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LlBfiARY
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Handbuch
der Anatomie des Mensehen
in aclit Bänden.
In Verbindung mit
Dr. P. Bartels in Berlin, weiland Prof. Dr. A. von Brunn in Rostock,
Prof. Dr. J. DissE in Marburg, Prof Dr. Eberth in Halle, Prof Dr. Eislbr
in Halle, Prof Dr. Pick in Prag, Dr. Max Fränkbl in Berlin, Dr. Fritz
Frohsb in Berlin, Prof Dr. M. Heidenhain in Tübingen, Prof. Dr. P.
HocHSTETTER in Innsbruck, Prof. Dr. M. Holl in Graz, Prof. Dr. Kallius in
Greifswald, Prof, Dr. W. Krause in Berlin, Prof. Dr. F. Merkel in Göttingen,
Prof Dr. Nagel in Berlin, Prof. Dr. G. Schwalbe in ötraßburg, Prof. Dr.
SiEBBNMANN in Basel, Prof Dr. P. Graf Spee in Kiel, Prof. Dr. Tandler in Wien,
Prof. Dr. Zander in Königsberg, Prof. Dr. Ziehen in Berlin
herausgegeben von
Prof. Dr. Karl von Bardeleben
in Jena.
Zweiter Band. Zweite Abteilung. Zweiter Teil.
Bänder, Gelenke und Muskeln.
Bearbeitet von
Prof. Dr. R. Fick Prof. Dr. Bisler
in Leipzig, in Halle,
Dr. Fritz Frohse und Dr. Max Fränkel.
in Berlin, in Berlin.
Zweite Abteilung. Zweiter Teil:
A. Die Muskeln des menschlichen Armes.
von
G^l^ Dr. Fritz Frohse und Dr. Max Fränkel
in Berlin, in Berlin.
^^ ^ Mit 154 teilweise farbigen Abbildungen im Texte.
bt^
Jena
Verlag von Gustav Fischer
1908.
^>
III
DIE MUSKELN
DES
MENSCHLICHEN ARMES
VON
DR FRITZ FROHSE und DR AAAX FRÄNKEL
MIT 154 TEILWEISE FARBIGEN ABBILDUNGEN IM TEXTE
IK^S^^
JENA
VERLAG VON GUSTAV FISCHER
1908
Alle Rechte vorbehalten.
Herrn Professor Dr. W. Waldeyer
in Dankbarkeit und Verehrung
gewidmet.
Vorwort und Einleitung.
Das vorliegende Buch hat eine sehr lange Entstehungsgeschichte.
Die erste Ankündigung findet sich bereits 1897 ^) im April, die zweite 2)
wenige Monate später in den Proceedings of the Anatomical Society
of Great Britain and Ireland. Der erste Vortrag über die feinere
Innervation von menschlichen Muskeln wurde von K. v. Barde-
leben gehalten, die Demonstrationen von Frohse, die zweite Mit-
teilung mit Demonstrationen von Frohse allein in Dublin (Irland).
Die dritte mit 10 Abbildungen veröifentlichte Mitteilung ist 1898 im
Anatomischen Anzeiger^) erschienen, eine vierte*) über die Palmar-
aponeurose 1906 im Archiv für Anatomie und Physiologie.
Seit 1898 haben die Untersuchungen keineswegs geruht, ge-
langten aber erst 1901 zu einer nochmaligen, fast ununterbrochen
täglich durchgeführten Bearbeitung, als sich M. Fränkel zu einer ge-
nauen Nachprüfung der von v. Bardeleben und Frohse ge-
wonnenen Ergebnisse verstand.
Seit 1902 hat ferner Frohse die anatomischen Vorträge in der
Kgl. Kunstschule zu halten. — Die entsprechenden Bemerkungen
dürften sich besonders den Fachgenossen kundgeben.
M. Fränkel, als langjähriger Assistent der seinerzeit von E. v. Berg-
mann geleiteten Kgl. chirurgischen Klinik zu Berlin, hat den prak-
1) K. V. Bardeleben und Dr. Frohse: lieber die Innervierung von Muskeln,
insbesondere an den menschlichen Gliedmaßen. Verhandlungen der Anatomischen
Gesellschaft auf der 11. Versammlung in Gent, vom 24.-27. April. Anat Anz.,
Bd. XIV, Jena, 1898, No. 13, 8. 38—43.
2) Dr. Frohse, The finer Raraification of the Nerves in the Muscles. Journal of
Anatomy and Physiology, London, Oct. 1897.
3) Dr. Frohse, lieber die Verzweigung der Nerven zu und in den menschlichen
Muskeln. Anat. Anz., Bd. XIV, 1898, No. 13, 8. 321—343.
4) Dr. Frohse, Die Aponeurosis palmaris und digitalis der menschlichen Hand, mit
besonderer Berücksichtigung ihrer Funktion. Archiv für Anatomie und Physiologie,
anatomischer Teil, 1906, 8. 101—108.
VIII FROMSE und M. FRÄNKEL,
tischen Fragen sein besonderes Interesse entgegengebracht, welches
auch von Frohse geteilt wird, der ebenfalls als chirurgischer Assistent
monatelang praktisch beschäftigt war.
Die neurologischen Ergebnisse sind zuerst von F. Mendel,
Berlin 1897, dann von H. Braus, Jena 1899, an Frohse selbst
nachgeprüft w^orden, neuerdings wieder von Deetjen, Bad Nassau
a. d. Lahn 1904, von dem Nervenarzte T. Cohn, Berlin 1906, letz-
teres in Gegenwart von Fränkel sowohl an Frohse, wie an einem
Patienten und zuletzt noch 1908 mit immer größerer Genauigkeit von
den beiden Autoren an mehreren Personen.
Die geschilderten Tatsachen sind von beiden Verfassern un-
abhängig voneinander durchgearbeitet worden, besonders in Zweifel-
fällen so oft, bis eine Uebereinstimmung erzielt war, und nur die Er-
gebnisse miteinander verglichen, wie es schon früher mit den
V. BARDELEBENschen Untersuchungen der Fall war.
Der Text ist zum allergrößten Teile vollkommen selbständig. So
weit es sich um ältere Bearbeitungen handelt, welche vor 1900 ge-
macht waren, finden sich wohl Anklänge au Henle ^), Hilde Brandt -).
Langer ^) und andere deutsche Autoren, wie sich ja überhaupt jeg-
liches Wissen im Grunde aus den Erinnerungen an frühere münd-
liche oder schriftliche Darstellungen aufbaut. Rückhaltslos geben
wir zu, daß wir Poirier*) außerordentlich viel für unsere Dar-
stellung verdanken. Die von diesem Autor gegebene Einteilung für
jeden einzelnen Muskel in: Synonyma, systematische Beschreibung,
topographische Darstellung (Rapports), Wirkung, Innervation, Varie-
täten und Anomalien, diente bereits 1897 als Richtschnur. Die 1899
von W. Waldeyer in : Das Becken (Bonn, F. Cohen) gegebene Art der
Darstellung nach Idiotopie, Skelotopie, Syntopie und Holotopie erschien
uns hinterher für unsere Darstellung als die zweckmäßigste. Jedoch wäre
es, für die Muskeln wenigstens, kaum angängig gewesen, die Idiotopie
gesondert von der Skelotopie zu beschreiben, und ebensowenig, der
Syntopie und Holotopie besondere Abschnitte zu widmen. — Den
Autor PoiRiER jedesmal bei Kleinigkeiten anzuführen, hielten wir
nicht für notwendig. Wenn wir aber eine auch noch so freie Ueber-
setzung eines Abschnittes gegeben haben, hoffen wir, ihn immer
zitiert zu haben. Insbesondere sei auf die geradezu hervorragende
Abhandlung über den M. fiexor pollicis brevis verwiesen.
1) J. Henle, Handbuch der Muskellehre des Menschen, 2. Aufl., Braunschweig,
F. Vieweg & Sohn, 1871.
2) Friedrich Hildebrakdt, Handbuch der Anatomie, 4. Aufl., besorgt von
G. H. Weber, Bd. II, Braunschweig 1830.
3) Carl v. Langer, Lehrbuch der Anatomie, 4. Aufl., bearbeitet von C.
TOLDT, Wien 1890.
4) Poirier , Trait^ d'anatomie humaine , Tome second , Myologie , Paris,
L. Bataille & Cie.
Vorwort und Einleitung. IX
Das Werk von Duchenne ^) haben wir in der deutschen Ueber-
setzung von Wernicke genau durchgearbeitet — wahrhaftig keine
kleine Aufgabe! — und nicht verfehlt, an den jeweiligen Stellen
unsere schweren Bedenken gegen die Auffassungen dieses Autors
kundzugeben. — Wir glaubten, auf die Einsicht des französischen
Originales verzichten zu können, weil, in Deutschland wenigstens,
doch allermeist die Uebersetzung in unsere Sprache von den Inter-
essenten zu Rate gezogen werden dürfte.
Unser Buch umfaßt demgemäß vielfache Zwecke, die wir unter
dßn nachfolgenden 11 Rubriken aufzählen wollen. Es handelt sich
um Tatsachen und Fragen, welche nicht allein die anatomische Wissen-
schaft interessieren dürften, sondern auch für die Praxis von Wichtig-
keit waren, sind und vielleicht in noch höherem Grade sein werden:
1) Deskriptive Anatomie — eine genaue Beschreibung der
einzelnen Muskelindividuen, einschließlich ihres feineren makro-
skopischen Aufbaues.
2) Eine allgemeine Darstellung für den Anfänger.
Durch eine jedem Abschnitte und jedem einzelnen Muskel voraus-
geschickte allgemeine Beschreibung soll auch dem Anfänger Gelegen-
heit gegeben werden, die Muskeln in ihrem einfacheren Aufbaue zu
verstehen und außerdem, sich auf Grund der besonderen Titel in die
genauere Darstellung derjenigen Abschnitte zu vertiefen, über welche
er gerade Auskunft erwünscht. Selbstverständlich gelten diese Be-
merkungen auch für die Aerzte und Fachgenossen.
3) Beziehungen der Armmuskeln zum Skelete. Die
betreifenden Abbildungen zeigen durch rote oder blaue Farbe an,
welcher Teil eines Muskels in Ursprung oder Ansatz muskulös oder
sehnig ist.
4) Sehnenscheiden der Hand. Im allgemeinen haben sich
unsere Untersuchungen auf den Erwachsenen beschränkt, an der
Hand jedoch haben wir außer an verschiedenen Neugeborenen auch
noch die beiden Hände zweier etwa 6-monatlicher Feten untersucht
(Entwickelungsgeschichtli che Bemerkungen).
5) Plastische Anatomie, Anatomie am Lebenden für
Mediziner und Künstler. Die äußere Form in Ruhe und Tätig-
keit zu beschreiben, also außer der von anatomischer Seite wohl
immer durchgeführten Inspektion auch den Anforderungen der Künstler
und Laien gerecht zu werden, hielten wir aus dem Grunde für be-
sonders geboten, weil T. Cohn diesem Gebiete auch vom ärztlichen
1) G. B. Duchenne, Physiologie der Bewegungen nach elektrischen Ver-
suchen und klinischen Beobachtungen mit Anwendungen auf das Studium der
Lähmungen und Entstellungen. Aus dem Französischen übersetzt von C. Weknicke.
Mit 100 Abbildungen. Cassel und Berlin, Theodor Fischer, 1885.
X FROHSE und M. FRANKEL,
Standpunkte aus ein besonderes Buch ^) gewidmet hat. Die unserem
Abschnitte beigefügten Abbildungen sind Vervielfältigungen von Photo-
graphien, welche entweder den rechten Armen der beiden Autoren
oder Gipsabgüssen des rechten Armes und der linken Hand von
Frohse entstammen.
6) Varietäten. Diese Sonderheiten, welche in den älteren
Lehrbüchern einen unverhältnismäßig großen Platz beanspruchen,
haben wir, auch einer vertraglichen Verpflichtung entsprechend, nicht
einmal in demjenigen Umfange dargestellt, wie Henle oder Poirier,
jedoch im Texte einige und bei den Varietäten 3 besondere Abbildungen
eigener Fälle gegeben. Eine besondere praktische Bedeutung dürfte
ihnen nur in den allerseltensten Fällen zukommen.
Uebrigens ist diese Sache auch von Le Double 2) so ausführlich
behandelt, daß sich eine genauere Angabe erübrigen dürfte. Jedoch
haben wir eine Reihe von eigenen Beobachtungen erwähnt, teilweise
sogar abgebildet und im besonderen das Varietätenbuch der Kgl.
Anatomie zu Berlin durchgesehen und danken dem Direktor des In-
stitutes, Herrn Waldeyer, für die Erlaubnis, die interessantesten
Fälle veröffentlichen zu dürfen. (Varietates Berolinenses — im Texte
abgekürzt: V. B.).
7) Vergleichende Anatomie. Diese Hineinziehung haben
wir prinzipiell ausgeschlossen, um das Erscheinen unseres Buches
nicht noch weiter hinauszuschieben.
8) PhysiologischeBetrachtungen. In ausführlicher Weise
haben wir das Gewicht der Muskeln beider Arme einer muskel-
schwachen Frau und eines muskelstarken Mannes unter-
sucht und für einen mittelkräftigen Arm Durchschnittswerte heraus-
gerechnet. Wir glauben, daß jede Nachprüfung den von uns ge-
stellten und unsererseits durchgeführten Untersuchungen gerecht
werden muß.
9) Neurologische und elektrophysiologische Be-
trachtungen. Die durch anatomische und praktische Untersuchungen
gewonnenen Erfahrungen sind bildlich darzustellen gesucht, unter
Gegenüberstellung der Abbildungen von T. Cohn=^), der sich bereits
unseren Befunden im hauptsächlichen angeschlossen hat.
Wir haben jedoch außer den gewöhnlich gegebenen Abbildungen
der Reizungspunkte in der Ansicht von vorn und hinten noch die
1) T. CoHN, Die palpablen Gebilde des normalen menschlichen Körpers und
deren methodische Palpation. I. Teil. Obere Extremität. Berlin, S. Karger, 1905.
2) Le Double, Traitö des Variations du Systeme Musculaire de l'Homme, Paris,
Schleicher Freres, 1897.
3) T. CoHN, Nervenarzt in Berlin, Leitfaden der Elektrotherapie und Elektro-
diagnostik, mit 6 Tafeln und 53 Abbildungen im Text, 8. vermehrte und durch-
gesehene Auflage, Berlin, S. Karger, 1906, Fig. 18 und 19, S. 40 und 43.
Vorwort und Einleitung. XI
von medial und lateral hinzuzufügen für nötig befunden und hoffen
außerdem, besonders mit unseren systematischen und topographischen
Bildern über die feinere Verzweigung der Nerven in den Muskeln
etwas Neues und auch für die Praxis Verwendbares geschaffen zu
haben.
Auf die Nachprüfung der Segmenttheorie hat Frohse sehr viel
Zeit verwendet. Er gesteht hier oifen ein, daß es ihm nicht möglich
war, eine Nervenfaser, welche sich unter dem Mikroskope als voll-
kommen isoliert erwies, auf eine größere Strecke, als höchstens 3 cm,
einwandsfrei darzustellen. Wie es andere Untersucher erreichen
konnten, einzelne, mikroskopische Nervenfasern von der Hand aus
trotz der Vermischung der sensiblen und motorischen Bündel, der
vielen Anastomosen und sogar durch den Plexus brachialis hindurch
bis zu den entsprechenden Rückenmarkssegmenten oder in umge-
kehrter Reihenfolge präparatorisch darzustellen, kann er und können
wir uns überhaupt nicht vorstellen. Unsere Angaben beschränken
sich deshalb auf kurze Notizen, welche L. Bolk^) und R. Wich-
mann 2) entnommen sind, unter Beifügung zweier Abbildungen, welche
wir dem Atlas der topographischen Anatomie ^) des Menschen entlehnt
haben.
10) Orthopädische Betrachtungen. Vielleicht haben die An-
gaben über die Muskelgewichte und Muskelbündellänge auch für den
Orthopäden Interesse, wenn er sich danach fragt, welchen Ersatz er durch
Transplantation einer Sehne für einen gelähmten oder fehlenden Muskel
schaffen kann, und wie groß die Ausfallserscheinungen sein dürften,
welche der teilweise oder ganz überpflanzte Muskel hierbei erfährt. Wir
haben aus diesem Grunde in ausführlichen Tabellen die einzelnen
Muskelgruppen an unseren 4 Präparaten verglichen, wie sich die
Synergisten und besonders die Antagonisten verhalten, sowohl in der
Zusammenfassung wie in Einzelheiten.
11) Chirurgisch - anatomische Betrachtungen. Wegen
der praktischen Bedeutung haben wir die topographische Anatomie
ausführlichst behandelt und besonders den Fascien und Sehnen-
scheiden längere Kapitel gewidmet. Auch die Schleimbeutel sind des-
halb genauer berücksichtigt, sowohl die subcutanen, intramuskulären,
submuskulären wie peri- oder infratendinösen ; wir haben dabei eine
Reihe neuer Namen in Vorschlag bringen müssen. Auch die Nerven-
1) L. BoLK, Die Segmentaldifferenzierung des menschlichen Bumpfes und seiner
Extremitäten, II. (Separat-Abdruck aus: Morphologisches Jahrbuch: XXVI, 1),
Leipzig, W. Engelmann, 1898.
2) R Wichmann, Die Rückenmarksnerven und ihre S^mentbezüge, Berlin
1900.
3) V. Bardeleben, Häckel und Frohse, 4. Aufl., Jena, G. Fischer, 1908
(Fig. 109 und 110).
XII FROHSE und M. FRÄNKEL, Vorwort und Einleitung.
Verzweigung dürfte, wie im Texte erwähnt ist, an verschiedenen Stellen
für die Schnittführung nicht bedeutungslos sein.
Die Abbildungen sind überwiegend Originalzeichnungen oder -Pho-
tographien, nur einige sind aus dem Atlas der topographischen Ana-
tomie von V. Bardeleben, Häckel und Frohse übernommen. Sie
stammen teils von dem einen Autor, Dr. Fritz Frohse, her, teils
von dessen Bruder, dem Kunstmaler Franz Frohse, teils von beiden
gemeinsam. Die Signaturen lauten deshalb: Dr. Frohse (aus-
geschrieben oder abgekürzt, wie auch im erwähnten Atlas der topo-
graphischen Anatomie) oder Franz Frohse, oder Gebr.(üder) Frohse,
wenn die betreffende Abbildung von den Gebrüdern Frohse gemein-
schaftlich hergestellt ist. Das Original der Federzeichnung Fig. 16
ist von dem Kunstmaler Herrn A. Schmitson angefertigt.
Wir danken unserem Verleger, Herrn Dr. med. et phil. G. Fischer,
für die Sorgfalt bei der Ausstattung und das Eingehen auf unsere
Wünsche, ebenso Herrn F. Tegetmeyer, Leipzig, welcher die Holz-
schnitte zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgeführt hat; überhaupt
allen, die durch Rat und Tat einen Beitrag zu diesem Buche gegeben
haben. Auch die Druckerei H. Pohle, Jena, hat sich die größte
Mühe gegeben, ihre schwere Aufgabe gewissenhaft durchzuführen.
Ebenso sprechen wir den Herren Waldeyer, Berlin, M. Für-
bringer, damals in Jena, und Prof. M. Borchardt, dirigierendem
Arzte der Chirurgischen Abteilung des R. Virchow - Krankenhauses,
Berlin, unseren verbindlichsten Dank aus, den beiden ersteren, daß
sie uns das notwendige Leichenmaterial in reichem Maße zur Ver-
fügung stellten, letzterem, daß er Dr. Frohse die Möglichkeit gab,
an 6 seiner Operationskurse als Assistent mitzuwirken und das ihm
selbst zugewiesene Operationsmaterial auch unsererseits ausgiebigst
zu benutzen.
Berlin, im Mai 1908.
Die Verfasser.
Inhalt
Seite
Widmung V
Vorwort und Einleitimg VII— XII
Figurenverzeichnis XVI— XIX
ADKÜrzungen XX
A. Allgemeiner Teil 1—27
I. Aeußere Form 1 — 22
II. Beschreibung nach Kollmann 22— 25
III. Einteilung der Armmuskeln 25— 27
B. Spezieller TeU 27—239
I. Schultermuskeln 27— 69
M. deltoideus 27— 39
M. subscapularis 39 — 46
M. supraspinatus 46 — 50
M. infraspinatus 50 — 54
M. teres minor 54— 58
M. teres major 58— 65
Vergleich der proximalen Drittel des Humerus und Femur . . 65— 67
Schultergelenk 67— 69
II. Oberarmmuskeln 70—101
Allgemeines 70
Beugegruppe 104—151
M. biceps brachii 70— 80
M. coracobrachialis • 80— 83
M. brachialis 83— 89
M. triceps brachii 89— 99
M. anconaeus 99—101
III. Vorderarmmuskeln 101—198
Allgemeines 101 — 104
M. Pronator teres 104 — 110
M. ilexor carpi radialis 110—115
M. palmaris longus 115 — 118
M. ilexor carpi ulnaris 118—127
M. flexor digitorum sublimis 127 — 133
M. flexor digitorum profundus 133 — 138
M. lumbricales 138—144
M. flexor pollicis longus 144 — 147
M. pronator quadratus 147 — 151
Brachioradialgruppe 151 — 152
M. brachioradiaJis 152—157
M. extensor carpi radialis longus 157 — 161
M. extensor carpi radialis brevis 161—164
M. supinator 164 — 169
Streckgruppe des Vorderarmes 169 — 175
M. extensor digitorum communis 176 — 179
M. extensor digiti quinti proprius 179—182
M. extensor carpi ulnaris 183—186
M. abductor pollicis longus 186—190
Handbewegungen 190—191
M. extensor pollicis brevis 191 — 194
M. extensor pollicis longus 194 — 196
M. extensor indicis proprius 196 — 198
XIV FROHSE und M. FRÄNKEL,
IV. Handmuskeln 198—239
Allgemeines 198—199
M. abductor pollicis brevis 199—203
M. flexor pollicis brevis 203—207
M. opponens pollicis 207—209
M. adductor pollicis 209—216
M. palmaris brevis 217 — 219
M. abductor digiti quinti 219—222
M. flexor digiti quinti brevis 222—223
M. opponens digiti quinti 223 — 225
M, interossei manus 225 — 239
M. interossei volares 226—230
M. interossei dorsales 230 — 237
Varietäten der Handmuskeln 237—239
€. Anhang- 239—414
I. Fascien 239—264
Allgemeine Beschreibung 239—242
Faficie der Schulter 242—244
Fascie des Oberarmes 244—247
Fascie des Vorderarmes 247—256
Fascien der Hand 256—264
A. Fasciae volares manus 256—262
B. Fasciae dorsales manus 263 — 264
II. Sehnenscheiden und Schleimbeutel der Hand 264—300
I. Sehnenscheide der Hohlhand und Finger 264—284
A. Wand der Sehnenscheiden 265 — 277
Vaginae tendinum m. flexorum communium 266
Vagina tendinis m. flexoris pollicis longi 266—267
Saccus carpalis medialis 267—268
Bursae accessoriae palmae 268 — 270
Vaginae digitales mit Verstärkungsbändern 270—277
B. Inhalt der digitalen Sehnenscheiden 278—284
a) Beugesehnen der Finger 278
b) Vincula tendinum 278—283
Praktische Bemerkungen 283—284
II. Dorsale Sehnenscheiden 284—300
1) Lig. carpi dorsale 284—285
2) Dorsalaponeurose der Finger 285—287
3) Scheiden und Schleimbeutel der Strecksehnen 287—300
III. Länge der Gesamtmuskeln und ihrer Sehnen 300—317
IV. Muskelbündellänge 317—324
Einleitung 317—319
A. Allgemeiner Teil 319—321
B. Besondere Bemerkungen 321
C. TabeUe 321—323
D. Nutzanwendung 323—324
V. Muskelgewichte 325—355
Einleitung 325—329
Tabelle über die Muskeln der beiden Männerarme nach ihrem
Gesamtgewichte, der Muskel- und Sehnensubstanz in Grammen
und Prozenten, sowie den Differenzen an den rechten und
linken Muskeln 330—331
4 Tabellen über die Reihenfolge der Armmuskeln nach ihren
Gewichten 332—333
ßeLhenfolge der Armmuskeln nach den Prozenten an Muskel-
substanz 334
Die 50 Armmuskeln an unseren 4 Fällen nach dem wahren Ge-
wichte ihrer Muskelsubstanz 335
Armmuskeln nach unserer gewöhnlichen Reihenfolge mit An-
gabe des Platzes, den sie ihrem Gewichte nach einnehmen 336
Armmuskeln in der Reihenfolge nach dem Durchschnitte unserer
4 Bestimmungen 337
Inhalt. XV
Tabelle über die Muskeln der beiden Frauenarme nach ihrem
Gesamtgewichte, der Muskel- und Sehnensubstanz in Grammen
und Prozenten, sowie den Differenzen an den rechten und
Imken Muskeln 338—339
Spezieller Teil 340-341
Tabelle über die Gewichte der Synergisten und Antagonisten,
miteinander verglichen 342—346
Tabellarische Uebersicht über die Gewichte der einzelnen Muskel-
gruppen mit Rücksicht auf ihre Wirkung, nach Grammen
und Prozenten, miteinander verglichen 347 — 354
Zusammenfassende Vergleichstabelle 355
VI. Die Knochen des Armes mit den Muskelansätzen 356 — 380
Einleitung 356—357
Clavicula 357—359
Scapula 359-364
numerus 364-370
Ossa antebrachii 370—375
Ossa manus 375 — 380
VII. Varietäten 380-385
VIII. Neurologische Bemerkungen 385 — 414
A. Segmentbezüge 385—387
B. Durchbohrungen der Armmuskeln durch die Nerven . . . 388
C. Die doppelt innervierten Armmuskeln 389
D. Elektrotherapeutische Bemerkungen 390—414
a) Einleitung 390-391
b) Spezielle Beschreibung 391—414
Figurenverzeichnis.
[Die Figuren, hinter deren fortlaufender Nummer keine Zahl steht, sind von dem
einen Autor Dr. Frohse allein angefertigt oder Originalphotographien ; die mit
einer ^) gekennzeichneten gemeinschaftlich von seinem Bruder, dem Kunstmaler
Franz Frohse, und ihm und mit der Signatur Gebr.{üder) Frohse versehen. Wenn
ersterer allein die Zeichnung angefertigt hat, mit Franz Frohse und einer *). Die
Federzeichnung Fig. 16 ist von dem Kunstmaler A. Schmitson gemacht.]
No.
Bezeichnung
Größe SeUgf-
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19-32
38
34
35
36
37
38»)
39
Arm von vorne, Hautbild.
Arm von vorne, Muskelbild.
Arm von hinten, Hautbild.
Arm von hinten, Muskelbild.
Arm von innen, Hautbild.
Arm von innen Muskelbild.
Arm von außen, Hautbild.
Arm von außen, Muskelbild. (Fig. 1—8 frei nach Fau.)
Arm in mittlerer Beugestellung, Hautbild von der medialen
Seite aus.
Supinierter Arm in starker Beugung, Hautbild der medialen
Seite.
Eückseite des gestreckten Armes, Hautbild.
Außenseite des gebeugten, pronierten Armes bei Radial-
streckung der Hand, Hautbild.
Handgelenk von der Beugeseite bei Dorsalflexion und Finger-
streckung, Hautbild.
Handgelenk von der ßeugeseite bei Volarflexion und Finger-
beugung, Hautbild.
Handrücken, Hautbild.
Hautfurchen der Vola.
Gipsabguß des rechten, supinierten Armes, in 7 Querschnitte
zerlegt.
Gipsabguß desselben, jedoch pronierten Armes, in entsprechende
7 Querschnitte zerlegt.
Querschnittsstudien über den Arm (nach Gipsabgüssen).
M, deltoideus, Muskelbild.
Bursa subacromialis bei herabhängendem Arme.
Bursa subacromialis bei rechtwinklig abduziertem Arme.
M. deltoideus; Nerven bild, auf die Oberfläche projiziert.
M. subscapularis und coracobrachialis, Muskelbild.
M. subscapularis und teres major bei erhobenem Arme,
Nervenbild.
M. subscapularis und teres major bei herabhängendem Arme,
Nervenbild.
12
13
14
14
15
16
17
17
18—19
28
33
33
36
40
43
44
Figurenverzeichnis .
XVII
No.
Bezeichnung
Größe
Seiten-
zahl
42
f)0
51
52
53
54 1)
55
56
57
58
59»)
60
61^)
62
63
64
65')
66
67
70
71
72 M
73»)
74«)
75 >)
76^)
77 ■
78^)
79
90
Auswärtsroller, Nervenbild.
Eollmuskeln bei rechtwinklig abduziertem Arme, Muskelbild
von der Eückseite.
Dreieckige und viereckige Muskellücke von der Eückseite.
Rollmuskeln bei stumpfwinklig abduziertem Arme, Nervenbild
von der Rückseite.
Ursprung der Sehne des langen Bicepskopfes.
Oberarm von vorne, Muskelbild.
Mediale Seite des Oberarmes, Muskelbild.
Beuger am Oberarme, Nervenbild.
M. brachialis und supinator in ihren Beziehungen zu dem
N. radialis.
Oberarm, Muskelbild von der Rückseite.
M. triceps, Nervenbild von der Tiefe aus.
M. pronatores leres et quadratus und supinator bei Supination,
Muskelbild.
M. pronatores teres et quadratus und supinator bei Pronation,
Muskelbild.
M. p^-onator teres und supinator bei Supination, Nervenbild.
Beugeseite des Vorderarmes mit Projektion der Verzweigung
des N. medianus.
M. flexor carpi ulnaris (Varietät mit Innervation).
Canalis cubitalis n. ulnaris.
M. flexor carpi ulnaris, Endsehne bei Dorsalflexion.
M. flexor carpi ulnaris, Endsehne bei Volarflexion.
Ansatz beider M. flexores carpi.
M. flexor digitorum sublimis, Nervenbild.
M. flexor carpi ulnaris, digitorum profundus et pollicis longus,
Nervenbild.
M. lumbricales, Nervenbild.
M. Pronator quadratus, Nervenbild von vorne.
M. Pronator quadratus, Nervenbild von hinten.
Brachioradialgruppe, Nervenbild.
M. extensores carpi radiales, Varietät der linken Seite,
M. extensores carpi radiales, Varietät der rechten Seite.
M. brachialis et supinator, Muskelbild, von der lateralen Seite.
Dorsalseite des Vorderarmes, Muskelbild, oberflächliche Schicht.
Dorsalseite des Vorderarmes, Muskelbild, mittlere Schicht.
Dorsalseite des Vorderarmes, Muskelbild, tiefe Schicht.
Nervenbild der vom N. radialis am Vorderarme versorgten
Muskeln (systematisch).
Streckmuskeln und N. radialis am Vorderarme, topographisch.
M. abductor pollicis brevis, Nervenbild.
Daumen ballen, tiefe Schicht, Nerven bild.
M. adductor pollicis, Nervenbild von der Dorsalseite.
M. abductor et flexor brevis digiti V, Nervenbild.
Tiefe Handmuskeln, Nervenbild.
Fascia subscapularis, drei- und viereckige Muskellücke von
vorne.
Querschnitt des Vorderarmes mit Fascien.
Querschnitt durch die Handwurzel. Links, distale Fläche.
Vola manus, mittlere Schicht, mit Sehnenscheiden.
Sehnenscheiden der Vola.
Sehnenscheiden an der Dorsalseite der Hand.
M. deltoideus ').
M. subscapularis.
M. supraspinatus.
M. infraspinatus.
M. teres minor.
M. teres major.
74
77
84
90
96
106
107
108
114
119
121
123
123
124
128
136
141
149
149
154
158
158
164
170
171
172
181
185
V; 202
V.
212
213
220
228
245
250
269
271
273
288
302
302
303
303
303
304
1) Die Figg. 85—129 stellen die losgelösten 50 Armmuskeln in halber Größe dar.
XVIII
FROHSE und M. FRÄNKEL,
No.
Bezeichnung
Größe
Seiten-
zahl
91
M. biceps.
'I2
304
92
M. coracobrachialis.
vi
305
93
M. brachialis.
V.
305
94
M. triceps (und anconaeus).
V.
306
95
M. Pronator teres.
M. flexor carpi radialis.
V,
307
96
V
307
97
M. palmaris longus.
M. flexor carpi ulnaris.
M. flexor digitorum sublimis.
vi
307
98
Va
308
99
H.
309
100
M. flexor digitorum profundus xind M. lumbricales.
M. flexor pollicis longus.
vi
309
101
V
310
102
M. supinator.
v^
310
103
M. pronator quadratus.
M. brachioradialis.
v!
311
104
%
311
105
M. extensor carpi radialis longus.
V
311
106
M. extensor carpi radialis brevis.
V
312
107
M. extensor digiti V.
V
312
108
M. extensor digitorum communis.
V
312
109
M. extensor carpi ulnaris.
M. abductor pollicis longus.
^4
313
110
V
314
111
M. extensor pollicis brevis.
V
314
112
M. extensor pollicis longus.
M. extensor indicis proprius.
V
314
113
^/
314
114
M. abductor pollicis brevis.
M. flexor pollicis brevis.
v!
315
115
H.
315
116
M. opponens pollicis.
M. adductor pollicis.
M. palmaris brevis.
i
315
117
315
118
%
315
119
M. abductor digiti V.
%
316
120
M. flexor brevis digiti V.
V
316
121
M. opponens digiti V.
v:
316
122—
129
[M. interossei volares et dorsales.
Clavicula mit Muskelansätzen von oben.
V.
317
130
V5
358
131
Clavicula mit Muskel- und Bandansätzen von unten.
%
358
132
Scapula mit Muskel-, Fascien- und Bandansätzen nnd Schleim-
beuteln, Rückseite.
V,
360
133
Scapula mit Muskel-, Fascien- und Bandansätzen und Schleim-
beuteln, Vorderseite.
V,
361
134
Humerus mit Muskelansätzen und Öchleimbeuteln, Vorderseite.
V,
366
135
Humerus mit Muskelansätzen, Rückseite.
%
367
136
Ossa antebrachii mit Muskelansätzen, Vorderseite.
'l
372
137
Ossa antebrachii mit Muskelansätzen, Rückseite.
'U
373
137
Ossa manu« mit Muskelansätzen, Vorderseite.
"/lO
376
139
Ossa manus mit Muskelansätzen, Rückseite.
"/ 0
377
140
Varietät des M. biceps.
M. flexor carpi radialis accessorius, Varietät.
Varietät des M. abductor digiti V Ioukus digastricus.
Innervierung der Armmuskeln nach den Rückenmarks-
'/
382
141
v;
383
142
Va
384
143
%
387
segmenten, Vorderseite.
144
Innervierung der Armmuskeln nach den Rückenmarks-
segmenten, Rückseite.
v*
387
145
Reizungspunkte der Armmuskeln und -nerven, Vorderseite,
nach ToBY Cohn.
V.
392
146
Reizungspunkte der Armmuskeln und -nerven, Rückseite,
nach ToBY Cohn.
V4
393
147
Reizungspunkte und -linien der Armmuskeln und -nerven
nach eigenen Untersuchungen, auf die Haut projiziert,
Vorderseite.
V4
394
148
Arm von vorne, Muskelbild.
V4
395
1) Die Figg. 85 — 129 stellen die losgelösten 50 Armmuskeln in halber Größe dar
Figurenverzeichnis.
XIX
No.
Bezeichnung
Größe
Seiten-
zahl
149
150
151
152
153 1)
154
Reizungspunkte und -linien der Annmuekeln und -nerven
nach eigenen Untersuchungen, auf die Haut projiziert,
Rückseite.
Arm von hinten, Muskelbild.
Reizungsfjunkte und -linien der Armmuskeln und -nerven
nach eigenen Untersuchungen, auf die Haut projiziert,
Innenseite.
Arm von innen, Muskelbild.
Reizungspunkte und -linien der Armmuskeln und -nerven
nach eigenen Untersuchungen, auf die Haut projiziert,
Außenseite.
Arm von außen, Muekelbild.
V*
397
400
401
Auf Wunsch des Herausgebers soll das alphabetische Sach- und
Namenregister nur einmal, nämlich erst am Schlüsse des auch von
uns zu liefernden Abschnittes über die Muskeln des menschlichen
Beines stehen. Als Ersatz haben wir bei den Armmuskeln ein aus-
führliches tabellarisches Inhalts- und Figurenverzeichnis gegeben.
XX
FROHSE und M. FRÄNKEL, Abkürzungen.
Abkürzungen.
Die verschiedenen Genera und Casus sind nicht berücksichtigt. Die meisten
Abkürzungen sind ohne weiteres verständlich, oder ergeben sich aus dem Zu-
sammenhange; zu Schwierigkeiten könnten nur folgende führen:
V. B. = Varietates Beroiinenses, Mb.-L. = Muskelbündellänge, s. m.= substantia
muscularis, m. i. t. = musculus in toto, D. = Differentia oder Durchschnitt, Vinc.
= Vinculum, E. = Erwachsener, f. = Fetus, K. = Kind.
A. = Arteri-a, ae.
med. = medialis.
ant. = anteri — or, us, etc.
m. i. t. = musculus in toto.
Artic. = Articulatio.
N. = Nerv — us, i.
5. N. A. = Nomina anatomica
(Basel).
poU. == pollex.
comm. = communis.
post. = posterior.
cut. = cutaneus.
prof . = profundus.
D. = Differentia oder Durchschnitt.
pron. = Pronator.
E. = K.am-us, i.
dig. = digitus.
E. = Erwachsener.
r. = rechts.
ext. === extensor oder externus.
rad. = radialis.
F. = Fetus.
s. ra. = substantia muscularis.
fl(ex) = flexor.
subl. — sublimis.
inf. = inferior.
sup. = superior.
Tub. =Tuberositas oder Tuberculum.
int. = internus.
K. = Kind.
uln. = ulnaris.
1, = Unks.
V. = venter.
lat. = lateralis.
V. B. = Varietates Beroiinenses.
M. = Muscul— US, i.
vag. = vaginalis.
m. = männlich.
Vinc. = Vinculum.
Mb.-L. ^ Muskelbündellänge.
w. = weiblich.
A. Allgeiueiner Teil.
I. Aeussere Form.
Die äußere Form der beiden oberen Extremitäten wird in ihrer
Gliederung durch die Knochen erzielt, welche aber nur an den
wenigsten Stelleu an die Oberfläche treten, am meisten noch an den
in Frage kommenden Gelenkenden.
Die Gelenke selbst sind ebenfalls meist nur wenig deutlich, wirk-
lich klar nur an der Streckseite der freien Finger, auch noch am
Ellenbogenfortsatz, welcher bei der Beugung des Vorderarmes gegen
den Oberarm wie ein Winkel vorspringt, woher auch die Bezeichnung
Anconaeus stammt. An der Beugeseite sind die Gelenke meist
durch Hautfalten angegeben, die aber durchaus nicht in der Tiefe
dem Gelenkspalte zu entsprechen brauchen.
Das Bestimmende für die äußere Form sind die Muskeln, welche
jedoch ihrer Wirkung gemäß nicht mit dem Knochen, von welchem
sie entspringen oder über den sie hinwegziehen, aufhören können,
sondern sich noch über ein oder mehrere Gelenke hinwegbegeben
müssen, um Ursprung und Ansatz der zu bewegenden Knochenteile
einander zu nähern. Daher darf sich die beschreibende Muskellehre
nicht an die Einteilung halten, welche durch die B.N.A. festgelegt
ist. Anderenfalls müßte beispielsweise ein M. flexor carpi radialis
nacheinander in der Regio cubiti medialis und anterior, antebrachii
volaris und volaris manus abgehandelt werden.
Diese topographische Einteilung hält sich teils an Knochen, Muskeln,
teils an Gelenkgegenden, an Bänder, an Organe, oder an praktisch
besonders wichtige Stellen, welche mehr oder minder willkürlich ab-
gegrenzt sind. So konnte sie nicht einheitlich bleiben und besitzt
schließlich nur einen systematischen Wert für denjenigen, welcher
einmal die Teile innerhalb der angegebenen Grenzlinien präparieren
will. Ob das jemals von einem Wissensdurstigen nach den festgelegten
Schnitten vollständig durchgeführt ist, selbst von den verantwortlichen
Urhebern dieser Einteilung, ist an und für sich schon gleichgültig
und vor allem für die Darstellung der Myologie.
Es ist unmöglich, wenn wir von der Regio deltoidea und sterno-
cleidomastoidea absehen, die Muskeln nach dieser Einteilung zu
schildern. Ferner hat der M. sartorius häufig eine so beträchtliche
Breite und ist zudem das beste Beispiel für einen Muskel, der in
seiner ganzen Ausdehnung oberflächlich unter Haut und Fascie liegt,
daß es wundernehmen muß, wenn für und durch ihn nicht eine be-
sondere Regio sartoria aufgestellt ist, zumal die natürliche Einteilung
Handbuch der Anatomie. II, II, 2. 1
■I
M. trapezius
"%
M. biceps
M. triceps, caput
laterale
}\ P<^'
;or carpi
M. palmaris
longus
M. flexor carpi
ulnaris
M. flexor digitorum
sublimis, digitus IV
M. palmaris brevis
M. abductor digiti V
Aponeurosis palmaris^
Fig. 1. Arm von vorne, Hautbild,
Fig. 2. Arm von vorne, Muskelbild.
Aeußere Form. 3
der Vorderseite des Oberschenkels durch ihn gegeben ist, und bei
allen praktischen Uebungen, speziell der Chirurgen, er die größte
RoUe spielt. Nach den Regionen der B.N.A. würde er in der Regio
subinguinalis, femoris anterior und medialis und genu anterior zu
schildern sein.
Für die Beschreibung der Armmuskulatur kommen wir mit ver-
hältnismäßig wenigen Gegenden aus.
Oberhalb des Schultergürtels liegt die Regio trapezia, genau
gegenüber nach unten hin die Regio deltoidea.
Der mediale Uebergang zum Rumpfe verlangt entsprechend der
Achselhöhle eine Regio axillaris anterior mit den M. pectoralis major
und minor, hinten eine Regio axillaris posterior, welche außer dem
M. latissimus dorsi die Scapula mit den tiefen Schultermuskeln um-
faßt. Am Oberarme ist zu unterscheiden die Regio brachii posterior
oder dorsalis, welche nach ihrem Hauptbestandteile, dem M. triceps,
auch Regio tricipitalis genannt werden könnte, und die Regio brachii
anterior oder ventralis. Die Bezeichnung Regio bicipitalis ist nicht
angebracht, weil der Name nicht umfassend genug wäre. Die an der
Innenseite gelegene tiefe Furche führt zwar schon lange den Namen
Sulcus bicipitalis internus oder medialis; den Gebrauch, auch an der
Außenseite einen Sulcus bicipitalis lateralis oder externus zu be-
schreiben, so bequem das sonst wäre, wollen wir nicht mitmachen;
es ist hier keine konstante Furche vorhanden, sondern bei der Beugung
sogar ein Muskelwulst, der eine besondere Bezeichnung Regio brachii
lateralis erforderlich macht. So würde der Oberarm zerfallen : in eine
Regio posterior, lateralis, anterior und medial in den Sulcus bicipitalis,
welcher sich proximal aus der Achselgrube entwickelt und distal in
die Elleubeuge fortsetzt. Beim Vorderarme, den wir in Supinations-
stellung annehmen, haben wir die Wahl, entweder eine Regio dorsalis
und volaris anzunehmen, wenn wir ihn von rechts nach links in eine
hintere und vordere Hälfte teilen; oder eine Regio medialis und
lateralis, wenn wir die Trennungsebene von vorn nach hinten legen.
Die innere Hälfte enthält die Ulna und würde den Namen Regio
medialis oder ulnaris verdienen, die äußere enthält den Radius, also
Regio lateralis oder radialis. Daß die letztere Einteilung viel für
sich hat, wird bei der allgemeinen Beschreibung der Vorderarm-
muskeln auseinandergesetzt werden.
Die Hand zerfällt in Dorsum und Vola, Regio dorsalis manus
bezw. volaris oder Palma, an deren Daumen- und Kleinfingerseite je
ein Ballen vorspringt, Thenar und Hypothenar. An den Fingern ist
selbstverständlich auch eine Regio dorsalis und volaris zu unterscheiden.
Die Schulter geht bei herabhängendem Arme in ziemlich gleich-
mäßiger Weise in den Rumpf über; vor allem ist keine Achselgrube
vorhanden, sondern nur ein von vorn nach hinten gerichteter, sagittaler
Spalt. In Wirklichkeit liegt sogar der Arm dem Rumpfe dicht an
oder kann ihm doch so eng angeschmiegt werden, daß erst die flach
eingeführte Hand den Nachweis dieses Achseisp altes erbringen
muß. In dem Maße aber, wie sich der Arm seitwärts vom Rumpfe
entfernt, entwickeln sich in der Achselgegend zwei Wülste, zwischen
denen der Luftdruck eine sanft ausgehöhlte Vertiefung erzeugt: die
Achselgrube. Die vordere Wand derselben ist rein muskulös und
enthält die M. pectoralis major und minor, die hintere hat als knöcherne
Grundlage die Scapula, welcher von medial nach lateral 3 Muskeln
1*
3
M. deJ-
toideus
M. infra-
spinatus
•^ ■
Fig. 3. Arm von hinten, Hautbild.
Fig. 4. Arm von hinten, Muskelbild.
Aeußere Form. 5
aufgelagert sind, die M. subscapularis, teres major und latissimius
dorsi. Letztere beiden bilden im wesentlichen den hinteren Achsel-
wulst; die mediale Wand ist gewölbt, entsprechend der Krümmung der
Rippen, der Brustkorb wird hier aber noch vom M. serratus anterior
überlagert. In der lateralen Wand liegt der Humerus, jedoch voll-
kommen verdeckt von dem Gefäßnervenstrange und dem M. coraco-
brachialis. Der vordere Achselwulst setzt sich in eine Furche fort,
welche schräg über den M. biceps hinwegzieht, aber schon an seinem
lateralen Rande in der Höhe der Tuberositas deltoidea ihr Ende findet.
Der hintere Wulst bildet die entsprechende Begrenzung der Achselgrube
und läuft in den Sulcus bicipitalis medialis aus. Absichtlich ist hier
bisher die Bezeichnung Achselhöhle vermieden worden, am Lebenden
oder an der Leiche bei unversehrter Haut ist von der sogenannten
Höhle, Cavum axillae, und ihrem außerordentlich verwickelten Inhalte
nicht viel durchzuerkennen. — Je weiter der Arm über die Horizontale
erhoben wird, um so mehr schwinden die Grenzwülste der Grube wieder;
der Sulcus bicipitalis läuft einfach in die Achselgegend aus, welche dann
meist die Gestalt einer Furche oder Rinne annimmt, bald flach erscheint,
bald sogar einen kleineren oder größeren Wulst in der Mitte enthält,
wenn nämlich durch den Druck der gespannten Muskeln der Inhalt
der Achselhöhle, vornehmlich das Fett herausgepreßt wird.
Es sind also drei Haupterscheinungen in der äußeren Form
zu merken :
1) der Achseis palt bei herabhängendem, dem Rumpfe anliegenden,
2) die Achselgrube bei wagerecht abduziertem und
3) die Achselrinne oder der mittlere Achsel wul st bei senk-
recht emporgehobenem Arme.
Ein wichtiges Band, welches teils als Ligament suspenseur de
l'aisselle von den französischen Autoren beschrieben, teils geleugnet
wird, wie von Poirier [1. c. S. 160J ^), können wir durchaus bestätigen,
besonders bei Männern läßt es sich als deutlicher Zug anspannen,
welcher breit aus der Facies profunda der Achselgrubenhaut entspringt
und, sich allmählich verschmälernd, zwischen dem M. pectoralis minor
und dem M. coracobrachialis am Processus coracoideus ansetzt. An
diesem Punkte stellt es eine breite fibröse Verbindung zwischen den
beiden einander zugekehrten Rändern der genannten Muskeln dar.
Die Selbständigkeit und damit auch die praktische Bedeutung dieses
Bandes gibt sich dadurch kund, daß auch ein mit aller Kraft aus-
geführter Zug dasselbe nicht zerreißt, sondern nur noch stärker zur
Anspannung bringt. Zwar würde schon der Luftdruck ausreichen, um
bei Abduktion des Armes eine Vertiefung zwischen den die Achsel-
grube vorn und hinten begrenzenden Muskelwülsten zu erzielen. Die
Unterstützung durch dieses Band darf aber nicht außer acht gelassen
werden.
Da in diesem Abschnitte die äußere Form behandelt wird, sei
es uns gestattet, auch die Kniekehle zum Vergleiche heranzuziehen,
obschon dieselbe nicht funktionell der Achselgrube gleichzustellen ist.
Es kehren aber dieselben mechanischen Bedingungen wieder, welche
ähnliche Formveränderungen bei Bewegungen auslösen. Wir müssen
bei unserer Betrachtung von einem Fetus ausgehen, welcher nicht im
1) P, Poirier. Trait^ d'anatomie huraaine. Tome second, premier fascicule:
Myologie, L. Bataille et Cie., Paris.
M. biccps
M. Pronator teres
M. brachioradialis
M. flexor carpi radialis
M. palmaris longus
. flexor digitorum sublim is
M.l flexor carpi ulnaris
M. abductor poUicis brevis
M. abductor digiti V
Aponeurosis palmaris
Fig. 6. Arm von
innen, Muskelbild.
Aeußere Form. 7
Stande ist, seine Extremitäten, besonders die untere, in der Fruchthöhle
vollkommen zu strecken. Die natürliche Haltung der unteren Extremität
bei der Geburt ist ja die der Beugung, und dann finden wir den
Kniekehlen s palt homolog dem Achsel spalte bei herabhängendem
Arme. Mit zunehmender Streckung entwickelt sich die Kniekehle,
indem der Luftdruck das Fett derselben zwischen den sich anspannenden
Beugern zurücktreten läßt. Jedoch fehlt hier ein Lig. Suspensorium
fossae popliteae, welches für die Achselgrube charakteristisch ist. Wenn
die Streckung erreicht ist, was erst nach der Geburt in ausgiebiger
Weise möglich ist, und als wirklich aktiver Vorgang erst dann ein-
tritt, wenn das Kind zu stehen anfängt, haben wir den Kniekehlen-
wulst vor uns, indem das Kniekehlenfett zwischen den passiv ge-
dehnten Beugern herausgepreßt wird.
Eine ganz besondere Auffassung vertritt Toby Cohn ^), dessen
Darstellung wir wörtlich wiedergeben, obwohl wir nicht wissen, ob
die Schilderung von ihm selbst herrührt oder anderen Autoren ent-
lehnt ist : „Die Achselhöhle stellt bei hängendem Arme einen Raum
vor. der von 5 Seiten, nämlich von vorn, hinten, außen, innen und
oben geschlossen und nur nach unten offen ist. Durch Anpressen
des Armes an den Thorax wird sie auch nach unten geschlossen, so daß
dann ein richtiges „Cavum" entsteht, bekanntlich das einzige nicht
mit dem Körperinnern in Verbindung stehende des gesamten mensch-
lichen Körpers (daher seine Verwendung zur Thermometrie). Bei
Armhebung ziehen sich 3 von den Wänden, nämlich die äußere, vordere
und hintere, zurück, und es bleibt dann schließlich nur der Winkel
zwischen der oberen und der inneren Grenze als wesentlicher Bestand-
teil dieses eigentümlichen verwandlungsfähigen Hohlraumes zurück."
Diese Beschreibung hat unseres Erachtens viel für sich, sofern sie nur
in klarerer anatomischer Auffassungs weise gegeben wäre. Wir haben
unsere besonderen Bedenken durch gesperrten Druck der unklaren
Stellen gekennzeichnet.
Es giebt wohl nichts Auffallenderes im Gegensatze zwischen Skelet
und äußerer Gestalt, als die Hand. Man sollte meinen, daß bei diesem
verhältnismäßig platten Organe sich die ungewöhnlich starken Knochen
auch in entsprechender Deutlichkeit kundgäben. Jedoch ist es nur
an der Dorsalseite einigermaßen möglich, das Skelet, selbst an einer
abgezehrten Hand, richtig zu deuten. Von der Hohlhand aus dürfte
ein solcher Versuch auch einem Mediziner beim ersten Male die
allergrößten Schwierigkeiten bereiten. Nirgends macht sich sonst am
Körper der Antagonismus, in diesem Falle zwischen Beugung und
Streckung, so bemerkbar : er prägt sich nicht nur während der Tätigkeit
aus , sondern hat durch die tausendfachen Bewegungen während des
Uterinlebens schon einem Fetus, auch wenn er totgeboren wird, die
Furchen eingeprägt, welche sich in der einmal gewonnenen Anlage bis
in das späteste Alter erhalten, nur daß der bewußte oder meist unbe-
wußte Gebrauch der Hand diese oder jene Falte deutlicher hervortreten
oder zum Schwinden bringen läßt. Diese Furchen finden sich unter allen
Umständen nur an der Beugeseite. Auf der Rückseite sind zwar auch
regelmäßig über den Gelenken zwischen Grund- und Mittelphalanx
eine Anzahl querer Fältchen vorhanden und auch über dem Hand-
gelenke eine größere bei Dorsalflexion; aber diese können bei der
1) Methodische Palpation, Berlin 1905, S. 63.
Beugung fast zum voll-
kommenen Verschwinden
gebracht werden. Die
Furchen an der Beugeseite
bleiben jedoch immer er-
halten, treten sogar bei
der entgegengesetzten Be-
wegung , der Streckung,
noch deutlicher hervor, in-
dem die Furche, je nach
ihrer früheren Tiefe, sich
in eine schmälere oder
breitere seichte Rinne ver-
wandelt. Diese bleibenden
Furchen finden sich sowohl
im Bereiche des Carpus,
wie des Metacarpus und der
Finger. Alle diese Falten
erfreuen sich der Beachtung
der Chirurgie, aus beson-
deren und guten Gründen,
welche nichts mit der Chiro-
mantie zu tun haben, welche
aus den Hügeln und Furchen
der Hand die Schicksale der
Menschen herauslesen zu
können glaubt. Es ist be-
dauerlich, daß die Bezeich-
nungen , welche meist in
deutscher wie lateinischer
Sprache vorhanden sind, in
den neueren Lehrbüchern
der Anatomie keine Berück-
sichtigung und Berechtigung
mehr gefunden haben. Es
soll der Zweck der folgenden
Darstellung sein, die Not-
wendigkeit dieser alten
Namen nachzuweisen und
die Einführung einiger
neuer als wünschenswert
erscheinen zu lassen.
Hyrtl bezeichnet die
nach den Fingern konvexe
Grenzfurche zwischen Vor-
derarm und Hand als Ras-
cetta der Chiromanten, sie
soll nach ihm genau dem
Gelenke zwischen Vorder-
arme und erster Hand-
wurzelreihe entsprechen.
Nach unserer Erfahrung
liegt sie aber in der
Höhe des Intercarpalge-
lenkes. Das Radiocarpal-
Fig. 7. Arm von außen, Hautbild.
M. sternocleido-
mastoideus
M. omohyoideus
M. del-
toideus
M.extensordigitorum
communis
M. extensor poUicis brevis
Lig. carpi dorsale
M. interosseus dorsal is I
M. lumbricalis I
M. abductor pollicis longus
M. extensor pollicis
longus
M. adductor pollicis
Fig. 8. Arm von außen, Muskelbild.
10 FROHSE und M. FRÄNKEL,
gelenk macht sich durch eine, meist 1 — 2 cm weiter proximal gelegene,
weniger deutliche Furche bemerkbar. Anatomisch wäre also für die
erste Furche der Name Sulcus cutaneus intercarpalis, für die zweite
Sulcus cutaneus radiocarpalis berechtigt.
In der eigentlichen Hohlhand sind bereits 3 Furchen bezeichnet,
für die sich kaum ein bequemerer Ausdruck finden lassen dürfte.
Wenn wir dem Studenten zumuten, die Namen V. cephalica, basilica
(und salvatella) zu lernen, bei denen man sich nichts Rechtes vor-
stellen kann, so wird es auf das Mehr dieser Bezeichnungen nicht
ankommen. Kann er sich doch jeden Augenblick an seinen eigenen
Händen von diesen Furchen überzeugen und gleichzeitig die Ver-
schiedenheit von rechts und links beachten lernen; denn es dürfte kaum
eine Hand in dieser Beziehung gleich gebildet sein, möge sie demselben
Individuum angehören oder einem seiner Millionen Mitmenschen. Die
forensische Bedeutung dieser Tatsache findet ihre Nutzanwendung
gewöhnlich nicht am Handteller, sondern nur an Fingerabdrücken.
Die 3 Linien, für welche wir Bezeichnungen gefunden haben
(Hyrtl, Kollmann), sind:
1) Linea mensalis ^), Monatslinie. Sie beginnt am ulnaren Rande
des Handtellers, etwa 2 cm proximal vom Freiwerden des kleinen
Fingers, und läuft, leicht gegen den Vorderarm konvex, gewöhnlich
zwischen Mittel- und Zeigefinger aus. Sie entspricht, wie hier gleich
erwähnt werden mag, der Articulatio metacarpophalangea III.— V.
2) Linea cephalica, Kopflinie. Diese entwickelt sich ebenfalls 2 cm
unterhalb des Zeigefingers und verläuft der vorigen ungefähr parallel
gegen die Ulnarseite, welche sie indessen nur selten erreicht. In ihrem
Beginne entspricht sie der Artic. metacarpophalangea IL, i. e. indicis.
3) Linea vitalis, Lebenslinie. In ihrem Beginne fällt sie mit der
Linea cephalica zusammen und umfaßt dann die Muskulatur des
Daumens, den Thenar.
In Figur 97 des Atlas der topographischen Anatomie von
V. Bardeleben, Haeckel und Frohse ''^) sind diese Linien bereits
berücksichtigt, jedoch ohne besondere Namengebung, und noch eine
vierte (entsprechend der FROHSE'schen Hand, nach der die Abbildung
gemacht ist), welche das ganze Linienbild zu einem M oder W ge-
staltet, je nachdem man die eigene Hand in der gebräuchlichen
Supinationsstellung von sich selbst aus betrachtet, oder ob man den
Arm bei unveränderter Handstellung so gegen seinen Rumpf herum-
dreht, daß der ulnare Rand nach außen, lateralwärts gekehrt ist;
dann entsteht das Bild eines W, des umgekehrten M. Diese vierte
Linie zweigt sich in der Achse des Mittelfingers und damit der Hand
von der unter 1) beschriebenen Linea mensalis ab und zieht der
Hauptsache nach in dieser Achse weiter zum Handgelenke. Wir
schlagen für diese, am wenigsten ausgeprägte Linie den Namen Linea
axialis (mediana) manus vor.
Beim Uebergange der Hohlhand in die Finger spannen sich Falten
an, in denen Braune ^) dicht unter der Cutis das Ligamentum nata-
1) Der deutsche Ausdruck, den wir bei Kollmann und Hyrtl antreffen, ist
nicht in üebereinstimmung mit der Erklärung, welche im Konversationslexicon
(Meyer 1889) zu finden ist. Linea mensalis = Tischlinie, distale ßegrenzungslinie
des Tisches.
2) III. Aufl. Jena 1904.
3) s ß.N.A., S. 119 u. 120.
Aeußere Form.
11
Fig. 9, An der Schulter sieht man die Einsenkung
zwischen den M. deltoideus und pectoralis major ; in
der Achseihöhle den vorderen und den hinteren Wulst;
am Oberarme den scheinbar mächtigen kurzen Biceps-
kopt, welcher in Wirklichkeit zum größten Teile dem
M, coracobrachialis und dem Gefäßnervenbündel ent-
spricht; die proximalen zwei Drittel
des Sulcus bicipitalis medialis und in
der Regio posterior humeri die durch
M. fiexor digitorum subiimis eine zarte schräge, hier heller erschei-
,. , . , nende Furche getrennten Bäuche des
M. palmares longus j^^^^^ ^^^ mldiaku TricepskopfcS.
M. fiexor carpi radialis Der Vorderarm steht in halber Beu-
gung und zeigt durch willkürliche
Trigonum deltoideopectorale
I
M. triceps, caput
mediale
Anspannung vor allem das Hervortreten des
M. brachioradialis, wodurch er sich als Beuger
des Vorderarmes gegen den Oberarm kundgiot.
Die geballte Faust steht bei supiniertem Vorder- pjg g Arm in mittlerer Beuge-
arme gegen den Epicondylus medialis hinge- Stellung] Hautbild von der mediafen
wendet. Bei dieser Haltung muß besonders ggjjg ^ug
die Sehne des M. fiexor carpi radialis (des
genaueren s. diesen) hervortreten. In unserer
Abbildung ist jedoch die Sehne des M. palmaris longus noch deutlicher zu erkennen-
Fig. 10. Man kann hier den Zwischenraum erkennen, welcher sich bei supiniertem
Arme zwischen dem Fleische des M. biceps und der Vorder-
armmuskulatur findet. Ferner ist trotz halber Beugung des
Vorderarmes gegen den Oberarm durch die willkürliche An-
spannung des M. triceps der Sehnenspiegel im langen Kopfe
desselben zu sehen. Beachtenswert ist ferner die Hautfurcne,
welche die Grenze des Vorderarmes gegen den Oberarm dar-
stellt und bis zum ulnaren Rande des Lacertus
.. ., fibrosus reicht. Der vordere Achselwulst trennt
^''•'uCrir'^' klar das Caput
.M. fiexor digi- breve des M. bi-
torum subiimis ^ Ceps VOm M, peC-
M. palmaris ^^^HHH||^^^|MHflfl toralis major. Der
longus ^^^^^^^^^^^^^^H hintere Achsel-
wulst macht sich
bloß als dunklerer
Schatten bemerk-
bar.
Fig. 10. Su-
pinierter Arm in
starker Beugung,
Hautbild der me-
dialen Seite.
Spalt zwischen M. biceps
und Vorderarm
12
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Spitze des Sehnen-
spiegels des
M. triceps
Unterer medialer
Sehnenspiegel des
!M. trapezius
, Lateraler Sehnenspiegel des M. trapezius
M. infraspinatus
M. triceps,
;aput longum Epicondyhi
medialib
M. flexor carpi
ulnaris
M. extensor digiti V —
M. extensor digitoruni communis
Unlererer Grenzwulst des M. serratus
anterior
M. triceps, caput laterale
M. biceps
M. brachialis
M. brachioradialis
M. extensor carpi radialis longus
Epicondylus lateralis
M. extensor carpi ulnaris
4 M. extensor digitorum communis
M. extensor carpi radialis
brevis
M. abductor poUicis longus
Fig. 11. Rückseite des gestreckten Armes, Hautbild.
Die Photographie ist bei starker Extension des Armes gewonnen, wobei gleich-
zeitig der Hand durch eine Stuhllehne der Halt zur Dorsalflexion gegeben wurde.
Die Einzelheiten der Figur sind aus den reichlich beigegebenen Beschriftungen zu
ersehen, jedoch sei auf die Gruben hingewiesen, welche der untere mediale und der
laterale Sehnenspiegel des M. trapezius im Oberflächenbilde erzeugt, ferner auf die
deutliche Furche, welche dem unteren Grenzwulste des M. serratus anterior ent-
spricht, obwohl derselbe an dieser Stelle fast bei allen Haltungen gänzlich unter
dem M. latissimus dorsi verborgen ist. Am Vorderarme sieht man die Konvergenz
der Strecker gegen den Epicondylus lateralis.
Aeußere Form.
13
Spalt zwischen M. biceps
und Vorderarm
M. extensor
T _.- carpi radialis
■a. tricipitis /
M. anconaeus
carpi ulnaris
Fig. 12. Außenseite des gebeugten, pronierten Armes bei Eadialstreckung der
Hand, Hautbild.
Bei pronierter Hand kommt der Wulst des M. biceps in unmittelbare Be-
rührung mit der Vorderarmmuskulatur, Der Hautspalt verläuft dabei nicht gegen
das Olecranon hin, sondern würde in der Verlängerung dem proximalen Ende
des Ursprunges des M. extensor carpi radialis longus entsprechen. Dieser Muskel
springt, da die Hand extrem radial- und dorsal wärts flektiert ist, als deutlicher
Wulst dicht oberhalb des in der Abbildung nicht erkennbaren Epicondylus lateralis
humeri hervor. Sehr deutlich ist aber die Verlängerung des M, triceps zum Vorder-
arme, welcher in der Gestalt des von uns sogenannten Lacertus fibrosus m. tricipitis
den ganzen M. anconaeus und den Ursprung des M. extensor carpi ulnaris zudeckt.
Ein aufmerksamer Beobachter dürfte auch unschwer hinter dem oben beschriebenen
Wulste des M. extensor carpi radialis longus die feine Erhöhung erkennen , welche
dem freien Rande des Caput laterale des M. triceps entspricht. Diese ist es ja,
welche am Vorderarme den Lacertus fibrosus m. tricipitis hervorgehen läßt. Näheres
siehe M. triceps.
13
14
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fig. 13
Fig. 14.
Fig. 13. Handgelenk von der Beugeseite bei Dorsalflexion und Fingerstreckung,
HautbUd.
Fig. 14. Handgelenk von der Beugeseite bei Volarflexion und Fingerbeugung,
Hautbild.
1 M. flexor carpi radialis. 2 M. flexor digitorum sublimis. 3 M. flexor carpi
ulnaris. 4 N. medianus.
In den Photographieen ist das Verhalten der Gegend in der Umgebung des
Handgelenkes noch einmal besonders illustriert, weil bei dem so häufigen Fehlen
des M. palmaris longus ganz andere Bilder sich ergeben, wie in der Norm.
Fig. 13 u. 14. Beide Figuren stammen von Gipsabgüssen der linken Hand
von Frohse, bei dem der M. palmaris longus (beiderseits) fehlt.
Fig. 13 zeigt die Hand bei gestreckten Fingern in extremer Dorsalflexion. Bei
dieser Haltung treten dann die Beugesehnen und, nicht zu vergessen , ihre Muskel-
bäuche durch passive Dehnung als breiter Wulst (2) zwischen den Sehnen des M.
flexor carpi radialis (1) und des M. flexor carpi ulnaris (3) hervor. In Fig. 14 ist
die Hand bei gebeugten Fingern stark volar flektiert. Dann verengert sich der Raum
zwischen den M. flexores carpi radialis (1) und ulnaris (3) , und es erscheinen als
deutliche Stränge die Sehnen des M. flexor digitorum sublimis III und IV. Außerdem
kommt aber jetzt noch ein schräger Zug zur Geltung (4), welcher auf den ersten
Blick wohl kaum als N. medianus gelten dürfte. Näheres s. u.
H
Aeußere Form.
15
Fig. 15. Handrücken, Hautbild.
Fig. 15. Die Abbildung zeigt nur andeutungsweise die Strecksehnen. Jeden
falls erscheinen aber die des 3. und 4. Fingers schmäler und deshalb deutlicher
sichtbar als die des 2. und 5. Fingers. Sehr charakteristisch sind aber die Hautvenen,
welche durchaus den fetalen Typus bewahrt haben, indem in jedem Spatium inter-
osseum je eine derselben senkrecht emporsteigt. Ueber die Hautfalten an den Finger-
gelenken 8. den Text. Ein Zusammenhang der dorsalen Schwimmhäute, welche in
unserer Abbildung sämtlich proximalwärts zur ulnaren Seite verlaufen, mit dem
freien Ende der AI. interossei dorsales, wie es T. Cohn vermutet (siehe u.), konnten
wir nicht nachweisen.
16
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fig. 16. Hautfurchen der Vola.
torium, dessen Wirkung Frohse in seiner Mitteilung über die Palmar-
aponeurose ^) besonders beschreibt, entdeckt hat, im Beginne der freien
Finger kennzeichnet sich aber dieses aus mehren Abteilungen zusammen-
gesetzte Schwimmband durch Furchen; der Name Sulci natatorii
würde also nur der obigen Bezeichnung entlehnt und angelehnt sein.
Gerade über dem Gelenke zwischen Grund- und Mittelphalanx,
besonders der mittleren Finger (2 — 4) sind die Hautfalten gewöhnlich
1) Frohse, Die Aponeurosis palraaris und digitalis der menschlichen Hand
mit besonderer Berücksichtigung ihrer Funktion. Arch. f. Anat. u. Physiol., Anat,
Abt., 1906, S. 101—108.
i6
Aeußere Form.
17
Fig. 17.
Fig. 18.
Fig. 17. Gipsabguß des rechten, supinierten Armes in 7 Querschnitte zerlegt.
Fig. 18. Gipsabguß desselben, jedoch pronierten Armes in entsprechende
7 Querschnitte zerlegt.
Fig. 17 u. 18. Diese beiden Abbildungen dienen nur zur Erläuterung der in
Fig. 19—32 dargestellten Querschnitte.
Handbuch der Anatomie. II, II, 2. 2
18
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fig. 19.
Fig. 20.
Fig. 21.
Fig. 23,
r Fig. 22.
Fig. 24-
Aeußere Eorm.
Fig. 29.
Fig. 30.
Fig. 31
T^-^ Fig. 32.
20 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fig. 19—32. Querschnittsstudien über den Arm.
Bei einem Vergleiche der verschiedenen Abbildungen, welche in den Lehrbüchern
und Atlanten vom Vorderarme gegeben sind, fällt schon einem unbefangenen Be-
obachter auf die Verschiedenheit in der Lage der beiden Vorderarmknochen zu-
einander imd der äußeren Form der jeweiligen Querschnitte. In dem anatomischen
Institute zu Berlin sind außerdem die Serien von aufeinander folgenden Quer-
schnitten der oberen und unteren Extremität von Pansch vorhanden, welche jedoch
einen nicht gerade schönen, äußeren Gesamteindruck machen. Diesem Mangel abzu-
helfen, hat Fkohse für die obere Extremität einen unseres Wissens neuen Versuch
gemacht, indem er seinen rechten Arm sowohl im Zustande der Supination, wie in
demjenigen der Pronation abformen ließ. Die so gewonnenen Gipsabgüsse wurden
zunächst in ein besonderes Gipslager eingebettet und dann genau an den entsprechenden
Stellen der supinierte und pronierte Arm samt der Unterlage durchsägt. Wir sagen
absichtlich der ganze Arm, denn die Pronation bewirkt nicht allein eine ohne weiteres
erkennbare Umgestaltung des Vorderarmes, sondern auch eine nicht zu vernach-
lässigende Aenderung des Oberarmes.
Das typische Bild des Oberarmes bei Pronation erscheint in Fig. 22, das
des Vorderarmes in Fig. 27 bei supinierter Hand. Der Oberarm ist nämlich von
rechts nach links abgeplattet, während umgekehrt beim Vorderarme sich die Abplattung
von vorn nach hinten vollzieht. Fig. 27 und 31 zeigen außerdem in klarer Weise
die enorme Verjüngung des Vorderarmes von der Ellen bogen gegend bis in die Nähe
des Handgelenkes. Bei der Pronation wandelt sich die cylindrische Form des Quer-
schnittes, s. Fig. 27, in eine mehr gedrungene, bis fast kreisförmige um, s. Fig. 29 u. 30.
Zum leichteren Verständnisse haben wir die einander entsprechenden Stellen
an der Streckseite durch Punkte, an der Beugeseite durch Kreuze angegeben, und
die Wirkung der Pronation auf Ober- und Vorderarm durch Pfeile gekennzeichnet.
Dabei ergab sich die scheinbar überraschende Tatsache, daß beim Oberarme während
der Pronation eine umgekehrte Verschiebung der Weichteile statthat, wie am Vorder-
arme. Dieses kann ja auch nicht weiter Wunder nehmen, weil der als kräftiger
Supinator wirkende M. biceps bei der Pronation des Vorderarmes am Oberarme
passiv gespannt oder gedehnt wird und dem Zuge der Pronatoren entgegenwirkt.
Es wäre dringend erwünscht, daß diesen Studien über die äußere Form bald
ein anatomischer Nachweis der inneren Veränderung (Knochen, Muskeln, Gefäße,
Nerven u. s. w.) bei Pronation und Supination folgen wüde. Natürlich läßt sich eine
derartige Untersuchung an nur einer und derselben Leiche vornehmen, wenn beide
Arme gleichzeitig untersucht werden. Sind dieselben ungefähr gleich stark, so kann
man einen sehr guten Vergleich ziehen, indem man beispielsweise den rechten
in Pronation durchsägt und die Abbildungen von den distalen Schnittflächen
nimmt. Gleichzeitig läßt man den linken Arm härten oder gefrieren und kann dann
ohne weiteres die proximalen Schnittflächen zu den Abbildungen heranziehen. —
Bei Formalinbehandlung der Präparate (bei Gefrierschnitten natürlich ohne Alkohol)
dürfte eine derartige Untersuchung auf keinerlei Schwierigkeiten stoßen, und be-
sonders sich auch die Mängel in der plastischen Darstellung von Pansch zum
größten Teile vermeiden lassen.
Aeußere Form. 21
nach Art einer bikonvexen Linse angebracht, wie es auch im „Operations-
kurs von V. Bergmann-Rochs" beschrieben ist. Wir schlagen deshalb
hier — oder wo es sich sonst einmal in ähnlicher Weise findet — den
Namen Sulcus cutaneus biconvexus vor.
Am Daumen und kleinen Finger, sowie an den distalen Inter-
phalangealgelenken des Zeige- bis Ringfingers sind die Hautfalten
gemeinhin quer zur Achse der entsprechenden Knochen gestellt;
es wird hier (und auch an anderen ähnlichen Stellen) die Bezeichnung
Sulcus cutaneus transversus, welche keine Beziehung zum Gelenke
in sich schließt, vollkommen genügen.
Chiromantie [auch Chirognomik und Chirologie] ^).
Danach wurde der Handteller in sieben, von den Handlinien
begrenzte Planetenregionen geteilt, deren Umgrenzungen durch die
Handlinien gedeutet wurden. Die hauptsächlichsten derselben sind
die 5 Hauptlinien: Die Lebenslinie (Linea vitalis), zwischen dem
Daumen und Zeigefinger anfangend und krumm um den Daumen
herum abwärts laufend, sollte durchschnitten und rein ausgeprägt
auf Lebenskraft und deshalb auf langes Leben deuten; die Natur-
oder Hauptlinie (Linea naturalis s. cephalica), unter dem Zeigefinger
anfangend und gewöhnlich mit der Lebenslinie sich vereinigend,
sollte bei gehöriger Länge einen guten Zustand des Magens, der
Leber und der Lebensgeister anzeigen; die Tisch-, Gedärm- oder
gemeine Linie (Linea mensalis s. inguinalis s. communis), unter dem
kleinen Finger anfangend, unter den 3 letzten Fingern quer über die
Hand laufend und unter dem Zwischenraum des Zeige- und Mittel-
fingers oder unter ersterem endend, sollte, stark ausgeprägt, gute
Zeugungskraft, aber, wenn sie bis ins erste Gelenk des Zeigefingers
geht, ein mühseliges Leben andeuten; die Leber- oder Magenlinie
(Linea hepatica s. stomachica), von unbestimmtem Anfange, in der
Naturlinie endigend, sollte mit dem Zustande der Verdauung in Zu-
sammenhang stehen ; die Rascetta, die erste Querlinie unter der Hohl-
hand auf dem Handgelenk, deutete, wenn ununterbrochen, auf glück-
lichen Fortgang in Unternehmungen. Außerdem wurden 7 Nebenlinien
unterschieden: Mars- oder Ehrenlinie (Linea Martis s. soror vitalis,
Schwester der Lebenslinie), Sonnenlinie (Linea solis s. honoris), Venus-
gürtel (Cingulum Veneris), Saturn- oder Glückslinie (Linea Saturnina),
Heirats- oder Ehestandslinien (Lineae matrimoniales), Milchstraße (Via
lactea), Diskriminal- oder Entscheidungslinien (Lineae discriminales).
Die Räume sind Stellen in der Hohlhand zwischen den angeführten
Linien ; der Tisch (Mensa), zwischen der Natur- und Tischlinie, deutete
auf Reichtum und Freigebigkeit; die Marshöhle oder das Dreieck
(Cavea Martis oder Triangulum), ein dreieckiger Raum zwischen der
Lebens-, Natur- und Leberlinie, deutete, wohlgeschlossen, auf Glück
im Vaterland (sowie auf natürlichen Verstand, Bescheidenheit und
stilles Wesen). Die fünf Berge der Finger (Montes) hießen die
fleischigen Teile unter den ersten scheinbaren Gelenken der Finger,
nämlich: der Venusberg (Mons Veneris) unter dem Daumen, der
Jupiterberg (Mons Jovis) unter dem Zeigefinger abwärts bis an die
Lebens- und N.aturlinie, der Saturnberg (Mons Saturni) unter dem
1) Wörtlich nach Meyer, Konversationslexikon, IV. Aufl., Leipzig 1889.
22 PROHSE und M. FRÄNKEL,
Mittelfinger, der Sonnenberg (Mons solis) unter dem Ringfinger, der
Merkurberg (Mons Mercurii) unter dem kleinen Finger; der Mond-
berg (Mons lunae) war der dem Venusberg entgegengesetzte, erhabene,
fleischige Teil der inneren Hand unter dem kleinen Finger. Als eine
glückliche Hand galt eine solche, die alle Linien und besonders
die Hauptlinien hat, und zwar am rechten Ort, wo die Berge sich
genau unter ihren bezüglichen Fingern finden, die Hauptlinien un-
zerrissen sind, das Dreieck nicht durch verworrene Linien gestört und
besonders auch der Venusgürtel vorhanden ist, sowie alle Hauptlinien
und die Glückslinie gehörig und der Tisch in beiden Händen gleich
groß sind.
Noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurden auf den meisten
deutschen Universitäten eigene chiromantische Kollegien gelesen, so
in Jena von Hexner, in Halle von Nietzky. Der chiromantische
Aberglaube findet sich jetzt noch häufig selbst unter Gebildeten.
II. Beschreibung nach Kollmann').
Die oberen Extremitäten sind, nebst der Zunge, die beweglichsten
Teile des Körpers. Ihre Beweglichkeit gründet sich auf ihre mehr-
fache Gliederung und ihre fast verschwenderische Ausstattung mit
Muskeln. Ein selbst wieder in hohem Grade beweglicher Knochen,
das Schlüsselbein, vermittelt ihre Verbindung mit deni Stamme. Die
Pendelbewegungen der oberen Extremitäten korrigieren die seitlichen
Schwankungen des Beines beim aufrechten Gange; der Anstand be-
müht sich zwar, sie beim gravitätischen Gange in Zaum zu halten;
ihre Notwendigkeit beim Laufen tritt dagegen unaufhaltsam hervor.
Die Wurfbewegung der Arme unterstützt die Vorwärtsbewegung des
Leibes beim Sprunge nicht minder, als beim Laufe. Der Verlust
einer oberen Extremität ist ein weit größeres Unglück, als jener
einer unteren, welche nur als Stütze zu dienen hat, und an deren
Stelle ein hölzernes Bein im Grunde dasselbe leisten kann. An-
geborener Mangel oder frühzeitiger Verlust beider oberen Extremitäten
lehrt die Krüppel, in den unteren Gliedmaßen Stellvertreterinnen für
die Leistungen der oberen zu finden. Der bekannte Thomas Schweiker
aus Hall im Schwabenland, dessen Andenken als Kalligraph durch
Medaillen und Lobgedichte verewigt wurde, hatte keine Hände. Der
berühmte Maler Kittel wurde nach Hochstraten ohne Hände geboren,
in neuerer Zeit hat auch Ducoonet den Pinsel mit den Zehen geführt.
Die beiden oberen Extremitäten sind selten gleich lang, der Unter-
schied beträgt einige Millimeter. Auch die Stärke, d. h. die Muskel-
entwickelung ist selten auf beiden Seiten kongruent. Nicht der an-
gestrengtere Gebrauch des rechten Armes, wohl aber eine ursprüngliche
Ungleichheit der Muskelmasse beider Extremitäten zu Gunsten der rechten
gibt der rechten Seite eine zuweilen auffallende Prävalenz über die linke.
Wir gebrauchen die rechte Extremität mehr als die linke, weil sie die
stärkere ist, nicht aber wird sie stärker, weil sie die gebrauchtere ist.
Bei linkshändigen Menschen ist die linke Extremität von Natur aus
stärker als die rechte, und deshalb bedienen sie sich derselben von der
1) Kollmann, Plastische Anatomie des menschlichen Körpers, I. Aufl., 1886,
Leipzig, Veit & Cie.
Aeußere Form. 23
ersten Kindheit an trotz alles Zuredens und Strafens für diese vermeint-
liche ungeschickliche Angewöhnung.
Das Schlüsselbein durchzieht eine Körperregion, welche die
Schlüsselbeingegend heißt. Bei mageren Individuen läßt sich das
Schlüsselbein seiner ganzen Länge nach gut sehen, wohl auch bei
starker Vorwärtsbewegung der Schulter mit Daumen und Zeigefinger
umgreifen.
Dieser schwach S-förmig gekrümmte Knochen ist so angebracht,
daß seine längere innere Hälfte nach vorn, seine kürzere äußere
Hälfte nach hinten konvex gebogen ist. lieber dem Schlüsselbeine
liegt eine seichte Grube, die obere Schlüsselbeingrube, Fossa supra-
clavicularis, unter ihm die nur bei fettarmen Individuen deutliche
Fossa infraclavicularis. Diese beiden Gruben werden um so tiefer,
je weiter die Schulter nach vorn geführt wird. Das Schlüsselbein
hebt sich dabei von den hinter ihm gelagerten Weichteilen ab, springt
stärker hervor und vermehrt dadurch die Tiefe der beiden erwähnten
Gruben. Der mechanische Nutzen des Schlüsselbeines besteht darin,
daß es die Schulter nach außen drängt und dadurch das Oberarm-
gelenk in gebührender Entfernung von der Thoraxwand erhält. Das
Schlüsselbein ist nicht bestimmt, die Schulter und den Arm zu tragen,
das ist vielmehr die Aufgabe jener Muskeln, welche an dem Rumpf-
skelet entspringen und an dem Schultergürtel endigen.
Schulter, Oberarm und Vorderarm wurden nur der Hand wegen
geschaffen, deren Beweglichkeit und Verwendbarkeit durch ihre Be-
festigung an einer langen und mehrfach gegliederten Knochensäule
erheblich gewinnen muß. Das aus 27 Knochen bestehende und durch
40 Muskeln bewegliche Skelet der Hand, in welchem Festigkeit mit
geschmeidiger und vielseitiger Beweglichkeit sich auf die sinnreichste
Weise kombiniert, bewährt sich für die roheste Arbeit, wie für die
subtilsten Hantierungen im gleichen Grade geschickt und entspricht
durch seinen wohlberechneten Mechanismus vollkommen jener geistigen
üeberlegenheit, durch welche der Mensch, das an natürlichen Ver-
teidigungsmitteln ärmste Geschöpf, sich zum Beherrscher der lebenden
und toten Natur aufwirft.
Der Arm, Brachium, reicht in hängender Stellung bis zur Mitte
des Oberschenkels. Weiter herabhängende Arme haben dem Perser-
könig Artaxerxes zu dem Beinamen Longimanus, und einer russischen
Fürstenfamilie, deren Stammvater mit dieser Eigentümlichkeit be-
haftet war, zu dem Namen Dolgoruki verholfen (Hyrtl). Beim
Neger soll der Arm erheblich tiefer herabreichen, allein diese rassen-
anatomische Behauptung wartet immer noch der sicheren Feststellung.
Bei Rückgratsverkrümmungen fällt die größere relative Länge der
Arme zum Stamme auf und nimmt mit dem Grade der Verkümmerung
zu. Bei raschen Körperbewegungen schwingen deshalb die Arme wie
lange Pendel hin und her. Bei gewissen Affen reicht der Arm selbst
bis zur Ferse. Die Verlängerung betrifft dabei vorzugsweise die
Vorderarme.
Die Hand führt ihren lateinischen Namen Manus von griechisch
^d(ü tasten, ihren deutschen aber von dem alten han, so viel als
heben. Bei den römischen Dichtern heißt sie auch palma, das breite
Ende eines Ruders. Sie wird durch ihren Hautüberzug, besonders
in der Hohlhand (Vola), mit hoher Empfindlichkeit ausgerüstet und
23
24 FROHSE und M. FRÄNKEL,
erhebt sich zur Bedeutung eines Tastorgane s, welches, nach allen
Richtungen des Raumes beweglich, uns von der Ausdehnung der
Materie und ihren physikalischen Eigenschaften belehrt. Die ältesten
Maßbestimmungen (ulna — Elle, spithama ~ Spanne, pollex — Zoll)
sind der Länge einzelner Handabteilungen entnommen. Der jedem
anderen Finger entgegenstellbare Daumen wirkt mit diesem wie eine
Zange, welche zum Fassen, Ergreifen und Befühlen kleiner
Gegenstände benutzt wird. Stammt doch das Wort Finger von Fangen
ab, wie uns die Jägersprache bezeugen kann, in welcher die Finger
der Raubtiere Fänge heißen.
In dem langen, freibeweglichen und starken Daumen (Pollex, von
pollere Ansehen haben, gelten) liegt der wichtigste Vorzug der
Menschenhand. Der Daumen krümmt sich mit Kraft gegen die übrigen
Finger zur Faust (Pugnus Faustkampf, von pugnare kämpfen), die
zum Anfassen und Festhalten schwerer Gegenstände dient. Er leistet
hierbei so viel, wie die übrigen Finger zusammengenommen ; er stellt
das eine Blatt einer Beißzange dar, deren anderes Blatt durch die
4 übrigen Finger gebildet wird. Julius Caesar befahl, allen in
Uxellodunum (einer Stadt und Festung der Cadurci in Aquitanien an
der Garonne) gefangenen Galliern die Daumen abzuhauen, weil er sie,
so verstümmelt, als Krieger nicht mehr zu fürchten hatte. Aehn-
liche Verstümmelungen von Kriegsgefangenen kamen auch bei den
Hebräern vor.
Die aus mehreren Knochen zusammengesetzte bogenförmige
Handwurzel unterliegt der Gefahr des Bruches weit weniger, als
wenn ein einziger gekrümmter Knochen ihre Stelle eingenommen
hätte. Die feste Verbindung der Mittelhand mit der Handwurzel
macht das Stemmen und Stützen mit den Händen möglich, und die
Längenkrümmung der einzelnen Metacarpusknochen, sowie ihre Neben-
einanderlegung in einer gegen den Rücken der Hand konvexen Ebene
erleichtert die Aushöhlung der Hohlhand zum Poculum Diogenis.
Die große Beweglichkeit der Finger und die möglichen zahl-
reichen Kombinationen ihrer Stellungen machen sie zu Vermittlern
der Zeichensprache. Wir bitten, beschwören, drohen und befehlen
mit der Hand; die tiefen Trennungsspalten zwischen je 2 Fingern
erlauben das Falten der Hände, und die nur im Winkel mögliche
Beugung der 2 letzten Phalangen gibt der geballten Faust eine Kraft,
die einst statt des Rechtes galt. Auch die Römer gebrauchten manus
für Gewalt.
Die tausendfältigen Verrichtungen der Hände (Hantierungen), welche
die Notwendigkeit diktiert und der Verstand raffiniert, werden nur durch
den weise berechneten Bau dieses Werkzeuges ausführbar. Wir können
uns keine Vorrichtung denken, durch welche die mechanische Brauch-
barkeit der Hand auf einen höheren Vollkommenheitsgrad zu bringen
gewesen wäre. Jede wie immer beschaffene Zugabe würde eher hemmend
als fördernd wirken. So ist z. B. ein sechster Finger wahrlich keine
Vollkommenheit der Hand, sonst würde der Besitzer desselben nicht
wünschen, dieser Vollkommenheit quitt zu werden, und die Chirurgen
würden sich nicht dienstfreundlichst beeilen, sie wegzuschneiden.
Die Knochen, welche die oberen Gliedmaßen des Menschen bilden,
finden wir wieder in der Flosse des Walfisches, in dem Vorderfuß der
Schildkröte und im Flügel des Vogels. Dieselben Knochen sind es, die,
Aeußere Form. 25
vollkommen ihrem Zwecke angepaßt, in der Tatze des Löwen, wie des
Bären gefunden werden; anders sind sie umgewandelt im Vorderbeine
des Pferdes oder des Kameles oder bei den zum Klettern und Graben
langbeklauten Beinen des Faultieres. Eine vortreffliche, mit Abbildungen
illustrierte Anatomie und vergleichende Anatomie enthält das kleine,
aber lehrreiche Buch: Die menschliche Hand und ihre Eigenschaften,
von Sir Charles Bell. Deutsch von Dr. H. Hauff, Stuttgart 1836.
Wir haben diese wirklich lesenswerte Abhandlung durchgesehen
und würden einen noch ausführlicheren Auszug, der über den
Rahmen unserer Ausführungen hinausgehen würde, für wünschens-
wert halten.
III. Einteilung der Armmuskeln.
Die Muskeln der oberen Extremität sondern sich nach dem
Skelete ohne weiteres in 4 natürliche Gruppen:
Die Schulter-, Oberarm-, Vorderarm- und Handmuskeln. Ein
normaler Arm, an dem kein Muskel fehlt und sich auch kein über-
zähliger findet, enthält 50 leicht voneinander zu trennende Muskel-
individuen, von denen 6 auf die Schulter-, 4 auf die Oberarm-, 20 auf
die Vorderarm- und 20 auf die Handgruppe entfallen. Die große Ver-
schiedenheit in der Zahl erklärt sich aber mit Leichtigkeit aus dem
Bau der Gelenke, zu welchen die Muskelgruppen in Beziehungen
treten. Das kugelige Schultergelenk mit allseitiger Beweglichkeit
braucht mehr Muskeln, als das Scharniergelenk der Articulatio cubiti.
Theoretisch würden für letztere zwei Muskeln genügen, ein Beuger und
ein Strecker ; es kommen aber topographisch noch zwei andere Muskeln
am Oberarme hinzu, von denen der eine, der M. coracobrachialis, am
Schultergelenke angreift, während der andere, der M. biceps brachii,
durch seine Anheftung am Radius außer der Beuge- noch eine kräftige
Supinationswirkung entfaltet. Die 20 Vorderarmmuskeln sorgen teils
für die Supination und ausschließlich für die Pronation, teils für
sämtliche Bewegungen der Hand im ganzen, teils für die gröberen
Bewegungen der Finger. Obwohl für die letzteren schon eine ganze
Anzahl (8) Muskeln vorhanden sind, finden sich an der Hand selbst
noch 20 kleine Muskeln, welche durch den Ansatz an Mittelhand,
Grundphalanx und durch Bildung der sogenannten Dorsalaponeurose
die feineren Bewegungen der Finger ausführen ; nur einer von ihnen
ist ein Hautmuskel (M, palmaris brevis).
Der Lage nach unterscheiden wir in jeder Gruppe oberflächliche
und tiefe Muskeln, und zwar bei den:
oberflächlich tief
Schultermuskeln 1 5
Oberarmmuskeln 3 1
Vorderarm muskeln 10 10
Handmuskeln 13 7
Sa. 27 23
Wenn wir jedoch als oberflächlich einen Muskel bezeichnen
woUen, der vom Ursprung bis Ansatz, also in ganzer Ausdehnung frei
unter Haut und Fascie liegt, und als t i e f einen solchen, der an keiner
Stelle der Oberfläche ohne Auseinanderschieben der deckenden Muskeln
25
26 FROHSE und M. FRÄNKEL,
oder Sehnen zu sehen ist, so kommen wir zu einer ganz anderen
Einteilung. Dann gehört nicht einmal der M. deltoideus zu den ober-
flächlichen Muskeln, indem er vorn noch etwas vom Platysma bedeckt
wird, hinten vom lateralen Sehnenspiegel des M. trapezius.
Dann bleiben als oberflächliche Muskeln nur übrig: M. extensor
carpi ulnaris, extensor digiti V und extensor digitorum communis,
palmaris longus und brevis, abductor poUicis brevis und M. inter-
osseus dorsalis I, von der Rückseite betrachtet. Zu den tiefen Muskeln
wären zu rechnen nur die M. supraspinatus, subscapularis und supinator
(brevis).
Die obige Einteilung wäre also noch durch folgende zu ergänzen:
in ganzer Ausdehnung oberflächlich 7
teils oberflächlich, teils tief 40
voUkomnaen in der Tiefe verborgen 3
Sa. 50
Am losgelösten Arme sind jedoch auch der M. subscapularis,
M. supraspinatus der freien Besichtigung zugängig, und auch der
M. supinator (brevis) kann durch eine geringe radiale Seitwärts-
bewegung des M. brachioradialis in seinem vorderen Teile ohne
weiteres zur Anschauung gebracht werdeu.
Der Wirkung nach zerfallen:
die Schultermuskeln in 2 Seitwärtsheber, Abzieher (M. deltoideus
— Nebenwirkungen: Beugung und Streckung — , M. supraspinatus);
2 Auswärtsroller (M. infraspinatus und teres minor) ; 2 Einwärtsroller
(M. subscapularis und teres major; der wichtigste Muskel dieser Gruppe,
der M. latissimus dorsi, wird mit Recht bei der Rumpfmuskulatur be-
schrieben) ;
die Oberarmmuskeln in 2 Beuger (M. biceps — Nebenwirkung :
Supination — , M. brachialis), 1 Strecker (M. triceps), 1 Beizieher
(M. coracobrachialis — Nebenwirkung: Beugung des Oberarmes — );
die Vorderarmmuskeln in 2 Einwärtsdreher (M. pronator teres und
quadratus), 7 Beuger (sei es des Vorderarmes — M. brachioradialis — ,
der Hand im ganzen oder der Finger), 1 Auswärtsdreher (M. supinator),
1 Abzieher (M. abductor pollicis longus) und 9 Strecker (sei es des
Vorderarmes — M. anconaeus — , der Hand im ganzen, oder der Finger) ;
die Handmuskeln in 1 Hautmuskel (M. palmaris brevis), 2 Gegen-
übersteller (M. opponens pollicis und digiti V), 6 Beugemuskeln (M.
flexor pollicis brevis und digiti V, 4 M. lumbricales) , 11 Spreiz-
muskeln (M. abductor pollicis brevis, adductor pollicis, 8 M. inter-
ossei — dorsales et volares — , M. abductor digiti V).
Was die Nervenversorgung anlangt, so sei hier einstweilen
nur erwähnt, daß der Plexus brachialis zur freien Extremität eine
Reihe von dorsalen — Streck- und ventralen — Beugenerven ent-
sendet. Die ersteren versorgen durch die N. suprascapularis, sub-
scapulares und axillaris die ganze eigentliche Schultermuskulatur, durch
den N. radialis die gesamte Streckmuskulatur des Ober- und Vorder-
armes, einschließlich des M. supinator. Die ventralen Nerven ver-
sorgen durch den N. musculocutaneus sämtliche Beugemuskeln am
Oberarme ; durch die N. medianus und ulnaris die Beugemuskeln am
Vorderarme, einschließlich der Pronatoren, ferner die gesamte Hand-
muskulatur. Während also die dorsalen Nerven von der Schulter
bis zum Vorderarme reichen, aber keine motorischen Elemente zur
26
Aeußere Form. 27
Hand senden, beginnen die ventralen Nerven erst mit dem Oberarme,
ohne einen Zweig für die eigentliche Schultermuskulatur zu liefern,
nehmen dafür aber die ganze Handmuskulatur ^) für sich in Anspruch.
B. Spezieller Teil.
I. Schuitermuskeln.
Dieselben bestehen in oberflächlicher (longitudinaler) Schicht aus
dem M. deltoideus, in tiefer (transversaler) aus den 5 sogenannten Rollern.
M. deltoideus 2).
Synonyma : Deltamuskel , dreieckiger Armmuskel , Armheber ; M.
elevator s, extensor humeri, attollens humerum; Deltoide, sous-acromio-
humöral, sous-acromio-clavi-humeral.
Allgemeine Beschreibung.
Der M. deltoideus ist ein ungefähr dreiseitiger, gewölbter Muskel,
der seine Basis am Schultergürtel hat und seine Spitze zum Ober-
armbeine wendet, mit einem umgekehrten griechischen A also einige
Aehnlichkeit hat. Er bedeckt das Schultergelenk in mehr als der
lateralen Hälfte und trägt mit seiner dicken, grobbündligen Fleisch-
masse wesentlich zur Wölbung und Rundung der Schulter bei.
Idiotopie und Skeletopie.
Er entspringt:
1) von der Extremitas acromialis des Schlüsselbeines,
2) von der Spitze und dem lateralen Umfange des Akromion,
3) vom unteren Rande der Spina scapulae und
4) bisweilen im Anschlüsse daran von der Fascia infraspinata.
Der Ursprung von der Clavicula umfaßt ungefähr das laterale
Drittel dieses Knochens. Die medialen Bündel kommen teils fleischig,
teils mit kurzen Sehnen von dem vorderen Rande des Schlüsselbeines,
lateral wärts greifen sie aber auch auf die obere Fläche über und
leiten so den Uebergang zu der akromialen Portion ein, welche eben-
falls teils fleischig, teils sehnig von dem ganzen freien Umfange des
Akromion, die breite Spitze miteingeschlossen, ihren Ursprung nimmt.
Diese mittlere Portion ist dadurch gekennzeichnet, daß 3—5 starke
sehnige Züge von oben nach unten in die Dicke des Muskelbauches
ausstrahlen und divergierenden Muskelbündeln zum Ursprünge dienen.
Der zwischen 2 Sehnenpfeilern liegende Abschnitt wird durch direkt
vom Perioste entspringende Muskelbündel eingenommen. Ueberall,
wo sich Sehnensubstanz gegen Muskelfleisch absetzt, finden sich bei
1) Die Aufstellung von 20 Handmuskeln könnte vielleicht zu Mißverständnissen
Veranlassung geben. Wir gewinnen diese Zahl durch den M. interosseus volaris I,
diejenige Unterabteilung des M. adductor pollicis, welche an den verschiedensten
Steilen Erwähnung findet.
2) V. Bardeleben hält noch an dem sprachlich richtigeren deltoides (A-«^»??
oder besser \;-eidt]g) fest.
28
Fig. 33. M. deltoideus, Muskelbild.
Cl Clavicula. Aa Acromion, angulus anterior. Ap Acromion, angulus posterior.
P. ma M. pectoralis maior. B. b M. biceps, caput breve. B. l M biceps, Caput
longum. Br M. brachialis. T.la M. triceps, caput laterale.
M. deltoideus. 29
der Kontraktion Niveaudifferenzen, und so sind auch hier am Delta-
muskel die durch die Sehnenpfeiler hervorgerufenen, einschneidenden
Furchen um so tiefer, je mehr sich der Unterschied zwischen tätiger
Muskelsubstanz und passiver Sehne entwickelt zeigt. Besonders zu
erwähnen sind wegen ihrer Stärke die Sehnenpfeiler an der vorderen
und hinteren Ecke des Akromion. Von der letzteren aus nach hinten
entspringt noch eine kurze, sehnige Partie der Portio acromialis.
Dann entwickelt sich von der Spina scapulae aus ein zunächst ein-
faches Sehnenblatt, welches der hinteren Portion, dem von der Spina
scapulae entspringenden Anteile des Muskelbauches zum Ursprünge
dient. Der Muskelbauch der Portio spinata entfernt sich, je weiter
nach hinten und medialwärts, um so mehr von der Spina, und so
scheint der sonst bis an den Schultergürtel reichende Wulst des
Deltamuskels am Lebenden die Schultergräte hinten nicht mehr zu
erreichen. Die genauere anatomische Untersuchung ergibt, daß hier
die Aponeurose gleichzeitig mit der tiefen Sehnenplatte verschmolzen
ist, die ihrerseits wieder als Ursprungsaponeurose für einige Bündel
des M. infraspinatus dient. Es schieben sich hier die Bündel ge-
wissermaßen zwischen beide Blätter der aponeurotischen Fascia
deltoidea hinein. Wenn die hintersten Bündel nicht mehr zur Spina
streben, sondern zum medialen Rande der Scapula, so haben wir den
oben erwähnten vierten Ursprung von der Fascia infraspinata zu ver-
zeichnen, der allerdings nicht in allen P'ällen zu beobachten ist, jedoch
konnten wir an 2 Präparaten auf dem Präpariersaale, welche wahrschein-
lich demselben Körper angehörten, den M. deltoideus bis zum oberen
Rande des M. teres major verfolgen. Allerdings blieben die medialen
zwei Drittel der Fossa infraspinata von Muskelsubstanz frei. Der
Deltamuskel entspringt nicht vom ganzen unteren Umfange der Spina
scapulae, sondern läßt den medialen Anfang, ungefähr 2 Querfinger
breit, frei.
Die genaueren Knochenursprünge sind durch die B. N.A. nicht fest-
gelegt, und doch läßt eine schnellere Orientierung einige besondere Be-
zeichnungen wünschenswert erscheinen. Die Spina scapulae beginnt mit
einem flachen dreieckigen Felde, welches durch den darübergleitenden
lateralen Sehnenspiegel der aufsteigenden Portion des M, trapezius
bedeckt wird. Auch dieser Muskel findet dort nicht seine Insertion;
im Gegenteile, an dieser Stelle findet sich ein nur selten deutlich aus-
gesprochener Schleimbeutel, meistens nur sehr lockeres, schlüpfriges
Bindegewebe. Für dieses dreieckige Feld, welches mit seiner Basis an
den medialen Rand, die Basis der Scapula anstößt, möchten wir den
Namen Trigonum basale vorschlagen. Es ist auch am Lebenden
gekennzeichnet, indem der plötzliche Uebergang des Muskelfleisches des
M. trapezius in den lateralen, dreieckigen Sehnenspiegel hier eine mit-
unter sehr deutliche Grube oder ein Grübchen hervorruft. — Unmittel-
bar daneben lateral entwickelt sich eine Ausladung des Knochens nach
unten, die durch den Zug der eben erwähnten Insertionssehne entstanden
ist. Hier setzen sich die sonst einander genau gegenüber liegenden
M. deltoideus und trapezius übereinander an, und zwar überlagert
die stärkere Sehne des letzteren die schwächere des M. deltoideus. Für
diesen ist der lateralwärts sehende Rand der Rauhigkeit Ursprungsgebiet,
während der medialwärts schauende, kräftigere Rand Ansatzstelle für den
M. trapezius ist. Als Bezeichnung für diese Stelle haben wir Tuberositas
29
30 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Spinae gewählt. Auf diese Weise würde der Ursprung des M. deltoideu»
von der Spina scapulae nicht bis an den Margo vertebralis, auch nicht
an das Trigonum basale, sondern an die Tuberositas Spinae, vornehmlich
ihren lateralen Rand zu legen seien.
Von diesem langen, kleidoscapularen Ursprünge aus ziehen die
Muskelbündel konvergierend nach unten. Indem die vorderen Bündel
nach hinten, und umgekehrt die hinteren nach vorn verlaufen, und sich
an beiden Stellen die mehr lateralwärts entspringenden über die
medialen Bündel hinweglagern, verschmälert sich der mächtige Bauch
beträchtlich. Die gefiederten Bündel der mittleren, akromialen Portion
weisen ebenfalls eine, wenn auch nicht erhebliche, Verschmälerung
gegen die Tuberositas deltoidea auf. So nimmt die am Schultergürtel
in breiter kontinuierlicher Linie entspringende Muskelmasse am Ober-
arme eine verhältnismäßig kleine Stelle zum Ansätze, die Tuberositas
deltoidea, welche, kurz ausgedrückt, in der Mitte des Humerus an
seiner Außenseite ihr Ende findet.
Auf den ersten Blick unterscheidet man bereits am Muskelfleische
die drei Portionen: die vordere, claviculare, die mittlere, akromiale
und die hintere. Die vordere tritt mit ihren wesentlich parallelen
Bündeln in der unteren Hälfte der Muskellänge allmählich hinter die
mittlere Portion und entwickelt eine starke Sehne, welche erst durch
Zurückschieben des M. pectoralis major und gleichzeitiges Hochheben
des M. deltoideus sichtbar gemacht werden kann. Mitunter sind beide
Endsehnen so eng miteinander verschmolzen, daß auch die Spaltung
mit dem Messer zu keiner einwandsfreien Sonderung führt. Sie inseriert
lateralwärts von der Crista tuberculi majoris, welche ja in der
Tuberositas deltoidea aufzugehen pflegt, mit anderen Worten, da ja
auch die Tuberositas deltoidea einem umgekehrten A vergleichbar
ist, an dem vorderen Schenkel derselben.
Die hintere, von der Spina scapulae entspringende Portion ist der
vorderen ähnlich gebaut. Sie besteht aus parallelen Bündeln, die
sich lateralwärts decken, und entwickelt eine ebenfalls versteckte Sehne^
welche erst durch Hochklappen des freien, hinteren Muskelrandes
sichtbar wird und sich an den hinteren Schenkel der Tuberositas
deltoidea anheftet. Die mittlere, mächtigste Portion zeigt eine ganz
andere Architektur, wie die beiden eben beschriebenen. Sie ist so
charakteristisch und kehrt in dieser ausgeprägten Form nirgends
sonst in der menschlichen Muskulatur wieder, so daß eine eingehendere
Besprechung am Platze erscheinen dürfte. Vom lateralen Umfange
des Akromion senken sich 3 — 5 Sehnenpfeiler senkrecht in die Tiefe
des Muskelbauches hinein ; sie liegen teilweise an der Oberfläche,
haben aber auch trotz ihrer überwiegend tiefen Lage den oben erwähnten
Einfluß auf die äußere Form in Gestalt einschneidender Furchen.
Diese verlaufen je nach der Haltung des Armes in verschiedener
Weise, nämlich bei herabhängendem Arme ungefähr senkrecht von
oben nach unten, bei einwärts rotiertem Arme schräg nach vorn und
bei Auswärtsrotation schräg nach hinten. Ihnen gegenüber und genau
in der Mitte zwischen je 2 oberen, streben ihnen von unten aus der
Tiefe der Ansatzsehne sehnige Scheidewände entgegen, welche jedoch
niemals die Oberfläche erreichen, ihre Zahl schwankt demgemäß zwischen
2 und 4. Die von je 2 benachbarten oberen Pfeilern entspringenden
Muskelbündel konvergieren zu der Spitze und den beiden Seiten des
30
M. deltoideus. 31
zwischen ihnen liegenden unteren Sehnenblattes; der zwischen ihnen
frei bleibende Teil wird von Muskelbündeln ausgefüllt, welche unmittelbar
vom Perioste zur Spitze des unteren Sehnenblattes ziehen. Von dem
unteren Ende der oberen Sehnenpfeiler entwickeln sich ebenfalls Muskel-
keile, welche ihre Basis an dem unteren Ende des Muskels haben,
wie derselbe am Oberflächenpräparat erscheint — absichtlich ist hier
nicht gesagt: an der Tuberositas deltoidea, denn dieselbe liegt je nach
der Muskelstärke noch in einex Tiefe bis zu 1,5 cm.
Holotopie und Syntopie.
Der Deltamuskel ist einer der wenigen Muskeln des Körpers,
welche in dem größten Teile ihrer Ausdehnung nur von der Haut
bedeckt sind. In dieser verzweigen sich oben und auch vorn die
R. cutanei supraclaviculares und supraacromiales, unten hinten die
Hautzweige seines Muskelnerven, der R. cutaneus n. axillaris, also
vor allem dorsale Plexuselemente, welche dem vierten und fünften
Dermatome zukommen. Des Uebergreifens kleiner Hautzweige aus
ventralen Dermatomen der N. thoracales I und II, kann hier nur kurz ge-
dacht und muß deshalb auf die Arbeit von L. Bolk ^) verwiesen werden.
Die Fascie ist im allgemeinen dünn, nur in der Mitte entwickelt
sie stärkere Septa, welche teils einzelne Bündel, teils Gruppen von
solchen einschließen. Besonders sei hier eines gedacht, welches die
hintere Abteilung, die Portio spinata, von der Portio acromialis scheidet.
Die tiefe Fascie ist ebenfalls schwach und nur in der Nähe der Spina
scapulae stark entwickelt. Hier vereint sie sich mit der Fascia infra-
spinata und dient einigen Bündeln des gleichnamigen Muskels zum
Ursprünge. Am Akromion verdünnt sie sich wieder und bildet die obere
Decke des später zu beschreibenden Schleimbeutels, der großen Bursa
subdeltoidea oder, wie gleich hier erwähnt sein mag, besser der Bursa
subacromialis. Im übrigen wird die tiefe Fascie an vielen Stellen durch
die für den Muskel bestimmten Gefäß- und Nervenzweige durchbohrt.
Außer der Bursa subacromialis bedeckt der M. deltoideus die
Ansatzsehnen der Rollmuskeln, welche die Gelenkkapsel fast ver-
decken, den Oberarmkopf mit seinen beiden Tubercula und der
zwischen ihnen verlaufenden Sehne des langen Bicepskopfes ; ferner
das Collum chirurgicum mit den dasselbe von hinten her umfassenden
Gefäßen und Nerven, die distalen Enden der Roller, den oberen Teil
des Caput laterale m. tricipitis und vorn-oben den Proc. coracoideus mit
dem Anfange der von ihm entspringenden Muskeln. An den vorderen
Rand schmiegt sich unten der M. pectoralis major innig an, nach
oben verläßt er ihn allmählich, und so entsteht eine spitzwinklige
Furche, der Sulcus deltoideopectoralis, der sich nach oben zur Fossa
infraclavicularis erweitert. In dieser Furche verläuft oberflächlich die
V. cephalica, mehr in der Tiefe, bisweilen durch ein Fascienblatt ge-
trennt, Zweige der Vasa deltoideopectoralia aus den Vasa thoracicoacro-
mialia. — Der hintere Rand ist schräger, als der vordere; er wird
allmählich über der Fascia infraspinata als Wulst sichtbar und über-
kreuzt dabei die M. infraspinatus, teres minor, anconaeus longus und
lateralis. Der M. teres major hat hier bereits die hintere Fläche des
Schulterblattes verlassen, um vor den langen Tricepskopf zu treten.
1) L. Bolk, Die Segmentaldifferenzierung des menschlichen Rumpfes und seiner
Extremitäten. Morphologisches Jahrbuch, XXVI, 1, 1898, Leipzig, W. Engelmann.
31
32 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Die Bursa subdeltoidea oder, wie wir sie nennen wollen, sub-
acromialis ist einer der am frühesten sich entwickelnden Schleimbeutel,
unmittelbar unter der Spitze des Akromion gelegen und in größter
Ausdehnung bei herabhängendem Arme sichtbar. Dann reicht sein
unterer Rand bis 3 cm unter das Akromion herab; bei rechtwinklig
erhobenem Arme verschwindet er vollkommen unter der Schulterhöhe
und dem Lig. coracoacromiale. Bisweilen sind mehrere Kammern vor-
handen, oder er besitzt Ausbuchtungen, wie in dem abgebildeten Falle,
einen kleineren Recessus für das Tuberculum minus und einen größeren
für das Tuberculum majus. Bei Einwärtsrotation spannt sich der Re-
cessus über dem Tuberculum majus, bei Auswärtsrollung über dem
Tuberculum minus. In dem abgebildeten Falle waren die Recessus
mit Luft erfüllt, so daß die Verschiebungen des genaueren beobachtet
werden konnten.
Wir können die alte Bezeichnung Bursa subdeltoidea nicht mehr
beibehalten, weil uns unsere vielfachen Präparate lehrten, daß dieser
Schleimbeutel eigentlich nichts mit dem Deltamuskel, also der ober-
flächlichen Schicht der Schultermuskeln zu tun hat, sondern aus-
schließlich der tiefen Schicht, den sogenannten Rollern, seine Gegen-
wart verdankt: in erster Linie dem M. supraspinatus, bei dessen Zu-
sammenziehung, also der Elevation oder Abduktion, der ganze Schleim-
beutel gegen die Fossa supraspinata verschoben wird, bei extremer
Anspannung sogar vollkommen unter dem Lig. coracoacromiale ver-
schwindet. Die seitlichen Recessus über dem Tuberculum majus und
minus sind durch den Zug der entsprechenden Auswärts- oder Ein-
wärtsroller entstanden.
Der Deltamuskel ließ sich, wie nochmals gesagt sei, in allen Fällen
mit Leichtigkeit entfernen, ohne Eröifnung des Schleimbeutels, und
das ist sonst bei jedem anderen Muskel mit den größten Schwierig-
keiten verknüpft oder überhaupt unmöglich. In den B.N.A. finden
wir neben der Bursa subdeltoidea die Bursa subacromialis angegeben.
Wir halten es für richtig, die Bezeichnung Bursa subdeltoidea voll-
kommen fallen zu lassen. Die Bursa subacromialis beschränkt sich
jedoch nicht auf die untere Fläche des Akromion, liegt vielmehr im
wesentlichen unter dem Lig. coracoacromiale. Indessen würde der
Name Bursa coracoacromialis zu Mißverständnissen führen können, da
dieser Schleimbeutel nur in geringe Berührung mit dem Processus
coracoideus kommt.
Bei den wiederholten Untersuchungen des feineren Ursprunges
oder Ansatzes haben wir zum Schlüsse noch gefunden, daß innerhalb
der Sehnenpfeiler, welche vom Akromion entsringen, sich i n t e r -
tendinöse Schleimbeutel entwickeln können.
In einem Falle haben wir oberhalb des Processus coracoideus
einen Schleimbeutel von 2 cm größtem Durchmesser gefunden. Dieser
lag in dem Räume zwischen Clavicula und Proc. coracoideus und
vorderem Teile des Deltamuskels. Bei Bewegung der Clavicula nach
hinten hin schied diese als Fläche aus, so daß die obere Wand des
Schleimbeutels vom M. deltoideus bedeckt wurde und die untere dem
Proc. coracoideus entsprach. Bei der Bewegung der Clavicula nach
vorn oder unten hin war die obere Fläche des Proc. coracoideus nur
noch in Berührung mit der Clavicula. Wenn ein Name für den
Schleimbeutel gewählt werden soll, so dürfte die Bezeichnung Bursa
mucosa supracoracoidea dem Verständnisse keine Schwierigkeiten be-
32
M. deltoideus.
33
Handbuch der Anatomie
33
34 FROHSE und M. FRÄNKEL,
reiten, weil er der Bursa subcoracoidea nachgebildet ist und die
wechselnden Beziehungen zu der Clavicula und dem M. deltoideus
nicht berücksichtigt. Die Häufigkeit der Fälle kam auch bei diesem
Schleimbeutel zur Geltung, indem wir kurz darauf einen vollkommen
gleich angelegten Schleimbeutel bei 5 anderen Armen beobachteten,
dessen größte Länge (rechter Arm eines mittelkräftigen 40-jährigen
Mannes) sogar 2,7 cm betrug. Da, wie oben beschrieben, bei einer
gewissen Stellung der M. deltoideus überhaupt nicht in Beziehung zu
diesem Schleimbeutel. tritt, so könnte man zu der Anschauung kommen,
daß er nur bei der Gelenklehre zu beschreiben sei. In der Tat fand
Frohse jetzt einen Fall auf dem Präpariersaale, wo bei der Muskel-
präparation dieser Schleimbeutel nicht entdeckt, sondern erst von ihm
bei der Abgabe der Gelenke aufgeschnitten wurde.
An demselben Präparate war außerdem zwischen M. deltoideus
und Tuberculum minus ein Schleimbeutel vorhanden von 1 cm größter
Länge, welcher mit keinem anderen der hier beschriebenen typischen
Schleimbeutel zusammenhing, also eine wahre Bursa subdeltoidea.
Die Bursa subacromialis war vorhanden, wenn auch der mediale
Recessus über dem Tuberculum minus etwas kleiner als gewöhnlich
war. Vielleicht hängt die oben als Bursa subdeltoidea propria be-
schriebene Einrichtung damit zusammen, daß der kurze Kopf des
Biceps eine besondere Sehne in die Gelenkkapsel ausstrahlen ließ.
Wirkung.
Der M. deltoideus entfernt den Arm vom Rumpfe in der Richtung
nach außen, eine Bewegung, die vielfach, wie auch aus den eingangs
aufgeführten Synonyma hervorgeht, als Elevation bezeichnet wird, aber
besser den Namen Abduktion verdient. Die Kontraktion des Delta-
muskels allein bringt den Arm bis zur Horizontalen. Die Bewegung
darüber hinaus wird durch das Anstoßen des Oberarmkopfes gegen das
Akromion und den Proc. coracoideus, sowie das beide Knochenpunkte
verbindende Lig. coracoacromiale, ferner durch das Anspannen der
unteren Kapselwand und auch die Dehnung des M. teres major unmöglich
gemacht — oder es entsteht eine Luxation.
Alle drei Portionen beteiligen sich an der Abduktion des Armes :
die mittlere hebt den Arm direkt nach außen, die vordere gleichzeitig
nach vorn und innen, die hintere nach hinten und innen. Nach
Duchenne ^) vermögen die hinteren Bündel den Arm nur bis zu
einem Winkel von 45** zu erheben.
Derselbe Autor beschreibt S. 92 eine isolierte Wirkung des
M. deltoideus, die man durch den Willen nicht nachmachen kann,
da derselbe nicht die gefährliche Macht besitzt, wie die lokale
Faradisation, den Muskel isoliert zur Kontraktion zu bringen, fol-
gende unter III, 2 beschriebene fehlerhafte Stellung nachzumachen.
Er bedingt eine Hebelbewegung des Schulterblattes um eine imaginäre
senkrechte, durch seinen äußeren Winkel durchgelegte Achse, so daß
sich der spinale Rand desselben um 4—5 cm von den Thoraxwänden
entfernt und sich flügeiförmig davon loszulösen scheint. Während
dieses Experimentes bildet sich zwischen dem spinalen Rande des
Schulterblattes und der entsprechenden Partie des Rückens eine Art
1) a. a. O. S. 43, II.
34
M. deltoideus. 35
Rinne, die bald mehr, bald weniger tief ist, und der Humeruskopf
zeigt eine Tendenz, die Gelenkhöhle zu verlassen und sich nach unten
zu subluxieren.
Wenn die Portio clavicularis den Arm nach vorn gehoben, ge-
beugt hat, kann die Portio spinata ein kräftiger Antagonist werden,
welche den Arm zuerst senkt und dann nach hinten streckt. Im
allgemeinen reicht die Schwerkraft bei Erschlaffung der vorderen
Muskelbündel aus, um den Arm wieder in die Ruhelage, seitlich am
Rumpfe herabhängend zu bringen.
Uebrigens haben wir die isolierte Wirkung der einzelnen Por-
tionen und die Gesamtwirkung bei Anstrengung bei einem 62-jährigen
männlichen Berufsmodelle mit aller Deutlichkeit durch die fettarme
Haut hindurchsehen können. Einen noch klareren Ueberblick gewannen
wir natürlich durch die Betastung, durch den Grad der Härte, welchen
die einzelnen Muskelbündel zeigten. Bei herabhängendem Arme schien
der Deltamuskel bereits mit der hinteren Ecke des Akromion auf-
zuhören, weil die Portio acromialis gegenüber der Portio spinata sehr
stark entwickelt war. Erst bei aktiver oder passiver Bewegung des
Armes nach hinten erreichte die Portio spinata dasselbe Niveau, wie
die nunmehr etwas erschlaffende Portio acromialis. Daß die letztere
bei einfacher Seitwärtsbewegung, die Muskelarchitektur mit ihren
proximalen und distalen Muskelteilen deutlich zu sehen war, sei bei-
läufig erwähnt. Die Portio clavicularis trat bei Vorwärtsbewegung
des Armes, der Beugung, klar sieht- und fühlbar in Erscheinung.
Wenn wir der Abduktion des Armes durch Festhalten des Vorder-
armes Widerstand entgegenstellten, traten alle 3 Portionen in Wirk-
samkeit. Inwieweit das von Duchenne beschriebene flügelartige
Abstehen der medialen Schulterblattränder, welches wir bei ver-
schiedenen Bewegungen beobachteten, auf die Wirkung gerade oder
ausschließlich des Deltamuskels zurückzuführen ist, wagen wir nicht
zu entscheiden.
In einem Falle haben wir innerhalb der proximalen Sehnenpfeiler
Schleimbeutel nachweisen können ; diese sind dann den Schleimbeuteln
vergleichbar, welche sich im Innern der Tricepssehne oder auch des
M. subscapularis finden, um nur Beispiele von der oberen Extremität
anzuführen. Weil es sich um neue, nicht durch Abbildungen fest-
gelegte Tatsachen handelt, sei hiermit auf die Nachprüfung der Fach-
genossen hingewiesen, besonders da Schleimbeutel im Bereiche eines
Muskelursprunges in Frage kommen.
Praktische Bemerkungen.
Der bei der Resectio humeri vor allem in Betracht kommende
Längsschnitt, welcher den M. deltoideus von oben nach unten hin
längs durchtrennt, mehr dem Processus coracoideus genähert als der
vorderen Ecke des Akromion, verdient auch vom anatomischen Stand-
punkte aus vollkommene Billigung. Es werden nur die vordersten
feinen Nervenzweige durchschnitten, unter Umständen bleiben auch
diese Muskelbündel noch der Bewegung fähig, wenn sie nämlich (in
Ausnahmefällen) von den N. thoracales anteriores versorgt werden.
Aber auch mit Rücksicht auf die Gefäßversorgung wirkt dieser Schnitt
so unblutig, wie nur möglich, weil an dieser Stelle auch das Grenz-
gebiet liegt zwischen den Hauptmuskelgefäßen : hinten der Vasa
3*
35
36
FROHSE und M. FRÄNKEL,
circumflexa humeri posteriora, vorne der Vasa deltoidea aus den Rami
deltoideopectorales der Vasa thoracoacromialia.
Innervation.
Der M. deltoideus gibt in seinem Nervenbilde die Muskelarchitektur
unverkennbar wieder. Sein Muskelnerv, der N. axillaris, schickt zu-
nächst einen gesonderten Zweig zur Portio spinata. Wir können
Fig. 36. Eechter M. deltoideus; Nerven bild, auf die Oberfläche projiziert.
nämlich den N. axillaris in zwei Abschnitte zerlegen, einen hinteren,
welcher außer der Portio spinata m. deltoidei den M. teres minor
versorgt und auch den oder die Hautzweige zur hinteren Schulter-
gegend hervorgehen läßt, und einen vorderen. Diesem gewöhnlich
dreigeteilten hinteren Nervenzweige steht der ungeteilte vordere, rein
motorische gegenüber, welcher den ganzen Rest des M. deltoideus
versorgt.
36
M. deltoideus. 37
Wir müssen leider in einigen Punkten gegen die bildliche Dar-
stellung von CuNNiNGHAM^) Widerspruch erheben. Der hintere Ast
des N. axillaris hat eine vorzügliche scheraatische Abbildung erfahren,
besonders deshalb, weil bei dem motorischen Zweige für den M. teres
minor die spindelförmige Anschwellung zwar nicht bezeichnet, aber
richtig wiedergegeben ist. Wir vermissen jedoch denjenigen Haut-
zweig, welcher sich durch die Portio spinata seinen Weg zur Tela
subcutanea bahnt, und verstehen vor allem nicht, wie der vordere,
nach unseren Erfahrungen rein motorische Ast sowohl im mittleren,
wie im vorderen Bezirke des M. deltoideus noch sensible Nerven
liefern soll. Diese haben vorn überhaupt keine Beziehungen zur Haut.
Glücklicherweise ist diese Abbildung nicht in das Werk: Text Book
of anatomy, Edinburg and London 1902, übernommen worden. —
Ein Irrtum ist aus dem Grunde möglich, weil in der Tat auch im
mittleren und vorderen Abschnitte des M. deltoideus Nerven an die
Oberfläche treten können, welche jedoch niemals die Fascie durch-
bohren, sondern nur distale Nervenzweige für den Ansatz des M.
deltoideus darstellen.
Die Portio spinata erhält im wesentlichen aufsteigende Nerven-
zweige und nur wenige absteigende. Wenn, wie in unserer Abbildung,
die doppelt konturierten Hautzweige sich teilweise durch die Muskulatur
ihren Weg bahnen, kann allerdings der Eindruck erweckt werden, als
ob dort starke, absteigende Muskelzweige vorhanden wären. Die Auf-
faserung der Muskelbündel aber läßt dann unschwer diesen Irrtum er-
kennen.
Wesentlich ähnlich ist die folgende parallelfaserige Muskelabteilung
gebaut, welche bis zur hinteren Ecke des Akromion reicht. Mit den
von diesem sich entwickelnden Muskelkeilen und Sehnenpfeilern kommt
erst das typische Bild der Doppelfiederung heraus: ungefähr gleichlange
auf- und absteigende Nervenzweige. Die vordere claviculare Portion
gleicht mit ihrem Nervenbilde wieder mehr der Portio spinata, was
aber nicht Wunder nehmen kann, weil sie ebenfalls im wesentlichen
parallelbündlig gebaut ist.
Innere Nerven anastomosen kommen verschiedentlich, wenn auch
nicht gerade zahlreich, vor.
Die klinische Angabe zweier Reizungspunkte, eines mehr hinten
gelegenen, der Portio spinata entsprechenden, und eines vorderen,
welcher der lateralen Wölbung des Deltamuskels entspricht, findet
also die anatomische Bestätigung. Aus unserem Nervenbilde dürfte
sich aber ohne weiteres ergeben, daß auch in der vorderen clavi-
cularen Portion noch dicke Nerven vorhanden sind, welche den ent-
sprechenden Muskelabschnitt in Tätigkeit setzen oder auch rückläufig
die ganze Deltamuskulatur zur Zuckung bringen können.
Nicht abgebildet haben wir die jedenfalls nur selten zur Be-
obachtung kommende Tatsache, daß die vordersten Bündel der Portio
clavicularis von den N. thoracales anteriores versorgt werden können.
In einem derartigen Falle fand Frohse sogar eine Anastomose mit
den Ausläufern des N. axillaris.
Nach der Zeichnung der vorliegenden Abbildung haben wir noch
genauere Untersuchungen angestellt und dabei lange Sehnennerven
1) CuNNiNGHAM, Manual of practical Anatomy, Vol. I, 1896, p. 51, Fig. 14.
— Diagram of the circumflex vessels and nerve.
38
FROHSE und M. FRANKEL,
gefunden zu den Ursprungssehnen, besonders auch zu den Sehnen-
pfeilern, aber auch bis in die Nähe der Ansatzsehne. Diese zeichnen
sich jedoch durch ihre tiefe Lage aus.
Muskelbündellänge.
Minimum 6,5 cm
Maximum 14,5 „
Durchschnitt aus 45 Messungen OjS „
Unterschied in Centimetern 8, in Prozenten 123 "/o
Segmentbezüge:
(4.) 5., 6. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
öehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. hnker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
145
131,4
405
388
128
116
384
365,8
17
15,4
21
22,2
90,6
90,6
95,3
95,3
Durchschnitt aus diesen Messungen
267,4
248,5
18,9
92,4
Varietäten.
Die Portio clavicularis oder acromialis kann ganz oder teilweise
fehlen ; beide Portionen sind bisweilen untereinander, sowie auch von
der Portio spinata deutlich getrennt. Besondere Muskelbündel am
hinteren Rande des Deltamuskels kommen häufiger zur Beobachtung.
Sie entspringen entweder von der Fascia infraspinata bis zum Margo
vertebralis scapulae oder auch zur Achselhöhle hin vom Margo axillaris.
Einmal haben wir auch beobachtet, daß sich ein ca. 2 cm breiter
flacher Muskel von der Fascia infraspinata quer über die hinteren
Bündel der Portio spinata hinweg zur Fascia deltoidea superficialis
begab. — Die Verbindungen mit den Nachbarmuskeln sind individuell
sehr verschieden entwickelt: als normal möchten wir den Zusammen-
hang der Endsehne mit dem M. pectoralis major ansehen, ebenso wie
die mit dem M. brachialis distalwärts.
Hier möchten wir beifügen, daß wir dem von Poirier erwähnten
cas unique de Macalister 4 Fälle, darunter einen doppelseitigen,
anreihen können, daß der M. brachioradialis proximalwärts bis zur
Tuberositas deltoidea reicht und sich hier mit dem Deltamuskel ver-
band, teils muskulös, teils durch eine sehnige Scheidewand, wie es
gewöhnlich mit dem M. brachialis der Fall ist: der Zusammenhang
mit dem M. trapezius und dem M. infraspinatus vollzieht sich nur
durch die Vermittelung von Sehnenzügen oder aponeurotischen Fascien-
teilen, aber nicht durch Uebergang von Muskelfleisch zu Muskelfleisch.
Vom M. deltoideus löste sich, von der Spina scapulae entspringend,
ein 12 cm langes, 1 cm breites Fascikel ab, welches in das mittlere
Drittel der Armfascie ausstrahlte (V.B. No. 20). In einem Falle wurde
38
M. subecapularis. 39
eine Koiijugationszacke des M. infraspinatus vom unteren Winkel der
Scapula zum Ansatz des M. deltoideus beobachtet (V.B. No. 182). Wie
bereits im Texte erwähnt, haben wir 1907 2 wahrscheinlich doppel-
seitige Fälle beobachtet, in welchen das Muskelfleisch des M. deltoideus
bis zum M. teres major reichte und dabei den M. teres minor voll-
kommen zudeckte. -— Eine interessante Varietät hat Dr. HEiN-Berlin
beobachtet an dem linken Arme eines etwa 25-jährigen Mannes, indem
der N. axillaris ein etwa 1 cm breites flaches Bündel des M. sub-
scapularis am Margo axillaris scapulae von der Hauptmasse abzweigte.
M. subscapularis.
Synonyma: Unter-, Vorder-Schulterblattmuskel ; M. infrascapularis,
M. immersus ; Sous-scapulaire, sous-scapulo-trochiteiien Chaussier, Dumas ;
Rotator humeri anticus Duchenne,
Allgemeine Bes-ch'reibung.
Der M. subscapularis ist ein ungefähr dreiseitiger Muskel, welcher
mit seiner dicken Fleischmasse die gleichnamige Grube des Schulter-
blattes fast vollkommen ausfüllt. Seine starke Sehne deckt das
Schultergelenk von vorn her zu und findet ihren Ansatz am ganzen
Tuberculum minus. Er ist ein kräftiger Einwärtsroller.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskelbauch entspricht nicht genau der Fossa subscapularis
am Knochen, wie wir es auch beim M. infraspinatus kennen lernen
werden, sondern läßt sie an einigen Stellen frei; dafür überschreitet
sie aber auch den Knochen nach unten gegen die Achselhöhle zu.
Entsprechend dem Ursprünge des M. serratus anterior wird die
Basis des Schulterblattes, vornehmlich der obere und untere Winkel,
nicht vom M. subscapularis eingenommen. — Sämtliche drei Ecken des
Muskelbildes erscheinen abgerundet. Die beiden medialen Winkel
weisen entsprechend den Anguli superior und inferior der Scapula eine
ausgesprochene mediale Konvexität auf, und auch der laterale Ansatz,
dessen Sehne nicht mehr der Scapula, sondern schon dem Humerus
im Bereiche des Tuberculum minus entspricht.
Bei den Ursprungsbündeln unterscheiden wir:
1) oberflächliche; diese hängen teilweise mit der Fascia sub-
scapularis zusammen, besonders am äußeren, axillaren Rande der
Scapula, wo sie sich mehr oder weniger innig mit den Ursprungs-
sehnen des M. teres major und minor, sowie dem langen Tricepskopfe
verbinden können;
2) tiefe vom Knochen her, teils muskulös, teils durch Vermittelung
sehniger Platten, welche die Lineae musculares, frühere Costae
scapulae, hervorrufen. Dieser Lineae gibt es 3 — 7, und es entwickeln
sich von ihnen aus, divergierend, Muskelbündel zur Endsehne. Der
zwischen 2 Sehnenpfeilern frei bleibende Raum wird von Muskel-
keilen eingenommen, welche ihre Basis am medialen Schulterblatt-
rande haben und ihre Spitze gegen die Endsehne wenden. Auch
von der Endsehne entwickeln sich alternierende Muskelteile. Die
39
40
FROHSE und M. FRÄNKEL,
A ae
Fig. 37. M. subscapularis und coracobrachialis, Muskel
bild.
+ = Lig. transversum scapulae superius ; + + = Arcus
tendineus m. coracobrachialis ; A.aG ^== Artic. acromioclavi-
cularis; *S' = M. supraspinatus ; P.mi = M.. pectoralis minor;
Ssc = M. subscapularis; B.sd = Bursa (subdeltoidea) sub-
acroraialis ; B.l = M. biceps, caput longum ; C = M. coraco-
brachialis; T.ma = M. teres major; L.d =^ M. latissimus
dorsi; P.ma ^= M. pectoralis major; Z) = M. deltoideus;
H — Humerus ; Br = M. brachialis.
40
M. subscapularis. 41
oberen Bündel verlaufen parallel zueinander, auch wenn der proximale
Rand sich etwas konkav nach oben wendet. Auch die unteren Bündel,
soweit sie zum Tuberculum minus ziehen, haben eine ausgesprochene
Parallelfaserung , ziehen aber nicht horizontal lateralwärts , sondern
schräg proximalwärts. Noch steiler ausgesprochen ist die Richtung
der knöchernen Scapula, welche aber vom Muskelfleisch um mehrere
Centimeter überragt werden kann, lieber die Schultergelenkskapsel
ziehen im Anschlüsse an diesen Teil noch eine Anzahl rein fleischiger
Bündel, welche noch unterhalb des Tuberculum minus inserieren.
Mitunter scharf von der Hauptmasse gesondert, haben sie zur Auf-
stellung eines M. subscapularis minor Veranlassung gegeben.
Bei jedem dreieckigen Muskel haben wir uns den Grund der
Konvergenz des Muskelbauches klar zu machen. Im Gegensatz zum
M. deltoideus ist es beim M. subscapularis gerade das Zusammenschieben
der mittleren, gefiederten Bündel, welches den breit an der Basis
scapulae entspringenden Bauch an dem verhältnismäßig kleinen Tuber-
culum minus zusammenbringt.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies profunda des Muskels liegt auf der Fossa subscapu-
laris, läßt jedoch das Collum scapulae frei, von welchem die Muskel-
bündel durch lockeres, fetthaltiges Bindegewebe getrennt sind. Letzteres
schiebt sich auch noch lateral unter die Endsehne herunter, welche
je nachdem von der Gelenkkapsel getrennt bleibt. Auch ein Schleim-
beutel kann sich hier entwickeln, der entweder nicht mit dem Gelenke
zusammenhängt oder, mit ihm vereinigt, einen besonders großen
Recessus subscapularis (inferior) erzeugt. Die Insertion selbst bildet
einen nur künstlich trennbaren Teil der Kapsel des Schultergelenkes.
Die präparatorisch freiliegende, in der natürlichen Haltung vordere
Fläche desMuskels, Facies superficialis, muß noch in 2 Unterabteilungen
zerlegt werden:
1) Facies thoracalis,
2) Facies axillaris.
Die letztere wendet sich gegen die Achselhöhle, hilft von vorn
her die dreieckige und viereckige Muskellücke begrenzen und ent-
spricht demjenigen Teile des Muskels, welcher den Knochenrand
nach außen und unten überragt. Die bei weitem größere Facies
thoracalis liegt dem Brustkorbe an, je nach der Lage des Armes in
größerer Ausdehnung und Nähe.
Die Fascie des Muskels, welche, wie man zu sagen pflegt, die
Fossa subscapularis zu einem lateralwärts geöffneten Hohlraum
verwandelt, was wir jedoch nicht bestätigen können, ist verhältnis-
mäßig dünn. Am vertebralen, medialen Rande der Scapula ist sie
noch am stärksten ; im mittleren Drittel wird sie von zahlreichen Gefäß-
und Nervenzweigen durchbohrt; lateralwärts löst sie sich immer mehr
in das lockere Bindegewebe auf, welches das Caput humeri mit den
Ansätzen der Rollmuskeln umgibt. Vor allen Dingen läßt sich an
günstigen Präparaten der Nachweis führen, daß sich diese Fascie auch
an der Bildung der äußeren, oberflächlichen oder hautwärts gekehrten
Wand der Bursa subdeltoidea beteiligt, eines Schleimbeutels, für den
wir, wie anderweitig erwähnt, den Namen Bursa subacroraialis vor-
geschlagen haben.
41
42 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Wegen der mannigfachen topographischen Beziehungen, welche
der M. subscapularis zu Brustwand, Achselgegend und Schultergelenk
hat, wäre vielleicht folgende natürliche Einteilung in 3 Unterabschnitte
empfehlenswert, welche mit Leichtigkeit durch 2 Linien erzielt werden
können. Die erste verbindet den medialen Rand der Incisura scapulae
mit dem hinteren Rande des Caput longum m. tricipitis, die zweite
die Spitze des Proc. coracoideus, entsprechend seinem medialen Rande,
mit der medialen Fläche des Humerus, gleichviel, in welcher Lage
sich der Arm gerade befindet. So entsteht eine Pars medialis, inter-
media und lateralis auf der präparatorisch freigelegten Oberfläche des
M. subscapularis. Die Pars medialis entspricht dem M. serratus
anterior und enthält unten noch die dreieckige Muskellücke ; die Pars
intermedia wird von dem Gefäßnervenbündel des Armes zugedeckt;
schiebt man dieses zur Seite, so wird oben das Lig. transversum
scapulae, der N. suprascapularis, ferner unter dem Proc. coracoideus
die Bursa subcoracoidea sichtbar, in der Mitte des Muskels sind seine
eigenen Gefäße und Nerven, am distalen Rande der lange Triceps-
kopf und lateralwärts von diesem die viereckige Muskellücke mit den
Vasa circumflexa humeri posteriora und dem N. axillaris. Die laterale
Portion enthält die Endsehne mit dem Ansätze am Tuberculum minus.
Diese wird aber erst sichtbar, wenn der M. coracobiceps zur Seite
geschoben wird, wobei sich gewöhnlich eine Bursa mucosa m. coraco-
brachialis vorfindet.
Innervation.
In unserer ersten Abbildung (Fig. 38) erhält der Muskel 5 Nerven-
zweige, welche sich aus dem hinteren Strange des Plexus brachialis
(letzterer selbst ist fortgenommen) loslösen, die 3 proximalen selb-
ständig, die beiden distalen erst aus dem Aste für den M. teres
major, bezw. dem N. axillaris. Auch durch die Innervation wird der
Muskel der von uns gegebenen Muskelbeschreibung gerecht, da wir ihn
ja in eine Pars thoracalis und eine Pars axillaris zerlegt haben. Die
erstere füllt die Fossa subscapularis des Schulterblattes aus und wird
von den 3 selbständigen Aesten versorgt. Die Pars axillaris ragt über
den äußeren Rand der Scapula nach unten und erhält die beiden
distalen Zweige. Wir haben des weiteren betont, daß der letztere
Abschnitt sich in seiner Insertion verschieden verhalten kann, indem
der proximale Teil sich noch muskulös im unmittelbaren Anschlüsse
an die Hauptsehne am Tuberculum minus ansetzt, während der distale,
an die freie Schultergelenkskapsel angrenzende Abschnitt länger fleischig
bleibt, fast bis zur Insertion an der Crista tuberculi minoris.
Charakteristisch für die Hauptportion ist die strebepfeilerartige
Einschiebung von Muskelkeilen zwischen die sehnig von den Lineae
musculares (Cristae costales) entspringenden, doppeltgefiederten Haupt-
bündel. Diese Muskelkeile werden nun nicht, wie man theoretisch
annehmen könnte, von einem einzigen Nerven versorgt, welcher an
der Keilspitze eintritt und sich dann dichotomisch fächerartig verzweigt,
sondern von 2 Nerven, einem oberen und einem unteren. In der Mitte
eines solchen Keiles konnten wir verschiedentlich, aber nicht regel-
mäßig, intramuskuläre Verbindungen zwischen diesen beiden Nerven
nachweisen, Plexus intramusculares, die wir bei anderen Muskeln noch
oft erwähnen müssen.
42
M. subscapularis.
43
Die an den oberen Schulterblattrand sich anschließende, pa-
rallelbündlige Portion wird mit einfach divergierenden Zweigen
versorgt, genau wie die gleich gebaute untere. Besondere Beach-
^
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1
tung verdient die am meisten distal gelegene Portion, weil dort das
weite üebergreifen der Muskulatur zum Humerus hier eine ent-
sprechende fächerartige Ausbreitung der Nervenverzweigung mit
sich bringt.
43
44
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Nicht ZU unterschätzen ist auch die Haltung des Oberarmes zum
Schulterblatte, die Stellung, in welcher das Muskelpräparat fixiert,
präpariert und abgebildet wird. Um einmal diesen interessanten
Unterschied darzustellen, haben wir von der Innen- oder Vorderseite
Bursa subcoracoidea
K. suprascapularis
Fig. 39. M. subscapularis und teres major bei herabhängendem Arme,
Nervenbild.
des Schulterblattes mit den M. subscapularis und teres major zwei
Abbildungen gegeben, eine bei adduziertem und eine bei stumpfwinklig
abduziertem Oberarmbeine. Wir finden zwar auch im letzteren Falle
(s. Fig. 39) bei sämtlichen Nerven rückläufige, d. h. der Richtung des
f^
44
M. subscapularis.
45
Hauptnerven mehr oder minder entgegengesetzte, zur Endsehne hin-
strebende Seitenzweige; aber bei weitem ausgesprochener ist diese
Rückläufigkeit bei abduziertem Arme (s. Fig. 38).
Ueberhaupt wird das Nervenbild durch das Zusammendrängen
der Muskulatur ein viel dichteres.
Für die Praxis ist es jedoch wichtig, den Muskel und damit auch
die Nerven im Zustande der passiven Dehnung darzustellen, wie der-
selbe bei dauernden oder vorübergehenden Lähmungen angetroffen
wird. Wir werden deshalb weiterhin nur den passiven Dehnungs-
zustand berücksichtigen, welcher sich auch in der erfreulichsten Weise
mit der anatomischen Darstellungsmethode deckt. Diese wird fast
immer am natürlich erschlafften oder künstlich gedehnten Muskel aus-
. geführt; sie ist bei dünner Muskelmasse leichter zu erzielen als bei
dickerer; und wenn einmal ein Muskel während der Totenstarre und
hinterher durch die Injektionsflüssigkeit zusammengezogen blieb, em-
pfiehlt es sich doch, für die Präparation der Muskeln^rven die Ent-
spannung oder passive Dehnung mit entsprechender Gewalt aus-
zuführen.
Muskelbündellänge.
Minimum 4 cm
Maximum 9,75 „
Durchschnitt aus 41 Messungen 6^6 „
Unterschied in Centimetern 5,75, m Prozenten 135 7o-
Segmentbezüge
5. 6. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
105
96
251
212
88
77
236
202
17
19
15
10
91,5
87,5
94,1
95,3
Durchschnitt aus diesen Messungen
164
152,8
11,2
92,1
Varietäten.
Ein Bündelchen, welches sich zur Fascia brachii abzweigen kann,
ist als M. tensor fasciae et cutis foveae axillaris beschrieben worden
und wird als Rudiment des Panniculus carnosus aufgefaßt. Weit
häufiger ist ein besonderes Muskelchen, welches getrennt von der End-
sehne sich erst unterhalb des Tuberculum minus anheftet. Von den
verschiedenen Autoren hat es besondere Namen bekommen, deren
einfachster der lateinische ist: M. subscapularis minor; bei vielen Tieren
kommt er regelmäßig vor
In den V. B. erwähnt bei No. 41, 148 ; bei No. 235 ist ein drei-
zipfliger Ursprung 1) von der Gelenkkapsel, 2) von der Spitze und
45
46 FROHSE und M. FRÄNKEL,
3) von der Basis des Processus coracoideus beschrieben; sodann bei
No. 345 u. 442.
Wir haben bereits beim M. deltoideus der von Dr. Hein beachteten
Varietät gedacht (s. S. 39), in welcher der N. axillaris den M. sub-
scapularis durchbohrt.
M. supraspinatus.
Synonyma: Obergrätenmuskel; Sus-epineux, petit sus-scapulo-tro-
chit^rien Chaussibr, sus-spini-scapulo-trochiterien Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der dicke, dreieckige Muskel entspringt aus der Fossa supra-
spinata und zieht unter dem Lig. coracoacromiale zum Schulter-
gelenke, dessen obere Wand seine Sehne je nach ihrer Mächtigkeit
verstärkt. Sein Ansatz ist am Tuberculum majus, seine Wirkung be-
sonders eine abduzierende ; er ist also der Hauptsache nach ein Syn-
ergist des M. deltoideus.
Idiotopie und Skeletopie.
Die Fossa supraspinata wird durch die gleichnamige Fascie in
einen osteofibrösen Kanal verwandelt, welchen der Muskel voll-
kommen ausfüllt, ohne irgendwie in nennenswerter Weise die Grenzen
der Spina und des oberen Randes der Scapula zu überschreiten.
Er entspringt:
1) oberflächlich mit Bündeln, welche sich an die oben erwähnten
Knochengrenzen halten, und entwickelt außerdem feine oberflächliche
Sehnen, welche an den medialen, vertebralen Rand der Scapula treten.
Diese Sehnen werden meist mit der Pascia supraspinata zusammen-
geworfen ; es läßt sich aber hier besonders leicht nachweisen, daß jedes-
mal, wo ein Muskelbündel eine oberflächliche Sehne entwickelt, dieselbe
zwar dünner wird, aber nicht in der Fascie endet, sich vielmehr bis
zum nächsten Bündel und so weiter bis zum Knochen fortsetzt. Die
präparatorischen Schwierigkeiten, welche meist aus der üblichen Dar-
stellungsweise entspringen, können allerdings den Anschein erwecken,
als ob mit dem Entfernen der sogenannten Fascie auch eine ganze An-
zahl von Muskelbündeln ihren Ursprung eingebüßt hätte ; hier ist es nur
klarer, als an vielen anderen Stellen, bei denen deshalb auf diese Note
hingewiesen werden soll.
2) Tiefe Ursprünge: Als solche müssen diejenigen Muskelbündel
bezeichnet werden, welche nirgends an die Oberfläche treten, sich
also nur von den knöchernen Wänden der Fossa supraspinata ent-
wickeln. Wir finden dieselben vom vertebralen Rande bis zur Inci-
sura scapulae, also in den beiden medialen Dritteln.
Der Muskel ist, von der Oberfläche aus betrachtet, dreiseitig,
wie sehr viele andere Muskeln, aber auch der losgelöste Muskelbauch
besitzt die Form einer dreiseitigen Pyramide. Wir müssen uns, wie
schon früher bei dem M. deltoideus und subscapularis darüber klar
werden, wie der innere Bau des Muskels die Konvergenz zustande
46
M. supraspinatus. 47
bringt. Es ist hier unseres Wissens der einfachste Typus verwirklicht :
einer sich im Innern des Muskels entwickelnden Sehne streben all-
seitig die Muskelbündel zu. Erst in der Nähe des Ansatzes wird die
Endsehne frei, welche sich abgeplattet an der obersten (und gleich-
zeitig vorderen) Facette des Tuberculum majus humeri ansetzt.
Holotopie und Syntopie.
Der M. supraspinatus gehört zu denjenigen Armmuskeln, welche
nirgends direkt am äußeren Bilde des Körpers teilnehmen ; selbst am
losgelösten Arme einer nicht weiter zerlegten Leiche ist nichts von
ihm zu sehen, es sei denn, daß der M. trapezius hochgehoben oder
entfernt ist. Nichtsdestoweniger hilft seine Anwesenheit, besonders
wenn er bei wagerecht hochgehobenem Arme in Tätigkeit getreten
ist, die obere Schulterwölbung erheblich verstärken. Der Muskel
ist, wenn man ihn in seiner ganzen Ausdehnung freilegen will, wohl
der verborgenste des ganzen Körpers, indem schon zu seiner aus-
giebigen, oberflächlichen Präparation Muskeln, Knochen, Bänder, Ge-
lenke, Fettpolster und Schleimbeutel abgetragen werden müssen, und,
um die Tiefe sichtbar zu machen, sogar eine künstliche Trennung
zwischen Sehne und Gelenkkapsel nötig wird.
Damit die eben gemachten Angaben verständlich werden, ist eine
genauere topographische Darstellung der in Betracht kommenden
Gebilde und Einrichtungen geboten.
Der Schultergürtel, welcher sich aus Schlüsselbein und
Schulterblatt zusammensetzt, hat als sieht-, jedenfalls immer fühl-
baren Kamm wieder die Clavicula und von der Scapula die Spina, die
Schultergräte. Zwischen beiden findet sich als Verbindungsstück,
das Acromion, die Schulterhöhe, und die Articulatio acromio-
clavicularis. Unter letzterer ist der M. supraspinatus zunächst verborgen,
ganz abgesehen davon, daß er unter dem M. trapezius liegt, d. h. nur mittel-
bar, indem sich hier ein beträchtliches Fettpolster, richtiger sogar ein Fett-
körper einschiebt : Corpus adiposum suprascapulare (nobis). Die Schulter-
höhe, das Acromion, und die Articulatio acromioclavicularis werden durch
den M. supraspinatus überhaupt nicht berührt; denn es schiebt sich vom
Acromion aus ein Band nach innen und unten gegen den Proc.
coracoideus, das Lig. coracoacromiale. Unter diesen 3 Teilen, welche
das Schulterdach oder -ge wölbe bilden, verläuft erst der Muskel,
welcher hier in seine Sehne übergeht. Damit sich diese aber nicht an
den Knochen und Bändern reibt, findet sich über ihr noch ein Schleim-
beutel, die Bursa subacromialis. Die Endsehne selbst ist in der Tiefe,
wie schon erwähnt, sehr innig mit der Gelenkkapsel verwebt.
Es sind also folgende Schichten oder Abschnitte zu beachten:
1) Schultergürtel — Clavicula und Scapula (M. trapezius).
Knochenmuskelbedeckung.
2) Schulterkamm — Clavicula, Acromion , Spina scapulae.
Knöcherne Umrahmung.
3) Schulterhöhe — Acromion , Articulatio acromioclavicularis.
Knöcherne Decke.
4) Schulterfettkörper, Corpus adiposum suprascapulare. Fett-
decke.
5) Schultergewölbe: Lig. coracoacromiale — Fascia supra-
spinata. Fibröse Decke.
47
48 FROHSE und M. FRÄNKEL,
6) Schulterschleimbeutel, Bursa subacromialis, muköse Hülle.
7) Schultergelenksdecke — Sehne des M. supraspinatus ; ge-
wöhnlich verschmolzen mit der
8) Schultergelenkskapsel und
9) Schultergelenkshöhle.
Wirkung.
Nach Duchenne S. 94 ist der Muskel erstens kräftig genug (IX),
um die Erhebung des Humerus selbst dann zu besorgen, wenn der
M. deltoideus ganz und gar atrophisch ist. Zweitens, bei seiner Atrophie
bemerkt man in der Muskelruhe eine Subluxation (Diastase) des
Humeruskopfes nach unten, welche ja bei der Deltoideuswirkung
gerne eintritt.
Obwohl Duchenne a. a. 0. S. 91 sagt: „die Muskeln, die die
Fähigkeit haben, den Humerus gegen das Schulterblatt zu erheben,
sind der Deltoideus und der Supraspinatus", schreibt er unmittelbar
danach unter I: „der Deltoideus ist der hauptsächlichste, wenn nicht
einzige Muskel, welcher infolge seiner Kraft und der Verschiedenheit
der Bewegungsrichtungen, die er dem Humerus erteilt, bestimmt
scheint, die Erhebung desselben gegen das Schulterblatt zu be-
wirken."
Im Gegensatze hierzu steht die Beschreibung von M. Duval ^),
welche eigentlich nur für Laien geschrieben erscheinen könnte, die
wir jedoch aus voller Ueberzeugung bestätigen können. Dieser Autor
sagt ungefähr: „Der M. deltoideus hat überhaupt kein Moment
seiner "Wirkung. Gleichviel ob der Arm senkrecht am Körper herab-
hängt, oder ob er seitwärts bis zur Horizontalen erhoben ist, immer
liegt die Richtung der Muskelbündel und die Achse des Oberarm-
beines parallel zueinander." Es ist ein Spiel der Kinder, nicht ein
Kinderspiel, festzustellen, wie lange man den Arm wagerecht ab-
duziert halten kann. Der M. deltoideus würde sicher bei seinen
denkbar ungünstigsten, weil parallelen Angriffsbedingungen viel
früher ermüden, wenn er nicht in dem M. supraspinatus einen wirk-
samen Synergisten hätte. Letzterer hat wirklich das beste „Moment",
weil ja bei herabhängendem Arme Muskel und Sehne im rechten
Winkel zum Humerus verlaufen.
Innervation.
Unmittelbar, nachdem der N. suprascapularis unter dem Lig.
transversum scapulae (superius) durchgetreten ist, schickt er einen
Ast zum M. supraspinatus, welcher seine oberflächliche Hälfte ver-
sorgt. Regelmäßig ist für seine tiefe Hälfte ein zweiter Nerv be-
stimmt, welcher bei seiner tiefen Lage und der gewöhnlichen Art der
Präparation ohne ausgiebige Isolierung des Muskels der Beobachtung
zu entgehen pflegt. Beide Nerven liefern lange Aeste bis in die
Nähe des Ursprunges und hängen im Inneren des Muskels eventuell
durch eine Anastomose zusammen. In unserer Abbildung (Fig. 40)
liefert der distale Ast auch noch einen dicken Gelenknerven, der sich
in 2 Zweige teilt. Diese versorgen die obere Wand der Schulter-
1) Mathias Duval, Grundriß der Anatomie für Künstler. Herausgeg. von
Prof. Dr. F. Neelsen. Stuttgart, Verlag von Enke, 1890.
48
M. supraspinatus.
49
gelenkskapsel und können zwischen der Endsehne des M. supra-
und infraspinatus auch VATER-PACiNische Körperchen besitzen. Ab-
Handbuch der Anatomie. II, II, 2.
49
50
FROHSE und M. FRANKEL,
weichungen von der Doppelinnervation haben wir niemals beobachtet,
obwohl wir auf diese sonderbare Einrichtung genau geachtet haben.
Es ist in der Tat wunderbar, daß der einheitliche Muskelbauch zwei
gesonderte dicke Nerven erhält.
Minimum
Maximum
Muskelbündellänge.
