  Haut  in  Erscheinung,  nicht 
allein  durch  die  Vorwölbung  im  unteren,  distalen  Teile  des  Vorder- 
armes, sondern  auch  unmittelbar  distal  vom  Lig.  carpi  transversum 
in  der  eigentlichen  Hohlhand. 

Während  an  der  radialen  Seite  nur  eine  Sehne  vorhanden  ist, 
die  des  M.  flexor  pollicis  longus,  finden  sich  im  ulnaren  Abschnitte  8, 
von  denen  je  4  den  M.  flexor  digitorum  sublimis  und  profundus  an- 
gehören. Von  letzteren  entspringen  außerdem  noch  die  M.  lumbri- 
cales.  Ferner  ist  zu  beachten ,  daß  außer  inkonstanten  Gefäßen, 
z.  B.  A.  mediana  oder  sonstiger  Varietäten  des  Arcus  volaris  sublimis, 
regelmäßig  der  N.  medianus  den  Hohlhandtunnel  durchsetzt,  dicht 
unter  dem  Lig.  carpi  transversum  eingebettet  in  das  lockere  Binde- 
gewebe zwischen  radialer  und  ulnarer  Sehnenscheide. 

Entsprechend  dem  mächtigen  Sehnenpakete  muß  eine  große  seröse 
Höhle  vorhanden  sein,  besonders  da  entwickelt,  wo  sich  die  Sehnen 
bei  den  Bewegungen  der  Finger  und  der  ulnaren  Abduktion  der 
Hand  an  harten  Teilen  reiben,  im  ganzen  ulnaren  Teile  des  Hohl- 
handtunnels, d.  h.  vor,  ulnarwärts  und  hinter  dem  Sehnenpakete. 

Wenn  wir  den  ulnaren  Abschnitt  als  Carpalscheide  des  kleinen 
Fingers  auff"assen,  dessen  Sehnen  ja  am  meisten  medial  liegen,  so 
müssen  die  beiden  radialen,  lateralwärts  blind  endigenden  Fortsätze 
als  Recessus  prae-  und   retrotendinosus   bezeichnet   werden,   für  die 

267 


268  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Beugesehnen  des  4.,  3.,  eventuell  auch  noch  des  Zeigefingers.  Ein  Re- 
cessus  intertendinosus  ist  mehr  oder  weniger  entwickelt,  je  nach- 
dem, wie  weit  die  oberflächlichen  und  tiefen  Beugesehnen  vonein- 
ander getrennt  sind. 

PoiRiER  beschreibt  sie  unter  den  Namen:  Loge  pretendineuse, 
inter-tendineuse  und  retro-tendineuse. 

Bemerkungen  zu  den  Beugesehnenscheiden. 

Der  ausführlichen  Beschreibung  von  Poirier  über  das  Zustande- 
kommen der  Kommunikationen  zwischen  digitaler  und  carpaler  Sehnen- 
scheide und  die  Häufigkeit  ihres  Vorkommens,  welche  auf  S.  176— 185 
beschrieben  und  durch  zahlreiche  schematische,  halbschematische  und 
naturgetreue  Abbildungen,  Fig.  125—137,  erläutert  sind,  können  wir 
in  diesem  Umfange  nicht  folgen,  obwohl  er  selbst  angibt,  daß  seine 
Beschreibung  noch  lange  nicht  vollständig  ist.  Als  wichtigste  Ergebnisse 
seien  seine  Angaben  nur  für  den  Erwachsenen  erwähnt:  1)  Beim 
Daumen  kommuniziert  in  5  Proz.  die  Vagina  digitalis  nicht  mit  dem 
Saccus  carpalis.  2)  Beim  kleinen  Finger  gelangt  diese  Verbindung  nur 
in  Vs — V2  der  Fälle  zur  Ausbildung,  nach  seinen  eigenen  Angaben 
23mal  bei  52  Fällen.  Die  Kommunikation  ist  nur  eine  partielle  und 
an  die  Sehne  des  M.  flexor  digitorum  profundus  gebunden  und  liegt 
gewöhnlich  ulnar  von  oder  hinter  der  Sehne.  3)  Die  Kommunikation 
zwischen  dem  Saccus  carpalis  ulnaris  und  radialis,  also  zwischen 
Daumen-  und  Kleinfingerscheide,  welche  Gosselin  nur  Imal  be- 
obachtet hat,  soll  nach  ihm  sehr  häufig  sein  und  zu  stände  kommen 
durch  die  Vermittelung  einer  intermediären  Scheide. 

Der  von  Frohse  beobachtete  Fall,  daß  bei  Fehlen  des  M.  lum- 
bricalis  I  sich  eine  Kommunikation  der  carpalen  und  digitalen  Sehnen- 
scheide für  die  Beugesehnen  des  Zeigefingers  fand,  dürfte  wohl  einzig 
dastehen.  Leider  läßt  sich  nicht  mehr  feststellen,  da  das  Präparat 
nicht  aufgehoben  wurde,  in  welche  der  carpalen  intermediären  Sehnen- 
scheiden die  Kommunikation  überging,  und  ob  eine  weitere  Verbindung 
mit  der  des  Daumens,  des  Kleinfingers  oder  beider,  wie  es  Poirier 
für  sehr  häufig  hält,  stattgefunden  hatte  oder  nicht. 

Daß  die  proximale  Grenze  der  Digitalscheiden  für  den  2.  bis 
4.  Finger  bei  den  verschiedenen  Bewegungen  derselben  nicht 
immer  die  gleiche  ist,  bedarf  wohl  kaum  einer  Erwähnung.  Bei  Ex-^ 
tension  der  Finger  rückt  sie  über  die  quere  Hohlhandfurche  gegen 
den  Ansatz,  d.  h.  fingerwärts  hinaus,  umgekehrt  bei  der  extremen 
Fingerbeugung  in  nicht  unbeträchtlichem  Maße  in  umgekehrter  Rich- 
tung gegen  den  Vorderarm  hin.  Hieraus  ergeben  sich  natürlich  ganz 
verschiedene  Formen  der  Umschlagsstelle,  des  Cul  de  sac  von  Poirier, 
deren  eingehende  theoretische  Erörterung  uns  zu  weit  führen  würde. 
Auch  die  beste  Abbildung  kann  das  nicht  lehren,  was  das  Präparat 
in  einem  Augenblicke  zeigt. 

Bursae  mucosae  accessoriae  palmae  s.  volae. 

[Freie  Uebersetzung  nach  Poiriee  (p.  185—187)  mit  eigenen  Zusätzen.] 

Verschiedene  Autoren  geben  in  der  Mitte  zwischen  Daumen-  und 
Kleinfinger  sehnen  scheide  eine  dritte  an,  welche  dem  Zeigefinger  an- 
gehört. 


Bursae  mucosae  accessoriae. 


269 


In  der  beifolgenden  Fig.  81,  welche  dem  Atlas  der  topographischen 
Anatomie  von  v.  Bardeleben,  Häckel  und  Frohse  entnommen 
ist,  erscheint  sie  sogar  in  der  Höhe  des  Handgelenkes  als  dreifache 


o     • 
SS 


p 


I 


Höhle  (gelb  gezeichnet).  Die  hintere  Scheide  kommunizierte  jedoch 
weiter  nach  der  Hand  zu  mit  der  mittleren,  so  daß  wir  in  der  Tat  nur 
2  seröse  Höhlen  haben,  eine  hintere  und  eine  vordere. 


269 


270  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Bursa  mucosa  intermedia  posterior. 

Synonyma:  Hintere  mittlere  Sehnenscheide  des  Handtellers,  hintere 
mittlere  Hohlhandscheide;  Sereuse  palmaire  moyenne  postörieure. 

Da  diese  Sehnenscheide  in  ungefähr  80  Proz.  der  Fälle  (8  :  10  Poi- 
rier)  vorkommt,  darf  sie  nicht  als  Varietät  aufgefaßt  werden.  Sie  be- 
ginnt erst  im  Hohlhandtunnel  in  der  Höhe  der  Articulatio  radiocarpea 
und  steigt  3—8  cm  lang  zur  Hohlhand  hinunter.  Um  sie  sichtbar  zu 
machen,  muß  man  die  Flexoren  im  unteren  Drittel  des  Vorderarmes  durch- 
trennen und  gegen  die  Hand  zurückpräparieren.  Man  findet  sie  dann 
am  hinteren  Rande  der  tiefen  Zeigefingersehne.  Durch  ihre  Gegen- 
wart ist  die  Verbindung  zwischen  radialer  und  ulnarer  Sehnenscheiden- 
platte auch  in  normalen  Fällen  bedingt;  bei  Phlegmonen  oder  anderen 
pathologischen  Fällen  kann  dann  ohne  weiteres  das  so  gefürchtete 
Uebergreifen  vom  Daumen  auf  den  Kleinfinger  eintreten,  oder  um- 
gekehrt. 

Bursa  mucosa  intermedia  anterior. 

Synonyma:  Bursa  serosa  intermedia  anterior ;  Vordere  mittlere  Hand- 
tellersehnenscheide, vordere  mittlere  Hohlhandscheide;  Sereuse  palmaire 
moyenne  anterieure. 

Da  diese  Sehnenscheide  nur  in  ungefähr  50  Proz.  der  Fälle  vor- 
kommt, hat  man  die  Wahl,  ob  man  sie  als  normal  oder  als  Varietät 
bezeichnen  will.  Sie  liegt  zwischen  oberflächlichen  und  tiefen  Beuge- 
sehnen und  ist  höchstens  4  cm  lang. 

Die  beiden  mittleren  Sehnenscheiden  erscheinen  viel  später,  als 
die  seitlichen  und  erreichen  niemals  den  hohen  Grad  der  Entwicke- 
lung  dieser.  Die  charakteristische  Glätte  der  Wand  fehlt  ihren  Höhlen 
zum  großen  Teile.  Es  macht  den  Eindruck,  als  ob  sie  noch  in  der 
Entwickelung  begriffen  wären.  Die  Wand  ist  zerklüftet  und  sieht  so 
aus,  als  ob  sie  künstlich,  gleichsam  gewaltsam  auseinandergerissen 
wäre. 

Vaginae  osteoflbrosae  digitales  volares. 
Synonyma:    Gaines    osteofibreuses   digitales   des  tendons  flechisseurs. 

Fibröse  Wand.  Vor  ihrem  Eintritte  in  die  Fingersehnen- 
scheide sind,  wie  bereits  erwähnt,  die  Beugesehnen  in  eine  viel 
weitere  Scheide  eingebettet,  welche  von  der  Aponeurosis  palmaris  und 
dem  Lig.  capitulorum  transversum  gebildet  wird;  beide  bandartige 
Bildungen  sind  aber  durch  eine  Anzahl  von  mittleren,  durchgreifenden 
Fasern  miteinander  in  Verbindung. 

In  der  Höhe  der  Articulationes  raetacarpophalangeae  tritt  jedes 
Beugesehnenpaar  in  eine  besondere  osteofibröse  Scheide  ein,  welche 
die  Sehnen  fast  bis  zur  Endphalanx  begleitet. 

Die  Scheide  selbst  ist  an  den  einzelnen  Abschnitten,  je  nachdem 
sie  über  der  Mittte  einer  Phalanx  oder  über  die  Gelenke  verläuft, 
grundverschieden  gebaut. 

An  den  leistenartigen  Rändern  der  Furche,  welche  den  beiden 
ersten  Phalangen  an  ihrer  vorderen  Fläche  zukommen,  befestigt  sie 
sich  in  Form  eines  sehnigen  Halbcylinders,  über  den  Gelenken  ist  sie 
mehr  fibrös. 

270 


Vaginae  digitales. 


271 


Der  sehnige,  bandartige  Teil  (Ligamentum  vaginale)  ist  besonders 
über  der  Mitte  der  1.  oder  Grundphalanx  entwickelt;  hier  müssen  ja 
beide  Beugesehnen  gegen  den  Knochen  festgehalten  werden.  Seine 
durchschnittliche  Länge  beträgt  1 ,5  cm ;  etwa  0,6  cm  lang  ist  das  quere 
Band,  das  Lig.  vaginale  über  der  Mitte  der  Mittelphalanx,  weil  hier  nur 
noch  eine  bewegliche  Sehne,  nämlich  die  des  M.  fiexor  digitorum  pro- 
fundus,  gegen   die  Vorderseite  der  Mittelphalanx  gehalten  zu  werden 


M.  palmaris 
brevis 


R.  muscu- 
laris  n. 
mediani 

M.  abductor 
pollicis 
brevis 


M.   palmaris 


Fig.  82.    Vola  manus,  mittlere  Schicht,  mit  Sehnenscheiden. 

braucht.  Darum  kann  auch  an  dieser  Stelle  schon  das  quere  Band 
durch  schräge  Züge  ersetzt  werden,  wie  es  beim  Daumen  die  Regel  ist; 
niemals  aber  an  der  Grundphalanx,  wo  zwei  sehr  bewegliche  Sehnen 
fixiert  werden  müssen. 

Wenn  man  die  Sehnen  durch  einen  Längsschnitt  aus  ihrer  um- 
hüllenden Scheide  entfernt,  so  sieht  man,  daß  letztere  an  der  Stelle 
dieser   queren  Verstärkungsbänder   nicht  zusammensinkt,   sondern  im 


271 


272  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Zustande  des  Sehnentunnels  bleibt,  indem  sich  die  Schnittränder  wieder 
aneinander  legen. 

Ein  Gleiches  sieht  man  auch  am  Lebenden,  wenn  hier  eine  Durch- 
trennung der  Sehnen  stattgefunden  hat;  diese  selbst  ziehen  sich  zurück 
und  lassen  den  Tunnel  stehen,  der  gerade  die  Weite  hat,  die  Sehnen 
zu  beherbergen. 

Ueber  den  Gelenken  muß  dagegen  die  Scheide  dünner  sein,  da- 
mit die  notwendigen  Bewegungen  bequem  ausgeführt  werden  können. 
Man  findet  dort  kein  Sehnengewebe  mehr,  sondern  nur  verdichtetes 
Bindegewebe.  Verstärkungszüge,  welche  entweder  nach  einer  Rich- 
tung schräg  hingehen,  Lig.  obliqua,  oder  nach  beiden  Seiten  hin,  Lig. 
cruciata,  welche  dann  die  Form  eines  X  annehmen,  sind  jedoch  auch 
hier  in  der  verschiedensten  Weise  entwickelt. 

Diese  Verstärkungszüge  in  der  Sehnenscheide  sind,  wenn  auch  nicht 
entbehrlich,  so  doch  nur  schwach  durch  halbsehniges  Gewebe  an- 
gegeben. Die  Gelenkkapsel  selbst  ist  außerordentlich  derb  und  ent- 
hält sehr  viele  und  starke  quere  Fasern,  welche  an  dieser  Stelle  durch 
den  Zusammenhang  mit  den  queren  volaren  Verstärkungszügen  gerade 
über  den  Gelenken  die  Sehnen  in  einen  vollkommen  fibrösen  Kanal 
einscheiden. 

Die  Verstärkuli gsbäiider  der  volaren  Sehnenscheiden. 

Allgemeine  Beschreibung. 
(Nach  10  Präparaten  von  Erwachsenen  unter  Berücksichtigung  von  6  fetalen  Händen.) 

Die  bisher  übliche  Beschreibung  stellt  im  allgemeinen  die  tat- 
sächlichen Verhältnisse  richtiger  dar,  als  es  bei  der  Mehrzahl  der 
vorhandenen  Abbildungen  der  Fall  ist.  Wir  wollen  uns  deshalb  über- 
haupt nicht  auf  eine  Kritik  der  von  den  verschiedensten  Autoren  ge- 
gebenen bildlichen  Darstellungen  einlassen,  sondern  nur  unsere 
Befunde  angeben ,  auf  Grund  deren  wir  ein  Schema  entworfen 
haben.  Als  Grundlage  diente  uns  bei  der  Anfertigung  dieser  Zeich- 
nung ein  Präparat,  welches  zufällig  in  allen  Punkten  dem  Durch- 
schnittsmaße unserer  Beobachtungen  entsprach.  Wir  bemerken  aber 
gleichzeitig,  daß  es  uns  bisher  nur  in  dem  einen  Falle  gelang,  die- 
selben Maße  beim  Naturpräparate  und  bei  unserem  Schema  zu  finden. 

An  der  Sehnenscheidewand  haben  wir  3  verschiedene  Einrich- 
tungen :  1)  Die  Sehnonscheidewand  besitzt  überhaupt  keine  besonderen 
Verstärkungszüge;  2)  die  Verstärkungszüge  gehen  ziemlich  allmählich 
in  die  Sehnenscheidenwänd  über,  haben  dabei  häufig  einen  schrägen 
Verlauf,  entweder  in  einer  Richtung  hin  (Lig.  obliqua)  oder  sie  über- 
kreuzen sich  (Lig.  cruciata);  über  den  Fingergelenken  sind  sie  ge- 
wöhnlich quer  gelagert  (Lig.  transversum,  wobei  man  als  Zusatz  noch 
die  Bezeichnung  articulare  anwenden  kann) ;  3)  einen  durchaus  aponeu- 
rotischen  Charakter  besitzen  die  queren  Züge,  welche  über  der  Mitte 
der  Grund-  oder  der  Mittelphalanx  die  Sehnen  eng  einscheiden.  Wir 
wollen  diese  Bänder,  welche  praktisch  die  größte  Bedeutung  haben, 
als  Lig.  vaginalia  propria  bezeichnen,  mit  dem  Zusätze  I  für 
die  L  oder  Grundphalanx,  mit  II  für  die  2.  oder  Mittelphalanx.  Wir 
unterscheiden  also:  1)  den  nicht  verstärkten  Teil  der  Sehnenscheide; 
2)  die  schwächeren  Verstärkungszüge  (Lig.  cruciatum,  obliquum,  arti- 
culare transversum)  und  3)  die  kräftigen  Lig.  vaginalia  propria. 

272 


Vaginae  digitales. 


273 


Wir  sind  zu  dieser  Einteilung  besonders  durch  den  anatomischen 
Befund   gekommen,  daß  die  unter  2)  aufgeführten   schwächeren  Ver- 


Lig.  obliquum 
ulnare 


I-ig-  obliquum 
radiale 

Lig.  vaginale 

proprium  II 
Lig.  articulare 
transversum  I  1  ^ 

I,ig.  vaginale 
proprium  II 


Lig.  cruciatum 


Lig.  articulare 
transversum  I 


Lig.  vaginale 
proprium  I 


Lig.  vaginale 
intermedium 


Lig.  vaginale 
accessorium 


Fibrae  trans- 
versae  (FROHSE) 


M.  flexor  sublimis 
digiti  V 


Distales  Ende  des 
Saccus  carpalis 


Arcus  volaris  super' 
ficialis 


M.  abduclor  digiti  V 

R.  volaris  n.  ulnarr 
M .   flexor  brevis  digi 
R.  profundus  n.  uln 


Lig.  vaginale  proprium  II 


Lig.  vaginale 
proprium  I 


Os  pisifi 


Proximaler  Teil  des 
carpalis 
Proximales  Ende  der 
tendinis  m.  flexoris 
longi 


Lig.  natatorium 
(BRAUNE), Fasci- 
~      culi  transversi 
N.A. 


M.lumbricalisII 


Lig.  obliquum 
radiale 


Vagina  tend.  m.  fl. 
pollicis  longi 


flexor  pollicis  brevis 

M    abductor  poll.  brevis 
medi  anus 


Fig.  83.    Sehnenscheiden  der  Vola. 

Stärkungszweige   nicht   allein    am   Knochen   inserieren,    sondern   sich 
auch  mit  der  Haut  verbinden,  während  die  unter  1)  und  3)  genannten 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  11,  2.  Ig 


274  FROHSE    und   M.   FRÄNKEL, 

Teile  auf  beiden  Seiten  der  Sehne  am  Knochen  sich  befestigen,  also 
allseitig  die  volare  Begrenzung  der  Schleimscheide  bilden.  Was  nun 
die  Lig.  vaginalia  propria  anbelangt,  so  gibt  das  über  der  Mittel- 
phalanx gelegene  II  niemals  Veranlassung  zu  einer  Unterabteilung, 
wohl  aber  das  Lig.  vaginale  proprium  I,  welches  mindestens  in 
zwei  Abteilungen  zerlegt  werden  muß,  eine  schwächere  proximale  und 
stärkere  distale.  Aber  auch  die  proximale  Abteilung  zerfällt  noch  in 
zwei  Unterabteilungen,  deren  Trennung  beim  Neugeborenen  gewöhn- 
lich mit  Schwierigkeiten  verknüpft,  beim  Erwachsenen  allermeist  leicht 
durchführbar  ist.  Um  für  alle  Fälle  ein  Schema  zu  haben,  in  welches 
sämtliche  Befunde  eingetragen  werden  können,  haben  wir  bei  unseren 
Untersuchungen  die  folgende  Einteilung  gewählt:  A)  Lig.  vaginale 
accessorium,  B)  intermedium,  C)  proprium  I.  Wir  verstehen  unter 
der  Gesamtbildung  die  queren,  von  Knochen  zu  Knochen  gehenden 
Verstärkungen  der  Sehnenscheide  über  der  Grundphalanx.  Der 
proximale  Abschnitt  umfaßt  A  +  B  und  kann  in  zwei  Unterabschnitte 
zerlegt  werden,  unser  Lig.  vaginale  accessorium  und  intermedium. 
Unser  stets  einheitliches  Lig.  vaginale  proprium  I  bildet  den  stärksten 
Abschnitt  der  Sehnenscheide  und  umfaßt  das  zweite  und  dritte  Viertel 
der  Grundphalanx.  Bei  den  unter  2)  erwähnten  mittelstarken  Sehnen- 
scheidenbändern bedürfen  die  Lig.  transversa  und  cruciata  keiner 
weiteren  Erwähnung,  wohl  aber  die  obliqua.  Wir  haben  die  Be- 
zeichnung radiale  oder  ulnare  gewählt.  Ein  Lig.  obliquum  radiale 
zieht  schräg  distalwärts  zur  radialen  Seite,  ein  Lig.  obliquum  ulnare 
hat  sein  distal  gelegenes  Ende  auf  der  ulnaren  Seite. 

Spezieller  Teil. 

Das  Lig.  vaginale  proprium  I  hat  beim  Erwachsenen  an  den 
einzelnen  Fingern  folgende  Durchschnittslängen:  Daumen  0,2;  Zeige- 
finger 1,47;  Mittelfinger  1,87;  Ringfinger  1,52;  kleiner  Finger  1,39  cm. 

Lig.  vaginale  proprium  II  fehlt  beim  Daumen;  Zeigefinger  0,63; 
Mittelfinger  0,75;  Ringfinger  0,6;  kleiner  Finger  0,65  cm. 

Wir  sehen  hieraus,  daß  das  Lig.  vaginale  proprium  I  mehr  als 
doppelt  so  lang  ist,  wie  das  Lig.  vaginale  proprium  IL  Die  Er- 
klärung hierfür  ist  sehr  einfach,  weil  ja  über  der  Grundphalanx  die 
beiden  ßeugesehnen  gegen  den  Knochen  gedrängt  werden  müssen, 
bei  der  Mittelphalanx  nur  noch  die  Sehne  des  M.  flexor  digitorum 
profundus.  Beim  Neugeborenen  finden  wir  diese  Anordnung  schon 
in  derselben  Weise  verwirklicht.  Auch  hier  sind  die  Lig.  vaginalia  I 
meistens  mehr  als  doppelt  so  lang,  wie  die  entsprechenden  Lig. 
vaginalia  IL  Jedoch  weist  der  auf  den  Tabellen  zu  erkennende 
Unterschied  darauf  hin,  daß  durch  die  freie  Beweglichkeit  der  Finger, 
welche  ihre  vollständige  Ausbildung  erst  mit  dem  bewußten  Ergreifen 
und  Festhalten  von  Gegenständen  erfährt,  die  Lig.  vaginalia  pro- 
pria I  durch  den  Gebrauch  der  Hand  als  Greifapparat  definitive 
Stärke  und  Länge  erreichen.  Auch  die  Sonderung  der  Lig.  vaginalia 
accessoria  und  intermedia  bereitet,  wie  schon  erwähnt,  beim  Fetus  oft 
unüberwindliche  Schwierigkeiten. 

Beim  Erwachsenen  sucht  die  in  der  Sehnenscheide  enthaltene 
Flüssigkeit  bei  den  Fingerbewegungen  einen  Ausweg  nach  den  Stellen 
niedrigsten  Druckes,  d.  h.  zu  den  dünnsten  Stellen  der  Sehnenscheiden- 
wand.    Die  Grenze  zwischen  den  Lig.  vaginalia  accessoria  und  inter- 

274 


Vaginae  digitales. 


275 


media  und  die  Berechtigung  ihrer  Sonderung  dürfte  sich  auch  aus 
den  pathologischen  Fällen  ergeben,  in  denen  eine  hygromartige  Aus- 
buchtung der  Sehnenscheide  gerade  an  diesen  Stellen  sich  zeigt.  Die 
Veränderung  findet  sich  dann  nicht  etwa  gerade  über  der  Mitte  einer 
Sehnenscheide,  sondern  an  der  Seite,  gewöhnlich  nur  auf  einer,  mit- 
unter aber  auf  beiden  Seiten.  Wir  wollen  es  dahingestellt  sein  lassen, 
inwieweit  die  Injektionsverfahren  bei  den  konservierten  Leichen  die 
Prozentzahl  der  Häufigkeit  und  Größe  dieser  Hygrome  beeinflussen. 

Verstärkungsbänder  der  volaren  Sehnenscheiden. 


Fall 


I       II 


III 


IV      V 


VI 


VII  VIII 


1.     I 


IX 


Sehnenscheide  ^) 
Lig.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
cruciatum 
ypsiloforme 
obliquum  radiale 
„         ulnare 
articulare  I 
proprium  II 
obliquum  ulnare 
„         radiale 
cruciatum 
ypsiloforme 
transversum 
articulare  II 


Sehnenscheide ' ) 

Lig.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
proprium  II 


0,2 
0,7 

+ 

+ 

0,6 

D 

0,4 
0,4 

+ 
+ 

1. 

aume 

0,5 

-1-, 
+ 

1. 
}o,5 

Q. 

0,4 
0,8 

+ 

r. 

}o,5 

0,4 
0,7 

4- 

+ 
r. 

0,4 
0,4 

4- 
+ 

1. 

|0,5 
0,7 

-i- 
+ 

• 

• 

■ 

• 

}0,6 
'0,8 

+ 
+ 

}0,4 
0,6 

+ 

+ 

}0,5 
0,6 

4- 
+ 

|.. 

|o,5 

Zeigefinger. 


Sehnenscheide 
Lig.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
cruciatum 
ypsiloforme 
obliquum  radiale 
„         ulnare 
articulare  I 
proprium  II 
obliquum  ulnare 
n         radiale 
cruciatum 
ypsiloforme 
transversum 
articulare  II 


8,4 
2 

-i- 
+ 

0,8 
+ 

7,8 
0,5 
0,5 
1,4 

+ 

; 
+ 

0,4 

-i- 

8,2 
0,7 
1,2 
1,2 

+ 
+ 
0,7 

-1- 

-i- 

8,7 
0,9 
0:9 
1,2 

-1- 

4- 
0,7 

4- 

9,6 

1,7 

+ 

4- 
0,5 

+ 

4- 

9,4 

}o,9 
1,3 

+ 
0,6 

+ 

• 

+ 

8,8 
}l,2 

1,8 

+ 

-1- 
0,7 
-1- 

4- 

8,4 

1;; 

+ 

+ 
0,6 

4- 
-i- 

7,7 
0,5 
0,7 
1,4 
+ 

+ 
0,7 

+ 

-i- 

7,8 
0,6 
0,8 
1,5 

+ 

+ 
+ 

1)  Wegen  des  Zusammenhanges  mit  dem  carpalen  Teile  nicht  bestünmt. 

2)  6  Präparate  von  fetalen  Händen. 


275 


18* 


276 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 


Fall 

I 

II 

III 

IV 

V 

VI 

VII 

VIII 

IX 

X 

1. 

r. 

r/)    1. 

1.        r.       r.       1. 

• 

Sehnenscheide 

Lig.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
proprium  II 

3,7 

0,15 

0,5 

0,5 

0,2 

IT 
}«. 

0,4 
0,2 

3,2 

}0,2 

0,6 
0,2 

3,5 
)0,4 

^0,9 

0,4 

3,2 
§1 

Sehnenscheide 
Lig.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
cruciatum 
ypsiloforme 
Lig.  obliquum  radiale 
„         ulnare 
articulare  I 
proprium  II 
obliquum  ulnare 
„         radiale 
cruciatum 
ypsiloforme 
transversum 
articulare  II 


Sehnenscheide 

Lig.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
proprium  II 


8,8 
0,8 
0,5 
1,8 

4- 

+ 

1 

+ 

4- 

• 

r. 

Mit 

8,5 
0,5 
0,4 
1,9 

+ 

+ 
0,6 

+ 

+ 

1. 

3,9 
0,3 
0,1 
0,6 
0,3 

telfin 

10 
0,7 
0,4 
2 

+ 

4- 

0,8 

+ 
1. 

5er. 
9,3 
1,1 
2,1 

+ 

4- 

0,7 

+ 

r. 

10,4 
}l,l 
2,2 

+ 

• 

+ 
0,6 

+ 

+ 

r. 

3,7 

|0,3 

0,8 
0,4 

9,7 

+ 

+ 
1. 

4 
|0,4 

1 

0,3 

9 
0 
0 
2 

0^ 

7 
7 
5 

- 
8 

h 

- 

9 
1, 
/ 

- 
0, 

3 

7 

4 

h 

t- 
7 

h 

h 
h 

8,5 
0,8 

1,8 

+ 

4- 

0.9 

+ 

8 
0, 
1 
1, 

4 

0, 

-f 

4 
0,3 

0,7 
0,4 

3,6 

}0,3 

V,6 
0,3 

3,3 

|0,25 

0,6 
0,3 

Eingfinger. 


Sehnenscheide 
Lig.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
cruciatum 
ypsiloforme 
obliquum  radiale 
„         ulnare 
articulare  I 
proprium  II 
obliquum  ulnare 
„         radiale 
cruciatum 
ypsiloforme 
transversum 
articulare  II 


Sehnenscheide 

Lig.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
proprium  II 


8,8 
2 

8 

|0,5 
1,6 

9,7 
0,6 

1 

1,7 
+ 

9 

0,5 

0,6 

1,8 

+ 

9,8 
0,4 
0,6 
1,6 
+ 

8,8 
0,7 

9,1 
0.7 
0,5 
1,8 

+ 

8,7 
0,5 
0,6 
1,7 

8,8 
1,3 

1,4 

+ 

7,( 

1;; 

+ 

+ 

• 

• 

+ 
0,5 

+ 
0,5 

+ 
0,7 

+ 
0,7 

+ 
0,5 

+ 

0,4 

+ 
0,6 

+ 
0,6 

+ 
0,7 

0,^ 

+ 

+ 

+ 

4- 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

+ 

+ 

+ 

r.        1. 

1.       r. 

r.       1. 

3,4 

0,6 

3,5 
}0,4 

3,25 

0,1 

0,?>5 

3,3 

J0,3 

3,4 

0,3 

3,5 

[0,6 

0,7 
0,35 

0,5 
0,3 

^0,5 
0,3 

0,6 
0,2 

0,6 
0,25 

0,7 
0,4 

1)  6  Präparate  von  fetalen  Händen. 


276 


Vaginae  digitales. 


277 


Fall 


■1" 


III 


IV      V 


VI 


VII  |VIII 


1-    I    r. 


IX 


Sehnenscheide^) 
Lig.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
cruciatum 
ypsiloforme 
obliquum  radiale 
„         ulnare 
articulare  I 
proprium  II 
obliquum  ulnare 
^         radiale 
cruciatum 
ypsiloforme 
transversum 
articulare  II 


Sehnenscheide  ^) 

Lag.  vaginale  accessorium 
intermedium 
proprium  I 
proprium  II 


Klein  finger. 

0.5 
0,3 
1,1 

0,3 
0,3 
0,6 

|0,9 
'0,9 

1« 

+ 

0,4 
0,2 
1 

+ 

0,2 

1 
0,8 

+ 

0,7 
0,4 
1 

+ 

0,6 
0,5 

1 
+ 

1,2 

's 

+ 

+ 
+ 
0,7 

+ 

+ 
+ 
1 

0^ 

4- 

0,5 

4- 

0,5 

-i- 

0,7 

0^6 

+ 
0,6 

4- 

0,5 

+ 

+ 

4- 

+ 

-i- 

4- 

+ 

4- 

+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

t 

+ 
+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

+ 
+ 

r. 

1. 

1. 

T. 

r. 

1. 

}0.5 

|0.3 

}0,4 

|0,5 

J0,4 

}0,5 

• 

'of 

^0,4 
0,3 

^0,45 
0,2 

^0,5 
0,2 

0.4 
0,3 

0.4 
0,3 

• 

. 

Besondere  Verstärkungsbänder  über  der  Grundphalanx. 


Achse  der  Hand 


radiale  Seite 


ulnare  Seite 


Daumen 

Zeigefinger 

Mittelfinger 

Ringfinger 

Kleinfinger 


\ 


X 


Im  letzten  Absätze  sind  die  Ligamenta  cruciatum,  ypsiloforme,  obliquum 
radiale  und  ulnare  durch  den  gewöhnlichen  Buchdruck  angegeben.  Ein  Lig. 
cruciatum  ist  durch  X  bezeichnet,  ein  Lig.  ypsiloforme  durch  ein  querliegendes  Y, 
wobei  der  unpaare  Schenkel  die  Richtung  des  einheitlichen  Ursprunges  angibt, 
ein  Lig,  obUquum  radiale  durch  ein  \,  ein  Lig.  obliquum  ulnare  durch  ein  /. 
Sämtliche  Befunde  sind  auf  die  linke  Hand  übertragen,  so  daß  eine  einheitUche  An- 

fabe  möglich  war.  Die  Achse  ist  durch  den  Mittelfinger  zwischen  V  und  VI  gelegt. 
)ie  Lig.  obliqua  bedürfen  nämlich  einer  besonderen  Besprechung,  weil  proximal  der 
Ursprung  gegen  den  Daumen-  oder  Kleinfingerrand  gerichtet  sein  kann.  Ein  schräger 
Zug,  welcher  sein  distales  Ende  an  der  radialen  Seite  findet,  ist  von  uns  als  Lig. 
obliquum  radiale,  ein  solcher,  welcher  sich  distal  zur  ulnaren  Seite  wendet,  als  Lig. 
obliquum  ulnare  bezeichnet.  Wo  keine  Verstärkungsbänder  vorhanden  waren,  fehlt 
natürlich  eine  Angabe.  Konstant  ist  also  nach  unseren  Befunden  das  Lig.  obliquum 
radiale  an  der  Grundphalanx  des  Daumens;  an  den  dreigliedrigen  Fingern  findet 
sich  überwiegend  ein  Lig.  cruciatum,  welches  jedoch  so  schwach  sein  kann,  daß  es 
präparatorisch  nicht  einwandsfrei  darzustellen  ist,  teils  ein  Lig.  obliquum  ulnare 
oder  radiale,  teils  die  Anlehnung  an  ein  Lig.  cruciatum  durch  ein  Lig.  ypsiloforme, 
mit  anderen  Worten  das  Lig.  cruciatum  kann  in  der  Wechsel  vollsten  Weise  ver- 
kümmern oder  gänzlich  zum  Schwunde  kommen. 

1)  Wegen  des  Zusammenhanges  mit  dem  carpalen  Teile  nicht  bestimmt. 


277 


278  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

B.  Inhalt  der  Sehnenscheiden. 

a)  Beugesehnen  der  Pinger. 

Beim  Uebergauge  der  Hohlhand  in  die  Finger  liegt  die  ober- 
flächliche Sehne  einheitlich  über  der  tiefen;  im  proximalen  Teile  der 
Grundphalanx  (je  nach  dem  Grade  ihrer  Beugung  oder  Streckung, 
distal  oder  proximal  verschieden)  liegt  die  Teilung  der  Sehne  des 
M.  flexor  digitorum  sublimis,  welche  wir  als  Bifurcatio  bezeichnen 
müssen.  Die  ypsilonartig  auseinanderweichenden  Schenkel  finden 
ihren  getrennten  Ansatz  an  den  Mittelphalangen,  jedoch  kommt  eine 
teilweise  Durchkreuzung  der  beiden  Endzipfel  vor  in  der  Höhe  der 
Articulatio  interphalangea  I.  Diese,  gewöhnlich  als  Chiasma  tendinum 
(Camperi)  bezeichnete  Einrichtung  ist  an  den  einzelnen  Fingern  in 
verschiedener  Weise  verwirklicht.  Nur  selten  beobachtet  man  an  der- 
selben Hand  an  sämtlichen  Fingern,  daß  die  tiefen  Sehuenverbindungen 
gleichwertig  angelegt  sind.  Bald  ist  der  radiale  Zug  stärker,  bald 
der  ulnare,  oder  einer  fehlt ;  auch  braucht  überhaupt  keine  Kreuzung 
einzutreten  und  die  entsprechende  seitliche  Teilsehne  bleibt  auf  der- 
selben Seite. 

Die  Sehnen  der  M.  flexor  pollicis  longus  und  digitorum  pro- 
fundus heften  sich  breit  an  der  volaren  Seite  der  Nagelphalangen  an 
und  zeigen  dabei  eine  axiale  Längsfurche. 

b)  Vincula  tendinum. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Diese  von  Weitbrecht  genau  beschriebenen,  gefäßführenden 
Falten  liegen  innerhalb  der  Sehnenscheiden  und  stellen  wahre  Meso- 
tendinea  ^  in  Gestalt  von  zarten  Lamellen  oder  dünnen  Strängen  dar. 
Sie  vermitteln  außerdem  die  Verbindung  der  Sehne  mit  dem  Knochen. 
Ihr  Name  Vincula  tendinum  ist  nicht  gut;  viel  mehr,  als  der  Halte- 
zweck —  vinculum  —  ist  die  andere  physiologische  Aufgabe  zu  be- 
achten, die  Sehne  mit  Blut  zu  versorgen.  Diese  Tatsache  ist  praktisch 
von  Bedeutung,  vor  allem,  wenn  bei  der  chirurgischen  ausgiebigen 
Eröffnung  einer  Sehnenscheide  die  Ernährung  durch  die  Sehnen- 
scheidenflüssigkeit in  Wegfall  kommt,  und  die  Sehne  so  der  Gefahr 
der  Nekrose  ausgesetzt  ist. 

Man  unterscheidet:  Vincula  vera  und  Vincula  accessoria  s.  vas- 
culosa;  wie  oben  schon  erwähnt,  kann  bei  der  zarten  Struktur  die 
Haltewirkung  auch  bei  den  Vincula  vera  nur  unbedeutend  sein. 

Mit  Bezug  auf  die  Lage  innerhalb  der  Sehnenscheide  hat  man 
sie  auch  Lig.  mucosa,  oder  ihrer  Länge  nach  Vincula  longa  oder 
brevia  genannt,  oder  auch  mit  Rücksicht  auf  ihr  Verhalten  bei  der 
Durchbohrung  und  Kreuzung  der  Beugesehnen  Vincula  perforata 
oder    perforantia;     schließlich    auch    der    Gestalt    nach    als    Vincula 

1)  In  den  lateinischen  Bezeichnungen  für  anatomische  Gebilde  kommen  so 
viele  sprachliche  Fehler  vor,  daß  es  auf  einen  mehr  oder  weniger  nicht  ankommen 
dürfte,  wofern  dadurch  das  Allgemeinverständnis  gefördert  wird.  Ein  Ausdruck 
wie  „Mesotenonium"  würde  der  Mehrzahl  der  Leser  unverständlich  sein.  Da  aber 
gerade  an  der  Hand  die  in  einer  Scheide  liegenden  Sehnen  gemeinschaftlich  ver- 
sorgt werden,  so  halten  wir  es  für  das  Richtigste,  den  Namen  „Mesotendineum"  vor- 
zuschlagen. 

278 


Vincula  tendinum.  279 

triangularia,  quadrangularia  oder  filiformia.  Alle  diese  Bezeichnungen 
haben  ihre  gewisse  Berechtigung;  das  Schwierige  ist  nur,  daß  inner- 
halb dieser  Sehnenscheiden  nicht  eine  Sehne  vorhanden  ist,  sondern 
zwei,  diese  aber  nicht  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  übereinander 
liegen,  sondern  die  tiefe  Sehne  allmählich  im  weiteren  Bereiche  der 
Artic.  interphalangea  I  s.  proximalis  von  den  beiden  Zipfeln  der 
oberflächlichen  Sehne  umfaßt  wird;  anderenfalls  würde  auch  für  die 
Vincula  tendinum  der  zusammenfassende  Name  Mesotendineum.  den 
wir  wählen  wollen,  längst  im  Gebrauche  sein.  Wir  müssen  dann 
beschreiben,  wie  das  Mesotendineum  sich  an  den  einzelnen  Phalangen 
und  beim  Verlaufe  zu  den  einzelnen  Sehnen  verhält. 

An  der  1.  oder  Grundphalanx  findet  man  im  distalen  Ende 
eine  viereckige  Membran  (Vinculum  quadrangulare)  vom  Knochen 
aus  zur  Sehne  sich  entwickelnd;  außerdem  jedoch  noch  faden-  oder 
membranartige  Züge  von  dem  mittleren  Teile  der  Grundphalanx, 
welche  sich  einseitig  oder  doppelseitig  mit  den  Seitenrändern  der  sich 
teilenden,  oberflächlichen  Beugesehne  verbinden.  Selbst  beim  Greise 
kann  dasselbe  Verhalten  verwirklicht  sein,  wie  beim  6-monatlichen  Fetus. 

Der  gegen  den  Handteller  gerichtete  Rand  des  Vinculum  qua- 
drangulare ist  frei  und  konkav;  der  mit  der  Sehne  verbundene  Rand 
heftet  sich  an  den  Zipfeln  des  oberflächlichen  Beugers  an.  Geht  ein 
Teil  aber  noch  weiter  bis  zur  tiefen  Beugesehne,  so  tritt  eine  schein- 
bare Durchbohrung  des  Mesotendineum  ein;  der  meist  fadenförmige 
Zug  zum  M.  flexor  profundus  stellt  dann  ein  Vinculum  perforans  dar, 
der  zum  M.  flexor  sublimis  sich  wendende  das  Vinculum  perforatum. 

Zwischen  den  beiden  Ansätzen  der  oberflächlichen  Beugesehne 
entwickelt  sich  an  der  Mitte  der  Mittelphalanx  nochmals  ein  drei- 
eckiges Mesotendineum,  nur  für  die  tiefe  Fläche  der  Sehne  des 
M.  flexor  profundus.  Wie  die  anderen  Teile  des  Mesotendineum  der 
Beugesehnen,  kann  auch  dieser  Abschnitt  durchlöchert  sein,  oder  nur 
aus  dünnen  Fäden  bestehen;  jedoch  haben  wir  ein  gänzliches  Fehlen 
im  Bereiche  des  Fingerendgliedes  nicht  beobachtet. 

Obwohl  die  Mesotendinea  am  stärksten  über  den  Gelenken  ent- 
wickelt sind,  teilen  wir  die  Anschauung  Henle's  nicht,  daß  sie  bei 
den  Beugebewegungen  die  Gelenkkapsel  spannen;  wir  glauben  viel- 
mehr, daß  der  größere  Spielraum  der  Sehnenscheide  an  dieser  Stelle 
es  hier  nicht  zum  Schwunde  der  Mesotendinea  kommen  läßt,  während 
gerade  im  Bereiche  der  Lig.  anularia,  unserer  Lig.  vaginalia  propria, 
der  engsten  und  festesten  Stelle  der  Sehnenscheide,  der  Schwund  am 
frühesten  und  ausgiebigsten  eintritt. 

Spezielle  Beschreibung. 

Die  sogenannten  Vincula  sind  eigentlich  Mesotendinea,  d.  h.  ge- 
fäßführende bindegewebige  Platten,  welche  mit  einschichtigem  Endothel 
bekleidet  sind,  analog  dem  Mesenterium,  dem  Mesometrium  u.  s.  w.,  und 
sind  angeordnet  in  der  Tiefe,  sei  es  einer  Sehne,  wie  beim  M.  flexor 
pollicis  longus,  oder  geteilt  wie  beiden  Sehnen  beider  M.  flexores  der 
dreigliedrigen  Finger.  Die  ursprünglich  einheitliche  Schicht  erfährt 
im  Laufe  der  Entwickelung  verschiedene  Unterbrechungen,  welche  sich 
bei  den  einzelnen  Sehnen  ganz  verschieden  verhalten.  Außerdem  tritt 
auch  eine  Verlagerung  des  Ursprunges  des  Mesotendineum  ein,  welches 
primär  gegenüber  der  freien  Oberfläche  sich  in  der  Tiefe  am  Knochen 

2/9 


280  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

anheftet.  Diese  Verlagerung  zur  Seite  ist  gewöhnlich  eine  einseitige, 
entweder  radial-  oder  ulnarwärts.  Bei  der  Sehnenscheide  des  2.  bis 
5.  Fingers  jedoch,  welche  2  Beugesehnen  enthält,  sind  die  Meso- 
tendinea  teilweise  nach  den  beiden  Rändern  des  Knochens  verschoben. 
Als  zweckmäßigste  Benennung  der  einzelnen  Vincula  hat  sich  uns 
folgende  Einteilung  ergeben:  An  der  Grundphalanx,  wo  die  beiden 
Beugesehnen  vorhanden  sind,  unterscheiden  wir  ein  Vinculum  radiale 
und  ulnare.  Eines  von  beiden  ist  meistens  vorhanden,  ziemlich  oft 
beide,  in  sehr  seltenen  Fällen  fehlen  beide  oder  sind  zu  kümmerlichen 
Rudimenten  geworden.  Die  ursprüngliche  Anlage  in  der  Mitte  eines 
Knochens  erhält  sich  auch  im  Bereiche  des  unteren  Teiles  der  Grund- 
phalanx in  Form  eines  zarten  Vinculum  medianum,  aber  nur  in  seltenen 
Fällen.  Wir  wollen  deshalb  zuerst  die  Bildungen  betrachten,  welche 
sich  in  gleicher  Weise  beim  Neugeborenen  wie  beim  Erwachsenen 
darstellen,  die  Vincula  lateralia.  Der  primäre,  auch  meistens  beim 
Erwachsenen  erhaltene  Befund  ergibt  ein  breites,  flächenartiges 
Vinculum  laterale,  welches  an  seinem  freien  Rande  eine  Verdickung 
aufzuweisen  pflegt.  An  dieser  Stelle  verbinden  sich  nämlich  die  Ge- 
fäße mit  der  Sehne.  Es  besteht  für  die  zarten  Gefäße  überall  das 
Gesetz,  daß  sie  in  ihrer  Umgebung  Fett  anhäufen  können,  günstige 
Ernährungsverhältnisse  vorausgesetzt,  und  außerdem,  daß  der  Raum 
die  Fettablagerung  zuläßt.  Wir  haben  derartige  Fälle  häufig,  selbst 
an  abgemagerten  Individuen  beobachtet,  daß  nämlich  am  freien  Rande 
eines  Vinculum  sich  wirkliche  Appendices  epiploicae  vorfanden;  aber 
gerade  diese  Beobachtungen  bestätigen  in  willkommener  Weise  die 
Analogie  des  Mesotendineum  mit  dem  Mesenterium,  welches  ja  durch 
Fettaufnahme  eine  beträchtliche  Dicke  erreichen  kann.  Je  mehr  wir 
hierauf  achteten,  um  so  öfter  fanden  wir  schon  eine  makroskopische 
Fettansammlung  in  den  Vincula  lateralia  und  auch  den  anderen 
medianen  Mesotendinea.  Recht  oft  kommt  es  zu  einem  Schwunde  der 
Membran,  welche  sich  von  der  Basis  der  Grundphalanx  bis  zu  ihrem 
Ende  erstreckt,  nur  das  widerstandsfähige  proximale  Ende  erhält  sich 
als  fadenförmiger  Streifen ;  oder  auch  die  Gefäße,  welche  in  ihm  ver- 
laufen, verfallen  durch  den  Druck  und  Zug  der  Beugesehnen  der  Ver- 
ödung, und  schließlich  ist  von  dem  ganzen  verwickelten  Aufbau  der 
Vincula  lateralia  nichts  mehr  zu  erkennen.  Wir  glaubten  zuerst,  daß 
wir  beim  Neugeborenen  noch  ein  klares  Bild  von  der  primären  An- 
lage gewinnen  könnten,  haben  uns  aber  überzeugen  müssen,  daß  kein 
prinzipieller  Unterschied  zwischen  den  Mesotendinea  eines  Neuge- 
borenen und  Erwachsenen  besteht ;  ja  wir  haben  beim  Erwachsenen 
ausgesprochenere  Mesotendinea  gefunden,  als  beim  Neugeborenen. 
Also  dürfte  schon  durch  die  Bewegungen  der  Finger  während  des 
Uterinlebens  die  definitive  Entwickelung  der  Mesotendinea  festgelegt 
sein.  Das  uns  vorliegende  Material  von  je  10  Händen  Erwachsener 
und  Neugeborener  reicht  augenscheinlich  nicht  aus,  um  seltene  Be- 
funde zu  erklären.  Die  allgemeinen  Grundsätze  erfahren  nach  unseren 
Präparaten  keine  Beschränkungen  und  Erweiterungen.  Zur  Erklärung 
der  allmählichen  Umwandelung  des  Mesotendineum  medianum  in 
Mesotendinea  lateralia  muß  die  Untersuchung  am  Fetus  oder  sogar 
des  Embryo  eingreifen.  In  unserer  Tabelle  sind  nur  7  Fälle  von  Er- 
wachsenen und  6  von  Neugeborenen  angegeben,  dagegen  3  nur  un- 
vollständige Fälle  und  4  Fälle  von  6 — 7-monatlichen  Feten,  welche 
keine  Besonderheiten  boten,  fortgelassen. 

280 


Vincula  tendinum.  281 

Wir  unterscheiden  also  an  der  Grundphalanx  des  2.-5.  Fingers 
eine  ulnare  und  radiale  Bindegewebsplatte,  welche  sich  gegen  das  Ge- 
lenk zwischen  Grund-  und  Mittelphalanx  hin  vereinigen.  Der  proximale 
verdickte  Rand  wird  von  uns  Vinculum  filiforme  genannt,  gleichviel, 
ob  er  isoliert  ist,  oder  sich  unmittelbar  in  eine  zarte  Haut  fortsetzt, 
für  welche  wir  den  Namen  Vinculum  membranaceum  vorschlagen.  Bei 
doppelseitiger  Entwickelung  kommen  die  Platten  der  Sehnen  in  der 
Mitte  der  Grundphalanx  zusammen  in  der  Tiefe  der  oberflächlichen 
Beugesehne  und  setzen  sich  dann  noch  weiter  hautwärts  fort  bis 
zur  tiefen  Beugesehne.  Dieser  verlängerte  Zug  macht  durchaus 
den  Eindruck  eines  durchbohrenden  Stranges,  weshalb  wir  für  ihn 
auch  den  bereits  gebräuchlichen  Namen  Vinculum  perforans  gewählt 
haben. 

Ueber  dem  Gelenke  zwischen  Mittel-  und  Grundphalanx,  wo  die 
beiden  Beugesehnen  unmittelbar  übereinander  liegen,  kommt  die  Be- 
ziehung der  Sehnen  zum  Knochen  am  schönsten  zur  Geltung.  Die 
tiefe  Schicht  ist  sehr  ansehnlich  und  muß  ihrer  Form  nach  als  Vin- 
culum quadrangulare  bezeichnet  werden.  Der  zur  tiefen  Beugesehne 
gehende  fadenförmige  Strang  ist  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  vorhanden, 
kann  aber  auch  fehlen,  weil  dann  am  distalen  Ende  der  Mittelphalanx 
ein  besonders  stark  ausgeprägtes  Vinculum  trianguläre  vorhanden  ist. 
Auch  hier  findet  sich  selten  ein  Vinculum  accessorium,  welches  den 
ursprünglichen  Zusammenhang  zwischen  Vinculum  trianguläre  und 
quadrangulare  kundgibt. 

Wenn  wir  nun  die  physiologische  Bedeutung  der  einzelnen  Vin- 
cula tendinum  betrachten,  so  ergibt  sich,  daß  im  distalen  Teile  der 
Grundphalanx  die  Ernährung  durch  die  Sehnenscheidenflüssigkeit  zum 
größten  Teile  ausreicht,  da  ja  die  Mesotendinea  lateralia  fehlen  können. 
In  derartigen  Fällen  sondern  die  Arterien,  welche  im  proximalen  Teile 
der  Sehnenscheide  verlaufen,  und  die,  welche  distal  den  freien  Rand 
des  Vinculum  quadrangulare  einnehmen,  genügendes  Ernährungs- 
material ab.  Im  Bereiche  der  Articulatio  interphalangea  I,  zwischen 
Grund-  und  Mittelglied,  fehlt  niemals  das  Vinculum  quadrangulare, 
welches  zur  tiefen  Fläche  des  Chiasma  der  oberflächlichen  Beugesehne 
verläuft  und  zu  ihrer  Ernährung  vollkommen  ausreicht.  Für  die  tiefe 
Beugesehne  ist  über  der  Articulatio  interphalangea  zwischen  Mittel- 
und  Nagelglied  regelmäßig  das  Vinculum  trianguläre  mit  starken  Ge- 
fäßen vorhanden. 

Die  eben  geschilderten  Tatsachen  bei  den  dreigliedrigen  Fingern, 
in  deren  Sehnenscheiden  2  Beugesehnen  verlaufen,  finden  ihre  ein- 
fache Nutzanwendung  in  der  Sehnenscheide  des  M.  flexor  pollicis 
longus,  welche  ja  nur  eine  Sehne  enthält.  Das  in  ihr  liegende  Meso- 
tendineum  zeigt  bisweilen  noch  den  primären  Zusammenhang  der 
tiefen  Fläche  mit  der  festen  Unterlage,  aus  welcher  die  ernährenden 
Gefäße  entstammen.  Die  Durchlöcherung  der  einheitlichen  Membran 
findet  sich  immer  zwischen  zwei  benachbarten  Arterienzweigen  und 
kann  bis  zum  Rande  desselben  reichen,  so  daß  die  Gefäße  auch  hier 
sich  in  Gestalt  eines  Vinculum  filiforme  herausbilden  können.  Wir 
haben  dann  auch  in  der  Daumensehnenscheide  ein  Vinculum  trianguläre 
distale  zu  unterscheiden  mit  verdicktem  proximalen  Rande  und  je 
nachdem  verschieden  breite  Vincula  membranacea,  die  sich  nur  durch 
stärkere  Gefäße  als  dauernde  Gebilde  erhalten  können. 

281 


282 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 


Vincul 

a  tend 

inum  digitorum  manus.                 • 

E.  =  Erwachsener 
K.  =  Kind 
r.  =  rechts 

I  |II 

III 

IV|V  |VI  VII  VIII  |IX|XXI| XII  XIII 

E.|E. 
1 

E. 

V.L.    P.IP.    1^-   |K.|K.|K.|K.|K. 

1.  =  links 

1             1         1      r.-l.    1  l.-r.  1     r.-l. 

Daumen. 


Vinculum  tendineum^) 

+ 

+     +    + 

+ 

. 

. 

Vinculum  trianguläre 

+ 

+ 

+     +    + 

-i- 

+ 

4- 

+ 

+ 

+ 

4- 

4- 

Vinculum  accessorium 

• 

1  • 

+ 

Zeigefinger. 

Grundphalanx. 

Vinculum  radiale 

+ 

+ 

.    ^ 

+ 

+ 

4- 

4- 

+ 

. 

+ 

+ 

filiforme 

+ 

+ 

•    -i 

-  . 

+ 

+ 

4- 

4- 

+ 

4- 

4- 

membranaceum 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

perforans 

+ 

'      4 

+ 

. 

. 

+ 

+ 

Vinculum  ulnare 

+ 

+ 

+    . 

-i- 

+ 

+ 

+ 

+ 

4- 

filiforme 

+ 

+    . 

+ 

4- 

] 

+ 

+ 

+ 

+ 

membranaceum 

+    • 

+ 

4- 

-f 

perforans 

+    . 

. 

4- 

4- 

4- 

Vinculum  mediauum 

4- 

Articulatio  I. 

Vinculum  quadrangulare 

+    +     +     +    +    + 

4- 

4- 

4-4-4- 

+ 

+ 

perforans 

+    +     +      .     +    + 
Mittelphalanx. 

4- 

4- 

4-     .      . 

4- 

+ 

Vinculum  trianguläre 

+    +     +     +    +    + 

4- 

+ 

4-4-4- 

+ 

+ 

accessorium 

.      .       .      +     .       . 

Mittelfinger. 
Grundphalanx. 

4- 

+ 

4-    4-     . 

Vinculum  radiale 

+  :  • 

+     4 

+ 

. 

4- 

+ 

+ 

+ 

+ 

filiforme 

+ 

+     4 

+ 

4- 

4- 

+ 

membranaceum 

• 

perforans 

. 

. 

4- 

. 

Vinculum  ulnare 

+ 

+ 

-i- 

4- 

+ 

+ 

+ 

+ 

filiforme 

• 

membranaceum 

+ 

-I- 

perforans 

. 

4- 

+ 

Vinculum  medianum 

• 

• 

+ 

. 

. 

• 

'. 

Articul 

atio  I. 

Vinculum  quadrangulare 

:)-    +1  +     4 

-    + 

+ 

4- 

4- 

+  14-    + 

4- 

1+ 

perforans 

+    +  1    . 

+ 

+ 

4- 

4- 

4-14-    4- 

Mittelphalanx. 

Vinculum  trianguläre 

+    +     +  l  +  l  +  1  + 

4- 

4- 

4-14-1  + 

+ 

+ 

accessorium 

•    •    .  I+: •  i  . 

Ringfinger. 
Grundphalanx. 

• 

•1-1  + 

• 

• 

Vinculum  radiale 

+ 

. 

+      • 

+ 

+ 

4- 

4- 

+ 

+ 

. 

+ 

+ 

filiforme 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

4- 

+ 

+ 

+ 

+ 

membranaceum 

+ 

4- 

perforans 

4- 

+ 

4- 

. 

+ 

+ 

Vinculum  ulnare 

+ 

. 

+ 

-i- 

filiforme 

+ 

4- 

4- 

membranaceum 

+ 

perforans 

. 

+ 

+ 

Vinculum  medianum 

+ 

+ 

1)  Sehnige  Verstärkung  des  Mesotendineum  über  der  Grundphalanx. 


282 


Vincula  tendinum. 


283 


E.  =  Erwachsener 
K.  =  Kind 
r.  =  rechts 

1  1 II 1 III  IV 

V 

VI 

VII 

VIII  |IX|  X|  XI  XII 1 XIII 

E.   E.    E.    E. 

E. 

E. 

E. 

K.   |K.|K.|K.|K.  1   K. 

1.  =  links 

r.-l.    1   l.-r.  1      r.-l. 

Vinculum  quadrangulare 
perforans 


Vinculum  trianguläre 
accessorium 


Vinculum  radiale 
filiforme 
membranaceum 
perforans 

Vinculum  ulnare 

fiUforme 

membranaceum 

perforans 

Vinculum  medianum 


Vinculum  quadrangulare 
perforans 


Vinculum  trianguläre 
accessorium 


\t 


\x 


Articulatio  I. 

+  1  +  l  +  i-f  l  +  l  + 

+  1  +  i   .   I  +  I   .   I  + 

Mittel  phalanx. 

+  I   +  l  +  l  +  i  +  1  + 

•   I    •    l  +  l   •   I   •  I  • 


+  I  +  I  +  I  + 
+1+1+1    • 


+I+I+I   + 
•   I   .   I   •   I   + 


Kleinfinger. 
Grundphalanx. 


....     +     .+       + 

.-..     +     .+       + 

•    .      +       + 

+ 

+     +     +     +    +    ++++.+      •        + 

+    +.       .+++  ++.+      .        + 

..+     +     .+      .  ++..I.+ 

++.     ..+.  +     ..+;.     + 


Articulatio  I. 

+'   +  I +1 + 1+ 

+1   + I +1+1+ 

Mittelphalanx. 

+  1  +  I  +  I  +  I  + 


I   + 

I   + 


1+1+1+ 
1  +  1+     • 


+    +    + 


Praktische  Bemerkungen  zu  den  volaren  Sehnen- 
scheiden. 

Allen  B.  Kanavel  ^)  wegen  der  chirurgischen  Wichtigkeit 
anatomische  und  praktische  Studien  gemacht  über  die  Ausbreitung 
von  eiterigen  Prozessen  der  Hohlhand.  Was  der  Autor  als  Lum- 
bricalkanäle  bezeichnet  wissen  will,  fassen  wir  nach  den  Ab- 
bildungen und  unseren  Erfahrungen  als  Interdigitalräume  auf.  Bei 
den  Injektionspräparaten,  welche  hinterher  durch  Röntgenaufnahme 
festgelegt  wurden,  ist  ihm  dasselbe  unvermeidliche  Geschick  zu- 
gestoßen, wie  wir  es  bei  der  KÜTTNERschen  Arbeit  [siehe  S.  299] 
betonen  werden.  Was  in  der  Praxis  so  häufig  vorkommt,  darf 
jedoch  nicht  als  anatomische  Norm  hingestellt  werden.  Wir  halten 
daran  fest,  daß  die  Sehnenscheide  im  gesunden  Zustande  einen 
vollkommenen  Abschluß  nach  proximal  und  distal  hat,  und  nur  die 
Injektion  oder  ein  entzündlicher  Prozeß  diese  Grenzen  durchbricht 
und  beliebig  erweitert  und  vergrößert.  Schließlich  stellt  ja  auch  eine 
Entzündung  mit  Exsudat  nichts  weiter  dar,  als  eine  pathologische 
Injektion  der  Sehnenscheide  oder  der  Bindegewebsräume,  in  denen 
sich  der  krankhafte  Prozeß  ausbreitet.  Einen  vollkommenen  Ab- 
schluß bieten  die  Sehnenscheiden,  denen  sich  seitlich  und  proximal 
die   Lumbricalmuskeln    anschließen.     Dieselben    haben    aber    keinen 


1)  Eiterige  Infektionsprozesse  der  Hand  und  des  Unterarmes,  Centralblatt  für 
Chirurgie,  34.  Jahrg.,  1907,  No.  34,  S.  1001— lOOö. 


283 


284  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

eigentlichen  Kanal,  sondern  sind  nur  durch  eine  dünne  Specialfascie 
von  den  benachbarten  Gebilden  abgegrenzt.  Am  ungünstigsten  sind 
die  Räume  gestellt,  welche  von  den  tiefen  Schichten  des  Unterhaut- 
bindegewebes eingenommen  sind.  Die  zahlreichen  Gefäße  und  Nerven, 
welche  in  ihm  verlaufen,  stellen  vielfache  Verbindungen  auch  mit  den 
beiden  erstgenannten  Räumen  her,  und  es  zeigt  sich  eben  in  patho- 
logischen Fällen  das  Bild  der  typischen  Phlegmone,  welches  bei  der 
Kompliziertheit  der  Räume  die  größten  individuellen  Schwankungen 
aufweisen  kann.  Dem  Schema  hoffen  wir  in  Wort  und  Bild  gerecht 
geworden  zu  sein. 

IL  Dorsale  Sehnenscheiden. 

1.  Lig.  carpi  dorsale. 

Wir  beschreiben  in  diesem  Abschnitte  auch  das  Lig.  carpi  dor- 
sale genauer,  weil  es  in  engster  Beziehung  zu  den  Strecksehnen  steht^ 
ferner  die  Dorsalaponeurose  der  Finger,  welche  ja  sowohl  von  Muskeln 
der  Beuge-,  wie  der  Streckseite  gebildet  wird  und  schließlich  die 
Sehnenscheiden  selbst  nach  Zahl,  Länge  und  Inhalt.  Letzterer  bietet 
für  die  Sehnen,  welche  sich  nicht  wie  auf  der  Beugeseite  durchbohren, 
nichts  Besonderes,  so  daß  bloß  die  Vincula  tendinum  berücksichtigt 
werden  brauchten. 

Dieses  Band  stellt  eigentlich  nichts  weiter  dar,  als  eine  Ver- 
dickung der  Fascie  an  der  Grenze  zwischen  Vorderarm  und  Hand- 
rücken und  verdient  diesen  Namen  auch,  weil  es  mechanische  Auf- 
gaben zu  erfüllen  hat,  welche  in  diesem  Grade  den  Fascien  nicht 
zukommen.  Proximal  geht  es  in  die  Fascia  dorsalis  antebrachii, 
distal  in  die  entsprechende  des  Handrückens  ohne  scharfe  Grenze 
über,  so  daß  bei  seiner  Heraussetzung  eine  künstliche  Trennung  not- 
wendig ist.  Bei  einer  derartigen  Präparation  soll  man  nicht  einem 
Schema  folgen  und  den  proximalen  und  distalen  Rand  in  gleicher 
Weise  durch  zwei  einfache  Parallelschnitte  absetzen,  sondern  den  je- 
weiligen anatomischen  Tatsachen,  wie  sie  am  Präparate  verwirklicht 
sind,  Rechnung  tragen.  Für  den  proximalen  Rand  möchten  wir  fol- 
genden Befund  als  Regel  aufstellen,  welcher  am  leichtesten  durch 
das  beifolgende  Schema  an  einer  linken  Hand  erläutert  wird: 

distal 
ulnar     \  radial 


proximal 

Man  sieht,  daß  von  den  beiden  freien  Rändern,  welche  den  Pro- 
cessus styloidei  des  Radius  und  der  Ulna  entsprechen,  zwei  Linien 
schräg  proximalwärts  gegen  die  Mittellinie  hingewandt  sind;  ferner 
wie  ein  querer  Zug  den  radialen  und  ulnaren  Schenkel  miteinander 
verbindet.  Der  ulnare  Schrägzug  ist  der  größere  und  findet  eine 
teilweise  Anheftung  an  der  radialen  Seite  derjenigen  schrägen 
Knochenfurche,  welche  für  den  Verlauf  der  Sehne  des  M.  extensor 
pollicis  longus  charakteristisch  ist.  Der  kürzere  radiale  Schrägzug 
dient  nur  dazu,  die  M.  abductor  pollicis  longus  und  extensor  pollicis 
brevis  —  bei  Daumenbeugung  und  Adduktion  auch  noch  einen  Teil 

284 


Lig.  carpi  dorsale.  285 

ihres  Muskelfleisches  —  zu  überbrücken.  Der  quere  Zug  schließt  nur 
die  Sehnen  der  beiden  M.  extensores  carpi  radiales  ein. 

Der  distale  Rand  darf  ebenfalls  nicht  durch  einen  schematischen 
Schnitt  herausgesetzt  werden.  Entsprechend  der  ausgiebigen  Be- 
wegungsfreiheit der  radial  gelegenen  Sehnen  kann  hier  das  Band  nur 
eine  geringe  Breite  besitzen  und  dadurch  den  freien  Endsehnen 
größeren  Spielraum  gestatten.  Die  M.  extensor  digitorum  communis 
und  indicis  proprius  müssen  schon  mehr  in  ihrer  Lage  festgehalten 
werden,  und  so  ttnden  sich  in  der  Tat  sowohl  am  radialen  Rande  der 
Zeigefingersehnen,  wie  am  ulnaren  des  gemeinschaftlichen  Finger- 
streckers Anheftungen  an  den  in  der  Tiefe  gelegenen  Knochen.  Je- 
doch gewinnen  die  Sehnen  des  zweiten  Faches  bereits  mit  dem 
Beginne  der  Basen  des  3.  und  4.  Mittelhandknochens  ein  vollkommen 
freies  Spiel  in  der  Bewegung,  welches  man  durch  die  Haut  hindurch 
oft  in  der  klarsten  Weise  beobachten  kann.  Am  ungünstigsten  steht 
die  Sehne  für  den  kleinen  Finger  da,  welche  sehr  oft  durch  ein  be- 
sonderes Band  über  dem  proximalen  Drittel  des  5.  Mittelhandknochens 
gegen  diesen  festgehalten  wird,  erst  in  den  distalen  zwei  Dritteln 
des  Os  metacarpale  V  gewinnt  die  oder  besser  die  beiden  Sehnen 
einige  Bewegungsfreiheit.  Für  dieses  Retinaculum,  welches  voll- 
kommen unabhängig  von  dem  Lig.  carpi  dorsale  sich  verwirklicht 
zeigen  kann,  möchten  wir  den  Namen  Retinaculum  digiti  quinti  pro- 
prium vorschlagen.  Recht  ungünstig  steht  schließlich  auch  die  Sehne 
des  M.  extensor  carpi  ulnaris  da,  welche  bis  zum  Ansätze  hin  durch 
die  derben  Züge  des  Lig.  carpi  dorsale  gegen  die  Knochen  hin 
festgehalten  wird,  und  auch  bei  größter  Anstrengung  sich  nicht  so  als 
Strang  herausheben  läßt,  wie  es  bei  den  anderen  Sehnen  oft  in  ver- 
blüffender Weise  möglich  ist. 

Einmal  fanden  wir  über  dem  Capitulum  ulnae  eine  Bursa  sub- 
fascialis  mit  einem  größten  Durchmesser  von  1  cm  gerade  an  der 
ulnaren  Seite  des  Vorderarmes. 

PoiRiER  schreibt  S.  166,  daß  das  Lig.  carpi  dorsale  von  der  Ulna 
durch  einen  Schleimbeutel  getrennt  sein  kann,  welcher  natürlich  nicht 
identisch  ist  mit  unserer  Bursa  subfascialis,  unter  welcher  erst  das 
Band  deutlich  zu  Tage  lag. 

Mit  der  Befestigung  an  der  Ulna  hört  gewöhnlich  die  Beschreibung 
der  deutschen  Autoren  auf,  wofern  sie  nicht,  wie  z.  B.  Henle,  ein 
Lig.  carpi  volare  annehmen,  welches  zusammen  mit  dem  Lig.  carpi 
dorsale  das  Lig.  carpi  commune  bildet.  Poirier,  S.  165  und  166, 
hat  nach  unserer  Meinung  vollkommen  recht,  wenn  er  das  dorsale 
Band  bis  zum  Os  triquetrum  und  pisiforme  verlängert  wissen  will. 
Ohne  Kenntnis  der  Angaben  dieses  Autors  hatten  wir  bereits  in  den 
Figg.  57,  58  dieser  Tatsache  Rechnung  getragen  und  die  mechanische 
Bedeutung  nachzuweisen  versucht. 

2.  Dorsalaponeurose  der  Finger. 

Wir  haben  die  Strecksehnen  bis  zu  den  Knöcheln  verfolgt  und 
bereits  die  Verbindungen  zwischen  den  Strecksehnen  im  Bereiche  des 
Dorsum  manus  beschrieben,  so  daß  nur  noch  der  Ansatz  an  den 
Phalangen  darzustellen  ist. 

In  der  Höhe  der  Articulationes  metacarpophalangeae  tritt  beim 
Mittel-  und  Ringfinger  eine   erhebliche  Verschmälerung  und  dement- 

285 


286  FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

sprechende  Verdickung  der  Sehne  ein,  am  Zeigefinger  mit  seiner 
doppelten  Sehne  und  am  kleinen  Finger,  wo  auch  mehrere  Sehnen 
zusammenkommen,  bleibt  der  flächenartige  Charakter  auch  über  dem 
Knöchel  gewahrt.  Scheinbar  findet  an  der  Basis  der  Grundphalanx 
kein  direkter  Knochenansatz  statt.  Man  kann  zwar  schon  an  mageren 
Händen  durch  die  Haut  hindurch  erkennen,  wie  sich  die  Gelenkkapsel 
annähernd  wie  ein  leerer  Beutel  bei  Dorsalflexion  nach  proximal  zurück- 
zieht, daß  also  ein  Zusammenhang  zwischen  Sehne  und  Gelenk 
besteht,  aber  der  wirkliche  und  nicht  unbedeutende  Ansatz  an  der 
Grundphalanx  ist  erst  nach  Hochheben  der  Sehne  und  Spaltung  der 
Gelenkkapsel,  oder  von  vorn  her  unter  Entfernung  des  entsprechenden 
Mittelhandknochens  deutlich  erkennbar.  Physiologisch  ist  dieser  An- 
satz durchaus  notwendig,  obgleich  er  von  selten  der  Anatomen  meist 
nicht  genügend  hervorgehoben  ist.  Gleichzeitig  kommen  von  der 
Tiefe  her  die  sogenannten  Fibrae  perforantes,  welche  sich  aus  der 
Hohlhandaponeurose  ableiten  und  nichts  mit  den  gleich  zu  beschrei- 
benden Sehnen  der  M.  interossei  zu  tun  haben.  Wir  müssen  hier 
jedoch  bemerken,  daß  uns  an  verschiedenen  Präparaten  an  sämtlichen 
Fingern  in  Knöchelhöhe  eine  leichte  Loslösung  der  Strecksehne  von 
der  Gelenkkapsel  möglich  war,  und  sich  sogar  ein  gut  ausgebildeter 
Schleimbeutel  zwischen  der  Strecksehne  und  der  Gelenkkapsel  vor- 
fand. Auch  seitlich  war  eine  Trennung  von  der  Gelenkkapsel  mög- 
lich, bei  starker  Entwickelung  kann  man  hierfür  sogar  den  Namen 
der  Lig.  intrametacarpalia  geben. 

Am  distalen  Ende  der  Articulatio  metacarpophalangea  verbreitert 
sich  die  Strecksehne  beträchtlich  und  nimmt  seitlich  die  Sehnen  zweier 
M.  interossei  sowie  eines  M.  lumbricalis  auf.  Da  diese  von  der 
Vola  her  zum  Dorsum  sich  begeben,  kann  man  an  dieser  Stelle  direkt 
von  einer  Sehnenhaube,  einer  Galea  aponeurotica  sprechen.  Diese 
Nebensehnen  verwischen  aber  die  Teilung  der  Strecksehne  in  3  Zipfel, 
von  denen  der  mittlere,  unpaare  als  zarte  Platte  senkrecht  distalwärts 
zur  Basis  der  Mittelphalanx  geht,  und  deren  seitliche  Zipfel  in  spitzem 
Winkel  zu  den  Rändern  der  Articulatio  interphalangea  I — II  aus- 
einanderweichen. Allmählich  streben  sie  aber  auf  dem  Rücken  der 
Mittelphalanx  wieder  einander  zu  und  vereinen  sich  zu  einem  gemein- 
schaftlichen, ziemlich  breiten,  deutlich  sehnigen  Ansätze  an  der  Basis 
der  Nagelphalanx. 

Am  zweigliedrigen  Daumen  ist  nur  eine  Andeutung  einer  Dorsal- 
aponeurose  vorhanden.  An  der  Grundphalanx  selbst  setzt  gewöhnlich 
der  M.  extensor  pollicis  brevis  an,  der  M.  extensor  pollicis  longus 
zieht  an  dessen  Ulnarseite  ungeteilt  zur  Nagelphalanx.  Die  Analoga 
der  M.  interossei  mit  ihren  seitlichen  Sehnenzipfeln  sind  hier  bei  weitem 
nicht  so  klar  durch  die  Sehnen  des  M.  abductor  pollivis  brevis  und 
unseren  M.  interosseus  volaris  I,  den  radialen  Teil  des  M.  adductor 
pollicis,  oder  auch  durch  dessen  ganze  Sehne  vertreten. 

Duchenne  gibt  unter  LI,  2)  (S.  258)  folgende  anatomisch-phy- 
siologische Darstellung,  „daß  diese  fibrösen  Ausbreitungen  [die  Ver- 
bindungen zwischen  den  Sehnen  der  Extensoren  und  der  M.  inter- 
ossei und  lumbricalesj  dazu  dienen,  den  letztgenannten  Sehnen  eine 
schiefe  Richtung  von  hinten  nach  vorn,  vom  unteren  und  antero- 
lateralen  Ende  der  Mittelhandknochen  zum  oberen  und  hinteren  Ende 
der  beiden  Phalangen  zu  erteilen  und  daß  sie  sie  alsdann  an  der  Rück- 
seite der  beiden  letzten  Phalangealgelenke  befestigt  erhalten,  wo  man 

286 


Vaginae  dorsales.  287 

sie  unter  dem  Namen  der  seitlichen  Bändchen  kennt".  Hierzu  sei 
bemerkt,  daß  nur  die  Anheftung  an  der  Nagelphalanx  dorsal  gekehrt 
ist,  während  in  der  Höhe  der  Artic.  interphalangea  I  und  II  die  von 
beiden  Seiten  aus  der  Vola  herkommenden  Sehnen  der  Hauptsache 
nach  noch  lateral,  d.  h.  von  den  Fingerachsen  entfernt  liegen. 

3.  Scheiden  und  Schleimbeutel  der  Strecksehnen. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Es  finden  sich  in  der  Höhe  der  Artic.  radiocarpea  dorsal  osteofibröse 
Kanäle,  welche  durch  die  Furchen  an  Radius  und  Ulna  einerseits,  durch 
das  Lig.  carpi  dorsale  andererseits  gebildet  werden.  Diese  Kanäle,  Logen 
oder  Fächer  dienen  dazu,  die  Sehnen  in  ihrer  Lage  zu  erhalten,  damit  eine 
starke  Zusammenziehung  des  Muskels  oder  eine  äußere  Gewalt  sie 
nicht  so  leicht  aus  derselben  herausbringen  kann.  In  der  Mittelstellung 
der  Hand  zwischen  Dorsal-  und  Volarflexion  verlaufen  die  Streck- 
sehnen an  Vorderarm  und  Hand  in  der  gleichen  Richtung.  Bei  der 
Volarflexion  beschreiben  die  Sehnen  aber  einen  stumpfen  Winkel,  der 
sich  einem  rechten  nähern  kann,  um  das  Handgelenk  herum  und 
reiben  sich  dabei  besonders  an  den  distalen  Enden  der  Vorderarm- 
knochen. Bei  der  Dorsalflexion  tritt  eine  stumpfwinklige  Knickung 
gegen  das  Lig.  carpi  dorsale  ein.  Zum  leichteren  Gleiten  der  Sehnen 
findet  sich  die  Einrichtung  der  Sehnenscheiden ,  deren  allgemeines 
Verhalten  auch  hier  wiederkehrt,  d.  h.  man  kann  zwischen  einem 
parietalen  und  einem  visceralen  Blatte  unterscheiden.  Das  erstere  be- 
kleidet die  ganze  Innenfläche  des  osteofibrösen  Kanales,  das  viscerale 
schmiegt  sich  untrennbar  der  Sehne  an.  Vielfach  findet  sich  ein  Meso- 
tendineum,  welches  bald  von  der  Tiefe,  bald  von  der  Seite,  bald  auch 
von  der  Oberfläche  entspringt,  also  durchaus  nicht  mit  dem  Mesen- 
terium des  Darmes  übereinstimmt,  vor  allem  auch  deshalb  nicht,  weil 
es  vielfach  gar  nicht  einheitlich  ist  oder  selbst  fehlen  kann :  M.  extensor 
pollicis  longus.  Die  Bedeutung  ist  freilich  die  gleiche,  die  Sehne  mit 
den  ernährenden  Gefäßen  in  Verbindung  zu  setzen.  An  diesen  Meso- 
tendinea  findet  natürlich  ein  Umschlag  des  parietalen  auf  das  viscerale 
Blatt  statt,  ebenso  an  den  Enden  der  Sehnenscheide,  wo  sich  die  beiden 
Blätter  gewöhnlich  in  Form  eines  Sackes  verbinden,  der  sich  jedoch 
bei   nicht  ausgedehnter   Sehnenscheide   wie   ein  Spalt  zusammenlegt. 

Außer  diesen  Sehnenscheiden,  welche  meist  für  eine  ansehnliche 
Strecke  die  Sehne  begleiten,  sie  gänzlich  oder  doch  zum  größten  Teile 
umgeben,  haben  wir  noch  kleinere  seröse  Höhlen  zu  erwähnen,  die 
wir  als  Schleimbeutel,  Bursae  serosae  oder  mucosae,  bezeichnen.  In 
normalen  Fällen  nehmen  sie  nicht  mehr  als  die  Hälfte  des  ümfanges 
der  Sehne  ein,  können  ganz  unter  ihr  versteckt  liegen  oder  sie  seit- 
lich überragen.  Sie  entwickeln  sich  da,  wo  die  Sehnen  sich  am 
Knochen  reiben;  einige  sind  konstant,  andere  inkonstant. 

Die  Sehnenscheiden  dagegen  sind  immer  vorhanden.  Der  Zahl 
nach  werden  an  der  Streckseite  gewöhnlich  6  angegeben,  von  denen 
4  auf  den  Radius,  1  auf  die  Ulna  und  1  auf  das  Gelenk  zwischen 
beiden  Knochen  entfallen.  Nun  kann  man  an  jedem  Vorderarmskelete 
erkennen,  wie  bei  der  Pronation  das  Capitulum  ulnae  in  großer  Aus- 
dehnung von  der  Rückseite  aus  zu  erblicken  ist,  in  nur  geringer  bei 
der  Supination.     Es  läßt  sich  an  jedem   Präparate   nachweisen,   daß 

287 


288 


FROHSE   und  M.   FRANKEL, 


M.    extensor    in- 
dicis  proprius 


Bursa  sub- 
cutanea 
metacarpo- 
phalangea 
dorsalis 


M.  extensor  carpi  radialis 
longus 


M.  extensor  carpi  radialii 
brevis 


M.  abductor  poUicis  longus 
(und  extensor  pollicis  brevis) 


A.  radialis] 


.  M.  extensor 
■pollicis  longus 


M.  interosseus 
dorsalis  I 


Bursa  subcutanea  indicis  dorsali; 


Fig.  84.    Sehnenscheiden   an  der  Dorsalseite  der  Hand,  rechts.    (Nat.  Gr.) 
(Uebernommen  aus:  v.  Bardeleben,  Haeckel  und  Frohse;  1.  c.  Fig.  94.) 


Vaginae  dorsales.  289 

die  Sehne  des  M.  extensor  digiti  V  bei  extremer  Supination  sich  nur 
einige  Millimeter  vom  M.  extensor  carpi  ulnaris  entfernt  befindet, 
während  bei  extremer  Pronation  der  Zwischenraum  bis  1,5  cm  be- 
tragen kann.  An  den  eigenen  Händen  kann  man,  ohne  Zuhilfenahme 
eines  Spiegels,  nur  das  Verhalten  bei  der  Pronation  beobachten,  an 
geeigneten  Händen  anderer  aber  leicht  die  Unterschiede  durch  die 
Haut  hindurch  messen.  Wir  finden  also  die  Sehnenscheide  des  M. 
extensor  digiti  V  proprius  nicht  gegen  die  Articulatio  radioulnaris 
distalis  befestigt,  sondern  gegen  den  Radius,  dessen  Bewegungen  die 
Sehne  folgt. 

Die  Sehnen  der  Streckseite  gehören,  von  radial  nach  ulnar  ge- 
zählt, folgenden  Muskeln  an  : 

1)  M.  abductor  pollicis  longus  1  „    ,    , 

2)  M.  extensor  pollicis  brevis   j^^^n  i 

3)  M.  ext.  carpi  radialis  longus  1 

4)  M.  ext.  carpi  radialis  brevis  j^^^ 

5)  M.  ext.  pollicis  longus  Fach  III 

6)  M.  ext.  digitorum  communis  1       v,  yv 

7)  M.  ext.  indicis  proprius        ji^acn  IV 

8)  M.  ext.  digiti  V  proprius        Fach  V 

9)  M.  ext.  carpi  ulnaris  Fach  VI 

Diese  meist  übliche  Gruppierung  der  9  Muskeln  auf  die  6  Fächer 
der  Dorsalseite  entspricht  ebensowenig  der  fetalen  Anlage,  wie  dem 
Verhalten  beim  Erwachsenen. 

Bei  letzterem  hängt  nämlich  gewöhnlich  Fach  II  mit  Fach  III 
zusammen,  so  daß  praktisch  meistens  nur  5  Sehnenfächer  mit  ge- 
sonderten, in  sich  abgeschlossenen  Höhlen  übrig  bleiben.  Noch  beim 
Neugeborenen  kann  andererseits  bei  Fach  II  eine  Trennung  für 
Sehne  3  und  4  vorhanden  sein,  die  jedoch  auch  beim  Erwachsenen 
vorkommt;  ferner  beschreibt  Poirier  sowohl  für  den  Neugeborenen, 
wie  auch  für  den  Erwachsenen  je  einen  Fall  einer  Sonderung  des 
Faches  I  für  die  Sehnen  1  und  2,  was  wir  in  je  2  Fällen  beim  Erwachsenen 
und  Neugeborenen  bestätigen  können.  Nur  Fach  IV  weist  keine  Trennung 
für  die  in  ihm  enthaltenen  verschiedenen  Sehnen  auf  (Poirier).  Wir 
verstehen  den  Tadel  von  Poirier,  p.  173,  nicht,  wenn  er  von  Henle 
sagt,  daß  die  Sehnen  der  M.  extensor  digitorum  communis  und  indicis 
proprius  zwischen  zwei  Schleimbeuteln  eingeschlossen  sind,  einem 
hinteren  und  einem  vorderen,  und  ebensowenig  seine  Bemerkung  über 
BouRGERY  und  Jacob  (Bourgery  et  Jacob,  Anatomie  descriptive, 
Myologie,  Paris  1852).  Die  Abbildung  Fig.  7  PI.  158  zeigt  kein  Septum 
zwischen  den  Zeigefingersehnen  und  dem  Reste  der  Fingerstreck- 
sehnen. Der  Text  p.  127  ist  allerdings  so  unklar,  daß  wir  ihn  wort- 
getreu wiedergeben  müssen:  „La  grande  gaine  commune  des  exten- 
seurs :  ä  sa  partie  superieure,  eile  reunit  en  commun  le  long  extenseur 
propre  du  pouce,  l'extenseur  propre  de  l'indicateur,  et  l'extenseur 
commun  des  doigts;  mais  bientot  de  petites  cloisons,  qui  occupent 
toute  la  hauteur  du  ligament  annulaire  renferment  dans  leurs  gaines 
speciales,  d'une  part,  les  deux  tendons  de  l'indicateur,  et  de  l'autre, 
celui  du  long  extenseur  propre  du  pouce,  qui  s'incurve  isolement  en 
dehors." 

Für  die  Sehnen  der  9  Streckmuskeln  können  wir  unsererseits 
bei  4  zusammengehörigen  Händen  zweier  Neugeborenen  und  zweier 

Handbuch  der  Anatomie,  II,  II,  2.  JQ 

289 


290  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

ca.  7  -  monatlicher  Feten  höchstens  8  isolierte  Sehnenscheiden  an- 
nehmen, während  sich  beim  Erwachsenen  die  gesonderten,  einheit- 
lichen Höhlen  meist  auf  5  vermindern. 

Folgendes  Schema,  das  keinen  Anspruch  auf  die  zeitliche  Richtig- 
keit der  Vereinigung  der  einzelnen  Sehnenscheiden  macht,  möge  zur 
Erläuterung  dienen. 

Muskel  Fetus  g^^^^  ^^Jj^s. 

1)  M.  abduetor  poll.  longus         1  1 

2)  M.  ext.  poll.  brevis                 2  j^  ^  ) 

3)  M.  ext.  carpi  rad.  longus        3  I  ] 

4)  M.  ext.  carpi  rad.  brevis         4  j^  J2 

5)  M.  ext.  poll.  longus                 5  3  J 

6)  M.  ext.  digitorum  communis  \n  a  o 

7)  M.  ext.  indicis  proprius  ^)  j  ^ 

8)  M,  ext.  digiti  V  proprius        7  5  4 

9)  M.  ext.  carpi  ulnaris               8  6  5 

Bei  dieser  Darstellung  ist  nicht  auf  die  Frage  Rücksicht  genommen, 
ob  die  Vereinigung  zwischen  den  Sehnenscheiden  beider  M.  extensores 
carpi  radiales  zuerst  statthat,  und  dann  erst  die  Vereinigung  mit  der 
des  M.  extensor  pollicis  longus ;  oder  ob  zuerst  die  Sehnenscheide  des 
letzteren  Muskels  in  die  des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  durch- 
bricht, und  dann  erst  die  Vereinigung  mit  der  des  M.  extensor  carpi 
radialis  longus  eintritt.  In  einem  fetalen  Falle  war  links  keine  Kom- 
munikation vorhanden,  rechts  dagegen  verhältnismäßig  groß  (0,3  cm, 
Fall  IX),  andererseits  fehlte  bei  einem  70-jährigen  Manne  (linke  Hand, 
Fall  III)  auch  die  Spur  einer  Verbindung,  welche  sich  in  Fall  X  in 
Gestalt  einer  deutlichen  Fossa  ovalis  kundgab  (bei  der  Drucklegung 
noch  bei  einer  Hand  eines  etwa  40-jährigen  Mannes  beobachtet).  Ver- 
bindungen zwischen  den  beiden  Sehnenscheiden  der  M.  extensores  carpi 
radiales  können  entweder  ganz  fehlen,  oder  an  der  dorsalen,  oberfläch- 
lichen Seite  liegen,  gewöhnlich  jedoch  an  der  volaren,  Knochenseite, 
oder  auch  an  beiden  Stellen,  schließlich  sogar  in  der  Bindegewebs- 
platte,  welche  zwischen  beiden  Sehnen  ausgespannt  ist. 


Spezielle  Beschreibung.    (Siehe  auch  Tabelle  S.  298.) 

1.  M.  abduetor  pollicis  longus. 

Die  bei  unseren  Feten  1,3 — 1,5,  bei  den  Erwachsenen  3—6  cm 
lange  Sehnenscheide  beginnt  dicht  nach  der  Ueberkreuzung  des  M. 
extensor  carpi  radialis  longus,  etwas  proximal  vom  Lig.  carpi  dorsale, 
in  dessen  Bereiche  sie  gewöhnlich  mit  der  Scheide  des  M.  extensor 
pollicis  brevis  breit  zusammenhängt.  Diese  Oeffnung  beträgt  bei  den 
Feten  bereits  0,3  —  1,  beim  Erwachsenen  schwankt  sie  zwischen 
1—2,5  cm;    indessen   sei  darauf  hingewiesen,   daß   wir  gerade   beim 

1)  Das   für   die   (etwa  7-monatlichen)  Feten  angegebene  Verhalten  kann   sich 

fenau  in  derselben  Weise  bei  ganz  alten  Leuten  verwirklicht  finden ;  und  umgekehrt 
ann  die  Abnahme  in  der  Zahl  der  Sehnenscheiden,  welche  wir  für  den  Erwachsenen 
als  Regel  aufstellen  müssen,  sich  bereits  vor  der  Geburt  vollzogen  haben. 

2)  In  einem  fetalen  Falle  hing  die  Sehnenscheide  proximal  mit  der  des  M. 
ext.  dig.  comm.  et  ind.  zusammen. 

290 


Vaginae  dorsales.  291 

Erwachsenen  in  3  Fällen  eine  absolute  Trennung  der  Sehnenscheiden 
der  M.  abductor  pollicis  longus  und  exstensor  pollicis  brevis  beobachtet 
haben,  ein  Befund,  der  sich  nicht  erst  nach  der  Geburt  herausgebildet 
haben  kann,  sondern  bereits  im  fetalen  oder  selbst  embryonalen  Leben 
vorgebildet  sein  muß.  Wir  legen  auf  dieses  Verhalten  besonderes 
Oe wicht  wegen  unserer  oben  gegebenen  schematischen  Einteilung  der 
dorsalen  Sehnenscheiden. 

Nur  in  einem  Falle  eines  Erwachsenen  war  die  Endsehne  ein- 
heitlich, im  übrigen  eine  Vermehrung  derselben  bis  auf  6  zu  be- 
obachten. Mit  zunehmendem  Alter  war  eine  Abnahme  der  Länge 
und  Stärke  der  Mesotendinea  festzustellen,  der  Form  und  Lage  nach 
waren  es  Vincula  intertendinea  superficialia  und  profunda,  alle  diese 
im  distalen  Ende  der  Scheide.  Proximal  beginnt  die  Sehnenscheide 
hautwärts  erst  weiter  unten  gegen  das  Handgelenk,  als  an  der  tiefen, 
der  Knochenfläche.  Und  so  erklärt  sich  der  in  Fall  I  angegebene 
Unterschied  in  der  Länge  von  4 — 6  cm. 

2.  M.  extensor  pollicis  brevis. 

Bei  den  Feten  (VII— X)  1,5  cm  lang,  erreicht  die  Sehnenscheide 
beim  Erwachsenen  eine  Länge  von  3,8-^6,8  cm.  Das  proximale  Ende 
fällt  in  die  gleiche  Höhe  mit  der  des  M.  abductor  pollicis  longus,  das 
distale  schiebt  sich  noch  auf  den  ersten  Metacarpalknochen.  Gerade 
bei  den  Feten  war  noch  das  Muskelfleisch  in  den  Bereich  der  Sehnen- 
scheide hineinbezogen  und  ließ  sich  bei  Daumenbeugung  und  Ad- 
duktion  noch  über  den  Radius  hinaus  distal  verfolgen.  Das  beim 
Fetus  oft  einheitliche  Mesotendineum  ulnare  war  bei  den  Händen 
weiblicher  Erwachsener  bedeutend  klarer  entwickelt,  als  bei  den  männ- 
lichen, in  Gestalt  von  einem  Vinculum  trianguläre  proximale  und  distale 
und  im  Bereiche  des  Lig.  carpi  dorsale  verwirklicht  durch  ein  oder 
mehrere,  ganz  zarte  Vincula  filiformia.  An  den  männlichen  Händen 
verlief  die  Sehne  frei  in  ihrer  Scheide. 

3.  M.  extensor  carpi  radialis  longus. 

Die  bei  unseren  Feten  1—1,5,  bei  den  Erwachsenen  3,7 — 4,7  cm 
lange  Sehnenscheide  beginnt  proximal  am  Radius,  wo  die  Ueber- 
kreuzung  durch  den  M.  extensor  pollicis  brevis  beim  Uebergange  in 
dessen  Sehne  statthat.  Das  distale  Ende  hört  beim  Erwachsenen  un- 
gefähr 1  cm  proximal  von  der  Basis  des  2.  Mittelhandknochens  auf. 
In  einem  Falle  jedoch  haben  wir  hier  noch  eine  Bursa  accessoria 
distalis  von  1,5  cm  größter  oberflächlicher  Länge  beobachtet,  welche 
vollkommen  von  der  Hauptsehnenscheide  getrennt  war. 

Die  Kommunikationsöffnung  mit  der  Sehnenscheide  des  M.  ex- 
tensor carpi  radialis  brevis  fehlte  in  je  2  Fällen  von  Feten  und 
Erwachsenen,  dorsal,  d.  h.  hautwärts  von  den  Sehnen  war  sie  in  je 
einem  Falle  vom  Fetus  und  Erwachsenen  verwirklicht.  Volar,  d.  h. 
knochenwärts  konnten  wir  4  Fälle  vom  Erwachsenen  und  einen 
fetalen  verzeichnen.  Eine  gleichzeitige  dorsale  und  volare  Kommuni- 
kation war  in  einem  Falle  vom  Erwachsenen  zu  sehen.  Schließlich 
war  bei  der  Hand  eines  Erwachsenen  noch  eine  Kommunikation  im 
Intertendineum  der  beiden  M.  extensores  carpi  radiales  vorhanden. 
Im  übrigen  schließen  wir  uns  der  Auffassung  von  Poirier  an,  daß 
diese  Sehnenscheide  niemals  direkt  mit  der  des  M.  extensor  pollicis 

19* 

291 


292  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

longus    kommuniziert,    sondern,    wenn    überhaupt,    erst    durch   die 
Vermittelung  der  des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis. 

4.  M.  extensor  carpi  radialis  brevis. 

Für  die  Sehnenscheide  dieses  Muskels  gelten  im  allgemeinen  die 
Angaben,  wie  für  den  vorigen,  nur  wendet  sich  der  Ursprung  des 
Mesotendineum  radialwärts.  Ferner  findet  sich  unter  dem  Ansätze 
der  Sehne  am  Processus  styloideus  ossis  metacarpalis  III  ein  Schleim- 
beutel, der  später  genauer  beschrieben  wird  und  oft  für  die  Ent- 
stehung eines  sogenannten  Ueberbeines  verantwortlich  gemacht  werden 
kann.  Bei  den  Feten  1,8—2,2  cm  lang,  erreicht  sie  beim  Erwachsenen 
eine  Länge  von  4,2 — 6  cm,  ist  also  erheblich  größer  als  die  des 
longus.  Der  proximale  Beginn  fällt  im  allgemeinen  mit  der  des 
letzteren  zusammen,  dagegen  schiebt  sich  das  distale  Ende  gegen  den 
Processus  styloideus  ossis  metacarpalis  III  vor.  Die  Länge  der  Sehnen- 
scheide liefert  den  Beweis,  daß  die  Handgelenksstreckung  viel  mehr 
durch  diesen  Muskel  ausgeführt  wird,  als  den  M.  extensor  carpi 
radialis  longus. 

5.  M.  extensor  pollicis  longus. 

Die  Sehnenscheide  war  bei  den  Feten  1,7 — 2  cm  lang,  beim 
Erwachsenen  5—6,5  cm.  Jedoch  ist  darauf  zu  achten,  daß  eine 
Vagina  s.  Bursa  accessoria  metacarpalis  vorkommen  kann,  wodurch, 
wie  im  Falle  V,  die  Länge  auf  8  erhöht  wird  (5  +  3).  Die  Sehne  ver- 
läuft schon  bei  unseren  Feten  frei  in  ihrer  Scheide.  Proximal  wird 
noch  je  nach  der  stärkeren  Beugestellung  des  Daumens  ein  größeres 
oder  kleineres  Stück  des  Muskelbauches  mit  in  die  Sehnenscheide 
hineinbezogen. 

Bei  der  Wichtigkeit  der  Kommunikation  zwischen  ihr  und  der- 
jenigen des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  (und  des  longus)  haben 
wir  bereits  bei  der  allgemeinen  Beschreibung  einige  spezielle  An- 
gaben gemacht,  die  hier  wiederholt  seien.  An  der  linken  Hand  eines 
ca.  7  Monate  alten  Fetus  fehlte  die  rechts  0,3  cm  lange  Oeffnung, 
war  jedoch  durch  eine  Fossa  ovalis  mit  ganz  zarter  membranöser 
Platte  angedeutet,  andererseits  fehlte  an  der  linken  Hand  eines  ca. 
70  Jahre  alten  Mannes  (Fall  III)  jede  Verbindung  und  selbst  eine 
Andeutung  einer  solchen,    ebenso  bei  einem  etwa  40-jährigen  Manne. 

Wenn  wir  uns  nun  fragen,  wann  die  zeitliche  Vereinigung  und 
in  welcher  Reihenfolge  zwischen  den  Sehnen  der  3  in  Betracht  kom- 
menden Muskeln,  der  M.  extensores  carpi  radiales  und  pollicis  longus, 
eintritt,  so  müssen  wir  nach  unseren  prozentualen  Ergebnissen  sagen, 
daß  die  Kommunikationsöifnung ,  wenn  sie  sich  überhaupt  findet, 
sich  über  der  Sehne  des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  befindet 
(80  Proz.)  und  erst  von  dieser  Sehnenscheide  aus  sich  die  Verbindung 
mit  der  des  M.  extensor  carpi  radialis  longus  entwickelt  (60  Proz.). 
In  den  beiden  Fällen,  wo  die  Kommunikation  zwischen  den  M.  ex- 
tensor pollicis  longus  und  carpi  radialis  brevis  fehlte,  war  nichtsdesto- 
weniger eine  Verbindung  zwischen  den  Sehnenscheiden  der  beiden 
M.  extensores  carpi  radiales  vorhanden,  das  eine  Mal  mit  volarer» 
das  andere  Mal  mit  dorsaler  Perforation.  Wir  haben  (s.  S.  296)  noch 
einer  Bursa  subabductoria  radialis  zu  gedenken,  bei  deren  Besprechung 
wir  die  normale  und  pathologische  Bedeutung  erwähnen  werden. 

292 


Vaginae  dorsales.  293 

6.  M.  extensor  digitorum  communis  und  indicis  pro- 
prius. 

Unsere  Befunde  ergaben  bei  den  Feten  eine  Länge  von  1,8—2,4, 
beim  Erwachsenen  eine  solche  von  5 — 6,5  cm.  Unsere  Messungen 
sind  so  zu  verstehen,  daß  wir  für  die  einzelnen  Sehnen  die  Bestim- 
mungen immer  von  radial  nach  ulnar  ausgeführt  haben.  Im  allge- 
meinen können  wir  sagen,  daß  der  proximal  einheitliche  Sehnensack 
sich  distal  entsprechend  dem  Auseinanderweichen  der  Sehnen  in 
mehrere  Zipfel  (Endkammern)  teilt,  von  denen  die  ulnaren,  d.  h.  die 
für  den  4.  Finger  oder  an  der  Nebensehne  für  den  Kleinfinger  die 
längsten  zu  sein  pflegen.  In  unserer  Tabelle  ist  nur  in  Fall  X  die 
radiale  Abteilung  mit  längeren  Sehnenscheiden  bedacht.  Dieser  Beob- 
achtung am  Fetus  können  wir  aber  noch  2  andere  beim  Erwachsenen 
anschließen,  bei  welchen  ebenfalls  der  radiale  Teil  längere  Sehnen- 
scheiden hatte,  als  der  ulnare. 

Henle  unterscheidet  eine  getrennte  Bursa  posterior  und  anterior 
—  demgemäß  müßten  die  beiden  Extensoren  rechts  und  links  durch  seit- 
liche Mesotendinea  an  die  Wand  fixiert  sein ;  Bourgeby  und  Jacob  bilden 
ein  Septum  ab,  welches  von  vorn  nach  hinten  die  beiden  Zeigefinger- 
sehnen von  dem  Reste  des  M.  extensor  digitorum  communis  trennt.  Von 
beiden  Darstellungen  haben  wir  uns  in  Uebereinstimmung  mit  Poiribr 
nicht  überzeugen  können.  Die  Sehnenscheide  ist  einheitlich,  wenn  sie 
auch  durch  die  Anheftung  an  verschiedener  Höhe  der  Sehnen  scheinbar 
mehrere  Kammern  erzeugen  kann. 

Gerade  bei  dieser  Sehnenscheide  glaubten  wir,  durch  Untersuchung 
der  Feten  Aufschluß  über  die  ursprüngliche  Anlage  zu  bekommen; 
jedoch  zeigten  die  entsprechenden  Hände  beide  Male  dasselbe  Ver- 
halten, wie  wir  es  auch  beim  Erwachsenen  beobachteten:  in  dem 
einen  Falle  einen  noch  innigen  Zusammenhang  sämtlicher  Sehnen  durch 
zarte  Mesotendinea,  aus  welchen  sich  nur  die  Strecksehnen  für  den 
Zeigefinger  etwas  herausheben  ließen ;  in  dem  anderen  Falle  waren 
die  Sehnen  der  ulnaren  Gruppe  proximal  vollkommen  frei,  die  der 
radialen  Gruppe,  d.  h.  die  beiden  Zeigefingersehnen  in  typischer  Weise 
hautwärts  mit  der  gemeinsamen  Sehnenscheide  in  Verbindung.  Eine 
Abgrenzung  in  eine  getrennte  radiale  und  ulnare  Loge  konnten  wir 
niemals  feststellen,  weil  nämlich  ein  einheitliches  Vinculum  superficiale 
fehlt,  dagegen  ist  in  der  Tiefe  fast  regelmäßig  ein  Vinculum  mem- 
branaceum  profundum  vorhanden,  welches  sich  am  3.  Mittelhand- 
knochen anheftet.  In  diesem  Sinne  wäre  es  also  erlaubt,  von  einer 
radialen  und  ulnaren  Loge  zu  reden.  Die  Sonderstellung  der  beiden 
Extensorensehnen  des  Zeigefingers  gibt  sich  aber  durch  3  Punkte  kund : 
erstens  eine  verschieden  lange  Kommunikationsöffnung  beider  speziellen 
Sehnenscheiden  in  die  gemeinschaftliche,  welche  für  die  oberflächliche 
Sehne  zwischen  2  und  3,  bei  der  tiefen  Sehne  zwischen  0,8  und  2  cm 
schwankt ;  zweitens  durch  einen  gesonderten  Recessus  proximalis,  den 
wir  bei  der  oberflächlichen  Sehne  zwischen  0 — 0,4,  bei  der  tiefen 
zwischen 0—2 gemessen  haben;  drittens  durch  einen  besonderen  Recessus 
distalis,  der  bei  beiden  Sehnen  zwischen  0,8  und  1,8  cm  schwankte, 
jedoch  laald  bei  der  oberflächlichen,  bald  bei  der  tiefen  Sehne  länger  war. 
Wenn  wir  unsere  Beobachtung  in  ein  Schema  fassen  wollen,  so  läßt 
sich  sagen,  daß  die  Sehnenscheide  durch  ein  sagittales  Septum  in  der 
Tiefe  gegen  den  3.  Mittelhandknochen  fixiert  wird  und  so  eine  radiale 

293 


294  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Loge  gegen  die  ulnare  abgrenzt.  In  der  radialen  Loge  findet  eine 
unvollkommene  Teilung  durch  eine  frontale  Bindegewebsplatte  statt, 
in  welcher  hautwärts  der  längere  Blindsack  der  oberflächlichen 
Strecksehne  und  der  kürzere  der  tiefen  gelegen  ist.  Proximal-  und 
distalwärts  finden  sich  darum  Recessus  von  verschiedener  Länge.  In 
der  ulnaren  Loge  können  die  Strecksehnen  durch  breite  Intertendinea 
in  ganzer  Ausdehnung  miteinander  verbunden  sein. 

Am  frühesten  selbständig  werden  die  ulnaren  Abschnitte  (IV  und 
III),  zwischen  II  und  III  bleibt  recht  oft  das  Intertendineum  stark 
entwickelt,  allerdings  oft  durchsetzt  durch  eine  bis  2  cm  lange  rund- 
liche Perforation  mit  scharfen  oder  gefransten  Rändern. 

Die  allgemeine  Auffassung,  daß  mit  dem  Handgelenke  auch  sämt- 
liche am  Vorderarme  entspringende  Muskeln  ihr  Fleisch  verlieren  und 
ihre  vollkommen  freie  Sehne  entwickeln,  haben  wir  bereits  in  der 
Muskelbeschreibung  für  den  M.  extensor  indicis  proprius  bei  Beuge- 
stellung der  Hand  und  Finger  berücksichtigt.  In  dieser  Haltung 
bildet  nämlich  sein  Bauch  auf  eine  etwa  1,5  cm  lange  Strecke  den 
Boden  der  Sehnenscheide.  Wir  müssen  es  jetzt  auch  für  den  fetalen 
M.  extensor  pollicis  brevis  bei  Daumenbeugung  nachholen.  Wir 
können  dem  noch  hinzufügen  den  aus  der  Chirurgie  bei  der  Resektion 
des  Handgelenkes  bekannten  muskulären  Recessus  für  den  M.  extensor 
pollicis  longus,  ferner  den  eben  erwähnten  für  die  M.  extensor  pollicis 
brevis  und  digitorum  communis.  Des  besonderen,  ganz  in  der  Tiefe 
gelegenen  Recessus  proximalis  für  das  Muskelfleisch  des  M.  abductor 
pollicis  longus  haben  wir  bei  der  Bursa  subabductoria  radialis  aus- 
führlich gedacht  (siehe  S.  296). 

7.  M.  extensor  digitiV  proprius. 

Die  Länge  der  Sehnenscheide  schwankt  bei  den  Feten  zwischen 
1,8  und  2,3,  beim  Erwachsenen  zwischen  5,5  und  8  cm.  Sie  ist  ge- 
wöhnlich vollkommen  von  der  des  gemeinschaftlichen  Fingerstreckers 
getrennt.  In  einem  fetalen  Falle  jedoch  hing  sie  bis  zur  mittleren 
Höhe  der  Articulatio  radioulnaris  distalis  mit  ihr  zusammen.  Ist, 
wie  fast  immer,  die  Sehne  gespalten,  so  läßt  sich,  wenigstens  beim 
Erwachsenen,  der  Unterschied  in  der  Länge  der  distalen  Ausbuchtungen 
messen.  So  erklärt  sich  auch  die  verschiedene  Länge,  die  wir  auch 
bei  dieser  Sehnenscheide  verzeichnen  mußten.  Beide  Recessus  können 
gleich  lang  sein,  im  allgemeinen  ist  jedoch  eine  Verschiedenheit  nach- 
zuweisen, welche  fast  immer  zu  gunsten  des  ulnaren  Recessus  aus- 
fällt. —  Die  Sehnenscheide  besitzt  bei  den  Feten  meistens  ein  ein- 
heitliches Vinculum  membranaceum  radiale,  kann  jedoch  im  Bereiche 
des  Lig.  carpi  dorsale  durch  ein  oder  mehrere  Vincula  filiformia  er- 
setzt werden,  ein  Verhalten,  welches  wir  auch  bei  den  Frauenhänden 
wiedergefunden  haben;  die  männlichen  Hände  zeigten  auch  hier  eine 
höhere  Differenzierung  vom  fetalen  Verhalten,  indem  die  Vincula 
filiformia  fehlten  —  und  auch  die  Vincula  triangularia  proximale  und 
distale  lange  nicht  so  kräftig  entwickelt  waren,  wie  bei  den  weiblichen 
Händen.  Daß  Abweichungen  in  dieser  Beziehung  auch  zu  gunsten  von 
Frauenhänden  vorkommen,  halten  wir  für  höchst  wahrscheinlich  und 
empfehlen  diese  Frage  der  Nachprüfung  an  einem  größeren  Materiale. 

Wie  sehr  sich  die  Entfernung  dieser  Sehne  von  der  des  folgenden 
Muskels  bei  Pro-  und  Supination  verändern  kann,  von  0,3  auf  1,5  cm, 
ist  oben  schon  ausführlich  beschrieben  worden  (s.  S.  289). 

294 


Vaginae  dorsales.  295 

8.  M.  extensor  carpi  ulnaris. 

Die  beim  Fetus  1,5 — 1,7,  beim  Erwachsenen  3,5  —  6,5  cm  lange 
Sehnenscheide  beginnt  proximal  vom  Lig.  carpi  dorsale,  das  Ende 
reicht  nicht  ganz  bis  an  die  Basis  des  5.  Mittelhandknochens  hin.  Da 
das  gewöhnlich  vorhandene  Mesotendineum  sich  breit  an  der  radialen 
Seite  befestigt,  so  findet  die  Hauptausdehnung  der  Sehnenscheide  an 
der  gegenüberliegenden  Seite  statt,  also  am  freien  ulnaren  Rande  der 
Sehne.  Das  von  uns  bei  den  Feten  immer  gefundene  einheitliche 
Vinculum  radiale  kann  in  gleicher  Weise  bei  Erwachsenen  beiderlei 
Geschlechtes  sich  finden,  weist  jedoch  bei  jedem  Lebensalter  häufig 
eine  Perforation  im  Bereiche  des  Lig.  carpi  dorsale  auf,  welche  so 
groß  werden  kann,  daß  man  seine  Reste  als  Vinculum  trianguläre 
proximale  und  distale  besonders  bezeichnen  muß.  Man  hüte  sich, 
die  dorsale  Nebensehne  für  ein  Vinculum  tendinis  zu  halten!  Wir 
haben  sie  höchst  selten  vermißt,  obwohl  der  Abgang  aus  der  Haupt- 
sehne ein  verschiedener  sein  kann,  allermeist  innerhalb  der  Sehnen- 
scheide selbst,  meistens  an  der  Stelle,  wo  die  dorsale  Fläche  den 
radialen  Rand  überwölbt,  aber  auch  von  der  Tiefe  aus.  Nur  in  einem 
Falle  kam  die  Nebensehne  erst  distal  von  der  Sehnenscheide  aus  der 
Hauptsehne  hervor. 

Der  Tendo  accessorius  volaris  liegt  niemals  im  Bereiche  der 
Sehnenscheide. 

Wenn  man  den  ulnaren  Rand  der  Hauptsehne  am  Ansätze  aufsucht 
und  dabei  den  M.  abductor  digiti  minimi  zur  Seite  drängt,  kommt  man  in 
etwa  der  Hälfte  der  Fälle  auf  eine  kleine,  bis  linsengroße  Höhle  oder  einen 
entsprechenden  Spalt,  von  dem  wir  nicht  behaupten  wollen,  ob  er  dem 
M.  abductor  digiti  minimi  oder  dem  M.  extensor  carpi  ulnaris  zuzu- 
rechnen ist.  Diese  Bildung  liegt  etwas  dorsalwärts  vom  freien  Rande 
des  Lig.  pisometacarpeum  und  dürfte  kaum  eine  besondere  Bedeutung 
haben.    Einen  Namen  wollten  wir  absichtlich  noch  nicht  vorschlagen. 

In  einem  Falle  beobachteten  wir  eine  freie  Appendix  epiploica 
unter  dem  Lig.  carpi  dorsale,  welche  radial  mit  1  cm  langer  Basis 
entsprang  und  mit  ihrem  scharfkantigen,  fetthaltigen  freien  Rande  in 
die  Sehnenscheide  hineinragte. 

Bursa  subabductoria  radialis  (nobis). 

An  der  Außenseite  des  Vorderarmes  liegt  zwischen  den  Sehnen 
der  M.  abductor  pollicis  longus  und  extensor  pollicis  brevis  einerseits 
und  der  extensores  carpi  radiales  (sowie  dem  Radius)  andererseits 
beim  Erwachsenen  ein  ansehnlicher  Schleimbeutel,  der  in  den  B.  N.  A. 
nicht  bezeichnet  ist,  für  den  wir  als  am  leichtesten  zu  deutenden 
Namen:  Bursa  subabductoria  vorschlagen  möchten  mit  dem  Zusätze 
radialis  i.  e.  über  dem  Radius  gelegenen,  weil  wir  hinterher  noch 
einen  zweiten  Schleimbeutel  am  Ansätze  der  Endsehne  zu  beschreiben 
haben,  die  Bursa  subabductoria  carpalis,  welche  dem  Os  multangulum 
majus,  also  einem  Handwurzelknochen  entspricht,  aber  auch  recht  oft 
mit  der  Articulatio  carpometacarpea  pollicis  zusammenhängt. 

Wir  haben  die  Bursa  subabductoria  radialis  bei  unseren  Feten 
noch  nicht  entwickelt  gefunden,  ebenso  auch  bei  Händen  von  er- 
wachsenen Frauen.  Einmal  (Fall  VI)  war  der  Schleimbeutel  schon  in 
größerer  Ausdehnung  ausgebildet,  doch  nur  in  einer  Länge  von  1,5, 
einer  Breite  von  0,3  cm.    In  dem  Falle  V  war  eine  Annäherung  an  die 

295 


296  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

bei  sämtlichen  3  männlichen  Händen  beobachtete  Länge  und  Breite 
zu  erkennen.  Sie  betrug  hier  in  der  Länge  4,  in  der  Breite  1,3  cm. 
Bei  den  Männerhänden  betrug  die  Länge  4,5 — 6,  die  Breite  1,5  bis 
2  cm.  Wenn  an  irgend  einer  Stelle,  so  konnten  wir  an  unserem 
noch  nicht  sehr  zahlreichen,  vollkommen  willkürlich  gewählten  Materiale 
die  Umwandlung  des  fetalen  Typus  in  den  weiblichen,  und  dann  den 
höchsten  Grad  der  Entwickelung  beim  Manne  feststellen.  Diese  Tat- 
sache eines  mächtigen  radialen  Schleimbeutels  dürfte  auch  praktisch 
von  großer  Bedeutung  sein.  Der  Mann,  besonders  ein  Arbeiter,  ist 
durch  seinen  Beruf  vielfach  Gewalteinwirkungen  gerade  an  der  radialen 
Seite  oder  der  Höhe  des  Dorsum  manus  ausgesetzt.  Eine  Verletzung 
dürfte  in  erster  Linie  die  Sehnenscheide  des  M.  extensor  pollicis  longus 
betreffen  und,  da  diese  meistens  mit  der  des  M.  extensor  carpi  radialis 
brevis  zusammenhängt  und  diese  wieder  mit  der  des  longus,  auch 
diese  in  Mitleidenschaft  ziehen.  So  kann  eine  Schädigung  nur  einer 
der  3  Sehnenscheiden  auch  die  anderen  ohne  weiteres  mitergreifen. 
Nun  ist  zwischen  dem  proximalen  Ende  der  Sehnenscheiden  der  M. 
extensores  carpi  radiales  und  dem  distalen  unserer  Bursa  subabduc- 
toria  radialis  gewöhnlich  nur  eine  dünne  Lage  von  Bindegewebe  vor- 
handen, welche  bei  unvorsichtiger  Handhabung  der  Sonde  sehr  leicht 
durchstoßen  werden  kann.  Wie  viel  leichter  ist  dies  aber  bei  ent- 
zündlichen Prozessen  möglich !  Wir  haben  dann  dieselben  ungünstigen 
anatomischen  Bedingungen  vor  uns,  welche  die  Phlegmonen  oder 
Panaritien  des  Daumens  oder  des  kleinen  Fingers  so  gefährlich 
machen,  nämlich  eine  Perforation  von  der  einen  Scheide  in  die 
andere  hinein.  Eine  Durchbrechung  unserer  Bursa  subabductoria 
radialis  würde  eine  tiefe  Phlegmone  an  der  radialen  Streckseite  her- 
vorrufen können. 

Der  Schleimbeutel  besitzt  sehr  häufig  einen  proximalen  Recessus, 
welcher  der  tiefen  Fläche  der  Endsehne  des  M.  abductor  pollicis 
longus  folgt,  und  je  nach  der  Mächtigkeit  der  Sehne  über  die  Breite 
der  M.  extensores  carpi  radiales  ulnar  hinausgeht  und  den  Radius 
noch  in  Berührung  mit  dem  Schleimbeutel  bringen  kann.  Auch  noch 
ein  Teil  des  individuell  verschieden  stark  entwickelten  Muskels  kann 
noch  in  diesen  Recessus  miteinbezogen  werden.  Der  Teil  des  Radius, 
welchen  der  Schleimbeutel  bedecken  kann,  ist  bei  Männerarmen  räum- 
lich größer,  als  bei  Frauenarmen,  und  betrug  im  extremsten  Falle 
4  cm  in  der  Länge  und  bei  radialer  Abduktion  durch  die  Wirkung 
beider  M.  extensores  carpi  radiales  1  cm. 

Ein  zweiter  Recessus  findet  sich  distal  in  Begleitung  der  End- 
sehne des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis;  das  Ende  entspricht 
gerade  dem  Punkte,  wo  die  Sonde  in  normalen  anatomischen,  die 
Entzündung  in  pathologischen  Fällen  eine  Perforation  erzielen  kann. 

Bursa  subabductoria  carpalis  (nobis). 

Mehr  rein  anatomisches  Interesse  verdient  ein  kleiner  Schleim- 
beutel, der  unter  der  Hauptsehne  des  M.  abductor  pollicis  longus  ge- 
legen ist,  unsere  Bursa  subabductoria  carpalis.  Mitunter  ist  diese 
als  Bursa  intertendinea  aufzufassen,  wenn  tiefe  Nebensehnen  eine 
Hohlrinne  für  die  Hauptsehne  erzeugen.  Beim  Fetus  fehlt  sie 
meistens  und  wird  kaum  länger,  als  0,1  cm,  beim  Weibe  beobachteten 
wir    eine   Länge   von  0,3 — 0,6  und  bereits   eine  Kommunikation  mit 

2Q6 


Vaginae  dorsales.  21)7 

der  Articulatio  carpometacarpea  pollicis.  Beim  Manne  betrug  die 
Länge  0,4—1  cm  und  die  Kommunikation  mit  dem  Gelenke  war  öfter 
vorhanden.  Auch  hier  ließ  sich  in  ganz  klarer  Weise  der  Zusammen- 
hang der  Entwickelung  beim  männlichen  Geschlechte  durch  den  Ge- 
brauch der  Hände  zu  schwerer  Arbeit  feststellen.  Das  von  Poirier 
behauptete  konstante  Vorkommen  des  Schleimbeutels  oder  gar  den 
Zusammenhang  mit  dem  Gelenke  können  wir  nicht  in  diesem  Um- 
fange zugeben,  halten  jedoch  den  Schleimbeutel  beim  Erwachsenen 
für  eine  normale  Bildung.  Die  Bursa  kann  zweikammerig  sein  durch 
einen  besonderen  Recessus  gegen  das  Os  naviculare  hin. 

Schlei mbeutel  des  M.  extensor  carpi  radialis  longus. 

In  einem  Falle  haben  wir  eine  accessorische,  distale  Schleim- 
scheide von  1,5  cm  Länge  beobachtet.  Einen  Schleimbeutel  unter 
dem  Ansätze  der  Endsehne  an  der  Basis  des  2.  Mittelhandknochens 
analog  dem  normalen  unter  der  Endsehne  des  M.  extensor  carpi 
radialis  brevis  halten  wir  für  eine  große  Seltenheit,  obschon  gerade 
an  dieser  Stelle  schlüpfriges  Bindegewebe  ihn  vortäuschen  kann.  In 
unseren  10  tabellarisch  festgelegten  Fällen  war  er  sicher  nicht  vor- 
handen, und  wir  möchten  auch  frühere  Beobachtungen  eines  schein- 
baren Schleimbeutels  neuerdings  in  Frage  stellen. 

Schleimbeutel  des  M.  extensor  carpi  radialis  brevis. 

Den  Schleimbeutel  unter  dem  M.  extensor  carpi  radialis  brevis 
möchten  wir  als  normal,  wenn  auch  nicht  als  konstant  bezeichnen. 
Er  fehlte  je  einmal  bei  einer  fetalen  und  weiblichen  Hand.  Die 
Länge  betrug  beim  Fetus  0,1,  beim  Weibe  0,3,  beim  Manne  durch- 
schnittlich 1  cm.  Der  Ansatz  der  Sehne  findet  erst  distal  vom  Pro- 
cessus styloideus  ossis  metacarpalis  III  statt,  und  auch  der  Schleim- 
beutel, welcher  besonders  bei  männlichen  Händen  in  eine  besondere 
Knochenfurche  eingebettet  sein  kann,  reicht  kaum  über  den  Processus 
styloideus  proximalwärts  hinaus. 

Accessorische  Schleimscheiden  des  M.  extensor  pollicis 

longus. 

Analog  den  accessorischen  Sehnenscheiden  des  M.  extensor  hallucis 
longus  können  sich  im  Bereiche  eines  Mittelhandknochens  accessorische 
Schleimscheiden  entwickeln,  die  entweder  mit  der  Hauptsehnenscheide 
zusammenhängen  und  ihr  dann  eine  beträchtliche  Länge  verschaffen, 
oder  selbständig  bleiben. 

Accessorische  Schleimbeutel  des  M.  extensor  digitorum 
communis. 

Sie  liegen  in  der  Höhe  der  Knöchel  nicht  sowohl  über  den  Arti- 
culationes  metacarpophalangeae,  wie  über  den  Capitula  ossium  meta- 
carpalium  und  werden  unterschieden  als  subcutaneae  und  subtendineae, 
je  nachdem  sie  haut-  oder  knochenwärts  zur  Sehne  gelagert  sind. 
Von  einer  Bursa  subtendinea  sind  wir  nur  dann  zu  sprechen  be- 
rechtigt, wenn  keine  Verbindung  mit  der  Gelenkhöhle  vorliegt.  Wir 
haben   sie  nur  bei  Männerhänden   und  beim  Zeigefinger  beobachtet, 

297 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


11 


—  02  « 

S  NW 


a> 


a  g  o 


11 


ü      «ffi.2 

■—I        o        ^ 


^  «S) 


^2^ 

iii 


,12 


W^ 


<^ 

(M 

X! 

00 

. 

1,3 

0,5 

1,5 
1,3 

1,8 
0,1 
1,8 
0,3 

1,8-2,1 
2,3 
1,5      1 

Ph 

>1 

(— t 

ä 

lCCO||iOiO||(Mt-i        CO           1         lO 

r-         •■        I                          «V         r^                                 .V         ^                     ^                                              ^ 

> 

ä 

f« 

1— 1 

^ 

lO  in    \    \  ici       II  w  r-ic-  (M      c<j  w  lO 

> 

:S" 

,_,Ol       '-H^l       'cMOt-IO             I    Co"  r-l 

> 

^  ■ 

00  §1                 :S"o^ 

«      S.«ooo.       1   ^.o   1  locq,       1    1    , 

'^ 

^        ^                                                               iO»O0f 

^* 

CO       c«?   1                                      »^ 

lo-      ^-   1        »O                      i-                00  CO 

> 

i> 

o 

^ 

^                 ^                                                         lOCDCO 

> 

jT 

1   »^^    1   f«.»«»-.   1      1          f«                        1      1      1 

'"' 

05 

(^(M     1   OCOCO     1      '   OOCD,-*           1      1   ^ 

, 

^"                                                                            lO  CD  ^~ 

w 

ä 

_J  ^  CD     1                                                 ,         CD  t>  CD 

1— 1 

05 

, , 

l_l 

ä 

lO        ^             CM 

-*  ic -— '"r~T#   11^          lo      lO 

""* 

""^ 

1  CM  CO  .-H  lO     1      '      1   '^'^,-1  CD  Ö"       cd"  00  IC 

CO 

^                                      Tt< 

S 

'0:+  'ß                  »-^."^ 

CD        ^  ^       -rt                                              OCDCO 

M 

00 

4rHCDOCDoi     1    +10-.ICO        >A^^     1 

co"                               io"io~co 

s-^^:^         -s 

bߣ«>               « 

a  o  o  <»               ^ 

o-^  >  i:          s 

M.  abductor  pollic 
Kommunikationsöffn 
Bursa  subabductoria 
Bursa  subadductoria 
M.  extensor  pollici 
M.  extensor  carpi i 
Kommunikationsöffn 

M.  extensor  carpi  : 

Öchieimbeutel 
M.  extensor  pollici 
Kommunikationsöffn 
M.  extensor  digito 
+  indicis  propriu 
M.  extensor  digiti 
M.  extensor  carpi 

^                   CM~?0~             ^'       iO        S~       t^O? 

'C    00 


u  :0 


'-'  ==  5 
<j}  g  »- 

m 

^CMoT 


Vaginae  dorsales.  299 

sowohl  unter  der  entsprechenden  Sehne  des  M.  extensor  digitorum 
communis,  wie  unter  der  des  M.  extensor  indicis  proprius,  d.  h. 
sowohl  der  des  oberflächlichen,  wie  der  des  tiefen.  An  den  anderen 
Fingern  war  die  Trennung  zwischen  Sehne  und  Gelenkkapsel  durch 
schlüpfriges  Bindegewebe  teilweise  sehr  leicht  durchführbar.  An  den 
Frauenhänden  führte  ein  solcher  Versuch  zur  sofortigen  Eröffnung  der 
Gelenkhöhle. 

Die  Bursae  subcutaneae  sind  ebenfalls  beim  Manne  häutiger  und 
in  größerer  Länge  verwirklicht.  Eine  Statistik  hierüber  haben  wir 
nicht  aufgestellt,  neigen  aber  zu  der  Auffassung,  daß  sie  sich  am 
häufigsten  am  Mittel-,  dann  am  Zeigefinger,  dann  am  Ringfinger  und 
schließlich  am  kleinen  Finger  vorfinden. 

Bemerkungen  zur  Tendovaginitis  crepitans. 

KÜTTNER^)  berichtet  zwar  fast  ausschließlich  über  die  Sehnen- 
scheiden des  Fußrückens,  jedoch  haben  wir  die  technischen  Versuche, 
welche  in  der  Marburger  Anatomie  von  Weiss  und  Seemann  an 
23  unteren  Extremitäten  angestellt  worden  sind,  nämlich  Injektion  von 
Luft  oder  Wasser,  in  gleicher  Weise  bei  der  oberen  Extremität 
ausgeführt.  Das  proximale  Ende  der  Sehnenscheide  bildet  durch  einen 
von  oben  her  hereinragenden  Fortsatz,  die  schon  von  Rosthorn  und 
Hartmann  erwähnte  Plica  semilunaris,  in  der  Sehnenscheide  eine 
vordere  und  eine  hintere  Tasche  etwas  über  Knöchelhöhe. 

KÜTTNER  beschreibt  nun  folgendes  Phänomen  bei  einigen  Ver- 
suchen: „Bei  der  Einspritzung  von  unten  her  wurde  zunächst  unter 
Füllung  der  vorderen  Tasche  ein  oberer  Abschluß  der  Sehnenscheide 
gewonnen :  wartete  man  nun  ein  wenig  und  injizierte  dann  ohne  jeden 
stärkeren  Druck  von  neuem,  so  drang  jetzt  die  Injektion  spielend 
nach  aufwärts,  während  die  vordere  Tasche  gleichzeitig  gefüllt  blieb. 
In  der  kurzen  Pause  zwischen  den  beiden  Einspritzungen  war  die 
Flüssigkeit,  welche  von  der  vorderen  Tasche  aus  zunächst  die  Plica 
semilunaris  fest  auf  die  Sehne  angedrückt  hatte,  unter  die  Plica  ge- 
langt, hatte  sie  abgehoben,  und  der  Weg  nach  aufwärts  war  für  die 
zweite  Injektion  frei." 

Wir  bestätigen  diese  Befunde  durchaus,  sind  jedoch  der  Ansicht, 
daß  bei  der  zweiten  Injektion  bereits  eine  Lockerung  oder  Zerreißung 
der  hinteren  Tasche  eingetreten  ist,  genau  in  derselben  Weise,  wie 
bei  der  von  uns  schließlich  bevorzugten  Sondierungsmethode.  Der 
geringste  Druck,  welcher  zweifelsohne  auch  bei  den  entsprechenden 
Marburger  Fällen  zur  Geltung  kam,  reicht  aus,  die  äußerst  dünne 
Wand  der  hinteren  Tasche  zu  lockern  oder  zu  sprengen,  und  der 
Luft  oder  dem  Wasser  den  Zutritt  zur  Muskelsubstanz,  d.  h.  unter 
das  Perimysium  externum  zu  gestatten.  Damit  kommen  wir  zum 
zweiten  Punkte,  daß  nämlich  Küttner  in  vielen  Fällen  von  Tendo- 
vaginitis crepitans  des  Unterschenkels  die  Sehnenscheiden  der  Ex- 
tensoren  in  keiner  Weise  beteiligt  fand,  sondern  ein  Ringsegment 
von  Handbreite  zwischen  dem  proximalen  Ende  des  Lig.  transversum 
cruris  und  dem  verstärktem  proximalen  Teile  der  Fascia  cruris.  Wir 
stimmen  vollkommen  seiner  Auffassung  zu,  daß  es  sich  um  eine  Ent- 


1)  Zur  Kenntnis  der  normalen  Sehnenscheidenanatoraie  und  der  Tendovaginitis 
crepitans.    Centralbl.  für  Chirurgie,  1907,  No.  31,  S.  100—103,  Seibstbericht. 

299 


300  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Zündung  in  dem  Bindegewebe  um  die  3  Extensoren  handelt  und  alle 
3  gleichmäßig  zu  betreffen  pflegt  trotz  der  verschiedenen  Wirkung, 
und  verstehen  nicht  recht,  warum  er  den  neuen  Namen  „Metadesmitis 
crepitans"  vorschlägt,  obwohl  es  bereits  eine  nahe  verwandte  BRAUERSche 
„Perimysitis  crepitans"  und  das  PAUZATsche  „Ai  crepitant  de  la 
Jambe"  gibt.  Für  den  Arm  erwähnt  Küttner  die  Tendovaginitis 
crepitans  für  die  M.  abductor  poUicis  longus  und  extensor  pollicis 
brevis,  bei  welchen  das  Krepitieren  bei  freier  Handgelenksgegend 
oft  bis  zur  Mitte  des  Vorderarmes  bemerkbar  ist.  Bei  diesen  Mus- 
keln ist  eine  dreifache  Erklärung  möglich:  entweder  es  handelt  sich, 
was  wohl  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  am  wahrscheinlichsten  ist,  um 
die  eben  erwähnte  Perimysitis  crepitans,  oder  um  eine  Entzündung 
des  von  uns  als  Bursa  subabductoria  radialis  beschriebenen,  fast 
konstanten  Schleimbeutels,  oder  um  eine  gleichzeitige  Erkrankung 
der  genannten  Gebilde. 


III.  Länge  der  Gesamtmuskeln  und  ihrer  Sehnen. 

A.  Allgemeiner  Teil. 

Die  hier  abgebildeten  Muskeln  entstammen  sämtlich  demselben  rechten  Arme 
eines  muskelkräftigen  Mannes  und  sind  mit  Rücksicht  auf  die  Gesamtlänge  und 
die  Längenmaße  der  Ursprungs-  und  Ansatzsehnen  dargestellt.  In  schärfster  Weise 
sind  wir  auf  drei  Gesichtspunkte  eingegangen,  die  Bestimmungen:  der  vollkommen 
muskel  freien,  der  äußerlich  sichtbaren  und  schließlich  der  intra- 
muskulären Längen  der  Sehnen.  Bei  den  langen  Muskeln  gibt  für  gewöhn- 
lich eine  End klammer  außerhalb  des  Muskelbildes  die  Gesamtlänge  an,  bei  den 
kurzen  eine  Linie  innerhalb.  Diese  Darstellung  findet  sich  von  den  Schulter- 
muskeln herunter  bis  zu  den  Handmuskeln. 

Die  Sehnen  sind,  soweit  sie  oberflächlich  liegen,  teils  durch  volle  Klammern 
angegeben,  wenn  sie  an  der  Oberfläche  liegen,  teils  durch  punktierte,  wenn  sie  in 
der  Tiefe  verborgen  sind.  —  Die  Sehnenspiegel  haben  bei  größerer  Ausdehnung  eine 
genauere  Darstellung  gefunden,  beispielsweise  haben  wir  bei  Fig.  94,  dem  M.  triceps, 
sowohl  beim  Sehneuspiegel  des  Caput  longum,  wie  an  der  gemeinschaftlichen  Endsehne 
3  Maße  angegeben,  und  zwar  durch  punktierte  Linien,  nämlich:  die  größte,  die  mittlere, 
und  die  kleinste  Länge.  Die  mittlere  Länge  ist  durchaus  nicht  schematisch  dargestellt, 
nach  der  Hälfte  zwischen  größter  und  kleinster  Länge,  sondern  jedesmal  nach  dem  Prä- 
parate selbst  bestimmt.  Außerdem  haben  wir  die  intramuskulären  Ursprungs-  und 
Ansatzsehnen  genau  untersucht  und  auf  den  Abbildungen  in  gezackten  Linien  fest- 
gelegt, welche  sich  bei  jedem  Einzelmuskel  verschieden  verhalten,  worüber  bei  der 
jedesmaligen  Muskelbeschreibung  nachzusehen  ist.  Sie  können  vollkommen  fehlen, 
andererseits  nur  an  Ursprungs-  und  Ansatzsehnen  vorhanden  sein,  sich  gegenseitig 
nicht  erreichen,  oder  sich  in  erheblicher  Weise  überlagern.  Eine  intramuskuläre 
Sehne  findet  sich  natürlich  immer  im  Innern  des  Muskels  verborgen  und  kann  in 
der  wechselndsten  Art  von  den  extramuskulären  umfaßt  werden,  entweder  von  der 
präparatorisch  freiliegenden  Facies  superficialis  aus,  oder  von  einem,  oder  den  beiden 
Seitenrändern  eines  Muskels  oder  schließlich  von  der  Facies  profunda  aus.  Die 
entsprechenden  Beispiele  können  aus  den  folgenden  50  Figuren  ersehen  werden. 

Die  wichtigsten  Durchbohrungen  der  Muskeln  durch  Nerven,  z.  B.  M.  coraco- 
brachialis  —  N.  musculocutaneus,  oder  M.  pronator  teres  —  N.  medianus,  oder  M.  supi- 
nator  —  E.  profundus  n.  radialis  oder  der  M.  flexor  carpi  ulnaris  —  N.  ulnaris,  sowie 
schließlich  an  den  Handmuskeln  —  R.  profundus  n.  ulnaris  haben  wir  schematisch 
angegeben,  und  nötigenfalls  die  Eintritts-  und  Austrittsstellen  durch  Klammern  be- 
zeichnet, welche  in  der  Tiefe  zu  denken  sind. 

Außerdem  haben  wir,  wenn  nicht  bereits  in  der  Abbildung,  so  doch  in  der 
jeweiligen  Beschreibung  die  durchschnittliche  Muskelbündellänge  mitangegeben  und 
in  Prozenten  ausgerechnet,  mit  welcher  Kraft  der  betreffende  Muskel  auf  Grund  der 
wirklichen  Muskelbündellänge  und  der  äußerlich  in  Erscheinung  tretenden  Gesamt- 
länge, d.  h.  einschließlich  der  Ursprungs-  und  Ansatzsehnen,  wirken  dürfte. 

300 


Muskel-  und  Sebnenlänge.  301 

Bei  unserer  prozentualen  Bestimmung  der  durchschnittlichen  Gesaratmuskel- 
länge und  der  besonderen  wirklichen  Muskelbündellänge  des  Einzelfalles  haben  wir 
aus  Zweckmäßigkeitsgründen  3  Unterabteilungen  aufgestellt,  nämlich  I.  für  diejenigen 
Muskeln,  welche  mit  mehr  als  50  Proz.  ihrer  Kraft  wirten  können,  II.  für  die  mit  25  bis 
50  Proz.,  III.  für  die  unter  25  Proz.  Hierbei  hat  sich  für  uns  die  vom  ana- 
tomischen Standpunkte  aus  zunächst  überraschende,  vom  physiologischen  Standpunkte 
durchaus  verständliche  Tatsache  herausgestellt,  daß  die  Muskeln,  welche  die  feineren 
Handbewegungen  zu  vollführen  haben,  mit  zur  1.  Gruppe  gehören,  ebenso  wie  die 
meisten  Muskeln,  welche  am  Schultergelenke  angreifen.  Zur  2.  Gruppe  gehören 
im  wesentlichen  diejenigen  Muskeln,  welche  die  Bewegung  im  Ellenbogen gelenke  und 
diejenigen  der  beiden  Vorderarmknochen  gegen  einander,  also  Pronation  und  Supi- 
nation  bewerkstelligen.  Alle  anderen  Muskeln,  welche  im  Ursprünge  das  distale 
Ende  des  Humerus,  die  Vorderarmknochen  oder  die  Handknochen,  distal  vom 
Carpus  benutzen,  können  nur  eine  Muskelkraft  von  unter  25  Proz.  entfalten. 

Vor  allen  Dingen  muß  1)  die  Aufgabe  des  M.  coracobrachialis  hervorgehoben 
werden.  Nach  unserer  Auffassung  ist  er  ja  überhaupt  kein  überarmmuskel,  sondern 
ein  Schultermuskel,  analog  der  Adductorengruppe  am  Oberschenkel;  2)  ist  zu  be- 
achten, daß  der  M.  brachioradialis  procentualiter  die  erste  Stellung  unter  den  Beuge- 
muskeln einnimmt  und  demgemäß  nicht  zu  den  Vorderarmmuskeln  gerechnet  werden 
kann,  sondern  den  Oberarmmuskeln  beigerechnet  werden  muß,  genau  wie  es  mit 
dem  M.  pronator  teres  der  Fall  ist,  wohlgemerkt  nur  physiologisch,  wenn  der  durch 
die  Hand  festgestellte  Vorderarm  das  Punctum  fixum  bildet.  Dann  stellt  der  M. 
brachioradialis  den  M.  flexor  brachii  radialis  s.  lateralis  dar,  der  M.  pronator  teres 
den  M.  flexor  brachii  ulnaris  s.  medialis.  Die  Tatsache  läßt  sich,  wie  im  Texte  er- 
wähnt, mit  aller  Klarheit  und  größter  Wirkung  nur  in  der  anatomischen  Grund- 
stellung des  supinierten  Armes  beim  turnerischen  Untergriffe  zeigen,  wenn  sich  also 
der  Vorderarm  in  Supinationsstellung  befindet.  Bei  der  Pronation  ist  die  Wirkung 
ungleich  schwächer  und  erfordert  eine  größere  Uebung.  Daß  auch  sämtliche  Mus- 
keln, welche  distal  von  dem  ßadiocarpalgelenke  ansetzen  und  ihren  Ursprung  an  den 
Vorderarmknochen  und  am  Oberarmbeine  gewinnen,  die  Flexion  in  der  ausgiebigsten 
Weise  unterstützen  können,  sei  nochmals  hervorgehoben. 

B.  Spezielle  Besehreiban?. 

Fig.  85.  M.  deltoideus.  Dieser  Muskel  ist  in  situ  gewölbt  und  erscheint  zeich- 
nerisch wie  ein  Dreieck  mit  zum  Schultergürtel  gewandter  Basis.  Losgelöst  und  aus- 
gebreitet, hat  er  jedoch  nur  die  ungefähre  Form  eines  Dreieckes,  mit  der  Einschrän- 
kung, daß  entsprechend  dem  Acromion  eine  Auskehlung  des  proximalen  Muskel- 
randes statthat.  Die  Breite  der  Basis  läßt  sich  also  nur  durch  eine  künstliche 
Querlinie  bestimmen,  welche  von  der  vorderen  zur  hinteren  Ecke  gezogen  wird.  Ihre 
Länge  beträgt  in  dem  abgebildeten  Falle  17,5  cm.  Beide  Seitenränder,  die  Schenkel 
des  Dreieckes,  haben  eine  Länge  von  19  cm.  Zunächst  befremdend  könnten  die  unter 
den  Ziffern  I — V  angegebenen  proximalen  Sehnenpfeiler  erscheinen.  Aeußerlich 
sichtbar  erscheinen  nur  II  mit  4  cm,  III  mit  2,5  cm  und  V  mit  1,5  cm  Länge. 
Die  Untersuchung  des  Miiskelinnern  ergab  jedoch  für  die  5  vorliegenden  proximalen 
Sehnenpfeiler  folgende  Längen : 

I  =:=  4   cm 
II  =  6,5  „  (4) 

III  =  7,5  „  (2,5) 

IV  =  8,5  „ 

y  =  6,5  „  (1,5). 

Die  Endsehne  zeigt  sich  nur  an  der  Facies  profunda,  hat  vorn  eine  Länge 
von  7,5,  hinten  nur  von  5,2  cm.  Die  intramuskuläre  Sehnenendigung  besitzt  vorn 
eine  Verlängerung  bis  ü,  hinten  bis  zu  6,5  cm,  also  eine  genau  prozentuale  Ueber- 
einstimmung  zwischen  Rand-  und  tiefer  Sehne,  d.  h.  vorn  7,5  und  9,  hinten  5,2 
und  6,5  cm. 

Besonders  beachtenswert  ist  es,  daß  die  distalen  Enden  der  proximalen  Sehnen - 

g feiler   sich   zwischen    die   proximalen   Spitzen   der  Endsehnen   hineinschieben    und 
ierbei  ein  teilweises  Ineinandergreifen  erfahren. 

Ursprung  und  Ansatz  des  M.  deltoideus,  wenn  derselbe  hart  an  den  entspre- 
chenden Knocnenpunkten  losgelöst  ist,  verhalten  sich  grundverschieden. 

I.  Beim  Ursprünge  ist;  1)  die  Portio  clavicularis  oberflächlich  sehnig,  in  der 
Tiefe  muskulös;  2)  die  Portio  acromialis  zeigt  abwechselnd  Sehnenpfeiler  und 
Muskelkeile;  3)  die  Portio  spinata  ist  an  der  Spina  scapulae  bereits  rein  sehnig  ge- 
worden. 

301 


302 


FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 


II.  Der  Ansatz  ist,  von  der  Oberfläche  aus  gesehen,  rein  muskulös,  im  Bezirke 
der  Tuberositas  deltoidea,  d.  h.  hart  am  Knochen,  rein  sehnig.     Schematisch  haben 


(hinten)        /• 


m^^      (vorn) 


Fig.  85.    M.  deltoideus. 

wir  hier  einen   einfachen  Querschnitt   angegeben,   um  Muskel   und   Sehne  in  ein- 
facher  Weise    voneinander    unterscheiden    zu   können.      Die   meßbare  Entfernung 


Mk-LßA 


Fig.  86.    M.  subscapularis. 
302 


Muskel-  und  Sehnenlänge. 


303 


Fig.  87.    M,  supraspinatus. 


zwischen  freier  Oberfläche  des  Muskels  und  der  Tiefe  der  Endsehne  darf  nicht  ohne 
weiteres  an  unserer  Abbildung  nachgeprüft  werden,  weil  zeichnerisch  eine  Verkür- 
zung der  Ansicht  des  Querschnittes  eintreten  mußte. 

Fig.  86.  M.  subscapularis.  Dieser  Muskel  zeigt  trotz  der  angegebenen  Zahlen 
für  die  Länge  des  oberen  (12),  unteren  (14),  medialen  (11),  und  lateralen  (ö)  Randes  eine 
größte  Durchschnittslänge  von  14,5 
cm  des  Gesamtrauskels.  Die  Länge 
der  Muskelbündel  beträgt  jedoch  nur 
6,4.  Die  Endsehne  ist  charakte- 
ristisch fiederförmig  gebaut  und  er- 
reichte in  dem  abgebildeten  Falle 
eine  größte  intramuskuläre  Länge 
von  8  cm. 

lieber  die  Sehnenpfeiler,  welche 
wir  in  der  Fossa  subscapularis  regel- 
mäßig vorfinden,  muß  bei  der  Be- 
schreibung des  Muskels  nachge- 
sehen werden  (siehe  fe.  39). 

Die  Ansatzsehne  bezieht  sich 
nicht  auf  den  ganzen  Muskel,  son- 
dern läßt  im  distalen  Teile,  dort, 
wo  das  Tuberculum  minus  in  die 
Crista  tuberculi  minoris  übergeht, 
noch  einen  besonderen,  rein  musku- 
lösen Abschnitt  hervorgehen,  welcher 
gegebenen  Falles  sich  als  M.  sub- 
scapularis minor  absondert.  Auch 
wenn  die  beiden  Abschnitte  un- 
trennbar zusammenhängen,  gibt  die 
Innervation  durch  den  N.  axillaris 
imd  einen  Seitenzweig  des  für  den 
M.  teres  major  bestimmten  R.  sub- 
scapularis zur  genüge  kund,  daß 
es  sich  um  2  miteinander  verschmol- 
zene Muskelindividuen  handelt. 

Fig.  87.  M.  supraspinatus. 
Bei  einer  Durchschnittslänge  von 
11,5  cm  besitzt  dieser  Muskel  nur 
eine  freie  Endsehne  von  2  cm  Längt 
welche  sich  jedoch  im  Innern  noch 
weitere  5  cm  erstreckt.  Zwiebelartig, 
wie  der  Aufbau  der  Muskelbündel, 
ist  auch  die  Gestaltung  der  Sehne. 
Unsere  Abbildung  kann  natürlich 
nur  ein  Projektionsbild  der  inneren 
Ansatzsehne  geben.  Der  strahlen- 
förmige Aufbau  mit  Zipfeln  auch 
nach  hinten  und  vorn  wäre  nur 
an  einem  Präparate  oder  einem 
naturgetreuen  Modelle  zu  veran- 
schaulichen. 

Fig.  88.  M.  infraspinatus. 
Dieser  Muskel  zeigt  bei  einer  durch- 
schnittlichen Gesamtlänge  von  13,5 
cm  eine  freie  Endsehne  von  nur 
1  vm,  welche  sich  jedoch  im  Innern  auf  9  cm  verlängert  unter  gleichzeitiger  Ver- 
breiterung. Die  durchschnittliche  Muskelbündellänge  beträgt  8,7,  geht  also  bei  weitem 
über  die  Hälfte  der  Länge  des  Gesamtmuskels  hinaus.  Da  es  sich  um  einen 
rechten  M.  infraspinatus  handelt,  dürften  sich  die  Maße  an  der  Oberseite  (12), 
vertebralen  (9)  und  axillaren  (16)  von  selbst  erklären. 

Fig.  89.  M.  teres  minor.  Bei 'einer  Gesamtdurchschnittslänge  von  10,5  cm 
verfügt  er  über  eine  durchschnittliche  Muskelbündellänge  von  6,4  cm.  Die  Ursprungs- 
sehne ist  dünn  aponeurotisch  und  entzieht  sich  ebenso,  wie  die  Ansatzsehne,  einer 
einwandsfreien  einfachen  Maßbestimmung,  jedoch  geht  von  der  Ansatzsehne  eine 
intramuskuläre  Sehnenplatte  aus,  deren  äußerster  Zipfel  sich  6  cm  von  der  untersten 
Facette  des  Tuberculum  majus  medialwärts  entfernen  kann.   Dieselbe  Tatsache,  welche 


Fig.  88.    M.  infraspinatus. 


Fig.  89.    M.  teres  minor. 


303 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


<« 


\lh  I 


V 


wir  beim  M.  subscapularis  erwähnt  haben,  kehrt  auch 
hier  wieder:  die  distalen  Muskelbündel  enthalten  über- 
haupt keine  Sehnensubstanz  mehr  und  gelangen  nicht 
zum  Tuberculum  majus ,  da  sie  sich  ausschließlich  an 
dessen  Verlängerung,  dem  Beginne  der  Crista  tuberculi 
majoris,  ansetzen. 

Fig.  90.  M.  teres  major.  Dieser  Muskel  entspringt 
fast  rein  muskulös  von  dem  beschriebenen  und  abge- 
bildeten Felde  des  Dorsum  scapulae,  oberhalb  dessen 
Angulus  inferior.  Bei  einer  durchschnittlichen  Länge 
des  Gesamtmuskels  von  13,5  cm  verfügt  er  über  die 
fast  unglaubliche  Länge  von  10,8  cm  für  die  mittlere 
Muskelbündellänge.  Eine  dünne  Sehnenplatte  findet 
sich  nur  im  distalen  Teile  des  Ansatzes  und  gewinnt 
trotzdem  an  der  günstigsten  Stelle  bloß  eine  Länge 
von  6  cm. 


Fig.  91.    M.  biceps. 


Fig.  90.    M.  teres  major. 


Wir  sehen  aus  den  Befunden  an  den  hier  abge- 
bildeten Muskeln,  daß  die  Muskelbündellänge  durch- 
Ji)  weg  die  Hälfte  der  Länge  des  Gesamtmuskels  über- 
schreitet. Beim  M.  supraspinatus  ist  das  Zahlenver- 
hältnis das  ungünstigste,  nämlich  6,6:11,5  =  57  Proz.; 
beim  M.  teres  major  von  10,8 :  13,5  =  80  Proz.  das  beste. 
Hieraus  ergibt  sich,  daß  der  M.  supraspinatus  mit  seinen 
Muskelbündeln  nur  eine  Kraft  von  57  Proz.  der  Gesamt- 
muskellänge entfalten  kann,  während  andererseits  der 
M.  teres  major  mit  80  Proz.  recht  günstig  dasteht. 

Fig.  91.  M.  biceps.  Der  ausgestreckte  M.  biceps 
läßt  durch  die  längere  Ursprungssehne  des  äußeren 
Kopfes  erkennen ,  warum  dieser  den  Namen  Caput 
longum  führt.  Jedoch  wird  die  größere  Länge  nur 
durcn  die  Ursprungssehne  erzielt;  für  die  durchschnitt- 
liche Länge  der  Muskelbündel  steht  das  Caput  breve 
mit  14,5  cm  gegenüber  derjenigen  des  Caput  longum 
mit  nur  12,6  an  erster  Stelle.  Die  Endsehne,  welche 
sich  radialwärts  an  der  Tuberositas  radii  an- 
heftet, medial  als  Lacertus  fibrosus  in  die  Vorderarm- 
fascie  ausstrahlt,  gehört  beiden  Köpfen  gemeinschaft- 
lich an. 

Für  den  langen  Kopf  ergibt  sich  eine  muskelfreie 
Ursprungssehne  von  9  cm  Länge.  Trichterförmig  um- 
faßt sie  jedoch  den  zentral  gelegenen  Muskelursprung 
bis  zu  16  cm.  —  Die  Ursprungssehne  des  Caput  breve 
ist  von  vorn  nach  hinten,  also  frontal  abgeplattet  und 
nur  4,5  cm  muskelfrei ;  der  an  der  Vorderseite  des 
Caput  breve  befindliche  Sehnenspiegel  gewinnt 
jedoch  eine  Länge  von  12  cm.  —  Die  Ansatzsehne  ver- 
hält sich  an  der  Facies  superficialis,  der  Pars  intra- 
muscularis  und  der  Facies  profunda  grundverschieden. 
Die  freie  Endsehne  ist  an  der  Oberfläche  auf  der 
radialen  Seite  7  cm,  auf  der  ulnaren  8  cm  lang.    Die 


304 


Muskel-  und  Sehnenlänge. 


305 


Facies  profunda  zeigt  in  derselben  Weise  einen  Unterschied  von  1  cm,  radial  10, 
ulnar  II  cm.  Für  die  intramuskuläre  Sehne  ließ  sich  in  unserem  Falle  nur  die  ein- 
heitliche größte  Länge  von  13  cm  feststellen. 

Die  Ziffern  links  37  bedeuten  die  Gesamtlänge  des  Caput  longum,  rechts  35 
die  des  Caput  breve.  Die  Muskelsubstanz  enthaltende  mittlere  Portion  des  Muskels 
umfaßt  für  das  Caput  longum  links  21,  für  das  Caput  breve  rechts  22  cm. 

Der  M.  biceps,  berechnet  auf  Gesamtlänge  und  Muskelbündellänge  seiner 
beiden  Köpfe,  wiÄt:  im  Caput  longum  mit  34,1  Proz.,  im  Caput  breve  mit 
41,4  Proz. 

Fig.  92.  M.  coracobrachialis.  Die  mittlere  Gesamtlänge  des  Muskels  beträgt 
12  cm  (8.  rechts),  die  durchschnittliche  Muskel  bündellänge  7,4,  stellt  also  im  Ver- 
hältnisse zur  Hälfte  der 
Gesamtmuskellänge  ein 
für  ihn  günstiges  Ergebnis 
dar.  Der  proximale  Seh- 
nenspi^el  hat  eine  durch- 
schnittliche Länge  von 
7  cm;  medial  ist  er  nur 
5,  lateral  9  cm  lang.  Die 
distale  Sehne  liegt  in  der 
Tiefe  des  Muskels  ver- 
borgen und  wird  wohl 
niemals  als  Sehnenspiegel 
bezeichnet ,  obwohl  die 
lateral  gelegene,  tiefe  Seh- 
nenplatte  11  cm  lang  ist. 

Der  N.  musculo- 
cutaneus  zerlegt  gewöhn- 
Hch  den  Muskelbauch  in 
eine  oberflächliche  und 
eine  tiefe  Schicht.  Der 
Eintritt  in  den  Muskel  ist 
durch  eine  doppelte,  ein- 
heitliche Linie  angegeben, 
der  Verlauf  unter  dem 
oberflächlichen  Sehnen- 
spiegel durch  eine  punk- 
tierte Doppellinie ;  der 
Eintritt  in  den  musku- 
lösen Kanal  ist  proximal 
durch  eine  Klammer  ge- 
kennzeichnet, distalwärts 
kommt  der  Nerv  wieder 
vollkommen  frei  an  die 
Oberfläche. 

Bei  der  Muskel-  und 
Nervenbeschreibung  haben 
wir  darauf  hingewiesen, 
daß  der  M.  coracobrachia- 
lis am  Oberarme  der  ein- 
zige Muskel  ist,  welcher 
der  am  Oberschenkel  so 
mächtig  entwickelten  Ad- 
ductorengruppe  entspricht. 
Letztere  wird  durch  den 
N.  obturatorius  mit  seinen  2  Aesten,  dem  R.  anterior  und  posterior,  durchsetzt, 
der  M.  coracobrachialis,  wenn  überhaupt,  nur  durch  den  einheitlidien  N.  musculo- 
cutaneuH. 

Fi 
•  durch   ( 


Fig.  92.  M.  coracobrachialis. 


Fig.  93.   M.  brachialis. 


93.     Der   M.   brachialis   zeigt   proximal   eine  Auskehlung,   hervorgerufen 
i   Ansatz  des   M.   deltoideus  an    der   gleichnamigen   Tiiberositas   huraeri. 


cm,   die  Länge  der  einzelnen   Muskelbündel 
Sehnen   finden  sich  nur  im  distalen  Teile; 


Die  größte  Gesamtlänge  beträgt  22,5 

im   Durchschnitte  jedoch  nur  7,77  cm 

die  Endsehne  ist,  von  der  Oberfläche  gesehen,  bis  7,5  cm  lang,  von  der  Tiefe  jedoch 

nur  5  cm.    Im  Innern  des  Muskels  lassen  sich  die  Endausstrahlungen  der  Sehne 

bis  zu  14  cm  verfolgen. 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  V,  2.  20 


306 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


MrL9,2 


Fig.  94.    M.  triceps. 


Fig.  94  stellt  den  M.  triceps  einschließ- 
lich des  M.  anconaeus  dar.  Die  Gesamtlänge 
des  vierköpfigen  Muskels  beträgt  37  cm.  Die 
einzelnen  Köpfe  haben  im  Oberarmteile  unge- 
fähr die  gleiche  Länge  von  22 — 23  cm,  der 
Unterarmkopf,  der  M.  anconaeus  (quartus), 
von  8  cm.  Die  beiden  so  verschieden  gestalteten 
Ursprünge  des  Caput  mediale  von  der  inneren 
und  äußeren  Kante  des  Humerus  sind  durch 
eine  schräge,  punktierte  Linie  verbunden,  in 
dem  abgebildeten  Falle  war  der  mediale  Kopf 
22  cm  lang,  der  laterale  nur  12,8. 

Für  das  Caput  longum  fanden  wir 
eine  durchschnittliche  Muskelbündellänge 
von  9,2  cm.  In  unserer  Abbildung  ist 
nur  über  der  Mitte  des  Muskelbauches  die 
Ziffer  9  angegeben.  Besonders  beachtenswert 
ist  das  weite  Hiueinstrahlen  der  Endsehne  in 
den  Muskelbauch,  eine  Entfernung,  welche  vom 
Olecranon  aus  bis  zur  proximalen  Spitze  20  cm 
beträgt,  und  an  dieser  Stelle  der  entsprechenden 
Höhe  der  Ursprungssehne  fast  genau  gegen- 
überliegt. Das  Caput  laterale  hat  nur  eine 
kurze  distale  intramuskuläre  Sehne,  welche 
ungefähr  1  cm  proximal  von  dem  äußerlich 
sichtbaren  Sehnenspiegel  aufhört.  Der  Durch- 
schnitt der  einzelnen  Muskelbündel  ergibt  eine 
Länge  von  8,9,  obwohl,  in  der  Mitte  gemessen, 
die  oberflächliche  Schicht  nur  eine  Länge  von 
8  cm  besitzt.  Das  Caput  mediale  hat  medial 
eine  Gesamtlänge  des  Bauches  von  22  cm, 
lateral  nur  von  12,8;  die  durchschnittliche 
Muskelbündellänge  beträgt  7,8  cm.  Eine  intra- 
muskuläre Sehne  findet  sich  nur  am  Ansätze, 
d.  h.  proximal  vom  Olecranon,  und  erreicht 
in  dem  abgebildeten  Falle  eine  größte  Länge 
von  7  cm.  —  Der  M.  anconaeus  quartus  hat 
eine  freie  Sehne  von  4  cm  größter  Länge, 
welche  sich  fächerartig  im  Innern  des  Muskel- 
bauches auflöst.  Immerhin  ist  der  Muskel- 
bauch über  seiner  Mitte  noch  3  cm  lang,  ob- 
wohl der  Durchschnitt  der  MuskelbündeTlänge 
3,5  cm  beträgt. 

Wir  sehen  also  am  langen,  äußeren  und 
4.  Kopfe,  daß  in  der  Mitte  des  Muskelbauches 
die  Muskelbündellänge  größer  ist  als  die  ohne 
feinere  Präparation  äußerlich  meßbare  Länge ; 
beim  Caput  longum  stehen  sich  9  und  9,2, 
beim  Caput  laterale  8  und  8,9,  beim  M.  an- 
conaeus 3  und  3,5  gegenüber,  immer  zu  Un- 
gunsten des  mittleren  Teiles,  welcher  das 
Durchschnittsmaß  nicht  erreicht.  Der  Sehnen- 
spiegel der  Endsehne  hat  proximal  eine 
schräge  Verlaufsrichtung,  welche  dem  hinteren 
Eande  des  M.  deltoideus  parallel  verläuft.  So 
erklären  sich  die  erheblichen  Unterschiede 
zwischen  medialer  Seite  mit  14  cm,  der  late- 
ralen mit  nur  8.  Die  mittlere  Länge  liegt 
genau  in  der  Mitte  und  beträgt  die  Hälfte 
der  beiden  anderen  Maße,  nämlich  11  cm. 

-''  Fig.  95.  M.  Pronator  teres.  Trotz  einer 
mittleren  Gesamtlänge  von  14  cm  besitzt  er 
nur  eine  Muskelbünoellänge  von  5,4  cm,  kann 
also  seine  Wirkung  nur  mit  38,6  Proz.  ent- 
falten. Die  Ursprungssehne  ist  ungefähr 
3  cm  lang;    die   distale   Sehne   schiebt    sich 


306 


Muskel-  und  Sehnenlänge. 


307 


intramuskulär  bis  12,5  cm  gegen  den  Urspnmg  nach  proximal  hin.  Der  Ansatz 
der  Endsehne  an  der  Tuberositas  pronatoria  des  Kadius  ist  5  cm  lang.  Am  Knochen 
besitzt  letztere  eine  viel  geringere  Ausdehnung,  welche  etwa  2  cm  beträgt,  weil  der 
proximale  und  distale  Abschnitt  zu  schwach  sind,  um  daselbst  eine  ohne  weiteres 
w^rnehmbare  Rauhigkeit  zu  erzielen. 

Die  Durchbohrung  des  Mus-  ,  ,, 

kels  durch  den  N.  medianus  ver- 
dient nur  theoretische  Betrach- 
tung, weil  der  tiefe  Kopf,  das 
Caput  ulnare,  fehlen  kann.  Wir 
haben  jedoch  diese  Durchboh- 
rung, weil  sie  an  unserem  Prä- 
parate vorhanden  war,  abgebildet. 

Fig.  {j6.  M.  flexor  carpi 
radialis.  Bei  einer  Gesamtlänge 
von  30  cm  besitzt  er  nur  eine 
Muskelbündellänge  von  5,8  cm; 
Kraftentfaltung  also  19,3  Proz. 
Die  Endsehne  ist  13  cm  voll- 
kommen muskelfrei,  oberflächlich 
jedoch  bis  auf  19  cm  Länge  zu 
verfolgen ,  intramuskulär  sogar 
bis  auf  24  cm,  d.  h.  auf  *l^  der 
Gresamtlänge  des  Muskels,  welche 
ja  30  cm  beträgt. 

Die  Nebenzipfel  der  End- 
sehne zam  Os  multaugulum  majus 


\n) 


k 


]jr.fiu 


iMbr 


JS) 


4 


Fig.  95. 
M.  Pronator  teres. 


Fig.  96. 
M.  flexor  carpi  radialis. 


Fig.  97. 
M.  palmaris  longus. 


(links),  zum  Os  metacarpale  III  und  IV  (rechts)  haben  keine  besondere  Bezeichnung  ge- 
funden. —  Auch  proximal  ist  noch  ein  besonderer,  nicht  bezeichneter  Sehnenzipfel  an- 
gegeben,   welcher  vom  Radius  seinen  Ursprung  gewann. 

Fig.  97.     M.  palmaris  longus.    Dieser  recht  oft  fehlende  Muskel  verfügt  bei 
einer  Gesamtlänge  von  30  cm    über  eine  Muskelbündellänge  von   5  cm,   kann  also 

20* 

307 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


M 


(27.5 


mit  einer  Kraft  von  16,7  Proz.  wirken.  Bei  der  verschiedenen  Gestaltung  des  Muskels, 
in  den  Einzelfällen,  sei  es  auf  den  beiden  Seiten  derselben  Leiche,  oder  an  ver- 
schiedenen Präparaten,  erübrigt  sich  eine  genauere  Beschreibung.  —  Im  abgebildeten 
Falle  war  die  muskelfreie  Endsehne  17  cm  lang,  die  äußerlich  sichtbare  Endsehne- 
20  cm,  das  intramuskuläre  Ende  22  cm  von  dem  distalen 
Rande  des  Lig.  carpi  transversum  entfernt. 

Fig.  98.  M.  flexor  carpi  ulnaris.  Bei  diesem  Muskel 
kann  man  im  Zweifel  sein,  ob  man  das  distale  Ende  mit  dem 
Os  pisiforrae  aufhören  läßt,  oder  durch  die  Lig.  pisohamatum 
und  pisometacarpeum  bis  zu  den  entsprechenden  Knochen- 
punkten verfolgen  will.  Gegebenen  Falles  könnte  der  unter  5- 
angegebene  accessorische  Zipfel  mit  dem  Ansätze  am  Os  meta- 
carpale  IV  noch  mit  zur  Maßbestimmung  herangezogen  werden.. 
Seine  Gesamtlänge  beträgt  27,5  cm  bei  einer  Muskelbündel- 
länge von  4,8,  er  wirkt  also  mit  einer  Kraft  von  nur  17,5  Proz. 
Die  Ursprungssehne  ist  bereits  volar  recht  lang,  12  cm,  zeigt 
aber  dorsal  eine  mächtige  aponeurotische  Platte,  welche  sich, 
zur  Crista  dorsahs  ulnae  wendet  und  bei  einer  Länge  von 
18  cm  eine  größte  Breite  von  2  cm  entfaltet.  Diese  Sehnen- 
platte dient  ja,  wie  in  der  Muskelbe.«chreibung  hervorgehoben, 
ist,  dem  M.  flexor  digitorum  profundus  pro  digitis  III — V 
zum  Ursprünge.  Die  Ansatzsehne  entwickelt  sich  gewöhnlich 
erst  unmittelbar  proximal  vom  Os  pisiforme.  Aeußerlich  sicht- 
bar war  sie  im  abgebildeten  Falle  12  cm  lang,  intramuskulär 
reichte  sie  jedoch  20  cm  proximalwärts  bis  zu  der  Höhe,  wo 
schematisch  durch  eine  bogenförmige  Linie  die  Durchbohrung 
des  Muskels  durch  den  N.  ulnaris  angegeben  ist.  Die  genauere- 
Beschreibung  über  den  von  uns  sogenannten  Canalis  ulnaris 
ist  im  Texte  (S.  121)  nachzusehen.  Die  Ziffern  bedeuten: 
1  Os  pisiforme,  2  Lig.  pisohamatum,  3  Lig.  pisometacarpeum, 
4  Ausstrahlung  zum  Lig.  carpi  dorsale  und  5  Aust*trahlung 
zum  Os  metacarpale  IV. 

Fig.  99.  M.  flexor  digitorum  sublimis.  In  der  Figur  ist 
die  Gesamtlänge  39  cm  nicht  angegeben,  um  das  Bild  nicht 
unnötig  zu  verwirren.  Die  Muskelbündellänge  beträgt  nur 
4,9,  für  alle  Köpfe  gemeinschaftlich  gemessen.  Bei  gemein- 
schaftlicher Zusammenziehung  kann  der  Muskel  nur  12,6  Proz. 
seiner  Kraft  entfalten.  Im  einzelnen  verhalten  sich  jedoch  die 
Muskelbäuche  für  die  3-gliedrigen  Finger  ganz  verschieden, 
wie  aus  der  beigefügten  Angabe  zu  ersehen  ist.  Die  einzelnen 
Muskelbäuche  sind  in  der  schärfsten  Weise  voneinander  ge- 
sondert, damit  das  Prinzip  der  Doppelschichtung  mit  Leichtig- 
keit zu  erkennen  ist.  Oberflächlicn  liegen  die  Bäuche  für  den 
Mittelfinger  (auch  sein  breites,  aber  dünnes  accessorisches 
Caput  radiale)  und  der  Bauch  für  den  Ringfinger.  In  tiefer 
Schicht  liegen  die  Bäuche  für  den  Zeige-  und  Kleinfinger,  welche 
sich  an  der  Grenze  des  proximalen  und  mittleren  Drittels  des 
Vorderarmes  an  einer  gemeinschaftlichen  Zwischensehne  an- 
heften, dem  Tendo  intermedius.  Der  kurze  sich  daran  an- 
schließende Venter  proximalis  gehört  ausschließlich  dem  Zeige- 
finger an.  Daß  die  Trennung  zwischen  oberflächlicher  Schicht, 
nämlich  Digitus  III  und  IV,  und  tiefer  Schicht,  Digitus  II 
und  V,  keine  vollständige  ist,  zeigt  unsere  Abbildung  durch 
verschiedene  Muskelkonjugationen  an,  welche  sich  in  jedem 
Einzelfalle  verschieden  verhalten.  In  unserer  Abbildung  hegen 
diese  Muskelkonjugationen  in  der  Höhe,  wo  der  N.  medianus. 
unter  dem  Caput  radiale  wieder  sichtbar  wird  (s.  N.  m.). 

Die  einzelnen  Ziffern  bedeuten  12  links  für  den  ober- 
flächlichen Sehnenspiegel  des  Caput  III;  12  rechts  die 
Länge  des  Tendo  intermedius  für  die  tiefe  Schicht.  Die 
Ziffern  am  distalen  Ende  zeigen  je  nachdem  an,  wie  lang  der  Muskelbauch  und  die 
freie  Endsehne  ist,  teilweise  auch  noch  die  Gesamtlänge  des  distalen  Muskels.  Zur 
Erläuterung  sei  hier  der  rechts  gelegene  M.  flexor  digiti  quinti  herangezogen.  Eine 
große  Klammer,  in  deren  Scheitelpunkt  23  steht,  gibt  die  Gesamtlänge  des  Muskels 
m  Centimetern  an  und  wird  durch  zwei  besondere  Klammern  mit  10  für  den  Mus- 
kelbauch und  13  für  die  Endsehne  in  die  beiden  Unterabschnitte  zerlegt. 


ßfhr 
L. 

48. 


Fig.  98.    M.  flexor 
carpi  ulnaris. 


308 


L.  39 
.-L. 

n  toto  4,9 
I.  i.  t.  3,7 

V.  8.  2,ö 

V.  i.  4,6 
U.  5,5 
[V.  6,4 

V.  4,4 


¥.1 


24 


23] 


IM 


G.-L.  40 
Mb.-L. 

in  toto  6,6 
c.  11.  6,6 
c.  III.  7,1 
c.  IV.  6,5 
c  V.  5,9 
L.  I.  5,1 
L.  II.  5,2 
L.  III.  6,7 
L.   IV.  5,4 


Z1- 


309 


-26 , 


ZM] 


Fig.  99.    M.  flexor  digitorum  sublimis. 


Fig.  100.    M.  flexor  digitorum 
profundus  und  M.  lumbricalra. 


310 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


Fig.  100.  M.  flexor  digitorum  profundus  und  M.  lumbricales.  Bei  dem  M. 
flexor  digitorum  profundus  mußten  auch  die  M.  lumbricales  mitabgebildet  werden, 
welche  ja  von  den  Endsehnen  ihren  Ursprung  nehmen,  gleichsam  wie  distale  Bäuche. 
Die  größte  Gesamtlänge  ist  in  der  Achse  der  Hand,  am  Mittel- 
finger, mit  40  cm  verwirklicht.  Der  Muskelbauch  des  M.  flexor 
profundus  hat  seine  größte  Ausdehnung  an  der  Innenseite  mit 
24  cm  für  den  kleinen  Finger.  Umgekehrt  nehmen  die  M.  lum- 
bricales (L.  1  bis  L.  IV)  von  radial-  nach  ulnarwärts  allmählich 
von  10  bis  auf  7  cm  ab.  Ebenso  stark  ausgeprägt  ist  der  Unter- 
schied an  dem  Urspnmge  von  den  tiefen  Beugesehnen,  welcher 
radialwärts  für  den  M.  lumbricalis  I  3  cm  lang  ist  und  ulnar- 
wärts für  den  M.  lumbricahs  IV  nur  1,5  cm. 

Der  Ursprung  des  tiefen  Fingerbeugers  ist  fast  rein  mus- 
kulös; die  oberfläcnliche  Endsehne  ist  sehr  lang,  zwischen  22  cm 
für  den  kleinen  Finger  und  30  cm  für  den  Mittelfinger  schwankend ; 
die  intramuskuläre  Sehne  nur  wenig  länger,  zwischen  25,4  und 
31  cm,  gleichfalls  bei  den  eben  genannten  Fingern. 

In  dem  abgebildeten  Falle  besitzt  der  M.  lumbricalis  III 
(Z.  III)  die  bekannte,  auch  von  uns  als  Regel  aufgefaßte  Gabelung 
in  einen  ulnaren  und  radialen  Zipfel  für  Mittel-  und  Ringfinger. 

Fig.  101.  M.  flexor  pollicis  longus.  Durch  das  nicht  weiter 
bezeichnete  Caput  accessorium  humerale  gewinnt  der  Muskel  eine 
Gesamtlänge  von  30  cm.  Der  vom  Radius  entspringende  Haupt- 
kopf hat  eine  Muskellänge  von  16,5,  eine  freie  Sehnenlänge  von 
12,5  cm.  An  der  Stelle,  wo  sich  das  Caput  accessorium  in  die 
dort  bereits  oberflächlich  zu  Tage  liegende  Endsehne  einsenkt, 
hat  die  letztere  bereits  die  sehr  große  Länge  von  23,5  cm. 

Bei  einer  Muskelbündellänge  von  4,2  cm  und  Gesamt- 
muskellänge von  30  cm  kann  der  Muskel  also  nur  14  Proz. 
seiner  Kraft  entfalten. 

Fig.  102.  M.  supinator.  Dieser  Muskel  zeigt  durch  die  gleich- 
zeitige Abbildung  des  R.  profundus  n.  radialis  die  beiden  Hiatus, 
welche  der  Durchtritt  des  Nerven  verursacht.  Proximal  findet 
sich  ein  sehnig  umrahmter,  nach  unten  konvexer  Hiatus,  distal 
ein  einfacher  Schlitz  zwischen  oberflächlicher  und  tiefer  Schicht 
des  Muskels.  Letzterer  ist  in  derjenigen  Lage  dargestellt,  wie 
wenn  der  R.  profundus  im  Zusammenhange  mit  dem   Stamme 


Fig.  101.  M.  flexor 
polHcis  longus. 


R.  prof.  n.  rad. 
Mb.-L.  2,7. 

Fig.  102.    M.  supinator. 


oder  durch  Anziehen  der  beiden  abgeschnittenen  Enden  radialwärts  herausgehoben 
wird.  Dann  wird  es  klar,  daß  die  oberflächliche  Schicht  plattenartig  durch  den 
angespannten  Nerv  gut  gesondert  werden  kann  und  bedeutend  kürzer  ist,  als  wie 


310 


Muskel-  und  Sehnenlänge. 


311 


die  Lamina  profunda,  welche  hauptsächlich  aus  Muskelsubstanz  besteht.  Ferner  ist  rechts 
proximal  ein  bogenförmiger  Einschnitt  zu  sehen,  welcher  die  Tuberositas  radii  umfaßt. 

Die  mittlere  Gesamtlänge  des  Muskels 
betraf  6  cm,  die  größte  Länge  der  ober- 
flächbchen  Aponeurose  ergab  4  cm.  Bei 
einer  durchschnittlichen  Muskelbündellänge 
von  2,7  und  der  mittleren  Gesamtlänge  von 
6  kann  der  Muskel  45  Proz.  seiner  Kraft 
entfalten. 

Fig.  103.  M.  Pronator  quadratus. 
Dieser  Muskel  hat  in  den  Abbildungen 
(63,  64)  von  der  volaren  und  dors^en 
Seite  eine  viel  genauere  topo^aphische 
Darstellung  gefunden,  als  an  diesem  los- 
gelösten Präparate.    Die  größte  Breite  des 

oien 


m 


unten, 
Fig.  103.    M.  Pronator  quadratus. 


l3i 


M 


" 


Muskels  ist  mit  3,5  cm  angegeben.  Bei 
einer  durchschnittlichen  Muskelbündellänge 
von  2,5  cm  kann  er  in  vorzüglicher  Weise, 
nämlich  mit  71,4  Proz.  seine  Kraft  ent- 
falten. Sehnensubstanz  findet  sich  eigent- 
lich nur  an  der  Facies  superficialis  volaris 
als  dünne  Platte,  welche  von  der  Ulna  ent- 
springt. 

Fig.  104.  M.  brachioradialis.  Dieser 
Muskel  besitzt  bei  einer  Gesamtlänge  von 
32  cm  eine  Länge  des  Muskelbauches  selbst 
von  24,5  cm  und  eine  Muskelbündellänge 
von  16,9  cm,  d.  h.  die  größte,  welche  wir 
überhaupt  bei  einem  Armmuskel  feststellen 
konnten.  Der  Ursprung  ist  fast  rein  mus- 
kulös; die  7,5  cm  freie  Endsehne  schiebt 
sich  intramuskulär  auch  nur  bis  13,5  cm 
zum  Ursprünge  empor. 

Bei  einer  Muskelbüudellänge  von 
16,9  cm  und  einer  Gesamtlänge  von  32  cm 
kann  der  Muskel  wirken  mit  einer  Kraft 
von  52,8  Proz. 

Der  Muskel  legt  sich  spiralig  um  die 
Außenseite  des  Vorderarmes  henim,  so  daß 
in  unserer  Abbildung,  welche  halb  topo- 
graphisch gehalten  ist,  proximal  die  Facies 
profunda  zu  sehen  ist,  welche  sich  keil- 
artig in  den  M.  brachialis  hineinlegt.  In 
dem  mittleren  Bezirke  ist  auf  der  ulnaren 
medialen  Seite  die  spiralige  Umdrehung  der 
entsprechenden  Muskelbündel  zu  sehen.  Am 
freien  radialen  oder  lateralen  Rande  ziehen 
die  Muskelbündel  senkrecht  von  oben  nach 
unten. 

Fig.  105.   M.  extensor  carpi  radialis  longus.    Bei  einer  Gesamtlänge  von  32  cm 
besitzt  der  Muskel  13  cm   für  den  Bauch,  19  für  die  freie  Endsehne.    Bei  einer 


Fig.  104.  M.  brachio- 
radialis. 


Fig.  105.  M.  ex- 
tensor carpi 
radiaUs  longus. 


3" 


312 


Muskelbündellänge  von  7,6  kann  er  eine 
Kraft  von  23,8  Proz.  entfalten.  Die 
distale  Sehne  schiebt  sich  bis  23  cm 
gegen  den  Ursprung  vor.  Nennens- 
und  abbildungswerte  Ursorungssehnen 
sind  nicht  vorhanden. 

Fig.  106.  M.  extensor  carpi  radialis 
brevis.  Obwohl  dieser  Muskel  bei  einer 
Gesamtlänge  von  28  cm  nur  ein  zweiter, 


MhrL.S,6. 


W 


Fig.  106.    M.  extensor  carpi  radialii 
brevis. 


fl 


(38 


'm 


2ti 


MbrL: 


W) 


iJ,9    6,3  j 

inMo\ 


6A 


Fig.  107.  M.  ex-  Fig.  108.  M.  extensor 

tensor  digiti  V.         digitorura  communis. 


Muskel-  und  Sehnenlänge. 


313 


26) 


mehr  distal  gelegener  Kopf  des  M.  longus  ist,  hat  er  einen  ganz  anderen  Bau  der 
Ursprungssehne.  Diese  bleibt  2  cm  muskelfrei  und  entwickelt  in  der  Tiefe  einen 
besonderen  Sehnenspiegel  von  11,5  cm  größter  Länge.  Die  End- 
sehne ist  10  cm  vollkommen  frei,  äußerlich  erkennbar  bis  18  cm 
Länge,  intramuskulär  verfolgbar  bis  zu  19  cm.  Wir  haben 
auch  hier  die  Tatsache  zu  betonen,  daß  Ursprungs-  und  An- 
satzsehne so  gelagert  sind,  daß  erstere  weiter  distalwärts  reicht, 
als  der  proximale  Abschnitt  der  Endsehne.  In  diesem  Falle  Hegt 
die  Ursprungssehne  an  der  Facies  profunda,  die  Endsehne 
findet  sich,  wie  überall,  mit  ihren  letzten  Ausläufern  im  Innern 
des  Muskels  verborgen.  —  Die  Länge  sowohl  der  Ursprungs- 
wie  der  Ansatzsehne  verschafft  dem  Muskel  eine  Bündellänge 
von  nur  5.0)  cm,  welche,  nach  Prozenten  berechnet,  nur  eine 
Kraftentfaltung  von  20  Proz.  gestattet. 

Fig.  107.  M.  extensor  digiti  quinti.  Bei  einer  Gesamt- 
länge von  38  cm  besitzt  er  eine  freie  Ursprungssehne  von  4  cm 
Länge,  welche  unter  Umständen  auch  fehlen  kann.  Der  Muskel- 
bauch umfaßt  17  cm,  eine  Ziffer,  welche  auch  bei  der  freien 
Endsehne  wiederkehrt.  Im  Bereiche  des  Metacarpus  entwickelt 
sich  eine  Zweiteilung  der  Endsehne,  deren  Ausdehnung  mit 
4,5  cm  angegeben  ist.  Die  äußerlich  sichtbare  Endsehne  ist 
22  cm  lang,  schiebt  sich  jedoch  intramuskulär  29  cm  bis  zum 
Ursprünge  mn.  Bei  einer  Muskelbündellänge  von  5,3  cm  wirkt 
er  mit  einer  Kraft  von  nur  13,9  Proz. 

Fig.  108.  M.  extensor  digitorum  communis.  An  unserer 
Abbildung  kommt  besonders  das  Mißverhältnis  zwischen  Länge 
der  Muskelbäuche  und  freien  Endsehnen  zur  Geltung,  welche 
an  den  einzelnen  Fingern  sich  außerdem  ganz  verschieden  ge- 
stalten. Der  Ringfinger  besitzt  eine  freie  Endsehne  von  18,  der 
Zeigefinger  eine  solche  von  22,  der  Mittelfinger  von  28  cm 
Länge.  Auch  die  aponeurotische  Ursprungssehne  gewinnt  bei 
einem  Durchschnitte  von  8  cm  eine  größte  Länge  von  17  cm. 
Intramuskulär  schieben  sich  die  Endsehnen  auch  noch  bedeutend 
gegen  den  Ursprung  vor:  beim  Zeigefinger  bis  31,  beim  Mittel- 
finger bis  35  und  beim  Eingfinger  bis  29  cm.  Die  Muskel- 
bündellänge für  den  Gesamtmuskel  beträgt  nur  ö,2  cm,  so  daß 
er  nur  mit  einer  Kraft  von  14,9  Proz.  wirken  kann. 

Auf  der  rechten  Seite  ist  die  Zahl  13  im  Scheitelpunkte 
einer  punktierten  Klammer  angegeben,  welche  bezeichnen  soll, 
daß  in  dem  abgebildeten  Falle  der  M.  extensor  communis  pro 
digito  II  an  seiner  Facies  profunda  einen  entsprechend  langen 
tiefen  Sehnenursprung  hatte.  In  der  Höhe  der  Ziffern  18  und 
22  im  unteren  Ende  der  Abbildung  sind  die  charakteristischen 
Sehnenkonjugationen  angegeben,  welche  etwas  distal  von  der 
Höhe  der  Knöchel  gelegen  sind.  Noch  weiter  distal  sind  die 
Endsehnen  aus  der  Dorsalaponeurose  der  Finger  herausge- 
schnitten unter  Darstellung  der  besonderen  Ansätze  an  der 
Mittel-  und  Nagelphalanx.  Aeußerlich  sichtbar  bleiben  die  End- 
sehnen für  den  Ringfinger  22  cm,  für  den  Mittelfinger  30  und 
in  gleicher  Höhe  für  den  Zeigefinger. 

Fig.  109.  M.  extensor  carpi  ulnaris.  Die  Länge  dieses 
Muskels  haben  wir  der  gewöhnlichen  Darstellung  entsprechend 
vom  Epicondylus  lateralis  humeri  bis  zur  Rauhigkeit  des  ö.  Mittel- 
handknochens gemessen ;  sie  beträgt  hier  26  cm.  Wir  vernach- 
lässigen einstweilen,  bis  unsere  Untersuchungen  von  anderer 
Seite  bestätigt  sind,  die  beiden  nach  unseren  Befunden  als 
normal  geltend  müssenden  accessorischen  Endsehnen ,  deren 
volare  eine  Länge  von  4,5  cm,  und  deren  dorsale  eine  solche 
von  8  cm  besitzt.  Die  Ursprungssehne  bildet  einen  Sehnen- 
spiegel von  8  cm  größter  Länge.  Die  freie  Endsehne  ist  nur 
5  cm  lang,  äußerlich  sichtbar  12,  intramuskulär  jedoch  bis  zu 
20  cm  Länge  verfolgbar  und  geht  weiter  gegen  den  Ursprung 
zurück,  als  die  Ausstrahlung  der  Ursprungssehne  distalwärts. 
Bei  einer  Muskelbündellänge  von  5,3  cm  kann  er  20,4  Proz. 
seiner  Kraft  entfalten. 


MbrL.5;t. 


Fig.  109. 

M.  extensor  carpi 

ulnaris. 


313 


314 


PROHSE   und  M.    FRANKEL, 


K-L5.7 


Fig.  IIÖ.  M.  abductor  pollicis  longus.  Die  Gesamtlänge  beträgt  20  cm.  Meß- 
bare Ursprungssehnen  sind  gewöhnlich  nicht  entwickelt.  Die  freie  Endsehne  ist 
7  cm  lang,  von  der  Tiefe  jedoch  extramuskulär  bis  12,  intramuskulär  bis  16,5  cm 
zu  verfolgen.  Wirkung:  Bei  einer  Muskelbündellänge  von  4,7  mit  einer  Kraft  von 
23,5  Proz. 

Fig.   111.     M.   extensor  pollicis    brevis. 
Bei  diesem  Muskel  kann  man  im  Zweifel  sein, 
ob  man  die  Anheftung  an  der  Basis  der  Grund- 
phalanx mit  16  cm  Länge,  oder  die  accessorische        MhrLAl 
Anheftung  an  der  Basis  der  Nagelphalanx  mit  ■■      ' 

19,5  als  Gesamtlänge  bezeichnen  soU,  um  so 
mehr,  als  der  Muskelbauch,  welcher  unter 
Umständen  fehlen  kann,  nur  ganz  schwach 
entwickelt  war  mit  einer  Länge  von  6,5  cm. 
Die  Muskelbündellänge  beträgt  4,4:  bei  einer 
Länge  des  Gesamtmuskels  von  16  cm  würde 
sich  eine  Kraftentfaltung  von  27,5  Proz.  für 
die  Grundphalanx  ergeben;  bei  einer  Gesamt- 
länge von  19,5  ergibt  sich  für  die  Nagelphalanx 
nur  22,6  Proz. 


ie) 


{i9 


Fig.  110.  M.  abductor 
pollicis  longus. 


Fig.  111.  M.  ex- 
tensor pollicis  brevis. 


Fig.  112.  M.  ex- 
tensor pollicis 
longus. 


Fig.  113.  M.  ex- 
tensor indicis 
proprius. 


Fig.  112.  M.  extensor  pollicis  longus.  Gesamtlänge  26,5;  keine  Ursprungs- 
sehne; Endsehne:  frei  13,  extramuskulär  19,  intramuskulär  21  cm;  Muskelbündel- 
länge 4,7  cm;  Kraftentfaltung  17,7  Proz. 

Fig.  118.  M.  extensor  indicis  proprius.  Bei  einer  Gesamtlänge  von  27,5  cm, 
gemessen   bis  zur  Basis  des  Mittelphalanx,  verfügt  dieser  Muskel  nur  über  einen 


314 


Muskel-  und  Sehnenlänge. 


315 


Bauch  von  11  cm  Länge.  Meßbare  Ursprungssehnen  sind  nicht  vorhanden.  Die 
Endsehne  ist  vollkommen  muskelfrei  16,5,  extramuskulär  20,5,  intramuskulär  noch 
1  cm  weiter  gegen  den  Ursprung  zu  verfolgen.  Die  Muskelbündellänge  beträgt  5,7; 
die  Kraftentfaltung  würde  sich  nach  dem  abgebildeten  Falle  mit  20,7  Proz. 
vollziehen. 

Bemerkung  zu  den   Figuren   114—121. 

Bei  der  Angabe  der  Gesamtmuskellänge  waren  wir  zu  einem  Schema  gezwungen 
und  haben  deshalb  einfach  über  der  Mitte  der  in  Betracht  kommenden  Muskeln 
eine  scharfe  Linie  gezogen,  welche  sich  nicht  mit  der  Richtung  der  Muskelbündel 
zu  decken  braucht,  wie  es  sich  besonders  bei  Fig.  116,  dem  M.  opponens  polücis, 
kundgibt. 


üTifc 


Fig.  114. 


Fig.  117. 


Fig.  115. 


Fig.  116. 


Fig.  114.  M.  abduetor  poUie  brevis.    Mb.-L.  3,7. 

Fig.  115.  M.  flexor  pollicis  brevis.    Mb.-L.  3,1. 

Fig.  116.  M.  opponens  pollicis.    Mb.-L.  2,6. 

Fig.  117.  M.  adductor  pollicis.    Mb.-L.  2,7. 

Fig.  118.  M.  palmaris  brevis.    Mb.-L.  1,8. 


1 


Fig.  118. 


Fig.  114.  M.  abduetor  pollicis  brevis.  Eine  präparierbare  einheitliche  Ur- 
sprungssehne, welche  sich  in  klarer  Weise  vom  Lig.  carpi  trausversum  loslösen  läßt, 
ist  nicht  vorhanden.  Die  freie  Endsehne  ist  1  cm  lang,  schiebt  sich  jedoch  intra- 
muskulär bis  2,5  cm  proximal  gegen  die  Handwurzel  zurück.  Bei  einer  Gesamt- 
länge von  7  cm  und  einer  Muskäbündellänge  von  3,7  wirkt  er  mit  einer  Kraft  von 
52,9  Proz. 

Fig.  115.  M.  flexor  pollicis  brevis.  Am  distalen  Ende  ist  das  Os  sesamoideum 
laterale  im  Zusammenhange  mit  dem  Muskel  dargestellt.  Einer  Gesamtlänge  von 
6  cm  steht  eine  Muskelbündellänge  von  3,1  gegenüber,  so  daß  er  mit  51,7  Proz. 
Kraft  wirken  kann. 

Fig.  116.  M.  opponens  pollicis.  Bei  einer  Durchschnittslänge  von  4  cm  besitzt 
er  eine  Muskelbündellänge  von  2,6.     Er  wirkt  demgemäß  mit  65  Proz. 

Fig.  117.  M.  adductor  pollicis.  Bei  diesem  Muskel  ist  auch  das  Os  sesamoi- 
deum mediale  mitangegeben,  die  Durchschnittslänge  des  Muskels  nur  für  das  Caput 
trausversum  mit  4  cm.  Da  die  Muskelbündellänge  2,7  beträgt,  kann  er  mit  einer 
Kraft  von  67,5  Proz.  wirken. 

Fig.  118.  M.  palmaris  brevis.  Den  verschiedenen  Befunden  sind  wir  in  der 
Muskelbfcjchreibung  gerecht  geworden,  konnten  jedoch  in  der  Abbildung  uns  nur 
an  den  einzelnen  Fall  halten,  welcher  nur  quere  Parallelfasern  aufwies,  und  keine 
längeren  distalen  Bündel.  Die  Gesamtlänge  des  Muskels  mit  1,8  cm  deckte  sich 
deshalb  vollkommen  mit  der  Muskel  bündellänge  von  1,8  cm.  Procentualiter  hätten 
wir  also  eine  Wirkung  mit  100  Proz.  der  Kraft.  Es  handelt  sich  dabei  natürUch 
nur  um  solche  Fälle,  bei  denen  die  Sehnensubstanz  nicht  ohne  Kunst  zu  präparieren 
und  nachträglich  zu  wägen  ist. 


315 


316  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Fig.  119.  M.  abductor  digiti  quinti.  Derselbe  gibt  seine  anatomische  Ueber- 
einstimmung  mit  den  M.  interossei  durch  den  doppelten  Ansatz  an  der  Basis  der 
Grundphalanx  einerseits  und  der  Ausstrahlung  in  die  Dorsalaponeurose  anderer- 
seits kund.  Die  Muskel  bündellänge  beträgt  3,9  cm,  woraus  bei  einer  Gesamtlänge 
des  Muskels  von  7  cm  sich  eine  Kraftentfaltung  von  55,7  Proz.  ergibt. 


Fig.  119.  Fig.  120.  Fig.  121. 

Fig.  119.    M.  abductor  digiti  V.    Mb.-L.  3,9. 
Fig.  120.    M.  flexor  brevis  digiti  V.    Mb.-L.  3,5. 
Fig.  121,    M.  opponens  digiti  V.    Mb.-L.  2,2. 

Fig.  120.  M.  flexor  brevis  digiti  V.  Dieser  inkonstante  Muskel  hat  gegebenen 
Falles  eme  deutliche  zweizipfelige  Ursprungssehne,  unter  welcher  der  in  Fig.  121 
mit  N.  u.  bezeichnete  ß.  profundus  n.  ulnaris  seinen  Weg  nimmt.  Die  Muskel- 
bündellänge beträgt  3,5,  die  Gesamtrauskellänge  7  cm,  die  günstigste  Kraftentfaltung 
ergibt  also  50  Proz. 

Fig.  121.  M.  opjponens  digiti  V.  Dieser  Muskel  wird  unter  allen  Umständen 
durch  den  eben  erwähnten  iV.  u.  =  N.  ulnaris  durchbohrt.  Bei  einer  Muskel- 
bündeUänge  von  2,2  und  einer  mittleren  Gesaratlänge  von  4  cm  kann  er  55  Proz. 
seiner  Kraft  entfalten. 

Auch  bei  Fig.  117  ist  der  tiefe  Ast  des  N.  ulnaris  mitangegeben,  wo  er  die 
zweite  Durchbohrung  an  der  Hand  vornimmt  zwischen  dem  Caput  transversum  und 
dem  Caput  obliquum  des  M.  adductor  poUicis.  Der  senkrecht  herabhängende  Zipfel 
stellt  denjenigen  Abschnitt  dar,  welcher  vom  proximalen  Teile  des  Os  metacarpale  II 
entspringt.  Der  Ursprung  vom  ersten  Mittelhandknochen  oder  den  benachbarten 
Carpometacarpalgelenken  hat  in  Fig.  129  besondere  Berücksichtigung  erfahren. 

Fig.  122—129.  Die  8  Abbildungen  zeigen  die  entsprechenden  losgelösten 
M.  interossei  dorsales  et  volares  einer  rechten  Hand  in  derjenigen  Gruppierung, 
welche  sie  im  Körper  einnehmen.  Links  ist  der  M.  interosseus  volaris  IV  gelagert, 
rechts  hören  die  M.  interossei  mit  dem  von  uns  als  besonderer  M.  interosseus 
volaris  I  beschriebenen,  sogenannten  CuKNiNGHAM'schen  Adductor,  auf.  Die  auf  der 
rechten  Seite  befindlichen,  stärker  gehaltenen  Ziffern  bedeuten  die  Länge  jedes  einzelnen 
Gesamtmuskels,  welcher  auf  der  linken  Seite  durch  besondere  kleinere  Ziffern  in 
Sehnen-  und  Muskellänge  zerlegt  wird,  beispielsweise  bei  Fig.  123  (d.  IV.):  rechts, 
groß  geschrieben,  12,  für  die  Gesamtlänge;  links,  klein  geschrieben,  7  für  die  Sehnen- 
länge  5  für  die  Länge  des  Muskelbauches. 

Wir  haben  bei  diesen  Figuren  uns  ausschließlich  nach  unseren  Befunden  an 
der  Hand  gerichtet  und  trotzdem  schon  mit  einziger  Ausnahme  des  M.  interosseus 
dorsalis  III  an  der  zur  Abbildung  herangezogenen  Hand  die  Nebenzipfel  dargestellt, 
welche  hart  neben  der  Gelenkkapsel  der  Artic.  metacarpophalangea  gelegen  sind. 
Nach  den  inzwischen  unternommenen  Vergleichungen  mit  dem  Fuße  haben  wir 
folgendes  gefunden:  Die  M.  interossei  manus  senden  den  Hauptteil  ihrer  Sehne  zur 
Aponeurosis  dorsalis  digitorum  und  haben  einen  Nebenansatz  an  der  Basis  der  Grund- 
phalanx. Umgekehrt  enden  die  M.  interossei  pedis  bereits  an  den  Seiten  der  Basis 
der  entsprechenden  Grundphalanx  und  beteiligen  sich,  wenn  überhaupt,  nur  in  recht 
beschränkter  Weise  an  der  Bildung  der  Dorsalaponeurose  der  Zehen. 

316 


Muskel-  und  Sehnenlänge. 


317 


Ob  das  Fehleu  des  Ansatzes  an  der  Grundphalanx  beiux  M.  iuterosseus  dorsalis  III, 
s.  Fig.  125,  auf  Nichtvorhandensein  oder  nicht  genügende  Sorgfalt  bei  unserer  Präparation 
zurückzuführen  ist,  lassen  wir  dahingestellt. 


m 


\io 


V.  IV. 
Fig.  122. 


IV.        V.  m.        d.  in.        d.  II  V.  IL         d.  I 

Fig.  123.       Fig.  124.       Fig.  125.       Fig.  126.         Fig.  127.     Fig.  128. 
Fig.  122 — 129.    M.  interossei  volares  et  dorsales. 


V.  L 
Fig.  129. 


Im  Sehnenteile  bedeutet  der  doppelt  umrahmte,  im  Vergleiche  zum  Präparate 
etwas  zu  groß  ausgefallene  Längsschnitt  die  Anheftung  an  der  Dorsalaponeurose 
oder  mit  dem  proximalen  Nebenzipfel  an  der  Gelenkkapsel  bis  zu  den  Seiten  der 
Basen  der  entsprechenden  Grundphalangen.  Die  möglichste  Kraftentfaltung  der 
M.  interossei  stellen  wir  nach  unseren  Befunden  in  folgender  Tabelle  zusammen : 


Fig. 

M.  interossei 

Gesamtlänge 

Muskelbündellänge 

Kraftentfaltung 
in  Proz. 

122 

volaris  IV 

10 

2,3 

23 

123 

dorsalis  IV 

12 

2,6 

21,7 

124 

volaris  III 

11,5 

2,3 

20 

125 

dorsalis  III 

13 

2,1 

16,2 

126 

dorsalis  II 

14 

2,6 

18,6 

127 

volaris  II 

12 

2 

16,7 

128 

dorsalis  I 

13 

3 

23,1 

129 

volaris  I 

6 

1,75 

24,2 

IV.  Muskelbündeilänge. 

Elinleitlung. 

Zu  unserem  besonderen  Abschnitte  über  die  Muskelbündeilänge 
sind  wir  erst  durch  das  sogenannte  ScHWALBEsche  Gesetz  gekommen, 
da  dieser  Autor  behauptet  (G.  Schwalbe,  lieber  das  Gesetz  des 
Muskelnerveneintritts,  Archiv  für  Anat.  und  Physiol.,  1879,  S.  167—174), 
daß  sich   ein  Nerv  im   geometrischen  Mittelpunkte  des   betreffenden 


317 


318  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Muskels  verzweigt.  Einen  anderen  Anlaß  ergab  die  Bemerkung  von 
PoiRiER  (S.  84),  daß  beim  M.  deltoideus  die  Muskelbündellänge 
zwischen  11  und  9  cm  schwanken  soll.  Wir  hatten  schon  vorher 
diese  Bestimmung  als  zu  schematisch  erkannt,  weil  wir  ein  Maximum 
von  ungefähr  14  cm  und  ein  Minimum  von  7  cm  bereits  festgestellt 
hatten.  Dieser  unglaubliche  Unterschied  in  den  Maßbestimmungen 
bewog  uns,  sämtliche  Muskeln  des  Armes  auf  den  Durchschnitt  ihrer 
Muskelbündellänge  zu  prüfen.  Der  geometrische  Mittelpunkt,  welchen 
Schwalbe  für  alle  Muskeln  bestimmen  zu  können  glaubt,  stimmte 
in  der  Folge  durchaus  nicht  mit  unseren  Beobachtungen  überein.  Es 
müssen  für  jeden  einzelnen  Muskel,  und  wenn  derselbe  mehrere 
Sehnen  liefert,  auch  die  einzelnen  Muskelbäuche  auf  das  genaueste 
berücksichtigt  werden;  nicht  allein  beim  Erwachsenen,  sondern  auch 
beim  Kinde.  Es  hat  sich  nämlich  bei  unseren  Untersuchungen  heraus- 
gestellt, daß  beim  Neugeborenen  die  Muskulatur  noch  verhältnis- 
mäßig viel  besser  ausgeprägt  ist,  gleichviel  ob  es  sich  um 
den  Ursprung,  Ansatz  oder  Zwischensehnen  handelt.  Beispielsweise 
weist  der  M.  deltoideus  eines  Neugeborenen  im  Verhältnisse  eine  viel 
größere  Länge  der  Muskelbündel  auf,  als  sie  sich  beim  Erwachsenen 
findet.  Erst  der  bewußte,  besser  unbewußte  Gebrauch  der  Muskeln 
nach  der  Geburt,  unabhängig  von  der  Zwangslage  im  Uterus,  bewirkt 
mechanisch  durch  Reibung  einen  Schwund  der  Muskulatur  unter  Er- 
satz durch  Sehnensubstanz.  Aber  auch  beim  Erwachsenen  sehen  wir 
die  endgültige  Gestaltung  in  ganz  verschiedener  Weise  verwirklicht. 
Die  verschiedenen  Berufe  beider  Geschlechter  setzen  bald  diesen,  bald 
jenen  Muskel  mehr  in  Tätigkeit  und  bewirken  dadurch  die  ver- 
schiedenen Formen,  in  welchen  die  Muskeln  und  Sehnen  zur  Be- 
obachtung gelangen.  Wir  konnten  diesen  Vorgang  bei  den  Schulter-, 
Oberarm-,  Vorderarm-  und  Handmuskeln  überall  beobachten.  Wenn 
beispielsweise  ein  M.  interosseus,  opponens,  flexor,  extensor  oder 
rotator  irgendwie  fibrös  oder  sehnig  degeneriert,  so  werden  wir  eine 
erhebliche  Verkürzung  der  Muskelbündellänge  feststellen  müssen. 
Die  Nerven  dagegen  sind  durch  die  ursprüngliche  Anlage  festgelegt, 
und  wir  können  aus  der  Art  ihrer  Verbindung  mit  den  Muskelbündeln 
oder  den  vergrößerten  Sehnen  einen  Anhaltspunkt  für  das  ursprüng- 
liche (fetale)  Verhalten  gewinnen.  Die  Messungen,  welche  wir  einst- 
weilen nur  beim  Erwachsenen  angestellt  haben,  ergaben  einen  so 
erheblichen  Unterschied,  daß  er  nur  aus  den  eben  angegebenen 
Reduktionsvorgängen  erklärt  werden  kann.  Die  Umwandlung  von 
Muskulatur  in  die  Sehne  oder  fibröses  Gewebe  vollzieht  sich  nach 
unserer  Meinung  ganz  allmählich;  vor  allem  mit  dem  Alter  und 
dann  auch  durch  den  Gebrauch.  Wir  sehen  uns  sonst  beispielsweise 
außer  Stande,  den  unglaublichen  Unterschied  in  der  Muskelbündel- 
länge eines  M.  supinator  zu  erklären,  welcher  in  zwei  Fällen  2,7 
und  1,4  cm  betrug.  Dieser  Unterschied  von  ungefähr  100  Proz.  läßt 
sich  nur  in  der  Weise  deuten,  daß  bei  dem  Falle  mit  der  kurzen 
Muskelbündellänge  eine  Atrophie  der  Muskelbündel  und  Umwandlung 
in  Sehne  stattgefunden  hat,  und  daß  darum  der  andere  Synergist, 
der  M.  biceps,  die  Hauptaufgabe  der  Supination  erfüllt  hat.  Inter- 
essant war  uns  bei  den  Vergleichen  zweier  willkürlich  gewählter 
Arme  der  Unterschied  bei  fast  sämtlichen  Muskeln  in  der  Länge  der 
einzelnen  Bündel.  Diejenigen  Muskeln,  welche  ohne  Vermittelung 
einer  langen  Sehne,  in  breiter  Fläche  von  einem  Knochen  entsprangen, 


Muskelbündellänge.  319 

z.  B.  M.  supraspinatus,  infraspinatus,  dann  brachialis,  Caput  laterale, 
Caput  mediale  des  M.  biceps  und  M.  auconaeus,  oder  am  Vorder- 
arme M.  flexor  pollicis  longus  und  digitorum  profundus,  oder,  vom 
M.  supinator  vollkommen  abgesehen,  die  tiefe  Schicht  der  Extensoren 
—  alle  diese  Muskeln  zeigten  an  dem  einen  Arme  eine  bedeutende, 
bis  2  cm  betragende  Verringerung  der  Muskelbündellänge  gegenüber 
einem  anderen,  dessen  Knochenlängen  keinen  wesentlichen  Unterschied 
aufwiesen.  Die  Bestimmung  des  Nerveneintrittes  ergab  jedoch  in 
beiden  Fällen  keinen  beachtenswerten  Unterschied.  Wir  kommen 
deshalb  zu  der  Auffassung,  daß  die  Nervenverzweigung  das  Primäre 
ist,  und  die  Umwandlung  in  Sehnen  das  Sekundäre.  Wir  sind  auch 
der  Ueberzeugung,  daß  die  Untersuchung  von  fetalen  Muskeln  ein 
übereinstimmendes  Ergebnis  erzielen  wird,  wie  beim  Erwachsenen 
mit  gut  ausgeprägter  Muskulatur,  d.  h.  bei  Muskeln,  welche  eine 
lange  Muskelbündellänge  besitzen. 

Wir  wollen  nach  unseren  Beobachtungen  das  Schwalb Esche  Ge- 
setz in  gewissem  Sinne  anerkennen,  wenn  wir  von  den  langen  Sehnen- 
nerven und  den  dünnen,  proximalen  oder  distalen  Muskelnerven  ab- 
sehen, und  wenn  wir  außerdem  in  Betracht  ziehen,  daß  die  meisten 
Muskeln  überhaupt  keinen  geometrischen  Mittelpunkt  haben,  sondern 
entweder  eine  Linie  oder  eine  Reihe  von  geometrischen  Punkten  oder 
Linien,  welche  den  Mittelpunkten  der  einzelnen  Muskelbündellängen 
entsprechen.  Der  einfachste  Beweis  für  unsere  Auffassung  liegt  wohl 
bei  dem  am  verwickeltsten  gebauten  Armmuskel,  dem  M.  flexor  digi- 
torum sublimis,  dessen  Innervation  durch  verschiedene  Darstellungen 
erläutert  ist.  Wir  bemerken  jedoch  auch  bei  diesem  Muskel,  daß 
unsere  Abbildungen  gleichsam  nur  ein  Schema  darstellen,  welches 
unseren  durchschnittlichen  Beobachtungen  entspricht,  daß  aber  in- 
dividuell die  größten  Schwankungen  vorkommen.  Von  Belang  ist 
auch  die  Doppelinnervation,  welche  bei  den  in  Frage  kommenden 
Muskeln  sich  individuell  außerordentlich  verschieden  gestaltet. 

A.  Allgemeiner  Teil. 

Zwar  sind  schon  vor  uns,  wie  S.  318  erwähnt,  gelegentliche  Be- 
merkungen über  die  Verschiedenheit  in  der  Länge  einzelner  Muskel- 
bündel in  einem  und  demselben  Gesamtrauskel  angegeben;  indessen 
die  zielbewußte  Durcharbeitung  sämtlicher  Körpermuskeln  nach 
diesem  Gesichtspunkte  ist  unseres  Wissens  noch  nicht  vorgenommen 
worden.  An  dieser  Stelle  können  selbstverständlich  nur  die  Arm- 
muskeln berücksichtigt  werden,  welche  wir  zwar  in  4  Fällen  unter- 
sucht haben,  von  denen  wir  jedoch  nur  eine  Tabelle  veröffentlichen. 
Wie  auch  sonst  vielfach,  lernt  man  erst  durch  Fehler  den  richtigen  Weg 
erkennen.  Unsere  zunächst  selbständig  und  unabhängig  voneinander 
ausgeführten  Präparationen  und  Maßbestimmungen  ergaben  bei  der 
Nachprüfung  durch  den  anderen  einen  scheinbar  unglaublichen  Wider- 
spruch der  Befunde.  Nachdem  wir  uns  aber  einmal  über  die  Grund- 
gedanken einig  geworden  waren,  nach  welchen  eine  derartige  Be- 
stimmung ausgeführt  werden  kann  und  muß,  ergab  sich  bei  noch- 
maliger beiderseitiger  Nachprüfung  eine  vollständige  Gleichheit  der 
Befunde.  Die  anderen  3  Präparate  waren  bereits  teilweise  vernichtet 
und  ließen  so  keine  Vollständigkeit  mehr  zu,  so  daß  sich  unsere 
Tabelle  leider  nur  auf  einen  Einzelfall  bezieht. 

3J9 


320  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

Als  Ratschläge  für  denjenigen,  welcher  sich  dieser  mühseligen, 
zeitraubenden  Arbeit  unterziehen  will,  seien  nachstehende  Gesichts- 
punkte empfohlen,  ohne  deren  Befolgung  er  vielleicht  in  den  schroffsten 
Widerspruch  zu  unseren  Angaben  gelangen  kann,  wie  es  den  beiden 
Verfassern  zuerst  selbst  gegangen  ist. 

1)  Die  Muskeln  müssen  mit  peinlichster  Sorgfalt  voneinander  ge- 
sondert und  ohne  Substanzverlust  von  den  Knochen  abgetrennt  sein. 

2)  Bei  der  Isolierung  der  einzelnen  makroskopischen  Muskel- 
bündel soll  die  Breite  1  qcm  möglichst  nicht  überschreiten,  auch 
nicht  bei  den  ganz  großen  (M.  deltoideus,  triceps).  Bei  den  ganz 
kleinen,  wie  den  M.  lumbricales,  deren  Querschnitt  1  qcm  bei  weitem 
nicht  erreicht,  ist  natürlich  eine  weitere  Auffaserung  geboten,  deren 
Grad  sich  nach  dem  Einzelfalle  richten  muß. 

3)  Bei  jedem  Muskelbündel,  welches  isoliert  wird,  muß,  gleichviel 
in  welcher  Dicke  es  dargestellt  wird,  immer  die  ganze  Länge  voll- 
kommen frei  mit  Finger  oder  Pincette  zu  umgreifen  sein:  entweder 
muß  ein  Muskelbündel  von  Ursprungs-  bis  Ansatz  sehne  klar  heraus- 
gesetzt werden,  wie  z.  B.  beim  M.  biceps,  oder  der  Ursprung  ist  mus- 
kulös, wie  beim  M.  brachialis,  bei  welchem,  sowie  bei  gleichartig  ge- 
bauten Muskeln,  M.  brachioradialis,  M.  extensor  pollicis  longus  u.  s.  w., 
der  Ursprung  in  vollkommen  aufgelöste  Streifen,  Riemen  oder  Riemchen 
zerfällt.  Bei  Muskeln,  welche,  wie  der  M,  opponens  pollicis,  fast 
ganz  aus  Muskelsubstanz  bestehen,  hält  es  oft  schwer,  den  Zusammen- 
hang der  einzelnen  Muskelbündel  festzuhalten,  was  für  die  nach- 
herige Maßbestimmung  durchaus  notwendig  ist. 

4)  Bei  letzterer  muß  man  nach  einem  ganz  bestimmten  Gesichts- 
punkte vorgehen,  je  nach  dem  Einzelfalle  entweder  von  medial  nach 
lateral  oder  umgekehrt,  wie  z.  B.  beim  M.  biceps,  oder  von  vorn  nach 
hinten  oder  umgekehrt,  wie  beim  M.  deltoideus,  oder  von  der  Ober- 
fläche aus  nach  der  Tiefe,  wie  es  beispielsweise  beim  M.  brachialis 
angewandt  werden  kann,  jedoch  kann  der  Untersucher  je  nach  seiner 
Gewöhnung  in  eigener  Weise  vorgehen,  wofern  nur  jedes  in  seiner 
Länge  bestimmte  Muskelbündel  durch  eine  Sonde  oder  umgeschlungenen 
Faden  als  solches  gekennzeichnet  ist. 

5)  Die  Maßbestimmung  (nach  Centimetern)  selbst  kann  sehr  leicht 
zu  Irrtümern  führen,  wenn  man  nämlich  die  Muskelbündel  nicht  voll- 
kommen klar  bis  zu  den  jeweiligen  Sehnen  verfolgt,  sowohl  der 
proximalen  wie  der  distalen.  Gerade  die  Insertionssehne  —  wir  er- 
innern an  die  M.  flexor  und  extensor  carpi  ulnaris  und  vor  allem  an 
die  Zwischensehne,  welche  den  M,  flexor  indicis  sublimis  zu  einem 
M.  biventer  macht  —  schiebt  sich  sehr  oft  unglaublich  weit  in  den 
Muskelbauch  hinein;  mit  anderen  Worten  die  Länge  des  Muskel- 
bauches im  ganzen  steht  je  nach  der  Länge  der  Ursprungs-  und  An- 
satzsehne oft  im  schärfsten  Gegensatze  zu  der  Muskelbündellänge, 
wie  wir  hinterher  an  einzelnen  Fällen  nachweisen  werden.  Um  eine 
möglichst  große  Muskelbündellänge  herauszubekommen,  kann  ein  Unter- 
sucher  leicht  darauf  verfallen,  den  obersten  Punkt  des  Ursprunges 
mit  dem  untersten  des  Ansatzes  durch  eine  Diagonale  zu  verbinden. 
Je  schräger  die  Verlaufsrichtung  eines  Muskelbündels  ist,  um  so 
größer  wird  auch  der  Unterschied  in  den  Befunden  ausfallen,  als  wenn 
man  in  der  Mitte  zwischen  Ursprung  und  Ansatz,  d.  h.  parallel  den 
Muskelfasern    die  Messung   vornimmt.     Bei   einem    im    wesentlichen 


Muskelbündellänge. 


321 


querverlaufenden  Muskel,  wie  dem  M.  pronator  quadratus,  ergibt  sieb 
selbstverständlich  kein  nennenswerter  Unterschied,  gleichviel  ob  man 
nach  den  beiden  eben  erwähnten  Methoden,  der  nicht  einwandsfreien 
diagonalen,  oder  der  nach  unserer  Meinung  einzig  berechtigten^ 
parallelen  die  Bestimmung  vornimmt. 