5,5 cm
Durchschnitt aus 21 Messungen 6,6
Unterschied in Centimetern 2,5, in Prozenten 45,45 "/,,.
gen
2,5,
Segmentbezüge.
5. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
11. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
35
32
72
71
32,7
29
65
66
1^
l
93,5
90,6
90,3
93
Durchschnitt aus diesen Messungen
52,5
48,2
4,3
91,9
Varietäten.
Die Bemerkung von Macalister: „Singularly invariable muscle"
können wir bestätigen. Das von demselben Autor beschriebene über-
zählige Bündel von dem Lig. transversum scapulae ist jedenfalls
außerordentlich selten. — Um so seltsamer dürfte es sein, daß dieser
einheitlich erscheinende, nicht einmal ungewöhnlich kräftige Muskel
durch 2 besondere Nerven versorgt wird, die beide von der tiefen
Fläche aus, recht weit voneinander entfernt, zu den Muskelbündeln
gelangen.
M. infraspinatus.
Synonyma: Untergrätenmuskel; rotator humeri posticus (Duchenne);
sous-epineux, grand susi)-scapulo-trochit6rien (Chaussier), sus-spini-scapulo-
trochiterien (Dumas).
1) Die Namengebung nach Chaussier und Dumas richtet sich nach der Lage
der Eoiler an der Vorder- und Rückseite des Schulterblattes: vorn ist nur ein
Muskel vorhanden, der M. subscapularis = sous-scapulaire ; hinten deren drei, welche
nach ihrer Größe bezeichnet werden, nicht mit Kücksicht auf die Spina scapulae,
sondern nur im Gegensatze zur Vorder- (sous) und Rückseite (sus) des Schulterblattes.
Der Größe nach werden letztere drei (sog. Auswärtsroller) aufgeführt als:
B. N. A. und Poirier
1) M. infraspinatus (sous-^pineux)
2) M. supraspinatus (sus-6pineux)
3) M. teres minor (petit rond)
Chaussier (Dumas)
grand sus- scapulo-trochit^rien
petit sus-scapulo-trochit6rien
plus petit sus-scapulo-trochit6rien
50
M. infraspinatus. 51
Allgemeine Beschreibnng.
Der mächtige, dreieckige abgeplattete Muskel nimmt den größten
Teil der Fossa infraspinata für sich in Anspruch, nach lateralwärts
und oben konvergierend, entwickelt er eine starke platte Sehne, welche
die Schultergelenkskapsel hinten verstärkt und sich am Tuberculum
majus ansetzt. Die besonders medial stark entwickelte Fascie hüllt
gleichzeitig den M, teres minor mit ein, mit dem gemeinschaftlich er
an der Rückseite der Scapula entspringt. Obwohl auch die Wirkung
dieselbe ist, nämlich die Auswärtsrotation des Armes, ist die Nerven-
versorgung verschieden, indem der M. infraspinatus vom N. supra-
scapularis, der M. teres minor vom N. axillaris innerviert wird. Be-
achtenswerts ist die Tatsache, daß auch die beiden Abduktoren des
Armes den gleichen Unterschied aufweisen: der M. deltoideus wird
ja vom N. axillaris versorgt, der M. supraspinatus vom N. supra-
scapularis.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel entspringt:
1) oberflächlich mit aponeurotischen Fasern, welche teils mit der
Fascia infraspinata verwebt sind, teils in die untere Aponeurose des
M. deltoideus übergehen;
2) tief mit Knochenursprüngen, welche die medialen zwei Drittel
der Fossa infraspinata einnehmen, mit der Einschränkung, daß der
untere Winkel vom M. teres major und die Nähe des lateralen, axillaren
Randes vom M. teres minor besetzt ist.
Vorteilhafter, weil beide Arten von Ursprungsbündeln der Masse
nach sehr ungleichwertig sind und unmittelbar ineinander übergehen,
ist eine Einteilung in 3 Portionen, eine obere, mittlere und untere.
1) Die obere kommt von der Spina scapulae her, kurzweg also
Portio spinata ^) ;
2) die mittlere entwickelt sich vom Boden der Fossa infraspinata
bis zu ihrem medialen Rande;
3) die untere legt sich an den M. teres minor an und ist durch
ein starkes oberflächliches Sehnenblatt gekennzeichnet.
Die dreieckige Form des Muskels kommt im wesentlichen da-
durch zustande, daß sich in der Tiefe der mittleren Portion eine
starke Sehne entwickelt, zu welcher hin die Muskelbündel allseitig
konvergieren ; die obere und untere Portion bleiben dagegen in ihren
Bündeln einander parallel und sind außerdem oberflächlich gelagert,
so daß der mittlere Abschnitt und besonders die Endsehne zum großen
Teile von ihnen verdeckt wird. Letztere wird erst über dem Schulter-
gelenke frei und bildet durch die innige Verwachsung mit der Gelenk-
kapsel eine wesentliche Verstärkung derselben ; wenn hier ein Schleim-
beutel vorhanden ist, so wird doch der Schutz des Gelenkes durch
die Sehne nicht sonderlich beeinträchtigt. Der Ansatz ist an der
mittleren Facette des Tuberculum majus und hängt vielfach innig
mit dem des M. teres minor und auch des M. supraspinatus zu-
sammen.
1) Wenn es eine Fossa supra- und infraspinata gibt, muß analog auch spinata
gebildet werden und nicht spinalis, ein Ausdruck, welcher die Beziehungen zu der
Wirbelsäule und den ihr benachbarten Teilen andeutet. Ein dritter Ausdruck ist
spinosus, welcher an der Wirbelsäule nur für die Dornfortsätze in Gebrauch ist-J
4*
"52 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Holotopie und Syntopie.
Von dem dreieckigen M, infraspinatus sieht man nur einen Teil
unter der Haut, weil an allen drei Ecken eine Ueberlagerung durch
andere Muskeln statthat, vor allem lateral und oben durch den
M. deltoideus, medial und oben durch den lateralen Sehnenspiegel
des M. trapezius, am unteren Winkel der Scapula durch die M. teres
major und latissimus dorsi.
Mit seiner tiefen Fläche entspricht er der Fossa infraspinata im
Bereiche des oben angegebenen Ursprunges, Jedoch läßt er die
Oegend des Collum chirurgicum scapulae frei ; an dieser, durch lockeres
Binde- und Fettgewebe ausgefüllten Stelle liegt die Anastomose
zwischen der A. transversa und circumflexa scapulae, ferner am freien
üande der Spina, nahe ihrer Wurzel, gegen den Knochen durch das
Lig. transversum scapulae inferius zurückgehalten, der N. supra-
scapularis mit den Gefäßen.
Schleimbeutel.
Der Muskel besitzt 2 Schleimbeutel : der eine, fast konstante liegt
an der Schultergräte, dort, wo sich die Portio spinata um den medial-
wärts konkaven Rand des Knochens herumschlingt; der andere in-
konstante zwischen Endsehne und Kapsel. Poirier hat ihn bei alten
Leuten gewöhnlich sehr breit mit dem Gelenke kommunizieren gesehen.
Wirkung.
Daß der M. infraspinatus der kräftigste Auswärtsroller ist,
unterliegt keinem Zweifel und Widerspruche; hier sei deshalb be-
sonders seiner Nebenwirkung gedacht, indem er den emporgehobenen
Arm mit den unteren Bündeln auch mit nach unten zieht.
Duchenne beschreibt S. 66 unter No. 90 und 91: „Durch den
elektrophysiologischen Versuch ist soeben bewiesen worden, daß der
Umfang der Rotationsbewegung von innen nach außen, die der Arm
unter dem Einfluß der Kontraktion des Rotator humeri posticus um
seine Längsachse beschreibt, einen Viertelkreis beträgt, wenn der
Arm zur Zeit des Versuches in Rotation nach innen gestellt ist.
Diese Tatsache wird besonders deutlich sichtbar, wenn dabei der
Arm erhoben und der Vorderarm gegen ihn gebeugt gehalten wird,
denn man sieht dann den letzteren um die Längsachse des Humerus
rotieren und gleichsam als Radius des Kreises genau einen Viertel-
kreis um dieselbe beschreiben.
Weniger leicht ist es aber, den Umfang dieser Rotationsbewegung
festzustellen, wenn der Vorderarm sich in Streckung befindet. Man
kann es indessen auch dann in folgender Weise genau beobachten:
Wenn der Arm vertikal zur Seite des Rumpfes herabfällt und in
größtmöglicher Rotation nach innen gehalten wird, so bemerkt man,
daß der Condylus internus nach hinten, der Condylus externus nach
vorn gerichtet ist. Hat dann der Humerus unter dem Einflüsse einer
starken elektrischen Reizung des Rotator humeri posticus (Infra-
spinatus) seine Rotationsbewegung nach außen gemacht, so sieht der
Condylus internus nach innen und der Condylus externus nach außen.
Dann haben also diese beiden Knochenvorsprünge jeder einen Viertel-
kreis von innen nach außen beschrieben."
52
M. infraspinatus. 53
Unsererseits sei bemerkt:
Zu 90. Ebensogut, wie bei rechtwinklig gebeugtem Vorder-
arme und erhobenem Oberarme, kann man dieselbe Wirkung auch bei
gehobenem Oberarme und gestrecktem Vorderarme oder bei herab-
hängendem Oberarme und rechtwinklig dazu gebeugtem Vorderarme
beobachten, wofern man nur bei Beginn des Versuches die größtmög-
liche Einwärtsrotation ausgeführt hat. Alsdann dürfte ein größerer
Kreisbogen als 90" bei der Auswärtsrotation zu erzielen sein.
Zu 91. Die beiden Epicondylen beschreiben nicht jeder einen
Viertelkreis von innen nach außen, im Gegenteile gerade die umge-
kehrten Bewegungen. Der Epicondylus medialis rückt bei vorheriger
starker Einwärtsrotation bei der Auswärtsrotation von hinten nach
innen, medial, und andererseits der Epicondylus lateralis von vorn
nach außen, lateral.
Innervation.
Der Nerv für den M. infraspinatus ist ein einheitlicher Stamm,
das Ende des N. suprascapularis. Obwohl er unter dem ihm zuge-
hörigen Muskel gelagert ist, sind wir berechtigt, von einem extra-
muskulären Verlaufe zu sprechen, weil sowohl der Hauptast, wie die
gröberen Verzweigungen außerhalb der Muskulatur gelegen sind,
zwischen dem Collum scapulae und dem von Muskelursprüngen freien,
lateralen Drittel der Fossa infraspinata, wie es bei der Muskel-
beschreibung genügend hervorgehoben ist.
Die Dreiteilung des Muskels kehrt auch in der Innervierung
wieder. In unserer Abbildung (s. Fig. 43) haben wir uns allerdings
von diesem Schema ferngehalten und das vorliegende Präparat natur-
getreu abgebildet. Nichts wäre leichter gewesen, als die Trennung
derjenigen Bündel, welche unserer Portio spinata entsprechen, auch
bei den Nerven so weit zum Stamme hin fortzusetzen, daß auch
dieser, wie unser abgebildeter Muskel, dreigeteilt erscheint. In dieser
Beziehung bleibt der präparatorischen Willkür des einzelnen Be-
obachters die größte Freiheit offen. Ebensowenig, wie die Muskel-
bündel eine scharfe Sonderung für die drei von uns unterschiedenen
Abteilungen rechtfertigen, so auch die Nerven. Man kann und muß
sogar die Auffaserung der Nerven zeitweilig noch über den Rahmen
des hier vorliegenden Bildes weiterführen, bis in den Plexus brachialis
hinein, ja weiter proximal bis zu den Rückenmarkswurzeln.
Diese Fragen sind theoretisch von der größten Bedeutung und
auch praktisch bei der Segmentdiagnose nicht außer acht zu lassen.
Ob für die Bedürfnisse des praktischen Arztes, für die isolierte
physiologische Reizung des Muskels selbst auf Grund seiner Nerven-
versorgung, eine genauere Darstellung, als die hier von uns gegebene,
wünschenswert ist, muß erst die Zukunft lehren.
An Einzelheiten sei an unserer Abbildung hervorgehoben, daß
bei der stumpfwinklig abduzierten Haltung des Oberarmbeines die
Portio spinata gespannt ist, und deshalb die entsprechenden Nerven
eine starke Rückläufigkeit aufweisen; ferner auf die Anastomose im
Bereiche der mittleren Portion, des weiteren auf die beiden längsten,
punktiert gehaltenen Zweige, welche zum Perioste der Scapula ziehen
und nach unserer Meinung auch als Sehnennerven aufgefaßt werden
müssen. Die Nerven für die untere, teilweise an der Fascia infra-
53
54
FROHSE und M. FRANKEL,
spinata entspringende Portion bedürfen deshalb einer besonderen Er-
wähnung, weil die zeichnerische Darstellung für das Verständnis nicht
ausreicht. Die Nerven liegen zuerst in der Tiefe, ziehen fast bis zum
M. teres minor hin und biegen dann hakenförmig zur Oberfläche um,
indem sie der zwiebelschalenartigen Anordnung der Muskelbündel folgen.
Muskel bündellänge.
Minimum 7,2 cm
Maximum 9,9 „
Durchschnitt aus 21 Messungen 8,7 „
Unterschied in Centimetern 2,7, in Prozenten 38 Vo-
Segmentbezüge.
5., 6. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen- 1 ^-^^f'
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
60
53
182
180
53,5
46
169
166,5
6,5
7
13
13,5
85
86,8
92,9
92,5
Durchschnitt aus diesen Messungen
118,8
108,8
10
89,3
Varietäten.
Die Verbindungen mit dem M. teres minor sind oft sehr innige :
da beide Muskeln von derselben festen Binde eingeschlossen werden,
hat die Verschmelzung nichts Besonderes auf sich, um so weniger,
als auch die Nerven sich bei deutlicher Muskelsonderung auf ihren
Muskel nicht zu beschränken brauchen. Die selten beobachteten
Verbindungen mit dem hinteren Abschnitte des Deltamuskels sind
uns beiden nicht zu Gesicht gekommen. Wichtig wäre es, bei jedem
weiteren Falle die Beziehung zu den Fascien im Auge zu behalten,
ob unter Durchbohrung der Fascia infraspinata ein Zusammenhang
zwischen Muskelfleisch und Muskelfleisch statthat, oder ob es sich nur
um suprafascielle oder fascielle Verbindungen handelt.
M. teres minor.
Synonyma: Kleiner, runder Armmuskel; petit rond, plus petit sus-
scapulo-trochiterien Chaussier, marginal sus-scapulo-trochiterien Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der kleine runde Armmuskel entspricht seinem Namen noch
weniger, als der große runde; indessen dürfte die allgemein ein-
gebürgerte, bequeme Bezerchung kaum durch eine andere zu ver-
drängen sein, möchte man sie auch aus dem marginalen Ursprünge
von der Scapula, von der schiefen Verlaufsrichtung, oder aus der
Lage am unteren Rande und teilweise unterhalb des Schulterblattes
54
I
M. teres minor.
55
ableiten. — Gesichtspunkte, welche auch für den M. teres major in
gleicher Weise gelten. Bezeichnungen, wie M. marginalis scapulae
(minor), ]\I. infrascapularis minor, M. obliquus scapulae (minor) hätten
ebensoviele Berechtigung, wie der Name M. teres minor. Er entspringt
vom Margo lateralis scapulae, zieht schräg nach oben und lateral wärts
zum Tuberculum majus und wirkt wesentlich als Auswärtsroller. Sein
Nerv stammt aus dem N. axillaris, vergl. auch die Bemerkungen beim
M. infraspinatus.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung des Muskels ist an seiner Oberfläche durch sehnige
Fasern ausgezeichnet, welche gleichzeitig die Grenzen zwischen den
Fig. 41.
Rückseite.
Rollmuskeln bei rechtwinklig abduziertem Arme, Muskelbild von der
Cl = Clavicula; S = M. supraspinatus ; F.i = Fascia infraspinata ; / = M.
infraspinatus : 1 = Portio superior , 2 =■ Portio intermedia , 3 = Portio inferior ;
T.mi = M. teres minor; Ca == Capsula articularis; T.ma^M. teres major; T.la
= M. triceps, caput laterale; N.ra = N. radialis; T. me = M. triceps, caput mediale.
Nachbarmuskeln angeben und diesen teilweise wiederjzum Ursprünge
dienen. Wir lernen hier zum ersten Male ein gutes Beispiel für die
Aponeuroses intermusculares kennen, welche sich in diesem Falle
zwischen dem M. teres minor einerseits, den M. infraspinatus, teres
major und subscapularis andererseits einschieben. Die Verbindung
mit dem langen Tricepskopfe beruht mehr auf der Anheftung der
Aponeurosis infraspinata am Margo axillaris, welche, wie oben er-
55
Ö6 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Wähnt, auch den M. teres minor einhüllt. Im Bereiche der musku-
lösen Oberfläche kräftig, wird die Fascie schon dünn, wenn sich die
ersten Fasern der Ursprungssehne zeigen, und ist dort nicht mehr
darstellbar, wo sich die Aponeuroses intermusculares finden. Die
Knochenleisten zu beschreiben, welche den tiefen Ursprung der
Muskelbündel vom äußeren Rande und der hinteren Fläche des.
Schulterblattes begrenzen, ist Aufgabe der Osteologie; hier genüge
der Hinweis, daß der Raum, welchen der M. infraspinatus und, nicht
zu vergessen, auch der M. teres major dem M. teres minor übrig
läßt, von diesem auch vollkommen ausgenutzt wird, fast vom Angulus.
inferior bis zum Tuberculum infraglenoidale.
Innervation.
Obwohl dieser Muskel zusammen mit dem M. infraspinatus in
einer gemeinschaftlichen derben Binde, der Fascia infraspinata, ein-
geschlossen ist, verhalten sich doch die Nerven der beiden Muskeln
grundverschieden. Der Endast des N. suprascapularis, welcher den
M. infraspinatus versorgt, tritt von dessen Facies profunda zu den
Muskelbündeln ; der Nerv für den M. teres minor tritt dagegen regel-
mäßig von der Facies superficialis ein. Es ist ein Endzweig de&
N. axillaris, und zwar aus dessen hinterem Teile, welcher auch den
Hautast dieses Nerven und die Zweige für die Portio spinata des
M. deltoideus liefert. Vor seinem Eintritte in den Muskel zeigt der
einheitliche Nervenstamm eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit, auch
bei normalen Fällen eine ganglioforme Anschwellung, die wir niemals
vermißt haben. Zwar haben wir keine mikroskopischen Untersuchungen
darüber angestellt, ob in dieser Anschwellung Ganglienzellen vor-
handen sind ; wir sind aber auch ohne das der Ueberzeugung, daß es
sich hier, wie bei anderen Nerven (z. B. N. peronaeus profundus, wo
derselbe über das Köpfchen des Talus oder besser die Articulatio
talonavicularis hinwegzieht, um eine Schutzvorrichtung handelt, eine
Vermehrung des Bindegewebes, welche den Reibungsdruck auf die
Nervenfasern abschwächt ^).
Der Nerv muß, um zum Muskel zu gelangen, die Fascia infra-
spinata durchbohren. Es ist nur ein kleines Loch an dieser Stelle
vorhanden, weil die Gefäße andere Wege einschlagen. Alsbald nach
der Durchbohrung der Binde teilt sich der Nerv in mehrere Zweige,
welche sich stets in mehrere Muskelinterstitien in der Nähe des
unteren Randes einsenken. Bei der von uns gewählten Haltung des
Oberarmbeines darf es nicht wunder nehmen, daß wir starke und
zahlreiche rückläufige Zweige haben. Die dichotomische Verzweigung
kommt klar in unserer Figur zum Ausdruck.
Nicht Rücksicht genommen ist in dieser Abbildung, welche von
einem Einzelfalle abgezeichnet ist, auf die langen Sehnennerven,,
welche, bisweilen in weiter Strecke oberflächlich gelegen, bis zur In-
sertion am Tuberculum majus verfolgt werden können, desgleichen
auf die Verbindungen mit Endzweigen des N. suprascapularis und
Uebergreifen von Muskelnerven auf den M. infraspinatus. Diese Be-
obachtungen finden jedoch in Fig. 40 eine bildliche Darstellung.
1) Uebrigens hat Frohse während des Druckes die gleiche Bildung bei einem
sensiblen ISferven beobachtet, nämlich am N. cutaneus femoralis lateralis, wo der-
selbe das Lig. inguinale (Poupartii) unterkreuzt.
56
M. teres minor. 5T
Bei der hervorragenden Wichtigkeit dieser Tatsache müssen wir in
einem Nachtrage den Zusammenhang zwischen M. teres minor und
infraspinatus mit Rücksicht auf die Innervation besonders erörtern.
M. infraspinatus und teres minor
(vergleichend-neurologisch).
Schon bei der Muskelbeschreibung haben wir betont, daß die
M. infraspinatus und teres minor häufig, besonders für den Anfänger^
sehr schwer zu trennen sind. Gibt nun die Innervation über die
Berechtigung einer scharfen Sonderung Aufschluß? Bei der geringen
Anzahl unserer genaueren Beobachtungen erlauben wir uns kein ab-
schließendes Urteil, sondern geben nur einige kasuistische Beiträge
zu dieser Frage.
Der abgebildete Fall zeigt eine vollkommene Trennung der
Muskeln sowohl, wie ihrer Nerven. Wir haben aber Fälle beobachtet,,
wo die beiden Nerven, N. suprascapularis und axillaris, durch eine
deutliche Anastomose zusammenhingen, allerdings gerade an der
Aponeurosis intermuscularis. Wir lassen es dahingestellt, ob es sich
hier um Austausch von Muskelnerven handelt, oder nur um eine ge-
meinschaftliche Versorgung der beiden Muskeln zukommenden Apo-
neurosis intermuscularis. Eine andere Tatsache steht aber einwands-
frei da: die mitunter vorkommende Innervation eines Teiles des M.
infraspinatus, und zwar seiner dritten, unteren Portion, durch den
N. axillaris. Dieselbe findet sich auch bei vollkommen deutlicher
Trennung der beiden Muskelbäuche. Trotz sorgfältigen Nachforschens
gelang es uns bisher nicht, in solchen Fällen eine Verbindung von
einwandsfreien Muskelnerven festzustellen. Vielleicht haben wir es
hier mit demselben Mißgeschicke zu tun, wie anfänglich mit dem
M. deltoideus und dessen gelegentlicher Doppelinnervierung durch die
N. axillaris und thoracales anteriores und dem M. brachialis und dessen
(fast) regelmäßiger Doppelinnervation durch die N. medianus und
radialis. Auch hier konnten wir nach vielen vergeblichen Bemühungen
Verbindungen feststellen, Anastomosen zwischen verschiedenen Nerven-
stämmen. Wir betrachten sie nicht für konstant, halten aber auch
in besonderen Fällen bei den beiden hier beschriebenen Muskeln Ver-
bindungen zwischen den beiden Nerven innerhalb der Muskulatur
für wahrscheinlich. Können wir in dieser Weise die Muskelinner-
vation eines Teiles des M. supraspinatus durch den N. axillaris mit
Bestimmtheit behaupten, so haben wir bis jetzt noch nicht den Nach-
weis erbringen können, daß Muskelbündel des M. teres minor teil-
weise vom N, suprascapularis mitversorgt werden.
Muskelbündellänge.
Minimum 4,7 cm
Maximum 7,5 ,,
Durchschnitt aus 9 Messungen 6,4 „
Unterschied in Centimetern 2,8, in Prozenten 60 o/o.
Segmentbezüge.
5. Cervicalnerv.
57
58
FROHSE und M. FRANKEL,
Gewicht.
Gewicht
. . . Muskel-
'^ ^""^ Substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
VI. linker starker Arm
18
15
50
45
16
13
42,5
39,6
2
2
7,5
4,5
89
86,7
85
88
Durchschnitt aus diesen Messungen
32
27,8
4,2
87,2
Varietäten.
Der Verschmelzung mit dem M. infraspinatus ist schon bei
diesem Muskel gedacht worden. Im übrigen ist nur eine Varietät
erwähnenswert, die Trennung des unteren Abschnittes, welcher nicht
mehr sehnig an der unteren Facette des Tuberculum majus an-
setzt, sondern muskulös unterhalb und etwas nach vorn an dem-
selben und so sich gegen die Crista tuberculi majoris hinwendet.
Solange keine Bestimmungen über die Innervation vorliegen, ist es
müßig, darüber zu streiten, ob man die verhältnismäßig selten vor-
kommende Varietät als M. teres minimus oder M. subscapularis
minor bezeichnen soll.
Bei den beiden Armpräparaten, welche den Zeichnungen unserer
Muskelursprünge zu Grunde gelegen haben, konnten wir rechterseits
eine Atrophie des M. infraspinatus feststellen, wobei gleichzeitig auch
die spindelförmige Verdickung des von Cunningham abgebildeten
Ganglions des N. m. teretis minoris fehlte.
In Fall 202 der V. B. fehlt der M. teres minor ganz.
M. teres major.
Synonyma: Großer runder Annmuskel; M. rotundus major; grand
rond, scapulo-humeral Chaussier, anguli-scapulo-humeral Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der lange, parallelbündlige Muskel hat durchaus keine runde
Form, sondern ist in den einzelnen Abschnitten seines Verlaufes, in
Ursprung, Mitte und Ansatz, einer der wechselvollsten Muskeln des
menschlichen Körpers. Es gibt keinen allgemeinen Ausdruck für die
wirkliche Form des Muskels, weder für den Zustand der Ruhe, noch
für den der Kontraktion. Zwei Tatsachen bestimmen auch am Prä-
parate die Gestalt.
1) Oberflächlich die spiralige Umgreifung des Muskels durch den
M. latissimus dorsi, welcher zunächst dorsalwärts gelagert ist, dann
lateralwärts und am hinteren Rande der Achselhöhle in die Endsehne
übergeht, welche ihrerseits ventral gelagert ist und eine konstante ent-
weder membranöse oder sehnige Verbindung mit dem Sehnenspiegel
des Caput longum des M. triceps hervorgehen läßt. — Es handelt
sich hier um eine wichtige Theromorphie. Recht häufig finden wir
auch beim Menschen eine proximale muskulöse Ausstrahlung des M.
latissimus dorsi zum M. pectoralis major, eine Muskelkonjugation.
58
I
M. teres major.
59
welche als LANGERScher Muskel bezeichnet wird und von Frohse
etwa 40mal beobachtet ist, bald einseitig, bald bilateral und dann
vollkommen gleich gebaut. Die distale Verbindung ist beim Menschen
nicht muskulös. Das sehnige Rudiment wird aber niemals vermißt.
2) In der Tiefe bahnt sich der lange Tricepskopf seinen "Weg
zwischen M. teres minor dorsal und teres major ventral. Dieser
mächtige Muskelbauch drängt die mittlere Partie des M. teres major
Fi^. 42. Dreieckige und viereckige Muskellücke von der Rückseite.
D M. deltoideus. F.i Fascia infraspinata. T.mi M. teres minor. N.ax
N. axillaris. H Humerus. T.ma M. teres major. L.d M. latissimus dorsi. T.lo
M. triceps, caput longum. T. la M. triceps, caput laterale.
nach vorn hin und unterstützt als muskulöses Hypomochlion die
Einwärtsrotation des M. teres major in wirksamster Weise.
Noch klarer wird die Verschiedenheit der Richtung des Muskel-
bauches, wenn man den, bei dem M. triceps beschriebenen Sehnen-
zug darstellt, welcher den Sehnenspiegel des langen Tricepskopfes
mit der Sehne des M. latissimus dorsi verbindet.
Der Ursprung liegt auf der Rückseite des Körpers, auf der
Dorsalseite der Scapula, dicht an und oberhalb ihres unteren Winkels,
der Ansatz dagegen an der Vorderfläche des Humerus, an der Crista
tuberculi minoris, oft in unmittelbarem Anschlüsse an das Tuberculum
minus oder doch an den M. subscapularis.
59
60 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Vielfach wird der Muskel als Caput scapulare des M. latissimus
dorsi aufgefaßt. Diese Anschauung ist durchaus berechtigt, weil ein-
mal beide Muskeln häufig durch eine Muskelkonjugation, welche vom
unteren Winkel des Schulterblattes entspringt, verbunden sind, dann
aber auch wegen der Innervierung. Wir müssen hier auch den M.
subscapularis in die Betrachtung hineinziehen, welcher in seiner
hauptsächlichsten Wirkung den Arm einwärts rotiert. Auch die
Einrichtung der Fascie s. d. entspricht dieser Anschauung.
Diese drei Muskeln : M. subscapularis, teres major und latissimus
dorsi, werden nacheinander von den verschiedenen N. subscapulares
versorgt. Die kürzesten Zweige erhält der kürzeste Muskel, der M.
subscapularis, die mittleren der M. teres major und die längsten der
M. latissimus dorsi mit seinem R. subscapularis III s. longus s. mar-
ginalis scapulae s. thoracodorsalis. Letzterer Name ist durch die
B. N. A. gewählt worden ; wir halten aber auch die anderen, besonders
in diesem Zusammenhange, für erwähnenswert, da sie das Verständnis
für die Praxis nur fördern können.
Seiner Wirkung nach wird der Muskel nicht mit Unrecht als
„Gelehrtenmuskel" bezeichnet, weil der freie Muskelbauch bei rück-
wärts verschränkten Armen besonders deutlich hervortritt. Daß
diesem Muskel jedoch bei entsprechenden turnerischen Uebungen
eine ungleich größere Bedeutung zukommt, dürfte ohne weiteres
einleuchten.
Duchenne S. 83 (No. 115) gibt an: „der Rhomboideus und der
Teres major, welche sich ineinander fortzusetzen scheinen, bilden
folglich einen einzigen Muskel mit der Funktion, die Senkung des
Armes zu bewirken." S. 84: „Die pathologische Beobachtung wird
jedoch bald zeigen, daß es sich physiologischerweise nicht so ver-
hält." — „Die rotierende Wirkung des Teres major nach innen ist
sehr beschränkt, wenn sie nicht vollkommen illusorisch ist." (No. 116.)
(No. 117) „Was die Bewegung nach hinten anbetrifft, so ist sie unbe-
streitbar." Das synergische Wirken mit dem M. latissimus dorsi unter
der Benennung ani scalptor stellt Duchenne in Abrede. Wir da-
gegen halten an der alten Auffassung fest und vermögen in keiner
Weise die Ansicht Duchenne's zu unterstützen S. 85: „Nur die
hintere Portion des Deltoideus kann unter Mitwirkung des Rotator
humeri anticus (Subscapularis) der Hand dazu verhelfen, die Funktion
als ani scalptor zu erfüllen, indem sie den Oberarm nach hinten führt
und ihn genügend weit vom Rumpfe entfernt, daß der mehr oder
weniger gebeugte Vorderarm hinter dem Rücken vorbeigelangen kann."
(No. 118) „Die isolierte Kontraktion erhebt den Schulterstumpf,
während sie den unteren Winkel des Schulterblattes dem Humerus
annähert. Diese Erhebung der Schulter beträgt beim Erwachsenen
2—3 cm."
Nach unserer Meinung kommt diese Bewegung dann zustande, wenn
das Oberarmbein das Punctum fixum darstellt, eine Stellung, welche
z. B. bei starker Orthopnoe eintritt. Der bewegliche Punkt ist dann
der untere Winkel des Schulterblattes, der mit großer Kraft dem Ober-
armbeine genähert und gegen das Caput humeri emporgehoben werden
kann, je nach der Schrägstellung des Muskels, dem Höhenunterschiede
zwischen dem obersten Ansatzpunkte und dem tiefsten Ursprungspuukte
an der Facies dorsalis scapulae, d. h. dem Angulus inferior.
M. teres major. 61
Die Senkung ohne Kraft vollzieht sich schon durch das Eigen-
gewicht des Armes, wenn gleichzeitig die Muskeln, welche die Er-
hebung bewirkt haben, erschlaffen.
Idiotopie nnd Skeletopie.
Der genauere Ursprung ist 1) teils knöchern, 2) teils sehnig.
1) Die Rückseite der Scapula zeigt an ihrem unteren Winkel
beim Erwachsenen regelmäßig eine scharf begrenzte Fläche, aus der
man auch am Skelete noch den Ursprung des Muskels heraus-
lesen kann; die Ausdehnung ist sehr verschieden, je nach der Aus-
ladung des unteren knöchernen Winkels. Anstatt spitz oder stumpf
zu enden, kann dieser Knochenpunkt eine ziemlich breite horizontale
Platte nach lateralwärts entwickeln, welche nicht zum geringsten Teile
durch den Ursprung des M. teres major erzeugt wird.
2) Nur am Muskelpräparate kann man sich von den Ursprüngen
überzeugen, welche von den Aponeuroses intermusculares zwischen
ihm und den Nachbarmuskeln, den M. teres minor und infraspinatus,
lierkommen.
3) Als nicht konstantes Bündel muß man denjenigen Abschnitt
noch erwähnen, welcher als unterster Teil sich mit dem M. latissimus
dorsi in Verbindung setzt.
Der Muskelbauch zieht im wesentlichen lateralwärts. Die Rich-
tung nach oben macht sich erst während der Präparation geltend, bei
welcher man der Bequemlichkeit halber den Arm mehr oder weniger
abduziert.
Die Endsehne ist breit, entwickelt sich aber nicht in gleichmäßiger
Entfernung von der Insertionsstelle an der Crista tuberculi minoris.
Auf der vorderen Seite erscheint der Muskel einigermaßen parallel
gefasert; anders auf der freien Rückseite.
Dort läßt sich eine deutliche Torsion erkennen. Diejenigen
Bündel, welche am weitesten nach oben am unteren Schulterblatt-
winkel entspringen, biegen in der Höhe des Schultergelenkes um und
finden am Oberarmbeine eine tiefere Insertion, als die vom unteren
Winkel des Schulterblattes herkommenden.
Der Ansatz an der Crista tuberculi minoris ist ungefähr 5 — 6 cm
lang und ist entweder rein sehnig oder halb sehnig im oberen, halb
muskulös im mittleren Teile, oder überwiegend fleischig. Inwieweit
hierbei eine Entwickelung einer Bursa mucosa statthaben kann, möge
bei der Darstellung der Muskelansätze nachgesehen werden.
Holotopie und Syntopie.
Für das Verständnis der äußeren Form ist am wichtigsten die
Lagebeziehung zum M. latissimus dorsi. Dieser Muskel bedeckt ja
den unteren Winkel des Schulterblattes und damit den unteren Ur-
sprungsteil des M. teres major. Darauf wendet sich der M. latissimus
dorsi im Bogen auf die Außenseite des Rumpfes und gelangt schließ-
lich auf die Vorderseite, wo er die hintere Wand der Achselhöhle
bildet. Ueberall behält er die oberflächliche Lage bei und bedeckt
so den M. teres major, sowohl von der Rück-, Außen- wie von der
Vorderseite und läßt für das Oberflächenbild nur verhältnismäßig
kleine Teile dieses ansehnlichen Muskels frei. Die Endsehnen beider
Muskeln können übrigens ganz oder teilweise miteinander verschmelzen,
62 FROHSE und M. FRÄNKEL,
andererseits aber auch vollkommen voneinander durch einen Schleim-
beutel geschieden sein, dessen Größe sich nach der Breite des M. la-
tissimus dorsi richtet. Sind die Sehnen nur teilweise durch lockeres
Bindegewebe oder aponeurotisch miteinander verbunden, so liegt
zwischen dem nicht vereinigten Teile ein entsprechend kleinerer
Schleimbeutel. Dieser an Größe enorm wechselnden Bursa mucosa
steht die tiefe, unter der Sehne des M. teres major, zwischen ihr und
dem Oberarmbeine gelegene gegenüber, die regelmäßig vorhanden ist
und sich in ihrer Ausdehnung nach der Breite der Endsehne richtet.
Oberhalb des M. latissimus dorsi liegt, wie bereits erwähnt, ein
größeres Stück des Muskels nur unter Fascie und Haut und springt
bei rückwärts verschränkten Armen kräftiger Leute als sehr starker
Wulst vor.
In seinem mittleren Drittel wird der Muskel vom langen Triceps-
kopfe senkrecht überkreuzt.
Das Ansatzdrittel wird von der Endsehne des M. latissimus dorsi
überlagert, läßt aber regelmäßig den unteren Teil frei, bei schmaler
und nicht weit nach oben reichender Endsehne desselben, auch einen
kleineren oberen Abschnitt.
Der obere Rand begleitet zuerst den M. teres minor; dann aber
weichen beide Muskeln auseinander, und zwar in doppelter Weise:
1) von oben nach unten, weil er selbst zum Schafte des Ober-
armbeines geht, und zwar zur Crista tuberculi minoris, der M.
teres minor aber zum Tuberculum majus,
2) von vorn nach hinten, weil nämlich das Tuberculum majus
auf der Rückseite des Caput humeri liegt, die Crista tuberculi minoris
aber an der Vorderseite des Schaftes.
Diese Verschiedenheit wird ja durch das Einschieben des langen
Tricepskopfes noch deutlicher, welcher die ursprünglich einheitliche
dreieckige Lücke in zwei getrennte verwandelt, die mediale dreieckige
und die laterale viereckige.
Der untere Rand ist nahezu vollständig durch den M. latissimus
dorsi verdeckt, bis auf die Ansatzstelle.
Innervation.
Der M. teres major bekommt seinen Nerven aus dem hinteren
Strange des Plexus brachialis und wird als ein N. subscapularis auf-
geführt. Es würde sich empfehlen, wenn die alten Bezeichnungen
und Unterschiede, bei den N. subscapulares wieder in den B. N. A. Auf-
nahme finden würden. Bei den 3 von diesen Nerven versorgten sehr
kräftigen Muskeln, welche mit zu den größten der oberen Extremität
und selbst des ganzen Körpers gehören, wäre eine besondere Be-
zeichnung durchaus angebracht. Man hätte die Wahl nach folgen-
den Gesichtspunkten: Erstens nach der Reihenfolge als I, II, III,
oder der Höhenlage nach als superior, medius und inferior, oder der
Länge nach als brevis, medius und longus. Viertens nach besonderen
topographischen Erwägungen, welche für den praktisch bedeutsamsten
Nerven — Exstirpatio mammae! — für den Nerven, welcher den
M. latissimus dorsi versorgt, zur besonderen Namengebung als R.
marginalis scapulae geführt haben. Fünftens das Einfachste wäre,
wenn man die Nerven nach den versorgten Muskeln bezeichnen würde.
Zwar erhalten die M. latissimus dorsi und teres major nur je einen,
62
M. teres major.
63
}
bis in die Nähe des Eintrittes in den Muskel einheitlichen Nervenzweig,
dagegen müssen wir für den M. subscapularis mindestens 5 einzelne
Nervenzweige feststellen, von denen der am meisten distal gelegene
Zweig ein Ast des N. axillaris ist, der darauf folgende proximale ein
mehr oder minder dicker Seitenzweig des für den M. teres major be-
stimmten Nerven. Die proximal gelegenen Nerven, an Zahl mindestens
3, sind nur für den M. subscapularis (pars thoracalis) bestimmte Aeste.
Was nun die Nervenzweige des M. teres major anlangt, so haben
wir sie in unseren Abbildungen wegen ihrer Wichtigkeit sowohl von der
vorderen Seite (Fig. 38 u. 39), wie von der Rückseite (Fig. 45) dar-
gestellt, wie auch andererseits bei adduziertem, herabhängenden Arme
(Fig. 39), wie bei abduziertem, seitwärts erhobenen Arme (Fig. 38).
Gerade dieser Muskel ist im Zustande der Kontraktion enorm ge-
drungen, weil ihm nur ganz geringe Sehnensubstanz zukommt, die
sich außerdem auf den flächenartigen Ansatz am Oberarmbeine be-
schränkt, und ist bei Elevation des Armes auf das Doppelte ver-
längert, so daß die Nervenzweige fast dicht an die Oberfläche ge-
langen. Entsprechend dem gedrungenen Muskelbilde im Zustande
der Adduktion, wenn der Arm frei zur Seite des Rumpfes herabhängt,
haben wir auch ein Nervenbild, welches die Zweige dicht neben-
einander gerückt ^zeigt, ein Verhalten, das zeichnerisch recht schwierig
wiederzugeben ist* Für praktische Zwecke dürften die anderen Bilder,
welche den Arm abduziert zeigen, größere Bedeutung haben, weil ja
bei der passiven Dehnung die bei der präparatorischen Darstellung
der Nerven gebräuchliche Methode dieselbe Haltung mit sich bringt,
in welcher der Muskel am Lebenden seine Tätigkeit zu entfalten beginnt.
Im einzelnen bietet das Nervenbild wenig Besonderheiten. Der
Nerv senkt sich, gewöhnlich zweigeteilt, in die Mitte des Muskel-
bauches hinein und liefert in weiterer dichotomischer Teilung eine
überaus reiche Verzweigung, welche sich durch die vielfachen Ver-
bindungen zu einem wahren Nervenplexus gestaltet. Besonders leicht
sind an diesem Muskel recht lange Nerven bis zum Ursprünge und
der Ansatzsehne zu verfolgen.
Muskelbündellänge.
Minimum 7 cm
Maximum 12,5 „
Durchschnitt aus 13 Messungen 9,7 „
Unterschied in Centimetern 5,5, in Prozenten 78o/o.
Segmentbezüge.
5. 6. (7). Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen -
Substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
CO
52
210
175
f>8
49,5
205
168
2
2,5
5
7
9G,7
95,2
97,6
96
Durchschnitt aus diesen Messungen
124,3
120,1
4,2
96,4
63
64
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Varietäten.
Die Verschmelzung des Muskels mit der Endsehne des M. la-
tissimus dorsi ist außerordentlich häufig. Sie findet sich erst in der
Nähe der Crista tuberculi minoris. Entweder sind beide Sehnen mit
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ihrer ganzen Berührungsfläche miteinander verschmolzen oder nur
der proximale Abschnitt. In letzterem Falle findet sich dann nur im
distalen Abschnitte ein unter Umständen recht ansehnlicher Schleim-
beutel zwischen beiden Sehnenblättern. Die bekannte Muskelzacke,
welche vom unteren Winkel des Schulterblattes zum M. latissimus
64
Vergleich der Rollhügel des Humerus und des Femur. 65
dorsi geht, ist eine Muskelkonjugation, welche den Zusammenhang
auch der beiden Muskelbäuche miteinander kundgibt.
Der Muskel kann sogar fehlen, eine Varietät, so selten wie eine
Konjugation zum langen Tricepskopfe oder eine teilweise Anheftung
an die Fascia brachii. Ein accessorisches Bündel des Teres major
inseriert an der Ursprungssehne des laugen Tricepskopfes No. 102
(V. B.). Unter 330 der V. B. : Ein accessorischer Ursprung des Teres
major vom Margo vertebralis dicht unterhalb der Spina scapulae.
Vergleich der drei ßollhügel am Oberschenkelbeine (Trochanter
major, minor und tertius) mit den entsprechenden Knochen-
stellen und ansetzenden Muskeln am Oberarmbeine.
Bei der unteren Extremität verstehen wir unter Beugung die
Näherung des freien Beines gegen den Bauch; eine Wirkung, welche
hauptsächlich durch den Lendendarmbeinmuskel (M. iliopsoas) erzielt
wird. Folgerichtig muß man den entsprechenden Knochenansatz, den
sogenannten „kleinen" Rollhügel, als Beugehügel oder -höcker
bezeichnen.
Die Bewegung „Rollung" des Beines nach innen, seitwärts oder
hinten wird durch diejenigen Muskeln bewirkt, welche am sogenannten
„großen" Rollhügel oder -höcker ihren Ansatz finden. Da, wie eben
auseinandergesetzt ist, der „kleine" Rollhügel als Beugehügel auf-
zufassen ist, kommt dem „großen" Rollhügel die Bezeichnung des
„Großen" nicht zu. Es ist eben einfach „der" Rollhügel.
Die dritte Hauptbewegung, welche durch das Bein im Hüftgelenke
ausgeführt werden kann, nennen wir „Streckung" und verstehen da-
runter die Bewegung der freien unteren Extremität nach hinten. Der
entsprechende Muskel, der große Gesäßmuskel, findet seinen Ansatz
an einer Rauhigkeit des Oberschenkelbeines, welche bei Tieren viel-
fach als deutlicher Höcker, als dritter Rollhügel (Trochanter tertius)
vorspringt. Gemäß der Wirkung des ansetzenden Muskels müssen
wir diese Knochenstelle als „Streckhöcker" bezeichnen.
Um also diese Betrachtungen kurz zusammenzufassen:
1) Der große Rollhügel (Trochanter major) stellt den Ansatz sämt-
licher Rollmuskeln dar (mittlerer und kleiner Gesäß-, M. glutaei medius
und minimus ; birnenförmiger, M. piriformis, und Verstopfmuskeln,
M. obturatores int. et ext.) und verdient deshalb nur den Namen
„Rollhügel oder -höcker".
2) Der kleine Rollhügel (Trochanter minor) dient dem Lendendarm-
beinmuskel (M. iliopsoas) zum Ansätze, welcher seinerseits vorwiegend
die Beugung des Beines gegen den Rumpf zu bewirken hat ; mit Recht
verdient daher dieser deutliche Knochenpunkt die Bezeichnung:
„Beugehügel oder -höcker".
3) Der „dritte" Rollhügel, die Rauhigkeit des großen Gesäß-
muskels, welche auch beim Menschen als Höcker vorspringen kann
(Tuberositas glutaea oder Trochanter tertius), muß nach der Wirkung
dieses Muskels benannt werden:
„Streckrauhigkeit oder -höcker".
Genau die gleichen Bewegungen, wie am Beine im Hüftgelenke,
lassen sich auch am Arme im Schultergelenke ausführen : Bewegungen
Handbuch der Anatomie. II, 11, 2. p.
65 ^
66 FROHSE und M. FRÄNKEL,
nach vorn: Armbeugen; seitwärts: Armheben (beim Beine in der
Turnersprache Spreizen genannt); nach hinten: Armstreckung. Das
Armrollen ist wie beim Beine eine gemischte Bewegung und zerfällt
im Groben in das Einwärts- und Auswärtsrollen.
Wir beginnen mit den am höchsten gelegenen Knochenvor-
sprüngen, dem großen und dem kleinen Höcker des Oberarmbeines
(Tuberculum majus und minus), an welchen beiden die Hauptmasse
der Rollmuskulatur ansetzt. Es wäre ganz verkehrt, den großen
Höcker des Oberarmbeines dem „großen" Rollhügel des Oberschenkel-
beines gleichzusetzen, oder auch den kleinen Höcker dem kleinen
Rollhügel. Großer und kleiner Höcker des Oberarmbeines zu-
sammengenommen, entsprechen dem „großen" Rollhügel. Auch
am Knochenpräparate wäre diese Tatsache ohne weiteres deutlich,
wenn nur nicht am Oberarmbeine durch den Druck der Sehne des
langen Bicepskopfes im Sulcus intertubercularis, in der Zwischen-
höckerrinne, eine Trennung des Rollhügels in einen großen und
kleinen Höcker bewirkt wäre.
Die Beuge Wirkung zwischen Schultergürtel und Oberarm wird
durch den vorderen Abschnitt des Deltamuskels und den Raben-
schnabelarmmuskel (M. coracobrachialis) bewirkt, außerdem durch die
laterale Portion des M. pectoralis major, welche dem M. deltoideus be-
nachbart ist. Der Ansatz findet sich ebenfalls nicht einheitlich an der
Mitte des Oberarmbeines ; hier bewirkt der Ursprung des inneren Arm-
muskels (M. brachialis) eine Trennung in eine äußere und innere Leiste,
welche in der Mitte des Oberarmbeines an der Vorderfläche unweit des
äußeren und inneren Randes zu finden sind : lateral der Ansatz der M.
deltoideus und pectoralis major, medial derjenige des M. coracobrachialis.
Die S t r e c k Wirkung wird durch die hinteren Bündel des Delta-
muskels erzielt. Der entsprechende Ansatz an der hinteren Leiste
der Deltarauhigkeit findet sich in der Mitte des Oberarmbeines beim
Uebergange der äußeren Kante auf die hintere Fläche, in schräg
nach oben gewandter Richtung.
Wir geben hier eine Gegenüberstellung der Roll-, Beuge- und
Streckhügel am Humerus und Femur; es sind zu beachten;
A. Oberarmbein, Himerus:
1) Eollhügel ^ großer + kleiner Höcker (Tuberculum majus + minus).
2) Beugehügel = vordere Leiste der Deltarauhigkeit + Ansatzstelle des Rabenschnabel-
armmuskels (M. coracobrachialis).
3) Streckhügel = hintere Kante der Deltarauhigkeit.
B. Oberschenkelbein, Femur:
1) Eollhügel =Trochanter major,
2) Beugehügel = Trochanter minor,
3) Streckhügei = (Trochanter tertius) Tuberositas glutaea.
Oberschenkel und Oberarm, miteinander verglichen, ergeben vom
Standpunkte der Knochenlehre folgendes:
Oberschenkel Oberarm
1) Eollhügel : („großer") Eollhügel (Trochanter großer + kleiner Höcker (Tuber-
major) culum majus + minus)
2) Beugehügel: (kleiner) Eollhügel (Trochanter vordere Leiste der Deltarauhig-
minor) keit, (Crista tuberculi majoris),
Ansatzstelle des Eabenschnabel-
armmuskels (Crista tuberculi
minoris)
66
SchultergeleBk. 67
3) Streckhügel: Rauhigkeit des großen Gesäß- hintere Kante der Deltarauhig-
muskels, dritter RoUhiigel (Tu- keit (Tuberositas deltoidea)
berositas glutaea oder Irochan-
ter tertius)
Nach den Muskeln geordnet, ergeben sich folgende Vergleiche:
Oberschenkel Oberarm
1) Rollhügel: mittlerer und kleiner Gesäß-, Unterschulterblatt-, Obergräten-,
birnenförmiger und Verstop- Untergräten-, kleiner runder
fungsmuskeln (M. glutaeus me- Armmuskel (M. subscapularis,
dius und minimus, piriformis, supraspinatus , infraspinatus,
M. obturatores) teres minor)
2) Beugehügel: Lendendarmbeinmuskel (M. ilio- vorderer Teil des Deltamuskels,
psoas) clavicularerTeil des M.pectoralis
major und Rabenschnabelarm-
muskel (M, deltoideus, pecto-
ralis major und coracobrachia-
lis)
3) Stareckhügel: Oberschenkelteil des großen Ge- hinterer Abschnitt des Delta-
säßrauskels (M. glutaeus maxi- muskels (M. deltoideus).
mus)
lieber die genauere Lage der einzelnen Knochenpunkte ist für
den Arm bei den Abbildungen des Humerus nachzusehen.
Wir haben bei dieser Darstellung diejenigen Muskeln nicht be-
rücksichtigt, welche nicht an den einzelnen Höckern ansetzen; sonst
wären beispielsweise beim Oberarme noch die M. teres major und
iatissimus dorsi als Einwärtsroller, beim Oberschenkel noch der M.
quadratus femoris als Auswärtsroller aufzuführen gewesen. Diese
Roller erzeugen jedoch an beiden in Frage kommenden Knochen-
stellen keinen Höcker, sondern nur schmale Leisten, so daß sie nichC
mit zum Vergleiche herangezogen werden können.
Schultergelenk.
Die Bewegungen im Schultergelenke entsprechen denen im Hüft-
gelenke, denn beide sind Kugelgelenke mit allseitiger Beweglichkeit,
welche nur durch den Bandapparat wesentliche, hier aber nicht zu
erörternde Einschränkungen und Hemmungen erfährt. Das Hüft-
gelenk muß schon hier zum Vergleiche herangezogen werden, weil in
ihm die Bewegungen des Oberschenkels gegen den festen Beckenring,
d. h. mittelbar gegen den Rumpf mit großer Klarheit zu erkennen
sind. Dagegen müssen wir den beweglichen Schultergürtel theoretisch
festlegen als einen verhältnismäßig starren Knochenring, an dessen
Außenseite (entsprechend der Hüftgelenkspfanne) die Pfanne des
Schulterblattes hervorspringt.
Die im Schulergelenke möglichen Bewegungen leiten wir aus
denen des Hüftgelenkes ab und unterscheiden demgemäß:
1) Ab duktion (Beinspreizen), Seitwärtsheben des Armes. Beim
Beine wirken in oberflächlicher Schicht der Tractus iliotibialis
(MAissiATscher Streifen) mit seinen beiden muskulösen Komponenten
(vorn dem sogenannten M. tensor fasciae latae, hinten dem oberen
Teile des M. glutaeus maximus) und in tiefer Schicht die mittleren
Teile der M. glutaeus medius und minimus. Beim Arme haben wir
ebenfalls eine oberflächliche und tiefe Schicht zu unterscheiden. Die
erstere ist gegeben durch die mittlere Portion des M. deltoideus, die
6;
68 FROHSE und M. FRÄNKEL,
tiefe durch den M. supraspinatus. Der Knochenansatz findet sich
also beim Arme für beide Schichten im Bereiche des Humerus am
Tuberculum majus und in der Mitte des Schaftes an des Tuberositas
deltoidea. Beim Beine liegt der Ansatz teils am Trochanter major,
teils am Schienbeine, also am Ober- und Unterschenkel.
2) Flexion. Beim Beine ist die Beugewirkung in einem einzigen
Muskel vereinigt, dem JVl. iliopsoas, einem ungewöhnlich kräftigen
Muskel, welcher durch seinen Zug auch am Knochen einen entsprechen-
den Höcker erzeugt, den Trochanter minor, welchen man im Deutschen
besser als Beugehöcker bezeichnen sollte. Vergebens suchen wir am
Humerus nach einem entsprechenden Knochenvorsprunge, obwohl
wir den gestreckten oder gebeugten Vorderarm ganz in demselben
Sinne bewegen können, wie das Bein gegen den Rumpf gebeugt
wird. Die Muskeln, welche diese Bewegung vornehmen, sind der M.
coracobrachialis, der vordere Teil des M. deltoideus, und, was für
die Armmuskeln befremdlich erscheinen dürfte, die Pars clavicularis
des M. pectoralis major. Der dem Trochanter minor entsprechende
Knochenpunkt am Oberarmbeine liegt also an der vorderen Kante der
Tuberositas deltoidea und außerdem noch ungefähr in gleicher Höhe
an der Innenseite des Knochens, am Ende der Crista tuberculi minoris.
Es sind also zwei Knochenpunkte, welche durch die medialen Ur-
sprungsbündel des M. brachialis voneinander getrennt werden.
3) Extension. Unter derselben verstehen wir die Bewegung
einer Extremität nach hinten. Beim Beine ist es die untere Ab-
teilung des M. glutaeus maximus, welche diese Aufgabe zu erfüllen
hat; der Knochenansatz ist die Tuberositas glutaea, welche wir im
Deutschen als Streckhöcker bezeichnen können (bei Tieren ja viel-
fach ein besonderer Vorsprung, der Trochanter tertius). Beim Arme
haben wir parallel dem M. glutaeus maximus verlaufend die hinteren
Bündel des M. deltoideus, welche auch die entsprechende Wirkung
ausüben. Der hintere Schenkel der Tuberositas deltoidea ist der
Tuberositas glutaea vergleichbar.
4) Rotation. Diese Bewegung zerfällt in Auswärts- und Ein-
wärtsdrehung. Beim Beine finden die entsprechenden Muskeln ihren
Ansatz am Trochanter major oder in unmittelbarer Nähe desselben.
Als deutsche Bezeichnung wäre Rollhügel angebracht, nicht etwa
großer Rollhügel, weil wir für den Trochanter minor bereits den
physiologisch richtigen Ausdruck „Beugehügel" gewählt haben. Am
Trochanter major ist in der klarsten Weise der Ansatz der Rotatoren
ausgeprägt ; es genügt, nur die M. glutaeus medius und minimus in ihrer
Wirkung zu betrachten. Der vordere Abschnitt wirkt als Einwärtsdreher,
der mittlere, wie bereits dargestellt, als Abductor, der hintere als
Auswärtsdreher. Trotz der verschiedenen Wirkung der einzelnen
Abschnitte derselben Muskeln ist der Ansatz im Trochanter (major)
vereinigt. Am Arme zeigt das Knochengerüst nicht so einfache
Höcker oder Linien, indem einmal das Schulterblatt durch die Spina
scapulae in zwei nicht gleichwertige Unterabteilungen gespalten ist
und außerdem am Kopfe des Humerus die Sehne des langen Biceps-
kopfes ein Tuberculum majus und minus erzeugt. Diese scheinbare
Verwickelung ist aber für das leichte Verständnis der Bewegungen nur
als erfreulich zu begrüßen. Unterhalb der Spina scapulae haben wir
in den M. infraspinatus und teres minor die Auswärtsroller, der
M. supraspinatus stellt einen kräftigen, tiefen Abductor dar, und unter-
Schultergelenk. 69
halb des Proc. coracoideus findet sich als erster Einwärtsroller der
M. subscapularis. Diese wohlgetrennten Muskeln haben als Ansatz-
punkt das Tuberculum majus und minus, welche also physiologisch
zusammenzufassen sind, entsprechend dem Trochanter major des
Oberschenkelbeines. Denken wir uns die Spina scapulae und den
Sulcus intertubercularis fort, so haben wir, entsprechend der seit-
lichen Gesäßgegend, eine einheitliche Muskelmasse, welche Auswärts-
roller, Abzieher und Einwärtsroller umfaßt und zum Rollhügel des
Oberarmbeines hinzieht, welcher sich allerdings aus Tuberculum majus
und minus zusammensetzt.
Um diese Tatsachen klar zu machen, ist vielleicht folgende Gegen-
überstellung am Platze:
Bein
Abduktion : Oberflächlidi : Tractus iliotibialis
mit M. tensor fasciae latae und
oberem Teile des M. elutaeus
maximus. Ansatz: Tibia
Tief : mittlerer Teil der M. glutaeus
medius und minimus.
Ansatz: mittlerer Teil des
Trochanter major
Arm
Mittlerer Teil des M. deltoideus.
Ansatz : Mitte der Tuberositas
deltoidea
M. supraspinatus.
Ansatz: obere Facette am Tu-
berculum majus
Flexion ;
M. iliopsoas.
Ansatz: Trochanter minor
Physiologischer Name:
ßeugehöcker
Vorderer Teil des M. deltoideus
und M. coracobrachialis.
Ansatz : vorderer Teil der Tu-
berositas deltoidea und medial
der unterste Teil der Crista
tuberculi minoris
Extension : Unterer Teil des M. glutaeus maxi-
mus.
Ansatz: Tuberositas glutaea.
Physiologischer Name:
Streckhöcker
Hinterer Teil des M. deltoideus.
Ansatz: hinterer Teil der Tu-
berositas deltoidea
Eotation: Auswärtsrotation: hinterer Teil
der M. glutaeus medius und
minimus.
Ansatz: hinterer Teil des
Trochanter major
Einwärtsrotation: vorderer Teil
der M. glutaeus medius und mi-
nimus.
Ansatz: vorderer Teil des
Trochanter major
Physiologische Bezeichnung :
Kollhügel
«Trochanter (major)
M. infraspinatus und teres minor.
Ansatz: mittlere und untere
Facette des Tuberculum majus
M. subscapularis (teres major
und latissimus dorsij, Tuber-
culum minus (und Crista tuber-
culi minoris)
Tuberculum majus + minus
Bei vielen Tieren, schon bei Affen, fehlt überhaupt der lange
Bicepskopf und demgemäß auch der Sulcus intertubercularis, dann
hängt Tuberculum majus und minus unmittelbar als Trochanter humeri
zusammen.
69
70 FROHSE und M. FRÄNKEL,
II. Oberarmmuskeln.
Allgemeines.
Die Muskeln des Oberarmes zerfallen in 2 Gruppen: eine vor-
dere, welche die Beuger enthält, und eine hintere, welche aus den
Streckern besteht.
Jede der beiden Gruppen enthält 2 Lagen, eine oberflächliche,
welche mit langen Bündeln vom Schulterblatte entspringt und bis zu
den Vorderarmknochen herabreicht — die entsprechenden Muskeln
sind vorn der M. biceps, hinten das Caput longum des M. triceps —
und eine tiefere, welche mit kürzeren Muskelbäuchen vom Humerus
entspringt und zum Vorderarme hinabzieht, vorn der M. brachialis
und hinten das Caput laterale und mediale des M. triceps.
Der M. coracobrachialis paßt in keine dieser beiden Gruppen
hinein; er stellt für sich eine besondere Abteilung dar, welche am
Arme nur schwach entwickelt ist, am Beine aber die mächtige
Adductorengruppe darstellt.
Innerviert wird die vordere Gruppe einschließlich des M. coraco-
brachialis durch den N. musculocutaneus, die hintere durch die Ober-
armzweige des N. radialis.
M. Ibiceps brachii.
Allgemeines.
Der M. biceps brachii ist auch einer ganzen Anzahl von Laien
unter dem Namen „Biceps" bekannt, obwohl dieselben sich über die
Bedeutung des Namens, der Anordnung des Muskels und seiner Wir-
kung nur höchst undeutliche Vorstellungen bilden können. Auch in
den anatomischen Lehrbüchern und selbst denen der Kunstanatomie
findet sich keine rechte Erklärung dafür, warum gerade dem „Biceps"
die Bezeichnung — Muskel der Muskeln — zukommen muß, genau
so wie dem Laien das Schienbein der am meisten bekannte Knochen
sein dürfte. Dieser Knochen zeigt seine Gegenwart an bei den un-
liebsamen Knüffen und Püffen, denen er passiv Geduld und Gefühl
entgegenstellen muß ; der Biceps macht sich, als aktives Körperelement,
durch die verschiedensten Formveränderungen bemerkbar, welche schon
bei der geringsten Aenderung der Lage des Ober- und Vorderarmes
eintreten. Es müssen in der Tat eine Reihe von leicht erkennbaren,
besonderen Eigenschaften bei diesem Muskel vorhanden sein, die aber,
soviel wir wissen, in den anatomischen Lehrbüchern nicht hinreichend
erklärt, vielleicht überhaupt nicht in ihrer Bedeutung erkannt sind.
Der bei der Streckung des Vorderarmes spindelförmige, weiche
Muskelbauch zieht sich bei der Beugung zu einer halbkugeligen,
harten Anschwellung zusammen. Umgreift man in diesem Zustande
die obere und untere Grenze des Muskelbauches mit Zeigefinger und
Daumen der anderen Hand und läßt bei liegenbleibenden Fingern des
Untersuchenden den Arm wieder strecken^ so kann man das Maß der
Verkürzung mit Leichtigkeit ablesen, indem nämlich der distale Rand
sich bei der Supination um etwa 2 cm proximalwärts vorschiebt. Wenn
der Arm zufällig, d. h. unabsichtlich in Supinationsstellung sich befand,
70
M. biceps brachii. 71
so braucht nur die Pronation ausgeführt zu werden. Alsbald wird die
volle Verkürzung des M. biceps auf die Hälfte erkennbar sein.
Führt man die Beugung während der Pronation aus, so kommt
die Muskulatur des Vorderarmes auf die des Oberarmes zu liegen;
läßt man dann die Supination eintreten, so entsteht ein Spalt, indem
bei der Supination der untere Rand des Muskelbauches proximalwärts
zurückgeht. Ebenso ist auch am Vorderarme die Veränderung der
Form bei der Pronation und Supination unverkennbar. Bei der
Pronation senkt allmählich mit dem Herabrücken des unteren Muskel-
randes sich eine 1—2 cm breite Furche immer tiefer in die Beugegruppe
ein. Sie verläuft in Form eines Halbbogens etwa 5 cm unterhalb
des Epicondylus medialis und findet ihr Ende erst am Ulnarrande
des Vorderarmes. Es ist dies der zweite Ansatz des Biceps an der
Vorderarmfascie, richtiger an der Oberfläche der Vorderarmmuskulatur,
der Lacertus fibrosus oder Aponeurosis m. bicipitis. Bei der Supi-
nation ist die Furche nicht vorhanden, die Oberfläche der Beuge-
muskeln ist gleichmäßig gerundet. Es ist eine passive Veränderung,
indem die schwächere oberflächliche Endsehne bei der Pronation durch
die Hauptsehne in die Tiefe gezogen wird, ein Verhalten, das sich
äußerlich durch eine Einschnürung kundgibt. Diese Tatsache läßt
sich aber nur erkennen, wenn der Oberarm das Punctum fixum bildet.
Läßt man den Vorderarm durch Festhalten in der Gegend des Hand-
gelenkes zum Punktum fixum werden, so tritt gerade das Umgekehrte
ein : bei der Pronation erscheint die Oberfläche der M. flexores gleich-
mäßig gewölbt, bei der Supination springt der Lacertus fibrosus als
deutliche Erhebung vor, unter deren freiem, ulnaren Rande man be-
quem den Finger einschieben kann.
Des weiteren läßt sich am Biceps am klarsten der Einfluß der
Binde erkennen. Umgrenzt man den Biceps am Lebenden in passiver
Dehnung, d. h. bei gestrecktem Vorderarme, mit einem weichen Blei-
stifte, Tinte oder einer anderen Farbflüssigkeit, so sieht man bei der
Beugung, bei der aktiven Spannung, daß der zusammengezogene
Biceps sich nicht mehr mit der vorher umgrenzten Haut deckt, daß
er sich unter ihr, oder richtiger unter der allgemeinen Binde ver-
schoben hat.
Es sieht überhaupt am Lebenden so aus, als ob der Muskel mit
dem unteren Rande des M. pectoralis major begönne und mit der
Ellenbeuge aufhöre. In Wirklichkeit schieben sich ja die Ursprungs-
und Ansatzsehnen in die Tiefe, und die Zweiköpfigkeit läßt sich beim
Lebenden nur in seltenen Fällen erkennen. Frohse kann allerdings
bei der Pronation die beiden Köpfe sich deutlich durch eine longi-
tudinale Furche scheiden lassen. Das Muskelfleisch hat für gewöhnlich
am Oberarme keinen Knochenansatz ; im Gegenteile ist ihm durch die
vordere Fläche des M. brachialis eine Gleitebene geschafi'en, welche
es dem kontrahierten Bauche ermöglicht, sich mit Leichtigkeit vom
Humerus abzuheben und sich besonders nach innen vorzuwölben.
Die Außenseite des M. biceps ist leicht festzustellen, die Innenseite
dagegen erst deutlich, wenn der Arm sich vom Rumpfe entfernt, nach
vorn gehoben, d. h. gegen den Schultergürtel gebeugt wird. Diese
Bewegung wird durch den M. coracobrachialis erzeugt, der seinerseits
eng mit dem kurzen Bicepskopfe verschmolzen ist. Es bedarf genauer
Beobachtung, noch dazu an einem besonders brauchbaren Modelle, um
überhaupt zu erkennen, daß an der Innenseite der Bicepswulst sich
71
72
FROHSE und M. FRÄNKEL,
aus zwei Muskeln zusammensetzt, dem M. coracobiceps oder dem
Caput breve bicipitis und dem M. coracobrachialis. Für den Laien
ist der kurze Kopf immer ein Heuchler, indem er den M. coraco-
brachialis vermöge des gemeinschaftlichen Ursprunges mit sich
zieht.
Das Wunderbare ist ja, daß der kurze Kopf des Biceps längere
Muskelbündel besitzt, als der lange Kopf.
M. biceps l)rachii.
Synonyma : Zweiköpfiger Armmuskel, Speichenbeuger, Biceps ; M.
flexor radii, M, fiexor biceps internus, M. flexor antibrachii radialis;
biceps hum^ral Cruveilhier, biceps brachial, coraco-radial, scapulo-radial
(Chaussiee), scapulo-coraco-radial (Dumas).
med.
Allgemeine Beschreibung.
Der M. biceps brachii hat einen doppelten Ursprung vom Schulter-
blatte und einen doppelten Ansatz am Vorderarme. Sein scheinbar
einheitlicher Muskelbauch, welcher
sich aus einem äußeren langen
und inneren kurzen Kopfe zu-
sammensetzt, ist auch vielen Laien
unter dem Namen Biceps bekannt.
Zwischen Ursprung und Ansatz
sind 2 Gelenke gelegen, das
Schulter- und Ellbogengelenk ; mit
dem Humerus hat der Muskel nor-
malerweise nichts zu tun. Während
der Muskelbauch in ganzer Aus-
dehnung an der Vorderseite des
Oberarmes frei zu Tage liegt, ist
der Ansatz nur zum Teil ober-
flächlich, der Ursprung voll-
kommen unter anderen Muskeln
verborgen. Die eine Ursprungs-
sehne ist sogar in das Schulter-
gelenk hineingewandert. Die
Ansatzsehne schickt eine aponeu-
rotische Ausstrahlung als Lacertus
fibrosus auf die Oberfläche der
Beugemuskeln des Vorderarmes;
die Hauptsehne wendet sich bald in die Tiefe und findet ihre Insertion
an dem drehbaren Knochen des Vorderarmes, dem Radius, und zwar
an seiner Tuberositas. — Der Biceps ist bei fixiertem Schulter-
gürtel und supinierter Hand Beuger des Vorderarmes ; bei pronierter
Hand wirkt er zunächst als kräftiger Supinator. — In der Chirurgie
dient sein medialer Rand als Leitstern bei Operationen im Sulcus
bicipitalis medialis. Auch die radiale Seite der Sehne bietet für die
Aufsuchung des N. radialis einen wichtigen topographisch-anatomischen
Anhaltspunkt.
Fig. 44. Ursprung der Sehne des
langen Bicepskopfes.
M. biceps brachii.
73
M. deltoideus
M. triceps, caput
longum
M. triceps, Caput
mediale
Lacertus fibrosus
m. bicipitis
M. Pronator
teres
Fig. 45. Oberarm von vorn, Muskelbild.
73
74
FROHSE und M. PRÄNKEL,
Idiotopie und Skeletopie.
Das Caput longum entspringt im Inneren des Schultergelenkes
vom Tuberculum supraglenoidale. Es geht aus dem Limbus gleno-
M. deltoideus
M. pectoralis major
M. coracobrachiali
M. biceps, Caput bi
M. biceps, caput longum
A. brachialis (cubitalis)
M. brachioradialis
M. latissimus dorsi
M. teres major
M. triceps, Sehnenspiegel
des Caput longum
— N. radialis
M. triceps, caput mediale
Septum intermusculare
mediale
M. Pronator teres
M. flexor carpi ulnaris
Fig. 46. Mediale Seite des Oberarmes, Muskelbild.
idalis hervor, und zwar mit 2 Schenkeln. Durch deren alsbaldige
Vereinigung entsteht die platte, rundliche Sehne, welche über das
Caput humeri hinweg in den Sulcus intertubercularis zieht. Inner-
halb desselben nimmt sie mehr rundliche Gestalt an und wird gleich-
zeitig von einer Sehnenscheide umhüllt, welche regelmäßig mit dem
74
M. biceps brachii. 75
Gelenke zusammenhängt und als Recessus (inferior) desselben auf-
zufassen ist. Nach Aufhören der Sehnenscheide, der Vagina mucosa
intertubercularis, wird die Sehne allmählich dicker, d. h. nur scheinbar,
indem sie sich wie ein Hohltrichter auffasert, aus dessen Grunde
die ersten Muskelbündel entspringen; aber erst wenn keine Reibung
an Knochen oder Sehne mehr einwirken kann, beginnt die Entwicke-
lung des freien Muskelbauches, und zwar ganz plötzlich am unteren,
d. h. Oberarmrande des M. pectoralis major. Da derselbe bei herab-
hängendem Arme schräg nach unten und außen verläuft, erklärt es
sich, daß der innere Kopf des Caput breve schon höher oben Muskel-
bündel entwickeln kann. Erst in der Mitte des Oberarmes, ungefähr
in der Höhe der Tuberositas deltoidea legen sich die beiden Köpfe
oder besser Bäuche des Muskels aneinander ; die wirkliche Vereinigung
findet aber noch tiefer unten statt.
Holotopie und Sy Utopie.
Im Bereiche der Schultergegend haben beide Köpfe grund-
verschiedene Lagebeziehnungen zu den Nachbarteilen.
Der kurze Kopf ruht eigentlich nur auf dem M. coracobrachialis,
deckt aber mit diesem gemeinschaftlich die Sehnen der M. sub-
scapularis, teres major und latissimus dorsi, also der drei Schulter-
muskeln, welche die hintere Wand der Achselhöhle bilden. Die
Vorderfläche wird von dem M. deltoideus, zum größten Teile jedoch
vom M. pectoralis major bedeckt. Der obere Rand oder die Spitze
des kurzen Kopfes teilt mit dem M. pectoralis minor den Ursprung
am Proc. coracoideus.
Medialwärts trennt ihn der M. coracobrachialis zunächst von dem
Gefäßnervenpaket, obwohl auch proximal schon für die entsprechende
äußerlich sichtbare Furche der Name Sulcus bicipitalis medialis
in Gebrauch ist.
Der lange Kopf entspringt im Inneren des Schultergelenkes, rein
sehnig, nur von dem Synovialepithel bedeckt. Mitunter, besonders an
Formolpräparaten, die bei günstiger Lage gehärtet waren, zeigt sich
der Eindruck der Sehne am Knorpel des Humeruskopfes als eine
Furche, Deutlicher ist häufig an der oberen Wand der Gelenkkapsel
eine Rinne, lateral vom Lig. coracohumerale. Mit dem Eintreten in
den Sulcus intertubercularis entwickelt die Sehne einen mit dem
Gelenke zusammenhängenden Schleimbeutel. Die Ursprungssehne
selbst tritt nicht mehr mit dem M. deltoideus in Berührung, von dem
sie durch die Sehne des M. pectoralis major getrennt ist. Dessen
Ansatz an der Crista tuberculi majoris wird fast von der Insertion
des M.'latissimus dorsi erreicht, welcher seinerseits die Austapezierung
der Knochenfläche des Sulcus intertubercularis im medialen Abschnitte
übernimmt. Diese Sehne liegt selbstverständlich unterhalb der Sehne
des langen Bicepskopfes.
Erst in der Mitte des Oberarmes ist der Muskel nur von Fascie
und Haut bedeckt. Sein äußerer und innerer Rand begrenzen die
sogenannten Sulci bicipitales internus und externus. besser medialis
und lateralis. Die innere Bicepsfurche ist konstant und beherbergt
regelmäßig den N. medianus, die A. brachialis mit Begleitvenen und
etwas mehr nach hinten gelagert auch die Vena basilica und den
N. cutaneus antebrachii medialis. Man kann allermeist den Strang
75
76 FROHSE und M. FRÄNKEL,
des N. medianus unter den Fingern rollen lassen und den Puls der
großen Armschlagader fühlen.
Die äußere Bicepsfurche ist an und für sich inkonstant. Die
Angabe, daß in ihr die V. cephalica verläuft, ist rein schematisch
und augenscheinlich nur dem Sulcus bicipitalis medialis zuliebe
entstanden und in den Lehrbüchern angegeben. Abgesehen davon,
daß die V. cephalica am Oberarme als selbständiges Gefäß fehlen
kann , braucht sie , auch wenn sie vorhanden ist , durchaus nicht
in dieser Furche zu verlaufen.
Die Facies profunda entspricht dem M. brachialis und dem auf
diesem liegenden N. musculocutaneus.
In der Höhe der Ellenbeuge bleibt der Lacertus fibrosus ober-
flächlich und trennt die zur Haut gehörigen Gebilde: V. basilica,
und den N. cutaneus antebrachii medialis, von den tiefen Gebilden::
Vasa brachialia und N. medianus.
Die Hauptsehne bildet zusammen mit dem M. brachialis am
Präparate einen medianen Wulst, welcher medial mit dem M. Pro-
nator teres die innere Grube der Ellenbeuge schafft; gewöhnlich
wird ja diese mediale Grube als Ellenbeuge bezeichnet, besondere
aus chirurgischen Rücksichten, da hier die Unterbindung der A.
cubitalis vorgenommen wird. Anatomisch müssen wir auch unter
normalen Verhältnissen an einer lateralen Grube festhalten, welche
außen vom M. brachioradialis, innen vom freien Rande der Haupt-
sehne des M. biceps brachii umrahmt wird. In oberflächlicher Schicht
liegt hier die Vena cephalica mit dem Hautnerven des N. musculo-
cutaneus. In tiefer Schicht, so ganz zwischen den Muskeln ein-
gebettet, der N. radialis mit verhältnismäßig kleinen Gefäßen, die prak-
tisch vernachlässigt werden können. An der Vereinigungsstelle von
M. Pronator teres und M. brachioradialis^ also der Beuge- und Brachio-
radialgruppe, kommen beide Furchen in einer zusammen, indem sie
ein V oder Y bilden.
In der medialen Grube verläuft die A. brachialis, um sich in die
A. radialis und ulnaris zu teilen, mehr ulnarwärts der N. medianus,.
in der lateralen Grube liegt in der Tiefe der N. radialis zwischen
M. brachioradialis und supinator. Vom Nerven ist ohne weiteres nur
der R. superficialis sichtbar.
Erst am unteren Rande des Ellbogengelenkes nehmen dia
Sehnen des Biceps und M. brachialis einen verschiedenen Verlauf, die
erstere wendet sich nach außen zum Radius, die des M. brachialis nach
innen zur Tuberositas ulnae.
Wirkung.
In der Supinationsstellung der Hand beugt der Muskel den
Vorderarm gegen den Oberarm, in der Pronationsstellung führt er
vor der Beugung die Supination aus. Der Biceps ist also ein Flexor-
Supinator. Die beiden Köpfe beteiligen sich in verschiedener Weise
an dieser Aufgabe; nach Duohenne soll der kurze Kopf besonders
die Supination ausführen.
Der Lacertus fibrosus soll nach Henle den Zweck haben, die
Fascia antebrachii zu spannen, so dem Ursprünge der oberflächlichen.
76
M. biceps, caput longum
77
N. musculocutaneus
M. coracobrachiali;
M. biceps, caput
breve
M. biceps, caput
tertium
R. coUateralis n.
mediani'
N. cutaneus ante-
brachii lateralis
_M. bracbialii
J N. radialis
R. articularis cubiti
Fig. 47. Beuger am Oberarm, Nervenbild.
77
78 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Beugemuskeln einen festeren Halt geben und ihre ausgiebige Kon-
traktion begünstigen.
Innervation.
Dieser Muskel weist bezüglich seiner Innervation nicht die klare
Sonderung in zwei, den Muskelbäuchen entsprechende Nerven auf.
Es ist im Gegenteil nur ein Nerv oder ein Nervenplexus vorhanden,
den man künstlich beliebig weit auffasern kann, und aus dem sich
erst die Muskelnerven entwickeln. Die Nervenzweige treten von der
medialen Seite her unter den Muskel. Ihr extramuskulärer Verlauf
ist unter allen Umständen bei natürlicher Haltung in der Tiefe ver-
borgen. Wie erwähnt, ist nicht immer ein besonderer Nerv für jeden
Muskelbauch vorhanden. Nach unseren Beobachtungen bekommt der
lange Kopf, das Caput longum s. laterale, häufig einen Zweig, welcher
vorher bereits Muskelbündel des Caput breve s. mediale versorgt hat.
Umgekehrt kann aber auch ein lateraler Zweig, nachdem er bereits
an der Versorgung des Caput longum teilgenommen hat, sich zum
Caput breve wieder wenden. Eine Statistik hierüber können wir auf
Grund unserer nur 5 Fälle umfassenden Untersuchungen nicht geben ;
in der Abbildung (Fig. 47) sind wir dem Schema entgegengekommen
und haben beide Köpfe gesondert innerviert dargestellt.
Die Architektur des Muskels wiederholt sich im Nervenbilde. Der
trichterförmige Ursprung der Muskelbündel aus der Sehne des langen
Bicepskopfes bedingt einen Sehnennerven (rudimentären Muskelnerven).
Das Caput longum mit seinen, im Verhältnis zu denen des Caput breve,
kürzeren Muskelbündeln erzeugt ein gedrungeneres Nervenbild mit
wenigen und nicht hoch emporsteigenden, rückläufigen Zweigen. Das
Caput breve mit seinen viel weiter nach oben bis in die Nähe des
Proc. coracoideus reichenden Muskelbündeln zeigt zahlreiche und
lange rückläufige Nervenzweige; und, da auch das distale Ende der
Muskelbündel weiter zum Vorderarme hinabreicht, als das des Caput
longum, so finden wir auch die Nervenendäste weiter nach unten,
distalwärts reichend.
Grundgesetz ist bei beiden Köpfen die dichotomische Teilung.
Die einzelnen Nervenzweige sind durch mannigfache Anastomosen
miteinander verbunden, deren Zahl teilweise sehr beträchtlich sein
kann, und deren Lage meistens der Mitte des Muskelbauches ent-
spricht. Mehrfach konnten wir auch einen strecken weisen extra-
muskulären Verlauf der Nervenfasern feststellen, d. h. der Haupt-
stamm, welcher von der Facies profunda s. posterior eintritt, erscheint
an dieser oder jener Stelle mit feinen Zweigen an der Facies super-
ficialis s. anterior und ist hier ohne weiteres der elektrischen Reizung
zugängig.
Wir haben in unserer Figur (47) auch ein Caput tertium des
M. biceps abgebildet, weil dessen feinere Innervation unseres
Wissens bisher noch nicht hinreichend dargestellt ist. Nach dem Ur-
sprünge und Verlaufe des Hauptnerven mußte unser abgebildetes
Caput tertium als Teil des Caput longum aufgefaßt werden, welches
sich nach medial verschoben hat. Wir können aber kein sicheres
Urteil fällen, weil bei einem anderen Caput tertium sich der Haupt-
stamm aus dem Nervenzweige für das Caput breve loslöste. Nach-
prüfungen hierüber sind also durchaus erwünscht.
78
M. biceps brachii.
79
Muskelbündellänge.
Caput longum, Minimum 11,9 cm
„ „ Maximum 13,6 „
Durchschnitt aus 9 Messungen 12,6 „
Unterschied in Centimetern 1,7, in Prozenten 14 "/q.
Caput breve, Minimum 13,5 cm
„ „ Maximum 15,4 „
Durchschnitt aus 9 Messungen 14,5 „
Unterschied in Centimetern 1,9, in Prozenten 14 "/o-
Zusammengenommen, Minimum 11,9 cm
„ Maximum 15,4 „
Ducrhschnitt aus 18 Messungen 13,6 „
Unterschied in Centimetern 3,5, in Prozenten 29 7o-
Segmentbezüge.
5. 6. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
58
48
185
155
50
40
165,5
139
8
8
19,5
16
86,2
83,4
89,3
89,7
Durchschnitt aus diesen Messungen
111,5
98,6
12,9
87,2
Varietäten.
Besonderheiten an diesem Muskel sind außerordentlich häufig.
Meistens handelt es sich um eine Vermehrung der Ursprungsköpfe,
auch recht oft um Varietäten des Ansatzes, äußerst selten fehlt ein
Ursprungskopf, das Caput longum, oder gar das Caput breve, das
gänzliche Fehlen des M. biceps ist nur einmal beobachtet.
Der überzählige Kopf kann lateral vom Proc. coracoideus ent-
springen und sich dabei an die Schultergelenkskapsel, die Sehne des
M. pectoralis major oder auch an den oberen Teil des Oberarm-
knochens anheften. Am häufigsten, übereinstimmend nach Statistiken
der verschiedensten Autoren in 10 Proz. der Fälle, entspringt das
Caput accessorium oder tertium vom Mittelstücke des Humerus, dicht
oberhalb des M. brachialis. Viel seltener ist der Ursprung vom Septum
intermusculare mediale. Je weiter distalwärts der Muskel entspringt,
um so schräger muß die Verlaufsrichtung zum Biceps hin sein, und
dann findet sich auch eine Ueberkreuzung des Gefäßnervenpaketes
(N. medianus und Vasa brachialia).
Die Insertionsvarietäten betreffen die Vermehrung des Ansatzes
durch Sehnen oder Muskelbündel, entweder an der Ulna oder mit
den Nachbarmuskeln, nämlich den M. pronator teres, flexor carpi
radialis oder brachioradialis.
Frohse hat in einem Falle eine etwa 3 mm dicke, vollkommen
isolierte Endsehne des M. biceps beobachtet, welche sich an der
medialen Seite der Tuberositas ulnae anheftete.
80 FROHSE und M. FRÄNKEL,
In den V. B. finden sich folgende bemerkenswerte Fälle: No. 78.
Caput longum hat 2 Sehnen. No. 249. Caput longum vom Biceps
fehlt, dafür findet sich ein doppelköpfiger Ursprung am Humerus
zwischen Coracobrachialis und Brachialis, welcher im wesentlichen den
Lacertus fibrosus hervorgehen läßt. No. 296. Vom Lacertus fibrosus
geht zum Brachialis internus ein Muskelbündelchen. No. 364. Der
Lacertus fibrosus entwickelt sich ausschließlich aus einem dritten
Kopfe, welcher von der radialen Seite des Humerus über dem M.
brachialis entsprang. No. 369. Verdoppelung des Lacertus fibrosus
durch einen dritten Bicepskopf.
M, coracobrachialis.
Synonyma: Haken - Armmuskel, Raben - Armmuskel, Hakenmuskel;
M. perforatus Casserii s. coracoideus, levator humeri internus Arnold ;
coraco-humeral Chaussibr, Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der gewöhnlichen Darstellung nach wird dieser Muskel zu den
Beugern am Oberarme gerechnet; er muß jedoch als einziger Ver-
treter der am Beine so mächtig und zahlreich entwickelten Gruppe
der Beizieher, M. adductores femoris, aufgefaßt werden, als M. adductor
humeri. Gemeinschaftlich mit dem kurzen Bicepskopfe vom Proc.
coracoideus entspringend, findet er seinen Ansatz schon am Humerus,
in der ungefähren Mitte der Innenseite. Seine Wirkung als Adductor
ist bei abduziertem Arme unverkennbar; bei herabhängendem Arme
unterstützt er jedoch die vorderen Bündel des M. deltoideus in der
Erhebung des Armes nach vorn, eine Bewegung, die wir mit Rücksicht
auf die entsprechende des Beines als Flexion, Beugung bezeichnen
wollen. Ferner sei hier schon hervorgehoben, daß der Muskel durch-
aus nicht vom N. musculocutaneus durchbohrt zu werden braucht.
Aber auch, wenn letzteres der Fall ist, treten die eigenen Nerven-
zweige des Muskels nicht aus dem durchbohrenden Aste hervor,
sondern schon proximal aus dem Plexus brachialis selbst.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel entspringt zusammen mit dem kurzen Kopfe des
M. biceps an der Spitze des Proc. coracoideus. Die innige Ver-
schmelzung seiner Muskelbündel mit der oberflächlicher gelegenen
Sehnenplatte des kurzen Bicepskopfes hat zu der Aufstellung des
Namens M. coracobiceps geführt. Der Ansatz liegt an der Innen-
seite des Oberarmes, ungefähr in seiner Mitte gegenüber der Tube-
rositas deltoidea, in der Verlängerung der Crista tuberculi minoris.
Der Muskelbauch selbst kann einheitlich sein, andererseits aber
durch Spaltung des Bauches oder durch Sonderung proximaler und
distaler Bündel die Aehnlichkeit mit den M. adductores femoris auch
anatomisch ganz deutlich machen. Rudimentär ist ja dies immer zu
zu erkennen durch die sehnigen Züge des Septum intermusculare
mediale, welche in der Verlängerung des M. coracobrachialis schräg
nach unten und innen bis zum Epicondylus medialis humeri reichen,
ebenso wie es am Oberschenkel der M. adductor magnus macht,
8o
M. coracobraohialis. 81
welcher mit starker Endsehne bis zum Epicondylus medialis femoris
reicht. Die Durchbohrung durch den N. musculocutaneus ist nicht ohne
weiteres der Durchbohrung der Adductoren durch den N. obturatorius
vergleichbar, da ja an letzterem Nerven ein vorderer und hinterer
Ast unterschieden wird, welche ihrerseits den M. adductor brevis um-
greifen. Schematisch kann man jedoch den M. coracobrachialis als
M. adductor humeri universalis darstellen. Der M. adductor brevis
fehlt, die beiden Aeste des N. obturatorius sind zu einem Stamme,
dem N. musculocutaneus vereinigt; die Muskulatur, welche nach vorn
von dem Nerven liegt, entspricht dem M. adductor longus, die hinter
ihm gelegene dem M. adductor magnus (und minimus).
Der Ansatz an der Crista tuberculi minoris liegt gegenüber der
vorderen Kante der Tuberositas deltoidea, von welcher er durch den
medialen Ursprung des M. brachialis getrennt wird.
Besondere Beachtung verdient ein Sehnenbogen, welcher nahezu
konstant ist. Henle hat ihn besonders betont und darauf hinge-
wiesen, daß außer der Sehne des M. latissimus dorsi auch die Vasa
circumtlexa humeri anteriora unter ihm, d. h. knochenwärts verlaufen.
Für die Sehne trifft diese Darstellung unter allen Umständen zu,
nicht aber für die Gefäße. Wir haben, schon um den Widerspruch
gegen unsere Darstellung hervorzurufen, in unserer Figur ein Prä-
parat abgebildet, an welchem die Gefäße hautwärts von diesem Sehnen-
bogen verliefen und nicht zwischen ihm und dem Knochen, und dies
um so mehr, als wir bislang in keinem Falle die gegenteilige, unter
anderen von Henle vertretene Anschauung bestätigen konnten.
Die Vasa circumflexa humeri anteriora benutzen mit ihren Haupt-
ästen niemals den Schutz dieser Sehnenarkade. — Dieselbe löst sich
als sehniger Längsstreifen aus dem oberen Teile der Ansatzsehne at
proximalwärts reicht sie bis zum Tuberculum minus oder zum unteren
Teile des Sulcus intertubercularis. Irgendwelche praktische Bedeutung
können wir dieser anatomisch interessanten Bildung nicht beimessen.
Holotopie und Syntopie.
Beim Ursprünge vom Proc. coracoideus ist der Muskel vom
kurzen Kopfe des M. biceps bedeckt, mit dem er ja fest verschmolzen
ist. Er überragt ihn aber nach beiden Seiten. Der mediale Ab-
schnitt ist der praktisch wichtigste und wird zuerst vom M. deltoideus
überlagert, dann von der Sehne des M. pectoralis major. Schließlich
erscheint am vorderen Rande der Achselhöhle seine innere Fläche
frei unter der Haut und Fascie, als ein Wulst, welcher vielfach als
Muskelbauch des hier noch aponeurotischen kurzen Bicepskopfes auf-
gefaßt werden kann. — Die Facies posterior s. profunda entspricht
dem M. subscapularis , je nach dem Zustande der Außenrotation
seiner Sehne oder dem Uebergange der Sehne in das Muskelfleisch.
Hier findet sich auch regelmäßig ein Schleimbeutel, die Bursa
coracobrachialis. Von den Sehnen der M. latissimus dorsi und teres
major wird er fast regelmäßig durch den oben beschriebenen Sehnen-
bogen getrennt. — Mit seinem Margo lateralis wendet sich der Muskel
gegen den Sulcus intertubercularis und damit gegen die Sehne
des langen Bicepskopfes; der mediale Rand bildet mehr eine Fläche
und wendet sich gegen die Achselhöhle, deren laterale Begrenzung er
vor allem neben dem Oberarmbeine bildet. Hier stößt er an das
Handbuch der Anatomie. II, II, 2. g
82 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Gefäßnervenpaket, an den N. musculocutaneus, oder wenn dieser
fehlt, in langer Linie an den N. medianus und an die A. axillaris
beim Uebergange in die A. brachialis. Dieses wichtige Lageverhältnia
ist bei der größeren Tiefe der Arterie wirklich klar erst nach Ent-
fernung des N. medianus sichtbar.
Wirkung.
Der M. coracobrachialis bewegt den Arm nach vorn, innen und
nach oben. Als geringe Nebenwirkung ist noch die Rotation zu be-
zeichnen. In der gewöhnlichen Haltung des Oberarmes, nämlich bei
schlaff am Rumpfe herabhängender oberer Extremität, kann sie über-
haupt vernachlässigt werden, bei starker Auswärtsrotation ist sie be-
trächtlich im Sinne der Adduktion; umgekehrt tritt aber auch bei
vorher bestehender Einwärtsrotation durch seine Zusammenziehung
eine Abduktion ein, bis die Crista tuberculi minoris genau medial-
wärts gerichtet, das Gleichgewicht zwischen Auswärts- und Einwärts-
rollung hergestellt ist. Wenn der Oberarm fixiert ist, muß seine
Kontraktion den oberen-äußeren Winkel des Schulterblattes, mit
welchem ja der Rabenschnabelfortsatz ungefähr die gleiche Lage-
beziehung hat, nach unten und vorn bewegen; in nennenswerter
Weise tritt diese Wirkung nur bei turnerischen und akrobatischen
Uebungen ein.
Innervation.
Die Nerven lösen sich aus dem Teile des Plexus brachialis ab,
welcher den lateralen Abschnitt der Medianuswurzel bildet. Wenn
also der N. musculocutaneus den M. coracobrachialis nicht durch-
bohrt, kommen trotzdem die Nerven in derselben Höhe aus dem
Plexus brachialis heraus und nicht etwa rückläufig; aber auch im
Falle der Durchbohrung geht der motorische Anteil für den M. coraco-
brachialis nicht erst aus dem N. muscolocutaneus selbst hervor,
sondern schon mehr proximal aus der lateralen Plexuswurzel.
Der M. coracobrachialis verdankt seinen früher gebräuchlichen
Namen M. perforatus Casseri dem Umstände, daß er sehr häufig, aber
nicht immer vom N. musculocutaneus durchbohrt wird. Diese Durch-
bohrung wird aber von den eigenen Nervenzweigen des Muskels nicht
mitgemacht, d.h. diese Nerven lösen sich nicht aus dem N. musculo-
cutaneus heraus, während er durch den Muskel hindurchtritt, sondern
proximal von der Eintrittsstelle entweder aus dem N. musculo-
cutaneus selbst oder aus der lateralen Wurzel der Gabel de&
N. medianus, dies natürlich immer dann, wenn der N. musculo-
cutaneus ohne Durchbohrung des Muskels erst in der Nähe des An-
satzes des M. coracobrachialis in den Spalt zwischen M. biceps und
brachialis eintritt.
Es sind meist mehrere Nervenzweige, welche mit überaus reich-
licher Verzweigung die Muskelbündel versorgen, bei Durchbohrung
des Muskelbauches in einer oberflächlichen und einer tiefen Lage^
welche aber den Zusammenhang der beiden Lagen durch Anastomosen
kundgeben. Bemerkenswert ist, daß sowohl zur Ursprungssehne^
wie zur Ansatzsehne feine Nervenzweige darstellbar sind.
82
M. coracobrachialis.
83
Muskelbündellänge.
Minimum 6,4 cm
Maximum 8,3 „
Durchschnitt aus 10 Messungen 7,4 „
Unterschied nach Centimetern 1,9, in Prozenten 33 7o-
Segmentbezüge.
6. und 7. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. hnker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. Hnker starker Arm
18 .
17
42
39
15,5
15
38
35
¥
4
4
86,1
88
90,5
89,6
Durchschnitt aus diesen Messungen
29
25,9
3,1
88,6
Varietäten.
In sehr seltenen Fällen fehlt der Muskel vollkommen. Der An-
satz am Humerus ist großen Schwankungen unterworfen: bald reicht
er proximalwärts bis zur Schulergelenkskapsel, bald sendet er einen
besonderen Bauch zum Collum chirurgicum humeri als M. coraco-
brachialis minor; oder der ganze Muskelbauch ist getrennt, entsprechend
der Durchbohrung durch den Nerven, schließlich kann sich der Ansatz
in deutlicher Endsehne unabhängig vom Septum intermusculare mediale
bis zum Epicondylus medialis erstrecken. Alle solche Verschiedenheiten
lassen sich mit Leichtigkeit daraus erklären, daß der M. coracobrachialis
alle M. adductores femoris umfaßt, nur daß beim Menschen der mittlere
Teil regelmäßig entwickelt ist, während die Anheftung proximal- oder
distalwärts eine, noch dazu seltene, Ausnahme bildet.
Einen accessorischen Kopf, meistens als M. coracobrachialis minor
bezeichnet, finden wir in den V. B. angegeben unter No. 2, No. 266
und No. 412.
No. 47. Coracobrachialis in 3 Sehnenfascikel gespalten.
No. 92. Vom Coracobrachialis geht ein Sehnenstreifen vor der
A. brachialis und dem N. medianus zum Anconaeus (hierunter ist
wohl das Caput mediale m. tricipitis gemeint) hin.
No. 162. Coracobrachialis longus bis zum Epicondylus medialis,
außerdem ein zweiter Fall unter No. 278.
No. 363. Ansatz an der Endsehne des Brachialis, der Vorder-
armfascie und unter Entwickelung zweier spindelförmiger Muskeln
am Epicondylus medialis humeri.
No. 412. Coracobrachialis accessorius.
M. brachialis.
Synonyma : Ellbogenbeuger, innerer Armmuskel ; M. brachialis internus
s. anterior, M. brachiaeus internus, M. flexor antibrachii ulnaris, flexor
cubitalis internus; brachial anterieur, humöro-cubital Chaussier, Dumas.
84
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Allgemeine Beschreibung.
Der ansehnliche Muskel deckt die untere Hälfte des Oberarm-
beines auf der Vorderseite zu und findet seinen Ansatz an der Tubero-
Tuberositas deltoid(
M. triceps, Caput laterale
M. triceps, caput mediale
M. anconaeus
A. interossea dorsalis
M. biceps
M. brachialis, pars super-
ficialis (lateralis)
M. brachialis, pars profunda
(lateralis)
Capitulum humeri
Tendo m. bicipitis
M. supinator
R. profundus n. radialis
zwischen beiden Knochen
das dunkle Zwischenknochenband.
Fig. 48. M. brachialis und supinator in ihren Beziehungen zu dem N. radialis.
sitas ulnae. Obwohl er der tiefer gelegene Muskel der beiden Beuger
am Oberarme ist, und seine platte Vorderfläche ganz von dem Biceps
verdeckt wird, beteiligt er sich doch am Oberflächenbilde, sowohl an
84
M. brachialis. 85
der Außen-, wie an der Innenseite. Jedoch zeigt sich lateral nach
Entfernung des M. brachioradialis noch eine zweite, in der Tiefe ver-
borgene Fläche, eine ausgehöhlte Facies lateralis profunda. Die hier
gelegenen Muskelbündel verdienen einen besonderen Namen, nach
dem deckenden Muskel am besten Portio brachioradialis genannt,
nicht allein wegen dieser topographischen Beziehung, sondern auch
wegen der Innervation, da sich an dieser Stelle ein oder mehrere
Zweige des N. radialis in den M. brachialis, also Strecknerven in
einen Beugemuskel, einsenken. Der Strecknerv des Armes, der
N. radialis, versorgt ja außerdem den M. brachioradialis, den wir als
dritten Beuger zwischen Ober- und Vorderarm ausschließlich be-
zeichnet wissen wollen, s. diesen Muskel. Die Hauptmasse des
Muskels wird aber wie der Biceps vom N. musculocutaneus inner-
viert; wir schlagen deshalb für letztere, gleichzeitig durch den Biceps
größtenteils verborgene Portion den Namen Portio bicipitalis vor.
Man könnte auch von einer Portio mediana und radialis sprechen,
wenn man den N. musculocutaneus als Teil des N. medianus auffaßte,
da ja die medialen Nervenzweige bisweilen gar nicht aus dem eigent-
lichen N. musculocutaneus geliefert werden, sondern aus einem erst distal
vom M. coracobrachialis entspringenden gemischten oder selbst rein motori-
schen Zweige des N. medianus. Findet eine von unseren beiden Bezeich-
nungen Anklang, so bleibt die Wahl dem einzelnen Autor überlassen.
Der eingelenkige Muskel, welcher sich an dem nicht drehbaren
Knochen des Vorderarmes, der Ulna, befestigt, ist ohne Nebenwirkung
ein reiner Beuger zwischen Oberarm und Vorderarm.
Idiotopie und Skeletopie.
Schon bei der allgemeinen Beschreibung haben wir die wichtige
und bequemere Unterscheidung des Muskels in 2 Portionen empfohlen :
eine Portio bicipitalis, welche zum großen Teile vom M. biceps be-
deckt wird, aber noch zu beiden Seiten desselben am Oberflächen-
bilde der Vorderseite des Oberarmes teilnimmt, und eine Portio
brachioradialis, welche erst nach Zurückdrängung oder Entfernung der
Brachioradialgruppe, besonders des M. brachioradialis, sichtbar wird.
Da beide Portionen an der Oberfläche und besonders im Inneren
des Muskels ohne Grenze ineinander übergehen, läßt sich die spezielle
Beschreibung vereinigen.
Der Muskel entspringt:
1) hauptsächlich vom Knochen, der vorderen Fläche des Humerus,
von der Höhe der Tuberositas deltoidea abwärts bis in die Nähe des
Ellenbogengelenkes ;
2) von den Septa intermuscularia mediale und laterale, besonders
von ersterem;
3) von den benachbarten Muskeln, und zwar regelmäßig vom
M. deltoideus und bisweilen vom M. coracobrachialis.
Der Muskel hat mit vielen anderen tiefen, in größerer Aus-
dehnung einen Knochen einhüllenden oder eine Membran verdecken-
den Muskeln (z. B. M. flexor digitorum profundus manus, glutaeus
minimus, obturatores) das Gemeinsame, daß der Ursprung im wesent-
85
86 FROHSE und M. FRÄNKEL,
liehen muskulös ist. Eine Innensehne, wie sie den meisten eben er-
wähnten Muskeln zukommt, kann erst nach Entfernung der oberfläch-
lichen Muskelbündel nachgewiesen werden, und zwar erlangte sie in dem
abgebildeten Falle (Fig. 115) bei einer Gesamtmuskellänge von 22,5 cm
die doch recht beträchtliche Ausdehnung von 14 cm. Zwar entwickeln
sich schon unterhalb der Mitte seines Muskelbauches Sehnenfasern
an seiner Oberfläche, welche sich allmählich in eine Aponeurose ver-
wandeln, einen sehnigen Hohltrichter, in dessen Tiefe sich die Muskel-
bündel einsenken. Der Ursprung umgreift die Tuberositas deltoidea.
Ein klares Bild hierüber kann man sich nur durch sorgfältige Ent-
fernung des M. deltoideus schaffen; dann sieht man, wie sich der
mediale Teil flach, wie ein schmaler Keil, vom Knochen, bezw. dem
M. coracobrachialis erhebt, während der laterale bereits eine Höhe bis
zu 1,5 cm aufweisen kann. Wie bereits beim M. deltoideus erwähnt
ist, entspricht ja das oberflächliche Ende dieses Muskels durchaus
nicht der Knochenoberfläche. Auch die hintere Grenze dieses Ab-
schnittes geht nicht direkt an den Knochen heran, sondern erst durch
Vermittelung des Septum intermusculare laterale. Eine scharfe Sonde-
rung dieser medialen und lateralen Portion in der Verlängerung der
Spitze der Tuberositas deltoidea nach unten, d. h. distalwärts, welche
Henle erwähnt, haben wir niemals beobachtet.
Man könnte meinen, daß in dem Maße, wie sich der Humerus
von der Mitte des Schaftes aus nach unten zu den Epicondylen ver-
breitert, auch der ihn deckende Muskel an Breite zunimmt, bis er sich
in der Nähe des Ellbogengelenkes wieder verschmälert. Diese An-
schauung Henles teilen wir nicht. Es findet nicht nur lateral ein
Uebergreifen auf das Septum intermusculare laterale statt, also über
die Knochengrenze hinaus, sondern auch medial durch den Muskel-
wulst. Was demnach die Muskelbreite betriift, so tritt vom Ursprünge
ab zum Ellenbogengelenke keine wesentliche Veränderung in der
Breite ein, wohl aber in der Dicke. Diese erreicht ungefähr in der
Mitte des Muskelbauches, d. h. im Beginne des unteren (distalen)
Drittels des Oberarmes ihre größte Stärke. Von der Articulatio
cubiti nach distal hin findet sich allerdings eine erhebliche Umge-
staltung in Bau, Form und Richtung. Der bis dahin senkrecht,
frontal von oben nach unten verlaufende Muskelbauch biegt im
stumpfen Winkel, besser Bogen, nach hinten um; gleichzeitig wird
durch die Entwickelung der Endsehne die Masse dünner und schmäler,
schließlich finden alle Fasern ihren Ansatz an einem verhältnismäßig
kleinen Knochenpunkte, der Tuberositas, und auch darüber, d. h.
proximal bis zum extrascapsulären Teile des Proc. coronoideus ulnae.
Außer den bereits erwähnten Ursprungsverbindungen mit den M.
deltoideus und coracobrachialis, finden sich bisweilen muskulöse Kon-
jugationen mit dem M. brachioradialis welche für die von uns ge-
wählte Schilderung des letzteren Muskels von der größten Bedeutung
sind, und sehnige mit dem tiefen Kopfe des M. pronator teres und
den M. flexores antebrachii, also den in der Umgebung der Tuberositas
ulnae entspringenden Muskeln der Beugegruppe des Vorderarmes.
Holotopie und Syntopie.
Die vordere Fläche des M. brachialis wird vom Biceps bedeckt;
in der trennenden dünnen Fascie ist der R. cutaneus antebrachii
86
M. brachialis. 87
lateralis, der Hautast des N. musculocutaneus, eingescheidet. Die
Innenseite bildet, je weiter nach unten, einen um so wesentlicheren
Bestandteil des Sulcus bicipitalis (medialis) und der Ellenbeuge, lieber
die Außenseite zieht oberflächlich die V. cephalica hinweg, falls eine
solche vorhanden ist. Bei weitem wichtiger ist die Portio brachio-
radialis : im Grunde der Rinne zwischen den M. brachialis und brachio-
radialis verläuft nämlich der N. radialis und die Anastomose zwischen
den R. anteriores der Vasa profunda brachii und den Vasa recurrentia
radialia, von welchen die Vene sehr ansehnlich zu sein pflegt.
Mit seiner tiefen Fläche liegt der Muskel dem Humerus auf:
dessen vordere Kante vollkommen verdeckend, nimmt er den medialen
Rand dieses Knochens noch in Anspruch, die laterale Kante
überläßt er aber der Brachioradialgruppe, besonders den M. brachio-
radialis, extensor carpi radialis longus und supinator (brevis). Der
vierte, der Reihenfolge nach eigentlich der dritte Muskel dieser
Gruppe, der M. extensor carpi radialis brevis, hat nichts hiermit zu
tun, weil er sich mit seiner schmalen Ursprungssehne nur an der
Rückseite und der Spitze des Epicondylus lateralis anheftet.
Praktische Bemerkungen.
Es ist seitens eines italienischen Chirurgen ^) bei der Osteomyelitis
humeri der Vorschlag gemacht worden, die ausgiebige und doch
schonende Freilegung der ganzen Länge des Oberarmbeines in der
Weise vorzunehmen, daß vom Weichteilschnitte bei der Resectio humeri
aus eine senkrechte Verlängerung nach unten gemacht wird, und zwar
durch das Fleisch des M. brachialis hindurch. Vom anatomischen Stand-
punkte aus ist dieser Schnitt in doppelter Beziehung gutzuheißen,
genau wie wir es bei dem Weichteilschnitte gelegentlich der Resectio
humeri betont haben:
1) Der Schnitt hält sich in die theoretisch konstruierbare und
meistens auch anatomisch nachzuweisende Grenzlinie des Innervations-
gebietes der beiden den M. brachialis versorgenden Nerven (radial
oder lateral N. radialis, ulnar oder medial N. medianus).
2) Auch die Gefäßversorgung trifft in günstigster Weise das
Grenzgebiet zwischen den beiden Hauptgefäßen. Im kleineren lateralen
Abschnitte bleiben die vorderen Endäste der Vasa profunda brachii
und vor allen Dingen auch der N. radialis selbst. Die übrigens nicht
benannten medialen Muskeläste der A. brachialis gehen nicht über
diese Schnittlinie lateralwärts hinweg.
Innejrvation.
Der Muskel ist schon in bezug auf seine Form und Architektur
einer der merkwürdigsten Armmuskeln ; durch die feinere Innervierung
gewinnt er aber die erste Stelle, besonders deshalb, weil bei der
Mächtigkeit des Muskelbauches die Nervenelemente verhältnismäßig
leicht darzustellen sind. Für Geübtere kann sich nur das Grenz-
gebiet zwischen M. adductor pollicis und flexor pollicis brevis inter-
essanter gestalten; für den, welcher sich in der Darstellung der
1) Genau dieselbe Schnittfuhrung hat FßOHSE, unabhängig von diesem Autor,
mehrere Male als die schonendste erkannt. Leider können wir trotz vielfachen Nach-
forschens die Literatur nicht angeben.
87
88 FROHSE und M. FRÄNKEL,
feineren Nervenverzweigung an komplizierteren Muskeln einüben will,
halten wir diesen Muskel für das geeignetste Beispiel.
Die gewöhnliche Beschreibung gibt nur die Innervation vom
N. musculocutaneus an, vielfach wird auch einer inkonstanten Ver-
sorgung der lateralen Portion durch den N. radialis gedacht. So
leicht die ersteren Nerven dargestellt werden können, so schwer
können andererseits die Bezüge aus dem N. radialis extramuskulär
nachgewiesen werden.
Obwohl wir zugeben müssen, daß ein makroskopischer Nachweis
von Nervenfasern des N. radialis in seltenen Fällen nicht durchführ-
bar ist, halten wir doch daran fest, daß ein Teil der lateralen Seite
des M. brachialis dem N. radialis zugehört, weil nach unseren Er-
fahrungen mindestens in 75 Proz. der Fälle sich der N. radialis an
dieser Stelle an der Versorgung des M. brachialis beteiligt.
Schon aus diesem Grunde ist der Muskel interessant, ob über-
haupt Nerven auf der lateralen Seite vorhanden sind, wie viele und
wie starke ; des weiteren aber mit Rücksicht auf die Frage, wie viele
Nervenzweige in der Tiefe verborgen, ob und wie viele und starke
Anastomosen zwischen diesen Zweigen und den medialen Hauptästen
aus dem N. musculocutaneus vorhanden sind.
Des weiteren ist aber ein besonderer Nerv zu beobachten, welcher
sich in wechselnder Höhe des Oberarmes aus dem N. medianus los-
löst und diesem parallel, entweder ihm oder der A. brachialis ange-
schmiegt, zum Ellenbogengelenke zieht. Wir haben diesen Nerv
niemals vermißt, obwohl seine Stärke und Verbreitungsgebiet außer-
ordentlich verschieden waren, und halten wegen der Lagebeziehung
zum N. medianus den Namen R. coUateralis n. mediani für durchaus
zutreffend.
Wir werden später beim M. triceps einen R. coUateralis n. ulnaris
kennen lernen, einen Ast des N. radialis für das Caput mediale des
M. triceps, welcher sich für eine kürzere oder längere Strecke,
entweder mittelbar oder unmittelbar dem N. ulnaris anschließt, sich
also der Bahn des letzteren Nerven bedient. Bei dem N. medianus
handelt es sich um einen wahren R. coUateralis desselben
Nerven — um im Sinne der normalen Gefäßkollateralen zu sprechen
— einen dünneu Zweig des gleichen Hauptstammes. Dieser Ast
verdient nicht allein wegen der hier hauptsächlich in Betracht kom-
menden Innervation der Muskelbündel unsere besondere Beachtung,
sondern auch wegen der Beziehungen zu der Sehnenendigung, dem
Ellenbogengelenke und den Gefäßen bis über die Teilung der A.
brachialis in die A. radialis und ulnaris hinaus.
Wir halten uns auf Grund von etwa 10 genauer untersuchten
Fällen einstweilen für berechtigt, folgenden Innervationsplan aufzu-
stellen :
1) konstante Hauptinnervation von der flachen Vorderfläche aus
durch den N. musculocutaneus ;
2) fast konstante Innervation eines größeren oder kleineren Teiles
der lateralen Seite von einem oder mehreren Aesten des N. radialis ;
3) häufige Innervation des medialen distalen Teiles , besonders in
der Nähe des Ellenbogengelenkes durch den sogenannten R. coUateralis
n. mediani.
M. brachialis.
89
Muskelbündellänge.
Minimum 4 cm
Maximum 10,8 „
Durchschnitt aus 22 Messungen 7,8 „
Unterschied in Centimetern G,8, in Prozenten 170 %.
Segmentbezüge.
5. 6. Cervicalnerv, sowolil bei den Zweigen des N. medianus, wie
bei denen des N. radialis.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
67
60
156
138
62,7
55
150
131,5
4,3
5
6
6,5
93,6
91,7
96,2
95,3
Durchschnitt aus diesen Messungen
105,3
99,8
5,5
94,2
Varietäten.
Der Muskel weist nur Varietäten von speziell anatomischem Inter-
esse auf: Trennung des Ursprunges zu beiden Seiten der Tuberositas
deltoidea scheinbar in 2 Köpfe, dann accessorische Bündel von dem
Septum intermusculare mediale. Wenn sich diese zum M. biceps
wenden, haben wir dessen Caput tertium vor uns. Die Beziehungen
des Ursprunges zu den Nachbarmuskeln (M. deltoideus und coraco-
brachialis) sind kaum als Varietäten aufzufassen.
Auch die eventuellen Ansätze des M. brachialis außer an der
Ulna noch am Radius, an der meistens „Chorda obliqua" genannten
Bildung verdienen nur theoretische Beachtung, da sie auch in dieser
Beziehung den M. brachialis als vollkommen analog dem M. biceps
gebaut erscheinen lassen, nämlich durch den doppelten Ansatz am
Vorderarme.
In den V. B. finden wir folgende Fälle : No. 214. Ansatz des
M. brachialis am Radius dicht unterhalb der Tuberositas. Ursprung
doppelköpfig, sowohl von der medialen wie von der lateralen Portion.
No. 292. Muskelkonjugation zwischen M. brachii und M. flexor pol-
licis longus.
M. trlceps brachii.
Synonyma : Dreiköpfiger Armmuskel, Vorderamstrecker, äußerer oder
hinterer Armmuskel ; M. extensor cubiti magnus ; brachialis s. brachiaeus
ext. s. post, triceps cubiti ; trlceps brachial, scapulo-ol^cränien Chaussier,
tri-scapulo-humero-ol^cränien Dumas.
Caput longum: langer Vorderarmstrecker, langer Knorrenmuskel ;
M. anconaeus longus, caput primum.
Caput laterale: äußerer Vorderarmstrecker ; M. anconaeus
brevis Albin, caput externum s. magnum s. secundum, Vastus externus
CRUVBiiiHiBR ; chef externe, portion moyenne, vaste externe.
89
90
M. trapezius
Lateraler Sehnen
Spiegel
M. infraspinatub
M. teres minor- —
M. teres majoi
M. latissimus dorsi
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Clavicula (eigentliche Schulterhöhe)
Tlr Fr ol
Sehnenspiegel des Triceps
M. triceps, caput longum
N. ul
Bursa subcutanea olecran
M. flexor carpi ulnaris
M. anconaeus
M. extensor carpi ulnaris
M. triceps, Caput
longum
Spitze des Sehnen-
spiegels
M. triceps, caput
laterale
M. brachioradialis
M. extensor carpi
radialis long^s
Lacertus fibrosus
m. tricipitis
M. extensor carpi
radialis brevis
M. extensor digi-
torum comnmnis
Fig. 49. Oberarm, Muskelbild von der Eückseite.
M. triceps brachii. 91
Caput mediale: innerer Vorderarmstrecker, M. anconaeus internus,
Caput internum s. tertium s. parvum, brachialis externus Albin, anconaeus
brevis Thbile. Vastus internus Cruveilhier ; chef interne, courte portion,
vaste interne.
Allgemeine Beschreibung.
Als einziger Muskel der Streckseite des Oberarmes deckt er die
Rückseite des Humerus fast vollkommen zu. Keilartig nach oben,
d, h. zum Schultergürtel, sich verschmälernd, reicht er mit einem zwei-
gelenkigen Kopfe, dem Caput longum, bis zur Tuberositas infragleno-
idalis scapulae. Die beiden anderen Köpfe beschränken sich auf das
Oberarmbein, finden aber eine scharfe Grenze ihres Ursprunges durch
den Sulcus spiralis des N. radialis. Die proximal hiervon entspringen-
den Muskelbündel vereinigen sich zum Caput laterale, unterhalb, also
distalwärts der Spiralfurche liegt bis in die Nähe des Ellbogengelenkes
die breite Ursprungsfläche des Caput mediale.
Die 3 Köpfe vereinigen sich in einer starken Endsehne, welche
ihren Hauptansatz am Olecranon findet, jedoch nicht allein auf diesen
Knochenpunkt beschränkt ist, sondern mit einer derben Aponeurose
noch auf die Streckseite der Vorderarmmuskulatur übergeht und
dabei besonders den M. anconaeus deckt.
Für diese Ausstrahlung schlagen wir, analog der Aponeurosis
bieipitis, dem Lacertus fibrosus, den Namen Aponeurosis s. Lacertus
fibrosus m. tricipitis vor. Radius und Ulna verhalten sich ja auf Vorder-
und Rückseite in bezug auf die Marken der Muskelansätze grund-
verschieden : vorn liegen Tuberositas ulnae und radii ungefähr in einer
Höhe, die beiden Beuger finden dort ihren getrennten Ansatz; auf
der Rückseite ist nur ein Knochenpunkt, nämlich nur an der Ulna zu
merken, das durch den Muskelzug mächtig nach oben ausladende
Olecranon ; der Radius dient keinem Streckmuskel zum Ansätze. Im
Gegensatze zur Insertion des Biceps mit der scharfen Sonderung in
Haupt- und Nebensehne, verliert die Aponeurosis tricipitis ihren Zu-
sammenhang mit der Hauptsehne nicht. Das Wesentliche ist aber
das Gleiche, eine Ausstrahlung der Sehne auf die Muskulatur des
Vorderarmes, sowohl bei dem Lacertus fibrosus anterior wie dem
posterior.
Die Wirkung ist gemäß dem Ansätze an dem nicht drehbaren
Knochen des Vorderarmes, der Ulna, hauptsächlich eine Streckung
zwischen Ober- und Vorderarm; durch den Ursprung des langen
Kopfes vom Schulterblatte kann bei fixiertem Schultergürtel auch der
ganze Arm nach hinten bewegt, also extendiert werden; bei fest-
stehendem Ellbogengelenke muß der Rumpf der Extremität genähert
werden; hierin und außerdem im Schutze des Schultergelenkes
gegen Luxationen unterstützt er den Biceps, dessen Antagonist er
sonst ist.
Von der größten Wichtigkeit ist die Durchbohrung des Muskels
durch den N. radialis, der ihm im übrigen auch seine eigenen Nerven-
zweige liefert. Dadurch zerfällt der Muskel in eine oberflächliche
und tiefe Schicht. Der ersteren gehören zwei Köpfe an : ein medialer,
das Caput longum, und ein lateraler, das Caput laterale. Die tiefe
Schicht unterhalb, d. h. distal vom Sulcus spiralis n. radialis wird
91
92 FROHSE und M. FRÄNKEL,
allein durch das Caput mediale gebildet. Letzterer Kopf liegt nicht nur
an der Innenseite des Oberarmes, sondern kommt außerdem noch an der
Außenseite zum Vorscheine und entwickelt sogar am Vorderarme noch
einen besonderen vierten Kopf, den M. anconaeus, der, obwohl an der
Außenseite der Ulna gelegen, durch den meist vorhandenen Zu-
sammenhang der Muskelbündel, regelmäßig der Innervation ent-
sprechend zum Caput mediale gerechnet werden muß.
Es wäre wohl angebracht, daß man bei dem sonst so schwer vei-
ständlichen Baue des Triceps, also der Streckgruppe, der Einteilung ge-
recht würde, wie sie bei der Beugegruppe am Oberarme als natürlich
erscheint. Die Beuger zerfallen ja, wie erwähnt, in eine oberflächliche,
zweiköpfige Schicht, den M. biceps, und eine tiefe, welche nur durch
einen Muskel, den M. brachialis, dargestellt ist; ebenso haben wir auf
der Streckseite eine zweiköpfige oberflächliche Lage, das Caput longum
und laterale, und eine tiefe Schicht in Gestalt des Caput mediale. Der
tiefen Schicht der Beuger und Strecker ist gemeinsam, daß sie zum
großen Teile von der oberflächlichen bedeckt, werden, aber sowohl an
der Außen- wie Innenseite unter der Fascie am Oberflächenbilde des
Oberarmes zu Tage treten. Unangenehm bei diesem Vergleiche ist nur,
daß seit alters her beim Biceps der lateral gelegene Kopf Caput longum
heißt, während der lange Tricepskopf medial gelagert ist. Wie bereits beim
Biceps erwähnt, ist aber das Muskelfleisch des Caput longum bei diesem
Muskel kürzer, als das des Caput breve, und das Ueberwiegen der Ge-
samtlänge einschließlich der Sehne ist verhältnismäßig auch gering, anders
als beim M. biceps femoris, wo man in der Tat mit Leichtigkeit ein
Caput longum und breve unterscheiden kann und außerdem, gemäß der In-
nervation, auch muß. Die Schwierigkeit eines passenden Namens gibt sich
ja zur Genüge durch die eingangs aufgeführten Synonyma kund ; wunder-
barerweise ist der so naheliegende Vergleich bei der Nomenklatur
dieses Muskels nicht ausgenützt worden.
Wir schlagen als natürliche Einteilung vor für Beuge- und Streck-
gruppe am Oberarme je:
1) eine oberflächliche Schicht mit einem Caput laterale und mediale ;
2) eine tiefe Schicht mit nur je einem Muskel;
3) eine Verlängerung zum Vorderarme über die 3 Hauptrauhig-
keiten der Vorderarmknochen, Olecranon, Tuberositas ulnae
und radii distal hinaus mit je einem Sehnenfascikel [für die
Beuger dem M. brachioradialis, für die Strecker dem M.
anconaeus (quartus)],
oder in lateinischer Ausdrucksweise:
Flexores Extensores
1. Stratum superficiale:
a. Caput laterale: Caput longum bicipitis Caput laterale tricipitis
b. Caput mediale: Caput breve bicipitis Caput longum tricipitis
2. Stratum profundum: M. brachialis Caput mediale tricipitis
3. Stratum antebrachii M. brachioradialis M. anconaeus (quartus)
(distale) :
lieber die Gründe, warum wir den M. brachioradialis dem M.
anconaeus gegenüberstellen, soll gehandelt werden, wenn ersterer
beschrieben wird, dessen Lage, Bau, Fascienverhältnisse, Funktion
und Innervierung uns überhaupt sehr ausführlich beschäftigen
werden.
92
M. triceps brachii. 93
Idiotopie und Skeletopie.
Caput longum. Das Caput longum entspringt vornehmlich
von einer Rauhigkeit dicht unterhalb des Schultergelenkes, dem Tuber-
culum infraglenoidale (besser würde man Tuberositas sagen), d. h. am
proximalen, unmittelbar an die Gelenkkapsel anschließenden Teile des
Margo axillaris scapulae. Ein Uebergreifen auf die Gelenkkapsel
selbst ist seltener. Wichtiger ist der Zusammenhang mit der Sehne
des M. latissimus dorsi. Wir haben diese Verbindung niemals ver-
mißt, obwohl sie bei den verschiedenen Individuen und auch an
beiden Armen desselben Körpers sehr wechselnd gestaltet sein kann.
Es ist eine sehnige oder lamellöse Arkade, welche den M. teres major
von vorn her zudeckt und gegen den Triceps drückt.
Der Hauptursprung von der Scapula ist sehnig, von außen her
betrachtet ; aber in der Tiefe, unter der oberflächlichen Sehnenschicht,
sind bereits Muskelbündel bis zum Knochen verfolgbar; es ist auch
hier ein Sehnentrichter vorhanden, welcher sich alsbald medialwärts
öffnet. Dadurch zerfällt die Ursprungssehne in eine vordere und
hintere Platte, welche lateralwärts noch sehnig zusammenhängen. Das
hintere Sehnenblatt ist nur kurz, das vordere dagegen sehr lang.
Vergegenwärtigen wir uns nun, wie die Achse des Schulter-
blattes, also der Ursprung, und weiterhin die Achse des Ober-
armbeines, also der eigentliche Verlauf des Muskelbauches ge-
richtet sind.
Das Schulterblatt steht ungefähr frontal und wird durch die
Weichteile nicht wesentlich in dieser Richtung verändert, der Ober-
arm dagegen, wohlgemerkt sämtliche Weichteile, die Haut miteinge-
schlossen, bewirken in der Ruhestellung der oberen Extremität, wenn
diese bequem dem Rumpfe anliegt, eine von rechts nach links zu-
sammengedrückte Form ; siehe auch Fig. 22. Die Hauptachse steht
also an dem Lebenden oder der unversehrten Leiche sagittal.
Diese Lageveränderung, eine Torsion nach innen, macht auch die
vordere Sehnenplatte mit; sie wendet sich am Oberarme nach innen
hin und bildet an der medialen Seite einen, selbst durch die Haut
sichtbaren Sehnen Spiegel, welcher das verkleinerte Bild des ganzen
langen Kopfes wiedergibt.
Caput laterale. Der äußere Kopf entspringt von der lateralen
Fläche des Humerus, sowohl oberhalb, wie unterhalb der Tuberositas
deltoidea. Letzterer Ursprung ist ohne weiteres sichtbar genau gegen-
über dem M. brachialis ; der obere Ursprung wird erst nach Hoch-
klappen oder Entfernen des M, deltoideus in ganzer Ausdehnung deut-
lich und läßt sich dann bis zum Collum chirurgicum, d. h. bis an die
Schultergelenkskapsel verfolgen. Die Unterbrechung des Ursprunges
durch die Tuberositas deltoidea bewirkt auch eine Abknickung der Ur-
sprungslinie, entsprechend diesem Punkte, indem hier ein nach vorn
stumpfer W^inkel gebildet wird. Durchtrennt man das Caput laterale
quer in der Mitte der Muskelbündellänge, so erkennt man beim Zurück-
klappen des oberen, proximalen Abschnittes, daß der Ursprung ver-
mittelst kurzer Sehnen statthat, welche schräg am Knochen ansetzen,
und außerdem, daß der Gesamtursprung oberhalb des Sulcus spiralis
n. radialis gelegen ist, und schließlich, daß beim Uebergange des N.
radialis von der Rückseite auf die Vorderseite des Oberarmes sich ein
93
94 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Sehnenbogen vorfindet, eine besondere Einrichtung im Septum inter-
musculare laterale.
Caput mediale. Der mediale Kopf entspringt fleischig von dem
Hauptteile der ganzen hinteren Fläche des Humerus, abwärts, also distal-
wärts vom unteren Rande des Sulcus spiralis bis in die Nähe des Ellen-
bogengelenkes. Da der Sulcus spiralis hoch oben und innen beginnt —
am Knochen bereits im oberen Drittel, während die Muskelbündel
sich noch bis zum Schultergelenke erstrecken können — und erst am
Ende des mittleren Drittels aufhört, müssen die medialen Ursprünge
bedeutend länger sein, als die lateralen.
Außerdem ist zu betonen, daß dieser Kopf nicht allein Knochen-
ursprünge hat, sondern auch von den beiden Septa intermuscularia
ausgeht, vornehmlich von dem medialen. Das Septum intermusculare
laterale wird unterhalb des Durchtrittes des N. radialis sehr niedrig
und ist bei muskelschwachen Personen kaum der Erwähnung wert.
Holotopie und Syntopie.
Die lange Portion wird zunächst auf der Rückseite etwas vom
M. teres minor bedeckt, dann legt sich aber alsbald der M. deltoideus
mit seinem hinteren Abschnitte wie eine breite Kappe über beide
Muskeln hin, weiter nach unten ist der lange Kopf nur von Fascie
und Haut bedeckt.
Aehnlich verhält sich das Caput laterale, welches oben durch den
M. deltoideus überlageret ist, unten nur Fascien- und Hautbedeckung
aufweist. Mit seiner tiefen Fläche deckt es den Humerus, im Sulcus
spiralis den N. radialis mit verschiedenen Muskel- und Hautästen
und die Zweige der Vasa profunda brachii, unterhalb desselben den
lateralen Teil des Caput mediale.
Dieses ist im übrigen durch die gemeinschaftliche Endsehne ver-
deckt, und zwar zum größten Teile. Aber zu beiden Seiten der End-
sehne wird noch Muskelfleisch dieses Kopfes sichtbar, besonders innen.
Der Triceps erscheint mit seinem Caput mediale sowohl an der Außen-
seite, wie besonders an der Innenseite, ist aber der Hauptsache nach
durch die Endsehne verdeckt, welche sich vornehmlich schon hoch
oben aus dem Caput longum und laterale entwickelt. An der
Innenseite ragt der Muskel bis an den Coracobrachialis, nach oben
hin, selbst darüber hinaus bis zum oberen Rande des M. teres major
oder sogar dem unteren Rande der Schultergelenkskapsel; weiter
unten liegt er gegenüber dem Brachialis und Pronator teres. Die
Abgrenzung gegen den letzteren durch das Septum intermusculare
mediale ist eine vollständige. Unvollständig dagegen ist sie gegen
den M. brachialis. Ueberdies weist das Septum intermusculare mediale
auch eine größere Lücke auf zum Durchtritt des N. ulnaris und
der Vasa collateralia ulnaria superiora nach hinten. In der Höhe
des Epicondylus lateralis läßt das Caput mediale ihn für eine Strecke
frei, so daß derselbe wie ein ovales Grübchen in dem ihn umgebenden
Muskelwalle zurücktritt, und distalwärts setzt er sich meistens un-
mittelbar in den M. anconaeus (quartus) fort.
Wie schon erwähnt, nehmen zwischen den 3 Köpfen des Triceps
im Sulcus spiralis der N. radialis und die Vasa profunda brachii
ihren Weg, am oberen Rande des Caput mediale und überlagert durch
94
M. triceps brachii. 95
das Caput longum und laterale, welche zusammen die oberflächliche
Schicht, die Decke, bilden.
Die Endsehne liegt vollkommen frei unter Fascie und Haut,
nur am Ellenbogen kommt eine geringe Ueberlagerung durch die
Bursa subcutanea olecrani zustande. In der Tiefe deckt sie das
Caput mediale zu, bis in die Nähe des Ellenbogengelenkes, dann die
obere Fläche des Olecranon und einen kleinen Teil der hinteren
Fläche der Ulna.
Die Gestalt der Endsehne, soweit sie am Oberarme liegt, glaubt
Frohse jetzt durch 3 ganz einfache Linien bestimmen zu können.
In der Breite des Olecranon , lateral etwas darüber hinaus zur
Peripherie hin, errichtet er 2 Senkrechten in der Achse des Oberarm-
beines. Die obere Begrenzung der Sehnenplatte wird durch eine
Linie gebildet, welche parallel dem allgemein bekannten hinteren
Rande des M. deltoideus verläuft. Diese ist in der Streckstellung
des Armes etwa öVg cm, in der Beugehaltung 10 cm weit vom Rande
des Deltamuskels entfernt. Auch beim Triceps kann man also selbst
durch die Haut hindurch die Kontraktionsbreite, speziell am Caput
laterale feststellen; sie beträgt ungefähr die Hälfte der meßbaren
Länge. Unsere Fig. 50, welche den losgelösten Triceps darstellt,
gibt diesen Betrachtungen eine schematische bildliche Erläuterung.
Sie entspricht auch dem Durchschnittsbefunde. Die beim Caput
laterale angegebene Länge des Muskelbauches mit 8 cm entspricht
einer Mittelstellung zwischen Beugung und Streckung. Gerade der
Triceps ist sehr ungünstig gestellt, indem eine Präparation des in
äußerster Streckung befindlichen Armes sich wohl nur in den selten-
sten Fällen, z. B. einer Strychninvergiftung, wirklich einwandsfrei er-
möglichen lassen wird. Die postmortale Streckung kann niemals das
wahre Bild einer Streckung in vivo einigermaßen hervorrufen.
Wirkung.
Duchenne will dem Caput longum m. tricipitis nur eine unter-
geordnete Stellung bei der Streckung des Vorderarmes zuerkennen und
ihm die besondere Bestimmung zuweisen, bei der Senkung des Armes
gegen die Schulter mitzuwirken.
Wir bemerken dagegen, daß für eine derartige Bewegung die An-
heftung am Humerus durchaus notwendig ist, welche in direkter Weise
nicht einmal bei den Varietäten zur Beobachtung kommt, wohl aber gibt
die Sebnenkonjugation, welche den Ursprunggsehnenspiegel des Caput
longum mit der Endsehne des M. latissimus dorsi verbindet, einen
indirekten Zusammenhang mit der Crista tuberculi minoris humeri.
Wie wechselnd indessen nach Breite und Dicke diese Verbindung,
welche wir als normal hingestellt haben, sich individuell gestaltet, ist
außerordentlich verschieden und dürfte demgemäß auch zu ganz ver-
schiedenen Ergebnissen bei der elektrophysiologischen Reizung führen.
Wir haiton jedoch diese Wirkung nur für eine accessorische, leugnen
andererseits aber nicht, daß dadurch auch der Gelenkkopf von dem
unteren Rande der Pfanne nach außen oder vorn gedrängt werden kann.
Unter allen Umständen bleibt als Hauptwirkung nach unserer Auffassung
die Streckung des Vorderarmes gegen den Oberarm, besonders bei senk-
recht erhobenem Oberarme und gebeugtem Vorderarme, weil dann der
Muskelbauch passiv gedehnt ist. Bei herabhängendem Oberarme macht
95
96
M. triceps brach ii. 97
sich die Wirkung nicht in der gleichen Weise bemerkbar, weil dann
der vollkommen erschlaffte Bauch infolge des stärkeren passiven Herab-
sinkens der Muskelmasse seine volle Wirkung nicht entfalten kann.
Uns ist es gelungen, bei senkrecht nach vorn gehobenem Oberarme die
isolierte Kontraktion ausschließlich des Caput longum auszulösen, und
sahen dann bei kräftiger Streckung des Vorderarmes den breiten Sehnen-
spiegel als grubige Vertiefung von dem Muskelwulste umrahmt.
An unserer Auffassung kann auch der S. 99 angeführte patho-
logische Fall nichts ändern, den wir im Auszuge nach Duchenne
unter den Bezeichnungen der B. N. A. anführen : 1) das Caput longum
streckt den Vorderarm nur schwach mit einer Kraft von 3 — 4 kg ; 2) der
M. anconaeus bewirkt, wenn die 3 Portionen des M. triceps atrophiert
sind, die Streckung des Vorderarmes mit etwas größerer Kraft, als die
lange Portion; 3) sowohl das Caput laterale, wie mediale führt die
Streckung des Vorderarmes mit großer Kraft aus.
Daß, wie unter No. 131 geschildert ist, bei Atrophie aller Muskel-
bäuche der vollständige Verlust der Streckung zur Beobachtung kam,
dürfte nicht sonderlich wundernehmen.
Solange nicht der Nachweis erbracht ist, in wie hohem Grade
die einzelnen Muskelbäuche ihrer Tätigkeit beraubt waren, solange
also nicht die Nachprüfung an dem gleichen Muskelpräparate statt-
gefunden hat, halten wir vereinzelte pathologische Daten gegenüber
der normalen Physiologie nicht für absolut beweisend. Daß bei par-
tieller Atrophie die Sicherheit der Bewegungen leidet und besonders
auch bei den Beugebewegungen von diesen Muskeln zu hastig aus-
geführt wird, ist eigentlich selbstverständlich.
Innervation des Triceps und Anconaeus.
Die gewaltige Muskelmasse wird vom N. radialis versorgt. Unsere
Figur zeigt den Muskel nach Entfernung der Knochen von der
Facies profunda. Das Caput mediale ist weiter ausgebreitet und
erscheint dadurch platter, als es seiner natürlichen Lage ent-
spricht. Auch das Caput laterale und longum sind so gelagert und
verschoben, daß möglichst viele Nerven zur Anschauung gebracht
werden konnten. Die Nerven für den gesamten Muskel, den An-
conaeus miteingerechnet, entspringen zu dritt unterhalb der Achsel-
höhle aus dem N. radialis und treten: zu dem Caput longum von
der medialen Seite, und zwar oberflächlich, zu dem Caput laterale
von der Tiefe her ein, während das Caput mediale seine Nerven
sowohl von der Oberfläche aus (an der medialen Seite) als von der
Tiefe (Pars lateralis) erhält. Der Nerv für den M. anconaeus
ist nur der Endast derjenigen Nerven, welche die Pars lateralis des
Caput mediale versorgen.
Die Nerven für das Caput longum treten aus einem gemein-
schaftlichen Stamme heraus zu verschiedenen Muskelinterstitien und
in wechselnder Höhe. Besonders haben die absteigenden Zweige einen
verhältnismäßig langen extramuskulären Verlauf im Vergleiche zu den
aufsteigenden. Die Präparation der intramuskulären Verzweigungen
ist bei der Dicke des Muskelbauches, dem oft sehr straff"en Binde-
gewebe und den zarten Nerven eine der schwierigsten von sämtlichen
Armmuskeln. Nerven für die Ursprungs- und Ansatzsehne ließen
sich nachweisen, ebenso, wenn auch nur bei einzelnen Köpfen, intra-
Handbuch der Anatomie. II, II, 8. "7
97
98 FROHSE und M. FRÄNKEL,
muskuläre Verbindungen. Das Caput laterale erhält in unserem Falle
2 Nerven aus einem Stamme, welcher auch die Pars lateralis des
Caput mediale, sowie den Anconaeus versorgt. Extra- wie intra-
muskuläre Verbindungen sind vorhanden. Das Caput mediale ist
durch seine Doppelinnervation interessant, indem die Pars medialis
einen besonderen Nervenzweig von seiner freien Oberfläche her er-
hält, dessen wir als R. collateralis n. ulnaris gedacht haben. Die
Pars lateralis bezieht ihren Nerven aus demjenigen Zweige, welcher
proximal das Caput laterale versorgt. Wir brauchen aber wohl nicht
besonders zu betonen, daß eine weitere Präparation proximalwärts
auch hier für die beiden versorgten Muskelabschnitte gesonderte
und keinen einheitlichen Nervenast hätte hervorgehen lassen. Die
Nerven für beide Teile des Caput mediale zeichnen sich durch ihren
sehr langen extramuskulären Verlauf aus; der mediale liegt ober-
flächlich, d. h. nur von Haut und Fascie bedeckt, wenn er auch in
seinem distalen Abschnitte sich von der Bahn des N. ulnaris ab-
zweigt, um sich in seinen Muskelbauch einzusenken. Für die Pars
lateralis haben wir oben die tiefe Lage erwähnt, müssen jedoch gleich-
zeitig darauf hinweisen, daß, wenn man den Muskel in situ, unter
Durchschneidung des Caput laterale präpariert, diese Nerven doch
als oberflächlich bezeichnet werden müssen, denn sie treten von der
präparatorisch freiliegenden Fläche aus ein, und nicht von der Facies
profunda des Muskels. Da \yir den Muskel jedoch von dieser Fläche
aus abgebildet haben, so konnten wir den extramuskulären Verlauf
nicht wie beim Caput longum und laterale in voll schwarzer Linie
darstellen, sondern gestrichelt. Den gleichen Kunstgriff" haben wir bei
den beiden Sehnennerven in blauer Farbe angewandt, welche das Ende
des R. collateralis n. ulnaris darstellen. Zwischen beiden Hauptnerven,
welche sich für die Pars medialis und lateralis des Caput mediale
finden, sind eine Reihe von intramuskulären Anastomosen vorhanden,
ein Beweis dafür, daß beide Portionen auch der Innervation nach zu-
sammengehören und nur künstlich oder klinisch getrennt werden können.
Besonders interessant ist die Art und Weise, wie sich der Nerv
für den M. anconaeus im wesentlichen aus einer Anastomose zwischen
den beiden langen Nerven für die Pars lateralis des Caput mediale
entwickelt, und, wie dann die intramuskulären Verzweigungen nochmals
eine Verbindung eingehen. An der Stelle der Anastomose haben
wir anstatt blau schwarz gewählt, unserer Darstellung gemäß, daß
ein extramuskulär gelagerter Teil, gleichviel ob er oberflächlich, oder
tief, wie in diesem Falle, liegt, schwarz gehalten werden muß.
Muskelbündellänge.
Caput longum: Minimum 8,6 cm
Maximum 10,1 „
Durchschnitt aus 9 Messungen 9,2 „
Unterschied in Centimetern 1,5, in Prozenten 17 Vo-
Caput laterale: Minimum 7,8 cm
Maximum 9,9 „
Durchschnitt aus 11 Messungen 8,9 „
Unterschied in Centimetern 2,1, in Prozenten 27 7o-
Caput medialje: Minimum 4,2 cm
Maximum 9,4 „
Durchschnitt aus 14 Messungen 7,8 „
Unterschied in Centimetern 5,2, in Prozenten 124 7o-
M. triceps brachii.
99
M. anconaeus: Minimum 2,8 cm
Maximum 4,1 „
Durchschnitt aus 7 Messungen 3,5 „
Unterschied in Centimetern 1,3, in Prozenten 46 "/o-
M. triceps in toto: Minimum 2,8 cm
Maximum 10,1 „
Durchschnitt aus 41 Messungen 7,7 „
Unterschied in Centimetern 7,3, in Prozenten 261 "/o*
Segmentbezüge, sämtlich aus den Cervicalnerven.
In toto 6. 7. 8. Caput longum 6. 7. 8. Caput laterale 6. 7. (8.).
Caput mediale (6.) 7. 8. M. anconaeus 7. 8.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
11. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
165
148
442
388
138
127,25
405,7
344
27
20,75
36,3
44
83,7
86
91,4
88:7
Durchschnitt aus diesen Messungen
285,8
253,7
34,1
87,5
Varietäten.
Dieselben sind recht selten. Das Caput longum kann unter
Umständen den ganzen axillaren Rand des Schulterblattes bis zum
Angulus inferior einnehmen. Mitunter beschränkt er sich sogar
nicht auf diesen Knochen, sondern greift noch auf das Oberarm-
bein über. Der überzählige Muskel kann bis zum Proc. coracoideus
reichen, an der Schultergelenkskapsel inserieren, sich von der Sehne
des M. latissimus dorsi loslösen, oder vom Humerus in der Nähe
des Collum chirurgicum entspringen. Wie wir bereits bei der Be-
schreibung des normalen Muskels erwähnt haben, dürfen die Ver-
bindungen des langen Bicepskopfes mit der Sehne des M. latissimus
dorsi durch Sehnenbündel die Regel darstellen. Das Vorhandensein
eines Muskelbauches an dieser Stelle deutet auf eine Theromorphie
(M. dorso-epitrochlearis).
M. anconaeus.
Synonyma: Ellenbogenmuskel, vierter Kopf des Streckers, M. anconaeus
quartus s. parvus s. brevis; ancone, 6picondylo-cubital Chaussibr, Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der kurze, dreiseitige Muskel stellt in seinem Fleische oft die un-
mittelbare Fortsetzung des Caput mediale des M. triceps dar und ist
regelmäßig durch die Art seiner Innervierung als unterster Teil des-
selben erkennbar. Aber im Gegensatze zu diesem vorwiegend mus-
kulös entspringenden und auch bleibenden Kopfe hat er eine starke
Ursprungssehne, welche noch weit in das Innere des Muskels hinein-
geht. Von der Tiefe des Epicondylus lateralis humeri geht die Ur-
7*
99
100 FROH-SE und M. FRÄNKEL,
Sprungssehne aus; die zuerst horizontalen Muskelbündel ziehen, je
weiter distal, um so schräger zur hinteren Kante der Ulna und ihrer
äußeren Fläche, an der sie das obere Drittel einnehmen, gegenüber
dem Ursprünge des M. supinator.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel ist kurzbündlig, aber dick. Obwohl die Ursprungs-
sehne von keinem anderen Muskel bedeckt ist, tritt sie doch so
sehr hinter den Muskelwulst zurück und wird auch durch die enge
Beziehung zur Kapsel des Ellenbogengelenkes so in der Tiefe ge-
halten, daß sie sich nicht am Oberflächenbilde des Lebenden beteiligt,
und es sogar einiger Aufmerksamkeit bedarf, um sie am Präparate
klar freizulegen.
Die proximalen Muskelbündel verlaufen horizontal zur hinteren
Kante der Ulna, wo sich dieselbe zum Olecranon verbreitert, gehen
aber nicht über den Außenrand desselben herüber, weil sie durch
den oben (siehe S. 91) beschriebenen Lacertus fibrosus m. tricipitis
überlagert und fest gegen die Ulna gedrückt werden. Einige Bündel
entspringen auch von der fibrösen Scheidewand zwischen ihm und
dem M. extensor carpi ulnaris.
Da die an der radialen Seite gelegene Sehne weit in die Muskulatur
ausstrahlt, finden wir eine Doppelfiederung.
Die Beziehungen des M. anconaeus zum medialen Tricepskopfe
sind verschiedene. Am häufigsten gibt es keinen nennenswerten
Zwischenraum zwischen beiden Muskeln. Die proximalen Bündel des
M. anconaeus schließen sich ohne Unterbrechung an die distalen
des Caput mediale an, wie auch der Ansatz an der Ulna diejenigen
Muskelbündel des Caput mediale des Triceps fortsetzt, welche an der
lateralen Fläche des Olecranon sich anheften. Auf Grund dieses Zu-
sammenhanges wird der M. anconaeus auch von manchen Autoren
mit Theile im Anschlüsse an den M. triceps beschrieben, unter dem
Namen M. anconaeus quartus s. parvus. Die Innervierung des Mus-
kels durch einen aus dem Caput mediale vom Oberarme herab-
steigenden Zweig des N. radialis und die gleiche Wirkung als Strecker
des Vorderarmes, geben dieser Auffassung des M. anconaeus als
vierten Tricepskopfes die anatomische und physiologische Berechtigung.
In einigen Fällen ist zwischen M. anconaeus und Caput mediale
m. tricipitis eine an Größe wechselnde, muskelfreie Lücke, in welcher
dann der Nerv für den M. anconaeus frei verläuft.
Weit seltener setzt sich die tiefe Lage des M. anconaeus mit
schräg nach oben gehenden Fasern unter dem medialen Tricepskopf
fort.
Holotopie und Syntopie.
Die präparatorisch freiliegende Facies superficialis wird zum
größten Teile von der Aponeurosis s. Lacertus fibrosus des M. triceps
bedeckt, die Sehne nur von der Fascie. Die Facies profunda geht
unmerklich in den Margo medialis über und entspricht dem Ursprünge
des Muskels am Epicondylus lateralis und dem Ansätze an dem proxi-
malen Viertel des Schaftes der Ulna. Die Facies lateralis entspricht
oberflächlich dem M. extensor carpi ulnaris, in der Tiefe dem M. supi-
nator. Die untere Spitze liegt noch im oberen Drittel der Ulna ; der
M. anconaeus, 101
obere Rand schließt sich meist an den medialen Tricepskopf an, in
der Tiefe liegt in dieser Höhe der Gelenkspalt und der obere Rand
des Capitulum radii.
Schleimbeutel.
Recht oft findet man unter der Ursprungssehne einen ziemlich
großen Schleimbeutel, welcher seine Entstehung sicherlich der Reibung
dieser Sehne gegen das Radiusköpfchen verdankt. Nach Grub er soll
sie bei jungen Individuen gewöhnlich fehlen, was jedoch nach Poirier
nicht richtig ist, der sie auch bei solchen in der Hälfte der Fälle
beobachtet hat. Beim Erwachsenen kommt es meistens zu einem
Durchbruche in die Gelenkhöhle. Trotzdem wäre es verkehrt, 'den
Schleimbeutel als eine Ausstülpung, einen Recessus der Gelenkhöhle
zu betrachten.
Wirkung.
Der ziemlich kräftige Muskel bewirkt die Streckung des Vorder-
armes gegen den Oberarm, wie die drei Köpfe des M. triceps.
Außerdem kann er aber die Ulna und damit den ganzen Vorder-
arm im Ellenbogengelenke etwas nach außen zur Seite wenden, eine
Bewegung, welche für die Pronation und Supination, also für die
Drehbewegungen des Radius sehr vorteilhaft ist.
Duchenne hat beschrieben, daß die Ulna beim Uebergange der
Hand von der Supination in die Pronation der Reihe nach 3 Phasen
durchmacht: 1) eine leichte Streckung, 2) eine geringe Bewegung von
innen nach außen, 3) eine schwache Beugung.
Der M. anconaeus bewirkt die zweite Bewegung, die Entfernung
der Ulna nach außen.
Muskelbündellänge.
S. beim M. triceps S. 99.
Segmentbezüge.
7. 8. nicht mehr 6. Cervicalnerv. S. auch hier M. triceps.
III. Vorderarmmuskeln.
Allgemeines.
Die Einteilung der Vorderarmmuskeln ist bei weitem schwieriger,
als die der Muskulatur des Unterschenkels, an welchem die drei
Gruppen : Strecker, Wadenbeinmuskeln und Beuger, mit Leichtigkeit zu
sondern sind. Die Grenzen werden da zum großen Teile durch
Knochen bestimmt, welche sonst an keiner anderen Stelle des Körpers
in solcher Ausdehnung muskel- und sehnenfrei zu Tage liegen, und
außerdem vermöge der starren Gelenkverbindungen so gut wie unbe-
weglich, parallel nebeneinander liegen, zum geringeren Teile durch
Zwischenmuskelbänder, welche bei jeder Haltung des Oberschenkels,
Unterschenkels oder Fußes senkrecht von oben nach unten verlaufen.
Anders beim Vorderarme: Nur die hintere Kante der Ulna nimmt
102 FROHSE und M. FRÄNKEL,
am Oberflächenbilde teil, und selbst die am Fuße so deutlichen Knöchel
sind an der Hand als Proc. styloidei mehr dem Gefühle als dem Ge-
sichte erreichbar. Viel wichtiger ist aber die Tatsache, daß beide Vorder-
armknochen beweglich miteinander verbunden sind. Die für die ana-
tomische Beschreibung meist als Grundstellung angenommene Supi-
nation, in welcher die Knochen einander parallel verlaufen, ist nicht die
natürliche. Wenn wir uns einen Menschen auf allen Vieren sich be-
wegend vorstellen, wie ja kleine Kinder tun, welche noch nicht aufrecht
zu gehen vermögen, so haben wir einen Vierhänder oder Vierfüßler vor
uns. Dann ist aber die Hand in Pronationsstellung, Ulna und Radius
kreuzen sich spitzwinklig. Der bei der Supination vollkommen lateral
gelegene Radius bleibt dann nur in seinem oberen Drittel lateral, im
mittleren liegt er vorn und in dem unteren medial; umgekehrt die
Ulna zuerst me4ial, dann hinten und schließlich lateral. Die dem
Knochen anhegenden Muskeln, Fascien und Zwischenmuskelbänder
machen die Drehung mit. Die vielfach schon bei der Supination vor-
handene Abweichung von der senkrechten Richtung kommt noch
stärker zur Geltung, woraus sich für die Beschreibung — und auch
für das schnelle Verständnis — große Uebelstände ergeben würden.
Wir halten deshalb auch an der Grundhaltung der extremen Su-
pination fest, bezeichnen also die Ränder des Vorderarmes als medial,
wohl auch der Ulna entsprechend als ulnar, und den äußeren als
lateral, oder auch, dem Radius entsprechend, als radial.
v. Bardeleben wünscht, und das mit gutem Rechte, daß die Be-
zeichnung „ulnar" und „radial" anstatt „medial" und „lateral" beim
Vorderarme Anwendung findet, und diese Bezeichnung auch auf die
Epicondylen des Humerus übertragen wird. Wir müssen jedoch auf
eine Schwierigkeit hinweisen, indem dann 3 Bezeichnungen für die beiden
Epicondylen des Humerus benutzt werden könnten : 1) Epicondylus humeri
medialis s. flexorius s. ulnaris ; 2) Epicondylus lateralis s. extensorius
s. radialis. Den Bezeichnungen der N. B. A. dürfte deshalb bis zu einer
Neuauflage zu folgen, und dieselben auch weiter beizubehalten sein, wenn
nicht durch die Majorität in diesem oder jenen anderen Sinne beschlossen
wird.
Bei der Abgrenzung der Muskelgruppen müssen wir in erster
Linie nach Knochenmarken suchen. Die meist sichtbare, sicher aber
deutlich fühlbare hintere Kante der Ulna dient schon seit alters her
als Grenze zwischen Beugern und Streckern. Am Radius haben wir
vergeblich in den Lehrbüchern nach einer ähnlichen Angabe gesucht.
Gleichwohl ist eine unverrückbare Grenze vorhanden, über welche
hinaus sich kein Beuger oder Strecker in das benachbarte Gebiet be-
geben kann. Das Bedürfnis nach dieser Linie ist auch weniger vor-
handen, weil der Radius zu sehr in der Tiefe verborgen liegt, und
besonders an der vorderen Fläche sich der M. brachioradialis mit
seinem Muskelfleische auch über die M. flexorii hinüberlegt.
Es sind- 2 Linien zu merken, welche ihren Scheitelpunkt am
Ansätze des M. pronator teres haben. Die obere, schräge entspricht
seinem proximalen Rande; äußerlich ist sie nur bis zu dem Punkte
sichtbar, wo der Muskel von dem M. brachioradialis überkreuzt
wird. Die untere, senkrechte folgt dem freien lateralen Rande
des Radius und endet dicht proximal von dem Proc. styloideus
entsprechend dem Ansätze des M. brachioradialis. Ob man diesen
Vorderarmmuskeln. 103
iskel seiner Funktion nach zu den Beugern oder seiner Lage nach
der Streckmuskelgruppe rechnen will, spielt für unsere augen-
blickliche Betrachtung keine Rolle. Der Ansatz liegt genau an der
Grenze und am Ende der Beuger und Strecker, und es mag dem
Belieben des Einzelnen überlassen bleiben, den Knochenpunkt als
zur einen oder anderen Gruppe gehörig zu betrachten.
Ursprung und Lage am Oberarme, wie auch am Vorderarme lassen
ihn zu den Beugern gehören, erst die Fascie scheint einen engeren
Anschluß an die Brachioradialgruppe zu bewirken, bei der er aus
topographischen Gründen beschrieben werden muß.
Nach Knochenansatz und Fascieneinrichtung ergeben sich nur zwei
große Muskelgruppen, eine innere, ulnare und eine äußere, radiale.