6)  Die  Zahl  der  einzelnen  Bestimmungen  muß  sich  natürlich 
nach  der  Größe  des  Muskels  richten,  welche  sich  bei  den  kleinsten 
parallelfaserigen  Muskeln,  wie  einem  M.  lumbricalis  III  oder  IV,  auf 
2  beschränken  konnten,  während  bei  den  großen  je  nach  der  Kom- 
pliziertheit des  Aufbaues  bis  45  von  uns  gemacht  wurden  s.  M. 
flexor  digitorum  sublimis  26,  profundus  27,  subscapularis  und 
triceps  41  und  deltoideus  45.  Je  nach  der  Ausdauer  des  Unter- 
suchenden läßt  sich  die  Zahl  der  Bestimmungen  ad  libitum  erhöhen. 
Wir  haben  die  Zahlen  unserer  Maßbestimmungen  angegeben,  um 
Nachprüfenden  einen  Anhaltspunkt  für  den  Umfang  unserer  Unter- 
suchungen zu  geben. 


B.  Besondere  Bemerkungen. 

Den  größten  Unterschied  in  der  Länge  der  Muskelbündel  weist 
der  M.  triceps  auf,  dessen  fast  einheitliche  Wirkung  als  Strecker 
zwischen  Oberarm  und  Vorderarm  allgemein  anerkannt  ist,  und  dem 
Nebenwirkungen  sozusagen  nicht  zukommen.  Bei  einem  Minimum 
von  2,8  cm,  welches  noch  sehr  gut  berechnet  ist,  und  einem  Maximum 
von  10,1  cm,  welches  auch  nach  oben  hin  überschritten  werden  kann^ 
ergibt  sich  eine  Differenz  von  7,3  in  cm  und  261  in  Proz.  Der  M. 
flexor  digitorum  sublimis,  s.  in  der  Tabelle  unter  No.  16,  ergibt  bei 
den  einzelnen  Bäuchen  bei  einer  Länge  der  Muskelbündel  von  2,3  bi& 
7,7  cm  einen  Unterschied  von  5,4  in  cm  und  235  in  Proz.  Um  noch 
ein  anderes  Beispiel  anzuführen,  sei  der  unter  No.  23  zu  findende  M. 
Pronator  quadratus  erwähnt,  dessen  Auffaserung  ein  Minimum  von  1,7 
und  ein  Maximum  von  3,2  cm,  also  einen  Unterschied  von  1,5  in  cm 
und  88  in  Proz.  ergab.  Es  würde  zu  weit  führen,  noch  die  anderen 
Befunde  systematisch  oder  tabellarisch  zu  vergleichen. 


C.  Tabelle. 
(Die  Bestimmungen  sind  an  einem  kräftigen  Männerarme  gemacht.) 


Zahl  der 

Muskelbundellänge 

Unterschied 

Muskelname 

Mes- 

Durch- 

Mini- 

Maxi- 

inCenti- 

in  Pro- 

sungen 

schnitt 

mum 

mum 

meter 

zent 

1. 

M.  deltoideus 

45 

93 

7,1 

13,4 

6,3 

89 

2. 

M.  subscapularis 

41 

6,4 

4,2 

84 

4,2 

100 

3. 

M.  supraspinatus 
M.  intraspinatus 

21 

6,6 

5,6 

7,3 

1,7 

30 

4. 

21 

8,7 

7,2 

9,9 

2,7 

38 

5. 

M.  teres  minor 

10 

6,4 

4,7 

7,5 

2,8 

60 

6. 

M.  teres  major 

13 

10,8 

9 

12,6 

3,6 

40 

7. 

M.  biceps 

18 

13,6 

11,9 

15,4 

3;5 

29 

Caput  longum 

9 

12,6 

11,9 

13,6 

1,7 

14 

Caput  breve 

9 

14,5 

13,5 

15,4 

1,9 

14 

8. 

M.  coracobrachialis 

10 

7,4 

8,4 

8,3 

1,9 

33 

9. 

M.  brachialis 

22 

7,8 

4 

10,8 

68 

170 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  II,  2. 


321 


21 


322 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Zahl  der 

Muskelbündellänge 

Unterschied 

Muskelname 

Mes- 

Durch- 

Mini- 

Maxi- 

inCenti- 

in  Pro- 

sungen 

schnitt 

mum 

mum 

meter 

zent 

10. 

M.  triceps 

41 

7,7 

2,8 

10,1 

7,3 

261 

Caput  longum 

9 

9,2 

8,6 

10,1 

1,5 

17 

Caput  laterale 

11 

8,9 

7,8 

9,9 

2,1 

27 

Caput  mediale 

14 

7,8 

4,2 

9,4 

5,2 

124 

IL 

M.  anconaeus 

7 

3,5 

2,8 

4,1 

1,3 

46 

12. 

M.  Pronator  teres 

11 

5,4 

3,9 

7 

3,1 

80 

13. 

M,  flexor  carpi  radialis 
M.  palmaris  longus 

12 

5,8 

4,5 

6,7 

2,2 

50 

14. 

— 

— 

— 

15. 

M.  llexor  carpi  ulnaris 

11 

4^ 

4,5 

5,3 

0^ 

18 

16. 

M.  flexor  digitorum  sublimis 
Caput  II 

Venter  superior 
Venter  inferior 

26 

4,9 

2,3 

7,7 

5,4 

235 

10 

3,7 

2,3 

6 

3,7 

161 

5 

2,8 

2,3 

3,5 

1,2 

52 

5 

4,6 

4 

6 

2 

50 

Caput  III 

6 

5,5 

4,5 

6,9 

2,4 

44 

Caput  IV 

7 

6,4 

5,5 

7,7 

2,2 

40 

Caput  V 

3 

4,4 

4,1 

4,7 

0,6 

15 

17. 

M.  flexor  digitorum  profundus 
Caput  II 

27 

6,6 

5,5 

7,7 

2,2 

40 

7 

6,6 

6 

7,2 

1,2 

20 

Caput  III 

7 

7,1 

6,3 

7,7 

1,4 

22 

Caput  IV 

7 

6,5 

5,6 

7,6 

2 

36 

Caput  V 

6 

5,9 

5,5 

6,5 

1 

18 

18.-21. 

M.  lumbricales 

14 

5,6 

4,5 

7,2 

2,7 

60 

18. 

I 

4 

5,1 

4,5 

5;6 

1,1 

25 

19. 

II 

3 

5,2 

5,1 

5,3 

0,2 

4 

20. 

III 

4 

6,7 

6 

7,2 

1,2 

20 

21. 

IV 

3 

5,4 

5,2 

5,6 

o;4 

8 

22. 

M.  flexor  poUicis  longus 

11 

4,2 

3,4 

5,2 

1,8 

53 

23. 

M.  Pronator  quadratus 
M.  brachioraoialis 

12 

2,5 

1,7 

3,2 

1,5 

88 

24. 

7 

16,9 

13,6 

20 

6,4 

47 

25. 

M.  ext.  carpi  radialis  longus 

10 

7,6 

6,2 

10,2 

4 

65 

26. 

M.  ext.  carpi  radialis  brevis 

8 

5,6 

5 

6,2 

1,2 

24 

27. 

M.  supinator 

14 

2,7 

2,2 

31 

0,9 

41 

Caput  superficiale 

5 

2,6 

2,4 

2,8 

0,4 

17 

Caput  profundum 

9 

2,8 

2,2 

3,1 

0,9 

41 

28. 

M.  ext.  digitorum  communis 

18 

6,2 

5,2 

7,2 

2 

38 

II 

6 

6,5 

6,2 

7,2 

1 

16 

III 

6 

6,2 

5,6 

7,1 

1,5 

27 

IV 

6 

5,9 

5,2 

6,2 

1 

19 

29. 

M.  extensor  digiti  V 

7 

5,3 

5,1 

5,5 

0,4 

8 

30. 

M.  extensor  carpi  ulnaris 
M.  abductor  poUicis  longus 

9 

5,3 

4,7 

6 

1,3 

28 

31. 

8 

4,7 

4 

5,5 

1,5 

38 

32. 

M.  extensor  poUicis  brevis 

5 

4,4 

4,1 

4,7 

0,6 

15 

33. 

M.  extensor  pollicis  longus 

7 

4,7 

4,3 

5,3 

1 

23 

34. 

M.  extensor  mdicis  proprius 

6 

5,7 

4,9 

6,2 

1,3 

27 

35. 

M.  abductor  pollicis  brevis 
M.  flexor  pollicis  brevis 

6 

3,7 

3,1 

4,2 

1,1 

35 

36. 

7 

3,1 

2,6 

3,5 

0,9 

35 

37. 

M.  opponens  pollicis 
M.  adductor  pollicis 
M.  palmaris  brevis 

7 

2,6 

1,8 

3 

1,2 

67 

38. 

9 

2,7 

2,3 

3,2 

0,9 

39 

39. 

3 

1,8 

1,7 

2 

0,3 

18 

40. 

M.  abductor  digiti  V 

6 

3,9 

3,4 

4,5 

1,1 

32 

41. 

M.  flexor  brevis  digiti  V 

2 

3,5 

3,2 

3,8 

0,6 

19 

M.  opponens  digiti  V 

5 

2,2 

1,8 

2,8 

1 

55 

43.-46. 

M.  interossei  volares 

27 

2,15 

1,5 

2,6 

1,1 

73 

43. 

I 

12 

1,75 

1,6 

1,9 

0,3 

19 

44. 

II 

5 

2 

1,5 

2,3 

0,8 

53 

45. 

III 

5 

2,3 

2,2 

2,6 

0,4 

18 

46. 

IV 

5 

2,3 

2,2 

2,5 

0,3 

14 

322 


Muskelbündellänge. 


323 


Zahl  der 

Muskelbündellänge 

Unterschied 

Muskelnarae 

Mes- 

Durch- 

Mini- 

Maxi- 

in Centi- 

in  Pro- 

schnitt 

mum 

mum 

meter 

zent 

47.-50. 

M.  interossei  dorsales 

25 

2,6 

1,8 

3,5 

1,7           94 

47. 

I 

7 

3 

2,4 

3,5 

1,1 

46 

48. 

II 

6 

2,6 

2 

3 

1 

50 

49. 

III 

6 

2,1 

1,8 

2,5 

0,7 

39 

50. 

IV 

6 

2,6 

1,8 

3,5 

1,7 

94 

D.  Nutzanwendung. 

Wer  diese  Tabelle  genau  betrachtet,  wird  ohne  weiteres  er- 
kennen, daß  Muskelbündel,  welche  demselben  Muskelbauche  angehören, 
eine  fast  unglaubliche  Verschiedenheit  ihrer  Länge  besitzen  können. 
Beispielsweise  hat  der  M.  brachialis,  dem  wohl  außer  Beugung  und 
Streckung  zwischen  Vorder-  und  Oberarm  keine  andere  Wirkung  zu- 
gesprochen werden  kann,  eine  Muskelbündellänge  von  4  bis  10,8  cm, 
d.  h.  einen  Unterschied  von  6,8  in  cm  und  170  in  Proz.  Trotzdem 
haben  alle  Bündel  die  gleiche  Aufgabe,  wie  es  auch  bei  den  vorher 
erwähnten  M.  triceps  und  flexor  digitorum  sublimis  der  Fall  ist.  Wir  sind 
zu  einer  Bestimmung  des  Durchschnittes  gekommen,  um  überhaupt 
sagen  zu  können,  um  wieviel  sich  ein  Muskel  im  ganzen  verkürzen  kann. 

So  kommt  die  überraschende  Tatsache  zu  stände,  daß  derjenige 
Muskel,  welcher  einschließlich  seiner  Sehne  die  größte  Länge  besitzt, 
der  M.  extensor  digitorum  communis,  nämlich  von  41,5  cm,  nur  eine 
Länge  des  Muskelbauches  von  ca.  20  cm  besitzt.  Die  Bestimmung 
der  Muskelbündellänge  ergibt  dagegen  nur  ein  Maß  von  5,2 — 7,2  cm.  Der 
in  toto  bis  41,5  cm  lange  Muskel  vermag  demgemäß,  wenn  wir  das 
Maximum  der  Kontraktion  des  Muskel  bau  che  s  auf  die  Hälfte  der 
durchschnittlichen  Muskelbündellänge  6,2  cm  annehmen,  sich  nur  um 
3,1  cm  zurückzuziehen !  Wie  wir  bei  der  Muskelbeschreibung  erwähnt 
haben,  gehen  die  Sehnenkonjugationen  jedoch  nur  etwa  2  cm  bei 
Finger-  und  Handstreckung  gegen  das  Handgelenk  zurück,  eine  Tat- 
sache, die  man  unter  Umständen  mit  vollkommener  Klarheit  am 
Lebenden  sehen  und  abmessen  kann.  Es  kann  also  nicht  die  Länge 
des  Muskelbauches  für  den  Grad  der  höchstmöglichen  Zusammen- 
ziehung verantwortlich  gemacht  werden,  sondern  nur  die  Muskel- 
bündellänge, jedoch  mit  dem  Vorbehalte,  daß  nicht  einmal  die  Hälfte 
der  Durchschnittslänge  erreicht  zu  werden  braucht,  bei  ungefähr 
gleicher  Muskelbündellänge  nicht  einmal  die  Hälfte  des  Minimums.  Viel- 
leicht gibt  der  in  der  Tabelle  S.  331  angegebene  Befund  Aufschluß 
darüber,  mit  wiewenig  Kraft  dieser  Muskel  wirkt,  da  ja  dem  Gewichte 
der  Muskelsubstanz  das  der  Sehnensubstanz  in  Höhe  von  etwa  35  Proz. 
gegenübersteht,  er  in  der  Tabelle  S.  334  überhaupt  die  letzte 
Stelle  einnimmt. 

Bei  kompliziert  gebauten  Muskeln,  welche  in  breiterer  oder  längerer 
Fläche  von  einer  größeren  Knochenfläche  entspringen,  z.  B.  M.  triceps 
und  brachialis,  von  denen  der  erstere  ein  Minimum  von  2,8  und  ein 
Maximum  von  10,1  cm  aufweist,  und  der  letztere  ein  Minimum  von 
4,  ein  Maximum  von  10,8  cm  besitzt,  ist  bei  der  Zusammenziehung 
eine  Verkürzung  weder  der  Hälfte  des  Minimums  noch  der  des  Maxi- 
mums in  Betracht  zu  ziehen.   Es  müssen  hier  die  Bestimmungen  für 

21* 

323 


324  FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

die  ganzen  Muskeln  in  Frage  kommen,  welche  ungefähr  in  der  Mitte 
zwischen  der  Höchst-  und  Mindestlänge  liegen. 

Wir  haben  nachzuweisen  versucht,  wie  diese  Maßbestimmungen 
am  M.  biceps  und  dem  Caput  longum  des  M.  triceps  an  günstigen 
Fällen  beim  Lebenden  mit  Leichtigkeit  durch  die  Haut  hindurchzuer- 
kennen und  über  derselben  mit  dem  Centimetermaß  auszuführen  sind. 

Ein  besonderes  Interesse  verdient  der  M.  deltoideus,  von  dem 
überhaupt  unsere  Untersuchungen  ausgegangen  sind,  bei  dem  wir  in 
dem  angegebenen  Falle  ein  Minimum  von  7,1  und  ein  Maximum  von 
13,4  gefunden  haben  bei  einer  Durchschnittslänge  von  9,3  cm.  Dies 
ist  gemeinhin  so  zu  verstehen,  daß  die  Portio  acromialis  knochen- 
wärts,  d.  h.  in  der  Tiefe  des  Muskels  nur  7,1  cm  Länge  besitzt,  während 
die  hautwärts  gelegenen  Bündel  hier  eine  Länge  von  9,3  cm  haben. 
Die  Portiones  clavicularis  und  spinata  erreichen  eine  Länge  von  13,4  cm 
(und  darüber).  Außerdem  findet  sich  hier  an  beiden  Stellen  eine  lange 
Ansatzsehne,  und  nur  so  wird  es  verständlich,  daß  die  mittlere  Portion 
bei  der  Seitwärtshebung  des  Armes  von  der  vorderen  sowohl  wie  der 
hinteren  unterstützt  werden  kann,  weil  nämlich  die  größere  Ent- 
fernung zwischen  Ursprung  und  Ansatz  durch  eine  entsprechende 
Verlängerung  der  Muskelbündellänge  und  Einschiebung  einer  langen 
Endsehne  ausgeglichen  wird. 

Zu  einer  genauen  Bestimmung  der  Muskelbündellänge  wäre  es  noch 
nötig,  jedesmal  die  Länge  der  Knochen  anzugeben,  inwieweit  daraus  eine 
größere  oder  kleinere  Muskelbündellänge  sich  ergibt. 

Wir  können  leider  dies  an  unseren  4  Fällen  nicht  mehr  nach- 
träglich feststellen,  weil  wir  die  verschiedenen  Knochen  nicht  genau 
identifizieren  können.  Daß  aber  dies  nicht  gleichgültig  ist,  dürfte  fol- 
gende Tabelle  beweisen,  welche  an  den  Knochen  zweier  rechter  Arme, 
welche  unseren  Untersuchungen  zu  Grunde  gelegen  haben  —  der  Stärke 
nach  dürften  beide  von  Männern  herrühren  —  gewonnen  ist.  Die  Maße 
betragen : 


langer  Arm 

kürzerer  Arm 

Clavicula 

15 

16  (+  1) 

Scapula,  Marge  vertebralis 
Entfernung    vom    unteren    Kande    der 
Spina  bis  zur  Gelenkpfanne  (Breite 

18 

18    - 

des  Schulterblattes) 

11 

12  {+  1) 

Humerus 

33 

31  (-2) 

Eadius 

25 

24  (-1) 

Ulna 

26 

25  (- 1) 

Die  Maßbestimmungen  für  die  Handknochen  können  wir  wiederum 
wegen  der  Unmöglichkeit  der  Identifizierung  nicht  angeben,  sie  dürften  aber 
ziemlich  gleichgültig  sein,  da  die  Länge  der  eigentlichen  Handmuskeliv 
sich  fast  nur  nach  den  Metacarpalknochen  richtet,  deren  Maß  wohl 
kaum  erheblich  voneinander  abweichen  dürfte.  Jedenfalls  lehrt  aber 
die  Tabelle,  daß  beim  Schulterblatte  die  Bollmuskeln ,  welche  die 
3  Gruben  der  Scapula  ausfüllen,  bei  dem  kürzeren  Arme  vermöge  der 
größeren  Breite  des  Knochens  theoretisch  eine  größere  Muskellänge  be- 
sessen haben  müssen,  als  die  des  längeren  Armes,  während  die  am 
Oberarme  und  Vorderarme  gelegenen  Muskeln  beim  längeren  Arme  gün- 
stiger dagestanden  haben  müssen,  sicher  in  der  Länge  des  Gesamt- 
muskels und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  in  der  Länge  der  ein- 
zelnen Muskelbündel.  Der  wirkliche  Unterschied  entzieht  sich,  wie 
gesagt,  unserer  Erfahrung. 

324 


Muskelgewichte. 


325 


V.  Muskelgewichte. 

Einleitung  und  tabellarische  Bestimmungen. 

Bei  unseren  Bestimmungen  haben  wir  die  Muskeln  in  der  Art  be- 
handelt, daß  wir  möglichst  schnell  sämtliche  Muskeln  unter  den  gleichen 
Bedingungen  gewogen  haben.  Es  hat  sich  herausgestellt,  daß  trotzdem 
eine  erhebliche  Verdunstung  stattfindet,  welche  im  wesentlichen  das 
Muskelfleisch  betrifft.  Nichtsdestoweniger  müssen  wir  unsere  Präpara- 
tionsmethode als  berechtigt  hinstellen,  weil  sie  jederzeit  ohne  Schwierig- 
keit nachgeprüft  werden  kann.  Die  Muskelsubstanz  enthält  sehr  viel 
Wasser,  die  Sehnensubstanz  nur  sehr  wenig ;  bei  der  Eintrocknung  wird 
dementsprechend  die  Muskelsubstanz  eine  viel  stärkere  Schrumpfung 
erfahren,  als  wie  die  Sehne.  Am  Lebenden  sind  die  Tatsachen  besser 
verwirklicht,  welche  wir  an  der  Leiche  vorfinden:  wasserreiche  Muskel- 
substanz und  wasserarme  Sehnensubstanz.  Derselbe  Muskel,  welcher 
ohne  Eintrocknung  gewogen  und  nach  Prozenten  bestimmt  wird,  kann 
bei  der  Eintrocknung  eine  unglaubliche  Verschiebung  der  prozentualen 
Bestimmungen  ergeben.  Wir  führen  hier  nur  den  M.  brachialis  an,  welcher 
beinahe  ganz  fleischig  ist,  und  den  M.  extensor  digitorum  communis,  der 
ungefähr  zu  einem  Drittel  aus  Sehnensubstanz  besteht. 

Wir  haben  bei  unseren  Untersuchungen  absichtlich  die  beiden 
Arme  eines  muskelschwachen  Weibes  und  eines  kräftigen^)  Mannes 
gewählt,  und  aus  den  4  Bestimmungen  ein  theoretisches  Durch- 
schnittsgewicht für  einen  mittelkräftigen  Arm  herausgerechnet.  Die 
Arme,  welche  wir  nach  den  vier  einzelnen  Fällen  mit  den  römischen 
Ziifern  I,  II,  III,  IV,  kurz  bezeichnen  wollen,  ergaben  für  I  = 
schwacher  weiblicher  rechter  Arm  ein  Gesamtgewicht  von  3010  g,  für 
die  Muskulatur  einschließlich  der  Sehnen  1909 ;  für  II  =  schwacher 
weiblicher  linker  Arm  ein  Gesamtgewicht  von  2740,  für  die  Musku- 
latur von  1745;  für  III  =  starker  männlicher  rechter  Arm  ein  Ge- 
samtgewicht von  5555,  für  die  Muskulatur  von  3187  ;  für  IV  =  linker 
starker  männlicher  Arm  ein  Gesamtgewicht  von  5465  und  für  die 
Muskulatur  2689. 

Der  Abfall  durch  Knochen,  Haut  und  sonstige  Weichteüe  ist  aus 
folgender  Tabelle  zu  ersehen : 


I        1       II 

Differenz 

III      1      IV 

Weib 

Mann 

r.        1        1. 

r. 

'• 

Differenz 

Gesamtgewicht 
Abfall 

3010 
1101 

2740 
995 

270 
106 

5555 
2368 

5465 
2776 

90 
408 

Muskelgewicht 

1909 

1745 

164 

3187 

2689 

408 

Der  AbfaU  durch  Haut,  Knochen,  Gefäße,  Nerven,  Bindegewebe 
und  sonstige  Weichteile  beträgt  also  bei  den  schwachen  weiblichen 
Armen  ungefähr  1  kg ;  bei  den  starken  männlichen  Armen  ungefähr 

1)  Die  Tabellen  von  H.  Vierordt,  Jena,  G.  Fischer  1888,  S.  47  geben  bei  den 
erwähnten  Muskeln  ungefähr  die  gleichen  Gewichte  an. 


325 


326  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

2,5  kg.  Der  Unterschied  von  408  g  zu  Ungunsten  des  starken 
linken  männlichen  Armes  findet  wohl  dadurch  seine  Erklärung,  daß 
mau  fast  niemals  die  obere  Extremität  in  der  gleichen  Weise  vom 
Rumpfe  loslöst  und  zufällig  hier  am  linken  Arme  die  Weichteile  in 
größerer  Masse  abgetrennt  waren. 

Die  Muskelgewichte   einschließlich  der  Sehnen  ergaben  folgende 
Tabelle : 

rechter  männlicher  Arm  3187 
rechter  weiblicher  Arm    1909 

Diff.:  1278 

linker  männlicher  Arm    2689 
linker  weiblicher  Arm      1745 


Diff.:     944 


Im  allgemeinen  sind  die  Muskelmassen  der  schwachen  weiblichen 
Arme  um  ungefähr  1  kg  leichter  als  die  der  männlichen. 

Der  rechte  weibliche  Arm  enthält  also  nur  40,1  Proz.  der  Muskel- 
masse des  rechten  männlichen  (1278  X  100 :  3187),  oder  nach  den 
wirklichen  Gewichten  verglichen,  ist  der  rechte  männliche  Arm  um 
das  1,7-fache  schwerer  als  der  rechte  weibliche  (3187 :  1909).  Bei  den 
linken  Armen  ergeben  sich  in  gleicher  Weise  ein  Prozentunterschied 
von  35,1  Proz.  und  ein  Mehr  des  Gewichtes  um  das  1,5-fache.  Im 
einzelnen  dagegen  waren  die  Muskelgruppen  in  verschiedener  Weise 
bald  bei  den  rechten,  bald  bei  den  linken  Armen  stärker. 

Der  kleinste  Unterschied  beim  Vergleiche  der  starken  und 
schwachen  Arme  fand  sich  bei  den  Händen  im  Ganzen,  bei  welchen 
rechts  nur  ein  Mehr  um  das  1,56-fache  vorhanden  war,  während  sonder- 
barerweise der  größte  Unterschied  an  einer  einzelnen  Muskelgruppe 
der  Hand  verwirklicht  war,  nämlich  an  dem  Daumenballen  der  linken 
Arme,  wo  der  starke  Arm  um  das  3,42-fache  sich  mächtiger  erwies, 
als  der  schwache  weibliche.  Einen  prinzipiellen  Unterschied  können 
wir  einstweilen  nicht  aufstellen.  Gerade  der  Daumenballen  zeigte  beim 
Vergleiche  der  rechten  und  linken  Arme  die  größten  Unterschiede, 
nämlich  2,17  und  3,42,  also  eine  Differenz  von  1,25. 

Vergleicht  man  nunmehr  die  rechten  und  linken  Arme  unserer 
beiden  Fälle  unter  sich  selbst,  so  kommt  das  Uebergewicht  der  rechten 
noch  in  folgender  Tabelle  zum  Ausdrucke : 

rechter  weiblicher  Arm    1909 
linker  weiblicher  Arm      1745 


Diff.:     164 


rechter  männlicher  Arm  3187 
linker  männlicher  Arm    2689 


Diff.:    498 


d.  h.  die  untersuchten  Arme  ergeben  bei  dem  Weibe  ein  Mehr  von 
ungefähr  Ve  kg,  beim  Manne  von  V2  kg  zu  Gunsten  der  rechten 
Seite. 

Im  einzelnen  ergeben  unsere  Untersuchungen: 
I.  Für  die  Schultermuskeln 

326 


Muskelgewichte.  327 

1)  M.  abductores  s.  elevatores  d.  h.  M.  deltoideus,  portio  acro- 
mialis  und  M.  supraspinatus : 

R.  2,49    L.  2,67. 

2)  Auswärtsroller  i.  e.  M.  infraspinatus  und  teres  minor 

R.  2,98  L.  3,31. 

3)  Einwärtsroller  i.  e.  M.  subscapularis  und  teres  major 

R.  2,79         L.  2,76. 

4)  Beuger  i.  e,  M.  deltoideus,  portio  clavicularis,  und  M.  coraco- 
brachialis 

R.  2,28  L.  2,6. 

5)  Strecker  i.  e.  M.  deltoideus,  portio  spinata 

R.  3,8  L.  3,8. 

Im  Gesamtgewichte  der  Schultermuskeln  ergab  sich  ein  Mehr  von 
R.  2,74         L.  2,89. 

Die  Schultermuskeln  eines  kräftigen  Armes  sind  also  im 
Stande  durchschnittlich  mit  ungefähr  2,8-facher  Kraft  die  Bewegungen 
auszuführen,  als  sie  von  einem  schwachen  Arme  ausgelöst  werden 
können.  Auch  das  Uebergewicht  des  linken  kräftigen  Armes  über 
den  entsprechenden  schwachen  Arm  einer  Frau  findet  noch  nach  dem 
Tode  eine  ungezwungene  Erklärung,  indem  diese  Person  bei  Leb- 
zeiten nicht  mehr  im  stände  gewesen  sein  dürfte,  ihren  linken  Arm 
in  voller  Kraft  zu  bewegen.  Auch  bei  den  Ober-  und  Vorderarm- 
und  auch  den  Handmuskeln  kehrt  dieselbe  Erscheinung  wieder.  Die 
Unterschiede,  welche  sich  für  die  rechte  Seite  im  Gesamtgewichte  der 
Oberarmmuskeln  mit  2,64  zu  2,6,  bei  den  Streckern  am  Oberarm  mit 
2,7  zu  2,62  und  bei  den  M.  interossei  dorsales  mit  2,24  zu  2,13  er- 
geben, sind  so  unbedeutend,  daß  sie  wohl  vernachlässigt  werden 
können. 

II.  Am  Oberarme  ergibt  sich  ein  Mehr 

A.  für  das  Gesamtgewicht  von 

R.  2,68         L.  2,59. 

B.  für  die  Beuger  i.  e.  die  M.  biceps,  brachialis,  brachioradialis, 
also  ausschließlich  des  M.  coracobrachialis 

R.  2,8         L.  2,86. 

C.  für  die  Strecker  i.  e.  M.  triceps  einschließlich  des  M.  anco- 
naeus 

R.  2,7  L.  2,62. 

327 


328  FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

Die  Oberarmmuskeln,  welche  nicht  mehr  die  Gesamtmasse  der 
oberen  Extremität  zu  bewegen  haben,  von  welcher  ja  das  Schulter- 
gewicht wegfällt,  stellen  sich  also  mit  einem  Mehrdurchschnitte  von 
ungefähr  2,7  etwas  ungünstiger,  als  die  Schultermuskulatur. 

III.  Am  Vorderarme  haben  wir  zu  bemerken: 

A.  Gesamtgewicht 

R.  1,93         L.  2,1. 

B.  Beugegruppe  einschließlich  der  Pronatoren 

R.  1,9         L.  2,09. 

C.  Streckmuskeln  (ohne  M.  anconaeus) 

ß.  2,36  L.  2,75. 

D.  Supinatoren  i.  e.  die  M.  biceps  und  supinator  (brevis) 

R.  2,89         L.  3,07. 

E.  Pronatoren  i.  e.  M.  pronator  teres  und  quadratus 

R.  2,23         L.  2,57. 

F.  Fingerbeuger  i.  e.  M.  flexor  digitorum  sublimis  und  profundus 

R.  2,59  L.  2,75. 

G.  Fingerstrecker 

ß.  2,44         L.  3. 

H.  Volarflexion  der  Hand,  ausgeführt  durch  die  M.  flexor  carpi 
radialis  und  ulnaris  und  außerdem  den  M.  palmaris  longus, 

R.  2,64  L.  3,07. 

J.  Dorsalflexion  der  Hand  bei  gewöhnlicher  Anspannung  i.  e.  M. 
extensor  carpi  radialis  longus  und  brevis 

R.  2,19         L.  2,51. 

Beim  Vorderarme  ist  in  unseren  Fällen  die  linke  Seite  bevorzugt. 
Der  größte  Unterschied  liegt  zwischen  einem  Mehr  von  1,9  bis  3,07. 
Ein  schätzungsweiser  Durchschnitt  eines  Mehr  von  höchstens  2,5  dürfte 
richtig  sein. 

Auch  hier  spricht  sich  ohne  weiteres  aus,  daß  in  dem  Grade,  wie 
das  Gewicht  der  zu  bewegenden  Massen  sich  von  der  Schulter  herab 
zur  Hand  verringert,  auch  die  Mehrleistung  der  Muskeln  abnimmt. 

328 


Muskelgewichte.  329 

IV.  Hand.    Hier  haben  wir: 

A.  Gesamtgewicht  der  Handmuskeln 

R.  1,56         L.  2,06. 

B.  für  die  M.  interossei  volares 

R.  2,01  L.  2,54. 

C.  M.  interossei  dorsales 

R.  2,24         L.  2,13. 

D.  Daumenballen 

R.  2,14  L.  3,42. 

E.  Kleinfingerballen 

R.  2,45         L.  2,56. 

Wir  haben  an  der  Handmuskulatur  die  größte  Differenz  zu  beob- 
achten, welche  sich  zwischen  1,56  und  3,42  mehr  für  den  starken  Arm 
bewegt.  Die  Handmuskeln  haben  die  wichtige  Aufgabe,  bis  zu  dem 
Augenblicke,  wo  mit  der  Agonie  das  Bewußtsein  aufhört,  ihre  Funktion 
zu  erfüllen,  beispielsweise  eine  Tasse  zu  ergreifen,  oder  andere  feinere 
Bewegungen  auszuführen.  So  kann  es  nicht  wundernehmen,  daß 
die  beiden  Arme  unseres  weiblichen  Individuums  noch  eine  auffallend 
große  Menge  von  Muskelsubstanz  aufweisen.  Auch  hier  prägt  sich  in 
klarer  Weise  der  Unterschied  in  der  Durchschnittsziffer  aus,  indem 
der  kräftige  Arm  nur  ein  Mehr  von  ca.  2,2  aufweist,  weil  nämlich  die 
Handmuskeln  beim  Ergreifen  und  Festhalten  von  Gegenständen 
eine  außerordentliche  Wirkung,  haben  und  bereits  ein  schwacher  Muskel 
im  Stande  ist,  die  Arbeit  zu  leisten. 

Kurz  zusammengefaßt,  können  wir  aus  unseren  4  Fällen  folgende 
Nutzanwendung  ziehen,  daß  bei  einem  muskelkräftigen  Arme  und 
einem  schwachen  die  kräftigen  Muskeln  mit  einer  Mehrleistung  ar- 
beiten : 

I.  Schultermuskeln  2,8 
"II.  Oberarmmuskeln  2,7 

III.  Vorderarramuskeln  2,5 

IV.  Handmuskeln  2,2. 

Eine  Untersuchung  eines  Armes  von  unbekannter  Herkunft,  welche 
nach  den  von  uns  durchgeführten  Gesichtspunkten  gemacht  wird,  d.  h. 
die  Bestimmungen  der  Muskelgewichte  im  ganzen,  der  Muskel-  und 
Sehnensubstanz  im  besonderen  nach  Grammen  und  Prozenten  umfaßt, 
dürfte  auch  für  die  Feststellung  einer  pathologischen  Veränderung 
oder  einer  Varietät  Verwendung  finden  können.  Jedenfalls  sind  wir 
bei  Abweichungen,  welche  über  eine  Prozentzahl  von  10  Proz.  hinaus- 
gingen^), immer  darauf  hinausgekommen,  daß  eine  Veränderung  aus 
diesem  oder  jenem  Grunde  vorlag,  sei  es  durch  pathologische 
Atrophie,  Varietät  oder  postmortalen  Bluterguß  in  einen  Muskel 
hinein. 


1)  S.  TabeUe  S.  330  und  331,  letzte  Rubrik. 
329 


330 


FRO^SE   und   M.   FRÄNKEL, 


2  2 


g  a 


S 


"^  S  2 

S     -9 


TlJ^CO  (M  C^-^  CO        •>*  CO 

oö"-^^^■  o  r-Tfo  cTncm 


oo5,t>fo     05,     cx),««  m -^  <r>  oj 


++ I I I +    ++++++++++++ 


O'*  CD  XI 
,  rH  O  00  im"    I 

++++ 


"  O -^"rH^CO  CO  l>^CD  O  CO  i-To  O  oo" 

rH  r-l  ^  .-I  rH  (M  CO  CO  Cg  1-1 


^(MC\1(M  C^J 


C^CO( 


COC5 
050505CSC2C5O5O5 


lo  >o~io  CO  Nco  00  oTaro 


CO  CO  r>  c^co  00 1>  lO      c^  co  ^  o 
'  oTio  od  CO  CD  cvT  CO  oTc^  od  cTcT— -" 

00C33000000a-O5Q0r:-CDCOl>-00 


CO-^^QOCOi-iCOOSCD 


OOiOSOQOOOSOSÖOC-r^C 


+ 1 


'Ö'r-I  lO  <M  O  oT-M  CO^CO     I 

+  I  I  I  +  I  +  I  I 


I  O  l>  C<l  t-h"-^  O  Ö"0  cTcg  CO  r-T 

++++++++++ I I 


lO  IC  »c 

+++    I 


'CD^OSCDOOi-H-^C^CM-^OOiO 


•r^-^(MOio 


O  -^  O  lO  >o  D-  CO  r-^io  05  ojc- 


eo      ic      ooioio  '^'^  '^     >« 

CO  rH  >— I  I— (  »-(  C<1 


cvTo  cnToo  CO  t-h  c>rc<ri>  CD  r-TiQ    ,  CO  00-^ CO  lo -^  o -^cdocD  TjH  r-TTj«  oTod'-ro  un  -<* 

(M  r^  COCVJrHl-H  ^H  CO -^  t— I  1— I  rH 

+ I +++ I ++++++   ++++++ I +++++   +1 I + I ++ 


OOCO^iO 


rHCO  rH  rH  rt 


COOOOQO^I 
00  CO  CO  00  cot 
CO      cg      c<i 


^Q, 


"^"^    "^'« 


'^rH  rH,-l 


+    ++++++++++    +++++ 


++   +++ 


— I  rH(M  IC5  lO 

7+ 1 ++ 


'^-HQiOiOlOlOO 

»-HD-oOi^r-ioooi:^ 

(M  1-i  rHrn 


III  In 


?„$  ^2 


=3   CS  .2 


:s.o  o  o  g  s 


.2         00-3 

S   2   S>C3   g 
S         H         O 


•E  s 

11 

c  'S 


^^^  s 


JJ::;  c  «  o 


--■    S   ö    K  -"    O-Ä   i"    i^   ü    CL,  i-L,  üi 

■sag.s.ss.asS3Sss 


tH    CS    f 


a.ü£«8aaa.Sgüa.OHO-oo>^.„„ 

-?-S5r!!rl.i:cacSc3o>-'Cc8e3c8c>-^Saj^ 

ü   CS   OÄ   &**-  =+H 


3  s  3  q  ö 


^*s'§g§s 


3;^^ 


eS^  « 


^  S'  S'  ^  S  S  8  QQ- 


Cv]  CO '^  lO  CD  l>  Q0C5O  r-,  CVI  CO -^  10  CD 


330 


Maskelgewichte.  331 

^cfc^T'«!' O  iO  O  TjT CO  O  i-Tcj '-^"oO  CO  (M  !M      .      .  CD  .-To  lO'TjTcg'-^jrurf O  ^f    I   O      .'-^'lOCO     I   o^co     j      I 

++1+777++  I I I++I+    +111 I+++++  7  +++  +++ 

CD  o -«r-*  lO  m  oT  00  CD  CO  oTt}*  CO  c- i^^odo    "ooo -*'inTjr-rjri>rrt'"o":rT-''"  I  cd    •ooq--'"oocd  iocm" 
ic  oo~i>^o  »o  ©  o  cö"oo  oo"o"cD  c^-*  cTcTt^-^cD"   ■  i>^>o  io"(m"cs  lO  irT-^io  otf  I  co"co"oo  o  co^i-To  lo'o  »c  cvT 

«  ^  ^  ^Cg  ^00  <-•  ^i-<        COCOCOCgCD        im  cm  r-t  OJ  «-i  ^        ^  ^  1-H  (M  <M  fO  <M  CM  ^  <M  (M  >-• 


r- t^oo  tvSosooooscsSooöicD  mt^S    '  o  x>t-SÄÄ6-ooooo500    '05      ®  m  co  i>- o  00  00 1>  oo 

C.CO  »Or-OJ^i-i^       CO        Cvl_CMCM,CO        COCvJ^^OO  "^.t^       "^„   I   '^•^"^       c^'^       '^  »^_ 

,£^^'~->J"oiooo  coco:oar-<*cvrcoorc7rc<rco    *CM -^^|^^I-H  io-^»oo  — r  I  cocOi-TioccczfO'i'o  »oi>         *    "    ' 

CZ3  00  00  CJi  D- O  C- 00  05  C5  00  00  05  XI  CD  CD  C- 00        C^  r- 00  C^  00  00  05  00  05  05        00  00  l>- I>- CD  C- 00  00  00  D- 00 
lO        iO-^OJ»OCVJ,iCO        lOUTMO  »O        CM"-"         IfliniOlOOO  C-^  kO>OCO 

O— '00Ö~0  Öl-HO  O'MO'Or-r  I  cg01Tl<.-3"f-((M"Oi-iOrHC30    I  o~  I  cT    •    I  o    I     I  ooo    II  ... 

++ I  +  I  II ++ I  I  +  I +   ++ I ++ I  I  I  I +++   +1      +      ++  I 

lO      o  »coi-<,i-^,io      iq.     uri^ioio  »o      QOtjj^     "^"^     "^'Q.       i  "^  "^      "^     "^"^ 

CD  o  co"o  o  o  o  •<j'*'-i  cm"  CO  to^i-Too -^  CD  i>-    •  —T'tji  o  00  i-H  r-Tof  i-i  r-To  <M   I  o    ■  i-H  1-1  th  ö  >-•  cm"  1-1  i-Tö"       ■    ■    ■ 

»o 

CO  00  CO  CM  CM  »H^Cr— I  CD  i-T    I   i-To  >-H  O  rH  O  O  CM  rH"i-H  O  ■  CO  <S 


lO        lOi-HCM        00        lOlClO        lOkOiO  lO        00-1       '^       "^  t^OQ.  ""i,"^       "^       <H 

CO-Hi-TcDO     .  CTCM  O -<*'i-ri>  CM^i-T^'cD  lO  CM  i-H     l-^Oi-HOCMOI'-i     lOCM     ,>-hOO|  O  i-h  O     |      | 

+IIII     l+l"+l+  +I++I    + I + I ++  +  +1    +1+   +++ 

lO        »0  0>I>,0»,       lO        lO        V0_l0^ißl0        »C^       »O        CM  CD  lO  O^  CO        lO         »C^t-^iO  '^"^ 

o  05  cTi-T i-Ti-Ti-i  o  lo  cm"s5  aT-n'i-H -^lo  o    •  r-Too  od oo  cd  os  co  oo  co  otfco  i-h  c5"  •  i-Ti-i  i-Tcm  r-To  m -^co 

CMi-HCM  CM  T-H  CD  CM  CO  CM  CO  i-"  -H  rH  ^  i-H  r^  rH 

00  4q_05  I>  lO  iO_       '^'^  "^       "^"^"^       '^       C^iOCOlOO        C^  C]»OiO 

•*  00  C5  rH^f-^Ö  O  Cm"^"|>  C^'rH  .^  00  OS  05  00  CM      .  00  00  00"l>-  00"oO''oo'~CD  cTcD  rH''l>r^'"cM"o~M  Cm'cm  -h  O  ^"co" 
CO  •— t  1— I  CM  T— I  D- "*  CO  CM  CO  1-H  CM  i-H  rH  rH 

lO        lO  1— I  "^"^  "^       "^  "^       »O  C^  00  IC  O  lO 

00  CM  1-H  O     I   OO  1-H  rH  lO  Ctf  I>  CO     I   -«f  00  O  CO  00  tH  I>-     I   CM     I   rH     1   O  rH  cTo  CM         rHÖ~0"    1      I   OO     I       I 

+111    II+I++I++I+    11+  ++    l+I+l'+l+     ++ 

l>  "*  •>*  CM^CM  CM  rH  lO  CD  lO  CM  in  CO  O  00  rH  IV.     .  00  CM  TJi  CM  l>  O  OS  C5  C-'OS  00  rH  i-H      .  Cm'cm  CM^CO^Cm'cm"  »  CO -* 
CM  CM  CQ  CM  —  CD  00 -^  OJ  iC        CM  i-H  r^  CM  CM        i-H  r-i         ,— i  ,— i 

._  „         ._       ,  rH  rH  O]  CA  O  O  C3S  D- O  I>^rH  OS  rn'co'r-H' CO  00  cm" CO  CO  CD  ■<# 

l-HCOCMl-HrH  1—t  1—1  ,— ( 


-  - 

CM  CM  CM  CM  CM  CM  CM  CM  CM  CM  CO  CO  CO  00  CO  CO  CO  CO  S  00  ■^  ■<*  ^ -^  5  ■<*' Tj«  Tjt  •§! -«t  S    lO  >0  lO 


331 


332 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Vier  Tabellen  über  die  Reihenfolgen  de 


I.  Rechter  weiblicher  Arm 

II.  Linker  Arm  derselben  weib- 
lichen Leiche 

I. 

IL 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

VII 

VllL 

1. 

M.  triceps 
M.  deltoideus 
M.  subscapularis 

159 

142 

1. 

2. 

145 

128 

— 

2. 

3. 

TOT" 

88 

3. 

4. 

M.  brachialis 

67 

60 



4. 

5. 

M.  infraspinatus 

60 

53 

— 

5. 

6. 

M.  teres  major 

60 

52 



6. 

7. 

M.  biceps 

58 

48 

— 

7. 

8. 

M.  flexor  digitorum  prof. 

52 

46 

— 

8. 

9. 

M.  flexor  digitorum  sublimis 

43 

32 



9. 

10. 

(13) 

M.  supraspinatus 
M.  brachioradialis 

35 

32 

M.  extensor  carpi  rad.  long. 

(12) 

10. 

11. 

^2— 

18 

11. 

12. 

(11) 

M.  extensor  carpi  radial,  long 

22 

17 

M.  coracobrachialis 

(16) 

12. 

13. 

(14) 

M.  extensor  digit.  communis 

22 

17 

M.  brachioradialis 

(11) 

13. 

14. 

(15) 

M.  Pronator  teres 

20 

17 

M.  extensor  digit.  communis 

(13) 

14. 

15. 

(16) 
(12) 

M.  extensor  carpi  rad.  brev. 

20 

16 

M.  Pronator  teres 

(14) 

15. 

16. 

M.  coracobrachialis 

18 

15 

M.  extensor  carpi  rad.  brev. 

(15) 

16. 

17. 

M.  teres  minor 

18 

15 



17. 

18. 

M.  flexor  carpi  ulnaris 

18 

15 



18. 

19. 

M.  flexor  carpi  radialis 

15 

12 

— 

19. 

20. 

(21) 

M.  supinator 

15 

11 

M.  flexor  pollicis  longus 

(23) 

20. 

21. 

(22) 

M.  extensor  carpi  ulnaris 
M.  abductor  pollicis  longus 

12,5 

10 

M.  anconaeus 

(26) 

21. 

22. 

(23) 

12 

10 

M.  supinator 

20 

22. 

23. 

(20) 
(25) 

M.  flexor  pollicis  longus 
M.  adductor  pollicis 

11,5 

5 

M.  extensor  carpi  ulnaris 
M.  adductor  pollicis 

(21) 
(24) 

23. 

.24. 

8 

10     ' 

24. 

25. 

(26) 

M.  interosseus  dorsalis  I. 

7 

6 

M.  interosseus  dorsalis  I 

(25) 

25. 

26. 

(24) 

M.  anconaeus 

6 

6 

M.  extensor  pollicis  longus 

(29) 

26. 

27. 

(29) 

M.  Pronator  quadratus 

5,5 

5,5 

M.  abductor  pollicis  longus 
M.  palmaris  longus 

(22) 

27. 

28. 

(35) 

M.  abductor  poUicis  brevis 

5,5 

5,5 

(30) 

28. 

29. 

(27) 

M.  extensor  pollicis  longus 

5,25 

3 

M.  Pronator  quadratus 

27) 

29. 

30. 

(28) 

M.  palmaris  longus 

5 

3 

M.  interosseus  dorsalis  II 

(34) 

30. 

31. 

(32) 

M.  extensor  digiti  V 

5 

3 

M.  extensor  indicis  proprius 
M.  extensor  digiti  V 

(33) 

31. 

32. 

(36) 

M.  flexor  pollicis  brevis 

4,5 

3 

(31) 

32. 

33. 

(31) 

M.  extensor  indicis  proprius 
M.  interosseus  dorsalis  II 

4 

5 

M.  abductor  digiti  V 

M.  interosseus  dorsalis  III 

(38) 

33. 

34. 

(30) 

4 

2,5 

(36) 
(28) 

34. 

35. 

(37) 

M.  opponens  pollicis 

3,5 

2,5 

M.  abductor  pollicis  brevis 
M.  flexor  pollicis  brevis 

35. 

36. 

(34) 

M.  interosseus  dorsalis  III 

3,5 

2 

(32) 

36. 

37. 

(39) 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

2,75 

2 

M.  opponens  pollicis 

(35) 

37. 

38. 

(33) 

M.  abductor  digiti  V 

2,5 

2 

M.  opponens  digiti  V 

(39) 

38. 

39. 

(38) 

M[.  opponens  digiti  V 

2,2 

1 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

(37) 

39, 

40. 

(43) 
(40) 

M.  interosseus  volaris  IV 
M.  extensor  pollicis  brevis 

2 

1 
1 

M.  extensor  pollicis  brevis 
M.  interosseus  volaris  II 

(41) 
(42) 

40. 

41. 

1,5 

41. 

42. 

(41) 

M..  interosseus  volaris  II 

1,5 

1 

M.  interosseus  volaris  III 

(43) 

42. 

43. 

(42) 

M.  interosseus  volaris  III 

1,5 

l 

M.  interosseus  volaris  IV 

(40) 
(44) 

43. 

44. 

(44) 

M.  lumbricalis  I 

1 

0,9 

M.  lumbricalis  I 

44. 

45. 

(46) 

M.  lumbricalis  III 

1 

0,8 

M.  lumbricalis  II 

(50) 
(45 
(46) 

45. 

46. 

(47) 

VI.  flexor  brevis  digiti  V 

1 

0,75 

M.  lumbricalis  III 

46. 

47. 

(48) 
[50) 

VL.  interosseus  volaris  I 

1 

0,5 

Hypothet.M.flex.  brev.dig.  V 

47. 

48. 

M.  lumbricalis  IV 

0,8 

0,4 

M.  interosseus  volaris  I 

(47) 

48. 

49. 

49)  M.  palmaris  brevis 

0,7 

M.  palmaris  brevis 
M.  fumbricaUs  IV 

(49) 

49. 

50. 

45) 

M,  lumbricalis  II 

0,5 

0,8 

(48) 

50. 

332 


Muskelgewichte. 


333 


Armmuskeln  nach  ihren  Gewichten. 


III.  Rechter  männücher  Arm. 

IV.  Linker  Arm  derselben  männ- 
lichen Leiche 

I. 

II. 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

VII.  VIII. 

1. 

M.  triceps 

442 

388 

_ 

1. 

2. 

M.  deltoideus 
M.  subscapularis 

405 

384 

— 

2. 

3. 

Ö51 

äiä 

3. 

4. 

(5) 

M.  teres  major 

210 

130 

M.  infraspinatus 

{§ 

4. 

5. 

(6) 

M.  biceps 

185 

175 

M.  teres  major 

5. 

6. 

(4) 

M.  infraspinatus 

182 

155 

M.  biceps 

(5) 

6. 

7. 

M.  brachialis 

156 

138 

— 

7. 

8. 

M.  flexor  digit.  prof. 

115 

100 

— 

8. 

9. 

M.  flexor  digit.  subl. 

91 

90 

9. 

10. 

(11) 

M.  brachioradialis 

80 

71 

M.  supraspinatus 

(11) 

10. 

11. 

(10) 
(14) 

M.  supraspinatus 
M.  teres  minor 

72 

65 

M.  brachioradialis 

M.  extensor  digit.  communis 

(10) 
(14) 

11. 

12. 

50 

50 

12. 

13. 

M.  flexor  carpi  ulnaris 

50 

46 

— 

13. 

14. 

(12) 

M.  extensor  digit.  communis 

50 

45 

M.  teres  minor 

(12) 

14. 

15. 

(18) 

M.  extensor  carpi  radial,  long. 

45,5 

45 

M.  extensor  carpi  rad.  brevis 

(18) 

15. 

16. 

M.  coracobrachialis 

42 

39 

— 

16. 

17. 

M.  Pronator  teres 

42 

38 

— 

17. 

18. 

(15) 

M.  extensor  carpi  rad.  brevis 

37,5 

32 

M.  extensor  carpi  rad.  longus 

(15) 

18. 

19. 

M.  flexor  carpi  radialis 

33 

30 

— 

19. 

20. 

(21) 

M.  extensor  carpi  ulnaris 

31 

25 

M.  flexor  polücis  longus 

(21) 

20. 

21. 

(20) 

M.  flexor  pollicis  longus 

26 

24 

M.  extensor  carpi  ulnaris 

(20) 

21. 

22. 

M.  supinator 

26 

23 

— 

22. 

23. 

Im.  abäuctor  pollicis  longus 
M.  adductor  pollicis 

22 

22 

— 

23. 

24. 

17,5 

18 

24. 

25. 

(31)|M.  anconaeus 

(25)  M.  Pronator  quadratns 

15 

16 

M.  Pronator  quadratus 

(26) 

25. 

26. 

15 

12,5 

M.  interosseus  dorsalis  I 

(27) 

26. 

27.1(26)  iM.  interosseus  dorsalis  I 

13 

12 

M.  extensor  digiti  V 

(28) 

27. 

28.1(27) 

M.  extensor  digiti  V 

M.  extensor  pollicis  longus 

11 

11 

M.  abductor  digiti  V 

(35) 

28. 

29.1 

10,5 

10,5 

— 

29. 

30.  (32) 

31.  (34) 

M.  extensor  indicis  proprius 

10 

9,5 

M.  anconaeus 

(25) 

30. 

M.  opponens  pollicis 

10 

9 

M.  extensor  indicis  proprius 

(31) 

31. 

32.  (36)  M.  eitensor  pbllicis  brevis 

9 

9 

M.  abductor  pollicis  brevis 

(34) 

32. 

33.  (33)|M.  abductor  pollicis  brevis 

34.  (28)1  M.  abductor  digiti  V 

9 

9 

M.  opponens  pollicis 
M.  palmaris  longus 
M.  flexor  pollicis  brevis 

(32; 

33. 

9 

8 

(36) 

34. 

35.!(34):M.  palmaris  longus 

8 

7,5 

(35) 

35. 

36. 

(35)  M.  flexor  pollicis  brevis 

7 

7 

M.  extensor  pollicis  brevis 

(33) 

36. 

37. 

M.  interosseus  dorsalis  II 

6,5 

6 

— 

37. 

38. 

M.  interosseus  dorsalis  III 

6 

6 

— 

38. 

39. 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

4 

4 



39. 

40. 

(42) 
(40) 

M.  opponens  digiti  V 
M.  interosseus  volaris  III 

3,5 
3,5 

3,5 

M.  interosseus  volaris  III 
M.  lumbricalis  I 

(41) 
(44) 

40. 

41. 

2,5 

41. 

42. 

(43) 

M.  interosseus  volaris  II 

3 

2,5 

2,5 

M.  opponens  digiti  V 
M.  interosseus  volaris  II 

(40) 
(42) 

42. 

43. 

(44)  |M.  interosseus  volaris  IV 

"2^ 

43. 

44. 

(41) 

M.  lumbricaUs  I 

2 

2,5 

M.  interosseus  volaris  IV 

(43) 

44. 

45. 

M.  lumbricalis  II 

2 

2 

45. 

46. 

(50) 
(46) 

M.  palmaris  brevis 
M.  lumbricalis  III 

1,7 

2 

M.  lumbricalirill 

(47) 

46. 

47. 

1,5 

2 

M.  interosseus  volaris  I 

(49) 

47. 

48. 

M.  flexor  brevis  digit.  V 

1,5 

1,2 

Hypothet.  M.  flex.  brev.  dig.  V 
M.  lumbricalis  IV 

48. 

49. 

(47) 

M.  interosseus  volaris  I 

1,2 

1,1 

(50) 

49. 

50. 

(49) 

M.  lumbricalis  IV 

1 

1 

M.  palmaris  brevis 

(46) 

50. 

333 


334 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 


Die  Rubriken  der  linken  Seite  (Frauenarme),  s.  S.  332,  enthalten: 

I.  die   Ziffern    1—50   in   der  Reihenfolge  der  Gewichte  der  Muskeln   des 
rechten  Armes;  \ 

II.  in  Klammern  die  Nummern,  unter  denen  die  entsprechenden  Muskeln 
des  linken  Armes  zu  finden  sind; 

III.  die  Muskelnamen  des  rechten  Armes; 

IV.  die  Muskelgewichte  des  rechten  Armes; 
V.  Die  Muskel  gewichte  des  linken  Armes; 

VI.  die  Muskelnamen  des  linken  Armes; 
VII.  in  Klammern  die  Nummern,   unter  denen   die  entsprechenden  Muskeln 

des  rechten  Armes  zu  finden  sind; 
VIII.  die   Ziffern  1—50   in   der  Reihenfolge   der  Gewichte   der  Muskeln    des 
linken  Armes. 

Die  Rubriken  der  rechten  Seite,  s.  S.  333,  entsprechen  denen  der  linken,  nur 
daß  es  sich  um  die  beiden  Arme  einer  kräftigen  männlichen  Leiche  handelt. 

In  erfreulicher  Weise  stellte  sich  sowohl  bei  den  schwachen  wie  den  starken 
Armen  eine  Uebereinstimmung  in  den  Muskelgewichten  ein.  Als  sehr  starke  Mus- 
keln bezeichnen  wir  solche,  welche  bei  den  schwachen  Frauenarmen  über  125,  bei 
den  kräftigen  Männerarmen  über  375  g  wiegen,  als  starke  diejenigen,  welche  über 
30  bezw.  60  hinausgehen,  als  mittelstarke  diejenigen,  welche  sich  zwischen  10—30 
bezw.  20—60  halten;  als  schwache,  deren  Grenzen  zwischen  2—10  bezw.  3 — 20  liegen, 
und  als  sehr  schwache  Muskeln  mit  weniger  Gewicht,  als  2  bezw.  3  g.  Die  Grenzen 
der  einzelnen  Gruppen  sind  an  verstärkten  Linien  zu  erkennen. 


Reihenfolge  der  Armmuskeln  nach  den  Prozenten  an  Muskel- 
substanz. 


Proz. 

Proz. 

1. 

2 
3! 
4. 

M.  palmaris  brevis 

M.  opponens  pollicis 

M.  teres  major 

M.  brachioradialis 

M.  Pronator  quadratus 

M.  brachialis 

M.  supinator 

M.  deltoideus 

M.  subscapularis 

M.  supraspinatus 

M.  abductor  pollicis  longus 

100 
97,4 
96,4 
95,8 
94,3 
94,2 
93,6 
92,4 
92,1 
91,9 
90,9 

26. 

27. 
28. 
29. 

M.  flexor  brevis  digiti  V 

M.  lumbricalis  III 

M.  flexor  pollicis  longus 

M.  extensor  carpi  radialis  brevis 

83,3 
83,1 
82,6 
80,3 

5. 
6. 

7. 

8. 

9. 
10. 
11. 

30. 
31. 
32. 
33. 
34. 
35. 
36. 
37. 
38. 
39. 
40. 
41. 
42. 
43. 
44. 

M.  extensor  indicis  proprius 

M.  extensor  pollicis  brevis 

M.  interosseus  dorsalis  II 

M.  flexor  carpi  radialis 

M.  opponens  digiti  V 

M.  interosseus  dorsalis  III 

M.  lumbricalis  I 

M.  flexor  digitorum  sublimis 

M.  extensor  carpi  ulnaris 

M.  lumbricalis  II 

M.  palmaris  longus 

M.  teres  minor 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

M.  interosseus  volaris  III 

M.  interosseus  volaris  IV 

78,9 
78,1 
78,1 
77,9 

77,7 
77,4 
76,5 

12. 
13. 
14. 
15 
16. 
17 
18 
19! 

M.  abductor  pollicis  brevis 

M.  infraspinatus 

M.  coracobrachialis 

M.  extensor  carpi  radialis  longus 

M.  Pronator  teres 

M.  triceps  +  M.  anconaeus 

M.  biceps 

M.  adductor  pollicis 

M.  lumbricalis  IV 

M.  abductor  digiti  V 

M.  interosseus  dorsalis  I 

M.  extensor  pollicis  longus 

M.  flexor  pollicis  brevis 

M.  flexor  digitorum  profundus 

89,4 
89,3 
88,6 
88,1 
87,7 
87,5 
87,2 
87,2 
85,9 

mfi 

84,6 
83,5 
83,4 
83,3 

75,9 
74,2 
73,7 
72,9 
72:2 
71,7 
71,1 
70 

20. 
2L 
22. 
23. 
24. 
25. 

45. 
46. 
47. 
48. 
49. 

M.  extensor  digiti  V 

M.  flexor  carpi  ulnaris 

M.  interosseus  volaris  I 

M.  interosseus  volaris  II 

M.  extensor  digitorum  communis 

66,8 

65,8 

65 

63,4 

63,1 

334 


Muskelgewichto. 


335 


Die  50  Armmuskeln  an  unseren  4  Fällen  nach  dem  wahren  Gewichte 
ihrer  Muskelflubstanz. 

(Die  Abkürzungen  bedeuten  beispielsweise  unter  I.  w.  r.  ==  weibhcher  rechter, 
unter  IV.  m.  1.  =  männlicher  linker  Arm.) 


I. 

IL 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

w.  r. 

w.  1. 

m.  r. 

m,  i. 

Sa. 

Er- 
gebnis 

1. 

M.  deltoideus 

131,4 

116 

386 

365,8 

999,2 

2 

2. 

M.  subscapularis 

96 

77 

236 

202 

611 

3 

Q 

M.  supraspinatus 
M.  infraspinatus 

32,7 

29 

65 

66 

192,7 

10 

I 

53,5 

46 

169 

166,5 

336 

7 

5. 

M.  teres  minor 

16 

13 

42,5 

39,6 

111,1 

12 

(j. 

M.  teres  major 

58 

49,5 

205 

168 

480,5 

4 

7. 

M.  biceps 

50 

40 

165,5 

139 

394,5 

6 

8. 

M.  coracobrachialis 

15,5 

15 

38 

35 

103,5 

14 

9. 

M.  brachialis 

02,7 

55 

150 

131,5 

399,2 

5 

10. 

M.  triceps 

138 

127,25 

405,7 

344 

1014,95 

1 

11. 

M.  anconaeus 

4,25 

5,5 

14,2 

15 

38,95 

25 

12. 

M.  Pronator  teres 

M.  flexor  carpi  radialis 

M.  palmaris  longus 

16,5 

14 

38,5 

34 

103 

15 

13. 

11,2 

10,5 

26,5 

23 

71 

20 

14. 

3,7 

(3,7) 

6 

5,5 

18,9 

34 

15. 

M.  tlexor  carpi  ulnaris 

11 

8,5 

36 

30 

85,5 

18 

16. 

M.  flexor  digitorum  sublimis 

29,5 

22,65 

75,5 

71,5 

199,15 

9 

17. 

M.  flexor  digitorum  profundus 

36,7 

32,3 

95 

80 

244 

8 

18. 

M.  lumbricalis  1 

0,8 

0,6 

1,8 

1,9 

5,1 

44 

19. 

M.  lumbricalis  II 

0,4 

0,5 

1,5 

1,7 

4,1 

47 

20. 

M.  lumbricalis  III 

0,8 

0,7 

0,9 

1,9 

4,3 

45 

21. 

M.  lumbricalis  IV 

0,6 

0,39 

0,7 

1 

2,69 

50 

22. 

M.  flexor  poUicis  longus 

9 

9 

22,5 

20,5 

61 

21 

23. 

M.  Pronator  quadratus 

5 

4,9 

14,5 

15 

34,5 

26 

24. 

M.  brachioradialis 

20,5 

16,5 

77 

62,5 

176,5 

11 

25. 

M.  extensor  carpi  radialis  longus 

18,5 

15,75 

40,5 

29 

103,75 

13 

26. 

M.  extensor  carpi  radialis  brevis 

15,6 

11 

31,5 

38,5 

96,6 

16 

27. 

M.  supinator 

14 

9,5 

24 

21,5 

79 

19 

28. 

M.  extensor  digitorum  communis 

13,5 

10,5 

33 

31,5 

88 

17 

29. 

M.  extensor  digiti  V 

3 

2 

8 

8 

21 

32 

30. 

M.  extensor  carpi  ulnaris 
M.  abductor  pollicis  longus 

9,2 

7,3 

23 

18,2 

57,7 

22 

31. 

9 

8 

18.5 

18,6 

54,1 

23 

32. 

M.  extensor  pollicis  brevis 

1 

0,85 

7 

6 

14,85 

37 

33. 

M.  extensor  pollicis  longus 

4,25 

4,4 

8,5 

9 

26,15 

28 

34. 

M.  extensor  indicis  proprius 

3 

2,5 

8,5 

6,5 

20,5 

33 

35. 

M.  abductor  pollicis  brevis 
M.  flexor  pollicis  brevis 

4,5 

2,3 

8,5 

8 

23,3 

31 

36. 

3,5 

2,25 

6 

6 

17,75 

35 

37. 

M.  opponens  pollicis 

3,5 

2 

9,5 

8,5 

23,5 

30 

38. 
39. 

M.  adductor  pollicis 
M.  palmaris  brevis 

6,8 
0,7 

5 
0.5 

16 
1,7 

16 

1 

43,8 
3,9 

24 

48 

40. 

M.  abductor  digiti  V 

2 

2,6 

7,5 

10,3 

24,4 

29 

41. 

M.  flexor  brevis  digiti  V 

0,8 

(0,8) 

1,3 

(1,3) 

4,2 

46 

42. 

M.  opponens  digiti  V 

1,8 

1,9 

2,5 

1,5 

7,7 

40 

43. 

M.  interosseus  volaris  I 

0,6 

0,55 

0.9 

1 

3,05 

49 

44. 

M.  interosseus  volaris  II 

1 

0,7 

2 

1,5 

52 

43 

45. 

M.  interosseus  volaris  III 

1 

0,6 

2,75 

2;75 

7,1 

41 

46. 

M.  interosseus  volaris  IV 

1,2 

0,8 

2 

1,5 

5,5 

42 

47. 

M.  interosseus  dorsalis  I 

5,8 

5 

11 

10 

31,8 

27 

48. 

M.  interosseus  dorsalis  II 

3 

2,6 

5,2 

5 

153 

36 

49. 

M.  interosseus  dorsalis  III 

3 

212 

A% 

4,5 

m 

38 

50. 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

1,75 

1 

3,5 

3,5 

9,75 

39 

335 


336 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


Armmuskeln  nach  unserer  gewöhnlichen  Reihenfolge  mit  A 

n  g  a  b  e 

des  Platzes,  den  sie  ihrem  Gewicht 

e  nach 

einnehmen. 

Fall 

No. 

Muskelname 

Sa. 

Durch- 

schnitt 

I 

II 

ni 

IV 

1 

M.  deltoideus 

2 

2 

2 

2 

8 

2 

2 

M.  subscapularis 

3 

3 

3 

3 

12 

3 

3 

M.  supraspinatus 
M.  infraspinatus 

10 

10 

11 

10 

41 

lOV* 

4 

5 

5 

6 

4 

20 

5 

5 

M.  teres  minor 

17 

17 

12 

14 

60 

15 

6 

M.  teres  major 

6 

6 

4 

5 

21 

5V4 

7 

M.  biceps 

7 

7 

5 

6 

25 

6V4 

8 

M.  coracobrachialis 

16 

12 

16 

16 

60 

15 

9 

M.  brachialis 

4 

4 

7 

7 

22 

5V2 

10 

M.  triceps 

1 

1 

1 

1 

4 

1' 

11 

M.  anconaeus 

26 

24 

25 

31 

106 

267» 

12 

M.  Pronator  teres 

M.  ilexor  carpi  radialis 

14 

15 

17 

17 

63 

lö»! 

13 

19 

19 

19 

19 

76 

19  * 

14 

M.  palmaris  longus 

M,  flexor  carpi  ulnaris 

M.  flexor  digitorum  sublimis 

30 

28 

26 

32 

126 

31Va. 

15 

18 

18 

13 

13 

62 

15% 

16 

9 

9 

9 

9 

36 

9 

17 

M.  flexor  digitorum  profundus 
M.  lumbricalis  I 

8 

8 

8 

8 

32 

8 

18 

44 

44 

44 

41 

173 

43V* 

19 

M.  lumbricalis  II 

50 

45 

45 

45 

185 

46V! 

20 

M.  lumbricalis  III 

45 

46 

47 

46 

184 

46 

21 

M.  lumbricalis  IV 

48 

50 

50 

49 

197 

49V, 

22 

M.  flexor  poUicis  longus 

23 

20 

21 

20 

84 

21  * 

23 

M.  pronator  quadratus 
M.  brachioradialis 

27 

29 

26 

25 

107 

267, 

24 

11 

13 

10 

11 

45 

iiv! 

25 

M.  extensor  carpi  radialis  longus 

12 

11 

15 

18 

56 

14^* 

26 

M.  extensor  carpi  radialis  brevis 

15 

16 

18 

15 

64 

16 

27 

M.  supinator 

20 

21 

22 

22 

85 

217, 

28 

M.  extensor  digitorum  communis 

13 

14 

14 

12 

53 

i3v; 

29 

M.  extensor  digiti  V 

31 

32 

29 

27 

119 

29» 

30 

M.  extensor  carpi  ulnaris 
M.  abductor  pollicis  longus 

21 

22 

20 

21 

84 

21 

31 

22 

23 

23 

23 

91 

227, 

32 

M.  extensor  pollicis  brevis 

41 

40 

33 

37 

151 

37% 

33 

M.  extensor  pollicis  longus 

29 

27 

30 

30 

116 

29 '' 

34 

M.  extensor  mdicis  proprius 

33 

31 

31 

32 

127 

3174 

35 

M.  abductor  pollicis  brevis 
M.  flexor  pollicis  brevis 

28 

35 

34 

33 

130 

32  Vi, 

36 

32 

36 

36 

35 

139 

347! 

37 

M.  opponens  pollicis 
M.  adductor  pollicis 
M.  palmaris  brevis 

35 

37 

32 

34 

138 

34^ 

38 

24 

25 

24 

24 

97 

24V 

39 

49 

49 

46 

50 

194 

48V. 

40 

M.  abductor  digiti  V 

38 

33 

35 

33 

139 

347 

41 

M.  flexor  brevis  digiti  V 

46 

47 

48 

48 

191 

477, 

42 

M.  opponens  digiti  V 

39 

38 

40 

42 

159 

397, 

43 

M.  interosseus  volaris  I 

47 

48 

49 

47 

191 

477* 

44 

M.  interosseus  volaris  II 

42 

41 

42 

43 

168 

42  * 

45 

M.  interosseus  volaris  III 

43 

42 

42 

43 

170 

427.. 

46 

M.  interosseus  volaris  IV 

40 

43 

43 

44 

170 

42«/ 

47 

M.  interosseus  dorsalis  I 

25 

26 

27 

26 

104 

26 

48 

M.  interosseus  dorsalis  II 

34 

30 

37 

37 

138 

34V2 

49 

M.  interosseus  dorsalis  III 

36 

34 

38 

38 

146 

36V^ 

50 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

37 

39 

39 

39 

154 

38v: 

Die  Rubriken  enthalten  (links): 
I.  die  Ziffern  1—50; 
II.  die  Muskelnamen; 

III.  Platz  beim  rechten  Frauenarme; 

IV.  Platz  beim  linken  Frauenarme; 


V.  Platz  beim  rechten  Männerarme; 
VI.  Platz  beim  linken  Männeranne; 
VII.  Summe  aus  den  4  Bestimmungen ; 
VIII.  Durchschnitt  derselben. 


336 


Muskelgewichte. 


337 


Armmuskeln  in  der  ßeihenfolge  nach  dem  Durchschnitte  unserer 
4  Bestimmungen. 


I 

II 

III 

IV 

V 

VI 

Keihen- 

folge 

Muskelname 

No. 

Sa. 

Dif. 
ferenzen 

1 

M.  triceps 

10 

4 

1 

_ 

2 

M.  deltoideus 

1 

8 

2 



3 

M.  subscapularis 

2 

12 

3 



4 

M.  infraspinatus 

4 

20 

5 

1 

5 

M.  teres  major 

6 

21 

ÖV4 

2 

6 

M.  brachialis 

9 

22 

5% 

3 

7 

M.  biceps 

7 

25 

6v! 

2 

8 

M.  flexor  digitorum  profundus 

17 

32 

8 



9 

M.  flexor  digitorum  sublimis 

16 

36 

9 



10 

M.  supraspinatus 

3 

41 

10^/4 

2 

11 

M.  brachioradialis 

24 

45 

IIV 

3 

12 

M.  extensor  digitorum  communis 

28 

53 

13V 

2 

13 

M.  extensor  carpi  radialis  longus 

25 

56 

14 

7 

14 

M.  teres  minor 

8 

60 

15 

5 

15 

M.  coracobrachialis 

5 

60 

15 

4 

16 

M.  flexor  carpi  ulnaris 

15 

62 

15V, 

5 

17 

M.  Pronator  teres 

12 

63 

157! 

3 

18 

M.  extensor  carpi  radialis  brevia 

26 

64 

16 

3 

19 

M.  flexor  carpi  radialis 
M.  flexor  pollicis  longus 

13 

76 

19 

20 

22 

84 

21 

3 

21 

M.  extensor  carpi  ulnaris 

30 

84 

21 

2 

22 

M.  supinator 

27 

85 

2IV4 

2 

23 

M.  abductor  pollicis  longus 

31 

91 

227* 

1 

24 

M.  adductor  pollicis 

38 

97 

24V! 

1 

25 

M.  interosseus  dorsalis  I 

47 

104 

26 

2 

26 

M.  anconaeus 

11 

106 

26V9 

7 

27 

M,  Pronator  quadratus 

23 

107 

267 

4 

28 

M.  extensor  pollicis  longus 
M.  extensor  digiti  V 

33 

116 

29 

a 

29 

29 

119 

2974 

5 

30 

M.  palmaris  longus 

14 

126 

317» 

6 

31 

M.  extensor  indicis  proprius 

34 

127 

317! 

2 

32 

M.  abductor  pollicis  brevis 

35 

130 

32V. 

7 

33 

M.  opponens  pollicis 

37 

138 

34^' 

5 

34 

M.  interosseus  dorsalis  II 

48 

138 

34V, 

7 

35 

M.  flexor  pollicis  brevis 

36 

139 

347 

4 

36 

M.  abductor  digiti  V 

40 

139 

347 

5 

37 

M,  interosseus  dorsalis  III 

49 

146 

36«/! 

4 

38 

M.  extensor  pollicis  brevis 

32 

151 

377; 

8 

39 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

50 

154 

38V, 

2 

40 

M.  opponens  digiti  V 

42 

159 

397, 

4 

41 

M.  interosseus  volaris  II 

44 

168 

42  * 

2 

42 

M.  interosseus  volaris  III 

45 

170 

42V2 

1 

43 

M.  interosseus  volaris  IV 

46 

170 

42V 

4 

44 

M.  lumbricalis  I 

18 

173 

43V! 

3 

45 

M.  lumbricalis  III 

20 

184 

46 

2 

46 

M.  lumbricalis  II 

19 

185 

46V4 

5 

47 

M.  flexor  brevis  digiti  V 

41 

197 

49V 

2 

48 

M.  interosseus  volaris  I 

41 

191 

47V 

2 

49 

M.  palmaris  brevis 
M.  lumbricalis  IV 

43 

191 

477; 

2 

50 

39 

194 

48«;: 

4 

Die  Rubriken  enthalten  (rechts); 
I.  die  Ziffern  1-50; 
II.  die  Muskelnamen ; 

III.  die  Nummern,  unter  welchen  sie  links  stehen; 

IV.  die  unter  der  linken  Rubrik  (Sa.)  angegebenen  Zahlen,  der  Reihenfolge  nach- 
geordnet; 

V.  die  linke  Rubrik  (Durchschnitt)  in  der  gleichen  Weise; 
VI.  die  bei   den  4  Armen  beobachteten  Verschiebungen  in  der  Reihenfolge  der 
einzelnen  Muskeln. 


Handbuch  der  Anatomie.     II,  11,  2. 


337 


22 


338 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


J- 


1^ 
SoJ 


60 


|l 


1^ 


9    fe 


fS% 


^  i' 

2  .9  S 

0)      O    fl 


's)  J3 


cy      «  bß 


:;2    Ol  0) 


i 
II 

OOWfO        O5  00MIOCXD             «5  05_C35,fq                              kO^       CO  O  I>             OWI> 

1 + 1 ++ 1 +++       7l+l               M     +!+'+!+ 

neusul 
a  Proz 

•*  lO  00 '-^  lO '^  (M  CO  00  CD  »O  >0              CO        05  0        CO  lO  lO        COM                     C^  t>  C- 
.—  .-HrH          .-H  r-i          t-l  r-             'i-H          ^  (^j  ^                 ,-,  ^      '    T)1  CM  (M                 (M  CO  CD 

>H 

Tf^CO^CD^Tl'^UDO              CO^OO^             CD^Ci^-^CO^                          O                    00  CO               CO  C5 

cr-r-O5r-H00co<OT-jcoco    •    •ococdco    •    •    •    •d-cocdososco'"   •    •  r-4~od o 

elsub- 

mz 

ozent 

I. 

1     .3    - 

CDTfOCO.     l>iO     .    iO     1                OOiOC^W                     MiCCO     1   lOOiS               lO        lO 

r--© o ooa o o  1  o  1    •    •  o o o CD    •    •    •  o .-^-c^   1  ©"o -T  •    •  ^^ o 

1 1 1 1 +++    +           ll+l            IM      IM         11+ 

nensub 
1. 

OO^M                           lO        <M  00     1                ^„'« '^„       »q,       »q,   1   iq,««  CO      .      .  lO  O 
!MC>JC-'M— iCOC^CgCV)00:Mt-i     '   SVI  lO  O  CO  lO  rH  0(M —'     '  CD  OJC^             COC^rH 

-        . 

co^c^o      cqio                       oqoco                   i>^ioxco      lom               »o  m 
cocg'odofosc^cD^cvjeM  00    '    *  o  oT-^'c^    '    *    'ococoi-ri>-(?fco    *    "locoö 

■OCDcToOiCO  C-^CO  OOOCOtJ*  lOO  l>^0      .      .T-T     .OTC?    1   cTcD^'l^fcM'"    1   .-H  T-H 

+++!++++++++++++        1     ++    +++++    ++ 

skelsub 
1. 

s    .• 

-*COCOlOI>-iO                                 lOlOO                           OaiO<MD-iOiOO               lOiO 

C^C-O     IC-COC^COOOO     .     .     .— iC-t^     .     .i-H     .rfCO     .COOCD     .     .  -^"^  ö~ 

+++    ++++++        +++       1    ++   +++      +++ 

samtgev 

gSSd^88g?S:2S^s5  '^g^gg^^^SH^  •|2§?<^  ■  --t-^' 

|fSg^§i??S22SS  ■  ■  'SSg  ■  ■  ■'-aS'^S^^  ■  '^^^"^ 

o 

B 

CS 

c 
'S 

M 
p 

* 
g|ü                 a    a.2       ai^^      IsJs    g-^g 

,iit|ilii  Uli  MiiJi^m^t> 

Ifll  ItF  ^  .tti.ll  ^ttlil  1  flt°  "tu 

1  ^^H Hill" ° " ill ' " ° i Hill '    '^" 

i-(                     CV]  CO  ■<*<  lO  XI  C^                     00C2O                     r-i  Cg  CO  "*  lO  o 

338 


Muskelgewichte.  339 

oö"««  ,  ■*"     0'*(>ro-irr(:TfcoT*r-ro»or-rorft>"o'»oaoafxocg      i-T     t>     af  »o  co  i>  o  x  ci'fM' o 

'(MW        (M  i-i  1— 1  r-i      •  •  •  1— 1  I— I  (M  I— I  1— I 


+++   1 

+++I  llll+IM  +  ll  +  llllll 

+ 

1    1 1 l+l l+l + 

Tit^iq,NC<l,       C5lOI>        (M        -1«30C                           CO 

•O^C.OX^<MCjOOXO5HO05r^O|0C.c0XO 

•l- 

2  -»«^g^^^^^ls 

^^ciai     CO 
(M  IM  cocg  1-1 

(M      Oq^-^os       r-co           Tf       Tf            a> 

'o    * 

ggi^S?S?^^S:^? 

^.      C-.      « 

•s- 

S^sS^i 

•ss8i8iissisi§gS8§gs&sg' 

:SstsööS§8^SS 

05  kO  lO  tA 

Tf  (M  »O  lO  C>3       O^eO  --  ^  "^'*        5M.,-^kO        XfM  CO        «5rl»iOXt>        C<l        <-•        C0(M(M'-'COlVi-ieO| 

^"OOOO    'OCfOOOOrHT-^OO'wOOrt  »-^o^ooocTo    "O    "O    ■Oc5'ÖÖ"c5"c3  0  0    I 

I   I  I   I   I     ++  M  I  I  I  I  i  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I      I      I      111111'  + 

tocn      \Ciao     •^'Tf  —  'S      rHini?!      lOic      lo  d-      S;oioc<i^oj  "<*      .-h  <m  oo ->*  (M  m  o  x 

oo^Tj« (M »-T  ■oo<DONOÖcj'*ö"cd.--icgeorHC<rcvi<DÖ~ooo    'i-h    'o    •o<5'ö~ooooö~'-h 

Cv]        lO  (N  ■«*  tJ<  lO  kO  X  (M       »o 

r-,^^  -.-r  •ooö'ö'oö'o'r-r^O'-i 

'ttX        X>  (M--I— W        ^        C-niO        C-XiO        05        l2l2iO(MOJiOX(MCOX'-OfO-*'*X^Xl> 

Tfo  I  T-Toj    .ocToo  j  o"'*<m"'* '>*"cooo"i-r.-H'-H"i-i  ooO(^^rH".-H",-^o"o"o"c5"ooo"ooc^o^ 

++    ++   +1 ++    +++++++++++++ I ++++++ I + I ++++++++ 

OS  lO  iC  lO  \o 

ciodc^t-^X     ■  OOOÖOS-^CDiO»-!  lÄOi-i'iOCOWI^XO'^WeMCgN  OOCg     I   '-TOO  O  O  tC5  Cvf (M  i-( 

CO  ^^^        ^ 

_  _- 

r^  in        kOC^       Q0'<*^X«O  OOO        iO<M^eO  CJ  OJ^       lOlßlOOOC-;^       QOXCO  <>i20  I> 

CD oTt^ oTo    ' o o cTcTo  lO o od >o -^ co (n cd o co c» os »-i -^eo  tfc6cti\DÖ'c<i o  — Tot-i i-i  — r>o~?i eo r-T 

CO  1—1  CVI  ^H  ,— I  rH  r-l 

___  .  _  _  __ 

XiCi-iW  ■^N'^'^iO  iCiOiO        »O  O^  IC        N  »O        CO  CM  'O.'O        »O  urS  lO  l> 

in  ^  o  CM  cvj    .    I  c?o  o  o  c5io  "*  lO  »o  o  r-5".-4  cm  c<i  oJ  cm  öo  —i  co  cm  r-T  cm  OO -h  0C>C>0  r-l  i-To  oo 

+++++       I +++++++++++++++++++++++ I ++++++++++ 

_ 

0  tj<  iCi-i      csx-^  lO^     ko  in  lO  in  c^  o  m 

of  r-i  1-1  o  o'co".-«  o^o"©"«-!  in  c-  X  in  o  r-  cm^x  cd'co  o  o  .-i  o  co  cm'^cm'cm  cd  oco    i  cm  o  .-i  i-i  i-i  in  co"m  cm 

_  __ 

t>^     inini>^co      in     oo^inao  in      »ocm      ininin      t>io     cm^     "^"^  "^'^ 

od  CM  ^C>J~CM~cdfH  O  tH  O --rin  CM  CM  O  in  CM  -^  05  05  inCMCM  -Hin'*  inTjTjOXOCM  — "CMi-l-^t-rCMC-  •*  cd  CM~ 
xr-^-H,-!,-.  r-i  CMC^JCM^CM  --Ir-I 

~-  CO     GQ  S 

1  11      1 

^  -22       22       g  f>  D.2  00  cß  ^.2^.2.2      ^Sd^^^^       « 

5.S>>  ...3>|  11  &|>3>t|lfiJl|  aUt|t|       I 

t      I      ^lliiii     iiliiil^ililtii     i 

g         1         §i1ll-l.l       ll-g|||lslll|g||       I 


22* 

339 


340  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Spezieller  Teil. 

Durchschnittlich  haben  wir  von  den  49  Armmuskeln  (wir  haben 
den  M.  anconaeus  mit  zum  M.  triceps  gerechnet)  11  Muskeln  mit  einer 
Muskelmasse  von  90—100  Proz.,  18  von  80-90,  15  von  70—80  und 
5  von  60—70.  Als  Durchschnittsmaß  für  sämtliche  Muskeln  über- 
haupt kommt  also  eine  Prozentzahl  von  über  80  Proz.  heraus,  d.  h. 
kaum  Vs  des  Gesamtgewichtes  eines  Muskels  kommt  auf  die  Sehnen- 
substanz. 

Die  Schultermuskeln  stehen  außerordentlich  günstig  da,  indem  sie 
im  allgemeinen  ungefähr  90  Proz.  Muskelsubstanz  aufweisen.  Nur  der 
M.  teres  minor  macht  eine  xlusnahme,  welche  jedoch  durch  die  Ent- 
artung in  dem  einen  Falle  zu  erklären  ist.  Außerdem  steht  dieser 
Muskel,  wenn  man  diesen  Ausdruck  gebrauchen  will,  gewissermaßen 
auf  dem  Aussterbeetat  im  Haushalte  des  menschlichen  Körpers. 
Auch  die  am  Oberarme  gelegenen  Muskeln  einschließlich  des  M.  an- 
conaeus sind  durchaus  günstig  gebaut,  indem  die  Prozentzahlen 
zwischen  87,2  beim  M.  biceps  und  94,2  beim  M.  brachialis  schwanken, 
sich  sogar,  wenn  man  den  M.  brachioradialis  allgemein  mit  zu  den 
Oberarmmuskeln  rechnen  würde,  auf  95,8  erhöhen. 

Die  Vorderarmmuskeln  zeigen  die  Tatsache,  daß  die  Beuger  er- 
heblich kräftiger  entwickelt  sind,  als  die  Strecker  und,  daß  vor  allen 
Dingen  die  funktionell  so  wichtigen  Pronatoren  und  Supinatoren  einen 
aulfallend  hohen  Prozentsatz  in  der  Muskelsubstanz  aufweisen,  nämlich 
der  M.  pronator  teres  mit  87,7,  der  M.  supinator  mit  93,6  und  der 
M.  Pronator  quadratus  sogar  mit  94,3. 

Die  Beugemuskeln  der  Finger  stellen  sich  mit  dem  M.  flexor 
digitorum  sublimis  auf  75,9  Proz.,  der  M.  flexor  poUicis  longus  mit 
82,6  und  der  M.  flexor  digitorum  profundus  auf  83,3  Proz.  Im  Gegen- 
satze dazu  weisen  die  Strecker  mit  dem  M.  extensor  pollicis  longus 
83,5  Proz.,  mit  dem  M.  extensor  indicis  proprius  78,9,  mit  dem  M. 
extensor  pollicis  brevis  78,1  Proz.  auf;  dagegen  steht  der  M.  extensor 
digiti  V  mit  66,8  schon  sehr  schlecht  da  und  der  M.  extensor  digi- 
torum communis  mit  63,1  Proz.  sogar  an  allerletzter  Stelle.  Es 
macht  sich  bei  einem  Vergleiche  zwischen  Beuge-  und  Streckmus- 
kulatur der  Finger  die  Bevorzugung  der  Beugemuskulatur  klar.  Die 
Strecker  haben  im  wesentlichen  nur  die  Aufgabe,  die  durch  die  Beuge- 
muskeln hervorgerufene  Wirkung  wieder  auszugleichen.  Bei  einem 
Vergleiche  der  Strecker  untereinander  ergibt  unsere  prozentuale  Be- 
stimmung ebenfalls  eine  erfreuliche  Uebereinstimmung  mit  den  prak- 
tischen Beobachtungen.  Der  so  frei  bewegliche  Daumen  kommt  an 
erster  Stelle  mit  dem  fleischreichen  M.  extensor  pollicis  longus,  dem 
der  M.  extensor  poUicis  brevis  getreulich  zur  Seite  steht.  Etwas 
stärker  als  letzterer  ist  der  M.  extensor  indicis  proprius,  welcher  dem 
Zeigefinger  die  bekannte  Streckstellung  schon  durch  seine  eigene 
Wirkung  verschaffen  kann.  Von  den  anderen  Fingern  erfreut  sich 
der  fünfte  eines  besonderen  M.  extensor  digiti  V  proprius,  welcher 
deshalb  auch  günstiger  dasteht,  als  der  M.  extensor  digitorum  com- 
munis. 

Die  M.  lumbricales  stehen  nach  unseren  Untersuchungen,  welche 
sich  jedoch  bei  weiteren  Fällen  nach  unten  oder  oben  verschieben 
können,  zwischen  73,7  und  85,9.  Unsere  speziellen  Tabellen  zeigen 
ja,  daß  die  Muskelsubstanz  in  den  einzelnen  Fällen  zwischen  55,6  und 

340 


Muskelgewichte.  341 

99,75  sehwanken  kann.  Eine  praktische  Bedeutung  dürfte  bei  der 
Kleinheit  dieser  Muskeln  kaum  vorliegen.  Nur  der  Vollständigkeit 
halber  sind  sie  hier  angeführt. 

Das  überraschendste  Resultat  ergaben  wohl  die  Befunde  an  den 
Beuge-  und  Streckmuskeln  der  ganzen  Hand.  Am  günstigsten  steht 
der  M.  extensor  carpi  radialis  longus  mit  88,1  Proz.  da,  dann  kommt 
der  M.  extensor  carpi  radialis  brevis  mit  80,3  Proz.,  der  M.  flexor 
carpi  radialis  mit  77,9,  der  M.  extensor  carpi  ulnaris  mit  74,2  Proz., 
der  M.  palmaris  longus  mit  72,9  und  der  M.  flexor  carpi  ulnaris  an 
letzter  Stelle  mit  65,8  Proz.  Hier  sind  also  die  Extensoren  der  Hand 
bei  weitem  besser  mit  Muskelfleisch  bedacht  als  die  Beuger,  und  auf- 
fallend günstig  stehen  die  Extensoren  an  der  Radialseite  da.  Die 
Bevorzugung  des  Daumens  spricht  sich  außerdem  noch  durch  den  M. 
abductor  pollicis  longus  mit  90,9  und  den  M.  abductor  brevis  mit 
89,4  aus.  Ebenso  steht  der  M.  opponens  pollicis  mit  97,4  an  hervor- 
ragender, nämlich  der  zweiten  Stelle.  Ferner  weist  der  M.  adductor 
pollicis  Muskelsubstanz  von  87,2  und  der  M.  flexor  pollicis  brevis 
von  83,4  a\if. 

Wesentlich  ungünstiger  ist  der  Kleinfingerballen  gestellt.  Zwar 
steht  der  M.  palmaris  brevis  mit  seiner  gewöhnlich  unwägbaren 
Sehnensubstanz  mit  ca.  100  Proz.  an  erster  Stelle,  jedoch  folgen  die 
anderen  Muskeln:  der  M.  abductor  digiti  V  erst  mit  85,9  Proz.,  der 
M.  flexor  brevis  erst  mit  83,3  Proz.  und  der  M.  opponens  nur  mit 
77,7  Proz. 

Die  M.  interossei  haben  im  Durchschnitte  Muskelsubstanz  von  84,6 
bis  63,4  Proz.  Bei  der  Wichtigkeit  dieser  Muskeln  dürfte  eine 
spezielle  Aufzählung  unserer  Befunde  von  Bedeutung  sein.  Die  M. 
interossei  dorsales  haben  :  I  84,6,  II  78,1,  III  77,4,  IV  71,7.  Die  M. 
interossei  volares  weisen  folgende  Prozentzahlen  auf:  I  65,  II  63,4, 
III  71,1  und  IV  70.  Die  M.  interossei  volares  stehen  also  auch  in  dem 
am  meisten  mit  Muskelfleisch  bedachten  M.  interosseus  volaris  III 
hinter  dem  schwächsten  M.  interosseus  dorsalis  IV  zurück.  Die 
Muskelsubstanz  der  M.  interossei  volares  schwankt  zwischen  63,4 
und  71,1 ;  die  der  M.  interossei  dorsales  zwischen  71,7  und  84,6.  Die 
M.  interossei  dorsales  nehmen  vom  Daumen  zum  Kleinfinger  hin  an 
Stärke  ab,  während  man  bei  den  M.  interossei  volares  das  Umge- 
kehrte als  Regel  aufstellen  kann.  Die  einzelnen  Fälle  ergaben  für 
die  M.  interossei  volares  ein  Schwanken  der  Muskelsubstanz  zwischen 
50  und  80  Proz. ;  bei  den  M.  interossei  dorsales  ein  solches  zwischen 
50  und  91  Proz.  Jedoch  muß  betont  werden,  daß  so  geringe  Prozent- 
zahlen, wie  50  oder  60,  nur  beim  M.  interosseus  dorsalis  IV  von  uns 
beobachtet  sind,  und  die  durchschnittliche  untere  Grenze  ungefähr  in 
der  Höhe  von  75  Proz.  lag. 


Bemerkung  zu  folgender  Tabelle. 
Wie  ersichtlich,  sind  die  Schultermuskeln  nicht  mit  angeführt, 
weil  bei  den  Bewegungen  des  Oberarmes  im  Schultergürtel  nicht  allein 
die  eigentlichen  Schultermuskeln,  sondern  in  noch  höherem  Maße  die 
Rumpfmuskeln,  z.  B.  die  M.  latissimus  dorsi,  trapezius  und  pectoralis 
major  eingreifen,  deren  Darstellung  uns  nicht  obliegt. 


341 


342 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


s 


a 


J-s   OD   „,  c   (H   S -fl   a    4)  £:   ^ 

|l^|    felfe-sl    ^-^-^    §£F..-^^.^.^§"^ 


3  fl-^ 

C3    H    WtJh 


oS    CS    OfL    -, 


O    a    rH 


i-S  a 


Säe  3^2cS-2?ä^ 


_2  «P  Mö 


^  Es 
Jr!  <ij  c 

gao 


2    2.2  r-H-^    U     « 


JiUj|l-§w^ 


r-?5'a 


lii^-^.s 


^«SJ:S 


'ö, 


p-llf^^ 


^    .a  g^  £  ^ 
§    ^  al^- 


.2  ns 

-•   05  08 


c  « 


«'S 

CO  &I 


iJ 


_  _  ?i  >-<  §^ 

^  '^"lai^^S 


W 


-H^c 


.S^  2-s  g  -^-s^ä^  ''-^S  2 


^  g  K,l"s  g  a  »H^ 


SbS' 


»   (5  g    -^-«.g^S  S.Sf-Si^  «t5J  §3-2  |w|"^-g  =:£  ^  i"^^ 
S    g  ^H     "1  «T-s  ^  ■"  S3   -^  «  tH  «  &  fe  2  -« 'S  a  -1^  ^  rt  « J 

Z  -^li^-SItl-^gäsl-SglfcIl^^^-lll 


'Or-i^e« 


bß* 


§ -^  g  ^ -3 -^  •>  18 

(-H-^      I  ^  g.£ 


O    ^     l-~  .2  -^    CS'-'         'T3'^t-H    3     II     C^    ö    c 


üri: 


S?^-^ 


&c  II  ^.2^"S 


«CHS 
0   3    3   3 


§   3   5   bC 


■3    ^^ 


^K' 


Slp- 

t^ 

. 

^§8Sg 

a 

CO  CO 

g 

OJ 

^ 

^^ 

o 

"^.^ 

Tjicva  -H  _ 

Q 

^^^(>3Cg 

c3 

-^   Tf 

fe 

So 

1 

■Hl^»«^ 

(rf  t>rTH  i-r 

na 

rHIMrHT^ 

3 

s 

^ 

1 

la     (Noc 

Cß 

'«11'^ 

" 

CT 

^■"OOiOC- 

^■^CM-H 

.S| 


11^ 


O     .    3  «G 


342 


Maskelgewichte. 


343 


1 

e 

1 

i 

CO 

20,8 
151,5 

31,5 
120 

i 

1 

1 

s 

1 

'S 

s 

l^;5S 

c 

1 

TS 

29,7 
50,5 
15 
35,5 

c 

% 

c 

g 

1 
1 

■g 

s 

1 

CD 

SIIS5 

1 

a 

1 

13 

B 

1 
1 

IS|S| 

Sl^l 

l':S?2;5 

l&3§ 

1 

|gs§ 

OCO  t-  »o 

|s^s 

isg?s 

§g2S 

ISS^ 

s 
s 

IUI 

08  ^  ^^  S5 

.14 

1 

gJ'Äia© 

|-|„S 

OJkÄfM  CO 

oCQcnos 

|^=°s 

,-i.-l05(M 

S 


-■So 

5-5  a  o 


'S 


im 

cuwccp 


im 


Uli 


IUI 


illl 

PkWaQQ 


343 


344 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


«     '»« 

'*^. 

-   ^A 

16,3 
20 
3,35 
16,65 

l^      O  l>.  q2 

t  s. 

H 

1 

_; 

S 

ss^^;^ 

w*, 

'^?3SS 

Ä^O^'rH-©- 

*I .« (M 

> 

1 

oc 

1 

1 

1 

^^^ 

!^ 

>M 

'^       «'« 

««>, 

»?.»a^„-*l 

^»      t-^M 

»i»(H.aiöi5 

s  s 

KH 

9 

^ 

s 

»a  1-1«^  iH  t- 

5^;^^ 

^^^^ 

S^-*-* 

s«- 

> 

28 

<«• 

1 

1 

> 

a  a 

•SS 

i 

- 

,g 

1 

1 

CD        Tt^iD 

1   lOiOiO  lO 

1  wofcfc-^ 

^  1 

l0r-(0 

> 

u 

s 

1 

00  iC 

"  1 

a 
1 

i 

6oo         S^ 

-*  ^  '-0  (M  O 

»ooocg 

i 

1 

§3 

TS 

> 

1— t 

1 

s 

s 

'»-    tr» 

«0*5, 

s 

««.^«t^^^ 

1 

'*'^.»^-, 

X 

g 

l2-^.(Niffl    1 

»?L»»«l 

— 

a5 

'TS 

a 

^^oo^ 

«0»! 

1 

g«^^ 

QOQOr-IC- 

1 

£ 

«5*1  (MO    1 

1 

l_J 

4^ 

ä 

O 

«OQO        QO<N 

«l'* 

i 

«C^iS^c-^« 

o 

»«„ö*,». 

o 

^             H^Hl 

00  »5  »O 

H 

g 

S 

»^ 

« 

od 

rHia-rt©^.a 

t>r»f 

05 

«JH^^ 

g«-- 

;:^ 

t-«5  05©'O 

«-«-CT 

+ 



— 

•s^ 

. 

„_, 

__^ 

^_^ 

<o 

"•^ 

t-tO               « 

»o 

00        »^. 

«        ^.-t 

O^O        05,    1 

^-     =o 

B 

go^-uri- 

t>(M 

00, 

^S"""^ 

C^fOCOO     1 

! 

c-coo 

M 

*i 

^   «q- 

»«"^ 

m      ^^os. 

-V       ^.«O. 

^^  "^J^.^^ 

>«    '^- 

I-H 

5 

'^' 

s 

lOc^  ,-H  T-HOO 

05-H 

^»ooc^ 

goawo. 

O  '^  00  oo 

oooo 
1 

? 

cä 

c 

ä 

5. 

M 

■^ 

1 

1 

4 

a 

"C 

TJ 

2 

.25 

*3 

S.— 

1 

O 

g 

i 

filll il 

II 
III 

1^ 

113    1 
|ll«|    ^ 

Hill  1 

Ä^^SS 

mS 

Ä^Iq 

ÄW^fi 

ÄSSa::^ 

aq^Q 

344 


Muskelgewichte. 


345 


:S^ 


i^-iA 


^-  rt  lO 
COi-IOJ 


g 


00,     '^i»     23 


ä    ,t-. 


5*.      SOt- 


so   kO  O  lO  c- 


*?,'^ 


■^iHkaiH  ' 

I 


co;:-!       ,- 


2<1,»0  lO  1-1,   I 


CD  00  <-^     B    CO  O  lO  ■*" 

I    8 

T3   


V^kSi  «1     oS  QC  >S  C^aO     O  55  OS  ?©  CO     os  ^  ao,»^  j| 
(M«(8iH    TS  i>i'-HriH©f  -S  t^t-'cTf^   "3  -rfOiHCT 

r1    sc  2  ^8* 


1 


QO         .    OS  >S  «5  iH 
80i!5i-i     S   (M115S-105 

I 


^fOtOOi 


00  i-TcfaT 


ÖSrH     O 
QOOSOaO     C^    OfiHiH©"© 


':2^S'  I 


»O  / — .      •^  CO  / — -      1— t  05  --^      »o 

«M  "^       COOO  <Ä»0'-H_Cq,  05,       S^OQ. 


mc-cD 


Q 

13 

C 

g 

§2 

.2o 

-^O 

.S  (M 

3   5« 

0-73 

S-ä 

M   bO 

1^^ 

«2rS5 

HH> 


4>  o  0.2*— '         8 

«    CO    OB    «.2  'Ö 

^    CO    O!  -^   ü 


-a 

TS 

a 
a 

.22  O 
-QT3 


^> 


S  £  c 


;SI 


®  O' 

li 

|2 


•S-Q  c 
»  1-1   w 


^Q 


ÄsV-:^':? 


II 


34S 


346 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


. 

a 

R 

c-    ^22 

^.^ßß. 

«'«     la. 

CO       i|^. 

> 

"u 

oö 

1       1 

«S"S 

1^«   1 

n^^^ 

^^^^^ 

?i 

. 

fl 

^_^^S5^ 

«.,    SßS, 

eo 

QCiffi^^ 

«>n5Si| 

1— 1 

> 

a 

SS 

■p 

Ui 

tc 

\          1 

OOSlHt- 

7    ' 

ScS^^ 

S^^^S 

*i 

S?      <»<M^ 

S;    foc^ 

^^.    >«. 

-.    '«'^^ 

^'O'ß 

> 

■5 

-J 

— 

c^i>-;oo 

05  'Tt*  cg"-H~ 

Ot>c-o 

^SS;^ 

S 

S8522 

— 

0} 

— 

ä 

4J 

1 
1 

s:  -- 

a 
c 

1 

1 

1 

'S 

^          T)*CO 

^ 

^     irr^io 

iqocgco 

> 

5 

b 

ä 

1 

X            1 

JtS3 

1              1 

l2 
'S 

?cao©~QO 

1 

T3 

CMt>05(M 

kl 

a^2S 

> 

1 

-; 

a 

OD 

— 

6: 

— 

— 

■l 

'S 

e 

w 

-2 

a 

. 

^ 
'^ 

ä 

s 

HHiftt>.^S1 

^.t-„ö»« 

o 

«ß^.    '« 

o3 

«1   ^-^. 

S 

.t«l5 

1—1 

§ 

>^ 

^rH(M,H 

QOOOOS 

oa 

OOMrHS. 

^OtrH'* 

^MMOt 

y 

1                 1 

OJ 

*5 

ainocLc-^ 

^^"^l^-00 

-."^       '^i 

S" 

^      -.^. 

-  ^  (M  O 

«3  o~ö~or 

o  (^f  ,H  ^ 

iO.-<in<r> 

OTtffOO 

Ih 

g 

'^ 

•'" 

_ 



a 

J^               1 

^ 

^ 

Sc.S-2" 

c^  in  WIM 

lOi-To» 

Q 

u 

ä 

X      1 

'e? 

■g. 

M 

1 
fl 

j 
1 

•^5 

.2 

.1 

s  o 

a 

§2 

£.22 

l-e 

a  d 

.-    g 

Sc« 

1« 

03    ^^ 

t! 

|1 
11 

^  II 

1^'ii 

1^1 

Q 

^ 

S  II  "  » 

fall 
Uli 

a  §  g 
N  .  S .  S  ^ 

346 


Muskelgewichte. 


347 


.  ^-^  2 


„So  « -g  g  rts-  ^  j«       a-r  § 

.  c ':!     2  .d  ^ 
•-  a      s  «  fl 


II 


a 


4)  2  s  m  a 


'•S        *>  S  's 

-  ^     -SS« 


iiiLslAe^-'l-iars 

F  3  1-3  .Ex«-—  -«f04J        S 

a  3  ^  «  -g  -•  «  1  S  r  -g  ^   ,   ^ 


js  ^S  i-H    &*  1^   ^    a  _r  bCn-4    03 1 

.2  .fi  *  .5  'S  3  „  .a  ^  s '«  §  fe  3 

-s-5|.-^3^s':2:s 


SS 


•g||5-ga.S-5x!S       s§ 

W)lM-!iw3^N0'0  NC« 


.j  .j 

ml 

> 

g 

7o-a 

> 

1 

-2 

•Ol  -8 

7o-a 

<u 

1 

> 

SS 

§    ^ 

> 

a  c 

1 

-^ 

— 

fl^ 

s 

— 

> 

-< 

g 

1^ 

«^ 

(—1 

■o 

'M 

.2 

fl 

Q 

1— 1 

U 

1  ^ 

— 

1— 1 

o 

»^ 

ö;= 

ä"^^ 

S  «s  s  o 

I.H 

•%  -i  -ca 

> 

1 

7o-a 

1—1 
> 

•in  '8 

7o-a 

> 

1 

1   ^ 

> 

il 

g       _• 

— 

:^ 

1     ~ 

> 

i 

S        M 

< 

^ 

1 

i       Q 

^ 

^ 

P- 

i__i 

'-' 

Ö 

1^^ 

« 

o       ^ 

2 

2-^ 

.  0-2 

'aM 

Qq§S 

II    c 

S 

1 

+    1 


«H 


+  + 


§?2 

(M 


22. 

^- 

^^S" 

;s^ 

++ 

+ 

It 

i 

|S 

^aio 

c^ 

+  + 

+ 

S. 

SS 

s 

o 

ri 

-Z       A 


^       5  -2  .S 
«32:2  ^ 

•  SL        es    00 


.T3'5.S 


1 

OSOO 

+  + 

+ 

h 

0 

m 

r-i 

000 

CO 

+ 

s?s 

(N 

s^ 

§ 

0    ©■" 

s 

f  m 

§s 

60 

N 

c-oo 

t 

++ 

+ 

^22 

§ 

ts 

1 

t-07 

s 

++ 

+ 

SS 

s 

SS 

?2 

•S     S.2I 

AS^51  S 


■<li>r-o 


es* 


"Q'&a 


347 


348 


FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 


3 

'%    i  -m 

> 

\  a 

HH 

1 

•m  -8 

> 

1 

7o-a 

l_^ 

s 

> 

-ffl 

% 

Q 



s 

Z 

— 

> 

3I^ 

A 

-; 



.S  o 
•53  c 

M 



> 

t— ( 

p 

1 

- 

K 

g 

i1 

Q 

"^ 

S 

& 

1^ 

^ 

.ä^ 

— 

1 

i 

— 

^ 

o 

^ 

2-3 

*^  a.g 

-'.S  1  o 

qS^ 

1— ( 

•1   'I   •Ol 

!> 

a 

7o'-a 

HH 

-g 

•Ol  -s 

> 

S 

7„  -a 

•^ 

> 

> 
> 

1 

f 

0 

i 

s 

Q 

HH 

< 

,JJ 

. 

JlJ 

-f? 

« 

'S 

fe 

^ 

J 

f 

'"' 

V 

Q 

i 

1— 1 

o 

1^ 

,  S         1 

tia  pro 
bstanti 
aris 

:=i^i 

QSlB 

II     § 

« 

1 

g- 

S" 

++ 

+ 

i§ 

i 

ii 

■  ++ 

+ 

(MIO 

^ 

cgoa 

s 

•^ 

r:   iJ 

,g 

^*     ^  b"  M  S  00 ,_, 
^     SS 


g 

20 

+  + 

+ 

El 

1 

S!S 

3 

D-QO 

+  + 

+ 

88S 

§ 

8S 

§ 

o^" 

m 

»1 

™  OD 

i;-  So 

OD  ^ ,  ^a 


^ 
e 

cg 

o"co 

1  + 

+ 

Is 

3 

SS 

% 

>: 

CO 

■f 

?i§? 

2 

?2^ 

•* 

5  i   -2 

i 

^  s  s 

++ 

+ 

^Ä 

§ 

II- 

i 

+  + 

00 

+ 

S^ 

^ 

?ss 

s 

--"    -2 

ni 

ä 

.2 
13 

rr" 

f> 

^ 

'S 

M  o 

A~ 

""P 

s  § 

^^--S 

-:^. 

^ 

s 

s 

^      "ß 

^^  a 

^      s 

Apo| 

<J^-'^  a 

.tCO-S 

(M 

vhcvj        g< 

M 

m     § 

£ 

^ 

CG 

Aj53rt 


348 


Muskelgevvichte. 


349 


8  '*- 


a    ^ 


-1 


i-n    s 


CO 

lO 

s 

S' 

+++ 

+ 

+ 

§ii 

i 

1 

s 

Is^ 

1 

i 

++  + 

+ 

+ 

+ 

g§{8 

i       i 

^ 

f- 

SSS 

S 

CO 

^  ^  i 

^ 

— -  4)    Ü    o 


•g     «^cfsO^OQ       '»S'P 


A 


'S 


O 

t 

2~ 

I> 

+++ 

Ol 

+ 

+ 

+ 

5:SS" 

rH 

g 

i 

«1 

1 

s 

+++ 

8^ 

+ 

+ 

+ 

^s^ 

S 

? 

^ 

§ög^ 

J8 

CO 

3 

"^^      ^ 

-     S 

« 

^  ^o-^        «1     ^^         -S         I     ^ 

^       AEpi  A 

ISS      *    ä5      fl 


+  - 


OCQ.  = 


»-T 

1 

o 

+ 

1 

+ 

+ 

» 

^ 

«. 

»« 

§ 

•o. 

i 

S3 

+ 

+ 

+ 

i 

«« 

^^ 

380 
332,5 

s 

OQ 

'S 

2 


ca     .'^     .-■ 

•S     ^  " 


.5  'S 

-o 


3C 


§   l^gA    |A 

a 
o 
« 

s 


CO 


00  ^ 

5^        ^ 


Ol 


ia2 


SD^      S 


l<gA 

O      OQ 


*;cra 
Cßco 

00 
Jt    OD 

|a 


349 


350 


FROHSE    und   itf.    FRÄNKEL, 


^ 

"J    •!   "UI 

> 

1 

7o'-a 

1 1^ 

•Ol  •§ 

> 

7o  -a 

> 

0 

* 

Q 

a 

^ 

> 

SS 

-1 

^ 

> 

1  •"• 

a^ 

1 

u 

t-4 

1— 1 

1 
1 

Q 

0) 

5 

- 

3 

U 

6a 

-^§ 

•-  e«  S  _ 

«•  '-ö  a  -2 

li'- 

^^«Sisa 

.^  ö 

Q^a 

a 

■%  -i  'ra 

> 

a 

7o-a 

^_i 

J3 

•ra  'S 

> 

f 

7o-a 

,_i 

00 

a 

> 

flj 

es 

Q 

> 

äi 

1 

_: 

M 

.2 'S 

^ 

> 

:^ 

§ 

i^ 

1  1 

<5 

"H 

c 

"3 

^' 

1 

i 

— 

a 



5 

1 

-H 

o 

C 

s-^ 

s.  m. 
ntia  p 
ubstan 
ularis 

=^i;i 

QSiS 

1 

1 

§• 

+  + 

+ 

gl 

1 

165,5 
24 

Ä 

+  + 

+ 

S^ 

g 

2^ 

M 

^ 

A3a-o 

•  °    ST 'S 
M     SS 


^ 

g 

+  10 
+    4,5 

+ 

^^^ 

1 

S;äi 

iS 

+  + 

J2 

+ 

QOO 

g 

Si2 

00 

ej 

1      s 

Apa..s 


5-§ 

+  i 

+ 

SS 

^ 

l-a- 

^ 

+  1 

CO 

+ 

J§S 

<>a  lo 

!o 

1:  .J 

cB 

a:oI| 


-i    ^     SS 


N 

SS 
+  + 

CD 
+ 

0» 

«» 

2 

l. 

'« 

S 

++ 

+ 

com 

?3 

SS" 

o~~               3 

ri 

I         «1 

ä 

'S          ^U 

>s 

o) 

nato 
nato 

<^°° 

^^^=^ 

!>:_ 

+ 

+ 

8 

+ 

H 

76,5 

^ 

1-1 

+ 

t2 
+ 

CO 

+ 

8 

8 

s 

5d 

>c 

1. 

^;     'So     'Sc 


s   s 


't 

c- 

r-l 

r- 

^ 

^. 

S. 

CD 

-^ 

^ 

+ 

+ 

+ 

S. 

w 

S. 

^ 

g3 

:? 

^» 

t- 

^ 

U 

S 

00 

00 

O 

.o 

lO 

rH 

'— 1 

+ 

+ 

+ 

Oi 

=^ 

?S 

^ 

c- 

c^ 

l>. 

^ 

^ 

^ 

o^=        S 

= 

rt 

c 

s 

a 

eo 

^ 

^ 

j^ 

_j 

M 

.SfJ 

jd 

-a 

-o 

S^ 

5? 

As 

-S 

F-       O 

■a 

S-= 

3« 

c 
o 

^    SS 


350 


Muskelgewichte. 


351 


5     i 

J       'S 


-d 

^ 

1 

+ 

c 

•i 

s 

02      S 


'=0 

■^^ 

»0 

•* 

lO 

+ 

+ 

+ 

s 

^ 

5Ä 

2S,B 

^ 

M 

lO 

00 

+ 

+ 

+ 

^ 

^ 

g 

g 

s 

i 

^3  -i 


^-8     "     5- 


(M 

+ 

+ 

+ 

s 

f» 

« 

1 

g 

^ 

0 
+ 

-f 

+ 

0 

- 

8 

0 

<M 

g^ 

-^ 

B    Ö 

n! 

^S 


S<1^  .-3    .-o 
O        SS 


S" 

0 

+ 

+ 

+ 

1H 

OS 

+ 

+ 

+ 

od" 

OS 

g 

CO 

0 

§5 

^s  I 


•rS     Q 


fco. 

W)  ,  3^  Sl  D  c 

sAoo§-;^§ 


00 

ro 

0 
+ 

0 
+ 

+ 

?f 

■* 

S 

08 

+ 

1-1 
+ 

+ 

fC 

10 

"t 

Tl* 

00 

^~"' 
-^^* 


t-  *•■ 


aj   OD     o  oo-rt 
bC 


i-<s".s.s!s. 

C5  SS 


ec" 

OB 

1 

1 
+ 

+ 

g 

1 

1 

s 

s 

7 

+ 

+ 

s 

g^ 

S 

s 

§ 

§ 

,-^^" 

:^ 

s  o       SS 


c£ 

1- 

12       1   1 

1 

t» 

QC 

iH 

!>• 

OC 

2- 
+ 

+ 

+ 

- 

CD 

S- 

—  i 

~~   ^    ' 

5 

•5  -Q  OD  >- 

bß  .  o-  o^  52 

1  <  ^'*^.  'tiTi  'Sc 
O        SS 


351 


352 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


•?  -i 

J 

> 

7o-a 

— 

S 

> 

M 

•in  -s 

7o-a 

'S 

u 

>■ 

a 

1 

Q 

— 

^äi 

^ 

a 



> 

.s|q 

^ 

. 

— 

®?l 

OD 



> 

a 
-5 

s 

ü 

^ 

1 

:§ 

% 

Q 

^ 

.2 

b 

. 

'"' 

Q 

i 

t— 1 

o 

(^ 

Ai 

'".  -J  q  2 

^^zs 

-°I1-S 

afif 

^ 

•:^  -i  -Ol 

> 

7oa 

•in  -s 

^ 

'ä 

Vo-a 

fe 

^ 

1 

P 

> 

n 

3 

— 



ss 

i 



> 

1^ 

1 

C 

2 

< 

_^j 

? 

Ü 

-o 

fe 

~ 

J 

^ 

'— t 

(V 

Fi 

~~' 



Q 

i 



'-' 

o 

c 

.    « 

ö.S 

.  &,fl 

3.  m 
itia 
asta 
iaris 

S  ö  P 

^  o;  OD  § 

ög|^ 

M  a 

II 

S 

1 

M 
C^ 

+ 

1 

t 

+ 

-* 

S 

s 

§s 

S 

3 

+ 

1 

05 
+ 

2 

^ 

^ 

g 

^ 

S 

^^ 

ia    n 

3 
3 

ci 

S  "^ 


^  ^ 


«  3  a  2      'S  ^-3    s 

S         »   CO     S     § 


«o 


et 


.  od  8  ;3o 


C5 

CO 

r- 

CD 

«o 

>-i 

'— ' 

(M 

+ 

+ 

+ 

^. 

Oi 

^ 

>* 

t- 

«J 

^ 

u» 

lÄ 

ÖS 

lO 

(M 

CM 

^ 

+ 

+ 

+ 

-t 

-^. 

r- 

t^ 

lO 

o 

Cö 

Ol 

(M 

jä  '- 

.2       § 

i 

s 


Ao^>  a,> 
'^'^°-  9  — 

02       S       S 


«M» 


-SCoa^ 
"o8:a 


«    .§S 


tß 

s 

<» 

s 

g 

+ 

^- 

lÄ 

■g^is 


1 
> — ' 

1 

o 

IS- 

1 

1 

iö 

1 

1 

•o 

"* 

as 

1 

1 

1 

CO 

1 

l>- 

s; 

m- 

o 

§3 

§§ 

^.2       2 

•  3.9    -ö 

^ 

•S    j^o'^fe^ 


,.  fß. 

S     § 

TT 

1 

S 

1 

«i 
^ 

2 

+ 

+ 

+ 

§ 

1 

©1 

+ 

CM 

+ 

+ 

!2- 

0" 

CVJ 

oa 

22 

-"^ 

3I   1 

ri 

'  o 

■  M   m 


A2. 


2 


352 


Muskelgewichte. 


353 


<» 


Ol 

». 

8 

00 

1 

•q 

(M 

(M 

o 

+ 

- 

+ 

1 

« 

S 

» 

»«„ 

^ 

s 

83 

QC 

lO 

iH 

1 

+ 

+ 

»q 

!P> 

o 

(M 

>« 

SP 

o 

'"' 

C 

.2 

^ 

.£ 

«; 

i?i 

1 

?t 

1-U 

1 

c 

9 

A 

5  J 

1 

ASI 

1 

TS 

S   s 

,s 

^ 

s 

^ 

^ 

§ 

§ 

Cg 

- 

1 

1 

iC5 

CO 

^ 

+ 

1 

o 

1  ■ 

^. 

(M 

06 

•^ 

Ao     Cl 


OD  O       X 
A   ^ 

A:*  ^. 


«CO   o, 

'2     S'^ 


§ 

wo 

++ 

CO 

+ 

o 

+ 

^^ 

^ 

1 

1- 

1 

1 

CO, 

+ 

+ 

+ 

s» 

^ 

^ 

?§°° 

s 

05 

.     o*"        bC 

.eo   .ns    .    .  a 


^ — ' 

+  + 

(M 

+ 

CO 

+ 

ll 

S 

st 

iH 

+  + 

00 
+ 

1-1 

+ 

w    1 

J2 

^ 

lOlO 

00 

^ 

s 

^ 

•     o^         *   o 


^  SS 


05 

IS- 

+ 

1 

5 

+ 

OS 

+ 

^ 

»q 

5 

o5 

^ 

^ 

+ 

»0 

1 

+ 

CO 

+ 

?s 

^ 

^ 

0 

fO 

1-< 

^       s      • 

:« 

2^0  o 


A2^g- 

^«si  oj-ö  «7;  «  a 
^     S      §     § 


ea 

0 

CD 

2- 

+ 

+ 

+ 

+ 

iH 

t 

^ 

t 

s 

SS, 

3 

■^ 

lO 

S 

!2- 

+ 

+ 

+ 

+ 

22 

12 

0 

^ 

10 

>o 

S3 

B 

w 

s 

-;-:i: 

1 

^ 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  IF,  2. 


353 


oQCD         bO 

Afllslg 

OQ    s    s    s 
23 


354 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


> 

c 

^ 

> 

B 

^ 

3 

> 

a 

Sß  n^ 

> 

^  § 

— 

a^ 

> 

< 



a 

^ 

3 

.o 



V 

1— 1 

Q 

- 

7o'-a 


•ca  'ö 

7o-a 


o;5 


«i 


II  S 


^ 

> 

^ 

l__l 

53 

> 

"1 

^ 

^ 

> 

■03 

> 

a 

— 

$^ 

> 

■fi 



2 

H- 1 

< 

-1 

g 

rQ 

i_l 

!q 

<D 

- 

Q 

7o"  -a 


Vo-a 


2-1 


^-Ssa 


Q5  = 


»-•'S 


fii 

-g^ 

?. 

^^. 

J 

As:^ 

g 

<i=" 

H 

.00 

':'^ 

u 

i» 

OQ 

^ 

lO 

% 

Ol 

c 

k 

^ 

g 

^. 

§ 

« 

O 

^ 

g 

Sä-' 

A^ 

<"! 

z^ 

M 

ä     S^c 


W   cß_ 


§ 

« 

8^ 

o 

+ 

s- 

§ 

+ 

+ 

+ 

05 

o 

+ 

2- 

+ 

12 

§? 

M 

'S 

2- 

+ 

CO 

1 

o 

g- 

+ 

3 

;2- 

2S 

s- 

1^       s  _^-^ 


-"-     -2 


r^       S 


-   A- 


s  1 


354 


Zusammenfassende  Vergleichstabelle. 


355 


Zusammenfassende  Vergleichs tabelle. 


1)  8.  Fig.  85-129,  S.  300 

') 

1 

») 

1 

c 

4)  nach  3  bestimmt. 

') 

') 

Q1  7 

2)  8.  Tabelle  S.  321-323. 

S 

T3 

5)  dgl. 

6)  wirkliche  Eeihenfolge 

3)  vgl.  unter  1   M.  delto- 
ideus  9,3X100:  13  = 

Sri 

-o 

3 

1^ 

nach  Ziffer. 

2 

.§1 

a 

N 

M? 

7)  in  Prozenten. 

§ 

71,5  Proz. 

¥ 

1 

£ 

1    1    1 

+  11  1 

II 
1 

1 

No. 

Muskelname 

o 

s 

Muskelname 

No. 

1. 

M.  deltoideus 

13,0 

9,3 

71,5 

+ 

5 

M.  palmaris  brevis 
M.  lumbricalis  III 

1. 

100 

2. 

iM.  subscapularis 

14,5 

6,4 

44,1 

22 

2. 

89,3 

3. 

M.  supraspinatus 

11,5 

6,6 

57,4 

+ 

13 

M.  teres  major 

3. 

80,0 

4. 

M.  infraspinatus 

13,5 

8,7 

64,4 

+ 

9 

M.  lumbricalis  IV 

4. 

77,1 

5. 

M.  teres  minor 

10,5 

6,4 

61,0 

+ 

12 

M.  deltoideus 

5. 

71,5 

6. 

M.  teres  major 

13,5 

10,8 

80,0 

+ 

3 

M.  pronator  quadratus 

6. 

71,4 

7. 

M.  bieeps 

36,0 

13,6 

37,8 

24 

M.  adductor  pollicis 

7. 

67,5 

8. 

M.  coracobrachialis 

12,0 

7,4- 

61,7 

+ 

10 

M.  opponens  pollicis 
M.  infraspinatus 

8. 

65,0 

9. 

M.  brachialis 

22,5 

7,8 

34,6 

25 

9. 

64,4 

lO.l 
ll.| 
12. 

M.  triceps  +  M.  anconaeus 

34,0 

7,7 

20,8 

— 

33 

M.  coracobrachialis 

10. 

61,7 

M.  Pronator  teres 

14,0 

5,4 

38,6 

= 

23 

M.  lumbricalis  II 

11. 

61,2 

13. 

M.  flexor  carpi  radialis 
M.  palmaris  longus 
M.  flexor  carpi  ulnaris 

30,0 

5,8 

19,3 

_ 

38 

M.  teres  minor 

12. 

61,0 

14. 

30,0 

5,0 

16,7 

— 

42 

M.  supraspinatus 

13. 

57,4 

15. 

27,5 

4,8 

17,5 



41 

M.  lumbricalis  I 

14. 

56,0 

16. 

M.  flexor  digitor.  sublimis 

39,0 

4,9 

12,6 

_ 

49 

M.  abductor  digiti  V 

15. 

55,7 

17. 

M.  flexor  digitor.  profund, 
M.  lumbricalis  I 

40,0 

6,6 

16,5 



44 

M.  opponens  digiti  V 
M.  abductor  pollicis  brevis 

16. 

55,0 

18. 

10,0 

5,6 

56,0 

+ 

14 

17. 

52,9 

19. 

M.  lumbricalis  II 

8,5 

5,2 

61,2 

+ 

11 

M.  brachioradialis 

M.  flexor  pollicis  brevis 

M.  flexor  brevis  digiti  V 

18. 
19. 

52,8 
51,7 

20. 

M.  lumbricalis  III 

7,5 

6,7 

89,3 

+ 

2 

20. 

50,0 

21. 

M.  lumbricalis  IV 

7,0 

5,4 

77,1 

+ 

4 

M.  supinator 
M.  subscapularis 

21. 

45,0 

22. 

M.  flexor  pollicis  longus 

30,0 

4,2 

14,0 

— 

47 

22. 

44,1 

23. 

M.  pronator  quadratus 
M.  brachioradialis 

4,0 

2,5 

71,4 

+ 

6 

M.  pronator  teres 
M.  bieeps 
M.  bracliialis 

23. 

38,6 

24. 

32,0 

16,9 

52,8 

+ 

18 

24. 

37,8 

25. 

M.  extens.  carpi  rad.  long. 
M.  extens.  carpi  rad.  brevis 

32,0 

7,6 

23,8 

27 

25. 

34  ß 

26. 

28,0 

5,6 

20,0 



36 

M.  interosseus  volaris  I 

26. 

24,2 

27. 

M.  supinator 

6,0 

2,7 

45,0 

= 

21 

M.  extensor  carpi  rad.  long. 

27. 

23,8 

28. 

M.  extensor  digit.   comm. 

41,5 

6,2 

14,9 

— 

46 

M.  abductor  pollicis  long. 

28. 

23,5 

29. 

M.  extensor  digiti  V          |  38,0 

5,3 

13,9 

— 

48 

M.  interosseus  dorsalis  I 

29. 

23,1 

30. 

M.  extensor  carpi  ulnaris 
M.  abductor  pollicis  longus 

26,0 

5,3 

20,4 



35 

M.  interosseus  volaris  IV 

30. 

23,0 

31. 

20,0 

4,7 

23,5 

— 

28 

M.  extensor  pollicis  brevis 

31. 

22,6 

.32. 

M.  extensor  pollicis  brevis 

19,5 

4,4 

22,6 



31 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

32. 

21,7 

33. 

M.  extensor  pollicis  longus 

26,5 

4,7 

17,7 

— 

40 

M.  triceps  +  M.  anconaeus 

33. 

20,8 

34. 

M.  extensor  indicis  propr. 
M.  abductor  pollicis  brevis 
M.  flexor  pollicis  brevis 

27,5 

5,7 

20,7 

_ 

34 

M.  extensor  indicis  propr. 
M.  extensor  carpi  ulnaris 

34. 

20,7 

35. 

7,0 

3,7 

52,9 

+ 

17 

35. 

20,4 

36. 

6,0 

3,1 

51,7 

+ 

19 

M.  extens.  carpi  rad.  brevis 

36. 

20,0 

37. 

M.  opponens  pollicis 
M.  adductor  pollicis 
M.  palmaris  brevis 

4,0 

2,6 

65,0 

+ 

8 

M.  interosseus  volaris  III 

37. 

20,0 

38. 

4,0 

2,4 

675 

4- 

7 

M.  flexor  carpi  radialis 

38. 

19,3 

39. 

1,8 

1,8 

100,0 

+ 

1 

M.  interosseus  dorsalis  11 

39. 

18,6 

40. 

M.  abductor  digiti  V 

7,0 

3,9 

55;7 

+ 

15 

M.  extensor  poUicis  longus 

40. 

17,7 

41. 

M.  flexor  brevis  digiti  V 

7,0 

3,5 

50,0 

+ 

20 

M.  flexor  carpi  ulnaris 
M.  palmaris  longus 

41. 

17,5 

42. 

M.  opponens  digiti  V 

4,0 

2,2 

55,0 

+ 

16 

42. 

16,7 

43. 

M.  interosseus  volaris  I 

6.0 

i,a5 

24,2 

26 

M.  interosseus  volaris  II 

43. 

16,7 

44. 

M.  interosseus  volaris  II 

12,0 

2,0 

16,7 

— 

43 

M.  flexor  digitor.  profund. 

44. 

16,5 

45. 

M.  interosseus  volaris  III 

11,5 

2,3 

20,0 



37 

M.  interosseus  dorsalis  III 

45. 

16,2 

46. 

M.  interosseus   volaris  IV 

10,0   2,3 

23.0 



30 

M.  extensor  digitor.  comm. 

46. 

14,9 

47. 

M.  interosseus  dorsalis  I 

13,0   3,0 

23,1 

_ 

29 

M.  flexor  pollicis  longus 

47. 

14.0 

48. 

M.  interosseus  dorsalis  II 

14,0,  2,6 

18,6 



39 

M.  extensor  digiti  V 

48. 

13,9 

49. 

M,  interosseus  dorsalis  II J 

13,01  2,1 

16,2 



45 

M.  flexor  digitor.  sublim. 

49. 

12,6 

50. 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

12,0 

2,6 

21,7 

— 

32 

355 


23* 


356  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


VI.   Die  Knochen  des  Armes  mit  den  Muskelansätzen. 

Einleitung. 

Bei  der  bildlichen  Darstellung  der  Muskel-  oder  Sehnenursprünge 
oder  -ausätze  an  den  Knochen  der  oberen  Extremität  haben  wir  uns 
von  dem  Gesichtspunkte  leiten  lassen,  daß  der  muskulöse  Teil  rot 
dargestellt  ist,  der  sehnige  blau,  nicht  in  den  einfachen  Umrißlinien, 
wie  es  beispielsweise  Cunningham  oder  Spalteholz  oder  nach  altem 
Muster  Heitzmann  getan  haben,  sondern  unter  farbiger  Aus- 
füllung der  von  Muskeln  eingenommenen  Knochenabschnitte.  Unser 
ursprüngliches  Vorhaben,  die  einzelnen  Muskelbündel,  wie  sie  sich 
Zwiebel-  oder  dachziegelartig  oder  in  anderer  Form  gesondert  vom 
Knochen  loslösen,  naturgetreu  wiederzugeben,  erwies  sich  zeichnerisch 
als  zu  unruhig.  Gleichwohl  haben  wir  der  Ursprungsrichtung  bei 
den  einzelnen  Muskelabschnitten  durch  entsprechende  Schraffierung 
im  Schwarzen  Rechnung  zu  tragen  gesucht.  Der  sehnige  Teil  ist 
immer  dunkelblau  gehalten.  Befremdend  könnte  es  beispielsweise 
beim  M.  deltoideus  wirken,  daß  eigentümliche  Sehnenleisten  oder 
-pfeiler  sich  zwischen  die  Muskelbündel  einschieben.  Wenn  hier  im 
Texte  die  Einzelheiten  nicht  noch  einmal  hervorgehoben  sind,  so 
können  doch  mit  Leichtigkeit  bei  der  Muskelbeschreibung  die  zum 
Verständnisse  notwendigen  Angaben  nachgelesen  werden. 

Mit  einem  hellblauen  Farbentone  sind  schließlich  diejenigen 
Schleimbeutel  angegeben,  welche  unmittelbar  mit  den  entsprechenden 
Ansatzsehnen  verbunden  sind.  Verzicht  mußte  dabei  geleistet  werden 
auf  die  bereits  genau  beschriebenen  Sehnenscheiden,  welche  sonst 
der  Handgelenksgegend,  besonders  ihrer  Rückseite  oder  der  Beuge- 
seite der  Finger  das  charakteristische  Gepräge  aufdrücken.  Daher 
sind  nur  die  Bursae  der  M.  infraspinatus,  biceps  brachii,  latissimus 
dorsi,  teres  major  und  die  des  M.  abductor  pollicis  longus  am  Os  mult- 
anguluöi  majus  besonders  dargestellt.  Der  letztere  Schleimbeutel, 
den  Poirier  als  konstant  hinstellt,  sei  auch  hier  noch  einmal  der 
Nachprüfung  empfohlen  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  even- 
tuellen Zusammenhanges  mit  der  Articulatio  carpometacarpea  pollicis. 

Bei  den  Vorderarmknochen  konnten  wir  den  Ursprung  der 
Muskeln  von  der  Membrana  interossea  nicht  außer  acht  lassen.  Die 
Darstellungsweise  von  Cunningham,  die  beiden  Vorderarmknochen 
etwas  voneinander  entfernt  darzustellen,  haben  wir  schließlich  nicht 
angenommen,  weil  dabei  eine  Verzerrung  der  Muskelursprünge  eintritt. 
Inwieweit  wir  von  der  CuNNiNGHAMschen  Darstellung  abweichen 
mußten,  wird  dem,  welcher  die  beiden  Darstellungen  miteinander 
vergleicht,  nicht  entgehen. 

An  der  Hand  haben  wir  schematisch  auch  den  Ansatz  der  M. 
interossei  an  den  Basen  der  Grundphalangen  mitangegeben,  im  übrigen 
den  Ursprung  der  M.  interossei  volares  durch  einen  dunkleren 
Ton  gekennzeichnet,  als  den  der  M.  dorsales.  Ueber  den  M.  inter- 
osseus  volaris  I  möge  in  der  gegebenen  Sonderbeschreibung,  wie  auch 
beim  M.  adductor  pollicis  nachgelesen  werden.  Von  einem  praktischen 
Bedürfnisse  aus  glaubten  wir  für  die  Rinnen  am  distalen  Ende  der 
Vorderarmknochen  besondere  Namen  vorschlagen  zu  müssen.  Wenn 
eine   unserer   Bezeichnungen,    deren   wir  mehrere   empfohlen    haben, 

356 


Clavicula  mit  Muskelansätzen.  357 

Anklang  findet,  würden  wir  uns  freuen.  Die  Tatsachen  selbst  sind 
jahrhundertelang  richtig  erkannt;  eine  einfachere  Namengebung  er- 
scheint aber  im  Interesse  einer  kurzen  allgemeinverständlichen  Dar- 
stellung wünschenswert. 

Die  10  Zeichnungen,  welche  wir  von  Muskelursprüngen  oder 
-ausätzen  gegeben  haben,  sind  nach  den  Knochen  desselben  Armes 
entworfen,  und  zwar  des  rechten,  während  für  unsere  entsprechenden 
Bestimmungen  beide  Arme  desselben  Individuums  vorgelegen  haben. 
Nennenswerte  Unterschiede  des  rechten  gegenüber  dem  linken  Arme 
unseres  ungewöhnlich  rauskelkräftigen,  ca.  40-jährigen  Mannes  lagen 
nicht  vor.  Im  Gegensatze  zu  den  vielfach  üblichen  Darstellungen 
bei  der  Abbildung  der  Knochen  von  oben  oder  unten,  wie  beim 
Schlüsselbeine,  oder  von  vorn  und  hinten,  wie  beim  Oberarmbeine, 
den  Vorderarm-  und  den  Handknochen,  sind  wir  dem  Grundsatze 
gefolgt,  daß  der  Oberseite  auch  die  Unterseite,  der  Vorder-  auch 
die  Rückseite  beinahe  genau  entsprechen  sollen.  Wir  haben  in  dieser 
Weise  die  von  oben  oder  vorn  her  gewonnene  Ansicht  umgepaust 
und  auf  die  Unter-  oder  Rückseite  übertragen.  Zwar  gehen  dabei 
verschiedene  Einzelheiten  verloren,  aber  es  kommen  dann  die  ein- 
zelnen Muskeln  in  ihrer  Lage  besonders  gut  zur  Anschauung,  vor- 
nehmlich dann,  wenn  sie,  am  Rande  eines  Knochens  sich  anheftend, 
sowohl  von  der  Vorder-,  wie  von  der  Rückseite  sichtbar  sind.  Geringe 
Abweichungen,  welche  dem  ungeübten  Auge  nicht  bemerkbar  sein 
dürften,  haben  wir  doch  im  Interesse  einer  möglichst  ergiebigen  Dar- 
stellung begehen  müssen. 

Die  sogenannten  Fascien,  wie  die  Fascia  infraspinata,  supra- 
spinata  und  subcapularis  mit  den  von  ihnen  ausgehenden  Sehnen- 
leisten, den  Aponeuroses  und  Septa  intermuscularia,  haben  wir  je  nach 
Bedürfnis  farblos,  blau  gestrichelt  oder  in  dunkelblauen  Linien  dar- 
gestellt. Im  Texte  ist  ja  an  den  verschiedentlichen  Stellen  unsere 
Auffassung  hervorgehoben,  daß  diesen  „Fascien"  ein  aponeurotischer 
Charakter  zukommt,  z.  B.  bei  dem  teilweise  gemeinschaftlichen  Ur- 
sprünge der  M.  infraspinatus,  teres  minor  und  major  und  besonders 
bei  den  Beugern  und  Streckern  der  Vorderarmmuskulatur,  soweit  sie 
von  den  Epicondylen  des  Humerus  entspringen. 

Clavicula  mit  Muskelansätzen. 

Der  Vollständigkeit  halber  müssen  auch  diejenigen  Muskeln  mit- 
angegeben werden,  welche  den  Rumpf  mit  der  Clavicula  verbinden. 
Das  sind  von  oben  her  die  M.  cleidomastoideus,  trapezius  und  sterno- 
hyoideus.  Letzterer  Muskel  hat  so  häufig  einen  Nebenursprung  von  der 
Clavicula,  daß  er  nicht  gut  vernachlässigt  werden  konnte.  Die  Muskeln, 
welche  von  unten  her  mit  dem  Schlüsselbeine  in  Verbindung  treten, 
sind  der  M.  pectoralis  major  mit  seiner  Portio  clavicularis,  die  ent- 
sprechende Portion  des  M.  deltoideus  und  der  M.  subclavius. 

Das  Schlüsselbein  ist  ein  so  verschieden  gebauter  Knochen  nach 
Länge,  Krümmung  der  Achse,  Lage  der  Flächen  und  besonders  auch 
der  individuellen  Ausdehnung  der  Muskelursprünge,  daß  sich  keine 
allgemeine  Regel  darüber  aufstellen  läßt.  Jedenfalls  dürfte  aus  diesem 
Grunde  ein  Schema  nicht  unangebracht  sein,  daß  sich  nämlich  an  der 
oberen  Fläche  je  2  Muskeln  einander  gegenüber  ansetzen,  medial  die 
Portio  clavicularis  m.  pectoralis  majoris  und  der  M.  cleidomastoideus ; 

357 


358 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


lateral  die  M.  deltoideus  und  trapezius  —  selbstverständlich  nur  mit 
ihren  clavicularen  Teilen.  Zwischen  den  beiden  oberen  und  unteren 
Muskeln  würde  dann  eine  muskelfreie  Strecke  des  Knochens  übrig 
bleiben,  welche  die  Basis  für  die  Fossa  supra-  und  infraclavicularis  bildet. 


Im  allgemeinen  kann  man  sagen,  daß  der  vordere  Rand  des  Delta- 
muskels dem  gleichen  des  M.  trapezius  entspricht.  Anders  ist  es  aber 
bei  den  M.  pectoralis  major  und  cleidomastoideus.  Die  Ausdehnung 
des  M.  pectoralis  major  gegen  den  M.  deltoideus  hin  kann  diesen  er- 
reichen, so  daß  dann  überhaupt  nicht  mehr  von  einer  Fossa  infra- 
clavicularis geredet   werden   darf.    Andererseits   beschränkt   sich  der 


358 


Scapula  mit  Muskelansätzen.  359 

Ursprung  des  M,  cleidomastoideus  bisweilen  auf  das  mediale  Viertel 
der  Clavicula.  In  ersterem  Falle  würde  das  Trigonum  infraclaviculare 
gänzlich  fehlen ;  im  zweiten  Falle  die  Fossa  supraclavicularis  oder  das 
Trigonum  supraclaviculare  eine  sehr  breite  Basis  haben,  um  so  mehr, 
als  wir  in  einem  doppelseitigen  Falle  den  Ansatz  des  M.  trapezius 
an  der  Clavicula  auf  das  laterale  Fünftel  beschränkt  sahen.  Gleich- 
zeitig war  in  diesen  beiden  Fällen  eine  auffallend  große  Beweglichkeit 
in  der  Artic.  acromioclavicularis  vorhanden.  Der  Zwischenknorpel 
fehlte  fast  vollständig.  Wir  können  uns  die  abnorme  Beweglichkeit 
des  Schulterblattes,  welche  wir  beiden  Autoren  am  Lebenden  durch 
die  Kleidung  hindurch  je  einmal  beobachten  konnten,  nach  deren  Ur- 
sache wir  erst  gefragt  wurden,  nicht  anders  erklären,  als  durch  eine 
ähnliche  Einrichtung  der  Muskeln  und  Gelenke.  Auf  Einzelheiten  können 
wir  uns  nicht  einlassen,  weil  diese  mehr  zur  Lehre  der  Rumpfmuskeln 
gehören.  Unsere  Abbildung  zeigt  die  Asymmetrie  der  Ursprünge,  im  be- 
sonderen eine  losgelöste  Zacke  des  M.  cleidomastoideus,  welche  in 
ähnlicher  Weise  sich  auch  einmal  vom  M.  trapezius  nach  medial  ab- 
zweigen kann. 

Scapula  mit  Muskelansätzeii. 

Die  Muskelansätze  an  der  Scapula  betreffen  nicht  allein  die  eigent- 
lichen Schultermuskeln,  sondern  auch  in  noch  höherem  Maße  die- 
jenigen Muskeln,  welche  vom  Rumpfe  aus  ihren  Ansatz  am  Schulter- 
blatte finden.  Fast  die  ganze  innere  Hälfte  der  Zirkumferenz  der 
Scapula  wird  von  den  Rumpfmuskeln  eingenommen,  sowie  auch  der 
obere  Rand  der  Spina  scapulae.  Im  einzelnen  sind  es:  vom  Kopfe, 
Halse  und  Rücken  her  kommend,  der  M.  trapezius ;  vom  Zungenbeine 
her  der  M.  omohyoideus;  von  den  Querfortsätzen  der  4  oberen  Hals- 
wirbel entspringend,  der  M.  levator  scapulae,  und  im  Anschlüsse 
daran  die  beiden  M.  rhomboidei,  deren  Ursprung  von  den  Wirbeldornen 
hier  nicht  weiter  auseinandergesetzt  zu  werden  braucht.  Vom  seit- 
lichen Umfange  des  Brustkorbes,  teilweise  auf  die  Vorderseite  über- 
greifend, entwickelt  sich  der  mächtige  M.  serratus  anterior. 

Der  M.  trapezius  nimmt  mit  seinem  scapularen  Ansätze  die  obere 
Kante  der  Spina  scapulae  ein  mit  einem  mehr  oder  minder  breiten 
Saume,  erreicht  jedoch  den  Margo  vertebralis  nicht,  biegt  vielmehr, 
wie  wir  es  beim  M.  deltoideus  genau  beschrieben  haben,  in  der  Höhe 
der  Tuberositas  Spinae,  an  der  Spitze  desTrigonum  basale 
hakenförmig  um  und  gewinnt  so  auch  beinahe  die  untere  Kante  der 
Spina  scapulae. 

Der  M.  omohyoideus  findet  seinen  Ansatz  gewöhnlich  unmittelbar 
medial  vom  Lig.  transversum  scapulae  superius.  Die  Länge  der  Sehne 
ist  am  Ursprünge  individuellen  Schwankungen  unterworfen ;  1  cm  dürfte 
dem  Durchschnitte  entsprechen.  Daß  der  Ansatz  auch  ganz  oder 
größtenteils  muskulös  sein  kann,  sei  beiläufig  erwähnt. 

Die  M.  levator  scapulae,  rhomboideus  major  und  minor  verdienen 
eine  gemeinschaftliche  allgemeine  Besprechung,  indem  nämlich  ein 
Schema  für  sie  zutrifft,  von  dem  nur  unbedeutende  Abweichungen 
vorkommen.  Die  Basis-  der  Scapula,  der  Margo  vertebralis,  zerfällt 
ja  auf  der  Rückseite  durch  die  Spina  scapulae  in  zwei  oder  besser 
drei  Unterabteilungen :  1)  die  Fossa  supraspinata,  deren  medialer  Rand 
genau   dem  Ansätze   des  M.  levator  scapulae   zu  entsprechen   pflegt; 

359 


360 


M.  levator 
scapulae 


Fascia 
infraspinata 


M.  rhomboideus 
major 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 

M.  serratus  anterior 


Lig.  coracociaviculare 

Facies  artic.  acromii 


M.  triceps, 
Caput  longum 


Conjugatio  ad  m.  latissimum  dorsi 


M.  serrattis  anterior 


Fig.  132.     Scapula  mit  Muskel-,  Fascien-  und  ßandansätzen  und  Schleimbeuteln,  Rückseite. 


Scapula  mit  Muskelansätzen. 


361 


M.  coracobiceps 
Facies  articularis  / 


Bursa  subacromi 


AT.  serratus  anterior 

/ 


^'■y 

Sehne  des  langen  .---^  'K/ 

Bicepskopfes 


Caritas  glenoidalis 
Bursa  m.  subscapularis 


Bursa  subcoracoidea 


M.  triceps,  Caput  longum 


Margo  axillaris 


Muskelfreies  Feld 


Arcus  tendineus 
.^    m.  rhomboidei 
>^  majoris 

.'5> 


M.  serratus  anterior 

Angulus  inferior 

Fig.  133.    Scapula  mit  Muskel-,  Fascien-  und  Bandansätzen  und  8chleimbeuteln,  Vorderseite. 

361 


362  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

2)  das  dreieckige  Ursprungsfeld  der  Spina  scapulae,  die  Grundfläche 
unseres  Tri gon um  basale,  wo  der  Regel  nach  der  M.  rhomboideus 
minor  inseriert,  und  3)  die  Fossa  infraspinata,  deren  medialer  Rand 
fast  in  ganzer  Ausdehnung  von  dem  M.  rhomboideus  major  einge- 
nommen wird,  mit  Ausnahme  des  untersten  Teiles,  welcher  dem  M. 
serratus  anterior  zukommt.  Kurz  gesagt  also:  Fossa  supraspinata 
=  M.  levator  scapulae;  Spina  scapulae  =  M.  rhomboideus  minor; 
Fossa  infraspinata  =  M.  rhomboideus  major.  Inwieweit  sich  diese 
drei  Muskeln  sehnig  oder  muskulös  an  der  Scapula  ansetzen,  hängt 
vom  Einzelfalle  ab.  Jedenfalls  nimmt  der  M.  levator  scapulae  eine 
größere  Partie  des  oberen  Schulterblattwinkels  ein,  als  man  nach 
seinem  Namen  M.  levator  a  n  g  u  1  i  scapulae  annehmen  könnte,  den  er 
vielmehr  dem  M.  serratus  anterior  überläßt.  Andererseits  haben  wir 
ein  ziemlich  häufiges  Vorkommnis  abgebildet  (Fig.  133),  daß  nämlich 
der  M.  rhomboideus  major  nicht  kontinuierlich  an  dem  Margo  verte- 
bralis  der  Fossa  infraspinata  sich  anheftet,  sondern  an  einer  langen 
Sehne,  welche  nur  oben  und  unten  Knochenansatz  hat. 

Der  M.  serratus  anterior  entspricht  im  großen  und  ganzen  den 
drei  eben  genannten  Muskeln,  denen  gegenüber  wir  auf  der  Vorder- 
seite des  Schulterblattes  seine  charakteristische  Ansatzlinie  finden. 
Jedoch  reicht  sein  Ansatz  über  den  oberen  und  unteren  Winkel  hinaus 
und  greift  dabei  auf  den  oberen  Rand  und  unten  über  den  Angulus 
inferior  hinaus  bis  auf  den  axillaren  oder  lateralen  Rand.  Die  6  eigent- 
lichen Schultermuskeln :  die  M.  1)  deltoideus,  2)  teres  minor,  3)  teres 
major,  4)  subscapularis,  5)  supraspinatus,  6)  infraspinatus  verhalten 
sich  in  ihrem  Ursprünge  verschieden  je  nachdem,  ob  sie,  wie  der  M. 
deltoideus  (1),  von  dem  unteren  Rande  des  Schultergürtels,  oder,  wie 
der  M.  teres  minor  (2)  oder  M.  teres  major  (3),  scharf  unschriebene 
kleine  Teile  des  Schulterblattes  einnehmen,  oder  andererseits  wie  die 
unter  4 — 6  genannten  Muskeln  die  gleichnamigen  Gruben  des  Schulter- 
blattes ausfüllen.  Bei  letzteren  liegt  nämlich  der  Ursprung  und  die 
Faserrichtung  ungefähr  parallel  der  Knochenfläche  der  Grube.  Daraus 
ergibt  sich,  daß  ein  großer  Teil  in  der  Umgebung  des  Gelenkes  vom 
Muskelursprunge  frei  bleiben  muß. 

Der  M.  deltoideus  ist  auf  den  freien  Rand  der  Spina  scapulae 
von  dem  Trigonum  der  Spina  bis  zum  Acromion  angewiesen.  An 
der  tiefen  Fläche  des  Acromion  verhindert  die  Bursa  subdeltoidea, 
welche  besser  subacromialis  genannt  würde  (siehe  S.  32),  eine  weitere 
Anheftung  der  Muskulatur.  Auf  der  oberen  Fläche  dagegen  kann 
sich  dieselbe  eine  ganze  Strecke  weit  gegen  den  M.  trapezius  vor- 
schieben. 

Der  M.  teres  minor  hat  nur  eine  schmale  spindelförmige  oder 
dreieckige  Facette  für  sich,  welche  vom  axillaren  Rande  des  Knochens 
sich  etwa  1  cm  weit  auf  das  Dorsum  hin  erstreckt.  Die  das  Ur- 
sprungsfeld einschließenden  Leisten  sind  am  Knochenpräparate  mit 
solcher  Deutlichkeit  zu  erkennen,  daß  es  wundernehmen  muß,  wie 
wenig  scharf  sie  häufig  bei  osteologischen  Darstellungen  berücksichtigt 
sind.  Sie  verdanken  ihre  Entstehung  weniger  dem  Muskelansatze  nur 
eines  Muskels,  als  der  Gegenwart  von  aponeurotischen  Platten, 
zwischen  zwei  oder  mehreren  Nachbarmuskeln,  welche  vielfach  nur  als 
Fascien  bezeichnet  werden.  Die  Aponeurosis  intermuscularis,  wie  w  i  r 
sie  genannt  haben,  trennt  dorsal-medial  den  M.  teres  minor  vom  M. 
infraspinatus,  außen,  axillar  den  M.  teres  minor  vom  M.  subscapularis. 

362 


Scapula  mit  Muskelansätzen.  363 

An  beiden  Stellen  findet  sich  eine  spitzwinklige  Divergenz  der  Bündel 
der  in  Betracht  kommenden  Muskeln. 

Der  M.  deltoideus  zeigt  in  unserer  Abbildung  die  charakte- 
ristischen Sehnenpfeiler  blau  gezeichnet  und  dazwischen  die  rot  darge- 
stellten oberen  Muskelkeile,  welche  den  Bereich  des  Acromion  ein- 
nehmen. Am  untereu  Rande  der  Spina  scapulae  sieht  man  die 
eigentümliche  Verdoppelung  der  Aponeurose,  in  deren  Mitte  noch 
Muskelsubstanz  sich  einschiebt,  dies  ist  jedoch  in  unserer  Abbildung 
mehr  schematisch  angegeben. 

Der  M.  teres  minor  hält  sich  genau  an  das  von  den  Knochen- 
leisten umrahmte  kleine  Gebiet,  dessen  wir  eben  genau  gedacht  haben. 
Oben  spitz  gegen  das  Tuberculum  infraglenoidale  auslaufend,  schiebt 
der  Ursprung  sich  auch  nach  unten  keilartig  hinein  zwischen  die  M. 
teres  major  und  infraspinatus. 

Der  M.  teres  major  wechselt  in  der  Größe  seines  Ursprungs- 
feldes außerordentlich.  Er  ist  es  ja,  welcher  dem  unteren  Winkel 
des  Schulterblattes  eine  mitunter  viereckige  Form  verschafft,  während 
dieser  Winkel  andererseits  ganz  spitz  entwickelt  sein  kann.  Die  Breite 
des  Ursprungsfeldes  vom  axillaren  Rande  aus,  quer  gegen  den  Margo 
vertebralis  gemessen,  schwankt  zwischen  IV2 — 4  cm.  Charakteristisch 
ist  außerdem  für  seinen  Ursprung,  daß  er  niemals  von  der  dorsalen 
Seite  auf  die  Fossa  subscapularis  übergreift,  während  der  M.  serratus 
anterior  das  Dorsum  erreicht.  Außerdem  ist  zu  beachten,  daß  — 
man  könnte  es  beinahe  als  Regel  bezeichnen  —  eine  Muskelkonju- 
gation zwischen  den  M.  teres  major  und  latissimus  dorsi  besteht, 
welche  dann,  wie  in  dem  abgebildeten  Falle,  genau  den  untersten 
Rand  des  Angulus  inferior  scapulae  als  Ursprung  benutzt. 

Der  M.  subscapularis  nimmt  nur  die  gleichnamige  Grube 
des  Schulterblattes  für  sich  in  Anspruch,  d.  h.  er  läßt  den  Margo 
vertebralis  frei  und  besonders  den  oberen  und  unteren  Winkel, 
welche  dem  M.  serratus  anterior  vorbehalten  sind.  Zwischen  beiden 
Muskeln  liegt  sogar  an  diesen  Stellen  der  Knochen  teilweise  in  nicht 
unbeträchtlicher  Ausdehnung  vollkommen  frei.  Charakteristisch  für 
den  Ursprung  sind  Leisten,  die  Lineae  musculares,  welche  man 
früher  fälschlich  als  Costae  scapulae  bezeichnete.  3 — 6  an  der 
Zahl,  verlaufen  sie  im  großen  und  ganzen  konvergierend  gegen  die 
Cavitas  glenoidalis  hin.  Unser  abgebildeter  Fall  (siehe  Fig.  133)  ent- 
spricht einigermaßen  der  Norm.  Muskelfrei  bleibt  in  der  Fossa  sub- 
scapularis der  dem  Gelenke  naheliegende  Abschnitt  der  Grube;  nach 
medial  konvex,  aber  unregelmäßig  zackig  geht  die  Grenzlinie  ungefähr 
von  der  Incisura  scapulae  bis  zum  unteren  Rande  der  Tuberositas 
infraglenoidalis.  Der  unter  dem  M.  subscapularis  gelegene  Schleim- 
beutel, welcher  gewöhnlich  mit  der  Bursa  subcoracoidea  identisch  ist 
und  dadurch  die  Gelenkhöhle  weit  nach  medial  vorschiebt,  ist  hellblau 
dargestellt.  Außerdem  ist  ein  kleiner  Schleimbeutel  abgebildet,  der 
zwischen  den  Bündeln  der  Ansatzsehne  lag,  aber  nicht  mit  der  Ge- 
lenkhöhle zusammenhing ;  es  ist  dies  also  ein  intertendinöser  Schleim- 
beutel am  Ansätze  eines  Muskels,  der  auch  an  anderen  Muskeln  von 
uns  betont  ist. 

Von  den  Ursprüngen  des  M.  supraspinatus  aus  der  osteo- 
fibrösen  Scheide  der  gleichnamigen  Grube  ließen  sich  diejenigen 
Bündel  nicht  abbilden,  welche  von  der  tiefen  Fläche  der  Fascia 
supraspinata  herkommen,   wohl  aber  ist  ihre  Anheftungslinie  an  den 

363 


364  FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

knöchernen  Rändern  der  Grube  durch  eine  dunkelblaue  Linie  gekenn- 
zeichnet. Auch  in  der  Fossa  supraspinata  bezeichnet  der  mediale 
Umfang  der  Incisura  scapulae  (Lig.  transversum  scapulae  superius) 
die  Grenze,  über  welche  hinaus  lateralwärts  gegen  das  Gelenk  hin 
die  Muskelbündel  keinen  Ursprung  mehr  zu  nehmen  pflegen. 

Beim  M.  infraspinat  us  gilt  bezüglich  der  Fascie  das  Gleiche, 
was  soeben  von  der  Fascia  supraspinata  gesagt  wurde.  Es  kommen 
jedoch  noch  zwei  besondere  Punkte  hinzu :  1)  der  accessorische  Ursprung 
der  Portio  spinata  von  dem  unteren  Rande  der  Spina  scapulae  und 
der  tiefen  Aponeurose  des  M.  deltoideus;  2)  die  Tatsache,  daß  eine 
Zerklüftung  des  einheitlichen  Muskelursprunges  durch  die  hart  am 
Knochen  gelegenen  Gefäße  bedingt  ist,  bei  deren  schematischer  Wieder- 
gabe im  wesentlichen  ein  entsprechendes  Präparat  zu  Grunde  gelegt 
ist.  Ein  verhältnismäßig  großes  Feld  des  Knochens  in  der  Umgebung 
des  Gelenkes  bleibt  frei  von  Muskelansätzen,  in  welchem  das  Ende 
des  N.  suprascapularis  und  die  Anastomose  zwischen  den  Vasa  trans- 
versa und  circumflexa  scapulae  freien  Verlauf  nehmen  können. 
Schließlich  ist  beim  M.  infraspinatus  noch  die  Bursa  zu  erwähnen, 
welche  sich  an  der  Umschlagsstelle  der  Portio  spinata  um  den  freien 
lateralen  Rand  der  Spina  scapulae  findet. 

Humerus  mit  Muskelansätzen. 

Die  beiden  Abbildungen  vom  Oberarmbeine  sind  so  gehalten,  daß 
der  Vorderansicht  genau  die  der  Rückseite  entspricht.  Wir  haben 
verschiedene  knöcherne  Oberarmbeine  in  4  gleich  lange  Teile  zerlegt 
und  kommen  dabei  zu  folgenden  Ergebnissen:  Das  erste  Viertel  um- 
faßt die  Rollmuskeln  des  Armes  und  endet  in  der  Mitte  der  Cristae 
beider  Tubercula,  das  zweite  Viertel  entspricht  mit  geringen  Ab- 
weichungen dem  distalen  Ende  der  Tuberositas  deltoidea,  d.  h.  der 
Mitte  des  Oberarmbeines;  das  dritte  Viertel  hat  keine  bestimmte 
Knochenmarke,  kann  jedoch  in  die  Mitte  des  Muskelbauches  des  M. 
brachialis  gelegt  werden ;  das  letzte  Viertel  reicht  bis  zum  Spalte  des 
Ellenbogengelenkes. 

Die  Rückseite  bedarf  der  Einteilung  in  4  Viertel  kaum.  Es 
genügt  eine  Halbierung,  deren  Schnittebene  dem  distalen  Ende 
der  Tuberositas  deltoidea  entspricht.  Die  distale  Hälfte  enthält  fast 
nur  das  Caput  mediale  des  M.  triceps,  welches  sich  in  der  proximalen 
bis  zum  Collum  chirurgicum  humeri  ifortsetzt.  Hier  finden  wir  dann 
als  scharfe  Grenze  gegen  das  Caput  laterale  eine  muskelfreie  Stelle, 
den  Sulcus  (spiralis)  n.  radialis.  Sonstige  Einzelheiten,  besonders  wenn 
sie  die  Epiphysen  betreff'en,  müssen  aus  der  Figur  entnommen  werden. 
Die  bekannten  Tatsachen  über  das  Tuberculum  majus  mit  dreifachem 
Muskelansatze :  M.  supraspinatus,  infraspinatus  und  teres  minor,  und 
das  Tuberculum  minus  mit  dem  Ansätze  des  M.  subscapularis  und 
schließlich  die  Bursa  bicipitalis  im  Sulcus  intertubercularis  mögen  aus 
den  Abbildungen  ersehen  werden.  Hervorgehoben  sei,  daß  nicht  nur 
der  M.  subscapularis,  sondern  auch  der  am  meisten  distale  Aus- 
wärtsroller, der  M.  teres  minor,  gewöhnlich  einen  muskulösen  An- 
satz über  das  entsprechende  Tuberculum  hinaus  gegen  den  Humerus- 
schaft  besitzt. 

Die  Außenseite  der  Diaphyse  des  Humerus  ist  an  jedem  Knochen- 
präparate charakterisiert  durch  die  V-förmige  Tuberositas   deltoidea, 

364 


Humerns  mit  Muskelansätzen.  365 

welche  in  unseren  Abbildungen  sowohl  auf  der  Vorder-  wie  auf  der 
Rückseite  zu  sehen  sein  muß.  In  auffälliger  Weise  schieben  sich  von 
dem  mächtigen  Ansatzfelde  Sehnenpfeiler  nach  oben  in  den  M.  deltoideus 
hinein.  Vorn  setzt  sich  die  Tuberositas  deltoidea,  am  Knochenprä- 
parate meist  nicht  unterscheidbar,  in  die  Crista  tuberculi  majoris 
fort.  Wenn  auch  am  Muskelpräparate  hier  recht  oft  eine  Verschmel- 
zung des  M.  pectoralis  major  mit  der  des  M.  deltoideus  statthat, 
so  wollten  wir  in  unserer  Zeichnung  dies  doch  nicht  darstellen,  sondern 
die  vordere  Kante  der  Tuberositas  deltoidea  von  dem  Ende  der  Crista 
tuberculi  majoris  getrennt  abbilden.  Gegenüber  von  der  Hauptrauhigkeit 
der  Crista  tuberculi  majoris  liegen  die  Ansätze  des  M.  latissimus  dorsi 
und  des  M.  teres  major.  Charakteristisch  für  diese  beiden  Endsehnen 
sind  die  Schleimbeutel,  welche  sich  zwischen  ihnen  und  dem  Knochen 
finden.  Bei  einer  Verschmelzung  beider  Sehnen  fehlt  natürlich  der 
Schleimbeutel  zwischen  ihnen.  Bei  nur  teilweiser  Vereinigung  be- 
herbergt die  zwischen  beiden  Sehnen  freibleibende  Tasche  am 
Muskelpräparate  einen  Schleimbeutel;  am  Knochenpräparate  kann 
eine  doppelte  Leiste  vorhanden  sein.  Wenn  der  M.  teres  major  am 
Ansätze  noch  Muskelbündel  enthält  —  an  unseren  Präparaten,  welche 
die  beiden  Arme  derselben  Leiche  betrafen,  war  auf  der  rechten  Seite, 
der  augenscheinlich  mehr  gebrauchten,  der  Ansatz  rein  sehnig,  während 
auf  der  linken  Seite,  welche  wir  in  unserer  Abbildung  dargestellt 
haben,  die  obere  Hälfte  noch  Muskelbündel  enthielt  —  so  finden  wir 
den  Schleimbeutel  nur  im  Bereiche  des  rein  sehnigen  Ansatzes. 

Der  M.  coracobrachialis  findet  seinen  Ansatz  im  allgemeinen 
genau  gegenüber  dem  vorderen  Schenkel  der  Tuberositas  deltoidea, 
von  dem  er  durch  die  jeweilige  Breite  des  Ursprunges  des  M.  bra- 
chialis  getrennt  ist.  Bei  der  Muskelbeschreibung  haben  wir  erwähnt, 
daß  der  M.  coracobrachialis  den  Adductoren  des  Oberschenkels  gleich 
zu  setzen  ist.  Hierauf  beruht  die  wechselnde  Ausdehnung  des  An- 
satzes nach  unten-distal  hin,  welcher  sich  durch  das  Septum  inter- 
musculare  mediale  ja  bis  zum  Epicondylus  medialis  hin  erstreckt. 
Der  Ansatz  ist  nach  lateralwärts  sehnig,  medialwärts  mehr  oder 
weniger  muskulös. 

Ganz  an  der  inneren  Kante  des  Humerus  ist  bei  der  genauen 
Ansicht  von  vorn  noch  ein  schmaler  Saum  vom  Ursprünge  des  Caput 
mediale  m.  tricipitis  zu  erkennen. 

Die  untere  Hälfte  der  Epiphyse  des  Humerus  ist  wesentlich  ein- 
facher, indem  die  ganze  vordere  Fläche  zu  beiden  Seiten  der  vorderen 
Kante  vom  M.  brachialis  eingenommen  wird,  und  nur  die  seitlichen 
Kanten  anderen  Muskeln  oder  den  Septa  intermuscularia  zur  Anheftung 
dienen. 

Beim  M.  brachialis  und  auch  auf  der  Rückseite,  beim  Ursprünge 
des  Caput  mediale  des  M.  triceps  macht  sich  wiederum  das  Gesetz 
bemerkbar,  welches  wir  bereits  bei  denjenigen  Schultermuskeln  er- 
wähnt haben,  welche  die  3  gleichnamigen  Gruben  der  Scapula  aus- 
füllen, daß  nämlich  bei  den  Muskeln,  welche  nur  ein  Gelenk  über- 
springen und  in  der  Nähe  desselben  ihren  Ursprung  haben,  der  dem 
Knochen  ungefähr  parallele  Verlauf  der  Muskelbündel  doch  eine  er- 
hebliche Entfernung  des  Urspunges  von  der  eigentlichen  Gelenkhöhle 
bedingt.  Bei  der  Beugeseite  mit  dem  M.  brachialis  ist  dies  noch 
ausgesprochener  entwickelt,  als  bei  der  Streckseite  mit  dem  Caput 
mediale  des  M.  triceps. 

365 


366 


M.  supraspinatus 


Tuberculum  majus 


Vagina  mucosa  inter 
tubercularis 


Crista  tuberculi  majoris 


M.'  latissimus  dorsi  ■ 


M.  teres  major - 


M.  pectoralis  major - 


Labium  anterius  tubei 
ositatis  deltoideae 


Apex  tuberositatis 
deltoideae 


M.  extensor  carpi  radial 
longus 


M.  extensor  digi- 
torum  communis 


M.  supinator 
Capitulum  humeri 


Caput  humeri 

M.  subscapularis 
Collum  anatomicura 


Collum  chirurgicum 


m.  latissimi  dorsi 


^  M.  triceps,  Caput  mediale 


M.  coracobrachialii 


Mitte  des  Humerus 


Sulcus  (spiralis)  n 
radialis 


M.  brachioradial 


Facies  anterior  mediali: 


\ Margo  anterior 


Margo  medial) 


Septum  intermusculare 
mediale 


Muskelfreies  Feld 


M.  Pronator  teres 


M.  flexor  carpi 

radialis 
M.  flexor   digitorum 

sublimis 
M.  flexor  carpi  ulnaris 


Fig.  134.    Humerus  mit  Muskelansätzen  und  Schleimbeuteln,  Vorderseite. 


Caput  humeri 


Collum  anatomicum 


Collum  chirurgicum 


M.  triceps,  caput  mediale 


367 


M.  infraspinatus 


M.  teres  minor 


M.  triceps,  caput  laterale 


Sulcus  (spiralis)  n.  radialis 


M.  triceps,  caput  laterale 


_     Labium  posterius 

der 
-Tuberositas  deltoidea 


Muskel  freies  Feld 


Epicondylus  medial 


a  Umschlagsstelle  des 

1^  N.  radialis 


M.  extensor  carpi  radialis 
longus 


M.  triceps,  caput 
mediale 


M.  extensor  carpi 

radialis  brevis 
M.  extensor  digi- 
torum   communis 


M.  extensor  carpi 
ulnaris 


M.  anconaeus 

Fig.  135.    Humerus  mit  Muskelansätzen,  Rückseite. 


368  PROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

An  der  äußeren  Kante  finden  wir  unterhalb  des  Ursprunges  des 
M.  brachialis  die  charakteristische  Umschlagsstelle  des  N.  radialis  von 
der  Rück-  auf  die  Vorderseite.  Der  Sulcus  (spiralis)  n.  radialis  trennt 
den  M.  brachialis  vom  M.  brachioradialis.  Ein  wie  langes  Ursprungs- 
feld dieser  Muskel  an  dem  Margo  lateralis  hat,  dürfte  in  der  Ab- 
bildung hinreichend  zum  Ausdruck  kommen.  Wenn  es  sich  um 
Varietäten  handelt,  kann  der  Ursprung  sich,  wie  erwähnt,  bis  zur 
Tuberositas  deltoidea  ausdehnen.  Im  Anschlüsse  an  den  M.  brachio- 
radialis nach  unten  hin  liegt  der  Ursprung  des  M.  extensor  carpi  radialis 
longus,  welcher  ungefähr  mit  dem  Ende  des  M.  brachialis  beginnt  und 
mit  der  Ecke  des  Epicondylus  lateralis  aufhört.  Sein  oberer  Teil  ist 
muskulös,  sein  unterer  teilweise  sehnig. 

Die  Spitze  des  Epicondylus  lateralis  selbst  wird  im  wesentlichen  vom 
M.  extensor  digitorum  communis  eingenommen,  zum  geringeren  Teile 
nur  vom  M.  extensor  carpi  radialis  brevis,  dessen  auffallend  dünner  und 
außerdem  in  der  Tiefe  verborgener  Ursprungssehne  bei  der  Muskel- 
beschreibung ausführlich  gedacht  ist. 

Schließlich  schickt  noch  der  M.  supinator  (brevis)  einen  Zipfel 
zur  Vorderseite  hinüber,  den  man  aber  auch  als  Verstärkung  der  Ge- 
lenkkapsel auffassen  kann. 

Die  innere  Kante  des  Humerus  dient  dem  Septum  intermusculare 
mediale  zur  Anheftung,  welches  blaupunktiert  angegeben  ist,  ohne 
daß  zeichnerisch  dem  Ursprünge  des  M.  brachialis  einerseits,  des 
Caput  mediale  des  M.  triceps  andererseits  Rechnung  getragen  werden 
konnte. 

Im  unteren  Teile  des  Septum  intermusculare  mediale  ist  der  Ur- 
sprung des  M.  Pronator  teres  zu  erwähnen,  welcher  viel  weiter 
proximalwärts  reicht,  als  es  gewöhnlich  abgebildet  wird.  Selbst  wenn 
kein  Processus  supracondyloideus  vorhanden  ist,  reicht  doch  der  Ur- 
sprung des  M.  Pronator  teres  mindestens  1 — 3  cm  über  die 'scharfe 
Ecke  des  Epicondylus  medialis  nach  oben  empor,  im  Gegensatze  zu 
den  übrigen,  rein  sehnig  entspringenden  Muskeln  der  Beugegruppe 
überwiegend  muskulös. 

Die  M.  flexor  carpi  radialis,  flexor  digitorum  sublimis,  flexor  carpi 
ulnaris  in  seinem  humeralen  Teile,  haben  nur  ganz  schmale  aponeuro- 
tische  Blätter  zum  Ursprünge.  Den  M.  palmaris  longus  haben  wir 
absichtlich  nicht  berücksichtigt,  da  er  einmal  fehlen  kann,  andererseits 
auch  bei  kräftiger  Entwickelung  des  Muskelbauches  nur  in  Ausnahme- 
fällen eine  einwandsfreie  eigene  Ursprungssehne  bis  zum  Epicondylus 
medialis  hin  entwickeln  dürfte. 

An  der  Rückseite  des  Oberarmes  ist  bereits  die  proximale  Epi- 
physe  erledigt,  ebenso  die  Tuberositas  deltoidea. 

Diese  gibt  uns  aber  für  die  Betrachtung  der  Diaphyse  wichtige 
Anhaltspunkte.  Bei  der  Muskelbeschreibung  ist  bereits  hervorgehoben, 
wie  der  hintere  Rand  des  M.  deltoideus  auch  den  äußerlich  sicht- 
baren Beginn  der  Muskulatur  des  Caput  laterale  des  M.  triceps  be- 
stimmt. Der  Verlaufsrichtung  des  hinteren  Randes  des  Deltamuskels 
entspricht  auch  der  untere  Rand  des  Caput  laterale  des  Triceps.  In 
der  Tiefe  am  Knochen  ist  die  Kreuzung  eine  spitzwinklige,  indem  der 
Sulcus  spiralis  steiler  emporsteigt,  als  wie  sich  der  hintere  Rand  des 
M.  deltoideus  nach  unten  begibt.  Beide  Tricepsköpfe,  welche  vom 
Humerus  entspringen,  verhalten  sich  nun  grundverschieden.  Das 
Caput  laterale  nimmt  nur  einen  verhältnismäßig  schmalen,  aber  langen 

368 


Humerus  mit  Muskelansätzen.  369 

Teil  der  oberen,  proximalen  Hälfte  des  Humerusschaftes  an  der 
lateralen  Seite  ein,  während  das  Caput  mediale  nicht  allein  die  ganze 
untere,  distale  Hälfte  beansprucht,  sondern  sich  auch  noch  breit, 
keilartig  in  die  obere  Hälfte  zur  medialen  Seite  emporschiebt.  Beide 
Köpfe  können  sich,  wie  in  unserer  Abbildung  angegeben,  bis  zum 
Collum  chirurgicum  humeri  nach  oben  hin  erstrecken.  Hierdurch  wird 
gleichzeitig  ein  Gegensatz  zwischen  der  vielfach  üblichen  Darstellung 
erzielt,  daß  nämlich  zwischen  den  beiden  Köpfen  ein  hinreichend 
großer  Raum  freibleibt,  in  welchem  der  N.  radialis  zusammen  mit 
den  Vasa  profunda  brachii  verläuft.  Zwar  erfahren  die  beiden  Köpfe 
durch  die  Durchbohrung  eine  scharfe  Trennung  des  Ursprunges,  aber 
die  durchbohrenden  Gebilde  sind  durchaus  nicht  immer  in  der  viel 
zu  schmalen  Knochenrinne  dauernd  gelagert.  An  Präparaten,  welche 
wir  in  bestimmter  Beuge-  oder  Streckstellung  gehärtet  hatten,  oder 
an  frischen  Armen  konnten  wir  den  Nachweis  führen,  daß  der  N. 
radialis  gewöhnlich  auf  dem  Caput  mediale  des  M.  triceps  ruht  und 
nur  ein  kleiner  Teil  des  Hauptstammes  oder  Seitenzweige  dem  Sulcus 
spiralis  aufliegen.  Dies  ist  besonders  an  frischen  Präparaten  mit 
Leichtigkeit  bei  der  Beugung  des  Vorderarmes  nachzuweisen.  Bei 
der  Streckung  allerdings  werden  die  durchbohrenden  Teile  in  den 
Sulcus  spiralis  nach  oben  hineingeschoben. 

Das  Caput  mediale  des  M.  triceps  nimmt  fast  die  ganze  Länge 
der  medialen  Seite  des  Oberarmschaftes  ein ;  am  lateralen  Rande  da- 
gegen nur  den  unteren  Abschnitt  und  findet  dort  in  charakteristischer 
Weise  nur  einen  schmalen  Fortsatz  nach  unten  hin  bis  zum  Ursprünge 
des  M.  anconaeus  (quartus).  Wir  müssen  dies  Verhalten  als  normal 
hinstellen,  obwohl  beim  Erwachsenen  in  der  Höhe  des  Epicondylus 
lateralis  eine  Unterbrechung  im  Ursprünge  der  Muskelbündel  ein- 
treten kann  —  nach  unserer  Meinung  durch  Druckatrophie.  Es  wäre 
sonst  unverständlich,  warum  gerade  das  Caput  mediale  an  der 
Außenseite  des  Vorderarmes  den  M.  anconaeus  (quartus)  entwickelt 
und  derselbe  Nerv,  welcher  den  lateralen  Abschnitt  dieses  Muskels 
versorgt,  in  unmittelbarer  Fortsetzung  im  M.  anconaeus  sein  Ende 
findet.  Uebrigens  haben  wir  den  unmittelbaren  Uebergang  der 
Muskelbündel  bis  in  die  Ursprungssehne  des  M.  anconaeus  auch  bei 
ganz  alten  Individuen  mit  aller  Deutlichkeit  feststellen  können. 

Die  Rückansicht  zeigt  noch  einmal  an  der  lateralen  Kante  den 
Ursprung  der  M.  brachioradialis,  extensor  carpi  radialis  longus,  brevis, 
extensor  digitorum  communis,  und  der  von  vorn  nicht  sichtbaren  M. 
extensor  carpi  ulnaris  und  anconaeus. 

Der  M.  extensor  digiti  quinti  proprius  erreicht  ja,  wie  im 
Texte  erwähnt,  den  Epicondylus  lateralis  gewöhnlich  nicht. 

Am  Epicondylus  medialis  läßt  sich  von  der  Rückseite  her  nur 
das  Caput  humerale  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  erkennen. 

Besonderes  Gewicht  ist  darauf  zu  legen,  daß  der  Epicondylus 
lateralis  überhaupt  nur  von  der  Rückseite  aus  gesehen  oder  palpiert 
werden  kann. 

Bei  angestrengter  Extension  macht  sich  beim  Erwachsenen  eine 
deutliche  Vertiefung  zwischen  den  umrahmenden  Muskeln  kund;  bei 
fettreichen  Kindern  erscheint  hier  eine  Grube,  welche  dadurch  ihre 
Erklärung  findet,  daß  die  bei  der  Beugung  eintretende  Hautspannung 
an   diesem    Punkte   keine   Fettansammlung   gestattet.      Aus    diesem 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  II,  2.  24 


370  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Grunde  verschwindet  auch  beim  Erwachsenen  bei  der  Beugung  eine 
bei  der  Streckung  auch  noch  so  deutliche  Grube. 

Ossa  antebrachii  mit  Miiskelansätzen. 

Auch  bei  den  Vorderarmknochen  haben  wir  in  der  zeichnerischen 
Darstellung  den  Grundsatz  befolgt,  daß  die  Vorderseite  genau  in  der- 
selben Ansicht  abgebildet  ist,  wie  die  Rückseite,  und  zwar  bei  starker 
Supination.  Beim  ersten  Anblicke  befremdend  erscheint  vielleicht  die 
Tatsache,  daß  ein  großer  Teil  der  Vorderarmknochen  von  Muskelur- 
sprüngen oder  -ausätzen  frei  bleibt,  besonders  die  Rückseite. 

Die  Beuger  des  Vorderarmes  gegen  den  Oberarm  finden  ihren 
Ansatz  an  den  Vorderarmknochen  hauptsächlich  dicht  unterhalb  des 
Ellenbogengelenkes;  der  M.  biceps  rein  sehnig  an  dem  hinteren  Um- 
fange der  Tuberositas  radii,  welche  auch  noch  von  der  Rückseite  her 
selbst  bei  der  Supination  erkannt  werden  kann.  Ungleich  ausgiebiger 
ist  die  Insertion  bei  der  Pronation  zu  bemerken.  Auf  eine  Abbildung 
dieser  grundlegenden  Tatsache  glaubten  wir  deshalb  verzichten  zu 
können,  weil  sich  ein  jeder  schon  am  Skelete  mit  Leichtigkeit  davon 
überzeugen  kann. 

Der  Ansatz  des  M.  brachialis  an  der  Tuberositas  ulnae  ist  nur 
an  den  präparatorisch  freiliegenden  Flächen  sehnig,  in  der  Tiefe  da- 
gegen, gegen  das  Gelenk  hin  muskulös,  wie  sich  ja  überhaupt  dieser 
eingelenkige  Muskel  durch  die  geringe  Entwickelung  von  Sehnensub- 
stanz auszeichnet. 

Den  dritten  Beuger,  den  M.  brachioradialis,  finden  wir  mit  breitem 
abgeflachten  Sehnenansatze  proximal  vom  Processus  styloideus  radii 
an  der  freien  lateralen  Fläche  des  Knochens. 

Der  Hauptsache  nach  werden  die  Vorderarmknochen  vorn  durch 
die  tiefe  Beugemuskulatur  der  Finger  eingenommen,  außerdem  aber 
durch  den  Ansatz  der  Pro-  und  Supinatoren.  Aber  auch  die  ober- 
flächliche Schicht  der  vom  Epicondylus  medialis  vorzugsweise  ent- 
springenden Beugegruppe  findet  accessorische  Ursprünge  medial  von 
der  Tuberositas  ulnae,  und  in  der  Verlängerung  dieser  Linie  nach 
außen  zum  Radius  hin  neben  der  Linea  supinatoria  durch  das  soge- 
nannte Caput  radiale  des  M.  flexor  digitorum  sublimis. 

Sämtliche  Muskeln,  welche  mit  der  Pro-  und  Supination  zu  tun 
haben,  müssen  sich  selbstverständlich  an  dem  drehbaren  Vorderarm- 
knochen, dem  Radius,  anheften.  Die  Supinatoren  setzen  sehr  weit 
proximal  an,  die  Pronatoren  erst  in  der  distalen  Hälfte.  Daß  wir 
den  M,  brachioradialis  überhaupt  nicht  als  M.  supinator  auffassen 
können,  ist  schon  vielfach  erwähnt  worden.  Bei  den  Supinatoren 
und  Pronatoren  kehrt  die  gleiche  Eigentümlichkeit  wieder,  daß  die 
einen,  die  längeren,  sehnig  sich  anheften  —  die  M.  biceps  und  pronator 
teres  — ,  die  kurzen  dagegen,  M.  supinator  (brevis)  und  pronator 
quadratus,  fleischig. 

Die  Sehne  des  M.  biceps  wird  von  dem  M.  supinator  regelmäßig 
durch  einen  ansehnlichen  Schleimbeutel  getrennt,  dessen  Gegenwart 
auch  an  jedem  Knochenpräparate  mit  Leichtigkeit  nachgewiesen  werden 
kann.  Es  gibt  kaum  etwas  Charakteristischeres  als  die  glatte  ellip- 
tische Knochenfläche  im  Vorderteile  der  Tuberositas  radii.  Dieser 
Schleimbeutel  beeinflußt  auch  den  Ansatz  des  M.  supinator,  welcher 
an  dieser  Stelle  eine  lateralwärts  konvexe  Auskehlung  erfährt. 

370 


Ossa  antebrachii  mit  Muskelansätzen.  371 

Auf  eine  wichtige  Linie  kann  nicht  zuviel  hingewiesen  werden, 
die  Linea  supinatoria,  welche  von  oben-innen  nach  unten-außen  ver- 
läuft und  die  Grenze  bildet  zwischen  den  M.  supinator  und  flexor 
pollicis  longus  und  außerdem  dadurch  bedeutsam  ist,  daß  hier  das  Caput 
radiale  des  M.  flexor  digitorum  sublimis  die  Trennung  noch  voll- 
ständiger macht.  Außer  den  Supinatoren  und  Pronatoren  dient  der 
Radius  nur  den  Daumenmuskeln  zum  Ursprünge,  den  Beugern  sowohl 
wie  den  Streckern.  Der  M.  flexor  pollicis  longus  nimmt  fast  die 
ganze  volare  Fläche  der  Speiche  von  der  Crista  supinatoria  bis  in 
die  Nähe  des  M.  pronator  quadratus  in  Anspruch.  Die  Extensoren  da- 
gegen nehmen  nicht  allein  den  Radius  ein,  sondern  greifen  noch  weit 
auf  die  Membrana  interossea  und  sogar  noch  auf  die  Ulna  über.  Ja, 
der  Hauptstrecker  des  Daumens,  der  M.  extensor  pollicis  longus,  be- 
zieht nur  als  Varietät  Muskelbündel  von  der  Speiche. 

Die  Ulna  zeigt  an  der  lateralen  Seite  entsprechend  der  Tuberositas 
radii  eine  Einkerbung,  welche  sowohl  von  der  Volar-  wie  der  Dorsal- 
seite her  dem  M.  supinator  ein  schmales  sichtbares  Ursprungsfeld 
verschafi"t.  Mitunter  ist  am  Knochen  die  vordere  Grenze  durch  eine 
deutliche  Knochenleiste  gekennzeichnet;  sie  reicht  jedoch  niemals  an 
die  Tuberositas  ulnae  iieran,  weil  sich  dort  der  Muskelbauch  des  M. 
flexor  indicis  profundus  einschiebt.  Waldeyer  vergleicht  in  trefi'en- 
der  Weise  den  Ansatz  des  M.  brachialis  an  der  Tuberositas  ulnae  mit 
einem  gotischen  Spitzbogen,  welcher  distal  von  dem  M.  flexor  digi- 
torum profundus  in  der  Weise  umfaßt  wird,  daß  der  laterale  Teil 
dem  Zeigefingerbauche  entspricht,  der  mediale  dem  vereinten  Ursprünge 
der  tiefen  Beuger  für  den  3.  bis  5.  Finger.  Unmittelbar  an  die 
Tuberositas  ulnae  schließt  sich  hier  natürlich  nur  der  Bauch  für  den 
Mittelfinger  an. 

Zwischen  den  M.  brachialis  und  flexor  digitorum  profundus  haben 
wir  noch  3  kleine  Sehnenstreifen  angegeben,  welche  zwar  nicht  regel- 
mäßig vorkommen,  aber  doch  recht  häufig  beobachtet  werden.  Von 
proximal  nach  distal  beschrieben,  sind  es:  1)  das  Caput  superius 
s.  accessorium  des  M.  flexor  pollicis  longus,  welches  auch  bis  zum 
Epicondylus  medialis  humeri  reichen  kann;  2)  das  Caput  ulnare  des 
M.  Pronator  teres,  welches  seinerseits  von  der  Sehne  des  M.  brachialis 
entspringen  kann  und  dann  kein  gesondertes  Sehnenfeld  an  der  Elle 
hat;  vollkommen  fehlend,  kann  es  andererseits  eine  Länge  bis  zu 
5  cm  erreichen;  3)  eine  Anheftung  des  Caput  radiale  des  M.  flexor 
digitorum  sublimis  an  der  Ulna,  welche  dann  den  Sehnenbogen  dieses 
Muskels  zum  Durchtritte  für  den  N.  medianus  kürzer  gestaltet,  als 
es  der  Fall  ist,  wenn  dieser  Muskel  vom  Radius  aus  auf  den  Epi- 
condylus medialis  humeri  überspringt. 

Rückseite  der  Vorderarmknochen. 

Während  an  der  Vorderseite  kein  wesentlicher  Unterschied  für 
die  Muskelursprünge  an  Elle  und  Speiche  besteht,  beide  Knochen 
vielmehr  fast  gleichmäßig  von  Muskelursprüngen  bedeckt  sind,  sie 
also  bei  chirurgischen  Eingriffen  nicht  ohne  schwere  Schädigung  der 
Muskeln  selbst  zugängig  sind,  verhält  sich  die  Rückseite  ganz  anders. 
Besonders  günstig  ist  in  dieser  Beziehung  die  Ulna  bedacht,  indem 
sie  mit  ihrer  hinteren  Kante  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  dem  Ge- 
sichte oder  dem  Gefühle  bemerkbar  ist.    Außerdem   verbreitert  sich 

24* 
371 


ß72 


PROHSE  und   M.   PRÄNKEL, 


Incisura  semilunaris 


Capitulum  radii 

M.  brachial 

M.  supinator 

Bursa  bicipitoradialis 
M.  biceps 

Linea  supinatoria 


M.  flexor  digit.  sublimis 
Caput  radiale 


Foramen  nutricium 


M.  Pronator  teres 


M.  flexor  poUicis  longui 


M.  Pronator  quadratus 


M.  brachioradialis 


Proc.  coronoideus 


M.  flexor  pollicis  long^us 

M.  Pronator  teres,  Caput 
ulnare 

M.  flexor  digitorum 
sublimis 


M.  supinator 


M.  flexor  digitorum 
profundus  III — V 


M.  flexor  digitorum 
profundus  II 


Foramen  nutricium 


Membrana  interossea 


Crista  interossea 


M.  Pronator  quadratu 


Capitulum  ulnae 


Fig.  136.    Ossa  antebrachii  mit  Muskelansätzen  und  Bursa  m.  bicipitis,  Vorderseite. 

372 


Ossa  antebrachii  mit  Muskelansätzen. 


373 


Lacertus  fibrosus 
m.  tricipitis 


Crista  m.  supinato 


M.  flexor  digitorum 
profundus 


M.  abductor  pollicis 
longus 


Ende  des  M.  supinator 


M .  extensor  pollicis  brevis 


M.  extensor  indicis 
proprius 


Crista   interossea 


Sulcus  longitudina 
capituli  ulnae 


Sulcus  longitudinal 
medialis  radii 


Capitulum  radii 


Tuberositas  radii,  M.  biceps 


M.  supinator 


Grenzlinie   zwischen  Stratum 
superficiale  und  profunduni 


M.  Pronator  teres 


M.  abductor  pollii 
longrus 


M.  extensor  pollicis 
longus 


M.  Pronator  quadratus 


Sulcus  longitudinalis 
intermedius  radii 


M.  brachioradialis 


Sulcus  lon^tudinalis 
lateralis  radii 


Fig.  137.    Ossa  antebrachii  mit  Muskelansätzen,  Rückseite. 
373 


374  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

diese  in  den  distalen  zwei  Dritteln  leicht  palpierbare  Kante  zu  einem 
dreieckigen  muskelfreien  Felde  proximalwärts  gegen  das  Olecranon  hin. 

Im  Gegensatze  dazu  ist  der  Radius  äußerlich  kaum  in  nennens- 
werter Ausdehnung  durch  die  Haut  hindurch  festzustellen,  weil  er  all- 
seitig von  Muskeln  oder  Sehnen  überlagert  wird.  Indessen  zeigt  eine 
genaue  Präparation,  daß  der  überwiegende  Teil  der  distalen  Hälfte 
von  Muskelursprüngen  oder  Sehnenanheftungen  frei  bleibt. 

Das  obere  dreieckige  Feld  der  Ulna  wird  in  charakteristischer 
Weise  von  Sehnen  umrahmt.  Die  obere  Fläche  des  Olecranon  dient 
dem  M.  triceps  zum  Ansätze,  welche  sich  jedoch  radialwärts  nach 
unten  hin  erstreckt  und  schließlich  in  einer  scharfen  Linie  ausläuft, 
welche  wir  in  der  Muskelbeschreibung  besonders  gewürdigt  haben. 
Wir  haben  nämlich  für  die  hier  liegende  sehnige  Ausbreitung  des  M. 
triceps  analog  dem  Lacertus  fibrosus  des  M.  biceps  für  diese  Sehne 
den  Namen :  Lacertus  fibrosus  m.  tricipitis  vorgeschlagen.  Die  ulnare 
Kante  des  dreieckigen  Feldes  wird  bis  über  die  Mitte  der  Ulna  nach 
unten  hin  eingenommen  durch  den  aponeurotischen  Ursprung  des  M. 
ilexor  carpi  ulnaris.  Den  Hauptursprung  dieses  Muskels,  welcher  ge- 
wöhnlich als  Caput  ulnare  bezeichnet  wird,  an  der  oberen  medialen 
Ecke  des  Olecranon,  konnten  wir  in  unserer  Figur  nicht  zur  Dar- 
stellung bringen.  Die  dünne  Ursprungssehne  von  der  hinteren  Kante 
der  Ulna  her,  welche  als  ein  typisches  Beispiel  für  Aponeurosen  gelten 
kann,  dient  ihrerseits  dem  M.  flexor  digitorum  profundus  zum  Ur- 
sprünge, nur  daß  dieser  noch  eine  Strecke  weiter  nach  unten  hin  sich 
rein  muskulös  von  der  Ulna  entwickelt. 

Die  hintere,  radiale  Fläche  der  Ulna  enthält  im  oberen  proximalen 
Drittel  die  M.  anconaeus  und  supinator. 

Eine  scharfe  Leiste,  welche  als  Crista  supinatoria  ulnae  bezeichnet 
wird,  trennt  die  beiden  Muskeln  voneinander. 

An  der  radialen  hinteren  Fläche  der  Ulna  findet  sich  unterhalb 
des  M.  anconaeus  ein  langgestrecktes  Knochenfeld,  welches  dem  M. 
extensor  carpi  ulnaris  zum  Bette  dient.  An  geeigneten  Knochen- 
präparaten sieht  man  mit  aller  Deutlichkeit  die  Vertiefung,  in  welcher 
der  Muskel  geruht  hat.  Die  radiale  Kante  biegt  dann  im  stumpfen 
Winkel  nach  vorn  um  und  gibt  der  tiefen  Schicht  der  Extensoren 
bis  zur  Crista  interossea  hin  ein  scharf  umgrenztes  Ursprungsgebiet. 
An  dieser  Fläche  der  Ulna  finden  sämtliche  4  Muskeln  der  tiefen 
Extensorenschicht  ihren  Ursprung,  indem  sie  sich  dabei  dachziegel- 
artig decken;  ob  der  M.  extensor  pollicis  brevis  immer  Ursprungs- 
bündel von  der  Ulna  her  bezieht,  ist  nicht  von  vornherein  zu  sagen 
und  hängt  von  der  Größe  dieses  Muskels  ab.  Jedenfalls  glaubten 
wir,  unserem  Präparate  Rechnung  tragen  zu  müssen,  und  haben  ihn 
deshalb  mit  dreifachem  Ursprünge  dargestellt  vom  Radius,  der  Mem- 
brana interossea  und  mit  einer  kleinen  dreieckigen  Spitze  von  der 
Ulna  her.  Im  allgemeinen  schiebt  sich  ja  die  tiefe  Schicht  der  Streck- 
muskeln allmählich  vom  Radius  auf  die  Ulna  herüber,  in  der  Weise, 
daß  der  M.  abductor  pollicis  longus  im  wesentlichen  vom  Radius  ent- 
springt, in  zweiter  Linie  von  der  Membrana  interossea  und  erst  in 
dritter  von  der  Ulna. 

Die  Supinatoren  und  Pronatoren  verteilen  sich  über  den  ganzen 
Radius  hin ;  sehnig  heften  an :  der  M.  biceps  an  der  Tuberositas  radii 
mit  einem  in  Supinationsstellung  erkennbaren  schmalen  Saume  —  bei 
der  Pronation  ist,  wie  erwähnt,   die  Tuberositas  radii  und   damit  der 

374 


Ossa  manus  mit  Muskelansätzen.  375 

Bicepsansatz  in  voller  Ausdehnung  zu  überblicken  — ;  ferner  der  M. 
Pronator  teres,  den  man  natürlich  bei  der  Supinatiou  in  aller  Deut- 
lichkeit sieht,  während  er  bei  der  Pronation  von  hinten  her  nicht  zu 
erkennen  ist;  außerdem  der  Ansatz  des  M.  brachioradialis,  etwas  ober- 
halb des  Processus  styloideus  radii.  Muskulös  ist  der  unglaublich 
breite  Ansatz  des  M.  supinator  fast  in  der  ganzen  oberen  Hälfte  des 
Radius.  Er  läßt  nur  einen  schmalen  Saum  unterhalb  des  Capitulum 
radii,  ungefähr  dem  Recessus  sacciformis  am  Gelenke  oder  dem  Collum 
am  Knochen  entsprechend,  frei  und  einen  ungefähr  ebenso  breiten 
Saum  neben  dem  hinteren  Umfange  der  Tuberositas  radii.  Die  Tren- 
nung dieses  Muskels  in  die  oberflächliche  und  tiefe  Schicht  läßt  sich 
auch  bei  der  Präparation  des  Ansatzes  nachweisen  in  Gestalt  einer 
ungefähr  senkrecht  nach  unten  verlaufenden  muskelfreien  Knochen- 
linie. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  erwähnt,  daß  auch  der  M.  pronator  qua- 
dratus  in  unserer  Abbildung  zu  sehen  sein  muß,  weil  dieser  Muskel 
nicht  allein  die  vordere  Fläche  des  Radius  als  Ansatz  benutzt,  son- 
dern auch  noch  auf  die  mediale  Fläche  übergreift,  auf  die  Crista 
interossea  hin,  welche  sich  hier  zu  einem  langgestreckten  Dreiecke 
verbreitert,  dessen  Basis  die  proximale  Begrenzung  der  Incisura  ulnaris 
radii  bildet. 

Ossa  manus  mit  Muskelansätzeii. 

An  der  Hand  finden  sich  nicht  nur  die  eigentlichen  Handmuskeln, 
sondern  auch  eine  ganze  Reihe  von  Vorderarmmuskeln  wieder,  deren 
Ursprung  teilweise  bis  zum  Humerus  reicht.  Beim  Uebergange  des 
Vorderarmes  in  die  Hand  haben  wir  ausschließlich  Sehnen  zu  be- 
trachten, welche  zu  verschiedenen  Teilen  des  Handskeletes  hinziehen. 
Wie  wenig  die  Bezeichnungen:  M.  extensor  oder  flexor  carpi  Be- 
rechtigung haben,  ist  bei  der  Muskelbeschreibung  zur  Genüge  her- 
vorgehoben worden.  Nur  ein  Muskel  dieser  Gruppe,  der  M.  flexor 
carpi  ulnaris,  findet  seinen  Ansatz  an  den  Carpalknochen,  nämlich 
am  Os  pisiforme,  welches  als  Sesambein  aufzufassen  ist,  und  weiter- 
hin am  Hamulus  ossis  hamati  durch  die  Vermittlung  des  Lig.  piso- 
hamatum;  jedoch  wird  auch  bei  dieser  Sehne  der  Zusammenhang 
mit  den  Mittelhandknochen  durch  das  Lig.  pisometacarpeum  bewahrt. 
Andererseits  tut  es  unserer  Darstellung  keinen  Abbruch,  daß  der 
M.  abductor  pollicis  longus  neben  dem  Ansätze  am  Os  metacarpale  I 
noch  einen  accessorischen  am  Os  multangulum  majus  häufig  aufweist. 
Im  wesentlichen  treten  die  Muskeln,  welche  als  M.  extensores  oder 
flexores  carpi   bezeichnet  werden,   in  Beziehung  zum  Metacarpus. 

Der  weitere  Ansatz  der  Vorderarmmuskeln  findet  erst  an  den 
freien  Fingern  statt,  und  zwar  mit  deutlichem  sehnigen  Teile  an  der 
Mittel-  und  Nagelphalanx.  Die  Ansätze  im  Bereiche  der  Grund- 
phalanx oder  besser  der  Articulationes  metacarpophalangeae  dürften 
nur  Geübteren  ohne  weiteres  erkennbar  sein,  weil  die  Ausstrahlung 
dieser  Sehnen  mit  der  Gelenkkapsel  zusammenhängt. 

Die  eigentlichen  Handmuskeln  entspringen  teils  muskulös,  teils 
sehnig  von  den  Handwurzel-  oder  Mittelhandknochen.  Mit  dem  Be- 
ginne der  freien  Finger  hört  bekanntlich  das  Muskelfleisch  vollkommen 
auf,  so  daß  der  in  Laienkreisen  vielfach  übliche  Ausdruck  „fleischige 
Finger"  keine  anatomische  Berechtigung  hat.    An  der  Beugeseite  sind 

375 


376 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


M.  flexor  digitorum 
profundus 


M.  flexor  digitorum 
sublimis 


M.  adductor  poll 
Caput  transversum 

M.  adductor  pollicis, 

Caput  obliquum 
(Pars  profunda  nobis) 

M.  opponens  und 

Sehne  des  M.  flexor 

brevis  digiti  V 


M,  abductor  und 

Sehne  des  M.  flexor 

brevis  digiti  V 


M.  flexor  carpi 
ulnaris 


Os  metacarpale  I 


M.  Abductor  pollicis  longus  cum 
bursa  mucosa 


M.  adductor  pollicis,  caput  obliquum_ 

und  Sehne  des  M.  flexor  pollicis  brevis, 

Caput  profundum 


M.  flexor  carpi  radialis 


M.  abductor  pollicis  brevis  und  Sehne 

des  M.  flexor  pollicis  brevis,  caput 

superficiale 


I  Os  naviculare 

II  Os  lunatum 

III  Os  triquetrum 

IV  Os  pisi  forme 


V  Os  multangulum  majus 

VI  Os  multangulum  minus 

VII  Os  capitatum 

VIII  Os  hamatum 


Fig.  138.    Ossa  manus  mit  Muskelansätzen  und  Bursa  m.  abductoris  pollicis 
longi,  Vorderseite.  * 


376 


Ossa  manus  mit  Muskelansätzen. 


377 


M.  eztensor  digiti  II,  sublimis 
et  proprius 


M.  extensor  digiti  II,  sublimis 
et  proprius 


M.  interosseus  dorsaiis  I 


M.  interosseus  volaxis  I 


M.  interosseus 

volaris  III 
et  dorsaiis  IV 


M.  interosseus 
dorsaiis  III 


M.  interosseus 
volaris  IV 


M.  interosseus 
dorsaiis  IV 


M.  extensor  carpi 
ulnaris. 


M.  abductor  pollicis  longus 
cum  bursa  mucosa 


M.  extensor  carpi  radialis 
long^ 


Dr.    Frohse. 


M.  extensor  carpi  radialis  brevis 
cum  bursa  mucosa 


I  Os  naviculare 

II  Os  hinatum 

III  Ob  triquetrum 

IV  Os  pisiforme 


V  Os  multaugulum  majus 

VI  Os  multangulum  minus 

VII  Os  capitatum 

VIII  Os  hamatum 


Fig.  130.     Ossa  manus  mit  Muskelansätzen  und  Schleimbeuteln,  Rückseite. 


377 


378  FROHSE   und  M.   FRÄNKEL, 

zunächst  die  M.  flexor  carpi  ulnaris  und  radialis  zu  beachten.  Ob 
man  den  M.  abductor  pollicis  longus,  der  an  der  lateralen  Kante 
liegt,  zur  Beuge-  oder  Streckseite  rechnen  will,  muß  dem  Belieben 
des  einzelnen  überlassen  werden.  Die  Berechtigung,  ihn  auch  zur 
Beugeseite  zu  zählen,  dürfte  sich  unschwer  aus  unseren  Fig.  141 
und  142  ergeben,  in  welchen  eine  vielfach  als  Varietät  beschriebene 
Ausstrahlung  der  Endsehne  zur  volaren  Seite  berücksichtigt  ist. 

Der  M.  flexor  carpi  radialis  beschränkt  sich  mit  seinem  Ansätze 
nicht  auf  die  Basis  des  Os  metacarpale  II,  sondern  greift  auch  auf 
den  3.  oder  sogar  4.  Mittelhandknochen  über.  In  dieser  Weise  wird 
die  ganze  Reihe  der  Mittelhandknochen  auf  der  Beugeseite  von  den 
M.  flexores  carpi  als  Ansatz  benutzt,  während  die  scheinbar  mehr 
bevorzugte  Rückseite  niemals  einen  Ansatz  am  4.  Mittelhandknochen 
aufweist. 

Wie  erwähnt,  inserieren  die  Fingerbeuger  und  -Strecker  im 
wesentlichen  an  der  Mittel-  und  der  Nagelphalanx.  Der  M.  flexor 
digitorum  sublimis  heftet  sich  mit  2  langgestreckten  senkrechten 
Sehnenzipfeln  in  der  Mitte  der  2.  Phalanx  der  dreigliedrigen  Finger 
an,  ohne  jedoch  deren  freie  Ränder  zu  erreichen.  Die  Leisten,  welche 
an  den  meisten  skeletierten  Händen  zu  erkennen  sind,  verdanken 
ihre  Gegenwart  nicht  allein  den  beiden  Zipfeln  der  Endsehne,  son- 
dern auch  in  nicht  unbeträchtlicher  Weise  unserem  Lig.  vaginale  pro- 
prium IL  Günstige  Knochenpräparate  zeigen  diese  knöchernen 
Doppelleisten  sogar  an  atrophischen  Frauenarmen.  Die  Ansatz- 
sehne des  M.  flexor  digitorum  profundus  ist  einheitlich  und  findet  sich 
an  den  Fingern  2 — 5.  Schon  am  Knochenpräparate  ist  zu  erkennen, 
daß  eine  breite  dreieckige  Ansatzfläche  vorhanden  ist;  ihre  Spitze 
richtet  sich  nagelwärts,  während  ihre  Basis  der  Höhe  der  größten 
Breite   der  Nagelphalanx  entspricht. 

Die  Fingerstrecker  haben  einen  teilweisen  Ansatz  an  der  Kapsel 
der  Artic.  metacarpophalangeae,  welcher  bei  den  M.  interossei  und 
lumbricales  besprochen  ist  und  noch  wird.  Der  Ansatz  an  der  Basis 
der  Mittel-  und  Nagelphalanx  ist  sehr  einfach.  Eine  quere,  auch 
am  Knochen  deutliche  Leiste  kennzeichnet  den  dünnen  Ansatz  der 
Sehnenabschnitte. 

Die  eigentliche  Handmuskulatur  zeigt  an  den  Abbildungen  so- 
wohl Ursprung,  wie  Ansatz.  Der  Ursprung  ist  überwiegend  musku- 
lös, der  Ansatz  überwiegend  sehnig.  Fleischige  Anheftung  weisen 
eigentlich  nur  die  beiden  M.  opponentes  auf.  Die  Insertion  an  den 
Sesambeinen,  welche  größtenteils  fleischig  ist,  kann  hier  nicht  mit- 
gerechnet werden,  da  durch  die  Vermittelung  der  Gelenkkapsel  ein 
sehniger  Ansatz  an  den  Grundphalangen  erzielt  wird. 

Bei  den  Muskeln  des  Daumen-  und  Kleinfingerballens  läßt  sich 
ein  einfaches  Schema  aufstellen,  daß  nämlich  die  oberflächliche  Schicht, 
welche  die  M.  abductores  enthält,  von  der  proximalen  Reihe  der 
Handwurzelknochen  entspringt,  der  M.  abductor  pollicis  brevis  vom 
Os  naviculare  —  die  Verbindung  mit  der  Fascie  oder  den  Bändern 
kann  in  der  Knochenzeichnung  nicht  mitberücksichtigt  werden  —  der 
M.  abductor  digiti  quinti  vom  Os  pisiforme.  Die  tiefe  Schicht  ent- 
springt von  der  distalen  Reihe  der  Handwurzelknochen:  der  M.  op- 
ponens  pollicis  vom  Os  multangulum  majus,  der  des  kleinen  Fingers 
vom  Os  hamatum.  Eine  Mittelstellung  nehmen  die  M.  flexores  ein. 
Obwohl   der  M.   flexor  digiti  quinti    brevis  häufig  fehlt,   haben   wir 

378 


Ossa  manus  mit  Muskelansätzen.  379 

seinen  doppelten  Ursprung  vom  Os  pisiforme  und  Os  hamatum  dar- 
gestellt. Der  M.  Üexor  pollicis  brevis  hat  seinen  Ursprung  mit  seinem 
Caput  superficiale  vom  Os  multangulum  majus,  mit  seinem  Caput 
profundum  vom  Os  multangulum  minus  und  Os  capitatum. 

In  das  Ursprungsgebiet  der  sonst  so  regelmäßig  erscheinenden 
M.  interossei  bringt  der  M.  adductor  pollicis  eine  gewisse  Verwirrung 
hinein.  Sein  Caput  transversum  nimmt  die  Mitte  des  3.  Mittelhand- 
knochens ein,  sein  Caput  obliquum  greift  auf  die  distale  Reihe  der 
Carpalknochen  über.  Vielleicht  empfiehlt  es  sich,  beim  M.  adductor 
pollicis  noch  ein  Caput  profundum  anzunehmen ;  dieses  würde  dann 
umfassen  [1)  den  sogenannten  CuNNiNGHAM'schen  Adductor,  unseren 
M.  interosseus  volaris  I,  welcher  sehnig  von  der  Basis  des  Os  meta- 
carpale  I  entspringt,  jedoch  auch  sehr  häufig  auf  die  Carpalknochen 
übergreift  und  insbesondere  vom  Os  multangulum  majus  herkommt] ; 
2)  den  breiten  fleischigen  Ursprung  von  der  Basis  des  2.  Mittelhand- 
knochens ;  [3)  den  gleichen,  wenn  auch  kleineren  fleischigen  von  der 
Basis  des  3.  Mittelhandknochens  und  4)  noch  einen  accessorischen 
vom  4.].  Wir  glauben  zu  dieser  Einteilung  und  Neuschaff"ung  eines 
Caput  profundum  berechtigt  zu  sein,  weil,  wie  aus  unserer  Abbildung 
ersichtlich  ist,  die  Ansatzsehne  des  M.  flexor  carpi  radialis  in  scharfer 
Weise  das  Caput  obliquum  von  unserem  Caput  profundum  trennt. 

Die  M.  interossei  dorsales  haben  bezüglich  ihrer  Zahl  und  Ur- 
sprünge niemals  wissenschaftlichen  Streitfragen  unterlegen.  In  klarer 
Weise  entspringen  sie  von  der  Rückseite  zweier  benachbarter  Mittel- 
handknochen in  sämtlichen  Spatia  interossea.  Der  volare  Ursprung 
greift  an  den  der  Handachse  zugekehrten  Rändern  der  entsprechen- 
den Mittelhandknochen  (2  und  4  einfach,  3  doppelt)  noch  auf  die 
Palmarseite  über,  und  noch  mehr  ist  die  Gegenwart  der  M.  interossei 
dorsales  auch  an  der  Palmarseite  am  freien  Muskelbauche  zu  erkennen. 
Besonders  der  M.  interosseus  dorsalis  I  beherrscht,  wie  er  es  schon  an 
der  Rückseite  unter  der  Haut  tut,  so  auch  an  der  Volarseite  nach 
Durchtrennung  des  M.  adductor  pollicis  das  ganze  Spatium  inter- 
osseum  I. 

Der  doppelte  Ursprung  der  fiederförmigen  M.  interossei  dorsales 
bedingt  es  andererseits,  daß  sie  nur  einen  verhältnismäßig  schmalen 
Knochensaum  für  sich  in  Anspruch  zu  nehmen  brauchen,  eventuell 
bloß  mit  zarten  Sehnenfasern,  unter  denen  alsbald  die  fleischigen  Ur- 
sprünge der  M.  interossei  volares  erscheinen. 

Was  nun  die  letzteren  anlangt,  so  kann  man  im  Zweifel  sein,  ob 
man  den  M.  interosseus  volaris  I,  den  CuNNiNGHAMschen  Adductor, 
als  besonderen  M.  interosseus  volaris  auffassen  will,  oder  ihn  nur  als 
Unterabteilung  des  M.  adductor  pollicis  betrachtet.  Aus  Zweckmäßig- 
keitsgründen —  wir  hätten  dann  genau  wie  bei  den  Vorderarm- 
muskeln so  auch  bei  den  eigentlichen  Handmuskeln  20  Einzelmuskeln  — 
wollen  wir  ihm  deshalb  eine  besondere  Stellung  zuweisen.  In  unseren 
Abbildungen  haben  wir  den  M.  interossei  volares  einen  mehr  dunkel- 
roten  Ton  gegeben,  die  M.  interossei  dorsales  mehr  hellrot  gehalten, 
damit  der  Unterschied  um  so  besser  zur  Geltung  kommt,  und  außer- 
dem noch,  ohne  besonderen  Farbenton,  den  Muskelbauch  der  M.  inter- 
ossei volares  angegeben.  Auch  an  den  Fingern  ist  die  regelmäßige  In- 
sertion an  der  Basis  der  Grundphalanx  durchaus  keine  Seltenheit, 
obwohl  sie  in  den  meisten  Lehrbüchern  vernachlässigt  wird ;  ungleich 
klarer  ist  sie  an  den  Zehen  zu  beobachten.    Die  Insertionen  sind  an 

379 


380  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

allen  Phalangen  beiderseits  blau  angegeben,  obwohl  mitunter  die  An- 
heftung hier  und  dort  zu  fehlen  scheint.  Der  Zusammenhang  der 
M.  interossei  mit  den  Kapseln  der  Artic.  metacarpophalangeae  ließ  sich 
zeichnerisch  am  Knochenpräparate  nicht  durchführen. 

Aus  dem  gleichen  Grunde  mußten  wir  auf  die  Wiedergabe  der 
M.  lumbricales  verzichten,  deren  Ursprung  von  den  Sehnen  des  M. 
flexor  digitorum  profundus  keinen  hier  darstellbaren  Knochenursprung 
ergibt.  Auch  ihr  Ansatz  an  der  Dorsalaponeurose  läßt  keinen 
isolierten  Knochenpunkt  an  den  Basen  der  Fingerphalangen  erkennen. 
Es  muß  deshalb  für  die  M.  lumbricales  in  dieser  Beziehung  auf  die 
Muskelbeschreibung  und  besonders  auf  die  Wirkung  der  Muskeln  ver- 
wiesen werden. 

Zu  den  M.  interossei  dorsales  gehören  der  Wirkung  nach  die  beiden 
M.  abductores  pollicis  und  digiti  quinti.  Sie  strahlen  nämlich  noch 
in  die  Dorsalaponeurose  aus.  Zeichnerisch  haben  wir  dies  so  dar- 
gestellt, als  ob  der  Hauptansatz  an  der  freien  Kante  der  entsprechen- 
den Finger  mit  einem  schmalen  Zipfel  zur  Dorsalseite  der  Phalangen 
hingeht.  Auch  der  M.  adductor  pollicis,  welcher  funktionell  einem 
M.  interosseus  volaris  entspricht,  zeigt  demgemäß  vom  ulnaren  Sesam- 
beine noch  eine  zarte  Ausstrahlung  zur  Rückseite  der  Grundphalanx 
des  Daumens. 


VII.  Varietäten. 

Allgemeiner  Teil. 

Bei  den  Varietäten,  welche  die  Muskeln  des  menschlichen 
Körpers  betreffen,  können  verschiedene  Gesichtspunkte  maßgebend  sein : 

1)  Hauptsächlich  die  anatomischen  Fragen,  d.  h.  ob,  wann  und  wie 
oft  derartige  Unregelmäßigkeiten  beschrieben  sind  oder  überhaupt 
vorkommen ; 

2)  Welche  Bedeutung  haben  derartige  Beobachtungen  für  die 
Chirurgie? 

3)  Haben  derartige  Fälle  für  die  innere  Klinik  irgendwelchen 
und  welchen  Zweck? 

4)  Welche  praktische  Wichtigkeit  für  die  Elektrotherapie  haben 
diese  Befunde? 

Ad  1.  Es  läßt  sich  nur  sagen,  daß  jede  Veröffentlichung  einer 
Varietät  ein  großes  anatomisches  Interesse  hat,  sei  es  zur  Erkenntnis 
der  Möglichkeiten  oder  Unmöglichkeiten  bei  diesem  oder  jenem  Muskel 
am  Menschen,  sei  es  zum  Austausche  mit  den  Ergebnissen  der  ver- 
gleichenden Anatomie,  im  wesentlichen  also  der  Zoologie,  oder  auf 
den  Menschen  übertragen,  der  Theromorphie.  Wir  haben  unseren 
Standpunkt  auch  hier  gewahrt  und  von  unseren  Beobachtungen  nur 
die  „menschlich"  erklärbaren  Tatsachen  angeführt,  soweit  sie  kein 
spezielles  oder  allerspeziellstes  Thema  berühren. 

Ad  2.  Chirurgische  Varietäten:  Von  allen,  sicher  tausendfachen 
anatomischen  Varietäten  der  Muskulatur  des  menschlichen  Armes  ver- 
dient für  die  Chirurgie  nur  die  eine,  auch  an  der  unversehrten  volaren 
Handgelenksgegend  erkennbare  Unregelmäßigkeit  Erwähnung,  näm- 
lich das  Fehlen  der  Endsehne  des  M.  palmaris  longus.  Einmal  kann 
bei   einer  Verletzung   eine    Verwechslung   mit   den   Sehnen   des   M. 

380 


Varietäten.  381 

flexor  digitorum  sublimis  sich  einstellen,  andererseits  kann  auch  der 
N.  medianus  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden.  Sämtliche  andere 
Varietäten  sind  —  beim  Fehlen  eines  größeren  Muskels  —  dem 
einigermaßen  Erfahrenen  ohne  weiteres  erkennbar,  oder  dürften  — 
bei  ihrer  Kleinheit  und  Seltenheit  —  überhaupt  nicht  auffallen,  jeden- 
falls bei  einer  Operation  nicht  aufhalten. 

Ad  3.  Für  die  innere  Klinik  haben  unsere  kasuistischen  Be- 
merkungen nicht  den  geringsten  Vorteil;  sie  können  im  Gegenteile 
Schädigungen  in  der  meistens  erst  mühsam  gewonnenen,  schema- 
tischen Auffassung  erzielen. 

Ad  4.  Für  eine  spezielle  Abteilung  der  inneren  Klinik,  näm- 
lich die  Elektrodiagnostik  und  -therapie  dürften  jedenfalls  unsere  Be- 
funde über  Abweichungen  von  der  Regel  vielleicht  schon  jetzt  ein 
hohes  Interesse  beanspruchen.  Ueberall  ist  es  unser  Augenmerk  ge- 
v/esen,  darauf  hinzuweisen,  an  welchen  Stellen  und  bei  welchen 
Muskeln  und  Nerven  eine  Umänderung  der  bisherigen  Angaben 
wünschenswert  ist,  gerade  weil  Fachleute  auf  Grund  der  mit  uns  ge- 
meinschaftlich vorgenommenen  praktischen  Untersuchungen  sich  zu 
unserer  Auffassung  verstanden  haben.  Unsere  eigenen  Angaben,  die 
wir  rein  systematisch  an  den  losgelösten  Muskeln  mit  ihren  Nerven, 
oder  an  Nerven  und  Muskeln  in  situ  präpariert  haben,  und  unsere 
elektrodiagnostischen  Untersuchungen  geben  uns  der  Hoifnung  hin,  daß 
sich  auch  bei  anderen,  besonders  klinischen  Nachprüfern  eine  be- 
friedigende Uebereinstimmung  zwischen  Theorie  und  Praxis  er- 
zielen läßt. 

Die  Untersuchungen  von  Toby  Cohn  in:  „Methodische  Palpa- 
tion" —  was  die  äußere  Form  anlangt  —  und  in  „Elektrodiagnostik 
und  -therapie"  —  was  mehr  für  die  Nervenärzte  in  Betracht  kommt 
—  haben  wir  unter  seiner  Leitung  nachgeprüft.  Die  Ergebnisse, 
welche  T.  Cohn  aus  unseren  gemeinschaftlichen  Untersuchungen  für 
die  nervenärztliche  Praxis  herauszunehmen  für  wünschenswert  ge- 
halten hat,  erkennen  wir  an,  halten  uns  jedoch  für  berechtigt  und 
verpflichtet,  auch  unsererseits  den  genaueren  anatomischen  Nach- 
weis unserer  Anschauungen  der  Oeflfentlichkeit  mitzuteilen.  Vielleicht 
haben  diese  an  den  jeweiligen  Stellen,  besonders  was  die  feinere 
Innervation  der  Muskelgruppen  und  einzelner  Muskeln  anlangt,  außer 
der  anatomischen  auch  noch  allgemein  ärztliche,  chirurgische  und 
neurologische  Bedeutung,  auch  wenn  es  sich  um  „zur  Zeit  noch  als 
Varietäten  geltende  Punkte"  handelt. 

Spezieller  Teil. 

Varietät  des  M.  biceps  brachii  (Fig.  140).  Das  Caput 
tertium  des  M.  biceps  hat  einen  11  cm  langen,  1  cm  breiten  spindel- 
förmigen Muskelbauch  und  strahlt  mit  schwacher  Nebensehne  in  den 
Lacertus  fibrosus  aus.  Die  Hauptsehne  schließt  sich  überhaupt  nicht 
an  die  eigentliche  Bicepssehne  an,  sondern  verbindet  sich  mit  dem 
Caput  ulnare  des  M.  pronator  teres,  gewinnt  also  schließlich  doch  noch 
die  Anheftung  am  Radius,  während  Frohse  in  einem  anderen  Falle 
eine  ähnliche  Nebensehne  sich  zur  Tuberositas  u  1  n  a  e  abzweigen  sah. 

Varietät  der  M.  flexor  carpi  radialis  und  pronator 
qu  ad  rat  US  (Fig.  141).  Der  etwa  9  cm  lange  Muskelbauch  entspringt 
dicht  proximal  vom  M.  pronator  quadratus,   und  zwar  ausschließlich 

381 


382 


M.  triceps,  caput  mediale 


M.  biceps 


M.  biceps,  caput  tertiura 


N.  radialis  communis 


M.  brachialis,  pars  profunda 


Capitulum  humeri 


Lacertus  fibrosus 
m.  bicipitis 


Capitulum  radii 


Tuberositas  radii 


M.  supinator     _ 


M.  flexor  pollicis  longus 


M.  flexor  pollicis  longus, 
Caput 


Membrana  interossea 

■^'        Dr.  Frohse. 


Fig.  140.    Varietät  des  M.  biceps  bracMi. 


383 


M.  Pronator  quadratus 


Artxculatio  radio-     

ulnaris  distalis 

i 

M.  ficxor  carpi 
ulnaris 

w 

Os  triquetrum   ^ 

n 

Lig.  piso- 
hamatum^_ 

Ä 

Lig.  piso- 

jMtft 

nietacarpeum -i 

M.  exttusor        -"''^ 
carpi  ulnaris               h. 

Wi 

Hamulus  ossis^,^-'^ 
haraati                     / 

j^ 

N.  interosseus  volarii 


M.  flexor  carpi  radialis 
accessorius 


M.  brachioradiali» 


M.  abductor  pollicis 
longus 


M.  flexor  carpi 
radialis 


M.   abductor  pollicis 
intermedius 


Os  naviculare 


Os  multangulum 
majus 


Fig.  141,    M.  flexor  carpi  radialis  accessorius,  Varietät. 


384 


Vinculum  triangfulare 


Lig.  vaginale, 
proprium  II 


Vinculum  quadrangular 


Lig.  vaginale  proprium  I' 

Lig.  capitulorum, 
transversum 
Grenze  zwischen  Carpal- 
und  Digitalscheide 

M.  abductor  digiti  V' 


:\I .  f lexor  brevis  digiti  V 
Tendo  accessorius' 

R.  superficialis  n.  ulnaris' 
Os  pisiforme- 

Bursa  mucosa 

Venter  distalis  m. 

abductoris  accessorii 

longi 


M.  flexor  sublimis 
digiti  V 


Tendo  accessorius 


Tendo  intermedius 
pro  digito  II 


Venter  proximalis  m. 
abductoris  longi  digiti  V 


Venter  proximalis  m. 
flexoris  indicis  sublimis 


Vinculum  perforans 


Vinculum  filiforme 
radiale 


M.  lumbricalis  II 


Lig.  vaginale  proprium 


Vinculum  metacarpale 
poUicis 


M.  abductor  polUcis  brevis 
Lig.  carpi  transversum 


M.  abductor  pollicis  inter- 
medius 


Insel  des  N.  medianus 


M.  flexor  sublimis  digiti  III, 
Caput  radiale 


N.  medianus 


M.  abductor  pollicis  longus 


Fig.  142,     Varietät  des  M.  abductor  digiti  V  longus  digastricus. 


Varietäten.  385 

am  Radius.  In  der  Höhe  der  Articulatio  radiocarpea  geht  er  in  die 
Endsehne  über,  welche  mit  vielen  Zipfeln  die  Ossa  naviculare,  multan- 
gulum  majus,  metacarpale  I  und  III  und  das  Os  capitatum  erreicht. 

Auch  der  schräg  verlaufende  M.  pronator  quadratus  schickt  noch 
einen  Ansatz  zu  den  proximalen  Handwurzelknochen. 

Am  M.  flexor  carpi  radialis  ist  noch  die  von  uns  als  konstant 
bezeichnete  Anheftung  am  Os  metacarpale  III  dargestellt  worden. 

Ferner  zeigt  der  M.  abductor  pollicis  longus  eine  Dreiteilung  der 
Endsehne  mit  der  Anheftung  am  Os  metacarpale  I,  multangulura 
majus  und  der  (abgeschnittenen)  Verbindungssehne  zum  M.  abductor 
pollicis  brevis  (unserem  M.  abductor  pollicis  intermedius). 

Varietät  des  M.  abductor  digiti  V  etc.  (Fig.  142). 

Vom  M.  abductor  digiti  quinti  zweigt  sich  eine  Nebensehne  ab, 
welche  von  dem  Erbsenbeine  durch  einen  Schleimbeutel  getrennt  wird 
und  dicht  proximal  vom  Handgelenke  in  den  ersten  6  cm  langen, 
1  cm  breiten  vom  N.  ulnar is  versorgten  spindelförmigen  Bauch 
übergeht.  Dann  teilt  sich  proximal  die  Sehne  in  einen  dünnen  Zipfel, 
welcher  in  den  Tendo  intermedius  des  M.  flexor  indicis  sublimis  über- 
geht, während  der  längere  etwa  10  cm  distal  vom  Epicondylus  medialis 
einen  ca.  5  cm  langen,  1  cm  breiten,  vom  N.  medianus  versorgten 
Bauch  entwickelt. 

Ferner  ist  an  der  Abbildung  eine  Inselbildung  des  N,  medianus 
durch  das  Umfassen  des  Caput  radiale  des  M.  flexor  sublimis  digiti  III 
dargestellt. 

Weiterhin  haben  wir  die  Souderung  des  M.  abductor  pollicis 
longus  von  dem  Nebenzipfel  zum  M.  abductor  pollicis  brevis  durch- 
geführt. 

Schließlich  sind  mit  blauem  Tone  unsere  Lig.  vaginalia  nach 
Länge  und  Lage  angegeben  und  in  roter  Farbe  die  Vincula  tendinum. 


Durchbohrung    des   Lig.   carpi  transversum    durch    die 
A.  radialis. 

Die  A.  radialis  schickt  am  Ursprünge  der  Daumenmuskeln  einen 
Ast,  stärker  als  die  A.  ulnaris,  durch  das  Lig.  carpi  transversum  hin- 
durch, welcher  vor  den  Beugesehnen  neben  dem  N.  medianus  zum 
Vorscheine  kommt  und  alsbald  den  Arcus  volaris  sublimis  bildet.  Es 
ist  also  der  typische  R.  volaris  superficialis  und  nicht  etwa  die  A. 
mediana. 


Vlil.  Neurologische  Bemerkungen. 
A.  Segmentbcziige. 

Wir  haben,  wie  wir  in  der  Einleitung  besonders  betont  haben, 
keine  eigenen  ein  wandsfreien  Ergebnisse  erzielen  können,  uns  infolge- 
dessen auf  ganz  kurze  Angaben  bei  den  einzelnen  Muskeln  beschränkt 

Handbuch  der  Anatomie      II,  II,  2.  25 

385 


386  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

und  geben  nun  hier  im  Zusammenhange  der  Vollständigkeit  halber 
die  beiden  Figuren,  welche  mit  erläuterndem  Texte  seiner  Zeit  von 
Frohse  für  den  topographischen  Atlas  der  Anatomie  von  v.  Barde- 
leben, Häckel  und  Frohse  geliefert  sind. 

Die  von  R.  Wichmann  (Die  Rückenmarksnerven  und  ihre  Segraentbezüge, 
Berlin  1900)  für  die  Segmente  gewählte  Farbengebung  nach  dem  Spektrum  ermög- 
licht eine  schnelle  Uebersicht,  wenn  man  rot  =  1,  orange  =^  2,  gelb  =  3,  grün  =  4, 
hellblau  =  5,  dunkelblau  =  6,  violett  =  7  und  braun  =  8  nimmt. 

„Der  Schultergürtel  enthält  als  M.  ventrales  in  der  oberflächlichen  Schicht 
den  M.  sternocleidomastoideus  und  den  M.  pectoralis  major,  in  der  tiefen  den 
M.  subclavius  und  den  M.  pectoralis  minor. 

Der  Teil  des  N.  accessorius  spinalis,  der  den  M.  sternocleidomastoideus  ver- 
sorgt, enthält  2,  3.  Die  N.  thoracici  anteriores  zerfallen  in  mehrere  Aeste;  die 
oberen  Segmente  gehören  dem  M.  pectoralis  major  an :  5,  6,  7  (Clavicularportion  6), 
die  unteren  dem  M.  pectoralis  minor:  7,  8;  oft  kommt  auch  8  für  die  untersten 
Fasern  des  M.  pectoralis  major  in  Betracht.  Für  den  M.  subclavius  mit  seinem 
gleichnamigen  Nerven  ist  der  häufigste  Bezug  5,  6, 

Die  Streckmuskeln  des  Schultergürtels  enthalten  in  oberflächlicher  Schicht  den 
M.  trapezius,  dessen  N.  accessorius  spinalis  2,  3,  4  entstammt,  und  den  M.  latissimus 
dorsi,  dessen  N.  subscapularis  (longus,  tertius)  meist  6,  7,  8  enthält.  Die  anderen 
N.  subscapulares :  M.  teres  major  5,  6,  (7),  M.  subscapularis  5,  ö;  N.  suprascapularis : 
M.  supraspinatus  5,  M.  infraspinatus  5,  6.  Die  tiefe  Gruppe  enthält  den  M,  serratus 
magnus  mit  dem  N.  thoracicus  lateralis  5,  6,  7  und  den  N.  dorsalis  scapulae:  M. 
levator  scapulae  (3),  4,  5,  M.  rhomboidea  5,  vielleicht  für  den  minor  auch  4. 

Bei  den  motorischen  Nerven  der  freien  Extremität  hat  der  N.  median us 
den  Bezug  aus  allen  Segmenten :  5,  6,  7,  8,  I  (5  wahrscheinlich  nur  sensibel),  dafür 
enthält  der  motorische  Teil  des  N.  musculocutaneus  5,  6,  7 ;  der  zweite  Beugenerv, 
N.  ulnaris,  am  häufigsten  7,  8,  I  oder  nur  8,  I,  die  Strecknerven  sind  N.  axillaris 
(motorischer  Anteil  5,  6)  und  N.  radialis  (motorischer  Anteil  [5]  6,  7,  8). 

N.  musculocutaneus:  M.  coracobrachialis  6,  7,  M.  biceps  brachii  5,  6, 
M.  brachialis  ebenfalls  5,  6.  Der  M.  brachialis  ist  ein  diploneurer  Muskel,  da  er 
außer  vom  N.  musculocutaneus  auch  feine  Zweige  (fast  konstant,  Frohse)  vom  N. 
radialis  erhält,  die  indes  den  gleichen  Segmenten  entstammen. 

N.  medianus:  M.  pronator  teres  6,  7,  M.  flexor  carpi  radiaUs  6,  7,  (8), 
M.  palmaris  longus  7,  8,  I,  M.  flexor  digitorum  sublimis  7,  8,  I,  M.  flexor  pollicis 
longus  6,  7,  (8),  M.  pronator  quadratus  (6)  7,  8,  I,  Muskeln  des  Daumenballens  6,  7. 
Bei  den  beiden  ersten  M.  lumbricales  wird  meistens  8,  I  angegeben. 

N.  ulnaris:  M.  flexor  carpi  ulnaris  (7)  8,  I.  Der  vordere  (radiale)  Teil  kann 
vom  N.  medianus  versorgt  werden  (Fkohse'),  dann  wird  auch  dieser  Muskel,  wie 
der  folgende,  diploneur^).  M.  flexor  digitorum  profundus,  regelmäßig  vom  N.  ulnaris 
und  im  kleineren  (radialen)  Teile  vom  N.  medianus  versorgt,  7,  8,  I.  —  Der  R.  pro- 
fundus n.  ulnaris  enthält  8,  I,  der  Hauptbestandteil  ist  8,  am  Kleinfingerballen  kann 
sich  auch  7  beteiligen  (Bolk).  —  Bezüglich  der  motorischen  Anastomosen  zwischen 
N.  medianus  und  ulnaris  yergl.  Text  und  Fig.  84  und  96  (des  Atlas). 

Bei  den  Strecknerven  enthält  der  N.  axillaris  5,  6.  Beim  M.  deltoides  ist 
auch  ein  kleiner  Bezirk  grün  dargestellt,  weil  klinische  Beobachtungen  (Ziehen)  den 
Bezug  aus  4  wahrscheinlich  machen.  Der  vordere  Teil  des  Muskels  kann  auch  von 
den  N.  thoracici  anteriores  versorgt  werden  (Anastomose  mit  dem  N.  axillaris ! 
Frohse).    Der  Muskelnerv  für  den  M.  teres  minor  enthält  gewöhnlich  nur  5. 

N.  radialis:  für  den  M.  triceps  kommen  6,  7,  8  in  Betracht;  Caput  longum 
6,  7,  8,  Caput  laterale  6,  7,  (8);  Caput  mediale  (6)  7,  8,  M.  anconaeus  quartus 
nur  7,  8. 

Am  Vorderarm  enthält  die  Brachioradialgruppe  sowie  M.  supinator  noch  5: 
M.  brachioradialis  5,  6,  M.  extensor  carpi  radialis  longus  und  brevis  (5)  6,  7. 

R.  profundus  n.  radialis:  M.  supinator  5,  6.  (7),  M.  extensor  digitorum  com- 
munis und  digiti  V:  6,  7,  8,  M.  extensor  carpi  ulnaris  ebenfalls  6,  7,  8,  M.  abductor 
})ollicis  longus  6,  7,  (8),  M.  extensor  pollicis  brevis  6,  7,  (8),  M.  extensor  pollicis 
ongus  6,  7,  8  (in  Bolks  Fall  nur  7),  M.  extensor  indicis  proprius  6,  7,  8." 


1)  8.  Fig.  55,  S.  119. 

386 


M.  trapezius 


M.  deltoideus 


M.  pectoralls  major 


M.  coracobrachialis 


M.  triceps,  Caput 
longum 


M.  triceps,  Caput 
laterale 


M.  biceps  brach  ii 


M.  triceps,  caput 
mediale 


M.  brachialis 


M.  brachioradialis 


M.  Pronator  teres 


M.  estensor  carpi 
radialis  long^s 


M.  fiexor  carpi  radialis 
M.  palmaris  longus 


M.  extensor  carpi 
radialis  brevis 


M.  fiexor  carpi  ulnaris 


M.  brachio- 
radialis 

M.  triceps, 
Caput  mediale 
M.  ext.  carpi 
radialis  longus 
M.  anconaeus 
(quartus) 

M.  fiexor  carpi 

ulnaris 
M.  fiexor  digitorum 
profundus 

M.  extensor  carpi 


M.  extensor  dip- 

torum  communis 

M.  extensor  carpi 

radialis  brevis 

M.  extensor  dig^ti  V 
proprius 
M.  abductor 
pollicis  longus 


M.  extensor  pollicis 
brevis 


M.  abductor 
digiti  V 


M.  interosseus 
dorsalis  I 


M.  adductor 
pollicis 


25* 


Fig.  143  u.  Fig.  144.    Innervierung  der  Armmuskeln,  nach  den  Rückenmarksegmenten. 


388  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


B.  Durchbohrungen  der  Armmuskeln  durch  die  Nerren. 

Die  verschiedenen  Köpfe  einzelner  Muskeln  entstehen  vor  allem 
durch  den  Durchtritt  der  jeweiligen  Nerven  und  betreffen  an  der 
oberen  Extremität  Ober-,  Vorderarm  und  Hand. 

1)  Am  Oberarme  wird  durchbohrt  (nicht  immer)  der  M.  coraco- 
brachialis  durch  den  N.  musculocutaneus,  ohne  daß  die  beiden  Muskel- 
bäuche eine  besondere  Bezeichnung  erfahren;  ferner  der  M.  triceps 
durch  den  N.  radialis  (und  die  Vasa  profunda  brachii).  Der  M.  triceps 
zerfällt  infolgedessen  in  eine  oberflächliche  Schicht,  welche  aus  dem 
Caput  longum  und  laterale  besteht,  und  eine  tiefe,  welche  nur  das 
Caput  mediale  enthält. 

2)  Am  Vorderarme  gehen  dem  Schema  nach  sämtliche  3  Haupt- 
nerven Durchbohrungen  von  Muskeln  ein.  Dies  läßt  sich  am  besten 
in  einer  Tabelle  darstellen,  welche  gleichzeitig  der  Höhe  der  Durch- 
bohrung Rechnung  trägt. 


Nerv  Muskel  Gegend 

N.  medianus  M.  pronator  teres,  Caput  humerale         Tuberositas  ulnae 

und  ulnare 

N.  ulnaris  M.   flexor   carpi   ulnaris,  Caput         Dicht   unter   dem   Sulcus 

humerale    und    ulnare  (unser  n.  ulnaris,  in  der  Höhe 

Canalis  ulnaris)  des  Olecranon 

R.  profundus  n.  M.  supinator  (brevis)  Tuberositas  radii 

radialis 


Hierzu  sei  bemerkt,  daß  eigentlich  nur  der  R.  profundus  n. 
radialis  regelmäßig  den  M.  supinator  durchbohrt.  Beim  N.  medianus 
und  M.  Pronator  teres  braucht  dies  nicht  verwirklicht  sein,  weil  ja 
das  Caput  ulnare  fehlen  kann.  Beim  N.  ulnaris  und  M.  flexor  carpi 
ulnaris  kann  man  von  einer  Durchbohrung  nur  dann  reden,  wenn 
man  unseren  Canalis  ulnaris  anerkennt,  d.  h.  das  Caput  humerale  auf 
die  Ulna  übergreifend  darstellt  (s.  S.  121).  Sonst  ist  man  nur  be- 
rechtigt von  einer  Unterkreuzung  der  in  den  B.  N.  A.  angegebenen 
Capita  humerale  und  ulnare  zu  reden.  Dieselbe  Bemerkung  gilt 
für  den  M.  flexor  digitörum  sublimis,  zwischen  dessen  Caput  radiale 
und  humerale  der  N.  medianus  (mit  den  Vasa  ulnaria)  seinen  Weg 
in  die  Tiefe  nimmt,  ohne  daß  hier  gewöhnlich  von  einer  Durchbohrung 
gesprochen  wird. 

3)  Auch  an  der  Hand  werden  gewöhnlich  die  Durchbohrungen^ 
welche  der  R.  profundus  n.  ulnaris  macht,  vernachlässigt.  Trotzdem 
bewirkt  er  (in  Gemeinschaft  mit  dem  Arcus  profundus)  die  Trennung 
des  M.  adductor  pollicis  in  ein  Caput  obliquum  und  transversum; 
ebenfalls  konstant  ist  die  Durchbohrung,  oder  wenn  die  tiefe  Schicht 
fehlt,  die  Unterlagerung  unter  den  M.  opponens  digiti  quinti;  als 
nicht  konstant  müssen  wir  die  Durchbohrung  der  M.  abductor  oder 
flexor  brevis  digiti  quinti  bezeichnen  einmal,  weil  der  letztere  fehlen 
kann,  und  auch  beide  genannten  Muskeln  bisweilen  nur  einköpfig  ent- 
springen, so  daß  es  überhaupt  nicht  zur  Bildung  eines  Sehnenbogens 
(d.  h.  einer  Durchbohrung)  kommen  kann. 

388 


Neurologische  Bemerkungen.  389 


C.  Die  doppelt  innervierten  Armmuskeln. 

Beginnen  wir  mit  dem  M.  deltoideus.  Etwa  95  Proz.  des  Muskel- 
fleisches werden  unter  allen  Umständen  von  dem  hinteren  Hauptaste,  dem 
N.  axillaris,  versorgt  und  nur  5  Proz.  von  vorderen  Thoracalzweigen, 
welche  aber  fehlen  können.  Feine  Zweige,  welche  die  Ansatzsehne 
des  M.  pectoralis  major  bis  zur  Crista  tuberculi  majoris  begleiten, 
können  ja  auch  Beziehungen  zur  Tuberositas  deltoidea  gewinnen, 
jedoch  sollte  man  sich  in  einem  solchen  Falle  immer  vor  Augen 
halten,  daß  es  sich  vielleicht  nur  um  Periostnerven  des  Humerus 
handelt,  denen  eventuell  makroskopisch  sichtbare  VATER-PACiNische 
Körperschen  angeschlossen  sind. 

Am  Oberarme  verdient  der  M.  brachialis  unsere  ganz  besondere 
Aufmerksamkeit,  da  ja  sein  radialer  Teil  in  wechselndem  Umfange 
vom  N.  radialis  versorgt  wird.  Wir  schätzen  die  Innervationsbreite 
des  N.  radialis  bis  auf  15  Proz.  der  Muskelmasse.  In  seltenen  Fällen 
konnten  wir,  wie  oben  beim  M.  deltoideus  zwischen  N.  axillaris  und 
N.  thoracales  anteriores,  hier  eine  Anastomose  zwischen  den  in  Frage 
kommenden  Nerven,  den  N.  medianus  und  radialis,  nachweisen. 

Am  Vorderarme  kommt  eigentlich  nur  das  gegenseitige  Verhältnis 
zwischen  N.  medianus  und  ulnaris  in  Betracht. 

Die  bekannte  Doppelinnervation  des  M.  flexor  digitorum  profundus 
wollen  wir  außer  acht  lassen,  und  nur  auf  den  FROHSEschen,  in  S.  119  ab- 
gebildeten Fall  hinweisen,  daß  auch  der  M.  flexor  carpi  ulnaris  zu  etwa 
10  Proz.  seiner  Muskelmasse  vom  N.  medianus  versorgt  werden  kann. 

An  der  Hand  können  doppelt  innerviert  werden :  1)  der  M.  lum- 
bricalis  III,  2)  die  Muskeln  des  Daumenballens,  3)  die  M.  interossei 
dorsales  und  die  rudimentären  M.  extensores  digitorum  breves  manus. 

1)  Bei  dem  M.  lumbricalis  III  handelt  es  sich  um  eine  eventuelle 
Doppelinnervation  durch  die  N.  medianus  und  ulnaris.  Wenn  dieselbe 
vorhanden  ist,  findet  sich  gewöhnlich  eine  Anastomose. 

2)  Bei  den  Muskeln  des  Daumenballens  findet  sich  regelmäßig 
eine  oder  auch  mehrere  Anastomosen  zwischen  den  N.  medianus  und 
ulnaris.  Wir  sind  außer  stände,  zu  sagen,  inwieweit  sich  die  beiden 
genannten  Nerven  an  der  Innervation  des  M.  flexor  pollicis  brevis 
beteiligen,  und  insbesondere  auch,  inwieweit  ein  Austausch  der  Nerven- 
fasern bei  der  Versorgung  der  M.  interossei  statthat. 

3)  Die  M.  interossei  werden  nach  unserer  Ansicht  ausschließlich 
vom  N.  ulnaris  versorgt.  Finden  sich  bei  den  M.  dorsales  besondere 
Muskelbündel,  welche  über  die  Metacarpalknochen  hinaus  proximal- 
wärts bis  zu  den  Carpalknochen  oder  zum  Radius  reichen,  so  können 
wir  die  Innervation  dieser  accessorischen  Bündel  durch  die  Endaus- 
läufer des  R.  profundus  n.  radialis  bestätigen.  Ob  die  Nerven  des 
R.  profundus,  welche  sich  neben  den  R.  perforantes  der  Arterien  zur 
Vola  hinbegeben  und  sich  mit  dem  R.  profundus  n.  ulnaris  vereinigen, 
sich  dadurch  an  der  Innervation  der  M.  interossei  volares  beteiligen 
können,  entzieht  sich  unserer  Beobachtung. 

Wir  sind  vielmehr  der  Anschauung,  da  wir  auch  einwandsfreie 
Gelenknerven  des  R.  profundus  radialis  bis  zu  den  Artic.  metacarpo- 
phalangeae  (s.  S.  185)  nachweisen  konnten,  daß  es  sich  um  Gelenk- 
nerven für  die  Artic  carpometacarpae  handelt,  oder  um  Periostnerven 
der  Metacarpalknochen. 

389 


390  PROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


D.  Elektrotherapeutische  Bemerkungen. 

a)  Einleitung. 

Wie  in  unserem  Vorworte  erwähnt  ist,  haben  wir  ein  besonderes 
Gewicht  auf  die  praktische  Nachprüfung  unserer  theoretischen  Unter- 
suchungen gelegt  und  zuletzt  den  Spezialisten  Toby  Cohn  mit  zur 
Beratung  herangezogen,  dessen  Leitfaden  der  Elektrodiagnostik  und 
Elektrotherapie,  3.  vermehrte  und  durchgesehene  Auflage,  Berlin,  S.  Kar- 
ger, 1906,  sich  gerade  in  den  betreffenden  Kreisen  einer  besonderen 
Beliebtheit  erfreut.  Möge  hier  das  Vorwort  dieses  Autors  uns  weitere 
eigene  Angaben  ersparen.  Es  heißt  darin:  „Besonders  habe  ich 
meine  durch  Arbeiten  auf  anderem  Gebiete  (Die  methodische  Pal- 
pation, Berlin,  S.  Karger.  1905)  gewonnenen  speziellen  Erfahrungen 
dazu  verwertet,  um  die  Tafeln  mit  den  erregbarsten  Punkten  und 
den  zugehörigen  Text  nochmals  eingehend  zu  revidieren  und  Un- 
genauigkeiten  richtigzustellen.  Ich  hatte  dabei  zu  meiner  Freude 
Gelegenheit,  gemeinsam  mit  den  Herren  Kollegen  Fritz  Frohse 
(Volontärassistent  an  der  Königlichen  Anatomie)  und  Max  Fränkel, 
deren  anatomische  Untersuchungen  über  die  Muskeln  der  Extremitäten 
etwa  gleichzeitig  mit  dieser  Auflage  meines  Leitfadens  erscheinen 
dürften  (Fischer,  Jena),  eine  Nachprüfung  meiner  klinischen,  empirisch 
gewonnenen  Befunde  und  einen  Vergleich  derselben  mit  den  von 
anderem  Standpunkte  aus  gesammelten  Erfahrungen  der  genannten 
Herren  vorzunehmen:  es  ergab  sich  eine  erfreuliche  Uebereinstim- 
mung  in  allem  Wesentlichen.  Ich  habe  indessen  ans  diesem  Zu- 
sammenarbeiten auch  die  Kenntnis  mancher  bisher  gänzlich  unbe- 
kannter Tatsachen  in  Bezug  auf  lokale  Muskelreizung  erlangt  und 
bin  den  beiden  Herren  Kollegen  für  die  Mitteilung  dieser  Dinge  zu 
großem  Danke  verpflichtet." 

Unsere  ursprüngliche  Absicht,  die  Originaldarstellung  von  T.  Cohn 
wortgetreu  wiederzugeben,  ließ  sich  nicht  durchführen,  weil  die  Rei- 
zungspunkte  der  Muskeln  und  Nerven  durcheinander  dargestellt  sind 
und  nicht  in  der  Reihenfolge,  wie  wir  sie  in  unserer  Beschreibung  mög- 
lichst konsequent  angewandt  haben. 

Wir  verzichten  auch  darauf,  besonders  nachzuweisen,  welche  Ver- 
änderungen zwischen  der  2.  und  3.  Auflage  dieses  Werkes  vorliegen. 
Im  Texte  ist  wenigstens  bei  der  oberen  Extremität  unser  Anteil 
verschiedentlich  hervorgehoben  worden,  während  am  Rumpfe  und  der 
unteren  Extremität  dieses  nicht  der  Fall  ist.  Da  wir  jedoch  zunächst 
nur  den  Arm  mit  seinen  Muskeln  und  Nerven  behandeln,  mag  es 
den  Interessenten  überlassen  bleiben,  sich  den  Unterschied  in  der 
bildlichen  Darstellung  der  2.  und  3.  Auflage  auch  der  anderen  Körper- 
abschnitte zu  vergegenwärtigen. 

Unsere  Einteilung  zwang  uns,  die  T.  CoHNSchen  Ausführungen 
teilweise  nicht  wortgetreu  wiederzugeben,  jedoch  sind  keine  sachlichen 
Veränderungen  vorgenommen,  und  unserem  Wunsche,  stilistische  Um- 
gestaltungen zu  machen,  konnten  wir  auch  nur  an  wenigen  Stellen 
gerecht  werden.  Im  wesentlichen  decken  sich  die  Angaben  von  T.  Cohn 
mit  unseren  Beobachtungen.  Er  als  Praktiker  weiil  natürlich  besser, 
was  hiervon  für  die  Aerzte  von  Wichtigkeit  ist;  indessen  wollen  wir 
nach  unsere  anatomischen  Erfahrungen  unseren  Bedenken  besonders 
kundgeben.    Es  wäre  uns  sehr  lieb,  wenn  unsere  Abbildungen,  denen 

390 


Neurologische  Bemerkungen.  391 

wir  zum  Vergleiche  die  T.  CoHNschen  beigefügt  haben,  auch  in  den 
Kreisen  der  Praktiker  Beifall  finden  und  in  möglichst  vielen  prak- 
tischen, d.  h.  normalen  und  pathologischen  Fällen  auf  ihre  Brauchbar- 
keit und  Richtigkeit  nachgeprüft  werden. 

b)  Spezielle  Beschreibung. 

1)  M.  deltoideus  (S.  44),  45,  3.  Aufl.i).  „Der  M.  deltoideus 
wird  in  drei  Portionen  erregt:  1)  vordere  Portion,  unweit  unterhalb 
des  Processus  coracoideus,  nahe  dem  innersten  Rande  des  Muskel- 
wulstes; er  ist  gut  erregbar  und  hebt  den  Humerus  nach  vorn; 
2)  mittlere  Portion,  lateral  vom  vorigen,  senkrecht  über  dem  Ansatz- 
punkt ,  etwas  unterhalb  der  Mitte  des  Muskelwulstes ;  hebt  den 
Humerus  mäßig  kräftig  nach  der  Seite ;  3)  hintere  Portion,  hinter  dem 
vorigen,  aber  wiederum  etwas  weiter  nach  oben;  hebt  den  Humerus 
schwach  nach  hinten.  Die  beiden  letzten  Portionen  sind  viel  weniger 
erregbar  als  die  erste." 

„N.  axillaris,  ein  wenig  medial  und  oben  vom  N.  thoracicus  longus 
(d.  h.  im  äußersten  Winkel  des  hinteren  Halsdreieckes  nicht  selten  zu 
isolieren),  wenn  auch  oft  Teile  des  Plexus  brachialis  mitgereizt  werden 
(er  ist  z.  B.  bei  vielen  Personen  auch  in  der  Achselhöhle,  und  zwar 
oft  gemeinsam  mit  dem  N.  radialis,  zu  reizen).  Wirkung:  Deltoideus- 
Kontraktion  (Abhebung  des  Armes  vom  Thorax)." 

Die  schwerere  Erregbarkeit  des  Muskels  in  der  hinteren  und 
mittleren  Portion  findet  ihre  Erklärung  durch  die  tiefe  Lage  des  hier 
sehr  verborgenen  Stammes  des  N.  axillaris  und  die  vielfache  Ver- 
zweigung der  einzelnen  Nervchen,  von  denen  wenige  an  die  Ober- 
fläche gelangen.  Die  vordere  Portion  ist  viel  dünner,  außerdem  reich- 
licher mit  Nerven  versorgt,  welche  in  den  parallel  angeordneten 
Bündeln  der  Oberfläche  nahe  kommen,  außerdem  ist  hier  kaum  noch 
von  einer  extramuskulären  Verzweigung  zu  reden,  und  ferner  auf  die 
mögliche  Doppelinnervation  auch  durch  R.  thoracales  anteriores  hinzu- 
weisen. Auch  topographisch  kann  hier  kein  anderer  Muskel  oder 
Nerv  in  nennenswerter  Weise  die  Zuckung  beeinträchtigen. 

Daß  bei  der  Reizung  des  N.  axillaris  in  der  Achselgrube  auch 
der  N.  radialis  mitgetroff"en  wird,  ist  nicht  zu  verwundern,  weil  er 
tiefer  liegt  als  der  N.  radialis  und  sogar  von  ihm  häufig  durch  die 
Vasa  subscapularia  getrennt  wird. 

2)  M.  subscapularis.  „Der  Muskelbauch  ist  unter  normalen 
Verhältnissen  nicht  erregbar,  jedoch  kann  man  den  Nerven  mitunter 
von  der  Supraclaviculargrube  aus  isoliert  reizen"  (S.  46  oben  bei  den 
M.  teretes). 

Wir  halten  auch  den  M.  subscapularis  der  direkten  Reizung  für 
zugängig.  Wenn,  wie  eben  gesagt,  der  im  Verhältnisse  zu  dem  er- 
reichbaren Teile  des  Muskels  so  kleine  N.  axillaris  isoliert  gereizt 
werden  kann,  so  muß  es  noch  mehr  bei  dem  M.  subscapularis  der 
Fall  sein. 

3)  M.  supraspinatus(S.  45).  „Der  Muskelbauch  ist  nahe  dem 
äußersten  Winkel  der  Fossa  supraspinata,  nur  dann  erregbar,  wenn 
der  Trapezius  atrophisch  ist.  Sein  Nervenpunkt  ist  von  der  Supra- 
claviculargrube aus  gelegentlich  zu  erregen." 

1)  Die  in  Klammern  beigefügten  Seitenzahlen  dieses  Abschnittes  beziehen  sich 
immer  auf  das  Buch  von  T.  Cohn. 

391 


392 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


M.  deltoideus  (vord.  Port.) 


M.  deltoideus  (mittl.  Port.) 


M.  coracobrach. 


yi.  triceps  (gemeinsch.  Punkt) 
M.  triceps,  Caput  longum 


M.  triceps,  caput  mediale 
ulnaris 
medidnus 


M.  Pronator  teres 


M.  flexor  digitorum  sublimis 


M.  abductor  dig.  V 


M.  lumbricales 


Fig.  145.  Reizungspunkte  der  Armmuskeln  und  -nerven,  Vorderseite,  nach  Toby  Cohn, 


392 


Neurologische  Bemerkungen. 


393 


M.  latissimus  dorsi 


M.  triceps,  caput  mediale 


M.  flexor  carp.  uln. 


M.  extensor  carpi  uln 


M.  flexor  digitorum 
iprofundus 


M.  abductor  dig.  V 


M.  interossei  dorsales 


M.  deltoideus 
(hint.  Port.) 


M.  deltoideus 
(mittl.  Port.) 


M.  triceps,  caput  long^m 


M.  triceps,  caput  laterale 

M.  triceps  (caput 
mediale  u.  laterale) 


N.  radialis 

M.  brachialis 

M.  brachioradialis 


M.  extensor  carpi 
rad.  long. 


M.  supinator 


M.  extensor  digitor. 
comm. 


M.  abduct.  poll.  long. 

M.  extens.  poll.  brev. 

M.  extens.  poll.  long. 

M.  adductor  pollicis 


Fig.  146.  Reizungspunkte  der  Armmuskeln  und  -nerven,  Rückseite,  nach  Toby  Cohn. 


393 


394 


ß 


M.deltoideus,  vorderer  Punkt  --,. 


M.deltoideus,  mittlerer  Punkt 


M.  coracobrachialis 


M.  triceps,  caput  laterale 


M.  brachialis,  portio  lateralis 


M.  brachioradialis 


M.  extensor  carpi 
radialis  longus 


M.  flexor  carpi  radialis    - 


M.  extensor  carpi  radialis . 

brevis  " 


M.  fl.  subl.  dig.  III,    

Caput  humerale  p~ — ]^^-,.  J 

M.  fl.  subl.  dig.  III, 
Caput  radiale 

M.  flexor  pollicis  longus. 
M.  Pronator  quadratus 

N.  medianus, 

M.  abductor  pollicis  brevis 
M.  interosseus  dorsalis  I 
M.  lumbricales  I  et  11^, 


M.  triceps,  caput  longura 

M.  biceps 

M.  triceps,  caput  mediale 

N.  ulnaris 

N.  medianus 

M.  Pronator  teres 

M.  flexor  carpi  ulnaris 

M.  palmaris  longus 

M.  flexor  sublimis  digiti  IV 

--M.  flexor  sublimis  digiti  V 

Venter  distalis  m.  fl.  subl.  digiti  II 

N.  ulnaris 

M.  palmaris  brevis 

M.  abductor  digiti  V 
R.  muscularis  n.  mediani 


AT    flexor  brevis  digiti  V  et 
N.  interosseus  volaris  IV 


\ 


M.  flexor  pollicis  brevis, 
Caput  superficiale 


^i^^/' 


Fig.  147.    Eeizungspunkte  und  -linien   der  Armmuskeln  und  -nerven  nach  eigenen 
Untersuchungen,  auf  die  Haut  projiziert,  Vorderseite. 


4)  M.  infraspi- 
natus  (S.  45),  „im 
Gegensatze  zum  vori- 
gen bei  den  meisten 
Personen  mit  mittle- 
ren Strömen  erreg- 
bar ;  etwa  in  der  Mitte 
der  Fossa  infraspinata. 
Es    ist    ein    kräftiger 

Auswärtsroller    des 
Humerus   und   unter- 
stützt somit  die  Supi- 
nationsbewegung    der 

oberen  Extremität. 
Bei  frei  herabhängen- 
dem Arm  und  leicht 
gebeugtem  und  unter- 
stützten Vorderarm 
kann  man  die  Wirkung 
durch  elektrische  Rei- 
zung schön  demon- 
strieren" 

Den  Ausdruck  „Su- 

pinationsbewegung 
des  Armes"    möchten 
wir  lieber  nicht  ange- 
wandt wissen,  weil  bei 
der  oberen  Extremität 

die    Bezeichnungen 
Supination  oder  Pro- 
nation    ausschließlich 
dem  Vorderarme  und 
der  Hand  zukommen. 

5)  und  6)  „M.  teres 
minor  und  major  (S.  46 
oben)  sind  lokaler  Rei- 
zung zugänglich." 

Wir  vermissen  hier 
die      Betonung      des 

Unterschiedes  der 
Wirkung  und  auch  der 
Nervenbezüge  beider 
Muskeln.  Der  vom  N. 
axillaris  versorgte  M. 
teres  minor  ist  viel 
schwerer  der  Reizung 
zugänglich  und  be- 
wirkt die  Auswärts- 
rotation des  Armes, 
während  der  von  einem 
N.  subscapularis  aus 
versorgte  M.  teres 
major  außerordentlich 


M.  deltoideus 


395 

M.  omo- 
hyoideus 


M.  pectoralis 
major 


M.  Pronator 

teres  (Lacertus 

fibrosus 

m.  bicipitis) 


M.  flexor  carpi 

radialis 


M.  paimaris 

longus 


M.  flexor  carpi 
ulnaris 


M.  flexor  digitorum 

sublimis,  digitus  IV 


M.  paimaris  brevis 
M.  abductor  digiti  V 
Aponeurosis  paimaris 


Fig.  148.     Arm  von 
vorne,    Muskelbild. 


396 


M.  infraspinatus 


M.  teres  minor 


M.  teres  major 


M.  triceps,  caput  long^m 


M .  triceps ,  caput  mediale :     — 
portio  medialis 


Portio  lateralis  und    ' 
M 


M.  flexor  carpi  ulnaris 


M.  flexor  digitorum 
profundus 


M.  extensor  carpi  ulnaris 


M.  Pronator  quadratus 


M.  abductor  digiti  V 


M.  interossei  dorsales  I — IV 


Fig.  149.   Reizungspunkte  und 
-linien    der    Armmuskeln    und  ^, 

-nerven    nach    eigenen    Unter-  \ 

suchungen,  auf  die  Haut  pro-  \^ 

jiziert,  Rückseite.  *ji 


M.  deltoideus,  hinterer 
und  mittlerer  Punkt 


M.  triceps,  caput  laterale 


M.  brachialis,  portio 
lateralis 


M.  brach  ioradialis 


leicht  gereizt  werden 
kann  und  ein  wichtiger 
Einwärtsroller  ist. 

7)  M.  biceps  (S. 
44).  „Am  Oberarm  er- 
regt man  den  M.  biceps 
in  passiver ,  leichter 
Beugestellung  des  Ell- 
bogens und  schwacher 
Pronation  der  Hand ;  sein 
erregbarster  Punkt  liegt 
meist  auf  der  Höhe  sei- 
nes Muskelwulstes ,  ein 
besonderer  Punkt  für  den 
langen  Kopf  nach  außen 
und  unten,  einer  für  den 
kurzen  Kopf  nach  innen 
und  oben  davon.  Es  ist 
ein  sehr  erregbarer  Mus- 
kel ,  dessen  Wirkung 
kräftige  Ellbogenbeu- 
gung und  eine  leicht 
sichtbare  Vorderarm- 
supination ist;  also  teils 
Mitwirker,  teils  Gegen- 
wirker des  Brachio- 
radialis,  der  den  Ell- 
bogen beugt  und  den 
Vorderarm  proniert." 

Es  hält  schwer,  für 
den  M.  biceps  einen  be- 
stimmten Reizungspunkt 
anzugeben ,  weil  der 
ganze  Muskel  überaus 
reichlich  mit  Nerven  ver- 
sehen ist,  welche  bis  an 
die  Ursprungs-  und  An- 
satzsehne gehen ,  teil- 
weise sogar  die  Ober- 
fläche erreichen. 

8)  M.  coracobra- 
chialis. 

Auch  dieser  Muskel 
ist  der  elektrischen  Rei- 
zung zugängig :  man 
mache  es  sich  dabei  im- 
mer klar,  daß  bei  un- 
versehrter Haut  der  Mus- 
kelbauch als  proximale 
Verbreiterung  des  kur- 
zen Bicepskopfes  er- 
scheint und  erst  am  Prä- 
parate  in  seiner  ganzen 


Fig.  150.    Arm  von  hinten,  Muskelbild 


M.  deltoideus,  vorderer  und  mittlerer 
Punkt 


M.  coracobrachialis 


M.  Pronator  teres 


Venter  proximalis  m.  tlexoris 
sublimis  indicis 


M.  flexor  carpi  ulnaris 


M.  flexor  dig-itorum 
profundus 


M.  flexor  sublimis  digiti  V 


M.  abductor  digiti  V 


M.  palmaris  brevis 


M.  interosseus  volaris  IV 


Dr.  F.  fec. 

Fig.  151.  Reizungspunkte  und  -linien  der  Arm- 
muskeln und  -nerven  nach  eigenen  Unter- 
suchungen auf  die  Haut  projiziert,  Innenseite. 


Größe  sichtbar  wird.  Bei 
hängendem  und  etwas  abdu- 
zierten  Arme  läßt  sich  seine 
Wirkung,  die  sich  in  einer 
Hebung  des  ganzen  Armes 
und  Adduktion  bemerkbar 
macht,  unschwer  erkennen. 

9)M.  brachialis.  „Der 
Muskel,  der  den  Ellbogen  ge- 
rade aufwärts  beugt,  ist  an 
der  Innenseite  des  Biceps 
unter  normalen  Verhältnissen 
gewöhnlich  nicht  zu  isolieren, 
weil  entweder  dieser  oder  die 
Nervenstämme  im  Sulcus  bici- 
pitalis  internus  auf  die  Rei- 
zung antworten.  Sein  Punkt 
liegt  unter  (hinter)  dem  Bi- 
ceps, etwa  im  unteren  Ober- 
armdrittel innen.  Wenn  man 
aber  den  Biceps  hochhebt  und 
die  Elektrode  darunterschiebt, 
kann  man  ihn  mitunter  reizen. 
Regelmäßiger  erregbar  ist  er 
außen  vom  Biceps,  zwischen 
diesem,  dem  triceps  und  dem 
oberen  Rande  des  Brachio- 
radialis.  Man  sieht  dann 
schwache  Beugung  eintreten." 

Die  Schwierig- 
keiten sind  hier 
richtig  geschildert. 
Bei  der  Angabe  des 
äußeren  lateralen 
Reizungspunktes 
vermissen  wir  die 
Angabe ,  daß  hier 
der  N.  radialis  fast 
regelmäßig  Zweige 
in  den  Muskel  hin- 
einschickt, dieser 
also  doppelt  inner- 
viert wird,  medial 
vom  N.  musculo- 
cutaneus  oder  auch 
vom  N.  raedianus, 
lateral  vom  N. 
radialis.  Inwieweit 
die  von  uns  be- 
obachtete Anasto- 
mose zwischen  den 
beiden  Nerven  prak- 
tische Bedeutung 
hat,  vermögen  wir 
nicht  zu  beurteilen. 

Dr.  F.  fec. 


M.  del- 
toideus 


M.pectoralis 
major 


M.  Pronator  teres 
M.  brachioradialis 

M.  flexor  carpi  radialis 
M.  palmaris  longus 

M.  flexor  digitorum  sublimis 
M.   flexor  carpi  ulnaris 

M    abductor  pollicis  brevis 
M.  abductor  digiti  V 
Aponeurosis  palmaris 


Fig.  152.    Ann  von 
innen ,    Muskelbild. 


400 


M.  infraspinatus 


M.  triceps,  Caput 
laterale 


N.  radialis, 
Umschlagsstelle 


M.  triceps,  caput  mediale 
portio  lateralis 


M.  extensor  carpi 
radialis  longus 


M.  supinator 
M.  extensor  carpi  ulnaris 


M.  extensor  digitorum 
communis 


M.  brachialis,  portio  laterali; 


M.  deltoideus, 
hinterer,  mittlerer 
und  vorderer  Punkt 


M.  Pronator  quadratus 


M.  interosseus  dorsalis  I 


M.  extensor  carpi  radialis  brevii 


M    abductor  pollicis  long^us 


M.  extensor  pollicis  brevis 


M.  extensor  pollicis  longus 


M.  adductor  pollicis 


Fig.  153.    Reizungspunkte  und 
-linien  der  Armmuskeln  und-  nerven  ^ 

nach  eigenen  Untersuchungen,  auf  % 

die^Haut  projiziert,  Außenseite.  A 


401 


M.  trapczius 


M.  del- 
toideus 


M.  sternocleido- 
mastoideus 


M.  omohyoideus 


Msmim^ 


M.pectoralis 
major 


M.extensordi^torum 
communis 


M.  extensor  pollicis  brevis  ■  — 

Lig.  carpi  dorsale 

M.  interosseus  dorsalis  I 
M.  lumbricalis 


M.  serratiis   anterior 


M.  biceps 


M.  extensor  carpi  radialis 
longus 


M.  extensor  carpi"  radialis 
brevis 


M.  abductor  pollicis  longus 


M.  extensor  pollicis 
longus 


M.  adductor  pollicis 


Fig.  154.   Arm  von  außen,  Muskelbild. 


Handbuch  der  Anatomie.     II,  11,  2, 


26 


402  FROHSE   und   M.   FRANKE L, 

10)  M.  triceps  (S.  44).  „Der  gemeinschaftliche  Punkt  für  seine 
drei  Capita  liegt  ganz  oben  und  innen  am  Oberarm,  nahe  der  Achsel- 
höhle, ein  gemeinschaftlicher  Punkt  für  das  Caput  mediale  und  laterale 
etwa  handbreit  über  dem  Olecranon,  also  etwa  an  der  Grenze  seines 
unteren  und  mittleren  Drittels.  Die  drei  Capita,  Caput  longum, 
C.  internum  und  C.  externum,  sind  teils  von  innen,  teils  von  hinten 
her  auch  getrennt  zu  reizen." 

11)  „Der  erregbarste  Punkt  des  M.  anconaeus  (quartus) 
findet  sich  nicht  auf  dem  Muskel  selbst,  sondern  am  Oberarm  an  der 
in  der  Figur  angegebenen  Stelle.  —  Man  sieht  die  Triceps-Wirkung 
am  besten,  wenn  der  Ellbogen  schon  in  halber  passiver  Streckung 
steht." 

Der  M.  triceps  ist,  genau  entsprechend  seinem  anatomischen  Auf- 
baue, besonders  leicht  an  den  oberflächlich  gelegenen  Stellen  seiner 
3  Köpfe  zu  reizen.  Am  günstigsten  ist  das  Caput  longum  gestellt 
und  das  Caput  mediale  in  seinem  inneren,  medialen  Abschnitte,  weil 
auch  die  entsprechenden  Nervenstämme  oberflächlich  gelagert  sind. 
Dicht  unterhalb  der  Achselgrube,  am  unteren  Rande  des  M.  teres 
major  verlassen  zwei  besondere  Nerven  den  Stamm  des  N.  radialis. 
Der  eine  versorgt  das  ganze  Caput  longum  des  M.  triceps,  der  andere, 
welchen  wir  als  R.  collateralis  n.  ulnaris  bezeichnet  haben,  den  medialen 
Teil  des  Caput  mediale.  Das  von  diesen  beiden  Nerven  versorgte 
Muskelgebiet  ist  vollauf  im  stände,  die  Gesamtwirkung  vorzutäuschen. 
In  diesem  Sinne  hätte  also  T.  Cohn  recht,  wenn  er  von  einem  ge- 
meinschaftlichen Reizungspunkte  redet;  in  Wirklichkeit  aber  braucht 
die  laterale  Portion :  das  Caput  laterale  des  M.  triceps  und  der  laterale 
Abschnitt  des  Caput  mediale,  sowie  der  M.  anconaeus  überhaupt  nicht 
in  Tätigkeit  treten,  obwohl  sie  natürlich  passiv  durch  den  Ruck  eine 
entsprechende  Verkürzung  und  Verdickung  erfahren.  Das  Caput 
laterale  erhält  verhältnismäßig  wenig  Nerven,  welche  kaum  jemals  die 
Oberfläche  des  Muskels  erreichen.  Der  für  das  Caput  laterale  und 
mediale  angegebene  gemeinschaftliche  Reizungspunkt  handbreit  über 
dem  Olecranon,  d.  h.  bereits  im  Bereiche  der  mächtigen  aponeurotischen 
Platte  der  Endsehne,  dürfte  auch  aus  unserem  Nervenbilde  (s.  S.  96) 
dem  Verständnisse  keine  Schwierigkeiten  bereiten.  Gerade  die  Gegen- 
wart der  Endsehne  bringt  die  eigentlich  recht  tief  gelegenen,  in  der 
Muskulatur  verborgenen  Nerven  doch  der  Oberfläche  ziemlich  nahe, 
und  so  ist  auch  der  Zweig  für  den  M.  anconaeus  der  elektrischen 
Reizung  besser  am  Oberarme  zugänglich,  als  am  Vorderarme,  wo  er 
von  der  Tiefe  her  in  den  verhältnismäßig  dicken  Muskelbauch  eintritt. 

12)  M.  Pronator  teres  (S.  43).  „Der  erregbarste  Punkt  für 
den  Muskelbauch  liegt  meistens  dem  Ulnarrande  der  Beugeseite  sehr 
nahe  und  nur  wenig  unterhalb  oder  direkt  in  der  Beugelinie  des 
EllenbogengelBnkes.  Die  Lage  dieses  Punktes  zeigt  bei  verschiedenen 
Personen  ganz  besonders  oft  Verschiedenheiten." 

Wir  müssen  auch  beim  M.  pronator  teres  zwischen  Nerven-  und 
Muskelreizung  unterscheiden.  Die  besonders  betonten  individuellen 
Verschiedenheiten  finden  ihre  Erklärung  durch  die  verschieden  hohe 
Abgangsstelle  der  Zweige  aus  dem  N.  medianus,  welche  bereits 
3  Querfinger  breit  proximal  vom  Gelenkspalte  sich  loslösen  können. 
Die  innere  Verzweigung  der  Nerven  (und  damit  die  gewöhnlich  so 
bezeichnete  direkte  Muskelreizung)  ist  außerordentlich  reichlich.  Daher 
geht  auch  die  Reizung  dieses  Muskels,   der  außerdem  topographisch 

402 


Neurologische  Bemerkungen.  403 

SO  günstig  gelagert  ist,  prompt,  blitzartig  und  ohne  Neben- 
wirkungen vor  sich.  Besonders  angenehm  ist  für  den  Anfänger 
hier  die  Einfachheit  der  Pronationsbewegung,  welche  mit  keiner 
anderen  verwechselt  werden  kann. 

13)  M.  flexor  carpi  radialis  (S.  43).  „Sein  Muskelbauch  ist 
oft  schwer  zu  trennen  vom  M.  palmaris  longus.  Sein  Reizungspunkt 
liegt  noch  ein  wenig  mehr  radial  und  oft  auch  etwas  mehr  ellen- 
bogenwärts.  Er  beugt  das  Handgelenk  und  dessen  radiale  Seite 
stärker  als  die  ulnare,  dabei  proniert  er  auch." 

Die  Schwierigkeit  der  Isolation  vom  M.  palmaris  longus,  der  ja 
häufig  fehlt,  möchten  wir  nicht  unterschreiben  und  bezüglich  der 
Wirkung  die  Pronation  zum  mindesten  in  Frage  stellen,  weil  zur 
Pronatiou  die  Anheftung  am  Radius  erforderlich  wäre.  Die  schein- 
bare Bewegung  der  Hand  im  Sinne  der  Pronation  kommt  für  einen 
nicht  genau  aufpassenden  Untersucher  dadurch  zu  stände,  daß  der 
M.  tiexor  carpi  radialis,  nicht  diesem  topographischen  Namen  ent- 
sprechend, die  Hand  radialwärts,  sondern  ulnarwärts  beugt.  Dies  ist 
ja  bei  der  physiologischen  Beschreibung  fast  zum  Ueberflusse  hervor- 
gehoben worden,  muß  aber  hier  der  Vollständigkeit  halber  nochmals 
angeführt  werden.  Der  günstigste  Nervenpunkt  liegt  etwa  8  cm  distal 
vom  Epicondylus  medialis. 

14)  M.  palmaris  longus  (S.  43).  „Der  Reizungspunkt  liegt  an 
der  Grenze  zwischen  oberem  und  mittlerem  Drittel  der  Vorderarm- 
beugeseite, im  ulnaren  Teile;  er  beugt  die  Hand  ziemlich  gerade 
schwach  nach  oben.  Seine  Sehne  springt  scharf  in  der  Mitte  der 
Handbeuge  hervor,  wenn  man  ihn  isoliert  hat." 

Bei  der  Verschiedenheit  der  Lage  und  Größe  des  Muskelbauches 
und  der  geringen  Wirkung  ist  eine  genauere  Angabe  seines  Reizungs- 
punktes unmöglich,  jedoch  möchten  wir  aus  unseren  Befunden  den- 
selben mehr  proximal,  also  gegen  die  Ellenbeuge  hin  legen,  als  den 
des  M.  flexor  carpi  radialis  und  bemerken,  daß  der  Nerv  gewöhnlich 
von  der  ulnaren  Seite  her  in  den  Muskel  eintritt,  und  deshalb  auch 
der  Nerv  direkt  erreicht  werden  kann,  während  der  Zweig  für  den 
M.  flexor  carpi  radialis  vollkommen  in  der  Tiefe  verborgen  liegt.  Die 
anatomische  Eintrittsstelle  des  Nerven  liegt  ca.  4  cm  distal  vom  Epi- 
condylus medialis,  also  weiter  proximal  als  die  des  M.  flexor  carpi 
radialis. 

Da  dieser  Muskel  fehlen  kann,  andererseits  aber  der  Vollständig- 
keit halber  in  den  systematischen  Lehrbüchern  als  spindelförmiger 
Muskelbauch  im  proximalen  Drittel  des  Vorderarmes  abgebildet  wird, 
haben  wir  uns  an  einen  solchen  schematischen  Befund  bei  unserer 
Figur  gehalten,  welchen  wir  auch  in  anderen  Fällen  beobachtet  haben. 
Die  sogenannte  normale  Reizungsstelle  liegt  ca.  6  cm  distal  vom  Epi- 
condylus medialis. 

15)  M. flexor  carpiulnaris(S.  43).  „Am  weitesten  ulnarwärts 
dicht  an  der  Ulnakante,  also  bei  der  supinierten  Haltung  des  hängen- 
den Armes  an  der  Rückseite  des  Vorderarmes,  ziemlich  dicht  unter- 
halb des  Olecranon.    Beugt  die  Hand  ulnarwärts.     Proniert  nicht." 

Wie  an  verschiedenen  Stellen  bereits  erwähnt  (innerer  Teil  des 
M.  triceps,  M.  pronator  teres),  muß  auch  hier  ein  Unterschied  gemacht 
werden  zwischen  Nerven-  und  Muskelreizung.    Bereits  oberhalb   des 

26* 
403 


404  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Olecranon  an  der  gewöhnlichen  Reizungsstelle  für  den  ganzen 
N.  ulnaris  läßt  sich  bisweilen  sehr  schön  die  isolierte  Zuckung  des 
M.  flexor  carpi  ulnaris  ausführen.  Wenn  fast  mit  dem  Eintritte  des 
N.  ulnaris  in  den  S.  121  beschriebenen  Canalis  ulnaris  die  2  oder  3 
Nervenzweige  für  den  M.  flexor  carpi  ulnaris  in  den  hier  noch  sehr 
dünnen  Muskel  abgehen,  redet  man  bereits  von  der  Muskelzuckung, 
welche  noch  in  der  Unterhälfte  des  Vorderarmes  auszulösen  ist,  am 
deutlichsten  aber  in  seinem  proximalen  Drittel  statthat.  Die  beiden  Haupt- 
nerven senken  sich  ca.  2  cm  distal  vom  Epicondylus  medialis  und  Ole- 
cranon in  den  Muskel,  ein  inkonstanter  dritter  Zweig  eventuell  erst 
ca.  6  cm  weiter  distal. 

16)  und  17)  „Die  M.  flexores  digitorum  sublimis  und 
profundus  (S.  43  u.  44),  von  denen  der  erstere  die  zweiten,  der 
letztere  die  dritten  Fingerphalangen  beugt,  sind  zerstreut  an  mehreren 
Punkten  im  oberen,  mittleren  und  unteren  Vorderarmdrittel  zu  treffen, 
besonders  leicht  der  sublimis.  Den  oberflächlichen  Beuger  des  Zeige- 
fingers speziell  findet  man  häufig,  wenn  man  die  Elektrode  mit  einem 
gewissen  Druck  zwischen  die  am  Handgelenk  vorspringenden  Sehnen 
der  M.  pronator  teres  und  flexor  carpi  radialis  setzt,  etwa  3  bis  4  Finger 
breit  über  dem  Gelenk.     (Im  übrigen  s.  die  Figuren.)" 

Dem  M.  flexor  digitorum  sublimis  hat  Frohse  ^)  bereits  im 
Anatomischen  Anzeiger  eine  ausführliche  Besprechung  gewidmet. 
Es  ist  durchaus  notwendig,  die  für  die  einzelnen  Finger  be- 
stimmten Bäuche  besonders  zu  betrachten.  Die  Figuren,  welche  hier 
über  Muskelarchitektur,  Nervenverzweigung  und  Topographie  ge- 
geben sind,  noch  einmal  sich  anzusehen,  würde  sich  für  das  leichtere 
Verständnis  dringend  empfehlen.  Der  Muskel  wird  ausschließlich 
vom  N.  medianus  versorgt,  jedoch  nicht  mit  einem  einheitlichen 
Stamme,  sondern  von  mindestens  3  Zweigen,  von  denen  regelmäßig 
2  den  M.  flexor  indicis  sublimis  innervieren,  während  der  dritte 
die  Digiti  III,  IV  und  V  versorgt.  Dabei  ist  die  Reihenfolge  des 
Ursprunges  aus  dem  N.  medianus  regelmäßig  so,  daß  zuerst  dicht 
unterhalb  der  Ellenbeuge  der  obere  Nerv  für  den  oberen  Bauch 
des  M.  flexor  indicis  sublimis  entspringt,  etwas  darunter,  also  noch 
im  proximalen  Drittel  des  Vorderarmes  der  gemeinschaftliche  Zweig 
für  III,  IV  und  V  und  ungefähr  in  der  Mitte  erst  der  zweite  Ast 
für  den  unteren  Bauch  des  M.  flexor  indicis  sublimis.  Von  allen 
diesen  Nerven  ist  eventuell  nur  der  letztere,  aber  durchaus  nicht 
regelmäßig  der  direkten  Reizung  zugänglich.  Im  übrigen  sind  wir  auf 
die  Muskelreizung  angewiesen,  also  auf  die  Lücken,  in  welchen  der  M. 
flexor  digitorum  sublimis  zwischen  den  Muskeln  der  oberflächlichen 
Schicht  i.  e.  M.  pronator  teres,  flexor  carpi  radialis,  palmaris  longus 
und  flexor  carpi  ulnaris,  an  die  Oberfläche  kommt.  Nur  eine  genaue 
Kenntnis  der  Topographie  kann  eine  isolierte  Reizung  der  einzelnen 
Bäuche  erzielen,  welche  uns  auch  gelungen  ist.  In  der  Rinne  zwischen 
den  M.  flexor  carpi  radialis  und  pronator  teres  in  und  etwas  distal  und 
radial  von  der  Mitte  des  Vorderarmes  kann  das  Caput  radiale  des 
M.  flexor  digiti  III  mit  Leichtigkeit  zur  Zuckung  gebracht  werden. 
In  der  Rinne  zwischen  den  M.  flexor  carpi  radialis  und  palmaris 
longus,    oder    bei    dessen    Fehlen    einfach    am    ulnaren    Rande    des 


1)  Fritz  Frohse,  Ueber  die  Verzweigung  der  Nerven  zu  und  in  den  mensch- 
lichen Muskeln,  Anatom.  Anzeiger,  Bd.  XfV,  No.  13,  1898,  p.  337—339. 

404 


Neurologische  Bemerkungen.  405 

M.  flexor  carpi  radialis  kann  im  distalen  Drittel  des  Vorderarmes, 
besonders  bei  Fingerbeugung  der  N.  medianus  gereizt  werden  und 
darüber  proximal  bis  zur  Mitte  des  Vorderarmes  je  nach  der  Haltung 
des  2.  Fingers  in  wechselnder  Höhe  der  untere  Bauch  des  M.  flexor 
indicis  sublimis.  Selbst  der  obere  Bauch  des  Zeigefingers  kann  in 
günstigen  Fällen  zur  Zuckung  gebracht  werden,  jedoch  ganz  hoch 
oben  etwa  4  cm  unterhalb  des  Epicondylus  mediaiis  humeri  am 
ulnaren  Rande  des  M.  flexor  carpi  radialis.  Dicht  darunter,  mehr  dem 
volaren  Rande  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  genähert,  liegt  das  Rei- 
zungsgebiet des  M.  flexor  sublimis  digiti  IV.  Es  ist  kein  einheitlicher 
Punkt,  sondern  eine  lange  Linie,  welche  sich  bis  in  die  untere,  distale 
Hälfte  des  Vorderarmes  erstrecken  kann.  Im  Anschlüsse  daran  bis 
in  die  Gegend  des  Handgelenkes,  sagen  wir  im  unteren  Drittel  des 
Vorderarmes,  liegt  die  Reizungslinie  für  den  M,  flexor  digiti  V,  etwas 
proximal  und  radialwärts  von  der  allgemein  bekannten  Reizungslinie 
des  N.  ulnaris.  Die  anatomischen  Eintrittsstellen  der  Nerven  be- 
tragen für  den  Venter  superior  indicis  3,5  cm,  Venter  communis 
pro  digitis  III,  IV  et  V  ca.  7  cm,  Venter  inferior  indicis  ca.  15  cm 
distal  vom  Epicondylus  mediaiis. 

Der  M.  flexor  digitorum  profundus  ist,  obwohl  er  unter  dem 
M.  flexor  carpi  ulnaris  verborgen  ist,  vermöge  des  verhältnismäßig 
langen  extramuskulären  Verlaufes  der  aus  dem  N.  ulnaris  kommenden 
Nervenzweige  einer  direkten  Reizung  zugängig,  welche  sich  in  einer 
blitzartigen  energischen  Beugung  des  5.  bis  3.  Fingers  äußert. 
Dieser  Nervenpunkt  liegt  ungefähr  an  der  Grenze  des  proxi- 
malen und  zweiten  Viertels  des  Vorderarmes.  In  der  Mitte  des 
Vorderarmes  konnten  wir  die  isolierte  Muskelreizung  der  einzelnen 
Bäuche  auslösen,  wenn  wir,  von  hinten  her  nach  vorn  herumgehend, 
die  Elektrode  aufsetzten.  In  schöner  Reihenfolge  trat  die  isolierte 
Wirkung  auf  den  5.,  4.  und  3.  Finger  ein,  an  letzterem  jedoch 
oft  weniger  stark  bemerkbar.  Eine  Wirkung  auf  den  M.  flexor  pro- 
fundus indicis  auszuüben,  war  uns  bisher  unmöglich.  Es  liegt  das 
an  der  versteckten  Lage  des  Muskels  einerseits  und  dann  auch  an 
der  seines  Nerven,  welcher  ja  aus  dem  N.  medianus  stammt.  Die 
von  uns  beobachteten  oft  zahlreichen  Anastomosen  zwischen  den 
N.  medianus  und  ulnaris  scheinen  also  nicht  auszureichen,  in  nor- 
malen Fällen  eine  sichtbare  Zuckung  am  Zeigefinger  auszulösen,  wenn 
der  N.  ulnaris  gereizt  wird.  Anatomische  Eintrittsstelle  für  den 
N.  ulnaris  ca.  5  cm,  für  den  N.  medianus  ca.  10  cm  distal  vom  Epi- 
condylus mediaiis. 

18—21)  M.  lumbricales  (S.  40  u.  41).  „Sie  werden  gewöhnlich 
mit  den  sehr  wichtigen  M.  interossei  gemeinsam  geprüft.  Siehe  auch 
diese.  Von  der  Vola  aus  sind  einzelne  oft  isoliert  erregbar.  Zwei 
besonders  oft  isolierbare  Punkte  sind  (nach  Frohse  und  Fränkel) 
in   der  Fig.  19  angegeben.    Die  Wirkung  s.   bei  den  M.  interossei." 

Die  beiden  ersten  M.  lumbricales  werden  vom  N.  medianus  aus 
versorgt  durch  verhältnismäßig  lange  Zweige,  welche  bei  ihrer  ober- 
flächlichen Lage  auch  der  Reizung  zugängig  sein  können.  Es  würde 
also  hier  gemeinschaftliche  Nerven-  und  Muskelreizung  in  Frage 
kommen.  Die  viel  kleineren  M.  lumbricales  III  und  IV  sind  mehr 
in  der  Tiefe  verborgen  und  erhalten  außerdem  ihre  vom  N.  ulnaris 
stammenden    Zweige   von   ihrer  Facies  profunda  aus.     Die  Muskeln 

405 


406  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

sind  also,  wenn  überhaupt,  aus  anatomischen  Gründen  einer  isolierten 
Reizung  äußerst  schwer  zugängig. 

22)  M.  flexor  pollicis  longus  (S.  44).  „Im  unteren  Drittel  der 
Beugeseite  des  Vorderarmes  ziemlich  dicht  am  Radialrande.  Macht 
Beugung  der  Endphalanx  des  Daumens." 

Er  ist  wohl  nur  der  Muskelreizung  zugängig.  Für  dieselbe  liegt 
der  Punkt,  oder  besser  eine  längere  oder  kürzere  Linie  an  der  Beuge- 
seite, an  der  Grenze  des  mittleren  und  unteren,  distalen  Drittels. 
Eintrittsstelle  des  Nerven  ca.  10  cm  distal  vom  Epicondylus  medialis. 

23)  M.  Pronator  quadratus  (S.44).  „Man  kann  ihn  an  besonders 
kräftigen  Armen  in  der  Gegend  der  Radialpuls-Palpation  reizen.  Einen 
zweiten  Reizpunkt  für  diesen  Muskel  findet  man  (nach  Frohse  und 
Fränkel),  wenn  man  an  der  Vorderarmstreckseite  ziemlich  dicht  über 
dem  Handgelenk  einen  starken  Elektrodendruck  in  die  Tiefe  ausübt." 

Hierbei  sei  noch  betont,  daß  die  Reizung  des  Muskels,  oder 
besser  seines  Nerven,  nicht  im  Zustande  der  Pronation  ausgeführt 
werden  kann,  wenn  die  Hand  dem  Untersuchenden  bequem  ent- 
gegengehalten wird,  weil  dann  der  Muskel  seine  Wirkung  so  gut  wie 
erschöpft  hat.  Es  muß  vielmehr  die  supinierte  Hand  gegen  den 
Rumpf  gebeugt  werden,  und  dann  braucht  der  Druck  der  Elektrode 
gar  nicht  so  erheblich  zu  sein.  Wir  haben  bereits  beim  M.  sub- 
scapularis  das  Nervenbild  zweimal  dargestellt,  nämlich  bei  abduziertem 
und  senkrecht  herabhängendem  Arme,  um  die  verschiedene  Lage  des 
Muskelnerven  zu  betonen.  Auch  beim  M.  pronator  quadratus  war  je 
eine  Abbildung  von  der  Vorder-  und  Rückseite  geboten,  weil  die  Be- 
funde der  elektrischen  Untersuchung  sonst  schwer  verständlich  sein 
könnten.  Die  Reizung  vom  Dorsum  aus  betrifft  fast  ausschließlich 
den  Nerven,  während  die  Reizung  von  der  Vola  aus,  in  der  Nähe 
derjenigen  Stelle,  wo  seit  undenklichen  Zeiten  der  Puls  gefühlt  wird, 
die  Wirkung  im  wesentlichen  bloß  den  Muskel  betrifft  (s.  S.  149). 

24)  M.  brachio radialis  (S.  41).  „Reizungspunkt  am  radialen 
Uebergange  von  der  Streck-  auf  die  Beugeseite  des  Antibrachiums, 
etwa  auf  der  Höhe  seines  Muskelwulstes.  Diesen  sieht  man  sofort 
scharf  vorspringen,  wenn  man  den  Patienten  auffordert,  den  Ellen- 
bogen in  der  Mitte  zwischen  Pronations-  und  Supinationsstellung  zu 
beugen,  und  dieser  Beugung  Widerstand  leistet.  Die  Wirkung  der 
elektrischen  Reizung  ist  Beugung  im  Ellenbogengelenk  und  eine 
leichte  Pronation  der  Hand  (der  Name  Supinator  longus  ist  falsch). 
Um  die  Pronation  besser  zu  sehen,  gebe  man  der  Hand  des  Patienten 
eine  leicht  supinierte  Stellung.  Auch  unterhalb  der  Ellenbogenbeuge 
an  der  Vorderseite  des  Antibrachiums  findet  sich  ein  sehr  erregbarer 
Punkt  dieses  Muskels." 

Wir  halten  es  auch  bei  diesem  Muskel  nicht  für  angebracht,  von 
einem  Punkte  oder  auch  mehreren  zu  reden.  Es  gilt  hier  das  vom 
M.  biceps  Gesagte,  was  auch  aus  unseren  Abbildungen  mit  Leichtig- 
keit zu  erkennen  ist,  daß  nämlich  der  Muskel  von  zahlreichen  Nerven- 
zweigen oder  selbst  -netzen  durchzogen  wird,  welche  teilweise  die 
Oberfläche  erreichen.  —  Die  pronierende  Wirkung  des  M.  brachio- 
radialis  können  wir  nicht  bestätigen,  welche  Cohn  besonders  hervor- 
heben zu  müssen  glaubt.  Wenigstens  konnten  wir  bei  der  Unter- 
suchung der  Arme  von  Frohse  und  eines  Kontrollpatienten,  außer- 
dem 1908  noch  an  2  anderen  Personen  keine  für  unsere  Augen 
bemerkbare  Pronationswirkung  erkennen.    Die  Supinationsbewegung 

406 


Neurologische  Bemerkungen.  407 

oder  überhaupt  deren  Möglichkeit  stellen  wir  ebenfalls  auf  das  be- 
stimmteste in  Abrede.  Die  Pronation,  welche  von  T.  Cohn  behauptet 
wird,  dürfte  sich  leicht  erklären  lassen.  Weil  sich  der  M.  pronator 
teres  bereits  im  proximalen  Drittel  des  Vorderarmes  noch  mit 
Muskelsubstanz  unter  den  hier  immer  dünner  werdenden  Bauch  des 
M.  brachioradialis  herunterschiebt,  wird  die  elektrische  Reizung  auch 
diesen  Muskel  vielleicht  in  noch  höherem  Maße  erregen. 

25)  M.extensor  carpi  radialis  longus(S.42).  „Reizungsstelle 
zwischen  den  Punkten  für  den  M.  supinator  und  brachioradialis,  jedoch 
näher  dem  erregbarsten  Punkte  des  letzteren,  sehr  weit  proximal  am 
Vorderarm;  er  streckt  das  Handgelenk  und  bewegt  es  gleichzeitig 
radialwärts." 

26)  M.  extensor  carpi  radialis  brevis(S.  42).  „Der  Punkt 
dieses  Muskels,  welcher  das  Handgelenk  ziemlich  gerade  nach  auf- 
wärts streckt,  liegt  nahe  dem  radialen  Rande  des  Vorderarmes  und 
etwa  vier  P'ingerbreiten  distal  von  dem  Punkte  des  langen  Radial- 
streckers. Er  ist  nicht  immer  vom  M.  extensor  digitorum  communis 
getrennt  zu  erregen." 

Wir  möchten  bei  diesem  Muskel  doch  den  prinzipiellen  Unter- 
schied hervorheben,  daß  er  vom  R.  superficialis  des  N.  radialis 
aus  versorgt  wird  (in  den  Lehrbüchern  wird  verschiedentlich  an- 
gegeben aus  dem  R.  profundus,  jedenfalls  aber  vor  dem  Eintritte  des 
letzteren  in  den  M.  supinator),  während  der  M.  extensor  digitorum 
communis  erst  nach  der  Durchbohrung  des  M.  supinator  durch  den 
R.  profundus  n.  radialis  von  letzterem  aus  seine  Nerven  bekommt. 
Bei  diesem  gesonderten  Verlaufe  der  Nerven  muß  auch  eine  isolierte 
Reizung  beider  Muskeln  möglich  sein,  wenn  wir  auch  zugeben,  daß 
die  starke  Aponeurose  zwischen  den  beiden  Muskeln  diese  eng  an- 
einander hält,  die  anatomische  Trennung  eine  gewisse  Uebung  ver- 
langt und  die  elektrische  Untersuchung  erschwert. 

27)  M.  supinator  (S.  41).  „Reizpunkt  an  der  Streckseite  des 
Vorderarmes,  etwas  distal  von  der  Stelle,  wo  der  palpierende  Finger 
bei  Pronations-  und  Supinationsbewegungen  das  sich  hin  und  her 
drehende  Radiusköpfchen  fühlt.  Er  macht  scharfe  Supination.  Es 
ist  bei  diesem  oft  schwer  erregbaren  Muskel,  der  von  anderen  Muskeln 
bedeckt  wird,  ganz  besonders  häufig  zu  beobachten,  daß  er  bei  vielen 
Personen  nur  auf  einen  der  beiden  faradischen  Pole  (bald  die 
Anode,  bald  die  Kathode)  reagiert,  während  man  bei  Anwendung  des 
anderen  Poles  von  derselben  Stelle  aus  einen  anderen  Muskel,  z.  B. 
einen  der  Handgelenkstrecker,  erhält." 

28)  M.  extensor  digitorum  communis  (S.  42) :  „Reizpunkt 
an  der  Vorderarmstreckseite,  etwa  fingerbreit  unter  dem  Punkte  für 
den  M.  supinator,  aber  auch  gewöhnlich  noch  an  einem  zweiten, 
fast  3  Fingerbreiten  distal  davon  gelegenen  Punkte:  streckt  die 
ersten  Phalangen  der  Finger  und  übt  auf  das  Handgelenk  eine  ex- 
tendierende  Wirkung  aus.  —  Seine  zu  den  einzelnen  Fingern  gehen- 
den Teile  können  auch  isoliert  gereizt  werden  (s.  die  Figur);  ziem- 
lich konstant  erregbar  ist  besonders  der  Teil,  der  den  2.  Finger 
streckt  (dicht  proximal  neben  dem  Reizpunkte  des  M.  abductor  pollicis 
longus).  Bei  Entartung  des  Fingerstreckers,  z.  B.  bei  Bleilähmung 
oder  Radialis-Schlaflähmung,  werden  von  seinem  Punkte  gewöhnlich 
durch  Stromschleifen  die  Finger beuger  erregt.  Bei  Bleilähmungen 
u.  dgl.  kommt  es  auch  oft  vor,  daß  nur  einige  Teile  von  ihm  patho- 

407 


408  FROHSE  und  M.   FRÄNKEL, 

logische  Reaktion  zeigen,   bezw.  ganz  unerregbar  werden  (meistens 
die  mittleren),  während  die  übrigen  intakt  bleiben." 

29)  M.  extensor  digiti  V  (S.  42).  „Man  reizt  ihn  nach  oben 
und  etwas  radial  vom  M.  extensor  digitorum  communis:  streckt  den 
kleinen  Finger  und  abduziert  ihn  ein  wenig." 

30)  M.  extensor  carpi  ulnaris  (S.  42).  „Sein  Reizpunkt  liegt 
ziemlich  nahe  dem  Ulna-Rande,  etwa  4  Fingerbreiten  distal  vom 
Olecranon;  er  streckt  das  Handgelenk,  bewegt  es  aber  ulnarwärts. 

31)  M.  abductor  pollicis  longus  (S.  42  u.  43)  ]       „Die 

32)  M.  extensor  pollicis   brevis   (S.  42  u.  43)  >  Daumen- 

33)  M.  extensor  pollicis  longus  (S.  42  u.  43)  J  Strecker 
sind  erregbar  nahe  dem  radialen  Rande  der  Streckseite,  etwa  4  Finger- 
breiten über  dem  (d.  h.  proximal  vom)  Handgelenk  (hier  meistens 
der  Abductor  allein),  sowie  auch  distal  und  ein  wenig  ulnar  von  dem 
genannten  Punkte.  Diese  Muskeln,  von  denen  der  M.  abductor  longus 
und  M.  extensor  brevis  die  sogenannte  „Tabatiere"  rradialwärts,  der 
M.  extensor  longus  ulnarwärts  begrenzen,  bewegen  den  Daumen  in 
folgender  Weise: 

Der  M.  abductor  longus  bewegt  (bei  leicht  gebeugten  Daumen- 
phalangen) den  ersten  Metacarpus  nach  vorn  und  außen. 

Der  M.  extensor  brevis  abduziert  den  ersten  Metacarpus  und  streckt 
die  erste  Daumenphalanx  (bei  gebeugter  zweiter).  Sie  sind  oft 
schwer  zu  isolieren  (Näheres  s.  in  der  Figur). 

Der  M.  extensor  pollicis  longus  extendiert  den  Daumen  und  den 
ersten  Metacarpalknochen  und  führt  ihn  zum  zweiten  hin." 

34)  M.  extensor  indicis  proprius  s.  indicator  (S.  42). 
„Er  ist  meist  sehr  weit  distal  und  ulnar,  etwa  2  Fingerbreiten  oberhalb 
des  Capitulum  ulnae  reizbar  (streckt  den  Zeigefinger  kräftig)." 

Zusammenfassende  Bemerkung  über  die  Strecker  des 
Vorderarmes. 

Für  diese  Muskeln  gilt  das  noch  mehr,  was  wir  über  den  M. 
flexor  digitorum  sublimis  gesagt  haben.  Eine  genaue  Kenntnis  der 
topographischen  Anatomie  ist  durchaus  erforderlich,  um  den.  einzelnen 
Muskel  an  der  richtigen  Stelle  zu  reizen.  Ein  einziger  Nervenstamm, 
der  R.  profundus  n.  radialis,  versorgt  sämtliche  Muskeln  und  liegt, 
wie  der  Name  sagt,  in  der  Tiefe  verborgen  —  zwischen  der  oberfläch- 
lichen und  tiefen  Schicht.  Nichtsdestoweniger  sind  auch  die  tiefen 
Muskeln  sehr  gut  der  elektrischen  Reizung  zugängig ;  teilweise  sogar 
besser,  als  die  oberflächlichen,  welche  auschließlich  von  der  Tiefe  aus 
versorgt  werden,  z.  B.  der  M.  abductor  pollicis  longus,  bei  dem  man 
sogar  von  einem  Nervenpunkte  reden  kann,  s.  S.  185.  Auch  die 
M.  extensor  pollicis  brevis,  longus  und  indicis  proprius  kommen  mit 
ihrem  Muskelbauche  an  einigen,  wenn  auch  kleinen  Stellen  an  die 
Oberfläche  und  können  eventuell  einige  dicht  unter  der  Oberfläche, 
d.  h.  unter  der  Fascie,  gelegene  feine  Nerven  aufweisen.  Von  ein- 
zelnen Nervenpunkten  dürfte  kaum  gesprochen  werden.  Unsere  Ab- 
bildung zeigt  ja,  wie  sämtliche  Muskeln  fast  von  der  Ursprungs-  bis 
zur  Endsehne  hin  von  Nerven  durchzogen  werden,  deren  Reizung  an 
der  Eintrittsstelle  am  ausgiebigsten  ausfällt,  aber  noch  nach  den 
Enden  hin,  je  nach  der  Nervenlänge,  entsprechende  Zuckungen  auslöst. 

408 


Neurologische  Bemerkungen.  409 

Der  Punkt,  wo  der  R.  profundus  n.  radialis  den  M.  supinator 
durchbohrt  hat,  liegt  etwa  8  cm  distal  vom  Epicondylus  lateralis, 
d.  h.  an  der  Grenze  des  proximalen  und  mittleren  Drittels  des  Vorder- 
armes. Die  4  Muskeln  der  tiefen  Schicht  werden  vom  mittleren 
Drittel  des  Vorderarmes  an  versorgt. 

Unsere  eigene  Auffassung  über  die  normale  Wirkung  der 
einzelnen  Muskeln  kann  hier  nicht  noch  einmal  berücksichtigt  werden. 

35)  M.  abductor  pollicis  brevis  (S.  40),  „erregbar  nahe 
dem  radialen  Rande  des  Daumenballens,  proximal,  d.  h.  er  ist  näher 
dem  Handgelenke  als  dem  Metacarpophalangealgelenke  zu  isolieren." 

36)  M.  flexor  pollicis  brevis  (S.  40).  „Seine  äußere  Portion 
[das  Caput  superficiale  der  Anatomen]  ist  auf  dem  Daumenballen  nahe 
der  Handwurzel  bei  schlaffer  Haltung  leicht  zu  erregen." 

37)  M.  0  p  p  0  n  e  n  s  pollicis.  Für  diesen  Muskel  gelten  die  vor- 
hergehenden Bemerkungen. 

38)  M.  adductor  pollicis  (S.  40).  „Er  ist  entweder  mit  dem 
M.  interosseus  [dorsalis]  primus  gemeinsam  erregbar  (s.  unten)  oder 
auch,  aber  nicht  regelmäßig,  in  der  Handfläche,  ulnarwärts  vom  Daumen- 
ballen, etwa  über  der  Mitte  des  Zeigefinger-Metacarpus.  Er  bewirkt, 
gemeinsam  mit  der  inneren  Portion  des  M.  flexor  brevis,  Beugung  der 
1.,   Streckung  der  2.  Daumenphalanx  und  Ab-  resp.  Adduktion." 

Gerade  beim  Daumenballen  kann  der  wichtige  Unterschied  in 
der  Innervation  nicht  genügend  hervorgehoben  werden:  die  Ver- 
sorgung der  oberflächlichen  Schicht  am  distalen  Rande  des  Lig.  carpi 
transversum  durch  einen  dicken  rückläufigen  motorischen  Zweig  des 
N.  medianus,  welcher  die  M.  abductor,  flexor  brevis  (caput  super- 
ficiale) und  opponens  versorgt,  und  den  R.  profundus  n.  ulnaris, 
welcher  den  M.  adductor  und  das  Caput  profundum  des  M.  flexor 
brevis  pollicis  unter  sich  hat.  Der  erwähnte  Zweig  des  N.  medianus 
kann  unter  Umständen  bis  zu  einer  Strecke  von  1  cm  Länge  direkt 
gereizt  werden,  wodurch  natürlich  eine  Zuckung  in  der  gesamten  ver- 
sorgten Muskulatur  ausgelöst  wird.  Die  einzelnen  Muskeln  haben 
keine  besonderen  Punkte,  und  es  muß  die  Elektrode  auf  die  Mus- 
kulatur aufgesetzt  werden.  Dies  macht  nur  bei  dem  M.  opponens 
Schwierigkeiten,  jedoch  ist  es  oft  ziemlich  leicht  möglich,  die  Muskel- 
reizung durchzuführen,  wenn  man  die  Elektrode  in  der  Mitte  des 
Os  metacarpale  I  genau  am  radialen  Rande  der  Hand  einsetzt,  sie 
hart  am  Knochen  entlang  in  die  Vola  hineinpreßt  und  dabei  den 
M.  abductor  brevis  ulnarwärts  zur  Seite  schiebt. 

Der  M.  adductor  pollicis  ist  nur  der  Muskelreizung  zugängig,  es 
sei  denn,  daß  man  von  der  Nervenreizung  absieht,  welche  den  ganzen 
N.  ulnaris  oder  leichter  den  R.  profundus  betrifft.  Wo  sein  Muskel- 
bauch oberflächlich  gelagert  ist,  also  beim  Uebergange  des  Daumens 
in  den  Zeigefinger  bis  zur  queren  Hohlhandfurche,  ist  er  reizbar.  Die 
anatomische  Bedeutung  der  Anastomose  zwischen  den  N.  medianus 
und  ulnaris  ist  von  uns  wohl  ausführlich  genug  beschrieben  worden. 
Bernhardt  ^),  welcher  die  damaligen  Präparate  von  Frohse  in  xlugen- 
schein  genommen  hat,  hat  bereits  1897  auf  die  praktische  Bedeutung 
hingewiesen.    In  normalen  Fällen  wird  die  Wichtigkeit  dieser  Ana- 

1)  M.  Bernhardt,  Beitrage  zur  Pathologie  der  MedianusIähmuDgen.  Neurol. 
Centralbl.,  1897,  No.  14,  S.  626-631. 

409 


410  FROHSE  und  M.   FRXNKEL, 

stomose  wohl  kaum  isoliert  zu  erkennen  sein,  weil  die  Reizung  so- 
wohl des  N.  medianus  als  auch  des  N.  ulnaris  die  Adduktion  des 
Daumens  bewirkt,  welche  beim  N.  medianus  durch  die  gemeinschaft- 
liche Kontraktion  des  M.  opponens  und  Caput  superficiale  des 
M.  flexor  brevis  hervorgerufen  wird.  In  pathologischen  Fällen  dürfte 
jedoch  der  elektrische  Strom  die  regelmäßigen,  mitunter  sogar  drei- 
fach vorhandenen  Verbindungswege  zwischen  den  beiden  Nerven  ohne 
weiteres  ausnützen,  ohne  daß  man  indirekte  Stromschleifen  zur  Er- 
klärung heranzuziehen  braucht. 

39)  M.  palmaris  brevis  ist  nicht  einzeln  aufgeführt;  „wird 
wie  die  Muskeln  des  Kleinfingerballens  an  der  Wurzel  des  Hypothenar 
erregt." 

40 — 42)  Die  M.  abductor,  flexor  brevis  und  opponens 
digiti  quinti  „rufen  die  im  Namen  ausgedrückten  Wirkungen  her- 
vor, sind  aber  gewöhnlich  bis  auf  den  M.  abductor  nicht  isolierbar." 

Da  viele  Menschen  ihren  M.  palmaris  brevis  willkürlich  zusammen- 
ziehen können  und  dabei  die  bekannten  Grübchen  am  ulnaren  Rande 
des  Hypothenar  hervorrufen,  muß  bei  diesen  vor  allen  und  auch  bei 
anderen  Personen  eine  isolierte  Reizung  möglich  sein,  welche  sich 
in  der  Tat  durch  ganz  leichten  Druck  auf  den  Muskel  auslösen  läßt. 
Daß  der  M.  abductor  digiti  V  sich  leicht  isolieren  läßt,  jedoch  nicht 
allein  in  der  Gegend  des  Os  pisiforme,  sondern  auch  in  den  proxi- 
malen zwei  Dritteln  des  Os  metacarpale  V,  ist  leicht  zu  erkennen.  Für 
den  M.  opponens  sei  dasselbe  erwähnt,  wie  es  beim  M.  opponens 
poUicis  beschrieben  ist.  Der  M.  flexor  brevis  digiti  quinti,  ein  un- 
bedeutender, selbst  fehlender  Muskel,  dürfte  kaum  in  klarer  Weise 
isoliert  werden  können.  Bei  sämtlichen  Muskeln  des  Kleinfinger- 
ballens handelt  es  sich  um  direkte  Muskelreizung  oder  um  eine  Rei- 
zung des  gesamten  N.  ulnaris  bezw.  seines  R.  profundus.  Nennens- 
werte extramuskuläre  Zweige  kommen  an  der  Oberfläche  nicht  vor. 

43 — 50)  M.  interossei  (S.  40  u.  41),  „sehr  wichtige  Muskeln, 
welche  gewöhnlich  mit  den  M.  lumbricales  gemeinsam  geprüft  werden. 
Die  erregbarsten  Punkte  liegen  an  der  Dorsalseite  der  Hand,  ziem- 
lich weit  proximal  (schulterwärts)  in  den  Interossealräumen.  Man 
muß  die  Ektrode  mitunter  etwas  aufdrücken,  um  sie  zu  erregen,  und 
muß  darauf  achten,  daß  sie  schlaff  sind.  Die  geprüfte  Hand  hänge 
mit  der  Palma  nach  unten  über  eine  Unterlage,  oder  der  Arzt  stütze 
sie  mit  seiner  eigenen  Hand  leicht  am  Carpus  oder  lasse  sie  mit  der 
Palma  auf  seinen  Fingern  aufruhen,  während  die  Finger  des  Patienten 
lose,  am  besten  leicht  voneinander  getrennt,  herunterhängen.  Rei- 
zung in  jedem  Interossealraum  bewirkt:  1)  Näherung  der  beiden 
Finger,  zwischen  denen  er  liegt;  2)  Beugung  ihrer  ersten  Phalanx 
und  Streckung  ihrer  beiden  letzten  Phalangen  i).  Bei  Anwendung 
starker  Ströme  (die  z.  B.  bei  atrophischen  Zuständen  notwendig  ist, 
um  Erloschensein  der  Erregbarkeit  ausschließen  zu  können)  täuschen 
leicht  Stromschleifen  auf  die  langen  Fingerbeuger  oder  -Strecker  eine 
Interosseuswirkung  vor.  Der  Anfänger  hüte  sich  davor  und  achte 
immer  darauf,   ob  auch  wirklich  die  erste  Phalanx  gebeugt  und  die 


1)  Da  bei  Lähmung  der  Interossei  (ülnarislähmune)  die  Antagonisten  über- 
wiegen, tritt  Ueberstreckung  der  ersten  und  Beugung  der  letzten  Phalangen  (Klauen- 
hand) ein. 

410 


Neurologische  Bemerkungen.  411 

beiden  letzten  gestreckt  werden.    Von  der  Vola  aus  sind  einzelne 
Interossei  volares  und  lumbricales  oft  isoliert  erregbar." 

Bei  den  M.  interossei  muß  ebenfalls  die  Nerven-  und  Muskel- 
reizung unterschieden  werden.  Die  erstere  ist  nur  am  Stamme  oder 
dem  R.  profundus  des  N.  ulnaris  an  der  bekannten  Stelle  möglich. 
Die  Muskelreizung  läßt  sich  bei  sämtlichen  M.  interossei  dorsales 
ausführen,  am  besten  an  der  Basis  eines  Zwischenknochenraumes, 
also  sehr  weit  proximal,  wo  die  Strecksehnen  durch  leichten  Druck 
der  Elektrode  zur  Seite  geschoben  werden  können.  Aber  noch  bis 
in  die  Nähe  der  Capitula  ossium  metacarpalium  ist  eine  Reizung  dieser 
Muskeln  möglich,  wobei  auch  noch  die  M.  interossei  volares  erreicht 
werden  können.  Eine  isolierte  Reizung  eines  M.  interosseus  volar is 
von  der  Vola  her  gelang  uns  nur  beim  M.  interosseus  volaris  IV, 
d.  h.  desjenigen  Muskels,  welcher  den  Kleinfinger  zur  Handachse 
bewegt. 

Nervenreizungs  punkte. 

N.  suprascapularis.  Gerade  der  N.  suprascapularis  hat  von 
allen  Teilen  des  Plexus  brachialis  die  am  meisten  isolierte  Lage  als 
ein  dicker,  zuerst  bei  der  Präparation  von  vorn  her  zu  Tage  tretender 
Stamm.  Seine  isolierte  Reizung  dürfte  viel  öfter  in  Erscheinung  treten, 
als  für  gewöhnlich  angegeben  wird.  Wir  haben  bei  der  physiologischen 
Besprechung  auf  die  Wirkung  der  von  ihm  versorgten  Muskeln  hin- 
gewiesen, daß  er  nämlich  durch  den  M.  supraspinatus  den  Arm  nach 
außen  hebt,  d.  h.  abduziert,  durch  den  M.  infraspinatus  nach  außen 
rotiert.  Da  die  Abduktion  nicht  allein  vom  M.  deltoideus,  sondern 
auch  vom  M.  supraspinatus  ausgeführt  wird,  glauben  wir,  daß  bei  der 
versteckten  Lage  des  Ursprunges  des  N.  axillaris  der  erregijare  Nerven- 
punkt des  M.  deltoideus  viel  häufiger  als  der  des  N.  suprascapularis 
(M.  supraspinatus)  aufzufassen  ist. 

N.  musculocutaneus  (S.  40).  Er  wird  nebenbei  beim  N.  me- 
dianus  erwähnt,  von  dem  hier  gesagt  wird,  daß  er  im  ganzen  Sulcus 
bicipitalis  internus  gereizt  werden  kann,  dort  aber  seine  Wirkung  oft 
unrein  ist,  nämlich  Ulnaris-  und  Musculocutaneus-Wirkungen   dabei. 

Eine  isolierte  Reizung  desselben  dürfte  wohl  möglich  sein,  wenn 
man  die  „Unterminierung"  des  Biceps  mit  der  Elektrode  nicht  von 
der  Innen-,  sondern  von  der  äußeren  lateralen  Seite  aus  vornimmt. 

N.  medianus  (S.  40).  „Man  reizt  ihn  am  häufigsten  1)  in  der 
Mitte  der  Ellenbogenbeuge,  meist  direkt  über  dem  Oberrand  des 
Lacertus  fibrosus.  Auch  im  ganzen  Sulcus  bicipitalis  internus  kann 
man  ihn  reizen,  dort  ist  aber  seine  Wirkung  oft  unrein  (nämlich  Ul- 
naris- und  Musculocutaneus-Wirkungen  dabei).  Der  Reizefi'ekt  besteht 
in  einer  Kontraktion  der  sämtlichen  Hand-  und  Fingerbeuger,  der 
Pronatoren  und  der  Muskeln  des  Daumenballens :  kräftige,  gewöhnlich 
mit  einem  Ruck  eintretende  Hand-  und  Fingerbeugung,  vollkommene 
Pronation  des  Vorderarms  und  Opposition  des  Daumens.  Man  wende 
leichten  Druck  der  Elektrode  an  und  halte  den  Arm  des  Patienten 
im  Ellenbogen  gebeugt,  mit  der  Palma  nach  oben  sehend.  Die  sehr 
starke,  bei  Trefien  des  Nervenpunktes  eintretende  Pronation  läßt  oft 
die  Kontraktion  der  Daumenballenmuskeln  nicht  erkennen ;  man  muß 
dieselbe  aber  dann  sehen,  wenn  man  die  Pronation  durch  Widerstand 
verhindert. 

4" 


412  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

2)  In  seinem  Verlaufe  in  der  Mitte  der  Vorderarmbeugeseite  ist 
der  N.  medianus  mehrfach  zu  erregen;  am  besten  und  gewöhnlich 
ohne  jeden  Druck  direkt  über  der  Mitte  des  Handgelenkes  zwischen 
den  beiden  dort  vorspringenden  Sehnen  des  M.  flexor  carpi  radialis 
und  des  M.  palmaris  longus,  oder  auch  am  ulnaren  Rande  der  Sehne 
des  letzteren.  Wirkung :  Opposition  des  Daumens  (eventueU  Kontrak- 
tion der  Lumbricales)." 

Bei  der  Wichtigkeit  der  Lage  des  N.  medianus  proximal  vom  Hand- 
gelenke haben  wir  zwei  Abbildungen  der  äußeren  Form  dieser  Gegend 
beigegeben  (s.  S.  14).  Diese  stellen  Photographien  von  Gipsabgüssen 
dar,  welche  in  den  entsprechenden  Haltungen  des  linken  Handgelenkes 
von  Frohse  ausgeführt  sind.  Bei  Handgelenks-  und  Fingerbeugung 
springt  nämlich  der  N.  medianus  als  schräger  Wulst  neben  der  Sehne 
des  M.  flexor  carpi  radialis  hervor.  Wenn,  wie  in  diesem  Falle,  der 
M.  palmaris  longus  vollkommen  fehlt,  so  ist  das  Erkennen  des  Nerven 
viel  leichter,  als  wenn  die  Sehne  vorhanden  ist.  Man  kann  sich  aber 
auch  dann  durch  Palpation,  durch  das  Kribbelgefühl  überzeugen,  daß 
der  N.  medianus  bei  Fingerbeugung  eine  oberflächliche  Lagerung  über 
dem  M.  flexor  digitorum  sublimis  (Caput  III)  gewinnt,  während  bei 
Dorsalflexion  der  Hand  und  bei  Fingerstreckung  er  wieder  unter 
diesen  Muskel  herunterrutscht.  Gleichzeitig  ist  bei  dieser  Haltung 
der  N.  ulnaris  viel  bequemer  zu  reizen,  als  in  der  vorher  erwähnten 
Flexionsstellung.  • 

N.  ulnaris  (S.  39  u.  40).  1)  „In  der  Fossa  ulnaris  innen  vom 
Olecranon.  Der  Arm  des  Patienten  stehe  bei  Reizung  dieses  Nerven 
in  der  Schulter  gehoben,  im  Ellbogen  halb  gebeugt,  die  Hand  mit  der 
Palma  schlaft'  nach  unten  hängend.  Wirkung:  Kontraktion  der  M, 
interossei,  des  M.  adductor  poUicis,  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  und 
eines  Teiles  des  tiefen  Fingerbeugers.  Man  sieht  also:  eine  Ulnar- 
wärtsbeugung  des  Handgelenkes,  eine  vollkommene  Beugung  der 
zwei  oder  drei  letzten  Finger  (die  Beugung  der  2.  und  3.  Mittel- 
fingerphalanx ist  meist  nicht  vollständig),  eine  Adduktion  des  Zeige- 
fingers an  den  Mittelfinger  und  des  Daumens  an  den  Zeigefinger; 
dabei  steht  der  Daumen  gestreckt,  ebenso  meist  die  beiden  letzten 
Zeigefingerphalangen.  Die  Stellung  bei  Ulnarisreizung ,  die  meist 
typisch  ist,  ist  namentlich  an  der  Haltung  des  Daumens  und  Zeige- 
fingers zu  erkennen  und  von  anderen  ReizelFekten  zu  unterscheiden. 
Auch  am  Oberarme,  im  oberen  Teile  im  Sulcus  bicipitalis  internus, 
im  unteren  Teile  mehr  medial  davon,  ist  der  Nerv  gut  und  leicht 
erregbar. 

2)  Der  untere  Teil  des  Nerven  ist  dicht  über  dem  Handgelenk 
an  dessen  ulnarer  Seite  zu  erregen,  wenn  man  die  Elektrode  oberhalb 
des  Erbsenbeines  eindrückt.  Man  erhält  von  dort  nur  die  Adductor- 
poUicis-  und  die  Interosseus- Wirkung :  Adduktion  aller  Finger  an- 
einander, Beugung  ihrer  ersten,  Streckung  ihrer  letzten  Phalangen." 

Beim  N.  ulnaris  sei  für  die  Streckseite  des  Ellenbogengelenkes 
noch  einmal  darauf  hingewiesen,  daß  er  sich  mit  zunehmender  Beugung 
des  Vorderarmes  immer  mehr  gegen  den  Epicondylus  medialis  wendet, 
also  oberflächlicher  und  damit  der  elektrischen  Reizung  leichter  zu- 
gängig wird.  Die  vorkommende  „Luxation"  um  den  Epicondylus 
herum  auf  die  Beugeseite  hin  sei  hiermit  nochmals  erwähnt. 

N.  r  a  d  i  a  1  i  s  (S.  38  u.  39).  „An  seiner  Umschlagsstelle  an  der  Außen- 
seite des  Oberarmes,  in  der  Mitte  zwischen  Ansatzpunkt  des  M.  deltoideus 

412 


Neurologische  Bemerkungen.  413 

und  Epicondylus  lateralis  humeri.  An  dieser  Stelle  oder  auch  etwas  nach 
vorn  davon  setze  man,  indem  man  mit  einer  Hand  den  Arm  gehoben 
und  im  Ellbogen  leicht  gebeugt  unterstützt,  mit  der  anderen  die  Reiz- 
elektrode mit  festem  Drucke  am  vorderen  (lateralen)  Tricepsrande  in 
die  Tiefe. 

Gewöhnlich  muß  man  dabei  den  Druck  der  Elektrode  etwas  mehr 
nach  vorn,  seltener  etwas  mehr  nach  hinten  richten;  am  besten  tut  man, 
wenn  man  sie  direkt  über  die  Stelle  setzt,  an  welcher  man  durch  vor- 
hergehendes ,  vorsichtiges  Palpieren  den  obersten  Punkt  des  Brachio- 
radialis-ürsprunges  am  Humerus  gefühlt  hat.  —  Bei  stärkeren  Strömen 
oder  Verschiebungen  der  Elektrode  nach  vorn  oder  hinten  treten  leicht 
Kontraktionen  des  sehr  erregbaren  Biceps  oder  des  Triceps  ein,  die  alle 
übrigen   Wirkungen  verdecken. 

Wirkung:  Kontraktion  der  Streckmuskeln  der  Hand  und  der 
Finger  (des  M.  supinator  brevis  und  des  M.  brachioradialis  nicht  ganz 
regelmäßig) ;  also  Streckung  der  Hand  und  der  Finger,  eventuell  auch 
Ellenbogenbeugung.  Zu  beachten  ist:  1)  daß  der  N.  radialis  für  die 
Kathode  des  galvanischen  Stromes  sowie  auch  für  die  Kathode  des 
faradischen (Oeffnungs-)Stromes gewöhnlich  viel  leichter  erregbar 
ist,  als  für  die  Anode,  und  für  den  faradischen  Strom  überhaupt  schwerer 
als  für  den  galvanischen.  2)  Beim  faradischen  Strom,  besonders  bei 
einigermaßen  starken  Strömen,  hält  die  Zuckung  im  Radialisgebiet 
nicht  während  der  ganzen  Dauer  des  Stromschlusses  an,  sondern  ist 
meistens  nur  vorübergehend  sichtbar.  Das  kommt  daher,  daß  der  er- 
regbarste Punkt  des  Nerven  einem  motorischen  Tricepspunkte  be- 
nachbart ist,  und  daß  durch  den  sich  kontrahierenden  Triceps  die 
Elektrode  aus  der  Tiefe  herausgeschleudert  und  dadurch  vom  Nerven 
entfernt  wird.  —  Besonders  bei  Reizung  dieses  praktisch  wichtigen 
Nervenpunktes  sehe  man  sich  vor,  sich  nicht  mit  der  eigenen  Hand 
die  Wirkung  der  elektrischen  Reizung  zu  verdecken,  ein  Fehler,  in 
den  Anfänger  sehr  häufig  verfallen  i)." 

Der  günstigste  Reizungspunkt,  welcher  auch  für  die  chirurgische 
Aufsuchung  des  N.  radialis  von  Wichtigkeit  ist,  liegt  nach  Frohse 
nicht  in  der  Mitte  zwischen  dem  Ansätze  des  M.  deltoideus  an  der 
Tuberositas  deltoidea  und  dem  Epicondylus  lateralis,  sondern  an  der 
Grenze  des  oberen  und  des  mittleren  Drittels  der  angegebenen  Ver- 
bindungslinie. Ein  Palpieren  des  oberen  Randes  des  M.  brachio- 
radialis halten  wir  bei  dessen  keilartiger  Beschalfenheit  und  auch  wegen 
der  Varietäten  für  sehr  schwer  und  nicht  empfehlenswert.  Was  nun 
die  Wirkung  anbelangt,  so  muß  eine  Reizung  an  dem  von  Frohse 
empfohlenen  Punkte  eine  Beugung  im  Ellenbogengelenke  auslösen, 
da  der  nur  vom  N.  radialis  versorgte  M.  brachioradialis  nach  unserer 
Auffassung  ausschließlich  ein  Beuger,  und  zwar  ein  sehr  kräftiger, 
zwischen  Vorderarm  und  Oberarm  ist.  Außerdem  wird  ja  nach  den 
Untersuchungen  von  anderen  und  uns  der  M.  brachialis  in  seinem 
lateralen  TeUe  oft  in  sehr  beträchtlicher  Weise  vom  N.  radialis  ver- 
sorgt. Eine  Wirkung  auf  den  M.  biceps  nach  vom  oder  auf  den  M. 
triceps  nach  hinten  halten  wir  nur  für  möglich:  entweder  bei  nicht 
richtigem  Aufsetzen  der  Elektrode  zu  weit  nach  vorn  oder  hinten, 


1)  Der  Radialis  ist  auch  ganz  oben  im  hintersten  Teile  der  Achselhöhle  zu 
reizen,  aber  gewöhnUch  nicht  gut  vom  Axillaris  zu  trennen. 

4J3 


414  FROHSE  und  M.  FRÄNKEL,  Neurologische  Bemerkungen. 

oder  durch  rückläufig-e  Stromschleifen  in  der  Bahn  der  Anastomose, 
welche  wir  zwischen  den  N.  radialis  und  musculocutaneus  beschrieben 
haben.  Eine  Beugewirkung-  an  der  Umschlagsstelle  des  N. 
radialis  hat  anatomisch  nichts  Auifälliges.  Will  man  diese  jedoch 
ausschalten  oder  herabsetzen,  dann  empfiehlt  sich  der  von  T.  Cohn 
empfohlene  Punkt  in  der  Mitte  zwischen  Tuberositas  deltoidea  und 
Epicondylus  lateralis  oder  sogar  noch  weiter  distal  gegen  das  Ellen- 
bogengelenk hin,  weil  der  distale  Nervenreiz  dann  erst  mit  dem  M. 
extensor  carpi  radialis  longus  einsetzt  und  weiterhin  die  gesamte 
Streckmuskulatur  des  Vorderarmes  zur  Zuckung  bringt,  und  so  die 
eventuell  noch  durch  den  unteren  Abschnitt  des  M.  brachioradialis  er- 
zeugte Beugewirkung  kompensiert  wird. 


Auf  Wunsch  des  Herausgebers  soll  das  alphabetische  Sach-  und 
Namenregister  nur  einmal,  nämlich  erst  am  Schlüsse  des  auch  von 
uns  zu  liefernden  Abschnittes  über  die  Muskeln  des  menschlichen 
Beines  stehen.  Als  Ersatz  haben  wir  bei  den  Armmuskeln  ein  aus- 
führliches tabellarisches  Inhalts-  und  Figurenverzeichnis  gegeben. 


Frommannsche  Buchdruckerei  (Hermann  Pohle)  in  Jena.  —  3342- 


{- 


Handbuch 
der  Anatomie  des  Mensehen 

in  acht  Bänden. 

In  Verbindung  mit 
Privatdozent  Dr.  Paul  Bartels  in  Königsberg,  Prof.  Dr.  Ivar  Broman  in  Lund, 
weiland  Prof.  Dr.  A.  von  Brunn  in  Rostock,  weiland  Prof.  Dr.  J.  Dissb  in 
Marburg,  Prof.  Dr.  Ebeeth  in  Halle,  Prof.  Dr.  Eislbr  in  Halle,  Prof. 
Dr.  Pick  in  Innsbruck,  Dr.  M.  Fränkel  in  Berlin,  Dr.  Fritz  Fbohse  in 
Berlin,  Prof.  Dr.  M.  Heidenhain  in  Tübingen,  Prof.  Dr.  M.  Holl  in  Graz, 
Prof.  Dr.  Kallius  in  Greifswald,  weiland  Prof.  Dr.  W.  Krause  in  Berlin, 
Prof.  Dr.  F.  Merkel  in  Göttingen,  Prof.  Dr.  W.  Nagel  in  Berlin,  Prof. 
Dr.  G.  Schwalbe  in  Straßburg,  Prof.  Dr.  Siebenmann  in  Basel,  Prof. 
Dr.  J.  Sobotta  in  Würzburg,  Prof.  Dr.  F.  Graf  Spbb  in  Kiel,  Prof. 
Dr.  Tandler  in  Wien,  Prof.  Dr.  Zander  in  Königsberg,  Prof.  Dr. 
Ziehen  in  Wiesbaden 
herausgegeben  von 

Prof.  Dr.  Karl  von  Bardeleben 

in  Jena 
Zweiter  Band.    Zweite  Abteilung.    Zweiter  Teil.    B. 

Bänder,  Gelenke  und  Muskeln 

Bearbeitet  von 
Prof.  Dr.  R.  Fick  Prof.  Dr.  Bisler 

in  Innsbruck  in  Halle 

Dr.  Fritz  Frohse  Dr.  Max  Fränkel 

in  Berlin  in  Berlin 


Zweite  Abteilung.     Zweiter  Teil: 

B:  Die  Muskeln  des  menschlichen  Beines 

Von 

Dr.  Fritz  Frohse      und      Dr.  Max  Fränkei 

in  Berlin  in  Berlin 

Mit  56  meist  farbigen  Abbildungen  im  Text 


Jena 

Verlag  von  Gustav  Fischer 
1913 


(((- 


DIE  MUSKELN 

DES 

MENSCHLICHEN  BEINES 


VON 


Dr.  FRITZ  FROHSE  und  Dr.  MAX  FRÄNKEL 


MIT  56  MEIST  FARBIGEN  ABBILDUNGEN  IM  TEXT 


JENA 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER 

1913 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Herrn  Professor  Dr.  W.  Waldeyer 

in  Dankbarkeit  und  Verehrung 
gewidmet. 


^    VII    - 


Vorwort  und  Einleitung. 


Der  1908  erschienenen  Abteilung  „Die  Muskeln  des  menschlichen 
Armes"  folgt  jetzt  unsere  Darstellung  über  die  Muskeln  des  mensch- 
lichen Beines.  Die  Gesichtspunkte,  welche  uns  bei  dem  Arme  geleitet 
haben,  sind  auch  im  großen  und  ganzen  für  das  Bein  maßgebend 
gewesen.  Jedoch  haben  wir  allen  Referaten  Rechnung  getragen  und 
besonders  denjenigen,  welche  Verkürzung  oder  Erweiterung  dieses  oder 
jenes  Abschnittes  wünschten:  die  von  uns  in  11  Punkten  gegebene  Er- 
klärung hat  bei  1)  deskriptiver  Anatomie,  2)  eine  allgemeine  Darstellung 
für  den  Anfänger,  5)  plastische  Anatomie,  Anatomie  am  Lebenden  für 
Mediziner  und  Künstler,  7)  vergleichende  Anatomie  keinerlei  Verände- 
rungen gefunden;  eine  Einschränkung  haben  erfahren  3)  Beziehungen 
der  Beinmuskeln  zum  Skelete,  indem  wir  auf  eine  bildliche  Wiedergabe 
der  Knochen  verzichtet  haben,  an  denen  systematisch  der  meist  lineare 
sehnige  Ursprung  blau,  der  meist  flächenartig  muskulöse  rot  anzu- 
geben wäre ;  4)  die  Sehnenscheiden  des  Fußes  sind  nach  allgemeinen 
Gesichtspunkten  zusammengestellt,  ohne  tabellarische  Angabe  der 
einzelneu  Befunde.  8)  Bei  den  physiologischen  Betrachtungen  ist  das 
Mittelgewicht  zwischen  zwei  muskelstarken  Männer-  und  zwei  muskel- 
schwachen Frauenbeinen  beider  Individuen  nicht  herausgerechnet 
worden,  dagegen  das  Ueberwiegen  und  die  vollkommene  Gleich- 
wertigkeit der  sonst  schwächer  entwickelten  weiblichen  Beine  an 
bestimmten  Muskelgruppen  nachgewiesen  worden,  welche  für  die 
Aufrichtung  des  Körpers  in  Frage  kommen  (M.  glutaeus  maximus, 
biceps  femoris,  gastrocnemius).  9)  Die  neurologischen  und  elektro- 
physiologischen  Betrachtungen  haben  wir  nach  unseren  Präparaten 
bildlich  dargestellt,  die  klinische  Verwertbarkeit  zusammen  mit 
T.  CoHN  am  Lebenden  am  Abschlüsse  der  Arbeit  im  Juni  1912 
nochmals  als  praktisch  verwendbar  befunden  und  konnten,  weil  Cohn 
in  seiner  dritten  Auflage  unseren  gemeinschaftlichen  Untersuchungen 
durchweg  gefolgt  ist,  auch  keinen  erheblichen  Widerspruch  erheben. 
Ebenso  haben  wir  nach  der  Uebereinstimmung  unserer  anatomischen 
Ergebnisse  mit  der  Erfahrung  eines  modernen  Praktikers  darauf 
Verzicht  leisten  können,  die  klinischen  Studien  des  Werkes  von 
Duchenne,    welches   vor   etwa  einem  halben  Jahrhundert  in  Paris 


VIII  —       FROHSE  und  M.  FRÄNKEL,  Vorwort  und  Einleitung. 

1866  zum  Abschlüsse  gelangt  ist,  kritisch  zu  beleuchten.  Jedoch  sei 
auf  unsere  neuen,  den  Kollegen  T.  Cohn  überraschenden,  aber  äußerst 
willkommenen  elektrischen  Befunde,  welche  die  M.  extensores  hallucis 
et  digitorum  brevis  betreffen,  bereits  in  der  Einleitung  hingewiesen. 
10)  und  11)  Die  orthopädischen  und  chirurgischen  Betrachtungen  sind 
nur  im  „allgemeinen  Teile"  berücksichtigt.  In  besonderer  Weise  haben 
wir  die  Varietäten  dargestellt,  nicht  in  der  systematischen  Weise  an 
der  Endbeschreibung  jedes  einzelnen  Muskels,  sondern  zusammen- 
fassend in  einem  besonderen  Abschnitte,  und  hierbei  die  in  Rauber- 
KopscH  angegebenen  Varietäten  in  erster  Linie  berücksichtigt,  außer- 
dem aber  die  beiden  Varietätenbücher  der  Berliner  Anatomie  (Varie- 
tates  berolinenses  =  V.  B.)  durchgesehen,  wofür  wir  dem  Direktor 
des  Institutes,  Herrn  Waldeyer,  danken.  Als  Neuerungen  sind  zu 
erwähnen  12)  unsere  Mitteilung  über  den  Tractus  iliotibialis,  welche 
als  Festgabe  zum  50-jährigen  Doktorjubiläum  des  Geheimrates  Prof. 
W.  Waldeyer  im  Archive  für  Anatomie  und  Physiologie  (Anat.  Abt., 
1910)  erschienen  ist.  13)  Im  gleichen  Jahre  ist  dort  auch  unsere  Mit- 
teilung über  die  Finger  und  Zehen  bei  Neugeborenen  und  Erwachsenen 
veröffentlicht,  eine  zweite  Monographie,  welche  wir  hier  nicht  wieder- 
geben konnten,  weil  hierbei  auch  die  oberen  Extremitäten  in  Frage 
kommen.  14)  Vollkommen  neu  ist  der  (für  beide  Extremitäten  an- 
gegebene) Index  mit  A.  für  den  Arm,  mit  B.  für  das  Bein,  ver- 
schiedentlich kommt  auch  im  Armteile  der  Buchstabe  B.  vor  und  auch 
umgekehrt,  sowie  das  vorgestellte  Register  der  von  uns  bei  Arm  und 
Bein  gebrauchten  neuen  Namen. 

Die  Abbildungen  sind  Originalzeichnungen  des  einen  Autors  und 
deshalb  mit  Dr.  Frohse  signiert,  um  ihn  von  seinem  Bruder,  dem 
Kunstmaler  Franz  Frohse,  zu  unterscheiden,  oder  mit  Gebr.  Frohse, 
wenn  die  betreffende  Abbildung  in  gemeinschaftlicher  Arbeit  ent- 
standen war. 

Die  mustergültigen  Abbildungen  des  FAuschen  Atlas  haben  als 
Grundlage  für  die  äußere  Form  und  das  Oberflächen bild  der  Musku- 
latur gedient,  welch  letzteres  für  die  neurologische  Betrachtung  von 
Wichtigkeit  ist. 

Wir  danken  Herrn  WALDEYER-Berlin  für  die  Ueberlassung  des 
reichlichen  Materiales.  Ebenso  hat  sich  der  Verlag  G.  Fischer  in 
Jena  um  die  Ausstattung  des  Buches  sehr  verdient  gemacht;  des- 
gleichen die  mit  den  Reproduktionen  der  Originale  beauftragte  Kunst- 
anstalt von  E.  Schreiber  in  Stuttgart  und  die  Druckerei  von  H.  Pohle 
in  Jena. 

Berlin,  im  März  1913. 

Die  Verfasser. 


-  ly 


Inhalt. 


Seite 

Widmung V 

Vorwort  und  Einleitung VII — VIII 

Figurenverzeichnis XI — XII 

Neue  Bezeichnungen XIII 

Abkürzungen XIV 

A.  Allgemeiner  Teil 415—442       (1) 

I.  Aeußere  Form 415—439       (1) 

II.  Einteilung  der  Beinmuskeln 439—442     (25) 

B.  Spezieller  Teil 443—619     (29) 

I.  Hüftmuskeln 443—502     (29 

Allgemeines 443  (29' 

M.  quadratus  lumborum 443 — 445     (29 

M.  iliopsoas 445_447      (31 

M.  psoas  minor 453 — 454     (39' 

M.  glutaeus  maximus 454 — 465     (40' 

M.  glutaeus  medius 465—471      (51 

M.  glutaeus  minimus 471 — 474     (57 

M.  tensor  fasciae  latae  (M.  glutaeus  anterior  nobisj  .  474 — 475     (60 

Tractus  Uiotibialis 476—485     (62' 

M.  piriformis 485—488     (71 

M.  obturator  internus 488 — 493     (74 

M.  gemelli 494—495     (80 

M.  quadratus  femoris 495 — 497      (81 

M.  obturator  externus 497—502     (83' 

II.  Oberschenkelmuskeln 502 — 543 

Allgemeines 502—503 

M.  sartorius 503—507 

M.  triceps  femoris  (nobis) 507—508     (93' 

Adductorengruppe 520 — 522    (106' 

M.  pectineus 522—524   (108* 

M.  adductor  longus 524—525    (110* 

M.  gracilis 525—526    (lll' 

M.  adductor  magnus 526—528   (112) 

M.  adductor  brevis 528—529   (114) 

M.  adductor  minimus 529—533   (115) 

M.  semitendinosus 533 — 534   (119) 

M.  biceps  femoris 534—536    (120) 

M.  semimembranosus 536—542   (122) 

Pes  anserinus 542—543    (128) 

III.  Unterschenkelmuskeln 543—579    (129 

Allgemeines 543—544   (129* 

M.  tibialis  anterior 544—548    (130; 

M.  extensor  digitorum  longus 548—551    (134 

M.  extensor  hallucis  longus 551—552    (137 

M.  peronaeus  longus 553—555    (139 

M.  peronaeus  brevis 555—556    (141 

M.  gastrocneraius 557—561    (143' 

M.  plantaris 561—564   (147 


y—  X  — ■  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL,   Inhalt. 

Seite 

M.  soleus 564—569  (150) 

M.  popliteus 569—573  (155) 

M.  ilexor  digitorum  longus 573 — 574  (159) 

M.  tibialis  posterior 575 — 576  (161) 

M.  flexor  hallucis  longus 576—579  (162) 

IV.  Fußmuskeln 579—619  (165) 

Allgemeines 579  (165) 

Aponeurosis  plantaris 579—581  (165) 

Muskelgruppen  der  Palma  und  Planta 581—583  (167) 

M.  flexor  digitorum  brevis 584—585  (170) 

M.  quadratus  plantae 585—586  (171) 

M.  lumbricales 586—587  (172) 

M.  abductor  hallucis 587—589  (173) 

M.  flexor  hallucis  brevis 589—591  (175) 

M.  adductor  hallucis 591—599  (177) 

M.  abductor  digiti  quinti 601—606  (187) 

M.  flexor  digiti  quinti  brevis 606  (192) 

M.  opponens  digiti  quinti 606—607  (192) 

M.  interossei  pedis 607—609  (193) 

M.  interossei  dorsales 609—612  (195) 

M.  interossei  plantares 612—613  (198) 

Unsere  Präparationsmethode 614—615  (200) 

M.  extensor  brevis  digitorum  et  hallucis       ...  615 — 617  (201) 

Aponeurosis  dorsalis  digitorum  pedis       .     .           .     .  617 — 619  (203) 

C.  Anhang 619—682  (205) 

I.  Fascien 619—633  (205) 

Allgemeines 619  (205) 

Fasciae  coxae 619—622  (205) 

Fascia  femoris  s.  lata 623  (209) 

Fascia  cruris 624—628  (210) 

Fasciae  pedis 628  (214J 

Logen  am  Oberschenkel  (Angiotopie  und  Neurotopie)  .  628 — 633  (214) 

II.  Sehnenscheiden  und  Schleimbeutel  des  Fußes    ....  633—637  (219) 

A.  Länge  und  Lage  der  Sehnenscheiden 633 — 635  (219) 

B.  Inhalt  der  Sehnenscheiden 635—637  (221) 

a.  Vincula  tendinum 635—636  221) 

b.  Mesotendinea 636—637  222) 

ni.  Muskelbündellänge  (mit  Tabellen) 637—641  223) 

IV.  Muskelgewichte  (mit  Tabellen) 642—644  228) 

V.  Varietäten 644—654  (230) 

VI.  Neurologische  Bemerkungen 652—674  (238) 

A.  Segmentbezüge 652—656  (238) 

B.  Durchbohrung  der  Beinmuskeln  durch  die  Nerven  656 — 657  (242) 

C.  Die  doppelt  innervierten  Beinmuskeln       ....  657 — 658  (243) 

D.  Elektrotherapeutische  Bemerkungen 658 — 674  (244) 

VII.  Physiologische  Bemerkungen 674—682  260) 

A.  Lendenwirbelsäulen-  und  Beckenbewegungen      .     .  674 — 675  (260) 

B.  Hüftbewegungen 675  (261) 

C.  Kniebewegungen 675—676  261) 

D.  Fußbewegungen 676—679  (262) 

E.  Zehenbewegungen 679—682  (265) 


-    )(^ 


Figurenverzeichnis. 

Die  Abbildungen,  hinter  deren  fortlaufender  Nummer  keine  kleine  Zahl  steht,  sind 
von  dem  einen  Autor  Dr.  Fritz  Fkohse  allein  angefertigt ;  die  mit  kleinen  Ziffern 
besonders  bezeichneten  gemeinschaftlich  mit  seinem  Bruder,  dem  Kunstmaler  Franz 
Frohse,  und  mit  der  Signatur:  Gebr.(üder)  Frohse  versehen;  wenn  letzterer  die 
Zeichnung  allein  angefertigt  hat,  mit  Franz  Frohse. 


No. 

Bezeichnung 

Größe 

Seitenzahl 

1 

Bein  von  vorn,  Hautbild. 

Vs 

418 

(4) 

2 

Bein  von  vorn,  Muskelbild. 

V 

418 

4; 

3 

Bein  von  hinten,  Hautbild. 

V 

419 

4 

Bein  von  hinten,  Muskelbild. 

'll 

419 

(5 

5 

Bein  von  innen  bei  Streckstellung,  Hautbild. 

V 

422 

(81 

6 

Bein  von  innen  bei  Streckstellung,  Muskelbild. 

'Is 

423 

(9 

7 

Bein  von  außen,  Hautbild. 

Vs 

424 

(10 

8 

Bein  von  außen,  MuskelbUd. 

Vb 

425 

11 

9 

Bein  von  innen  bei  Beugestellung,  Hautbild. 

V 

428 

14 

10 

Bein  von  innen  bei  Beugestellung,  Muskelbild. 

'U 

429 

15) 

11 

Planta  pedis  bei  Zehenbeugung. 

V4 

433 

19 

12 

Planta  pedis  bei  Zehenstreckung. 

V4 

433 

19 

13 

Tiefe    Bauchmuskeln,     topographisch,    Muskel-    und 
Nervenbild. 

\'. 

448 

(34) 

14 

M.  glutaeus  maximus,   topographisch,  mit  projiziertem 
Nervenbilde. 

'U 

462 

(48) 

15 

Mittlere  Schicht  der  Gesäßgegend,  Muskel-  und  Nerven- 
bild, topographisch. 
Tiefe  Schicht  der  Gesäßgegend,  Muskel-  und  Nerven- 

'U 

469 

(55) 

16 

V2 

473 

(59) 

bild,  topographisch. 

17 

M.    obturator     internus,     Nervenbüd,     topographisch 
(Medianschnitt  eines   männlichen   Beckens  mit  Ge- 
fäßen und  Nerven). 

V. 

490 

(76) 

18 

Medianschnitt  eines  männlichen  Beckens  bei  normaler 
Haltung. 

*u 

493 

(79) 

19 

M.    obturator    externus    mit    Umgebung,    Nervenbild, 
topographisch. 

Vs 

500 

(86) 

20 

M.  sartorius,  Nervenbild,  systematisch. 

V3 

507 

^) 

21 

M.  rectus  femoris,  Nervenbild,  systematisch. 
Vorderseite  des  Oberschenkels,  M.  vasti,  adductor  brevis 

vi 

511 

22 

Va 

518 

(iW) 

und  gracilis,  Nervenbild,  systematisch. 

23 

M.  adductor  longus,  Nervenbild,  systematisch. 

Vs 

525 

[na! 

•24 

M.   adductor    magnus    und    minimus,    Muskel-    und 

'U 

530 

Nervenbild,  topographisch. 

25 

Flexorengruppe  am   Oberschenkel,   Nervenbild,    syste- 
matisch. 

Extensorengruppe  und  M.  peronaeus  brevis  am  Unter- 
schenkel, Muskel-  und  Nervenbild. 

V2 

540 

(126) 

26 

V2 

546 

(132) 

27 

M.  peronaeus  longus   und  extensor  digitorum  longus 
peronaeus  tertius,  Muskel-  und  Nervenbild. 

V, 

550 

(136) 

28^) 

M.  gastrocnemius  dexter,   Nervenbild  der  Facies  pro- 
funda. 

V» 

560 

(146) 

^    XII- 


FROHSE  und  M.  FRÄNKEL,  Figuienverzeichnis. 


29 
30 
31 

32 
33 
34 
35 
36 
37 
38 

39 
40 
41 

42 

43 


56 


M.  soleus  sinister,  Nervenbild  der  Facies  profunda. 

M.  popliteus,  Nervenbild  und  Umgebung. 

Kückseite  des  Unterschenkels,  tiefe  Schicht;  Nerven- 
bild, systematisch. 

Aponeurosis  plantaris,  topographisch. 

Fußsohle,  n.  Schicht. 

Fußsohle,  III.  Schicht. 

Fußsohle,  IV.  Schicht. 

Fußsohle,  V.  Schicht. 

Mediale  Seite  des  Fußes,  topographisch. 

Dorsum  pedis,  tiefe  Schicht;  Muskeln,  Nerven  und 
Schleimbeutel. 

Lig.  cruciatum,  OberflächenbUd. 

Lig.  cruciatum,  tiefes  Bild. 

Querschnitt  des  rechten  Unterschenkels,  Grenze  des 
oberen  Drittels. 

Querschnitt  des  rechten  Unterschenkels,  nahe  dem  Fuß- 
gelenke. 

Innervierung  der  Haut  und  der  Muskeln  der  unteren 
Extremität  nach  den  Eückenmarksegmenten.  Vorder- 
seite. 

Innervierung  der  Haut  und  der  Muskeln  der  unteren 
Extremität  nach  den  Eückenmarksegmenten.  Rück- 
seite. 

Eeizungspunkte  der  Beinmuskeln  und  -nerven,  Vorder- 
seite, nach  ToBY  Cohn. 

Eeizungspunkte  der  Beinmuskeln  und  -nerven,  Eück- 
seite,  nach  Toby  Cohn. 

Eeizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach 
eigenen  Untersuchungen,  auf  die  Haut  projiziert,  j 
Vorderseite. 

Bein  von  vorn,  Muskelbild. 

Eeizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach 
eigenen  Untersuchungen,  auf  die  Haut  projiziert, 
Eückseite. 

Bein  von  hinten,  Muskelbüd. 

Eeizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach 
eigenen  Untersuchungen,  auf  die  Haut  projiziert, 
Innenseite  bei  Streckung. 

Bein  von  innen  bei  Streckstellung,  Muskelbüd. 

Eeizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach 
eigenen  Untersuchungen,  auf  die  Haut  projiziert, 
Außenseite. 

Bein  von  außen,  Muskelbild. 

Eeizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach 
eigenen  Untersuchungen,  auf  die  Haut  projiziert, 
Innenseite  bei  Beugung. 

Bein  von  innen  bei  Beugestellung,  Muskelbüd. 


v» 

Vi 

Vs 

/lO 

v: 

Vi 

Vs 

V5 

Vi 
Vi 
Vi 


568 
571 
578 

582 
592 
594 
596 
597 
604 


(168) 

178 
180 
182) 
183) 
190) 
194 


611  (197) 

611  197) 

626  (212) 

626  (212) 

654  (240) 

655  (241) 


Va 

660  (246) 

V5 

661  (247) 

V5 

662  (248) 

\ 

663  (249) 

664  (250) 

\ 

665  (251) 

666  (252) 

V5 
V5 

667  (253) 

668  (254) 

\ 

669  (255) 

670  (256) 

671  (257) 


^   Xin 


Von  uns  vorgeschlagene  neue  Namen 

(im  Register  mit  angeführt). 


Achselrinne. 

Achselspalt. 

Achsel  willst. 

Angiotopie. 

Aponeuroses    intermuscu- 

lares. 
Arcus  fibrosus  pollicis  et 

indicis. 
Bursa  subabduetoria  car- 

palis. 

digiti  quinti. 

hfOlucis. 

profunda. 

—  —  radialis. 

—  subcoraeoidea. 

—  subcuboidea  lateralis. 

—  subcutanea  abductoria. 

capituli  ulnae. 

supracalcanea. 

ulnaris  dorsalis. 

—  subfascialis  capituli 
ulnae. 

—  subligamentosam.semi- 
membranosi. 

Canalis  cubitalis  n.  ulnaris. 

—  supinatorius. 

—  ulnaris. 
Confluens  venarum. 
Corpus  (ora)  adiposum 

coxae. 

hypothenaris  pro- 

fundum. 


Corpus    adiposum     inter- 

digitalia. 

plantae. 

subscapulare. 

suprascapulare. 

Fasciculus  longitudinalis 

radialis. 
Flexor-Supinator  (Biceps). 
Foramen  intrapiriforme. 
Lacertus  fibrosus   m.  tri- 

cipitis. 
Ligamentum  calcaneo- 

metataxsale  (laterale). 

—  intersesamoideum. 

—  palmae  transversum 
superficiale. 

—  tripartitum  pedis. 
Linea  axialis  manus. 
Musculus  abductor  carpi. 

coxae  tibialiss.longus. 

trochantericus  s. 

brevis. 
propriusintermedius. 

—  extensor  intermedius 
pollicis  et  indicis. 

—  iliacus  externus. 

—  triceps  femoris. 

—  ypsiloformis. 
Neurotopie. 

Pars  profunda  des  M.  ad- 
ductor  pollicis  und 
hallucis. 


Pes  anserinus  profundus. 

Pseudoganglion     des    N. 
peronaeus  profundus. 

Ramus  anastomoticus  n. 
ischiadici  c.  n.  obtura- 
torio. 

profundus  n.  ulna- 
ris c.  n.  mediano. 

Recessus  intertendinosus. 

—  praetendinosus. 

—  retrotendinosus. 
Retinaculum  digiti  quinti 

proprium. 
Rollhügel. 

Saccus  dorsalis  pedis. 
Schulterkamm. 
Sulcus  biconvexus. 

—  cutaneus   intercarpalis. 

radiocarpalis. 

transversus. 

—  spiraUs  femoris. 
Tabatifere  du  pied. 
Tendo  bifurcatus. 
Tractus  praetrochanteri- 

cus. 

—  supratrochantericus. 
Trigonum  basale  scapulae. 

—  patellae  superius. 
Tuber  glutaeum  medium. 
Vagina  crurotarsalis. 

—  plantaris. 

Vertex  retin aculi  interossei. 


Abkürzungen. 


Die  verschiedenen  Genera  und  Casus  sind  nicht  berücksichtigt.  Die  meisten 
Abkürzungen  sind  ohne  weiteres  verständlich,  oder  ergeben  sich  aus  dem  Zu- 
sammenhange; zu  Schwierigkeiten  könnten  nur  folgende  führen: 

V.  B,  =  Varietates  Berolinenses,  d.  h.  die  in  der  Berliner  Anatomie  ver- 
zeichneten Varietäten. 

medialis. 
N.  =  Nerv — us,  i. 
=  posterior. 
=  Processus. 
^  profundus. 
=  Eam — US,  i. 
=  superior. 
=  Tuberositas,    Tuber    oder 

Tuberculum. 
=  Ven — a,  ae. 
=  Varietates  Berolinenses. 
=  vaginalis. 
=  Vinculum. 


A.  =  Arteri — a,  ae. 

med. 

ant.  =  anteri— or,  us,  etc. 

N. 

Artic.  =  Articulatio. 

post. 
Proc. 

B.  =  Bursa. 

B.  N.  A.  =  Nomina  anatomica  (Basel). 

prof. 

cut.  =  cutaneus. 

E. 

dig.  =  digitus. 

sup. 

ext.  =  extensor  oder  externus. 

Tub. 

fl.(ex)  =  flexor. 
mf.  =  inferior. 

V. 

int.  =  internus. 

V.B. 

lat.  =  lateralis. 

vag. 

M.  =  Muscul — US,  i. 

Vinc. 

^^' 


A.  Allgemeiner  Teil. 
I.  Aeußere  Form. 

Hüfte.  Während  der  Arm  in  keiner  Weise  vom  Rumpfe  abgesetzt 
ist,  gilt  das  Gegenteil  vom  Beine.  Vorn,  lateral,  hinten  und  selbst 
medial  gegen  den  Damm  lassen  sich  mit  Leichtigkeit  die  Grenzlinien 
ziehen.  Auch  die  Muskeln  halten  sich  an  diese  Grenzen  mit  Aus- 
nahme eines  einzigen,  nämlich  des  M.  iliopsoas.  Als  knöcherne  Grenze 
kommt  in  erster  Linie  der  Darmbeinkamm,  die  Crista  iliaca,  in  Frage, 
dessen  vorderer  und  hinterer  verdickter  Endpunkt  als  Darmbeinstachel, 
Spina  iliaca  anterior  und  posterior-superior,  bei  mageren  Personen 
als  Vorsprung,  bei  fetten  als  Grübchen  erscheint,  besonders  die 
Spinae  iliacae  posteriores  superiores,  welche  die  Breite  der  Lendenraute 
(Michaelis)  bedingen.  Wenn  eine  solche  vorhanden  ist,  liegt  der 
obere  Punkt  am  3.  oder  4.  Lendenwirbel ;  rückt  er  bis  zum  5.  Lenden- 
wirbel herunter,  so  kommt  es  zur  Bildung  der  Kreuzraute  (Stratz) 
oder  sogar  eines  Sacraldreieckes  (Brücke). 

Das  Kreuzbein  liegt  im  proximalen  Teile  unter  den  M.  sacro- 
spinales  und  glutaei  maximi  verborgen  und  erscheint  nur  in  der 
Mittellinie  mit  den  Dornfortsätzen  in  der  sogenannten  Gesäßkerbe. 
Diese  läßt  sich  im  unteren  Teile  bei  fetten  Personen  auseinander- 
drängen und  die  knöcherne  Begrenzung  des  individuell  so  verschieden 
gestalteten  Hiatus  sacralis  durchtasten.  Bei  mageren  Personen  ist 
sie  ohne  weiteres  zu  sehen,  und  so  besteht  die  Gefahr  des  Durch- 
liegens  bei  ihnen  viel  mehr.  Das  Steißbein  läßt  sich  durch  das  Gefühl 
unschwer  in  seinem  Endabschnitte  erkennen,  welcher  zwar  aus  3  bis  4 
rudimentären  Wirbelkörpern  besteht,  die  aber  zu  einem  einheitlichen 
schmalen,  kurzen  Knochen  verwachsen  sind;  besonders  wenn  man 
den  Lebenden  auffordert,  kräftig  zu  husten,  oder  die  Bauchpresse 
überhaupt  anzuwenden,  wie  es  sonst  beim  Stuhlgange  oder  besonders 
beim  Gebärakte  ausgiebig  der  Fall  ist.  Das  Tuberculum  pubicum  ist 
beim  Manne  durch  den  Funiculus  spermaticus  verdeckt,  beim  Weibe 
tritt  es  bei  abgemagerten  Personen,  besonders  im  Liegen  in  unschöner 
Schärfe  hervor;  bei  fetten  weiblichen  Individuen  ist  es  nur  zu  fühlen. 
Die  Grenze  gegen  den  Unterleib  ist  ligamentös,  oder  besser  gesagt 
aponeurotisch  und  wird  Lig.  inguinale  (Pouparti)  genannt.  Der  Scham- 
bzw, der  Venusberg  überlagert  aber  das  mediale  Drittel  des  Bandes. 

Lateral  und  hinten  findet  sich  bei  fetten  Personen,  auch  bei 
Männern,  ein  besonderer  Fettkörper,  der  Flanken-  oder  Weichen- 
fettkörper  ( Walde yer),  welcher  sowohl  auf  die  Weichen  oder  Flanken, 
d.  h.  die  seitlichen  Teile  des  Bauches,  wie  auch  auf  die  Hüfte  über- 

Haadbuch  der  Anatomie.     II,  il,  3.  27 


416  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

greift  und  an  dem  Punkte,  wo  die  M.  latissimus  dorsi,  obliquus  ex- 
ternus  abdominis  und  glutaeus  medius  zusammenstoßen,  also  am 
lateralen  Rande  des  M,  sacrospinalis  eine  Dicke  von  7  cm  erreichen 
kann.  Diese  Stelle  ist  auch  ungefähr  identisch  mit  dem  Trigonum 
lumbale  (inferius)  [Petiti].  Er  gleicht  hier  die  Niveaudiäerenzen 
des  Muskelbildes  aus.  Das  proximale  Ende  läuft  allmählich  gegen 
die  12.  Rippe  aus,  das  distale  reicht  bis  zum  oberen  Rande  des^ 
Trochanter  major.  Dieser  Knochenpunkt  erscheint  bei  mageren  Per- 
sonen als  Erhöhung,  bei  fetten,  besonders  Frauen,  ist  er  überhaupt 
nicht  zu  sehen  und  auch  nicht  deutlich  abzutasten.  Das  vordere  Ende 
klingt  gewöhnlich  am  lateralen  Beckenrande  aus,  das  hintere  kann 
in  der  Kreuzdarmbeingrube  die  Mittellinie  überschreiten,  d.  h.  sich 
in  den  anderseitigen  fortsetzen. 

Frohse  hat  Grelegenheit  gehabt,  einen  ganz  besonderen  Fall  klinisch 
zu  beobachten,  bei  dem  es  sich  um  eine  etwa  20-jährige  Dame  handelte, 
welche  zum  erstenmal  eine  Reise  nach  Tirol  machte  und  das  ungewohnte 
Bergsteigen  mit  einem  Bruche  des  vorderen  Endes  dieses  Fettkörpers 
beantwortete,  welcher  durch  den  Druck  des  Korsettes  als  kleinapfelgroße 
Geschwulst  bis  zur  Spina  iliaca  anterior  superior  herausgepreßt  wurde 
und  schmerzhaft  war;  in  die  gewöhnlichen  Lebensbedingungen,  d.  h.  ohne 
besondere  körperliche  Anstrengung  zurückgebracht,  konnte  die  Patientin 
nach  wenigen  Wochen  nichts  mehr  von  den  Verschiebungen  des  Weichen- 
fettkörpers  wahrnehmen. 

Die  eigentliche  Gesäßgegend  wird  beherrscht  durch  den  M.  glutaeus 
maximus,  dessen  Muskelbild  sich  durchaus  nicht  mit  dem  Hautbilde 
deckt.  Das  Präparat  zeigt  deutliche  Rautenform,  das  Hautbild  beim 
Standbeine  Fünfeckform,  beim  Spielbeine  nähert  es  sich  dem  Muskel- 
bilde, weil  dann  eine  quere  Furche,  der  Sulcus  glutaeus  transversus^ 
verschwindet.  Diese  Furche  stellt  das  proximale  Ende  der  Fascia 
lata  dar  und  läßt  sich  in  den  hinteren  Faszikel  des  Tractus  iliotibialis 
verfolgen,  welchen  wir  als  Tractus  supratrochautericus  bezeichnet 
haben  (Arch.  f.  Anat.  u.  PhysioL,  1910,  S.  366). 

Die  Hüftgegend  zerfällt  nach  den  B.N.A.  in  die  Regio  glutaea 
über  dem  M.  glutaeus  maximus,  die  Regio  coxae  über  dem  freien 
Teile  des  M.  glutaeus  medius  und  dem  proximalen  Drittel  des  M.  tensor 
fasciae  latae  und  die  Regio  trochanterica,  welche  außer  diesem 
Knochenteile  das  mittlere  und  distale  Drittel  des  M.  tensor  fasciae 
latae  umfaßt. 

T.  CoHN  ^)  verlängert  (s.  S.  220)  die  quere  Gesäßfurche  zirkulär 
um  den  ganzen  Oberschenkel  herum  und  bezeichnet  den  so  gewonnenen 
Abschnitt  des  Beines  als  Hüfte  (Coxa)  und  zerlegt  sie  in  eine  hintere 
Gegend,  welche  bis  zum  vorderen  Rande  des  M.  tensor  fasciae  latae 
reicht,  ohne  Rücksicht  auf  die  Unterabteilungen  der  B.N.A.  Diese 
Abgrenzung  hatten  auch  wir  bereits  für  uns  angenommen;  jedoch 
können  wir  uns  nicht  mit  der  vorderen  einheitlichen  Gegend,  welche 
er  als  Regio  subinguinalis,  Leistengegend,  bezeichnet,  einverstanden 
erklären,  weil  sie  auch  noch  das  proximale  Drittel  der  Extensoren; 
mitumfassen  würde  und  medialwärts  nicht  über  das  Tuberculum 
pubicum  hinaus  nach  hinten  gerechnet  werden  kann. 


1)  Methodische  Palpation,  2.  Teil,  untere  Extremität.     Berlin,  S.  Karger,  1908. 

2 


Aeußere  Form.  417 

Unsere  Einteilung  bezeichnet  als  Regio  coxae  die  hintere  und 
laterale  Beckenpartie  bis  zur  Höhe  der  queren  Gesäßfurche  distal- 
wärts  und  nach  vorne  hin  bis  zum  vorderen  Rande  des  M.  tensor 
fasciae  latae  und  zerfällt  in  vier  Unterabschnitte: 

1)  Regio  glutaea  posterior  über  dem  M.  glutaeus  maximus; 

2)  Regio  glutaea  lateralis  über  dem  sichtbaren  Teile  des  M.  glutaeus 
medius ; 

3)  Regio  glutaea  anterior  über  dem  M.  tensor  fasciae  latae  und 

4)  Regio  trochanterica. 

Die  Begründung  für  diese  Einteilung  kann  erst  bei  der  Mus- 
kulatur erfolgen. 

Wir  haben  in  der  Sammlung  der  Kgl.  Anatomie  zu  Berlin  eine 
Reihe  von  Präparaten  meistens  an  Frontal  schnitten,  welche  den  Unter- 
schied zwischen  Tela  subcutanea  und  Corpus  adiposum  coxae  in  der 
schönsten  Weise  zeigen.  Der  Panniculus  adiposus  cutis  zeichnet  sich 
durch  die  träubchenartige  Anordnung  der  einzelnen  Abschnitte  des 
Fettgebildes  aus ;  aber  eine  scharfe  Fascie  grenzt  diesen  Teil  ab  gegen 
das  Corpus  adiposum,  welches  sich,  wie  z.  B.  auch  der  Wangen- 
fettkörper,  das  Corpus  adiposum  buccae,  aus  außerordentlich  großen 
Fettlappen  zusammensetzt,  die  ihrerseits  nur  durch  ganz  dünne  Binde- 
gewebssepta  getrennt  oder  richtiger  zusammengehalten  werden.  Die 
Mächtigkeit  dieses  Corpus  adiposum  coxae  beträgt  beispielsweise  an 
der  dicksten  Stelle  4  cm,  während  der  Panniculus  adiposus  nur  2  cm 
stark  ist.  Ueber  die  Höhe  des  Trochanter  major  pflegt  dieser  Fett- 
körper nicht  distalwärts  herabzureichen.  Unterhalb  desselben  findet 
sich  jedoch  bei  gesunden  Individuen  an  der  medialen  Seite  nochmals 
eine  unglaubliche  Anschwellung  des  Fettgewebes,  welches  die  Fossa 
ischiorectalis  ausfüllt.  An  dieser  Stelle  fehlt  aber  die  trennende  Binde- 
gewebsschicht  zwischen  Panniculus  und  Corpus  adiposum,  ob- 
wohl die  äußeren  Schichten  durchaus  den  träubchenartigen,  die  inneren 
den  groblappigen  Charakter  besitzen. 

Die  obere  Grenze  ist  also  durch  den  Weich enfettkörper  gewöhn- 
lich, d.  h.  unter  normalen  Ernährungsbedingungen  der  Besichtigung 
entrückt,  der  Betastung  aber  zugängig.  Die  untere  Grenze  muß  vom 
Standbeine  aus  gewählt  werden,  und  zwar  nach  der  Hauptfurche, 
welche  quer  von  medial  nach  lateral  verläuft,  am  Damme  beginnt 
und  bereits  am  hinteren  Rande  des  Trochanter  major  ihr  Ende  findet. 
Theoretisch  wäre  diese  Linie  von  hinten  nach  lateral  und  von  vorn 
medial  ebenfalls  nach  lateral  in  horizontaler  Linie  zu  verlängern,  bis 
sich  beide  Linien  treffen.  Vom  praktischen  Standpunkte  kann  aber 
nur  die  hintere  und  laterale  Partie  als  eigentliche  Hüftgelenksgegend 
beschrieben  werden,  weil  in  ihnen  die  Hüftmuskeln  überwiegen; 
die  vordere  Partie  enthält  zum  größeren  Teile  Oberschenkelmuskulatur, 
die  mediale  fast  nur  Oberschenkelmuskeln.  Die  hintere  Hüftgegend 
enthält  sämtliche  Gesäßmuskeln,  sowohl  die  eigentlichen  M.  glutaei, 
wie  die  M.  piriformis,  obturator  internus  cum  gemellis  usw.;  die 
laterale  das  Mittelstück  der  M.  glutaei  medius  und  minimus,  außer- 
dem aber  den  Ursprung  des  M.  vastus  lateralis;  die  vordere  Hüft- 
gegend von  Hüftmuskeln  nur  den  Ansatz  des  M.  iliopsoas,  die  mediale 
im  wesentlichen  Oberschenkelmuskeln,  von  Hüftmuskeln  nur  den 
unteren,  medialen  Abschnitt  des  M.  glutaeus  maximus. 

Der  Trochanter  major  oder,  wie  wir  ihn  nennen,  der  Rollhügel, 
Trochanter  proprius,  springt  bei  schwacher  Muskulatur  und  Haut  als 


M.  tensor  fasciae 
latae 


M .  rectus  f emoris 


Fig.  1.     Bein  von  vorn,  Hautbild. 


Lig.  transversum 


M.  psoas  minor, 


M.  psoas  major 


^- 

pectineus 

-        M 

adductor 
longus 

-^-     M. 

adductor 
magnus 

-—  M. 

gracilis 

M.  vastus 
mediaiis 


Retinaculum 
patellae 
mediale 


....     Pes  anserinus 

(Patte  d'oie) 

\ 

^^                 M.  gastro- 
wt"                 cnemius,  caput 
H|                    mediale 

1        ^ 

tibialjs 
anterior 

1 

soleus 

\                   ^ 

M 

flexor  digi- 
torum  longus 

M. 

extensor  hal- 

lucis  longus 

M.  abductor 
hallucis 


Fig.  2.    Bein  von  vorn,  MuskelbUd. 


Fig.  3.    Bein  von  hinten,  Hautbild. 


420  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Erhöhung  an  der  Oberfläche  hervor;  bei  muskelstarken  oder  fett- 
reichen Individuen  liegt  er  wie  in  einem  Tale,  dessen  umgrenzende 
Höhen  durch  die  Weichteile  gebildet  werden.  Die  medialen  Skelet- 
teile werden  vorn  durch  die  Symphyse,  hinten  durch  das  Steißbein 
gegeben.  Diese  Beschreibung  trifft  nur  für  das  Standbein  zu.  Wenn 
ein  Bein  frei  bewegt  wird,  verschwindet  die  quere  Gesäßfurche,  der 
Sulcus  glutaeus  transversus,  und  läßt  die  präparatorische  Grenze 
zwischen  dem  unteren  Rande  des  M.  glutaeas  maximus  und  dem 
Oberschenkel  klar  in  Erscheinung  treten,  d.  h,  die  scheinbare  quere 
Abschnürung  des  M.  glutaeus  maximus  als  Grenze  der  Hüfte  gegen 
den  Oberschenkel  erfährt  nun  eine  keilartige  Verlängerung  gegen 
letzteren  hin  bis  zum  Beginne  des   mittleren  Drittels  des  Schaftes. 

Oberschenkel.  Diesen  dürfen  wir  nicht  mit  den  B.N.A.  durch 
willkürliche  Linien  in  bestimmte  Gegenden  zerlegen,  sondern  nach 
natürlichen  Grenzen  angeben.  Obwohl  er  bis  zur  Kniegelenkspalte 
reicht,  empfiehlt  es  sich,  die  Kniescheibengegeud  oder  besser  die 
Kniegelenksgegend,  weil  sie  nämlich  auch  die  Rückseite  umfaßt,  be- 
sonders zu  beschreiben,  und  sogar  noch  vielleicht  zwei  Querfinger 
breit  vom  Oberschenkel  und  drei  vom  Unterschenkel,  d.  h.  bis  zur 
Tuberositas  tibiae,  mit  zu  dieser  Gegend  zu  rechnen. 

Die  Einteilung  ergibt  sich  vorn  durch  den  M.  sartorius,  lateral 
und  etwas  nach  hinten  durch  die  Grenze  zwischen  den  M.  vastus  late- 
ralis und  biceps  femoris.  Da  der  M.  sartorius  keine  einfache  Linie 
oder  Furche  darstellt,  wie  es  bei  der  zweiten  Grenzmarke  der  Fall 
ist,  sondern  eine  erhebliche  Breite,  bis  zu  8  cm  erreichen  kann,  em- 
pfiehlt es  sich  wohl,  eine  besondere  Regio  sartoria  zu  unterscheiden. 
Wenn  man  das  Bein  im  Hüftgelenke  beugt  und  adduziert,  springt 
der  M.  sartorius  als  ein  geradliniger  langer,  schmälerer  oder  breiterer 
Wulst  unter  der  Haut  hervor  und  läßt  so  die  am  Präparate  bei  der 
Betrachtung  genau  von  vorn  so  deutlichen  beiden  vorderen  Ober- 
schenkeldreiecke erkennen,  das  mediale  oder  Adduktorendreieck,  mit 
der  Basis  proximal  am  Leistenbande  und  der  Spitze  an  der  medialen 
Seite  ungefähr  in  der  Mitte  des  Oberschenkels,  dort,  wo  sich  der 
Schneidermuskel  mit  dem  medialen  Hautrande  (anatomisch  dem  M. 
gracilis)  schneidet,  und  das  laterale,  das  Extensorendreieck,  welches 
seine  Spitze  am  vorderen  oberen  Darmbeinstachel,  der  Spina  iliaca 
anterior  superior,  seine  Basis  in  der  Höhe  des  Kniegelenkspaltes  hat. 
Die  Seitenränder  werden  gebildet  medial  durch  den  lateralen  Rand 
des  M.  sartorius,  lateral  durch  den  vorderen  des  M.  tensor  fasciae 
latae.  Der  mediale  Rand  ist  auch  am  Lebenden  bei  der  eben  er- 
wähnten Haltung  scharf  ausgeprägt,  dagegen  reicht  der  laterale  nur 
bis  zum  Ende  des  Muskelbauches,  bis  zur  unteren  Trochanterhöhe. 
Diese  Tatsache  gibt  zu  denken.  Bei  der  Muskelbeschreibung,  speziell 
beim  Tractus  iliotibialis,  haben  wir  den  M.  glutaeus  maximus  als 
posterior,  den  M.  tensor  fasciae  latae  als  M.  glutaeus  anterior  be- 
zeichnet und  beide  als  oberflächliche  Schicht  zusammengefaßt  und  sie 
der  tiefen  Schicht  gegenübergestellt,  welche  gleichzeitig  durch  die 
M.  glutaei  medius  und  minimus  gebildet  wird.  Die  Betrachtung  am 
Lebenden  bestätigt  die  Einteilung.  Muskelkräftige  Personen  können 
den  M.  tensor  fasciae  latae  als  besonderen  Wulst  hervortreten  lassen ; 
bei  weniger  kräftigen  läßt  sich  diese  Erscheinung  sehr  gut  durch  den 
elektrischen  Strom  hervorrufen.  Der  M.  glutaeus  maximus  läßt  sich 
sehr  oft  mit  aller  Schärfe  durch  die  Haut  hindurch  erkennen  und  ist 


Aeußere  Form.  421 

der  elektrischen  Reizung  gut  zugängig;  dagegen  löst  dieselbe  bei  dem 
M.  glutaeus  medius  nur  schwache  Zuckungen  aus,  ein  Beweis,  daß 
letzterer  als  tiefer  Muskel  aufzufassen  ist,  die  beiden  ersteren  als 
oberflächliche.  In  dieser  Weise  findet  das  Extensorendreieck  am 
Lebenden  lateral  keine  scharfe  Grenze,  geht  vielmehr  sogar  noch 
etwas  auf  die  Rückseite  über  bis  zu  einer  Längsfurche,  welche  ihn 
von  dem  M.  biceps  femoris  trennt.  Ebenso  ist  es  auf  der  medialen 
Seite.  Die  anatomische  Grenze  ist  durch  den  vorderen  Rand  des 
M.  gracilis  gegeben.  Am  Lebenden  ist  sie  nur  in  Ausnahmefällen 
bei  gewaltsamer  aktiver  Adduktion  vorhanden  oder  muß  erst  durch 
den  elektrischen  Strom  nachgewiesen  werden.  Sie  geht  deshalb  ohne 
Unterbrechung  nach  hinten  weiter  und  läßt  nicht  einmal  gegen  die 
Beuger  eine  Grenzfurche  erkennen.  Am  Lebenden  zerfällt  also  der 
Oberschenkel  nur  in  drei  Gegenden:  1)  Die  Schneidermuskelgegend, 
als  schräges  Band,  welches  von  oben  lateral  nach  unten  medial  ver- 
läuft; bei  stehendem  Beine  spiralig,  bei  gebeugtem  und  adduziertem 
Beine  geradlinig.  2)  Das  Extensorendreieck,  welches  ebenfalls  an 
der  Spina  iliaca  anterior  superior  beginnt,  medial  dem  M.  sartorius 
entspricht  und  lateral  dem  vorderen  Ende  des  M.  tensor  fasciae  latae, 
aber  nur  bis  zum  Ende  des  Muskelfleisches.  Dann  biegt  es  ungefähr 
horizontal  nach  hinten  um.  Ueber  dem  Tractus  iliotibialis  ist  weder 
Furche  noch  Wulst  zu  erkennen,  und  so  kommt  es,  daß  eine  Unter- 
brechung besteht  zwischen  dem  Tensorwulst  und  dem  lateralen  Ende 
des  Sulcus  glutaeus  transversus.    3)  Das  Adductorendreieck. 

An  Einzelheiten  ist  zu  merken:  im  Extensorendreiecke  das  Ober- 
schenkelgrübchen, „fossette  femorale",  welches  durch  das  Auseinander- 
weichen der  M.  sartorius  und  tensor  fasciae  latae  entsteht,  also  dicht 
unter  der  Spina  iliaca  anterior  superior  gelegen  ist  und  besonders 
deutlich  bei  erhobenem  Beine  und  gestrecktem  Unterschenkel  hervor- 
tritt; in  seiner  Tiefe  liegt  der  M.  rectus  femoris.  Im  Adduktoren- 
dreiecke  kann  man  durch  Abduktion  des  Oberschenkels  besonders  bei 
hochgelagertem  Becken  den  M.  adductor  longus  passiv  dehnen  und 
so  die  rundliche  Ursprungssehne  scharf  durch  die  Haut  hervortreten 
lassen.  Verlängert  man  diesen  Strang  bis  zum  M.  sartorius,  so  haben 
wir  die  wichtige  Regio  iliopectinea  der  Anatomen  und  das  Trigonum 
Scarpae  der  Praktiker  vor  uns. 

Kniegegend.  Die  äußere  Form  des  Kniegelenkes  gibt  eine  Fülle 
von  anatomischen  Tatsachen  kund,  die  erst  später  systematisch  be- 
schrieben werden,  aber  bereits  durch  die  Haut  hindurch  erkannt 
werden  können,  schon  an  der  Leiche,  ungleich  besser  aber  am  Lebenden, 
besonders  bei  fettarmen  Individuen.  An  keiner  anderen  Stelle  des 
Körpers  ist  der  Unterschied  bei  Bewegungen  so  leicht  ins  Auge 
fallend,  wie  gerade  am  Kniegelenke.  Man  könnte  etwa  ein  Dutzend 
Phasen  unterscheiden,  tut  aber  gut,  nur  vier  Hauptphasen  anzunehmen, 
welche  die  charakteristischen  Veränderungen  am  besten  zeigen.  Diese 
geben  einen  Begriff  von  den  Veränderungen  bei  Streckung  und  Beugung; 
im  letzteren  Zustand  ist  jedoch  eine  Rotation  des  Unterschenkels  mit 
Leichtigkeit  ausführbar,  welche  in  einem  sehr  wichtigen  Anhange  be- 
sonders beschrieben  ist. 

Die  lateinische  Bezeichnung  des  Kniegelenkes  als  Trochoginglymus 
ist  nur  aus  sprachlichen  Rücksichten  entstanden.  Genau  wie  beim 
Ellenbogengelenke  ist  der  Ginglymus,  d.  h.  die  Charnierbewegung, 
die  Hauptsache,  die  Drehbewegung,  d.  h.  das  Trocho,  kommt  erst  an 


422 

zweiter  Stelle.  —  Beu- 
gung- und  Streckung 
erzeugen  folgende  Er- 
scheinungen : 

1)  Beim  Standbeine, 
welches  in  keiner  Weise 
angespannt  ist,  wie  es 
bei  ruhigem  Stehen  auf 
einem  oder  beiden 
Beinen  der  Fall  ist, 
tritt  eine  Erschlaffung 
der  Muskulatur  des  M. 
triceps  femoris  ein ;  das 
in  die  Endsehne  ein- 
geschaltete Sesambein, 
die  Patella,  sinkt  in- 
folgedessen gegen  den 
Unterschenkelherunter, 
ebenso  wie  die  mit 
ihr  verbundene  Gelenk- 
kapsel, welche  sich  sack- 
artig gegen  den  Unter- 
schenkel vorbuchtet.  Es 
ist  ein  großer  Fehler, 
wenn  dieses  Herab- 
sinken nach  unten  am 
Skelete  in  der  Weise 
dargestellt  wird,  daß 
die  Kniescheibe  über 
dem  Gelenkspalte  steht, 
oder  sogar  der  Haupt- 
sache nach  über  der 
Tibia  selbst  gelagert 
wird.  Unter  keinen 
Umständen  geht  die 
Patella  über  den  Ge- 
lenkspalt distalwärts. 
Man  kann  sich  hiervon 
mit  Leichtigkeit  über- 
zeugen, wenn  man  auf 
einer  Unterlage  kniet; 
dann  ruht  das  Knie 
weder  mit  dem  Ge- 
lenke, noch  mit  der 
Kniescheibe,  sondern 
ausschließlich  mit  der 
Tuberositas  tibiae,  also 
mit  dem  Unterschenkel, 
dem  Boden  auf.  —  In 
dieser  schlaffen  Stel- 
lung soll  die  Unter- 
suchung am  Lebenden 
geschehen.     Dann  läßt 


Fig.  5.    Bein  von  innen  bei  Streckstellung,  Hautbil 


M.  obtixrator  .. 
internus 


M.  rectus  femoris 


423 


M.  extensor  hallu 


M.  psoas  major 


M.  piriformis 


Lig.  sacrotuberosum 


M.  glutaeus  maximus 


M.  adductor  magnus 


yi.  semitendinosus 


M.  gracilis 


M.  semimembranosus 


M.  semitendinosus 


M.  gastrocnemius 


M.  flexor  digitoruni  longus 


Lig.  cruciatum  pedis 


•1/ M.  abductor  hallucis 

Fig.  6.    Bein  von  innen  bei  Streckstellung,  Muskelbild. 


424 

sich  nämlich  die  Patella  von 
rechts  nach  links  über  den 
beiden  Condylen  des  Femur 
verschieben,  und  auch  von 
vorn  nach  hinten  liegen  die 
überknorpelten  Gelenkflächen 
nicht  fest  gegeneinander.  Erst 
der  Fingerdruck  bringt  sie 
miteinander  in  Berührung. 
Dies  ist  praktisch  außerordent- 
lich wichtig,  weil  bei  Ausdeh- 
nung der  Gelenkhöhle  durch 
serösen,  blutigen  oder  eitrigen 
Erguß  die  Kniescheibe  über 
der  Fovea  oder  Facies  patel- 
laris  tanzt.  Der  zu  beiden 
Seiten  des  Lig.  patellae  ge- 
legene Fettkörper  ist  weich. 
An  der  Außenseite  tritt  der 
Tractus  iliotibialis  nicht  scharf 
hervor,  und  auch  an  der 
Rückseite  ist  nur  eine  gleich- 
mäßige Rundung  vorhanden, 
welche  keine  Einzelheiten  er- 
kennen läßt. 

2)  Ganz  anders  wird  das 
Bild  der  Streckstellung,  wenn 
z.  B.  das  Kommando  „still  ge- 
standen" ertönt  oder,  wenn 
das  Standbein  durch  die  An- 
spannung des  M.  triceps  und 
des  Tractus  iliotibialis  zu 
einer  unnachgiebigen  Säule 
verwandelt  wird,  oder  wenn 
schließlich  das  extrem  ge- 
streckte Bein  abduziert  wird. 
In  allen  drei  Fällen  rückt  die 
Patella  um  etwa  1  cm  proxi- 
malwärts, preßt  sich  scharf 
gegen  die  Facies  patellaris 
femoris  und  drängt  dadurch 
aktiv  den  Fettkörper  gegen 
die  Retinacula  patellae.  Die 
beiden  Wülste  des  Fettkörpers 
treten  dann  über  das  Niveau 
des  Lig.  patellae  heraus  und 
fühlen  sich  unter  Umständen 
steinhart  an.  Diese  Härte  ist 
jedoch  nicht  durch  das  Fett  als 
solches  bedingt,  sondern  durch 
den  Widerstand,  welchen  die 
äußeren  fibrösen  Elemente  er- 
fahren. Es  ist  darum  verkehrt, 


Fig.  7. 


Bein  von  außen,  Hautbild. 


M.  Utissimus    dorsi  . 


Tractus  supta-    — 
trochantericus 


M.  glutaeus    maximus 


M.*gastrocnemius,   caput 
laterale 


M.  soleus,  portio  fibularis 


M.  obliquus  extemus 
abdominis 


M.  tensor  fasciae  latae 


M.  rectus  femoris 


M.  vastus   lateralis 


Retinaculum  patellae  laterale 


M.  peronaeus  longiis 


M.  tibialis  anterior 


M.  extensor  digitorum  longjus 

Lig.  transversum  cruris 

Lig.  cruciatum  pedis 

M.  extensor  digitorum  brevis 


M.  abduclor  digiti  quinti 


7ranz//'oif9ir.. 

Fig.  8.     Bein  von  außen,  Muskelbild. 


426  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

aus  der  Härte  des  Fettkörpers  eine  pathologische  Veränderung  desselben 
anzunehmen  und  deshalb  sogar  zu  einer  Operation  zu  schreiten,  wie 
es  HoFFA  verschiedentlich  ausgeführt  und  empfohlen  hat.  An  der 
Außenseite  tritt,  besonders  bei  der  Abduktion,  der  Tractus  iliotibialis 
als  scharfer  Sehneustrang  hervor,  dessen  voidere  Begrenzung  sich 
außerordentlich  klar  kundgibt,  dessen  hintere  aber  allmählicli  in  das 
Septum  intermusculare  laterale  übergeht.  Durch  die  Anspannung  der 
Fascia  lata  wird  ferner  auf  der  Rückseite  der  Hauptinhalt  des  Cavum 
popliteum  herausgepreßt.  Eine  Querlinie  in  Höhe  der  Oberschenkel- 
knorren zeigt  die  untere  Grenze  an.  Die  proximale  Spitze  nimmt 
den  Raum  zwischen  den  Beugern  am  Oberschenkel  ein  und  erscheint 
bald  als  Querwulst,  bald  in  Dreiecksform,  bald  als  Längswulst.  Der  auch 
bei  ruhiger  Streckstellung  sichtbare  Läugswulst  des  M.  biceps  femoris 
tritt  deutlicher  in  Erscheinung.  So  sonderbar  es  scheinen  mag,  ist  er 
jedoch  nicht  durch  die  Endsehne  des  langen  Kopfes  bedingt,  sondern 
durch  den  passiv  herausgedrängten  Muskelbauch  des  Caput  breve. 

3)  Als  mittleres  Beugestadium  nehmen  wir  die  Haltung  an,  bei 
welcher  die  Ränder  der  Patella  am  klarsten  zu  erkennen  sind.  Dies 
tritt  gewöhnlich  schon  früher  ein,  bevor  der  Unterschenkel  recht- 
winklig zum  Oberschenkel  steht.  Dann  sehen  wir  die  Kniescheibe 
in  ihrer  bekannten  Dreiecksform  mit  abgerundeten  Rändern,  beim 
Manne  in  der  Größe  eines  silbernen  Fünfmarkstückes,  beim  Weibe 
in  Dreimarkstückgröße  hervortreten  und  als  Verlängerung  das  Lig. 
patellae,  welches  nunmehr  außerordentlich  deutlich  wird,  weil  der 
Luftdruck  den  Fettkörper  in  die  Tiefe  der  Gelenkhöhle  zurückpreßt. 
An  der  Außenseite  wird  der  Tractus  iliotibialis  undeutlich,  und  außer- 
dem verändert  der  M.  biceps  seine  ganze  Form.  Der  Wulst  des 
kurzen  Bicepskopfes  verschwindet  und  läßt  die  Endsehne  des  langen 
Kopfes  deutlich  hervortreten,  als  Längsstrang,  welcher  die  Kniebeuge 
von  außen  her  umrahmt.  Als  Grund  hierfür  ist,  abgesehen  vom  Luft- 
drucke, die  Kontraktion  beider  Köpfe  anzuführen.  Diese  äußert  sich 
natürlich  sowohl  auf  den  kurzen  Kopf,  welcher  bereits  am  Femur, 
als  auf  den  langen,  der  erst  vom  Becken,  am  Tuber  ischiadicum  ent- 
springt. 

4)  In  extremer  Beugestellung  werden  die  Patella  und  ihr  Band 
undeutlicher,  und  es  kommen  neben  dem  letzteren  wieder  die  beiden 
Seitenlappen  des  Fettkörpers  mehr  an  die  Oberfläche.  Sie  fühlen 
sich  jedoch  weich  an,  weil  sie  erst  passiv  aus  der  Gelenkhöhle  heraus- 
gedrängt werden.  J)ie  Patella  rutscht  nunmehr  von  der  in  Streck- 
stellung vorderen  Fläche  auf  den  unteren  Umfang  der  Condyli  femoris 
und  läßt  deren  beide  Konturen  in  verschiedener  Weise  erkennen. 
Der  Condylus  lateralis  ist  bei  weitem  nicht  so  ausgiebig  von  Musku- 
latur bedeckt,  wie  der  mediale,  und  deshalb  muß  auch  sein  Kontur 
in  Beugestellung  mit  annähernder  Deutlichkeit  wie  beim  Skelete 
sich  durch  die  Haut  hindurch  kundgeben.  Ganz  anders  beim  Con- 
dylus medialis.  Der  M.  vastus  medialis  reicht  in  Ruhestellung  schon 
bis  zum  oberen  Rande  der  Patella  und  wird  bei  der  Beugung  durch 
das  Retinaculum  patellae  mediale  gegen  das  Kniegelenk  fixiert  und 
legt  sich  als  Muskelkappe  fast  über  den  ganzen  Condylus  medialis, 
soweit  letzterer  in  dieser  Stellung  am  Oberflächenbilde  teilnimmt. 
Hierin  dürfte  der  prinzipielle  Unterschied  zwischen  medialer  und 
lateraler  Seite  liegen.  Das  Retinaculum  patellae  mediale  gehört  dem 
medialen  Teile   des  M.  triceps  femoris,   dem  M.  vastus  medialis   an, 


Aeußere  Form.  427 

also  einem  Oberschenkelmuskel,  das  Retinaculum  patellae  laterale 
entwickelt  sich  aus  dem  Tractus  iliotibialis,  den  M.  tensor  fasciae  latae 
und  glutaeus  maximus,  d.  h.  der  oberliächlichen  Schicht  der  äußeren 
Hüftmuskalatur;  dies  ist  jedoch  nur  das  Retinaculum  superficiale. 

An  der  Außenseite  wird  passiv  der  kurze  Kopf  des  Biceps  wieder 
herausgepreßt  und  erscheint  als  Längswulst ;  die  Innenseite  läßt  keine 
nennenswerten  Einzelheiten  erkennen.  Die  Rückseite  entzieht  sich 
vollkommen  der  Beobachtung  und  verwandelt  sich  in  einen  Quer- 
spalt, an  dem  nur  die  eingeführte  flache  Hand  einen  Hohlraum  er- 
zeugen kann.  In  der  Tat  kommen  hier  die  Beugemuskeln  der  Wade 
mit  denen  des  Oberschenkels  in  unmittelbare  Berührung,  selbstver- 
ständlich unter  Berücksichtigung  der  Weichteile,  d.  h.  die  Haut  des 
Oberschenkels  liegt  der  des  Unterschenkels  an.  Hierbei  kann  man 
€hne  weiteres  aus  der  äußeren  Form  ablesen,  daß  an  der  Außenseite 
der  Kniekehlenspalt  bis  zum  Capitulum  fibnlae  reicht,  die  Beuge- 
muskulatur vollkommen  zurücktritt,  und  die  Streckmuskulatur  nur  den 
Raum   einnimmt,   welcher  ihr  durch  die  Knochen  vorgeschrieben  ist. 

Anhang. 

In  mittlerer  Beugestellung  sind  auch  Rotationsbewegungen  im 
Kniegelenke  möglich,  nämlich  durch  die  Erschlaffung  der  Seitenbänder. 
Die  Rotation  nach  innen,  welche  fast  ausschließlich  durch  den  M.  semi- 
membranosus  bewirkt  wird,  erzeugt  keine  wesentliche  Veränderung 
in  der  äußeren  Form.  Das  Lig.  collaterale  tibiale,  der  M.  vastus 
medialis  mit  dem  gleichnamigen  Retinaculum  patellae  und  der  Pes 
anserinus  bilden  gleichsam  eine  Pfanne,  in  deren  Tiefe  die  medialen 
Knorren  des  Femur  und  der  Tibia  sich  bewegen.  Lateral  sind  aber 
drei  scharf  getrennte  Züge  zu  unterscheiden:  1)  die  Endsehne  des 
M.  biceps,  2)  das  Lig.  collaterale  flbulare,  und  3)  die  Anheftung  des 
Tractus  iliotibialis.  Es  würde  uns  zu  weit  führen,  hier  anzugeben, 
in  welcher  Weise  diese  drei  Gebilde  bei  den  Bewegungen  im  Knie- 
gelenke sich  bemerkbar  machen.  Die  Auswärtsrotation  wird  durch 
den  M.  biceps  femoris  erreicht.  Hierbei  kann  man  gegebenenfalls 
das  Lig.  collaterale  flbulare  in  ganzer  Ausdehnung  durch  die  Haut 
hindurch  erkennen.  Dieses  Band  nimmt  aber  eine  Sonderstellung 
unter  sämtlichen  Gelenkbändern  des  menschlichen  Körpers  ein.  Es 
ist  nämlich  das  einzige,  welches  ohne  jede  Schwierigkeit  von  der 
Gelenkkapsel  getrennt  werden  kann,  ohne  daß  auch  ein  geschickter 
Anfänger  die  Gelenkhöhle  zu  eröffnen  braucht.  —  Ueber  die  Bezeich- 
nung Kniekehlenspalt,  -grübe  und  -wulst  ist  bereits  bei  der  xlchsel- 
höhle  ausführlich  gehandelt. 

Von  den  Beugern  ist  der  M.  biceps  bereits  bei  der  Außenseite 
der  Kniegelenksgegend  genau  beschrieben.  Es  bleiben  noch  die  me- 
dialen Beuger  übrig,  welche  von  der  Innenseite  ebenfalls  auf  die 
Rückseite  übergreifen.  Der  M.  sartorius  beschreibt  beim  Standbeine 
einen  nach  unten  konvexen  Bogen,  wird  aber  bei  gebeugtem  und 
adduzierten  Beine  geradlinig.  Der  M.  gracilis  tritt  bei  der  Beugung 
nicht  so  deutlich  hervor,  wie  die  Sehne  des  M.  seraitendinosus ;  und 
schließlich  ist  beim  M.  semimembranosus  zu  betonen,  daß  er  bei  ge- 
strecktem Beine  gesehen  oder  palpiert  werden  kann,  bei  der  Beugung 
aber  in  die  Tiefe  zurückgeht,  genau  wie  wir  es  beim  kurzen  Kopfe 
des  M.  biceps  beschrieben  haben. 

13 


428 


FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 


Unterschenkel.  Da  wir  seinen  proximalen  Teil  bis  zur  Tuberositas 
tibiae  bereits  bei  der  Kniegelenksgegend  dargestellt  haben,  bleibt  nur 
noch  der  distale  zu  schildern  übrig,  welcher  bis  zu  den  Knöcheln 
herunterreicht.  Im  Gegensatze  zum  Vorderarme,  an  welchem  nur  die 
hintere  Kante  der  Ulna  subkutan  gelegen  ist,  finden  wir  am  Unter- 
schenkel eine  breite  Knocheufläche  vom  Kniegelenke  bis  zum  Sprung- 
gelenke unmittelbar  unter  der  Haut,  die  Facies  medialis  der  Tibia. 
Von  der  Fibula  ist  das  Köpfchen  sehr  leicht  zu  fühlen,  der  Schaft 
nur  undeutlich,  dagegen  schickt  der  dreieckige  schlangenkopfähnliche 


Fig.  9.     Bein  von  innen  bei  Beugestellung,  Hautbild. 


Malleolus  lateralis  einen  6  cm  langen  Keil  proximalwärts  zur  Crista 
anterior,  für  welchen  der  Name  Planum  supramalleolare  wohl  am 
Platze  wäre.  Der  Malleolus  medialis  ist  gedrungener,  kürzer  und 
ungefähr  viereckig.  So  springt  der  Malleolus  lateralis  weiter  gegen 
die  Fußsohle  vor  und  wird  in  der  Erscheinung  noch  deutlicher,  weil 
er  hinten  von  den  Sehnen  der  beiden  M.  peronaei  umfaßt  wird, 
während  beim  Malleolus  medialis  nur  der  M.  tibialis  posterior  in  Frage 
kommt. 

Die  den  Unterschenkel  bedeckende  Haut  ist  gerade  über  dem 
subkutanen  Knochenteile  recht  dünn  und  auch  schlecht  ernährt;  so 
erklärt  sich  die  Schmerzhaftigkeit  bei  Insulten,  der  langsame  Heilungs- 
prozeß bei  Wunden  und  die  Bildung  von  Schleimbeuteln,  welche  wir 
an  der  Tuberositas  tibiae  mitunter  doppelt  und  an  den  beiden  Knöcheln 


Aeußere  Form. 


429 


verwirklicht  finden  können,  am  häufigsten  an  der  Tuberositas  tibiae, 
dann  am  Malleolus  medialis,  in  letzter  Linie  am  Malleolus  lateralis. 
Schleimbeutel  an  der  Crista  anterior,  deren  mehrere  aufeinander  folgen 
können,  haben  wir  nur  an  ihrem  Beginne  beobachtet,  wo  sie  noch 
breit  ist.  Je  schärfer  sie  nach  unten  wird,  um  so  weniger  dürfte  sich 
ein  scharf  begrenzter  Schleimbeutel  ausbilden  können.  —  Die  Dünne 
der  Haut  läßt  häufig  die  Tibia  durch  einen  helleren  Farbton  gegen 
die   umgebenden  Muskeln   hervortreten,   und   auch  an  letzteren  kann, 

M,  obliquus  ext.  abdominis 
M.  iliopsoas  ''■>,^ 

M.  peclineus  \^ 

M.  rectus  femo 

M.  adductor 
longus 

M.  gracilis 


M.  adductor 
magnus 


M.  serai- 
membranosus 


M.  vastus 
medialis 


M.  gastrocnemius 
Caput  mediale 


M.  tibialis  posterior 


— ~    M.  abductor  hallucis 


M.  flexor  digitorum  lon^ 


Fi';-.  10.     Bein  von  innen  bei   lieuiicsrcllmi;:,  .Miiskelbild. 


vornehmlich  bei  Anämischen,  der  Uebergang  von  Muskeln  in  Sehne 
klar  erkannt  werden,  lieber  den  Muskeln  ist  das  Fett  reichlicher 
entwickelt.  Hier  verlaufen  ja  auch  die  Hautvenen  und  -nerven,  welche 
des  Fettschutzes  bedürfen. 

Die  Muskeln  zerfallen  in  die  Strecker,  Wadenbeinmuskeln  und 
die  Beuger,  welch  letztere  in  eine  oberflächliche  Schicht,  die  Waden- 
muskulatur und  die  tiefe  zerlegt  werden,  welche  in  der  Fußsohle 
endet.  Getrennt  werden  die  drei  Gruppen  durch  die  Septa  inter- 
muscularia  anterius  und  posterius,  welche  beide  zur  Fibula  gehen, 
und  die  Membrana  interossea  cruris,  die  natürlich  nicht,  wie  die  beiden 
ersteren  äußerlich  in  die  Erscheinung  tritt.  Etwas  oberhalb  der  Malle- 
olen  wird  ein  queres  Band  aus  der  Fascia  cruris  von  2 — 4  cm  Breite 
künstlich  herausgeschnitten,  welches  die  drei  Muskeln  der  Extensoren- 


430  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

gruppe  gegen  die  beiden  Unterschenkelknoclien  fixiert.  Man  sieht  am 
Lebenden  seine  Gegenwart  bei  scharfer  Kontraktion  dieser  Muskeln; 
am  Präparate  luxieren  die  Sehnen  schon  erheblich  bei  der  Durch- 
trennung  dieses  Bandes  in  der  Achse  des  Unterschenkels.  Das  so- 
genannte Lig.  cruciatum  cruris  gehört  eigentlich  zum  Fuße ;  der  Unter- 
schenkel wird  nur  von  den  proximalen  Zipfeln  erreicht,  welche  an  den 
beiden  Malleolen  anheften,  von  denen  aber  der  laterale  oft  fehlt  oder 
ganz  schwach  ist,  so  daß  es  eigentlich  richtiger  wäre,  von  einem  Lig. 
tripartitum  oder  ypsiloforme  pedis  zu  reden.  Es  ist  aber  zweckmäßig, 
es  gleich  hier  im  Anschluß  an  das  Lig.  transversum  cruris  zu  be- 
schreiben. Der  oberflächlichen  Vierteilung  steht  auch  eine  tiefe 
gegenüber,  indem  es  vier  Fächer  bildet,  von  denen  drei  für  die 
Sehnenscheiden  der  Extensoren,  eins  für  die  Vasa  tibialia  anteriora 
und  den  N.  peronaeus  profundus  bestimmt  ist.  Wenn  diese  Fächer 
gesondert  eröifnet  sind,  luxieren  die  Sehnen  in  der  stärksten  Weise. 
Beim  M.  tibialis  anterior  wird  der  Ansatz  noch  durch  den  unteren 
medialen  Zipfel  gegen  das  Os  cuneiforme  I  festgehalten.  Die  tiefe 
Anheftuug  des  Bandes  am  Calcaneus  wird  wohl  auch  als  Funda 
pedis  oder  Lig.  fundiforme  bezeichnet  und  bildet  mit  den  beiden 
Fächern  für  die  M.  extensores  hallucis  longus  et  extensor  digitorum 
longus  die  wichtige  Halteeinrichtung  für  die  Endsehnen;  während 
diese  in  der  gewöhnlichen  Haltung  des  Fußes  axial  verlaufen,  kann 
bei  starker  Einwärtsdrehung  an  dieser  Stelle  eine  Umbiegung  erzielt 
werden,  welche  bis  auf  etwa  130°  getrieben  werden  kann.  Der  in 
der  Tiefe  zur  Tibia  ziehende  Schenkel  führt  keinen  besonderen  Namen, 
obwohl  auch  er  konstant  ist. 

Der  mächtige  spindelförmige  Bauch  des  M.  tibialis  anterior  setzt 
sich  bei  seiner  Kontraktion  scharf  gegen  den  langen  Zehenstrecker 
ab  und  überläßt  diesem  in  der  Mitte  des  Unterschenkels  kaum  ein 
Viertel  des  den  Extensoren  zukommenden  Raumes.  Vor  dem  Malle- 
olus  lateralis  macht  sich  der  M.  extensor  digitorum  longus  oft  durch 
einen  deutlichen  Längswulst  bemerkbar,  welcher  aber  eigentlich  dem 
M.  peronaeus  tertius  zukommt. 

Die  beiden  Wadenbeinmuskeln  erscheinen  bei  den  meisten  Per^ 
sonen  als  einheitlicher  Längssparren,  welcher  sich  erst  unterhalb  des 
Malleolus  lateralis  in  die  Endsehnen  teilt.  Bei  der  energischen  Kon- 
traktion entsteht  dicht  unterhalb  des  Capitulum  fibulae  ein  längliches 
Grübchen,  welches  der  Durchbohrungsstelle  des  M.  peronaeus  longus 
durch  den  N.  peronaeus  communis  entspricht.  Die  Abgrenzung  dieses 
Muskels  gegen  den  M.  peronaeus  brevis  ist  auch  bei  den  besten 
Modellen  nur  am  vorderen  Rande  möglich;  dagegen  ist  zu  beachten, 
daß  die  Fiederform  sehr  leicht  zu  erkennen  ist,  weil  sich  die  Endsehne 
enorm  weit  oberflächlich  in  den  Muskel  hineinschiebt. 

Die  Beuger  bilden  in  oberflächlicher  Schicht  die  Wade  und 
enden  mit  der  Achillessehne  an  der  Rückseite  des  Calcaneus,  mit  der 
tiefen  erreichen  sie  die  Fußsohle  bis  zu  den  Zehen.  Von  den  vier 
Wadenmuskeln  tritt  der  ziemlich  oft  fehlende  M.  plantaris  äußerlich 
nicht  in  die  Erscheinung,  die  M.  gastrocnemii  aber  in  großer  Aus- 
dehnung, und  schließlich  erscheint  der  M.  soleus  sowohl  an  der  late- 
ralen, wie  an  der  medialen  Seite.  Die  eigentliche  Wade  gehört  dem 
sogenannten  Zwillingsmuskel  an,  jedoch  sind  es  Zwillinge  sehr  un- 
gleicher Art,  denn  der  mediale  ragt  weiter  distal,  als  der  laterale  und 
wiegt,  wie  hier  schon  vorweg  gesagt  werden  kann,  das  Doppelte  wie 


Aeußere  Form.  431 

letzterer.  Charakteristisch  ist  der  breite  Sehnenspiegel,  vou  dem  aus 
die  Muskelbündel  zur  freien  Achillessehne  streben.  Die  oberen  Muskel- 
büudel  bilden  zwei  Läugswülste,  welche  sich  in  einer  sehnigen  Raphe 
vereinigen,  die  am  Präparate  erst  durch  das  Auseinanderdrängen  der 
beiden  Bäuche  sichtbar  gemacht  werden  kann.  Am  Lebenden  verläuft 
nun  hier  die  Vena  saphena  parva,  und  so  scheint  es,  als  ob  bei  der 
Kontraktion  die  beiden  oberen  Längswülste  einen  einzigen  Strang 
bilden.  Der  Sehnenspiegel  tritt  bei  geeigneten  Modellen  deutlich  als 
flache  Vertiefung  im  umrahmenden  Muskelwalle  hervor.  Der  M.  soleus 
läßt  sich  an  beiden  Seiten  des  Unterschenkels  mit  Leichtigkeit  er- 
kennen, besonders  in  Krampfzuständen,  an  der  lateralen  Wadenbein- 
seite in  großer  Länge  bis  zum  Capitulum  fibulae,  an  der  medialen 
(tibialen)  Seite  in  erheblich  geringerer  Weise,  dafür  aber  um  so 
massiger. 

Die  Achillessehne  ist  am  unteren  Vereinigungspunkte  der  M.  gastro- 
cnemii  etwa  24  cm,  vom  unteren  Pole  des  M.  gastrocnemius  medialis 
nur  20  cm  lang;  hier  liegt  auch  die  größte  Breite  von  etwa  6  cm. 
Die  geringste  Breite  der  mächtigen  dreiseitigen  Sehnenplatte  liegt 
nun  nicht  am  Ansätze  am  Calcaneus,  sondern  etwa  3  cm  oberhalb 
desselben.  Hier  ist  die  Sehne  fast  drehruud,  während  die  Insertion 
sich  wieder  frontal  abplattet.  Die  Umwandlung  der  Aponeurose  in 
die  rundliche  Sehne  findet  erst  dann  statt,  wenn  die  letzten  Bündel 
des  M.  soleus  ihre  Insertion  gefunden  haben.  Hier  kann  man  die 
Sehne  bequem  mit  zwei  Fingern  umfassen  und  die  Haut  der  lateralen 
Seite  gegen  die  der  medialen  verschieben. 

Ueber  die  tiefe  Beugeschicht  ist  nur  wenig  zu  sagen.  Die  Fascia 
cruris  und  das  Lig.  laciniatum  verdecken  viele  anatomische  Einzel- 
heiten. So  ist  der  M.  flexor  digitorum  longus  kaum  jemals  zu  er- 
kennen, obwohl  er  oberflächlicher  liegt,  als  die  Endsehne  des  M.  tibialis 
posterior,  welche  oft  außerordentlich  klar  zur  Geltung  kommt.  Den 
von  der  Fibula  entspringenden  M.  flexor  hallucis  longus  bekommt 
man  merkwürdigerweise  besser  oder  ausschließlich  von  der  medialen 
Seite  aus  zu  Gesicht,  wenn  man  ihn  mit  den  drei  mittleren  Fingern 
von  lateral  herüberpreßt. 

Fuß.  Hier  unterscheidet  man  Dorsum  und  Planta  pedis  —  Fuß- 
rücken und  Fußsohle.  Während  man  an  der  Hand  die  Grenze  zwischen 
Handrücken,  Dorsum  manus,  und  Hohlhand  oder  Handteller,  Palma 
oder  Vola  manus,  an  die  Seiteuränder  legen  kann,  muß  am  Fuße  noch 
ein  Teil  des  medialen  Fußrandes,  am  lateralen  sogar  noch  ein  Teil 
des  Dorsum  und  schließlich  auf  der  Rückseite  die  hintere  Fläche  des 
Calcaneus  mit  zur  Planta  pedis  im  weiteren  Sinne  gerechnet  werden. 
Wir  kommen  zu  dieser  Auffassung  auf  Grund  eines  Präparates  von 
einem  sehr  großen  männlichen  Fuße,  welcher  einige  Zeit  in  Konser- 
vierungsflüssigkeit gelegen  hatte  und  an  dem  in  schärfster  Weise  die 
Grenzlinie  zwischen  der  dünnen  Epidermis  des  Dorsum  und  der  sehr 
dicken,  weißlich  verfärbten  der  Planta  pedis  zu  erkennen  war.  Diese 
Marke  deckte  sich  genau  mit  dem  dorsalen  Rande  der  M.  abductores 
hallucis  und  digiti  V.  Da  wir  aber  diese  Muskeln,  welche  die  ober- 
flächliche Schicht  der  Groß-  und  Kleinzehenballen  bilden,  zur  Fußsohle 
rechnen,  muß  dasselbe  mit  der  deckenden  Haut  geschehen.  —  Auch 
bei  beschuhtem  Fuße  ist  man  imstande,  die  Innenseite  zu  heben, 
weniger  den  Außenrand,  welcher  der  Unterlage  fest  anliegt.  Die 
mediale  Seite  beider  Füße  erhebt  sich,  wenn  keine  Plattfüße  vorliegen, 

Handbuch  der  Anatomie.    II,  ii,  3.  Og 

17 


432  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

als  ein  Gewölbe,  welches  rechten  und  linken  Fuß  zu  einer  einheit- 
lichen Kuppel  mit  dorsaler  Konvexität  verbindet.  Eine  Abplattung 
dieses  Gewölbes  führt  zum  Plattfuße,  welcher  bei  doppelseitiger  An- 
lage sich  vollkommen  umwandeln  kann  in  eine  Konkavität  nach  unten, 
entsprechend  beiden  Ossa  navicularia  und  einer  dorsalen  Konvexität,, 
welche  jedoch  nicht  an  den  Füßen  selbst  vorhanden  ist,  sondern  in 
der  Luftlinie  zwischen  ihnen. 

A.  Haut,  Fettpolster  und  Schleimbeutel.  Bei  einem 
besonderen  Präparate  setzte  sich  die  dicke  Epidermis  kontinuierlich 
auf  die  Rückfläche  des  Calcaneus  fort  bis  zu  seinem  oberen  Drittel, 
deckte  also  noch  in  etwas  die  Anheftung  der  Achillessehne  an  diesem 
Knochen.  Für  diesen  Teil  der  Fußsohle  in  weiterem  Sinne  wäre  wohl 
der  Ausdruck  „Fersenkappe"  angebracht,  zumal  das  reichliche  Fett- 
polster die  Schutzeinrichtung  verstärkt.  Wo  der  Fuß  im  medialen 
Gewölbeteile  die  Unterlage  nicht  berührte,  war  die  Epidermis  erheb- 
lich verdünnt  und  ebenso  das  Fettpolster  gering.  Zwischen  Mittelfuß 
und  Zehen  war  auf  dem  Dorsum  nur  eine  seichte  Querfurche  vor- 
handen, aber  nur  an  den  dreigliedrigen  Zehen,  während  an  der  Planta 
die  Querfurche  auch  die  große  Zehe  mitumfaßte.  Bei  Zehenbeugung 
berührten  die  Beeren  der  Zehen  mit  Ausnahme  der  zweiten  den 
Mittelfuß  und  Kleinzehenballen,  aber  nicht  den  Großzehenballen.  Bei 
Zehenstreckung  (s.  Fig.  12)  verwandelte  sich  der  tiefe  Einschnitt  in 
eine  1—2  cm  breite  Querrinne,  in  welcher  durch  je  eine  zarte  Quer- 
linie die  Artic.  interphalangea  I  zu  suchen  ist  mit  den  angrenzenden 
Stücken  der  Grund-  und  Mittelphalange. 

B.  Vergleich  der  Ballen-  und  Knöchelgegend  (Regia 
metatarso-  und  metacarpop  halangea)  an  Fuß  undHand. 
Die  Gegend  zwischen  Mittelhand  und  Fingern  einerseits  und  zwischen 
Mittelfuß  und  Zehen  andererseits  ist  durchaus  verschieden  angelegt. 
An  der  Hand  ist  die  natürliche  Haltung  die  der  Volarflexion,  und  es 
treten  dann  die  Köpfchen  der  Mittelhandknochen  als  sogenannte 
Knöchel  ohne  weiteres  in  Erscheinung,  entweder  rötlich,  wie  bei  un- 
gezwungener Haltung,  oder  gelblich-weißlich,  wie  bei  angestrengter 
Volarflexion,  weil  dann  die  Strecksehnen  sich  scharf  gegen  die  nun- 
mehr angespannte  Haut  anpressen.  Ein  anderer  Zustand  ist  zu  be- 
trachten bei  fettreichen  Händen,  gleichviel  ob  es  sich  um  einen  Neu- 
geborenen oder  einen  Erwachsenen  beiderlei  Geschlechtes  handelt; 
mag  sich  auch  in  der  Unterhaut  noch  so  viel  Fett  angesammelt 
haben,  über  einem  Capitulum  ist  es  nie  entwickelt,  im  Gegenteile,  bei 
forcierter  Dorsalflexion  findet  sich  hier  ein  entsprechendes  Grübchen. 

Beim  Fuße  ist  die  Grundstellung  der  Grundphalangen  eine 
Dorsalflexion,  eine  Haltung,  bei  welcher  die  Capitula  der  Mittelfuß- 
knochen überhaupt  nicht  zu  Gesicht  kommen  können.  Die  eben  bei 
der  Hand  beschriebenen  Grübchen  kommen  zwar  auch  vor,  aber 
lange  nicht  so  oft.  Erst  bei  extremer  Plantarflexion  komm^en  die 
Capitula  metatarsalia  als  Mittelfußknöchel  zur  Geltung.  Diese  ana- 
tomische Einrichtung  bringt  es  mit  sich,  daß  an  der  Hand  recht  oft 
Schleimbeutel  an  der  Dorsalseite  der  Metacarpophalangealgelenke  vor- 
kommen, am  Fußrücken  stellen  sie  eine  enorme  Seltenheit  vor.  Am 
Fuße  kommen  ja  andere  Gesichtspunkte  in  Betracht,  1)  der  normale 
Druck  durch  die  Last  des  Körpers,  welcher  zu  einer  Verdickung  der 
Epidermis  und  Bildung  des  Fußsohlenfettkörpers  führt,  2)  der  patho- 
logische Druck  durch  das  Schuhwerk.    Der  Druck  von  unten  läßt  die 


Aeußere  Form. 


433 


sogenannten  Clavi  entstehen,  welche  unter  den  Sesambeinen  der  großen 
Zehe  und  dem  Köpfchen  des  5.  Mittelfußknochens  gelegen  sind 
und  auch   unter  dem  Calcaneus  zu  einer  nicht  scharf  abgegrenzten, 


Fig.  12.    Planta  pedis  bei  Zehenstreckung. 


Übermäßigen  Verdickung  der  Epidermis  führen ;  an  den  Seitenrändern 
kommt  die  Artic.  metatarsophalangea  hallucis  medial,  lateral  wiederum 
das  Capitulum  ossis  metatarsalis  V  in  Frage ;  am  Dorsum  der  Zehen 
bilden    sich    außerordentlich    häufig    die    sogenannten   Hühneraugen, 

28* 
19 


434  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

welche  gewöhnlich  über  der  Artic.  interphalangea  I  gelegen  sind  und 
am  häufigsten  an  der  3.  und  5.  Zehe  vorkommen,  an  der  großen 
Zehe  aber  wohl  kaum  einmal.  An  dem  eben  beschriebenen  Präparate 
fand  sich  über  der  Artic.  interphalangea  I  der  Mittelzehe  ein  scharf 
abgegrenzter  rundlicher  Vorsprung  ohne  Verdickung  der  Oberhaut, 
und  nur  bestehend  aus  verdickter  Lederhaut  und  vermehrtem  Fett- 
gewebe. Der  seitliche  Druck  des  Schuhwerkes  bedingt  außerdem  noch 
die  im  Verhältnisse  zu  den  Sehnen  enorm  großen  Schleimbeutel  der 
M.  lumbricales  und  die  ebenfalls  sehr  ansehnlichen  Bursae  inter- 
metatarsophalangeae,  die  aber  äußerlich  nicht  zu  sehen  sind  und  hier 
nur  im  Zusammenhange  Erwähnung  finden  können. 

Corpus  adiposum  plantae.  Der  Fußsohlenfettkörper  muß 
in  drei  Abschnitte  zerlegt  werden :  1)  den  Hauptteil,  welcher  von  der 
hinteren  unteren  Ecke  des  Calcaneus  bis  zur  queren  Fußsohlenfurche 
reicht,  d.  h.  bis  etwa  zur  Mitte  der  Grundphalange  (s.  Fig.  der  oberfläch- 
lichen Schicht),  anders  als  bei  der  Hand,  an  welcher  die  entsprechende 
quere  Hohlhandfurche  bereits  in  der  Höhe  der  Artic.  metacarpo- 
phalaugeae  aufhört  (vgl.  A,  Fig.  16,  S.  16),  2)  den  hinteren  Fersen- 
teil, 3)  die  Zehenfettkörper.  Der  erste  Abschnitt  geht  unmittelbar  in 
den  zweiten  über,  der  Uebergang  vom  ersten  in  den  dritten  ist  nur  bei 
der  großen  Zehe  gut  verwirklicht,  bei  der  anderen  nur  unvollkommen. 
Nun  besitzt  der  eigentliche  Fettkörper  durchaus  nicht  die  gleiche  Dicke, 
ist  vielmehr  an  der  medialen  Seite  in  der  Höhe  des  Fußgewölbes  recht 
dünn ;  außerdem  zeigt  er  gegen  die  Plantaraponeurose  hin  zwei  be- 
sondere Längsleisten,  welche  die  beiden  Furchen  an  den  Seiten  des 
M.  flexor  digitorum  brevis  ausfüllen  und  so  am  Lebenden  keine 
Grenze  zwischen  Großzehen-,  Mittelfuß-  und  Kleinzehenballen  erkennen 
lassen.  Bekanntlich  teilt  sich  die  Palmar-  und  Plantaraponeurose  in 
fünf  Zipfel,  welche  die  Beugesehnen  umfassen  und  zwischen  sich  die 
vier  fetterfüllten  Interdigitalräume  entstehen  lassen.  Diese  sind  an 
der  Hand  breiter,  aber  kürzer,  am  Fuße  schmäler,  aber  länger,  ent- 
sprechend der  größeren  Länge  der  Metatarsalknochen.  Ein  prinzipieller 
Unterschied  besteht  nicht.  Zwar  sind  an  der  Hand  bei  Dorsalüexion 
der  Finger  diese  Fettkörper  äußerlich  meistens  mit  aller  Schärfe  zu 
erkennen,  am  Fuße  jedoch  bei  unversehrter  Haut  nicht.  Nach  Ent- 
fernung der  Lederhaut  und  vorschriftsmäßiger  Präparation  der  Plantar- 
aponeurose und  anderer  Einzelheiten,  welche  unsere  Figur  zeigt,  ist  die 
Einrichtung  die  gleiche.    Wir  nennen  sie  Corpora  adiposa  interdigitalia. 

Indessen  besteht  ein  gewaltiger  Gegensatz  zwischen  dem  Fett- 
gehalte im  Bereiche  der  Phalangen  der  Finger  und  Zehen.  An  der 
Hand  liegt  auf  der  Beugefläche  aller  drei  Phalangen  ein  ungefähr 
gleichmäßig  dickes  Fettpolster,  während  am  Fuße  Grund-  und  Mittel- 
phalanx fettarm  sind,  dagegen  weist  die  mit  Ausnahme  der  großen 
Zehe  verkümmerte  Nagelphalanx  eine  fast  hypertrophisch  erscheinende 
Mächtigkeit  auf,  wenigstens  im  Vergleiche  zu  der  sich  verjüngenden 
schön  abgerundeten  Fingerbeere,  wenn  es  sich  nicht  um  krankhafte 
Prozesse,  z.  B.  die  Trommelschlägerflnger  der  Phthisiker  handelt.  Der 
physiologische  Grund  ist  ohne  weiteres  einzusehen.  Die  Finger  müssen, 
da  sie  Greiforgane  sind,  mit  allen  ihren  Gliedern  den  erfaßten  Gegen- 
stand mitunter  krampfhaft  festhalten  und  erwidern  den  Druck  durch 
die  natürliche  Fettschicht.  Am  Fuße  berühren  nur  die  gesamte  Ballen- 
gegend und  die  Kuppen  der  Zehen  den  Boden.  Grund-  und  Mittel- 
phalangen treten  nur  ausnahmsweise  beim  forcierten  Zehengange  in  teil- 


Aeußere  Form.  435 

weise  imd  auch  nur  vorübergehende  Berührung  mit  der  Unterstützungs- 
fläche. Ausnahmen  kommen  vor;  diese  sind  in  diesem  Falle  die  Fuß- 
künstler, welche  bei  fehlenden  oder  gebrauchsunfähig  gewordenen 
Händen  die  Füße  zu  Greiforganen  ausbilden  mußten. 

Fragen  wir  uns  nun  nach  den  fettarmen  oder  fettlosen  Stellen 
an  Hand  und  Fuß,  so  muß  an  beiden  Stellen  das  Dorsum  als  solches 
bezeichnet  werden.  Dagegen  zeigen  die  Palma  manus  und  die  Planta 
pedis  außer  fettärmeren  Stellen  fettreiche.  Selbst  bei  ganz  kachektischen 
Personen,  welche  schon  lange  nicht  mehr  ihre  Füße  und  schließlich 
auch  nicht  mehr  ihre  Hände  benutzen  konnten,  sind  sie  noch  gut 
darzustellen.  Die  fettreichen  Stellen  sind  bereits  als  Corpora  adiposa 
gewürdigt,  die  fettarmen  bedürfen  noch  eines  Vergleiches.  An  der 
Hand  ist  der  Thenar  sehr  fettarm,  weil  die  ansehnliche  Muskulatur 
für  den  besonders  dastehenden,  sehr  wichtigen  Daumen  sich  auf 
einen  engen  Raum  konzentrieren  muß.  Die  Muskulatur  vertritt  hier 
gleichsam  die  Stelle  des  Druckpolsters,  denn  der  Kleinfingerballen 
ist  beim  Gesunden  annähernd  ebenso  stark  entwickelt,  wie  der  Daumen- 
ballen, verdankt  aber  seine  Größe  nur  dorsal  der  Muskulatur,  volar 
dagegen  in  erster  Linie  der  Fettauhäufung.  Hier  ist,  vom  Platysma 
und  der  Gesichtsmuskulatur  abgesehen,  der  einzige  Hautmuskel  des 
menschlichen  Körpers  vertreten,  im  M.  palmaris  brevis.  Am  Fuße 
sucht  man  vergebens  nach  einem  entsprechenden  Muskel.  An  der 
Ferse  ist  die  Schutzeinrichtung  durch  die  fettreiche  Fersenkappe  ge- 
geben, welche  eine  einzige  Einheit  für  Kleinzehen-,  Mittelfuß-  und 
Großzehenballen  bildet.  Hierin  liegt  der  springende  Unterschied 
zwischen  Hand  und  Fuß,  da  ja  der  fettreiche  Hypothenar  in  das 
wenig  fettreiche  Gebiet  der  eigentlichen  Vola  und  schließlich  in  den 
fettarmen  Thenar  übergeht.  Die  große  Zehe  unterscheidet  sich  in 
ihrem  Mittelfußteile  von  dem  betreffenden  Metacarpalteile  durchaus. 
Letzterer  hat  hier  keine  nennenswerte  Fettentwicklung  der  Haut.  An 
der  Plantarseite  der  großen  Zehe,  vom  Calcaneus  bis  zu  den  Sesam- 
beiuen  hin  haben  wir  aber  zwei  enorme  Fettpolster,  den  in  den  all- 
gemeinen Fettkörper  der  Ferse  übergehenden  im  Bereiche  des  Calca- 
neus, d.  h.  im  Anfangsteile  der  Fußwurzel,  den  zweiten  plantarwärts 
von  den  Sesambeineu,  also  am  Rande  des  Os  metatarsale  I,  und  nur 
das  mittlere  Stück,  welches  aber  außer  dem  Beginne  des  Os  meta- 
tarsale I  noch  das  entsprechende  Os  cuneiforme  und  schließlich  das 
Os  naviculare  mit  seiner  so  wichtigen  Tuberositas  enthält,  läßt  es 
nicht  zur  Fettansammlung  kommen,  da  bei  hohem  Gewölbe  kein  Druck 
vorliegt;  auch  bei  pathologischen  Veränderungen,  wenn  z.  B.  beim 
Plattfuße  das  Os  naviculare  den  Boden  berührt,  kommt  es  zu  keiner 
nennenswerten  Verdickung  der  Epidermis,  mit  der  auch  eine  ent- 
sprechende FettentwickluDg  einhergehen  würde. 

Knochen.  Da  am  Fuße  nur  in  den  Artic.  talocruralis,  meta- 
tarsophalangeae  und  interphalangeae  I  ausgiebige  Bewegungen  ge- 
macht werden  können,  lassen  sich  nur  an  diesen  Stellen  zwei  Nach- 
barknochen gut  erkennen.  Im  übrigen  sind  wir  auf  zwei  Knochenpunkte 
angewiesen,  welche  allerdings  leicht  zu  erkennen  sind  und  praktisch 
die  größte  Bedeutung  haben:  die  medial  gelegene  Tuberositas  ossis 
navicularis  für  die  Aufsuchung  des  CnoPARTschen  Gelenkes,  lateial 
die  Tuberositas  ossis  metatarsalis  V  für  die  LiSFRANCsche  Operation. 
Wechselnd  in  seiner  Lage  ist  der  Talushals  und  sein  Uebergang  in 
das  Caput  tali.     Bei  Dorsalflexion   verschwindet   er   fast   unter   der 


436  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Malleolengabel,  bei  Plantarflexion  wird  noch  ein  Stück  der  Troclilea 
sichtbar.  Eine  passive  Dehnung  der  M.  extensor  hallucis  et  digitorum 
brevis  läßt  den  Knochen  deutlicher  hervortreten.  Recht  gut  zu  sehen 
und  zu  palpieren  sind  die  Grundphalangen.  Bei  verkümmerten  Mittel- 
und  Nagelphalangen  ist  es  mit  Ausnahme  an  der  großen  Zehe  recht 
schwer,  zumal  hier  das  Fettgewebe  unverhältnismäßig  stark  entwickelt 
ist.  Von  der  Plantarfläche  aus  kann  man  kaum  einen  Knochen  sehen. 
Die  Palpation  ergibt  mit  Ausnahme  am  Calcaneus  nur  eine  gleich- 
mäßige Härte  in  der  Tiefe,  welche  zum  großen  Teile  auf  den  Widerstand 
der  Plantaraponeurose  zurückgeführt  werden  muß.  Auf  dem  Dorsum 
kreuzen  sich  über  dem  2.-4.  Mittelfußknochen  die  Sehnen  der  langen 
und  kurzen  Strecker,  so  daß  ohne  weiteres  nur  das  Os  metatarsale  I 
und  V  der  Inspektion  und  besonders  der  Palpation  zugängig  sind. 

C.  Muskeln.  Die  Planta  im  engeren  Sinne,  soweit  sie  den 
Boden  berührt,  läßt  keinen  Einzelmuskel  erkennen,  erst  an  den  Seiten- 
rändern kommt  medial  der  M.  abductor  hallucis  an  die  Oberfläche, 
welcher  bei  seinen  sehr  häufigen  Krampfzuständen  besonders  gut  ab- 
gegrenzt werden  kann.  Auf  der  lateralen  Seite  ist  der  M.  abductor 
digiti  quinti  am  besten  beim  Standbeine  zu  erkennen,  weil  er  dann 
dorsalwärts  hervorgetrieben  wird.  In  seltenen  Fällen  ist  man  sogar 
imstande,  an  der  medialen  Seite  des  Calcaneus  den  Ursprung  des 
Caput  plantare  durch  willkürliche  Zusammenziehung  zu  Gesicht  zu 
bringen  (Frohse).  Am  Dorsum  pedis  sind  bei  der  Dünne  der  Haut 
oft  sämtliche  Sehnen  und  Muskeln  zu  erkennen,  letztere  jedenfalls 
isoliert  elektrisch  zu  reizen.  Der  Malleolus  medialis  wird  umfaßt 
von  den  Sehnen  der  M.  tibiales  anterior  und  posterior,  welche  dem 
Os  cuneiforme  I  zustreben  und  bei  ihrer  Zusammenziehung  eine  deut- 
liche Grube  erzeugen,  welche  mit  vollem  Rechte  als  Tabatiere  ana- 
tomique  du  pied  bezeichnet  werden  kann.  Am  Malleolus  lateralis  wird 
im  allgemeinen  bloß  die  Umfassung  von  hinten  her  durch  die  Sehnen 
der  M.  peronaei  longus  und  brevis  beschrieben.  Da  aber  auch  der 
M.  peronaeus  tertius  wie  der  brevis  zu  der  Basis  des  5.  Mittelfuß- 
knochens hinzieht,  kann  man  von  einer  Umfassung  auch  dieses  Knöchels 
reden.  Die  eigentlichen  Streckmuskeln  bilden  ein  typisches  Gitter- 
werk, indem  der  lateral  entspringende  M.  extensor  hallucis  et  digi- 
torum brevis  mit  schrägem  Verlaufe  sich  von  der  Tiefe  aus  zu  den 
axialen  langen  Sehnen  begibt.  —  Die  M.  interossei  treten  im  allge- 
meinen nicht  so  deutlich  hervor,  wie  an  der  Hand,  lassen  sich  aber 
durch  Uebung  ebenfalls  willkürlich  bei  der  Kontraktion  als  Längs- 
wülste an  die  Oberfläche  bringen. 

Ueber  die  Venen  und  Nerven  wird  im  Zusammenhange  mit  den 
anderen  Abschnitten  des  Beines  die  Rede  sein. 


Anhang. 

Außer  Haut,  Knochen,  Fascien,  Bändern  und  Muskeln  kommen 
noch  andere  Gebilde  in  Frage,  welche  teilweise  das  Muskelbild  ver- 
schleiern, wie  z.  B.  die  Lymphdrüsen  der  Regio  subiuguinalis  oder 
die  V.  saphena  parva  in  der  Rinne  der  beiden  M.  gastrocnemii,  oder 
deutlicher  hervortreten  lassen,  wie  es  der  M.  peronaeus  superficialis 
am  Septum  intermusculare  anterius  tut.  Wir  wollen  nacheinander  be- 
handeln, die  Lymphdrüsen,  die  Hautvenen,  Hautnerven  und  schließlich 
die  Arterien. 