Die mediale Gruppe umfaßt die M. flexorii einschließlich der Prona-
toren, die laterale die M. extensorii einschließlich der sogenannten
Brachioradialgruppe mit dem M. supinator.
Wie die Haltung des Vorderarmes in Supination ausschließlich
aus Bequemlichkeitsrücksichten gewählt ist, so kann auch für die Ein-
teilung der Vorderarmmuskeln eine ebensolche gewählt werden, welche
einfach ist, ohne im wesentlichen von den gewöhnlichen Darstellungs-
weisen abzuweichen. Eine solche findet sich in M. Duval ^), welcher
die 20 Muskeln des Vorderarmes zunächst in die 3 Hauptgruppen
Flexoren, Extensoren und Brachioradialgruppe zerlegt, bei den beiden
ersteren, wie üblich, eine oberflächliche und tiefe Schicht unterscheidet
und, was das Wichtige ist, jeder der so entstehenden 5 Gruppen
4 Muskeln namentlich zuweist.
L M. flexorii:
a) oberflächliche Schicht:
1) M. Pronator teres,
2) M. flexor carpi radialis,
3) M. palmaris longus,
4) M. flexor carpi ulnaris;
b) tiefe Schicht:
5) M. flexor digitorum sublimis,
6) M. flexor digitorum profundus,
7) M. flexor pollicis longus,
8) M. Pronator quadratus;
IL M. extensorii:
a) oberflächliche Schicht:
9) M. anconaeus,
10) M. extensor carpi ulnaris,
11) M. extensor digiti minimi,
12) M. extensor digitorum communis:
b) tiefe Schicht:
13) M. abductor pollicis longus,
14) M. extensor pollicis brevis,
15) M. extensor pollicis longus,
16) M. extensor indicis proprius s. indicator;
1) 1. c. S. 181.
103
104 FROHSE und M. FRÄNKEL,
III. Brachioradialgruppe :
17) M. brachioradialis,
18) M. extensor carpi radialis longus,
19) M. extensor carpi radialis brevis,
20) M. supinator.
M. Pronator teres.
Synonyma: Länglicher oder runder Vorwärts- oder Einwärtswender
oder -dreher; M. pronator rotundus; long ou rond pronateur, pronateur
oblique (Winslow), grand pronateur (Bichat), epitroclileo-radial (Chaussibr^
Dumas).
Allgemeine Beschreibung.
Dieser am meisten proximal gelegene Muskel der Beugegruppe
des Vorderarmes besteht aus 2 Köpfen von sehr ungleicher Stärke,
welche vom Epicondylus medialis humeri bezw. von der Tuberositas
ulnae entspringen und sich in schräg nach unten und lateralwärts ge-
richtetem Verlaufe zu der Mitte des Radius begeben. Indem der
Muskel so die proximale Hälfte des Vorderarmes schräg durchschneidet,
kreuzt er auch die Flexions- und Rotationsachse des Ellenbogen-
gelenkes. Außer der besonders pronierenden Wirkung sind hier
schon seine wichtigen Lagebeziehungen zu den Gefäßen und Nerven
der Ellenbeuge zu erwähnen, deren mediale distale Begrenzung er
bildet. Noch über der ihn deckenden Fascie verlaufen die V. basilica
und mediana cubiti, sowie die Zweige des N. cutaneus antebrachii
medialis. An seiner freien Radialseite kommt zunächst der N. medianus,
der zwischen beiden Köpfen seinen Weg nimmt, den Muskel also
durchbohrt, dann die Vasa brachialia, deren Endäste den Muskel um-
fassen. Die Vasa radialia ziehen nämlich über das distale, radiale
Ende des Muskels hinweg, während die Vasa ulnaria noch unter
dem tiefen Kopfe ihren Weg ulnarwärts nehmen.
Idiotopie und Skeletopie.
I. Das Caput humerale entspringt:
1) vor allem vom Epicondylus medialis humeri, auf dessen ganze
vordere Fläche sich der humerale Ursprung beschränken kann ;
2) in der Regel aber auch im Anschlüsse daran vom Septum
intermusculare mediale ;
3) dazu kommt der Ursprung aus dem Sehnenblatte, welches ihn
vom M. flexor carpi radialis und digitorum sublimis trennt.
Der beim Ursprünge platte, radialwärts zugeschärfte Rand zeigt
an der freien Oberfläche sehnige Einlagerungen, ferner besonders an
der dem M. flexor carpi radialis zugewandten Fläche ein starkes ein-
heitliches Sehnenblatt. An der Stelle, wo ihn der Lacertus fibrosus
überkreuzt, ist der Bauch plattrundlich geworden, dann bleibt er noch
unterhalb desselben für eine Strecke unter der Fascie frei. In der
Tiefe tritt in diesem Bereiche gewöhnlich der tiefe Kopf an ihn heran.
IL Das Caput ulnare ist bei weitem schwächer und nicht einmal
immer vorhanden. Dasselbe entspringt mit platter Sehne am medialen
Rande der Tuberositas ulnae, unmittelbar neben der Ansatzsehne des
104
M. Pronator teres. 105
M. brachialis, mit der es häufig innig verbunden ist. An einem
unserer Präparate hatte das Caput ulnare eine kontinuierliche Ur-
sprungslinie von 5 cm.
Nach der Vereinigung beider Köpfe setzt der Muskel seinen
schräg radialwärts gerichteten Verlauf fort, verschwindet dabei aber
unter dem M. brachioradialis. Die Endsehne entwickelt sich nunmehr
und wird zunächst an der vorderen und proximalen Fläche des Muskels
frei, s. Fig. öl. Während sich die oberflächlichen Muskelbündel direkt
in die Sehnenfasern fortsetzen, gewinnen die kürzeren, distalen Bündel
unter spitzen Winkeln die Seitenfläche der Endsehne. Breit, stark,
jedoch abgeplattet tritt diese an die laterale Kante des Radius unter-
halb der Stelle, wo sich der distale Rand des M. supinator in um-
gekehrter Richtung um den Knochen nach vorn herumschlägt, und
windet sich schräg abwärts um den Radius herum, um noch etwas
auf die dorsale Fläche überzugreifen. Am Knochen ist diese ungefähr
in der Mitte des Radius gelegene Stelle meistens durch eine deut-
liche Rauhigkeit gekennzeichnet; vielleicht wäre für sie die Ein-
führung der Bezeichnung „Tuberositas pronatoria" angebracht.
Holotopie und Syntopie.
Betrachtet man den M. pronator teres im Zusammenhange mit
seiner Umgebung, so muß man den nur von der Haut und Fascie
bedeckten größeren Teil von dem unter der Brachioradialgruppe ver-
borgenen kleineren Endteile unterscheiden. Die Pars superficialis
zerfällt nun wieder durch den Lacertus fibrosus in 3 Unterabteilungen,
eine mittlere in seinem Bereiche, eine obere, proximale und eine
untere, distale. Die obere Abteilung begrenzt mit ihrem freien,
radialen Rande die Ellenbeuge von innen her; hier liegen der N.
medianus und radialwärts von ihm die A. brachialis (cubitalis) mit
Begleitvenen. Unter dem Lacertus fibrosus teilt sich die Arterie.
Während die A. radialis sich noch weiter dem radialen Rande des
Muskels anschließt, tritt die A. ulnaris unter den mittleren Teil, und
zwar, wie oben schon erwähnt, noch unter das Caput ulnare, falls
dieses nicht fehlt. Dabei gibt der schräge Verlauf des Lacertus
fibrosus zugleich die ungefähre Richtungslinie für die A. ulnaris
unter dem M. pronator teres an. An dem von der Brachioradial-
gruppe bedeckten, also ohne weiteres nicht sichtbaren Teile des
Muskels, ist besonders auf die spitzwinklige Ueberkreuzung durch
die A. radialis hinzuweisen, welche dem M. pronator teres so eng
anliegt, daß die injizierte Arterie am gehärteten Präparate eine deut-
liche Furche in dem Muskelfleische hervorruft. Auch der R. super-
ficialis n. radialis liegt noch über dem M. pronator teres, sowie der
M. extensor carpi radialis brevis. Ueber alle diese Teile legt sich aber
wie eine breite Decke der ulnarwärts abgerundete M. brachioradialis.
Mit der tiefen Fläche liegt er zunächst auf dem Epicondylus
medialis, dann auf dem M. brachialis, entsprechend dem medialen
Teile der Trochlea humeri, darauf legt sich der tiefe Kopf auf die
Ansatzsehne des M. brachialis, überlagert die A. ulnaris und den M.
flexor digitorum sublimis. Der schräge Verlauf des Muskels gibt
noch einen guten Anhaltspunkt für die Richtung des Ansatzes des
M. supinator und des Ursprunges des M. flexor pollicis longus, indem
diese drei Linien zusammenfallen.
105
106
FROHSE und M. FRANKEL,
Epicondylus medialis
Lacertus fibrosus m
bicipitis
Membrana interossea
M. Pronator quadratus
Epicondylus lateralis
Bursa bicipitoradialis
M. supinator
Fig. 51. M. pronatores teres et quadratus und supinator bei Supination, Muskelbild.
M. Pronator teres.
107
M Pronator teres, Caput
ulnare
M. Pronator teres, caput
humerale
Capitulum humeri
Capitulum radii
Hiatus superior canali:
supinatorii
M. supinator
Hiatus inferior canalis
supinatorii
Membrana interossea
M. Pronator quadratus
Capitulum ulnae
Fig. 52, M. pronatores teres et quadratus und supinator bei Pronation, Muskelbild.
108
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fig. 53. M. Pronator teres und supinator bei
Supination, Nervenbild. + Bursa bicipitoradialis.
Die untere, distale Fläche
schließt sich eng an die M.
flexor carpi radialis und digi-
torum sublimis an, so eng,
daß nur eine künstliche Tren-
nung möglich ist.
Wirkung.
Der Muskel hat bei su-
piniertem Arme eine hervor-
ragend pronierende Wirkung;
wenn die Zusammenziehung
nach vollendeter Pronation
weitergeht, muß auch eine
beugende Nebenwirkung ein-
treten. Aber diese Bewegung
ist für gewöhnlich unbedeu-
tend, nur wenn seine pro-
nierende Wirkung durch die
Kontraktion eines Antago-
nisten, z. B. des M. biceps,
aufgehoben ist, wird er zu
einem kräftigeren Beuger.
Liegt das Punctum fixum
am Vorderarme, z. B. beim
Klimmziehen am Recke mit
Untergriff^ d.h. bei Supination,
so beugt er den Oberarm
gegen den Vorderarm, genau
wie es die anderen, noch vom
Epicondylus medialis ent-
springenden Muskeln der
Beugegruppe tun. Daß der
bei den Streckern zu be-
schreibende M. brachioradialis
die gleiche Wirkung hat, sei
schon hier beiläufig erwähnt.
Innervation.
Die 1 — 3 Nervenzweige
verlassen den N. njedianus
an wechselnder Stelle, bald
schon hoch oben in der Ellen-
beuge, bald in ihrer Mitte,
bald erst unter dem Muskel.
Sie können sowohl medial-
wie lateralwärs vom Stamme
austreten, überkreuzen
ihn aber stets, bevor sie von
der Tiefe aus an den Muskel
herantreten. Gewöhnlich sind
M. Pronator teres.
109
es 2 Zweige, von denen der eine oberhalb des Lacertus fibrosus wesent-
lich zum Caput humerale zieht, der andere distalwärts von demselben
am freien radialen Rande des Muskels bis zur Höhe der Endsehne
herabsteigt und sich dann erst in die Tiefe senkt. Er versorgt außer
dem Caput ulnare noch einen beträchtlichen Teil der unteren Muskel-
bündel des Caput humerale, oder richtiger diejenigen, welche oben als
von der Aponeurosis intermuscularis entspringend beschrieben sind.
G e f ä ß V e r s 0 r gju n g.
"Wir geben hier einmal eine genauere Gefäßbeschreibung, weil
sie für den Kollateralkreislauf an der vorderen Seite des Ellenbogen-
gelenkes von "Wichtigkeit ist, und verweisen im übrigen auf die Dar-
stellung der Fascien.
Die Arterien kommen oben aus der A. brachialis, unten aus der A.
radialis, zum geringen Teile auch aus der A. ulnaris. Erwähnens-
wert ist nur die Anastomose zwischen der A. collateralis ulnaris
inferior und dem R. anterior der A. recurrens ulnaris, welche in Be-
gleitung einer ansehnlichen Vene an der medialen Seite des N.
medianus zwischen beiden Köpfen des M. pronator teres hindurch-
zieht. Die anderen Gefäße sind unbedeutende R. musculares.
Muskelbündellänge.
Minimum 3,9 cm
Maximum 7 „
Durchschnitt aus 11 Messungen 5,4 „
Unterschied in Centimetern 3,1, in Prozenten 80 %•
Segmentbezüge.
6. 7. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in tote
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
20
16 -
42
38
16,5
14
38,5
34
3,5
2
3.5
4
82,5
87,5
9i;3
89,5
Durchschnitt aus diesen Messungen
29
25,8
3,2
87,7
Varietäten.
Die meisten Varietäten spielen sich am Ursprünge vom Oberarm-
beine ab. Hier können sie bis zu seiner Mitte reichen und sich dort
von einem besonderen Proc. supracondyloideus loslösen. Notwendig
ist dieser Knochenvorsprung nicht und auch nicht das Umfassen des
Gefäßnervenbündels durch das Muskelfleisch des M. pronator teres.
Die dem Ursprünge benachbarten Gebilde: Septum intermusculare
mediale, M. brachialis bis hinauf zum Ansätze des M. coracobrachialis.
Fascia brachii bis herunter zu dem Lacertus fibrosus oder der Apo-
neurosis antebrachii können accessorischen Bündeln oder Köpfen zum
109
110 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Ursprünge dienen. Sie können auf eine kleinere oder größere Strecke
selbständig bleiben: Verdoppelung des Caput humerale. Ist gleich-
zeitig ein Caput ulnare vorhanden, so ist der Muskel drei- oder viel-
köpfig.
Der Ansatz am Radius kann mitunter eine beträchtliche Aus-
dehnung erfahren.
M. flexor carpl radialis.
Synonyma. Innerer Speichenmuskel, Speichenbeuger der Hand; M,
radialis int. s. anticus, Palmaris longus Gallorum, Flexor manus radialis ;
grand palmaire, radial anterieur, epitrochl^o-metacarpien Chaussier, Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der spindelförmfge Muskel entspringt von der Spitze des Epi-
condylus medialis humeri, zieht schräg lateralwärts nach distal und
entwickelt schon in der Mitte des Vorderarmes seine lange Sehne,
welche vornehmlich an der Basis des zweiten Mittelhandknochens ihren
Ansatz findet. Von seinem Ursprünge bis zum Handgelenke ist er nur
von Haut und Fascie bedeckt, also eine Pars superficialis; die
verhältnismäßig kurze Strecke von hier bis zum Ansätze wendet sich
immer mehr in die Tiefe. Diese Pars profunda verdient eine ganz be-
sondere Besprechung, nicht allein wegen ihrer eigenen Sehnenscheide,
sondern auch wegen der Beziehungen zum sogenannten Hohlhandtunnel.
Am wichtigsten ist jedoch die Namengebung mit Rücksicht auf die phy-
siologische Wirkung ; der augenblicklich durch die B. N. A. festgelegte
Name ist nämlich ein rein topographischer, weil er bezeichnet wird
als der radiale Handwurzelbeuger, obwohl er mit dem Radius nicht
das geringste zu tun hat. Wie man sich an seinem eigenen Arme
durch das Vorspringen bei Ulnarflexion oder Unverändertbleiben seiner
Sehne bei Radialflexion sehr leicht überzeugen kann, bewegt er die
Hand nicht radialwärts, sondern gegen den Ursprung hin, gegen
den Epicondylus medialis, d. h. ulnarwärts. Der M. flexor carpi
ulnaris entspricht seinem anatomischen Namen insoweit, als er noch
in großer Ausdehnung von der hinteren Kante der Ulna entspringt;
wir müssen aber hier schon- betonen, daß bei elektrischer Reizung
nur der vorderen Bündel die Hand radialwärts gebeugt wird.
Der Nerv, ein Zweig des N. medianus, tritt bereits hoch oben,
etwa an der Grenze zwischen dem oberen (proximalen) und mitttleren
Drittel des Vorderarmes, von der Tiefe her in den Muskel ein, was
ja verständlich ist, weil in der distalen Hälfte des Vorderarmes nur
unbedeutende Muskelbündel noch vorhanden sind.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung des Muskels vom Epicondylus medialis ist zwar
stark sehnig, aber räumlich recht gering, die Muskelbündel entwickeln
sich besonders aus den Aponeuroses intermusculares zusammen mit
denen der Nachbarmuskeln; die sogenannten Ursprünge aus der
Fascia antebrachii sind kaum der Rede wert und werden von uns in
anderer Weise aufgefaßt.
M. flexor carpi radialis. 111
Systematisch wäre also aufzuführen:
1) knöcherner Ursprung, starksehnig, aber abgeplattet, an der
Spitze des Epicondylus medialis;
[2) scheinbarer Ursprung von der Fascia antebrachii und dem
Lacertus fibrosus m. bicipitis;]
3) Hauptursprünge von den Aponeurosen, die ihn mit den Nachbar-
muskeln vereinigen und gleichzeitig das jeweilige Muskelfleisch von-
einander trennen. Diese Muskeln sind regelmäßig: lateral der
M. Pronator teres, unten, in der Tiefe, der M. flexor digitorum
sublimis; unregelmäßig ist der Abschluß nach innen. Da ist es ent-
weder der M. palmaris longus oder, wenn dieser, wie so häufig, fehlt,
ebenfalls der M. flexor digitorum sublimis.
Der sich aus diesen Ursprüngen entwickelnde Muskelbauch ist
in seiner Gesamtform spindelförmig, in der Architektur fiederförmig,
der gewöhnlichen Ausdrucksweise nach doppeltgefiedert, gebaut. Da
sich die Endsehne an der Oberfläche entwickelt, und zwar schon
in der proximalen Hälfte des Vorderarmes, konvergieren die ober-
flächlich gelegenen Muskelbündel gegen sie hin, wie die Blätter einer
doppeltgefiederten Pflanze gegen den Hauptstiel. Bis hierher trifft
der Vergleich zu; wir dürfen aber die in der Tiefe gelegenen Ur-
sprünge, welche überhaupt die Hauptmasse des Muskelbauches dar-
stellen, nicht vernachlässigen. Bereits in der Mitte des Vorderarmes
macht sich am Oberflächenbilde die beiderseits vom Muskelfleische
umrahmte Endsehne bemerkbar, welche jedoch wirklich frei erst im
distalen Drittel wird. Zuerst ist sie platt, je näher zum Handgelenke
hin nimmt sie cylindrische Form an und verschwindet am Ulnarrande
des Daumenballens etwas radialwärts von der Mitte in der Tiefe.
Hierbei erhält sie eine Schleimscheide, welche in den Abbildungen
meistens vernachlässigt wird, obwohl ihre Länge 6 cm erreichen kann.
Der Hauptansatz findet an der Basis des 2. Mittelhandknochens statt.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht der Fascie und Haut, die End-
sehne beherrscht in der ausgesprochensten Weise das Bild der Beuge-
seite. Besonders wenn der M. palmaris longus fehlt, springt sie bei
ulnarer Flexion der Hand als deutlich sichtbarer und leicht zu um-
greifender Strang hervor. Aber auch bei Dorsalflexion der Hand
macht sich ihre Gegenwart bei ihrer oberflächlichen Lage noch dem
Auge durch die hellere Farbe bemerkbar. Da der Vorderarm an
dieser Stelle auch bei fetten Leuten nur wenig Panniculus adiposus
aufweist, ist die Endsehne immer deutlich erkennbar, und praktisch
spielt sie ja, sei es beim Aufsuchen des Pulses oder des N. medianus,
die allergrößte Rolle. Die Facies medialis s. ulnaris und lateralis
s. radialis stellen im Muskelteile eigentlich nur die entsprechenden
freien Ränder dar, deren lateraler sich gegen den M. pronator teres,
und deren medialer sich gegen den M. palmaris longus bezw. den
M. flexor digitorum sublimis wendet. Im sehnigen Teile bildet die
A. radialis die laterale Nachbarschaft, der N. medianus besonders bei
Volarflexion der Hand und Beugung der Finger die mediale. Diese
Haltung muß allerdings gewählt werden, weil sonst der N. medianus
nicht an die Oberfläche gelangt, und nur der M. flexor digitorum
sublimis in Betracht kommt. Die Facies profunda entspricht gemein-
112 FROHSE und M. FRÄNKEL,
hin dem M. flexor digitorum sublimis, unter allen Umständen dann,
wenn die Hand dorsal flektiert, und die Finger gestreckt werden. Bei
der Wichtigkeit dieser Tatsache haben wir die beiden Figuren 13
und 14 beigefügt.
Wirkung.
Er beugt die Hand nicht nach radialwärts, wie die Bezeichnung
radialis vermuten lassen könnte, sondern vielmehr ulnarwärts gegen
den Epicondylus medialis hin. Das kann ja auch nicht wunder-
nehmen, wenn man sich den Verlauf des Muskels klar macht. Der
feste Punkt, das gewöhnliche Punctum fixum liegt ganz medial,
der Ansatz an der Hand, das gewöhnliche Punctum mobile,
ziemlich radial, jedenfalls radialwärts von der Mittellinie. Daraus er-
gibt sich, daß die Hand bei der Kontraktion des Muskels medial ge-
beugt werden muß. Wer diesen theoretischen Erwägungen nicht ohne
weiteres beipflichten will, überzeuge sich nur an dem eigenen Arme
oder dem eines geeigneten Modelies. Bei der Beugung der Hand
radialwärts verschwindet die Sehne fast in der Tiefe und kann von
dem palpierenden Finger unschwer nach rechts oder links verschoben
werden. Bei der Beugung der Hand ulnarwärts dagegen springt die
Sehne mit außerordentlicher Deutlichkeit hervor und setzt den palpa-
torischen Untersuchungen energischen Widerstand entgegen. An ge-r
eigneten Armen kann man sogar den ganzen Verlauf des M. flexor
carpi radialwärts durch die Haut erkennen, besonders wenn man den
untersuchten Arm hoch heben läßt, damit vor allen Dingen die Haut-
venen blutleer werden. Dann sieht man bei Dorsalflexion und radialer
Abduktion der Hand den Muskelbauch passiv gedehnt, d. h. hand-
wärts verschoben, bei der Kontraktion des Muskels, d. h. der ulnaren
Flexion der Hand dem Epicondylus medialis zugerückt. Man kann
unter Umständen das ganze Spiel des Muskels beobachten, wie er
sich in seinem Fascien-, bezw. aponeurotischen Bette hin und her
bewegt.
Die eben von uns gegebene Schilderung, welche wir vor der Kenntnis-
nahme des Buches von Duchenne: Die Physiologie der Bewegungen,
niedergeschrieben und in dieser Form absichtlich beigehalten haben, gibt
uns nach unserer Meinung das Recht, auch seine sonstigen Untersuchungen
einer scharfen Nachprüfung zu unterziehen. Denn gerade bei diesem
so leicht der elektrischen Reizung zugängigen Muskel hätte er auf unsere
Folgerungen kommen oder wenigstens den Widerspruch mit den üblichen
Darstellungen ahnen müssen. Bei der Wichtigkeit dieses Punktes sei
der S. 125 angeführte kurze Absatz wörtlich erwähnt:
„Wird der Radialis internus [M. flexor carpi radialis] faradisiert,
so beugt er zuerst die Hand gegen den Vorderarm. Bei einem
stärkeren Kontraktionsgrade bringt er die Hand in Pronation. Wenn
man die Pronation verhindert und die Hand in Supination festhält,
so bemerkt man, daß der äußere Rand der Hand sich mehr beugt,
als ihr innerer, und daß die Palmarfläche ein wenig nach innen
sieht."
Der behauptete Einfluß auf die Pronation ist undenkbar, weil dazu
eine Anheftung des Muskels am Radius gehörte, und höchstens erklär-
lich durch eine passive Wirkung auf die Haut, welche bei Anspannung
M, flexor carpi radialis.
113
der Sehne die Verlaufsrichtung des M. pronator teres in -stumpferem
Winkel wiedergibt. Wahrscheinlicher wirkt aber die Elektrizität bei
stärkeren Strömen gleichzeitig auf den M. pronator. teres selbst (s. Fig. 54).
Innervation. "
Der in der oberen Hälfte des Vorderarmes gelegene spindel-
förmige Muskelbauch erhält seinen Nerven von der Facies profunda
aus, und zwar benutzt derselbe ein sehnig umgrenztes Loch zum
Durchtritte, welches entweder im Ursprungsgebiete des M. flexor digi-
torum sublimis liegt oder an der Grenze dieses und des M. pronator
teres. Bei der Muskelbeschreibung ist bereits darauf hingewiesen
worden, wie er von der Aponeurosis muscularis eingescheidet wird;
ferner darauf, daß die Hauptmasse des Muskelbauches,,an der Grenze
des oberen und mittleren Drittels des Vorderarmes gelegen ist. Dicht
darüber, also noch im proximalen Drittel des Vorderarmes, liegt die
anatomische Eintritts- und auch die elektrische Reizungsstelle des
Nerven. Alsbald teilt sich dann der Nerv in 2 oder mehr Aeste. Die
rückläufigen Zweige sind weniger stark als die absteigenden. Beide
konnten wir bis in die Nähe der Ursprungssehne und das distale
Ende des Muskelfleisches verfolgen und außerdem mehrere intra-
muskuläre Verbindungen nachweisen.
Muskelbündellänge.
Minimum 4,5 cm
Maximum 6,7 „
Durchschnitt von 12 Messungen 5,8 „
Unterschied in Centimetern 2,2, in Prozenten 50 "/o*
Segmentbezüge.
6. 7. (8). Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. Unker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. Hnker starker Arm
15
12
33
30
11,2
10,5
26,5
23
3,8
1,5
6,5
67
87,5
80,3
77
Durchschnitt aus diesen Messungen
22,5
17,8
4,7
77,9
Varietäten.
Die Varietäten beim Ursprünge betreff'en Verbindungen mit
1) M. biceps,
2) Ulna und
3) Radius;
die des Ansatzes Insertionen am:
1) Lig. carpi transversum,
2) Os naviculare,
3) Os multangulum majus.
Handbuch der Anatomie. II, II, 8. Q
"3
114
M. trio
Caput mediale
Septum intermusculare mediale
M . f lexor digitorum
iblimis, Caput pro
■■ ito IV
M. palmaris longus
M. flexor digitorum
profundus
Tendo intermedius flexor
indicis sublimis
M. flexor digitorum sublim:
Caput pro digito V
M. flexor carpi ulnaris
M. flexor carpi radialii
M. flexor digitorum sublimis,
Caput radiale pro digito III
M. flexor digitorum sublimis,
venter inferior pro digito II
M. Pronator quadratus
Os pisi forme
M. flexor poUicis longus
M. abductor
pollicis longus
.Lig. carpi
volare
Fig. 54. Beugeseite des Vorderarmes
mit Projektion der Verzweigung des
N. medianus.
^.»«3-'■'i^-
M. flexor carpi radialis. 115
p
^^ß Recht häufig findet sich auch ein Uebergreifen der Endsehne auf
! <1as Os metacarpale III, selbst IV.
In den V. B. findet sich unter No. 82 ein Flexor carpi radialis
brevis, welcher von der Ulna entspringt und vor dem langen am
Os multangulum majus und den Handbändern ansetzt. Unter No. 104
ist folgender Fall beschrieben: Der M. pronator quadratus fehlte
beiderseitig, dafür war jedoch ein M. flexor carpi radialis brevis vor-
handen. Ursprung von der Ulna sowohl, wie vom Radius. Ansatz
fächerförmig vor dem eigentlichen M. flexor carpi radialis am Os
multangulum majus und minus, sowie den volaren Handbändern.
No. 420. 2 M. flexores carpi radiales.
M. palmaris longus.
Synonyma: Langer Hohlhandmuskel, Handsehnenspanner; petit
palmaire Poirier, long palmaire, palmaire grele Cruveilhier, 6pitrochl6o-
palmaire Chaussier, epitrochleo-carpi-palmaire Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Da dieser Muskel zu den wenigen gehört, welche in der ganzen
Ausdehnung oberflächlich liegen, und er außerdem recht häufig voll-
kommen fehlt, muß sich letztere Tatsache mit Leichtigkeit an jedem
Arme, besonders dem des Lebenden feststellen lassen. Wenn er vor-
handen ist, springt seine Sehne nämlich bei der Handbeugung als
dünner Strang am allermeisten vor sämtlichen anderen Sehnen hervor.
Er liegt mit seinem Muskelbauche zwischen den M. flexores carpi
radialis und ulnaris, ersterem dicht angeschmiegt, von letzterem ge-
wöhnlich durch eine an die Oberfläche des Vorderarmes gelangende
Abteilung des M. flexor digitorum sublimis getrennt.
Es gibt keinen anderen Muskel des menschlichen Körpers, welcher
so enorme Unterschiede nach Ursprung, Lage und Größe, Vorkommen
und Fehlen, Einköpfigkeit, Zweiköpfigkeit u. s. w. aufweist, wie gerade
der M. palmaris longus.
Vergleichend-anatomisch ist der Zusammenhang mit der Aponeurosis
palmaris erwähnenswert. Auch wenn der M. palmaris longus fehlt,
ist diese aponeurotische Platte immer vorhanden, d. h. der Muskelbauch
am Vorderarme, welcher diese Aponeurose hervorgehen ließ, ist
hinterher degeneriert und dem Auge verschwunden.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung liegt an dem scharfen Winkel des Epicondylus
medialis (ulnaris) humeri. »
Wir wollen hier den Muskel so darstellen, wie er für gewöhnlich
beschrieben und abgebildet wird, als spindelförmigen dünnen Muskel-
bauch, der ungefähr in der Mitte des Vorderarmes in seine dünne
Endsehne übergeht und in der Hohlhand in die Aponeurosis palmaris
ausstrahlt. Wer einmal diesen Muskel an einer Reihe von Präparaten
durchgearbeitet hat, wird wissen, daß diese Schilderung nur kon-
ventionell ist.
In normalen Fällen liegt der Ursprung in einem fibrös-sehnigen
Trichter, welcher hautwärts von der Fascia antebrachii und dem
8*
"5
116 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Lacertus fibrosus bicipitis, radialwärts vom M. flexor carpi radialis,
ulnarwärts und in der Tiefe vom M. flexor digitorum sublimis ge-
bildet wird. Sämtliche Grenzen sind aponeurotisch. Auch hier müssen
wir hervorheben, daß die Fascien, wie es sonst wohl beschrieben
wird, nichts mit dem Muskelursprunge zu tun haben.
Die End sehne bettet sich frühzeitig in eine Duplikatur der Fascia
antebrachii ein, entwickelt aber keine Sehnenscheide; deshalb nicht,
weil weder haut- noch knochenwärts eine Reibung an festen Gebilden
statthat.
Eine weitere Beschreibung ist nach den vielen angedeuteten
Varietäten in dieses Gebiet zu verweisen, auch die Wirkung wird
erst bei der Aponeurosis palmaris behandelt werden.
Innervation.
Der Muskel ist nach der Häufigkeit seines Vorkommens und der
Mächtigkeit seiner Entwickelung den größten individuellen Schwan-
kungen unterworfen, selbst an den beiden Seiten desselben Körpers;
dementsprechend auch seine Innervation. Ulnar von dem M. flexor
carpi radialis gelagert, erhält er seinen meist sehr feinen und schwer
darzustellenden Nerven durch die Muskulatur des M. flexor digi-
torum sublimis hindurch; bisweilen ebenfalls unter Bildung eines
Sehnenloches; was aber von großer Wichtigkeit ist. Er tritt weiter
proximal in seinen Muskel ein, als der Nerv für den M. flexor carpi
radialis. Unsere anatomischen Befunde sind inzwischen von Toby
CoHN bei unseren gemeinschaftlichen Untersuchungen, welche wir
am Lebenden angestellt haben, bestätigt und bei der dritten Auflage
dieses Autors umgeändert worden.
Die innere Verzweigung bietet keine Besonderheiten und ist die
der spindelförmigen Muskeln.
In der Astfolge der Zweige des Medianus, welche dieser zu den
Muskeln des Vorderarmes liefert, steht er an zweiter Stelle, und zwar
sondert sich der Nerv gewöhnlich aus demjenigen Aste ab, welcher
die zahlreichen Zweige für den oberen Bauch des M. flexor sublimis
für den Zeigefinger liefert.
Anmerkung. T. Cohn hat den gewiß sehr anerkennenswerten
Vorschlag gemacht, die Maßbestimmungen an einem Individuum nach
der Breite der 3 mittleren Finger des Patienten zu machen. Wir
halten es aber für einfacher und bequemer, solche topographischen
Bestimmungen nach Centimetern zu geben unter Angabe der Knochen-
länge von dem entsprechenden Teile des Armskeletes. Wenn wir
von diesem Gesichtspunkte ausgehen wollen, so liegt die günstigste
Reizungsstelle für den M. flexor carpi radialis 9 cm distal vom Epi-
condylus medialis humeri, etwas ulnarwärts von der Mittellinie des
supinierten Vorderarmes.
Für den M. palmaris longus liegt die Reizungsstelle etwa 7 cm
distal vom Epicondylus medialis, dem Ulnarrande des Vorderarmes
näher, als der Mittellinie.
Segmentbezüge.
7. 8. Cervicalnerv, I. Thoracalnerv.
Ii6
M. palmaris longus.
117
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
11. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
5
8
8
3,7
6
5,5
1,3
l
74
75
68,7
Durchschnitt aus diesen Messungen
7
5,1
1,9
72,9
Varietäten.
Dieser Muskel variiert eigentlich so häufig, daß man keinen
Typus aufstellen kann.
Wir haben diese Tatsache schon oben vollauf berücksichtigt und
geben deshalb nur eine eigene Angabe. Jede genauere Untersuchung
kann neue Varietäten kundtun. Wir möchten unsererseits die künftigen
Beobachtungen auch auf die Innervation ausgedehnt wissen, weil wir
eine teilweise Versorgung dieses Muskels auch durch den N. ulnaris nach-
weisen konnten. — Obwohl der Muskelbauch beim Erwachsenen in-
konstant ist, muß seine sehnige Endausbreitung als konstante und vom
Muskel unabhängige Bildung bezeichnet werden. Wir haben deshalb der
Aponeurosis palmaris einen besonderen Abschnitt gewidmet, dessen
Umfang über das gewöhnliche Maß hinausgeht.
Das Fehlen ist von W. Gruber beiderseits auf 22 Proz., einer-
seits auf 27 Proz. festgelegt. Der ganze Muskel kann fleischig sein,
Henle, oder bloß das mittlere Drittel, andererseits das mittlere
Drittel sehnig und ein oberer und unterer Bauch, M. digastrique
Macalister, oder nur ein breiterer oder schmaler sehniger Streifen.
Er kann auch dicht oberhalb des Handgelenkes entspringen von der
Fascia antebrachii, Hallet, oder oben vom Lacertus fibrosus, Grüber,
und den benachbarten Muskeln (Flexor carpi ulnaris und radialis), oder
auch mit überzähligen Bündeln von den Knochen selbst, vom Humerus,
Radius oder Ulna; kurz und gut der Ursprung ist den außerordent-
lichsten Schwankungen ausgesetzt; ebenso aber auch der Ansatz:
entweder schon an der Fascia antebrachii,
oder am Thenar,
oder am Carpus,
oder an den Beugesehnen,
oder am M. abductor pollicis longus.
Aber nicht genug hiermit; der Muskel kann sich auch verdoppeln,
besonders in der Sehne, und jede Sehne kann sich der oben ge-
schilderten Ansatzmöglichkeiten bedienen.
Aus allen diesen Gründen halten wir es für zwecklos, für den
M. palmaris longus eine Norm für Ursprung, Muskelbauch oder An-
satz aufzustellen.
In den V. B. finden sich neben vielen anderen 2 Fälle von Ver-
doppelung des Muskels, wobei der accessorische Muskelbauch im
unteren Drittel, No. 289, oder im mittleren Drittel, No. 396, gelegen
sein kann. Ferner findet sich eine Angabe über eine vierfache Teilung
der Endsehne No. 220, des weiteren 3 Fälle eines M. palmaris pro-
fundus No. 193. Die Sehne verschmilzt mit der des M. flexor digi-
torum profundus. — No. 438. Der M. palmaris profundus entspringt
118 FROHSE und M. FRÄNKEL,
unter dem M. pronator teres an der lateralen Kante des Radius.
Muskelbauch auf dem M. flexor pollicis longus. Endsehne unter dem
M. flexor carpi radialis, über dem N. medianus und unter dem Lig.
carpi transversum gelagert. Definitiver Ansatz in der Palmarapo-
neurose. — No. 460. Ursprung von der Facies profunda des M. flexor
digitorum sublimis. Ansatz erst in der Vola oberflächlich.
Eigene Beobachtung: Rechter Männerarm. Der M. palmaris
longus entspringt überhaupt nicht vom Epicondylus medialis humeri,
sondern zweiköpfig von beiden Vorderarmknochen. Der kleinere ulnare
Kopf löst sich mit schmaler Ursprungssehne von der Ulna in der
Höhe ihrer Tuberositas los, ist mit seinem dünnen spindelförmigen
Bauche 7 cm lang und geht mit dünner Endsehne in diejenige des
radialen Kopfes über. Der letztere entspringt unter dem M. pro-
nator teres und dem Caput radiale des M. flexor digitorum sublimis
mit breiter platter Sehne, welche einen 11 cm langen, bis 1,5 cm
breiten spindelförmigen Muskelbauch hervorgehen läßt. Nach der
Unterkreuzung der Sehne des M. flexor carpi radialis wird die über
dem N. medianus gelegene Endsehne frei und findet in der Folge
den gewöhnlichen Ansatz in der Hohlhand. Unser Fall ist beinahe
identisch mit dem oben unter No. 438 beschriebenen der V. B.
(Jedoch haben wir die Empfindung, daß dort unter dem Lig. carpi
transversum das Lig. carpi volare zu verstehen ist.)
M. flexor carpi ulnaris.
Synonyma : Ellenbogenbeuger der Hand, innerer Ellenbogenbeuger,
innerer Ellenbogenmuskel, (abgekürzt: Ellenbeuger Prohse); M. ulnaris
internus Albin; Cubital anterieur Cbüveilhier, cubital interne Winslow,
cubito-carpien Chaussibr, epitrochl6o-cubito-carpien Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Dieser vierte und letzte, ganz ulnar gelegene Muskel der ober-
flächlichen Beugeschicht hüllt in Form einer muskulös-sehnigen Platte
die vom M. flexor digitorum profundus überlagerte Ulna ein. Seine
Ursprünge sind scharf durch folgende Knochenmarken begrenzt:
Epicondylus medialis humeri, Olecranon und im Anschlüsse daran die
hintere Kante der Ulna in ihren beiden oberen Dritteln, während das
distale Drittel der Ulna und der hier liegende untere Teil des M.
flexor digitorum profundus, sowie ein kleiner Teil des M. pronator
quadratus nur von Fascie bedeckt werden. Sehr verwickelt und zu-
dem in der Tiefe verborgen ist sein Ansatz: zunächst scheinbar am
Erbsenbeine, welches als Sesambein in der Sehne aufgefaßt werden
muß, und noch mehr durch die von diesem Knochen ausgehenden Lig.
piso-hamatum und piso-metacarpeum, welche ja von dem fleischigen
M. abductor digiti V. bedeckt sind.
Chirurgisch -anatomisch ist besonders der vordere Rand wichtig,
welcher den Epicondylus medialis humeri mit dem vorderen Rande
des Erbsenbeines verbindet, die sogenannte „Richtungslinie" für die
Aufsuchung der A. ulnaris. Dies Gefäß tritt erst im mittleren Drittel
des Muskels unter ihn, während der N. ulnaris in seinem ganzen Ver-
laufe am Vorderarme von dem Muskel bedeckt wird und erst am Hand-
gelenke zu beiden Seiten der Sehne sichtbar wird, vorn mit dem volaren,
gemischten Hauptzweige, hinten mit dem rein sensiblen R. dorsalis manus.
. ii8
M. triceps, caput mediale
Epicondylus medialis
M. fleior digitorum
profundus , ^
M. flexor digitorum sub-
limis, caput radiale pro
digito UI
Fig. 55. M. flexor carpi
xilnaris (Varietät mit
Innervation).
120 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Vielfach spricht man von einer Durchbohrung des Muskels am
Ellenbogengelenke in der Höhe des Sulcus ulnaris humeri durch den
N. ulnaris; es ist aber an dieser Stelle, wie hinterher genauer be-
schrieben wird, nur eine Ueberbrückung vorhanden; in Wirklichkeit
bildet sich sogar ein Canalis cubitalis posterior n. ulnaris, s. Fig. 56.
Was nun die Wirkung anlangt, so muß als hauptsächlichster
Punkt hervorgehoben werden, daß der Name M. flexor carpi ulnaris
ein rein anatomischer, und zwar im topographischen Sinne ist.
Obwohl in den anatomischen Lehrbüchern vielfach, in den älteren
sogar allermeist angegeben wird, daß der Muskel die Hand ulnar-
wärts wendet, tut er es nur mit den hinten entspringenden Bündeln,
während die vorn gelegenen die Beugung nach radial- und vorwärts
ausführen.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung ist unmittel- oder mittelbar ein knöcherner, von
dem Humerus und der Ulna. Die beiden, ungleichartigen Köpfe
unterscheiden wir deshab als
1) kleineres Caput humerale;
2) größeres Caput ulnare.
Der keilartige, dünne Ursprung vom Humerus beschränkt sich
nach der gewöhnlichen Darstellung, die wir hinterher noch auf ihre
Genauigkeit prüfen, auf die Spitze des Epicondylus medialis, setzt
sich aber durch einen nach unten konvexen Sehnenbogen unmittelbar
zum Olecranon fort, bis an die Insertion des M. triceps, und zwar seines
Caput mediale, heran. Zieht man von diesen beiden Knochenpunkten,
dem Epicondylus medialis humeri und der vorderen, medialen Ecke des
Olecranon, entsprechende Linien zum vorderen und hinteren Rande des
Erbsenbeines, so hat man die ungefähre Umgrenzung des Muskel-
fleisches. Was hinter der hinteren Linie liegt, ist nur noch Ur-
sprungsaponeurose, welche, in der angegebenen Grenze bis zur hinteren
Kante der Ulna reicht. Der langgestreckte Muskel muß also in zwei
Abteilungen zerlegt werden, ein vorderes muskulöses Dreieck, in dem
auch die ganze Endsehne enthalten ist, mit der Basis am Ellen-
bogengelenke und der Spitze am Erbsenbeine, und eine hintere, un-
gefähr spindelförmige aponeurotische Platte, deren vordere Linie sich
unmittelbar aus dem Muskelfleische entwickelt, und deren hintere den
proximalen zwei Dritteln der hinteren Kante der Ulna entspricht.
Der Muskelbauch selbst ist doppelt gefiedert: vorn verlaufen die
Bündel senkrecht nach unten, hinten haben sie eine schrägere Rich-
tung zu der Endsehne hin, die sich näher dem vorderen Rande
bereits hoch oben, proximal entwickelt. Die Muskelbündel enden erst
in der Nähe des Handgelenkes. Hieraus erklären sich zwei wichtige
Tatsachen :
1) Die Sehne kann sich nicht, wie beim M. flexor carpi radialis,
während der Muskelzusammenziehung als scharfbegrenzter, rundlicher
Strang harausheben.
2) Da die Gegenwart von Muskelfleisch auch eine Fascie er-
forderlich macht, finden wir eine scheinbare Verdoppelung derselben,
wenn wir bei der unteren, distalen Unterbindung der A. ulnaris in
der von v. Bergmann -Rochs (v. Bergmann u. Rochs, Anleitende
Vorlesungen für den Operationskursus an der Leiche, 2. Aufl. 1892, S. 45)
angegebenen Weise auf die Sehne einschneiden. Das oberflächliche
M. flexor carpi ulnaris.
121
Blatt ist die Fascia antebrachii, zusammenhängend mit dem vorderen
Teile der Muskelbinde, das tiefe Blatt entspricht ihrem hinteren Teile.
Bei der Durchsicht des Manuskriptes und der Anfertigung eines
letzten Kontrollpräparates fanden wir auch beim M. flexor carpi ulnaris
eine unseres Wissens noch nicht beschriebene Besonderheit, die sich
vielleicht als Norm erweisen dürfte, nämlich im Anschlüsse an das
Caput humerale eine kontinuierliche sehnige Ursprungsplatte zunächst
Epicondylus medialis
Capsula articularis cubiti
M. supinator
Bursa bicipitoradialis
und Bicepssehne
Linea supinatoria radii —
M. flexor pollicis longus_
Olecranon
Hiatus superior
canalis cubitalis
Lig. collaterale mediale
M. flexor carpi ulnaris
Hiatus inferior canalis
cubitalis
M. flexor digitorum
profundus
0:5.
*^
i "
Fig. 56. Canalis cubitalis n. ulnaris. Nat. Gr.
vom Lig. collaterale mediale und dann noch von der Ulna selbst. Die
Ursprungslänge betrug in unserem Falle 3 cm. Vermöge des schräg
gerichteten, freien unteren Randes erwies sich jedoch die Länge vom
Epicondylus medialis senkrecht herunter bis zur Vereinigung mit
dem Muskelbauche auf 5 cm. In dieser Weise wurde der N. ulnaris
und die Vasa recurrentia ulnaria posteriora in einen vollkommenen
Kanal eingeschlossen, dessen Länge 3,5 cm betrug. Durch diesen
accessorischen Ursprung kommen wir in Verlegenheiten, weil die B. N. A.
122 FROHSE und M. FRÄNKEL,
ein Caput humerale und ein Caput ulnare annehmen. Hier liegt aber
noch ein zweites Caput ulnare vor. Man könnte sich vielleicht in
der Weise helfen, daß man den von uns beschriebenen vorderen
ulnaren Ursprung als Caput ulnare anterius, das frühere, einfache
Caput ulnare als Caput ulnare posterius bezeichnen würde. Zweifels-
ohne ist diese Einrichtung für den Schutz des N. ulnaris während
der Beuge- und Streckbewegungen von großer Wichtigkeit und trägt
nicht wenig dazu bei, daß der N. ulnaris bei extremer Beugung nicht
um dem Epicondylus medialis nach vorn luxiert wird.
Bei der praktischen Bedeutung des N. ulnaris müssen wir diesen
Kanal auch in seinen einzelnen Teilen beschreiben. Der Name dürfte
wohl ohne weiteres gegeben sein, „Canalis ulnaris" ^). Im Querschnitte
würde er dreieckig erscheinen, die Basis würde der „Richtungslinie"
entsprechen, die Spitze der hinteren Kante der Ulna, der vordere
Schenkel des Dreieckes der Haut, die Tiefe der Artic. cubiti und
weiterhin der Ulna, welche jedoch beinahe sofort vom M. flexor digi-
torum profundus verdeckt wird. Die obere Oeffnung ist nach unten
konvex, und der Form nach dem Hiatus superior des JoESSEL'schen
Adductorenkanales vergleichbar. Der Hiatus inferior wird ebenfalls
ausschließlich vom M. flexor carpi ulnaris gebildet, verläuft aber bei
natürlicher Haltung ohne Knickung oder Rundung senkrecht von oben
nach unten, beim Herumdrängen des M. flexor carpi ulnaris nach
ulnarwärts hin, schräg von lateral nach medial, in beiden Fällen
jedoch vom Knochen aus mehr zu der Fascie oder der Haut hin.
Die Endsehne schlingt sich bei extremer Dorsalflexion der Hand
rechtwinklig um das Erbsenbein herum, gleichzeitig verläuft dann das
Lig. carpi dorsale, welches mit der Sehne verwebt ist, beinahe rückläufig
zum Dorsum. Bei Supinationsstellung der Hand, welche unsere Figuren
(57 u. 58) zeigen, wird außerdem der Muskel passiv der Ulna genähert.
Bei der Beugung der Hand volarwärts entfernt sich umgekehrt
aktiv der Muskel von der Elle, und das Erbsenbein nähert sich dem
Capitulum ulnae. Die Endsehne (besonders deutlich ist das Lig.
pisometacarpeum zu erkennen) liegt nunmehr fast in der Verlängerung
gegen die Hauptsehne. Gleichzeitig verläuft jetzt das Lig. carpi dorsale
nicht rückläufig, sondern geht etwas schräg nach vorn zum Dorsum
hin. Also: rechtwinklige Knickung der Lig. pisohamatum und piso-
metacarpeum gegen die Hauptsehne und Rückwärtsrichtung des Lig.
carpi dorsale bei Dorsalflexion ; ungefähr paralleler Verlauf der Lig. piso-
metacarpeum und pisohamatum mit der Hauptsehne und nur geringer
Abweichung des Lig. carpi dorsale bei der Volarflexion.
Wir haben deshalb dem Ansätze der Endsehne des M. flexor carpi
ulnaris 2 besondere Figuren (Fig. 57 u. 58) gewidmet, welche die
Wirkung des Muskels auf die ulnare Seite der Hand bei Dorsal- und
Volarflexion darstellen.
Viel wichtiger erschien uns der Befund an der volaren Seite des
Handgelenkes, welchen Frohse zufällig bei Gelenkpräparaten gefunden
hat und den Fränkel auf Grund eigener Untersuchungen in vollem
Umfange bestätigen kann.
Vor allem freut es uns, daß wir die von Henle als Lig. carpi
volare commune bezeichnete Einrichtung vollauf anerkennen können;
allerdings mit dem Vorbehalte, daß es sich hier um einen besonderen
volaren zweiten Zipfel der Ansatzsehne des M. flexor carpi ulnaris han-
1) Genauer: Canalis cubitalis n. ulnaris.
M. flexor carpi ulnaris.
123
delt, bevor dieselbe das
Os pisiforme erreicht.
Dieser radiale Zipfel hat,
wie die Fig. 59 zeigt,
direkt nichts mit dem
Lig. carpi transversum
zu tun, auch nicht mit
der Endsehne des M.
flexor carpi radialis,
dessen Schleimscheide
ihn hautwärts nur wenig
zudeckt, während der
Hauptteil sic"h knochen-
wärts zum lateralen
Rande des Radius be-
gibt, zum Beginne des
Processus styloideus.
Man kann sich von
dem Ansätze des M. tiexor
carpi ulnaris nur dann
eine richtige Vorstellung
machen, wenn man an
einer unversehrten Hand
nichts weiter darstellt,
als die Systematik und
Topographie der Um-
gebung des Os pisiforme,
wie wir es in gemein-
schaftlicher Arbeit durch-
geführt haben. Dann läßt
sich der Muskelbauch des
M. flexor carpi ulnaris bis
zum Os pisiforme mit
Leichtigkeit gegen die
tiefe Schicht der M.
flexores antebrachii ab-
setzen. Noch proximal
vom Os pisiforme finden
die Ausstrahlungen volar-
wärts als Lig. carpi volare
commune, dorsal zum
Lig. carpi dorsale statt.
Der eigentliche Ansatz
liegt in der Tiefe und
kann erst durch Abtra-
gung des M. abductor
sowie des mitunter feh-
lenden M. flexor brevis
digiti V klargestellt wer-
den. Die bekannte Dop-
pelteilung der Endsehne,
welche als Lig. piso-
hamatum und pisometa-
Os metacarpale V
Lig. carpi dorsale
Os pisiforme
M. flexor carpi ulnaris
Fig. 57. M. flexor carpi ulnaris, Endsehne
bei Dorsalflexion. Nat. Gr.
Fig. 58. M. flexor carpi ulnaris, Endsehne
bei Volar flexion. Nat. Gr.
123
124
PROHSE und M. FRÄNKEL,
carpeum bezeichnet wird, bedarf keiner besonderen Beschreibung, wohl
aber müssen wir darauf hinweisen, daß mitunter, wie es hier auch ab-
gebildet wird, von dem Lig. pisometacarpeum aus sich ein besonderer
Zipfel unter dem Lig. hamometacarpeum hin zur Basis des 4.
und sogar des 'S. Mittelhandknochens entwickeln kann. Gerade
unsere Abbildung
zeigt, obwohl sie dem
Präparate naturgetreu
entnommen ist, gleich-
sam das Schema, wel-
ches dem Rahmen des
üblichen Vortrages
für StucBerende ent-
spricht.
P'ür unsere Zwecke
handelt es sich jedoch
um die Berücksichti-
gung der Physiologie.
Unter keinen Umstän-
den dürfen die M.
flexor carpi radialis
und ulnaris in dem-
selben Atemzuge be-
handelt werden. Die
in eine besondere
Schleimscheide einge-
bettete Sehne des M.
flexor carpi radialis
entwickelt erst im Be-
reiche des Metacarpus
ihre Wirkung; da-
gegen hat die End-
sehne des M. flexor
carpi ulnaris bereits
am distalen Ende des
Vorderarmes die wich-
tigsten Beziehungen
zu dem gemeinhin
als Verstärkungen der
Fascie aufgefaßten
Lig. carpi volare (com-
mune) und dorsale.
Auch im Bezirke des
Carpus haben wir Be-
festigungen zu erwäh-
nen : am Os pisiforme,
am Hamulus ossis
hamati, und schließlich noch indirekt am Lig. hamometacarpeum.
Auch die Mittelhandknochen kommen nicht zu kurz weg. Dem typi-
schen Ansätze an der Basis des Os metacarpale V, welcher in üb-
licher Weise als Lig. pisometacarpeum bezeichnet wird, stehen eventuell
noch Hilfsansätze an der Basis des 4. und sogar des 3. Mittelhand-
knochens zur Seite. Ein Blick auf unsere P'igur lehrt, daß beim Zu-
Fig. 59. Ansatz beider M. flexores carpi. (Nat. Gr.)
1 M. flexor carpi radialis, Hauptansatz am Os
metacarpale II, Nebenansatz am Os metacarpale III.
2 Nebenansatz des M. flexor carpi ulnaris bis zum Os
metacarpale III. 3 Artic. carpometacarpea poUicis.
4 M. abductor pollicis longus. 5 Tuberositas ossis
multanguli majoris. 6 Eröffnete Schleirascheide. 7
Bänder an der volaren Seite des Handgelenkes. 8 M.
flexor carpi radialis. 9 M. brachioradialis. 10 Lig.
basium volare. 11 Hamulus ossis hamati. 12 Lig. hamo-
metacarpeum. 13 Lig. pisohamatum. 14 Lig. piso-
metacarpeum. 15 M. ext. carpi ulnaris. 16 Os piso-
forme. 17 Foramen carpi ulnare. 18 Lig. carpi dorsale.
19 Membrana sacciformis. 20 M. flexor carpi ulnaris.
M, tiexor carpi ulnaris. 125
samraenwirken der M. flexores carpi radialis und ulnaris die Aus-
strahlungen der Endsehnen im 3. Mittelhandknochen zusammenkommen
und in denkbar günstiger Weise die energische Volarflexion der Hand
gegen den Vorderarm ermöglichen. Bei einer Kontraktion nur des
M. flexor carpi radialis kann dieser Muskel seine Sehne frei spielen lassen;
dagegen ist der M. flexor carpi ulnaris schon in der Höhe des distalen
Vorderarmendes vermöge seiner komplizierten Verbindung mit den
Nachbarteilen zu anderen Wirkungen berufen. Die Funktion dieses
Muskels wird in der Hauptsache eine kräftige Handbewegung im Sinne
der ulnaren Abduktion sein, wie sie in schönster Weise bei einer Tief-
quart zur Anwendung kommt. Die Nebenansätze verschaften dem Muskel
auch Beziehungen zur Radial- und Dorsalflexion der Hand.
Holotopie und Syntopie.
Unsere ausführliche idiotopische und skeletopische Beschreibung,
bei welcher wir unsere neuen Anschauungen dargestellt haben, er-
übrigt in diesem Falle eine holo- und syntopische Wiederholung.
Ulnare Beugegruppe.
Der M. flexor carpi ulnaris stellt mit dem ulnaren Teile des
M. flexor digitorum profundus die Gruppe derjenigen Vorderarm-
beuger dar, welche vom N. ulnaris versorgt werden. Da dieser Nerv
am bequemsten im unteren distalen Drittel des Vorderarmes zu reizen
ist, wo er nur von der Fascie oder dem Septum intermusculare mediale
bedeckt ist, muß auch hier schon die elektrische Reizung Zuckungen
in den versorgten Muskeln auslösen. Es gelingt sehr leicht für den
M. flexor carpi ulnaris. Um letzteren Muskelbauch selbst zu treffen,
müssen wir zum oberen, proximalen Drittel des Vorderarmes über-
gehen, nachdem der zweite, für den M. flexor digitorum profundus
bestimmte Ast den Stamm des N. ulnaris bereits verlassen und sich
in die tiefer gelegenen Muskelschichten eingesenkt hat.
Wirkung.
Nach unseren neuesten anatomischen und elektrischen Unter-
suchungen müssen wir dem Muskel mindestens 3 Aufgaben zuschreiben :
1) Die hinteren, schrägen Muskelbündel bewegen die Hand ulnar-
und dorsalwärts;
2) die vorderen, senkrechten Muskelbündel radial- und volarwärts ;
3) bei Zusammenziehung des ganzen Muskels wird die Hand
einfach ulnarwärts abduziert.
Innervation.
Die Nerven können bereits in der Höhe des Epicondylus ulnaris,
also am Oberarme deutlich vom Stamme gesondert sein und schieben
sich dann unter den Sehnenbogen beider Ursprungsköpfe ein. In dem
abgebildeten Falle sind es 2 Aeste, ein kürzerer vorderer und ein längerer
hinterer, welche ziemlich geradlinig die ganze Länge des Muskels durch-
setzen und eine Reihe von kleinen Aesten abgeben. Wir haben uns ver-
gebens bemüht, zwischen den beiden langen Aesten eine Anastomose
aufzufinden, und halten darum einstweilen an der Auffassung fest, daß
der Muskel aus zwei gesonderten Abteilungen zusammengesetzt ist.
"5
126
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Bei den feineren Verzweigungen desselben Astes kommen
verschiedentlich Anastomosen vor. Beide Hauptäste sind nur im
proximalen Drittel extramuskulär gelagert. Will man den Muskel
isoliert reizen, so können wir uns hierzu der chirurgischen Richtungs-
linie zur Unterbindung der A. ulnaris bedienen, jener Linie, welche
den vorderen Rand des Erbsenbeines bei supiniertem Arme senkrecht
mit der Spitze des Epicondylus medialis verbindet. Etwa 6 cm unter-
halb des letzteren liegt nach unseren Beobachtungen der günstigste
Muskel punkt ; recht häufig haben wir außer den beiden abgebildeten
Nerven noch einen dritten feineren gefunden, welcher erst im mittleren
Drittel des Vorderarmes die, nebenbei bemerkt, sehr dicke Fascia
profunda des M. flexor carpi ulnaris durchbohrt, während die beiden
anderen Nerven schon weit proximal feine Muskelzweige entsenden.
Muskelbündellänge.
Minimum 4,5 cm
Maximum 5,3 „
Durchschnitt aus 11 Messungen 4,8 „
Unterschied in Centimetem 0,8, in Prozenten 18 7o«
Segmentbezüge.
(7.) 8. Cervicalnerv. I. Thoracalnerv.
Gewicht. .
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen -
substan?;
Muskel-
substanz
in Proz,
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
18
15
50
46
11
8,5
36
80
7
6,5
12 >)
14^)
61
56,7
76
69,6
Durchschnitt aus diesen Messungen
32,3
21,4
9,9
65,8
Varietäten.
Bei der Wichtigkeit der Innervation haben wir eine besondere
Abbildung eines Falles gegeben, in welcher ein gesondertes vorderes
Ursprungsbündel sich erst in der Mitte des Vorderarmes in den
Hauptmuskel einsenkte, weil es nämlich nicht von dem N. ulnaris ver-
sorgt wurde, sondern vom N. medianus aus. Als Besonderheit muß
also auch der M. flexor carpi ulnaris zu den doppelt innervierten
Muskeln gerechnet werden. Aber nicht allein dieser als Varietät zu
bezeichnende vordere Kopf wird vom N. medianus aus versorgt,
sondern auch der oben als dritter Nerv bezeichnete eigentliche Muskel-
zweig löst sich nicht aus dem I^jT. ulnaris ab, sondern aus dem
N. medianus, sowohl bei der Varietät, wie bei der sonst normal
erscheinenden Hauptmasse desselben Muskels (s. Fig. 55).
In den V. B. (No. 200), accessorischer Ansatz einer langen, dünnen
Sehne unter dem M. palmaris longus am Ursprünge des M. abductor
pollicis brevis.
Beim Ansätze handelt es sich nur um eine Erweiterung der An-
heftung an:
1) Das mitberechnete Os pisiforme wog je 2 g.
126
M. flexor caipi ulnaris. 127
1) Lig. carpi volare,
2) Lig. carpi transversum,
3) Os metacarpale IV oder selbst bis zum III.,
4) oder bis zur Artic. metacarpophalangea digiti V.
M. flexor digitoruin sublimis.
Synonyma: Oberflächlicher oder durchbohrter Fingeibenger; M. flexor
digitorum superficialis s. perforatus, digitorum secundi internodii flexor;
Flechisseur commun superficiel des doigts, fl. sublime ou perfore, epi-
trochleo-phalangien commun Chaussier , ^pitrochleo-coroni-phalangien
Dumas: Beuger der zweiten Phalangen Duchenne- Weenicke,
Allgemeine Beschreibung.
Wie wir bereits bei der allgemeinen Beschreibung der Beuge-
muskeln am Vorderarme dargestellt haben, führen wir diesen Muskel als
ersten der tiefen Beuger auf, allein aus Zweckmäßigkeitsgründen.
Obwohl er sich regelmäßig, und besonders bei Fehlen des M. pal-
maris longus, erheblich am Oberflächenbilde beteiligt, müssen wir ihn
zur tiefen Schicht rechnen, wenn man will, sogar als zweite Schicht
der Beuger auffassen, und, wenn man dieser Anschauung beipflichtet,
ihn in mindestens zwei Unterabteilungen zerlegen : eine oberflächliche
Lage, welche die Sehneu für den Mittel- und Ringfinger entwickelt,
und eine tiefe für den Zeige- und kleinen Finger.
Als dritte Schicht kommen in Sonderfällen die Konjugationen mit
den M. flexor pollicis longus und digitorum profundus in Betracht.
Im Gegensatze zu sämtlichen anderen Flexoren der tiefen Schicht
entspringt dieser Muskel, abgesehen vom humeralen Hauptursprunge,
von beiden Vorderarmknochen; von dem Radius direkt durch das
Caput radiale, welches dem Mittelfinger entspricht, von der Ulna
indirekt, durch Vermittelung einer Aponeurosis intermuscularis, welche
ihn an der ulnaren Kante der Tuberositas ulnae anheftet. Dieser Tat-
sache wird durch den DuMASschen Namen, epitrochleo - coroni-
phalangien, Rechnung getragen.
Eine derartige Ursprungsweise muß bei seiner verhältnismäßig
oberflächlichen Lage einen Sehnenbogen schaff'en, ähnlich dem, welcher
beispielsweise beim M. soleus immer beschrieben wird, eine Arkade,
unter welcher die tiefer gelegenen Gefäße und Nerven des Vorder-
armes verlaufen. Wenn wir beim M. flexor carpi ulnaris von einer
Durchbohrung durch den N. ulnaris (und die Anastomose zwischen
Vasa collateralia ulnaria superiora und recurrentia ulnaria posteriora)
reden, so muß hier mit noch größerem Rechte von einer Durchbohrung
durch den N. medianus und die starken Vasa ulnaria gesprochen werden.
Die Lücke des Ursprunges zwischen Radius und Epicondylus medialis
stellt die Pforte dar, mittelst welcher die tiefen Gebilde des Vorder-
armes mit denen der Ellenbeuge in Beziehung treten, eine außer-
ordentlich wichtige Frage, weil hierdurch das Fortschreiten der tiefen
Vorderarmphlegmonen auf den Oberarm verständlicher wird.
Die oben erwähnte zweischichtige Lage bewahrt der Muskel bis
zum Handgelenke; daß die oberflächliche Sehne für den kleinen
Finger fehlen kann, ist für unsere Darstellung belanglos.
127
128
FROHSE und M. FRANKEL,
R. superior (pro venire superiori digiti U)
Corpusculum lamellosum (Vater-Pacim)
R. medius (pro digitts
III, IV et V)
R. inferior (pro ventre
inferiori digiti II)
Fig. 60. M, flexor digitorum subUmis, Nervenbild.
128
M. flexor digitorum sublimis. 129
Nachdem die 4 (oder 3) Sehnen den Hohlhandtunnel durchsetzt
haben, finden wir sie an seinem distalen Ende schon nebeneinander
gelagert, divergierend zur Achse ihrer Finger hinstrebend. Ungefähr
in der Mitte der Grundphalanx findet die Teilung der Sehne zum
Durchbruche der tiefen Beugesehne statt, die Bifurcatio tendinis ; das
Chiasma tendinum (Camperi), die teilweise Kreuzung der Sehne, liegt
erst in ungefährer Höhe des Gelenkes zwischen (I) Grund- und (II>
Mittelphalanx. Die Endsehne setzt gespalten etwa in der Mitte der
Mittelphalanx an, an Leisten, die mit Leichtigkeit an jedem Knochen-
präparate zu erkennen sind, schon bei älteren, etwa 10-jährigen
Kindern.
Der Muskel reicht also vom Epicondylus medialis bis zur Mittel-
phalanx des Zeige- bis kleinen Fingers. Indessen ist er durchaus
nicht gleichmäßig angelegt, mehr noch der Architektur, als der In-
nervation nach. Wie erwähnt, liegt in oberflächlicher Schicht Muskel-
fleisch und Sehne für den 3. und 4. Finger, in tiefer für den 2. und 5.
Nichts wäre natürlicher, als anzunehmen, daß der 3. und 4. Finger
einen besonderen oberflächlichen Nerven erhalten, und der 2. und 5.
einen gesonderten tiefen. Dem ist aber nicht so: der 3., 4. und 5.
Finger erhalten einen gemeinschaftlichen Nerven, während der
Zeigefinger auch an der Beugeseite eine Besonderheit aufweist. Er
erhält nämlich für seine beiden Bäuche zwei Nerven, einen hoch
oben, dicht unterhalb der Ellenbeuge und einen unteren, erst
in der distalen Hälfte des Vorderarmes. Der M. flexor in-
dicis sublimis ist in der Tat ein zweibäuchiger Muskel mit deutlicher
Zwischensehne, getrennt auch durch den ganz verschiedenen Ursprung
der Nervenzweige der beiden Muskelbäuche.
Das genauere Verhalten der Sehnen im Tunnel des Handgelenkes^
beim Verlaufe durch die Hohlhand und innerhalb der Sehnenscheiden der
Finger kann erst bei den betreffenden Abschnitten beschrieben werden.
Idiotopie und Skeletopie unter gleichzeitiger Berück-
sichtigung der Innervation.
Der M. flexor digitorum sublimis ist, wie wir bei der Muskel-
beschreibung kennen gelernt haben, der komplizierteste Muskel des
Armes, vielleicht sogar des ganzen Körpers. Ueber den richtigen
Bau gibt erst das Nervenbild klaren Aufschluß. Der Muskel erhält
im allgemeinen 3 Nervenstämme, von denen 2 im oberen Drittel
des Vorderarmes, der dritte erst in der ungefähren Mitte des Vorder-
armes sich als selbständiger Ast vom N. medianus sondert. Der
obere und der untere Nerv sind für die beiden Muskelbäuche des
oberflächlichen Zeigefingerbeugers bestimmt, der mittlere Ast versorgt
die Beuger für den 3.-5. Finger. Charakteristisch für den Zeige-
fingerbauch ist die tiefe Lage unter den Bäuchen für den 3.
und (4.) Finger. Die Besprechung seiner Nerven bleibt deshalb
besser für später aufgehoben, w^enn die oberflächliche Schicht ge-
schildert worden ist.
Bei Beugung des Mittelfingers sieht man mitunter außerordent-
lich klar, wie die Sehne und der angrenzende Muskelbauch sich
nicht allein gegen den Epicondylus vorschiebt, sondern auch gegen
den Radius und an der radialen Seite des M. flexor carpi radialis
erscheint. Diese Stelle bietet auch den besten Punkt für die ge-
Handbuch der Anatomie. II, II, 2. Q
129 ^
130 FROHSE und M. FRÄNKEL,
sonderte elektrische Reizung des oberflächlichen Mittelfingerbeugers
durch das sogenannte Caput radiale.
Der oberflächliche Beuger für den Ringfinger liegt mehr ulnar-
wärts und strebt ausschließlich gegen den Epicondylus medialis hin.
Wie unsere Abbildung zeigt, ist das Nervenbild sehr ausgedehnt, und
eine Reizung fast in der ganzen Länge des Vorderarmes möglich.
(Bei einem 27 cm langen Vorderarme beträgt das Reizungsgebiet
bei Dorsalflexion der Hand und Fingerstreckung etwa 20 cm, die 7
fehlenden Centimeter verteilen sich ungefähr auf 3 cm proximal und
4 cm distal.)
Die wunderbarste Einrichtung findet sich aber in der tiefen
Schicht, welche die Muskelbäuche für den 2. und 5. Finger enthält.
Eine nicht sorgfältig durchgeführte Präparation läßt es so erscheinen,
als ob die beiden Muskelbäuche einer einheitlichen Sehne entstammten,
welche sich proximalwärts in dem gemeinschaftlichen Bauche des M.
flexor digitorum sublimis verliert. In Wirklichkeit ist aber, wie die
Innervation auf das überzeugendste nachweist, der Bauch für den
kleinen Finger rudimentär geworden und hat den proximalen Zu-
sammenhang mit dem Epicondylus medialis gewöhnlich verloren.
Sein Nerv kommt regelmäßig aus dem Muskelbauche für den Ring-
finger heraus, dessen distale Verlängerung bis in die Nähe des Hand-
gelenkes er gemäß seiner Innervation bildet.
Am schwersten darzustellen ist die Innervation des deshalb bis
zum Schlüsse verschobenen M. flexor indicis sublimis. In unserer Ab-
bildung erscheint der obere, proximale Bauch verhältnismäßig lang
und dementsprechend auch das Nervenbild in die Länge gezogen.
Verschiedene Anastomosen haben wir mit abgebildet, und auch ein
VATER-PACiNi'sches Körpercheu, welches besonders bezeichnet ist.
Auch an den Endsehnen haben wir verschiedene Male solche nach-
weisen können. Der obere Bauch dürfte bei seiner versteckten Lage
und dem ganz aus der Tiefe herauskommenden Zweige des N. me-
dianus kaum gesondert gereizt werden können. Bedeutend leichter
ist es bei dem unteren Bauche, dessen isolierte Reizung, ungefähr in
der Mitte des Vorderarmes, den Klinikern bekannt ist. Dieser spindel-
förmige Muskelbauch verhält sich in seinem Nervenbilde durchaus
typisch. Da der entsprechende Nerv ungefähr in seiner Mitte eintritt,
finden sich beinahe gleich lange auf- und absteigende Nervenendäste.
Um also unsere anatomischen Befunde über die vorteilhaftesten
isolierten Reizungspunkte der einzelnen Bäuche des M. flexor digi-
torum sublimis kurz festzulegen, betonen wir folgendes:
Die beiden oberflächlich gelegenen Beuger für den Mittel- und
Ringfinger werden in der oberen Hälfte des Vorderarmes am besten
gereizt. Der für den Mittelfinger bestimmte wird sogar (entsprechend
seinem Caput radiale) an der radialen Seite des M. flexor carpi
radialis isoliert gefunden, in der Mitte des Vorderarmes und etwas
darunter ; der Bauch für den 4. Finger etwas nach vorn von
der Richtungslinie für die Unterbindung der A. ulnaris; der
Bauch für den kleinen Finger entsprechend derselben Linie, nur
weiter distalwärts. Der Bauch, oder richtiger die Bäuche für den
Zeigefinger verhalten sich verschieden. Der im proximalen Viertel
des Vorderarmes liegende obere Bauch ist kaum einer isolierten
Reizung zugängig, die des unteren gelingt in der unteren, distalen
Hälfte des Unterarmes, ungefähr in der Mittellinie unter der Sehne
130.
M. flexor digitorum sublimis. 131
des M. palmaris longus, oder, wenn dieser fehlt, etwas ulnar von der
Sehne des M. flexor carpi radialis.
Nach vielen vergeblichen Bemühungen, für den M. flexor digi-
torum sublimis die Doppelinnervation aus den N. medianus und
ulnaris auch für den Menschen nachzuweisen, glückte es uns bei
unserem letzten Vergleichspräparate, in einwandsfreier Weise einen
Nerven zu finden, welcher den oberen Bauch des M. flexor indicis
sublimis mitversorgen half. Damit würde auch der M. flexor digi-
torum sublimis in Ausnahmefällen in die Reihe der diploneuren Mus-
keln eintreten.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht den 4 Muskeln der ober-
flächlichen Lage je nach der Mächtigkeit der entsprechenden Muskel-
bäuche und Sehnen und scheint beim Fehlen des M. palmaris longus
unmittelbar zur oberflächlichen Schicht zu gehören. Der Margo
proximalis stellt regelmäßig eine Verbindung zwischen Radius einer-
seits, Ulna und Epicondylus medialis humeri andererseits dar und
entspricht topographisch ungefähr dem distalen Rande des M. Pro-
nator teres. Zwischen Radius und Ulna muß sich ein Sehnen bogen
finden, unter welchem die bis dahin, eventuell getrennten N. me-
dianus und Vasa ulnaria ihren Weg handwärts nehmen. Der
Margo lateralis entspricht der dünnen, sehnigen Anheftung des Caput
radiale an der vorderen lateralen Kante der Speiche. Der Margo
medialis schließt sich an die ulnare Gruppe der Vorderarmbeuger
an, soweit nicht eine teilweise Einschiebung durch den N. und die
Vasa ulnaria u. s. w. geschaff'en ist. Der Margo distalis ist im Be-
zirke des Vorderarmes überhaupt nicht festzustellen, weil die End-
sehnen sich bis zu den Fingern begeben. Theoretisch kann hier die
Grenze zwischen Vorderarm und Hand, d. h. der proximale Rand des
Lig. carpi transversum an die Stelle treten. Die Facies profunda
deckt unter allen Umständen die tieferen Schichten der tiefen Lage,
d. h. die M. flexor pollicis longus und digitorum profundus, ferner
als praktisch wichtigstes Gebilde in noch oberflächlicherer Lage den
N. medianus, welcher unter Umständen noch vom gleichnamigen Ge-
fäße begleitet sein kann. Die sonst noch in Frage kommen können-
den Konjugationen zwischen den verschiedenen Beugemuskeln des
Vorderarmes können h'ier nicht im besonderen beschrieben werden
und sind bei den einzelnen Muskeln nachzusehen.
Muskelbündellänge.
Caput II, Venter superior, Minimum 2,3 cm
„ „ „ „ Maximum 3,5 „
Durchschnitt aus 5 Messungen 2,8 „
Unterschied in Centimetern 1,2, in Prozenten 52 %•
Caput II, Venter inferior, Minimum 4 cm
)i „ „ „ Maximum 6 „
Durchschnitt aus 5 Messungen 4,6 „
Unterschied in Centimetern 2, in Prozenten 50 7o«
Caput II in toto, Minimum 2,3 cm
Maximum 6
Durchschnitt aus 10 Messungen 3,7
em
131
uurcnscnniit aus lu Messungen 3,7 „
Unterschied in Centimetern 3,7, in Prozenten 161 "/q.
9*
132
FROHSE und M. FRANKEL,
Caput III, Minimum 4,5 cm
„ „ Maximum 6,9 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 5,5 „
Unterschied in Centimetern 2,4, in Prozenten 44 "/o-
Caput IV, Minimum 5,5 cm
„ „ Maximum 7,7 „
Durchschnitt aus 7 Messungen 6,4 „
Unterschied in Centimetern 2,2, in Prozenten 40 7o-
Caput V, Minimum 4,1 cm
„ „ Maximum 4,7 „
Durchschnitt aus 3 Messungen 4,4 „
Unterschied in Centimetern 0,6, in Prozenten 15 7o'
In toto Minimum 2,3 cm
„ „ Maximum 7,7 „
Durchschnitt aus 26 Messungen 4,9 „
Unterschied in Centimetern 5,4, in Prozenten 235 7o«
Segmentbezüge.
7. 8. Cervicalnerv. I. Thoracalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. Unker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
42
32
91
90
29,5
22,65
75,5
71,5
12,5
9,35
15,5
18,5
70,2
70,8
83
79,4
Durchschnitt aus diesen Messungen
63,8
49,8
14
75,9
Varietäten.
Da wir in keinem Falle die Zwischensehne in der Tiefe des Mus-
kels vermißt haben, welche im wesentlichen für den Doppelbauch
des Zeigefingers bestimmt ist, können wir diesen M. flexor digastricus
indicis (Chüdzinski) nicht als Varietät weiter beachten.
Ferner sind hervorzuheben die Verbindungen mit den Nachbar-
muskeln oder besser mit der oberflächlichen und tiefen Schicht. In
oberflächlicher Lage kann er sich an den M. palmaris longus an-
schließen, diesen vertreten, d. h. bis zur Aponeurosis palmaris reichen,
oder schon früher in der Fascia antebrachii enden. Die Verbindungen
zur tieferen Schicht führen entweder zum M. flexor pollicis longus,
was nicht selten ist, oder zum M. flexor digitorum profundus mittelst
einer oder mehrerer schlanker, langer Sehnen, oder sogar bis zu den
M. lumbricales, die nur als distale Muskelbäuche des M. flexor digi-
torum profundus aufzufassen sind.
Das Fehlen eines Muskelkopfes kommt am häufigsten beim Klein-
finger zur Beobachtung: wir selbst können bestätigen, daß dann ent-
weder kein Ersatz statthat, der M. flexor profundus eine entsprechende
oberflächliche Sehne hervorgehen läßt, oder diese sich erst aus einem
Muskelbündel entwickelt, welches am Lig. carpi transversum ent-
springt oder ein Teil des M. lumbricalis IV ist.
Auch innerhalb der Beugesehnenscheide kann die oberflächliche
Sehne noch eine Varietät aufweisen, indem die Teilung der ober-
M. flexor digitorum sublimis. 133
flächlichen Beugesehne nicht eintritt, sondern ein ungeteilter Ansatz
an der radialen Seite der Mittelphalanx.
Das Caput radiale geht nicht zu der Sehne für den 3. Finger,
sondern zieht zum 4. Finger und liegt hierbei oberflächlicher, als die
Sehne für den 3. Finger, welcher nur oberhalb des Ansatzes des M.
Pronator teres einige dünne Ursprünge vom Radius besitzt; die vom
Epicondylus medialis entspringenden Muskelbündel liefern eine be-
sondere Sehne, welche sich erst unter dem Lig. carpi transversum
mit derjenigen des abnormen Caput radiale verbindet. Wir legen
auf diese Varietät aus neurologischen Gründen großes Gewicht, weil
ein derartiger Befund am Lebenden die von uns aufgestellte Be-
hauptung in Mißkredit bringen könnte, daß nämlich die Reizung des
Caput radiale an der radialen Seite des M. flexor carpi radialis eine
isolierte Bewegung des Mittelfingers auslöst, während bei einer solchen
Varietät der 4. Finger gebeugt werden würde. Außerdem haben wir
einen Teil des M. flexor indicis profundus ein Caput radiale ent-
wickeln sehen, so daß auch der Zeigefinger von dieser Stelle aus
isoliert zur Zuckung gebracht werden könnte. Alle diese Fälle ge-
hören aber zu den Ausnahmen und sind dazu sehr selten.
Das Caput radiale des M. flexor digitorum sublimis unterliegt
unglaublichen Schwankungen : es kann vollständig fehlen, zum 4. und
2. Finger hingehen oder, wie es in den V. B. (No. 459) verzeichnet
ist, sich sogar zum Flexor digitorum profundus begeben.
M. flexor digitorum profundus.
Synonyma: Tiefer oder durchbohrender Fingerbeuger ; M. flexor
digitorum perforans, digitorum tertii internodii flexor ; Flechisseur commun
profond des doigts, fl. perforant cubito - phalangien commun Chaussier,
m. cubito-phalangettien commun Dumas, Beuger der zwei letzten Phalangen
Düchenne-Wernicke.
Allgemeine Beschreibung.
Der tiefe Fingerbeuger ist in der erheblichsten Weise von dem
oberflächlichen Beuger verschieden, sowohl nach Lage, Gestalt und
Bau, wie besonders nach der Innervierung. Die Wirkung entspricht
ja bei beiden dem Namen, die Finger zu beugen, entweder die Mittel-
oder die Nagelphalanx. Es ist aber die merkwürdige Einrichtung zu
verzeichnen, daß beim Ansätze die Sehne des M. flexor sublimis voll-
kommen von der des M. flexor profundus verdeckt wird.
Während der M. flexor sublimis noch auf den Humerus über-
greift und unmittel- oder mittelbar von beiden Vorderarmknochen
entspringt, finden wir den M. flexor profundus auf den Vorderarm,
sogar fast ausschließlich auf die Ulna beschränkt; dagegen greift der
Ansatz bis auf die Endphalanx über.
Die mächtige Muskelmasse, sowie die sich aus ihr entwickelnden
4 Sehnen, liegen nicht übereinander geschichtet, wie beim M. flexor
sublimis, sondern parallel nebeneinander. Wenn in der Hohlhand
die Sehnen zu den einzelnen Fingern auseinanderweichen, dienen sie
aber außerdem noch den M. lumbricales in charakteristischer, später
zu schildernder Weise zum Ursprünge.
133
134 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Während des Verlaufes innerhalb der Fingersehnenscheide bleibt
die Sehne einheitlich, nach Durchbohrung der oberflächlichen Sehne
macht sich allerdings die Andeutung einer Zweiteilung bemerkbar in
Gestalt einer seichten axialen Furche, die jedoch beim Ansätze an
der Basis der Nagelphalanx schon gänzlich wieder ausgeglichen sein
kann.
Weit wichtiger ist die Innervierung. Der Muskel ist diploneur,
wird sowohl vom N. medianus wie vom N. ulnaris versorgt, während
der M. flexor sublimis allein dem N. medianus untersteht. Im all-
gemeinen wird angegeben, daß die radiale Hälfte des Muskels vom
N. medianus versorgt wird, die ulnare vom N. ulnaris. Inwieweit
das nach unseren Untersuchungen zutrifft, soll erst hinterher erläutert
werden.
I-diotopie und Skeletopie.
Man kann sagen, daß der Ursprung die ganze Vorderfläche der
Ulna einnimmt, von der Tuberositas bis zum oberen Rande des
M. Pronator quadratus und noch darüber hinaus, beiderseits Apo-
neurosen benutzt: radial das Lig. oder die Membrana interossea,
ulnar die sehnige Ursprungsplatte des M. flexor carpi ulnaris.
Wir unterscheiden demgemäß:
1) knöchernen Ursprung von den oberen zwei Dritteln der
vorderen Fläche der Ulna bis zur hinteren Kante;
2) oberflächlichen Ursprung von der Aponeurosis des M. flexor
carpi ulnaris;
3) ligamentösen tiefen Ursprung von der Membrana interossea,
bisweilen sogar bis an den Radius heran.
Als obere, proximale Grenze dient der keilartig nach unten
geschobene Ansatz des M. brachialis an der Tuberositas ulnae.
Waldeyer vergleicht dies Verhalten mit einem nach unten ge-
richteten gothischen Spitzbogen, welcher beiderseits von Muskel-
bündeln umrahmt wird. Diese Tatsache ist konstant und zwar meistens
in der Weise verwirklicht, daß der radiale Teil dem Muskelbauche für
den Zeigefinger entspricht, der größere ulnare dem hier noch ein-
heitlichen Bauche für den 3. bis 5. Finger. Es sei hier gleich er-
wähnt, daß diese Trennung auch praktische Berechtigung hat, indem
nämlich sich bei Reizung des N. ulnaris etwa 2—3 Querfinger unter-
halb des Ellenbogengelenkes sich die Finger 3 — 5 in der allerkräftig-
sten Weise beugen. Ob eine wirkliche anatomische Trennung der
Muskeln nach den Nerven und der Lage an dieser Stelle statthat,
erscheint uns zweifelhaft ; aber auch die normal-physiologische Sonde-
rung wäre praktisch nicht so bedeutsam ; die hier meist vorhandenen
extra- und intramuskulären Verbindungen zwischen N. medianus und
ulnaris dürften in pathologischen Fällen ausreichen, um dem elektri-
schen Strome auch über das anatomisch nachweisbare, richtiger von
uns bis jetzt nachgewiesene Verbreitungsgebiet Wirkung zu ver-
schaffen.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis wird bedeckt von dem M. flexor digi-
torum sublimis und flexor carpi ulnaris, von letzterem in seinem
134
M, flexor digitorum profundus. 135
vorderen Abschnitte muskulös oder genauer fasciell, in seinem hinteren
Abschnitte, welcher gleichzeitig als Ursprungssehne dient, aponeuro-
tisch. Der Margo superior s. proximalis umrahmt die Tuberositas
ulnae. Der Margo lateralis s. radialis schließt sich an den M. flexor
l)ollicis longus an ; dicht an der Membrana interossea antebrachii ver-
laufen dem Schema nach in der trennenden Furche der N^ und die
Vasa interossea volaria, jedoch können diese Gebilde gemeinschaft-
lich oder getrennt auf eine kürzere oder größere Strecke einen ent-
sprechenden Abschnitt der beiden Muskeln umfassen. Varietäten
hierbei sind so häufig und nebenbei belanglos, daß eine genauere Be-
schreibung über den Rahmen dieses Buches hinausgehen würde, nach
dem Umfange, welchen wir für gewöhnlich den Varietäten zugemessen
haben. Die Pars inferior s. distalis ist nicht scharf begrenzt, weil
sie sich durch den Hohlhandtunnel bis zu den Nagelgliedern der
Finger fortsetzt. Die Facies profunda setzt sich rein muskulös inner-
halb der eben beschriebenen Grenzen an der Vorderfläche der Ulna,
der Membrana interossea, bisweilen auch an dieser oder jener Stelle
des Margo interosseus radii an. Die Nerven und Gefäße, welche hart
über die Facies superficialis verlaufen, sind der N. medianus (eventuell
mit gleichnamigen Gefäßen) und der N. und die Vasa ulnaria. Ferner
am ulnaren, proximalen Rande die hinteren Aeste der Vasa recurrentia
ulnaria.
Innervation.
Die gemeinschaftliche Nervenreizung des M. flexor digitorum
profundus ist am sichersten im oberen Drittel der Richtungs-
linie auszuführen. Die isolierte Reizung für die einzelnen Finger
kann eventuell durch Ansatz der Elektrode auf die Muskelbäuche
selbst in der Mitte des Vorderarmes ausgeführt werden. Von der
hinteren Kante aus nach vorn beginnt der Ursprung des 5. Beugers,
der 4. entspricht der ulnaren Kante des Vorderarmes, der 3. Beuger
liegt bereits auf der Vorderseite. Fast unmöglich erscheint uns da-
gegen eine isolierte Reizung des tiefen Zeigefingerbeugers, einmal
weil der Nerv aus dem N. medianus kommt und sogar erst aus dem
N. interosseus volaris, dann aber, weil der isolierte Abgang aus dem
N. medianus von sämtlichen oberflächlichen Beugern und auch noch
von dem M. flexor digitorum sublirnis überlagert ist.
Als Typus für die Innervation des M. flexor profundus möchten
wir eine Teilung in der Weise vornehmen, daß der 2. Finger aus-
schließlich vom N. medianus versorgt wird, der 3.-5. Finger ge-
wöhnlich vom N. ulnaris aus. Das am häufigsten vorkommende
Uebergreifen eines der Nerven auf andere Muskelbündel spielt sich
beim Mittelfinger ab. So sehen wir in unserer Fig. 61 eine aus-
gesprochene Doppelinnervation des 3. Fingers, aber es gehen auch
noch einige feine Nerven zur Muskulatur des 4. Fingers. Die lange
Anastomose, welche wir auch noch zwischen dem N. medianus und
ulnaris bis in die Nähe der Endsehne des 5. Fingers verfolgen konnten,
ist uns in ihrer Bedeutung zweifelhaft, ob es sich nämlich um einen
Austausch von Nerven für Muskelbündel handelt, oder nur um Sehnen-
nerven, wie wir auch an anderer Stelle ein ähnliches Verhalten ge-
sehen haben, so bei den M. teres minor und infraspinatus mit den
N. suprascapularis und axillaris.
135
136 "^ f 1 1(1 nar.
M. flex. carp. uln.
II M. flex. potl. long.
V ■ IV in
M. flex. digit. prof.
Fig. 61. M. flexor carpi ulnaris, digitorum profundus et pollicis longus, NetTenbild.
M. flexor digitorum profundus.
137
Im Innern der einzelnen Muskelabschnitte haben wir an wechseln-
der Stelle in der ganzen Länge verschiedene Anastomosen nach-
gewiesen und hier dem Einzelpräparate naturgetreu nachgebildet.
An demselben ist der Anteil der Zweige des N. medianus also
ein unverhältnismäßig großer, da er außer zum 3. Finger noch zum
4. und sogar zum 5. Finger Nerven hervorgehen läßt.
Muskelbündellänge.
Caput II, Minimum 6 cm
„ „ Maximum 7,2 „
Durchschnitt aus 7 Messungen 6,6 „
Unterschied in Centimetern 1,2, in Prozenten 20 7o'
Caput III, Minimum 6,3 cm
„ „ Maximum 7,7 „
Dxu-chschnitt aus 7 Messungen 7,1 „
Unterschied in Centimetern 1,4, in Prozenten 22 °j^.
5,6 cm
7,6 „
Durchschnitt aus 7 Messungen 6,5 „
Unterschied in Centimetern 2, in Prozenten 36 "/o-
Caput V, Minimum 5,5 cm
„ „ Maximum 6,5 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 5,9 „
Unterschied in Centimetern 1, in Prozenten 18 Vo-
In toto, Minimum 5,5 cm
„ y, Maximum 7,7 „
Durchschnitt aus 27 Messungen 6,6 „
Unterschied in Centimetern 2,2, in Prozenten 40 7o«
Caput IV, Minimum
_ Maximum
Segmentbezüge.
7. 8. Cervikalnerv. I. Thorakalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel- Sehnen-
substanz Substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
48,7
42,9
115
100
36,7
32,3
95
80
12
10,6
20
20
75,4
75,3
82,6
80
Durchschnitt aus diesen Messungen
76,7
61
15,6
78,3
Varietäten.
Der tiefe Fingerbeuger kann eine ausgesprochene Sonderung der
einzelnen parallel zueinander gelagerten Muskelbäuche aufweisen, als
Norm fassen wir es für den Muskelbauch des Zeigefingers auf, der
bis zu seinem Ursprünge an der radialen Seite der Tuberositas uluae
durchaus selbständig sein kann. Weniger scharf sind die Muskel-
bäuche für den 3. — 5. Finger voneinander getrennt und hängen häutig
auch durch schmale lange Sehnen miteinander zusammen. Teilweise
dienen solche langen Sehnen, die sich auch von dem M. flexor sublimis
loslösen können, den Bündeln der M. lumbricales zum Ursprünge
138 FROHSE und M. FRÄNKEL,
No. 361 der V. B. gibt folgenden Fall an: Verdoppelung der
Sehne des Profundus II. Verschmelzung unter dem Lig. carpi trans-
versum, dann Teilung und accessorischer Ansatz der einen Sehne am
radialen Rande der Basis der Grund phalanx. — Beide Beugesehnen
für den kleinen Finger fehlen. (No. 411.) Rudimente (nicht patho-
logischer Art) finden ihren Ansatz zu beiden Seiten der Basis der
Grundphalanx. Der Digitalteil der Beugesehnen ist nur durch ein
Vinculum tendineum angedeutet, welches von der Mittel- bis zur
Nagelphalanx verläuft.
Unter No. 474 ist ein Fall von erblicher Verkümmerung des
kleinen Fingers in 4 Generationen berichtet von stud. med Wolf.
M. lumbricales.
Synonyma: M, flectentes primum internodium, Regenwurm-, Spul-
wurmmuskeln; Lombricaux, palmi-phalangiens Chaussier, annuli-tendo-
phalangiens Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Diese 4 dünnen und trotzdem so wichtigen Muskeln haben beim
Menschen folgende schematischen Beziehungen gewonnen, von denen die
systematische Darstellung auszugehen hat:
1) Der Ursprung liegt an den Sehnen des M. flexor digitorum
profundus.
2) Der Ansatz findet sich an der radialen Seite der Dorsal-
aponeurose des 2. — 5. Fingers.
Besonderheiten sind so häufig, daß sie nach manchen Beobachtern
fast dem Prozentsatze des normalen Verhaltens gleichkommen.
Idiotopie und Skeletopie.
Man bezeichnet die einzelnen Muskeln als M. lumbricalis I — IV,
wobei zu bemerken ist, daß der M. lumbricalis I erst am Zeigefinger
ansetzt; in entsprechender Folge setzt beispielsweise der M. lumbri-
calis III unter typischen Verhältnissen erst am 4. Finger, genauer
gesagt, an seinem radialen Rande an u. s. w. Dieser Schwierigkeit in
der Namengebung dürften sich auch die früheren Autoren bewußt
gewesen sein; wir selbst wissen zur Zeit ebenfalls keinen Ausweg,
den vorhandenen Widerspruch zu beseitigen. Die Analogie mit den
Zwischenknochenmuskeln hilft uns nicht darüber hinweg, besonders
wenn man, wie wir es tun werden, einen M. interosseus volaris I an-
nimmt, welcher als tiefster Teil des M. adductor pollicis zum Daumen
geht. Wir können jedoch sämtlichen Mißverständnissen aus dem
Wege gehen, wenn wir als Grundlage für die entsprechenden Be-
zeichnungen I, II, III und IV — gleichviel, ob es sich um einen
M. interosseus dorsalis oder volaris oder um einen M. lumbricalis
handelt — das knöchern begrenzte Spatium interosseum annehmen.
Dann hat die Zahlenbezeichnung I— IV nur den Zweck, anzugeben,
in welchem der betreffenden Zwischenknochenräume der fragliche
Muskel gelagert ist.
Die M. lumbricales sind an der Hand trotz ihrer bedeutenderen
Größe schwerer verständlich, als am Fuße. Letztere entspringen von der
138
i
M. lumbricales. 139
ursprünglich einheitlichen, dann sich in 4 Sehnen teilenden Hauptsehne
des M. flexor digitorum pedis longus. Hieraus ergibt sich, daß der M.
lumbricalis I sich vom freien, d. h. dem Großzehenrande der Sehne für
die zweite Zehe als parallelfaseriger Muskel entwickeln muß, während die
drei äußeren Spulwurmmuskeln zwischen den einander zugekehrten
Rändern der Sehnen II — V entstehen, also gefiedert sein müssen. Die-
selbe Einrichtung findet sich auch primär an der Hand. Der M. lumbri-
calis I kann niemals gefiedert sein, die M. lumbricales III und IV
sind es wohl immer und auch der M. lumbricalis II entspringt nach
unserer Meinung häufig von den Nachbarrändern der tiefen Beuge-
sehne für den Zeige- und Mittelfinger.
Andererseits dürfen wir niemals den funktionellen Unterschied
zwischen Hand und Fuß außer acht lassen. Bei der Hand ist die
ausgiebige Oppositionsfähigkeit das charakteristische Merkmal; beim
Fuße fehlt für die große Zehe der M. opponens, obwohl andere
Muskeln der Gegenüberstellung teilweise gerecht werden. Gerade
die Oppositionsbewegung bewirkt auch für die Spulwurmmuskeln der
Hand bedeutsame Abweichungen im Verhalten zu denjenigen des
Fußes. Der M. lumbricalis I wird nämlich in seinem proximalen
Teile über die Sehne des M. flexor sublim is digiti II hin weg-
geschoben, es sieht bei oberflächlicher Betrachtung sogar so aus, als
ob der Muskel von der oberflächlichen Sehne entspringe. Die viel-
fach beliebte Darstellung seines Ursprunges — auch in natürlicher
topographischer Haltung — von der tiefen Beugesehne dürfte nur
der Liebe zum Schema ihre Berechtigung verdanken.
Der M. lumbricalis II muß, auch im Vergleiche zum Fuße, von
den beiden benachbarten Sehnen II und III entspringen. Da aber
der Flexor indicis profundus gewöhnlich eine große Selbständigkeit
erreicht, pflegt auch der Ursprung des M. lumbricalis II vom
ulnaren Rande der Sehne zu verkümmern. Indessen haben wir auch
gut entwickelte, zweiköpfige M. lumbricales II gesehen. — Die
M. lumbricales III und IV sind gefiedert, da sie von den benach-
barten Rändern der tiefen Beugesehnen IV und V entspringen. Un-
gefähr so selten, wie beim M. lumbricalis II die Fiederung vorkommt,
ist beim M. lumbricalis III oder IV die einfache Parallelfaserung,
d. h. der Ursprung von nur einer Beugesehne.
Der freie Muskelbauch verläuft in der Achse eines Zwischen-
knochenraumes zu den freien Fingern hin. Je näher sie dem Mittel-
finger, der Handachse, liegen, um so senkrechter ist ihre Richtung; die
peripheren Muskeln, also I und IV, ziehen schräger zu den Articulationes
metacarpophalangeae, als die zentralen Muskeln, d. h. II und III.
Der Ansatz findet an der radialen Seite der Dorsalaponeurose
statt; jedoch ist zu beachten, daß der M. lumbricalis III gewöhnlich
einen doppelten Ansatz besitzt, nämlich außer dem typischen am
radialen Rande des Ringfingers noch einen accessorischen am ulnaren
Rande des Mittelfingers; seltener ist dies Verhalten beim M. lumbri-
calis IV und ganz selten beim M. lumbricalis IL
Holotopie und Syntopie.
Im Bereiche der Mittelhandknochen liegen die Spulwurmmuskeln
in dem lockeren Bindegewebe zwischen Palmaraponeurose, Beuge-
sehnen und tiefen Handmuskeln, d. h. in der ulnaren Handhälfte auf
139
140 FROHSE und M. FRÄNKEL,
den M. interossei, in der radialen auf dem M. adductor pollicis. Mit
dem Kleinfingerballen haben die M. lumbricales nichts zu tun, wohl aber
mit dem Daumenballen. Die wichtigste Lagebeziehung dürfte aber
in dem Verhalten zu den Beugesehnenscheiden zu suchen sein. Nach
unserer Auffassung ist nämlich die Gegenwart der M. lumbricales
der Grund dafür, daß die digitale (distale) Sehnenscheide des 2. bis
4. Fingers nicht mit der carpalen (proximalen) zusammenhängt. Wir
kommen zu dieser Anschauung durch einen Befund von Frohse an
einer Hand, an welcher der M. lumbricalis I fehlte. An derselben
hing die proximale und distale Sehnenscheide miteinander zusammen.
Die Daumensehnenscheide bildet ja beim Erwachsenen fast immer
eine einheitliche Scheide vom Beginne der Sehne am Vorderarme bis
zum Ansätze an der Nagelphalanx, und das gleiche gilt für die
Sehnenscheide des kleinen Fingers. Beim Daumen kommt überhaupt
kein M. lumbricalis in Betracht, beim Kleinfinger bleibt die ulnare
Seite von dem Ursprünge des M. lumbricalis IV frei. Bei den
Fingern II — IV bewirken aber die M. lumbricales eine Unterbrechung
der proximalen und distalen Scheide für die entsprechenden Beuge-
sehnen. Wir haben bei unseren Bestimmungen der Länge der
Sehnenscheiden unser besonderes Augenmerk auf die Lage der Spul-
wurmmuskeln gerichtet und müssen deshalb sie in erster Linie für
die Teilung der Sehnenscheiden in einen carpalen und digitalen Ab-
schnitt verantwortlich machen; auch für den Fuß gilt das gleiche.
Wenn die M. lumbricales sich über die quere Hohlhandfurche,
d. h. die Höhe der Articulationes metacarpophalangeae hinaus zu den
Fingern begeben haben und damit in den Interdigitalraum eingetreten
sind, so werden sie gegen die nunmehr derben Sehnenscheiden durch
eine besondere, leicht darstellbare, wenn auch dünne Fascie fest-
gehalten, wodurch sie gleichzeitig auch von den A. et N. digitales
communes getrennt werden. Diese verlaufen ihrerseits frei im inter-
digitalen Fettkörper und teilen sich dort gabelförmig in ihre R. digi-
tales proprii. Dann treten sie hautwärts von den Lig. capitulorum
transversa zur radialen Seite der Grundphalanx, während dorsal-
wärts von dieser die M. interossei zur Dorsalaponeurose streben.
Die M. lumbricales bieten ein schönes Beispiel dafür, wie ein
Muskel, der ganz in der Tiefe entspringt (hier unterhalb der Palmar-
aponeurose und der oberflächlichen Beugesehnen), sich allmählich an
die Oberfläche wendet und schließlich in der Nähe des Ueberganges
in die Endsehne nur von der Haut und einer sehr dünnen Spezial-
binde bedeckt ist.
Wirkung.
Die M. lumbricales haben vermöge der Verschmelzung ihrer Sehne
mit der Dorsalaponeurose dieselbe W^irkung, wie die entsprechenden
M. interossei: sie beugen die Grundphalanx und strecken die Mittel-
und Nagelphalanx. Gleichzeitig aber bewirken sie durch ihren An-
satz an der radialen Seite eines Fingers die Näherung gegen den
Daumen. Sie sind die eigentlichen Schreib-, Zeichen- oder Geigen-
spielermuskeln. Die beugende Wirkung kommt deshalb so aus-
gezeichnet zur Geltung, weil — im Gegensatze zu den M. interossei
— die M. lumbricales durch die Lig. capitulorum transversa keinerlei
Hemmung bei der Flexion erfahren. Im übrigen wird bei den M. inter-
140
M. lumbricales.
141
ossei die Wirkung auf die einzelnen Phalangen noch einmal ausführ-
lich besprochen werden.
Duchenne spricht S. 137 die Vermutung aus: „daß die M. lumbri-
cales, welche die beiden letzten Phalangen kräftig strecken, ohne ihre
Abduktion zu bewirken, ihre Tätigkeit mit derjenigen der abduzieren-
den M. interossei vereinigen." Wie dies bei den M. lumbricales III
und IV in normalen Fällen (s. die Varietäten) sein soll, ist uns un-
erklärlich.
Innervation.
Gewöhnlich werden die M. lumbricales I und II vom N. medianus,
III und IV vom N. ulnaris versorgt.
Die M. lumbricales teilen mit dem M. flexor digitorum profundus,
von dessen Endsehnen sie entspringen, die Doppelinnervation durch
die N. medianus und ul-
naris. Während aber bei
dem M. flexor digitorum
profundus die Hauptmasse
der Muskulatur, nämlich
für den 3. — 5. Finger, vom
N. ulnaris versorgt wird,
und der Bauch für den
Zeigefinger vom N. me-
dianus, teilen sich die
beiden Nerven der üb-
lichen Beschreibung nach
in die 4 Lumbricales zu
gleichen Teilen. Dem müs-
sen wir aber hinzufügen,
daß nach unseren Unter-
suchungen der dritte sehr
häufig vom N. medianus
und ulnaris ungefähr zur
Hälfte versorgt wird, auch
wenn der Muskel nicht
doppelt geteilt sowohl zur
typischen radialen Seite
des Ringfingers, sondern
auch zur ulnaren Seite des
Mittelfingers geht. Beson-
deres Gewicht legen wir
auf die Tatsache, daß bei
den Fällen der Doppel-
innervation eine intramus-
kuläre Anastomose zwi-
schen den beiden Nerven
besteht. In erfreulicher Weise ergeben unsere Nervenbefunde auch für
den Ringfinger im tiefen Beuger bisweilen die Doppelinnervation durch
die N. medianus und ulnaris, wodurch eine weitere Zusammengehörig-
keit dieses Muskels mit dem M. lumbricalis III dargetan wird. Auf
ihre Bedeutung kommen wir erst bei der Abhandlung der M. ad-
ductor pollicis und flexor pollicis brevis zu sprechen. Wir behandeln
dann ausführlich die Anastomosen zwischen N. medianus und ulnaris,
Fig. 62. M. lumbricales, Nervenbild.
141
142
FROHSE und M. FRANKEL,
welche an Vorderarm und Hand sich zwischen den beiden Nerven
finden. Einstweilen sei nur betont, daß die Anastomose nichts mit
der allgemein bekannten sensiblen zwischen den Digitalnerven zu tun
hat. Topographisch und damit auch für die elektrische Reizbarkeit
beachtenswert ist, daß die Aeste des N. medianus sich von der Vorder-
fläche aus in die entsprechenden M. lumbricales einsenken, hingegen
die Ulnariszweige immer von der Tiefe aus den Weg zu den Muskel-
bäuchen nehmen. Die Lumbricales I und II sind demnach teils ihrer
Größe, teils wegen der oberflächlichen Lage der Nerven viel leichter
reizbar, als die Lumbricales III und IV, bei denen es nur in Ausnahme-
fällen einwandsfrei möglich ist.
Die feinere Verzweigung gibt ein sehr zierliches Nervenbild,
welches durchaus dem der spindelförmigen Muskeln entspricht und
sich nur ändert insofern, wie die Nähe der Eintrittsstelle in der Mitte
des Muskels, oder mehr zur proximalen oder distalen Hälfte, die
Länge der rückläufigen oder absteigenden Zweige beeinflußt. Ana-
stomosen und Sehnennerven kommen vor, wir haben sie aber in
unserer Abbildung nur so weit berücksichtigt, wie sie an dem Prä-
parate vorhanden waren.
Muskelbündellänge.
M. lumbricalis I: Minimum 4,5 cm
Maximum 5,6 „
Durchschnitt aus 4 Messungen 5,1 „
Unterschied in Centimetern 1,1, in Prozenten 25 "/ß.
M. lumbricalis II: Minimum 5,1 cm
Maximum 5,3 „
Durchschnitt aus 3 Messungen 5,2 „
Unterschied in Centimetern 0,2, in Prozenten 4 7o-
M. lumbricalis III: Minimum 6 cm
Maximum 7,2 „
Durchschnitt aus 4 Messungen 6,7 „
Unterschied in Centimetern 1,2, in Prozenten 20 "/o-
M. lumbricalis IV: Minimum 5.2 cm
Maximum 5,6 „
Durchschnitt aus 3 Messungen 5,4 „
Unterschied in Centimetern 0,4, in Prozenten 8 7o-
In toto: Minimum 4,5 cm
Maximum 7,2 „
Durchschnitt aus 14 Messungen 5,6 „
Unterschied in Centimetern 2,7, in Prozenten 60 "/o-
8. Cervicalnerv.
8. Cervicalnerv.)
Segmentbezüge.
I. Thoracalnerv. (Für III. und IV. besonders
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel- Sehnen -
Substanz Substanz
Muskel -
Substanz
in Proz.
M. lumbricalis I.
I. rechter schwacher Arm
ir. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
1
0,8
0,6
1,8
1,9
0,2
0,4
0,2
0,6
80
60
90
76
Durchschnitt aus diesen Messungen
1.6
1,3
0,3
76,5
142
M. lumbricales.
143
Gewicht
in toto
Muakel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Ann
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
M. lumbricalis II.
0,5 I
0,9 I
^ I
2
Durchschnitt aus diesen Messungen
0,4
0,5
1,5
1.7
1.4 I
M. lumbricalis III.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
M. lumbricalis IV.
0,8
0,4
1
1,1
0,6
0,39
0,7
1
0,1
0,4
0,5
0,3
0,4
0,2
0,01
0,3
0,1
80
55,6
75
85
73,7
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
1
0,8
0,8
0,7
0,9
1,9
0,2
0,1
0,6
0,1
90
87,5
60
95
Durchschnitt aus diesen Messungen
1,3
1
0,3
83,1
83,8
99,75
70
90,1
Durchschnitt aus diesen Messungen
0,8
0,7
0,1
85,9
Varietäten.
Die zahlreich beschriebenen, anatomisch teilweise hochinteressan-
ten Abweichungen dürften vielleicht dann auch praktische Bedeutung
gewinnen, wenn gleichzeitig die jedesmaligen Befunde über die ent-
sprechenden Beugesehnenscheiden mitangegeben werden. In dem
von Frohse beobachteten Falle, wo der M. lumbricalis I fehlte,
kommunizierte, wie bereits erwähnt, die carpale Sehnenscheide des
Zeigefingers mit der digitalen. Da, wie eine Beobachtung von
Macalister lehrt, sämtliche M. lumbricales fehlen können, wäre
es von Wichtigkeit, in einem ähnlichen Falle genauen Aufschluß über
die Länge der Sehnenscheiden für die einzelnen Finger zu bekommen,
besonders darüber, ob dann carpaler und distaler Abschnitt ineinander
übergehen.
In den V. B. finden sich folgende Varietäten, wobei wir auf die
gewöhnlichen Fälle verzichten: Lumbricalis I (No. 177) Ursprung
vom Profundus III. Lumbricalis I (No. 440) Ursprung auch von
der Sehne des M. flexor digitorum sublimis. Lumbricalis III und IV
(No. 41) entspringen mit besonderen Sehnen vom M. flexor digitorum
profundus. Lumbricales III -j- IV (No. 230) kommen bloß vom M.
flexor digitorum profundus IV.
Lumbricalis III (No. 327) vom Lig. carpi transversum.
Lumbricalis I (No. 332) accessorischer Ursprung von der Sehne
des M. flexor pollicis longus.
Lumbricalis I (No. 152) gleichfalls.
Unsere Untersuchungen über das Muskelgewicht haben uns be-
lehrt, daß diese Muskeln die wechselvollsten des Armes sind. Nach
den Untersuchungen von F. Kopsch (Die Innervation der M. lum-
bricales etc.. Intern. Monatsschr., Bd. 15, 1898) steht fest, daß zwar die
M3
144 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Abweichungen der verschiedensten Art die absolute Mehrheit (61 Proz.)
bilden, daß man aber zwei Haupttypen der Innervation aufstellen
kann, welche relativ am häufigsten vorkommen. Dieselben sind:
I. Sämtliche 4 M. lumbricales gehen auf der Radialseite ihres
Fingers in die Dorsalaponeurose über. — 39. Proz.
II. Von den 4 M. lumbricales inserieren der 1., 2. und der 4.
am Radialrande des 2., 3. und 5. Fingers; der 3. M. lumbricalis ist
gespalten und geht mit der einen Sehne zum Ulnarrande des 3., mit
der anderen zum Radialrande des 4. Fingers. — 35,45 Proz. Zu
genau denselben Resultaten kam Reichardt (Anat. Anz., Bd. 20, 1901).
M. flexor poUicis longns.
Synonyma: Langer Daumenbeuger, M, flexor pollicis proprius longus,
longissimus pollicis Cowper; Grand flechisseur du pouce Bichat, m. radio-
phalangettien du pouce Chaussier.
Allgemeine Beschreibung.
Der spindelförmige Muskel entspringt von demjenigen Vorder-
armknochen, welcher dem Daumen entspricht, nämlich dem Radius,
und wird über dem M. pronator quadratus rein sehnig; in eine
Scheide eingeschlossen, geht die Endsehne durch den Hohlhandtunnel
und die Tiefe des Daumenballens und tritt in einer Furche zwischen
beiden Sesambeinen zum freien Daumen, an dessen Nagelphalanx sie
ihren breiten Ansatz findet.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel entspringt rein fleischig von der vorderen Fläche des
Radius, von der Richtungslinie des M. pronator teres an bis zum
distalen Rande des M. pronator quadratus. Am Daumen und Radius
entsprechen sich also Knochen- und Muskelursprung in der Lage;
anders wie bei der großen Zehe, bei welcher ja nicht der innen ge-
legene Unterschenkelknochen, die Tibia, dem Muskelbauche des M.
flexor hallucis longus zum Ursprünge dient, sondern der laterale
Knochen, die Fibula.
Da ein zweiter Kopf häufiger vorhanden ist, als nicht, müssen
wir ihn als normal auffassen. Dieser entspringt aus der Tiefe des
M. flexor digitorum sublimis und kann sogar bis zum Epicondylus
medialis humeri verfolgt werden. Er stellt nach der üblichen Aus-
drucksweise eine Muskelkonjugation zwischen M. flexor pollicis longus
und flexor digitorum sublimis dar. Die Verschmelzung beider Köpfe
findet stets durch eine Sehne statt. Die sich aus dem oberen, birnen-
oder spindelförmigen Kopfe entwickelnde dünne Sehne setzt sich
direkt in die andere fort, welche bereits hoch oben am ulnaren
Rande zwischen den Muskelbündeln des unteren Kopfes zu Tage tritt.
Wir haben für diesen accessorischen Kopf die drei Namen : Caput
superficiale, superius oder humerale, dementsprechend für den Haupt-
muskel Caput profundum, inferius oder radiale.
Wir möchten die Namen Caput radiale und humerale für die be-
zeichnendsten halten, um so mehr, als wir auch beim M. pronator teres
ein Caput humerale und ulnare, entsprechend dem medialen Ur-
144
M. flexor pollicis longus. 145
Sprunge, und des weiteren beim M. flexor digitorum sublimis ein
Caput radiale und humerale unterscheiden, d. h. in allen 3 Fällen wird
dann der Knochenursprung maßgebend.
Wir glaubten bis Ende 1907, daß dieser accessorische Kopf immer
nur in der Einzahl vorhanden sein und bereits an der Ulna auf-
hören könnte, den Epicondylus medialis humeri also nicht erreichte,
bis die Beobachtung eines doppelseitigen Falles von Hein und
Frohse uns folgendes lehrte: Accessorische Ursprünge können un-
abhängig voneinander, d. h. gleichzeitig sowohl als Caput humerale
wie Caput ulnare verwirklicht sein.
Duchenne gibt 306 (S. 244) folgende sehr interessante Be-
schreibung: „Die Anatomen, die dem Flexor pollicis longus eine so
kräftige Wirkung auf die erste Phalanx und den ersten Mittelhand-
knochen zuerteilten, sind durch den Leichenversuch getäuscht worden.
Da sie nämlich bei starkem Ziehen an dem Flexor pollicis longus
außer der Beugung der zweiten Phalanx die Beugung der ersten und
die Adduktion des ersten Mittelhandknochens erzeugten, so mußten
sie glauben, daß dies die diesem Muskel zukommende Wirkung wäre.
Unter physiologischen Verhältnissen kann sich aber der Flexor pollicis
longus nicht über einen gewissen Grad hinaus verkürzen, oder, mit
anderen Worten, nicht so weit verkürzen, daß er eine kräftige Beugung
der ersten Daumenphalanx und Adduktion des ersten Mittelhandknochens
bedingen könnte; ebenso hat die klinische Beobachtung ergeben, daß
aus demselben Grunde der Flexor sublimis und profundus auf die
ersten Phalangen fast ohne Wirkung ist, obgleich man durch starkes
Ziehen an ihnen beim Leichnam alle 3 Phalangen kräftig beugen
kann."
Der Grund hierfür liegt in der Kürze der Muskelbündellänge, welche
nur ungefähr 5 cm beträgt. Solange der Ursprung vom Radius in Ver-
bindung mit diesem Knochen gelassen ist, läßt sich durch Zug keine
wesentliche größere, als die physiologische Wirkung erzielen, d. h, bei
einer Verkürzung um die Hälfte höchstens 3 cm. Sobald aber die
Sehne, an der beliebig viel Muskelsubstanz gelassen werden kann, vom
Knochen getrennt wird, ist es möglich, mit einer Kraft, welche das
physiologische Verhalten bei weitem übertrifft, auf die Sehne zu wirken,
einer Kraft, welche sich besonders bei erhaltener Sehnenscheide energisch
auf die Grundphalanx und den ersten Mittelhandknochen überträgt.
Bei eröffneter Sehnenscheide wirkt der Zug im wesentlichen durch die
Vincula tendinum.
Holotopie und Syntopie.
Da die accessorischen Köpfe, die Capita ulnare und humerale,
inkonstant sind, und die durch dieselben bedingten Lagebeziehnungen
für jeden einzelnen Fall eine sehr ausführliche Beschreibung bean-
spruchen würden, beschränken wir uns ausschließlich auf das praktisch
bei weitem wichtigste Caput radiale.
Die Facies superficialis entspricht proximal dem M. pronator
teres, von dem sie jedoch durch die dünne Ursprungssehne des Caput
radiale des M. flexor digitorum sublimis getrennt ist, weiterhin dem
Muskelbauche dieses Kopfes, welcher gemeinhin für den Mittelfinger
bestimmt ist; dann liegt sie für eine kurze Strecke frei unter Haut
und Fascie, und es ziehen hier nur die Vasa radialia dicht über sie
Handbuch der Anatomie, II, H, 2. i/\
^45
146 FROHSE und M. FRÄNKEL,
hinweg. Der obere, proximale Rand verläuft schräg nach oben,
ulnarwärts und liegt genau vis-ä-vis, gegenüber dem Ansätze des M.
supinator, soweit sich derselbe an der Vorderfläche des Radius an-
heftet. Der radiale Rand geht ohne wesentliche Erhöhung der Ober-
fläche in die entsprechende Kante des Radius über. Der ulnare
Rand ist hoch und schmiegt sich an den M. flexor digitorum pro-
fundus (Zeigefingerbauch) an; die Beziehungen zu den Vasa und N.
interossea volaria antebrachii und der gleichnamigen Membran mit
ihren Besonderheiten müssen — zur Vermeidung von Wiederholungen
— bei der Holotopie des M. flexor digitorum profundus nachgesehen
werden. Der distale Rand verläuft schräg von proximal - radial nach
distal - ulnarwärts und verschwindet mit der freien Endsehne im
Hohlhandtunnel.
Die Facies profunda deckt fast die ganze vordere Fläche des
Radius, welche zwischen den M. pronator teres und quadratus vor-
handen ist, bisweilen nehmen auch einige Muskelbündel von der
Membrana interossea ihren Ursprung.
Bei dem Verlaufe der Sehne zur Nagelphalanx ist folgende Tat-
sache zu beachten: Am distalen Ende des Hohlhandtunnels bettet
sich die Sehne in eine fibröse Verbindung der beiden Ursprungsköpfe
des M. flexor pollicis brevis ein; dieser findet sein Ende am radialen
Sesambeine und hat direkt nichts mehr mit der Endsehne zu tun.
Bei der Endsehne des M. flexor hallucis longus ist dies Verhalten
anders, indem der Ursprung des M. flexor hallucis brevis einheit-
lich ist, während der doppelte Ansatz am medialen (tibialen) und
lateralen (fibularen) Sesambeine eine sichere Gleitrinne für die Sehne
des M. flexor hallucis longus schafft. Die weiteren Einzelheiten sind
bei den volaren Sehnenscheiden nachzusehen.
Innervation.
Für den Hauptkopf ist ein einheitlicher Nerv vorhanden, welcher
sich aus dem N. interosseus volaris loslöst, jedoch bereits in 2 Zweige
geteilt ist, wenn er sich zu beiden Seiten der schon hoch oben sicht-
baren Endsehne lagert. Die Verzweigung eines jeden Nervenastes
ist eine sehr reichliche, und außerdem sind verschiedene intramuskuläre
Anastomosen von uns nachgewiesen, was uns bei dem doppeltgefieder-
ten M. flexor carpi ulnaris bisher nicht möglich war. Ferner war in
dem abgebildeten Falle neben der freien Endsehne ein Vater-Pacini-
sches Körperchen vorhanden und außerdem verschiedene Periostnerven
zum freien lateralen Rande des Radius. Die in der Membrana
interossea beschriebenen VATER-PACiNischen Körperchen stammen in
der Regel aus dem N. interosseus volaris, sind aber hier nicht ab-
gebildet, da dieser Nerv kurz abgeschnitten ist; sie können jedoch
auch an Muskelnerven sitzen, welche den ulnaren Teil des M. flexor
pollicis longus oder den radialen Teil des M. flexor indicis profundus
versorgen.
Muskelbündellänge,
a) Wenn nur das Caput radiale vorhanden ist.
Fall 1. Minimum 3,4 cm
Maximum 5,2 „
Durchschnitt aus 11 Messungen 4,2 „
Unterschied in Centimetern 1,8, in Prozenten 53 "/q.
146
M. flexor pollicis longus.
147
b) Wenn ein Caput acceesoriuiu humerale oder ulnare vorhanden ist.
Fall 2. Venter superior: Minimum 4,5 cm
Maximum 5,3 „
Durchschnitt aus 2 Messungen 4,9 „
Unterschied in Centimetem 0,8, in Prozenten 18 "/o-
Venter inferior: Miniraum 3 cm
Maximum 4,5 „
Durchschnitt aus 18 Messungen 3,6 „
Unterschied in Centimetem 1,5, in Prozenten 50 "/q.
In toto: Minimum 3 cm
Maximum 5,3 „
Durchschnitt aus 20 Messungen 3,75 „
Unterschied in Centimetem 2,3, in Prozenten 77 "/o«
Segmentbezüge.
6. 7. (8). Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
öubstanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substAnz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
11. hnker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
11,5
11
26
25
9
9
22,5
20,5
¥
3,5
4^
80
81,8
86,5
82
Durchschnitt aus diesen Messungen
18,4
15,3
3,1
82,6
Varietäten.
Die Sonderung des Muskelbauches erreicht beim Menschen ihre
höchste Entwickelung. Beim Orang fehlt Muskel und Sehne, beim
Gibbon ist zwar der Muskelbauch selbständig, die Sehne aber teil-
weise mit dem M. flexor digitorum profundus verschmolzen, bei den
niederen Affen fehlt der Muskelbauch, und nur ein zartes Sehnenblatt
löst sich als Endsehne für den Daumen aus dem gemeinschaftlicheu
M. flexor profundus ab.
Auch beim Menschen kommen Verschmelzungen mit dem M.
flexor digitorum profundus und auch dem sublimis vor.
Unter dem M. flexor pollicis longus entspringt gar nicht so
selten ein besonderer Muskel, der M. radialis internus brevis Gruber,
den auch wir mehrere Male beobachtet haben. Wir möchten ihn aber
lieber als M. flexor carpi radialis brevis bezeichnen. Wir haben
einen derartigen Fall mit dem Ansätze an den radialen Carpal- und
Metacarpalknochen abgebildet.
M. Pronator quadratiis.
Synonyma: Viereckiger Vorwärtswender oder Einwärtsdreher; M.
Pronator inferior, quadratus antibrachii; Carre pronateur Cruveilhikr,
pronateur transverse, petit pronateur, cubito-radial Chaussier, Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der viereckige, platte Muskel deckt ungefähr das untere Viertel
beider Vorderarmknochen dicht proximal von der Articulatio radio-
10*
H7
148 FROHSE und M. FRÄNKEL,
ulnaris distalis inferior von der Vorderseite her zu. Bei einer Reihe
von Tieren steht er mit dem M. pronator teres in unmittelbarem Zu-
sammenhange, beim Menschen kommt diese Zusammengehörigkeit nur
an der Radialseite noch einigermaßen zur Geltung. Sein sich aus
dem N. medianus schon hoch oben loslösender Nerv ist der motorische
Endast des R. interosseus volaris, der sich allerdings am oberen
Rande des Muskels zur Dorsalseite wendet. Hieraus erklärt sich
die Tatsache, daß der Muskel am besten von der Dorsalseite aus
elektrisch gereizt wird, obwohl der Muskelbauch an der Beugeseite
liegt. Die volar über ihm gelegenen Sehnen der Beuger und vor
allem die Gegenwart des N. medianus und auch des N. ulnaris
machen die Reizung von der Beugeseite aus sehr schmerzhaft und
oft unmöglich. Auf der Dorsalseite dagegen liegt der Muskelnerv
näher der Hautoberfläche und ist auch nicht von nennenswerten
sensiblen Aesten überlagert. Die ausschließlich und zwar stark
pronierende Wirkung muß trotz des Zweifels von Hyrtl als sicher
angenommen werden.
Idiotopie und Skeletopie.
Die örtliche und bildliche Darstellung beschränkt sich im all-
gemeinen auf die Vorderansicht im Zustande der Supination, d. h. es
wird nur die Facies superficialis berücksichtigt; dann sieht der Muskel
in der Tat ungefähr viereckig aus mit parallelfaserigen Bündeln.
An der ulnaren Seite besonders findet sich häufig eine größere
oder kleinere Sehnenplatte. Ein wirkliches Verständnis kann man
sich aber erst durch Präparation auch der Rückseite verschaff'en,
wobei eine ausgiebige Eröifnung des unteren Radioulnargelenkes und
die Entfernung der Gelenkkapsel unerläßlich sind. Dann sieht man,
wie die Rückseite durchaus nicht parallelfaserig gebaut zu sein braucht,
sondern sich aus eigentümlich geformten, unregelmäßigen Bündeln
zusammensetzen kann, die in den einzelnen Fällen erheblich- ver-
schieden sind. Ferner wird man dann klar darüber, warum sich der
oben, proximal, verhältnismäßig schmale Bauch nach unten erheblich
verstärkt, wenn auch der untere freie Rand wieder dünner erscheint.
Im proximalen Teile geht die Muskulatur hauptsächlich nur von den
beiden Rändern und vorderen Flächen der Vorderarmknochen zu-
einander, im distalen dagegen, wenn sich der Radius gegen die Ulna
hin verbreitert, wird auch diese ulnare Fläche des Radius von den
tiefen, kurzen Muskelbündeln in Anspruch genommen. An der Stelle,
wo der M. pronator quadratus beginnt, verliert übrigens auch die
Membrana interossea antebrachii ihren bis dahin durchaus sehnigen
Charakter — man kann sagen, daß die Gegenwart dieses Muskels
den fibrösen Apparat unnötig macht, um so mehr, als eine ziemlich
derbe Fascie ihn fest gegen die Vorderarmknochen preßt.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel gehört zu den versteckteren des Körpers. Der Mehr-
zahl der Aerzte dürfte es wohl nicht gegenwärtig sein, daß trotz
seiner geringeren Anteilnahme am Oberflächenbilde er doch am aller-
häufigsten direkt bei der Untersuchung getroffen wird, wenn man
nämlich den Puls fühlt. Hierbei wird ja die A. radialis nicht un-
mittelbar gegen den Radius gedrückt, sondern zuerst gegen die, wenn
148
M. Pronator quadratus.
149
auch hier dünne, Muskellage des
M. Pronator quadratus in der
Furche zwischen der Sehne des
M. brachioradialis, welche am
freien Rande des Radius durch
die Sehnen der M. abductor pol-
licis longus (und extensor pollicis
brevis) überhöht wird, und der
Sehne des M. flexor carpi radialis,
welche ihrerseits wieder teilweise
die des M. flexor pollicis longus
zudeckt. Ueber der Mitte des
Muskels liegen die Beugesehnen
für die Finger samt dem N. me-
dianus, an der ulnaren Seite die
Vasa ulnaria mit der Teilungs-
stelle des N. ulnaris in den R.
volaris communis und dorsalis
manus, mehr hautwärts der M.
flexor carpi ulnaris, mit anderen
Worten, kürzer zusammengefaßt,
sämtliche wichtigen Gebilde,
welche zur Hand ziehen, müssen
den Muskel überkreuzen, und be-
stimmt e r allein die Beziehungen
zu den Knochen und Gelenken,
denen er unmittelbar auf-
liegt, und die er fast voll-
kommen bedeckt. Seine tiefe
Fläche bedeckt ja das untere,
distale Viertel der Vorder-
armknochen und den Haupt-
teil der Articulatio radio-
ulnaris distalis, während die
Articulatio radiocarpea frei-
gelassen wird. Daß nach Ent-
fernung der dort dünn ge-
wordenen Membrana inter-
ossea die Rückseite auch zu
den Extensoren in Beziehung
tritt, vornehmlich zum M.
extensor indicis proprius,
muß noch einmal betont
werden, weil der Nerv von
hinten her in den Muskel
eintritt und dorsal am besten
der elektrischen Reizung zu-
gängig ist.
Wirkung.
Man sieht ohne weiteres
die Bedeutung für die Pro-
nation. Das Punctum fixum
Fig. 63. M. Pronator quadratuB, Nerven-
bil "
)ild von vorne.
Fig. 64. M. Pronator quadratus, Nervenbild
von hinten.
150 PROHSE und M. FRANKEL,
ist unter allen Umständen der bei der Drehung unbeteiligte Vorder-
armknochen, die Ulna, eine Kontraktion des Muskels kann nur eine
Näherung des Radius an die Ulna im Sinne der Pronation auslösen.
Innervation.
Der M. pronator quädratus läßt sich nur sehr schwer in Bezug
auf seine feineren Nervenzweige präparieren, und es empfiehlt sich,
den Kunstgriff anzuwenden, zuerst die Artic. radioulnaris distalis zu
durchtrennen, die beiden Vorderarmknochen auseinanderzudrängen
und die Kapsel sorgfältig zu entfernen, wie es in unserer Figur 63
zu sehen ist. Die Nervenzweige halten sich im allgemeinen an das
Spatium interosseum, welches durch die Entfernung der beiden
Knochen voneinander natürlich erheblich vergrößert wird. Schon bei
der Muskelbeschreibung ist betont worden, wie verwickelt der Aufbau
der tief gelegenen Muskelschicht sein kann, und auch bei der Nerven-
präparation ist es schwer, dem oft sehr verwickelten Verlaufe der
einzelnen Nervenfasern zu den accessorischen Muskelbündeln zu
folgen. In dem abgebildeten Präparate, dessen Vorder- und Rück-
seite wir dargestellt haben, tritt der Nerv erst in der Mitte des
Muskelbauches in denselben hinein. Hieraus folgt ohne weiteres,
daß sich lange rückläufige Zweige für den proximalen Teil vorfinden
müssen. Im übrigen weist das bäumchenartige Nervenbild, welches
verschiedene Anastomosen zeigt, nichts Besonderes auf.
Weit wichtiger ist die praktische Anwendung unserer Befunde.
Obwohl der Nerv als motorisches Ende des N. interosseus volar is
zu dem volar von den Vorderarmknochen gelegenen Muskelbauche
tritt, ist die elektrische Reizung von vorn sehr schwierig, weil außer
den Beugesehnen auch der N. medianus die gesonderte Reizung des
Muskels oder gar des Nerven in unangenehmster Weise hindert. Der
N. interosseus volaris muß vielmehr, indem er die Membrana inter-
ossea durchbohrt, schon am oberen, proximalen Rande des M. pro-
nator quädratus als ein N. interosseus dorsalis antebrachii aufgefaßt
werden, ähnlich, wie das Ende der A. interossea volaris schon früher
den durchaus berechtigten Namen A. interossea dorsalis inferior
hat, eine Bezeichnung, welche leider in den B. N. A. keine Aufnahme
gefunden hat, wenn sie genau durch dieselbe Lücke wie der Nerv in
der Membrana interossea durchgetreten ist. In der Tat ist auch die
elektrische Reizung des Nerven und damit auch des Muskels bei
supinierter Hand im Beginne des unteren, distalen Viertels des
Vorderarmes verhältnismäßig leicht auszuführen, viel leichter jeden-
falls, als diejenige von der entsprechenden Stelle der Volarseite aus.
Muskelbündellänge.
Minimum 1,7 cm
Maximum 3,2 „
Durchschnitt aus 12 Messungen 2,5 „
Unterschied in Centimetern 1,5, in Prozenten 88 7o-
Segmentbezüge.
(6). 7. 8. Cervicalnerv. I. Thoracalnerv.
150
M. Pronator quadratus.
151
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
5.5
5
15
16
5
4,9
14,5
15
0,5 90,8
0,1 98
0,5 96,7
1 93,7
Durchschnitt aus diesen Messungen
10,4
9,9
0,5
94,3
Varietäten.
Der Muskel kann fehlen oder auch weit proximal reichen. Die
Gestalt braucht nicht viereckig zu sein, sondern auch von der Vorder-
seite aus dreieckig; die verschiedene Richtung der einzelnen Muskel-
bündel ist in unserer Fig. 64, welche die Rückseite des Muskeln
wiedergibt, in einer ziemlich ungewöhnlichen Weise verwirklicht.
Bisweilen hört der Muskel nicht mit der Articulatio radioulnaris
distalis auf, sondern greift distal noch auf die Capsula articularis
radiocarpea, das Os naviculare und multangulum majus, oder radial-
wärts noch auf die Muskulatur des Daumenballens und selbst mit einer
Sehne bis auf die Basis des ersten Mittelhandknochens über.
Das doppelseitige Fehlen ist auch in den V. B. beobachtet und
von uns beim M. flexor carpi radialis, s. S. 115, beschrieben.
(No. 104.)
Brachioradialgruppe.
Synonyma : Muskeln des radialen Randes Henle , der lateralen
Region, der Radialseite des Unterarmes Langer, Radiale Gruppe
Gegenbaür (Außenarmgruppe Frohse); Muscles de la region externe
Poirier; Marginal muscles Macalister.
Die 4 Muskeln dieser Gruppe entspringen am unteren, distalen
Drittel des Oberarmes und dem oberen, proximalen des Vorderarmes,
3 ausschließlich vom Humerus, der vierte zum größten Teile von der
Ulna. Die Muskelbäuche geben dem Vorderarme die charakteristische
Wölbung der Radialseite in der Höhe des Ellenbogengelenkes. Das
weite Uebergreifen der starken Muskulatur läßt nicht, wie auf der
Innenseite, den entsprechenden Epicondylus in Form einer scharfen
Ecke an die Oberfläche treten. Das Ende des Muskelfleisches liegt
bereits im mittleren Drittel des Vorderarmes, aber die Endsehnen
gehen teilweise bis zu den Mittelhandknochen. Der Reihe nach, wie
die Muskeln von oben nach unten entspringen, decken sie sich auch
von der Oberfläche nach der Tiefe zu, aber nicht vollkommen ; denn
es erscheint jedesmal ein Teil des tieferen Muskels. Vorn und radial
sieht man nur den M. brachioradialis , dann erscheint am freien
radialen Rande des Vorderarmes zuerst der M. extensor carpi radialis
longus und dann der brevis, am ulnaren Rande dieses Muskels sieht
man, aber erst nach Entfernung der oberflächlichen Streckschicht, den
M. supinator. Am Oberflächenbilde nehmen nur die 3 ersten Muskeln
teil, die sich überdies durch ihre Länge gegenüber dem verhältnis-
mäßig kurzen M. supinator auszeichnen. Wenn man will, kann man
151
152 FROHSE und M. FRÄNKEL,
deshalb von einer oberflächlichen Schicht sprechen, welche 3 lange
Muskeln enthält, und einer tiefen, welche nur von dem kurzen
M. supinator gebildet wird.
Wichtiger ist jedoch das physiologische Verhalten, indem in
dieser Gruppe ein Beuger zwischen Oberarm und Vorderarm, der
M. brachioradialis, zwei Handstrecker und ein Supinator vereinigt sind.
Wenn man die Brachioradialgruppe für sich allein darstellt, so
sieht man, wie sie nicht allein die Außenfläche des Radius voll-
kommen zudeckt, sondern auch einen ansehnlichen Teil der Volar-
und Dorsalseite. So wird dieser Knochen nicht unmittelbar dem Ge-
sichte und dem Gefühle zugängig; auch nicht im unteren, distalen
Drittel, wo nur noch Sehnen der Brachioradialgruppe vorhanden sind.
Hier ist die so wichtige Ueberkreuzung durch das Muskelfleisch der
M. abductor pollicis longus und extensor pollicis brevis, in der Höhe
des Handgelenkes eine weitere distale durch die Sehne des M. ex-
tensor pollicis longus.
Der vordere Rand der Gruppe bildet die laterale Begrenzung der
Ellenbeuge und weiterhin des Sulcus radialis des Vorderarmes, die
Außenfläche ist, solange Muskelfleisch vorhanden ist, durch keinen
anderen Muskel überlagert, die Sehnen jedoch erscheinen nur stück-
weise an der Oberfläche. Von einem hinteren Rande können wir im
unteren, distalen Drittel des Vorderarmes nicht mehr reden, sondern
nur bis dahin, wo der M. abductor pollicis longus an die Oberfläche
kommt, d. h. unter dem M. extensor digitorum communis verschwindet ;
von hier aus proximalwärts verläuft die senkrechte Orientierungslinie
zwischen den beiden Muskeln, d. h. in mehr als der proximalen Hälfte
des Vorderarmes liegt die Brachioradialgruppe dem M. extensor
digitorum communis genau gegenüber, so innig, daß die zwischen
beiden vorhandene Aponeurosis intermuscularis zu beiden benach-
barten Muskeln divergierende Bündel entsendet. Am Oberarme ent-
spricht die Brachioradialgruppe hinten dem M. triceps, soweit dieser
unterhalb des Sulcus des N. radialis entspringt, bei unversehrter
Haut scheinbar dem Caput laterale, am anatomischen Präparate, nor-
male Verhältnisse vorausgesetzt, nur dem Caput mediale.
M. brachioradialis.
Synonyma: Langer Rückwärtswender oder Auswärtsdreher, Arm-
speichenmuskel, Bettlermuskel; M, supinator longus, supinatorum primus,
satelles a. radialis, pauperum s. mendicantium ; Humero-stylo-radial, long
supinateur, brachio - sus - radial, humero - sus - radial Chaussier, humero-
styloidien Cruveilhier.
Allgemeine Beschreibung.
Mit Freuden dürfen wir es begrüßen, daß durch die B. N. A. der
alte Name M. supinator longus über Bord geworfen ist. Es würde
sonst ein physiologischer Irrtum, wie er nicht schlimmer gedacht
werden kann, anatomisch weiter geheiligt sein.
Der oberhalb des Epicondylus lateralis breit und lang vom
Margo lateralis entspringende Muskelbauch findet seinen verhältnis-
mäßig schmalen, sehnigen Ansatz dicht oberhalb, proximal von
dem Proc. styloideus radii.
152
M. brachioradialis. 153
Seine Wirkung ist die, den Oberarm gegen den Vorderarm zu
l)eugen. Eine irgendwie nennenswerte supinierende oder, wie sogar
angegeben wird, pronierende Wirkung müssen wir auf das ent-
schiedenste in Abrede stellen. Nach unserer Auffassung ist der
Muskel eine abgesprengte Portion des M. brachialis, soweit derselbe
vom N. radialis versorgt wird, nur daß der Ansatz weit distalwärts
hin verlegt ist, fast bis an den Proc. styloideus radii heran. Wie
der zweigelenkige Beuger, der Biceps durch die Hauptsehne sich am
Radius befestigt, andererseits aber, durch den Lacertus fibrosus sich
gegen die Ulnarseite wendet und in besonderen Fällen sogar die Ulna
erreicht, so haben wir auch bei den eingelenkigen Beugern den
doppelten Ansatz an beiden Vorderarmknochen zu verzeichnen, den des
M. brachialis an der Ulna und den des M. brachioradialis am Radius.
Chirurgisch ist der Muskel wichtig, weil sein freier ulnarer Rand
als Leitstern bei der Aufsuchung der A. radialis dient. Ferner liegt
die Stelle, wo der Puls gefühlt wird, zwischen seiner Sehne und
der des M. flexor carpi radialis. Nachdem neuerdings die Lokal-
anästhesie durch Injektion der Hautnerven selbst eine allgemeinere
Anwendung gefunden hat, verdient hier schon die Tatsache besondere
Erwähnung, daß an der Grenze des mittleren und distalen Drittels
des Vorderarmes der weiter proximal vom Muskelfleische bedeckte
R. superficialis n. radialis die Fascie durchbohrt, unmittelbar am
hinteren oder dorsalen Rande der Sehne.
Idiotopie und Skeletopie.
Die äußere Form gerade dieses Muskels wechselt in den einzelnen
Abschnitten ganz außerordentlich: Am Oberarme zeigt er eine freie
Außenfläche mit einem vorderen schrägen und hinteren geraden Rande,
nach der Ellenbeuge zu wird allmählich der vordere Rand zum
medialen, ulnaren, der hintere zum lateralen, radialen; im Ansätze
dagegen kehrt dasselbe Lageverhältnis wieder wie am Oberarme;
wohlgemerkt nur im Zustande der Supination. Bei der Pronation
beschreibt der Muskel eine halbe Spiraltour um den Radius herum.
Die sich hierbei ergebenden, fast unglaublichen Veränderungen und
Verschiebungen der Flächen und Ränder können hier nicht ausführ-
licher beschrieben werden, man kann sich am Präparate oder am
Lebenden sehr leicht ein anschauliches Bild hiervon verschaffen.
Noch verwickelter, als die Oberfläche ist die Facies profunda des
Muskels, indem er sich nämlich am Oberarme keilartig in eine ent-
sprechende Auskehlung des M. brachialis hineinlegt.
Am Oberarme dreieckig, wird der Querschnitt des Muskelbauches
in der Ellenbeuge retortenartig mit ulnarer Rundung, am Vorder-
arme einer abgeplatteten, planconvexen Linse vergleichbar.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht am Oberarme keilartig dessen
lateraler und vorderer Seite, am Vorderarme den 2 proximalen Dritteln
der Vorderseite. Das distale Drittel wird von den M. abductor pollicis
longus und extensor pollicis brevis, vornehmlich durch ihre Endsehnen
überlagert. Es findet sich dann fast regelmäßig beim Erwachsenen,
selten schon beim Neugeborenen ein Schleimbeutel, welcher in den
153
154
N radialis ronimums
t.. profundus n. radialis
R. superficialis n.
radialis
M. brachioradialis
M. extensor carpi
radialis longus
M. extensor carpi
radialis brevis
Fig. 65. Brachioradialgruppe, Nervenbild.
M. brachioradialis. 155
B. N. A. keine Bezeichnung gefunden hat, von Poirier abgebildet
(Fig. 123, S. 172) und von uns als Bursa subabductoriaradialis
nobis ausführlich beschrieben ist. Von einem Margo superior können
wir kaum reden, weil derselbe meistens in eine Spitze, den Apex
superior s. proximalis ausgezogen ist, genau wie wir auch an der
Ansatzsehne nur einen Apex distalis dicht proximal vom Processus
styloideus radii beschreiben können. Die proximale Spitze liegt in
normalen Fällen am distalen Ende des Sulcus spiralis, reicht bei
Varietäten jedoch bis zur Tuberositas deltoidea hin. In letzterem
Falle entspricht dann der Margo posterior auch dem Caput laterale
des M. triceps, in den normalen Fällen nur dem Caput mediale dieses
Muskels. Am Vorderarme entspricht der zugeschärfte Margo posterior
dem M. extensor carpi radialis longus bis zu dessen distalem Drittel.
Der vordere Rand schmiegt sich am Oberarme eng, mitunter fast
untrennbar an den M. brachialis an, dann etwas distal von der Ellen-
beuge dem M. pronator teres, dessen Endsehne er überlagert. Die
A. radialis wird zunächst vollkommen von dem Muskelbauche verdeckt
und gelangt ungefähr erst in der Mitte des Oberarmes, an seinem
ulnaren Rande an die Oberfläche. Die Facies profunda entspricht
am Oberarme mit dem Ursi)runge dem Margo lateralis humeri, und
mehr nach vorn dem M. brachialis, von welchem er teilweise durch
den N. radialis und dessen Begleitgefäße getrennt wird, vom Ellen-
bogengelenke an abwärts, hinten dem M. extensor carpi radialis
longus, vorn den M. supinator und pronator teres. Mit dem Ansätze
dieses Muskels gewinnt er die Nachbarschaft des Radius selbst, den
er bis zum Proc. styloideus begleitet, ohne jedoch dabei einen tiefen
Schleimbeutel zu entwickeln. Wir halten es für zu weitgehend, hier
noch geringfügige Lagebeziehnungen zu anderen Nachbarmuskeln,
z. B. M. flexor pollicis longus, zu beschreiben.
Brachioradialgruppe.
Innervation.
Unsere Figur zeigt die gesamte Masse der drei langen Muskeln
der Brachioradialgruppe, von der Facies profunda aus gesehen.
Ferner haben wir auch neben dem Stamme des N. radialis die beiden
Endzweige (R. superficialis und R. profundus) zur Darstellung ge-
bracht.
M. brachioradialis.
Wir sehen, wie der Nerv zu dem M. brachioradialis, in unserem
Falle ein Ast, es können aber auch mehrere sein, von oben her in
den Muskel eintritt und bald einen feinen proximalen Sehnennerven
abgibt. Seine Aeste haben das Charakteristische, daß sie ziemlich
lang nach unten auf der präparatorisch freigelegten ulnaren Ober-
fläche verlaufen, ehe sie in die Tiefe gehen und dann wieder stellen-
weise extramusculär zu Tage treten, hier allerdings auch unter der
Haut, ohne daß eine radiale Seitwärtsschiebung des Muskels not-
wendig ist. Anastomosen finden sich in diesem Falle wenige; treten
mehrere Nerven aus dem Stamme des N. radialis heraus, so finden
sich auch reichlichere Anastomosen. Ein langer Sehnennerv zieht
bis zur Endsehne: bisweilen kommen auch mehrere vor.
156
FROHSE und M. FRANKEL,
M. extensor carpi radialis longus.
Der Nerv tritt von der ulnaren Seite des Muskels heran, löst
sich in eine größere Anzahl von Zweigen auf, welche einen kurzen
extramuskulären Verlauf haben und mehrfach miteinander anasto-
mosieren. Sehnennerven haben wir in ihm bisher nicht auffinden
können.
M. extensor carpi radialis brevis.
Der Nerv für den M. extensor carpi radialis brevis hat die be-
sondere Eigentümlichkeit, daß er, zu dem im mittleren Drittel des
Vorderarmes gelegenen Muskelbauche hinziehend, extramuskulär an
der scharfen volaren, ulnar gerichteten Kante des Muskels verläuft.
Von dieser Kante aus schickt er eine ganze Reihe von Zweigen in
die Muskulatur hinein. Ein feiner Nerv geht zu der bei der Muskel-
beschreibung erwähnten platten, dünnen Ursprungssehne. Wir haben
einen solchen Eintritt eines Nerven, welcher weder der oberflächlichen
oder der tiefen Lage, sondern dem freien Rande entspricht, als mar-
ginal bezeichnet. In diesem speziellen Falle tritt der Muskelnerv
nicht in die Facies volaris oder dorsalis ein, sondern am marginalen
i. e. ulnaren Rande.
Muskelbündellänge.
Minimum 13,6 cm
Maximum 20 „
Durchschnit aus 7 Messungen 16,9 „
Unterschied in Centimetern 6,4, in Prozenten 47 %.
Segmentbezüge.
5. 6. Cervicalsegment.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel- Sehnen-
substanz substÄn?;
Muskel-
subötanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
22
17
80
65
20,5
16,5
77
62,5
1,5
0,5
3
2,5
93,6
97,1
96,2
96,2
Durchschnitt aus diesen Messungen
46,8
44,1
2,7
95.8
Varietäten.
Der Ursprung kann sich, wie wir auch mehrfach bestätigen
können, bis zu der Tuberositas deltoidea erstrecken und tritt dann
außer mit dem M. brachialis noch mit dem Ansätze des M. deltoideus
in Beziehung. — Diese Varietät wird von Wichtigkeit, wenn man
operativ den N. radialis aufzusuchen oder zu vermeiden hat, weil die
von uns vorgeschlagenen Bestimmungen sich nicht mit den Angaben
anderer Autoren decken.
Das Fehlen des ganzen Muskels hat Henle einmal beiderseits,
beobachtet.
156
Braohioradialgruppe. 157
Von besonderem Interesse wäre eine von Henle beobachtete
Varietät, daß sich ein oberstes Ursprungsbündel des Supinator (brevis)
schon vom mittleren Drittel des Humerus loslöste und an der oberen
Seite des Radius ihren Ansatz fand. Hiernach hätte man es wirk-
lich mit einem Supinator longus zu tun. Nach unserer Meinung,
welche in jedem Falle erst durch Prüfung der Fascien Verhältnisse
und Nervenversorgung nachzuuntersuchen wäre, handelt es sich
jedoch nicht um eine Verschiebung des M. brachioradialis nach unten
distalwärts, sondern um eine Verlagerung des M. supinator brevis nach
oben hin, d. h. proximalwärts. Bei dem Bezüge der Nerven aus dem-
selben Stamme ist für uns die Abkunft dieses zwischen den M. brachio-
radialis und supinator brevis gelegenen Bündels für den letzteren
wahrscheinlich.
Alle anderen Varietäten, des Ursprunges oder Ansatzes, selbst
wenn letztere bis zur Ulna oder zu den Metacarpalknochen (Dursy)
gehen, beanspruchen nur theoretisches anatomisches Interesse.
In den V. B. ist unter No. 132 ein dem HENLEschen Falle
analoger beschrieben, welchen wir nicht wortgetreu wiedergegeben,
sondern unserer physiologischen Auffassung entsprechend etwas um-
geändert haben: Vom M. brachioradialis zweigt sich ein dünner
Muskelbauch ab und inseriert am Pronator teres selbst, mittelbar
also am Radius. Funktion: Supinator. Es handelt sich demnach um
einen M. supinator verus, welcher sich aus dem nach unserer Meinung
nur Beugewirkung besitzenden M. brachioradialis abzweigt.
M. extensor carpi radialis longus.
Synonyma: Langer äußerer Speichenmuskel, langer Speichenstrecker;
M. radialis externus longus, extensor radialis longus ; Premier ou long radial,
prämier radial externe Cruvbilhier, humero-sus-metacarpien Chaussier,
Dumas ; extensor carpi radialis longior Macalister , extensor abductorius
Duchenne.
Allgemeine Beschreibung.
Der Ursprung entspricht einigermaßen dem des M. pronator teres,
wofern man diesen auf die radiale Seite überträgt, d. h. er kommt nicht
allein vom Epicondylus lateralis, sondern greift noch auf den Schaft des
Oberarmbeines über. Eine klare Uebersicht hiervon kann man nur durch
die vollständige Loslösung des M. brachioradialis gewinnen. Der prisma-
tische Muskelbauch ist kräftig, hört aber bereits mit dem proximalen
Drittel des Vorderarmes auf. Die Sehne legt sich in den M. extensor
carpi radialis brevis wie in ein Bett hinein, ein Verhalten, das wir
bei den M. peronaei fast in gleicher Weise zu schildern haben
werden. Beide Sehnen treten im distalen Drittel des Vorderarmes in
einen Muskeltunnel, indem die Bäuche des M. abductor pollicis longus
und extensor pollicis brevis über sie hinweg aus der Tiefe heraus an
die Oberfläche gelangen. Noch über dem Handgelenke wird die
Sehne wieder frei, ist nie vom Lig. carpi dorsale commune bedeckt,
erfährt aber eine nochmalige Ueberlagerung durch die Sehne des
M. extensor pollicis longus, welche den freien Endteil ungefähr in der
Mitte der Länge schräg überkreuzt.
157
158
FROHSE und M. FRÄNKEL,
M. extensores carpi radiales.
Fig. 66. Varietät der linken Seite. Fig. 67. Varietät der rechten Seite.
158
M. extensor carpi radialis longns. 159
Vom N. radialis versorgt, hat der Muskel die Aufgabe, nicht
allein die Hand zu strecken, sondern sie auch radialwärts zu ab-
duzieren; besonders deutlich ist das dann zu erkennen, wenn die
Hand vorher ulnarwärts abduziert war. Dann ist das Primäre die
radiale Abduktion bis zur Mittelstellung; jetzt erst tritt die Dorsal-
flexion ein unter gleichzeitiger weitergehender Radialabduktion. Der
Ansatz an der Basis des 2. Mittelhandknochens, also von der Hand-
achse entfernt, macht diese Nebenwirkung ohne weiteres verständ-
lich. Dem M. abductor pollicis longus kommt die Aufgabe der
radialen Abduktion der ganzen Hand viel weniger zu, weil die
Hauptmasse des Ansatzes distal von der Articulatio carpo-metacarpea
pollicis gelegen ist und der in diesem Gelenke so bewegliche Daumen
bequem nach außen abweichen kann ; erst sekundär tritt eine geringe
Abduktionsbewegung der ganzen Hand ein.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung reicht vom Epicondylus lateralis etwa 3 cm am
äußeren Rande des Oberarmbeines proximalwärts, bis unmittelbar an den
Ursprung des M. brachioradialis hinan. Er gewinnt also noch Be-
ziehungen zum Septum intermusculare laterale. An seiner Oberfläche
liegen einige Sehnenbündel, welche einen Ursprung von der Fascie
vortäuschen können. Am Vorderarme gegen seinen Nachbarmuskel,
den M. extensor carpi radialis brevis, entwickelt sich eine sehr starke
Aponeurosis intermuscularis, welche den distalen Bündeln zum Ur-
sprünge dient. Sein Muskelbauch ist es vor allem, welcher dem
Epicondylus seine tiefe Lage verschafft. Während der Epicondylus
medialis als scharfer Winkel an der Innenseite vorspringt und auch
von vorn und hinten gleich gut erkannt werden kann und sich mit
Leichtigkeit selbst durch die Kleider hindurchfühlen läßt, erscheint
der Epicondylus lateralis im Gegenteile als Vertiefung, kann von
vorn her überhaupt nicht gesehen werden, von der Außenseite auch
nicht deutlich, sondern nur an der Rückseite.
Holotopie und Syntopie.
Die obere Spitze und der Beginn der Facies superficialis werden
vom M. brachioradialis überdeckt. Dann erscheint aber der freie
Muskelbauch keilartig an der Oberfläche. Seine Basis entspricht
genau dem Ursprünge von dem Margo lateralis humeri. Mit dieser
Beschreibung ist auch bereits der Margo posterior, soweit er am
Oberarme liegt, erledigt. Die Fortsetzung zum Vorderarme bildet
für den Margo posterior einen stumpfen Winkel, dessen Scheitelpunkt
am Epicondylus lateralis humeri gelegen ist. Im übrigen richtet sich
die Ausdehnung der am Vorderarme frei liegenden Oberfläche nach
der Entwickelung der beiden Nachbarmuskeln, vorn des M. brachio-
radialis, hinten der M. extensor carpi radialis brevis und abductor
pollicis longus. Es ist mitunter sehr schwer, am Lebenden die
Sonderung gegen den M. extensor carpi radialis brevis festzustellen,
um so mehr, als beide Muskeln die gleiche Aufgabe haben, im wesent-
lichen die Hand dorsal zu beugen und gleichzeitig zu abduzieren.
Der Margo distalis ist einer Spitze vergleichbar und identisch mit
der Anheftung an der Basis des 2. Mittelhandknochens. Daß knochen-
159
160
FROHSE und M. FRÄNKEL,
wärts von der Sehne sich nur in den allerseltensten Fällen ein
Schleimbeutel entwickelt, sei im Gegensatze zum M. extensor carpi
radialis brevis besonders betont. Von der Facies profunda sei nur
die eine wichtigste Tatsache hervorgehoben, daß sie sich bis fast
zum Handgelenke unmittelbar auf die Facies superficialis des M. ex-
tensor carpi radialis brevis auflagert. Sie ist von derselben weder
durch Gefäße, noch Nerven getrennt, sondern ausschließlich durch
lockeres Bindegewebe. Die Zusammengehörigkeit beider Muskeln
gibt sich nicht allein durch die so häufigen sehnigen Verbindungen,
deren wir zwei demselben Individuum entstammende abgebildet
haben (s. Fig. 66 und 67), zwischen den Endsehnen kund, welche
meistens nur als Varietäten bezeichnet werden, sondern in noch
höherem Maße durch die Vereinigung beider Sehnenscheiden zu einem
einheitlichen Hohlräume, welcher erst am proximalen und distalen
Ende des Lig. carpi dorsale eine Sonderung hervorgehen läßt.
Einzelheiten s. bei den dorsalen Sehnenscheiden.
Muskelbündellänge.
Minimum 6,2 cm
Maximum 10,2 „
Durchschnitt aus 10 Messungen 7,6 „
Untersciiied in Centimetern 4, in Prozenten 65 "/o-
Segmentbezüge.
(5.) 6. 7. Cervicalsegment.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
cj . Muskel-
^«^^^^- Substanz
Substanz | !^^p^^
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
22
18
45,5
32
18,5
15,75
40,5
29
3,5
r
3
84,1
87,5
89,1
91,6
Durchschnitt aus diesen Messungen
29,4
25,9
3,5
88,1
Varietäten.
Die Varietäten betreffen vorzüglich den Ansatz, indem sich
accessorische Sehnen entweder ulnar oder radial wenden.
Anatomisch interessanter sind die radialwärts ziehenden über-
zähligen Sehnen, bei denen Uebergänge oder Ansätze am M. ab-
ductor pollicis brevis, interosseus dorsalis und volaris I oder an der
Basis des 1. Mittelhandknochens oder am Os multangulum majus be-
schrieben sind.
In den V. B. findet sich unter No. 297 folgender Fall: Extensores
radiales 5-köpfig. Die gewöhnlichen Muskeln verdoppelt. Außerdem
ein fünfter Kopf. Ursprung ulnar von den anderen Köpfen. Besonderes
Loch für die Sehne unter dem Lig. carpi dorsale. Erster Ansatz am
1. Metacarpophalangealgelenk. Auf dem Handrücken zweiter Muskel-
i6o
M. extensor carpi radialis brevis. 161
bauch, welcher mit dem M. abductor pollicis brevis gemeinsam an-
setzt (W. Krause).
No. 456. Muskelkonjugation in Form eines M. biventer am Ober-
arme und Handrücken mit dünner Zwischensehne am Vorderarme
zwischen den M. extensor carpi radialis longus und abductor pollicis
longus.
M. extensor carpi radialis brevis.
Synonyma : Kurzer, äußerer Speichenmuskel, kurzer Speichenstrecker ;
M. radialis externus brevis, M, extensor carpi radialis secundus;
Deuxieme ou court radial, second radial externe, epicondylo - sus - meta-
carpien Chaussier, Dumas; Extensor carpi radialis brevis Macalistbr;
extensor rectus Duchenne.
Allgemeine Beschreibung.
Der Muskel steigt nicht nur bei der Supination, sondern auch
bei der Pronation der Hand fast senkrecht vom Epicondylus lateralis
herab zur Basis des 3. Mittelhandknochens. Beachtenswert an ihm
sind 4 Punkte:
1) die starke, aber äußerlich kaum sichtbare Ursprungssehne;
2) der lange Muskelbauch, welcher ungefähr in der Verlängerung
des Bauches des M. extensor carpi radialis longus bis über die Mitte
des Vorderarmes distal herabreicht;
3) die Ueberkreuzung dieser beiden Sehnen im distalen Drittel
des Vorderarmes durch die M. abductor pollicis longus und extensor
pollicis brevis;
4) in Handgelenkshöhe die Sehnenscheide, die Ueberkreuzung
durch den M. extensor pollicis longus und das Freiwerden der Sehne
bis fast an den Ansatz heran.
Idiotopie und Skeletopie.
Die Art und Weise des Ursprunges entspricht am meisten der des
M. flexor carpi radialis. An eine starke, am Epicondylus lateralis ent-
springende Sehnenplatte setzen sich die Nachbarmuskeln noch an ; es
bildet sich eine Art Sehnentrichter, aus dessen Tiefe erst die Muskel-
bündel entspringen. Dieser Sehnentrichter ist ungefähr 5 cm lang
und ulnarwärts geöffnet, mit einem scharfen Rande, in welchen sich
die Gefäße und Nerven einsenken.
Der Hauptursprung der Muskelbündel liegt gegenüber vom M.
extensor digitorum communis. Von dieser Aponeurosis intermuscularis
gehen die Muskelbündel schräg nach unten und vorn ; indessen reicht
sie nicht so weit als Aponeurose nach unten bis zum Hervortreten
des M. abductor pollicis longus, sondern stellt unten nur ein Septum
intermusculare dar.
Sehr stark ist auch die tiefe Sehnenplatte, welche außerdem mit
dem M. supinator verbunden ist, unser Lig. intermusculare radiale
s. laterale. Von diesem tiefen Blatte ziehen die Muskelbündel ziemlich
senkrecht nach unten.
Der ansehnliche prismatische Muskelbauch zeigt hautwärts eine
Rinne zur Aufnahme des Muskelbauches und dann der Sehne des M.
extensor carpi radialis longus, knochenwärts eine Abflachung, welche
Handbuch der Anatomie. II, 1!, 8. 1 l
i6i ^^
162 FROHSE und M. FRÄNKEL,
dem Radius entspricht. Daß dieser Knochen noch von dem dünnen
M. supinator und dem ganz flachen Ansätze des M. pronator teres
bedeckt ist, spielt für die Hauptform der tiefen Fläche keine wesent-
liche Rolle.
Die Endsehrie wird schon am distalen Ende des mittleren Drittels
vollständig frei, nachdem sie bereits vorher dort sichtbar ist, wo die
Sehne des M. extensor carpi radialis longus über den Muskel hin-
weggleitet.
Das Verhalten der Endsehne unter dem M. abductor pollicis ist
bei diesem Muskel und dem M. extensor carpi radialis longus nach-
zusehen.
Der Ansatz findet statt am Proc. styloideus ossis metacarpalis III,
richtiger etwas distal davon, weil er von diesem Knochenpunkte — nach
unseren Befunden regelmäßig — durch einen Schleimbeutel getrennt ist.
Holotopie und Syntopie.
Am Oberflächenbilde nimmt der Muskel spindelförmig teil im
unmittelbaren Anschlüsse an den Margo posterior des M. extensor
carpi radialis longus. Die Länge der Spindel beträgt ca. 12 cm, ihre
größte Breite 2 cm.
Der Einfachheit halber wollen wir — selbstverständlich bei der
Supination — seine Flächen als lateralis, medialis, anterior und posterior
bezeichnen.
Die laterale gewölbte Fläche entspricht der Haut, die mediale
stellt nur einen scharfen Rand dar, welcher sich gegen die Ulna
wendet und hier an unserem Margo marginalis den Hilus für den
Nerven und die Hauptgefäße darstellt. Die Facies anterior entspricht
dem M. extensor carpi radialis longus, die Facies posterior s. pro-
funda vom Ellenbogengelenke bis zur Hand der Reihenfolge nach
den M. supinator, pronator teres und schließlich dem Radius selbst
und zieht in einer Sehnenscheide bis zum Ansätze.
Die Facies lateralis entspricht der Fascie und Haut, während die
Facies anterior nur ganz wenig zu beiden Seiten der Sehne der M. ex-
tensor carpi radialis longus erscheint, über welchen sich auch noch der
M. brachioradialis herüberlegt. Ferner ziehen über die Sehnen aller
3 letztgenannten Muskeln die M. abductor pollicis longus und extensor
pollicis brevis schräg hinweg, im Bereiche der Handwurzel auch
noch die Sehne des M. extensor pollicis longus und schließlich ein
kleines Stück der Zeigefingersehne des M. extensor digitorum communis.
Letzterer bildet oben am Vorderarme den Anschluß an die Facies
posterior. Am vorderen Rande des Muskels liegen die Verzweigungen
der A. recurrens radialis, sein eigener langer Muskelnerv und der R.
superficialis n. radialis.
Schleimbeutel.
Bisweilen (10 Proz. Gruber) liegt zwischen Ursprungssehne und
M. supinator ein Schleimbeutel,
Macalister beschreibt einen oberen Schleimbeutel bei der
Ueberkreuzung durch die M. abductor pollicis longus und extensor
pollicis brevis und sagt, daß dieser mit der unteren Sehnenscheide,
der typischen im zweiten Dorsalfache kommunizieren könne. Poirier
162
M. extensor carpi radialis brevis.
163
bildet die obere Sehnenscheide zwar als isoliertes Gebilde ab, er-
wähnt sie aber im Texte nicht.
Den kleinen Schleimbeutel, welcher sich zwischen Proc. styloideus
ossis metacarpalis III und Sehnenansatz befindet, hält Gruber nur für
„zuweilen" vorkommend; Poirier sagt „gewöhnlich"; Macalister
schreibt: ein kleiner und gewöhnlich getrennter Schleimbeutel liegt
unter jeder Sehne (d. h. auch der des M. extensor carpi radialis longus)
dicht vor dem Ansätze. Wir halten einen Schleimbeutel an der Basis
des 2. Mittelhandknochens für außerordentlich selten, dagegen den
am 3. Mittelhandknochen für fast konstant und machen diese Stelle
aus theoretischen und praktischen Gründen für das „Ueberbein"
(Ganglion) verantwortlich.
Wirkung.
Der Muskel ist der vornehmlichste Dorsalbeüger der Hand. Der
Ansatz am 3. Mittelhandknochen entspricht fast der Mitte der Hand
und, wie oben erwähnt, verläuft der Muskel sowohl bei der Pronation
wie bei der Supination ungefähr senkrecht von oben nach unten. Er
erfährt bei der Drehung des Radius um die Ulna nur eine geringe
Lageveränderung. Ihn in irgend einer Weise mit dem Ellenbogen-
gelenke in Beziehung setzen zu wollen, wie es verschiedentlich ver-
sucht ist. halten wir schon aus dem Grunde für gewagt, weil noch
der M. supinator über dem Gelenke liegt.
Der Muskel ist an und für sich schon so kräftig, daß er zur
Dorsalflexion der Hand vollkommen ausreicht. Wir müssen Duchenne
beistimmen, daß die M. extensor carpi radialis longus und carpi ul-
naris nur dann zur Mitwirkung herangezogen werden, wenn die Hand
mit aller Gewalt gestreckt wird.
Wenn sich die Hand in ulnarer Abduktion befindet, so löst ein
Zug an dem Muskel zunächst eine radiale Abduktion aus, und erst
dann tritt eine Dorsalbeugung ein, wobei nur eine ganz geringe
radiale Abduktion statthat. Das ist auch verständlich, weil die Sehne
ungefähr in der Achse der Hand ansetzt.
Muskelbündellänge.
Minimum 5 cm
Maxiraum 6,2 „
Durchschnitt aus 8 Messungen 5,6 „
Unterschied in Centimetern 1,2, in Prozenten 24 "/o-
Segmentbezüge.
(5.) 6. 7. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
Substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
20
15
37,5
45
15,6
11
31,5
38,5
4,4
4
6
6,5
78
73,3
84
86
Durchschnitt aus diesen Messungen
29,4
24,2
5,2
mß
'63
11*
164
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Varietäten (Henle S. 218).
Die Endsehne kann gespalten zum 3. Mittelhandknochen ziehen
oder schickt in wechselnder Höhe einen Seitenzipfel zum M. extensor
carpi radialis longus, d. h. mittelbar oder unmittelbar zur Basis des
2. Mittelhandknochens. Diese
einfache Verbindung ist in Fig. 67
abgebildet, welche dem rechten
Arme eines 40-jährigen Mannes
entstammt, während am linken
Arme desselben Individuums
eine doppelte (wechselseitige)
Konjugation vorlag, s. Fig. 66.
Tuberositas deltoidea
M. brachialis, facies
lateralis superficialis
M. brachialis,
facies lateralis
profunda
Hiatus superior
canalis supinatorii
M. supinator
Hiatus inferior
canalis supinatorii
Fig. 68. M. brachialis et supinator, Muskel-
bild, von der lateralen Seite.
M. supinator.
Synonyma : Kurzer Aus-
wärts- oder ßückwärtsdreher
oder -wender; M. supinator bre-
vis; Court supinateur, epicondylo-
radial Chaussier, Dumas, epicon-
dylo-cubito-radial.
Allgemeine
Beschreibung.
Das Charakteristische für
diesen Muskel ist das cylindßr-
artige Umfassen des proximalen
Drittels des Radius, den er bis
auf die Tuberositas vollkommen
einhüllt. Ein derartiges tiächen-
haftes Herumrollen eines Mus-
kels um einen Knochen kommt
niemals auch nur annähernd in
demselben Maße wieder am
menschlichen Körper vor. Der
Vergleich mit Sehnen, die sich
um Knochen- oder Bandrollen
her umschlingen, ist nicht statt-
haft, weil in derartigen Fällen
sich regelmäßig ein Schleim-
beutel oder eine Sehnenscheide
findet, die hier fehlt.
Als zweiter wichtiger Punkt
ist die Durchbohrung des Mus-
kels durch den tiefen Ast des
N. radialis zu betonen.
Der dritte Punkt ist der,
daß der Muskel der versteck-
teste Armmuskel und erst nach
ausgiebigster Spaltung oder Ent-
fernung der oberflächlichen
164
M. supinator. 165
Schicht sichtbar zu machen ist und aus diesem Grunde dem Studenten
die allergrößten Schwierigkeiten bereitet.
Idiotopie und Skeletopie.
Er entspringt:
1) vom freien Rande des Epicondylus lateralis, eng verschmolzen
mit der Ursprungssehne der beiden M. extensores carpi radiales und
des M. extensor digitorum communis;
2) von der Ulna, genau gegenüber dem M. anconaeus (quartus).
Der Ursprung vom Epicondylus lateralis hängt sehr eng mit der
Gelenkkapsel und dem Lig. collaterale laterale zusammen. Bei un-
vorsichtigem Präparieren kann man diesen Ursprung leicht ent-
fernen, so daß er dann dieses nicht sehr mächtige Band wesentlich
verstärken hilft oder überhaupt darstellt.
Die von der Ulna entspringenden Fasern sind an der Oberfläche
teilweise aponeurotisch, die Hauptmasse entspringt aber fleischig in
der Tiefe.
Die Länge des Ursprunges beträgt, d. h. den Ursprung von dem
Humerus miteingerechnet, ungefähr 7—8 cm; andernfalls würde man
unsere Darstellung vom Muskelursprunge nicht verstehen. Es muß
also in diesem Falle nicht allein die Abbildung des Humerus von vorn,
sondern auch diejenigen der Vorder- und Rückseite der Vorderarm-
knochen zu Rate gezogen werden.
Die Dicke des von außen her sehr dünn erscheinenden Muskels
erreicht stellenweise gegen 1,5 cm.
Die obersten Muskelbündel entspringen am vorderen Abschnitte
des Lig. collaterale laterale, verlaufen nahezu horizontal in der Höhe
des Capitulum radii und setzen proximalwärts von der Tubero-
sitas radii an. Sie gehören eigentlich zur tiefen Schicht, weil sie
vom R. prpfundus n. radialis bedeckt sind. Die von dem hinteren Ab-
schnitte desselben Bandes entspringenden Bündel bilden einen deut-
lichen Sehnenbogen mit distalwärts gerichteter Konvexität. Erst unter-
halb dieses Arcus tendineus kommt die charakteristische, schräge
Verlaufsrichtung zur Geltung, welche den Hauptteil des Muskels aus-
zeichnet.
Da die Muskelbündel sowohl von vorn wie von hinten zu er-
kennen sind, jedoch in dieser lateralen Hälfte verschieden verlaufen
und endigen, ist eine getrennte Beschreibung durchaus notwendig.
Das distale Ende des Muskels verläuft von der Ulna schräg her-
unter zum Radius bis zum Ansätze des M. pronator teres, zieht also
von medial-oben nach lateral-unten, beschränkt sich demgemäß auf
die Rückseite. Man kann aber die Insertion dieses Muskels niemals
von nur einer Seite her übersehen, muß also theoretisch den Vorder-
arm von der Rück-, Außen- und Vorderseite betrachten. Die Außen-
seite entspricht nur der stumpfen, abgerundeten Vereinigungsstelle
der hinteren und vorderen Insertionslinie. Die vordere Ansatzgrenze
verläuft etwas schräg von proximal-ulnar nach distal-radialwärts. Jedoch
ist sie nicht gleichmäßig, sondern zeigt eine lateral konvexe Unter-
brechung, welche dem Ansätze des M. biceps oder richtiger seines
Schleimbeutels an der Tuberositas radii entspricht. Poirier be-
zeichnet diese Stelle als „vierge de toute Insertion".
165
i6i5 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Die Durchbohrung durch den R. profundus n. radialis bewirkt
«ine Zerlegung des Muskels in eine oberflächliche und tiefe Lage.
Wie schon erwähnt, reicht die tiefe Schicht weiter proximalwärts, als
die oberflächliche. Dasselbe Verhalten finden wir auch am distalen
Ende, nur daß im allgemeinen hier kein deutlicher Sehnenbogen vor-
handen ist. Gewöhnlich ist die oberflächliche Lage nur 3 — 4 cm lang,
d. h. während des Durchtrittes des R. profundus, durch dessen An-
spannen man die oberflächliche dünne Schicht besonders deutlich
zeigen und nach außen von der tiefen dickeren Schicht abheben kann ;
wir haben aber einen Fall beobachtet, wo sie kaum 2 cm lang war,
obwohl der ganze Muskel die gewöhnliche Länge von 6 cm in der-
selben Richtung besaß.
Die oberflächlichsten Muskelbündel sind die längsten, die der
tiefen Schicht sehr kurz. Je weiter wir nach unten gehen, um so
länger jedoch werden sie. Die Veränderung der Länge geht aber
nicht sprungweise, sondern ganz allmählich vor sich.
Holotopie und Syntopie.
Die Durchbohrung des Muskels durch den ß. profundus n. radialis
ist so wichtig und für die Gesamtarchitektur der Muskelbündel so
einschneidend, daß dieses Verhalten bereits bei der Idiotopie aus-
führlich hat dargestellt werden müssen.
Bei der tiefen Lage des Muskels und der allseitigen Umgreif ung
des Radius müssen wir alle 4 Flächen des Vorderarmes berück-
sichtigen: die Facies dorsalis, lateralis, volaris und medialis.
Der Ursprung liegt gegenüber vom M. anconaeus, welcher ihn
zum Teil noch überlagert, ebenso wie die anderen oberflächlichen
Strecker: die M. extensor carpi ulnaris, digiti minimi und digitorum
communis. Lateral wird er von der Brachioradialgruppe bedeckt,
unmittelbar allerdings nur vom M. extensor carpi radialis brevis und
noch etwas vom longus.
Die Facies volaris bildet den lateralen Boden der Ellenbeuge.
Medial haben wir den Schleimbeutel der Bicepssehne und diese
selbst, noch weiter nach innen die Chorda obliqua und die Ulna. Es
sei hier aber auch des eigentümlichen Verhaltens gedacht, daß man
auch von vorn her den Ursprung des Muskels von der Ulna über
dem oberen Rande der Membrana interossea sehen kann. Diese Muskel-
bündel verlaufen von oben-innen nach unten-außen, während am
freien Rande des Radius beim Uebergange auf die vordere Fläche
dieses Knochens die Ansatzbündel den umgekehrten Verlauf nehmen.
Legt man seine beiden Zeigefinger an einem Präparate, den einen
von der Rück-, den anderen von der Vorderseite her, in die Richtung
der Muskelbündel, so erkennt man, daß sich die beiden, nach unten
verlängert, kreuzen würden, und die Form eines X entsteht.
Die tiefe Fläche umkreist das obere, proximale Drittel des Radius,
deckt also außerdem die Articulatio radiohumeralis, das Lig. anulare
radii, sowie den Recessus sacciformis.
Der obere Rand entspricht dem Epicondylus lateralis humeri von
vorn her, dem Capitulum humeri und der darüber liegenden Gelenk-
kapsel, dann dem M. brachialis und bei der Supination auch noch der
Bicepssehne. Bei der Pronation gehört diese aber wesentlich der
inneren und selbst der hinteren Seite an.
i66
M. supinator. 167
Der untere Rand schmiegt sich an die tiefen Streckmuskeln an,
nämlich den M. abductor pollicis longus und selten auch den M. ex-
tensor pollicis longus.
Mit nennenswerten Gefäßen hat der Muskel nichts zu tun. Die
eigenen Gefäße treten nur zum Teil durch den oberen Sehnenbogen
zusammen mit den Nerven in den Muskel hinein. Die A. interossea
dorsalis kommt erst am unteren Rande des Muskels zum Vorscheine
und schickt die A. interossea recurrens in der Rinne zwischen ihm
und dem M. anconaeus (quartus) zum Ellenbogengelenke zurück.
Die verhältnismäßig breite Ursprungsaponeurose ist mit den dar-
überliegend^n Muskeln oder den Sehnen stellenweise sehr eng verbunden.
Gerade der nicht einheitliche Zusammenhang erzeugt hier selten
einen größeren oder mehrere kleine Schleimbeutel. Es ist einerlei,
ob man dieselben den M. extensores carpi radiales und extensor digi-
torum communis einerseits zurechnen will, da sie gemeinschaftlich
die obere Decke bilden, oder andererseits dem M. supinator, welcher
gegebenenfalls den Boden für solche Schleimbeutel bildet.
Wo immer eine Reibung zwischen verschiedenen gegeneinander
beweglichen oder sich gegeneinander reibenden Gebilden statthat, muß
sich ein Schleimbeutel ausbilden. Bei geringerer Reibung findet sich
bloß schlüpfriges oder lockeres Bindegewebe, bei fester Vereinigung
dui'ch stärkere oder breite Lig. intermuscularia ist eine Verschiebung
gegeneinander ausgeschlossen — und dann fehlt der Schleimbeutel.
Niemals kommuniziert ein solcher aber mit dem Ellenbogengelenke.
Wirkung.
Der Muskel bewh'kt sehr energisch, wenn auch nicht so schnell,
wie der langbündlige M. biceps, die Supination des Vorderarmes
und der Hand. Daß der M. brachioradialis keinen nennenswerten
Einfluß auf die Drehbewegungen hat, weder auf die Supination, wie
sein alter Name M. supinator longus sagt, noch auf die Pronation,
wie auch behauptet wird, ist oben von uns erläutert worden. Gleich-
wohl sind auch für die Supination 2 Muskeln vorhanden, wie für die
Pronation die M. pronator teres und quadratus. Es würde nichts
im Wege stehen, wenn man den M. supinator mit dem alten Zusätze
brevis bedächte, wofern man unter dem M. supinator longus den M.
biceps brachii versteht.
Innervation.
Bei der Beschreibung des Muskels selbst haben wir hervor-
gehoben, daß der Muskel aus zwei Portionen besteht, einer oberfläch-
lichen und einer tiefen. Die erste ist in ihrer Breite Schwankungen
unterworfen, die tiefe regelmäßig länger. Getrennt werden beide
Muskelschichten durch den R. profundus n. radialis. Die Nerven-
verzweigung gibt diese Klarheit der Einteilung in zwei Portionen nicht
so deutlich wieder. Es ist kein einheitlicher Stamm für die ober-
flächliche und kein zweiter für die tiefe Schicht vorhanden, viel-
mehr eine Reihe von Zweigen, welche sowohl oben, als wie unten
zur Muskulatur beider Schichten treten und verschiedentlich sogar
miteinander zusammenhängen können. Als charakteristisch möchten
wir aber hervorheben, daß die Hauptzweige nicht erst während der
Durchbohrung vom Hauptstamme abgehen, wie wir es ja beim M.
167
168
FROHSE und M. FRANKEL,
coracobrachialis und dem N. musculocutaneus oder beim Caput longum
und ulnaren Teile des M. triceps und den versorgenden Aesten des
N. radialis gesehen haben, sondern schon oberhalb derselben, so daß
man die einzelnen Nervenzweige extramuskulär bereits darstellen
kann. Eine frühzeitige Teilung der Hauptzweige kann hierbei schon
bis 8 extramuskuläre Aeste hervorgehen lassen ; wir haben deren nur
3 abgebildet.
Weiter haben wir bei der Muskelbeschreibung hervorgehoben,
daß der Muskel der am meisten versteckte des ganzen Armes ist.
Auch die elektrische Reizung stößt mitunter auf unüberwindliche
Schwierigkeiten. Die direkte, isolierte Reizung des Nerven von vorn
her ist ausgeschlossen, einmal wegen der tiefen Lage, dann auch
wegen der sensiblen Nerven, die gerade über ihm verlaufen, nämlich
subkutan der Hautast des N. musculocutaneus, der N. cutaneus ante-
brachii lateralis und der unter dem M. brachioradialis allmählich zum
Handrücken ziehende R. superficialis des N. radialis. Von der Rück-
seite her kann der elektrische Strom erst nach Durchdringung der
oberflächlichen Streckmuskulatur auf den Muskel selbst und nur
wenige Endästchen einwirken. Der günstigste Punkt ist 3 cm distal
vom Capitulum radii, d. h. des Gelenkspaltes, senkrecht nach unten
zwischen dem M. extensor carpi ulnaris und digitorum communis.
Die Rinne zwischen dem M. extensor digitorum und den M. ex-
tensores carpi radiales ist deshalb nicht zu empfehlen, weil dort der
aus dem N. radialis stammende R. cutaneus antebrachii dorsalis ver-
läuft und außerordentlich schmerzempfindlich ist. Selbstverständlich
achte man bei der Reizung dieses Muskels darauf, daß die Hand
stark proniert ist.
Caput superficiale: Minimum
Maximum
Muskelbündellänge.
2,4 cm
2,8 „
Durchschnitt aus 5 Messungen 2,6 „
Unterschied in Centimetern 0,4, in Prozenten 17 "/o-
Caput profundum: Minimum 2,2 cm
Maximum 3,1 „
Durchschnitt aus 9 Messungen 2,8 „
Unterschied in Centimetern 0,9, in Prozenten 41 "/o-
In tote: Minimum 2,2 cm
Maximum 3,1 „
Durchschnitt aus 14 Messungen 2,7 „
Unterschied in Centimetern 0,9, in Prozenten 41 "/o-
Segmentbezüge.
5. 6. (7.) Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz^
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
15
10
26
23
14
9,5
24
21,5
f
1,5
93,3
95
92,3
93,9
Durchschnitt aus diesen Messungen
18,5
17,3
1,2
93,6
i68
M. supinator. 169
Varietäten (nach Raüber-Kopsch, 7. Auflage, Leipzig, Georg
Thieme, 1906, S. 638).
„In seinem Ursprung befindet sich (äußerst selten) ein Sesam-
bein. Als überzählige Bündel sind beobachtet worden ein Bündel
vom Epicondylus medialis. Ferner ein querverlaufendes selbständiges
Bündel — M. tensor Ligamenti anularis radii dorsalis — , welches
von der Dorsalfläche der Ulna, unterhalb der Incisura semilunaris
entspringt, und am radialen Abschnitt des Lig. anulare ansetzt. Selten
ist ein M. tensor Lig. anularis radii volaris, welcher am Processus
coracoideus ulnae entspringt."
Wir halten die Sucht, für jedes Gelenk einen, oder wie in diesem
Falle mehrere Gelenkmuskeln herauszutüfteln, nicht für angebracht.
Sollten da nicht häufig präparatorische Ungeschicklichkeiten mitunter-
laufen'? Wir haben im Texte bereits erwähnt, daß die oberflächliche
Schicht des M. supinator in einem Falle nur 2 cm lang war, während
die gewöhnliche Länge ungefähr 4 cm Querbreite beträgt, und
möchten für den Durchtritt des R. profundus n. radialis durch das
Muskelfleisch der Darstellung von Rauber-Kopsch, s. oben, folgen.
Dort steht: „Sein Fleisch wird vom Canalis supinatorius (nicht in
den B. N. A.) durchsetzt, welchen der R. profundus des N. radialis
durchschreitet."
Streckmuskeln des Vorderarmes.
Allgemeines.
Die 8 Streckmuskeln des Vorderarmes sind in 2 Lagen ange-
ordnet, einer oberflächlichen und einer tiefen, deren jede 4 Muskeln
enthält. Die oberflächliche Schicht entspringt vom Epicondylus late-
ralis humeri und zieht mit dem M. anconaeus zur Ulna, also zum
Vorderarme, mit dem M. extensor carpi ulnaris zum 0 s metacarpale V,
also zur Mittelhand, mit den M. extensor digiti V proprius und ex-
tensor digitorum zu den Phalangen des Klein- bis Zeigefingers ; d. h.
die Muskeln entspringen radialwärts und bleiben im Ansätze auf die
ulnare Seite des Vorderarmes und der Mittelhand beschränkt, nur an
den Fingern gehen sie etwas auf die radiale Seite über. Genau um-
gekehrt ist die Richtung der tiefen Schicht, der Ursprung liegt auf
der ulnaren Seite der Vorderarmknochen, der Ansatz wendet sich
ganz radialwärts zu Daumen und Zeigefinger. Diese Muskeln
heißen: M. abductor pollicis longus, extensor pollicis brevis, extensor
pollicis longus und extensor indicis proprius (s. indicator). Von dem
letzteren abgesehen, gelangen die tiefen Muskeln am lateralen Rande
des M. extensor digitorum communis für eine ganze Strecke an die
Oberfläche, und zwar nehmen die M. abductor pollicis longus und
extensor pollicis brevis mit ihren Bäuchen mittleres und distales Drittel
des Vorderarmes ein ; in letzterem kommen sie an die Oberfläche, im
Bereiche des Handgelenkes zieht die Sehne des dritten Muskels, der
M. extensor pollicis longus, schräg über die Sehnen der M. extensores
carpi radiales hinweg zum Daumen.
Noch mehr als auf der Beugeseite ist auf der Dorsalfläche
Rücksicht zu nehmen auf die Verbindung zwischen oberflächlicher
Muskulatur und tiefer Schicht, vor allem, weil wir es hier teilweise mit
Aponeuroses intermusculares zu tun haben, von welchen keine Muskel-
169
170
M. brachioradiaüs
M. extensor carpi radialis
longus
M. extensor carpi
radialis brevis
M extensor digitorum
communisl
M. extensor dig^ti minimi
Epicondylus laterali:
M. anconaeus
M. extensor carpi
ulnaris
M. abductor poll
longus
M. extensor pollicis
brevis
M. extensor pollicis
long^us
Lig. carpi dorsale
M. extensor carpi
radialis longus
M. extensor ^
carpi radialis
brevis
— M. flexor carpi ulnaris
M. extensor indkis proprius
M. abductor digiti V
Fig. 69. Dorsalseite des Vorderarmes, Muskelbild, oberflächliche Schicht.
M. brachioradial
Epicondylus lateralis'
M. extensor caipi
radialis brevis
171
M. triceps, caput
latferale
M. triceps, Caput
mediale
Epicondylus medialis
M. anconaeus
M. extensor carpi
ulnaris
extensor indicis proprius
extensor digiti V
Fig. 70. Dorsalseite des Vorderarmes, Muskelbild, mittlere Schicht.
172
M. triceps, caput
laterale
M. brachioradial
Spitze des Olecranon
Epicondy lus lateralis
Lig. anulare radii
M. extensor carp
radialis longus
M. extensor carpi
radialis^brevis
Austrittsstelle für den
R. profundus n.
radialis
M. abductor pollicis
longus
M. extensor pollicis
longus
M. extensor poUii
brevis
M. extensor indicis
proprius
Oeffnung für die Vasa
interossea dorsalia
M. fiexor digitorum
profundus
— M. fiexor carpi ulnaris
Fasciculus longitudinalii
ulnaris
M. extensor carpi ulnaris
Fig. 71. Dorsalseite des Vorderarmes, Muskelbild, tiefe Schicht.
Streckmuskeln des Vorderarmes. 173
bündel entspringen. Obwohl jedem aufmerksamen Präparator diese
Beziehung aufgefallen sein wird, finden wir keine besonderen Namen
hierfür; wir schlagen vor: Lig. intermusculare profundum ulnare für
den sehnigen Zug, welcher sich zwischen dem proximalen Ende des
M. extensor carpi ulnaris und dem ulnaren Rande des M. extensor
digitorum communis (M. extensor digiti V proprius) einerseits, dem
M. supinator andererseits befindet, und Lig. intermusculare profundum
radiale für das Band, welches mit dem radialen Rande des M. extensor
digitorum communis, wo dieser mit dem M. extensor carpi radialis
brevis innig zusammenhängt, einerseits und wiederum dem M. supi-
nator andererseits meistens in sehr innige Verbindung tritt.
Langer bezeichnet den M. extensor carpi ulnaris deshalb als
einzigen Repräsentanten der Ulnargruppe ; sämtliche anderen Muskeln
gehören den Fingern an. Wir können seine Auffassung bestätigen,
indem wir an einem besonders günstigen Präparate feststellen konnten,
daß der M. extensor digitorum communis nicht allein vom Epicondylus
lateralis humeri entsprang, sondern noch mit einer, freilich mehrfach
unterbrochenen. Sehnenplatte von der Ulna, so daß dem M. extensor
carpi ulnaris scheinbar ein tiefes aponeurotisches Blatt zukam. Ver-
gleichbar wäre dieser, unseres Wissens in dieser Auffassung noch
nicht beschriebene Ursprung des M. extensor digitorum communis
von der Ulna dem des M. flexor digitorum sublimis vom Radius, dem
sogenannten Caput radiale. Dieser Zug würde dann ein Caput ulnare
für den M. extensor digitorum darstellen, und wunderbarerweise
konnten wir, nachdem wir es einmal beobachtet hatten, in ähnlicher
Weise es auch an den folgenden Präparaten erkennen, bald nur an-
deutungsweise, bald in noch mehr ausgesprochener Form.
Wohl zu unterscheiden von diesen Zwischenmuskelbändern sind
aber die Aponeuroses intermusculares, welche zwei einander zuge-
kehrten Muskelbäuchen zum Ursprünge dienen. Die Fascie hängt
mit den Aponeuroses intermusculares zusammen, welche ihrerseits
durch die Lig. intermuscularia Beziehungen zur tiefen Muskelschicht,
sogar bis zum Knochen gewinnen. So ist die Darstellung gang und
gäbe geworden, als ob die Streckmuskeln, besonders die der ober-
flächlichen Schicht, in besondere Fascie nfächer eingeschlossen sind,
welche die Muskelbäuche fast unverrückbar in ihrer Lage erhalten.
Für die Praxis ist das gleichgültig, aber nicht für die anatomische
Darstellung, wie wir bei den einzelnen Muskeln nachweisen werden.
Der Unterschied zwischen Fascie einerseits, Muskel oder Sehne
andererseits muß vom Handgelenke aus, wo er so augenfällig ist, bis
zum Ursprünge zurückverfolgt werden. Am Handgelenke sind ja
sämtliche Sehnen in besondere Leitkanäle eingeschlossen, welche von
den entsprechenden Furchen an dem Radius und der Ulna und der
zum Lig. carpi dorsale verdickten Fascie des Vorderarmes gebildet
werden; zum leichteren Gleiten der Sehnen finden sich überall noch
Schleimscheiden, denen ein besonderer Abschnitt späterhin gewidmet
werden muß.
Außer dem M. anconaeus, der schon von einem Oberarmzweige
des N. radialis versorgt wird, werden sämtliche Muskeln erst vom R.
profundus desselben Nerven innerviert, und zwar nach dem Heraus-
tritte aus dem M. supinator. Auch die Nerven lassen sich in eine
oberflächliche und tiefe Schicht trennen, entsprechend den Muskeln, zu
welchen sie treten.
»73
174 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Streckwirkung mit besonderer Berücksichtigung
der Physiologie.
Der M. extensor digitorum communis bewirkt scheinbar auch die
Streckung der Mittel- und Nagelphalanx gegen die Grundphalanx, in
Wirklichkeit aber fast ausschließlich die Streckung der Grundphalangen
gegen die Mittelhandknochen und nur eine geringe Dorsalbeugung
der Hand gegen den Vorderarm.
Am kräftigsten äußert sich die Wirkung auf die Grundphalanx,,
d. h. den ganzen Finger, während die Wirkung auf die Hand selbst
sehr begrenzt ist; die Streckwirkung auf die Mittel- und Nagel-
phalanx ist nur passiv, weil die aktive durch die M. interossei und
lumbricales ausgelöst wird.
Wenn man den Muskel bei volar gebeugter Hand und gestreckter
Mittel- und Nagelphalanx elektrisch reizt, sieht man, daß die beiden
letzten Phalangen sich sogar beugen, während die Hand in eine
Ebene mit der Rückseite des Vorderarmes zu liegen kommt. Der
elektrische Strom wirkt nämlich gleichzeitig auf die Beuger ein, deren
Tonus mächtiger ist, als die Wirkung der Strecker auf Mittel- und
Nagelphalanx. Schon Duchenne hat nachgewiesen, daß die Streck-^
Wirkung sich deutlich anatomisch erzielen läßt, wenn man die End-
sehnen der M. lumbricales und interossei zu beiden Seiten der Ex-
tensorensehne durchtrennt, besonders im Bereiche der Grund- und
Mittelphalanx. Wenn man dann an der Strecksehne zieht, so
tritt alsbald die Streckwirkung auf Mittel- und Nagelphalanx ein.
Vom physiologischen Standpunkte aus muß man also sagen, daß der
M. extensor digitorum communis nur bis zur Grundphalanx reicht;
der bis zur Mittel- und Nagelphalanx gehende Teil muß den M.
interossei zugerechnet werden. Duchenne fragt sich deshalb mit
Recht, warum die Sehne eines M. interosseus nicht an der Grund-
phalanx selbst angreift, und weshalb die breite, durch den ent-
sprechenden M. lumbricalis noch verstärkte Aponeurose an den beiden
letzten Fingergliedern gemeinschaftlich mit der Pars digitalis der
Extensorsehne knöchernen Ansatz gewinnt.
Hierzu sei bemerkt, daß wir fast regelmäßig den Ansatz der M.
interossei und in besonderen Fällen sogar eines M. lumbricalis seitlich
an der Basis einer Grundphalanx beobachtet und deshalb auch bei den
Knochenabbildungen mit Rücksicht auf Ursprung und Ansatz der Muskeln
besonders angegeben haben.
Inzwischen haben wir auch die M. interossei pedis untersucht und
gefunden, daß diese im wesentlichen sich an der Basis der Seiten-
ränder der Grundphalanx anheften ; mit Rücksicht hierauf haben wir noch
einmal unsere Zeichnungen, Beschreibungen und Präparate verglichen
und noch neue präparatorische Befunde erhalten. Da hat sich in der
Tat herausgesteUt, daß auch die M. interossei manus fast regelmäßig
den seitlichen Ansatz an der Basis der Grundphalanx gewinnen,
hiermit den M. interossei pedis entsprechen und vor allem auch der
von Duchenne angegebenen Theorie gerecht werden.
Seine fundamentalen Untersuchungen haben ihn gelehrt, daß die
Extensorsehne durch ihre Ausdehnung bis zur Nagelphalanx hin und
durch die Verschmelzung mit den Lumbricalis- und Interosseussehnen
174
Streckmuskeln des Vorderarmes. 175
die zu starke Wirkung der Muskeln hemmt, da ja in Bezug auf Mittel-
und Grundphalanx bei seiner Reizung eine Beu gewirkung ausgelöst
werden kann.
Die einzelnen Abschnitte des M. extensor digitorum communis
haben bei dem verschiedenen Sehnenverlaufe auch Bedeutung für die
seitlichen Bewegungen der Finger, welche bereits von Galen gesehen
und wieder von Duchenne gleichsam neu entdeckt sind. Die Sehne,
welche sich zum Zeigefinger begibt, bewirkt bei Reizung ihres Muskel-
bauches eine Näherung zum freien Daumen, d. h. Entfernung von
der Mittellinie; dieselbe Beobachtung läßt sich auch am Kleinfinger
und noch am Ringfinger machen. Die Sehne für den Mittelfinger
entspricht der Achse der Hand; diese kann also durch den Streck-
muskel nicht zur Seite bewegt werden (s. auch unsere Bemerkungen).
Die Sehnenkonjugationen auf dem Handrücken sind zwischen
Zeigefinger und Mittelfinger sehr schwach. Der Zeigefinger kann
deshalb sehr gut für sich allein gestreckt werden, zumal er noch
einen besonderen Indicator besitzt. Der Mittelfinger kann schon
weniger leicht selbständig gestreckt werden, weil er mit dem Ring-
finger durch eine sehr derbe, schräge Sehnenbrücke verbunden ist. Am
ungünstigsten ist der Ringfinger gestellt, weil er außer mit der Mittel-
fingersehne auch mit der Kleinfingersehne straflF zusammenhängt. Die
selbständige Streckung dieses Fingers ist mitunter aus anatomischen
Gründen so gut wie unmöglich, wie Klavierspieler und Geiger häufig
in unliebsamer Weise erfahren müssen. Der Kleinfinger hat zwar
auch und mitunter mehrfache Verbindungen mit den gemeinschaftlichen
Strecksehnen zum Ringfinger, besitzt aber einen besonderen Strecker,
welcher ihm, wie es in ähnlicher Weise beim Zeigefinger erwähnt ist,
eine bevorzugte Stellung einräumt.
Im übrigen verhält sich der M. extensor digiti minimi proprius
wie das entsprechende Bündel, welches dem Kleinfinger vom M.
extensor digitorum communis zugeht, nur ist bei seinem schrägeren
Verlaufe d i e Wirkung eine größere, den kleinen Finger zur Seite zu
wenden, gegen den Ulnarrand hin(?).
Unsere Beobachtungen am Lebenden haben uns gelehrt, daß die
Darstellung von Duchenne zu wenig auf die jeweiligen Stellungen
der Hand Rücksicht nimmt : ob 1) radiale Abduktion, 2) Grundstellung
oder 3) ulnare Abduktion, vulgo Adduktion vorliegt.
1) Bei radialer Abduktion verlaufen sämtliche Sehnen schräg
radial- und distalwärts nud müssen bei der Zusammenziehung eine
Bewegung ulnarwärts bei den Fingern 2—5 auslösen.
2) Bei der Grund- oder Mittelstellung der Hand, wenn der
Mittelfinger die unmittelbare Verlängerung des Vorderarmes gegen
die Hand darstellt, sind die M. extensor indicis communis und proprius
im Stande, den Zeigefinger nach beiden Seiten zu bewegen ; jedoch kann
die für den Ringfinger bestimmte Sehne des M. extensor digitorum
communis und die besondere Sehne(n) des Kleinfingers niemals die
Abduktion ulnarwärts auslösen, sondern nur die Adduktion gegen
die Achse der Hand. Der anatomische Grund hierfür liegt darin,
daß bei abduziertem Klein- und Ringfinger der Ursprungspunkt mehr
der Achse genähert ist, als die Ansatzpunkte an den Fingern.
3) Bei ulnarer Abduktion, vulgo Adduktion (manus et digitorum)
haben sämtliche Sehnen der M. extensor digitorum et digiti V
proprii die Nebenaufgabe, die Finger dem Daumen zu nähern.
175
176 FROHSE und M. FRÄNKEL,
M. extensor digitoruin commniiis.
Synonyma: Gemeinschaftlicher Fingerstrecker; Strecker der ersten
Phalangen Duchenne- Wbrnickb; Extenseur commun des doigts, epi-
condylo-sus-phalangettien commun Chaussier, Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der Singular extensor communis besagt schon, daß der
Ursprung gemeinschaftlich ist, der Plural : digitorum, daß der An-
satz mehrere Finger umgreift, ausschließlich die des 3. und 4., zur
Hälfte etwa die des 2. und 5. Der an der Mitte der Streckseite des
Vorderarmes gelegene Muskelbauch hat seine starke, aber räumlich
geringe Ursprungssehne am Epicondylus radialis s. lateralis. Die
freien Endsehnen entwickeln sich bereits im unteren, distalen Drittel
des Vorderarmes, treten zusammen mit dem M. extensor indicis pro-
prius am Handgelenke in einer Sehnenscheide zum Handrücken. Am
distalen Ende des Lig. carpi dorsale weichen die Sehnen auseinander
und begeben sich gewöhnlich mit 4 Strängen zu dem 2.-5. Finger.
Im distalen Drittel der Mittelhand finden sich besondere Verbindungen
zwischen den einzelnen Sehnen.
Im Bereiche der Grundphalanx wird durch das Hinzutreten der
Sehnen der M. interossei und lumbricales die sogenannte Dorsal-
aponeurose gebildet. Der erste Ansatz am Knochen findet sich nach
der gewöhnlichen Darstellung erst an der Mittelphalanx; die zwei
seitlichen Zipfel vereinigen sich über der Mittelphalange zu einer
einheitlichen, platten Sehne, welche an der Basis der einzelnen Nagel-
phalangen endet.
Idiotopie und Skeletopie.
Der starksehnige Ursprung vom Epicondylus lateralis humeri
löst sich nach unten gewissermaßen in einen Trichter auf, aus dessen
Tiefe die Muskelbündel entspringen. Allgemein bekannt ist die ober-
flächliche Partie, welche mit der Fascie eng verbunden ist, wodurch
auch die irrige Vorstellung sich ableitet, daß der Muskel auch von
der Fascia antebrachii entspringen soll; zahlreiche Muskelbündel ent-
springen von der Aponeurosis intermuscularis zwischen ihm und
seinem radialen Nachbar, dem M. extensor carpi radialis brevis; die
Verlängerung dieser Aponeurosis intermuscularis nach unten zu
gegen das Handgelenk haben wir als Fasciculus longitudinalis radialis
bezeichnet. Ulnarwärts liegt der M. extensor digiti minimi proprius;
so deutlich ausgesprochen der getrennte Verlauf in der distalen Hälfte
des Vorderarmes ist, so wenig ist er es in der proximalen; man
muß in vielen Fällen auch den Ursprung dieses kleinen Muskels zu
dem des Extensor communis mitzuzählen.
Die tiefe Fläche ist dadurch interessant, daß sie sich durch band-
artige Verbindungen mit den tiefen Muskeln, besonders dem M.
supinator vereinigt ; wir haben hierfür den Namen Lig. intermuscularia
(profunda) vorgeschlagen.
Schon in der Mitte des Vorderarmes können die Sehnen an der
Oberfläche erscheinen.
176
M. extensor digitorum communis. 177
Wie wir es beim M. extensor indicis bereits beschrieben haben
(und späterhin beim M, extensor digiti II pedis kennen lernen werden)
zeichnet sich gerade der Digitus II durch eine große Selbständigkeit
aus, welche durch einen besonderen Muskel, den JM. extensor indicis
proprius im wesentlichen hergestellt wird.
Holotopie und Syntopie.
Der beim Ursprünge pyramidenförmige Muskel plattet sich am
Vorderarme ab, zweifelsohne durch den Druck der Vorderarmfascie
und der Nachbarmuskeln ; bei passiver Dehnung ist der Muskelbauch
als spindelförmiger Wulst durch die Haut sichtbar.
Das Verhalten der Sehnen in der Handgelenksgegend wird bei
den Sehnenscheiden ausführlich besprochen werden.
Entgegen der gewöhnlichen Darstellung brechen wir unsere Be-
schreibung aber nicht an diesem Punkte ab, sondern verfolgen die
Sehnen noch bis zu den Knöcheln, zu den Capitula ossium meta-
carpalium, bis dahin, wo noch keine Verbindungen mit den Sehnen
anderer Muskeln eingetreten sind.
Am distalen Ende des Lig. carpi dorsale weichen die in der
Mitte des Handgelenkes gelegenen Sehnen schnell auseinander; am
3. und 4. Finger können sie ungefähr dem Verlaufe der Mittelhand-
knochen folgen. Die zum Zeige- und Kleinfinger ziehenden Sehnen
müssen jedoch die Zwischenknochenräume schräg kreuzen, die Zeige-
fingersehne das Spatium interosseum II, die Konjugation zum 5. Finger
das Spatium interosseum IV.
Die Zahl und Breite der Sehnen ist außerordentlichen Schwan-
kungen unterworfen. Sie können zu einer fast einheitlichen Sehnen-
platte über dem Dorsum manus verschmolzen sein ; das wird ver-
ständlich durch die beobachtete Vermehrung der Einzelsehnen bis
auf 11; gewöhnlich sind 4 Endsehnen vorhanden; durch das Fehlen
der Sehne für den Kleinfinger oder Zeigefinger kann aber diese Zahl
noch verringert werden.
Von nicht allein anatomischer Wichtigkeit sind ferner die Ver-
bindungen der Sehnen miteinander im distalen Drittel der Mittelhand-
knochen. Sie sind an mageren Händen gut durch die Haut hindurch zu
erkennen. Gleichzeitig bemerkt man dann den Grad der Verschiebungs-
möglichkeit. Bei extremer Fingerbeugung sieht man sie nämlich in
ungefährer Höhe der Knöchel, d. h. in Gelenkhöhe, bei der Streckung
rücken sie ca. 2 cm gegen das Handgelenk, mit anderen Worten,
man kann aus der Verschiebung dieser Sehnenkonjugationen nach
proximal und distal die Verkürzung des Muskels bei' der Zusammen-
ziehung durch die Haut hindurch ablesen. Da die Muskelbündel-
länge im Durchschnitte 6 cm beträgt, die Sehnen sich aber bei An-
spannung nur um 2 cm zurückziehen, so steht der Muskel mit nur
Vs Verkürzungsmöglichkeit recht ungünstig da, wie er überhaupt in-
folge der Menge der Sehnensubstanz unter sämtlichen Armmuskeln
an letzter Stelle steht. Die Sehnenverbindungen sind in den aller-
meisten Fällen ganz charakteristisch, jede jedoch in ihrer Art ver-
schieden gebaut. Zwischen Zeigefinger- und Mittelfingersehne ist ein
breites, aber sehr dünnes, queres Blatt ausgespannt, welches die Sehne
des M. indicator überbrückt, jedoch nichts mit dieser zu tun hat.
Zwischen Mittel- und Ringfingersehne ist ein meist derber Sehnen-
Handbuch der Anatomie. II, II, 2. 10
178 FROHSE und M. FRÄNKEL,
streifen vorhanden, der schräg vom Ringfinger aus gegen das Knöchel-
gelenk des Mittelfingers heruntersteigt. Zwischen Ring- und Klein-
flnger verläuft gewöhnlich eine starke Sehne, welche sich im distalen
Drittel der Mittelhand ypsilonförmig spaltet und beiden benachbarten
Fingern je einen Zipfel zuschickt.
Die topographischen Beziehungen sind verhältnismäßig einfach,
besonders deshalb, weil der Muskel zu den wenigen gehört, welche
in ganzer Ausdehnung von Ursprung bis Ansatz nur von Haut und
Fascie bedeckt sind. Die Facies superficialis bedarf also nach der
genauen idiotopischen Beschreibung keine besondere holotopische
Darstellung mehr.
Am radialen Rande ist oben die Nachbarschaft des Ursprunges
des M. extensor carpi radialis brevis zu betonen, dann treten die M.
abductor pollicis longus und extensor pollicis brevis an die Ober-
fläche und trennen ihn für eine Strecke von der Endsehne des M. ex-
tensor carpi radialis brevis; am Handgelenke schiebt sich noch eine
andere Sehne dazwischen, die des M. extensor poUicis longus ; schließ-
lich wird das Endstück der Sehne des M. extensor carpi radialis brevis
noch überkreuzt von der für den Zeigefinger bestimmten des M. extensor
digitorum communis.
Ueber den ulnaren Rand ist nur zu sagen, daß hier der M. ex-
tensor digiti minimi proprius gelegen ist, oben innig mit ihm ver-
schmolzen, distal deutlich getrennt. Die Facies profunda entspricht
der Reihe nach dem M. supinator, den 4 tiefen Streckmuskeln, dem
Radius, den mittleren Handwurzelknochen, zunächst den Mittelhand-
knochen III und IV, gegen die Knöchel hin auch noch dem II und
V, an den Fingern der Rückseite der Phalangen bis zur Basis der
Nagelphalanx und besonders den Gelenken, mit deren Kapsel die
Sehne, wie schon vorweg erwähnt werden soll, eng verschmolzen ist.
Ueber die Wirkung soll erst bei dem besonderen Abschnitte
„Fingerbewegungen" gehandelt werden.
Muskelbündellänge,
Caput II: Minimum 6,2 cm
Maximum 7,2 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 6,5 „
Unterschied in Centimetern 1, in Prozenten 16 %•
Caput III: Minimum 5,6 cm
Maximum 7,1 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 6,2 „
Unterschied in Centimetern 1,5, in Prozenten 27 "/o.
Caput IV: Minimum 5,2 cm
Maximum 6,2 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 5,9 „
Unterschied in Centimetern 1, in Prozenten 19 "/„.
In toto: Minimum 5,2 cm
Maximum 7,2 „
Durchschnitt aus 18 Messungen 6,2 „
Unterschied in Centimetern 2, in Prozenten 38 7o-
Segmentbezüge.
6. 7. 8. Cervicalnerv.
C78
M. extensor digiti minimi proprius.
179
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
iMuskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. Unker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. ünker starker Arm
22
17
50
50
13,5
10,5
33
31,5
8,5
6,5
17
18,5
61,4
61,8
66
63
Durchschnitt aus diesen Messungen
34,8
22
12,8
63,1
Varietäten.
Der Muskelbauch für den Zeigefinger gewinnt oft eine große
Selbständigkeit. Die accessorische Sehne für den kleinen Finger
kann fehlen ; viel häufiger ist eine Vermehrung der einzelnen Sehnen,
welche entweder als besondere Stränge auftreten oder eine fiächen-
hafte Ausbreitung erfahren. Die Nebensehnen können sogar den
Daumen erreichen. Uns schwebt besonders ein Fall vor, in welchem
eine besondere Sehne sich an der Basis des ersten Zwischenknochen-
raumes Y-artig teilte, um schließlich in den Articulationes meta-
carpophalangeae I und II zu enden.
Der als Extensor digitorum brevis manus beschriebene Muskel
findet bei den Varietäten der Handmuskeln seine Berücksichtigung.
M. extensor digiti minimi proprius.
Synonyma: Besonderer Kleinfingerstrecker; Extenseur propre du
petit doigt, 6picondylo-sus-phalangettien du petit doigt Chaussiek.
Allgemeine Beschreibung.
Der lange spindelförmige Muskel liegt zwischen den M. extensor
carpi ulnaris und extensor digitorum communis. Er verdient seinen
besonderen Namen weniger seines Ursprunges wegen, der eng mit
dem gemeinschaftlichen Fingerstrecker zusammenhängt, sondern wegen
des gesonderten Faches, welches seine Endsehne beim Durchtritte unter
dem Lig. carpi dorsale besitzt. Während die Sehnenscheide für den
gemeinschaftlichen Fingerstrecker noch auf dem Radius ausschließ-
lich gelagert ist, finden wir seine Sehnenscheide über der Artic.
radioulnaris distalis.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung reicht scheinbar, aber nur durch die Vermittelung
des M. extensor digitorum communis sehnig bis zur Spitze des
Epicondylus lateralis (radialis) ; die Muskelbündel selbst entwickeln sich
aber hauptsächlich von der Aponeurosis intermuscularis zwischen ihm
und dem gemeinschaftlichen Fingerstrecker, einige wenige auch von der
Aponeurosis intermuscularis zwischen ihm und seinem ulnaren Nach-
bar, dem M. extensor carpi ulnaris. Die Ursprünge, welche als von
der Fascia antebrachii kommend angegeben werden, müssen wir nach
unserer Darstellung anders beschreiben, als von einem, nicht immer
12*
179
180 PROHSE und M. FRÄNKEL,
vorhandenen oberflächlichen Sehnenspiegel ausgehend. Wenn man
will, kann man auch hier gegebenenfalls von einem Sehnentrichter
sprechen, aus dem heraus die Muskelbündel sich entwickeln. Die
Spitze dieses Trichters geht bisweilen oben nur bis zur Höhe des
Collum radii und läßt sich nicht bis zum Epicondylus lateralis ver-
folgen.
Die freie Endsehne entwickelt sich im distalen Drittel des Vorder-
armes und bleibt bis zur Basis des Os metacarpale V ungeteilt, in
wechselnder Höhe dieses Knochens tritt aber gewöhnlich eine Zwei-
teilung der Sehne ein, welche sich auch der Sehnenscheide mitteilt.
Beiläufig sei hier schon erwähnt, daß diese sehr lang ist.
Holotopie und Syntopie.
Da dieser Muskel in ganzer Ausdehnung oberflächlich liegt und
einfach spindelförmig gebaut ist, so lassen sich die Flächen leicht an-
geben: Facies superficialis, profunda, medialis und lateralis.
Die Facies superficialis entspricht der Fascia antebrachii, dem
Lig. carpi dorsale und der Fascia dorsalis manus, die Facies pro-
funda lagert auf den tiefen Muskeln der Streckseite. Der M, ex-
tensor pollicis brevis dürfte nicht immer so weit oberflächlich und
ulnar liegen, daß er mit ihm in Beziehung treten kann. Die mediale
Fläche entspricht dem M. extensor carpi ulnaris, die laterale dem
M. extensor digitorum communis.
Von Gefäßen und Nerven kommen nur unbedeutende Zweige des
R. profundus n. radialis und der Vasa interossea dorsalia in Betracht.
Innervation des M. extensor digitorum communis et
digiti minimi.
Die Nervenversorgung dieser beiden Muskeln muß gemeinschaft-
lich behandelt werden, weil nämlich die anatomische Sonderung des
M. extensor digiti minimi durch die Innervation nicht bestätigt zu
werden braucht, wie unsere Abbildung zeigt. Sehr scharf ausge-
sprochen ist aber die Sonderung des Zeigefingerbauches von der
übrigen Muskelmasse. Beim Digitus III ist der feine rückläufige
Nervenzweig zu beachten. Die feinere Innervation richtet sich
danach, wie weit die Muskelbündel zum Epicondylus lateralis
emporstreben. In unserem Präparate reicht der Bauch für den
Zeigefinger und kleinen Finger nicht weit nach oben, proximal.
Dementsprechend sind hier nur kurze rückläufige Nervenzweige vor-
handen. Mehr und längere weist der Bauch für den Mittelfinger
und besonders für den Ringfinger auf. Distalwärts verlaufen in
sämtlichen Bäuchen die Nerven bis in die Nähe der Endsehne d. h.
bei volarer Handbeugung und daraus hervorgehender passiver
Dehnung des Muskels, bis in die Nähe des Handgelenkes.
Besonders beachtenswert ist die hier dargestellte Doppelinnervation
des M. extensor digiti minimi. Der obere Zweig senkt sich unweit
unterhalb der Austrittsstelle des R. profundus n. radialis , in den
Muskel ein; der untere begibt sich erst in der unteren, distalen
Hälfte des Vorderarmes aus dem Nerven für den Ringfingerbauch
zu den distalen Muskelbündeln. Dieser Nerv weist auch einen langen
rückläufigen Zweig auf, und wir zweifeln nicht, daß er sich gelegent-
i8o
Innervation der oberflächlichen Fingerstrecker.
181
N. radialis communis
M. brarhioradial
R. superficialis n. radia
M. extensor digi-
torum communis
M. extensor
digiti V
M. extensor
indicis proprius
Fig. 72. Nervenbild der vom N. radialis am Vorderarme versorgten Muskeln.
182
FROHSE und M. FRANKEL,
lieh mit den Ausläufern des oberen Astes verbindet, und daß auch
hier intramuskuläre Nervenverbindungen vorhanden sind, welche im
allgemeinen bei den Extensoren selten vorkommen.
Wir können auch hier schematisch die Dreiteilung festhalten:
1) mehr oder weniger zahlreiche lange rückläufige Zweige, 2) quere
Zweige zur Dicke des Muskelbauches und 3) lange absteigende zum
unteren Muskelabschnitte.
Die elektrische Reizungsstelle liegt im Beginne des mittleren
Drittels des Vorderarmes und muß je nach der Empfindlichkeit der
etwa gereizten Hautnerven bisweilen etwas seitlich von der schmerz-
haften Stelle verlegt werden. Je nach dem Muskelbauche, welcher
isoliert gereizt werden soll, muß die Elektrode mehr ulnar oder radial
aufgesetzt werden. Bei passiver Dehnung und supiniertem Arme
liegt die günstigste Reizungsstelle 9 — 12 cm senkrecht unter, d. h.
distal von dem Epicondylus lateralis.
Muskelbündellänge.
Minimum 5,1 cm
Maximum 5,5 „
Durchschnitt aus 7 Messungen 6,3 „
Unterschied in Centimetern 0,4, in Prozenten 8"/„.
Segmentbezüge.
6. 7. 8. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
5
3
11
12
3
2
8
8
2
1
3
4
60
67,7
72,8
66,7
Durchschnitt aus diesen Messungen
7,8
5,3
2.5
66,8
Varietäten.
Selten ist ein accessorischer Ursprung von der dorsalen Fläche
der Ulua. Die Teilung der Endsehne in zwei Bündel müssen wir
als Regel bezeichnen; eine in 3 oder selbst 4 feinere Sehnenbündel
ist Ausnahme. Ein vollständiges Fehlen, welches beobachtet ist, kam
uns nicht zu Gesicht. Notwendig ist eine besondere Sehne ja nicht,
wenn sich aus der gemeinschaftlichen Muskelmasse des M. extensor
digitorum communis die Sehne für den kleinen Finger loslöst. In
solchen Fällen kann mau auch von einer Verschmelzung der beiden
Muskeln sprechen.
In einem Falle, bei einem ca. 7-monatlichen Fetus, war die sonst
normal entwickelte Sehne bis zur Mittelhand in die gemeinschaft-
liche Sehnenscheide der M. extensor digitorum communis et indicis
proprius miteiugebettet.
182
M. extensor carpi ulnaris. 183
M. extensor carpi ulnaris.
Synonyma: Ellenstrecker; M. ulnaris externus; Cubital post^rieur,
cubital externe, cubito-sus-metacarpien Chaussieb, 6picondylo-cubito-8us-
metacarpien Dumas, extensor adductorius Duchenne.
Allgemeine Beschreibung.
Der langgestreckte, spindelförmige Muskel entspringt vom Epi-
condylus lateralis humeri. Der Muskelbauch zieht schräg über die
Rückfläche des Vorderarmes nach innen; schon proximal vom Hand-
gelenke kann die starke Endsehne völlig frei werden, welche an der
Basis des 5. Mittelhandknochens ansetzt.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung am Epicondylus lateralis nimmt genau die untere
Spitze ein und erweitert sich nach unten zu einem Trichter, aus
dessen Tiefe erst die Muskelbündel entspringen. Der oberflächliche
Teil erfährt hier eine Verstärkung durch diejenigen Ursprungsbündel,
welche sich aus der von uns als Lacertus fibrosus m. tricipitis be-
zeichneten Sehnenplatte loslösen.
Radialwärts ist die Abgrenzung gegen den Nachbarmuskel, den
M. extensor digiti V proprius, fast ligamentös; mehr fibrös und in
seltenen Fällen auch aponeurotisch die Scheidewand gegen die tiefe
Schicht der Strecker.
Darum kann man mit Langer sagen, daß er in eine besondere
Loge eingeschlossen sei und mit dem M. anconaeus [quartus], dessen
Sonderstellung wir bei den Fascien gedenken werden, die ulnare
Gruppe der Extensoren repräsentiere.
Die Endsehne entwickelt sich schon hoch oben im Muskel; zu
ihr streben die Bündel fiederförmig nicht nur von beiden Seiten,
sondern auch von der Tiefe aus hin. Im Bereiche des Lig. carpi
dorsale ist eine Sehnenscheide vorhanden, welche fast bis zum An-
sätze an einer Rauhigkeit des 5. Mittelhandknochens (tubercule postero-
interne Poirier) reicht.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel liegt von Ursprung bis Ansatz frei unter Haut und
Fascie. Von wichtigen Gebilden liegt über ihm nur in der Gegend
des Handgelenkes der R. dorsalis manus n. ulnaris.
Der ulnare Rand entspricht zuerst dem M. anconaeus und dann
im Anschlüsse daran der hinteren Kante der Ulna, der radiale dem M.
extensor digiti minimi proprius. Mit seiner tiefen Fläche deckt er
den entsprechenden Abschnitt des M. supinator zu, dann die dorsale
Seite der Ulna und den ulnaren Teil der tiefen Extensoren, nämlich
die M. extensor pollicis brevis, longus und indicis proprius. Der M.
abductor pollicis longus kommt meistens nur wenig in Betracht.
Der M. extensor carpi ulnaris hat die Aufgabe, die Dorsalflexion
der Hand im Sinne der ulnaren Abduktion zu besorgen. Die reine
Dorsalflexion der Hand gegen den Vorderarm zu ist eine ganz
x83
184
FROHSE und M. FRÄNKEL,
minimale; diese Aufgabe liegt fast ausschließlich den M. extensores
carpi radialis longus und brevis ob, besonders letzterem.
Nachdem wir bei der Eröffnung der Sehnenscheide die dorsale
Nebensehne einmal gefunden hatten, die wir zunächst für ein Vinculum
tendinum hielten, haben wir sie in der Mehrzahl der Fälle beobachtet,
desgleichen auch eine volare Nebensehne und sie auch in unserer
Abbildung dargestellt. Nach unserer Autfassung hat der Muskel einen
dreifachen Ansatz : nämlich die allbekannte Hauptsehne, sodann sowohl
«ine dorsale, wie volare Nebensehne.
Folgende Angabe von Duchenne, S. 168 sei hier noch angeführt :
„Daß der Wille die Abduktionsmuskeln des ersten Mittelhandknochens
und des Daumens nicht isoliert zur Kontraktion bringen kann, ist leicht
zu konstatieren. Wenn man nämlich den Zeigefinger auf die Sehne des
Ulnaris externus nahe seiner Insertion am letzten Mittelhandknochen
legt, während man den ersten Mittelhandknochen vom zweiten ent-
fernt, so fühlt man die Sehne sehr deutlich in Spannung geraten."
Es läßt sich sowohl durch den Willen, wie beim elektrischen Ver-
suche leicht konstatieren, daß die genannten Muskeln bei dieser Be-
wegung nichts mit einander zu tun haben.
Innervation.
Der spindelförmige Muskel ist bis weit nach unten muskulös.
Der versorgende Nerv tritt erst nach Durchbohrung des M. supi-
nator, d. h. ungefähr an der Grenze des proximalen und mittleren
Drittels zur Muskulatur, an der Stelle, wo der Muskel auch seine
größte Breite aufweist. Daraus ergibt sich eine theoretische Ver-
zweigung der Nerven: kurze rückläufige; mittlere, ungefähr querver-
laufende; lange absteigende. Meistens ist auch dieses theoretische
Schema der Dreiteilung am Präparate verwirklicht. Da bei schmalen,
spindelförmigen Muskeln keine inneren Anastomosen vorhanden zu sein
brauchen, haben wir auch keine abgebildet, gelegentlich kommen sie wohl
vor. Wir legen solchen Befunden aber keine große Bedeutung bei.
Muskelbündellänge.
Minimum 4,7 cm
Maximum 6 „
Durchschnitt aus 9 Messungen 5,3 „
Unterschied in Centimetem 1,3, in Prozenten 28 "/o-
Segmentbezüge.
6. 7. 8. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
12,5
10
31
24
9,2
7,3
23
18,2
3,3
2,7
8
5,8
73,6
73
74,2
75,8
Durchschnitt aus diesen Messungen
19,4
14,4
5
74,2
184
M. biceps
M. brachialis
M. triccps, Caput laterale
M. extensor carpi radialis longus
Epicondylus lateralis
R. musculares pro m. supinatore
M. extensor carpi radialis brevis
R. musculares pro m,
extensore carpi radiali bi
Sehne des M. extensor indicis proprius
Konjugationen der Endsehnen des
>I. extensor digitoruni communis
Fig. 73. Streckmuskeln und N. radialis am Vorderarme, topographisch.
186 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Varietäten.
1) Teilweise Verschmelzung mit dem M. triceps und besonders
dem M. anconaeus (durch unsere Aponeuroses intermusculares) ;
2) Verdoppelung des Muskelbauches und doppelter Ansatz, ent-
weder am 5. Mittelhandknochen oder auch noch am 4. Diese An-
ordnung kann nicht wundernehmen, da der Muskel die beiden M.
peronaei in sich vereinigt;
3) eine dorsale Nebensehne, welche bis zur Grundphalanx sich er-
strecken kann, welche wir aber als normal bezeichnen müssen. Auf
letztere möchten wir besonders aufmerksam machen, weil sie sehr leicht
der Beobachtung entgeht, wenn man nicht erst die Schleimscheide er-
öffnet hat. Die an der radialen Seite der Hauptsehne sich loslösende,
fadendünne Nebensehne strahlt, analog der Nebensehne des M.
peronaeus brevis, zum Handrücken aus, wo sie sich wie die viel be-
kanntere Sehne des Fußrückens verhält. In ähnlicher Weise haben
wir als normale Bildung einen vorderen Sehnenzipfel beobachtet,
welcher sich über, d. h. volar vom M. opponens digiti V bis zur
Artic. metacarpophalangea V. erstrecken kann.
M. abductor poUicis longus.
Synonyma: Langer Daumenabzieher; Long abducteur du pouce,
grand abducteur, cubito-sus-metacar{)ien du pouce Chaussier, cubito-
radio-sus-metacarpien Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Theoretisch wäre es wohl berechtigt, diesem Muskel, welcher mit
seinem Ansätze am 1. Metacarpalknochen den M. flexores et ex-
tensores carpi entspricht, den Namen M. abductor carpi zu geben,
zumal auch Ansätze am Os multangulum majus vorkommen. Die
meist vorhandene Konjugation zum M. abductor pollicis brevis ist
nach unseren Befunden die Regel und verdiente sogar einen be-
sonderen Namen : M. abductor pollicis intermedius nobis. Wir müssen
uns nun fragen, warum von den alten Anatomen der Name M. ab-
ductor pollicis longus und nicht M. abductor carpi gewählt ist. Der
Grund liegt in der verschiedenen Gelenkeinrichtung zwischen Os
multangulum majus und Os metacarpale I einerseits und den anderen
Carpometacarpalgelenken andererseits. Letztere sind straffe Ge-
lenke; das Carpometacarpalgelenk des Daumens gestattet ausgiebige
Bewegungen. Der Zug der Sehne wird also zunächst den beweg-
lichsten Teil, den Daumen selbst abduzieren und erst hinterher, oder,
wenn der Daumen mit aller Kraft adduziert gehalten wird, die Ab-
duktion der Hand auslösen. Dann ist der Name M. abductor carpi
berechtigt.
Sein Ursprung von beiden Vorderarmknochen und der Membrana
interossea liegt in der Tiefe verborgen, aber bereits im unteren, distalen
Drittel des Vorderarmes wird der Muskelbauch frei. Da dasselbe für die
Endsehne gilt, ist der Gesamtmuskel zur Hälfte tief, zur Hälfte ober-
flächlich gelagert.
i86
M. abductor poUicis longus. 187
Idiotopie und Skeletopie.
Seine Ursprünge liegen im unmittelbaren Anschlüsse an den
unteren Rand des M. supinator:
1) an der Rückseite der Ulna, zwischen hinterer Kante und
Margo interosseus, radial von der Membrana interossea;
2) einer hier oft am Knochen sichtbaren Leiste;
3) der Hauptsache nach am Radius und
4) bisweilen von einem distalwärts konvexen Sehnenbogen, welcher
vom radialen Ursprünge zur Sehne des M. brachioradialis hinüberzieht.
Dieser Sehnenbogen dient als Grenze für die Oeffnung, durch
welche der R. superficialis n. radialis an die Oberfläche gelangt, in
der Tiefe als Eingangspforte in den Tunnel, unter welchem die beiden
Sehnen der M. extensores carpi radiales ihren Weg nehmen. Zu-
nächst ziehen die Muskelbündel ziemlich senkrecht zu der in der
Tiefe verborgenen Endsehne. Allmählich wendet sich aber der
Muskelbauch von der Rückfläche auf die Außenkante des Radius,
deren Verlängerung über den Processus styloideus hin gegen das
Handgelenk seine Endsehne bildet. Der doppelt gefiederte Bauch ist
in seinem tiefen Teile abgeplattet, vor allem durch den Druck des auf
ihm liegenden M. extensor digitorum communis, aber auch ulnar-
wärts durch den M. extensor pollicis brevis.
Die Sehnenscheide an der Außenfläche des Radius, welche er
meistens mit dem M. extensor pollicis brevis teilt, wird bei den
Sehnenscheiden des Dorsum manus beschrieben werden, desgleichen
im Anschlüsse daran der zwischen ihm und den Sehnen der M. ex-
tensores carpi radiales gelegene Schleimbeutel, sowie der noch wenig
in den deutschen Lehrbüchern der Anatomie erwähnte Schleimbeutel
unter dem Ansätze der Endsehne, d. h. über der Artic. carpo-
metacarpea I.
Die Endsehne findet ihren Hauptansatz an der Basis des 1. Mittel-
handknochens, gewöhnlich mit mehreren Zipfeln. Fast regelmäßig
läßt sich einer dieser Zipfel zum M. abductor pollicis brevis ver-
folgen, der seinerseits diese Konjugation zum Ursprünge von Muskel-
bündeln benutzt. Die Angabe von Poirier, daß diese Verbindung
konstant sei, können wir nicht bestätigen. So selten, wie allerdings
diese Sehne einerseits fehlt, so selten findet sich andererseits der An-
satz eines Sehnenzipfels am Os multangulum majus.
Holotopie und Syntopie.^
Der M. abductor pollicis longus gewinnt als der am meisten
proximal und radial gelegene Muskel der tiefen Streckschicht die
ausgedehntesten Beziehungen zu der radialen Nachbar-, der Brachio-
radialgruppe ; sämtliche 4 Muskeln derselben treten mit ihm in Be-
rührung; sein ulnarer und distaler Nachbar, der M. extensor pollicis
brevis, nur noch mit 3, indem der M. supinator als Nachbarmuskel
ausscheidet; der dritte tiefe Muskel, der M. extensor poUicis longus,
nur noch mit 2 oberflächlichen, nämlich den überkreuzten Endsehnen
der beiden M. extensores carpi radiales, und der letzte der M. in-
dicator, nur noch mit einem winzigen Stücke, dort, wo er den
Ansatz des M. extensor carpi radialis brevis kreuzt.
187
188 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Die freie Oberfläche entspricht in der ulnaren Hälfte der ober-
flächlichen Streckschicht, speziell dem M. extensor digitorum com-
munis und dem M. extensor digiti V proprius ; in der radialen Hälfte,
also im distalen Drittel des Vorderarmes der Fascie und Haut. Der
obere, proximale Rand schließt sich unmittelbar an den M. supinator
an bis zur Endsehne des M. pronator teres. Der freie radiale Rand
begleitet zuerst den M. extensor carpi radialis brevis, dann über-
kreuzt er dessen Sehne, die des M. extensor carpi radialis longus und
schließlich die des M. brachioradialis. Letztere hat sich inzwischen
so eng an den Radius angeschmiegt, daß sie sich nicht mehr bei der
Kontraktion des Muskels von dem Knochen abheben kann, wir finden
darum an dieser Stelle keinen Schleimbeutel weder zwischen Knochen
und Sehne des M. brachioradialis, noch letzterem und den darüber
hinwegziehenden M. abductor poUicis longus und extensor pollicis
brevis; wohl aber zwischen dem Muskelbauche des M. abductor und
den Sehnen der beiden M. extensores carpi radiales. Wir halten
diesen nicht für konstant, indessen ist in dem Muskeltunnel des
Vorderarmes immer sehr lockeres, schlüpfriges bis schleimiges Binde-
gewebe vorhanden. Jedenfalls haben wir diesen Schleimbeutel bei
7-monatlichen Feten noch nicht gefunden und ihn auch mehrmals bei
Erwachsenen vermißt. Die freien Ränder schließen sich proximal an den
M. extensor pollicis longus, distal an den M. extensor poUicis brevis an.
Die Endsehne beteiligt sich mittelbar an der Bildung der Tabatiere
anatomique, der anatomischen Schupftabaksdose. Durch die Haut
hindurch sieht es oft so aus, als ob sie es wäre, welche den radialen
Rand dieser Grube darstelle; in Wirklichkeit ist es aber nur die
Sehne des M. extensor pollicis brevis. Die tiefe fläche entspricht
zunächst den Ursprüngen an Ulna, Membrana interossea und Radius,
dann den 3 zur Genüge erwähnten überkreuzten Sehnen der langen
Brachioradialmuskeln.
Nach Entfernung der beiden M. extensores carpi radiales sieht
man nunmehr in größerer Ausdehnung in der Mitte des Radius auch
noch die Ansatzsehne des M. pronator teres bis an den Muskelrand
herantreten.
Der Wichtigkeit halber sei hier schon auf den von den deutschen
Autoren vernachlässigten, von Poirier ausführlich beschriebenen und
als konstant bezeichneten Schleimbeutel hingewiesen. Nach diesem
Autor ist der Schleimbeutel 15 mm lang, 7 mm breit und kom-
muniziert in der Hälfte der Fälle mit dem Gelenke zwischen Os mult-
angulum majus und dem Os metacarpale I. Wir haben diese Kom-
munikation verschiedentlich schon beim Neugeborenen beobachtet,
jedoch können wir Poirier nicht beistimmen, daß er konstant sei.
In verschiedenen Fällen, schon beim Fetus bis hinauf zu ganz alten
Leuten, haben wir ihn trotz genauester Untersuchung vermißt. Wir
können ihn also nur als normal (mehr als 50 Proz.) hinstellen und
schlagen als Bezeichnung: Bursa subabductoria carpalis vor.
Wirkung.
Die gewöhnliche Darstellung ist die, daß er den 1. Mittel-
handknochen und damit auch den Daumen und überhaupt die ganze
Hand nach außen und gleichzeitig nach hinten zieht. Die letztere
Wirkung möchten wir als als ganz nebensächlich hinstellen, dagegen
M. abductor pollicis longus.
189
die Ansicht von Duchenne für richtig halten, daß er die Hand
nebenbei auch beugt. Niemals hat der Muskel etwas mit der Supina-
tion zu tun. Im übrigen sei noch auf den besonderen Abschnitt
„Handbewegungen" verwiesen.
Die von Duchenne unter XXII (S. 250, 251) angegebene Be-
obachtung : „Der Abductor pollicis longus führt den 1. Mittelhandknochen
schief nach außen und vorn, so daß er ihn mit dem Außenrande des
2. Mittelhandknochens in Opposition stellt", können wir nur dadurch
erklären, daß der M. abductor pollicis longus normalerweise eine
Konjugation zum M. abductor pollicis brevis schickt und dieser ja
neben der Abduktion des Daumens trotz seines Namens auch noch
die Adduktion bei bestimmten Stellungen bewirken kann.
Unter LVII (S. 259) führt er die Behauptung an : „Vor meinen Unter-
suchungen hatten die Anatomen irrige Meinungen ausgesprochen:
1) über die Einwirkung des Extensor brevis pollicis, aus dem sie
einen Strecker des 1. Mittelhandknochens gemacht hatten, während er
der einzige Muskel ist, der die Abduktion derselben in gerader Rich-
tung [in welcher?] bewirkt; 2) über die Eigenwirkung des Abductor
longus pollicis; derselbe ist einer von den GegensteUern des 1. Mittel-
handknochens und nicht ein Abduktionsmuskel desselben ; bei maximaler
Kontraktion bewiikt er die Pronation der Hand und nicht ihre Supination."
Zu 2) sei bemerkt, daß der M. abductor pollicis longus bei vor-
heriger Volarflexion der Hand letztere in die Ebene der Vorderarm-
knochen zu bringen vermag und damit bei gleichzeitiger Abduktion
scheinbar die Supination unterstützen kann. Bei vorheriger Dorsalflexion
der Hand muß eine Kontraktion des Muskels unter gleichzeitiger Ab-
duktion die Hand wieder in die Normalstellung zurückbringen und
so scheinbar die Pronation unterstützen.
Innervation.
Dieselbe ist bei dem M. extensor pollicis brevis nachzusehen.
Muskelbündellänge.
Minimum 4 cm
Maximum 5,5 „
Durchschnitt aus 8 Messungen 4,7 „
Unterschied in Centimetern 1,5, in Prozenten 38%.
Segmentbezüge.
6. 7. (8.) Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
1. rechter schwacher Arm
II. h'nker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
12
10
22
22
9
8
18,5
18,6
3
2
3,5
3,4
75
80
84,1
84,5
Durchschnitt aus diesen Messungen
16,5
13,5
3
80,9
189
190 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Varietäten.
Der Muskelbauch kann doppelt sein oder fehlen. Regelmäßig-
ist die Endsehne in mehrere Bündel zerlegt; als Norm betrachten
wir die Konjugation mit dem M. abductor poUicis brevis, wofür wir
sogar den besonderen Namen M. abductor poUicis intermedius vor-
geschlagen haben. Ausnahmen dagegen stellen Ansätze an den
Carpalknochen (Os multangulum majus), am Lig. carpi volare, dem
M. flexor pollicis brevis oder opponens dar.
In den V. B. ist sogar ein Ansatz am Lig. carpi transversum be-^
schrieben (No. 120).
Handbewegungen.
Duchenne, S. 120: „Man hat aus theoretischen Gründen be-
hauptet, daß die Bewegungen der Hand gegen den Vorderarm in
der Articulatio carpometacarpea und in der Articulatio radiocarpea
zugleich stattfinden müssen ; in den vorstehenden elektrophysiologi-
schen Versuchen ist es unmöglich, das Vorhandensein solcher Be-
wegungen zu konstatieren."
Nach unserer Auffassung vollzieht sich die Dorsalflexion in
keinem von diesen beiden Gelenken, vielmehr in der Articulatio inter-
carpea. Für die Volar flexion der Hand kommen die M. flexor
carpi radialis, ulnaris und palmaris longus in Betracht, welche den
Dorsalteil der Articulationes radiocarpea und intercarpea
dehnen.
Einen Einfluß auf die Articulationes carpometacarpeae der drei-
gliedrigen Finger vermögen wir in nennenswerter Weise nicht zu-
zugeben. Daß das Sattelgelenk der Articulatio carpometacarpea pollicis
eine Sonderstellung einnimmt, ist bei dem M. abductor pollicis longus
ausführlich erörtert.
Duchenne, S. 126, No. 162: „Ich will übrigens darauf aufmerksam
machen, daß die Seitwärtsbewegungen der Hand um so schwieriger werden
je mehr sie sich in Beugung befindet. Wenn man nämlich an einem
lebenden Individuum die Hand mechanisch beugt, während man ihre Pro-
nation oder Supination verhindert, und sie dann seitwärts bewegt, so kon-
statiert man, daß diese Bewegungen im Maximum der Beugung un-
möglich sind, und daß sie mehr und mehr zunehmen, wenn man die
Hand erhebt, bis sie in einer Richtung steht, die der des Vorder-
armes parallel geht. In dieser Stellung haben die Seitwärtsbewegungen
der Hand ihren größten Umfang; sobald man sie dann wieder mehr
und mehr beugt, so sieht man, daß sie in geradem Verhältnis zum
Grade der Beugung an Umfang abnehmen. — Durch die Streckung
der Hand gegen den Vorderarm wird der Umfang dieser Seiten-
bewegungen nicht modifiziert."
In der Tat sind die ausgiebigsten Seitwärtsbewegungen der Hand
möglich, wenn sich die Mittelhand in der gleichen Ebene mit dem
supinierten Vorderarme befindet und erreichen eine wesentliche Ein-
schränkung erst bei nahezu rechtwinkliger Volarflexion, weil dann die
proximale Reihe der Handwurzelknochen nur in geringer Berührung mit
der distalen Gelenkfläche des Radius steht, und die Beuger ihre Kraft
erschöpft haben. Bei der Dorsalflexion der Hand tritt allmählich auch
190
M. extensor poUicis brevis. 191
eine Beschränkung ein, besonders bei stärkster Hyperextension. Diese
Bewegungen vollziehen sich ja nicht allein in der Articulatio radio-
carpea, sondern auch in der Articulatio intercarpea, welche durch die
Dorsalflexion nicht in nennenswerter Weise für die Seitwärtsbewegungen
in Mitleidenschaft gezogen wird, während es gerade bei der Volarflexion
der Fall ist. Außerdem haben nach unseren Gewichtsbestimmungen die
Extensores carpi eine bedeutend größere Muskelmasse zu ihrer Ver-
fügung. In der Gleichgewichtslage der Hand kann jeder Flexor oder
Extensor carpi seine volle Wirkung entfalten ; bei der Volarflexion werden
die Seitwärtsbewegungen durch die Beuger, bei der Dorsalflexion durch,
die Extensores carpi ausgelöst.
M. extensor pollicis l>revis.
Synonyma: Kurzer Daumenstrecker ; Court extenseur du pouce, petit
extenseur Bichat, cubito-sus-phalangien du pouce Chaussier, radio-sus-
phalangien Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Die oben angegebenen französischen Bezeichnungen lassen er-
kennen, daß der Ursprung von den Vorderarmknochen nicht kon-
stant ist. Auch nach unserer Ueberzeugung, welcher bereits Morel
und Mathias Duval Ausdruck gegeben haben, entspringt dieser
Muskel weit häufiger vom Radius, als von der Ulna, an der er in
solchen Fällen kaum über den Margo interosseus hinausreicht.
Für unsere Betrachtung genügt es vollkommen, ihn als einen
Satelliten des M. abductor pollicis longus aufzufassen, wenigstens bis^
zur Höhe der Artic. carpometacarpea pollicis, wo der getrennte Ver-
lauf seiner Endsehne und Sehnenscheide zu beginnen pflegt.
Der Ansatz findet gewöhnlich an und in der Kapsel der Artic.
metacarpophalangea pollicis statt, jedoch kann man die Sehne auch
bis zur Nagelphalanx verfolgen oder doch bis zum Ansätze des M. ab-
ductor pollicis brevis, d. h. zur Dorsalaponeurose.
Ijdiotopie und Skeletopie.
Der schmale Muskelbauch entspringt zwischen den M. abductor
und extensor pollicis longus, je nach deren Mächtigkeit entweder aus-
schließlich vom Radius, oder noch von der Membrana interossea
antebrachii, in seltenen Fällen sogar noch von der Ulna. Der Muskel-
bauch ist oft fast untrennbar mit dem M. abductor pollicis longus ver-
bunden. Die Anschauung, ihn als einen Satelliten des eben ge-
nannten Muskels aufzufassen, dürfte außer durch die Nerven-
^yersorgung durch einen von Frohse beobachteten Fall gesichert sein,
oei welchem der M. abductor pollicis longus doppelköpfig entsprang
und wie ein Muskeltunnel den in der Tiefe verborgenen M. extensor
pollicis brevis umgab. Andererseits gibt sich die Selbständigkeit
dieses Muskels durch andere Befunde kund, sowohl an Neugeborenen
wie an ganz alten Leuten, daß nämlich die Sehnenscheide voll-
kommen von derjenigen des M. abductor pollicis longus getrennt sein
kann. Der Ansatz dieser dünnsten Extensorensehne findet meistens,
an der Artic. metacarpophalangea I statt. Häufig jedoch läßt sich
die Endsehne bis zur Nagelphalanx des Daumens verfolgen.
191
192
FROHSE und M. FRANKEL,
Holotopie und Syntopie.
Eine Sonderbeschreibung derselben erübrigt sich, jedoch sei auf
die Beschreibung der dorsalen Sehnenscheiden verwiesen. Als ein-
ziger Punkt sei für die Topographie erwähnt, daß die freie End-
sehne die radiale Begrenzung der Tabatiere anatomique bildet.
Wirkung.
Obwohl der Muskel im stände ist, den freien Daumen im ganzen
zu strecken, auch wenn die Nagelphalanx gebeugt ist, so möchten
wir doch als Hauptwirkung hervorheben, daß er der eigentliche Ab-
duktor des freien Daumens ist, und betonen, daß der kurze Strecker
A b z i e h Wirkung ausübt, während der lange Strecker auch als Ad-
duktor wirken muß, wie hinterher auseinandergesetzt wird.
Muskelbündellänge.
Minimum 4,1 cm
Maximum 4,7 „
Durchschnitt aus 5 Messungen 4,4 „
Unterschied in Centimetern 0,6, in Prozenten 15 "/«•
Segmentbezüge.
6. 7. (8.) Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter staricer Arm
IV. linker starker Arm
1,5
1
9
7
1
0,85
7
6
0,5
0,15
2
1
67
85
77,8
85,7
Durchschnitt aus diesen Messungen
4,6
3,7
0,9
78,1
Varietäten.
Der Muskel ist oft eng mit dem M. abductor pollicis longus ver-
schmolzen, andererseits kann er auch fehlen. Die Endsehne kann
doppelt sein und die accessorische sich am Mittelhandknochen oder
der Nagelphalanx anhaften.
Gemeinschaftliche Wirkung der drei dorsalen
Daumenmuskeln.
Vollkommen unverständlich ist für uns die von Duchenne unter
XXIV (S. 251) gegebene Darstellung, deren innerer Widerspruch sich
bei der Betrachtung der Einzelwirkung ergeben dürfte, nicht allein
durch die eigenen Angaben dieses Autors, sondern auch die von uns
vertretene Anschauung:
„Wenn die genannten 3 Muskeln [M. abductor longus, extensor
brevis und longus pollicis] sich im höchsten Grade ihrer Kontraktion
befinden, so erteilen sie der Hand ganz andere Bewegungen. Der
Abductor longus beugt dieselbe kräftig und neigt sie dabei nach
192
M. abd. poll. long, et ext. brev., Innervation. 193
seiner Seite, der Extensor longus übt auf sie die entgegengesetzte
Wirkung wie der Abductor longus, der Extensor brevis zieht sie
gerade nach außen."
Nach unserer Meinung entspricht die Hauptwirkung der einzelnen
Muskeln durchaus den Namen ; als Nebenwirkungen sind zu beachten :
1) beim M. abductor pollicis longus = Volar- oder Dorsalflexion bis zur
Grundstellung, je nach der Haltung der ganzen Hand — ohne Einfluß
auf Pronation und Supination ; 2) M. ext. poll. brev. = Abduktion der
Grundphalanx ; 3) M. ext. poll. long. = Adduktion des ganzen Daumens.
Innervation der M. abductor pollicis longus und
extensor pollicis brevis.
Während die M. extensor digitorum communis et digiti minimi,
wie auch der M. extensor carpi ulnaris als oberflächliche Schicht der
Strecker aufgefaßt werden müssen und ihre Nerven von der prä-
paratorisch tiefen Fläche aus erhalten, müssen nun die 4 Muskeln
der tiefen Schicht als von der Oberfläche aus innerviert beschrieben
werden. In Wirklichkeit aber liegen beide Nervengruppen in der-
selben Schicht, in dem Spatium intermusculare zwischen oberfläch-
licher und tiefer Streckmuskulatur.
Der M. abductor pollicis longus zeichnet sich, wie der eng mit
ihm verbundene M. extensor pollicis brevis dadurch aus, daß ein Teil
seines Muskelbauches nur von Haut und Fascie bedeckt ist. So
kommt die merkwürdige Tatsache heraus, daß ein Muskel der tiefen
Schicht einige Nerven an seiner freien Oberfläche zu liegen hat. Die
Nerven für die oberflächliche Streckschicht bleiben sämtlich in der
Tiefe verborgen, für die beiden eben erwähnten Muskeln der tiefen
Schicht liegen dagegen die Nerven teilweise tief, teilweise oberflächlich.
Der doppeltgeiiederte Muskelbauch empfängt der Hauptsache nach
zwei Gruppen von Nerven, eine radiale und eine ulnare, von einem,
gewöhnlich aber von mehreren Zweigen, welche sich aus dem R. pro-
fundus n. radialis loslösen. Anastomosen zwischen den beiden Teilen
sind jedenfalls sehr selten.
Da der Muskelbauch sich sehr weit distalwärts erstreckt und
gerade am Radialrande als deutlicher Wulst subkutan sichtbar wird,
besonders bei passiver Dehnung, liegt auch die günstigste Reizungs-
stelle an dem proximalen Ende dieser Verdickung. In leichter Weise
kann man die elektrische Wirkung vorführen, wenn man vorher, aktiv
oder passiv, drei Bewegungen ausführt: 1) Pronation, 2) Daumen-
adduktion und 3) Daumenflexion (letztere für den folgenden Muskel,
welcher leicht mitgereizt wird).
Der M. extensor pollicis brevis stellt eigentlich nur eine kleinere
Wiederholung des stärkeren Wulstes des M. abductor dar, von welchem
er weder durch Inspektion noch Palpation scharf gesondert zu sein
braucht. Jedoch ist der Muskel nicht gefiedert gebaut, sondern
parallelfaserig und in der Gesamterscheinung einfach spindelförmig.
Dementsprechend zeigt das Nervenbild die charakteristische Anord-
nung der den spindelförmigen Muskeln zukommenden Verzweigung.
Besonders erwähnen wollen wir den Sehnennerven, welcher über die
Muskulatur hinaus sich in den Teilungswinkel seiner Sehne und der
des M. abductor begibt. Makroskopisch sichtbare VATER-PACiNische
Körperchen, Corpuscula lamellosa, konnten wir hier bisweilen nach-
weisen.
Handbuch der Anatomie. II, II, 2. IQ
194 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Der topographisch-anatomischen Lage des Muskels als distalen
Adnexes des M. abductor pollicis longus entspricht auch die Nerven-
versorgung; es ist ein Zweig desjenigen Nerven, welcher den ulnaren
Teil des M. abductor versorgt, und welcher, um zu seinem Muskel
zu gelangen, den langen Daumenabzieher kreuzen muß.
M. extensor pollicis longus.
Synonyma: Langer Daumenstrecker; Extensor pollicis major s.
secundi internodii; Long extenseur du pouce, grand extenseur du pouce
BiCHAT, cubito-sus-phalangettien du pouce Chaussier.
Allgemeine Beschreibung.
Der für den radialwärts gelegenen Daumen bestimmte Muskel
gewinnt gewöhnlich mit seinem Ursprünge keine Beziehungen zum
Radius mehr, sondern greift sogar in großer Ausdehnung von der
Membrana interossea auf die Ulna über. In der Höhe des Lig. carpi
dorsale zieht die Sehne, in eine Scheide eingeschlossen, schräg zum
Daumen hin, an dessen Nagelphalanx sie sich ansetzt. — Er ist ein
kräftiger Strecker der Nagelphalanx; als Nebenwirkung ist bei vor-
heriger Abduktion eine nicht unbeträchtliche Adduktion des ganzen
Daumens zu betonen, gleichviel ob seine Glieder gebeugt oder ge-
streckt waren.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung liegt:
1) im mittleren Drittel der Ulna, an deren hinterer, radialer
Fläche, zwischen den M. extensor pollicis brevis und indicis proprius;
2) von der Membrana interossea antebrachii an der entsprechenden
Stelle ;
3) von dem Septum iutermusculare, welches ihn von dem M,
extensor carpi ulnaris trennt. Wir haben für diese Scheidewand, weil
in ihr ein sehniger Längsstreifen vorhanden ist, den Namen Fasciculus
longitudinalis (ulnaris) gewählt.
Die Muskelbündel begeben sich fiederförmig zu einer sich schon hoch
oben im Muskelfleische entwickelnden Sehne, lassen sich aber außerdem
bis zum Lig. carpi dorsale nach unten verfolgen. Bei extremer Beugung
des Daumens gehen sie sogar noch unter dasselbe herunter.
Bis hierher verläuft der Muskel nur etwas schräg radialwärts:
am distalen Ende des Radius findet sich aber eine nicht genug zu
betonende schräge Rinne, welche die Umänderung der Richtung kund-
gibt, ein Hypomochlion, wie es nicht schöner gedacht werden kann, weil
es durch die Haut hindurch dem Gesichte zugänglich ist. Für Wulst und
Rinne am Knochen werden wir hinterher besondere Namen vorschlagen.
Hier liegt die Sehne bereits in der später genauer beschriebenen
Scheide und wendet sich bei gewöhnlicher Haltung schräg zum Daumen,,
bei starker Abduktion der Hand und des freien Daumens beinahe
rechtwinklig.
Sie kreuzt hierbei die Sehnen der M. extensores carpi radiales
brevis und longus und verläuft dann auf dem Mittelhandknochen des
Daumens, seiner Ulnarseite genähert, weiterhin über die Kapsel der
Artic. metacarpophalangea und setzt breit an der dorsalen Seite der
Basis der Nagelphalanx des Daumens an.
194
M. extensor pollicis longus.
195
Holotopie und Syntopie.
Bis zum Handgelenke kann man kaum etwas von dem Muskel-
bauche durch die Haut oder die Fascie erkennen, dann aber ist.
spätestens vom distalen Rande des Lig. carpi dorsale, die Sehne
deutlich zu sehen. Weiter ist hervorzuheben, daß sie die ulnare Be-
grenzung der Tabatiere bildet, in welcher die A. radialis mit ihrem
Hauptaste zur Hohlhand zieht. Diese Arterie verläuft nicht allein
innerhalb dieser Grube, sondern unterkreuzt auch die Sehne, um
ihren ulnaren Rand zu gewinnen und sich dann sofort an der Basis
des Spatium interosseum I, in die dort befindliche, ansehnliche Lücke
hineinzusenken. Die Sehnenscheide findet in dem besonderen Ab-
schnitte über die dorsalen Sehnenscheiden ihre Berücksichtigung.
Wirkung.
Duchenne gibt unter XXXI (S. 253) an : „Der Extensor pollicis
longus dient hauptsächlich dazu, den Daumenballen abzuflachen, und
gleichzeitig streckt er die beiden Phalangen des Daumens, wie z. B.,
wenn man die Hand weit öffnet, ohne den Daumen von den
anderen Fingern zu entfernen." Ebenso sonderbar berührt
uns die unter XXXVII (S. 255) erwähnte Bemerkung: „In Bezug
auf den ersten Mittelhandknochen, [an welchem diese Muskeln doch
überhaupt nicht ansetzen] sind also der Abductor brevis und die
äußere Portion des Flexor brevis pollicis [Caput superficiale] die not-
wendigen Moderatoren des Extensor pollicis longus, während der
partiellen Streckung der zweiten Phalanx durch diesen letzteren Muskel."
Um die Wirkung leicht zu erkennen, bringe man den Daumen
zuvor in die Abduktionsstellung unter Beugung der Phalangen ; man
sieht dann bei elektrischer Reizung die aktive Streckung der Nagel-
phalanx, welche sich (meistens nur passiv) auf die Grundphalanx über-
trägt; ferner die Adduktion des gesamten Daumens.
Muskelbündellänge.
Minimum 4,3 cm
Maximum 5,3 „
Durchschnitt aus 4 Messungen 4,7 „
Unterschied in Centiraetern 1, in Prozenten 23 "/o-
Segmentbez üge.
6. 7. 8. Cervicalnerv ; in dem Falle von Bolk nur 7. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel- Sehnen- ^^g.ttz
Substanz • Substanz j^ pj.^^
I. rechter schwacher Arm
11. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
5,25
5
10,5
10,5
4,25
4,4
8,5
1
0,6
2
1,5
79,1
88
81
85,7
Durchschnitt aus diesen Messungen
7,8
6,5
1.3
83.5
'95
13*
196 FROHSE und M. FRÄNKEL.
Varietäten.
Diese betreffen nur die Endsehne, sei es, daß noch eine Ver-
stärkungssehne vom M. extensor dig-itorum communis hinzukommt
oder von ihm zum Zeigefinger abgegeben wird. Auch diese Sehne
kann, wie wir es bereits beim M. abductor pollicis longus (regel-
mäßig) und extensor brevis kennen gelernt haben, doppelt sein.
Wir sind der Ansicht, daß es sich bei der Verbindung mit dem
M. extensor digitorum communis, dem von uns so genannten M.
ypsiloformis, um eine normale Bildung handelt, welche als scheinbare
Fascie den proximalen Teil des Spatium interosseum I umrahmt, nur
in seltenen Fällen fehlt, andererseits aber auch eine gut entwickelte
Doppelsehne mit eventuell selbständigem Muskelbauche entwickeln
kann.
M. extensor indicis proprius.
Synonyma: Besonderer Zeigefingerstrecker; M. abductor indicis,
indicator s. indicatorius, M. abducens indicem (Spig.) ; extensor s. adductor
indicatorius s. indicis; Extenseur propre de l'index; cubito-sus-
phalang. de l'index (Chaussier, Dumas).
Allgemeine Beschreibung.
Der Muskel entspringt fast ausschließlich von der Ulna, zieht mit
dem M. extensor digitorum communis durch ein gemeinschaftliches
Fach des Lig. carpi dorsale und geht in Knöchelhöhe in die Dorsal-
aponeurose des Zeigefingers über. Er streckt die Grundphalanx;
jedoch glauben wir, daß gerade ihm auch eine Streckwirkung auf die
Mittel- und selbst die Nagelphalanx zukommen kann.
Idiotopie und Skeletopie.
Als letzter Muskel der tiefen Streckgruppe entspringt er am
weitesten distal von der Ulna, verläuft schräg über diesen Knochen
nach außen und tritt gemeinschaftlich mit, jedoch auch unter dem
M. extensor digitorum communis durch das größte Fach der dorsalen
Handfächer und endet in der gemeinschaftlichen Strecksehne am
Capitulum ossis metacarpalis II. Des genaueren sind die Ursprünge :
1) von der Ulna ungefähr entsprechend dem dritten Viertel dieses
Knochens ziemlich nahe dem Margo interosseus; dieser Ursprung
kann bis 8 cm lang sein; 2) von der tiefen Fascie des M. extensor
carpi ulnaris an dem Längsstreifen, welchen wir als Fasciculus longi-
tudinalis ulnaris bezeichnet haben ; 3) im Anschlüsse an den Knochen-
ursprung von der Membrana interossea; indessen können solche Bündel
auch fehlen. Der Muskelbauch ist der -einzige, welcher sich bei Volar-
flexion der Hand und Beugung der Phalangen noch fast konstant auf
das Handgelenk hin erstreckt. Sämtliche anderen Muskeln, sei es der
Beuge- oder Streckseite, von den Varietäten des M. pronator quadratus
abgesehen, haben in dieser Höhe kein Muskelfleisch mehr.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis wird von den M. extensor carpi ulnaris, digiti
minimi proprius und digitorum communis der Reihe nach überlagert.
196
M. extensor indicis proprius. 197
Erst iu Knöchelhöhe ist die Sehne oberflächlich gelagert, d. h. bloß von
der Haut bedeckt; indem sie sich hier breit an die des M. extensor
digitorum communis anlehnt, verschafft sie der Strecksehne ein ganz
anderes Aussehen, wie es beim Mittel- und Ringfinger der Fall ist,
an welchem wir die Verschmälerung und Verdickung der Sehne be-
tonen mußten. Die Facies lateralis schmiegt sich dem M. extensor
poUicis longus an, die Facies medialis bildet eigentlich nur den ent-
sprechenden freien Rand des Muskels. Die Facies profunda deckt
die Ulna, mit einem größeren oder kleineren Bezirke die Membrana
interossea; der Muskelbauch geht über den Radius, die Handwurzel
(Os lunatum und capitatum), Spatium interosseum II hinweg und
kommt erst in der Nähe des Capitulum auf den 2. Mittelhandknochen
zu liegen.
Daß unter dem Muskel außer dem N. interosseus dorsalis und
der A. interossea volaris (dorsalis inferior) auch der N. interosseus
volaris gelegen ist, welcher den M. pronator quadratus versorgt, ist
bei diesem mehrfach betont. Die Möglichkeit der elektrischen Reizung
des M. Pronator quadratus vom Dorsum her sei auch an dieser Stelle
wiederholt. '
Innervation der M. extensor pollicis longus und indicis
proprius.
Wir könnten diese beiden Muskeln gemeinschaftlich behandeln,
weil sie nicht allein aus einem Hauptstamme versorgt werden, sondern
auch die feinere Verteilung in den aneinander grenzenden Muskel-
abschnitten zu beiden Muskeln Zweige hervorgehen läßt.
Der doppelt gefiederte M. extensor pollicis longus erhält je einen
radialen und ulnaren Zweig, ungefähr wie der M. abductor pollicis
longus. Der spindelförmige M. extensor indicis proprius verhält sich
ungefähr wie der entsprechend gebaute M. extensor pollicis brevis.
Der Sehnennerv, welcher zwischen den M. extensor pollicis longus
und indicis proprius verläuft, läßt sich auch mit dem entsprechenden
Sehnennerv zwischen den M. abductor pollicis longus und extensor
pollicis brevis vergleichen. Da sich die beiden Muskeln nur auf ganz
kurzen Strecken am Oberflächenbilde beteiligen, wo sie nämlich
zwischen den oberflächlichen Strecksehnen zum Vorscheine kommen,
so ist die elektrische Reizung viel ungünstiger, als bei den radialen
Daumenmuskeln. Die günstigste Reizungsstelle liegt für den M. ex-
tensor pollicis longus an der Grenze des mittleren und unteren,
distalen Drittels des Vorderarmes ; für den M. extensor indicis proprius
im unteren Drittel selbst. Für diesen Muskel ist mäßige Handgelenks-
beugung bei extremer Zeigefingerbeugung empfehlenswert. Man kann
dann eventuell das distale Ende des Muskelbauches bis über das
Handgelenk als Wulst hervortreten lassen.
Noch auf einen anderen Punkt sei hingewiesen. Wenn man die
elektrische Untersuchung bei supinierter Hand vornimmt, kommt es
oft zu einer energischen Pronationsbewegung, welche durch die
Erregung des N. interosseus volaris hervorgerufen wird. Wir
haben dies beim M. pronator quadratus bereits ausführlich erwähnt,
wollen aber hier noch einmal betonen, daß dieser auf der Beugeseite
gelegene Muskel sich am vorteilhaftesten von der Streckseite aus
reizen läßt.
197
198
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Muskelbündellänge.
Minimum 4,9 cm
Maximum 6,2 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 5,7 „
Unterschied in Centimetern 1,3, in Prozenten 27 7o
Segmentbezüge.
6. 7. 8. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
Substanz
„ , Muskel-
Sehnen- Substanz
Substanz ^^ p^o^.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
4
. 3
10
9
3
2,5
8,5
6,5
1
0,5
1,5
2,5
75
83,4
85
72,3
Durchschnitt aus diesen Messungen
6,5
5,1
1,4
78,9
Varietäten.
Dieselben sind häufig, besonders die der Sehne. Der Muskel-
bauch kann doppelt sein bei einheitlicher Eudsehne, oder der ein-
heitliche Bauch entwickelt 2 oder selbst 3 Sehnen, die entweder auf
den Zeigefinger beschränkt bleiben oder noch auf den Mittel- und
Ringfinger übergreifen. Auch sehnige Ausstrahlungen vom Daumen
kommen vor, sowie Verschmelzungen mit den Extensoren des Daumens.
Bisweilen fehlt er.
In den V. B. ist unter No. 425 der Ursprung vom distalen Radius-
ende beschrieben.
IV. Handmuskeln.
Allgemeines.
Die Eigenmuskulatur der Hand oder ihres Analogons in der
Reihe der Säugetiere wird ursprünglich durch ein System kleiner
Muskeln gebildet, welche die Vertiefungen zwischen den Ossa meta-
carpalia ausfüllen und morphologisch den menschlichen M. interossei
entsprechen.
Bei denjenigen Tieren, deren seitlich liegende Finger eine aus-
gesprochenere Beweglichkeit und wichtigere Funktionen erlangen,
sieht man in ihrem Bezirke eine Gruppe von neuen Muskeln auf-
treten, welche als mehr oder weniger direkte Abkömmlinge der
Zwischenknochenmuskeln aufgefaßt werden können und sich diesen
Seitenfingern angliedern. Die höchste Stufe der Entwickelung in
dieser Richtung ist bei den Anthropoiden und dem Menschen erreicht.
Beim Menschen sind die Muskeln der Hand in drei Gruppen ge-
teilt: eine laterale, dem Daumen angegliederte, welche durch die
Muskeln des Thenar gebildet wird, eine mittlere oder tiefe Gruppe,
welche die 8 M. interossei enthält, und eine mediale, dem Klein-
Handmuskeln. 199
finger zugehörige, in der wiederum 4 Muskeln, die M. hypothenaris,
vereinigt sind.
Theiiar.
Synonyma: Daumenballen, Maus; Muscles de l'eminence thenar.
Der Daumenballen setzt sich aus 4 Muskeln zusammen, von
denen 2 ausschließlich der oberflächlichen Lage angehören, die M. ab-
ductor brevis und opponens ; einer, der M. adductor pollicis, die tiefe
Schicht darstellt; und der vierte, der M. flexor pollicis brevis, teils
oberflächlich gelegen ist — Caput superficiale — teils in der Tiefe —
Caput profundum. Alle 4 Muskeln lassen sich mit Leichtigkeit von-
einander trennen, abgesehen vielleicht von der Stelle, wo sich der
M. opponens an den M. flexor brevis anlehnt. Der Ansatz vollzieht
sich teils am Os metacarpale I durch den M. opponens, teils an der
lateralen Seite der Grundphalanx mit dem Uebergange in die Dorsal-
aponeurose — M. abductor — oder etwas weiter nach vorn hin am
lateralen Sesambeine durch den M. flexor brevis; der M. adductor
pollicis wendet sich zum medialen Sesambeine, ohne wesentlich in die
Dorsalaponeurose auszustrahlen, eine Aufgabe, welche in verschiedenem
Grade seine tiefste Schicht, unser M. interosseus volaris I, zu er-
füllen hat.
Eine ganz eigenartige Stellung nimmt Duchenne S. 168 und 169
ein, welche ihrer Wichtig^^eit halber wörtlich angeführt sei. Eine
Widerlegung derselben und die Berechtigung der anatomischen Ein-
teilung auch für die Physiologie und Elektrophysiologie soll bei den
einzelnen Muskeln erfolgen. Es ist auffallend, daß dieser Autor in
seiner Einteilung den M. opponens überhaupt nicht anführt. „Die
Muskelbäuche, die zusammen den Abductor brevis, den Flexor
brevis und den Adductor pollicis bilden, sind in anatomischer Hin-
sicht sowohl wie in physiologischer ganz willkürlich in die Muskeln
geteilt worden. Durch meine elektrophysiologischen Untersuchungen
wird nämlich bewiesen, daß die Muskelbündel, die sich zur Außen-
seite der 1. Phalanx des Daumens oder dem 1. Mittelhandknochen
begeben, alle dieselbe Wirkung auf den Mittelhandknochen und die
beiden Daumenphalangen ausüben, und daß andererseits die, welche
gegen die Innenseite der 1. Phalanx konvergieren, gleichfalls eine
gemeinsame Aktion besitzen.
Alle diese Muskelbündel bilden also in physiologischer Hinsicht
zwei Muskelgruppen, die sich durch die verschiedenen Bewegungen,
die sie dem 1. Mittelhandknochen und der 1. Phalanx erteilen, unter-
einander unterscheiden."
M. abduetor pollicis brevis.
Synonyma : Kurzer Daumenabzieher, M. abductor externus Sömmereing,
abductor brevis pollicis manus ; Court abducteur du pouce, carpo-
sus-phalangien du pouce (Chaussier) ; scapho-sus-phalanginien (Dumas) ;
Gegensteller des Daumens gegen die dritten Phalangen des Zeige- und
Mittelfingers (Dlchenne-Wernicke).
199
200 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Allgemeine Beschreibung.
Der flache Muskelbauch bildet die oberflächlichste Lage des
Daumenballens und liegt in ganzer Ausdehnung von Ursprung bis
Ansatz nur unter der Haut, einer der wenigen Muskeln, bei denen
dies der Fall ist, und besonders darum interessant, weil es sich um
einen Muskel der Beugeseite handelt.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung des Muskels besteht aus zwei Abteilungen, einer
ulnaren und radialen. Die ulnare entspringt vom Lig. carpi trans-
versum, die radiale löst sich gewöhnlich aus einer accessorischen
Sehne des M. abductor pollicis longus ab, für welche wir mit dem
zugehörigen Muskelbauche den Namen M. abductor pollicis intermedius
vorschlagen möchten. Da der Muskel der oberflächlichen Schicht an-
gehört, kann der Ursprung sich normalerweise nur auf die proximale
Reihe der Handwurzelknochen erstrecken. Die Angabe von Henle,
daß er sich zum Teile bis gegen das Erbsen bein verfolgen läßt; können
wir in mehreren Fällen bestätigen. Im allgemeinen wollen wir als
Regel den Ursprung vom Os naviculare festhalten. Es ist allerdings
gerade bei diesem Muskel besonders schwer, den unmittelbaren Nach-
weis des Ursprunges vom Knochen zu führen, weil hier der Band-
apparat des Lig. carpi transversum, die Sehne des M. palmaris longus
und die Fascia antebrachii volaris mit in Frage kommen. Der radiale
Ursprung aus einer Nebensehne des M. abductor pollicis longus führt
eventuell zur Bildung eines Sehnenbogens, unter welchem sich der
R. superficialis der A. radialis herunterschieben kann. Jedoch ist
gerade dieses Gefäß nach Lage und Mächtigkeit den allergrößten
Schwankungen unterworfen und kann bald hautwärts von diesem
Muskel verlaufen, bald den ulnaren Muskelursprung durchsetzen, oder
auch unter den Sehnenbogen heruntertreten, oder schließlich, wie wir
in einer Varietät beschrieben haben, sogar das Lig. carpi trans-
versum durchbohren. Der im Ursprünge breite, platte Muskelbauch
geht schräg radialwärts gegen die laterale Seite der Grundphalanx
des Daumens hin, wo er teilweise seinen Ansatz findet. Jedoch ist
hier durch das Uebergreifen auf die Streckseite durch eine ziemlich
ausgesprochene Bildung einer Dorsalaponeurose an dieser Stelle die
Analogie mit einem M. interosseus dorsalis gewahrt, welchem er ja in
seiner Wirkung entspricht.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht der Haut. Praktisch wichtige
Gebilde sind in normalen Fällen nicht in derselben gelegen, wenn
wir von den Varietäten der A. radialis absehen, welche wir jedoch
mehrfach am Lebenden in aller Deutlichkeit feststellen konnten. Die
Facies ulnaris s. medialis und radialis s. lateralis stellen eigentlich
nur den entsprechenden Rand dar. Die Facies profunda deckt die
mittlere Schicht des Daumenballens, welche ja ulnar aus dem Caput
superficiale des M. flexor pollicis brevis, radial aus dem M. opponens
pollicis besteht; jedoch in der Weise, daß die freien Ränder dieser
beiden Muskeln noch neben den entsprechenden des M. abductor
pollicis brevis erscheinen. In der trennenden Schicht, welche deutlich
M. abductor polHcis brevis. 201
fasciell ist, verlaufen die extramuskulären Aeste des R. muscularis
11. mediani.
Wirkung.
In der Hauptsache ist die abduzierende Wirkung auf den freien
Daumen zu betonen. Als Nebenwirkung jedoch ist auch durch die ulnar
entspringenden Fasern eine opponierende zu erwähnen. Daß sich das
Bild der Opposition mit dem der Adduktion sehr leicht vermischt und
verwischt, kommt oft genug bei den elektrischen Untersuchungen zur
Geltung und ist vom theoretischen Standpunkte nicht genügend her-
vorzuheben, weil die entsprechenden Wirkungen durch zwei ver-
schiedene Nerven ausgelöst werden, nämlich die Opposition durch
den N. medianus, die Adduktion durch den N. ulnaris. Eine Reizung
dieser beiden Nerven über dem Handgelenke kann also — nach
unserer Auffassung höchstwahrscheinlich auch durch die mehrfach er-
wähnten motorischen Anastomosen zwischen den beiden Nerven —
sowohl die Adduktions- wie Oppositionsstellung auslösen. Henle
ist wahrscheinlich zu der Aufstellung eines tiefen Bauches, welcher
unserem Caput superficiale des M. flexor poUicis brevis entspricht,
durch die Beobachtung am Lebenden gekommen, vielleicht seiner
eigenen Hände. Besonders bei Menschen, welche, wie die Anatomen,
Maler, Bildhauer u. s. w., ihre Hand und besonders die Muskeln des
Daumenballens ausgiebig verwenden müssen, stellt sich sehr oft eine
Hypertrophie dieses Teiles im ganzen und einzelnen ein. Bei Ab-
duktion des Daumens springt nämlich nicht der M. abductor pollicis
brevis, der in Tätigkeit befindliche Muskel, hervor, sondern sein
ulnarer Nachbar, der M. flexor brevis tritt passiv als Wulst heraus.
Man kann sich aber mit Leichtigkeit durch das Gefühl davon über-
zeugen, daß der Wulst weich ist, während über dem M. abductor
pollicis brevis der palpierende Finger die Härte des kontrahierten
Muskels fühlt. Wenn man den vorher extendierten Daumen in der
Grundphalanx beugt, gleicht sich das Gefühl der Härte wieder aus.
Duchenne erwähnt unter 246 (S. 190) die Ausfallserscheinungen
bei Atrophie oder Lähmung des M. abductor pollicis brevis eines Er-
wachsenen mit mittelgroßer Hand : „Die Entfernung des Daumens von
der Spitze des ausgestreckten Zeigefingers beträgt in gespreizter
Stellung auf der kranken Seite ungefähr 10 cm, während auf der
gesunden Seite das Maxiraum dieser Entfernung des Daumens unter
der Wirkung seines Abductor brevis ungefähr 16 — 17 cm beträgt.
Wir bemerken hierzu, daß der M. abductor pollicis longus vermöge
seiner Konjugation mit dem brevis, welche wir als normal bezeichnen
müssen, auch eine erhebliche Wirkung auf die Grundphalanx aus-
üben kann. Stellt denn bei Lähmung des M. abductor pollicis brevis
der atrophierte Muskelbauch mechanisch etwas anderes dar, als eine
accessorische Sehne, welche sich vom M. abductor pollicis longus aus
mit Einbeziehung des Radialteiles des M. abductor pollicis brevis zur
Grundphalaux des Daumens erstreckt?
Vollkommen unverständlich blieb uns die Bemerkung von
Duchenne, XXVII (S. 251): „Der Abductor pollicis brevis erteilt
dem 1. Mittelhandknochen eine ähnliche Bewegung wie der
Opponens pollicis. Gleichzeitig streckt er die zweite Phalanx, und
neigt die erste Phalanx nach seiner Außenseite, indem er sie von
außen nach innen um ihre Achse rotieren läßt. Aus dieser Ge-
202
FROHSE und M. FRANKEL,
samtheit von Bewegung-en resultiert, daß die Daumenkuppe zu den
Spitzen des 2. und 3. Fingers, welche in der Articulatio metacarpo-
phalang-ea g-ebeugt, in den beiden anderen Gelenken gestreckt sind,
in Oppositionsstellung- steht."
Die von Duchenne soeben unter XXVII (S. 251) und auch an
anderen Stellen, die aufzuzählen sich erübrigen dürfte, angeführte
Behauptung, „daß die Daumenkuppe zu den Spitzen des 2. und
3. Fingers, welche in der Articulatio metacarpophalangea gebeugt, in
den beiden anderen Gelenken gestreckt sind, in Oppositionsstellung
steht", ist aus räumlichen Gründen hinfällig. Keiner von den drei-
gliedrigen Fingern (2—5) kann dem gestreckten Daumen genähert
werden, gleichviel ob der letztere sich in Abduktion, wo es über-
haupt unmöglich ist, Mittelstellung oder sogar in x4dduktion bis
über den Kleinflngerrand hinaus befindet. Wenn der Daumen die
Achse der Hand erreicht hat, so kann er durch gleichzeitige Beugung
der Nagel- und Mittelphalanx den Fingerkuppen 2—5 mit Leichtig-
keit genähert werden. Wenn der Daumen nicht gestreckt ist, sondern
gebeugt, so muß eine stärkere Beugung der dreigliedrigen Finger
eintreten, um die entsprechenden Nagelglieder miteinander in Be-
rührung zu bringen, und dann tritt gewöhnlich nur die Nagelseite des
Daumenendgliedes in Berührung mit den Fingerkuppen der drei-
gliedrigen Finger 2 — 5 (oder die Daumenkuppe gleitet über die Nägel
der anderen Finger hinweg).
Die Muskulatur des Daumenballens wird in der oberflächlichen Lage
vom N. medianus aus versorgt, die tiefe Lage, welche nur den M. ad-
ductor enthält, vom N. ulnaris. Ueber die Verbindung der beiden Nerven
miteinander wird bei letzterem Muskel ausführlich geschrieben werden.
Innervation.
Der M. abductor pollicis brevis erhält einen Zweig aus
dem N. medianus, welcher sich rückläufig um das Lig. carpi trans-
versum schlingt und bis zum ulnaren
Rande des Muskels oberflächlich gelagert
ist. Die Länge dieser Strecke ist Schwan-
kungen von ungefähr 2 — 7 mm ausgesetzt.
Die innere Innervation, welche in unserer
Abbildung von der Rückseite, der Facies
profunda dargestellt ist, zeigt aus diesem
Grunde die extramuskuläre, schwarz ge-
haltene Innervation bei weitem ausgiebiger,
als es bei der Betrachtung von vorn der
Fall ist, und dies um so mehr, als wir die
Muskelbündel auseinandergedrängt abge-
bildet haben. Ueber das feinere Nerven-
bild ist wenig zu sagen. Der ungefähr in
der Mitte des Muskels quer zu den Muskel-
bündeln verlaufende Nerv liefert auf- und
absteigende Zweige, unter denen wir be-
sonders die letzteren mit Leichtigkeit
bis in die Nähe der Endsehne verfolgen
konnten.
Fig. 74. M. abductor pollicis brevis, Nervenbild.
M. abductor poUicis brevis.
203
Muskelbündellänge.
Minimum 3,1 cm
Maximum 4,2 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 3,7 „
Unterschied in Centimetern 1,1, in Prozenten 35 "/o-
Segmentbezüge.
6. 7. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
5,5
2,5
9
9
4,5
2,3
8,5
1
0,2
0.5
1
82
92
94,4
88,9
Durchschnitt aus diesen Messungen
6,5
5,8
0,7
89,4
H, flexor poUicis breyis.
Synonyma : Kurzer Daumenbeuger ; M. flexor secundi internodii pollicis
manus; Court flechisseur du pouce, trapezophalangien, carpo-pbalangieu
du pouce Chaussier; Aeußere Portion des M, flexor pollicis brevis =
Gegensteller des Daumens gegen die zweiten Phalangen aller 4 Finger
(Duchenne- Wernicke).
Allgemeine Beschreibung.
Trotz seiner Kleinheit ist dieser Muskel einer der am schwierigsten
zu beschreibenden des ganzen menschlichen Körpers. Er liegt nicht
in einer und derselben Ebene, sondern ist hakenförmig umgebogen
mit einem oberflächlichen und tiefen Kopfe, entspringt auch nicht
von einem einzigen Knochen, sondern an mehreren, ferner nicht mit
deutlicher Ursprungssehne, sondern teilweise von Bändern, die sogar
Gelenkkapseln verstärken helfen. Der Ursprung erstreckt sich auf
die radiale Hälfte der distalen Reihe der Handwurzelknochen und
der hier gelegenen Bänder, ist also recht verwickelt. Der Ansatz
ist aber noch schwieriger, wenn man der FLEMMiNGschen Darstellung
folgt, dessen Schema gang und gäbe geworden ist, obwohl die Arbeit —
um es gelinde auszudrücken — die größte Verwirrung angerichtet hat.
Bei der ungeheuren Verschiedenheit der einzelnen Fälle, welche
wir bei der Präparation der Tiefe des Daumenballens beobachten,
müssen wir eine klare, ungekünstelte Einteilung haben. Nach
unserer Autfassung müssen und können sämtliche Muskelbündel, welche
zum radialen Sesambeine ziehen, als M. flexor pollicis brevis aufgefaßt
werden, nicht mehr und nicht weniger. Daß physiologisch eine scharfe
Trennung nicht möglich ist, wie wir auch sonst vielfach betont haben
und noch mehr bei den unteren Extremitäten erwähnen müssen, sei
hier nochmals hervorgehoben. Aber anatomisch läßt es sich durch-
führen, wofern man sämtliche Muskelbündel, welche zum radialen
203
204 FROHSE und M. FRÄNKEL,
oder lateralen Sesanibeine ziehen, als M. flexor brevis poUicis be-
zeichnet, und alle zum medialen oder ulnaren Sesambeine sich
wendenden dem M. adductor zurechnet. Eine derartige Auffassung ist
für jeden, noch so komplizierten anatomischen Fall anwendbar, und selbst
für den Anfänger mit der größten Leichtigkeit verständlich und prä-
paratorisch zu erkennen, und steht auch mit den neurologischen Tat-
sachen in keinem Widerspruche. Daß der eigentliche, äußerlich als
solcher imponierende Daumenballen vom N. medianus versorgt wird,
dagegen der M. adductor vom N. ulnaris, ist allgemein bekannt und
anerkannt. Ueber und durch den M. flexor pollicis brevis verlaufen
aber 1—3 Anastomosen zwischen beiden Nerven, die den Muskel
selbst und die nächstgelegenen Bündel der Nachbarmuskeln ver-
sorgen, so daß auch nach der Innervierung sich kein scharf abge-
grenzter Muskelbauch mit einheitlichen Nerven herauspräparieren
läßt, und unsere Darstellungsweise auch in dieser Hinsicht die ein-
fachste sein dürfte.
Die von uns eben gegebene Beschreibung des kurzen Daumen-
beugers lehnt sich im wesentlichen an die Beschreibung von Poirier
(Traite d'anatomie humaine, Tome II, p. 143 u. 145, an) welcher
seinerseits Cruveilhier, Sappey, kurz gesagt den klassischen fran-
zösischen Autoren folgt. Von dieser Schilderung weichen deutsche
sowohl, wie nichtfranzösische Autoren erheblich ab, nicht allein die
älteren, sondern auch die modernen.
Wir hoffen, daß bei unserer freien Uebersetzung der Sinn ge-
wahrt ist, ohne daß neue Fehler und Irrtümer mitunterlaufen sind.
Nach unserer Meinung sollte die von Flemming gegebene, auch
von Poirier übernommene schematische Figur nicht weiter in den
Lehrbüchern abgebildet werden, sondern einfach der Originalarbeit
überlassen bleiben.
„Albinus betrachtet diesen Muskel als aus zwei Köpfen zu-
sammengesetzt, aus einem, welcher zum radialen Sesambeine geht
(unserem Flexor), und einem zweiten, welcher sich zum ulnaren Sesam-
beine erstreckt (das ist das Caput carpale des M. adductor). Sömmerring
legte mehr Gewicht auf die Ursprünge: er rechnete diejenigen Bündel,
welche vom Lig. carpi transversum entspringen, zum M. abductor
pollicis brevis unter dem Namen M. abductor internus und bezeichnete
als M. flexor brevis diejenigen Bündel, welche von den Carpalknochen
entspringen und sich von hier aus zu beiden Sesambeinen begeben.
Auch Henle schließt sich der Auffassung Sömmerrings an. Er
rechnet unser Caput superficiale zum M. abductor brevis und läßt
den M. flexor brevis in zwei Abteilungen zu beiden Sesambeinen
ziehen. Allerdings ist nach ihm der Kopf, welcher zum medialen
Sesambeine zieht, mehr oder weniger deutlich vom M. adductor ge-
sondert und entspringt nur vom Os metacarpale L Uebrigens gibt
er selbst zu, daß er nur mit Rücksicht auf die klare Doppelteilung
des M. flexor brevis hallucis auch dieselbe Beschreibung für den M.
flexor brevis pollicis gewählt hat.
Krause, Meckel, Hyrtl, Heitzmann nehmen im allgemeinen
die Darstellung von Albinus an. Sie beschreiben als Flexor brevis
einen äußeren Kopf, welcher unseren gesamten Flexor darstellt, und
einen inneren Kopf (und das ist der Punkt, in welchem sie von
Albinus abweichen), welcher nicht durch den ganzen carpalen Ur-
M. flexor poUicis brevis. 205
Sprung des M. adductor gebildet wird, sondern nur durch den lateralen
Abschnitt dieses Muskels.
Um diese abweichenden Darstellungen zu klären, hat es Flemming
(Anatomischer Anzeiger, 1. Februar 1887) unternommen, eine Reihe von
Präparationen auszuführen, und hat ein Schema herausgefunden, welches
auch auf die Innervation Rücksicht nehmen soll. Wir müssen gestehen,
daß weder durch das Muskelschema, noch durch die von ihm behauptete
Innervationsweise Klarheit geschaffen ist, sondern gerade das Gegenteil.
Er sagt, daß nur der Teil, welcher vom N. medianus versorgt wird,
als M. flexor brevis aufzufassen sei, also das Caput superficiale von
Cruveilhier. Dessen Caput profundum müsse, weil es vom N. ulnaris
versorgt würde, obwohl es zum lateralen Sesambeine ginge, zum M. ad-
ductor gerechnet werden ; desgleichen das in derselben Weise versorgte
Caput internum s. mediale s. ulnare von Henle. Krause und Meckel.
Wenn wir uns einen schematischen M. flexor pollicis brevis auf
Grund der verschiedenen Auffassungen, Präparationen und Theorien
aufbauen wollen, so hätten wir einen vierköpfigen Muskel:
1) Caput I, entsprechend unserem Caput superficiale, = dem
Chef superficiel der französischen Autoren -= dem M. abductor in-
ternus von SÖMMERRING UUd HeNLE.
2) Caput II, entsprechend unserem Caput profundum = Chef
profond der Franzosen = Caput superficiale von Henle.
3) Caput III = carpaler Ursprung des M. adductor pollicis (ange-
geben von sehr vielen deutschen Anatomen des vorigen Jahrhunderts).
4) Caput IV = Caput profundum des Albinus = dem lateralen
Teile des vorigen Kopfes.
Wenn wir auch die Auffassung des letzteren Autors, welche
sonst nicht geteilt wird, beiseite lassen, so bleiben doch noch drei.
Um wirklich Klarheit über diesen Muskel zu schaffen, stehen uns
drei Wege zur Verfügung: 1) die Innervation, 2) die vergleichende
Anatomie, 3) die sorgfältige Präparation der einzelnen Muskelbündel
an der menschlichen Hand.
Die physiologische Untersuchung versagt bei der Tiefe und Fein-
heit der in Betracht kommenden kleinen, dicht neben- und über-
einander liegenden Muskelbäuche vollkommen.
Mit Recht legt Flemming Wert auf die durch die Innervation
sich ergebenden Tatsachen ; wir werden aber hinterher auf Grund
der fremden und der eigenen Beobachtungen Kritik anzulegen haben,
inwieweit seine Beschreibung und Einteilung zu Recht bestehen.
Hier müssen wir einstweilen nur den Wert seiner Methode
erörtern. Brooks hat die enormen Verschiedenheiten des Nerven-
verlaufes gerade am M. flexor pollicis brevis hervorgehoben. Darauf-
hin hat auch Flemming in einer Mitteilung im Anatomischen An-
zeiger (14. April 1887) und in Gegenbaurs Morphologischen Jahres-
berichten (Bd. XV, S. 483) sich dazu verstanden, in besonderen Fällen
die BnooKSsche Ansicht anzunehmen, jedoch mit dem Vorbehalte, daß
die Nervenversorgung allein für die Muskelbestimmung nicht ausschlag-
gebend sein könne und nur für den einzelnen Fall anwendbar ist.
Gibt nun die vergleichende Anatomie sichere Anhaltspunkte? Es
scheint heutzutage festgestellt zu sein — durch die älteren Unter-
suchungen von Duvernoy und Bischoff und durch die neueren
von Macalister, Cunningham, Brooks und Quain, Gegenbaur
und Hepburn — daß der wirkliche äußere Kopf (C'hef externe
205
206 FROHSE und M. FRÄNKEL,
des M. flexor brevis, das Homologon des Caput fibulare (Chef
peronier du court flechisseur du gros orteil), der M. interosseus
volaris I von Henle ist.
Folgerichtig müßte man dann als Caput externum (dorsale) des
M. flexor brevis den M. interosseus volaris primus betrachten und
andererseits zum M. adductor des Caput profundum rechnen. Aber
praktisch ist diese Forderung nicht durchführbar. Der immer mehr
sich ausdehnende M. adductor hat im Laufe der Entwickelung das
Caput ulnare in einer Weise von der Dorsalseite entfernt, daß man
diesen Ursprung praktisch nicht mehr berücksichtigen kann. In der
Tat, wenn ein Muskel phylogenetisch so große Umwandlungen erfahren
hat, wie der M. flexor pollicis brevis, so ist man, natürlich unter Berück-
sichtigung der vergleichenden Darstellung, nach unserer Meinung be-
rechtigt, diesen so zu beschreiben, wie er sich beim Menschen vorfindet,
und nicht, wie er sich bei höheren oder niederen Tieren entwickelt hat.
Das ist auch die Meinung Gegenbaurs, welcher in seinem
Lehrbuche der menschlichen Anatomie sich bezüglich des M. flexor
pollicis brevis an Cruveilhier anschließt.
Damit erreichen wir die letzte, von uns aufgestellte Forderung,,
den menschlichen kurzen Daumenbeuger mit Rücksicht auf seine
Muskelbündel zu untersuchen ; eine derartige Nachprüfung wird unsere
Darstellung bestätigen.
Allerdings müssen wir zugeben, daß der in dieser Weise be-
schriebene M. flexor pollicis brevis ziemlich häufig Varietäten unter-
worfen ist; beispielsweise kann unser Caput profundum gänzlich
fehlen. Wir schließen uns jedoch der Auffassung von Gegenbaur
an, daß diese nur kundgeben, einen wie verschiedenen Weg die Ent-
wickelung nehmen kann. Das Caput ulnare kann ein ganz bedeutungs-
loses, mit dem M. adductor pollicis verschmelzendes Muskelbündelchen
werden und überläßt dem Caput radiale die ganze Arbeit der Flexion.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel zerfällt in 2 Bäuche : ein Caput superficiale, welches
die äußerlich sichtbare ulnare Begrenzung des Daumenballens dar-
stellt, und ein Caput profundum, welches in der Ebene des M. ad-
ductor pollicis gelegen ist. Beide Bäuche werden voneinander ge-
trennt durch die Endsehne des M. flexor pollicis longus, jedoch nicht
vollständig, weil die doppelten Ursprünge durch einen Sehnenbogen
miteinander in Verbindung stehen. Der Ansatz findet gemeinschaftlich
am radialen Sesambeine statt. Der Ursprung des Caput superficiale
vollzieht sich knöchern von der Tuberositas ossis multanguli majoris,.
außerdem vom Lig. carpi transversum — diese Fasern lassen sich
sehr oft bis zur Eminentia carpi ulnaris verfolgen. Das Caput
profundum entspringt aus der Tiefe des Hohlhandtunnels vom Lig.
carpi radiatum. Wenn man einen besonderen Knochen angeben will,
so wäre in erster Linie das Os multangulum minus zu erwähnen.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis liegt zum größten Teile frei unter der
Haut, ein kleiner ulnarer Teil unter dem M. abductor pollicis brevis
verborgen, bei dessen Zusammenziehung der Muskel als weicher Wulst
hervorquillt und gleichzeitig breiter wird. Die Facies lateralis ist
206
M. flexor poUicis brevis.
207
eng mit dem M. opponens poUicis verbunden. Die Facies medialis
bildet die abgerundete Kante des äußerlich sichtbaren Daumenballens.
Die Facies profunda entspricht im wesentlichen der Sehne des M.
flexor pollicis longus, und biegt hakenförmig um sie herum, um un-
mittelbar in das Caput profundum überzugehen. Dieses hat als ulnaren
Nachbar den M. adductor pollicis, radial legt es sich gegen den ersten
Mittel handknochen ; in der Tiefe verborgen ist hier der M. interosseus
volaris I aufzusuchen. Von sonstigen topographischen Angaben sei
nur erwähnt, daß sich hart am Muskelfleische, d. h. um den radialen
Rand der Sehne des M. flexor pollicis longus herum, die wichtige
Anastomose zwischen dem R. profundus n. ulnaris und dem R. mus-
cularis n. mediani konstant vorfindet.
Muskelbündellänge.
Minimum 2,6 cm
Maximum 3,5 „
Durchschnitt aus 7 Messungen 3,1 „
Unterschied in Centimetern 0,9, in Prozenten 35 "/o«
Segmentbezüge.
6. 7. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
1
Muskel- ; Sehnen -
Substanz Substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
4,5
2,5
7
7,5
3,5
1
0,25
1
1,5
78
90
85,7
80
Durchschnitt aus diesen Messungen
5,4
4,5
0,9
83,4
M. opponens pollicis.
Synonyma: Gegenübersteller des Daumens:
carpo-metacarpien du pouce Chaussibr.
Opposant du pouce,
Allgemeine Beschreibung.
Der ziemlich dicke, dreieckige Muskel liegt mit dem Caput super-
ficiale des M. flexor pollicis brevis in einer Schicht. Es ist oft nicht
leicht, ohne weiteres die Grenze zwischen beiden zu treff'en, wenn
man sich nicht an die Regel hält, daß jedes Muskelbündel, welches
am freien Seitenrande eines Os metacarpale oder metatarsale ansetzt,
dem entsprechenden M. opponens zuzurechnen ist. Geht man nacli
diesem Gesichtspunkte am distalen Ende des Os metacarpale I vor, so
wird man erstaunt sein, wie leicht sich auch in vorher undeutlichen
Fällen die Trennung bis zum Lig. carpi transversum durchführen läßt.
207
208 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel entspringt:
1) vom Lig-. carpi transversum in einer schrägen Linie, welche
vom lateralen Rande des Os naviculare bis zum Hamulus des Os
hamatum reicht;
2) vom Os multangulum majus.
Ungefähr parallelbündlig findet er seinen Ansatz am ganzen radialen
Rande des 1. Mittelhandknochens, außerdem nimmt er noch die vordere
radiale Fläche bis zu der dort deutlich vorspringenden volaren Kante
in Anspruch.
Kurze Sehnenfasern kommen nur in der Nähe des Ursprunges
vor. Trotz seiner Kleinheit kann man an diesem Muskel zwei ver-
schiedene Lagen erkennen, eine dünne oberflächliche und eine stärkere
tiefe, welche die oberflächliche proximal- wie distalwärts überragt.
Was die oberflächliche Schicht anlangt, so konnten wir in günstigen
Fällen eine Verbindung mit dem Beginne der Endsehne des M. flexor
carpi ulnaris nachweisen ; ein Zug an dieser hatte sowohl auf die Ur-
sprungssehne des M. opponens pollicis Einfluß, wie umgekehrt ein
Zug an der Ursprungssehne des M. opponens pollicis die Sehne des
M. flexor carpi ulnaris in Mitleidenschaft zog.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel ist von dem M. abductor pollicis brevis überlagert
und von ihm durch eine dünne Fascie getrennt. Nur hart am radialen
Rande des Mittelhandknochens nimmt er mit einem schmalen Saume
am Oberflächenbilde teil. Ulnar legt er sich an den M. flexor pollicis
brevis an und bedeckt seinerseits den 1. Mittelhandknocheu, die A.
princeps pollicis, den radialen Teil des M. adductor pollicis und den
tiefen Kopf des M. flexor pollicis brevis. Der proximale, fast trans-
versale Rand legt sich über den Ansatz des M. abductor pollicis
longus, dann die Basis des 1. Mittelhandknochens und damit auch
über die Articulatio carpometacarpea pollicis.
Innervation.
Er wird als letzter Muskel des oberflächlichen Teiles des Daumen-
ballens durch einen Zweig des N. medianus versorgt, welcher in seiner
Richtung von proximal nach distal den Ursprung aus diesem Nerven
wahrscheinlich macht. Jedoch ist in der Abbildung (Fig. 77) eine
mächtige Anastomose zwischen dem motorischen Teile des N. medianus
und dem R. profundus n. ulnaris dargestellt, welche nicht allein zu
theoretischen, sondern besonders zu praktischen Bedenken Veran-
lassung geben sollte. Wir möchten hier noch einmal unsere Auf-
fassung kundgeben und ausdrücklich erklären, daß eine Auffaserung
dieser Anastomose uns unmöglich war, wir also nicht sagen können,
wie viel Nervenmasse in derselben überhaupt dem N. medianus oder
ulnaris zukommt, und erst recht nicht, ob vielleicht nur sensible
Zweige zu den Gelenkkapseln oder Knochen in ihr gelegen sind, ob
und welche Muskeln oder Muskelabschnitte von ihr aus versorgt werden.
Im einzelnen ergibt sich, daß der ziemlich nahe am Ursprünge
eintretende Nerv kurze, rückläufige Zweige aufweist und lange ab-
steigende, und sich außerdem intramuskuläre Verbindungen vorfinden.
2o8
M. opponens pollicis.
209
Muskelbündel länge.
Miniraum 1,8 cm
Maximum 3 „
Durchschnitt aus 7 Messungen 2,6 „
Unterschied in Centimetern 1,2, in Prozenten 67 7o.
Segmentbezüge.
6. 7. Cervicalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen -
Substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
11. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
3,5
2
10
9
3,5
2
9,5
8,5
o"^
0,5
ca. 100
„ 100
95
94,5
Durchschnitt aus diesen Messungen
6,1
5,9
0,2
97,4
Varietäten.
Er kann fehlen oder ist mit den M. abductor oder llexor pollicis
brevis verbunden.
M. addiictor pollicis.
Synonyma : An- oder Beizieher des Daumens ; Pars profunda, hypo-
thenaris pollicis; Adducteur du pouce, m^sothenar, metacarpo-phalangien
du pouce Chaussier.
Allgemeine Beschreibung.
Er ist der ansehnlichste, wenn auch der am tiefsten gelegene
Muskel des Daumenballens. Seine Größe erklärt sich daraus, daß er sich
nicht auf das Skelett des Daumens beschränkt, sondern noch ausgiebig
auf die Tiefe der Handwurzelknochen übergreift und vor allem noch den
2. und 3. Mittelhandknochen zum Ursprünge benutzt. Der Ansatz
findet ausschließlich am medialen, ulnaren Sesambeine statt und im
Anschlüsse daran noch an der Kapsel der Articulatio metacarpo-
phalangea pollicis.
Der von den 3. Mittelhandknochen entspringende Kopf wird als
Caput transversum bezeichnet, der von den Handwurzelknochen sich
entwickelnde als Caput obliquum. Zwischen beiden Köpfen nehmen der
R. profundus n. ulnaris und der Arcus volaris profundus ihren Weg.
Innerviert wird der Muskel vom N. ulnaris; auch in dieser Be-
ziehung, wie auch seiner Wirkung nach ist er ja als M. interosseus
volaris aufzufassen. •
Idiotopie und Skeletopie.
Von den Ursprüngen machen sich zwei in auffallendster Weise
geltend :
Handbuch der Anatomie, II, II, 2. ■ \A
209
210 FROHSE und M. FRÄNKEL,
1) von den Handwurzelknochen, speziell vom Os capitatum und
den von diesem Knochen ausj^ehenden Bändern, welche unter dem
Namen Lig. radiatum zusammengefaßt werden;
2) von der vorderen Kante des 3. Mittelhandknochens.
Dazu kommen aber noch kleinere Ursprünge, nämlich
3) von der vorderen Kante des 2. Mittelhandknochens;
4) von der ulnaren Kante des 1. Mittelhandknochens: der so-
:g-enannte CuNNiNGHAMSche Adductor, wofern man diesen Muskel nicht
nach Henle und Poirier als M. interosseus volaris primus auffassen will ;
5) von der Fascia interossea volaris im Bereiche des 3. und selbst
<ißs 4. Spatium interosseum Leboucq;
6) bisweilen von der Gelenkkapsel der Articulatio raetacarpo-
phalang-ea II— IV.
Diese beiden letzten Ursprünge zeigen eine Uebereinstimmung
mit dem Caput transversum des M. adductor hallucis.
Die meist fleischigen Ursprünge vereinigen sich im Ansätze erst
sehr spät; erst in der Nähe des Os sesamoideum ulnare, des
medialen Sesambeines, treten, von vorn her sichtbar, das Caput
obliquum und transversum zur Endsehne zusammen. Wir haben
hinterher bei der Beschreibung der Innervation (siehe Fig. 76)
ausführlicher dargestellt, daß die Schaffung eines dritten Caput pro-
fundum wünschenswert wäre, welches diejenigen Ursprünge umfaßt,
welche ohne Spaltung oder Entfernung von Muskeln nicht sichtbar zu
machen sind. Vorn kommt hierbei der M. adductor pollicis mit seinen
beiden oberflächlichen Köpfen, dem Caput obliquum und transversum
in Betracht, hinten der M. interosseus dorsalis I.
Der Ansatz hat statt vor allem am Os sesamoideum mediale, im
Anschlüsse daran auch an der Gelenkkapsel und Rauhigkeiten der
Grundphalanx des Daumens, welche Poirier als Tuberosite interne
€t superieure de la premiere phalange du pouce beschreibt.
Vielfach rechnete man zum M. adductor auch noch die Muskel-
bündel, welche vom Os metacarpale I und im Anschlüsse daran von
«inem Sehnenbogen entspringen, der sich bis zum Os multangulum
majus oder auch der Basis des 2. Mittelhandknochens erstrecken kann.
Dieser Muskelabschnitt hat die Funktion eines M. interosseus
volaris; er adduziert den Daumen etwas, beugt die Grundphalanx,
hat aber, weil von dem M. adductor pollicis eine eigentliche Dorsal-
aponeurose kaum ausgeht, keine wesentliche Wirkung auf die Nagel-
phalanx. Der von dem 2. und 3. Mittelhandknochen entspringende
Muskelabschnitt wirkt physiologisch als M. opponens, der von den
Handwurzelknochen sich entwickelnde physiologisch in erster Linie
iils Beuger wie auch der M. interosseus volaris I.
Wirkung.
Es würde zu weit führen, die von Duchenne unter XXIX (S. 252)
angegebenen vier Wirkungen im einzelnen zu erläutern. Wir selbst
können nur einen ganz kleinen Teil der Angaben bestätigen (Adduktion
des freien Daumens durch das Caput transversum, Flexion durch das
Caput obliquum) und überlassen dem Leser das Urteil über die Aus-
führungen dieses Autors:
„Der Adductor pollicis (unter dem man das innere Bündel des
Flexor brevis, das sich wie er zum inneren Sesamknochen begibt.
M. adductor poUicis. 211
mitbegreifen muß, weil sie beide dieselbe Wirkung haben) zieht den
1. Mittelhandknochen nach außen und stellt ihn etwas nach vorn
von dem 2. Mittelhaudknochen, wenn er sich im Kontraktionsmaximum
befindet. Daraus folgt, daß der Muskel dem 1. Mittelhandknochen
vier Bewegungen von entgegengesetzter Richtung erteilen kann, näm-
lich: [1] eine Adduktionsbewegung, wenn sich der Knochen vorher
durch den Extensor pollicis brevis nach außen gestellt befand ;
[2] eine Abduktionsbewegung, wenn er durch die äußere Por-
tion des Flexor pollicis brevis im höchsten Grade der Adduktion
oder Opposition stand; [3] eine Streckbewegung, wenn er durch den
Abductor pollicis brevis gegen den Carpus gebeugt worden war;
[4] und endlich eine Beugebewegung, wenn er [d. h. nur die Nagel-
phalanx, auf welche der M. adductor nur eine ganz minimale Einwir-
kung besitzt] durch den Extensor pollicis longus in Streckung
versetzt worden war."
Innervation.
Der M. adductor pollicis zerfällt in ein Caput transversum und
ein Caput obliquum. In den Spalt zwischen beiden senkt sich der
R. profundus n. ulnaris mit seinem Endzweige ein. Ferner verbindet
sich hier das Ende der gleichnamigen Arterie mit dem Endaste der
A. radialis zum Arcus volaris profundus. Der Muskel wird nicht von
seiner vorderen Fläche — Facies volaris — aus innerviert, sondern
von der Rückfläche. Um dies Verhalten anschaulicher zu machen,
haben wir noch ein Bild von der Facies dorsalis gegeben unter Ent-
fernung des 2. Mittelhandknochens bis in die Nähe der Basis;
nicht allein wegen des verschiedenen Nervenbildes, sondern auch mit
Rücksicht auf die Muskelarchitektur. So bekannt der Anblick von
vorn her durch zahlreiche Abbildungen in Atlanten und Lehrbüchern
ist, so überraschend dürfte vielen die Darstellung des M. adductor
von der Rückseite her sein.
In anderer Weise läßt sich aber der Aufbau der Muskulatur, so-
weit sie vom Os metacarpale II und vor allem vom Os metacarpale I
entspringt (M. interosseus volaris I, CuNNiNGHAMscher Adductor
u. s. w., über deren feinere Innervation recht wenig bekannt ist), nicht
gut zur Anschauung bringen.
Der Nerv für das Caput transversum verzweigt sich ungefähr in
der Mitte der Muskelbündellänge. Man kann bisweilen eine Spaltung
in zwei größere Muskelabschnitte unterscheiden, von denen jede eine
besondere Nervenverzweigung aufweist. Die Sehnennerven für den
proximalen Abschnitt werden, wie es scheint, von besonderen Aesten
der sensiblen Nerven geliefert. Im distalen Abschnitte lösen sie
sich im Inneren des Muskels unweit des freien Muskelrandes aus den
intramuskulären Nerven los und verlaufen sowohl zum Ursprünge
vom Os metacarpale III, wie auch zum Ansätze gegen die Articulatio
metacarpophalangea pollicis hin.
Das (-aput obliquum verlangt eine besondere Besprechung der
Vorder- und Rückseite. Die reichliche Innervierung beansprucht eine
gewisse Schematisierung, so daß das Nervenbild, obwohl es von dem-
selben Präparate genommen ist, auf unseren beiden Abbildungen etwas
verschieden aussieht. Bei Betrachtung der Vorderseite müssen nämlich
in erster Linie die Verbindungen zwischen dem motorischen Anteile
14*
212
FROHSE und M. FRÄNKEL,
des N. medianus und des N. ulnaris berücksichtigt werden, deren wir
hier zwei dargestellt haben, eine proximale, welche rein extramuskulär
verläuft, und eine distale, welche teilweise unter einigen Muskelbündeln
verborgen ist, also einen gemischten Plexus darstellt. Die dritte
M. adductor pollicis.
213
Möglichkeit einer leiu iutiamusJvuläien Verbindung, welche wir in
anderen Fällen gesehen haben, ist nicht mitdargestellt, weil sie an
unserem Präparate fehlte.
Von der Rückseite her erkennen wir zunächst eine teils extra-,
teils intramuskulär gelegene Schlinge, aus welcher sich am radialen
Rande des 2. Mittelhandknochens die Nervenzweige für das Caput
obliquum loslösen. Wir konnten dabei mehrere intramuskuläre
214
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Anastomosen feststellen und die Nerven bis zum M. interosseus
volaris I, dem von dem 1. Mittelhandknochen entspringenden Teile
des M. adductor, verfolg-en.
Für die vom Os metacarpale II (und I) entspringenden Bündel
haben wir bereits den Namen Caput profundum s. pars profunda vor-
geschlagen.
Muskelbündellänge.
Minimum 2,3 cm
Maximum 3,2 „
Durchschnitt aus 9 Messungen 2,7 „
Unterschied in Centimetern 0,9, in Prozenten 39 7o-
Segmentbezüge.
Wenn man die Anastomose vom Daumenballen aus mitberück-
sichtigt, d. h. den N. medianus, würden eventuell 6. und 7. Cervical-
nerv noch mit in Frage kommen; für den R. profundus n. ulnaris,
den Hauptnerven, würde 8. Cervicalnerv und 1. Thoracalnerv zu
nennen sein.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
8 1 6,8
6 5
17,5 16
18 16
1,2
1
85
83,4
91,4
88,9
Durchschnitt aus diesen Messungen
12,4
10,9
1,5
87,2
Varietäten.
Henle gibt eine Reihe von Varietäten an, welche jedoch
nach der von uns gegebenen Schilderung eigentlich in nichts zu-
sammenfallen, denn es handelt sich fast nur um die Sonderung seines
Muskelbauches von dem des M. flexor pollicis brevis. Wenn man
von dem Grundsatze ausgeht, daß die Bündel, welche zum radialen
Sesambeine ziehen, als M. flexor, andererseits diejenigen, welche am
ulnaren ansetzen, als M. adductor zusammengefaßt werden müssen,
so fallen die Varietäten beinahe fort, wenn auch mitunter sich prä-
paratorisch Schwierigkeiten ergeben.
„Durch einen größeren Zwischenraum zerfäUt der Muskel in
2 Köpfe, von denen der quere (M. transversus manus Hallette) an
den transversalen Kopf des M. adductor hallucis erinnert."
Die Durchbohrung der beiden Köpfe des Muskels durch den R.
profundus des N. ulnaris und den Arcus volaris profundus haben wir
im Texte ausführlich bei den Durchbohrungen der Armmuskeln durch
die jeweiligen Nerven beschrieben und können noch die scharfe
Sonderung beider Köpfe durch eine breite Lücke bestätigen.
214
Innervation des Daumenballens. 215
Innervation des Daumenballens.