Aeußere  Form.  437 

Lymphdrüsen.  Die  ersten  regionären  Lymphdrüsen  des  Beines 
linden  sich  in  der  Kniekehle  und  können  als  oberflächliche  und  tiefe 
Drüsen  unterschieden  werden.  Eine  inkonstante  liegt  dicht  auf  der 
Fascie  in  dem  Räume  zwischen  den  N.  tibialis  und  peronaeus,  nach 
unseren  Beobachtungen  häufiger  dem  letzteren  genähert.  Diese  Drüse 
ist  durchaus  der  Lymphoglandula  cubitalis  superficialis  (subcutanea)  zu 
vergleichen,  deren  Schwellung  und  Härte  auf  Lues  hinweisen  soll, 
aber  auch  ohne  diese  Erkrankung  bei  infektiösen  Handverletzungen 
eintreten  kann.  Die  tiefen  Drüsen  liegen  unter  der  Fascia  lata  um 
die  Vasa  poplitea  herum  oder  auf  der  hinteren  Kapselwand  und  ent- 
ziehen sich  im  Gegensatze  zu  den  oft  fühlbaren  Lymphoglandulae  cu- 
bitales  profundae  vollkommen  der  Inspektion  und  Palpation.  —  In  der 
Regio  subinguinalis  bildet  die  Einmündungsstelle  der  V.  saphena  magna 
in  die  V.  femoralis,  im  weiteren  Sinne  also  die  Fossa  ovalis,  die  von 
der  Natur  gegebene  Einteilungsmarke.  Durch  eine  horizontale  Linie 
läßt  sich  eine  obere,  proximale  Gruppe  von  einer  unteren,  distalen 
sondern.  Durch  eine  annähernd  vertikale  Linie,  welche  die  Verlaufs- 
richtung der  V.  saphena  magna  ungefähr  zum  Nabel  verlängert,  ist 
eine  Trennung  in  die  mediale  und  laterale  Gruppe  gegeben.  Zu 
diesen  vier  Gruppen  kommt  noch  eine  zentrale,  im  Bereiche  der  Fossa 
ovalis  hinzu,  welche  mindestens  eine  oberflächliche  Drüse,  in  der 
Tiefe  aber  noch  die  an  Zahl  und  Größe  wechselnden,  vollkommen 
unpalpablen,  tiefen  Lymphdrüsen  enthält.  Die  Vasa  aiferentia  und 
eft'erentia  zu  schildern,  ist  hier  nicht  unsere  Aufgabe.  Es  genügen 
die  Hinweise,  daß  die  obere  Gruppe  der  Drüsen  mit  ihrer  Längsachse 
parallel  dem  Lig.  inguinale  (Pouparti)  verläuft,  aber  niemals  in  den 
Bereich  des  Abdomen  gelaugt,  daß  die  untere  Gruppe  ihren  größten 
Durchmesser  in  der  Längsachse  des  Beines  hat,  und  schließlich,  daß 
beim  Neugeborenen  die  Drüsen  noch  rundliche  Form  haben,  während 
beim  Erwachsenen  infolge  der  so  häufigen  Erkrankungen  sich  eine 
Umänderung  in  dem  soeben  erwähnten  Sinne  vollzieht,  und  recht  oft 
mehrere  Drüsen  bis  zu  5  zu  einer  scheinbar  einheitlichen  großen 
Drüse  sich  vereinigen  können. 

Hautvenen.  Der  Druck  der  Blutsäule  läßt  auf  dem  Fußrücken 
ein  weitmaschiges  Netz  entstehen,  das  Rete  venosum  dorsale  pedis,  aus 
welchem  sich  —  jedoch  nicht  regelmäßig  —  nahe  den  Köpfchen  der 
Ossa  metartarsalia  ein  Arcus  entwickeln  kann,  welcher  seinerseits 
Abflußmöglichkeiten  hat  sowohl  zur  medialen  Seite,  V.  saphena  magna 
(oa'fTjVTj?  =  deutlich,  klar),  wie  zur  lateralen,  V.  saphena  parva.  Beide 
Venen  verhalten  sich  mit  ihren  Hauptästen  grundverschieden  zu  den 
Knöcheln.  Die  V.  saphena  magna  verläuft  vor  dem  Malleolus  me- 
dialis,  die  Tibia  spitzwinklig  überschneidend,  zur  Innenseite  der 
Wadenmuskulatur;  idie  V.  saphena  parva  zieht  mit  ihrem  Hauptaste 
hinter  dem  Malleolus  lateralis  zur  hinteren  Mittellinie  des  Unter- 
schenkels, durchbohrt  die  Fascia  cruris  gewöhnlich  schon  in  seiner 
Mitte,  wobei  es  zur  Bildung  von  besonderen  Fascien  in  der  Unter- 
baut zu  kommen  pflegt,  welche  wir  beim  Arme  als  Hautfascien  be- 
schrieben haben  (s.  A.  S.  247).  Daß  in  Begleitung  der  V.  saphena 
magna  der  N.  saphenus  (major)  und  neben  der  V.  saphena  parva 
proximal  der  R.  communicans  tibialis  und  distal  der  N.  suralis  ver- 
läuft, muß  bereits  hier  angegeben  werden.  Die  Uuterschenkelvenen 
zeichnen  sich  dadurch  aus,  daß  sie  besonders  auf  der  Wadenseite 
außerordentlich  starke  Verbindungen  mit  den  Muskelvenen  besitzen. 

23 


438  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Der  Name  „Krampfader"  gilt  aber  weniger  für  diese  Anastomosen, 
als  für  die  mäanderartigen  pathologischen  Veränderungen  der  sub- 
kutanen Venen.  In  der  proximalen  Hälfte  des  Unterschenkels  ent- 
zieht sich  wegen  der  Hautfascie  die  V.  saphena  parva  der  Inspektion 
und  meistens  auch  der  Palpation.  —  Am  Oberschenkel  bettet  sich 
die  V.  saphena  magna  in  reichliches  Fett  ein  und  entgeht  so 
häufig  der  Inspektion.  Am  Präparate  ist  jedoch  regelmäßig  festzu- 
stellen, daß  erstens  eine  vordere  Inselbildung  verwirklicht  ist  und 
zweitens  eine  Anastomose  zwischen  ihr  und  der  V.  saphena  parva 
besteht,  welche  —  sprachlich  nicht  ganz  einwandfrei,  weil  sie  das 
Blut  zum  Oberschenkel  leitet  —  den  Namen  V.  femoropoplitea  führt 

Unterhalb  der  Leistenbeuge  finden  wir  in  der  Fossa  ovalis  den 
Zusammenfluß  der  Hautvenen  der  unteren  Rumpfhälfte.  Wenn 
irgendwo,  wäre  hier  der  Ausdruck  „confluens  venarum"  am  Platze. 
Am  häufigsten  sichtbar  ist  die  V.  epigastrica  superficialis,  weiter  die 
V.  saphena  magna,  welche  recht  oft  in  mehrere  Teile  zerlegt  werden 
kann,  eine  V.  propria  und  akzessorische  Venen,  die  auf  der  lateralen 
Seite  sich  finden  können  und  auf  der  medialen  sich  mit  der  V.  femoro- 
poplitea decken;  den  vierten  Zug  dieses  Kreuzes  stellen  die  V.  pu- 
dendae  externae  dar,  deren  Verlauf  meistens  nur  am  Präparate  er- 
kannt werden  kann. 

Hautnerven.  Bei  den  Nerven  müssen  wir  unterscheiden  zwischen 
den  oberflächlichen,  welche  rein  sensibel,  und  den  tiefen,  welche  zu- 
erst gemischt  sind,  dann  aber  sich  in  motorische  und  sensible  Ele- 
mente auflösen.  Zwar  behauptet  T.  Cohn^),  daß  im  Bereiche  des 
Beckens  keine  Hautnerven  palpatorisch  zu  isolieren  sind,  jedoch  hat 
Frohse  auf  dem  Präpariersaale  sehr  oft  bei  unversehrter  Haut  den 
N.  clunium  superior  aus  dem  N.  hypogastricus  in  einer  Rille  der 
Crista  iliaca  palpiert  und  genau  an  dieser  Stelle  den  Studenten  vor- 
präpariert. Ferner  läßt  sich  mit  Leichtigkeit  der  N.  cutaneus  femoris 
lateralis  etwa  2  cm  unterhalb  der  Spina  iliaca  anterior  superior  prä- 
paratorisch darstellen.  Freilich  machen  die  Hautfascien  die  Palpation 
unmöglich  und  geben  den  im  Becken  einheitlichen  Nerven  am  Unter- 
schenkel eine  Reihe  von  Austrittsstellen,  deren  Lage  wechselnd  ist. 
Dieselbe  Tatsache  gilt  übrigens  für  alle  übrigen  Hautnerven  der 
Hüfte,  des  Ober-  und  Unterschenkels.  Erst  beim  Fuße  findet  sich 
eine  gewisse  Gesetzmäßigkeit,  wenn  auch  beim  Dorsum  ein  Schema 
zur  Anwendung  kommen  muß. 

Der  N.  cutaneus  femoris  lateralis  kann  isoliert  erkranken  (Mer- 
algia),  Streichen  über  dem  Hautgebiete  des  N.  spermaticus  externus 
führt  zum  Cremasterrefiex,  im  übrigen  sind  die  Hautnerven  des  Ober- 
schenkels nicht  sicher  bestimmbar.  Erst  mit  dem  R.  infrapatellaris, 
welcher  in  der  Höhe  der  Oberschenkelknorren  den  M.  sartorius  durch- 
setzt, gewinnt  das  Ende  des  N.  femoralis  die  Oberfläche  und  folgt 
als  N.  saphenus  der  V.  saphena  magna  bis  zum  Fuße.  —  Am  Unter- 
schenkel ist  —  von  dem  gemischten  N.  peronaeus  communis  abge- 
sehen —  recht  häufig  die  Durchtrittsstelle  des  N.  peronaeus  super- 
ficialis am  Septum  intermusculare  anterius  zu  erkennen.  Diese  voll- 
zieht sich  in  dem  distalen  Drittel.  Wenn  eine  einheitliche  Austritts- 
stelle vorhanden  ist,  liegt  sie  an  der  Grenze  zwischen  mittlerem  und 
distalem  Drittel ;  wenn  aber,  wie  es  außerordentlich  häufig  vorkommt, 


1)  Methodische  Palpation,  2.  Teil,   Untere  Extremität.     Berlin,   Karger,   1905. 
24 


Einteilung  der  Beinmuskeln.  439 

dieser  Hautnerv  sich  bereits  am  Unterschenkel  in  seine  beiden  Haiipt- 
äste,  die  N.  cutanei  dorsales  medialis  und  intermedius,  teilt,  kann 
letzterer  bis  an  den  Malleolus  lateralis  heruntergehen,  bevor  er  die 
Fascie  durchbohrt.  Derartige  Varietäten  lassen  sich  bereits  am 
Lebenden  feststellen  (Frohse),  besonders  wenn  die  Haut  des  Mo- 
delies die  nötige  Dünne  besitzt.  Auch  die  Hautnerven  des  Dorsum 
pedis  mit  ihren  Anastomosen  lassen  sich  in  solchen  Fällen  oft  über- 
raschend sicher  inspektorisch  und  palpatorisch  feststellen. 

Wir  haben  noch  einzugehen  auf  die  drei  Druckpunkte  des  N. 
ischiadicus.  In  der  Hüftgegend  läßt  sich  der  gemeinschaftliche  Stamm 
etwas  lateral  von  der  hinteren  Mittellinie  dort  in  der  Tiefe  finden, 
wo  der  freie  Rand  des  langen  Bicepskopfes  unter  dem  M.  glutaeus 
maximus  verschwindet.  Der  zweite  Druckpunkt  betrifft  den  N.  pero- 
naeus  communis  und  stellt  eigentlich  eine  Linie  dar,  welche  von  der 
Basis  des  Capitulum  flbulae  3—5  cm  proximalwärts  zur  Kniekehle 
emporsteigt,  und  hierbei  dem  hinteren  Rande  des  M.  biceps  femoris 
folgt,  Uebrigens  kann  man  diesen  Strang  recht  oft  durch  die  Haut 
hindurch  erkennen,  und  es  sieht  so  aus,  als  ob  auf  der  lateralen 
Seite  zwei  Sehnen  vorhanden  wären,  wie  es  an  der  medialen  durch 
die  M.  gracilis  und  semitendinosus  verwirklicht  ist.  Der  dritte  Druck- 
punkt liegt  daumenbreit  unter  der  Spitze  des  Malleolus  lateralis. 
Man  kann  hier  den  sogen.  N.  suralis  zusammen  mit  der  nicht  isolier- 
baren V,  saphena  parva  mit  Leichtigkeit  über  den  Calcaneus  rollen 
lassen.  Da  sich  der  N.  suralis  zusammensetzt  aus  dem  N.  cutaneus 
surae  medialis  (communicans  tibialis)  und  dem  R.  anastomoticus  pero- 
naeus,  kommen  hier  sensible  Teile  beider  Abschnitte  des  N.  ischia- 
dicus zusammen. 

Arterien,  lieber  die  Arterien  ist  nur  wenig  zu  sagen.  Die 
A.  femoralis  communis  sieht  man  oft  dicht  unterhalb  des  Lig.  inguinale 
(Pouparti)  pulsieren,  wo  sie  auch  bei  Beinverletzungen  gegen  die 
Eminentia  iliopectinea  gepreßt  werden  soll.  In  der  Kniekehle  ist 
zwar  die  A.  poplitea  nicht  zu  sehen,  macht  aber  bei  übergeschlagenen 
Beineu  ihre  Gegenwart  dadurch  kund,  daß  die  Fußspitze  sich  mit 
dem  Pulse  isochron  hebt  und  senkt.  Die  A.  tibialis  posterior  ist  mit 
der  A.  radialis,  dem  Pulse,  vergleichbar  und  mit  Leichtigkeit  zu  sehen 
oder  doch  zu  fühlen.  Die  A.  dorsalis  pedis  ist  nur  in  Ausnahmefällen 
festzustellen.  Die  Zehenarterien  machen  sich  wohl  nur  bei  entzünd- 
lichen Prozessen  (Panaritium)  bemerkbar,  wo  der  Patient  genau  wie 
an  der  Hand  das  Puckern  fühlt. 


II.  Einteilung  der  Beinmuskeln. 

Sie  sondern  sich  nach  dem  Skelete  ohne  weiteres  in  4  natürliche 
Gruppen:  Hüft-,  Oberschenkel-,  Unterschenkel-  und  Fußmuskeln. 
Ein  normales  Bein,  an  dem  kein  Muskel  fehlt  und  sich  auch  kein 
überzähliger  findet,  enthält  57  leicht  voneinander  zu  trennende  Muskel- 
individuen, von  denen  13  auf  die  Hüfte,  li  auf  den  Oberschenkel, 
12  auf  den  Unterschenkel  und  21  auf  den  Fuß  entfallen.  Wir  rechnen 
dabei  die  M.  gemelli  als  2  besondere  Muskeln,  fassen  aber  den  M.  rectus 
femoris  mit  den  M.  vasti  zusammen,  ebenso  beide  M.  gastrocnemii 
als  einheitlichen  Muskel  und  haben  auch  den  kurzen  Bicepskopf  und 

25 


440  FROHSE    und    M.   FRÄNKEL, 

den  M.  peronaeus  tertius  nicht  als  selbständigen  Muskel  beschrieben. 
Die  Zahl  der  in  den  einzelnen  Gruppen  enthaltenen  Muskeln  ergibt 
für  Bein  und  Arm  folgendes: 

Hüfte  13  Schulter  6 

Oberschenkel  11  Oberarm  4 

Unterschenkel  12  Vorderarm  20 

Fuß  21  Hand  20 

Im  Hüftteile  überwiegt  also  die  Muskelzahl  den  Schulterteil  um 
das  Doppelte,  im  Oberschenkelteile  fast  um  das  Dreifache,  Fuß  und 
Hand  stehen  sich  ungefähr  gleichwertig  gegenüber,  und  nur  am  Unter- 
schenkel sind  beinahe  um  die  Hälfte  weniger  Muskeln  vorhanden,  was 
sich  daraus  erklärt,  daß  am  Vorderarme  auch  die  Pronatoren  und 
Supinatoren  gelegen  sind.  Das  Uebergewicht  in  der  Zahl  der  Hüft- 
muskeln ist  jedoch  nur  ein  scheinbares,  indem  am  Schultergürtel  und 
Oberarme  noch  9  andere  Muskeln  angreifen,  wie  z.  B.  die  M.  pectoralis 
major,  latissimus  dorsi,  sternocleidomastoideus  etc.  Der  Oberschenkel- 
teil muß  sehr  reich  bedacht  sein,  in  erster  Linie,  weil  die  Beizieher- 
gruppe,  die  am  Oberarme  nur  durch  den  M.  coracobrachialis  vertreten 
ist,  hier  6  Muskeln  enthält.  Eine  besondere  Rolle  spielt  ferner  die 
Patte  d'oie,  deren  2  restierende  Muskeln,  die  M.  sartorius  und  serai- 
tendinosus,  dem  Oberschenkelteile  noch  2  weitere  Muskeln  verschaffen. 
Wir  haben  jedoch  beim  Arme  darauf  hingewiesen,  daß  der  M.  brachio- 
radialis  eigentlich  als  Oberarmmuskel  aufzufassen  ist.  —  Das  Ueber- 
gewicht des  Fußes  kann  ausgeglichen  werden,  wenn  man  die  M. 
extensores  hallucis  et  digitorum  brevis  als  einen  einzigen  Muskel 
auffaßt.  Dem  Fuße  fehlt  jedoch  ein  dem  M.  palmaris  brevis  ent- 
sprechender Hautmuskel  und  vor  allem  der  M.  opponens  hallucis. 

Der  Lage  nach  unterscheiden  wir  oberflächliche  und  tiefe  Mus- 
keln, welche  wir  natürlich  nur  dem  Präparate  nach  angeben  können. 
Von  den  Hüftmuskeln  kommen  dann  in  Betracht  die  M.  qua- 
dratus  lumborum,  psoas  minor,  glutaeus  maximus  und  tensor 
fasciae  latae  (M.  glutaeus  anterior  nobis);  am  Oberschenkel  die 
M.  sartorius  und  gracilis,  am  Unterschenkel  die  M.  tibialis  an- 
terior und  extensor  digitorum  longus  und  schließlich  am  Fuße  die 
oberflächlichen  Muskeln  der  einzelnen  Ballen,  welche  verwirk- 
licht sind  an  den  beiden  Seiten  durch  die  M.  abductores  hallucis 
und  digiti  quinti,  in  der  Mitte  durch  den  M.  flexor  digitorum  brevis. 
Jedoch  begeben  wir  uns  durch  die  Aufführung  dieses  Muskels  als 
eines  vollkommen  oberflächlich  gelegenen  in  einen  Widerspruch,  weil 
ja  die  gespaltene  Endsehne  sich  erst  unter  die  einheitliche  Ansatz- 
sehne des  M.  flexor  digitorum  longus  herunterschiebt.  Als  oberfläch- 
lich könnten  sonst  ja  auch  die  M.  rectus  femoris,  semitendinosus, 
peronaeus  longus  und  noch  manche  andere  angesprochen  werden. 
Wenn  man  aber  an  der  Betrachtung  festhält,  daß  als  oberflächlicher 
Muskel  nur  ein  solcher  zu  bezeichnen  ist,  welcher  seine  präparatorisch 
freiliegende  Fläche  nur  von  Haut  oder  Aponeurose  bedeckt  hat, 
dürften  unsere  Angaben  zutrefi'en.  Demgemäß  sind  als  tiefe  Muskeln 
zu  bezeichnen:  die  M.  glutaeus  minimus,  gemelli,  quadratus  femoris, 
obturator  externus,  adductor  minimus,  popliteus,  flexor  brevis  und  der 
adductor  hallucis. 

Tabellarisch  angeordnet,  ergeben  unsere  Untersuchungen  fol- 
gendes : 

26 


Einteilung  der  Beinmuskeln. 


441 


Gesamt- 
zahl der 
Muskeln 

Gewöhnliche  Darstellung 

Unsere  Beschreibung 

I.  Bein 

ober-              ..f 

vollkom- 
men ober- 
flächlich 

teilweise 

ober- 
flächlich 

voll- 
kommen 
tief 

Hüfte 

Oberschenkel 
Unterschenkel 
Fuß 

13 
11 
12 
21 

t 

4 
3 

9 

5 

8 

18 

4 
2 
2 
3 

4       1          5 

7        i          2 

9       i          1 

16       1          2 

Sa. 

57         1         17         i         40         !       11        1       36       1        10 

II.  Arm 

50 

27 

23 

7 

40 

3 

Wie  viele  Muskeln,  nach  der  gewöhnlichen  Beschreibung,  zu  den 
oberflächlichen  oder  tiefen  gerechnet  werden,  ist  aus  der  Tabelle  ohne 
weiteres  zu  ersehen ;  wir  teilen  jedoch  die  tiefe  Schicht  in  zwei  Unter- 
abteilungen, von  denen  die  erste  diejenigen  Muskeln  enthält,  welche 
von  ihrem  tiefen  Ursprünge  aus  allmählich  die  Oberfläche  gewinnen, 
und  die  zweite  diejenigen,  welche  erst  nach  Durchtrennung  der  mitt- 
leren Schicht  darzustellen  sind.  Letztere  hat  überall  das  Ueber- 
gewicht,  so  daß  wir  uns  hier  auf  die  Anführung  der  vollkommen  ober- 
flächlichen und  tiefen  Muskeln  beschränken  können:  An  der  Hüfte 
fassen  wir  auf  als  oberflächlich  die  M.  1)  quadratus  lumborum,  2)  psoas 
minor,  3)  glutaeus  maximus  und  4)  tensor  fasciae  latae  (M.  glutaeus 
anterior  nobis);  als  tiefe  die  M.  1)  und  2)  gemelli,  3)  quadratus 
femoris,  4)  glutaeus  minimus  und  5)  obturator  externus.  —  Am  Ober- 
schenkel liegen  oberflächlich  die  M.  1)  sartorius  und  2)  gracilis;  in 
der  Tiefe  die  M.  1)  adductor  brevis  und  2)  minimus.  —  Am  Unter- 
schenkel betrachten  wir  als  oberflächlich  gelegen  die  M.  1)  tibialis 
anterior  und  2)  extensor  digitorum  longus  +  peronaeus  tertius;  als  tiefer 
gelegenen  nur  den  M.  popliteus.  —  Am  Fuße  müssen  als  oberfläch- 
lich bezeichnet  werden  die  M.  1)  abductor  hallucis,  2)  abductor  digiti 
quinti  und  vielleicht  noch  3)  der  M.  flexor  digitorum  brevis ;  als  voll- 
kommen tiefe  nur  die  M.  1)  flexor  brevis  und  2)  adductor  hallucis. 
Alle  anderen  36  Muskeln  gehören,  selbst  die  M.  lumbricales  und 
sämtliche  M.  interossei,  indem  sie  sich,  wenn  auch  nur  in  ganz  ge- 
ringem Maße,  am  Oberflächenbilde  beteiligen,  der  mittleren  Schicht  an. 

Der  Wirkung  nach  zerfallen  die  bei  den  Bewegungen  in  den 
einzelnen  Gelenken  beteiligten  Muskeln  in  folgende  Gruppen : 

I.  Artic.  sacroiliaca  1)  M.  quadratus  lumborum  (vielleicht  noch 
wirksamer  die  M.  obliquus  externus  und  internus  abdominis). 

II.  Artic.  coxae  1)  Beugung:  M.  iliopsoas  und  rectus  femoris 
(in  wirksamster  Weise  unterstützt  durch  den  M.  rectus  abdominis). 
2)  Streckung:  M.  glutaeus  maximus  und  die  Flexorengruppe  des  Ober- 
schenkels, soweit  sie  vom  Tuber  ischiadicum  entspringt,  die  ham-strings 
der  Engländei-.  3)  Einwärtsrotatiou :  M.  tensor  fasciae  latae  (M.  glu- 
taeus anterior  nobis)  und  die  vorderen  Bündel  des  M.  glutaeus  melius 
und  minimus,  aus  denen  sich  sehr  häufig  ein  intermediärer  Muskel,  der 
M.  invertor  femoris,  d.  h.  ein  besonderer  Einwärtsdreher,  entwickeln 
kann.  4)  Auswärtsrotation.  Diese  wird  erzielt,  weil  es  sich  um  eine 
besonders  energische  Bewegung  handelt,  durch  eine  außergewöhnliche 
Zahl  von  Einzelmuskeln;  hierzu  gehören  die  hinteren  Bündel  der 
M.  glutaei  medius  und  minimus  und  im  ganzen  die  M.  piriformis, 
obturator  internus   cum  gemellis,   quadratus   femoris  mit  dem  unter 


27 


442  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

ihm  verborgenen  M.  obturator  externus,  im  Notfalle  sogar  die  oberen 
horizontalen  Bündel  der  M.  adductor  minimus  und  magnus.  5)  Für  die 
Abduktion  kommt  in  Frage  der  Tractus  iliotibialis  mit  seinen  musku- 
lösen Komponenten  aus  dem  ganzen  M.  tensor  fasciae  latae  (M.  glu- 
taeus  anterior  nobis)  und  den  oberen  Bündeln  des  M.  glutaeus  maximus, 
für  welche  Gebilde  wir  a.  a.  0.  S.  371  den  Namen  M.  abductor  coxae 
tibialis,  s.  longus  vorgeschlagen  haben.  Für  die  tiefe  Schicht,  welche 
allerdings  aus  den  mittleren  Bündeln  zweier  Muskeln,  der  M.  glutaei 
medius  und  minimus,  besteht,  hatten  wir  die  Bezeichnung  M.  abductor 
trochantericus,  s.  brevis  vorgeschlagen.  6)  Als  Besonderheit  für  das 
Bein  ist  die  aus  6  Einzelmuskeln  bestehende  Adductorengruppe  zu 
erwähnen,  bei  welcher  selbst  der  M.  gracilis  eine  unglaubliche  Ad- 
duktionswirkung  entfalten  kann. 

III.  Artic.  genu.  1)  Die  Streckung  ist  nur  möglich  durch  den 
M.  triceps  femoris,  2)  die  Beugung  wird  im  Anfange  erzielt  medial 
durch  die  Muskeln,  welche  die  Patte  d'oie  bilden,  lateral  durch  den 
langen  Bicepskopf.  Bei  stärkerer  Beugung  sind  mehr  in  Betracht 
zu  ziehen  der  M.  semimembranosus  und  der  kurze  Bicepskopf. 
3)  Für  die  Rotation  nach  außen  ist  verantwortlich  zu  machen  lateral 
der  M.  biceps  femoris,  jedenfalls  mit  seinen  beiden  Köpfen,  an  der 
medialen  Seite  der  M.  semimembranosus.  Wir  möchten  die  Wirkung 
der  Patte  d'oie  für  die  Einwärtsdrehung  sehr  in  Frage  stellen. 

IV.  Artic.  talocruralis.  1)  Die  Dorsalflexion  wird  erzielt  durch  den 
Synergismus  der  M.  tibialis  anterior  auf  der  medialen  Seite  und  des 
M.  peronaeus  tertius  oder  brevis  auf  der  lateralen  Seite,  wozu  als 
Hilfsmuskel  des  M.  extensor  digitorum  hinzukommen  kann.  2)  Plantar- 
flexion. Diese  wird  ausschließlich  durch  die  Achillessehne  bewirkt; 
es  ist  hier  vollkommen  gleichgültig,  auf  die  Nebenansätze  am  Calca- 
neus  hinzuweisen,  welche  bald  dem  M.  plantaris,  bald  dem  M.  soleus 
zur  Last  gelegt  werden,  welche  sich  aber  immer  auf  eine  Varietät 
eines  beider  Muskeln  zurückführen  lassen  und  ihre  einfache  Erklärung 
durch  unsere  Befunde  am  Arme  finden  dürften. 

V.  Artic.  intertarseae.  Die  Bewegungen  in  diesen  Gelenken, 
welche  der  Pronation  und  Supination  am  Vorderarme  entsprechen, 
können  hier  noch  nicht  besonders  berücksichtigt  werden. 

VI.  Artic.  metatarsophalangeae  und  interphalangeae.  Hierüber 
ist  im  speziellen  Teile  nachzusehen.  — 

Bei  den  Nerven  finden  wir  keine  Vereinigung  in  einem  einheit- 
lichen Geflechte  wie  beim  Plexus  brachialis,  sondern  eine  Dreiteilung: 
vorn  den  N.  femoralis,  medial  den  N.  obturatorius  und  hinten  den 
N.  ischiadicus;  die  der  Pars  supraclavicularis  entsprechende  Nerven- 
gruppe ist  am  Beine  sowohl  im  Plexus  lumbalis  wie  sacralis  zu 
suchen,  umfaßt  allerdings  nicht  im  motorischen  Teile  den  Plexus 
pudendus  und  den  N.  coccygeus,  sondern  die  N.  lumbales  und  von  Teilen 
des  Plexus  sacralis  die  N.  glutaei  superior  und  inferior,  ferner  unbe- 
nannte Zweige  für  die  tiefste  Hüftmuskulatur.  In  dieser  Weise  zerfällt 
beim  Beine  die  motorische  Versorgung  in  einen  Beckenteil  und  einen 
der  freien  Extremität *angehörigen.  Ersterer  liefert  die  Nerven  für  die 
Beugemuskeln  oberhalb  des  Beckens  (M.  quadratus  lumborum  und  den 
iliopsoas)  und  die  Auswärtsrotatoren  oder  Strecker  unterhalb  desselben 
(M.  glutaei  medius,  minimus,  tensor  fasciae  latae  —  N.  glutaeus  superior ; 
M.  glutaeus  maximus  —  N.  glutaeus  inferior,  und  nicht  besonders  be- 
nannte R.  musculares  für  die  M.  piriformis,  gemelli,  obturator  internus 
und  quadratus  femoris). 

28 


M,  quadratus  lumborum.  443 


B.  Spezieller  Teil. 
I.  Hüftmuskeln. 

Allgemeines. 

Wir  haben  in  diesem  Abschnitte  auch  die  M.  quadratus  lumborum, 
psoas  major  und  minor  mit  aufgenommen,  obwohl  sie  teilweise  oder 
ganz  im  Bereiche  des  Bauches  gelegen  sind. 

M.  quadratus  lumborum. 

Synomma:  Viereckiger  Lenden- oder  Bauchmuskel;  Carre  des  courbes. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  viereckige  Muskel  liegt  langgestreckt  zwischen  dem  medialen 
Teile  der  12.  Rippe  und  der  Crista  iliaca.  Der  mediale  Ursprung  von 
den  Lendenwirbelquerfortsätzen  wird  vom  M.  psoas  major  bedeckt, 
der  laterale  Rand  ist  frei.  Die  vordere  Fläche  liegt  dicht  hinter  den 
Eingeweiden  der  Bauchhöhle  (oben  Niere,  unten  Mesocolon  und  Darm), 
die  hintere  ist  erst  nach  Wegnahme  des  ganzen  M.  sacrospinalis  und 
des  Lig.  lumbocostale  sichtbar  zu  machen.  Letzteres  Band  setzt  sich 
nach  unten  fort  in  die  sehnigen  Ursprungsfasern  des  M.  transversus 
abdominis  und  wird  vielfach  mit  dem  tiefen  Blatte  der  Fascia  lumbo- 
dorsalis  zusammengeworfen,  obwohl  es  ebensowenig  eine  Binde  ist, 
wie  das  oberflächliche,  welches  ja  auch  eine  Aponeurose  darstellt  für 
den  Ursprung    der  M.  latissimus  dorsi  und  serratus  posterior  inferior. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  zerfällt  in  zwei  Schichten,  eine  vordere  mächtigere, 
welche  von  der  12.  Rippe  und  den  Querfortsätzen  der  4  oberen 
Lendenwirbel  entspringt  und  parallelbündlig  zu  dem  Labium  mediale 
der  Crista  iliaca  und  dem  Lig.  iliolumbale  zieht,  und  eine  schwächere 
hintere,  welche  von  den  Querfortsätzen  der  unteren  Lendenwirbel  aus- 
geht und  lateralwärts  zur  12.  Rippe  emporstrebt,  und  auch  den 
Querfortsatz  des  1.  Lendenwirbels  erreichen  kann.  Diese  als 
„M.  transversalis  lumborum"  besonders  beschriebene  Portion  ist  oft 
uui'  schwer  vom  vorderen  Abschnitte  zu  trennen.  Besonders  zu  be- 
achten ist  die  sehnige  Ueberbrückung  vom  Querfortsatze  des  1.  Lenden- 
wirbels zur  12.  Rippe  hin,  welche  als  Arcus  lumbocostalis  lateralis 
(Halleri)  beim  Zwerchfelle  ausführlich  zu  beschreiben  wäre.  Die  unter 
dieser  Arcade  verborgenen  Bündel  können  medial  noch  den  12.  Brust- 
wirbelquerfortsatz erreichen.  Bei  der  wechselnden  Länge  der  12.  Rippe 
kann  man  nicht  angeben,  einen  wie  großen  Teil  dieses  Knochens  der 
Muskel  einnimmt.  Der  in  die  Bauchhöhle  frei  hineinragende  laterale 
Rand  ist  wulstig  abgerundet.  Die  Anheftuug  am  Darmbeine  zeigt 
eine  starke  glänzende  Sehne,  welche  durch  quere  sehnige  Züge  der 
Fascia  eudoabdominalis  verstärkt  wird  und  an  dieser  Stelle  den  nicht 
gespannten  Muskel  in  quere  wellenförmige  Züge  zerlegt. 

29 


444  FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Ursprünge  und  xlnsätze  geben  auch  die  Topographie  des 
oberen,  medialen  und  unteren  Randes  wieder.  Der  laterale  freie  Rand 
hat  auch  in  topographischer  Beziehung  Bedeutung  und  dient  besonders 
bei  Nierenoperationen  und  überhaupt  retroperitonaealen  Eingriffen  als 
wichtiger  Leitstern.  Die  Facies  posterior  hat  nur  anatomische  Be- 
deutung und  ist,  wie  bereits  erwähnt,  nur  sehr  schwer  zu  erreichen, 
da  sämtliche  Rückenmuskeln  und  außerdem  noch  der  sehnige  Ursprung 
des  M.  transversus  abdominis  von  den  Querfortsätzen  der  Lenden- 
wirbel fortgenommen  werden  müssen.  Die  größte  Bedeutung  hat  die 
Facies  anterior.  Unmittelbar  auf  ihr  liegen  die  oberen  Nerven  des 
Plexus  lumbalis,  nämlich  die  N.  subcostalis,  iliohypogastricus,  ilio- 
inguinalis  und  cutaneus  femoris  lateralis,  ferner  die  Nieren.  Konstant 
ruht  ihm  der  untere  Pol  auf;  zerlegt  man  nun,  dem  lateralen  freien 
Rande  des  Muskels  folgend,  die  Niere  in  eine  mediale  und  laterale 
Hälfte,  so  liegt  letztere  dem  M.  transversus  abdominis,  erstere  den 
M.  psoas  major  und  quadratus  lumborum  auf.  Beide  Muskeln  teilen 
sich  in  wechselnder  Weise  in  den  von  der  Niere  bedeckten  Abschnitt. 
Selbstverständlich  sehen  wir  hier  von  dem  oberen  Teile  der  Niere 
ab,  welcher  oberhalb  der  12.  Rippe  dem  Diaphragma  anliegt  und 
etwa  die  Hälfte  ausmacht.  In  der  distalen  Hälfte  des  M.  quadratus 
lumborum  liegen  noch  im  retroperitonaealen  Fettgewebe  wechselnd 
nach  Lage  und  Stärke  Gefäße,  welche  zum  Mesocolon  ascendens  oder 
descendens  ziehen. 

Wirkung. 

So  verborgen  der  Muskel  ist,  hat  er  doch  eine  Reihe  wichtiger 
Aufgaben  zu  erfüllen:  I.  Bei  fixiertem  Becken  wirkt  er  als  Beuger 
der  Lendenwirbelsäule  nach  der  gleichen  Seite  hin.  Die  Züge,  welche 
zur  12.  Rippe  ziehen,  halten  diese  gegen  das  Becken  fixiert,  hemmen 
die  übermäßige  Inspiration  passiv  und  wirken  aktiv  als  Exspiratoren. 
Bei  doppelseitiger  Tätigkeit  sorgen  sie  dafür,  daß  der  Rumpf  in  der 
aufrechten  Haltung  bleibt  und  nicht  nach  der  rechten  oder  linken 
Seite  schwankt.  IL  Beim  Standbeine  entfaltet  er  eine  Hebewirkuug 
auf  das  Becken.  Er  verdient  durchaus  den  Namen  Beckenheber  und 
ist  vollkommen  mit  den  M.  scaleni,  den  Rippenhebern,  zu  vergleichen, 
indem  ja  auch  er  von  den  Querfortsätzen  der  Lendenwirbelsäule  ent- 
springt und  zum  Beckengürtel  verläuft,  die  M.  scaleni  von  den  Hals- 
wirbelquerfortsätzen mit  der  Anheftung  an  den  beiden  oberen  Rippen, 
im  weiteren  Sinne  also  am  Schultergürtel.  Allerdings  kann  er  nur 
einseitig  als  Beckenheber  wirken. 

Innervation. 

Obwohl  dieser  Muskel  von  der  12.  Rippe  bis  zur  Crista  iliaca 
reicht,  zum  mindesten  also  die  gesamte  Lendenwirbelsäule  mit  ihren 
5  Wirbeln  umfaßt,  konnten  wir  mit  Eisler  nur  4  Nerven  fest- 
stellen, nämlich  je  einen  oberen  und  unteren  Sehnennerv  aus  dem 
12.  Intercostalnerven  und  dem  3.  Lumbalnerven.  Der  Muskel  selbst 
erhält  nach  unseren  Befunden  nur  zwei  Nerven  aus  dem  1.  und 
2.  Lumbalnerven.  Wohlgemerkt  dürfen  aber  die  Ansäe  zu  den 
proximalen  und  distalen  Nerven  des  Plexus  lumbalis  nicht  außer  acht 

30 


M,  iliopsoas.  445 

gelassen  werden.  Der  Bezug-  aus  dem  5.  Lumbalnerven  dürfte  aus 
topographischen  Gründen  zum  mindesten  zweifelhaft,  wenn  nicht  un- 
möglich sein.  Das  innere  Nervenbild  läßt  die  von  Gegenbaur  ver- 
langte Trennung  in  eine  vordere  ventrale  und  hintere  dorsale  Portion 
erkennen,  weil  oberflächliche  und  tiefe  Zweige  zu  unterscheiden  sind, 
und  diese  Trennung  ist  weiter  dadurch  begründet,  daß  zwischen  beiden 
Gebieten  keine  Anastomosen  von  uns  nachgewiesen  werden  konnten. 

M.  iliopsoas. 

Synonyma:  Lenden-Darmbeinmuskel, Hüftlendenmuskel;  Psoas-iliaque, 
flechisseur  de  la  cuisse  (Thbile). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Wie  der  Name  sagt,  zerfällt  der  physiologisch  zusammengehörige 
Doppelmuskel  in  zwei  anatomische  Unterabteilungen:  eine,  welche 
von  der  Wirbelsäule  entspringt  und  damit  noch  zum  Rumpfe  im 
engeren  Sinne  gehört,  und  eine  zweite,  welche  aus  der  Fossa  iliaca 
entspringt  und  damit  vollkommen  der  unteren  Extremität  angehört. 
Die  von  der  Lendenwirbelsäule  entspringende  ist  die  einzige,  welche 
die  untere  Extremität  noch  über  die  Beckengrenze  hinaus  mit  dem 
eigentlichen  Rumpfteile  verbindet.  Es  prägt  sich  hier  in  schärfster 
Weise  der  Gegensatz  zwischen  Unter-  und  Oberextremität  aus.  Am 
Arme  greifen  die  Muskeln,  welche  den  Schultergürtel  und  den  Ober- 
arm bewegen,  mit  ihren  Ursprüngen  weit  auf  das  Rumpfskelet  über, 
nämlich  der  M.  sternocleidomastoideus  von  dem  Proc.  mastoideus 
bis  zum  M.  trapezius,  dessen  einer  Hauptursprung  an  der  Pro- 
tuberantia  occipitalis  externa  gelegen  ist,  dann  auf  das  Lig.  nuchae 
übergreift  und  schließlich  die  ganze  Reihe  der  unteren  Halswirbel- 
und  sämtlicher  Brustwirbeldornen  in  Anspruch  nimmt. 

Uebrigens  ist  die  Beschreibung  des  M.  trapezius  mit  den  Ursprüngen 
von  sämtlichen  Brustwirbeldornen  vollkommen  schematisch.  Wir  haben 
Fälle  beobachtet,  wo  er  bereits  mit  dem  10.  Brustwirbel  beiderseits  auf- 
hörte, doppelseitig  oder  häufiger  einseitig,  und  wunderbarerweise  war  die 
linke  Seite,  welche  im  allgemeinen  doch  weniger  kräftig  angegeben  wird, 
mit  längeren  Ursprüngen  bedacht,  als  die  rechte. 

Die  Fortsetzung  des  M.  trapezius  nach  unten  bildet,  zunächst 
verborgen,  der  M.  latissimus  dorsi,  der  vermittelst  der  sogenannten 
„Fascia"  lumbodorsalis  weiterhin  die  Lendenwirbeldornen,  die  Kreuz- 
darmbeingrube und  die  Crista  iliaca  und  schließlich  noch  mit  drei 
oder  vier  Zacken  die  entsprechenden  unteren  Rippen  zum  Ursprünge 
benutzt.  Damit  sind  wir  bereits  auf  die  Außenfläche  des  Brustkorbes 
und  den  ihr  aufliegenden  M.  serratus  anterior  gelangt.  Dieser  Muskel 
liegt  im  unteren  Teile  in  seinen  Ursprüngen  frei  unter  der  Haut,  mit 
seinen  oberen  dagegen  unter  dem  M,  pectoralis  minor  und  dem  M.  pec- 
toralis  major  verborgen.  Der  äußerlich  nicht  sichtbare  M.  subclavius 
ist  als  Schlußglied  der  einheitlichen  Kette,  welche  den  ganzen  Schulter- 
gürtel und  damit  die  obere  Extremität  umgibt,  nicht  nur  von  theo- 
retischem Interesse.  Wir  sehen  also,  daß  die  äußere  Rumpfform, 
soweit  sie  durch  die  Muskeln  bestimmt  wird,  mit  Ausnahme  der 
vorderen  Bauchwand  und  der  unteren  medialen  Partie  des  Rückens 
bedingt  wird  durch  Muskeln,  welche  an  der  oberen  Extremität  ihren 

31 


446  FROHSE    und    M.  ^RÄNKEL, 

Ansatz  finden.  Ganz  anders  beim  Beine.  Die  Crista  iliaca  bildet 
die  scharfe  Grenze  zwischen  Rumpf  und  unterer  Extremität,  und  auch 
vorn,  wo  anatomisch  der  M.  iliopsoas  über  die  scheinbaren  Grenzen 
der  unteren  Extremität  proximalwärts  hinausreicht,  ist,  was  nicht 
allein  für  die  Künstler,  sondern  auch  für  die  Aerzte  Bedeutung  hat, 
eine  scharfe  Grenze  gezogen,  nämlich  durch  das  Lig.  inguinale  (Pou- 
parti),  welches  jedoch  kein  Band  ist,  sondern  nur  die  künstlich  heraus- 
geschnittene untere  Abteilung  des  M.  obliquus  externus  abdominis. 
Wir  finden  den  Muskelbauch  aber  auch  an  der  freien  unteren  Ex- 
tremität, wo  er  dann  die  äußere  Abteilung  des  sogenannten  Adduc- 
torendreieckes  bildet.  Wir  dürfen  diesen  nicht  außer  acht  lassen,  weil 
noch  am  Oberschenkel  ein  extramuskulärer  Nervenzweig  vorhanden 
zu  sein  pflegt,  welcher  zwar  nur  den  M.  iliacus  versorgt,  aber  trotz- 
dem bei  elektrischer  Reizung  den  ganzen  M.  iliopsoas  zur  Wirkung 
bringen  kann. 

Für  den  M.  psoas  major  haben  wir  uns  die  Neunzahl  der  Ursprünge 
zu  merken,  4  oberflächliche  kommen  von  den  4  oberen  Lenden- 
wirbelkörpern, die  5  tiefen  von  sämtlichen  5  Lendenwirbelquerfort- 
sätzen. Der  M,  iliacus  entspringt,  was  hier  besonders  betont  sein 
muß,  nicht  allein  von  der  Fossa  iliaca,  d.  h.  im  Innern  des  Beckens, 
sondern  auch  noch  unterhalb  der  Spina  iliaca  inferior,  d.  h.  im  Be- 
reiche des  Oberschenkels.  Diesen  Muskel  könnte  man  M.  iliacus  minor 
nennen,  aber  auch,  wenn  man  die  frühere  Bezeichnung  M.  iliacus  in- 
ternus für  die  Hauptportion  anerkennt,  für  diese  kleinere  M.  iliacus 
externus  wählen.  Nicht  allein  durch  die  Innervation,  sondern  auch 
durch  den  Ansatz  verdient  dieser  Kopf  eine  besondere  Beachtung. 
Es  ist  nichts  leichter  nachzuweisen,  als  die  Tatsache,  daß  der  soge- 
nannte Trochanter  minor  fast  ausschließlich  von  der  Endsehne  des 
M.  psoas  major  zum  Ansätze  benutzt  wird,  während  der  M.  iliacus 
und  besonders  die  eben  erwähnte  äußere  Portion  fast  rein  muskulös 
sich  noch  weiter  nach  distal  begibt  und  die  Grenze  zwischen  dem 
M.  vastus  medialis  und  den  Adductoren  bildet.  Allerdings  gehört  für 
den  Studierenden  eine  große  Geduld  dazu,  diesen  Befund  schon  am 
Muskelpräparate,  und  erst  recht  am  Gefäß-  und  Nervenpräparate  nach- 
zuweisen. 

Von  der  größten  Wichtigkeit  sind  jedoch  die  topographischen 
Beziehungen,  welche  zwischen  ihm  und  dem  Plexus  lumbalis  obwalten. 
Wenn  wir  die  Sechszahl  als  Schema  für  den  Plexus  lumbalis  an- 
nehmen, so  haben  wir  4  Nerven  an  der  lateralen  Seite  des  M.  psoas 
major,  einen  zunächst  an  der  medialen,  dann  aber  an  der  vorderen  Seite, 
und  einen,  den  letzten,  an  der  unteren  Fläche  verborgen.  Bereits  in 
der  Bauchhöhle  treten  heraus  die  N.  iliohypogastricus  und  ilioingui- 
nalis,  welche  über  dem  M.  quadratus  lumborum  ihren  W^eg  nehmen ; 
dann  folgt,  ebenfalls  an  der  lateralen  Seite  austretend,  der  N.  cuta- 
neus  femoris  lateralis,  der  jedoch  nur  mit  dem  M.  iliacus,  d.  h.  dem 
großen  Becken,  in  Beziehung  tritt,  ebenso  wie  der  N.  femoralis, 
welcher  aber  häufig  erst  durch  Auseinanderdrängen  der  M.  psoas 
major  und  iliacus  sichtbar  zu  machen  ist.  Der  fünfte,  medial  ent- 
springende Nerv  ist  der  N.  genitofemoralis,  welcher  alsbald  über  den 
M.  psoas  major  hinwegzieht  und  sich  in  wechselnder  Weise  —  mit- 
unter gar  nicht  —  in  seine  beiden  Endäste  teilt.  Wenn  diese  beiden 
vorhanden  sind,  kann  man  schematisch  das  so  darstellen,  daß  der 
laterale  Zweig,   den  man  ohne  weiteres  nicht  als  solchen,   nämlich 

32 


M.  psoas  major.  447 

als  N.  sperraaticus  externus  ansprechen  würde,  die  medial  und  oben 
gelegeneu  Geschlechtsteile  versorgt,  während  der  mediale  sich 
schließlich  zum  Oberschenkel,  d.  h.  lateral,  wendet.  Der  N.  sper- 
maticus  externus  tritt  nämlich  durch  den  Leistenkanal  hindurch  und 
soll  den  M.  cremaster  versorgen,  ist  aber  auch  beim  Weibe  vorhanden 
und  dient  sogar  als  Wegweiser  bei  der  ALEXANDER-AoAMSschen 
Operation,  muß  also  außer  motorischen  Fasern  noch  sensible  führen. 
Der  N.  lumboinguinalis  tritt  nicht  durch  die  Lacuna  musculorum  hin- 
durch, welche  die  N.  femoralis  und  cutaneus  femoralis  lateralis  be- 
herbergt, sondern  durch  die  Lacuna  vasorum,  gelangt  aber  meistens 
nicht  durch  die  Fossa  ovalis,  wie  sie  zumeist  präparatorisch  dargestellt 
wird,  an  die  Oberfläche,  sondern  durch  die  sogenannte  Fascia  cribrosa. 
Aus  den  angeführten  Gründen  macht  die  Präparation  dieses  Nerven 
auch  für  den  Geübteren  die  unglaublichsten  Schwierigkeiten,  um  so 
mehr,  als  er  in  der  Höhe  der  Fossa  ovalis  bisweilen  scheinbar  die 
oberflächlichen  Leistendrüsen  durchbohrt  und  dann  für  ein  Lymph- 
gefäß angesprochen  werden  kann.  Es  handelt  sich  nur  um  eine  Um- 
wachsung des  ursprünglich  frei  verlaufenden  Nerven  durch  wuchernde 
Einzellymphdrüseu,  die  zu  größeren  Knoten  verschmelzen.  — 

lieber  die  Wirkung  sei  kurz  erwähnt,  daß  er  der  Hauptbeuger 
zwischen  Rumpf  und  Oberschenkel  ist  und  keine  nennenswerte  Roll- 
wirkung entfaltet,  daher  ist  auch  die  Bezeichnung  Trochanter  minor, 
d.  h.  kleiner  Roll  hügel,  ungerechtfertigt.  Der  entsprechende  Knochen- 
punkt muß  Beugehügel  heißen. 

M.  psoas  major. 

Synonyma :  Lendenmuskel ;  Psoas  magnus,  Pars  lumbalis  s.  lumbaris  ; 
Lombaire  interne,  pre-lumbo-trochantinien  (Chauss,). 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  ansehnliche  Muskelbauch,  welcher  auch  dem  Laien  unter 
dem  Namen  Filet  bekannt  ist,  entspringt  neben  der  Lendenwirbel- 
säule, sowohl  von  den  Körpern,  wie  von  den  Querfortsätzen.  Die 
genaue  Präparation  läßt  aber  mit  Leichtigkeit  den  Muskelbauch  vom 
5.  Lendenwirbelkörper  beiseite  schieben,  den  er  niemals  als  Ursprung 
benutzt.  Es  stehen  also  den  tiefen  5  Ursprüngen  von  sämtlichen  Lenden- 
wirbelquerfortsätzen nur  4  oberflächliche  von  den  entsprechenden  oberen 
Lendenwirbelkörpern  gegenüber.  Die  Trennung  der  beiden  Schichten 
läßt  sich  zum  großen  Teile  einwandfrei  bei  der  Freilegung  der  einzelnen 
Zweige  des  Plexus  lumbalis  erzielen.  Um  aber  die  einzelnen  neun 
Köpfe  darzustellen,  muß  eine  künstliche  Trennung  vorgenommen 
werden.  Dies  liegt  bei  den  Ursprüngen  von  den  Wirbelkörpern 
daran,  daß  sich  hier  gerade  über  der  Mitte  des  Knochens  eine  sehnige 
Arkade  zwischen  zwei  Nachbarportionen  herüberspannt,  welche  ihrer- 
seits den  Vasa  lumbalia  und  den  R.  communicantes  des  Truncus  sym- 
pathicus  zum  Durchtritte  in  die  Tiefe  dient.  Besonders  aber  muß 
betont  werden,  daß  auch  die  Fibrocartilagines  intervertebrales,  die 
Zwischenwirbeischeiben,  mit  zum  Ursprünge  dienen,  so  daß  hier 
für  einen  Skeletmuskel  außer  den  sonst  verwirklichten  Ursprungs- 
möglichkeiten vom  Knochen,  einem  Bande,  einer  Aponeurosis  inter- 
muscularis  oder  einer  Sehne,  einer  Membrana  interossea,  oder  inner- 
Handbuch der  Anatomie.    II,  ii,  3.  29 

33 


448 


N.  subcostalis 
(intercostalis 
N.  iliohypogastricus 


N.  ilioinguinalis  — 


N.  cut.  feraoris  latera 


M.  obturator  ext. 


Trochanter 
minor 


M.  tensor  fasciae  lat. 
(M.  glut.  ant.  nobis) 


Tuber  ischiadicum 


Linea  pectinea 


Fig.  13.    Tiefe  Banchmuskeln,  topographisch,  Muskel-  und  Nervenbild. 
34 


M.  psoas  major.  449 

Beschreibung  zu  nebenstehender  Fig.  13. 

Die  Abbildung  ist  so  gedacht,  daß  man  den  Bauchteil  mehr  von  proximal, 
den  Oberschen kclteü  mehr  von  distal  aus  sieht.  Trotzdem  erscheint  die  Länge  des 
M.  psoas  major  nicht  allzusehr  übertrieben.  Dargestellt  sind  die  retroperitonäalen 
oder  hinteren  Bauchmuskeln,  welche  beim  Ursprünge  vollkommen  in  der  Tiefe  liegen, 
in  der  Höhe  der  Spina  iliaca  anterior  superior  teilweise  die  Oberfläche  erreichen  und 
sich  im  Ansätze  wieder  in  die  Tiefe  wenden  zum  Trochanter  minor.  Im  genaueren 
gewinnt  der  tiefste  Muskel,  der  M.  quadratus  lumborum,  für  den  allgemeinen  Eindruck 
nur  eine  V^erbindung  zwischen  dem  unteren  Rande  der  12.  Rippe  und  dem  Labium 
internum  der  Crista  iliaca  des  Beckens.  Der  M.  psoas  major  reicht  weiter  proximalwärts 
empor,  sogar  bis  in  die  Brusthöhle  hinein  und  gewinnt  beim  Beckeneingang  seine 
größte  Breite.  Seine  Anheftung  am  Trochanter  minor  liegt  in  der  Tiefe  verborgen. 
Ueberlagert  wird  er  durch  den  oft  fehlenden  M.  psoas  minor,  dessen  Anheftung  an 
der  Linea  terminalis  medialwärts  und  am  Lig.  inguinale  lateralwärts  nicht  genug 
zu  betonen  ist,  weil  nur  bei  seiner  Gegenwart  em  Ligamentum  iliopectineum 
verwirklicht  ist,  während  beim  Fehlen  nur  mühsam  eine  kurze  Strecke  der  Fascia 
iliopcetinea  künstlich  herausgeschnitten  werden  kann,  eine  Aufgabe,  welche  den 
Studierenden  im  Präpariersaale  meistens  mißlingt.  —  Der  M.  iliacus  liegt  in  seinem 
Ursprünge  der  Darmbeinschaufel  und  damit  der  hinteren  Wand  der  Bauchhöhle 
an,  nähert  sich  aber  nach  der  freien  unteren  Extremität  hin  immer  mehr  der 
vorderen  Oberfläche  und  ist  sogar  dicht  unterhalb  des  Leistenbandes  durch  die 
Inspektion,  Palpation  und  elektrische  Reizung  zu  erreichen.  Dann  allerdings  senkt 
er  sich  schnell  in  die  Tiefe  und  ist  keiner  der  eben  erwähnten  Untersuchungs- 
methoden zugängig.  Die  Abbildung  zeigt  ferner  die  Plexus  lumbalis  und  sacrauß, 
ersteren  im  verborgenen  Teile  schwarz  gehalten  und  erst  mit  den  freien  Nerven 
doppelt  konturiert,  letzteren  vom  Foramen  sacrale  I  an  in  doppelter  Konturie- 
rung  mit  seinen  Stümpfen. 

Das  Zwerchfell  mußte  in  seinem  Lumbaiteile  angegeben  werden,  ebenso  aus 
topographischen  Gründen  die  A.  iliaca  communis  mit  ihren  beiden  Endästen; 
schließlich  noch  die  drei  Bruchpforten  für  die  vorderen  Hernien,  welche  als 
Anulus  subcutaneus,  Lacuna  vasorum  und  N.  obturatorius  in  unserer  Figur  be- 
zeichnet sind. 

Die  innere  Innervation  ist  angegeben  nur  für  die  M.  quadratus  lumborum, 
psoas  minor  et  major  und  iliacus.  Einzelheiten  darüber  sind  bei  den  entsprechenden 
Muskeln  nachzusehen. 

halb  der  Geleukhöhle,  noch  eine  siebente  von  einem  Faserknorpel  zu 
erwähnen  ist.  Gerade  der  Ursprung  von  diesen  Bandscheiben  läßt 
die  obertiächliche  Schicht  vollkommen  einheitlich  erscheinen.  Die  tiefe 
Lage  wird  erst  deutlich  sichtbar,  wenn  die  oberflächliche  abgehoben, 
oder  so  weit,  wie  es  nötig  ist,  entfernt  wird.  Die  5  Ursprünge  von 
den  Queifortsätzen  verlaufen  nicht  parallel  nebeneinander,  sondern 
decken  sich  teilweise  dachziegelartig.  Der  Muskelbauch  hat  seine  größte 
Breite  iu  der  Höhe  des  Promontorium,  verläuft  dann  über  der  Fossa 
iliaca,  von  ihr  jedoch  durch  eine  dünne  Schicht  des  M.  iliacus  ge- 
trennt, uud  entwickelt  die  äußerlich  sichtbare  Eudsehne  in  der  Höhe 
der  Diameter  transversa  des  Beckens.  Mit  Bezug  auf  den  Becken- 
eingang, die  Linea  arcuata,  ist  zu  bemerken,  daß  der  Muskelbauch 
den  Beckeueingang  verkleinert,  ohne  jedoch  ein  Geburtshindernis  ab- 
zugeben. Dies  liegt  jedenfalls  daran,  daß  der  Muskel  nur  außer- 
ordentlich wenig  Bindegewebe  enthält,  welches  ihm  bei  den  Tieren 
einerseits  den  W^ohlgeschmack  verleiht,  andererseits  die  leichte  Ver- 
schieblichkeit zur  Seite  erklärt.  Beim  Gleiten  über  die  Eminenlia 
iliopectiuea  hat  sich  in  der  Tiefe  bereits  die  ganze  Endsehue 
entfaltet  und  erzeugt  durch  ihre  Reibung  am  Knochen  einen  ent- 
sprechend großen  Schleimbeutel,  die  sogenannte  Bui  sa  iliopectiuea,  der 
piaktisch  mit  zu  den  wichtigsten  des  Körpers  gehört.  Im  Trigonum 
iliopectineum  besitzt  der  Muskel  fast  nur  noch  Sehnensubstanz  und 
heftet  sich  in  breiter  Fläche  an  der  vorderen  Hälfte  des  Trochanter 
minor,  unseres  „Beugehügels",  an.  29* 

35 


460  FROHSE  und    M.    FRÄNKEL, 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Lagebeziehung  zu  dem  Nerven,  d.  h.  zum  Plexus  lumbalis, 
ist  so  wichtig,  daß  wir  sie  bereits  in  die  allgemeine  Beschreibung 
gesetzt  haben,  wo  darüber  nachzusehen  ist. 

Die  vordere  Fläche  wird  rechts  noch  von  der  V.  cava  inferior 
überlagert,  während  die  median  gelegene  Aorta  abdominalis  den 
linken  M.  psoas  major  nicht  mehr  erreicht.  Hart  an  der  medialen 
Kante  verlaufen  innerhalb  der  Bauchhöhle,  d.  h.  an  den  Lendenwirbel- 
körpern der  Grenzstrang  des  Sympathicus  mit  seinen  Ganglien,  deren 
Zahl  allerdings  nur  in  den  seltensten  Fällen  4  eri eichen  dürfte,  wie 
die  mindestens  in  Vierzahl  vorhandenen  R.  communicantes,  sondern 
nach  unseren  Beobachtungen  nur  2  beträgt.  Am  Rande  des  kleinen 
Beckens  kommen  die  Vasa  iliaca  commuuia  und  an  der  Teilungsstelle 
der  ersteren  in  ihre  beiden  Endäste  der  Ureter  in  Betracht.  Letzterer 
ist  freilich,  wie  die  hier  nur  kurz  genannten  Vasa  spermatica  interna, 
durch  eine  Fettschicht,  mitunter  durch  eine  deutliche  Eingeweidefascie 
von  dem  Muskel  getrennt.  Dasselbe  gilt  von  der  Niere  und  ihren 
Gefäßen.  Die  mediale  Fläche  grenzt  an  die  Wirbelkörper  und  läßt 
hier  schmale  vertikale  Lücken  zum  Durchtritte  für  die  Vasa  lum- 
balia  1—4  und  die  R.  communicantes  des  Plexus  sympathicus  frei. 
Die  Facies  profunda  liegt  auf  den  Querfortsätzen  und,  durch  eine 
deutliche  Fascie  getrennt,  auf  den  M.  intertransversales  laterales. 

M.  iliacus. 

Synonyma:    Darmbeinmuskel;   M.  iliacus  internus;    Iliaque  (intern 
iliaco-trochantinien  (Chaussier). 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  hat  zwei  Ursprünge,  einen  oberen  größeren,  welcher 
dem  großen  Becken  entspricht,  dessen  ganze  Fossa  iliaca  er  ausfüllt^ 
und  einen  kleineren,  meistens  als  Varietät  beschriebenen,  welcher  aber 
trotzdem  als  normal  aufzufassen  ist,  unterhalb  der  Spina  iliaca  ant.  inf. 
Er  entspringt  rein  fleischig  und  ist  in  der  Stärke  seines  Bauches 
durch  die  Tiefe  der  Fossa  iliaca  bedingt.  Auch  bei  muskelkräftigen  In- 
dividuen ist  er  bei  weitem  nicht  so  dick,  wie  es  äußerlich  aussieht,  aber 
wie  man  durch  entsprechende  senkrechte  Einschnitte  feststellen  kann. 
Die  durchschnittlich  größte  Dicke  beträgt  etwa  2  cm.  Gefrierschnitte 
dürfen  nicht  zum  Vergleiche  herangezogen  werden,  weil  bei  diesen 
nur  in  den  seltensten  Fällen  und  nur  an  einzelnen  Stellen  die  Muskel- 
bündel senkrecht  durchtrennt  werden.  Ein  Schräg-  oder  erst  recht 
ein  Längsschnitt  kann  eine  doppelte  oder  noch  größere  Dicke  vor- 
täuschen. —  Der  zweite  Ursprung  umrahmt  die  Spina  iliaca  ant.  inf. 
und  die  hier  entspringende  mediale  Sehne  des  M.  rectus  femoris  von 
medial  und  unten  her,  hängt  jedoch  kontinuierlich  mit  der  oberen 
Hauptmasse  zusammen.  An  muskelkräftigen  Individuen  läßt  sich  aber, 
wenn  man  von  der  Spina  iliaca  ant,  sup.  aus  eine  künstliche  Tren- 
nung der  beiden  Portionen  vornimmt,  ein  besonderer,  bis  5  cm  breiter 
Muskel  herauspräparieren,  dessen  Masse  nicht  hinter  der  Hälfte  der- 
jenigen des  M,  tensor  fasciae  latae  des  gleichen  Präparates  zurück- 
steht. —  Die  mediale  Partie  geht  ohne  scharfe  Grenze  in  die  tiefste 
des  M.  psoas  major  über.     Der  Ausatz  findet  statt  nur  zum  kleinen 

36 


M..iliacus.  451 

Teile  am  Trochanter  minor,  aber  im  Gegensatze  zum  sehnigen  M. 
psoas  major  rein  fleischig;  genau  in  derselben  Weise  vollzieht  sich 
die  Anheftung  der  unteren  Partie  noch  weiter  herunter  zum  Ober- 
schenkelschafte. Die  Länge  dieses  Ansatzes  richtet  sich  nach  der 
Breite  des  Muskelbauches. 


Holotopie  und  Syntopie, 

Der  Muskel  besitzt  eine  besonders  distal  gut  entwickelte  Fascie. 
unter  welcher  sich  aber  auch  reichliches  Fett  vorfinden  kann.  In 
diesem  Räume  verlaufen  die  Eigennerven  und  -gefäße,  außerdem  der 
N.  cutaueus  femoris  lateralis,  und  im  Spalte  zwischen  ihm  und  dem 
M.  psoas  major  der  N.  femoralis.  Der  N.  genitofemoralis  liegt  be- 
reits auf,  d.  h.  nach  vorn  von  der  Binde.  Der  Margo  medialis  geht 
ohne  scharfe  Grenze  in  den  M.  psoas  major  über;  der  Margo  superior 
entspricht  der  Crista  iliaca  und  lateral  von  der  Spina  iliaca  ant.  inf. 
der  Sehne  des  M.  rectus  femoris.  Distal  finden  wir  keinen  Rand, 
sondern  nur  eine  Spitze,  wo  beim  Ansätze  die  Facies  lateralis  in  die 
medialis  übergeht.  Die  Facies  profunda  entspricht  den  Knochen,  be- 
sonders der  Fossa  iliaca.  Sein  Schleimbeutel,  die  Bursa  iliaca  sub- 
tendinea,  kann  größer  sein  als  die  gesonderte  des  M.  psoas  major 
(Frohse). 

Wirkung. 

Der  M.  iliopsoas  beugt  den  Oberschenkel  gegen  den  RumpH 
I.  Wenn  das  Becken  fixiert  ist,  also  beim  Spielbeine,  kann  die  Vorder- 
fläche des  Oberschenkels  so  weit  dem  Bauche  genähert  werden,  daß 
sich  die  Weichteile  berühren.  II.  Bei  fixiertem  Oberschenkel,  ge- 
wöhnlich also  beim  Standbeine,  beugt  der  Muskel  das  Becken  und 
damit  den  Rumpf  gegen  den  Oberschenkel,  und  auch  hier  kann  durch 
Uebung  die  Bauchhaut  in  Berührung  mit  dem  Oberschenkel  gebracht 
werden.  Die  meisten  Menschen  werden  dies  nur  beim  Sitzen  oder 
im  Liegen  erreichen  können;  die  Ausführung  dieser  Bewegung  in 
aufrechter  Haltung  setzt  turnerische  oder  akrobatische  Uebungen  vor- 
aus. Nennenswerte  Nebenwirkungen  außer  der  Beugung  können  wir 
dem  Muskel  nicht  zuerkennen.  Der  Trochanter  minor  liegt  zwar 
hinter  der  Achse  des  Femur,  aber  die  Verlaufsrichtung  der  allein  in 
Betracht  kommenden  Endsehne  ist  durch  die  Eminentia  iliopectinea 
einerseits,  die  Spina  iliaca  inferior  andererseits  festgelegt.  Die  Roll- 
wirkung im  Sinne  der  Abduktion  kann  nur  so  weit  gehen,  bis  in 
größter  Ausdehnung  der  Trochanter  minor  in  der  Fossa  iliopectinea 
gesehen  werden  kann.  Von  einer  adduzierenden  Wirkung  kann  auch 
bei  vorhergehender  ausgiebigster  Abduktion  nicht  die  Rede  sein. 

Der  Darstellung  von  Duchenne  ^)  (Seite  276 — 280)  können  wir 
in  den  Hauptsachen  vollkommen  beistimmen.  Jedoch  möchten  wir 
gegen  die  Bemerkung,  daß  der  Psoas  „nur  eine  Art  Anhang"  des 
M.  iliacus  bildet  (S.  277,  II),  so  berechtigt  sie  auch  vom  elektro- 
physiologischen  Standpunkte  aus  sein  mag,  unsere  anatomischen  Be- 
denken kundgeben. 

1)  Physiologie  der  Bewegungen  nach  elektrischen  Versuchen  und  klinischen 
Beobachtungen  von  G.  B.  Duchenne.  Aus  dem  Französischen  übersetzt  von 
Dr.  C.  Wernicke.    Cassel  und  Berlin,  Verlag  von  Theodor  Fischer,  1885. 

37 


452  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Innervation  des  M.  psoas  major. 

Dieser  Muskel  sollte  nach  seinen  Ursprüngen  theoretisch  versorgt 
werden  vom  12.  Brust-  bis  zum  letzten  Lendennerven  und  außer- 
dem zerfallen  in  eine  obeiHächliche  und  tiefe  Schicht.  Nach  Eisler 
kommen  die  entsprechenden  Nerven  eist  hervor  aus  den  Anastomosen 
zwischen  2.-5.  Lumbalnerven.  Augenscheinlich  handelt  es  sich  dann 
um  eine  Verschmelzung  des  1.  Lumbalnerven  mit  dem  12.  Intercostal- 
nerven  (N.  subcostalis) ;  denn  das  unserer  Abbildung  zugrunde  liegende 
Präparat  ließ  bereits  aus  der  Ansa  zwischen  1.  und  2.  Lumbalnerven 
Muskelzweige  hervorgehen,  sowohl  nach  lateral,  d.  h.  zur  Portio 
superficialis,  wie  nach  medial,  d.  h.  zur  Portio  profunda.  Die  Bezüge 
vom  2. — 4.  Lumbalnerven  sind  einwandsfrei,  jedoch  konnten  wir  einen 
selbständigen  Zweig  aus  dem  N.  lumbalis  V  nicht  nachweisen.  Wir 
waren  bei  unserer  Beschreibung  des  Beines  zuuäciist  im  Zweifel,  ob 
wir  überhaupt  den  M.  quadratus  lumborum  und  die  M.  psoas  major 
und  minor  als  Muskelstümpfe  zu  behandeln  hätten,  wie  es  in  der 
Berliner  Anatomie  unter  Trennung  der  Fibrocartilago  intervertebralis 
III — IV  gewöhnlich  gemacht  wird,  oder  nach  der  seinerzeit  in  Jena 
(Fürbringer)  ausgeführten  Methode,  bei  welcher  die  Durchtrennung 
oberhalb  der  12.  Kippe  gemacht  whd,  mit  anderen  Worten,  ob  die 
hinteren  Bauchmuskeln  zum  Rumpfe  oder  zum  Beine  gehören.  Zweifels- 
ohne ist  die  Jenenser  Methode  die  bessere,  weil  die  genannten  Muskeln 
bei  fixiertem  Rumpfe  mit  dem  M.  quadratus  lumborum  das  Becken 
und  damit  auch  das  Bein  seitwärts  heben,  mit  dem  M.  psoas  major 
den  Oberschenkel  beugen.  Allerdings  tritt  bei  Verlagerung  des 
Punctum  fixum  auf  die  uutere  Extremität  die  entgegengesetzte  Wirkung 
ein,  der  M.  quadratus  lumborum  bewegt  den  Rumpf  nach  der  gleich- 
namigen Seite  hin,  während  der  M,  psoas  major  den  Oberschenkel 
dem  Bauche,  also  dem  vorderen  Rumpfteile  nähert  bis  zur  Berührung 
der  Weichteile.  Fragen  wir  uns  nun,  ob  die  Innervation  einen  Auf- 
schluß gibt.  Bereits  die  Bauchmuskeln  haben  entsprechend  dem  Ver- 
laufe der  Rippen  und  ihrer  Verläuge)ung  einen  ausgesprochen  ab- 
steigenden Verlauf,  und  noch  mehr  gilt  dies  für  die  betrefienden 
Nerven.  Nun  hat  Eisler  dargestellt,  daß  die  Nerven  für  die  M.  psoas 
major  und  minor  nicht  so  weit  proximal  reichen  wie  die  Muskel- 
bäuche. Hieraus  dürfte  sich  die  Zusammengehörigkeit  des  M.  ilio- 
psoas  in  erster  Linie  mit  dem  Beine  ergeben,  während  der  proximale 
Teil  als  nach  oben  hin  gewandert  erscheint.  Beim  Menschen  hört 
allerdings  der  M.  psoas  gewöhnlich  mit  dem  Zwerchfelle  auf.  Bei 
verschiedenen  Tieren,  z.  B.  Hasen,  Lepus  timidus,  ist  er  noch  zur 
Brustwirbelsäule  weit  emporgeschoben.  —  Die  am  meisten  distal  ge- 
legenen Nerven  sind  recht  lang,  besonders  der  mediale,  welcher  einen 
langen  Sehnennerven  bis  zum  Trochanter  minor  hervorgehen  läßt. 

Innervation  des  M.  iliacus. 

Dieser  Muskel  wird  nach  Eisler  versorgt  aus  der  Ansa  zwischen 
3.  und  4.  Lumbalnerven.  Wir  glauben,  daß  dies  Verhalten  das  nor- 
male ist.  Der  Hauptzweig  liefert  von  proximal  nach  distal  zunächst 
einen  Sehnennerven,  dann  etwa  drei  motorische  Zweige  für  die  Portio 
endopelvina  und  schließlich  noch  eiuen  ganz  langen  Nerven  für  die 
Portio  extrapelvina.  Die  eistere  Verzweigung  ist  konstaut,  die  zweite 
nicht.     Entweder  verläuft  der  Nerv  wie  in  unserer  Abbildung  in  der 

38 


M.  psoas  minor.  453 

Tiefe,  oder  sie  nimmt,  wie  Frohse  sie  in  Fi^.  171  des  Atlas  der 
topoofraphischen  Anatomie  von  v.  Bardeleben,  Häckel  und  Frohse, 
4.  Aufl.,  abgebildet  hat,  einen  oberflächlichen  Weg  aus  dem  N.  femo- 
ralis.  Wenn  Anastomosen  vorhanden  sind,  sind  sie  praktisch  ohne 
Bedeutung. 

M.  psoas  minor. 

Synonyma:  Kleiner  Lendenmuskel;  Prelumbo-pubien,  petit  psoas. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  inkonstante  Muskel  stellt  ein  verkleinertes  Bild  des  M.  psoas 
major  dar.  Mit  seinem  Ursprünge  vom  1.  Lenden-  und  selbst  dem 
12.  Brustwirbel  erreicht  oder  überiagt  er  sogar  den  größeren  Muskel. 
Der  spindelförmige  Bauch  geht  jedoch  nicht  über  die  Höhe  des 
2.  Lendenwirbels  distalwärts.  Die  je  nach  der  Dicke  des  Muskel- 
bauches verschieden  breite  Endsehne  erreicht  niemals  die  freie  untere 
Extremität,  sondern  heftet  sich  bereits  im  kleinen  Becken  an  und 
zeigt  eine  breite  Verbindung  mit  dem  Lig.  inguinale  (Pouparti). 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Auch  wenn  der  Muskel  vorhanden  ist,  bedingt  er  keine  nennens- 
werte Erhöhung  des  Psoaswulstes.  Sein  Ursprung  schiebt  sich  unter 
den  Arcus  lumbocostalis  medialis  herunter,  so  daß  der  Ursprung  vom 
12.  Brustwiibel,  welcher  nicht  regelmäßig  vorhanden  ist,  erst  durch 
Trennung  des  entsprechenden  Zwerchfeilabschuittes  zu  sehen  ist. 
Beim  Menschen  hört  der  M.  iliopsoas  mit  dem  Zwerchfelle  auf,  beim 
Hasen  z.  B.  schiebt  sich  jedoch  der  Ursprung  weit  in  die  Brustwirbel- 
säule proximalwärts.  Ein  Uebeigreifen  auf  letztere  stellt  also  für 
den  Menschen  eine  Theromorphie  dar.  Der  Muskelbauch  selbst  ent- 
springt der  Hauptsache  nach  vom  1.  Lendenwirbelkörper,  ist  spindel- 
förmig und  nach  unseren  Beobachtungen  höchstens  6  cm  lang.  Die 
Endsehne  ist  lang,  aber  ganz  flach,  erfährt  jedoch  in  der  Nähe  des 
Ansatzes  am  Pecten  ossis  pubis  eine  bedeutende  Veibreiterung,  welche 
als  sogenanntes  Lig.  iliopectineum  die  Hauptmasse  dieses  Bandes 
bildet.  Wenn  der  M.  psoas  minor  fehlt,  kommt  ein  Lig.  iliopectineum 
überhaupt  nicht  zustande,  es  muß  dann  künstlich  aus  der  Fascia  iliaca 
herausgeschnitten  werden.  Augenscheinlich  ist  dieses  Band  nur  aus 
theoretischen  und  praktischen  Erwägungen  als  solches  bezeichnet 
worden,  weil  in  der  Tat  eine  scharfe,  wenn  auch  nicht  ligamentöse 
Scheidewand  besteht  zwischen  der  Lacuna  vasorum  und  musculorum, 
welche  einerseits  den  anatomischen  Gebilden  und  andererseits  den 
entzündlichen  Prozessen  ihren  Weg  vorschreibt.  Der  Hauptansatz 
der  Endsehne  am  Pecten  ossis  pubis  kann  dort  einen  mitunter  sehr 
deutlichen  Stachel  erzeugen,  welcher  nach  Waldeyer  ^)  (S.  119)  eventuell 
als  Hindernis  beim  Geburtsakte  wirken  kann. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Da  der  Muskel  in  seinen  Grenzen  niemals  den  M.  psoas  major 
überragt,  so  mögen  hier  die  Bemerkungen  genügen,    welche  wir  für 

1)  Waldeyer,  Das  Becken,  Bonn,  Verlag  von  F.  Cohen,  1899. 

39 


454  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

den  M.  psoas  major  bis  zum  Erreichen  des  Lig.  inguinale  angegeben 
haben. 

Wirkung. 

Diese  ist  aus  dem  Grunde  interessant,  weil  wir  in  ihm  auch  einen 
mittleren  Beckenhalter  vertreten  sehen  müssen.  Der  hintere  ist  näm- 
lich der  M.  quadratus  lumborum  und  der  vordere  der  M.  pjTamidalis. 
Letzterer  sowohl,  wie  er  selbst  können  fehlen,  so  daß  sie  nicht  als 
besonders  wichtige  Muskeln  bezeichnet  werden  können. 

Innervation. 

Diesen  inkonstanten  Muskel  nach  seiner  Innervation  zu  prä- 
parieren, hatten  wir  keine  Gelegenheit.  Wir  haben  sie  angegeben 
(s.  Fig.  13)  nach  dem  EiSLERschen  Schema,  dem  zufolge  die  dünnen 
Nerven  herauskommen  aus  den  Ansäe  zwischen  2.,  3.  und  4.  Lumbal- 
nerven. Diese  Darstellung  ist  schwer  zu  erklären,  weil  der  Muskel- 
bauch schon  in  der  Höhe  des  1.  Lendenwirbels  entspringt. 

M.  glutaeus  maximus. 

Synonyma :  Großer  Gesäßmuskel ;  Glutaeus  magnus  (Alb.),  M.  g.  major 
aut. ;    Grand  fessier,  sacro-femoral  (Chaussibr),    ilio-sacro-femoral  (Dum.). 

AllgemeineBeschreibung. 

Die  starke  ungefähr  viereckige  Muskelplatte  nimmt  den  größten 
Teil  der  Hüftgegend  ein,  indem  sie  schräg  von  oben  -  medial  nach 
unten  -  lateral  verläuft.  Die  Entwicklung  erreicht  beim  Menschen 
durch  seineu  aufrechten  Gang  an  diesem  Muskel  den  höchsten  Grad. 
Der  Ansatz  findet  sich  mit  den  oberen  Bündeln  sonderbarerweise 
nicht  am  Oberschenkelbeine,  sondern  erst  durch  den  Tractus  ilio- 
tibialis  (Maissiati)  am  oberen  Ende  des  Schienbeines.  Die  unteren 
Muskelbündel  gehen  zum  Oberschenkelbeine  und  erzeugen  dort  die 
Tuberositas  glutaea,  welche  sich  beim  Menschen  nur  selten  zum 
Trochanter  tertius  ausbildet.  Bei  der  Wirkung  sind  zwei  Tatsachen 
zu  berücksichtigen,  ob  nämlich  das  Becken  der  feste  Punkt  ist,  oder 
das  Bein.  Bei  feststehendem  Becken  wird  ein  Oberschenkel  nach 
hinten  bewegt.  Ist  das  beim  rechten  Beine  der  Fall,  so  wird  es  das 
Spielbein  genannt,  während  das  linke  als  Standbein  bezeichnet  wird. 
In  dieser  Streckwirkung  kommt  er  den  hinteren  Bündeln  des  M.  del- 
toideus  gleich,  dessen  hinterer  Rand  ja  die  gleiche  Richtung  des 
Muskelbauches  aufweist.  Die  zweite  Möglichkeit  ist  die,  daß  ein  oder 
beide  Beine  festgestellt  sind.  Dann  bewirkt  die  Zusammenziehung 
des  oder  der  M.  glutaei  maximi  eine  Aufrichtung  des  gebeugten 
Rumpfes  oder  die  stramme,  militärische  Haltung  des  Körpers.  Ein 
dritter  Punkt,  der  gewöhnlich  in  den  Lehrbüchern  nicht  angegeben 
wird,  betrifft  den  Verschluß  des  Anus.  In  der  Tat  stellen  die  beiden 
M.  glutaei  wohl  den  stärksten  willkürlichen  M.  sphincter  ani  dar. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  wird  zweckmäßig  A.  in  eine  oberflächliche,  ohne 
weiteres  präparatorisch  zutage  liegende  und  B.  eine  tiefe  Schicht  zer- 

40 


M-  glutaeus  maximua.  455 

legt,  welche  erst  nach  der  Durchtrennung  des  Gesamtmuskels  und 
unter  Zurückschlagung  des  medialen  Lappens  zu  Gesicht  gebracht 
werden  kann,  und  liegt 

A.  1)  an  der  Crista  iliaca,  ungefähr  entsprechend  dem  hinteren 
Fünftel;  2)  an  der  Spina  iliaca  posterior  superior;  3)  au  der  Fascia 
lumbodorsalis,  durch  welche  er  Beziehungen  zu  den  Dornfortsätzen 
des  Kreuzbeines  und  mitunter  sogar  in  deutlicher  Weise  von  den 
unteren  und  selbst  den  3  unteren  Lendenwirbeln  gewinnen  kann; 
4)  an  der  Seitenfläche  des  Kreuzbeines,  selbst  bis  zum  Cornu  sacrale 
hin;  5)  an  der  Seitenfläche  des  Steißbeines  bis  nahe  an  die  Spitze 
heran. 

B.  Als  tiefe  Ursprünge  sind  zu  erwähnen:  6)  von  der  äußeren 
oder  hinteren  Fläche  der  Darmbein  schaufei  nach  hinten  von  der  senk- 
recht nach  unten  verlaufenden  Linea  glutaea  posterior;  7)  vom  Lig. 
sacrotuberosum,  von  welchem  ein  Teil  bereits  durch  Hochklappen 
des  unteren  Randes  des  Muskels  sichtbar  gemacht  werden  kann; 
8)  vom  Lig.  sacroiliacum  posterius  longum;  9)  von  einem  Sehnen- 
bogen, welcher  als  starke  fibröse  Platte  vom  Lig.  sacrotuberosum 
ausgeht,  den  M.  piriformis  überbrückt  und  am  oberen  Rande  des 
Foramen  ischiadicum  majus  sich  anheftet  und  eine  nicht  unbedeutende 
Verengerung  dieses  Loches  bewirkt;  10)  als  akzessorischen  Ursprung 
möchten  wir  anführen  den  Zusammenhang  des  oberen  Randes  mit  der 
sogenannten  Fascia  glutaea  media,  aus  welcher  sich  in  wechselnder 
Länge  und  Zahl  Muskelbündel  loslösen  können. 

Der  Ursprung  ist  im  allgemeinen  rein  fleischig ;  nur  beim  Ueber- 
gange  in  die  Fascia  lumbodorsalis  und  gegen  die  Spitze  des  Steiß- 
beines hin  finden  sich  deutliche  Sehnenbündel,  die  aber  normalerweise 
niemals  eine  solche  Mächtigkeit  erlangen,  daß  man  von  einer  Ur- 
sprungssehne reden  kann.  Der  Muskelbauch  selbst  besteht  fast  aus- 
schließlich aus  parallel  angeordneten,  groben  Bündeln,  die  niemals 
wieder  auch  nur  in  annähernd  gleicher  Stärke  am  menschlichen  Körper 
wiederkehren.  Die  Endsehne  entwickelt  sich  etwa  in  Höhe  des 
Trochanter  major  und  zwar  in  der  tiefen  Schicht  frühzeitiger,  als 
oberflächlich,  und  wendet  sich  teils  zum  Tractus  iliotibialis,  d.  h.  zum 
Schienbeine  hin,  teils  zum  Labium  laterale  der  Linea  aspera,  besonders 
zu  ihrem  oberen  Teile,  der  als  Tuberositas  glutaea  immer  verwirklicht  ist, 
selten  sogar  zum  Trochanter  tertius  auswächst.  Die  Grenze  zwischen 
beiden  Teilen  gibt  sich  äußerlich  in  keiner  Weise  kund,  muß  viel- 
mehr erst  künstlich  herauspräpariert  werden,  worauf  wir  bei  der  Be- 
schreibung des  Tractus  iliotibialis  zurückzukommen  haben  werden. 
Der  obere  Teil  umfaßt  durchschnittlich  ungefähr  ein  Drittel,  der  untere 
zwei  Drittel. 

Die  Fascie  ist  zwar  verhältnismäßig  schwach,  besonders  gegen 
den  Ursprung  hin,  schickt  aber  zwischen  die  einzelnen  Bündel  recht 
kräftige  Septa  in  die  Tiefe.  Eine  genaue  Präparation  läßt  an  der 
einheitlichen  Platte  der  Gesamtfascie  diese  bindegewebigen  Scheide- 
wände als  parallele  Längsleisten  erscheinen,  vergleichbar  den  aller- 
dings eng  aneinander  gerückten  gleichgenannten  des  Nagelbettes. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  entspricht  mit  seiner  Oberfläche  der  Haut  und  Fascie, 
in  welcher  sich   die  N.  clunium  superiores  (N.  iliohypogastricus,   R. 


456  FROHSE  und   M.   FRÄNKEL, 

lateralis  der  N.  lumbales  und  ein  lateraler  Endzweig  des  N.  ilio- 
inguinalis)  verzweigen,  ferner  die  N.  clunium  medii,  welche  den 
R.  posteriores  der  N.  sacrales  (et  coccygeus)  entstammen,  und  die 
N.  clunium  inferiores  aus  dem  N.  cutaneus  femoiis  posterior.  Die 
Gefäße  führen  keine  besonderen  Namen.  Bei  der  Beschreibung  der 
einzelnen  Ränder  dürfte  es  am  einfachsten  sein,  den  Muskel  als  Viereck 
zu  beschreiben,  mit  einem  medialen  Rande,  welcher  gleichbedeutend 
mit  dem  Ursprünge  wäre,  einem  lateralen  Rande,  welcher  in  den 
Ansatz  übergeht,  einem  oberen,  welcher  sich  an  den  M.  glutaeus 
medius  anschließt,  und  einem  unteien,  welcher  sich  gegen  den  Ober- 
schenkel wendet.  Der  mediale  Rand  ist  etwas  konvex  und  entspricht 
den  bei  der  Idiotopie  unter  1 — 5  erwähnten  Knochen.  Der  obere 
ist  ebenfalls  etwas  gebogen  und  eihebt  sich  allmählich  über  den 
M.  glutaeus  medius.  Hätte  der  Muskel  gleich  im  Beginne  die  Dicke, 
welche  er  in  der  Mitte  oder  gegen  den  unteien  Rand  besitzt,  so  müßte 
er  sich  äußerlich  als  sehr  starker  Wulst  durch  die  Haut  hindurch 
bemerkbar  machen. 

Es  gibt  jedoch  noch  einen  anderen  Ausgleich,  indem  sich  hier  ein  be- 
sonderes Corpus  adiposum  findet,  auf  welches  unter  andeien  wohl  Wal- 
DEYER  am  meisten  hingewiesen  hat,  der  sogenannte  Weichen-Fettkörper, 
dei"  sich  also  auch  noch  unter  die  Crista  iliaca  gegen  das  Gesäß  hin 
herunterschiebt.  Dieser  Tettkörper  der  Weichen  ist  besondeis  miiclitig 
beim  W^eibe  entwickelt,  bei  welchem  er  besonders  die  schwellende  Form 
der  Hüften  bedingt,  aber  auch  beim  Wanne  haben  wir  ihn  in  einer 
Stärke  bis  zu  5  cm  gesehen.  In  ganz  typischer  Weise  hebt  er  sich  bei 
guter  Entwicklung  mit  seinen  großen ,  nur  wenig  Bindegewebe  ein- 
schließenden Lappen  gegen  das  aus  viel  kleineren  FetttiäubcLen  zu- 
sammengesetzte Unterhautfettgewebe  ab,  von  dem  er  außeidem  durch 
eine  Bindegewebsschicht  mitunter  spaltartig  getjennt  ist.  Wir  haben 
hier  nicht  darauf  hinzuweisen,  in  welchei-  Weise  er  den  Raum  zwischen 
dem  Wulste  des  M.  sacrospinalis  und  dem  M.  latissimus  dorsi,  also  ober- 
halb der  Crista  iliaca  ausfüllt,  wohl  aber  müssen  wir  betonen,  daß  dieser 
Fettkörper  ohne  Grenze  nach  unten  über  diesen  Knocheniand  hinweg- 
reicht und  nunmehr  in  dem  von  uns  zu  beschieibenden  Teile  den  Unter- 
schied des  Wulstes  zwischen  den  M.  glutaei  maximus  und  medius  aus- 
gleicht. Auch  bei  sehr  abgemagerten  Personen  verfällt  dieser  Fettköiper 
nicht  so  sehr  dem  Schwunde  wie  die  Fettträubchen  der  Unterhaut. 

Der  laterale  Rand  ist  nicht  so  scharf  ausgesprochen,  wie  die 
anderen,  indem  eine  scharf  abgesetzte  Endsehne  fehlt.  Nichtsdesto- 
weniger entsteht  mit  dem  Aufhören  der  Muskelsubstaiiz  besonders  im 
oberen  Teile  eine  Vertiefung,  welche  den  Trochanter  niMJor  von  hinten 
her  umrahmt,  aber  auch  der  obere  Rand  dieses  Höckers  kann  eine 
muskulöse  Decke  aufweisen,  welche  auf  eine  besonders  starke  p]nt- 
wicklung  der  proximalen  Bündel  des  großen  Gesäßmuskels  zurückzu- 
führen ist.  Bei  muskelschwachen  und  abgemagerten  Personen  tritt 
dieser  Knochenvorsprung  als  die  größte  Erhebung  zutage.  Nicht  so 
bei  muskelkräftigen,  bei  welchen  der  Tiochanter  major  als  flache 
rundliche  Ei  höhung  in  einem  Muskeltale  erscheint.  Der  hinteie  (Jrenz- 
wall  kommt,  wie  gesagt,  durch  den  Uebergang  des  Muskelfleisches 
in  die  Sehne  zustande,  der  andere  Teil  des  Ansatzes  geht  zur  Tube- 
rositas  glutaea.  Der  untere  Rand  verläuft  ungefähr  parallel  dem 
oberen,    schräg  von  oben- medial    nach   unten -lateral   und  hat   sehr 

42 


M.  glutaeus  maximus.  457 

wichtige  Lagebeziehungen  zu  der  Fossa  ischiorectalis,  dem  Tuber 
ischiadicum  und  weiterhin  dem  Oberschenkel.  Die  schräge  Richtung 
kann  nicht  hinreichend  genug  hervoi gehoben  weiden,  weil  sie  nämlich 
nicht  identisch  ist  mit  der  allgemein  bekannten  queren  Gesäßfurche. 
Indessen  findet  sich  diese  nur  beim  Standbeine  oder  dem  nach  hinten 
gewendeten,  d.  h.  gestreckten  Beine.  Wenn  ein  Bein  nach  vorn  ge- 
wandt, d.  h.  gebeugt  wird,  verschwindet  die  quere  Gesäßfurche,  und 
es  macht  sich  nur  der  untere  schräge  Rand  des  Muskels  selbst  be- 
merkbar. Wir  müssen  nach  einer  Erklärung  für  dieses  Phänomen 
suchen,  welche  an  geeigneten  Präparaten,  besonders  nach  Injektion 
mit  starker  Formalin-  oder  Alkohollösung  zu  erbringen  ist.  Die  Fascie 
des  M.  glutaeus  maximus  erfährt  distal  von  der  queren  Gesäßfurche 
mit  einem  Male  eine  ganz  bedeutende  Verstärkung,  so  daß  sich  dieser 
kleine  untere  Teil  als  zur  eigentlichen  Fascia  lata  gehörig  erweist. 
Luschka  (s.  Poirier,  S.  192)  hat  diese  Bildung  als  Ligg.  ischio-cutanea 
bezeichnet.  Die  Fascia  lata  hüllt  nämlich  die  Obeischenkelmuskeln 
in  sehr  energischer  Weise  ein,  wenn  auch  bei  den  einzelnen  Muskel- 
gruppen in  verschiedener  Stärke.  Ihre  geringe  Dicke  über  der  Ad- 
ductoiengruppe  gibt  ja  zu  den  unliebsamen  Muskelhernien  an  dieser 
Stelle  Veranlassung,  und  darum  muß  betont  werden,  daß  sie  am 
unteren  Teile  des  M.  glutaeus  maximus  recht  kräftig  entwickelt  ist 
und  topographisch  zur  hinteren  Oberschenkelgegend  gehört.  Das 
Verschwinden  der  queren  Gesäßfurche  bei  Beugung  des  Beines  findet 
eine  ungezwungene  Erklärung  durch  die  passive  Dehnung,  welche  bei 
dieser  Haltung  nicht  allein  der  M.  glutaeus  maximus,  sondern  auch 
die  am  Oberschenkel  gelegene  Beugegruppe  erfährt.  —  Der  Raum 
zwischen  Steißbein  und  Tuber  ischiadicum  wird  am  Muskelpräparate 
Fossa  ischiorectalis  genannt  und  ausgefüllt  durch  Fett.  Jm  Gegen- 
satze zu  dem  oben  beschriebenen  Weichen-Fettköi  per  stellt  die  Fett- 
masse, welche  sich  in  diesen  Raum  hineinschiebt,  nur  eine  Fortsetzung 
des  Untei  hautfettgewebes  dar  ohne  wesentliche  Formunterschiede  und 
Abgrenzung  durch  eine  besondere  Fascie,  höchstens  daß  die  einzelnen 
Läppchen  größere  Form  annehmen,  und  das  Bindegewebe  weniger 
dicht  ist.  Ein  eigentlicher,  selbständiger  Fett  k  ö  r  p  e  r  der  Fossa  ischio- 
rectalis besteht  nach  unserer  Aulfassung  nicht. 

Die  Frage,  ob  der  M.  glutaeus  maximus  unter  allen  Umständen 
das  Tuber  ischiadicum  ganz  oder  teilweise  bedeckt,  muß  je  nach  der 
Stellung,  in  welcher  sich  das  Bein  befindet,  eine  verschiedene  Be- 
antwortung erfahren.  Wenn  die  beiden  Muskeln  mit  aller  Kraft  sich 
zusammenziehen,  also  ihrer  Bedeutung  als  M.  sphincteres  superficiales 
gerecht  werden,  sind  sicher  beide  Tubera  ischiadica  von  ihnen  über- 
lagert. In  der  gewöhnlichen  Haltung,  in  der  man  ein  Bein  zu  prä- 
parieren pflegt,  sei  es  an  der  ganzen  Leiche,  oder  der  losgelösten 
unteren  Extremität,  kann  es  vorkommen,  daß  ein  kleinerer  oder 
größerer  Teil  des  Tuber  ischiadicum  nicht  mehr  vom  Muskelfleische 
beJeckt  ist.  Die  dritte  Möglichkeit  ist  die,  daß  man  ein  Präparat 
beschreibt,  welches  in  der  sogenannten  Dammhaltung  dargestellt  ist, 
d.  h.  wenn  die  gespreizten  Beine  stark  gegen  den  Rumpf  gebeugt 
sind,  und  so  sich  die  Regio  perinealis  mit  den  Tubera  ischiadica  in 
aller  Klarheit  zeigt.  Dann  können  wir  allerdings  nur  zugestehen, 
daß  die  fraglichen  Knochenpunkte  oft  in  ganzer  Ausdehnung  zu  er- 
kennen sind.  Von  diesen  präparatorischen  Gesichtspunkten  aus 
müssen  wir  auch  die  für  den  Lebenden  wichtige  Frage  erörtern,   ob 

43 


458  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

beim  Sitzen  die  Tubera  ischiadica  vom  Muskel  bedeckt  werden  oder 
nicht.  Wenn  die  Beine  übereinander  geschlagen  sind,  können  wir 
eine  größere  Ueberlagerung  durch  die  M.  glutaei  annehmen,  als  wenn 
die  Oberschenkel  parallel  nebeneinander  gerade  nach  vorn  gerichtet 
sind,  oder  wenn  sie  aus  diesem  oder  jenem  Grunde  gespreizt,  d.  h. 
lateral  gewandt  sind.  Wir  müssen  bei  dieser  Tatsache  etwas  länger 
verweilen,  weil  sich  an  dieser  Stelle  zuweilen  ein  oder  mehrere 
Schleimbeutel  finden.  Der  eine  oberflächlich  zwischen  Haut  und 
Muskel,  der  andere  in  der  Tiefe  zwischen  dem  Tuber  ischiadicum  und 
im  Anschlüsse  daran  vom  Lig.  sacrotuberosum,  die  Bursa  ischiadica 
m.  glutaei  maximi.  Für  den  in  den  B.  N.  A.  nicht  bezeichneten  ersteren 
Schleimbeutel,  Bursa  subcutanea  ischiadica,  dürfte  dieser  Name  dem  Ver- 
ständnisse keine  Schwierigkeiten  bereiten.  Beide  erfüllen  den  gleichen 
Zweck,  die  Reibung,  sei  es  zwischen  Haut  und  Knochen,  oder  Muskel 
und  Knochen,  zu  verringern.  In  einigen  Fällen  haben  wir  sowohl 
den  oberflächlichen  wie  den  tiefen  gefunden,  in  den  meisten  Fällen 
beide  vermißt,  recht  oft  nicht  einmal  durch  schlüpfriges  Bindegewebe 
angedeutet  gefunden. 

An  der  Facies  profunda  müssen  drei  Abschnitte  unterschieden 
werden:  Ursprung,  freie  Muskelfläche  und  Ansatzgebiet.  Das  Ur- 
sprungsgebiet deckt  sich  mit  den  oben  unter  6—9  angegebenen 
Teilen,  bedarf  also  weiter  keiner  weiteren  Besprechung,  höchstens, 
daß  die  Sehnenarkade  über  dem  Foramen  ischiadicum  majus  von 
verschiedenen  Gefäßen  durchbohrt  wird,  von  denen  ein  recht  großes 
durch  Schwalbe  mit  dem  besonderen  Namen  A.  perforans  lig.  sacro- 
tuberosi  bedacht  ist;  auch  ein  gleichnamiger  Nerv  nimmt  denselben 
Weg,  Die  freie,  tiefe  Fläche,  die  Facies  profunda,  bildet  die  mächtige 
Schutzdecke  für  die  Gebilde,  welche  aus  dem  Beckeninnern  zur 
Beckenrückfläche,  zu  den  äußeren  Geschlechtsteilen  und  vor  allem 
zur  freien  Extremität  selbst  verlaufen.  Eine  ausführliche  Beschreibung 
der  topographischen  Verhältnisse  kann  jedoch  hier  noch  unterlassen 
werden,  weil  wir  sie  an  anderer  Stelle  beim  M.  piriformis  ausführ- 
licher erörtern  wollen  und  wir  so  den  unnützen  Wiederholungen  aus 
dem  Wege  gehen  können.  Nur  ein  Punkt  muß  hier  beschrieben 
werden,  nämlich  die  Versorgung  des  Muskels  durch  Gefäße  und 
Nerven.  Trotz  der  Mächtigkeit  des  Muskels  haben  wir  nur  einen 
Nerven,  den  N.  glutaeus  inferior,  der  ungefähr  im  Zentrum  des 
Muskelvierecks  eintritt,  jedoch  an  dieser  Stelle  bereits  in  eine  sehr 
große  Anzahl  von  einzelnen  Nervenzweigen  aufgelöst  ist;  am  besten 
kann  man  dies  mit  den  Strahlen  eines  Fächers  vergleichen,  dessen  Stiel 
am  M.  ischiadicus  sitzt,  wo  dieser  unter  dem  M.  piriformis  zum  Vorschein 
kommt.  Auch  die  Hauptgefäße  des  Muskels  treten  nahezu  an  derselben 
Stelle  zutage,  die  Vasa  glutaea  inferiora.  Für  eine  ausgiebige  Ver- 
sorgung, welche  für  den  Kollateralkreislauf  nicht  unwichtig  ist,  sorgt 
jedoch  im  oberen  Teile  des  Muskels  ein  ansehnlicherZweigder  A.  glutaea 
superior.  Frohse  hat  für  die  Aeste  der  A.  glutaea  in  Fig.  163  des 
Atlas  der  topogiaphischen  Anatomie  folgende  Einteilung  vorgeschlagen : 

1)  R.  superficialis,  der  eben  erwähnte  Zweig  für  den  oberen  Teil 
des  M.  glutaeus  maximus, 

2)  R.  profundi,  von  denen  der  obere,  R.  profundus  superior, 
ungefähr  entsprechend  der  Linea  glutaea  anterior  verläuft,  während 
der  andere,  der  R.  profundus  inferior,  sich  ungefähr  horizontal  zwischen 
den  M.  glutaeus  medius  und  minimus  einschiebt. 

44 


M.  glutaeus  maximus.  459 

An  Schleim  beuteln  sind  außer  den  bereits  beschriebenen  in  der 
Gegend  des  Tuber  ischiadicum  zwei  andere  in  der  Höhe  des  Trochanter 
major  vorhanden.  Der  eine  konstante  liegt  in  der  Tiefe  unterhalb 
der  Sehne,  Bursa  trochanterica  m.  glutaei  maximi,  und  ein  inkonstanter 
zwischen  Sehne  oder  besser  Fascie  und  Haut,  die  Bursa  trochante- 
rica subcutanea. 

Die  letztere  ist  ein  Berufsschleimbeutel,  welcher  bei  denjenigen 
Leuten  vorkommt,  welche  starkem  Drucke  der  Trochanterengegend  aus- 
gesetzt sind.  Nach  einer  persönlichen  Mitteilung  von  F.  Hein,  Berlin, 
kommt  er  besonders  häutig  bei  Drehorgelspielern  vor,  welche  ihr 
schweres  Instrument  während  des  Transportes  auf  den  Trochanter 
major  aufstützen  müssen.  Die  konstante  Bursa  trochanterica  m.  glutaei 
maximi  ist  recht  groß,  ungefähr  von  dem  Durchmesser  eines  Drei- 
markstückes und  liegt  unter  dem  Traktusteile  der  Sehne.  Wir  möchten 
hier  ein  sehr  einfaches,  auch  von  dem  Studierenden  mit  Leichtigkeit 
durchzuführendes  Verfahren  angeben,  welches  unseres  Wissens  noch 
wenig  gebraucht  und  im  Berliner  Anatomischen  Institut  durch  F.  Hein 
besonders  eingeführt  ist. 

Der  zu  untersuchende  Schleimbeutel  wird  an  einer  günstig  gelegenen 
Stelle  in  einer  Ausdehnung  bis  zu  1  cm  Länge  angeschnitten  und  dann 
die  Höhle  mit  Watte  ausgestopft,  weißer  oder  noch  vorteilhafter  schwarzer 
oder  gelber,  deren  Färbung  man  ja  selbst  nach  Bedürfnis  erzielen  kann. 
Das  Verfahren  ist  einfach,  billig  und  reinlich  und  kann  das  Präparat 
nicht  verderben,  wie  es  bei  anderen  Methoden  mit  Gips-  oder  Wachs- 
injektionen vorkommt;  bei  letzterer  Methode  ist  ja  eine  vorherige  An- 
wärmung durchaus  wünschenswert,  die  ja  immer  auf  Kosten  der  Schönheit 
des  Muskelpräparates  vor  sich  geht.  Außerdem  kann  nach  dem  Studium 
des  ausgedehnten  Schleimbeutels  die  Watte  ohne  jeden  Schaden  für  das 
Präparat  wieder  entfernt  werden,  und  schließlich  ist  zu  beachten,  daß  die 
Ausstopfung  mit  Watte,  auch  wenn  sie  sehr  energisch  durchgeführt  ist, 
doch  noch  einen  ziemlichen  Grad  von  Beweglichkeit  der  deckenden 
Schichten  erlaubt,  während  bei  den  zu  festen,  unbeweglichen  Massen 
erstarrenden  Injektionsmitteln  die  Herstellung  der  ursprünglichen  topo- 
graphischen Lage  oft  auf  unüberwindliche  Schwierigkeiten  stößt. 

Außerdem  finden  sich  noch  zwischen  den  einzelnen  Bündeln  der 
Ansatzsehne  au  Zahl  und  Ausdehnung  wechselnde  kleinere  Schleim- 
beutel, welche  wir  bei  den  Armmuskeln  als  intertendiuöse  bezeichnet 
haben.  Ihre  Größe  dürfte  in  seltenen  Fällen  über  die  einer  Haselnuß 
hinausgehen.  Ob  bei  der  viel  schwächeren  Ursprungssehne  ähnliche 
Schleimbeutel  vorkommen,  halten  wir  nach  Analogie  der  Befunde  am 
M.  deltoideus  für  möglich,  aber  nicht  für  sehr  wahrscheinlich. 

Wirkung. 

Bei  der  Wichtigkeit  derselben  haben  wir  sie  bereits  ausführlich 
bei  der  allgemeinen  Beschreibung  mit  in  Betracht  gezogen.  Wir 
unterscheiden  drei  Hauptwirkungen: 

I.  Wenn  ein  Bein  dem  Boden  fest  aufsteht,  das  sogenannte  Stand- 
bein, und  das  andere  Bein  als  Spielbein  nach  hinten  bewegt  wird. 
Diese  Wirkung  wird  als  Streckung  des  Beines  bezeichnet,  analog  der 
des  Oberarmes. 

45 


460  FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 

IL  Der  Rumpf  ist  gebeugt,  und  ein  oder  beide  Beine  stützen  sich 
fest  auf  eine  Unterlage,  bilden  das  Punctum  fixum.  Dann  wiid  der 
Rumpf  gegen  das  Beiu  im  Hüftgelenke  ge^treckt.  Es  ist  gleichgültig, 
in  welcher  Haltung  die  Wirbelsäule  sich  dabei  befindet,  deren  Eigen- 
streckung ja  durch  besondere  Muskeln  erzielt  wird,  nämlich  die 
M.  sacrospinalis  usw.  Wenn  der  Mensch  auf  beiden  Beinen  steht, 
wirken  selbstverständlich  beide  M.  glutaei  maximi  als  Strecker  des 
Rumpfes  oder,  wie  wir  auch  sagen  können,  um  Mißverständnissen 
vorzubeugen,  Strecker  des  Beckens.  Wenn  dagegen  nur  ein  Bein 
als  Stütze  des  im  Hüftgelenke  gebeugten  Rumpfes  dient,  so  muß 
natürlich  der  gleichseitige  Muskel  die  Aufgabe  der  Becke,nseite  allein 
übernehmen.  Wir  haben  ferner  bereits  erwähnt,  daß  dieser  Muskel 
beim  Menschen,  vermöge  seines  aufrechten  Ganges  wohl  die  höchste 
Entwicklung  eri eicht  hat,  und  gerade  beim  Gehen  kommen  die 
M.  glutaei  abwechselnd  in  Tätigkeit,  so  daß  bei  der  gleichen  Arbeits- 
leistung kaum  eine  wesentliche  Bevorzugung  der  rechten  oder  linken 
Seite  sich  ausbilden  dürfte.  Uns  ist  kein  Fall  bekannt,  wo  eine  auch 
künstlerisch  sehr  wenig  schön  wirken  wüidende  Ungleichmäßigkeit 
des  Gesäßes  uns  zu  Gesicht  gekommen  wäre. 

III.  Als  dritter,  ebenfalls  praktisch  sehr  wichtiger  Punkt  ist  die 
Verschlußwirkung  der  unteren  Muskelbündel  für  die  Analöfinung  zu 
bezeichnen.  Wer  sich  von  dieser  Wirkung  als  M.  compiessur  ani 
überzeugen  will,  kann  es,  wofern  ihm  keine  Patienten  zur  Verfügung 
stehen,  an  sich  selbst  mit  Leichtigkeit  ausprobieren.  Im  wesentlichen 
dürfte  der  kräftige  Verschluß  des  Anus  dadurch  zustande  kommen, 
daß  durch  die  beiden,  sich  einander  nähernden  unteren  Wülste  der 
M.  glutaei  maximi  das  Steißbein  gegen  die  Beckenhöhle  hineingepreßt, 
dadurch  fixiert  wird,  und  durch  die  Feststellung  dem  M.  sphincter  ani 
exteruus  ein  ungleich  günstigerer  Angrifi?punkt  gewährt  wird,  als  es 
vorher  an  dem  sonst  so  beweglichen  Steilsbeine  der  Fall  sein  konnte. 

IV.  Bei  fixiertem  Beine  kann  die  Bewegung  nicht  allein  auf  das 
Steißbein  übertragen  werden,  sondern  das  Becken  im  ganzen  mit  der 
Symphyse  mehr  nach  vorn  geschoben  werden,  wie  es  bei  den  Be- 
wegungen des  Begattungsaktes  der  Fall  ist,  ein  Vorgang,  der  in  seiner 
Physiologie  noch  bei  den  Auswäitsi  ollern  verschiedentlich  betont 
werden  muß.  Es  handelt  sich  hierbei  um  eine  forcierte  Ventral- 
bewegung  des  Beckens,  welche  man  am  Skelete  nachmachen  kann, 
wofern  dasselbe  solche  Bewegungen  zuläßt.  Hierbei  muß  sich  auch 
das  Becken  in  beidep  Hüftgelenkspfannen  um  die  Oberschenkelköpfe 
nach  vorn  herum  bewegen.  Beim  Begattungsakte  bilden  aber  die 
Oberschenkel  mit  dem  entsprechenden  Ansätze  des  M.  glutaeus  maxi- 
mus  das  Punctum  fixum.  das  Becken  und  damit  der  Rumpf  mit  dem 
Penis  das  Punctum  mobile. 

V.  Am  frischen  Präparate  kann  man  sich  überzeugen,  daß  man 
bei  vorheriger  starker  Auswärtsrotation  durch  Zug  an  den  unteren 
Muskelbündeln  die  Einwärtsrotation  auslösen  kann,  die  man  besonders 
durch  den  Zug  an  den  oberen  Muskelbündeln  wieder  in  eine  Aus- 
wärtsrotation umwandeln  kann. 

VI.  Die  Bedeutung  der  oberen  Bündel,  welche  in  den  Ti actus 
iliotibialis  übei gehen,  soll  eist  bei  der  Beschreibung  dieser  Aponeurose 
behandelt  werden.  Hier  sei  nur  erwähnt,  daß  der  M.  glutaeus  maximus 
auch  vermöge  dieses  Ansatzes  in  hohem  Maße  für  die  Aufrechthaltung 
des  Menschen  beiträgt,  viel  Muskelarbeit  erspart,  indem  die  flächen- 

46 


M.  glutaeus  maximus.  461 

artige  Endsehne  wie  eine  Kappe  die  Außenseite  des  Oberschenkels  in 
ziemlicher  Ausdehnung  zudeckt  und  dabei  zwei  Gelenke  überschlägt, 
d.  h.  überbrückt,  das  Hüft-  und  das  Kniegelenk. 

Praktische  Bemerkungen. 

Vom  chirurgischen  Standpunkte  aus  kommt  der  Muskel  bei  den 
Unterbindungen  der  A.  glutaea  superior  und  inferior  in  Betracht,  bei 
deren  Auffindung  die  Muskulatur  durchtrennt  werden  muß ;  am  besten 
natürlich  in  der  Längsrichtung  der  Muskelbündel,  d.  h.  in  einer 
schrägen  Linie  von  oben-medial  nach  unten-lateral,  jedoch  möchten 
wir  darauf  hinweisen,  daß  ein  Eindringen  in  das  mittlere  Drittel  im 
Zuge  der  Muskelbündel  zwar  diese  schont,  aber  durch  die  Durch- 
treunung  der  motorischen  Nerven  den  nach  oben  oder  unten  am 
Schnitte  gelegenen  Teil  vielleicht  hinterher  doch  ganz  oder  teilweise 
entarten  läßt,  je  nach  dem  Grade,  wieviel  Nerven  durchtrennt  waren, 
und  inwieweit  durch  das  nachherige  Zusammenwachsen  die  Restitutio 
ad  integrum  sich  vollzog. 

Der  untere  Kand  hat  außer  für  den  Chirurgen  bei  der  Operation 
der  Aufsuchung  des  N.  ischiadicus  auch  für  den  Kliniker,  besonders 
den  Nervenarzt,  Bedeutung,  indem  darunter,  ungefähr  in  der  Mitte, 
d.  h.  lateral  vom  Tuber  ischiadicum,  der  Druckpunkt  für  den  N.  ischi- 
adicus gelegen  ist,  klinisch  als  einheitlicher  Druckpunkt  für  den  N.  pero- 
naeus  sowohl  wie  für  den  N.  tibialis,  während  chirurgisch  bereits  die 
Zweiteilung  in  den  schwächeren,  mehr  oberflächlich  und  lateral  gelegenen 
N.  peronaeus,  und  den  stärkeren,  etwas  tiefer  und  medial  gelegenen 
N.  tibialis  gefunden  werden  kann ;  ein  Verhalten,  das  vom  anatomischen 
Standpunkte  aus  zu  den  häufigen  Varietäten  gerechnet  werden  muß. 

Ein  anderer  praktischer  Gesichtspunkt  ist  der,  daß  die  Glutäal- 
gegend,  speziell  das  Gebiet  des  M.  glutaeus  maximus  bei  Injektions- 
kuren gegen  Lues  Prädilektionsstelle  ist.  Daß  die  geringe  Schmerz- 
haftigkeit  der  darüberliegenden  Haut  nicht  der  Grund  sein  kann, 
geht  wohl  daraus  hervor,  daß  die  Züchtigung  der  Kinder  meistens 
genau  an  derselben  Stelle  ausgeführt  wird.  Nach  unserer  Meinung 
dürfte  es  sich  um  die  Dicke  der  Weichteile  handeln,  nicht  allein  des 
Fettes,  sondern  vor  allem  des  Muskels,  welcher  beim  Einstoßen  der 
Nadel  die  letztere  nicht  so  leicht  in  Berührung  mit  wichtigen  Ge- 
bilden, wie  größere  Gefäße  und  Nerven,  kommen  läßt.  Am  günstigsten 
steht  in  dieser  Beziehung  die  Gegend  dicht  oberhalb,  d.  h.  proximal- 
wärts von  der  queren  Gesäßfurche  da,  noch  vorteilhafter  dürfte  nach 
dem  Vorschlage  von  HaffterI)  aus  den  angeführten  Gründen  die 
Einspritzung  in  die  Extensoren  des  Unterschenkels  sein,  weil  dort 
nicht  so  leicht  größere  Gefäße  und  Nerven  getrotten  werden. 

Fränkel  hat  mehrmals  bei  Sublimatinjektionen  in  die  Glutäalgegend, 
welche  augenscheinlich  eine  zu  große  Wirkung  in  die  Tiefe  auf  die  großen 
Gefäße  und  Nerven  dieser  Gegend  ausgeübt  haben,  tiefe  Ohnmächten  ein- 
treten sehen, 

Innervation. 

Dieser  Muskel  nimmt  eine  absolute  Sonderstellung  ein,  indem  es 
außerordentlich  schwer  fällt,   am  losgelösten  Präparate,   welches  nur 

1)  Medizinische  Klinik,  1906,  No.  6.  Intramuskuläre  Injektionen  von  Digalen. 
Berlin  (A.  Eulenburg). 

47 


462 


FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 


den  Muskel  selbst  von  Ursprung?  bis  Ansatz  enthält,  die  oberflächliche 
und  tiefe  Seite  voneinander  zu  unterscheiden.  Dies  liegt  daran,  daß 
der  Aufbau  der  Muskelbündel  auch  in  der  Tiefe  sich  parallel  gestaltet, 
und  so  kann  unser  Nervenbild  sowohl  für  einen  rechten  M.  glutaeus 


■^    '  \ 


Corpus  adiposum  lum- 
bale (Waldeyer) 

M.  latissimus  dorsi 


Trigonum  lumbale 
inferius  (Petiti) 


—    M.  sacrospinalis 


^I    obliquus  ext.  ab- 

tlominis 


Spina  iliaca  post .  sup . 


Punctum  coxalesiipe- 

rius  (Waldevkk) 

Tractus  iliotibialis 
(supratrochanteri- 
cus  nobis) 


N.  glutaeus  inf. 


Cornu  sacrale 


Bursa  trochanteric.i 
subcutanea 


Apex  ossis  coccygis 


-    Corpus  adiposum 
ischiorectale 


riiirsa  ischiadica  sub- 
cutanea 


Beugemuskeln 


Fig.  14.    M.  glutaeus  maximus,  topographisch,  mit  projiziertem  Nervenbilde. 

48 


M.  glutaeus  maximus.  463 

maximus  g'elten,  zur  Oberfläche  hin  projiziert,  wie  für  einen  linken, 
dessen  Facies  profunda  dargestellt  ist.  Hier  deckt  sich  eben  beinahe 
genau  Facies  superficialis  cum  profunda. 

Der  mächtige  Muskel  erhält  seinen  einheitlichen  Nerven  durch 
das  Foramen  infrapiriforme  hindurch.  Da  aber  die  Bewegung  des 
Oberschenkels  nach  vorn  oder  hinten  den  M.  piriformis  bald  kürzer 
oder  länger  erscheinen  läßt,  ist  eine  Orientierung  nach  der  hinteren 
Mittellinie  geboten,  also  die  Entscheidung  der  Frage,  wie  weit  von 
der  Mi  ttellinie  aus  und  an  welcher  Stelle  der  Wirbelsäule  der  Aus- 
tritt des  Nerven  statthat.  Diese  liegt  im  Bereiche  des  Os  coccygis 
und  kaun  deshalb  nicht  mehr  abhängig  sein  von  dem  Geschlechie; 
denn  das  weibliche  Steißbein  dürfte  in  der  Breite  sich  kaum  von 
einem  männlichen  untersciieiden,  was  ja  beim  Kreuzbeine  oft  sehr 
augenfällig  ist.  Es  handelt  sich  also  bloß  um  die  Entfernung  von 
der  Mittellinie,  welche  praktisch  wegen  der  Dicke  der  Weichteile 
(Muskulatur  und  Fettschicht)  ziemlich  gleichgültig  wird.  Eine  un- 
gefähre Entfernung  von  5  cm  würde  auch  bei  vorheriger  Abduktion 
oder  p]inwä.  tsrotation  des  Beines  die  Lage  des  einheitlichen  Stammes 
nicht  beeintlusseu,  denn  der  durch  den  Plexus  sacralis  medial  fest- 
gehaltene Nerv  macht  die  Bewegungen  nur  in  seinen  peripheren  Ver- 
zweigungen mit.  Für  die  Gefäße  gilt  zwar  ein  wechselnder  Bezug 
aus  beiden  Vasa  glutaea,  der  Nerv  aber  ist  einheitlich. 

Der  mehr  distale  Eintritt  läßt  hervorgehen:  kürzere  absteigende, 
längere  aufsteigende  und  im  mittleren  Teile  einige  quere  Zweige. 
Die  Area  nervosa  hält  sich  ungefähr  au  die  (»renze  des  Ursprunges 
und  mittleren  Drittels  und  bietet  bis  zur  Einsenkung  der  extia- 
muskuläten  Zweige  nichts  Besonderes.  Dasselbe  gilt  auch  für  die 
intramuskuläre  Verzweigung;  im  mittle) en  Drittel  finden  wir  die 
typische  Plexusbildung,  indem  fast  regelmäßig  sich  ein  oberer  Zweig 
mit  einem  unteren  verbindet,  bald  zur  medialen  Seite  hin,  bald  zur 
lateralen,  ^^'ir  haben  ungefähr  ein  Dutzend  derartiger  Anastomosen 
angegeben.  Fast  ebenso  zahlreich  sind  die  Sehnennerven,  welche  zum 
Ursprünge  hin  spärlicher  und  dünner  verlaufen  als  zum  Ansätze. 

Vergleich  zwischen  den  M.  deltoideus  und  glutaei. 

Der  M.  deltoideus  zerfällt  in  drei  Portionen,  nach  seinen  Ur- 
sprüngen vom  Schultergüitel :  in  die  Portio  spinata,  acromialis  und 
clavicularis.  Nach  der  Xervenversorgung  haben  wir  jedoch  in  scharfer 
Weise  die  hintere  Partie,  welche  kaum  \4  der  Muskelmasse  umfaßt, 
zu  unterscheiden  von  dem  Reste.  Wir  haben  betont  (s.  A.  S.  30),  wie 
die  Portio  spinata  anatomisch  scharf  gesondert  ist  schon  durch  die 
bindegewebigen  Hüllen,  eine  Trennung,  welche  auch  von  den  Nerven 
mitgemacht  wird.  Wir  haben  den  N.  axillaris  zerlegt  in  einen  hinteren 
und  vorderen  Abschnitt.  Ersterer  versorgt  den  M.  teres  minor,  liefert 
den  Hautast  und  senkt  sich  schließlich  als  vollkommen  selbständiger 
Zweig  in  die  Portio  spinata  hinein.  Wir  haben  außerdem  hervor- 
gehoben, daß  der  M.  deltoideus  diei  verschiedene  Wirkungen  auszu- 
üben imstande  ist:  mit  seinen  vorderen  Bündeln  die  Flexion,  den 
lateralen  die  Abduktion  und  den  hinteren  die  Extension.  Unwillkür- 
lich sucht  mau  nach  einem  Vergleiche  an  der  unteren  Extremität. 
Vom  Beckenringe  aus  entspringen  von  der  Crista  iliaca  in  oberfläch- 
licher Schicht  nur  zwei  Muskeln,  die  M.  glutaeus  maximus  und  tensor 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  ii,  3.  BO 

49 


464  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

fasciae  latae,  in  mittlerer  Schicht  der  M.  glutaeus  medius  und  in  tiefer 
der  minimus.  Allen  genannten  Muskeln  ist  gemeinsam  die  Ueber- 
brückung  des  Hüftgelenkes,  wie  es  der  M.  deltoideus  beim  Schulter- 
gelenke allein  bewerkstelligt.  Vergleichen  wir  nun  Arm  und  Bein. 
Am  Arme  liegt  nur  ein  Muskel  vor,  der  Deltamuskel  mit  einem  eben- 
falls einheitlichen  Nerven,  dem  N.  axillaris,  der  allerdings  zerfällt  in 
eine  hintere  kleinere  Partie  und  eine  einheitliche  vordere.  Am  Beine 
sind  vier  Muskeln  vorhanden,  welche  von  zwei  Nerven  versorgt  werden, 
nämlich  den  N.  glutaei  superior  und  inferior.  Der  N,  axillaris  wird 
vielfach  auch  genannt  der  N.  circumflexus  humeri  (posterior).  Die- 
selbe Bezeichnung  würde  auch  für  den  N.  glutaeus  superior  zutreffen, 
auch  wenn  er  nicht  den  Oberschenkel  umfaßt,  sondern  höher  oben 
das  Hüftbein  selbst,  und  dieser  Nerv  verteilt  sich  mit  divergierenden 
Zweigen  zu  den  M.  glutaei  medius  und  minimus  und  tensor  fasciae 
latae.  Für  den  am  meisten  nach  hinten  gelegenen  Muskel,  den  M.  glu- 
taeus maximus,  kommt  der  hintere  Nerv  in  Frage,  welcher  gleichzeitig 
mehr  distal  liegt  und  als  einheitlicher  N.  glutaeus  inferior  bekannt  ist. 

Nach  unserer  Auffassung  muß  der  M.  deltoideus  des  Beines  ge- 
trennt werden  in  einen  vordeien  Abschnitt,  welcher  umfaßt  die  M.  ten- 
sor fasciae  latae,  glutaei  medius  und  minimus,  die  ihrerseits  versorgt 
werden  von  dem  N.  glutaeus  superior,  und  einen  hinteren  Abschnitt, 
den  M.  glutaeus  maximus,  welcher  vom  N.  glutaeus  inferior  aus- 
schließlich seine  Nerven  bekommt. 

Der  M.  deltoideus  des  Beines  zerfällt  also  durch  seine  Innervation 
in  zwei  besondere  Abschnitte :  die  Portio  spinata  ist  gleichwertig  mit 
dem  M.  glutaeus  maximus  und  erhält  ihren  besonderen  Nerven  als 
N.  glutaeus  inferior;  die  vordere  Partie  baut  sich  auf  aus  den  M.  glu- 
taei medius  und  minimus  und  erhält  ihren  einheitlichen  Nerven  als 
N.  glutaeus  superior.  Daß  dieser  Nerv  auch  noch  weiter  verläuft  bis 
zum  M.  tensor  fasciae  latae,  ist  funktionell  enorm  wichtig,  findet  aber 
auch  einen  theoretischen  Anklang  durch  die  Nervenzweige,  welche 
wir  am  Arme  für  den  N.  axillaris  bis  zum  M.  pectoralis  major  hin 
beschrieben  haben. 

Varietäten. 

Bedeutsame  Varietäten  kommen  bei  diesem  Muskel  nicht  vor, 
es  sei  denn,  daß  wir  eine  Abbildung  aus  dem  alten  Henle  heran- 
ziehen sollen,  welche  uns  viel  zu  denken  gegeben  hat,  weil  dieselbe 
Einrichtung  auch  bei  demjenigen  Präparate  vorhanden  war,  welches 
uns  als  erste  zeichnerische  Grundlage  für  das  Muskelbild  dienen  sollte. 
Henle  hat  hier  einen  inkonstanten  Fall  abgebildet,  aber  gerade  hier- 
bei unabsichtlich  diejenigen  Varietäten  erklärt,  welche  den  vorderen 
Rand  des  M.  glutaeus  maximus  näher  mit  dem  hinteren  Rande  des 
M.  tensor  fasciae  latae  zusammenbringen.  Merkel,  der  Neubearbeiter 
des  HENLEschen  Lehrbuches,  hat  die  alte  Figur  durch  eine  neue  er- 
setzt, und  das  mit  demselben  Rechte,  mit  welchem  auch  wir  eine 
Varietät  nicht  als  typisches  Bild  für  einen  Muskel  nehmen  durften. 
Ferner  hat  Waldeyer  bei  den  Vorarbeiten  für  sein  Buch  über  das 
Becken  (etwa  1898)  Präparate  und  Zeichnungen  durch  Frohse  an- 
fertigen lassen,  aus  denen  hervorging,  wie  der  Ursprung  des  M.  glu- 
taeus maximus  sich  nicht  auf  den  knöchernen  Beckenring  beschränkt, 
sondern   noch   die   unteren   Lendenwirbeldornfortsätze    erreicht    und 

50 


M.  glutaeus  medius.  465 

sogar  von  beiden  Seiten  her  die  Mittellinie  überschreitet.  Wir  können 
das  neuerdings  in  noch  ausgesprochenerer  Weise  bestätigen  und  ge- 
winnen so  die  Erklärung  für  die  ventrale  Beugung  der  unteren 
Lendenwirbel,   die  nun  einmal  beim  Begattungsakte  ausgeführt  wird. 

M.  glutaeus  medius. 

Synonyma:  Mittlerer  Gesäßmuskel;  M.  glutaeus  secundus  s.  M.  ilia- 
cus  ext.  (Weber);  Moyen  fessier,  grand  ilio-trochanterien  (Chaus.),  ilio- 
trochanterien   (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Die  gewöhnlich  mit  einem  Dreiecke  verglichene  Form  des  Muskels 
hat  ihre  nach  oben  konvexe  Basis  an  der  Crista  iliaca,  und  wendet 
ihre  Spitze  gegen  den  Trochanter  major,  welchen  sie  kappenartig 
umfaßt.  Bei  dem  Mißverhältnis  zwischen  der  ausgedehnten  Ursprungs- 
fläche und  dem  ziemlich  kleinen  Ansätze  muß  eine  starke  Verjüngung 
gegen  letzteren  statthaben,  welche  sich  durch  eine  flederförmige 
Anordnung  der  Muskelbündel  im  hinteren  Abschnitte  kundgibt.  Dieser 
liegt  nun  etwas  senkrecht  unter  der  Mitte  des  Muskelbauches,  und 
damit  ist  ohne  weiteres  die  physiologisch  so  wichtige  Verschiedenheit 
in  der  Wirkung  der  einzelnen  Abschnitte  erkennbar,  welche  wir  beim 
M.  deltoideus  bereits  betont  haben,  und  deren  Besprechung  theore- 
tisch beim  M.  glutaeus  maximus  zu  erwarten  gewesen  wäre.  Wie 
bereits  erwähnt,  ist  der  M.  glutaeus  medius  und  sein  schwächerer 
Synergist,  der  M.  glutaeus  minimus,  in  seiner  Wirkung  mit  der  mitt- 
leren, acromialen  Portion  des  M.  deltoideus  vergleichbar,  der  M.  glu- 
taeus maximus  mit  der  Portio  spinata,  und  der  M.  tensor  fasciae  latae 
mit  der  Portio  clavicularis.  Die  Unterbrechung  im  Fleische  der  zu- 
letzt genannten  beiden  Muskeln  findet  jedoch  durch  die  starke  Fascie 
oder  besser  Aponeurose,  welche  den  M.  glutaeus  medius  an  dieser 
oberflächlich,  d.  h.  subkutan  gelegenen  Stelle  bedeckt,  ihre  befriedi- 
gende Erklärung,  besonders  in  dem  mittleren  Teile,  wo  das  von 
Walde YER  so  scharf  hervorgehobene  Punctum  coxale  (superius) 
liegt,  dem  M.  glutaeus  medius  nur  zum  Ursprünge  dient,  während 
die  Hauptmasse  dieser  Fascie  in  den  Tractus  iliotibialis  übergeht. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  zerfällt  in  zwei  Abteilungen:  I.  eine  oberflächliche, 
welche  1)  von  der  Crista  iliaca  entspringt,  und  dabei  vollkommen 
den  Raum  zwischen  dem  hinteren  Rande  des  M.  tensor  fasciae  latae 
und  dem  vorderen  des  M.  glutaeus  maximus  ausfüllt;  2)  von  der 
sogenannten  Fascia  glutaea  media,  welche  sich  von  dem  Punctum 
coxale  (superius)  Waldeyeri  und  seiner  Umgebung  entwickelt  und 
über  dem  Trochanter  major  als  mittlere  sehnige  Portion  des  Tractus 
iliotibialis  beschrieben  wird.  Die  vorderen  Bündel  entspringen  aus 
einer  trennenden  Aponeurose  zwischen  ihm  und  dem  M.  tensor  fasciae 
latae,  für  welche  wir  in  Henle  (a.  a.  0.  S.  264)  die  Bezeichnung 
Lig.  Suspensorium  trochanteris  (Günther,  Chirurgische  Muskellehre, 
S.  143)  finden.  Die  hinteren  Muskelbündel  bilden  bei  ihrem  Ursprünge 
einen  Sehnen  bogen,  unter  welchem  Zweige  der  Vasa  glutaea  superiora 
ihren  Weg  nehmen. 

30* 
51 


466  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

II.  Die  tiefe  Schicht  liegt  an  der  Außenfläche  der  Darmbein- 
schaufel und  ist  meistens  in  recht  scharfer  Weise  umrahmt  durch  die 
Liueae  glutaea  anterior  und  posterior,  deren  genauere  Beschreibung 
Aufgabe  der  Osteologie  ist.  Dieser  Ursprung  hat  eine  mondsichel- 
artige Form,  nur  daß  die  vordere  Spitze  schärfer  ausgezogen  ist  als 
die  hintere.  Die  Oberfläche  des  Muskelbauches  ist  in  beinahe  der 
Hälfte  des  proximalen  Abschnittes  mit  sehnigen  Einlagerungen  ver- 
sehen und  wird  erst  in  der  distalen  Hälfte  frei.  Der  vordere,  schräg 
nach  hinten  ziehende  ßand  ist  nach  unten  konvex,  der  hintere  zieht 
einfach  schräg  nach  unten  und  vorn.  Die  Endsehne  entwickelt  sich 
erst  in  der  Nähe  des  Trochanter  major,  und  nur  in  der  Gegend  des 
hinteren  Randes  schiebt  sie  sich  noch  einige  Zentimeter  weit  in  die 
Muskelmasse  hinein,  soweit  es  eben  am  Oberflächenbilde  erkannt 
werden  kann.  Die  Endsehne  ist  platt  und  tindet  ihren  Ansatz  nicht 
etwa  an  der  Spitze  des  Trochanter  major,  den  sie  vielmehr  in  Form 
einer  nach  hinten  und  medial  off"enen  Kappe  umfaßt,  und  von  dem 
sie  durch  einen  oder  mehrere  Schleimbeutel  (Bursae  trochanteiicae 
m.  glutaei  medii  ant.  und  post.)  getrennt  ist,  je  nachdem,  ob  ihre  tiefe 
Fläche  eine  mehr  einheitliche  Platte  darstellt  oder  durch  einzelne 
Sehnenpfeiler  zerklüftet  ist.  In  der  Tiefe  erscheint  die  Endsehne 
schon  zeitiger,  als  an  der  Oberfläche.  Der  hintere  Rand  ist  oft  sowohl 
oben  mit  dem  Fleische  des  M.  piriformis  verwebt,  wie  unten  mit 
dessen  Endsehne,  von  welcher  ihn  jedoch  ein  größerer  oder  kleinerer 
Schleimbeutel  trennen  kann. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Oberfläche,  Facies  superficialis,  entspricht  zum  großen  Teile 
der  Haut;  voine  wird  sie  jedoch  noch  etwas  vom  M.  tensor  fasciae 
latae,  lateral,  d.  h.  in  der  Mitte  durch  die  sehnige  Komponente  des 
Tractus  iliotibialis,  hinten  durch  den  M.  glutaeus  maximus  überlagert. 
Wenn  man,  wie  es  in  der  Berliner  Anatomie  üblich  ist,  den  mittleien 
sehnigen  Teil  des  Tractus  iliotibialis  vollkommen  vom  M.  glutaeus 
medius  loslöst  und  die  beiden  Ränder  scharf  absetzt,  was  am  leich- 
testen durch  Schaben,  immer  nach  proximal  und  gegen  die  Oberfläche 
hin  erreicht  wird,  so  bekommt  diese  obere  Hälfte  des  Muskels  ein 
zerhacktes  Aussehen.  Niemals  ist  dann  die  Schönheit  am  Präparate 
zu  erzielen,  welche  im  unteren  Teile  ohne  große  Schwierigkeit  er- 
reicht werden  kann.  Die  Ansatzsehne  wird  von  den  drei,  hier  bereits 
größtenteils  sehnig  gewordenen  Komponenten  des  Tractus  iliotibialis 
und  dem  Trochanter  major  durch  einen  mächtigen  Schleimbeutel,  die 
Bursa  trochanteiica  m.  glutaei  maximi  getrennt.  Der  nur  dem  M. 
glutaeus  maximus  angepaßte  Name  dürfte  wohl  im  wesentlichen  aus 
sprachlichen  Bequemlichkeitsgründen  gewählt  sein.  Gegenüber  seiner 
Ansatzsehne  findet  sich  in  gleicher  Ausdehnung  die  flächenartige 
Urspiungssehne  des  M.  vastus  lateralis.  Gewöhnlich  bereitet  dieses 
weite  Hinaufreichen  des  letzteren  Muskels  dem  Anfänger  eine  große 
Ueberraschung. 

Der  vordere  Rand  ist  sehr  häufig  mit  dem  M.  glutaeus  minimus 
verschmolzen,  so  daß  man  immer  gut  tut,  den  M.  glutaeus  medius 
im  vorderen  Abschnitte  nur  oberflächlich  zu  durchtrennnen,  und  erst 
von  hinten  her  das  Zurückklappen  nach  beiden  Seiten  hin  vorzunehmen, 
um  in  der  richtigen  Schicht  zu  bleiben,   und  dann  erst  den  Rest  der 

52 


M.  glutaeus  «i^ias.  ;4<37 

vorderen  Bündel  zu  durchschneiden.  Präparatorisch  sieht  es  90  aus, 
als  ob  eine  tiefe  Tasche  zwischen  beiden  Muskeln  vorhanden  wäre. 
Erleichtert  oder  auch  erschwert  kann  die  Sonderung  der  beiden 
Muskeln  durch  einen  sogenannten  M.  invertor  femoris  werden,  den 
auch  wir  verschiedene  Male  beobachtet  haben,  und  der  bei  vielen  Affen 
die  Regel  ist.  Der  Name  M.  invertor  soll  bei  der  physiologischen 
Betrachtung  (s.  S.  472  [58])  erläutert  werden.  Wenn  man  jedoch  aus 
irgendeinem  Grunde  die  Trennung  am  vorderen  Rande  des  Muskels 
vornehmen  will  oder  muß,  so  gibt  der  Nerv  für  den  M.  tensor  fasciae 
latae,  welcher  ja  dem  N.  glutaeus  superior  entstammt  und  von  den 
Studierenden  gewöhnlich  überhaupt  nicht  dargestellt  oder  nicht  ge- 
funden wird,  einen  wichtigen  topographischen  Anhaltspunkt,  weil  er 
zwischen  den  M.  glutaeus  medius  und  minimus  in  seiner  ganzen 
Länge  seinen  Weg  nimmt.  Der  hintere  Rand  schließt  sich  an  den  M. 
piriformis  an,  der  mit  ihm  im  gleichen  Niveau  gelagert  ist,  wenigstens 
bis  zur  Ansatzsehne  desselben  hin.  Der  proximale  Abschnitt  ver- 
schmilzt dann  sogar  mit  diesem  Muskel,  besonders  dann,  wenn  der 
M.  piriformis  einen  größeren  Ursprung  an  dem  oberen  Rande  der 
Incisura  ischiadica  major  an  einer  von  Waldeyer  a.  a.  0.  besonders 
bezeichneten  Spina  besitzt.  Ganz  hinten  und  oben  kommt  für  diesen 
Muskel  noch  die  Lagebeziehung  zur  Teilung  der  Vasa  glutaea  superiora, 
in  den  R.  superficialis  und  die  beiden  R.  profundi  in  Betracht,  von 
denen  die  letzteren  in  Gemeinschaft  mit  dem  N.  glutaeus  superior 
dann  unter  dem  M.  glutaeus  medius  ihren  Weg  nehmen,  und  ihn,  sowie 
den  M.  glutaeus  maximus  dabei  versorgen.  Das  Haupternährungs- 
gefäß für  ihn  stellt  der  R.  profundus  superior  dar,  welcher  hart  an 
seinem  distalen  Ursprungsrande,  entsprechend  der  Linea  glutaea  an- 
terior, also  bogenförmig  verläuft,  und  auch  Knochengefäße  liefert, 
während  der  R.  profundus  inferior  das  Haupternährungsgefäß  für  den 
M.  glutaeus  minimus  ist,  obschon  auch  dem  M.  glutaeus  medius  Zweige 
zugehen,  besonders  im  vorderen  Abschnitte.  Mit  dieser  Betrachtung 
ist  auch  die  Beschreibung  der  Facies  profunda  so  gut  wie  erledigt. 
Eine  Fascia  profunda  existiert  für  ihn  kauni,  und  das  lockere,  mehr 
oder  weniger  fetthaltige  Bindegewebe  macht  die  Präparation  der  in 
Frage  kommenden  Teile  ziemlich  leicht.  Die  in  der  Tiefe  der  Ansatz- 
seime vorhandenen  Schleimbeutel,  welche  wir  zum  Teil  als  inter- 
teudinöse  auffassen  müssen,  sind  bereits  als  Bursae  trochantericae 
m.  glutaei  medii  ant.  et  post.  erwähnt. 


Wirkung. 

Um  unnütze  Wiederholungen  zu  vermeiden,  betonen  wir  noch 
einmal,  daß  wir  bei  den  Beinmuskeln  prinzipiell  an  dem  Standpunkte 
festhalten,  daß  das  Punctum  flxum  bald  am  Ursprünge,  bald  am  An- 
sätze gelegen  sein  kann.  An  allen  Muskeln  eines  Präparates  läßt  sich 
dieser  Nachweis  führen,  aber  auch  an  mehr  Muskeln  des  Lebenden, 
als  man  zunächst  erwarten  sollte.  Wir  beschreiben  deshalb 
bei  allen  praktisch  wichtigen  Muskeln,  ohne  jedesmal 
eine  längere  Einleitung  den  physiologischen  Bemer- 
kungen vorzuschicken,  in  folgender  Reihenfolge: 

I.  Punctum  fixum  =  Ursprung. 
IL  Punctum  fixum  =  Ansatz. 

53 


468  FROHSE  und    M.   FRÄNKEL, 

Wir  haben  daher  beim  M.  glutaeus  medius  an  erster  Stelle  —  I. 
zu  beschreiben,  wenn  der  Ursprung-  das  Punctum  fixum  darstellt,  also 
das  Becken  fixiert  und  das  untersuchte  Bein  das  Spielbein  darstellt, 
und  an  zweiter  Stelle  —  IL,  wenn  das  untersuchte  Bein  im  Ober- 
schenkel fixiert  ist,  am  Lebenden  das  Standbein  darstellt,  an  welchem 
im  Hüftgelenke  die  verschiedenen  Diehbeweguugen  ausgelöst  weiden. 
Eine  Schwierigkeit  in  dieser  Einteilung  könnte  sich  bloß  beim  M. 
popliteus  ergeben,  bei  welchem  wir  der  Konsequenz  halber  den  proxi- 
malen Abschnitt,  die  verhältnismäßig  dünne,  im  Kniegelenke  ver- 
schwindende Sehne  als  Uisprung,  den  distal  am  Schienbeine  ge- 
legenen Muskelbauch  als  Ansatz  bezeichnen. 

L  Punctum  fixum  =  Ursprung.  Der  M.  glutaeus  medius  ist 
gleich  seinem  schwächeren  Synergisten,  dem  Minimus,  einer  der 
merkwürdigsten  Muskeln,  indem  seine  Bündel  nicht  allein  die  Aus- 
wärts-, sondern  auch  die  Einwärtsrotation  ausführen  können. 

1)  Die  vordeien  Muskelbündel  wirken  als  Eiuwärtsdreher,  be- 
sonders kräftig  natüilich  dann,  wenn  das  Bein  vorher  auswärts  rotiert 
war.  2)  Die  mittleren  Muskelbündel  wirken  als  Abductoren,  turneiisch 
als  Beinspreizer  bezeichnet,  und  3)  die  hinteren  Muskelbündel  als 
Auswärtsroller,  besonders  wenn  vorher  das  Bein  möglichst  einwäits 
rotiert  war.  4)  Wenn  der  ganze  Muskel  sich  zusammenzieht,  und 
dabei  die  Einwartsrotation  der  vorderen  Bündel  und  die  Auswäits- 
rotation  des  hinteren  Abschnittes  nach  dem  Paiallelogramm  der  Kräfte 
ausgeglichen  wiid,  so  unterstützen  beide  die  mittlere  Eauptportion  in 
der  Wirkung  der  Abduktion,  als  Beinspreizer.  4  a)  Ist  das  Becken  über- 
streckt, so  müssen  die  vorderen  Bündel  das  Bein  gegen  den  Rumpf 
beugen.  4b)  Ist  letztere  Stellung  in  stärkstem  Maße  erreicht,  so  müssen 
umgekehlt  die  hinteren  Bündel  das  Bein  nach  hinten  ziehen,  d.  h. 
strecken,  also  sich  als  Antagonisten  der  vorderen  Bündel  kundgeben. 

IL  Punctum  fixum  =  Ansatz.  Wir  wollen  hier  noch  einmal  die 
Funktionen  getienut  unter  besonderen  Zahlen  angeben,  uns  aber 
weiterhin  auf  eine  allgemeine  Zusammenfassung  ohne  weitere  Unter- 
abteilungen beschränken.  Wenn  also  das  Oberschenkelbein  oder  am 
Lebenden  die  Säule  des  ganzen  Beines  das  Punctum  fixum  ist,  be- 
wirken, in  derselben  Reihenfolge  aufgezählt,  5)  die  vorderen  Bündel 
die  Auswärtsdiehung  des  Beckens  und  damit  des  ganzen  Rumpfes, 
6)  die  mittleren  Bündel  die  Seitwäitsneigung  des  Beckens  und  des 
ganzen  Rumpfes  zur  gleichen  Seite  hin,  so  daß  der  letzteie  mit  dem 
Beine  im  Hüftgelenke  einen  nach  außen  offenen  stumpfen  Winkel 
bildet.  7)  Die  hinteren  Bündel  bewirken  die  Einwärtsdrehung  des 
Beckens,  d.  h.  auch  des  Rumpfes,  wobei  dessen  Vorderseite  nach  der 
entgegengesetzten  Seite  gedreht  wird.  8)  Wirkt  der  Muskel  im  ganzen, 
so  tritt  die  unter  6)  beschriebene  Seitwärtsbiegung  des  Rumpfes  in 
erhöhtem  Maße  ein.  8  a)  Bei  überstrecktem  Rumpfe  beugen  die  vor- 
deren Bündel  das  Becken  auch  gegen  das  Bein.  8b)  Bei  stark  ge- 
beugtem Becken  sind  die  hinteien  Bündel  imstande,  den  Rumpf 
wieder  aufzurichten. 

Beschreibung  zu  Fig.  15. 
Entfernt  sind  die  Fascia  lumbodorsalis,  die  seitlichen  Bauchmuskeln  und  der 
M  glutaeus  maximus,  letzterer  nur  bis  auf  Ursprung  und  Ansatz.  In  dieser  Weise 
kommen  zu  Gesicht:  die  M.  sacrospinalis,  quadratus  lumborum,  glutaeus  medius, 
überhaupt  die  mittlere  Schicht  der  Muskeln  der  hinteren  Hüftgegend  und  im  un- 
mittelbaren Anschlüsse  daran  die  Muskeln  auf  der  Rückseite  des  Oberschenkels,  so- 
wohl die  Flexoren  wie  die  Adductoren.   Um  nur  eine  Farbplatte  zu  benutzen,  haben 

54 


M.  glutaeus  medius.  469 

w-ir  die  Schleimbeutel  mit  einem  hellblauen  Tone  angegeben,  im  Gegensatze  zuden 
dunkelblau  gehaltenen  Ausläufern  der  schwarzen  Nerven,  welche  ineinander  über- 
gehen und  so  die  Grenze  zwischen  dem  extra-  und  intramuskulären  Verlaufe  dar- 
stellen. In  breiter  unterbrochener  Linie  ist  der  proximale  Teil  des  Femur  angegeben. 
Die  Entfernung  zwischen  Tuber  ischiadicum  und  Trochanter  major  erscheint 
deshalb  so  groß,  weil  die  Zeichnung  bei  äußerster  Einwärtsdrehung  des  Präparates 
imgefertigt  ist,  während  welcher  sämtliche  Auswärtsrotatoren  vom  M.  glutaeus  medius 


Foranieii 
suprapiriforme 


M.  sacrospinalis 

M.  quadratus  lumborum 

'^pina  iliaca  post.  sup. 

M.  glutaeus  maxinius 

Lig.  sacrotuberosum 


N.  ischia 
dicu' 


M.  adductor 
magnuü 


l 


■  — J M 

/     y.       4 M 


N.  glutaeus  superior 

Spina  iliaca  media  (nobis) 

Tractus  iliotibialis 
(Maissiati)  [pars 
supratrochanterica] 

M.  glutaeus  medius 

N.  glutaeus  inferior 
(et  N.  cutaneus 
lem.  post.) 
"    -  Spina  iliaca  ant. 
sup. 

N,  pudendus 
~  M.  piriformis 

!M.  obturator  int. 
cum  gemellis 

N.  pro  m.  tens. 
fasciae  latae 

M.  obturator  ext. 
M.  quadratus  femoris 

i.  trocb.  m.  glut.  max. 
ischiad.  m.  glut.  max. 
Trochanter  minor 

semimembranosus 
.  glutaeofemoralis 

adductor  minimus 
M.  glutaeus  maximus 
R.  muScularis  flexorius 

semitendinosus 
M.  adductor  magnus 

biceps  fsmoris,  caput  longum 


Fig.,  15..    Mittlere  Bchicht  da:.  Gesäßg^end,.  Muskel-  und  Nervenbild,  topographisch. 

55 


470  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

herab  bis  zum  M.  quadratus  femoris  den  höchsten  Grad  der  passiven  Spannung  er- 
reicht haben.  Die  extramuskulären  Zweite  des  M.  glutaeus  minimus  sind  in  unter- 
brochener schwarzer  Linie  dargestellt,  weil  sie  erst  unterhalb  des  M.  glutaeus  medius 
ihren  Weg  nehmen. 

Der  Darmbeinkamm  (Crista  Uiaca)  zeigt  in  unserer  Abbildung  außer  den  be- 
reits in  den  B.N.A.  benannten  Spinae  iliacae  ant.  und  post.  superiores  noch  einen 
mittleren  Vorsprung,  welcher  allermeist  und  sogar  am  weiblichen  Becken  deutlicher 
hervorspringt  als  die  beiden  vorgenannten.  Für  diesen  Knochen  vorsprang  möchten 
wir  jetzt  den  Namen  „Spina  iliaca  media"  vorschlagen.  Er  entspricht  nicht  dem 
Punctum  coxale  von  Waldeyer,  sondern  dient  als  idealer  Mittelpunkt  für  den  Ur- 
sprung des  Tractus  iliotibialis.  Vom  physiologischen  Standpunkte  aus  wäre  eine 
zweite  Bezeichnung  wünschenswert :  die  Spina  iliaca  anterior  superior  ist  ein  Tuber 
glutaeum  anterius  mit  dem  Ursprünge  für  die  M.  glutaei  medius,  minimus  und 
tensor  fasciae  latae;  der  M.  sartorius,  der  zufällig  auch  an  diesem  Knochen vor- 
sprunge  entspringt,  hat  überhaupt  nichts  mit  der  Glutäalgegend  zu  tun.  Dieser 
Befund  darf  uns  nicht  verwundern,  weil  beispielsweise  vom  Tuber  ischiadicum  nicht 
allein  Adductoren  entspringen,  sondern  auch  die  Flexoren,  Auswärtsroller,  wie  die 
M.  quadratus  femoris  und  gemellus  inferior  und  Muskeln  zur  Urogenitalgegend 
(M.  ischiocavernosus,  transversus  perinei).  Die  Spina  iliaca  media  ist  ausschließhch 
bedingt  durch  distale  Züge ;  oberflächlich  aponeurotisch,  verdienen  sie  den  besonderen 
Namen  Tractus  supratrochantericus ;  in  der  Tiefe  muskulös,  gehen  sie  über  in  den 
mittleren  Teil  des  M.  glutaeus  medius.  Die  Spina  üiaca  post.  sup.  wird  umrahmt 
vom  M.  glutaeus  maximus,  welcher  die  hintere  Seite  des  Gesäßes  beherrscht,  und 
hieraus  ergibt  sich  der  physiologische  Name  Tuber  glutaeum  posterius. 

Nebenbei  sei  bemerkt,  daß  dieser  Muskel  beim  Tanzen  eine  große 
Rolle  spielt,  und  vor  allem  die  Anstrengung  der  Muskeln  beiden  Seiten 
zugute  kommt,  da  ja  in  schneller  Folge  bald  das  rechte,  bald  das  linke 
die  Rolle  des  Spielbeines  zu  übernehmen  hat. 

Wir  haben  der  physiologischen  Bedeutung  dieses  Muskels  eine 
so  ausführliche  Beschreibung  gewidmet,  weil  wir  die  gleichen  Tat- 
sachen beim  M.  glutaeus  minimus  zu  wiederholen  hätten,  jedoch  soll 
bei  diesem  nur  auf  die  hier  gegebene  Beschreibung  verwiesen  werden. 
Ein  großer  Teil  in  der  gleichen  Wirkung  kehrt  ja  beim  Tractus  ilio- 
tibialis wieder,  welcher  sehr  ähnliche  Muskelursprünge  aufweist,  nur 
daß  der  Ansatz  nicht  am  Trochanter  major  gelegen,  sondern  auf  den 
Unterschenkel  verlegt  ist. 

Innervation. 

Vom  Foramen  suprapiriforme  wendet  sich  der  Nerv  horizontal 
nach  vorn  und  etwas  lateral  und  gibt  dabei  in  ziemlich  regelmäßigen 
Abständen  seine  motorischen  Zweige  für  die  Muskelbündel  ab.  Die 
innere  Innervation  ist  vergleichbar  mit  der  des  M.  deltoideus,  in  dem 
wir  aufsteigende  und  absteigende  Zweige  und  die  eigentlichen  Muskel- 
nerven in  der  Mitte  des  Muskelbauches  verwirklicht  finden.  Aber  es 
gibt  einen  wichtigen  Unterschied:  die  mächtigen  Knochen,  proximal 
das  Becken  mit  der  Crista  iliaca  und  distal  das  Femur  mit  dem  Tro- 
chanter major,  verlangen  ansehnliche  Sehnennerven,  welche  in  unserer 
Figur  (15)  zu  erkennen  sind.  Wir  weisen  besonders  auf  die  Sehnen- 
anastomose  hin,  welche  hart  am  Rande  der  Crista  iliaca  zwischen 
Spina  iliaca  ant.  sup.  und  media  gelegen  ist,  ferner  auf  den  distalen 
Sehnennerven,  welcher  die  Spitzen  des  Trochanter  major  von  vorn 
und  hinten  umfaßt.  Die  Anastomosen  sind  nicht  sehr  zahlreich. 
Außerdem  ist  aber  zu  beachten,  daß  der  N.  glutaeus  superior  nicht 
allein  die  M.  glutaei  medius  und  minimus  versorgt,  sondern  auch  den 
M.  tensor  fasciae  latae.  Diese  beiden  Muskeln  sind  in  ihrer  Inner- 
vation nur  schematisch  angegeben.    Der  hintere  Nerv  für  den  M.  glu- 

56 


M.  glutaeus  minimus.  471 

taeus  minimus  müßte  sogar  noch  unter  der  Endsehne  des  M.  piriformis 
angegeben  werden,  obwohl  sein  Muskelbauch  nicht  zu  erkennen  ist 
Beim  Nerven  für  den  M.  teusor  fasciae  laiae  mußte  eine  dreifache 
Darstellung  eiutieten:  der  zwischen  den  M.  glutaei  medius  und  minimus 
intermuskuläre  Teil  ist  dick  schwarz  gehallen,  eine  etwa  2  cm  lange 
Stiecke  ist  doppelt  konturiert  gezeichnet  und  entspricht  dem  extra- 
muskulären Vei  laufe  dieses  Nerven ;  die  intramuskuläre  Verzweigung 
konnte  hier  nur  schematisch  mit  blauen  Linien  angegeben  werden. 

M.  glutaeus  minimus. 

Synonyma:  Kleiner  Gesäßmuskel;  M.  glutaeus  minor  s.  glutaeus 
tertius;  Petit  fessier,  petit  ilio-trochanterien  (Chaussikr). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Muskel  stellt  gleichsam  die  verkleinerte  Wiederholung  des 
M.  glutaeus  medius  dar,  mit  dem  er  auch  die  gleiche  Wirkung  besitzt, 
nur  ist  seine  Präparation  viel  leichter,  weil  er  keinen  obertlächliclien 
Ursprung  von  einer  Aponeurose  hat,  die  erst  künstlich  losgelöst 
werden  muß. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  ist  vielleicht  einer  der  schönsten  des  ganzen  mensch- 
lichen Körpers  durch  die  Entwicklung  des  breiten  ISehnenspiegels. 
Die  Gesamtform  gleicht  einem  fast  ganz  ausgebreiteten  Fächer,  dessen 
freier  konvexer  Rand  der  Linea  glutaea  aut.  entspricht,  und  der  je  nach 
der  Farbe  des  Muskels  heller  oder  dunkler  rot  geläi  bt  ist.  Die  End- 
sehne oder  der  Stiel  heftet  sich  am  obeien  Rande  des  Trochanter 
major  an,  ohne  jedoch  die  eigentliche  Spitze  desselben  zu  erreichen, 
und  hat  die  atlasglänzende  Farbe  der  meisten  Sehnen.  Was  aber 
gerade  diesem  Muskel  die  hervorragende  Schönheit  verleiht,  ist  der 
Umstand,  daß  sie  allmählich  dünner  wird,  sich  schließlich  unmerklich 
verliert  und  präparatorisch  sehr  leicht  darzustellen  ist. 

Hierdurch  kommt  ein  Farbenspiel  zustande,  welches  an  Wechsel 
vom  gelben  bis  zum  blauen  Tone,  verbunden  mit  dem  Atlas  schimmern 
der  Sehne,  nichts  zu  wünschen  übrig  läßt.  Das  Pliänomen  der  blauen 
Farbe  ist  allgemein  von  den  Hautvenen  her  bekannt,  bei  welchen  das 
Rot  des  Blutes  durch  die  weißliche  Wand  der  Ader  und  die  Decken 
der  Haut  in  Blau  umgewandelt  wird.  Auch  das  von  einer  Fascie 
bedeckte  Muskelfleisch  erscheint  ja  mehr  oder  weniger  bläulich  oder 
violett  und  ist  bei  chlorotischen  Leuten  mit  fettarmer  Haut,  oder  bei 
venösen  Stauungen  mitunter  in  aller  Deutlichkeit  am  Lebenden  durch- 
zuerkennen. Die  einfachste  Erklärung  findet  sich  aber,  wie  gesagt,  im 
Fleische  des  M.  glutaeus  minimus  im  Veieiue  mit  der  dünnen  Sehne. 

Der  vordere  Rand  ist  wie  beim  M.  glutaeus  medius  nach  vorn 
und  unten  konvex,  kann  aber  bei  Auswärtsrotation  des  Beines  in  eine 
einfache  schräge  Linie  verwandelt  werden.  Der  hintere  Rand  vei läuft 
in  umgekehrter  Richtung  schräg  von  oben-hinten  nach  unten-voin.  Der 
Ursprung  von  der  Außenfläche  der  Darmbeinschaufel  vollzieht  sich 
ausschließlich  durch  fleischige  Bündel  und  reicht  bis  zu  einer  Linie 
herunter,  welche  der  Linea  glutaea  anterior  parallel  verläuft  und 
Linea  glutaea  inferior  genannt  wird.  Gewöhnlich  ist  sie  nicht  so  deutlich 
ausgeprägt  wie  die  Linea  glutaea  posterior  und  anterior.    Des  häufig 


472  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

•vorkommenden  Zusammenhanges  des  vorderen  Randes  mit  dem  M.  glu- 
-taeus  medius  haben  wir  bei  diesem  Muskel  in  ausführlicher  Weise 
•gedacht,  ebenso  der  Varietät  eines  M.  invertor  femoris,  eines  mehr 
•oder  minder  selbständigen  und  starken  Zwischenmuskels  zwischen 
den  beiden  anderen.  Der  Name  besagt,  daß  er  den  Oberschenkel 
nach  einwärts  dreht,  welches  ja  bei  fixiertem  Becken,  also  am  Spiele 
:J)eine  seine  Aufgabe  ist. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  ist  fast  vollkommen  von  dem  M.  glutaeus  medius 
überlagert,  der  hintere  Abschnitt  auch  noch  durch  den  M.  piriformis. 
Erst  durch  Auseinanderdrängen  der  beiden  deckenden  Muskeln  ist  es 
möglich,  einen  Teil  der  Muskeloberfläche  zu  Gesicht  zu  bekommen 
und  die  ihn  versorgenden  Vasa  et  N.  glutaea  superiora  zu  erkennen, 
welche  weiterhin  quer  über  ihn  hinwegziehen  nnd  mit  dem  Zweige 
für  den  M.  tensor  fasciae  latae  ihr  Ende  finden.  Der  obere  Rand 
'entspricht  der  Linea  glutaea  anterior  und  den  R.  profundi  superiores 
der  Vasa  glutaea  superiora.  Der  vordere  Rand  wird  vom  M.  tensor 
fasciae  latae  bedeckt,  so  daß  nur  bei  der  Erschlaifung  des  letzteren 
der  an  und  für  sich  mächtige  vordere  Wulst  des  mittleren  und  kleinen 
Gesäßmuskels  durch  die  Haut  hindurch  zur  Geltung  kommt.  Der 
hintere  Rand  überschreitet  die  Incisura  ischiadica  major  nicht  gegen 
das  Beckeninnere  hin.  Die  tiefe  Fläche  zerfällt  in  einen  oberen  Ab- 
schnitt, welcher  dem  Ursprungsgebiete  des  Muskels  zwischen  Linea 
:glutaea  anterior  und  inferior  entspricht,  und  einen  unteren,  welcher  die 
freie  Facies  profunda  des  Muskelbauches  darstellt.  Nur  durch  lockeres 
fetthaltiges  Bindegewebe  von  der  Kapsel  des  Hüftgelenkes  getrennt, 
bildet  sie  die  erste  unmittelbare  Deckschicht  für  den  größten  Teil 
seiner  hinteren  Wand.  Am  Ansätze  findet  sich  häufig  ein  kleiner 
^Schleimbeutel  —  Bursa  trochanterica  m.  glutaei  minirai  —  eventuell 
auch  mehrere  kleine  intertendinöse. 

Bisweilen  findet  sich  noch  eine  besondere  bandartige  Verbindung 
zum  Lig.  iliofemorale  (Bertini). 

Wirkung. 

Nur  der  Vollständigkeit  halber  sei  erwähnt,  daß  er  bei  dem 
Spielbeine  als  Abductor  femoris,  beim  Standbeine  als  Adductor  pelvis 
i.  e.  trunci  (lateralis)  wirkt  und  im  übrigen  die  gleichen  Aufgaben  er- 
ledigt wie  der  M.  glutaeus  medius. 

Innervation. 

Der  diesem  Muskel  zukommende  Nerv  stammt  aus  dem  N.  glu- 
taeus superior  und  löst  sich  aus  diesem  entweder  bereits  im  Bereiche 
des  B'oramen  ischiadicum  majus  (supiapiriforme)  los,  oder  erst  weiter 
•distal  in  der  Tiefe  des  M.  glutaeus  medius,  wie  unsere  Abbildung 
{Fig.  16)  zeigt.  Wie  bei  allen  Gesäßmuskeln,  haben  wir  auch  hier, 
^vielleicht  in  der  ausgesprochensten  Form,  die  Anordnung  verwirklicht, 
daß  die  Nerven  sich  möglichst  weit  proximal  zum  Punctum  fixum 
normale  verschieben  und  nicht  in  der  Mitte  des  Muskels  ihren  Weg 
nehmen.  Die  Innervation  des  Muskelbauches  bietet  wenig  Besonder- 
heiten.   Wir  haben  zwei  Anastomosen  und  5  verschiedene  Knochen- 

58 


M,  glutaeus  minimus. 


473 


nerven  abgebildet,  von  denen  3  zum  Ursprünge  an  der  Linea  glutaea 
anterior  ziehen  und  2  sehr  lange  zum  Trochanter  major. 

Außerdem  entwickelt  sich  ungefähr  in  der  Mitte  des  Muskels  der 
Nerv  für  den  M.  tensor  fasciae  latae. 


Linea  glutaea  post. 


Spina  iliaca  post.  sup 


N.  pro  m.  glut,  med. 

N.  pro  m.  glut. 


N.  pro  m.  tensore 
fasciae  latae 


M.  piriformis 

N.  ischiadicif; 

N.  pudend 


M.  gemellus 

Bursa  m.  obturatoris 
M.  gemell 


M.  semimembranosus 
Bursa  m.  bicipitis  sup. 
M.  biceps  -f-  semitend. 
M.  adductor  magnns ' 


M.  quadrat 
femoris 
Bursae  m.  piriformis 

Bursa  m.  pectinei 


Bursa  m.  obturatoris 
ext.    (Recessus  post. 
artic.  coxae  nobis) 


Trochanter  minor 
(M.  psoas  major) 


Fig.  16.    Tiefe  Schicht  der  Gesaßgegend,  Muskel-  und  Nervenbild,  topographisch. 

Sämtliche  Rückenmuskeln,  ferner  die  M.  glutaei  maximus,  medius,  obturator 
internus,  flexores  cruris  sind  entfernt  bis  auf  die  Bänder  unter  Berücksichtigung 
der  Muskelursprünge,  welche  wir  für  den  M.  glutaeus  maximus  mit  7,  i,  7,  für  den 
M.  glutaeus  medius  mit  2  angegeben  haben.  Aus  dem  M.  piriformis  ist  etwa  das 
mittlere  Drittel  herausgeschnitten,  damit  man  die  Beziehung  zu  dem  Foramen  ischi- 
adicum  majus  und  seinen  Unterabteilungen,  Foramen  supra-  und  infrapiriforme, 
erkennen  kann.  Außerdem  mußten  die  Hchleimbeutel  berücksichtigt  werden.  Die 
in  den  B.N.A.  angegebenen  Avaren  auch  an  unserem  Präparate  verwirklicht.  Wir 
mußten  aber  noch  zwei  neue  angeben,  einen  unterhalb  der  Sehne  des  M.  piriformis, 


59 


474  FROHSE    UQd    M.    FRÄWKEL, 

WO  sich  dieser  an  den  M.  obturator  internus  anlehnt,  und  einen  zweiten  unmittel- 
bar unter  der  Sehne  des  M.  obturator  externus.  Letzterer  hat  aber  eigentlich  nichts 
mit  der  Endsehne  zu  tun,  sondern  ist  als  eine  hintere  Ausstülpung  des  Hüftgelenkes 
aufzufassen.  Wir  fanden  ihn  an  mehreren  Präparaten  mit  himbeerartigem  Gelee 
ausgefüllt,  wie  es  auch  bei  der  B.  gastrocnemio-semimembranosa  sehr  häufig  vor- 
kommt. Man  findet  in  solchen  Fällen  in  der  eigentlichen  Gelenkhöhle  überhaupt 
keine  Flüssigkeit,  sondern  nur  die  Gelenkschmiere,  und  diese  konzentriert  sich  ge- 
wissermaßen in  den  jeweiligen  Ausbuchtungen,  aus  denen  der  Abfluß  nur  schwer 
möglich  ist. 

Die  Incisura  ischiadica  minor  mußte  hellblau  gefärbt  werden,  weil  an  dieser 
Stelle  einer  der  wichtigsten  Schleimbeutel  zu  beachten  ist,  die  Bursa  m.  obturatoris 
interni.  Am  Tuber  ischiadicum  sind  angegeben  die  Ursprünge  der  Flexoren  und 
des  M.  adductor  magnus.  Sonderbarerweise  schiebt  sich  der  M.  semimembranosus 
weiter  proximal  empor  als  die  vereinten  Ursprünge  des  langen  Bicepskopfes  und 
des  M.  semitendinosus.  Zwischen  beiden  findet  sich  sogar  ein  Schleimbeutel,  bei 
dem  man  im  Zweifel  sein  muß,  ob  er  dem  M.  biceps  zuzurechnen  ist,  oder  dem 
M.  semimembranosus.  Er  wird  genannt  Bursa  m.  bicipitis  superior.  Am  unteren 
Punkte  des  Tuber  ischiadicum  ist  in  blauer  Farbe  dargestellt  der  Ursprung  des 
M.  adductor  magnus,  obwohl  er  nicht  ausschließlich  sehnig  entspringt  und  sein 
muskulöser  Ursprung  durch  rote  Farbe  hätte  angegeben  werden  müssen. 

Das  Muskelbild  zeigt  fast  den  äußersten  Grad  der  Einwärtsrotation,  wobei  der 
Oberschenkelknochen,  von  der  Eückseite  aus  betrachtet,  auswärts  rotiert  erscheint. 
Bei  einer  solchen  Haltung  muß  der  M.  glutaeus  minimus  spiralig  um  den  Trochanter 
major  sich  herumlegen  und  außerdem  der  M.  quadratus  femoris  gedehnt  werden. 
Ganz  abgesehen  davon,  ob  er  den  Namen  „quadratus"  mit  Eeeht  führt  und  für 
die  Crista  intertrochanterica  verantwortlich  gemacht  werden  kann,  betonen  wir,  daß 
er  nur  vorübergehend,  d.  h.  während  eines  bestimmten  Kontraktionszustandes,  die 
Form  eines  Quadrates  annimmt  und  außerdem  mit  seiner  Hauptmasse  über  die 
Crista  intertrochanterica  hinwegzieht. 

In  'den  B.N.A.  ist  eine  Linea  pectinea  femoris  angegeben,  welche  durch  die 
Gegenwart  eines  Schleimbeutels  Berechtigung  findet.  Durch  ihn  werden  getrennt 
der  Trochanter  minor  mit  der  Anheftung  des  M.  psoas  major,  also  die  Beugegruppe 
von  den  Adductoren,  als  deren  erster  der  M.  pectineus  beschrieben  wird. 


M.  tensor  fasciae  latae  =  M.  glutaeus  anterior  nolbis. 

Synonyma :  Spanner  der  Schenkelbinde ;  Tenseur  du  fascia  lata, 
ilio-aponevrosi-femoral    (Ciiaussier),    muscle    de   bände   large  (Winsdow). 

Allgemeines. 

Der  ansehnliche,  längliche  Muskel  entspringt  von  der  Spina  iliaca 
anterior  superior,  zieht  schräg  nach  unten  und  etwas  nach  hinten 
und  geht  von  der  Höhe  des  Trochanter  major  abwärts  in  den  Tractus 
iliotibialis  über,  in  welchem  außerdem  noch  eine  mittlere  Aponeurose 
vom  Darmbeine  her  und  die  oberen  Bündel  des  M.  glutaeus  maximus 
ausstrahlen,  und  findet  seinen  Ansatz  nicht  an  dem  außen  gelegenen 
Knochen,  der  Fibula,  sondern  an  einer  besonderen  Rauhigkeit  der 
Tibia. 

Seine  Innervation  durch  den  Endzweig  des  N.  glutaeus  superior 
kennzeichnet  ihn  als  zur  Gesäßmuskulatur  gehörig,  noch  mehr  aber 
seine  Wirkung.  Wenn  er  sich  allein  zusammenzieht,  beugt  er  das 
ganze  gestreckte  Bein  im  Hüftgelenke  und  dreht  es  gleichzeitig  nach 
vorn,  wenn  es  sich  um  das  Spielbein  handelt;  beim  Standbeine  wird 
die  Wirkung  sich  in  einer  Rückwärtsdrehung,  d.  h.  Auswärtsrotation 
des  Beckens  und  damit  des  Rumpfes  äußern.  Kommen  ihm  seine 
Synergisten  in  der  Abduktion,  die  anderen  M.  glutaei,  zu  Hilfe,  so 
muß  das  Bein  gespreizt  werden.  Beim  Standbeine  äußert  sich  die 
synergistische   Tätigkeit   durch    eine   Seitwärtsneigung   des   Beckens 

60 


M.  tensor  fasciae  latae.  4SI& 

und  des  Rumpfes  nach  derselben  Seite  hin.  Wir  finden  also  an 
ihm  dieselben  Wirkungen  wieder,  welche  wir  für  die  vorderen 
Bündel  der  M.  glutaei  medius  und  minimus  festgestellt  haben  und 
die  wir  überhaupt  vor  diesem  Muskel  durchzulesen  bitten,  weil  sie. 
dort  in  ausführlicher  Weise  beschrieben  worden  sind,  und  weil^ 
diese  Muskeln  dem  Verständnisse  keine  so  großen  Schwierigkeiten 
zu  bereiten  pflegen,  wie  der  M.  tensor  fasciae  latae. 

IdiotopieundSkeletopie. 

Der  verhältnismäßig  schmale  Ursprung  von  der  Spina  iliaca  an- 
terior superior  vollzieht  sich  nur  zum  Teile  fleischig,  überwiegend, 
durch  eine  kurze,  aber  kräftige  Sehne.  Der  ziemlich  platte  Muskel- 
baucli  erreicht  schnell  seine  Breite  von  4 — 7  cm  und  geht  in  einer 
schrägen  Linie,  welche  mit  der  Richtung  der  Muskelbündel  beinahe 
einen  rechten  Winkel  ergibt,  in  die  Eudsehne  über,  und  zwar  vom 
frochanter  major  aus  nach  unten  und  vornhin.  Die  Endsehne  wird 
gewöhnlich  nicht  besonders  aus  dem  Tractus  iliotibialis  herausge- 
schnitten, dessen  vorderen  Abschnitt  sie  darstellt  und  an  dessen 
Bildung  sie  sich  je  nach  der  Entwicklung  des  Muskelbauches  in 
größerer  oder  geringerer  Breite  beteiligt.  .' 

Eine  besondere  Besprechung  verdient  die  Fascie.  Vielfach  dient, 
sie  geradezu  als  Musterbeispiel  für  die  Art  und  Weise,  wie  ein  Muskel; 
von  seiner  Binde  eingeschlossen  wird..  In  der  Tat  läßt  sich  der 
Muskel  aus  seinem  Fascienbette  vollkommen  herausheben.  Das  ober- 
flächliche Blatt  wird  gemeinhin  noch  zur  Fascia  lata  gerechnet,  ist 
aber  ein  Teil  der  allgemeinen  Gliedfascie.  Das  tiefe  Blatt  stellt  die 
besondere  Fascie  des  Muskels  selbst  dar.  Nicht  zu  vergessen  ist  ein 
plattes  Sehnenblatt  von  nicht  gleichmäßiger  Stärke,  welches  noch 
unterhalb  der  tiefen  Fascie  seinen  Weg  zur  Spina  iliaca  anterior  in- 
ferior nimmt  und  einen  rudimentären  akzessorischen  tiefen  Ursprung 
des  M.  tensor  fa.sciae  latae  darstellt,  aus  dem  sich  jedoch  keine 
Muskelbündel  entwickeln. 

HolotopieundSyntopie. 

Die  Oberfläche  ist  nur  von  Haut  und  Fascie  bedeckt,  in  der  sich 
keine  nennenswerten  Gefäße  und  Nerven  verzweigen.  Der  vordere 
Rand  schließt  sich  oben  an  den  M.  sartorius  an,  dann  an  den  M.  rectus 
femoris  und  überlagert  schließlich  den  M.  vastus  lateralis.  Der  hintere 
Rand  grenzt  an  den  M.  glutaeus  medius  und  wird  ungefähr  in  der 
Mitte  von  dem  Endaste  des  N.  glutaeus  superior  erreicht.  In  der 
Tiefe  verbindet  sich  dieser  Rand  mehr  oder  minder  innig  mit  den 
M.  glutaei  medius  und  minimus  durch  eine  Aponeurosis  intermuscu- 
laris,  das  bei  Henle  erwähnte  Lig.  Suspensorium  trochanteris  Gün- 
theri.  Die  tiefe  Fläche  deckt  nacheinander  den  M.  iliacus,  den  Ur- 
sprung des  M.  rectus  femoris,  das  Hüftgelenk  und  den  vorderen  Teil 
des  Trochanter  major. 

Wirkung. 

Dieselbe  ist  ihrer  Wichtigkeit  wegen  bereits  im  allgemeinen  Teil 
beschrieben  worden. 

6i 


476  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

Tractus  iliotibialis  i). 

Dieser  wichtige  Zug,  welcher  das  Hüft-  und  Kniegelenk  über- 
brückt, wird  in  den  anatomischen  Vorlesungen  meistens  als  Maissiat- 
^cher  Streifen  gelehrt.  Wie  sehr  dieser  Name  eingebürgert  ist,  geht 
daraus  hervor,  daß  der  Autor  Maissiat  auch  in  den  B.  N.  A  in 
Klammern  angeführt  wird.  Die  neuere  Bezeichnung  als  Tiactus  ilio- 
tibialis  hat  zweifelsohne  viel  mehr  für  sich,  besonders  weil  Waldeyer 
am  knöchernen  Becken  ziemlich  am  höchsten  Punkte  der  Crista  iliaca 
einen  besonderen  dreieckigen  Vorsprung  als  Tuber  glutaeum  ant.  ^) 
(oberer  Hüftpunktj  bezeichnet  hat,  welcher  auffallenderweise  beim 
weiblichen  Geschiechte  mindestens  ebenso  stark,  wenn  nicht  kräftiger 
entwickelt  ist,  als  beim  männlichen  —  und  außerdem  bei  abge- 
magerten Individuen,  deren  Muskulatur  ebenfalls  atrophisch  geworden 
ist,  an  Mächtigkeit  eher  zugenommen  hat. 

Am  Becken  besitzt  der  Tractus  iliotibialis  drei  Komponenten: 
eine  vordere  muskulöse,  eine  mittlere  sehnige  und  hinten  wieder  eine 
muskulöse. 

Die  beiden  muskulösen  Komponenten  werden,  weil  sie  eben  aus 
Fleisch  bestehen,  nicht  einmal  von  den  Studierenden  weggeschnitten 
und  sogar  in  ihrer  Bedeutung  erkannt.  Die  Abgrenzung  der  sehnigen 
Bestandteile  stößt  auf  große  Schwierigkeiten,  weil  sie  erst  künstlich 
gegen  die  Nachbarschaft  abgesetzt  werden  müssen.  Hieraus  eigeben 
sich  verschiedene  Gebiäuche,  welche  an  jeder  einzelnen  anatomischen 
Anstalt  besondere  Methoden  zeitigen  können,  je  nachdem,  auf  welche 
Darstellung  Wert  gelegt  wird.  So  hat  beispielsweise  Fau^)  in  seinem 
künstlerisch  hervorragenden  Atlas  der  äußeren  Form  nur  die  musku- 
lösen Komponenten  berücksichtigt,  die  mittlere  sehnige  aber  zu  ent- 
fernen für  gut  befunden;  und  auch  die  medizinischen  Atlanten  zeigen 
große  Verschiedenheiten.  Hieraus  geht  aber  mit  der  größten  Deut- 
lichkeit hervor,  daß  die  Willkür  großen  Spieliaum  hat.  Zu  unserer 
Mitteilung  bemerken  wir,  daß  sie  entstanden  ist  durch  eine  doppelte 
Bearbeitung  desselben  Gegenstandes,  welche  zeitlich  etwa  ein  Jahr  aus- 
einanderliegt. 

Die  erste  baut  sich  auf  den  Erfahrungen  auf,  welche  Frohse 
im  Laufe  der  Jahre  bei  der  Anfertigung  der  Vorlesungspräparate  ge- 
wonnen hat,  und  ist  aus  der  Erinnerung  niedergeschiieben,  ohne  Ver- 
gleich mit  den  eigens  dazu  angefertigten  Präparaten  unsererseits  und 
ohne  zeichnerische  Festlegung  unseier  Befunde. 

Als  jetzt  die  Zeichnungen  für  unseren  Abschnitt  für  das  Hand- 
buch der  Anatomie  ausgeführt  werden  mußten,  und  wir  außerdem  in 
der  Zwischenzeit  die  Fascien  bearbeitet  hatten,  kamen  wir  zu  einer 
anderen  Anschauung. 

A.  Die  alte  Darstellung,  welche  wir  nach  unserer  damaligen 
Niederschrift  wiedergeben,  deckt  sich  ungefähr  mit  der  Methode, 
welche  in  der  Berliner  Anatomie  nach  den  Vorschriften  von  Waldeyer 
betlieben  wird.  Wir  haben  an  unserer  Beschreibung  sachlich  nichts 
geändert. 


1)  Frohse  u.  Fränkel,  Der  Tractus  iliotibialis.    Archiv  für  Anat.  u.  Physiol., 
als  Festgabe  für  Prof.  W.  Waldeyer,  1910,  S.  361. 

2)  W.  Waldeyer,  Das  Becken,  Bonn  1899,  S.  17. 

3)  J.  Fau,  Anatomie  des  formes  exterieures  du  corps  humain.    Atlas,   Paris, 
Mequignon-Marvis. 

62 


Tractus  iliotibialis.  47T 

Um  so  mehr  kommt  hierbei  der  enorme  Unterschied  zur  Geltung, 
welcher  in  unserer  neuen  Auffassung  zutage  tritt.  Ob  wir  hiermit 
das  Problem  gelöst  haben,  kann  nur  die  Zukunft  lehren. 

Unsere  alte  Darstellung  besagt  folgendes:  Der  M.  tensor  fasciae 
latae  bildet  die  vordere  muskulöse  Komponente  des  Tractus  iliotibialis, 
dieses  Sehuenzuges,  welcher,  wie  der  Name  sagt,  das  Darmbein  mit 
dem  Schienbeine  verbindet  und  außer  dem  sogenannten  M.  teusor 
fasciae  latae  noch  einen  zweiten  Muskelbezug  besitzt,  die  oberen 
Bündel  des  M.  glutaeus  maximus.  Als  dritte  Komponente  werden 
diejenigen  longitudiualen  Sehuenzüge  bezeichnet,  welche  den  mitt- 
leren Abschnitt  des  M.  glut.  med.  zudecken.  Die  hierfür  übliche  Be- 
zeichnung Fascia  glutaea  media  ist  falsch,  weil  diese  Apoueurose 
bereits  in  der  proximalen  Hälfte  des  Muskels  als  vollkommen  selb- 
ständige, längsgefaserte  Sehne  erscheint  und  sich  über  dem  Trochanter 
major  mit  den  Sehnen  der  beiden  anderen  muskulösen  Kom- 
ponenten verbindet.  Die  Abgienzung  des  rein  sehnigen  Ursprunges 
setzt  bereits  über  dem  M.  glutaeus  medius  eine  künstliche  Trennung 
voraus.  Noch  schwieriger  gestaltet  sich  über  dem  Oberschenkel- 
schafte die  Sonderung.  Wäie  man  vor  die  Aufgabe  gestellt,  an  einem 
Oberschenkel,  an  dessen  Außenseite  weiter  nichts  zu  sehen  wäre,  als 
ein  rechteckiges,  etwa  20  cm  langes  und  10  cm  breites  Feld  der  frei 
präparierten  Fascia  lata,  so  dürfte  selbst  einem  erfahrenen  Präparator 
die  Angabe  der  Grenzen  schwierig  sein,  wo  der  Tractus  iliotibialis 
in  Wirklichkeit  vorn  beginnt  und  hinten  aufholt.  Leichter  wird  die 
Abgrenzung  dieses  praktisch  so  wichtigen  Zuges,  wenn  auch  der 
untere  Abschnitt  freiliegt.  Sodann  läßt  sich  in  der  Höhe  des  Knie- 
gelenkspaltes meist  der  hintere  Rand  des  Tractus  iliotibialis  in  scharfer 
Weise  abgrenzen,  während  der  Vorderrand  wegen  der  Verbindung 
mit  der  Kniescheibe  (Retinaculum  patellae  laterale)  nicht  so  leicht 
zu  erkennen  ist.  Wohl  aber  läßt  sich  derselbe  dann  gut  heraussetzen, 
wenn  man  vom  vorderen  Rande  des  M.  tensor  fasciae  latae,  wo  der- 
selbe in  die  Sehne  übergeht,  in  der  Längsrichtung  der  Sehnenfasern 
den  Schnitt  durch  die  Fascia  lata  nach  unten  verlängert.  Umgekehrt 
muß  die  Abgrenzung  des  hinteren  Randes  immer  von  unten  her,  vom 
Kniegelenke  aus,  vorgenommen  werden,  wenn  man  sich  nicht  der 
Gefahr  des  Zufalles  aussetzen  will.  Der  Schnitt  wird  in  der  Verlängerung 
des  hinteren  Beginnes  in  der  Richtung  der  Sehnenfasern  nach  oben 
fortgeführt  bis  hinein  in  das  Fleisch  des  M.  glutaeus  maximus.  Zu 
einer  bequemen  Darstellung  dieser  hinteren  Komponente  des  Tractus 
iliotibialis  empfiehlt  es  sich,  den  Schnitt  entsprechend  der  Muskel- 
faserung  durch  die  ganze  Substanz  des  Muskels  hindurchzuführen. 
Man  kann  dabei  erkennen,  wieviel  von  der  Muskelmasse  des  großen 
Gesäßmuskels  zum  Tractus  iliotibialis  gehört,  und  wieviel  dem  An- 
sätze am  Oberschenkelbeine  zukommt.  Man  darf  sich  aber  nicht  an 
ein  Schema  halten,  ob  ein  Drittel,  die  Hälfte  oder  vielleicht  noch 
mehr  in  den  Darmbein-Schienbeinzug  übergeht.  Ebenso  verkehrt 
wäre  es,  von  vornherein  die  Breite  des  Tractus  iliotibialis  als  fest- 
stehend anzusehen.  Die  Präparation  wird  in  den  einzelnen  Fällen 
grundverschiedene  Ergebnisse  zeitigen.  Im  Interesse  einer  einheit- 
lichen Darstellung  wäre  eine  Befolgung  der  hier  gegebenen  Vorschläge 
für  die  Allgemeinheit  wünschenswert,  welche  vielleicht  bereits  an 
den  verschiedensten  Universitäten  des  In-  und  Auslandes  in  ähnlicher 
Weise  durchgeführt  wird:  Die  Abgrenzung  des  vorderen  Randes  soll 

63 


4^6  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

stets  von  oben,  der  Hüfte  aus  erfolgen,  dort,  wo  der  M.  tensor  fasciae 
latae  in  seine  Endsehne  übergeht,  genau  entsprechend  dem  vorderen 
Rande  der  Sehnenfasern  in  ihrer  Längsrichtung.  Umgekehrt  sollte 
die  hintere  Begrenzung  immer  von  unten,  in  der  Höhe  des  Knie- 
gelenkes ausgeführt  werden,  wo  sich  die  hintere  Grenze  wohl  fast 
immer  als  starker  sehniger  Rand  kundgibt.  Die  sich  hinterher  er- 
gebende Breite  in  den  einzelnen  Abschnitten  des  Tractus  iliotibialis 
wird  sich  dann  bei  jeder  Beschreibung  eines  Einzelfalles  kaum  mit 
einem  anderen  vollkommen  decken.  Wenn  man  die  beiden  Ränder 
in  dieser  Weise  scharf  abgegrenzt  hat,  so  daß  man  imstande  ist,  den 
Tractus  iliotibialis  mittels  der  untergeschobenen  Hand  oder,  was  um- 
ständlicher ist,  eines  Instrumentes  in  die  Höhe  zu  heben,  kann  man 
zu  dem  zweiten  Akte  schreiten,  der  eigentlichen  Präparation  der  in 
ihm  enthaltenen  Sehnenfasern.  Bei  der  theoretischen  und  auch  prak- 
tischen Wichtigkeit  der  Frage,  ob  hiei-  eine  Verstärkung  der  Fascia 
lata  vorliegt,  was  der  Name  M.  tensor  fasciae  latae  besagt,  oder  eine 
selbständige  Aponeurose,  haben  wir  bereits  bei  der  Fascie  der  obeien 
Extremität  auch  der  Fascia  lata  gedenken  müssen.  Die  unseres 
Wissens  noch  nicht  beschriebene,  und  seit  etwa  12  Jahren  von  Frohse 
bei  den  Vorlesungspräparaten  nicht  allein  für  die  Mediziner,  sondern 
auch  für  die  Künstler  gehandhabte  Methode  besteht  darin,  daß  man 
etwa  5  cm  oberhalb  des  Kniegelenkspaltes  vorsichtig  mit  dem  Messer 
in  die  Tiefe  geht,  bis  man  die  Längsschicht  erreicht  hat.  Dann  ver- 
sucht man  mit  dem  Daumennagel  die  Querfasern  von  den  Längs- 
zügen als  einheitliche  Lamelle  zu  sondern.  Das  wird  bei  den  Prä- 
paraten, welche  mit  WiCKERSHEiMERscher  Flüssigkeit  injiziert  waren, 
meist  ohne  Schwierigkeit  vor  sich  gehen  können.  W^enn  bei  der 
Konservierung  Formalin  mitbenutzt  wurde,  welches  den  Fascien  eine 
besondere  Zähigkeit  verschafft,  so  ist  eine  vorherige  gründliche  Duich- 
tränkung  mit  gewöhnlichem  Wasser  oft  wünschenswert,  weil  dann  die 
oberflächliche  Schicht  zum  Quellen  gebracht  wird.  Noch  mehr  wird 
das  auf  dem  Präpariersaale  geboten  sein,  weil  die  Studierenden  recht 
oft  ihre  Präparate  nicht  mit  der  nötigen  Sorgfalt  vor  dem  Eintrocknen 
schützen;  und  gerade  bei  Präparaten,  welche  mit  Formalin  in  Be- 
rührung gekommen  sind,  ist  ein  nachheriges  Aufweichen  immer  lang- 
wierig und  umständlich,  oft  überhaupt  unmöglich,  je  nach  dem  Grade 
der  Austrocknung.  Wenn  man  in  die  richtige  Schicht  gelangt  ist, 
wobei  vor  allem  darauf  zu  achten  ist,  daß  man  auch  vollkommen  bis 
zu  beiden  Rändern  vorgedrungen  ist,  gelingt  es,  in  ungefähr  einer 
Minute  die  aponeurotischen  Fasern  des  Tractus  iliotibialis  bis  fast 
zur  Höhe  des  Trochanter  major  in  glänzender  Weise  —  glänzend  in 
des  Wortes  wahrster  Bedeutung  —  zur  Darstellung  zu  bringen,  wie 
es  nun  und  nimmer  so  sauber  mit  dem  Messer  hätte  geschehen  können. 
Das  ist  ja  überall  so,  nicht  allein  bei  den  makroskopischen,  wie  auch 
bei  den  mikroskopischen  Präparaten,  daß  sie  um  so  schöner  ausfallen, 
je  weniger  man  sie  mit  Instrumenten  zu  behandeln  oder  mißhandeln 
braucht.  Von  der  Trochantergegend  aus  proximal  ist  die  Lage  der 
Querfasern  gewöhnlich  untrennbar  mit  dem  Tractus  iliotibialis  ver- 
wachsen. Wenn  man  diesen  Teil  der  Fascie  nicht  mehr  zur  Fascia 
lata  rechnen  will,  wie  es  vielfach  mit  der  Fascie  geschieht,  welche 
den  M.  glut.  max.  bedeckt,  so  müssen  wir  von  einer  Fascia  glutaea 
media  reden.  Diese  ist  jedoch  recht  schwach  und  darf  nach  dem 
Grundgesetze,    welches  für   die   Fascien   gilt,    daß   sie  nämlich   quer 


Tractus  iliotibialis.  •  479 

znr  Richtung-  der  bedeckten  Muskeln  verlaufen,  nicht  mit  denjenigen 
sehnigen  Zügen  verwechselt  werden,  welche  den  M.  glut  med.  in  der 
Mitte  als  einheitliche  Platte  decken  und  nach  den  Rändern  zu  durch 
längsverlaufende  sehnige  Einlagerungen  sich  kundgeben.  Die  wirk- 
liche Fascie  des  M.  glut.  med.  ist  eine  der  schwächsten  des  ganzen 
menschlichen  Körpers  und  auch  belanglos,  weil  sie  durch  darüber  ge- 
lagerte wahre  aponeurotische  oder  sehnige  Bündel  ersetzt  wird. 

Distal  gegen  den  Ansatz  hin  gelingt  die  ebenfalls  mit  dem 
Daumennagel  ausgeführte  Trennung  zwischen  Quer-  und  Längszügen 
oft  nicht  einmal  bis  zum  Spalte  des  Kniegelenkes  hin.  Eine  scharfe 
Trennung  mit  dem  Messer  gibt  dem  Präparate  meist  ein  zerhackteres 
Aussehen,  als  es  der  Fall  ist,  wenn  man  die  eigentliche  Fascie  un- 
verändert stehen  läßt  und  an  der  Stelle  glatt  abschneidet,  bis  wohin 
die  Trennung  mit  dem  Daumennagel  möglich  war.  Nur  in  einem 
einzigen  Falle  gelang  es  uns,  den  Tractus  iliotibialis  in  seiner  ganzen 
Ausdehnung  vom  Schienbeine  über  den  ganzen  Oberschenkel  hinweg 
bis  zum  Tuber  glutaeum  anterius  und  seitlich  bis  zum  Beginne  des 
Fleisches  der  M.  tensor  fasciae  latae  und  glutaeus  maximus  in  klarer 
Weise  nach  der  Daumennagelmethode  darzustellen,  d.  h.  die  Querzüge 
der  Fascia  lata  als  einheitliche  Lamelle  von  den  aponeurotischen 
Längsfasern  zu  sondern.  Aber  gerade  dieser  Fall  verpflichtet  uns 
gewissermaßen,  den:  Namen  M.  tensor  fasciae  latae  als  unberechtigt 
hinzustellen,  da  ja  dieser  Muskel  mit  der  Fascia  lata  überhaupt  nichts 
zu  tun  hat,  nur  daß  er,  wie  auch  alle  anderen  Muskeln,  welche  und 
soweit  sie  an  der  Oberfläche  des  Oberschenkels  liegen,  von  ihr  be- 
deckt wird. 

B.  Nach  unseren  neuesten  Untersuchungen  sind  wir  zu  folgenden 
Ergebnissen  gekommen: 

Die  mittlere  sehnige  Komponente,  welche  von  der  am  meisten 
lateral  gelegenen  Stelle  der  Ciista  iliaca  entspringt,  dem  von  Wal- 
de yer  sogenannten  Tuber  glutaeum  anterius,  verläuft  bei  oberfläch- 
licher Betrachtung  ungefähr  senkrecht  nach  unten  und  erscheint  so 
als  ideale  sehnige  Grundlage  des  gesamten  Tractus  iliotibialis.  In  der 
Streckstellung  des  Gesamtbeines  verläuft  in  der  Tat  die  Achse  des 
.Tractus  iliotibialis  von  diesem  Punkte  aus  senkrecht  herunter  bis  zur 
Tibia.  Wollen  wir  jedoch  diesem  Teile  den  Ursprung  aus  dem  M. 
glutaeus  med.  zuweisen,  so  müßten  Muskelbündel  in  ihn  ausstrahlen, 
zu  ihm  konvergieren.  Jedoch  das  Gegenteil  ist  der  FaU.  Die  Bündel 
streben  von  ihm  weg,  sie  divergieren.  Vom  Trochanter  major  ab 
distalwärts  ist  der  aponeurotische  Charakter  des  Tractus  iliotibialis 
absolut  einwandfrei,  mit  dem  Augenblicke,  wo  die  obersten  Muskel- 
bündel des  M.  glut.  max.  in  die  freie  Endsehne  übergehen,  und  vorn, 
jedoch  erst  unterhalb  des  Trochanter,  die  ersten  des  M.  tensor  fasciae 
latae  das  gleiche  tun.  Der  Mittelzug  zwischen  Trochanter  major  und 
Tub.  glut.  ant.  sieht  äußerlich  wohl  wie  eine  Aponeurose  aus,  ist  aber 
funktionell  nur  eine  Fascie.  Wir  setzen  uns  dadurch  in  einen  schein- 
baren Widerspruch  mit  der  von  uns  in  unserem  Buche  „Die  Muskeln 
des  menschlichen  Armes"  ^)  gegebenen  Darstellung,  daß  sich  nämlich 
eine  Fascie  unter  allen  Umständen  dadurch  charakterisiert,  daß  sie 
nahezu   quer    zur   Muskelbündelrichtung    orientiert   ist.     Diese    An- 


1)   P.  Frohse   und   M.  Fränkel,   Die  Muskeln   des   menschlichen  Armes. 
Jena,  G.  Fischer,  1908. 

Handbuch  der  Anatomie.    II,  ii,  3.  Bl 

65 


480  •  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

schauung  findet  auch  hier  keine  Ausnahme,  denn  der  M,  glut.  med. 
hat  in  dem  vom  Tractus  iliotibialis  zugedeckten  Teile  ebenfalls  seine 
besondere,  wenn  auch  nur  sehr  dünne  Spezialfascie,  welche  von  dem 
Tractus  selbst  durcli  lockeres,  mehr  oder  minder  fetthaltiges  Binde- 
gewebe getrennt  wird.  Es  müssen  also  mechanische  Bedingungen 
diesen  besonderen  Zug  erzeugen,  welche  durch  Betrachtungen  am  be- 
wegten Präparate  oder  Lebenden  zu  verstehen  sind.  Unschwer  läßt 
sich  erkennen,  daß  die  seimigen  Bündel  der  mittleren  Komponente 
des  Tractus  iliotibialis  in  nach  vorn  konvexem  Bogen  über  den  Tro- 
chanter  major  hinwegziehen  und  eiuen  unteren  dreieckigen  Teil  des 
M.  glut.  max.  gegen  den  Oberschenkel  pressen  und  diesen  Muskel- 
abschuitt  als  zum  Oberschenkel  gehörig  erscheinen  lassen,  eine  Tat- 
sache, welche  äußerlich  in  der  queren  Gesäßfurche  ihren  Ausdruck 
findet.  Dies  kommt  besonders  beim  Standbeine  zur  Geltung,  und 
hierdurch  wird  verhindert,  daß  der  M.  glut.  maximus  mit  seiner  ganzen 
Masse  zum  Oberschenkel  heruutersinkt,  während  der  obere  Abschnitt 
in  der  Trochautergegend  gegen  diesen  Knochenpunkt  befestigt  ge- 
halten wird.  Er  erschlafft  bei  der  Auswäitsrotation  und  läßt  dadurch 
dem  bei  dieser  Bewegung  tätigen  Abschnitte  des  M.  glut.  med.  will- 
kommene Ausdehnungsfreiheit.  Aber  bei  dieser  Bewegung  spannt  sich 
ein  vorderer  Zug  an,  welcher  in  der  Tiefe  des  M.  tensor  fasciae  latae 
entspringt  und  als  breite  aponeurotische  Platte  zur  Ursprungssehne 
des  M.  rectus  femoris  verläuft  und  so  die  Einwärtsroller,  d.  h.  den 
M.  tensor  fasciae  latae  und  den  voideren  Abschnitt  der  M.  glutaei  me- 
dius  und  minimus  von  den  M.  vastus  lateralis  und  iliacus  trennt. 
Wenn  überhaupt  an  einer  Stelle  von  einem  Septum  intermusculare 
zu  reden  ist,  so  trifft  es  für  diese  aponeurotische  Platte  zu.  Die  voll- 
kommene Selbständigkeit  und  die  Nachbarschaft  mit  ganz  verschieden 
wirkenden  Muskeln  erfordert  aber  einen  indifterenten  Namen,  für 
welchen  wir„T]actuspraetrochantericus"  voi  schlagen  möchten. 
Analog  diesem  wäre  für  die  mittlere  Komponente  des  Tractus  ilio- 
tibialis die  Bezeichnung  „Tractus  supratrochantericus"  ge- 
boten. 

Genau,  wie  sich  der  proximale  Teil  oberflächlich  in  drei 
Komponenten  zerlegen  läßt,  während  die  mittlere  Partie  als  einheit- 
liche dünne  Sehnenplatte  erscheint ,  haben  wir  auch  im  distalen 
Teile  wiederum  eine  Dreiteilung,  die  wir  kurz  zusammenfassen  wollen 
in  folgentle  Namen:  a)  Retinaculum  patellae  laterale,  b)  Hauptausatz 
an  der  Tibia,  c)  hinterer  Ansatz  am  Labium  laterale  der  Linea  aspera 
femoris  unter  Bildung  eines  besonderen  Bandes,  welches  genau  gegen- 
überliegt der  Anheltung  des  M.  adductor  nia^nus  und  so  eine  be- 
sondere Bezeichnung  verdient  als  Ligamentum  intermuscuLire 
laterale.  Zwischen  diesem  Zuge  und  dem  e  gentlichen  Epicondjlus 
lateralis  nehmen  die  Vasa  articularia  genu  sup.  lat.  entweder  als 
Stamm  oder  mit  mehreren  Zweigen  ihren  Verlauf  von  der  Kniekehle 
aus  zur  Vorderseite  des  Kniegelenkes.  Die  pioximale  Dreiteilung 
ist  ungezwungener,  weil  die  mittlere  sehnige  Partie  zu  beiden  Seiten 
umiahmt  wird  von  den  benachbarten  Rändern  scharf  gesonderter 
Muskeln.  Die  distale  Dreiteilung  ist  dagegen  schematisch.  Sie  ver- 
langt die  künstliche  Heraussetzung  der  diei  zu  den  einzelnen  Knochen- 
punkten verlaufenden  Sehneuzüge.  Aber  auch  die  mittlere  Partie  ist 
durchaus  nicht  von  der  Natur  scharf  gesondert.  Sogar  die  vordere 
Grenze  muß  erst  künstlich  in  der  Verlängerung  des  vorderen  Randes 

66 


Tractus  iliotibialis.  481 

des  M.  tensor  fasciae  latae  herausgesetzt  werden.  Ein  hinterer  Rand 
konnte  nach  der  alten  Präparatioiisweise  ohne  weiteres  gescliatten 
werden,  und  es  sah  so  aus,  als  ob  genau  dieselbe  Einrichtung  vor- 
handen war.  wie  am  vorderen  Rande.  Nach  unserer  neuen  Darstellung 
ist  dies  zwar  zulässig;  jedoch  muß  man  sich  dann  darüber  klar  sein, 
daß  man  in  dieser  Weise  die  hintere  Anheftung  des  M.  glutaeus 
maximus  an  der  Linea  aspera,  die  zaite  Sehnentasche  für  den  Ur- 
sprung des  M.  vastus  lateralis,  als  selbständigen  Teil  bestehen  läßt. 
So  dünn  die  Wände  auch  sind,  dürfen  wir  unter  keinen  Umständen 
die  theoretische  und  auch  praktische  Wichtigkeit  dieser  Einrichtung 
verkennen,  auch  wenn  sie  bloß  den  Namen  Septum  intermuscu- 
lare  laterale  führt. 

Wenn  wir  also  den  Tractus  iliotibialis  nach  unserer  Ansicht  de- 
finieren wollen,  müssen  wir  sagen:  diejenigen  Züge,  welche  bis  zum 
Schienbeine  herunter  verlaufen,  sind  ausschließlich  unmittelbaie  Fort- 
setzungen der  M.  tensor  fasciae  latae  und  glutaeus  maximus.  Letztere 
setzen  sich  aber  noch  als  aponeurotische  Tasche  in  der  ganzen  Länge 
des  Labium  laterale  der  Linea  aspera  an,  rückläufig  bis  zur  Tubero- 
sitas  glutaea.  In  Trochanterhöhe  weicht  der  einheitliche  Sehnenzug 
durch  seine  beiden  muskulösen  Komponenten  zum  vorderen  und  hin- 
teren Endpunkte  der  Crista  iliaca  auseinander.  In  diesen  Winkel 
strahlen  aber  vom  Tuber  glutaeum  anterius  (Waldeyer)  longitudinale 
Sehnen  hinein.  Diese  werden  gewöhnlich  als  mittlere,  rein  sehnige 
Komponente  aufgefaßt  und  so  auspi  äpariert  unter  Durchtrennung 
der  seitlichen  pinsel-  oder  fächerartigen  Ausstrahlungen.  Wir 
schlagen  für  diese  Fasern  den  indifferenten  Namen  „Tractus  supra- 
trochantericus"  vor.  Diesen  drei  Oberflächenkomponenten  ist  noch 
hinzuzufügen  ein  tiefes  aponeurotisches  Blatt  zur  Spina  iliaca  ant. 
inf.,  für  welches  wir  den  Namen  „Tractus  praetrochantericus"  ange- 
wandt haben. 

Der  mittlere  Teil  stellt  eine  breite,  dünne  Aponeurose  dar,  welche 
künstlich  als  „JVlAissiATscher  Streifen"  herausgesetzt  wird.  Wir  be- 
merken dazu,  daß  die  hinten  übrig  bleibende  Partie  als  Ansatz  des 
M.  glutaeus  maximus  an  der  Linea  aspera  aufzufassen  ist. 

Der  distale  trichterförmige  Ausatz  verlangt  nach  den  drei  Knochen, 
zu  denen  er  hinstrebt,  eine  künstliche  Dreiteilung:  a)  vorderer 
Ansatz  als  Retinaculum  patellae  laterale  au  der  Kniescheibe;  b)  als 
lateraler  Hauptansatz  am  oberen  Rande  der  Tibia;  c)  als  hinterer 
Ansatz  des  M.  glutaeus  maximus  an  der  Linea  aspera  unter  Entwick- 
lung eines  bandartigen  Zuges:  Septum  und  Ligamentum  inter- 
musculare  laterale. 

Zweifelsohne  kommt  dem  Tractus  iliotibialis  eine  hervorragende 
Bedeutung  in  der  Mechanik  des  Beines  zu.  Anatomen,  Physiologen. 
Chirurgen  und  Orthopäden  werden  ihn  noch  genau  zu  studieren  haben, 
bis  aus  den  Beobachtungen  der  einzelnen  Disziplinen  sich  ein  gemein- 
schaftliches Resultat  ergibt,  in  welchem  Theorie  und  Praxis  nicht  von- 
einander abweichen. 


Nachtrag. 

Als  unsere  Mitteilung  bereits  druckfertig  vorlag,  wurden  wir  von 
Herrn  Geheimrat  Waldeyer  auf  eine  Arbeit  über  die  „schnappende 

31* 
67 


482  FROHSE  und    M.    FRÄNKEL, 

oder  schnellende  Hüfte"  aufmerksam  gemacht  ^).  Wir  sahen  uns  darauf- 
hin zu  einer  nochmaligen  Präparation  veranlaßt  und  benutzen  die  Ge- 
legenheit, nicht  allein  zu  dieser  Arbeit  Stellung  zu  nnhmen,  sondern 
auch  noch  weitere  eigene  Beobachtungen  und  Anschauungen  mitzu- 
teilen. Wir  kommen  dazu  noch  aus  einem  anderen  Grunde.  Zwar 
ist  1895  durch  die  B.N.A.  eine  einheitliche  lateinische  Namengebung 
für  das  Gesamtgebiet  der  makroskopischen  Anatomie  angestrebt 
worden,  und  zweifelsohne  hat  diese  Arbeit  seither  reichlichen  Segen 
gestiftet;  aber  wohl  fast  jeder  Verfasser  eines  größeren  Werkes  fühlte 
und  fühlt  das  Bedürfnis,  die  eigenen  Anschauungen  und  besonders 
die  Unzulänglichkeit  mancher  alten  Ausdrücke  —  mit  Vorliebe  unter 
Schaffung  neuer  Namen  —  kundzugeben.  Bei  derMyologie  kommt  dieser 
Wunsch  gerade  jetzt  nicht  nur  im  einzelnen,  sondern  in  größerer 
Allgemeinheit  zur  Geltung,  indem  sich  in  Bordeaux  in  diesem  Jahre, 
April  1911,  eine  besondere  Gesellschaft  gebildet  hat,  an  deren  Spitze 
anerkannte  Fachmänner  aus  Frankreich,  England,  Amerika,  Italien 
und  Deutschland  stehen,  mit  dem  Zwecke,  in  lateinischen  Ausdrücken 
Muskelnamen  zu  schaffen,  welche  nicht  nur  für  den  Menschen,  sondern 
auch  für  alle  Säugetiere  anwendbar  sind.  Das  Projet  de  reforme  de 
la  nomenclatiire  myologique  umfaßt  315  Namen,  von  denen  etwa  20O 
zur  menschlichen  Muskellehre  gehören  —  keine  allzu  große  Zahl,  weil 
auch  die  Eingeweidemuskeln  für  Schlund,  Kehlkopf  und  Damm  mit- 
angegeben sind.  Wir  werden  in  unserem  Beitrage  für  das  Handbuch 
der  Anatomie  über  die  Muskeln  des  menschlichen  Beines  ausfühi lieber 
hierzu  Stellung  nehmen,  haben  jedoch  schon  jetzt  gerade  am  Tractus 
iliotibialis  ein  selten  glückliches  Beispiel,  unsererseits  darzutun,  daß 
eine  Umänderung  der  Namen  in  dem  angestrebten  Sinne  wünschens- 
wert ist. 

Bei  unserem  Nachtrage  haben  wir  folgende  Punkte  zu  berück- 
sichtigen. 

1)  Kurze  geschichtliche  Darstellung  nach  H.  Welcher,  Reicherts 
und  Du  Bois-Reymonds  Archiv  1875.  Zueist  hat  Maissiat  in  den 
Comptes  rendus  des  seances  de  l'Acad.  Paris  1843  auf  diesen  Streifen 
hingewiesen,  welcher  in  lateinischer  Bezeichnung  Lig.  ileo-trochantero- 
tibiale  zu  nennen  ist,  und  ungefähr  zu  gleicher  Zeit  hat  H.  v.  Meyer 
den  Namen  „Ligamentum"  ileotibiale  in  seinem  Buche  „Statik  und 
Mechanik  des  menschlichen  Körpers"  eingefühlt.  Den  aponeui otischen 
Charakter  des  MAissiATschen  Streifens  hat  1875  Hermann  W^elcker 
in  Halle  erkannt,  indem  er  an  Stelle  eines  Bandes  von  einem  Tractus 
redet;  er  hat  aber  noch  an  dem  Zusammenhange  mit  der  Fascia  lata 
festgehalten,  wie  seine  Bezeichnung  Tractus  ileotibialis  fasciae  latae 
besagt.  Diese  Beziehung  stellen  wir  aber  gerade  in  Abrede  und  halten 
sogar  den  Namen  M.  tensor  fasciae  latae  für  vollkommen  unberechtigt, 

2)  Der  Tractus  cristofemoi  alis  (F.  Schepers).  Die  praktische  Seite 
der  Frage  wurde  zuerst  von  dem  Chirurgen  Perrin  1855  ebenfalls 
in  Paris  angeregt,  aber  erst  nach  vollen  50  Jahren  kommen  neue 
Beobachtungen  über  die  „schnellende  und  schnappende  Hüfte".  Zur 
Verth  schafft  1909  einen  besonderen  Namen  Tractus  cristofemoralis, 
welcher  dann  1910  von  F.  Schepers  in  seiner  Inauguraldisseitation 
ausführlicher  beschrieben  wird.  Wir  führen  hier  wörtlich  an,  was 
Schepers  über  den  Autor  Zur  Verth  erwähnt: 


1)  F.  Schepers,  Ueber  den  Tractus  cristofemoralis.    Inaug.-Diss.  Berlin,  1910. 
68 


Tractus  iliotibialis,  488 

„Er  —  d.  h.  letzterer  —  naunte  diesen  von  ihm  näher  beschrie- 
benen besonderen  Streifen  den  Tractus  cristofemoralis,  und  zwar 
c  r  i  s  1 0  femoralis,  um  Verwechselungen  mit  dem  hig.  i  1  i  o  -  femorale 
vorzubeugen,  cristo-femoralis  (statt  des  an  sich  ebenso  richtigen 
cristo-tibialis),  um  darauf  hinzuweisen,  daß  ein  Teil  des  Bandes 
sich  mit  der  Sehne  des  M.  glutaeus  max.  am  Femur  festsetzt/  — 
Ueber  die  praktische  Bedeutung  erlauben  wir  uns  kein  Urteil;  jedoch 
müssen  wir  vom  anatoniischen  Standpunkte  aus  unsere  schweren  Be- 
denken äußern.  Ein  Zug,  welcher  vom  oberen  Hüftbeinpunkte,  d.  h. 
von  der  Orista  iliaca  ungefälir  senkrecht  zum  Oberschenkel  herunter 
verläuft,  verdient  in  der  Tat  den  Namen  Tractus  cristofemoralis.  — 
Wir  würden  diese  Bezeichnung  auch  für  den  Ansatz  gelten  lassen, 
wenn  nur  eine  Anheftung  am  Femur  selbst  vorhanden  wäre.  Dies 
müssen  wir  aber  leider  verneinen.  Der  Tractus  cristofemoralis  hat 
nichts  mit  dem  Femur  zu  tun,  zieht  im  Gegenteil  vollkommen  ober- 
flächlich über  den  Trochanter  major  hinweg  mit  der  Richtung  auf 
das  Tuber  ischiadicum. 

3)  Skeletopie  der  Ursprünge  der  drei  Komponenten  des  Tractus 
iliotibialis. 

Die  Dreiteilung  macht  sich  auch  an  besonderen  Punkten  der 
Crista  iliaca  bemerkbar,  vorne  an  der  Spina  ant.  sup.,  hinten  an  der 
gleichnamigen  post.;  zwischen  beiden  Punkten,  jedoch  nach  vorne 
von  der  Mitte,  am  Tuber  glutaeum  anterius  von  Waldeyer.  Mit 
Rücksicht  auf  die  Muskeln  entspringt  vom  hinteren  Höcker,  dem 
weiteren  Umfange  der  Spina  iliaca  post.  sup.  der  M.  glutaeus  maximus; 
vom  vorderen  Darmbeinstachel  aus,  außer  dem  hier  zu  vernach- 
lässigenden M.  sartorius,  der  M.  teusor  fasciae  latae  und,  noch  mehr 
nach  vorn  mit  ihren  Muskelbäuchen  hervortretend,  die  taschenförmig 
verbundenen  M.  glutaei  raedius  und  rainimus.  Die  drei  letzten  Muskeln 
gehören  funktionell  und  auch  durch  ihre  Innervation  durch  den  N. 
glutaeus  superior  zusammen  als  Einwärtsroller  des  Beines.  Der  Masse 
nach  sind  die  entsprechenden  Teile  der  M.  glutaei  mächtiger  als  der 
M.  tensor  fasciae  latae,  und  darum  könnte  man  wohl  mit  vollem  Rechte 
die  Spina  iliaca  ant.  sup.  physiologisch  auch  als  Tuber  glutaeum  an- 
terius bezeichnen,  um  so  mehr  als  sie  auch  im  Beginne  der  Linea 
glutaea  anterior  zu  finden  ist.  Leider  ist  der  Name  „Tuber  glu- 
taeum anterius"  bereits  von  Waldeyer  für  diejenige  dreieckige 
Knochenstelle  angewandt,  welche  ungefähr  senkrecht  über  dem  Tro- 
chanter major  gelegen  ist  und  gleichsam  den  Mittelpunkt  für  den 
Ursprung  des  M.  glutaeus  medius  darstellt. 

Nach  unserer  zwanglosen  Darstellung  wäre  zu  unterscheiden: 
1.  Tuber  glutaeum  post.  gleich  Spina  iliaca  post.  sup.  mit  der 

Linea  glutaea  post.  Ursprung  des  M.  glutaeus  maximus. 
IL  Tuber  glutaeum  medium  nobis  gleich  Tuber  glutaeum  an- 
terius (Waldeyer).  Sehniger  Haupturspruug  des  Tractus 
iliotibialis  und  ideeller  Mittelpunkt  des  M.  glutaeus  medius. 
III.  Tuber  glutaeum  ant,  gleich  Spina  iliaca  ant.  sup.  und  Be- 
ginn der  Linea  glutaea  ant.,  Ursprungsstelle  der  Einwärts- 
roller, d.  h.  M.  tensor  fasciae  latae  und  vordere  Bündel  der 
M.  glutaei  med.  und  min. 

4)  Vorschläge  nach  dem  Projet  de  reforme  de  la  nomenclature 
myologique  (J.  Chaine). 

69 


484  FROHÖE   und    M.    FRÄNKEL, 

Hiernach  wären  folgende  Namen  für  alle  Säugetiere  anwendbar: 
Gliitaeus  maximus  =  Glutaeus  superficialis, 
Glutaeus  medius     =  Glutaeus  medius, 
Glutaeus  minimus  =  Glutaeus  profundus. 
Nun  gehört  aber  der  M.  tensor  fasciae  latae  topographisch,  funk- 
tionell  und   durch   die   Innervation  zu   der   Glutäalmuskulatur.     Wir 
haben  nachgewiesen,  daß  die  Rücksichtnahme  auf  die  Fascia  lata  un- 
berechtigt ist.     Er  ist  der  i¥.  glutaeus   ant.   im  wahrsten  Sinne  des 
Wortes,  ebenso  wie  der  M.  glutaeus  maximus  den  Namen  M.  glutaeus 
post.  verdient.     Die  M.  glutaei  medius   und   minimus  gehören   nicht 
allein   der  lateralen   Seite  an,   sondern  auch   der  hinteren  und  noch 
mehr   der  vorderen.     Die   beiden   ersteren  Muskeln    bilden  die  ober- 
flächliche  Schicht  der   Gesäßgegend  im   weiteren   Sinne,   die   beiden 
letzteren  die  tiefe  Schicht.     Die  oberflnchliche  Schicht  gewinnt  durch 
den   Tractus  iliotibialis  weit-distalen   Ansatz  bis  zur  Tibia   hin,    die 
tiefe  Schicht   dagegen  geht  nicht  über  den  Tiochanter  major  hinweg. 
Wir  können  also  die  oberflächliche  Schicht  nennen 

M.  glutaei  superficiales, 

müssen    dann    aber    den   M.    tensor   fasciae   latae    als    anterior,   den 
M.  glutaeus  maximus  als  posterior  bezeichnen. 