Die Muskeln des Thenar werden von den N. medianus, ulnaris
und radialis in verschiedenem Grade versorgt. Der motorische Ast
des N. medianus zweigt sich gewöhnlich an der Stelle ab, wo auch
die sensiblen Zweige für die Volarseite des Daumens sich aus dem
radialen Hauptaste lösen, oder auch erst nach Teilung desselben in
die R. digitales proprii pollicis. Er biegt hakenförmig um den distalen
Rand des Daumenballens hart an dessen Beginn proximalwärts um
und liefert dann 3 Aeste : der oberflächliche geht am ulnaren Rande
des M. abductor pollicis brevis zu der Facies profunda dieses Muskels ;
die beiden tiefen Zweige senken sich in die Facies superficialis des
M. opponens und das Caput superficiale des M. flexor brevis pollicis
ein. — Der N. ulnaris versorgt mit seinem R. profundus den M. ad-
ductor i)ollicis, in dessen Facies profunda er 2—3 Nervenfäden hinein-
schickt.
Dies ist das gewöhnliche Verhalten, aber die Varietäten sind gar
nicht selten. Brooks (Journal of Anatomy and Physiology, Vol. XX,
1885/6, p. 641) erwähnt einen Fall, wo der R. profundus n. ulnaris
den M. flexor brevis innervierte und auch den M. opponens und M.
abductor pollicis brevis, also den gesamten Daumenballen.
Im Gegensatze dazu kann der M. adductor pollicis bisweilen
einen Zweig des N. medianus erhalten, welcher sich zum radialen
Teile des Caput carpale begibt. Obwohl dieser Zweig gemeinhin nur
in 10 Proz. der Fälle vorkommt, betrachtet ihn Fromont als kon-
stant. Flemming dagegen (Anatomischer Anzeiger, 1886, 15. Febr.)
bezeichnet unser Caput profundum m. flexoris brevis als dem N.
ulnaris zugehörig. Nach der Statistik von Brooks (H. St. John
Brooks, Variations in the nerve supply of the flexor brevis pollicis
muscle, Journal of Anatomy and Physiology, Vol. XX, 1886, p. 642)
ist in 31 Fällen folgende Innervation beobachtet:
Caput superficiale, ausschließlich vom E. profundus n. ulnaris 5
„ „ gemeinschaftlich von den N. medianus und ulnaris 19
„ „ vom N. medianus, C. profundum vom N. ulnaris 5
Beide Bäuche vom N. medianus versorgt, das Caput profundum außerdem
vom N. ulnaris 2
Die gemeinschaftliche Versorgung von beiden Nerven wäre hier-
nach die Regel, eine Anschauung, die wir nur bestätigen können,
und der wir auch in unserer Abbildung (Fig. 75) Rechnung ge-
tragen haben.
Gegenbaur legt den Varietäten der Nerven die größte Bedeutung
bei, auch wenn man keine praktischen Ergebnisse zur Abgrenzung der
Muskeln dabei erzielt, besonders hier beim M. flexor pollicis brevis; inter-
essant sind sie unter allen Umständen und werden bei genauerem
Studium auch sicher zur Erklärung der Muskelumwälzung am mensch-
lichen Daumenballen beitragen helfen.
Auch der N. radialis liefert (ob regelmäßig, erscheint uns sehr
fraglich) feine Zweigchen zum Daumenballen. Diese lösen sich aus
dem R. superficialis ab und senken sich in den proximalen Teil des
M. abductor pollicis brevis ein (nach den Angaben von Vogt, Kasper,
Etzold). Demnach hätte dieser Muskel eine doppelte Innervation:
einmal durch den N. medianus und dann durch den N. radialis.
216 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Letztere soll sogar nach Lejars (Bull. Soc. Anat., 10. Oct. 1890)
vorherrschend sein.
Theoretisch ist diese Innervation nicht wunderbar, weil ja der
vom R. profundus n. radialis versorgte M. abductor pollicis longus
fast regelmäßig durch eine Sehnenkonjugation mit dem M. abductor
pollicis brevis zusammenhängt. Wird der hiervon entspringende Ab-
schnitt des letzteren Muskels vom R. superficialis n. radialis versorgt,,
so hätten wir einen M. abductor digastricus vor uns, vergleichbar dem
M. biventer flexoris indicis sublimis.
Unsere Präparation der Nerven zu den einzelnen Muskelbündeln
läßt uns allerdings, die LEJARSsche Darstellung sehr fragwürdig er-
scheinen. Wir geben zu, daß sich Zweige des R. superficialis n.
radialis in die Muskulatur hineinsenken können, sie enden dann aber
nicht in den Muskelbündeln, sondern nach unseren Beobachtungen in
VATER-PACiNischen Körperchen. Auch das ist nicht wunderbar ; denn
diese finden sich nicht allein an der Oberfläche, in der Haut, makro-
skopisch im Unterhautfettgewebe darstellbar, sondern auch mit bloßem
Auge sichtbar zwischen den Aponeuroses intermusculares oder den
Muskeln selbst, an den Membranae interosseae oder auch an den
Sehnen. In diesem Falle handelt es sich gewöhnlich um Tast-
körperchen, welche in die schützende Tiefe des Muskels hinein-
gewandert sind, weil ja die Haut des Daumenballens dünn und be-
sonders fettarm ist.
Hypothenar.
Synonyma: Kleinfingerballen; Muscles de l'eminence hypothenar.
Allgemeine Beschreibung.
Im Hypothenar sind 4 Muskeln vereinigt, der Zahl nach ebenso-
viel wie im Thenar. Jedoch kommt hier ein Hautmuskel hinzu, der
M. palmaris brevis, und dafür fällt der M. adductor fort, welcher
durch den M. interosseus volaris IV (III) ersetzt wird.
Die 4 Muskeln heißen :
1) M. palmaris brevis (Hautmuskel),
2) M. abductor digiti minimi,
3) M. flexor brevis (inkonstant),
4) M. opponens digiti minimi.
Brooks (Journal of anatomical Physiology, Vol. XX, p. 645) richtet
sich mit Cunningham in seiner Namengebung nach der Fußsohle und
unterscheidet an derselben
1) eine Pars plantaris adductoria,
2) eine Pars intermedia flexoria,
3) eine Pars abductoria dorsalis.
Diese Dreiteilung hat vom vergleichend-anatomischen Standpunkte,,
soweit die Urteile der Autoren gehen, ihre Berechtigung. Pur den Klei-
fingerballen wäre dann folgende Einteilung geboten :
1) Pars adductoria = M. flexor brevis -\- oberflächlicher Teil de»
M. opponens, soweit er über dem R. profundus n. uhiaris liegt;
2) Pars intermedia flexoria = tiefer Schicht des M. opponens -\- M^
interosseus volaris III s. IV;
3) Pars abductoria = M. abductor digiti minimi.
2l6
M. palmaris brevis. 217
M. palmaris brevis.
Synonyma : Kurzer Hohlhandmuskel ; M. carpieus, caro quaedam
quadrata ; Palmaire cutan^.
Allgemeine Beschreibung.
Dieser Hautrauskel verdiente eine ganz besondere Darstellung ; da
er aber im Bereiche des Kleinfingerballens liegt und sogar dessen
oberflächlicher Schicht entspricht, hat sich die Gewohnheit breit ge-
macht, ihn zusammen mit den anderen Muskeln des Hypothenar zu
beschreiben.
Als flaches, abgeplattetes Muskeltrapez zieht er vom Lig. carpi
transversum oder der Aponeurosis palmaris transversal hinüber zur
Haut der ulnaren Handseite.
Er besteht aus parallelen Muskelbündeln, welche entweder in
einheitlicher Schicht zusammenhängen oder in mehrere Abteilungen
zerfallen.
Idiotopie und Skeletopie.
Bisweilen besitzt dieser Muskel keinen unmittelbaren Knochen-
ursprung, wenn er sich nämlich an der Aponeurosis palmaris an-
heftet; in anderen Fällen dagegen läßt er sich bis zur Tuberositas
ossis navicularis und der des Os multangulum majus verfolgen. Die
Fasern verlaufen hauptsächlich transversal, die proximalen können
jedoch rückläufig noch bis zum Vorderarme reichen, die distalen
Bündel andererseits können schräg medialwärts verlaufen und ihre
Wirkung auf die Haut bis zur Höhe der Artic. metacarpophalangea V
äußern.
Der Ansatz des Muskels geschieht mit feinen Sehnenfasern an
der Haut noch im Bereiche der Vola, aber dicht oberhalb ihres
ulnaren Randes. Bei dem oft divergierenden Verlaufe der Muskel-
bündel ist dann der Ansatz auf eine breitere Strecke verteilt als der
Ursprung.
Der Muskel liegt vollkommen in Fett eingebettet, welches fast
ausschließlich dem Hypothenar die Rundung verschaff't. Bei mageren
Händen, welche außerdem muskelschwach sind, erscheint der Klein-
fingerballen fast ebenso flach, wie der Daumenballen. Die Ursache
ist aber verschieden : am fast fettlosen Thenar handelt es sich um die
Verringerung der Muskulatur, am fettreichen Hypothenar auch um die
Abnahme des Fettes.
Holotopie und Syntopie.
Die präparatorisch freiUegende Fläche entspricht der Haut, von
der sie jedoch durch eine Fettschicht getrennt ist; auch die Facies pro-
funda legt sich zunächst auf Fett. Frohse hat für diesen Fett-
körper (Frohse, Die Aponeurosis palmaris und digitalis der mensch-
lichen Hand mit besonderer Berücksichtigung ihrer Funktion, Archiv
für Anat. und Physiologie, 1906, S. 108) den Namen „Corpus adiposum
hypothenaris profundum" vorgeschlagen, welches sich bei Druck auf
den Hypothenar wie eine bis bohnengroße Hernie gegen den Vorder-
arm vorschieben kann. Erst nach Entfernung desselben kommt man
auf den N. und die Vasa ulnaria.
217
218 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Augenscheinlich hat der M. palmaris brevis nur den Zweck und
daher seine Existenzberechtigung, diese wichtigen Gebilde gegen
Druck zu schützen. Das doppelte Fettpolster unterstützt ihn darin
in der wirksamsten Weise.
An der rechten Hand eines alten Mannes stellte der Muskel eine
breite einheitliche Platte von 4 cm Breite und bis 3 cm Länge der
Muskelbündel dar. Der oberflächliche Fettkörper war sehr stark ent-
wickelt. Das Corpus hypothenaris profundum (Frohse) zerfiel in 3 Lappen,
einen proximalen bohnengroßen, der bei Druck auf den Hypothenar deut-
lich zum Vorderarme vorquoll, einen mittleren und einen distalen.
Wirkung.
Bei einiger Uebung kann man den Muskel sich willkürlich zu-
sammenziehen lassen, ohne daß der Handballen gegen eine Unter-
lage gepreßt wird, also bei frei schwebender Hand. Dann wölbt sich
der Fettkörper volarwärts deutlich vor.
Der Ansatz erscheint im ganzen als sagittale Furche in der
proximalen Hälfte des Hypothenar, mehr dorsalwärts wird der muskulöse
Kleinflngerballen als flachere Vorwölbung sichtbar. Bei genauerer
Betrachtung erkennt man aber, daß die einzelnen Sehnenansätze die
Furchen der Cutis und Oberhaut mitbestimmen helfen, indem jedem
Ansätze eine fächer- oder selbst sternartige Bildung an der Ober-
fläche entspricht.
Innervation.
Da dieser Muskel die oberflächlichste Schicht des Hypothenar,
gewissermaßen einen Teil der Haut bildet, so muß der Nerv oder
besser die feinen Nerven ebenfalls eine sehr oberflächliche Lage
haben. Nach unseren Befunden lösen sich diese nicht aus dem E.
profundus n. ulnaris ab, welcher im übrigen ja den Kleinfingerballen
versorgt, sondern aus dem R. superficialis, und zwar demjenigen Aste,
welcher als R. digitalis proprius den ulnaren Rand des Kleinfingers
versorgt. Bei der Kleinheit der in Betracht kommenden Muskel-
bündel, ihrer Unregelmäßigkeit nach Zahl und Stärke läßt sich für
die Innervation keine einheitliche Beschreibung aufstellen. Außerdem
ist die Präparation dadurch sehr erschwert, daß die einzelnen Muskel-
zweige an sensiblen Nerven sitzen, welche unter Durchbohrung der
Muskelbündel an die Oberfläche zur Haut des Kleinfingerballens selbst
treten. Jedenfalls lehrten unsere Befunde, daß kein einheitlicher
Nerv für den Muskel bestimmt ist, welcher der Reihe nach von proximal
nach distal Seitenzweige zu den Muskelbündeln sendet, sondern immer
mehrere Einzelzweige. In einem Falle, bei sehr stark entwickeltem
Muskelbauche konnten wir unter Ausscheidung der sensiblen Elemente
5 einwandsfreie, isolierte Muskelnerven nachweisen.
Muskelbündellänge.
Minimum 1,7 cm
Maximum 2 „
Durchschnitt aus 3 Messungen 1,8 „
Unterschied in Centimetern 0,3, in Prozenten 18 7o-
2l8
M. abductor digiti quinti.
219
Segmentbezüge.
Wahrscheinlich (7.) 8. Cervicalnerv, I. Thoracalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
0,7
0,5
1,7
1
0.7
0,5
1,7
1
—
ca. 100
„ 100
„ 100
„ 100
Durchschnitt aus diesen Messungen
1
1
-
ca. 100
Varietäten.
Ein Fehleu des Muskels, wie es Arnold und Wood beschrieben
haben, ist uns uicht zu Gesicht gekommen, auch wenn wir ihn bis-
weilen äußerst dünn gefunden haben.
M. abductor digiti quinti.
Synonyma: Abzieher des kleinen Fingers; Abductor digiti minimi;
Abducteur du petit doigt, pisi-phalangien, carpo-phalangien du petit doigt
Chaussier, Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der langgestreckte Muskel geht vom Erbsenbeine und dem an-
liegenden Bandapparate an der freien Seite des Kleinfingerballens
zur Basis der 1. oder Grundphalanx des 5. Fingers.
Idiotopie und Skeletopie.
Der genaue Ursprung des Muskels liegt, zum größten Teile
fleischig :
1) am Os pisiforme, dessen vordere Fläche und distaler Rand
dadurch zugedeckt wird;
2) am Lig. pisohamatum und bisweilen
3) am Lig. carpi transversum, besonders dann, wenn der M. flexor
brevis fehlt.
Einige Bündel gehen sehr häufig auch über das Os pisiforme
hinweg bis zu der Sehne des M. flexor carpi ulnaris. Dann sieht es
so aus, als ob diese beiden Muskeln teilweise zusammengehörten.
Das darf aber weiter nicht wundernehmen, da wir auf der Radial-
seite ein ähnliches Verhalten als fast konstant bezeichnen mußten:
den Uebergang eines Sehnenbündels des M. abductor pollicis longus
zum M. abductor pollicis brevis, unser M. abductor pollicis inter-
medius.
Die einander parallelen Muskelbündel steigen fast senkrecht
herab. Der ganze Muskelbauch ist in der Mitte etwas stärker, als an
den Enden, so daß man ihn als spindelförmig bezeichnen kann.
219
220
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Der Ansatz ist ein doppelter:
1) am freien, ulnaren Rande der Basis des 5. Mittelhandknochens,
oder, wenn hier ein Os sesamoideum vorhanden ist, auch an diesem ;
2) durch Vermittelung- der Dorsalaponeurose zur Strecksehne,
gegenüber von dem M. interosseus volaris des Kleinflngers.
Letztere Einrichtung- entspricht der Funktion des Muskels, welcher
sich als Abductor genau so verhält, wie an den mittleren Fingern die
M. interossei dorsales.
Holotopie und Syntopie.
Die ulnare und vordere Fläche entspricht der Haut, soweit nicht
in der proximalen Hälfte der M. palmaris brevis darübergelagert ist.
Der radiale Rand legt sich proximal gegen den oberflächlichen Ast
des N. ulnaris und seiner Begleitgefäße, distal gegen den M. flexor
brevis digiti minimi. Wenn sich der Ursprung weit gegen das Lig.
carpi transversum erstreckt, kann es zur Bildung eines Sehnenbogens
kommen, unter welchem die R. profundi des N. und der Vasa ulnaria
zur Tiefe der Hohlhand ziehen; über demselben verlaufen dann die
Hautnerven für die Finger und der Beginn des Arcus volaris super-
ficialis.
Wirkung.
Analog den M. interossei
hat der Muskel eine dreifache
Wirkung auf:
1) den Finger als Ganzes,
2) die 1. oder Grundphalanx,
3) auf die Mittel- und End-
phalanx,
d. h. physiologisch:
1) Abduktion des Klein-
fingers, die durch den Namen an-
gegebene Hauptwirkung; neben-
bei
2) Beugung der Grundpha-
lanx und
3) Streckung der Mittel- und
Nagelphalanx.
Innervation der
M. abductor und flexor
brevis digiti V.
Das breit aufgefaserte Prä-
parat zeigt das Nervenbild von
der Facies profunda aus. Der
Nerv tritt nicht als einheitlicher
Stamm zu den Muskelbündeln, sondern mit einem stärkeren und einem
schwächeren Aste. Gerade diese Tatsache war uns sehr lieb, weil wir
auch hier wieder den Zusammenhang der beiden Nerven durch eine
intramuskuläre Verbindung beobachten konnten. Das feinere Nerven-
bild bietet keine Besonderheiten. Der fast am Ursprünge dreigeteilt
eintretende Nerv verzweigt sich dichotomisch und läßt auch einen
Fig. 77. M. abductor et flexor brevis
digiti V, Nervenbild.
M. abductor digiti quinti.
221
längeren Zweig bis in die Nähe der Endsehne verlaufen. Bemerkens-
wert ist das VATER-PACiNische Körperchen an dem mittleren Nerven-
zweige, welches in situ zwischen dem M. abductor digiti minimi und
dem M. opponens gelagert war. Es handelt sich hier um keinen Aus-
nahmefall, da auch an den anderen Präparaten sogar mehrere Corpus-
cula lamellosa vorhanden waren. Der M. flexor brevis digiti V, der auch
bei unserem Falle sehr schwach war, erhält einen feinen Nervenzweig.
Trotz seiner geringen Stärke ließ er sich mit Leichtigkeit bis zur
Nähe der Endsehne verfolgen — ein Beweis, daß der Nerv trotz der
Atrophie des Muskels leicht darstellbar war.
Muskelbündellänge.
Minimum 3,4 cm
Maximum 4,5 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 3,9 „
Unterschied in Centimetern 1,1, in Prozenten 32 °L.
Segmentbezüge.
(7.) 8. Cervicalnerv, I. Thoracalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen -
Substanz
Muskel-
substan/,
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
11. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
2,5
3
9
11
2
2,6
7,5
10,3
0,5
0,4
1,5
0,7
80
87
83,3
93,6
Durchschnitt aus diesen Messungen
6,4
5,6
0,8
85,9
Varietäten.
Er fehlt selten; er ist häufig mit dem M. flexor brevis digiti V
verwachsen, kann zweiköpfig oder dreiköpfig sein und mit seinem Ur-
sprünge proximalwärts über das Erbsenbein hinausreichen. Diese
Köpfe liegen lateral und entwickeln sich entweder aus der Fascie,
aus dem Lig. carpi transversum oder aus der Fascia antebrachii, der
Sehne des M. palmaris longus (Macalister, Wood), vom M. flexor
carpi ulnaris und selbst der Ulna (Günther). Bei dem wohl einzig
dastehenden Falle einer einseitigen Varietät haben wir sie mit-
abgebildet. An dem Präparate reichte der im ganzen dreibäuchige
Muskel erstens zum Os pisiforme, zweitens zur Zwischensehne des
M. flexor digitorum sublimis, drittens sogar bis zum Epicondylus
medialis humeri (Figur siehe beim Abschnitte: Varietäten).
In den V. B. ist jedoch ein ähnlicher Fall beschrieben, als M. ab-
ductor digiti minimi longus, welcher nur bis zur Mitte des Vorder-
armes reichte (429 und 458), ein anderer zeigte die Ueberlagerung des
N. und der Vasa ulnaria durch eine oberflächliche Schicht des M. ab-
ductor digiti minimi (No. 179). Ferner ist unter No. 269 ein fächer-
artiger Ansatz am Metacarpophalangealgelenk V und IV erwähnt.
222 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Rechte Hand einer ca. 40-jährigen Frau:
Der Muskel hatte außer seinem gewöhnlichen, normal entwickelten
Ursprünge einen accessorischen von der radialen Seite des Carpus
vom Os multangulum majus in einer Breite von 0,7 cm; proximal
muskulös, distal rein sehnig. Es mußte demzufolge ein Sehnenbogen
vorhanden sein, den nach theoretischer Annahme nur die R. profundi
des N. und der A. ulnaris durchsetzen konnten. Indessen waren in
unserem Präparate nur die Vasa superficialia des Arcus hautwärts
gelagert, während auch der R. superficialis n. ulnaris unter, d. h.
knochenwärts von diesem accessorischen Bauche mit den tiefen Ge-
bilden verlief.
M. flexor digiti quinti brevis.
Synonyma: Kurzer Beuger des kleinen Fingers; Flexor proprius
digiti minimi; Court fl^chisseur du petit doigt, unci-phalangien.
Allgemeine Beschreibung.
Der Muskel kann vollständig fehlen oder untrennbar mit dem
radialen Ursprünge des M. abductor digiti quinti verschmolzen sein,
wenn dieser sich bis gegen den Hamulus ossis hamati erstreckt.
Ueberhaupt stellt er häufig nur einen Satelliten seines oben erwähnten
größeren ulnaren Nachbars dar, ein Verhalten, wie wir es ähnlich bei
den M. abductor poUicis longus und extensor poUicis brevis betont
haben.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung liegt am ulnaren Rande des Hamulus ossis hamati
und greift noch auf das Lig. carpi transversum über. Die Ver-
bindungen mit dem M. abductor digiti quinti sind wechselnd. Der
bei letzterem Muskel erwähnte Sehnenbogen kann auch von beiden
Ursprüngen gebildet werden oder auch ausschließlich durch den M.
flexor brevis. Da jedoch diese Arkade inkonstant ist, wollen wir
nicht länger bei ihr verweilen.
Der im allgemeinen schmale, mitunter kaum bindfadendicke
Muskelbauch zieht schräg zur freien ulnaren Seite der Grundphalanx
des kleinen Fingers, wo er mit dem M. abductor verschmilzt.
Holotopie und Syntopie.
Sein innerer, ulnarer Rand legt sich mehr oder weniger dicht an
den M. abductor heran, der radiale Rand sieht gegen die Hohlhand,
d. h. die Beugesehnen des Kleinflngers. Die Facies superficialis wird
proximal von den N. et Vasa ulnaria superficialia und dem M. pal-
maris brevis überlagert, distal entspricht sie der Fascie und Haut.
Die Facies profunda ruht auf dem M. opponens digiti minimi.
Wirkung.
Er beugt die Grundphalanx. Bei der schrägen Richtung des
Muskels von der Achse der Hand fort zum freien Rande muß auch
eine geringe Adduktionswirkung eintreten können. Da eine Aus-
M. flexor digiti quinti brevis.
223
Strahlung der Sehne bis zur Dorsalaponeurose nur ein Ausnahme-
fall ist, kann, auch schon wegen der geringen Muskelmasse, eine
Streckwirkung auf die Mittel- und Nagelphalanx füglich außer acht
gelassen werden.
Innervation.
Die Innervation entspricht der der spindelförmigen Muskeln, bei
denen der Nerv im proximalen Teile eintritt.
Muskelbünde Hänge.
Minimum 3,2 cm
Maximum 3,8 „
Durchschnitt aus 2 Messungen 3,5 „
Unterschied in Centimetern 0,6, in Prozenten 19 %.
Segmentbezüge.
(7.) 8. Cervicalnerv, I. Thoracalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel-
substanz
Sehnen-
substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV, linker starker Arm
1
1^
0,8
1,3
0.2
0,2
80
86^7
Durchschnitt aus diesen Messungen
1.3
1,1
0,2
83,4
Varietäten.
Dieser unbeständige Muskel ist häufig mit dem M. abductor
digiti V verschmolzen. Niemals erreicht er auch nur annähernd die
Mächtigkeit des M. flexor poUicis brevis. Die anderen Varietäten
mögen beim M. abductor digiti V nachgesehen werden, weil man ja
im Zweifel sein kann, ob nicht diese Besonderheiten auf Varietäten
des letzteren Muskels zurückzuführen sind.
M. opponens digiti quinti.
Synonyma: Gegenübersteller des kleinen Fingers; Adductor ossis
metacarpi quinti; Opposant du petit doigt, unci-metacarpien, carpo-
mötacarpien du petit doigt Chaussier, Dumas.
Allgemeine Beschreibung.
Der dreieckige Muskel stellt die tiefste Lage des Kleinfinger-
ballens dar und verbindet den Hamulus ossis hamati mit dem ulnaren
Rande des 5. Mittelhandknochens.
223
224 . FROHSE und M. FRÄNKEL,
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung- reicht etwas weiter vom Hamulus proximal, als
der des M. flexor brevis. Die proximalen Bündel verlaufen horizontal
und sind sehr kurz ; je weiter distal sie von diesem Knochenpunkte
und den angrenzenden Teilen des Lig. carpi transversum entspringen,
um so länger und schräger werden sie.
Der Ansatz findet nicht allein am ulnaren Rande des Os meta-
carpale V statt, sondern nimmt auch noch die vordere Fläche bis
zur Mitte ein.
Bisweilen ist der Muskel in eine oberflächliche und tiefe Schicht
zerlegbar.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis wird von den M. abductor und flexor
brevis digiti minimi fast vollkommen bedeckt. Die eben genannten
Muskeln lassen nur einen Teil seines ulnaren und radialen Randes
frei. Die trennende Fascie ist gut ausgeprägt. Die Sonderung des
M. flexor vom M. opponens macht, im Gegensatze zum Daumenballen,
nicht die geringsten Schwierigkeiten am Kleinfingerballen; denn hier
sind die beiden Muskeln nicht dicht nebeneinander gelagert, sondern
übereinander und außer durch die Fascie durch lockeres Bindegewebe
gut voneinander geschieden. Noch schärfer wird die Trennung durch
einen accessorischen Ansatz des M. extensor carpi ulnaris, welcher,
wie in dem abgebildeten Falle (siehe Fig. 77), sogar weit auf die
volare Seite überzugreifen pflegt, obwohl es sich um einen Muskel
der Streckseite handelt.
Während wir bei den M. abductor und flexor brevis digiti minimi
nur einen inkonstanten Sehnenbogen erwähnen konnten, eine Durch-
bohrung durch die R. profundi des N. und der Vasa ulnaria, müssen
wir beim M. opponens die Regelmäßigkeit der Durchbohrung —
wenigstens durch den Nerven ~ betonen.
Die oberflächlich zu Tage tretende Art und Weise, wie der Nerv
in der Tiefe verschwindet, d. h. die Form der Eintrittslücke ist im
wesentlichen die gleiche. Wir haben jedoch bei der speziellen
Muskelbeschreibung gesagt, daß der M. opponens in zwei Lagen zer-
fallen kann: eine oberflächliche und eine tiefe. Das tritt dann ein,
wenn der Nerv zwischen den Muskelbündeln seinen Weg nimmt.
Die Facies profunda entspricht ulnar dem 5. Mittelhandknochen^
radial dem auf diesem lagernden M. interosseus volaris des Klein-
fingers.
An der Facies superficialis sei noch einmal des Sehnenzuges
gedacht, welcher als volare Nebensehne des M. extensor carpi ulnaris
die Fascie zu verstärken scheint.
Wirkung.
Er nähert den 5. Mittelhandknochen der Handachse und beugt
ihn gleichzeitig etwas nach vorn; so entsteht eine Rotation des
Kleinfingers gegen dieselbe, eine Bewegung, welche man gemeinhin
als Opposition bezeichnet.
224
M. opponens digiti quinti
225
Innervation.
Er erhält im proximalen Drittel seinen Hauptnerven, welcher
sich bäumchenartig bis zum distalen Ende des Muskels verzweigt.
Außerdem haben wir aber noch 2 Zweige abgebildet, welche sich am
radialen Rande aus Nerven für die Gelenkkapsel loslösen und sich
im Innern des Muskels mit dem Hauptzweige verbinden. Wir hätten
diese Zweige nicht mitabgebildet, wenn es sich nur um eine ein-
malige Beobachtung gehandelt hätte. Unser zweites Präparat wies
aber fast die gleiche Versorgung auch vom radialen Rande auf.
Welcher Art, ob sensibel oder motorisch, diese accessorischen Zweige
sind, vermögen wir nicht anzugeben.
Muskelbündellänge.
Minimum 1,8 cm
Maximum 2,8 „
Durchschnitt aus 5 Messungen 2,2 „
Unterschied in Centimetern 1, in Prozenten 55 %•
Segmentbezüge.
(7.) 8. Cervicalnerv, I. Thoracalnerv.
Gewicht.
Gewicht
in toto
Muskel- Sehnen-
substanz 1 Substanz
1
Muskel-
substanz
in Proz.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
1%
1,8
1.9
2,5
1,5
0,4
0,1
1
1
84,5
95
71,4
60
Durchschnitt aus diesen Messungen
2,6
1,9
0,7
77,7
Varietäten.
Er kann fehlen oder auch einen accessorischen Kopf aus der
„Aponeurose des Unterarmes" (Henle) haben.
M. interossei maniis.
Synonyma : Zwischenknochenmuskeln der Hand ; Muscles interosseux,
metacarpo-phalangiens lat. Chaussier, metacarpo-lateri-phalangiens Dumas.
Einleitung.
Diese Muskeln füllen die Räume zwischen den Mittelhandknochen
aus und werden nach ihrer Lage als M. interossei dorsales und
palmares s. volares unterschieden. Aeltere Ausdrücke sind M. inter-
ossei externi und interni. Für mnemotechnische Zwecke des Studenten
sind diese Bezeichnungen der Erwähnung wert: M. interossei ex-
terni = abductores digitorum.
Handbuch der Anatomie. II, 11, 2.
225
15
226 FROHSE und M. FRÄNKEL,
M. interossel rolares.
Synonyma: Innere, volare oder palmare Zwischenknochenmuskeln;
M. interossei intern! s. adductores; Interosseux palmaires, metacarpo-
phalangiens sous-palmaires Chaussibr.
Allgemeine Beschreibung.
Die meisten Autoren, deutsche sowohl wie ausländische, be-
schreiben nur 3 M. interossei volares, indem sie den M. interosseus
volaris primus als den radialen Teil des M. adductor pollicis auifassen.
Man kann jedoch regelmäßig aus dem M. adductor pollicis einen Teil
herauslösen, welcher nach Ursprung und Ansatz sämtlichen Kenn-
zeichen eines M. interosseus volaris gerecht wird, d. h. er entspringt
von dem zugehörigen Os metacarpale (primum) und setzt an der-
selben Seite der Grund- oder 1. Phalanx an. Es mag erlaubt sein,
da sich auch die anderen M. interossei volares bis zu den Hand-
wurzelknochen erstrecken können, noch den Teil mithinzuzurechnen,
welcher sich aus dem Caput metacarpale noch zu den Ossa carpalia,
besonders dem Os multangulum majus, fortsetzt, aber nur diesen Teil
— und dann können wir in der Tat von einem M. interosseus volaris I
reden, welcher die am meisten radial gelegene Portion des M.
adductor pollicis darstellt, und kaum einmal fehlt.
Diese von Henle gegebene Darstellung ist in der oben be-
schriebenen Weise logisch und deshalb durchaus gerechtfertigt.
Wir wollen jedoch nicht verhehlen, daß es sich hierbei um
anatomische Kleinkrämerei handelt. Für die schematische Darstel-
lung der Fingerbewegungen ist dieser M. interosseus volaris I eher
hinderlich als förderlich. Für praktische Zwecke hat er außerdem
nicht die geringste Bedeutung, jedoch ist er für eine schematische
Einteilung der in jedem einzelnen Zwischenknochenraume gelegenen
Muskeln durchaus wünschenswert. Bekanntlich haben wir in der
Hohlhand 3 Muskelgruppen gelegen, nämlich die M. lumbricales,
interossei volares und dorsales, welche durch die Aufstellung eines
besonderen M. interosseus volaris I in jeder Gruppe auf 4 kommen
würden.
Dann würden liegen:
a) im Spatium interosseum I:
1) M. lumbricalis I. II
2) „ interosseus volaris I. I
3) ,, „ dorsalis I. II
b) im Spatium interosseum II:
1) M. lumbricalis IL III
2) „ interosseus volaris II. II
3) „ „ dorsalis II. III
c) im Spatium interosseum III:
1) M. lumbricalis III. IV
2) „ interosseus dorsalis III. III
3) „ „ volaris III. IV
d) im Spatium interosseum IV:
1) M. lumbricalis IV. V
2) „ interosseus dorsalis IV. IV
3) „ „ volaris IV. V
Ansätze an den
entsprechenden Fingern.
226
M. interossei volares. 227
In dieser Weise würde einem jeden Zwischenknochenraume genau
der gleichbezilferte M. lumbricalis, interosseus volaris und dorsalis
zukommen, obwohl der Ansatz nicht dem gleichen Finger zu ent-
sprechen braucht, und zwar ist immer nur ein Muskel im Ursprünge
und Ansätze in einem jeden Zwischenknochenraume gleich, radial die
M. interossei volares I und II, ulnar die M. interossei dorsales III
und IV.
Die 4 M. interossei volares entspringen von den der Handachse
zugekehrten Rändern folgender Mittelhandknochen : die beiden radialen
M. interossei volares i. e. I und II von I und II, also den entsprechen-
den Mittelhandknochen, die beiden ulnaren i. e. III und IV von IV
und V, also den nicht entsprechenden Mittelhandknochen, sie ent-
springen nur einseitig, sind also im Gegensatze zu den doppelt-
gefiederten dorsalen nur einfach gefiedert, oder wie auch gesagt
wird, nur halb gefiedert.
Der Muskelbauch ist deutlich von der Vola her zu erkennen,
von der Dorsalseite meist erst nach Durchtrennung der Schwimm-
bänder und des Lig. capitulorum transversum.
Die Häufigkeit des Vorkommens des M. interosseus volaris I
wird von den einzelnen Autoren verschieden angegeben. Wood will
ihn nur 13mal unter 144 Fällen beobachtet haben, also in 9 Proz.,
Henle, Cunningham und Brooks halten ihn für konstant.
Macalister stellte früher in seinem Werke über Muskelanomalien
das Verhältnis 3 : 36, also ca. 8,3 Proz. auf, hält ihn aber neuerdings
für allermeistens vorkommend.
Auch Ledouble schließt sich dieser Ansicht an, wenn er auch
den Muskel oft rudimentär gefunden hat.
Innervation.
Die Zwischenknochenmuskeln werden vom R. profundus n. ulnaris
versorgt, der für die 3 ulnaren M. interossei 3 absteigende Zweige
liefert und für die M. interossei dorsales 4 durchbohrende Aeste,
welche sich zwischen den beiden Köpfen einsenken, mit feinen Aesten
das Dorsum manus erreichen und dort mit den betreffenden sen-
siblen Nerven anastomosieren können. Uns selbst ist der Nachweis
dieser Anastomosen bislang nicht geglückt.
Ledouble glaubt, daß der M. interosseus volaris I beim Menschen,
wie auch bei den Anthropoiden vom N. medianus versorgt wird.
Hepburn hat bei einem Chimpansen die Innervierung durch den
N. ulnaris beobachtet.
Brooks sagt, daß er beim Menschen den entsprechenden Nerven
nicht habe herausfinden können.
Wir selbst können nur sagen, daß er das mit bloßem Auge und
ohne besondere Hilfsmittel darstellbare Ende des R. profundus n.
ulnaris darstellt.
Sämtliche M. interossei und der einem M. interosseus volaris gleich-
wertige M. adductor pollicis werden vom R. profundus n. ulnaris versorgt.
Trotz der Kleinheit der Muskelbäuche sind die Nervenäste recht an-
sehnlich und unschwer vom Ursprünge bis zum Ansätze zu verfolgen;
allerdings nicht in einem Präparate in situ, weil die Wände des un-
nachgiebigen Knochenzwischenraumes kein ausreichendes Auseinander-
drängen der kurzen Muskelbündel gestatten.
15*
227
228
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Die einzelnen M. interossei erhalten der Reihe nach vom R. profundus
n. ulnaris ihren Nerven, der M. interosseus volaris IV (für den kleinen
Finger) als erster Muskel und der M. interosseus volaris I als letzter. Es
gehen also einschließlich der für den M. adductor pollicis bestimmten
228
M. interossei volares. 229
Aeste 8 Nervenzweige aus dem N. ulnaris hervor, abgesehen von den
wohl zu beachtenden Gelenk- und Sehnenscheidennerven. Das Hand-
gelenk empfängt von der volaren Seite aus nicht unbeträchtliche Nerven-
zweige; nach distal hin sind ebenfalls mit Leichtigkeit ansehnliche
Nervenzweige bis zu den Articulationes metacarpophalangeae und dem
dort beginnenden dickeren Teile der Fingersehnenscheiden zu ver-
folgen. Auch VATER-PACiNische Körperchen finden sich an diesen
Nerven. Schon bei der Muskelbeschreibung haben wir darauf hin-
gewiesen, daß der Unterschied zwischen den M. dorsales und volares
in der Architektur die Zweiköpfigkeit eines M. dorsalis und die Ein-
köpfigkeit eines M. volaris doch nicht vollauf bestätigt. Zwar läßt
der doppelte Ursprung eines M. interosseus dorsalis von 2 benach-
barten Mittelhandknochen und die daraus entstehende Muskeldoppel-
fiederung auch ein doppeltgefiedertes Nervenbild hervorgehen. Aber
auch ein M. volaris besitzt meistens eine in seinem Innern, in der
Tiefe verborgene Sehne, welche das Nervenbild ebenfalls zu einem
doppeltgefiederten machen kann. Man kann sich das etwa in folgen-
der Weise vorstellen. Wenn man einen losgelösten M. interosseus
dorsalis zusammendrückt, so entsteht durch das Zusammenrücken der
Nervenzweige das Bild, wie wir es bei den Nerven eines M. inter-
osseus volaris sehen. Die Nervenzweige reichen von der Ursprungs-
sehne bis in die Nähe der Endsehne. Die rückläufigen Zweige sind
bei dem Eintritte des Nerven an der Basis des Zwischenknochen-
raumes nur kurz. Innere Anastomosen kommen vor, sind aber nur
zart und nicht zahlreich.
Muskelbündellänge.
M. interosseus volaris I: Minimum 1,6 cm
Maximum 1,9 „
Durchschnitt aus 2 Messungen 1,75 „
Unterschied in Centimetem 0,3, in Prozenten 19 %.
M. interosseus volaris II: Minimum 1,5 cm
Maximum 2,3 „
Durchschnitt aus 5 Messungen 2 „
Unterschied in Centimetern 0,8, in Prozenten 53 "j^.
M. interosseus volaris III: Minimum 2,2 cm
Maximum 2,6 „
Durchschnitt aus 5 Messungen 2,3 „
Unterschied in Centimetem 0,4, in Prozenten 18 "/e-
M. interosseus volaris IV: Minimum 2,2 cm
Maximum 2,5 „
Durchschnitt aus 5 Messungen 23 „
Unterschied in Centimetern 0,3, in Prozenten 14 "/o*
In toto: Minimum 1,5 cm
Maximum 2,6 „
Durchschnitt aus 17 Messungen 2,15 „
Unterschied in Centimetem 1,1, in Prozenten 73 %.
Segmentbezüge.
8. Cervicalnerv, I. Thoracalnerv.
229
230
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Gewicht.
Gewicht
m toto
Muskel-
substanz
Sehnen- ^»«kel-
substanz ^^bstanz
I in Proz.
M. interosseus volaris I.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
1
0,75
0,6
0,55
0,9
1
0,4
0,2
0,3 '
1
60
75
75
50
Durchschnitt aus diesen Messungen
1,24
0,8
0,44
65
M. interosseus volaris II.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV, linker starker Arm
1,5
1
3
2,5
1
0,7
2
1,5
0,5
0,3
1
67
70
66,7
60
Durchschnitt aus diesen Messungen
2
1,3
0,7
63,4
M. interosseus volaris III.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rediter starker Arm
IV. linker starker Arm
1,5
1
3,5
3,5
1
0,6
2,75
2,75
0,5
0,4
0,75
0,75
67
60
78,6
78,6
Durchschnitt aus diesen Messungen
2,4
1,8
M. interosseus volaris IV.
0,6
71,1
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
2
1
2,5
2,5
1,2
0,8
1,5
0,8
0,2
0,5
1
60
80
80
60
Durchschnitt aus diesen Messungen
2
1,4
0,6
70
Varietäten.
Dieselben sind jedenfalls äußerst selten. Wir haben weder in
der von uns nachgesehenen Literatur solche angegeben gefunden,
noch können wir über eigene Beobachtungen berichten, abgesehen
davon, daß einmal ein Uebergreifen auf irgend einen Carpalknochen
der distalen Reihe statthat.
M. interossei dorsales.
Synonyma : Aeußere Zwischenknochenmuskeln ; M. interossei ex-
terni; Interosseux dorsaux, metacarpo-phalangiens lateraux sus-palmaires
Chaussier.
Diese 4 Muskeln bezeichnet man nach den entsprechenden Zwischen-
knochenräumen als M. interossei dorsalis I — IV. Sie entspringen
von den beiden benachbarten Mittelhandknochen, im Gegensatze zu
den M. interossei volares, welche nur das Os metacarpale als Ur-
sprung benutzen, welches dem jeweiligen Fingeransatze entspricht.
230
M. interossei dorsales. 231
Damit diese Muskeln einen günstigen Angriffspunkt an der Grund-
phalanx haben, darf der Ursprung nicht die ganze Länge des Zwischen-
knochenraumes einnehmen. Ihre Wirkung ist ja die Abduktion, d. h.
die Entfernung des betreffenden Fingers von der Mittelachse der
Hand, welche durch den längsten Finger, den Mittelfinger, verläuft.
Am Fuße ist es allerdings anders: dort verläuft die Achse durch die
2. Zehe, welche bei wohlgebildeten Füßen etwas länger ist, als die
der großen Zehe, und bedeutend länger als die 3. — 5.
Dieser Wirkung entsprechend, können wir auch die anatomische
Tatsache feststellen, daß der Ursprung von den Metacarpalknochen
um so mehr von den Knöcheln zurückrückt, je weiter die Muskeln
von der Mittelachse der Hand entfernt sind, nicht allein bei den ein-
zelnen Muskeln, sondern auch bei den beiden Bäuchen, welche den
Gesamtmuskel zusammensetzen.
Ausnahmsweise findet ein kleines Bündel auch von der Dorsal-
fläche eines Mittelhandknochens seinen Ursprung oder greift sogar
auf einen Handwurzelknochen über.
Die von den beiden Seiten eines Zwischenknochenraumes ent-
springenden Muskelbündel ziehen konvergierend zu einer schon früh-
zeitig im Innern des Muskels auftretenden sagittalen Sehnenplatte,
welche in der Höhe der Knöchel vollkommen frei wird.
Der Ansatz ist ein doppelter:
1) an der Gelenkkapsel der Art. metacarpophalangea, ungefähr an
der Stelle, wo auch das Lig. coUaterale sich an der 1. Phalanx anheftet;
2) aponeurotisch zur Strecksehne auslaufend und mit dieser die
Dorsalaponeurose eines Fingers bildend, natürlich immer nur zur
Hälfte.
Der Sehnenteil, welcher die Dorsalaponeurose bildet, muß seiner-
seits wieder in Unterabschnitte zerlegt werden ; einige Fasern bleiben
im Bereiche der Grundphalanx und verbinden sich mit den ander-
seitigen dorsalwärts von der Strecksehne; der Hauptteil läßt sich
aber bis zum Seitenrande der Strecksehne verfolgen und findet, mit
dieser gemeinschaftlich, nicht allein einen Ansatz an dem Gelenke
zwischen Grund- und Mittelphalanx, sondern läßt sich bis zur Nagel-
phalanx nach unten, distal verfolgen; für unsere physiologischen Be-
trachtungen sind diese anatomischen Tatsachen nicht zu unter-
schätzen.
Holotopie und Syntopie.
Im Bereiche der Zwischenknochenräume sind die M. interossei
dorsales durch eine straffe, wenn auch dünne Fascie bedeckt, welche
sie scharf von den Strecksehnen trennt. Jedoch finden sich an den
Basen der Ossa metacarpalia Lücken zum Durchtritte für die Vasa
perforantia. Am ausgesprochensten ist diese dorsale Oeffnung im
Spatium interosseum I, wo sich die A. radialis mit ansehnlichen Be-
gleitvenen in die Tiefe der Hohlhand senkt. In den anderen Zwischen-
knochenräumen sind es nur Aeste der A. carpeae. Es kommt vor,
daß der Hauptast der A. radialis sich erst in den zweiten Zwischen-
knochenraum hineinsenkt oder auch einen starken Verbindungsast
zum dritten Spatium interosseum sendet; dann sind selbstverständ-
lich diese Lücken, welche die Zweiköpfigkeit der dorsalen Zwischen-
knochenmuskeln besonders deutlich machen, über das gewöhnliche
Maß vergrößert. Im vierten Zwischenknochenraume kann der R. per-
231
232 FROHSE und M. FRÄNKEL,
forans häufiger fehlen ; dann geht die Fascie glatt, ohne Unterbrechung^
von Knochen zu Knochen über den Muskel hinweg.
Der äußere Rand, d. h. derjenige, welcher von der Achse der Hand
entfernt liegt, tritt in Beziehung zum benachbarten M. interosseus
palmaris s. volaris s. internus.
Noch nicht erwähnt ist das eigentümliche Verhalten der M. inter-
ossei dorsales, daß sie auch von der Vola aus sehr deutlich zu er-
kennen sind, nicht als doppelt gefiederte Muskeln, sondern als parallel-
faserige Wülste, welche sich nur durch ihren Ansatz an der Abduk-
tionsseite von den an der Adduktionsseite inserierenden M. interossei
volares unterscheiden lassen. In der ulnaren Hälfte der Hohlhand
entsprechen die M. interosseus dorsales III und IV ohne weiteres
den tiefen Beugesehnen ; in der radialen Hälfte sind die entsprechen-
den M. interossei durch den M. adductor poUicis von der Beugesehne
getrennt.
In Knöchelhöhe findet die Trennung der Insertion statt. Der
proximale Teil geht zur Gelenkkapsel, der distale, zur Dorsalaponeurose
sich wendende ist von ihr meistens durch einen Schleimbeutel ge-
trennt.
Wir haben jedoch fast regelmäßig einen mitunter sehr ansehn-
lichen Ansatz an der Basis der Grundphalanx selbst beobachtet und
demgemäß bei den Muskelursprüngen und -ansätzen bei den Hand-
skeleten mitangegeben.
Auch innerhalb jedes Zwischenknochenraumes, mit Ausnahme des
ersten, kann zwischen den Sehnen der dort jedesmal liegenden M.
interossei dorsalis und volaris sich ein Schleimbeutel entwickeln.
In Knöchelhöhe ist volar eine scharfe Grenze durch das Lig.
capitulorum transversum gegeben. Die hautwärts von diesem ge-
legenen Fingergefäße und -nerven, sowie die M. lumbricales haben
hier mittelbar nichts mit den Zwischenknochenmuskeln zu schaffen.
Die Dorsalaponeurose entspricht nur der Haut und den in ihr
liegenden Nerven und Gefäßen; unter letzteren sind die Venen am
mächtigsten entwickelt, obwohl gerade diese Teile am nicht in-
jizierten Präparate der oberflächlichen Beobachtung vollkommen ent-
gehen können. Der freie Rand sieht gegen die Vorderseite und ist
mitunter scharf durch die Haut hindurch zu erkennen ; die dorsale
Fläche ist entsprechend der 1. oder Grundphalanx gewölbt.
Wirkung der M. interossei.
Die Zwischenknochenmuskeln haben eine dreifache Wirkung:
1) sie ziehen die Finger bei einseitiger Kontraktion zur Seite,
nähern oder entfernen sie der Achse der Hand, welche durch den
Mittelfinger gelegt zu denken ist;
2) sie beugen die 1. oder Grundphalanx, bei einseitiger Wirkung
zur Seite hin, bei doppelseitiger direkt zur Vola;
3) sie strecken die 2. und sogar die 3. Nagelphalanx.
Die Achse der Hand geht durch den Mittelfinger; diejenigen
Muskeln, welche einen Finger von ihr entfernen, sind Abductoren,
die M. interossei dorsales, diejenigen, welche einen Finger der Mitte
nähern, sind Adduktoren, die M. interossei volares.
1) Man kann von vornherein annehmen, daß die Abduktionsbewegung
energischer ist, als die Adduktion, da die M. interossei dorsales mehr
232
Wirkung der M. interossei. 233
Muskelmasse besitzen; diese Tatsache wird auch durch die elektrische
Untersuchung bestätigt.
2) Die Beugebewegung der Grundphalanx vollzieht sich mit großer
Kraft, obwohl kein direkter Ansatz sowohl an der volaren, wie an der
dorsalen Seite für gewöhnlich beschrieben wird. Unsere Abbildungen
(siehe Fig. 144—151) liefern jedoch den Beweis, daß seitliche Ansätze
vorhanden sind, welche an der Hand als normal, am Fuße sogar als
konstant aufzufassen sind. Diese Anheftungen au der Grundphalanx
ermöglichen in der ausgedehntesten Weise die Seitwärtsbewegung des
entsprechenden Fingers oder der entsprechenden Zehe.
3) Die Streckung der beiden letzten Phalangen ist jedoch nur an
der Hand sehr ausgesprochen. Gleichzeitig kann man feststellen, daß
die Wirkung der verschiedenen M. extensores digitorum, mit Aus-
nahme des M. extensor pollicis longus, auf diese beiden Phalangen
sehr gering ist, und daß diese fast ausschließlich die Grundphalanx
strecken. Indessen scheint es bei Atrophie der M. extensores digi-
torum, daß die Streckung der beiden letzten Phalangen weniger gut
gemacht werden könne, als unter normalen Verhältnissen. Aber man
braucht nur die Hand und die Grundphalanx dorsalwärts zu beugen,
um festzustellen, daß sich die Mittel- und Nagelphalanx genau so
gut strecken lassen, als ob die Streckmuskeln nicht gelähmt wären,
weil man dann nämlich passiv die Wirkung der M. extensores digi-
torum wiederherstellt.
Diese drei Wirkungen der M. interossei, welche sich durch die
physiologische Untersuchung sondern lassen, verbinden sich bei
manchen komplizierten Bewegungen.
Galen, welcher die M. interossei zuerst beschrieben hat, erkannte
bereits die Beugewirkung auf die Grundphalanx, aber er verkannte
die Streckwirkung auf die beiden letzten Phalangen und die Be-
deutung für die Seitwärtsbewegung der Finger. Die Streckwirkung
wurde klar von Fallopia hervorgehoben (Observationes anatomicae,
T. 1, 1561, p. 31), der aber die Beugewirkung auf die Grundphalanx
leugnete und die Adduktions- und Abduktionsmöglichkeit nicht er-
kannte. Die dreifache Wirkung der M. interossei, Beugung der
Grundphalanx, Streckung der beiden anderen und Seitwärtsbewegung
der Fioger, wurde zuerst von Albinus (Hist. musculorum hominis,
1734, p. 514) und von Sabatier (1775, T. II, p. 337) erläutert.
Aber bis zu Duchenne betrachtete man sie nur als schwache Hilfs-
muskeln der Extensoren und Flexoren. Den physiologischen Nach-
weis ihrer Wichtigkeit für die eben genannten Fingerbewegungen hat
er erst erbracht.
• Duchenne wählt als Beispiel hierfür einen sehr einfachen Ver-
such. Man braucht nur eine Reihe vertikaler Linien auf einem Blatte
Papier zu ziehen und sieht dann sofort den Unterschied in der Dicke
der Linien oben und unten. Oben beim Federansatz ist der Strich
dick und unten läuft er spitz aus. Zuerst bewirken die M. interossei
Beugung der Grundphalanx und Streckung der beiden anderen, die
gewöhnliche Haltung des Zeigefingers beim Schreiben; dann aber
wirken auch die Beuger der beiden letzten Phalangen (M. flexores
sublimis und profundus), und bei dieser Bewegung verläuft der Strich
fein aus.
Für die normale Haltung der Finger in der Ruhe sind die M.
interossei unerläßlich. Bei ihrer Lähmung gewinnen die Antagonisten
233
234 FROHSE und M. FRÄNKEL,
ein solches Uebergewicht, daß das Endresultat eine Hyperextension
der Grundphalanx und eine starke Flexion der Mittel- und Nagel-
phalanx ist, das typische Bild einer Lähmung der M. interossei.
Einigermaßen können die M. interossei in ihrer Beuge- und
Streckwirkung durch die M. lumbricales ersetzt werden. Bei Schädigung
des R. profundus n. ulnaris sieht man zwar den Zeige- und Mittel-
finger, deren M. lumbricales ja regelmäßig vom N. medianus versorgt
werden, weniger in Mitleidenschaft gezogen, als den 4. und besonders
den 5. Finger.
In ähnlicher Weise können die M. interossei in ihrer Wirkung
als M. abductores oder M. adductores durch die M. extensores digi-
torum unterstützt werden. Wir haben bei diesen Muskeln bereits
hervorgehoben, daß Duchenne besonders die Möglichkeit der Seit-
wärtsbewegung betont hat. Mag diese bei Gesunden auch unbedeutend
sein, so spielt sie gegebenenfalls bei Störungen doch eine wichtige
Rolle. Beispielsweise, wenn der Zeigefinger vom Mittelfinger ent-
fernt werden soll, während die 1. Phalanx gestreckt und die beiden
anderen gebeugt sind, so müssen die M. extensor digitorum communis
und proprius indicis eingreifen. Bei dieser Haltung kann nämlich
der M. interosseus dorsalis I nicht wirken, ohne seiner Aufgabe ge-
mäß die Grundphalanx zu beugen und die beiden anderen zu strecken.
Duchenne gibt S. 209—210 folgendes an: „Die Anatomen haben
bis auf diesen Tag allgemein geglaubt, daß die Extensoren und
Flexoren der Finger (Extensor digitorum communis, Extensor proprius
indicis und Extensor proprius digiti minimi, Flexor digitorum sublimis
und profundus) ausschließlich die drei Phalangen streckten oder
beugten. Wenn einige unter ihnen daran gedacht haben, daß andere
Muskeln (die Lumbricales und Interossei) an der Streck- oder Beuge-
bewegung der Phalangen teilnehmen, so haben sie deshalb doch, wie
die anderen, gelehrt: 1) daß die seitlichen Sehnen der Finger, die
sich von der mittleren Sehne trennen, um zu ihrem Fixationspunkt
an der hinteren Fläche der letzten Phalanx zu gelangen, unter der
Abhängigkeit der Extensores digitorum ständen, und daß demzufolge
diese letzteren Muskeln als die wirklichen Strecker der 3 Phalangen
betrachtet werden müßten ; 2) daß die Flexoren mit gleicher Kraft auf
alle 3 Phalangen wii'kten."
Gleichzeitig schreibt er jedoch S. 224—225, daß Columbus, ein
berühmter Anatom des 16. Jahrhunderts, sagt: „daß diese Muskeln
mit einer Sehne endigen, die, der Länge der Finger nach an ihrer
Außenseite verlaufend Adhärenzen mit dem Extensor communis ein-
geht, und an der 3. Phalanx endigt", oder wörtlich: „Desinunt
autem (vermiculares) in teretem et nerveum tendinem et per internes
digitos delati juxta eorum longitudinem, adhaerescunt tendinibus primi
musculi exterioris , a quibus quattuor digiti extendebantur et in
tertium articulum suis flnibus immittuntur, non autem in primum,
quemadmodum Galenus et Vesalius voluere.
Falloppio weicht insofern von ihm ab, daß er, anstatt die Sehnen
der Lumbricales an den 3. Phalangen endigen zu lassen, behauptete,
daß sie sich ungefähr in der Mitte des ersten Gelenkes inserierten
(des Gelenkes zwischen der 1. und 2. Phalanx).
Falloppio sagt nämlich, bei Zurückweisung der Ansichten seines
Lehrers Vesal : Dissideo ab eodem Vesalio sub musculis qui manum
movent. Quoniam, dum tradit insertionem et usum illorum quattuor,
234
Wirkung der M. interossei. 235
qui parvi adraodum in vola haerent chordis secuudi musculi, ter-
tium dig-itorum internodiuni flectentes, asserit hos musculos implantari
in primum digitorum os, atque manus hoc subire, ut digitos introagant
et ad pollicein adducant. Dico hos musculos non inseri in primum
os digitorum, sed potius desinere in chordam posteriorem, quae omnes
digiti articulos extendit, atque insertio haec circa medium primi
internodii fieri solet."
S. 226 sagt Duchenne des weiteren: „Die anatomische Ent-
deckung der Interossei verdankt man Galen. Er ist auch der erste,
der erkannt hat, daß sie die 1. Phalanx beugen." Weiter unter
279 (S. 226) : „Die Kenntnis der Wirkung der Interossei auf die zwei
letzten Phalangen hat man wieder dem Beobachtungsgenie Fallopias
im 16. Jahrhundert zu verdanken, da diese Muskeln sich seitlich zu
den Sehnen der Extensoren begeben und sich an denselben anheften,
um zur Streckung der zweiten und dritten Phalangen zu dienen."
Dann weiter unter 280 (S. 227): „Im Jahre 1732 gab Winslow i)
zwei verschiedene Sehnen an, die den Interosseis gehörten, davon
hefte sich die eine an die erste Phalanx, die andere
setze sich in die seitlichen Bändchen des Extenso r
communis fort; er beschrieb auch die Funktion der Interossei und
Lumbricales weit besser, wie seine Vorgänger, und betrachtet sie
als Beuger der ersten Phalangen und Strecker der
beiden letzten.
Von berühmten Anatomen, die die Meinungen Fallopias und
Winslows bezüglich des anatomischen Verhaltens und der Funk-
tion der Interossei und Lumbricales geteilt haben, führe ich
SÖMMERiNG, Sabatier uud BoYER an."
Hierdurch gibt Duchenne selbst den historischen Nachweis, daß
auch die sogenannten alten Anatomen bereits alles über die Funk-
tion der M. interossei Wichtige gekannt haben, ohne daß sie zuerst
die Elektrophysiologie zu Rate ziehen brauchten.
Die darauf folgende Polemik gegen Herrn Cruveilhier ist ge-
hässig. Wer Interesse für das Recht der Priorität hat, ob den alten
erwähnten Anatomen, den neueren wie Cruveilhier, Bouvier oder
Jarjavay, oder den elektrophysiologischen Untersuchungen des Herrn
Duchenne die Siegespalrae zuzuerkennen ist, möge sich selbst des
Durchlesens der teilweise recht unerquicklichen Seiten 224 — 245 unter-
ziehen.
Von interessanten Einzelheiten gibt er an 288 (S. 232): „das
Fehlen der ausschließlich phalangealen Anheftung eines Interosseus
habe ich selbst an einem Finger konstatiert, den Herr Jarjavay die
Güte hatte, unter meinen Augen zu präparieren", und des weiteren:
„der doppelte Ansatz der Interossei außer an der Dorsalaponeurose
auch noch an der Seite der Basis der Grundphalanx ermöglicht es
der letzteren, die Seitwärtsbewegung der ersten Phalanx unabhängig
von der Beugung auszuführen."
Etwas schwer verständlich erschien uns die S. 234 und 235 (unter
292) geschilderte gemeinschaftliche Wirkung auf sämtliche Phalangen.
Wie wir es bei unseren anatomischen Versuchen überall durchgeführt
haben, brachten wir die Gelenke in diejenige Stellung, welche der
zu erwartenden Wirkung des untersuchten Muskels entgegengesetzt
1) Observationum anatomicarum Fallopii examen.
236 FROHSE und M. FRÄNKEL,
erschien, und waren sicher, die richtige Lage gewonnen zu haben,,
wenn der Muskel straff, d. h. passiv gedehnt war, während am Leben-
den gerade bei dieser Stellung der höchste Grad der Nichttätigkeit
entwickelt ist. Für die Wirkung eines M. interosseus auf Beugung
oder Streckung der einzelnen Phalangen ist im Präparate möglichst
folgende Grundhaltung zu geben: 1) Extension, noch besser Hyper-
extension der Grundphalangen (Nachahmung der Wirkung des M. ex-
tensor digitorum communis); 2) Beugung der Mittel- und Nagel-
phalanx (Nachahmung der Wirkung der M. flexores digitorum sublimis
und profundus). Vielfach ließ genau, wie bei dem elektrophysio-
logischen Versuche, ein Zug schon an einem M. interosseus oder
lumbricalis die schon so oft erwähnte verschiedene Wirkung auf die
einzelnen Phalangen prompt hervorgehen, nämlich die Beugung
der Grundphalanx bei gleichzeitiger Streckung der 2. und letzten.
Anatomisch ist keine Schwierigkeit der Erklärung vorhanden, weil die
Sehne nicht in 3 einzelne Zipfel zerfällt, sondern in einheitlicher,
wenn auch nicht gleichmäßig starker Schicht zusammenhängt. Selbst-
verständlich kann bei nur einseitigem Zuge an einem M. interosseus
oder lumbricalis das Bild der einfachen Beugung der Grundphalanx
durch die Ab- bezw. Adduktion gestört werden.
Für die Hyperextension der beiden letzten Phalangen gibt
Duchenne folgende Erklärung S. 236—237 (294) : „als ich Gelegen-
heit fand, Sektionen an Personen zu machen, bei denen sich die
Fingerphalangen normalerweise beträchtlich gegen einander zurück-
bogen, konnte ich konstatieren, daß in diesen Fällen die mediane
Sehne des Extensor digitorum communis zu frei spielte, und die
Fasern, die sie an die Articulatio metacarpophalangea befestigten,,
eine übermäßige Dehnung erlitten hatten. Andererseits habe ich bei
Individuen, deren Phalangen sich so überbogen, beobachtet, daß diese
Ueberbiegung bei der Faradisation der Interossei noch zunahm."
Die übermäßige Dehnung kann so weit gehen, wie wir in
einem Falle beobachtet haben, daß die Strecksehne durch einen Schleim-
beutel, der nicht mit der Gelenkhöhle zusammenzuhängen braucht, voll-
kommen von der Gelenkkapsel getrennt ist.
Muskelbündellänge.
M. interosseus dorsalis I: Minimum 2,4 cm
Maximum 3,5 „
Durchschnitt aus 7 Messungen 3 „
Unterschied in Centimetern 1,1, in Prozenten 46 "/o^
M. interosseus dorsalis II: Minimum 2 cm
Maximum 3 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 2,6 „
Unterschied in Centimetern 1, in Prozenten 50 "/q.
M.interosseus dorsalis III: Minimum 1,8 cm
Maximum . 2,5 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 2,1 „
Unterschied in Centimetern 0,7, in Prozenten 39 »/o^
M.interosseus dorsalis IV: Minimum 1,8 cm
Maximum 3,5 „
Durchschnitt aus 6 Messungen 2,6 „
Unterschied in Centimetern 1,7, in Prozenten 94 7o*
In toto: Minimum 1,8 cm
Maximum 3,5 „
Durchschnitt aus 25 Messungen 2,6 „
Unterschied in Centimetern 1,7, in Prozenten 94 7«-
236
M. interossei dorsales.
237
Segmeiitbezüge.
8. Cervicalnerv, I. Thoracalnerv.
Gewicht.
Gewicht
• .^. Muskel-
^° *°^ Substanz
Sehnen -
Substanz
Muskel-
substanz
in Proz.
M. interosseus dorsalis I.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
7
5,5
13
12,5
5,8
5
11
10
1,2
0,5
2,5
83
91
84,6
80
Durchschnitt aus diesen Messungen
9,5
7,9
1,6
84,6
M. interosseus dorsalis II.
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
Durchschnitt aus diesen Messungen
4
3,5
6,5
6
3
2,6
5,2
5
3,9
M. interosseus dorsahs III.
interosseus dorsalis IV.
1
0,9
1,3
1
1,1
75
74,3
80
83,3
78,1
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
6
6
3
2,2
4,5
4,5
0,5
o;8
1,5
1,5
86
73,4
75
75
Durchschnitt aus diesen Messungen
4,6
3,8
0,8
77,4
I. rechter schwacher Arm
II. linker schwacher Arm
III. rechter starker Arm
IV. linker starker Arm
2,75
2
4
4
1,75
1
3,5
3,5
1
1
0,5
0,5
60
50
87,5
87,5
Durchschnitt aus diesen Messungen
4,6
3,8
0,8
71,3
Varietäten der Handmuskeln.
Dieselben sind außerordentlich zahlreich. Diese Häufigkeit hat
aber nichts Wunderbares mehr, wenn man daran denkt, daß die Hand-
muskeln, wie sie beim Menschen vorhanden sind, vom phylogenetischen
Standpunkte aus erst rezente Bildungen sind, welche sich auch jetzt
noch weiter ausbilden und deshalb auch individuelle Verschiedenheiten
darbieten, Etappen der großen allgemeinen Entwickelung, wie sie sich
im Einzelfalle gerade vorfinden (Poirier, S. 158).
Daumenballen.
Der M. abductor poUicis brevis kann fehlen (Fromont,
Bulletin de la Societe anat. de Paris, Avril 1895), in 2 Köpfe geteilt
sein, einen überzähligen Ursprung haben, und zwar von dem Kahn-
beine, dem Proc. styloideus radii oder der Fascia antebrachii.
237
238 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Die sehnige Verbindung mit dem M. abductor pollicis longus ist
so oft vorhanden, daß wir sie als normal bezeichnen müssen, aber er
kann sich auch mit anderen Nachbarmuskeln in ähnlicher Weise ver-
einigen, mit dem M. extensor carpi radialis longus (Cruveilhier),
dem M. opponens (Macalister) oder dem M. extensor pollicis brevis
(Kelly).
Der M. opponens pollicis kann fehlen (Ledouble, Fromont),
in anderen Fällen zweiköpfig sein, wie es bei einigen Anthropoiden
die Regel ist.
Der M. flexor pollicis brevis kann fehlen (Gegenbaur,
Fromont, Macdonald, Brown), im ganzen selten, häufiger aber
das Caput profundum. Die Verschiedenheiten in der Stärke des
Muskelbauches und des Ursprunges sind sehr erheblich. Beide Köpfe
können doppelt sein, so daß ein M. quadriceps entsteht.
An den freien Rändern hängt der Muskel mit seinen Nachbarn
sehr oft innig zusammen, d. h. das Caput superficiale radiale mit dem
M. opponens und das Caput profundum ulnar mit dem M. adductor
pollicis. Ueber die Bedeutung dieser Verschmelzung haben wir schon
oben gesprochen.
Der M. adductor pollicis gehört zu den niemals fehlenden
Muskeln, Brown und Fromont haben je einen Fall beschrieben, in
dem die anderen Muskeln des Daumenballens fehlten, aber der M. ad-
ductor vorhanden war.
Chudzinski (Bull. Societe d'Anthropologie, 1881, p. 748) hat das
Fehlen der mittleren Bündel beobachtet, so daß das Caput carpale
und metacarpale sehr deutlich voneinander geschieden waren. Die
Insertionen an der Gelenkkapsel können weit über das Sesambein
hinausreichen (Bourgery, Merkel). Hierdurch gewinnt der Muskel
einmal größere Aehnlichkeit mit dem M. adductor hallucis, dann
aber auch mit den M. interossei.
Klein fingerballen.
Der M. palmaris brevis fehlt selten (1 : 45 = 2,2 Proz. Maca-
lister); (3:137 = 2,2 Proz. Ledouble); bisweilen ist er sehr stark
entwickelt und entspringt noch an der Sehne des M. flexor carpi
ulnaris.
Der M. abductor digiti minimi kann fehlen (Macalister),
doppelt sein (Flower) oder sogar dreifach (Chudzinski); bisweilen
verschmilzt er mit dem M. flexor brevis. Chaussier sieht dieses
Verhalten als normal an und gibt beiden Muskeln zusammen den
Namen Carpo-phalangien du petit doigt. Er kann ein überzähliges
Bündel von dem Lig. carpi dorsale, der Sehne des M. flexor carpi
radialis oder der Fascia antebrachii erhalten.
Der M. flexor brevis digiti minimi kann fehlen (J. Cloquet und
Wood) oder, wie eben erwähnt, mit dem M. abductor und selbst
mit dem M. opponens verschmelzen.
Ueber den M. opponens ist noch zu sagen, daß er fehlen kann
(Macalister).
M. interossei.
Die Zwischenknochenmuskeln können sich verdoppeln, was bei
Fleischfressern die Regel ist. Einer oder der andere kann auch
238
Fascien. 239
fehlen. Eine sehr interessante Anomalie ist der Ansatz des M.
interosseus dorsalis II am Zeigefinger und die des im zweiten Zwischen-
knochenraume liegenden M. interosseus volaris am Mittelfinger. Es
ist das genau das gleiche Verhalten, wie es beim Fuße die Regel ist.
Bei einer solchen Anordnung der Zwischenknochenmuskeln darf die
Achse der Hand nicht durch den Mittelfinger, sondern sie muß
durch den Zeigefinger gelegt werden.
In den V. B. überzähliger Ursprungskopf des M. interosseus dor-
salis I dicht proximal vom Capitulum ossis metacarpalis III (No. 73).
Unsere eigenen Beobachtungen von 3 Fällen eines teilweise sehr
breiten, noch dorsal vom M. interosseus dorsales I gelegenen Muskel-
bauches zwischen dem Os metacarpale I und II finden wir auch in
den V. B. unter No. 298 angegeben. Der Name M. intermetacarpalis I
dürfte dem Verständnisse keine Schwierigkeiten bereiten. Funktionell
handelt es sich um eine Näherung des Os metacarpale I gegen das
Os metacarpale II. Jedoch muß auch hier Rücksicht darauf genommen
werden, ob dieser oder jener Knochen das Punctum fixum darstellt.
Nach der für die M. opponentes manus et pedis geltenden Darstellung
wäre man sogar berechtigt, diesen Muskel als M. opponens dorsalis
pollicis zu betrachten.
C. Anhang.
I. Fascien.
Allgemeine Betrachtung.
Die Fascien der Extremitäten weichen dadurch von der des
Rumpfes ab, daß sie nicht nur als dichtere Lage von geformtem
Bindegewebe die Oberfläche der Muskeln und Sehnen bedecken,
sondern sich vielfach so eng mit ihnen, besonders den letzteren ver-
einigen, daß einzelne Muskelbündel oder auch ganze Muskeln aus der
Fascie zu entspringen scheinen ; es wird dann sogar von einer höheren
Differenzierung gesprochen. Das Gemeinsame ist, daß überall da, wo
Knochenteile an der Oberfläche des Körpers vorspringen, sich auch
die Fascie mit dem Perioste verbindet. Am Rumpfe sind es oben
die hintere Schädelfläche, entsprechend der Linea nuchae superior,
am Schultergürtel die Clavicula und die Spina scapulae, unten haupt-
sächlich die Crista iliaca, welche man sich aber nach hinten-unten
bis zur Steißbeinspitze, vorn durch das Lig. inguinale (Pouparti) bis
zum Tuberculum pubicum und weiterhin noch bis zur Symphyse ver-
längert denken muß; in der Mittellinie liegt vorn das Brustbein,
hinten die doch als einheitliche Ursprungslinie aufzufassende Reihe
der Dornfortsätze der Wirbelsäule ; jedenfalls überall lange Knochen-
ursprünge und breite Muskeln.
Beim Uebergange des Rumpfes in die freie obere Extremität
haben wir teilweise die gleichen Ursprungsbedingungen; deshalb ist
auch beim M. deltoideus (und glutaeus maximus) die Fascie der des
Rumpfes ähnlich gebaut.
239
240 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Die Knochen des freien Armes sind aber zum großen Teile in
der Tiefe verborgen und treten deutlicher und massiger erst an den
Gelenkenden an die Oberfläche.
Die Binde stellt im allgemeinen eine häutige Röhre dar, zu
welcher sich der Knochen bald konzentrisch, wie Humerus und Femur,
bald exzentrisch, wie Ulna und Tibia, verhält. Bei letzterem Knochen
ist die Anteilnahme an der Oberfläche so bedeutend, daß er einen
nicht unbeträchtlichen Teil der osteoflbrösen Röhre einnimmt.
Die scharfe Trennung der einzelnen Muskelgruppen nach ihren
Wirkungen bedingt ferner eine deutlichere Sonderung durch Zwischen-
wände, welche je nach ihrer Stärke als Fascien, Septa intermuscularia
oder, wie weiterhin auseinandergesetzt werden soll, als Aponeuroses
intermusculares bezeichnet werden müssen; daß auch die Membranae
interosseae, besonders in praktischer Hinsicht, als Teile des Fascien-
apparates aufzufassen sind, braucht wohl nicht besonders hervor-
gehoben zu werden.
Die Fascien sind aus demselben Materiale gewebt, wie die Sehnen
und Aponeurosen, glänzende Fasern und Bündel, welche als dünne,
hautähnliche Ausbreitung die ganze Extremität einhüllen und je nach
ihrer Anheftungsbedingung die darunter liegenden Knochen und
Muskeln verhüllen.
Besonders an den Extremitäten, wo eine solche Sonderung mit
Leichtigkeit durchführbar ist, unterscheiden wir die allgemeine, das
ganze Glied deckende Binde von den darunter gelegenen Spezial-
fascien. Die besondere Binde mag als Perimysium externum einen
Muskel für sich, als Periost einen Knochen umhüllen, durch die Glied-
binde, die Fascia extremitatis communis, wird erst der Zusammen-
hang gewonnen.
Die Gliedbinde kann mit einem eng anliegenden Trikot ver-
glichen werden, oder auch mit einem Gummistrumpfe, wie er bei Er-
krankungen des Zirkulationsapparates vielfach an der unteren Ex-
tremität Anwendung findet; nur darf nicht der mit „Gummi" ver-
bundene Begriff „Elastizität" ohne weiteres auf die Fascie übertragen
werden. Schmiegsam ist dieselbe allerdings in höchstem Grade, aber
doch nicht so elastisch, daß ihre Wirkung genügen könnte, den
Ruhezustand wiederjierzustellen, wie es beispielsweise die elastischen
Bänder des Kehlkopfes und die Lig. flava der Wirbelsäule vermögen.
Indessen enthält jede Fascie hinreichend elastische Elemente, wie
jedes andere Bindegewebe, daß sie auch ausgiebigen Verschiebungen,
wie sie an den Beugeseiten der Extremitäten vorkommen, mit Leichtig-
keit gerecht wird. Genau, wie der Trikot sich den an- und ab-
schwellenden Formen des Körpers anschließt, ohne doch Falten zu
werfen, so auch die Gliedfascie. Ist z. B. der Arm gestreckt, so wird
die Binde eine eng anliegende, glatte Hülle für den Biceps, und
dennoch folgt sie der Anschwellung dieses Muskels, mag er sich auch
auf die doppelte Höhe erheben, und sie tut es, ohne den leisesten
Widerstand zu verursachen.
Eine weitere Uebereinstimmung liegt darin, daß der anliegende
Trikot, ebenso wie die Muskelbinde, nach irgend einem Schnitte
oder Risse sofort klaffen. Der Druck der Unterlage trägt daran
die Schuld. Bei dem Menschen sind die Muskeln so fest von der
Fascie umschnürt, daß sogar das Fleisch aus dem Spalte hervor-
240
Fascien. 241
quillt (Muskelhernie). Allein mit der Schmiegsamkeit und einem ge-
wissen Drucke auf die darunterliegenden Gebilde hört die Ueberein-
stimmung auf; in allen anderen Punkten ist die Fascie völlig
verschieden, weil sie nämlich nicht wie der Trikot nach Gebrauch
abgestreift werden kann, sondern sowohl haut- wie knochenwärts nur
künstlich trennbar mit ihrer Nachbarschaft zusammenhängt: mit der
Haut durch stärkere und dünnere Bindegewebsbalken und -platten,
sowie durch die Hautgefäße und Nerven, mit der Tiefe durch derbere
Züge, welche zwischen den Muskeln, Sehnen, Gefäßen und Nerven
ihre Anheftung am Knochen suchen.
Gerade die tiefen Verbindungen der Fascie müssen uns in der
Muskellehre beschäftigen, und zwar:
1) als scheiobare Ursprünge von oder Ansätze der Muskulatur
an dem oberflächlichen Blatte der Binde;
2) als Septa intermuscularia, wie sie am Oberarme, Ober- und
Unterschenkel zur Genüge bekannt sind;
3) als Membranae interosseae an Vorderarm und Unterschenkel ;
4) als Ring-, Kreuz- oder Schleuderbänder: Lig. carpi dorsale,
anularia et cruciata digitorum manus, Lig. transversum cruris,
cruciatum pedis etc.;
5) als Ursprungsaponeurosen zwischen benachbarten Muskeln, be-
sonders am Vorderarme. Diese gehören nicht zu den Septa inter-
muscularia, sind aber doch für die Architektur der Muskeln und der
daraus sich ergebenden Innervation von der größten Bedeutung und
verdienen als Aponeuroses intermusculares schon aus dem Grunde
die ausführlichste Beschreibung, als sie bisher nicht in dieser Weise
dargestellt zu sein pflegen.
Die eben gegebenen Unterabteilungen dürfen durchaus nicht als
zu weitschweifig angesehen werden, wie aus folgenden Darstellungen
ersehen werden mag.
Ad 1. Um überhaupt ein anschauliches Bild von der unrichtigen
Darstellung einer Binde zu bekommen, braucht man sich bloß an den
M. tensor fasciae latae zu halten. Unter einer Fascie verstehen wir
eine membranöse (d. h. nicht gleichmäßig sehnige, aponeurotische)
Ausbreitung über einem Körperteile, welche im allgemeinen senkrecht
zur Richtung der Muskelbündel orientiert ist, nämlich an den Ex-
tremitäten quer zur Längsrichtung des Gliedes. Es ist nun nichts
leichter, als nachzuweisen, daß die Fascia lata des Oberschenkels aus
transversalen Zügen besteht, welche die longitudinalen Fasern des
Tractus iliotibialis überkreuzen. Nach dem Verfahren von Frohse,
welches derselbe seit 10 Jahren immer mit gleich günstigem Erfolge
anwendet, geht man etwa 5 cm oberhalb des Kniegelenkspaltes scharf
auf den Tractus iliotibialis ein, bis man auf die longitudinale Fase-
rung gelangt. Die vordere Begrenzung des MAissiATschen Streifens
in der Verlängerung des vorderen Randes des M. tensor fasciae latae
und die hintere Abgrenzung, ungefähr entsprechend der Mitte des
M. glutaeus maximus, muß allerdings vorher gemacht, und außer-
dem das Präparat, was nachträglich durch Aufquellen in Wasser nicht
immer mehr gut zu machen ist, vor Austrocknung geschützt gewesen
sein. Sind aber keine, durch Unvorsichtigkeit entstandenen, prä-
paratorischen Schwierigkeiten vorhanden, so gelingt es leicht, durch
den zwischen transversaler und longitudinaler Schicht eingeführten
Handbuch der Anatomie. II, II, 2. Iß
241
242 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Daumen, einen großen Teil des Tractus iliotibialis als atlasschülernde
Lamelle darzustellen, frei von allen transversalen Elementen, welche
die hochgehobene Platte der Fascia lata darstellen. Es ist Frohse
verschiedentlich gelungen, die longitudinalen Sehnenzüge vom Darm-
beine bis zum Schienbeine zu verfolgen, ohne daß an irgend einer
Stelle eine transversale Beimischung dabei gewesen wäre, welche ja
einem Teile der Fascia lata entsprochen habe würde. Ueberhaupt
stellt der MAissiATsche Streifen, nach der Daumennagelmethode prä-
pariert, das schönste Beispiel einer Aponeurose dar, wie es klarer
und übersichtlicher nicht einmal bei der Bauchmuskulatur nach-
zuweisen ist. Wir behaupten deshalb, schon an dieser Stelle, daß der
Name M. tensor fasciae latae zu Unrecht besteht: der Muskel ist,
wenn er für sich allein wirkt, Einwärtsdreher und Heber des Beines
nach vorn-innen; wenn aber diese Wirkung, entsprechend dem
Parallelogramme der Kräfte, durch den entgegengesetzten Zug des
M. glutaeus maximus aufgehoben ist, so wirkt er mit ihm zusammen
als M. abductor des gestreckten Beines.
Ad 2. Die Zwischenmuskelbänder sind durchaus nicht einheit-
liche Gebilde, wie ihr Name vermuten lassen könnte. Ihr binde-
gewebiges Gerüst setzt sich vielmehr aus festeren und dünneren Ab-
schnitten zusammen, deren Faserung durchaus nicht senkrecht zur
Muskelfaserung angebracht zu sein braucht. Diese Betrachtung ist von
theoretischem Interesse, weil es sich (vergl. No. 5) um die Frage:
ob Fascie oder Aponeurose, handelt. Das Septum intermusculare
brachii mediale könnte zu Mißverständnissen Veranlassung geben.
Nach unserer Meinung ist nämlich derjenige Teil des Septum, welcher
vom N. ulnaris durchbohrt wird, ein Sehnenfascikel , also eine
Aponeurose, welche als rudimentäres Gebilde sich vom Ansätze des
M. coracobrachialis an der medialen Seite der Mitte des Oberarm-
beines bis zum Epicondylus medialis humeri verlängert (Analogie mit
den Adductoren des Oberschenkels).
Ad 3, 4 und 5. Die unter diesen Ziffern angedeuteten Punkte
bedürfen jedesmal einer genauen Erläuterung durch den einzelnen Fall.
Es kann deshalb erst nach Abhandlung auch der unteren Extremität
versucht werden, dem Leser ein zusammenhängendes Bild über die
angeregten Fragen zu geben, obschon in der Einzelbeschreibung den
allgemeinen Gesichtspunkten Rechnung getragen werden soll.
Fascie der Schulter.
Dieselbe sondert sich, soweit sie zum Arme gehört, deutlich in
2 Unterabteilungen, eine oberflächliche und eine tiefe Schicht. Erstere
deckt die oberflächliche Lage der Schultermuskeln zu, entspricht also
dem M. deltoideus — Fascia deltoidea — letztere umhüllt sämtliche
Rollmuskeln, welche ja vom Schulterblatte ausschließlich entspringen.
Als zusammenfassender Name dürfte die Bezeichnung, Fascia scapularis,
verständlich sein. Sie zerfällt jedoch entsprechend den gleichnamigen
Gruben des knöchernen Schulterblattes in 3 Unterabteilungen : Fascia
supraspinata, infraspinata und subscapularis. Von der Fascia infra-
spinata nicht miteingehüllt wird der M. teres major, der als accesso-
rischer scapularer Ursprung des M. latissimus dorsi aufgefaßt werden
242
Fascie der Schulter, 243
kann. Gerade die Binde über dem M. teres major ist auffallend dünn,
was aber eine ungezwungene physiologische Erklärung dadurch findet,
daß dieser Muskel bei der Erhebung des Armes eine ganz bedeutende
Verlängerung erleidet, während er bei der Kontraktion bei nach hinten,
über die Mittellinie hinaus und gleichzeitig einwärts gedrehtem Arme
eine Verkürzung um die Hälfte erfährt, welche bei geeigneten Modellen
durch die Haut hindurch zu erkennen ist. Die Fascia deltoidea läßt
sich im aUgemeinen nur schwer präparieren, besonders im unteren
Abschnitte, wo das Unterhautfettgewebe, namentlich bei Frauen, sehr
reich entwickelt zu sein pflegt. Sie sendet zwischen die einzelnen
Muskelbündel ziemlich derbe Scheidewände bis zur Tiefe des Muskels,
unter denen eine besondere Erwähnung verdient. Sie grenzt näm-
lich in scharfer Weise die Portio spinata von dem bei weitem
größeren Reste des Muskels ab. Immerhin erschweren die binde-
gewebigen Scheidewände, welche dem M. deltoideus die groben Bündel
verschaffen, die Präparation der Nerven ungemein, namentlich wenn
man von der Facies superficialis aus auf sie fahndet. Die Fascia
deltoidea profunda ist entsprechend dem geringeren Umfange der
tiefen Fläche kleiner und wird vor allem durch die breite Insertions-
fläche der Endsehne verkleinert. Außerdem weist sie in der Mitte des
Muskels eine ganze Reihe von Lücken auf, durch welche die ein-
zelnen Nerven und Gefäße zum Muskelfleische gelangen. In dem
hinteren- oberen Teile verschmilzt sie mit der Fascia infraspinata, im
übrigen ist sie jedoch in scharfer Weise von den Rollmuskeln und
vor allem von der fälschlich so genannten Bursa subdeltoidea ge-
trennt. Ueber unsere diesbezügliche Auffassung möge bei der Bursa
subacromialis (siehe S. 31) nachgesehen werden.
Fascia scapularis.
Nach der Mächtigkeit der Binde sind die Unterabteilungen in
der Reihenfolge : Fascia infraspinata, supraspinata und subscapularis
zu beschreiben.
Fascia infraspinata.
Dieselbe liegt nicht allein in der Tiefe verborgen, sondern ge-
hört sogar mit einem ebenso großen Abschnitte dem Oberflächenbilde
an, und gerade an dieser Stelle, in dem Räume zwischen M. deltoideus,
teres major (latissimus dorsi) bis zum medialen, vertebralen Rande
des Schulterblattes hin bildet sie eine der mächtigsten Binden des
Körpers, indem sie noch durch einen aponeurotischen Zug verstärkt
wird, welcher sich etwas oberhalb des Angulus inferior scapulae, vom
oberen Rande des M. teres major bis zu unserer Tuberositas Spinae
erstreckt. Lateralwärts ist sie noch immer ansehnlich und geht
in der Höhe des Sulcus intertubercularis kontinuierlich in die
Fascia subscapularis und supraspinata über. Hier bildet sie
gleichzeitig die obere Wand der Bursa subacromalis. Sie um-
hüllt sowohl den M. infraspinatus wie den M. teres minor. Lücken
für den Durchtritt von Gefäßen und Nerven brauchen oben gegen die
Spina scapulae hin nicht vorhanden zu sein, weil ja der N. supra-
scapularis und die Vasa transversa scapulae von der Facies profunda
aus zum M. infraspinatus gelangen. Wohl aber müssen im unteren,
16*
243
244 FROHSE und M. FRÄNKEL,
axillaren Abschnitte solche bestehen: eine, welche dem die vier-
eckige Muskellücke durchsetzenden und aus dem N. axillaris stam-
menden Zweige für den M. teres minor entspricht, und eine zweite,
welche von den Vasa circumflexa scapulae benutzt wird, die ihrer-
seits die dreieckige Muskellücke passieren und die wichtige Anastomose
mit den Vasa transversa scapulae bilden. Es können aber hier auch
2 oder mehrere Lücken für die Gefäße vorhanden sein, von denen
die obere die Anastomose bildet, die untere den entsprechenden
Muskelabschnitt der M. teres minor und infraspinatus versorgt. Die
mehr oder minder scharfe Sonderung zwischen M. teres minor und
infraspinatus bedingt es andererseits, daß bald überhaupt keine, bald
nur eine schwächere, bald eine präparatorisch als Blatt darstellbare
bindegewebige Scheidewand zwischen beiden Muskeln vorhanden ist.
Fascia supraspinata.
Dieselbe braucht nicht sehr derb zu sein, weil der M. trapezius
und darunter eine meist ansehnliche Fettschicht vorhanden ist, welche,
wenn scharf umgrenzt, ein Fettkörper werden kann und dann den
Namen Corpus adiposum suprascapulare bekommen könnte, ent-
sprechend einem Corpus adiposum subscapulare, welches, wie bei der
Achselhöhle beschrieben ist, den toten Raum zwischen der medialen
und hinteren Achselwand ausfüllt, d. h. medial dem M. serratus
anterior, hinten den 3 Einwärtsrollern, den M. subscapularis, teres
major und latissimus dorsi. Die Namengebung würde sich dann nach
den Nerven richten, proximal dem N. suprascapularis, distal dem N.
subscapularis. Außerdem würde dies einer ausgiebigen Zusammen-
ziehung des Muskelbauches, der in der energischsten Weise den M.
deltoideus unterstützt, nur hinderlich sein. An Lücken sind die für
die Gefäße nur unansehnlich und inkonstant, etwa in der Breite des
Lig. transversum superius, während der versorgende Nerv, der N.
suprascapularis, den bekannten Weg unter dem Bande nimmt. Daß
auch die Gefäßzweige zum kleineren oder größeren Teile mit dem
Nerven zusammen verlaufen können, sei nebenbei bemerkt.
Fascia subscapularis.
Dieselbe ist die dünnste sämtlicher Schulterfascien, jedoch meistens
gut darstellbar, vom medialen Rande der Scapula an bis zum Sulcus
intertubercularis. Nur über der Mitte des Muskelfleisches, über dem
mittleren Drittel des M. subscapularis ungefähr, zeigt sie eine viel-
fache Durchlöcherung entsprechend den zahlreichen Nerven- und Ge-
fäßzweigen; jedoch darf nicht von besonderen Lücken gesprochen
werden, weil sich die Fascia subscapularis durch die versorgenden
Gebilde kontinuierlich mit dem Gefäßnervenstrange der Axilla in
Verbindung setzt und die sogenannten Lücken erst präparatorisch
geschaffen werden.
Fascie des Oberarmes.
Am Oberarme wie auch am Oberschenkel haben wir die kon-
zentrische Anordnung der Muskulatur um die entsprechenden Knochen,
Humerus und- Femur, zu beachten, während am Vorderarme und
244
Fascie des Oberarmes,
245
Unterschenkel eine exzentrische Lage dieses oder jenes Knochen-
stückes zu beschreiben sein wird. Am Oberarme ist die Schilderung
sehr einfach, indem die beiden Hauptmuskelgruppen, die Beuger und
die Strecker, vorn bezw. hinten gelagert sind und durch binde-
Fig. 79. Fascia subscapularis, drei- und viereckige Muskellücke von vorne.
+ Tendo intermedius originis m. bicipitis. Sc M. subclavius. L. cc Lig. coraco-
claviculare. A"". spsc N. suprascapularis. P. ma M. pectoralis major. D M. deltoideus.
C M. coracobrachialis. N. ax N. axillaris. N. tnc N. musculocutaneus. F. ssc
Fascia subscapularis. X.ra N. radialis. T.ma M. teres major. L.d M. latissimus
dorsi. B.l M. biceps, caput longum. B.b M. biceps, caput breve. T.me M. triceps,
Caput mediale. T.lo M. triceps, caput longum.
gewebige, teilweise sehnig verstärkte Scheidewände in eine vordere
und hintere Gruppe zerfallen, und die beim Oberschenkel so mächtig
entwickelte, am Oberarme nur durch den M. coracobrachialis vertretene
Adductorengruppe keine besondere Fascienloge aufweist. Die als Septa
245
246 FROHSE und M. FRÄNKEL,
intermuscularia mediale und laterale bezeichneten Bildungen stellen
nichts weniger dar, als geschlossene Scheidewände. Bei beiden ist
jedoch nicht genug zu betonen, daß sie erst in der distalen Hälfte des
Humerus beginnen, lateral an der Tuberositas deltoidea, medial mit
dem Ansätze des M. coracobrachialis in der Verlängerung der Crista
tuberculi minoris. In der proximalen Hälfte der medialen Oberarm-
seite gestatten die sich aus der Achselgrube allmählich loslösenden
Gebilde: N. radialis, Vasa profunda brachii, N. ulnaris und Vasa
collateralia ulnaria superiora, nicht die Entwickeluug eines einheit-
lichen, bis in die Achselgrube reichenden Septum intermusculare
mediale. In der distalen Hälfte dagegen sind wir berechtigt, von
einem Septum oder selbst einem Lig. intermusculare zu reden, be-
sonders wenn der M. coracobrachialis mit sehnigen Ausstrahlungen
den Epicondylus medialis erreicht. Hier bildet es dann eine Scheide-
wand zwischen den Beuge- und Streckmuskeln, d. h. vorn von ihm
sind gelagert an Muskeln die M. brachialis und pronator teres,
hinten das Caput mediale des M. triceps. Außerdem hat sich hier
die Trennung der oben erwähnten Gebilde vollzogen. Der N. radialis
und die Vasa profunda brachii sind bereits zwischen dem langen und
medialen Tricepskopfe in der Tiefe verschwunden, während der N. ulnaris,
die Vasa collateralia superiora noch hinter dem Septum intermusculare
mediale als an dem Oberflächenbilde des Körpers teilnehmende Ge-
bilde sichtbar bleiben. Nach vorn vom Septum finden wir den N.
medianus und die Vasa brachialia; außerdem jedoch die V. basilica
und den N. cutaneus antebrachii medialis, welche jedoch durch eine
besondere Scheidewand von den beiden vorher erwähnten tiefen Ge-
bilden getrennt sind. Es wäre wünschenswert, daß der durchaus be-
rechtigte, von Henle als Hiatus semilunaris fasciae brachialis und
von Hollstein unter dem gleichen Namen bezeichnete Spalt zum
Eintritte für die V. basilica und Austritte für den N. cutaneus ante-
brachii medialis in den B. N. A. nachträglich Aufnahme fände.
Das Septum intermusculare laterale verdient seinen Namen noch
weniger als das entsprechende mediale. Es soll von der Tuberositas
deltoidea bis zum Epicondylus lateralis humeri reichen, jedoch dürfte
es einigermaßen klar nur im proximalen Drittel dieser Entfernung
darzustellen sein, wo es nämlich die Grenze zwischen dem Caput
laterale des M. tricaps und dem M. brachialis bildet. Wo diese
beiden, ungefähr einander gegenüber gelagerten Muskeln aufhören,
findet oberflächlich der Austritt des N. cutaneus antebrachii dorsalis
und des lateralen Endzweiges der Vasa profunda brachii statt, in der
Tiefe liegt hier die Umschlagsstelle des N. radialis und der mit ihm
verlaufenden Gefäße. Die oben erwähnten oberflächlichen Gebilde
haben keine typische Austrittstelle, dagegen findet sich fast regel-
mäßig an der Umschlagsstelle des N. radialis ein Sehnenbogen, der
mit seiner distalen Anheftung noch auf dem Fleische des M. brachio-
radialis sein eigentliches Ende findet. Von hier ab lassen sich nämlich
die sehnigen Fasern nicht mehr gegen den Knochen verfolgen, wo der
gesonderte Ursprung des Caput mediale m. tricipitis einerseits, des M.
brachioradialis und M. extensor carpi radialis longus andererseits ge-
legen ist, vielmehr liegen die feinen, sehnig glänzenden, longitudinalen
Ausläufer des Septum intermusculare laterale auf den letzten beiden
Muskeln ungefähr 1 cm von dem Knochenursprunge der beiden zuletzt
genannten Muskeln entfernt und bilden nur die vordere Begrenzung
246
Fascie des Vorderarmes. 247
eines Kanales, welcher durch Entwickeluiig einer von uns so genannten
Haut fascie die oberflächlichen Gebilde, nämlich N. cutaneus ante-
brachii dorsalis nebst Begleitg-efäßen einstweilen in der Tiefe zurück-
hält und dadurch vor Druck schützt.
Die Fascie ist verhältnismäßig dünn, an der Vorderseite sehr
elastisch, da ja der M. biceps einer so auffallenden Formverände-
rung bei Beugung und Streckung unterworfen ist. Der M. triceps
ist nicht so verwandelungsfähig in seiner äußeren Gestalt; es könnte
scheinen, als ob die Fascie über ihm stärker entwickelt wäre, weil sie
sich bei der präparatorischen Durch trennung weniger stark zurück-
zieht. Wir glauben jedoch aus theoretischen Erwägungen diese Tat-
sache auf eine geringere Entwickelung der elastischen Elemente zu-
rückführen zu müssen.
Die Fascie ist im allgemeinen durch quere Faserzüge gekenn-
zeichnet, d. h. sie verlaufen senkrecht zu der darunter gelegenen
Richtung der jeweiligen Muskelbündel. Nur an einer Stelle wird eine
bemerkenswerte Ausnahme gemacht, nämlich über der Ellenbeuge.
Hier gehen die Faserzüge parallel und in der Verbreiterung des Septum
intermusculare mediale als ziemlich derbe Schicht bis zum Lacertus
flbrosus m. bicipitis hin. Dieser Teil der Oberarmfascie mit sehr schräg
abweichender Verlaufsrichtung der queren Fasern der Fascie dürfte
aber dann seine anatomische Berechtigung finden, wenn man ihn noch
zum M. Pronator teres, also zu den Vorderarmmuskeln rechnet. In
der Tat sehen wir auch bei Ellenbogenbeugung und Pronation des
Vorderarmes, daß der Wulst des M. pronator teres bei dieser Haltung
des Armes nicht dem Vorderarme angehört, sondern dem Oberarme,
und noch weniger Schwierigkeiten wird unsere Darstellung ergeben,
wenn wir uns die Varietät des Ursprunges dieses Muskels von einem
Processus supracondyloideus vergegenwärtigen.
Fascie des Vorderarmes.
Die Fascie des Vorderarmes zeichnet sich gleich der des Unter-
schenkels dadurch aus, daß Teile von Ursprungssehnen mit ihr verwebt
sind. Jedoch haben wir bereits bei der Muskelbeschreibung darauf
hingewiesen, daß es sich nur um einen scheinbaren Zusammenhang
handelt, und die entsprechenden Bildungen oder, den allgemein an-
erkannten Lacertus fibrosus des M. biceps oder den von uns unseres
Wissens noch nicht als solchen bezeichneten Lacertus fibrosus
des M. triceps ausführlich bei den beiden Muskeln beschrieben, als
deren plattenartige Nebensehne wir sie ausschließlich auffassen
müssen.
Die Faserrichtung der eigentlichen Binde ist senkrecht zu der
Vorderarmachse angeordnet. Entsprechend dem fast durchweg longi-
tudinalen Verlaufe der am Oberflächenbilde teilnehmenden Vorder-
armmuskeln, besonders an der Beugeseite, läßt sich an geeigneten
Modellen mit dünner Haut bei Hand- und Fingerbeugung die Struktur
der Fascie durch die Haut hindurch erkennen. Es gibt sich dabei
äußerlich die am Präparate mit Leichtigkeit nachweisbare Tatsache
kund, daß die Binde, speziell der Beugeseite, nicht aus einer gleich-
mäßig dicken Schicht besteht, sondern an verschiedenen Stellen ring-
förmige Verstärkungszüge besitzt, welche sich am Lebenden als seichte
Querrinnen bemerkbar machen.
^47
248 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Die Vorderarmknocheu beteiligen sich iu ganz verschiedener
Weise an der Gliederung der Binde und ihrer Sonderung in Unter-
abteilungen. Der nicht drehbare Knochen, die Ulna, bietet mit ihrem
frei unter der Haut zu Tage liegenden hinteren Rande der Fascie einen
günstigen Ansatzpunkt, der als Trennungslinie zwischen den Muskeln
der Beuge- und Streckseite nicht genug betont werden kann. Das
proximale Ende bietet der Entwickelung von Schleimbeuteln die
günstigsten Bedingungen; die Bursa subcutanea olecrani haben wir
an unseren Präparaten Erwachsener niemals vermißt. Es ist mög-
lich, daß an einem Materiale, welches Leuten höherer Stände und
besonders Damen entstammt, einmal das Fehlen derselben beobachtet
werden könnte. Wir halten es nicht für sehr wahrscheinlich, weil
der Ellenbogen viel zu vielen Insulten ausgesetzt ist, schon bei starker
Beugung tritt ja eine beträchtliche Reibung der Haut gegen den
dann vorspringenden Knochen ein. Eine mehr distal vom Olecranon,
beim Uebergange in die hintere Kante gelegene gesonderte Bursa
ulnaris dorsalis haben wir mehrfach gesehen, und auch am distalen
Ende über dem Capitulum ulnae konnten wir, allerdings nur in
einem Falle, eine Bursa subcutanea capituli ulnae nobis feststellen.
Ganz anders verhält sich der Radius, der bei seiner ausgiebigen
Beweglichkeit nicht so eng mit der Fascie verbunden sein darf. Außer-
dem kommt er ja mit Ausnahme seiner beiden Enden, und auch da^
nur undeutlich mit der Oberfläche in Berührung. Eine tiefe Fascie
ist jedoch vorhanden, die Membrana interossea antebrachii, welche in
der in den B. N. A. vorgeschlagenen Bezeichnung: Membrana und nicht
Ligamentum, auch der praktischen Bedeutung gerecht wird. Sie stellt
die stark fibröse Verbindung zwischen den beiden Vorderarmknochen
dar, wo dieselben nicht von Muskeln bedeckt sind, d. h. zwischen dem
distalen Rande des M. supinator und dem proximalen des M. pronator
quadratus.
Die Trennung zwischen der Beugegruppe einschließlich der Pro-
natoren und der Streckgruppe einschließlich des M. brachioradialis
und der Supiuatoren ist entsprechend der hinteren Kante der Ulna
eine vollständige und derbe, aber dort, wo sich am Radius die
Beuger unter die Strecker herunterschieben, besonders in der
proximalen Hälfte nur eine undeutliche. Andererseits müssen wir
einer ganzen Reihe ton Muskeln, nämlich allen, welche am Carpus
ansetzen, ferner den beiden Pronatoren, den M. brachioradialis^
supinator und palmaris longus eine Sonderstellung einräumen, indem
sie besondere Logen von allerdings ungleichwertiger Wandstärke
besitzen. Nur die Beuger und Strecker der Finger machen eine
Ausnahme, indem zwischen oberflächlicher und tiefer Schicht keine
scharf ausgesprochene Scheidewand existiert. Das trennende Binde-
gewebe verdient nur an einigen Stellen den Namen einer Fascia
intermuscularis. Das lockere, fetthaltige Zwischengewebe begünstigt
eine schnelle Ausbreitung der so gefürchteten tiefen Phlegmonen,
besonders der Beuge-, aber auch der Streckseite. Die besonderen
Fächer für die verschiedenen Muskeln wollen wir als Logen be-
zeichnen und dieselben in der Reihenfolge beschreiben, wie es der
Stärke der Wand und der Vollkommenheit des Abschlusses entspricht.
Vorher sei betont, daß die Präparation durchweg in der Weise aus-
geführt ist, daß wir die Fascie in ganzer Länge über der Mitte eines
Muskelbauches gespalten, nach beiden Seiten zurückpräpariert und,
248
Logen am Vorderarme. 249
weim es nicht anders angängig war, den Muskel vollkommen aus dem
fascieUen Bette herausgehoben haben.
Gleichzeitig wurde dabei auf die Nerven und Gefäße geachtet,
au welcher Stelle, und in welcher Zahl sie den fibrösen Kanal durch-
setzten, und wie groß die entsprechenden Lücken waren. Im all-
gemeinen nur rundliche Oetfnungen, bildeten sie jedoch an den Stellen,
wo die Nerven durchtraten, sehr häufig Sehnenbögen bis zu 1 cm
Länge ; wohl aus dem Grunde, daß der Nerv bei den Verschiebungen
des Muskelbauches keinerlei Zerrungen ausgesetzt zu werden braucht.
Wir fassen der Einfachheit halber die Oefi'nungen für die Gefäße nur
in der Einzahl auf, obwohl in den meisten Fällen durch eine der-
artige Lücke gleichzeitig die Arterie mit einer oder zwei Begleitvenen
hindurchtreten dürfte.
I. Loge des M. anconaeus. Seine bei der Muskelbeschreibung
betonte Zusammengehörigkeit mit dem M. triceps gibt sich in der
schönsten Weise auch durch die Fascie kund. Es findet sich näm-
lich gar kein Abschluß gegen den Oberarm hin, dagegen ein voll-
kommener distaler. Für die deckende Schicht haben wir die Be-
zeichnung Lacertus fibrosus m. tricipitis vorgeschlagen, dessen starke
Entwickelung das Vorhandensein einer speziellen Fascie überflüssig
macht. Mit bloßem Auge ist nichts von einer besonderen Fascie zu
erkennen, und erst recht nicht mit dem Messer der präparatorische
Nachweis zu erbringen. Die Scheidewand gegen den M. extensor
carpi ulnaris ist deutlich vorhanden, wenn auch nicht sonderlich stark.
Der Nerv und die Gefäße treten vom Oberarme aus durch keine be-
sondere Lücke zum Muskel. Unbedeutende Aeste, welche der A.
interossea recurrens entstammen können, dienen nur dem Kollateral-
kreislaufe.
IL Loge des M. extensor carpi ulnaris. Dieselbe wird medialwärts
durch die Ulna und die Scheidewand gegen den M. anconaeus, radial
durch den von uns so genannten Fasciculus longitudinalis ulnaris be-
grenzt, der sich meistens von der Articulatio radioulnaris distalis aus
bis zum Epicondylus lateralis humeri verfolgen läßt, jedoch auch
bereits an der Ulna, an der Grenze ihres proximalen und mittleren
Drittels mit seinen sehnigen Zügen endigen kann. Radial liegt
hier daneben der M. extensor digiti minimi proprius, der gewöhnlich
nicht den Epicondylus lateralis erreicht und dann auch den M. ex-
tensor digitorum communis in seine Nachbarschaft bringt. Hier findet
sich in der Tiefe recht oft eine derbe Verbindung der zur Aponeurosis
intermuscularis verdickten Scheidewand mit dem M. supinator, für
welche uns der Name Lig. intermusculare profundum ulnare an-
gebracht erscheint. Wir werden nämlich hinterher noch ein zweites
zu beschreiben haben, welches sich vom M. extensor carpi radialis
brevis aus auf den M. supinator überzuschlagen pflegt, welchem dann
die Bezeichnung Lig. intermusculare profundum radiale zukommen
müßte. Die Anheftung des tiefen Blattes der Loge vollzieht sich an
der Ulna entsprechend dem Ursprünge der tiefen Extensoren von ihr;
läßt also den Knochen in nicht unbedeutendem Maße frei, dessen
Periost sie indessen verstärken hilft. Nur eine größere Perforation
ist zu merken: 7—8 cm distal vom Epicondylus lateralis. Sie ist
ungefähr 1 cm lang, schlitzartig und für den Durchtritt des Nerven
und des Haupternährungsgefäßes bestimmt. Da sich jedoch das
Muskelfleisch bis in das distale Drittel des Vorderarmes erstreckt,
249
250
FROHSE und M. FRÄNKEL,
sind noch ein oder mehrere accessorische Oeifnungen für Gefäße im
mittleren Drittel des Vorderarmes vorhanden. Ueberhaupt kehrt
dieser Gesichtspunkt überall wieder und soll deshalb bei den folgenden
Muskeln nicht weiter berücksichtigt werden, daß nämlich bei Muskeln,
deren Fleisch eine größere Strecke einnimmt, immer mehrere Gefäße
vorhanden sind, welche den Kollateralkreislauf begünstigen, die
schnelle ausgiebige Ernährung des Muskels von mehreren Punkten
aus bewerkstelligen. In den einzelnen Fällen wird demgemäß nur
die Topographie dieser Ernährungsgefäße zu berücksichtigen sein, an
welcher Stelle und Fläche des Muskels sie gerade eintreten.
III. Loge des M. flexor carpi ulnaris. Die von der Ulna her-
kommende breite Ursprungsaponeurose spaltet sich mit Beginn des
Muskelfleisches in 2 Blätter, welche eine wohlbegrenzte Loge für
M. flexor digito
M. flexor carpi radialis
N. medianus
pollicis longus
radialis
N. et A. ulnaria
M. extensor carpi
ulnaris
Sehne des M.
extensor carpi
radialis longus
M. Pronator
teres
M. extensor carpi
radialis brevis
M. extensor pollicis longus
A. interossea volaris
/^r^\
M. extensor
digiti V
M. abductor pollicis longus
M. extensor digitorum communis
Fig.
Querschnitt des Vorderarmes mit Fascien.
den Muskel erzeugen. Im proximalen Drittel ist sie durchaus aponeu-
rotisch, im mittleren nur an der ulnaren Seite, im distalen rein
fasciell. Ungefähr 2 cm distal vom Epicondylus medialis und Olecranon
findet die Durchbohrung der hier dünnen Binde durch die beiden
Hauptnerven statt. Ein dritter accessorischer, jedoch inkonstanter
Nerv findet nach unseren Beobachtungen seine gesonderte Oeffnung
erst durchschnittlich 6 cm distal vom Epicondylus medialis. Die Ge-
fäße treten bei der Länge des Muskelbauches fast im ganzen Be-
reiche des Vorderarmes in wechselnder Zahl ein. Die proximalen,
von der A. recurrens ulnaris posterior stammenden Zweige senken
sich von der Facies profunda, die mittleren (A. ulnaris) von der
radialen Fläche und unter Umständen ein ganz distaler von der
ulnaren Seite aus ein, welcher sich dann sogar aus einem Gefäße
des Dorsum antebrachii entwickeln kann.
250
Logen am Vorderarme. 251
IV. Loge des M. flexor carpi radialis. Im proximalen Drittel ist sie
seitlich durch die Apoueuroses intermusculares zwischen ihm einerseits,
dem M. pronator teres und dem M. flexor digitorum sublimis (M.
palmaris longus) andererseits stark sehnig, im übrigen fasciell. Eine
bis 1 cm lange Sehnenarkade liegt ungefähr 6 cm unterhalb des Epi-
condylus raedialis (in der Richtung des Muskels gemessen) und dient
regelmäßig dem Nervenstamme, oft auch dem Haupternährungsgefäße
zum Durchtritte. Die distalen accessorischen Gefäße stammen aus
der A. radialis und haben bis zu 4 besondere Oeffnungen in der
radialen Kante der Loge.
V. Loge des M. brachioradialis. Dieselbe bietet das größte Inter-
esse, weil auch durch die Einrichtung der Fascie seine Zusammen-
gehörigkeit mit den Beugern des Oberarmes dargetan wird. Die
Fascie der Beugegruppe, proximal des M. pronator teres, distal des
M. flexor carpi radialis, läßt sich nämlich unschwer hinter der Facies
profunda des Muskels bis zum radialen Rande des Vorderarmes ver-
folgen und bildet besonders hier eine scharfe Grenze gegen die M.
extensores carpi radiales, Muskeln, welche allgemein zu den Streckern
gerechnet werden. Die Abgrenzung gegen den M. extensor carpi
radialis longus am Oberarme ist zwar nicht so scharf, aber jeden-
falls noch deutlicher, als die gegen den M, brachialis. Hier kann
man eigentlich nur von lockerem Bindegewebe reden, in welchem der
N. radialis mit seinen Begleitgefäßen seinen Weg nimmt. Ebenso
wie wir die Loge des M. anconaeus als eine Fortsetzung des Ober-
armes auf den Vorderarm dargestellt haben, möchten wir diese Auf-
fassung auch für die Loge des M. brachioradialis betont wissen.
Unterstützt dürfte diese Anschauung auch dadurch werden, daß der
R. superficialis n. radialis durch eine besondere Fascie gegen die Loge
abgegrenzt ist und sich sogar einer besonderen Scheide (s. Fig. 80)
erfreut, die ihn von den Vasa radialia trennt, die ja ihrerseits topo-
graphisch am Vorderarme der Beugeseite angehören. Diese eigen-
tümliche Sonderung der Vasa radialia und des R. superficialis n.
radialis bedingt es, daß man bei der Unterbindung der A. radialis
im oberen Drittel den Nerven überhaupt nicht zu Gesicht zu be-
kommen braucht, und seine besondere Freilegung in den Operations-
kursen häufig Schwierigkeiten macht. Der eigene Nerv tritt bereits
am Oberarme zum Muskel. Das Haupternährungsgefäß (A. recurrens
radialis) in der Höhe der Tuberositas radii. Accessorische Gefäße aus
der A. radialis kommen im distalen Teile vor.
VI. Loge der M. extensores carpi radiales. Die funktionelle Zu-
sammengehörigkeit beider Muskeln spricht sich auch durch die Ein-
richtung einer einheitlichen Loge aus. Eine trennende Fascie zu
unterscheiden, ist wohl nur am ulnaren Rande und an Präparaten ge-
stattet, welche mit Formalin gehärtet sind, dessen Einwirkung selbst
lockerem Bindegewebe die Derbheit einer Fascie verschaffen kann.
Eine besondere Stärke entwickelt diese Loge als Aponeurosis inter-
muscularis zwischen M. extensor carpi radialis brevis und dem M.
extensor digitorum communis. Die Verbindung dieser Aponeurose
mit dem M. supinator ist nur eine ganz lockere. Erst proximal vom
Capitulum radii bis zum Epicondylus lateralis humeri pflegt sie sich
eng an diesen hier sehnigen Muskel heranzulegen. Ueber unsere
Bezeichnung als Lig. intermusculare profundum radiale haben wir bei
der Beschreibung des M. extensor carpi ulnaris gesprochen. An einem
252 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Männerarme, wo das Lig. intermusculare profundum ulnare 6 cm lang-
und außerordentlich kräftig entwickelt war, fanden wir nicht die Spur
des entsprechenden radiale. Vielmehr war an dieser Stelle ein an-
sehnlicher Schleimbeutel von etwa Fünfpfennigstück-Größe entwickelt.
Eine stärkere, wenn auch nur fibröse Anheftung am Radius findet
sich dorsal von der Insertion des M, pronator teres, deren Länge sie
entspricht. Diese Breite, durchschnittlich 4 — 5 cm, ist gleichbedeutend
mit der Entfernung des distalen Endes des M. supinator von dem
proximalen des M. abductor pollicis longus, wo dieser den lateralen
Rand des Radius, bezw. die Sehnen der M. extensores carpi radiales
zu überkreuzen beginnt. Unter den M. abductor pollicis longus und
extensor pollicis brevis ist die oberflächliche Wand der Loge immer
nur sehr dünn. Beim Erwachsenen findet sich sogar als Norm ein
recht ansehnlicher Schleimbeutel, unsere Bursa subabductoria radialis.
Die vordere x-^nheftung der Loge, unter dem M. brachioradialis
verborgen, ist dagegen gut entwickelt. Durch den schrägen Ver-
lauf der aus der Tiefe in die Oberfläche gelangenden M. ab-
ductor pollicis longus und extensor pollicis brevis kommt es zu einer
nochmaligen Unterbrechung,^ des Fasciculus longitudinalis radialis,
welcher als derbe Trennungsschicht erst am distalen Ende des M.
extensor pollicis brevis beginnt und bis zum M. extensor pollicis
longus reicht, dort, wo dessen Sehne stumpfwinklig zum Daumen um-
biegt. — Der Nerv für den M. extensor caipi radialis longus tritt in
der Höhe des Epicondylus medialis, d. h. des Ellenbogengelenkes,
selbstverständlich an dessen radialer Seite, zum Muskel; das Haupt-
gefäß in der Höhe der Tuberositas radii, ein accessorisches von der
Tiefe aus unter Durchbohrung des M. extensor carpi radialis brevis;
der Nerv für letzteren Muskel in der Höhe der Tuberositas radii, die
Gefäße teils mit ihm (A. recurrens radialis) teils weiter distal bis in
das distale Drittel des Vorderarmes (A. radialis). Noch weiter gegen
das Handgelenk hin entwickeln sich einige kleine Zweige für Logen-
wand und Sehnenscheide.
VII. Loge des M. pronator teres. Besonders stark ist die ulnare
Wand durch die Aponeurosis intermuscularis zwischen ihm und dem
M. flexor carpi radialis. Die Facies profunda ist nur dann deutlich,
wenn das Caput ulnare fehlt; in solchen Fällen ist auch der N.
medianus fasciell gegen die Loge abgetrennt, die er bei vorhandenem
Caput ulnare durchsetzen muß. Die Facies profunda läßt die Sehne
des M. brachialis durchschimmern, die Teilung der A. brachialis und
den Anfangsteil der A. radialis und ulnaris deutlich erkennen. —
Die Nerven treten in der proximalen Hälfte zum Muskel, ohne be-
sondere Löcher zu benutzen. Solche werden erst in der distalen
Hälfte durch Vasa accessoria (A. radialis) erzeugt. Die Anastomose
zwischen A. coUateralis ulnaris inferior und R. anterior der A. re-
currens ulnaris erzeugt ebenfalls einige Muskeläste.
VIII. Loge des M. palmaris longus. Eintritt des Nerven und
des einzigen Ernährungsgefäßes in unserem einen Falle — an den
beiden anderen Armen fehlte er — 4 cm distal vom Epicondylus
medialis.
IX. Loge des M. extensor digiti minimi proprius. Von einer
solchen kann eigentlich nur durch die Begrenzung gegen den M. ex-
tensor carpi ulnaris gesprochen werden, welchen wir als Fasciculus
longitudinalis ulnaris bezeichnet haben. Besonders ist gegen die tiefe
252
Logen am Vorderarme. 253
Schicht der Extensoren keine deutliche, trennende Fascie entwickelt.
— Eintritt des Nerven 9 cm distal vom Epicondylus radialis, Ge-
fäße teils hier, teils weiter distal. Das proximale tritt wie der Nerv
von der Tiefe aus, die distalen von der ulnaren Kante in den Muskel
ein: A. interossea dorsalis (superior).
X. M. extensor digitorum communis. Die Loge ist im proximalen
Drittel stark sehnig durch die Aponeurosis intermuscularis zwischen
ihm und den Nachbarmuskeln, radial dem M. extensor carpi radialis
brevis, ulnar dem M. extensor carpi ulnaris ; mit letzterem zusammen
bildet sie die Fortsetzung des Fasciculus longitudinalis ulnaris bis
zum Epicondylus lateralis als unser Lig. intermusculare profundum
ulnare. Die Abgrenzung gegen die tiefe Schicht der Extensoren
findet sich nur sehr undeutlich angegeben, weshalb wir nicht weiter
bei einer Fascia dorsalis antebrachii intermedia als Grenzschicht
zwischen oberflächlichen und tiefen Extensoren verweilen werden.
Der Grund dafür liegt darin, daß die Nerven und Gefäße zwischen
der oberflächlichen und tiefen Schicht ihren Weg nehmen und an ver-
schiedenen Stellen ihre Zweige nach beiden Richtungen hin schicken.
Außerdem gehören beide Muskelgruppen funktionell zusammen, und wie
wii' es bei den beiden M. extensores carpi radiales kennen gelernt
haben und bei den beiden M. flexores digitorum bezw. dem jNI. flexor
poUicis longus sehen werden, bedingt die gleiche Wirkung auch den
Einschluß in eine gemeinschaftliche Loge, bisweilen sogar dieselbe
Sehnenscheide, Die Nerven treten ungefähr 8 cm distal vom Epicondylus
lateralis d. h. an der Grenze des proximalen und mittleren Drittels
von der Tiefe aus zum Muskel, die zahlreichen Gefäße teils an dieser
Stelle, teils proximal und besonders distal: A. interossea dorsalis
(superior).
XL Loge des M. pronator quadratus. Die eigentümliche Vgr-
laufsrichtung der Muskelbündel quer zur Achse des Vorderarmes be-
dingt es, daß die Fascie letzterer parallel gefasert ist, und zwar ent-
sprechend der Richtung der Vorderarmknochen. Obwohl die Binde
nicht sonderlich stark ist, läßt sie sich doch als einheitliche Lamelle
leicht von dem Muskel abheben, ein Verhalten, wie es gleich beim
M. supinator wiederkehren wird. Bei beiden Muskeln ist nämlich
die breite Muskelplatte bei den entsprechenden Bewegungen einer
ausgiebigen Verkürzung fähig, welche bei einer schwachen Fascie am
wenigsten beeinträchtigt wird. Besonders erwähnenswert sind jedoch
beim M. pronator quadratus die im wesentlichen longitudinalen Ver-
stärkungszüge, welche über der Mitte des Muskels in die Fascie ein-
gewebt sind. — Der Nerv und das Hauptgefäß verschwinden am
proximalen Ende der Fascie, um sich von der Tiefe aus zum Muskel
zu verbreiten. Accessorische Gefäße aus den A. radialis, ulnaris und
dem Rete carpi volare sorgen für eine ausgiebige allseitige Ernährung
des Muskels.
XIL Loge des M. supinator. Ihre Beschaffenheit im allgemeinen
haben wir bei dem vorhergehenden Muskel beschrieben. An Be-
sonderheiten ist zu erwähnen die innige Verbindung des Muskel-
ursprunges mit der Aponeurosis intermuscularis zwischen den M. ex-
tensor carpi radialis brevis und digitorum communis auf der radialen
Seite, und den M. extensor carpi ulnaris und digitorum communis
(extensor digiti minimi proprius) auf der ulnaren Seite. In dieser
Weise entsprechen die beiden Ränder des M. extensor digitorum
253
254 FROHSE und M. FRÄNKEL,
communis in der Tiefe unseren beiden gleichnamigen Lig. inter-
muscularia profunda. Wir haben für diese Bildungen, welche die
saubere Präparation des M. supinator oft sehr erschweren, die Namen
Lig. intermuscularia profunda radiale und ulnare vorgeschlagen. —
Die Nervenzweige lösen sich bereits in der Höhe des Gelenkspaltes
aus dem R. profundus n. radialis los und treten in wechselnder An-
zahl unter den Sehnenbogen herunter. Von einer Oeffnung oder
einem Schlitze in der Fascie kann nicht gesprochen werden, weil sich
diese auf die Teilungsstelle des N. radialis ganz allmählich herüber-
schlägt. Die Gefäße entstammen für den proximalen Teil des Muskels
aus der A. recurrens radialis, für den distalen aus der A. interossea
dorsalis, wo dieselbe die A. interossea recurrens abgibt, und auch
aus letzterer. Ein KoUateralkreislauf zwischen diesen beiden Ge-
fäßen ist normalerweise kaum angedeutet, dürfte aber in patho-
logischen Fällen nicht außer acht zu lassen sein.
XIII. Loge der Fingerbeuger. Dieselbe beherbergt die M. flexores
digitorum sublimis, profundus und pollicis longus; außerdem den
N. medianus, N. et Vasa ulnaria, N. et Vasa interossea volaria. Eine
Sonderung in Unterfächer halten wir nicht für ratsam, weil die
trennenden Bindegewebsschichten sehr zart sind^ und außerdem
zwischen den 3 Muskeln die mannigfachsten Konjugationen vor-
kommen können, von denen wir eine, nämlich den accessorischen
Kopf des M. flexor pollicis longus vom M. flexor digitorum sublimis
als Norm bezeichnen müssen. Wenn wir jedoch eine große, alle
3 Muskeln und alle sonstigen Gebilde einschließende Loge annehmen
wollen, wozu wir durchaus berechtigt sind, so müssen wir als Decke
die Facies profunda der Logen für die oberflächlichen Beugemuskeln
annehmen, d. h. die M. pronator teres, flexor carpi radialis, palmaris
longus und flexor carpi ulnaris, und in den Zwischenräumen, welche
diese Muskeln mit ihren Sehnen zwischen sich lassen, die Fascia
antebrachii volaris mitheranziehen. Diese oberflächliche Wand der
Loge bildet einen Bogen, welcher sich vom freien Rande des Radius
zu dem der Ulna herüberspannt (s. Fig. 80). Als Boden wären die
beiden Knochen mit ihrer Membrana interossea aufzufassen, welche ja
nur in ihren beiden mittleren Vierteln stark sehnig ist, im proximalen
Viertel dagegen nur bindegewebig, weil dort der M. supinator, die
Ansatzsehne des M. biceps und die verschiedensten Gefäße und Nerven
liegen. Im distalen Viertel haben wir nicht die beiden Vorderarm-
knochen als Boden aufzufassen, auch nicht die hier sehr schwache
Membrana interossea, sondern den M. pronator quadratus mit seiner
Spezialfascie. Die proximale Pforte führt mit den Vasa brachialia
und dem N. medianus in die Ellenbeuge und weiterhin in den Sulcus
bicipitalis medialis, durch den N. radialis und die Vasa recurrentia
radialia zur lateralen Seite des Oberarmes, und zwar nur zur Tiefe
hin. Der erstere Weg wird von den tiefen Phlegmonen des Vorder-
armes gewöhnlich benutzt, aber auch der radiale kann in Frage
kommen. Auch distal findet sich keine Abgrenzung der Loge, indem
die Sehnen sich unmittelbar durch den Hohlhandtunnel in die Vola
manus fortsetzen. Indessen könnte man das proximale Ende der
Sehnenscheiden sämtlicher Fingerbeuger als ideelle Grenze auffassen,
welche bei Entzündungen jedoch keinen erheblichen Widerstand bietet.
Die gewöhnlich vorhandenen 3 Nerven für den M. flexor digi-
torum sublimis treten in folgender Weise ein: Der erste Zweig für
254
Logen am Vorderarme. 255
den Venter superior des oberflächlichen Zeigefingerbeugers 3,5 cm
distal vom Epicondylus medialis, der gemeinschaftliche Nerv für III,
IV und V etwa 7 cm distal, eventuell aus dem N. interosseus volaris,
heraus. Der dritte Nerv für den Venter inferior sublimis indicis 15 cm
distal, d. h. erst in der distalen Hälfte des Vorderarmes. Die Ge-
fäße werden im proximalen Viertel von Zweigen der A. recurrens
ulnaris geliefert, im mittleren Viertel von der A. mediana, in den
beiden distalen Vierteln von der A. radialis sowohl, wie der ulnaris.
Durch die zahlreichen Gefäße ist für eine bequeme Blutzufuhr von
allen Seiten gesorgt.
Die Nerven für den M. flexor digitorum profundus treten vom
N. ulnaris aus 5 cm, die vom N. medianus oder besser dem N. inter-
osseus volaris aus 10 cm distal vom Epicondylus medialis zum Muskel.
Die accessorischen Zweige, welche sich von letzterem Nerven aus
distal zum Muskel loslösen, haben wir keiner besonderen Messung
unterzogen. An Zahl wechselnd, können sie sich erst distal bis zur
Grenze des mittleren und unteren Drittels des Vorderarmes ab-
zweigen. Die Gefäße treten von der Oberfläche oder vom radialen
Rande in den Muskel ein. Erstere werden proximal von dem R.
posterior a. recurrentis ulnaris geliefert, distal von der A. ulnaris
selbst. Die tiefen Gefäße sind Seitenzweige der A. interossea
volaris.
Der M. flexor pollicis longus erhält seine Nerven zweigeteilt beim
Beginne seines Muskelfleisches etwa 10 cm distal vom Epicondylus
medialis aus dem N. interosseus volaris. Die zahlreichen feinen Ge-
fäße stammen proximal aus der A. mediana, lateral aus der A.
radialis, medial aus der A. interossea volaris.
XIV. Loge der M. abductor pollicis longus und extensor pollicis
brevis. Obwohl diese in der Höhe der Membrana interossea nicht
scharf gegen die oberflächlichen und tiefen Nachbarmuskeln der Streck-
gruppe abgegrenzt ist, verdichtet sie sich jedoch gegen unseren Fasci-
culus longitudinalis radialis immer mehr und bildet von der Stelle an,
wo die Muskeln an die Oberfläche gelangen, eine hautwärts scharf
umschriebene Loge, während in der Tiefe, knochenwärts die binde-
gewebige Abgrenzung gegen die Sehnen beider M. extensores carpi
radiales durch einen Schleimbeutel, unsere Bursa subabductoria
radialis, in breiter Ausdehnung dünn geworden zu sein pflegt, wenigstens
beim Erwachsenen. Mit dem Beginne der Sehnenscheide, d. h. in der
Höhe des proximalen Randes des Lig. carpi dorsale tritt erst die
-charfe Sonderung ein, welche auch bei den anderen Muskeln der
Streckseite wiederkehrt, die wir jedoch nicht bei der Fascie des
Vorderarmes besprechen konnten, sondern bei den Sehnenscheiden
der Streckseite ausführlich berücksichtigen werden.
Die Nerven für den M. abductor pollicis longus treten, da der
Hiatus distalis des Canalis für den R. profundus n. radialis der
Grenze zwischen proximalem und mittleren Drittel des Vorderarmes
zu entsprechen pflegt, erst im mittleren Drittel zu den Muskelbündeln ;
gewöhnlich ein radialer und ein ulnarer Zweig. In welcher Höhe
sich aus dem medialen Aste der besondere Zweig für den M. ex-
tensor pollicis brevis entwickelt, richtet sich nach der Ausdehnung dieses
Muskels proximalwärts. Die Gefäße kommen für den M. abductor aus
der A. interossea dorsalis und auch der A. radialis ; für den M. extensor
pollicis brevis vornehmlich aus der A. interossea volaris, welche
255
256 FROHSE und M. FRÄNKEL,
von der Durchbohrung der Membrana interossea an früher auch als
A. interossea dorsalis inferior bezeichnet zu werden pflegte.
XV. M. extensor pollicis longus und indicis proprius. Die Ein-
trittsstelle der Nerven befindet sich erst in der distalen Hälfte des
Vorderarmes in dessen Beginne. Die Gefäße stammen im proximalen
Teile aus der A. interossea dorsalis (superior), im distalen der A.
interossea volaris (dorsalis inferior). Für den distalen, sehr weit
fleischigen M. extensor indicis proprius kommt auch noch das Rete
carpi dorsale in Betracht. Der sehr stark entwickelte Kollateral-
kreislauf auf der dorsalen Seite des Handgelenkes kommt auch den
Muskeln und besonders den Sehnen und Sehnenscheiden zu gute.
A. Fasciae volares inanus.
1) Oberflächliche Schicht.
a) Palmaraponeurose.
Synonyma: Hohlhandaponeurose oder -binde; Aponeurosis palmaris;
Aponevrose palmaire.
Die folgende Beschreibung der Palmaraponeurose ist im wesent-
lichen PoiRiER entlehnt, der sie wohl am ausführlichsten berück-
sichtigt hat, S. 167—170, teils in fast wörtlicher Uebersetzung, teils
in freier, unter Auslassung verschiedener Stellen, welche uns noch
nicht sicher genug nachgewiesen schienen, unter Hinzufügung eigener
Beobachtungen. Wer sich der Mühe unterziehen will, die teilweise
recht schwer verständliche Darstellung von Poirier im Originale zu
lesen, wird selbst herausfinden, wo wir mit ihm übereingestimmt
haben, wo wir seine Ausführungen nicht mitunterschrieben und
durch eigene ergänzt haben.
Im Bereiche der Hohlhand gibt es 2 Binden, eine oberflächliche
und eine tiefe.
Die oberflächliche Schicht zerfällt, wie man auf den ersten Blick
erkennen kann, in drei Unterabteilungen : eine zentrale, aponeurotische
im Bereiche der eigentlichen Hohlhand, und zwei periphere, fascielle,
welche Thenar, Daumenballen und Hypothenar, Kleinfingerballen ent-
sprechen. Die wichtigste ist die mittlere, welche als Aponeurosis
palmaris im engeren Sinne, oder überhaupt als diese, wenigstens bei
den deutschen Autoren, aufgeführt wird.
Aponeurosis palmaris s. str.
(Aponevrose palmaire moyenne Poirier).
Idiotopie und Skelotopie.
Die mittlere oder eigentliche Hohlhandaponeurose stellt eine
dreieckige Sehnenlamelle dar mit distaler Basis und zum Lig. carpi
transversum gewandter Spitze. Es wäre verkehrt, zu sagen, daß sie die
Fortsetzung des M. palmaris longus bildete. Denn dieser Muskel
kann vollständig fehlen, ohne daß deshalb die Aponeurose die ge-
ringste Einbuße in ihrer gewöhnlichen Stärke und Gestalt zu er-
fahren braucht. Trotzdem, daß die Aponeurose sehnenartigen Glanz
256
Tascien der Hand. 257
besitzt, kann sie nicht ohne weiteres mit einer ausgebreiteten Sehne,
einer Muskelaponeurose verglichen werden, eher noch die Plantar-
aponeurose, welche ihrerseits ja noch einem Muskel zum Ursprünge
dient. Wenn man den Befunden, welche gewöhnlich am erwachsenen
Menschen verwirklicht sind, ohne Rücksicht auf vergleichende Anatomie
u. s. w., Rechnung trägt, kann man jedoch sagen, daß die Aponeurosis
palmaris eine wirkliche Aponeurose darstellt, allerdings von ganz be-
sonderem Baue.
Ihr Beginn fällt in der Vola mit dem distalen Ende des Lig. carpi
transversum zusammen, sei es als unmittelbare Fortsetzung der Sehne
des M. palmaris longus, sei es als fächerförmiger Ursprung aus der
Fascia antebrachii, sei es als sich verjüngender Zug, der die Höhe
der Artic. radiocarpea überhaupt nicht erreicht.
Die distale Grenze ist noch schwerer anzugeben. Der eigentlich
sehnige Charakter hört volarwärts in der Höhe der Articulationes
metacarpophalangeae auf, d. h. in der queren Linie, welche man un-
gefähr 2 cm proximalwärts von den volaren Schwimmhäuten über die
ganze Breite der Vola manus — vom Zeige- bis Kleinfinger — ziehen
kann. Die Verlängerungen der Aponeurose über diese Linie hinaus
sind zwar regelmäßig vorhanden, aber in ihrem Baue so verschieden
gestaltet, daß sie eine besondere Besprechung verdienen.
Seitlich setzt sich die Aponeurosis palmaris, mehr oder minder
scharf abgegrenzt, auf die Fascien des Daumen- und Kleinfinger-
ballens fort.
Holotopie und Syntopie.
Von den beiden breiten Flächen der Aponeurose ist die vordere
oder oberflächliche eng mit der Haut verbunden, die hintere oder
tiefe entspricht zunächst in ihrem proximalen Teile dem Lig. carpi
transversum. Man kann sich aber leicht durch die Durchschneidung
der seitlichen Befestigungen am Thenar und Hypothenar davon über-
zeugen, daß die Verbindung mit dem Bande selbst in dessen Mitte nur
eine lockere ist. — Am distalen Rande des Lig. carpi transversum
findet sich dagegen eine stärkere Verbindung mit demselben.
In der Hohlhand selbst legt sich die Aponeurose der Reihe nach
auf den Arcus volaris superficialis, die von diesem ausgehenden
Digitalarterien, auf die Zweige des N. medianus und ulnaris, die
Beugesehnen und die M. lumbricales; die noch tiefer gelegenen Ge-
bilde kommen, weil sie durch die Fascia interossea volaris abgegrenzt
sind, nicht mehr in direkte Berührung mit ihr.
Feinerer Bau.
Die Aponeurosis palmaris besteht aus longitudinalen und trans-
versalen Fasern.
Die longitudinalen lassen einen doppelten Ursprung erkennen.
Die zahlreichsten und gleichzeitig oberflächlichen Fasern setzen ent-
weder die Sehne des M. palmaris longus fort oder entspringen, wenn
dieser fehlt, in der Richtung, welche er sonst nimmt. Die weniger
zahlreichen tiefen Fasern entspringen vom distalen Rande des Lig.
carpi transversum, bilden zwei starke Bündel, welche sich X-förmig
überkreuzen, und strahlen bald in die oberflächliche Schicht aus. Ihr
Handbuch der Anatomie. II, II, 2. l'T
258 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Ursprung setzt sich bisweilen bis zum Os multangulum majus und
hamatum fort.
Möge auch der Ursprung sein, wie er wolle, die longitudinalen
Fasern steigen divergierend zu den Fingern hinunter. Sie bilden
dabei eine ziemlich einheitliche Platte, weisen aber häufig einen so
erheblichen Unterschied in der Dicke an einzelnen Stellen auf, welche
den Achsen der Finger entsprechen, daß es erlaubt ist, sie in ein-
zelne Streifen zu zerlegen.
Am wichtigsten sind die vor den Beugesehnen gelegenen Züge,
die Languettes pretendineuses von Legueu und Juvara ; die weniger
bedeutsamen verlaufen zur Tiefe an den Seiten der Sehnen vorbei;
sie sind Languettes intertendineuses genannt.
Diese Fasern verdienen eigentlich nur an den beiden Rändern
der Hohlhand Beachtung, ulnar begrenzen sie den Hypothenar und
strahlen am Handrande in den Beginn der Linea mensalis aus;
radial begrenzen sie den Thenar und enden mit dem radialen Be-
ginne der Linea vitalis, derjenigen Hautfalte, welche sich scharf
zwischen Daumen und Zeigefinger einschiebt.
Das Ende der Fasciculi praetendinosi, languettes pretendineuses,
ist sehr verwickelt, man kann sogar 3 verschiedene Abteilungen unter-
scheiden :
1) Insertionen an der Tiefe der Haut. Diese machen sich, be-
sonders bei Frauen oder bei wohlgenährten Männern, welche keine
schweren Handarbeiten auszuführen gewohnt sind, distal von den
Articulationes metacarpophalangeae als Vertiefungen bemerkbar, gegen-
über den Vorwölbungen der Fettpolster in den Interdigitalräumen,
den Monticuli der Chiromanten. Am deutlichsten sind sie bei Hyper-
extension der Finger zu erkennen. Einige dieser Fasern gehen bis
zu den Fingern, wo man sie bis zur ersten Beugefalte verfolgen kann,
zeitweilig in Form von zwei zarten Bändchen bis zu den Seitenrändern.
Frohse hat sogar (Arch. f. Anat. u. Phys., 1906, S. 101 — 108) eine
besondere Aponeurosis digitalis ausführlich nach Bau und Funktion
beschrieben.
2) Insertionen in der Tiefe bis zur Fascia interossea volaris
(anterior) und dem Lig. capitulorum transversum. Da die Haupt-
stränge der Palmaraponeurose gerade über den Beugesehnen liegen,
ist es klar, daß die tiefen Fasern sich um die Sehnen herumschlingen
müssen. Auf der Rückseite derselben vereinigen sie sich aber wieder
und bilden so eine Reihe von 4 sekundären Sehnenfächern in dem ge-
meinschaftlichen primären Höhlhandfache, welches seinerseits außerdem
die Gefäße, Nerven und M. lumbricales enthält.
Die Angaben von Poirier über die seitlichen Ausstrahlungen
der Palmaraponeurose, welche die beiden Beugesehnen umgeben,
möchten wir an einem Befunde einer sehr langen (21 cm) rechten
Männerhand erweitern. Die einzelnen Maße, von unserer queren
Hohlhandfurche aus distal wärts gemessen, waren nicht nur für jeden
dreigliedrigen Finger verschieden, sondern auch an der radialen und
ulnaren Seite. Auch hier spielte die jeweilige Anheftung der M.
lumbricales die entscheidende Rolle, inwieweit der radiale Umfang sich
als der kürzere gegenüber dem ulnaren erwies. Unsere Maßbestim-
mungen in der Längsrichtung der Fasern ergaben für die ulnare
Seite ein Schwanken zwischen 1 — 3 cm, für die radiale ein solches von
0,2-1,5.
. 258
Fascien der Hand. 259
Die seitlichen Ausstrahlungen der Aponeurosis palmaris zu
dem Lig. capitulorum transversum und der mit diesem unmittelbar
zusammenhängenden Fascia interossea volaris dürften für das Zu-
standekommen der DuPUYTRENSchen Kontraktur von Bedeutung sein.
Frohse hat diese Krankheit an mehreren Fällen im Beginne oder
ausgesprochener Form zu präparieren Gelegenheit gehabt, und zwar
am 4. oder 3. Finger oder beiden gemeinsam, und fand dabei eine
fast unglaubliche, bandartige Verdickung dieser Fibrae laterales,
welche nach Durchtrennung der zur Haut ziehenden oberflächlichen
Züge wie eine starre Gabel den Beginn der Fingersehnenscheiden
umfaßten. Fränkel hat weiland Professor NASSE-Berlin oft die
DuPUYTRENsche Kontraktur operativ behandeln gesehen. Dieser
Chirurg legte einen ungefähr 3 cm langen Längsschnitt an, welcher
kaum über unsere quere Hohlhandfurche distalwärts hinausreichte
und entfernte dann in diesem Bezirke unter peinlichster Schonung
der eigentlichen Sehnenscheidenwand die verdickte Palmaraponeurose,
stellte also eine künstliche Unterbrechung zwischen Ursprung und
Ansatz der Palmaraponeurose her, ungefähr dasselbe aktive Vorgehen,
wie es passiv bei einer Sehnendurchtrennung der Fall ist. Der Er-
folg war durchweg ein befriedigender, wie auch Fränkel an eigenen
Fällen bestätigen kann.
3) Insertionen an den Kapseln der Articulationes metacarpo-
phalangeae. Sie entspringen, wie die vorigen, zu den Seiten der
Sehnen von der Aponeurose, finden aber nicht mit der Fascia inter-
ossea anterior und dem Lig. capitulorum transversa ihr Ende, sondern
gehen noch zwischen den Köpfchen der Mittelhandknochen und den
dazwischen gelegenen M. interossei weiter bis zur Fascia interossea
dorsalis. Zwischen je zwei benachbarten M. interossei ist sogar noch
eine dünne Scheidewand vorhanden, als Abgrenzung gegen die Ge-
lenkkapseln ; häufig sogar ein Schleimbeutel, der jedoch als durch die
Sehne der M. interossei entstanden aufzufassen ist.
Die transversalen Querfasern sind weniger zahlreich. Unter den
longitudinalen gelegen, können sie im proximalen Drittel vollkommen
fehlen, nehmen aber bald einen bandartigen Charakter an. Diese
Fibrae transversae, welche von der Höhe der Articulatio metacarpo-
phalangea indicis bis zu der gleichen des Kleinfingers gehen, können
direkt als Lig. palmae transversum superficiale bezeichnet werden.
Die längsten Züge können sogar noch über den ulnaren Rand der
Hand hinaus auf das Dorsum bis auf die Strecksehne des kleinen
Fingers übergreifen. Außerdem finden sich aber noch kürzere Züge,
welche zwischen zwei benachbarten Sehnen verlaufen, in der Tiefe
hängen sie mit der Fascia interossea (volaris) zusammen.
Lig. natatorium (BRAUNE).
Synonyma: Volares Schwimmband, Schwimmhaut; Ligament palmant
inter-digital Poirier, bandelette transversale souscutanee Bourgery, liga-
ments interdigitaux Legueu, Juvara.
Dieses Band stellt einen queren Streifen dar, welcher, dicht unter
der Haut, im sogenannten volaren Schwimmbande vom Kleinfinger
zu Ring-, Mittel- und Zeigefinger sich erstreckt. Die Fasern, welche
Zeigefinger- und Daumenhaut verbinden, können nicht hier mitheran-
gezogen werden; sie verdienen den Namen eines Bandes nicht.
17*
259
260 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Der proximale Rand des Bandes ist nahezu quer und kann ein-
heitlich dargestellt werden, wenn die Hautansätze der Palmaraponeurose
bis zum distalen Rande ihrer Fibrae transversae entfernt werden.
Dann sieht man gleichzeitig, daß das Lig. natatorium und die Fibrae
transversae mindestens 1 cm voneinander entfernt sind.
Der gegen die Hohlhand zu konkave Rand des Lig. natatorium
ist es nicht allein proximal in der Gesamtheit, sondern auch distal,
zwischen den 3 Kommissuren des 2. bis 5. Fingers. Der freie Rand
hebt, wie man beim Fingerspreizen leicht beobachten kann, den freien
Interdigitalrand etwas empor.
Die Fasern des Bandes sind verschieden lang und auch ver-
schieden gerichtet; im allgemeinen verbinden sie nur die Nachbar-
finger miteinander und hindern ein zu weites Entfernen derselben,
am schönsten sieht man die Wirkung dieses Bandes durch die Haut,
wenn man die Finger stark spreizt und sie dann etwas beugt,
oder wenn man Mittel- oder Ringfinger beugt, während die betreffen-
den Nachbarfinger gestreckt bleiben, dann legt es sich wie eine
Schlinge um den Finger herum und hindert sehr bald seine selb-
ständige Ueberbeugung.
Eine besondere Beachtung werden hinterher die Fasern ver-
dienen, welche sich mit den intertendinösen Fasern der Palmar-
aponeurose einerseits und der seitlichen Fingerhaut andererseits ver-
binden.
Bedeutung.
Wie das Lig. carpi transversum die Handwurzelknochen fest zu-
sammenhält und mit ihnen einen förmlichen Tunnel bildet zum Durch-
tritte für die Beugesehnen und den N. medianus, so hält die Hohl-
handaponeurose die Mittelhandknochen zusammen und entwickelt aus
dem gemeinschaftlichen Hohlhandtunnel, der einem Zentralbahnhofe
vergleichbar ist, eine Reihe von Zweiggeleisen, nicht allein für die
eben genannten Gebilde, sondern auch noch für die Muskeln, welche
sich von den tiefen Beugesehnen entwickeln, die Hautäste des N.
ulnaris und den Arcus volaris superficialis mit seinen Fingerarterien.
Um die Sehnen herum sind besondere Verstärkungszüge angelegt,
während die Muskeln, Nerven und Gefäße nur durch dünne Binden
eingescheidet sind und größere Bewegungsfreiheit haben.
b) Fascien der Handballen.
Synonyma: Aponevroses palmaires externe et interne.
Die dünnen Bindegewebslagen, welche Thenar und Hypothenar
einhüllen, verdienen, deutschem Sprachgebrauche nach, den Namen
Aponeurosis nicht, ebensowenig wie wir von einer Aponevrose
brachiale reden. Es fehlen ihnen die festen und glänzenden Züge
der eben beschriebenen eigentlichen Aponeurosis palmaris, nur beim
Uebergange in dieselbe finden wir noch einige auf die Handballen
übergreifende sehnige Fasern.
a) Fascie des Tüenar.
Diese Fascie deckt die 4 Muskeln des Daumenballens. Vom
äußeren, lateralen Rande des Os metacarpale I ausgehend, deckt sie
260
Fascien der Handballen, 261
nacheinander die präparatorisch freiliegenden Teile der M. opponens,
abductor, flexor und adductor pollicis. Bis zum ulnaren Rande des
oberflächlichen Kopfes des M. flexor pollicis brevis liegt sie also nur
unter der hier ziemlich fettarmen Haut, von der sie deshalb schwer zu
trennen ist, dann biegt sie hakenförmig gegen den 1. Mittelhand-
knochen um, um auf dem tiefen Flexorkopfe die Sehne des M. flexor
pollicis longus zu umfassen, und zwar von der tiefen Seite aus; auf
dem M. adductor pollicis verläuft sie wieder in der Ebene der Mittel-
handknochen, bis sie am 3. ihr Ende findet oder besser sich mit der
Fascia interossea volaris vereinigt. Das obere uhd untere Ende der
Fascie ergibt sich aus Ursprung und Ansatz der bedeckten Muskeln ;
sie erstreckt sich also im radialen oder auch proximalen Teile vom
Lig. carpi transversum bis zur Basis der 1. oder Grundphalanx des
Daumens und vom ulnaren Sesambeine nahezu transversal bis zum
3. Mittelhandknochen.
Zwischen den einzelnen Daumenmuskeln finden sich auch dünne
Scheidewände, sehr undeutlich ist aber bisweilen die Grenze zwischen
den M. opponens und flexor brevis.
Der den M. adductor deckende Teil der Fascie liegt natürlich
tief und wird von den Beugesehnen für den 2. und 3. Finger über-
lagert.
ß) Fascie des Hypothenar.
Vom ulnaren Rande des 5. Mittelhandknochens ausgehend, über-
zieht sie nacheinander die M. opponens, abductor, flexor brevis
digiti minimi und setzt sich in der Tiefe an dem radialen Rande
des 5. Mittelhandknochens an. Bei der scharfen Trennung des M.
abductor und opponens ist am ulnaren Rande auch die trennende
Zwischenfascie gut entwickelt; mit ihr verbunden ist außerdem die
volare Nebensehne des M. extensor carpi ulnaris, welche sich bis
zum distalen Ende des M. opponens verfolgen läßt. Das obere und
untere Ende der Fascie richtet sich wieder nach Muskelursprung und
-ansatz, d. h. die Binde geht von der Höhe des Erbsenbeines bis zur
Basis der 1. oder Grundphalanx des kleinen Fingers, wo sie in die
Wand der Beugesehnenscheide übergeht. Mit dem M. palmaris brevis
hat diese Fascie nichts zu tun ; derselbe ist vielmehr in seinem
fleischigen Teile in das Fett eingeschlossen, welches vor allem dem
Kleinfingerballen seine Rundung verschafft. Von einer besonderen
Binde darf man bei ihm ebensowenig sprechen, wie bei den Gesichts-
muskeln oder dem Platysma. Auch in dieser Beziehung erweist er
sich als ein wahrer Hautmuskel.
2) Mittlere Schicht.
Hohlhandfächer.
Synonyma : Spatia interfascialia palmaria, Loges de la paume de
la main.
Die eigentliche Hohlhand wird von den Mittelhandknochen und
den dazwischen liegenden M. interossei durch die Fascia interossea
volaris getrennt. Die besonderen 4 osteofibrösen Räume, in welchen
die Zwischenknochenmuskeln liegen, sind bereits bei der Beschreibung
der Fascia interossea dorsalis dargestellt worden.
261
262 FROHSE und M, FRÄNKEL,
Anatomisch berechtigt uud den Bedürfnissen der Chirurgen an-
gepaßt ist eine Zerlegung in 3 Fächer. Es empfiehlt sich, die Daumen-
sehnenscheide dem Thenar, und die Sehnenscheide des kleinen Fingers
dem Hypothenar anzugliedern.
Das äußere, laterale oder radiale Fach enthält also sämtliche kurze
Daumenmuskeln und die Sehnenscheide des M. flexor poUicis longus,
das innere, mediale oder ulnare die Muskeln des Kleinfingerballens
mit Ausnahme des M. palmaris brevis, ferner den R. profundus des
N. und der A. ulnaris und vor allem auch die Sehnenscheide der
beiden Kleinfingerbeuger. Das mittlere, anatomisch interessanteste
Fach enthält die Beugesehnen des Zeige- bis Ringfingers, sämtliche
Lumbricalmuskeln, den Arcus volaris sublimis mit seinen Zweigen und
die sensiblen Nerven der Finger mit Ausnahme desjenigen für den
ulnaren Kleinfingerrand.
3) Tiefe Schicht.
Fascia interossea anterior.
Synonyma: Vordere oder volare Zwischenknochenbinde ; Aponevrose
palmaire profonde ou interosseuse anterieure.
Man hat die Wahl, ob man sie mit Henle als einheitliche Lage
betrachten, oder sie mit Sappey in 4 Unterabteilungen zerlegen will,
deren jede einem Zwischenknochenraume entspricht.
Wir möchten jedoch eine Mittelstellung einnehmen, indem wir
einen ulnaren Teil unterscheiden, medial von dem vorderen Rande
des 3. Mittelhandknochens, der schon nach Entfernung der Beuge-
sehnen sichtbar wird, und einen radialen, der erst nach Entfernung
der Ursprünge des M. adductor polhcis vom 3. und 2. Os meta-
carpale frei zu Tage liegt.
Die Fascie beginnt im Anschlüsse an die des Hypothenar, Klein-
fingerballens, und geht brückenartig zum vorderen Rande des 4. und
weiter des 3. Mittelhandknochens, wo sie zunächst eine Verschmelzug
mit der Fascie des M. adductor pollicis und dadurch der des Daumen-
ballens erfährt. Unter dem Caput transversum des M. adductor
pollicis setzt sie sich zunächst bis zur volaren Kante des Os meta-
carpale II fort und findet ihr Ende am inneren, ulnaren Rande des
Mittelhandknochens des Daumens.
Proximal geht sie unmerklich in den Bandapparat der Handwurzel-
knochen über, distal endet sie in der Höhe der Articulationes meta-
carpophalangeae als immer dicker werdende Schicht, die aber in Wirk-
lichkeit mit den sogenannten Lig. capitulorum transversa zusammen-
hängt. Bei der Muskelpräparation pflegt man diese Bänder scharf
gegen die Fascie abzusetzen und letztere zu entfernen. Dann zieht
dieses Band vom Gelenke zwischen Mittelhandknochen und Grund-
phalanx des kleinen Fingers bis zu dem entsprechenden des Zeige-
fingers und trennt in erster Linie die M. lumbricales und die Gefäße und
Nerven der Finger von den M. interossei, in zweiter Linie wäre erst
die selbstverständliche Tatsache zu erwähnen, daß die Beugesehnen
vor, d. h. hautwärts von der Fascie und diesem Bande ihren Weg
zu den Fingern nehmen. An dieser Stelle trennt das Band, besser
die bandartig verdickte Fascie die Beugesehnen von den Gelenken.
262
Fasciae dorsales manus. 263
B. Fasciae dorsales iiiaiius.
Synonyma: Fascien des Handrückens; Aponevroses dorsales.
Leicht darstellbar sind deren zwei, eine oberflächliche, die Streck-
sehnen bedeckende, und eine tiefe, welche auf den M. interossei dor-
sales liegt.
Die schwächere von beiden ist die oberflächliche, welche das
Lig. carpi dorsale distalwärts fortsetzt und in der Höhe der Knöchel
sich mit dem Bindegewebe hautwärts von den Strecksehnen vereint
und an den Fingern selbst nicht mehr als selbständiges Gebilde dar-
gestellt werden kann.
Daß sie in Knöchelhöhe auch mit der tiefen Fascie verschmilzt,
bedarf wohl kaum besonderer Erwähnung, weil ja hier das Fleisch
der M. interossei aufhört. Wo aber das Muskelfleisch beginnt, also
proximal von den Knöchelgelenken, haben wir auch eine deutliche
Fascia profunda. Diese spannt sich der Reihe nach flächenartig von
einem Mittelhandknochen zum anderen aus : am Mittelhandknochen des
Daumens hängt sie mit der Fascie des Thenar zusammen, an dem
des Kleinfingers mit der Binde des Hypothenar.
Obwohl die Fascie verhältnismäßig dünn ist und mit den Ur-
sprungsfasern der M. interossei eng zusammenhängt, bietet sie doch
einen bedeutsamen Abschluß der Zwischenknochenräume.
Zwischen oberflächlicher und tiefer Fascie verlaufen die Streck-
sehnen, die also gewissermaßen zwischen beiden Binden wie in einem
flachen breiten Fache eingescheidet sind. Wie wir bei der Muskel-
beschreibung bereits hervorgehoben haben, können sich die Streck-
sehnen fast wie eine einheitliche Sehnenplatte über den ganzen Hand-
rücken ausbreiten. Ein gewisser Zusammenhang bleibt ja immer
durch die normalen Sehnenkonjugationen erhalten. Von diesen ab-
gesehen aber findet sich regelmäßig eine bindegewebige, flächenartige
Verbindung zwischen den benachbarten Sehnen vom Handgelenke
bis zu den Knöcheln, welche den Namen einer Fascia, besser Lamina
intermedia s. intertendinosa verdient.
Wir unterscheiden demgemäß:
1) Fascia dorsalis superficialis, hautwärts von den Strecksehnen;
2) Fascia intermedia dorsalis s. intertendinosa, das Rudiment der
einheitlichen Sehneuplatte, und
3) Fascia interossea dorsalis s. posterior, dicht auf den M. inter-
ossei und den verbindenden Flächen der Ossa metacarpi.
Eine Sonderstellung nimmt bei der Fascia dorsalis manus pro-
funda der radiale Abschnitt, d. h. der über dem Spatium interosseum I
und dem M. interosseus dorsalis I gelegene Teil ein. Bei der
durch die Artic. carpometacarpea pollicis bedingten ausgiebigen Be-
weglichkeit des Os metacarpale des Daumens können die Muskeln,
welche ihn den übrigen Fingern nähern , nicht von einer derben
Fascie bedeckt sein, welche der Bewegungsfreiheit nur hinderlich
wäre. Nichtdestoweniger bildet sich im proximalen Teile des 1. Zwischen-
knochenraumes eine Verstärkung aus, welche wir niemals vermißt
haben. Oft nur andeutungsweise vorhanden, in der Mehrzahl der
Fälle deutlich sehnig, kann sie zum Vorderarme hin sogar einen
besonderen Muskel entwickeln, welcher sich bald dem Bauche
des M. extensor pollicis longus, bald dem des M. extensor
263
264 FROHSE und M. FRÄNKEL,
digitorum communis anschließt. Die zwischen den beiden ersten
Mittelhandknochen gelegene sehnige Arkade mit proximal kon-
vexem Rande ist besonders deutlich am radialen Rande des Zeige-
fingers und verliert sich radialwärts gegen die Sehne des M. extensor
pollicis longus hin. Um den freien Rand schlingt sich regelmäßig
eine Vene, welche eine Verbindung zwischen den Satellitenvenen der
A. radialis und der V. cephalica herstellt. Wir fassen diesen fibrösen
oder sehnigen Bogen als normalen üeberrest eines für gewöhnlich
beim Menschen verloren gegangenen Muskels auf. In den entsprechen-
den Fällen würde je nach dem Grade der Entwickelung ein ver-
schiedener Name gewählt werden müssen: entweder 1) Arcus
fibrosus, oder 2) Tendo bifurcatus, oder 3) M. extensor intermedius
pollicis et indicis. In der Tat stellt diese Bildung, besonders wenn
sie einen proximalen Muskelbauch aufweist, einen nur willkommen
zu heißenden Zusammenhang dar zwischen den Strecksehnen der drei-
gliedrigen Finger und denjenigen des Daumens, die Andeutung einer
einheitlichen Sehnenplatte vom Kleinfinger bis zum Daumen. In
einem Falle fanden wir an einem sehr kräftigen Männerarme den
starken Muskelbauch mit dem M. extensor indicis proprius zusammen-
hängend.
Was die Fascia dorsalis manus superficialis anlangt, so ist sie
nur in ihrer proximalen Hälfte sehr deutlich ausgesprochen. Durch
Zug ausschließlich an den Muskelballen der Vola läßt sich dieser
Teil über den Strecksehnen in schwache Querfalten anspannen. In
der distalen Hälfte kann man diese Binde nicht so klar zur An-
schauung bringen wegen ihrer geringeren Stärke, wenn man die ent-
sprechenden Teile des Kleinfingerballens und des M. interosseus dor-
salis I volarwärts zurückdrängt. Aus dem, was für die proximale
Hälfte gesagt ist, geht hervor, daß die Verbindung mit den Ossa
metacarpalia I und V nur eine lockere sein kann, während die Haupt-
masse der Fascie sich kontinuierlich in die des Thenar und Hypo-^
thenar fortsetzt.
II. Sehnenscheiden und Schleimbeutel der Hand.
Synonyma: Vaginae et bursae mucosae tendinum manus; organes
sereux annexes aux tendons de la main et des doigts.
Allgemeine Beschreibung.
Dieselben kommen vor sowohl an der Vola wie am Dorsum. Die
dorsalen finden sich als Sehnenscheiden nur in der Umgebung des
Handgelenkes, während die volaren auch die Finger betreffen, so daß
an der Beugeseite carpaler und digitaler Abschnitt unterschieden
werden muß; jedoch treten am Daumen und Kleinflnger beide Teile
gewöhnlich miteinander in Verbindung.
I. Sehnenscheiden der Hohlhand und Finger.
Synonyma: Vaginae mucosae volae manus; Gaines sereuses des
tendons flechisseurs.
264
Sehnenscheiden der Hand. 265
A. Wand der Sehnenscheiden.
Allgemeine Beschreibung.
Abgesehen von der Sehnenscheide des M. flexor carpi radialis
und dem Gelenke zwischen Os triquetrum und pisiforme, welches
einer Bursa mucosa zu vergleichen ist — diese beiden Bildungen haben
wir bereits aus Zweckmäßigkeitsgründen bei den Vorderarmmuskeln
beschrieben — kommen an dem Handteller und den Fingern besondere
Sehnenscheiden für die Beugesehnen sämtlicher Finger in Betracht.
Da diese praktisch von der allergrößten Wichtigkeit sind und auch
anatomisch eine Fülle des Interessanten bieten, ist eine ausführlichere
Beschreibung durchaus geboten. Wir werden sehen, daß auch der
Handteller eines gesunden Individuums eine ganze Reihe von An-
haltspunkten für die Lage dieser Sehnenscheiden gibt. Ohne ein
Verständnis der normalen Verhältnisse wird auch die Deutung patho-
logischer Fälle nicht so leicht sein, sogar zu erheblichen Irrtümern
führen können.
Es gibt an der Volarseite der Hand und Finger im Anschlüsse
an die Beugesehnen zwei verschiedene Formen der Sehnenscheiden,
die einen im Bereiche des osteofibrösen Fingerkanales, die anderen
muskuloiibrös zwischen M. interossei oder adductor pollicis und Falmar-
aponeurose in der Hohlhand, die sich aber noch durch den osteo-
fibrösen Hohlhandtunnel bis zum Vorderarme fortsetzen. Dort finden
sie ein sackartiges Ende und grenzen dabei an die benachbarten
Sehnen, Muskeln, Gefäße und Nerven, aber nicht mehr an die
Knochen , von denen sie durch den M. pronator quadratus ge-
schieden sind.
Den 5 Fingern entsprechen 5 digitale Sehnenscheiden; an dem
eigentlichen Handteller haben wir, der in Deutschland meist üb-
lichen Darstellungsweise entsprechend, nur 2 Scheiden, je eine für die
Daumen- und Kleinfingerseite, welch letztere sackartig erweitert ist,
weil sie auch die Sehnen des 2. — 4. Fingers für eine längere oder
kürzere Strecke mit einschließt. Recht häufig findet sich jedoch
zwischen diesen beiden eine dritte, entsprechend den Zeigefinger-
sehnen.
Die Sehnenscheide an Daumen und Kleinfinger kann im Finger-
und Handteile miteinander in Verbindung stehen. Fehlt gleichzeitig
die eigene Sehnenscheide für den Zeigefinger, so kann, ohne daß des-
halb eine Varietät vorläge, die Gesamtzahl der Sehnenscheiden nur 5
betragen; behält dagegen jede der digitalen und carpalen Scheiden
ihre eigene geschlossene Höhle, so haben wir 5 Fingerscheiden und
3 eigene Handscheiden, insgesamt 8 Höhlen. Besonderheiten, vor
allem sogenannte accessorische Scheiden kommen aber vor.
Für die anatomische Betrachtung sind also verschiedene Gesichts-
punkte zu beachten, deren Lösung uns teilweise noch nicht ge-
lungen ist:
1) In welcher Weise, wie oft und zu welcher Zeit entstehen die
Verbindungen zwischen der Fingerscheide und der Palmarscheide an
Daumen und Kleinfinger V
2) Wie steht es in derselben Weise mit den accessorischen Sehnen-
scheiden, welche besonders am Zeigefinger als Bursa palmaris inter-
media beschrieben wird?
265
266 FROHSE und" M. FRÄNKEL,
Spezielle Beschreibung.
Vaginae tendinum m. flexorum communium.
Zahl und Länge. Ursprünglich angelegt sind 5, für jeden
Finger eine. Da aber die des Daumens und Kleinfingers sich häufig
mit der entsprechenden Hohlhandscheide verbinden, bleiben nur 3 selb-
ständige für den Zeige-, Mittel- und Ringfinger, digitus II— IV, übrig.
Ein Abweichen von diesem Verhalten ist unseres Wissens bisher noch
nicht beschrieben, jedoch können wir einen Fall erwähnen, wo Frohse
bei Fehlen des M. lumbricalis I den Zusammenhang zwischen der
digitalen und carpalen Scheide am Zeigefinger gesehen hat. Der Grund
für das Nichtkommunizieren der Scheiden an den 3 mittleren Fingern
liegt an den M. lumbricales (s. S. 143). Die Länge dieser 3 Finger-
scheiden beträgt an einer mittelgroßen Hand 8—9 cm.
Der Beginn der Sehnenscheide liegt, auf die äußere Haut über-
tragen, etwa 2 cm proximal von den volaren Schwimmhäuten, in der-
jenigen Linie, welche bei Beugung der Finger quer über das knöcherne
Ende der Mittelhand verläuft. Sie entspricht den oben erwähnten
(siehe S. 21) Lineae mensalis und cephalica, der Tischlinie in ihrem
ulnaren, der Kopf linie in ihrem radialen Teile. Die volaren Schwimm-
häute, welche den Beginn der freien Finger darstellen, entsprechen
durchaus nicht dem Anfange der Digitalscheide.
Man muß vielmehr von der queren Hohlhandfurche aus senkrecht
in die Tiefe gehen, um den Beginn der Sehnenscheide zu erreichen.
Weiter dorsalwärts liegen ja, wie schon verschiedentlich hervor-
gehoben ist, die Articulationes metacarpophalangeae und damit der
eigentliche Beginn der Finger. Es decken sich also- im anatomischen
Sinne Fingersehnenscheide und Basis der Grundphalanx.
Das Ende der Sehnenscheide liegt an der Basis der 3., End-
oder Nagelphalanx, dicht nagelwärts vom Gelenkspalte, auf die Haut
übertragen 4—6 mm distal vom Sulcus cutaneus transversus.
Praktisch, besonders bei den so häufigen Panaritien, rechnet man
den Beginn der Sehnenscheide vielfach umgekehrt. Dieser liegt
dann, wenn man die Entfernung zwischen Fingerkuppe und 1. Quer-
furche in drei Drittel zerlegt, beim Uebergange des mittleren in das
der Hautfurche zugekehrte.
Die Sehnenscheide selbst ist, auch in ausgedehntem Zustande
nahezu cylindrisch, Ausbuchtungen sind pathologisch und kommen ge-
wöhnlich als Hygrome vor.
Die äußeren Verstärkungsbänder, Lig. vaginalia, cruciata und
obliqua und die inneren Ernährungsbänder, Vincula tendinum sind
besonders beschrieben.
Vagina tendinis m. flexoris pollicis longi.
Synonyma: Daumensehnenscheide; Synoviale palmaire radiale, gaine
externe, radiale, carpo-phalangienne externe, digito-carpienne externe,
capsule carpienne externe radio-thenarienne.
Beim Erwachsenen reicht die 12—14 cm lange Sehnenscheide
von dem Ansätze der Sehne an der Nagelphalanx bis über das Hand-
266
Saccus carpalis medialis. 267
gelenk hinaus proximalwärts, ungefähr bis zu den untersten Muskel-
bündeln des M. flexor pollicis longus, d. h. im Zustande der Beugung
rückt die Sehnenscheide weiter am Vorderarme hinauf, bei der Daumen-
streckung wird sie entsprechend dem passiven Herabrücken des Muskel-
bauches distalwärts hinabgezogen. Die Form in der Hohlhand bis
zum Ansätze ist keinen nennenswerten Schwankungen unterworfen,
weil hier nur die Sehne in ihrer Scheide hin und her gleitet.
Der proximale Abschnitt aber kann durch pathologische Prozesse
oder künstliche Injektionen sackartig ausgebuchtet werden.
Saccus carpalis medialis.
Synonyma: Kleinfingersehnenscheide; Synoviale cubitale palmaire.
Die proximale Erweiterung, für welche wir den Namen Saccus
carpalis medialis s. ulnaris vorschlagen möchten, ist als die gemein-
same Palmarscheide für die Sehnen sowohl des M. flexor digitorum
sublimis, wie des profundus aufzufassen. Wie die Daumensehnen-
scheide weist auch sie eine Verbindung mit der Vagina digitalis V
auf, aber niemals mit den digitalen des 2. bis 4. Fingers. Nimmt
man diese, gewöhnliche, Verbindung bei der Maßbestimmung mit
hinzu, so ergibt sich die größte Länge an der Ulnarseite mit 13 — 14 cm,
am Ringfinger ist die carpale Scheide nur noch 4—6 cm lang; am
Mittelfinger ist eine Messung nicht mehr gut möglich, weil sich die
Scheide an Rück- und Vorderseite grundverschieden verhält; beim
Zeigefinger findet sich sehr häufig eine, mitunter sogar eine doppelte,
besondere Scheide, die natürlich für sich besonders bestimmt werden muß.
Der Hohlhandtunnel bewirkt schon in normalen Fällen eine Ein-
schnürung der serösen Höhle, vergleichbar einem sehr wenig durch
ein Korsett eingezwängten weiblichen Rumpfe. An injizierten Prä-
paraten oder in pathologischen Fällen (Phlegmone, Zwerchsackhygrom)
tritt die Einschnürung auch durch die Haut in Erscheinung, nicht
allein durch die Vorwölbung im unteren, distalen Teile des Vorder-
armes, sondern auch unmittelbar distal vom Lig. carpi transversum
in der eigentlichen Hohlhand.
Während an der radialen Seite nur eine Sehne vorhanden ist,
die des M. flexor pollicis longus, finden sich im ulnaren Abschnitte 8,
von denen je 4 den M. flexor digitorum sublimis und profundus an-
gehören. Von letzteren entspringen außerdem noch die M. lumbri-
cales. Ferner ist zu beachten , daß außer inkonstanten Gefäßen,
z. B. A. mediana oder sonstiger Varietäten des Arcus volaris sublimis,
regelmäßig der N. medianus den Hohlhandtunnel durchsetzt, dicht
unter dem Lig. carpi transversum eingebettet in das lockere Binde-
gewebe zwischen radialer und ulnarer Sehnenscheide.
Entsprechend dem mächtigen Sehnenpakete muß eine große seröse
Höhle vorhanden sein, besonders da entwickelt, wo sich die Sehnen
bei den Bewegungen der Finger und der ulnaren Abduktion der
Hand an harten Teilen reiben, im ganzen ulnaren Teile des Hohl-
handtunnels, d. h. vor, ulnarwärts und hinter dem Sehnenpakete.
Wenn wir den ulnaren Abschnitt als Carpalscheide des kleinen
Fingers auff"assen, dessen Sehnen ja am meisten medial liegen, so
müssen die beiden radialen, lateralwärts blind endigenden Fortsätze
als Recessus prae- und retrotendinosus bezeichnet werden, für die
267
268 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Beugesehnen des 4., 3., eventuell auch noch des Zeigefingers. Ein Re-
cessus intertendinosus ist mehr oder weniger entwickelt, je nach-
dem, wie weit die oberflächlichen und tiefen Beugesehnen vonein-
ander getrennt sind.
PoiRiER beschreibt sie unter den Namen: Loge pretendineuse,
inter-tendineuse und retro-tendineuse.
Bemerkungen zu den Beugesehnenscheiden.
Der ausführlichen Beschreibung von Poirier über das Zustande-
kommen der Kommunikationen zwischen digitaler und carpaler Sehnen-
scheide und die Häufigkeit ihres Vorkommens, welche auf S. 176— 185
beschrieben und durch zahlreiche schematische, halbschematische und
naturgetreue Abbildungen, Fig. 125—137, erläutert sind, können wir
in diesem Umfange nicht folgen, obwohl er selbst angibt, daß seine
Beschreibung noch lange nicht vollständig ist. Als wichtigste Ergebnisse
seien seine Angaben nur für den Erwachsenen erwähnt: 1) Beim
Daumen kommuniziert in 5 Proz. die Vagina digitalis nicht mit dem
Saccus carpalis. 2) Beim kleinen Finger gelangt diese Verbindung nur
in Vs — V2 der Fälle zur Ausbildung, nach seinen eigenen Angaben
23mal bei 52 Fällen. Die Kommunikation ist nur eine partielle und
an die Sehne des M. flexor digitorum profundus gebunden und liegt
gewöhnlich ulnar von oder hinter der Sehne. 3) Die Kommunikation
zwischen dem Saccus carpalis ulnaris und radialis, also zwischen
Daumen- und Kleinfingerscheide, welche Gosselin nur Imal be-
obachtet hat, soll nach ihm sehr häufig sein und zu stände kommen
durch die Vermittelung einer intermediären Scheide.
Der von Frohse beobachtete Fall, daß bei Fehlen des M. lum-
bricalis I sich eine Kommunikation der carpalen und digitalen Sehnen-
scheide für die Beugesehnen des Zeigefingers fand, dürfte wohl einzig
dastehen. Leider läßt sich nicht mehr feststellen, da das Präparat
nicht aufgehoben wurde, in welche der carpalen intermediären Sehnen-
scheiden die Kommunikation überging, und ob eine weitere Verbindung
mit der des Daumens, des Kleinfingers oder beider, wie es Poirier
für sehr häufig hält, stattgefunden hatte oder nicht.
Daß die proximale Grenze der Digitalscheiden für den 2. bis
4. Finger bei den verschiedenen Bewegungen derselben nicht
immer die gleiche ist, bedarf wohl kaum einer Erwähnung. Bei Ex-^
tension der Finger rückt sie über die quere Hohlhandfurche gegen
den Ansatz, d. h. fingerwärts hinaus, umgekehrt bei der extremen
Fingerbeugung in nicht unbeträchtlichem Maße in umgekehrter Rich-
tung gegen den Vorderarm hin. Hieraus ergeben sich natürlich ganz
verschiedene Formen der Umschlagsstelle, des Cul de sac von Poirier,
deren eingehende theoretische Erörterung uns zu weit führen würde.
Auch die beste Abbildung kann das nicht lehren, was das Präparat
in einem Augenblicke zeigt.
Bursae mucosae accessoriae palmae s. volae.
[Freie Uebersetzung nach Poiriee (p. 185—187) mit eigenen Zusätzen.]
Verschiedene Autoren geben in der Mitte zwischen Daumen- und
Kleinfinger sehnen scheide eine dritte an, welche dem Zeigefinger an-
gehört.
Bursae mucosae accessoriae.
269
In der beifolgenden Fig. 81, welche dem Atlas der topographischen
Anatomie von v. Bardeleben, Häckel und Frohse entnommen
ist, erscheint sie sogar in der Höhe des Handgelenkes als dreifache
o •
SS
p
I
Höhle (gelb gezeichnet). Die hintere Scheide kommunizierte jedoch
weiter nach der Hand zu mit der mittleren, so daß wir in der Tat nur
2 seröse Höhlen haben, eine hintere und eine vordere.
269
270 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Bursa mucosa intermedia posterior.
Synonyma: Hintere mittlere Sehnenscheide des Handtellers, hintere
mittlere Hohlhandscheide; Sereuse palmaire moyenne postörieure.
Da diese Sehnenscheide in ungefähr 80 Proz. der Fälle (8 : 10 Poi-
rier) vorkommt, darf sie nicht als Varietät aufgefaßt werden. Sie be-
ginnt erst im Hohlhandtunnel in der Höhe der Articulatio radiocarpea
und steigt 3—8 cm lang zur Hohlhand hinunter. Um sie sichtbar zu
machen, muß man die Flexoren im unteren Drittel des Vorderarmes durch-
trennen und gegen die Hand zurückpräparieren. Man findet sie dann
am hinteren Rande der tiefen Zeigefingersehne. Durch ihre Gegen-
wart ist die Verbindung zwischen radialer und ulnarer Sehnenscheiden-
platte auch in normalen Fällen bedingt; bei Phlegmonen oder anderen
pathologischen Fällen kann dann ohne weiteres das so gefürchtete
Uebergreifen vom Daumen auf den Kleinfinger eintreten, oder um-
gekehrt.
Bursa mucosa intermedia anterior.
Synonyma: Bursa serosa intermedia anterior ; Vordere mittlere Hand-
tellersehnenscheide, vordere mittlere Hohlhandscheide; Sereuse palmaire
moyenne anterieure.
Da diese Sehnenscheide nur in ungefähr 50 Proz. der Fälle vor-
kommt, hat man die Wahl, ob man sie als normal oder als Varietät
bezeichnen will. Sie liegt zwischen oberflächlichen und tiefen Beuge-
sehnen und ist höchstens 4 cm lang.
Die beiden mittleren Sehnenscheiden erscheinen viel später, als
die seitlichen und erreichen niemals den hohen Grad der Entwicke-
lung dieser. Die charakteristische Glätte der Wand fehlt ihren Höhlen
zum großen Teile. Es macht den Eindruck, als ob sie noch in der
Entwickelung begriffen wären. Die Wand ist zerklüftet und sieht so
aus, als ob sie künstlich, gleichsam gewaltsam auseinandergerissen
wäre.
Vaginae osteoflbrosae digitales volares.
Synonyma: Gaines osteofibreuses digitales des tendons flechisseurs.
Fibröse Wand. Vor ihrem Eintritte in die Fingersehnen-
scheide sind, wie bereits erwähnt, die Beugesehnen in eine viel
weitere Scheide eingebettet, welche von der Aponeurosis palmaris und
dem Lig. capitulorum transversum gebildet wird; beide bandartige
Bildungen sind aber durch eine Anzahl von mittleren, durchgreifenden
Fasern miteinander in Verbindung.
In der Höhe der Articulationes raetacarpophalangeae tritt jedes
Beugesehnenpaar in eine besondere osteofibröse Scheide ein, welche
die Sehnen fast bis zur Endphalanx begleitet.
Die Scheide selbst ist an den einzelnen Abschnitten, je nachdem
sie über der Mittte einer Phalanx oder über die Gelenke verläuft,
grundverschieden gebaut.
An den leistenartigen Rändern der Furche, welche den beiden
ersten Phalangen an ihrer vorderen Fläche zukommen, befestigt sie
sich in Form eines sehnigen Halbcylinders, über den Gelenken ist sie
mehr fibrös.
270
Vaginae digitales.
271
Der sehnige, bandartige Teil (Ligamentum vaginale) ist besonders
über der Mitte der 1. oder Grundphalanx entwickelt; hier müssen ja
beide Beugesehnen gegen den Knochen festgehalten werden. Seine
durchschnittliche Länge beträgt 1 ,5 cm ; etwa 0,6 cm lang ist das quere
Band, das Lig. vaginale über der Mitte der Mittelphalanx, weil hier nur
noch eine bewegliche Sehne, nämlich die des M. fiexor digitorum pro-
fundus, gegen die Vorderseite der Mittelphalanx gehalten zu werden
M. palmaris
brevis
R. muscu-
laris n.
mediani
M. abductor
pollicis
brevis
M. palmaris
Fig. 82. Vola manus, mittlere Schicht, mit Sehnenscheiden.
braucht. Darum kann auch an dieser Stelle schon das quere Band
durch schräge Züge ersetzt werden, wie es beim Daumen die Regel ist;
niemals aber an der Grundphalanx, wo zwei sehr bewegliche Sehnen
fixiert werden müssen.
Wenn man die Sehnen durch einen Längsschnitt aus ihrer um-
hüllenden Scheide entfernt, so sieht man, daß letztere an der Stelle
dieser queren Verstärkungsbänder nicht zusammensinkt, sondern im
271
272 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Zustande des Sehnentunnels bleibt, indem sich die Schnittränder wieder
aneinander legen.
Ein Gleiches sieht man auch am Lebenden, wenn hier eine Durch-
trennung der Sehnen stattgefunden hat; diese selbst ziehen sich zurück
und lassen den Tunnel stehen, der gerade die Weite hat, die Sehnen
zu beherbergen.
Ueber den Gelenken muß dagegen die Scheide dünner sein, da-
mit die notwendigen Bewegungen bequem ausgeführt werden können.
Man findet dort kein Sehnengewebe mehr, sondern nur verdichtetes
Bindegewebe. Verstärkungszüge, welche entweder nach einer Rich-
tung schräg hingehen, Lig. obliqua, oder nach beiden Seiten hin, Lig.
cruciata, welche dann die Form eines X annehmen, sind jedoch auch
hier in der verschiedensten Weise entwickelt.
Diese Verstärkungszüge in der Sehnenscheide sind, wenn auch nicht
entbehrlich, so doch nur schwach durch halbsehniges Gewebe an-
gegeben. Die Gelenkkapsel selbst ist außerordentlich derb und ent-
hält sehr viele und starke quere Fasern, welche an dieser Stelle durch
den Zusammenhang mit den queren volaren Verstärkungszügen gerade
über den Gelenken die Sehnen in einen vollkommen fibrösen Kanal
einscheiden.
Die Verstärkuli gsbäiider der volaren Sehnenscheiden.
Allgemeine Beschreibung.
(Nach 10 Präparaten von Erwachsenen unter Berücksichtigung von 6 fetalen Händen.)
Die bisher übliche Beschreibung stellt im allgemeinen die tat-
sächlichen Verhältnisse richtiger dar, als es bei der Mehrzahl der
vorhandenen Abbildungen der Fall ist. Wir wollen uns deshalb über-
haupt nicht auf eine Kritik der von den verschiedensten Autoren ge-
gebenen bildlichen Darstellungen einlassen, sondern nur unsere
Befunde angeben , auf Grund deren wir ein Schema entworfen
haben. Als Grundlage diente uns bei der Anfertigung dieser Zeich-
nung ein Präparat, welches zufällig in allen Punkten dem Durch-
schnittsmaße unserer Beobachtungen entsprach. Wir bemerken aber
gleichzeitig, daß es uns bisher nur in dem einen Falle gelang, die-
selben Maße beim Naturpräparate und bei unserem Schema zu finden.
An der Sehnenscheidewand haben wir 3 verschiedene Einrich-
tungen : 1) Die Sehnonscheidewand besitzt überhaupt keine besonderen
Verstärkungszüge; 2) die Verstärkungszüge gehen ziemlich allmählich
in die Sehnenscheidenwänd über, haben dabei häufig einen schrägen
Verlauf, entweder in einer Richtung hin (Lig. obliqua) oder sie über-
kreuzen sich (Lig. cruciata); über den Fingergelenken sind sie ge-
wöhnlich quer gelagert (Lig. transversum, wobei man als Zusatz noch
die Bezeichnung articulare anwenden kann) ; 3) einen durchaus aponeu-
rotischen Charakter besitzen die queren Züge, welche über der Mitte
der Grund- oder der Mittelphalanx die Sehnen eng einscheiden. Wir
wollen diese Bänder, welche praktisch die größte Bedeutung haben,
als Lig. vaginalia propria bezeichnen, mit dem Zusätze I für
die L oder Grundphalanx, mit II für die 2. oder Mittelphalanx. Wir
unterscheiden also: 1) den nicht verstärkten Teil der Sehnenscheide;
2) die schwächeren Verstärkungszüge (Lig. cruciatum, obliquum, arti-
culare transversum) und 3) die kräftigen Lig. vaginalia propria.
272
Vaginae digitales.
273
Wir sind zu dieser Einteilung besonders durch den anatomischen
Befund gekommen, daß die unter 2) aufgeführten schwächeren Ver-
Lig. obliquum
ulnare
I-ig- obliquum
radiale
Lig. vaginale
proprium II
Lig. articulare
transversum I 1 ^
I,ig. vaginale
proprium II
Lig. cruciatum
Lig. articulare
transversum I
Lig. vaginale
proprium I
Lig. vaginale
intermedium
Lig. vaginale
accessorium
Fibrae trans-
versae (FROHSE)
M. flexor sublimis
digiti V
Distales Ende des
Saccus carpalis
Arcus volaris super'
ficialis
M. abduclor digiti V
R. volaris n. ulnarr
M . flexor brevis digi
R. profundus n. uln
Lig. vaginale proprium II
Lig. vaginale
proprium I
Os pisifi
Proximaler Teil des
carpalis
Proximales Ende der
tendinis m. flexoris
longi
Lig. natatorium
(BRAUNE), Fasci-
~ culi transversi
N.A.
M.lumbricalisII
Lig. obliquum
radiale
Vagina tend. m. fl.
pollicis longi
flexor pollicis brevis
M abductor poll. brevis
medi anus
Fig. 83. Sehnenscheiden der Vola.
Stärkungszweige nicht allein am Knochen inserieren, sondern sich
auch mit der Haut verbinden, während die unter 1) und 3) genannten
Handbuch der Anatomie. II, 11, 2. Ig
274 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Teile auf beiden Seiten der Sehne am Knochen sich befestigen, also
allseitig die volare Begrenzung der Schleimscheide bilden. Was nun
die Lig. vaginalia propria anbelangt, so gibt das über der Mittel-
phalanx gelegene II niemals Veranlassung zu einer Unterabteilung,
wohl aber das Lig. vaginale proprium I, welches mindestens in
zwei Abteilungen zerlegt werden muß, eine schwächere proximale und
stärkere distale. Aber auch die proximale Abteilung zerfällt noch in
zwei Unterabteilungen, deren Trennung beim Neugeborenen gewöhn-
lich mit Schwierigkeiten verknüpft, beim Erwachsenen allermeist leicht
durchführbar ist. Um für alle Fälle ein Schema zu haben, in welches
sämtliche Befunde eingetragen werden können, haben wir bei unseren
Untersuchungen die folgende Einteilung gewählt: A) Lig. vaginale
accessorium, B) intermedium, C) proprium I. Wir verstehen unter
der Gesamtbildung die queren, von Knochen zu Knochen gehenden
Verstärkungen der Sehnenscheide über der Grundphalanx. Der
proximale Abschnitt umfaßt A + B und kann in zwei Unterabschnitte
zerlegt werden, unser Lig. vaginale accessorium und intermedium.
Unser stets einheitliches Lig. vaginale proprium I bildet den stärksten
Abschnitt der Sehnenscheide und umfaßt das zweite und dritte Viertel
der Grundphalanx. Bei den unter 2) erwähnten mittelstarken Sehnen-
scheidenbändern bedürfen die Lig. transversa und cruciata keiner
weiteren Erwähnung, wohl aber die obliqua. Wir haben die Be-
zeichnung radiale oder ulnare gewählt. Ein Lig. obliquum radiale
zieht schräg distalwärts zur radialen Seite, ein Lig. obliquum ulnare
hat sein distal gelegenes Ende auf der ulnaren Seite.
Spezieller Teil.
Das Lig. vaginale proprium I hat beim Erwachsenen an den
einzelnen Fingern folgende Durchschnittslängen: Daumen 0,2; Zeige-
finger 1,47; Mittelfinger 1,87; Ringfinger 1,52; kleiner Finger 1,39 cm.
Lig. vaginale proprium II fehlt beim Daumen; Zeigefinger 0,63;
Mittelfinger 0,75; Ringfinger 0,6; kleiner Finger 0,65 cm.
Wir sehen hieraus, daß das Lig. vaginale proprium I mehr als
doppelt so lang ist, wie das Lig. vaginale proprium IL Die Er-
klärung hierfür ist sehr einfach, weil ja über der Grundphalanx die
beiden ßeugesehnen gegen den Knochen gedrängt werden müssen,
bei der Mittelphalanx nur noch die Sehne des M. flexor digitorum
profundus. Beim Neugeborenen finden wir diese Anordnung schon
in derselben Weise verwirklicht. Auch hier sind die Lig. vaginalia I
meistens mehr als doppelt so lang, wie die entsprechenden Lig.
vaginalia IL Jedoch weist der auf den Tabellen zu erkennende
Unterschied darauf hin, daß durch die freie Beweglichkeit der Finger,
welche ihre vollständige Ausbildung erst mit dem bewußten Ergreifen
und Festhalten von Gegenständen erfährt, die Lig. vaginalia pro-
pria I durch den Gebrauch der Hand als Greifapparat definitive
Stärke und Länge erreichen. Auch die Sonderung der Lig. vaginalia
accessoria und intermedia bereitet, wie schon erwähnt, beim Fetus oft
unüberwindliche Schwierigkeiten.
Beim Erwachsenen sucht die in der Sehnenscheide enthaltene
Flüssigkeit bei den Fingerbewegungen einen Ausweg nach den Stellen
niedrigsten Druckes, d. h. zu den dünnsten Stellen der Sehnenscheiden-
wand. Die Grenze zwischen den Lig. vaginalia accessoria und inter-
274
Vaginae digitales.
275
media und die Berechtigung ihrer Sonderung dürfte sich auch aus
den pathologischen Fällen ergeben, in denen eine hygromartige Aus-
buchtung der Sehnenscheide gerade an diesen Stellen sich zeigt. Die
Veränderung findet sich dann nicht etwa gerade über der Mitte einer
Sehnenscheide, sondern an der Seite, gewöhnlich nur auf einer, mit-
unter aber auf beiden Seiten. Wir wollen es dahingestellt sein lassen,
inwieweit die Injektionsverfahren bei den konservierten Leichen die
Prozentzahl der Häufigkeit und Größe dieser Hygrome beeinflussen.
Verstärkungsbänder der volaren Sehnenscheiden.
Fall
I II
III
IV V
VI
VII VIII
1. I
IX
Sehnenscheide ^)
Lig. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
cruciatum
ypsiloforme
obliquum radiale
„ ulnare
articulare I
proprium II
obliquum ulnare
„ radiale
cruciatum
ypsiloforme
transversum
articulare II
Sehnenscheide ' )
Lig. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
proprium II
0,2
0,7
+
+
0,6
D
0,4
0,4
+
+
1.
aume
0,5
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+
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0,6
4-
+
|..
|o,5
Zeigefinger.
Sehnenscheide
Lig. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
cruciatum
ypsiloforme
obliquum radiale
„ ulnare
articulare I
proprium II
obliquum ulnare
n radiale
cruciatum
ypsiloforme
transversum
articulare II
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2
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+
0,8
+
7,8
0,5
0,5
1,4
+
;
+
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8,2
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1,2
1,2
+
+
0,7
-1-
-i-
8,7
0,9
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1,2
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0,7
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1,7
+
4-
0,5
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+
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0,5
0,7
1,4
+
+
0,7
+
-i-
7,8
0,6
0,8
1,5
+
+
+
1) Wegen des Zusammenhanges mit dem carpalen Teile nicht bestünmt.
2) 6 Präparate von fetalen Händen.
275
18*
276
FROHSE und M. FRANKEL,
Fall
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
1.
r.
r/) 1.
1. r. r. 1.
•
Sehnenscheide
Lig. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
proprium II
3,7
0,15
0,5
0,5
0,2
IT
}«.
0,4
0,2
3,2
}0,2
0,6
0,2
3,5
)0,4
^0,9
0,4
3,2
§1
Sehnenscheide
Lig. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
cruciatum
ypsiloforme
Lig. obliquum radiale
„ ulnare
articulare I
proprium II
obliquum ulnare
„ radiale
cruciatum
ypsiloforme
transversum
articulare II
Sehnenscheide
Lig. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
proprium II
8,8
0,8
0,5
1,8
4-
+
1
+
4-
•
r.
Mit
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0,5
0,4
1,9
+
+
0,6
+
+
1.
3,9
0,3
0,1
0,6
0,3
telfin
10
0,7
0,4
2
+
4-
0,8
+
1.
5er.
9,3
1,1
2,1
+
4-
0,7
+
r.
10,4
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2,2
+
•
+
0,6
+
+
r.
3,7
|0,3
0,8
0,4
9,7
+
+
1.
4
|0,4
1
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7
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1
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4
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-f
4
0,3
0,7
0,4
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}0,3
V,6
0,3
3,3
|0,25
0,6
0,3
Eingfinger.
Sehnenscheide
Lig. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
cruciatum
ypsiloforme
obliquum radiale
„ ulnare
articulare I
proprium II
obliquum ulnare
„ radiale
cruciatum
ypsiloforme
transversum
articulare II
Sehnenscheide
Lig. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
proprium II
8,8
2
8
|0,5
1,6
9,7
0,6
1
1,7
+
9
0,5
0,6
1,8
+
9,8
0,4
0,6
1,6
+
8,8
0,7
9,1
0.7
0,5
1,8
+
8,7
0,5
0,6
1,7
8,8
1,3
1,4
+
7,(
1;;
+
+
•
•
+
0,5
+
0,5
+
0,7
+
0,7
+
0,5
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+
0,6
+
0,6
+
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0,^
+
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+
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+
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+
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+
+
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+
+
+
+
+
r. 1.
1. r.
r. 1.
3,4
0,6
3,5
}0,4
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0,?>5
3,3
J0,3
3,4
0,3
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[0,6
0,7
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0,5
0,3
^0,5
0,3
0,6
0,2
0,6
0,25
0,7
0,4
1) 6 Präparate von fetalen Händen.
276
Vaginae digitales.
277
Fall
■1"
III
IV V
VI
VII |VIII
1- I r.
IX
Sehnenscheide^)
Lig. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
cruciatum
ypsiloforme
obliquum radiale
„ ulnare
articulare I
proprium II
obliquum ulnare
^ radiale
cruciatum
ypsiloforme
transversum
articulare II
Sehnenscheide ^)
Lag. vaginale accessorium
intermedium
proprium I
proprium II
Klein finger.
0.5
0,3
1,1
0,3
0,3
0,6
|0,9
'0,9
1«
+
0,4
0,2
1
+
0,2
1
0,8
+
0,7
0,4
1
+
0,6
0,5
1
+
1,2
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+
+
+
0,7
+
+
+
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^0,4
0,3
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0,2
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0,3
0.4
0,3
•
.
Besondere Verstärkungsbänder über der Grundphalanx.
Achse der Hand
radiale Seite
ulnare Seite
Daumen
Zeigefinger
Mittelfinger
Ringfinger
Kleinfinger
\
X
Im letzten Absätze sind die Ligamenta cruciatum, ypsiloforme, obliquum
radiale und ulnare durch den gewöhnlichen Buchdruck angegeben. Ein Lig.
cruciatum ist durch X bezeichnet, ein Lig. ypsiloforme durch ein querliegendes Y,
wobei der unpaare Schenkel die Richtung des einheitlichen Ursprunges angibt,
ein Lig, obUquum radiale durch ein \, ein Lig. obliquum ulnare durch ein /.
Sämtliche Befunde sind auf die linke Hand übertragen, so daß eine einheitUche An-
fabe möglich war. Die Achse ist durch den Mittelfinger zwischen V und VI gelegt.
)ie Lig. obliqua bedürfen nämlich einer besonderen Besprechung, weil proximal der
Ursprung gegen den Daumen- oder Kleinfingerrand gerichtet sein kann. Ein schräger
Zug, welcher sein distales Ende an der radialen Seite findet, ist von uns als Lig.
obliquum radiale, ein solcher, welcher sich distal zur ulnaren Seite wendet, als Lig.
obliquum ulnare bezeichnet. Wo keine Verstärkungsbänder vorhanden waren, fehlt
natürlich eine Angabe. Konstant ist also nach unseren Befunden das Lig. obliquum
radiale an der Grundphalanx des Daumens; an den dreigliedrigen Fingern findet
sich überwiegend ein Lig. cruciatum, welches jedoch so schwach sein kann, daß es
präparatorisch nicht einwandsfrei darzustellen ist, teils ein Lig. obliquum ulnare
oder radiale, teils die Anlehnung an ein Lig. cruciatum durch ein Lig. ypsiloforme,
mit anderen Worten das Lig. cruciatum kann in der Wechsel vollsten Weise ver-
kümmern oder gänzlich zum Schwunde kommen.
1) Wegen des Zusammenhanges mit dem carpalen Teile nicht bestimmt.
277
278 FROHSE und M. FRÄNKEL,
B. Inhalt der Sehnenscheiden.
a) Beugesehnen der Pinger.
Beim Uebergauge der Hohlhand in die Finger liegt die ober-
flächliche Sehne einheitlich über der tiefen; im proximalen Teile der
Grundphalanx (je nach dem Grade ihrer Beugung oder Streckung,
distal oder proximal verschieden) liegt die Teilung der Sehne des
M. flexor digitorum sublimis, welche wir als Bifurcatio bezeichnen
müssen. Die ypsilonartig auseinanderweichenden Schenkel finden
ihren getrennten Ansatz an den Mittelphalangen, jedoch kommt eine
teilweise Durchkreuzung der beiden Endzipfel vor in der Höhe der
Articulatio interphalangea I. Diese, gewöhnlich als Chiasma tendinum
(Camperi) bezeichnete Einrichtung ist an den einzelnen Fingern in
verschiedener Weise verwirklicht. Nur selten beobachtet man an der-
selben Hand an sämtlichen Fingern, daß die tiefen Sehuenverbindungen
gleichwertig angelegt sind. Bald ist der radiale Zug stärker, bald
der ulnare, oder einer fehlt ; auch braucht überhaupt keine Kreuzung
einzutreten und die entsprechende seitliche Teilsehne bleibt auf der-
selben Seite.
Die Sehnen der M. flexor pollicis longus und digitorum pro-
fundus heften sich breit an der volaren Seite der Nagelphalangen an
und zeigen dabei eine axiale Längsfurche.
b) Vincula tendinum.
Allgemeine Beschreibung.
Diese von Weitbrecht genau beschriebenen, gefäßführenden
Falten liegen innerhalb der Sehnenscheiden und stellen wahre Meso-
tendinea ^ in Gestalt von zarten Lamellen oder dünnen Strängen dar.
Sie vermitteln außerdem die Verbindung der Sehne mit dem Knochen.
Ihr Name Vincula tendinum ist nicht gut; viel mehr, als der Halte-
zweck — vinculum — ist die andere physiologische Aufgabe zu be-
achten, die Sehne mit Blut zu versorgen. Diese Tatsache ist praktisch
von Bedeutung, vor allem, wenn bei der chirurgischen ausgiebigen
Eröffnung einer Sehnenscheide die Ernährung durch die Sehnen-
scheidenflüssigkeit in Wegfall kommt, und die Sehne so der Gefahr
der Nekrose ausgesetzt ist.
Man unterscheidet: Vincula vera und Vincula accessoria s. vas-
culosa; wie oben schon erwähnt, kann bei der zarten Struktur die
Haltewirkung auch bei den Vincula vera nur unbedeutend sein.
Mit Bezug auf die Lage innerhalb der Sehnenscheide hat man
sie auch Lig. mucosa, oder ihrer Länge nach Vincula longa oder
brevia genannt, oder auch mit Rücksicht auf ihr Verhalten bei der
Durchbohrung und Kreuzung der Beugesehnen Vincula perforata
oder perforantia; schließlich auch der Gestalt nach als Vincula
1) In den lateinischen Bezeichnungen für anatomische Gebilde kommen so
viele sprachliche Fehler vor, daß es auf einen mehr oder weniger nicht ankommen
dürfte, wofern dadurch das Allgemeinverständnis gefördert wird. Ein Ausdruck
wie „Mesotenonium" würde der Mehrzahl der Leser unverständlich sein. Da aber
gerade an der Hand die in einer Scheide liegenden Sehnen gemeinschaftlich ver-
sorgt werden, so halten wir es für das Richtigste, den Namen „Mesotendineum" vor-
zuschlagen.
278
Vincula tendinum. 279
triangularia, quadrangularia oder filiformia. Alle diese Bezeichnungen
haben ihre gewisse Berechtigung; das Schwierige ist nur, daß inner-
halb dieser Sehnenscheiden nicht eine Sehne vorhanden ist, sondern
zwei, diese aber nicht in ihrer ganzen Ausdehnung übereinander
liegen, sondern die tiefe Sehne allmählich im weiteren Bereiche der
Artic. interphalangea I s. proximalis von den beiden Zipfeln der
oberflächlichen Sehne umfaßt wird; anderenfalls würde auch für die
Vincula tendinum der zusammenfassende Name Mesotendineum. den
wir wählen wollen, längst im Gebrauche sein. Wir müssen dann
beschreiben, wie das Mesotendineum sich an den einzelnen Phalangen
und beim Verlaufe zu den einzelnen Sehnen verhält.
An der 1. oder Grundphalanx findet man im distalen Ende
eine viereckige Membran (Vinculum quadrangulare) vom Knochen
aus zur Sehne sich entwickelnd; außerdem jedoch noch faden- oder
membranartige Züge von dem mittleren Teile der Grundphalanx,
welche sich einseitig oder doppelseitig mit den Seitenrändern der sich
teilenden, oberflächlichen Beugesehne verbinden. Selbst beim Greise
kann dasselbe Verhalten verwirklicht sein, wie beim 6-monatlichen Fetus.
Der gegen den Handteller gerichtete Rand des Vinculum qua-
drangulare ist frei und konkav; der mit der Sehne verbundene Rand
heftet sich an den Zipfeln des oberflächlichen Beugers an. Geht ein
Teil aber noch weiter bis zur tiefen Beugesehne, so tritt eine schein-
bare Durchbohrung des Mesotendineum ein; der meist fadenförmige
Zug zum M. flexor profundus stellt dann ein Vinculum perforans dar,
der zum M. flexor sublimis sich wendende das Vinculum perforatum.
Zwischen den beiden Ansätzen der oberflächlichen Beugesehne
entwickelt sich an der Mitte der Mittelphalanx nochmals ein drei-
eckiges Mesotendineum, nur für die tiefe Fläche der Sehne des
M. flexor profundus. Wie die anderen Teile des Mesotendineum der
Beugesehnen, kann auch dieser Abschnitt durchlöchert sein, oder nur
aus dünnen Fäden bestehen; jedoch haben wir ein gänzliches Fehlen
im Bereiche des Fingerendgliedes nicht beobachtet.
Obwohl die Mesotendinea am stärksten über den Gelenken ent-
wickelt sind, teilen wir die Anschauung Henle's nicht, daß sie bei
den Beugebewegungen die Gelenkkapsel spannen; wir glauben viel-
mehr, daß der größere Spielraum der Sehnenscheide an dieser Stelle
es hier nicht zum Schwunde der Mesotendinea kommen läßt, während
gerade im Bereiche der Lig. anularia, unserer Lig. vaginalia propria,
der engsten und festesten Stelle der Sehnenscheide, der Schwund am
frühesten und ausgiebigsten eintritt.
Spezielle Beschreibung.
Die sogenannten Vincula sind eigentlich Mesotendinea, d. h. ge-
fäßführende bindegewebige Platten, welche mit einschichtigem Endothel
bekleidet sind, analog dem Mesenterium, dem Mesometrium u. s. w., und
sind angeordnet in der Tiefe, sei es einer Sehne, wie beim M. flexor
pollicis longus, oder geteilt wie beiden Sehnen beider M. flexores der
dreigliedrigen Finger. Die ursprünglich einheitliche Schicht erfährt
im Laufe der Entwickelung verschiedene Unterbrechungen, welche sich
bei den einzelnen Sehnen ganz verschieden verhalten. Außerdem tritt
auch eine Verlagerung des Ursprunges des Mesotendineum ein, welches
primär gegenüber der freien Oberfläche sich in der Tiefe am Knochen
2/9
280 FROHSE und M. FRÄNKEL,
anheftet. Diese Verlagerung zur Seite ist gewöhnlich eine einseitige,
entweder radial- oder ulnarwärts. Bei der Sehnenscheide des 2. bis
5. Fingers jedoch, welche 2 Beugesehnen enthält, sind die Meso-
tendinea teilweise nach den beiden Rändern des Knochens verschoben.
Als zweckmäßigste Benennung der einzelnen Vincula hat sich uns
folgende Einteilung ergeben: An der Grundphalanx, wo die beiden
Beugesehnen vorhanden sind, unterscheiden wir ein Vinculum radiale
und ulnare. Eines von beiden ist meistens vorhanden, ziemlich oft
beide, in sehr seltenen Fällen fehlen beide oder sind zu kümmerlichen
Rudimenten geworden. Die ursprüngliche Anlage in der Mitte eines
Knochens erhält sich auch im Bereiche des unteren Teiles der Grund-
phalanx in Form eines zarten Vinculum medianum, aber nur in seltenen
Fällen. Wir wollen deshalb zuerst die Bildungen betrachten, welche
sich in gleicher Weise beim Neugeborenen wie beim Erwachsenen
darstellen, die Vincula lateralia. Der primäre, auch meistens beim
Erwachsenen erhaltene Befund ergibt ein breites, flächenartiges
Vinculum laterale, welches an seinem freien Rande eine Verdickung
aufzuweisen pflegt. An dieser Stelle verbinden sich nämlich die Ge-
fäße mit der Sehne. Es besteht für die zarten Gefäße überall das
Gesetz, daß sie in ihrer Umgebung Fett anhäufen können, günstige
Ernährungsverhältnisse vorausgesetzt, und außerdem, daß der Raum
die Fettablagerung zuläßt. Wir haben derartige Fälle häufig, selbst
an abgemagerten Individuen beobachtet, daß nämlich am freien Rande
eines Vinculum sich wirkliche Appendices epiploicae vorfanden; aber
gerade diese Beobachtungen bestätigen in willkommener Weise die
Analogie des Mesotendineum mit dem Mesenterium, welches ja durch
Fettaufnahme eine beträchtliche Dicke erreichen kann. Je mehr wir
hierauf achteten, um so öfter fanden wir schon eine makroskopische
Fettansammlung in den Vincula lateralia und auch den anderen
medianen Mesotendinea. Recht oft kommt es zu einem Schwunde der
Membran, welche sich von der Basis der Grundphalanx bis zu ihrem
Ende erstreckt, nur das widerstandsfähige proximale Ende erhält sich
als fadenförmiger Streifen ; oder auch die Gefäße, welche in ihm ver-
laufen, verfallen durch den Druck und Zug der Beugesehnen der Ver-
ödung, und schließlich ist von dem ganzen verwickelten Aufbau der
Vincula lateralia nichts mehr zu erkennen. Wir glaubten zuerst, daß
wir beim Neugeborenen noch ein klares Bild von der primären An-
lage gewinnen könnten, haben uns aber überzeugen müssen, daß kein
prinzipieller Unterschied zwischen den Mesotendinea eines Neuge-
borenen und Erwachsenen besteht ; ja wir haben beim Erwachsenen
ausgesprochenere Mesotendinea gefunden, als beim Neugeborenen.
Also dürfte schon durch die Bewegungen der Finger während des
Uterinlebens die definitive Entwickelung der Mesotendinea festgelegt
sein. Das uns vorliegende Material von je 10 Händen Erwachsener
und Neugeborener reicht augenscheinlich nicht aus, um seltene Be-
funde zu erklären. Die allgemeinen Grundsätze erfahren nach unseren
Präparaten keine Beschränkungen und Erweiterungen. Zur Erklärung
der allmählichen Umwandelung des Mesotendineum medianum in
Mesotendinea lateralia muß die Untersuchung am Fetus oder sogar
des Embryo eingreifen. In unserer Tabelle sind nur 7 Fälle von Er-
wachsenen und 6 von Neugeborenen angegeben, dagegen 3 nur un-
vollständige Fälle und 4 Fälle von 6 — 7-monatlichen Feten, welche
keine Besonderheiten boten, fortgelassen.
280
Vincula tendinum. 281
Wir unterscheiden also an der Grundphalanx des 2.-5. Fingers
eine ulnare und radiale Bindegewebsplatte, welche sich gegen das Ge-
lenk zwischen Grund- und Mittelphalanx hin vereinigen. Der proximale
verdickte Rand wird von uns Vinculum filiforme genannt, gleichviel,
ob er isoliert ist, oder sich unmittelbar in eine zarte Haut fortsetzt,
für welche wir den Namen Vinculum membranaceum vorschlagen. Bei
doppelseitiger Entwickelung kommen die Platten der Sehnen in der
Mitte der Grundphalanx zusammen in der Tiefe der oberflächlichen
Beugesehne und setzen sich dann noch weiter hautwärts fort bis
zur tiefen Beugesehne. Dieser verlängerte Zug macht durchaus
den Eindruck eines durchbohrenden Stranges, weshalb wir für ihn
auch den bereits gebräuchlichen Namen Vinculum perforans gewählt
haben.
Ueber dem Gelenke zwischen Mittel- und Grundphalanx, wo die
beiden Beugesehnen unmittelbar übereinander liegen, kommt die Be-
ziehung der Sehnen zum Knochen am schönsten zur Geltung. Die
tiefe Schicht ist sehr ansehnlich und muß ihrer Form nach als Vin-
culum quadrangulare bezeichnet werden. Der zur tiefen Beugesehne
gehende fadenförmige Strang ist in der Mehrzahl der Fälle vorhanden,
kann aber auch fehlen, weil dann am distalen Ende der Mittelphalanx
ein besonders stark ausgeprägtes Vinculum trianguläre vorhanden ist.
Auch hier findet sich selten ein Vinculum accessorium, welches den
ursprünglichen Zusammenhang zwischen Vinculum trianguläre und
quadrangulare kundgibt.
Wenn wir nun die physiologische Bedeutung der einzelnen Vin-
cula tendinum betrachten, so ergibt sich, daß im distalen Teile der
Grundphalanx die Ernährung durch die Sehnenscheidenflüssigkeit zum
größten Teile ausreicht, da ja die Mesotendinea lateralia fehlen können.
In derartigen Fällen sondern die Arterien, welche im proximalen Teile
der Sehnenscheide verlaufen, und die, welche distal den freien Rand
des Vinculum quadrangulare einnehmen, genügendes Ernährungs-
material ab. Im Bereiche der Articulatio interphalangea I, zwischen
Grund- und Mittelglied, fehlt niemals das Vinculum quadrangulare,
welches zur tiefen Fläche des Chiasma der oberflächlichen Beugesehne
verläuft und zu ihrer Ernährung vollkommen ausreicht. Für die tiefe
Beugesehne ist über der Articulatio interphalangea zwischen Mittel-
und Nagelglied regelmäßig das Vinculum trianguläre mit starken Ge-
fäßen vorhanden.
Die eben geschilderten Tatsachen bei den dreigliedrigen Fingern,
in deren Sehnenscheiden 2 Beugesehnen verlaufen, finden ihre ein-
fache Nutzanwendung in der Sehnenscheide des M. flexor pollicis
longus, welche ja nur eine Sehne enthält. Das in ihr liegende Meso-
tendineum zeigt bisweilen noch den primären Zusammenhang der
tiefen Fläche mit der festen Unterlage, aus welcher die ernährenden
Gefäße entstammen. Die Durchlöcherung der einheitlichen Membran
findet sich immer zwischen zwei benachbarten Arterienzweigen und
kann bis zum Rande desselben reichen, so daß die Gefäße auch hier
sich in Gestalt eines Vinculum filiforme herausbilden können. Wir
haben dann auch in der Daumensehnenscheide ein Vinculum trianguläre
distale zu unterscheiden mit verdicktem proximalen Rande und je
nachdem verschieden breite Vincula membranacea, die sich nur durch
stärkere Gefäße als dauernde Gebilde erhalten können.
281
282
FROHSE und M. FRANKEL,
Vincul
a tend
inum digitorum manus. •
E. = Erwachsener
K. = Kind
r. = rechts
I |II
III
IV|V |VI VII VIII |IX|XXI| XII XIII
E.|E.
1
E.
V.L. P.IP. 1^- |K.|K.|K.|K.|K.
1. = links
1 1 1 r.-l. 1 l.-r. 1 r.-l.
Daumen.
Vinculum tendineum^)
+
+ + +
+
.
.
Vinculum trianguläre
+
+
+ + +
-i-
+
4-
+
+
+
4-
4-
Vinculum accessorium
•
1 •
+
Zeigefinger.
Grundphalanx.
Vinculum radiale
+
+
. ^
+
+
4-
4-
+
.
+
+
filiforme
+
+
• -i
- .
+
+
4-
4-
+
4-
4-
membranaceum
+
+
+
+
+
+
perforans
+
' 4
+
.
.
+
+
Vinculum ulnare
+
+
+ .
-i-
+
+
+
+
4-
filiforme
+
+ .
+
4-
]
+
+
+
+
membranaceum
+ •
+
4-
-f
perforans
+ .
.
4-
4-
4-
Vinculum mediauum
4-
Articulatio I.
Vinculum quadrangulare
+ + + + + +
4-
4-
4-4-4-
+
+
perforans
+ + + . + +
Mittelphalanx.
4-
4-
4- . .
4-
+
Vinculum trianguläre
+ + + + + +
4-
+
4-4-4-
+
+
accessorium
. . . + . .
Mittelfinger.
Grundphalanx.
4-
+
4- 4- .
Vinculum radiale
+ : •
+ 4
+
.
4-
+
+
+
+
filiforme
+
+ 4
+
4-
4-
+
membranaceum
•
perforans
.
.
4-
.
Vinculum ulnare
+
+
-i-
4-
+
+
+
+
filiforme
•
membranaceum
+
-I-
perforans
.
4-
+
Vinculum medianum
•
•
+
.
.
•
'.
Articul
atio I.
Vinculum quadrangulare
:)- +1 + 4
- +
+
4-
4-
+ 14- +
4-
1+
perforans
+ + 1 .
+
+
4-
4-
4-14- 4-
Mittelphalanx.
Vinculum trianguläre
+ + + l + l + 1 +
4-
4-
4-14-1 +
+
+
accessorium
• • . I+: • i .
Ringfinger.
Grundphalanx.
•
•1-1 +
•
•
Vinculum radiale
+
.
+ •
+
+
4-
4-
+
+
.
+
+
filiforme
+
+
+
+
+
4-
+
+
+
+
membranaceum
+
4-
perforans
4-
+
4-
.
+
+
Vinculum ulnare
+
.
+
-i-
filiforme
+
4-
4-
membranaceum
+
perforans
.
+
+
Vinculum medianum
+
+
1) Sehnige Verstärkung des Mesotendineum über der Grundphalanx.
282
Vincula tendinum.
283
E. = Erwachsener
K. = Kind
r. = rechts
1 1 II 1 III IV
V
VI
VII
VIII |IX| X| XI XII 1 XIII
E. E. E. E.
E.
E.
E.
K. |K.|K.|K.|K. 1 K.
1. = links
r.-l. 1 l.-r. 1 r.-l.
Vinculum quadrangulare
perforans
Vinculum trianguläre
accessorium
Vinculum radiale
filiforme
membranaceum
perforans
Vinculum ulnare
fiUforme
membranaceum
perforans
Vinculum medianum
Vinculum quadrangulare
perforans
Vinculum trianguläre
accessorium
\t
\x
Articulatio I.
+ 1 + l + i-f l + l +
+ 1 + i . I + I . I +
Mittel phalanx.
+ I + l + l + i + 1 +
• I • l + l • I • I •
+ I + I + I +
+1+1+1 •
+I+I+I +
• I . I • I +
Kleinfinger.
Grundphalanx.
.... + .+ +
.-.. + .+ +
• . + +
+
+ + + + + ++++.+ • +
+ +. .+++ ++.+ . +
..+ + .+ . ++..I.+
++. ..+. + ..+;. +
Articulatio I.
+' + I +1 + 1+
+1 + I +1+1+
Mittelphalanx.
+ 1 + I + I + I +
I +
I +
1+1+1+
1 + 1+ •
+ + +
Praktische Bemerkungen zu den volaren Sehnen-
scheiden.
Allen B. Kanavel ^) wegen der chirurgischen Wichtigkeit
anatomische und praktische Studien gemacht über die Ausbreitung
von eiterigen Prozessen der Hohlhand. Was der Autor als Lum-
bricalkanäle bezeichnet wissen will, fassen wir nach den Ab-
bildungen und unseren Erfahrungen als Interdigitalräume auf. Bei
den Injektionspräparaten, welche hinterher durch Röntgenaufnahme
festgelegt wurden, ist ihm dasselbe unvermeidliche Geschick zu-
gestoßen, wie wir es bei der KÜTTNERschen Arbeit [siehe S. 299]
betonen werden. Was in der Praxis so häufig vorkommt, darf
jedoch nicht als anatomische Norm hingestellt werden. Wir halten
daran fest, daß die Sehnenscheide im gesunden Zustande einen
vollkommenen Abschluß nach proximal und distal hat, und nur die
Injektion oder ein entzündlicher Prozeß diese Grenzen durchbricht
und beliebig erweitert und vergrößert. Schließlich stellt ja auch eine
Entzündung mit Exsudat nichts weiter dar, als eine pathologische
Injektion der Sehnenscheide oder der Bindegewebsräume, in denen
sich der krankhafte Prozeß ausbreitet. Einen vollkommenen Ab-
schluß bieten die Sehnenscheiden, denen sich seitlich und proximal
die Lumbricalmuskeln anschließen. Dieselben haben aber keinen
1) Eiterige Infektionsprozesse der Hand und des Unterarmes, Centralblatt für
Chirurgie, 34. Jahrg., 1907, No. 34, S. 1001— lOOö.
283
284 FROHSE und M. FRÄNKEL,
eigentlichen Kanal, sondern sind nur durch eine dünne Specialfascie
von den benachbarten Gebilden abgegrenzt. Am ungünstigsten sind
die Räume gestellt, welche von den tiefen Schichten des Unterhaut-
bindegewebes eingenommen sind. Die zahlreichen Gefäße und Nerven,
welche in ihm verlaufen, stellen vielfache Verbindungen auch mit den
beiden erstgenannten Räumen her, und es zeigt sich eben in patho-
logischen Fällen das Bild der typischen Phlegmone, welches bei der
Kompliziertheit der Räume die größten individuellen Schwankungen
aufweisen kann. Dem Schema hoffen wir in Wort und Bild gerecht
geworden zu sein.
IL Dorsale Sehnenscheiden.
1. Lig. carpi dorsale.
Wir beschreiben in diesem Abschnitte auch das Lig. carpi dor-
sale genauer, weil es in engster Beziehung zu den Strecksehnen steht^
ferner die Dorsalaponeurose der Finger, welche ja sowohl von Muskeln
der Beuge-, wie der Streckseite gebildet wird und schließlich die
Sehnenscheiden selbst nach Zahl, Länge und Inhalt. Letzterer bietet
für die Sehnen, welche sich nicht wie auf der Beugeseite durchbohren,
nichts Besonderes, so daß bloß die Vincula tendinum berücksichtigt
werden brauchten.
Dieses Band stellt eigentlich nichts weiter dar, als eine Ver-
dickung der Fascie an der Grenze zwischen Vorderarm und Hand-
rücken und verdient diesen Namen auch, weil es mechanische Auf-
gaben zu erfüllen hat, welche in diesem Grade den Fascien nicht
zukommen. Proximal geht es in die Fascia dorsalis antebrachii,
distal in die entsprechende des Handrückens ohne scharfe Grenze
über, so daß bei seiner Heraussetzung eine künstliche Trennung not-
wendig ist. Bei einer derartigen Präparation soll man nicht einem
Schema folgen und den proximalen und distalen Rand in gleicher
Weise durch zwei einfache Parallelschnitte absetzen, sondern den je-
weiligen anatomischen Tatsachen, wie sie am Präparate verwirklicht
sind, Rechnung tragen. Für den proximalen Rand möchten wir fol-
genden Befund als Regel aufstellen, welcher am leichtesten durch
das beifolgende Schema an einer linken Hand erläutert wird:
distal
ulnar \ radial
proximal
Man sieht, daß von den beiden freien Rändern, welche den Pro-
cessus styloidei des Radius und der Ulna entsprechen, zwei Linien
schräg proximalwärts gegen die Mittellinie hingewandt sind; ferner
wie ein querer Zug den radialen und ulnaren Schenkel miteinander
verbindet. Der ulnare Schrägzug ist der größere und findet eine
teilweise Anheftung an der radialen Seite derjenigen schrägen
Knochenfurche, welche für den Verlauf der Sehne des M. extensor
pollicis longus charakteristisch ist. Der kürzere radiale Schrägzug
dient nur dazu, die M. abductor pollicis longus und extensor pollicis
brevis — bei Daumenbeugung und Adduktion auch noch einen Teil
284
Lig. carpi dorsale. 285
ihres Muskelfleisches — zu überbrücken. Der quere Zug schließt nur
die Sehnen der beiden M. extensores carpi radiales ein.
Der distale Rand darf ebenfalls nicht durch einen schematischen
Schnitt herausgesetzt werden. Entsprechend der ausgiebigen Be-
wegungsfreiheit der radial gelegenen Sehnen kann hier das Band nur
eine geringe Breite besitzen und dadurch den freien Endsehnen
größeren Spielraum gestatten. Die M. extensor digitorum communis
und indicis proprius müssen schon mehr in ihrer Lage festgehalten
werden, und so ttnden sich in der Tat sowohl am radialen Rande der
Zeigefingersehnen, wie am ulnaren des gemeinschaftlichen Finger-
streckers Anheftungen an den in der Tiefe gelegenen Knochen. Je-
doch gewinnen die Sehnen des zweiten Faches bereits mit dem
Beginne der Basen des 3. und 4. Mittelhandknochens ein vollkommen
freies Spiel in der Bewegung, welches man durch die Haut hindurch
oft in der klarsten Weise beobachten kann. Am ungünstigsten steht
die Sehne für den kleinen Finger da, welche sehr oft durch ein be-
sonderes Band über dem proximalen Drittel des 5. Mittelhandknochens
gegen diesen festgehalten wird, erst in den distalen zwei Dritteln
des Os metacarpale V gewinnt die oder besser die beiden Sehnen
einige Bewegungsfreiheit. Für dieses Retinaculum, welches voll-
kommen unabhängig von dem Lig. carpi dorsale sich verwirklicht
zeigen kann, möchten wir den Namen Retinaculum digiti quinti pro-
prium vorschlagen. Recht ungünstig steht schließlich auch die Sehne
des M. extensor carpi ulnaris da, welche bis zum Ansätze hin durch
die derben Züge des Lig. carpi dorsale gegen die Knochen hin
festgehalten wird, und auch bei größter Anstrengung sich nicht so als
Strang herausheben läßt, wie es bei den anderen Sehnen oft in ver-
blüffender Weise möglich ist.
Einmal fanden wir über dem Capitulum ulnae eine Bursa sub-
fascialis mit einem größten Durchmesser von 1 cm gerade an der
ulnaren Seite des Vorderarmes.
PoiRiER schreibt S. 166, daß das Lig. carpi dorsale von der Ulna
durch einen Schleimbeutel getrennt sein kann, welcher natürlich nicht
identisch ist mit unserer Bursa subfascialis, unter welcher erst das
Band deutlich zu Tage lag.
Mit der Befestigung an der Ulna hört gewöhnlich die Beschreibung
der deutschen Autoren auf, wofern sie nicht, wie z. B. Henle, ein
Lig. carpi volare annehmen, welches zusammen mit dem Lig. carpi
dorsale das Lig. carpi commune bildet. Poirier, S. 165 und 166,
hat nach unserer Meinung vollkommen recht, wenn er das dorsale
Band bis zum Os triquetrum und pisiforme verlängert wissen will.
Ohne Kenntnis der Angaben dieses Autors hatten wir bereits in den
Figg. 57, 58 dieser Tatsache Rechnung getragen und die mechanische
Bedeutung nachzuweisen versucht.
2. Dorsalaponeurose der Finger.
Wir haben die Strecksehnen bis zu den Knöcheln verfolgt und
bereits die Verbindungen zwischen den Strecksehnen im Bereiche des
Dorsum manus beschrieben, so daß nur noch der Ansatz an den
Phalangen darzustellen ist.
In der Höhe der Articulationes metacarpophalangeae tritt beim
Mittel- und Ringfinger eine erhebliche Verschmälerung und dement-
285
286 FROHSE und M. FRÄNKEL,
sprechende Verdickung der Sehne ein, am Zeigefinger mit seiner
doppelten Sehne und am kleinen Finger, wo auch mehrere Sehnen
zusammenkommen, bleibt der flächenartige Charakter auch über dem
Knöchel gewahrt. Scheinbar findet an der Basis der Grundphalanx
kein direkter Knochenansatz statt. Man kann zwar schon an mageren
Händen durch die Haut hindurch erkennen, wie sich die Gelenkkapsel
annähernd wie ein leerer Beutel bei Dorsalflexion nach proximal zurück-
zieht, daß also ein Zusammenhang zwischen Sehne und Gelenk
besteht, aber der wirkliche und nicht unbedeutende Ansatz an der
Grundphalanx ist erst nach Hochheben der Sehne und Spaltung der
Gelenkkapsel, oder von vorn her unter Entfernung des entsprechenden
Mittelhandknochens deutlich erkennbar. Physiologisch ist dieser An-
satz durchaus notwendig, obgleich er von selten der Anatomen meist
nicht genügend hervorgehoben ist. Gleichzeitig kommen von der
Tiefe her die sogenannten Fibrae perforantes, welche sich aus der
Hohlhandaponeurose ableiten und nichts mit den gleich zu beschrei-
benden Sehnen der M. interossei zu tun haben. Wir müssen hier
jedoch bemerken, daß uns an verschiedenen Präparaten an sämtlichen
Fingern in Knöchelhöhe eine leichte Loslösung der Strecksehne von
der Gelenkkapsel möglich war, und sich sogar ein gut ausgebildeter
Schleimbeutel zwischen der Strecksehne und der Gelenkkapsel vor-
fand. Auch seitlich war eine Trennung von der Gelenkkapsel mög-
lich, bei starker Entwickelung kann man hierfür sogar den Namen
der Lig. intrametacarpalia geben.
Am distalen Ende der Articulatio metacarpophalangea verbreitert
sich die Strecksehne beträchtlich und nimmt seitlich die Sehnen zweier
M. interossei sowie eines M. lumbricalis auf. Da diese von der
Vola her zum Dorsum sich begeben, kann man an dieser Stelle direkt
von einer Sehnenhaube, einer Galea aponeurotica sprechen. Diese
Nebensehnen verwischen aber die Teilung der Strecksehne in 3 Zipfel,
von denen der mittlere, unpaare als zarte Platte senkrecht distalwärts
zur Basis der Mittelphalanx geht, und deren seitliche Zipfel in spitzem
Winkel zu den Rändern der Articulatio interphalangea I — II aus-
einanderweichen. Allmählich streben sie aber auf dem Rücken der
Mittelphalanx wieder einander zu und vereinen sich zu einem gemein-
schaftlichen, ziemlich breiten, deutlich sehnigen Ansätze an der Basis
der Nagelphalanx.
Am zweigliedrigen Daumen ist nur eine Andeutung einer Dorsal-
aponeurose vorhanden. An der Grundphalanx selbst setzt gewöhnlich
der M. extensor pollicis brevis an, der M. extensor pollicis longus
zieht an dessen Ulnarseite ungeteilt zur Nagelphalanx. Die Analoga
der M. interossei mit ihren seitlichen Sehnenzipfeln sind hier bei weitem
nicht so klar durch die Sehnen des M. abductor pollivis brevis und
unseren M. interosseus volaris I, den radialen Teil des M. adductor
pollicis, oder auch durch dessen ganze Sehne vertreten.
Duchenne gibt unter LI, 2) (S. 258) folgende anatomisch-phy-
siologische Darstellung, „daß diese fibrösen Ausbreitungen [die Ver-
bindungen zwischen den Sehnen der Extensoren und der M. inter-
ossei und lumbricalesj dazu dienen, den letztgenannten Sehnen eine
schiefe Richtung von hinten nach vorn, vom unteren und antero-
lateralen Ende der Mittelhandknochen zum oberen und hinteren Ende
der beiden Phalangen zu erteilen und daß sie sie alsdann an der Rück-
seite der beiden letzten Phalangealgelenke befestigt erhalten, wo man
286
Vaginae dorsales. 287
sie unter dem Namen der seitlichen Bändchen kennt". Hierzu sei
bemerkt, daß nur die Anheftung an der Nagelphalanx dorsal gekehrt
ist, während in der Höhe der Artic. interphalangea I und II die von
beiden Seiten aus der Vola herkommenden Sehnen der Hauptsache
nach noch lateral, d. h. von den Fingerachsen entfernt liegen.
3. Scheiden und Schleimbeutel der Strecksehnen.
Allgemeine Beschreibung.
Es finden sich in der Höhe der Artic. radiocarpea dorsal osteofibröse
Kanäle, welche durch die Furchen an Radius und Ulna einerseits, durch
das Lig. carpi dorsale andererseits gebildet werden. Diese Kanäle, Logen
oder Fächer dienen dazu, die Sehnen in ihrer Lage zu erhalten, damit eine
starke Zusammenziehung des Muskels oder eine äußere Gewalt sie
nicht so leicht aus derselben herausbringen kann. In der Mittelstellung
der Hand zwischen Dorsal- und Volarflexion verlaufen die Streck-
sehnen an Vorderarm und Hand in der gleichen Richtung. Bei der
Volarflexion beschreiben die Sehnen aber einen stumpfen Winkel, der
sich einem rechten nähern kann, um das Handgelenk herum und
reiben sich dabei besonders an den distalen Enden der Vorderarm-
knochen. Bei der Dorsalflexion tritt eine stumpfwinklige Knickung
gegen das Lig. carpi dorsale ein. Zum leichteren Gleiten der Sehnen
findet sich die Einrichtung der Sehnenscheiden , deren allgemeines
Verhalten auch hier wiederkehrt, d. h. man kann zwischen einem
parietalen und einem visceralen Blatte unterscheiden. Das erstere be-
kleidet die ganze Innenfläche des osteofibrösen Kanales, das viscerale
schmiegt sich untrennbar der Sehne an. Vielfach findet sich ein Meso-
tendineum, welches bald von der Tiefe, bald von der Seite, bald auch
von der Oberfläche entspringt, also durchaus nicht mit dem Mesen-
terium des Darmes übereinstimmt, vor allem auch deshalb nicht, weil
es vielfach gar nicht einheitlich ist oder selbst fehlen kann : M. extensor
pollicis longus. Die Bedeutung ist freilich die gleiche, die Sehne mit
den ernährenden Gefäßen in Verbindung zu setzen. An diesen Meso-
tendinea findet natürlich ein Umschlag des parietalen auf das viscerale
Blatt statt, ebenso an den Enden der Sehnenscheide, wo sich die beiden
Blätter gewöhnlich in Form eines Sackes verbinden, der sich jedoch
bei nicht ausgedehnter Sehnenscheide wie ein Spalt zusammenlegt.
Außer diesen Sehnenscheiden, welche meist für eine ansehnliche
Strecke die Sehne begleiten, sie gänzlich oder doch zum größten Teile
umgeben, haben wir noch kleinere seröse Höhlen zu erwähnen, die
wir als Schleimbeutel, Bursae serosae oder mucosae, bezeichnen. In
normalen Fällen nehmen sie nicht mehr als die Hälfte des ümfanges
der Sehne ein, können ganz unter ihr versteckt liegen oder sie seit-
lich überragen. Sie entwickeln sich da, wo die Sehnen sich am
Knochen reiben; einige sind konstant, andere inkonstant.
Die Sehnenscheiden dagegen sind immer vorhanden. Der Zahl
nach werden an der Streckseite gewöhnlich 6 angegeben, von denen
4 auf den Radius, 1 auf die Ulna und 1 auf das Gelenk zwischen
beiden Knochen entfallen. Nun kann man an jedem Vorderarmskelete
erkennen, wie bei der Pronation das Capitulum ulnae in großer Aus-
dehnung von der Rückseite aus zu erblicken ist, in nur geringer bei
der Supination. Es läßt sich an jedem Präparate nachweisen, daß
287
288
FROHSE und M. FRANKEL,
M. extensor in-
dicis proprius
Bursa sub-
cutanea
metacarpo-
phalangea
dorsalis
M. extensor carpi radialis
longus
M. extensor carpi radialii
brevis
M. abductor poUicis longus
(und extensor pollicis brevis)
A. radialis]
. M. extensor
■pollicis longus
M. interosseus
dorsalis I
Bursa subcutanea indicis dorsali;
Fig. 84. Sehnenscheiden an der Dorsalseite der Hand, rechts. (Nat. Gr.)
(Uebernommen aus: v. Bardeleben, Haeckel und Frohse; 1. c. Fig. 94.)
Vaginae dorsales. 289
die Sehne des M. extensor digiti V bei extremer Supination sich nur
einige Millimeter vom M. extensor carpi ulnaris entfernt befindet,
während bei extremer Pronation der Zwischenraum bis 1,5 cm be-
tragen kann. An den eigenen Händen kann man, ohne Zuhilfenahme
eines Spiegels, nur das Verhalten bei der Pronation beobachten, an
geeigneten Händen anderer aber leicht die Unterschiede durch die
Haut hindurch messen. Wir finden also die Sehnenscheide des M.
extensor digiti V proprius nicht gegen die Articulatio radioulnaris
distalis befestigt, sondern gegen den Radius, dessen Bewegungen die
Sehne folgt.
Die Sehnen der Streckseite gehören, von radial nach ulnar ge-
zählt, folgenden Muskeln an :
1) M. abductor pollicis longus 1 „ , ,
2) M. extensor pollicis brevis j^^^n i
3) M. ext. carpi radialis longus 1
4) M. ext. carpi radialis brevis j^^^
5) M. ext. pollicis longus Fach III
6) M. ext. digitorum communis 1 v, yv
7) M. ext. indicis proprius ji^acn IV
8) M. ext. digiti V proprius Fach V
9) M. ext. carpi ulnaris Fach VI
Diese meist übliche Gruppierung der 9 Muskeln auf die 6 Fächer
der Dorsalseite entspricht ebensowenig der fetalen Anlage, wie dem
Verhalten beim Erwachsenen.
Bei letzterem hängt nämlich gewöhnlich Fach II mit Fach III
zusammen, so daß praktisch meistens nur 5 Sehnenfächer mit ge-
sonderten, in sich abgeschlossenen Höhlen übrig bleiben. Noch beim
Neugeborenen kann andererseits bei Fach II eine Trennung für
Sehne 3 und 4 vorhanden sein, die jedoch auch beim Erwachsenen
vorkommt; ferner beschreibt Poirier sowohl für den Neugeborenen,
wie auch für den Erwachsenen je einen Fall einer Sonderung des
Faches I für die Sehnen 1 und 2, was wir in je 2 Fällen beim Erwachsenen
und Neugeborenen bestätigen können. Nur Fach IV weist keine Trennung
für die in ihm enthaltenen verschiedenen Sehnen auf (Poirier). Wir
verstehen den Tadel von Poirier, p. 173, nicht, wenn er von Henle
sagt, daß die Sehnen der M. extensor digitorum communis und indicis
proprius zwischen zwei Schleimbeuteln eingeschlossen sind, einem
hinteren und einem vorderen, und ebensowenig seine Bemerkung über
BouRGERY und Jacob (Bourgery et Jacob, Anatomie descriptive,
Myologie, Paris 1852). Die Abbildung Fig. 7 PI. 158 zeigt kein Septum
zwischen den Zeigefingersehnen und dem Reste der Fingerstreck-
sehnen. Der Text p. 127 ist allerdings so unklar, daß wir ihn wort-
getreu wiedergeben müssen: „La grande gaine commune des exten-
seurs : ä sa partie superieure, eile reunit en commun le long extenseur
propre du pouce, l'extenseur propre de l'indicateur, et l'extenseur
commun des doigts; mais bientot de petites cloisons, qui occupent
toute la hauteur du ligament annulaire renferment dans leurs gaines
speciales, d'une part, les deux tendons de l'indicateur, et de l'autre,
celui du long extenseur propre du pouce, qui s'incurve isolement en
dehors."
Für die Sehnen der 9 Streckmuskeln können wir unsererseits
bei 4 zusammengehörigen Händen zweier Neugeborenen und zweier
Handbuch der Anatomie, II, II, 2. JQ
289
290 FROHSE und M. FRÄNKEL,
ca. 7 - monatlicher Feten höchstens 8 isolierte Sehnenscheiden an-
nehmen, während sich beim Erwachsenen die gesonderten, einheit-
lichen Höhlen meist auf 5 vermindern.
Folgendes Schema, das keinen Anspruch auf die zeitliche Richtig-
keit der Vereinigung der einzelnen Sehnenscheiden macht, möge zur
Erläuterung dienen.
Muskel Fetus g^^^^ ^^Jj^s.
1) M. abduetor poll. longus 1 1
2) M. ext. poll. brevis 2 j^ ^ )
3) M. ext. carpi rad. longus 3 I ]
4) M. ext. carpi rad. brevis 4 j^ J2
5) M. ext. poll. longus 5 3 J
6) M. ext. digitorum communis \n a o
7) M. ext. indicis proprius ^) j ^
8) M, ext. digiti V proprius 7 5 4
9) M. ext. carpi ulnaris 8 6 5
Bei dieser Darstellung ist nicht auf die Frage Rücksicht genommen,
ob die Vereinigung zwischen den Sehnenscheiden beider M. extensores
carpi radiales zuerst statthat, und dann erst die Vereinigung mit der
des M. extensor pollicis longus ; oder ob zuerst die Sehnenscheide des
letzteren Muskels in die des M. extensor carpi radialis brevis durch-
bricht, und dann erst die Vereinigung mit der des M. extensor carpi
radialis longus eintritt. In einem fetalen Falle war links keine Kom-
munikation vorhanden, rechts dagegen verhältnismäßig groß (0,3 cm,
Fall IX), andererseits fehlte bei einem 70-jährigen Manne (linke Hand,
Fall III) auch die Spur einer Verbindung, welche sich in Fall X in
Gestalt einer deutlichen Fossa ovalis kundgab (bei der Drucklegung
noch bei einer Hand eines etwa 40-jährigen Mannes beobachtet). Ver-
bindungen zwischen den beiden Sehnenscheiden der M. extensores carpi
radiales können entweder ganz fehlen, oder an der dorsalen, oberfläch-
lichen Seite liegen, gewöhnlich jedoch an der volaren, Knochenseite,
oder auch an beiden Stellen, schließlich sogar in der Bindegewebs-
platte, welche zwischen beiden Sehnen ausgespannt ist.
Spezielle Beschreibung. (Siehe auch Tabelle S. 298.)
1. M. abduetor pollicis longus.
Die bei unseren Feten 1,3 — 1,5, bei den Erwachsenen 3—6 cm
lange Sehnenscheide beginnt dicht nach der Ueberkreuzung des M.
extensor carpi radialis longus, etwas proximal vom Lig. carpi dorsale,
in dessen Bereiche sie gewöhnlich mit der Scheide des M. extensor
pollicis brevis breit zusammenhängt. Diese Oeffnung beträgt bei den
Feten bereits 0,3 — 1, beim Erwachsenen schwankt sie zwischen
1—2,5 cm; indessen sei darauf hingewiesen, daß wir gerade beim
1) Das für die (etwa 7-monatlichen) Feten angegebene Verhalten kann sich
fenau in derselben Weise bei ganz alten Leuten verwirklicht finden ; und umgekehrt
ann die Abnahme in der Zahl der Sehnenscheiden, welche wir für den Erwachsenen
als Regel aufstellen müssen, sich bereits vor der Geburt vollzogen haben.
2) In einem fetalen Falle hing die Sehnenscheide proximal mit der des M.
ext. dig. comm. et ind. zusammen.
290
Vaginae dorsales. 291
Erwachsenen in 3 Fällen eine absolute Trennung der Sehnenscheiden
der M. abductor pollicis longus und exstensor pollicis brevis beobachtet
haben, ein Befund, der sich nicht erst nach der Geburt herausgebildet
haben kann, sondern bereits im fetalen oder selbst embryonalen Leben
vorgebildet sein muß. Wir legen auf dieses Verhalten besonderes
Oe wicht wegen unserer oben gegebenen schematischen Einteilung der
dorsalen Sehnenscheiden.
Nur in einem Falle eines Erwachsenen war die Endsehne ein-
heitlich, im übrigen eine Vermehrung derselben bis auf 6 zu be-
obachten. Mit zunehmendem Alter war eine Abnahme der Länge
und Stärke der Mesotendinea festzustellen, der Form und Lage nach
waren es Vincula intertendinea superficialia und profunda, alle diese
im distalen Ende der Scheide. Proximal beginnt die Sehnenscheide
hautwärts erst weiter unten gegen das Handgelenk, als an der tiefen,
der Knochenfläche. Und so erklärt sich der in Fall I angegebene
Unterschied in der Länge von 4 — 6 cm.
2. M. extensor pollicis brevis.
Bei den Feten (VII— X) 1,5 cm lang, erreicht die Sehnenscheide
beim Erwachsenen eine Länge von 3,8-^6,8 cm. Das proximale Ende
fällt in die gleiche Höhe mit der des M. abductor pollicis longus, das
distale schiebt sich noch auf den ersten Metacarpalknochen. Gerade
bei den Feten war noch das Muskelfleisch in den Bereich der Sehnen-
scheide hineinbezogen und ließ sich bei Daumenbeugung und Ad-
duktion noch über den Radius hinaus distal verfolgen. Das beim
Fetus oft einheitliche Mesotendineum ulnare war bei den Händen
weiblicher Erwachsener bedeutend klarer entwickelt, als bei den männ-
lichen, in Gestalt von einem Vinculum trianguläre proximale und distale
und im Bereiche des Lig. carpi dorsale verwirklicht durch ein oder
mehrere, ganz zarte Vincula filiformia. An den männlichen Händen
verlief die Sehne frei in ihrer Scheide.
3. M. extensor carpi radialis longus.
Die bei unseren Feten 1—1,5, bei den Erwachsenen 3,7 — 4,7 cm
lange Sehnenscheide beginnt proximal am Radius, wo die Ueber-
kreuzung durch den M. extensor pollicis brevis beim Uebergange in
dessen Sehne statthat. Das distale Ende hört beim Erwachsenen un-
gefähr 1 cm proximal von der Basis des 2. Mittelhandknochens auf.
In einem Falle jedoch haben wir hier noch eine Bursa accessoria
distalis von 1,5 cm größter oberflächlicher Länge beobachtet, welche
vollkommen von der Hauptsehnenscheide getrennt war.
Die Kommunikationsöffnung mit der Sehnenscheide des M. ex-
tensor carpi radialis brevis fehlte in je 2 Fällen von Feten und
Erwachsenen, dorsal, d. h. hautwärts von den Sehnen war sie in je
einem Falle vom Fetus und Erwachsenen verwirklicht. Volar, d. h.
knochenwärts konnten wir 4 Fälle vom Erwachsenen und einen
fetalen verzeichnen. Eine gleichzeitige dorsale und volare Kommuni-
kation war in einem Falle vom Erwachsenen zu sehen. Schließlich
war bei der Hand eines Erwachsenen noch eine Kommunikation im
Intertendineum der beiden M. extensores carpi radiales vorhanden.
Im übrigen schließen wir uns der Auffassung von Poirier an, daß
diese Sehnenscheide niemals direkt mit der des M. extensor pollicis
19*
291
292 FROHSE und M. FRÄNKEL,
longus kommuniziert, sondern, wenn überhaupt, erst durch die
Vermittelung der des M. extensor carpi radialis brevis.
4. M. extensor carpi radialis brevis.
Für die Sehnenscheide dieses Muskels gelten im allgemeinen die
Angaben, wie für den vorigen, nur wendet sich der Ursprung des
Mesotendineum radialwärts. Ferner findet sich unter dem Ansätze
der Sehne am Processus styloideus ossis metacarpalis III ein Schleim-
beutel, der später genauer beschrieben wird und oft für die Ent-
stehung eines sogenannten Ueberbeines verantwortlich gemacht werden
kann. Bei den Feten 1,8—2,2 cm lang, erreicht sie beim Erwachsenen
eine Länge von 4,2 — 6 cm, ist also erheblich größer als die des
longus. Der proximale Beginn fällt im allgemeinen mit der des
letzteren zusammen, dagegen schiebt sich das distale Ende gegen den
Processus styloideus ossis metacarpalis III vor. Die Länge der Sehnen-
scheide liefert den Beweis, daß die Handgelenksstreckung viel mehr
durch diesen Muskel ausgeführt wird, als den M. extensor carpi
radialis longus.
5. M. extensor pollicis longus.
Die Sehnenscheide war bei den Feten 1,7 — 2 cm lang, beim
Erwachsenen 5—6,5 cm. Jedoch ist darauf zu achten, daß eine
Vagina s. Bursa accessoria metacarpalis vorkommen kann, wodurch,
wie im Falle V, die Länge auf 8 erhöht wird (5 + 3). Die Sehne ver-
läuft schon bei unseren Feten frei in ihrer Scheide. Proximal wird
noch je nach der stärkeren Beugestellung des Daumens ein größeres
oder kleineres Stück des Muskelbauches mit in die Sehnenscheide
hineinbezogen.
Bei der Wichtigkeit der Kommunikation zwischen ihr und der-
jenigen des M. extensor carpi radialis brevis (und des longus) haben
wir bereits bei der allgemeinen Beschreibung einige spezielle An-
gaben gemacht, die hier wiederholt seien. An der linken Hand eines
ca. 7 Monate alten Fetus fehlte die rechts 0,3 cm lange Oeffnung,
war jedoch durch eine Fossa ovalis mit ganz zarter membranöser
Platte angedeutet, andererseits fehlte an der linken Hand eines ca.
70 Jahre alten Mannes (Fall III) jede Verbindung und selbst eine
Andeutung einer solchen, ebenso bei einem etwa 40-jährigen Manne.
Wenn wir uns nun fragen, wann die zeitliche Vereinigung und
in welcher Reihenfolge zwischen den Sehnen der 3 in Betracht kom-
menden Muskeln, der M. extensores carpi radiales und pollicis longus,
eintritt, so müssen wir nach unseren prozentualen Ergebnissen sagen,
daß die Kommunikationsöifnung , wenn sie sich überhaupt findet,
sich über der Sehne des M. extensor carpi radialis brevis befindet
(80 Proz.) und erst von dieser Sehnenscheide aus sich die Verbindung
mit der des M. extensor carpi radialis longus entwickelt (60 Proz.).
In den beiden Fällen, wo die Kommunikation zwischen den M. ex-
tensor pollicis longus und carpi radialis brevis fehlte, war nichtsdesto-
weniger eine Verbindung zwischen den Sehnenscheiden der beiden
M. extensores carpi radiales vorhanden, das eine Mal mit volarer»
das andere Mal mit dorsaler Perforation. Wir haben (s. S. 296) noch
einer Bursa subabductoria radialis zu gedenken, bei deren Besprechung
wir die normale und pathologische Bedeutung erwähnen werden.
292
Vaginae dorsales. 293
6. M. extensor digitorum communis und indicis pro-
prius.
Unsere Befunde ergaben bei den Feten eine Länge von 1,8—2,4,
beim Erwachsenen eine solche von 5 — 6,5 cm. Unsere Messungen
sind so zu verstehen, daß wir für die einzelnen Sehnen die Bestim-
mungen immer von radial nach ulnar ausgeführt haben. Im allge-
meinen können wir sagen, daß der proximal einheitliche Sehnensack
sich distal entsprechend dem Auseinanderweichen der Sehnen in
mehrere Zipfel (Endkammern) teilt, von denen die ulnaren, d. h. die
für den 4. Finger oder an der Nebensehne für den Kleinfinger die
längsten zu sein pflegen. In unserer Tabelle ist nur in Fall X die
radiale Abteilung mit längeren Sehnenscheiden bedacht. Dieser Beob-
achtung am Fetus können wir aber noch 2 andere beim Erwachsenen
anschließen, bei welchen ebenfalls der radiale Teil längere Sehnen-
scheiden hatte, als der ulnare.
Henle unterscheidet eine getrennte Bursa posterior und anterior
— demgemäß müßten die beiden Extensoren rechts und links durch seit-
liche Mesotendinea an die Wand fixiert sein ; Bourgeby und Jacob bilden
ein Septum ab, welches von vorn nach hinten die beiden Zeigefinger-
sehnen von dem Reste des M. extensor digitorum communis trennt. Von
beiden Darstellungen haben wir uns in Uebereinstimmung mit Poiribr
nicht überzeugen können. Die Sehnenscheide ist einheitlich, wenn sie
auch durch die Anheftung an verschiedener Höhe der Sehnen scheinbar
mehrere Kammern erzeugen kann.
Gerade bei dieser Sehnenscheide glaubten wir, durch Untersuchung
der Feten Aufschluß über die ursprüngliche Anlage zu bekommen;
jedoch zeigten die entsprechenden Hände beide Male dasselbe Ver-
halten, wie wir es auch beim Erwachsenen beobachteten: in dem
einen Falle einen noch innigen Zusammenhang sämtlicher Sehnen durch
zarte Mesotendinea, aus welchen sich nur die Strecksehnen für den
Zeigefinger etwas herausheben ließen ; in dem anderen Falle waren
die Sehnen der ulnaren Gruppe proximal vollkommen frei, die der
radialen Gruppe, d. h. die beiden Zeigefingersehnen in typischer Weise
hautwärts mit der gemeinsamen Sehnenscheide in Verbindung. Eine
Abgrenzung in eine getrennte radiale und ulnare Loge konnten wir
niemals feststellen, weil nämlich ein einheitliches Vinculum superficiale
fehlt, dagegen ist in der Tiefe fast regelmäßig ein Vinculum mem-
branaceum profundum vorhanden, welches sich am 3. Mittelhand-
knochen anheftet. In diesem Sinne wäre es also erlaubt, von einer
radialen und ulnaren Loge zu reden. Die Sonderstellung der beiden
Extensorensehnen des Zeigefingers gibt sich aber durch 3 Punkte kund :
erstens eine verschieden lange Kommunikationsöffnung beider speziellen
Sehnenscheiden in die gemeinschaftliche, welche für die oberflächliche
Sehne zwischen 2 und 3, bei der tiefen Sehne zwischen 0,8 und 2 cm
schwankt ; zweitens durch einen gesonderten Recessus proximalis, den
wir bei der oberflächlichen Sehne zwischen 0 — 0,4, bei der tiefen
zwischen 0—2 gemessen haben; drittens durch einen besonderen Recessus
distalis, der bei beiden Sehnen zwischen 0,8 und 1,8 cm schwankte,
jedoch laald bei der oberflächlichen, bald bei der tiefen Sehne länger war.
Wenn wir unsere Beobachtung in ein Schema fassen wollen, so läßt
sich sagen, daß die Sehnenscheide durch ein sagittales Septum in der
Tiefe gegen den 3. Mittelhandknochen fixiert wird und so eine radiale
293
294 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Loge gegen die ulnare abgrenzt. In der radialen Loge findet eine
unvollkommene Teilung durch eine frontale Bindegewebsplatte statt,
in welcher hautwärts der längere Blindsack der oberflächlichen
Strecksehne und der kürzere der tiefen gelegen ist. Proximal- und
distalwärts finden sich darum Recessus von verschiedener Länge. In
der ulnaren Loge können die Strecksehnen durch breite Intertendinea
in ganzer Ausdehnung miteinander verbunden sein.
Am frühesten selbständig werden die ulnaren Abschnitte (IV und
III), zwischen II und III bleibt recht oft das Intertendineum stark
entwickelt, allerdings oft durchsetzt durch eine bis 2 cm lange rund-
liche Perforation mit scharfen oder gefransten Rändern.
Die allgemeine Auffassung, daß mit dem Handgelenke auch sämt-
liche am Vorderarme entspringende Muskeln ihr Fleisch verlieren und
ihre vollkommen freie Sehne entwickeln, haben wir bereits in der
Muskelbeschreibung für den M. extensor indicis proprius bei Beuge-
stellung der Hand und Finger berücksichtigt. In dieser Haltung
bildet nämlich sein Bauch auf eine etwa 1,5 cm lange Strecke den
Boden der Sehnenscheide. Wir müssen es jetzt auch für den fetalen
M. extensor pollicis brevis bei Daumenbeugung nachholen. Wir
können dem noch hinzufügen den aus der Chirurgie bei der Resektion
des Handgelenkes bekannten muskulären Recessus für den M. extensor
pollicis longus, ferner den eben erwähnten für die M. extensor pollicis
brevis und digitorum communis. Des besonderen, ganz in der Tiefe
gelegenen Recessus proximalis für das Muskelfleisch des M. abductor
pollicis longus haben wir bei der Bursa subabductoria radialis aus-
führlich gedacht (siehe S. 296).
7. M. extensor digitiV proprius.
Die Länge der Sehnenscheide schwankt bei den Feten zwischen
1,8 und 2,3, beim Erwachsenen zwischen 5,5 und 8 cm. Sie ist ge-
wöhnlich vollkommen von der des gemeinschaftlichen Fingerstreckers
getrennt. In einem fetalen Falle jedoch hing sie bis zur mittleren
Höhe der Articulatio radioulnaris distalis mit ihr zusammen. Ist,
wie fast immer, die Sehne gespalten, so läßt sich, wenigstens beim
Erwachsenen, der Unterschied in der Länge der distalen Ausbuchtungen
messen. So erklärt sich auch die verschiedene Länge, die wir auch
bei dieser Sehnenscheide verzeichnen mußten. Beide Recessus können
gleich lang sein, im allgemeinen ist jedoch eine Verschiedenheit nach-
zuweisen, welche fast immer zu gunsten des ulnaren Recessus aus-
fällt. — Die Sehnenscheide besitzt bei den Feten meistens ein ein-
heitliches Vinculum membranaceum radiale, kann jedoch im Bereiche
des Lig. carpi dorsale durch ein oder mehrere Vincula filiformia er-
setzt werden, ein Verhalten, welches wir auch bei den Frauenhänden
wiedergefunden haben; die männlichen Hände zeigten auch hier eine
höhere Differenzierung vom fetalen Verhalten, indem die Vincula
filiformia fehlten — und auch die Vincula triangularia proximale und
distale lange nicht so kräftig entwickelt waren, wie bei den weiblichen
Händen. Daß Abweichungen in dieser Beziehung auch zu gunsten von
Frauenhänden vorkommen, halten wir für höchst wahrscheinlich und
empfehlen diese Frage der Nachprüfung an einem größeren Materiale.
Wie sehr sich die Entfernung dieser Sehne von der des folgenden
Muskels bei Pro- und Supination verändern kann, von 0,3 auf 1,5 cm,
ist oben schon ausführlich beschrieben worden (s. S. 289).
294
Vaginae dorsales. 295
8. M. extensor carpi ulnaris.
Die beim Fetus 1,5 — 1,7, beim Erwachsenen 3,5 — 6,5 cm lange
Sehnenscheide beginnt proximal vom Lig. carpi dorsale, das Ende
reicht nicht ganz bis an die Basis des 5. Mittelhandknochens hin. Da
das gewöhnlich vorhandene Mesotendineum sich breit an der radialen
Seite befestigt, so findet die Hauptausdehnung der Sehnenscheide an
der gegenüberliegenden Seite statt, also am freien ulnaren Rande der
Sehne. Das von uns bei den Feten immer gefundene einheitliche
Vinculum radiale kann in gleicher Weise bei Erwachsenen beiderlei
Geschlechtes sich finden, weist jedoch bei jedem Lebensalter häufig
eine Perforation im Bereiche des Lig. carpi dorsale auf, welche so
groß werden kann, daß man seine Reste als Vinculum trianguläre
proximale und distale besonders bezeichnen muß. Man hüte sich,
die dorsale Nebensehne für ein Vinculum tendinis zu halten! Wir
haben sie höchst selten vermißt, obwohl der Abgang aus der Haupt-
sehne ein verschiedener sein kann, allermeist innerhalb der Sehnen-
scheide selbst, meistens an der Stelle, wo die dorsale Fläche den
radialen Rand überwölbt, aber auch von der Tiefe aus. Nur in einem
Falle kam die Nebensehne erst distal von der Sehnenscheide aus der
Hauptsehne hervor.
Der Tendo accessorius volaris liegt niemals im Bereiche der
Sehnenscheide.
Wenn man den ulnaren Rand der Hauptsehne am Ansätze aufsucht
und dabei den M. abductor digiti minimi zur Seite drängt, kommt man in
etwa der Hälfte der Fälle auf eine kleine, bis linsengroße Höhle oder einen
entsprechenden Spalt, von dem wir nicht behaupten wollen, ob er dem
M. abductor digiti minimi oder dem M. extensor carpi ulnaris zuzu-
rechnen ist. Diese Bildung liegt etwas dorsalwärts vom freien Rande
des Lig. pisometacarpeum und dürfte kaum eine besondere Bedeutung
haben. Einen Namen wollten wir absichtlich noch nicht vorschlagen.
In einem Falle beobachteten wir eine freie Appendix epiploica
unter dem Lig. carpi dorsale, welche radial mit 1 cm langer Basis
entsprang und mit ihrem scharfkantigen, fetthaltigen freien Rande in
die Sehnenscheide hineinragte.
Bursa subabductoria radialis (nobis).
An der Außenseite des Vorderarmes liegt zwischen den Sehnen
der M. abductor pollicis longus und extensor pollicis brevis einerseits
und der extensores carpi radiales (sowie dem Radius) andererseits
beim Erwachsenen ein ansehnlicher Schleimbeutel, der in den B. N. A.
nicht bezeichnet ist, für den wir als am leichtesten zu deutenden
Namen: Bursa subabductoria vorschlagen möchten mit dem Zusätze
radialis i. e. über dem Radius gelegenen, weil wir hinterher noch
einen zweiten Schleimbeutel am Ansätze der Endsehne zu beschreiben
haben, die Bursa subabductoria carpalis, welche dem Os multangulum
majus, also einem Handwurzelknochen entspricht, aber auch recht oft
mit der Articulatio carpometacarpea pollicis zusammenhängt.
Wir haben die Bursa subabductoria radialis bei unseren Feten
noch nicht entwickelt gefunden, ebenso auch bei Händen von er-
wachsenen Frauen. Einmal (Fall VI) war der Schleimbeutel schon in
größerer Ausdehnung ausgebildet, doch nur in einer Länge von 1,5,
einer Breite von 0,3 cm. In dem Falle V war eine Annäherung an die
295
296 FROHSE und M. FRÄNKEL,
bei sämtlichen 3 männlichen Händen beobachtete Länge und Breite
zu erkennen. Sie betrug hier in der Länge 4, in der Breite 1,3 cm.
Bei den Männerhänden betrug die Länge 4,5 — 6, die Breite 1,5 bis
2 cm. Wenn an irgend einer Stelle, so konnten wir an unserem
noch nicht sehr zahlreichen, vollkommen willkürlich gewählten Materiale
die Umwandlung des fetalen Typus in den weiblichen, und dann den
höchsten Grad der Entwickelung beim Manne feststellen. Diese Tat-
sache eines mächtigen radialen Schleimbeutels dürfte auch praktisch
von großer Bedeutung sein. Der Mann, besonders ein Arbeiter, ist
durch seinen Beruf vielfach Gewalteinwirkungen gerade an der radialen
Seite oder der Höhe des Dorsum manus ausgesetzt. Eine Verletzung
dürfte in erster Linie die Sehnenscheide des M. extensor pollicis longus
betreffen und, da diese meistens mit der des M. extensor carpi radialis
brevis zusammenhängt und diese wieder mit der des longus, auch
diese in Mitleidenschaft ziehen. So kann eine Schädigung nur einer
der 3 Sehnenscheiden auch die anderen ohne weiteres mitergreifen.
Nun ist zwischen dem proximalen Ende der Sehnenscheiden der M.
extensores carpi radiales und dem distalen unserer Bursa subabduc-
toria radialis gewöhnlich nur eine dünne Lage von Bindegewebe vor-
handen, welche bei unvorsichtiger Handhabung der Sonde sehr leicht
durchstoßen werden kann. Wie viel leichter ist dies aber bei ent-
zündlichen Prozessen möglich ! Wir haben dann dieselben ungünstigen
anatomischen Bedingungen vor uns, welche die Phlegmonen oder
Panaritien des Daumens oder des kleinen Fingers so gefährlich
machen, nämlich eine Perforation von der einen Scheide in die
andere hinein. Eine Durchbrechung unserer Bursa subabductoria
radialis würde eine tiefe Phlegmone an der radialen Streckseite her-
vorrufen können.
Der Schleimbeutel besitzt sehr häufig einen proximalen Recessus,
welcher der tiefen Fläche der Endsehne des M. abductor pollicis
longus folgt, und je nach der Mächtigkeit der Sehne über die Breite
der M. extensores carpi radiales ulnar hinausgeht und den Radius
noch in Berührung mit dem Schleimbeutel bringen kann. Auch noch
ein Teil des individuell verschieden stark entwickelten Muskels kann
noch in diesen Recessus miteinbezogen werden. Der Teil des Radius,
welchen der Schleimbeutel bedecken kann, ist bei Männerarmen räum-
lich größer, als bei Frauenarmen, und betrug im extremsten Falle
4 cm in der Länge und bei radialer Abduktion durch die Wirkung
beider M. extensores carpi radiales 1 cm.
Ein zweiter Recessus findet sich distal in Begleitung der End-
sehne des M. extensor carpi radialis brevis; das Ende entspricht
gerade dem Punkte, wo die Sonde in normalen anatomischen, die
Entzündung in pathologischen Fällen eine Perforation erzielen kann.
Bursa subabductoria carpalis (nobis).
Mehr rein anatomisches Interesse verdient ein kleiner Schleim-
beutel, der unter der Hauptsehne des M. abductor pollicis longus ge-
legen ist, unsere Bursa subabductoria carpalis. Mitunter ist diese
als Bursa intertendinea aufzufassen, wenn tiefe Nebensehnen eine
Hohlrinne für die Hauptsehne erzeugen. Beim Fetus fehlt sie
meistens und wird kaum länger, als 0,1 cm, beim Weibe beobachteten
wir eine Länge von 0,3 — 0,6 und bereits eine Kommunikation mit
2Q6
Vaginae dorsales. 21)7
der Articulatio carpometacarpea pollicis. Beim Manne betrug die
Länge 0,4—1 cm und die Kommunikation mit dem Gelenke war öfter
vorhanden. Auch hier ließ sich in ganz klarer Weise der Zusammen-
hang der Entwickelung beim männlichen Geschlechte durch den Ge-
brauch der Hände zu schwerer Arbeit feststellen. Das von Poirier
behauptete konstante Vorkommen des Schleimbeutels oder gar den
Zusammenhang mit dem Gelenke können wir nicht in diesem Um-
fange zugeben, halten jedoch den Schleimbeutel beim Erwachsenen
für eine normale Bildung. Die Bursa kann zweikammerig sein durch
einen besonderen Recessus gegen das Os naviculare hin.
Schlei mbeutel des M. extensor carpi radialis longus.
In einem Falle haben wir eine accessorische, distale Schleim-
scheide von 1,5 cm Länge beobachtet. Einen Schleimbeutel unter
dem Ansätze der Endsehne an der Basis des 2. Mittelhandknochens
analog dem normalen unter der Endsehne des M. extensor carpi
radialis brevis halten wir für eine große Seltenheit, obschon gerade
an dieser Stelle schlüpfriges Bindegewebe ihn vortäuschen kann. In
unseren 10 tabellarisch festgelegten Fällen war er sicher nicht vor-
handen, und wir möchten auch frühere Beobachtungen eines schein-
baren Schleimbeutels neuerdings in Frage stellen.
Schleimbeutel des M. extensor carpi radialis brevis.
Den Schleimbeutel unter dem M. extensor carpi radialis brevis
möchten wir als normal, wenn auch nicht als konstant bezeichnen.
Er fehlte je einmal bei einer fetalen und weiblichen Hand. Die
Länge betrug beim Fetus 0,1, beim Weibe 0,3, beim Manne durch-
schnittlich 1 cm. Der Ansatz der Sehne findet erst distal vom Pro-
cessus styloideus ossis metacarpalis III statt, und auch der Schleim-
beutel, welcher besonders bei männlichen Händen in eine besondere
Knochenfurche eingebettet sein kann, reicht kaum über den Processus
styloideus proximalwärts hinaus.
Accessorische Schleimscheiden des M. extensor pollicis
longus.
Analog den accessorischen Sehnenscheiden des M. extensor hallucis
longus können sich im Bereiche eines Mittelhandknochens accessorische
Schleimscheiden entwickeln, die entweder mit der Hauptsehnenscheide
zusammenhängen und ihr dann eine beträchtliche Länge verschaffen,
oder selbständig bleiben.
Accessorische Schleimbeutel des M. extensor digitorum
communis.
Sie liegen in der Höhe der Knöchel nicht sowohl über den Arti-
culationes metacarpophalangeae, wie über den Capitula ossium meta-
carpalium und werden unterschieden als subcutaneae und subtendineae,
je nachdem sie haut- oder knochenwärts zur Sehne gelagert sind.
Von einer Bursa subtendinea sind wir nur dann zu sprechen be-
rechtigt, wenn keine Verbindung mit der Gelenkhöhle vorliegt. Wir
haben sie nur bei Männerhänden und beim Zeigefinger beobachtet,
297
FROHSE und M. FRANKEL,
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Bursa subadductoria
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Kommunikationsöffn
M. extensor carpi :
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Kommunikationsöffn
M. extensor digito
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Vaginae dorsales. 299
sowohl unter der entsprechenden Sehne des M. extensor digitorum
communis, wie unter der des M. extensor indicis proprius, d. h.
sowohl der des oberflächlichen, wie der des tiefen. An den anderen
Fingern war die Trennung zwischen Sehne und Gelenkkapsel durch
schlüpfriges Bindegewebe teilweise sehr leicht durchführbar. An den
Frauenhänden führte ein solcher Versuch zur sofortigen Eröffnung der
Gelenkhöhle.
Die Bursae subcutaneae sind ebenfalls beim Manne häutiger und
in größerer Länge verwirklicht. Eine Statistik hierüber haben wir
nicht aufgestellt, neigen aber zu der Auffassung, daß sie sich am
häufigsten am Mittel-, dann am Zeigefinger, dann am Ringfinger und
schließlich am kleinen Finger vorfinden.
Bemerkungen zur Tendovaginitis crepitans.
KÜTTNER^) berichtet zwar fast ausschließlich über die Sehnen-
scheiden des Fußrückens, jedoch haben wir die technischen Versuche,
welche in der Marburger Anatomie von Weiss und Seemann an
23 unteren Extremitäten angestellt worden sind, nämlich Injektion von
Luft oder Wasser, in gleicher Weise bei der oberen Extremität
ausgeführt. Das proximale Ende der Sehnenscheide bildet durch einen
von oben her hereinragenden Fortsatz, die schon von Rosthorn und
Hartmann erwähnte Plica semilunaris, in der Sehnenscheide eine
vordere und eine hintere Tasche etwas über Knöchelhöhe.
KÜTTNER beschreibt nun folgendes Phänomen bei einigen Ver-
suchen: „Bei der Einspritzung von unten her wurde zunächst unter
Füllung der vorderen Tasche ein oberer Abschluß der Sehnenscheide
gewonnen : wartete man nun ein wenig und injizierte dann ohne jeden
stärkeren Druck von neuem, so drang jetzt die Injektion spielend
nach aufwärts, während die vordere Tasche gleichzeitig gefüllt blieb.
In der kurzen Pause zwischen den beiden Einspritzungen war die
Flüssigkeit, welche von der vorderen Tasche aus zunächst die Plica
semilunaris fest auf die Sehne angedrückt hatte, unter die Plica ge-
langt, hatte sie abgehoben, und der Weg nach aufwärts war für die
zweite Injektion frei."
Wir bestätigen diese Befunde durchaus, sind jedoch der Ansicht,
daß bei der zweiten Injektion bereits eine Lockerung oder Zerreißung
der hinteren Tasche eingetreten ist, genau in derselben Weise, wie
bei der von uns schließlich bevorzugten Sondierungsmethode. Der
geringste Druck, welcher zweifelsohne auch bei den entsprechenden
Marburger Fällen zur Geltung kam, reicht aus, die äußerst dünne
Wand der hinteren Tasche zu lockern oder zu sprengen, und der
Luft oder dem Wasser den Zutritt zur Muskelsubstanz, d. h. unter
das Perimysium externum zu gestatten. Damit kommen wir zum
zweiten Punkte, daß nämlich Küttner in vielen Fällen von Tendo-
vaginitis crepitans des Unterschenkels die Sehnenscheiden der Ex-
tensoren in keiner Weise beteiligt fand, sondern ein Ringsegment
von Handbreite zwischen dem proximalen Ende des Lig. transversum
cruris und dem verstärktem proximalen Teile der Fascia cruris. Wir
stimmen vollkommen seiner Auffassung zu, daß es sich um eine Ent-
1) Zur Kenntnis der normalen Sehnenscheidenanatoraie und der Tendovaginitis
crepitans. Centralbl. für Chirurgie, 1907, No. 31, S. 100—103, Seibstbericht.
299
300 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Zündung in dem Bindegewebe um die 3 Extensoren handelt und alle
3 gleichmäßig zu betreffen pflegt trotz der verschiedenen Wirkung,
und verstehen nicht recht, warum er den neuen Namen „Metadesmitis
crepitans" vorschlägt, obwohl es bereits eine nahe verwandte BRAUERSche
„Perimysitis crepitans" und das PAUZATsche „Ai crepitant de la
Jambe" gibt. Für den Arm erwähnt Küttner die Tendovaginitis
crepitans für die M. abductor poUicis longus und extensor pollicis
brevis, bei welchen das Krepitieren bei freier Handgelenksgegend
oft bis zur Mitte des Vorderarmes bemerkbar ist. Bei diesen Mus-
keln ist eine dreifache Erklärung möglich: entweder es handelt sich,
was wohl für die Mehrzahl der Fälle am wahrscheinlichsten ist, um
die eben erwähnte Perimysitis crepitans, oder um eine Entzündung
des von uns als Bursa subabductoria radialis beschriebenen, fast
konstanten Schleimbeutels, oder um eine gleichzeitige Erkrankung
der genannten Gebilde.
III. Länge der Gesamtmuskeln und ihrer Sehnen.
A. Allgemeiner Teil.
Die hier abgebildeten Muskeln entstammen sämtlich demselben rechten Arme
eines muskelkräftigen Mannes und sind mit Rücksicht auf die Gesamtlänge und
die Längenmaße der Ursprungs- und Ansatzsehnen dargestellt. In schärfster Weise
sind wir auf drei Gesichtspunkte eingegangen, die Bestimmungen: der vollkommen
muskel freien, der äußerlich sichtbaren und schließlich der intra-
muskulären Längen der Sehnen. Bei den langen Muskeln gibt für gewöhn-
lich eine End klammer außerhalb des Muskelbildes die Gesamtlänge an, bei den
kurzen eine Linie innerhalb. Diese Darstellung findet sich von den Schulter-
muskeln herunter bis zu den Handmuskeln.
Die Sehnen sind, soweit sie oberflächlich liegen, teils durch volle Klammern
angegeben, wenn sie an der Oberfläche liegen, teils durch punktierte, wenn sie in
der Tiefe verborgen sind. — Die Sehnenspiegel haben bei größerer Ausdehnung eine
genauere Darstellung gefunden, beispielsweise haben wir bei Fig. 94, dem M. triceps,
sowohl beim Sehneuspiegel des Caput longum, wie an der gemeinschaftlichen Endsehne
3 Maße angegeben, und zwar durch punktierte Linien, nämlich: die größte, die mittlere,
und die kleinste Länge. Die mittlere Länge ist durchaus nicht schematisch dargestellt,
nach der Hälfte zwischen größter und kleinster Länge, sondern jedesmal nach dem Prä-
parate selbst bestimmt. Außerdem haben wir die intramuskulären Ursprungs- und
Ansatzsehnen genau untersucht und auf den Abbildungen in gezackten Linien fest-
gelegt, welche sich bei jedem Einzelmuskel verschieden verhalten, worüber bei der
jedesmaligen Muskelbeschreibung nachzusehen ist. Sie können vollkommen fehlen,
andererseits nur an Ursprungs- und Ansatzsehnen vorhanden sein, sich gegenseitig
nicht erreichen, oder sich in erheblicher Weise überlagern. Eine intramuskuläre
Sehne findet sich natürlich immer im Innern des Muskels verborgen und kann in
der wechselndsten Art von den extramuskulären umfaßt werden, entweder von der
präparatorisch freiliegenden Facies superficialis aus, oder von einem, oder den beiden
Seitenrändern eines Muskels oder schließlich von der Facies profunda aus. Die
entsprechenden Beispiele können aus den folgenden 50 Figuren ersehen werden.
Die wichtigsten Durchbohrungen der Muskeln durch Nerven, z. B. M. coraco-
brachialis — N. musculocutaneus, oder M. pronator teres — N. medianus, oder M. supi-
nator — E. profundus n. radialis oder der M. flexor carpi ulnaris — N. ulnaris, sowie
schließlich an den Handmuskeln — R. profundus n. ulnaris haben wir schematisch
angegeben, und nötigenfalls die Eintritts- und Austrittsstellen durch Klammern be-
zeichnet, welche in der Tiefe zu denken sind.
Außerdem haben wir, wenn nicht bereits in der Abbildung, so doch in der
jeweiligen Beschreibung die durchschnittliche Muskelbündellänge mitangegeben und
in Prozenten ausgerechnet, mit welcher Kraft der betreffende Muskel auf Grund der
wirklichen Muskelbündellänge und der äußerlich in Erscheinung tretenden Gesamt-
länge, d. h. einschließlich der Ursprungs- und Ansatzsehnen, wirken dürfte.
300
Muskel- und Sebnenlänge. 301
Bei unserer prozentualen Bestimmung der durchschnittlichen Gesaratmuskel-
länge und der besonderen wirklichen Muskelbündellänge des Einzelfalles haben wir
aus Zweckmäßigkeitsgründen 3 Unterabteilungen aufgestellt, nämlich I. für diejenigen
Muskeln, welche mit mehr als 50 Proz. ihrer Kraft wirten können, II. für die mit 25 bis
50 Proz., III. für die unter 25 Proz. Hierbei hat sich für uns die vom ana-
tomischen Standpunkte aus zunächst überraschende, vom physiologischen Standpunkte
durchaus verständliche Tatsache herausgestellt, daß die Muskeln, welche die feineren
Handbewegungen zu vollführen haben, mit zur 1. Gruppe gehören, ebenso wie die
meisten Muskeln, welche am Schultergelenke angreifen. Zur 2. Gruppe gehören
im wesentlichen diejenigen Muskeln, welche die Bewegung im Ellenbogen gelenke und
diejenigen der beiden Vorderarmknochen gegen einander, also Pronation und Supi-
nation bewerkstelligen. Alle anderen Muskeln, welche im Ursprünge das distale
Ende des Humerus, die Vorderarmknochen oder die Handknochen, distal vom
Carpus benutzen, können nur eine Muskelkraft von unter 25 Proz. entfalten.
Vor allen Dingen muß 1) die Aufgabe des M. coracobrachialis hervorgehoben
werden. Nach unserer Auffassung ist er ja überhaupt kein überarmmuskel, sondern
ein Schultermuskel, analog der Adductorengruppe am Oberschenkel; 2) ist zu be-
achten, daß der M. brachioradialis procentualiter die erste Stellung unter den Beuge-
muskeln einnimmt und demgemäß nicht zu den Vorderarmmuskeln gerechnet werden
kann, sondern den Oberarmmuskeln beigerechnet werden muß, genau wie es mit
dem M. pronator teres der Fall ist, wohlgemerkt nur physiologisch, wenn der durch
die Hand festgestellte Vorderarm das Punctum fixum bildet. Dann stellt der M.
brachioradialis den M. flexor brachii radialis s. lateralis dar, der M. pronator teres
den M. flexor brachii ulnaris s. medialis. Die Tatsache läßt sich, wie im Texte er-
wähnt, mit aller Klarheit und größter Wirkung nur in der anatomischen Grund-
stellung des supinierten Armes beim turnerischen Untergriffe zeigen, wenn sich also
der Vorderarm in Supinationsstellung befindet. Bei der Pronation ist die Wirkung
ungleich schwächer und erfordert eine größere Uebung. Daß auch sämtliche Mus-
keln, welche distal von dem ßadiocarpalgelenke ansetzen und ihren Ursprung an den
Vorderarmknochen und am Oberarmbeine gewinnen, die Flexion in der ausgiebigsten
Weise unterstützen können, sei nochmals hervorgehoben.
B. Spezielle Besehreiban?.
Fig. 85. M. deltoideus. Dieser Muskel ist in situ gewölbt und erscheint zeich-
nerisch wie ein Dreieck mit zum Schultergürtel gewandter Basis. Losgelöst und aus-
gebreitet, hat er jedoch nur die ungefähre Form eines Dreieckes, mit der Einschrän-
kung, daß entsprechend dem Acromion eine Auskehlung des proximalen Muskel-
randes statthat. Die Breite der Basis läßt sich also nur durch eine künstliche
Querlinie bestimmen, welche von der vorderen zur hinteren Ecke gezogen wird. Ihre
Länge beträgt in dem abgebildeten Falle 17,5 cm. Beide Seitenränder, die Schenkel
des Dreieckes, haben eine Länge von 19 cm. Zunächst befremdend könnten die unter
den Ziffern I — V angegebenen proximalen Sehnenpfeiler erscheinen. Aeußerlich
sichtbar erscheinen nur II mit 4 cm, III mit 2,5 cm und V mit 1,5 cm Länge.
Die Untersuchung des Miiskelinnern ergab jedoch für die 5 vorliegenden proximalen
Sehnenpfeiler folgende Längen :
I =:= 4 cm
II = 6,5 „ (4)
III = 7,5 „ (2,5)
IV = 8,5 „
y = 6,5 „ (1,5).
Die Endsehne zeigt sich nur an der Facies profunda, hat vorn eine Länge
von 7,5, hinten nur von 5,2 cm. Die intramuskuläre Sehnenendigung besitzt vorn
eine Verlängerung bis ü, hinten bis zu 6,5 cm, also eine genau prozentuale Ueber-
einstimmung zwischen Rand- und tiefer Sehne, d. h. vorn 7,5 und 9, hinten 5,2
und 6,5 cm.
Besonders beachtenswert ist es, daß die distalen Enden der proximalen Sehnen -
g feiler sich zwischen die proximalen Spitzen der Endsehnen hineinschieben und
ierbei ein teilweises Ineinandergreifen erfahren.
Ursprung und Ansatz des M. deltoideus, wenn derselbe hart an den entspre-
chenden Knocnenpunkten losgelöst ist, verhalten sich grundverschieden.
I. Beim Ursprünge ist; 1) die Portio clavicularis oberflächlich sehnig, in der
Tiefe muskulös; 2) die Portio acromialis zeigt abwechselnd Sehnenpfeiler und
Muskelkeile; 3) die Portio spinata ist an der Spina scapulae bereits rein sehnig ge-
worden.
301
302
FROHSE und M. FRÄNKEL,
II. Der Ansatz ist, von der Oberfläche aus gesehen, rein muskulös, im Bezirke
der Tuberositas deltoidea, d. h. hart am Knochen, rein sehnig. Schematisch haben
(hinten) /•
m^^ (vorn)
Fig. 85. M. deltoideus.
wir hier einen einfachen Querschnitt angegeben, um Muskel und Sehne in ein-
facher Weise voneinander unterscheiden zu können. Die meßbare Entfernung
Mk-LßA
Fig. 86. M. subscapularis.
302
Muskel- und Sehnenlänge.
303
Fig. 87. M, supraspinatus.
zwischen freier Oberfläche des Muskels und der Tiefe der Endsehne darf nicht ohne
weiteres an unserer Abbildung nachgeprüft werden, weil zeichnerisch eine Verkür-
zung der Ansicht des Querschnittes eintreten mußte.
Fig. 86. M. subscapularis. Dieser Muskel zeigt trotz der angegebenen Zahlen
für die Länge des oberen (12), unteren (14), medialen (11), und lateralen (ö) Randes eine
größte Durchschnittslänge von 14,5
cm des Gesamtrauskels. Die Länge
der Muskelbündel beträgt jedoch nur
6,4. Die Endsehne ist charakte-
ristisch fiederförmig gebaut und er-
reichte in dem abgebildeten Falle
eine größte intramuskuläre Länge
von 8 cm.
lieber die Sehnenpfeiler, welche
wir in der Fossa subscapularis regel-
mäßig vorfinden, muß bei der Be-
schreibung des Muskels nachge-
sehen werden (siehe fe. 39).
Die Ansatzsehne bezieht sich
nicht auf den ganzen Muskel, son-
dern läßt im distalen Teile, dort,
wo das Tuberculum minus in die
Crista tuberculi minoris übergeht,
noch einen besonderen, rein musku-
lösen Abschnitt hervorgehen, welcher
gegebenen Falles sich als M. sub-
scapularis minor absondert. Auch
wenn die beiden Abschnitte un-
trennbar zusammenhängen, gibt die
Innervation durch den N. axillaris
imd einen Seitenzweig des für den
M. teres major bestimmten R. sub-
scapularis zur genüge kund, daß
es sich um 2 miteinander verschmol-
zene Muskelindividuen handelt.
Fig. 87. M. supraspinatus.
Bei einer Durchschnittslänge von
11,5 cm besitzt dieser Muskel nur
eine freie Endsehne von 2 cm Längt
welche sich jedoch im Innern noch
weitere 5 cm erstreckt. Zwiebelartig,
wie der Aufbau der Muskelbündel,
ist auch die Gestaltung der Sehne.
Unsere Abbildung kann natürlich
nur ein Projektionsbild der inneren
Ansatzsehne geben. Der strahlen-
förmige Aufbau mit Zipfeln auch
nach hinten und vorn wäre nur
an einem Präparate oder einem
naturgetreuen Modelle zu veran-
schaulichen.
Fig. 88. M. infraspinatus.
Dieser Muskel zeigt bei einer durch-
schnittlichen Gesamtlänge von 13,5
cm eine freie Endsehne von nur
1 vm, welche sich jedoch im Innern auf 9 cm verlängert unter gleichzeitiger Ver-
breiterung. Die durchschnittliche Muskelbündellänge beträgt 8,7, geht also bei weitem
über die Hälfte der Länge des Gesamtmuskels hinaus. Da es sich um einen
rechten M. infraspinatus handelt, dürften sich die Maße an der Oberseite (12),
vertebralen (9) und axillaren (16) von selbst erklären.
Fig. 89. M. teres minor. Bei 'einer Gesamtdurchschnittslänge von 10,5 cm
verfügt er über eine durchschnittliche Muskelbündellänge von 6,4 cm. Die Ursprungs-
sehne ist dünn aponeurotisch und entzieht sich ebenso, wie die Ansatzsehne, einer
einwandsfreien einfachen Maßbestimmung, jedoch geht von der Ansatzsehne eine
intramuskuläre Sehnenplatte aus, deren äußerster Zipfel sich 6 cm von der untersten
Facette des Tuberculum majus medialwärts entfernen kann. Dieselbe Tatsache, welche
Fig. 88. M. infraspinatus.
Fig. 89. M. teres minor.
303
FROHSE und M. FRANKEL,
<«
\lh I
V
wir beim M. subscapularis erwähnt haben, kehrt auch
hier wieder: die distalen Muskelbündel enthalten über-
haupt keine Sehnensubstanz mehr und gelangen nicht
zum Tuberculum majus , da sie sich ausschließlich an
dessen Verlängerung, dem Beginne der Crista tuberculi
majoris, ansetzen.
Fig. 90. M. teres major. Dieser Muskel entspringt
fast rein muskulös von dem beschriebenen und abge-
bildeten Felde des Dorsum scapulae, oberhalb dessen
Angulus inferior. Bei einer durchschnittlichen Länge
des Gesamtmuskels von 13,5 cm verfügt er über die
fast unglaubliche Länge von 10,8 cm für die mittlere
Muskelbündellänge. Eine dünne Sehnenplatte findet
sich nur im distalen Teile des Ansatzes und gewinnt
trotzdem an der günstigsten Stelle bloß eine Länge
von 6 cm.
Fig. 91. M. biceps.
Fig. 90. M. teres major.
Wir sehen aus den Befunden an den hier abge-
bildeten Muskeln, daß die Muskelbündellänge durch-
Ji) weg die Hälfte der Länge des Gesamtmuskels über-
schreitet. Beim M. supraspinatus ist das Zahlenver-
hältnis das ungünstigste, nämlich 6,6:11,5 = 57 Proz.;
beim M. teres major von 10,8 : 13,5 = 80 Proz. das beste.
Hieraus ergibt sich, daß der M. supraspinatus mit seinen
Muskelbündeln nur eine Kraft von 57 Proz. der Gesamt-
muskellänge entfalten kann, während andererseits der
M. teres major mit 80 Proz. recht günstig dasteht.
Fig. 91. M. biceps. Der ausgestreckte M. biceps
läßt durch die längere Ursprungssehne des äußeren
Kopfes erkennen , warum dieser den Namen Caput
longum führt. Jedoch wird die größere Länge nur
durcn die Ursprungssehne erzielt; für die durchschnitt-
liche Länge der Muskelbündel steht das Caput breve
mit 14,5 cm gegenüber derjenigen des Caput longum
mit nur 12,6 an erster Stelle. Die Endsehne, welche
sich radialwärts an der Tuberositas radii an-
heftet, medial als Lacertus fibrosus in die Vorderarm-
fascie ausstrahlt, gehört beiden Köpfen gemeinschaft-
lich an.
Für den langen Kopf ergibt sich eine muskelfreie
Ursprungssehne von 9 cm Länge. Trichterförmig um-
faßt sie jedoch den zentral gelegenen Muskelursprung
bis zu 16 cm. — Die Ursprungssehne des Caput breve
ist von vorn nach hinten, also frontal abgeplattet und
nur 4,5 cm muskelfrei ; der an der Vorderseite des
Caput breve befindliche Sehnenspiegel gewinnt
jedoch eine Länge von 12 cm. — Die Ansatzsehne ver-
hält sich an der Facies superficialis, der Pars intra-
muscularis und der Facies profunda grundverschieden.
Die freie Endsehne ist an der Oberfläche auf der
radialen Seite 7 cm, auf der ulnaren 8 cm lang. Die
304
Muskel- und Sehnenlänge.
305
Facies profunda zeigt in derselben Weise einen Unterschied von 1 cm, radial 10,
ulnar II cm. Für die intramuskuläre Sehne ließ sich in unserem Falle nur die ein-
heitliche größte Länge von 13 cm feststellen.
Die Ziffern links 37 bedeuten die Gesamtlänge des Caput longum, rechts 35
die des Caput breve. Die Muskelsubstanz enthaltende mittlere Portion des Muskels
umfaßt für das Caput longum links 21, für das Caput breve rechts 22 cm.
Der M. biceps, berechnet auf Gesamtlänge und Muskelbündellänge seiner
beiden Köpfe, wiÄt: im Caput longum mit 34,1 Proz., im Caput breve mit
41,4 Proz.
Fig. 92. M. coracobrachialis. Die mittlere Gesamtlänge des Muskels beträgt
12 cm (8. rechts), die durchschnittliche Muskel bündellänge 7,4, stellt also im Ver-
hältnisse zur Hälfte der
Gesamtmuskellänge ein
für ihn günstiges Ergebnis
dar. Der proximale Seh-
nenspi^el hat eine durch-
schnittliche Länge von
7 cm; medial ist er nur
5, lateral 9 cm lang. Die
distale Sehne liegt in der
Tiefe des Muskels ver-
borgen und wird wohl
niemals als Sehnenspiegel
bezeichnet , obwohl die
lateral gelegene, tiefe Seh-
nenplatte 11 cm lang ist.
Der N. musculo-
cutaneus zerlegt gewöhn-
Hch den Muskelbauch in
eine oberflächliche und
eine tiefe Schicht. Der
Eintritt in den Muskel ist
durch eine doppelte, ein-
heitliche Linie angegeben,
der Verlauf unter dem
oberflächlichen Sehnen-
spiegel durch eine punk-
tierte Doppellinie ; der
Eintritt in den musku-
lösen Kanal ist proximal
durch eine Klammer ge-
kennzeichnet, distalwärts
kommt der Nerv wieder
vollkommen frei an die
Oberfläche.
Bei der Muskel- und
Nervenbeschreibung haben
wir darauf hingewiesen,
daß der M. coracobrachia-
lis am Oberarme der ein-
zige Muskel ist, welcher
der am Oberschenkel so
mächtig entwickelten Ad-
ductorengruppe entspricht.
Letztere wird durch den
N. obturatorius mit seinen 2 Aesten, dem R. anterior und posterior, durchsetzt,
der M. coracobrachialis, wenn überhaupt, nur durch den einheitlidien N. musculo-
cutaneuH.
Fi
• durch (
Fig. 92. M. coracobrachialis.
Fig. 93. M. brachialis.
93. Der M. brachialis zeigt proximal eine Auskehlung, hervorgerufen
i Ansatz des M. deltoideus an der gleichnamigen Tiiberositas huraeri.
cm, die Länge der einzelnen Muskelbündel
Sehnen finden sich nur im distalen Teile;
Die größte Gesamtlänge beträgt 22,5
im Durchschnitte jedoch nur 7,77 cm
die Endsehne ist, von der Oberfläche gesehen, bis 7,5 cm lang, von der Tiefe jedoch
nur 5 cm. Im Innern des Muskels lassen sich die Endausstrahlungen der Sehne
bis zu 14 cm verfolgen.
Handbuch der Anatomie. II, V, 2. 20
306
FROHSE und M. FRANKEL,
MrL9,2
Fig. 94. M. triceps.
Fig. 94 stellt den M. triceps einschließ-
lich des M. anconaeus dar. Die Gesamtlänge
des vierköpfigen Muskels beträgt 37 cm. Die
einzelnen Köpfe haben im Oberarmteile unge-
fähr die gleiche Länge von 22 — 23 cm, der
Unterarmkopf, der M. anconaeus (quartus),
von 8 cm. Die beiden so verschieden gestalteten
Ursprünge des Caput mediale von der inneren
und äußeren Kante des Humerus sind durch
eine schräge, punktierte Linie verbunden, in
dem abgebildeten Falle war der mediale Kopf
22 cm lang, der laterale nur 12,8.
Für das Caput longum fanden wir
eine durchschnittliche Muskelbündellänge
von 9,2 cm. In unserer Abbildung ist
nur über der Mitte des Muskelbauches die
Ziffer 9 angegeben. Besonders beachtenswert
ist das weite Hiueinstrahlen der Endsehne in
den Muskelbauch, eine Entfernung, welche vom
Olecranon aus bis zur proximalen Spitze 20 cm
beträgt, und an dieser Stelle der entsprechenden
Höhe der Ursprungssehne fast genau gegen-
überliegt. Das Caput laterale hat nur eine
kurze distale intramuskuläre Sehne, welche
ungefähr 1 cm proximal von dem äußerlich
sichtbaren Sehnenspiegel aufhört. Der Durch-
schnitt der einzelnen Muskelbündel ergibt eine
Länge von 8,9, obwohl, in der Mitte gemessen,
die oberflächliche Schicht nur eine Länge von
8 cm besitzt. Das Caput mediale hat medial
eine Gesamtlänge des Bauches von 22 cm,
lateral nur von 12,8; die durchschnittliche
Muskelbündellänge beträgt 7,8 cm. Eine intra-
muskuläre Sehne findet sich nur am Ansätze,
d. h. proximal vom Olecranon, und erreicht
in dem abgebildeten Falle eine größte Länge
von 7 cm. — Der M. anconaeus quartus hat
eine freie Sehne von 4 cm größter Länge,
welche sich fächerartig im Innern des Muskel-
bauches auflöst. Immerhin ist der Muskel-
bauch über seiner Mitte noch 3 cm lang, ob-
wohl der Durchschnitt der MuskelbündeTlänge
3,5 cm beträgt.
Wir sehen also am langen, äußeren und
4. Kopfe, daß in der Mitte des Muskelbauches
die Muskelbündellänge größer ist als die ohne
feinere Präparation äußerlich meßbare Länge ;
beim Caput longum stehen sich 9 und 9,2,
beim Caput laterale 8 und 8,9, beim M. an-
conaeus 3 und 3,5 gegenüber, immer zu Un-
gunsten des mittleren Teiles, welcher das
Durchschnittsmaß nicht erreicht. Der Sehnen-
spiegel der Endsehne hat proximal eine
schräge Verlaufsrichtung, welche dem hinteren
Eande des M. deltoideus parallel verläuft. So
erklären sich die erheblichen Unterschiede
zwischen medialer Seite mit 14 cm, der late-
ralen mit nur 8. Die mittlere Länge liegt
genau in der Mitte und beträgt die Hälfte
der beiden anderen Maße, nämlich 11 cm.
-'' Fig. 95. M. Pronator teres. Trotz einer
mittleren Gesamtlänge von 14 cm besitzt er
nur eine Muskelbünoellänge von 5,4 cm, kann
also seine Wirkung nur mit 38,6 Proz. ent-
falten. Die Ursprungssehne ist ungefähr
3 cm lang; die distale Sehne schiebt sich
306
Muskel- und Sehnenlänge.
307
intramuskulär bis 12,5 cm gegen den Urspnmg nach proximal hin. Der Ansatz
der Endsehne an der Tuberositas pronatoria des Kadius ist 5 cm lang. Am Knochen
besitzt letztere eine viel geringere Ausdehnung, welche etwa 2 cm beträgt, weil der
proximale und distale Abschnitt zu schwach sind, um daselbst eine ohne weiteres
w^rnehmbare Rauhigkeit zu erzielen.
Die Durchbohrung des Mus- , ,,
kels durch den N. medianus ver-
dient nur theoretische Betrach-
tung, weil der tiefe Kopf, das
Caput ulnare, fehlen kann. Wir
haben jedoch diese Durchboh-
rung, weil sie an unserem Prä-
parate vorhanden war, abgebildet.
Fig. {j6. M. flexor carpi
radialis. Bei einer Gesamtlänge
von 30 cm besitzt er nur eine
Muskelbündellänge von 5,8 cm;
Kraftentfaltung also 19,3 Proz.
Die Endsehne ist 13 cm voll-
kommen muskelfrei, oberflächlich
jedoch bis auf 19 cm Länge zu
verfolgen , intramuskulär sogar
bis auf 24 cm, d. h. auf *l^ der
Gresamtlänge des Muskels, welche
ja 30 cm beträgt.
Die Nebenzipfel der End-
sehne zam Os multaugulum majus
\n)
k
]jr.fiu
iMbr
JS)
4
Fig. 95.
M. Pronator teres.
Fig. 96.
M. flexor carpi radialis.
Fig. 97.
M. palmaris longus.
(links), zum Os metacarpale III und IV (rechts) haben keine besondere Bezeichnung ge-
funden. — Auch proximal ist noch ein besonderer, nicht bezeichneter Sehnenzipfel an-
gegeben, welcher vom Radius seinen Ursprung gewann.
Fig. 97. M. palmaris longus. Dieser recht oft fehlende Muskel verfügt bei
einer Gesamtlänge von 30 cm über eine Muskelbündellänge von 5 cm, kann also
20*
307
FROHSE und M. FRÄNKEL,
M
(27.5
mit einer Kraft von 16,7 Proz. wirken. Bei der verschiedenen Gestaltung des Muskels,
in den Einzelfällen, sei es auf den beiden Seiten derselben Leiche, oder an ver-
schiedenen Präparaten, erübrigt sich eine genauere Beschreibung. — Im abgebildeten
Falle war die muskelfreie Endsehne 17 cm lang, die äußerlich sichtbare Endsehne-
20 cm, das intramuskuläre Ende 22 cm von dem distalen
Rande des Lig. carpi transversum entfernt.
Fig. 98. M. flexor carpi ulnaris. Bei diesem Muskel
kann man im Zweifel sein, ob man das distale Ende mit dem
Os pisiforrae aufhören läßt, oder durch die Lig. pisohamatum
und pisometacarpeum bis zu den entsprechenden Knochen-
punkten verfolgen will. Gegebenen Falles könnte der unter 5-
angegebene accessorische Zipfel mit dem Ansätze am Os meta-
carpale IV noch mit zur Maßbestimmung herangezogen werden..
Seine Gesamtlänge beträgt 27,5 cm bei einer Muskelbündel-
länge von 4,8, er wirkt also mit einer Kraft von nur 17,5 Proz.
Die Ursprungssehne ist bereits volar recht lang, 12 cm, zeigt
aber dorsal eine mächtige aponeurotische Platte, welche sich,
zur Crista dorsahs ulnae wendet und bei einer Länge von
18 cm eine größte Breite von 2 cm entfaltet. Diese Sehnen-
platte dient ja, wie in der Muskelbe.«chreibung hervorgehoben,
ist, dem M. flexor digitorum profundus pro digitis III — V
zum Ursprünge. Die Ansatzsehne entwickelt sich gewöhnlich
erst unmittelbar proximal vom Os pisiforme. Aeußerlich sicht-
bar war sie im abgebildeten Falle 12 cm lang, intramuskulär
reichte sie jedoch 20 cm proximalwärts bis zu der Höhe, wo
schematisch durch eine bogenförmige Linie die Durchbohrung
des Muskels durch den N. ulnaris angegeben ist. Die genauere-
Beschreibung über den von uns sogenannten Canalis ulnaris
ist im Texte (S. 121) nachzusehen. Die Ziffern bedeuten:
1 Os pisiforme, 2 Lig. pisohamatum, 3 Lig. pisometacarpeum,
4 Ausstrahlung zum Lig. carpi dorsale und 5 Aust*trahlung
zum Os metacarpale IV.
Fig. 99. M. flexor digitorum sublimis. In der Figur ist
die Gesamtlänge 39 cm nicht angegeben, um das Bild nicht
unnötig zu verwirren. Die Muskelbündellänge beträgt nur
4,9, für alle Köpfe gemeinschaftlich gemessen. Bei gemein-
schaftlicher Zusammenziehung kann der Muskel nur 12,6 Proz.
seiner Kraft entfalten. Im einzelnen verhalten sich jedoch die
Muskelbäuche für die 3-gliedrigen Finger ganz verschieden,
wie aus der beigefügten Angabe zu ersehen ist. Die einzelnen
Muskelbäuche sind in der schärfsten Weise voneinander ge-
sondert, damit das Prinzip der Doppelschichtung mit Leichtig-
keit zu erkennen ist. Oberflächlicn liegen die Bäuche für den
Mittelfinger (auch sein breites, aber dünnes accessorisches
Caput radiale) und der Bauch für den Ringfinger. In tiefer
Schicht liegen die Bäuche für den Zeige- und Kleinfinger, welche
sich an der Grenze des proximalen und mittleren Drittels des
Vorderarmes an einer gemeinschaftlichen Zwischensehne an-
heften, dem Tendo intermedius. Der kurze sich daran an-
schließende Venter proximalis gehört ausschließlich dem Zeige-
finger an. Daß die Trennung zwischen oberflächlicher Schicht,
nämlich Digitus III und IV, und tiefer Schicht, Digitus II
und V, keine vollständige ist, zeigt unsere Abbildung durch
verschiedene Muskelkonjugationen an, welche sich in jedem
Einzelfalle verschieden verhalten. In unserer Abbildung hegen
diese Muskelkonjugationen in der Höhe, wo der N. medianus.
unter dem Caput radiale wieder sichtbar wird (s. N. m.).
Die einzelnen Ziffern bedeuten 12 links für den ober-
flächlichen Sehnenspiegel des Caput III; 12 rechts die
Länge des Tendo intermedius für die tiefe Schicht. Die
Ziffern am distalen Ende zeigen je nachdem an, wie lang der Muskelbauch und die
freie Endsehne ist, teilweise auch noch die Gesamtlänge des distalen Muskels. Zur
Erläuterung sei hier der rechts gelegene M. flexor digiti quinti herangezogen. Eine
große Klammer, in deren Scheitelpunkt 23 steht, gibt die Gesamtlänge des Muskels
m Centimetern an und wird durch zwei besondere Klammern mit 10 für den Mus-
kelbauch und 13 für die Endsehne in die beiden Unterabschnitte zerlegt.
ßfhr
L.
48.
Fig. 98. M. flexor
carpi ulnaris.
308
L. 39
.-L.
n toto 4,9
I. i. t. 3,7
V. 8. 2,ö
V. i. 4,6
U. 5,5
[V. 6,4
V. 4,4
¥.1
24
23]
IM
G.-L. 40
Mb.-L.
in toto 6,6
c. 11. 6,6
c. III. 7,1
c. IV. 6,5
c V. 5,9
L. I. 5,1
L. II. 5,2
L. III. 6,7
L. IV. 5,4
Z1-
309
-26 ,
ZM]
Fig. 99. M. flexor digitorum sublimis.
Fig. 100. M. flexor digitorum
profundus und M. lumbricalra.
310
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fig. 100. M. flexor digitorum profundus und M. lumbricales. Bei dem M.
flexor digitorum profundus mußten auch die M. lumbricales mitabgebildet werden,
welche ja von den Endsehnen ihren Ursprung nehmen, gleichsam wie distale Bäuche.
Die größte Gesamtlänge ist in der Achse der Hand, am Mittel-
finger, mit 40 cm verwirklicht. Der Muskelbauch des M. flexor
profundus hat seine größte Ausdehnung an der Innenseite mit
24 cm für den kleinen Finger. Umgekehrt nehmen die M. lum-
bricales (L. 1 bis L. IV) von radial- nach ulnarwärts allmählich
von 10 bis auf 7 cm ab. Ebenso stark ausgeprägt ist der Unter-
schied an dem Urspnmge von den tiefen Beugesehnen, welcher
radialwärts für den M. lumbricalis I 3 cm lang ist und ulnar-
wärts für den M. lumbricahs IV nur 1,5 cm.
Der Ursprung des tiefen Fingerbeugers ist fast rein mus-
kulös; die oberfläcnliche Endsehne ist sehr lang, zwischen 22 cm
für den kleinen Finger und 30 cm für den Mittelfinger schwankend ;
die intramuskuläre Sehne nur wenig länger, zwischen 25,4 und
31 cm, gleichfalls bei den eben genannten Fingern.
In dem abgebildeten Falle besitzt der M. lumbricalis III
(Z. III) die bekannte, auch von uns als Regel aufgefaßte Gabelung
in einen ulnaren und radialen Zipfel für Mittel- und Ringfinger.
Fig. 101. M. flexor pollicis longus. Durch das nicht weiter
bezeichnete Caput accessorium humerale gewinnt der Muskel eine
Gesamtlänge von 30 cm. Der vom Radius entspringende Haupt-
kopf hat eine Muskellänge von 16,5, eine freie Sehnenlänge von
12,5 cm. An der Stelle, wo sich das Caput accessorium in die
dort bereits oberflächlich zu Tage liegende Endsehne einsenkt,
hat die letztere bereits die sehr große Länge von 23,5 cm.
Bei einer Muskelbündellänge von 4,2 cm und Gesamt-
muskellänge von 30 cm kann der Muskel also nur 14 Proz.
seiner Kraft entfalten.
Fig. 102. M. supinator. Dieser Muskel zeigt durch die gleich-
zeitige Abbildung des R. profundus n. radialis die beiden Hiatus,
welche der Durchtritt des Nerven verursacht. Proximal findet
sich ein sehnig umrahmter, nach unten konvexer Hiatus, distal
ein einfacher Schlitz zwischen oberflächlicher und tiefer Schicht
des Muskels. Letzterer ist in derjenigen Lage dargestellt, wie
wenn der R. profundus im Zusammenhange mit dem Stamme
Fig. 101. M. flexor
polHcis longus.
R. prof. n. rad.
Mb.-L. 2,7.
Fig. 102. M. supinator.
oder durch Anziehen der beiden abgeschnittenen Enden radialwärts herausgehoben
wird. Dann wird es klar, daß die oberflächliche Schicht plattenartig durch den
angespannten Nerv gut gesondert werden kann und bedeutend kürzer ist, als wie
310
Muskel- und Sehnenlänge.
311
die Lamina profunda, welche hauptsächlich aus Muskelsubstanz besteht. Ferner ist rechts
proximal ein bogenförmiger Einschnitt zu sehen, welcher die Tuberositas radii umfaßt.
Die mittlere Gesamtlänge des Muskels
betraf 6 cm, die größte Länge der ober-
flächbchen Aponeurose ergab 4 cm. Bei
einer durchschnittlichen Muskelbündellänge
von 2,7 und der mittleren Gesamtlänge von
6 kann der Muskel 45 Proz. seiner Kraft
entfalten.
Fig. 103. M. Pronator quadratus.
Dieser Muskel hat in den Abbildungen
(63, 64) von der volaren und dors^en
Seite eine viel genauere topo^aphische
Darstellung gefunden, als an diesem los-
gelösten Präparate. Die größte Breite des
oien
m
unten,
Fig. 103. M. Pronator quadratus.
l3i
M
"
Muskels ist mit 3,5 cm angegeben. Bei
einer durchschnittlichen Muskelbündellänge
von 2,5 cm kann er in vorzüglicher Weise,
nämlich mit 71,4 Proz. seine Kraft ent-
falten. Sehnensubstanz findet sich eigent-
lich nur an der Facies superficialis volaris
als dünne Platte, welche von der Ulna ent-
springt.
Fig. 104. M. brachioradialis. Dieser
Muskel besitzt bei einer Gesamtlänge von
32 cm eine Länge des Muskelbauches selbst
von 24,5 cm und eine Muskelbündellänge
von 16,9 cm, d. h. die größte, welche wir
überhaupt bei einem Armmuskel feststellen
konnten. Der Ursprung ist fast rein mus-
kulös; die 7,5 cm freie Endsehne schiebt
sich intramuskulär auch nur bis 13,5 cm
zum Ursprünge empor.
Bei einer Muskelbüudellänge von
16,9 cm und einer Gesamtlänge von 32 cm
kann der Muskel wirken mit einer Kraft
von 52,8 Proz.
Der Muskel legt sich spiralig um die
Außenseite des Vorderarmes henim, so daß
in unserer Abbildung, welche halb topo-
graphisch gehalten ist, proximal die Facies
profunda zu sehen ist, welche sich keil-
artig in den M. brachialis hineinlegt. In
dem mittleren Bezirke ist auf der ulnaren
medialen Seite die spiralige Umdrehung der
entsprechenden Muskelbündel zu sehen. Am
freien radialen oder lateralen Rande ziehen
die Muskelbündel senkrecht von oben nach
unten.
Fig. 105. M. extensor carpi radialis longus. Bei einer Gesamtlänge von 32 cm
besitzt der Muskel 13 cm für den Bauch, 19 für die freie Endsehne. Bei einer
Fig. 104. M. brachio-
radialis.
Fig. 105. M. ex-
tensor carpi
radiaUs longus.
3"
312
Muskelbündellänge von 7,6 kann er eine
Kraft von 23,8 Proz. entfalten. Die
distale Sehne schiebt sich bis 23 cm
gegen den Ursprung vor. Nennens-
und abbildungswerte Ursorungssehnen
sind nicht vorhanden.
Fig. 106. M. extensor carpi radialis
brevis. Obwohl dieser Muskel bei einer
Gesamtlänge von 28 cm nur ein zweiter,
MhrL.S,6.
W
Fig. 106. M. extensor carpi radialii
brevis.
fl
(38
'm
2ti
MbrL:
W)
iJ,9 6,3 j
inMo\
6A
Fig. 107. M. ex- Fig. 108. M. extensor
tensor digiti V. digitorura communis.
Muskel- und Sehnenlänge.
313
26)
mehr distal gelegener Kopf des M. longus ist, hat er einen ganz anderen Bau der
Ursprungssehne. Diese bleibt 2 cm muskelfrei und entwickelt in der Tiefe einen
besonderen Sehnenspiegel von 11,5 cm größter Länge. Die End-
sehne ist 10 cm vollkommen frei, äußerlich erkennbar bis 18 cm
Länge, intramuskulär verfolgbar bis zu 19 cm. Wir haben
auch hier die Tatsache zu betonen, daß Ursprungs- und An-
satzsehne so gelagert sind, daß erstere weiter distalwärts reicht,
als der proximale Abschnitt der Endsehne. In diesem Falle Hegt
die Ursprungssehne an der Facies profunda, die Endsehne
findet sich, wie überall, mit ihren letzten Ausläufern im Innern
des Muskels verborgen. — Die Länge sowohl der Ursprungs-
wie der Ansatzsehne verschafft dem Muskel eine Bündellänge
von nur 5.0) cm, welche, nach Prozenten berechnet, nur eine
Kraftentfaltung von 20 Proz. gestattet.
Fig. 107. M. extensor digiti quinti. Bei einer Gesamt-
länge von 38 cm besitzt er eine freie Ursprungssehne von 4 cm
Länge, welche unter Umständen auch fehlen kann. Der Muskel-
bauch umfaßt 17 cm, eine Ziffer, welche auch bei der freien
Endsehne wiederkehrt. Im Bereiche des Metacarpus entwickelt
sich eine Zweiteilung der Endsehne, deren Ausdehnung mit
4,5 cm angegeben ist. Die äußerlich sichtbare Endsehne ist
22 cm lang, schiebt sich jedoch intramuskulär 29 cm bis zum
Ursprünge mn. Bei einer Muskelbündellänge von 5,3 cm wirkt
er mit einer Kraft von nur 13,9 Proz.
Fig. 108. M. extensor digitorum communis. An unserer
Abbildung kommt besonders das Mißverhältnis zwischen Länge
der Muskelbäuche und freien Endsehnen zur Geltung, welche
an den einzelnen Fingern sich außerdem ganz verschieden ge-
stalten. Der Ringfinger besitzt eine freie Endsehne von 18, der
Zeigefinger eine solche von 22, der Mittelfinger von 28 cm
Länge. Auch die aponeurotische Ursprungssehne gewinnt bei
einem Durchschnitte von 8 cm eine größte Länge von 17 cm.
Intramuskulär schieben sich die Endsehnen auch noch bedeutend
gegen den Ursprung vor: beim Zeigefinger bis 31, beim Mittel-
finger bis 35 und beim Eingfinger bis 29 cm. Die Muskel-
bündellänge für den Gesamtmuskel beträgt nur ö,2 cm, so daß
er nur mit einer Kraft von 14,9 Proz. wirken kann.