Die  tiefe  Schicht  umfaßt  gleichzeitig  die  M.  glutaei  medius  und 
profundus;  diese  Einteilung  ist  auch  physiologisch  begiündet.  Die 
oberflächliche  Schicht  wirkt  durch  den  Tractus  iliotibialis  als  gemein- 
schaftlicher 

M.  abductor  coxae  tibiaiis  s.  longus, 

die  tiefe  Schicht  mit  dem  Ansätze  am  Troch anter  major  als  gemein- 
schaftlicher 

M.  abductor  coxae  trochantericus  s.  brevis. 

Der  einzige  Zwiespalt  wäre  darin  zu  suchen,  daß  die  oberfläch- 
liche Schicht  im  M.  glutaeus  maximus  durch  den  N.  glutaeus  inferior, 
im  vorderen  Abschnitte  durch  den  N.  glutaeus  superior  versorgt  wird. 
Wir  dürfen  hieran  keinen  Anstoß  nehmen;  von  uns  ist  bereits  mit- 
geteilt worden,  daß  die  drei  Beuger  am  Oberarme:  M.  biceps,  brachi- 
alis  und  bracliioradialis  ihre  Nerven  in  ganz  eigentümlicher  Weise 
erhalten.  Der  M.  biceps  wird  ausschließlich  vom  N,  musculocutaneus 
versorgt,  der  M.  brachialis  bekommt  aber  noch  geringe  Bezüge  aus 
dem  N.  radialis,  und  schließlich  steht  der  letzte  Beugemuskel,  der 
M.  brachioradialis,  wunderbarerweise  unter  ausschließlicher  Botmäßig- 
keit des  Streckneiven,  des  N.  radialis.  —  Wir  müssen  bei  dieser  Ge- 
legenheit der  jetzt  vorliegenden  Beschreibung  der  Innervation  der 
Beinmuskeln  vorgreifen.  Die  Adductoiengiuppe  wird  versorgt  im 
M.  pectiueus  durch  einen  Streckuerven,  den  N.  femoralis;  die  Haupt- 
masse durch  den  N.  obturatorius  und  der  untere  Abschnitt  des  M.  ad- 
ductor  magnus  durch  den  Beugenerven,  den  N.  ischiadicus. 

5)  Der  Tractus  cristofemoi  alis  von  Schepers  dient  nach  unserer 
Auffassung  dazu,  den  M.  glutaeus  maximus,  welcher  ja  die  Form  der 
hinteren  Hüftgegend,  das  eigentliche  Ge^äß,  beherrscht,  in  seiner  Lage 
nach  oben  festzuhalten.  Aehnliche  Einrichtungen  zur  Fixierung  von 
Weichteilen  werden  an  alleu  möglichen  Stellen  des  Körpers  als  Liga- 
mente beschrieben,  z.  B.  in  der  Bauchhöhle  ein  Lig.  duodeno-renale. 

70 


M.  piriformis.  485 

Hier  haben  wir  funktionell  bedeutsame,  wirklich  sehiiig'e  Ein- 
richtungen, deren  Hauptbestandteil  —  ob  Ligamentum,  Tiactus,  Apo- 
neurosis  oder  Teudo  —  schließlich  nur  geformtes  Bindegewebe  ist. 

In  einem  hinterher  beobachteten  Falle  ging  das  Septum  intermuscu- 
lare  laterale  11  cm  oberhalb  des  Kniegelenkspaltes,  gemessen  vom  oberen 
Rande  des  Meniscus  lateralis,  in  eine  6  cm  lange  bandartige  Sehne  über, 
welche  sich  genau  gegenüber  vom  Lig.  collaterale  fibulare  am  Epicondylus 
lateralis  femoris  ansetzte.  Die  Anheftungsstelle  wurde  überbrückt  durch 
einen  ungefähr  1  cm  breiten  Verstärkungzug  der  Kniegelenkskapsel, 
welche  sich  zur  tiefen  Fläche  des  Tractus  iliotibialis  wandte,  wo  dieser 
das  Retinaculum  patellae  laterale  abgibt  und  bloß  zwei  Lücken  für  die 
Gefäße  enthält. 

Trotz  unseres  Nachtrages  haben  wir  an  unserer  ursprünglichen 
Beschreibung  nichts  zu  ändern  für  nötig  gefunden.  Die  präparatorischen 
Aufgaben  dürften  für  alle  Zeiten  ungefähr  die  gleichen  bleiben ;  die 
praktischen  Nutzanwendungen  sind  durch  die  anatomischen  Unter- 
suchungen von  chirurgischer  Seite  aus  durchaus  noch  nicht  geklärt 
—  und  hiermit  kommen  wir  zu  unserem  früheren  Schlußsatze  zurück, 
daß  Theorie  und  Praxis  —  möglichst  beide  gemeinschaftlich  —  noch 
weiter  die  einzelnen  Bestandteile  des  Tractus  iliotibialis  in  ihrer  Be- 
deutung klarzustellen  haben. 

M.  piriformis. 

Synonyma  :  Birnenmuskel ;  M.  primus  quadrigeminus,  iliacus  externus 
pyriformis;  Pyramidal,  sacro-trochanterien  (Chauss.),  sacro-ili-trochanterien 
(Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  lateinische  Ausdruck  M.  piriformis  ist  von  pirum,  die  Birne, 
abgeleitet,  und  nicht  von  pyramis.  Er  entspringt  von  der  knöchernen 
Umgrenzung  der  Foramina  sacralia  II— IV.  Außerdem  aber,  worauf 
Waldeyer  hingewiesen  hat,  wohl  konstant,  noch  von  dem  Os  ilium. 
Der  freie  Muskelbauch  durchsetzt  das  Foramen  ischiadicum  majus 
und  zerlegt  es  dadurch  in  das  Foramen  supra-  und  infrapiriforme. 
Die  freie  Endsehne  heftet  sich  an  der  Spitze  des  Trochanter  major  an. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  liegt  im  kleinen  Becken  verborgen,  ist  vollkommen 
ileischig  und  umrahmt  in  ganz  eigentümlicher  Weise  die  Foramina 
sacralia  II — IV.  Diese  Löcher  selbst  müssen  frei  gelassen  werden, 
um  die  Wurzeln  des  N.  ischiadicus  aufzunehmen.  Der  mediale  Rand 
der  Foramina  muß  frei  bleiben,  weil  anderenfalls  die  Muskelbündel 
sie  bogenförmig  umfassen  müßten,  was  ohne  Bildung  einer  Sehnen- 
arkade undenkbar  ist.  Je  nachdem  graben  sich  die  einzelnen  Nerven 
tief  in  den  Muskel  hinein  und  drängen  die  zwischen  ihnen  gelegenen 
Ursprungsbündel  hervor,  besonders  bei  rauskelstarken  Individuen.  In 
anderen  Fällen,  bei  muskelschwachen,  läßt  sich  der  Plexus  sacralis 
unschwer  von  dem  flachen  Muskelbauche  hochheben.  Beim  Durch- 
tritte durch  das  Foramen  ischiadicum  majus  bekommt  er  einen,  wohl 
normalen,  akzessorischen  Ursprung  vom  hinteren  Umfange  der  In- 

71 


486  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

cisura  ischiadica  major,,  jedoch  nicht  vom  Os  ischii,  sondern  von  dem 
Os  ilium,  welcher,  wie  Waldeyer  besonders  betont,  eine  Spina  her- 
vorgehen lassen  kann,  auch  dann,  wenn  keine  nennenswerten  ür- 
spruns^ssehnen  vorhanden  sind.  Je  nach  der  Breite  des  Foramen 
ischiadicum  majus  ist  auch  die  Stärke  des  freien  Muskelbauches  ver- 
schieden, welcher  mit  dem  Beginne  des  Acetabulum  bereits  seine  freie 
Endsehne  entwickelt  und  zur  Spitze  des  Trochanter  major  hinstrebt. 
Verschmelzungen  derselben  nach  oben  hin  mit  dem  M,  glutaeus  medius 
und  nach  unten  mit  dem  M.  gemellus  superior  kommen  außerordentlich 
häufig  vor  und  erschweren  dem  Anfänger  die  Isolation. 


HolotopieundSyntopie. 

Die  wohl  allgemein  anerkannte  Zerlegung  des  Foramen  ischiadicum 
majus  durch  ihn  in  ein  Foramen  supra-  und  infrapiriforme,  welche 
wir  Waldeyer  zu  verdanken  haben,  gibt  wohl  zur  Genüge  auch  die 
theoretische  Bedeutung  dieses  Muskels  kund.  Im  praktischen  Sinne 
ist  er  für  die  Chirurgen  von  enormer  Wichtigkeit,  für  die  Kliniker 
und  besonders  die  Elektrotherapeutiker  indessen  unzugänglich,  weil 
ja  außer  den  mächtigen  Weichteilen  die  dicke  Schicht  des  M.  glutaeus 
maximus  ihn  bedeckt.  Die  B'acies  superficialis  wird  vom  M.  glutaeus 
maximus  überlagert  und  den  Nervenzweigen,  welche  die  oberen  Teile  des 
letzteren  Muskels  versorgen,  jedoch  sich  um  das  Foramen  infrapiriforme 
herumschlingen.  Medial  finden  wir  gar  nicht  so  selten  eine  ansehn- 
liche Arterie,  welche  der  A.  glutaea  superior  entstammt,  den  mitt- 
leren Teil  des  M.  glutaeus  maximus  versorgt,  also  die  A.  glutaea 
inferior  ergänzen  hilft.  Waldeyer  hat  a.  a.  0.  Fig.  84,  S.  447 
sogar  beschrieben  und  abgebildet,  daß  dieses  Gefäß  eine  oberfläch- 
liche Schicht  des  M.  piriformis  von  der  tiefen  Hauptmasse  trennen 
kann.  Ferner  sei  an  dieser  Stelle  darauf  hingewiesen,  daß  hier  ein 
breiter  Sehnenbogen,  eine  laterale  Abzweigung  des  Lig.  sacrotuberosum 
vorhanden  ist,  welche  nicht  allein  den  tiefen  Bündeln  des  M.  glutaeus 
maximus,  sondern  auch  oberflächlichen  des  M.  piriformis  zum  Ur- 
sprünge dient. 

Der  obere  Rand,  welcher  eine  mehr  oder  minder  abgerundete 
Fläche  darstellt,  bildet  die  untere  Begrenzung  des  Foramen  supra- 
piriforme,  hier  treten  durch  nach  Waldeyer,  S.  160: 

1)  die  Arteria  glutaea  superior, 

2)  die  Venae  glutaeae  superiores, 

3)  die  Vasa  lymphatica  glutaea  superiora, 

4)  der  N.  glutaeus  superior. 

Der  untere  umgekehrt  und  doch  gleichartig  wie  der  obere  ge- 
staltete Rand  bildet  die  obere  Begrenzung  des  Foramen  infrapiriforme, 
durch  welches  nach  Waldeyer,  S.  161,  ihren  Weg  nehmen: 

1)  der  N.  pudendus, 

2)  die  A.  pudenda  interna,  zusammen  mit 

3)  der  Vena  pudenda  interna, 

4)  die  A.  glutaea  inferior,  zusammen  mit 

5)  den  Venae  glutaeae  inferiores, 

6)  der  N.  glutaeus  inferior, 

7)  der  N.  cutaneus  femoris  posterior, 

8)  der  N.  ischiadicus. 


M.  piriformis.  487 

Als  häufige  Varietät  kommt  es  zur  Bildung  eines  Foramen  intra- 
piriforme  bei  hoher  Teilung  des  N.  ischiadicus  in  die  N.  tibialis  und 
peronaeus.  Immer  ist  es  dann  der  letztere,  welcher  das  Foramen  intra- 
piriforme  durchsetzt. 

Eine  jedenfalls  außerordentlich  seltene  Varietät  beschreiben  wir  in 
dem  Folgenden  ausführlich  : 

Linkes  Bein  einer  alten  Frau.  Der  M.  piriformis  zerfällt  in  zwei 
Portionen,  deren  dorsale  dem  eigentlichen  Muskel  entsprechen  könnte, 
mit  muskulösem  Ursprünge  vom  Kreuzbeine  und  Endsehne  zum  Trochanter 
major.  Ventralwärts  jedoch  liegt  noch  ein  zweiter  Kopf,  dessen  Ur- 
sprungssehne zum  Becken  geht,  während  der  Muskelbauch  in  der  Nähe 
des  Trochanter  mit  der  eigentlichen  Endsehne  verschmilzt. 

Der  Muskel  liefert  also  ein  Foramen  intrapiriforme,  durch  das  jedoch 
nicht,  wie  so  häufig,  der  N.  peronaeus  seinen  gesonderten  Weg  nimmt, 
sondern  der  N.  cutanaeus  femoris  posterior,  zusammen  mit  dem  N.  glutaeus 
inferior,  d.  h.  dem  Muskelzweige  für  den  M.  glutaeus  maximus.  Die 
beiden  Komponenten  des  N.  ischiadicus,  die  N.  tibialis  und  peronaeus, 
lassen  sich  zwar  in  der  Höhe  des  Foramen  ischiadicum  majus  vonein- 
ander trennen,  vereinigen  sich  jedoch  am  Oberschenkel  zum  typischen 
N.  ischiadicus. 

Die  Facies  profunda  ruht  zunächst  auf  den  Wurzeln  und  hinter- 
her dem  Stamme  des  N,  ischiadicus  und  wird  überkreuzt  durch  die 
Vasa  glutaea  inferiora,  welche  sich  in  wechselnder  Höhe  vereinigen 
zum  gemeinschaftlichen  „trunc  pubo-sciatique",  welcher  im  Deutschen 
als  Truncus  puboischiadicus  bezeichnet  werden  kann,  obwohl  dieser 
gerechtfertigte  Name  in  den  B.  N.  A.  noch  keine  Aufnahme  gefunden  hat. 

Die  Ausatzsehne,  welche  dem  Apex  lateralis  entspricht,  entwickelt 
sich  frühzeitig,  d.  h.  an  der  ziemlich  schmalen  Anheftungsstelle  am 
Trochanter  major,  und  ist  als  Stiel  des  Birnenmuskels  aufzufassen, 
ist  aber  leider  so  häufig  bald  mit  der  oberen  oder  unteren  Nachbar- 
sehne verschmolzen  oder  von  ihnen  durch  einen  Schleimbeutel  ge- 
trennt. Man  kann  auch  die  Facies  profunda  schematisch  in  vier 
Unterabteilungen  zerlegen,  welche  bei  Einwärtsrotation  ungefähr  die 
gleiche  Länge  aufweisen,  also  durchschnittlich  4  cm:  eine  Pars  endo- 
pelvina,  welche  dem  Ursprünge  entspricht,  eine  Pars  ischiadica,  durch 
welche  das  Foramen  supra-  und  infrapiriforme  entsteht,  eine  Pars 
articularis,  welche  unmittelbar  dem  Hüftgelenke  aufliegt,  und  eine 
vierte  Pars  insertionis,  in  welcher  die  freie  Endsehne  sich  vom 
Schenkelhalse  entfernt  und  der  Spitze  des  Trochanter  major  zustrebt, 
von  dem  sie  mitunter  durch  einen  besonderen  Schleimbeutel,  B.  m. 
piriformis,  getrennt  ist. 

Wirkung. 

Ueber  dieselbe  ist  bei  den  Beckenbewegungen,  Kapitel  Auswärts- 
roller, nachzusehen. 

Innervation. 

Die  Nervenzweige  entwickeln  sich  aus  dem  Plexus  sacralis  ent- 
sprechend dem  muskulären  Ursprünge.  Wir  finden  einen  mittleren 
Nerven  aus  dem  N.  sacralis  II,  einen  proximalen  aus  dem  N.  sacralis  I 
und  einen  distalen  aus  dem  N.  sacralis  III.    Diese  drei  Nerven  hängen 

73 


488  FROHSE   und    M,   FRÄNKEL, 

intramuskulär  miteinander  zusammen.  Weil  der  Muskel  innerhalb  des 
Beckens  entspringet,  könnte  unsere  Abbildung-,  welche  nur  den  extra- 
pelvinen  Teil  dai stellt,  zu  der  Auffassung  führen,  daß  die  Nerven  sehr 
weit  proximal  eintreten.  Wir  sagen  infolgedessen  nur,  daß  die  Muskel- 
bündel ungefähr  in  der  Mitte  des  Muskelbauches  versorgt  werden  und 
die  längeren  Zweige  einen  oberen  und  einen  unteren  Nerven  für  die 
Endsehne  liefern. 


M.  obturator  internus. 

Synonyma:  Innerer  Verstopfmuskel;  M.  marsupialis  (Cowper),  bur- 
salis  (Douglas)  ;  Obturateur  interne,  sous-pubio-trochant6rien  interne 
(Chauss.),    intra-pelvio-trochanterien  (Dumas), 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  mächtige  Muskel  liegt  mit  seinem  Bauche  fast  ganz  im 
kleinen  Becken  verborgen,  in  welchem  er  sich  um  das  Foramen  ob- 
turatum  herum  anheftet  und  nur  eine  kleine  obere  vordere  Oeifnung 
frei  läßt,  den  Eingang  in  den  Canalis  obturatorius.  Dann  schlingt  er 
sich  mit  seiner  in  der  Tiefe  bereits  mächtig  entwickelten  Endsehne 
um  die  Incisura  ischiadica  minor  herum  und  gewinnt  die  Rückseite 
des  Beckens.  Hier  wird  auch  die  Endsehne  allmählich  an  ihrer  prä- 
paratorisch freiliegenden  Fläche  mehr  oder  weniger  vollkommen  selb- 
ständig, je  nachdem  eine  wie  große  Masse  eines  oder  beider  M.  ge- 
mein sich  an  ihr  anheftet.  Außerdem  ist  die  Innigkeit  dieser  Ver- 
schmelzung sehr  verschieden  entwickelt  und  auch  ihre  Ausdehnung. 
Der  Ansatz  findet  statt  am  hinteren  Umfange  des  Trochanter  major, 
dicht  unterhalb  der  Spitze.  Das  charakteristische  Kennzeichen  ist  die 
fast  rechtwinklige  Umknickung  beim  Uebergange  des  Muskelbauches 
in  die  freie  Endsehne,  welche  einen  der  größten  Schleimbeutel  des 
menschlichen  Körpers  mit  sich  bringt,  die  B.  m.  obturatoris  interni. 
Außerdem  ist  die  Art  der  Nervenversorgung  interessant,  indem  dieser 
Nerv  sich  aus  dem  N.  pudendus,  also  aus  den  unteren  Sacralnerven 
entwickelt,  während  sein  Synergist,  der  M.  obturator  externus,  vom 
N.  obturatorius,  also  vom  Plexus  lumbalis  aus  versorgt  wird,  nämlich 
den  N.  lumbales  (II  und  III).  Außerdem  kommen  in  Betracht  die 
physiologischen  Wirkungen,  welche  in  erster  Linie  die  Auswärts- 
rotation des  Oberschenkels  bewirken;  fernerhin  hat  er  noch  eine 
große  Bedeutung  für  die  Erweiterung  des  Beckenausganges,  sei  es 
bei  der  Defäkation,  oder  noch  mehr  bei  einer  Geburt.  Ferner  muß  hier 
das  ungleiche  Verhalten  der  Nerven  zum  Muskelbauche  bei  ihm  selbst 
und  seinen  beiden  Begleitmuskeln,  den  M.  gemelli  sup.  und  inf.  be- 
tont werden.  Er  selbst  empfängt  seinen  Nerven  innerhalb  (s.  auch 
Fig.  17),  die  anderen  dagegen  außerhalb  des  Beckens  von  Seiten- 
zweigen des  N-  pudendus  (s.  Fig.  16). 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  allermeist  fleischige  Ursprung  entwickelt  nur  um  den  Canalis 
obturatorius  herum  sehnige  Einlagerungen.  Zunächst  ist  die  Muskel- 
lage, welche  das  Foramen  obturatum  fast  im  ganzen  kleinen  Becken 
zudeckt:    oben    unterhalb    der   Linea   terminalis,    medial   neben    der 

74 


M.  obturator  internus.  489 

Symphyse,  unten  über  dem  Tuber  ischiadicum  mit  den  beiden  Rami  ossis 
ischii  und  hinten  bis  zum  Rande  beider  Incisurae  ischiadicae  einschließ- 
lich der  Spina,  nur  dünn;  im  Mittelpunkte  des  Muskelbauches  jedoch 
erreicht  sie  eine  Mächtigkeit  bis  zu  2  cm  (von  der  Membrana  obtura- 
toria  entspringen  verhältnismäßig  sehr  wenige  Muskelbündel,  was  ja 
in  gleicher  Weise  fom  M.  obturator  exteruus  gilt,  welcher  eben- 
falls die  Kuochenränder  des  Foramen  obturatum  zu  seinem  Ursprünge 
benutzt).  Der  Muskel  gehört  zu  den  verstecktesten  des  ganzen  Körpers 
und  läßt  sich  nur  unter  der  größten  Mühe  sauber  darstellen,  ohne  daß 
vorher  das  Becken  durchsägt  ist.  Gleichwohl  ist  eine  Präparation  am 
ganzen  Becken  durchaus  geboten,  weil  nämlich  erst  dann  mit  größerer 
Deutlichkeit  eine  ganz  eigentümliche  Tatsache  zutage  tritt,  welche 
sonst  leicht  übersehen  wird.  Die  präparatorisch  freiliegende  Fläche 
des  Gesamtmuskels  liegt  nämlich  nicht  in  einer  Ebene,  sondern 
bildet  einen  stumpfen  Winkel,  dessen  Knickuugspunkt  ungefähr  dem 
Ursprünge  des  M.  levator  ani  entspricht.  Der  obere  Abschnitt  wendet 
sich  in  schräger  Richtung  gegen  das  Beckeninuere  genau  in  der  Ebene 
des  M.  levator  ani.  Der  untere  ist  ziemlich  sagittal  gestellt  und  bildet 
die  laterale  Wand  der  Fossa  ischiorectalis,  von  welcher  allerdings  der 
Muskelbauch  durch  eine  hier  recht  derbe  Fascie  getrennt  ist.  Uebrigens 
kann  man  diese  Tatsache  mit  Leichtigkeit  an  einem  (Jefrierschnitte 
in  frontaler  Richtung  erkennen,  wie  es  bereits  im  Atlas  der  topo- 
graphischen Anatomie  von  v.  Bardeleben  und  Häckel  abgebildet 
war  und  besonders  auch  noch  textlich  in  der  topographischen  Anatomie 
von  W.  Waldeyer,  Das  Becken  (a.  a.  0.),  hervorgehoben  ist. 


Holotopie  und  Sy Utopie. 

Im  Beckenteile  zerfällt  die  Facies  superficialis  durch  den  Arcus 
tendineus  in  eine  obere  und  untere  Portion.  Erstere  enthält  den 
Canalis  obturatorius  und  wird  von  dem  entsprechenden  Teile  der  Fascia 
endopelvina  des  kleinen  Beckens  bedeckt.  Die  untere  Portion  bildet 
die  laterale  Wand  der  Fossa  ischiorectalis,  von  der  sie  aber  durch  eine 
derbe  Fascie  getrennt  ist,  welche  hier  Fascia  obturatoria  im  engeren 
Sinne  genannt  wird  und  einen  besonderen  Kanal  (Alcock)  für  die 
Vasa  und  den  N.  pudendus  liefert.  Die  Facies  posterior  oder  extra- 
pelvina  besteht  fast  nur  aus  der  Endsehne,  welche  zwischen  den 
M.  gemein  gelagert  ist,  von  den  N.  cutaneus  femoris  posterior  und 
ischiadicus  mit  dessen  Begleitgefäßen  rechtwinklig  überkreuzt  und  vom 
M.  glutaeus  maximus  vollkommen  bedeckt  wird. 

Wirkung. 

Er  gehört  mit  zu  den  Auswärtsrotatoren,  über  deren  Wirkung 
ausführlichst  bei  dem  M.  glutaeus  medius  gesprochen  ist. 

Innervation. 

Der  M.  obturator  internus  ist  nach  unseren  Innervationsbefunden 
die  ins  Becken  hineingewanderte  mittlere  Portion  der  beiden  Zwillings- 
muskeln. Genau  wie  sich  die  Sehne  um  die  Incisura  ischiadica  minor 
lateralwärts  herumschlingt,  tut  es  auch  der  Nerv,  nur  in  umgekehrter 
Weise.    Er  erscheint  mitunter  als  ein  Abkömmling  des  N.  pudendus. 

75 


490 


FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 


Vertebra  lumbalis  IV         ■ — 

Seitliche  Bauchmuskeln 
N.  ilioinguinalii 


N.  genitofemoralis 


M.  sacrosplnalis 


Truncus  lumbosacralii 


N.  obturatorius 


\'asa  glutaea 
superiora 


piriformis 


i^.i  glutaea 
i'feriora 


Hiatus  sacralis 
inferior 


Truncus  ep 

gast 
obturatorius 

Symphysis 
Canalis  obturatorius 
M.  obturator  internus 

V.  dorsalis  pen 


^I .  coccygeus 


Fibrocartilago  inter- 
coccygea 


Vasa  pudenda  int. 


M.  glutaeus  maxiraus 


Lig.  sacrotuberosum 
(Proc.  falciformis) 


Corpus  cavernosum  penis 

J>  Y    Tvoh.  i  e 

Fig.  17.    M.  obturator  internus,  Nervenbild,  topographisch  (Median schnitt  eines 
männlichen  Beckens  mit  Gefäßen  und  Nerven). 

Unsere  Abbildung  war  ursprünglich  für  den  Atlas  der  topographischen  Ana- 
toriiie  von  v.  Bardeleben,  Häckel  und  Frohse  mitbestimmt,  wobei  dann  die 
Nerven  gelb  und  die  Arterienstümpfe  rot  hätten  dargestellt  werden  können;  da  aber 
eine  Neuauflage  zurzeit  noch  nicht  in  Aussicht  genommen  ist,  haben  wir  nur  die 
Venen  mit  hellblauem  Tone  angegeben,  da  ja  die  intramuskuläre  Nerven  Verzweigung 
im  M.  obturator  internus  bereits  die  blaue  Farbplatte  erfordert.  Sie  hört  nicht  mit 
dem  proximalen  Beckenrande  auf,  sondern  umfaßt  auch  noch  die  Stümpfe  der 
Bauchmuskeln,  so  daß  gleichzeitig  mit  den  Fascien  auch  sämtliche  Bruchpforten 
zeichnerisch  dargestellt  werden  konnten.  Unseres  Wissens  ist  noch  niemals  der 
Versuch  gemacht  worden,  die  Bruchpforten  mit  spezieller  Rücksicht  auf  die  Fascien 
darzustellen,  und  zwar  in  der  normalen  Beckenstellung,  welche  Walde yer  bei 
seinen  Darstellungen  über  das  Becken  möglichst  innegehalten  haben  will,  also 
eine  Beckenneigung  von  50—60  °.   Es  handelt  sich  um  die  Fascia  endopelvina  parie- 


76 


M.  obturator  internus.  491 

talis,  welche  im  Bauchteile  die  bekannte  Lücke  zum  Durchtritte  für  den  Samenstrang 
oder  für  das  Lig.  teres  uteri  aufi^s'eist,  zwischen  Bauch  und  Becken  die  Eingangs- 
pforte für  die  Hernia  femoralis  bildet,  und  schließlich  im  kleinen  Becken  Foramina 
schafft  für  die  Herniae  obturatoria  und  ischiadica.  In  normaler  Stellung  des 
Beckens,  wenn  sich  dann  der  obere  Rand  der  Symphyse  in  einer  Ebene  mit  der 
Verbindungsstelle  zwischen  1.  Steißbein wirbel  und  Eest  des  Os  coccygis  befindet, 
liegen  die  vier  genannten  Bruchpforten  fast  genau  in  derselben  Linie  und  bilden  so, 
wenn  wir  es  so  ausdrücken  wollen,  die  Ausgangspforten  für  die  endoabdominalen 
Brüche,  nämlich  für  die  Leisten-  und  Schenkelbrüche  und  die  Herniae  obturatoriae 
und  ischiadicae.  Zeichnerisch  läßt  sich  hiervon  kaum  eine  gute  Vorstellung  geben. 
Hin  Präviarat  oder  ein  gutes  Modell  verschafft  im  Augenblicke  die  klare  Anschauung, 
wie  nämlich  die  Herniae  inguinales  und  femorales  durch  das  Lig.  inguinale  (Pou- 
parti)  getrennt  werden,  die  Herniae  obturatoriae  von  den  femorales  durch  die  freie 
Kante  des  Os  pubis.  Diese  drei  Hernienpforten  liegen  räumlich  so  dicht  neben- 
einander wie  die  Durchtrittsmöglichkeiten  am  Foramen  ischiadicum;  hier  findet  sich 
nämlich  eine  Bruchpforte  von  mindestens  ebenso  beträchtlicher  Größe,  der  einheitliche 
Kingaiig  in  this  Foranicn  ischiadicum  majus,  an  welchem  noch  keine  Sonderung  in  ein 
Foramen  supra-  und  infrapiriforme  darzustellen  ist,  man  müßte  denn  sämtliche  Gefäße 
und  auch  den  ganzen  N.  ischiadicus  radikal  entfernen.  —  Alle  diese  Bruchpforten 
hegen  proximal  von  der  bekannten,  durch  Waldeyer  aber  besonders  betonten  und 
auch  bildlich  möglichst  berücksichtigten  Beckenhorizontalen.  Hier  treten  die  wahren 
Brüche  hindurch,  welche  im  allgemeinen  nur  Darmteile  betreffen,  während  die  der  Or- 
'^anc  des  Beckens,  gleichviel  ob  Blase  oder  Uterus  mit  seinen  Adnexen  oder  Rectum, 
wohl  besser  mit  Prolapsus  bezeichnet  würden,  auch  wenn  sie  wirklich  einmal  den 
Hau])tbe8tandteil  einer  Hernie  bilden  sollten.  Der  bewegliche  Dünndarm  kommt  in 
erster  Linie  in  Frage  und  dann  erst  die  leichter  verschieblichen  Teile  des  Dickdarmes, 
welche  über  ein  langes  Mesocolon  verfügen,  also  Caecum  mit  Processus  vermi- 
formis rechterseits,  linkerseits  das  Colon  sigmoideum,  eventuell  das  Colon  pelvinum 
(Wai.deyek).  Die  Tube  wird  bis  zu  ihrer  Knickungsstelle  am  oberen  Pole  des 
Ovarium  die  vorderen  Bruchpforten  bevorzugen  und  sekundär  die  Ampulle  mit 
dem  Eierstocke  heranziehen,  und  umgekehrt  die  letzteren  Gebilde  zuerst  die  hinteren 
Bruchpforten  erreichen  und  dann  erst  die  Tube  mit  sich  ziehen :  das  Rectum  vom 
:?.  Kreuzwirbel  an,  der  nicht  gravide  Uterus  und  die  ungefüllte  Blase  liegen  distal 
von  iler  eben  erwähnten  Horizontalen  und  können  im  allgemeinen  bei  krankhafter 
Lageveränderung  nur  die  natürlichen  Ausführungswege  benutzen,  welche  aber 
nicht  als  Hernien,  sondern  als  Prolapse  (Prolapsus  uteri  und  Prolapsus  ani)  be- 
zeichnet zu  werden  pflegen  oder  mit  dem  griechischen  Namen  xy]Xy],  Varicocele, 
Kydrocele,  Cystocele.  Die  beiden  erstgenannten  Veränderungen  haben  jedoch 
nichts  mit  einem  Bruche  zu  tun,  sind  auch  keine  Prolapsus  und  verdanken 
ihren  Namen  nur  der  Größenzunahme  der  betroffenen  GebUde,  welche  einen 
hruchartigen  Eindruck  erwecken.  Blase,  Uterus  und  Mastdarm  gehen  aber  in 
ausgedehntem  Zustande  auch  ohne  krankhafte  Veranlassung  nicht  allein  über 
die  Horizontale  hinaus,  sondern  sogar  ins  große  Becken  hinein  bis  weit  nach 
oben  in  die  eigentliche  Bauchhöhle.  Dann  können  sie  selbstverständlich  alle  an- 
gegebenen Bruchpforten  als  Auswege  benutzen,  sogar  die  hier  nicht  mitabgebildete 
Nabelbruchpforte. 

In  zweiter  Linie  fällt  die  Dicke  der  seitlichen  Bauchmuskeln  auf.  Da  sie  aber 
drei  Muskeln  enthält,  welche  seitlich  den  Bauchinhalt  zusammenpressen,  kann  ihre 
mächtige  Entfaltung  nicht  wundernehmen.  In  gleicher  Weise  haben  wir  vorn  dicht 
neben  der  Mittellinie  zu  beachten  den  M.  rectus  abdominis  mit  dem  recht  oft  fehlen- 
den M.  pyramidalis.  Dem  vorderen  muskulären  Abschnitte  steht  gegenüber  der 
hintere  knöcherne,  welcher  in  erster  Linie  den  Kanal  liefert  für  die  aus  dem  Rücken- 
marke hervorgehenden  Nerven,  in  zweiter  Linie,  d.  h.  weiter  nach  hinten  die  langen 
Rückenmuskeln  beherbergt.  In  der  Abbildung  sind  die  Gefäße  und  Nerven  in 
ilirei-  Sy Utopie  dargestellt,  und  außerdem  haben  wir  die  Bruchpforten  berücksichtigt 
und  mußten  deshalb  die  Vasa  spermatica  interna,  den  Ductus  deferens,  die  V.  dor- 
salis  penis  mit  dem  Corpus  cavernosum  angeben.  Unsere  Fig.  17  zeigt  also  die 
Oeffnun^en,  welche  normalerweise  nur  für  die  Gefäße  und  Nerven  bestimmt  sind,  in 
pathologischen  Fällen  auch  als  Bruchwege  benutzt  werden;  es  handelt  sich  vorn 
um  die  N.  genitofemoralis,  ilioinguinalis,  des  weiteren  um  den  N.  obturatorius,  bei 
welchem  man  im  Zweifel  sein  kann,  ob  man  ihn  nach  seinem  Ursprünge  und  Ver- 
laufe im  großen  Becken  der  hinteren  Abteilung  zurechnen  soll  oder  nach  seiner 
Endverbreitung  an  der  vorderen  medialen  des  Kniegelenkes  dem  vorderen  Abschnitte 
zuerkennen  soll.  Der  Plexus  sacralis  bietet  weniger  Schwierigkeiten,  obwohl  er  im 
Truncus  lumbosacralis  Teile  des  Plexus  lumbalis  aufnimmt  und  im  Plexus  pudendus 
sich  erst  aus  dem  letzten  Nerven  des  Rückenmarkes  entwickelt.  Alle  diese  Nerven 

77 


492  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

sind  an  der  Hüfte  und  am  Oberschenkel  auf  der  Eückseite  tätig,  mit  Ausnahme 
des  N.  pudendus,  welcher  durch  die  Versorgung  der  äußeren  Geschlechtsteile  weit 
nach  vorn  seinen  Weg  nimmt  (N.  dorsalis  penis  s.  clitoridis).  Der  Plexus  sacralis 
tritt  in  unmittelbare  Nachbarschaft  mit  dem  M.  piriformis.  In  unserer  Abbildung 
ist  er  halb  schematisch  so  dargestellt,  daß  die  Plexuselemente  vollkommen  frei- 
liegen, obwohl  man  sie  mitunter  erst  aus  der  Muskelraasse  heraussetzen  muß. 

Die  syntopische  Darstellung  erfährt  aber  durch  das  innere  Nervenbild  des 
M.  obturator  internus  eine  genaue  Berücksichtigung  der  Neurotopie,  welche  wir  in 
diesem  Buche  mitzubeschreiben  haben.  Scheinbar  hat  der  Nerv  für  den  M.  ob- 
turator internus  für  die  elektrische  Reizung  keine  „Möglichkeit",  weil  er  ja  sich 
ganz  in  der  Tiefe  um  die  Spina  ischiadica  herumschlingt,  gemeinsam  mit  den  Nerven 
und  Gefäßen  für  den  Damm  und  die  äußeren  Genitalien.  Wenn  aber  der  Finger 
des  untersuchenden  Arztes  imstande  ist,  per  rectum  oder  per  vaginam  die  Spma 
ischiadica  zu  fühlen,  haben  wir  auch  die  Möglichkeit  vor  uns,  mit  der  Elektrode 
diesen  Knochenpunkt  zu  erreichen  und  können  dann  mit  größter  Leichtigkeit  den 
M.  obturator  internus  zur  Kontraktion  bringen.  Wieviel  schwerer  ist  es,  die  Nerven 
für  den  M.  glutaeus  maximus  zu  reizen,  über  welchen,  von  der  Haut  aus  gerechnet, 
zunächst  eine  sehr  derbe  Cutis  liegt,  weiter  ein  recht  ansehnliches  Fettpolster  und 
schließlich  die  Dicke  der  Muskelmasse  selbst.  Unendlich  viel  leichter  ist  es,  an 
den  Nerv  für  den  M.  obturator  internus  zu  gelangen ;  gleichviel  ob  man  den  Weg 
durch  das  Rectum  oder  die  Vagina  nimmt,  immer  liegt  nur  die  Schleimhaut,  die 
Wand  des  betreffenden  Eingeweides  und  eine  dünne  Fettschicht  vor. 

Beschreibung  zu  Fig,  18. 

Durch  den  M.  piriformis  (Pi)  wird  das  Foramen  ischiadicum  majus  zerlegt  in 
die  von  Waldeyer  sogenannten  Foramina  suprapiriforme  {F.  s)  und  infrapiriforme 
(F.  i).  Das  Lig.  sacrospinosum  (L.  s.  s)  trennt  es  von  dem  Foramen  ischiadicum 
minus  {F.  i.  7ni),  dessen  hintere  Begrenzung  durch  das  Lig.  sacrotuberosum  [L.  s.  t) 
gebildet  wird. 

Vorn  ist  zunächst  der  Ursprungsteil  des  M.  rectus  femoris  {M.  r.  f)  dargestellt, 
um  verständlich  zu  machen,  wie  er  vermöge  seines  Verlaufes  bis  zum  Becken  hin 
imstande  ist,  bei  fixiertem  Unterschenkel  das  Becken  und  damit  den  Rumpf  nach 
vorn  zu  beugen.  Hinter  der  Symphyse  liegt  die  Membrana  obturatoria  [M.obt), 
an  deren  oberem  Teile  die  Beckenöffnung  des  Canalis  obturatorius  {Co)  zu  sehen 
ist.  Die  hinten  gelegenen  Foramina  supra-  und  infrapiriforme  und  die  vorn  be- 
findliche Beckenöffnung  des  Canalis  obturatorius  stellen  die  Bruchpforten  dar  für 
die  Hernien  im  Bereiche  des  kleinen  Beckens.  Das  Foramen  suprapiriforme  kann, 
wie  in  der  Abbildung,  durch  einen  von  Waldeyer  genauer  beschriebenen  Vorsprung 
des  M  piriformis  nicht  allein  von  der  Innenfläche  des  Kreuzbeines,  sondern  auch 
von  dem  oberen  Rande  der  Incisura  ischiadica  major,  d.  h.  vom  Os  ilium  eine  be- 
deutende Einschränkung  erfahren.  Vernachlässigt  sind  absichtlich  die  Sacralnerven 
mit  ihren  Foramina,  sowie  die  aus  dem  Duralsäcke  austretenden  Nerven,  weil  es  uns 
ausschließlich  darauf  ankam,  Lage  und  Form  der  Bruchpforten  zu  zeigen.  Sämt- 
liche ßruchpforten  liegen  proximal  von  der  Horizontallinie;  wenn  distal  von  ihr 
Prolapse  vorkommen,  handelt  es  sich  nicht  mehr  um  Hernien,  sondern  um  Vorfälle 
der  Blase,  der  Scheide,  sogar  des  Uterus,  und  hinten  des  Rectum.  —  ^ 


Allermeist  wird  dieser  wichtige  Nerv  auf  dem  Präpariersaale  weg- 
geschnitten. Dicht  unterhalb  der  Spina  ischiadica  senkt  er  sich,  aber 
erst  innerhalb  des  kleinen  Beckens,  oder  besser  an  der  Seite  der 
Fossa  ischiorectalis,  in  seinen  Muskel  hinein  und  liefert  dann  sehr 
viele  feine  Nervenzweige,  welche  nur  wenige  Anastomosen  miteinander 
eingehen.  Unsere  Abbildung  (Fig.  17)  zeigt,  daß  die  Nerven  die 
Mitte  des  Muskels  nicht  erreichen,  von  den  Sehnennerven  abgesehen, 
welche  zur  Incisura  ischiadica  major,  zum  Canalis  obturatorius  und 
zum  unteren  Rande  der  Symphyse  verlaufen.  In  Wirklichkeit  müssen 
wir  aber  das  Muskellleisch  noch  lateralwärts  verlängert  denken  gegen 
den  Trochanter  major  hin,  und  dann  ist  das  Nervenbild  durchaus 
typisch,  indem  es  sich  ungefähr  in  der  Mitte  des  Muskels  am  reich- 
lichsten entwickelt  zeigt. 

78 


M.  obturator  internus. 


493 


tfr^"^' 


s.d. 


M.obt 


Kr.ß 


\ 


"'=^S;^^**^^' 


Dr. .  h'rohse. 

Vis.  18.    Medianschnitt  des  männlichen  Beckens  in  normaler  Haltung,  Foramina 

(Bnichpforten)   des  kleinen  Beckens,   Ursprung  der  M.  piriformis  und  rectus 

femoris. 


Durch  eine  mit  H  bezeichnete  Horizontallinie  ist  eine  Verbindung  angegeben 
zAvischen  dem  oberen  Eande  der  Symphyse  und  der  Fibrocartilago  intercoccygea 
am  unteren  Rande  des  1.  Steißwirbels.  Das  Ende  des  Duralsackes  (S.d.)  liegt  im 
Bereiche  des  2.  Sacralwirbels.    Pr  bedeutet  Promontorixun. 


79 


494  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

M.  gemelli. 

Synonyma:  Zwillingsmuskeln  (der  Hüfte);  Secundus  et  tertius 
quadrigemini  (Riol.),  marsupium  carneum  (Colomb.,  Spig.)  m,  gemini, 
marsupiales  externi;  Jnmeaux,  petits  jumeaux,  ischio- trochanteriens 
(Chauss.),  ischio-spini-trochanteriens  (Dumas). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Die  Muskeln  stellen  die  Satelliten  des  M.  obturator  internus  dar, 
dessen  Sehne  sie  proximal   und  distal  mit  ihrem  Fleische  umgeben. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  M.  gemellus  superior  entspringt  von  der  Spina  ischiadica,  der 
M.  gemellus  inferior  vom  Tuber  ischiadicum  mit  fleischigen  Bündeln, 
und  lassen  sich  mitunter  überhaupt  nicht  von  der  Sehne  des  M.  ob- 
turator internus  trennen.  Der  Schleimbeutel,  welcher  unter  dieser 
Endsehne  gelegen  ist,  ist  allerdings  unter  allen  Umständen  vorhanden, 
und  man  kann  von  ihm  aus  die  Sonderung  der  drei  Einzelteile  vor- 
nehmen; man  darf  sich  nur  nicht  wundern,  wenn  nach  der  Isolierung 
der  Sehne  des  M.  obturator  internus  die  beiden  M.  gemelli  ein  tiefes 
Muskelbett  schaffen,  welches  als  einheitliche  tiefe  Schicht  die  Sehne 
des  M.  obturator  internus  umgibt.  Dann  ist  überhaupt  keine  Tren- 
nung zwischen  M.  superior  und  inferior  möglich,  und  sie  bilden  dann 
den  gemeinschaftlichen  extrapelvinen  Ursprung  des  M.  obturator  in- 
ternus. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  M.  gemellus  superior  kann  den  M.  piriformis  nicht  erreichen, 
weil  die  aus  dem  Foramen  infrapiriforme  tretenden  Gebilde  dazwischen- 
liegen. Nur  die  Endsehne,  welche  aber  bereits  mit  dem  M.  obturator 
internus  verschmolzen  ist,  verbindet  sich  oft  mit  der  Sehne  des  M. 
piriformis. 

Der  M.  gemellus  inferior  schließt  sich  an  den  M.  quadratus  fe- 
moris  an.  Die  Facies  superficialis  wird  in  der  Mitte  von  den  Ge- 
bilden des  Foramen  infiapiriforme  gekreuzt;  medial  empfängt  sie  ihre 
eigenen  Nerven,  lateral  bleibt  sie  frei.  Die  Facies  profunda  bedeckt 
medial  das  Os  ischii  und  den  Nerven  für  den  M.  quadratus  femoris, 
lateral  das  Hüftgelenk. 

Wirkung. 
Sie  gehören  zu  den  Auswärtsrollern. 

Innervation. 

Der  Muskelbauch  des  M.  obturator  internus  liegt  in  der  Innen- 
fläche des  Beckens.  Darum  muß  auch  der  Nerv  in  das  kleine  Becken 
hineinziehen  und  durch  das  Foramen  ischiadicum  minus  hindurch- 
treten. Außerdem  liefert  er  noch  Zweige  in  der  Höhe  des  Tuber 
ischiadicum,  wo  sich  extrapelvin  die  M.  gemelli  superior  und  inferior 
befestigen.  Die  beiden  letzteren  Muskeln  verlangen  besondere  Nerven. 
Theoretisch  wären  anzunehmen  ein  oberer  und  ein  unterer,  welche 
in  die  entsprechenden  Muskeln  eintreten.  Der  Muskelbefund  lehrt, 
daß  in  der  Tiefe  des  M.  obturator  internus  ein  inniger  muskulärer 

80 


M.  quadratus  femoris,  495 

Zusammenhang  bestehen  kann ;  die  Nervenversorgung  kann  aber,  wie 
in  unserer  Abbildung  (Fig.  16),  das  Gegenteil  kundgeben.  Zwar  ist 
aucli  hier  ein  doppelter  Nerv  vorhanden,  ein  proximaler  für  den  M. 
gemellus  superior  und  ein  distaler  für  den  M.  gemellus  inferior,  nichts- 
destoweniger aber  versorgt  der  proximale  Nerv  zu  einem  kleinen 
Teile  auch  den  distalen  Muskel. 

M.  quadratus  femoris. 

Synonyma:  Viereckiger  Schenkelmuskel;  Quartua  quadrigeminus ; 
Carre    crural,   ischio-trochanterien    (Chauss.),    tubero  -  ischio  -  trochant6rien 

(Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  Muskel  entspricht  seinem  Namen,  indem  er  wie  eine  vier- 
seitige Muskelmasse  das  Tuber  ischiadicum  mit  der  Crista  intertrochan- 
terica  femoris  posterior  verbindet.  Bei  der  Einwärtsrotation  des  Beines 
erscheint  er  am  Präparate  länglich-rechteckig,  bei  der  Auswärtsrotation 
dürfte  er  am  Lebenden  die  Gestalt  eines  Quadrates  oder  sogar  eines 
Rechteckes  annehmen,  dessen  Längsseite  von  oben  nach  unten  verläuft. 
Ursprungs-  und  Ansatzbedingungen  sind  die  denkbar  günstigsten,  der 
Muskel  besitzt  fast  gar  keine  Sehnensubstanz  und  stellt  in  dieser  Be- 
ziehung einen  guten  Vergleich  zum  M.  pronator  quadratus  dar,  dem 
er  in  seiner  äußeren  Gestalt  außerordentlich  nahekommt. 

Idiotopie   und  Skeletopie. 

Der  breite  Ursprung  liegt  an  der  Außenseite  des  Tuber  ischia- 
dicum, dessen  ganze  Breite  er  vom  Acetubulum  an  bis  fast  zum  freien 
unteren  Rande  dieses  Knochens  einnimmt.  Der  dicke  Muskelbauch 
zieht  dann  quer  nach  lateral  hinter  dem  Schenkelhalse,  von  welchem 
er  nur  durch  den  M.  obturator  externus  und  die  Gelenkkapsel  ge- 
trennt ist,  und  heftet  sich  größtenteils  fleischig  ungefähr  in  der  Ver- 
längerung der  Tuberositas  glutaea  bis  zur  Spitze  des  Trochanter  major 
an.  Wir  sagen  absichtlich  nicht  an  der  Crista  intertrochanterica,  weil 
diese  Leiste,  wenn  überhaupt,  nur  einem  geringen  Teile  des  Muskels 
zur  Anheftung  dient. 

Wir  suchen  dann  nach  einem  Grunde  für  diese  Crista,  welche  schon 
deshalb  keinem  Muskelansatze  ihr  Dasein  verdanken  kann,  weil  sie  be- 
reits beim  Neugeborenen  gut  entwickelt  ist.  Hier  ist  der  Vergleich  mit 
der  Linea  intertrochanterica  geboten.  Diese  entspricht  ja  nicht  dem 
hier  sich  vollziehenden  Ursprünge  einiger  Teile  der  M.  vasti,  sondern 
ausschließlich  der  Anheftung  des  mächtigsten  Bandes  des  menschlichen 
Körpers,  des  Lig,  iliofemorale  (Bertini)  —  ähnlich  ist  es  mit  der  Crista 
intertrochanterica,  welche  die  beiden  mächtigsten  Apophysen  des  mensch- 
lichen Körpers  miteinander  verbindet.  Nun  stelle  man  sich  vor,  daß  diese 
beiden  so  ansehnlichen  Höcker,  welche  wir  bereits  bei  den  Muskeln  des 
menschlichen  Armes  (a.  a.  0.  S.  66),  im  Vergleiche  mit  den  entsprechenden 
Punkten  des  Humerus,  herangezogen  und  als  Beuge-  und  Rollhügel  be- 
zeichnet haben,  unvermittelt,  d.  h.  scharf  abgesetzt  an  der  Grenze 
zwischen  Hals  und  Schaft  des  Femur  sich  entwickelten,  so  würden  die 
entsprechenden  gewaltigen  Massen  der  Beuge-  und  Rollmuskeln  leicht 
zu    einer  Lösung   der   Apophysen    führen    können.     Die   Crista   intertro- 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  li,  3.  32 

8i 


496  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

chanterica  stellt  deshalb  nach  unserer  Auffassung  einen  praktisch  hoch- 
bedeutsamen, schrägen  Strebepfeiler  dar,  zum  Schutze  sowohl  des  Tro- 
chanter  major  wie  des  minor. 

Mitunter  macht  es  den  Eindruck,  als  ob  der  Muskel  aus  zwei 
Schichten  besteht,  besonders  im  proximalen  Abschnitte.  Dann  liegt 
es  aber  immer  daran,  daß  in  der  oberflächlichen  Schicht  dünne  Sehnen- 
fasern eingewebt  sind,  welche  bei  der  Präparation  nur  sehr  schwer 
in  einheitlicher  Schicht  bis  zum  Knochen  zu  verfolgen  sind,  um  so  mehr, 
als  sich  darunter  lockeres  Bindegewebe  oder  bei  fettreichen  Personen 
Fettgewebe  entwickelt,  oder  es  zur  Bildung  eines  besonderen  Schleim- 
beutels kommt.  Die  Erklärung  hierfür  läßt  sich  in  leichter  Weise 
geben,  weil  diese  Stelle  des  Muskels  durch  die  Tätigkeit  des  viel 
stärkeren  M.  glutaeus  maximus  immer  wieder  gereizt  wird,  und  er 
als  der  schwächere  teilweise  zum  Schwunde  gebracht  wird. 

Holotopie   und    Syntopie. 

Der  Muskel  beteiligt  sich  in  keiner  Weise  am  Oberflächenbilde. 
Von  der  Hautseite  aus  betrachtet,  liegt  über  ihm  außer  der  meist  an- 
sehnlichen Fettschicht  der  M.  glutaeus  maximus.  Bekannt  ist  außerdem 
seine  Ueberkreuzung  durch  den  N.  ischiadicus  mit  dessen  Begleit- 
gefäßen. Der  obere  Rand  schließt  sich  an  den  M.  gemellus  inferior 
an,  der  untere  berührt  den  M.  adductor  minimus.  In  diesem  Spalte 
treten  die  Endzweige  der  Vasa  circumflexa  femoris  medialia  auf  die 
Rückseite  des  Oberschenkels  noch  zum  unteren  Teile  der  hinteren 
Hüftmuskeln.  Die  tiefe  Fläche  deckt  im  proximalen  Teile  den  Muskel- 
bauch und  die  Endsehne  des  M.  obturator  externus  zu.  Man  muß 
durch  Emporklappen  des  oberen  Teiles,  am  besten  bei  Rückwärts- 
rotation des  Oberschenkels,  den  Muskel  entspannen,  um  diese  prä- 
paratorisch so  schwer  darzustellende  Gegend  gründlich  säubern  zu 
können.  Noch  wichtiger  vielleicht  ist  die  präparatorische  Freilegung 
des  unteren  Randes,  weil  in  dem  Spalte  zwischen  ihm  und  dem  M. 
adductor  minimus  der  Trochanter  minor  gelegen  ist,  an  dem  die 
glänzende  Sehne  des  M.  psoas  major  in  ihrer  charakteristischen,  fast 
rechtwinkeligen  Umknickung  mehrere  Zentimeter  weit  verfolgt  werden, 
kann. 

Wirkung. 

I.  Beim  Spielbeine  ist  eine  starke  Auswärtsrotation  des  Beines  zu 
beachten, 

IL  Bei  einem  Standbeine  tritt  eine  Rumpfdrehung  nach  der 
entgegengesetzten  Seite  ein. 

Wenn  beide  Beine  fixiert  sind,  wird  der  untere  Teil  des  Beckens 
im  ganzen  nach  vorn  geschoben  und  dadurch  der  Rumpf  nach  hinten 
gebeugt. 

Gefäße  und  Nerven. 

Die  Gefäße  sind  unbenannte  Zweige  der  Vasa  glutaea  inferiora, 
circumflexa  femoris  medialia  und  auch  der  obturatoria. 

Der  Nerv  stammt  aus  dem  N.  ischiadicus  und  verläuft  als  ein- 
heitlicher Zweig  hart  am  Knochen  zu  seinem  Muskel.  Hierbei 
liegt  er  unter  den  beiden  M.  gemelli  und  selbstverständlich  auch  der 
Sehne   des  im  Beckeninnern  versorgten  M.  obturator  internus,   und 

82 


M.  obturator  externus.  497 

tritt  auch  in  den  M.  quadratus  femoris  von  der  Facies  profunda  aus 
ein.  Diese  versteckte  Lage  bringt  es  mit  sich,  daß  er  auf  dem  Prä- 
pariersaale höchst  selten  zur  Darstellung  gebracht  wird. 

Innervation. 

Der  Muskelnerv  kommt  ganz  versteckt  aus  dem  Foramen  infra- 
piriforme  heraus  und  ist  erst  eigentlich  dann  zu  erkennen,  wenn  der 
N.  ischiadicus  vollkommen  durchtrennt  ist.  Die  zweite  Schwierigkeit 
beruht  darauf,  daß  er  erst  in  der  Tiefe  unter  dem  M.  obturator  in- 
ternus cum  gemellis  zu  finden  ist,  hart  am  Knochen  und  sogar  ein- 
gebettet in  eine  Furche  etwas  lateral  vom  Tuber  ischiadicum.  So 
schwer  der  Anfangsteil  des  Nerven  zu  finden  ist,  so  leicht  gestaltet 
sich  andererseits  seine  Darstellung  im  Verhältnisse  zum  Muskel.  Wir 
finden  an  ihm  die  typische  Verzweigung  zu  den  Muskelbündeln  selbst 
ungefähr  in  der  Mitte  der  Muskelmasse  verwirklicht,  aber  außerdem 
die  sogenannten  Sehnennerven,  welche  in  Wirklichkeit  höhere  Auf- 
gaben zu  vollführen  haben,  nämlich  die  benachbarten  Knochen  und 
andere  Einrichtungen  des  Körpers  mit  Nerven  zu  versorgen.  So 
konnten  wir  einen  oberen  lateralen  Zweig  zum  Trochanter  major  nach- 
weisen, drei  mediale  zu  der  Gegend  des  Tuber  ischiadicum,  und  einen 
unteren  lateralen,  welcher  sich  gabelte,  um  proximal  die  Crista  inter- 
trochanterica  zu  erreichen  und  distal  den  Trochanter  minor.  Aus 
diesem  Grunde  müssen  wir  den  motorischen  Nerven  noch  die  be- 
sonderen Beziehungen  zu  den  Knochen,  Gelenken,  Gefäßen  usw.  zu- 
erkennen. Wir  finden  sie  an  jedem  Muskel  verwirklicht,  aber  nirgends 
so  leicht  auszupräparieren,  wie  gerade  am  M.  quadratus  femoris. 


M.  obturator  externus. 

Synonyma:  Aeußerer  Verstopfmuskel;  Obturateur  externe,  sous- 
pubio-trochanterien  ext.  (Chauss.),   extra-pelvio-pubi-trochanterien  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Trotz  seiner  bedeutenden  Größe  ist  dieser  Muskel  von  Ursprung 
bis  Ansatz  der  versteckteste  aller  Körpermuskeln,  zu  dessen  aus- 
giebiger Freilegung  sämtliche  Nachbar-  und  Beckenmuskeln  durch- 
trennt werden  müssen,  die  uns  bei  der  Holotopie  und  Syntopie  noch 
ausführlich  zu  beschäftigen  haben.  Er  entspringt  an  der  vorderen, 
der  Außenfläche  des  Foramen  obturatum,  wendet  sich  dann  hinter 
den  Schenkelhals  und  heftet  sich  in  der  Fossa  trochanterica  an. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  findet  nur  zum  geringsten  Teile  an  den  Rändern 
des  Foramen  obturatum  und  der  dasselbe  verschließenden  Membrana 
obturatoria  statt,  greift  vielmehr  ausgiebig  auf  die  Knochenumrahmung 
über,  deren  lateralen  Rand  er  indessen  frei  läßt.  Recht  oft  ist  der 
Ursprung  nicht  einheitlich,  sondern  läßt  ein  oberes  Bündel  erkennen, 
welches  seinen  guten  anatomischen  Grund  liat,  weil  nämlich  hier  be- 
reits recht  oft  eine  frühe  Teilung  des  N.  obturatorius  in  seine  beiden 
Hauptendäste   statthat.    Entweder  verläuft  der  ungeteilte  N.  ob- 

32* 
83 


498  FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 

turatorius  mit  den  Gefäßen  oberhalb  des  Gesamtmuskels,  oder  der 
R.  anterior  zieht  gemeinschaftlich  mit  den  Gefäßen  zu  d^en  versorgten 
Gebilden,  und  der  R.  posterior  durchsetzt  den  Muskel,  von  dem  er 
einen  oberen  kleinen  Bauch  absondert^).  Den  R.  post.  möchten  wir 
jedoch  nach  unserer  neuen  Beschreibung  als  R.  medius  oder  inter- 
medius  bezeichnet  wissen.  Die  Ursprünge  sind  fleischig,  zeichnen 
sich  aber  dadurch  aus,  daß  sich  hart  an  der  Membrana  obturatoria 
Fett  entwickeln  kann,  bei  dessen  größerer  Anhäufung  Waldeyer  in 
derselben  Figur  von  „Corpora  adiposa"  spricht.  Von  dem  breiten 
Ursprünge  aus  verschmälert  sich  der  Muskelbauch  beträchtlich  und 
hat,  wenn  er  sich  frei  entwickelt  hat  und  von  hinten  her  um  das 
Hüftgelenk  herumschliugt,  nur  ein  Viertel  der  ursprünglichen  Breite. 
Die  Endsehne  ist  stärker,  als  die  des  M.  obturator  internus,  weist 
aber  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  diesem  und  den  M.  gemelli  auf, 
indem  die  unteren  und  die  oberen  Muskelbündel  sich  bis  in  die  Nähe 
des  Ansatzes  in  entsprechender  Weise  an  die  Endsehne  anheften. 


Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  anterior  mußte  bereits  bei  der  Idiotopie  und  Skele- 
topie  betrachtet  werden,  wo  beschiieben  ist,  daß  der  R.  posterior  des 
N.  obturatorius  ein  besonderes  Aestchen  abzweigen  kann.  Wir  zerlegen 
diese  Fläche  zweckmäßig  in  zwei  Unterabschnitte:  eine  mediale,  die 
eben  beschriebene  Beckenhälfte,  und  eine  laterale,  welche  Hüftgelenk 
und  Femur  umfaßt.  Der  Articulatio  coxae  ist  die  Endsehne  innig 
angeschmiegt  und  verläuft  dabei  am  unteren  Umfange  der  Zona  or- 
bicularis  (Weberi),  welche  an  dieser  Stelle  schwach  sein  kann,  weil 
ja  die  starke  Sehne  die  Verstärkung  der  Gelenkkapsel  in  ungleich 
stärkerer  Weise  besorgt,  um  so  mehr,  als  kein  Schleimbeutel  sie  von 
ihr  trennt.  Wir  haben  hier  dieselbe  Einrichtung  wie  beim  Schulter- 
gelenke, wo  ja  auch  die  Sehnen  der  Rollmuskeln  die  eigentliche  Wand 
der  Gelenkkapsel  bilden  und  nur  an  bestimmten,  hier  nicht  zu  wieder- 
holenden Stellen  Schleimbeutel  entwickeln. 

Der  obere  Rand  ist  bereits  beschrieben,  ebenso  die  Beziehungen 
zur  Membrana  obturatoria,  d.  h.  die  Facies  profunda.  Beim  Ueber- 
gange  beider  ineinander  haben  wir  die  Eintrittsstelle  der  Hauptgefäße 
und  vor  allen  Dingen  des  Nerven,  welcher  aus  dem  N.  obturatorius 
stammt,  also  aus  dem  Plexus  lumbalis,  und  nicht,  wie  beim  N.  ob- 
turator internus,  aus  dem  Plexus  pudendus  oder  dem  Kaudalteile 
des  Plexus  sacralis. 

Zur  Freilegung  des  Muskels  sind  von  vorn  her  zu  durchschneiden 
oder  noch  besser  loszulösen  sämtliche  Muskeln  der  Addiictorengruppe 
und  ebenfalls  der  im  Adductorendreiecke  miteingeschlossene  Endteil 
des  M.  iliopsoas,  von  hinten  her  außer  dem  M.  glutaeus  maximus 
der  M.  quadratus  femoris,  an  der  hinteren  und  lateralen  Grenze  die 
zum  Unterschenkel  ziehenden  Beuger. 

Wirkung. 
Dieselbe  ist  bei  den  Auswärtsrollern  beschrieben. 


1)  S.  auch  Waldeyer,  Fig.  19  a.  a.  0.  S.  36. 
84 


M.  obturator  extemus.  499 

Bursa  des  M.  obturator  extemus. 

Eiu  Schleimbeutel  von  2  cm  Länge  und  1  cm  Breite  befindet 
sich  auf  der  Hüftgelenkskapsel  genau  entsprechend  dem  Halse  des 
Femur,  tritt  jedenfalls  in  keine  r)eziehung  zum  Tuber  ischiadicuni. 
Von  diesem  Kuochenpunkte  ziehen  sogar  besondere  Bänder  extra- 
kapsulär zur  Kapsel  des  Hüftgelenkes,  und  zwischen  den  einzelnen 
Streifen  verlaufen  besondere  Gefäße. 

Bei  tleu  allermeisten  Figuren  dieses  Abschnittes  des  Handbuches  haben  wir 
uns  nach  der  von  Waldeyer  vorgeschlagenen  Einteilung,  jedes  Organ  nach  Idio- 
ropio,  Skeletopie,  Holotopie  und  Syntopie  zu  betrachten,  gerichtet.  So  mußte  gerade 
das  Muskelbild  des  M.  obturator  externus  sich  zu  der  dankenswertesten  Aufgabe 
gestalten,  die  von  Waldeyer  angeregten  Fragen  in  ihrer  Zweckmäßigkeit  darzutun, 
in  der  Tat  läßt  sich  dieser  Muskel  ohne  jeden  Zwang  auf  derselben  Abbildung 
idio-,  skele-,  holo-  und  syntopisch  betrachten,  wir  müssen  sogar  noch  weitergehen, 
indem  wir  uns  jedesmal*  nach  der  Nerven-  untl  Gefäßversorgung  richten  müssen. 
Für  diese  beiden  Fragen  sind  besondere  Namen  zu  schaffen,  und  wir  möchten  vor- 
schlagen: Neurotopie  und  Angiotopie.  Diese  beiden  Ausdrücke  haben  wir,  einem 
inneren  Zwange  gehorchend,  unbewußt  bereits  bei  der  Beschreibung  der  Armmuskeln 
angewandt,  letzteren  speziell  bei  den  Fascien.  Bei  der  Bearbeitung  unseres  jetzigen 
Themas  haben  wir  beiden  Fragen  unsere  ganze  Aufmerksamkeit  gewidmet  und  im 
Texte  sowohl  den  neurologischen  wie  den  angiologischen  Fragen  uns  gerecht  zu 
werden  bemüht.  Es  war  in  diesem  Falle  unmöglich,  auch  die  Gefäße  im  BUde 
anzubringen,  wohl  aber  haben  wir  die  neurologische  Seite  vom  anatomischen  und 
klinischen  Standpunkt«   aus   darzustellen   uns   angelegen   sein  lassen.     Wir  wissen 

fanz  genau,  daß  ein  gewisser  Widerspruch  sich  erheben  kann  zwischen  anatomischer 
Irfahrung  und  praktischer  Verwertbarkeit.  In  unserem  Falle  verdient  die  Innervation 
des  M.  obtiirator  externus  nur  theoretische,  wissenschaftliche  Bedeutung,  weil  man 
kaum  imstande  ist,  am  Lebenden  sowohl  den  extra-  wie  den  intramuskulären  Teil 
elektrisch  zu  reizen,  und  so  kommen  wir  zu  einer  einfacheren  Auffassung  der 
Neurotopie.  Im  anatomischen  Sinne  ist  jeder  Nervenzweig  motorischer  Herkunft 
für  den  versorgten  Äluskel  von  Bedeutung.  Die  praktische  Frage  liegt  aber  anders, 
wo  er  überhaupt  durch  den  elektrischen  Strom  zu  erreichen  ist.  Wir  müssen  dem- 
gemäß unterscheiden  zwischen  dem  anatomischen  Nervenbilde  und  der  praktisch 
eiTeichbaren  Keizungsstelle  des  Muskels.  Wer  sich  über  die  Lage  eines  Muskels 
klar  ist,  weiß  auch,  daß  beinahe  an  jeder  Stelle  desselben  die  elektrische  Keizung 
möglich  ist.  Wir  müssen  aber  den  klinischen  Erfahrungen  folgen  und  nur  die- 
jenigen Stellen  betonen,  welche  ohne  Präparation,  d.  h.  ana Lebenden,  die  günstigsten 
Anlegungsstellen  für  die  Elektroden  bilden. 

Die  Angiotopie  ist  bei  den  Beinmuskeln  von  ganz  untergeordneter  Bedeutung. 
Die  untere  Extremität  zerfällt  in  Hüft-,  Überschenkel-,  Unterschenkel-  und  Fuß- 
muskulatur. Die  vier  genannten  Abschnitte  bilden  jeder  für  sich  ein  besonderes 
Gefäßgebiet,  über  deren  Grenzen  man  nicht  ungestraft  hinausgehen  darf,  besonders 
bei  Unterbindungen  am  Lebenden.  So  reich  wie  ein  einzelner  Muskel  auch  mit 
Gefäßen  bedacht  ist,  immer  und  immer  wieder  gehört  er  zu  einer  der  vier  ({ruppen. 
Die  Gefäßdarstellung  haben  ^nr  nicht  bildlich  berücksichtigt,  weU  es  zu  weit  geführt 
haben  würde,  wohl  aber  mußten  wir  die  motorischen  Nerven  in  ihrem  extra-  und 
intramuskulären  Verlaufe  ausführlich  darstellen,  weil  ja  ein  Muskel  nichts  ohne 
seinen  Nerven  anfangen  kann  und,  vom  praktischen  Standpunkte  aus  geredet,  die 
l'ebcipflaiizung  von  oder  in  einen  gelähmten  ]Muskel  keinen  Erfolg  zu  erzielen 
vermag. 

Beschreibung  zu  Fig.|19. 

Die  Figur  zeigt  den  M.  obturator  externus  im  Muskel-  und  Nervenbilde, 
letzteres,  weil  die  entsprechenden  Zweige  sich  von  vorn  her  präparieren  lassen. 
Dagegen  ist  der  M.  quadratns  femoris  nur  im  Muskelbilde  dargestellt,  weil  seine 
Nerven  sich  von  hinten  her  aus  dem  Plexus  sacralis  und  nicht  aus  dem  Plexus 
lumbalis  loslösen.  Ferner  haben  wir  die  vordere  Partie  des  Hüftgelenkes  mit  {\cm 
Uebergange  zum  Bauche  und  Oberschenkel  in  topographischer  Weise  berücksichtigt. 
In  erster  Linie  kommen  die  Bruchpforten  in  Betracht:  Dem  Präparate  entsprechend, 
zeigt  die  Abbildung  den  äußeren  Leistenring  am  meisten  medial  gelegen,  den 
Schenkelkanal  mehr  lateral  und  den  Kanal  für  die  Hernia  obtnratoria  in  der  Mitte 
zwischen  beiden  vorgenannten.    Als  Grenze  zwischen  Hernia  inguinalis  und  femoralis 

85 


500 


FROHSE   und    M.    FRANKEL, 


M.  obturator  extemus. 


öOl 


spannt  sich  an  das  Lig.  inguinale  (Pouparti).  Als  scharfer  Knochenteil  strebt  uns 
entgegen  der  Ranius  superior  (horizontalis)  ossis  pubis,  welcher  Schenkelhernie  und 
einen  Bruch  in  den  Canalis  obturatorius  hinein  voneinander  trennt. 

Des  weiteren  zeigt  die  Abbildung  die  Ursprünge  der  Adductorengruppe,  welche, 
wie  Waldeyer  sagt,  in  drei  Kreisen  aufzufassen  sind,  einem  oberflächlichen,  welcher 
4  Muskeln  umfaßt,  die  M.  pectineus,  adductor  longus,  gracilis  und  adductor  magnus. 
In  mittlerer  Schicht  finden  wir  nur  2  Muskeln,  die  M.  adductor  brevis  und  minimus. 
Es  wäre  nun  sehr  leicht,  ein  Schema  aufzustellen,  indem  man  unter  dem  M.  ad- 
ductor longus  auch  den  M.  adductor  brevis  zu  erwarten  hätte,  und  ebenso  unter 
dem  M.  adductor  magnus  den  M.  adductor  minimus.  Dies  wäre  verkehrt.  Nach 
unseren  Erfahrungen  liegt  der  M.  adductor  brevis  hauptsächlich  unter  dem  M.  gra- 
cilis verborgen,  und  nicht  unter  dem  Ursprünge  des  M.  adductor  longus,  und  auch 
der  M.  adductor  minimus  liegt  nicht  in  seiner  größten  Ausdehnung  unter  dem 
M.  adductor  magnus,  sondern  ebenfalls  im  Bereiche  des  M.  gracilis. 

Man  soll  ein  Schema  in  Ehren  halten,  wenn  es  den  praktischen  Bedürfnissen 
genügt,  und  hier  ist  der  Platz  dazu.  Schematisch  mögen  wir  uns  merken,  daß 
unter  dem  langen  Adductor  ein  kurzer  seinen  Sitz  hat,  und  unter  dem  großen  der 
kleinste  aufzusuchen  ist,  und  erst  ganz  in  der  Tiefe  der  dritte  Muskel  der  drei 
Adductorenkreise  erscheint  in  Gestalt  des  einheitlichen  M.  obturator  externus.  In 
welcher  Weise  sich  dies  am  Einzelpräparate  gestaltet,  ist  sehr  schwer  zu  sagen  und 
muß  den  Einzelbeobachtungen  überlassen  bleiben.  Wir  wollen  kein  Schema  und 
können  zurzeit  auch  noch  nicht  beurteilen,  ob  unsere  bildliche  Darstellung  den 
nun  einmal  üblichen  schematischen  Darstellungen  gerecht  wird. 

Das  Foramen  obturatum  wird  in  seiner  medialen  Hälfte  eingenommen  durch 
die  Adductorengruppe;  wir  müssen  aber  auch  des  lateralen  Abschlusses  gedenken, 
welcher  durch  den  M.  quadratus  femoris  verwirklicht  ist.  Dieser  Muskel  hat  die 
gleiche  Wirkung  wie  der  M.  obturator  externus,  welcher  nach  der  deskriptiven 
Anatomie  bei  den  Adductoren  aufgezählt  wird,  obwohl  er  ein  Auswärtsrotator  im 
hervorragendsten  Sinne  ist. 

Wir  müssen  ferner  bei  unserer  Figur  auf  die  Nerven  hinweisen,  welche  die 
Adductorengruppe  versorgen.  Der  Hauptnerv  heißt  N.  obturatorius  und  zerfäUt 
nach  den  B.N.  A.  in  den  R.  anterior  und  den  R.  posterior.  Diese  Darstellung  ist 
schematisch.  Der  in  größter  Beckenweite  drehrunde  Nerv  zerfällt  schon  vor  dem 
Eintritt  in  den  Canahs  obturatorius  in  drei  und  nicht  zwei  gesonderte  Nerven, 
nämlich:  1.  einen  oberflächlichen  Ast,  den  R.  anterior,  welcher  unter  dem  oberen 
Schambeinaste  am  proximalen  Rande  des  M.  obturator  externus  herauskommt  und 
seinerseits  mit  drei  Muskelzweigen  die  M.  adductor  longus,  gracilis  und  adductor 
brevis  versorgt,  aber  auch  außerdem  noch  den  klinisch  so  wichtigen  Hautnerven 
(RoMBERGsches  Kniephänomen,  Hernia  obturatoria)  für  die  Innenfläche  der  Knie- 
gelenksgegend liefert;  2.  einen  mittleren,  R.  posterior,  für  den  nach  unserer  Auf- 
fassung die  Bezeichnung  R.  intermedius  angebracht  wäre;  gewöhnlich  spaltet  sich 
am  Austritte  an  die  Oberfläche  des  M.  obturator  externus  ein  etwa  1  cm  breites 
Bündel  ab;  er  versorgt  die  M.  adductor  minimus  und  magnus,  letzteren  aber  nur 
im  proximalen  Abschnitte;  3.  einen  hinteren  Zweig,  der  ausschließlich  für  den 
M.  obturator  externus  bestimmt  ist,  R.  posterior  (nobis). 

In  dieser  Weise  läßt  sich  die  Innervation  am  einfachsten  aus  folgender  Tabelle 
ersehen : 


Muskeln 


Nerven 


Hauptbezüge  (und  Neben- 
bezüge-Varietät) aus  den 
Zweigen  des  N.  obturatorius 


M.  pectineus 

N.  femoralis 

(R.  ant.) 
R.  ant. 

M.  adductor  longus 

N.  obturatorius 

M.  graciUs 

N.  obturatorius 

R.  ant. 

M.  adductor  magnus 

N.  obturatorius  +  N. 
ischiadicus 

R.  intermedius  nobis 

M.  adductor  brevis 

N.  obturatorius 

R.  ant. 

M.  adductor  minimus 

N.  obturatorius 

R.  intermedius  nobis 

M.  obturator  externus 

N.  obturatorius 

R.  post.  nobis 

Die  laterale  Hälfte  der  Figur  umfaßt  das  Hüftgelenk  von  vorn.  Der  Zusammen- 
hang mit  dem  Bauche,  Abdomen,  oder  besser  gesa^,  mit  der  Wirbelsäule,  wird  ge- 
liefert durch  den  M.  iliopsoas,  welcher  gemeinschaftlich  mit  dem  N.  femoralis  die 
Lacuna  musculorum  durchsetzt,  in  der  Höhe  des  Lig.  inguinale  quer  durchtrennt 
ist  unter  Resektion  desjenigen  Teiles,   welcher  den  Scnenkelkopf  überlagert.     Hier 


87 


502  FBOHSE  und   M.   FRÄNKEL, 

liegt  die  B.  iliopectinea,  welche  gewöhnlich  bis  zur  Mitte  des  Sehenkelhalses  distal 
herunterreicht  und  recht  oft  —  wir  können  nicht  sagen,  ob  normal,  d.  h.  in  mehr 
als  50  Proz.  der  Fälle  —  mit  der  Höhle  des  Hüftgelenkes  zusammenhängt.  Die 
entsprechende  Stelle  liegt  über  der  größten  vorderen  Krümmung  des  Schenkelkopfes, 
und  unter  allen  Umständen  sehen  wir  hier  bei  den  Beugungen  des  Femur  bereits 
den  Knorpel  durchschimmern,  auch  wenn  es  noch  zu  keinem  Durchbruche  der 
Gelenkkapsel  gekommen  ist. 

Die  Grenze  gegen  die  Adductoren  wird  durch  eine  scharfe  fascielle  Leiste 
kundgetan,  welche  regelmäßig  vorhanden  ist  und  den  femoralen  Teil  des  fälschlich 
so  genannten  Ligamentum  iliopectineum  darstellt.  Letzteres  ist  ja  nur  eine 
fascielle  Trennung  zwischen  Lacuna  musculorum  und  vasorum,  aber  nur  im  Bereiche 
des  Lig.  inguinale.  In  der  Beckenhöhle  grenzt  es  ab  die  Baucheingeweide  gegen 
die  tiefe  Muskulatur  (M.  iliopsoas),  im  Oberschenkel  teile  bildet  es  die  Trennungs- 
fläche zwischen  den  vorderen  Flexoren  und  der  Adductorengruppe.  Die  Flexoren 
werden  gebildet  durch  den  M.  iliopsoas,  bei  welchem  wir  durchaus  drei  Teile  unter- 
scheiden müssen:  a)  der  M.  psoas  major  setzt  rein  sehnig  an  am  Trochanter 
minor,  b)  der  M.  iliacus  geht  fleischig  herunter,  distalwärts  etwas  hinaus  über 
die  Linea  intertrochanterica.  Dieser  Muskel  soll  nur  aus  der  Fossa  iliaca  des 
Hüftbeins  entspringen,  d.  h.  innerhalb  des  großen  Beckens,  woraus  der  Name  ent- 
standen ist  M.  iliacus  internus,  aber  c)  müssen  wir  betonen,  daß  auch  eine  Ober- 
schenkelportion dieses  Muskels  vorhanden  ist,  welche  sich  in  der  Tiefe  um  den 
Ursprung  des  M.  rectus  femoris,  um  die  Spina  iliaca  anterior  inferior  herumschmiegt. 
Diese  Portion  haben  wir  besonders  abgebildet,  weil  sie  den  idealen  Flexor  des  Hüft- 

felenkes  selbst  darstellt  und  beinahe  genau  die  proximale  Ursprungsstelle  der  Gelenk- 
apsel mit  der  distalen  durch  einen  ansehnlichen  Muskelzug  überbrückt,  dessen 
Wirkung  nur  als  Flexion  bezeichnet  werden  kann.  Gehen  wir  noch  einen  Schritt 
weiter  und  ziehen  in  der  Eichtung,  welche  durch  unseren  M.  iliacus  externus  vor- 
geschrieben ist,  an  den  vorliegenden  Sehnenstümpfen,  so  würde  ein  Zug  am 
ürsprungsteile  des  M.  rectus  femoris  eine  energische  Beugewirkung  des  Beckens  und 
damit  des  Eumpfrudimentes  auslösen.  Ein  Zug  an  der  Endsehne  des  M.  iliopsoas 
beugt  mit  aller  Kraft  den  Oberschenkel  gegen  den  Bauch  bis  zur  Berührung  der  Weich- 
teile, am  anatomischen  Präparate  unglaublich  ausgiebiger,  als  wie  es  beim  Lebenden 
beiderlei  Geschlechts  häufig  durch  den  Panniculus  adiposus  eingeschränkt  wird. 

Die  Trochanterengegend  zeigt  halb  schematisch  die  dort  vorkommenden  Schleim- 
beutel ;  alle  drei  M.  glutaei  besitzen  mindestens  einen  subtendinösen.  Der  M.  glutaeus 
maximus  wartet  aber  noch  mit  einem  subkutanen  Schleimbeutel  auf,  welcher  jedoch 
seine  Gegenwart  nicht  der  Muskelmasse  verdankt,  sondern  der  Sehne,  welche  hier 
bereits  als  Tractus  iliotibialis  selbständig  über  den  Trochanter  major  ihren  Weg 
nimmt  und  in  unserer  Abbildung  deshalb  kurzweg  als  Tractus  iliotibialis  be- 
zeichnet ist. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  der  N.  glutaeus  superior  erwähnt,  welcher  ungefähr 
in  der  Höhe  der  Spina  iliaca  ant.  inf.  zwischen  den  M.  glutaei  medius  und  minimus 
an  die  Oberfläche  kommt,  um  den  M.  tensor  fasciae  latae  zu  versorgen. 

Obwohl  es  sich  hier  nur  um  die  Betrachtung  der  Vorderseite  handelt,  haben 
wir  auch  mit  punktierten  Linien  die  Insertionsstellen  der  M.  obturator  externus 
und  quadratus  femoris  angegeben,  von  denen  ersterer  die  Fossa  intertrochanterica 
aufsucht.  Der  M.  quadratus  femoris  hat,  wie  im  Texte  nachzusehen  ist  (s.  S.  495  [81]),. 
seine  besondere  Ansatzlinie  unabhängig  von  der  Crista  intertrochanterica. 


II.  Oberschenkelmuskeln. 

Allgemeines. 

Der  Oberschenkel  zeigt  nicht  die  mehr  oder  minder  rundliche 
Form  des  Oberarmes,  sondern  ist  an  fettarmen  Individuen  eigen- 
tümlich vierkantig  zusammengedrückt.  Die  vier  Flächen  verdanken 
verschiedenen  Muskelgruppen  oder  Teilen  derselben  ihre  Entstehung. 
Die  vordere  Fläche  enthält  die  Hauptmasse  des  M.  tiiceps  femoris, 
proximal  auch  noch  folgende  Muskeln:  lateral  den  M.  sartorius,  me- 
dial den  M.  iliopsoas.  Beide  können  jedoch  nur  zur  Hüftgegend  ge- 
rechnet werden,  so  daß  für  den  eigentlichen  Oberschenkel  im  vorderen 
Teile    nur   der   M.  quadriceps   femoris   in   Frage   kommt.     Das    Be- 


M.  sartorius.  503 

stimmende  für  die  Facies  lateralis  ist  der  gleichnamige  M.  vastus. 
dei-  jedoch  nicht  unmittelbar  unter  der  Haut  liegt,  sondern  unter  dem 
mächtigen  Tractus  iliotibialis,  also  unter  Abkömmlingen  der  lateralen 
Hüftmuskeln  verborgen  ist.  Dieser  Zug  ist  so  mächtig,  daß  er  nicht 
allein  die  Oberfläche  des  M.  vastus  lateralis  in  eine  Aponeurose  um- 
wandelt, sondern  auch,  wie  es  vor  allem  bei  militärischen  üebungen 
(Stillgestanden!)  der  Fall  ist,  die  ganze  Außenfläche  des  Oberschenkels 
sagittal  abflaciit.  Die  hintere  Fläche  wird  in  oberflächlicher  Schicht 
von  den  Flexoren  eiogenommen,  die  mediale  von  der  sogenannten 
Adductorengruppe.  In  den  beiden  mittleren  Vierteln  des  Ober- 
schenkels sind  alle  genannten  Muskeln  keiner  besonderen  Selbstän- 
digkeit fähig,  sich  klar  unter  der  Haut  zu  zeigen,  weil  sie  durch  die 
Fascia  lata  zentralwärts  gegen  den  verhältnismäßig  dünnen  Ober- 
schenkelschaft gedrückt  werden.  Erst  im  distalen  Viertel  des  Ober- 
schenkels können  die  Muskeln  und  Sehnen  freier  unter  der  Haut 
spielen.  Erstens,  weil  die  Fascie  dünner  wird,  zweitens  der  Knochen 
sich  aus  dem  Schafte  zu  den  dreimal  so  dicken  Condylen  verbreitert, 
und  drittens  die  Muskeln  zum  größten  Teile  bereits  in  ihre  Sehnen 
übergehen  oder  bereits  übergegangen  sind.  Die  Beschreibung  dieses 
Abschnittes  läßt  sich  aber  nur  im  Zusammenhange  mit  dem  Unter- 
schenkel erledigen,  weil  dessen  Muskeln  in  die  des  Oberschenkels 
hineingreifen.  Wir  haben  deshalb  ein  ausführliches  Kapitel  über  die 
äußere  Form  des  Knies  (s.  S.  421  [7])  gegeben,  welches  sich  natüilich 
nicht  auf  die  Vorderseite  beschränken  darf,  sondern  auch  die  seitlichen 
und  die  hinteren  Abschnitte  mitumfassen  muß. 


M.  sartorius. 

Synonyma:  Schneidermuskel,  längster  Sehnenmuskel;  M.  sutorius 
(Riglan),  M.  fascialis,  M.  longus;  Couturier  (Cbuveilhibr),  il6o-pr6tibial 
(Chauss.),  ilio-creti-tibial  (Dum.),  satellite  de  la  femorale  (Poiriek,  S.  214). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  M.  sartorius  ist  einer  der  merkwürdigsten  Muskeln  des 
menschlichen  Körpers,  durch  seine  auftallende  Länge  und  den  spira- 
ligen Verlauf  um  die  mediale  Seite  des  Oberschenkels  herum.  Auch 
in  chirurgischen  Fragen  spielt  er  eine  wichtige  Rolle,  als  Leitstern 
bei  Unterbindungen  usw.  Er  entspringt  von  der  Spina  iliaca  ant.  sup. 
und  setzt  als  oberster  der  drei  Muskeln,  welche  den  anatomischen 
Oänsefuß,  Pes  anserinus,  Patte  d'oie,  bilden,  etwas  nach  hinten  und 
medial  von  der  Tuborositas  tibiae  an  diesen  Knochen  an.  Je  nach 
der  Länge  des  Oberschenkels  kann  der  Muskelbauch  eine  Länge  von 
50  cm  und  darüber  erreichen.  Dies  würde  eine  Verkürzung  bei 
stärkster  Kontraktion  um  25  cm  betragen.  Da  jedoch  die  einzelnen 
mikroskopischen  Muskelfasern  bei  weitem  nicht  die  Länge  der  makro- 
skopischen Bündel  erreichen,  vollzieht  sich  die  Wirkung  des  Muskels 
in  bescheidenen  Grenzen.  Vielen  Menschen  ist  es  überhaupt  nicht 
möglich,  bei  Emporheben  des  leicht  gebeugten  Beines  nach  vorn-innen 
und  über  die  Mittellinie  hinaus,  den  Muskel  als  Strang  hervortreten 
zu  lassen,  und  kaum  jemals  fühlt  sich  der  Muskel  so  hart  au,  wie  es 
z.  B.  bei  dem  M.  biceps  oder  dem  M.  interosseus  dorsalis  I  der  Fall 
sein  kann. 

89 


504  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  recht  schmale  Ursprung  von  der  Spina  iliaca  ant.  sup.  voll- 
zieht sich  im  wesentlichen  muskulös;  jedenfalls  sind  die  Sehnenfasem 
sehr  kurz,  können  jedoch  durch  Verbindung  mit  den  M.  tensor  fasciae 
latae,  glutaei  medius  und  miuimus  eine  Aponeurosis  intermuscularis 
darstellen.  Sehr  schnell  gewinnt  der  Muskelbauch  seine  größte  Breite, 
die  er  fast  unverändert  bis  zum  Uebergauge  in  die  Endsehne  bei- 
behält. Diese  Breite  ist  außerordentlich  verschieden;  bei  alten  oder 
abgemagerten  Leuten  beträgt  sie  manchmal  kaum  2  cm,  andererseits 
haben  wir  breite  beobachtet,  welche  fast  10  cm  erreichten,  besonders 
dann,  wenn,  wie  in  dem  extremsten  Falle,  der  Muskel  in  seiner  ganzen 
Länge  duich  einen  etwa  1  cm  breiten  Spalt  vollkommen  voneinander 
getiennt  war.  Die  Ansatzsehne  ist  breit  und  kann  sich  vollkommen 
unabhängig  von  den  Sehnen  der  M.  gracilis  und  semitendinosus  an- 
setzen und  überläßt  dann  diesen  ausschließlich  die  Bildung  der  Patte 
d'oie.  Charakteristisch  für  den  Muskel  ist,  wie  erwähnt,  der  spiralige 
Verlauf  um  den  Oberschenkel  heium.  Im  oberen  Viertel  des  Ober- 
schenkels können  wir  in  klarer  Weise  einen  lateralen  und  medialen 
Rand  unterscheiden,  und  eine  vordere  und  hintere  Fläche.  In  den 
distalen  drei  Vierteln  wird  der  laterale  Rand  allmählich  zum  vorderen, 
der  mediale  zum  hinteren.  Die  Flächen  kehren  sich  dann  nach  me- 
dial und  lateral.  An  der  Innenseite  des  Knies  angelaugt,  umgreift 
er  den  medialen  Condylus  von  hinten  her,  und  die  Endsehne  biegt  in 
ziemlich  scharfem  Bogen  nach  vorn  um,  so  daß  wir  hier  die  Um- 
wandlung der  vorderen  Kante  in  eine  obere,  proximale,  der  hinteren 
in  eine  untere,  distale  haben. 

Auch  der  Querschnitt  ist  in  den  einzelnen  Abschnitten  ein  ganz 
verschiedener,  je  nach  den  räumlichen  Bedingungen.  Dort,  wo  er 
dem  M.  extensor  einerseits,  den  Adductoren  andererseits  aufgelagert 
ist  und  die  Vasa  femoralia  deckt,  erscheint  der  Querschnitt  ungefähr 
dreiseitig;  dort,  wo  er  über  den  M.  vastus  medialis  hinwegzieht,  flacht 
er  sich  immer  mehr  und  mehr  ab. 

Die  Endsehne  entwickelt  sich  zunächst  auf  der  Facies  profunda, 
sobald  sie  in  Berührung  mit  dem  medialen  Oberschenkelknorren 
kommt,  sehr  bald  und  in  ziemlich  gleichmäßiger  Linie  auch  an  der 
Oberfläche.  Beim  Verlaufe  über  die  Tibia  und  das  Lig.  coUaterale 
tibiale  findet  sich  regelmäßig  ein  Schleimbeutel,  welcher  mitunter 
selbständig  ist  —  Bursa  m.  sartorii  propria  — ,  jedoch  gewöhnlich 
mit  der  großen  Bursa  anserina  zusammenhängt. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  entspricht  mit  seiner  Oberfläche  der  Fascia  lata  und 
Haut.  Trotz  seiner  großen  Länge  ist  er  einer  der  wenigen  Muskeln, 
welche  in  ganzer  Ausdehnung  am  Oberflächenbilde  des  Körpers  teil- 
nehmen. Er  bildet  die  wichtige  Grenze  einerseits  zwischen  dem 
medialen  oberen  Oberschenkeldreiecke,  welches  die  Adductoren  sowie 
den  Ansatz  des  M.  iliopsoas  beherbergt,  und  andererseits  dem  Ex- 
tensorendreiecke,  welches  von  dem  M.  triceps  femoris  ausgefüllt  wird. 
Wenn  wir  den  Vorschlag  machen  sollten,  eine  Einteilung  der  Vorder- 
seite des  Oberschenkels  zu  geben,  wie  sie  sich  bei  einer  Betrachtung 
von  vorn  darstellt,  oder,  wie  sie  sich  in  den  Abbildungen  kundgibt^ 
welche  das  plastische  Bild  auf  eine  ebene  Fläche  projizieren,  so  wäre 


M.  sartorius.  505 

vielleicht  folgende  Einteilung   berechtigt,  für  welche  wir  besondere 
Namen  vorschlagen  möchten: 

1)  Trigonum  adductorium. 

2)  Regio  sartoria,  weil  ja  dieser  Muskel,  wie  oben  gesagt,  eine 
so  große  Länge  und  auch  Breite  aufweisen  kann,  wie  sie  von  anderen 
Regiones  corporis  humani  überhaupt  nicht  erreicht  wird. 

3)  Trigonum  exteusorium. 

Das  Trigonum  adductorium  würde  seine  Basis  haben:  proximal 
mit  dem  Lig.  inguinale  (Pouparti) ;  die  Spitze  liegt  dort,  wo  der  nun- 
mehr hintere  Kaud  des  M.  sartorius  den  M.  gracilis  überkreuzt.  Beide 
Muskeln  bilden  mit  ihren  einander  zugekehrten  Rändern  die  Seiten 
dieses  Dreieckes. 

Die  Regio  sartoria  liegt  zunächst  an  der  Vorderseite  des  Ober- 
schenkels, weiterhin  geht  sie  mehr  auf  die  mediale  Fläche  über. 

Das  Trigonum  extensorium  hat  seine  Basis  distal.  Dieselbe  ent- 
spricht einer  künstlich  gezogenen  Linie,  welche  mit  der  Spalte  des 
Kniegelenkes  zusammenfällt,  oder  auch  quer  durch  den  unteren  Rand 
der  Patella  gezogen  werden  kann.  Die  Spitze  liegt  an  der  Spina 
iliaca  ant.  sup.,  dort,  wo  die  auseinanderweichenden  Bäuche  der  M. 
sartorius  und  tensor  fasciae  latae  das  Oberschenkelgrübchen,  Fossette 
fem  orale,  bilden.  Die  einander  zugekehrten  Ränder  der  beiden  ge- 
nannten Muskeln  bezw.  der  vordere  Rand  des  Tractus  iliotibialis 
bilden  die  Seiten  des  Dreieckes. 

Der  M.  sartorius  bildet  in  unserem  Trigonum  adductorium  zu- 
nächst die  laterale  Begrenzung  des  Tiigonum  subinguinale  s.  ilio- 
pectineum,  dann  des  ScARPAschen  Dreieckes,  und  schließlich  die  mus- 
kulöse Decke  des  HuNTERschen  Kanales,  Begriffe,  die  in  das  Gebiet 
der  topographischen  Anatomie  gehören. 

Charakteristisch  für  diesen  Muskel,  der  in  normalen  Fällen  in 
seinem  Innern  überhaupt  keinerlei  sichtbare  Sehnensubstanz  aufweist, 
ist  es,  daß  er  von  einer  Reihe  von  sensiblen  Nerven,  welche  ihm 
keinen  motorischen  oder  sensiblen  Zweig  abzugeben  brauchen,  durch- 
bohrt wird.  Vergleiche  mit  anderen  Skeletmuskeln  —  wir  schließen 
absichtlich  die  Hautmuskeln:  Gesichtsmuskeln,  Platysma  und  M.  pal- 
maris  brevis  aus  —  lassen  sich  an  den  Extremitäten  wenigstens  nicht 
ziehen.  Es  handelt  sich  um  R.  cutanei  anteriores  des  N.  femoralis 
und  einen  besonders  starken  Zweig  des  N.  saphenus,  welcher  durch 
die  besondere  Bezeichnung  als  N.  infrapatellaris  seine  Wichtigkeit 
kundgibt.  Da  der  N.  saphenus  zwischen  dem  M.  sartorius  einerseits, 
den  M.  gracilis  und  semitendinosus  andererseits  zum  Vorschein  kommt, 
kann  die  Patte  d'oie  nicht  einheitlich  sein,  muß  vielmehr  hier  eine 
Lücke  aufweisen,  welche  sogar  zu  einer  vollkommenen  Absonderung 
der  Endsehne  des  M.  sartorius  und  des  unter  dieser  gelegenen 
Schleimbeutels  führen  kann. 

Wirkung. 

I.  Trotz  seiner  Länge  ist  seine  Wirkung  nur  beschränkt,  weil  die 
Länge  der  makroskopischen  Muskelbündel  kaum  zu  einem  Drittel  von 
den  mikroskopischen  Muskelprimitivbündeln  erreicht  wird.  Bis  jetzt 
ist  es  nicht  gelungen,  ein  Muskelprimitivbündel  eine  größere  Strecke 
als  16  cm  zu  isolieren.  Die  Kontraktion  ist  am  leichtesten  zu  sehen, 
wenn  das  etwas  gebeugte  Bein  nach  vom  und  hinten  gehoben  wird. 

91 


506  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Wenn  man  dann  die  Einwärtsrotation  des  Beines  ausführt,  tritt  keine 
weitere  Kontraktion  des  Muskelbauches  ein,  im  Gegenteile,  eine  Er- 
schlaffung. Der  Grund  liegt  darin,  daß  der  Muskel  räumlich  be- 
hindert ist,  bei  der  Beugung  des  Unterschenkels  sich  noch  weiter 
in  seinem  Fascienbette  zusammenzuziehen. 

Die  Hauptwirkung,  welche  Duchenne  (a.  a.  0.  S.  311)  diesem  Muskel 
als  Spanner  des  vorderen  und  medialen  Teiles  der  Fascia  lata  zuschreibt, 
können  wir  unter  keinen  Umständen  als  richtig  unterschreiben.  Anderen- 
falls müßten  wir  beispielsweise  den  M,  biceps  brachii  als  Spanner  des 
vorderen  Teiles  der  Oberarmbinde,  und  überhaupt  jeden  Muskel,  der  am 
Oberflächenbilde  des  Körpers  teilnimmt,  in  diesem  Teile  als  besonderen 
Spanner  der  in  Betracht  kommenden  Fascie  auffassen.  Der  M,  sartorius 
macht  eben  seine  Kontraktion  wie  jeder  andere  Muskel  dadurch  geltend, 
daß  er  sich  gegen  die  Oberfläche  verschiebt,  und  bei  der  Länge  des 
parallelfaserigen  Muskelbauches  und  der  Muskelprimitivbündel  sowie  der 
geringen  Stärke  der  Fascia  lata ,  welche  ihn  kanalartig  einscheidet, 
kann  es  nicht  wundernehmen,  daß  er  besonders  bei  muskelkräftigen 
Menschen  mit  schwachem  Panniculus  adiposus  seine  Kontraktion  auch 
äußerlich  kundgibt. 

II.  Wenn  der  Muskel  sein  Punctum  fixum  am  Unterschenkel  hat, 
äußert  sich  seine  Zusammenziehung  am  Standbeine  in  einer  Aufrichtung 
des  im  Hüftgelenke  überstreckten  Rumpfes  und  weiterhin  in  einer 
Beugung  desselben  nach  der  entgegengesetzten  Seite  unter  gleich- 
zeitiger geringer  Rotation  derselben  nach  außen  und  hinten. 

Innervation, 

Gerade  bei  diesem  Muskel,  der  nach  den  jetzigen  Anschauungen 
sich  aus  mindestens  drei  aneinander  anschließenden  mikroskopischen 
Einzelmuskeln  zusammensetzen  muß,  wäre  es  theoretisch  denkbar, 
daß  auch  mindestens  drei  verschiedene  Nervenzweige  gesondert  in 
ihn  einträten.  Die  oben  geschilderte  Einrichtung  der  sensiblen  Nerven, 
welche  ihn  durchbohren,  könnte  bei  nachlässiger  Präparation  diese 
Anschauung  unterstützen.  An  diesem  Beispiele  läßt  sich  besonders 
schön  die  absolute  Notwendigkeit  der  von  uns  gestellten  und  unserer- 
seits durchgeführten  Forderung  nachweisen,  daß  man  nämlich  die 
Auffaserung  mit  peinlichster  Genauigkeit  befolgen  muß  und  niemals 
weit  genug  darin  gehen  kann.  Unsere  Befunde,  deren  einer  bereits 
1898  von  Frohse  abgebildet  ist,  lehrten  uns,  daß  nur  ein  motorischer 
Nerv  in  den  Muskel  hineintritt,  und  zwar  gewöhnlich  schon  im  ersten, 
proximalen  Fünftel.  An  keiner  anderen  Stelle  ist  es  so  leicht,  die 
Verzweigung  der  Nerven  von  der  Ursprungssehne  bis  zur  Ansatzsehne 
zu  verfolgen.  Man  braucht  ja  als  Objekt  sich  nicht  gerade  einen 
breiten  M.  sartorius  zu  wählen,  im  Gegenteile,  die  schmalen  M.  sartorii 
kleiner  Personen  erfordern  kaum  ein  Zehntel  der  sonst  zur  Bearbeitung 
nötigen  Zeit  und  geben  trotzdem  topographisch  genau  das  gleiche 
Nervenbild. 

Nervenbild. 

Das  hier  abgebildete  Präparat  besaß  eine  Muskellänge  von  50  cm. 
Die  Zeichnung  ist  in  natürlicher  Größe  angefertigt,  die  Dicke  der 
Nerven   dabei  übertrieben,   so  daß  sie  in  der  Verkleinerung,  wie  sie 

92 


M.  triceps  femoris  (nobis). 


507 


Fig.  20.    M.  sartorius,  Nervenbild,  systematisch. 

durch  das  Buchformat  gegeben  ist,  sich  ungefähr  in 
natürlicher  Stärke  darstellt.  Das  obere  Drittel  be- 
kommt bereits  ganz  proximal  seine  Nerven,  welche 
je  eine  extra-  und  intramuskuläre  Ansa  aufweisen. 
Das  mittlere  Drittel  zeigt  noch  extramuskuläre  Zweige, 
bei  denen  jedoch  keine  nennenswerten  Anastomosen 
dargestellt  sind,  dagegen  finden  wir  im  distalen  Drittel 
nur  intramuskuläre  Zweige,  welche  mehrere  Anasto- 
mosen sowohl  im  Anfang  wie  beim  Uebergang  in  die 
Endsehne  aufweisen.  Je  zwei  Sehnennerven,  teils 
extra-,  teils  intramuskulär,  ließen  sich  mit  Leichtigkeit 
für  Ursprung  und  Ausatz  präparieren.  Wer  sich  der 
Mühe  unterzieht,  die  hier  gegebene  Abbildung  mit  der 
bereits  1898  von  Frohse  ^  gegebenen  zu  vergleichen, 
wird  überrascht  sein,  wie  übereinstimmend  die  Nerven- 
verzweigung besonders  mit  Rücksicht  auf  die  Anasto- 
mosen nach  Zahl  und  Lage  ist.  Wie  an  dieser  Stelle 
bereits  betont,  ist  die  Muskelarchitektur  so  charakte- 
ristisch, daß  auch  die  Nerven  für  jeden  einzelnen 
Muskel  im  großen  und  kleinen  sich  typisch  verhalten 
müssen. 


M.  triceps  femoris  (iiol)is). 

Synonj^ma :   Dreiköpfiger    Schenkelstrecker ;    M.  ex- 
tensor  curis,  quadriceps  femoris ;  Quadriceps  femoral. 


w 


<\ » 


Allgemeine  Beschreibung. 

Bei  einer  Untersuchung  am  Lebenden  bestehen 
die  am  Oberschenkel  gelegenen  Strecker  nur  aus  drei 
Köpfen,  einem  oberflächlichen,  dem  M.  rectus  femoris, 
und  zwei  tiefen  seitlichen,  dem  inneren  und  äußeren 
Kopfe.  Hieraus  erklärt  sich  der  für  die  Anatomie 
am  Lebenden,  besonders  für  Künstler  gewählte  Aus- 
druck „dreiköpfiger  Schenkelstrecker".  Die  Anatomen 
haben,  ob  mit  gutem  Rechte,  wagen  wir  noch  nicht  zu 
entscheiden,  unter,  d.  h.  hinter  dem  M.  rectus  femoris 
noch  einen  besonderen  M.  vastus  intermedius  unter- 
schieden, so  daß  ein  vierköpfiger  Muskel,  der  M.  quadri- 
ceps, entsteht.  Wären  aber  die  Anatomen  konsequent 
geblieben,  so  hätten  sie  auch  den  in  den  B.N.A.  als 
besonderen  Muskel  angegebenen  M.  articularis  genu 
nicht  außer  acht  lassen  dürfen  und  ihn  als  fünften  Kopf 
bezeichnen  müssen.  Die  Benennung  als  M.  triceps  ist 
aus  dem  Grunde  beachtenswert,  weil  sie  dann  auch 
übereinstimmt  mit  dem  M.  triceps  brachii,  welcher  in 
ein  Caput  longum  =  M.  rectus  femoris,  und  ein  Caput 

1)  lieber  die  Verzweigung  der  Nerven  zu  und  in  den 
menschlichen  Muskeln,  Anatom.  Anz.,  Bd.  XIV,  1898,  No.  13 
8.  330.    Fig.  8. 


93 


508  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

mediale  und  laterale  zerfällt,  welche  sich  mit  den  entsprechenden 
Köpfen  des  M.  triceps  femoris  decken  würden.  Das  Caput  laterale 
und  mediale  entspringen  von  den  entsprechenden  Labia  der  Linea 
aspera,  und  es  läßt  sich  in  der  Tat  ein  besonderer  mittlerer  Kopf 
künstlich  darstellen,  der  dadurch  gekennzeichnet  ist,  daß  er  rein 
fleischig  die  proximalen  drei  Viertel  des  Oberschenkelschaftes  in  dessen 
vorderem  Umfange  zum  Ursprünge  benutzt  und  nur  au  der  Linea 
intertrochanterica  mit  beiden  Nachbarmuskeln  zusammenhängt,  sonst 
aber  zu  beiden  Seiten  durch  einen  1 — 2  cm  vollkommen  muskelfreien 
Zwischenraum  von  ihnen  getrennt  ist.  —  Den  M:  articularis  genu, 
welcher  mitunter  nicht  isoliert,  aber  auch  in  viele  Bündel  zerlegt 
werden  kann,  als  besonderen  Muskel  aufzufassen,  möge  dem  einzelnen 
überlassen  bleiben. 

Die  M.  vasti  stellen  die  größte  Muskelmasse  des  Körpers  dar 
und  umrahmen  den  ganzen  Schaft  des  Femur  und  lassen  nur  die 
Linea  aspera  zur  Anheftung  für  den  M.  glutaeus  maximus,  die  Adduc- 
toren  und  den  Ursprung  des  Caput  breve  m.  bicipitis  frei. 

Für  die  äußere  Form  kommen  nur  der  ganze  Muskelbauch 
des  M.  rectus  femoris,  etwa  die  Hälfte  des  M.  medialis  und  — 
wenn  wir  den  vom  Tractus  iliotibialis  bedeckten  Teil  abrechnen, 
obwohl  er  die  Form  dieser  Gegend  kaum,  umgestaltet  —  ein 
noch  viel  kleinerer  Teil  des  M.  vastus  lateralis  in  Betracht  und 
bedecken  nur  wenig  mehr  als  die  vordere  Schenkelgegend,  ge- 
nauer des  Extensorendreieckes.  Anatomisch  dagegen  wird  der 
ganze  Oberschenkelschaft,  wie  Waldeyer  sagt,  schalenartig  von  den 
Vasti  umgeben. 

Die  Sonderung  des  sogenannten  M.  vastus  intermedius  läßt  sich 
einwandsfrei  und  außerdem  fast  im  Augenblicke  nur  nach  der  von 
Waldeyer  für  seine  Demonstrationen  vorgeschriebenen  Weise  aus- 
führen. Man  versuche  nicht,  vom  proximalen  Teile  aus  in  einen  Spalt 
einzudringen,  auch  wenn  er  durch  Gefäße  und  Nerven  vorgezeigt  er- 
scheint, man  trenne  vielmehr  vom  Kniegelenke  aus  die  M.  vasti,  indem 
man  über  der  Mitte  jedes  Muskelbauches  einen  Schnitt,  welcher  un- 
gefähr den  freien  seitlichen  Rändern  des  Knochens  entspricht,  sofort 
durch  die  ganze  Dicke  des  Muskelbauches  bis  auf  'das  Femur  führt 
und  nun  von  distal  nach  proximal  die  Muskelbündel  seitlich  abdrängt. 
Dann  erkennt  man,  daß  die  Seitenfläche  des  Femur  keinen  nennens- 
werten Muskelursprung  aufweist,  vielmehr  die  Muskelplatten  „schalen- 
artig" nach  hinten  zu  der  entsprechenden  Kante  der  Linea  aspera 
sich  begeben  und  dort  sehnige  Anheftung  finden.  Was  in  der  Mitte 
übrig  bleibt,  aber  nur  dies,  ist  der  vollkommen  fleischig  von  der 
Vorderfläche  des  Femur  entspringende  sogenannte  M.  vastus  inter- 
medius, dem  sich  je  nachdem  in  der  Tiefe  kein,  ein  oder  mehrere 
M.  articulares  genu  anschließen. 


M.  rectus  femoris. 

Synonyma:  Gerader  Schenkelmuskel ;  Nonus  tibiam  moventium 
(ViJSALE) ,  nonus  tibiae  musculus  (Colombus),  rectus  gracilis  (Riolan), 
extendentium  tibiam  secundus,  rectus  (Simkgel),  rectus  femoris  (Cowper, 
Soemmekring),  rectus  (Douglas)  ,  rectus  cruris  (Albinus)  ;  Droit  anterieur, 
droit  anterieur  crural  (Bichat),    ilio-rotulien  (Chaussier,  Dumas). 

94 


M.  rectus  femoris.  609 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Muskel  bildet  die  oberflächliche  Schicht  des  sogenannten  Ex- 
tensorendreieckes,  dessen  tiefe  Lage  durch  die  M.  vasti  eingenommen 
wird.  Er  entspringt  mit  zwei  Sehnen  von  dem  Acetabulum  und  der 
Spina  iliaca  anterior  inferior,  dicht  unterhalb  welcher  bereits  die  Ver- 
einigung beider  eintritt.  Der  spindelförmige  Muskelbauch  geht  etwa 
8  cm  oberhalb  der  Patella  in  die  starke  Endsehne  über. 


Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  vom  Acetabulum  ist  etwa  2  cm  breit  und  läßt  sich 
nur  künstlich  von  der  Gelenkkapsel  lospräparieren.  Vor  der  Ver- 
einigung mit  der  zweiten  von  der  Spina  iliaca  anterior  inferior  her- 
kommenden schwächeren  Ursprungssehne  ist  eine  eigentümlich  spiralige 
Drehung  unverkennbar.  Die  freie  Ursprungssehne  ist  von  der  Spina 
aus  gemessen  etwa  4  cm  lang  und  geht  an  der  vorderen  Fläche  noch 
auf  das  Doppelte  äußerlich  auf  den  Muskel  über  ^).  Dieser  selbst  ist 
spindelförmig,  bei  einem  mittelkräftigen  Individuum  in  der  Mitte 
etwa  (3  cm  breit  und  verjüngt  sich  nach  nach  unten  zu  der  Endsehne, 
deren  Form  und  Stärke  mit  der  Ursprungssehne  übereinstimmt. 
Jedoch  besitzt  sie  noch  ein  tiefes  aponeurotisches  Blatt,  welches  auf 
der  Sehnenfläche  des  M.  vastus  „intermedius"  gleitet  und  bis  20  cm 
lang  ist.  Der  losgelöste  Muskel  macht  durch  diesen  hellglänzenden 
Sehnenspiegel  durchaus  den  Eindruck  eines  Fisches,  z.  B.  eines 
Herings.  Henle  hat  den  Muskelaufbau  aufgefasert  und  eine  dies- 
bezügliche Abbildung  (S.  155,  Fig.  3)  gegeben,  nach  welcher  der 
Muskel  in  eine  vordere  laterale  und  eine  hintere  mediale  Partie 
zerlegbar  ist.  Es  sei  hier  vorweggenommen,  daß  dieser  Befund  für 
die  Nervenverzweigung,  welche  sich  genau  nach  der  Einrichtung  der 
Muskelbündel  richtet,  von  der  allergrößten  Bedeutung  ist,  und  wir 
teilen  durchaus  die  Ansicht  dieses  Meisters  der  Anatomie.  Leider 
ist  diese  Abbildung  nicht  in  die  Neubearbeitung  durch  Merkel '*) 
übergegangen.  —  Der  Muskelbauch  selbst  ist  doppelt  gefiedert,  in- 
dessen kommen  auch  mehrere  Fiederungen  vor,  indem  nämlich  die 
Muskelbündel  von  den  Seiten  der  Urspruugssehne  sich  peripherwärts 
wenden  und  die  Seitenränder  der  tiefen  Endsehne  gewinnen.  An 
einem  gut  fixierten  Präparate  kann  man  sehen,  daß  die  tiefe  Fläche 
dem  M.  vastus  „intermedius"  nicht  glatt  aufliegt,  sondern  in  ihn  ein- 
gebettet ist,  so  daß  das  Muskelfleisch  der  M.  vasti  medialis  und  late- 
ralis ganz  allmählich  in  das  Niveau  des  M,  rectus  übergeht. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  eigentliche  Ursprung  liegt  ganz  in  der  Tiefe  verborgen,  dient 
aber  als  wichtiger  Wegweiser  bei  der  Freilegung  des  Hüftgelenkes 
von  vorn  her.  Der  Ursprung  vom  Acetabulum  wird  vom  M.  glu- 
taeus  minimus  bedeckt,  der  von  der  Spina  iliaca  anterior  inferior 
durch  die  M.  sartorius  und  tensor  fasciae  latae.     Wenn  diese  beiden 


1)  PoiRiER,    S.  216,   gibt  noch  besondere  Namen    an:    „tendon   direct"   und 
„r6fl6clii«. 

2)  Merkel-Henle,  Grundriß  der  Anatomie  des  Menschen,  4.  Aufl.,  Atlas, 
Braunschweig,  Friedrich  Vieweg,  1901. 

95 


510  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

Muskeln  auseinanderweichen,  kommt  die  Ursprungssehne  unter  die 
Fascie.  Dieser  Punkt  ist  mitunter  am  Lebenden  außerordentlich 
deutlich  zu  erkennen  und  wird  von  den  französischen  Autoren  als 
Fossette  femorale  (Oberschenkelgrübchen)  bezeichnet.  Im  übrigen 
liegt  der  Muskelbauch  und  die  Endsehne  vollkommen  frei  unter 
der  Fascia  lata.  In  der  deckenden  Haut  verlaufen  außer  den  N. 
cutanei  femoris  anteriores  keine  nennenswerten  Gebilde,  wenigstens 
keine  solchen,  die  in  den  B.  N.  A.  besonders  aufgeführt  sind.  Die 
beiden  abgestumpften  Seitenränder  schmiegen  sich  an  die  M.  vasti 
medialis  und  lateralis  an,  oder  besser  in  sie  hinein.  Die  Facies  pro- 
funda deckt  den  sogenannten  M.  vastus  intermedius.  Die  obere  Spitze 
zerfällt  durch  den  Doppelursprung  in  zwei  Unterabteilungen,  die 
untere  wendet  sich  gegen  die  Patella,  welche  sie  indessen  nicht 
mehr  als  selbständige  Sehne  erreicht. 

An  Gefäßen  haben  wir  nur  die  Ueberkreuzung  des  Ursprunges 
durch  die  Vasa  circumfiexa  femoris  lateralia  zu  bemerken.  Die 
eigenen  Gefäße  und  Nerven  treten  in  der  proximalen  Hälfte,  im 
wesentlichen  an  der  medialen  Kante,  zum  Teil  auch  an  der  hinteren 
Fläche  ein. 

Wirkung. 

I.  Beim  Spielbeine  wirkt  der  Muskel  als  Strecker  des  Unter- 
schenkels; II.  beim  Standbeine  haben  wir  zwei  verschiedene  Stel- 
lungen zu  berücksichtigen:  1)  bei  gestrecktem  Kniegelenke  beugt  er 
das  Becken  und  damit  den  Rumpf  gegen  den  Oberschenkel ;  2)  wenn 
nur  Fuß  und  Unterschenkel  fixiert  sind,  wie  es  beim  Sitzen  der  Fall 
ist,  unterstützt  er  die  anderen  Teile  des  M.  triceps,  welche  natürlich 
nichts  mit  der  Rumpfbeuge  zu  tun  haben,  bei  der  Aufrichtung  des 
Körpers  in  die  Streckstellung. 

Uebrigens  erwähnt  Duchenne  a.  a.  0.,  S.  300,  No.  362:  „Es 
gibt  jedoch  Umstände,  unter  denen  der  Rectus  femoris  mit  Nutzen 
bei  der  Beugung  des  Oberschenkels  mitwirken  kann,  so  wenn  bei 
Flexionsstellung  des  Unterschenkels  —  wodurch  der  Muskel  in  einen 
genügenden  Grad  der  Verlängerung  versetzt  wird  —  der  Oberschenkel 
mit  Kraft  gegen  das  Becken  oder  dieses  gegen  den  Oberschenkel  ge- 
beugt werden  soll,  wie  z.  B.  wenn  man  in  sitzender  Stellung  einen 
gewichtigen  Körper,  der  auf  dem  Oberschenkel  aufliegt,  erheben, 
oder  wenn  man  dabei  den  eigenen,  ohne  Stütze  zurückgelehnten 
Körper  nach  vorn,  zurückhalten  will." 

Nervenbild,  systematisch. 

Der  einheitliche  Nerv  tritt  mit  etwa  5  Einzelzweigen  in  der 
proximalen  Hälfte  ein,  und  zwar  von  der  medialen  Seite,  teilweise 
auch  von  der  Facies  profunda.  Der  erste  Nerv  ist  der  proximale 
Sehnennerv,  der  zweite  versorgt  die  laterale  Partie  des  Muskels  und 
entwickelt  nur  einen  distalen  Sehnennerven,  welcher  jedoch  zur  Facies 
profunda  umbiegen  muß,  an  der  sich  die  blattartige  Endsehne  schon 
proximal  von  der  Mitte  entwickelt.  Die  drei  folgenden  Zweige  sind 
für  die  mediale  Partie  des  Muskels  bestimmt  und  entwickeln  eben- 
falls zwei  Nerven  für  die  Endsehne.  Es  ist  uns  nicht  gelungen, 
stärkere  Anastomosen  zwischen  den  lateralen  und  medialen  Zweigen 
nachzuweisen,  aber  gerade  hierdurch  geben  wir  einen  Beweis  für  die 

96 


M.  rectus  femorit 


511 


Richtigkeit  der  Anschauung  von  Henle,  dessen  Abbildung  i)  S.  155, 
Fig.  3,  in  klarer  Weise  zeigt,  wie  man  den  Muskelbauch  präpara- 
torisch  in  eine  vordere  und  hintere  Partie 
zerlegen  und  dies  durch  einen  eingeführten 
Glasstab  leicht  veranschaulichen  kann.  An- 
dererseits möchten  wir  darauf  hinweisen, 
daß  die  laterale  Partie  von  den  proximalen, 
die  mediale  von  den  distalen  Zweigen  ver- 
sorgt wird,  und  vielleicht  gibt  dieser  Be- 
fund eine  Deutung,  in  welcher  Weise  die 
einzelnen  Rückenmarkssegmente  sich  in 
dem  Muskel  verzweigen,  daß  nämlich  pio- 
ximal  der  2.  und  distal  der  3.  und  auch 
4.  Lumbainerv  ihren  Weg  nehmen. 

Im  Atlas  der  topographischen  Ana- 
tomie von  V.  Bardeleben,  Häckel  und 
Frohse  ist  bereits  die  Innervation  der 
Rückenmarkssegmente  durch  drei  verschie- 
dene Farben  angegeben  worden,  jedoch 
müssen  wir  nach  unseren  neuen  Nerven- 
befunden eine  andere  Darstellungsweise 
für  wünschenswert  halten.  Die  drei  Farben 
Orange,  Gelb  und  Grün,  dürfen  nicht  von 
oben-lateral,  nach  unten-medial  verlaufen, 
sondern  gerade  umgekehrt. 


Endsehne. 


Ungefähr  8  cm  proximal  vom  oberen 
Rande  der  Patella  wird  die  Sehne  des  M. 
rectus  rein  sehnig  und  ist  etwa  halb  so 
stark  wie  die  Achillessehne.  Ihre  Breite 
beträgt  hier  ungefähr  1  cm  und  wandelt 
sich  dann  in  eine  Aponeurose  um,  welche 
nicht  allein  die  Patella  umfaßt,  deren  Basis 
beim  Manne  auf  3,8  cm,  beim  Weibe  nur 
auf  3,2  cm  zu  schätzen  ist,  sondern  noch 
eine  Verbreiterung  nach  medial  und  lateral 
aufweist.  Die  mediale  hat  einen  6  cm 
langen  Ansatz  an  der  Tibia,  gerechnet  von 
der  Tuberositas  bis  zum  medialen  Rande 
der  Kniescheibe.  Der  laterale  Zug  ist  be- 
deutend schmäler  und  verschmilzt  mit  der 
unteren  Portion  des  M,  vastus  lateralis  und 
findet  einen  scharf  abgegrenzten  1,5  cm 
breiten  Ansatz  an  dem  Tubercule  (Gerdy), 
welches  von  Duval  fälschlich  für  den 
Ursprung  des  M.  tibialis  anterior  in  An- 
spruch genommen  wird. 


1)  Henle,   Grundriß  der  Anatomie  des  Men- 
schen, Atlas,  ßraunschwcig  1883. 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  II,  3. 

97 


V\ 


Fig.  21 
Kervenbild,  systematisch. 

33 


512  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

Wir  müssen  auf  Grund  unseres  hier  beschriebenen  Befundes 
sagen,  daß  der  M.  rectus  femoris  auch  im  Ansätze  eine  enorme  selb- 
ständige Verbreiterung  der  Endsehne  aufweist,  sich  nicht  einmal  auf 
die  Basis  der  Kniescheibe  beschränkt,  sondern  auch  beiderseits  longi- 
tudinale  Züge  entwickelt,  welche  den  Namen  Retinacula  patellae 
longitudinalia  verdienen.  Au  unserem  Präparate  waren  die  typischen 
Retinacula  patellae  weder  lateral  noch  medial  entwickelt.  Der  Tractus 
iliotibialis  zog  ausschließlich  herunter  zu  dem  bekannten  Punkte  der 
Tibia;  an  der  medialen  Seite  war  keine  nennenswerte  Verbindung  des 
M.  vastus  medialis  mit  der  Patella  in  oberflächlicher  Schicht  zu  er- 
kennen. Allerdings  ließ  sich  durch  Druck  auf  den  isolierten  Bauch 
des  M.  vastus  medialis  mit  Leichtigkeit  der  Zug  auf  die  Patella 
medianwärts  auslösen  bis  zur  Tuberositas  tibiae  hin.  Auf  der  late- 
ralen Seite  mußten  wir  das  Retinaculum  patellae  laterale  als  fehlend 
feststellen,  ein  Ersatz  dafür  war  durch  die  besondere  Anheftung  des 
M.  vastus  lateralis  an  dem  Tubercule  von  Gerdy  geschaffen. 


M.  Tastus  lateralis. 

Synonyma:  Aeußerer  Schenkelstrecker;  Vastus  externus;  Vaste  ex- 
terne. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  Muskel  muß  an  erster  Stelle  bei  den  M.  vasti  beschrieben 
werden,  nicht  allein  deshalb,  weil  er  die  größte  Masse  an  Muskel- 
fleisch besitzt,  sondern  auch,  weil  sein  Ursprung  am  meisten  proximal- 
wärts reicht  bis  zum  Trochanter  major,  während  der  M.  vastus 
medialis  sich  erst  distal  vom  Trochanter  minor  entwickelt.  Er  um- 
schält die  laterale  Fläche  des  Femur  und  geht  im  unteren  Viertel 
des  Oberschenkels  in  die  gemeinschaftliche  Tricepssehne  über. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Wenn  überhaupt  ein  Muskel  in  seinem  Ursprünge  dem  Knochen 
seine  Erhöhungen  und  Vertiefungen  verschafi't,  so  ist  es  bei  ihm  der 
Fall.  Man  kann  in  scharfer  Weise  an  jedem  Oberschenkelknochen 
ablesen,  wo  der  Muskel  bei  Lebzeiten  seinen  Ursprung  genommen 
haben  muß.  Er  entspringt  genau  vis  ä  vis  vom  M.  giutaeus  medius 
und  trennt  so  den  Trochanter  major  in  eine  obere  hintere  und  eine 
untere  vordere  Fläche.  Oberflächlich  rein  sehnig,  wegen  des  Schleim- 
beutels des  M.  giutaeus  maximus  und  des  Tractus  iliotibialis,  weist 
er  in  der  Tiefe  rein  fleischige  Ursprünge  auf.  Auch  im  Bereiche  des 
Schenkelschaftes  findet  sich  die  gleiche  Einrichtung,  oberflächliche 
Sehnenursprünge  und  tiefe  muskulöse.  Die  Ursprungssehne  muß  sich 
zu  einer  Aponeurose  ausbreiten,  weil  an  der  Außenseite  des  Ober- 
schenkels über  den  Muskel  der  Tractus  iliotibialis  hinwegzieht. 
Theoretisch  wäre  es  denkbar,  daß  auch  mit  dem  vorderen  Rande 
dieses  sehnigen  Streifens  sich  sofort  die  Muskelmasse  als  freier  A\'ulst 
entfaltet.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Vermöge  der  schiefen  Richtung 
der  Muskelbündel  verschwindet  bei  der  Kontraktion  noch  ein  Teil  des 
Muskelbauches  unter  dem  Tractus  iliotibialis.  Der  Uebergang  in  die 
Muskulatur  vollzieht  sich  jedoch  nicht  in  einer  scharfen  Linie,  sondern 
weist  eigentümliche   distal   sehende  Zacken  auf,  welche  ohne  scharfe 

98 


M.  vastus  lateralis.  513 

Grenze,  sich  immer  mehr  verschmälernd,  dünner  als  papierdick  sich 
auf  den  Muskelbauch  begeben.  Im  distalen  Drittel  des  Oberschenkels 
findet  sich  eine  besondere  Einrichtuug,  welche  unseres  Wissens  nach 
noch  nicht  genügend  hervorgehoben  ist.  Es  handelt  sich  um  eine 
Bildung,  welche  durchaus  mit  dem  Ansätze  des  M.  adductor  magnus 
am  Epicondylus  medialis  femoris  verglichen  werden  kann,  das  Ende 
des  Septum  intermusculare  laterale,  welches  den  Vasa  articularia 
geuu  superiora  lateralia  einen  willkommenen  Schutz  bietet,  und  das 
wir  beim  Tractus  iliotibialis  als  den  distalen  Ansatz  des  M.  glutaeus 
maximus  an  der  Linea  aspera  besonders  betont  haben.  Der  Muskel- 
bauch ist  außerordentlich  stark,  mitunter  in  zwei  Lagen  zertrennbar 
und  geht  von  oben-lateral  schräg  nach  vorn-unten  und  medial  und 
heftet  sich  in  langer  Linie  zunächst  an  die  Sehne  des  sogenannten 
M.  vastus  intermedius  und  bildet  dann  mit  derjenigen  der  M.  rectus 
femoris  und  vastus  medialis  die  gemeinschaftliche  Endsehne.  Uebrigens 
kommt  hier  noch  ein  besonderer  dreieckiger  Sehnenspiegel  in  Frage, 
welcher  bereits  durch  die  Haut  hindurch  zu  erkennen  ist. 


HolotopieundS  3' Utopie. 

Am  M.  vastus  lateralis  unterscheidet  man  zweckmäßig  nur 
eine  Facies  superficialis  und  eine  Facies  profunda.  Die  erstere  findet 
sich  sowohl  an  der  Vorder-  wie  der  lateralen  und  auch  der  hinteren 
Seite  des  Oberschenkels.  Die  tiefe  Fläche  deckt  den  lateralen  Teil 
des  M.  vastus  medialis,  welcher  sich  unter  seinen  vorderen  Rand 
herunterschiebt  und  dann  weiter  den  Oberschenkelschaft  umfaßt. 
Vorn  wird  der  Muskel  zugedeckt  durch  den  M.  tensor  fasciae  latae. 
Dann  liegt  sie  frei  unter  der  Fascie  bis  zur  Höhe  des  Kniegelenkes, 
wo  die  vordere  Ausstrahlung  des  Tractus  iliotibialis  ein  besonderes 
Retiuaculum  patellae  superficiale  schafft.  Der  laterale  Abschnitt  wird 
von  den  drei  Komponenten  des  Tractus  in  der  Höhe  des  Trochanter 
major  zugedeckt  und  im  hinteren  Umfange  desselben  von  dem  M.  glu- 
taeus maximus  durch  einen  ansehnlichen  Schleimbeutel,  die  B.  tro- 
chanterica  m.  glutaei  maxirai  getrennt.  Im  weiteren  Verlaufe  nach 
distal  findet  sich  nur  lockeres,  fetthaltiges  Bindegewebe,  in  welchem 
keine  nennenswerten  Blutgefäße  ihren  Weg  nehmen,  so  daß  die  Finger- 
kuppe oder  ein  Skalpellstiel  die  Trennung  des  Tractus  von  dem 
Muskel  selbst  vornehmen  kann,  am  Lebenden  viel  leichter,  als  bei  der 
konservierten  Leiche,  an  welcher  die  fixierende  Flüssigkeit  wohl  kaum 
ohne  Härtung  dieses  oder  jenes  Gebildes  einwirken  dürfte.  Die  Facies 
posterior  entspricht  in  ganzer  Ausdehnung  dem  Septum  intermusculare 
laterale,  welches  ihn  in  scharfer  Weise  von  dem  Caput  breve  des 
M.  biceps  femoris  trennt.  Nur  hart  am  Knochen,  an  der  Linea  aspera, 
finden  sich  Sehuenarkaden,  welche  den  Vasa  perforantia  zum  Durch- 
tritte dienen.  Bei  der  Abzweigung  dieser  Gefäße  aus  den  Vasa  pro- 
funda femoris  von  vorn  her  hat  die  Unterscheidung  in  drei  Zweige 
eiue  gewisse  Berechtigung.  Während  der  Durchsetzung  der  Adduc- 
toren  jedoch  sondern  sich  viel  Seitenzweige  ab,  welche  beim  Eintritte 
in  den  M.  vastus  lateralis  das  Schema  der  Dreiteilung  nicht  mehr 
zulassen,  sich  vielmehr  im  Einzelfalle  verschieden  verhalten.  Wir 
konnten  am  arteriellen  Injektionspräparate  bis  zehn  einzelne  kleine 
oder  größere  Zweige  für  den  M.  vastus  lateralis  nachweisen.  Die 
Eintrittsstelle  der  Gefäße  und  Nerven  liegt  in  der  proximalen  Hälfte 

33* 

99 


514  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

an  der  vorderen  und  medialen  Seite.  Poirier  will  nun  S.  219  den 
Verlauf  der  Hauptgefäße  und  Nerven  für  die  muskuläre  Sonderung 
des  Caput  laterale  und  intermedium  verantwortlich  machen.  Dem  ist 
entgegenzuhalten,  daß  ein  Gefäß  oder  Nerv  nur  dann  an  der  Grenze 
zwischen  zwei  Nachbarmuskeln  seinen  Weg  nimmt,  wenn  es  sich  um 
eine  wirkliche  Durchbohrung  handelt  (vgl.  den  M.  triceps  brachii,  wo 
der  N.  radialis  und  die  Vasa  profunda  brachii  zwar  die  Trennung  in 
drei  Köpfe  vornehmen,  von  denen  jeder  einzelne  aber  etwa  in 
der  Mitte  seines  Muskelbauches  seine  Zweige  erhält).  Wir  können 
beim  M.  vastus  lateralis  von  einer  Durchbohrung  durch  die  Gefäße 
reden,  weil  ja  der  hintere  Abschnitt  von  rückläufigen  Vasa  perforantia 
versorgt  wird,  und  was  die  Nerven  anlangt,  so  sind  diese  ausschließ- 
lich auf  den  Muskel  beschränkt  und  weisen  keinerlei  Verbindung  nach 
hinten  zum  N.  ischiadicus  auf  und  umgekehrt.  Allerdings  verläuft 
eine  mächtige  Arterie,  der  absteigende  Ast  der  A.  circumflexa  femoris 
lateralis,  welche  Waldeyer  als  A.  musculo-articularis  bezeichnet,  dicht 
unter  der  Oberfläche  des  Muskels  bis  herunter  zum  Kniegelenke  und 
stellt  jedenfalls  die  untere  Hauptarterie  dar.  Wollte  man  diese  für  die 
Zerlegung  des  M.  vastus  lateralis  verantwortlich  machen,  so  würde  man 
jedenfalls  den  größten  individuellen  Schwankungen  begegnen. 

M.  vastus  medialis, 

Synonyma:  Innerer  Schenkelstrecker;  Vastus  internus;  Vaste  interne. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  entspringt  viel  weiter  distalwärts,  als  der  M.  vastus 
lateralis,  erst  unterhalb  der  Linea  intertrochanterica  mit  einer  scharfen 
Spitze  und  erreicht  in  der  Höhe  des  proximalen  Randes  der  Patella 
die  größte  Breite,  welche  man  dann  als  Basis  bezeichnen  kann.  Die 
Muskelbündel  entspringen  zunächst  sehnig,  ausschließlich  vom  Labium 
mediale  der  Linea  aspera  femoris,  von  der  Mitte  des  Oberschenkels 
an  jedoch  doppelt,  nicht  allein  vom  Knochen  selbst,  sondern  noch  von 
einer  oberflächlichen  fibrösen  Brücke,  welche  ihn  zunächst  mit  der 
Ansatzsehne  des  M.  adductor  longus  und  dann  der  des  M.  adductor 
magnus  in  breite  Verbindung  setzt;  diese  ist  in  Rauber-Kopsch  i), 
S.  363,  Fig.  309  als  Lamina  vastoadductoria  bezeichnet.  Diese  Ein- 
richtung wird  als  JössELScher  Kanal  beschrieben,  bei  dem  wir  zweck- 
mäßig noch  eine  besondere  obere  Oeffuung,  den  Hiatus  superior  und 
die  untere,  den  Hiatus  inferior  unterscheiden.  Ersterer  kann  über- 
haupt keinen  anatomischen  Schwierigkeiten  begegnen,  weil  hier  regel- 
mäßig und  in  typischer  Weise  die  in  Frage  kommenden  wichtigen 
Gebilde  ihren  Weg  nehmen.  Oberflächlich,  als  chirurgischer  Leitstern 
dient  der  ausschließlich  sensible  N.  saphenus  (major),  welcher  die 
Vasa  femoralia  in  ganz  spitzem  Winkel  überkreuzt.  Beim  Hiatus 
superior  ist  die  Lagebeziehung  folgende :  oberflächlich  der  Nerv,  dicht 
darunter  die  Arterie  und  im  Hintergründe  die  Vene  oder,  wie  es 
K.  V.  Bardeleben  haben  will,  mindestens  zwei  Begleitvenen. 
Innerhalb  des  Canalis  adductorius  verlassen  verschiedene  Gebilde  den 
Kanal,  teils  in  typischer  Weise,  teils  atypisch.  Unter  allen  Umständen 
tritt  der  N.  saphenus  (major),  begleitet  von  den  Vasa  (articularia)  genu 

1)  Eauber,  Lehrbuch  der  Anatomie  des  Menschen,  herausgeg.  von  Kopsch, 
Abt.  3,  8.  Aufl.,  Leipzig,  Thieme,  1909. 


M.  vastus  medialis.  515 

supreraa,  zur  medialen  Seite  des  Kniegelenkes  und  des  Unterschenkels. 
Für  den  Hautast  des  N.  obturatorius  wird  normalerweise,  aber  nicht 
immer,  eine  besondere  Lücke  geschaifen,  durch  welche  die  Nerven 
für  die  Innenseite  des  Kniegelenkes,  soweit  die  Haut  dieser  Gegend 
nicht  durch  die  vorderen  Hautnerven  versorgt  wird,  ihren  Weg  nehmen. 
Wir  müssen  hier  vom  anatomischen  Standpunkte  aus  behaupten,  daß 
die  mediale  Kniegelenksgegend  überhaupt  nicht  vom  N.  obturatorius 
versorgt  zu  werden  braucht.  Man  sucht  deshalb  recht  oft  vergebens 
nach  einer  Lücke  für  den  Durchtritt  des  Hautastes  des  N.  obtura- 
torius. Im  mittleren  Abschnitte  des  Adductorenkanales  kommen 
enorm  starke  Gefäße  unter  allen  Umständen  zur  Geltung,  welche  ge- 
wöhnlich nicht  beachtet  werden,  weil  sie  nicht  so  leicht  präparatorisch 
darzustellen  sind.  Trotzdem  liegen  in  der  Tiefe  des  Adductoren- 
kanales diese  wichtigen  Gefäße,  welche,  kurz  gesagt,  die  Grenze 
zwischen  Adductoren  und  den  Nachbarmuskeln  im  muskulösen  Sinne 
versorgen,  aber  noch  viel  mehr  zur  Knochenernährung  beitragen. 

Das  untere  Ende  des  Muskelbauches  bleibt  am  weitesten  distal 
von  sämtlichen  Teilen  des  M.  triceps  fleischig  und  kann  sogar  den 
oberen  Rand  der  Patella  nach  unten  überschreiten. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  M.  vastus  medialis  hat  ebenfalls  eine  Facies  superficialis  mit 
medialer  vorderer  und  auch  lateraler  Fläche,  welch  letztere  vom 
M.  vastus  lateralis  zugedeckt  wird,  jedoch  erreichen  die  seitlichen 
Bündel  beide  Labia  der  Linea  aspera  und  bilden  so  auch  die  hintere 
Fläche.  Die  Facies  anterior  wird  im  Bereiche  des  HuNTERschen  Kanals 
vom  M.  sartorius  zugedeckt.  Die  distale  Hälfte  bildet  der  Canalis  ad- 
ductorius  von  Jössel.  An  der  Grenze  von  Facies  anterior  und  medialis 
verläuft  der  ansehnliche  Muskelnerv,  an  der  Innenfläche  der  N.  saphenus 
selbst  und  die  Vasa  femoralia,  deren  topographische  Beziehungen  am 
einfachsten  aus  unserer  Abbildung  (22)  ersehen  werden  können.  Die 
Facies  posterior  stellt  proximal  die  aponeurotische  Ursprungssehne  dar, 
bildet  jedoch  unterhalb  des  Hiatus  adductorius  inferior  noch  eine  an- 
sehnliche Muskelmasse,  welche  die  Vasa  poplitea  nicht  in  unmittelbare 
Berührung  mit  dem  knöchernen  Planum  popliteum  kommen  läßt. 

Tricepssehne  (teiidon  rotulien)  und  PateUa. 

Wir  haben  den  M.  quadriceps  nur  als  dreiköpfig  beschrieben  auf 
Grund  unserer  muskulären  und  hinterher  der  Nervenbefunde.  Wir 
müssen  es  jetzt  auch  noch  tun  unter  Berücksichtigung  der  Anhef- 
tungen an  der  Patella.  Nun  setzt  der  M.  rectus  femoris,  welcher 
allein  die  oberflächliche  Schicht  bildet,  nicht  an  der  eigentlichen  Basis 
der  Patella  an,  sondern  in  einer  horizontalen  Linie,  welche  beide 
Seitenecken  miteinander  verbindet,  zieht  dann  über  die  Vorderfläche 
hinweg  und  erzeugt  in  ihrem  mittleren  Drittel  eigentümliche  Riefen, 
welche  den  Längsleisten  des  Nagelbettes  zu  vergleichen  sind,  hier 
aber  unmittelbar  mit  dem  Perioste  zusammenhängen.  Außerdem 
finden  sich  die  eben  beschriebenen  seitlichen  Züge,  welche  am  Knochen 
keine  besonderen  Marken  bedingen. 

Die  Basis  muß  aber  auch  von  oben  betrachtet  werden,  weil 
sie  nicht  eine  einfache  Linie  darstellt,  sondern  ein  besonderes 
flaches  Dreieck   für  sich,   dessen  Basis   entspricht  der  vorderen 


516  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

Fläche  der  Patella,  die  Spitze  dem  Beginne  der  Linea  erainens  von 
W.  Krause  (Skelett  der  oberen  und  unteren  Extremität,  Handb.  d. 
Anatomie,  Jena,  G.  Fischer.  1909,  s.  S.  43);  der  laterale  Schenkel 
ist  größer  als  der  mediale,  jedoch  verhalten  sich  die  Ansätze  der  M. 
vasti  gerade  umgekehrt.  Zwar  bilden  sie  bei  oberflächlicher  Betrach- 
tung eine  wie  überknorpelt  aussehende  einheitliche  Schicht,  zerfallen 
aber  in  einen  kleineren  lateralen,  nach  unten  abfallenden  Abschnitt 
und  einen  größeren  medialen,  welcher  vom  medialen  Eckpunkte  aus- 
geht, die  ganze  Höhe  und  Breite  unseres  Trigonum  patellae  superius, 
sowie  noch  etwa  Vs  lateral  einnimmt. 

Wir  bemerken  hierzu,  daß  diese  Beschreibung  nach  den  Patellae  eines 
etwa  30-jährigen  weiblichen  Skeletes  gewonnen  ist,  welches  allerdings 
fast  sämtliche  Knochenmarken  deutlicher  zeigt,  als  es  bei  den  gewöhnlich 
zur  Betrachtung  herangezogenen  männlichen  Skeleten  der  Fall  ist. 

An  der  lateralen  Kante  der  Patella  in  unmittelbarem  Anschlüsse 
an  die  P'acette  für  den  M.  vastus  lateralis  finden  wir  eine  durch- 
schnittlich 2  mm  breite  einheitliche  Furche.  Für  den  vorderen  Rand 
machen  wir  verantwortlich  die  proximale  Anheftung  des  Tractus  ilio- 
tibialis,  welche  wir  unterscheiden  werden  (s.  S.  517  [103])  von  dem 
Retinaculum  patellae  laterale  profundum.  Letzteres  entsteht  aus  dem 
M.  vastus  lateralis,  meistens  selbständig,  oder  auch  unter  Bildung  von 
Zwischenbrücken. 

An  der  medialen  Seite  der  Patella  finden  wir  eine  durch  die 
Foramina  nutricia  unterbrochene  Leiste  für  das  durch  den  M.  vastus 
medialis  geschaffene  Retinaculum  patellae  mediale. 

Der  Apex  patellae  vereint  alle  drei  Teile  des  M.  triceps  femoris 
zu  einem  distal  ausgezogenen,  pyramidenförmigen  Vorsprunge,  welcher 
an  seiner  Basis  von  der  Facies  articularis  durch  eine  etwa  0,5  cm 
breite  horizontale  Bläche  getrennt  ist.  Diese  ist  in  der  Medianlinie 
am  breitesten  und  läuft  proximalwärts  zu  beiden  Seiten  scharf  aus, 
so  daß  das  Gesamtbild  des  Abschnittes  zwischen  Gelenkkapsel  und 
Ansatzsehne  des  M.  triceps  halbmondförmig  aussieht.  Von  diesem 
Vergleiche,  welcher  anatomischem  Gebrauche  nach  sehr  häufig  gezogen 
wird,  kann  man  sich  in  einwandsfreier  Weise  überzeugen  bei  der  Be- 
trachtung von  distal  und  hinten  her,  aber  auch  die  Vergleiche  von 
medial  und  lateral  her  halten  einigermaßen  den  der  Incisurae  semi- 
lunares  der  Vorderarmknochen  stand. 

Die  proximalen  Hörner  können  nur  der  dünnen  Gelenkkapsel 
Anheftung  verschaffen;  die  Breite  des  Halbmondes  gibt  der  Befestigung 
des  Fettkörpers  genügend  Platz. 

Nun  haben  wir  auch  an  anderen  Stellen  schon  darauf  hingewiesen 
und  werden  es  auch  noch  hinterher  betonen  (s.  S.  538  [124]),  daß  Mus- 
keln, welche  mit  kräftiger  Sehne  entspringen  oder  anheften  an  den 
entsprechenden  Knochenstellen,  eine  ganz  glatte  Oberfläche  erzeugen, 
welche  am  Skelete  wie  mit  Gelenkknorpel  überzogen  gewesen  aussieht 

Gerade  am  Kniegelenke  machen  sich  auch  die  Lig.  cruciata  sowohl 
im  Ursprünge  wie  Ansätze  und  auch  die  Menisci  an  dem  entsprechenden 
Knochen  bemerkbar  und  sogar  ein  Schleimbeutel,  wie  die  Bursa  m.  po- 
plitei,  kann  eine  Abschleifung  dos  Knorpels  bis  auf  den  Knochen  be- 
dingen. Wenn  es  sich  hier  nur  um  passive  Einrichtungen  handelt, 
können  wir  es  noch  mehr  von  den  direkt  durch  die  Sehnen  kräftiger 
Muskeln  bestimmten  Ansatzpunkten  behaupten. 


M.  vastus  medialis.  517 

An  der  Patella  sind  die  entsprechenden  Flächen  verwirklicht 
durch  den  breiten  und  langen  Ansatz  des  M.  vastus  medialis  an 
unserem  Trigouum  patelhie  superius,  am  lateralen  Winkel  durch  den 
M.  vastus  lateralis  und  in  seiner  Fortsetzung  auf  den  lateralen  Rand 
durch  die  beiden  lietinacula  patellae  lateralia  (superficiale  =  Tractus 
iliotibialis  und  profundum  =  M.  vastus  lateralis)  und  an  der  Basis 
durch  den  Ursprung  des  Lig.  patellae,  welcher  im  Ansätze  etwas  proximal, 
aber  im  Anschlüsse  an  die  Tuberositas  tibiae  nochmals  eine  einheit- 
liche, wenn  auch  trapezartig  in  die  Länge  gezogene  Fläche  am  Schien- 
beine erzeugt. 

G.  Joachimsthal  hat  nach  Gruber  (lieber  Struktur,  Lage  und 
Anomalien  der  Kniescheibe,  Arch.  f.  Anat.,  Physiol.  Abt..  1902,  S.  359) 
bei  einem  21-jährigen  Manne  eine  Absprengung  des  lateralen  oberen 
Randes  in  etwa  1,3  cm  Länge  und  je  0,7  cm  Breite  und  Dicke  be- 
schrieben. Die  Größe  dieses  bei  der  Maceration  als  selbständig  vor- 
gefundenen Knochenstückes  deckt  sich  durchaus  mit  dem  von  uns 
beschriebenen  Ansätze  des  M.  vastus  lateralis. 


Schlußbetrachtung. 

Unsere  Auffassung  des  M.  extensor  cruris  als  M.  triceps  femoris 
findet  also  die  Hauptbestätigung  durch  das  Verhalten  der  Endsehne 
an  der  Patella.  Die  oberflächliche  Schicht  in  Gestalt  des  M.  rectus 
femoris  nimmt  die  Yorderfläche  der  Kniescheibe  ein,  der  M.  vastus 
lateralis  die  obere  äußere  Ecke  mit  distaler  Verlängerung  zur  late- 
ralen Kante  und  schließlich  der  M,  vastus  medialis  die  ganze  obere 
Fläche  der  Basis  bis  zur  lateralen  Seite  hin.  Schließlich  vereinigen 
sich  alle  drei  Komponenten  am  Apex  patellae.  Dem  M.  rectus  femoris 
stehen  durch  seinen  laugen,  verhältnismäßig  schmalen  Ursprung  am 
Becken  und  seine  lange  Endsehne,  welche  sich  weit  proximal  von 
der  Patella  selbständig  entfaltet,  ausgiebige  Bewegungen  zwischen 
Unterschenkel  und  Becken  zu;  die  M.  vasti  verfügen  über  keine 
gesonderten  Sehneu,  sondern  nur  über  aponeurotische  Einrich- 
tungen und  verbinden  außerdem  nur  den  Unterschenkel  mit  dem 
Oberschenkel.  Hieraus  erklärt  sich  die  verschiedene  Wirkung  der 
oberflächlichen  und  tiefen  Schicht  des  IM.  triceps  femoris. 


Innervation  der  M.  vasti. 

Auch  das  Nervenbild  liefert  den  Beweis,  daß  man  nur  zwei  M.  vasti 
unterscheiden  darf,  den  lateralen  Kopf,  welcher  einen  einheitlichen 
Nervenzweig  bekommt  und  einen  medialen,  dessen  Nerven  sich  viel- 
geteilt in  die  mediale,  vordere  und  laterale  Fläche  des  entsprechenden 
Muskelbauclies  einsenken.  Das  Caput  laterale  erhält  aus  dem  gemein- 
schaftlichen Stamme  einen  oberen  Nerven,  welcher  etwas  weniger  als 
die  proximale  Hälfte  der  Muskelmasse  versorgt  und  die  aufsteigenden 
Sehnennerven  bis  zum  Trochanter  major  und  der  Linea  aspera  liefert. 
Anastomosen  sind  zwei  dargestellt,  eine  proximale  unter  den  eigenen 
feineren  Zweigen,  und  eine  untere,  welche  mit  dem  distalen  Haupt- 
zweige sich  verbindet.  Dieser  liefert  ansehnliche  motorische  Nerven, 
aber  auch  einen  starken  Zweig,  welcher  die  Oberfläche  der  Endsehne 
gewinnt  und  zum  Außenrande  der  Patella  ausläuft. 

103 


518 


M.  rectus  femoris 
N.  femoralis 
Lig.  iliopectineum 
N.  obturatorius 
Lig.  lacunare 

(GiMBERNATi) 

M.  adductor  longus 
M.  obturator  externus 

Lig.  iliofemorale 
(Bertini) 

Trochanter  major 
M.  quadratus  femoris 
M.  adductor  minimus 

M.  pectineus 
Trochanter  minor 

M.  adductor  brevis 

N.  saphenus 

Hautast  des  N.  obtura- 
torius 

M.  adductor  magnus 
M.  adductor  longus 
M.  gracilis 

Adductorenkanal 


M.  vastus  lateralis 


N.  saphenus  (major) 


M.  vastus  medialis 


M.  rectus  femoris 


Tractus  iliotibialis 


Bursa  praepatellaris 


M.  tibialis 
Bursa  subcutanea  tuberositatis 


Fig.  22.     Vorderseite  des  rechten  Oberschenkels,  M.  vasti,  adductor  brevis  und 
gracilis,  Nervenbild,  systematisch. 


M.  vastus  medialis.  ßl'S 

Aus  dem  M.  rectus  femoris  ist  der  größte  Teil  herausgeschnitten  und  der 
doppelte  Ursprung  von  der  Spina  iliaca  ant.  inf.  und  dem  oberen  Eande  des 
Aretabuhun  lateral wärts  umgeschlagen,  die  Ansatzsehne  medialwärts  ver- 
lagert. Der  M.  vastus  lateralis  ist  nach  außen  zurückgeklappt,  damit  seine  Nerven 
möglichst  ausgiebig  zur  Greltung  kommen,  und  besonders  der  von  uns  so  bezeichnete 
S  nie  US  spirali.s  femoris  auch  im  Muskelbilde  zu  erkennen  ist,  eine  Einne, 
welche  wir  mit  dem  Sulcus  spiralis  n.  radialis  vergleichen  können.  Der  in  schwarz 
punktierter  Linie  angegebene  Oberschenkelknochen  wird  allseitig  imirahmt  von  dem 
M.  vastus  medialis,  dessen  ßezeichnungsstrich  drei  Unterabteilungen  aufweist,  welche 
auf  die  Portio  medialis,  anterior  und  lateralis  gerichtet  sind. 

Der  mächtige  N.  femoralis  teilt  sich  in  der  Höhe  des  Hüftgelenkes  in  zwei 
Zweige,  einen  ausschließlich  motorischen  für  den  M.  vastus  lateralis  und  einen 
gemischten  Nerven,  welcher  den  M.  vastus  medialis  versorgt  und  als  Hautnerv, 
N.  saphenus,  zur  medialen  Seite  des  Unterschenkels  zieht.  Obwohl  es  sich  hier 
um  einen  Hautnerven  handelt,  mußte  er  mit  Kücksicht  auf  die  muskvdäxe  Ein- 
richtung des  Oanalis  adductorius  mit  angegeben  werden.  Er  tritt  nämlich  gemein- 
schaftlich mit  den  hier  nicht  abgebildeten  Vasa  femoralia  superficialia  unter  den 
Hiatus  superior  s.  proximalis  des  Adductorenkanales,  welcher  nach  Eauber-Kopsch 
in  seiner  vorderen  Wand  als  Lamina  vasto-adductoria  bezeichnet  wird,  obwohl  sie 
in  umgekehrter  Richtung  vom  M.  adductor  magnus  zum  M.  vastus  medialis  zieht. 
Der  Nerv  tritt  bereits  an  der  Innenseite  wieder  an  die  Oberfläche,  während  die 
Gefäße  nach  hinten  zur  Kniekehle  verlaufen.  Neben  diesen  drei,  wohl  auch  von 
jedem  Studierenden  darzustellenden  GebUden  findet  sich  noch  ein  viertes,  welches 
nach  den  Erfahrungen  von  Frohse  sich  normalerweise  folgendermaßen  darstellt: 
ein  medialer  Zweig  des  N.  saphenus  verbindet  sich  im  distalen  Drittel  des  M.  ad- 
ductor longus  mit  dem  Hautzweige  des  N.  obturatorius,  tritt  in  den  Adductoren- 
kanal  ein,  um  ihn  sehr  bald  wieder  zu  verlassen.  Er  gewinnt  dann  die  Nachbar- 
schaft der  V.  saphena  magna  bereits  proximal  vom  Kniegelenke,  während  dies 
N'erhalten  beim  N.  saphenus  erst  am  Unterschenkel  der  Fall  ist,  nämUch  am 
unteren  oder  distalen  Eande  des  M.  sartorius.  Die  alten  Bezeichnungen  N.  saphenus 
major  und  minor  lassen  sich  vielleicht  auf  diese  Tatsache  zurückführen.  Niemals 
hat  wohl  die  Lage  des  N.  saphenus  (major)  zu  Mißverständnissen  führen  können, 
wohl  aber  die  Dai-stellung  des  N.  saphenus  minor.  Nach  unserer  Auffassung  setzt 
er  sich  zusammen  aus  einer  Anastomose  zmschen  einem  Seitenzweige  des  N.  saphenus 
oder  noch  weiter  proximal  des  N.  femoralis  selbst  ^  wodurch  dann  der  Name 
X.  cutaneus  femoris  medialis  gerechtfertigt  erscheint  ^  imd  dem  Hautzweige  des 
N.  obturatorius.  Diese  anatomische  Betrachtung  ist  aus  klinischen  Gründen  ge- 
boten wegen  des  EoMHERGschen  Kniephänomens,  welches  darauf  beruht,  daß  bei 
Druck  auf  den  N.  obturatorius  im  kleinen  Becken,  besonders  bei  Hernien,  sich 
eine  Schmerzempfindung  an  der  medialen  Seite  des  Kniegelenkes  äußert,  und  aus- 
schließlich aus  diesem  Grunde  haben  mr  in  unserer  AbbUdung  diesen  Hautast  des 
\.  obturatorius  und  seine  Verbindung  mit  dem  N.  femoralis  vom  Beckeninnern  bis 
zum  Kniegelenke  dargestellt. 

Ferner  ist  die  Adductorengruppe  berücksichtigt.  Der  M.  pectineus  ist  bis  auf 
den  Ansatz  entfernt ;  aus  dem  M.  adductor  longus  ist  nur  das  mittlere  Hauptstück 
herausgeschnitten.  So  kommt  die  ganze  Verzweigung  des  N.  obturatorius  zur 
Geltung,  der  E.  anterior  mit  den  Aesten  für  die  M.  gracilis,  adductor  longus  und 
brevis  und  dem  Hautzweige  und  der  E.  posterior,  welcher  eine  kleine  Portion  des 
M.  obturator  externus  absondert,  d.  h.  ihn  durchsetzt  und  sieh  hier  noch  nicht  in 
die  Zweige  für  die  M.  adductor  minimus  und  magnus  sondert.  Außerdem  ist  bei 
einer  derartigen  Präparation  noch  der  dritte  Hauptnerv  des  Beines,  der  N.  ischiadicus, 
\()n  vorn  her  mit  demjenigen  Zweige  zu  erkennen,  welcher  den  M.  quadratus 
femoris  versorgt. 

Am  Kniegelenke  ist  nur  eine  B.  pfaepatellaris  angegeben,  bei  der  allerdings 
die  Bezeichnung  schwer  zu  geben  ist,  ob  es  sich  um  eine  subcutanea  oder  eine 
subfaseialis  handelt,  oder  ob  vielleicht  eine  Vereinigung  beider  Schleimbeutel  ein- 
getreten war.  Zum  Schlüsse  sei  noch  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  der  N. 
femoralis  die  Lacuna  musculorum  durchsetzt,  der  N.  obturatorius  in  der  Tiefe  der 
Lacuna  vasorum  zu  sehen  ist  und  erst  am  unteren  Eande  des  Eamus  superior  ossig 
pubis  den  Canalis  obturatorius  verläßt.  — 


Beim  M.  vastus  medialis  sind  im  wesentlichen  drei  Zweige  zu  unter- 
scheiden, ein  lateraler,  vorderer  und  medialer.  Der  laterale  liefert 
einen  langen  Sehnenuerven,   welcher  sich   oberflächlich  in  den  Spalt 

105 


520  FROHSE   und    M.    FRANKE L, 

zwischen  M.  vastus  lateralis  und  medialis  eindrängt  und  woM  als 
Hauptnerv  für  die  sehnige  Anheftung  beider  Muskeln  an  der  Linea 
aspera  aufzufassen  ist.  Die  Zusammengehörigkeit  mit  dem  vorderen 
Abschnitte  des  Muskels  gibt  sich  durch  zwei  Anastomosen  kund,  welche 
zwischen  den  M.  vasti  lateralis  und  medialis  nicht  bestehen.  Der 
distale  Zweig  zieht  weit  herunter  bis  ins  untere  Drittel  des  Ober- 
schenkels und  versorgt  mit  vielen  Aesten  ziemlich  regelmäßig  die 
einzelnen  Muskelbündel.  Der  mittlere  oder  vordere  Zweig  geht,  wie 
bereits  erwähnt,  zwei  Anastomosen  mit  dem  lateralen  Aste  ein,  aber 
noch  zwei  weitere  mit  den  Zweigen  des  medialen  Astes,  welche  sämt- 
lich intramuskulär  verlaufen  und  sich  demgemäß  erst  aus  Muskel- 
zweigen entwickeln  können.  Ein  sehr  langer  Sehnennerv  zieht,  ohne 
weitere  Muskelzweige  abzugeben,  von  der  Mitte  des  Oberschenkels 
bis  zur  Patella  herunter.  Am  medialen  Aste  haben  wir  zu  unter- 
scheiden die  Zweige,  welche  proximal  vom  Adductorenkanal  in  den 
Muskel  eintreten  und  diejenigen,  welche  es  erst  in  seinem  Bereiche 
tun.  Die  ersteren  liefern  die  beiden  Anastomosen  zum  vorderen 
Aste,  die  letzteren  noch  eine  eigene  Anastomose  im  distalen  Drittel 
des  Oberschenkels.  Ein  ansehnlicher  Sehnenzweig  versorgt  die  Grenze 
gegen  den  M.  adductor  magnus. 

Zu  der  feineren  Innervation  müssen  wir  bemerken,  daß  unsere  Ab- 
bildung nur  halbschematisch  ist.  Die  in  natürlicher  Größe  angefertigte 
Originalzeichnung  hätte  wohl  erlaubt,  mehr  als  das  Doppelte  an  feineren 
Nerven  entsprechend  dem  Präparate  anzugeben.  Die  Verkleinerung  unter 
die  Hälfte  auf  ungefähr  Ys  zwang  uns,  die  Nerven  bedeutend  dicker 
darzustellen,  als  sie  in  der  Natur  sind,  damit  sie  im  Buche  ungefähr  in 
derjenigen  Stärke  erscheinen,  wie  es  das  Präparat  am  Erwachsenen  zeigt. 

Bursa  infrapatellaris. 

Wie  der  Fettkörper  des  Kniegelenkes  zwei  mächtige  Zotten,  die 
sogenannten  Plicae  alares,  in  die  Gelenkhöhle  hineinschickt,  so  sendet 
er  auch  einen  unteren  keilartigen  Vorsprung  in  die  Bursa  infra- 
patellaris, obwohl  diese  nicht  mit  dem  Gelenke  zusammenhängt.  Eine 
ähnliche  Einrichtung,  eine  Fettzotte  im  Innern  eines  Schleimbeutels, 
findet  sich  noch  an  der  Bursa  calcanea. 


Adductorengruppe. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Die  7  Muskeln  der  Adductorengruppe  werden  am  einfachsten 
nach  Waldeyer  „in  drei  Kreisen"  beschrieben.  4  Muskeln  gehören 
zur  oberflächlichen  Gruppe,  2  zur  mittleren,  die  dritte  besteht  nur  aus 
einem  einzigen  Muskel,  dem  M.  obturator  externus.  Die  oberfläch- 
liche Schicht  umfaßt  in  der  Reihenfolge,  die  gewöhnlich  gegeben  wird, 
1)  den  M.  pectineus,  2)  den  M.  adductor  longus,  3)  M.  gracilis,  4)  M. 
adductor  magnus.  Die  mittlere  Schicht  enthält  den  M.  adductor  brevis 
und  den  M.  adductor  minimus.  Für  den  Anfänger  bietet  das  Ver- 
ständnis der  Topographie  der  beiden  letztgenannten  Muskeln  Schwierig- 
keiten. Mnemotechnisch  kann  man  es  sich  aber  daran  merken,  daß 
dem  Longus  in  der  Tiefe  ein  Brevis  und  dem  Magnus  ein  Minimus 
entspricht. 

io6 


Adductorengruppe.  521 

Unverständlicli  ist  uns  die  Inkonsequenz  der  B.N.A.,  indem  dort 
dem  M.  glutaeus  maximua  entsprechend,  dem  ja  ein  Minimus  gegenüber- 
steht, nicht  auch  Adductor  maximus  als  Bezeichnung  gewählt  ist.  Daß 
übrigens  der  M.  adductor  longus  gar  nicht  der  längste  der  eigentlichen 
M.  adductores  ist,  muß  bei  dieser  Gelegenheit  auch  erwähnt  werden. 

Bei  der  Gruppe  der  Adductoren  werden  auch  der  M.  obturator 
externus  und  der  M.  gracilis  aufgeführt,  von  denen  der  erstere  genau 
die  entgegengesetzte  Wirkung  entfaltet,  nämlich  die  Auswärtsrotation. 
Der  M.  gracilis  kann  zwar  auch  adduzierend  wirken,  wenn  der  Unter- 
schenkel gestreckt  gehalten  wird,  bei  frei  beweglichem  Unterschenkel 
dagegen  dürfte  nur  der  Unterschenkel  gebeugt  und  etwas  einwärts 
rotiert  werden.  Unter  Adduktion  gemeinhin  versteht  man  die  Wirkung 
derjenigen  Muskeln,  welche  als  M.  adductores  an  der  ganzen  inneren 
Kante  der  Linea  aspera  bis  zum  Epicondylus  medialis  ihren  Ansatz 
haben.  Mit  der  adduzierenden  Wirkung  ist  jedoch  eine  einwärts-  oder 
auswärts  rotierende  Nebenwirkung  zu  beachten,  je  nachdem  sich  der 
Oberschenkel  in  extremer  Auswärts-  oder  Einwärtsrotation  befindet. 
Die  Beugewirkung  wird  noch  besonders  beschrieben  werden. 

Die  Zusammengehörigkeit  der  aus  so  verschiedenen  Muskeln  be- 
stehenden Gruppe  zu  einer  einzigen  findet  außer  durch  die  Topographie 
noch  ihre  wichtigste  Begründung  durch  die  Nervenversorgung.  Der 
Hauptnerv  ist  der  N.  obturatorius.  Wenn  der  vordere  Ast  auch  nicht 
den  M.  pectineus  allein  versorgt  und  ihn  nach  unseren  Befunden 
mitunter  gar  nicht  erreicht,  und  außerdem  der  M.  adductor  magnus 
normalerweise  Nebenzweige  aus  dem  N.  ischiadicus  eihält,  so  stehen 
doch  die  anderen  5  Muskeln  vollkommen  unter  der  Herrschaft  dieses 
Nerven.  In  schematischer  Weise  läßt  sich  die  Art  der  Verzweigung 
in  folgender  Weise  schildern :  Der  erste  für  den  M.  obturator  externus 
löst  sich  aus  dem  Stamme  bereits  vor  seinem  Eintritte  in  den  Canalis 
obturatorius  ab  und  kommt  auf  der  zum  Oberschenkel  gewandten 
Seite  gar  nicht  an  die  Oberfläche. 

Der  Hauptteil  geht  entweder  ungeteilt  über  den  oberen  Rand 
des  M.  obturator  externus  hinweg,  oder  läßt  durch  eine  frühzeitige 
Teilung  in  einen  vorderen  und  hinteren  Ast  ein  oberes  Bündel  des 
M.  obturator  externus  als  ziemlich  gesonderten  Bauch  abzweigen. 
Im  weiteren  Verlaufe  umfassen  der  vordere  und  der  hintere  Ast  des 
N.  obturatorius  den  M.  adductor  brevis.  Diejenigen  Muskeln,  welche 
vor  dem  eben  genannten  liegen,  werden  von  dem  vorderen  Aste  ver- 
sorgt, die  hinter  ihm  befindlichen  von  dem  R.  posterior;  also:  R. 
anterior  —  M.  adductor  longus,  gracilis  und  adductor  brevis  —  R. 
posterior  —  M.  adductor  minimus  und  die  Hauptmasse  des  M.  adductor 
maximus. 

Der  M.  pectineus  kann  Nebenbezüge  vom  R.   anterior  erhalten. 

Gefäßversorgung. 

Die  Gefäße  stammen  im  wesentlichen  aus  den  Vasa  profunda 
femoris  und  den  recht  oft  nur  Seitenzweige  dieser  Gefäße  darstellenden 
Vasa  circumfiexa  femoris  medialia,  nur  in  verschwindendem  Maße  aus 
den  Vasa  obturatoria.  Je  weiter  distal  ein  Muskel  herunlerreicht, 
um  so  mehr  kommen  auch  R.  musculares  aus  den  Vasa  femoralia 
selbst  und  sogar  den  Vasa  poplitea  in  Betracht.  Daß  die  A.  obtura- 
toria gelegentlich  imstande  ist,   den  Kollateralkreislauf  in  der  wirk- 


Ö22  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

samsten  Weise  herbeizuführen,  ist  bekannt,  obwohl  bei  normalem 
Kreislaufe  die  arterielle  Anastomose  zwischen  A.  obturatoria  und  A. 
circumflexa  femoris  medialis  auch  bei  gut  injizierten  Präparaten  zu 
fehlen  scheint,  jedenfalls  nur  außerordentlich  schwer  ohne  besondere 
Absicht  darzustellen  ist.  Um  so  mehr  muß  es  wundernehmen,  daß 
regelmäßig  eine  starke  Vene  hier  entwickelt  ist,  welche  bereits  in 
Waldeyer,  „Das  Becken",  abgebildet  ist.  Sie  läßt  sich  unschwer 
bis  zum  Canalis  obturatorius  verfolgen.  Diese  nach  Lage  und  Größe 
konstante  ansehnliche  Vene,  der  gegenüber  die  arterielle  Anastomose 
wie  ein  Vas  vasorum  erscheint,  hat  zweifelsohne  für  den  venösen 
Kreislauf  die  alleigrößte  Bedeutung.  Injektionen,  welche  Frohse  an 
den  Leichen  hochschwangerer  Frauen  als  technischer  Berater  von 
Stabsarzt  Kownatzki  vornahm,  bestätigen  diese  Tatsache. 

M.  pectiiieus. 

Synonyma:  Kammmuskel;  Pectinalis;  Pectine,  sous-pubio-femoral 
(Chauss.),  pubio-femoral  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Name  besagt,  daß  er  vom  Pecten  ossis  pubis  seinen  Ursprung 
nimmt,  welches  an  der  Grenze  zwischen  großem  und  kleinem  Becken 
zu  suchen  ist.  Er  wird  mit  zur  Adductorengruppe  gerechnet,  wozu 
er  topographisch  gehört.  Physiologisch  entspricht  er  nur  in  be- 
dingter, seiner  Innervation  nach  gewöhnlich  in  gar  keiner  Weise 
dieser  Muskelgruppe.  Sein  Ansatz  wird  an  der  Linea  pectinea  ange- 
geben, einer  Leiste,  welche  nur  der  Geübte  und  auch  nur  am  ein- 
wandsfreien  Knochen  mit  Sicherheit  zeigen  kann.  Nach  unseren  Be- 
obachtungen wird  er  nicht  vom  N.  obturatorius  versorgt,  sondern 
vom  N.  femoralis.  Als  physiologische  Nebenwirkung  ist  die  Beugung 
des  Rumpfes  gegen  den  Oberschenkel  zu  betonen,  welche  er  zu- 
sammen mit  den  M.  iliopsoas  und  rectus  femoris  vollzieht,  welche  ja 
auch  ihre  Zweige  aus  dem  Plexus  lumbalis  beziehen,  soweit  derselbe 
in  der  Bauchhöhle  und  dem  großen  Becken  gelagert  ist,  im  Gegen- 
satze zum  N.  obturatorius,  welcher  das  kleine  Becken  durchsetzt. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  entspringt  vollkommen  fleischig  vom  Pecten  ossis 
pubis,  der  vorderen  schärfen  Kante  der  Linea  arcuata,  von  der 
Emiuentia  iliopectinea  bis  zum  Tuberculum  pubicum.  Von  der  Bauch- 
höhle aus  erscheint  er  durch  eine  außerordentlich  starke  Binde  be- 
deckt, deren  Mächtigkeit  sich  nach  der  Endsehne  des  M.  psoas  minor 
richtet.  Vom  Oberschenkel  aus  kann  man  jedoch  die  Muskelbüudel 
mit  Leichtigkeit  von  dieser  Binde  stumpf  oder  scharf  loslösen  und 
den  Nachweis  des  reinen  muskulären  Ursprunges  führen.  Mit  der 
Höhe  des  Lig.  inguinale  (Pouparti)  hören  die  Ursprungsbündel  auf. 
Der  Muskelbauch  bildet  eine  breite,  parallelfaserige  Platte,  welche  an 
der  Spitze  des  Trochanter  minor  in  eine  ganz  glatte  Endsehne  über- 
geht, diesen  Knochenvorsprung  umrahmt  und  parallel  und  etwa  1  cm 
distal  von  seinem  unteren  Rande  eine  meist  nur  undeutliche  Leiste 
hervorgehen  läßt,  die  Linea  pectinea,  welche  man  schematisch  als 
proximalen  und  medialen  Ausläufer  der  Linea  aspera  auffassen  kann; 


M.  pectineus.  523 

Holotopie  und  Syntopie. 

Wir  müssen  einen  kleineren  Becken-  und  größeren  Oberschenkel- 
abschnitt unterscheiden.  Der  erstere,  von  einer  derben  Fascie,  selbst 
einer  Aponeurose  bedeckt,  bildet  den  Boden  der  Lacuna  vasorum. 
Wir  müssen  hier  dieselbe  Tatsache  betonen,  wie  bei  der  A.  radialis. 
Wenn  wir  au  der  bekannten  Stelle  den  Puls  fühlen,  drücken  wir  die 
Arterie  nicht  gegen  den  Radius,  sondern  gegen  den  ihm  aufgelagerten 
M.  Pronator  quadratus.  In  ähnlicher  Weise  wird  hier  bei  manueller 
provisorischer  Blutstillung  die  A.  femoralis  oder  auch  iliaca  externa 
nicht  gegen  die  Emiuentia  ileopectiuea  gedrückt,  auch  nicht  gegen 
den  Raums  superior  ossis  pubis,  sondern  gegen  die  Fascie  und  den 
M.  pectineus.  Die  Grenze  zwischen  Becken-  und  Oberschenkelteil 
bildet  das  Lig.  inguinale  (Pouparti).  —  Die  Facies  superficialis  wird 
hier  zunächst  wieder  durch  die  düuner  werdende  Fascie  bedeckt.  Im 
Hautteile  sind  hier  gelegen  die  V.  saphena  magna,  eventuell  mit  einer 
V.  accessoria  medialis,  die  Vasa  pudenda  externa,  die  Lymphoglandulae 
subiuguiuales  superficiales,  die  an  und  für  sich  nicht  von  so  großer 
Bedeutung  wären,  wenn  bei  ihrer  Vereiteruug  oder  operativen  Eut- 
ternung  nicht  auch  die  mächtigen  medialen  Lymphgefäße  der  unteren 
Rumpfhälfte  in  Mitleidenschaft  gezogen  würden.  Der  Margo  superior 
wird  hart  am  Trochanter  minor  überkreuzt  durch  die  Vasa  circum- 
flexa  femoris  medialia,  welche  in  Wirklichkeit  nichts  weiter  darstellen, 
als  das  schönste  Beispiel  von  nicht  benannten  Vasa  perforautia  femoris 
suprema,  genau  wie  die  Vasa  poplitea  nur  die  Vasa  perforantia  femoris 
infima  sind.  Der  Margo  inferior  bildet  mit  dem  oberen  Kopfe  des 
M.  adductor  brevis  die  Durchtrittslücke  für  die  Vasa  perforantia 
prima.  Die  Facies  profunda  s.  posterior  ruht  auf  den  M.  obturator 
externus  und  adductor  brevis  und  besitzt  in  der  Höhe  des  Trochanter 
minor  einen  Schleimbeutel,  die  Bursa  m.  pectinei.  Eine  derbe  Fascie 
trennt  ihn  von  den  eigentlichen  Adductoren.  Wir  haben  bereits  beim 
M.  brach ioradialis  (s.  A.  S.  251)  gesagt,  daß  auch  bei  diesem  Muskel 
eine  derbe  bindegewebige  Scheidewand  gegen  die  M.  extensores  carpi 
radiales  besteht.  Demgemäß  muß  der  topographisch  zu  der  Brachio- 
radialgruppe  geiiörende  und  auch  von  dem  Strecknerven,  dem  N. 
radialis  ausschließlich  versorgte  Muskel  physiologisch  zu  den  Beugern 
gerechnet  werden.  Genau  dasselbe  ist  beim  M.  pectineus  der  Fall. 
Eine  deiartig  scharfe,  fascielle  Abgrenzung  finden  wir  bei  den  Ad- 
ductoren nicht,  welche  vielmehr  durch  lockeres  Bindegewehe  von- 
einander getrennt  werden.  Hier  erleichtert  auch  die  Innervation  das 
Verständnis  ungemein.  So  sonderbar  es  klingen  mag.  werden  doch 
die  Beugemuskeln  zwischen  Ober-  und  Unterschenkel  hauptsächlich 
von  dem  N.  femoralis,  dem  Strecknerven  am  Oberschenkel  versorgt, 
der  M.  iliopsoas  durch  hohe  Zweige,  welche  sich  aus  dem  Bauch- 
und  Beckenteile  des  N.  femoralis  loslösen,  der  M.  rectus  femoris 
durch  einen  Oberschenkelzweig  und  in  gleicher  Weise  auch  der  M. 
pectineus  durch  einen  medialen  Ast,  welcher  deshalb  so  schwer  dar- 
zustellen ist,  weil  er  unterhalb  der  Vasa  femoralia  communia  seinen 
Weg  nimmt. 

Wirkung. 

I.  Beim  Spielbeine  wirkt  er  zunächst  als  Auswärtsrotator,  dann 
als  Beuger  und  schließlich  als  Beizieher  des  Oberschenkels  gegen  das 
Becken. 

109 


524  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

•  II.  Beim  Standbeine  sind  die  rotierenden  Bewegungen  bedeutend 
geringer  und  die  Beugung  das  Hauptsächliche.  Eine  gewisse  Neigung 
lateralwärts,  d.  h.  zur  selben  Seite  hin,  ist  aber  nicht  außer  acht  zu 
lassen. 

Innervation. 

Sein  Nerv  stammt  aus  dem  N,  femoralis;  eine  Versorgung  auch 
durch  den  N,  obturatorius,  oder  sogar  ausschließlich  halten  wir  für 
eine  seltene  Varietät. 

M.  addiictor  longus. 

Synonyma:  Langer  Bei-  oder  Zuzieher;  Adductor  pectinealis;  Adduc- 
teur  moyen,  premier  adducteur  (sup.),   pubio-femoral  (Chauss.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  langgestreckte  dreieckige  Muskel  entspringt  etwas  unterhalb 
des  Tuberculum  pubicum  und  findet  seinen  Ansatz  in  den  mittleren 
zwei  Vierteln  des  Oberschenkels  an  der  medialen  Kante  der  Linea 
aspera.  Sein  Name  ist  nicht  allzu  glücklich  gewählt,  weil  der  M.  ad- 
ductor magnus  gleichzeitig  der  längere  ist. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  zeichnet  sich  durch  eine  auffallend  starke  Sehne 
aus,  welche  medial  allerdings  noch  Muskelbündel  zum  Knochen  ge- 
langen läßt,  äußerlich  bis  9  cm  sichtbar,  intramuskulär  aber  bis  zu 
11  cm  zu  verfolgen  ist.  Die  Endsehne,  an  welcher  sich  die  Muskel- 
bündel parallelfaserig  ansetzen,  ist  sehr  dünn  bei  einer  Länge  von 
6  cm  und  einer  Breite  von  fast  10  cm.  Wir  verstehen  unter  letzterer 
die  Anheftung  an  der  Linea  aspera;  die  Länge  kann  nur  im  Durch- 
schnitte angegeben  werden. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  ist  topographisch  einer  der  wichtigsten  Beinmuskeln. 
Sein  lateraler  Rand  bildet  ja  die  mediale  Begrenzung  des  Trigouum 
iliopectineum  und  des  ScARPASchen  Dreieckes  und  wird  schließlich 
noch  etwas  von  den  Vasa  femoralia  überlagert.  Die  Facies  super- 
ficialis entspricht  bis  zur  Ueberkreuzung  durch  den  M.  sartorius  der 
Haut.  Die  Eodsehne  beteiligt  sich  noch  an  der  Bildung  des  Joessel- 
schen  Kanals,  welcher  dadurch  zustande  kommt,  daß  ein  Teil  der 
Sehnenplatte  sich  auf  die  Ursprungssehne  des  M.  vastus  medialis 
überschlägt,  ohne  sich  an  der  Linea  aspera  anzusetzen.  Es  handelt 
sich  also,  wie  auch  beim  M.  adductor  magnus,  um  eine  teilweise 
Trennung  der  Endsehne,  eine  Gabelung,  welche  sonst  in  der  aus- 
gesprochensten Weise  im  oberen  Abschnitte  des  M.  obliquus  internus 
abdominis  bei  der  Umfassung  des  geraden  Bauchmuskels  zur  Be- 
obachtung kommt.  Hier  wird  durch  einen  Muskel  eingescheidet  im 
Canalis  adductorius  Joesseli  der  N.  saphenus  und  die  Vasa  femoralia. 
Der  hintere  Rand  schließt  sich  zum  größeren  Teile  an  den  M.  gracilis, 
zum  kleineren  an  den  M.  adductor  magnus  an.  Beachtenswert  ist, 
daß  um  den  hinteren  Rand  herum  der  Hautast  des  N.  obturatorius 
sich  herumschlingt,  um  sich  meistens  auch  in  den  Adductorenkanal 
mit   hineinzubegeben.    Die  Facies   profunda    deckt   die  M.  adductor 


M.  adductor  longus.  —  M.  gracilis. 


525 


brevis  und  magnus  und  den  auf  ersterem  gelegenen  vorderen  Ast  des 
N.  obturatorius,  in  der  Nähe  der  Endsehne  die  letzten  Aeste  der 
A.  profunda  femoris,  A.  perforans  tertia  (quarta).  Die  chirurgische 
A-ufsuchuiig  des  N.  ob-  >-;^-^ 


turatorius  oder  einer 
Heruia  obturatoria  geht 
recht  gut  auf  folgendem 
Wege:  Bei  der  parallel 
der  immer  deutlich 
fühlbaren  Ursprungs- 
sehne des  M.  adductor 
longus  geführten  Haut- 
inzision  kommt  man  im 
Verlaufe  des  Schnittes  auf 
einen  weißlichen  Strei- 
fen, welcher  dem  Mus- 
keliuterstitium  zwischen 
den  M.  adductor  longus 
und  pectineus  entspricht. 
Nach  Spaltung  der  Fas- 
cie  in  dieser  ßichtungs- 
linie  wird  schon  bei 
geringem  Medial  wärts- 
ziehen  des  M.  adductor 
longus  der  vordere  Ast 
des  N.  obturatorius  sicht- 
bar. Seine  drei  End- 
zweige, Muskelnerv  für 
den  M.  adductor  longus, 
Hautnerv  und  Muskel- 
zweig für  den  M.  gracilis, 
vereinigen  sich  in  deut- 
licher  VVeise    zu    einem 

gemeinschaftlichen 
Stamme,  in  dessen  Ver- 
längerung gegen  das 
Becken  hin  die  Aus- 
trittsstelle einer  Hernia 
obturatoria  zu  suchen 
wäre.  Der  Nerv  ver- 
schwindet proximal  vom 
oberen  Rande  des  M. 
obturator  externus  im 
Canalis  obturatorius. 


Innervation  s. 
S.  533  (119). 


Fig.  23.    M.  adductor  longus,  NervenbUd, 
systematisch. 


M.  gracilis. 

Synonyma:  Schlanker  Muskel;  Gracilis  internus ;  Droit  interne,  sous- 
pubio-pretibial  (Chauss.),  sous-pubio-cretitibial  (Dum.). 


526  FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Muskel  entspringt  mit  breiter,  papierdünner  Schale  von  dem 
unteren  Teile  der  Symphyse  bis  zum  M.  adductor  magnus.  Der  platte 
Muskelbauch  wird  im  distalen  Drittel  des  Oberschenkels  schon  sehnig. 
Die  Endsehne  bildet  die  mittlere  Komponente  der  Patte  d'oie. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  aus  Bequemlichkeitsgründen  bezeichnete  Ursprung  einfach 
von  der  ganzen  Symphyse  bedarf  einer  erheblichen  Einschränkung. 
Der  untere,  distale  Rand  dieser  faserkuorpeligen  Verbindung  beider 
Hüftbeine  stellt  den  Mittelpunkt  dar,  von  welchem  aus  ebensoweit 
nach  oben  und  vorn,  wie  nach  hinten  und  unten  die  Urspruugssehne 
reicht.  Die  Breite  dieser  Sehneuplatte  schwankt  zwischen  3  und  6  cm. 
Der  Muskelbauch  entwickelt  sich  ganz  flach  aus  der  Ursprungssehne, 
3—5  cm  von  dem  Becken  entfernt.  Bis  zur  Mitte  des  Muskelbauches 
bewahrt  er  noch  immer  die  schlanke  rechteckige  Form,  dann  aber 
tritt  eine  distale  Verjüngung  ein.  Die  Länge  der  Endsehne  beträgt 
ungefähr  15  cm.  Der  Ansatz  findet  im  sogenannten  Gänsefuße  statt, 
den  wir  besonders  beschreiben. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  am  Oberschenkel  der  Haut, 
am  Unterschenkel  wird  sie  mehr  oder  weniger  von  der  Sehne  des 
M.  sartorius  bedeckt.  Der  Margo  anterior  schmiegt  sich  zunächst  an 
den  M.  adductor  longus,  dann  an  den  magnus  und  schließlich  den 
M.  sartorius  an.  Der  Margo  posterior  hat  Beziehungen  zu  den  M.  ad- 
ductor magnus  und  semimembrauosus.  Die  Facies  profunda  deckt 
die  bereits  genannten  Adductoren  zu,  von  welchen  sie  jedoch  durch 
den  R.  anterior  des  N.  obturatorius  getrennt  ist.  Wir  haben  uns 
vergeblich  bemüht,  den  Hautzweig  des  N.  obturatorius  durch  das 
Muskelfleisch  hindurchtreten  zu  sehen  und  halten  deshalb  an  unserer 
Auffassung  fest,  daß  dieser  Hautnerv  nicht  beim  M.  gracilis  zu  suchen 
ist,  sondern  am  hinteren  Rande  des  M.  adductor  longus. 

Wirkung. 

Er  gehört  funktionell,  topographisch  und  durch  die  Innervation 
zu  den  Adductoren.  Die  Anheftung  am  Unterschenkel  verschafft  ihm 
außerdem  Beugewirkung  auf  diesen.  Die  Adduktion  des  Beines  läßt 
sich  bei  gestrecktem  Unterschenkel  sowohl  aktiv,  durch  den  Willen 
wie  passiv  elektrisch  erzielen.  Für  die  Einwärtsrotation  des  Unter- 
schenkels kommt  er  nicht  in  Frage,  weil  diese  erst  nach  starker 
Beugung  möglich,  und  dann  bereits  seine  Kraft  erschöpft  ist.  Die 
Einwärtsrotation  des  Unterschenkels  kommt  fast  ausschließlich  dem 
M.  semimembrauosus  zu. 

Innervation  s.  Fig.  22  S.  518  (104). 
M.  adductor  magnus. 

Synonyma:  Großer  Bei-  oder  Zuzieher;  Caput  tertium  tricipitis, 
Grand  adducteur ,  troisieme  addueteur ,  grand  adducteixr  prof.,  ischio- 
femoral  (Chauss.).    ' 


M,  adductor  magnus.  627 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  mächtige  dreiseitige  Muskelbauch  entspringt  mit  ziemlich 
breiter  Fläche  vom  Tuber  ischiadicum,  verläuft  mit  seinen  proximal 
gelegenen  Bündeln  fast  horizontal,  mit  seinen  medialen  fast  vertikal. 
Der  Ansatz  ist  ein  doppelter,  teilweise  an  der  Linea  aspera,  teilweise 
am  Epicondylus  medialis  femoris.  Der  erstere  besitzt  nur  schwache 
und  kuize  Sehneneinlagerungen,  während  der  letztere  eine  starke 
rundliche  Endsehne  besitzt. 

Idiotopie  und  Skeletopie, 

Der  Ursprung  vom  Tuber  ischiadicum  ist  überwiegend  fleischig 
und  nimmt  deshalb  eine  größere  Knochenfläche  in  Anspruch,  als  der 
M.  adductor  longus.  Unsere  Messungen  ergaben  eine  Länge  von 
etwa  4  cm.  Der  Muskelbauch  beginnt  mit  einem  scharfen  proximalen 
Rande,  während  der  mediale  die  größte  Dicke  des  Muskels  besitzt. 
Dicht  am  Ursprünge  nimmt  der  etwa  zu  90  Proz.  in  der  Tiefe  ver- 
borgene Muskel  auch  am  Oberflächenbilde  teil,  mit  einem  Dreiecke, 
dessen  Basis  am  Tuber  ischiadicum  liegt,  und  dessen  Seitenränder 
vorn  vom  M.  gracilis  uiid  hinten  vom  M.  semitendinosus  gebildet 
werden.  Die  Breite  beträgt  etwa  4  cm,  die  Höhe  etwa  16  cm.  Der 
Muskelbauch  ist  trotz  der  dreieckigen  Hauptform  nahezu  parallel- 
bündelig  gebaut.  Der  Ansatz  an  der  Linea  aspera,  welcher  vom  Be- 
ginne der  Tuberositas  glutaea  bis  zum  Ende  des  Adductorenkanales 
reicht,  stellt  keine  einheitliche  Platte  dar,  sie  ist  im  Gegenteil  aus 
einzelnen  Sehnenarkaden  zusammengesetzt,  unter  welchen  in  wech- 
selnder Zahl  und  Stärke  die  R.  perforantes  ihren  Weg  nehmen.  Für 
gewöhnlich  werden  ihrer  nur  drei  mit  besonderem  Namen  angegeben. 
Diese  Zahl  dürfte  aber,  wenn  man  auch  die  feinen  Zweige  genau 
berücksichtigt,  bedeutend  zu  klein  sein.  Der  Ansatz  am  Epicondylus 
medialis  selbst  ist  rein  sehnig.  Die  freie  Sehne  besitzt  eine  Länge 
von  2—4  cm  und  setzt  sich  vorn  unmittelbar  in  die  vordere  sehnige 
Wand  des  Adductorenkanales  fort.  Am  hinteren  Rande  schieben  sich 
die  Muskelbündel  in  wechselnder  Weise  distalwärts,  woraus  sich  die 
Verschiedenheit  der  Länge  der  freien  Endsehne  ohne  weiteres  erklärt. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Oberfläche  des  Muskels,  die  Facies  superficialis,  weist  drei 
verschiedene  Plächen  auf,  eine  mediale,  welche  am  Oberflächenbilde 
des  Beines  teilnimmt,  eine  voidere,  welche  den  anderen  M.  adductores 
entspricht,  und  eine  hintere,  auf  oder  besser  in  welcher  die  Beuge- 
gruppe eingelagert  ist. 

Der  Ursprung  entspricht  dem  Tuber  ischiadicum,  der  Margo 
superior  dem  M.  adductor  minimus,  der  laterale  dem  Caput  breve 
des  M.  biceps,  der  mediale  zunächst  der  Haut  und  Fascie,  dann  dem 
M.  gracilis  und  schließlich  noch  dem  M.  sartorius.  Sämtliche  3  am 
Oberschenkel  gelegene  Hauptnerven  gewinnen  zu  ihm  Beziehungen. 
Ein  sensibler  Zweig  des  N.  femoralis,  der  N.  saphenus  major,  liegt 
zunächst  unter  der  Endsehne,  durchbohrt  sie  dann  zusammen  mit  den 
Vasa  genu  suprema  und  gewinnt  unter  Ueberkreuzung  der  Sehne  die 
mediale  Seite  des  Knies.  Der  N.  obturatorius  schickt  seinen  R.  inter- 
medius  an  seiner  Vorderfläche  entlang  und  versorgt  den  hier  gelegenen 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  ii,  3.  34 


528  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

Muskelabschnitt.  Der  N,  ischiadicus  liegt  unmittelbar  der  Facies 
posterior  auf  und  sendet,  was  in  vielen  Büchern  und  Atlanten  noch 
nicht  hinreichend  betont  wird,  einen  oder  mehrere  Nerven  zum  Muskel- 
bauche, welche  aus  dem  für  den  M.  semimembranosus  bestimmten 
Zweige  des  N.  ischiadicus  sich  loslösen.  Die  besonders  benannten 
Gefäße  verlaufen  unweit  der  Anheftung  an  der  Linea  aspera:  vorn 
die  Vasa  femoralia  während  ihres  Durch trittes  durch  den  Adductoren- 
kanal,  hinten  an  wechselnder  Stelle  die  Vasa  perforantia  aus  den 
Vasa  profunda  femoris. 

Wirkung  s.  S.  529  (115);   Innervation  s.  S.  532  (118). 
M.  adductor  Ibreris. 

Synonyma:  Kurzer  Bei-  oder  Zuzieher;  Caput  profundum  tricipitis; 
Petit  adducteur,  deuxieme  adducteur,  petit  adducteur  prof.,  sous-pubio- 
femoral  (Chauss.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  unter  dem  M.  adductor  longus  gelegene  Muskel  ist  fast  regel- 
mäßig doppelbäuchig.  Die  trennende  Spalte  wird  durch  eine  A.  per- 
forans  bedingt.  Wichtiger  jedoch  ist  die  Tatsache,  daß  er  von  den 
beiden  Hauptzweigen  des  N.  obturatorius  umfaßt  wird. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Fast  rein  fleischig  entspringt  er  unter  dem  M.  adductor  longus 
oben  und  medial  vom  Foramen  obturatum,  d.  h.  vom  mittleren  Teile 
des  Os  pubis.  Der  dreieckige,  durch  den  Druck  der  Nachbarmuskeln 
abgeplattete  Muskelbauch  begibt  sich  mit  zwei  untereinander  gelegenen, 
aber  durch  einen  Sehnenbogen  verbundenen,  platten  Endsehnen  zum 
oberen  Drittel  des  Labium  mediale  der  Linea  aspera. 

HolotopieundSyntopie. 

Da  der  Ursprung  und  Ansatz  sich  nicht  anders  als  skeletopisch 
beschreiben  lassen,  verzichten  wir  in  Zukunft  auf  die  entsprechende 
holotopische  und  syntopische  Darstellung,  es  .sei  denn,  daß  Gründe 
zu  einer  besonderen  Besprechung  vorliegen. 

Vielleicht  empfiehlt  es  sich,  die  Bezeichnungen  medial  und  lateral 
für  die  freien  Ränder  der  Adductoren  gänzlich  fallen  zu  lassen,  weil  sie 
auch  für  den  Ursprung  oder  Ansatz  Verwendung  finden  müssen,  und 
auch  die  Ausdrücke  „oben"  und  „unten"  sind  nicht  überall  angebracht, 
dagegen  wären  die  indifferenten  Bezeichnungen  „proximal"  und  „distal" 
immer  anwendbar. 

Der  laterale  und  gleichzeitig  obere  oder  auch  proximale  Band 
ist  unter  dem  M.  pectineus  verborgen,  der  mediale  und  gleichzeitig 
untere  oder  auch  distale  unter  dem  M.  adductor  longus.  Auf  der 
Facies  anterior  verläuft  der  R.  anterior  des  N.  obturatorius,  ferner 
eine  für  den  venösen  Kollateralkreislauf  wichtige  Verbindung  zwischen 
den  Venae  circumflexae  femoris  mediales  und  der  V.  obturatoria.  Die 
entsprechende  arterielle  Anastomose  ist  in  normalen  Fällen  außerordent- 
lich schwach   und   dürfte  ohne  Injektion  nur  für  einen  Geübten  dar- 


M.  adductor  minimns.  529 

stellbar  sein.    Auf  der  Facies  posterior  verläuft  an  wichtigen  Gebilden 
nur  der  mittlere  Ast  des  N.  obturatorius. 

Wirkung  s.  S.  529  (115);  Innervation  s.  S.  532  (118). 

M.  adductor  minimiis. 

83'nonyma:  Kleinster  Beizieher;  Adductor  femoris  minimus  von 
Günther,  adductor  quartus  von  DiEMEKimocK,  caput  superius  s.  ex- 
ternum  (!)  von  Theit.b;    Premier   faisceau  du  grand  adducteur  (Poirieu). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  Muskel  wird  nicht  allgemein  anerkannt,  obwohl  er  nach 
unseren  Befunden  niemals  fehlt.  Zu  seiner  Piäparatiou  muß  jedoch 
eine  bestimmte  Methode  angewandt  werden.  Der  obere,  proximale 
Rand  des  M.  adductor  magnus  dürfte  in  seinem  lateralen  Teile  ohne 
weiteres  zu  erkennen  sein.  Verfolgt  man  nun  die  vordere,  prä- 
paratorisch hintere  Fläche  des  Muskels  unter  Loslösung  der  Spezial- 
fascie,  so  kommt  man  alimählich  zu  einer  nicht  ganz  leichten  Tren- 
nung der  beiden  in  Betracht  kommenden  Muskelbäuche.  Die  Sonderung 
\on  dem  M.  adductor  brevis  ist  mit  Leichtigkeit  auszuführen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  stellt  die  in  der  Tiefe  verborgene  Portion  des  M.  ad- 
ductor magnus  dar  und  entspringt  fleischig  von  dem  Os  ischii,  greift 
aber  noch  über  die  Synostosis  ischiopubica  nach  oben  empor,  wobei 
er  sich  unter  den  platten  M.  adductor  brevis  herunterschieben  kann. 
Der  dreieckige  Muskelbauch  ist  von  vorn  nach  hinten  abgeplattet  und 
lindet  seine  Anheftung  am  meisten  proximalwärts,  am  oberen  Ende 
der  Linea  aspera.  Der  Ansatz  ist  wie  bei  allen  Adductoren  über- 
wiegend fleischig,  bei  ihm  wohl  am  meisten ;  er  umfaßt  das  proximale 
Drittel  des  Oberschenkelknochens,  vom  Trochanter  minor  aus  gerechnet. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  verhältnismäßig  kleine  Muskel  ist  fast  vollkommen  zwischen 
denM.  adductor  brevis  und  magnus  verborgen,  so  daß  nur  ein  kleiner 
Bezirk  an  der  Rückseite  des  Oberschenkels  ohne  weiteres  zu  erkeunen 
ist,  nämlich  der  zwischen  dem  unteren,  distalen  Rande  des  M.  qua- 
dratus  und  dem  oberen,  proximalen  des  M.  adductor  magnus.  üeber 
diesen  Teil  zieht  selbstverständlich  der  N.  ischiadicus  liiuweg.  Am 
oberen,  proximalen  Rande  verlaufen  die  Vasa  circumflexa  femoris 
medialia,  an  der  vorderen  Fläche  der  R.  intermedius  des  N.  obtura- 
torius, welcher  ihn  auch  versorgt. 

Wirkung  s.  unten;  Innervation  s.  S.  532  (118). 

I 

Wirkung  der  Adductoren. 

Bei  der  Adductorengruppe  muß  unterschieden  werden  zwischen 
den  Muskeln,  die  am  Oberschenkelbeine  ansetzen,  und  dem  einen 
Muskel,   welcher   den   Unterschenkel    erreicht,    dem   M.  gracilis,   der 

34* 

-      115. 


530 

N.  ischiadicus 
N.  obturatorius 
Spina  ischiadica    -^ 
Membrana  obturatoria    -}lf 
Bursa  m.  obturatoris  i 

M.  quadratus  femoris 

Bursa  ischiadica  m.  glut 
maxim 


Vasn  perforantia  I 


N.  pro  m 


Trochanter  major 
M.  obturator  externus 
M.  iliopsoas 


V.  circumflexa  femoris 
mediaiis 


Tuberositas  glutaea 


]V[.  adductor  minir 


Vasa  perforantia  III 
liatiis  inferior  spurius  canalis  adductorii 


Hiatus  inferior  verus  canalis  adductorii 
N.  tibialis 


Condylus  mediaiis 


Condylus  lateralis 


Fig.  24.    M.  adductor  magnus  und  minimus,  Muskel-  und  Nervenbild,  topographisch. 


M.  adductor  minimus.  531 

Beschreibung  zu  Fig.  24. 

Die  Abbildung  zeigt  den  auswärts  rotierten  Oberschenkelknochen  und  den  Ur- 
sprung der  beiden  Muskeln  vom  Os  ischii,  möglichst  weit  auseinandergedrängt,  um 
den  Nerven  ausgiebig  zur  Anschauung  zu  bringen.  Es  war  hierbei  ein  zeich- 
nerischer Kunstgriff  notwendig,  um  in  einem  Bilde  die  Nerven  Versorgung  des 
M.  adductor  niagnus  durch  einen  vorderen  Zweig  aus  dem  N.  obturatorius  und 
einen  hinteren  Zweig  aus  dem  N.  ischiadicus  darzustellen,  ferner  um  die  Innerva- 
tion des  M.  adductor  minimus  auch  aus  rückläufigen  Zweigen  für  den  M.  adductor 
magnus  nachzuweisen.  Die  Abbildung  ist  von  der  Vorderseite  gewonnen,  und 
darum  mußte  der  so  freiliegende  N.  obturatorius  doppelt  konturiert  gehalten  werden. 
Der  in  der  Tiefe  verborgene  Ast,  ein  Seitenzweig  des  für  den  M.  semimembranosus 
bestimmten  Zweiges  aus  dem  N.  ischiadicus,  mußte  in  seinem  ungeteilten  Verlaufe 
zwar  doppelt  konturiert,  aber  gestrichelt  gezeichnet  werden. 

Der  M.  adductor  minimus  ist  seiner  Innervation  nach  kein  vollkommen  selb- 
ständiger Muskel,  weil  seine  distalen  Muskelbündel  auch  noch  von  Zweigen  für 
den  M.  adductor  magnus  versorgt  werden,  aber  auch  aus  dem  Grunde,  weil  der 
mächtige  Öehnennerv,  welcher  an  den  Grenzen  der  beiden  Muskeln  sich  findet,  aus 
einer  Anastomose  hervorgeht,  welche  beiden  Nerven  entstammt  und  sich  bis  zum 
distalen  Ende  des  Adductorenschlitzes  erstreckt.  Die  Nervenversorgung  des  M.  ad- 
ductor minimus  läßt  sich  ohne  weiteres  aus  der  Figur  ablesen  und  gibt  zu  keinen 
besonderen  Bemerkungen  Veranlassung.  Ganz  anders  verhält  sich  dagegen  der 
M.  adductor  magnus,  dessen  proximale  Partie  von  vorn  durch  das  motorische 
Ende  des  N.  obturatorius  versorgt  wird,  während  der  distale  und  gleichzeitig  mediale 
Abschnitt  vom  N.  ischiadicus  seinen  Nerven  bekommt.  Nach  vielen  Mühen  ist  es 
uns  gelungen,  mehrere  Anastomosen  zwischen  den  beiden  Nerven  nachzuweisen. 
Wir  glauben  aus  unseren  Befunden  behaupten  zu  können,  daß  der  proximale  Ab- 
schnitt vom  Plexus  lumbalis  aus  innerviert  wird,  der  distale  dagegen  vom  Plexus 
sacralis.  Al)er  auch  diese  Annahme  kann  nichts  Unerklärliches  enthalten,  weil  ja 
der  Plexus  lumbalis  mit  dem  4.  Lumbalnerven  sein  Ende  findet  und  bereits  in 
diesem  Segmente  übergeht  in  den  N.  ischiadicus.  —  Einzelheiten  mögen  aus  der  Figur 
ersehen  werden.  — 

tiinktionell  zu  den  M.  sartorius  und  semitendinosus,  im  Ansätze  auch 
topographisch  gehört.  Die  Muskeln  entspringen  in  der  ganzen  Höhe 
des  Scham-  und  Sitzbeines,  vom  Tuberculum  pubicum  (M.  adductor 
longus)  bis  zum  Tuber  ischiadicum  (M.  adductor  magnus),  das  ist  eine 
Länge  von  etwa  10  cm.  Der  Ansatz  geht  von  der  Höhe  des  unteren 
Randes  des  Trochanter  minor  bis  zum  Epicondylus  medialis,  das  ist 
eine  Länge  von  etwa  30  cm.  Im  allgemeinen  verlaufen  die  Muskel- 
bündel schräg  von  vorn  nach  hinten  und  umfassen  die  mediale, 
hintere  Fläche  des  Femur  bis  zur  Linea  aspera.  Hieraus  würde  sich 
ergeben,  daß  die  Muskeln  auch  eine  erhebliche  Wirkung  auf  die 
Flexion  und  Auswärtsrotation  äußern  müssen.  Jedoch  wird  letztere 
durch  die  frühzeitige  Verbindung  mit  dem  M.  vastus  medialis  einge- 
schränkt und  besonders  durch  die  Einrichtung  des  Adductorenkanales, 
welche  die  Wirkung  auf  die  ganze  mediale  Seite  des  Oberschenkels 
überträgt.  Die  flektierende  Wirkung  kommt  wohl  nur  für  die  M.  pec- 
tineus  und  adductor  longus  in  Betracht,  welche  bei  der  Adduktion  am 
Präparate  noch  straft"  passiv  gedehnt  erscheinen,  vielleicht  auch  noch 
der  M.  adductor  brevis;  dies  wäre  die  Beugewirkung  nach  vorn  hin. 
Wir  gehen  hier  von  der  bekannten  Einrichtung  beim  M.  biceps  brachii 
aus,  welcher  ja  bei  gestrecktem  Vorderarme  straft'  erscheint  und  dann 
gut  zu  präparieren  ist,  obwohl  er  dann  sich  im  Zustande  der  Untätig- 
keit befindet.  Beugt  man  dann  den  Vorderarm,  so  legt  sich  einmal 
das  Muskelfleisch  in  Falten,  und  der  Gesamtmuskel  läßt  sich  wie  eine 
tote  Masse  nach  allen  Richtungen  hin  verschieben,  obwohl  am  Lebenden 
gerade  dann  der  Zustand  der  Tätigkeit  verwirklicht  ist.  Wenn  also 
die  M.  pectineus  und  adductor  longus  wählend  der  Adduktion  noch 
straft'  erscheinen,  müssen  sie  noch  weiter  auf  den  Oberschenkel  wirken 

117 


532  FR.OHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

können,  und  zwar  im  Sinne  der  Flexion,  Die  M.  adductor  minimus 
und  magnus,  welche  sich  bei  der  Adduktion  in  Falten  leg-en,  haben 
ihre  Kraft  vollkommen  erschöpft.  Die  einfache  Knochenbetrachtung 
erleichtert  uns  diese  Vorstellung.  Bei  der  Adduktion  steht  das  Tuber 
ischiadicum  ungefähr  senkrecht  über  dem  Epicondylus  medialis,  bei 
der  Abduktion  entfernt  sich  letzterer  Punkt  sehr  weit  nach  lateral, 
während  der  obere  Teil  des  Femur  einen  viel  geringeren  Ausschlag 
macht  und   die  dort  anheftenden  Muskeln  weniger  gedehnt  werden. 

Wenn  wir  es  kurz  ausdrücken  wollen,  kommt  die  Hauptaufgabe 
der  Adduktion  dem  Abschnitte  der  Adductoren  zu,  welche  vom  Os 
ischii  entspringen,  während  derjenige  Teil,  welcher  vom  Os  pubis  ent- 
springt, auch  flektierende  und  auswärts  rotierende  Wirkungen  erzielt. 

Die  nach  hinten  flektierende  Wirkung  des  M.  adductor  magnus, 
welche  durch  die  longitudinalen,  am  Epicondylus  medialis  ansetzenden 
Bündel  erreicht  wird,  ist  im  nächsten  Abschnitte  erörtert. 

Innervation  der  vier  Adductoren. 

Von  diesen  bekommt  einer,  der  M.  adductor  magnus,  2  Nerven, 
einen  proximalen  Zweig  vom  N.  obturatorius  und  einen  distalen,  und 
zwar  aus  dem  Aste,  welcher  für  den  M.  semimembranosus  bestimmt 
ist,  die  M.  adductor  longus,  brevis  und  minimus  nur  einen  Zweig. 
Die  M.  adductor  longus  und  brevis  stehen  unter  der  Botmäßigkeit 
des  R.  anterior,  der  Zweig  für  den  M.  minimus  ist  ein  kleinerer  Ast 
des  für  den  M.  adductor  magnus  bestimmten  Zweiges  des  R.  posterior 
(intermedius  nobis). 

Nun  läßt  unsere  Fig.  24  deutlich  erkennen,  wie  eine  scharfe 
Sonderung  vorhanden  ist  zwischen  derjenigen  Portion,  welche  an  der 
Linea  aspera  ansetzt  und  wie  die  anderen  Adductoren  vom  N.  obtura- 
torius versorgt  wird,  und  derjenigen,  welche  am  Epicondylus  medi- 
alis anheftet  und  ihren  Zweig  aus  einem  Beugemuskeluerven,  nämlich 
für  den  M.  semimembranosus  bezieht.  Hierin  spricht  sich  eine 
wunderbare  Uebereinstimmung  mit  der  physiologischen  Wirkung  aus. 
Die  an  der  Linea  aspera  anheftenden  Muskeln  haben  eine  horizontale 
Verlaufsrichtung,  welche  sich  distalwärts  in  eine  schräge  umwandelt, 
aber  auch  am  untersten  Punkte  noch  nicht  longitudinal  erscheint. 
Dagegen  weist  der  mediale  Zug  eine  durchaus  longitudinale  Richtung 
auf,  und  darum  kann  er  auch  nicht  mehr  als  Adductor  wirken,  son- 
dern nur  als  Flexor.  Daher  auch  die  Sonderung  in  den  Beuge-  und 
den  Beizieherabschnitt.  Nun  läßt  die  Innervation  erkennen,  daß  die 
distalen  Bündel,  die  noch  an  der  Linea  aspera  anheften,  auch  von 
dem  N.  ischiadicus  aus  versorgt  werden,  daß  sie  also  vermöge  ihrer 
zu  schrägen  Richtung  nur  wenig  mit  der  Adduktion  zu  tun  haben 
können.  Es  ist  hier  augenscheinlich  ein  Grenzgebiet  vorhanden,  wie 
wir  aus  der  Anastomose  ersehen  können,  die  den  N.  ischiadicus  mit 
dem  N.  obturatorius  verbindet,  und  deren  Darstellung  uns  große 
Mühe  gemacht  hat.  Eine  weitere  natürliche  Trennung  ergibt  sich 
daraus,  daß  die  Portio  adductoria,  wie  wir  sie  nennen  können,  von 
der  Facies  anterior  versorgt  wird,  die  Portio  flexoria  von  der  Facies 
posterior.  Darum  sind  bei  beiden  Portionen  die  Eintrittsstellen  ober- 
flächlich, obwohl  die  einen  vorn,  die  anderen  hinten  gelegen  sind. 
Im  übrigen  bietet  die  innere  Verzweigung  keine  Besonderheiten.  Zu 
erwähnen  sind  bloß  die  drei  Sehnennerven  der  Ursprungssehne,  die 
drei  zur  Linea  aspera  und  der  eine  zur  medialen  Endsehne. 

Il8 


M«  semitendinosus.  533 

Die  M.  adductor  longus  und  brevis  werden  durch  den  R.  anterior 
des  N.  obturatorius  voneinander  geschieden,  so  daß  der  erstere  von 
der  Facies  profunda  aus  versorgt  werden  muß,  der  letztere  von  der 
Facies  superficialis.  Ueber  das  innere  Nervenbild  des  M.  adductor 
longus  ist  nicht  viel  zu  sagen.  In  vielen  Interstitien  treten  eine 
Reihe  von  extramuskulären  Zweigen  ein  und  versorgen  successive 
die  einzelnen  Muskelbündel.  Ein  einheitlicher  Sehnennerv  zieht  zur 
seil  malen  Ursprungssehne,  zwei  zur  breiten  Endsehne,  von  denen  der 
proximale  noch  dazu  dreigeteilt  ist.  Außerdem  sind  zwei  Anasto- 
mosen angegeben. 

Der  M.  adductor  brevis  wird  von  der  Facies  superficialis  aus 
versorgt.  Die  beideu  Hauptzweige  teilen  sich  dichotomisch  und  treten 
nacheinander  in  ziemlich  regelmäßigen  Abständen  in  die  Interstitien. 
Die  Ursprungssehne  bekommt  einen  einheitlichen  Sehnennerven,  die 
Ansatzsehne  wegen  ihrer  Breite  einen  dreigeteilten. 

Das  Nervenbild  des  M.  adductor  minimus  stellt  das  verkleinerte 
Abbild  des  M.  brevis  dar,  weshalb  wir  auf  eine  bildliche  Darstellung 
verzichtet  haben,  nur  eines  ist  zu  bedenken,  man  kann  den  lege 
artis  freigelegten  Muskel  sowohl  von  der  Vorder-  wie  von  der  Rück- 
seite her  erblicken,  von  hinten  her  betrachtet  wäre  der  Eintritt  von 
der  Facies  profunda  aus,  von  vorne  her  von  der  Facies  superficialis. 
Darum  empfiehlt  es  sich,  in  diesem  Falle  von  einem  Eintritt  von  der 
Facies  anterior  aus  zu  reden. 

M.  semitendinosus. 

Synonyma  :  Halbsehniger  Muskel ;  M.  semi-nervosus ;  Demi-tendineux, 
ischio-prötibial  (Chauss.),  ischio-cretitibial  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  Muskel  besteht  eigentlich  aus  zwei  vollkommen  vonein- 
ander getrennten  Bäuchen,  welche  auch  der  Innervation  nach  als 
selbständige  Teile  aufzufassen  sind ;  obwohl  die  Zwischensehne  nur  als 
eine  papierdünne  Platte  sich  kundgibt,  können  wir  doch  ihre  periphere 
Linie  mit  Leichtigkeit  an  dem  freigelegten  Muskel  feststellen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  entspringt  vom  Tuber  ischiadicum,  gemeinschaftlich 
mit  dem  Caput  longum  des  M.  biceps,  mit  dem  er  durch  eine  8  bis 
12  cm  lange  Zwischensehne  verbunden  ist.  Der  obere  Muskelbauch 
stellt  ungefähr  die  Hälfte  des  Gesamtmuskels  dar.  Die  bereits  er- 
wähnte sehr  dünne  Sehnenplatte  verläuft  in  derselben  Richtung  wie 
der  untere  Rand  des  M.  glutaeus  maximus,  d.  h.  von  oben-medial 
nach  unten-lateral.  Im  distalen  Drittel  des  Oberschenkels  wird  die 
Endsehne  frei  und  findet  ihren  Ansatz  an  derjenigen  Stelle,  welche 
wir  bei  der  Beschreibung  des  Pes  anserinus,  der  Patte  d'oie,  zu- 
sammenfassen. 

Holotopie  und  Syntopie. 
Die  Facies  superficialis  entspricht  zuerst  dem  M.  glutaeus  maxi- 
mus,  weiterhin   der  Fascie  und  Haut;   die  Facies  medialis  zunächst 
dem  M.  adductor  maximus,  dann  dem  M.  gracilis,   die  lateralis  dem 

119 


534  FROHSE  und    M.   FRÄNKEL, 

M.  biceps  femoris.  Die  interessanteste  Fläche  ist  die  Facies  pro- 
funda; dieselbe  bettet  sich  nämlich  in  den  M.  semimembranosus 
hinein.  Nimmt  man  an  einem  einigermaßen  gut  erhaltenen  oder 
fixierten  Präparate  den  M.  semitendinosus  fort  oder  drängt  ihn  zur 
Seite,  so  sieht  man  ohne  weiteres  das  Bett,  welches  sich  Muskel  und 
Sehne  schaffen.  Zu  besonders  benannten  Nerven  und  Gefäßen  hat 
der  Muskel  keine  erwähnenswerten  Beziehungen,  jedoch  müssen  wir 
betonen,  daß  er  zwei  besondere  Zweige  aus  dem  N.  ischiadicus  er- 
hält, welche  beide  Bäuche  versorgen.  Der  proximale  verläßt  bereits 
in  der  Höhe  des  Tuber  ischiadicum  den  gleichnamigen  Nerven,  der 
distale  Zweig  entwickelt  sich  meist  selbständig  weiter  unten. 

Wirkung  s.  S.  543  (129)   und  Innervation   s.  S.  541  (127). 

M.  Ibiceps  femoris. 

Synonyma :  Zweiköpfiger  Muskel  des  Oberschenkels,  zweiköpfiger 
Beuger;  Biceps  fibularis,  flexor  cruris  externus,  flexor  cruris  fibularis 
(M.  N.  A.  =  Nom.  anat.  Marseilliana) ;  Biceps  femoral,  ischio  -  femoro- 
peronien  (Chauss.), 

a)  Caput  longum;  Langer  Kopf;  Long  chef,  longue  tete,  longue^ 
portion  ischiatique. 

b)  Caput  breve;  Kurzer  Kopf;  Courte  portion,  chef  femoral. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Mit  seinem  langen  Kopfe  entspricht  er  der  Rückseite  des  Ober- 
schenkels und  entspringt  gemeinschaftlich  mit  dem  M.  semitendinosus 
vom  Tuber  ischiadicum.  Das  Caput  breve  kommt  nicht  mehr  vom 
Becken,  sondern  erst  vom  Femur,  distalwärts  von  der  Tuberositas 
glutaea  vom  Labium  laterale  der  Linea  aspera.  Es  ist  der  einzige 
Muskel,  welcher  sich  zur  Außenseite  des  Unterschenkels  wendet  und 
nicht  allein  am  Capitulum  flbulae  anheftet,  sondern  auch  an  der  Tibia ; 
gerade  diese  Insertion  verschafft  ihm  die  kräftige  Auswärtsrotation 
des  Unterschenkels  bei  gebeugtem  Knie,  der  wir  bei  der  speziellen 
Beschreibung  des  Muskels  selbst  und  der  Bewegungen  im  Kniegelenke 
im  allgemeinen  verschiedentlich  gedacht  und  zu  gedenken  haben. 