Auf der rechten Seite ist die Zahl 13 im Scheitelpunkte
einer punktierten Klammer angegeben, welche bezeichnen soll,
daß in dem abgebildeten Falle der M. extensor communis pro
digito II an seiner Facies profunda einen entsprechend langen
tiefen Sehnenursprung hatte. In der Höhe der Ziffern 18 und
22 im unteren Ende der Abbildung sind die charakteristischen
Sehnenkonjugationen angegeben, welche etwas distal von der
Höhe der Knöchel gelegen sind. Noch weiter distal sind die
Endsehnen aus der Dorsalaponeurose der Finger herausge-
schnitten unter Darstellung der besonderen Ansätze an der
Mittel- und Nagelphalanx. Aeußerlich sichtbar bleiben die End-
sehnen für den Ringfinger 22 cm, für den Mittelfinger 30 und
in gleicher Höhe für den Zeigefinger.
Fig. 109. M. extensor carpi ulnaris. Die Länge dieses
Muskels haben wir der gewöhnlichen Darstellung entsprechend
vom Epicondylus lateralis humeri bis zur Rauhigkeit des ö. Mittel-
handknochens gemessen ; sie beträgt hier 26 cm. Wir vernach-
lässigen einstweilen, bis unsere Untersuchungen von anderer
Seite bestätigt sind, die beiden nach unseren Befunden als
normal geltend müssenden accessorischen Endsehnen , deren
volare eine Länge von 4,5 cm, und deren dorsale eine solche
von 8 cm besitzt. Die Ursprungssehne bildet einen Sehnen-
spiegel von 8 cm größter Länge. Die freie Endsehne ist nur
5 cm lang, äußerlich sichtbar 12, intramuskulär jedoch bis zu
20 cm Länge verfolgbar und geht weiter gegen den Ursprung
zurück, als die Ausstrahlung der Ursprungssehne distalwärts.
Bei einer Muskelbündellänge von 5,3 cm kann er 20,4 Proz.
seiner Kraft entfalten.
MbrL.5;t.
Fig. 109.
M. extensor carpi
ulnaris.
313
314
PROHSE und M. FRANKEL,
K-L5.7
Fig. IIÖ. M. abductor pollicis longus. Die Gesamtlänge beträgt 20 cm. Meß-
bare Ursprungssehnen sind gewöhnlich nicht entwickelt. Die freie Endsehne ist
7 cm lang, von der Tiefe jedoch extramuskulär bis 12, intramuskulär bis 16,5 cm
zu verfolgen. Wirkung: Bei einer Muskelbündellänge von 4,7 mit einer Kraft von
23,5 Proz.
Fig. 111. M. extensor pollicis brevis.
Bei diesem Muskel kann man im Zweifel sein,
ob man die Anheftung an der Basis der Grund-
phalanx mit 16 cm Länge, oder die accessorische MhrLAl
Anheftung an der Basis der Nagelphalanx mit ■■ '
19,5 als Gesamtlänge bezeichnen soU, um so
mehr, als der Muskelbauch, welcher unter
Umständen fehlen kann, nur ganz schwach
entwickelt war mit einer Länge von 6,5 cm.
Die Muskelbündellänge beträgt 4,4: bei einer
Länge des Gesamtmuskels von 16 cm würde
sich eine Kraftentfaltung von 27,5 Proz. für
die Grundphalanx ergeben; bei einer Gesamt-
länge von 19,5 ergibt sich für die Nagelphalanx
nur 22,6 Proz.
ie)
{i9
Fig. 110. M. abductor
pollicis longus.
Fig. 111. M. ex-
tensor pollicis brevis.
Fig. 112. M. ex-
tensor pollicis
longus.
Fig. 113. M. ex-
tensor indicis
proprius.
Fig. 112. M. extensor pollicis longus. Gesamtlänge 26,5; keine Ursprungs-
sehne; Endsehne: frei 13, extramuskulär 19, intramuskulär 21 cm; Muskelbündel-
länge 4,7 cm; Kraftentfaltung 17,7 Proz.
Fig. 118. M. extensor indicis proprius. Bei einer Gesamtlänge von 27,5 cm,
gemessen bis zur Basis des Mittelphalanx, verfügt dieser Muskel nur über einen
314
Muskel- und Sehnenlänge.
315
Bauch von 11 cm Länge. Meßbare Ursprungssehnen sind nicht vorhanden. Die
Endsehne ist vollkommen muskelfrei 16,5, extramuskulär 20,5, intramuskulär noch
1 cm weiter gegen den Ursprung zu verfolgen. Die Muskelbündellänge beträgt 5,7;
die Kraftentfaltung würde sich nach dem abgebildeten Falle mit 20,7 Proz.
vollziehen.
Bemerkung zu den Figuren 114—121.
Bei der Angabe der Gesamtmuskellänge waren wir zu einem Schema gezwungen
und haben deshalb einfach über der Mitte der in Betracht kommenden Muskeln
eine scharfe Linie gezogen, welche sich nicht mit der Richtung der Muskelbündel
zu decken braucht, wie es sich besonders bei Fig. 116, dem M. opponens polücis,
kundgibt.
üTifc
Fig. 114.
Fig. 117.
Fig. 115.
Fig. 116.
Fig. 114. M. abduetor poUie brevis. Mb.-L. 3,7.
Fig. 115. M. flexor pollicis brevis. Mb.-L. 3,1.
Fig. 116. M. opponens pollicis. Mb.-L. 2,6.
Fig. 117. M. adductor pollicis. Mb.-L. 2,7.
Fig. 118. M. palmaris brevis. Mb.-L. 1,8.
1
Fig. 118.
Fig. 114. M. abduetor pollicis brevis. Eine präparierbare einheitliche Ur-
sprungssehne, welche sich in klarer Weise vom Lig. carpi trausversum loslösen läßt,
ist nicht vorhanden. Die freie Endsehne ist 1 cm lang, schiebt sich jedoch intra-
muskulär bis 2,5 cm proximal gegen die Handwurzel zurück. Bei einer Gesamt-
länge von 7 cm und einer Muskäbündellänge von 3,7 wirkt er mit einer Kraft von
52,9 Proz.
Fig. 115. M. flexor pollicis brevis. Am distalen Ende ist das Os sesamoideum
laterale im Zusammenhange mit dem Muskel dargestellt. Einer Gesamtlänge von
6 cm steht eine Muskelbündellänge von 3,1 gegenüber, so daß er mit 51,7 Proz.
Kraft wirken kann.
Fig. 116. M. opponens pollicis. Bei einer Durchschnittslänge von 4 cm besitzt
er eine Muskelbündellänge von 2,6. Er wirkt demgemäß mit 65 Proz.
Fig. 117. M. adductor pollicis. Bei diesem Muskel ist auch das Os sesamoi-
deum mediale mitangegeben, die Durchschnittslänge des Muskels nur für das Caput
trausversum mit 4 cm. Da die Muskelbündellänge 2,7 beträgt, kann er mit einer
Kraft von 67,5 Proz. wirken.
Fig. 118. M. palmaris brevis. Den verschiedenen Befunden sind wir in der
Muskelbfcjchreibung gerecht geworden, konnten jedoch in der Abbildung uns nur
an den einzelnen Fall halten, welcher nur quere Parallelfasern aufwies, und keine
längeren distalen Bündel. Die Gesamtlänge des Muskels mit 1,8 cm deckte sich
deshalb vollkommen mit der Muskel bündellänge von 1,8 cm. Procentualiter hätten
wir also eine Wirkung mit 100 Proz. der Kraft. Es handelt sich dabei natürUch
nur um solche Fälle, bei denen die Sehnensubstanz nicht ohne Kunst zu präparieren
und nachträglich zu wägen ist.
315
316 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fig. 119. M. abductor digiti quinti. Derselbe gibt seine anatomische Ueber-
einstimmung mit den M. interossei durch den doppelten Ansatz an der Basis der
Grundphalanx einerseits und der Ausstrahlung in die Dorsalaponeurose anderer-
seits kund. Die Muskel bündellänge beträgt 3,9 cm, woraus bei einer Gesamtlänge
des Muskels von 7 cm sich eine Kraftentfaltung von 55,7 Proz. ergibt.
Fig. 119. Fig. 120. Fig. 121.
Fig. 119. M. abductor digiti V. Mb.-L. 3,9.
Fig. 120. M. flexor brevis digiti V. Mb.-L. 3,5.
Fig. 121, M. opponens digiti V. Mb.-L. 2,2.
Fig. 120. M. flexor brevis digiti V. Dieser inkonstante Muskel hat gegebenen
Falles eme deutliche zweizipfelige Ursprungssehne, unter welcher der in Fig. 121
mit N. u. bezeichnete ß. profundus n. ulnaris seinen Weg nimmt. Die Muskel-
bündellänge beträgt 3,5, die Gesamtrauskellänge 7 cm, die günstigste Kraftentfaltung
ergibt also 50 Proz.
Fig. 121. M. opjponens digiti V. Dieser Muskel wird unter allen Umständen
durch den eben erwähnten iV. u. = N. ulnaris durchbohrt. Bei einer Muskel-
bündeUänge von 2,2 und einer mittleren Gesaratlänge von 4 cm kann er 55 Proz.
seiner Kraft entfalten.
Auch bei Fig. 117 ist der tiefe Ast des N. ulnaris mitangegeben, wo er die
zweite Durchbohrung an der Hand vornimmt zwischen dem Caput transversum und
dem Caput obliquum des M. adductor poUicis. Der senkrecht herabhängende Zipfel
stellt denjenigen Abschnitt dar, welcher vom proximalen Teile des Os metacarpale II
entspringt. Der Ursprung vom ersten Mittelhandknochen oder den benachbarten
Carpometacarpalgelenken hat in Fig. 129 besondere Berücksichtigung erfahren.
Fig. 122—129. Die 8 Abbildungen zeigen die entsprechenden losgelösten
M. interossei dorsales et volares einer rechten Hand in derjenigen Gruppierung,
welche sie im Körper einnehmen. Links ist der M. interosseus volaris IV gelagert,
rechts hören die M. interossei mit dem von uns als besonderer M. interosseus
volaris I beschriebenen, sogenannten CuKNiNGHAM'schen Adductor, auf. Die auf der
rechten Seite befindlichen, stärker gehaltenen Ziffern bedeuten die Länge jedes einzelnen
Gesamtmuskels, welcher auf der linken Seite durch besondere kleinere Ziffern in
Sehnen- und Muskellänge zerlegt wird, beispielsweise bei Fig. 123 (d. IV.): rechts,
groß geschrieben, 12, für die Gesamtlänge; links, klein geschrieben, 7 für die Sehnen-
länge 5 für die Länge des Muskelbauches.
Wir haben bei diesen Figuren uns ausschließlich nach unseren Befunden an
der Hand gerichtet und trotzdem schon mit einziger Ausnahme des M. interosseus
dorsalis III an der zur Abbildung herangezogenen Hand die Nebenzipfel dargestellt,
welche hart neben der Gelenkkapsel der Artic. metacarpophalangea gelegen sind.
Nach den inzwischen unternommenen Vergleichungen mit dem Fuße haben wir
folgendes gefunden: Die M. interossei manus senden den Hauptteil ihrer Sehne zur
Aponeurosis dorsalis digitorum und haben einen Nebenansatz an der Basis der Grund-
phalanx. Umgekehrt enden die M. interossei pedis bereits an den Seiten der Basis
der entsprechenden Grundphalanx und beteiligen sich, wenn überhaupt, nur in recht
beschränkter Weise an der Bildung der Dorsalaponeurose der Zehen.
316
Muskel- und Sehnenlänge.
317
Ob das Fehleu des Ansatzes an der Grundphalanx beiux M. iuterosseus dorsalis III,
s. Fig. 125, auf Nichtvorhandensein oder nicht genügende Sorgfalt bei unserer Präparation
zurückzuführen ist, lassen wir dahingestellt.
m
\io
V. IV.
Fig. 122.
IV. V. m. d. in. d. II V. IL d. I
Fig. 123. Fig. 124. Fig. 125. Fig. 126. Fig. 127. Fig. 128.
Fig. 122 — 129. M. interossei volares et dorsales.
V. L
Fig. 129.
Im Sehnenteile bedeutet der doppelt umrahmte, im Vergleiche zum Präparate
etwas zu groß ausgefallene Längsschnitt die Anheftung an der Dorsalaponeurose
oder mit dem proximalen Nebenzipfel an der Gelenkkapsel bis zu den Seiten der
Basen der entsprechenden Grundphalangen. Die möglichste Kraftentfaltung der
M. interossei stellen wir nach unseren Befunden in folgender Tabelle zusammen :
Fig.
M. interossei
Gesamtlänge
Muskelbündellänge
Kraftentfaltung
in Proz.
122
volaris IV
10
2,3
23
123
dorsalis IV
12
2,6
21,7
124
volaris III
11,5
2,3
20
125
dorsalis III
13
2,1
16,2
126
dorsalis II
14
2,6
18,6
127
volaris II
12
2
16,7
128
dorsalis I
13
3
23,1
129
volaris I
6
1,75
24,2
IV. Muskelbündeilänge.
Elinleitlung.
Zu unserem besonderen Abschnitte über die Muskelbündeilänge
sind wir erst durch das sogenannte ScHWALBEsche Gesetz gekommen,
da dieser Autor behauptet (G. Schwalbe, lieber das Gesetz des
Muskelnerveneintritts, Archiv für Anat. und Physiol., 1879, S. 167—174),
daß sich ein Nerv im geometrischen Mittelpunkte des betreffenden
317
318 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Muskels verzweigt. Einen anderen Anlaß ergab die Bemerkung von
PoiRiER (S. 84), daß beim M. deltoideus die Muskelbündellänge
zwischen 11 und 9 cm schwanken soll. Wir hatten schon vorher
diese Bestimmung als zu schematisch erkannt, weil wir ein Maximum
von ungefähr 14 cm und ein Minimum von 7 cm bereits festgestellt
hatten. Dieser unglaubliche Unterschied in den Maßbestimmungen
bewog uns, sämtliche Muskeln des Armes auf den Durchschnitt ihrer
Muskelbündellänge zu prüfen. Der geometrische Mittelpunkt, welchen
Schwalbe für alle Muskeln bestimmen zu können glaubt, stimmte
in der Folge durchaus nicht mit unseren Beobachtungen überein. Es
müssen für jeden einzelnen Muskel, und wenn derselbe mehrere
Sehnen liefert, auch die einzelnen Muskelbäuche auf das genaueste
berücksichtigt werden; nicht allein beim Erwachsenen, sondern auch
beim Kinde. Es hat sich nämlich bei unseren Untersuchungen heraus-
gestellt, daß beim Neugeborenen die Muskulatur noch verhältnis-
mäßig viel besser ausgeprägt ist, gleichviel ob es sich um
den Ursprung, Ansatz oder Zwischensehnen handelt. Beispielsweise
weist der M. deltoideus eines Neugeborenen im Verhältnisse eine viel
größere Länge der Muskelbündel auf, als sie sich beim Erwachsenen
findet. Erst der bewußte, besser unbewußte Gebrauch der Muskeln
nach der Geburt, unabhängig von der Zwangslage im Uterus, bewirkt
mechanisch durch Reibung einen Schwund der Muskulatur unter Er-
satz durch Sehnensubstanz. Aber auch beim Erwachsenen sehen wir
die endgültige Gestaltung in ganz verschiedener Weise verwirklicht.
Die verschiedenen Berufe beider Geschlechter setzen bald diesen, bald
jenen Muskel mehr in Tätigkeit und bewirken dadurch die ver-
schiedenen Formen, in welchen die Muskeln und Sehnen zur Be-
obachtung gelangen. Wir konnten diesen Vorgang bei den Schulter-,
Oberarm-, Vorderarm- und Handmuskeln überall beobachten. Wenn
beispielsweise ein M. interosseus, opponens, flexor, extensor oder
rotator irgendwie fibrös oder sehnig degeneriert, so werden wir eine
erhebliche Verkürzung der Muskelbündellänge feststellen müssen.
Die Nerven dagegen sind durch die ursprüngliche Anlage festgelegt,
und wir können aus der Art ihrer Verbindung mit den Muskelbündeln
oder den vergrößerten Sehnen einen Anhaltspunkt für das ursprüng-
liche (fetale) Verhalten gewinnen. Die Messungen, welche wir einst-
weilen nur beim Erwachsenen angestellt haben, ergaben einen so
erheblichen Unterschied, daß er nur aus den eben angegebenen
Reduktionsvorgängen erklärt werden kann. Die Umwandlung von
Muskulatur in die Sehne oder fibröses Gewebe vollzieht sich nach
unserer Meinung ganz allmählich; vor allem mit dem Alter und
dann auch durch den Gebrauch. Wir sehen uns sonst beispielsweise
außer Stande, den unglaublichen Unterschied in der Muskelbündel-
länge eines M. supinator zu erklären, welcher in zwei Fällen 2,7
und 1,4 cm betrug. Dieser Unterschied von ungefähr 100 Proz. läßt
sich nur in der Weise deuten, daß bei dem Falle mit der kurzen
Muskelbündellänge eine Atrophie der Muskelbündel und Umwandlung
in Sehne stattgefunden hat, und daß darum der andere Synergist,
der M. biceps, die Hauptaufgabe der Supination erfüllt hat. Inter-
essant war uns bei den Vergleichen zweier willkürlich gewählter
Arme der Unterschied bei fast sämtlichen Muskeln in der Länge der
einzelnen Bündel. Diejenigen Muskeln, welche ohne Vermittelung
einer langen Sehne, in breiter Fläche von einem Knochen entsprangen,
Muskelbündellänge. 319
z. B. M. supraspinatus, infraspinatus, dann brachialis, Caput laterale,
Caput mediale des M. biceps und M. auconaeus, oder am Vorder-
arme M. flexor pollicis longus und digitorum profundus, oder, vom
M. supinator vollkommen abgesehen, die tiefe Schicht der Extensoren
— alle diese Muskeln zeigten an dem einen Arme eine bedeutende,
bis 2 cm betragende Verringerung der Muskelbündellänge gegenüber
einem anderen, dessen Knochenlängen keinen wesentlichen Unterschied
aufwiesen. Die Bestimmung des Nerveneintrittes ergab jedoch in
beiden Fällen keinen beachtenswerten Unterschied. Wir kommen
deshalb zu der Auffassung, daß die Nervenverzweigung das Primäre
ist, und die Umwandlung in Sehnen das Sekundäre. Wir sind auch
der Ueberzeugung, daß die Untersuchung von fetalen Muskeln ein
übereinstimmendes Ergebnis erzielen wird, wie beim Erwachsenen
mit gut ausgeprägter Muskulatur, d. h. bei Muskeln, welche eine
lange Muskelbündellänge besitzen.
Wir wollen nach unseren Beobachtungen das Schwalb Esche Ge-
setz in gewissem Sinne anerkennen, wenn wir von den langen Sehnen-
nerven und den dünnen, proximalen oder distalen Muskelnerven ab-
sehen, und wenn wir außerdem in Betracht ziehen, daß die meisten
Muskeln überhaupt keinen geometrischen Mittelpunkt haben, sondern
entweder eine Linie oder eine Reihe von geometrischen Punkten oder
Linien, welche den Mittelpunkten der einzelnen Muskelbündellängen
entsprechen. Der einfachste Beweis für unsere Auffassung liegt wohl
bei dem am verwickeltsten gebauten Armmuskel, dem M. flexor digi-
torum sublimis, dessen Innervation durch verschiedene Darstellungen
erläutert ist. Wir bemerken jedoch auch bei diesem Muskel, daß
unsere Abbildungen gleichsam nur ein Schema darstellen, welches
unseren durchschnittlichen Beobachtungen entspricht, daß aber in-
dividuell die größten Schwankungen vorkommen. Von Belang ist
auch die Doppelinnervation, welche bei den in Frage kommenden
Muskeln sich individuell außerordentlich verschieden gestaltet.
A. Allgemeiner Teil.
Zwar sind schon vor uns, wie S. 318 erwähnt, gelegentliche Be-
merkungen über die Verschiedenheit in der Länge einzelner Muskel-
bündel in einem und demselben Gesamtrauskel angegeben; indessen
die zielbewußte Durcharbeitung sämtlicher Körpermuskeln nach
diesem Gesichtspunkte ist unseres Wissens noch nicht vorgenommen
worden. An dieser Stelle können selbstverständlich nur die Arm-
muskeln berücksichtigt werden, welche wir zwar in 4 Fällen unter-
sucht haben, von denen wir jedoch nur eine Tabelle veröffentlichen.
Wie auch sonst vielfach, lernt man erst durch Fehler den richtigen Weg
erkennen. Unsere zunächst selbständig und unabhängig voneinander
ausgeführten Präparationen und Maßbestimmungen ergaben bei der
Nachprüfung durch den anderen einen scheinbar unglaublichen Wider-
spruch der Befunde. Nachdem wir uns aber einmal über die Grund-
gedanken einig geworden waren, nach welchen eine derartige Be-
stimmung ausgeführt werden kann und muß, ergab sich bei noch-
maliger beiderseitiger Nachprüfung eine vollständige Gleichheit der
Befunde. Die anderen 3 Präparate waren bereits teilweise vernichtet
und ließen so keine Vollständigkeit mehr zu, so daß sich unsere
Tabelle leider nur auf einen Einzelfall bezieht.
3J9
320 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Als Ratschläge für denjenigen, welcher sich dieser mühseligen,
zeitraubenden Arbeit unterziehen will, seien nachstehende Gesichts-
punkte empfohlen, ohne deren Befolgung er vielleicht in den schroffsten
Widerspruch zu unseren Angaben gelangen kann, wie es den beiden
Verfassern zuerst selbst gegangen ist.
1) Die Muskeln müssen mit peinlichster Sorgfalt voneinander ge-
sondert und ohne Substanzverlust von den Knochen abgetrennt sein.
2) Bei der Isolierung der einzelnen makroskopischen Muskel-
bündel soll die Breite 1 qcm möglichst nicht überschreiten, auch
nicht bei den ganz großen (M. deltoideus, triceps). Bei den ganz
kleinen, wie den M. lumbricales, deren Querschnitt 1 qcm bei weitem
nicht erreicht, ist natürlich eine weitere Auffaserung geboten, deren
Grad sich nach dem Einzelfalle richten muß.
3) Bei jedem Muskelbündel, welches isoliert wird, muß, gleichviel
in welcher Dicke es dargestellt wird, immer die ganze Länge voll-
kommen frei mit Finger oder Pincette zu umgreifen sein: entweder
muß ein Muskelbündel von Ursprungs- bis Ansatz sehne klar heraus-
gesetzt werden, wie z. B. beim M. biceps, oder der Ursprung ist mus-
kulös, wie beim M. brachialis, bei welchem, sowie bei gleichartig ge-
bauten Muskeln, M. brachioradialis, M. extensor pollicis longus u. s. w.,
der Ursprung in vollkommen aufgelöste Streifen, Riemen oder Riemchen
zerfällt. Bei Muskeln, welche, wie der M, opponens pollicis, fast
ganz aus Muskelsubstanz bestehen, hält es oft schwer, den Zusammen-
hang der einzelnen Muskelbündel festzuhalten, was für die nach-
herige Maßbestimmung durchaus notwendig ist.
4) Bei letzterer muß man nach einem ganz bestimmten Gesichts-
punkte vorgehen, je nach dem Einzelfalle entweder von medial nach
lateral oder umgekehrt, wie z. B. beim M. biceps, oder von vorn nach
hinten oder umgekehrt, wie beim M. deltoideus, oder von der Ober-
fläche aus nach der Tiefe, wie es beispielsweise beim M. brachialis
angewandt werden kann, jedoch kann der Untersucher je nach seiner
Gewöhnung in eigener Weise vorgehen, wofern nur jedes in seiner
Länge bestimmte Muskelbündel durch eine Sonde oder umgeschlungenen
Faden als solches gekennzeichnet ist.
5) Die Maßbestimmung (nach Centimetern) selbst kann sehr leicht
zu Irrtümern führen, wenn man nämlich die Muskelbündel nicht voll-
kommen klar bis zu den jeweiligen Sehnen verfolgt, sowohl der
proximalen wie der distalen. Gerade die Insertionssehne — wir er-
innern an die M. flexor und extensor carpi ulnaris und vor allem an
die Zwischensehne, welche den M, flexor indicis sublimis zu einem
M. biventer macht — schiebt sich sehr oft unglaublich weit in den
Muskelbauch hinein; mit anderen Worten die Länge des Muskel-
bauches im ganzen steht je nach der Länge der Ursprungs- und An-
satzsehne oft im schärfsten Gegensatze zu der Muskelbündellänge,
wie wir hinterher an einzelnen Fällen nachweisen werden. Um eine
möglichst große Muskelbündellänge herauszubekommen, kann ein Unter-
sucher leicht darauf verfallen, den obersten Punkt des Ursprunges
mit dem untersten des Ansatzes durch eine Diagonale zu verbinden.
Je schräger die Verlaufsrichtung eines Muskelbündels ist, um so
größer wird auch der Unterschied in den Befunden ausfallen, als wenn
man in der Mitte zwischen Ursprung und Ansatz, d. h. parallel den
Muskelfasern die Messung vornimmt. Bei einem im wesentlichen
Muskelbündellänge.
321
querverlaufenden Muskel, wie dem M. pronator quadratus, ergibt sieb
selbstverständlich kein nennenswerter Unterschied, gleichviel ob man
nach den beiden eben erwähnten Methoden, der nicht einwandsfreien
diagonalen, oder der nach unserer Meinung einzig berechtigten^
parallelen die Bestimmung vornimmt.
6) Die Zahl der einzelnen Bestimmungen muß sich natürlich
nach der Größe des Muskels richten, welche sich bei den kleinsten
parallelfaserigen Muskeln, wie einem M. lumbricalis III oder IV, auf
2 beschränken konnten, während bei den großen je nach der Kom-
pliziertheit des Aufbaues bis 45 von uns gemacht wurden s. M.
flexor digitorum sublimis 26, profundus 27, subscapularis und
triceps 41 und deltoideus 45. Je nach der Ausdauer des Unter-
suchenden läßt sich die Zahl der Bestimmungen ad libitum erhöhen.
Wir haben die Zahlen unserer Maßbestimmungen angegeben, um
Nachprüfenden einen Anhaltspunkt für den Umfang unserer Unter-
suchungen zu geben.
B. Besondere Bemerkungen.
Den größten Unterschied in der Länge der Muskelbündel weist
der M. triceps auf, dessen fast einheitliche Wirkung als Strecker
zwischen Oberarm und Vorderarm allgemein anerkannt ist, und dem
Nebenwirkungen sozusagen nicht zukommen. Bei einem Minimum
von 2,8 cm, welches noch sehr gut berechnet ist, und einem Maximum
von 10,1 cm, welches auch nach oben hin überschritten werden kann^
ergibt sich eine Differenz von 7,3 in cm und 261 in Proz. Der M.
flexor digitorum sublimis, s. in der Tabelle unter No. 16, ergibt bei
den einzelnen Bäuchen bei einer Länge der Muskelbündel von 2,3 bi&
7,7 cm einen Unterschied von 5,4 in cm und 235 in Proz. Um noch
ein anderes Beispiel anzuführen, sei der unter No. 23 zu findende M.
Pronator quadratus erwähnt, dessen Auffaserung ein Minimum von 1,7
und ein Maximum von 3,2 cm, also einen Unterschied von 1,5 in cm
und 88 in Proz. ergab. Es würde zu weit führen, noch die anderen
Befunde systematisch oder tabellarisch zu vergleichen.
C. Tabelle.
(Die Bestimmungen sind an einem kräftigen Männerarme gemacht.)
Zahl der
Muskelbundellänge
Unterschied
Muskelname
Mes-
Durch-
Mini-
Maxi-
inCenti-
in Pro-
sungen
schnitt
mum
mum
meter
zent
1.
M. deltoideus
45
93
7,1
13,4
6,3
89
2.
M. subscapularis
41
6,4
4,2
84
4,2
100
3.
M. supraspinatus
M. intraspinatus
21
6,6
5,6
7,3
1,7
30
4.
21
8,7
7,2
9,9
2,7
38
5.
M. teres minor
10
6,4
4,7
7,5
2,8
60
6.
M. teres major
13
10,8
9
12,6
3,6
40
7.
M. biceps
18
13,6
11,9
15,4
3;5
29
Caput longum
9
12,6
11,9
13,6
1,7
14
Caput breve
9
14,5
13,5
15,4
1,9
14
8.
M. coracobrachialis
10
7,4
8,4
8,3
1,9
33
9.
M. brachialis
22
7,8
4
10,8
68
170
Handbuch der Anatomie. II, II, 2.
321
21
322
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Zahl der
Muskelbündellänge
Unterschied
Muskelname
Mes-
Durch-
Mini-
Maxi-
inCenti-
in Pro-
sungen
schnitt
mum
mum
meter
zent
10.
M. triceps
41
7,7
2,8
10,1
7,3
261
Caput longum
9
9,2
8,6
10,1
1,5
17
Caput laterale
11
8,9
7,8
9,9
2,1
27
Caput mediale
14
7,8
4,2
9,4
5,2
124
IL
M. anconaeus
7
3,5
2,8
4,1
1,3
46
12.
M. Pronator teres
11
5,4
3,9
7
3,1
80
13.
M, flexor carpi radialis
M. palmaris longus
12
5,8
4,5
6,7
2,2
50
14.
—
—
—
15.
M. llexor carpi ulnaris
11
4^
4,5
5,3
0^
18
16.
M. flexor digitorum sublimis
Caput II
Venter superior
Venter inferior
26
4,9
2,3
7,7
5,4
235
10
3,7
2,3
6
3,7
161
5
2,8
2,3
3,5
1,2
52
5
4,6
4
6
2
50
Caput III
6
5,5
4,5
6,9
2,4
44
Caput IV
7
6,4
5,5
7,7
2,2
40
Caput V
3
4,4
4,1
4,7
0,6
15
17.
M. flexor digitorum profundus
Caput II
27
6,6
5,5
7,7
2,2
40
7
6,6
6
7,2
1,2
20
Caput III
7
7,1
6,3
7,7
1,4
22
Caput IV
7
6,5
5,6
7,6
2
36
Caput V
6
5,9
5,5
6,5
1
18
18.-21.
M. lumbricales
14
5,6
4,5
7,2
2,7
60
18.
I
4
5,1
4,5
5;6
1,1
25
19.
II
3
5,2
5,1
5,3
0,2
4
20.
III
4
6,7
6
7,2
1,2
20
21.
IV
3
5,4
5,2
5,6
o;4
8
22.
M. flexor poUicis longus
11
4,2
3,4
5,2
1,8
53
23.
M. Pronator quadratus
M. brachioraoialis
12
2,5
1,7
3,2
1,5
88
24.
7
16,9
13,6
20
6,4
47
25.
M. ext. carpi radialis longus
10
7,6
6,2
10,2
4
65
26.
M. ext. carpi radialis brevis
8
5,6
5
6,2
1,2
24
27.
M. supinator
14
2,7
2,2
31
0,9
41
Caput superficiale
5
2,6
2,4
2,8
0,4
17
Caput profundum
9
2,8
2,2
3,1
0,9
41
28.
M. ext. digitorum communis
18
6,2
5,2
7,2
2
38
II
6
6,5
6,2
7,2
1
16
III
6
6,2
5,6
7,1
1,5
27
IV
6
5,9
5,2
6,2
1
19
29.
M. extensor digiti V
7
5,3
5,1
5,5
0,4
8
30.
M. extensor carpi ulnaris
M. abductor poUicis longus
9
5,3
4,7
6
1,3
28
31.
8
4,7
4
5,5
1,5
38
32.
M. extensor poUicis brevis
5
4,4
4,1
4,7
0,6
15
33.
M. extensor pollicis longus
7
4,7
4,3
5,3
1
23
34.
M. extensor mdicis proprius
6
5,7
4,9
6,2
1,3
27
35.
M. abductor pollicis brevis
M. flexor pollicis brevis
6
3,7
3,1
4,2
1,1
35
36.
7
3,1
2,6
3,5
0,9
35
37.
M. opponens pollicis
M. adductor pollicis
M. palmaris brevis
7
2,6
1,8
3
1,2
67
38.
9
2,7
2,3
3,2
0,9
39
39.
3
1,8
1,7
2
0,3
18
40.
M. abductor digiti V
6
3,9
3,4
4,5
1,1
32
41.
M. flexor brevis digiti V
2
3,5
3,2
3,8
0,6
19
M. opponens digiti V
5
2,2
1,8
2,8
1
55
43.-46.
M. interossei volares
27
2,15
1,5
2,6
1,1
73
43.
I
12
1,75
1,6
1,9
0,3
19
44.
II
5
2
1,5
2,3
0,8
53
45.
III
5
2,3
2,2
2,6
0,4
18
46.
IV
5
2,3
2,2
2,5
0,3
14
322
Muskelbündellänge.
323
Zahl der
Muskelbündellänge
Unterschied
Muskelnarae
Mes-
Durch-
Mini-
Maxi-
in Centi-
in Pro-
schnitt
mum
mum
meter
zent
47.-50.
M. interossei dorsales
25
2,6
1,8
3,5
1,7 94
47.
I
7
3
2,4
3,5
1,1
46
48.
II
6
2,6
2
3
1
50
49.
III
6
2,1
1,8
2,5
0,7
39
50.
IV
6
2,6
1,8
3,5
1,7
94
D. Nutzanwendung.
Wer diese Tabelle genau betrachtet, wird ohne weiteres er-
kennen, daß Muskelbündel, welche demselben Muskelbauche angehören,
eine fast unglaubliche Verschiedenheit ihrer Länge besitzen können.
Beispielsweise hat der M. brachialis, dem wohl außer Beugung und
Streckung zwischen Vorder- und Oberarm keine andere Wirkung zu-
gesprochen werden kann, eine Muskelbündellänge von 4 bis 10,8 cm,
d. h. einen Unterschied von 6,8 in cm und 170 in Proz. Trotzdem
haben alle Bündel die gleiche Aufgabe, wie es auch bei den vorher
erwähnten M. triceps und flexor digitorum sublimis der Fall ist. Wir sind
zu einer Bestimmung des Durchschnittes gekommen, um überhaupt
sagen zu können, um wieviel sich ein Muskel im ganzen verkürzen kann.
So kommt die überraschende Tatsache zu stände, daß derjenige
Muskel, welcher einschließlich seiner Sehne die größte Länge besitzt,
der M. extensor digitorum communis, nämlich von 41,5 cm, nur eine
Länge des Muskelbauches von ca. 20 cm besitzt. Die Bestimmung
der Muskelbündellänge ergibt dagegen nur ein Maß von 5,2 — 7,2 cm. Der
in toto bis 41,5 cm lange Muskel vermag demgemäß, wenn wir das
Maximum der Kontraktion des Muskel bau che s auf die Hälfte der
durchschnittlichen Muskelbündellänge 6,2 cm annehmen, sich nur um
3,1 cm zurückzuziehen ! Wie wir bei der Muskelbeschreibung erwähnt
haben, gehen die Sehnenkonjugationen jedoch nur etwa 2 cm bei
Finger- und Handstreckung gegen das Handgelenk zurück, eine Tat-
sache, die man unter Umständen mit vollkommener Klarheit am
Lebenden sehen und abmessen kann. Es kann also nicht die Länge
des Muskelbauches für den Grad der höchstmöglichen Zusammen-
ziehung verantwortlich gemacht werden, sondern nur die Muskel-
bündellänge, jedoch mit dem Vorbehalte, daß nicht einmal die Hälfte
der Durchschnittslänge erreicht zu werden braucht, bei ungefähr
gleicher Muskelbündellänge nicht einmal die Hälfte des Minimums. Viel-
leicht gibt der in der Tabelle S. 331 angegebene Befund Aufschluß
darüber, mit wiewenig Kraft dieser Muskel wirkt, da ja dem Gewichte
der Muskelsubstanz das der Sehnensubstanz in Höhe von etwa 35 Proz.
gegenübersteht, er in der Tabelle S. 334 überhaupt die letzte
Stelle einnimmt.
Bei kompliziert gebauten Muskeln, welche in breiterer oder längerer
Fläche von einer größeren Knochenfläche entspringen, z. B. M. triceps
und brachialis, von denen der erstere ein Minimum von 2,8 und ein
Maximum von 10,1 cm aufweist, und der letztere ein Minimum von
4, ein Maximum von 10,8 cm besitzt, ist bei der Zusammenziehung
eine Verkürzung weder der Hälfte des Minimums noch der des Maxi-
mums in Betracht zu ziehen. Es müssen hier die Bestimmungen für
21*
323
324 FROHSE und M. FRÄNKEL,
die ganzen Muskeln in Frage kommen, welche ungefähr in der Mitte
zwischen der Höchst- und Mindestlänge liegen.
Wir haben nachzuweisen versucht, wie diese Maßbestimmungen
am M. biceps und dem Caput longum des M. triceps an günstigen
Fällen beim Lebenden mit Leichtigkeit durch die Haut hindurchzuer-
kennen und über derselben mit dem Centimetermaß auszuführen sind.
Ein besonderes Interesse verdient der M. deltoideus, von dem
überhaupt unsere Untersuchungen ausgegangen sind, bei dem wir in
dem angegebenen Falle ein Minimum von 7,1 und ein Maximum von
13,4 gefunden haben bei einer Durchschnittslänge von 9,3 cm. Dies
ist gemeinhin so zu verstehen, daß die Portio acromialis knochen-
wärts, d. h. in der Tiefe des Muskels nur 7,1 cm Länge besitzt, während
die hautwärts gelegenen Bündel hier eine Länge von 9,3 cm haben.
Die Portiones clavicularis und spinata erreichen eine Länge von 13,4 cm
(und darüber). Außerdem findet sich hier an beiden Stellen eine lange
Ansatzsehne, und nur so wird es verständlich, daß die mittlere Portion
bei der Seitwärtshebung des Armes von der vorderen sowohl wie der
hinteren unterstützt werden kann, weil nämlich die größere Ent-
fernung zwischen Ursprung und Ansatz durch eine entsprechende
Verlängerung der Muskelbündellänge und Einschiebung einer langen
Endsehne ausgeglichen wird.
Zu einer genauen Bestimmung der Muskelbündellänge wäre es noch
nötig, jedesmal die Länge der Knochen anzugeben, inwieweit daraus eine
größere oder kleinere Muskelbündellänge sich ergibt.
Wir können leider dies an unseren 4 Fällen nicht mehr nach-
träglich feststellen, weil wir die verschiedenen Knochen nicht genau
identifizieren können. Daß aber dies nicht gleichgültig ist, dürfte fol-
gende Tabelle beweisen, welche an den Knochen zweier rechter Arme,
welche unseren Untersuchungen zu Grunde gelegen haben — der Stärke
nach dürften beide von Männern herrühren — gewonnen ist. Die Maße
betragen :
langer Arm
kürzerer Arm
Clavicula
15
16 (+ 1)
Scapula, Marge vertebralis
Entfernung vom unteren Kande der
Spina bis zur Gelenkpfanne (Breite
18
18 -
des Schulterblattes)
11
12 {+ 1)
Humerus
33
31 (-2)
Eadius
25
24 (-1)
Ulna
26
25 (- 1)
Die Maßbestimmungen für die Handknochen können wir wiederum
wegen der Unmöglichkeit der Identifizierung nicht angeben, sie dürften aber
ziemlich gleichgültig sein, da die Länge der eigentlichen Handmuskeliv
sich fast nur nach den Metacarpalknochen richtet, deren Maß wohl
kaum erheblich voneinander abweichen dürfte. Jedenfalls lehrt aber
die Tabelle, daß beim Schulterblatte die Bollmuskeln , welche die
3 Gruben der Scapula ausfüllen, bei dem kürzeren Arme vermöge der
größeren Breite des Knochens theoretisch eine größere Muskellänge be-
sessen haben müssen, als die des längeren Armes, während die am
Oberarme und Vorderarme gelegenen Muskeln beim längeren Arme gün-
stiger dagestanden haben müssen, sicher in der Länge des Gesamt-
muskels und aller Wahrscheinlichkeit nach auch in der Länge der ein-
zelnen Muskelbündel. Der wirkliche Unterschied entzieht sich, wie
gesagt, unserer Erfahrung.
324
Muskelgewichte.
325
V. Muskelgewichte.
Einleitung und tabellarische Bestimmungen.
Bei unseren Bestimmungen haben wir die Muskeln in der Art be-
handelt, daß wir möglichst schnell sämtliche Muskeln unter den gleichen
Bedingungen gewogen haben. Es hat sich herausgestellt, daß trotzdem
eine erhebliche Verdunstung stattfindet, welche im wesentlichen das
Muskelfleisch betrifft. Nichtsdestoweniger müssen wir unsere Präpara-
tionsmethode als berechtigt hinstellen, weil sie jederzeit ohne Schwierig-
keit nachgeprüft werden kann. Die Muskelsubstanz enthält sehr viel
Wasser, die Sehnensubstanz nur sehr wenig ; bei der Eintrocknung wird
dementsprechend die Muskelsubstanz eine viel stärkere Schrumpfung
erfahren, als wie die Sehne. Am Lebenden sind die Tatsachen besser
verwirklicht, welche wir an der Leiche vorfinden: wasserreiche Muskel-
substanz und wasserarme Sehnensubstanz. Derselbe Muskel, welcher
ohne Eintrocknung gewogen und nach Prozenten bestimmt wird, kann
bei der Eintrocknung eine unglaubliche Verschiebung der prozentualen
Bestimmungen ergeben. Wir führen hier nur den M. brachialis an, welcher
beinahe ganz fleischig ist, und den M. extensor digitorum communis, der
ungefähr zu einem Drittel aus Sehnensubstanz besteht.
Wir haben bei unseren Untersuchungen absichtlich die beiden
Arme eines muskelschwachen Weibes und eines kräftigen^) Mannes
gewählt, und aus den 4 Bestimmungen ein theoretisches Durch-
schnittsgewicht für einen mittelkräftigen Arm herausgerechnet. Die
Arme, welche wir nach den vier einzelnen Fällen mit den römischen
Ziifern I, II, III, IV, kurz bezeichnen wollen, ergaben für I =
schwacher weiblicher rechter Arm ein Gesamtgewicht von 3010 g, für
die Muskulatur einschließlich der Sehnen 1909 ; für II = schwacher
weiblicher linker Arm ein Gesamtgewicht von 2740, für die Musku-
latur von 1745; für III = starker männlicher rechter Arm ein Ge-
samtgewicht von 5555, für die Muskulatur von 3187 ; für IV = linker
starker männlicher Arm ein Gesamtgewicht von 5465 und für die
Muskulatur 2689.
Der Abfall durch Knochen, Haut und sonstige Weichteüe ist aus
folgender Tabelle zu ersehen :
I 1 II
Differenz
III 1 IV
Weib
Mann
r. 1 1.
r.
'•
Differenz
Gesamtgewicht
Abfall
3010
1101
2740
995
270
106
5555
2368
5465
2776
90
408
Muskelgewicht
1909
1745
164
3187
2689
408
Der AbfaU durch Haut, Knochen, Gefäße, Nerven, Bindegewebe
und sonstige Weichteile beträgt also bei den schwachen weiblichen
Armen ungefähr 1 kg ; bei den starken männlichen Armen ungefähr
1) Die Tabellen von H. Vierordt, Jena, G. Fischer 1888, S. 47 geben bei den
erwähnten Muskeln ungefähr die gleichen Gewichte an.
325
326 FROHSE und M. FRÄNKEL,
2,5 kg. Der Unterschied von 408 g zu Ungunsten des starken
linken männlichen Armes findet wohl dadurch seine Erklärung, daß
mau fast niemals die obere Extremität in der gleichen Weise vom
Rumpfe loslöst und zufällig hier am linken Arme die Weichteile in
größerer Masse abgetrennt waren.
Die Muskelgewichte einschließlich der Sehnen ergaben folgende
Tabelle :
rechter männlicher Arm 3187
rechter weiblicher Arm 1909
Diff.: 1278
linker männlicher Arm 2689
linker weiblicher Arm 1745
Diff.: 944
Im allgemeinen sind die Muskelmassen der schwachen weiblichen
Arme um ungefähr 1 kg leichter als die der männlichen.
Der rechte weibliche Arm enthält also nur 40,1 Proz. der Muskel-
masse des rechten männlichen (1278 X 100 : 3187), oder nach den
wirklichen Gewichten verglichen, ist der rechte männliche Arm um
das 1,7-fache schwerer als der rechte weibliche (3187 : 1909). Bei den
linken Armen ergeben sich in gleicher Weise ein Prozentunterschied
von 35,1 Proz. und ein Mehr des Gewichtes um das 1,5-fache. Im
einzelnen dagegen waren die Muskelgruppen in verschiedener Weise
bald bei den rechten, bald bei den linken Armen stärker.
Der kleinste Unterschied beim Vergleiche der starken und
schwachen Arme fand sich bei den Händen im Ganzen, bei welchen
rechts nur ein Mehr um das 1,56-fache vorhanden war, während sonder-
barerweise der größte Unterschied an einer einzelnen Muskelgruppe
der Hand verwirklicht war, nämlich an dem Daumenballen der linken
Arme, wo der starke Arm um das 3,42-fache sich mächtiger erwies,
als der schwache weibliche. Einen prinzipiellen Unterschied können
wir einstweilen nicht aufstellen. Gerade der Daumenballen zeigte beim
Vergleiche der rechten und linken Arme die größten Unterschiede,
nämlich 2,17 und 3,42, also eine Differenz von 1,25.
Vergleicht man nunmehr die rechten und linken Arme unserer
beiden Fälle unter sich selbst, so kommt das Uebergewicht der rechten
noch in folgender Tabelle zum Ausdrucke :
rechter weiblicher Arm 1909
linker weiblicher Arm 1745
Diff.: 164
rechter männlicher Arm 3187
linker männlicher Arm 2689
Diff.: 498
d. h. die untersuchten Arme ergeben bei dem Weibe ein Mehr von
ungefähr Ve kg, beim Manne von V2 kg zu Gunsten der rechten
Seite.
Im einzelnen ergeben unsere Untersuchungen:
I. Für die Schultermuskeln
326
Muskelgewichte. 327
1) M. abductores s. elevatores d. h. M. deltoideus, portio acro-
mialis und M. supraspinatus :
R. 2,49 L. 2,67.
2) Auswärtsroller i. e. M. infraspinatus und teres minor
R. 2,98 L. 3,31.
3) Einwärtsroller i. e. M. subscapularis und teres major
R. 2,79 L. 2,76.
4) Beuger i. e, M. deltoideus, portio clavicularis, und M. coraco-
brachialis
R. 2,28 L. 2,6.
5) Strecker i. e. M. deltoideus, portio spinata
R. 3,8 L. 3,8.
Im Gesamtgewichte der Schultermuskeln ergab sich ein Mehr von
R. 2,74 L. 2,89.
Die Schultermuskeln eines kräftigen Armes sind also im
Stande durchschnittlich mit ungefähr 2,8-facher Kraft die Bewegungen
auszuführen, als sie von einem schwachen Arme ausgelöst werden
können. Auch das Uebergewicht des linken kräftigen Armes über
den entsprechenden schwachen Arm einer Frau findet noch nach dem
Tode eine ungezwungene Erklärung, indem diese Person bei Leb-
zeiten nicht mehr im stände gewesen sein dürfte, ihren linken Arm
in voller Kraft zu bewegen. Auch bei den Ober- und Vorderarm-
und auch den Handmuskeln kehrt dieselbe Erscheinung wieder. Die
Unterschiede, welche sich für die rechte Seite im Gesamtgewichte der
Oberarmmuskeln mit 2,64 zu 2,6, bei den Streckern am Oberarm mit
2,7 zu 2,62 und bei den M. interossei dorsales mit 2,24 zu 2,13 er-
geben, sind so unbedeutend, daß sie wohl vernachlässigt werden
können.
II. Am Oberarme ergibt sich ein Mehr
A. für das Gesamtgewicht von
R. 2,68 L. 2,59.
B. für die Beuger i. e. die M. biceps, brachialis, brachioradialis,
also ausschließlich des M. coracobrachialis
R. 2,8 L. 2,86.
C. für die Strecker i. e. M. triceps einschließlich des M. anco-
naeus
R. 2,7 L. 2,62.
327
328 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Die Oberarmmuskeln, welche nicht mehr die Gesamtmasse der
oberen Extremität zu bewegen haben, von welcher ja das Schulter-
gewicht wegfällt, stellen sich also mit einem Mehrdurchschnitte von
ungefähr 2,7 etwas ungünstiger, als die Schultermuskulatur.
III. Am Vorderarme haben wir zu bemerken:
A. Gesamtgewicht
R. 1,93 L. 2,1.
B. Beugegruppe einschließlich der Pronatoren
R. 1,9 L. 2,09.
C. Streckmuskeln (ohne M. anconaeus)
ß. 2,36 L. 2,75.
D. Supinatoren i. e. die M. biceps und supinator (brevis)
R. 2,89 L. 3,07.
E. Pronatoren i. e. M. pronator teres und quadratus
R. 2,23 L. 2,57.
F. Fingerbeuger i. e. M. flexor digitorum sublimis und profundus
R. 2,59 L. 2,75.
G. Fingerstrecker
ß. 2,44 L. 3.
H. Volarflexion der Hand, ausgeführt durch die M. flexor carpi
radialis und ulnaris und außerdem den M. palmaris longus,
R. 2,64 L. 3,07.
J. Dorsalflexion der Hand bei gewöhnlicher Anspannung i. e. M.
extensor carpi radialis longus und brevis
R. 2,19 L. 2,51.
Beim Vorderarme ist in unseren Fällen die linke Seite bevorzugt.
Der größte Unterschied liegt zwischen einem Mehr von 1,9 bis 3,07.
Ein schätzungsweiser Durchschnitt eines Mehr von höchstens 2,5 dürfte
richtig sein.
Auch hier spricht sich ohne weiteres aus, daß in dem Grade, wie
das Gewicht der zu bewegenden Massen sich von der Schulter herab
zur Hand verringert, auch die Mehrleistung der Muskeln abnimmt.
328
Muskelgewichte. 329
IV. Hand. Hier haben wir:
A. Gesamtgewicht der Handmuskeln
R. 1,56 L. 2,06.
B. für die M. interossei volares
R. 2,01 L. 2,54.
C. M. interossei dorsales
R. 2,24 L. 2,13.
D. Daumenballen
R. 2,14 L. 3,42.
E. Kleinfingerballen
R. 2,45 L. 2,56.
Wir haben an der Handmuskulatur die größte Differenz zu beob-
achten, welche sich zwischen 1,56 und 3,42 mehr für den starken Arm
bewegt. Die Handmuskeln haben die wichtige Aufgabe, bis zu dem
Augenblicke, wo mit der Agonie das Bewußtsein aufhört, ihre Funktion
zu erfüllen, beispielsweise eine Tasse zu ergreifen, oder andere feinere
Bewegungen auszuführen. So kann es nicht wundernehmen, daß
die beiden Arme unseres weiblichen Individuums noch eine auffallend
große Menge von Muskelsubstanz aufweisen. Auch hier prägt sich in
klarer Weise der Unterschied in der Durchschnittsziffer aus, indem
der kräftige Arm nur ein Mehr von ca. 2,2 aufweist, weil nämlich die
Handmuskeln beim Ergreifen und Festhalten von Gegenständen
eine außerordentliche Wirkung, haben und bereits ein schwacher Muskel
im Stande ist, die Arbeit zu leisten.
Kurz zusammengefaßt, können wir aus unseren 4 Fällen folgende
Nutzanwendung ziehen, daß bei einem muskelkräftigen Arme und
einem schwachen die kräftigen Muskeln mit einer Mehrleistung ar-
beiten :
I. Schultermuskeln 2,8
"II. Oberarmmuskeln 2,7
III. Vorderarramuskeln 2,5
IV. Handmuskeln 2,2.
Eine Untersuchung eines Armes von unbekannter Herkunft, welche
nach den von uns durchgeführten Gesichtspunkten gemacht wird, d. h.
die Bestimmungen der Muskelgewichte im ganzen, der Muskel- und
Sehnensubstanz im besonderen nach Grammen und Prozenten umfaßt,
dürfte auch für die Feststellung einer pathologischen Veränderung
oder einer Varietät Verwendung finden können. Jedenfalls sind wir
bei Abweichungen, welche über eine Prozentzahl von 10 Proz. hinaus-
gingen^), immer darauf hinausgekommen, daß eine Veränderung aus
diesem oder jenem Grunde vorlag, sei es durch pathologische
Atrophie, Varietät oder postmortalen Bluterguß in einen Muskel
hinein.
1) S. TabeUe S. 330 und 331, letzte Rubrik.
329
330
FRO^SE und M. FRÄNKEL,
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330
Maskelgewichte. 331
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331
332
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Vier Tabellen über die Reihenfolgen de
I. Rechter weiblicher Arm
II. Linker Arm derselben weib-
lichen Leiche
I.
IL
III.
IV.
V.
VI.
VII
VllL
1.
M. triceps
M. deltoideus
M. subscapularis
159
142
1.
2.
145
128
—
2.
3.
TOT"
88
3.
4.
M. brachialis
67
60
4.
5.
M. infraspinatus
60
53
—
5.
6.
M. teres major
60
52
6.
7.
M. biceps
58
48
—
7.
8.
M. flexor digitorum prof.
52
46
—
8.
9.
M. flexor digitorum sublimis
43
32
9.
10.
(13)
M. supraspinatus
M. brachioradialis
35
32
M. extensor carpi rad. long.
(12)
10.
11.
^2—
18
11.
12.
(11)
M. extensor carpi radial, long
22
17
M. coracobrachialis
(16)
12.
13.
(14)
M. extensor digit. communis
22
17
M. brachioradialis
(11)
13.
14.
(15)
M. Pronator teres
20
17
M. extensor digit. communis
(13)
14.
15.
(16)
(12)
M. extensor carpi rad. brev.
20
16
M. Pronator teres
(14)
15.
16.
M. coracobrachialis
18
15
M. extensor carpi rad. brev.
(15)
16.
17.
M. teres minor
18
15
17.
18.
M. flexor carpi ulnaris
18
15
18.
19.
M. flexor carpi radialis
15
12
—
19.
20.
(21)
M. supinator
15
11
M. flexor pollicis longus
(23)
20.
21.
(22)
M. extensor carpi ulnaris
M. abductor pollicis longus
12,5
10
M. anconaeus
(26)
21.
22.
(23)
12
10
M. supinator
20
22.
23.
(20)
(25)
M. flexor pollicis longus
M. adductor pollicis
11,5
5
M. extensor carpi ulnaris
M. adductor pollicis
(21)
(24)
23.
.24.
8
10 '
24.
25.
(26)
M. interosseus dorsalis I.
7
6
M. interosseus dorsalis I
(25)
25.
26.
(24)
M. anconaeus
6
6
M. extensor pollicis longus
(29)
26.
27.
(29)
M. Pronator quadratus
5,5
5,5
M. abductor pollicis longus
M. palmaris longus
(22)
27.
28.
(35)
M. abductor poUicis brevis
5,5
5,5
(30)
28.
29.
(27)
M. extensor pollicis longus
5,25
3
M. Pronator quadratus
27)
29.
30.
(28)
M. palmaris longus
5
3
M. interosseus dorsalis II
(34)
30.
31.
(32)
M. extensor digiti V
5
3
M. extensor indicis proprius
M. extensor digiti V
(33)
31.
32.
(36)
M. flexor pollicis brevis
4,5
3
(31)
32.
33.
(31)
M. extensor indicis proprius
M. interosseus dorsalis II
4
5
M. abductor digiti V
M. interosseus dorsalis III
(38)
33.
34.
(30)
4
2,5
(36)
(28)
34.
35.
(37)
M. opponens pollicis
3,5
2,5
M. abductor pollicis brevis
M. flexor pollicis brevis
35.
36.
(34)
M. interosseus dorsalis III
3,5
2
(32)
36.
37.
(39)
M. interosseus dorsalis IV
2,75
2
M. opponens pollicis
(35)
37.
38.
(33)
M. abductor digiti V
2,5
2
M. opponens digiti V
(39)
38.
39.
(38)
M[. opponens digiti V
2,2
1
M. interosseus dorsalis IV
(37)
39,
40.
(43)
(40)
M. interosseus volaris IV
M. extensor pollicis brevis
2
1
1
M. extensor pollicis brevis
M. interosseus volaris II
(41)
(42)
40.
41.
1,5
41.
42.
(41)
M.. interosseus volaris II
1,5
1
M. interosseus volaris III
(43)
42.
43.
(42)
M. interosseus volaris III
1,5
l
M. interosseus volaris IV
(40)
(44)
43.
44.
(44)
M. lumbricalis I
1
0,9
M. lumbricalis I
44.
45.
(46)
M. lumbricalis III
1
0,8
M. lumbricalis II
(50)
(45
(46)
45.
46.
(47)
VI. flexor brevis digiti V
1
0,75
M. lumbricalis III
46.
47.
(48)
[50)
VL. interosseus volaris I
1
0,5
Hypothet.M.flex. brev.dig. V
47.
48.
M. lumbricalis IV
0,8
0,4
M. interosseus volaris I
(47)
48.
49.
49) M. palmaris brevis
0,7
M. palmaris brevis
M. fumbricaUs IV
(49)
49.
50.
45)
M, lumbricalis II
0,5
0,8
(48)
50.
332
Muskelgewichte.
333
Armmuskeln nach ihren Gewichten.
III. Rechter männücher Arm.
IV. Linker Arm derselben männ-
lichen Leiche
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII. VIII.
1.
M. triceps
442
388
_
1.
2.
M. deltoideus
M. subscapularis
405
384
—
2.
3.
Ö51
äiä
3.
4.
(5)
M. teres major
210
130
M. infraspinatus
{§
4.
5.
(6)
M. biceps
185
175
M. teres major
5.
6.
(4)
M. infraspinatus
182
155
M. biceps
(5)
6.
7.
M. brachialis
156
138
—
7.
8.
M. flexor digit. prof.
115
100
—
8.
9.
M. flexor digit. subl.
91
90
9.
10.
(11)
M. brachioradialis
80
71
M. supraspinatus
(11)
10.
11.
(10)
(14)
M. supraspinatus
M. teres minor
72
65
M. brachioradialis
M. extensor digit. communis
(10)
(14)
11.
12.
50
50
12.
13.
M. flexor carpi ulnaris
50
46
—
13.
14.
(12)
M. extensor digit. communis
50
45
M. teres minor
(12)
14.
15.
(18)
M. extensor carpi radial, long.
45,5
45
M. extensor carpi rad. brevis
(18)
15.
16.
M. coracobrachialis
42
39
—
16.
17.
M. Pronator teres
42
38
—
17.
18.
(15)
M. extensor carpi rad. brevis
37,5
32
M. extensor carpi rad. longus
(15)
18.
19.
M. flexor carpi radialis
33
30
—
19.
20.
(21)
M. extensor carpi ulnaris
31
25
M. flexor polücis longus
(21)
20.
21.
(20)
M. flexor pollicis longus
26
24
M. extensor carpi ulnaris
(20)
21.
22.
M. supinator
26
23
—
22.
23.
Im. abäuctor pollicis longus
M. adductor pollicis
22
22
—
23.
24.
17,5
18
24.
25.
(31)|M. anconaeus
(25) M. Pronator quadratns
15
16
M. Pronator quadratus
(26)
25.
26.
15
12,5
M. interosseus dorsalis I
(27)
26.
27.1(26) iM. interosseus dorsalis I
13
12
M. extensor digiti V
(28)
27.
28.1(27)
M. extensor digiti V
M. extensor pollicis longus
11
11
M. abductor digiti V
(35)
28.
29.1
10,5
10,5
—
29.
30. (32)
31. (34)
M. extensor indicis proprius
10
9,5
M. anconaeus
(25)
30.
M. opponens pollicis
10
9
M. extensor indicis proprius
(31)
31.
32. (36) M. eitensor pbllicis brevis
9
9
M. abductor pollicis brevis
(34)
32.
33. (33)|M. abductor pollicis brevis
34. (28)1 M. abductor digiti V
9
9
M. opponens pollicis
M. palmaris longus
M. flexor pollicis brevis
(32;
33.
9
8
(36)
34.
35.!(34):M. palmaris longus
8
7,5
(35)
35.
36.
(35) M. flexor pollicis brevis
7
7
M. extensor pollicis brevis
(33)
36.
37.
M. interosseus dorsalis II
6,5
6
—
37.
38.
M. interosseus dorsalis III
6
6
—
38.
39.
M. interosseus dorsalis IV
4
4
39.
40.
(42)
(40)
M. opponens digiti V
M. interosseus volaris III
3,5
3,5
3,5
M. interosseus volaris III
M. lumbricalis I
(41)
(44)
40.
41.
2,5
41.
42.
(43)
M. interosseus volaris II
3
2,5
2,5
M. opponens digiti V
M. interosseus volaris II
(40)
(42)
42.
43.
(44) |M. interosseus volaris IV
"2^
43.
44.
(41)
M. lumbricaUs I
2
2,5
M. interosseus volaris IV
(43)
44.
45.
M. lumbricalis II
2
2
45.
46.
(50)
(46)
M. palmaris brevis
M. lumbricalis III
1,7
2
M. lumbricalirill
(47)
46.
47.
1,5
2
M. interosseus volaris I
(49)
47.
48.
M. flexor brevis digit. V
1,5
1,2
Hypothet. M. flex. brev. dig. V
M. lumbricalis IV
48.
49.
(47)
M. interosseus volaris I
1,2
1,1
(50)
49.
50.
(49)
M. lumbricalis IV
1
1
M. palmaris brevis
(46)
50.
333
334
FROHSE und M. FRANKEL,
Die Rubriken der linken Seite (Frauenarme), s. S. 332, enthalten:
I. die Ziffern 1—50 in der Reihenfolge der Gewichte der Muskeln des
rechten Armes; \
II. in Klammern die Nummern, unter denen die entsprechenden Muskeln
des linken Armes zu finden sind;
III. die Muskelnamen des rechten Armes;
IV. die Muskelgewichte des rechten Armes;
V. Die Muskel gewichte des linken Armes;
VI. die Muskelnamen des linken Armes;
VII. in Klammern die Nummern, unter denen die entsprechenden Muskeln
des rechten Armes zu finden sind;
VIII. die Ziffern 1—50 in der Reihenfolge der Gewichte der Muskeln des
linken Armes.
Die Rubriken der rechten Seite, s. S. 333, entsprechen denen der linken, nur
daß es sich um die beiden Arme einer kräftigen männlichen Leiche handelt.
In erfreulicher Weise stellte sich sowohl bei den schwachen wie den starken
Armen eine Uebereinstimmung in den Muskelgewichten ein. Als sehr starke Mus-
keln bezeichnen wir solche, welche bei den schwachen Frauenarmen über 125, bei
den kräftigen Männerarmen über 375 g wiegen, als starke diejenigen, welche über
30 bezw. 60 hinausgehen, als mittelstarke diejenigen, welche sich zwischen 10—30
bezw. 20—60 halten; als schwache, deren Grenzen zwischen 2—10 bezw. 3 — 20 liegen,
und als sehr schwache Muskeln mit weniger Gewicht, als 2 bezw. 3 g. Die Grenzen
der einzelnen Gruppen sind an verstärkten Linien zu erkennen.
Reihenfolge der Armmuskeln nach den Prozenten an Muskel-
substanz.
Proz.
Proz.
1.
2
3!
4.
M. palmaris brevis
M. opponens pollicis
M. teres major
M. brachioradialis
M. Pronator quadratus
M. brachialis
M. supinator
M. deltoideus
M. subscapularis
M. supraspinatus
M. abductor pollicis longus
100
97,4
96,4
95,8
94,3
94,2
93,6
92,4
92,1
91,9
90,9
26.
27.
28.
29.
M. flexor brevis digiti V
M. lumbricalis III
M. flexor pollicis longus
M. extensor carpi radialis brevis
83,3
83,1
82,6
80,3
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
44.
M. extensor indicis proprius
M. extensor pollicis brevis
M. interosseus dorsalis II
M. flexor carpi radialis
M. opponens digiti V
M. interosseus dorsalis III
M. lumbricalis I
M. flexor digitorum sublimis
M. extensor carpi ulnaris
M. lumbricalis II
M. palmaris longus
M. teres minor
M. interosseus dorsalis IV
M. interosseus volaris III
M. interosseus volaris IV
78,9
78,1
78,1
77,9
77,7
77,4
76,5
12.
13.
14.
15
16.
17
18
19!
M. abductor pollicis brevis
M. infraspinatus
M. coracobrachialis
M. extensor carpi radialis longus
M. Pronator teres
M. triceps + M. anconaeus
M. biceps
M. adductor pollicis
M. lumbricalis IV
M. abductor digiti V
M. interosseus dorsalis I
M. extensor pollicis longus
M. flexor pollicis brevis
M. flexor digitorum profundus
89,4
89,3
88,6
88,1
87,7
87,5
87,2
87,2
85,9
mfi
84,6
83,5
83,4
83,3
75,9
74,2
73,7
72,9
72:2
71,7
71,1
70
20.
2L
22.
23.
24.
25.
45.
46.
47.
48.
49.
M. extensor digiti V
M. flexor carpi ulnaris
M. interosseus volaris I
M. interosseus volaris II
M. extensor digitorum communis
66,8
65,8
65
63,4
63,1
334
Muskelgewichto.
335
Die 50 Armmuskeln an unseren 4 Fällen nach dem wahren Gewichte
ihrer Muskelflubstanz.
(Die Abkürzungen bedeuten beispielsweise unter I. w. r. == weibhcher rechter,
unter IV. m. 1. = männlicher linker Arm.)
I.
IL
III.
IV.
V.
VI.
w. r.
w. 1.
m. r.
m, i.
Sa.
Er-
gebnis
1.
M. deltoideus
131,4
116
386
365,8
999,2
2
2.
M. subscapularis
96
77
236
202
611
3
Q
M. supraspinatus
M. infraspinatus
32,7
29
65
66
192,7
10
I
53,5
46
169
166,5
336
7
5.
M. teres minor
16
13
42,5
39,6
111,1
12
(j.
M. teres major
58
49,5
205
168
480,5
4
7.
M. biceps
50
40
165,5
139
394,5
6
8.
M. coracobrachialis
15,5
15
38
35
103,5
14
9.
M. brachialis
02,7
55
150
131,5
399,2
5
10.
M. triceps
138
127,25
405,7
344
1014,95
1
11.
M. anconaeus
4,25
5,5
14,2
15
38,95
25
12.
M. Pronator teres
M. flexor carpi radialis
M. palmaris longus
16,5
14
38,5
34
103
15
13.
11,2
10,5
26,5
23
71
20
14.
3,7
(3,7)
6
5,5
18,9
34
15.
M. tlexor carpi ulnaris
11
8,5
36
30
85,5
18
16.
M. flexor digitorum sublimis
29,5
22,65
75,5
71,5
199,15
9
17.
M. flexor digitorum profundus
36,7
32,3
95
80
244
8
18.
M. lumbricalis 1
0,8
0,6
1,8
1,9
5,1
44
19.
M. lumbricalis II
0,4
0,5
1,5
1,7
4,1
47
20.
M. lumbricalis III
0,8
0,7
0,9
1,9
4,3
45
21.
M. lumbricalis IV
0,6
0,39
0,7
1
2,69
50
22.
M. flexor poUicis longus
9
9
22,5
20,5
61
21
23.
M. Pronator quadratus
5
4,9
14,5
15
34,5
26
24.
M. brachioradialis
20,5
16,5
77
62,5
176,5
11
25.
M. extensor carpi radialis longus
18,5
15,75
40,5
29
103,75
13
26.
M. extensor carpi radialis brevis
15,6
11
31,5
38,5
96,6
16
27.
M. supinator
14
9,5
24
21,5
79
19
28.
M. extensor digitorum communis
13,5
10,5
33
31,5
88
17
29.
M. extensor digiti V
3
2
8
8
21
32
30.
M. extensor carpi ulnaris
M. abductor pollicis longus
9,2
7,3
23
18,2
57,7
22
31.
9
8
18.5
18,6
54,1
23
32.
M. extensor pollicis brevis
1
0,85
7
6
14,85
37
33.
M. extensor pollicis longus
4,25
4,4
8,5
9
26,15
28
34.
M. extensor indicis proprius
3
2,5
8,5
6,5
20,5
33
35.
M. abductor pollicis brevis
M. flexor pollicis brevis
4,5
2,3
8,5
8
23,3
31
36.
3,5
2,25
6
6
17,75
35
37.
M. opponens pollicis
3,5
2
9,5
8,5
23,5
30
38.
39.
M. adductor pollicis
M. palmaris brevis
6,8
0,7
5
0.5
16
1,7
16
1
43,8
3,9
24
48
40.
M. abductor digiti V
2
2,6
7,5
10,3
24,4
29
41.
M. flexor brevis digiti V
0,8
(0,8)
1,3
(1,3)
4,2
46
42.
M. opponens digiti V
1,8
1,9
2,5
1,5
7,7
40
43.
M. interosseus volaris I
0,6
0,55
0.9
1
3,05
49
44.
M. interosseus volaris II
1
0,7
2
1,5
52
43
45.
M. interosseus volaris III
1
0,6
2,75
2;75
7,1
41
46.
M. interosseus volaris IV
1,2
0,8
2
1,5
5,5
42
47.
M. interosseus dorsalis I
5,8
5
11
10
31,8
27
48.
M. interosseus dorsalis II
3
2,6
5,2
5
153
36
49.
M. interosseus dorsalis III
3
212
A%
4,5
m
38
50.
M. interosseus dorsalis IV
1,75
1
3,5
3,5
9,75
39
335
336
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Armmuskeln nach unserer gewöhnlichen Reihenfolge mit A
n g a b e
des Platzes, den sie ihrem Gewicht
e nach
einnehmen.
Fall
No.
Muskelname
Sa.
Durch-
schnitt
I
II
ni
IV
1
M. deltoideus
2
2
2
2
8
2
2
M. subscapularis
3
3
3
3
12
3
3
M. supraspinatus
M. infraspinatus
10
10
11
10
41
lOV*
4
5
5
6
4
20
5
5
M. teres minor
17
17
12
14
60
15
6
M. teres major
6
6
4
5
21
5V4
7
M. biceps
7
7
5
6
25
6V4
8
M. coracobrachialis
16
12
16
16
60
15
9
M. brachialis
4
4
7
7
22
5V2
10
M. triceps
1
1
1
1
4
1'
11
M. anconaeus
26
24
25
31
106
267»
12
M. Pronator teres
M. ilexor carpi radialis
14
15
17
17
63
lö»!
13
19
19
19
19
76
19 *
14
M. palmaris longus
M, flexor carpi ulnaris
M. flexor digitorum sublimis
30
28
26
32
126
31Va.
15
18
18
13
13
62
15%
16
9
9
9
9
36
9
17
M. flexor digitorum profundus
M. lumbricalis I
8
8
8
8
32
8
18
44
44
44
41
173
43V*
19
M. lumbricalis II
50
45
45
45
185
46V!
20
M. lumbricalis III
45
46
47
46
184
46
21
M. lumbricalis IV
48
50
50
49
197
49V,
22
M. flexor poUicis longus
23
20
21
20
84
21 *
23
M. pronator quadratus
M. brachioradialis
27
29
26
25
107
267,
24
11
13
10
11
45
iiv!
25
M. extensor carpi radialis longus
12
11
15
18
56
14^*
26
M. extensor carpi radialis brevis
15
16
18
15
64
16
27
M. supinator
20
21
22
22
85
217,
28
M. extensor digitorum communis
13
14
14
12
53
i3v;
29
M. extensor digiti V
31
32
29
27
119
29»
30
M. extensor carpi ulnaris
M. abductor pollicis longus
21
22
20
21
84
21
31
22
23
23
23
91
227,
32
M. extensor pollicis brevis
41
40
33
37
151
37%
33
M. extensor pollicis longus
29
27
30
30
116
29 ''
34
M. extensor mdicis proprius
33
31
31
32
127
3174
35
M. abductor pollicis brevis
M. flexor pollicis brevis
28
35
34
33
130
32 Vi,
36
32
36
36
35
139
347!
37
M. opponens pollicis
M. adductor pollicis
M. palmaris brevis
35
37
32
34
138
34^
38
24
25
24
24
97
24V
39
49
49
46
50
194
48V.
40
M. abductor digiti V
38
33
35
33
139
347
41
M. flexor brevis digiti V
46
47
48
48
191
477,
42
M. opponens digiti V
39
38
40
42
159
397,
43
M. interosseus volaris I
47
48
49
47
191
477*
44
M. interosseus volaris II
42
41
42
43
168
42 *
45
M. interosseus volaris III
43
42
42
43
170
427..
46
M. interosseus volaris IV
40
43
43
44
170
42«/
47
M. interosseus dorsalis I
25
26
27
26
104
26
48
M. interosseus dorsalis II
34
30
37
37
138
34V2
49
M. interosseus dorsalis III
36
34
38
38
146
36V^
50
M. interosseus dorsalis IV
37
39
39
39
154
38v:
Die Rubriken enthalten (links):
I. die Ziffern 1—50;
II. die Muskelnamen;
III. Platz beim rechten Frauenarme;
IV. Platz beim linken Frauenarme;
V. Platz beim rechten Männerarme;
VI. Platz beim linken Männeranne;
VII. Summe aus den 4 Bestimmungen ;
VIII. Durchschnitt derselben.
336
Muskelgewichte.
337
Armmuskeln in der ßeihenfolge nach dem Durchschnitte unserer
4 Bestimmungen.
I
II
III
IV
V
VI
Keihen-
folge
Muskelname
No.
Sa.
Dif.
ferenzen
1
M. triceps
10
4
1
_
2
M. deltoideus
1
8
2
3
M. subscapularis
2
12
3
4
M. infraspinatus
4
20
5
1
5
M. teres major
6
21
ÖV4
2
6
M. brachialis
9
22
5%
3
7
M. biceps
7
25
6v!
2
8
M. flexor digitorum profundus
17
32
8
9
M. flexor digitorum sublimis
16
36
9
10
M. supraspinatus
3
41
10^/4
2
11
M. brachioradialis
24
45
IIV
3
12
M. extensor digitorum communis
28
53
13V
2
13
M. extensor carpi radialis longus
25
56
14
7
14
M. teres minor
8
60
15
5
15
M. coracobrachialis
5
60
15
4
16
M. flexor carpi ulnaris
15
62
15V,
5
17
M. Pronator teres
12
63
157!
3
18
M. extensor carpi radialis brevia
26
64
16
3
19
M. flexor carpi radialis
M. flexor pollicis longus
13
76
19
20
22
84
21
3
21
M. extensor carpi ulnaris
30
84
21
2
22
M. supinator
27
85
2IV4
2
23
M. abductor pollicis longus
31
91
227*
1
24
M. adductor pollicis
38
97
24V!
1
25
M. interosseus dorsalis I
47
104
26
2
26
M. anconaeus
11
106
26V9
7
27
M, Pronator quadratus
23
107
267
4
28
M. extensor pollicis longus
M. extensor digiti V
33
116
29
a
29
29
119
2974
5
30
M. palmaris longus
14
126
317»
6
31
M. extensor indicis proprius
34
127
317!
2
32
M. abductor pollicis brevis
35
130
32V.
7
33
M. opponens pollicis
37
138
34^'
5
34
M. interosseus dorsalis II
48
138
34V,
7
35
M. flexor pollicis brevis
36
139
347
4
36
M. abductor digiti V
40
139
347
5
37
M, interosseus dorsalis III
49
146
36«/!
4
38
M. extensor pollicis brevis
32
151
377;
8
39
M. interosseus dorsalis IV
50
154
38V,
2
40
M. opponens digiti V
42
159
397,
4
41
M. interosseus volaris II
44
168
42 *
2
42
M. interosseus volaris III
45
170
42V2
1
43
M. interosseus volaris IV
46
170
42V
4
44
M. lumbricalis I
18
173
43V!
3
45
M. lumbricalis III
20
184
46
2
46
M. lumbricalis II
19
185
46V4
5
47
M. flexor brevis digiti V
41
197
49V
2
48
M. interosseus volaris I
41
191
47V
2
49
M. palmaris brevis
M. lumbricalis IV
43
191
477;
2
50
39
194
48«;:
4
Die Rubriken enthalten (rechts);
I. die Ziffern 1-50;
II. die Muskelnamen ;
III. die Nummern, unter welchen sie links stehen;
IV. die unter der linken Rubrik (Sa.) angegebenen Zahlen, der Reihenfolge nach-
geordnet;
V. die linke Rubrik (Durchschnitt) in der gleichen Weise;
VI. die bei den 4 Armen beobachteten Verschiebungen in der Reihenfolge der
einzelnen Muskeln.
Handbuch der Anatomie. II, 11, 2.
337
22
338
FROHSE und M. FRÄNKEL,
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22*
339
340 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Spezieller Teil.
Durchschnittlich haben wir von den 49 Armmuskeln (wir haben
den M. anconaeus mit zum M. triceps gerechnet) 11 Muskeln mit einer
Muskelmasse von 90—100 Proz., 18 von 80-90, 15 von 70—80 und
5 von 60—70. Als Durchschnittsmaß für sämtliche Muskeln über-
haupt kommt also eine Prozentzahl von über 80 Proz. heraus, d. h.
kaum Vs des Gesamtgewichtes eines Muskels kommt auf die Sehnen-
substanz.
Die Schultermuskeln stehen außerordentlich günstig da, indem sie
im allgemeinen ungefähr 90 Proz. Muskelsubstanz aufweisen. Nur der
M. teres minor macht eine xlusnahme, welche jedoch durch die Ent-
artung in dem einen Falle zu erklären ist. Außerdem steht dieser
Muskel, wenn man diesen Ausdruck gebrauchen will, gewissermaßen
auf dem Aussterbeetat im Haushalte des menschlichen Körpers.
Auch die am Oberarme gelegenen Muskeln einschließlich des M. an-
conaeus sind durchaus günstig gebaut, indem die Prozentzahlen
zwischen 87,2 beim M. biceps und 94,2 beim M. brachialis schwanken,
sich sogar, wenn man den M. brachioradialis allgemein mit zu den
Oberarmmuskeln rechnen würde, auf 95,8 erhöhen.
Die Vorderarmmuskeln zeigen die Tatsache, daß die Beuger er-
heblich kräftiger entwickelt sind, als die Strecker und, daß vor allen
Dingen die funktionell so wichtigen Pronatoren und Supinatoren einen
aulfallend hohen Prozentsatz in der Muskelsubstanz aufweisen, nämlich
der M. pronator teres mit 87,7, der M. supinator mit 93,6 und der
M. Pronator quadratus sogar mit 94,3.
Die Beugemuskeln der Finger stellen sich mit dem M. flexor
digitorum sublimis auf 75,9 Proz., der M. flexor poUicis longus mit
82,6 und der M. flexor digitorum profundus auf 83,3 Proz. Im Gegen-
satze dazu weisen die Strecker mit dem M. extensor pollicis longus
83,5 Proz., mit dem M. extensor indicis proprius 78,9, mit dem M.
extensor pollicis brevis 78,1 Proz. auf; dagegen steht der M. extensor
digiti V mit 66,8 schon sehr schlecht da und der M. extensor digi-
torum communis mit 63,1 Proz. sogar an allerletzter Stelle. Es
macht sich bei einem Vergleiche zwischen Beuge- und Streckmus-
kulatur der Finger die Bevorzugung der Beugemuskulatur klar. Die
Strecker haben im wesentlichen nur die Aufgabe, die durch die Beuge-
muskeln hervorgerufene Wirkung wieder auszugleichen. Bei einem
Vergleiche der Strecker untereinander ergibt unsere prozentuale Be-
stimmung ebenfalls eine erfreuliche Uebereinstimmung mit den prak-
tischen Beobachtungen. Der so frei bewegliche Daumen kommt an
erster Stelle mit dem fleischreichen M. extensor pollicis longus, dem
der M. extensor poUicis brevis getreulich zur Seite steht. Etwas
stärker als letzterer ist der M. extensor indicis proprius, welcher dem
Zeigefinger die bekannte Streckstellung schon durch seine eigene
Wirkung verschaffen kann. Von den anderen Fingern erfreut sich
der fünfte eines besonderen M. extensor digiti V proprius, welcher
deshalb auch günstiger dasteht, als der M. extensor digitorum com-
munis.
Die M. lumbricales stehen nach unseren Untersuchungen, welche
sich jedoch bei weiteren Fällen nach unten oder oben verschieben
können, zwischen 73,7 und 85,9. Unsere speziellen Tabellen zeigen
ja, daß die Muskelsubstanz in den einzelnen Fällen zwischen 55,6 und
340
Muskelgewichte. 341
99,75 sehwanken kann. Eine praktische Bedeutung dürfte bei der
Kleinheit dieser Muskeln kaum vorliegen. Nur der Vollständigkeit
halber sind sie hier angeführt.
Das überraschendste Resultat ergaben wohl die Befunde an den
Beuge- und Streckmuskeln der ganzen Hand. Am günstigsten steht
der M. extensor carpi radialis longus mit 88,1 Proz. da, dann kommt
der M. extensor carpi radialis brevis mit 80,3 Proz., der M. flexor
carpi radialis mit 77,9, der M. extensor carpi ulnaris mit 74,2 Proz.,
der M. palmaris longus mit 72,9 und der M. flexor carpi ulnaris an
letzter Stelle mit 65,8 Proz. Hier sind also die Extensoren der Hand
bei weitem besser mit Muskelfleisch bedacht als die Beuger, und auf-
fallend günstig stehen die Extensoren an der Radialseite da. Die
Bevorzugung des Daumens spricht sich außerdem noch durch den M.
abductor pollicis longus mit 90,9 und den M. abductor brevis mit
89,4 aus. Ebenso steht der M. opponens pollicis mit 97,4 an hervor-
ragender, nämlich der zweiten Stelle. Ferner weist der M. adductor
pollicis Muskelsubstanz von 87,2 und der M. flexor pollicis brevis
von 83,4 a\if.
Wesentlich ungünstiger ist der Kleinfingerballen gestellt. Zwar
steht der M. palmaris brevis mit seiner gewöhnlich unwägbaren
Sehnensubstanz mit ca. 100 Proz. an erster Stelle, jedoch folgen die
anderen Muskeln: der M. abductor digiti V erst mit 85,9 Proz., der
M. flexor brevis erst mit 83,3 Proz. und der M. opponens nur mit
77,7 Proz.
Die M. interossei haben im Durchschnitte Muskelsubstanz von 84,6
bis 63,4 Proz. Bei der Wichtigkeit dieser Muskeln dürfte eine
spezielle Aufzählung unserer Befunde von Bedeutung sein. Die M.
interossei dorsales haben : I 84,6, II 78,1, III 77,4, IV 71,7. Die M.
interossei volares weisen folgende Prozentzahlen auf: I 65, II 63,4,
III 71,1 und IV 70. Die M. interossei volares stehen also auch in dem
am meisten mit Muskelfleisch bedachten M. interosseus volaris III
hinter dem schwächsten M. interosseus dorsalis IV zurück. Die
Muskelsubstanz der M. interossei volares schwankt zwischen 63,4
und 71,1 ; die der M. interossei dorsales zwischen 71,7 und 84,6. Die
M. interossei dorsales nehmen vom Daumen zum Kleinfinger hin an
Stärke ab, während man bei den M. interossei volares das Umge-
kehrte als Regel aufstellen kann. Die einzelnen Fälle ergaben für
die M. interossei volares ein Schwanken der Muskelsubstanz zwischen
50 und 80 Proz. ; bei den M. interossei dorsales ein solches zwischen
50 und 91 Proz. Jedoch muß betont werden, daß so geringe Prozent-
zahlen, wie 50 oder 60, nur beim M. interosseus dorsalis IV von uns
beobachtet sind, und die durchschnittliche untere Grenze ungefähr in
der Höhe von 75 Proz. lag.
Bemerkung zu folgender Tabelle.
Wie ersichtlich, sind die Schultermuskeln nicht mit angeführt,
weil bei den Bewegungen des Oberarmes im Schultergürtel nicht allein
die eigentlichen Schultermuskeln, sondern in noch höherem Maße die
Rumpfmuskeln, z. B. die M. latissimus dorsi, trapezius und pectoralis
major eingreifen, deren Darstellung uns nicht obliegt.
341
342
FROHSE und M. FRÄNKEL,
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§
«
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^
g
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A^
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z^
M
ä S^c
W cß_
§
«
8^
o
+
s-
§
+
+
+
05
o
+
2-
+
12
§?
M
'S
2-
+
CO
1
o
g-
+
3
;2-
2S
s-
1^ s _^-^
-"- -2
r^ S
- A-
s 1
354
Zusammenfassende Vergleichstabelle.
355
Zusammenfassende Vergleichs tabelle.
1) 8. Fig. 85-129, S. 300
')
1
»)
1
c
4) nach 3 bestimmt.
')
')
Q1 7
2) 8. Tabelle S. 321-323.
S
T3
5) dgl.
6) wirkliche Eeihenfolge
3) vgl. unter 1 M. delto-
ideus 9,3X100: 13 =
Sri
-o
3
1^
nach Ziffer.
2
.§1
a
N
M?
7) in Prozenten.
§
71,5 Proz.
¥
1
£
1 1 1
+ 11 1
II
1
1
No.
Muskelname
o
s
Muskelname
No.
1.
M. deltoideus
13,0
9,3
71,5
+
5
M. palmaris brevis
M. lumbricalis III
1.
100
2.
iM. subscapularis
14,5
6,4
44,1
22
2.
89,3
3.
M. supraspinatus
11,5
6,6
57,4
+
13
M. teres major
3.
80,0
4.
M. infraspinatus
13,5
8,7
64,4
+
9
M. lumbricalis IV
4.
77,1
5.
M. teres minor
10,5
6,4
61,0
+
12
M. deltoideus
5.
71,5
6.
M. teres major
13,5
10,8
80,0
+
3
M. pronator quadratus
6.
71,4
7.
M. bieeps
36,0
13,6
37,8
24
M. adductor pollicis
7.
67,5
8.
M. coracobrachialis
12,0
7,4-
61,7
+
10
M. opponens pollicis
M. infraspinatus
8.
65,0
9.
M. brachialis
22,5
7,8
34,6
25
9.
64,4
lO.l
ll.|
12.
M. triceps + M. anconaeus
34,0
7,7
20,8
—
33
M. coracobrachialis
10.
61,7
M. Pronator teres
14,0
5,4
38,6
=
23
M. lumbricalis II
11.
61,2
13.
M. flexor carpi radialis
M. palmaris longus
M. flexor carpi ulnaris
30,0
5,8
19,3
_
38
M. teres minor
12.
61,0
14.
30,0
5,0
16,7
—
42
M. supraspinatus
13.
57,4
15.
27,5
4,8
17,5
41
M. lumbricalis I
14.
56,0
16.
M. flexor digitor. sublimis
39,0
4,9
12,6
_
49
M. abductor digiti V
15.
55,7
17.
M. flexor digitor. profund,
M. lumbricalis I
40,0
6,6
16,5
44
M. opponens digiti V
M. abductor pollicis brevis
16.
55,0
18.
10,0
5,6
56,0
+
14
17.
52,9
19.
M. lumbricalis II
8,5
5,2
61,2
+
11
M. brachioradialis
M. flexor pollicis brevis
M. flexor brevis digiti V
18.
19.
52,8
51,7
20.
M. lumbricalis III
7,5
6,7
89,3
+
2
20.
50,0
21.
M. lumbricalis IV
7,0
5,4
77,1
+
4
M. supinator
M. subscapularis
21.
45,0
22.
M. flexor pollicis longus
30,0
4,2
14,0
—
47
22.
44,1
23.
M. pronator quadratus
M. brachioradialis
4,0
2,5
71,4
+
6
M. pronator teres
M. bieeps
M. bracliialis
23.
38,6
24.
32,0
16,9
52,8
+
18
24.
37,8
25.
M. extens. carpi rad. long.
M. extens. carpi rad. brevis
32,0
7,6
23,8
27
25.
34 ß
26.
28,0
5,6
20,0
36
M. interosseus volaris I
26.
24,2
27.
M. supinator
6,0
2,7
45,0
=
21
M. extensor carpi rad. long.
27.
23,8
28.
M. extensor digit. comm.
41,5
6,2
14,9
—
46
M. abductor pollicis long.
28.
23,5
29.
M. extensor digiti V | 38,0
5,3
13,9
—
48
M. interosseus dorsalis I
29.
23,1
30.
M. extensor carpi ulnaris
M. abductor pollicis longus
26,0
5,3
20,4
35
M. interosseus volaris IV
30.
23,0
31.
20,0
4,7
23,5
—
28
M. extensor pollicis brevis
31.
22,6
.32.
M. extensor pollicis brevis
19,5
4,4
22,6
31
M. interosseus dorsalis IV
32.
21,7
33.
M. extensor pollicis longus
26,5
4,7
17,7
—
40
M. triceps + M. anconaeus
33.
20,8
34.
M. extensor indicis propr.
M. abductor pollicis brevis
M. flexor pollicis brevis
27,5
5,7
20,7
_
34
M. extensor indicis propr.
M. extensor carpi ulnaris
34.
20,7
35.
7,0
3,7
52,9
+
17
35.
20,4
36.
6,0
3,1
51,7
+
19
M. extens. carpi rad. brevis
36.
20,0
37.
M. opponens pollicis
M. adductor pollicis
M. palmaris brevis
4,0
2,6
65,0
+
8
M. interosseus volaris III
37.
20,0
38.
4,0
2,4
675
4-
7
M. flexor carpi radialis
38.
19,3
39.
1,8
1,8
100,0
+
1
M. interosseus dorsalis 11
39.
18,6
40.
M. abductor digiti V
7,0
3,9
55;7
+
15
M. extensor poUicis longus
40.
17,7
41.
M. flexor brevis digiti V
7,0
3,5
50,0
+
20
M. flexor carpi ulnaris
M. palmaris longus
41.
17,5
42.
M. opponens digiti V
4,0
2,2
55,0
+
16
42.
16,7
43.
M. interosseus volaris I
6.0
i,a5
24,2
26
M. interosseus volaris II
43.
16,7
44.
M. interosseus volaris II
12,0
2,0
16,7
—
43
M. flexor digitor. profund.
44.
16,5
45.
M. interosseus volaris III
11,5
2,3
20,0
37
M. interosseus dorsalis III
45.
16,2
46.
M. interosseus volaris IV
10,0 2,3
23.0
30
M. extensor digitor. comm.
46.
14,9
47.
M. interosseus dorsalis I
13,0 3,0
23,1
_
29
M. flexor pollicis longus
47.
14.0
48.
M. interosseus dorsalis II
14,0, 2,6
18,6
39
M. extensor digiti V
48.
13,9
49.
M, interosseus dorsalis II J
13,01 2,1
16,2
45
M. flexor digitor. sublim.
49.
12,6
50.
M. interosseus dorsalis IV
12,0
2,6
21,7
—
32
355
23*
356 FROHSE und M. FRÄNKEL,
VI. Die Knochen des Armes mit den Muskelansätzen.
Einleitung.
Bei der bildlichen Darstellung der Muskel- oder Sehnenursprünge
oder -ausätze an den Knochen der oberen Extremität haben wir uns
von dem Gesichtspunkte leiten lassen, daß der muskulöse Teil rot
dargestellt ist, der sehnige blau, nicht in den einfachen Umrißlinien,
wie es beispielsweise Cunningham oder Spalteholz oder nach altem
Muster Heitzmann getan haben, sondern unter farbiger Aus-
füllung der von Muskeln eingenommenen Knochenabschnitte. Unser
ursprüngliches Vorhaben, die einzelnen Muskelbündel, wie sie sich
Zwiebel- oder dachziegelartig oder in anderer Form gesondert vom
Knochen loslösen, naturgetreu wiederzugeben, erwies sich zeichnerisch
als zu unruhig. Gleichwohl haben wir der Ursprungsrichtung bei
den einzelnen Muskelabschnitten durch entsprechende Schraffierung
im Schwarzen Rechnung zu tragen gesucht. Der sehnige Teil ist
immer dunkelblau gehalten. Befremdend könnte es beispielsweise
beim M. deltoideus wirken, daß eigentümliche Sehnenleisten oder
-pfeiler sich zwischen die Muskelbündel einschieben. Wenn hier im
Texte die Einzelheiten nicht noch einmal hervorgehoben sind, so
können doch mit Leichtigkeit bei der Muskelbeschreibung die zum
Verständnisse notwendigen Angaben nachgelesen werden.
Mit einem hellblauen Farbentone sind schließlich diejenigen
Schleimbeutel angegeben, welche unmittelbar mit den entsprechenden
Ansatzsehnen verbunden sind. Verzicht mußte dabei geleistet werden
auf die bereits genau beschriebenen Sehnenscheiden, welche sonst
der Handgelenksgegend, besonders ihrer Rückseite oder der Beuge-
seite der Finger das charakteristische Gepräge aufdrücken. Daher
sind nur die Bursae der M. infraspinatus, biceps brachii, latissimus
dorsi, teres major und die des M. abductor pollicis longus am Os mult-
anguluöi majus besonders dargestellt. Der letztere Schleimbeutel,
den Poirier als konstant hinstellt, sei auch hier noch einmal der
Nachprüfung empfohlen mit besonderer Berücksichtigung des even-
tuellen Zusammenhanges mit der Articulatio carpometacarpea pollicis.
Bei den Vorderarmknochen konnten wir den Ursprung der
Muskeln von der Membrana interossea nicht außer acht lassen. Die
Darstellungsweise von Cunningham, die beiden Vorderarmknochen
etwas voneinander entfernt darzustellen, haben wir schließlich nicht
angenommen, weil dabei eine Verzerrung der Muskelursprünge eintritt.
Inwieweit wir von der CuNNiNGHAMschen Darstellung abweichen
mußten, wird dem, welcher die beiden Darstellungen miteinander
vergleicht, nicht entgehen.
An der Hand haben wir schematisch auch den Ansatz der M.
interossei an den Basen der Grundphalangen mitangegeben, im übrigen
den Ursprung der M. interossei volares durch einen dunkleren
Ton gekennzeichnet, als den der M. dorsales. Ueber den M. inter-
osseus volaris I möge in der gegebenen Sonderbeschreibung, wie auch
beim M. adductor pollicis nachgelesen werden. Von einem praktischen
Bedürfnisse aus glaubten wir für die Rinnen am distalen Ende der
Vorderarmknochen besondere Namen vorschlagen zu müssen. Wenn
eine unserer Bezeichnungen, deren wir mehrere empfohlen haben,
356
Clavicula mit Muskelansätzen. 357
Anklang findet, würden wir uns freuen. Die Tatsachen selbst sind
jahrhundertelang richtig erkannt; eine einfachere Namengebung er-
scheint aber im Interesse einer kurzen allgemeinverständlichen Dar-
stellung wünschenswert.
Die 10 Zeichnungen, welche wir von Muskelursprüngen oder
-ausätzen gegeben haben, sind nach den Knochen desselben Armes
entworfen, und zwar des rechten, während für unsere entsprechenden
Bestimmungen beide Arme desselben Individuums vorgelegen haben.
Nennenswerte Unterschiede des rechten gegenüber dem linken Arme
unseres ungewöhnlich rauskelkräftigen, ca. 40-jährigen Mannes lagen
nicht vor. Im Gegensatze zu den vielfach üblichen Darstellungen
bei der Abbildung der Knochen von oben oder unten, wie beim
Schlüsselbeine, oder von vorn und hinten, wie beim Oberarmbeine,
den Vorderarm- und den Handknochen, sind wir dem Grundsatze
gefolgt, daß der Oberseite auch die Unterseite, der Vorder- auch
die Rückseite beinahe genau entsprechen sollen. Wir haben in dieser
Weise die von oben oder vorn her gewonnene Ansicht umgepaust
und auf die Unter- oder Rückseite übertragen. Zwar gehen dabei
verschiedene Einzelheiten verloren, aber es kommen dann die ein-
zelnen Muskeln in ihrer Lage besonders gut zur Anschauung, vor-
nehmlich dann, wenn sie, am Rande eines Knochens sich anheftend,
sowohl von der Vorder-, wie von der Rückseite sichtbar sind. Geringe
Abweichungen, welche dem ungeübten Auge nicht bemerkbar sein
dürften, haben wir doch im Interesse einer möglichst ergiebigen Dar-
stellung begehen müssen.
Die sogenannten Fascien, wie die Fascia infraspinata, supra-
spinata und subcapularis mit den von ihnen ausgehenden Sehnen-
leisten, den Aponeuroses und Septa intermuscularia, haben wir je nach
Bedürfnis farblos, blau gestrichelt oder in dunkelblauen Linien dar-
gestellt. Im Texte ist ja an den verschiedentlichen Stellen unsere
Auffassung hervorgehoben, daß diesen „Fascien" ein aponeurotischer
Charakter zukommt, z. B. bei dem teilweise gemeinschaftlichen Ur-
sprünge der M. infraspinatus, teres minor und major und besonders
bei den Beugern und Streckern der Vorderarmmuskulatur, soweit sie
von den Epicondylen des Humerus entspringen.
Clavicula mit Muskelansätzen.
Der Vollständigkeit halber müssen auch diejenigen Muskeln mit-
angegeben werden, welche den Rumpf mit der Clavicula verbinden.
Das sind von oben her die M. cleidomastoideus, trapezius und sterno-
hyoideus. Letzterer Muskel hat so häufig einen Nebenursprung von der
Clavicula, daß er nicht gut vernachlässigt werden konnte. Die Muskeln,
welche von unten her mit dem Schlüsselbeine in Verbindung treten,
sind der M. pectoralis major mit seiner Portio clavicularis, die ent-
sprechende Portion des M. deltoideus und der M. subclavius.
Das Schlüsselbein ist ein so verschieden gebauter Knochen nach
Länge, Krümmung der Achse, Lage der Flächen und besonders auch
der individuellen Ausdehnung der Muskelursprünge, daß sich keine
allgemeine Regel darüber aufstellen läßt. Jedenfalls dürfte aus diesem
Grunde ein Schema nicht unangebracht sein, daß sich nämlich an der
oberen Fläche je 2 Muskeln einander gegenüber ansetzen, medial die
Portio clavicularis m. pectoralis majoris und der M. cleidomastoideus ;
357
358
FROHSE und M. FRÄNKEL,
lateral die M. deltoideus und trapezius — selbstverständlich nur mit
ihren clavicularen Teilen. Zwischen den beiden oberen und unteren
Muskeln würde dann eine muskelfreie Strecke des Knochens übrig
bleiben, welche die Basis für die Fossa supra- und infraclavicularis bildet.
Im allgemeinen kann man sagen, daß der vordere Rand des Delta-
muskels dem gleichen des M. trapezius entspricht. Anders ist es aber
bei den M. pectoralis major und cleidomastoideus. Die Ausdehnung
des M. pectoralis major gegen den M. deltoideus hin kann diesen er-
reichen, so daß dann überhaupt nicht mehr von einer Fossa infra-
clavicularis geredet werden darf. Andererseits beschränkt sich der
358
Scapula mit Muskelansätzen. 359
Ursprung des M, cleidomastoideus bisweilen auf das mediale Viertel
der Clavicula. In ersterem Falle würde das Trigonum infraclaviculare
gänzlich fehlen ; im zweiten Falle die Fossa supraclavicularis oder das
Trigonum supraclaviculare eine sehr breite Basis haben, um so mehr,
als wir in einem doppelseitigen Falle den Ansatz des M. trapezius
an der Clavicula auf das laterale Fünftel beschränkt sahen. Gleich-
zeitig war in diesen beiden Fällen eine auffallend große Beweglichkeit
in der Artic. acromioclavicularis vorhanden. Der Zwischenknorpel
fehlte fast vollständig. Wir können uns die abnorme Beweglichkeit
des Schulterblattes, welche wir beiden Autoren am Lebenden durch
die Kleidung hindurch je einmal beobachten konnten, nach deren Ur-
sache wir erst gefragt wurden, nicht anders erklären, als durch eine
ähnliche Einrichtung der Muskeln und Gelenke. Auf Einzelheiten können
wir uns nicht einlassen, weil diese mehr zur Lehre der Rumpfmuskeln
gehören. Unsere Abbildung zeigt die Asymmetrie der Ursprünge, im be-
sonderen eine losgelöste Zacke des M. cleidomastoideus, welche in
ähnlicher Weise sich auch einmal vom M. trapezius nach medial ab-
zweigen kann.
Scapula mit Muskelansätzeii.
Die Muskelansätze an der Scapula betreffen nicht allein die eigent-
lichen Schultermuskeln, sondern auch in noch höherem Maße die-
jenigen Muskeln, welche vom Rumpfe aus ihren Ansatz am Schulter-
blatte finden. Fast die ganze innere Hälfte der Zirkumferenz der
Scapula wird von den Rumpfmuskeln eingenommen, sowie auch der
obere Rand der Spina scapulae. Im einzelnen sind es: vom Kopfe,
Halse und Rücken her kommend, der M. trapezius ; vom Zungenbeine
her der M. omohyoideus; von den Querfortsätzen der 4 oberen Hals-
wirbel entspringend, der M. levator scapulae, und im Anschlüsse
daran die beiden M. rhomboidei, deren Ursprung von den Wirbeldornen
hier nicht weiter auseinandergesetzt zu werden braucht. Vom seit-
lichen Umfange des Brustkorbes, teilweise auf die Vorderseite über-
greifend, entwickelt sich der mächtige M. serratus anterior.
Der M. trapezius nimmt mit seinem scapularen Ansätze die obere
Kante der Spina scapulae ein mit einem mehr oder minder breiten
Saume, erreicht jedoch den Margo vertebralis nicht, biegt vielmehr,
wie wir es beim M. deltoideus genau beschrieben haben, in der Höhe
der Tuberositas Spinae, an der Spitze desTrigonum basale
hakenförmig um und gewinnt so auch beinahe die untere Kante der
Spina scapulae.
Der M. omohyoideus findet seinen Ansatz gewöhnlich unmittelbar
medial vom Lig. transversum scapulae superius. Die Länge der Sehne
ist am Ursprünge individuellen Schwankungen unterworfen ; 1 cm dürfte
dem Durchschnitte entsprechen. Daß der Ansatz auch ganz oder
größtenteils muskulös sein kann, sei beiläufig erwähnt.
Die M. levator scapulae, rhomboideus major und minor verdienen
eine gemeinschaftliche allgemeine Besprechung, indem nämlich ein
Schema für sie zutrifft, von dem nur unbedeutende Abweichungen
vorkommen. Die Basis- der Scapula, der Margo vertebralis, zerfällt
ja auf der Rückseite durch die Spina scapulae in zwei oder besser
drei Unterabteilungen : 1) die Fossa supraspinata, deren medialer Rand
genau dem Ansätze des M. levator scapulae zu entsprechen pflegt;
359
360
M. levator
scapulae
Fascia
infraspinata
M. rhomboideus
major
FROHSE und M. FRANKEL,
M. serratus anterior
Lig. coracociaviculare
Facies artic. acromii
M. triceps,
Caput longum
Conjugatio ad m. latissimum dorsi
M. serrattis anterior
Fig. 132. Scapula mit Muskel-, Fascien- und ßandansätzen und Schleimbeuteln, Rückseite.
Scapula mit Muskelansätzen.
361
M. coracobiceps
Facies articularis /
Bursa subacromi
AT. serratus anterior
/
^'■y
Sehne des langen .---^ 'K/
Bicepskopfes
Caritas glenoidalis
Bursa m. subscapularis
Bursa subcoracoidea
M. triceps, Caput longum
Margo axillaris
Muskelfreies Feld
Arcus tendineus
.^ m. rhomboidei
>^ majoris
.'5>
M. serratus anterior
Angulus inferior
Fig. 133. Scapula mit Muskel-, Fascien- und Bandansätzen und 8chleimbeuteln, Vorderseite.
361
362 FROHSE und M. FRÄNKEL,
2) das dreieckige Ursprungsfeld der Spina scapulae, die Grundfläche
unseres Tri gon um basale, wo der Regel nach der M. rhomboideus
minor inseriert, und 3) die Fossa infraspinata, deren medialer Rand
fast in ganzer Ausdehnung von dem M. rhomboideus major einge-
nommen wird, mit Ausnahme des untersten Teiles, welcher dem M.
serratus anterior zukommt. Kurz gesagt also: Fossa supraspinata
= M. levator scapulae; Spina scapulae = M. rhomboideus minor;
Fossa infraspinata = M. rhomboideus major. Inwieweit sich diese
drei Muskeln sehnig oder muskulös an der Scapula ansetzen, hängt
vom Einzelfalle ab. Jedenfalls nimmt der M. levator scapulae eine
größere Partie des oberen Schulterblattwinkels ein, als man nach
seinem Namen M. levator a n g u 1 i scapulae annehmen könnte, den er
vielmehr dem M. serratus anterior überläßt. Andererseits haben wir
ein ziemlich häufiges Vorkommnis abgebildet (Fig. 133), daß nämlich
der M. rhomboideus major nicht kontinuierlich an dem Margo verte-
bralis der Fossa infraspinata sich anheftet, sondern an einer langen
Sehne, welche nur oben und unten Knochenansatz hat.
Der M. serratus anterior entspricht im großen und ganzen den
drei eben genannten Muskeln, denen gegenüber wir auf der Vorder-
seite des Schulterblattes seine charakteristische Ansatzlinie finden.
Jedoch reicht sein Ansatz über den oberen und unteren Winkel hinaus
und greift dabei auf den oberen Rand und unten über den Angulus
inferior hinaus bis auf den axillaren oder lateralen Rand. Die 6 eigent-
lichen Schultermuskeln : die M. 1) deltoideus, 2) teres minor, 3) teres
major, 4) subscapularis, 5) supraspinatus, 6) infraspinatus verhalten
sich in ihrem Ursprünge verschieden je nachdem, ob sie, wie der M.
deltoideus (1), von dem unteren Rande des Schultergürtels, oder, wie
der M. teres minor (2) oder M. teres major (3), scharf unschriebene
kleine Teile des Schulterblattes einnehmen, oder andererseits wie die
unter 4 — 6 genannten Muskeln die gleichnamigen Gruben des Schulter-
blattes ausfüllen. Bei letzteren liegt nämlich der Ursprung und die
Faserrichtung ungefähr parallel der Knochenfläche der Grube. Daraus
ergibt sich, daß ein großer Teil in der Umgebung des Gelenkes vom
Muskelursprunge frei bleiben muß.
Der M. deltoideus ist auf den freien Rand der Spina scapulae
von dem Trigonum der Spina bis zum Acromion angewiesen. An
der tiefen Fläche des Acromion verhindert die Bursa subdeltoidea,
welche besser subacromialis genannt würde (siehe S. 32), eine weitere
Anheftung der Muskulatur. Auf der oberen Fläche dagegen kann
sich dieselbe eine ganze Strecke weit gegen den M. trapezius vor-
schieben.
Der M. teres minor hat nur eine schmale spindelförmige oder
dreieckige Facette für sich, welche vom axillaren Rande des Knochens
sich etwa 1 cm weit auf das Dorsum hin erstreckt. Die das Ur-
sprungsfeld einschließenden Leisten sind am Knochenpräparate mit
solcher Deutlichkeit zu erkennen, daß es wundernehmen muß, wie
wenig scharf sie häufig bei osteologischen Darstellungen berücksichtigt
sind. Sie verdanken ihre Entstehung weniger dem Muskelansatze nur
eines Muskels, als der Gegenwart von aponeurotischen Platten,
zwischen zwei oder mehreren Nachbarmuskeln, welche vielfach nur als
Fascien bezeichnet werden. Die Aponeurosis intermuscularis, wie w i r
sie genannt haben, trennt dorsal-medial den M. teres minor vom M.
infraspinatus, außen, axillar den M. teres minor vom M. subscapularis.
362
Scapula mit Muskelansätzen. 363
An beiden Stellen findet sich eine spitzwinklige Divergenz der Bündel
der in Betracht kommenden Muskeln.
Der M. deltoideus zeigt in unserer Abbildung die charakte-
ristischen Sehnenpfeiler blau gezeichnet und dazwischen die rot darge-
stellten oberen Muskelkeile, welche den Bereich des Acromion ein-
nehmen. Am untereu Rande der Spina scapulae sieht man die
eigentümliche Verdoppelung der Aponeurose, in deren Mitte noch
Muskelsubstanz sich einschiebt, dies ist jedoch in unserer Abbildung
mehr schematisch angegeben.
Der M. teres minor hält sich genau an das von den Knochen-
leisten umrahmte kleine Gebiet, dessen wir eben genau gedacht haben.
Oben spitz gegen das Tuberculum infraglenoidale auslaufend, schiebt
der Ursprung sich auch nach unten keilartig hinein zwischen die M.
teres major und infraspinatus.
Der M. teres major wechselt in der Größe seines Ursprungs-
feldes außerordentlich. Er ist es ja, welcher dem unteren Winkel
des Schulterblattes eine mitunter viereckige Form verschafft, während
dieser Winkel andererseits ganz spitz entwickelt sein kann. Die Breite
des Ursprungsfeldes vom axillaren Rande aus, quer gegen den Margo
vertebralis gemessen, schwankt zwischen IV2 — 4 cm. Charakteristisch
ist außerdem für seinen Ursprung, daß er niemals von der dorsalen
Seite auf die Fossa subscapularis übergreift, während der M. serratus
anterior das Dorsum erreicht. Außerdem ist zu beachten, daß —
man könnte es beinahe als Regel bezeichnen — eine Muskelkonju-
gation zwischen den M. teres major und latissimus dorsi besteht,
welche dann, wie in dem abgebildeten Falle, genau den untersten
Rand des Angulus inferior scapulae als Ursprung benutzt.
Der M. subscapularis nimmt nur die gleichnamige Grube
des Schulterblattes für sich in Anspruch, d. h. er läßt den Margo
vertebralis frei und besonders den oberen und unteren Winkel,
welche dem M. serratus anterior vorbehalten sind. Zwischen beiden
Muskeln liegt sogar an diesen Stellen der Knochen teilweise in nicht
unbeträchtlicher Ausdehnung vollkommen frei. Charakteristisch für
den Ursprung sind Leisten, die Lineae musculares, welche man
früher fälschlich als Costae scapulae bezeichnete. 3 — 6 an der
Zahl, verlaufen sie im großen und ganzen konvergierend gegen die
Cavitas glenoidalis hin. Unser abgebildeter Fall (siehe Fig. 133) ent-
spricht einigermaßen der Norm. Muskelfrei bleibt in der Fossa sub-
scapularis der dem Gelenke naheliegende Abschnitt der Grube; nach
medial konvex, aber unregelmäßig zackig geht die Grenzlinie ungefähr
von der Incisura scapulae bis zum unteren Rande der Tuberositas
infraglenoidalis. Der unter dem M. subscapularis gelegene Schleim-
beutel, welcher gewöhnlich mit der Bursa subcoracoidea identisch ist
und dadurch die Gelenkhöhle weit nach medial vorschiebt, ist hellblau
dargestellt. Außerdem ist ein kleiner Schleimbeutel abgebildet, der
zwischen den Bündeln der Ansatzsehne lag, aber nicht mit der Ge-
lenkhöhle zusammenhing ; es ist dies also ein intertendinöser Schleim-
beutel am Ansätze eines Muskels, der auch an anderen Muskeln von
uns betont ist.
Von den Ursprüngen des M. supraspinatus aus der osteo-
fibrösen Scheide der gleichnamigen Grube ließen sich diejenigen
Bündel nicht abbilden, welche von der tiefen Fläche der Fascia
supraspinata herkommen, wohl aber ist ihre Anheftungslinie an den
363
364 FROHSE und M. FRÄNKEL,
knöchernen Rändern der Grube durch eine dunkelblaue Linie gekenn-
zeichnet. Auch in der Fossa supraspinata bezeichnet der mediale
Umfang der Incisura scapulae (Lig. transversum scapulae superius)
die Grenze, über welche hinaus lateralwärts gegen das Gelenk hin
die Muskelbündel keinen Ursprung mehr zu nehmen pflegen.
Beim M. infraspinat us gilt bezüglich der Fascie das Gleiche,
was soeben von der Fascia supraspinata gesagt wurde. Es kommen
jedoch noch zwei besondere Punkte hinzu : 1) der accessorische Ursprung
der Portio spinata von dem unteren Rande der Spina scapulae und
der tiefen Aponeurose des M. deltoideus; 2) die Tatsache, daß eine
Zerklüftung des einheitlichen Muskelursprunges durch die hart am
Knochen gelegenen Gefäße bedingt ist, bei deren schematischer Wieder-
gabe im wesentlichen ein entsprechendes Präparat zu Grunde gelegt
ist. Ein verhältnismäßig großes Feld des Knochens in der Umgebung
des Gelenkes bleibt frei von Muskelansätzen, in welchem das Ende
des N. suprascapularis und die Anastomose zwischen den Vasa trans-
versa und circumflexa scapulae freien Verlauf nehmen können.
Schließlich ist beim M. infraspinatus noch die Bursa zu erwähnen,
welche sich an der Umschlagsstelle der Portio spinata um den freien
lateralen Rand der Spina scapulae findet.
Humerus mit Muskelansätzen.
Die beiden Abbildungen vom Oberarmbeine sind so gehalten, daß
der Vorderansicht genau die der Rückseite entspricht. Wir haben
verschiedene knöcherne Oberarmbeine in 4 gleich lange Teile zerlegt
und kommen dabei zu folgenden Ergebnissen: Das erste Viertel um-
faßt die Rollmuskeln des Armes und endet in der Mitte der Cristae
beider Tubercula, das zweite Viertel entspricht mit geringen Ab-
weichungen dem distalen Ende der Tuberositas deltoidea, d. h. der
Mitte des Oberarmbeines; das dritte Viertel hat keine bestimmte
Knochenmarke, kann jedoch in die Mitte des Muskelbauches des M.
brachialis gelegt werden ; das letzte Viertel reicht bis zum Spalte des
Ellenbogengelenkes.
Die Rückseite bedarf der Einteilung in 4 Viertel kaum. Es
genügt eine Halbierung, deren Schnittebene dem distalen Ende
der Tuberositas deltoidea entspricht. Die distale Hälfte enthält fast
nur das Caput mediale des M. triceps, welches sich in der proximalen
bis zum Collum chirurgicum humeri ifortsetzt. Hier finden wir dann
als scharfe Grenze gegen das Caput laterale eine muskelfreie Stelle,
den Sulcus (spiralis) n. radialis. Sonstige Einzelheiten, besonders wenn
sie die Epiphysen betreff'en, müssen aus der Figur entnommen werden.
Die bekannten Tatsachen über das Tuberculum majus mit dreifachem
Muskelansatze : M. supraspinatus, infraspinatus und teres minor, und
das Tuberculum minus mit dem Ansätze des M. subscapularis und
schließlich die Bursa bicipitalis im Sulcus intertubercularis mögen aus
den Abbildungen ersehen werden. Hervorgehoben sei, daß nicht nur
der M. subscapularis, sondern auch der am meisten distale Aus-
wärtsroller, der M. teres minor, gewöhnlich einen muskulösen An-
satz über das entsprechende Tuberculum hinaus gegen den Humerus-
schaft besitzt.
Die Außenseite der Diaphyse des Humerus ist an jedem Knochen-
präparate charakterisiert durch die V-förmige Tuberositas deltoidea,
364
Humerns mit Muskelansätzen. 365
welche in unseren Abbildungen sowohl auf der Vorder- wie auf der
Rückseite zu sehen sein muß. In auffälliger Weise schieben sich von
dem mächtigen Ansatzfelde Sehnenpfeiler nach oben in den M. deltoideus
hinein. Vorn setzt sich die Tuberositas deltoidea, am Knochenprä-
parate meist nicht unterscheidbar, in die Crista tuberculi majoris
fort. Wenn auch am Muskelpräparate hier recht oft eine Verschmel-
zung des M. pectoralis major mit der des M. deltoideus statthat,
so wollten wir in unserer Zeichnung dies doch nicht darstellen, sondern
die vordere Kante der Tuberositas deltoidea von dem Ende der Crista
tuberculi majoris getrennt abbilden. Gegenüber von der Hauptrauhigkeit
der Crista tuberculi majoris liegen die Ansätze des M. latissimus dorsi
und des M. teres major. Charakteristisch für diese beiden Endsehnen
sind die Schleimbeutel, welche sich zwischen ihnen und dem Knochen
finden. Bei einer Verschmelzung beider Sehnen fehlt natürlich der
Schleimbeutel zwischen ihnen. Bei nur teilweiser Vereinigung be-
herbergt die zwischen beiden Sehnen freibleibende Tasche am
Muskelpräparate einen Schleimbeutel; am Knochenpräparate kann
eine doppelte Leiste vorhanden sein. Wenn der M. teres major am
Ansätze noch Muskelbündel enthält — an unseren Präparaten, welche
die beiden Arme derselben Leiche betrafen, war auf der rechten Seite,
der augenscheinlich mehr gebrauchten, der Ansatz rein sehnig, während
auf der linken Seite, welche wir in unserer Abbildung dargestellt
haben, die obere Hälfte noch Muskelbündel enthielt — so finden wir
den Schleimbeutel nur im Bereiche des rein sehnigen Ansatzes.
Der M. coracobrachialis findet seinen Ansatz im allgemeinen
genau gegenüber dem vorderen Schenkel der Tuberositas deltoidea,
von dem er durch die jeweilige Breite des Ursprunges des M. bra-
chialis getrennt ist. Bei der Muskelbeschreibung haben wir erwähnt,
daß der M. coracobrachialis den Adductoren des Oberschenkels gleich
zu setzen ist. Hierauf beruht die wechselnde Ausdehnung des An-
satzes nach unten-distal hin, welcher sich durch das Septum inter-
musculare mediale ja bis zum Epicondylus medialis hin erstreckt.
Der Ansatz ist nach lateralwärts sehnig, medialwärts mehr oder
weniger muskulös.
Ganz an der inneren Kante des Humerus ist bei der genauen
Ansicht von vorn noch ein schmaler Saum vom Ursprünge des Caput
mediale m. tricipitis zu erkennen.
Die untere Hälfte der Epiphyse des Humerus ist wesentlich ein-
facher, indem die ganze vordere Fläche zu beiden Seiten der vorderen
Kante vom M. brachialis eingenommen wird, und nur die seitlichen
Kanten anderen Muskeln oder den Septa intermuscularia zur Anheftung
dienen.
Beim M. brachialis und auch auf der Rückseite, beim Ursprünge
des Caput mediale des M. triceps macht sich wiederum das Gesetz
bemerkbar, welches wir bereits bei denjenigen Schultermuskeln er-
wähnt haben, welche die 3 gleichnamigen Gruben der Scapula aus-
füllen, daß nämlich bei den Muskeln, welche nur ein Gelenk über-
springen und in der Nähe desselben ihren Ursprung haben, der dem
Knochen ungefähr parallele Verlauf der Muskelbündel doch eine er-
hebliche Entfernung des Urspunges von der eigentlichen Gelenkhöhle
bedingt. Bei der Beugeseite mit dem M. brachialis ist dies noch
ausgesprochener entwickelt, als bei der Streckseite mit dem Caput
mediale des M. triceps.
365
366
M. supraspinatus
Tuberculum majus
Vagina mucosa inter
tubercularis
Crista tuberculi majoris
M.' latissimus dorsi ■
M. teres major -
M. pectoralis major -
Labium anterius tubei
ositatis deltoideae
Apex tuberositatis
deltoideae
M. extensor carpi radial
longus
M. extensor digi-
torum communis
M. supinator
Capitulum humeri
Caput humeri
M. subscapularis
Collum anatomicura
Collum chirurgicum
m. latissimi dorsi
^ M. triceps, Caput mediale
M. coracobrachialii
Mitte des Humerus
Sulcus (spiralis) n
radialis
M. brachioradial
Facies anterior mediali:
\ Margo anterior
Margo medial)
Septum intermusculare
mediale
Muskelfreies Feld
M. Pronator teres
M. flexor carpi
radialis
M. flexor digitorum
sublimis
M. flexor carpi ulnaris
Fig. 134. Humerus mit Muskelansätzen und Schleimbeuteln, Vorderseite.
Caput humeri
Collum anatomicum
Collum chirurgicum
M. triceps, caput mediale
367
M. infraspinatus
M. teres minor
M. triceps, caput laterale
Sulcus (spiralis) n. radialis
M. triceps, caput laterale
_ Labium posterius
der
-Tuberositas deltoidea
Muskel freies Feld
Epicondylus medial
a Umschlagsstelle des
1^ N. radialis
M. extensor carpi radialis
longus
M. triceps, caput
mediale
M. extensor carpi
radialis brevis
M. extensor digi-
torum communis
M. extensor carpi
ulnaris
M. anconaeus
Fig. 135. Humerus mit Muskelansätzen, Rückseite.
368 PROHSE und M. FRÄNKEL,
An der äußeren Kante finden wir unterhalb des Ursprunges des
M. brachialis die charakteristische Umschlagsstelle des N. radialis von
der Rück- auf die Vorderseite. Der Sulcus (spiralis) n. radialis trennt
den M. brachialis vom M. brachioradialis. Ein wie langes Ursprungs-
feld dieser Muskel an dem Margo lateralis hat, dürfte in der Ab-
bildung hinreichend zum Ausdruck kommen. Wenn es sich um
Varietäten handelt, kann der Ursprung sich, wie erwähnt, bis zur
Tuberositas deltoidea ausdehnen. Im Anschlüsse an den M. brachio-
radialis nach unten hin liegt der Ursprung des M. extensor carpi radialis
longus, welcher ungefähr mit dem Ende des M. brachialis beginnt und
mit der Ecke des Epicondylus lateralis aufhört. Sein oberer Teil ist
muskulös, sein unterer teilweise sehnig.
Die Spitze des Epicondylus lateralis selbst wird im wesentlichen vom
M. extensor digitorum communis eingenommen, zum geringeren Teile
nur vom M. extensor carpi radialis brevis, dessen auffallend dünner und
außerdem in der Tiefe verborgener Ursprungssehne bei der Muskel-
beschreibung ausführlich gedacht ist.
Schließlich schickt noch der M. supinator (brevis) einen Zipfel
zur Vorderseite hinüber, den man aber auch als Verstärkung der Ge-
lenkkapsel auffassen kann.
Die innere Kante des Humerus dient dem Septum intermusculare
mediale zur Anheftung, welches blaupunktiert angegeben ist, ohne
daß zeichnerisch dem Ursprünge des M. brachialis einerseits, des
Caput mediale des M. triceps andererseits Rechnung getragen werden
konnte.
Im unteren Teile des Septum intermusculare mediale ist der Ur-
sprung des M. Pronator teres zu erwähnen, welcher viel weiter
proximalwärts reicht, als es gewöhnlich abgebildet wird. Selbst wenn
kein Processus supracondyloideus vorhanden ist, reicht doch der Ur-
sprung des M. Pronator teres mindestens 1 — 3 cm über die 'scharfe
Ecke des Epicondylus medialis nach oben empor, im Gegensatze zu
den übrigen, rein sehnig entspringenden Muskeln der Beugegruppe
überwiegend muskulös.
Die M. flexor carpi radialis, flexor digitorum sublimis, flexor carpi
ulnaris in seinem humeralen Teile, haben nur ganz schmale aponeuro-
tische Blätter zum Ursprünge. Den M. palmaris longus haben wir
absichtlich nicht berücksichtigt, da er einmal fehlen kann, andererseits
auch bei kräftiger Entwickelung des Muskelbauches nur in Ausnahme-
fällen eine einwandsfreie eigene Ursprungssehne bis zum Epicondylus
medialis hin entwickeln dürfte.
An der Rückseite des Oberarmes ist bereits die proximale Epi-
physe erledigt, ebenso die Tuberositas deltoidea.
Diese gibt uns aber für die Betrachtung der Diaphyse wichtige
Anhaltspunkte. Bei der Muskelbeschreibung ist bereits hervorgehoben,
wie der hintere Rand des M. deltoideus auch den äußerlich sicht-
baren Beginn der Muskulatur des Caput laterale des M. triceps be-
stimmt. Der Verlaufsrichtung des hinteren Randes des Deltamuskels
entspricht auch der untere Rand des Caput laterale des Triceps. In
der Tiefe am Knochen ist die Kreuzung eine spitzwinklige, indem der
Sulcus spiralis steiler emporsteigt, als wie sich der hintere Rand des
M. deltoideus nach unten begibt. Beide Tricepsköpfe, welche vom
Humerus entspringen, verhalten sich nun grundverschieden. Das
Caput laterale nimmt nur einen verhältnismäßig schmalen, aber langen
368
Humerus mit Muskelansätzen. 369
Teil der oberen, proximalen Hälfte des Humerusschaftes an der
lateralen Seite ein, während das Caput mediale nicht allein die ganze
untere, distale Hälfte beansprucht, sondern sich auch noch breit,
keilartig in die obere Hälfte zur medialen Seite emporschiebt. Beide
Köpfe können sich, wie in unserer Abbildung angegeben, bis zum
Collum chirurgicum humeri nach oben hin erstrecken. Hierdurch wird
gleichzeitig ein Gegensatz zwischen der vielfach üblichen Darstellung
erzielt, daß nämlich zwischen den beiden Köpfen ein hinreichend
großer Raum freibleibt, in welchem der N. radialis zusammen mit
den Vasa profunda brachii verläuft. Zwar erfahren die beiden Köpfe
durch die Durchbohrung eine scharfe Trennung des Ursprunges, aber
die durchbohrenden Gebilde sind durchaus nicht immer in der viel
zu schmalen Knochenrinne dauernd gelagert. An Präparaten, welche
wir in bestimmter Beuge- oder Streckstellung gehärtet hatten, oder
an frischen Armen konnten wir den Nachweis führen, daß der N.
radialis gewöhnlich auf dem Caput mediale des M. triceps ruht und
nur ein kleiner Teil des Hauptstammes oder Seitenzweige dem Sulcus
spiralis aufliegen. Dies ist besonders an frischen Präparaten mit
Leichtigkeit bei der Beugung des Vorderarmes nachzuweisen. Bei
der Streckung allerdings werden die durchbohrenden Teile in den
Sulcus spiralis nach oben hineingeschoben.
Das Caput mediale des M. triceps nimmt fast die ganze Länge
der medialen Seite des Oberarmschaftes ein ; am lateralen Rande da-
gegen nur den unteren Abschnitt und findet dort in charakteristischer
Weise nur einen schmalen Fortsatz nach unten hin bis zum Ursprünge
des M. anconaeus (quartus). Wir müssen dies Verhalten als normal
hinstellen, obwohl beim Erwachsenen in der Höhe des Epicondylus
lateralis eine Unterbrechung im Ursprünge der Muskelbündel ein-
treten kann — nach unserer Meinung durch Druckatrophie. Es wäre
sonst unverständlich, warum gerade das Caput mediale an der
Außenseite des Vorderarmes den M. anconaeus (quartus) entwickelt
und derselbe Nerv, welcher den lateralen Abschnitt dieses Muskels
versorgt, in unmittelbarer Fortsetzung im M. anconaeus sein Ende
findet. Uebrigens haben wir den unmittelbaren Uebergang der
Muskelbündel bis in die Ursprungssehne des M. anconaeus auch bei
ganz alten Individuen mit aller Deutlichkeit feststellen können.
Die Rückansicht zeigt noch einmal an der lateralen Kante den
Ursprung der M. brachioradialis, extensor carpi radialis longus, brevis,
extensor digitorum communis, und der von vorn nicht sichtbaren M.
extensor carpi ulnaris und anconaeus.
Der M. extensor digiti quinti proprius erreicht ja, wie im
Texte erwähnt, den Epicondylus lateralis gewöhnlich nicht.
Am Epicondylus medialis läßt sich von der Rückseite her nur
das Caput humerale des M. flexor carpi ulnaris erkennen.
Besonderes Gewicht ist darauf zu legen, daß der Epicondylus
lateralis überhaupt nur von der Rückseite aus gesehen oder palpiert
werden kann.
Bei angestrengter Extension macht sich beim Erwachsenen eine
deutliche Vertiefung zwischen den umrahmenden Muskeln kund; bei
fettreichen Kindern erscheint hier eine Grube, welche dadurch ihre
Erklärung findet, daß die bei der Beugung eintretende Hautspannung
an diesem Punkte keine Fettansammlung gestattet. Aus diesem
Handbuch der Anatomie. II, II, 2. 24
370 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Grunde verschwindet auch beim Erwachsenen bei der Beugung eine
bei der Streckung auch noch so deutliche Grube.
Ossa antebrachii mit Miiskelansätzen.
Auch bei den Vorderarmknochen haben wir in der zeichnerischen
Darstellung den Grundsatz befolgt, daß die Vorderseite genau in der-
selben Ansicht abgebildet ist, wie die Rückseite, und zwar bei starker
Supination. Beim ersten Anblicke befremdend erscheint vielleicht die
Tatsache, daß ein großer Teil der Vorderarmknochen von Muskelur-
sprüngen oder -ausätzen frei bleibt, besonders die Rückseite.
Die Beuger des Vorderarmes gegen den Oberarm finden ihren
Ansatz an den Vorderarmknochen hauptsächlich dicht unterhalb des
Ellenbogengelenkes; der M. biceps rein sehnig an dem hinteren Um-
fange der Tuberositas radii, welche auch noch von der Rückseite her
selbst bei der Supination erkannt werden kann. Ungleich ausgiebiger
ist die Insertion bei der Pronation zu bemerken. Auf eine Abbildung
dieser grundlegenden Tatsache glaubten wir deshalb verzichten zu
können, weil sich ein jeder schon am Skelete mit Leichtigkeit davon
überzeugen kann.
Der Ansatz des M. brachialis an der Tuberositas ulnae ist nur
an den präparatorisch freiliegenden Flächen sehnig, in der Tiefe da-
gegen, gegen das Gelenk hin muskulös, wie sich ja überhaupt dieser
eingelenkige Muskel durch die geringe Entwickelung von Sehnensub-
stanz auszeichnet.
Den dritten Beuger, den M. brachioradialis, finden wir mit breitem
abgeflachten Sehnenansatze proximal vom Processus styloideus radii
an der freien lateralen Fläche des Knochens.
Der Hauptsache nach werden die Vorderarmknochen vorn durch
die tiefe Beugemuskulatur der Finger eingenommen, außerdem aber
durch den Ansatz der Pro- und Supinatoren. Aber auch die ober-
flächliche Schicht der vom Epicondylus medialis vorzugsweise ent-
springenden Beugegruppe findet accessorische Ursprünge medial von
der Tuberositas ulnae, und in der Verlängerung dieser Linie nach
außen zum Radius hin neben der Linea supinatoria durch das soge-
nannte Caput radiale des M. flexor digitorum sublimis.
Sämtliche Muskeln, welche mit der Pro- und Supination zu tun
haben, müssen sich selbstverständlich an dem drehbaren Vorderarm-
knochen, dem Radius, anheften. Die Supinatoren setzen sehr weit
proximal an, die Pronatoren erst in der distalen Hälfte. Daß wir
den M, brachioradialis überhaupt nicht als M. supinator auffassen
können, ist schon vielfach erwähnt worden. Bei den Supinatoren
und Pronatoren kehrt die gleiche Eigentümlichkeit wieder, daß die
einen, die längeren, sehnig sich anheften — die M. biceps und pronator
teres — , die kurzen dagegen, M. supinator (brevis) und pronator
quadratus, fleischig.
Die Sehne des M. biceps wird von dem M. supinator regelmäßig
durch einen ansehnlichen Schleimbeutel getrennt, dessen Gegenwart
auch an jedem Knochenpräparate mit Leichtigkeit nachgewiesen werden
kann. Es gibt kaum etwas Charakteristischeres als die glatte ellip-
tische Knochenfläche im Vorderteile der Tuberositas radii. Dieser
Schleimbeutel beeinflußt auch den Ansatz des M. supinator, welcher
an dieser Stelle eine lateralwärts konvexe Auskehlung erfährt.
370
Ossa antebrachii mit Muskelansätzen. 371
Auf eine wichtige Linie kann nicht zuviel hingewiesen werden,
die Linea supinatoria, welche von oben-innen nach unten-außen ver-
läuft und die Grenze bildet zwischen den M. supinator und flexor
pollicis longus und außerdem dadurch bedeutsam ist, daß hier das Caput
radiale des M. flexor digitorum sublimis die Trennung noch voll-
ständiger macht. Außer den Supinatoren und Pronatoren dient der
Radius nur den Daumenmuskeln zum Ursprünge, den Beugern sowohl
wie den Streckern. Der M. flexor pollicis longus nimmt fast die
ganze volare Fläche der Speiche von der Crista supinatoria bis in
die Nähe des M. pronator quadratus in Anspruch. Die Extensoren da-
gegen nehmen nicht allein den Radius ein, sondern greifen noch weit
auf die Membrana interossea und sogar noch auf die Ulna über. Ja,
der Hauptstrecker des Daumens, der M. extensor pollicis longus, be-
zieht nur als Varietät Muskelbündel von der Speiche.
Die Ulna zeigt an der lateralen Seite entsprechend der Tuberositas
radii eine Einkerbung, welche sowohl von der Volar- wie der Dorsal-
seite her dem M. supinator ein schmales sichtbares Ursprungsfeld
verschafi"t. Mitunter ist am Knochen die vordere Grenze durch eine
deutliche Knochenleiste gekennzeichnet; sie reicht jedoch niemals an
die Tuberositas ulnae iieran, weil sich dort der Muskelbauch des M.
flexor indicis profundus einschiebt. Waldeyer vergleicht in trefi'en-
der Weise den Ansatz des M. brachialis an der Tuberositas ulnae mit
einem gotischen Spitzbogen, welcher distal von dem M. flexor digi-
torum profundus in der Weise umfaßt wird, daß der laterale Teil
dem Zeigefingerbauche entspricht, der mediale dem vereinten Ursprünge
der tiefen Beuger für den 3. bis 5. Finger. Unmittelbar an die
Tuberositas ulnae schließt sich hier natürlich nur der Bauch für den
Mittelfinger an.
Zwischen den M. brachialis und flexor digitorum profundus haben
wir noch 3 kleine Sehnenstreifen angegeben, welche zwar nicht regel-
mäßig vorkommen, aber doch recht häufig beobachtet werden. Von
proximal nach distal beschrieben, sind es: 1) das Caput superius
s. accessorium des M. flexor pollicis longus, welches auch bis zum
Epicondylus medialis humeri reichen kann; 2) das Caput ulnare des
M. Pronator teres, welches seinerseits von der Sehne des M. brachialis
entspringen kann und dann kein gesondertes Sehnenfeld an der Elle
hat; vollkommen fehlend, kann es andererseits eine Länge bis zu
5 cm erreichen; 3) eine Anheftung des Caput radiale des M. flexor
digitorum sublimis an der Ulna, welche dann den Sehnenbogen dieses
Muskels zum Durchtritte für den N. medianus kürzer gestaltet, als
es der Fall ist, wenn dieser Muskel vom Radius aus auf den Epi-
condylus medialis humeri überspringt.
Rückseite der Vorderarmknochen.
Während an der Vorderseite kein wesentlicher Unterschied für
die Muskelursprünge an Elle und Speiche besteht, beide Knochen
vielmehr fast gleichmäßig von Muskelursprüngen bedeckt sind, sie
also bei chirurgischen Eingriffen nicht ohne schwere Schädigung der
Muskeln selbst zugängig sind, verhält sich die Rückseite ganz anders.
Besonders günstig ist in dieser Beziehung die Ulna bedacht, indem
sie mit ihrer hinteren Kante in ihrer ganzen Ausdehnung dem Ge-
sichte oder dem Gefühle bemerkbar ist. Außerdem verbreitert sich
24*
371
ß72
PROHSE und M. PRÄNKEL,
Incisura semilunaris
Capitulum radii
M. brachial
M. supinator
Bursa bicipitoradialis
M. biceps
Linea supinatoria
M. flexor digit. sublimis
Caput radiale
Foramen nutricium
M. Pronator teres
M. flexor poUicis longui
M. Pronator quadratus
M. brachioradialis
Proc. coronoideus
M. flexor pollicis long^us
M. Pronator teres, Caput
ulnare
M. flexor digitorum
sublimis
M. supinator
M. flexor digitorum
profundus III — V
M. flexor digitorum
profundus II
Foramen nutricium
Membrana interossea
Crista interossea
M. Pronator quadratu
Capitulum ulnae
Fig. 136. Ossa antebrachii mit Muskelansätzen und Bursa m. bicipitis, Vorderseite.
372
Ossa antebrachii mit Muskelansätzen.
373
Lacertus fibrosus
m. tricipitis
Crista m. supinato
M. flexor digitorum
profundus
M. abductor pollicis
longus
Ende des M. supinator
M . extensor pollicis brevis
M. extensor indicis
proprius
Crista interossea
Sulcus longitudina
capituli ulnae
Sulcus longitudinal
medialis radii
Capitulum radii
Tuberositas radii, M. biceps
M. supinator
Grenzlinie zwischen Stratum
superficiale und profunduni
M. Pronator teres
M. abductor pollii
longrus
M. extensor pollicis
longus
M. Pronator quadratus
Sulcus longitudinalis
intermedius radii
M. brachioradialis
Sulcus lon^tudinalis
lateralis radii
Fig. 137. Ossa antebrachii mit Muskelansätzen, Rückseite.
373
374 FROHSE und M. FRÄNKEL,
diese in den distalen zwei Dritteln leicht palpierbare Kante zu einem
dreieckigen muskelfreien Felde proximalwärts gegen das Olecranon hin.
Im Gegensatze dazu ist der Radius äußerlich kaum in nennens-
werter Ausdehnung durch die Haut hindurch festzustellen, weil er all-
seitig von Muskeln oder Sehnen überlagert wird. Indessen zeigt eine
genaue Präparation, daß der überwiegende Teil der distalen Hälfte
von Muskelursprüngen oder Sehnenanheftungen frei bleibt.
Das obere dreieckige Feld der Ulna wird in charakteristischer
Weise von Sehnen umrahmt. Die obere Fläche des Olecranon dient
dem M. triceps zum Ansätze, welche sich jedoch radialwärts nach
unten hin erstreckt und schließlich in einer scharfen Linie ausläuft,
welche wir in der Muskelbeschreibung besonders gewürdigt haben.
Wir haben nämlich für die hier liegende sehnige Ausbreitung des M.
triceps analog dem Lacertus fibrosus des M. biceps für diese Sehne
den Namen : Lacertus fibrosus m. tricipitis vorgeschlagen. Die ulnare
Kante des dreieckigen Feldes wird bis über die Mitte der Ulna nach
unten hin eingenommen durch den aponeurotischen Ursprung des M.
ilexor carpi ulnaris. Den Hauptursprung dieses Muskels, welcher ge-
wöhnlich als Caput ulnare bezeichnet wird, an der oberen medialen
Ecke des Olecranon, konnten wir in unserer Figur nicht zur Dar-
stellung bringen. Die dünne Ursprungssehne von der hinteren Kante
der Ulna her, welche als ein typisches Beispiel für Aponeurosen gelten
kann, dient ihrerseits dem M. flexor digitorum profundus zum Ur-
sprünge, nur daß dieser noch eine Strecke weiter nach unten hin sich
rein muskulös von der Ulna entwickelt.
Die hintere, radiale Fläche der Ulna enthält im oberen proximalen
Drittel die M. anconaeus und supinator.
Eine scharfe Leiste, welche als Crista supinatoria ulnae bezeichnet
wird, trennt die beiden Muskeln voneinander.
An der radialen hinteren Fläche der Ulna findet sich unterhalb
des M. anconaeus ein langgestrecktes Knochenfeld, welches dem M.
extensor carpi ulnaris zum Bette dient. An geeigneten Knochen-
präparaten sieht man mit aller Deutlichkeit die Vertiefung, in welcher
der Muskel geruht hat. Die radiale Kante biegt dann im stumpfen
Winkel nach vorn um und gibt der tiefen Schicht der Extensoren
bis zur Crista interossea hin ein scharf umgrenztes Ursprungsgebiet.
An dieser Fläche der Ulna finden sämtliche 4 Muskeln der tiefen
Extensorenschicht ihren Ursprung, indem sie sich dabei dachziegel-
artig decken; ob der M. extensor pollicis brevis immer Ursprungs-
bündel von der Ulna her bezieht, ist nicht von vornherein zu sagen
und hängt von der Größe dieses Muskels ab. Jedenfalls glaubten
wir, unserem Präparate Rechnung tragen zu müssen, und haben ihn
deshalb mit dreifachem Ursprünge dargestellt vom Radius, der Mem-
brana interossea und mit einer kleinen dreieckigen Spitze von der
Ulna her. Im allgemeinen schiebt sich ja die tiefe Schicht der Streck-
muskeln allmählich vom Radius auf die Ulna herüber, in der Weise,
daß der M. abductor pollicis longus im wesentlichen vom Radius ent-
springt, in zweiter Linie von der Membrana interossea und erst in
dritter von der Ulna.
Die Supinatoren und Pronatoren verteilen sich über den ganzen
Radius hin ; sehnig heften an : der M. biceps an der Tuberositas radii
mit einem in Supinationsstellung erkennbaren schmalen Saume — bei
der Pronation ist, wie erwähnt, die Tuberositas radii und damit der
374
Ossa manus mit Muskelansätzen. 375
Bicepsansatz in voller Ausdehnung zu überblicken — ; ferner der M.
Pronator teres, den man natürlich bei der Supinatiou in aller Deut-
lichkeit sieht, während er bei der Pronation von hinten her nicht zu
erkennen ist; außerdem der Ansatz des M. brachioradialis, etwas ober-
halb des Processus styloideus radii. Muskulös ist der unglaublich
breite Ansatz des M. supinator fast in der ganzen oberen Hälfte des
Radius. Er läßt nur einen schmalen Saum unterhalb des Capitulum
radii, ungefähr dem Recessus sacciformis am Gelenke oder dem Collum
am Knochen entsprechend, frei und einen ungefähr ebenso breiten
Saum neben dem hinteren Umfange der Tuberositas radii. Die Tren-
nung dieses Muskels in die oberflächliche und tiefe Schicht läßt sich
auch bei der Präparation des Ansatzes nachweisen in Gestalt einer
ungefähr senkrecht nach unten verlaufenden muskelfreien Knochen-
linie.
Zum Schlüsse sei noch erwähnt, daß auch der M. pronator qua-
dratus in unserer Abbildung zu sehen sein muß, weil dieser Muskel
nicht allein die vordere Fläche des Radius als Ansatz benutzt, son-
dern auch noch auf die mediale Fläche übergreift, auf die Crista
interossea hin, welche sich hier zu einem langgestreckten Dreiecke
verbreitert, dessen Basis die proximale Begrenzung der Incisura ulnaris
radii bildet.
Ossa manus mit Muskelansätzeii.
An der Hand finden sich nicht nur die eigentlichen Handmuskeln,
sondern auch eine ganze Reihe von Vorderarmmuskeln wieder, deren
Ursprung teilweise bis zum Humerus reicht. Beim Uebergange des
Vorderarmes in die Hand haben wir ausschließlich Sehnen zu be-
trachten, welche zu verschiedenen Teilen des Handskeletes hinziehen.
Wie wenig die Bezeichnungen: M. extensor oder flexor carpi Be-
rechtigung haben, ist bei der Muskelbeschreibung zur Genüge her-
vorgehoben worden. Nur ein Muskel dieser Gruppe, der M. flexor
carpi ulnaris, findet seinen Ansatz an den Carpalknochen, nämlich
am Os pisiforme, welches als Sesambein aufzufassen ist, und weiter-
hin am Hamulus ossis hamati durch die Vermittlung des Lig. piso-
hamatum; jedoch wird auch bei dieser Sehne der Zusammenhang
mit den Mittelhandknochen durch das Lig. pisometacarpeum bewahrt.
Andererseits tut es unserer Darstellung keinen Abbruch, daß der
M. abductor pollicis longus neben dem Ansätze am Os metacarpale I
noch einen accessorischen am Os multangulum majus häufig aufweist.
Im wesentlichen treten die Muskeln, welche als M. extensores oder
flexores carpi bezeichnet werden, in Beziehung zum Metacarpus.
Der weitere Ansatz der Vorderarmmuskeln findet erst an den
freien Fingern statt, und zwar mit deutlichem sehnigen Teile an der
Mittel- und Nagelphalanx. Die Ansätze im Bereiche der Grund-
phalanx oder besser der Articulationes metacarpophalangeae dürften
nur Geübteren ohne weiteres erkennbar sein, weil die Ausstrahlung
dieser Sehnen mit der Gelenkkapsel zusammenhängt.
Die eigentlichen Handmuskeln entspringen teils muskulös, teils
sehnig von den Handwurzel- oder Mittelhandknochen. Mit dem Be-
ginne der freien Finger hört bekanntlich das Muskelfleisch vollkommen
auf, so daß der in Laienkreisen vielfach übliche Ausdruck „fleischige
Finger" keine anatomische Berechtigung hat. An der Beugeseite sind
375
376
FROHSE und M. FRÄNKEL,
M. flexor digitorum
profundus
M. flexor digitorum
sublimis
M. adductor poll
Caput transversum
M. adductor pollicis,
Caput obliquum
(Pars profunda nobis)
M. opponens und
Sehne des M. flexor
brevis digiti V
M, abductor und
Sehne des M. flexor
brevis digiti V
M. flexor carpi
ulnaris
Os metacarpale I
M. Abductor pollicis longus cum
bursa mucosa
M. adductor pollicis, caput obliquum_
und Sehne des M. flexor pollicis brevis,
Caput profundum
M. flexor carpi radialis
M. abductor pollicis brevis und Sehne
des M. flexor pollicis brevis, caput
superficiale
I Os naviculare
II Os lunatum
III Os triquetrum
IV Os pisi forme
V Os multangulum majus
VI Os multangulum minus
VII Os capitatum
VIII Os hamatum
Fig. 138. Ossa manus mit Muskelansätzen und Bursa m. abductoris pollicis
longi, Vorderseite. *
376
Ossa manus mit Muskelansätzen.
377
M. eztensor digiti II, sublimis
et proprius
M. extensor digiti II, sublimis
et proprius
M. interosseus dorsaiis I
M. interosseus volaxis I
M. interosseus
volaris III
et dorsaiis IV
M. interosseus
dorsaiis III
M. interosseus
volaris IV
M. interosseus
dorsaiis IV
M. extensor carpi
ulnaris.
M. abductor pollicis longus
cum bursa mucosa
M. extensor carpi radialis
long^
Dr. Frohse.
M. extensor carpi radialis brevis
cum bursa mucosa
I Os naviculare
II Os hinatum
III Ob triquetrum
IV Os pisiforme
V Os multaugulum majus
VI Os multangulum minus
VII Os capitatum
VIII Os hamatum
Fig. 130. Ossa manus mit Muskelansätzen und Schleimbeuteln, Rückseite.
377
378 FROHSE und M. FRÄNKEL,
zunächst die M. flexor carpi ulnaris und radialis zu beachten. Ob
man den M. abductor pollicis longus, der an der lateralen Kante
liegt, zur Beuge- oder Streckseite rechnen will, muß dem Belieben
des einzelnen überlassen werden. Die Berechtigung, ihn auch zur
Beugeseite zu zählen, dürfte sich unschwer aus unseren Fig. 141
und 142 ergeben, in welchen eine vielfach als Varietät beschriebene
Ausstrahlung der Endsehne zur volaren Seite berücksichtigt ist.
Der M. flexor carpi radialis beschränkt sich mit seinem Ansätze
nicht auf die Basis des Os metacarpale II, sondern greift auch auf
den 3. oder sogar 4. Mittelhandknochen über. In dieser Weise wird
die ganze Reihe der Mittelhandknochen auf der Beugeseite von den
M. flexores carpi als Ansatz benutzt, während die scheinbar mehr
bevorzugte Rückseite niemals einen Ansatz am 4. Mittelhandknochen
aufweist.
Wie erwähnt, inserieren die Fingerbeuger und -Strecker im
wesentlichen an der Mittel- und der Nagelphalanx. Der M. flexor
digitorum sublimis heftet sich mit 2 langgestreckten senkrechten
Sehnenzipfeln in der Mitte der 2. Phalanx der dreigliedrigen Finger
an, ohne jedoch deren freie Ränder zu erreichen. Die Leisten, welche
an den meisten skeletierten Händen zu erkennen sind, verdanken
ihre Gegenwart nicht allein den beiden Zipfeln der Endsehne, son-
dern auch in nicht unbeträchtlicher Weise unserem Lig. vaginale pro-
prium IL Günstige Knochenpräparate zeigen diese knöchernen
Doppelleisten sogar an atrophischen Frauenarmen. Die Ansatz-
sehne des M. flexor digitorum profundus ist einheitlich und findet sich
an den Fingern 2 — 5. Schon am Knochenpräparate ist zu erkennen,
daß eine breite dreieckige Ansatzfläche vorhanden ist; ihre Spitze
richtet sich nagelwärts, während ihre Basis der Höhe der größten
Breite der Nagelphalanx entspricht.
Die Fingerstrecker haben einen teilweisen Ansatz an der Kapsel
der Artic. metacarpophalangeae, welcher bei den M. interossei und
lumbricales besprochen ist und noch wird. Der Ansatz an der Basis
der Mittel- und Nagelphalanx ist sehr einfach. Eine quere, auch
am Knochen deutliche Leiste kennzeichnet den dünnen Ansatz der
Sehnenabschnitte.
Die eigentliche Handmuskulatur zeigt an den Abbildungen so-
wohl Ursprung, wie Ansatz. Der Ursprung ist überwiegend musku-
lös, der Ansatz überwiegend sehnig. Fleischige Anheftung weisen
eigentlich nur die beiden M. opponentes auf. Die Insertion an den
Sesambeinen, welche größtenteils fleischig ist, kann hier nicht mit-
gerechnet werden, da durch die Vermittelung der Gelenkkapsel ein
sehniger Ansatz an den Grundphalangen erzielt wird.
Bei den Muskeln des Daumen- und Kleinfingerballens läßt sich
ein einfaches Schema aufstellen, daß nämlich die oberflächliche Schicht,
welche die M. abductores enthält, von der proximalen Reihe der
Handwurzelknochen entspringt, der M. abductor pollicis brevis vom
Os naviculare — die Verbindung mit der Fascie oder den Bändern
kann in der Knochenzeichnung nicht mitberücksichtigt werden — der
M. abductor digiti quinti vom Os pisiforme. Die tiefe Schicht ent-
springt von der distalen Reihe der Handwurzelknochen: der M. op-
ponens pollicis vom Os multangulum majus, der des kleinen Fingers
vom Os hamatum. Eine Mittelstellung nehmen die M. flexores ein.
Obwohl der M. flexor digiti quinti brevis häufig fehlt, haben wir
378
Ossa manus mit Muskelansätzen. 379
seinen doppelten Ursprung vom Os pisiforme und Os hamatum dar-
gestellt. Der M. Üexor pollicis brevis hat seinen Ursprung mit seinem
Caput superficiale vom Os multangulum majus, mit seinem Caput
profundum vom Os multangulum minus und Os capitatum.
In das Ursprungsgebiet der sonst so regelmäßig erscheinenden
M. interossei bringt der M. adductor pollicis eine gewisse Verwirrung
hinein. Sein Caput transversum nimmt die Mitte des 3. Mittelhand-
knochens ein, sein Caput obliquum greift auf die distale Reihe der
Carpalknochen über. Vielleicht empfiehlt es sich, beim M. adductor
pollicis noch ein Caput profundum anzunehmen ; dieses würde dann
umfassen [1) den sogenannten CuNNiNGHAM'schen Adductor, unseren
M. interosseus volaris I, welcher sehnig von der Basis des Os meta-
carpale I entspringt, jedoch auch sehr häufig auf die Carpalknochen
übergreift und insbesondere vom Os multangulum majus herkommt] ;
2) den breiten fleischigen Ursprung von der Basis des 2. Mittelhand-
knochens ; [3) den gleichen, wenn auch kleineren fleischigen von der
Basis des 3. Mittelhandknochens und 4) noch einen accessorischen
vom 4.]. Wir glauben zu dieser Einteilung und Neuschaff"ung eines
Caput profundum berechtigt zu sein, weil, wie aus unserer Abbildung
ersichtlich ist, die Ansatzsehne des M. flexor carpi radialis in scharfer
Weise das Caput obliquum von unserem Caput profundum trennt.
Die M. interossei dorsales haben bezüglich ihrer Zahl und Ur-
sprünge niemals wissenschaftlichen Streitfragen unterlegen. In klarer
Weise entspringen sie von der Rückseite zweier benachbarter Mittel-
handknochen in sämtlichen Spatia interossea. Der volare Ursprung
greift an den der Handachse zugekehrten Rändern der entsprechen-
den Mittelhandknochen (2 und 4 einfach, 3 doppelt) noch auf die
Palmarseite über, und noch mehr ist die Gegenwart der M. interossei
dorsales auch an der Palmarseite am freien Muskelbauche zu erkennen.
Besonders der M. interosseus dorsalis I beherrscht, wie er es schon an
der Rückseite unter der Haut tut, so auch an der Volarseite nach
Durchtrennung des M. adductor pollicis das ganze Spatium inter-
osseum I.
Der doppelte Ursprung der fiederförmigen M. interossei dorsales
bedingt es andererseits, daß sie nur einen verhältnismäßig schmalen
Knochensaum für sich in Anspruch zu nehmen brauchen, eventuell
bloß mit zarten Sehnenfasern, unter denen alsbald die fleischigen Ur-
sprünge der M. interossei volares erscheinen.
Was nun die letzteren anlangt, so kann man im Zweifel sein, ob
man den M. interosseus volaris I, den CuNNiNGHAMschen Adductor,
als besonderen M. interosseus volaris auffassen will, oder ihn nur als
Unterabteilung des M. adductor pollicis betrachtet. Aus Zweckmäßig-
keitsgründen — wir hätten dann genau wie bei den Vorderarm-
muskeln so auch bei den eigentlichen Handmuskeln 20 Einzelmuskeln —
wollen wir ihm deshalb eine besondere Stellung zuweisen. In unseren
Abbildungen haben wir den M. interossei volares einen mehr dunkel-
roten Ton gegeben, die M. interossei dorsales mehr hellrot gehalten,
damit der Unterschied um so besser zur Geltung kommt, und außer-
dem noch, ohne besonderen Farbenton, den Muskelbauch der M. inter-
ossei volares angegeben. Auch an den Fingern ist die regelmäßige In-
sertion an der Basis der Grundphalanx durchaus keine Seltenheit,
obwohl sie in den meisten Lehrbüchern vernachlässigt wird ; ungleich
klarer ist sie an den Zehen zu beobachten. Die Insertionen sind an
379
380 FROHSE und M. FRÄNKEL,
allen Phalangen beiderseits blau angegeben, obwohl mitunter die An-
heftung hier und dort zu fehlen scheint. Der Zusammenhang der
M. interossei mit den Kapseln der Artic. metacarpophalangeae ließ sich
zeichnerisch am Knochenpräparate nicht durchführen.
Aus dem gleichen Grunde mußten wir auf die Wiedergabe der
M. lumbricales verzichten, deren Ursprung von den Sehnen des M.
flexor digitorum profundus keinen hier darstellbaren Knochenursprung
ergibt. Auch ihr Ansatz an der Dorsalaponeurose läßt keinen
isolierten Knochenpunkt an den Basen der Fingerphalangen erkennen.
Es muß deshalb für die M. lumbricales in dieser Beziehung auf die
Muskelbeschreibung und besonders auf die Wirkung der Muskeln ver-
wiesen werden.
Zu den M. interossei dorsales gehören der Wirkung nach die beiden
M. abductores pollicis und digiti quinti. Sie strahlen nämlich noch
in die Dorsalaponeurose aus. Zeichnerisch haben wir dies so dar-
gestellt, als ob der Hauptansatz an der freien Kante der entsprechen-
den Finger mit einem schmalen Zipfel zur Dorsalseite der Phalangen
hingeht. Auch der M. adductor pollicis, welcher funktionell einem
M. interosseus volaris entspricht, zeigt demgemäß vom ulnaren Sesam-
beine noch eine zarte Ausstrahlung zur Rückseite der Grundphalanx
des Daumens.
VII. Varietäten.
Allgemeiner Teil.
Bei den Varietäten, welche die Muskeln des menschlichen
Körpers betreffen, können verschiedene Gesichtspunkte maßgebend sein :
1) Hauptsächlich die anatomischen Fragen, d. h. ob, wann und wie
oft derartige Unregelmäßigkeiten beschrieben sind oder überhaupt
vorkommen ;
2) Welche Bedeutung haben derartige Beobachtungen für die
Chirurgie?
3) Haben derartige Fälle für die innere Klinik irgendwelchen
und welchen Zweck?
4) Welche praktische Wichtigkeit für die Elektrotherapie haben
diese Befunde?
Ad 1. Es läßt sich nur sagen, daß jede Veröffentlichung einer
Varietät ein großes anatomisches Interesse hat, sei es zur Erkenntnis
der Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten bei diesem oder jenem Muskel
am Menschen, sei es zum Austausche mit den Ergebnissen der ver-
gleichenden Anatomie, im wesentlichen also der Zoologie, oder auf
den Menschen übertragen, der Theromorphie. Wir haben unseren
Standpunkt auch hier gewahrt und von unseren Beobachtungen nur
die „menschlich" erklärbaren Tatsachen angeführt, soweit sie kein
spezielles oder allerspeziellstes Thema berühren.
Ad 2. Chirurgische Varietäten: Von allen, sicher tausendfachen
anatomischen Varietäten der Muskulatur des menschlichen Armes ver-
dient für die Chirurgie nur die eine, auch an der unversehrten volaren
Handgelenksgegend erkennbare Unregelmäßigkeit Erwähnung, näm-
lich das Fehlen der Endsehne des M. palmaris longus. Einmal kann
bei einer Verletzung eine Verwechslung mit den Sehnen des M.
380
Varietäten. 381
flexor digitorum sublimis sich einstellen, andererseits kann auch der
N. medianus in Mitleidenschaft gezogen werden. Sämtliche andere
Varietäten sind — beim Fehlen eines größeren Muskels — dem
einigermaßen Erfahrenen ohne weiteres erkennbar, oder dürften —
bei ihrer Kleinheit und Seltenheit — überhaupt nicht auffallen, jeden-
falls bei einer Operation nicht aufhalten.
Ad 3. Für die innere Klinik haben unsere kasuistischen Be-
merkungen nicht den geringsten Vorteil; sie können im Gegenteile
Schädigungen in der meistens erst mühsam gewonnenen, schema-
tischen Auffassung erzielen.
Ad 4. Für eine spezielle Abteilung der inneren Klinik, näm-
lich die Elektrodiagnostik und -therapie dürften jedenfalls unsere Be-
funde über Abweichungen von der Regel vielleicht schon jetzt ein
hohes Interesse beanspruchen. Ueberall ist es unser Augenmerk ge-
v/esen, darauf hinzuweisen, an welchen Stellen und bei welchen
Muskeln und Nerven eine Umänderung der bisherigen Angaben
wünschenswert ist, gerade weil Fachleute auf Grund der mit uns ge-
meinschaftlich vorgenommenen praktischen Untersuchungen sich zu
unserer Auffassung verstanden haben. Unsere eigenen Angaben, die
wir rein systematisch an den losgelösten Muskeln mit ihren Nerven,
oder an Nerven und Muskeln in situ präpariert haben, und unsere
elektrodiagnostischen Untersuchungen geben uns der Hoifnung hin, daß
sich auch bei anderen, besonders klinischen Nachprüfern eine be-
friedigende Uebereinstimmung zwischen Theorie und Praxis er-
zielen läßt.
Die Untersuchungen von Toby Cohn in: „Methodische Palpa-
tion" — was die äußere Form anlangt — und in „Elektrodiagnostik
und -therapie" — was mehr für die Nervenärzte in Betracht kommt
— haben wir unter seiner Leitung nachgeprüft. Die Ergebnisse,
welche T. Cohn aus unseren gemeinschaftlichen Untersuchungen für
die nervenärztliche Praxis herauszunehmen für wünschenswert ge-
halten hat, erkennen wir an, halten uns jedoch für berechtigt und
verpflichtet, auch unsererseits den genaueren anatomischen Nach-
weis unserer Anschauungen der Oeflfentlichkeit mitzuteilen. Vielleicht
haben diese an den jeweiligen Stellen, besonders was die feinere
Innervation der Muskelgruppen und einzelner Muskeln anlangt, außer
der anatomischen auch noch allgemein ärztliche, chirurgische und
neurologische Bedeutung, auch wenn es sich um „zur Zeit noch als
Varietäten geltende Punkte" handelt.
Spezieller Teil.
Varietät des M. biceps brachii (Fig. 140). Das Caput
tertium des M. biceps hat einen 11 cm langen, 1 cm breiten spindel-
förmigen Muskelbauch und strahlt mit schwacher Nebensehne in den
Lacertus fibrosus aus. Die Hauptsehne schließt sich überhaupt nicht
an die eigentliche Bicepssehne an, sondern verbindet sich mit dem
Caput ulnare des M. pronator teres, gewinnt also schließlich doch noch
die Anheftung am Radius, während Frohse in einem anderen Falle
eine ähnliche Nebensehne sich zur Tuberositas u 1 n a e abzweigen sah.
Varietät der M. flexor carpi radialis und pronator
qu ad rat US (Fig. 141). Der etwa 9 cm lange Muskelbauch entspringt
dicht proximal vom M. pronator quadratus, und zwar ausschließlich
381
382
M. triceps, caput mediale
M. biceps
M. biceps, caput tertiura
N. radialis communis
M. brachialis, pars profunda
Capitulum humeri
Lacertus fibrosus
m. bicipitis
Capitulum radii
Tuberositas radii
M. supinator _
M. flexor pollicis longus
M. flexor pollicis longus,
Caput
Membrana interossea
■^' Dr. Frohse.
Fig. 140. Varietät des M. biceps bracMi.
383
M. Pronator quadratus
Artxculatio radio-
ulnaris distalis
i
M. ficxor carpi
ulnaris
w
Os triquetrum ^
n
Lig. piso-
hamatum^_
Ä
Lig. piso-
jMtft
nietacarpeum -i
M. exttusor -"''^
carpi ulnaris h.
Wi
Hamulus ossis^,^-'^
haraati /
j^
N. interosseus volarii
M. flexor carpi radialis
accessorius
M. brachioradiali»
M. abductor pollicis
longus
M. flexor carpi
radialis
M. abductor pollicis
intermedius
Os naviculare
Os multangulum
majus
Fig. 141, M. flexor carpi radialis accessorius, Varietät.
384
Vinculum triangfulare
Lig. vaginale,
proprium II
Vinculum quadrangular
Lig. vaginale proprium I'
Lig. capitulorum,
transversum
Grenze zwischen Carpal-
und Digitalscheide
M. abductor digiti V'
:\I . f lexor brevis digiti V
Tendo accessorius'
R. superficialis n. ulnaris'
Os pisiforme-
Bursa mucosa
Venter distalis m.
abductoris accessorii
longi
M. flexor sublimis
digiti V
Tendo accessorius
Tendo intermedius
pro digito II
Venter proximalis m.
abductoris longi digiti V
Venter proximalis m.
flexoris indicis sublimis
Vinculum perforans
Vinculum filiforme
radiale
M. lumbricalis II
Lig. vaginale proprium
Vinculum metacarpale
poUicis
M. abductor polUcis brevis
Lig. carpi transversum
M. abductor pollicis inter-
medius
Insel des N. medianus
M. flexor sublimis digiti III,
Caput radiale
N. medianus
M. abductor pollicis longus
Fig. 142, Varietät des M. abductor digiti V longus digastricus.
Varietäten. 385
am Radius. In der Höhe der Articulatio radiocarpea geht er in die
Endsehne über, welche mit vielen Zipfeln die Ossa naviculare, multan-
gulum majus, metacarpale I und III und das Os capitatum erreicht.
Auch der schräg verlaufende M. pronator quadratus schickt noch
einen Ansatz zu den proximalen Handwurzelknochen.
Am M. flexor carpi radialis ist noch die von uns als konstant
bezeichnete Anheftung am Os metacarpale III dargestellt worden.
Ferner zeigt der M. abductor pollicis longus eine Dreiteilung der
Endsehne mit der Anheftung am Os metacarpale I, multangulura
majus und der (abgeschnittenen) Verbindungssehne zum M. abductor
pollicis brevis (unserem M. abductor pollicis intermedius).
Varietät des M. abductor digiti V etc. (Fig. 142).
Vom M. abductor digiti quinti zweigt sich eine Nebensehne ab,
welche von dem Erbsenbeine durch einen Schleimbeutel getrennt wird
und dicht proximal vom Handgelenke in den ersten 6 cm langen,
1 cm breiten vom N. ulnar is versorgten spindelförmigen Bauch
übergeht. Dann teilt sich proximal die Sehne in einen dünnen Zipfel,
welcher in den Tendo intermedius des M. flexor indicis sublimis über-
geht, während der längere etwa 10 cm distal vom Epicondylus medialis
einen ca. 5 cm langen, 1 cm breiten, vom N. medianus versorgten
Bauch entwickelt.
Ferner ist an der Abbildung eine Inselbildung des N, medianus
durch das Umfassen des Caput radiale des M. flexor sublimis digiti III
dargestellt.
Weiterhin haben wir die Souderung des M. abductor pollicis
longus von dem Nebenzipfel zum M. abductor pollicis brevis durch-
geführt.
Schließlich sind mit blauem Tone unsere Lig. vaginalia nach
Länge und Lage angegeben und in roter Farbe die Vincula tendinum.
Durchbohrung des Lig. carpi transversum durch die
A. radialis.
Die A. radialis schickt am Ursprünge der Daumenmuskeln einen
Ast, stärker als die A. ulnaris, durch das Lig. carpi transversum hin-
durch, welcher vor den Beugesehnen neben dem N. medianus zum
Vorscheine kommt und alsbald den Arcus volaris sublimis bildet. Es
ist also der typische R. volaris superficialis und nicht etwa die A.
mediana.
Vlil. Neurologische Bemerkungen.
A. Segmentbcziige.
Wir haben, wie wir in der Einleitung besonders betont haben,
keine eigenen ein wandsfreien Ergebnisse erzielen können, uns infolge-
dessen auf ganz kurze Angaben bei den einzelnen Muskeln beschränkt
Handbuch der Anatomie II, II, 2. 25
385
386 FROHSE und M. FRÄNKEL,
und geben nun hier im Zusammenhange der Vollständigkeit halber
die beiden Figuren, welche mit erläuterndem Texte seiner Zeit von
Frohse für den topographischen Atlas der Anatomie von v. Barde-
leben, Häckel und Frohse geliefert sind.
Die von R. Wichmann (Die Rückenmarksnerven und ihre Segraentbezüge,
Berlin 1900) für die Segmente gewählte Farbengebung nach dem Spektrum ermög-
licht eine schnelle Uebersicht, wenn man rot = 1, orange =^ 2, gelb = 3, grün = 4,
hellblau = 5, dunkelblau = 6, violett = 7 und braun = 8 nimmt.
„Der Schultergürtel enthält als M. ventrales in der oberflächlichen Schicht
den M. sternocleidomastoideus und den M. pectoralis major, in der tiefen den
M. subclavius und den M. pectoralis minor.
Der Teil des N. accessorius spinalis, der den M. sternocleidomastoideus ver-
sorgt, enthält 2, 3. Die N. thoracici anteriores zerfallen in mehrere Aeste; die
oberen Segmente gehören dem M. pectoralis major an : 5, 6, 7 (Clavicularportion 6),
die unteren dem M. pectoralis minor: 7, 8; oft kommt auch 8 für die untersten
Fasern des M. pectoralis major in Betracht. Für den M. subclavius mit seinem
gleichnamigen Nerven ist der häufigste Bezug 5, 6,
Die Streckmuskeln des Schultergürtels enthalten in oberflächlicher Schicht den
M. trapezius, dessen N. accessorius spinalis 2, 3, 4 entstammt, und den M. latissimus
dorsi, dessen N. subscapularis (longus, tertius) meist 6, 7, 8 enthält. Die anderen
N. subscapulares : M. teres major 5, 6, (7), M. subscapularis 5, ö; N. suprascapularis :
M. supraspinatus 5, M. infraspinatus 5, 6. Die tiefe Gruppe enthält den M, serratus
magnus mit dem N. thoracicus lateralis 5, 6, 7 und den N. dorsalis scapulae: M.
levator scapulae (3), 4, 5, M. rhomboidea 5, vielleicht für den minor auch 4.
Bei den motorischen Nerven der freien Extremität hat der N. median us
den Bezug aus allen Segmenten : 5, 6, 7, 8, I (5 wahrscheinlich nur sensibel), dafür
enthält der motorische Teil des N. musculocutaneus 5, 6, 7 ; der zweite Beugenerv,
N. ulnaris, am häufigsten 7, 8, I oder nur 8, I, die Strecknerven sind N. axillaris
(motorischer Anteil 5, 6) und N. radialis (motorischer Anteil [5] 6, 7, 8).
N. musculocutaneus: M. coracobrachialis 6, 7, M. biceps brachii 5, 6,
M. brachialis ebenfalls 5, 6. Der M. brachialis ist ein diploneurer Muskel, da er
außer vom N. musculocutaneus auch feine Zweige (fast konstant, Frohse) vom N.
radialis erhält, die indes den gleichen Segmenten entstammen.
N. medianus: M. pronator teres 6, 7, M. flexor carpi radiaUs 6, 7, (8),
M. palmaris longus 7, 8, I, M. flexor digitorum sublimis 7, 8, I, M. flexor pollicis
longus 6, 7, (8), M. pronator quadratus (6) 7, 8, I, Muskeln des Daumenballens 6, 7.
Bei den beiden ersten M. lumbricales wird meistens 8, I angegeben.
N. ulnaris: M. flexor carpi ulnaris (7) 8, I. Der vordere (radiale) Teil kann
vom N. medianus versorgt werden (Fkohse'), dann wird auch dieser Muskel, wie
der folgende, diploneur^). M. flexor digitorum profundus, regelmäßig vom N. ulnaris
und im kleineren (radialen) Teile vom N. medianus versorgt, 7, 8, I. — Der R. pro-
fundus n. ulnaris enthält 8, I, der Hauptbestandteil ist 8, am Kleinfingerballen kann
sich auch 7 beteiligen (Bolk). — Bezüglich der motorischen Anastomosen zwischen
N. medianus und ulnaris yergl. Text und Fig. 84 und 96 (des Atlas).
Bei den Strecknerven enthält der N. axillaris 5, 6. Beim M. deltoides ist
auch ein kleiner Bezirk grün dargestellt, weil klinische Beobachtungen (Ziehen) den
Bezug aus 4 wahrscheinlich machen. Der vordere Teil des Muskels kann auch von
den N. thoracici anteriores versorgt werden (Anastomose mit dem N. axillaris !
Frohse). Der Muskelnerv für den M. teres minor enthält gewöhnlich nur 5.
N. radialis: für den M. triceps kommen 6, 7, 8 in Betracht; Caput longum
6, 7, 8, Caput laterale 6, 7, (8); Caput mediale (6) 7, 8, M. anconaeus quartus
nur 7, 8.
Am Vorderarm enthält die Brachioradialgruppe sowie M. supinator noch 5:
M. brachioradialis 5, 6, M. extensor carpi radialis longus und brevis (5) 6, 7.
R. profundus n. radialis: M. supinator 5, 6. (7), M. extensor digitorum com-
munis und digiti V: 6, 7, 8, M. extensor carpi ulnaris ebenfalls 6, 7, 8, M. abductor
})ollicis longus 6, 7, (8), M. extensor pollicis brevis 6, 7, (8), M. extensor pollicis
ongus 6, 7, 8 (in Bolks Fall nur 7), M. extensor indicis proprius 6, 7, 8."
1) 8. Fig. 55, S. 119.
386
M. trapezius
M. deltoideus
M. pectoralls major
M. coracobrachialis
M. triceps, Caput
longum
M. triceps, Caput
laterale
M. biceps brach ii
M. triceps, caput
mediale
M. brachialis
M. brachioradialis
M. Pronator teres
M. estensor carpi
radialis long^s
M. fiexor carpi radialis
M. palmaris longus
M. extensor carpi
radialis brevis
M. fiexor carpi ulnaris
M. brachio-
radialis
M. triceps,
Caput mediale
M. ext. carpi
radialis longus
M. anconaeus
(quartus)
M. fiexor carpi
ulnaris
M. fiexor digitorum
profundus
M. extensor carpi
M. extensor dip-
torum communis
M. extensor carpi
radialis brevis
M. extensor dig^ti V
proprius
M. abductor
pollicis longus
M. extensor pollicis
brevis
M. abductor
digiti V
M. interosseus
dorsalis I
M. adductor
pollicis
25*
Fig. 143 u. Fig. 144. Innervierung der Armmuskeln, nach den Rückenmarksegmenten.
388 FROHSE und M. FRÄNKEL,
B. Durchbohrungen der Armmuskeln durch die Nerren.
Die verschiedenen Köpfe einzelner Muskeln entstehen vor allem
durch den Durchtritt der jeweiligen Nerven und betreffen an der
oberen Extremität Ober-, Vorderarm und Hand.
1) Am Oberarme wird durchbohrt (nicht immer) der M. coraco-
brachialis durch den N. musculocutaneus, ohne daß die beiden Muskel-
bäuche eine besondere Bezeichnung erfahren; ferner der M. triceps
durch den N. radialis (und die Vasa profunda brachii). Der M. triceps
zerfällt infolgedessen in eine oberflächliche Schicht, welche aus dem
Caput longum und laterale besteht, und eine tiefe, welche nur das
Caput mediale enthält.
2) Am Vorderarme gehen dem Schema nach sämtliche 3 Haupt-
nerven Durchbohrungen von Muskeln ein. Dies läßt sich am besten
in einer Tabelle darstellen, welche gleichzeitig der Höhe der Durch-
bohrung Rechnung trägt.
Nerv Muskel Gegend
N. medianus M. pronator teres, Caput humerale Tuberositas ulnae
und ulnare
N. ulnaris M. flexor carpi ulnaris, Caput Dicht unter dem Sulcus
humerale und ulnare (unser n. ulnaris, in der Höhe
Canalis ulnaris) des Olecranon
R. profundus n. M. supinator (brevis) Tuberositas radii
radialis
Hierzu sei bemerkt, daß eigentlich nur der R. profundus n.
radialis regelmäßig den M. supinator durchbohrt. Beim N. medianus
und M. Pronator teres braucht dies nicht verwirklicht sein, weil ja
das Caput ulnare fehlen kann. Beim N. ulnaris und M. flexor carpi
ulnaris kann man von einer Durchbohrung nur dann reden, wenn
man unseren Canalis ulnaris anerkennt, d. h. das Caput humerale auf
die Ulna übergreifend darstellt (s. S. 121). Sonst ist man nur be-
rechtigt von einer Unterkreuzung der in den B. N. A. angegebenen
Capita humerale und ulnare zu reden. Dieselbe Bemerkung gilt
für den M. flexor digitörum sublimis, zwischen dessen Caput radiale
und humerale der N. medianus (mit den Vasa ulnaria) seinen Weg
in die Tiefe nimmt, ohne daß hier gewöhnlich von einer Durchbohrung
gesprochen wird.
3) Auch an der Hand werden gewöhnlich die Durchbohrungen^
welche der R. profundus n. ulnaris macht, vernachlässigt. Trotzdem
bewirkt er (in Gemeinschaft mit dem Arcus profundus) die Trennung
des M. adductor pollicis in ein Caput obliquum und transversum;
ebenfalls konstant ist die Durchbohrung, oder wenn die tiefe Schicht
fehlt, die Unterlagerung unter den M. opponens digiti quinti; als
nicht konstant müssen wir die Durchbohrung der M. abductor oder
flexor brevis digiti quinti bezeichnen einmal, weil der letztere fehlen
kann, und auch beide genannten Muskeln bisweilen nur einköpfig ent-
springen, so daß es überhaupt nicht zur Bildung eines Sehnenbogens
(d. h. einer Durchbohrung) kommen kann.
388
Neurologische Bemerkungen. 389
C. Die doppelt innervierten Armmuskeln.
Beginnen wir mit dem M. deltoideus. Etwa 95 Proz. des Muskel-
fleisches werden unter allen Umständen von dem hinteren Hauptaste, dem
N. axillaris, versorgt und nur 5 Proz. von vorderen Thoracalzweigen,
welche aber fehlen können. Feine Zweige, welche die Ansatzsehne
des M. pectoralis major bis zur Crista tuberculi majoris begleiten,
können ja auch Beziehungen zur Tuberositas deltoidea gewinnen,
jedoch sollte man sich in einem solchen Falle immer vor Augen
halten, daß es sich vielleicht nur um Periostnerven des Humerus
handelt, denen eventuell makroskopisch sichtbare VATER-PACiNische
Körperschen angeschlossen sind.
Am Oberarme verdient der M. brachialis unsere ganz besondere
Aufmerksamkeit, da ja sein radialer Teil in wechselndem Umfange
vom N. radialis versorgt wird. Wir schätzen die Innervationsbreite
des N. radialis bis auf 15 Proz. der Muskelmasse. In seltenen Fällen
konnten wir, wie oben beim M. deltoideus zwischen N. axillaris und
N. thoracales anteriores, hier eine Anastomose zwischen den in Frage
kommenden Nerven, den N. medianus und radialis, nachweisen.
Am Vorderarme kommt eigentlich nur das gegenseitige Verhältnis
zwischen N. medianus und ulnaris in Betracht.
Die bekannte Doppelinnervation des M. flexor digitorum profundus
wollen wir außer acht lassen, und nur auf den FROHSEschen, in S. 119 ab-
gebildeten Fall hinweisen, daß auch der M. flexor carpi ulnaris zu etwa
10 Proz. seiner Muskelmasse vom N. medianus versorgt werden kann.
An der Hand können doppelt innerviert werden : 1) der M. lum-
bricalis III, 2) die Muskeln des Daumenballens, 3) die M. interossei
dorsales und die rudimentären M. extensores digitorum breves manus.
1) Bei dem M. lumbricalis III handelt es sich um eine eventuelle
Doppelinnervation durch die N. medianus und ulnaris. Wenn dieselbe
vorhanden ist, findet sich gewöhnlich eine Anastomose.
2) Bei den Muskeln des Daumenballens findet sich regelmäßig
eine oder auch mehrere Anastomosen zwischen den N. medianus und
ulnaris. Wir sind außer stände, zu sagen, inwieweit sich die beiden
genannten Nerven an der Innervation des M. flexor pollicis brevis
beteiligen, und insbesondere auch, inwieweit ein Austausch der Nerven-
fasern bei der Versorgung der M. interossei statthat.
3) Die M. interossei werden nach unserer Ansicht ausschließlich
vom N. ulnaris versorgt. Finden sich bei den M. dorsales besondere
Muskelbündel, welche über die Metacarpalknochen hinaus proximal-
wärts bis zu den Carpalknochen oder zum Radius reichen, so können
wir die Innervation dieser accessorischen Bündel durch die Endaus-
läufer des R. profundus n. radialis bestätigen. Ob die Nerven des
R. profundus, welche sich neben den R. perforantes der Arterien zur
Vola hinbegeben und sich mit dem R. profundus n. ulnaris vereinigen,
sich dadurch an der Innervation der M. interossei volares beteiligen
können, entzieht sich unserer Beobachtung.
Wir sind vielmehr der Anschauung, da wir auch einwandsfreie
Gelenknerven des R. profundus radialis bis zu den Artic. metacarpo-
phalangeae (s. S. 185) nachweisen konnten, daß es sich um Gelenk-
nerven für die Artic carpometacarpae handelt, oder um Periostnerven
der Metacarpalknochen.
389
390 PROHSE und M. FRÄNKEL,
D. Elektrotherapeutische Bemerkungen.
a) Einleitung.
Wie in unserem Vorworte erwähnt ist, haben wir ein besonderes
Gewicht auf die praktische Nachprüfung unserer theoretischen Unter-
suchungen gelegt und zuletzt den Spezialisten Toby Cohn mit zur
Beratung herangezogen, dessen Leitfaden der Elektrodiagnostik und
Elektrotherapie, 3. vermehrte und durchgesehene Auflage, Berlin, S. Kar-
ger, 1906, sich gerade in den betreffenden Kreisen einer besonderen
Beliebtheit erfreut. Möge hier das Vorwort dieses Autors uns weitere
eigene Angaben ersparen. Es heißt darin: „Besonders habe ich
meine durch Arbeiten auf anderem Gebiete (Die methodische Pal-
pation, Berlin, S. Karger. 1905) gewonnenen speziellen Erfahrungen
dazu verwertet, um die Tafeln mit den erregbarsten Punkten und
den zugehörigen Text nochmals eingehend zu revidieren und Un-
genauigkeiten richtigzustellen. Ich hatte dabei zu meiner Freude
Gelegenheit, gemeinsam mit den Herren Kollegen Fritz Frohse
(Volontärassistent an der Königlichen Anatomie) und Max Fränkel,
deren anatomische Untersuchungen über die Muskeln der Extremitäten
etwa gleichzeitig mit dieser Auflage meines Leitfadens erscheinen
dürften (Fischer, Jena), eine Nachprüfung meiner klinischen, empirisch
gewonnenen Befunde und einen Vergleich derselben mit den von
anderem Standpunkte aus gesammelten Erfahrungen der genannten
Herren vorzunehmen: es ergab sich eine erfreuliche Uebereinstim-
mung in allem Wesentlichen. Ich habe indessen ans diesem Zu-
sammenarbeiten auch die Kenntnis mancher bisher gänzlich unbe-
kannter Tatsachen in Bezug auf lokale Muskelreizung erlangt und
bin den beiden Herren Kollegen für die Mitteilung dieser Dinge zu
großem Danke verpflichtet."
Unsere ursprüngliche Absicht, die Originaldarstellung von T. Cohn
wortgetreu wiederzugeben, ließ sich nicht durchführen, weil die Rei-
zungspunkte der Muskeln und Nerven durcheinander dargestellt sind
und nicht in der Reihenfolge, wie wir sie in unserer Beschreibung mög-
lichst konsequent angewandt haben.
Wir verzichten auch darauf, besonders nachzuweisen, welche Ver-
änderungen zwischen der 2. und 3. Auflage dieses Werkes vorliegen.
Im Texte ist wenigstens bei der oberen Extremität unser Anteil
verschiedentlich hervorgehoben worden, während am Rumpfe und der
unteren Extremität dieses nicht der Fall ist. Da wir jedoch zunächst
nur den Arm mit seinen Muskeln und Nerven behandeln, mag es
den Interessenten überlassen bleiben, sich den Unterschied in der
bildlichen Darstellung der 2. und 3. Auflage auch der anderen Körper-
abschnitte zu vergegenwärtigen.
Unsere Einteilung zwang uns, die T. CoHNSchen Ausführungen
teilweise nicht wortgetreu wiederzugeben, jedoch sind keine sachlichen
Veränderungen vorgenommen, und unserem Wunsche, stilistische Um-
gestaltungen zu machen, konnten wir auch nur an wenigen Stellen
gerecht werden. Im wesentlichen decken sich die Angaben von T. Cohn
mit unseren Beobachtungen. Er als Praktiker weiil natürlich besser,
was hiervon für die Aerzte von Wichtigkeit ist; indessen wollen wir
nach unsere anatomischen Erfahrungen unseren Bedenken besonders
kundgeben. Es wäre uns sehr lieb, wenn unsere Abbildungen, denen
390
Neurologische Bemerkungen. 391
wir zum Vergleiche die T. CoHNschen beigefügt haben, auch in den
Kreisen der Praktiker Beifall finden und in möglichst vielen prak-
tischen, d. h. normalen und pathologischen Fällen auf ihre Brauchbar-
keit und Richtigkeit nachgeprüft werden.
b) Spezielle Beschreibung.
1) M. deltoideus (S. 44), 45, 3. Aufl.i). „Der M. deltoideus
wird in drei Portionen erregt: 1) vordere Portion, unweit unterhalb
des Processus coracoideus, nahe dem innersten Rande des Muskel-
wulstes; er ist gut erregbar und hebt den Humerus nach vorn;
2) mittlere Portion, lateral vom vorigen, senkrecht über dem Ansatz-
punkt , etwas unterhalb der Mitte des Muskelwulstes ; hebt den
Humerus mäßig kräftig nach der Seite ; 3) hintere Portion, hinter dem
vorigen, aber wiederum etwas weiter nach oben; hebt den Humerus
schwach nach hinten. Die beiden letzten Portionen sind viel weniger
erregbar als die erste."
„N. axillaris, ein wenig medial und oben vom N. thoracicus longus
(d. h. im äußersten Winkel des hinteren Halsdreieckes nicht selten zu
isolieren), wenn auch oft Teile des Plexus brachialis mitgereizt werden
(er ist z. B. bei vielen Personen auch in der Achselhöhle, und zwar
oft gemeinsam mit dem N. radialis, zu reizen). Wirkung: Deltoideus-
Kontraktion (Abhebung des Armes vom Thorax)."
Die schwerere Erregbarkeit des Muskels in der hinteren und
mittleren Portion findet ihre Erklärung durch die tiefe Lage des hier
sehr verborgenen Stammes des N. axillaris und die vielfache Ver-
zweigung der einzelnen Nervchen, von denen wenige an die Ober-
fläche gelangen. Die vordere Portion ist viel dünner, außerdem reich-
licher mit Nerven versorgt, welche in den parallel angeordneten
Bündeln der Oberfläche nahe kommen, außerdem ist hier kaum noch
von einer extramuskulären Verzweigung zu reden, und ferner auf die
mögliche Doppelinnervation auch durch R. thoracales anteriores hinzu-
weisen. Auch topographisch kann hier kein anderer Muskel oder
Nerv in nennenswerter Weise die Zuckung beeinträchtigen.
Daß bei der Reizung des N. axillaris in der Achselgrube auch
der N. radialis mitgetroff"en wird, ist nicht zu verwundern, weil er
tiefer liegt als der N. radialis und sogar von ihm häufig durch die
Vasa subscapularia getrennt wird.
2) M. subscapularis. „Der Muskelbauch ist unter normalen
Verhältnissen nicht erregbar, jedoch kann man den Nerven mitunter
von der Supraclaviculargrube aus isoliert reizen" (S. 46 oben bei den
M. teretes).
Wir halten auch den M. subscapularis der direkten Reizung für
zugängig. Wenn, wie eben gesagt, der im Verhältnisse zu dem er-
reichbaren Teile des Muskels so kleine N. axillaris isoliert gereizt
werden kann, so muß es noch mehr bei dem M. subscapularis der
Fall sein.
3) M. supraspinatus(S. 45). „Der Muskelbauch ist nahe dem
äußersten Winkel der Fossa supraspinata, nur dann erregbar, wenn
der Trapezius atrophisch ist. Sein Nervenpunkt ist von der Supra-
claviculargrube aus gelegentlich zu erregen."
1) Die in Klammern beigefügten Seitenzahlen dieses Abschnittes beziehen sich
immer auf das Buch von T. Cohn.
391
392
FROHSE und M. FRANKEL,
M. deltoideus (vord. Port.)
M. deltoideus (mittl. Port.)
M. coracobrach.
yi. triceps (gemeinsch. Punkt)
M. triceps, Caput longum
M. triceps, caput mediale
ulnaris
medidnus
M. Pronator teres
M. flexor digitorum sublimis
M. abductor dig. V
M. lumbricales
Fig. 145. Reizungspunkte der Armmuskeln und -nerven, Vorderseite, nach Toby Cohn,
392
Neurologische Bemerkungen.
393
M. latissimus dorsi
M. triceps, caput mediale
M. flexor carp. uln.
M. extensor carpi uln
M. flexor digitorum
iprofundus
M. abductor dig. V
M. interossei dorsales
M. deltoideus
(hint. Port.)
M. deltoideus
(mittl. Port.)
M. triceps, caput long^m
M. triceps, caput laterale
M. triceps (caput
mediale u. laterale)
N. radialis
M. brachialis
M. brachioradialis
M. extensor carpi
rad. long.
M. supinator
M. extensor digitor.
comm.
M. abduct. poll. long.
M. extens. poll. brev.
M. extens. poll. long.
M. adductor pollicis
Fig. 146. Reizungspunkte der Armmuskeln und -nerven, Rückseite, nach Toby Cohn.
393
394
ß
M.deltoideus, vorderer Punkt --,.
M.deltoideus, mittlerer Punkt
M. coracobrachialis
M. triceps, caput laterale
M. brachialis, portio lateralis
M. brachioradialis
M. extensor carpi
radialis longus
M. flexor carpi radialis -
M. extensor carpi radialis .
brevis "
M. fl. subl. dig. III,
Caput humerale p~ — ]^^-,. J
M. fl. subl. dig. III,
Caput radiale
M. flexor pollicis longus.
M. Pronator quadratus
N. medianus,
M. abductor pollicis brevis
M. interosseus dorsalis I
M. lumbricales I et 11^,
M. triceps, caput longura
M. biceps
M. triceps, caput mediale
N. ulnaris
N. medianus
M. Pronator teres
M. flexor carpi ulnaris
M. palmaris longus
M. flexor sublimis digiti IV
--M. flexor sublimis digiti V
Venter distalis m. fl. subl. digiti II
N. ulnaris
M. palmaris brevis
M. abductor digiti V
R. muscularis n. mediani
AT flexor brevis digiti V et
N. interosseus volaris IV
\
M. flexor pollicis brevis,
Caput superficiale
^i^^/'
Fig. 147. Eeizungspunkte und -linien der Armmuskeln und -nerven nach eigenen
Untersuchungen, auf die Haut projiziert, Vorderseite.
4) M. infraspi-
natus (S. 45), „im
Gegensatze zum vori-
gen bei den meisten
Personen mit mittle-
ren Strömen erreg-
bar ; etwa in der Mitte
der Fossa infraspinata.
Es ist ein kräftiger
Auswärtsroller des
Humerus und unter-
stützt somit die Supi-
nationsbewegung der
oberen Extremität.
Bei frei herabhängen-
dem Arm und leicht
gebeugtem und unter-
stützten Vorderarm
kann man die Wirkung
durch elektrische Rei-
zung schön demon-
strieren"
Den Ausdruck „Su-
pinationsbewegung
des Armes" möchten
wir lieber nicht ange-
wandt wissen, weil bei
der oberen Extremität
die Bezeichnungen
Supination oder Pro-
nation ausschließlich
dem Vorderarme und
der Hand zukommen.
5) und 6) „M. teres
minor und major (S. 46
oben) sind lokaler Rei-
zung zugänglich."
Wir vermissen hier
die Betonung des
Unterschiedes der
Wirkung und auch der
Nervenbezüge beider
Muskeln. Der vom N.
axillaris versorgte M.
teres minor ist viel
schwerer der Reizung
zugänglich und be-
wirkt die Auswärts-
rotation des Armes,
während der von einem
N. subscapularis aus
versorgte M. teres
major außerordentlich
M. deltoideus
395
M. omo-
hyoideus
M. pectoralis
major
M. Pronator
teres (Lacertus
fibrosus
m. bicipitis)
M. flexor carpi
radialis
M. paimaris
longus
M. flexor carpi
ulnaris
M. flexor digitorum
sublimis, digitus IV
M. paimaris brevis
M. abductor digiti V
Aponeurosis paimaris
Fig. 148. Arm von
vorne, Muskelbild.
396
M. infraspinatus
M. teres minor
M. teres major
M. triceps, caput long^m
M . triceps , caput mediale : —
portio medialis
Portio lateralis und '
M
M. flexor carpi ulnaris
M. flexor digitorum
profundus
M. extensor carpi ulnaris
M. Pronator quadratus
M. abductor digiti V
M. interossei dorsales I — IV
Fig. 149. Reizungspunkte und
-linien der Armmuskeln und ^,
-nerven nach eigenen Unter- \
suchungen, auf die Haut pro- \^
jiziert, Rückseite. *ji
M. deltoideus, hinterer
und mittlerer Punkt
M. triceps, caput laterale
M. brachialis, portio
lateralis
M. brach ioradialis
leicht gereizt werden
kann und ein wichtiger
Einwärtsroller ist.
7) M. biceps (S.
44). „Am Oberarm er-
regt man den M. biceps
in passiver , leichter
Beugestellung des Ell-
bogens und schwacher
Pronation der Hand ; sein
erregbarster Punkt liegt
meist auf der Höhe sei-
nes Muskelwulstes , ein
besonderer Punkt für den
langen Kopf nach außen
und unten, einer für den
kurzen Kopf nach innen
und oben davon. Es ist
ein sehr erregbarer Mus-
kel , dessen Wirkung
kräftige Ellbogenbeu-
gung und eine leicht
sichtbare Vorderarm-
supination ist; also teils
Mitwirker, teils Gegen-
wirker des Brachio-
radialis, der den Ell-
bogen beugt und den
Vorderarm proniert."
Es hält schwer, für
den M. biceps einen be-
stimmten Reizungspunkt
anzugeben , weil der
ganze Muskel überaus
reichlich mit Nerven ver-
sehen ist, welche bis an
die Ursprungs- und An-
satzsehne gehen , teil-
weise sogar die Ober-
fläche erreichen.
8) M. coracobra-
chialis.
Auch dieser Muskel
ist der elektrischen Rei-
zung zugängig : man
mache es sich dabei im-
mer klar, daß bei un-
versehrter Haut der Mus-
kelbauch als proximale
Verbreiterung des kur-
zen Bicepskopfes er-
scheint und erst am Prä-
parate in seiner ganzen
Fig. 150. Arm von hinten, Muskelbild
M. deltoideus, vorderer und mittlerer
Punkt
M. coracobrachialis
M. Pronator teres
Venter proximalis m. tlexoris
sublimis indicis
M. flexor carpi ulnaris
M. flexor dig-itorum
profundus
M. flexor sublimis digiti V
M. abductor digiti V
M. palmaris brevis
M. interosseus volaris IV
Dr. F. fec.
Fig. 151. Reizungspunkte und -linien der Arm-
muskeln und -nerven nach eigenen Unter-
suchungen auf die Haut projiziert, Innenseite.
Größe sichtbar wird. Bei
hängendem und etwas abdu-
zierten Arme läßt sich seine
Wirkung, die sich in einer
Hebung des ganzen Armes
und Adduktion bemerkbar
macht, unschwer erkennen.
9)M. brachialis. „Der
Muskel, der den Ellbogen ge-
rade aufwärts beugt, ist an
der Innenseite des Biceps
unter normalen Verhältnissen
gewöhnlich nicht zu isolieren,
weil entweder dieser oder die
Nervenstämme im Sulcus bici-
pitalis internus auf die Rei-
zung antworten. Sein Punkt
liegt unter (hinter) dem Bi-
ceps, etwa im unteren Ober-
armdrittel innen. Wenn man
aber den Biceps hochhebt und
die Elektrode darunterschiebt,
kann man ihn mitunter reizen.
Regelmäßiger erregbar ist er
außen vom Biceps, zwischen
diesem, dem triceps und dem
oberen Rande des Brachio-
radialis. Man sieht dann
schwache Beugung eintreten."
Die Schwierig-
keiten sind hier
richtig geschildert.
Bei der Angabe des
äußeren lateralen
Reizungspunktes
vermissen wir die
Angabe , daß hier
der N. radialis fast
regelmäßig Zweige
in den Muskel hin-
einschickt, dieser
also doppelt inner-
viert wird, medial
vom N. musculo-
cutaneus oder auch
vom N. raedianus,
lateral vom N.
radialis. Inwieweit
die von uns be-
obachtete Anasto-
mose zwischen den
beiden Nerven prak-
tische Bedeutung
hat, vermögen wir
nicht zu beurteilen.
Dr. F. fec.
M. del-
toideus
M.pectoralis
major
M. Pronator teres
M. brachioradialis
M. flexor carpi radialis
M. palmaris longus
M. flexor digitorum sublimis
M. flexor carpi ulnaris
M abductor pollicis brevis
M. abductor digiti V
Aponeurosis palmaris
Fig. 152. Ann von
innen , Muskelbild.
400
M. infraspinatus
M. triceps, Caput
laterale
N. radialis,
Umschlagsstelle
M. triceps, caput mediale
portio lateralis
M. extensor carpi
radialis longus
M. supinator
M. extensor carpi ulnaris
M. extensor digitorum
communis
M. brachialis, portio laterali;
M. deltoideus,
hinterer, mittlerer
und vorderer Punkt
M. Pronator quadratus
M. interosseus dorsalis I
M. extensor carpi radialis brevii
M abductor pollicis long^us
M. extensor pollicis brevis
M. extensor pollicis longus
M. adductor pollicis
Fig. 153. Reizungspunkte und
-linien der Armmuskeln und- nerven ^
nach eigenen Untersuchungen, auf %
die^Haut projiziert, Außenseite. A
401
M. trapczius
M. del-
toideus
M. sternocleido-
mastoideus
M. omohyoideus
Msmim^
M.pectoralis
major
M.extensordi^torum
communis
M. extensor pollicis brevis ■ —
Lig. carpi dorsale
M. interosseus dorsalis I
M. lumbricalis
M. serratiis anterior
M. biceps
M. extensor carpi radialis
longus
M. extensor carpi" radialis
brevis
M. abductor pollicis longus
M. extensor pollicis
longus
M. adductor pollicis
Fig. 154. Arm von außen, Muskelbild.
Handbuch der Anatomie. II, 11, 2,
26
402 FROHSE und M. FRANKE L,
10) M. triceps (S. 44). „Der gemeinschaftliche Punkt für seine
drei Capita liegt ganz oben und innen am Oberarm, nahe der Achsel-
höhle, ein gemeinschaftlicher Punkt für das Caput mediale und laterale
etwa handbreit über dem Olecranon, also etwa an der Grenze seines
unteren und mittleren Drittels. Die drei Capita, Caput longum,
C. internum und C. externum, sind teils von innen, teils von hinten
her auch getrennt zu reizen."
11) „Der erregbarste Punkt des M. anconaeus (quartus)
findet sich nicht auf dem Muskel selbst, sondern am Oberarm an der
in der Figur angegebenen Stelle. — Man sieht die Triceps-Wirkung
am besten, wenn der Ellbogen schon in halber passiver Streckung
steht."
Der M. triceps ist, genau entsprechend seinem anatomischen Auf-
baue, besonders leicht an den oberflächlich gelegenen Stellen seiner
3 Köpfe zu reizen. Am günstigsten ist das Caput longum gestellt
und das Caput mediale in seinem inneren, medialen Abschnitte, weil
auch die entsprechenden Nervenstämme oberflächlich gelagert sind.
Dicht unterhalb der Achselgrube, am unteren Rande des M. teres
major verlassen zwei besondere Nerven den Stamm des N. radialis.
Der eine versorgt das ganze Caput longum des M. triceps, der andere,
welchen wir als R. collateralis n. ulnaris bezeichnet haben, den medialen
Teil des Caput mediale. Das von diesen beiden Nerven versorgte
Muskelgebiet ist vollauf im stände, die Gesamtwirkung vorzutäuschen.
In diesem Sinne hätte also T. Cohn recht, wenn er von einem ge-
meinschaftlichen Reizungspunkte redet; in Wirklichkeit aber braucht
die laterale Portion : das Caput laterale des M. triceps und der laterale
Abschnitt des Caput mediale, sowie der M. anconaeus überhaupt nicht
in Tätigkeit treten, obwohl sie natürlich passiv durch den Ruck eine
entsprechende Verkürzung und Verdickung erfahren. Das Caput
laterale erhält verhältnismäßig wenig Nerven, welche kaum jemals die
Oberfläche des Muskels erreichen. Der für das Caput laterale und
mediale angegebene gemeinschaftliche Reizungspunkt handbreit über
dem Olecranon, d. h. bereits im Bereiche der mächtigen aponeurotischen
Platte der Endsehne, dürfte auch aus unserem Nervenbilde (s. S. 96)
dem Verständnisse keine Schwierigkeiten bereiten. Gerade die Gegen-
wart der Endsehne bringt die eigentlich recht tief gelegenen, in der
Muskulatur verborgenen Nerven doch der Oberfläche ziemlich nahe,
und so ist auch der Zweig für den M. anconaeus der elektrischen
Reizung besser am Oberarme zugänglich, als am Vorderarme, wo er
von der Tiefe her in den verhältnismäßig dicken Muskelbauch eintritt.
12) M. Pronator teres (S. 43). „Der erregbarste Punkt für
den Muskelbauch liegt meistens dem Ulnarrande der Beugeseite sehr
nahe und nur wenig unterhalb oder direkt in der Beugelinie des
EllenbogengelBnkes. Die Lage dieses Punktes zeigt bei verschiedenen
Personen ganz besonders oft Verschiedenheiten."
Wir müssen auch beim M. pronator teres zwischen Nerven- und
Muskelreizung unterscheiden. Die besonders betonten individuellen
Verschiedenheiten finden ihre Erklärung durch die verschieden hohe
Abgangsstelle der Zweige aus dem N. medianus, welche bereits
3 Querfinger breit proximal vom Gelenkspalte sich loslösen können.
Die innere Verzweigung der Nerven (und damit die gewöhnlich so
bezeichnete direkte Muskelreizung) ist außerordentlich reichlich. Daher
geht auch die Reizung dieses Muskels, der außerdem topographisch
402
Neurologische Bemerkungen. 403
SO günstig gelagert ist, prompt, blitzartig und ohne Neben-
wirkungen vor sich. Besonders angenehm ist für den Anfänger
hier die Einfachheit der Pronationsbewegung, welche mit keiner
anderen verwechselt werden kann.
13) M. flexor carpi radialis (S. 43). „Sein Muskelbauch ist
oft schwer zu trennen vom M. palmaris longus. Sein Reizungspunkt
liegt noch ein wenig mehr radial und oft auch etwas mehr ellen-
bogenwärts. Er beugt das Handgelenk und dessen radiale Seite
stärker als die ulnare, dabei proniert er auch."
Die Schwierigkeit der Isolation vom M. palmaris longus, der ja
häufig fehlt, möchten wir nicht unterschreiben und bezüglich der
Wirkung die Pronation zum mindesten in Frage stellen, weil zur
Pronatiou die Anheftung am Radius erforderlich wäre. Die schein-
bare Bewegung der Hand im Sinne der Pronation kommt für einen
nicht genau aufpassenden Untersucher dadurch zu stände, daß der
M. tiexor carpi radialis, nicht diesem topographischen Namen ent-
sprechend, die Hand radialwärts, sondern ulnarwärts beugt. Dies ist
ja bei der physiologischen Beschreibung fast zum Ueberflusse hervor-
gehoben worden, muß aber hier der Vollständigkeit halber nochmals
angeführt werden. Der günstigste Nervenpunkt liegt etwa 8 cm distal
vom Epicondylus medialis.
14) M. palmaris longus (S. 43). „Der Reizungspunkt liegt an
der Grenze zwischen oberem und mittlerem Drittel der Vorderarm-
beugeseite, im ulnaren Teile; er beugt die Hand ziemlich gerade
schwach nach oben. Seine Sehne springt scharf in der Mitte der
Handbeuge hervor, wenn man ihn isoliert hat."
Bei der Verschiedenheit der Lage und Größe des Muskelbauches
und der geringen Wirkung ist eine genauere Angabe seines Reizungs-
punktes unmöglich, jedoch möchten wir aus unseren Befunden den-
selben mehr proximal, also gegen die Ellenbeuge hin legen, als den
des M. flexor carpi radialis und bemerken, daß der Nerv gewöhnlich
von der ulnaren Seite her in den Muskel eintritt, und deshalb auch
der Nerv direkt erreicht werden kann, während der Zweig für den
M. flexor carpi radialis vollkommen in der Tiefe verborgen liegt. Die
anatomische Eintrittsstelle des Nerven liegt ca. 4 cm distal vom Epi-
condylus medialis, also weiter proximal als die des M. flexor carpi
radialis.
Da dieser Muskel fehlen kann, andererseits aber der Vollständig-
keit halber in den systematischen Lehrbüchern als spindelförmiger
Muskelbauch im proximalen Drittel des Vorderarmes abgebildet wird,
haben wir uns an einen solchen schematischen Befund bei unserer
Figur gehalten, welchen wir auch in anderen Fällen beobachtet haben.
Die sogenannte normale Reizungsstelle liegt ca. 6 cm distal vom Epi-
condylus medialis.
15) M. flexor carpiulnaris(S. 43). „Am weitesten ulnarwärts
dicht an der Ulnakante, also bei der supinierten Haltung des hängen-
den Armes an der Rückseite des Vorderarmes, ziemlich dicht unter-
halb des Olecranon. Beugt die Hand ulnarwärts. Proniert nicht."
Wie an verschiedenen Stellen bereits erwähnt (innerer Teil des
M. triceps, M. pronator teres), muß auch hier ein Unterschied gemacht
werden zwischen Nerven- und Muskelreizung. Bereits oberhalb des
26*
403
404 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Olecranon an der gewöhnlichen Reizungsstelle für den ganzen
N. ulnaris läßt sich bisweilen sehr schön die isolierte Zuckung des
M. flexor carpi ulnaris ausführen. Wenn fast mit dem Eintritte des
N. ulnaris in den S. 121 beschriebenen Canalis ulnaris die 2 oder 3
Nervenzweige für den M. flexor carpi ulnaris in den hier noch sehr
dünnen Muskel abgehen, redet man bereits von der Muskelzuckung,
welche noch in der Unterhälfte des Vorderarmes auszulösen ist, am
deutlichsten aber in seinem proximalen Drittel statthat. Die beiden Haupt-
nerven senken sich ca. 2 cm distal vom Epicondylus medialis und Ole-
cranon in den Muskel, ein inkonstanter dritter Zweig eventuell erst
ca. 6 cm weiter distal.
16) und 17) „Die M. flexores digitorum sublimis und
profundus (S. 43 u. 44), von denen der erstere die zweiten, der
letztere die dritten Fingerphalangen beugt, sind zerstreut an mehreren
Punkten im oberen, mittleren und unteren Vorderarmdrittel zu treffen,
besonders leicht der sublimis. Den oberflächlichen Beuger des Zeige-
fingers speziell findet man häufig, wenn man die Elektrode mit einem
gewissen Druck zwischen die am Handgelenk vorspringenden Sehnen
der M. pronator teres und flexor carpi radialis setzt, etwa 3 bis 4 Finger
breit über dem Gelenk. (Im übrigen s. die Figuren.)"
Dem M. flexor digitorum sublimis hat Frohse ^) bereits im
Anatomischen Anzeiger eine ausführliche Besprechung gewidmet.
Es ist durchaus notwendig, die für die einzelnen Finger be-
stimmten Bäuche besonders zu betrachten. Die Figuren, welche hier
über Muskelarchitektur, Nervenverzweigung und Topographie ge-
geben sind, noch einmal sich anzusehen, würde sich für das leichtere
Verständnis dringend empfehlen. Der Muskel wird ausschließlich
vom N. medianus versorgt, jedoch nicht mit einem einheitlichen
Stamme, sondern von mindestens 3 Zweigen, von denen regelmäßig
2 den M. flexor indicis sublimis innervieren, während der dritte
die Digiti III, IV und V versorgt. Dabei ist die Reihenfolge des
Ursprunges aus dem N. medianus regelmäßig so, daß zuerst dicht
unterhalb der Ellenbeuge der obere Nerv für den oberen Bauch
des M. flexor indicis sublimis entspringt, etwas darunter, also noch
im proximalen Drittel des Vorderarmes der gemeinschaftliche Zweig
für III, IV und V und ungefähr in der Mitte erst der zweite Ast
für den unteren Bauch des M. flexor indicis sublimis. Von allen
diesen Nerven ist eventuell nur der letztere, aber durchaus nicht
regelmäßig der direkten Reizung zugänglich. Im übrigen sind wir auf
die Muskelreizung angewiesen, also auf die Lücken, in welchen der M.
flexor digitorum sublimis zwischen den Muskeln der oberflächlichen
Schicht i. e. M. pronator teres, flexor carpi radialis, palmaris longus
und flexor carpi ulnaris, an die Oberfläche kommt. Nur eine genaue
Kenntnis der Topographie kann eine isolierte Reizung der einzelnen
Bäuche erzielen, welche uns auch gelungen ist. In der Rinne zwischen
den M. flexor carpi radialis und pronator teres in und etwas distal und
radial von der Mitte des Vorderarmes kann das Caput radiale des
M. flexor digiti III mit Leichtigkeit zur Zuckung gebracht werden.
In der Rinne zwischen den M. flexor carpi radialis und palmaris
longus, oder bei dessen Fehlen einfach am ulnaren Rande des
1) Fritz Frohse, Ueber die Verzweigung der Nerven zu und in den mensch-
lichen Muskeln, Anatom. Anzeiger, Bd. XfV, No. 13, 1898, p. 337—339.
404
Neurologische Bemerkungen. 405
M. flexor carpi radialis kann im distalen Drittel des Vorderarmes,
besonders bei Fingerbeugung der N. medianus gereizt werden und
darüber proximal bis zur Mitte des Vorderarmes je nach der Haltung
des 2. Fingers in wechselnder Höhe der untere Bauch des M. flexor
indicis sublimis. Selbst der obere Bauch des Zeigefingers kann in
günstigen Fällen zur Zuckung gebracht werden, jedoch ganz hoch
oben etwa 4 cm unterhalb des Epicondylus mediaiis humeri am
ulnaren Rande des M. flexor carpi radialis. Dicht darunter, mehr dem
volaren Rande des M. flexor carpi ulnaris genähert, liegt das Rei-
zungsgebiet des M. flexor sublimis digiti IV. Es ist kein einheitlicher
Punkt, sondern eine lange Linie, welche sich bis in die untere, distale
Hälfte des Vorderarmes erstrecken kann. Im Anschlüsse daran bis
in die Gegend des Handgelenkes, sagen wir im unteren Drittel des
Vorderarmes, liegt die Reizungslinie für den M, flexor digiti V, etwas
proximal und radialwärts von der allgemein bekannten Reizungslinie
des N. ulnaris. Die anatomischen Eintrittsstellen der Nerven be-
tragen für den Venter superior indicis 3,5 cm, Venter communis
pro digitis III, IV et V ca. 7 cm, Venter inferior indicis ca. 15 cm
distal vom Epicondylus mediaiis.
Der M. flexor digitorum profundus ist, obwohl er unter dem
M. flexor carpi ulnaris verborgen ist, vermöge des verhältnismäßig
langen extramuskulären Verlaufes der aus dem N. ulnaris kommenden
Nervenzweige einer direkten Reizung zugängig, welche sich in einer
blitzartigen energischen Beugung des 5. bis 3. Fingers äußert.
Dieser Nervenpunkt liegt ungefähr an der Grenze des proxi-
malen und zweiten Viertels des Vorderarmes. In der Mitte des
Vorderarmes konnten wir die isolierte Muskelreizung der einzelnen
Bäuche auslösen, wenn wir, von hinten her nach vorn herumgehend,
die Elektrode aufsetzten. In schöner Reihenfolge trat die isolierte
Wirkung auf den 5., 4. und 3. Finger ein, an letzterem jedoch
oft weniger stark bemerkbar. Eine Wirkung auf den M. flexor pro-
fundus indicis auszuüben, war uns bisher unmöglich. Es liegt das
an der versteckten Lage des Muskels einerseits und dann auch an
der seines Nerven, welcher ja aus dem N. medianus stammt. Die
von uns beobachteten oft zahlreichen Anastomosen zwischen den
N. medianus und ulnaris scheinen also nicht auszureichen, in nor-
malen Fällen eine sichtbare Zuckung am Zeigefinger auszulösen, wenn
der N. ulnaris gereizt wird. Anatomische Eintrittsstelle für den
N. ulnaris ca. 5 cm, für den N. medianus ca. 10 cm distal vom Epi-
condylus mediaiis.
18—21) M. lumbricales (S. 40 u. 41). „Sie werden gewöhnlich
mit den sehr wichtigen M. interossei gemeinsam geprüft. Siehe auch
diese. Von der Vola aus sind einzelne oft isoliert erregbar. Zwei
besonders oft isolierbare Punkte sind (nach Frohse und Fränkel)
in der Fig. 19 angegeben. Die Wirkung s. bei den M. interossei."
Die beiden ersten M. lumbricales werden vom N. medianus aus
versorgt durch verhältnismäßig lange Zweige, welche bei ihrer ober-
flächlichen Lage auch der Reizung zugängig sein können. Es würde
also hier gemeinschaftliche Nerven- und Muskelreizung in Frage
kommen. Die viel kleineren M. lumbricales III und IV sind mehr
in der Tiefe verborgen und erhalten außerdem ihre vom N. ulnaris
stammenden Zweige von ihrer Facies profunda aus. Die Muskeln
405
406 FROHSE und M. FRÄNKEL,
sind also, wenn überhaupt, aus anatomischen Gründen einer isolierten
Reizung äußerst schwer zugängig.
22) M. flexor pollicis longus (S. 44). „Im unteren Drittel der
Beugeseite des Vorderarmes ziemlich dicht am Radialrande. Macht
Beugung der Endphalanx des Daumens."
Er ist wohl nur der Muskelreizung zugängig. Für dieselbe liegt
der Punkt, oder besser eine längere oder kürzere Linie an der Beuge-
seite, an der Grenze des mittleren und unteren, distalen Drittels.
Eintrittsstelle des Nerven ca. 10 cm distal vom Epicondylus medialis.
23) M. Pronator quadratus (S.44). „Man kann ihn an besonders
kräftigen Armen in der Gegend der Radialpuls-Palpation reizen. Einen
zweiten Reizpunkt für diesen Muskel findet man (nach Frohse und
Fränkel), wenn man an der Vorderarmstreckseite ziemlich dicht über
dem Handgelenk einen starken Elektrodendruck in die Tiefe ausübt."
Hierbei sei noch betont, daß die Reizung des Muskels, oder
besser seines Nerven, nicht im Zustande der Pronation ausgeführt
werden kann, wenn die Hand dem Untersuchenden bequem ent-
gegengehalten wird, weil dann der Muskel seine Wirkung so gut wie
erschöpft hat. Es muß vielmehr die supinierte Hand gegen den
Rumpf gebeugt werden, und dann braucht der Druck der Elektrode
gar nicht so erheblich zu sein. Wir haben bereits beim M. sub-
scapularis das Nervenbild zweimal dargestellt, nämlich bei abduziertem
und senkrecht herabhängendem Arme, um die verschiedene Lage des
Muskelnerven zu betonen. Auch beim M. pronator quadratus war je
eine Abbildung von der Vorder- und Rückseite geboten, weil die Be-
funde der elektrischen Untersuchung sonst schwer verständlich sein
könnten. Die Reizung vom Dorsum aus betrifft fast ausschließlich
den Nerven, während die Reizung von der Vola aus, in der Nähe
derjenigen Stelle, wo seit undenklichen Zeiten der Puls gefühlt wird,
die Wirkung im wesentlichen bloß den Muskel betrifft (s. S. 149).
24) M. brachio radialis (S. 41). „Reizungspunkt am radialen
Uebergange von der Streck- auf die Beugeseite des Antibrachiums,
etwa auf der Höhe seines Muskelwulstes. Diesen sieht man sofort
scharf vorspringen, wenn man den Patienten auffordert, den Ellen-
bogen in der Mitte zwischen Pronations- und Supinationsstellung zu
beugen, und dieser Beugung Widerstand leistet. Die Wirkung der
elektrischen Reizung ist Beugung im Ellenbogengelenk und eine
leichte Pronation der Hand (der Name Supinator longus ist falsch).
Um die Pronation besser zu sehen, gebe man der Hand des Patienten
eine leicht supinierte Stellung. Auch unterhalb der Ellenbogenbeuge
an der Vorderseite des Antibrachiums findet sich ein sehr erregbarer
Punkt dieses Muskels."
Wir halten es auch bei diesem Muskel nicht für angebracht, von
einem Punkte oder auch mehreren zu reden. Es gilt hier das vom
M. biceps Gesagte, was auch aus unseren Abbildungen mit Leichtig-
keit zu erkennen ist, daß nämlich der Muskel von zahlreichen Nerven-
zweigen oder selbst -netzen durchzogen wird, welche teilweise die
Oberfläche erreichen. — Die pronierende Wirkung des M. brachio-
radialis können wir nicht bestätigen, welche Cohn besonders hervor-
heben zu müssen glaubt. Wenigstens konnten wir bei der Unter-
suchung der Arme von Frohse und eines Kontrollpatienten, außer-
dem 1908 noch an 2 anderen Personen keine für unsere Augen
bemerkbare Pronationswirkung erkennen. Die Supinationsbewegung
406
Neurologische Bemerkungen. 407
oder überhaupt deren Möglichkeit stellen wir ebenfalls auf das be-
stimmteste in Abrede. Die Pronation, welche von T. Cohn behauptet
wird, dürfte sich leicht erklären lassen. Weil sich der M. pronator
teres bereits im proximalen Drittel des Vorderarmes noch mit
Muskelsubstanz unter den hier immer dünner werdenden Bauch des
M. brachioradialis herunterschiebt, wird die elektrische Reizung auch
diesen Muskel vielleicht in noch höherem Maße erregen.
25) M.extensor carpi radialis longus(S.42). „Reizungsstelle
zwischen den Punkten für den M. supinator und brachioradialis, jedoch
näher dem erregbarsten Punkte des letzteren, sehr weit proximal am
Vorderarm; er streckt das Handgelenk und bewegt es gleichzeitig
radialwärts."
26) M. extensor carpi radialis brevis(S. 42). „Der Punkt
dieses Muskels, welcher das Handgelenk ziemlich gerade nach auf-
wärts streckt, liegt nahe dem radialen Rande des Vorderarmes und
etwa vier P'ingerbreiten distal von dem Punkte des langen Radial-
streckers. Er ist nicht immer vom M. extensor digitorum communis
getrennt zu erregen."
Wir möchten bei diesem Muskel doch den prinzipiellen Unter-
schied hervorheben, daß er vom R. superficialis des N. radialis
aus versorgt wird (in den Lehrbüchern wird verschiedentlich an-
gegeben aus dem R. profundus, jedenfalls aber vor dem Eintritte des
letzteren in den M. supinator), während der M. extensor digitorum
communis erst nach der Durchbohrung des M. supinator durch den
R. profundus n. radialis von letzterem aus seine Nerven bekommt.
Bei diesem gesonderten Verlaufe der Nerven muß auch eine isolierte
Reizung beider Muskeln möglich sein, wenn wir auch zugeben, daß
die starke Aponeurose zwischen den beiden Muskeln diese eng an-
einander hält, die anatomische Trennung eine gewisse Uebung ver-
langt und die elektrische Untersuchung erschwert.
27) M. supinator (S. 41). „Reizpunkt an der Streckseite des
Vorderarmes, etwas distal von der Stelle, wo der palpierende Finger
bei Pronations- und Supinationsbewegungen das sich hin und her
drehende Radiusköpfchen fühlt. Er macht scharfe Supination. Es
ist bei diesem oft schwer erregbaren Muskel, der von anderen Muskeln
bedeckt wird, ganz besonders häufig zu beobachten, daß er bei vielen
Personen nur auf einen der beiden faradischen Pole (bald die
Anode, bald die Kathode) reagiert, während man bei Anwendung des
anderen Poles von derselben Stelle aus einen anderen Muskel, z. B.
einen der Handgelenkstrecker, erhält."
28) M. extensor digitorum communis (S. 42) : „Reizpunkt
an der Vorderarmstreckseite, etwa fingerbreit unter dem Punkte für
den M. supinator, aber auch gewöhnlich noch an einem zweiten,
fast 3 Fingerbreiten distal davon gelegenen Punkte: streckt die
ersten Phalangen der Finger und übt auf das Handgelenk eine ex-
tendierende Wirkung aus. — Seine zu den einzelnen Fingern gehen-
den Teile können auch isoliert gereizt werden (s. die Figur); ziem-
lich konstant erregbar ist besonders der Teil, der den 2. Finger
streckt (dicht proximal neben dem Reizpunkte des M. abductor pollicis
longus). Bei Entartung des Fingerstreckers, z. B. bei Bleilähmung
oder Radialis-Schlaflähmung, werden von seinem Punkte gewöhnlich
durch Stromschleifen die Finger beuger erregt. Bei Bleilähmungen
u. dgl. kommt es auch oft vor, daß nur einige Teile von ihm patho-
407
408 FROHSE und M. FRÄNKEL,
logische Reaktion zeigen, bezw. ganz unerregbar werden (meistens
die mittleren), während die übrigen intakt bleiben."
29) M. extensor digiti V (S. 42). „Man reizt ihn nach oben
und etwas radial vom M. extensor digitorum communis: streckt den
kleinen Finger und abduziert ihn ein wenig."
30) M. extensor carpi ulnaris (S. 42). „Sein Reizpunkt liegt
ziemlich nahe dem Ulna-Rande, etwa 4 Fingerbreiten distal vom
Olecranon; er streckt das Handgelenk, bewegt es aber ulnarwärts.
31) M. abductor pollicis longus (S. 42 u. 43) ] „Die
32) M. extensor pollicis brevis (S. 42 u. 43) > Daumen-
33) M. extensor pollicis longus (S. 42 u. 43) J Strecker
sind erregbar nahe dem radialen Rande der Streckseite, etwa 4 Finger-
breiten über dem (d. h. proximal vom) Handgelenk (hier meistens
der Abductor allein), sowie auch distal und ein wenig ulnar von dem
genannten Punkte. Diese Muskeln, von denen der M. abductor longus
und M. extensor brevis die sogenannte „Tabatiere" rradialwärts, der
M. extensor longus ulnarwärts begrenzen, bewegen den Daumen in
folgender Weise:
Der M. abductor longus bewegt (bei leicht gebeugten Daumen-
phalangen) den ersten Metacarpus nach vorn und außen.
Der M. extensor brevis abduziert den ersten Metacarpus und streckt
die erste Daumenphalanx (bei gebeugter zweiter). Sie sind oft
schwer zu isolieren (Näheres s. in der Figur).
Der M. extensor pollicis longus extendiert den Daumen und den
ersten Metacarpalknochen und führt ihn zum zweiten hin."
34) M. extensor indicis proprius s. indicator (S. 42).
„Er ist meist sehr weit distal und ulnar, etwa 2 Fingerbreiten oberhalb
des Capitulum ulnae reizbar (streckt den Zeigefinger kräftig)."
Zusammenfassende Bemerkung über die Strecker des
Vorderarmes.
Für diese Muskeln gilt das noch mehr, was wir über den M.
flexor digitorum sublimis gesagt haben. Eine genaue Kenntnis der
topographischen Anatomie ist durchaus erforderlich, um den. einzelnen
Muskel an der richtigen Stelle zu reizen. Ein einziger Nervenstamm,
der R. profundus n. radialis, versorgt sämtliche Muskeln und liegt,
wie der Name sagt, in der Tiefe verborgen — zwischen der oberfläch-
lichen und tiefen Schicht. Nichtsdestoweniger sind auch die tiefen
Muskeln sehr gut der elektrischen Reizung zugängig ; teilweise sogar
besser, als die oberflächlichen, welche auschließlich von der Tiefe aus
versorgt werden, z. B. der M. abductor pollicis longus, bei dem man
sogar von einem Nervenpunkte reden kann, s. S. 185. Auch die
M. extensor pollicis brevis, longus und indicis proprius kommen mit
ihrem Muskelbauche an einigen, wenn auch kleinen Stellen an die
Oberfläche und können eventuell einige dicht unter der Oberfläche,
d. h. unter der Fascie, gelegene feine Nerven aufweisen. Von ein-
zelnen Nervenpunkten dürfte kaum gesprochen werden. Unsere Ab-
bildung zeigt ja, wie sämtliche Muskeln fast von der Ursprungs- bis
zur Endsehne hin von Nerven durchzogen werden, deren Reizung an
der Eintrittsstelle am ausgiebigsten ausfällt, aber noch nach den
Enden hin, je nach der Nervenlänge, entsprechende Zuckungen auslöst.
408
Neurologische Bemerkungen. 409
Der Punkt, wo der R. profundus n. radialis den M. supinator
durchbohrt hat, liegt etwa 8 cm distal vom Epicondylus lateralis,
d. h. an der Grenze des proximalen und mittleren Drittels des Vorder-
armes. Die 4 Muskeln der tiefen Schicht werden vom mittleren
Drittel des Vorderarmes an versorgt.
Unsere eigene Auffassung über die normale Wirkung der
einzelnen Muskeln kann hier nicht noch einmal berücksichtigt werden.
35) M. abductor pollicis brevis (S. 40), „erregbar nahe
dem radialen Rande des Daumenballens, proximal, d. h. er ist näher
dem Handgelenke als dem Metacarpophalangealgelenke zu isolieren."
36) M. flexor pollicis brevis (S. 40). „Seine äußere Portion
[das Caput superficiale der Anatomen] ist auf dem Daumenballen nahe
der Handwurzel bei schlaffer Haltung leicht zu erregen."
37) M. 0 p p 0 n e n s pollicis. Für diesen Muskel gelten die vor-
hergehenden Bemerkungen.
38) M. adductor pollicis (S. 40). „Er ist entweder mit dem
M. interosseus [dorsalis] primus gemeinsam erregbar (s. unten) oder
auch, aber nicht regelmäßig, in der Handfläche, ulnarwärts vom Daumen-
ballen, etwa über der Mitte des Zeigefinger-Metacarpus. Er bewirkt,
gemeinsam mit der inneren Portion des M. flexor brevis, Beugung der
1., Streckung der 2. Daumenphalanx und Ab- resp. Adduktion."
Gerade beim Daumenballen kann der wichtige Unterschied in
der Innervation nicht genügend hervorgehoben werden: die Ver-
sorgung der oberflächlichen Schicht am distalen Rande des Lig. carpi
transversum durch einen dicken rückläufigen motorischen Zweig des
N. medianus, welcher die M. abductor, flexor brevis (caput super-
ficiale) und opponens versorgt, und den R. profundus n. ulnaris,
welcher den M. adductor und das Caput profundum des M. flexor
brevis pollicis unter sich hat. Der erwähnte Zweig des N. medianus
kann unter Umständen bis zu einer Strecke von 1 cm Länge direkt
gereizt werden, wodurch natürlich eine Zuckung in der gesamten ver-
sorgten Muskulatur ausgelöst wird. Die einzelnen Muskeln haben
keine besonderen Punkte, und es muß die Elektrode auf die Mus-
kulatur aufgesetzt werden. Dies macht nur bei dem M. opponens
Schwierigkeiten, jedoch ist es oft ziemlich leicht möglich, die Muskel-
reizung durchzuführen, wenn man die Elektrode in der Mitte des
Os metacarpale I genau am radialen Rande der Hand einsetzt, sie
hart am Knochen entlang in die Vola hineinpreßt und dabei den
M. abductor brevis ulnarwärts zur Seite schiebt.
Der M. adductor pollicis ist nur der Muskelreizung zugängig, es
sei denn, daß man von der Nervenreizung absieht, welche den ganzen
N. ulnaris oder leichter den R. profundus betrifft. Wo sein Muskel-
bauch oberflächlich gelagert ist, also beim Uebergange des Daumens
in den Zeigefinger bis zur queren Hohlhandfurche, ist er reizbar. Die
anatomische Bedeutung der Anastomose zwischen den N. medianus
und ulnaris ist von uns wohl ausführlich genug beschrieben worden.
Bernhardt ^), welcher die damaligen Präparate von Frohse in xlugen-
schein genommen hat, hat bereits 1897 auf die praktische Bedeutung
hingewiesen. In normalen Fällen wird die Wichtigkeit dieser Ana-
1) M. Bernhardt, Beitrage zur Pathologie der MedianusIähmuDgen. Neurol.
Centralbl., 1897, No. 14, S. 626-631.
409
410 FROHSE und M. FRXNKEL,
stomose wohl kaum isoliert zu erkennen sein, weil die Reizung so-
wohl des N. medianus als auch des N. ulnaris die Adduktion des
Daumens bewirkt, welche beim N. medianus durch die gemeinschaft-
liche Kontraktion des M. opponens und Caput superficiale des
M. flexor brevis hervorgerufen wird. In pathologischen Fällen dürfte
jedoch der elektrische Strom die regelmäßigen, mitunter sogar drei-
fach vorhandenen Verbindungswege zwischen den beiden Nerven ohne
weiteres ausnützen, ohne daß man indirekte Stromschleifen zur Er-
klärung heranzuziehen braucht.
39) M. palmaris brevis ist nicht einzeln aufgeführt; „wird
wie die Muskeln des Kleinfingerballens an der Wurzel des Hypothenar
erregt."
40 — 42) Die M. abductor, flexor brevis und opponens
digiti quinti „rufen die im Namen ausgedrückten Wirkungen her-
vor, sind aber gewöhnlich bis auf den M. abductor nicht isolierbar."
Da viele Menschen ihren M. palmaris brevis willkürlich zusammen-
ziehen können und dabei die bekannten Grübchen am ulnaren Rande
des Hypothenar hervorrufen, muß bei diesen vor allen und auch bei
anderen Personen eine isolierte Reizung möglich sein, welche sich
in der Tat durch ganz leichten Druck auf den Muskel auslösen läßt.
Daß der M. abductor digiti V sich leicht isolieren läßt, jedoch nicht
allein in der Gegend des Os pisiforme, sondern auch in den proxi-
malen zwei Dritteln des Os metacarpale V, ist leicht zu erkennen. Für
den M. opponens sei dasselbe erwähnt, wie es beim M. opponens
poUicis beschrieben ist. Der M. flexor brevis digiti quinti, ein un-
bedeutender, selbst fehlender Muskel, dürfte kaum in klarer Weise
isoliert werden können. Bei sämtlichen Muskeln des Kleinfinger-
ballens handelt es sich um direkte Muskelreizung oder um eine Rei-
zung des gesamten N. ulnaris bezw. seines R. profundus. Nennens-
werte extramuskuläre Zweige kommen an der Oberfläche nicht vor.
43 — 50) M. interossei (S. 40 u. 41), „sehr wichtige Muskeln,
welche gewöhnlich mit den M. lumbricales gemeinsam geprüft werden.
Die erregbarsten Punkte liegen an der Dorsalseite der Hand, ziem-
lich weit proximal (schulterwärts) in den Interossealräumen. Man
muß die Ektrode mitunter etwas aufdrücken, um sie zu erregen, und
muß darauf achten, daß sie schlaff sind. Die geprüfte Hand hänge
mit der Palma nach unten über eine Unterlage, oder der Arzt stütze
sie mit seiner eigenen Hand leicht am Carpus oder lasse sie mit der
Palma auf seinen Fingern aufruhen, während die Finger des Patienten
lose, am besten leicht voneinander getrennt, herunterhängen. Rei-
zung in jedem Interossealraum bewirkt: 1) Näherung der beiden
Finger, zwischen denen er liegt; 2) Beugung ihrer ersten Phalanx
und Streckung ihrer beiden letzten Phalangen i). Bei Anwendung
starker Ströme (die z. B. bei atrophischen Zuständen notwendig ist,
um Erloschensein der Erregbarkeit ausschließen zu können) täuschen
leicht Stromschleifen auf die langen Fingerbeuger oder -Strecker eine
Interosseuswirkung vor. Der Anfänger hüte sich davor und achte
immer darauf, ob auch wirklich die erste Phalanx gebeugt und die
1) Da bei Lähmung der Interossei (ülnarislähmune) die Antagonisten über-
wiegen, tritt Ueberstreckung der ersten und Beugung der letzten Phalangen (Klauen-
hand) ein.
410
Neurologische Bemerkungen. 411
beiden letzten gestreckt werden. Von der Vola aus sind einzelne
Interossei volares und lumbricales oft isoliert erregbar."
Bei den M. interossei muß ebenfalls die Nerven- und Muskel-
reizung unterschieden werden. Die erstere ist nur am Stamme oder
dem R. profundus des N. ulnaris an der bekannten Stelle möglich.
Die Muskelreizung läßt sich bei sämtlichen M. interossei dorsales
ausführen, am besten an der Basis eines Zwischenknochenraumes,
also sehr weit proximal, wo die Strecksehnen durch leichten Druck
der Elektrode zur Seite geschoben werden können. Aber noch bis
in die Nähe der Capitula ossium metacarpalium ist eine Reizung dieser
Muskeln möglich, wobei auch noch die M. interossei volares erreicht
werden können. Eine isolierte Reizung eines M. interosseus volar is
von der Vola her gelang uns nur beim M. interosseus volaris IV,
d. h. desjenigen Muskels, welcher den Kleinfinger zur Handachse
bewegt.
Nervenreizungs punkte.
N. suprascapularis. Gerade der N. suprascapularis hat von
allen Teilen des Plexus brachialis die am meisten isolierte Lage als
ein dicker, zuerst bei der Präparation von vorn her zu Tage tretender
Stamm. Seine isolierte Reizung dürfte viel öfter in Erscheinung treten,
als für gewöhnlich angegeben wird. Wir haben bei der physiologischen
Besprechung auf die Wirkung der von ihm versorgten Muskeln hin-
gewiesen, daß er nämlich durch den M. supraspinatus den Arm nach
außen hebt, d. h. abduziert, durch den M. infraspinatus nach außen
rotiert. Da die Abduktion nicht allein vom M. deltoideus, sondern
auch vom M. supraspinatus ausgeführt wird, glauben wir, daß bei der
versteckten Lage des Ursprunges des N. axillaris der erregijare Nerven-
punkt des M. deltoideus viel häufiger als der des N. suprascapularis
(M. supraspinatus) aufzufassen ist.
N. musculocutaneus (S. 40). Er wird nebenbei beim N. me-
dianus erwähnt, von dem hier gesagt wird, daß er im ganzen Sulcus
bicipitalis internus gereizt werden kann, dort aber seine Wirkung oft
unrein ist, nämlich Ulnaris- und Musculocutaneus-Wirkungen dabei.
Eine isolierte Reizung desselben dürfte wohl möglich sein, wenn
man die „Unterminierung" des Biceps mit der Elektrode nicht von
der Innen-, sondern von der äußeren lateralen Seite aus vornimmt.
N. medianus (S. 40). „Man reizt ihn am häufigsten 1) in der
Mitte der Ellenbogenbeuge, meist direkt über dem Oberrand des
Lacertus fibrosus. Auch im ganzen Sulcus bicipitalis internus kann
man ihn reizen, dort ist aber seine Wirkung oft unrein (nämlich Ul-
naris- und Musculocutaneus-Wirkungen dabei). Der Reizefi'ekt besteht
in einer Kontraktion der sämtlichen Hand- und Fingerbeuger, der
Pronatoren und der Muskeln des Daumenballens : kräftige, gewöhnlich
mit einem Ruck eintretende Hand- und Fingerbeugung, vollkommene
Pronation des Vorderarms und Opposition des Daumens. Man wende
leichten Druck der Elektrode an und halte den Arm des Patienten
im Ellenbogen gebeugt, mit der Palma nach oben sehend. Die sehr
starke, bei Trefien des Nervenpunktes eintretende Pronation läßt oft
die Kontraktion der Daumenballenmuskeln nicht erkennen ; man muß
dieselbe aber dann sehen, wenn man die Pronation durch Widerstand
verhindert.
4"
412 FROHSE und M. FRÄNKEL,
2) In seinem Verlaufe in der Mitte der Vorderarmbeugeseite ist
der N. medianus mehrfach zu erregen; am besten und gewöhnlich
ohne jeden Druck direkt über der Mitte des Handgelenkes zwischen
den beiden dort vorspringenden Sehnen des M. flexor carpi radialis
und des M. palmaris longus, oder auch am ulnaren Rande der Sehne
des letzteren. Wirkung : Opposition des Daumens (eventueU Kontrak-
tion der Lumbricales)."
Bei der Wichtigkeit der Lage des N. medianus proximal vom Hand-
gelenke haben wir zwei Abbildungen der äußeren Form dieser Gegend
beigegeben (s. S. 14). Diese stellen Photographien von Gipsabgüssen
dar, welche in den entsprechenden Haltungen des linken Handgelenkes
von Frohse ausgeführt sind. Bei Handgelenks- und Fingerbeugung
springt nämlich der N. medianus als schräger Wulst neben der Sehne
des M. flexor carpi radialis hervor. Wenn, wie in diesem Falle, der
M. palmaris longus vollkommen fehlt, so ist das Erkennen des Nerven
viel leichter, als wenn die Sehne vorhanden ist. Man kann sich aber
auch dann durch Palpation, durch das Kribbelgefühl überzeugen, daß
der N. medianus bei Fingerbeugung eine oberflächliche Lagerung über
dem M. flexor digitorum sublimis (Caput III) gewinnt, während bei
Dorsalflexion der Hand und bei Fingerstreckung er wieder unter
diesen Muskel herunterrutscht. Gleichzeitig ist bei dieser Haltung
der N. ulnaris viel bequemer zu reizen, als in der vorher erwähnten
Flexionsstellung. •
N. ulnaris (S. 39 u. 40). 1) „In der Fossa ulnaris innen vom
Olecranon. Der Arm des Patienten stehe bei Reizung dieses Nerven
in der Schulter gehoben, im Ellbogen halb gebeugt, die Hand mit der
Palma schlaft' nach unten hängend. Wirkung: Kontraktion der M,
interossei, des M. adductor poUicis, des M. flexor carpi ulnaris und
eines Teiles des tiefen Fingerbeugers. Man sieht also: eine Ulnar-
wärtsbeugung des Handgelenkes, eine vollkommene Beugung der
zwei oder drei letzten Finger (die Beugung der 2. und 3. Mittel-
fingerphalanx ist meist nicht vollständig), eine Adduktion des Zeige-
fingers an den Mittelfinger und des Daumens an den Zeigefinger;
dabei steht der Daumen gestreckt, ebenso meist die beiden letzten
Zeigefingerphalangen. Die Stellung bei Ulnarisreizung , die meist
typisch ist, ist namentlich an der Haltung des Daumens und Zeige-
fingers zu erkennen und von anderen ReizelFekten zu unterscheiden.
Auch am Oberarme, im oberen Teile im Sulcus bicipitalis internus,
im unteren Teile mehr medial davon, ist der Nerv gut und leicht
erregbar.
2) Der untere Teil des Nerven ist dicht über dem Handgelenk
an dessen ulnarer Seite zu erregen, wenn man die Elektrode oberhalb
des Erbsenbeines eindrückt. Man erhält von dort nur die Adductor-
poUicis- und die Interosseus- Wirkung : Adduktion aller Finger an-
einander, Beugung ihrer ersten, Streckung ihrer letzten Phalangen."
Beim N. ulnaris sei für die Streckseite des Ellenbogengelenkes
noch einmal darauf hingewiesen, daß er sich mit zunehmender Beugung
des Vorderarmes immer mehr gegen den Epicondylus medialis wendet,
also oberflächlicher und damit der elektrischen Reizung leichter zu-
gängig wird. Die vorkommende „Luxation" um den Epicondylus
herum auf die Beugeseite hin sei hiermit nochmals erwähnt.
N. r a d i a 1 i s (S. 38 u. 39). „An seiner Umschlagsstelle an der Außen-
seite des Oberarmes, in der Mitte zwischen Ansatzpunkt des M. deltoideus
412
Neurologische Bemerkungen. 413
und Epicondylus lateralis humeri. An dieser Stelle oder auch etwas nach
vorn davon setze man, indem man mit einer Hand den Arm gehoben
und im Ellbogen leicht gebeugt unterstützt, mit der anderen die Reiz-
elektrode mit festem Drucke am vorderen (lateralen) Tricepsrande in
die Tiefe.
Gewöhnlich muß man dabei den Druck der Elektrode etwas mehr
nach vorn, seltener etwas mehr nach hinten richten; am besten tut man,
wenn man sie direkt über die Stelle setzt, an welcher man durch vor-
hergehendes , vorsichtiges Palpieren den obersten Punkt des Brachio-
radialis-ürsprunges am Humerus gefühlt hat. — Bei stärkeren Strömen
oder Verschiebungen der Elektrode nach vorn oder hinten treten leicht
Kontraktionen des sehr erregbaren Biceps oder des Triceps ein, die alle
übrigen Wirkungen verdecken.
Wirkung: Kontraktion der Streckmuskeln der Hand und der
Finger (des M. supinator brevis und des M. brachioradialis nicht ganz
regelmäßig) ; also Streckung der Hand und der Finger, eventuell auch
Ellenbogenbeugung. Zu beachten ist: 1) daß der N. radialis für die
Kathode des galvanischen Stromes sowie auch für die Kathode des
faradischen (Oeffnungs-)Stromes gewöhnlich viel leichter erregbar
ist, als für die Anode, und für den faradischen Strom überhaupt schwerer
als für den galvanischen. 2) Beim faradischen Strom, besonders bei
einigermaßen starken Strömen, hält die Zuckung im Radialisgebiet
nicht während der ganzen Dauer des Stromschlusses an, sondern ist
meistens nur vorübergehend sichtbar. Das kommt daher, daß der er-
regbarste Punkt des Nerven einem motorischen Tricepspunkte be-
nachbart ist, und daß durch den sich kontrahierenden Triceps die
Elektrode aus der Tiefe herausgeschleudert und dadurch vom Nerven
entfernt wird. — Besonders bei Reizung dieses praktisch wichtigen
Nervenpunktes sehe man sich vor, sich nicht mit der eigenen Hand
die Wirkung der elektrischen Reizung zu verdecken, ein Fehler, in
den Anfänger sehr häufig verfallen i)."
Der günstigste Reizungspunkt, welcher auch für die chirurgische
Aufsuchung des N. radialis von Wichtigkeit ist, liegt nach Frohse
nicht in der Mitte zwischen dem Ansätze des M. deltoideus an der
Tuberositas deltoidea und dem Epicondylus lateralis, sondern an der
Grenze des oberen und des mittleren Drittels der angegebenen Ver-
bindungslinie. Ein Palpieren des oberen Randes des M. brachio-
radialis halten wir bei dessen keilartiger Beschalfenheit und auch wegen
der Varietäten für sehr schwer und nicht empfehlenswert. Was nun
die Wirkung anbelangt, so muß eine Reizung an dem von Frohse
empfohlenen Punkte eine Beugung im Ellenbogengelenke auslösen,
da der nur vom N. radialis versorgte M. brachioradialis nach unserer
Auffassung ausschließlich ein Beuger, und zwar ein sehr kräftiger,
zwischen Vorderarm und Oberarm ist. Außerdem wird ja nach den
Untersuchungen von anderen und uns der M. brachialis in seinem
lateralen TeUe oft in sehr beträchtlicher Weise vom N. radialis ver-
sorgt. Eine Wirkung auf den M. biceps nach vom oder auf den M.
triceps nach hinten halten wir nur für möglich: entweder bei nicht
richtigem Aufsetzen der Elektrode zu weit nach vorn oder hinten,
1) Der Radialis ist auch ganz oben im hintersten Teile der Achselhöhle zu
reizen, aber gewöhnUch nicht gut vom Axillaris zu trennen.
4J3
414 FROHSE und M. FRÄNKEL, Neurologische Bemerkungen.
oder durch rückläufig-e Stromschleifen in der Bahn der Anastomose,
welche wir zwischen den N. radialis und musculocutaneus beschrieben
haben. Eine Beugewirkung- an der Umschlagsstelle des N.
radialis hat anatomisch nichts Auifälliges. Will man diese jedoch
ausschalten oder herabsetzen, dann empfiehlt sich der von T. Cohn
empfohlene Punkt in der Mitte zwischen Tuberositas deltoidea und
Epicondylus lateralis oder sogar noch weiter distal gegen das Ellen-
bogengelenk hin, weil der distale Nervenreiz dann erst mit dem M.
extensor carpi radialis longus einsetzt und weiterhin die gesamte
Streckmuskulatur des Vorderarmes zur Zuckung bringt, und so die
eventuell noch durch den unteren Abschnitt des M. brachioradialis er-
zeugte Beugewirkung kompensiert wird.
Auf Wunsch des Herausgebers soll das alphabetische Sach- und
Namenregister nur einmal, nämlich erst am Schlüsse des auch von
uns zu liefernden Abschnittes über die Muskeln des menschlichen
Beines stehen. Als Ersatz haben wir bei den Armmuskeln ein aus-
führliches tabellarisches Inhalts- und Figurenverzeichnis gegeben.
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 3342-
{-
Handbuch
der Anatomie des Mensehen
in acht Bänden.
In Verbindung mit
Privatdozent Dr. Paul Bartels in Königsberg, Prof. Dr. Ivar Broman in Lund,
weiland Prof. Dr. A. von Brunn in Rostock, weiland Prof. Dr. J. Dissb in
Marburg, Prof. Dr. Ebeeth in Halle, Prof. Dr. Eislbr in Halle, Prof.
Dr. Pick in Innsbruck, Dr. M. Fränkel in Berlin, Dr. Fritz Fbohse in
Berlin, Prof. Dr. M. Heidenhain in Tübingen, Prof. Dr. M. Holl in Graz,
Prof. Dr. Kallius in Greifswald, weiland Prof. Dr. W. Krause in Berlin,
Prof. Dr. F. Merkel in Göttingen, Prof. Dr. W. Nagel in Berlin, Prof.
Dr. G. Schwalbe in Straßburg, Prof. Dr. Siebenmann in Basel, Prof.
Dr. J. Sobotta in Würzburg, Prof. Dr. F. Graf Spbb in Kiel, Prof.
Dr. Tandler in Wien, Prof. Dr. Zander in Königsberg, Prof. Dr.
Ziehen in Wiesbaden
herausgegeben von
Prof. Dr. Karl von Bardeleben
in Jena
Zweiter Band. Zweite Abteilung. Zweiter Teil. B.
Bänder, Gelenke und Muskeln
Bearbeitet von
Prof. Dr. R. Fick Prof. Dr. Bisler
in Innsbruck in Halle
Dr. Fritz Frohse Dr. Max Fränkel
in Berlin in Berlin
Zweite Abteilung. Zweiter Teil:
B: Die Muskeln des menschlichen Beines
Von
Dr. Fritz Frohse und Dr. Max Fränkei
in Berlin in Berlin
Mit 56 meist farbigen Abbildungen im Text
Jena
Verlag von Gustav Fischer
1913
(((-
DIE MUSKELN
DES
MENSCHLICHEN BEINES
VON
Dr. FRITZ FROHSE und Dr. MAX FRÄNKEL
MIT 56 MEIST FARBIGEN ABBILDUNGEN IM TEXT
JENA
VERLAG VON GUSTAV FISCHER
1913
Alle Rechte vorbehalten.
Herrn Professor Dr. W. Waldeyer
in Dankbarkeit und Verehrung
gewidmet.
^ VII -
Vorwort und Einleitung.
Der 1908 erschienenen Abteilung „Die Muskeln des menschlichen
Armes" folgt jetzt unsere Darstellung über die Muskeln des mensch-
lichen Beines. Die Gesichtspunkte, welche uns bei dem Arme geleitet
haben, sind auch im großen und ganzen für das Bein maßgebend
gewesen. Jedoch haben wir allen Referaten Rechnung getragen und
besonders denjenigen, welche Verkürzung oder Erweiterung dieses oder
jenes Abschnittes wünschten: die von uns in 11 Punkten gegebene Er-
klärung hat bei 1) deskriptiver Anatomie, 2) eine allgemeine Darstellung
für den Anfänger, 5) plastische Anatomie, Anatomie am Lebenden für
Mediziner und Künstler, 7) vergleichende Anatomie keinerlei Verände-
rungen gefunden; eine Einschränkung haben erfahren 3) Beziehungen
der Beinmuskeln zum Skelete, indem wir auf eine bildliche Wiedergabe
der Knochen verzichtet haben, an denen systematisch der meist lineare
sehnige Ursprung blau, der meist flächenartig muskulöse rot anzu-
geben wäre ; 4) die Sehnenscheiden des Fußes sind nach allgemeinen
Gesichtspunkten zusammengestellt, ohne tabellarische Angabe der
einzelneu Befunde. 8) Bei den physiologischen Betrachtungen ist das
Mittelgewicht zwischen zwei muskelstarken Männer- und zwei muskel-
schwachen Frauenbeinen beider Individuen nicht herausgerechnet
worden, dagegen das Ueberwiegen und die vollkommene Gleich-
wertigkeit der sonst schwächer entwickelten weiblichen Beine an
bestimmten Muskelgruppen nachgewiesen worden, welche für die
Aufrichtung des Körpers in Frage kommen (M. glutaeus maximus,
biceps femoris, gastrocnemius). 9) Die neurologischen und elektro-
physiologischen Betrachtungen haben wir nach unseren Präparaten
bildlich dargestellt, die klinische Verwertbarkeit zusammen mit
T. CoHN am Lebenden am Abschlüsse der Arbeit im Juni 1912
nochmals als praktisch verwendbar befunden und konnten, weil Cohn
in seiner dritten Auflage unseren gemeinschaftlichen Untersuchungen
durchweg gefolgt ist, auch keinen erheblichen Widerspruch erheben.
Ebenso haben wir nach der Uebereinstimmung unserer anatomischen
Ergebnisse mit der Erfahrung eines modernen Praktikers darauf
Verzicht leisten können, die klinischen Studien des Werkes von
Duchenne, welches vor etwa einem halben Jahrhundert in Paris
VIII — FROHSE und M. FRÄNKEL, Vorwort und Einleitung.
1866 zum Abschlüsse gelangt ist, kritisch zu beleuchten. Jedoch sei
auf unsere neuen, den Kollegen T. Cohn überraschenden, aber äußerst
willkommenen elektrischen Befunde, welche die M. extensores hallucis
et digitorum brevis betreffen, bereits in der Einleitung hingewiesen.
10) und 11) Die orthopädischen und chirurgischen Betrachtungen sind
nur im „allgemeinen Teile" berücksichtigt. In besonderer Weise haben
wir die Varietäten dargestellt, nicht in der systematischen Weise an
der Endbeschreibung jedes einzelnen Muskels, sondern zusammen-
fassend in einem besonderen Abschnitte, und hierbei die in Rauber-
KopscH angegebenen Varietäten in erster Linie berücksichtigt, außer-
dem aber die beiden Varietätenbücher der Berliner Anatomie (Varie-
tates berolinenses = V. B.) durchgesehen, wofür wir dem Direktor
des Institutes, Herrn Waldeyer, danken. Als Neuerungen sind zu
erwähnen 12) unsere Mitteilung über den Tractus iliotibialis, welche
als Festgabe zum 50-jährigen Doktorjubiläum des Geheimrates Prof.
W. Waldeyer im Archive für Anatomie und Physiologie (Anat. Abt.,
1910) erschienen ist. 13) Im gleichen Jahre ist dort auch unsere Mit-
teilung über die Finger und Zehen bei Neugeborenen und Erwachsenen
veröffentlicht, eine zweite Monographie, welche wir hier nicht wieder-
geben konnten, weil hierbei auch die oberen Extremitäten in Frage
kommen. 14) Vollkommen neu ist der (für beide Extremitäten an-
gegebene) Index mit A. für den Arm, mit B. für das Bein, ver-
schiedentlich kommt auch im Armteile der Buchstabe B. vor und auch
umgekehrt, sowie das vorgestellte Register der von uns bei Arm und
Bein gebrauchten neuen Namen.
Die Abbildungen sind Originalzeichnungen des einen Autors und
deshalb mit Dr. Frohse signiert, um ihn von seinem Bruder, dem
Kunstmaler Franz Frohse, zu unterscheiden, oder mit Gebr. Frohse,
wenn die betreffende Abbildung in gemeinschaftlicher Arbeit ent-
standen war.
Die mustergültigen Abbildungen des FAuschen Atlas haben als
Grundlage für die äußere Form und das Oberflächen bild der Musku-
latur gedient, welch letzteres für die neurologische Betrachtung von
Wichtigkeit ist.
Wir danken Herrn WALDEYER-Berlin für die Ueberlassung des
reichlichen Materiales. Ebenso hat sich der Verlag G. Fischer in
Jena um die Ausstattung des Buches sehr verdient gemacht; des-
gleichen die mit den Reproduktionen der Originale beauftragte Kunst-
anstalt von E. Schreiber in Stuttgart und die Druckerei von H. Pohle
in Jena.
Berlin, im März 1913.
Die Verfasser.
- ly
Inhalt.
Seite
Widmung V
Vorwort und Einleitung VII — VIII
Figurenverzeichnis XI — XII
Neue Bezeichnungen XIII
Abkürzungen XIV
A. Allgemeiner Teil 415—442 (1)
I. Aeußere Form 415—439 (1)
II. Einteilung der Beinmuskeln 439—442 (25)
B. Spezieller Teil 443—619 (29)
I. Hüftmuskeln 443—502 (29
Allgemeines 443 (29'
M. quadratus lumborum 443 — 445 (29
M. iliopsoas 445_447 (31
M. psoas minor 453 — 454 (39'
M. glutaeus maximus 454 — 465 (40'
M. glutaeus medius 465—471 (51
M. glutaeus minimus 471 — 474 (57
M. tensor fasciae latae (M. glutaeus anterior nobisj . 474 — 475 (60
Tractus Uiotibialis 476—485 (62'
M. piriformis 485—488 (71
M. obturator internus 488 — 493 (74
M. gemelli 494—495 (80
M. quadratus femoris 495 — 497 (81
M. obturator externus 497—502 (83'
II. Oberschenkelmuskeln 502 — 543
Allgemeines 502—503
M. sartorius 503—507
M. triceps femoris (nobis) 507—508 (93'
Adductorengruppe 520 — 522 (106'
M. pectineus 522—524 (108*
M. adductor longus 524—525 (110*
M. gracilis 525—526 (lll'
M. adductor magnus 526—528 (112)
M. adductor brevis 528—529 (114)
M. adductor minimus 529—533 (115)
M. semitendinosus 533 — 534 (119)
M. biceps femoris 534—536 (120)
M. semimembranosus 536—542 (122)
Pes anserinus 542—543 (128)
III. Unterschenkelmuskeln 543—579 (129
Allgemeines 543—544 (129*
M. tibialis anterior 544—548 (130;
M. extensor digitorum longus 548—551 (134
M. extensor hallucis longus 551—552 (137
M. peronaeus longus 553—555 (139
M. peronaeus brevis 555—556 (141
M. gastrocneraius 557—561 (143'
M. plantaris 561—564 (147
y— X — ■ FROHSE und M. FRÄNKEL, Inhalt.
Seite
M. soleus 564—569 (150)
M. popliteus 569—573 (155)
M. ilexor digitorum longus 573 — 574 (159)
M. tibialis posterior 575 — 576 (161)
M. flexor hallucis longus 576—579 (162)
IV. Fußmuskeln 579—619 (165)
Allgemeines 579 (165)
Aponeurosis plantaris 579—581 (165)
Muskelgruppen der Palma und Planta 581—583 (167)
M. flexor digitorum brevis 584—585 (170)
M. quadratus plantae 585—586 (171)
M. lumbricales 586—587 (172)
M. abductor hallucis 587—589 (173)
M. flexor hallucis brevis 589—591 (175)
M. adductor hallucis 591—599 (177)
M. abductor digiti quinti 601—606 (187)
M. flexor digiti quinti brevis 606 (192)
M. opponens digiti quinti 606—607 (192)
M. interossei pedis 607—609 (193)
M. interossei dorsales 609—612 (195)
M. interossei plantares 612—613 (198)
Unsere Präparationsmethode 614—615 (200)
M. extensor brevis digitorum et hallucis ... 615 — 617 (201)
Aponeurosis dorsalis digitorum pedis . . . . 617 — 619 (203)
C. Anhang 619—682 (205)
I. Fascien 619—633 (205)
Allgemeines 619 (205)
Fasciae coxae 619—622 (205)
Fascia femoris s. lata 623 (209)
Fascia cruris 624—628 (210)
Fasciae pedis 628 (214J
Logen am Oberschenkel (Angiotopie und Neurotopie) . 628 — 633 (214)
II. Sehnenscheiden und Schleimbeutel des Fußes .... 633—637 (219)
A. Länge und Lage der Sehnenscheiden 633 — 635 (219)
B. Inhalt der Sehnenscheiden 635—637 (221)
a. Vincula tendinum 635—636 221)
b. Mesotendinea 636—637 222)
ni. Muskelbündellänge (mit Tabellen) 637—641 223)
IV. Muskelgewichte (mit Tabellen) 642—644 228)
V. Varietäten 644—654 (230)
VI. Neurologische Bemerkungen 652—674 (238)
A. Segmentbezüge 652—656 (238)
B. Durchbohrung der Beinmuskeln durch die Nerven 656 — 657 (242)
C. Die doppelt innervierten Beinmuskeln .... 657 — 658 (243)
D. Elektrotherapeutische Bemerkungen 658 — 674 (244)
VII. Physiologische Bemerkungen 674—682 260)
A. Lendenwirbelsäulen- und Beckenbewegungen . . 674 — 675 (260)
B. Hüftbewegungen 675 (261)
C. Kniebewegungen 675—676 261)
D. Fußbewegungen 676—679 (262)
E. Zehenbewegungen 679—682 (265)
- )(^
Figurenverzeichnis.
Die Abbildungen, hinter deren fortlaufender Nummer keine kleine Zahl steht, sind
von dem einen Autor Dr. Fritz Fkohse allein angefertigt ; die mit kleinen Ziffern
besonders bezeichneten gemeinschaftlich mit seinem Bruder, dem Kunstmaler Franz
Frohse, und mit der Signatur: Gebr.(üder) Frohse versehen; wenn letzterer die
Zeichnung allein angefertigt hat, mit Franz Frohse.
No.
Bezeichnung
Größe
Seitenzahl
1
Bein von vorn, Hautbild.
Vs
418
(4)
2
Bein von vorn, Muskelbild.
V
418
4;
3
Bein von hinten, Hautbild.
V
419
4
Bein von hinten, Muskelbild.
'll
419
(5
5
Bein von innen bei Streckstellung, Hautbild.
V
422
(81
6
Bein von innen bei Streckstellung, Muskelbild.
'Is
423
(9
7
Bein von außen, Hautbild.
Vs
424
(10
8
Bein von außen, MuskelbUd.
Vb
425
11
9
Bein von innen bei Beugestellung, Hautbild.
V
428
14
10
Bein von innen bei Beugestellung, Muskelbild.
'U
429
15)
11
Planta pedis bei Zehenbeugung.
V4
433
19
12
Planta pedis bei Zehenstreckung.
V4
433
19
13
Tiefe Bauchmuskeln, topographisch, Muskel- und
Nervenbild.
\'.
448
(34)
14
M. glutaeus maximus, topographisch, mit projiziertem
Nervenbilde.
'U
462
(48)
15
Mittlere Schicht der Gesäßgegend, Muskel- und Nerven-
bild, topographisch.
Tiefe Schicht der Gesäßgegend, Muskel- und Nerven-
'U
469
(55)
16
V2
473
(59)
bild, topographisch.
17
M. obturator internus, Nervenbüd, topographisch
(Medianschnitt eines männlichen Beckens mit Ge-
fäßen und Nerven).
V.
490
(76)
18
Medianschnitt eines männlichen Beckens bei normaler
Haltung.
*u
493
(79)
19
M. obturator externus mit Umgebung, Nervenbild,
topographisch.
Vs
500
(86)
20
M. sartorius, Nervenbild, systematisch.
V3
507
^)
21
M. rectus femoris, Nervenbild, systematisch.
Vorderseite des Oberschenkels, M. vasti, adductor brevis
vi
511
22
Va
518
(iW)
und gracilis, Nervenbild, systematisch.
23
M. adductor longus, Nervenbild, systematisch.
Vs
525
[na!
•24
M. adductor magnus und minimus, Muskel- und
'U
530
Nervenbild, topographisch.
25
Flexorengruppe am Oberschenkel, Nervenbild, syste-
matisch.
Extensorengruppe und M. peronaeus brevis am Unter-
schenkel, Muskel- und Nervenbild.
V2
540
(126)
26
V2
546
(132)
27
M. peronaeus longus und extensor digitorum longus
peronaeus tertius, Muskel- und Nervenbild.
V,
550
(136)
28^)
M. gastrocnemius dexter, Nervenbild der Facies pro-
funda.
V»
560
(146)
^ XII-
FROHSE und M. FRÄNKEL, Figuienverzeichnis.
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
56
M. soleus sinister, Nervenbild der Facies profunda.
M. popliteus, Nervenbild und Umgebung.
Kückseite des Unterschenkels, tiefe Schicht; Nerven-
bild, systematisch.
Aponeurosis plantaris, topographisch.
Fußsohle, n. Schicht.
Fußsohle, III. Schicht.
Fußsohle, IV. Schicht.
Fußsohle, V. Schicht.
Mediale Seite des Fußes, topographisch.
Dorsum pedis, tiefe Schicht; Muskeln, Nerven und
Schleimbeutel.
Lig. cruciatum, OberflächenbUd.
Lig. cruciatum, tiefes Bild.
Querschnitt des rechten Unterschenkels, Grenze des
oberen Drittels.
Querschnitt des rechten Unterschenkels, nahe dem Fuß-
gelenke.
Innervierung der Haut und der Muskeln der unteren
Extremität nach den Eückenmarksegmenten. Vorder-
seite.
Innervierung der Haut und der Muskeln der unteren
Extremität nach den Eückenmarksegmenten. Rück-
seite.
Eeizungspunkte der Beinmuskeln und -nerven, Vorder-
seite, nach ToBY Cohn.
Eeizungspunkte der Beinmuskeln und -nerven, Eück-
seite, nach Toby Cohn.
Eeizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach
eigenen Untersuchungen, auf die Haut projiziert, j
Vorderseite.
Bein von vorn, Muskelbild.
Eeizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach
eigenen Untersuchungen, auf die Haut projiziert,
Eückseite.
Bein von hinten, Muskelbüd.
Eeizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach
eigenen Untersuchungen, auf die Haut projiziert,
Innenseite bei Streckung.
Bein von innen bei Streckstellung, Muskelbüd.
Eeizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach
eigenen Untersuchungen, auf die Haut projiziert,
Außenseite.
Bein von außen, Muskelbild.
Eeizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach
eigenen Untersuchungen, auf die Haut projiziert,
Innenseite bei Beugung.
Bein von innen bei Beugestellung, Muskelbüd.
v»
Vi
Vs
/lO
v:
Vi
Vs
V5
Vi
Vi
Vi
568
571
578
582
592
594
596
597
604
(168)
178
180
182)
183)
190)
194
611 (197)
611 197)
626 (212)
626 (212)
654 (240)
655 (241)
Va
660 (246)
V5
661 (247)
V5
662 (248)
\
663 (249)
664 (250)
\
665 (251)
666 (252)
V5
V5
667 (253)
668 (254)
\
669 (255)
670 (256)
671 (257)
^ Xin
Von uns vorgeschlagene neue Namen
(im Register mit angeführt).
Achselrinne.
Achselspalt.
Achsel willst.
Angiotopie.
Aponeuroses intermuscu-
lares.
Arcus fibrosus pollicis et
indicis.
Bursa subabduetoria car-
palis.
digiti quinti.
hfOlucis.
profunda.
— — radialis.
— subcoraeoidea.
— subcuboidea lateralis.
— subcutanea abductoria.
capituli ulnae.
supracalcanea.
ulnaris dorsalis.
— subfascialis capituli
ulnae.
— subligamentosam.semi-
membranosi.
Canalis cubitalis n. ulnaris.
— supinatorius.
— ulnaris.
Confluens venarum.
Corpus (ora) adiposum
coxae.
hypothenaris pro-
fundum.
Corpus adiposum inter-
digitalia.
plantae.
subscapulare.
suprascapulare.
Fasciculus longitudinalis
radialis.
Flexor-Supinator (Biceps).
Foramen intrapiriforme.
Lacertus fibrosus m. tri-
cipitis.
Ligamentum calcaneo-
metataxsale (laterale).
— intersesamoideum.
— palmae transversum
superficiale.
— tripartitum pedis.
Linea axialis manus.
Musculus abductor carpi.
coxae tibialiss.longus.
trochantericus s.
brevis.
propriusintermedius.
— extensor intermedius
pollicis et indicis.
— iliacus externus.
— triceps femoris.
— ypsiloformis.
Neurotopie.
Pars profunda des M. ad-
ductor pollicis und
hallucis.
Pes anserinus profundus.
Pseudoganglion des N.
peronaeus profundus.
Ramus anastomoticus n.
ischiadici c. n. obtura-
torio.
profundus n. ulna-
ris c. n. mediano.
Recessus intertendinosus.
— praetendinosus.
— retrotendinosus.
Retinaculum digiti quinti
proprium.
Rollhügel.
Saccus dorsalis pedis.
Schulterkamm.
Sulcus biconvexus.
— cutaneus intercarpalis.
radiocarpalis.
transversus.
— spiraUs femoris.
Tabatifere du pied.
Tendo bifurcatus.
Tractus praetrochanteri-
cus.
— supratrochantericus.
Trigonum basale scapulae.
— patellae superius.
Tuber glutaeum medium.
Vagina crurotarsalis.
— plantaris.
Vertex retin aculi interossei.
Abkürzungen.
Die verschiedenen Genera und Casus sind nicht berücksichtigt. Die meisten
Abkürzungen sind ohne weiteres verständlich, oder ergeben sich aus dem Zu-
sammenhange; zu Schwierigkeiten könnten nur folgende führen:
V. B, = Varietates Berolinenses, d. h. die in der Berliner Anatomie ver-
zeichneten Varietäten.
medialis.
N. = Nerv — us, i.
= posterior.
= Processus.
^ profundus.
= Eam — US, i.
= superior.
= Tuberositas, Tuber oder
Tuberculum.
= Ven — a, ae.
= Varietates Berolinenses.
= vaginalis.
= Vinculum.
A. = Arteri — a, ae.
med.
ant. = anteri— or, us, etc.
N.
Artic. = Articulatio.
post.
Proc.
B. = Bursa.
B. N. A. = Nomina anatomica (Basel).
prof.
cut. = cutaneus.
E.
dig. = digitus.
sup.
ext. = extensor oder externus.
Tub.
fl.(ex) = flexor.
mf. = inferior.
V.
int. = internus.
V.B.
lat. = lateralis.
vag.
M. = Muscul — US, i.
Vinc.
^^'
A. Allgemeiner Teil.
I. Aeußere Form.
Hüfte. Während der Arm in keiner Weise vom Rumpfe abgesetzt
ist, gilt das Gegenteil vom Beine. Vorn, lateral, hinten und selbst
medial gegen den Damm lassen sich mit Leichtigkeit die Grenzlinien
ziehen. Auch die Muskeln halten sich an diese Grenzen mit Aus-
nahme eines einzigen, nämlich des M. iliopsoas. Als knöcherne Grenze
kommt in erster Linie der Darmbeinkamm, die Crista iliaca, in Frage,
dessen vorderer und hinterer verdickter Endpunkt als Darmbeinstachel,
Spina iliaca anterior und posterior-superior, bei mageren Personen
als Vorsprung, bei fetten als Grübchen erscheint, besonders die
Spinae iliacae posteriores superiores, welche die Breite der Lendenraute
(Michaelis) bedingen. Wenn eine solche vorhanden ist, liegt der
obere Punkt am 3. oder 4. Lendenwirbel ; rückt er bis zum 5. Lenden-
wirbel herunter, so kommt es zur Bildung der Kreuzraute (Stratz)
oder sogar eines Sacraldreieckes (Brücke).
Das Kreuzbein liegt im proximalen Teile unter den M. sacro-
spinales und glutaei maximi verborgen und erscheint nur in der
Mittellinie mit den Dornfortsätzen in der sogenannten Gesäßkerbe.
Diese läßt sich im unteren Teile bei fetten Personen auseinander-
drängen und die knöcherne Begrenzung des individuell so verschieden
gestalteten Hiatus sacralis durchtasten. Bei mageren Personen ist
sie ohne weiteres zu sehen, und so besteht die Gefahr des Durch-
liegens bei ihnen viel mehr. Das Steißbein läßt sich durch das Gefühl
unschwer in seinem Endabschnitte erkennen, welcher zwar aus 3 bis 4
rudimentären Wirbelkörpern besteht, die aber zu einem einheitlichen
schmalen, kurzen Knochen verwachsen sind; besonders wenn man
den Lebenden auffordert, kräftig zu husten, oder die Bauchpresse
überhaupt anzuwenden, wie es sonst beim Stuhlgange oder besonders
beim Gebärakte ausgiebig der Fall ist. Das Tuberculum pubicum ist
beim Manne durch den Funiculus spermaticus verdeckt, beim Weibe
tritt es bei abgemagerten Personen, besonders im Liegen in unschöner
Schärfe hervor; bei fetten weiblichen Individuen ist es nur zu fühlen.
Die Grenze gegen den Unterleib ist ligamentös, oder besser gesagt
aponeurotisch und wird Lig. inguinale (Pouparti) genannt. Der Scham-
bzw, der Venusberg überlagert aber das mediale Drittel des Bandes.
Lateral und hinten findet sich bei fetten Personen, auch bei
Männern, ein besonderer Fettkörper, der Flanken- oder Weichen-
fettkörper ( Walde yer), welcher sowohl auf die Weichen oder Flanken,
d. h. die seitlichen Teile des Bauches, wie auch auf die Hüfte über-
Haadbuch der Anatomie. II, il, 3. 27
416 FROHSE und M. FRÄNKEL,
greift und an dem Punkte, wo die M. latissimus dorsi, obliquus ex-
ternus abdominis und glutaeus medius zusammenstoßen, also am
lateralen Rande des M, sacrospinalis eine Dicke von 7 cm erreichen
kann. Diese Stelle ist auch ungefähr identisch mit dem Trigonum
lumbale (inferius) [Petiti]. Er gleicht hier die Niveaudiäerenzen
des Muskelbildes aus. Das proximale Ende läuft allmählich gegen
die 12. Rippe aus, das distale reicht bis zum oberen Rande des^
Trochanter major. Dieser Knochenpunkt erscheint bei mageren Per-
sonen als Erhöhung, bei fetten, besonders Frauen, ist er überhaupt
nicht zu sehen und auch nicht deutlich abzutasten. Das vordere Ende
klingt gewöhnlich am lateralen Beckenrande aus, das hintere kann
in der Kreuzdarmbeingrube die Mittellinie überschreiten, d. h. sich
in den anderseitigen fortsetzen.
Frohse hat Grelegenheit gehabt, einen ganz besonderen Fall klinisch
zu beobachten, bei dem es sich um eine etwa 20-jährige Dame handelte,
welche zum erstenmal eine Reise nach Tirol machte und das ungewohnte
Bergsteigen mit einem Bruche des vorderen Endes dieses Fettkörpers
beantwortete, welcher durch den Druck des Korsettes als kleinapfelgroße
Geschwulst bis zur Spina iliaca anterior superior herausgepreßt wurde
und schmerzhaft war; in die gewöhnlichen Lebensbedingungen, d. h. ohne
besondere körperliche Anstrengung zurückgebracht, konnte die Patientin
nach wenigen Wochen nichts mehr von den Verschiebungen des Weichen-
fettkörpers wahrnehmen.
Die eigentliche Gesäßgegend wird beherrscht durch den M. glutaeus
maximus, dessen Muskelbild sich durchaus nicht mit dem Hautbilde
deckt. Das Präparat zeigt deutliche Rautenform, das Hautbild beim
Standbeine Fünfeckform, beim Spielbeine nähert es sich dem Muskel-
bilde, weil dann eine quere Furche, der Sulcus glutaeus transversus^
verschwindet. Diese Furche stellt das proximale Ende der Fascia
lata dar und läßt sich in den hinteren Faszikel des Tractus iliotibialis
verfolgen, welchen wir als Tractus supratrochautericus bezeichnet
haben (Arch. f. Anat. u. PhysioL, 1910, S. 366).
Die Hüftgegend zerfällt nach den B.N.A. in die Regio glutaea
über dem M. glutaeus maximus, die Regio coxae über dem freien
Teile des M. glutaeus medius und dem proximalen Drittel des M. tensor
fasciae latae und die Regio trochanterica, welche außer diesem
Knochenteile das mittlere und distale Drittel des M. tensor fasciae
latae umfaßt.
T. CoHN ^) verlängert (s. S. 220) die quere Gesäßfurche zirkulär
um den ganzen Oberschenkel herum und bezeichnet den so gewonnenen
Abschnitt des Beines als Hüfte (Coxa) und zerlegt sie in eine hintere
Gegend, welche bis zum vorderen Rande des M. tensor fasciae latae
reicht, ohne Rücksicht auf die Unterabteilungen der B.N.A. Diese
Abgrenzung hatten auch wir bereits für uns angenommen; jedoch
können wir uns nicht mit der vorderen einheitlichen Gegend, welche
er als Regio subinguinalis, Leistengegend, bezeichnet, einverstanden
erklären, weil sie auch noch das proximale Drittel der Extensoren;
mitumfassen würde und medialwärts nicht über das Tuberculum
pubicum hinaus nach hinten gerechnet werden kann.
1) Methodische Palpation, 2. Teil, untere Extremität. Berlin, S. Karger, 1908.
2
Aeußere Form. 417
Unsere Einteilung bezeichnet als Regio coxae die hintere und
laterale Beckenpartie bis zur Höhe der queren Gesäßfurche distal-
wärts und nach vorne hin bis zum vorderen Rande des M. tensor
fasciae latae und zerfällt in vier Unterabschnitte:
1) Regio glutaea posterior über dem M. glutaeus maximus;
2) Regio glutaea lateralis über dem sichtbaren Teile des M. glutaeus
medius ;
3) Regio glutaea anterior über dem M. tensor fasciae latae und
4) Regio trochanterica.
Die Begründung für diese Einteilung kann erst bei der Mus-
kulatur erfolgen.
Wir haben in der Sammlung der Kgl. Anatomie zu Berlin eine
Reihe von Präparaten meistens an Frontal schnitten, welche den Unter-
schied zwischen Tela subcutanea und Corpus adiposum coxae in der
schönsten Weise zeigen. Der Panniculus adiposus cutis zeichnet sich
durch die träubchenartige Anordnung der einzelnen Abschnitte des
Fettgebildes aus ; aber eine scharfe Fascie grenzt diesen Teil ab gegen
das Corpus adiposum, welches sich, wie z. B. auch der Wangen-
fettkörper, das Corpus adiposum buccae, aus außerordentlich großen
Fettlappen zusammensetzt, die ihrerseits nur durch ganz dünne Binde-
gewebssepta getrennt oder richtiger zusammengehalten werden. Die
Mächtigkeit dieses Corpus adiposum coxae beträgt beispielsweise an
der dicksten Stelle 4 cm, während der Panniculus adiposus nur 2 cm
stark ist. Ueber die Höhe des Trochanter major pflegt dieser Fett-
körper nicht distalwärts herabzureichen. Unterhalb desselben findet
sich jedoch bei gesunden Individuen an der medialen Seite nochmals
eine unglaubliche Anschwellung des Fettgewebes, welches die Fossa
ischiorectalis ausfüllt. An dieser Stelle fehlt aber die trennende Binde-
gewebsschicht zwischen Panniculus und Corpus adiposum, ob-
wohl die äußeren Schichten durchaus den träubchenartigen, die inneren
den groblappigen Charakter besitzen.
Die obere Grenze ist also durch den Weich enfettkörper gewöhn-
lich, d. h. unter normalen Ernährungsbedingungen der Besichtigung
entrückt, der Betastung aber zugängig. Die untere Grenze muß vom
Standbeine aus gewählt werden, und zwar nach der Hauptfurche,
welche quer von medial nach lateral verläuft, am Damme beginnt
und bereits am hinteren Rande des Trochanter major ihr Ende findet.
Theoretisch wäre diese Linie von hinten nach lateral und von vorn
medial ebenfalls nach lateral in horizontaler Linie zu verlängern, bis
sich beide Linien treffen. Vom praktischen Standpunkte kann aber
nur die hintere und laterale Partie als eigentliche Hüftgelenksgegend
beschrieben werden, weil in ihnen die Hüftmuskeln überwiegen;
die vordere Partie enthält zum größeren Teile Oberschenkelmuskulatur,
die mediale fast nur Oberschenkelmuskeln. Die hintere Hüftgegend
enthält sämtliche Gesäßmuskeln, sowohl die eigentlichen M. glutaei,
wie die M. piriformis, obturator internus cum gemellis usw.; die
laterale das Mittelstück der M. glutaei medius und minimus, außer-
dem aber den Ursprung des M. vastus lateralis; die vordere Hüft-
gegend von Hüftmuskeln nur den Ansatz des M. iliopsoas, die mediale
im wesentlichen Oberschenkelmuskeln, von Hüftmuskeln nur den
unteren, medialen Abschnitt des M. glutaeus maximus.
Der Trochanter major oder, wie wir ihn nennen, der Rollhügel,
Trochanter proprius, springt bei schwacher Muskulatur und Haut als
M. tensor fasciae
latae
M . rectus f emoris
Fig. 1. Bein von vorn, Hautbild.
Lig. transversum
M. psoas minor,
M. psoas major
^-
pectineus
- M
adductor
longus
-^- M.
adductor
magnus
-— M.
gracilis
M. vastus
mediaiis
Retinaculum
patellae
mediale
.... Pes anserinus
(Patte d'oie)
\
^^ M. gastro-
wt" cnemius, caput
H| mediale
1 ^
tibialjs
anterior
1
soleus
\ ^
M
flexor digi-
torum longus
M.
extensor hal-
lucis longus
M. abductor
hallucis
Fig. 2. Bein von vorn, MuskelbUd.
Fig. 3. Bein von hinten, Hautbild.
420 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Erhöhung an der Oberfläche hervor; bei muskelstarken oder fett-
reichen Individuen liegt er wie in einem Tale, dessen umgrenzende
Höhen durch die Weichteile gebildet werden. Die medialen Skelet-
teile werden vorn durch die Symphyse, hinten durch das Steißbein
gegeben. Diese Beschreibung trifft nur für das Standbein zu. Wenn
ein Bein frei bewegt wird, verschwindet die quere Gesäßfurche, der
Sulcus glutaeus transversus, und läßt die präparatorische Grenze
zwischen dem unteren Rande des M. glutaeas maximus und dem
Oberschenkel klar in Erscheinung treten, d. h, die scheinbare quere
Abschnürung des M. glutaeus maximus als Grenze der Hüfte gegen
den Oberschenkel erfährt nun eine keilartige Verlängerung gegen
letzteren hin bis zum Beginne des mittleren Drittels des Schaftes.
Oberschenkel. Diesen dürfen wir nicht mit den B.N.A. durch
willkürliche Linien in bestimmte Gegenden zerlegen, sondern nach
natürlichen Grenzen angeben. Obwohl er bis zur Kniegelenkspalte
reicht, empfiehlt es sich, die Kniescheibengegeud oder besser die
Kniegelenksgegend, weil sie nämlich auch die Rückseite umfaßt, be-
sonders zu beschreiben, und sogar noch vielleicht zwei Querfinger
breit vom Oberschenkel und drei vom Unterschenkel, d. h. bis zur
Tuberositas tibiae, mit zu dieser Gegend zu rechnen.
Die Einteilung ergibt sich vorn durch den M. sartorius, lateral
und etwas nach hinten durch die Grenze zwischen den M. vastus late-
ralis und biceps femoris. Da der M. sartorius keine einfache Linie
oder Furche darstellt, wie es bei der zweiten Grenzmarke der Fall
ist, sondern eine erhebliche Breite, bis zu 8 cm erreichen kann, em-
pfiehlt es sich wohl, eine besondere Regio sartoria zu unterscheiden.
Wenn man das Bein im Hüftgelenke beugt und adduziert, springt
der M. sartorius als ein geradliniger langer, schmälerer oder breiterer
Wulst unter der Haut hervor und läßt so die am Präparate bei der
Betrachtung genau von vorn so deutlichen beiden vorderen Ober-
schenkeldreiecke erkennen, das mediale oder Adduktorendreieck, mit
der Basis proximal am Leistenbande und der Spitze an der medialen
Seite ungefähr in der Mitte des Oberschenkels, dort, wo sich der
Schneidermuskel mit dem medialen Hautrande (anatomisch dem M.
gracilis) schneidet, und das laterale, das Extensorendreieck, welches
seine Spitze am vorderen oberen Darmbeinstachel, der Spina iliaca
anterior superior, seine Basis in der Höhe des Kniegelenkspaltes hat.
Die Seitenränder werden gebildet medial durch den lateralen Rand
des M. sartorius, lateral durch den vorderen des M. tensor fasciae
latae. Der mediale Rand ist auch am Lebenden bei der eben er-
wähnten Haltung scharf ausgeprägt, dagegen reicht der laterale nur
bis zum Ende des Muskelbauches, bis zur unteren Trochanterhöhe.
Diese Tatsache gibt zu denken. Bei der Muskelbeschreibung, speziell
beim Tractus iliotibialis, haben wir den M. glutaeus maximus als
posterior, den M. tensor fasciae latae als M. glutaeus anterior be-
zeichnet und beide als oberflächliche Schicht zusammengefaßt und sie
der tiefen Schicht gegenübergestellt, welche gleichzeitig durch die
M. glutaei medius und minimus gebildet wird. Die Betrachtung am
Lebenden bestätigt die Einteilung. Muskelkräftige Personen können
den M. tensor fasciae latae als besonderen Wulst hervortreten lassen ;
bei weniger kräftigen läßt sich diese Erscheinung sehr gut durch den
elektrischen Strom hervorrufen. Der M. glutaeus maximus läßt sich
sehr oft mit aller Schärfe durch die Haut hindurch erkennen und ist
Aeußere Form. 421
der elektrischen Reizung gut zugängig; dagegen löst dieselbe bei dem
M. glutaeus medius nur schwache Zuckungen aus, ein Beweis, daß
letzterer als tiefer Muskel aufzufassen ist, die beiden ersteren als
oberflächliche. In dieser Weise findet das Extensorendreieck am
Lebenden lateral keine scharfe Grenze, geht vielmehr sogar noch
etwas auf die Rückseite über bis zu einer Längsfurche, welche ihn
von dem M. biceps femoris trennt. Ebenso ist es auf der medialen
Seite. Die anatomische Grenze ist durch den vorderen Rand des
M. gracilis gegeben. Am Lebenden ist sie nur in Ausnahmefällen
bei gewaltsamer aktiver Adduktion vorhanden oder muß erst durch
den elektrischen Strom nachgewiesen werden. Sie geht deshalb ohne
Unterbrechung nach hinten weiter und läßt nicht einmal gegen die
Beuger eine Grenzfurche erkennen. Am Lebenden zerfällt also der
Oberschenkel nur in drei Gegenden: 1) Die Schneidermuskelgegend,
als schräges Band, welches von oben lateral nach unten medial ver-
läuft; bei stehendem Beine spiralig, bei gebeugtem und adduziertem
Beine geradlinig. 2) Das Extensorendreieck, welches ebenfalls an
der Spina iliaca anterior superior beginnt, medial dem M. sartorius
entspricht und lateral dem vorderen Ende des M. tensor fasciae latae,
aber nur bis zum Ende des Muskelfleisches. Dann biegt es ungefähr
horizontal nach hinten um. Ueber dem Tractus iliotibialis ist weder
Furche noch Wulst zu erkennen, und so kommt es, daß eine Unter-
brechung besteht zwischen dem Tensorwulst und dem lateralen Ende
des Sulcus glutaeus transversus. 3) Das Adductorendreieck.
An Einzelheiten ist zu merken: im Extensorendreiecke das Ober-
schenkelgrübchen, „fossette femorale", welches durch das Auseinander-
weichen der M. sartorius und tensor fasciae latae entsteht, also dicht
unter der Spina iliaca anterior superior gelegen ist und besonders
deutlich bei erhobenem Beine und gestrecktem Unterschenkel hervor-
tritt; in seiner Tiefe liegt der M. rectus femoris. Im Adduktoren-
dreiecke kann man durch Abduktion des Oberschenkels besonders bei
hochgelagertem Becken den M. adductor longus passiv dehnen und
so die rundliche Ursprungssehne scharf durch die Haut hervortreten
lassen. Verlängert man diesen Strang bis zum M. sartorius, so haben
wir die wichtige Regio iliopectinea der Anatomen und das Trigonum
Scarpae der Praktiker vor uns.
Kniegegend. Die äußere Form des Kniegelenkes gibt eine Fülle
von anatomischen Tatsachen kund, die erst später systematisch be-
schrieben werden, aber bereits durch die Haut hindurch erkannt
werden können, schon an der Leiche, ungleich besser aber am Lebenden,
besonders bei fettarmen Individuen. An keiner anderen Stelle des
Körpers ist der Unterschied bei Bewegungen so leicht ins Auge
fallend, wie gerade am Kniegelenke. Man könnte etwa ein Dutzend
Phasen unterscheiden, tut aber gut, nur vier Hauptphasen anzunehmen,
welche die charakteristischen Veränderungen am besten zeigen. Diese
geben einen Begriff von den Veränderungen bei Streckung und Beugung;
im letzteren Zustand ist jedoch eine Rotation des Unterschenkels mit
Leichtigkeit ausführbar, welche in einem sehr wichtigen Anhange be-
sonders beschrieben ist.
Die lateinische Bezeichnung des Kniegelenkes als Trochoginglymus
ist nur aus sprachlichen Rücksichten entstanden. Genau wie beim
Ellenbogengelenke ist der Ginglymus, d. h. die Charnierbewegung,
die Hauptsache, die Drehbewegung, d. h. das Trocho, kommt erst an
422
zweiter Stelle. — Beu-
gung- und Streckung
erzeugen folgende Er-
scheinungen :
1) Beim Standbeine,
welches in keiner Weise
angespannt ist, wie es
bei ruhigem Stehen auf
einem oder beiden
Beinen der Fall ist,
tritt eine Erschlaffung
der Muskulatur des M.
triceps femoris ein ; das
in die Endsehne ein-
geschaltete Sesambein,
die Patella, sinkt in-
folgedessen gegen den
Unterschenkelherunter,
ebenso wie die mit
ihr verbundene Gelenk-
kapsel, welche sich sack-
artig gegen den Unter-
schenkel vorbuchtet. Es
ist ein großer Fehler,
wenn dieses Herab-
sinken nach unten am
Skelete in der Weise
dargestellt wird, daß
die Kniescheibe über
dem Gelenkspalte steht,
oder sogar der Haupt-
sache nach über der
Tibia selbst gelagert
wird. Unter keinen
Umständen geht die
Patella über den Ge-
lenkspalt distalwärts.
Man kann sich hiervon
mit Leichtigkeit über-
zeugen, wenn man auf
einer Unterlage kniet;
dann ruht das Knie
weder mit dem Ge-
lenke, noch mit der
Kniescheibe, sondern
ausschließlich mit der
Tuberositas tibiae, also
mit dem Unterschenkel,
dem Boden auf. — In
dieser schlaffen Stel-
lung soll die Unter-
suchung am Lebenden
geschehen. Dann läßt
Fig. 5. Bein von innen bei Streckstellung, Hautbil
M. obtixrator ..
internus
M. rectus femoris
423
M. extensor hallu
M. psoas major
M. piriformis
Lig. sacrotuberosum
M. glutaeus maximus
M. adductor magnus
yi. semitendinosus
M. gracilis
M. semimembranosus
M. semitendinosus
M. gastrocnemius
M. flexor digitoruni longus
Lig. cruciatum pedis
•1/ M. abductor hallucis
Fig. 6. Bein von innen bei Streckstellung, Muskelbild.
424
sich nämlich die Patella von
rechts nach links über den
beiden Condylen des Femur
verschieben, und auch von
vorn nach hinten liegen die
überknorpelten Gelenkflächen
nicht fest gegeneinander. Erst
der Fingerdruck bringt sie
miteinander in Berührung.
Dies ist praktisch außerordent-
lich wichtig, weil bei Ausdeh-
nung der Gelenkhöhle durch
serösen, blutigen oder eitrigen
Erguß die Kniescheibe über
der Fovea oder Facies patel-
laris tanzt. Der zu beiden
Seiten des Lig. patellae ge-
legene Fettkörper ist weich.
An der Außenseite tritt der
Tractus iliotibialis nicht scharf
hervor, und auch an der
Rückseite ist nur eine gleich-
mäßige Rundung vorhanden,
welche keine Einzelheiten er-
kennen läßt.
2) Ganz anders wird das
Bild der Streckstellung, wenn
z. B. das Kommando „still ge-
standen" ertönt oder, wenn
das Standbein durch die An-
spannung des M. triceps und
des Tractus iliotibialis zu
einer unnachgiebigen Säule
verwandelt wird, oder wenn
schließlich das extrem ge-
streckte Bein abduziert wird.
In allen drei Fällen rückt die
Patella um etwa 1 cm proxi-
malwärts, preßt sich scharf
gegen die Facies patellaris
femoris und drängt dadurch
aktiv den Fettkörper gegen
die Retinacula patellae. Die
beiden Wülste des Fettkörpers
treten dann über das Niveau
des Lig. patellae heraus und
fühlen sich unter Umständen
steinhart an. Diese Härte ist
jedoch nicht durch das Fett als
solches bedingt, sondern durch
den Widerstand, welchen die
äußeren fibrösen Elemente er-
fahren. Es ist darum verkehrt,
Fig. 7.
Bein von außen, Hautbild.
M. Utissimus dorsi .
Tractus supta- —
trochantericus
M. glutaeus maximus
M.*gastrocnemius, caput
laterale
M. soleus, portio fibularis
M. obliquus extemus
abdominis
M. tensor fasciae latae
M. rectus femoris
M. vastus lateralis
Retinaculum patellae laterale
M. peronaeus longiis
M. tibialis anterior
M. extensor digitorum longjus
Lig. transversum cruris
Lig. cruciatum pedis
M. extensor digitorum brevis
M. abduclor digiti quinti
7ranz//'oif9ir..
Fig. 8. Bein von außen, Muskelbild.
426 FROHSE und M. FRÄNKEL,
aus der Härte des Fettkörpers eine pathologische Veränderung desselben
anzunehmen und deshalb sogar zu einer Operation zu schreiten, wie
es HoFFA verschiedentlich ausgeführt und empfohlen hat. An der
Außenseite tritt, besonders bei der Abduktion, der Tractus iliotibialis
als scharfer Sehneustrang hervor, dessen voidere Begrenzung sich
außerordentlich klar kundgibt, dessen hintere aber allmählicli in das
Septum intermusculare laterale übergeht. Durch die Anspannung der
Fascia lata wird ferner auf der Rückseite der Hauptinhalt des Cavum
popliteum herausgepreßt. Eine Querlinie in Höhe der Oberschenkel-
knorren zeigt die untere Grenze an. Die proximale Spitze nimmt
den Raum zwischen den Beugern am Oberschenkel ein und erscheint
bald als Querwulst, bald in Dreiecksform, bald als Längswulst. Der auch
bei ruhiger Streckstellung sichtbare Läugswulst des M. biceps femoris
tritt deutlicher in Erscheinung. So sonderbar es scheinen mag, ist er
jedoch nicht durch die Endsehne des langen Kopfes bedingt, sondern
durch den passiv herausgedrängten Muskelbauch des Caput breve.
3) Als mittleres Beugestadium nehmen wir die Haltung an, bei
welcher die Ränder der Patella am klarsten zu erkennen sind. Dies
tritt gewöhnlich schon früher ein, bevor der Unterschenkel recht-
winklig zum Oberschenkel steht. Dann sehen wir die Kniescheibe
in ihrer bekannten Dreiecksform mit abgerundeten Rändern, beim
Manne in der Größe eines silbernen Fünfmarkstückes, beim Weibe
in Dreimarkstückgröße hervortreten und als Verlängerung das Lig.
patellae, welches nunmehr außerordentlich deutlich wird, weil der
Luftdruck den Fettkörper in die Tiefe der Gelenkhöhle zurückpreßt.
An der Außenseite wird der Tractus iliotibialis undeutlich, und außer-
dem verändert der M. biceps seine ganze Form. Der Wulst des
kurzen Bicepskopfes verschwindet und läßt die Endsehne des langen
Kopfes deutlich hervortreten, als Längsstrang, welcher die Kniebeuge
von außen her umrahmt. Als Grund hierfür ist, abgesehen vom Luft-
drucke, die Kontraktion beider Köpfe anzuführen. Diese äußert sich
natürlich sowohl auf den kurzen Kopf, welcher bereits am Femur,
als auf den langen, der erst vom Becken, am Tuber ischiadicum ent-
springt.
4) In extremer Beugestellung werden die Patella und ihr Band
undeutlicher, und es kommen neben dem letzteren wieder die beiden
Seitenlappen des Fettkörpers mehr an die Oberfläche. Sie fühlen
sich jedoch weich an, weil sie erst passiv aus der Gelenkhöhle heraus-
gedrängt werden. J)ie Patella rutscht nunmehr von der in Streck-
stellung vorderen Fläche auf den unteren Umfang der Condyli femoris
und läßt deren beide Konturen in verschiedener Weise erkennen.
Der Condylus lateralis ist bei weitem nicht so ausgiebig von Musku-
latur bedeckt, wie der mediale, und deshalb muß auch sein Kontur
in Beugestellung mit annähernder Deutlichkeit wie beim Skelete
sich durch die Haut hindurch kundgeben. Ganz anders beim Con-
dylus medialis. Der M. vastus medialis reicht in Ruhestellung schon
bis zum oberen Rande der Patella und wird bei der Beugung durch
das Retinaculum patellae mediale gegen das Kniegelenk fixiert und
legt sich als Muskelkappe fast über den ganzen Condylus medialis,
soweit letzterer in dieser Stellung am Oberflächenbilde teilnimmt.
Hierin dürfte der prinzipielle Unterschied zwischen medialer und
lateraler Seite liegen. Das Retinaculum patellae mediale gehört dem
medialen Teile des M. triceps femoris, dem M. vastus medialis an,
Aeußere Form. 427
also einem Oberschenkelmuskel, das Retinaculum patellae laterale
entwickelt sich aus dem Tractus iliotibialis, den M. tensor fasciae latae
und glutaeus maximus, d. h. der oberliächlichen Schicht der äußeren
Hüftmuskalatur; dies ist jedoch nur das Retinaculum superficiale.
An der Außenseite wird passiv der kurze Kopf des Biceps wieder
herausgepreßt und erscheint als Längswulst ; die Innenseite läßt keine
nennenswerten Einzelheiten erkennen. Die Rückseite entzieht sich
vollkommen der Beobachtung und verwandelt sich in einen Quer-
spalt, an dem nur die eingeführte flache Hand einen Hohlraum er-
zeugen kann. In der Tat kommen hier die Beugemuskeln der Wade
mit denen des Oberschenkels in unmittelbare Berührung, selbstver-
ständlich unter Berücksichtigung der Weichteile, d. h. die Haut des
Oberschenkels liegt der des Unterschenkels an. Hierbei kann man
€hne weiteres aus der äußeren Form ablesen, daß an der Außenseite
der Kniekehlenspalt bis zum Capitulum fibnlae reicht, die Beuge-
muskulatur vollkommen zurücktritt, und die Streckmuskulatur nur den
Raum einnimmt, welcher ihr durch die Knochen vorgeschrieben ist.
Anhang.
In mittlerer Beugestellung sind auch Rotationsbewegungen im
Kniegelenke möglich, nämlich durch die Erschlaffung der Seitenbänder.
Die Rotation nach innen, welche fast ausschließlich durch den M. semi-
membranosus bewirkt wird, erzeugt keine wesentliche Veränderung
in der äußeren Form. Das Lig. collaterale tibiale, der M. vastus
medialis mit dem gleichnamigen Retinaculum patellae und der Pes
anserinus bilden gleichsam eine Pfanne, in deren Tiefe die medialen
Knorren des Femur und der Tibia sich bewegen. Lateral sind aber
drei scharf getrennte Züge zu unterscheiden: 1) die Endsehne des
M. biceps, 2) das Lig. collaterale flbulare, und 3) die Anheftung des
Tractus iliotibialis. Es würde uns zu weit führen, hier anzugeben,
in welcher Weise diese drei Gebilde bei den Bewegungen im Knie-
gelenke sich bemerkbar machen. Die Auswärtsrotation wird durch
den M. biceps femoris erreicht. Hierbei kann man gegebenenfalls
das Lig. collaterale flbulare in ganzer Ausdehnung durch die Haut
hindurch erkennen. Dieses Band nimmt aber eine Sonderstellung
unter sämtlichen Gelenkbändern des menschlichen Körpers ein. Es
ist nämlich das einzige, welches ohne jede Schwierigkeit von der
Gelenkkapsel getrennt werden kann, ohne daß auch ein geschickter
Anfänger die Gelenkhöhle zu eröffnen braucht. — Ueber die Bezeich-
nung Kniekehlenspalt, -grübe und -wulst ist bereits bei der xlchsel-
höhle ausführlich gehandelt.
Von den Beugern ist der M. biceps bereits bei der Außenseite
der Kniegelenksgegend genau beschrieben. Es bleiben noch die me-
dialen Beuger übrig, welche von der Innenseite ebenfalls auf die
Rückseite übergreifen. Der M. sartorius beschreibt beim Standbeine
einen nach unten konvexen Bogen, wird aber bei gebeugtem und
adduzierten Beine geradlinig. Der M. gracilis tritt bei der Beugung
nicht so deutlich hervor, wie die Sehne des M. seraitendinosus ; und
schließlich ist beim M. semimembranosus zu betonen, daß er bei ge-
strecktem Beine gesehen oder palpiert werden kann, bei der Beugung
aber in die Tiefe zurückgeht, genau wie wir es beim kurzen Kopfe
des M. biceps beschrieben haben.
13
428
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Unterschenkel. Da wir seinen proximalen Teil bis zur Tuberositas
tibiae bereits bei der Kniegelenksgegend dargestellt haben, bleibt nur
noch der distale zu schildern übrig, welcher bis zu den Knöcheln
herunterreicht. Im Gegensatze zum Vorderarme, an welchem nur die
hintere Kante der Ulna subkutan gelegen ist, finden wir am Unter-
schenkel eine breite Knocheufläche vom Kniegelenke bis zum Sprung-
gelenke unmittelbar unter der Haut, die Facies medialis der Tibia.
Von der Fibula ist das Köpfchen sehr leicht zu fühlen, der Schaft
nur undeutlich, dagegen schickt der dreieckige schlangenkopfähnliche
Fig. 9. Bein von innen bei Beugestellung, Hautbild.
Malleolus lateralis einen 6 cm langen Keil proximalwärts zur Crista
anterior, für welchen der Name Planum supramalleolare wohl am
Platze wäre. Der Malleolus medialis ist gedrungener, kürzer und
ungefähr viereckig. So springt der Malleolus lateralis weiter gegen
die Fußsohle vor und wird in der Erscheinung noch deutlicher, weil
er hinten von den Sehnen der beiden M. peronaei umfaßt wird,
während beim Malleolus medialis nur der M. tibialis posterior in Frage
kommt.
Die den Unterschenkel bedeckende Haut ist gerade über dem
subkutanen Knochenteile recht dünn und auch schlecht ernährt; so
erklärt sich die Schmerzhaftigkeit bei Insulten, der langsame Heilungs-
prozeß bei Wunden und die Bildung von Schleimbeuteln, welche wir
an der Tuberositas tibiae mitunter doppelt und an den beiden Knöcheln
Aeußere Form.
429
verwirklicht finden können, am häufigsten an der Tuberositas tibiae,
dann am Malleolus medialis, in letzter Linie am Malleolus lateralis.
Schleimbeutel an der Crista anterior, deren mehrere aufeinander folgen
können, haben wir nur an ihrem Beginne beobachtet, wo sie noch
breit ist. Je schärfer sie nach unten wird, um so weniger dürfte sich
ein scharf begrenzter Schleimbeutel ausbilden können. — Die Dünne
der Haut läßt häufig die Tibia durch einen helleren Farbton gegen
die umgebenden Muskeln hervortreten, und auch an letzteren kann,
M, obliquus ext. abdominis
M. iliopsoas ''■>,^
M. peclineus \^
M. rectus femo
M. adductor
longus
M. gracilis
M. adductor
magnus
M. serai-
membranosus
M. vastus
medialis
M. gastrocnemius
Caput mediale
M. tibialis posterior
— ~ M. abductor hallucis
M. flexor digitorum lon^
Fi';-. 10. Bein von innen bei lieuiicsrcllmi;:, .Miiskelbild.
vornehmlich bei Anämischen, der Uebergang von Muskeln in Sehne
klar erkannt werden, lieber den Muskeln ist das Fett reichlicher
entwickelt. Hier verlaufen ja auch die Hautvenen und -nerven, welche
des Fettschutzes bedürfen.
Die Muskeln zerfallen in die Strecker, Wadenbeinmuskeln und
die Beuger, welch letztere in eine oberflächliche Schicht, die Waden-
muskulatur und die tiefe zerlegt werden, welche in der Fußsohle
endet. Getrennt werden die drei Gruppen durch die Septa inter-
muscularia anterius und posterius, welche beide zur Fibula gehen,
und die Membrana interossea cruris, die natürlich nicht, wie die beiden
ersteren äußerlich in die Erscheinung tritt. Etwas oberhalb der Malle-
olen wird ein queres Band aus der Fascia cruris von 2 — 4 cm Breite
künstlich herausgeschnitten, welches die drei Muskeln der Extensoren-
430 FROHSE und M. FRÄNKEL,
gruppe gegen die beiden Unterschenkelknoclien fixiert. Man sieht am
Lebenden seine Gegenwart bei scharfer Kontraktion dieser Muskeln;
am Präparate luxieren die Sehnen schon erheblich bei der Durch-
trennung dieses Bandes in der Achse des Unterschenkels. Das so-
genannte Lig. cruciatum cruris gehört eigentlich zum Fuße ; der Unter-
schenkel wird nur von den proximalen Zipfeln erreicht, welche an den
beiden Malleolen anheften, von denen aber der laterale oft fehlt oder
ganz schwach ist, so daß es eigentlich richtiger wäre, von einem Lig.
tripartitum oder ypsiloforme pedis zu reden. Es ist aber zweckmäßig,
es gleich hier im Anschluß an das Lig. transversum cruris zu be-
schreiben. Der oberflächlichen Vierteilung steht auch eine tiefe
gegenüber, indem es vier Fächer bildet, von denen drei für die
Sehnenscheiden der Extensoren, eins für die Vasa tibialia anteriora
und den N. peronaeus profundus bestimmt ist. Wenn diese Fächer
gesondert eröifnet sind, luxieren die Sehnen in der stärksten Weise.
Beim M. tibialis anterior wird der Ansatz noch durch den unteren
medialen Zipfel gegen das Os cuneiforme I festgehalten. Die tiefe
Anheftuug des Bandes am Calcaneus wird wohl auch als Funda
pedis oder Lig. fundiforme bezeichnet und bildet mit den beiden
Fächern für die M. extensores hallucis longus et extensor digitorum
longus die wichtige Halteeinrichtung für die Endsehnen; während
diese in der gewöhnlichen Haltung des Fußes axial verlaufen, kann
bei starker Einwärtsdrehung an dieser Stelle eine Umbiegung erzielt
werden, welche bis auf etwa 130° getrieben werden kann. Der in
der Tiefe zur Tibia ziehende Schenkel führt keinen besonderen Namen,
obwohl auch er konstant ist.
Der mächtige spindelförmige Bauch des M. tibialis anterior setzt
sich bei seiner Kontraktion scharf gegen den langen Zehenstrecker
ab und überläßt diesem in der Mitte des Unterschenkels kaum ein
Viertel des den Extensoren zukommenden Raumes. Vor dem Malle-
olus lateralis macht sich der M. extensor digitorum longus oft durch
einen deutlichen Längswulst bemerkbar, welcher aber eigentlich dem
M. peronaeus tertius zukommt.
Die beiden Wadenbeinmuskeln erscheinen bei den meisten Per^
sonen als einheitlicher Längssparren, welcher sich erst unterhalb des
Malleolus lateralis in die Endsehnen teilt. Bei der energischen Kon-
traktion entsteht dicht unterhalb des Capitulum fibulae ein längliches
Grübchen, welches der Durchbohrungsstelle des M. peronaeus longus
durch den N. peronaeus communis entspricht. Die Abgrenzung dieses
Muskels gegen den M. peronaeus brevis ist auch bei den besten
Modellen nur am vorderen Rande möglich; dagegen ist zu beachten,
daß die Fiederform sehr leicht zu erkennen ist, weil sich die Endsehne
enorm weit oberflächlich in den Muskel hineinschiebt.
Die Beuger bilden in oberflächlicher Schicht die Wade und
enden mit der Achillessehne an der Rückseite des Calcaneus, mit der
tiefen erreichen sie die Fußsohle bis zu den Zehen. Von den vier
Wadenmuskeln tritt der ziemlich oft fehlende M. plantaris äußerlich
nicht in die Erscheinung, die M. gastrocnemii aber in großer Aus-
dehnung, und schließlich erscheint der M. soleus sowohl an der late-
ralen, wie an der medialen Seite. Die eigentliche Wade gehört dem
sogenannten Zwillingsmuskel an, jedoch sind es Zwillinge sehr un-
gleicher Art, denn der mediale ragt weiter distal, als der laterale und
wiegt, wie hier schon vorweg gesagt werden kann, das Doppelte wie
Aeußere Form. 431
letzterer. Charakteristisch ist der breite Sehnenspiegel, vou dem aus
die Muskelbündel zur freien Achillessehne streben. Die oberen Muskel-
büudel bilden zwei Läugswülste, welche sich in einer sehnigen Raphe
vereinigen, die am Präparate erst durch das Auseinanderdrängen der
beiden Bäuche sichtbar gemacht werden kann. Am Lebenden verläuft
nun hier die Vena saphena parva, und so scheint es, als ob bei der
Kontraktion die beiden oberen Längswülste einen einzigen Strang
bilden. Der Sehnenspiegel tritt bei geeigneten Modellen deutlich als
flache Vertiefung im umrahmenden Muskelwalle hervor. Der M. soleus
läßt sich an beiden Seiten des Unterschenkels mit Leichtigkeit er-
kennen, besonders in Krampfzuständen, an der lateralen Wadenbein-
seite in großer Länge bis zum Capitulum fibulae, an der medialen
(tibialen) Seite in erheblich geringerer Weise, dafür aber um so
massiger.
Die Achillessehne ist am unteren Vereinigungspunkte der M. gastro-
cnemii etwa 24 cm, vom unteren Pole des M. gastrocnemius medialis
nur 20 cm lang; hier liegt auch die größte Breite von etwa 6 cm.
Die geringste Breite der mächtigen dreiseitigen Sehnenplatte liegt
nun nicht am Ansätze am Calcaneus, sondern etwa 3 cm oberhalb
desselben. Hier ist die Sehne fast drehruud, während die Insertion
sich wieder frontal abplattet. Die Umwandlung der Aponeurose in
die rundliche Sehne findet erst dann statt, wenn die letzten Bündel
des M. soleus ihre Insertion gefunden haben. Hier kann man die
Sehne bequem mit zwei Fingern umfassen und die Haut der lateralen
Seite gegen die der medialen verschieben.
Ueber die tiefe Beugeschicht ist nur wenig zu sagen. Die Fascia
cruris und das Lig. laciniatum verdecken viele anatomische Einzel-
heiten. So ist der M. flexor digitorum longus kaum jemals zu er-
kennen, obwohl er oberflächlicher liegt, als die Endsehne des M. tibialis
posterior, welche oft außerordentlich klar zur Geltung kommt. Den
von der Fibula entspringenden M. flexor hallucis longus bekommt
man merkwürdigerweise besser oder ausschließlich von der medialen
Seite aus zu Gesicht, wenn man ihn mit den drei mittleren Fingern
von lateral herüberpreßt.
Fuß. Hier unterscheidet man Dorsum und Planta pedis — Fuß-
rücken und Fußsohle. Während man an der Hand die Grenze zwischen
Handrücken, Dorsum manus, und Hohlhand oder Handteller, Palma
oder Vola manus, an die Seiteuränder legen kann, muß am Fuße noch
ein Teil des medialen Fußrandes, am lateralen sogar noch ein Teil
des Dorsum und schließlich auf der Rückseite die hintere Fläche des
Calcaneus mit zur Planta pedis im weiteren Sinne gerechnet werden.
Wir kommen zu dieser Auffassung auf Grund eines Präparates von
einem sehr großen männlichen Fuße, welcher einige Zeit in Konser-
vierungsflüssigkeit gelegen hatte und an dem in schärfster Weise die
Grenzlinie zwischen der dünnen Epidermis des Dorsum und der sehr
dicken, weißlich verfärbten der Planta pedis zu erkennen war. Diese
Marke deckte sich genau mit dem dorsalen Rande der M. abductores
hallucis und digiti V. Da wir aber diese Muskeln, welche die ober-
flächliche Schicht der Groß- und Kleinzehenballen bilden, zur Fußsohle
rechnen, muß dasselbe mit der deckenden Haut geschehen. — Auch
bei beschuhtem Fuße ist man imstande, die Innenseite zu heben,
weniger den Außenrand, welcher der