Idiotopie  und  Skeletopie 

Der  Ursprung  des  Caput  longum  vom  Tuber  ischiadicum  ist 
überwiegend  sehnig,  im  Gegensatze  zu  demjenigen  des  M.  semitendi- 
nosus, mit  welchem  er  distalwärts  auf  eine  Strecke  von  8 — 12  cm 
untrennbar  verschmolzen  ist.  Der  mächtige  Muskelbauch  schickt  seine 
parallelen  Bündel  lateralwärts  und  entwickelt  erst  im  distalen  Drittel 
des  Oberschenkels  eine  oberflächliche  Sehnenplatte,  welche  in  der 
Höhe  des  Kniegelenkspaltes  sich  zu  einer  rundlichen  Endsehue  ver- 
dickt. Das  Caput  breve  entspringt  überwiegend  fleischig,  soweit 
es  nicht  Sehnenbogen  für  den  Durchtritt  der  Vasa  perforantia  auf- 
weist. Auch  der  Ansatz  an  der  gemeinschaftlichen  Endsehne  besitzt 
keine  längeren  sehnigen  Abschnitte. 

Der  gemeinschaftliche  Ansatz  findet  statt  1)  an  dem  Capitulum 
fibulae,  2)  am  oberen  Rande  des  Epicondylus  lateralis  tibiae,  dicht 
proximal  von  der  Artic.  tibiofibularis,  3)  an  der  Fascia  cruris. 


M.  semitendinosus.  535- 

ad  1.  Die  Spitze,  der  Apex  capituli  fibulae,  dient  zunächst  dem 
Retinaculum  m.  poplitei  und  dann  erst  dem  Lig.  collaterale  fibulare  zur 
Anheftung,  so  daß  der  Ansatzpunkt  des  M.  biceps  noch  weiter  distal  zu 
suchen  ist. 

ad  2.  Das  Lig.  collaterale  fibulare  wird  von  der  Tiefe  aus  auch 
noch  von  der  Endsehne  umfaßt.  Den  besten  Beweis  hierfür  liefert  der 
konstante  Schleimbeutel,  welcher  das  Band  in  einer  Ausdehnung  von  2 
bis  4  cm  umfaßt. 

ad  3.  Die  Verbindung  mit  der  Fascia  cruris,  welche  von  Poirier 
(s.  S.  234)  ausdrücklich  betont  wird,  stellt  ein  Analogen  mit  dem  medial 
gelegenen  Pes  anserinus  dar.  Diese  Einrichtung  bedeutet  einen  wirk- 
samen Schutz  des  N.  peronaeus  communis. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  zerfällt  iu  einen  hinteren  und  lateralen 
Abschnitt,  welche  durch  das  Caput  longuni  einerseits,  das  Caput  breve 
und  die  gemeinschaftliche  Endsehne  andererseits  gebildet  werden. 
Die  Facies  posterior  wird  von  Fascie  und  Haut  durch  den  N.  cutaneus 
femoris  posterior  getrennt.  Die  Facies  lateralis  wendet  sich  gegen 
den  M.  vastus  lateralis,  von  welchem  sie  durch  das  Septum  inter- 
musculare  laterale  geschieden  wird.  Die  Facies  medialis  hängt  im 
proximalen  Viertel  des  Oberschenkels  untrennbar  mit  dem  Ursprünge 
des  M.  semitendinosus  zusammen,  dessen  freiem  Rande  sie  sich  im 
mittleren  Drittel  anschmiegt.  Im  distalen  Drittel  des  Oberschenkels 
gewinnt  jedoch  der  M.  semimembranosus  allmählich  die  Oberfläche 
und  bildet  dann  die  Nachbarschaft,  bis  schließlich  an  der  proximalen 
Spitze  der  Kniekehle  die  beiden  Muskeln  sich  voneinander  trennen, 
um  sich  der  eine  zur  Tibia,  der  andere  zur  Fibula  zu  begeben.  Die 
Facies  profunda  wird  von  den  Adductoren  durch  den  N.  ischiadicus 
und  eine  ganze  Anzahl  von  Gefäßen  getrennt,  welche  nicht  allein 
Endzweige  der  Vasa  hypogastrica  sind,  sondern  auch  den  Vasa  iliaca 
externa  durch  die  Vasa  perforantia  bis  hinunter  zu  den  Vasa  poplitea 
entstammen.  Besonders  benannt  ist  die  A.  comitans,  der  distale  End- 
zweig der  A.  glutaea  inferior.  Dann  tritt  auch  der  distale,  ab- 
steigende Endzweig  der  A.  circumflexa  femoris  medialis  in  wechselnde 
Beziehung  zu  diesem  Muskel  und  schließlich  die  R.  perforantes  der 
Vasa  femoris  profunda.  Auch  von  den  Vasa  poplitea  aus  werden 
häufig  ansehnliche  Zweige  geliefert,  welche  ihn  von  dem  M.  vastus 
lateralis  trennen. 

Besonderer  Wert  ist  auf  diejenige  Stelle  zu  legen,  wo  der  N. 
ischiadicus  der  internen  und  chirurgischen  Behandlung  am  bequemsten 
zugängig  ist.  Am  distalen  Rande  des  M.  glutaeus  maximus  und  dem 
lateralen  des  langen  Bicepskopfes  findet  sich  nämlich  der  Druck- 
punkt für  den  Stamm  des  M.  ischiadicus.  Dieser  geht  also  eine 
bemerkenswerte,  ganz  spitzwinklige  Unterki'euzung  des  M.  biceps 
femoris  ein,  indem  sein  Stamm  zunächst  an  der  lateralen  Seite  und 
dann  unter  ihm  gelagert  ist.  Wenn  der  Nerv  den  distalen  Rand  des 
Muskels  erreicht,  teilt  er  sich  gewöhnlich  in  den  N.  peronaeus,  welcher 
unter  dem  Schutze  des  Muskelbauches,  der  Sehne  und  besonders  der 
Ausstrahlung  zur  Fascia  cruris  seinen  Weg  zum  Unterschenkel  nimmt. 
Der  N.  tibialis  hat  aber  in  normalen  Fällen,  d.  h.  wenn  keine  hohe 
Teilung  des  N.  ischiadicus  vorliegt,  nichts  mit  dem  M.  biceps  zu  tun. 


536  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Wirkung-.     (iDiiervation  s.  Fig.  24.) 

I.  Bei  fixiertem  Becken  wirkt  er  als  kräftiger  Beuger  des  Unter- 
schenkels. Wenn  die  rechtwinklige  Beugung  im  Kniegelenke  erreicht 
ist,  entfaltet  sich  jedoch  die  Nebenwirkung  als  Auswärtsdreher.  Bei 
dieser  Stellung  tritt  besonders  der  von  uns  beschriebene  Nebenansatz 
an  der  Tibia  in  Tätigkeit.  Wie  man  sich  an  jedem  Muskelpräparate 
überzeugen  kann,  verläuft  in  der  Streckstellung-  der  Ansatz  am  Capi- 
tulum  flbulae  parallel  zum  Femur,  der  Ansatz  an  der  Tibia  biegt 
fast  im  rechten  WMnkel  nach  vorn  um.  —  Bei  der  Beugestellung  des 
Kniees  ist  es  gerade  umgekehrt.  Die  Anheftung  an  der  Tibia  liegt 
in  derselben  Richtung  wie  die  Achse  des  Oberschenkels  und  ist  an- 
gespannt; zur  Fibula  geht  die  Sehne  senkrecht  nach  unten  herab. 
Wir  können  diese  Tatsache  vielleicht  in  folgende  Worte  kleiden:  die 
Insertion  an  der  Fibula  bewirkt  vor  allem  die  Beugebewegung,  die 
an  der  Tibia  die  Rotation  nach  außen. 

IL  Bei  fixiertem  Unterschenkel  wirkt  er  durch  den  kurzen  Biceps- 
kopf  auf  den  Oberschenkel  als  Beuger  im  Kniegelenke,  wie  es  der 
Fall  ist,  wenn  man  sich  z.  B.  auf  einem  oder  beiden  Füßen  stehend 
auf  einen  Stuhl  niederlassen  will.  Ungleich  stärker  wirkt  die  Kraft 
auf  das  Becken,  wenn  das  Knie  gestreckt  und  der  Rumpf  im  Hüft- 
gelenke möglichst  weit  gebeugt  ist.  Dann  richten  die  am  Tuber 
ischiadicum  anheftenden  langen  Muskeln  den  Rumpf  im  Becken  auf 
und  entlasten  so  den  M.  glutaeus  maximus  in  der  wirksamsten  Weise. 

Besondere  Varietät. 

Der  Ansatz  des  Muskels  war  mit  seinen  vorderen  Sehnenfasern  nicht 
allein  bis  zur  Tibia  verfolgbar,  sondern  ließ  noch  in  aller  Klarheit  bis 
14  cm  lange  Fasern  in  einheitlicher  Schicht  auf  die  sogenannte  Fascia 
cruris  anterior  übergehen.  Die  Rückseite  der  Unterschenkelfascie  war 
bereits  entfernt,  so  daß  die  Ausdehnung  der  hinteren  sogenannten  fas- 
ciellen  Insertion  sich  nicht  mehr  feststellen  ließ.  Das  Septum  intermus- 
culare  mediale  stellte  nur  eine  zarte  Lamelle  dar,  w^elche  innig  mit  der 
Ansatzsehne  des  M.  adductor  magnus  zusammenhing.  Dieser  Ansatz  war 
2  cm  breit,  fächerartig  sich  auflösend  in  eine  vordere  sehnige  und  hintere 
muskulöse  Abteilung.  Letztere  hing  untrennbar  mit  dem  Ursprünge  des 
medialen  Kopfes  des  M.  gastrocnemius  und  der  hinteren  medialen  Wand 
der  Kniegelenkskapsel  zusammen.  Auch  am  vorderen  Umfange  des  Epi- 
condylus  medialis  war  ein  besonderer  bandartiger  Zug  vorhanden,  welcher 
mit  zwei  Schenkeln  auf  den  M.  vastus  medialis  überging,  an  der  am 
meisten  distal  gelegenen  Uebergangsstelle  des  Muskelfleisches  in  die  End- 
sehne, welche  hier  ein  breites  Retinaculum  patellae  mediale  entwickelte. 

M.  semimembraiiosiis. 

Synonyma:  Halbhäutiger  Muskel ;  Flexor  cruris  tibialis;  Demi-mem- 
braneux,  demi-aponevrotique  (Bichat),  ischio-poplite-tibial  (Chauss.,  Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  in  seinem  Ursprünge  vom  Tuber  ischiadicum  vollkommen 
versteckt  gelegene  Muskel  bildet  die  tiefe  Lage  der  langen  Beuger 
am  Oberschenkel.     Der  Ursprung  ist  rein  sehnig  und  durchaus  ver- 


M.  semimembranosus.  537 

gleichbar  mit  einer  scharf  geschliffenen  Säbelklinge,  deren  Rücken 
medial  gewandt  ist,  während  die  scharfe  blattartige  Kaute  lateralwärts 
schaut.  Der  mächtige  Muskelbauch  erlangt  seine  größte  Dicke  im 
zweiten  und  dritten  Viertel  des  Oberschenkels.  Er  ist  es  vor  allem, 
welcher  die  mediale  obere  Begrenzung  der  Kuiekehle  bildet,  und 
nicht  der  M.  semitendinosus,  welcher  mit  seinem  Muskelbauche  und 
vor  allem  seiner  Endsehne  sich  in  den  M.  semimembranosus,  sowohl 
in  den  sehnigen  Ursprung  wie  in  den  Muskelbauch  hineinbettet. 

Noch  auffälliger  als  beim  Menschen  ist  diese  Einrichtung  z.  B.  beim 
Kaninchen  verwirklicht,  wo  der  M.  semimembranosus  sogar  von  dem 
M.  semitendinosus  durchbohrt  wird,  und  noch  charakteristischer  ist  der 
Unterschied  in  der  Earbe  der  Muskelsubstanz.  Der  M.  semimembranosus 
besitzt  nämlich  das  hellrote  Fleisch,  welches  für  die  Kaninchen,  Lepus 
cuniculus,  und  ebenso  für  die  Haushühner  (Puter)  bekannt  ist,  während 
der  M.  semitendinosus  das  dunkelrote  Fleisch  besitzt,  welches  bei  dem 
nahen  Verwandten  des  Kaninchens,  dem  Hasen,  Lepus  timidus,  sich 
vorfindet.  Physiologisch  ist  ja  der  Unterschied  zwischen  dem  hellen 
und  dunklen  Fleische  in  der  Weise  festgestellt,  daß  die  hellfleischigen 
Muskeln  eine  plötzliche  Arbeit  mit  größter  Schnelligkeit  verrichten  können, 
während  die  dunkelfleischigen  zwar  langsam,  aber  mit  um  so  größerem 
Nachdrucke  arbeiten,  und  in  diesem  Falle  vereint  sich  besonders  durch 
die  Durchbohrung  des  hellfleischigen  Muskels  durch  die  Sehne  des  dunkel- 
fleischigen Schnelligkeit  und  Kraft,  welche  das  Kaninchenbein  vor  denen 
anderer  Tiere  auszeichnen. 

Der  Ansatz  des  Muskels  ist  vielleicht  der  verwickeltste  des  ganzen 
menschlichen  Körpers,  indem  die  Endsehne  eigentlich  für  sich  allein 
einen  gänzlich  gesonderten  tiefen  Gänsefuß,  Pes  anserinus  profundus 
cruris,  Patte  d'oie  profonde,  bildet,  von  dem  bekannten  „oberfläch- 
lichen" getrennt  durch  das  Lig.  collaterale  tibiale.  Der  Hauptansatz 
liegt  dicht  unterhalb  des  Condylus  medialis  tibiae;  ein  zweiter  rück- 
läufig nach  oben  und  lateral  in  die  Kniegelenkskapsel  ausstrahlender 
Zug  wird  als  Lig.  popliteum  obliquum  bezeichnet;  ein  dritter,  meist 
nicht  besonders  angeführter  Zug  bildet  eine  außerordentliche  Ver- 
stärkung der  Fascie  des  M.  popliteus.  Außerdem  besitzt  die  Endsehne 
noch  mehr  oder  minder  ausgedehnte  Verschmelzungen  mit  der  hinteren 
Wand  der  Kniegelenkskapsel,  welche  auch  uns  zu  keiner  besonderen 
Bezeichnung  Veranlassung  geben. 

In  bezug  auf  seine  Wirkung  wird  dieser  Muskel  für  gewöhnlich 
unterschätzt.  Er  ist  ein  vollkommen  gleichwertiger  Synergist  mit  den 
drei  Muskeln,  welche  mit  ihren  Sehnen  den  muskulösen  Pes  anse- 
rinus bilden,  Synergist  im  Sinne  der  Beugung  des  Unterschenkels 
uegeu  den  Oberschenkel  auch  mit  dem  M.  biceps  femoris,  dagegen 
Antagonist  mit  dem  letzteren,  wenn  es  sich  um  die  Rotation  des  ge- 
beugten Unterschenkels  handelt.  Der  M.  semimembranosus  besorgt 
fast  allein  die  Einwärtsrotation,  wofern  keine  gewaltsame  Anstren- 
gung in  Frage  kommt,  während  die  Auswärtsrotation  durch  die 
beiden  Köpfe  des  M.  biceps  besorgt  wird.  —  Die  eben  geschil- 
derten Ansätze  der  Endsehne  an  anderen  Teilen  des  Kniegelenk- 
apparates erzielen  noch  viele  andere  Gesichtspunkte,  welche  sich 
jedoch  nicht  bei  der  allgemeinen  Beschreibung  ausführen  lassen  (siehe 
Abschnitt  Wirkung), 

123 


S38  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  vom  Tuber  ischiadicum  ist  breitsehnig  und  erzeugt 
ebenso  wie  die  Ursprungssehne  des  Caput  longum  m.  bicipitis  femoris 
eine  charakteristische  glatte  Knochenstelle  in  Gestalt  einer  komma- 
artigen Fläche,  deren  rauhe  Kante,  der  Strich  des  Kommas,  jedoch 
nach  oben  gekehrt  ist.  Ein  derartiger  Vergleich  findet  sich  ja  auch 
beim  M.  deltoideus,  welcher  mit  einem  umgekehrten  Delta  gewisse 
Aehnlichkeit  besitzt. 

Frohsb  hat  in  einem  Falle  Becken  und  Beine  eines  kleinen,  ca. 
40-jährigen  Mannes  untersuchen  können,  bei  welchem  das  eine  Bein  im 
Oberschenkel  amputiert  war,  und  dabei  stellte  sich  die  Tatsache  heraus, 
daß  auf  der  gesunden  Seite  die  Ursprungsfläche  der  Beugemuskeln  voll- 
kommen glatt  war,  während  auf  der  anderen  Seite,  wo  der  Oberschenkel 
etwas  oberhalb  der  Mitte  amputiert  war,  diese  Urspriingsfläche  ganz 
sonderbare  warzenähnliche  Rauhigkeiten  aufwies.  Also  ist  der  glatte 
Ursprung  oder  Ansatz  am  Knochen,  wie  es  auch  an  anderen  Stellen  be- 
tont ist,  ein  Charakteristikum  für  normales  Verhalten.  Die  Mchttätigkeit 
der  durch  die  Amputation  geschädigten  Beuger  der  kranken  Seite  ließ 
ohne  Zweifel  die  Knochensubstanz  wuchern,  was  auf  der  anderen  Seite 
nicht  eintreten  konnte. 

Jedenfalls  lehrt  die  Abbildung  (Fig.  16),  daß  der  Ursprung  vom 
Tuber  ischiadicum  weiter  rumpfwärts  hinaufragt,  als  der  Beginn  der 
entsprechenden  Stelle  der  oberflächlichen  Beuger  des  Oberschenkels. 
Erklärlich  wird  diese  Tatsache  nur  durch  die  Gegenwart  eines  Schleim- 
beutels, welcher,  wenn  auch  nicht  vollständig,  die  Ursprünge  trennt. 
Die  im  Ursprünge  ungefähr  2  cm  breite,  lateral  3  mm  dicke  und 
medial  zugeschärfte  Sehne  verbreitert  sich  medialwärts  schnell,  nimmt 
aber  die  ersten  Muskelbündel  erst  im  zweiten  Viertel  des  Ober- 
schenkels auf  in  einer  schrägen  Linie,  deren  oberer  Anfangspunkt 
lateral  liegt,  während  das  Ende  sich  medial  unten  befindet.  Auch 
hier  haben  wir  die  trichterartige  Form  der  Ursprungssehne  zu  be- 
achten. Es  muß  hier  gleich  vorweggenommen  werden,  daß  die  End- 
sehne sich  genau  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  entwickelt,  vor 
allem  also  medial.  Von  der  lateral  gelegenen  Ursprungssehne  ziehen 
nun  die  Muskelbündel  als  solche  durchweg  parallel  zur  medial  ge- 
legenen Ansatzsehne ;  obwohl  der  gesamte  Muskel  in  der  Längsrichtung 
des  Oberschenkels  verläuft,  d.  h.  parallel  zum  Oberschenkelknochen, 
hat  die  Faserung  der  einzelnen  Muskelbündel  nicht  dieselbe  Richtung, 
sondern  kreuzt  die  erste  Achse  unter  einem  spitzen  Winkel.  Der 
Muskelbauch  ist  sehr  dick,  besonders  beim  Uebergange  in  die  End- 
sehne, und  so  kann  es  nicht  wundernehmen,  daß  die  zugehörigen 
Nerven  und  Gefäße  nicht  auf  eine  einzelne  Stelle  beschränkt  sind. 
Bei  der  Größe  der  in  Betracht  kommenden  Gebilde  sind  die  ent- 
sprechenden Lücken  recht  groß  und  machen  den  Muskel  zu  einem 
schwer  auszupräparierenden.  Wie  bereits  in  der  allgemeinen  Be- 
schreibung erwähnt  ist,  hat  der  Muskel  einen  dreifachen  Ansatz: 
1)  dicht  unterhalb  des  Condylus  medialis  tibiae,  2)  in  der  hinteren 
Kapselwand  des  Kniegelenkes  als  Lig.  popliteum  obliquum,  3)  in  der 
Fascie  des  M.  popliteus. 

Wenn  der  Unterschenkel  gestreckt  ist,  verläuft  der  Hauptansatz 
in  einem  proximalwärts  konkaven  Bogen  um  die  mediale  Fläche  der 
Tibia  unter   dem  Lig.  collaterale  tibiae  herum   und  tritt  sogar  unter 

124 


M.  semimembranosus.  539 

diesem  Bande  als  Wulst  hervor.  Um  die  Reibung  zu  verringern, 
rindet  sich  zwischen  Sehne  und  Band  ein  Schleimbeutel,  für  welchen 
wir  den  Namen  B.  subligamentosa  m.  semimembrauosi  vorschlagen 
möchten.  Diese  Ansatzstelle  wird  ja  mit  Rücksicht  auf  den  Band- 
apparat des  Kniegelenkes  auf  dem  Präpariersaale  und  auch  sonst 
kaum  jemals  ausgiebig  freigelegt.  Wenn  der  Unterschenkel  dagegen 
-ebeugt  ist,  gleicht  sich  die  knickartige  Umbiegung  der  Endsehne 
vollkommen  aus,  sie  verläuft  dann  in  derselben  Richtung  wie  Ur- 
sprungssehne und  Muskelbauch  und  kann  nun  ihrerseits  in  der  gün- 
stigsten Weise  die  zweite  Wirkung  auslösen,  nachdem  sie  bereits  an 
der  Beugung  des  Unterschenkels  mitgeholfen  hat,  nämlich  seine  Ein- 
wärtsrotation. Bei  dieser  Stellung  wird  die  hintere  Wand  der  Knie- 
gelenkskapsel  schlaff  und  legt  sich  in  Falten;  in  zweckmäßiger 
Weise  unterstützt  das  Lig.  popliteum  obliquum,  welches  dann  auch 
nicht  mehr  rückläufig,  sondern  quer,  selbst  gerade  als  unmittel- 
bare Verlängerung  der  Endsehne  verläuft,  als  sogenannter  Kapsel- 
schützer, damit  sie  nicht  eingeklemmt  wird.  Die  Bedeutung  der  Aus- 
strahlung der  Endsehne  des  Muskels  in  die  Fascie  des  M.  popliteus 
liegt  vielleicht  darin,  daß  sie  bei  der  Kontraktion  dieses  Synergisten 
den  Muskelbauch  gegen  das  Schienbein  festpreßt  und  sich  nicht  in 
unliebsamer  Weise  gegen  die  Gefäße  und  Nerven  des  Kniekehle  vor- 
wölben läßt.  Bei  der  Beugung  des  Unterschenkels  dagegen  lüftet 
gewissermaßen  der  Zug  des  M.  semimembranosus  die  Loge,  in  welcher 
der  M.  popliteus  eingebettet  ist. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  beteiligt  sich  nur  in  untergeordneter  Weise  am  Ober- 
flächenbilde des  Oberschenkels  und  der  Kniekehle.  An  einem  topo- 
graphisch sorgfältig  dargestellten  oder  nachgebildeten  Präparate  sieht 
man,  wie  der  M.  semimembranosus  mit  zwei  Teilen  seines  Muskel- 
bauches nur  von  Haut  und  Fascie  bedeckt  ist,  welche  geschieden 
werden  durch  die  lange  Endsehne  des  M.  semitendinosus,  der  sich 
proximal  auch  noch  mit  seinem  Muskelbauche  in  eine  entsprechende 
Grube  des  M.  semimembranosus  oder  seiner  Ursprungssehne  hinein- 
legt. Die  hintere,  distalwärts  konvexe  Fläche  bildet  die  obere  mediale 
Begrenzung  der  Kniekehle;  die  mediale  liegt  an  der  Innenseite  des 
Oberschenkels  mehr  proximalwärts,  ist  langgestreckt  und  nimmt  das 
Feld  ein  zwischen:  M.  adductor  magnus  (Basis)  und  M.  gracilis  und 
M.  semitendinosus  (Seitenränder  des  Dreieckes).  Im  übrigen  liegt  der 
Hauptteil  des  Muskelbaucjies  und  die  Ursprungssehne  unter  der  ober- 
flächlichen Schicht  der  Beugemuskelu  am  Oberschenkel  verborgen. 
Daß  jedoch  am  Präparate  die  Ursprungssehne  auch  ohne  Beiseite- 
drängung  der  oberflächlichen  Schicht  sichtbar  gemacht  werden  kann, 
ist  oben  beschrieben  und  durch  eine  Abbildung  (s.  Fig.  16)  erläutert. 

Die  allgemeine  Bezieiiung  zur  Rückseite  des  Oberschenkels  mußte 
bereits  beim  M.  semitendinosus  beschrieben  werden  und  erübrigt 
sich  hier. 

Die  Facies  profunda,  in  Wirklichkeit  die  Vorderfläche  des  Muskels, 
ruht  auf  dem  M.  adductor  magnus,  der  Ursprungsteil  deckt  noch  den 
M.  quadratus  femoris,  die  Endsehne  kommt  in  breite  Berührung  mit 
dem  Caput  mediale  des  M.  gastrocnemius.  Die  laterale  Fläche  wendet 
sich  gegen  das  Caput  breve  des  M.  biceps  femoris,    soweit  sie  nicht 

125 


540 


N.  peroiiaeus  comin. 


Origo  propria 
m.  semimembranosi 


Origo  communis  (m.  semitendinosus 
—  Caput  longum  m.  bicipitis) 


Aponeurosis  i  n  t  c  r  muscularis 


Septum  tendineum  i  n  tramusculare  ; 

m.  semitendinosi  / 


1  M.  biceps,  caput 
longum 

2  M.  semimembranosus 

3  M.  biceps,  caput 
breve 

4  M.  semitendinosus 


Fig.  25.    Flexorengruppe  am  Oberschenkel,  Nervenbild,  systematisch. 


M.  semimembranosus.  541 

Die  vier  Muskelbäuche  sind  auseinandergelegt  und  so  gelagert,  daß  auch  noch 
topographische  Beziehungen  gewahrt  sind.  Das  Nervenbild  ist  von  der  Facies  pro- 
funda aller  4  Muskeln  dargestellt,  wobei  natürlich  die  tiefe  Schicht,  der  kurze 
Bicepskopf  und  der  M.  semimembranosus  vollkommen  zur  Seite  gerollt  werden 
mußten.  Die  langen  Beuger  beziehen  ihre  Nerven  aus  dem  N.  tibialis,  der  kurze, 
das  Caput  breve  m.  bicipitis  aus  dem  N.  peronaeus.  Für  jeden  einzelnen  Muskel 
ist  nach  dem  architektonischen  Aufbau  der  Muskelbündel  die  Art  des  Eintrittes  der 
Nerven  gleichsam  vorgeschrieben.  Für  den  M.  semimembranosus  haben  wir  einen 
langen  Nerven,  der  sich  bei  der  Dicke  des  Muskels  nicht  mit  einem  marginalen 
Eintritte  des  Nerven  begnügen  kann,  sondern  sowohl  auf  der  Vorder-,  Innen-  wie 
Rückfläche  in  verschiedenen  Muskelinterstitien  die  etwa  7  extramuskulären  Fasern 
aufnimmt.  Besonders  zu  betonen  sind  die  Sehnennerven,  bei  denen  im  proximalen 
Drittel  ein  einheitlicher  Zweig  für  die  Ursprungssehne  hervorgeht,  während  sich 
im  distalen  Drittel  des  Muskels  mehrere  Zweige  zur  Endsehne  entwickeln.  Die 
Eintrittsstellen  des  Nerven  sind  auf  eine  Länge  von  14  cm  verteilt,  ein  Befund, 
welcher  fast  genau  auch  bei  dem  M.  semitendinosus  und  dem  Caput  longum  m. 
bicipitis  wiederkehrt. 

Der  M.  semitendinosus  wird  ja  von  uns  als  zweibäuchiger  Muskel  beschrieben, 
wie  es  vor  allen  Dingen  auch  durch  die  Innervation  bestätigt  wird.  Der  obere 
Bauch  bezieht  seinen  Nerven  bereits  in  der  Höhe  des  Tuber  ischiadicum,  während 
der  distale  erst  mit  der  Mitte  des  Oberschenkels  seinen  Eintritt  gewinnt.  Ver- 
bindungen zwischen  beiden  Nerven  konnten  wir  nicht  nachweisen,  obwohl  die 
Einzelnerven  einige,  wenn  auch  nicht  zahlreiche  Anastomosen  aufwiesen.  Beide 
Nerven  haben  die  gleichen  Eintrittsarten,  nämlich  von  der  Facies  profunda  aus  und 
hegeben  sich  in  den  Muskel  hinein  nur  in  zwei  Nervenlinien,  welche  ein  Muskel- 
bündel von  etwa  1  cm  umfassen. 

Der  M.  biceps  empfängt  für  sein  Caput  longum  einen  einheitlichen  Nerven- 
zweig, der  fast  ausschließlich  in  einem  einzigen  Muskelinterstitium  mit  etwa  7  Zweigen 
eintritt  und  hier  auch  seinen  ansehnlichen  Ast  für  die  Endsehne  entwickelt. 

Der  kurze  Bicepskopf  wird  von  einem  besonderen  Zweige  des  N.  peronaeus 
versorgt,  welcher  ziemlich  proximal  aufhört,  extramuskulär  zu  sein  und  die  marginale, 
mediale  Kante  des  Muskels  umfaßt,  ungefähr  in  derselben  Weise,  wie  \nr  es  auch 
beim  M.  flexor  poUicis  longus  beschrieben  haben.  Einige  intramuskuläre  Verbin- 
dungen zwischen  dem  vorderen  und  hinteren  Zweige  sind  vorhanden.  — 

von  dessen  Caput  longum  zugedeckt  wird.  Die  mediale  Fläche  stellt 
iu  der  ürsprungssehne  nur  einen  dünnen  Saum  dar,  welcher  sich 
gegen  die  Kniekehle  hin  zu  dem  bereits  beschriebenen  unter  der 
Haut  und  Fascie  gelegenen  Wulste  verbreitert.  Gedacht  ist  schon 
des  Schleimbeutels  im  proximalen  Teile  am  Tuber  ischiadicum  zwischen 
oberflächlicher  und  tiefer  Beugeschicht,  ferner  der  B.  subligamentosa 
nobis,  wo  sich  die  Endsehne  unter  das  Lig.  collaterale  tibiale  herunter- 
schiebt. Hier  werden  noch  andere  Schleimbeutel,  die  B.  m, 
gastrocnemii  medialis  und  die  B.  m.  semimembranosi,  beschrieben. 
Wenn  dieser  Schleimbeutel  zwischen  beiden  Muskeln  gelegen  ist,  wie 
es  wohl  der  Regel  entsprechen  dürfte,  dann  müßte  man  von  einer 
B.  gastrocnemio-semimembranosa  reden.  Dieser  Schleimbeutel  kann 
schon  bei  jugendlichen  Personen  eine  sehr  große  Ausdehnung  ge- 
winnen, besonders  dann,  wenn  er  mit  dem  Kniegelenke  in  Verbindung 
steht. 

Ein  derartiger  an  einem  15-jährigen  Mädchen,  welches  augenscheinlich 
sehr  zu  häuslichen  Arbeiten  auf  dem  Lande  herangezogen  war,  beobachteter 
Fall  bestimmte  v.  Bardelehen  und  Frohse  zu  einer  Untersuchung  über 
die  Häufigkeit  einer  Verbindung  zwischen  Gelenkhöhle  und  diesem  Schleim- 
beutel.    Sie  war  auch  an  8  Vergleichspräparaten  nicht  verwirklicht. 

Gefäße  und  Nerven. 

Der  lange  einheitliche  Nerv  kommt  bereits  dicht  unterhalb  des 
Tuber  ischiadicum  aus  dem  gleichnamigen  Nerven  heraus  und  senkt 

127 


542  FROHSE  und    M.    FRÄNKEL, 

sich  in  mehreren  Interstitiell  in  die  laterale  Fläche  des  Muskels  ein. 
Der  letzte  Nervenzweig  erreicht  mit  seinem  extramuskulären  Verlaufe 
sogar  das  distale  Drittel  des  Oberschenkels.  An  die  Eintrittsstellen 
der  Nerven  halten  sich  auch  die  Gefäße,  welche  jedoch  bei  der  Länge 
des  Muskelbauches  verschiedenen  Quellen  entstammen.  Es  handelt 
sich  um  Seitenzweige  der  verschiedenen  Rami  perforantes  der  A. 
profunda  femoris,  welche  untereinander  vielfach  in  Verbindung  stehen 
können,  und  so  der  Muskelsubstanz  eine  ausgiebige  Blutzufuhr 
schaffen.  Auch  die  vorderen  Aeste  der  A.  femoralis,  gleichviel,  ob 
sie  aus  der  A.  femoralis  selbst,  der  A.  circumflexa  medialis  oder  der 
A.  profunda  femoris  entstanden,  können  sich  in  ausgiebiger  Weise 
nach  Durchsetzung  der  Adductorengruppe  an  der  Blutversorgung  des 
M.  semimembranosus  beteiligen.  Gewöhnlich  vergessen  wird  die 
Blutversorgung  des  distalen,  überhaupt  am  mächtigsten  entwickelten 
Teiles  des  Muskelbauches.  Die  entsprechenden  Gefäße  führen  nicht 
mehr  zu  den  Vasa  femoralia,  sondern  höchstens  zu  den  Vasa  genu 
suprema,  vor  allen  Dingen  aber  zu  den  Vasa  poplitea,  sei  es  zu 
deren  Hauptstämmen  oder  einem  sogenannten  Gelenkzweige.  Aber 
gerade  hier  haben  die  Aeste  für  Muskeln  noch  Endzweige  für  die 
Hautgebilde,  und  man  darf  vom  praktischen  Standpunkte  niemals 
vergessen,  daß  die  Begleitvenen  der  oft  unbedeutenden  Hautarterien 
den  wichtigen  venösen  Kollateralkreislauf  oft  in  unglaublicher  Weise 
unterstützen,  ohne  daß  man  vom  anatomischen  Standpunkte  aus  eine 
Varicenbildung  nachweisen  kann,  welche  man  bei  der  enormen  Weite 
der  Begleitvenen  hätte  voraussetzen  können. 

Wir  bitten  die  Fachgenossen  bei  den  Präparationen  etwaige 
Nebenzweige  zu  beachten,  welche  von  dem  starken  Nervenaste  für 
den  M.  semimembranosus  sich  abzweigen,  um  sich  teilweise  zum  M. 
adductor  magnus  in  seinem  Fleische,  oder  als  Gelenknerv  zur  hinteren 
Wand  der  Kniegelenkskapsel  zu  begeben.  Könnte  vielleicht  hier  die 
in  England  gebräuchliche  Methode  Eingang  finden,  ein  Preisausschreiben 
für  die  Landesuniversitäten  zu  machen,  in  welcher  Weise,  wie  oft  bei 
den  beiden  Geschlechtern  diese  Nervenzweige  verwirklicht  sind? 

Pes  anserinus  (Patte  d'oie). 

Wie  wir  an  der  Außenseite  des  Oberschenkels  einen  aus  3  Kom- 
ponenten zusammengesetzten  Zug,  den  Tractus  iliotibialis,  beschrieben 
haben,  können  wir  es  auch  an  der  medialen  Seite  machen.  Die  3  Kom- 
ponenten sind  muskulös  und  bestehen  aus  dem  M.  sartorius,  welcher 
von  der  Spina  iliaca  ant.  sup.,  also  vom  Os  ilium  entspringt,  dem 
M.  gracilis,  welcher  die  Symphyse  oder  das  Os  pubis  zum  Ursprünge 
benutzt  und  dem  M.  semitendinosus,  welcher  den  tiefsten  Punkt  des 
Beckens,  das  Tuber  ischiadicum  zur  Origo  hat.  Diese  drei  Knochen- 
punkte, welche  gleichzeitig  die  drei  Bestandteile  des  Hüftbeines  in 
sich  fassen,  liegen  räumlich  weit  voneinander  entfernt,  der  erste  vorn, 
der  zweite  medial  und  der  dritte  hinten.  Ebenso  ergibt  die  Inner- 
vation überraschende  Aufschlüsse,  indem  der  vordere  Muskel,  der 
M.  sartorius  vom  N.  femoralis,  der  mittlere  oder  mediale,  M.  gracilis  vom 
N.  obturatorius  und  der  hintere,  der  M.  semitendinosus  vom  N.  ischi- 
adicus  oder  genauer  vom  N.  tibialis  versorgt  wird.    Trotz  dieser  ver- 

128 


Unterschenkel.  54S 

schiedenen  Lage  und  Innervation  beteiligen  sich  die  3  genannten 
Muskeln  an  derselben  Wirkung  der  Flexion  des  Unterschenkels  gegen 
den  Oberschenkel,  deren  besondere  Aufgabe  als  Hochheber  (M.  sar- 
torius),  Einwärtsbeweger  (M.  gracilis)  und  Rückwärtsbeweger  (M. 
semitendinosus)  wir  hier  nicht  weiter  ausführen  wollen.  Es  handelt 
sich  ja  jetzt  nur  um  die  Frage,  wie  der  gemeinschaftliche  Ansatz,  die 
Patte  d'oie  zustande  kommt.  Der  M.  sartorius  muß  eine  Sonder- 
stellung einnehmen,  weil  seine  Ansatzsehne  sehr  flach  ist  und  in  ihrer 
Breite  nur  wenig  von  der  des  Muskelbauches  abweicht;  außerdem 
wird  sie  von  den  beiden  anderen  Komponenten  unter  allen  Umständen 
getrennt  durch  den  N.  saphenus  (major).  So  kann  unter  der  breiten 
Endsehne  sich  ein  besonderer  Schleimbeutel  entwickeln,  die  Bursa  m. 
sartorii  propria,  welche  dann  natürlich  nicht  mit  der  Bursa  anserina 
kommuniziert,  jedoch  mit  ihr  zusammenhängen  kann.  Dann  ist  auch 
die  schwimmhautartige  distale  Verbreiterung  zum  Unterschenkel  nicht 
verwirklicht.  —  Die  Endsehnen  der  M.  gracilis  und  semitendinosus 
lassen  die  gleiche,  jedoch  von  der  des  M.  sartorius  grundverschiedene 
Einrichtung  erkennen,  indem  ein  scharfer  proximaler  Rand  vorhanden 
ist,  dann  die  Hauptendsehne  zur  Geltung  kommt  und  schließlich  an 
ihrem  distalen  Rande  sich  die  sogenannte  Schwimmhaut  zur  Fascia 
cruris  fortsetzt.  Hierbei  findet  sie  ihren  Ansatz  nicht  allein  an  der 
hinteren  medialen  Kante  der  Tibia,  sondern  auch  in  der  Unterschenkel- 
fascie  und  gibt  so  ein  breites  Retinaculum  für  den  so  mächtigen 
medialen  Gastrocnemiuskopf.  Der  Vergleich  mit  einem  „Pes  anserinus" 
trifft  also  nicht  zu.  Bei  einem  solchen  müßten  vorhanden  sein  3  Haupt- 
strahlen, welche  durch  zwei  aponeurotische  Verbindungen  untereinander 
zusammenhängen  müßten.  Es  sind  jedoch  nur  zwei  Hauptstrahlen 
vorhanden  in  Gestalt  der  Endsehnen  der  M.  gracilis  und  semitendi- 
nosus. Die  sogenannten  Schwimmhäute  sind  unter  allen  Umständen 
bei  den  beiden  letztgenannten  Sehnen  verwirklicht,  können  jedoch  auch 
beim  M.  sartorius  vorhanden  sein.  Aber  diese  sehnigen  Ausstrahlungen 
verbinden  nicht,  wie  am  Fuße  der  Gans  die  benachbarten  Haupt- 
strahlen, sondern  decken  sich  dachziegelartig. 

Die  konstante  Bursa  anserina  liefert  den  Beweis  für  die  absolute 
Notwendigkeit  dieser  Muskeln.  Durch  die  Reibung  der  Sehnen  gegen 
das  Lig.  collaterale  tibiale  wird  ein  enorm  großer,  wenn  auch  flacher 
Schleimbeutel  geschaffen,  dessen  Glattwandigkeit  jedem  Untersucher 
sofort  auffällt.  Es  sind  keine  Nebeneinrichtungen  vorhanden,  wie 
etwa  bei  der  Bursa  desM.  obturator  internus  oder  der  Bursa  iliopectinea, 
welche  ja  in  Unterabteilungen  zerlegt  werden  können. 


III.  Unterschenkel. 

Allgemeines. 

Als  knöcherne  Grundlage  sind  am  Unterschenkel  zwei  Knochen 
parallel  nebeneinander  gefügt,  medial  und  mehr  nach  vorn  das  Schien- 
bein, die  Tibia,  lateral  und  mehr  in  der  Tiefe  das  Wadenbein,  die 
Fibula.  Während  am  Oberschenkel  nur  ein  Knochen  vorhanden  ist, 
welcher  allseitig  bis  auf  die  distale  Epiphyse  von  starken  Muskelmassen 
umgeben  ist,  liegt  am  Unterschenkel  das  Schienbein  mit  einer  großen 
Fläche,  nämlich  der  Facies  anterior  medialis  frei  unter  der  Haut  und 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  ii,  3.  35 

129 


544  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

der  durch  das  Periost  ersetzten  Fascie.  Mögen  auch  dünne  Sehnen 
und  Bänder  an  dieser  oder  jener  Stelle  auf  das  Schienbein  über- 
greifen, jedenfalls  wird  nichts  an  der  Tatsache  geändert,  daß  die  eben 
beschriebene  Fläche  der  Tibia  in  ausgiebiger  Weise  der  Palpation 
zugängig  ist. 

Es  gibt  sowohl  am  Vorderarme  wie  am  Unterschenkel  3  Muskel- 
gruppen, die  Beuger,  Strecker  und  die  lateralen  Muskeln,  welche 
beim  Arme  Brachioradialgruppe,  beim  Beine  Wadenbeinmuskeln  genannt 
werden.  Der  prinzipielle  Unterschied  liegt  aber  darin,  daß  1)  am  Vorder- 
arme nur  eine  hintere  Kante  an  der  Ulna  vorhanden  ist,  welche  als 
Muskelgrenze  dient,  während  am  Unterschenkel  die  Crista  anterior  tibiae 
sich  unmittelbar  in  eine  breite  muskelfreie  Fläche,  die  Facies  medialis 
nach  hinten  fortsetzt;  2)  in  der  anatomischen  Haltung  des  Vorder- 
armes in  Supinationsstellung,  bei  der  die  Beuger  vorn  und  die  Strecker 
hinten  liegen,  während  am  Unterschenkel  das  Gegenteil  der  Fall  ist. 
Ein  dritter  wichtiger  Unterschied  besteht  darin,  daß  am  Vorder- 
arme eine  gleichmäßige  Verjüngung  dieses  Teiles  zum  Handgelenke 
eintritt,  während  beim  Unterschenkel  zwar  vorn  und  lateral  die  gleiche 
Einrichtung  verwirklicht  ist,  hinten  dagegen  die  oberflächliche  Schicht 
der  Beuger  als  Wade  beim  Menschen  meistens  als  eine  starke,  scharf 
abgegrenzte  Muskelmasse  in  die  Augen  fällt.  Beim  Weibe  ist  sie 
manchmal,  besonders  im  Vergleiche  zu  der  starken  Entwicklung  des 
Oberschenkels  und  der  Hüfte  unglaublich  schwach.  Als  Rasseneigen- 
tümlichkeit sei  erwähnt,  daß  die  Neger  und  Inder  auch  beim  männ- 
lichen Geschlechte  dünne  Waden  aufweisen,  obwohl  sie  stundenlange 
Dauerläufe  ohne  sonderliche  Ermündung  ausführen  können,  was  für 
den  Europäer  im  gleichen  Falle  nicht  zutrifft  (Franke l). 

M.  tibialis  anterior. 

Synonyma :  Vorderer  Schienenmuskel ;  Tibius,  M.  tibiaeus  anticus, 
M.  hippicus,  M.  catenae;  Jambier  anterieur,  tibio-sus-tarsien  (Chauss.), 
tibio-sus-metatarsien  (Dum,). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  spindelförmige  Muskelbauch  nimmt  die  äußere  vordere  Fläche 
des  Schienbeines  ein,  zu  welchem  Knochen  er  in  viel  innigerer  Be- 
ziehung steht,  als  der  M.  tibialis  posterior,  welcher  erst  im  distalen 
Drittel  des  UntersQhenkels  sich  breit  an  das  Schienbein  anschmiegt. 
Seine  starke  Sehne,  welche  in  eine  lange  Schleimscheide  eingeschlossen 
ist,  geht,  in  zwei  Zipfel  gespalten,  zu  dem  Os  cuneiforme  I  und  dem 
Os  metatarsale  I,  wobei  zu  beachten  ist,  daß  der  Ansatz  sich  ziem- 
lich weit  plantarwärts  erstreckt.  Er  ist  ein  wirklicher  Dorsalbeuger 
des  Fußes  und  hebt  gleichzeitig  den  medialen  Fußrand,  eine  Bewegung, 
welche  praktisch  als  Supination  bezeichnet  wird. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Wie  bei  allen  anderen  Unterschenkelmuskeln,  mit  Ausnahme  der 
beiden  Köpfe  des  M.  gastrocnemius,  des  M.  plantaris  und  desM.  popliteus, 
bildet  der  Spalt  des  Kniegelenkes  die  unverrückbare  Grenze,  welche 
niemals  proximalwärts  überschritten  wird.  Er  reicht  jedoch  noch  etwas 
über  die  Tuberositas  tibiae  hinaus  bis  zu  einem  Knochenpunkte,  welcher 

13© 


M.  tibialis  anterior.  546 

in  den  deutschen  Lehrbüchern  nur  wenig  Beachtung  findet  und  von 
DüVAL^)  fälschlich  als  Vorsprung  des  vorderen  Schienbeinmuskels 
bezeichnet  wurde.  Dieser  Punkt  verdankt  seine  Entstehung  der  Zug- 
wirkung des  Tractus  ilio tibialis.  Dann  geht  der  Ursprung  vom  Schien- 
beine bis  zur  Grenze  des  mittleren  und  distalen  Drittels  mit  eigen- 
tümlich lamellenartig  gebauten  Bündeln,  welche  teilweise  die  Mem- 
brana interossea  cruris  erreichen.  Die  Verbindung  zum  M.  extensor 
digitorum  longus  durch  die  Fascia  cruris  ist  eine  sehr  innige,  und 
es  fällt  besonders  bei  der  Unterbindung  der  A.  tibialis  anterior  im 
oberen  Drittel  oft  sehr  schwer,  von  dem  Hautschnitte  aus  in  das 
richtige  Interstitium  einzudringen,  besonders  wenn  der  Operierende 
sich  nicht  klar  macht,  daß  der  Muskelrand  sehr  stark  nach  lateral 
konvex  sein  kann,  und  der  Muskelbauch  au  dieser  Stelle  seine  größte 
Breite  besitzt,  worauf  wir  beim  M.  extensor  digitorum  communis  noch 
einzugehen  haben  werden.  Die  Endsehne  wird  bereits  im  distalen 
Drittel  des  Unterschenkels  sichtbar;  vollkommen  frei  jedoch  erst 
etwas  proximal  vom  medialen  Knöchel,  wo  sie  nicht  mehr  an  der 
Außenseite  der  Tibia,  sondern  an  ihrer  Vorderseite  gelegen  ist.  Hier 
wird  sie  durch  eine  Verdickung  der  Fascia  cruris  gegen  den  Knochen 
gehalten,  eine  Bildung,  welche  man  erst  künstlich  je  nach  Belieben 
in  einer  Breite  von  % — 5  cm  heraussetzen  muß,  welche  aber  nichts- 
destoweniger den  besonderen  Namen  Lig.  transversum  cruris  führt. 
Dann  tritt  sie  durch  ein  besonderes  Fach  des  Lig.  cruciatum  cruris 
hindurch,  welches  seinerseits  jedoch  zum  größten  Teile  dem  Fuße 
angehört,  kreuzt  dabei  das  Collum  tali,  die  mediale  Fläche  des  Os 
naviculare,  bettet  sich  dann  in  eine  Rinne  des  Os  cuueiforme  I  ein 
und  findet  den  Ansatz  an  dem  distalen  Ende  dieses  Knochens  und 
einen  zweiten  an  der  Basis  des  Os  metatarsale  I.  Diese  Ausätze 
lassen  sich  in  voller  Ausdehnung  von  der  medialen  Seite  aus  er- 
kennen, nur  ganz  wenig  von  qben  her,  bedeutend  besser  von  der 
plantaren  Seite.  Dieses  Uebergreifen  nach  der  Fußsohle  unterstützt 
selbstverständlich  die  supiniörende  Wirkung,  das  Hochheben  des  me- 
dialen Fußrandes,  außerordentlich. 

Gerade  an  der  unteren  Extremität  machen  sich  die  Ursprünge 
oder  Ansätze  von  Sehnen  in  charakteristischer  Weise  geltend,  wie 
wir  es  bei  der  oberen  Extremität  eigentlich  nur  am  Tubeiculum 
majus,  minus  und  der  Tuberositas  radii  kennen  gelernt  haben  in 
Gestalt  von  glatten  Flächen,  die  noch  ebener  sein  können  als  die  des 
Knorpels  beraubten  Gelenkenden.  Wir  haben  dieser  Tatsache  be- 
sonders beim  Tuber  ischiadicum  Rechnung  tragen  müssen  und  finden 
es  in  vielen  Fällen  beim  Ansätze  des  M.  tibialis  anterior  wieder,  ein 
ziemlich  glattes  Höckerchen  an  der  Basis  des  L  Mittelfußknochens,  und 
eine  größere  flache  Facette  am  1.  Keilbein. 

Die  präparatorische  Darstellung  bietet  im  proximalen  Drittel  er- 
hebliche Schwierigkeiten,  weil  dort  die  Urspruugsaponeurose  sehr 
stark  entwickelt,  dagegen  die  Fascia  cruris  kaum  darstellbar  ist. 
Hier  hilft  nur  ein  gleichmäßig  geführter  Scheerenschnitt  zu  einem 
sauberen  Präparate.  Die  am  meisten  distal  gelegenen  Bündel  weiden 
dabei  allermeist  mit  ihrem  dünnen,  sehnigen  Ursprünge  zum  Opfer 
fallen  müssen.  Wir  haben  den  Unterschied  zwischen  Aponeurose  und 
Fascie  beim  Arme  und  auch  verschiedentlich  beim  Beine  —  s.  Ab- 
schnitte :  Fascien  und  Tractus  iliotibialis  —  ausführlich  besprochen. 

1)  M.  DuvAL,  Grundriß  der  Anatoinie  für  Künstler,   Stuttgart   1890,   S.  103. 

35* 


546 


FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

N.  peronacus  coinm. 
TractusiliotibiaÜ! 


M.  biceps  fomoris  (Capitulii 
fibulao) 


Hiatus  peronaealis  profundus 


Foramen  membr,  inter- 
osseae  sup. 


Membrana  interossea  cruris 


N.  peronaeus  superfic. 


N.  peronaeus  profundus 


M.  peronaeus  brevis 


M.  ext.  hall,  long, 


M.  tibialis  ant 


N.  peron.  prof, 


Foramen  membr.  intcrosscae  inf, 


Planum  supramalleolare  (nobis) 


Malleolus  lateralii 


Fig.  26.    Extensorengruppe  und  M.  peronaeus  brevis  am  Unterschenkel, 
Muskel-  und  Nervenbild. 


M.  tibialis  anterior.  547 

Holotopie  und  Syntopie. 

Au  geeigueteu  Modellen  sieht  man  das  Muskelspiel  in  klarer 
Weise,  indem  der  Muskelbauch  sich  über  die  Vorderkante  des  Schien- 
beines hervorwölbt,  und  bei  dünner  Haut  sich  der  Unterschied  zwischen 
dem  dunkel  gefärbten  Muskel  und  dem  helleren  Knochen  kundgibt. 
Auch  die  Mächtigkeit  des  Muskels  läßt  sich  mitunter  in  klarer  Weise 
erkennen.  Er  gehört  nämlich  zu  den  wenigen  Muskeln  des  Körpers, 
welche  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  nur  von  Fascie  und  Haut  be- 
deckt werden.  In  der  Höhe  des  sogenannten  Lig.  transversum  cruris 
zeichnet  sich  bei  Dorsalflexion  des  Fußes  und  Supination  die  Sehne 
mit  aller  Deutlichkeit  ab,  noch  mehr  im  Bereiche  des  Lig.  cruciatum 
cruris,  und  erst  in  der  Höhe  des  Os  cuneiforme  I  wird  sie  durch  den 
medialen  unteren  Schenkel  dieses  Bandes  gegen  den  Knochen  fest- 
gehalten. Wir  werden  diese  Einrichtung  beim  Lig.  cruciatum  cruris 
ausführlich  besprechen  und  verweisen  auf  die  entsprechenden  Be- 
merkungen. 

Die  mediale  Fläche  des  Muskels  entspricht  dem  Schienbeine,  die 
laterale  im  proximalen  Drittel  ausschließlich  dem  M.  extensor  digi- 
torum  communis,  im  mittleren  und  distalen  auch  dem  M.  extensor 
hallucis  longus,  dessen  Sehne  am  Fuße  ausschließlich  als  entfernter 
Nachbar  in  Frage  kommt.  Individuell  verschieden  ist  die  Ueber- 
lagerung  durch  den  M.  abductor  hallucis,  der  jedoch  künstlich  so 
weit  zur  Fußsohle  heruntergebracht  werden  kann,  daß  der  ganze 
Verlauf  der  Sehne  zu  überblicken  ist.  Die  tiefe  Bläche  entspricht 
dem  Schienbeine  und  dem  medialen  Teile  der  Membrana  interossea 
cruris,  am  Fuße  dem  Talus,  dem  Os  naviculare  und  dem  Os  cunei- 
forme I.  Eine  lange  Sehnenscheide  von  etwa  9  cm  Länge  ermög- 
licht die  Gleitbewegungen  über  dem  Sprunggelenke.  Eine  kurze  in- 
konstante findet  sich  über  dem  Os  cuneiforme  I,  wo  sich  die  End- 
sehne in  eine  tiefe  Rinne  des  Os  cuneiforme  I  einbettet.  In  dieser 
Weise  gewinnt  der  M.  tibialis  anterior  auch  eine  Anheftung  an  der 
Planta  pedis  und  wird  so  seiner  Aufgabe  gerecht,  den  Innenrand  des 
Fußes  ausgiebigst  nach  oben  zu  heben. 

Eine  ganz  besondere  Rolle  spielt  der  laterale  Rand  des  Muskels 
für  die  Aufsuchung  der  A.  tibialis  anterior,  besonders  im  oberen 
Drittel,  im  unteren  kommt  ja  nur  die  Sehne  in  Frage,  lieber  die 
Schleimscheide  —  es  können  auch  akzessorische  vorkommen  —  ist 
im  besonderen  Kapitel  „Sehnenscheiden  des  Fußes"  nachzusehen. 

Wirkung. 

I.  Beim  Spielbeine  hat  der  Muskel  die  Aufgabe,  den  Fuß  dorsal- 
wärts  zu  beugen  unter  gleichzeitiger  Hebung  des  medialen  Fuß- 
randes: Supination.  Zu  einer  reinen  Dorsalflexion  muß  erst  seine 
Wirkung  durch  einen  Pronator  ausgeglichen  werden,  was  gewöhnlich 
durch  den  M.  peronaeus  tertius  oder,  wenn  dieser,  wie  es  bei  den 
Füßen  von  Frohse  der  Fall  ist,  fehlt,  durch  den  M.  peronaeus  brevis 
unter  eventueller  Unterstützung  durch  den  M.  peronaeus  longus  ge- 
schieht. 

II.  Beim  Standbeine  vollführt  der  Muskel  eine  Beugung  des 
Unterschenkels  gegen  den  Fußrücken, 

Es  ist  eine  eigentümliche  Tatsache,  daß  wir  eine  länger  dauernde 
Verlegung  des  Punctum  fixum  auf  den  Fuß,  wie  es  beim  Schlittschuh- 

133 


548  FROJJSE   und    M.    FRÄNKEL, 

laufen  der  Fall  ist,  zuerst  in  sehr  schmerzhafter  Weise  empfinden,  wifr 
jeder  Freund  dieses  Sportes  am  Anfange  an  sich  empfunden  haben 
wird,  ebenso  beim  Radfahren,  Schneeschuhlaufen  und  Wettgehen. 

Innervation. 

Es  müssen  für  diesen  Muskel  zahlreiche  Gelenk-,  ^^eriost-  und 
Knochennerven  vo:'.  mdeu  sein.  Die  obersten  Zweige  liefern  untere 
Nerven  für  das  Kniegelenk.  Die  distalen  versorgen  die  Membrana 
interossea  und,  wie  wir  dargestellt  haben,  die  Unterschenkelgegend 
bis  zur  Artic.  talocruralis.  Die  Muskelnerveu  selbst  können  in  drei 
Gruppen  zerlegt  werden,  eine  obere,  mittlere  und  untere,  welche 
ungefähr  im  Mittelpunkte  des  zugehörigen  Drittels  eintreten  und  in 
auf-  und  absteigende  Zweige  zerfallen.  Zwischen  den  3  einzelnen 
Nerven  findet  sich  ein  Austausch  von  Nervenfasern,  welche  in  unserer 
Abbildung  (Fig.  26)  durch  blaue  Punkte  gekennzeichnet  sind.  Die 
mächtige  Sehne  erfordert  auch  3  besondere  Sehnennerven,  welche 
wir  sowohl  am  vorderen,  wie  im  mittleren  und  hinteren  Aste  nach- 
weisen konnten. 


M.  extensor  digitorum  longus  und  peronaeiis  tertius. 

Synonyma:  Langer  Zehenstrecker ;  Cnemo-dactyleus;  Extenseur  com- 
mun  des  orteils,  peroneo-sus-phalangettien  (Chauss.),  peroneo-tibi-sus- 
phalangettien  (Dum.)  ;  und  :  Dritter  Wadenbeinmuskel ;  Peronaeus  tertius, 
pars  extensoris  longi,  quintus  tendo  extensoris  longi;  Peronier  anterieur, 
petit  peroneo-sus-metatarsien  (Chauss.,  Dum.), 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  fast  ausschließlich  fleischig  von  der  Tibia,  Fibula,  Membrana 
interossea  cruris  und  Septum  intermusculare  anterius  entspringende 
Muskel  reicht  mit  seinem  Bauche  von  der  Höhe  der  Tuberositas 
tibiae  bis  zum  Sprunggelenke.  Bei  Plantarflexion  des  Gesamtfußes 
tritt  sogar  sein  unteres  Anhängsel,  der  M.  peronaeus  tertius  muskulös 
auf  die  Fußwurzel  herab.  Der  Ansatz  ist  viergeteilt  in  der  soge- 
nannten Dorsalaponeurose  der  dreigliedrigen  Zehen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  von  der  Tibia  liegt  zwischen  der  lateralen  An- 
heftung des  M.  tibialis  anterior  und  dem  vorderen  Umfange  des 
Capitulum  fibulae,  von  welchem  aus  sich  distal  der  Ursprung  auf  den 
Schaft  dieses  Knochens  fortsetzt  bis  zu  ihrem  letzten  Viertel,  größten- 
teils jedoch  nicht  direkt,  sondern  erst  durch  Vermittelung  des  Septum 
intermusculare  laterale  anterius,  welches  ihn  von  den  M.  peronaei 
longus  und  brevis  trennt.  Die  Bezeichnung  „Septum"  würde  wohl 
besser  durch  den  Namen  „Aponeurosis  iutermuscularis"  ersetzt.  Die 
einheitliche  tiefe  Ursprungslinie  erfährt  aber  eine  charakteristische 
Unterbrechung  durch  einen  an  der  Wurzel  des  Capitulum  fibulae 
beginnenden  Sehnenbogen,  welcher  sich  wie  eine  lange  Brücke  über 
den  N.  peronaeus  profundus  mit  seinen  unbedeutenden  Begleitgefäßen 
ausspannt.  Der  Ursprung  von  der  Membrana  interossea  kann  nur 
proximal  stattfinden,  etwa  in  ihrem  oberen  Viertel,  weil  die  beiden 
mittleren   durch    den  M.   extensor   hallucis  longus   in  Anspruch   ge- 

134 


M.  extensor  digitorum  longus  und  peronaeus  tertius.  549 

nommen  werden.  Der  Muskelbauch  besteht  aus  parallelfaserigen 
Bündeln,  welche,  wie  man  sagt,  gefiedert  sind  und  gegen  eine  sich 
bereits  hoch  oben  an  der  Facies  superficialis  entwickelnde  Sehne  kon- 
vergieren. Diese  ist  mitunter  weit  gegen  die  anderen  gesondert  und 
geht  zur  2.  Zehe,  wodurch  ihr  auch,  wie  dem  Zeigefinger,  eine  be- 
sonders bevorzugte  Stellung  gegenüber  den  jmf'eren  Zehen  verschafft 
wird.  Die  Sehnen  für  die  3.  bis  5.  Zehe  werasii  erst  allmählich  im 
distalen  Viertel  des  Unterschenkels  oberflächlich,  und,  wie  bereits 
gesagt,  der  letzte  Abschnitt,  der  mitunter  fehlende  M.  peronaeus  tertius, 
erst  in  der  Höhe  der  Fußwurzel.  Die  über  dem  Sprunggelenke  ge- 
legene Sehnenscheide  findet  hinterher  ihre  gesonderte  Besprechung. 
Die  Sehnen  für  die  Zehen  sind  hier  bereits  stark  abgeplattet  und 
wenden  sich  lateralwärts  divergierend  zu  ihnen  hin. 

Der  M.  peronaeus  tertius  ist,  vom  M.  palmaris  longus  abgesehen, 
wohl  der  wechselvollste  Muskel  des  menschlichen  Körpers,  einesteils 
kann  er  nicht  allein  vollkommen  fehlen,  andererseits  überhaupt  nicht 
vom  M.  extensor  digitorum  longus  sich  entwickeln,  sondern  teilweise 
oder  ganz  aus  dem  M.  peronaeus  brevis.  Der  Muskelbauch  ist  mit- 
unter untrennbar  mit  dem  M.  extensor  digitorum  verschmolzen  und 
wird  auch  in  dieser  Region  von  absteigenden  Nerven  versorgt, 
andererseits  haben  wir  einen  Fall  beobachtet,  wo  er  vollkommen  ge- 
sondert einen  rückläufigen  Eigeuzweig  erhielt,  der  in  der  Höhe  der 
Malleolenbasis  aus  dem  N.  peronaeus  profundus  entsprang.  Die  nor- 
male Anheftung  findet  nicht  allein  an  der  Basis  des  5.,  sondern  auch 
des  4.  Os  metatarsale  statt,  in  Y-förmiger  Teilung  an  der  Grenze 
beider  Knochen.  Recht  häufig  findet  sich  sogar  eine  Nebensehne, 
welche  die  Fascia  interossea  dorsalis  pedis  lateral  verstärkt  und  sich 
bis  zur  Artic.  metatarsophalangea  quinta  verfolgen  läßt.  Unabhängig 
oder  auch  gleichzeitig  kann  sich  aber  auch  aus  dem  M.  peronaeus 
brevis  eine  schwache  Nebensehne  loslösen,  welche  an  der  lateralen 
Seite  des  Fußrückens  im  Schutze  des  lateralen  unteren  Zipfels  des 
Lig.  cruciatuni  sich  ebenfalls  bis  zu  dem  eben  genannten  Gelenke 
verfolgen  läßt.  Der  Einzelfall  bestimmt  die  Beschreibung  dieses 
physiologisch  meist  wenig  bedeutsamen  Muskels. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  des  Gesamtmuskels  liegt  unter  der  Haut 
und  Fascie  und  wird  nur  im  distalen  Drittel  von  wichtigeren  Ge- 
bilden überkreuzt,  nämlich  dem  oder  den  beiden  Endästen  des  N. 
peronaeus  superficialis.  Die  Facies  lateralis  ist  senkrecht  gestellt 
und  entspricht  dem  Septura  (Aponeurosis)  intermusculare  anterius. 
Beim  Uebergange  in  die  Facies  profunda  findet  sich  im  proximalen 
Viertel  der  Sehnenbogen  für  den  N.  peronaeus  profundus.  Im  übrigen 
entspricht  sie  der  Fibula  und  der  Membrana  interossea.  Die  Facies 
medialis  ist  die  wichtigste,  weil  sie  chirurgisch  zur  Aufsuchung  der 
A.  tibialis  ant.  benutzt  wird.  Hierbei  ist  zu  bemerken,  daß  der  Spalt 
zwischen  diesem  Muskel  und  seinem  Nachbar,  dem  M.  tibialis  ant., 
durchaus  nicht  senkrecht  von  oben  nach  unten  geht,  sondern  gemäß 
der  ausgesprocheneu  Spindelform  des  letzteren  eine  Delle  oder  Aus- 
kehlung in  der  Mitte  des  M.  extensor  digitorum  longus  erzielen  muß. 
Betrachtet  man  das  Gesamtbild  der  Oberfläche,  so  hat  der  Vergleich 
mit  einer  plankonkaven  Linse  nichts  Sonderbares.    Die  plane  Seite 

135 


550 


FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 


liegt  lateral,  die  konkave  medial.     Der  proximale  Ursprung  von  der 
Tibia   entspricht    der    oberen    queren  Fläche   der  Linse,  das   in  der 


N.  pcronaeus  communis 


Hiatus  peronaealii 


N.  peronacus  prof 


R.  musculares  pro 
peronaeo  longo 


Septum  intermuscula 
ant, 


M.  ext.  dig. 


Hiatus  peronaealis  superficialis 
cum  nervo 


Tendo  m.  peronaei  longi 


M.  peronaeus  brovis 


M.  peronaeus  tertius 


Fig.  27.     M.  peronaeus  longus  und  extensor  digitorum  longus  +  peronaeus  tertius, 
Muskel-  und  Nerven bild. 


[36 


M.  extensor  hallucis  longus.  551 

Köhe   des   Sprunggelenkes   gelegene   Ende    des   Muskelbauches    der 
unteren. 

Wirkung. 

I.  Bei  freischwebendem  Fuße  wirkt  der  Muskel  als  Zehenstrecker 
für  die  Grundphalanx,  mit  dem  M.  peronaeus  tertius  auch  als  Dorsal- 
beuger des  Gesamtfußes  unter  gleichzeitiger  Abduktion. 

II,  Bei  feststehendem  Fuße  nähert  er  die  Vorderfläche  des  Unter- 
schenkels zum  Fußrücken;  siehe  auch  das  besondere  zusammen- 
fassende Kapitel  über  Fußbewegungen. 

Innervation. 

Das  Innervationsbild  ist  ein  langgestrecktes,  jedoch  beschränken 
sich  die  extramuskulären  Zweige  auf  die  proximale  Hälfte.  Kurze 
Aeste  versorgen  den  Ursprung,  ein  lang  herabsteigender  Zweig  ist 
für  den  unteren  Hauptteil  bestimmt.  Wir  finden  als  besondere  Ein- 
richtung einen  vorderen  Sehnennerven  und  einen  hinteren,  welcher 
auch  zur  Membrana  interossea  sich  wendet.  Aus  diesen  beiden  Zweigen 
entwickeln  sich  aber  Anastomosen  zum  Mittelzweige,  welchem  die 
Hauptaufgabe  der  Muskelinnervation  obliegt. 

31.  extensor  hallucis  longus. 

Synon3^ina:  Langer  Großzehenstrecker;  Extenseur  propre  du  gros 
orteil,  peroneo-sus-phalangettien  (Chauss.),  peroneo-susphalanginien  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  spindelförmige  Muskel  entspringt  vom  zweiten  Viertel  des 
Unterschenkels  bis  in  das  vierte  hinein  und  schickt  seine  Sehne  durch 
ein  besonderes  Fach  unter  dem  Lig.  cruciatum  pedis  nach  medial  zur 
Nagelphalange  der  großen  Zehe. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Er  stellt  das  verkleinerte,  in  die  Tiefe  gerückte  Bild  des  M.  ex- 
tensor digitorum  longus  dar,  mit  dem  er  jedoch  parallel  verläuft,  im 
Gegensatze  zu  den  entsprechenden  Muskeln  des  Daumens  und  der 
dreigliederigen  Finger.  A\'ir  müssen  nach  dem  Grunde  suchen  und 
finden  ihn  durch  die  Anordnung  der  Knochen.  Die  beiden  Uuter- 
schenkelknochen  liegen  unter  allen  Umständen  bei  sämtlichen  Be- 
wegungen des  Fußes  parallel  nebeneinander.  Am  Arme  dagegen  ist 
der  M.  extensor  pollicis  longus  den  ausgiebigsten  Lageveränderungen 
bei  der  Pro-  und  Supination  ausgesetzt  und  unterkreuzt,  da  diese 
Bewegungen  sich  bereits  zwischen  den  Vorderarmknochen  vollziehen, 
den  M.  extensor  digitorum  communis. 

Der  Ursprung  betrifft  1)  den  distalen  Abschnitt  der  Fibula  in 
den  angegebenen  Grenzen,  2)  das  Septum  intermusculare  anterius  und 
3)  die  Membrana  interossea  cruris.  Die  Endsehne  erreicht  erst  un- 
gefähr in  der  Mitte  der  Fußwurzel  die  Oberfläche.  Die  Muskelbündel 
konvergieren  gegen  die  bereits  in  der  Mitte  des  Unterschenkels  ober- 
flächlich werdende  Endsehne,  welche  noch  bis  zum  Sprunggelenke  die 
letzten  parallelen  Bündel  aufnimmt,  hier  noch  drehrund  ist  und  erst 
bei  der  Reibung  über   die  Artic.  talonavicularis  sich  abplattet.     Der 

137 


552  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

Ansatz  läßt  sich  als  sich  immer  mehr  verbreiternde  Aponeurose  bis 
zur  Nagelphalanx  verfolgen ;  Nebensehnen  über  dem  Os  metatarsale  I 
sowohl  lateral,  wie  vor  allen  Dingen  zur  medialen  Seite  der  Artic. 
metatarsophalangea  kommen  außerordentlich  häufig  vor. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  stellt  die  tiefe  Schicht  der  Extensoren  dar,  von  deren 
oberflächlicher  Lage  er  wie  durch  eine  Kappe  umschlossen  wird, 
lateral  durch  den  M.  extensor  digitorum  longus,  medial  durch  den 
M.  tibialis  ant.  Zwischen  letzterem  und  ihm  liegen  hart  auf  der  Mem- 
brana interossea  cruris  die  langen  vorderen  Abschnitte  der  Vasa 
tibialia  ant.  und  des  N.  peronaeus  profundus.  Die  Beziehungen  der 
Endsehne  werden  im  Bereiche  des  Sprunggelenkes  bei  den  Sehnen- 
scheiden erörtert,  im  Endteile  geben  sie  zu  keiner  besonderen  Be- 
schreibung- Veranlassung,  es  müßten  sonst  die  Hautveneu  und  -nerven, 
oder  in  der  Tiefe  die  Gelenke  ausführlich  berücksichtigt  werden. 

Wirkung. 

Bei  freischwebendem  Fuße  streckt  er  nicht  allein  die  Grund- 
phalanx, sondern  vor  allem  die  Nagelphalanx,  im  Gegensatze  zu  den 
dreiglied erigen  Zehen,  bei  welchen  diese  Wirkung  durch  den  M.  ex- 
tensor digitorum  brevis  und  nicht,  wie  an  der  Hand,  durch  die  M. 
interossei  ausgelöst  wird.  Bei  fixiertem  Fuße  beugt  er  die  Vorder- 
fläche des  Unterschenkels  gegen  den  Fußrücken.  Bei  Geübteren, 
z.  B.  bei  Berufstänzerinnen,  hat  er  die  wichtige  Aufgabe,  die  Wir- 
kung derjenigen  Muskeln  zu  regeln,  welche  die  Aufrichtung,  d.  h.  das 
Balancieren  auf  nur  einer  großen  Zehe  ermöglichen.  Dies  wird  er- 
reicht durch  sämtliche  Muskeln,  welche  an  der  medialen  Seite  der 
Beugeseite  des  Fußes  anheften,  sowohl  an  den  Phalangen,  am  Os 
metatarsale  I,  cuneiforme  I,  naviculare  und  Calcaneus.  Der  zusammen- 
fassende Name  „Beuger"  wäre  hier  nicht  angebracht,  weil  hier  noch 
andere  Muskeln,  wie  die  M.  peronaei,  in  Frage  kommen.  Diesen 
Muskeln  wirkt  der  M.  extensor  hallucis  longus,  wenn  auch  nicht  aus- 
schließlich, so  doch  sehr  energisch  entgegen. 

Innervation. 

Dieser  Muskel  hat  eine  freie  Endsehne,  welche  mit  ihrer  medialen 
Kante  sich  genau  gegenüber  dem  Ursprünge  von  der  Fibula  zur 
Tibia  wendet.  Die  Muskelbündel  laufen  also  teils  von  der  Oberfläche 
aus,  teils  von  der  Tiefe  zur  Endsehne.  Die  Nerven  sind  darum  auch 
doppelt  verwirklicht  in  Gestalt  eines  oberflächlichen  und  eines  tiefen 
Zweiges,  welchen  sich  noch  ein  dritter,  sogenannter  Sehnennerv  zu- 
gesellt. Der  Hauptnerv  ist  der  hintere,  welcher  ungefähr  Vr,  der 
Muskelmasse  versorgt.  Der  oberflächliche  vordere  Nerv  liefert  nur 
ganz  wenige  Muskelzweige;  jedoch  darf  er  nicht  außer  acht  gelassen 
werden,  weil  er  nicht  allein  im  proximalen  Teile,  sondern  auch  im 
mittleren  und  distalen  mehrfache  Anastomosen  mit  dem  hinteren 
Aste  eingeht. 

M.  peronaei. 

Synonyma:  Wadenbeinmuskeln,  Außengruppe  des  Unterschenkels;. 
Region  externe. 

138 


M.  peronaeus  longus.  553- 

AllgemeineBeschreibung-. 

Die  Bezeichnung  dieser  Muskeln  ist  gut,  weil  der  Ursprung  und 
der  ganze  Verlauf  im  Bereiche  des  Unterschenkels  an  der  Außen- 
und  schließlich  der  Hinterfläche  des  Wadenbeines  gelegen  ist;  aber 
ein  kleiner  Ursprung  des  M.  peronaeus  longus  von  der  Tibia  ist  nicht 
zu  vernachlässigen.  In  scharfer  Weise  sind  sie  abgegrenzt  gegen 
die  Nachbargruppen,  vorn  die  Extensoren,  hinten  die  Flexoren.  Hier 
ergibt  sich  ein  Unterschied  zwischen  Vorderarm  und  Unterschenkel, 
indem  am  letzteren  zwei  deutliche  Septa  intermuscularia  vorhanden 
sind,  welche  an  der  Außenseite  des  Vorderarmes  nicht  in  einfacher 
Weise  dargestellt  werden  können.  Die  M.  peronaei  longus  und 
brevis  begeben  sich  beide  zum  Außenrande  des  Fußes,  der  kurze  zu 
dem  lateralen  Rande,  der  lange  diesen  zunächst  umfassend  und  dann 
in  der  Fußsohle  selbst  zur  medialen  Seite  des  Fußes,  zum  1.  Mittel- 
fußknochen. Die  Hauptwirkung  beider  Muskeln  ist  die  gleiche,  den 
äußeren  Fußrand  zu  heben,  eine  Bewegung,  welche  als  Pronation  be- 
zeichnet wird,  jedoch  kommt  dem  M.  peronaeus  longus  eine  zweite 
Aufgabe  zu,  da  er  durch  seine  starke  Sehne  das  Fußgewölbe  im 
lateralen  Teile  emporhebt  und  in  dieser  Beziehung  ein  Synergist  des 
M.  tibialis  posterior  genannt  werden  kann.  Die  Muskeln  werden  ver- 
sorgt vom  R.  superficialis  n.  peronaei.  Wichtig  ist  die  Durchbohrungs- 
stelle des  M.  peronaeus  longus  etwa  daumenbreit  unterhalb  des  Capi- 
tulum  fibulae,  weil  bei  Ischias  mit  Leichtigkeit  hier  die  Druck- 
empfindlichkeit festgestellt  werden  kann,  aber  auch  beim  Gesunden 
läßt  sich  der  Nerv  mitunter  recht  gut  um  das  Capitulum  fibulae 
herumrollen  und  antwortet  mit  dem  Schmerzgefühle  im  peripheren 
Gebiete,  d.  h.  dem  Hauptteile  des  Fußrückens. 

M.  peronaeus  longus. 

Synonyma :  Langer  Wadenbeinmuskel ;  Peronaeus  posticus,  s.  primus 
tibulaeua  longus;  Long  peronier  lateral,  peroneo-sous-tarsien  (Chauss.)^ 
tibio-peroneo-tarsien  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieselbe  ist  bereits  durch  die  allgemeine  Beschreibung  beider 
M.  peronaei  erledigt. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Er  stellt  die  äußere  Schicht  der  Wadenbeinmuskeln  dar,  ent- 
springt jedoch  mit  einem  kleineren  Beziike  noch  von  der  Tibia.  Der 
Muskelbauch  ist  doppelt  gefiedert,  jedoch  beginnt  das  distale  Ende 
nicht  in  der  gleichen  Höhe,  vorn  weniger  weit  proximal,  als  hinten. 
Die  freie  Endsehne  erscheint  bereits  an  der  Grenze  des  proximalen 
und  mittleren  Drittels  des  Unteischenkels.  In  seinem  distalen  Drittel 
wird  sie  vollkommen  frei  und  bettet  sich  in  den  M.  peronaeus  brevis 
hinein,  wobei  sie  gleichzeitig  den  entsprechenden  Teil  der  Oberfläche 
des  letzteren  Muskels  sehnig  umwandelt.  Zunächst  findet  sich  noch 
keine  Sehnenscheide,  sondern  nur  lockeres  Bindegewebe,  welches 
allerdings  bei  Entzündungen  [s.  Küttner^)]  in  Mitleidenschaft  ge- 

1)  Zur  Kenntnis  der  normalen  Sehnenscheidenanatomie  und  der  Tendo- 
\  aginitis  crepitans,  Centralbl.  f.  Chirurgie,  1907,  No.  31,  8.  100—103,  Selbstbericht. 

139 


554  FROHSE   und    M.    FRANKE  L, 

zogen  werden  kann.  In  der  Höhe  des  Malleolus  lateralis  liegt  die 
Endsehne  in  einer  gemeinschaftlichen  Scheide  mit  dem  M.  peronaeus 
brevis,  demgemäß  festgehalten  durch  ein  gemeinschaftliches  Reti- 
naculum  peronaeorum  superius  gegen  das  Wadenbein.  An  der  Fuß- 
wurzel tritt  allmählich  der  gesonderte  Verlauf  der  Sehnen  beider  M. 
peronaei  ein.  Es  findet  sich  an  der  Außenseite  des  Calcaneus  ein 
individuell  verschieden  stark  ausgeprägter  Knochenvorsprung,  Pro- 
cessus trochlearis;  dicht  darunter  begibt  sich  die  Sehne  zur  Fuß- 
sohle. Für  gewöhnlich  wird  der  Ansatz  beschrieben  als  ausschließ- 
liche Anheftung  an  der  Basis  des  1.  Mittelfußknochens,  an  der  Tube- 
rositas  ossis  metatarsalis  I,  hier  müssen  wir  jedoch  einschalten,  daß 
normal  auch  noch  eine  Anheftung  am  Os  cuneiforme  1  stattfindet, 
auf  deren  praktische  Bedeutung  für  die  LiSFRANCsche  Operation  der 
Berliner  Chirurg  A.  v.  Bardeleben  immer  hingewiesen  hatte.  Ferner 
findet  sich  außerordentlich  oft  eine  distale  Sehnenkonjugation  mit  dem 
M.  interosseus  dorsalis  I. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  nur  der  Haut  und  Fascie ; 
nennenswerte  Gefäße  oder  Nerven  finden  sich  nicht.  Der  Margo 
anterior  ist  von  der  Extensorengruppe  abgegrenzt  durch  ein  ziem- 
lich einheitliches  Septum  intermusculare  ant.,  jedoch  ist  eine  proxi- 
male Lücke  zu  betonen  für  den  Durchtritt  des  N.  peronaeus  pro- 
fundus, etwa  5  cm  distal  von  der  Spitze  des  Capitulum  fibulae.  —  Beim 
N.  peronaeus  superficialis  kann  man  im  Zweifel  sein,  ob  man  die 
Durchbohrungsstelle  zur  Extensoren-  oder  Peronäalgruppe  rechnen 
soll.  Sie  liegt,  wenn  sie  nicht  doppelt  verwirklicht  ist,  an  der  Grenze 
des  mittleren  und  distalen  Drittels  und  muß  auch  nach  unserer  Auf- 
fassung zur  Wadenbeingruppe  gerechnet  werden ,  weil  sie  keinen 
Zweig  zu  den  Extensoren  schickt.  Der  hintere  Rand  ist  von  den 
Flexoren  durch  das  Septum  intermusculare  posterius  getrennt,  besitzt 
aber  dicht  distal  vom  Capitulum  fibulae  eine  besondere  Lücke,  durch 
welche  der  N.  peronaeus  communis  seinen  Weg  nimmt.  Der  obere 
Rand  geht  von  der  Fibula  herüber  zur  Tibia  und  stellt  einen  etwa 
2  cm  breiten  Ursprung  dar.  Der  Ansatz  liefert  eigentlich  nur  eine 
Spitze,  welche  am  1.  Mittelfußknochen  gelegen  ist,  und  zwar  an  seiner 
Plantarseite.  Die  Facies  profunda  deckt  vom  mittleren  Unterschenkel- 
drittel an  den  M.  peronaeus  brevis.  Die  Lagebeziehungen  an  der  Fuß- 
sohle erledigen  wir  dort.  — 

Der  N.  peronaeus  communis  sondert  sich  sehr  oft  schon  im 
Bereiche  des  Beckens  aus  dem  N.  ischiadicus  und  erzeugt,  falls  er  den 
M.  piriformis  durchbohrt,  ein  Foramen  i  n  t  r  a  piriforme.  Der  weitere 
Verlauf  am  Oberschenkel  gibt  ihm  nur  Veranlassung,  dem  kurzen 
Kopfe  des  M.  biceps  femoris  motorische  Elemente  zuzuführen.  Erst 
mit  der  Kniekehle  und  besonders  dem  Capitulum  fibulae  gewinnt 
dieser  Nerv  Beziehungen  zu  Unterschenkel  und  Fuß. 

Im  oberen  Abschnitte  der  Kniekehle  teilt  sich  normalerweise  der 
N.  ischiadicus  in  seine  beiden  Komponenten,  den  stärkeren  N.  tibialis 
und  den  schwächeren  N.  peronaeus  communis.  Aber  wenn  auch  das 
scheinbar  nicht  der  Fall  ist,  ist  man  doch  imstande,  im  Augenblicke 
die  stumpfe  Trennung  bis  zum  Foramen  ischiadicum  durchzuführen. 
T-  Der  N.  peronaeus  communis  hält  sich  an  das  Wadenbein  und  umfaßt 

140 


M.  peronaeus  brevis.  555 

diesen  Knochen  an  der  lateralen  und  vorderen  Fläche,  Etwas  distal 
vom  Capituluni  fibulae  vollzieht  sich  die  Sonderung  in  die  R.  super- 
ficialis und  profundus.  Der  R.  superficialis  durchbohrt  zunächst  den 
Ursprung-  des  M.  peronaeus  longus,  versorgt  die  M.  peronaei  longus 
und  brevis  und  liefert  außerdem  den  wichtigsten  Hautnerv  für  den 
Fußrücken,  den  N.  peronaeus  superficialis. 

Der  R.  profundus  versorgt  die  Streci^gruppe,  d.  h.  die  M.  tibialis 
anterior,  extensor  digitorum  longus  und  extensor  hallucis  longus,  am 
Fuße  die  kurzen  Strecker  und  mit  sensiblen  Zweigen  das  Spatium 
interosseum  I;  um  zu  den  genannten  Muskeln  zu  gelangen,  muß  er 
eine  Durchbohrung  durchmachen,  welche  gewöhnlich  als  dem  M.  ex- 
tensor digitorum  longus  zugehörig  beschrieben  wird.  Wir  müssen  jedoch 
unsere  eigenen  Erfahrungen  mitteilen.  Dieser  in  der  Tat  vorhandene 
Sehnenbogen  gehört  nicht  allein  der  oberflächlichen  Schicht  an,  sondern 
ebensosehr  der  tiefen  und  stellt  einen  proximalen  Ursprung  der 
M.  peronaeus  brevis  und  extensor  hallucis  longus  dar,  welche  so  ihren 
Ursprung  vom  Wadenbeine  bis  zur  Tibia  emporschieben. 

Innervation. 

Der  Nerv  für  den  doppelt  gefiederten  M.  peronaeus  longus  liegt 
am  meisten  oberflächlich  in  der  Bahn  des  N.  peronaeus  communis 
und  deckt  sogar,  wie  unsere  Abbildung  (Fig.  27)  zeigt,  den  N.  pero- 
naeus profundus  teilweise  zu.  Unmittelbar  nach  dem  Eintritte  in  den 
Hiatus  peronaealis  communis  teilt  er  sich  in  3  Zweige,  einen  hinteren, 
mittleren  und  vorderen.  Dei-  hintere  Zweig  bleibt  etwa  4  cm  extra- 
muskulär, der  mittlere  2  und  der  vordere  6  cm.  Indessen  handelt 
es  sich  um  keine  absolute  Trennung  der  Nervenbahnen.  Es  kommen 
nämlich  bereits  hoch  oben  am  Ursprünge  Anastomosen  vor,  welche 
das  innere  Nerveubild  vollkommen  verändern  können.  Die  Anasto- 
mosen ändern  jedoch  nichts  an  dem  Aufbau  des  Muskels  selbst, 
welcher  in  drei  Komponenten  zerfallen  muß,  nämlich  in  eine  hintere 
schräge  Fiederung  und  eine  vordere  mit  umgekehrter  Richtung  und 
schließlich  in  eine  dritte,  welche  sich  keilartig  vom  Ursprünge  aus 
herunterbegibt  bis  zum  Beginne  der  Endsehne.  Der  Ursprung,  welcher 
teilweise  au  der  Fibula  liegt,  teilweise  noch  an  der  Tibia,  erzeugt 
einen  besonderen  Sehnenbogeu,  unter  welchem  der  N.  peronaeus 
communis  verschwindet.  Für  diesen  praktisch  wichtigen  Punkt,  welcher 
als  zweiter  Druckpunkt  für  die  Ischias  am  unteren  hinteren  Umfange 
des  Capitulum  fibulae  bekannt  ist,  müssen  wir  einen  besonderen  Kanal 
unterscheiden,  dessen  oberer  Eingang  von  uns  als  Hiatus  peronaealis 
communis  beschrieben  und  abgebildet  ist. 

Die  innere  Innervation  zeigt  nur  wenige  Anastomosen  zwischen 
den  Hauptästen  in  sich  und  dem  mittleren  Zweige,  welcher  haupt- 
sächlich als  Sehnennerv  aufzufassen  ist. 


M.  peronaeus  brevis. 

Synonyma:  Kurzer  Wadenbeinmuskel;  Peronaeus  anticus,  s.  secun- 
dus,  s.  semi-tibulaeus ;  Court  peronier  lateral,  grand  peroneo-sus-metatarsien 
(Chauss.,  DtJM.). 

Allgemeine  Beschreibung  s.  oben. 

141 


556  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Er  entspringt  in  der  gemeinschaftlichen  Loge  der  Wadenbein- 
muskeln in  wechselnder  Höhe,  je  nachdem,  wie  weit  der  M.  peronaeus 
longus  sich  distalwärts  erstreckt.  Für  gewöhnlich  wird  als  Beginn 
der  Anfang  des  mittleren  Drittels  des  Unterschenkels  angegeben.  Das 
Ende  läßt  sich  bis  in  die  Nähe  des  Malleolus  lateralis  verfolgen. 
Außerdem  entspringt  er  von  den  beiden  Septa  intermuscularia,  welche 
ihn  von  den  benachbarten  Beugern  und  Streckern  trennen.  Die  End- 
sehne geht  zur  Tuberositas  ossis  metatarsalis  V,  an  dessen  äußerstem 
Punkte  sich  jedoch  der  proximale  Zipfel  des  M.  abductor  digiti  quiuti 
ansetzen  kann,  aber  regelmäßig  ein  starker  Zug  der  Plantarapo- 
neurose  anheftet. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Der  Muskel  kann  selbstverständlich  erst  die  Oberfläche  erreichen 
mit  dem  Ende  des  M.  peronaeus  longus,  d.  h.  er  wird  voin  früher 
sichtbar  als  hinten.  In  der  Höhe  des  äußeren  Knöchels  legt  sich  die 
nunmehr  vollkommen  frei  gewordene  Endsehne  scharf  in  den  ent- 
sprechenden Sulcus  malleolaris  hinein.  Dann  aber  ändert  sich  die 
Lage  der  Sehnen  der  beiden  Wadenbeinmuskeln,  indem  die  bis  dahin 
tiefere  des  M.  peronaeus  brevis  die  Oberfläche  gewinnt,  sich  am  Außen- 
rande des  Fußes  anheftet,  während  die  Sehne  des  langen  Muskels  zur 
Tiefe  hin  verschwindet.  Die  kurze  Sehne  verläuft  dorsal  vom  Pro- 
cessus trochlearis  und  hat  hier  eine  besondere  Schleimscheide,  welche 
sich  als  vorderer  Abschnitt  der  gemeinschaftlichen  Peronäalscheide 
bis  in  die  Nähe  der  Tuberositas  ossis  metatarsalis  V  fortsetzt.  Be- 
sonderheiten sind  bei  den  Sehnenscheiden  angegeben. 

Innervation. 

Der  M.  peronaeus  brevis  bekommt  seine  Nerven  ausschließlich 
von  der  Facies  superficialis.  Der  einheitliche  Stamm  teilt  sich  kurz 
nach  dem  Beginne  des  Muskels  in  zwei  Zweige.  Der  hintere  ist  der 
stärkere  und  versorgt  mehr  als  die  Hälfte  der  Muskelmasse.  Der 
vordere  Ast  ist  schwächer,  hängt  aber  durch  mehrfache  Anastomosen 
mit  dem  vorderen  Zweige  zusammen;  ein  Austausch  von  motorischen 
Fasern  zur  Innervierung  der  Muskelbündel  selbst  erscheint  uns  wahr- 
scheinlich. 

Wirkung. 

Die  Wirkung  beider  Muskeln  beginnt  erst  etwas  distal  vom  Mal- 
leolus lateralis.  Der  M.  peronaeus  brevis,  welcher  schräg  nach  unten 
lateral  zieht,  nähert  also  den  5.  Mittelfußknochen  der  Spitze  des 
äußeren  Knöchels,  und  zwar  mit  großer  Kraft,  weil  der  ansehnliche 
Muskelbauch  nur  mit  einer  kurzen  Sehne  verbunden  ist. 

Der  M.  peronaeus  longus  hat  dieselbe  Wirkung  und  äußert  sie 
in  noch  kräftigerer  Weise,  indem  er  durch  die  Anheftung  am  ersten 
Metatarsalknochen  die  Innenseite  des  Fußes  nach  unten  zieht  und  so 
den  Außenrand  des  Fußes  hebt.  W^enn  dieser  fixiert  ist,  wirken  beide 
Muskeln  gemeinschaftlich  und  richten  den  Unterschenkel  gegen  die 
Fußsohle  auf,  indem  sie  die  Fibula  und  damit  den  ganzen  Unter- 
schenkel dem  hinteren  Teile  des  Calcaneus  nähern. 

142 


M.  gastrocnemius.  557 

M.  gastrocnemius. 

Synonyma:  Zwillingsmuskel  der  Wade,  Wadenbauchmuskel ;  M,  ge- 
melli  surae  (B.);   Jumeaux,  gastrocnemiens,  bi-femoro-calcaniens. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  mächtige  Muskel  mit  seinen  beiden  Bäuchen,  welche  als 
Caput  mediale  und  laterale  unterschieden  werden,  entspricht  in  seinem 
Baue  einigermaßen  dem  deutschen  Namen,  jedoch  ist  der  innere  Kopf 
normalerweise  der  stärkere,  reicht  sowohl  proximal  weiter  am  Ober- 
schenkel zum  Epicondylus  medialis  herauf,  wie  auch  mit  dem  Ansätze 
an  der  Achillesseline  gegen  den  Fuß.  Die  Wölbung  der  Wade,  deren 
oberflächliche  Schicht  er  bildet,  verdankt  ihre  nach  Alter,  Geschlecht 
und  Rasse  sehr  verschiedene  Entwicklung  im  wesentlichen  dem  M.  so- 
leus,  der  jedoch  meistens  als  Trabant  der  Zwillingsmuskeln  aufgefaßt 
wird.  Die  Zusammengehörigkeit  der  drei  Muskelbäuche  gibt  sich 
durch  die  Vereinigung  in  dem  gemeinschaftlichen  Tendo  calcaneus, 
der  Achillessehne,  kund,  welche  nicht  am  oberen  hinteren  Ende  des 
Calcaneus  ansetzt,  sondern  etwas  unterhalb  der  Mitte  der  Rückseite 
dieses  Knochens,  wo  die  in  Sprunggelenkhöhe  verhältnismäßig  schmale, 
aber  sehr  starke  Sehne  wiederum  ihre  beträchtlichste  Verbreiterung 
unter  gleichzeitiger  Abplattung  erfährt.  Im  proximalen  Abschnitte 
dieser  Fläche  findet  sich  regelmäßig  am  Knochen  eine  glatte  Stelle, 
hervorgerufen  durch  die  B.  calcanea,  deren  Verletzung  und  Entzündung 
beim  Pfeilschusse  des  Paris  auf  den  Achilles  zum  Tode  des  letzteren 
geführt  haben  kann.  Aus  dieser  durch  die  Sage  überlieferten  An- 
schauung erklärt  sich  wohl  die  Scheu  der  Chirurgen  vor  der 
LiSTERschen  Aera,  den  Spitzfuß,  Pes  equinus,  durch  offene  Tenotomie 
zu  behandeln.  —  Der  Wichtigkeit  halber*  sei  hier  auf  die  Wirkung 
besonders  hingewiesen,  welche  gerade  der  M.  gastrocnemius  ausübt, 
je  nachdem  der  Ursprung  am  Femur  oder  der  Ansatz  am  Calcaneus 
das  Punctum  fixum  oder  mobile  ist,  ob  also  nach  unserer  bei  allen 
praktisch  wichtigen  Muskeln  durchgeführten  Darstellung  ein  Standbein 
oder  Spielbein  vorliegt ;  bei  letzterem,  einer  Stellung,  welche  auch  im 
Sitzen  gegeben  ist,  zieht  der  M.  gastrocnemius  den  Fuß  mit  der  Sohlen- 
fläche nach  hinten  hin.  Diese  Bewegung  wird  von  dem  Laien  vielfach  als 
Fußstreckung  bezeichnet ;  dabei  kämen  wir  dann  zu  dem  unangenehmen 
Widerspruche,  daß  der  M.  gastrocnemius,  ein  Muskel  der  Beuge- 
seite, den  Fuß  strecken  würde.  Und  in  gleicher  Weise  würde  die 
umgekehrte  Bewegung,  Näherung  des  Fußrückens  gegen  die  Vorder- 
seite des  Unterschenkels,  welche  von  den  Laien  als  Fußbeugung  be- 
zeichnet wird,  zu  Mißverständnissen  führen  können.  Diese  Bewegung: 
wird  ausgelöst  durch  die  gemeinschaftliche  Zusammenziehung  des 
M.  tibialis  anterior  auf  der  medialen  Seite  und  der  M.  peronaei  auf  der 
lateralen  Seite,  also  durch  die  Streck-  und  Wadenbeinmuskeln.  In- 
wieweit auf  der  lateralen  Seite  die  M.  peronaeus  tertius,  brevis  oder 
sogar  longus  in  Tätigkeit  treten,  interessiert  uns  an  dieser  Stelle  nicht. 
—  Jedenfalls  gehen  wir  sämtlichen  Schwierigkeiten  aus  dem  Wege, 
wenn  wir  von  der  Grundstellung  ausgehen,  wenn  Fuß-  und  Unter- 
schenkel einen  rechten  Winkel  miteinander  bilden.  Eine  Neigung  des 
Fußrückens  gegen  die  Vorderfläche  des  Unterschenkels  kann  unter 
allen    Umständen   als   Dorsalflexion    oder   P'ußrückenbeugung   be- 

143 


558  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

zeichnet  werden,    eine  Näherung   der  FuiJsohle  gegen   die  Rückseite 
des  Unterschenkels  als  Plantarflexion  oder  Fußsohlenbeugung. 

Bildet  dagegen  der  Fuß  das  Punctum  fixum,  so  tritt  eine  ganz 
andere  Aufgabe  zutage.  Man  kann  sich  hiervon  am  besten  eine  Vor- 
stellung machen,  wenn  man  bei  fest  aufstehenden  beiden  Füßen  und 
verschränkten  Armen  sich  auf  einen  Stuhl  niederlassen  will.  Dann 
ist  der  M.  gastrocnemius  der  wichtigste  Muskel,  welcher  in  keine 
Beziehung  zu  den  Unterschenkelknochen  tritt,  sondern  unmittelbar 
Fuß  und  Oberschenkel  miteinander  verbindet,  diese  Teile  also  bei 
seiner  Zusammenziehung  einander  nähert.  Daß  dem  M.  plantaris  — 
wenigstens  beim  Menschen,  bei  dem  er  häufig  verkümmert  ist  oder 
gänzlich  fehlt  —  keine  besondere  Rolle  zukommt,  dürfte  ohne  weiteres 
verständlich  sein.  Anders  verhält  es  sich  dagegen  mit  dem  M.  popli- 
teus,  der  zwar  nur  kurz  ist,  aber  vermöge  seiner  günstigen  Ur- 
sprungs- und  Ansatzbedingungen  als  ein  trefflicher  Synergist  des 
M.  gastrocnemius  in  bezug  auf  diese  Tätigkeit  aufzufassen  ist.  Ob- 
wohl örtlich  der  Vergleich  nicht  zutrifft,  läßt  sich  ein  solcher  doch 
mit  den  M.  biceps  brachii  und  brachialis  ziehen,  bei  denen  ja  auch 
der  M.  biceps,  vergleichbar  dem  M.  gastrocnemius,  einen  zweigelenkigen 
Muskel  darstellt,  welcher  zwei  Gelenke  überbrückt  —  hier  Schulter- 
und  Ellenbogengelenk,  dort  Knie-  und  Sprunggelenk  —  während  so- 
wohl die  M.  brachialis,  wie  popliteus  nur  je  ein  Gelenk  zu  überbrücken 
haben  —  hier  Ellbogengelenk,  dort  Kniegelenk.  —  Als  dritter 
Beugemuskel  des  Oberschenkels  gegen  den  Unterschenkel  kommt  in 
Betracht  der  kurze  Bicepskopf.  Auch  der  Masse  nach  sind  so  die 
Flexoren  imstande,  dem  M.  extensor  triceps  das  Gleichgewicht  zu 
halten,  wenn  dieser  bei  feststehenden  Füßen  eines  sitzenden  Menschen 
die  antagonistische  Wirkung  auszulösen  hat,  den  vorher  gebeugten 
Oberschenkel  gegen  den  Unterschenkel  zu  strecken,  wie  es  beim 
Aufrichten  der  Beine  ohne  Unterstützung  durch  die  Armmusku- 
latur der  Fall  ist.  Bei  aufgestütztem  einen  oder  sogar  beiden 
Armen  wird  ein  Hauptteil  der  Aufrichtung  des  Körpers  durch  die 
Arm-Rumpfmuskulatur  ausgelöst.  Krücken,  Stöcke  oder  Schirme 
stellen  selbstverständlich  auch  nur  eine  Entlastung  der  M.  tricipites 
femoris  dar. 


IdiotopieundSkeletopie. 

Er  entspringt  teils  sehnig,  teils  muskulös  vom  Epicondylus 
medialis  femoris.  Der  sehnige  Ursprung  wird  gewöhnlich  zu  beiden 
Seiten  von  Muskelbündeln  überragt.  In  der  Höhe  des  Kniegelenk- 
spaltes erfährt  die  mediale  Seite  eine  Reibung  durch  die  Insertions- 
sehne  des  M.  semimembranosus,  wodurch  drei  wichtige  Erscheinungen 
ausgelöst  werden:  1)  die  Muskulatur  wird  hier  zum  Schwunde  ge- 
bracht, 2)  in  räumlicher  Anpassung  tritt  eine  lateral  konvexe  Aus- 
biegung des  Bauches  ein,  und  3)  entwickelt  sich  ein  Schleimbeutel, 
die  Bursa  gastrocnemio-semimembranosa. 

Daß  dieser  Schleimbeutel  normalerweise  kaum  jemals  mit  der  Knie- 
gelenkshöhle  zusammenhängt,  ist  nach  10  in  Gegenwart  von  K.  v.  Barde- 
leben gemachten  Präparaten  von  Frohse  bereits  1904  im  Atlas  der 
topographischen  Anatomie  von  v.  Bardeleben,  Häckbl  und  rROHSS 
beschrieben  worden. 

144  • 


M.  gastrocnemius.  559 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  umfaßt  beinahe  die  ganze  Oberfläche  des 
Muskels  und  verschwindet  nur  in  der  Kniekehle  zum  Ursprünge  von 
den  beiden  Epicondyli.  Der  mediale  Kopf  legt  sich  au  den  M.  semi- 
inembranosus  heran  und  erzeugt  durch  die  Reibung  gegen  dessen 
Kudselme  die  B.  gastrocnemio-semimembranosa,  welche  mit  der  Höhle 
des  Kniegelenkes  kommunizieren  kann.  Das  Caput  laterale  ver- 
x-hwindet  unter  dem  M.  biceps  femoris,  und  es  braucht  an  dieser 
Stelle  sich  kein  Schleimbeutel  zu  entwickeln.  Ein  solcher  würde  auch 
den  X.  peronaeus  communis  in  Mitleidenschaft  ziehen.  Die  Facies 
medialis  sowohl,  wie  die  lateralis  liegt  unterhalb  der  Kniekehle  voll- 
kommen frei  unter  Fascie  und  Haut.  Bei  der  Facies  superficialis  ist 
noch  nachzutragen,  daß  diese  aus  einem  muskulösen  und  tendinösen 
Abschnitte  besteht.  Der  muskulöse  hört  ungefähr  in  der  Mitte  des 
Unterschenkels  auf,  nicht  in  einer  horizontalen  Linie,  sondern  in  einer 
-chrägen,  welche  den  äußeren  Kopf  weiter  oben  und  den  inneren 
weiter  unten  endigen  läßt. 

Die  Facies  profunda  deckt  den  unteren  Teil  der  Kniekehle  zu 
und  besonders  die  Hinterfläche  des  M.  soleus,  welcher  am  Unter- 
schenkel an  beiden  Seiten  des  M.  gastrocnemius  die  Oberfläche  ge- 
winnt. In  lockeres  Bindegewebe  eingebettet  findet  man  oft  den  M. 
l)lantaris,  welcher  vom  Epicondylus  lateralis  zur  medialen  Seite  des 
Calcaneus  zieht,  also  nicht  senkrecht  verläuft,  sondern  schräg  die 
Achse  des  Unterschenkels  kreuzt.  Der  obere  Rand  ist  geteilt,  weil 
er  sich  zu  beiden  Epicondyli  femoris  wendet,  der  untere  Rand  oder 
die  Spitze  ist  einheitlich,  weil  sie  sich  gemeinschaftlich  an  der  hinteren 
Fläche  des  Calcaneus  anheftet. 

Im  oberen  Drittel  des  Unterschenkels  haben  wir  als  Charakte- 
ristikum den  prachtvoll  glänzenden  Sehnenspiegel,  welcher  die  mittleren 
zwei  Viertel  des  Muskels  einuimmt  und  erst  an  den  freien  Rändern, 
d.  h.  nach  medial,  unten  und  lateral,  freie  Muskelbündel  von  ungefähr 
3—5  cm  Länge  hervorgehen  läßt,  welche  so  recht  die  Muskelmasse 
darstellen.  Die  Einpflanzung  in  die  Achillessehne  geschieht  in  einem 
scharfen  Knicke,  so  daß  an  geeigneten  Modellen  der  Uebergang  des 
Muskelbauches  in  die  Achillessehne  mit  aller  Deutlichkeit  durch  die 
Haut  hindurch  eikannt  werden  kann.  Der  obere  Rand  bildet  die 
untere  Begrenzung  der  Kniekehlenraute,  entzieht  sich  jedoch  der 
äußeren  Betrachtung.  Auch  der  mediale  Rand  ist  in  der  proximalen 
Hälfte  recht  undeutlich,  weil  nämlich  hier  die  eigentliche  Patte  d'oie, 
der  anatomische  Gänsefuß,  sich  in  strafter  Weise  mit  der  Fascia  cruris 
verbindet.  Erst  die  distale  Hälfte  des  Muskelbauches  kann  sich  durch 
die  Haut  hindurch  kundgeben.  Recht  deutlich  ist  aber  häufig  das 
distale  Ende  des  Gesamtbauches  und  schiebt  sich  zungenartig  auf  den 
breiten  Beginn  der  Achillessehne  hinüber.  Der  laterale  Rand,  welcher 
mit  dem  äußeren  Zwillingsmuskel  zunächst  zusammenzustoßen  scheint, 
entzieht  sich  der  genauen  Kenntnisnahme  durch  die  Haut  hindurch, 
weil  in  der  Rinne  zwischen  diesen  beiden  Köpfen  die  V.  saphena 
parva  in  Begleitung  des  N.  communicans  tibialis  ihren  Weg  nimmt. 
Die  Facies  profunda  des  Muskels  ist  im  wesentlichen  sehnig ;  proximal 
hängt  sie  mit  der  hinteren  Wand  der  Kniegelenkskapsel  eng  zu- 
sammen, wird  jedoch  mitunter  durch  einen  Schleimbeutel  von  dem 
Gelenke    getrennt.      Distal    vom    Kniegelenksspalte    bekommt    der 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  u,  3.  36 


560 


FROIISE   und    M.    FRÄNKEL, 


N.  pro  capite  laterali 


Fig.  28.     M.  gastroenemius  dexter,  Nervenbild  der  Facies  profundf 
146 


M,  plantaris.  561 

Beschreibung  zu  Fig.  28. 

Das  Präparat  ist  in  der  Weise  abgebildet,  daß  durch  einen  Längsschnitt  über 
der  Mitte  der  beiden  Sehnenspiegel  die  Muskelbündel  auseinandergedrängt  sind,  um 
eine  leichtere  Uebersichtlichkeit  des  sonst  zu  sehr  gedrängten  Nervenbildes  zu  ge- 
winnen. Der  extramuskuläre  Verlauf,  d.  h.  die  Eintrittsstelle  der  Nerven,  liegt 
bereits  ganz  proximal  im  oberen  Fünftel.  Schematisch  sind  es  3  Zweige,  von 
denen  der  obere  den  proximalen  Sehnennerven  liefert  und  außerdem  noch  das 
proximale  Drittel  des  Miiskels  zum  größten  Teile  versorgt.  Der  mittlere  Zweig  ist 
der  stärkste,  weil  ja  in  diesem  Drittel  die  Hauptmasse  der  Muskelsubstanz  vor- 
handen ist.  Der  dritte  untere  Zweig  versorgt  die  ganze  mediale  Partie  des  Muskel- 
bauches. —  Aber  es  muß  betont  werden,  daß  keinerlei  Anastomosen  zwschen  den 
Nerven  für  den  lateralen  und  den  medialen  Kopf  von  uns  nachzuweisen  waren. 
Das  distale  Drittel  wird  hauptsächlich  vom  mittleren  Aste  aus  versorgt.  Es  wäre 
möglich,  daß  die  zahlreichen  Anastomosen  auch  dem  oberen  und  unteren  Zweige 
eine  größere  Beteiligung  bis  zur  Endsehne  herunter  geben  könnten.  — 


Muskelbauch  eine  ausgiebige  Bewegungsfreiheit  durch  die  Gegenwart 
eines  sehr  lockeren  Bindegewebes,  welches  ihn  von  dem  M.  soleus 
trennt.  Auch  praktisch  darf  diese  Tatsache  nicht  außer  acht  gelassen 
werden,  da  es  nur  aus  diesem  Grunde  möglich  ist,  in  den  Operations- 
kursen beim  Aufsuchen  der  A.  tibialis  posterior  im  oberen  Drittel 
den  Muskelbauch  so  ausgiebig  zur  Seite  zu  schieben. 

Wirkung. 

I.  Der  zweigelenkige  Muskel  beugt  bei  frei  beweglichem  Fuße  die 
Fußsohle  gegen  die  Rückseite  des  Unterschenkels,  bis  beide  fast  in 
eine  Linie  zusammenfallen  (Spitzfußstellung). 

II.  Wenn  der  Fuß  das  Punctum  fixum  darstellt,  muß  der  Ober- 
schenkel gebeugt  werden.  Diese  Bewegung  führen  wir  im  gewöhn- 
lichen Leben  aus,  wenn  wir  uns  auf  einen  Stuhl  setzen  wollen. 
Turnerisch  wird  die  Bewegung  als  tiefe  Kniebeuge  bezeichnet. 


M.  plantaris. 

Synonyma:  Fußsohlenmuskel ;  Extensor  tarsi  minor;  M.  plantaire 
grele,  petit  f^moro-calcanien  (Chauss.,  Dum.) 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  inkonstante  Muskel  entspringt  an  der  Rückseite  des  Epi- 
condylus  lateralis  femoris  und"  reicht  mit  seinem  oberen  Ende  weiter 
proximal,  als  der  M.  gastrocnemius  lateralis,  geht  jedoch  über  die 
Höhe  des  M.  gastrocnemius  medialis  nach  oben  hin  nicht  hinaus.  Bei 
seiner  Gegenwart  bestimmt  also  er  die  untere  laterale  Begrenzung  der 
muskulösen  Kniekehlenraute,  welche  medial  durch  den  entsprechenden 
Zwillingsmuskel  gebildet  wird.  Weiterhin  schiebt  er  sich  jedoch  unter 
den  M.  gastrocnemius  lateralis  herunter  und  entwickelt  bereits  im 
Beginne  des  Unterschenkels  oder  schon  in  Kniegelenkshöhe  die  abge- 
plattete Endsehne.  Sie  nimmt  ihren  Weg  schräg  nach  unten  und 
innen  zwischen  den  M.  gastrocnemius  und  soleus,  verschmilzt  im 
distalen  Drittel  des  Unterschenkels  entweder  mit  der  Achillessehne 
oder,  was  wir  als  das  Normale  bezeichnen  müssen,  heftet  sich  ge- 
sondert vor  der  Bursa  calcanea  am  Fersenbeine  an  und  bildet  so 
eine  Verstärkung  der  vorderen  Wand  dieses  Schleimbeutels. 

36* 

147 


562  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

Wir  müssen  bei  dieser  Sehne  ein  eigentümliches  Verhalten  be- 
tonen. Zieht  man  nämlich  mit  zwei  Pinzetten  oder  auch  mit  den 
Fingernägeln  die  beiden  Ränder  der  Sehne  auseinander,  so  ist  man 
imstande,  beispielsweise  eine  Sehne  von  3  mm  Breite  in  eine  2—3  cm 
breite,  bindegewebige  rautenförmige  Platte  zu  verwandeln.  Durch 
Zug  am  oberen  und  am  unteren  Ende  kann  man  die  Sehne  wieder 
in  ihren  früheren  Zustand  zurückbringen.  Man  sieht  ihr  nicht  einmal 
an,  wie  sehr  sie  vorher  auseinandergebreitet  war,  und  kann  dies  be- 
liebig oft  wiederholen.  Hierdurch  wird  der  Beweis  geliefert,  daß  eine 
Sehne  in  transversaler  Richtung  dieser  großen  Dehnung  fähig  ist, 
während  in  longitudinaler  keine  makroskopisch  erkennbare  Verlänge- 
rung eintritt.  Die  Nutzanwendung  für  mikroskopische  Zwecke  wird 
regelmäßig  in  der  Berliner  Anatomie  bei  der  Darstellung  der  Sehnen- 
flügelzellen  gezogen,  indem  eine  entsprechend  vorbereitete  Sehne  des 
Rattenschwanzes  zwischen  zwei   Objektträgern  breitgequetscht  wird. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskel  entspringt  rein  fleischig  vom  Epicondylus  lateralis 
femoris.  Je  nach  seiner  Mächtigkeit  ist  die  Breite  und  Länge  des 
Ursprungsfeldes  verschieden.  Proximalwärts  geht  er  nicht  über  die 
Höhe  des  M.  gastrocnemius  medialis  hinaus,  distalwärts  dagegen  kann 
er  bis  zum  Anfange  der  Tibia  reichen,  entspringt  dann  selbstverständ- 
lich nicht  mehr  vom  Knochen,  sondern  von  der  Gelenkkapsel.  Beide 
Ursprünge  können  auch  voneinander  getrennt  sein.  Recht  oft  fehlt 
der  Muskel.  Der  Muskelbauch  ist  sehr  verschieden :  bis  3  cm  breit 
und  3 — 7  cm  lang,  reicht  jedoch  nicht  über  den  Punkt  distalwärts, 
wo  sich  die  beiden  M.  gastrocnemii  vereinigen,  also  der  Muskelbauch 
zwischen  deren  tiefe  Sehnen  und  die  oberflächliche  des  M.  soleus 
gerückt  wird.  Eine  freie  Beweglichkeit  der  Sehne  ist  durch  sehr 
lockeres  fetthaltiges  Bindegewebe  gewährleistet.  Wir  müssen  den  M. 
plantaris  durchaus  mit  dem  M.  palmaris  longus  vergleichen,  welcher 
seinerseits  ebenfalls  fehlen,  einen  oberen,  mittleren  oder  unteren,  sogar 
mehrere  Muskelbäuche  aufweisen  kann,  oberflächliche  sowohl,  wie  tiefe. 
Derartige  Verschiedenheiten  kommen  jedoch  beim  M.  plantaris  nicht 
in  demselben  Maße  vor.  Entweder  fehlt  er,  oder  wir  finden  nur  den 
proximalen  oder  den  distalen  Bauch  verwirklicht.  In  dem  Zwischen- 
räume zwischen  den  M.  gastrocnemii  und  soleus  kommt  es  aus 
mechanischen  Gründen  niemals  zur  Bildung  eines  Muskelbauches. 
Ein  Venter  distalis  kann  erst  am  freien  Rande  des  M.  gastrocnemius 
medialis  entstehen  und  wird  dann  gewöhnlich  als  akzessorischer  Kopf 
des  M.  soleus  beschrieben.  Wir  sind  jedoch  der  Meinung,  daß  es 
sich  dann  um  einen  distal  heruntergewanderten  M.  plantaris  handelt, 
auch  wenn  er  sich  aus  der  Facies  profunda  s.  anterior  des  M.  soleus 
loslöst.  Wir  verweisen  hier  auf  unseren  Befund  des  tiefen  Ursprunges 
des  M.  palmaris  vom  Radius  und  der  Ulna  her,  anstatt  vom  Humerus 
(s.  A.  S.  118).  Obwohl  es  sich  dann  um  eine  Varietät  handelt,  kann 
der  Muskel  aus  räumlichen  Gründen  das  Mehrfache  derjenigen  Größe 
erreichen,  welche  er  in  der  Kniekehle  zu  entwickeln  vermag.  —  Der 
Ansatz  liegt  an  der  oberen  medialen  Fläche  des  Fersenbeines  beim 
Uebergange  in  die  hintere  und  ist  eventuell  durch  eine  Rauhigkeit 
gekennzeichnet,  welche  die  glatte  Fläche  der  Bursa  calcauea  gegen 
die  rein  periostale  dieses  Knochens  von  vorn  begrenzt. 

148 


M.  plantaris.  563 

Holotopie  und  Syntopie. 

Er  bildet  die  untere  laterale  Begrenzung  der  muskulösen  Knie- 
kehle, überkreuzt  gewöhnlich  sämtliche  Zweige  der  Vasa  poplitea 
und  des  N.  tibialis.  Wir  haben  jedoch  Fälle  beobachtet,  wo  die 
Nerven  für  den  M.  soleus  dorsalwärts  von  der  Sehne  ihren  Weg 
nahmen.  Nach  diesem  Nervenbefunde  kann  man  im  Zweifel  sein,  ob 
man  den  M.  plantaris  zu  den  M.  gastrocnemii,  d.  h,  der  oberfläch- 
lichen Schicht  des  M.  quadriceps  surae  rechnen  soll,  oder  zum  M. 
soleus,  d.  h.  der  tiefen.  Die  Bedeutung  des  getrennten  Ansatzes  der 
Endsehne  von  der  sogenannten  Achillessehne  liegt  darin,  daß  er  auf 
den  konstant  vorhandenen  Schleimbeutel  einwirken  kann. 

Wirkung. 

Bei  seiner  geringen  Masse  kommen  im  wesentlichen  theoretische 
Erörterungen  in  Betracht.  I.  Bei  fixiertem  Oberschenkel  unterstützt 
er  den  M.  triceps  surae  in  der  Plantarflexion  des  Fußes  und  drängt 
gleichzeitig  den  Inhalt  der  Bursa  calcanea  nach  hinten  hin  und  hierin 
dürfte  wohl  seine  Hauptaufgabe  bestehen.  II.  Bei  fixiertem  Fuße 
wirkt  er  mit  als  Beuger  des  Oberschenkels  gegen  den  Unterschenkel 
und  unterstützt  dabei  die  M.  gastrocnemii  und  popliteus  (s.  diese) 
und  muß  naturgemäß,  wenn  er  seinen  Ursprung  von  der  Kniegelenks- 
kapsel nimmt,  diese  nach  hinten  zurückbringen  und  dem  Inhalte  der 
Gelenkhöhle,  besonders  dem  hinteren  Kreuzbande  aktiv  einen  be- 
quemen Raum  zur  Ausdehnung  gestatten. 

Innervation. 

Der  Nerv  tritt  bereits  im  Bereiche  des  Oberschenkels  in  der 
Höhe  des  Condylus  lateralis  in  den  Muskel  hinein,  nicht  in  demselben 
Interstitium,  sondern  in  einigen  benachbarten.  Dieser  Befund  braucht 
aber  nicht  als  typisch  zu  gelten,  weil  der  Muskel  selbst  nicht  als 
typisch  anzusehen  ist.  Nichtsdestoweniger  müssen  wir  ihn  als  wichtiges 
Beweismoment  für  den  feineren  Aufbau  des  M.  soleus  heranziehen. 
Nicht  einmal,  sondern  mehrere  Male  haben  wir  folgende  Inner- 
vierung des  M.  soleus  feststellen  können :  Die  oberflächlichen  Nerven 
ziehen  haut-  und  kniekehlenwärts  vom  M.  plantaris  zu  den  Muskel- 
bündeln, während  die  tiefsten  Bündel  des  M.  soleus  einen  besonderen 
Nerven  empfangen,  welcher  erst  unter  dem  M.  plantaris  seinen  Weg 
in  die  Tiefe  nimmt.  Wir  freuen  uns,  hier  eventuell  den  anatomischen 
Aufschluß  für  eine  von  chirurgischer  Seite  aus  angeregte  Frage  geben 
zu  können.  Bereits  vor  1900  haben  v.  Bergmann- Rochs  bei  der  oberen 
Unterbindung  der  A.  tibialis  posterior  betont,  daß  man  innerhalb  des 
M.  soleus  eine  besondere  sehnige  Lamelle  vorfindet,  welche  erst  durch- 
trennt werden  muß,  um  die  tiefe  Muskellage  zu  Gesicht  zu  bringen, 
welche  ihrerseits  wieder  die  tiefen  Gebilde  deckt.  Zweifelsohne  hat 
hier  die  praktische  Erfahrung  der  theoretischen  Untersuchung  den 
Weg  vorgeschrieben,  und  wir  stehen  nicht  an,  zu  behaupten,  daß  im 
M.  soleus  2  Muskeln  vereinigt  sind,  welche  ihre  muskulotendinöse 
Trennung  durch  die  von  v.  Bergmann  zuerst  beschriebene  Innen- 
sehne besitzen,  wofür  wir  auch  noch  die  Uebereinstimmung  mit  den 
Nerven  liefern  können.  Hierfür  ist  aber  die  Gegenwart  des  M.  plantaris 
«rforderlich.     Wenn  dieser  Muskel  vorhanden  war,  konnten  wir  seine 

149 


664  FROHSE  und   M.    FRÄNKEL, 

Umfassung  durch  den  motorischen  Nerven  für  den  M.  soleus  nach- 
weisen: einen  einheitlichen  Nerven  für  die  oberflächliche  Schicht  und 
einen  ebenfalls  ungeteilten  für  die  tiefe  Lage,  genau  im  Sinne  der 
V.  BERGMANNSchen  Muskeldarstellung.  Hieraus  würden  sich  außer- 
ordentlich wichtige  theoretische  Fragen  ergeben,  zu  welcher  Schicht 
dieM.  plantaris  und  soleus  überhaupt  gehören.  Wir  sind  überzeugt  davon, 
daß  der  M.  soleus  präparatorisch  aus  einer  oberflächlichen  und  tiefen 
Schicht  besteht,  wie  auch  der  Nervenbefund  beweist,  wagen  aber  noch  nicht 
zu  entscheiden,  ob  der  größere  hintere  Abschnitt  zu  den  M.  gastrocnemii  zu 
rechnen  und  der  tiefe  kleinere  zu  einem  besonderen  Muskel  verwirklicht 
ist,  welcher  gegebenenfalls  für  den  fehlenden  M.  plantaris  einzutreten 
hat.  Jedenfalls  ist  eine  Nachprüfung  darüber  geboten,  in  welcher  Weise 
der  M.  soleus  innerviert  wird.  Wir  wissen,  daß  er  entsprechend  dem 
Aufbau  seiner  Muskelbündel  unter  allen  Umständen  zwei  getrennte 
Nerven  bekommen  muß,  auch  wenn  der  M.  plantaris  fehlt.  Sache  der 
Fachgenossen  ist  es  nun,  festzustellen,  wie  oft  und  in  welcher  Weise 
der  M.  plantaris  den  besonderen  Verlauf  der  motorischen  Zweige  be- 
stimmt. Mit  einem  solchen  Nachweise  würde  man  auch  dem  leider 
so  häufig  fehlenden  M.  plantaris  eine  theoretisch  enorm  wichtige  Stelle 
zuweisen  können,  ob  er  zur  oberflächlichen  oder  zur  tiefen  Schicht 
der  Kniekehle  gehört,  oder  überhaupt  eine  Sonderstellung  einnimmt, 
als  ein  besonderer,  allerdings  verkümmerter  Muskel  des  Oberschenkels 
mit  Wirkung  auf  die  Fußsohle.  Diese  theoretische  Erörterung  ist 
gerade  für  uns  am  Platze,  weil  wir  auch  dem  M.  glutaeus  maximus 
in  seinen  rudimentären  Ansätzen  an  der  Linea  aspera  eine  so  aus- 
führliche Betrachtung  gewidmet  haben. 

Besondere  Varietät. 

Der  M.  plantaris  hatte  als  proximale  Abzweigung  des  4  cm  langen 
Ursprungskopfes  eine  3  mm  breite  flache  Sehne  zur  hinteren  Wand  der 
Kniegelenkskapsel,  wo  sie  unmittelbar  mit  dem  Lig.  popliteum  obliquum 
zusammenhing ;  sowohl  durch  Zug  am  M.  semimembranosus,  wie  an  dem 
M.  plantaris  ließ  sich  der  anatomische  Zusammenhang  nachweisen,  gewisser- 
maßen   also    ein  Caput  accessorium  popliteum    des  M.  semimembranosus. 

M.  soleus. 

Synonyma:  Schollenmuskel;  Gastrocnemius  internus;  Soleaire,  tibio- 
calcanien  (Chauss.),  tibio-peroneo-calcanien  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Wenn  irgendwo  ein  ohne  weiteres  in  die  Augen  springender  Ver- 
gleich mit  einem  anderen  Muskel  angebracht  ist,  so  ist  es  hier  der 
Fall,  nämlich  zwischen  ihm  und  dem  M.  brachialis.  Wir  haben  bei 
diesem  eine  frontale  platte  Fläche  zu  unterscheiden,  welche  vom  M. 
biceps  zugedeckt  wird,  was  beim  M.  soleus  der  M.  gastrocnemius  be- 
sorgt. An  beiden  Stellen  kommt  der  tiefe  Muskel  sowohl  an  der 
medialen  wie  der  lateralen  Seite  zum  Vorscheine  und  nimmt  mit 
seinem  axialen  Hauptabschnitte  nicht  au  dem  Oberflächenbilde  Anteil. 
Außerdem  reicht  in  beiden  Fällen  das  distale  Ende  der  Muskelbäuche 
weiter  gegen  Hand  und  Fuß,  als  dasjenige  der  oberflächlichen  Schicht. 
—  Auch  in  anderer  Beziehung  ist  der  Vergleich  berechtigt.  Die  M. 
gastrocnemii  stellen  einen  zweigelenkigen  Muskel  dar,  welcher  Knie 

150 


M.  soleus.  565 

und  oberes  Sprunggelenk  überbrückt,  während  der  M.  soleus  (M. 
brachialis)  nur  ein  Gelenk  kreuzt,  die  Artic.  talocruralis  (Artic.  cu- 
biti).  Die  Trennung  beider  Schichten  wird  am  Oberarme  durch  den 
N.  musculocutaneus  bewirkt,  am  Unterschenkel  —  allerdings  nicht 
immer  durch  den  M.  plantaris  —  unter  allen  Umständen  aber  durch 
lockeres  Bindegewebe,  welches  den  Namen  einer  Fascie  nicht  ver- 
dient, am  Uuterschenkel  sogar  recht  fettreich  ist.  Wir  müssen  bei 
der  Beschreibung  der  Wirkung  auf  diesen  Punkt  besonders  zurück- 
kommen, weil  hier  ein  Unterschied  zwischen  Unterschenkel  und  Ober- 
arm vorliegt.  An  letzterem  sind  die  Endsehnen  vollkommen  von- 
einander getrennt,  am  Uuterschenkel  sind  sie  jedoch  in  der  Achilles- 
sehne vereint.  Von  Wichtigkeit  ist  anatomisch  der  Arcus  tendineus, 
welcher  die  beiden  Ursprünge  von  Fibula  und  Tibia  miteinander 
verbindet  und  den  Vasa  tibialia  posteriora  und  dem  N.  tibialis  zum 
Durchtritte  dient;  chirurgisch  die  frontale  Sehnenplatte,  welche  die 
hinteren  longitudinal  verlaufenden  Muskelbündel  von  den  tiefen  hori- 
zontal gerichteten  trennt.  (Unterbindung  der  A.  tibialis  posterior  im 
oberen  Drittel.) 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Die  proximale  Ursprungslinie  ist  gegeben  durch  die  Linea  Popli- 
tea (obliqua),  d.  h.  sie  verläuft  schräg  von  proximal-lateral  nach  distal- 
medial.  oder  mit  anderen  Worten:  der  laterale  Abschnitt  reicht  bis 
zum  Capitulum  fibulae  empor,  während  der  Ursprung  von  der  Tibia 
bereits  an  der  Grenze  des  proximalen  und  zweiten  Viertels  des  Unter- 
schenkels sein  Ende  findet.  Zwischen  den  beiden  genannten  Knochen 
spannt  sich  ja  die  Membrana  interossea  cruris  aus,  welche  proximal 
eiu  Loch  für  den  Durchtritt  der  Vasa  tibialia  anteriora  besitzt.  Aber 
auch  die  Nerven  und  Gefäße,  welche  die  Rück-  oder  Beugeseite  des 
Unterschenkels  und  der  P'ußsohle  versorgen,  bedürfen  einer  be- 
sonderen Durchtrittsstelle,  welche  sich  zwischen  der  muskulösen  Ver- 
bindung beider  Knochenursprünge  befindet.  Es  wird  hier  allermeist 
von  einem  Arcus  tendineus  (m.  solei)  gesprochen,  nach  unseren 
Befunden  ist  jedoch  die  äußerlich  sichtbare  sehnige  Portion  fast  gleich 
Null  und  die  Umrahmung  einfach  muskulös.  —  Der  Muskelbauch  be- 
sitzt au  der  präparatorisch  freiliegenden  Fläche,  der  Facies  dorsalis, 
eine  breite,  aber  ganz  zarte  Sehnenplatte,  welche  augenscheinlich 
erzielt  ist  durch  die  Reibung  gegen  die  M.  gastrocnemii.  Der  Ur- 
sprung von  der  Tibia  entspricht  den  mittleren  zwei  Vierteln  dieses 
Knochens  am  Margo  medialis.  Derjenige  von  der  Fibula  ist  be- 
deutend größer  und  umfaßt  vom  Capitulum  abwärts  gerechnet  etwa 
zwei  Drittel  des  Wadenbeines.  Die  Muskelbündel  konvergieren  gegen 
die  Facies  profunda  der  Endsehne.  Die  äußere  Fläche  stellt  eine 
lange,  schmale  Spindel  dar,  die  innere  eine  kurze,  breitere  mit  distaler 
Abrundung. 

Wie  bereits  in  der  allgemeinen  Beschreibung  erwähnt,  besitzt 
der  Muskel  auch  noch  eine  tiefe  Schicht,  welche  nicht  aus  longitu- 
dinalen  oder  schrägen,  sondern  aus  horizontalen  Bündeln  besteht. 
Die  Ansatzsehne  übertriift  beim  Beginne  diejenige  der  M.  gastro- 
cnemii bedeutend  an  Breite  und  ist  an  dieser  Stelle  noch  leicht  von 
ihnen  zu  trennen.  Erst  mit  dem  Aufhören  der  Muskelsubstanz  kommt 
der  gemeinschaftliche  Tendo  calcaneus,  die  Achillessehne,  zur  freien 
Entfaltung.     Diese   beginnt  zunächst   verschmälert  in   der  Höhe  der 


566  FROHSE    und    M,    FRÄNKEL, 

Artic.  talocruralis,  dann  verbreitert  sie  sich,  um  die  ganze  Breite  der 
Facies  posterior  des  Calcaneus  einzunehmen.  Es  fragt  sich  nun,  an 
welcher  Stelle  die  Sehne  sich  anheftet.  An  jedem  Knochenpräparate 
erkennt  man  an  der  Rückseite  mit  aller  Deutlichkeit  eine  proximale 
glatte  Fläche,  welche  von  einem  distalen,  leicht  zackigen  Knochen- 
saurae  begrenzt  wird.  Die  glatte  Fläche  zerfällt  jedoch  in  zwei  Unter- 
abteilungen, eine  keilartige,  proximale  und  eine  ungefähr  rechteckige, 
distale.  Die  letztere  entspricht  der  Anheftung  der  Sehne,  die  erstere 
der  B.  calcanea,  d.  h.  nur  ihrem  hinteren  Abschnitte,  weil  sie  sich 
auch  noch  in  unmittelbarem  Anschlüsse  auf  die  obere  Fläche  des 
Calcaneus  fortsetzt. 

Die  Facies  superficialis  ist  durch  lockeres  Bindegewebe  getrennt 
von  der  oberflächlichen  Schicht  der  Wadenmuskulatur.  Die  Sehne 
des  M.  plantaris,  welche  ja  fehlen  kann,  spielt  topographisch  keine 
nennenswerte  Rolle.  Dagegen  deckt  der  M.  gastrocnemius  die  beiden 
proximalen  Drittel  der  Rückseite  vollkommen  zu  und  tritt  nur  im 
distalen  Drittel  zu  beiden  Seiten  der  keilartigen  Sehne  unter  Haut 
und  Fascie.  Medial  und  lateral  haben  wir  ein  ansehnliches  Stück 
des  Muskelbauches  subkutan  gelagert,  lateral  am  Wadenbeine  in 
dessen  oberen  zwei  Dritteln,  medial  am  Schienbeine  in  dessen  mitt- 
lerem Drittel.  Die  Facies  profunda  deckt  zunächst  die  tiefen  Gefäße 
und  Nerven  der  Beugeseite  und  ferner  die  Beugemuskeln :  M.  flexor 
digitorum  longus,  tibialis  posterior  und  flexor  hallucis  longus.  Der 
mediale  Rand  entspricht  der  inneren  Kante  der  Tibia,  der  laterale 
der  Fibula,  zuerst  unmittelbar  ihrem  Capitulum,  dann  jedoch  dem 
Schafte  und  dem  Septum  intermusculare  laterale  (posterius). 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  größten  Flächen  des  M.  soleus  sind  in  der  Tiefe  verborgen, 
und  nur  schmale  Säume  kommen  medial  und  lateral  unter  Fascie 
und  Haut  zum  Vorscheine ;  darum  dürfte  es  sich  empfehlen,  an  diesem 
Muskel  eine  Facies  posterior,  anterior,  medialis  und  lateralis,  sowie 
den  proximalen  Rand  und  die  distale  Spitze  zu  unterscheiden. 

Die  Facies  medialis  kommt  distal  von  der  Patte  d'oie  mit  einer 
keilartigen  Spitze  zum  Vorscheine  und  geht  in  eine  spindelförmige 
Fläche  über,  deren  untere  Spitze  im  distalen  Viertel  des  Unter- 
schenkels an  der  freien  Kante  der  Achillessehne  endigt. 

Die  Facies  lateralis  ist  ebenfalls  spindelförmig,  jedoch  reicht  die 
proximale  Spitze  bis  zum  Capitulum  fibulae,  die  distale  liegt  etwas 
weiter  proximal  als  die  entsprechende  mediale. 

Die  Facies  posterior  wird  in  ihrem  muskulösen  Teile  vollkommen 
vom  M.  gastrocnemius  zugedeckt,  allerdings  schiebt  sich  meistens  die 
dünne  Endsehne  des  M.  plantaris  etwas  schräg  von  lateral  nach 
medial  dazwischen.  Dagegen  ist  die  breite  Basis  der  Achillessehne 
etwas  ausgedehnter,  als  es  die  sehnige  Ausstrahlung  beider  Zwillings- 
muskeln erfordert. 

Die  Facies  anterior  ist  die  Deckschicht  für  die  tiefen  Beuge- 
muskeln, sowie  die  Gefäße  und  Nerven,  wird  aber  von  ihnen  getrennt 
durch  die  Fascia  profunda  cruris.  —  Der  proximale  Rand  bildet  den 
Arcus  tendineus  zum  Durchtritte  für  die  Vasa  tibialia  posteriora  und 
den  N.  tibialis.  Er  verläuft  schräg,  entsprechend  der  Anheftung  des 
M.  popliteus  an  der  Tibia.  —  Die  untere  Spitze  ist  keine  selbständige 

152 


M.  soleus.  5f>7 

Bildung,  sondern  verschmilzt  mit  den  Endsehnen  der  M.  gastrocnemii 
zum  Tendo  calcaneus  (Achillis).  Die  Anheftung  an  der  hinteren 
Fläche  des  Calcaneus  muß  also  auch  als  Spitze  für  den  M.  soleus 
gelten. 

Innervation. 

Der  Nerv  zerfällt  in  zwei  Teile,  einen  vorderen  für  diejenige 
Portion,  welche  durch  v.  Bergmann  sich  als  wichtig  für  die  Unter- 
bindung der  A.  tibialis  posterior  kennzeichnet,  und  einen  hinteren, 
welcher  die  massige,  präparatorisch  freiliegende  Portio  posterior  ver- 
sorgt. Der  laterale,  fibulare  Muskelurspruug  geht  weit  nach  oben 
proximal,  während  der  tibiale  distal  verschoben  ist.  Beide  Ursprünge 
von  den  Unterschenkelkuochen  sind  jedoch  nicht  getrennt,  im  Gegen- 
teile verbunden  durch  eine  bogenförmige  Linie,  welche  bezeichnet 
wird  als  Arcus  tendineus  m.  solei.  Wir  haben  in  unserer  Fig.  2!) 
nicht  die  hintere  Seite,  die  Facies  superticialis,  dargestellt,  welche 
nur  obertlächliche  sehnige  Ausbreitung  zeigen  würde,  sondern  die 
Facies  profunda,  welche  regelmäßig  einen  horizontal  verlaufenden 
Muskel  aufweist,  die  Portio  profunda  des  M.  soleus.  (ienau,  wie  wir 
unter  der  Haut  zwischen  den  beiden  M.  gastrocnemii  eine  mediale 
Sehne  finden,  ist  es  auch  hier  der  Fall.  Die  Aluskelbündel  der  tiefen 
Portion  verlaufen  proximal  gegen  den  Arcus  tendineus  hin,  dann 
ungefähr  horizontal  zu  der  medialen  und  lateralen  Seite,  wo  sie  etwa 
2  cm  von  den  Seitenilächen  entfernt  ihr  Ende  finden.  Diese  tiefe 
Portion  des  M.  soleus  besitzt  praktisch  die  größte  Bedeutung  für  die 
Aufsuchung  der  A.  tibialis  posterior  und  auch  der  gewöhnlich  nicht 
im  Operationskurse  zur  Unterbindung  gelangenden  A.  peronaea. 
Wenn  man  bei  einer  solchen  Gelegenheit  den  M.  soleus  durch- 
schneidet, kommt  mau  nämlich  nach  Durchtrennung  der  oberfläch- 
lichen Schicht  zunächst  auf  ein  Sehnenblatt  und  dann  auf  eine  dünne 
Lage  von  Muskulatur,  welche  aus  den  Bündeln  unserer  Portio  pro- 
funda besteht.  A\'ir  haben  sie  niemals  fehlen  gesehen.  —  Der  Name 
„soleus",  „schollenförmiger"  Muskel  ist  für  die  Gesamtform  gewählt, 
erfährt  aber  hier  noch  seine  besondere  Berechtigung,  weil  in  der 
Tiefe  eine  im  wesentlichen  transversale  dünne  Muskellage  vorhanden 
ist,  welche  mit  den  Gräten  dieses  Fisches  verglichen  werden  kann. 
Die  Muskelbündel  dieser  tiefen  Portion  verlaufen  von  den  Seiten  des 
Unterschenkels  zur  Achse  hin,  während  die  longitudinale  Haupt- 
masse des  Muskels  von  beiden  Seiten  her,  proximal  getrennt,  sich 
distal  vereinigt. 

Der  Muskel  setzt  sich  in  dieser  Weise  aus  zwei  vollkommen 
selbständigen  Teilen  zusammen,  welche  auch  durch  die  Innervation 
getrennt  sind,  denn  es  empfängt  die  eben  beschriebene  Portio  pro- 
funda einen  Nerven,  welcher  sie  alsbald  in  die  fibulare  und  tibiale  Por- 
tion teilt.  Im  Gegensatze  hierzu  verlaufen  die  Nerven  für  den  dor- 
salen Abschnitt  des  M.  soleus  weiter  proximal.  Sie  entstammen 
einem  gemeinschaftlichen  Nerven,  welcher  sich  in  drei  besondere 
Zweige  sondert;  dem  medialen  Aste  sitzen  zwei  VATER-PAciNische 
Körpercheu  auf.  Von  Sehnennerven  ist  zu  erkennen  der  rückläufige 
Zweig  zum  Capitulum  fibulae.  Von  Anastomosen  sind  sieben  ange- 
geben; im  proximalen  Drittel  des  Muskels  drei,  im  mittleren  eben- 
falls drei  und  im  distalen  eine.  Die  Nerven  für  die  Endsehne  sind 
auf  beiden  Seiten  scharf  ausgeprägt  —  s.  Fig.  29. 

153 


568 


R.  post. 


Caput  fibulare 


— —  K .  laterales 


Raphe  mediana i^ 

et  R.  intermedius 


Portio 
profunda 


Raphe  intramuscu- 
aris  lateralis 


R.  tcndincus  medi 


R.  tcndineus  lateralis 


Fig.  29.     M.  soleus  sinister,  Nervenbild  der  Facies  profunda. 


M.  popliteus.  569 

Anhang. 

Der  Wadenkrampf  beruht  nach  der  gewöhnlichen  Darstellung  auf 
einer  Kontraktion  des  M.  gastrocnemius.  Wir  müssen  dagegen  be- 
haupten, daß  es  sich  in  vielen  Fällen  um  eine  solche  des  M.  soleus 
handelt  und  besonders  unserer  Portio  profunda,  welche  die  Wade  von  beiden 
Seiten  zusammenzieht  und  auf  den  Fuß  vielleicht  gar  keinen  Einfluß  hat. 

Wirkung  s.  beim  Abschnitt  „Fußbewegungen", 

Besondere  Varietät. 

Bei  einem  etwa  40-jährigeu  Manne  fand  sich  ein  besonderer 
M.  plantaris,  welcher  ausschließlich  von  der  Facies  profunda  des 
M.  soleus  entsprang,  ohne  die  Unterschenkelknochen  zu  erreichen, 
ein  intermediärer  Doppelmuskel,  lateral  mit  4  cm,  medial  mit  2  cm 
langen  Bündeln,  welche  sich  nach  8  cm  langem  Verlaufe  zu  einer 
dünnen  medianen  Endsehne  vereinigten  und  erst  in  der  Nähe  des 
Calcaneus  sich  mit  der  Achillessehne  verbanden. 

Wir  schließen  aus  diesem  Befunde,  daß  der  M.  plantaris,  welcher 
nurmalerweise  am  lateralen  Oberschenkelknorren  entspringt,  durch 
den  Arcus  tendineus  m.  solei  in  die  Tiefe  des  Unterschenkeis  herunter- 
gewandert ist  und  hier  als  Ursprung  benutzen  kann:  —  wie  im  ge- 
schilderten Falle  entweder  die  Facies  profunda  des  M.  soleus  unter 
Bevorzugung  der  lateralen  Seite  —  oder  unter  Anheftung  nur  an  dem 
medialen  Knochen,  der  Tibia.  Nach  unserer  Meinung  stellen  also  die 
als  M.  solei  accessorii  sonst  beschriebenen  Varietäten  nur  einen  vom 
Oberschenkel  durch  den  Arcus  tendineus  auf  den  Unterschenkel,  und 
zwar  auf  die  Tibia  durchgewanderten  M.  plantaris  dar,  obwohl  auch 
in  solchen  Fällen  der  normale  Kniekehlenbauch  gleichzeitig  verwirk- 
licht sein  kann. 

M.  popliteus. 

Synonyma :  Kniekehlenmuskel ;  Subpopliteus,  M.  in  poplite  occultus, 
oblique  movens  tibiam;  Muscle  poplite,  panetier  (Winslow),  femoro-po- 
plite-tibial  (Chauss.,  Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

An  diesem  Muskel  lernen  wir  die  gleiche  Beziehung  einer  Sehne 
zum  Gelenke  kennen,  wie  es  beim  Caput  longum  des  M.  biceps  bracliii 
der  Fall  war,  daß  sie  nämlich  in  breiter  Fläche,  wenn  auch  nicht 
vollständig,  von  der  Synovialis  umhüllt  wird.  Die  distale  Grenze  des 
Muskels  läßt  sich  unter  allen  Umständen  als  scharfe  Leiste  an  der 
Tibia  erkennen  und  führte  früher  den  Namen  Linea  obliqua,  jetzt 
einfach  Linea  poplitea.  Der  proximale  Teil  des  Muskels  am  Ober- 
schenkel ist  rein  sehnig,  der  distale  an  der  Tibia  rein  muskulös. 
Hierdurch  kommen  wir  zu  einem  unangenehmen  Widerspruche,  weil 
wir  nicht  recht  wissen,  ob  die  proximale  Sehne  als  Ansatz,  oder  der 
distale  Bauch  als  Ursprung  aufzufassen  ist.  Die  Innervation  läßt  es 
allerdings  als  wahrscheinlich  gelten,  daß  der  Ursprung  an  der  Tibia 
zu  suchen  ist,  und  die  Sehne  sich  zum  Oberschenkel  wendet,  weil 
der  Nerv  nicht  proximal  eintritt,  sondein  den  ganzen  Muskel  über- 
kreuzt  und   erst  distal  seinen  Eintritt  gewinnt.     Wir  haben  jedoch, 

155 


570  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

wie  bisher,  so  auch  hinterher  immer  den  Unterschied  des  Stand-  und 
Spielbeines  betont  und  halten  demgemäß  auch  an  der  Beschreibung- 
fest, daß  der  proximale  Teil  als  Ursprung,  der  distale  als  Ansatz 
aufzufassen  ist  —  im  übrigen  s.  den  Abschnitt  über  die  Wiikung. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Die  starke  Ursprungssehne  entwickelt  sich  aus  einer  deutlichen 
Grube  zwischen  dem  nicht  überknorpelten  Epicondylus  und  dem 
Rande  des  überknorpelten  Condylus  lateralis  femoris,  liegt  also  proxi- 
mal und  lateral  extrakapsulär,  distal  und  medial  intrakapsulär.  Die 
äußere  Partie  ist  mit  der  Gelenkkapsel  verschmolzen,  hängt  jedoch 
nicht  mit  dem  Lig.  collaterale  fibulare  zusammen;  jedenfalls  lassen 
sich  beide  Teile  ohne  große  Mühe  voneinander  sondern.  In  der  Höhe 
des  Kniegelenkspaltes  wendet  sich  die  Ursprungssehne  von  lateral 
nach  hinten  und  medial  und  wird  hier  durch  zwei  Retinacula  nach 
oben  gegen  die  Kniegelenkskapsel,  nach  unten  gegen  das  Wadenbein 
festgehalten.  Das  proximale  bildet  den  lateralen  Bestandteil  des  Lig. 
arcuatum,  das  distale  geht  zum  Capitulum  fibulae  und  wird  einfach 
als  Retinaculum  popliteum  bezeichnet.  Nun  erst  wird  der  Muskelbauch 
frei  und  verbreitert  sich  schnell  zu  einem  dreieckigen  Bauche,  dessen 
distale  Grenze  durch  die  Linea  poplitea  unverrückbar  festgelegt  ist. 
Aber  auch  noch  über  diesem  eigentlichen  Muskelteile  liegt  eine  derbe 
Binde,  welche  sogar  als  dritte  Ausstrahlung  der  Endsehne  des  M.  semi- 
membranosus  aufzufassen  ist.  Aus  diesen  Gründen  ist  die  Präparation 
des  M.  popliteus  allein  vom  systematischen  Standpunkte  schon  eine 
der  schwierigsten  Aufjgaben.  —  Die  proximalen  Muskelbündel  verlaufen 
ziemlich  horizontal,  die  distalen  und  gleichzeitig-  medialen  fast  senk- 
recht zur  Sehne  hin. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  bildet  zum  größten  Teil  den  Boden  der 
Kniekehle  und  liegt  hierbei  in  einer  frontalen  Ebene.  Der  sehnige, 
kleinere  Teil  wendet  sich  lateralwärts  und  ist  in  die  Kniegelenkskapsel 
eingebettet.  Ueber  die  Mitte  des  Muskelbauches  ziehen  senkrecht  die 
Vasa  Poplitea  herunter  und  teilen  sich  in  der  Regel  am  distalen  Rande 
des  Muskels  in  die  Vasa  tibialia  anteriora  und  posteriora.  Als  Varietät 
(von  Frohse  viermal  beobachtet)  nehmen  die  Vasa  tibialia  anteriora 
bereits  proximal  ihren  gesonderten  Weg  zur  Vorderseite  des  Unter- 
schenkels. Weiterhin  wird  der  Muskel  zugedeckt  durch  die  ober- 
flächliche Schicht  der  Muskulatur  der  Wade,  lateral  durch  den  M.  plan- 
taris und,  wenn  dieser  fehlt,  ohne  weiteres  durch  das  Caput  laterale 
des  M.  gastrocnemius,  medial  durch  die  dritte  Ausstrahlung  des  M.  semi- 
membranosus  und  das  Caput  mediale  m.  gastrocnemii.  Selbstverständ- 
lich kommen  der  distal  von  der  Linea  poplitea  entspringende  M.  soleus 
und  die  tiefe  Schicht  der  Beugemuskeln  des  Unterschenkels  nur  als 
distale  Nachbarn  des  M.  popliteus  in  Frage.  Die  Facies  profunda  deckt 
das  durch  die  Linea  poplitea  begrenzte  Dreieck  des  proximalen  Teiles 
der  Tibia  zu;  mit  seiner  Sehne  gleitet  sie  zunächst  über  eine  glatte 
Fläche  der  Rückseite  der  Tibia,  welche  unmittelbar  mit  der  über- 
knorpelten Oberfläche  des  medialen  Condylus  zusammenhängt  und 
hier  einen  Schleimbeutel  erzeugt,  die  Bursa  poplitea,  welche  regel- 
mäßig mit  der  Kniegelenkshöhle  zusammenhängt  und  daher  auch  vom 

156 


M.  popliteup. 


571 


■Nf.  ailJuctor  raagnii 


"NT.  iT.istrocnemi 
medial 


Bursa  m.  poplitei  (Rccessus 
inlerior  artic.  genu) 


M.  et  N.  popliteus 


M.  semimembranosus 


Lig.  cruciatum  anterius 


A.  tibialis  anterior 


Fasri.i  poplitea  (Dritter  Ansatz  des 
M.  semimembranosus) 


Foramen  nutricium  tibiae 


M.  plantaris 


Os  sesamoideum  m.  gastro- 
inemii  lateralis 


Condylus  lateralis 


Tendo  ni.  poplitei 


Meniscus  lateralis 


Bursa  inferior 
m.  bicipitis 
femoris 


Lig.  collaterale 
fibularo 


N.  peronaens communis 


Membrana  interossea  cruris 


Fig.  30.    M.  popliteus,  >vti  \Lnl)il(l  iiud  Umgebung. 


572  FROHSE  und   M.   FRÄNKEL, 

Beschreibung  zu  Fig.  i^  30. 

Der  anatomische  Gänsefuß,  die  Patte  d'oie,  ist  vollkommen  entfernt,  wenigstens 
der  oberflächliche,  welcher  aus  den  M.  gracilis,  sartorius  und  semitendinosus  besteht ; 
dagegen  erhalten  das  Endstück  des  Sl.  semimembranosus,  welcher  für  sich  allein 
einen  Pes  anserinus  profundus  bildet,  indem  er  1)  mit  der  Hauptsehne  dicht  unter- 
halb des  Margo  infraglenoidalis  medialis  anheftet,  von  dem  Lig.  coUaterale  tibiale 
durch  einen  besonderen  Schleimbeutel,  die  B.  m.  semimembranosi,  getrennt;  bei 
der  Strecksteilung  des  Kniegelenkes  verläuft  diese  Hauptsehne  in  scharfem  Bogen 
beinahe  rechtwinklig  nach  vorn  herum,  während  bei  der  Beugestellung  diese  Knickung 
vollkommen  ausgeglichen  wird,  wie  es  besonders  bei  der  Einwärtsrotation  erforderlich 
ist ;  2)  finden  wir  eine  rückläufige  Sehne,  das  sogenannte  Lig.  popliteum  obliquum, 
rückläufig  aber  nur  bei  Streckstellung  —  bei  der  Beugung  (bei  tätigem  Muskel)  hori- 
zontal, selbst  distalwärts  verlaufend.  Dieses  Band  ist  aus  der  Kniegelenkskapsel 
herausgeschnitten,  obwohl  es  sich  bei  erhaltener  hinterer  Kapselwand  bis  zum  Epi- 
condylus  lateralis  verfolgen  läßt.  Der  dritte  Ansatz  wird  gewöhnlich  als  Fascia  m. 
poplitei  aufgefaßt. 

Zwischen  beiden  hellblau  gehaltenen  Condyli  femoris  sind  in  der  Tiefe  die 
beiden  Lig.  cruciata  dargestellt.  Der  Condylus  lateralis  wird  proximal  überlagert 
von  dem  extrakapsulär  gelegenen  M.  plantaris,  während  der  M.  gastroenemius  late- 
ralis durch  sein  Sesambein  die  Gelenkhöhle  erreichen  kann.  Unter  allen  Umständen 
hängt  aber  die  mehr  distal  gelegene  Sehne  des  M.  popliteus  mit  dem  Gelenkspalte 
zusammen  und  bildet  außerdem  durch  seinen  Schleimbeutel  den  Rccessus  inferior 
des  Kniegelenkes.  Bei  diesem  kommt  als  Varietät  die  Kommunikation  oder  richtiger 
der  Durchbruch  in  die  Artic.  tibiofibularis  vor.  Die  Ursprungssehne  des  M.  po- 
pliteus Avird  proximal  gegen  die  Gelenkkapsel  festgehalten  durch  das  Lig.  pojiliteum 
arcuatum,  welches,  wie  in  unserer  Figur,  doppelt  sein  kann  und  sich  bis  zum  Epi- 
condylus  medialis  verfolgen  läßt.  Nicht  durchtrennt  ist  das  Eetinaculum  m.  pop- 
htei,  welches  den  Apex  capituli  fibulae  erreicht.  Mit  der  Gelenkhöhle  hängt  niemals 
zusammen  die  B.  m.  bicipitis  femoris,  dessen  Endsehne  das  Lig.  collaterale  fibulare 
umfaßt  und  nicht  allein  an  der  Fibula,  sondern  auch  an  der  Tibia  ansetzt.  Letztere 
Anheftung  verläuft  bei  gestrecktem  Beine  genau  wie  die  des  M.  semimembranosus 
im  scharfen  Bogen  nach  vorn  herum,  im  Zustande  der  Beugung  parallel  zur  Achse 
des  Oberschenkels. 

Der  Nerv  für  den  M.  popliteus  tritt  normalerweise  erst  ganz  distal  ein  und 
erreicht  die  Muskelbündel  von  der  Facies  profunda  aus.  Die  intramuskuläre 
Verzweigung  gibt  zu  keiner  besonderen  Bemerkung  Veranlassung.  — 

chirurgischen  Standpunkte  recht  wohl  den  Namen  Recessus  inferior 
articulationis  genu  verdient.  Der  rein  sehnige  Ursprung  ragt  zu  mehr 
als  seiner  Hälfte  frei  in  die  Gelenkhöhle  hinein. 

Wirkung. 

I.  Bei  fixiertem  Oberschenkel  beugt  er  den  Unterschenkel  und 
erteilt  ihm  nach  vollzogener  Beugung  eine  Rotation  nach  innen. 

II.  Bei  fixiertem  Fuße  und  Unterschenkel  unterstützt  er  die 
M.  gastrocnemii  in  der  energischsten  Weise  bei  der  Beugung  des 
Oberschenkels  zum  Unterschenkel,  eine  Bewegung,  welche  beispiels- 
weise dann  ausgeführt  wird,  wenn  wir  uns  auf  einen  Stuhl  nieder- 
setzen wollen.  Seine  Wichtigkeit  liegt  darin,  daß  er  nicht,  wie  die 
M.  gastrocnemii  (und  der  M.  plantaris)  den  Calcaneus,  d.  h.  den  Fuß, 
sondern  die  Tibia,  d.  h.  den  Unterschenkel  mit  dem  Oberschenkel 
in  Verbindung  setzt.  —  In  der  gleichen  Lage  befindet  sich  übrigens 
auch  das  Caput  breve  des  M.  biceps. 

Innervation. 

Sonderbarerweise  tritt  der  Nerv  nicht  am  proximalen  Rande, 
sondern  erst  rückläufig  am  distalen  zum  Muskel.  Alsbald  teilt  er  ihn 
in  eine  oberflächliche   und   eine  tiefe  Schicht.     Für  erstere  liefert  er 

158 


M.  flexor  digitorum  longus,  573 

außer  den  Muskelästen  zwei  Sehnennerven,  von  denen  der  proximale 
auch  noch  zur  Kniegelenkskapsel  Beziehung  gewinnt,  während  die 
distalen  Ausläufer  als  Sehnenendnerven  bei  der  Anheftung  an  die 
Tibia  in  Frage  kommen.  Der  zweite  Ast  versorgt  wiederum  mit 
sogenannten  auf-  und  absteigenden  Nervenzweigen  außer  der  Mus- 
kulatur auch  noch  Gelenke  und  Knochen,  in  diesem  Falle  die  Artic. 
tibiofibularis  und  die  Tibia  als  solche. 

M.  flexor  digitorum  ioiigus. 

Sj^nonyma  :  Langer  Zehenbeuger ;  Flexor  profundus  perforans,  Caput 
tibiale  des  M.  flexor  digitorum  communis;  Long  fl^chisseur  commun  des 
orteils,  tibio-phalangettien  commun  (Ciiauss.,  Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  M.  flexor  digitorum  longus  entspringt  von  der  Tibia,  distal 
von  der  Linea  poplitea  bis  zur  distalen  Epiphyse.  Seine  Sehne  wird 
in  dieser  Höhe  frei  und  zieht  hinter  dem  Malleolus  medialis  in  die 
Fußsohle,  wendet  sich  schräg  lateralwärts  und  teilt  sich  in  4  Zipfel, 
welche  die  4  dreigliedrigen  Zehen  versorgen.  Der  Verlauf  von 
medial  nach  lateral  bedingt  es,  daß  der  Muskel  die  beiden  anderen 
der  tiefen  Beugegruppe  kreuzen  muß.  Die  eiste  Kreuzung  liegt  im 
distalen  Drittel  des  Unterschenkels  und  betrifft  die  Sehne  des  M.  tibi- 
alis  posterior,  die  zweite  mit  der  Sehne  des  M.  flexor  hallucis  longus 
in  der  Fußsohle  in  der  Höhe  der  Tuberositas  ossis  navicularis.  Beide 
Male  liegt  der  M.  flexor  digitorum  hautwärts,  die  spitzwinklig  über- 
kreuzten Sehnen  knochenwärts.  Von  der  Sehne  des  M.  tibialis  posterior 
ist  er  durch  die  Schleimscheiden  beider  Sehnen  getrennt,  mit  der  des 
M.  flexor  hallucis  longus  dagegen  durch  eine  sehnige  Konjugation 
verbunden.  Ziehen  wir  nun  einen  Vergleich  mit  dem  entsprechenden 
Muskel  des  Armes,  so  ergibt  sich,  daß  der  kürzere  M.  flexor 
digitorum  profundus  des  Armes  dem  langen  M.  flexor  digitorum 
longus  pedis,  und  der  bedeutend  kürzere  M.  flexor  digitorum  brevis 
der  Zehen  dem  sehr  langen  M.  flexor  digitorum  sublimis  der 
Finger  entspricht.  Letzterer  hat  also  seinen  Ursprung  auf  den  Fuß 
verlegt,  während  er  am  Arme  nicht  allein  von  den  Vorderarmknochen, 
sondern  sogar  in  der  Hauptmasse  vom  Humerus  entspringt.  Der 
M.  flexor  digitorum  profundus  entspringt  ausschließlich  von  den  Vorder- 
armknochen, der  gleichwertige  M.  flexor  longus  der  Zehen  zwar  auch 
vom  Unterschenkel,  aber  auch  durch  das  Caput  plantare  von  der  Fuß- 
sohle. Die  Sehnenkonjugation  mit  dem  M.  flexor  hallucis  longus, 
welche  man  an  jedem  Präparate  mit  Leichtigkeit  feststellen  kann, 
weist  darauf  hin,  daß  der  Ursprung  des  letzteren  Muskels  von  der 
Fibula  für  die  Bewegungen  mitherangezogen  werden  muß.  Umgekehrt 
löst  ein  Zug  an  der  Sehne  des  M.  flexor  hallucis  longus  die  Mit- 
bewegung mindestens  der  2.  Zehe,  selbst  bis  zur  5.  aus.  Man  wäre  des- 
halb wohl  berechtigt,  die  beiden  M.  flexor  digitorum  und  hallucis  longus 
als  einheitlichen  M.  flexor  commuuis  digitorum  longus  aufzufassen 
und  dann  die  drei  Köpfe  als  Caput  tibiale,  Caput  fibulare  und  plan- 
tare zu  beschreiben.  —  Für  die  Innervation  ist  ebenfalls  der  Vergleich 
mit  dem  Arme  heranzuziehen.  Der  M.  flexor  digitorum  profundus 
wird  schematisch  zu  ^U  vom  N.  ulnaris  versorgt,  für  den  3.  bis 
ö.  Finger,   also  zu  Vi  vom  N.  medianus  für  den  Zeigefinger.     Nun 

159 


574  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

ist  am  Unterschenkel  der  N.  tibialis,  welcher  den  vereinten  N.  ulnaris 
und  medianus  entspricht,  bis  zum  Calcaneus  noch  ungeteilt.  Wir 
sind  infolgedessen  nicht  imstande,  zu  sagen,  wie  viele  der  Nerven- 
fasern für  die  am  Unterschenkel  gelegenen  Muskelbäuche  dem 
N.  plantaris  medialis  (N.  medianus)  und  wie  viele  dem  N.  plantaris 
lateralis  (N.  ulnaris)  entstammen.  In  der  Fußsohle  dagegen  läßt 
sich  mit  Leichtigkeit  der  Nachweis  führen,  daß  das  Caput  plantare  vom 
N.  plantaris  lateralis  (N.  ulnaris)  versorgt  wird.  Einen  schwachen 
Zweig  aus  dem  N.  plantaris  medialis,  welcher  theoretisch  durchaus 
denkbar  ist,  haben  wir  bisher  nicht  nachweisen  können.  Der  dem 
M.  flexor  digitorum  sublimis  entsprechende  M.  flexor  digitorum  brevis 
wird  von  dem  homologen  Nerven,  dem  N.  plantaris  medialis  (N.  me- 
dianus), versorgt. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Distal  von  der  Linea  poplitea  entwickeln  sich  zuerst  ganz  flach 
die  Fleischbündel  und  begeben  sich  parallelfaserig  zu  der  lateral 
entstehenden  Endsehne.  Obwohl  der  Muskel  4  Zehen  zu  versorgen 
hat,  ist  seine  Masse  nicht  einmal  halb  so  stark,  wie  die  des  M.  flexor 
hallucis  longus.  Auch  der  Zuwachs  des  Caput  plantare  stellt  noch 
nicht  den  hinreichenden  Ausgleich  dar.  Hierzu  ist  erst  die  bereits 
erwähnte  Sehnenkonjugation  mit  dem  M.  flexor  hallucis  longus  in  der 
Fußsohle  notwendig,  so  daß  schließlich  ungefähr  dieselbe  Muskelmasse 
auf  die  große  Zehe  einerseits,  die  dreigliedrigen  Zehen  andererseits 
entfällt.  Bei  der  Ueberkreuzung  des  M.  tibialis  posterior  findet  sich 
außerordentlich  häufig  eine  besondere  Arkade,  welche  zwar  nur  wenigen 
dünnen  Muskelbündeln  zum  Ursprünge  dient,  aber  großes  theoretisches 
Interesse  besitzt,  weil  sie  den  ursprünglichen  Zusammenhang  mit  dem 
Caput  plantare  mitunter  sehr  klar  herbeiführt. 

Die  weitere  Beschreibung  s.  bei  dem  Kapitel  „Fußsohle". 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  proximal  dem  M.  soleus,  distal 
der  Fascia  cruris  und  dem  Lig.  laciniatum.  Der  mediale  Kand  ist 
zugeschärft,  der  laterale  stellt  eine  breite  Fläche  dar,  welche  sich  zu- 
nächst eng  an  den  M.  tibialis  posterior  legt,  dann  über  ihn  in  einer 
fibrösen  Arkade  herüberzieht.  Hier  liegen  auch  die  Vasa  tibialia 
posteriora.  Die  Facies  profunda  entspricht  zunächst  der  Tibia,  wird 
dann  aber  von  ihr  durch  den  M.  tibialis  posterior  abgedrängt  und 
gewinnt  erst  oberhalb  des  Malleolus  tibialis,  aber  mehr  lateral,  eine 
minimale  ürsprungsstelle. 

Wirkung. 

I.  Der  Muskel  beugt  bei  fixiertem  Unterschenkel  die  5.  bis  2.  Zehe, 
kann  aber  auch  durch  die  Sehnenkonjugation  mit  dem  M.  flexor  hal- 
lucis longus  auf  die  große  Zehe  wirken. 

IL  Bei  fixierten  Zehen,  wie  z.  B.  beim  Gehen  oder  noch  mehr 
beim  Tanzen,  wirkt  der  Muskel  als  Aufrichter  des  Unterschenkels 
und  damit  des  ganzen  Körpers.  Vielleicht  kommt  hierbei  die  Kon- 
jugation am  meisten  der  großen  Zehe  zugute,  indem  diese  durch  den 
M.  flexor  digitorum  longus  auch  den  Ursprung  von  dem  stärkeren 
Unterschenkelknochen,  der  Tibia,  gewinnt. 

Innervation  s.  Fig.  31  S.  164. 


M.  tibialis  posterior.  575 

M.  tibialis  posterior. 

Synonyma:  Hinterer  Schienbeinmuskel ;  M.  tibiaeus  s.  tibicus  posti- 
cus,  nauticus;  Jambier  posterieur,  tibio-sous-tarsien  (Chauss.),  tibio-tarsien 

(Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Muskelbauch  liegt  nicht,  wie  derjenige  des  anterior,  un- 
mittelbar dem  Schienbeine  an,  sondern  wird  von  ihm  durch  den  M. 
üexor  digitorum  lougus  getrennt;  jedoch  schiebt  sich  die  Endsehne 
unter  den  letzteren  herunter  und  erzeugt  hinter  dem  Malleolus  medi- 
alis  eine  entsprechende  Rinne.  Der  Ansatz  hat  zunächst  statt  an  der 
Tuberositas  ossis  navicularis,  greift  aber  mit  drei  besonderen  Zipfeln 
auf  die  Keilbeine  über. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  beginnt  unmittelbar  am  distalen  Rande  des  M. 
popliteus  mit  einer  hohlkehlenartigen  Einsenkung,  welche  durch  den 
Durchtritt  der  Vasa  tibialia  anteriora  nach  vorn  bedingt  ist.  Der 
Hauptbauch  entwickelt  sich  jedoch  nicht  allein  von  der  Tibia,  wie 
sein  Name  vermuten  lassen  könnte,  sondern  im  wesentlichen  von  der 
hinteren  Fläche  der  Membrana  interossea  cruris  und  greift  außerdem 
noch  auf  die  Facies  posterior  der  Fibula  hinüber.  Die  Muskel- 
ursprünge reichen  bis  ins  distale  Viertel  des  Unterschenkels  hin.  Die 
freie  Endsehne  begibt  sich  dann  unter  den  M.  flexor  digitorum  longus, 
welcher  recht  oft  einen  Sehnenbogen  über  sie  hinwegschickt  und  An- 
heftung an  der  Membrana  interossea,  selbst  an  der  Fibula  finden  kann. 

In  solchen  Fällen  findet  sich  regelmäßig  eine  zarte  Muskelplatte, 
welche  die  Gegend  des  Sulcus  malleolaris  einnimmt.  Dann  wird  die 
Endsehne  erst  unweit  des  Talocruralgelenkes  frei,  während  sie  sonst 
schon  weiter  proximalwärts  zu  erkennen  ist.  In  eine  Schleimscheide 
eingeschlossen,  zieht  sie  bis  zur  Tuberositas  ossis  navicularis,  einer 
Rauhigkeit,  welche  durch  sie  bedingt  wird  und  bei  klinischen  Unter- 
suchungen und  bei  Operationen  die  allergrößte  Rolle  spielt.  Die  An- 
sätze an  den  drei  Keilbeinen  können  als  besondere  Bänder  aufge- 
faßt werden,  weil  der  mittlere  Teil  der  Fußsohlenfläche  des  Os  navi- 
culare  nur  von  einer  ganz  dünnen  Sehne  bedeckt  wird,  welche  einen 
verhältnismäßig  geringen  Bruchteil  der  Masse  der  Hauptend sehne 
besitzt.  Diese  gewöhnliche  deutsche  Darstellung  findet  ihre  Erweite- 
rung durch  die  von  Poirier  (s.  S.  264)  gegebene  Abbildung,  indem 
der  laterale  Teil  der  Endsehne  mit  schrägen  distalen  Zügen  das  Os 
metatarsale  IV  erreicht  (tendon  metatarsien),  mit  horizontalen  oder 
transversalen  sich  mit  dem  Lig.  calcaneocuboideum  plantare  verbindet 
(tendon  ligamenteux),  oder  mit  einem  starken,  breiten  rückläufigen 
Zug  das  Sustentaculum  tali  des  Calcaneus  (tendon  recurrentj  erreicht. 
Wir  können  uns  nur  der  Auffassung  dieses  Autors  anschließen. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  bietet  dem  N.  tibialis  und  der  Abgangs- 
stelle der  A.  peronaea  die  Gleitfläche,  während  die  Decke  durch  die 
Facies  profunda  des  M.  soleus  gegeben  wird.  Der  Margo  superior 
bildet,  wie  bereits  erwähnt,  eine  Hohlrinne  für  die  Vasa  tibialia  an- 
teriora.   Der  Margo  medialis  schließt  sich  an  den  M.  flexor  digitorum^ 

Handbuch  der  Anatomie.    II,  ii,  3.  37 


Ö76  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

der  lateralis  au  den  M.  flexor  hallucis  longus  an.  Der  Margo  inferior 
verjüngt  sich  entsprechend  der  Breite  der  Endsehne  am  Os  navi- 
culare.  Die  Facies  profunda  deckt  vor  allem  die  Membrana  inter- 
ossea  cruris,  nimmt  jedoch  auch  die  beiden  Unterschenkelknochen 
hart  an  den  Cristae  interosseae  in  Besitz.  In  der  Höhe  der  Artic. 
talocalcaneonavicularis  findet  sich  das  Ende  der  Schleimscheide.  Das 
Pfannenband  des  CnoPARTSchen  Gelenkes,  das  Lig.  calcaneonaviculare 
plantare  trennt  sie  von  der  Gelenkhöhle.  Die  topographischen  Be- 
ziehungen der  Sehuenzipfel  zu  den  drei  Keilbeinen  ergibt  für  unsere 
Zwecke  nichts  Erwähnenswertes. 

Wirkung, 

Er  bewegt  bei  fixiertem  Unterschenkel  den  Innenrand  des  Fußes 
medialwärts  unter  gleichzeitiger  Plautarflexion.  Bei  fixiertem  Fuße 
nähert  er  den  Unterschenkel  der  Fußsohle  und  hilft  dabei  zur 
Streckung  des  ganzen  Beines,  welche  z.  B.  beim  Zehengange  eintritt. 
Im  übrigen,  was  seine  Synergisten  und  Antagonisten  anbelangt,  ver- 
weisen wir  auf  das  zusammenfassende  Kapitel  über  die  „Fuß- 
bewegungen". 

Innervation  s.  Beschreibung  zu  Fig.  31,  S.  579  (165). 

M.  flexor  liallucis  loiij^iis. 

Synonyma:  Langer  Großzehenbeuger;  Caput  fibulare  des  M.  flexor 
hallucis  communis;  Long  flechisseur  projjre  du  gros  orteil,  peroneo-sous- 
phalangettien  du  pouce  (Chauss.),  peroneo-phalanginien  du  gros  orteil 
(Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Man  könnte  annehmen,  daß  der  an  der  großen  Zehe,  also  medial 
sich  ansetzende  Muskel  auch  am  medialen  Unterschenkelknochen,  der 
Tibia  entspringt.  Er  kommt  aber  von  der  Fibula  her  und  sendet 
seinen  dicken  Muskelbauch  medialwärts.  Die  Endsehne  wird  erst 
dicht  proximal  vom  medialen  Knöchel  frei,  erzeugt  eine  immer  schärfer 
ausgeprägte  Furche  an  der  Tibia,  dem  Talus  und  dem  Calcaneus 
(Sustentaculum  tali),  verbindet  sich  in  der  Höhe  der  Tuberositas 
ossis  navicularis  mit  dem  M.  flexor  digitorum  longus,  findet  dann 
zwischen  den  beiden  Sesambeinen  der  großen  Zehe  eine  sehr  ge- 
sicherte Lage  und  heftet  sich  schließlich  an  der  Basis  der  Nagel- 
phalanx an.  Von  besonderer  Bedeutung  ist  seine  Wirkung,  die  wir 
aber  auf  die  spezielle  Beschreibung  verschieben  müssen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 
Der  Ursprung  von  der  Fibula  beginnt  mit  dem  mittleren  Drittel 
des  Unterschenkels  und  reicht  bis  zur  Hälfte  des  distalen.  Hier 
nehmen  die  Muskelbündel  den  Raum  zwischen  Crista  lateralis  und 
medialis  ein  und  lassen  das  Foramen  nutricium  frei.  Ferner  ent- 
springen die  Muskelbündel  vom  Septum  (Aponeurosis)  intermusculare 
posterius,  welches  sie  von  den  M.  peronaei  longus  und  brevis  trennt, 
oder  richtiger  mit  ihnen  verbindet.  Trotz  des  beschränkten  Ur- 
sprunges   wird    der    Bauch,    welcher   sich    aus    schrägen    parallelen 

162 


M.  flexor  lialliicis  longn?!.  577 

liüiidelii  zusammensetzt,  außerordentlicli  stark  und  geht  dicht  proxi- 
mal von  der  distalen  Epiphyse  nicht  allmälilich.  sondern,  wie  es  in 
gleicher  Weise  beim  M.  semimembranosus  beschrieben  ist,  in  scharfer 
Rundung  in  die  freie  Endsehne  über,  welche  dicht  über  den  Knochen 
hinwegzieht.  Der  Eindruck  an  der  Tibia,  lateral  vom  Sulcus  malleo- 
laris  medialis,  ist  nur  seicht,  bedeutend  schärfer  schon  der  Einschnitt 
am  hinteren  Kande  des  Talus.  Der  laterale  Höcker  führt  den  Namen 
des  l^rocessus  posterior  oder  des  Os  trigonum  (v.  Bardeleben),  wenn 
er  sich  nicht  mit  dem  Körper  vereinigt.  Der  mediale  hat,  obwohl  er 
meistens  massiger  ist,  keinen  besonderen  Namen.  Am  ausgesprochen- 
sten ist  der  Eindruck  am  Calcanaeus,  unter  dessen  Sustentaculum 
(tali)  die  Sehne  gerade  nach  vorn  zieht.  Der  Endteil  der  Sehne  wird 
bei  dem  Kapitel  „Fußsohle"  behandelt.  Jedoch  muß  der  Vollständig- 
keit halber  noch  die  Sehnenkonjugation  mit  dem  M.  Üexor  digitorum 
longus  in  der  Höhe  der  Tuberositas  ossis  navicularis  kurz  erwähnt 
werden. 

Holotopieund  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  dem  M.  soleus  und  der  Achilles- 
sehne, kann  jedoch  auch  äußerlich  sichtbar  gemacht  werden,  wenn 
mau  beim  Sitzen  ein  gebeugtes  Bein  mit  der  Außenfläche  auf  die 
Kniegegend  der  anderen  Seite  legt  und  die  große  Zehe  beugt.  Die 
Facies  lateralis  entspricht  dem  Septum  intermusculare  posterius,  also 
auch  den  Wadenbeinmuskeln,  die  Facies  medialis  dem  M.  tibialis 
posterior,  die  Facies  profunda  der  Fibula  und  vor  allen  Dingen  der 
A.  peronaea,  welche  bereits  am  Skelete  durch  das  Foramen  nutricium 
ihre  Gegenwart  kundgibt  und  überhaupt  unterschätzt  wird,  weil  sie 
recht  oft  Ersatzgefäß  für  die  A.  tibialis  anterior  und  selbst  die 
posterior  wird.  Für  gewöhnlich  handelt  es  sich  bloß  um  Anasto- 
mosen, welche  als  R.  perforans  und  communicans  bezeichnet  werden. 

Wirk  ung. 

I.  Er  beugt  bei  fixiertem  Unterschenkel  das  Nagelglied  der  großen 
Zehe.  IL  Wenn  der  Ansatzpunkt,  d.  h.  die  Nagelphalanx,  fixiert 
ist,  so  ist  er  der  einzige  Muskel,  welcher  überhaupt  imstande  ist,  die 
Aufrichtung  des  ganzen  Körpers  auf  der  Nagelphalange  auszuführen 
oder  einzuleiten.  Die  allermeisten  Menschen  vermögen  aber  nicht, 
diese  Bewegung  auszuführen,  welche  bei  den  Ballettänzerinnen  schein- 
bar ohne  Mühe,  jedoch  erst  nach  langjährigen  Uebungen  erreicht 
werden  kann. 

Innervation  s.  Beschreibung  zu  Fig.  31,  S.  579  (165). 

Beschreibung  zu  Fig.  31. 

Der  rntcrsclienkcl  ist  sowohl  im  Knie-  wie  im  Fußgelenke  ausgelöst  und 
sämtliche  Muskeln,  Seliiien,  Bäiuler  und  (Jet'iiße  entfernt,  mit  Ausnahme  der  soge- 
nannten tiefen  lieugegnippe.  Erhalten  ist  der  N.  tibialis  mit  den  motorischen 
Zweigen  für  die  entsprechenden  Muskeln.  Diese  sind,  um  auch  das  Nervenbild  zur 
Anscliauung  zu  bringen,  medial  mit  dem  M.  flexor  digitorum  longus.  lateral  mit 
dem  M.  flexor  hallucis  longus  zur  Seite  getlrängt.  Beide  Muskeln  überlagern  so  das 
Mittelstück  der  Diaphy.se  beider  Unterschenkelknochen,  welches  sie  am  Lebenden 
nicht  überschreiten.     Üiese  Darstellung  war  geboten  aus  zwei  ({runden: 

Erstens  für  die  Muskelbeschreibung,  weil  eine  besondere  Sehnenarkade,  welche 
wir  als  Tendo  interosseus  cruris  m.  flexoris  digitorum  long!  bezeichnen,  vom  ])ro- 
ximalen  Ende  tler  Fibula  (auch  von  der  Tibiaj  herunterzieht  bis  zum  distalen  Ende 

37* 
163 


578 


M.  popliteus 


Origo  tibialis  m.  solei    \~n 


R.  pro  m.  flexore  halkicis  long( 


R.  pro  m.  flexore  digitonim 


M.  tibialis  posterior 


Sulcus  nialleolaris 
medial  is 


M.  flexor  dig.  long. 


Tendo  interosseus 


!\rcus  tendineus  inferior 


Sulcus  matleolaris  lateralis 


Aponeurosis  plantaris.  Ö79 

der  Tibia,  ein  Sehnenbogen,  welcher  dem  M.  flexor  digitorum  angehört  und  ihn  in  un- 
mittelbare Nachbarschaft  bringt  mit  dem  M.  flexor  hallucis  longus.  Noch  höheres 
Interesse  gewinnt  diese  Arkade  dadurch,  daß  sie  den  M.  tibiahs  posterior  in  die 
tiefste  Schicht  der  Eückseite  des  Unterschenkels  hineindrängt.  In  dieser  Weise 
dürfen  wir  nicht  sagen,  daß  die  3  tiefen  ßeugemuskeln  in  ein  und  derselben  Ebene 
liegen.  Auch  der  Ansatz  am  Fuße  gibt  ja  genau  dasselbe  kund,  indem  der  M.  tibi- 
alis  posterior  gleichsam  isoliert  am  Tarsus  ansetzt,  während  die  beiden  anderen 
Sehnen  sich  weit  von  ihm  getrennt  erst  an  den  Zehen  anheften. 

Zweitens  für  den  Verlauf  der  Nerven  —  wir  finden  den  Zweig  für  den  M. 
tibialis  posterior  fast  gemeinschaftlich  mit  dem  für  den  M.  popliteus,  weit  proximal 
entspringend,  die  Zweige  für  die  Zehenbeuger  erst  weiter  distal,  und  zwar  in  ge- 
meinschaftlicher Höhe. 

Die  feinere  Nervenversorgung  ist  im  extramuskulären  Teile  bei  den  Haupt- 
ästen doppelt  konturiert  gehalten,  bei  den  feineren  Zweigen  schwarz  und  genau 
nach  dem  Präparate  eingetragen.  Die  blau  gehaltene  intramuskuläre  Verzweigung 
ist  schematisiert.  Wir  haben  davon  Abstand  genommen,  unsere  Untersuchungen 
darüber  genau  bildlich   darzustellen,   weil  das  Muskelbild  darunter  gelitten  hätte. 


iV.  Fußmuskeln. 

Allgemeiues. 

Die  Eig'eiimuskeln  des  Fußrückens  werden  durch  den  M.  extensor 
digitorum  brevis  und  den  medialen  Teil  desselben,  den  M.  extensor 
hallucis  brevis,  gebildet,  von  denen  ersterer  äußerlich  in  den  aller- 
meisten Fällen  zur  Geltung  kommen  dürfte.  —  Die  willkürliche  Heraus- 
pressung der  4  M.  interossei  dorsales  pedis  erfordert  beim  Ge- 
sunden große  Uebung.  Die  M.  interossei  plantares  können  in  keiner 
Weise  willkürlich  und  auch  nicht  bei  der  elektrischen  Reizung  zu- 
tage treten. 

Auch  die  Muskulatur  der  Fußsohle  ist  wegen  der  dicken  Apo- 
neurosis plantaris  nur  schwer  der  Untersuchung  zugängig,  mit  Aus- 
nahme der  Seitenränder,  in  welchen  die  M.  abductores  hallucis  und 
digiti  V  gelegen  sind.  Diese  Muskeln  tragen  das  Fußgewölbe  von 
unten  her  und  geben  ihm  einen  sichereren  aktiven  Halt,  als  wie  es 
die  passiven  Bänder  vermögen.  Viel  wiclitiger  vielleicht  als  die 
eigentlichen  Muskeln  der  Fußsohle  sind  diejenigen,  welche  ihren 
Muskelbauch  am  Unterschenkel  besitzen,  wie  die  M.  peronaeus  longus 
und  tibialis  posterior,  welche  bereits  im  Bereiche  des  Tarsus  und 
Metatarsus  ansetzen,  wie  auch  die  M.  flexor  hallucis  und  digitorum 
longus,  welche  erst  an  den  Phalangen  ihr  Ende  finden. 

Die  Bewegungsmöglichkeit  der  Zehen  ist  also  auch  beim  Er- 
wachsenen noch  eine  ganz  erhebliche,  auch  bei  unversehrter  Haut. 
Bei  Neugeborenen  lassen  sich  die  Zehen  ungleich  weiter  auseinander- 
drängen und  sehen  sogar,  wenn  die  Haut  entfernt  ist,  so  aus,  wie  ein 
ausgebreiteter  Froschvorderfuß. 


Aponeurosis  plantaris. 

Synonyma:  Aponövroses  plantaires. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Diese  sehnige  Bildung  läßt  sich  tatsächlich  mit  der  gleichnamigen 
des  Handtellers  vergleichen.  Allerdings  findet  sich,  beim  Menschen 
wenigstens,   kein  Zusammenhang  mit  dem  in  Frage   kommenden  M. 

165 


580  FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 

plantaris,  welcher  am  Vorderarme  als  M.  palmaris  longus  vorhanden 
ist,  aber  auch  fehlen  kann.  Bei  Raubtieren  entspringt  jedoch  die 
Plantaraponeurose  aus  dem  unglaublich  starken  M.  plantaris,  bei 
welchen  er  die  Rückfläche  des  Fersenbeines  umgreift,  au  dieser  Stelle 
einen  ansehnlichen  Schleimbeutel  entwickelt  und  sich  unmittelbar  in 
die  Plantaraponeurose  fortsetzt. 

Spezielle  Beschreibung. 

Die  Aponeurose  entspringt  vom  Processus  medialis  des  Calcaneus 
und  der  proximalwärts  konkaven  Leiste  der  Unterfläche  dieses 
Knochens,  ohne  jedoch  den  Processus  lateralis  zu  erreichen.  Sie  um- 
hüllt die  Facies  superficialis  des  M.  flexor  digitorum  brevis  und  teilt 
sich  mit  vier  Zipfeln  in  besondere  Scheiden  für  die  Endsehnen  dieses 
Muskels,  welche  gleichzeitig  noch  die  Endsehne  des  M.  flexor  digi- 
torum longus  umfassen.  Ein  besonderer  Kanal  wird  für  die  Endsehne 
des  M.  flexor  hallucis  longus  geschaffen  und  schließlich  sind  noch  die 
seitlichen  Ausstrahlungen  zum  Groß-  und  Kleinzehenballen  zu  be- 
tonen, welche  aber  niemals  einheitlich  aponeurotischen  Charakter  be- 
sitzen, sondern  sehnige  strangförmige  Verbindungen  darstellen  zwischen 
ihr  und  den  entsprechenden  Ballenfascien.  Zahlreiche  Lücken  liegen 
vor  zum  Durchtritte  für  die  Gefäße  und  Nerven.  Außerdem  finden  sich 
in  den  Spatia  interossea  vier  große  spindelförmige  Räume,  welche 
von  Fett  erfüllt  sind  und  proximal  den  Austritt  der  Nerven,  distal 
denjenigen  der  Arterien  enthalten.  Hierin  besteht  ein  prinzipieller 
Unterschied  zwischen  Hand  und  Fuß,  obwohl  die  queren  Verstärkungs- 
züge sich  ungefähr  in  derselben  Höhe  befinden,  die  Fibrae  trans- 
versae  über  dem  Beginne  der  Artic.  metatarsophalangeae,  das  Lig. 
natatorium  subkutan  unter  den  Commissurae  digitales  plantares,  den 
Schwimmhäuten  der  Fußsohle.  An  der  Hand  ist  also  der  Interdigital- 
raum  wirklich  auf  die  Finger  beschränkt,  am  Fuße  dagegen  findet 
sich  eine  erhebliche  intermetatarsale  Verlängerung.  Unendlich  viel 
klarer  als  an  der  Hand  ist  die  Abgrenzung  der  einzelnen  Logen  für 
die  Beugesehnen.  Im  Präpariersaale  wird  gewöhnlich  die  kutane  An- 
heftung vollkommen  entfernt,  wobei  meistens  sofort  die  Sehnenscheide 
eröffnet  wird,  und  dann  mit  einem  scharfen  Scherenschnitte  die  seit- 
lichen Verstärkungszüge  abgegrenzt  werden.  Diese  beginnen  etwas 
distal  von  der  Mitte  der  Metatarsalknochen,  gehen  spitzwinklig  oder 
Y-förmig  um  die  Seiten  der  Beugesehnen  herum  und  vereinigen  sich 
am  proximalen  Ende  der  Capitula  ossium  metatarsalium  zu  einer 
breiten  aponeurotischen  Platte,  welche  nur  künstlich  von  den  Lig. 
transversa  capitulorum  getrennt  werden  kann.  Bald  ist  der  mediale 
Zipfel  stärker  entwickelt,  bald  der  laterale,  bald  beide  gleich  stark. 
Die  proximale  Grenze  läßt  sich  meistens  unschwer  gegen  die  M. 
lumbricales  absetzen,  deren  Spezialfascie  hierbei  durchtrennt  wird. 
Die  distale  Abgrenzung  ist  nicht  so  leicht  möglich  und  wird  am 
besten  mit  der  Schere  gemacht,  ohne  dabei  die  Zusammengehörigkeit 
mit  den  Lig.  capitulorum  transversa  zu  zerstören.  In  den  Inter- 
digitalräumen  findet  sich  eine  Verschmelzung  der  benachbarten  Seiten- 
zipfel, welche  noch  einen  besonderen  Kanal  umgibt,  der  den  A.  digi- 
tales communes  zum  Durchtritte  dient.  Die  stets  wohlausgebildeten 
Fascienlticken  liegen  in  der  Höhe  der  Fibrae  transversae  und  nach 
unseren  Beobachtungen  immer  an  der  Großzehenseite  eines  Spatium 

i66 


Aponeurosis  plantaris.  581 

interosseum.  Die  Zehengefäße  der  Fußsohle  würden  bei  oberfläch- 
lichem Verlaufe,  wie  es  bei  den  Fingerarterien  normal  verwirklicht 
ist,  einem  zu  großen  Drucke  beim  Stehen  und  Gehen  ausgesetzt  sein 
und  gelangen  deshalb  erst  ungefähr  in  Knöchelhöhe  aus  der  schützenden 
Tiefe  an  die  Oberfläche. 

Die  Fibrae  transversae  beschränken  sich  eigentlich  auf  einen 
bogenförmigen  Zug,  welcher  die  Spatia  interossea  I  und  IV  mitein- 
ander verbindet.  Mittelfuß-  und  Großzehenballen  sind  miteinander 
von  der  Tuberositas  ossis  navicularis  an  durch  oberflächliche  Züge  in 
Verbindung  und  halten  die  iuterdigitalen  Fettkörper  in  der  Tiefe  zu- 
rück. Außerordentlich  deutlich  kommt  dieses  Corpus  adiposum 
zwischen  kleiner  und  4.  Zehe  zur  Geltung. 

Die  Cutis  wird  nicht  allein  an  den  Seitenrändern  des  Fußes  gegen 
die  Plantaraponeurose  durch  sehnige  Züge  festgehalten,  sondern  auch 
an  den  drei  Ballen  in  Gestalt  von  spitzen  Stacheln  oder  Riefen,  welche 
die  saubere  Präparation  der  longitudinalen  Züge  unglaublich  erschwert. 
Am  Großzehenballen  liegt  dieser  Vorsprung  im  Bereiche  des  Tuber 
calcanei,  am  Mittelfußballen  2  cm,  am  Kleinzehenballen  4  cm  distal 
von  diesem. 


Muskelgruppen  der  Palma  und  Planta 

Beide  werden  in  eine  mittlere  Partie  und  zwei  seitliche  zerlegt: 
einerseits  in  Handteller  im  engeren  Sinne,  Thenar  und  Hypothenar, 
andererseits  in  Mittelfuß-,  Groß-  und  Kleinzehenballen.  An  der  Hand 
sind  die  Muskeln  und  Sehnen  mit  geringen  Ausnahmen  (Caput  trans- 
versum  des  M.  adductor  pollicis)  auf  ihre  Ballen  beschränkt,  obwohl 
beim  Ursprünge,  d.  h.  im  Bereiche  des  Lig.  carpi  transversum  in  der 
Tat  die  Sehnen  von  der  Daumen-  zur  Kleinfingerseite  und  umgekehrt 
ausstrahlen.  Am  Fuße  finden  wir  den  Großzehenballen  dem  dei'  Hand 
einigermaßen  analog  gebaut.  In  oberflächlicher  Schicht  liegt  der  M. 
abductor  hallucis,  welcher  aber  niemals  die  Kleinzehenseite  erreicht, 
in  mittlerer  Schicht  der  M.  flexor  hallucis  brevis  und  der  M.  adductor 
hallucis,  der  topographisch  ausschließlich  mit  Ausnahme  der  kurzen 
Endsehne  zum  Mittelfußballen  gehört,  mit  dem  Caput  transversum 
sogar  den  Kleinzehenballen  erreicht  und  zwar  normalerweise.  Im 
Mittelfußballen  liegt  ein  besonderer  Muskel,  welcher  der  Hand  an 
dieser  Stelle  nicht  zukommt,  der  M.  flexor  digitorum  brevis,  außerdem 
wie  an  der  Hand  der  tiefe  oder  lange  Beuger  und  die  M.  lumbricales 
und  ganz  in  der  Tiefe  die  M.  interossei.  Der  Kleinzehenballen  ent- 
hält die  entsprechende  Muskulatur,  welche  aber  sowohl  im  Lisfranc- 
schen  Gelenke  noch  den  Mittelfußballen  erreicht,  wie  auch  am  Cal- 
caneus,  an  welchem  Knochen  sich  der  proximale  Abschnitt  des  M. 
abductor  digiti  quinti  herumschlingt  und  die  mediale  Seite  gewinnt. 
Wir  haben  uns  also  zu  merken,  daß  man  ohne  jede  präparatorische 
Künstelei  5  Muskeln  oder  Sehnen  in  allen  3  Fußballen  finden  kann: 
1)  den  M.  flexor  digitorum  longus,  2)  sein  bisher  noch  nicht  erwähntes 
Caput  plantare,  welches  ja  das  Lig.  plantare  longum  umrahmt,  3)  den 
Ursprung  des  M.  abductor  digiti  quinti,  4)  die  Endsehne  des  M. 
peronaeus  longus,  welche  in  der  Tiefe  der  Fußsohle  vom  Kleinzehen- 
ballen bis  zum  Mittelfußknochen  der  großen  Zehe  sich  begibt,  also 
in  allen  3  Ballen  zu  finden  ist,  und  5.  das  Caput  transversum  des 
M.  adductor  haUucis. 

167 


m 


682 


Lig.  natatorium  (Braunk) 


Corpus  adiposum 
intcrdigitale  IV 


Tendines  flexor 


,A.  metatersalis 
plant.  II 


Fasciculi  transversi 


—  M.  flex.  hall.  long. 


Vaginae  tendinum 
digitales  pedis 


M.  lumbricales  I— IV 


N.  digit.  plant,  comm. 


N.  digit.  plant,  proprii 


M.  flexor  brevis  digit.  pedis 


Rami  calcanei 
laterales 


Aponeurosis  plantaris 


-^  R.  calcanei  mediales  et  Tuber 
lalcaneum 


Fig.  32.    Aponeurosis  plantaris,  topographisch. 


Aponeurosis  plantaris,  583 

Beschreibung  zu  Fig.  32. 

Die  Zclienhaut  ist  unverletzt  gelassen,  aber  an  ihrem  (Jnindteile  ein  besonderes 
Band,  das  Lig.  natatorium  (Braune),  dargestellt.  Die  Beugcsehneii.  Tendines  t'lexorii, 
bewegen  sich  in  besonderen  Scheiden;  zwischen  zwei  Scheiden  ist  jedesmal  ein  Fett- 
körper verwirklicht,  welcher  in  unserer  Figiir  nur  als  Corijus  adiposum  interdigitale  IV 
bezeichnet  ist,  sich  nicht  auf  den  freien  Raum  beschränkt,  sondern  sich  auch  unter 
die  Fasciculi  transversi  herunterbegibt.  So  erscheint  er  als  spindelförmiger  Körper, 
vollkommen  analog  den  entsprechenden  interdigitalen  Fettkörpern  der  Hand.  Genau 
in  der  Tiefe  der  Fasciculi  transversi  liegen  die  Artic.  metatarso])halangeae. 

Im  proximalen  Teile  ist  die  Aponeurosis  plantaris  dargestellt.  Der  mittlere  Ab- 
schnitt ist  der  Hauptteil  und  läßt  sich  künstlich  in  5  Unterabteilungen  zerlegen,  für 
jede  Zehe  unter  Spaltung  und  Heraussetzen  desjenigen  Teiles,  welcher  die  Beuge- 
sehnen von  der  Fußsohlenseite  aus  umfaßt.  In  den  Spalten  zwischen  den  getrennten 
Sehnentächern  kommen  proximal  die  N.  digitales  communes  an  die  Oberfläche,  erst 
weiter  distal  die  gleichnamigen  Arterien.  Ganz  proximal  sehen  wir  das  Fersen- 
bein umgriffen  durch  die  R.  calcanei  laterales  et  mediales,  erstere  aus  dem  N.  suralis 
stammend,  letztere  aus  dem  N.  tibialis  herkommend. 

Der  Nerv  für  die  M.  flexor  digitorum  brevis  und  abductor  hallucis  wird  aus 
einem  gemeinschaftlichen  Stamme  geliefert,  welcher  sich  aus  dem  hautwärts  ge- 
richteten Abschnitte  des  N.  plantaris  medialis  loslöst.  In  klarer  Weise  ist  das  Um- 
greifen der  tibialen,  medialen  Fläche  des  M.  abductor  hallucis  zu  erkennen,  wodurch 
dieser  letztere  Nerv  eine  vollkommene  Uebereinstimmung  mit  dem  R.  muscularis 
n.  mediani  für  den  Daumenballen  erzielt.  Wir  glaubten  bei  unserer  Darstellung 
besonders  auf  die  Beziehungen  zur  Hand  zurückgreifen  zu  müssen,  weil  gewöhnlich 
in  schematischer  Weise  der  Fuß  mit  Rücksicht  auf  die  Hand  dargestellt  wird,  be- 
sonders l)ei  der  Beschreibung  der  motorischen  Nerven;  trotz  dler  scheinbaren 
Uebereinstimmung  muß  sich  jedoch  nach  dem  ganzen  Bau  der  Planta  pedis  die 
Innervation  der  in  Betracht  kommenden  Muskeln,  deren  es  am  Fuße  sogar  noch 
eine  größere  Zahl  gibt,  als  an  der  Hand,  ganz  anders  verhalten.  Wir  können  den 
Fuß  nicht  gleichsam  als  Anhangsgebilde  der  Hand  beschreiben.  Ohne  weiteres 
ergibt  sich  der  Unterschied  zwischen  Hand  und  Fuß  aus  der  von  der  Knochenlehre 
her  bekannten  Tatsache,  daß  an  der  Hand  ungefähr  '/o  des  Carpus  den  beiden 
Hcilicn  der  Handwurzelknochen  entspricht,  während  am  Fuße  die  Grenze  zwischen 
Tatsus  und  distalem  Fußreste  in  der  Mitte  der  Fußsohle  sich  befindet:  also  ein 
liitcrschied  von  *l„  und  Vr  ^^^  Fußmuskeln  haben  deshalb  ganz  andere  Ur- 
sprungs- und  Ansatzbedingungen  als  die  Handmuskeln,  zerfallen  in  verschiedene 
Interabteilungen,  besondere  Bäuche,  welche  natürlich  in  verschiedener  Weise  mit 
motorischen  Nerven  versorgt  sein  müssen.  — 

Wie  bereits  beim  M.  abductor  poUicis  brevis  erwähnt,  beschreibt  dessen 
motorischer  Nerv  eine  oft  außerordentlich  scharf  ausgesprochene  Umbiegung  gegen 
die  Muskelmasse  des  Thenar,  und  in  gleicher  Weise  biegt  sich  der  Nerv  für  den 
.M.  abductor  hallucis  um  die  mediale  Fläche  des  Großzehenballens  herum.  Die 
motorischen  Nerven  für  die  beiden  Köpfe  des  M.  flexor  hallucis  brevis  lösen  sich 
erst  distal  von  dem  Os  naviculare  aus  dem  inneren  Zweige  des  N.  plantaris  medialis 
ab  und  treten  mit  feinen  Aesten  in  die  betreffenden  Muskeln  ein.  Ungefähr  in  der 
Mitte  des  medialen  Teiles  der  Fußsohle  findet  sich  eine  ansehnliche  Anastomose 
/wischen  den  Hauptzvveigen  der  hier  gelegenen  Nerven.  Ob  diese  den  Austausch 
zwischen  motorischen  oder  sensiblen  Nervenfasern  vermittelt  oder  beide  Leistungen 
vereint,  wagen  wir  nicht  zu  entscheiden.  — 

Der  M.  flexor  digitorum  brevis  zerfällt  in  eine  oberflächliche,  der  Aponeurosis 
plantaris  aiigeschmiegte  Schicht,  welche  sich  zur  2.  bis  4.  Zehe  begibt,  und  einen 
durcii  eine  deutliche  Fascie  geschiedenen  Bauch  für  die  kleine  Zehe.  Wichtiger 
jcflocli  ist  die  Innervation.  Der  M.  flexor  brevis,  welcher  am  Vorderarme  dem 
M.  flexor  digitorum  sublimis  entspricht,  wird  nämlich  in  diesem  Falle  in  der  ober- 
tliicblichen  Lage,  welche  der  radialen  Seite  des  Vorderarmes  entspricht,  vom  N. 
plantaris  medialis  (N.  medianus)  versorgt,  während  der  tiefe  Bauch  für  die  5.  Zehe 
\on  einem  besonderen  Zweige  des  N.  plantaris  lateralis  (N.  ulnaris)  versorgt  wird. 
Ks  freut  uns,  durch  diesen  Fall  feststellen  zu  können,  daß  die  Beugenerven,  sei  es 
am  Vorderarme  und  Hand  oder  am  Unterschenkel  und  Fuße  —  N.  medianus  und 
ulnaris  einerseits,  N.  tibialis  mit  der  Teilung  in  die  N.  plantares  medialis  und 
lateralis  andererseits  —  dieselben  Beziehungen  verwirklichen,  nämlich  die  Beuge- 
muskeln gemeinschaftlich  zu  versorgen,  obwohl  es  sich  hier  um  den  oberfläch- 
lichen Muskel  handelt  (in  der  Figur  nicht  abgebildet). 


584  FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 


M.  flexor  dijiitorum  breris. 

Synonyma :  Kurzer  Zehenbeuger ;  Flexor  sublimis,  perforatus,  pe- 
dilus  internus  s.  pternodactyleus ;  Court  flechisseur  plantaire,  calcaneo- 
sous-phalanginien  (Chauss.),  calcaneo-phalanginien  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  spindelförmige  Muskel  bildet  die  oberflächliche  Schicht  und 
gleichzeitig  den  Hauptbestandteil  des  Mittelfußballens.  Er  entspringt 
vom  Tuber  calcanei  und  teilt  sich  in  4  Endsehnen,  welche  sich  ge- 
spalten an  den  Mittelphalangen  der  2.  bis  5.  Zehe  anheften. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  liegt  im  mittleren  Teile  des  unteren  Umfanges  des 
Tuber  calcanei  und  ist  innig  mit  der  Aponeurosis  plantaris  ver- 
schmolzen. Die  Masse  ist  außerordentlich  klein,  denn  sonst  müßte 
ein  ähnlicher  Vorspruug  vorhanden  sein,  wie  er  durch  die  M.  abduc- 
tores  hallucis  und  digiti  quinti  erzeugt  ist.  Die  Verschmelzung  mit 
der  Plantaraponeurose  reicht  bis  zur  Höhe  der  Tuberositas  ossis 
navicularis.  Erst  hier  wird  der  Muskelbaiich  frei,  hat  jedoch  noch 
einen  oberflächlichen  Sehnenspiegel  und  teilt  sich  sehr  schnell  in  vier 
Einzelbäuche,  von  denen  drei  ansehnlich  sind,  der  für  die  5.  Zehe 
sehr  klein  ist  und  selbst  fehlen  kann.  Letzteres  ist  viel  häufiger  in 
der  Natur,  als  auf  dem  Präpariersaale  der  Fall,  weil  die  fadendünne 
Sehne  sich  ganz  aus  der  Tiefe  entwickelt  und  mitunter  nur  einen 
kaum  nennenswerten  Muskelbauch  besitzt.  Bei  der  Präparation  muß 
darum  in  erster  Linie  auf  die  Sehne  geachtet  werden,  weil  sie  sehr 
leicht  zusammen  mit  der  Plantaraponeurose  durchtrennt  werden  kann. 
Die  Sehnen  werden  in  besondere  Fächer  der  sich  teilenden  Plantar- 
aponeurose eingeschlossen,  und  hier  ist  gerade  das  Umgekehrte 
der  Fall,  wie  bei  der  Palmaraponeurose.  Die  Beugesehnen  der 
Finger  haben  eine  verhältnismäßig  starke  Decke  und  normalerweise 
nur  schwache  Seitenzüge,  welche  die  Sehne  umfassen  und  sich 
in  der  Tiefe  nur  wenig  vereinigen.  Bei  den  Beugesehnen  der 
Zehen  ist  die  Deckschicht  ziemlich  dünn,  jedenfalls  nicht  so  stark, 
wie  die  Seitenzüge  und  ihre  Verbindung  in  der  Tiefe.  Der 
Grund  dafür  liegt  in  der  kolossalen  Belastung,  welcher  die  Fußsohle 
beim  Gehen  und  Stehen  ausgesetzt  ist.  Die  Beugesehnen  würden 
seitlich  hin  und  her  verschoben  werden,  wenn  nicht  die  Plantar- 
aponeurose für  sie  besondere  feste  Kanäle  schüfe.  Selbstverständlich 
sind  die  Sehnen  zusammen  mit  denen  des  langen  Beugers  in  einer 
Schleimscheide  eingeschlossen.  Der  Verlauf  über  den  Phalangen  ist 
der  gleiche  wie  an  den  Fingern,  d.  h.  über  der  Mitte  der  Grund- 
phalange  tritt  die  Bifurkation  ein,  über  der  Artic.  interphalangea  I  die 
Umbiegung  zur  Seite  und  die  teilweise  Kreuzung  im  Chiasma;  zu 
beiden  Seiten  der  Mitte  der  zweiten  Phalange  findet  sich  der  ge- 
trennte Ansatz.  Die  Kleinheit  der  Sehne  für  die  5.  Zehe,  die  ja 
auch  fehlen  kann,  läßt  sehr  häufig  keine  Teilung  mehr  zu.  Wir 
lassen  es  dahingestellt,  ob  es  sich  um  ein  sekundäres  Ver- 
schwinden eines  Teiles  durch  Druck  handelt,  oder  ob  ein  primärer 
Zustand  vorliegt. 

170 


M.  quadratus  plantae.  585 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entpricht  der  Plantaraponeurose ,  die 
Facies  medialis  dem  Großzehenballeu,  die  Facies  lateralis  dem  Klein- 
zehenballen.  Die  Facies  profunda  deckt  zunächst  den  N.  und  die 
Vasa  plantaria  lateralia,  dann  das  Caput  plantare,  die  Sehne  des  M. 
flexor  digitorum  longus  in  ihrem  Stammteile  und  ihren  Verzweigungen. 

Wirkung. 

I.  Bei  freischwebendem  Fuße  beugt  der  Muskel  die  2.  bis  5.  Zehe 
in  der  Mittelphalange.  Aeußerlich  wird  man  bei  der  Kleinheit  der 
Zehenphalangen  kaum  den  Unterschied  zwischen  seiner  Wirkung  und 
der  des  M.  flexor  digitorum  longus  nachweisen  können,  was  bei  den 
Fingern  möglich  ist.  wenn  man  die  JMittelphalanx  durch  den  Druck 
der  anderen  Hand  gestreckt  erhält  und  den  M.  flexor  digitorum  pro- 
fundus seine  Einwirkung  auf  die  Nagelphalanx  ausüben  läßt.  II.  Bei 
fixierten  Zehen  ist  der  Muskel  ein  Antagonist  des  M.  flexor  digitorum 
longus  in  seinem  Caput  tibiale,  ein  Synergist  in  seinem  Caput  plan- 
tare. Beide  letzteren  haben  die  Aufgabe,  die  Ferse  dem  Boden  zu 
nähern,  und  können  niemals  eine  Wirkung  auf  den  Unterschenkel 
äußern,  welche  dem  Caput  tibiale  zukommt,  das  bei  der  Aufrichtung 
des  Körpers  beim  Zehenstande  mitwirkt.  Außerdem  sorgen  die 
beiden  genannten  Muskeln  für  die  Erhaltung  der  sagittalen  Wölbung 
des  Fußes. 

Innervation  s.  S.  583  (169). 


M.  quadratus  plantae. 

Synonyma:  Viereckiger  Muskel  der  Fußsohle,  Pußsohlenkopf  des 
langen  Zehenbeugers;  Caro  quadrata  (Sylvii),  accessorius  m.  perforantis, 
Caput  plantare;  Accessoire  du v long  flechisseur  commun  des  orteils,  chair 
carree  de  Sylvius. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Er  stellt  den  auf  die  Fußsohle  heruntergewanderten  Teil  des  M, 
flexor  digitorum  longus  dar  und  hat  seine  wichtige  Aufgabe  darin, 
den  schrägen  Zug  der  Sehnen  für  die  5.  und  4.  Zehe  in  einen  longi- 
tudinalen  umzuwandeln. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  umfaßt  mit  zwei  Zipfeln  das  Lig.  calcaneocuboideum 
plantare,  von  dem  er  einen  dreieckigen  Abschnitt  von  etwa  1,5  cm 
Länge  frei  läßt.  Der  laterale  Zipfel  ist  kürzer  und  horizontal  gestellt, 
der  mediale  bedeutend  länger  und  biegt  allmählich  aus  der  horizon- 
talen in  die  sagittale  Richtung  um  und  schmiegt  sich  eng  an  die 
Innenfläche  des  Calcaneus  an,  dessen  hinteren  Rand  er  fast  erreicht. 
Hieraus  ergibt  sich  die  überraschende  Tatsache,  daß  man  diesen 
Muskel,  der  wohl  allermeist  fast  vollkommen  in  der  Fußsohle  ver- 
steckt vermutet  wird,  ohne  Durchschneidung  oder  Beiseitedrängen 
eines  Muskels  präparieren  und  selbst  beim  Lebenden  in  seiner  Wirkung 
beobachten  kann  (P'rohse).     Er  geht  weiter  proximal  als  der  M.  ab- 

171 


586  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

ductor  hallucis  und  nähert  sich  dadurch  dem  distalen  Ende  des  M. 
flexor  digitorum  longus  in  der  willkommensten  Weise.  Bei  extremer 
Plantarflexion  lassen  sich  die  beiden  Muskeln,  die  ursprünglich  doch 
zusammengehörten,  bis  auf  3  cm  nähern.  Der  vereinte  Muskelbauch 
ist  abgeplattet  und  besitzt  eine  Breite  von  2 — 4  cm.  Der  Ansatz 
findet  nicht  in  einer  queren  Linie  statt,  sondern  in  einer  schrägen, 
welche  durch  den  Verlauf  der  Sehne  des  M.  flexor  digitorum  longus 
von  medial-hinten  nach  lateral-vorn  bedingt  ist.  Gleichwohl  sind  die 
lateralen  Bündel  ungefähr  gleich  lang,  wie  die  medialen,  weil  ja  dieser 
Ursprung  weiter  proximal  reicht.  Die  Gesaratform  des  Muskels  ist 
einem  Rhombus  mit  zwei  proximalen  Zipfeln  vergleichbar,  einem 
lateralen  spitzen  und  einem  medialen  abgerundeten. 

Holotopie  und  SjMitopie. 

Die  Facies  superficialis  wird  von  dem  N.  und  den  Vasa  plantaria 
lateralia  schräg  überkreuzt  und  von  dem  M.  flexor  digitorum  brevis 
bedeckt.  Die  Facies  medialis  und  lateralis  stellen  die  gegen  den 
Groß-  und  Kleinzehenballen  gewandten  Ränder  dar.  Die  Facies  pro- 
funda entspricht  dem  Lig.  calcaneocuboideum  plantare,  welches  außer- 
dem noch  von  dem  Margo  proximalis  umfaßt  wird.  Der  Margo  distaiis 
stellt  die  Anheftung  an  der  Sehne  des  Caput  tibiale  dar.  Der  Nerv 
tritt  von  der  Facies  superficialis  ein  und  stammt  aus  dem  N.  plantaris 
lateralis. 

Wirkung. 

I.  Er  unterstützt  das  Caput  tibiale  im  allgemeinen  und  gleicht 
besonders  durch  die  lateralen  Zipfel  die  schräge  Richtung  der  Sehnen 
aus,  welche  sich  zu  den  lateralen  Zehen  begeben,  am  meisten  also 
für  die  5.  Zehe,  dann  für  die  4.  und  selbst  noch  für  die  3.  IL  Bei 
fixierten  Zehen  trägt  er  mit  zur  Erhaltung  des  Fußgewölbes  in  longi- 
tudinaler  Richtung  bei,  indem  er  die  Ferse  dem  Fußboden  nähert. 

M,  lumlbricales. 

Synonyma  :  Spulwurm-  oder  Regenwurmmuskeln  ;  Lombricaux,  planti- 
sous-phalangiens  (Chaüss.),  planti-tendi-phalangiens  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Die  4  M.  lumbricales  entspringen  von  der  sich  in  vier  Zipfel 
teilenden  gemeinschaftlichen  Sehne  des  M.  flexor  digitorum  longus: 
der  erste  vom  medialen  Rande,  also  parallelbündlig  und  einköpfig; 
der  zweite  bis  vierte  in  dem  Winkel  zweier  Nachbarsehnen,  also  ge- 
fiedert und  doppelköpfig.  Der  Druck  des  Schuhwerkes  läßt  häufig 
die  lateralen  Spulwurmmuskeln  zugrunde  gehen,  aber  stets  bleibt  die 
Sehne  präparierbar.  Ferner  entwickelt  der  Druck  auch  ohne  Schuh- 
werk ansehnliche  Schleimbeutel  in  der  Höhe  der  Artic.  metartarso- 
phalangeae,  welche  normalerweise  nichts  mit  der  Gelenkhöhle  zu  tun 
haben.  Hierin  besteht  ein  Gegensatz  zur  Hand,  an  welcher  die  M. 
lumbricales  keine  Schleimbeutel  zu  entwickeln  pflegen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

An  einem  nicht  mißhandelten  Fuße  sind  die  M.  lumbricales  fast 
ebenso  stark  wie  an  der  Hand.     Die  Länge  nimmt  von  medial  nach 

172 


M.  abductor  haWvcis.  587 

lateral  ab  und  wird  bedingt  durch  den  schrägen  Verlauf  der  Sehne 
des  M.  liexor  digitorum  longus,  von  dessen  Teilsehnen  die  M.  lumbri- 
cales  entspringen.  Sie  liegen  an  der  medialen,  tibialen  Seite  der 
Sehnen  und  treten  nicht  mit  hinein  in  den  osteofibrösen  Kanal  der 
beiden  Beugesehnen,  wenden  sich  vielmehr  gegen  den  fetterfüllten 
Interdigitalraum ,  in  welchem  die  N.  et  Vasa  digitalia  comraunia 
mit  ihren  gabeligeu  Teilungen  gelegen  sind,  von  denen  sie  aber  durch 
eine  besondere,  wenn  auch  dünne  Binde  getrennt  werden.  In  der 
Höhe  der  Capitula  der  Mittelfußkuochen  entwickelt  sich  die  sagittal 
gestellte  Endsehne,  welche,  wie  bereits  erwähnt,  von  einem  Schleim- 
beutel umgeben  zu  sein  pflegt  und  nicht,  wie  an  der  Hand  den  Haupt- 
ansatz an  der  Dorsalaponeurose  findet,  sondern  recht  oft  schon  an 
der  medialen  Seite  der  Basis  der  Grundphalangen  endigt. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Es  genüge,  hier  nochmals  darauf  hinzuweisen,  daß  die  Muskeln 
mit  dem  mittleren  Teile  ihres  Bauches  in  eine  besondere  Fascie  ein- 
gescheidet  sind  und  an  der  Endsehne  einen  Schleimbeutel  haben. 

Wirkung. 

Sie  beugen  die  Grundphalanx  und  adduzieren  sie  gleichzeitig 
gegen  die  große  Zehe.  Eine  Streckwirkung  auf  die  Mittel-  und  Nagel- 
phalanx kann  ihnen  nur  dann  zugeteilt  werden,  wenn  sie  an  der 
Dorsalaponeurose  besonderen  Ansatz  haben. 

Innervation  s.  Beschreibung  zu  Fig.  33  S.  593  (179). 

M.  abductor  hallucis. 

Synonyma :  Abzieher  der  großen  Zehe ;  Pollicem  abducens ;  Muscle 
abducteur  du  gros  orteil,  calcaneo-sous  -  phalangien  du  premier  orteil 
(Chauss.),  calcaneo-phalangien  du  pouce  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  pyramidenartig  gestaltete  Muskel  hat  seine  Basis  an  der 
hinteren  medialen  Seite  des  Fußes,  seine  Spitze  an  der  freien  Seite 
der  Grundphalange  der  großen  Zehe.  Er  bildet  die  äußerlich  sichtbare 
Schicht  des  Großzehenballens  und  macht  sich  vielleicht  noch  mehr 
als  die  Wadenmuskulatur  durch  Krampfzustände  bemerkbar.  Sein 
Ursprung  bildet  die  wichtige  Brücke,  unter  welcher  die  tiefen  Beuge- 
sehnen und  die  Endäste  des  N.  tibialis  und  der  Vasa  tibialia  post. 
ihren  Weg  zur  Tiefe  der  Fußsohle  nehmen. 

Idiotopie   und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  entspricht  knöchern  dem  Processus  medialis  tuberis 
calcanei,  außerdem  muß  aber  eines  Sehuenbogens  gedacht  werden, 
welcher  distal  konvex  bis  zur  Höhe  des  Malleolus  medialis  künstlich 
aus  der  Fascia  pedis  herausgesetzt  werden  kann.  Akzessorische  Ur- 
sprünge kommen  durch  die  Verbindung  der  Aponeurosis  plantaris  mit 
dem  Großzehenballen  zustande,  für  welchen  Henle  einen  besonderen 
Namen  „Pars  medialis"  vorgeschlagen  hat,  und  greifen  sogar  auf  die 
tiefen  Bänder  der  Fußsohle  über.    Wir  wagen  nicht  zu  entscheiden, 

173 


588  FROHSE   und   M.   FRXnKEL, 

ob  außer  dem  Calcaneus  noch  ein  anderer  Knochen  einwandsfreien 
Ursprung  für  ausschließlich  dem  M.  abductor  hallucis  zukommende 
Ursprungssehnen  liefert,  und  möchten  diese  Bemerkung  gleich  auf 
andere  Fußmuskeln,  z.  B.  die  M.  flexor  brevis  und  adductor  hallucis, 
ausgedehnt  wissen.  Die  akzessorischen  Muskelbündel  entspringen 
eben  teils  von  der  Fascie,  teils  von  den  Gelenkbändern.  Auf  Grund 
unserer  Befunde  über  die  Innervation  möchten  wir  den  Muskel  in 
eine  oberflächliche  und  tiefe  Schicht  zerlegt  wissen.  Erstere  beschränkt 
sich  auf  die  proximale  Hälfte  des  Fußes  und  wird  dann  umrahmt  von 
den  Muskelbündeln  der  tiefen  Portion,  welche  sich  an  die  Facies 
profunda  der  bereits  in  der  Höhe  des  Os  cuneiforme  I  äußerlich 
sichtbaren  Endsehne  anheften,  welche  die  Breite  der  Basis  der  Grund- 
phalange  medial  einnimmt. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  der  Fascie  und  Haut ;  als  Ver- 
stärkung der  Binde  muß  der  distale,  mediale  Schenkel  des  Lig.  cru- 
ciatum  aufgefaßt,  und  als  subkutane  Gebilde  ferner  die  V.  saphena 
magna  und  der  N.  saphenus  (major)  und  noch  mehr  der  mediale 
Zweig  des  N.  peronaeus  superficialis  erwähnt  werden.  Die  Facies 
inferior  und  superior  stellen  die  zugeschärften  Ränder  dar,  in  welchen 
der  Muskelbauch  der  Aponeurosis  plantaris  und  der  Fascia  dorsalis 
pedis  gegenübertritt.  Von  beiden  Gebilden  läßt  er  sich  ohne  jede 
präparatorische  Schwierigkeit  isolieren.  Die  Facies  profunda,  welche 
wir  gleichzeitig  mit  dem  proximalen  und  distalen  Ende  beschreiben 
wollen,  ergibt  die  wichtigsten  Beziehungen  zur  Fußsohle  selbst.  Der 
proximale,  zugeschärfte  Rand  stellt  einen  distalwärts  konvexen  Bogen 
dar,  welcher  den  Processus  medialis  tuberis  calcanei  mit  der  hinteren 
Ecke  des  Malleolus  medialis  verbindet.  Unter  diesem  Bogen  nehmen 
sämtliche  tiefen  Beugemuskeln,  Fußsohlennerven  und  Gefäße  ihren 
Weg,  außerdem  tritt  noch  das  Caput  plantare  des  M.  flexor  digitorum 
longus  an  die  Oberfläche.  Ueber  die  einzelnen  Fächer  ist  bei  der  be- 
sonderen Abhandlung  über  die  Fußsohle  nachzusehen.  Zum  großen 
Teile  ergibt  sich  hierdurch  auch  die  Topographie  der  Facies  profunda 
zu  den  Weichteilen  sowohl,  wie  den  Knochen.  Der  an  der  medialen 
Seite  gelegene  Muskel  muß  selbstverständlich  den  sogenannten  Talus- 
strahl  zudecken,  d.  h.  den  Talus  und  die  Ossa  naviculare,  cuneiforme  I 
und  metatarsale  I,  sowie  die  entsprechenden  Gelenke.  Die  Weichteile 
besonders  aufzuführen  verbietet  uns  der  geringe  Raum  unserer  nicht 
für  topographische  Einzelbeschreibung  bestimmten  Darstellung. 

Schleimbeutel  des  M.  abductor  hallucis. 

Wir  finden  einen  unter  der  Endsehne  zwischen  ihr  und  der  Ge- 
lenkkapsel, eine  wirkliche  B,  subabductoria  profunda,  welche  durch 
die  Reibung  gegen   das  Köpfchen  des   1.  Mittelfußknochens  entsteht. 

Ein  zweiter  inkonstanter  Schleimbeutel  kann  sich  hautwärts,  d.  h. 
medial  von  der  Endsehne  entwickeln.  Dieser  ist  durch  den  Druck 
des  Schuhwerkes  bedingt  und  braucht  sich  nicht  auf  die  Breite  der 
Endsehne  zu  beschränken.  Da  aber  die  ziemlich  breite  Sehne  im 
wesentlichen  die  mediale  Seite  des  Großzehenballens  einnimmt,  könnte 
man  sie  wohl  als  B.  abductoria  subcutanea  bezeichnen,  oder  auch  als 
B.    subcutanea    capituli    ossis    metatarsalis   I.      Der    kürzere    Name 

174 


M.  flexor  hallucis  brevis.  589 

B.  metatarsophalangea  I,  welcher  in  Fig.  196  des  Atlas  der  topo- 
graphischen Anatomie  von  v.  Bardeleben,  Häckel  und  Frohse 
nach  unseren  Untersuchungen  gewählt  ist,  dürfte  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  die  Grundphalanx  nicht  erreichen,  sich  vielmehr  gewöhnlich 
auf  die  hervorragende  Stelle  des  Mittelfußköpfchens  beschränken. 

Wirkung. 

I.  Wie  bereits  erwähnt,  wird  der  Muskel  außerordentlich  häufig 
von  Krampfzuständen  betroffen,  welche  gewöhnlich  dann  eintreten, 
wenn  der  vorher  erhitzte  Fuß  der  kühleren  Luft  ausgesetzt  wird. 
Dann  sieht  man  in  klarer  Weise  die  Wirkung  auf  die  freie  große 
Zehe,  welche  sich  sehr  kräftig  von  den  dreigliedrigen  Zehen  entfernt. 

II.  Bei  fixierter  Zehe  äußert  sich  die  Wirkung  in  einer  Fest- 
stellung des  medialen  Fußgewölbes,  welche  durch  die  fascielle  Ver- 
bindung mit  dem  Dorsum  eine  ansehnliche  Unterstützung  erfährt. 

Innervation. 

Der  einheitliche  Nerv  tritt  4  cm  distal  vom  vorderen  Umfange 
des  Tuber  calcanei  aus  dem  N.  plantaris  medialis  heraus  und  liegt 
etwa  1  cm  subfasciell  und  teilt  sich  extramuskulär  in  3  Hauptzweige, 
von  denen  zwei  für  die  Tiefe,  einer,  der  mittlere,  für  die  oberflächliche 
Schicht  bestimmt  ist.  Letzterer  ist  bedeutend  schwächer,  als  die  tiefe 
Portion.  Das  Nervenbild  ist  außerordentlich  zierlich,  bäumchenartig 
und  zeigt  verschiedene  intramuskuläre  Anastomosen.  Wir  zweifeln 
nicht  daran,  daß  Verbindungen  mit  den  Nerven  der  tiefen  Portion 
dargestellt  werden  können,  weil  ja  die  scharfe  anatomische  Sonderung 
nur  künstlich  bewirkt  werden  kann.  —  Bei  der  tiefen  Portion  ist  ein 
rückläufiger  und  ein  distaler  Zweig  zu  unterscheiden,  von  denen  beiden 
auch  Sehnennerven  geliefert  werden.  Schematisch  läßt  es  sich  so 
ausdrücken,  daß  diejenigen  Muskelbündel,  welche  fußsohlenwärts  von 
der  oberflächlichen  Schicht  liegen,  vom  proximalen  Zweige  und  die 
Muskelbündel,  welche  oberhalb,  d.  h.  fußrückenwärts  von  dieser  Schicht 
gelagert  sind,  vom  distalen  Zweige  versorgt  werden.  Hier  kommen 
verschiedene  intramuskuläre  Anastomosen  vor. 

M.  flexor  halliicis  brevis, 

Synonyma:  Kurzer  Beuger  der  großen  Zehe;  Flexor  brevis  pollicis 
pedis;  Court  flechisseur  du  gros  orteil,  interosseux,  tarso-sous-phalangien 
du  premier  orteil  (Chauss,),  tarso-phalangien  du  pouce  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  Muskel  fordert  ohne  weiteres  zu  einem  Vergleiche  mit 
dem  gleichnamigen  der  Hand  auf.  Nach  unserer  Beschreibung  (s.  A. 
S.  203)  zerfällt  der  kurze  Daumenbeuger  in  ein  Caput  superficiale  und 
profundum,  welche  getrennten  Ursprung  haben,  aber  gemeinschaftlich 
am  lateralen  Sesambeine  sich  anheften.  Ganz  anders  ist  es  beim 
Fuße.  Der  Muskel  ist  ebenfalls  doppelköpfig.  Beide  Köpfe  liegen 
aber  in  der  gleichen  Ebene  und  müssen  deshalb  als  Caput  mediale 
und  laterale  unterschieden  werden.  Der  größte  Unterschied  liegt 
jedoch  darin,  daß  der  Ursprung  von  der  Fußwurzel  einheitlich  ist, 
der  Ansatz   an  beiden  Sesambeinen  statthat.    Infolgedessen  gleitet 

175 


590  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

an  der  Hand  die  Sehne  des  M.  flexor  pollicis  longus  in  der  Ursprungs- 
gabel des  M.  brevis,  während  am  Fuße  die  lange  Sehne  in  die  End- 
gabel des  kurzen  Muskels  sich  einbettet.  An  Hand  und  Fuß  findet 
sich  selbstverständlich  an  den  entsprechenden  Stellen  eine  Sehnen- 
scheide. Die  Innervation  ist  die  gleiche.  Das  Caput  superficiale  an 
der  Hand  wird  vom  N.  medianus  versorgt,  wie  das  Caput  mediale 
am  Fuße  vom  N.  plantaris  medialis,  das  Caput  profundum  der  Hand 
vom  N.  ulnaris,  das  Caput  laterale  des  Fußes  vom  N.  plantaris  late- 
ralis. Jedoch  muß  betont  werden,  daß  sowohl  an  der  Hand,  wie  am 
Fuße  eine  konstante  motorische  Anastomose  vorhanden  ist,  welche 
Bezugsmöglichkeiten  für  die  beiden  Köpfe  aus  beiden  Nerven  erlaubt. 
An  der  unteren  Extremität  spricht  sich  ja  die  Zusammengehörigkeit 
der  beiden  Beugeuerven,  der  N,  plantares  medialis  und  lateralis,  ohne 
weiteres  dadurch  aus,  daß  die  Teilung  erst  in  Sprunggelenkshöhe  ein- 
tritt, während  am  Arme  diese  Sonderung  bereits  unter  der  Clavicula 
im  Plexus  brachialis  statthat.  Wir  lassen  es  dahingestellt,  in  welchem 
Umfange  sich  die  entsprechenden  Nerven  an  der  Versorgung  der 
beiden  Köpfe  beteiligen,  und  wie  sie  sich  ergänzen  können. 

IdiotopieundSkeletopie. 

Der  Ursprung  ist  außerordentlich  verwickelt.  Als  Knochen  kommt, 
so  sonderbar  es  scheinen  mag,  der  Calcaneus  in  Betracht,  wo  sich 
die  laterale  Seite  des  Lig.  calcaneocuboideum  plantare  longum  ent- 
wickelt. Außerdem  gewinnt  der  Ursprung  die  innigsten  Beziehungen 
zur  Plantaraponeurose  an  der  Grenze  zwischen  Mittel-  und  Groß- 
zehenballen.  Außerdem  schlingt  er  sich  um  die  Facies  profunda  des 
M.  abductor  hallucis  herum  und  erreicht  so  die  Grenze  zwischen 
Dorsum  und  Planta.  So  kommt  er  in  Verbindung:  oberflächlich  mit 
dem  unteren  medialen  Zipfel  des  Lig.  cruciatum  und  in  der  Tiefe  mit 
den  Ossa  cuneiforme  I  und  naviculare  und  den  benachbarten  Gelenken. 
In  der  Höhe  der  Artic.  cuneonaviculares  entwickelt  sich  auffallend 
schnell  der  Muskelbauch,  um  sich  sofort  in  zwei  Köpfe  zu  sondern, 
deren  scharfe  Abgrenzung  erst  mit  dem  Messer  vollständig  durch- 
geführt werden  kann.  Der  mediale  Kopf  verschmilzt  mit  dem  M.  ab- 
ductor, der  laterale  mit  dem  M.  adductor  hallucis.  Die  Sonderung 
läßt  sich  nur  künstlich  erreichen.  Der  Ansatz  findet  an  den  beiden 
Sesambeinen  statt,  und  da  diese  durch  die  Gelenkkapsel  mit  der 
Grundphalange  zusammenhängen,  auch  an  den  Seitenrändern  ihrer 
Basis.  Der  Doppelansatz  an  beiden  Ossa  sesamoidea  ist  eben  bei 
weitem  nicht  so  scharf  gesondert,  wie  es  sich  am  knöchernen  Präparate 
kundgibt.  Beide  Sesambeine  werden  nämlich  durch  ein  außerordent- 
lich kräftiges  Band  zusammengehalten,  unser  Lig.  intersesamoideum, 
welches  beide  Endsehnen  beinahe  einheitlich  erscheinen  läßt;  funktionell 
gehören  sie  sicherlich  zusammen,  denn  die  operative  Entfernung  des 
medialen  Sesambeines  zieht  auch  eine  schwere  Verlagerung  des 
lateralen  mit  sich  und  bringt  besonders  die  Sehne  des  M.  flexor 
hallucis  longus  aus  ihrer  normalen  Lage  heraus. 

Einen  Zusammenhang  mit  der  Dorsalaponeurose  konnten  wir 
ebensowenig  nachweisen,  wie  an  der  Hand.  Vielleicht  ist  ein  Befund 
von  Bedeutung,  den  wir  hier  angeben :  Wir  haben  nach  querer  Durch- 
trennung in  der  Mitte  des  M.  abductor  hallucis  die  distale  Hälfte 
gegen  die  Zehenspitze  zurückpräpariert  und  kamen  dann  in  der  Höhe 

176 


M.  adductor  hallucis.  591 

des  1.  Mittelfußköpfchens  auf  einen  ansehnlichen  Schleimbeutel,  welcher 
sich  scharf  von  der  Endsehne  des  Caput  mediale  des  M.  flexor  abhob, 
d.  h.  der  Abzieher  ging  viel  weiter  auf  die  Grundphalanx  und  die 
Dorsalaponeurose  über,  während  der  Beuger  sich  auf  das  mediale 
Sesambein  und  die  Gelenkkapsel  beschränkte. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  im  wesentlichen  der  Sehne  des 
M,  flexor  hallucis  longus,  für  welche  die  beiden  Köpfe  gleichsam  ein 
Bett  bilden.  Die  Facies  medialis  wird  durch  den  M.  abductor  hallucis 
zum  größten  Teile  zugedeckt  und  umrahmt  nur  die  mediale  Endsehne. 
Die  Facies  lateralis  wendet  sich  gegen  das  Caput  obliquum  des  M.  ad- 
ductor hallucis,  mit  dem  sie  —  ebenso  wie  die  Facies  medialis  mit 
dem  M.  abductor  hallucis  —  sehr  eng  verschmolzen  ist.  Die  Facies  pro- 
funda liegt  mit  dem  Muskelbauche  dem  1.  Mittelfußknochen  auf,  mit 
den  Ursprungsgebilden  der  medialen  Hälfte  der  Fußwurzelgelenke. 

Wirkung. 

I.  Bei  freischwebendem  Fuße  beugt  er  die  Grundphalanx  der 
großen  Zehe.  IL  Bei  fixierten  Zehen  nähert  er  das  Fersenbein  der  großen 
Zehe  und  gibt  außerdem  der  medialen  Seite  des  Fußes  eine  muskulöse 
Stütze  zur  Aufrechterhaltung  des  Fußgewölbes  in  sagittaler  Richtung. 
Eine  besondere  Bedeutung  spielt  er  bei  den  Personen,  welche  durch 
Uebung  oder  Beruf  imstande  sind,  die  ganze  Körperlast  auf  beiden 
oder  sogar  nur  einer  großen  Zehe  zu  balanzieren  (s.  Kapitel  „Fuß- 
bewegung"). 

Innervation  s.  Beschreibung  zu  Fig.  33  S.  593  (179). 

M.  adductor  hallucis. 

Synonyma:  Anzieher  der  großen  Zehe;  Muscle  adducteur  du  gros 
orteil. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  doppelköpfige  Muskel  ist  ungleich  einfacher  gebaut,  als  der 
gleichnamige  der  Hand.  Das  Caput  obliquum,  welches  von  den  Fuß- 
wurzelknochen entspringt,  ist  durch  einen  breiten  Spalt  von  dem 
Caput  transversum  getrennt,  welches  erst  am  distalen  Ende  der  Mittel- 
fußknochen seinen  Ursprung  nimmt.  Demgemäß  trennt  die  ansehn- 
liche Länge  der  Diaphyse  des  3.  Mittelfußknochens  beide  Köpfe  von- 
einander, während  an  der  Hand  nur  an  der  Basis  des  Os  meta- 
carpale  III  ein  schmaler  Schlitz  für  die  Gefäße  und  Nerven  vor- 
handen ist.  —  Die  an  der  Hand  in  so  leichter  Weise  durchzuführende 
Sonderung  des  Caput  obliquum  in  eine  Portio  superficialis  und  pro- 
funda läßt  sich  auch  am  P'uße  machen,  sie  ist  sogar  außerordentlich 
scharf  durch  die  Endsehne  des  M.  peronaeus  longus  ausgesprochen. 
Sämtliche  Muskelbündel  und  Sehnen,  welche  proximal  von  dieser 
starken  Sehne  gelagert  sind,  müssen  als  Portio  superficialis,  sämtliche 
Teile  —  es  handelt  sich  meist  um  fleischige  Ursprünge,  welche  distal 
von  ihr  Knochenursprung  haben  —  müssen  als  Pars  profunda  aufgefaßt 
werden.  Diese  liegen  am  Os  cuneiforme  III,  II  und  I,  gewinnen  aber 
keine  Beziehung  mehr  zu  den  entsprechenden  Metatarsalknochen. 

Handbuch  d«r  Anatomie.     II,  ii,  3.  38 


m 


A.  digitales  plantares 
propnae 

Insertionsstelle  der  Seh; 

Distales  Ende  der  digi- 
talen Sehnenscheide  des 
M.  flexor  hallucis  longus 

Lig.  vaginale  proprium 
digiti  II 

Lig.  obliqiuim  mediali 
hallucis 


A.  digitales  plantares 
communes 


N.  articularis  metatarso- 
phalangeus  hallucis 


Proximales  Ende  der  digi- 
talen Sehnenscheide 


R.  digifalis  medialis 
hallucis  proprius 

A.  plantaris  medialis 


Durchtrennter  M.  flexor 
digitorum  brevis 


Distales  Ende  der  tar 
salen  Sehnenscheide  des        /  j 
M.  flexor  hallucis  longus        r- 


Distales  Ende  der  tar- 
salen  Sehnenscheide  des 
M.  flex.  digitorum  longus 


N.  plantaris  medialis 


M.  ab(Juctor  hallucis 


Processus  medial 
tuberis  calcanei 


1 


Distales  Ende  der  digitale 
Sehnenscheide  der  IV.  Z^ 


N.  digitalis  proprius 


N.  digital! 


IS  communis 


Bifurcatio 
plantaris  pro  digito  III 


Proximales  Ende  der  digital 
Sehnenscheide  der  IV.  Ze 

M  lumbriralis  III  mit  i 
motorischer  Anastomose  \ 
zum  R.  profundus  ' 

Sensible  Anastomose  zwisch 
den  N.  plantares  lateralis 
und  medialis 

N.  articularis  metatarso-  i 
phalangeus  V 


Muskeln  des  Kleinzehen- 
ballens 


R.  profundus  (musrnlaris)  1 
n.  plantaris  lateralis  et 
Vasa  plantaria  lateralia 


N.  digitalis  lateralis 
proprius  digiti  V 


Tendo  m.  flexoris 
digitorum  longi 


Caput  plantare  (Ca 
drata)  cum  nervo 


M.  abductor  digiti  V,  pari 
proximalis,  cum  nervo        ; 


lateralis 
tuberis  calcanei 


Fig.  33.    Fußsohle,  II.  Schicht,  7,.  nat.  Gr. 


Fußsohle,  II.  und  III.  Schicht.  593 

Beschreibung  zu  Fig.  B3. 

Die  von  uns  für  den  Atlas  der  topographischen  Anatomie  von  v.  Bardeleben, 
Häckel  und  Froh8E  (4.  Auflage)  angefertigte  und  jetzt  erst  hier  übernommene 
Fig.  195  zeigt  die  mittlere  Schicht  der  Futisohle.  Vollkommen  entfernt  ist  die 
Aponeurosis  plantaris  und  zur  Seite  geklappt  der  proximale  Teil  des  M.  flexor  digi- 
torum  brevis,  dessen  distales  Endstück  von  der  Hautseite  aus  umfaßt  wird  diu-ch 
die  N.  digitales  plantares,  bei  denen  besonders  auf  die  sensible  Anastomose  zu 
achten  ist.  Der  Nerv  für  den  M.  flexor  digitorum  brevis  entwickelt  sich  aus  dem 
X.  plantaris  medialis,  sehr  weit  proximal  zum  Unterschenkel  hin.  Er  ist  ja  gleich- 
l>e(leutend  mit  dem  motorischen  Zweige  des  N.  medianus  für  den  M.  flexor  digi- 
torum sublimis.  Etwas  lateral  von  ihm  ist  der  Nerv  für  das  Caput  plantare  zu 
sehen.  Da  dieses  einen  Nebenteil  des  M.  flexor  digitorum  longus  darstellt,  und  zwar 
den  lateralen,  müssen  wir  die  Versorgung  aus  dem  N.  plantaris  lateralis  als  Eegel 
hinstellen,  obwohl,  wie  allgemein  bekannt,  der  entsprechende  Muskel  des  Armes, 
der  M.  flexor  digitorum  profundus,  eine  Doppelinnervation  aufweist,  sowohl  aus 
dem  N.  ulnaris  wie  aus  dem  N.  medianus.  In  dieser  Abbildung  geht  der  Nerv 
indifferent  hervor  aus  der  Teilungsstelle  der  N.  plantares  medialis  und  lateralis. 
Zwar  zerfällt  das  Caput  plantare  in  eine  Portio  lateralis  und  medialis,  wie  es  auch 
beim  M.  flexor  digitorum  profundus  manus  der  Fall  ist.  Wir  konnten  aber  noch 
nicht  den  Nachweis  erbringen,  daß  er  doppelt  innerviert  wird,  wie  der  homologe 
Muskel  des  Vorderarmes,  bei  dem  ja  Finger  3 — 5  dem  N.  ulnaris  und  der  Zeige- 
finger dem  N.  medianus  angehören.  Ferner  sind  die  Nerven  für  die  M.  lumbri- 
cales  dargestellt,  von  denen  die  beiden  ersten  ausschließlich  unter  der  Botmäßigkeit 
des  N.  plantaris  medialis  stehen,  der  dritte  auch  vom  N.  plantaris  lateralis  aus  ver- 
sorgt werden  kann,  wobei  dann  eine  motorische  Anastomose  zustande  kommt,  wie 
es  auch  bereits  in  dieser  Figur  für  den  Großzehenballen  zu  sehen  ist.  Der  Nerv  für 
den  M.  lumbricalis  IV  konnte  nicht  "abgebildet  werden,  weil  er  regelmäßig  von 
seiner  Facies  profunda  aus  versorgt  wrd.  Die  Abbildung  zeigt  in  mittlerer  Höhe 
des  Metatarsus  drei  Anastomosen,  eine  sensible  und  zwei  motorische,  welche  an  der 
Hand  genau  in  derselben  Weise  verwirklicht  imd  auch  von  uns  beschrieben  und 
teilweise  abgebildet  sind  (s.  A.  Fig.  78,  S.  228). 

Die  Sehnenscheiden  sind  in  roter  Farbe  angegeben  für  die  große  Zehe;  diese 
verläuft  im  tarsalen  Teile  sowohl  wie  im  digitalen  vollkommen  einheitlich,  weist 
aber  im  Bereiche  des  Os  naviculare  eine  vollkommene  Sonderung  auf.  Dasselbe 
gilt  in  noch  höherem  Grade  für  die  Sehnenscheide  des  M.  flexor  digitorum  longus, 
welche  proximal  einheitlich  ist,  distal  sich  in  4  Unterabteilimgen  zerlegt  für  die 
2.  bis  5.  Zehe.  Diejenige  für  die  5.  Zehe  ist  die  längste,  erreicht  aber  glücklicher- 
weise niemals  die  tarsale,  während  an  der  Hand  sich  normalerweise  eine  Ver- 
bindung zwischen  der  digitalen  und  carpalen  Sehnenscheide  am  5.  Finger  vor- 
findet. So  sind  die  digitalen  Phlegmonen  des  Fußes  auf  die  entsprechenden  Sehnen- 
fächer beschränkt  uncl  können  erst  nach  Infiltration  des  Bindegewebes  in  der  Tiefe 
der  Fußsohle  die  tarsalen  oder  cruralen  erreichen.  In  solchen  Fällen  ist  allerdings 
die  Gefahr  für  das  Leben  eine  sehr  große.  Während  man  an  Hand  und  Vorderarm 
bei  der  oberflächlichen  Lage  der  Teile  imstande  ist,  wegen  der. leichten  Operations- 
wege günstige  Abflußbedingungen  zu  schaffen,  ist  es  am  Fuße  bei  den  tiefen  Phleg- 
monen unendlich  schwer,  uud  in  dieser  Weise  gehen  viele  Kranke  an  Sepsis  zu- 
grunde, auch  dann,  wenn  als  letzter  Ausweg  eine  Amputation  im  Bereiche  des 
Beines  ausgeführt  wurde. 

Die  Abbildung  zeigt  ferner  die  A.  plantares,  die  medialis  als  langgestreckten 
dünnen  Stamm,  die  lateralis  als  starkes  bogenförmiges  Gefäß,  welches  nur  zur  freien 
Kleinzehenseite  einen  oberflächlichen  Ast  hervorgehen  läßt,  sonst  aber  die  A.  digi- 
tales communes  von  der  Tiefe  aus  zu  den  Spatia  interossea  I — IV  entsendet.  So- 
wohl die  Arterien  väe  die  begleitenden  Venen  sind  zu  dünn  gehalten,  besonders 
letztere.  Sie  sind  in  Wirklichkeit  vielleicht  doppelt  so  stark,  und  so  erklärt  sich 
wohl  einerseits  die  Erschwerung  der  Blutstill uug  bei  operativer  Aufsuchung,  anderer- 
seits die  leichtere  Ausbreitungsmöglichkeit  einer  Entzündung. 

Das  Fettpolster  ist  im  ganzen  Bereiche  der  Ferse  sehr  stark,  ebenso  an  den 
Zehenkuppen ;  dann  ist  die  Mächtigkeit  an  der  Kleinzehenseite  bedeutend  größer 
als  die  der  Innenseite,  welche  in  der  Mitte  des  medialen  Randes  überhaupt  gleich 
Null  sein  kann. 

Beschreibung  zu  Fig.  'M. 

Unsere  beiden  Figuren  (33  u.  34)  von  den  tieferen  Schichten  der  Fußsohle  sind 
hervorgegangen  aus  einem  Mangel  in  der  3.  Auflage  des  Atlas  der  topographischen 
Anatomie  von  v.  Bardeleben,   Häckel   und   Frohse,    welche  bereits   in  der 

38* 
179 


594 


Distales  Ende  der  digitalen   i_|i 

Sehnenscheidr  ' 


Sehne  des  M.  flexor 
digitorum  longus 


A.  digitalis  medialis 
propria  hallucis 


Bursa  subcutanea 
metatarsophalangea 


Bursa  subabductona 
hallucis 


Ossa  sesamoidea 


M.  adductor  hallucis,     \ 

Caput  obliquum,  resectum 


M.  flexor  hallucis  brevis 

Anastomose  zwischen  der 

A.  plantaris  lateralis  und 

dorsalis  pedis 

Motorische  Anastomose 

zwischen  den  N.  plantares 

medialis  und  lateralis 

M.  adductor  hallucis, 

Caput  obliquum 

A.  plantaris  medial 

Distales  Ende  der  tarsalen 

Sehnenscheide  des  M.  flexor 

hallucis  longus 

M.  abductor  hallucis 

M.  tibialis  posterior  mit 
Sehnenscheide 


Distales  Ende  der  tarsalen  Sehnen- 
scheide des  M.  flexor  digitorum  longus 


Caput  plantare  (Caro  quadrata) 


M.  abductor  hall 


Processus  medialis  tuberis  calcanei 


Tuber  calcaneum 


1 


M    flexor  digitorum  longus 


V  ncula  tendinum 

M.  flexor  digitorum  brav 


A.  digitales  plantares 
coramunes 


Capitulum  ossis  meta- 
tarsalis  III 


Lig.  capitulorum  trans-' 
versum  t 


Bursa  subcutanea  meta- 
tarsophalangea V 


M.  adductor,  caput  trani 
versum 


N.  articularis  metatarsöJ 
phalangeus  V  ' 


Arcus  plantaris 


Bursa  subabductoria 
digiti  V 


R.  profundus  (musculari 
n.  plantaris  lateralisi 


M.  abductor  digiti  V,    ;j 
resectus  \ 


'         Tarsale  Sehnenscheide  des 
M.  peronaeus  longus 


Malleolare  Sehnenscheide  des 
M.  peronaeus  longus 


:M.  abductor  digiti  V 
A.  plantaris  lateralis 


N.  motoricus  pro  m.  ab- 
ductore  digiti  V 


Processus  lateralis  tuberis 
calca: 


Fig.  34.    Fußsohle,  111.  Schicht,  7,„  nat.  Gr. 


Fußsohle,  IV.  Schicht.  595 

ersten  Axiflage  vorhanden  sind,  als  Frohse  noch  nicht  Mitarbeiter  war.  Die  ent- 
sprechenden Präparate  sind  von  Fränkel  angefertigt,  von  Frohse  gezeichnet. 
Wir  überließen  aie  Abbildungen  zur  vorzeitigen  Veröffentlichung  im  Atlas. 

Die  Abbildung  zeigt  die  motorischen  Aeste  der  N.  plantares  medialis  und  late- 
rahs  mit  Ausnahme  desjenigen  für  den  M.  flexor  digitorum  brevis,  welcher  bereits 
in  der  Fig.  :i3  mit  seinem  Eintritte  dargestellt  und  nier  nixr  als  kurzer  unbezeich- 
neter  Stumpf  vorhanden  ist.  Ferner  haben  wir  unserer  Meinung  Ausdruck  gegeben, 
daß  das  Caput  plantare  vom  N.  plantaris  lateralis  versorgt  wird.  Außerdem  ist 
noch  deutlicher  zu  erkennen  der  motorische  Ast  für  den  M.  abductor  digiti  quinti, 
welcher  hart  am  vorderen  Rande  des  Processus  medialis  tuberis  calcanei  seinen 
Weg  latcralwärts  nimmt.  Aus  drei  Muskeln,  den  M.  abductor  hallucis,  abductor 
digiti  quinti  und  adductor  hallucis  sind  fleischige  Teile  entfernt;  aus  dem  M.  ab- 
ductor hallucis,  um  seinen  Nerven  sowie  die  Sehnenscheiden  der  M.  tibialis  posterior, 
flexor  hallucis  longus  und  digitorum  longus  zeigen  zu  können,  aus  dem  M.  abductor 
digiti  quinti,  damit  sein  Schleimbeutel  und  die  tarsale  und  malleolare  Sehnenscheide 
des  M.  peronaeus  longus  sichtbar  werden  kann,  aus  dem  Caput  obUquum  des  M.  ad- 
ductor hallucis,  um  die  motorische  Anastomose  zwischen  den  N.  plantares  lateralis 
und  medialis,  sowie  den  Arcus  plantaris  zur  Anschauung  zu  bringen. 

Im  Bereiche  der  Zehen  ist  nur  die  digitale  Sehnenscheide  der  großen  Zehe 
rosa  angegeben,  umrahmt  von  den  orange  gehaltenen  Ossa  sesamoidea,  während 
die  Sehnenscheiden  der  dreigliedrigen  Zehen  vollkommen  entfernt  sind.  Bei  der 
2.  Zehe  liegen  die  beiden  Beugesehnen  in  situ,  bei  der  3.  ist  die  lange  Sehne 
emporgehoben,  so  daß  die  rosa  angegebenen  Vincula  tendinum  zu  sehen  sind.  An 
der  4.  Zehe  ist  die  tiefe  Sehne  an  der  Nagelphalange  abgeschnitten.  Man  sieht 
so  das  Chiasma  tendinum,  welches  richtiger  als  Cniasma  tendinis  bezeichnet 
würde,  da  es  sich  ja  nur  um  die  Kreuzung  emer  einzigen,  der  oberflächlichen  Sehne 
handelt,  welche  aus  der  Bifurkation  hervorgeht. 

Allerdings  ist  an  den  Zehen  dies  Chiasma  sehr  häufig  rudimentär  vorhanden. 
An  unserem  Präparate  stellt  es  an  der  4.  Zehe  nur  eine  Verbindung  vom 
medialen  zum  lateralen  Zipfel  dar,  während  an  der  5.  Zehe  überhaupt  keine 
Verbindung  vorhanden  ist.  Diese  Sehne  kann  auch  einseitig  entwickelt  sein,  sogar 
vollständig  fehlen.  —  Bei  allen  Zehen  haben  wir  die  Gelenkhöhlen  eröffnet  und  in 
hellblauer  Farbe  den  überknorpelten  Teil  der  Epiphysen  gekennzeichnet,  um  so  die 
Länge  der  einzelnen  Phalangen  mit  ihren  Lagebeziehungen  zu  den  Sehnen  schnell 
verständlich  zu  machen. 

Schließlich  sind  noch  die  Schleimbeutel  an  den  Seitenrändern  des  Fußes  hell- 
blau angegeben.  Während  an  der  Kleinzehenseite  sich  nur  eine  Bursa  subcutanea 
metatarsophalangea  präparieren  ließ,  waren  avif  der  Großzehenseite  deren  zwei  vor- 
handen, eine  Bursa  subcutanea  metatarsophalangea  I  und  eine  Bursa  subab- 
ductoria  hallucis,  welche  nicht  mit  der  Gelenkhöhle  zusammenhing.  In  dieser 
Weise  wies  die  Endsehne  des  M.  abductor  hallucis  in  der  Höhe  der  Artic.  meta- 
tarsophalangea I  zwei  selbständige  Schleimbeutel  auf,  einen  oberflächlichen  haut- 
wärts  von  der  Sehne  und  einen  tiefen,  gelenkwärts  gelegenen. 

Außer  den  rein  motorischen  Nerven  für  KleinzehenbaUen,  M.  interossei,  Groß- 
zehenballen  und  der  hier  gelegenen  motorischen  Anastomose  haben  ^vir  auch  die 
Nerven  für  die  Kapseln  der  Artic.  metatarsophalangeae  berücksichtigt.  Sie  verlaufen 
ziemlich  in  der  Achse  der  Mittelfußknochen  und  stammen  für  die  große  Zehe  aus 
dem  N.  plantaris  medialis,  für  die  dreigliedrigen  aus  dem  N.  lateralis. 

Beschreibung  zu  Fig.  35. 

Die  Figur  zeigt  nach  Entfernung  der  Plantaraponeurose,  Beugesehnen,  Nerven 
und  Venen,  nur  die  vom  Calcaneus  entspringenden  und  zum  Hallux  hinziehenden 
Muskeln ;  außerdem  sind  jedoch  die  Schleimbeutel  der  Tarsalgegend  hellrot  und  die 
wichtigsten  Arterien  der  Plantargegend  dunkelrot  angegeben.  Im  besonderen  ist 
hinzuweisen  auf  die  sechs  Fächer,  welche  unter  dem  brückenartigen  Ursprünge  des 
M.  abductor  hallucis  angelegt  sind  für  folgende  Teile  (s.  Fig.  35) : 


Fach    (I)  —  N.  et  Vasa  plantaria  medialia. 
(Ili  —  N.  et  Vasa  plantaria  lateralia. 
(UI)  —  Sehnenscheide  des  M.  tibialis  posterior. 


(FV)  —  Sehnenscheide  des  M.  flexor  digitorum  pedis  longus. 


M 


Sehnenscheide  des  M.  flexor  hallucis  longus. 

Portio  medialis  des  Caput  plantare. 
Die  drei  für  die  Sehnen  bestimmten  Oeff  nungen  halten  sich  nach  medial  und  vorn  zu 
denjenigen  Knochen,  welche  die  unmittelbare  Fortsetzung  des  Unterschenkels  zum 
Talusstrahle  bilden :  zur  Tibia  ausschließüch  der  M.  tibialis  posterior ;  zu  Tibia  und 

i8i 


596 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Lig.  capitul.  transv, 


A.  plant,  dig.  comm, 


A.  digit.  plant,  lat.  dig.  V 


[.  interosseus  dors.  IV 


M.  interosseus  plant.  III 


M.  opponens  dig.  V 
Arcus  plant. 


Ä   ^ 

M.  abd.  dig.  V  — fP*  m 


subabd.  dig.  V  ♦■ 


B.  subcuboidea 


Tendo  m.  perou. 
longi 


Caput  plantare 


Lig.  plant,  longum 


M.  abd.  dig.  V 


Fascia  calcanea  medialis 
des  Caput  plantare  (VI) 


Calcaneus 


! 


Ossa  sesamoidea 


Caput  transv.  m.  add.  t 
hallucis  '■■ 


Caput  obliquum   in.  add. 
hallucis 


Caput  laterale  ra.  flex.  "-■ 
hall.  brev.  t 


Caput  mediale  m.  flex.    ^ 
hall.  brev.  } 


Arcus  plantaris  i 

Tendo  m.  peronaei  longi       ^ 

] 

Tendo  m.  tib,  ant.  1 


Tendo  m.  tib.  post. 
(Os  cuneiforme  I) 


Lig.  plant.  long. 
Tub.  ossis  navic,  pedis 


Tendo  m.  tib.  post.  (III) 


Sulcus  pro  m.  flex.  dig. 
comm.  longo  (IV) 


Sulcus  pro  m.  flex.  hall, 
longo  (V) 


A.  plant,  medialis  (I) 
A.  plant,  lateralis  (II) 


''  M.  abductor  hallucis 

S 


Fig.  35.    Fußsohle,  IV.  Schicht,  nat.  Gr.  J^ 
182 


Vertex  retinacul 


Lig.  acc.  plant.  III 

(Lig.  intertendinosum 

nietatarseum  nobis) 


B.  intermetatarso- 
phalangea  III 

M.  inteross.  plant.  I 

M.  inteross.  dors.  III 
M.  inteross.  plant.  II 
M.  inteross.  dors.  IV 
M.  inteross.  plant.  III 

M.  oppon.  dig.  V 
Tuberos.  oss.  metat.V 


Pars  lateralis 
aponeur.  plant. 


Lig.  calcaneO' 
motatarsale  (nobis)       ; 


M.  peron.  brevis 
Tendo  Über  m 


Vagina  crurotarsalis 
m.  peron.  longi 


Lig.  calcaneocuboid.  plant. 


Lig,  plant,  longura 


Proc.  lateralis  tuberis  calcanei 


597 


Artic.  metatarso- 
phalangea  dig.  II 


ncisura  in 


tersesamoidea 


M.  interosseus  dorsalis  I 


M.  interosseus  dorsalis  II 


Pais  profunda  m.  adduct. 
hallucis 


Tendo  access.  m.  inteross. 
dors.  I 


Vagina  plantaris 
m.  peron.  long. 


M.  tibialis  ant.  c.  bursa 
access. 


Os  cuneiforme  I 
Tendo  ad  os  cuneif.  II 

Tendo  ad  os  cuneif.  III 


Tuberositas  oss.  iiavic.  et 
Bursa  subtendinea  • 


Tendo  reflexus  m.  tibialis  ant. 


Sulcus  m.  flexor  dig. 
longi  (pedis) 


M.  tibialis  post.  (Sonde 
Rec.  prof.  der  Sehnen- 
scheide) 


Sulcus  m.  flexoris  hallucis  longi 


Sustentaculum  tali 


Fig.  36.    Fußsohle;  V.  Schicht,  nat.  Gr. 


5SS  PROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Talus  der  M.  flexor  digitorum  longus ;  zu  Tibia,  Talus  und  Calcaneus  (Sustentaculum 
tali)  der  M.  flexor  hallucis  longus.  Die  drei  anderen  Oeffnungen  betreffen  die 
mediale  Fläche  des  Calcaneus,  welche  durch  den  medialen  Kopf  des  Caput  plan- 
tare überlagert  wird.  Eine  deutliche  Fascie  trennt  und  verbindet  diesen  gleich- 
zeitig mit  der  ausgesprochen  sehnigen  Scheidewand,  welche  den  N.  und  den  Vasa 
plantaria  medialia  und  lateralia  den  gesonderten  Weg  zur  Fußsohle  vorschreibt. 
Von  der  Planta  aus  lassen  sich  die  einzelnen  Fächer  ungleich  deutlicher  darstellen, 
allerdings  erst  nach  Durchschneidung  des  M.  abductor  hallucis  und  scharfer  Herum- 
klappung  des  Ursprunges  dieses  Muskels.  Obwohl  die  Entfernung  nur  eine  sehr 
kurze  ist,  haben  sich  doch  schon  die  Sehnen,  Muskeln  und  Gefäße  erheblich  von- 
einander getrennt. 

Am  Kleinzehenballen  sind  berücksichtigt  die  hellroten  Sehnenschleimbeutel. 
Allerdings  ist  die  von  uns  als  Bursa  subabductoria  digiti  quinti  dargestellte  seröse 
Höhle  hervorgerufen  durch  den  lateralen  Zug  der  Aponeurosis  plantaris,  welche 
anheftet  an  der  eigentlichen  Tuberositas  ossis  metatarsaUs  V.  Erst  weiter  medial 
liegt  der  eigentliche  Muskelschleimbeutel,  für  welchen  wir  den  indifferenten  Namen 
„Bursa  subcuboidea  lateralis"  vorschlagen.  Noch  weiter  medial  liegt  die  Sehne  des 
M.  peronaeus  longus,  welche  in  derselben  Höhe  des  Tarsus  eine  Unterbrechung  der 
Sehnenscheide  aufweist  und  in  dieser  Art  in  einen  proximalen  Abschnitt  zerfällt, 
für  welchen  wir  in  Fig.  36  den  Namen  Vagina  crurotarsalis  gegeben  haben,  und 
einen  distalen  mit  der  Bezeichnung  Vagina  plantaris. 

Beschreibung  zu  Fig.  36. 

Für  unsere  Abbildung  war  nötig  die  Entfernung  sämtlicher  am  Calcaneus 
entspringenden  und  an  der  großen  Zehe  anheftenden  Muskeln  einschließlich  der 
beiden  etwa  bohnengroßen  Ossa  sesamoidea  hallucis.  Proximal  vom  Capitulum 
findet  man,  wie  bei  den  dreigUedrigen  Zehen,  eine  gleichgestaltete  Incisur ;  dagegen 
ist  die  plantare  Seite  des  Capitulum  ossis  metatarsalis  I  am  Knochen  durch  eine 
axiale  Crista  ausgezeichnet,  welche  durch  Hinzufügung  beider  Sesambeine  sich  fast 
in  ein  Capitulum  umwandelt.  Jedenfalls  wird  durch  das  von  uns  so  bezeichnete 
Lig.  intersesamoideum  die  vollkommene  Uebereinstimmung  mit  den  dreigliedrigen 
Zehen  nachgewiesen,  und  der  M.  flexor  hallucis  brevis  als  gleichwertig  mit  den 
M.  interossei  pedis  hingestellt.  Ferner  sind  die  Artic.  metatarsophalangeae  eröffnet 
und  zwar  aus  dem  besonderen  Grunde,  in  dieser  Weise  die  queren  sehnigen  Ver- 
bindungen zu  kennzeichnen,  welche  nach  unserer  Meinung  fälschlich  als  Lig. 
capitulorum  transversum  bezeichnet  werden.  Nach  unserer  Auffassung  sind  es 
vielmehr  sehnige  Verbindungen  der  M.  interossei  jeder  einzelnen  Zehe  (auch  der 
großen),  welche  die  Beugewirkung  gemeinschaftlich  an  dieser  Stelle  auslösen. 
—  Die  an  der  Hand  als  Fasciculi  transversi  beschriebenen  sehnigen  Züge  sind  am 
Fuße  in  anderer  Weise  verwirklicht.  Wir  finden  ihren  Gipfelpunkt,  welcher  von 
uns  als  Vertex  retinaculi  interossei  bezeichnet  ist,  in  der  knöchernen  Achse  des 
Fußes,  d.  h.  in  der  2.  Zehe,  von  welcher  aus  nach  lateral  sich  ein  langer  schräger 
Zug  bis  zum  freien  Eande  der  5.  Zehe  erstreckt,  während  der  mediale  sich  nach 
ganz  kurzem  Verlaufe  nicht  anheftet  am  freien  Eande  der  großen  Zehe,  sondern 
im  ersten  Zwischenknochenraume  dicht  proximal  vom  lateralen  Sesambeine. 

Von  Schleimbeuteln  und  Sehnenscheiden  sind  gezeichnet  die  der  drei  tiefen 
Beugemuskeln  am  Unterschenkel,  ferner  die  Doppelscheide  des  M.  peronaeus  longus, 
der  akzessorische  Schleimbeutel  des  M.  tibialis  anterior  und  schließlich  die  Bursae 
intermetatarsophal  angeae. 

In  den  B.N.A.  werden  Lig.  tarsometatarsea  plantaria  aufgeführt.  Nach  unserer 
Meinung  ist  diese  Bildung  an  der  5.  Zehe  eine  besondere  laterale  Anheftung  des 
M.  peronaeus  longus,  nicht  an  der  medialen  Seite  des  Fußes,  sondern  bereits 
ganz  weit  lateral,  am  medialen  Eande  der  Basis  des  5.  Mittelfußknochens. 

Der  M.  adductor  hallucis  verfügt  genau  wie  der  entsprechende  M.  adductor 
poUicis  über  eine  tiefe  Portion,  welche  vom  3.  und  2.  Mittelfußknochen  entspringt. 
Außerdem  ist  aber  noch  eine  normale,  wenn  auch  dünne,  scharf  abgesetzte  Sehne 
vorhanden,  welche  ihn  mit  dem  M.  interosseus  dorsalis  1  verbindet.  Gerade  diese 
Sehne  ist  es,  welche  auf  den  M.  interosseus  volar is  I  manus  hinweist,  den  soge- 
nannten CuNNiNGHAMschen  Flexor  oder  Adductor.  — 

Eine  ähnliche  Einrichtung  ist  an  der  Hand  zu  beobachten.  Die 
trennende  Sehne  zwischen  Pars  superficialis  und  profunda  ist  die  des 
M.  flexor  carpi  radialis,  welche  sich  geteilt  an  der  Basis  des  2.,  3. 
oder   sogar  des  4.  Mittelhandknochens  ansetzt,  es  also  der  Pars  pro- 

184 


Caput  obliquum,  599 

funda  nicht  erlaubt,  zu  dem  distalen  Handwurzelknochen  in  Beziehung 
2u  treten.  Andererseits  haben  wir  zu  beachten,  daß  unser  M.  inter- 
osseus  volaris  1  durchaus  nicht  immer  vom  Os  metacarpale  I  ent- 
springt, sondern  schon  von  der  Art.  carpometacarpea  pollicis  oder 
selbst  dem  Os  multangulum  majus.  Nichtsdestoweniger  haben  wir 
auch  in  solchen  Fällen  für  diesen  gut  gesonderten  Kopf  den  Namen 
M.  interosseus  volaris  I  festgehalten.  Was  aber  der  Hand  recht  ist, 
ist  auch  dem  Fuße  billig.  Wenn  der  mediale  Teil  der  Pars  profunda 
vom  Os  cuneiforme  I  entspringt,  müssen  wir  diesen  Abschnitt  auch 
als  M.  interosseus  plantaris  I  bezeichnen  und  dann  ist  die  vollständige 
Analogie  mit  der  Hand  hergestellt,  mit  der  einzigen  Ausnahme,  daß 
der  M.  interosseus  plantaris  II  nicht  von  der  medialen  Seite  des 
2.  Mittelfußknochens  entspringt  und  zur  gleichen  Seite  der  ent- 
sprechenden Grundphalangen  geht,  sondern  von  der  lateralen  Seite 
des  3.  Mittelfußknochens  zur  entsprechenden  Seitenfläche  der  Grund- 
phalange.  Uebrigens  erwähnt  Poirier  (s.  S.  283),  daß  bereits  Henle 
«inen  M.  interosseus  plantaris  im  ersten  Zwischenknochenraume  auf- 
gestellt hat,  den  er  allerdings  von  der  Basis  des  Os  metatarsale  II 
entspringen  läßt.  Dies  wäre  aber  nur  der  mittlere  Abschnitt  unserer 
Portio  profunda.  —  Das  Caput  transversum  ist  in  der  Richtung  von 
proximal  nach  distal  bei  weitem  nicht  so  stark  entwickelt,  wie  an  der 
Hand,  indem  es  nicht  einmal  die  Mitte  der  Diaphysen  des  Metatarsus 
erreicht.  Dagegen  ist  es  nach  lateral,  d.  h.  gegen  die  kleine  Zehe 
hin,  viel  weiter  ausgebreitet.  Was  wir  an  der  Hand  als  Varietät  be- 
zeichnen mußten,  nämlich  das  Uebergreifen  auf  den  4.  oder  gar 
5.  Mittelhandknochen,  muß  als  Norm  für  den  Fuß  bezeichnet  werden. 


Caput  obliquum. 

Synonyma :  Schräger  Kopf  des  Beiziehers ;  Interosseus  ad  indicem 
pertingens;  Metatarso-sous-phalangien  du  premier  orteil  (Chauss.),  tarso- 
m^tatarsi-phalangien  du  pouce  (Dum.). 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  einzige  für  die  Pars  superficialis  unter  allen  Umständen  dar- 
stellbare Knochenursprung  liegt  1 — 2  cm  proximal  von  der  Artic. 
«alcaneocuboidea  und  stellt  die  oberflächliche  Schicht  des  Lig.  plan- 
tare longum  dar.  Wie  bereits  beim  M.  flexor  hallucis  brevis  erwähnt 
ist  und  hinterher  noch  bei  der  Muskulatur  des  Kleinzehenballens  zu 
betonen  sein  wird,  haben  wir  an  dieser  Stelle  den  Hauptknochen- 
ursprung der  mittleren  Plantarschicht.  Wir  müssen  hier  die  Fußsohle 
entgegengesetzt  zu  unserer  früheren  Beschreibung  und  Teilung  in 
Großzehen-,  Mittelfuß-  und  Kleinzehenballen  durch  eine  zweite  er- 
gänzen, welche  von  der  Fußsohlenhaut  gegen  die  Fußknochen  gezählt 
wird.  Die  oberflächliche  Schicht  umfaßt  die  M.  abductor  hallucis, 
flexor  brevis  digitorum  und  den  M.  abductor  digiti  V,  welche  zu- 
sammen mit  der  Aponeurosis  plantaris  den  unteren  hinteren  Umfang 
des  Fersenbeines  mit  seinen  beiden  Processus  zum  Ursprünge  benutzen. 
Die  zweite  Schicht  enthält  das  Caput  plantare  des  M.  flexor  digitorum 
longus,  dessen  Sehne  und  die  des  M.  flexor  hallucis  longus.  Auch 
die  M.  lumbricales  gehören  hierher.  Ob  man  die  Endsehne  des  M. 
tibialis  posterior  zu  dieser  oder  der  dritten  Schicht  rechnen  soll,  kann 

185 


600  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

Zweifel  erwecken.  Letztere  Anschauung  würde  dem  M.  peronaeus 
longus  zu  Liebe  entstanden  sein  und  hat  aus  diesem  Grunde  viel  für 
sich.  Die  Muskeln  der  dritten  Schicht  sind  die  M.  flexor  brevis  und 
adductor  hallucis  mit  seinem  Caput  obliquum  und  transversum,  also 
seiner  oberflächlichen  Schicht,  nicht  aber  mit  seiner  Portio  profunda, 
welche  distal  von  der  Peronäussehne  liegt  und  damit  zur  vierten  und 
tiefsten  Schicht  gehört.  Zu  dieser  sind  außerdem  zu  rechnen  sämt- 
liche M.  interossei  und  der  Kleinzehenballen  mit  Ausnahme  seines 
M.  abductor.  Die  Muskeln  aller  Schichten  treten  ganz  oder  zum  Teile 
in  Beziehung  zum  Calcaneus,  die  der  dritten  und  vierten  indirekt, 
entweder  durch  das  Lig.  calcaneocuboideum  plantare,  oder  durch  die 
Wand  der  Sehnenscheide  des  M.  peronaeus  longus. 


Caput  transversum. 

Synonyma:  Querer  Kopf  des  Beiziehers;  Transversus  pedis;  Muscle 
adducteur  transverse  du  gros  orteil,  metatarso-sous-phalangien  transversal 
du  premier  orteil  (Chauss.),  metatarso-phalangien  du  pouce  (Dum.). 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Muskelbauch  hat  keinen  direkten  Knochenursprung  und  ge- 
winnt ihn  erst  durch  die  Verbindung  mit  den  Fascien,  Gelenkkapseln 
und  ihren  Verstärkungsbändern,  nicht  etwa  im  Bereiche  der  Capitula 
ossium  metatarsalium  II — V,  sondern  proximal,  d.  h.  im  Bereiche 
ihrer  Diaphyse.  Der  Ursprung  vom  3.  und  4.  Mittelfußknochen  ist 
konstant,  derjenige  vom  2.  und  5.  bietet  mitunter,  wenn  er  überhaupt 
vorhanden  ist,  präparatorische  Schwierigkeit.  Der  Muskelbauch  selbst 
wird  in  der  Mitte  etwa  1  cm  breit,  erreicht  also  bei  weitem  nicht 
die  Breite  des  gleichnamigen  Kopfes  an  der  Hand.  Der  proximale 
Rand  ist  in  gleicher  Richtung  konvex,  der  distale  nahezu  quer.  Wir 
können  die  Abbildung  von  Rauber-Kopsch  (Fig.  815)  nicht  als  Norm 
hinstellen,  daß  sich  der  quere  Kopf  unter  den  schrägen  herunter- 
schiebt, müssen  vielmehr  betonen,  daß  sich  die  zwar  sehr  kurze  End- 
sehne äußerlich  sichtbar  an  die  des  schrägen  Kopfes  anheftet,  sie 
sogar  von  beiden  Seiten  umgreifen  kann. 

HolotopieundSy  Utopie. 

Die  Facies  superficialis  wird  von  den  Beugesehnen  und  -muskeln 
einschließlich  der  M.  lumbricales  sowie  den  oberflächlichen  Zweigen 
des  N.  und  der  Vasa  plantaria  medialia  bedeckt.  Die  Facies  medialis 
lehnt  sich  an  das  Caput  laterale  des  M.  flexor  hallucis  brevis  an  und 
ist  von  ihm  nur  künstlich  trennbar.  Die  Facies  lateralis  bildet  ein 
spitzwinkliges  Dreieck,  dessen  Spitze  künstlich  bis  zum  Os  sesamoi- 
deum  laterale  verfolgt  werden  kann,  und  dessen  Basis  der  Musku- 
latur des  Kleinzehenballens  entspricht.  Im  lateralen,  proximalen  Winkel 
liegt  die  wichtige  Eintrittsstelle  für  den  im  wesentlichen  motorischen 
R.  profundus  des  N.  plantaris  lateralis,  sowie  der  gleichnamigen  Ar- 
terie, welche  den  Arcus  plantaris  bildet.  Dieses  Dreieck  muß  im 
Gegensatze  zu  den  kleinen  Schlitzen  an  der  Hand  sehr  groß  sein, 
weil  sich  die  Gefäße  für  die  Zehen  erst  ganz  aus  der  Tiefe  entwickeln, 
während  sie  an  der  Hand  aus  dem  Arcus  superficialis  entspringen. 
Uebrigens  kommen  sowohl  an  der  Hand,  wie  beim  Fuße  an  den  ver- 

i86 


M.  abductor  digiti  quinti.  601 

schiedensten  Stellen  Varietäten  vor,  welche  es  ermöglichen,  daß  das 
arterielle  Blut  bald  einen  oberflächlichen,  bald  einen  tiefen  Weg  nimmt. 
Unsere  gewöhnlichen  Injektionspräparate  lassen  nur  selten  die  Be- 
obachtung eines  italienischen  Autors  deutlich  werden,  daß  genau  wie 
an  der  Hand,  auch  am  Fuße  ein  Arcus  plantaris  superficialis  und 
profundus  unterschieden  werden  kann.  —  Die  Facies  profunda  deckt 
zunächst  die  tiefen  Gefäße  und  Nerven,  ferner  die  M.  interossei  an 
der  Basis  durch  das  Caput  obliquum,  proximal  von  den  Capitula  durch 
das  Lig.  capitulorum  transversum. 

Wirkung. 

Physiologisch  hat  der  Muskel,  entsprechend  seinen  beiden  Köpfen, 
zwei  verschiedene  Aufgaben  zu  erfüllen;  durch  das  Caput  obliquum, 
welclies  ungefähr  in  der  Achse  des  Fußes  verläuft,  unterstützt  er  die 
Beugung  der  Grundphalange.  Das  Caput  transversum  hat  vermöge 
seiner  queren  Verlaufsrichtung  nicht  allein  die  Wirkung,  die  große 
Zehe  nach  außen  gegen  den  Kleinzehenballen  zu  wenden,  sondern 
auch  den  der  großen  Zehe  fehlenden  M.  oppouens  hallucis  zu  er- 
gänzen. Wir  finden  auch  wirklich  mitunter  bei  sonstiger  Atrophie 
der  Fußmuskulatur  diesen  Kopf  einigermaßen  erhalten. 

Der  M.  adductor  hallucis  hat,  weil  er  mit  dem  lateralen  Kopfe 
des  M.  flexor  brevis  verschmolzen  ist,  mit  diesem  Bauche  auch  flek- 
tierende Funktion.  Er  wirkt  mit  den  lateralen  Bündeln  des  Caput 
obliquum  als  Adductor,  in  stärkerer  Weise  freilich  das  Caput  trans- 
versum, dem  aber  außerdem  noch  die  Aufgabe  zukommt,  das  Fuß- 
gewölbe übei'  der  Ballengegend  durch  eine  muskulöse  Grundlage 
gegen  Abplattung  in  transversaler  Richtung  zu  schützen.  Das  Caput 
obliquum  gewährt  —  mit  dem  M.  flexor  brevis  hallucis  zusammen  — 
Schutz  gegen  die  Abplattung  in  longitudinaler,  sagittaler  Richtung. 

Innervation  s.  Beschreibung  zu  Fig.  34  S.  595  (181). 


M.  abduetor  dijyiti  quinti. 

Synonyma:  Abzieher  der  kleinen  Zehe;  Abducteur  du  petit  orteil, 
calcaneo-sous-phalangien  du  petit  orteil  (Chauss.),  calcaneo-phalangien  du 
petit  doigt  (Dt^m.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  Muskel  ist  nach  unserer  Erfahrung  der  am  meisten 
wechselnde  des  menschlichen  Körpers  infolge  seines  außerordentlich 
verschiedenen  Ansatzes  an  der  Basis  des  5.  Mittelfußknochens.  Wir 
können  noch  keine  allgemeingültige  Beschreibung  geben  und  führen 
deshalb  3  Befunde  von  willkürlich  gewählten  Präparaten  au,  welche 
wir  erst  nach  Anfertigung  der  Zeichnungen  nochmals  bearbeitet  haben. 
Die  Figuren  (34,  35)  zeigen  zwei  der  geschilderten  Möglichkeiten. 
Die  nach  unserer  Meinung  richtigste  Beschreibung  hat  Poirier 
S.  279  gegeben. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 
Allen   3  Fällen  gemeinsam  war  der  Ursprung  von  der  unteren 
Fläche  des  Calcaneus   in  einer  einheitlichen,  mehr  oder  weniger  wel- 
ligen Linie,   welche   den   Processus  lateralis   mit   dem   medialis   ver- 

187 


602  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

bindet.  —  Im  allgemeinen  macht  sich  ein  Muskelursprung  durch  eine 
Rauhigkeit  bemerkbar.  Hier  jedoch  finden  wir  teilweise  einen 
Knochenvorsprung,  nämlich  den  Processus  lateralis  tuberis  calcanei^ 
teilweise  eine  unbenannte  Furche,  welche  den  eigentlichen  Fersenteil 
von  der  Hauptmasse  des  Calcaneuskörpers  absetzt.  Unser,  des  weiteren 
ausführlich  besprochenes  „Lig.  calcaneometatarsale"  (laterale)  entspringt 
Jedoch  nicht,  wie  man  annehmen  könnte,  vom  Processus  lateralis, 
sondern  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  Processus  als  lateraler, 
scharf  getrennter  Zug  der  Plantaraponeurose ;  welche  besonders  im 
Ansätze  ohne  jede  Kunst  zu  isolieren  ist,  und  einen  fibrösen  Strang, 
welcher  zwei  Knochen  miteinander  verbindet,  müssen  wir  als  „Liga- 
ment" bezeichnen.  Es  ist  in  der  Fig.  36  dargestellt  und  gemein- 
schaftlich mit  dem  M.  abductor  digiti  quinti  bezeichnet.  Ferner  ist 
konstant  die  Anheftung  an  der  lateralen  Seite  der  Grundphalange 
der  5.  Zehe.  Im  einzelnen  verhielten  sich  unsere  3  Präparate  fol- 
gendermaßen : 

Fall  I.  Rechter  muskelschwacher  Frauenfuß.  Das  Lig.  calcaneo- 
metatarsale ist  scharf  abgesetzt  und  durch  eine  oberflächliche  breite 
Ausstrahlung  der  Plantaraponeurose  vollkommen  überlagert.  Der 
Muskelbauch  entspringt  einheitlich,  auch  mit  Ursprüngen  von  der 
tiefen  Fläche  der  Plantaraponeurose  und  der  sehr  starken  Aponeu- 
rosis  intermuscularis  zwischen  Kleinzehen-  und  Mittelfußballen.  An 
der  unteren  Fläche  der  Tuberositas  ossis  metatarsalis  V  findet  sich 
eine  kleinhaselnußgroße  Bursa  subabductoria,  welche  in  diesem  Falle 
genau  der  Rauhigkeit  entsprach  (s.  Fig.  34)  proximal,  sich  aber  auch 
(s.  Fig.  35)  distal  verwirklicht  finden  kann.  Es  ist  also  in  diesem  Falle 
keinerlei  Anheftung  von  Muskelbündeln  am  Mittelfußknochen  vor- 
handen. Nach  Wood  soll  diese  Anheftung  in  der  Hälfte  der  Fälle 
vorkommen,  nach  Macalister  nur  in  25  Proz. 

Fall  IL  Rechter,  starker  Männerfuß.  Die  oberflächliche  Lage 
der  Plantaraponeurose  über  dem  Lig.  calcaneometatarsale  ist  nur  sehr 
schwach  entwickelt.  Der  M.  abductor  selbst  ist  doppelschichtig;  die 
oberflächliche  Lage  entspringt  nur  von  der  Plantaraponeurose  und 
der  Aponeurosis  intermuscularis  lateralis  und  ist  bedeutend  schwächer, 
als  der  tiefe  Abschnitt,  welcher  ganz  breit  vom  vorderen  Umfange 
des  Tuber  calcanei  entspringt  und  mit  starker,  medial  gespaltener 
Sehne  sich  an  der  Spitze  der  Tuberositas  ossis  metatarsalis  V  an- 
heftet, vollkommen  unabhängig  von  dem  fast  ebenso  starken  Lig.  cal- 
caneometatarsale. Der  Schleimbeutel  liegt  etwas  distal  von  der  Tube- 
rositas. 

Fall  III.  Linker,  mittelkräftiger  Männerfuß.  Die  Plantarapo- 
neurose liefert  in  oberflächlicher  Schicht  eine  sehr  starke,  1,5  cm 
breite  Sehnenplatte,  welche  sich  nicht  allein  an  der  Rauhigkeit  des 
5.  Mittelfußknochens  anheftet,  sondern  noch  die  ganze  laterale  Seite 
desselben  einnimmt.  Der  laterale  Rand  ist  verdickt,  wie  der  Rücken 
einer  Säbelklinge,  aber  nicht  als  besonderes  Ligamentum  herauszu- 
setzen. Dafür  ist  aber  ein  lateraler  Strang  entwickelt,  welcher  an 
einer  besonderen  Rauhigkeit  unterhalb  der  Trochlea  des  ('alcaueus 
entspringt  und  so  die  Sehne  des  M.  peronaeus  longus  von  dem  Muskel- 
fleische des  M.  abductor  digiti  quinti  trennt.  Dieser  selbst  ist  doppel- 
schichtig, und  zwar  in  beiden  Portionen  gleichwertig.  Die  oberfläch- 
liche lange  Schicht  nimmt  die  ganze  Breite  des  Tuber  calcanei  und 
besonders    den    Processus   lateralis    in    Anspruch.     Die    tiefe,    kurze 


i 


M.  abductor  digiti  quinti.  603 

Portion  entspringt  muskulös  aus  der  oben  beschriebenen  Furche  und 
liefert  eine  2  cm  lange,  vollkommen  selbständige  Sehne,  welche  nicht 
an  der  Basis  des  5.  Mittelfußknochens  ansetzt,  sondern  im  Anfangs- 
teile des  Corpus  und  außerdem  sich  noch  unmittelbar  in  den  M.  opponens 
fortsetzt.  Der  Schleimbeutel  liegt  etwas  medial  von  der  Tuberositas. 
Da  wir  in  allen  3  Fällen  das  Lig.  calcaneometatarsale  laterale 
gefunden  haben,  sogar  in  Doppelschichtung  bei  gleichem  Ursprünge 
und  Ansätze,  oder  auch  in  Verdoppelung  bei  verschiedenem  Ursprünge 
und  gleichem  Ausatze,  müssen  ihm  wichtige  Aufgaben  obliegen.  Nach 
unserer  Auffassung  ist  es  das  Hemmungsband,  welches  der  über- 
mäßigen Dorsalflexion  durch  den  M.  peronaeus  brevis  und  auch  den 
tertius  das  Gegengewicht  hält.  Darum  entspringt  es  auch  nicht  an 
der  lateralen  Kante,  sondern  greift  auf  die  plantare  Seite  über,  auf 
die  Mitte  des  Tuber  calcanei. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  lateralis  liegt  unter  der  Haut  und  Plantaraponeurose, 
unter  letzterer  regelmäßig  im  Bereiche  des  Tarsus,  selten  in  dem  des 
Metatarsalknochens.  In  der  Haut  verlaufen  der  N.  cutaneus  dorsi 
pedis  lateralis  und  die  Wurzeln  der  V.  saphena  parva.  Auch  die 
Facies  inferior  wird  von  der  Plantaraponeurose  verdeckt;  der  Marge 
medialis  grenzt  an  die  Aponeurosis  intermuscularis  zwischen  Klein- 
zehen- und  Mittelfußballen.  Die  Facies  superior  wendet  sich  gegen 
die  Tiefe  der  Fußsohle  und  kommt  dabei  in  ziemlich  nahe  Berührung 
mit  dem  Calcaneus,  wird  aber  vom  Os  cuboideum  durch  die  Wand 
der  Sehnenscheide  des  M.  peronaeus  longus  getrennt.  In  wechselnder 
Höhe  der  Tuberositas  ossis  metatarsalis  V  findet  sich  ein  konstanter, 
etwa  kleinhaselnußgroßer  Schleimbeutel,  gleichviel,  ob  nur  der  Ansatz 
an  der  lateralen  Seite  der  Grundphalange  der  5.  Zehe  verwirklicht 
ist  oder  noch  ein  akzessorischer  Ansatz  an  der  Rauhigkeit  oder  der 
Basis  des  5.  Mittelfußknochens.  Die  Basis  oder  die  Facies  proximalis 
ist  in  oberflächlicher  Schicht  aponeurotisch,  in  tiefer  muskulös.  Die 
Doppelschichtung  kann  bis  zum  Ansätze,  dem  Apex  distalis,  verwirk- 
licht sein,  und  wir  finden  dann  entweder  nur  den  konstanten  Ansatz 
an  der  Grundphalange,  oder  noch  den  akzessorischen  an  der  Basis  des 
Mittelfußknochens. 

Wirkung. 

Die  lange  Portion  entspricht  in  ihrer  Wirkung  durchaus  ihrem 
Namen,  indem  sie  die  freie  Zehe  von  der  Fußachse  entfernt.  Der 
akzessorische  Ansatz  an  der  Rauhigkeit  des  5.  Metatarsalknochens  ruft 
eine  Wirkung  auf  den  ganzen  lateralen  Fußrand  hervor.  Diejenigen 
Bündel,  welche  vom  Processus  lateralis  tuberis  calcanei  longitudinal 
verlaufen,  haben  mehr  die  Aufgabe  der  Flexion,  die  vom  medialen 
Processus  entspringenden  können  vermöge  ihrer  schrägen  Verlaufs- 
richtung auch  die  Adduktion  unterstützen.  Die  Hauptaufgabe  dürfte 
aber  darin  zu  suchen  sein,  daß  ein  Gegengewicht  gegen  eine  über- 
mäßige Wirkung  der  M.  peronaei  brevis  und  tertius  geschaffen  ist, 
welches  passiv  durch  das  konstante  Lig.  calcaneometatarsale  (laterale) 
erzielt  wird,  aber  außerdem  aktiv  in  noch  schärferer  Form  durch 
einen  ansehnlichen  akzessorischen  Muskel  sich  verwirklicht  finden  kann. 

Innervation  s.  Fig.  34. 

189 


^1 

3   Ö^ 


HüOo 


Mediale  Seite  des  Fußes.  605 

Beschreibung  zu  Fig.  37. 

Der  Hautteil  zeigt  am  Dorsum  pedis  eine  sich  vom  riiterschenkel  her  ver- 
jüngende Anhäufung  des  Panniculus  adiposus,  welche  wicdcrkclut  in  der  Höhe  de* 
Os  naviculare  an  der  Planta  pedis  und  auch  auf  der  Kückseite  des  Unterschenkels 
am  oberen  Rande  des  Calcaneus.  Durch  Fettanhäufung  ist  gekennzeichnet  der 
ganze  hintere  und  untere  Umfang  des  Calcaneus,  die  Gegend  unter  dem  medialen 
Sesambeine  und  schließlich  die  Nagelbeere  der  großen  Zehe. 

In  der  Tiefe  der  Haut  verläuft  ganz  proximal  die  V.  saphena  magna  mit  dem 
liinter  ihr  gelegenen  N.  saphenus  (major).  Am  Fersenbeine  finden  wir  den  N. 
calcaneus  medialis,  welcher  aus  dem  N.  tibialis  stammt,  mit  einem  hinteren  Zweige 
die  Rückseite  des  Fersenbeines  versorgt  und  mit  einem  zweiten  besonderen  die 
l'nterfläche.  Am  Calcaneus  haben  neuerdings  die  Schleimbeutel  eine  ungeahnte 
praktische  Bedeutung  gewonnen.  Unter  allen  Umständen  ist  vorhanden  die  Bursa 
tt'iuliiiis  calcanei  (AchiTlis),  welche  sich  zwischen  Sehne  und  Knochen  findet,  aber 
normalerweise,  d.  h.  wenn  der  M.  plantaris  nicht  fehlt,  von  dessen  Endsehne  breit 
umfaßt  Avird.  Ferner  müssen  wir  als  sehr  häufig  vorkommend  bezeichnen  die  Bursa 
subcutanea  supracalcanea,  einen  Schleimbeutel,  welcher  nur  durch  den  Druck  der 
Fersen  kappe  des  Schuhes  hervorgerufen  sein  kann.  Im  Bereiche  des  festen  Teiles 
des  Schuhes  finden  wir  schützendes  Fettgewebe,  im  weichen  Teile,  d.  h.  entsprechend 
dem  Oberleder,  ist  es  nicht  entwickelt.  Die  Fersenkappe  ist  in  ihrem  Fettpolster 
natürlich  durch  den  Druck  großen  Veränderungen  gegen  den  Knochen,  die  untere 
Fläche  des  Calcaneus  ausgesetzt.  Wir  finden  deshalb  beinahe  regelmäßig  einen 
Sohleimbeutel,  die  Bursa  subcutanea  calcanea.  oder  zum  mindesten  schlüpfriges 
Bindegewebe  immittelbar  hautwärts  von  der  Aponeurosis  plantaris.  —  Ein  anderer 
Schleimbeutel  liegt  dem  inneren  Knöchel  auf;  wir  müssen  diese  Bursa  subcutanea 
inalleoli  medialis  als  Varietät  bezeichnen,  Aveil  sie  nach  unseren  Beobachtungen 
nicht  in  ,30  Proz.  der  Fälle  vorkommt.  —  Als  normal  möchten  wir  die  Bursa  sub- 
cutanea metatarsophalangea  I  bezeichnen,  welche  sich  in  der  Höhe  des  ent- 
sprechenden Gelenkspaltes  findet. 

Die  Sehnenscheiden  sind  in  abwechselnder  Farbe  angegeben ;  hellblau  für  die 
M.  tibiales  anterior  et  posterior,  welche  den  Malleolus  medialis  umfassen  und  so 
eine  Tabatiere  anatomique  du  pied  schaffen.  Diese  Einrichtung  ist  auch  am  Lebenden 
bei  Einwärtsdrehung  des  Fußes  oft  zu  sehen.  An  der  Sehnenscheide  des  M.  tibialis- 
posterior  fällt  auf,  daß  das  distale  Ende  nicht  ringförmig  verläuft,  sondern  einen 
Fortsatz  knochenwärts  entsendet;  am  M.  tibialis  anterior  finden  wir  eine  ringförmige 
Al)grenzung  zwischen  Hauptteil  der  Sehnenscheide  und  am  Ansätze;  letztere  ist 
allerdings  nicht  normal  und  wird  bezeichnet  als  Bursa  subtendinea  m.  tibialis 
anterioris.  Mit  rosa  ist  angegeben  die  Sehnenscheide  des  M.  flexor  digitorum  longus, 
welche  ungefähr  in  derselben  Höhe  wie  die  der  M.  tibialis  posterior  und  flexor 
hallucis  longus  hinter  dem  Malleolus  medialis  beginnt.  Zum  größten  Teile  ist  durch 
die  Gefäße  und  Xerven  die  hellblau  gehaltene  Sehnenscheide  des  M.  flexor  hallucis 
longus  bedeckt. 

Die  Teilung  und  Lagerung  der  A.  und  N.  plantares  lateralis  und  medialis  ist 
ohne  weiteres  zu  erkennen.  —  Die  Fascia  cruris  ist  im  allgemeinen  einheitlich,  liefert 
aber  auf  der  Beugeseite  ein  tiefes  Blatt,  welches  die  Grenze  bUdet  zwischen 
Achillessehne  und  tiefer  Schicht.  Die  Trennung  wird  noch  deutlicher  durch  ein 
Fettpolster  in  der  Höhe  des  Malleolus  medialis.  Hier  verstärkt  sich  auch  die  Fascie 
zum  sogenannten  Lig.  laciniatum.  Beim  Eintritte  in  die  Fußsohle  verlaufen  sämt- 
liche tiefen  Gebilde  unter  einem  künstlich  herauszuschneidenden  Sehnenbogen, 
welcher  den  Ursprung  des  M.  abductor  hallucis  vom  Fersenbeine  mit  dem  Malleolus 
medialis  verbindet. 

Der  M.  abductor  hallucis  ist  in  seiner  feineren  Innervation  dargestellt,  der 
extramuskuläre  Teil  gelb,  der  intramuskuläre  blau.  Genau,  wie  Avir  an  der  Hand 
eine  kurze  Strecke  des  Nerven  für  den  M.  abductor  pollicis  extramuskulär  verlaufen 
sehen,  ist  es  auch  beim  Fuße  der  Fall,  nur,  daß  hier  der  Nerv  schräg  nach  vorn 
verläuft,  im  Zwischenräume  des  Großzehen-  und  Mittelfußballens,  während  er  an 
der  Hand  sich  rückläufig  um  das  Lig.  carpi  transversum  seinen  Weg  sucht. 
Natürlich  kann  er  nicht  um  ein  Lig.  iSantare  transversum  seinen  Weg  nehmen, 
-itndern  nur  an  der  Grenze  zwischen  Großzehen-  und  Mittelfußballen  an  die  Ober- 
t  lache  gelangen. 

Schließlich  sind  noch  die  Knochen  des  Fußskeletes  in  unterbrochener  Linie 
augegeben  und  an  der  medialen  Seite  der  Fußwurzel  mit  I—IV  bezeichnet. 

Mit  einer  schwarzen  horizontalen  Linie  haben  wir  die  Unterstützungspunkte 
für  die  mediale  Fußseite  angegeben.  Diese  weist  drei  Fettpolster  auf  im  Bereiche 
des  Calcaneus,  des  medialen  Sesambeines  und  der  Großzehenbeere.  Eine  große 
Wölbung  zwischen  Ferse  und  Sesambein  verwirklicht  den  hohen  Spann,  bei  dessem 

191 


606  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Fehlen  es  zur  Bildung  eines  Plattfußes  kommt.  Der  hohle  Eaum  zwischen  Grund- 
linie und  plantaren  Weiehteilen  im  Bereiche  der  großen  Zehe  liegt  in  der  Höhe 
zwischen  den  beiden  Phalangen.  Er  wird  bei  der  Beugung  enorm  verkleinert,  bei 
der  Streckung  vollkommen  ausgeglichen. 

M.  flexor  digiti  quiiiti  brevis. 

Synonj^ma:  Kurzer  Beuger  der  kleinen  Zehe;  Court  flechisseur  du 
petit  orteil,  interosseux,  tarso-sous-phalangien  du  petit  orteil  (Chauss.), 
metatarso-phalangien  du  petit  doigt  (Dum.), 

Allgemeine  Beschreibung. 

Dieser  an  der  Hand  oft  fehlende  oder  rudimentäre  Muskel  ist  am 
Fuße  immer  gut  entwickelt. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  hängt  mit  dem  M.  abductor  digiti  quinti  und  dem 
Lig.  plantare  longum  zusammen.  Der  schmale,  platte  Bauch  muß  oft 
erst  künstlich  von  dem  M.  interosseus  plantaris  III  und  dem  M.  op- 
ponens  gesondert  werden.  Die  Endsehne  heftet  an  der  Basis  der  Grund- 
phalange  an  und  nimmt  einen  großen  Teil  der  Beugeseite  über  dem 
Capitulum  des  Mittelfußknochens  ein. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  und  lateralis  wird  vom  M.  abductor  zu- 
gedeckt, medial  grenzt  er  an  den  M.  interosseus  plantaris  III.  Die 
Facies  profunda  deckt  den  M.  opponens  zu,  wofern  dieser  nicht  bei 
mächtiger  Entwicklung  teilweise  sein  lateraler  Nachbar  wird. 

Wirkung  der  M.  abductor  digiti  V  und  flexor  brevis. 
Die  Muskeln  entsprechen  in  ihrer  Wirkung  ihrem  Namen. 

M.  opponens  digiti  quinti. 

Synonyma:  Gegenübersteller  der  kleinen  Zehe;  Opposant  du  petit 
orteil. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Im  Gegensatze  zur  Hand,  an  welcher  sowohl  der  kleine  Finger, 
wie  der  Daumen  einen  kräftigen  M.  opponens  besitzen,  finden  wir  am 
Fuße  nur  einen  schwachen  Gegenübersteller  für  die  kleine  Zehe  ver- 
wirklicht, dessen  Darstellung  auf  dem  Präpariersaale  den  allergrößten 
Schwierigkeiten  begegnet.  Man  muß  sich  nur  nach  dem  Grundsatze 
richten,  daß  allein  diejenigen  Muskelbündel,  welche  am  Os  metatar- 
sale  V  proximal  von  der  Gelenkkapsel  sich  in  der  ganzen  Breite  des 
Corpus  ossis  metatarsalis  V  ansetzen  —  aber  auch  nicht  mehr  —  dem 
M.  opponens  zuzurechnen  sind.  Unter  allen  Umständen  muß  also  die 
präparatorische  Trennung  vom  distalen  Ende  des  5.  Mittelfußknochens 
aus  geführt  werden,  und  dann  gelingt  auch  die  Sonderung  des  Muskels 
von  seinem  Nachbar,  dem  M.  flexor  brevis  digiti  quinti.  Die  Trennung 
muß  mit  dem  Messer  ausgeführt,  darf  aber  nicht  zu  weit  proximal 
erstrebt  werden,  weil  es  sonst  vorkommen  kann,  daß  der  Ursprung 
in  der  Luft  schwebt.     Der  Ursprung  vom  Knochen  ist  genau  wie  an 

192 


M.  interossei  pedis.  •  607 

den  anderen  kurzen  Muskeln  der  kleinen  Zehe  nicht  mit  Sicherheit 
anzugeben  und  nur  durch  undeutliche  Sehnenzüge  verwirklicht,  welche 
in  der  Tiefe  mit  dem  Lig.  calcaneocuboideum  plantare,  oder  besser 
der  Deckschicht  für  die  Sehne  des  M.  peronaeus  longus,  oder  mehr 
hautwärts  mit  der  Aponeurosis  intermuscularis  lateralis  und  sogar 
unmittelbar  mit  der  tiefen,  an  der  Basis  des  Os  metatarsale  I  an- 
heftenden Sehne  des  M.  abductor  digiti  quinti  zusammenhängen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 
Dieselbe  ist  bereits  bei  der  allgemeinen  Beschreibung  erledigt. 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  zerfällt  in  3  Abschnitte:  1)  die  dorsale 
liegt  unter  der  Haut  und  der  Fascia  dorsalis  pedis;  2)  die  mediale 
unter  dem  M.  abductor  digiti  quinti,  proximal  unter  dessen  Muskel- 
bauche, distal  unter  der  freien  Endsehne,  jedoch  besteht  die  Facies 
profunda  des  letzteren  Muskels  aus  einer  derben  Sehne,  welche  auch 
an  der  übergiitteuen  Fläche  des  M.  opponens  einen  Sehnenspiegel 
erzeugt.  Einen  Schleimbeutel  haben  wir  jedoch  an  dieser  Stelle  nicht 
nachweisen  können.  3)  Die  plantare  Fläche  wird  am  freien  Klein- 
zehenrande  durch  den  M.  flexor  brevis  digiti  V  zugedeckt. 

Wirkung. 

Der  kleine  Muskel  kann  nur  eine  untergeordnete  Bedeutung  haben 
im  Sinne  der  Opposition  gegen  die  große  Zehe,  muß  dieselbe  aber 
entfalten  können,  da  der  5.  Mittelfußknochen  die  größte  Beweglichkeit 
unter  sämtlichen  Ossa  metatarsalia  besitzt,  während  an  der  Hand  der 
Kleinfinger  in  dieser  Beziehung  erst  die  zweite  Stelle  einnimmt  hinter 
dem  Os  raetacarpale  1  des  Daumens,  welcher  sich  im  Sattelgelenke 
der  Artic.  carpometacarpea  pollicis  der  größten  Beweglichkeit  erfreut. 

Innervation:  N.  plantaris  lateralis. 

M.  interossei  pedis. 

Synonyma:  Zwischenknochenmuskeln;  Interosseux  metatarso-pha- 
langiens  lat.  (Chauss.),  metatarso-lateri-phalangiens  (Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Die  M.  interossei  pedis  zerfallen  in  vier  dorsales  und  drei  plan- 
tares. An  der  Hand  unterscheidet  die  Mehrzahl  der  Autoren  und  wir 
vier  dorsales  und  vier  volares.  Bei  den  dorsales  herrscht  also  Ueber- 
einstimmung,  bei  den  plantares  und  den  volares  sind  die  Meinungen 
geteilt. 

Die  Muskeln  gruppieren  sich  um  die  längste  Zehe,  die  2.,  während 
an  der  Hand  der  Mittelfinger  der  längste  und  darum  auch  ihre  Achse 
durch  diesen  zu  legen  ist.  An  der  Hand  ordnen  sich  also  die  Muskeln 
um  den  Mittelfinger  als  Achse  herum  an,  am  Fuße  um  die  zweite 
Zehe.  Wir  haben  jedoch  bei  den  Varietäten  einen  Fall  beschrieben 
(s.  A.  S.  239),  wo  auch  an  der  Hand  die  Achse  durch  den  Zeigefinger 
geht,  vollkommen  entsprechend  der  Einrichtung  am  Fuße,  aber  nie- 
mals ist  unseres  Wissens  beobachtet,  daß  die  M.  interossei  pedis  sich 
nach  der  Achse  der  3.  Zehe  richteten. 

Handbuch  der  Anatomie.    II,  u,  3.  39 


608 


FROHSE   und   M.    FRANKEL, 


Riirsae  interphalangeac 
dorsales  I 


Bursa  metatarso- 
phalangea  subcutanea  V 


M.  intcrossei  dorsalis 


Tendo  accessorius  1 
(M.  ext.  dig.  V  longus) 


Tendo  accessorius  II 
(M.  peronaeus  tertius 
cum  bursa) 


Bursa  subabductoria 
(digiti  quinti) 


M.  ext.  digit.  brev. 


Tendo  accessorius  III 
(M.  peronaeus  brev.) 


I.ig.  cruciatum 


M.  peronaeus  brevis 


Bursa  subcutanea 
malleoli  lateralis 


Bursa  calcanea  (Achillis) 


I 


M.  ext.  hall.  long. 


Bursa  metatarso- 
phalangea  dorsalis  I 


Bursa  metatarso- 
phalangea  medialis  I 


Bursae  intermetatarso- 
phalangeae 


Tendo  accessorius 
(medialis) 


Spatium  interosseum  I     ä 


Bursa  tarsometatarsea  .et 
Retinaculum  dorsale 
(proximale) 


M.  ext.  hall.  brev. 


A.  tibialis  ant.  (pediaeas) 


Ganglioforme  Anschwel- 
lung des  N.  peron.  prof. 


M.  ext.  hall.  long. 


—  :M.  ext.  dig.        "^ 
'mg    pedis         j 


M.  peronaeus  long. 

Fig.  38.     Dorsum  pedis,  tiefe  Schiclit.     Muskeln,  Nerven  und  Schleimbeutel. 


M.  interossei  dorsales.  609 

Beschreibung  zu  Fig.  38. 

Von  Muskeln  ist  entfernt  fast  der  ganze  Fußrückenteil  des  M.  extensor  digi- 
torum  longus  mit  Ausnahme  der  für  die  5.  Zehe  bestimmten  Sehne  und  des  M.  pero- 
iiaeus  tertius.  Mit  hellblauer  Farbe  sind  die  Sehleimbeutel  angegeben,  sowohl  die 
sahkutanen  wie  die  subtendinösen  und  intermuskulären.  Dunkelblau  gehalten  ist 
die  intramuskuläre  Verzweigung  der  M.  extensor  hallucis  et  digitorum  brevis,  an 
(Icicn  schwarz  dargestelltem  extramuskulären  Verlaufe  sich  gerade  unter  dem  Lig. 
ciuciatuin  ])e(lis,  in  Wirklichkeit  in  der  Höhe  des  Talusköpfchens  eine  spindelförmige 
Anschwellung  (Pseudoganglion)  des  N.  peronaeus  profundus  findet,  hervorgerufen 
durch  den  Druck  des  Bandes  gegen  den  Knochen  bei  der  Beugung  und  Streckung 
des  Fußes.  —  Während  an  der  Hand  der  Daumen  bereits  im  Bereiche  des  Hand- 
gelenkes eine  sehr  große  Bewegungsfreiheit  besitzt,  welche  sich  durch  die  Tabatifere 
kundgibt,  werden  die  Strecksehnen  der  großen  Zehe  noch  im  Beginne  des  Meta- 
tarsalknochens  durch  ein  besonderes  Band  gegen  das  Fußgewölbe  festgehalten, 
welches  sich  sogar  in  schwächerer  Form  über  der  Art.  metatarsophalangea  1  wieder- 
holen kann.  Der  Grund  liegt  darin,  daß  das  Os  metatarsale  der  großen  Zehe  nicht 
von  der  Fußachse  abduziert  werden  kann,  wie  es  an  der  Hand  für  den  Daumen  in 
ausgiebiger  Weise  der  Fall  ist  und  auch  am  Fuße  von  den  Affen  ausgeführt  werden 
kann.  Darum  hat  ja  auch  Linne  die  Affen  als  Vier  händer  den  zweihändigen 
Menschen  gegenübergestellt.  Ferner  sind  von  den  subkutanen  Schleimbeuteln  oar- 
ucstcUt  die  über  dem  Malleolus  medialis,  den  Art.  metatarsophalangeae  I  und  V 
und  den  interphalangeae  I;  von  den  subtendinösen  die  Bursae  calcanea  (Achillis), 
sulv,il)ductoria  digiti  quinti,  die  inkonstanten  der  M.  peronaeus  tertius  und  extensor 
hallucis  brevis  und  weiter  distal  die  des  M.  extensor  hallucis  longus;  von  den  inter- 
muskulären  die  Bursae  intermetatarsophalangeae.   — 


Die  vier  M.  interossei  dorsales  entspringen  zweiköpfig,  also  ge- 
fiedert, von  den  benachbarten  Rändern  der  Spatia  intermetatarsalia, 
erscheinen  aber  auch  an  der  Planta  als  parallelbündliger  Längswulst 
neben  und  zwischen  den  M.  interossei  plantares,  genau  wie  an  der 
Hand.  Die  M.  interossei  plantares  I — III  entspringen  von  den  me- 
dialen (tibialen)  Rändern  der  Ossa  metatarsalia  III— V. 

M.  interossei  dorsales. 

Synonyma :  Obere  oder  äußere  Zwischenmuskeln  des  Fußes ;  M.  inter- 
ossei superiores  s.  externi;  Interosseux  dorsaux. 

IdiotopieundSkeletopie. 

Sie  werden  wie  an  der  Hand  als  doppeltgefiedert  beschrieben, 
indem  sie  zwei  Köpfe  von  den  Rändern  des  entsprechenden  Spatium 
interosseum  beziehen.  An  der  Hand  sind  diese  ungefähr  gleich- 
wertig, am  Fuße  aber  ganz  verschieden  gebaut.  Die  Hand  erfährt 
durch  den  Druck  des  Handschuhes  niemals  einen  derartigen  und  so 
lange  andauernden  seitlichen  Druck,  wie  der  Fuß  durch  das  Schuh- 
werk. An  muskelkräftigen  Füßen  haben  wir  folgendes  gefunden :  die 
2.  Zehe  mit  ihren  M.  interossei  dorsales  I  und  II  besitzt  ungefähr 
die  gleiche  Stärke  beider  Muskeln  im  ganzen  wie  im  einzelnen.  Der 
M.  interosseus  dorsalis  I  zeigt  in  seinem  medialen  Kopfe  ein  Ueber- 
greifen  auf  das  Os  cuneiforme  I,  geht  aber  nicht  wesentlich  auf  die 
Diaphyse  hinüber;  der  laterale  Kopf,  welcher  mit  dem  medialen  einen 
Sehnenbogen  für  den  Durchtritt  der  A.  dorsalis  pedis  schafft,  gewinnt 
nicht  einmal  die  Basis  des  2.  Mittelfußknochens,  beschränkt  sich  viel- 
mehr auf  die  proximale  Hälfte  der  Diaphyse.  Als  tiefen  Kopf  müssen 
wir  den  nach  unserer  Ansicht  normalen  distalen  Zipfel  der  Endsehne 
des  M.  peronaeus  longus  auffassen,   welcher  nur  von  der  Planta  her 

39* 

195 


610  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

und  außerdem  meist  unter  großen  präparatorischen  Sehwierigkeiten 
nachzuweisen  ist. 

Der  M.  interosseus  dorsalis  II  hat  seinen  medialen  Ursprung 
von  der  proximalen  Hälfte  der  Diaphyse  des  2.  Mittelfußknochens, 
seinen  lateralen  an  der  Basis  des  dritten  und  kann  auch  auf 
die  Fußwurzel  übergreifen.  Die  Lücke  zwischen  beiden  Köpfen 
ist  bedeutend  kleiner,  als  die  beim  M.  interosseus  dorsalis  I,  weil 
hier  eine  viel  schwächere  A.  perforans  ihren  Weg  zur  Fußsohle  nimmt. 

Der  M.  interosseus  dorsalis  III  kann  zusammen  mit  dem  M.  inter- 
osseus dorsalis  IV  abgehandelt  werden.  Die  laterale  Portion  ist  mehr- 
fach stärker,  als  die  mediale,  und  so  mögen  verschiedene  Autoren  zu 
der  Auffassung  gekommen  sein,  daß  auch  die  M.  interossei  dorsales 
einköpfig  entspringen.  Unserer  Meinung  nach  haben  die  lateralen 
Ursprünge  die  wichtige  Aufgabe,  den  Zehen,  wenn  sie  vom  Drucke 
des  Schuhwerkes  befreit  sind,  möglichst  ihre  natürliche  Stellung 
wieder  zu  verschaifen.  —  Beide  Muskeln  gewinnen  an  der  Plantarseite 
noch  Beziehungen  zur  Fußwurzel,  indem  sie  in  den  lateralen  Zipfel 
des  Lig.  plantare  longum  übergehen,  also  die  Sehne  des  M.  peronaeus 
longus  samt  ihrer  Sehnenscheide  zudecken. 

Beschreibung  zu  Fig.  39  und  40. 

Das  Lig.  transversum  eruris  ist  ein  Kunstprodukt.  Man  stellt  es  dar,  indem 
man  einen  2 — 5  cm  breiten,  queren  Streifen  aus  der  Fascia  eruris  dicht  oberhalb 
der  Malleoli  absetzt.  Dieses  Band  umhüllt  dann  sämtliche  3  Muskeln  der  Extcn- 
sorengruppe.  —  Das  Lig.  cruciatum  eruris  würde  besser  als  Lig.  cruciatum  pedis 
bezeichnet,  weil  es  zum  größeren  Teile  dem  Fuße  angehört,  außerdem  ist  es  ge- 
wöhnlich nicht  vier-,  sondern  dreigeteilt.  Nach  unserer  Auffassung  wäre  also  der 
Name  Lig.  tripartitum  pedis  bereclitigter  als  der  offizielle  Lig.  cruciatum  eruris. 
Dieses  Band  ist  von  der  allergrößten  Wichtigkeit  für  die  Bewegungen  der  Muskeln 
der  Extensorengruppe  und  verschafft  den  Sehnen  charakteristische  Wege.  Wir  müssen 
die  oberflächliche  Schicht,  welche  mit  Leichtigkeit  zu  verstehen  ist,  von  der  tiefen 
trennen,  welche  klar  erst  nach  teilweiser  oder  gänzlicher  Beseitigung  der  oberfläch- 
lichen zu  erkennen  ist,  oder  auch  durch  Eröffnung  der  Schleimscheiden  sichtbar 
gemacht  werden  kann.  Der  Knotenpunkt,  um  diesen  Ausdruck  zu  gebrauchen, 
liegt  für  beide  Schichten  über  dem  Collum  tali.  Die  beiden  medialen  Zipfel  sind 
immer  vorhanden,  lateral  ist  der  untere  konstant,  der  obere  entweder  überhaupt 
nicht  darstellbar  oder  ein  Kunstprodukt.  Der  obere,  mediale,  Zipfel  geht  nun 
nicht  zur  Spitze  des  Malleolus  medialis,  sondern  weiter  proximal  zur  vorderen  Kante 
der  Tibia,  wo  er  den  Anschluß  an  das  Lig.  transversum  eruris  gewinnt,  zerfällt 
jedoch  in  zwei  Abteilungen,  welche  die  Sehne  des  M.  tibialis  anterior  umfassen. 
Die  oberflächliche  Söhicht  muß  dünn  sein,  damit  diese  Sehne  frei  spielen  kann, 
die  tiefe  Schicht  dagegen  sehr  fest,  damit  die  M.  extensor  hallucis  longus  wie  auch 
der  digitorum  longus  und  schließlich  auch  die  Gefäße  und  Nerven  gegen  die 
Tiefe  festgehalten  werden.  Der  untere  mediale  Zipfel  preßt  die  Sehne  des  M.  tibi- 
alis anterior  gegen  die  Rinne  am  Os  cuneiforme  I,  findet  aber  keinen  Knochen- 
ansatz, sondern  strahlt  in  die  Fascie  aus,  welche  den  M.  abductor  hallucis  bedeckt. 
Er  hält  außerdem  die  Sehne  des  M.  extensor  hallucis  longus  gegen  das  Os  navi- 
culare  fest.  Der  laterale  Zipfel  ist  breit  und  verdünnt  sich  nach  vorn,  deckt  den 
Ursprung  des  M.  extensor  digitorum  brevis  vollkommen  zu  und  strahlt  schließlich 
in  das  Eetinaculum  inferius  der  M.  peronaei  aus.  Er  gewinnt  knöchernen  Ansatz 
an  der  lateralen  Fläche  des  Calcaneus  und  läßt  sich  proximal  bis  in  den  Anfang 
des  Sinus  tarsi  verfolgen.  Die  tiefen  Züge  bilden  besondere  Scheidewände  für  die 
Strecksehnen  und  halten  die  Sehnen  schleuderartig  gegen  das  Sprunggelenk  fest. 
Gewöhnlich  findet  sich  ein  laterales  Fach  für  den  M.  extensor  digitorum  longus 
und  ein  mediales  für  den  M.  extensor  hallucis  longus.  Die  Gefäße  werden  schließ- 
lich auch  noch  durch  eine  besondere  Scheide  von  der  letzteren  Sehne  getrennt. 

Der  obere  laterale  Zipfel  fehlt  gewöhnlich,  kann  aber  oft  künstlich  heraus- 
gesetzt werden  als  ein  etwa  1  cm  breiter  Streifen,  welcher  sich  vom  „Knotenpunkte" 
aus  zur  vorderen  Ecke  des  Malleolus  lateralis,  nicht  etwa  zur  Spitze,  herausprä- 
parieren läßt  und  die  Vasa  malleolaria  lateralia  gegen  die  Artic.  talocruralis  andrückt. 

196 


Lig.  cruciatum  pedis. 


611 


Diese  Lagebeziehiing  gewinnt  bei  einer  wichtigen  Varietät  praktische  Bedeutung, 
wenn  nämlich  die  A.  tmiulis  ant.  nicht  ihren  gewöhnUchen  senkrechten  Weg  nimmt, 
sondern  über  dem  Sprunggelenke  einen  lateral  konvexen  Bogen  beschreibt,  oder  sogar 
durch  den  R.  perforans  der  A.  peronaea  ersetzt  wird. 


197 


612  FROHSE   und   M.  FRÄNKEL, 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  der  Fascia  interossea  dorsalis 
pedis  und  zeigt  im  Beginne  der  Spatia  interossea  je  eine  Lücke, 
deren  Größe  sich  nach  der  Stärke  der  Vasa  perforantia  richtet.  Da 
die  A.  dorsalis  pedis  auch  als  A.  perforans  prima  aufzufassen  ist, 
muß  hier  die  Lücke  meist  groß  sein.  An  der  Hand  finden  wir  häufig 
die  Arterie  für  das  Spatium  interosseum  II  und  selbst  III  stärker 
entwickelt,  als  den  R.  dorsalis  I  der  A.  radialis.  Das  gleiche  kann 
auch  beim  Fuße  verwirklicht  sein,  weil  in  den  Spatia  interossea  IV 
und  V  die  A.  perforans  manchmal  kaum  zu  erkennen  ist.  Die  Seiten- 
ränder entsprechen  den  Wänden  der  Spatia  interossea  in  dem  ange- 
gebenen Umfange,  überlassen  jedoch  zum  größten  Teile  die  medialen 
Ränder  den  M.  interossei  plantares,  welche  im  IL  bis  IV.  Zwischen- 
knochenraume  gelegen  sind.  Die  Facies  profunda  s.  plantaris  ent- 
spricht zunächst  der  Fascia  interossea  plantaris  und  dann  den  Ge- 
bilden der  mittleren  Schicht  der  Fußsohle.  Diese  im  einzelnen  an- 
zuführen, ist  weder  hier,  noch  beim  Fußrücken  angebracht. 

Schleimbeute  L 

Diese  finden  sich  in  der  Höhe  der  Artic.  metatarsophalangeae 
als  senkrechte  Spalträume,  deren  Größe  sich  nach  der  Malträtierung 
des  Fußes  durch  das  Schuhwerk  richtet.  An  wohlgebildeten  Füßen, 
welche  gleichzeitig  kräftige  Muskeln  aufwiesen,  konnten  wir  sie  mit- 
unter nicht  nachweisen  und  ihre  mögliche  Entwicklung  nur  durch  das 
lockere  Bindegewebe  ahnen. 

M.  interossei  plantares. 

Synonyma :  Untere  oder  innere  Zwischenmuskeln  des  Fußes ;  M.  inter- 
ossei plantares  inferiores  s.  interni ;  Interosseux  plantaires. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Sie  entspringen  an  dem  entsprechenden  Mittelfußknochen,  und 
zwar  an  der  der  Fußachse  zugewandten  Fläche.  Man  könnte  in 
Versuchung  kommen,  einen  M.  plantaris  I  anzunehmen,  welcher  sich 
aus  demjenigen  Zipfel  des  M.  peronaeus  longus  entwickelt,  welcher 
in  den  M.  interosiseus  dorsalis  I  ausstrahlt.  Es  handelt  sich  aber 
nicht  um  einen  besonderen  Muskel,  sondern  nur  um  eine  Sehnen- 
konjugation, welche  gerade  am  Fuße  auch  an  anderen  Stellen  ver- 
wirklicht ist.  Der  M.  interosseus  plantaris  I,  welcher  die  Adduktion 
der  3.  Zehe  auslöst,  greift  nicht  auf  den  Tarsus  über.  Die  in  den 
Spatia  intermetatarsalia  III  und  IV  gelegenen  Muskeln  gewinnen 
jedoch  außer  dem  Metatarsalursprunge  Beziehungen  zum  Tarsus, 
indem  sie  sich  über  die  Sehnenscheide  des  M.  peronaeus  longus  in 
den  lateralen  Zipfel  des  Lig.  plantare  longum  unschwer  verfolgen 
lassen.  Ein  Zug  an  diesen  Muskeln  oder  an  dem  Bande  läßt  die 
Zusammengehörigkeit  ohne  weiteres  erkennen.  Poirier  (s.  S.  282) 
betont  mit  Recht,  daß  die  M.  interossei  plantares  eigentlich  keine 
Zwischenknochenmuskeln  sind,  sondern  ausschließlich  der  Planta  an- 
gehören, indem  sie  vornehmlich  von  der  Basis  eines  Mittelfußknochens 
entspringen  und  am  Körper  nur  die  proximale  Hälfte  der  vorspringen- 
den plantaren  Leiste  als  Ursprung  benutzen. 

198 


M.  interqssei  plantares.  613 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Muskeln  sind  zwischen  je  einem  M.  interosseus  dorsalis  und 
Os  metatarsale  eingebettet  und  erscheinen  nur  an  der  Planta.  Auch 
hier  treten  sie  an  Größe  im  allgemeinen  hinter  den  benachbarten 
M.  interossei  dorsales  zurück.  Dies  ist  ein  scheinbarer  Widerspruch, 
welcher  an  der  Hand  weniger  ausgeprägt  ist,  am  Fuße  aber  eine 
ungezwungene  Erklärung  findet  durch  die  wichtige  Aufgabe,  welche 
die  M.  interossei  dorsales  als  Abductoren  bei  der  Befreiung  des 
Fußes  vom  Schuhwerke  auch  ohne  unseren  Willen  ausführen.  Rein 
topographisch  kommen  nur  die  Vasa  profunda  der  lateralen  Fuß- 
sohlengefäße und  der  gleichnamige  motorische  Nerv  in  Frage.  Prak- 
tisch wäre,  wenn  es  überhaupt  möglich  ist,  nur  auf  den  motorischen 
Nerven  Rücksicht  zu  nehmen. 

Wirkung. 

Die  M.  interossei  beteiligen  sich  so  gut  wie  gar  nicht  an  der 
Dorsalaponeurose  der  Zehen,  welche  fast  ausschließlich  von  den 
beiden  Extensorensehnen  geliefert  wird.  Es  ist  ganz  verkehrt,  in 
dieser  Beziehung  Finger  und  Zehen  miteinander  zu  vergleichen.  An 
den  letzteren  kann  man  mit  der  größten  Leichtigkeit  drei  Zipfel  der 
Extensorensehne  verfolgen,  ohne  durch  die  M.  interossei  und  lumbri- 
cales  gestört  zu  werden.  Die  Einrichtung  an  der  Hand  muß  bei  den 
Armmuskeln  nachgesehen  werden.  Da  also  am  Fuße  die  Beziehung 
zu  der  Dorsalaponeurose  nur  untergeordnete  Bedeutung  hat,  muß 
auch  die  Wirkung  auf  die  Mittel-  und  Nagelphalangen  meistens  voll- 
kommen ausfallen.  — 

I.  Die  Muskeln  wirken  als  energische  Beuger  der  Grundphalange, 
können  aber  die  Spreizbewegung,  d.  h.  die  Abduktion  oder  Adduktion, 
nur  in  der  Ausdehnung  äußern,  welche  bei  unbeschuhtem  Fuße  über- 
haupt noch  möglich  ist,  weil  ja  übermäßiger  Druck  des  Schuhwerkes 
gerade  diese  Muskeln  zuerst  zur  Atrophie  bringt. 

II.  Bei  fixierten  Zehen  nähern  sie  den  Mittelfuß  den  Phalangen 
oder  wenigstens  der  Unterstützungsfläche  und  bewirken  dadurch  eine 
Abflachung  des  Fußgewölbes,  während  an  der  Mittelschicht  und 
der  oberflächlichen  von  uns  eine  Unterstützung  und  Erhöhung  des 
Fußgewölbes  beschrieben  worden  ist. 

An  einem  ungewöhnlich  kräftigen  Männerfuße  fand  sich  zwischen 
den  M.  interossei  plantaris  II  und  dorsalis  IV  ein  scharf  begrenzter,  bis 
Y2  cm  breiter  besonderer  Muskel,  welcher  die  ganze  Länge  der  Dia- 
physe  des  Os  metatarsale  IV  bis  zum  Capitulum  mit  fleischigem  Ansätze 
einnahm.  Da  er  sich  an  der  lateralen  Seite  anheftete,  kann  er  nicht 
als  M.  opponens  digiti  IV  bezeichnet  werden ,  sondern  als  Contra- 
opponens,  oder  als  M.  abductor  proprius  ossis  metatarsalis  IV.  Bei  der 
eigentümlichen  Gelenkeinrichtung,  welche  den  4,  Mittelfußknochen  in 
die  gleiche  Gelenkhöhle  mit  dem  5.  und  dem  Os  cuboideum  einschließt, 
ist  dieser  Muskel  leicht  zu  verstehen  und  gewährt  auch  dem  4.  Mittel- 
fußknochen die  Annäherung  an  den  Boden.  Beim  Stehen  und  Gehen 
wird  ja  in  erster  Linie  der  laterale  Fußrand  als  Unterstützungsfläche 
benutzt. 

199 


614  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Anhang: 

Unsere  Präparationsmethode  mit  praktischer  Nutzanwendung. 

Die  M.  interossei  pedis  sind  bezüglich  ihrer  Anheftung  und 
Wirkung  in  keinerlei  Weise  mit  denen  der  Hand  zu  vergleichen,  ob- 
wohl sie  vielfach  in  den  Lehrbüchern,  auch  in  Vorlesungen,  jedenfalls 
aber  von  den  Studierenden  zusammen  einfach  mit  dem  Vermerke 
erledigt  werden,  daß  sie  vollkommen  gleichen  Ansatz  und  damit  auch 
dieselbe  Wirkung  hätten.  Diesem  Schema  müssen  wir  auf  das  ent- 
schiedenste entgegentreten,  und  können  auch  unsere  Aulfassung  sowohl 
präparatorisch,  wie  durch  die  elektrische  Reizung  beweisen,  deren 
Nachprüfung  voraussichtlich  keine  wesentlichen  anderen  Ergebnisse 
haben  wird.  In  erster  Linie  muß  das  Lig.  capitulorum  transversum 
vollkommen  durchtrennt  werden,  zu  schonen  ist  unter  allen  Umständen 
der  mächtige  quere  Verstärkungszug  über  dem  Köpfchen  der  Mittel- 
fußknochen, welcher  in  den  B.N.A.  nicht  bei  der  Muskellehre,  sondern 
bei  der  Syndesmologie  als  Lig.  accessorium  volare  bezeichnet  wird. 
Hier  liegt  ein  Widerspruch  vor,  weil  nämlich  in  durchaus  richtiger 
Weise  das  Lig.  carpi  transversum  manus  bei  der  Myologie  zu  finden 
ist.  Dieses  Lig.  accessorium  volare  läßt  sich  ohne  große  Kunst  derart 
herausschneiden,  daß  sowohl  proximal  wie  distal  ein,  wenn  auch 
kleines  Stück  des  überknorpelten  Capitulum  der  Mittelfußknochen  zu 
erkennen  ist.  Die  Breite  dieses  Bandes  ist  sehr  ansehnlich,  bei  der 
2.  Zehe  1,3,  bei  der  kleinen  1  cm  lang.  Wir  legen  jedoch  auf  die 
absoluten  Maße  keinen  besonderen  Wert,  weil  wir  uns  nach  der  je- 
weiligen Länge  der  plantaren  Fläche  der  Capitula  richten  müssen. 
Wenn  die  Achse  des  Mittelfußknochens  die  Verlängerung  der  Grund- 
phalangen bildet,  also  eine  Mittelstellung  zwischen  Dorsal-  und  Plantar- 
flexion der  Zehen  eingenommen  wird,  so  ist  die  Länge  des  eigent- 
lichen Capitulum  identisch  mit  der  des  Bandes.  Die  proximalen 
Höcker  des  Capitulum  sind  nur  noch  von  der  Gelenkkapsel  bedeckt 
und  liegen,  da  dasselbe  bei  unserer  Präparationsweise  entfernt  wird, 
frei  zutage.  Die  Bandscheibe  wird  nun  gegen  die  Planta  hinbewegt, 
durch  die  Anheftung  der  entsprechenden  M.  interossei  —  an  der  großen 
Zehe  durch  den  M.  flexor  brevis  hallucis,  an  der  kleinen  Zehe  durch 
den  M.  interosseus  plantaris  III,  vor  allem  aber  durch  den  M.  flexor 
brevis  digiti  quinti.  Selbstverständlich  muß  auch  eine  distale  Be- 
festigung vorhanden  sein.  Dieselbe  zieht  teils  direkt  zur  Basis  der 
Grundphalange,  teils  indirekt  an  beiden  Seiten  als  Endausstrahlung 
der  M.  interossei.  Wir  sagen  absichtlich  „Endausstrahlung",  v^^eil  an 
den  Zehen  kaum  etwas  von  der  an  der  Hand  so  klaren  Dorsalapo- 
neurose  zu  erkennen  ist.  Die  Bedeutung  des  Bandes  läßt  sich  ohne 
weiteres  nachweisen.  Die  breite  plantare  Fläche  des  Capitulum  ist 
Gleitfläche  bei  der  Flexion;  die  proximalen,  überknorpelten  Vorsprünge 
lassen  sich  mit  Sesambeinen  vergleichen,  welche  in  das  Innere  des 
Gelenkes  hineingewandert  und  dort  mit  dem  Capitulum  verschmolzen 
sind.  An  der  Hand  haben  wir  außer  den  konstanten  Sesambeinen 
des  Daumens,  welche  bei  der  großen  Zehe  in  gleicher  Weise  wieder- 
kehren, noch  inkonstante,  am  kleinen,  Zeige-  und  am  Ringfinger. 
Diese  Sesambeine  hängen  aber  mit  der  Gelenkkapsel  zusammen  und 
sind  jedenfalls  nicht  mit  dem  Mittelhandknochen  verbunden,  am  Fuße 
haben  wir  an  den  dreigliedrigen  Zehen  noch  niemals  ein  derartiges 
Sesambein  beobachtet  und  wissen  auch  nicht,   ob  es  vielleicht  in  der 


M.  extensor  brevis  digitorum  et  hallucis.  615 

Literatur  beschrieben  worden  ist.  Funktionell  übernehmen  ja  die 
Höcker  des  Capitulum  die  entsprechende  Rolle.  Man  kann  sich  ohne 
weiteres  ein  Bild  über  die  Wirkung  der  M.  interossei  verschaffen, 
wenn  man  bewußt  oder  unbewußt  den  präparatorischen  Kunstgriff 
anwendet,  einen  Muskel  möglichst  straff  gespannt  vor  das  Messer  zu 
bekommen.  Am  meisten  bekannt  ist  diese  Tatsache  beim  M.  biceps 
brachii,  welcher  am  vorteilhaftesten  in  Streckstellung  des  Armes  prä- 
pariert wird.  Würde  man  ihn  an  der  Leiche  in  Beugestellung  zu 
präparieren  versuchen,  so  würde  die  Arbeit  eine  sehr  schwere  sein. 
Dasselbe  gilt  für  die  M.  deltoideus,  glutaeus  maximus  und  überhaupt 
sämtliche  Skeletmuskelu.  Für  die  Präparatiou  ist  es  das  Bequemste, 
wenn  die  Muskeln  gespannt  werden.  Wenn  dies  in  dem  höchsten 
Maße  der  Fall  ist,  kann  man  im  umgekehrten  Sinne  die  Wirkung 
ablesen.  Um  auf  die  M.  interossei  zurückzukommen,  sehen  wir  — 
wohl  bemerkt,  unter  Einhaltung  unserer  Präparationsmethode  —  daß 
bei  extremer  Dorsalflexion  der  Zehen,  welche  wir  dann  bis  zu  einem 
rechten  Winkel  ausführen  können,  sämtliche  M.  interossei  und  die 
gleich  wirkenden  Muskeln  der  großen  und  kleinen  Zehe  passiv  extrem 
gedehnt  sind.  Auf  den  Lebenden  übertragen  heißt  es,  die  Muskeln 
müssen  als  außerordentlich  kräftige  Beuger  der  Grundphalangen  wirken. 
Bewegt  man  eine  Zehe  im  abduzierenden  oder  adduzierenden  Sinne, 
so  wird  jedesmal  der  gegenüberliegende  Muskel  passiv  gedehnt.  Um 
ein  Beispiel  herauszugreifen,  sei  die  3.  Zehe  gewählt.  Bei  der  Ad- 
duktion  wird  der  M.  interosseus  dorsalis  III  passiv  gespannt  und 
gleitet  dann  von  seinem  plantaren  Höcker  zur  Innenseite,  bei  der 
Adduktion  gegen  die  kleine  Zehe  hin  spannt  sich  der  M.  interosseus 
plantaris  I  passiv  an  und  schiebt  sich  über  den  meist  kleineren 
Höcker  des  Mittel fußknochens  gegen  seine  Achse  hin.  Bei  der  Plantar- 
flexiou  der  Zehen  werden  natürlich  die  M.  interossei  dorsales  passiv 
gedehnt,  da  aber  der  Muskelbauch  bei  dieser  Bewegung  keine  nennens- 
werten Formveränderungen  am  Präparate  hervorruft,  können  und 
müssen  wir  diesem  Muskelbauche  eine  erhebliche  physiologische  Wir- 
kung für  die  Dorsalflexion  absprechen. 


M.  extensor  brevis  digitorum  et  hallucis. 

Synonyma:  Kurzer  Zehenstrecker ;  Pedilus,  pediaeus;  Court  extenseur 
des    orteils,    pedieux,    calcaneo-sus-phalangettien    comm.    (Chauss.,  Dum.). 

Allgemeine  Beschreibung. 

Der  Muskel  ist  konstant  und  bietet  damit  einen  entschiedenen 
Gegensatz  zu  dem  nur  als  Varietät  vorhandenen  M.  extensor  digitorum 
manus  brevis,  welcher,  auch  wenn  er  vorkommt,  niemals  sämtliche 
Finger  versorgt,  sich  vielmehr  allermeist  auf  den  Zeige-  oder  Mittel- 
finger beschränkt.  Ein  anderer  sehr  wichtiger  Unterschied  besteht 
darin,  daß  der  M.  extensor  brevis  digitorum  pedis,  oder,  wie  wir  ihn 
der  Kürze  wegen  bezeichnen  können,  der  M.  pediaeus,  im  Gegensatze 
zum  „M.  maniaeus"  ausschließlich  von  der  Fußwurzel,  vom  vorderen 
Rande  des  Calcaneus  entspringt,  während  der  M.  maniaeus  vom 
Radius,  d.  h.  vom  Vorderarme  herkommt.  Allerdings  haben  wir  auch 
beschrieben,  daß  die  M.  interossei  dorsales  manus  mitunter  Ursprünge 
von  den  Ossa  carpalia  beziehen  und  wir  diese  als  vom  R.  profui^dus 


^16  F&OHSE  und    M.   FRANKEL, 

D.  radialis  Versorgt  wissen  wollten,  wodurch  sie  ja  als  Streckmuskeln 
gekennzeichnet  wären  im  Gegensatze  zu  den  M.  interossei,  welche 
nach  unserer  Auffassung  ausschließlich  vom  R.  profundus  ii.  ulriaris, 
dem  medialen  Beugenerven,  versorgt  werdeu.  Der  M.  extensor  brevis 
poUicis  besteht  als  selbständiger  Muskel  mit  seinem  Ursprünge  vom 
Vorderarme,  bedarf  also  keines  Zuwachses  vom  M.  maniaeus  aus, 
ebensowenig  der  Kleinfinger,  welcher  außer  seinem  eigenen  Muskel 
regelmäßige  Verbindungen  mit  dem  M.  extensor  digitorum  communis 
aufweist.  Bei  der  gleichen  Zehe  liegen  die  Bedingungen  ganz  anders. 
Frohse  hat  bei  sämtlichen  Füßen,  die  er  selbst  präpariert  oder  ge- 
sehen hat,  nur  ein  einziges  Mal  eine  besondere  Sehne  für  die  kleine 
Zehe  sich  aus  dem  M.  pediaeus  entwickeln  sehen,  in  einem  Falle,  wo 
gleichzeitig  der  M.  peronaeus  tertius  fehlte,  und  ist  der  Auffassung, 
daß  gerade  die  Anheftung  dieser  Sehne  auch  am  4.  Mittelfußknochen 
für  das  Fehlen  der  Sehne  für  die  kleine  Zehe  verantwortlich  zu  machen 
ist,  aber  nicht  ausschließlich;  denn  an  seinen  beiden  eigenen  Füßen 
fehlt  der  M.  peronaeus  tertius  vollkommen,  und  trotzdem  beziehen 
die  kleinen  Zehen  keine  Sehne  aus  dem  M.  pediaeus.  Wir  haben 
beim  M.  peronaeus  brevis  beschrieben,  daß  dieser  den  M.  peronaeus 
tertius  und  den  Kleinzehenteil  des  M.  pediaeus  ersetzen  kann.  Die 
Reibung  zwischen  dem  M.  pediaeus  und  dem  Ansätze  des  M.  peronaeus 
tertius  ist  so  stark,  daß  es  au  dieser  Stelle  zur  Bildung  von  schlüpf- 
rigem Bindegewebe,  sogar  von  einem  Schleimbeutel  kommen  kann.  — 
Die  Zusammengehörigkeit  sämtlicher  Zehen  gibt  sich  durch  den  ge- 
meinschaftlichen Ursprung  des  M.  pediaeus  vom  Calcaneus  kund,  aus 
dem  man  erst  künstlich  die  mächtige  Portion  für  die  große  Zehe 
sondern  muß.  Die  Muskelbäuche  gehen  mit  dem  Beginne  des  Mittel- 
fußes in  Sehnen  über,  welche  schräg  von  hinten-lateral  nach  vorn- 
medial verlaufen,  also  die  von  medial  und  hinten  strahlenartig  nach 
vorn  ziehenden  Sehnen  der  M.  extensor  hallucis  und  digitorum  longus 
spitzwinklig  unterkreuzen  müssen  und  so  ein  Gitterwerk  bilden, 
welches  an  fettarmen  Füßen  deutlich  durch  die  Haut  erkannt  werden 
kann.  Zwar  enthält  der  Fußrücken  niemals  erhebliche  Mengen  von 
Fett,  aber  die  Hautvenen  und  -nerven  und  die  besonders  sich  hier 
stauende  Lymphe  erschweren  es  zuweilen,  die  noch  unter  der  Fascie 
verborgenen  Sehnen  deutlich  zu  erkennen.  Außerdem  haben  die 
meisten  Menschen,  welche  einengendes  Schuhwerk  tragen,  nicht  gelernt, 
die  Muskelbäuche  willkürlich  in  Tätigkeit  zu  setzen  und  aktiv  die 
Sehnen  zur  Anspannung  zu  bringen. 

Idiotopie  und  Skeletopie. 

Der  Ursprung  liegt  unmittelbar  hinter  der  Kapsel  der  Artic. 
calcaneocuboidea  an  einer  scharf  begrenzten  und  beschränkten  Stelle, 
weil  dicht  dahinter  bereits  der  Sinus  tarsi  beginnt.  Medial  entspringt 
der  Großzehenbauch,  lateral  der  gemeinschaftliche  Bauch  für  die  2. 
bis  4.  Zehe.  Der  erstere  ist  ungefähr  bis  zur  Basis  des  Os  meta- 
tarsale  I  fleischig,  doppelt  gefiedert,  weil  sich  die  Endsehne  proximal 
in  die  Facies  superficialis  des  Muskels  hineinschiebt.  Der  Bauch  für 
die  dreigliedrigen  Zehen  teilt  sich  an  der  Basis  der  Ossa  metatar- 
salia  III  und  IV  in  die  3  Endsehnen  für  die  2.  bis  4.  Zehe,  welche 
abgeplattet  bis  zur  Basis  der  Grundphalange  verlaufen  und  dort  nur 
künstlich  von  den  Gelenkkapseln,  der  langen  Extensorsehne  und  der 
sogenannten  Dorsalaponeurose  getrennt  werden  können. 


M.  extensor  brevis  digitorum  et  hallucis.  617 

Holotopie  und  Syntopie. 

Die  Facies  superficialis  entspricht  den  Sehnen  des  M.  extensor 
digitorum  longus  und  dem  M.  peronaeus  tertius  in  den  Zwischen- 
räumen der  Fascie  des  Fußrückens.  Wenn  der  M.  peronaeus  tertius 
fehlt,  liegt  der  Bauch  des  M.  extensor  digitorum  brevis  in  großer 
Ausdehnung  frei  unter  Haut  und  Fascie  zutage.  Bei  geringer  Fett- 
entvvicklung  kann  man  direkt  den  Muskelbauch  als  solchen  durch  seine 
Farbe  gegen  die  Nachbargebilde  abgrenzen,  ähnlich  wie  bei  Anämi- 
schen auch  au  anderen  Stellen  des  Körpers  der  Unterschied  zwischen 
dem  allerdings  bläulich  erscheinenden  Muskeifleiche  und  der  Sehne 
gesehen  werden  kann.  Die  Bildhauer  besonders  haben  diesen  Muskel 
fast  immer  übertrieben  dargestellt,  wenn  sie  seine  Bedeutung  auch 
für  die  äußere  Form  erkannt  hatten.  —  Die  Facies  lateralis  und  medi- 
alis  bilden  die  entsprechenden  zugeschärften  und  abgerundeten  Ränder; 
die  Facies  posterior  entspricht  dem  Ursprünge,  die  Facies  anterior 
den  Ansätzen.  Die  Facies  profunda  deckt  den  Hauptteil  der  Articu- 
lationes  tarseae,  tarsometatarseae  und  metatarsophalangeae,  vor  allem 
aber  das  Rete  arteriosum  dorsi  pedis.  In  erster  Linie  ist  die  A.  dor- 
salis  pedis  zu  erwähnen,  welche  spitzwinklig  vom  M.  extensor  hallucis 
brevis  überkreuzt  wird.  d.  h.  im  proximalen  Teile  liegt  das  Gefäß 
mit  den  Nerven  an  der  medialen  Seite  des  Muskelbauches,  im  Bereiche 
des  Metatarsus  finden  wir  diese  Gebilde  an  der  lateralen  Seite  der 
Endsehne.  Die  unter  dem  M.  extensor  digitorum  brevis  verlaufenden 
Arterien  nach  Name  und  Lage  anzuführen,  würde  zu  weit  gehen.  Zu 
beachten  ist  aber,  daß  der  Nerv  für  den  M.  pediaeus  weit  proximal 
ebenfalls  an  der  Facies  profunda  eintritt,  viele  Gelenknerven  abgibt 
und  sich  genau  wie  der  R.  profundus  n.  radialis  mitunter  bis  zu  einem 
oder  mehreren  Knöchelgelenken  verfolgen  läßt. 

Wirkung. 

L  Der  Muskel  streckt  bei  fixiertem  Calcaneus  die  Grundphalangen 
der  1.  bis  4.  Zehe  und  erteilt  ihnen  gleichzeitig,  je  weiter  sie  medial 
liegen,  auch  eine  Wendung  nach  lateral,  welche  erst  durch  den  gleich- 
zeitigen Zug  der  M.  extensor  hallucis  und  digitorum  longus  ausge- 
glichen wird,  so  daß  derselbe  in  der  Achse  der  einzelnen  Zehen  im 
wesentlichen  zur  Geltung  kommt.  IL  Bei  fixierten  Zehen  hebt  der 
Muskel  den  Calcaneus  und  damit  den  Unterschenkel  und  weiterhin 
den  ganzen  Körper  nach  vorn. 

Aponeurosis  dorsalis  digitorum  pedis. 

An  Hand  und  Fuß  bestehen  bezüglich  der  Dorsalaponeurose 
enorme  Unterschiede.  In  den  anatomischen  Lehrbüchern  und  Atlanten 
wird  meistens  gesagt  —  wir  verzichten  hierbei  auf  die  Aufführung 
der  Autoren  —  daß  die  Dorsalaponeurose  der  Zehen  mit  derjenigen 
der  Hand  zu  vergleichen  sei.  An  der  Hand  ist  ein  M.  extensor  pol- 
licis  brevis  verwirklicht,  welcher  am  Fuße  nicht  fehlen  darf  und  sich 
darstellt  als  mediale  Sehne  des  M.  extensor  hallucis  longus  und  mit 
der  Artic.  metatarsophalangea  I  endigt.  Die  Streckung  der  Nagel- 
phalange  der  großen  Zehe  wird  natürlich  besorgt  durch  den  M.  extensor 
hallucis  longus,  au  dessen  Kleinzehenseite  sich  unter  die  Hauptsehne 
noch  hinunterschiebt  der  M.  extensor  hallucis  brevis. 

203 


«18 


FROHSE   uad   M.   FRÄNKEL, 


An  der  großen  Zehe  besteht  keine  eigentliche  Dorsalaponeurose. 
Die  genannten  3  Sehnen  finden  ihren  sicheren  Knochenansatz :  1)  durch 
den  akzessorischen  Sehnenzipfel  des  M.  extensor  hallucis  longus  an 
der  Artic.  metatarsophalangea  I;  2)  durch  die  lange  Endsehne  des 
M.  extensor  hallucis  longus  an  der  Basis  der  Nagelphalange ;  3)  durch 
den  M.  extensor  hallucis  brevis,  welcher  in  der  Knöchelgegend  sich  unter 
die  Sehne  des  M.  extensor  hallucis  longus  herunterschiebt,  durch 
schlüpfriges  Bindegewebe,  oder  durch  einen  Schleimbeutel  von  ihm 
getrennt  ist  und  sich  breit  an  der  Grundphalange  anheftet. 

2.  Zehe.  Die  Dorsalaponeurose  der  2.  Zehe  ist  nicht  vorhanden, 
jedoch  wird  ein  schwacher  Zug  nach  der  Kleinzehenseite  ausschließ- 
lich ausgelöst  durch  den  M.  extensor  digitorum  brevis. 

3.  Zehe.  Hier  ist  eine  schwache  Dorsalaponeurose  auf  der 
medialen  Seite  vorhanden.  Auf  der  Kleinzehenseite  war  die  Präpa- 
ration unmöglich. 

4.  Zehe.  Auf  der  Großzehenseite  Andeutung  einer  Dorsalapo- 
neurose. 

5.  Zehe.  Die  Dorsalaponeurose  ist  nicht  vorhanden.  Von  der 
Dorsalseite  des  Fußes  ziehen  eine  Reihe  von  Sehnen  zur  kleinen  Zehe, 
jedoch  nicht  in  konstanter  Weise.     Unserem  Präparate   entsprechend 

Männerfuß  von  etwa  40  Jahren. 


Zehen 


n. 


III. 


IV. 


Mediale  starke 
Nebensehne  des 
M.  extensor  hal- 
lucis longus  zur 
Artic.  metatarso- 
phalangea; dar- 
über mediale 
Dorsalaponeur- 
ose. Die  laterale 
fehlt.  M.  exten- 
sor hallucis  bre- 
vis heftet  an  in 
der  Mitte  der 
Artic.  metatarso- 
phalangea, ohne 
sich  mit  der  des 
M.  longus  zu  ver- 
einigen. Der  M. 
extensor  hallucis 
brevis   legt  sich 

allmählich 
unter  die  Sehne 
des   M.   hallucis 
longus. 


Die  Dorsal- 
aponeurose ist 
auf  der  Groß- 
zehenseite ent- 
wickelt und  geht 
hervor  aus  dem 
M.  interosseus 
dorsaUs  I.  An 
der  fibularen 
Seite  kommt  nur 
der  M.  extensor 
digitorum  brevis 
in  Betracht,  wel- 
cher mit  einem 
besonderen  late- 
ralen Sehnen- 
zuge sich  mit  der 
Plantarseite  ver- 
bindet. 


Es  ist  hier  eine     Diese  zeigt  auf  1    Die  kleine  Zehe 
schwache     Dor-ider    Großzehen- [zeigt  in  der  aus- 
alaponeurose    Iseite  die  Andeu-|  gesprochensten 


auf  der  medialen  tung  einer  Dor- 
Seite         festzu-    salaponeurose, 


stellen.  Auf  der 
Kleinzehenseite 
war  die  Präpa- 
ration unmög- 
lich. 


auf     der    Klein- 
zehenseite nicht. 


Weise  den  M. 
extensor  digito- 
rum longus  V, 
außerdem  aber 
die  drei  Hilfs- 
möglichkeiten, 
welche  der  klei- 
nen Zehe  ihre 
Selbständigkeit 
erhalten,  nämlich  gleichzeitig  die  drei  Ersatz- 
sehnen : 

1)  die  Hilfssehne  aus  dem  M.  extensor  digi- 
torum longus,  welche  in  unserer  Abbildung,  der 
Natur  entsprechend,  die  erste  Stelle  einnehmen 
muß;  s.  Fig.  38  S.  194. 

2)  die  akzessorische  Sehne  aus  dem  M.  peronaeus 
tertius  und 

3)  die  Nebensehne  aus  dem  M.  peronaeus  brevis. 
Diese  3  Sehnen  vereinigen  sich  dorsalwärts  von 
dem  Capitulum  des  5.  Mittelfußknochens  zu  einer 
einheitlichen  Sehne,  welche  die  Aufgaben  eines 
M.  extensor  digitorum  brevis  vollkommen  erfüllt. 
Vielleicht  hat  die  kleine  Zehe  eine  noch  wichtigere 
Aufgabe  für  Stehen  und  Gehen,  als  die  große 
Zehe,  indem  sie  in  ganzer  Ausdehnung  als  Unter- 
stützungspunkt des  ganzen  lateralen  Fußrandes 
aufzufassen  ist,  während  die  Großzehenseite  — 
vom  Plattfuße  abgesehen  —  nur  Unterstützungs- 
punkte gewinnen  kann  durch  ihre  Sesambeine 
und  die  untere  Fläche  des  Calcaneus.  — 


304 


Fasciae  coxae  619 

konnten  wir  4  besondere  Sehnen  angeben:  1)  die  konstante  aus  dem 
M.  extensor  digitorum  longus,  2)  eine  laterale  Nebensehne  aus  dem 
eben  genannten  Muskel,  3)  eine  akzessorische  Sehne  aus  dem  M.  pero- 
naeus  tertius  und  4)  eine  außerordentlich  häufig  vorkommende  Neben- 
sehne aus  dem  M.  peronaeus  brevis.  Welche  von  diesen  Variationen 
in  dem  einzelnen  Falle  verwirklicht  ist,  läßt  sich  nur  durch  den  ent- 
sprechenden Befund  entscheiden  (s.  Tabelle  auf  S.  618  [204]). 


C.  Anhang. 
!.  Fascien. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Die  Fascie  der  unteren  Extremität  ist  an  den  einzelnen  Ab- 
schnitten ganz  verschieden  gebaut.  Einen  besonderen  Namen  führt 
die  des  Oberschenkels,  welche  als  die  breite  Binde,  Fascia  lata,  all- 
gemein bekannt  ist.  Diese  besondere  Hervorhebung  besteht  jedoch 
zu  Unrecht.  Die  Fascia  cruris  ist  ungleich  stärker.  Der  an  der 
Fascia  lata  lateral  so  mächtige  Tractus  iliotibialis  ist  überhaupt  keine 
Binde,  sondern  die  Endsehne  einer  kompliziert  gebauten  Muskelein- 
richtuug,  worüber  im  speziellen  Teile  nachzusehen  ist.  Am  stärksten 
ist  die  Fascie  der  gewöhnlichen  Beschreibung  nach  in  der  Aponeu- 
rosis  plantaris  verwirklicht.  Aber  auch  über  diese  hinweg  ziehen 
quere  Fasern,  welche  die  eigentliche  Fascie  darstellen.  Der  Fuß- 
rücken besitzt  eine  verhältnismäßig  sehr  kräftige  Binde.  An  letzter 
Stelle  wird  hier  erst  die  Fascie  der  Hüftmuskeln  erwähnt.  Dieselbe 
zerfällt  über  den  M.  psoas  minor,  major  und  quadratus  lumborum  in 
eine  Pars  endoabdomiualis,  über  dem  M.  iliacus  und  dem  mittleren 
Abschnitte  des  M.  psoas  major  (und  der  Sehne  des  M.  psoas  minor) 
in  eine  Pars  endopelvina  des  großen  Beckens,  über  dem  M.  piri- 
formis und  dem  oberen  größeren  Teile  des  M.  obturator  internus  in 
eine  Pars  endopelvina  des  kleinen  Beckens,  mit  dem  unteren 
Teile  des  letzteren  Muskels  gehört  sie  der  Fossa  ischiorectalis  an. 
Ohne  scharfe  Grenzen  geht  diese  in  die  Binde  des  M.  glutaeus  maxi- 
mus  über.  An  dieser  muß  wiederum  ein  kleinerer  unterer  Teil, 
welcher  distal  von  der  queren  Gefäßfurche  liegt,  von  dem  Hauptteile 
unterschieden  werden.  Gegen  den  Darmbeinkamm  hin  bedeckt  die 
Fascia  glutaea  die  M,  glutaeus  medius  und  tensor  fasciae  latae.  Als 
Grenze  gegen  den  Oberschenkel  hatten  wir  die  quere  Verlängerung 
der  queren  Gefäßfurche  sowohl  nach  der  medialen,  wie  der  lateralen 
Seite  angesehen.  Damit  fällt  auch  noch  der  obere  Teil  der  Fascia 
lata  und  vor  allem  die  Fossa  ovalis  mit  in  den  Bereich  der  Fascie 
der  gesamten  Hüftgegeud. 

Spezielle  Beschreibung. 

Fasciae  coxae. 

Die  Fascie  der  Hüftmuskeln  wird  über  dem  M.  quadratus 
lumborum  und  dem  Bauchteile  der  M.  psoas  minor  und  major  als 
Fascia  endoabdomiualis  parietalis   bezeichnet,  stellt  nur  verdichtetes 

205 


620  FROHSE   und    M.    FRANKEL, 

Bindegewebe  dar  und  beginnt  dort  mit  dem  Arcus  lumbocostalis 
medialis  (Halleri),  hängt  also  mit  der  Fascie  des  Zwerchfelles  zu- 
sammen. Auch  beim  Beginne  des  großen  Beckens  wird  die  Binde, 
welche  nunmehr  auch  den  Ursprung  des  M.  iliacus  umfaßt,  nicht 
nennenswert  stärker;  erst  in  der  Höhe  der  Spina  iliaca  anterior 
superior  wird  sie  dicker,  besonders  dann,  wenn  eine  starke  Endsehne 
des  M.  psoas  minor  vorhanden  ist.  Gleichwohl  wird  in  der  Höhe  der 
Eminentia  iliopectinea  ein  Zug  besonders  herausgeschnitten  und  als 
Ligamentum  iliopectineum  beschrieben.  Dieses  ist  aber  nur  ein 
Kunstprodukt,  und  man  kann  es  dem  Studenten  in  keiner  Weise  ver- 
argen, wenn  er  die  Grenze  zwischen  den  Lacunae  vasorum  und  muscu- 
lorum  nicht  darstellen  kann,  besonders,  wenn  er  ein  Bein  von  einer 
sezierten  Leiche  zur  Bearbeitung  erhält,  an  welchem  sowohl  durch 
die  Sektion  im  pathologischen  Institute,  wie  auch  noch  durch  die  In- 
jektion in  der  Anatomie  die  klare  Darstellung  oft  unmöglich  wird. 
Das  „Ligamentum"  iliopectineum  erfährt  gegen  das  Lig.  inguinale 
(Pouparti)  eine  Verdoppelung,  weil  an  dieser  Stelle  die  Vasa  circum- 
flexa  ilium  profunda  dem  Darmbeinkamme  zustreben.  Zwischen  Lig. 
inguinale  und  Fascia  iliopectinea  findet  sich  ein  querovaler  Raum, 
dessen  Längsdurchmesser  an  unserem  männlichen  Präparate  5  cm  groß 
war.  Im  allgemeinen  soll  ja  diese  Entfernung  beim  Weibe  bedeutend 
größer  sein.  Diese  Stelle  wird  als  Apertura  interna  des  Schenkel- 
kanales  beschrieben,  Waldeyer  hat  vollkommen  recht,  wenn  er  hier 
von  einem  Schenkeltrichter  redet,  weil  normalerweise  kein  Kanal 
vorhanden  ist.  Die  Wände  dieses  Schenkeltrichters  werden  nicht  von 
der  Fascia  transversalis  gebildet,  weil  der  M.  transversus  abdominis 
niemals  mit  seinen  Ursprüngen  vom  Bauche  aus  auf  den  Oberschenkel 
übergreift.  Man  kann  also  nur  von  einer  bindegewebigen  Fortsetzung 
der  Muskelfascie  zur  Fossa  ovalis  hin  sprechen.  Die  hintere  Wand 
ist  die  Verlängerung  des  Lig.  iliopectineum,  welches  von  dieser  Stelle 
an  seinen  ausschließlich  richtigen  Namen  Fascia  iliopectinea  hat. 
Diese  beiden  großen  Flächen  gehen  ziemlich  scharf  ineinander  über, 
lateral  in  Gestalt  eines  spitzen  Winkels,  medial  abgerundet  durch  das 
früher  als  Lig.  Gimbernati  bezeichnete  Band.  Die  B.N.A.  haben  für 
dasselbe  den  Namen  Lig.  lacunare  vorgeschrieben  —  in  der  Tat  eine 
sehr  gute  Bezeichnung,  wofern  man  sich  nur  gegenwärtig  hält,  daß 
dieses  Band  die  Lacuna  vasorum  verengern  hilft.  Die  Becken- 
öifnung  des  Schenkeltrichters  kann  also  mit  einer  Mandel  verglichen 
werden,  deren  Spitze  lateral  liegt  an  der  Vereinigungsstelle  der  so- 
genannten Lig.  inguinale  und  iliopectineum.  Nach  unserer  Auffassung' 
ist  ja  ersteres  nur  das  Ende  der  Aponeurose  des  M.  abdominis  ex- 
ternus,  letzteres  ein  nicht  immer  deutlicher  Verstärkungszug  der 
Fascia  iliopectinea.  Die  Spitze  des  Trichters  wendet  sich  ungefähr 
zum  Mittelpunkte  der  Fossa  ovalis,  hier  ist  die  anatomisch  unver- 
rückbare Grenze  durch  die  Einmündungen  der  Hautvenen  in  die  Vena 
femoralis  festgelegt. 

Im  kleinen  Becken  liegt  an  der  hinteren  Seite  der  M.  piriformis, 
dessen  Fascie  kaum  als  einheitliche  Lamelle  darzustellen  ist.  Ganz 
anders  verhält  es  sich  beim  M.  obturator  internus,  dessen  Fascie  eine 
der  bemerkenswertesten  des  menschlichen  Körpers  ist.  Sie  zerfällt 
in  zwei  Abschnitte,  einen  Beckenteil  und  einen  zweiten,  welcher  der 
Fossa  ischiorectalis  angehört.  Die  Grenze  zwischen  beiden  Abschnitten 
wird   durch    den  Arcus   tendineus    des  M.  levator  ani   gebildet.     Im 

206 


Fasciae  coxae.  621 

Beckenteile  findet  sicli  in  der  Mitte  zwischen  der  Symphyse  und  Artic. 
sacroiliaca  etwa  2  cm  unterhalb  des  Pecten  ossis  pubis  in  der  Höhe 
der  Eminentia  iliopectinea  eine  Unterbrechung  des  oberen  Bandes 
des  M.  obturator  internus  und  seiner  Fascie,  die  Beckenöifnung  des 
Oanalis  obturatorius.  Etwa  2  cm  lang  und  1,5  cm  breit,  ist  sie  ge- 
räumiger, als  wie  es  der  Durchtritt  des  N.  und  der  Vasa  obturatoria 
erfordert.  Normalerweise  findet  sich  hier  ein  Fettkörper,  welcher  in 
pathologischen  Fällen  bei  einer  Hernia  obturatoria  durch  das  Perito- 
näura  zunächst  ausgebuchtet  wird  (Infundibulum  obturatorium),  welches 
wie  die  verschiedenen  anderen  Recessus  der  Bauch-  und  Beckenhöhle 
auch  Eingeweide  aufnehmen  kann,  vorübergehend  oder  dauernd,  so 
daß  auch  hier  die  Möglichkeit  einer  Hernia  incarcerata  gegeben  ist, 
gleichviel,  ob  es  sich  um  Netz,  I>armschlingen,  Blase  oder  Adnex- 
organe  des  Uterus  handelt. 

Am  Arcus  tendineus  teilt  sich  die  Fascie,  scheinbar  gabelig,  in 
Wirklichkeit  aber  dreigeteilt,  weil  mit  der  Entwickelung  des  Fleisches 
der  M.  levator  ani  eine  fascielle  Bekleidung  der  Becken-  sowohl  wie 
der  Damm-Seite  erhalten  muß.  Aus  diesem  Grunde  ist  auch  die  Binde 
über  dem  caudalen  Teile,  gegen  das  Steißbein  hin,  d.  h.  des  M.  ob- 
turator internus  zunächst  sehr  dünn,  erfährt  aber  eine  bedeutende 
Verstärkung  gegen  das  Tuber  ischiadicum  hin,  indem  sie  sich  dort 
an  den  sehr  starken  Processus  falciformis  des  Lig.  sacrotuberosum 
anheftet.  Dieses  bildet  seinerseits  wieder  die  Anheftungsstelle  für 
einen  fasciellen  Kanal,  in  welchem  der  N.  und  die  Vasa  pudenda 
interna  im  Schutze  der  lateralen  Seite  der  Fossa  ischiorectalis  ihren 
Weg  nehmen.  Dem  englischen  Autor  zu  Liebe  hat  Waldeyer  für 
diese  Verdoppelung  der  Fascie  des  M.  obturator  internus  für  den 
deutschen  Sprachgebrauch  den  Namen  „ALCOCKscher  Kanal"  em- 
pfohlen. —  Die  Fascie  über  dem  M.  glutaeus  maximus  bildet  ebenso, 
wie  die  über  dem  M.  deltoideus,  eine  einheitliche  Schicht  von  ge- 
formtem Bindegewebe  mit  sehnigen  Verstärkungszügen.  Wenn  beide 
niclit  in  einem  Atem  mit  den  Fasciae  brachii  und  lata  femoris  ge- 
nannt werden,  so  liegt  das  ausschließlich  an  den  präparatorischen 
Schwierigkeiten.  Die  Binde  ist  natürlich  senkrecht  zur  Richtung  der 
Muskelbündel  orientiert.  Und  da  diese  parallel  verlaufen  und  sehr 
grobbündlig  sind,  ist  man  imstande,  die  Scheidewände,  welche  die 
Binde  in  die  Tiefe  schickt,  im  Zusammenhange  mit  der  oberflächlichen 
Fascie  zu  erhalten.  Es  ist  beinahe  unmöglich,  ein  sauberes  Ober- 
flächenbild der  Binde  des  M.  glutaeus  maximus  zu  bekommen.  Läßt 
mau  jedoch  auf  derselben  eine  Fettschicht  stehen  oder  erhält  auch 
die  Cutis  mit,  dann  kann  man  mit  Leichtigkeit  den  ganzen  Muskel 
so  freilegen,  wie  es  nur  auf  dem  Präpariersaale  gewünscht  werden 
kann,  und  bekommt  neben  dem  klaren  Muskelpräparate  noch  das 
negative  Bild  der  Fascia  superficialis  und  der  Septa  zwischen  den 
einzelnen  Muskelbündeln,  welche  als  feine,  parallele  Längsleisten  sich 
aus  der  allgemeinen  Fläche  loslösen.  Hierauf  beruht  die  Tatsache, 
daß  die  Gesäßhaut  sich  nicht  gegen  den  M.  glutaeus  maximus  ver- 
schieben kann,  ebensowenig,  wie  es  beim  M.  deltoideus  der  Fall  ist. 
Dagegen  können  sich  beispielsweise  die  Beuger  am  Oberarme  und 
Schenkel  unabhängig  von  Haut  und  Fascie  unter  letzteren  hin-  und 
herschieben,  verkürzen  und  verdicken.  Die  Haut  über  den  M.  glu- 
taeus maximus  und  deltoideus  gestattet  noch  eine  Verschiebung  gegen 
die  Fascie  und  den  mit  letzterem  durch  die  Septa  intermuscularia  zu- 

207 


622  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

sammeiiliängenden  Muskel,  vollzieht  sich  also  innerhalb  derTela 
subcutanea  mit  ihrem  Panniculus  adiposus.  Die  Haut  über  Ober- 
arm und  Oberschenkel  bildet  hingegen  eine  Einheit  mit  der  Fascia 
superficialis.  Die  Muskeln  verschieben  sich  also  hier  in  ausgiebiger 
Weise  subfasciell.  Noch  ein  anderer  Punkt  spielt  hier  eine  Rolle : 
Beim  Menschen  finden  wir  subkutanes  Fett,  welches  individuell  und 
regionär  außerordentlich  verschieden  stark  entwickelt  ist  und  außer- 
dem an  demselben  Körper  je  nach  dem  Alter  oder  in  Krank- 
heitszuständen  wechselt.  Das  Fett  zwischen  den  Muskeln,  das 
intramuskuläre,  ist  ebenfalls  nur  minimal  und  kommt  so  gut  wie 
gar  nicht  vor,  nur  an  einigen  Stellen  als  supramuskuläres  dicht 
unter  dem  Perimysium  externum,  z.  B.  am  M.  semimembranosus. 
Hierdurch  gewinnen  die  menschlichen  Muskeln  eine  große  Selb- 
ständigkeit ihrer  Bewegung  und  zeichnen  sich  dadurch  z.  B.  vor 
denen  des  Mastschweines  aus,  an  welchem  intramuskuläres  Fett 
direkt  erzielt  werden  soll,  oder  des  Hammels,  dessen  intramusku- 
läres Fett  als  Talg  bekannt  ist. 

In  der  Höhe  der  queren  Gesäßfurohe  oder,  auf  das  Skelet  über- 
tragen, des  unteren  Umfanges  des  Tuber  ischiadicum,  tritt  eine  er- 
hebliche Verstärkung  der  Binde  ein,  welche  von  diesem  Punkte  an 
der  Fascia  lata  zugerechnet  zu  werden  pflegt  und  auch  kann.  Die 
Grenze  zwischen  Oberschenkel  und  Hüfte  macht  sich  nämlich  nur 
beim  Standbeine  bemerkbar.  Dann  scheint  der  M.  ghitaeus  maximus 
in  der  Höhe  des  Sitzknorrens  oder  der  queren  Gesäßfurche  aufzu- 
hören. Beim  Spielbeine  erschlafft  die  Fascia  lata  und  läßt  den  freien 
distalen  Rand  des  M.  glutaeus  maximus  wie  am  Präparate  durch  die 
Haut  hindurch  hervortreten. 

Die  eigentliche  Fascie  über  dem  distalen  Teile  des  M.  glutaeus 
medius  ist  minimal  dünn  und  niemals  als  einheitliche  Lamelle  dar- 
stellbar. Was  in  den  Lehrbüchern  als  Fascie  bezeichnet  wird,  ist  ein 
besonderer  schräger  Zug,  die  sogenannte  mittlere  sehnige  Komponente 
des  Tractus  iliotibialis,  unser  Tractus  supratrochantericus.  Die  Fascie 
über  dem  M.  tensor  fasciae  latae  stellt  eine  einheitliche  Lamelle  dar, 
welche  sich  von  einem  mittleren  Längsschnitte  aus  bequem  nach  vorn 
und  hinten  zurückpräparieren  läßt.  Als  Besonderheit  sei  erwähnt, 
daß  nach  unseren  Beobachtungen  ein  schwacher  Muskel  gewöhnlich 
eine  sehr  starke  Fascie  besitzt,  ein  kräftiger  dagegen  nur  eine  ganz 
zarte.  —  Die  tiefen  Fascien  der  Gesäßgegend  lassen  sich  an  einem 
Präparate,  welches  nicht  mit  Formalin  künstlich  vorbereitet  ist,  wohl 
kaum  als  einheitliche  Bindegewebsplatten  darstellen.  Sie  sind  außer- 
ordentlich zart  und  durch  eingelagertes  Fettgewebe  noch  mehr  ver- 
dünnt. Auf  Querschnitten  lassen  sich  allerdings  die  Muskeln  durch 
Binden  voneinander  abgrenzen.  Bei  derartigen  Präparaten  ist  aber 
immer  zu  bedenken,  daß  die  Binden  der  Nachbarmuskeln  einschließ- 
lich der  eingelagerten  Teile  (Fett,  Nerven,  Gefäße,  Schleimibeutel 
usw.)  mit  herangezogen  werden  müssen.  Die  M.  glutaeus  medius  und 
piriformis,  also  die  mittlere  Schicht  des  Gesäßes,  besitzen  jedenfalls 
die  dünnste  Fascie.  —  Einige  Berechtigung  hätte  es,  die  tiefste 
Schicht  als  mit  einer  Fascie  versehen  darzustellen.  Dieselbe  erstreckt 
sich  dann  von  dem  M.  glutaeus  minimus  über  den  M.  obturator  cum 
gemellis  bis  zum  M.  quadratus  femoris,  an  dessen  unterem  Rande 
sie  sich  gabelt,  um  die  Beuger  und  Adductoren  von  hinten  her  zu 
umfassen. 


Fascien  der  einzelnen  Gruppen.  023^ 

Fascia  fomoris  s.  lata. 

Die  Binde  des  Oberschenkels,  die  Fascia  lata,  ist  viel  schwächer,, 
als  ihr  Ruf,  wofern  man  nur  die  transversalen  Elemente  berücksichtigt 
und  die  longitudinalen  als  aponeurotische  Züge  auffaßt.  Die  präpara- 
torische Möglichkeit  ist  überall  gegeben.  Wo  die  Läugszüge  fehlen 
und  außerdem  die  queren  wenig  entwickelt  sind,  wie  über  der  Ad- 
ductorengruppe,  läßt  sich  nur  mit  der  größten  Mühe  die  Fascia  lata 
klar  darstellen.  Die  präparatorischen  Schwieiigkeiten  sind  enorm  und 
führen  oft  zur  Erzeugung  von  Lücken,  welche  in  der  Praxis  als 
Reiterhernien  nur  zu  oft  zur  Beobachtung  kommen.  Der  stärkste 
Teil  der  P  ascie  liegt  im  unteren  Drittel  des  Oberschenkels ;  an  dieser 
Stelle  ist  von  Poirier  sogar  ein  besonderer  Streifen  herausgeschnitten 
und  abgebildet  worden,  welchen  er  auf  S.  219  als  „bandelette  arci- 
forme"  beschreibt.  \A'ir  halten  diesen  Zug  in  dieser  Form  für  ein 
Kunstprodukt,  geben  jedoch  gern  zu,  daß  hier  die  Fascia  lata  auf  die 
Form  des  M.  triceps  einwirkt,  indem  er  dem  Heruntersinken  der  Ge- 
samtmasse des  M.  triceps  entgegenwirkt  und  nur  etwa  im  distalen 
Fünftel  die  Erschlaffung  des  Muskels  und  damit  das  Heruntersinken 
der  Kniescheibe  erlaubt.  Fast  ebenso  stark  ist  die  Binde  der  Rück- 
seite, wo  sie  die  wichtige  Aufgabe  hat,  die  Beuger  in  der  Tiefe  zu- 
rückzuhalten. Die  Außenseite,  welche  gewöhnlich  als  die  stärkste 
Stelle  der  Fascia  lata  beschrieben  wird,  enthält  verhältnismäßig 
wenige  transversale  Züge  über  den  longitudinalen  des  Tractus  ilio- 
tibialis.  Wir  können  hier  nicht  noch  einmal  auf  die  Beschreibung  dieses 
Streifens  mit  Rücksicht  auf  die  Fascie  zurückkommen  (s.  S.  476  [62]); 
jedoch  auch  auf  der  Beugeseite  finden  sich  longitudinale  Fasern  in 
sehr  dünner,  aber  einheitlicher  Platte,  welche  von  der  Mitte  des  M. 
glutaeus  maximus  ausgehen  und  sich  bis  zur  Außenseite  des  Knie- 
gelenkes begeben.  Nach  unserer  Meinung  handelt  es  sich  hier  um 
ein  Rudiment,  eine  Theromorphie,  welche  daran  erinnert,  daß  bei 
sehr  vielen  Tieren  der  M.  glutaeus  maximus  bis  zum  Unterschenkel 
herunterreicht  und  dabei  seinen  platten  Bauch  nicht  mit  der  Höhe 
der  Tuberositas  giutaea  (Trochanter  tertius)  aufhören  läßt.  Von  den 
Septa  intermuscularia  ist  eigentlich  nur  eins  erwähnenswert,  das  late- 
rale, welches  die  Streckmuskeln  an  der  Außenseite  von  den  Beuge- 
muskeln in  scharfer  Weise  trennt,  fast  einheitlicher  erscheint  aber 
der  Ansatz  des  M.  glutaeus  maximus  am  ganzen  lateralen  Labium 
der  Linea  aspera  von  der  Tuberositas  giutaea  an  bis  zum  Beginne 
der  Kniekehle.  Die  Strecker  werden  von  den  Adductoren  in  der 
proximalen  Hälfte  durch  die  Vasa  profunda  femoris  und  ihre  R.  per- 
forantes  getrennt,  in  der  distalen  dagegen  durch  die  vordere  \^'and 
des  Adductorenkanales  miteinander  verbunden.  Zwischen  Beugern 
und  Adductoren  findet  sich  keine  fascielle  Grenze,  welche  als  Septum 
intermusculare  auch  nur  annähernd  bezeichnet  werden  könnte.  Die 
Trennung  wird  hauptsächlich  durch  den  N.  ischiadicus,  seine  beiden 
Endäste  und  Begleitgefäße  bedingt. 

Fascioii  (lor  eiiizcliion  (xruppeii. 

A.  Extensoren. 

Zwischen  den  einzelnen  Köpfen  des  M.  triceps  findet  sich  keine 
besondere  Binde,  sicherlich  nicht  zwischen  den  M.  vasti ;  ob  man  dem 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  ii,  3.  40 

209 


624  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

fetthaltigen  Bindegewebe,  welches  dieses  von  dem  M.  rectus  femoiis 
trennt  und  gleichzeitig  mit  ihm  vereinigt,  den  Namen  einer  Binde 
zuerkennen  will,  ist  jedem  anheimgestellt. 

B.  Plexoren. 

Auch  bei  diesen  findet  sich  zwischen  den  einzelnen  Köpfen  nur 
lockeres  Bindegewebe. 

C.  Adductoren. 

Bei  dieser  Gruppe  müssen  wir  beachten,  ob  ein  Muskel  sich  zum 
Unterschenkel  begibt,  am  Schafte  des  Oberschenkels  seinen  Ansatz 
gewinnt,  oder  sich  am  Trochanter  major  anheftet.  Der  verschiedene 
Ansatz  bedingt  auch  die  entsprechenden  Fascienbildungen.  Zum 
Unterschenkel  zieht  der  M.  gracilis,  welchem  deshalb  auch  eine  Fascia 
profunda  zukommt,  welche  ihn  von  den  eigentlichen,  mit  dem  gleichen 
Namen  bedachten  M.  adductores  trennt.  Hierzu  gehören  die  M.  ad- 
ductores  longus,  magnus,  brevis  und  minimus.  Eine  besondere 
trennende  Fascie  könnte  wohl  nur  beim  longus  zu  Recht  bestehen. 
Dagegen  nimmt  der  am  Trochanter  major  ansetzende  M.  obturatör 
externus  topographisch  und  funktionell  und  schließlich  auch  durch  die 
Art  der  Innervation  eine  Sonderstellung  ein,  welche  ihm  noch  eine 
besondere  Binde  verschaftt. 

Noch  nicht  erwähnt  sind  bisher  die:  1)  M.  tensor  fasciae  latae, 
2)  sartorius  und  3)  pectineus. 

1)  M.  tensor  fasciae  latae.  Die  oberflächliche  Fascie  ist 
einheitlich,  die  tiefe  Platte  ist  teils  fasciell,  teils  aponeurotisch. 

2)  Der  M.  sartorius  ist  von  einer  deutlichen  Fascie  umrahmt: 
man  redet  gewöhnlich  von  einer  Gabelung  der  Fascia  lata  um  diesen 
Muskel  herum. 

3)  Der  M.  pectineus  bildet  mit  seiner  Fascia  superficialis  den 
Boden  der  Fossa  iliopectinea,  mit  seiner  Fascia  profunda  wendet  er 
sich  gegen  den  M.  obturatör  externus,  ohne  sich  mit  der  Binde  dieses 
Muskels  zu  vereinigen.  Gerade  diese  Abgrenzung  gegen  die  Adduc- 
torengruppe  läßt  auch  die  Innervation  durch  den  N.  femoralis  als 
Norm  erscheinen.  In  dieser  Weise  gewinnt  der  N.  femoralis  auch 
fasciell  die  wichtigsten  Beziehungen  zu  Muskeln,  welche  nichts  mit  der 
Streckung  zu  tun  haben.  Die  auch  dem  Studenten  geläufige  Haupt- 
aufgabe besteht  in  der  Versorgung  des  M.  triceps,  durch  den  M. 
iliopsoas  hat  er  Einfluß  auf  die  Beugung  zwischen  Oberschenkel  und 
Becken,  ebenso  wie  durch  den  M.  pectineus,  dem  aber  gleichzeitig 
eine  abduzierende  Wirkung  nicht  abgesprochen  werden  kann.  Durch 
den  M.  sartorius  gewinnt  der  N.  femoralis  Beziehungen  zur  Innen- 
seite des  Unterschenkels,  den  er  in  gebeugtem  Zustande  sowohl,  wie 
im  gestreckten  über  die  Mittellinie  hinaus  und  damit  nach  der  ent- 
gegengesetzten lateralen  Seite  bewegt. 

Fascia  cruris. 

Diese  ist  nur  da  als  selbständige  Lamelle  darstellbar,  wo  die 
unter  ihr  gelegenen  Muskeln  mit  ihrem  Fleische  die  Oberfläche  er- 
reichen. Hierbei  muß  die  Vorderseite,  welche  auch  die  Wadenbein- 
muskeln umfaßt,  von  der  Rück-  oder  der  Beugeseite  unterschieden 
werden.   Da  nämlich  die  ersteren  den  Kniegelenksspalt  proximalwärts 


Fascia  cruris.  625 

nicht  überschreiten,  wandelt  sich  ihr  Ursprung-  oberflächlich  in  Apo- 
neurose  um,  welche  mit  der  Fascie  verschmolzen  erscheint.  Die 
Beugemuskulatur  hat  in  oberflächlicher  Schicht  den  Ursprung  von 
beiden  Epicondyli  femoris,  hat  also  in  der  Kniebeuge  ausgedehnte  Be- 
wegungsfreiheit, welche  es  nicht  zu  einer  Verschmelzung  der  Fasciae 
Poplitea  und  cruris  mit  den  beiden  Sehnenspiegeln  kommen  läßt.  Es 
kommt  noch  ein  Punkt  hinzu,  welcher  bei  deu  deutschen  Autoren 
vernachlässigt  wird,  von  Poirier  aber  ziemlich  ausführlich  berück- 
sichtigt ist.  Der  Pes  anserinus,  die  Patte  d'oie,  wird  ja  auch  von  uns 
als  in  die  Fascia  cruris  auslaufend  dargestellt,  weniger  die  ent- 
sprechende Ausstrahlung  des  M.  biceps.  Trotzdem  ist  der  Zusammen- 
hang unverkennbar  und  physiologisch  von  Belang,  weil  so  die  Beuge- 
wirkung sich  nicht  allein  auf  deu  proximalen  Teil  des  Unterschenkels 
beschränkt,  sondern  noch  weit  bis  über  die  Mitte  der  Wade  hinaus 
nach  unten  greift.  Der  Ansatz  des  Pes  anserinus  weit  nach  vorn  hin, 
dicht  hinter  und  unter  der  Tuberositas  tibiae  unterliegt  keinem 
Zweifel.  Der  Ansatz  des  M.  biceps  ist  weniger  bekannt,  muß  aber 
bereits  bei  der  Fascia  cruris  erwähnt  werden,  indem  schon  die  ober- 
flächliche Schicht  einen  Pes  anserinus  bildet  mit  drei  Strahlen.  Der 
vordere  geht  in  Streckstellung,  bogenförmig  umbiegend,  zur  oberen 
lateralen  Ecke  der  Tuberositas  tibiae,  der  mittlere  strahlt  zu  den 
Streck-  und  Wadenbeinmuskeln  aus,  der  hintere  zur  Rückseite  der 
Fascia  cruris  und  bildet  die  praktisch  außerordentlich  wichtige  Decke 
für  den  N.  peronaeus  communis. 

Weiter  ist  Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  sogenannten  besonderen 
Hautfascien,  welche  hier  die  V.  saphena  parva  gemeinschaftlich  mit 
dem  N.  suralis  und  außerdem  deu  N.  peronaeus  superficialis  betreff'en. 
Nach  der  gewöhnlichen  Beschreibung  durchbohrt  letzterer  Nerv  an 
der  Grenze  des  mittleren  und  distalen  Drittels  des  Unterschenkels 
die  Fascie.  Dies  kann  so  auspräpariert  werden,  trifft  aber  nicht  zu, 
wenn  man  ausschließlich  das  subkutane  Gewebe  entfernt.  Dann  ge- 
langt der  Nerv  oder  seine  beiden  bereits  geteilten  Zweige  erst  be- 
deutend weiter  fußwärts  an  die  Oberfläche,  mit  dem  unteren  eventuell 
erst  in  der  Höhe  des  äußeren  Knöchels.  Die  V.  saphena  parva 
ist  in  normalen  Fällen  höchstens  bis  zur  Mitte  des  Unterschenkels 
durch  die  Haut  hindurch  durch  ihre  bläuliche  Farbe  zu  erkennen 
und  senkt  sich  dann  unter  die  Hautfascie  in  die  Tiefe.  Wenn 
sonst  in  dieser  Gegend  subkutane  Venen  erscheinen,  handelt  es 
sich  immer  um  Krampfadern,  welche  nicht  mit  ihr  verwechselt 
werden  dürfen. 

Ferner  haben  wir  einen  hinteren  Fasciennerv  des  Unterschenkels 
beobachtet:  Die  Durchbohrungsstelle  der  Fascia  cruris  durch  den  N. 
suralis  liegt  25  cm  proximal  von  der  Fußsohle,  also  im  mittleren  Drittel 
des  Unterschenkels;  nach  5  cm  langem  extrafasciellen  Verlaufe  sondert 
sich  ein  Zweig  von  der  Dicke  eines  sehr  starken  Zwirnfadens  und 
tritt  wieder  durch  einen  besonderen  Kanal  in  der  Fascie  in  die  Tiefe 
zurück,  versorgt  dabei  die  hintere  Fascie  des  Unterschenkels  und 
läßt  sich  mit  Leichtigkeit  bis  zur  Höhe  des  äußeren  Knöchels  nach 
unten  verfolgen.  Es  gehen  etwa  10  Seitenzweige  subfasciell  hervor, 
an  denen  winzige  Corpuscula  lamellosa  (VATER-PACiNische  Körper- 
chen) gelegen  sind.  Wir  haben  also  hier  die  wichtige  Tatsache  zu 
verzeichnen,  daß  ein  Nerv,  welcher  bereits  die  Fascie  durchbohrt  hat, 
wieder  in  die  Tiefe  sich  zurückbegeben  kann ;  einen  zweiten  derartigen 

40* 

211 


M.  extensor  iligitotum  communis     M.  tibi.ili«  n"t'-i 
A.  tibiahs  >interior 


N.  peronaeus  profundus 


A.  tibialis  posterior 


y\.  popiit 


A.rcus  tendineus  " 
m.  solei 

M 

M.  gastro 

cnemius,  caput 
laterale 

W 

t—           N- 

Ramus  anasto- 
moticus  pero- 
naeus (R.  com- 

A 

municans  fibu- 

laris) 

M. 

soleus 

^'% 

N.  cutaneus  surae  mcdialis 
.   (R.  communicans  tibialis) 


V.  saphena  parva 


Fascia  cruris 


M.  plantaris 


muscularis      tt 
rampfader)    * 


gastrocnemius,  Caput  medial^ 

i. 


Fig.  41.     Querschnitt  des  rechten  Unterschenkels,  Grenze  des  oberen  Drittels. 

M.  extensor  hallucis  longus  N.  peronaeus  profundus 

Vasa  tibialia  anteriora 


N.  peronaeus  siipcrfioi.ilis 
M.  extensor  digitorum  communis  h/Pnt^^/' 


Recessus  der  Articul.  talocrurali 
Fibula 


M.  peronaeus  longus 


M.  peronaeus  brevis 


A.  peronaea 


N.  suralis  und  V.  saphena  parva 


\I    tibialis  anterior 

X.  saphenus  (major) 
V    saphena  magna 

fibia 

M    tibialis  posterior 

M     flexor  digitorum  longus 
Vasa  tibi.ilia  posteriora 


N.  tibialis 
M.  flexor  hallucis  longus  Tendo  calcaneus  (Achiliis) 

Fig.  42.     Querschnitt  des  rechten  Unterschenkels,  nahe  dem  Fußgelenke. 


Fascia  cruris.  627 

Beschreibung  zu  Fig.  41  und  42. 

Fig.  41  zeigt,  daß  im  vorderen  Teile  die  Fascie  auch  Ursprungsaponeurose 
für  die  Streck-  und  Wadenbeinmuskeln  ist;  hinten  ist  außer  der  Gliedfascie,  die 
für  die  V.  saphena  parva  noch  einen  besonderen  Kanal  (Hautfaseie)  abspaltet,  die 
Spezialfascie  der  Muskeln  dargestellt.  Weiter  oben  verbindet  sich  auch  die  Fascie 
auf  der  Beugeseite  mit  Muskelansätzen,  lateral  mit  der  Ausstrahlung  der  Sehne 
des  M.  biceps  femoris,  medial  mit  der  sehnigen  Verbreiterung  des  M.  sartorius, 
gracilis,  semitendinosus  (sogen.  Gänsefuß). 

Der  Umfang  des  Unterschenkels  nimmt  von  der  Mitte  an  in  dem  Maße  ab, 
wie  die  massigen  Muskeln  in  Sehnen  übergehen,  so  daß  nahe  dem  Fußgelenke  fast 
nur  noch  Sehnen  neben  den  Knochen  herlaufen. 

Im  subkutanen  Fette  des  Unterschenkels  ist  besonders  hervorzuheben  die 
V.  saphena  magna  an  der  Innenseite,  die  parva  an  der  Hinterfläche.  Die  Fascie, 
eine  Fortsetzung  der  Fascia  lata,  ist  nur  vorn  durch  die  vordere  Schienbeinfläche 
unterbrochen,  mit  deren  Periost  sie  innig  verbunden  ist.  Von  vorn-außen  sendet 
sie  ein  Septum  in  die  Tiefe  zur  Fibula,  das  die  M.  peronaei  von  den  Extensoren 
trennt.  Ein  tiefes  Blatt  geht  von  der  hinteren  Tibiakante  quer  unter  den  M.  soleus 
und  gastrocnemius  hinweg  zur  Außenfläche  der  Fascie,  die  genannten  Muskeln 
von  den  tiefer  gelegenen  Flexoren  scharf  scheidend.  Sehr  stark  ist  dieses  Blatt 
oberhalb  der  Ferse,  woselbst  es  den  Flexoren  nicht  gestattet,  sich  von  den  Unter- 
schenkelknochen zu  entfernen,  während  die  Achillessehne  auf  dem  Wege  zum 
Fersenhöcker  sich  mehr  und  mehr  abhebt ;  der  dadurch  entstehende  Zwischenraum 
wird  durch  reichliches  Fett  ausgefüllt. 

Von  der  Tibia  ist  die  mediale  Fläche  in  ganzer  Ausdehnung  der  Betastung 
zugänglich,  da  sie  nur  von  Haut  und  dem  spärlichen  subkutanen  Fette  bedeckt 
wird.  Die  beiden  anderen  Flächen  des  im  allgemeinen  dreikantigen  Schaftes  sind 
von  Muskelmassen  bedeckt.  Von  der  Fibula  liegt  das  Köpfchen  und  der  unterste 
Teil  des  Schaftes  über  dem  äußeren  Knöchel  dicht  unter  der  Haut,  während  sie 
im  übrigen  von  Muskeln  umgeben  ist.  Ihre  V^erbindung  mit  der  Tibia  ist  eine 
sehr  feste.  Das  obere  Tibiofibulargelenk  gestattet  sehr  geringe  Bewegung ;  es  kann 
mit  der  Bursa  m.  poplitei  und  auf  diesem  Wege  mit  dem  Kniegelenke  kommuni- 
zieren. Im  weiteren  V^erlaufe  ist  die  sehr  starke  Membrana  interossea  zwischen 
beiden  Knochen  ausgespannt;  im  unteren  Drittel  nähern  sich  beide  Knochen 
mehr  und  mehr;  sie  sind  durch  straffe  Bandmassen  so  fest  verbunden,  daß  sie 
nahe  dem  Fußgelenke  fast  als  ein  Knochen  betrachtet  werden  können.  Das 
untere  Tibiofibulargelenk  ist  kein  selbständiges,  sondern  nur  eine  Ausbuchtung  des 
Spnmggelenkes,  s.  Fig.  42. 

Von  den  bei  der  Amputation  im  oberen  Drittel  in  erster  Linie  zu  unter- 
bindenden Gefäßen  liegt  die  A.  tibialis  anterior  der  Vorderfläche  der  Membrana 
interossea  cruris  unmittelbar  auf,  die  A.  tibialis  posterior  findet  man  auf  der  Hinter- 
fläche des  M.  tibialis  posterior  leicht  inmitten  des  großen  Gefäß-Nervenpaketes, 
lateral  die  A.  peronaea.  — 


Fall  haben  wir  während  der  Drucklegung  auf  dem  Präpariersaale 
darstellen  können. 

Die  Muskulatur  der  Wade  ist  in  der  Tiefe  scharf  abgesetzt  durch 
die  Lamiua  profunda  der  Fascia  cruris,  proximal  gegen  den  M.  popli- 
teus,  distal  gegen  die  tiefen  Beugemuskeln.  Es  muß  allerdings  eine 
ansehnliche  Oeönung  vorhanden  sein  zum  Durchtritte  für  den  moto- 
rischen Nerven  des  M.  popliteus,  sowie  für  die  zum  Unterschenkel 
und  E'uß  weiter  distal  verlaufenden  Zweige  der  Vasa  poplitea  und  des 
noch  vereinten  N.  tibialis,  welche  gemeinsam  die  eben  genannte  Fascie 
durchbohren.  Im  weiteren  Verlaufe  durchsetzen  die  Vasa  tibialia  an- 
teriora  die  Membrana  interossea  cruris  proximal,  in  Malleolen- 
höhe  hart  am  Knochen  die  verbindenden  Gefäße  zur  Rückseite.  Die 
Fascia  profunda  cruris,  welche  sich  hier  zum  Lig.  laciniatum  verdickt, 
hält  ja  sämtliche  tiefen  Gebilde  gegen  die  Unterschenkelknochen  fest! 

Dieses  läßt  sich  künstlich  als  eine  nach  Belieben  1,5—3  cm  breite 
halbringförmige  Platte  der  Fascia  cruris  profunda  herausschneiden, 
welche    beide    Malleolen   miteinander   verbindet,    medial    die    tiefen 

213 


628  FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 

Beugemuskeln  und  die  Vasa  tibialia  posteriora,  sowie  den  N.  tibialis 
umfaßt,  lateral  die  M,  peronaei  longus  und  brevis.  An  der  distalen 
Grenze  des  Lig.  laciniatum  läßt  sich  medial  eine  künstliche  Lücke 
schaffen  zwischen  ihm  und  dem  Ursprünge  des  M.  abductor  hallucis, 
eine  Präparationsmethode,  welche  ihre  anatomische  Berechtigung  da- 
durch findet,  daß  der  N.  und  die  Vasa  calcanea  medialia  an  dieser 
Stelle  die  Fascie  durchbohren.  Oberhalb  des  Lig.  laciniatum  liegt 
der  N.  tibialis  lateral  von  den  Gefäßen.  Unterhalb  desselben  teilt 
sich  der  Nerv  bereits  in  die  N.  plantares  medialis  und  lateralis, 
während  die  Teilung  der  Gefäße  erst  am  proximalen  Rande  des  M. 
abductor  hallucis  einsetzt. 

Im  Gegensatze  dazu  haben  wir  beschrieben,  wie  dicht  unterhalb 
des  Arcus  tendineus  m.  solei  der  N.  tibialis  auf  der  Teilungsstelle 
der  Gabel  der  A.  tibialis  posterior  gelegen  ist,  wo  sie  die  A.  peronaea 
abgibt. 

Die  vordere  Fascie  des  Unterschenkels  zerlegt  sich  nach  der 
Extensoren-  und  Wadenbeingruppe  durch  die  Septa  intermuscularia 
anterius  und  posterius  (fibulare)  in  die  entsprechenden  besonderen 
Räume ;  für  die  Einzelmuskeln  läßt  sich  keine  anatomische  Trennung 
durchführen. 

Fasciae  pcdis. 

Am  Fuße  haben  wir  Dorsum  und  Planta  zu  unterscheiden:  das 
Dorsum  erstreckt  sich  bis  zur  Artic.  talocruralis ;  hier  ist  wirklich 
eine  ansehnliche  Fascia  dorsalis  vorhanden,  welche  hautwärts  die 
N.  subcutane!,  das  Rete  venosum  und  die  Dicke  der  Haut  umfassen, 
knochenwärts  zuerst  auf  den  Muskeln  und  Sehnen,  in  mittlerer  Schicht 
auf  den  Arterien  und  den  distal  strebenden  Nerven  liegt  und  in  tiefer 
Schicht  die  Gelenke  und  Knochen  erreicht. 

Die  Binde  der  Fußsohle  ist  gegeben  durch  die  Aponeurosis 
plantaris. 

Logen  am  Olberscheiikel  (Angiotopie  und  Neurotopie). 

Allgemeine  Beschi-eibung. 

Die  bindegewebigen  Scheidewände  haben  die  allergrößte  prak- 
tische Bedeutung.  Sie  geben  uns  Aufschluß  über  die  Eintrittsstelle 
der  Vasa  propria  eines  Muskels,  wofür  wir  den  Namen  „Angiotopie" 
gebrauchen  können,  und  den  längeren  oder  kürzeren  Abschnitt  des 
extramuskulären  Verlaufes  eines  motorischen  Nerven,  was  für  die 
Elektrotherapie  von  Wichtigkeit  ist  und  von  uns  zur  „Neurotopie" 
gerechnet  wird.  Die  einzelnen  Muskeln  des  Beines  besitzen  nur 
wenige  Logen,  für  welche  eine  besondere  Beschreibung  notwendig 
ist.  Die  Reihenfolge  der  Logen  richtet  sich  nicht  nach  den  Ge- 
sichtspunkten der  systematischen  Myologie,  sondern  nach  topo- 
graphischen, wie  sie  durch  ein  und  dasselbe  Präparat  geboten 
sind.  Man  kann  erst  in  die  Tiefe  gehen,  nachdem  man  sämtliche 
Muskeln  der  Oberfläche,  welcher  Gruppe  und  Schicht  sie  auch  an- 
gehören, entfernt  hat. 

Unsere  Darstellung  richtet  sich  nach  einem  besonders  genau 
durchgearbeiteten  Falle,  muß  also  gewisse  Varietäten  aufweisen,  welche 
aber  nicht  gerade  erheblich  waren. 

214 


Losen  am  Oberschenkel.  629 


Spezielle  Beschreibung. 

1.  Loge  des  M.  sartorius. 

Durch  einen  Längsschnitt  wird  die  Fascie  über  der  Mitte  der 
Oberfläche  gespalten  und  nach  beiden  Seiten  zurückgeklappt.  Sie 
erfährt  vorn  nur  eine  einzige  Unterbrechung  durch  einen  Hautnerveu, 
welcher  etwas  distal  von  der  Fossa  ovalis  ein  kleines  mediales  Bündel 
des  Muskels  abzweigt.  Nicht  einmal  der  N.  infrapatellaris  durchsetzt, 
was  wir  als  normal  bezeichnen  müssen,  den  Muskelbauch.  In  der 
Mitte  ist  die  Fascie  erheblich  dünner,  als  am  Ursprünge  und  Ansätze. 
Dies  ist  mechanisch  von  großer  Bedeutung,  weil  sonst  der  58  cm  lange 
Muskel  eine  zu  große  Bewegungsfreiheit  an  beiden  letzteren  Stellen 
hätte.  Das  tiefe  Blatt  der  Fascie  ist  bedeutend  dünner  und  zeigt  an 
der  medialen  Seite  eine  Reihe  von  Löchern,  deren  wichtigstes,  weil 
es  dem  motorischen  Nerven  zum  Durchtritte  dient,  bereits  10  cm  distal 
von  der  Spina  iliaca  ant.  sup.,  oder  auf  die  Fossa  ovalis  übertragen, 
in  der  mittleren  Höhe  derselben  gelagert  ist.  Bis  zum  Adductoren- 
kanale  finden  sich  in  ziemlich  regelmäßigen  Abständen  noch  etwa 
5  Gefäßlöcher.  Weiterhin  senken  sich  die  Gefäße  von  der  Facies 
profunda  in  den  Muskel  hinein. 


2.  Loge  des  M.  tensor  fasciae  latae. 

Der  bis  22  cm  lange  und  an  seinem  Ansätze  8  cm  breite,  fächer- 
förmige Muskel  hat  eine  derbe  oberflächliche  Fascie  und  eine  schwächere 
tiefe.  Die  oberflächliche  ist  platt,  die  tiefe  dagegen  winklig  gebogen. 
An  dieser  scharfen  Kante  finden  sich  die  Löcher  für  den  Nerven  und 
die  Gefäße.  Beide  Gebilde  sind  voneinander  getrennt.  Der  von  hinten 
her  eintretende  Endast  des  N.  glutaeus  superior  durchbohrt  die  Fascie 
5  cm  unterhalb  der  Spina  iliaca  ant.  sup.  Die  zu  den  Vasa  circum- 
flexa  femoris  lateralia  gehörenden  Gefäße  treten  erst  7—9  cm  unter- 
halb dieses  Knochenpunktes  zum  Muskel.  Beim  Nerven  ist  außerdem 
zu  beachten,  daß  die  Durchbohrungsstelle  der  Fascie  um  etwa  1  cm 
weiter  distal  gelegen  ist,  als  der  Punkt,  wo  er  zwischen  den  M.  glutaei 
medius  und  minimus  zum  Vorscheine  kommt,  außerdem,  daß  er  noch 
einen  ansehnlichen  Sehnenzweig  für  den  Tractus  iliotibialis  liefert  und 
sich  ohne  jede  Schwierigkeit  bis  zur  Vereinigungsstelle  des  hinteren 
Randes  des  M.  tensor  fasciae  latae  mit  dem  aus  dem  M.  glutaeus 
medius  hervorgehenden  mittleren  sehnigen  Teile  des  Darmbeinschien- 
beinzuges verfolgen  läßt. 


3.  Loge  des  M.  gracilis. 

Sie  ist  außerordentlich  einfach.  An  der  Oberfläche  und  in  der 
Tiefe  ungefähr  gleich  stark,  zeigt  sie  an  der  Facies  profunda  vier 
Oefi'nungeu,  drei  für  die  Gefäße  und  eine  für  den  Muskelnerven.  Die 
letztere,  wichtigste  liegt  10  cm  distal  vom  Tuberculum  pubicum.  Die 
Gefäßöitnungen  liegen  7,  12  und  26  cm  von  diesem  Kuochenpunkte 
entfernt:  der  obere,  dünnste  Zweig  versorgt  den  Ursprung,  der  mittlere, 
stärkste  zieht  sehr  bald  mit  dem  Nerven  zusammen  zur  Hauptmasse 
des  Muskelbauches,  dessen  veijüngtes  Endstück  vom  unteren  Aste 
mit  Blut  versorgt  wird. 


630  F.ROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

4.  Loge  des  M.  adductor  longus. 

Die  oberflächliche  Fascie  bildet  eine  einheitliche  Lage,  die  Facies 
profunda  ist  nur  im  Ursprungsviertel  einigermaßen  deutlich,  allenfalls 
noch  im  dritten  Viertel,  wo  sein  Muskelfleisch  von  dem  des  M.  ad- 
ductor magnus  getrennt  ist.  Das  zweite  Viertel  dient  zum  Eintritte 
der  eigenen  Nerven  und  Gefäße ;  gegen  den  M.  adductor  brevis  auch 
noch  zur  Passage  für  die  Gefäße  der  mehr  medial  gelegenen  Weich- 
teile. Die  Gefäße  treten  hauptsächlich  zentral  ein,  d.  h.  am  Margo 
lateralis;  der  Nerv  von  der  Facies  profunda  bereits  6  cm  distal  vom 
Tuberculum  pubicum  oder  am  Cornu  inferius  des  Margo  falciformis 
der  Fossa  ovalis.  Im  Ansatzteile  verschmilzt  der  Muskel  mit  den 
M.  adductores  brevis  und  magnus.  Mit  dem  Messer  läßt  sich  mit  mehr 
oder  weniger  Glück  die  scharfe  Trennung  bis  zur  Linea  aspera  femoris 
durchführen.  Von  einer  trennenden  Fascie  kann  aber  hier  nicht  die 
Rede  sein.  Am  freien  distalen  Rande  des  Muskels  verläuft  nur  ein 
einziges  wichtiges  Gebilde,  nämlich  der  Hautast  des  N.  obturatorius. 
welcher  noch  unter  der  Spezialfascie  verborgen  ist,  und  dessen  wir 
beim  Adductorenkanale  und  RoMBERGschen  Kniephänomen  ausführ- 
lich gedacht  haben. 

5.  Loge  des  M.  pectineus. 

Der  Muskelbauch  läßt  sich  mit  Leichtigkeit  sauber  aus  seiner 
Loge  herauspräparieren,  obwohl  ihre  Begrenzung  nur  an  der  vorderen 
Kante  deutlich  fasciell  ist,  im  übrigen  nur  lockeres  Bindegewebe  mit 
reichlicher  Fetteinlagerung  darstellt.  Die  Hauptgefäße  und  der  Haupt- 
nerv kommen  aus  dem  Trigonum  iliopectineum  heraus  und  senken 
sich  4 — 5  cm  distal  vom  Tuberculum  pubicum  nahe  dem  hinteren 
Rande  des  Muskels  in  seine  vordere  laterale  Fläche  ein.  Akzessorische 
Gefäße  kommen  vor,  sowohl  an  der  lateralen,  wie  an  der  medialen 
Seite.  An  letzterer  findet  sich  bisweilen  auch  ein  akzessorischer  Zweig 
aus  dem  N.  obturatorius.  Ueber  die  vordere  Kante  des  Muskels  ver- 
laufen jedoch  suprafasciell  die  Vasa  pudenda  externa,  an  der  hinteren 
die  Vasa  circumflexa  femoris  medialia,  bei  denen  man  im  Zweifel  sein 
kann,  ob  sie  teilweise  von  einer  Fascie  bedeckt  sind,  durch  welche  sie 
jedenfalls  sehr  deutlich  hindurchschimmern,  um  so  mehr,  als  die  Haupt- 
ernährungsgefäße ihnen  entstammen. 

6.   Loge  des  M.  adductor  brevis. 

Die  Facies  superficialis  ist  deutlich  fasciell,  auch  noch  am  medialen 
Rande  mit  der  abgerundeten  Umschlagsstelle  der  Facies  profunda, 
lateral  dagegen  vielfach  durch  die  Gefäße  und  Nerven  durchlöchert. 
Der  longitudinal  herabsteigende  Nerv  tritt  5 — 7  cm  distal  vom  Tuber- 
culum pubicum  in  mehreren  Muskelinterstitien  ein.  Von  Gefäßen 
haben  wir  ein  proximales  dünnes  für  den  Ursprung,  ein  mittleres  nach 
Größe  und  Lage  für  die  Hauptmasse  des  Muskelbauches  und  ein  sehr 
starkes  distales,  welches  zwar  nicht  für  den  Muskel  selbst  bestimmt 
ist,  aber  doch  seine  Endsehne  durchbohrt  und  den  Muskel  selbst 
doppelbäuchig  erscheinen  läßt.  Bei  dieser  Teilung  wird  er  durch  den 
motorischen  Hauptzweig  unterstützt.  —  Die  Facies  profunda  ist  im  Ur- 
sprungsteile   deutlich   fasciell   gegen    die  M.  obturator  externus   und 

2l6 


Logen  am  Oberschenkel.  631 

adductor  minimus  abgegrenzt.  Im  mittleren  Drittel  kann  man  nur 
von  lockerem  Bindegewebe  reden,  das  nicht  einmal  fettreich  ist.  Im 
distalen  Drittel  tritt  eine  Verschmelzung  mit  den  benachbarten  Ad- 
ductorensehnen  ein. 

7.  Loge  des  M.  semitendinosus  und  Caput  longum  des  M.  biceps. 

Diese  beiden  Muskeln,  welche  die  oberflächliche  Schicht  der 
Beuger  am  Oberschenkel  bilden,  müssen  ihrer  Gefäß-  und  Nerven- 
versorgung nach  in  eine  einheitliche  Fascie  eingeschlossen  sein.  Der 
Beweis  für  die  anatomische  Richtigkeit  liegt  in  dem  gemeinschaftlichen 
Ursprünge  vom  Tuber  ischiadicum,  dessen  Länge  auch  bei  schonungs- 
loser präparatorischer  Darstellung  nicht  unter  8  cm  herunterzugehen 
pflegt.  Es  flnden  sich  hier  3  Nerven,  welche  sich  schon  in  der 
Höhe  des  Tuber  ischiadicum  aus  dem  gleichnamigen  Nerven  loslösen. 
Die  beiden  Zweige  für  den  M.  semitendinosus  treten  für  den  proxi- 
malen Bauch  2  cm,  für  den  distalen  14  cm  distal  vom  Tuber  ischia- 
dicum, für  das  Caput  longum  des  M.  biceps  12  cm  distal  zu  den 
Muskeln.  Die  Gefäße  erreichen  dieselben  mit  ihren  Hauptästen  in 
der  gleichen  Höhe,  lösen  sich  aber  erst  weiter  distal  aus  den  ver- 
schiedenen R.  perforantes  heraus.  Wenn  man  die  beiden  oberfläch- 
lichen Muskeln  aus  ihrer  Fascie  herausschält,  sie  sofort  so  sauber 
präpariert,  wie  es  von  den  Studierenden  verlangt  wird,  unter  sorg- 
fältiger Entfernung  des  Perimysium  externum  in  einheitlicher  Schicht, 
so  bleibt  der  M.  semimembranosus  und  das  Caput  breve  des  M.  biceps 
durch  eine  ansehnliche  Fascienschicht  in  der  Tiefe  verborgen,  und 
sogar  der  N.  ischiadicus  wird  gegen  die  Adductoren  durch  eine  13inde- 
gewebssclieide  zurückgehalten.  Die  Nerven  für  die  beiden  letzt- 
genannten Muskeln  entwickeln  sich  nämlich  nicht  bereits  in  der  Höhe 
des  Tuber  ischiadicum,  sondern  erst  an  der  Grenze  des  proximalen 
und  zweiten  Viertels  des  Oberschenkels,  oder  sogar  noch  weiter  distal. 
Wie  wir  in  der  Muskelbeschreibung  betont  haben,  haben  die  Beuge- 
muskeln am  Oberschenkel  nicht  allein  die  Aufgabe  zu  flektieren, 
sondern  auch  nach  vollzogener  Halbbeugung  die  Rotation  zu  bewerk- 
stelligen. Der  M.  semitendinosus  und  das  Caput  longum  des  M.  biceps 
stellen  am  Tuber  ischiadicum  den  Flexor  communis  dar,  dessen  Wir- 
kung sich  am  Unterschenkel  auf  Tibia  und  Fibula  gemeinschaftlich 
erstreckt.  Die  tiefe  Schicht,  welche  den  M.  semimembranosus  und 
das  Caput  breve  des  M.  biceps  umfaßt,  hat  selbstverständlich  auch 
energische  Beugewirkung,  vollführt  aber  in  erster  Linie  die  Rotations- 
bewegungen. Die  Innervation  unterstützt  diese  Anschauung.  Der 
vom  N.  tibialis  versorgte  M.  semimembranosus  bewirkt  die  Rotation 
des  Unterschenkels  nach  innen,  d.  h.  tibial-,  der  von  einem  besonderen 
Zweige  des  N.  peronaeus  communis  innervierte  kurze  Bicepskopf  löst 
die  Rotation  nach  außen,  flbularwärts  aus. 

8    Loge  des  M.  semimembranosus. 

Diese  ist  bis  auf  den  lateralen  Rand  und  das  proximale  Viertel 
der  Facies  profunda  des  Muskelbauches  außerordentlich  schaif  fasciell 
begrenzt.  Der  ansehnliche  Muskel  verlangt  auch  recht  starke  Gefäße, 
läßt  aber  erst  an  der  Grenze  des  proximalen  und  mittleren  Drittels 
des  Oberschenkels  13  cm  unterhalb  des  Tuber  ischiadicum  die  ersten 

217 


632  FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 

zum  Muskel  treten.  lu  ziemlich  regelmäßigen  Abständen  folgen  noch 
etwa  5  weitere,  welche  sich  bis  zum  Kniegelenksspalte  aus  dem 
regionären  Gefäße  entwickeln.  Hierbei  kommt  in  Betracht,  1)  wenn 
auch  nicht  konstant,  die  A.  comitans  n.  ischiadici,  2)  die  3  oder  4 
R.  perforantes  der  A.  profunda  femoris,  3)  die  A.  poplitea  beim  Hiatus 
inferior  des  Canalis  adductorius,  4)  die  A.  poplitea  mit  besonderen 
Zweigen  öder  Seitenästen  aus  der  A.  genu  superior  medialis.  Der 
Nerv  durchbohrt  etwa  15  cm  distal  vom  Tuber  ischiadicum  den 
lateralen  Rand  der  Loge,  reicht  aber  mit  seinen  letzten  Zweigen 
noch  18  cm  weiter  distal,  so  daß  sich  der  letzte  motorische  Zweig 
erst  30  cm,  d.  h.  im  distalen  Drittel  des  Oberschenkels  in  den  Muskel- 
bauch hineinbegibt. 

9.  Loge  des  M.  iliopsoas. 

Diese  Loge  bereitet  präparatorisch  gewisse  Schwierigkeiten,  weil 
man  sich  scheut,  die  Gefäße  und  Nerven  zu  durchtrennen.  Wenn 
man  jedoch  den  ganzen  Muskel  oberflächlich  freilegt  und  mitleidslos 
die  Adern  entfernt,  sind  wir  auch  berechtigt,  von  einer  Loge  des 
M-  iliopsoas  zu  reden.  Dieser  Muskel  zerfällt  in  2  Abschnitte:  1)  in 
die  allgemein  anerkannte  Portio  lumboiliaca,  welche  ihren  Ansatz  am 
Trochanter  minor  findet,  außerdem  müssen  wir  aber  2)  einen  ansehn- 
lichen Muskelbauch,  welcher  an  Gewicht  dem  des  M.  coracobrachialis, 
aber  in  der  Muskelbündellänge  dem  des  M.  biceps  brachii  gleichkommen 
kann,  als  Portio  femoralis  oder  iliaca  externa  unterscheiden.  Dieser 
Muskel  ist  konstant  und  umfaßt  die  Ursprungssehne  des  M.  rectus 
femoris  von  unten  her  und  setzt  niemals  am  Trochanter  minor  an, 
sondern  erst  weiter  distal  an  der  Linea  aspera  femoris.  Der  bis  zum 
Trochanter  minor  reichende  Bauch  des  M.  iliopsoas  besitzt  nur  eine 
Länge  von  11  cm ;  unserem  akzessorischen  Kopfe  kommt  eine  Länge 
von  mindestens  15  cm  zu. 

In  der  Höhe  des  Lig.  inguinale  (Pouparti)  ist  der  M.  iliopsoas 
etwa  10  cm  breit.  Nach  der  gewöhnlichen  Beschreibung  beschränkt 
sich  dieser  Muskel  auf  die  Bauchhöhle  und  das  große  Becken.  Wir 
haben  jedoch  niemals  einen  anderen  Fall  beobachtet,  wo  er  nicht  auch 
auf  die  Spina  iliaca  ant.  inf.  übergriff.  Letzterer  Abschnitt  führt 
den  alten,  wohlberechtigten  Namen  M.  iliacus  externus  und  stellt  die 
außerhalb  des  Beckens  gelegene  Portio  distalis  des  Darmbeinmuskels 
dar.  Der  Pars  superficialis  entsprechen  die  lateralen  Aeste  der  Vasa 
femoralia,  medial  ihre  Stämme  selbst,  lateral  ist  eine,  wenn  auch 
undeutliche  Abgrenzung  gegen  die  Extensoren  vorhanden.  Am  wich- 
tigsten ist  die  Facies  profunda.  Diese  lagert  auf  der  vorderen  Partie 
des  Hüftgelenkes  und  kann  mit  demselben  kommunizieren.  Nach 
unseren  Beobachtungen  glauben  wir,  daß  unter  normalen  Zuständen 
dieser  unter  dem  M.  psoas  major  gelegene  konstante  Schleimbeutel 
nicht  mit  der  Hüftgelenkshöhle  kommuniziert.  Allerdings  ist  an  der 
Reibungsstelle  etwas  medial  von  der  Eminentia  iliopectinea  die  Wand 
außerordentlich  dünn  und  kann  bei  einer  Durchtrennung  des  Muskels 
zu  einer  sofortigen  Eröffnung  der  Gelenkhöhle  Veranlassung  geben. 

10.  Loge  des  M.  rectus  femoris. 

Auch  dieser  Muskel  hat  seine  besondere  Loge  mit  oberflächlicher 
dicker  Partie,  welche  zur  Fascia  lata  gehört,   und  tiefer,   welche  nur 

2l8 


Länge  und  Lage  der  Sehnenscheiden.  633 

als  fascielle  Grenze  gegen  den  Oberschenkelteil  des  M.  exten sor  cruris 
triceps  aufzufassen  ist.  Die  Gefäße  verteilen  sich  nach  der  Masse 
des  Muskelbauches  auf  verschiedene  Höhen. 


11.  Loge  der  M.  adductores  minimus  und  magnus. 

Peripher,  d.  h.  in  der  medialen  Hälfte  scharf  fasciell  begrenzt,  ist 
sie  im  zentralen  Teile  sowohl  an  der  vorderen,  wie  der  hinteren  Fläche 
infolge  des  Eintrittes  der  zahlreichen  Gefäße  und  Nerven  vielfach 
durchlöchert.  Auf  der  Facies  anterior  kommen  in  Betracht:  der 
E.  posterior  des  N.  obturatorius,  dessen  Zweig  für  den  M.  adductor 
minimus  sich  7  cm  unterhalb,  und  dessen  Zweig  für  den  magnus 
sich  9 — 15  cm  distal  vom  Tuberculum  pubicum  in  die  Muskeln  hinein- 
senkt. Ein  langer  Sehnenzweig  läßt  sich  sogar  25  cm  lang  verfolgen 
und  gewinnt  hierbei  auch  Anschluß  an  die  Endsehne  der  M.  adductores 
brevis  und  longus.  Auf  der  Facies  dorsalis  oder  posterior  haben  wir 
die  Eintrittsstelle  des  motorischen  Nerven,  welcher  aus  dem  N.  tibialis 
stammt,  und  gleichzeitig  den  M.  semimembranosus  versorgt.  Die 
einzelnen  Zweige  umfassen  eine  Länge  von  13 — 33  cm.  Der  proximale 
Ast  versorgt  rückläufig  den  medialen  Ursprung,  der  mittlere  die 
Hauptmasse  der  Pars  posterior,  der  distale  ist  als  Sehnennerv  auf- 
zufassen und  erstreckt  sich  als  Gelenknerv  bis  zum  unteren  Drittel  hin. 


12.  Loge  der  Wadenmuskulatur. 

Der  üblichen  Darstellung  können  wir  folgen.  Die  Rückseite  des 
Unterschenkels  zerfällt  in  eine  oberflächliche  Schicht,  welche  die  Wade 
erzeugt,  und  eine  tiefe,  welche  sich  zum  Fuße  wendet.  Der  mediale 
Kopf  des  M.  gastrocnemius  gewinnt  mitunter  Beziehungen  zur  Knie- 
gelenkshöhle. V.  Bardeleben  und  Frohse  haben  1898  dies  unter- 
sucht und  an  etwa  8  eigens  dazu  angefertigten  Präparaten  festgestellt, 
daß  keine  Kommunikation  mit  dem  Kniegelenke  vorhanden  war.  Auch 
unsere  Untersuchungen  ergaben  nur  einmal  den  Zusammenhang  mit 
der  Kniegelenkshöhle. 

In  der  Glutäalgegend ,  am  Unterschenkel  und  Fuße  gibt  es 
keine  besonderen  Logen,  welche  nach  unserer  ausführlichen  Be- 
schreibung der  Fascien  noch  einmal  anzuführen  wären.  Die  Be- 
schreibung der  Logen  ist  ja  nach  einem  Formalinpräparate  gemacht 
worden,  an  welchem  das  Bindegewebe  gehärtet  war,  die  der  Fascien 
nach  einem  frischen. 


II.  Sehnenscheiden  und  Schleimbeutel  des  Fußes. 
A.  Läii^('  und  Lay:c  der  Seliiieiiselieideii. 

Synonyma:  Vaginae    tendinum    pedis;    Organes    sereux  annexes  aux 
tendons  du  pied  et  des  doigts. 

Allgemeine  Beschreibung. 

Genau  wie  an  der  Hand  unterscheiden  wir  zwischen   denjenigen 
Sehnenscheiden,  welche  ungefähr  in  der  Mitte  des  Sprunggelenkes, 

219 


684  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

der  Artic.  talocruralis,  ihren  Sitz  haben,  und  denjenigen,  welche  sich 
erst  im  Bereiche  der  Zehen  verwirklicht  finden.  In  der  Höhe  des 
TalocruralgeJenkes  kommen  in  Betracht  die  Streck-,  Beuge-  und  in 
erster  Linie  die  wenn  auch  hier  an  letzter  Stelle  erwähnte  Sehne 
des  M.  peronaeus  longus.  Mit  Ausnahme  des  letztgenannten  Muskels 
haben  sämtliche  anderen  Sehnen  nur  einen  gemeinschaftlichen  Zu- 
sammenhang zwischen  der  cruraleu  und  tarsalen  Portion.  Dagegen 
besteht  bei  der  Endsehne  des  M.  peronaeus  longus  normalerweise 
eine  Doppeleinrichtung,  welche  in  der  Höhe  der  Tuberositas  ossis 
cuboidei  den  cruralen  Teil  von  dem  ansehnlichen  plantaren  scheidet. 
Die  digitalen  Sehnenscheiden  verbinden  sich  im  Gegensatze  zu  den 
entsprechenden  der  Hand  weder  an  der  großen  noch  an  der  kleinen 
Zehe  mit  dem  distalen  Ende  der  tarsalen.  Außerdem  kommt  es  auch 
an  der  Planta  pedis  niemals  zur  Entwicklung  eines  Saccus  tarsalis^ 
welcher  an  der  Hand  leider  so  häufig  in  pathologischen  Fällen  die 
Daumensehnenscheide  mit  der  des  kleinen  Fingers  (V.-Phlegmone)  in 
Verbindung  setzt.  Dagegen  ist  man  berechtigt,  am  Dorsum  pedis, 
genau  wie  an  der  Hand  von  einem  Saccus  dorsalis  zu  sprechen, 
wenn  man  nämlich  die  Sehnenscheide  des  M.  extensor  digitorum  com- 
munis manus  mit  der  des  M.  extensor  digitorum  pedis  longus  ver- 
gleicht. Dies  ist  an  beiden  Stellen  eine  einheitliche  Sehnenscheide 
mit  proximalem  und  distalen  Recessus,  welche  für  die  Länge  der 
Abschnitte  für  die  einzelnen  Zehen  von  Bedeutung  sind  und  einen 
Unterschied  beim  Erwachsenen  (s.  A.  S.  293)  von  5—6,5  cm  für  die 
Hand,  für  den  Fuß  von  5,3—6,3  ergeben.  Diese  scheinbare  Ueber- 
einstimmung  trilft  leider  nicht  für  die  Plantarseite  zu,  indem  am 
Fuße  der  crurale  Abschnitt  bedeutend  stärker  entwickelt  ist,  dagegen 
der  tarsale  sich  nach  unseren  Beobachtungen  niemals  über  den  Tarsus 
hinaus  (nicht  einmal  über  die  Metatarsalknochen)  gegen  die  Zehen 
erstreckt.  An  der  Hand  ist  aber  gerade  das  Uebergreifen  bis  zum 
vollkommenen  Zusammenhange  mit  der  Vagina  tendinis  oder  der 
Erweiterung  zum  Sehnenscheidensacke  zu  betonen.  Die  Länge  des 
Unterschenkelteiles  ist  verhältnismäßig  groß. 

Spezielle  Beschreibung. 

Die  Länge  der  einzelnen  Sehnenscheiden  beträgt  bei  den  M.  tibi- 
alis  anterior  8,9 ;  extensor  digitorum  longus  6,  für  die  einzelnen  Sehnen 
zwischen  5,3  und  6,3  schwankend ;  extensor  hallucis  longus  6,5 ;  pero- 
naeus longus: 

a)  crurotarsale  Sehnenscheide  10,5,  wovon  2  auf  den  proximalen 
selbständigen  Teil  (Recessus  superior),  3,5  auf  die  gemeinschaftliche 
Sehnenscheide  und  5  auf  den  distalen  selbständigen  Recessus  ent- 
fallen ; 

b)  die  plantare  Sehnenscheide  hat  eine  Länge  von  3,5  cm;  sie 
kann  mit  der  crurotarsalen  zusammenhängen,  was  von  uns  jedoch 
nur  in  einem  Falle  beobachtet  ist;  die  Gesamtlänge  der  Scheide  des 
M.  peronaeus  brevis  von  7,5  zerfällt  in  einen  proximalen  selbständigen 
Abschnitt  von  1,  den  gemeinschaftlichen  Abschnitt  von  3,5  und  den 
distalen  selbständigen  von  3  cm,  wobei  zu  bemerken  ist,  daß  das 
Ende  knochenwärts  länger  ist,  als  auf  der  der  Haut  zugewandten 
Seite.  Die  Kommunikation  zwischen  den  Sehnenscheiden  beider  M. 
peronaei  hat  eine  Länge  von  3,5  cm  und  findet  ihr  Ende  genau  an  der 


Inhalt  der  Sehnenscheiden.  635 

Spitze  des  Malleolus  lateralis,  von  welchem  Punkte  aus  man  mit 
Leichtigkeit  ihren  Beginn  feststellen  kann.  Bei  dem  M.  tibialis 
posterior  beträgt  die  Länge  7—8,  auch  hier  ist  der  untere  Abschluß 
der  Sehnenscheide  auf  der  Kuochenseite  weiter  herabreichend  als  auf 
der  Hautseite;  bei  dem  M.  flexor  digitorum  longus  8 — 9  und  beim 
M.  flexor  hallucis  longus  9—10. 

Bei  den  digitalen  Sehnenscheiden  haben  wir  4  Einzelfälle  tabel- 
larisch zusammengestellt  mit  Rücksicht  auf  die  Gesamtlänge  und  die 
Entfernung  von  der  Zehenspitze. 

Länge  der  Sehnenscheiden. 


I 

II 

ni 

IV            V 

all 

l  1 

7,5 

6 

5,2 

4,3           4,8 

^ 

2 

8 

6 

5,5 

4,3            5,2 

» 

3 

8 

6 

6,2 

5,3            5 

4 

7 

8,5 

7,5 

5,5            4,5 

Entfernung 

von  den  Zehenspitzen. 

I 

II 

III 

IV            V 

"al 

1  1 

3 

1,3 

1,4 

1,4           1,8 

^ 

2 

2,5 

2 

1,8 

1,3            1,8 

» 

3 

3 

1,3 

1,4 

1,4            1,8 

4 

3 

1,3 

1,3 

1,3            1,8 

Mau  sieht  hieraus,  daß  die  Länge  der  Sehnenscheiden  von  der 
großen  Zehe  zur  kleinen  Zehe  hin  immer  geringer  wird,  daß  aber 
trotzdem  kein  großer  Unterschied  in  den  Einzellängen  besteht,  indem 
die  große  Zehe  mit  etwa  8  cm  der  kleinen  Zehe  mit  etwa  5  cm 
gegenübersteht.  Das  proximale  Ende  der  Sehnenscheiden  liegt  un- 
gefähr in  gleicher  Höhe  und  zwar  etwa  am  Ende  der  Diaphysen  der 
Ossa  metatarsalia,  jedoch  nicht  in  der  Linie  der  Artic.  metatarso- 
phalangeae.  Die  distale  Entfernung  richtet  sich  nach  der  Länge  der 
einzelnen  Zehen.  So  muß  die  Sehneuscheide  für  die  große  Zehe  sehr 
lang  ausfallen,  weil  sie  sogar  die  2.  Zehe  an  Länge  häufig  übertrifit, 
im  Gegensatze  zur  Hand,  an  welcher  der  Daumen  in  der  Höhe  der 
Artic.  interphalangea  I  des  Zeigefingers  aufhört.  Die  Länge  der 
dreigliedrigen  Zehen  nimmt  von  der  Achse  des  Fußes,  d.  h.  der  2.  Zehe 
an  in  mehr  schräger  Richtung  ab,  als  an  der  Hand. 

Die  Entfernung  des  Endes  der  Sehnenscheide  von  der  jeweiligen 
Zehenspitze  ist  für  die  große  Zehe  möglicherweise  mit  etwa  3  cm, 
für  die  dreigliedrigen  Zehen  mit  durchschnittlich  1,5  cm  verwirklicht ; 
außerdem  hat  noch  die  am  meisten  Verletzungen  ausgesetzte  kleine 
Zehe  den  Vorzug,  daß  die  Entfernung  ihrer  Scheide  von  der 
Zehenspitze  mit  1,8  cm  Länge  den  ungefähren  Durchschnitt  erzielt. 
Die  in  Fall  4  aufgeführte  besondere  Länge  der  Sehnenscheide  für 
die  2.  bis  4.  Zehe  erklärt  sich  wohl  durch  die  Anlage  eines  Platt- 
fußes  und  die  große  Gesamtlänge  des  Fußes. 


1$.  Inhalt  der  Sehiiciischeideii. 

a)  Vincula  tendinum. 

Die  beim  Arme  gegebene  Einleitung  über  die  Vincula  tendinum 
trifi't  auch  für  das  Bein  in  vollkommener  Uebereinstimmug  zu,  indem 
die  zweigliedrige  große  Zehe  den  dreigliedrigen  übrigen  gegenüber- 
steht.  —   Sie  verfügt  im  plantaren   Bereiche   der  Artic.   metatarso- 


636 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


phalangea  über  ein  breites  Vinculum  mediaDum  quadrangulare,  welciiem 
sich  distal  noch  Vincula  flliformia,  fettlos  oder  fetthaltig,  anschließen 
können.  Bereits  in  der  Mitte  der  Grundphalange  entwickelt  sich  das 
proximal  konkave  Vinculum  trianguläre. 

An  den  dreigliedrigen  Zehen  II^V  finden  wir  im  Bereiche  der 
Artic.  metatarsophalangea  normalerweise  verwirklicht  ein  axiales  Vin- 
culum membranaceum,  welchem  sich  distal  noch  Vincula  flliformia 
sowohl  nach  der  medialen,  wie  auch  der  lateralen  Seite  anschließen 
und  sogar  zu  einer  Durchbohrung  führen  können  —  Vinculum  perforans. 
Normalerweise  wird  dieser  feine  Strang  kein  Fett  enthalten;  findet 
sich  aber  letzteres,  so  müssen  wir  von  einem  Vinculum  perforans 
adiposum  reden,  welches  nach  unserer  Tabelle  gerade  an  den  Zehen 
II— IV  verwirklicht  ist,  aber  nicht  an  den  Rändern  des  Fußes, 
an  der  großen  und  kleinen  Zehe  vorkommt.  An  der  Artic.  inter- 
phalangea  I  sehen  wir  ein  Vinculum  profuudum  proprium  in  Ge- 
stalt einer  dreieckigen  Membrana  universalis,  welche  an  die 
Existenz  der  tiefen,  durchbohrenden  Sehne  des  M.  flexor  digitorum 
longus  gebunden  ist. 

Im  Gegensatze  zur  Hand  hat  die  von  Camper  für  die  Finger- 
beugesehnen beschriebene  Einrichtung  für  die  Zehenbeuger  keine 
Gültigkeit.  Eine  wirkliche  Kreuzung  ist  jedenfalls  außerordentlich 
selten,  ein  medialer  Verbindungszug  findet  sich  nach  unseren  Beobach- 
tungen für  die  2.  und  3.  Zehe,  ein  lateraler  für  die  4.  und  5. 


V.  =  Vinculum 


Große  Zehe 


2.  Zehe        3.  Zehe 


I     I    n     |iii   I  I II  |iii  I  I II  |iii 


4.  Zehe 


II  III 


5.  Zehe 


I  I II  lin: 


Artic.  metatarsophalangea. 


+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

_ 



2  Gefäße 

3  Gefäße 

+ 

+ 

+ 

+{2) 

— 

-1- 

— 

— 

+ 

— 

— 

+ 

— 

— 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

+ 

+ 

+ 

— 

^ 

+ 

— 

+ 

— 

— 

— 

— 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+  (2) 

+ 

+ 

— 

— 

— 

— 

— 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+  C^) 

+ 

+ 

— 

— 

V.  membranosum 

V.  filiforme  mediale 

V.  filiforme  laterale 

V.  perforans 

V.  perforans  adiposum 


V.  profundum  proprium 
Membrana  universalis 
Chiasma  totale 
Conjugatio  medialis 
Conjugatio  lateralis 

Bemerkungen:  Bei  der  großen  Zehe  schwankt  die  Breite  zwischen  0,7  und  0,9  cm.  Esj 
findet  sich  ein  axialer  Verdickungszug,  welcher  das  Lig.  intersesamoideum  mit  der  Achse  der; 
Großzehenphalange  verbindet.  \ 


Artie.  interphalangea  I 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

+  L 

+ 

+ 

+ 

+ 

-f- 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

— 

_, 

— 

■ 

— 

~" 

— 

— 

+ 

• — 

— 

+ 

+  ^ 

b)  Mesotendinea. 

Bei  sämtlichen  Muskeln  der  Extensorengruppe  war  ein  Meso- 
tendineum  profundum  totale  vorhanden,  welches  sich  lateralwärts 
wandte.  Beide  M.  peronaei  zeigen  ebenfalls  ein  Mesotendineum  totale 
membranaceum,  welches  die  am  meisten  geschützte  Stelle  aufsuchte  in 
Verbindung  mit  den  medial  gelegenen  Fascien  oder  Perioststellen. 
am  Unterschenkel  den  M.  flexor  hallucis  longus  im  Bereiche  des 
Sprunggelenkes  an  der  hinteren  unteren  Sehnenscheidenwand.  Nur  eine 


Beinmuskeln.  637 

Sehne  hatte  einen  vollkommen  freien  Verlauf  ohne  Mesotendineum, 
die  des  M.  peronaeus  brevis  distal  vom  Malleolus  lateralis.  Im  ganzen 
Umfange  des  Malleolus  medialis  und  darüber  hinaus,  nämlich  in  einer 
Länge  von  3  cm  hatte  die  Sehne  des  M.  tibialis  posterior  vollkommene 
Bewegungsfreiheit.  Wir  müssen  also  ein  Vinculum  proximale  und 
-distale  linden,  in  deren  freien  Rändern  starke  Gefäße  ihren  Weg  zur 
Sehne  nehmen.  In  einem  Falle  war  bereits  mit  bloßem  Auge  sichtbar, 
wie  zwischen  beiden  Strängen  eine  blutführende  Anastomose  an  der 
Obertiäche  der  Sehne  zutage  trat.  Der  M.  flexor  digitorum  longus 
hatte  ein  Vinculum  membranaceum  totale,  dessen  Anheftung  im  cruralen 
Teile  lateralwärts  gerichtet  war,  im  Fußsohlenteile  sich  mit  der  ver- 
änderten Richtung  der  Sehne  mehr  medialwärts  wandte.  Bei  dem 
M.  flexor  iiallucis  longus  beschränkte  sich  das  Mesotendineum  auf  ein 
Vinculum  trianguläre  proximale,  ein  etwas  breiteres  Trianguläre  distale 
und  läßt  einen  Zwischenraum  von  3,4  cm  frei,  in  welchem  nichts 
weiter  verlief,  als  ein  ansehnlicher  Gefäßstrang  ohne  sichtbare  Fett- 
ansammlung. Von  diesem  gingen  nur  einige  Spinnfaden  dicke  Züge 
zum  proximalen  Sehnenteile,  welche  ebenfalls,  makroskopisch  bereits 
erkennbar,  Blut  enthielten. 


III.  Beinmuskeln  nach  der  gewöhnlichen  Gruppierung, 
mit  Rücksicht  auf  ihre  Muskelbündellänge 

(mit  Tabellen). 

Die  15  Muskeln,  welche  kurz  als  Hüft-  und  tiefe  Bauchmuskeln 
zusammengefaßt  werden  können,  schwanken  in  der  Muskelbündellänge 
zwischen  17,6  für  den  M.  glutaeus  maximus  und  3,1  für  den  M.  ob- 
turator  internus.  Die  Strecker  (M.  glutaeus  maximus)  haben  eine 
Durchschuittslänge  von  14,6,  die  Beuger  (M.  iliopsoas)  von  10,  der 
Beckenheber  (M.  quadratus  lumborum)  von  7,8;  die  Auswärtsroller 
schwanken  zwischen  7,7  (M.  glutaeus  medius)  und  3,1  (M.  obturator 
internus);  die  Einwärtsroller  sind  hier  nur  durch  den  M.  tensor  fasciae 
latae  gesondert  mit  8,4  vertreten,  obwohl  die  vorderen  Bündel  der 
M.  glutaei  medius  mit  7,7  und  minimus  mit  4  nicht  außer  acht  zu 
lassen  sind  —  zwar  sind  die  M.  gemelli  nach  ihrer  Gesamtform  gleich 
lang,  aber  die  Muskelbündellänge  ist  bei  ersteren  wegen  des  lieder- 
förmigen  Aufbaues  4,3,  während  letztere  nur  aus  parallelen  Bündeln 
mit  6  cm  bestehen.  Die  Unterschiede  in  der  Länge  der  Einzelmuskeln 
betragen  bei  den  langen  Muskeln  ungefähr  die  Hälfte,  z.  B.  M.  psoas 
major  14,5 — 7,  bei  den  kurzen  Muskeln  ungefähr  Vs,  z.  B.  M.  geraellus 
inferior  5 — 3,5,  können  aber  auch  bis  auf  V4  zurückgehen,  wie  beim 
M.  obturator  externus  5—4. 

Am  Oberschenkel  sind  die  größten  Unterschiede  verwirklicht, 
indem  der  M.  sartorius  mit  52,7  und  der  M.  rectus  femoris  mit  6,3 
Durchschnitt  vertreten  ist  und  sich  die  Grenzen  sogar  für  das  Maximum 
auf  55  (M.  sartorius)  und  für  das  Minimum  auf  5  (M.  vastus  lateralis) 
verschieben.  Die  Streckgruppe  weist  Unterschiede  für  den  Durch- 
schnitt zwischen  9,8  und  6,2  auf,  welche  sich  jedoch  für  Maximum 
und  Minimum  verändern  auf  14  und  5.  Bei  den  Adductoren  mit 
ausgeschaltetem  M.  gracilis  steht  der  M.  adductor  raagnus  mit 
17,2   im    Durchschnitte    gegenüber   dem    M.  adductor  minimus   mit 

223 


638  FROHSE    und    M.    FRANKEL, 

9,6;  das  Maximum  für  ersteren  beträgt  19,5,  das  Minimum  für  letz- 
teren 7  cm. 

Eine  Sonderstellung  nimmt  die  Patte  d'oie  ein.  Im  M.  sartorius 
erreicht  sie  eine  Durchschnittslänge  von  52,7,  im  M.  gracilis  von  25,1, 
im  M.  semitendinosus,  wenn  wir  die  beiden  Beuger  als  eine  Einheit 
auffassen,  von  19,9;  jedoch  kommen  durch  seine  Zwischensehne  un- 
glaubliche Unterschiede  in  der  Muskelbündellänge  des  Pes  anserinus 
cruris  zustande.  Der  M.  sartorius  hat  ja  als  Maximum  55,  während 
der  obere,  proximale  Bauch  des  M.  semitendinosus  im  Minimum  nur  über 
8  cm  verfügt.  Als  Beuger  bleiben  so  nur  übrig  die  M.  biceps  femoris 
und  semimembranosus,  welche  ja  auch  für  die  Rotationsbewegungen 
in  Frage  kommen.  Scheinbar  ist  ersterer  mit  11.2  Gesamtdurchschnitt 
letzterem  mit  8  bei  weitem  überlegen;  aber  es  ist  zu  bedenken,  daß 
die  patte  d'oie  mit  ihren  langbündeligen  Muskeln  ihn  in  der  Einwärts- 
rotation unterstützt.  Trotz  der  Länge  der  Unterschenkelknochen  haben 
die  hier  gelegenen  Muskeln  nur  eine  geringe  Muskelbündellänge,  indem 
der  M.  extensor  digitorum  longus  mit  7,7  dem  M.  tibialis  posterior 
mit  2,4  Durchschnitt  gegenübersteht;  das  Maximum  ist  verwirklicht 
in  den  M.  tibialis  anterior  und  extensor  hallucis  longus  mit  8,5, 
das  Minimum  im  M.  popliteus  mit  1,5  —  der  sogenannte  M.  quadriceps 
surae  weist  Unterschiede  auf  von  6  für  den  M.  gastrocnemius  lateralis 
und  3,4  für  den  M.  soleus,  welche  sich  erhöhen  für  das  Maximum  auf 
7  und  verringern  für  das  Minimum  auf  2,5  bei  denselben  Muskeln. 
Die  M.  tibiales  anterior  und  posterior  zeigen  eine  unglaubliche  Differenz 
mit  7,2  gegen  2,4,  also  das  Dreifache;  das  Maximum  ist  für  ersteren 
sogar  8,5,  das  Minimum  bei  letzterem  1,6.  Dasselbe  Verhältnis  kehrt 
wieder  bei  den  M.  extensor  und  flexor  digitorum  longus,  welche  mit  7,7 
und  2,6  wie  3 : 1  dastehen.  Anders  aber  ist  es  bei  den  M.  extensor 
und  flexor  hallucis  longus,  bei  denen  der  Strecker  allerdings  ebenso 
stark  ist,  wie  der  lange  Zehenbeuger,  während  letzterer  längere  Muskel- 
bündel aufweist,  nämlich  7,5  gegen  4,3  oder  nur  43  Proz.  Unterschied. 

In  den  besonderen  Muskeln  des  Fußes,  welche  der  Hand  nicht 
zukommen,  besteht  bei  dem  Caput  plantare  mit  2,6  und  dem  M.  ex- 
tensor hallucis  brevis  mit  2,7  beinahe  Uebereinstimmung,  aber  im 
M.  extensor  digitorum  brevis  mit  nur  1,1  wird  die  Uebermacht  der 
Extensoren  gebrochen. 

Die  anderen  Fußmuskeln,  welche  denen  der  Hand  entsprechen, 
besitzen  nur  eine  ganz  geringe  Muskelbündellänge.  An  erster  Stelle 
steht  der  M.  lumbricalis  I  mit  2,1,  an  letzter  der  M.  interosseus  plan- 
taris III  mit  0,7  Durchschnitt.  Nur  der  Vollständigkeit  halber  sei 
erwähnt  das  Maximum  mit  2,5,  welches  bei  den  beiden  Abductoren 
verwirklicht  ist,  und  das  Minimum  mit  0,3  beim  M.  interosseus  plan- 
taris IIL     Dieser  Muskel  war  aber  atrophisch. 

Bei  einem  Vergleiche  mit  den  entsprechenden  Handmuskeln  (s.  A. 
S.  322)  sieht  man,  daß  trotz  der  größeren  Länge  des  Fußes  sämtliche 
Muskeln,  besonders  die  M.  interossei  manus,  eine  bedeutend  größere 
Muskelbündellänge  haben,  als  die  M.  interossei  pedis,  z.  B.  die  beiden 
M.  abductores  digiti  quinti  mit  3,9  und  2,  oder  die  beiden  M.  interossei 
dorsales  I  mit  3  für  die  Hand  und  1,3  für  den  Fuß. 

Beim  Oberschenkel  muß  die  Patte  d'oie  ausgeschaltet  werden^ 
welche  wir  als  mediale  Deckschicht  der  eigentlichen  Oberschenkel- 
muskeln auffassen,  wie  es  ja  für  die  laterale  Seite  schon  lange  für 
den  Tractus  iliotibialis  (Maissiati)  gilt,    und  dann  haben   die  Beuger 

224 


Beinmuskeln.  639 

eine  Muskelbündellänge  am  Arme  von  14,5  (Caput  breve  m.  bicipitis) 
und  7,8  (M.  brachialis)  am  Beine  von  12,3  (Caput  longum  m.  bicipitis) 
und  8  (M.  semimembranosus),  für  die  Strecker  am  Arme  von  9,2 
(Caput  longum  m.  tricipitis)  und  3,5  (M.  anconaeus),  am  Beine  von 
9,8  (M.  vastus  medialis)  und  6,2  (M.  rectus  femoris).  Wenn  wir  aber 
den  M.  anconaeus  aus  topographischen  Gründen  den  Vorderarmmuskeln 
zurechnen,  dann  erreicht  auch  der  mediale  Kopf  des  M.  triceps  brachii 
die  ansehnliche  Durchschnittslänge  von  7,8,  welche  dem  Minimum  von 
6,2  am  Beine  bei  weitem  überlegen  ist.  —  Die  4  M.  adductores 
femoris  haben  eine  Durchschnittslänge  von  12  cm,  denen  der  gleich- 
wertige M.  coracobrachialis  mit  nur  7,4  gegenübersteht.  Wenn  also 
Beuger  und  Strecker  am  Oberarme  und  Oberschenkel  nahezu  gleiche 
Muskelbüudellänge  aufweisen,  ist  bei  den  Adductoren  die  Uebermacht 
beim  Beine  unverkennbar,  aber  dadurch  zu  erklären,  daß  das  Fleisch 
des  M.  coracobrachialis  bereits  in  der  Mitte  des  Humerus  aufhört,  am 
Beine  jedoch  der  M.  adductor  magnus  fleischig  bis  zum  Epicondylus 
medialis  herunterzieht. 

Schulter-  und  Hüftmuskeln  lassen  sich  vielleicht  in  folgender 
Weise  vergleichen :  1)  Abductoren,  a)  oberflächliche  Schicht,  M.  delto- 
ideus  9,3  —  M.  glutaeus  maximus  14,6  +  M.  tensor  fasciae  latae  (Tractus 
iliotibialis)  8,4 ;  b)  tiefe  Schicht,  M.  supraspinatus  6,6  —  M.  glutaeus 
medius  7,7,  minimus  4 :  2)  Auswärtsroller,  M.  infraspinatus  8,7,  M.  teres 
minor  6,4  —  M.  glutaei  medius  7,7,  minimus  4,  M.  piriformis  3,9,  M.  ob- 
turator  internus  3,1.  M.  gemellus  superior  4,3,  M.  gemellus  inferior  3,9, 
M.  obturator  externus  4,3  und  M.  quadratus  femoris  6.  3)  Einwärts- 
roller, M.  subscapularis  6,4,  M.  teres  major  10,8  (M.  latissimus  dorsi  ?) 
—  M.  tensor  fasciae  latae  8,4,  M.  glutaei  medius  7,7  und  minimus  4. 
Bei  den  Rollmuskeln  besteht  ein  entschiedenes  Uebergewicht  für  den 
Arm,  bei  den  Abductoren  hält  sich  die  tiefe  Schicht  die  Wage,  in  der 
oberflächlichen  ist  das  Bein  bevorzugt. 

Weshalb  sind  nun  diese  Unterschiede  zwischen  Arm  und  Bein 
vorhanden?  Die  Bewegungen  des  Armes  verlangen  Schnelligkeit, 
also  lange  Muskelbündel,  die  des  Beines  Kraft  und  Ausdauer;  hierfür 
genügen  aber  kurze  Muskelbündel. 

Die  Unterabteilungen  der  Tabelle  B  umfassen  in  der  1.  Gruppe 
die  3  Muskeln  der  Patte  d'oie  mit  52 — 19,9  Länge.  Die  2.  Gruppe 
reicht,  vom  Becken  aus  sämtliche  Hüft-,  Ober-  und  Unterschenkel- 
muskeln umfassend,  bis  auf  den  Fuß  herunter,  bei  dem  der  M.  extensor 
hallucis  brevis  und  das  Caput  plantare  noch  vor  3  Unterschenkel - 
muskeln  stehen ;  das  Maximum  dieser  Gruppe  ist  17,2,  das  Minimum 
2,4.  Eine  Gesetzmäßigkeit  in  der  Reihenfolge  für  die  einzelnen  Ab- 
stände besteht  nicht.  Jedoch  findet  sich  eine  scharfe  Grenze  zwischen 
den  Muskeln  der  3.  Gruppe,  welche  mit  Ausnahme  des  Caput  plantare 
und  des  M.  extensor  hallucis  brevis  ausschließlich  dem  Fuße  an- 
gehören, und  denen  der  2.  Gruppe.  Der  kurze  Großzehenstrecker 
verfügt  über  eine  bei  weitem  größere  Muskelbündellänge,  2,7,  als  sein 
Nachbar,  der  M.  extensor  digitorum  brevis  mit  1,5  und  kann  so  als 
besonderer  Muskel  aufgefaßt  werden,  vielleicht  vergleichbar  mit  dem 
M.  extensor  pollicis  brevis.  —  Die  eigentlichen  Fußmuskeln  haben 
eine  Muskelbündellänge  von  2,1—0,7,  sind  also  recht  schwach  bedacht. 
Die  M.  abductores  hallucis  et  digiti  quinti  haben  trotz  ihres  langen 
Verlaufes  vom  Tuber  calcanei  bis  zu  den  Artic.  metatarsophalangeae 
nur  über  eine  Muskelbündellänge  von  2  cm  zu  verfügen. 

Handbuch  der  Anatomie.     II,  n,  3.  41 

225 


640 

A.    Beinmuskeln 


FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

in   unserer   gewöhnlichen   Reihenfolge  mit  Angabe 
der  Muskelbündellänge. 


NO. 

Muskelname 

Durch- 
schnitt 

Maximum 

Minimum 

Zahl  der 
Messungen 

1 

M.  quadratus  lumborum 

7,8 

11,0  ' 

5,0 

10 

2 

M.  psoas  minor 

4,5 

5,8 

4,0 

9 

•5 

M.  psoas  major 

10,0 

14,5 

7,0 

^      20 

4 

M.  iliacus 

10,0 

13,5 

7,0. 

45 

5 

M.  glutaeus  maximus,  portio  femoralis 

17,6 

2:5,0 

14,0 

29 

6 

M.  glutaeus  maximus,  portio  cruralis 

11,5 

14,5 

7,5 

21 

7 

M.  glutaeus  medius 

7,7^ 

10,5 

5,0 

48 

8 

M.  glutaeus  minimus 

4,0 

4,5 

3,0 

31 

9 

M.  tensor  fasciae  latae 

■    8,4 

9,5 

7,5 

15 

10 

M.  piriformis 

3,9 

5,0 

3,0 

9 

11 

M.  obturator  internus 

3,1 

3,5 

3,0 

7     ■ 

12 

M   gemellus  superior 

4,3 

5,5 

3,5 

15 

13 

M.  gemellus  inferior 

3,9 

5,0 

3,5 

9 

14 

M.  quadratus  femoris 
M.  obturator  externus 

6,0 

6,5 

4,5 

.10 

15 

4,3 

5,0 

4,0 

23 

16 

M.  sartorius 

52,7 

55,0 

50,0 

6 

17 

M.  rectus  femoris 

6,2 

7,5 

5,5 

37 

18 

M.  vastus  lateralis 

9,1 

11,5 

5,0 

31 

19 

M.  vastus  medialis 

9,8 

14,0 

5,5 

35 

20 

M.  pectineus 

12,2 

14,0 

.10,0 

19 

21 

M.  adductor  longus 

11,4 

13,0 

10,0 

17 

22 

M.  gracilis 

25,1 

32,0 

20,5 

11 

23 

M.  adductor  magnus 

17,2 

19,5 

14,0 

28 

24 

M.  adductor  brevis 

9,8 

11,5 

9,5 

14 

25 

M.  adductor  minimus 

9,6 

13,5 

7,0 

17 

26 

M.  semitendinosus,  venter  superior 

9,7 

12,0 

8,0 

14 

27 

M.  semitendinosus,  venter  inferior 

10,2 

12,0 

9,0 

16 

28 

M.  biceps,  caput  longum 

12,3 

14,0 

11,5 

17 

29 

M.  biceps,  caput  breve 
M.  semimembranosus 

10.1 

11,5 

9,0 

25 

30 

8,0 

10,0 

7,0 

19 

81 

M.  tibialis  anterior 

7,2 

8,5 

5,5 

20 

32 

M.  extensor  digitorum  longus 
M.  extensor  hallucis  longus 

7,7 

8,0 

6,0 

15 

33 

7,5 

8,5 

7,0 

11 

34 

M.  peronaeus  longus 

5,0 

6,0 

3,5 

27 

35 

M.  peronaeus  brevis 

2,9 

4,2 

1,8 

23 

36 

M.  gastrocnemius  medialis 

4,2 

5,5 

3,0 

66 

37 

M.  gastrocnemius  lateralis 

6,0 

7,0 

5,0 

45 

38 

M.  soleus 

3,4 

5,0 

2,5 

68 

39 

M.  plantaris 

4,3 

5,0 

3,8 

6 

40 

M.  poplitevis 

M.  flexor  digitorum  longus 

2,5 

3,2 

1,5 

15 

41 

2,6 

3,0 

2,1 

18 

42 

M.  tibialis  posterior 

2,4 

3,5 

1,6 

18 

43  1  M.  flexor  hallucis  longus 

4,3 

•'^'5  ,._ 

3,0 

23 

44 

M.  extensor  hallucis  brevis 

2.7 

'■>.0 

~     2,3 

11 

45 

M.  extensor  digitorum  brevis 

K.') 

2.7) 

0,8 

23 

46 

Caput  plantare 

2,6 

3,5 

22 

11 

47 

M.  flexor  digitorum  brevis 
M.  lumbricalis  I 

1,3 

2,0 

ois 

21 

48 

2,1 

2,3 

1,8 

5 

49 

M.  lumbricalis  II 

4,1 

1,3 

0,9 

4 

50 

M.  lumbricalis  III 

1,0 

1,2 

0,9 

3 

51 

M.  lumbricalis  IV 

1,5 

2,0 

1,1 

4 

52     M.  abductor  hallucis 

2,0 

2,5 

1,5 

7 

53 

M.  flexor  hallucis  brevis 

1,6 

2,0 

1,0 

14 

54 

M.  adductor  hallucis 

1,2 

1,8 

0,6 

12 

55 

M.  abductor  digiti  V 

2,0 

2,5.    - 

1,0 

19 

56 

M.  flexor  digiti  V  brevis 

1,2 

1,5 

1,0 

8 

57 

M.  opponens  digiti  V 
M.  interosseus  dorsalis  I 

1,5 

1,8 

1,2 

8 

58 

1,3 

1,8 

1,0 

10 

59 

M.  interosseus  dorsalis  II 

1,1 

1,5 

1,0 

10 

60 

M.  interosseus  dorsalis  III 

1,2 

1,5 

1,0 

14 

61 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

1,2 

\         1,7 

1,0 

15 

62 

M.  interosseus  plantaris  I 

0,9 

,      1,0 

0,7 

7 

63 

M.  interosseus  plantaris  II 

1,1 

1,5 

1,0 

10 

64     M.  interosseus  plantaris  III 

0,7 

1,0 

0,3 

9 

Beinmuskeln. 


641 


ß.   Beinmuskeln   in  der  Gruppierung  nach  ihrer  Muskelbündellänge. 


No. 


Muskelname 


Durchschnitt 


M.  sartorius 

M.  gracUis 

M.  semitendinosus 

venter  superior 
venter  inferior 


44 
45 
46 
47 
48 

49  I 

50  ' 

51  I 

52  ' 

53  I 

54  I 

55  I 

56  I 
57 
58 
59 
60 
61 
62 


M.  adductor  magnus 
M.  glutaeus  maximus 
portio  femoralis 
portio  cruralis 
M.  biceps,  caput  longum 
M.  pectineus 
M.  adductor  longus 
M.  biceps,  caput  breve 


psoas  major 
iliacus 


M.  vastus  medialis 

M.  adductor  brevis 

M.  adductor  minimus 

M.  vastus  lateralis 

M.  tensor  fasciae  latae 

M.  semimembranosus 

M.  quadratus  lumborum 

M.  glutaeus  medius 

M.  extensor  tligitorum  longus 

M.  extensor  hallucis  longus 

M.  tibialis  anterior 

M.  rectus  femoris 

M.  quadratus  femoris 

M.  gastrocnemius  lateralis 

M.  peronaeus  longus 

M.  psoas  minor 

M.  gemellus  superior 

M.  obturator  externus 

M.  plantaris 

M.  flexor  haUucis  longus 

M.  gastrocnemius  medialis 

M.  glutaeus  minimus 

M.  piriformis 

M.  gemellus  inferior 

M.  soleus 

M.  obturator  internus 

M.  peronaeus  brevis 

M.  extensor  hallucis  brevis 

M.  flexor  digitorum  longus 

Caput  plantare 

M.  popliteus 

M.  tibialis  posterior 


M.  lumbricalis  I 

M.  abductor  hallucis 

M.  abductor  digiti  V 

M.  flexor  hallucis  brevis 

M.  lumbricalis  IV 

M.  opponens  digiti  V 

M.  extensor  digitorum  brevis 

M.  interosseus  dorsalis  I 

M.  flexor  digitorum  brevis 

M.  adductor  hallucis 

M.  flexor  digiti  V  brevis 

M.  interosseus  dorsalis  III 

M.  interosseus  dorsalis  IV 

M.  lumbricalis  II 

M,  interosseus  dorsalis  II 

M.  interosseus  plantaris  II 

M.  lumbricalis  III 

M.  interosseus  plantaris  I 

M.  interosseus  plantaris  III 


25,1 

19,9 

9,7 

10,2 


17,2 
14,6 
17,6 
11,5 
12,3 
12,2 
11,4 
10,1 
10,0 
10,0 
9,8 


9,1 
8,4 
8,0 
7,8 
7,7- 
7,7 
7,5 
7,2 
6,2 
6,0 
6,0 
5,0 
4,5 
4,3 
4,3 
4,3 
4,3 
4,2 
4,0 
3,9 
3,9 
3,4 
3,1 
2,9 
2,7 
2,6 
2,6 
2,5 
2,4 


2,1 
2,0 
2,0 
1,6 
1,5 
1,5 
1,5 
1,3 
1,3 
1,2 
1,2 
1,2 
1,2 
1,1 
1,1 

1,1 
1,0 
0,9 
0.7 


642  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 


lY.  Gewichte  der  Beinmuskeln. 

Mit  Tabellen. 

An  erster  Stelle  steht  der  M.  quadriceps  femoris,  den  wir  ja  als 
Triceps  bezeichnet  wissen  möchten,  mit  1200  g-  beim  Weibe  und 
1870  g-  beim  Manne.  Mit  einem  enormen  Abstände  kommt  mit  etwa 
500  g  erst  der  folgende  Muskel,  der  M.  glutaeus  maximus.  Diese 
Tatsache  gibt  zu  denken.  Der  M.  triceps  brauchte  sein  außerordent- 
liches Gewicht  nicht,  wenn  er  nur  die  Aufgabe  hätte,  den  beweglichen 
Unterschenkel  gegen  den  Oberschenkel  zu  strecken.  Seine  Haupt- 
aufgabe beruht  darin,  den  sitzenden  Körper  aufzurichten,  d.  h.  den 
Oberschenkel  gegen  den  Unterschenkel  zu  strecken,  wobei  er  keinen 
Synergisten  aufzuweisen  hat.  Man  ist  imstande,  dies  auf  einem  Fuße 
zu  bewerkstelligen.  —  Der  M.  glutaeus  maximus  zeigte  bei  unseren 
beiden  Präparaten  fast  das  gleiche  Gewicht,  wie  es  auch  bei  den  M. 
biceps,  tibialis  posterior  und  verschiedenen  kleinen  Fußmuskeln  der 
P'all  war.  Nur  in  seltenen  Fällen  war  beim  weiblichen  Beine  das 
Gewicht  größer,  als  beim  Manne,  z.  B.  beim  M.  glutaeus  maximus, 
ferner  beim  M.  piriformis,  M.  quadratus  femoris,  M.  liexor  digiti 
quinti  brevis.  Erhebliche  Unterschiede  zeigen  sich  bei  den  M.  triceps 
1200—1870,  iliopsoas  260—475,  glutaeus  minimus  90—186,  tensor 
fasciae  latae  50—115,  semitendinosus  100—200,  soleus  290 — 400  g. 
Wenn  man  nun  die  Gesamtmasse  der  Muskulatur  der  Glutäalgruppe 
einschließlich  des  M.  tensor  fasciae  latae  (M.  glutaeus  anterior  nobis) 
zusammenrechnet,  kommen  wir  beim  Weibe  auf  900  g,  beim  Manne 
auf  1151.  So  geht  bei  der  Frau  das  Ueberge wicht  des  M.  glutaeus 
maximus  wiederum  verloren.  Ein  Muskel  tritt  eben  ergänzend  für 
den  anderen  ein.  Der  bei  beiden  Fällen  gleichschwere  M.  biceps  hat 
für  die  Auswärtsrotation  des  Unterschenkels  keinen  Synergisten,  und 
so  läßt  sich  vielleicht  die  Erklärung  finden,  warum  er  gleichschwer 
war;  wenn  man  aber  die  Gesamtmasse  der  Beuger  am  Oberschenkel 
zusammenrechnet,  ergibt  sich  für  das  weibliche  Präparat  ein  Gewicht 
von  595  g,  beim  männlichen  von  825.  Dem  einheitlichen  Schenkel- 
strecker, welcher  nur  am  Oberschenkel  Muskelsubstanz  besitzt  und 
am  Unterschenkel  als  Ligamentum  patellae  bezeichnet  wird,  stehen 
die  Beuger  gegenüber,  welche  mit  ihren  Bäuchen  sowohl  auf  Ober- 
wie  Unterschenkel  verteilt  sind;  I.  erstere  beugen  den  Unterschenkel 
des  Spielbeines,  II.  letztere,  welche  auch  den  M.  popliteus  und  das 
Caput  breve  des  M.  biceps  umfassen,  den  Oberschenkel  des  Stand- 
beines.   Die  Gewichte  ergeben: 

für  den  M.  triceps  1200-1870  g, 

für  die  Beuger  am  Oberschenkel,  d.  h.  die  M.  biceps,  semitendi- 
nosus und  semimembranosus  595—825  g, 

für  die  Beuger  am  Unterschenkel,  d.  h.  die  M.  gastrocnemius, 
plantaris,  soleus  und  popliteus  579—815  g. 

Das  Gesamtgewicht  beider  Beugegruppen  beträgt  also  1174  bzw. 
1640  g.  Wir  können  daraus  sehen,  daß  bei  beiden  Präparaten  eine 
ziemlich  genaue  Uebereinstimmung  zwischen  den  Gewichten  des 
Streckers  und  der  Beuger  besteht,  letztere  sich  auch  außerdem  noch 
untereinander  das  Gleichgewicht  halten.  Die  Unterschiede  betragen 
nur  18—10  g.    Vielleicht  ist  die  Difterenz  durch  die  Präparation  ent- 

228 


Gewichte  der  Beinmuskeln. 


643 


Beinmuskeln  nach  der  Reihenfolge  ihrer  Gewichte. 


No. 


Beim  weiblichen  Beine 
Muskelname 


weib- 

männ- 

männ- 

lich 

lich 

lich 

1200 

1870 

1870 

530 

525 

525 

335 

400 

475 

305 

305 

400 

290 

400 

400 

265 

370 

370 

260 

475 

325 

230 

325 

320 

190 

320 

305 

110 

157 

200 

100 

200 

186 

95 

164 

164 

90 

122 

157 

90 

168 

122 

75 

78 

115 

70 

88 

103 

65 

103 

100 

60 

92 

92 

55 

85 

88 

50 

115 

85 

47 

80 

82 

45 

82 

80 
78 

45 

74 

74 

42 

100 

40 

70 

70 

36 

32 

54 

32 

35 

43 

26 

15 

35 

25 

54 

32 

20 

30 

30 

19 

43 

28 

18 

20 

26 

15 

26 

25 

15 

16 

23 

13 

23 

23 

12 

23 

20 

12 

28 

16 

12 

13 

15 

7 

10 

15 

6 

15 

14 

6 

14 

13 

6 

25 

10 

5 

8 

10 

5 

2,5 

8 

5 

5 

6 

5 

10 

5,5 

4 

6 

5 

3 

5,5 

3,7 

1 

3,7 

2,7 

1 

2,7 

2,5 

1 

2 

2,5 

1 

1,5 

2 

0 

2,5 

1,5 

0 

1 

1 

Beim  männlichen  Beine 
Muskelname 


No 


1  M. 

2  M. 

3  ,M. 

4  M. 

5  M. 

6  M. 

7  M. 

8  '  M. 

9  M. 

10  M. 

11  M. 


14  M. 

15  M. 

16  M. 

17  ,M. 

18  M. 
1  9  M. 

20  M. 

•21  M. 

•>2  M. 

•23  '  M. 

24  •  M. 

25  M. 

26  M. 

27  M. 

28  M. 

29  M. 

30  M. 

:!1  M. 

:;2  M. 

:■.:•.  M. 

;  i  M. 

■,:>  M. 

.ili  M. 

37  M. 

38  M. 

39  M. 

40  M. 

41  M. 
12  M. 
V.\  M. 

44  M. 

45  M. 

46  M. 

47  IM. 

48  !m. 

19  'M, 
-|0  M. 

.1  M. 

-2  i  M. 

:>■■'.  M. 

.  1  M. 


triceps 

glutaeus  maximus 
adductor  magnus 
biceps  femoris 
soleus 

gastrocnemius 
iliopsoas 
glutaeus  medius 
semimembranosus 
sartorius 
semitendinosus 
adductor  longus 
tibialis  anterior 
glutaeus  minimus 
tibialis  posterior 
peronaeus  longus 
adductor  brevis 
gracilis 

adductor  minimus 
tensor  fasciae  latae 
flexor  haUucis  longus 
pectineus 

extensor  digitorum  long, 
-f-  peronaeus  tertius 
obturatur  internus 
obturator  extern  us 
piriformis 
peronaeus  brevis 
quadratus  femoris 
quadratus  lumborum 
extensor  hallucis  longus 
flexor  digitorum  longus 
poplitcus 
abductor  hallucis 
atlductor  hallucis 
abductor  digiti  quinti 
quadratus  plantae 
flexor  digitorum  brevis 
flexor  liallucis  l^revis 
extensor  digitorum  brevis 
gemellus  superior 
gemellus  inferior 
plantaris 

extensor  hallucis  brevis 
opponens  digiti  qjuinti 
flexor  digiti  quinti  brevis 
interosseus  dorsaUs  IV 
interossous  dorsalis  I 
interosseus  dorsalis  III 
interosseus  plantaris  II 
interosseus  plantaris  III 
lumbricalis  I 
lumbricalis  IV 
lumbricalis  III 
lumbricalis  11 


tnceps 

glutaeus  maximus 
üiopsoas 

adductor  magnus 
soleus 

gastrocnemius 
glutaeus  medius 
semimembranosus 
biceps  femoris 
semitendinosus 
glutaeus  minimus 
adductor  longus 
sartorius 
tibiaUs  anterior 
tensor  fasciae  latae 
adductor  brevis 
obturator  internus 
gracUis 

peronaeus  longus 
adductor  minimus 
pectineus 

flexor  hallucis  longus 
tibialis  posterior 
extensor  digitorum  long. 
-f  peronaeus  tertius 
obturator  externus 
quadratus  lumborum 
flexor  digitorum  longus 
peronaeus  brevis 
piriformis 

extensor  hallucis  longus 
flexor  digitorum  brevis 
abductor  hallucis 
plantaris 

quadratus  plantae 
abductor  digiti  quinti 
popliteus 
adductor  hallucis 
quadratus  femoris 
gemellus  superior 
gemellus  inferior 
flexor  hallucis  brevis 
extensor  digitorum  brevis 
interosseus  dorsalis  IV 
extensor  hallucis  bre\as 
interosseus  dorsalis  I 
interosseus  dorsalis  III 
flexor  digiti  quinti  l)re\'is 
interosseus  plantaris  II 
interosseus  plantaris  III 
opponens  digiti  quinti 
lumbricalis  III 
lumbricalis  I 
lumbricalis  lA" 
lumbricalis  II 


Standen.     Jedenfalls   muß   für   praktische  Zwecke   die   gleichmäßige 
Trennung  in  eine  proximale  und  distale  Hälfte  hervorgehoben  werden. 
Für  die  Strecker  und  Beuger  der  Zehen  ergeben  sich  noch  bessere 
Üebereinstimmungen,     Die  entsprechenden  Gewichte  betragen: 


229 


644 

für  die  Strecker,  d.  h.  die  M.  extensor  hallucis  longus,   extensor 
digitorum    longus,    extensor    digitorum    brevis    und    extensor 
hallucis  brevis  77—122  g, 
für  die  Beuger,   d.  h.   die  M.  flexor  hallucis   longus,   flexor  digi- 
torum  longus,   Caput  plantare  und  M.  flexor  digitorum  brevis 
35-159  g. 
Wir   sehen   daraus,   daß  bei  der  weiblichen  Leiche  ein  Gleich- 
gewicht   zwischen   Beugern    und    Streckern    bestanden    haben    muß, 
während   bei  dem  Manne  die  Strecker  hinter  den  Beugern  etwas  zu- 
rückblieben.    Dies  läßt   sich  dadurch  erklären,  daß  ein  Plattfuß  vor- 
handen  war,   welcher  den  M.  tibialis  posterior  verkümmern  ließ  (75 
und  78  g)  und  eine  stärkere  Entwicklung  der  Beugemuskeln  erforderte. 
Für  die  Dorsal-  und  Plantarflexion  des  Fußes  finden  wir  folgende 
Ergebnisse,  wenn  wir  als  Extensoren  die  M.  tibialis  anterior  und  ex- 
tensor   digitorum   longus    et   peronaeus    tertius    bezeichnen    und    als 
Flexoren  die  M.  gastrocnemius  und  plantaris  auffassen : 
Strecker    135—196  g, 
Beuger      271—395  g. 
Vergleicht  man   die  Zahlen  miteinander,  so  sieht  man  eine  Ge- 
setzmäßigkeit, wie  sie  nicht  schöner  gedacht  werden  kann ;  der  Unter- 
schied erfährt  bei  der  Verdoppelung  nur  eine  Erhöhung  um  1  bei  dem 
weiblichen   Präparate   (135—271),   beim   männlichen  nur  um  3  (196 
bis  395). 

Die  Extensoren  brauchen  nicht  so  stark  zu  sein,  wie  die  Flexoren, 
weil  sie  nur  passive  Bewegungen  ausführen,  um  den  ziemlich  leichten 
Fuß  dem  Unterschenkel  zu  nähern  und  die  Flexoren  nach  ihrer  Tätig- 
keit wieder  ins  Gleichgewicht  zurückzubringen. 


V.  Varietäten. 

Einleitung. 

Wir  haben  darauf  verzichtet,  jedem  einzelnen  Muskel  als  Nach- 
trag die  Varietäten  beizufügen  mit  Ausnahme  derjenigen  Fälle,  welche 
zur  Erklärung  der  normalen  Einrichtungen  wesentlich  beitragen.. 
Hierzu  dienten  uns  besonders  die  in  der  Berliner  Anatomie  beob- 
achteten Muskelvarietäten  —  im  Texte  mit  V.  B.  (Varietates  Beroli- 
nenses)  bezeichnet.  —  Im  übrigen  haben  wir  dieselben  nach  folgenden 
Gesichtspunkten  angeordnet : 

I.  Nach  Fehlen  oder  Verkümmerung. 
II.  Nach  Verdoppelung  oder  Doppelschichtung. 

III.  Nach  Vergrößerung  des  Ursprunges  und  Ansatzes. 

IV.  Nach  Muskel-  und  Sehnenkonjugationen. 

V.  Nach  überzähligen  Muskeln,  welche  wir  noch  in  3  Unterabschnitte 
gesondert  haben: 

a)  in  sogenannte  M.  tensores  fasciae,   welche  für  Oberschenkel, 
Unterschenkel  und  Fuß  besonders  beschrieben  sind, 

b)  in  Sehnen,  welche  innerhalb   der  Sehnenscheiden  an  einem 
bestimmten  Punkte  ihrer  Wand  ihren  Ansatz  finden,  und 

c)  Anhang. 

VI.  Als  besondere,  überaus  seltene  Varietäten  haben  wir  diejenigen 
Fälle  aufgeführt,  welche  sich  nicht  in  eine  der  vorigen  Gruppen 
einordnen  ließen. 

230 


Varietäten.  645 

Spezieller  Teil. 

I.  Fehleu  oder  Verkümmerung: 

A.  Ohne  pathologische  Veräuderuugen : 

a)  Häufig  fehlen  die  M.  plantaris,  geraelli,  quadratus  feraoris, 
flexor  digiti  quiuti  brevis; 

b)  seltener  die  M.  sartorius,  pectineus,  peronaeus  tertius; 

c)  Ausnahmefälle:  M.  popliteus,  soleus,  extensor  digitorum  et 
hallucis  brevis,  opponens  digiti  quinti,  flexor  digitorum  brevis,  Ur- 
spruug  des  M.   rectus  femoris  vom  Acetabulum. 

B.  Sicher  durch  pathologische  Veränderungen  bedingt: 

a)  M.  semimembranosus,  tensor  fascie  latae,  M.  biceps  caput 
breve,  Caput  laterale  des  M.  gastrocnemius,  vordere  Bündel  der  M. 
glutaei  medius  und  minimus,  oberer  Abschnitt  des  M.  glutaeus  maximus, 
M.  piriformis,  M.  semitendinosus.  Der  Gruud  für  diese  überwiegend 
bei  weiblichen  Leichen  gefundene  Verkümmerung,  welche  sieh  wohl 
nur  auf  Lähmungen  zurückführen  dürfte,  betrifft  den  Druck  auf  den 
Truncus  lumbosacralis  während  des  Geburtsaktes. 

b)  Für  den  Unterschenkel  hat  die  Atrophie  des  lateralen  Gastro- 
cnemiuskopfes  wohl  die  gleiche  Bedingung,  wie  diejenige  der  am  Ober- 
schenkel gelegenen  Muskeln,  wie  auch  die  des  M.  soleus.  Denn  alle 
diese  Muskeln  werden  versorgt  vor  allem  durch  die  N.  lumbales  IV 
und  V,  vom  Truncus  lumbosacralis  aus,  welcher  beim  Gebärakte  der 
besonderen  Druckgefahr  ausgesetzt  ist.  Dieselbe  Gefährdung  können 
wir  nicht  für  den  M.  tibialis  posterior  annehmen,  dessen  Schwächung 
bis  zur"  Atrophie  Berufsstörungen  angehört  (Plattfuß  der  Bäcker  und 
anderer  Berufsarten,  die  zum  mehrstündigen  Stehen  Veranlassung 
geben). 

In  den  V.B.  (54)  Fehlen  des  M.  semimembranosus  beiderseitig 
bei  einer  weiblichen  Leiche,  (221)  Fehlen  des  M.  semimembranosus 
rechts,  links  als  ganz  dünner  Strang  vom  Tuber  ischiadicum  bis  zum 
Unterschenkel;  Ansatz  mit  2  feinen  Sehnen  in  der  Patte  d'oie  und 
der  zweiten  im  Muskelbauche  des  M.  gastrocnemius. 

c)  Am  Fuße  entstehen  eine  Anzahl  von  Varietäten  durch  den 
Druck  des  Schuhwerkes,  welche  in  erster  Linie  die  M.  lumbricales 
und  das  Caput  transversum  des  M.  adductor  hallucis  betreft'en.  Die 
M.  interossei  sind  in  vielen  Fällen  fast  atrophisch,  im  einzelnen  oder 
auch  im  ganzen. 

IL  Verdoppelungen  sind  beobachtet  bei  den  M.  gemellus  superior, 
sartorius,  dem  Ursprünge  des  M.  rectus  femoris  von  der  Spina  iliaca 
anterior  inferior,  M.  adductor  longus,  brevis  und  magnus.  Beim  M. 
adductor  brevis  dürfte  die  Verdoppelung  normal  sein,  beim  M.  ad- 
ductor magnus  stellt  sie  eine  Sonderung  in  eine  Portio  flexoria  und 
adductoria  dar.  Auch  der  M.  semimembranosus  kann  in  ganzer  Länge 
verdoppelt  sein.  Eine  Verdoppelung  des  M.  tibialis  anterior  kommt 
in  seinem  seimigen  Teile  vor.  Bei  den  M.  soleus  und  tibialis  posterior 
kann  sie  im  muskulären  Teile  vorhanden  sein;  bei  den  M.  lumbricales 
ist  sie  im  muskulären  Teile  und  im  sehnigen  Ansätze  verwirklicht. 

Die  Doppelschichtung  betriift  nur  Muskeln  von  großer  Dicke  und 
ist  nach  unserer  Auffassung  bedingt  durch  den  intramuskulären  Ver- 
lauf der  Nerven  und  der  Hauptgefäße,  wenn  diese  b3im  Eintritte  eine 
Area  nervovasculosa  bilden  und  sind  beschrieben  bei  den  M.  glutaei 
maximus  und  medius,  obturator  internus,  vasti  medialis  und  lateralis, 

231 


646 

sogar  beim  M.  pectineus,  nach  unseren  Beobachtungen  jedoch  nur  bei 
Doppelinnervation  durch  die  N.  femoralis  und  obturatorius  und  schließ- 
lich bei  dem  M,  gastrocnemius. 

III.  Vergrößerung  des  Ursprunges  oder  Ansatzes.  Diese  kann 
in  sämtlichen  Regionen  eintreten  und  betrifft  hauptsächlich  die  er- 
höhte Ausdehnung  des  Ursprunges,  welcher  sich  auf  Knochen,  Bänder 
und  Gelenkkapseln  unter  Bildung  von  knöchernen  Sesambeinen  oder 
faserknorpeligen  Verdickungen  erstrecken  kann.     So  kann  : 

1)  der  M.  piriformis  vom  1.  bis  5.  Kreuzwirbel  und  sogar  bis 
zum  Os  coccygis  entspringen. 

2)  Der  M.  gemellus  superior  kann  in  der  Hüftgelenkskapsel  an- 
setzen, 

3)  der  M.  pectineus  vom  Hüftgelenke  herkommen  oder  am 
Trochanter  minor  besonders  anheften.  Der  M.  glutaeus  minimus  be- 
sitzt (V.B.  379)  eine  besondere  untere  Portion, 

4a)  das  Caput  longum  des  M.  biceps  femoris  vom  Os  sacrum, 
coccygis,  Tuber  ischiadicum,  Lig.  sacrotuberosum,  M.  glutaeus  maximus 
entspringen  und 

4b)  das  Caput  breve  von  der  Fascia  lata,  Linea  aspera  medialis, 
Epicondylus  lateralis,  M.  adductor  magnus,  M.  vastus  lateralis  und 
selbst  vom  Lig.  sacrotuberosum  (Spuler,  s.  S.  164,  Rauber-Kopsch, 
wo  die  Originalabbildung  mitangegeben  ist). 

5)  Der  M.  sartorius  kann  am  Lig.  patellae  ansetzen. 

6)  Der  M.  semitendinosus  entspringt  getrennt  vom  langen  Biceps- 
kopfe  am  Tuber  ischiadicum;  vom  Os  coccygis,  ischii,  Linea  aspera, 
Lig.  sacrotuberosum. 

In  den  V.B.  (1)  findet  sich  eine  Vergrößerung  des  Ursprunges 
des  medialen  Kopfes  des  M.  gastrocnemius,  4  cm  oberhalb  von  dem 
normalen  Ursprünge  und  setzt  sich  in  der  Mitte  der  beiden  vereinigten 
Gastrocnemiusköpfe  an. 

7)  Die  Varietäten  des  M.  plantaris  haben  wir  in  einem  besonderen 
Abschnitte  bei  Vc  aufgeführt. 

8)  Der  M.  tibialis  anterior  hat  Verbindungen  entweder  lateral- 
oder  medialwärts  zur  Artic.  metatarsophalangea.  In  den  V.B.  (320) 
wird  eine  sehnig-muskulöse  Konjugation  zwischen  ihm  und  dem  M. 
exten sor  longus  digiti  II  von  4  cm  Länge  und  3 — 4  mm  Breite  be- 
schrieben, und  bereits  eine  Ziffer  später  (321)  ein  ebenfalls  lateraler 
Ansatz  an  der  Basis  des  3.  Metatarsalknochens  der  Artic  metatarso- 
phalangea II  und  des  M.  extensor  hallucis  brevis  in  der  Höhe  der 
Artic.  metatarsophalangea  I. 

9)  Der  M.  extensor  digitorum  longus  kann  ansetzen  an  einer 
benachbarten  Zehe,  einem  Os  metatarsale,  einer  Sehne  des  M.  extensor 
brevis  oder  an  anderen  Stellen  des  Fußrückens.  In  den  V.B.  (419) 
finden  wir  folgenden  Fall  angegeben :  sämtliche  Sehnen  des  M.  extensor 
digitorum  longus  mit  Ausnahme  der  für  die  3.  Zehe  hatten  über- 
zählige Ansätze  an  allen  Artic.  metatarsophalangeae,  teilweise  unter 
Bildung  selbständiger  Sehnen,  so  daß  an  Stelle  der  für  gewöhnlich 
vorhandenen  b  deren  11  vorkamen.  Hierdurch  wurde  der  Beweis 
einer  auch  beim  Menschen  vorkommenden  allgemeinen  Sehnenplatte 
des  Dorsum  pedis  geliefert.  Unter  No.  427  wird  eine  Doppelteilung 
desselben  Muskels  in  eine  mediale  Hälfte  für  die  2.  und  3.  Zehe  und 
eine  laterale  für  die  4.  und  5.  beschrieben. 

232 


Varietäten.  647 

10)  Die  Sehne  des  M.  extensor  hallucis  entsendet  selten  ein 
Bündel  zum  Os  metatarsale  I. 

11)  Der  M.  peronaeus  tertius  sendet  eine  Nebensehne  zur  5.  Zehe, 
zur  Basis  des  Os  metatarsale  IV  und  anderen  benachbarten  Stellen. 
In  den  V.B.  (387)  finden  wir  eine  doppelte  Sehne  des  M.  peronaeus 
tertius;  2,5  cm  proximal  vom  Fußgelenke  zweigt  sich  vom  tibialen 
Rande  der  Hauptsehne  ein  dünner  schmaler  Sehnenfaden  ab,  welcher 
nach  einem  8  cm  langen  Verlaufe  über  dem  Rücken  des  Mittelfußes 
in  zwei  Zipfel  sich  teilt,  der  1,5  cm  lange  tibiale  geht  zur  Sehne  des 
M.  extensor  longus  digiti  quinti,  der  fibulare  5,5  cm  lange  an  die 
Basis  der  5.  Eudphalange. 

12)  Der  M.  tibialis  posterior  kann  ansetzen  am  2.,  3.  oder  4.  Os 
metatarsale  und  am  Os  cuboideum  und  auch  am  M.  flexor  brevis  hal- 
lucis. Außerdem  halten  wir  die  von  Poirier  gegebene  Abbildung 
(Fig.  180,  S.  264)  für  richtig,  welcher  ein  tendon  ligamenteux  angibt 
zur  Artic.  calcaneocuboidea  und  ein  „tendon  recurrent"  zur  plantaren 
Fläche  des  Sustentaculum  tali. 

13)  Der  M.  flexor  hallucis  longus  schickt  zuweilen  eine  stärkere 
Sehne  zur  2.  Zehe  als  Ersatz  für  die  fehlende  des  M.  flexor  digitorum 
longus.  Ueberhaupt  betreffen  die  Varietäten  nur  den  extravaginalen 
Ansatz  an  der  Sehne  des  M.  flexor  digitorum  longus  und  des  Caput 
plantare,  oder  den  intravaginaleu  am  Sustentaculum  tali ;  auf  letzteren 
haben  wir  bei  Vb  zurückzukommen. 

14)  In  den  V.B.  (49)  finden  wir  einen  M.  flexor  brevis  digiti 
quinti  accessorius  vom  Lig.  talonaviculare,  also  vom  Schlüsselbande 
des  ÜHOPARTscheu  Gelenkes  schräg  unter  den  tiefen  Beugesehnen 
zur  5.  Zehe  hin;  mithin  die  äußerste  Möglichkeit  an  der  Versorgung 
der  lateralen,  Kleinzehen-  von  der  medialen,  Großzehenseite  aus. 
Ferner  unter  No.  112  einen  akzessorischen  Kopf,  welcher  selbständig 
mit  dünner  Sehne  vom  Fersenbeinhöcker  entspringt. 

15)  Der  M.  abductor  hallucis  entsendet  häufig  einen  Sehnenstreifen 
zur  2.  Zehe,  nicht  allein  zur  medialen,  sondern  auch  zur  lateralen  Seite. 

16)  Der  M.  flexor  hallucis  brevis  entspringt  häufig  aus  der  Sehnen- 
scheide des  M.  tibialis  posterior. 

17)  Das  Caput  plantare  kann  bis  zum  Unterschenkel  heranreichen 
und  hierbei  von  beiden  Knochen,  sowohl  der  Tibia,  wie  mit  Vorliebe 
der  Fibula  entspringen,  letztere  auch  nicht  erreichend,  wenn  sich  der 
Ursprung  auf  die  Fascia  cruris  profunda  beschränkt. 

18)  Nach  den  V.B.  (64)  entspringt  der  M.  lumbricalis  IV  auch 
aus  dem  M.  interosseus  dorsalis  IV. 

19)  Die  als  Varietät  beschriebene  Anheftung  des  M.  abductor 
hallucis  an  der  2.  Zehe  führen  wir  zurück  auf  eine  nicht  ausreichende 
Präparation  des  entsprechenden   tiefen  Zuges  der  Plantaraponeurose. 

20)  Der  M.  adductor  hallucis  kann  mit  seinem  Caput  obliquum 
eine  Sehne  zur  2.  Zehe  schicken,  aber  auch  am  Os  metatarsale  I  an- 
setzen. W.  Krause  hat  die  Bezeichnung  dieses  Muskels  mit  vollem 
Rechte  als  nicht  gleichbedeutend  mit  einem  M.  opponens  bezeichnet. 
Es  würde  sich  in  diesem  B^alle  um  einen  M.  plantaris  I  mit  der  An- 
heftung an  dem  Os  metatarsale  II  handeln. 

Das  Caput  transversum  kann  sich  ebenfalls  in  abnormer  Weise 
an  der  medialen  Seite  der  2.  Zehe  ansetzen  (V.B.  195).  Unsere 
neurologischen  Untersuchungen  lassen  diese  Varietäten  vollkommen 
zu,  indem  der  motorische  Anteil  des  N.  plantaris  medialis  am  Grenz- 

233 


648  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

bezirke  des  Großzehenballens,  soweit  er  dem  medialen  Fußrande  iu 
Gestalt  des  Caput  mediale  des  M.  flexor  hallucis  brevis  angehört, 
ansehnliche  Anastomosen  zu  den  lateralen  Muskeln  zuschickt,  d.  h. 
zum  Caput  laterale  des  M.  flexor  hallucis  brevis  und  dem  Gesamten 
M.  adductor  hallucis,  obwohl  dessen  distale  Partie,  das  Caput  trans- 
versum,  nur  selten  hierbei  in  Frage  kommt, 

21)  Der  M.  abductor  digiti  quinti  ist  von  uns  in  ausführlicher 
Weise  nach  3  Präparaten  beschrieben  worden.  Varietäten  dieses 
wechselvollen  Muskels  sind  sonderbarerweise   nur  wenige  angegeben. 

22)  Au  der  Selbständigkeit  des  M.  opponens  halten  wir  trotz  der 
gegenteiligen  Auffassung  von  H.  Virchov^^  als  normaler  Einrichtung 
fest. 

IV.  Muskel-  und  Sehnenkonjugationen: 

1)  In  der  Rinne,  welche  normalerweise  die  Lagerstätte  für  den 
N.  femoralis  bildet,  kann  häufig  nach  den  V.B.  eine  Muskelkonjugation 
zwischen  den  M.  iliacus  und  psoas  major  bestehen,  welclie  eine  plexus- 
artige  Auflösung  des  N.  femoralis  bedingt  und  die  sensiblen  Elemente, 
nämlich  den  N.  cutaneus  femoris  lateralis,  einen  stellvertretenden  N. 
lumboinguinalis  und  auch  die  N.  cutanei  femoris  anteriores  gesondert 
zu  ihrem  Hautbezirke  am  Oberschenkel  treten  läßt,  während  der 
eigentliche  N.  femoralis  durchaus  typisch  verläuft. 

2)  Die  N.  glutaei  medius  und  minimus  sind  normalerweise  vorn 
miteinander  taschenartig  verbunden. 

3)  Die  Sehne  des  M.  piriformis  kann  mit  der  der  M.  gemellus 
superior  oder  obturator  internus  zusammenhängen. 

4)  Der  M.  quadratus  femoris  kann  untrennbar  mit  den  M.  ge- 
mellus inferior  und  adductor  minimus  verschmolzen  sein  oder 

5)  der  M.  pectineus  mit  den  M.  obturator  externus  oder  adductor 
longus.  Es  handelt  sich  in  solchen  Fällen  nur  um  sehnige  Konju- 
gationen, welche  einem  stumpfen  Messer  Widerstand  entgegensetzen, 
auf  dem  Präpariersaale  deshalb  häufig  beschrieben  werden,  sich  aber 
sonst  als  fast  normale  Befunde  darstellen. 

6)  Ebenso  stößt  die  von  Waldeyer  geforderte  Sonderung  des 
M.  adductor  magnus  vom  minimus  auf  technische  Schwierigkeiten ; 
indessen  hat  auch  >  Poirier  (s.  S.  228)  bereits  die  Selbständigkeit 
des  M.  adductor  minimus  betont,  welche  präparatorisch  am  leichtesten 
von  der  Rückseite  nachgewiesen  werden  kann.  Er  nennt  ihn  aller- 
dings in  der  Muskel  beschreibung  „faisceau  superieur  du  grand  ad- 
ducteur"  (Fig.  160). 

7)  Das  Caput  longum  m.  bicipitis  (V.B.  465)  hängt  mit  dem  M. 
semitendinosus  durch  eine  2  Querfinger  breite  Muskelkonjugation 
zusammen,  welche  aus  der  Tiefe  des  M.  biceps  entspringt  und  sich 
medialwärts  zur  Ansatzsehne  des  M.  semitendinosus  wendet. 

8)  Der  M.  adductor  magnus  kann: 

a)  mit  dem  M,  semimembranosus  bereits  am  Tuber  ischiadicum 
zusammenhängen. 

b)  Ein  15  cm  langer  und  1,5  cm  breiter  Muskelbauch  (V.B.  258) 
setzt  mit  doppelten  Köpfen  unterhalb  des  Adductorenschlitzes  im  Be- 
ginne der  Endsehne  des  M.  semimembranosus  an. 

c)  In  dem  Falle  V.B.  (303)  entspringt  ein  akzessorischer  Kopf 
des  M.  semimembranosus  von  der  Fascie  des  M.  adductor  magnus 
und  vereinigt  sich  in  der  Mitte  des  Oberschenkels  mit  dem  Haupt- 
bauche zu  einem  Vs  so  starken  Muskel,  wie  an  dem  anderen  Beine, 

234 


Varietäten.  649 

Wir  legen  auf  diese  Varietäten  den  allergrößten  Wert,  weil  durch  sie 
der  Beweis  erbracht  wird,  daß  unsere  neurologischen  Unter- 
suchungen, welche  den  normalen  Zusammenhang  der  unteren 
Portion  des  M.  adductor  magnus  mit  dem  gesamten  M.  semimembra- 
nosus  nachweisen,  auch  durch  Muskelvarietäten  ihre  einwand- 
freie Bestätigung  finden. 

d)  Auch  das  Caput  breve  des  M.  biceps  V.B.  (71)  kann  durch 
ein  dünnes  Bündel  dicht  hinter  den  Vasa  poplitea  mit  dem  M.  ad- 
ductor magnus  zusammenhängen.  Hierdurch  wird  in  noch  schlagen- 
derer W^eise  der  Beweis  geführt,  daß  als  tiefe  Beugeschicht  am  Ober- 
schenkel der  M.  semimembranosus,  das  Caput  breve  des  M.  biceps 
und  die  Portio  longitudinalis  des  M.  adductor  magnus  aufzufassen  sind. 

9)  Der  M.  extensor  digitorum  longus  kann,  wie  bereits  erwähnt, 
mit  11  Sehnen  die  Zehengegend  versorgen  und  so  dem  Handrücken- 
bilde entsprechen. 

10)  In  den  V.B.  (173)  finden  wir  den  Ersatz  für  die  fehlende 
Sehne  des  M.  flexor  digitorum  longus  der  2.  Zehe  und  des  M.  flexor 
digitorum  brevis  für  die  3.  Zehe  aus  einer  Sehnenkonjugation  mit 
dem  M.  flexor  hallucis  longus  angegeben. 

V.  Ueberzählige  Muskeln. 

a)  M.  tensores  fasciae. 

1)  Daß  der  M.  tensor  fasciae  latae  seinen  Namen  vollkommen 
zu  Unrecht  führt,  hoffen  wir  in  unserer  Beschreibung  (s.  S.  60)  nach- 
gewiesen zu  haben. 

2)  Der  M.  gracilis  sendet  zuweilen  im  distalen  Drittel  des  Ober- 
schenkels einige  Sehnenfasern  zur  Fascia  lata. 

3)  Der  M.  semimembranosus  kann  ebenfalls  mit  einem  Muskel 
sich  in  die  Fascia  cruris  fortsetzen  —  M.  tensor  fasciae  cruralis. 

4)  In  ähnlicher  Weise  fassen  wir  den  Fall  188  der  V.B.  auf, 
in  welchem  bei  einer  Verdoppelung  des  M.  sartorius  das  laterale 
fingerdicke  Bündel  bereits  in  der  Höhe  des  Epicondylus  medialis 
endete. 

5)  Der  M.  biceps  sandte  im  gleichen  Falle  auch  ein  Bündel  zur 
Fascia  cruris. 

6)  Der  mediale  Kopf  des  M.  gastrocnemius  liefert  einen  Tensor 
fasciae  cruris  (V.B.  468). 

7)  M.  tensor  fasciae  plantaris  —  sehr  selten  —  entspringt  unter 
dem  Ursprünge  des  M.  soleus,  inseriert  am  Lig.  laciniatum  oder  am 
€aput  plantare  oder  geht  in  die  Aponeurosis  plantaris  über  (W.  Krause). 
Wir  haben  diesen  Muskel  hier  mit  angegeben,  weil  er  einen  beson- 
deren Namen  erhalten  hat,  sind  aber  der  Auffassung,  daß  es  sich  um 
einen  cruralen  M.  plantaris  handelt. 

8)  Der  M.  tibialis  anterior  gibt  zuweilen  einen  Sehnen-  oder 
Muskelzug  zum  Lig.  cruciatum  —  M.  tensor  fasciae  dorsalis  pedis. 

9)  Verdoppelung  des  M.  plantaris,  welcher  mit  akzessorischer 
dünner  Sehne  sich  in  der  Fascia  cruris  etwa  in  der  Mitte  der  Tibia 
anheftet  (V.B.  242). 

b)  Tendines  intravaginales. 

1)  Ein  M.  peronaeus  quartus  entspringt  vom  lateralen  Condylus 
der  Tibia  zwischen  dem  eigentlichen  M.  peronaeus  longus  und  dem 
M.  extensor  digitorum  longus.  Der  Bauch  ist  zur  Hälfte  muskulös 
und   setzt    sich   mit  einer  schmalen   Sehne  iutravaginal  an  der 

235 


650  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

TrocMea  des   Calcaneus  an  (V.B.  211).     Aehiiliche  Fälle  sind  auch 
von  uns  beobachtet  worden. 

2)  Ein  M.  tensor  vaginae  mucosae  des  M,  flexor  hallucis  longus 
mit  der  Anheftung  an  der  unteren  Leiste  der  Rinne  des  Sustentaculum 
tali  wird  bei  V.B.  172  beschrieben. 

c)  Anhang.    Varietäten  des  M.  plantaris. 

Diese  sind  die  häufigsten  an  der  unteren  Extremität  und  so  in 
die  Augen  fallend,  daß  sie  nicht  einmal  vom  Anfänger  übersehen 
werden  können.  Der  akzessorische  Kopf  liegt  gewöhnlichlich  am 
Unterschenkel  auf  der  vorderen,  präparatorisch  tiefen  Seite  des  M. 
soleus  und  wird  aus  diesem  Grunde  auch  als  eine  Verdoppelung 
dieses  Muskels  aufgefaßt.  Nach  Raube r-Kopsch  handelt  es  sich 
hauptsächlich  um  einen  Ursprung  von  der  Fibula  und  dem  Ansätze  im 
Bindegewebe  in  der  Mitte  des  Unterschenkels,  an  der  Bursa  tendiuis 
calcanei,  an  der  Aponeurosis  plantaris,  am  Lig.  laciniatum.  Diese 
Varietäten  werden  in   den  Fällen  der  V.B.  ausführlicher  dargestellt: 

1)  Ursprung  hauptsächlich  von  der  Tibia  (198).  Hier  wird  ein 
akzessorischer  Kopf  des  M.  soleus  beschrieben,  welcher  von  der  Tibia 
entspringt,  aber  die  Fibula  nicht  erreicht,  sondern  durch  ein  Sehnen - 
band  mit  dem  M.  soleus  zusammenhängt. 

2)  Ursprung  von  der  i^poneurosis  des  M.  soleus  (393).  Bei  nor- 
malem M.  quadriceps  surae  löst  sich  10  cm  oberhalb  des  Calcaneus 
aus  der  vorderen  Aponeurose  des  M.  soleus  ein  fingerbreites  Sehnen- 
blatt ab,  welches  alsbald  in  einen  überdaumendicken.  9  cm  langen 
Muskel  übergeht. 

3)  Ursprung  von  der  Fascia  cruris  (V.B.  505).  Der  akzessorische 
Muskel  entspringt  von  der  Fascia  cruris  und  entwickelt  einen  klein- 
fingerlangen und  -dicken  Muskelbauch  mit  der  Anheftung  an  der 
medialen  Seite  des  Calcaneus,  unabhängig  von  der  Achillessehne. 

4)  Ursprung  von  Tibia  und  Fibula  (454).  Es  entspringt  außer 
dem  normal  entwickelten  Muskel  an  beiden  Unterschenkelknochen 
noch  ein  zweiter  Muskel ;  der  tibiale  Kopf  5  fingerbreit,  der  flbulare 
Kopf  3  fingerbreit  distal  vom  Kniegelenke.  Beide  Köpfe  vereinigen 
sich  zu  einer  Sehne  von  der  Dicke  eines  normalen  M.  peronaeus 
tertius  und  heften>  sich  selbständig  an  der  vorderen  Wand  des 
Achillessehnenschleimbeutels  an,  wo  sonst  der  normale  M.  plantaris 
ansetzt,  der  aber  hier  mit  der  Achillessehne  verschmolzen  war. 

5)  Im  Falle  70  wird  der  doppelte  Ursprung  des  M.  plantaris  nicht 
angegeben,  aber  der  doppelte  Ansatz :  medial  zur  Achillessehne,  lateral- 
wärts  zum  Lig.  laciniatum  erwähnt. 

6)  Ueber  einen  sehr  wichtigen  eigenen  Fall  ist  beim  M.  soleus 
nachzusehen,  wo  wir  zusammenfassend  die  Varietäten  des  M.  plan- 
taris kritisch  besprochen  haben. 

d)  M.  glutaeus  quartus  s.  scansorius  =  vordere  Bündel  des  M. 
glutaeus  minimus,  von  uns  als  M.  invertor  beschrieben. 

e)  M.  peronaeus  quartus  (nach  Rauber-Kopsch  selten)  entspringt 
an  der  hinteren  Fläche  der  Fibula  zwischen  den  M.  peronaeus  brevis 
und  flexor  hallucis  longus  und  setzt  an  der  lateralen  Fläche  des  Calr 
caneus  oder  am  Cuboideum  an,  oder  verbindet  sich  mit  der  Sehne 
des  M.  extensor  digitorum  longus,  welche  zur  5.  Zehe  zieht. 

f)  M.  flexor  hallucis  intermedius  (V.B.  466).  Dieser  Muskel  ent- 
springt bereits  am  Unterschenkel  in  der  Höhe  des  Lig.  laciniatum, 
andererseits   von  der  Facies  profunda  des  M.  abductor  hallucis,  vom 

236 


Varietäten.  651 

Calcaneus  mit  zwei  besonderen  Muskelbäuchen  von  Lumbricalstärke, 
welche  mit  dünnen  Sehnen  vollkommen  selbständig  die  Sesambeine 
erreichen  und  so  einen  intermediären  Doppelmuskel  darstellen,  welcher 
mit  dem  doppelten  Ansätze  der  M.  lumbricales  an  zwei  benachbarten 
Digiti  verglichen  werden  kann,  während  hier  der  doppelte  Ansatz 
dieselbe  Zehe,  nämlich  die  große  betrifft.  Diese  Varietät  könnte  auch 
zu  der  Aufstellung  eines  vierköpfigen  M.  flexor  hallucis  führen,  wie 
es  Flemming  (s.  A.  S.  204)  für  den  homologen  Daumenmuskel  ge- 
macht hat. 

g)  Als  M.  gastrocnemius  tertius  werden  überzählige  Bündel  be- 
zeichnet, welche  vom  Planum  popliteum  femoris,  vom  Labium  mediale 
der  Linea  aspera,  von  den  Scheiden  der  Vasa  poplitea  und  vom  N. 
ischiadicus  (Rauber-Kopsch)  (d.  h.  wohl  vom  N.  tibialis)  entspringen. 

h)  Ein  M.  peronaeus  parvus  entspringt  zwischen  den  normalen 
Wadenbeinmuskeln  an  der  Fibula,  und  heftet  an  der  kleinen  Zehe 
zusammen  mit  der  Sehne  des  M.  extensor  longus  an  —  bei  der  Mehr- 
zahl der  Affen  normal  (s.  Henle-Merkel,  4.  Aufl.,  S.  250). 

i)  Ein  M.  iuterosseus  volaris  IV,  der  in  diesem  Falle  den  Namen 
eines  Primus  verdienen  würde,  kann  vom  Os  cuneiforme  I  entspringen 
und  an  der  Kleinzehenseite  der  großen  Zehe  anheften. 

k)  M.  extensor  hallucis  intermedius  (V.B.  485);  derselbe  entspringt 
von  der  Fibula  und  der  Membrana  interossea,  distal  von  dem  nor- 
malen langen  Großzehenstrecker,  geht  als  starke  Sehne  durch  die 
gemeinschaftliche  Scheide  zum  Fußrücken  und  verwächst  bereits  in 
der  Höhe  der  Artic.  cuneometatarsalis  I  mit  dem  kurzen  Großzehen- 
strecker. 

VI.  Besondere  Varietäten. 

Der  M.  sartorius  kann  in  der  Mitte  sehnige  Inscriptionen  auf- 
weisen. 

Die  Ansatzsehne  des  M.  rectus  femoris  läuft  zuweilen  in  einem 
durch  die  M.  vasti  gebildeten  Kanäle. 

Der  M.  vastus  medialis  reicht  mit  einigen  Bündeln  bis  zur  Tube- 
rositas  tibiae. 

Das  ScARPAsche  Dreieck  ist  infolge  einer  geringen  Ausbildung 
des  proximalen  Teiles  des  M.  vastus  medialis  so  tief,  daß  man  eine 
Faust  hineinlegen  kann  (V.B.  389). 

Die  sehnige  Inscription  des  M.  semitendinosus  ist  sehr  wechselnd, 
sie  geht  nicht  durch  die  ganze  Dicke  des  Muskelbauches  durch,  oder 
ist  auch  doppelt  vorhanden. 

Ein  von  Spuler  (1901)  beschriebener  akzessorischer  Muskel 
kommt  an  der  hinteren  Fläche  des  Oberschenkels  vor;  er  entspringt 
nach  der  in  Rauber-Kopsch  reproduzierten  Abbildung  (Fig.  148, 
S.  169,  8.  Aufl.)  von  der  tiefen  Fläche  des  Lig.  sacrotuberosum,  hat 
in  der  Höhe  des  Trochanter  major  eine  sehnige  Verbindung  mit  dem 
Femur  und  inseriert  am  Caput  breve  des  M.  biceps  an  seiner  Ver- 
einigungsstelle mit  dem  Caput  longum. 

Ein  Sesam b ein  im  medialen  Kopfe  des  M.  gastrocnemius  ist 
selten,  dagegen  soll  es  im  lateralen  in  21  Proz.  der  Fälle  vorkommen, 
in  der  Sehne  des  M.  popliteus  ist  es  nur  ein  einziges  Mal  beschrieben 
worden.  Vielleicht  erklärt  sich  diese  Varietät  dadurch,  daß  er  zu- 
sammen mit  dem  M.  plantaris  gemeinschaftlich  vom  Epicondylus  late- 
ralis femoris  oder  vom  Sesambeine  im  lateralen  Kopfe  des  M.  gastro- 
cnemius   entspringen    kann.      Einen    Sesam  knorpel    enthält    nach 

237 


652  FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 

Ledouble  sehr  häufig  der  M.  tibialis  posterior  am  Ansätze  am  Os 
uaviculare.  Der  oft  vorkommende  Faserknorpel  in  der  Sehne  des 
M.  peronaeus  longus,  wo  diese  über  die  Tuberositas  ossis  cuboidei 
gleitet,  kann  in  seltenen  Fällea  sich  in  ein  Sesam b ein  umwandeln. 

Der  M.  peronaeotibialis  (Fürst)  soll  dem  M.  pronator  quad- 
ratus  des  Vorderarmes  homodynam  sein.  Er  entspringt  vom  Capi- 
tulum  fibulae  und  inseriert  an  der  Linea  poplitea  der  Tibia. 

Der  M.  soleus  weist  in  den  V.B.  (478)  drei  isolierte  Zacken  von 
0,5 — 1  cm  Breite  distal  von  der  einheitlichen  Muskelmasse  auf,  welche 
in  Intervallen  von  1 — 2  cm  von  der  Fibula  eutspiingen.  Wir  legen 
auf  diesen  Befund  besonderen  Wert,  da  sich  dadurch  in  einfacher 
Weise  die  von  uns  ohne  Kenntnis  dieser  Varietät  gegebene  Darstel- 
lung erklären  läßt,  daß  für  die  distalen  Bündel  des  M.  soleus  kein 
«inheitlicher  longitudinaler  Nerv  vorhanden  sein  kann,  sondern  mehrere 
schräge  und  selbst  horizontale,  welche  erst  an  den  Rändern  der 
Achillessehne  die  Zuckung  des  Muskels  hervorrufen,  obwohl  sie  schon 
weiter  medial  in  der  hinteren  Medianlinie  des  Unterschenkels  aus 
dem  Hauptnerven  sich  loslösen. 

VI.  Neurologische  Bemerkungen. 

A.  Scj^mentbezüge. 

Beschreibung  zu  Fig.  43  ^). 

Bei  der  unteren  Extremität  liegen  bezüglich  der  Segmentverteilung 
die  Verhältnisse  ungleich  verwickelter  als  bei  der  oberen  und  sind  so- 
wohl bei  den  motorischen  wie  auch  den  sensiblen  Nerven  für  den 
Menschen  noch  nicht  genügend  festgestellt. 

Die  hier  gegebene  Beschreibung  hält  sich  an  die  Abbildung, 
welche  auch  den  Zweck  verfolgt,  den  äußeren  Formen  das  Muskelbild 
gegenüberzustellen. 

Die  natürliche  Einteilung  ergibt  als  (dorsale)  N.  extensorii  den 
N.  femoralis  und  N.  peronaeus,  als  (ventrale)  N,  flexorii  den  N.  ob- 
turatorius  und  N.  tibialis.  Dazu  kommen  noch  die  Sonderzweige  für 
die  Muskeln  des  Bbckengürtels,  welche  erst  bei  der  nächsten  Figur 
im  Zusammenhange  beschrieben  werden,  gleichzeitig  mit  den  N.  flexorii, 
während  hier  nur  die  N.  extensorii  berücksichtigt  sind. 

Der  N.  femoralis  entspricht  nicht  dem  N.  radialis,  sondern 
etwa  dem  N.  musculocutaneus ;  er  zerfällt  in  den  R.  pro  m.  iliaco, 
den  R.  terminalis  anterior  (gemischt),  der  den  M.  sartorius  und  M. 
pectineus  versorgt,  und  den  R.  terminalis  posterior  (ebenfalls  gemischt), 
der  die  Zweige  für  den  ganzen  M.  triceps  liefert. 

Die  Segmentbezüge  der  Muskeln  sind :  M.  pectineus  2,  3,  M.  sar- 
torius 2,  3,  M.  rectus  femoris  2,  3,  4,  M.  vastus  medialis  2,  3,  (4), 
M.  vastus  intermedius  (2),  3,  4,  (M.  subfemoralis  3,  4),  M.  vastus 
lateralis  3,  4. 

Die  sensible  Projektion  umfaßt  im  N.  terminalis  anterior  die 
R.  cutanei  femoris  anteriores  und  den  Zweig  zum  N.  saphenus  minor 
(im  wesentlichen  also  die  Oberschenkelzweige),  im  N.  terminalis  po- 
sterior den  N.  saphenus  major  (also  hauptsächlich  den  Unterschenkel- 

1)  Uebernommen  aus  dem  Atlas  der  topographischen  Anatomie  von  v.  Barde- 
leben, Häckel  und  Frohse. 

238 


Neurologische  Bemerkungen.  653 

zweig).  Am  Oberschenkel  zerfällt  das  Hautgebiet  ohne  scharfe  Grenze 
in  2  und  3,  am  Unterschenkel  findet  sich  3  und  hauptsächlich  4. 

Der  N.  cutaneus  femoris  lateralis  (nach  Rüge  ein  um- 
gewandelter R.  lateralis  der  Lumbalnerven)  enthält  1,  2,  3.  Sein 
hinterer  Ast  kann  ein  R.  trochantericus  sein,  der  vordere  Ast  ent- 
wickelt bisweilen  den  N.  lumboinguinalis  (der  in  seinen  medialen 
Zweigen  auch  ventrale  Elemente  enthält).  Unbeständig  wie  dieser 
Nerv  sind  auch  seine  Bezüge  aus  1,  2  und  selbst  3. 

Ueber  den  noch  wenig  erforschten  N.  peronaeus  sei  folgendes 
angegeben.  Motorischer  Anteil :  Caput  breve  m.  bicipitis  femoris  (4), 
5,  I,  (II);  M.  peronaeus  longus  (4),  5,  I;  M.  peronaeus  brevis  5,  I; 
M.  peronaeus  tertius  4,  5,  I;  M.  extensor  digitorum  longus  4,  5,  I; 
M.  extensor  hallucis  longus  (4),  5,  I;  M.  tibialis  anterior  4,  5,  (I); 
M.  extensor  digitorum  brevis  4,  5,  I ;  M.  extensor  hallucis  brevis  4,  5, 1. 

Sensible  Projektion:  An  der  Außenseite  des  Unterschenkels  von 
vorn-oben  nach  hinten-unten  5,  I,  II ;  am  Fuße  (für  den  N.  peronaeus 
superficialis  und  profundus)  ebenfalls  5,  I,  IL  Das  ganze  Dorsum 
des  Fußes  enthält  nach  Paterson  an  der  Innenseite  3,  4,  eigentliches 
Dorsum  4,  5,  I,  Außenseite  I,  IL 

Beschreibung  zu  Fig.  44. 

Auf  der  Rückseite  der  unteren  Extremität  sind  die  Verhältnisse 
noch  verwickelter  als  auf  der  Vorderseite,  weil  für  die  Haut  noch 
die  dorsalen  Elemente  des  Plexus  sacralis  hinzukommen,  bei  der 
Gesäßmuskulatur  noch  eine  Trennung  in  die  ventrale  und  dorsale 
Gruppe  nötig  ist. 

Zur  Flexionsgruppe  gehören  der  M.  obturator  internus  cum 
gemellis  und  der  M.  quadratus  femoris,  zur  Extensionsgruppe 
vorn  die  Psoasgruppe,  hinten  die  drei  M.  glutaei,  M.  tensor  fasciae 
latae  und  piriformis.  Mit  den  Segmentbezügen  zusammengestellt : 
M.  obturator  internus  5, 1,  II,  (III),  M,  gemellus  superior  5, 1,  II,  (III), 
M.  gemellus  inferior  4,  5,  I.  M.  quadratus  femoris  4,  5, 1 ;  der  M.  ge- 
mellus inferior  schließt  sich  also  dem  M.  quadratus  femoris  an,  der 
M.  gemellus  superior  dem  M.  obturator  internus. 

Zu  der  Extensorengruppe  gehören  M.  psoas  minor  und  major  1, 
2,  3,  (4),  und  M.  iliacus  2,  3,  4.  Bei  der  eigentlichen  Hüftmuskulatur 
hat  der  M.  glutaeus  maximus  4,  5,  I,  II,  die  M.  glutaeus  medius  und 
minimus  4,  5,  I,  der  M.  tensor  fasciae  latae  4,  5,  der  M.  quadratus 
lumborum,  portio  iliaca,  1,  2,  3,  (4). 

Der  motorische  Teil  des  N.  tibialis  umfaßt  die  Oberschenkel-, 
Unterschenkel-  und  Fußmuskelgruppe.  M.  biceps  femoris,  caput 
longum,  4,  5,  I  (nach  Bolk  I,  II),  M.  semitendinosus  und  semimem- 
branosus  4,  5,  I,  M.  adductor  magnus,  portio  condyloidea,  (3),  4,  (5). 

Für  die  oberflächliche  Schicht  der  Waden muskulatur  einschließlich 
des  M.  popliteus  wird  meist  4,  5,  I,  (II)  angegeben,  für  die  tiefe 
Schicht  der  Beugemuskeln  5,  I,  (II). 

Die  Endäste  des  N.  tibialis  enthalten  in  ihrem  motorischen  Teile 
5, 1,  II,  der  N.  plantaris  medialis  mehr  5,  I,  der  laterale  mehr  I,  II. 

Die  motorischen  Fasern  des  N.  obturatorius  (2,3,4)  ergeben 
im  einzelnen  M.  obturator  externus  3,  4,  M.  adductor  magnus  und 
minimus  (2),  3,  4,  M.  adductor  brevis  2,  3,  4,  M.  adductor  longus  2,  3, 
M.  pectineus  (ausnahmsweise)  2,  3,  M.  gracilis  2,  3,  (4). 

239 


654 


M.  obliquus  ex- 
temus  abdominis 


N.  lurabalis  I 


N.  lumbalis  II 


N.  lumbalis  III 


N.  lumbalis  IV 


N.  lurabalis  V 


N.  sacralis  I 


M.  llexor 
digitorum  longus 


Lig.  transversum 
cruris 


Lig.  cruciatum 
cruris  (pedis) 


~S-5,v.-<c^.- . ., ,  -_^.  n-.  Fnl.Si:  Fee. 

Fig.  43.     Innervierung   der  Haut   und    der  Muskeln   der   unteren  Extremität  nach 
den  Rückenmarksegmenten.     Vorderseite. 

240 


M.  latissimus  dorsi 


M.  obliquus  extemus 
abdominis 


M.  glutaeus  medius 


M.  glutaeus  maximus 


M.  vastus  lateral! 


M.  adductor  mag^n 


M.  semitendinosus 


M.  biceps  femoris, 
Caput  longum 


M.  semimembranosus 


655 


M.  gastrocnemius, 
Caput  laterale 


M.  gastrocnemius 
Caput  mediale 


\.  lumbalis  I 

N.  sacralis  111, 
r.  ventralis 

N.  sacralis  III, 
r.  dorsalis 

N.  lumbalis  II 

N.  sacralis  IV 

N.  sacralis  V  + 
N.  coccygeus 


N.  sacralis  I 

N.  sacralis  II 
N.  lumbalis  II 
N.  sacralis  III 

N.  lumbalis  III 


N.  lumbalis  IV 


N.  lumbalis  V 


N.  sacralis  II 


Fig.  44.    Innervierung  der  Haut  und  der  Muskeln  der  unteren  Extremität  nach 
den  Rückenmarksegmenten.    Rückseite. 

Handbuch  der  Anatomie.    II,  ii,  8.  24 1  42 


656  FROHSE  und   M.   FRÄNKEL, 

Die  sensible  Projektion  ergibt  für  den  N.  cutaneus  femoris 
posterior  I,  II,  III,  für  den  N.  tibialis  am  Unterschenkel  I,  11,  auch 
für  die  Fortsetzung-  des  N.  suralis   als  N.  cutaneus  dorsalis  lateralis. 

An  der  Fußsohle  haben  wir  im  sensiblen  Teile  des  N.  plantaris 
medialis  5,  I,  nach  dem  lateralen  Fußrande  zu  im  N.  plantaris 
lateralis  I,  II. 

Die  Eauptzweige  des  N.  obturatorius  enthalten  ebenso  wie 
der  motorische  Teil  2,  3,  4. 

An  der  Rückseite  des  Kreuzbeines  sind  die  R.  dorsales  der 
N.  sacrales  und  des  N.  coccygeus  zu  nennen.  Sie  sind  zusammen- 
fassend mit  den  Farben  für  II  und  III  dargestellt,  obwohl  namentlich 
die  medialen  Zweige  der  untersten  Rückenmarksnerven  sich  ebenfalls 
in  den  unteren  Partien  des  Gelb  verzweigen.  Genauer  hätten  sie 
also  auch  grün  und  blau,  für  den  N.  coccygeus  sogar  rot  (als  ersten 
und  meist  einzigen  Nerven  eines  neuen  Rückenmarksabschnittes)  au- 
gegeben werden  müssen.  Aber  auch  beim  ventralen  Hautteile  dieser 
Nerven  ist  das  Rot  der  Uebersicht  halber  weggelassen,  im  Blau  des 
fünften  Sacralnerven  enthalten  gedacht. 

An  der  Außenseite  der  Hüfte  kommt  noch  der  N.  iliohypogastricus 
in  Betracht,  über  der  Fascie  des  M.  glutaeus  medius  (Schwalbe). 

B.  Durchbohrung  der  Beinmuskeln  durch  die  Nerven. 

Auch  an  der  unteren  Extremität  entstehen  die  verschiedenen 
Köpfe  der  betreffenden  Muskeln  oder  ihre  Teilung  in  Einzelmuskeln 
vor  allem  durch  den  Durchtritt  der  jeweiligen  Nerven  und  betreffen 
nicht,  wie  am  Arme,  nur  die  freie  Extremität,  sondern  auch  die  am 
Becken  gelegenen  Muskeln,  für  welche  am  Schultergürtel  kein  Ver- 
gleich zu  ziehen  ist.  So  wird  am  Beine  die  Zahl  der  durchbohrten 
Muskeln  vermehrt.    Im  einzelnen  zählen  wir  auf: 

1)  Am  M.  iliopsoas  finden  sich  bisweilen  in  der  Fossa  iliaca 
Absprengungen  eines  oder  mehrerer  Bündel  des  M.  iliacus  durch 
frühzeitige  Teilung  des  N.  femoralis  unter  Loslösung  sensibler 
Zweige,  welche  für  die  Vorderfläche  des  Oberschenkels  bestimmt  sind, 
sowohl  zur  lateralen  Seite  hin  (N.  cutaneus  femoris  lateralis),  wie  zur 
vorderen  (N.  lumboinguinalis)  und  auch  zur  medialen  (N.  saphenus 
minor).  Solche  Befunde,  welche  recht  oft  vorkommen,  werden  als 
Varietäten  beschrieben. 

2)  Der  M.  piriformis  wird  häufig  durch  den  N.  peronaeus  durch- 
bohrt, wobei  dann  ein  Foramen  i  n  t  r  a  piriforme  (nobis)  zustande 
kommt. 

3)  Die  M.  glutaei  medius  und  minimus  schließen  sich  mit  ihren 
vorderen  Bündeln  unter  Bildung  einer  hinten  gelegenen  Tasche  so 
eng  aneinander  an,  daß  man  wohl  normalerweise  von  einer  Durch- 
bohrung des  für  den  M.  tensor  fasciae  latae  (M.  glutaeus  anterior 
nobis)    bestimmten  Endzweiges  des  N.  glutaeus  superior  reden  kann. 

4)  Der  M.  sartorius  wird  regelmäßig  von  sensiblen  Zweigen 
des  N.  femoralis  durchbohrt.  Zahl,  Ort  und  Dicke  der  R.  perforantes 
ist  fast  bei  jedem  Präparate  anders  verwirklicht, 

5)  Der  M.  obturator  externus  erfährt  normalerweise  eine  Ab- 
sprengung  eines  proximalen  Bündels  durch  den  Durchtritt  des  R.  po- 
sterior des  N.  obturatorius  (R.  intermedius  nobis).    Jedoch  haben  wir 

242 


Neurologische  BemerkuDgen. 


657 


niemals  beobachtet,  daß  der  M.  gracilis  durch  den  Hautast  des  N.  ob- 
turatorius  durchbohrt  wird. 

6)  M.  triceps  feraoris.  Wenn  wir  beim  N.  radialis  von  einer 
Durchbohrung  des  M.  triceps  brachii  gesprochen  haben,  welche  den 
Sulcus  spiralis  am  Humerus  hervorruft,  müssen  wir  es  auch  am  Femur 
tun.  —  Trennender  Nerv  ist  der  mächtige  motorische  Ast  des  N.  fe- 
moralis  für  den  M.  vastus  lateralis,  welcher  ihn  von  dem  M.  vastus 
medialis  trennt.  Wir  haben  für  diese  wichtige  Einrichtung  in  unserer 
Fig.  22  den  Namen  Sulcus  spiralis  femoris  vorgeschlagen. 

7)  M.  soleus.  Wir  haben  am  Arme  (A.  S.  388)  beschrieben,  daß 
der  M.  llexor  digitorum  sublimis  durch  den  N.  medianus  durchbohrt 
wird;  infolgedessen  muß  man  auch  den  Arcus  tendineus  m.  solei  als 
Durchbohrungsstelle  des  N.  tibialis  auffassen. 

8)  M.  peronaeus  longus.  Dieser  wird  dicht  unterhalb  des  Capi- 
tulum  fibulae  durch  den  N.  peronaeus  communis  durchsetzt. 

9)  Der  M.  extensor  digitorum  longus  liefert  eine  besondere  Sehnen- 
arkade zum  Schutze  des  N.  peronaeus  profundus. 

10)  M.  adductor  hallucis.  Während  an  der  Hand  das  entsprechende 
Caput  transversum  und  obliquum  sich  eng  aneinander  schmiegen,  weichen 
am  F'uße  die  gleichnamigen  Köpfe  weit  auseinander.  Man  muß  also 
bei  der  oberen  Extremität  unbedingt  von  einer  Durchbohrung  des 
M.  adductor  pollicis  durch  den  R.  profundus  n.  ulnaris  reden,  bei  der 
unteren  sieht  es  am  Präparate  nicht  so  aus. 

Am  Arme  ist  die  Durchbohrung  des  M.  coracobrachialis  durch 
den  N.  musculocutaneus  als  normal  aufzufassen,  wodurch  der  einheit- 
liche Muskel  in  zwei  Teile  zerfällt.  Am  Beine  wird  die  aus  4  Ad- 
ductoren  bestehende  Gruppe  ebenfalls  in  zwei  x4.bschnitte  zerlegt,  indem 
der  M.  adductor  brevis  durch  die  R.  anterior  und  posterior  (inter- 
medius  nobis)  umfaßt  wird.  Durch  den  vorderen  Ast  werden  versorgt 
die  M.  adductores  longus  und  brevis,  durch  den  hinteren  der  minimus 
und  magnus. 

Der  M.  opponens  digiti  quinti  kann  bei  seiner  geringen  Größe 
und  seiner  ausschließlich  lateralen  Lage  nicht  mehr  durch  den  bereits 
vorher  medial  wandernden  R.  profundus  n.  plantaris  lateralis  durch- 
bohrt werden. 


No. 


Nerv 


Muskel 


Gegend  oder  Höhe 


N.  femoralis 
N.  peronaeus 

N.  glutaeus  superior 

N.  cutanei  femoris 

N.  obturatorius 

N.  femoralis  (R.  motoricus 

lateralis) 
N.  tibialis 

N.  peronaeus  communis 
N.  peronaeus  profundus 


M.  piriformis 

M.    glutaei     medius     und 

minimus 
M.  sartorius 
M.  obturator  externus 
M.  vasti 

M.  soleus 

M.  peronaeus  longus 
M.      extensor     digitorum 
longus 


Fossa  üiaea 

Foramen  i  n  t  r  a  piriforme 
nobis 

Spina  iliaca  anterior  in- 
ferior 

Regio  anterior  femoris 

Canalis  obturatorius 

Sulcus  spiralis  femoris 
nobis 

Arcus  tendinosus 

Capitulum  fibulae 

Tuberositas  tibiae 


C.  Die  doppelt  innervierten  Beinmuskeln. 

In  Frage  kommen:   A.  normalerweise: 

1)  Der   M.  adductor  magnus   mit   dem    N.  obturatorius   für   die 

42* 
243 


658  FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 

proximale  adduzierende  Hälfte  und  die  distale  flektierende.  Die  Nerven 
können  miteinander  zusammenhängen. 

2)  Der  M.  flexor  hallucis  infolge  der  motorischen  Anastomose 
zwischen  den  N.  plantares  medialis  und  lateralis. 

B.  Als  inkonstant  ist  aufzufassen: 

3)  Der  M.  pectineus  in  seiner  Versorgung  auch  durch  den  N.  ob- 
turatorius. 

4)  Der  M.  lumbricalis  pedis  III  kann,  wie  an  der  Hand,  durch 
eine  Anastomose  zwischen  den  N.  plantares  medialis  und  lateralis 
durchbohrt  werden. 

5)  Beim  M.  quadratus  plantae  konnten  wir  keine  Doppelinner- 
vation  feststellen  und  mußten  ihn  unter  die  Botmäßigkeit  des  N.  plan- 
taris lateralis  (N.  ulnaris)  stellen,  obwohl  wir  bereits  betont  haben 
(s.  S.  583  [169]),  daß  auch  der  mediale  Kopf  vom  medialen  Zweige 
(N.  medianus)  versorgt  werden  könnte. 

D.  Elektrotherapeiitisclie  Bemerkimgen. 

A.  Einleitung. 

Bei  den  Armmuskeln  waren  wir  gezwungen,  teilweise  gegen  die 
Schilderung  von  T.  Cohn  ^)  Stellung  zu  nehmen.  Beim  Bein  ist  es 
glücklicherweise  nicht  nötig,  weil  dieser  Autor  in  der  3.  Auflage 
sämtlichen  von  uns  gemachten  Vorschlägen  gerecht  geworden  ist.  Als 
Nachprüfung  haben  wir  Juni  1912  nochmals  gemeinschaftlich  die 
Reizungspunkte  einwandsfrei  an  den  von  uns  präparatorisch  festge- 
stellten Punkten  oder  Linien  bestätigt  gefunden.  Das  DucHENNEsche 
Werk  haben  wir  selbstverständlich  auch  durchgearbeitet,  verzichten 
jedoch  darauf,  ihn  in  diesem  Abschnitte  besonders  zu  zitieren.  Es 
sei  uns  gestattet,  das  wichtigste  Ergebnis  dieser  elektrischen  Unter- 
suchungen bereits  in  der  Einleitung  hervorzuheben,  indem  nämlich 
die  Faradisierung  und  Galvanisierung  des  M.  extensor  digitorum  brevis 
die  Streckung  der  Mittel-  und  Nagelphalangen  auslöste,  die  Reizung 
der  M.  interossei  dorsales  in  erster  Linie  die  Beugung  der  Grund- 
phalangen und  Abd^uktion  von  der  Achse  weg  ohne  Einwirkung  auf 
die  Streckung  der  Mittel-  und  Nagelphalangen. 

B.  Spezielle  Beschreibung. 

1)  M.  quadratus  lumborum.  Er  entzieht  sich  der  elektrischen 
Reizung. 

2)  M.  iliopsoas.  Dieser  Muskel  ist  auch  in  seinem  Schenkelteile 
mit  Leichtigkeit  der  elektrischen  Reizung  zugängig.  Entweder  beugt 
er  das  Spielbein  oder  vom  Standbeine  aus  tritt  eine  Beugung  des 
Rumpfes  ein.  Zum  Erreichen  letzterer  Bewegung  gehören  aber  starke 
Ströme,  welche  sich  durch  die  Nachbarschaft  des  gemischten  N.  femo- 
ralis  außerordentlich  schmerzhaft  gestalten  und  die  Bewegung  ge- 
zwungen erscheinen  lassen. 

2a)  Der  M.  psoas  minor  ist  elektrisch  nicht  reizbar. 

3)  M.  glutaeus  maximus.  Der  einheitliche  Nerv  tritt  etwa  3  Quer- 
finger breit  lateralwärts  von  der  hinteren  Mittellinie  in  Gestalt  eines 
breiten  Fächers    zu   den  Muskelbündeln,    so  daß   man   nicht  einzelne 


1)  Leitfaden  der  Elektrodiagnostik  und  Elektrotherapie,  Berlin,  S.  Karger,  1906. 
244 


Neurologische  Bemerkungen.  659 

Punkte  unterscheiden  kann.  Außerdem  triift  die  Reizung  nur  die 
Muskelbündel,  den  so  tief  gelegenen  Nervenstamm  kann  man  wegen 
der  Dicke  der  Haut  und  des  mächtigen  Fettpolsters  und  besonders 
des  massigen  Muskels  selbst  nicht  erreichen. 

4)  und  5)  M.  glutaei  medius  und  minimus.  Theoretisch  müßte 
ersterer  dort  am  besten  zu  reizen  sein,  wo  er  oben  und  vorn  vom 
M.  glutaeus  maximus  die  Oberfläche  gewinnt.  Hier  liegt  jedoch  der 
Weichenfettkörper.  Die  günstigste  Reizungsstelle  liegt  genau  an  der 
lateralen  Kante  des  Beckens  in  der  Mitte  zwischen  Crista  iliaca  und 
Spitze  des  Trochanter  major.  Schwächere  Ströme  erreichen  nur  die 
Muskelbündel.  Geht  man  mit  stärkeren  Strömen  in  die  Tiefe  ein, 
so  lassen  sich  von  hier  aus  auch  die  M.  glutaeus  minimus  und  teusor 
fasciae  latae  mitreizen. 

6)  M.  teusor  fasciae  latae.  Bei  diesem  Muskel  kann  Nerven-  und 
Muskelreizuug  unterschieden  werden.  Der  von  Cohn  angegebene 
Punkt  entspricht  der  Eintrittsstelle  des  einheitlichen  Nerven,  unsere 
lange  Linie  der  intramuskulären  Verzweigung.  Praktisch  wird  auch 
hier  die  muskuläre  Reizung  bevorzugt. 

7 — 11)  Die  M.  piriformis,  obturator  internus,  gemelli,  quadratus 
femoris  und  obturator  extern us  sind  von  der  Haut  aus  nicht  zu  er- 
reichen, vielleicht  gelingt  es  per  rectum  oder  vaginam  bei  den  inneren 
Beckenmuskeln,  nämlich  die  M.  piriformis  und  obturator  internus. 
Die  M.  gemelli  und  quadratus  femoris  sind  vielleicht  doch  der  elek- 
trischen Reizung  zugängig,  weil  die  digitale  Behandlung  der  Ischias 
die  aus  dem  N.  ischiadicus  stammenden  Nerven  im  Plexus  sacralis 
erreicht. 

12)  M.  sartorius.  Der  von  Cohn  angegebene  Reizpunkt  deckt 
sich  ungefähr  mit  dem  Ende  der  extramuskulären  Verzweigungen  des 
einheitlichen  Nerven,  welche  nach  unseren  Untersuchungen  3  cm 
distal  von  der  Spina  iliaca  anterior  superior  beginnen  und  erst  24  cm 
unterhalb  derselben  im  wesentlichen  aufhören.  Der  Reizpunkt  von 
Cohn  ist  also  muskulär,  unsere  Reizungslinie  nervös. 

13)  M.  rectus  femoris.  Auch  bei  diesem  Muskel  dürfen  wir  keinen 
Punkt  annehmen,  weil  unsere  Untersuchungen  das  Eintreten  der  extra- 
muskulären Nerven  in  Interstitien  von  8 — 20  cm  Entfernung  von  der 
Spina  iliaca  anterior  superior  nachgewiesen  haben. 

14)  M.  vasti.  a)  M.  vastus  lateralis.  Für  diesen  gibt  es  nach 
Cohn  einen  gemeinschaftlichen  Reizpunkt  am  lateralen  Rande  des 
M.  rectus  femoris  ungefähr  in  Trochanterhöhe,  wo  der  M.  tensor  fasciae 
latae  in  seine  Endsehne  übergeht.  Dieses  ist  der  nervöse  Reizuugs- 
punkt,  jedoch  lassen  sich  die  Zuckungen  weit  besser  im  muskulösen 
Teile,  d.  h.  im  mittleren  Drittel  des  Oberschenkels,  auslösen,  wo  nach 
Cohn  zwei  besondere  Punkte  zu  erwähnen  sind,  welche  nach  unseren 
Untersuchungen  aber  durch  eine  lange  Linie  zu  verbinden  sind, 
b)  M.  vastus  medialis.  Obwohl  dieser  Muskel  bis  zum  Trochanter 
minor  emporsteigt,  macht  er  sich  äußerlich  erst  im  distalen  Drittel 
des  Oberschenkels  bemerkbar,  und  so  finden  wir  den  Reizungspunkt 
von  Cohn  in  dieser  muskulären  Partie.  Die. Nerven  jedoch  treten 
viel  weiter  proximal  zu  den  Muskelbündeln  in  einer  Entfernung  von 
12 — 40  cm,  gerechnet  von  der  Spina  iliaca  anterior  superior  aus.  Es 
handelt  sich  also  auch  hier  nicht  um  einen  Reizungspunkt,  sondern 
um  eine  Nervenlinie,  von  welcher  aus  man  an  beliebiger  Stelle  die 
Zuckungen  hervorrufen  kann. 

245 


M.  adductor  longus 

M.  gracilis 

M.  rectus  femoris 

M.  adductor  longus 


M.  extensor  dig.  comm.  longus 


M.  gastrocnemius, 
Caput  mediale 


M.  peronaeus  longus 


M.  tibialis  anterior 


M.  peronaeus  b 


M.  extensor  hallucis 


M.  extensor'dig.  brevis 


M.  extensor  hallucis  brevis 


Fig.  45.     Reizungspunkte  der  Beinmuskeln  und  -nerven,  Vorderseite 
nach  ToBY  Cohn. 


M.  adductor  magnus 
M.  semitendinosiis 


M.  semimembranosus 


M.  gastrocnemius 


N.  tibialis 


M.  glutaeus  medius 


M.  glutaeus  maximus 


M.  biceps 


peronaeus  commuais 


M.  soleus 


M.  flexor  dig.  longus 
M.  flexor  hallucis  longus 


;pig.  46.    ßeizungspunkte  der  Beinrauskeln  und  -nerven,  Rückseite, 
nach  ToBY  Cohn. 


662 


M.  tensor  fasciae  latae  ■•■ 


Allgemeiner  Reizpunkt  des 
M.  triceps  femoris 


M.  rectus  femoris 


M.  iliopsoas 

■  N.  femoralis 
M.  sartorius 
M.  pectineus 
M.  adductor  longus 


M.  vastus  lateralis 


M.  gracilis 


M.  adductor  magnus 


M.  vastus  medialis 


M.  peronaeus  longus 
M.  extensor  digitorum  longus 


M.  gastrocnemius  medialis 
M.  tibialis  anterior 


extensor  hallucis  longus 


M.  soleus,  portio  tibialis 


M.  flexor  digitorum  longus 


M.  extensor  digitorum 
et  hallucis  longus 

M.  abductoi  digiti  V    


M.  interossei 


M.  abductor  hallucis 

er  ^ 


Fig.  47.     Reizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach  eigenen  Unter- 
suchungen, auf  die  Haut  projiziert,  Vorderseite. 


15)  M.  pectineus. 
Dieser  Muskel  wird 
vom  N.  femoralis  aus 
versorgt.  Sein  Ver- 
lauf erst  hinter  den 
Vasa  femoralia  macht 
ihn  der  Reizung  un- 
zugängig.  CoHN  hat 
ihn  in  seiner  Abbil- 
dung angegeben,  uns 
aber  bei  der  Unter- 
suchung erklärt,  daß 
er  ihn  elektrisch  nicht 
reizen  kann. 

16)  M.   adductor 
longus.  Er  dürfte  etwa 
in    der    Mitte    seines 
durch  die   Haut  hin- 
durch  erkennbaren 

Bauches  elektrisch  zu 
reizen  sein. 

17)  M.  gracilis. 
Der  lange  schlanke 
M.  gracilis  hat  seine 
extramuskulären  En- 
digungen in  einer  Ent- 
fernung von  8 — 16  cm 
von  der  Symphyse,  im 
wesentlichen  also  im 
proximalen  Drittel  des 
Oberschenkels.      Den 

Nervenpunkt      von 
CoHN  müssen  wir  also 
hier  durch  eine  Linie 
ergänzen. 

18)  M.  adductor 
magnus.  So  groß 
dieser  Muskel  auch 
ist,  hat  er  nur  geringe 
Beziehungen  zurOber- 
fläche.  Ein  schmaler 
proximaler  Keil  er- 
scheint zwischen  den 
M.  gracilis  und  semi- 
tendinosus  subfasciell. 
Der  Hauptteil  bleibt 
unter  dem  Beuger  ver- 
borgen und  erst  mit 
der  Ansatzsehne  am 
Epicondylus  medialis 
ist  man  imstande,  die 
Endsehne  des  Muskels 
nachzuweisen,  welche 


M.  tensor  fasciae    .. 
latae 


M.  psoas  minor 


psoas  major 


668 


M,  rectus  femoris 


Pes  anserinus 
(Patte  d'oie) 


M.  gastro- 
cnemius,  caput 
mediale 


Lig.  transversum 
ciiiris 


M.  abductor 
hallucis 


'ront  /y^thje  yec. 


Fig.  48.    Bein  von  vom,  Muskelbild. 


664 


N.  pro  M.  tensore  fasciae 
latae 


N.  ischiadicus 


M.  biceps,  caput  longfus 


M.  vastus  lateralis 
.  semimembranosus 

M.  biceps,  caput  breve 


Processus  communis 


M.  gastrocnemius  lateralis 


■> M.  soleus,  portio  fibularis 


Fig.  49.     Reizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach  eigenen  Unter- 
suchungen, auf  die  Haut  projiziert,  Eückseite. 


I 


von  vorn  her   die  JoBERTsche 
Grube  umrahmt. 

19)  und  20)  M.  adductor 
brevis  und  rainiraus.  Sind 
schon  am  Präparate  vollkommen 
versteckt,  also  auch  nicht  iso- 
liert elektrisch  zu  reizen. 

21)  M.  semitendinosus. 
Dieser  Muskel  ist  eigentlich 
ein  Doppelmuskel,  indem  eine 
blechartige  Zwischensehne  ihn 
in  eine  proximale  und  distale 
Hälfte  zerlegt.  Diese  Tatsache 
ist  auch  am  Lebenden  unver- 
kennbar. Die  untere  Grenz- 
linie des  M.  glutaeus  maximus 
ist  unweigerlich  festzustellen, 
von  oben-medial  nach  unten- 
lateral und  handbreit  unter  ihr 
erscheint  am  Lebenden  sehr  oft 
eine  Furche,  welche  die  Teilung 
des  M.  semitendinosus  in  zwei 
besondere  Bäuche  kundgibt. 
Wir  müssen  also  annehmen 
und  finden  auch  an  diesem 
Muskel  zwei  gesonderte  Rei- 
zungspunkte, einen  proximalen, 
dicht  [unterhalb  des  Sulcus 
glutaeus  transversus,  und  einen 
distalen  am  Beginne  des  mitt- 
leren Drittels  des  Oberschenkels. 

22)  M.  biceps,  caput  longum. 
Der  Nerv  tritt  etwas  distal  von 
der  queren  Gesäßfurche  bereits 
in  den  Muskelbauch  hinein. 

23)  M.  biceps,  caput  breve. 
Dieser  Muskel  verdient  eine 
ausführliche  Besprechung,  denn 
sein  einheitlicher  Nerv  ent- 
stammt nicht  mehr  dem  N. 
ischiadicus,  sondern  dem  bereits 
mehr  oder  weniger  gesonderten 
N.  peronaeus  communis.  Wir 
haben  also  hier  einen  am  Ober- 
schenkel gelegenen  Beuger  des 
Unterschenkels  vor  uns,  welcher 
vom  N.  peronaeus  aus  versorgt 
wird  und  in  dieser  Weise  die 
Auswärtsbewegung  des  Fußes 
unterstützen  hilft.  Dem  langen 
Kopfe  des  M.  biceps  dürfte  in 
erster  Linie  die  Flexionsbewe- 
gung   zwischen    Unterschenkel 


M.  obliquus 

^Ittft^ ezternus  ab- 

i^^H^                     dominis 

1^ 

H 

^^^^ Spina  iliaca  post. 

3^k 

Kv 

? 

Hy^^B...     M.  glutaeus 

■ 

^K.j£^^H.-     Apex  ossis  coc- 

L..j]R.-.    M.  adductor 

%Wm 

^^1            M.  biceps,  Caput 
J^B               longum 

; 

^H[             M.  semitendi- 
"I^T"                nosus,  tendo 
^^B                   intermedius 

JW—      M.  gracilis 

■ 

H 

E     M.  semimembranosus 

M.  plantaris 


M.  gastrocnemius,   caput 
mediale 


M.  gastrocnemius,   caput 
laterale 


M.  peronaei 


Lig.  laciniatum 


Fig.  50. 


7r^. 


Bein  von  hinten,  Muskelbild. 


666 


N.  obturatorias 


M.  obturator  int.  und 
N.  pudendus 


M.  glutaeus  maximus 
und  N.  ischiadicus 


Fig.  51.    Reizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach  eigenen  Unter- 
suchungen, auf  die  Haut  projiziert,  Innenseite  bei  Streckung. 


M.rectusfemoris 


M.  extensor  hallt: 


M.  flexor  digitcram  iongus 


Lig.  cruciatum  pedis 


M.  abductor  hallucis 


Fig.  52.    Bein  von  innen  bei  Streckstellung,  Muskelbüd. 


M.  extcnsor  digitorum  brevis 


M.  tensor  fasciae  latae 


M.  rectus  femoris 


M.  extcnsor  digitorum  longus 


Fig.  53     ßeizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach  eigenen  Unter- 
suchungen, auf  die  Haut  projiziert,  Außenseite. 


M.  latissimus    dorsi 


M.  glutaeus  maximus 


M.  obliquus  externus 
abdominis 


M.  tensor  fasciae  latae 


M.  rectus  femoris 


M.  vastus   lateralis 


Retinaculum  patellae  laterale 


M.  gastrocnemius,  caput 
laterale 


M.  soleus,  portio  fibularis     — 


M.  peronaeus  longus 


M.  tibialis  anterior 


M.  cxtensor  digitorura  longus 

Lig.  transversum  cruris 

Lig.  cruciatura  pedis 

M.  extensor  digitorum  brevis 


M.  abductor  digiti  quinti 


Fig.  54,    Bein  von  außen,  Muskelbild. 


670 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


und  Rumpf  oder  bei  wechselndem  Punctum  fixum  die  Aufrichtung  des 
Rumpfes  gegen  das  Standbein  zukommen ;  die  Rotationsbewegung  bei 
gebeugtem  Kniegelenke  steht  mindestens  gleichwertig  unter  der  Bot- 
mäßigkeit des  Caput  breve.  —  Cohn  hat  es  für  gut  befunden,  für 
das  Caput  breve  einen  unteren  Reizungspunkt  anzugeben,  wir  hin- 
gegen müssen  betonen,  daß  eine  etwa  10  cm  lange  Reizungslinie 
vorhanden  ist,  welche  am  Spielbeine  bei  Unterschenkelbeugung  zur 
Auslösung  der  Beuge-  und  Rotationsbewegungen  nach  außen  führt. 


M.  pectineus  N.  femoralis 


M.  rectus  femm 


M.  gracilis 


M.  adductor 
magnus 


M.  semi- 
membranosus 


N.  tibialis, 
Teilungsstelle 


M.  abductor 
hallt] 


FiS-  55.    Eeizungslinien  der  Beinmuskeln  und  -nerven  nach  eigenen  Unter- 
suchungen, auf  die  Haut  projiziert,  Innenseite  bei  Beugung. 


Bei  fixiertem  Unterschenkel  unterstützt  er  die  M.  gastrocnemius  und 
popliteus  bei  der  Beugung  des  Oberschenkels. 

24)  M.  semimembranosus.  Dieser  Muskel  gleicht  dem  M.  adductor 
magnus,  weil  er  ein  proximales  Feld  zur  Oberfläche  entsendet  und 
auch  ein  distales,  welches  die  mediale  obere  Begrenzung  der  Knie- 
kehle bildet.  So  ist  auch  der  präparatorische  Nachweis  von  uns  ge- 
liefert worden,  daß  dieser  Muskel  mindestens  zwei  Reizungspunkte 
haben  muß,  einen  proximalen  medialen  und  einen  distalen  hinteren. 
Der  Nervenstamm  selbst  ist  elektrisch  nicht  erreichbar. 

25)  M.  tibialis  anterior.  Seine  Reizungsstelle  liegt  nach  Cohn 
2,3  cm  distal  vom  Capitulum  fibulae  und  stellt  denjenigen  Punkt  dar. 


256 


Neurologische  Bemerkungen. 


671 


wo  die  extramuskuläre  Verzweigung  in  die  intramuskuläre  übergeht. 
Nach  unseren  Untersuchungen  liegt  die  erstere  aber  in  einem  Zwischen- 
räume von  2—12  cm.  Hier  wäre  die  extramuskuläre  Verzweigung  zu 
erreichen,  welche  sich  jedoch  wegen  der  hart  an  der  Membrana  inter- 
ossea  cruris  verlaufenden  Nerven  praktisch  nicht  durchführen  läßt; 
es  handelt  sich  nur  um  die  muskuläre  Reizung,  welche  bis  ins  distale 
Drittel  des  Unterschenkels  ausgeführt  werden  kann. 

26)  M.  extensor  digitorum  longus.    Da  dieser  Muskel  nur  einen 
geringen   Oberflächenteil   des   Unterschenkels   für   sich   in   Anspruch 


M.  obliquus  ext.  abdoc 
M.  iliopsoas  ^ 
M.  pectineus  '^n^ 

M.  rectus  femoris  "'•»  ^ 


M.  adductor 
longus 


M.  gracilis 


M.  adductor 
magnus 


M.  semi- 
mcmbranosus 


M.  tibialis  posterior 


-  M.  abductor  hallucis 


/WAr«-  ^f 


'^'•Mt  rr»M.T*^ 


Fig.  56.     Bein  von  innen  bei  Beugestellung,  Muskelbild. 


nimmt  und  außerdem  die  Nerven  von  der  Facies  profunda  eintreten, 
ist  eine  elektrische  Reizung  außerordentlich  schwer,  nach  den  Angaben 
von  CoHN  oft  unmöglich.  Gleichwohl  sind  wir  auf  Grund  unserer 
anatomischen  Untersuchungen  berechtigt,  die  extramuskuläre  Ver- 
zweigung in  einer  Richtungslinie  von  6—18  cm  distal  vom  Capitulum 
fibulae  anzugeben. 

27)  M.  extensor  hallucis  longus.  Die  in  der  Tiefe  gelegene  extra- 
muskuläre Eintrittsstelle  des  doppelt  geteilten  Nerven  macht  eine 
elektrische  Reizung  dieser  Stelle  unmöglich;  erst  wenn  dieser  Muskel 
proximal   von   der    Artic.   talocruralis    die  Oberfläche   zwischen    den 

Handbuch  der  Anatomie.    II,  ii,  3.  48 


672  ,FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

Sehnen  der  M.  tibialis  anterior  und  extensor  digitorum  longus  gewinnt^ 
ist  man  imstande,  den  muskulären  Abschnitt  elektrodiagnostisch  zu, 
finden. 

28)  M.  peronaeus  longus.  Dieser  Muskel  ist  doppelt  gefiedert 
mit  einer  vorderen  kürzeren  Abteilung-  und  einer  hinteren  längeren. 
Der  anatomische  Aufbau  des  Muskels  verlangt  also  mindestens  zwei 
Nerven,  zwei  Reizungspunkte,  vorn  und  hinten,  zu  denen  jedoch  noch 
ein  mittlerer  indifferenter  hinzukommt  und  für  die  Endsehue  bestimmt 
ist.  Das  gleiche  Verhalten  konnten  wir  für  den  M.  gastrocnemius 
und  den  M.  soleus  nachweisen,  bei  letzterem  sogar  mit  verschiedenen 
Nervenzweigen. 

29)  M.  peronaeus  brevis.  Er  entzieht  sich  im  extramuskulären 
Teile  seiner  Nervenverzweigung  der  isolierten  elektrischen  Reizungv 
kann  aber  muskulär  sowohl  an  der  Vorder-  wie  an  der  Rückseite  der 
Sehne  des  M.  peronaeus  longus  gereizt  werden,  d.  h.  von  der  Mitte 
des  Unterschenkels  bis  in  die  Nähe  des  Malleolus  lateralis  und 
selbst  über  diesen  Punkt  hinüber  zum  Fuße  hin.  wenn  Varietäten 
vorliegen. 

30)  M.  gastrocnemius.  In  der  2.  Auflage  von  Cohn  ist  für  die 
beiden  Zwillingsköpfe  des  M.  gastrocnemius  nur  je  ein  Reizungspunkt 
angegeben  an  der  Grenze  zwischen  Sehne  und  pioximaler  Muskulatur. 
In  der  3.  Auflage  finden  sich  bereits  zwei  Nervenreizungspunkte  für 
jeden  einzelnen  Muskel ;  unsere  eigenen  anatomischen  Untersuchungen 
liefern  aber  den  Nachweis  (s.  Fig.  28),  daß  mindestens  3  Nerven  für 
jeden  Kopf  vorhanden  sein  müssen,  ein  lateraler,  ein  medialer  und 
ein  intermediärer. 

31)  M.  plantaris.  Dieser  sehr  oft  fehlende  Muskel  spielt  bei 
seiner  geringen  Mächtigkeit  und  seiner  versteckten  Lage  praktisch 
keine  Rolle. 

32)  M.  soleus.  Dieser  dagegen  ist  in  ausgiebiger  Weise  der 
elektrischen  Untersuchung  zugängig,  besonders  an  der  lateralen  Seite. 
Hier  reicht  er  bis  zum  Capitulum  fibulae  empor,  geht  aber  auch 
distalwärts  bis  ins  untere  Drittel  des  Unterschenkels  herunter.  Die 
Muskelnerven  treten'  an  beiden  Seiten  des  Unterschenkels  nicht  aus 
gemeinschaftlichen  Nervenstämmen  hervor,  sind  vielmehr  erst  in  ziem- 
lich regelmäßigen  Abständen  knochenwärts  von  der  Achillessehne  zu 
reizen,  im  Bereiche  dieser  Endsehne. 

33)  M.  popliteus.  Dieser  Muskel  bezieht  seine  Nerven  rückläufig 
vom  N.  tibialis  und  kann  isoliert  nicht  gereizt  werden. 

34)  M.  flexor  digitorum  longus.  Er  ist  neben  dem  medialen  Rande 
der  Achillessehne,  distal  vom  M.  soleus  zu  reizen. 

35)  M.  tibialis  posterior.  Dieser  Muskel  dürfte  bei  der  tiefen- 
Lage  seines  Muskelbauches  der  elektrischen  Reizung  unzugängig  sein.. 
Wenn  es  trotzdem  gelingt,  seine  Bewegung,  die  Hebung  des  medialen 
Fußrandes  auszulösen,  dann  dürfte  es  sich  um  die  Reizung  der  Sehnen- 
nerven handeln,  welche  rückläufig  auch  den  Muskelbauch  zur  Kon- 
traktion bringen. 

36)  M.  flexor  hallucis  longus.  Die  elektrische  Reizung  dieses 
Muskels   kann   an   der  lateralen,   fibularen  Seite  des  distalen  Drittels- 


258 


Neurologische  Bemerkungen.  67 S 

des  Unterschenkels  vorgenommen  werden,  wird  jedoch  besser  erzielt, 
wenn  ein  Druck  von  lateralwärts  den  distalen  Muskelwulst  auf  der 
medialen  Seite  zum  Vorschein  kommen  läßt,  und  zwar  uach  vorn 
von  der  Achillessehne. 

37)  M.  fiexor  dig-itorum  brevis.  Er  wird  vom  N.  plantaris  medialis 
versorgt  und  ist  vergleichbar  mit  dem  auf  die  Fußsohle  herunter- 
gewanderten M.  flexor  digitorum  sublimis  manus.  Die  geringe  Ent- 
fernung vom  Tuber  calcanei  bis  zu  den  Mittelphalangen  verlangt  eine 
Konzentration  des  Nervenbildes,  welches  am  Vorderarme  sich  über 
die  gesamte  Vorderfläche  ausdehnt,  an  der  Fußsohle  jedoch  auf 
einen  distal-medialen  Abschnitt  beschränkt. 

38)  M.  quadratus  plantae.  Dieser  Muskel  zerfällt  in  eine  mediale 
und  laterale  Portion,  welche  am  Fersenbeine  das  Lig.  plantare  commune 
umfassen.  Den  medialen  Zipfel  willkürlich  zu  bewegen,  ist  Frohse 
imstande,  und  so  den  Nachweis  zu  führen,  daß  mit  dem  proximalen 
Rande  dieses  Muskels  auch  die  Fußsohle  beginnt  oder  aufhört. 

39)  M.  lumbricales.  Sie  können  relativ  oder  absolut  kräftiger 
entwickelt  sein,  als  an  der  Hand.  Aber  auch  in  solchen  Fällen  kommt 
im  wesentlichen  nur  die  Annäherung  an  die  große  Zehe  in  Frage, 
also  die  Adduktiousbewegung.  Eine  Streckwirknng  auf  die  Mittel- 
und  Nagelphalanx  ließ  sich  weder  am  Präparate,  noch  am  Lebenden 
nachweisen. 

40)  M.  abductor  hallucis.  Da  dieser  Muskel  so  häufig  zu  Kranipf- 
anfällen  Veranlassung  gibt  und  außerdem  mit  Leichtigkeit  unter  der 
Haut  festgestellt  werden  kann  beim  Uebergange  des  dicken  Epithels 
der  Planta  iü  das  dünne  des  Dorsum  pedis,  ist  mau  imstande,  den 
Muskelbauch  bis  zur  Endsehne  ziemlich  deutlich  am  Lebenden  zu 
erkennen.  Der  motorische  Nerv  läßt  mit  aller  Klarheit  das  Nerven- 
bild am  Thenar  wiedererkennen.  Ein  kurzer  extramuskulärer  Zweig 
umfaßt  ihn  von  der  Facies  superficialis  aus  und  verzweigt  sich  dann 
mehrfach  anastomosierend  im  Innern  des  Muskels. 

41)  M.  flexor  brevis  hallucis.  Dieser  doppelköpfig  angelegte 
Muskel  hat  zwei  gesonderte  Nerven,  nämlich  einen  medialen  aus  dem 
N.  plantaris  medialis  und  einen  lateralen  aus  dem  gleichnamigen 
N.  plantaris  lateralis.  Zwischen  beiden  besteht  jedoch  mindestens 
eine  Anastomose,  häufig  sogar  zwei  oder  drei.  Bei  fixiertem  Fersen- 
beine oder  festgestellter  Fußwurzel  kann  nur  eine  Plantarflexiou  der 
Grundphalange  der  großen  Zehe  eintreten,  wie  es  auch  die  elektrische 
Reizung  kundgibt. 

42)  M.  adductor  hallucis.  Dieser  Muskel  ist  praktisch  von  dei- 
größten  Bedeutung,  indem  er  mit  seinem  Caput  transversum  die  aktive 
quere  Spannung  des  Fußgewölbes  erhält  und  mit  seinem  proximalen 
Teile,  dem  Caput  obliquum,  den  medialen  Teil  des  Fußgewölbes  in 
longitudinaler  Richtung  sichern  hilft.  Leider  ist  dieser  Muskel  weder 
der  Inspektion  noch  der  Palpation  und  schließlich  der  isolierten  elek- 
trischen Reizung  zugängig. 

43)  M.  abductor  digiti  quinti.  Bei  diesem  Muskel  haben  wir  be- 
schrieben, daß  der  Ansatz  an  der  Rauhigkeit  des  5.  Mittelfußknochens 
fehlen  kann,  vielmehr  der  ganze  Muskel  sich  ausschließlich  zu  der  Basis 

43* 
259 


674  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

der  Grundphalange  des  Digitus  V  begibt.  In  der  günstigsten  Weise 
gelangen  hier  Inspektion,  Palpation  und  elektrische  Reizung  zu 
ihrem  Rechte,  indem  sowohl  von  der  Planta  pedis,  wie  vom  late- 
ralen Fußrande  und  schließlich  auch  vom.  Dorsum  pedis  aus 
die  entsprechenden  Untersuchungen  mit  Leichtigkeit  geführt  werden 
können. 

44)  M.  flexor  digiti  quinti  brevis.  Der  Reizungspunkt  liegt  etwas 
distal  von  der  Tuberositas  ossis  metatarsalis  V  und  gehört  nicht  dem 
N.  plantaris  lateralis  profundus  au,  sondern  bereits  dem  R.  super- 
ficialis, genau  wie  es  an  der  Hand  verwirklicht  ist. 

45)  M.  opponens  digiti  quinti.  Auch  dieser  Muskel  steht  unter 
der  Botmäßigkeit  eines  oberflächlichen  Zweiges  des  R.  plan- 
taris lateralis. 

46)  M.  interossei.  Diese  sind  mit  ihren  4  Dorsalmuskeln  sehr 
leicht  zu  untersuchen  unter  Beiseitedrängen  der  langen  und  kurzen 
Strecksehnen  der  Zehen,  wie  es  auch  bei  der  elektrischen  Reizung 
ohne  weiteres  ausgeführt  werden  kann.  Besonders  der  M.  extensor 
hallucis  brevis  und  der  M.  extensor  digitorum  brevis  reagieren  auf 
das  prompteste  und  lösen  die  unglaublich  starke  Extension  der  Mittel- 
und  Nagelphalangen  aus.  Im  Gegensatze  hierzu  ergibt  die  elektrische 
Reizung  der  M.  interossei  dorsales  eine  Abduktion  von  der  Fußachse, 
welche  in  die  2.  Zehe  verlegt  werden  muß,  und  eine  Beugung  in  den 
Artic.  metatarsophalangeae.  —  Die  M.  interossei  plantares  entziehen 
sich  der  elektrischen  Reizung. 

47)  und  48)  M.  extensor  hallucis  brevis  und  M.  extensor  digitorum 
brevis.  Der  einheitliche  Nerv  geht  über  der  Mitte  des  Sprunggelenkes 
hervor  aus  dem  N.  peronaeus  profundus  und  teilt  sich  in  einen 
schwächeren  Endast  für  den  M.  extensor  hallucis  brevis  und  in  einen 
bei  weitem  stärkeren  lateralen  Zweig,  welcher  die  kurzen  Streckmuskeln 
für  die  2. — 4.  Zehe  versorgt,  sich  aber  nicht  auf  diese  beschränkt, 
sondern  auch  noch  Sehnennerven  für  die  dorsale  Seite  der  Fuß-, 
Mittelfuß-  und  Zehengelenke  hervorgehen  läßt. 


VII.  Physiologische  Bemerkungen. 

A.  Leiideiiwirbelsäulen-  und  Beckenbeweguiigen. 

I.  Wenn  der  obere  Teil  des  Rumpfes  das  Punctum  fixum  bildet 
oder  nur  ein  Bein  als  Hilfe  benutzt  wird,  ergeben  sich  für  die 
Bewegungen  der  Lenden  Wirbelsäule  und  des  Beckens  folgende  Tat- 
sachen : 

1)  Die  Beugung  kann  bei  freischwebenden  Beinen  nur  erzielt 
werden  durch  den  M.  rectus  abdominis  (und  auch  durch  den  M.  psoas 
minor),  selbst  durch  die  seitlichen  Bauchmuskeln. 

2)  Die  Abduktion  wird  durch  die  gleichseitigen  M.  psoas  major, 
quadratus  lumborum  und  außerdem  durch  die  beiden  M.  obliqui  ab- 
dominis hervorgerufen. 

'S)  Die  Extension  kann  nur  durch  den  M.  sacrospinalis  erzielt 
werden. 


260 


Physiologische  Bemerkungen.  675 

II.  Wenn  beide  Beine  fixiert  sind,  wirkt: 

1)  bei  der  Beugung  in  erster  Linie  der  M.  psoas  major,  als  Hilfs- 
muskel der  M.  rectus  abdominis. 

2)  Die  Abduktion  kann  nur  die  Lendenwirbelsäule  betreffen  und 
wird  durch  die  gleichseitigen  M.  psoas  major,  quadratus  lumborum 
und  außerdem  durch  beide  schrägen  Bauchmuskeln  vollzogen. 

3)  Die  Extension  wird  ausgeführt  durch  die  M.  sacrospinales, 
welche  unterstützt  werden  durch  die  am  Tuber  ischiadicum  entspringen- 
den Beuger  (hamstrings). 

B.  Hüftbewe^ungen. 

I.  Bei  fixiertem  Rumpfe,  wobei  im  Liegen  beide  Beine  Spiel- 
beine sein  können,  oder  beim  Stehen  ein  Bein  als  Standbein  mit  zur 
Hilfe  herangezogen  werden  muß,  kommen  folgende  Bewegungen  in 
Betracht : 

1)  Flexion  —  M.  psoas  major  (minor),  iliacus  mit  seinen  beiden 
Portionen,  rectus  femoris  (pectineus,  adductor  longus). 

2)  Extension  —  M.  glutaeus  maximus,  flexores  longi  (portio  flexoria 
des  M.  adductor  magnus). 

3)  Abduktion  —  Tractus  iliotibialis  und  M.  glutaei  medius  und 
minimus. 

4)  Adduktion  —  Adductorengruppe  mit  Ausnahme  des  M.  obturator 
externus. 

5)  Einwärtsrotation  —  M,  tensor  fasciae  latae  und  vordere  Bündel 
der  M.  glutaei  medius  und  minimus. 

6)  Auswärtsrotation  —  hintere  Bündel  der  M.  glutaei  medius  und 
minimus,  piriformis,  obturator  internus  cum  gemellis,  obturator  ex- 
ternus, quadratus  femoris  und  selbst  die  Adductoren  bis  zum  Beginne 
der  Linea  aspera. 

IL  Wenn  beide  Füße  als  Puncta  fixa  dienen,  sind  auch  beide 
Oberschenkelknochen  und  das  Becken  festgestellt,  und  es  sind  dann 
normalerweise  nur  die  Beugung  und  Streckung  im  Hüftgelenke  möglich. 
Anders  verhält  es  sich,  wenn  nur  ein  Fuß  fixiert  ist  und  Unter-  und 
Oberschenkel  gleichsam  eine  Säule  bilden,  da  ist  das  Kapital  durch  den 
Trochauter  (major)  verwirklicht,  welches  jedoch  rückläufig  unter  Bil- 
dung der  Tuberositas  glutaea  auf  die  Linea  aspera  übergreift.  Wenn 
das  Punctum  fixum  sich  am  Unter-  oder  Oberschenkel  befindet,  er- 
gibt sich  trotzdem  kein  nennenswerter  Unterschied  in  den  eben 
aufgeführten  6  Bewegungen,  so  daß  sich  eine  nochmalige  Aufzählung 
erübrigen  dürfte. 

C.  Kiiiebeweguiigen. 

I.  Wenn  das  Punctum  fixum  am  Oberschenkel  oder  auch  am 
Rumpfe  liegt,  sind  folgende  Bewegungen  möglich: 

1)  Extension  —  M.  triceps  femoris. 

2)  Flexion  —  M.  sartorius,  gracilis,  semitendinosus,  semimembra- 
nosus  und  biceps  femoris. 

3)  Auswärtsrotation  —  M.  biceps. 

36( 


676  FROHSE    und    M.    FRÄNKEL, 

4)  Einwärtsrotation  —  M.  semiraembranosus.  (M.  sartorius,  gracilis 
und  semiteudinosus,  d.  h.  die  Komponenten  der  Patte  d'oie.) 

II.  Wenn  das  Punctum  fixum  am  Unterschenkel  und  Fuße  liegt, 
treten  folgende  Muskeln  in  Tätigkeit: 

1)  Extension  —  M.  triceps  femoris. 

2)  Flexion  —  M.  gastrocnemius  (plantaris),  popliteus  und  das  Caput 
breve  des  M.  biceps  femoris.  Es  fallen  also  bei  fixiertem  Unterschenkel 
die  oben  unter  3)  und  4)  erwähnten  Rotatoren  vollkommen  weg. 


D.  Fußbeweguiigeii. 

Obwohl  bereits  bei  jedem  einzelnen  Unterschenkelmuskel,  welcher 
sich  am  Fuße  anheftet,  die  spezielle  Physiologie  mit  Rücksicht  auf 
Stand-  und  Spielbein  oder  Punctum  fixum  und  mobile  besprochen  ist, 
läßt  sich  eine  nochmalige  zusammenfassende  Besprechung  nicht  ver- 
meiden, welche  auch  die  Bedeutung  der  einzelnen  Fußgelenke  gleich- 
zeitig in  Erwägung  zieht. 

I.  Die  Plantar flexion  des  Fußes  wird  erzielt  durch  den 
M.  quadriceps  surae,  dessen  Ursprünge  teils  am  Oberschenkel  liegen, 
durch  die  beiden  Köpfe  des  M.  gastrocnemius  und  den  M.  plantaris, 
teils  am  Unterschenkel  durch  den  M.  soleus.  Der  Ansatz  an  der 
hinteren  Fläche  des  Calcaneus,  dieses  in  der  Fußachse  gelegenen 
Knochens,  ermöglicht  diesen  Muskeln  die  ausschließliche  Plantarflexion 
des  Fußes  bei  fixiertem  Unterschenkel  oder  Oberschenkel,  eine  Stellung, 
die  wir  beim  ganzen  Beine  als  Spielbein  bezeichnen.  II.  Bei  fixiertem 
Fuße,  wenn  eine  oder  beide  Fußsohlen  fest  dem  Boden  oder  einer 
Unterlage  aufruhen,  das  Punctum  fixum  sich  also  distal  befindet,  dann 
bewirkt  der  M.  soleus  eine  Beugung  des  Unterschenkels  plantarwärts ; 
gemeinhin  wird  jedoch  hauptsächlich  der  M.  gastrocnemius,  unterstützt 
durch  den  M.  plantaris,  in  Frage  kommen,  welche  den  Oberschenkel 
gegen  den  Fuß  und  den  mit  diesem  eine  Einheit  bildenden  Unter- 
schenkel beugen.  Diese  ganz  einfache  Bewegung  vollzieht  sich  dann, 
wenn  wir  uns  bei  nur  einem  oder  beiden  feststehenden  Füßen  auf 
einen  Stuhl  setzen  wollen. 

Die  einfache  Dorsalflexion  des  Fußes,  ohne  gleichzeitige  Hebung 
des  inneren  oder  äußeren  Fußrandes,  welche  als  Pronation  oder 
Supination  bezeichnet  wird,  kann  nicht  durch  einen  einzelnen  Muskel 
ausgeführt  werden,  weil  die  Grundbedingungen  für  einen  solchen 
fehlen.  Der  Muskelbauch  müßte  nämlich  in  der  Achse  des  Unter- 
schenkels auf  der  vorderen  Seite  gelegen  sein,  die  Sehne  in  der  Achse 
der  Dorsalseite  des  Fußes.  Dies  sind  Bedingungen,  welche  bei  dem 
M.  quadriceps  surae  anatomisch  vollkommen  erfüllt  sind.  Die  aber 
dorsal  in  Betracht  kommenden  Muskeln  sind  medial  der  M.  tibialis  an- 
terior, lateral  der  M.  peronaeus  tertius.  Der  Ansatz  dieser  beiden 
Muskeln  am  medialen  Rande  und  in  der  Nähe  des  lateralen  erfordert 
es,  daß  beide  gemeinschaftlich  bei  der  Dorsalflexion  des  Fußes  in  Tätig- 
keit treten,  damit  nach  dem  Parallelogramm  der  Kräfte  die  supinierende 
und  pronierende  Wirkung  aufgehoben  wird.  Wenn  der  M.  peronaeus 
tertius  fehlt,  der  wie  die  M.  peronaei  longus  und  brevis  die  Pronation 
erzielt,  so  müssen  diese  Muskeln  eingreifen,  um  die  Supinationswirkung 

262 


Physiologische  Bemerkungen.  677 

des  M.  tibialis  anterior  aufzuheben.  (Gleichviel,  ob  sich  die  Zehen  in 
Beuge-,  mittlerer  oder  Streckstellung  befinden,  können  aucii  die  Sehnen 
des  ungefähr  in  der  Achse  des  Unterschenkels  und  Fußrückens  ge- 
legenen M.  extensor  digitorum  longus  für  die  Dorsalflexion  des  Fußes 
gegen  den  Unterschenkel  mitherangezogen  werden,  wofern  die  Zehen 
fixiert,  vornehmlich  also  durch  die  Flexoren  in  Beugestellung  gehalten 
werden.  Diese  Betrachtungen  gelten  für  die  Stellungen,  in  denen 
der  Unterschenkel  das  Punctum  fixum  bildet.  —  Ist  dagegen  der  Fuß, 
sei  es  im  ganzen  oder  bloß  in  den  Zehen,  das  Punctum  fixum,  so 
äußern  die  drei  Muskeln  der  Extensorengruppe  eine  ganz  andere 
Wirkung;  sie  beugen  bei  gemeinschaftlicher  Zusammenziehung  die 
Vorderseite  des  Unterschenkels  gegen  den  Fußrücken.  Diese  Be- 
wegung läßt  sich  ebenfalls  sowohl  bei  der  Fixation  nur  eines  Fußes, 
wie  bei  derjenigen  beider  ausführen,  wenn  man  in  dieser  Stellung 
die  Vorderseite  des  Unterschenkels  dem  Boden  nähern  will.  Selbst- 
verständlich lassen  sich  ohne  Uebung  diese  Bewegungen  leichter  aus- 
führen, wenn  beide  Füße  Puncta  fixa  sind,  als  wenn  nur  der  rechte 
oder  linke  als  Stützpunkt  benutzt  wird.  Bei  fixierter  ganzer  Fußsohle 
fallen  natürlich  die  Pronations-  und  Supinationsbewegungen  der  ent- 
sprechenden Muskeln  weg,  weil  sich  dann  die  Bewegung  ausschließlich 

im  Talocrural dem  oberen  Sprunggelenke  —  vollzieht,  welches  wir 

als  eines  der  schönsten  Schamiergelenke  mit  der  kräftigsten  seitlichen 
Knochen-  und  Bandhemmung  auffassen.  —  Sind  dagegen  nur  die 
Zehen  festgestellt  und  die  Fußwurzelgelenke  mit  dem  Ansätze  der 
M.  tibialis  anterior  und  peronaeus  tertius  frei,  dann  können  diese 
Muskeln  noch  Seitwärtsbewegungen  ausführen,  der  erste  im  Sinne  der 
Einwärtsdrehung  des  Unterschenkels,  der  zweite  im  Sinne  der  Aus- 
wärtsdrehung. Auch  der  M.  extensor  digitorum  longus  kann  gerade 
dann  die  allergünstigste.  Wirkung  als  Beuger  zwischen  Unterschenkel 
und  Fuß  in  der  Achse  desselben  entfalten.  Die  Seitwärtsbewegung 
der  Pronation  und  Supioation  kann  sich  dann  im  CnoPARTschen  und 
unteren  Sprunggelenke  vollziehen. 

Die  Supination  des  Fußes,  die  Hebung  seines  medialen  Randes, 
wird  in  kräftigster  Weise  ausgelöst,  wenn  die  beiden  M.  tibiales  zu- 
sammenwirken, obschon  jeder  Muskel  für  sich  dazu  vollauf  imstande 
ist.  Bei  der  gemeinschaftlichen  Wirkung  hebt  sich  jedoch  das  Moment 
der  Dorsalflexion,  welches  dem  M.  tibialis  anterior  zukommt,  gegen 
dasjenige  der  Plautarflexion  durch  den  M.  tibialis  posterior  auf,  und 
die  Supinationsbewegung  kommt  mit  doppelter  Kraft  zur  Geltung. 
Auf  die  eigentümliche  Gestaltung  der  inneren  Knöchelgegend,  welche 
durchaus  mit  einer  Tabatiere  anatomique  du  pied  verglichen  werden 
kann,  haben  wir  bereits  bei  der  speziellen  Beschreibung  der  Muskeln 
hingewiesen.  —  Wenn  andererseits  der  Fuß  das  Punctum  fixum  dai- 
stellt,  so  können  bei  feststehender  ganzer  Fußsohle  beide  Muskeln 
ihre  Supinationswirkung  nicht  entfalten.  Der  M.  tibialis  anterior  wirkt 
dann  als  Beuger  der  Vorderseite  des  Unterschenkels  gegen  den  Fuß- 
rücken, der  M.  tibialis  posterior  umgekehrt  als  Beuger  des  Unter- 
schenkels gegen  die  Fußsohle  oder  die  Unterlage.  Sind  dagegen  nur 
die  Zehen  fixiert  und  die  Fußsohle  freischwebend,  so  können  ein  oder 
in  stärkerer  Weise  beide  vereint  wirkenden  Muskeln  die  Innenseite 
des  Unterschenkels  gegen  die  mediale  Seite  des  Fußes  neigen,  d.  h. 
nur  scheinbar,  denn  die  Bewegung  vollzieht  sich  nicht  zwischen  Unter- 

263 


678  FROHSE   und    M.    FRÄNKEL, 

Schenkel  und  Fuß,  sondern  im  unteren  Spruuggelenke  und  dem  Cho- 
PARTschen. 

Die  Pronation  des  Fußes,  die  Hebung-  des  Außen-  oder  Klein- 
zehenrandes,  wird  durch  die  drei  M.  peronaei  erzielt,  welche  als  longus, 
brevis  und  tertius  unterschieden  werden.  Die  drei  Muskeln  vergegen- 
wärtigen in  der  glücklichsten  Weise  das  Prinzip  einer  äußerst  günstigen 
Wirkung  auf  die  Außenseite  des  Fußes :  der  M.  peronaeus  longus  um- 
faßt die  Fußsohle  von  unten  her;  der  M.  peronaeus  brevis  gewinnt 
gerade  am  lateralen  Rande  seinen  Ansatz,  und  der  M.  peronaeus 
tertius,  welcher  jedoch  sehr  schwach  sein  oder  selbst  fehlen  kann, 
begibt  sich  vom  Dorsum  her  zur  lateralen  Seite  des  Fußskeletes 
beim  Uebergange  der  Fußwurzel  in  die  Mittelfußgegend.  Da  drei 
Muskeln  zur  Ausführung  der  Pronation  mit  verschiedenem  Ursprünge 
und  Ansätze  vorhanden  sind,  läßt  es  sich  nicht  umgehen,  jeden  Muskel 
besonders  zu  beschreiben,  obwohl  sie  in  der  einen  Wirkung,  nämlich 
der  Hebung  des  lateralen  Fußrandes,  die  gleiche  Tätigkeit  entfalten. 
—  Wir  beginnen  mit  dem  M.  peronaeus  tertius,  welcher  nichts  weiter 
darstellt  als  eine  lateral  und  gleichzeitig  distal  gelegene  Abzweigung 
des  M.  extensor  digitorum  pedis  longus.  Der  Muskelbauch  erstreckt 
sich  bei  Plantarflexion  des  Fußes  bis  2  cm  distalwärts  über  den  Be- 
ginn der  Artic.  talocruralis  hinaus.  Bei  fixiertem  Unterschenkel  geht 
der  Muskelbauch  proximalwärts  zum  Unterschenkel  zurück,  und  die 
Sehne  gibt  sich  je  nach  ihrer  Stärke  unter  der  Haut  als  dünnerer 
oder  dickerer  Strang  kund.  Da  die  Sehne  fehlen  kann,  findet  sich  in 
solchen  Fällen  am  Beginne  des  Fußrückens  lateral  eine  große  sehnen- 
freie Stelle,  in  welcher  dann  der  M.  extensor  digitorum  brevis  frei 
seine  Tätigkeit  entfalten  kann.  Bei  fixierter  ganzer  Fußsohle  wirkt 
der  Muskel  als  Beuger  des  Unterschenkels  gegen  den  Fuß  im  Sinne 
der  Dorsalflexion.  Wenn  nur  die  Zehen  den  Stützpunkt  bilden,  beugt 
er  den  Unterschenkel,  überhaupt  den  ganzen  Rumpf  zur  Außenseite 
des  betreffenden  Fußes.  Der  sich  regelmäßig  findende  Ansatz  an  der 
Basis  nicht  allein  des  5.,  sondern  auch  des  4,  Mittelfußknochens  er- 
möglicht es  diesem  Muskel,  eine  außerordentlich  kräftige  Wirkung  zu 
entfalten.  Der  M.  peronaeus  brevis  verläuft  vom  Sulcus  malleoli 
lateralis  aus  zum  Os.  metatarsale  V.  Physiologisch  kommt  bloß  die 
Entfernung  von  der  Spitze  des  Malleolus  lateralis  bis  zur  Tuberositas 
ossis  metatarsalis  V  in  Betracht.  Jede  Wirkung  kann  nur  eine  Nähe- 
rung dieser  beiden  Knochenpunkte  herbeiführen.  Es  wird  bei  der 
Zusammenziehung  des  Muskels  der  äußere  Fußrand  gehoben,  und 
gleichzeitig  die  Fußsohle  gegen  die  Rückseite  des  Unterschenkels 
gebeugt. 

Beim  M.  peronaeus  longus  kommen  ganz  andere  Gesichtspunkte 
in  Frage.  Der  eigentliche  Muskelbauch  scheidet  physiologisch  für  die 
Mechanik  vollkommen  aus,  ebenso  der  Verlauf  der  Sehne  am  Sulcus 
malleoli  lateralis;  die  vollkommen  von  Muskelsubstanz  freie  Sehne 
kann  erst  von  der  Trochlea  an  der  Außenseite  des  Calcaneus  aus  auf 
den  1.  Mittelfuß knochen  wirken;  außerdem  muß  noch  eine  gewisse 
Umknickung  beschrieben  werden,  welche  sich  bei  der  Einbettung  der 
Sehne  in  die  bekannte  Furche  des  Os  cuboideum  vorfindet.  Man 
könnte  sogar  so  weit  gehen,  daß  man  den  proximalen  Angriffspunkt 
erst  auf  das  Os  cuboideum  verlegt,  so  daß  der  Muskel  überhaupt  erst 
in  der  Höhe  der  Tuberositas  ossis  metatarsalis  V  in  ungefähr  frontaler 

264 


Physiologische  Bemerkungen.  679 

Richtung  von  außen  nach  innen  oder  umgekehrt  seine  volle  Wirkung 
entfalten  kann.  Wir  dürfen  niemals  verkennen,  daß  sich  die  Endsehne 
des  M.  peronaeus  longus  nicht  allein  auf  die  Tuberositas  ossis  meta- 
tarsalis  V  beschränkt,  sondern  noch  weiter  proximal  gelegene  An- 
heftungen am  Os  cuneiforrae  1  und  sogar  in  die  Endsehne  des  M.  tibi- 
alis  posterior  besitzt.  Frohse  hat  diese  Tatsachen  bereits  während 
seiner  Studienzeit  ca.  1892  von  dem  Chirurgen  Adolf  v.  Bardeleben 
in  seinem  Operationskursus  vorgetragen  bekommen  und  kann  den 
Befund  durch  seine  und  unsere  Nachprüfungen  vollauf  bestätigen. 
In  der  Tat  spielt  auch  die  Anheftung  des  M.  peronaeus  longus  an 
der  Fußwurzel  selbst  die  allergrößte  Rolle,  wenn  man  die  Lisfranc- 
sche  Operation  auszuführen  genötigt  ist.  Bei  der  Entfernung  sämt- 
licher Metatarsalknochen  fallen  nämlich  fort:  der  halbe  Ansatz  des 
M.  tibialis  anterior,  der  ganze  Ansatz  der  M.  peronaeus  brevis  und 
tertius,  der  Hauptteil  des  M.  peronaeus  longus;  vollkommen  erhalten 
bleibt  der  Ansatz  des  M.  tibialis  posterior.  Die  Supinationsbewegung 
des  Fußes  ist  also  vollkommen  erhalten,  da  nur  der  vordere,  zudem 
schwächere  Teil  des  M.  tibialis  anterior  in  Wegfall  kommt.  Die  Pro- 
nationsbewegung des  Fußes  würde  durch  den  Wegfall  der  M.  peronaei 
tertius,  brevis  und  des  Hauptteiles  des  M.  peronaeus  longus  nicht 
möglich  sein,  wenn  nicht  der  letztere  Muskel  diese  proximalen  Neben- 
ansätze hätte,  und  doch  ist  gerade  zur  Erzielung  eines  tragfähigen 
Stumpfes  es  unter  allen  Umständen  erwünscht,  daß  der  Fußsohlenrest 
in  der  natürlichen  Haltung  bleibt,  d.  h.  weder  in  Pronation  noch  in 
Supination  steht,  sondern  einfach  senkrecht  zur  Schenkelsäule.  Der 
proximale  Ansatz  des  M.  peronaeus  longus  an  der  Fußwurzel  selbst 
muß  unter  allen  Umständen  ausgleichend  wirken  auf  die  supinierende 
Wirkung  der  bei  dieser  Operation  fast  gar  nicht  in  Mitleidenschaft 
gezogenen  M.  tibiales. 

E.  Zehellbewegungen. 

Diese  als  solche  lassen  sich  sehr  leicht  beschreiben.  Die  all- 
gemeine Zehenstreckung,  besser  ihre  Dorsalflexion  wird  durch  die 
gemeinschaftliche  Wirkung  der  M.  extensores  hallucis  et  digitorum, 
longus  und  brevis  bewirkt,  jedoch  nur  in  den  Grundphalangen.  Die 
Extension  der  Mittel-  und  Nagelphalanx  wird  am  Lebenden  oder 
einem  unter  gleichen  Bedingungen  stehenden  Präparate  nicht  durch 
die  M.  interossei  und  lumbricales  ausgelöst,  sondern  durch  die  M.  ex- 
tensores hallucis  et  digitorum  brevis. 

I.  Die  Flexion  vollzieht  sich  für  die  Grund  phalanx  unter  dem  Ein- 
flüsse der  M.  interossei  und  lumbricales,  für  die  Mittelphalanx  unter  dem- 
jenigen des  M.  flexor  digitorum  brevis,  für  die  Nagelphalanx  unter 
demjenigen  des  M.  flexor  digitorum  longus.  In  bezug  auf  Einzelheiten 
können  wir  auf  die  Beschreibung  bei  den  einzelnen  Muskeln  verweisen. 
In  diesen  Fällen  stellt  der  Fuß  distal  von  der  Ferse  bis  zu  den 
Köpfchen  der  Mittelfußknochen  das  Punctum  fixum  dar.  Hier  liegen 
ja  auch  die  drei  Unterstützungspunkte  des  Fußgewölbes.  Ein  ge- 
eignetes Modell  ist  imstande,  bei  ausreichend  weitem  Schuhwerke 
durch  letzteres  hindurch  den  Nachweis  zu  führen,  daß  die  Zehen  im 
Grunde  nichts  mit  der  Unterstützung  des  Fußes  zu  tun  haben  und 
deshalb  ohne  eingreifende  Schädigung  vom  Chirurgen  entfernt  werden 

265 


680  FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 

köuaen.  Diese  Frage  betrifft  jedoch  nur  das  Gehen.  II.  Wenn  die 
Zehen  das  Punctum  fixum  darstellen,  ist  allerdings  das  Fehlen  der- 
selben im  höchsten  Grade  hinderlich  für  das  Stehen  auf  der  jeweiligen 
Fußsohle,  für  das  sogenannte  Wippen.  Wir  müssen  hierbei  in  schärfster 
Weise  die  große  und  die  4  anderen  Zehen  voneinander  unterscheiden 
und  getrennt  beschreiben.  Die  große  Zehe  vereint  in  ihren  Phalangen, 
ihren  Mittelfußknochen  und  der  sich  daran  anschließenden  Reihe  der 
Fußwurzelknochen  eine  fast  unglaublich  große  Muskelmasse  von 
Beugern  der  Fußsohle,  des  Unterschenkels  und  selbst  des  Ober- 
schenkels. An  der  Nagelphalange  setzt  der  mächtige  M,  flexor  hallucis 
longus  an,  der  außerdem  noch  durch  eine  Sehnenkonjugation  mit  dem 
M.  flexor  digitorum  longus  verbunden  ist.  Zu  beiden  Seiten  der  Basis 
der  Grundphalauge  haben  wir  medial  den  mächtigen  M.  abductor 
hallucis  und  den  medialen  Zipfel  des  M,  flexor  brevis  hallucis.  An 
der  lateralen  Kante  haben  wir  den  lateralen  Zipfel  des  eben  genannten 
Muskels  und  den  mächtigen  M.  adductor  hallucis.  Daß  die  beiden 
Sesambeine  mit  den  starken  bandartigen  Zügen,  welche  sie  zusammen- 
halten, die  Zusammenwirkung  beider  Muskelgruppen  kräftig  unter- 
stützen, dürfte  klar  sein.  An  der  Basis  des  1.  Mittelfußknochens 
finden  sogar  die  beiden  mächtigsten  Muskeln  des  Unterschenkels, 
welche  sich  bis  zur  Fußsohle  begeben,  ihre  Anheftung.  Von  vorn  her, 
und  sich  nach  medial  und  plantar  wendend,  der  vordere  Zipfel  des 
M.  tibialis  anterior ;  von  außen  erreicht  genau  gegenüber  der  M.  pero- 
naeus  longus  mit  seinem  Hauptansatze  die  laterale  Seite  des  Knochens, 
an  dem  er  eine  besonders  benannte  Rauhigkeit,  die  Tuberositas  ossis 
metatarsalis  I,  erzeugt.  An  der  Fußwurzel  haben  wir  zunächst  das 
Os  cuneiforme  I  zu  betrachten,  an  dem  sich  distal  noch  je  ein  Zipfel 
der  beiden  eben  genannten  Muskeln  anheftet,  außerdem  jedoch  noch 
proximal  der  Zipfel  des  M.  tibialis  posterior,  welcher  sich  von  der 
Tuberositas  ossis  navicularis  zum  1.  Keilbeine  begibt.  Ersterer  Knochen- 
punkt gestattet  dem  M.  tibialis  posterior,  seine  ganze  Kraft  auf  die 
große  Zehe  zu  entwickeln.  Der  Talus  scheidet  als  Knochen  mit 
Muskelansätzen  vollkommen  aus,  jedoch  erreicht  die  Wirkung  der  für 
die  Großzehenseite  bestimmten  Sehnen,  welche  am  Skelete  dem  so- 
genannten Talusstrahle  entsprechen,  mit  dem  Sprungbeine  noch  nicht 
ihr  Ende.  Im  Gegenteile  muß  man  das  Sustentaculum  tali,  welches 
dem  Calcaneus  angehört,  physiologisch  noch  in  den  Talusstrahl 
mithineinziehen,  weil  in  dessen  unterer  Furche  die  Sehne  des  M.  flexor 
hallucis  longus  gleitet.  Auch  der  Talus  gewinnt  durch  seine  ent- 
sprechende Furche  unmittelbare  Beziehung  zur  Sehne  dieses  Muskels. 
Vom  theoretischen  Standpunkte  aus  kann  auch  der  mediale  Zipfel 
des  M.  quadratus  plantae  noch  für  die  große  Zehe  mitherangezogen 
werden;  praktisch  kann  dieser  kleine  Muskel  nur  eine  ganz  unter- 
geordnete Rolle  spielen. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  nun  den  Ursprung  der  eben  genannten 
Sehnen  von  den  Knochen:  Der  M.  flexor  hallucis  longus  entspringt 
von  dem  lateral  gelegenen  Knochen  des  Unterschenkels,  der  Fibula. 
Die  Sehnenkonjugation  dieses  Muskels  mit  dem  M.  flexor  digitorum 
pedis  longus  verschafft  ihm  bei  ausschließlich  fixierter  großer  Zehe 
auch  noch  einen  Angriffspunkt  an  dem  medialen  Knochen,  der  Tibia 
Die  M.  flexor  brevis  und  abductor  hallucis  ergeben  den  Zusammenhang 
zwischen  Grundphalanx  der  großen  Zehe  und  dem  distalen  Teile  der 

266 


Physiologische  Bemerkungen,  681 

Fußwurzel,  durch  das  Caput  transversum  des  letzteren  Muskels  sogar 
bis  zu  den  Metatarsalknochen  der  3.-5.  Zehe.  Der  proximale 
Teil  wird  mit  der  Grundphalange  der  großen  Zehe  direkt  verbunden 
durch  den  M.  abductor  hallucis,  indirekt,  d.  h.  durch  Vermittelung 
des  M.  liexor  digitorum  longus  auch  durch  den  medialen  Zipfel  des 
M,  quadratus  plantae. 

Der  Ursprung  derjenigen  Muskeln,  welche  den  Zusammenhang 
zwischen  den  Knochen  des  Unterschenkels  mit  denjenigen  der  Groß- 
zehenseite  herstellen,  braucht  hier  nicht  noch  einmal  ausführlich  er- 
örtert zu  werden.  Es  handelt  sich  um  die  M.  tibiales  anterior,  po- 
sterior und  peronaeus  longus,  jedoch  muß  im  Zusammenhange  hervor- 
gehoben werden,  daß  der  M.  tibialis  anterior  an  der  Vorder-  oder 
Extensorenseite  des  Unterschenkels  in  seiner  Achse  entspringt,  fast 
ausschließlich  von  der  Tibia;  der  M.  tibialis  posterior  in  der  hinteren 
Achse  des  Unterschenkels  sowohl  von  der  Tibia  wie  von  der  Membrana 
interossea  cruris  und  auch,  was  hervorgehoben  werden  muß,  von  der 
Fibula;  der  M.  peronaeus  longus  von  der  Fibula,  aber  auch,  was 
andererseits  verschiedentlich  nicht  genügend  betont  ist,  herauf  bis  zur 
Tibia,  wohlgemerkt  nur  im  ganz  proximal  gelegenen  Teile.  Wir  können 
demgemäß  sagen,  daß  alle  vier  Seiten  der  Unterschenkelknochen  mit 
Ausnahme  der  Facies  medialis  tibiae  vollauf  mit  Muskeln  bedacht  sind, 
welche  die  Einwirkung  auf  die  große  Zehe  gestatten.  Ohne  weiteres 
dürfte  dies  verständlich  sein  für  den  Ursprung  der  M.  tibialis  anterior, 
posterior  und  peronaeus  longus,  welche  in  der  bekannten  und  außerdem 
eben  noch  wiederholten  Weise  die  Vorder-,  Rück-  und  Außenseite  des 
Unterschenkels  in  Anspruch  nehmen.  Indessen  auch  seine  mediale 
Seite  kommt  nicht  zu  kurz  weg,  indem  der  M.  flexor  digitorum  longus 
muskulöse  Ursprünge  vom  inneren  Rande  der  Tibia  hat.  Außerdem 
ist  aber  die  spiralige  Drehung  der  Endsehnen  der  M,  tibialis  anterior 
und  posterior  zu  beachten,  welche  sowohl  bei  Synergismus,  wie  Ant- 
agonismus die  mediale  Seite  des  Unterschenkels  gegen  den  Fuß 
nach  ihrer  ausführlich  beschriebenen  Einzel-  oder  Gesamtwirkung 
neigen  können. 

Diese  theoretische  Erörterung  ist  uns  zur  Pflicht  geworden,  um 
die  Tatsache  zu  erklären,  wie  ein  Mensch  —  in  der  hervorragendsten 
Weise  kann  es  von  einer  geschulten  Ballettänzerin  erreicht  werden  — 
imstande  ist,  die  ganze  Körperlast  ausschließlich  auf  der  Großzehen- 
spitze zu  balancieren.  Bei  einer  solchen  Stellung  wirken  die  gemeinhin 
als  Flexor en  bezeichneten  Muskeln  des  Unterschenkels  und  Fußes 
als  Aufrichter  des  ganzen  Beines.  Der  M.  tibialis  posterior  und  der 
M.  peronaeus  longus,  in  die  entsprechenden  Sulci  der  beiden  Malleolen 
eingebettet,  vollführen  dann  im  Talocruralgelenke  die  Plantarflexion 
des  Unterschenkels  gegen  den  Fuß,  erzielen  also  die  sogenannte  Spitz- 
fußstellung. In  glücklichster  Weise  ist  durch  zwei  einander  gegen- 
überliegende Muskeln  sowohl  die  Tibia,  wie  die  Fibula  zur  Wirkung 
mitherangezogen.  Daß  auch  der  M.  flexor  digitorum  longus  durch 
die  Sehnenkonjugation  auf  die  Tibia  wirken  kann,  sei  nebensächlich 
erwähnt.  Interessant  ist  die  Tatsache,  daß  der  bei  weitem  schwächere 
Knochen  des  Unterschenkels,  die  Fibula,  durch  den  Ursprung  des 
M.  flexor  hallucis  longus  von  ihr  einen  ungeahnten  Zuwachs  erhält. 
Es  ist  die  Tatsache,  und  am  allermeisten  bei  der  Fractura  patellae, 
bekannt,   daß   der  Knochen  eher  reißt  als   die  Sehne  und  der  dazu- 

267 


682         FROHSE  und  ^.  FRÄNKEL,  Neurologische  Bemerkungen. 

gehörige  Muskel.  Wenn  wir  dementsprechend  die  knöcherne  und  die 
muskulöse  Komponente  für  Tibia  und  Fibula  vergleichsweise  betrachten 
wollten,  so  stellt  sich  für  die  letztere  ein  überraschend  günstiges  Er- 
nebnis  heraus.  Die  M.  flexor  hallucis  longus,  tibialis  posterior,  pero- 
naeus  longus  geben  schon  bei  der  Plantarfiexion  des  Fußes  von  der 
Großzehenseite  aus  für  die  Fibula  eine  so  große  osteomuskuläre  Masse^ 
welche  sich  getrost  der  medialen  Seite,  d.  h.  der  Tibia  mit  der  ihr 
anliegenden  Muskelmasse  vergleichen  kann. 

Die  Muskeln,  welche  am  Ende  der  Fußsohle  ihren  Ursprung  haben, 
sind  der  M.  abductor  hallucis  und  der  mediale  Zipfel  des  M.  quadratus 
plantae.  In  ihrer  Wirkung  sind  sie  Synergisten  der  distalen  Muskeln, 
der  M.  flexor  hallucis  brevis  und  adductor  hallucis.  Sie  geben  bei 
gemeinschaftlicher  Zusammenziehung  der  Fußsohle,  von  dem  proximalen 
Ende  der  Zehen  aus  gerechnet,  einen  festen  Halt  bei  der  Hebung  des 
Fußes,  bei  Einzel  Wirkung  natürlich  nur  im  Sinne  der  jeweiligen 
Funktion.  Der  M.  flexor  hallucis  longus  tritt  in  seiner  extremsten 
Wirkung  (unter  Zuhilfenahme  des  medialen  Teiles  des  M.  flexor  digi- 
torum  pedis  longus)  erst  dann  in  Tätigkeit,  wenn  nur  die  Nagel- 
phalanx der  großen  Zehe  als  Punctum  fixum  dient. 


268 


Namen-  und  Sachregister. 


Abkürzungen:  A  =  Arm,  B  =  Bein,  n. 


nobis. 


Albinus  A  204,  205,  233. 
Alcock  B  75,  207. 
Alexander-Adam  B  33. 
Arnold  A  219. 

Abduktion  A  67. 

Abgesprengte  Portion  des  M,  brachialis 

A  153. 
Acetabulum  B  94. 
Achillessehne  B  17. 
Achse  des  Fußes  i?  221. 

—  der  Hand  A  232. 
Achselgrube  A  3. 
höhle  A  5. 

—  -rinne  A  ö  n. 
spalt  A  S  n. 

—  -wulst  Ahn. 
Acromion  A  47,  362. 
Adductorendreieck  B  6. 
gruppe  B  106. 

—  -kreise  B  87,  106. 
Adduktion  des  Daumens  A  193. 
Ai  cr^pitant  de  la  jambe  A  300. 
Anastomosen   des  N.  ischiadicus  B  118. 
medianus  A  141. 

ulnaris  A  207. 

Anconaeus  A  1. 

Angiotopie  B  85,  214  n. 

Anguli  scapulae  ^  39,  243. 

Am  scalptor  A  60. 

Anulus  inguinalis  subcutaneus  B  35. 

Apertura    interna    des    öchenkelkanales 

B  206. 
Aponeurosi8(e8)  bicipitalis  ^71. 

—  digitalis  A  258. 

—  dorsalis  digitorum  pedis  B  203. 

—  infraspinata  A  55. 

—  intermusculares   A  55,  169,  173,  179, 
240,  251,  B  134  n. 

—  palmaris  A  115,  217,  256. 

—  plantaris  B  165. 
Appendix  epiploica  A  295. 

Arcus  fibrosus  poUicis  et  indicis  A  264  n. 

—  lumbocostales  (Halleri)  B  29,  39,  206. 

—  plantaris  B  186. 

—  tendineus  m.  solei  B  151,  214. 


Arcus  volaris  profundus  A  209. 

superficialis  A  220,  260. 

Armmuskeln,  Einteilung  A  25. 
Arteria(ae)  (en)  axillaris  A  82. 

—  brachialis  A  75,  87,  252. 

—  carpeae  A  23,  231. 

—  circumflexa  femoris  medialis  B  108, 
121. 

—  coUateralis  ulnaris  inferior  A  252. 

—  comitans  n.  ischiadici  B  121,  218. 

—  cubitalis  A  76. 

—  digitales  communes  B  179. 

—  dorsalis  pedis  B  25,  195,  198. 

—  fühlbare  B  25. 

—  glutaea  superior  B  44,  47. 

—  interossea  dorsalis  A  150,  167,  253. 

recurrens  A  167,  249,  254. 

volaris  A  197,  256. 

—  mediana  A  255. 

—  musculoarticularis  B  100. 

—  obturatoria  B  107. 

—  perforans  prima  B  198. 
lig.  sacrotuberosi  B  44. 

—  peronaea  B  163,  197. 

—  plantares  B  179. 

—  princeps  pollicis  A  208. 

—  profunda  femoris  B  111,  128. 

—  radiaüs  A  105,  111,  195,  200,  255. 

—  recurrens  radialis  A  162,  251. 

—  —  ulnaris  post.  A  250. 

—  tibialis  ant.  B  133,  197. 
post.  B  25,  147. 

—  ulnaris  A  118,  255. 
Articulatio{ones)  acromioclavicularis  A 

359. 

—  calcaneocuboidea  B  185. 

—  carpometacarpeae  A  190,  208,  263. 

—  coxae  B  27,  84. 

—  cubiti  A  25. 

—  genu  B  28. 

—  mtercarpea  A  190. 

—  interphalangeae  B  28. 

—  intertarseae  B  28. 

—  metacarpophalangeae  A  191,217,  221. 

—  metatarsophalangeae  A  259,  B  28, 175. 

—  radiocarpea  A  149,  190,  257,  287. 


269 


684 


FROHSE   und   M.   FRANKEL, 


Articulatio(nes)  radiohumeralis  Ä  166. 

—  radioulnaris  (distalis)  A  148,  249. 

—  sacroiliaca  B  27. 

—  talocruralis  B  28,  152. 

—  talonavicularis  B  137. 

—  tibiofibularis  B  120,  158. 

V.  Bardeleben,  A.  B  140,  265. 

V.  Bardeleben,  K.  A  VII,  VIII,  XII,  10, 

27,  102,  269,  386,  B  lOl,  127,  163. 
Bell  A  25. 

V.  Bergmann  A  VII,  21, 120,  B  149,  153. 
Bernhardt  A  409. 
Bischoff  A  205. 
Bolk  A  XI,  31,  386,  B  241. 
Borchardt  A  XII. 
Bourgery  A  238,  289. 
Bouvier  A  235. 
Boyer  A  235. 
Brauer  A  300. 
Braune  A  10. 
Braus  A  VIII. 
Brooks  A  205,  215,  216,  227. 
Brown  A  238. 
Brücke  B  1. 

Ballen-  und  Knöchelgegend  B  18. 
Bandelette  arcifornae  B  209. 
Basis  scapulae  A  359. 
Beckenhaltung,  normale  B  78. 

—  -heber  B  30. 
horizontale  B  77. 

Beginn  der  volaren  Sehnenscheiden  A  266. 
Beinmuskeln,  Einteilung  B  25. 
Berufsschleimbeutel  B  45. 
Beugehügel  ^  65,  B  33  n. 

sehnen  A  278,  ^221. 

Biceps  ^  70. 

Bleilähmung  A  407. 

Brachioradialgruppe  A  151. 

Bruchpforten  des  kleinen  Beckens  B  78. 

Brustbein  ^  239. 

Bursa(ae)  accessoriae  palmae  A  268. 

—  anserina  B  90,  129. 
■ —  bicipitalis  A  364. 

—  bicipitoradialis  A  372. 

—  calcanea  B  106,  143,  147. 

—  coracoacromialis  A  32. 

—  gastrocnemio-semimembranosa  B  127, 
144. 

—  iliaca  subtendinea  B  37. 

—  iliopectinea  B  37,  38. 

—  infrapatellaris  B  106. 

—  intermediae  palmae  A  270. 

—  intermetatarsophalangeae  B  20,  184. 

—  intertendinosae  B  45. 

—  ischiadica  m.  glutaei  maximi  B  44. 

—  musculi  abductoris  pollicis  longi  A  188. 
anconaei  A  101. 

bicipitis  femoris  B  60. 

coracobrachialis  A  42,  81. 

extensoris  carpi  radialis  brevis  A 

162,  297. 

longus  A  160,  297. 

digitorum  communis  A  297. 

pollicis  longi  A  297. 


Bursa(ae)  musculi  flexoris  carpi  radialis 
A  273. 

gastrocnemii  medialis  B  127. 

interosseorum  dorsalium  A  232. 

latissimi  dorsi  A  366. 

obturatoris  externi  B  85. 

interni  B  60,  74. 

pectinei  B  109. 

piriformis  B  59. 

poplitei  B  102. 

sartorii  propria  B  90,  129. 

semimembranosi  B  127. 

supinatoris  A  167,  370. 

teretis  majoris  A  62,  365. 

—  praepatellaris  B  105. 

—  subabductoria  carpalis  A  188,  296  n. 
digiti  quinti  B  184  n. 

hallucis  5  181  w. 

profunda  B  174  n. 

radialis  A  155,  252,  295  n. 

—  subacromialis  A  31,  41,  48,  243,  362. 

—  subcoracoidea  A  42,  363  n. 

—  subcuboidea  lateralis  B  184  n. 

—  subcutanea(ae)  abductoria  B  174  n. 
calcanea  ^191. 

capituli  ulnae  A  248,  285  n. 

ischiadica  B  44. 

malleoli  medialis  B  191. 

metatarsophalangea  B  181. 

olecrani  A  248. 

supracalcanea  B  191  n. 

trochanterica  B  45. 

ulnaris  dorsalis  A  248  n. 

—  subdeltoidea  ^31,  362. 

—  subfascialis  capituli  ulnae  A  285  n. 

—  subligamentosa    m.    semimembranosi 
B  125  n. 

—  subtendinea  m.  tibialis  anterioris  jB  191. 

—  tendinis  calcanei  B  191. 

—  trochanterica  m.  glutaei  maximi  B  45. 

medii  ant.,  post.  B  52. 

minimi  B  50. 

Camper  A  278,  B  222. 

Chaussier  A  50,  238. 

Chudzinski  A  132,  238. 

Cloquet  A  238. 

Cohn,  T.  A  X,  7,  15,  116,  381,  390,  402, 

406,  407,  414,  B  2,  24,  244. 
Columbus  A  234. 

Cruveilhier  A  204,  205,  206,  235,  238. 
Cunningham  A   37,   58,   205,   210,   21  1 

216,  227,  316,  356,  379,  B  184. 

Canalis  adductorius  B  101. 

—  cubitalis  n.  ulnaris  A  122  w. 

—  obturatorius  B  74,  207. 

—  supinatorius  A  164,  169,  255  n. 

—  ulnaris  A  121  n. 
Capitulum(a)  fibulae  B  120,  134. 

—  humeri  A  166. 

—  ossium  metatarsalium  B  186. 

—  radii  A  251,  375. 

—  ulnae  A  248,  287. 
Cavum  axillare  A  7. 

—  popliteum  B  12. 


270 


Namen-  und  Sachregister. 


685 


Chiasma  tendinum  Camperi  A  129,  278, 

B  170,  181. 
Chiromantie  A  8,  21. 
Chopartsches  Gelenk  ^21,  162. 
Chorda  obliqua  radii  A  89. 
Clavi  B  19. 
Clavicula  A  239,  357. 
Collum  scapulae  A  AI. 
Colon  pelvinum  B  77. 
Condylus  lateralis  femoris  B  12. 

—  medialis  tibiae  B  123. 
Confluens  venarum  B  24  n. 
Cornu  sacrale  £  41. 
Corpus(ora)  adiposum  coxae  B  S  n. 

hypothenaris  profundum  A  217  n. 

interdigitalia  B  20,  169  n. 

plantae  B  20  w. 

subscapulare  A  244  n. 

—  —  suprascapulare  A  47,  244  w. 
Corpuscula  lamellosa  ^  193. 
Costae  scapulae  .1  39,  363. 
Cremasterreflex  B  24. 

Crista  anterior  tibiae  B  130. 

—  iliaca  A  239,  B  49. 

—  iuterossea  A  374. 

—  intertrochanterica  B  60,  81. 

—  supinatoria  ulnae  A  374. 

—  tuberculi  majoris  A  364. 

minoris  A  59,  81,  364. 

Cul  de  sac  A  268. 

Cunninghamscher  Adductor  .1  210,  379, 

B  184. 
Cutis  plantae  B  167. 

Deetjen  A  VIII. 

Duchenne  ^  IX,  34,  35,  48,  52,  60,  76, 
95,  97,  101,  112,  141,  145,  163,  174, 
175,  184,  189.  190,  192,  195,  199,  201, 
2(y>,  210,  233,  234,  235,  236,  286,  B  37, 
92,  96,  244. 

Dumas  A  50,  127. 

Dupuytren  A  259. 

Dursy  A  157. 

Duval,  M.  A  48,  103,  191,  B  97,  131. 

Duvernoy  A  205. 

Daumenballen  A  199. 
Dauraennagelmethode  A  242,  B  65. 
Diameter  transversa  B  35. 
Digitale  Behandlung  der  Ischias  B  245. 
Digitalphlegmone  des  Fußes  B  179. 
Doppelschichtung  der  Muskeln  B  231. 
Doppelt  innervierte  Arramuskeln  A  389. 

Beinmuskeln  B  243. 

Dornfortsätze  A  239. 
Dorsalaponeurose  A  176. 

—  des  Daumens  A  286. 

—  der  Finger  A  285. 

—  des  Fußes  B  176. 
Dorsale  Sehnenscheiden  A  284. 
Dorsalflexion  des  Fußes  ^143,  262. 

—  der  Hand  A  1&3. 
Dreieckige  Muskellücke  A  42. 
Dreiköpfiger  Schenkelstrecker  B  93. 
DruckpunKte  des  N.  ischiadicus  B  25, 191. 
Dupuytrensche  Kontraktur  A  259. 


Durchbohrung(en)  der  Armmuskeln  durch 
die  Nerven  A  98,  305,  307,  308,  310, 
316,  388. 

—  der  Beinmuskeln  durch  die  Nerven 
B  242. 

Eisler  B  30,  38,  40. 
Etzold  A  215. 

Elektrotherapeutische  Bemerkungen  A  390, 

B  244,  284. 
Ellenbeuge  A  76. 
Ellenbogengelenk  A  364. 
Eminentia  carpi  ulnaris  A  20. 

—  iliopectinea  B  37. 
Epicondylu8(i)  femoris  B  107. 

—  humeri  A  99,  102,  159,  221,  246,  368. 

—  tibiae  B  120. 
Erbsenbein  A  200. 
Extension  A  68. 
Extensorendreieck  B  6,  90. 

Fallopia  A  233,  234,  235. 

Fau  B  62. 

Flemming  A  203,  204,  205,  215,  B  237. 

Flower  A  238. 

Fränkel  A  VII,  VIII,  122,  259,  390,  405, 
406,  B  47,  62,  65,  130,  181. 

Frohse  A  VII,  VIII,  XII,  16,  37,  56,  59, 
71,  79,  87,  95,  122,  140,  143,  145,  191, 
217,  218,  241,  242,  258,  262,  269,  381, 
386,  390,  391,  392,  393,  404,  405,  406, 
409.  412,  B  2,  24,  25,  39,  50,  62,  65, 
92,  108,  127,  156,  171. 

Fromont  A  215,  237,  238. 

Fürbringer  ^  XII,  ^  38. 

Fürst  B  240. 

Faisceau   supörieur  du  grand  adducteur 

B  234. 
Fascia(ae)  antebrachii  .1  76,  200. 

—  brachii  A  242. 

—  coxae  B  205. 

—  cribrosa  B  33. 

—  cruris  B  120,  152,  210. 

—  deltoidea  A  243. 

—  endoabdominalis  B  29,  205. 

—  endopelvina  B  76.  205. 

—  glutaea  media  B  41,  56. 

—  hypothenaris  A  261. 

—  iliopectinea  B  206. 

—  infraspinata  A  31,  56,  243. 

—  intermuscularis  A  248. 

—  interosseae  A  257,  B  198. 

—  lata  A  241,  Ä  43,  61,  209. 

—  lumbodorsalis  B  29. 

—  manus  A  256,  263. 

—  pedis  B  214. 

—  scapularis  A  242. 

—  subscapularis  A  244. 

—  supraspinata  A  46,  244. 

—  thenans  A  260. 

Fasciculus  (i)   longitudinalie    radialis    A 

176  n. 
ulnaris  A  194,  249. 

—  praetendinosi  A  258. 


271 


686 


FROHSE   und    M.   FRÄNKEL, 


Fascien  der  oberen  Extremität  A  239. 

—  der  Oberschenkelmuskeln  B  209. 

—  der  unteren  Extremität  B  205. 
Faust  A  24. 

Fehlen  der  Muskeln  B  231. 
Femur  A  240. 
Fersenkappe  B  18. 
Fibrae  perforantes  A  286. 

—  transversae  B  166,  260. 
Fibrocartilagines  intervertebrales  B  33. 
Fibula  B  121. 
Flankenfettkörper  B  1. 
Flexor-Supinator  (ßiceps)  A  76  n. 
Fleischige  Finger  A  377. 

Foramen  infrapiriforme  B  49,  71,  72. 

—  intrapiriforme  B  73,  242  n. 

—  ischiadicum  majus  B  72. 
minus  B  80. 

—  obturatum  B  74,  83. 

—  suprapiriforrae  B  56,  71,  72. 
Fossa  iliaca  B  31. 

—  infraclavicularis  A  23,  358. 

—  infraspinata  A  51,  362. 

—  ischiorectalis  B  3,  43,  75. 

—  ovalis  B  23,  206. 

—  subscapularis  A  39,  41. 

—  supraclavicularis  A  23,  358. 

—  supraspinata  A  47,  359. 

—  trochanterica  B  83. 
Fossette  fömorale  B  7,  91,  96. 
Fovea  patellaris  B  8. 
Funda  pedis  B  16. 

Fuß  B  17. 

beugung  B  143. 

muskeln  B  165, 

sohlenfettkörper  B  18,  20. 

—  -Streckung  B  143. 

Galen  ^  175,  233,  235. 

Gegenbaur  A  205,  206,  215,  B  31. 

Gerdy  B  97. 

Gosselin  ^  268. 

Gruber  A  100,  101,  117,  162,  163,  B  103. 

Günther  A  221,  £  51. 

Galea  aponeurotica  A  286. 

Geburtsakt  B  231. 

Gelehrtenmuskel  ^  62. 

Gelenknerven  des  R.  profundus  n.  radialis 

A  185,  389. 
Gesäßfurche,  quere  B  43. 

—  -gegend  B  2. 

—  -kerbe  B  1, 

Gitterwerk  der  Sehnen  des  Dorsum  pedis 

^202. 
Glutäalinjektion  B  41. 
Gothischer  Spitzbogen  A  134. 
Grube  am  Epicondylus  lateralis  humeri 

A  370. 
Grübchen  der  Lendengegend  B  18. 

Häckel  A  XII,  10,  269,  386. 
Haffter  B  47. 
Hauet  A  117. 
Hailette  A  214. 


Hartmann  A  299. 

Hauff,  H.  A  25. 

Hein  A  39,  46,  145,  B  45. 

Heitzmann  A  204,  356. 

Henle  A  VIII,  76,  81,  86,  117,  122,  156, 
157,  164,  200,  201,  204,  205,  206,  210, 
214,  225,  226,  227,  246,  262,  279,  285, 
289,  293,  B  50,  51,  95,  97,  173,  185. 

Hepburn  A  205. 

Hexner  A  22. 

Hildebrandt  A  VIII. 

Hochstraten  A  22 

Hoffa  B  12. 

HoUstein  A  246. 

Hyrtl  A  8,  10,  23,  148,  204. 

Hamstrings  B  27. 

Hamulus  ossis  hamati  A  208,  222. 

Handbewegungen  A  190. 

—  -furchen  A  16,  258. 
linien  A  21. 

muskeln  A  198. 

—  -teller  A  21. 

Wurzel  A  197. 

Hautfascie  A  247. 

—  -muskel  A  261. 

venen  B  23. 

Hernien  B  77. 

Hiatus  peronaeales  B  141. 

—  radialis  profundus  A  310. 

—  sacralis  B  1. 

—  semilunaris  fasciae  brachialis  A  246. 
Hohlhandfächer  A  261. 

furche  B  20. 

—  -tunnel  ^  129,  260. 
Hüftbewegungen  B  26. 
Hüfte  B  1. 
Hüftmuskeln  £  29. 
Hühneraugen  B  19. 
Humerus  A  240,  364. 
Hunterscher  Kanal  B  91,  101. 
Hygrom  A  275. 

Hyperextension   der  Grundphalangen  A 

236. 
Hypothenar  A  216,  -B  21. 


Jacob  A  289. 
Jarjavay  ^  235. 
Joachimsthal  B  103. 
Joessel  ^122. 
Juvara  A  258. 

Incisura(ae)  B  53,  74. 

—  scapulae  A  42,  364. 

—  ulnaris  radii  A  375. 
Infundibulum  obturatorium  B  207. 
Inhalt  der  Sehnenscheiden  B  221. 
Injektionskuren  £  47. 

Innervation  des  Daumenballens  A  215. 
Interdigitalräume  A  283,  ^  20,  166. 
Intertendinöser  Schleimbeutel  A  363. 
Intramuskuläre  Sehnen  A  300. 
Jobertsche  Grube  B  251. 
Ischias  5  139. 


272 


Namen-  und  Sachregister. 


687 


Kanavel  A  283. 

Kasper  A  215. 

KeUy  A  238. 

Kollmann  A  10,  22. 

Kopsch  A  143,  169,  B  100,  186,  236,  237. 

Krause,  W.  A  161,  204,  205,  B  102,  234, 

235. 
Küttner  A  283,  299,  300,  B  139. 

Kleinfingerballen  A  216. 
Klimmziehen  A  108. 
Kniebewegungen  B  261. 

—  -gegend  B  7. 
kehle  A  5,  7. 

—  -kehlenspalt  ^  7,  £  13. 
kehlen  müst  A  7. 

Knochen  des  Armes  mit  Muskelansätzen 

A  356. 
Knochenleisten  der  Finger  A  378. 
Knotenpunkt  B  196. 
Kommunikation    von   Sehnenscheiden  A 

268,  290. 
Krampf  B  173. 
Krampfader  jB  24. 
Kreuzraute  ^1. 

Langer  A  VIII,  59,  173,  183. 

Leboucq  A  210. 

Ledouble  A  X,  227,  238,  B  240. 

Legueu  A  258. 

Lejars  ^  216. 

I.uschka  B  43. 

Labia  lineae  asperae  B  209. 

Lacertus  fibrosus  m.  bicipitis  A  71,  72, 

76,  80,  105. 

tricipitis  A  91,  100,  183,  247  n. 

Lacuna  musculorum,  vasorum  B  35,  87. 
Lamina  vastoadductoria  B  101. 
Langerscher  Muskel  A  59. 
Languettes  inter-,  pr^tendineuses  A  258. 
Länge    und    Lage    der    Sehnenscheiden 

B  219. 
Leistenring  B  85. 
Lendenraute  B  1. 
Wirbelsäulen-  und  Becken bewegungen 

B  260, 
Ligament— um(a)  accessorium  volare  5200. 

—  anulare  radii  A  166. 

—  anularia  et  cruciata  digitorum  A  241. 

—  arcuatum  B  156. 

—  calcaneocuboideum  plantare  B  171. 

—  calcaneometatarsale  (laterale)  B  188  n. 

—  capitulorum    transversa   A   227,   259, 
262,  B  184. 

—  carpi  dorsale  A  157, 179,  183,  263, 284. 
radiatum  A  206. 

transversum  A  208,  209,  217,  260. 

volare  commune  A  122,  285. 

—  coUaterale  ^231. 

fibulare  B  13,  121. 

laterale  A  165. 

mediale  A  121. 

tibiale  B  13,  123. 

—  coracuacromiale  A  341. 

—  coracohumerale  A  75. 

Handbuch  der  Anatomie.    II,  n,  3. 


Ligament— um(a)  cruciatum(a)  A  272,  B 
102,  158. 

cruris  B  16,  131. 

pedis  A  241,  B  196. 

—  fundiforme  -B  16. 

—  Gimbernati  B  206. 

—  hamometacarpeum  A  124. 

—  iliofemorale  (ßertini)  B  58. 

—  iliopectineum  B  35,  39,  88,  205. 

—  iliotibiale  B  68. 

—  ilio-trochantero-tibiale  B  68. 

—  inguinale  (Pouparti)  A  239,  B  23,  32, 
206. 

—  intermuscularia  A  161,  173,  176,  249, 
251,  253,  B  66. 

—  intersesamoideum  B  176  n. 

—  intrametacarpalia  A  286. 

—  ischiocutanea  B  43. 

—  laciniatum  5  17,  160,  191,  213. 

—  lacunare  B  206. 

—  mucosa  A  278. 

—  natatorium  (Braune)  A  10,  259,  B  169. 

—  nuchae  B  31. 

—  obliqua  A  272. 

—  palmae    transversum    superficiale    A 
259  n. 

—  patellae  B  12. 

—  pisohamatum  A  118,  123,  219. 

—  pisometacarpeum  A  118,  123,  308. 

—  plantare  longum  B  167,  198. 

—  popliteum  obliquum  B  124. 

—  raaiatum  A  210. 

—  sacrotuberosum  B  41,  207. 

—  suspenseur  de  l'aisselle  A  5. 

—  Suspensorium  trochanteris  B  51. 

—  tarsometatarsea  plantaria  B  184. 

—  teres  uteri  B  78, 

—  transversum  articulare  A  272. 

cruris  A  241,  299,  B  131,  196. 

scapulae  A  42,  244,  359. 

—  tripartitum  pedis  B  196  n. 

—  vaginalia  J  272,  274. 

—  ypsiloforme  A  275, 
Limbus  glenoidalis  A  74. 
Linea(ae)  arcuata  B  108. 

—  aspera  B  67,  94. 

—  axialis  manus  A  10  n, 

—  cephalica  A  10,  21. 

—  eminens  B  101. 

—  glutaea  anterior  B  52. 

inferior  B  57. 

posterior  B  52. 

—  hepatica  A  10,  21. 

—  mensalis  A  10,  258. 

—  musculares  scapulae  A  39,  42,  363. 
— nuchae  superior  A  239. 

— pectinea  femoris  B  60. 
— Poplitea  (obliqua)  B  151. 
— supinatoria  radii  A  371. 

—  vitalis  A  10,  21,  258. 
Lisfrancsche  Operation  B  21,  140. 
Logen  am  Oberschenkel  B  214. 

—  am  Vorderarme  A  248. 

—  der  Waden rauskulatur  B  219. 
Lumbricalkanäle  A  285. 

44 
275 


688 


FROHSE   und   M.    FRÄNKEL, 


Lymphoglandula    cubitalis     superficialja 
B  23. 

Macalister  A  38,  50,  117,  143,  162,  163, 

205,  221,  227,  238,  B  188. 
Macdonald  A  238. 
Maissiat  A  67,  241,  242,  B  62,  68. 
Meckel  A  204,  205. 
Mendel  A  VIII. 
Merkel  A  238,  B  50,  95. 
Meyer  A  21. 
Michaelis  B  1. 
Morel  A  191. 

Maissiatscher  Streifen  ^  67,  J?  62. 

Malleolus  medialis  B  159. 

Manus  A  23. 

Marginaler  Eintritt  des  Nerven  A  156. 

Margo  interosseus  A  187. 

—  vertebralis  scapulae  A  359. 
Maus  A  199. 

Membrana  interossea  antebrachii  A  146, 

186,  191,  240,  248. 
cruris  B  15,  131. 

—  obturatoria  B  83. 
Meralgia  B  24. 
Mesotendineum  A  278,  287. 
Metadesmitis  crepitans  A  300. 
Mittelachse  des  Fußes  A  231. 

—  der  Hand  ^231. 
Monticuli  A  258. 

Motorische  Anastomose  der  N.  plantares 

B  176. 
Muskelbündellänge  A  317,  B  223. 

—  -gewichte  A  325,  5  228. 
primitivbündel  B  91. 

—  und  Sehnenkonjugationen  B  234. 

länge  A  300. 

Muscülus(i)  abductor  carpi  A  186  n. 

coxae  tibialis  s.  longus  B  28,  70  n. 

trochantericus   s.   brevis  B  28, 

70  n. 

digastricus  A  216. 

digiti  quinti  (manus)  A  219. 

(pedis)  B  187. 

hallucis  B  173. 

pollicis  brevis  A  199. 

propriuso8si8metatarsalisIV£199, 

mtermedius  A  190,  200,  219  n 

longus  A  186. 

—  adductor  brevis  B  114. 

hallucis  B  177. 

humeri  A  80. 

longus  B  110. 

magnus  B  112. 

minimus  B  115. 

pollicis  A  209. 

—  anconaeus  (quartus)  A  99. 

—  ani  scalptor  A  60. 

—  articularis  genu  B  94. 

—  biceps  brachii  A  70. 
femoris  B  120. 

—  brachialis  A  83. 

-—  brachioradialis  A  152,  J5  26. 

—  cleidomastoideus  A  359. 

—  coracobiceps  A  72,  80. 


Musculu8(i)  coracobrachialis  A  80,  5  26t 
minor  A  83. 

—  cremaster  B  33. 

—  deltoideus  A  27. 

—  digastrique  Macalister  A  117. 
dorso-epitrochlearis  ^  99. 

—  extensor  carpi  radialis  longus  A  157. 
brevis  A  161. 

ulnaris  A  183. 

digiti  quinti  proprius  A  179. 

—  —  digitorum  brevis  (pedis)  B  201. 
communis  A  176. 

longus  s.  peronaeus  tertius  B  134. 

hallucis  brevis  B  201.- 

intermedius  B  237. 

hallucis  longus  B  137. 

indicis  proprius  A  196. 

intermedius    pollicis    et   indicis  A 

264  n. 

—  —  pollicis  brevis  A  191. 
longus  A  194. 

—  flexor  carpi  radialis  A  110. 

ulnaris  A  118. 

cruris  fibularis  B  120. 

digastricus  indicis  A  132. 

digiti  quinti  (manus)  brevis  A  222. 

(pedis)  —  B  192. 

digitorum  brevis  B  170. 

longus  B  159. 

profundus  A  133. 

subHmis  A  127. 

hallucis  brevis  B  175. 

intermedius  B  236. 

—  longus  B  162. 

pollicis  brevis  A  203. 

longus  A  144. 

—  gastrocnemius  B  143. 
tertius  ^  237. 

—  gemelli  B  80. 

—  glutaeus  anterior  B  26,  60. 
maximus  B  40. 

medius  B  51. 

minimus  B  57. 

profundus  B  70. 

—  —  superficialis  B  70. 

—  gracilis  £  111. 

—  iliacus  B  36. 

—  —  externus  B  32  n. 
minor  £  32. 

hopsoas  A  65,  ^  31. 

nfraspinatus  A  50. 

ntermetacarpalis  1  A  239. 

nterossei  (manus)  ^  225. 

dorsales  A  230. 

volares  A  226. 

(pedis)  B  193. 

dorsales  B  195. 

plantares  ^  198. 

—  intertransversales  laterales  B  36. 

—  invertor  femoris  B  27,  53,  58. 

—  latissimus  dorsi  A  363,  365. 

—  levator  ani  B  75. 
scapulae  A  359,  362. 

—  lumbricales  (manus)  A  138. 
(pedis)  B  172. 

—  maniaeus  B  201. 


274 


Namen-  und  Sachregister. 


Musculus(i)  obturator  externus  B  83. 
internus  B  74. 

—  omohyoideus  A  359. 

—  opponens  digiti  quinti  (manus)  A  223. 
(pedis)  B  192. 

poUicis  A  207. 

—  palinaris  brevis  A  25,  217,  B  21. 

—  —  longus  A  115. 

—  pectineus  B  108. 

—  pectoralis  major  A  66,  71,  357. 

—  pediaeus  B  201. 

—  perforatus  Casseri  A  82. 

—  peronaeotibialis  B  38,  240. 

—  peronaeus  brevis  B  141. 

longus  B  139. 

parvus  B  237. 

tertius  B  202. 

—  —  quartus  B  236. 

—  piriformis  B  71. 

—  plantaris  B  147. 

—  popliteus  B  155. 

—  Pronator  quadratus  A  147. 
teres  A  104. 

—  psoas  major  B  33. 
minor  B  37. 

—  pyramidalis  B  40. 

—  quadratus  femoris  B  81. 

lumborum  B  29,  38. 

plantae  B  171. 

—  radialis  internus  brevis  A  147. 

—  rectus  femoris  B  94. 

—  rhomboidei  A  360. 

—  sacrospinalis  B  29,  42. 

—  sartorius  A  1,  Ä  89. 

—  scaieni  B  30. 

—  scansorius  B  236. 

—  semimembranosus  B  122. 

—  semitendinosus  B  119. 

—  serratus  anterior  A  359. 

—  soleus  B  150. 

—  sphincter  ani  B  40. 

—  sternohyoideus  A  357. 

—  subclavius  A  357,  B  31. 

—  subscapularis  A  39. 

minor  yl  41,  45,  58,  303. 

—  supinator  A  164. 

brevis  ^167. 

longus  A  152. 

verus  A  157. 

—  supraspinatus  A  46. 

—  tensor  fasciae  cruralis  B  235. 

—  —  —  dorsalis  pedis  B  235. 

et  cutis  foveae  axillaris  A  45. 

latae  A  241,  B  60. 

ligamenti  anularis  radii  A  169. 

—  teres  major  A  58. 
minor  A  54. 

—  tibialis  anterior  B  130. 
posterior  if  161. 

—  trans versus  lumborum  B  29. 
manus  A  214. 

—  trapezius  A  29,  47,  358,  B  31. 

—  triceps  brachii  A  89. 
femoris  B  93  n. 

—  vastus  intermedius  B  93. 
lateralis  B  98. 


!   Musculus(i)  vastus  medialis  B  100. 
j   —  ypsiloformis  A  196  n. 

1  Nasse  ^  259. 
Neelsen  A  48. 
Nietzky  ^  22. 

Nervenreizungspunkte  A  411. 

Segmente  A  385,  5  240. 

Nervus(i)  accessorius  spinaiis  A  386. 

—  axillaris  A  36,  51,  55,  63,  386,  B  49. 

—  calcanei  laterales  et  mediales  B 169, 214. 

—  clunium  B  24,  42. 

—  coccygeus  B  242. 

—  communicans  tibialis  B  25,  145. 

—  cutaneu8(i)  antebrachii  4  75,  104,  246. 
dorsalis  B  25. 

—  —  dorsi  pedis  lateralis  B  189. 
femoris  A  56,  B  24,  30,  42,  73,  96, 

105,  12],  239. 

supraacromiales  A  31. 

supraclaviculares  A  31. 

surae  B  25. 

—  ulnares  A  260. 

—  digitalis  communis  B  173. 

—  femoralis  B  105,  108,  238. 

—  genitofemoralis  B  37. 

—  glutaeus  inferior  B  40,  50. 
Buperior  B  49,  215. 

—  iliohypogastricus  B  30,  41,  242. 

—  ilioinguinalis  B  30,  42. 

—  infrapatellaris  B  91,  215. 

—  interosseus  (antebrachii)  dorsalis  A  156. 
volaris  A  135,  146,  197,  255. 

—  ischiadicus  B  73,  74,  82. 
,  Druckpunkt  B  47. 

—  lumbales  B  38. 

—  lumboinguinalis  B  241. 

—  medianus  A  26,  57,  75,  82,  104,  134. 

—  musculocutaneus  A  26,  70,  80,  85,  88. 

—  obturatorius  481, 305,^74,83, 107,241. 

—  peronaeus   communis  B  47,  121,  127, 
140,  211. 

profundus  A  56,  B  135,  140. 

superficialis  B  135,  174. 

—  plantares  B  160,  169. 

—  pudendus  B  74. 

—  radialis  A  26,  57,  70,  72,  76,  87,  88,  97. 

—  sacrales  B  73,  242. 

—  saphenus  B  23,  101. 

—  spermaticus  externus  B  24 

—  subcostalis  B  30,  38. 

—  subscapulares  A  26,  60. 

—  suprascapularis  A  26,  48,  51,  56,  243. 

—  suralis  B  23,  25,  169,  211. 

—  thoracales  ^31. 

anteriores  A  35,  37,  57,  386. 

—  thoraco-dorsalis  A  60. 

—  tibialis  B  47,  128,  152,  241. 

—  ulnaris  A  26,  120,  122,  131,  135,  209. 
Neurologische  Bemerkungen  A  385,  B  238. 
Neurotopie  £  85  n. 

Oberarmmuskeln  Ä  70. 
Oberschenkel B  %. 

—  -dreieck  B  90. 


44* 


«75 


FROHSE   und   M.   FRÄNKEL, 


Oberschenkelgrübchen  B  7,  96. 

muskeln  B  88. 

Olecranou  A  118,  306,  374. 
Opposition  A  201. 
Orthopnoe  A  60. 

08(sa)  antebrachii  mit  Muskelansätzen 
A  370. 

—  capitatum  A  197,  210. 

—  coccygis  B  49. 

—  cuneiforme  B  130,  140,  174. 

—  ischii  B  118. 

—  lunatum  A  197. 

—  manus  mit  Muskelansätzen  A  375. 

—  metacarpalia  A  169, 180,  186,  211,  225. 

—  metatarsalia  B  130,  131. 

—  multangulum  majus  A  187,  375. 
minus  A  206. 

—  naviculare  A  200. 

—  pisiforme  A  118,  123,  219. 

—  pubis  B  78,  114,  118. 

—  sesamoidea  A  220,  315. 

—  trigonum  B  163. 
Osteofibröser  Fingerkanal  A  265. 
Ovarium  B  78. 

Pansch  A  20. 

Paterson  B  241. 

Pauzat  A  300. 

Petrin  B  68. 

Poirier  A  VIII,  5,  38,  50,  52,  101,  155, 
162,  163,  165,  183,  187,  188,  204,  210, 
237,  256,  258,  268,  270,  285,  289,  297, 
318,  356,  B  43,  95,  100,  121, 185, 187, 
198,  209,  234. 

Palmaraponeurose  A  256. 
Panaritien  A  266,  B  25. 
Pars  medialis  des  M.  abductor  hallucis 
B  173. 

—  profunda  des  M.  adductor  hallucis  B 
177  n  und  pollicis  A  210  n. 

Patella  B  8,  97,  101. 
Patte  d'oie  B  28,  90. 
Pecten  ossis  pubis  B  39,  108. 
Perimysitis  crepitans  A  30Ö. 
Perimysium  externum  A  240. 
Peronäalscheide  B  142. 
Pes  anserinus  B  13,  89,  128. 
profundus  B  123  n. 

—  equinus  B  143. 

Phlegmone  des  Daumens  A  270,  296. 

—  der  radialen  Streckseite  A  296. 
Plantaraponeurose  A  257. 
Plantarflexion  des  Fußes  B  144,  262. 
Planum  supramalleolare  B  14. 
Plattfuß  B  18,  192. 

Plexus  -bildung  B  234. 

—  brachialis  A  26,  53,  82,  B  28. 

—  intramusculares  A  42. 

—  lumbalis  B  30,  48. 

—  sacralis  B  28,  49,  71. 
Plica(ae)  alares  B  106. 

—  semilunaris  A  299. 

Portio  acromialis  des  M.  deltoideus  A  29. 

—  iliaca  externa  des  M.  iliopsoas  B  218. 

—  profunda  des  M.  soleus  B  153. 


Portio  spinata  des  M.  deltoideus  A  51. 
Processus  coracoideus  A  42. 

—  falciformis  B  204. 

—  mastoideus  B  31. 

—  medialis  tuberis  calcanei  B  174. 

—  styloideus  (radii  et  ulnae)  A  102,  187, 
370. 

ossis  metacarpalis  III  A  292, 

—  supracondyloideus  A  109,  247,  369. 

—  trochlearis  calcanei  B  140. 
Prolapsus  B  77. 

Pronation  A  70,  102,  B  139,  264. 
Pseudoganglion  des  N.  axillaris  A  56. 

peronaeus  profundus  B  195  n. 

Puls  A  153. 

Punctum  coxale  (superius)  B  51. 

Quain  A  205. 

Querschnitte   des   Armes   bei    Pro-    und 
Supination  A  20. 

Rauber  A  169. 
ßeichardt  A  144. 
Eochs  A  21,  120. 
Eosthorn  A  299. 
Rüge  B  241. 

Radiales  Sesambein  A  203. 

Radialisschlaflähmung  ^  407. 

Radialpuls  A  148. 

Radius  A  127. 

Ramu8(i)    anastomoticus    (n.    ischiadici) 

c.  n.  obturatorio  i?  118  n. 

peronaeus  B  25. 

(n.  ulnaris)  c.  n.  mediano  A  141, 

142  n. 
profundus  (n.  ulnaris)  c.  n.  mediano 

A  ?07  n. 

—  ant.,  post.  n.  obturatorii  B  84,  87,  114. 

—  articularis  n.  profundi  radialis  A  185, 
389. 

—  calcanei  laterales  et  mediales  B  169, 
214. 

—  coUateralis  n.  mediani  A  88. 
ulnaris  A  98. 

—  communicans  tibialis  B  23,  25. 

—  cutaneus(i)  antebrachii  dorsalis  A  168. 
lateralis  A  87. 

axillaris  ^31. 

supraacromiales  ^31. 

supraclaviculares  A  31. 

—  digitales  propra  manus  A  215. 

—  dorsalis  manus  n.  ulnaris  A  183. 

—  interosseus  volaris  A  146,  148. 

—  marginalis  scapulae  A  62. 

—  muscularis  n.  mediani  A  201,  207. 

—  perforantes  B  34. 

—  profundus  n.  radialis  A  155,  165,  167, 
173   193. 

n.  ulnaris  A  207,  211,  227. 

—  superficialis   n.   radialis   A   105,   153, 
166,  187,  251. 

n.  ulnaris  A  218. 

—  volaris  communis  manus  A  149. 
Rascetta  ^  8,  21. 


m 


276 


J 


Namen-  und  Sachregister. 


691 


Becessus  inferior  articularis  genu  B  158. 

—  intertendinosus  A  268  n. 

—  praetendinosus  A  267  n. 

—  retrotendinosus  .1  267  n. 

—  sacciformis  A  166,  375. 

—  subscapularis  ,1  41,  75. 
Regio^nes)  brachii  .-1  3. 

—  femoris  B  3. 

—  üiopectinea  B  7. 

—  sartoria  5  6,  91. 

—  subinguinalis  B  2,  7.. 

—  trochanterica  B  2. 
ßeiterhernien  B  209. 
lleizungsstelle(n)  der  Muskeln  A  116,  13Ü, 

135,    168,    182,    193,    197,   391-408, 

B  244—260. 
ßesectio  humeri  A  35,  87. 
Rete  arteriosum  dorsi  pedls  B  203. 

—  carpi  dorsale  A  256. 
volare  A  253. 

—  venosum  dorsale  pedis  B  23. 
Iletinaculum(a)    digiti    quinti    proprium 

A  285  n. 

—  m.  peronaeorum  B  140,  196. 
poplitei  B  121. 

—  patellae  B  63,  98. 

—  popliteum  B  156. 
ßicntungslinie   für   die  Aufsuchung   der 

A.  ulnaris  A  118. 
Rollhügel  A  65,  B  3  n. 
Rombergsches  Kniephänoraen  B  87. 
Rotation  .1  68. 
Rotator  humeri  posticus  A  52. 

Sabatier  ,1  233,  235. 

Sappev  .1  204,  262. 

Schepers  B  68. 

Schwalbe  A  317,  318,  319,  B  44,  242. 

Seemann  .1  299. 

Sömmerring  A  204,  205,  235. 

Spalteholz  .-1  356. 

Stratz  B  1. 

Saccus  carpalis  medialis  s.  ulnaris  A  267. 

—  dorsalis  pedis  B  220  n. 
SacraldreiecK  B  1. 
Samenstrang  B  78. 
Scapula  A  46,  61. 

—  mit  Muskelansätzen  A  359. 
Scarpasches  Dreieck  B  7,  91,  237. 
Schamberg  B  1. 

Scheiden-  und  Schleimbeutel  der  Streck- 
sehnen A  287,  B  220. 
Sehen kelhernie  B  87. 

kanal  B  85. 

trichter  B  206. 

Schienbein  .1  242. 

Schlaflähmung  des  N.  radialis  A  407. 

Schleimbeutel  der  Hand  A  264. 

—  im  Muskelursprunge  A  35. 
Schnappende  oder  schnellende  Hüfte  B  68. 
Schnupftabaksdose,   anatomische  A   188, 

192,  B  22,  191. 
Schulterfettkörper  A  47. 

—  -gelenk  A  25,  67. 
gewölbe  A  47. 


;   Schultergürtel  A  47. 

—  -höhe  A  47. 

1 kämm  A  47  n. 

i muskeln  A  27. 

i   Schwalbesches  Gesetz  A  317. 

;   Schwimmbänder  A  227,  257. 

i   Schwimmhaut  A  259. 

i   Segmentbestimmung  A  XI,  53. 

I   —  -bezüge  .1  385,  B  238. 

1  Sehnenarkade  des  M.  flexor  carpi  radialis 

I        A  251. 

I  Sehnenbogen  A  81,  220,  222,  224,  B  134 

—  -konjugation  A  222. 
' flügelzellen  B  148. 

—  -nerven  des  M.  deltoideus  .1  38. 
, pf eiler A  301. 

—  -scheiden  des  Fußes  B  219. 

, der  Hand  A  39,  264,  290—294. 

Spiegel  m.  tricipitis  brachii  A  95. 

—  -trichter  A  161. 

Septa  intermuscularia  A  60,  85,  94,  246, 
B  15,  24,  67,  99,  134,  214. 

Sesambein  A  199,  B  175,  199,  237. 
I   —  -knorpel  B  237. 
j   Singularly  invariable  muscie  A  50. 
!   Sinus  tarsi  B  202. 

Spatia  interossea  A  195,  226. 

Spielbein  B  54. 

Spina(ae)  iliacae  B  36,  55,  69,  89. 

—  ischiadica  B  80. 

—  scapulae  .4  239,  359. 
j   Spitzfußstellung  B  147. 

I   Spreizbewegungen    der   Zehen grundpha- 
i         langen  B  199. 
I   Spulerscher  Muskel  B  232. 
i   Standbein  B  54. 
I   Steißbein  B  1. 
I   —  -spitze  A  239. 
!   Streckhöcker  ^1  65. 
Sulcus(i)   bicipitalis   lat.,  medialis    A  5, 
72,  75. 

—  biconvexus  A  21  n. 

—  cutaneus  intercarpalis  .1  10  n. 

radiocarpalis  A  10  n. 

transversus  A  21  w. 

—  deltoideopectoralis  A  31. 

—  glutaeus  transversus  B  2,  251. 

—  intertubercularis  A  75,  81,  364. 

—  malleolaris  B  161. 

—  natatorii  A  16. 

—  spiralis  n.  radialis  .1  93,  155,  364,  369. 

femoris  B  105,  243  n. 

Supination  A  25,  71,  102. 

—  des  Fußes  B  131,  263. 
Sustentaculum  tali  B  162. 
Sympathicus  B  36. 
Symphyse  A  239,  B  75. 
Synostosis  ischiopubica  5  115. 

Theile  A  100. 

Tabati^re  anatomiiiue  .1  188,  192. 

du  pied  B  22,  191  n. 

Tabellen:  Digitale  Sehnenscheiden  B  221. 

—  Dorsale    Sehnenscheiden    der    Hand 
A  298. 


377 


692 


FROHSE    und   M.    FRÄNKEL, 


Tabellen:     Muskelbündellänge     A     311, 
B  226. 

—  Muskelgewichte  A  330,  B  229. 

—  Verstärkungsbänder  der  volaren  Seh- 
nenscheiden A  275. 

—  Vincula  tendinum  A  282,  B  222. 
Talusstrahl  B  266. 

Teilungsstelle  des  N.  ischiadicus  i?  121. 

Tendo  bifurcatus  A  264  n. 

T-  interosseus  cruris  m.  flexoris  digitoruni 

longi  B  163. 
Tendon  direct  B  95. 

—  ligamenteux  B  161. 

—  metatarsien  7?  161. 

—  r^current  B  161. 

—  r^flöchi  B  95. 
Tendovaginitis  crepitans  A  299. 
Thenar  A  10,  199,  B  21. 
Theromorphie  B  39. 

Tibia  A  240,  B  121. 

Tibiofibulargelenk  B  213. 

Tiefe  Beugeschicht  am  Oberschenkel  5235. 

—  Phlegmonen  B  248. 
Tischlinie  ^  10. 

Tractus  cristoferaoralis  B  68. 

—  iliotibialis  A  241,  JS  52,  62. 

—  praetrochantericus  B  66  n. 

—  supratrochantericus  B  2,  66  w. 
Tricepssehne  5  101. 
Trigonum  adductorium  B  91. 

—  basale  scapulae  A  29,  359  n. 

—  extensorium  B  91. 

—  iliopectineum  B  35,  110. 

—  infraclaviculare  A  359. 

—  patellae  superius  B  102  w. 

—  supraclaviculare  A  359. 
Trochanter  major  B  51,  81. 

—  proprius  B  3. 

—  tertius  B  40,  209. 
Trochoginglymus  B  7. 
Trommelschlägerfinger  B  20. 
Truncus  puboischiadicus  B  73. 

—  sympathicus  B  33. 
Tuba  uterina  -B  78. 
Tuber  calcaneum  B  180. 

—  glutaeum  ant.,  post.  B  56,  69. 
medium  B  69  n. 

—  ischiadicum  5  43,  80. 
Tubercule  de  Gerdy  B  97. 

—  postöro-interne  A  183. 
Tuberculum  infraglenoidale  A  93,  363. 

—  majus  humeri  A  47. 

—  minus  —  A  41. 

—  pubicum  A  239,  £  1,  117. 

—  supraglenoidale  A  74. 
Tuberositas   deltoidea  A  30,  75,  80,  93, 

364. 

—  glutaea  A  68,  B  40.  42,  81. 

—  humeri  A  305. 

—  ossis  metatarsalis  I  B  140. 
V  5  21,  65. 

multanguli  majoris  A  206. 

navicularis  A  217,  B  21,  161. 

—  pronatoria  radii  A  105,  307. 

—  radii  A  165,  304. 

—  Spinae  scapulae  A  30,  359. 


Tuberositas  tibiae  £  89,  134. 

—  ulnae  A  84,  135,  371. 

Tub^rositö    interne   et   sup^rieure   de   la 

premifere  phalange  du  pouce  A  210. 
Tunnel  der  Hohlhand  A  2i67. 

Ueberbein  A  163. 

Ueberzählige  Muskeln  A  79,  83,  117, 126, 

160,  169,  B  225. 
Ulna,  exzentrische  Lage  A  240. 

—  muskelfreies  Feld  A  374. 
Unterbindung  der  A.  peronaea  B  153. 
radialis  im  oberen  Drittel  4  251. 

tibialis  anterior  B  131,  135. 

posterior  B  151. 

Unterschenkel  B  14,  129. 
Ureter  B  36. 
ürsprungsaponeurosen  A  24:1. 

Vesal  A  234. 
Vierordt  A  325. 
\^irchow,  H.  B  234. 
Vogt  A  215. 

Vagina(ae)  accessoria  metacarpalis  A  292. 

—  crurotarsalis  B  184  n. 

—  dorsales  A  287. 

—  mucosa  intertubercularis  A  75. 

—  osteofibrosae  digitales  volares  A  270. 
-  plantaris  B  184  n. 

—  tendinis  m.  flexoris  pollicis  longi  A  266. 

—  tendinum    m.   flexorum   communium 
A  266. 

Varicocele  B  78. 
Varietät(en)  A  380,  5  230. 

—  der  Handmuskeln  A  237. 

—  des  M.  abductor  digiti  V  A  385. 
biceps  brachii  A  38. 

— flexor  carpi   radialis   und   pro- 

nator  quadratus  A  381. 

palmaris  longus  A  118. 

plantaris  B  236. 

Vas  (vasa)  afferentia  B  23. 

—  articularia  genu  suprema  B  101,  128. 

—  circumflexa  femoris  lateralia  B  96. 
medialia  B  82. 

—  —  humeri  anteriora  ^81. 

posteriora  A  36. 

scapulae  A  244,  364,  369. 

—  collateralia  ulnaria  superiora  A  94. 

—  deltoidea  A  36. 

—  deltoideo-pectoralia  A  31. 

—  digitalia  communia  B  143. 

—  femoralia  5  107. 

—  glutaea  B  49. 

inferiora  B  44.  82. 

—  interossea  volaria  A  135,  254. 

—  lumbalia  B  36. 

—  malleolaria  lateralia  B  196. 

—  perforantia  B  99. 

—  plantaria  lateralia  B  171. 

—  Poplitea  £107. 

—  profunda  brachii  A  94. 
femoris  B  114,  121. 

—  radialia  A  104. 

—  recurrentia  radialia  A  87. 


278 


Namen-  und  Sachregister. 


693 


Vas  recurrentia  ulnaria  poeteriora  A  121. 

—  thoracicoacromialia  A  31. 

—  transversa  scapulae  A  243,  364. 

—  ulnaria  A  104,  127. 
Vater-Pacinische  Körperchen   A  49,  146, 

220,  229. 
Vena(ae)  basilica  A  75,  104. 

—  Cava  inferior  B  36. 

—  cephalica  A  76,  87. 

—  epigastrica  superficiaUs  B  24. 

—  feraoropoplitea  B  24. 

—  mediana  cubiti  A  104. 

—  obturatoria  B  114. 

—  pudendae  ext.  B  24. 

—  saphena  magna  B  23,  109,  174. 

parva  B  17,  145,  211. 

Venusberg  B  1. 

Verdoppelung  der  Muskehi  Ä  231. 
Vergrößerung  des  Ursprunges  oder  An- 
satzes B  232. 

Verstärkungsbänder  der  volaren  Sehnen- 
scheiden A  272,  B  178. 
Vertex  retinaculi  interossei  B  184  n. 
Viereckige  Muskellücke  A  42,  244. 
Vierge  de  toute  insertion  A  165. 
Vincula  accessoria  A  278. 

—  filiformia  A  294,  B  222. 

—  intertendinea  A  291. 

—  perforantia  A  278. 

—  tendinum  A  278,  B  221. 

—  Vera  A  278. 

Volare  Schwimmhäute  A  257,  266. 


Volarflexion  der  Hand  A  189. 
Vorderarmphl^mone  A  127,  248,  254. 

Waldeyer  A  VIII,  X,  XII,  134,  371, 
B  VIII,  1,  39,  42,  50,  51,  53,  62,  71, 
72,  75,  78,  84,  85,  87,  94,  100,  106, 
108,  206,  234. 

Weiß  A  299. 

Weitbrecht  A  278. 

Welcker  B  68. 

Wernicke  A  IX,  B  37. 

Wichmann  A  XI,  386. 

Winslow  A  235. 

Wolf  A  138. 

Wood  A  219,  221,  227,  238,  B  188. 

Wade  B  130. 
Wadenbeinmuskeln  B  130. 

—  -krampf  B  155. 

Wand  der  Sehnenscheiden  A  265. 
Weichenfettkörper  5  1,  42. 

Ziehen  A  386. 
Zur  Verth  5  68. 

Zehen bewegungen  B  265. 

—  gang  B  162. 
Zoll  vi  24. 

Zona  orbicularis  (Weberi)  B  84. 
Zwerchsackhygrom  A  267. 
Zwischenmuskelbänder  A  242. 


Druckfehlerbei'ichtigung. 

Fig.  30,  p.  157  (rechts  3.  Bezeichnung  v.  u.)  statt  N.  peronaeus  communi  — is. 
Fig.  47,  p.  662  (links  3.  Bezeichnung  v.  u.)  statt  M.  extensor  digitorum  et  hallucis 

longus  — brevis. 
Fig.  49,   p.  664   (rechts  7.    Bezeichnung   v.   o.)    statt    N.    processus    communis 

—peronaeus. 


^'f"^ 


Frommannsche  Buchdruckerei  (Hermann  Pohle)  in  Jena.  —  4208 


QM 
23 
B25 
Bd. 2 
Abt. 2 
T.2-3 

Btologic«J 
k  Mcdkal 


Bardeleben,  Karl  Heinrich  von 

Handbuch  der  Anatomie  des 
Menschen 


PLEASE  DO  NOT  REMOVE 
CARDS  OR  SLIPS  FROM  THIS  POCKET 

UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY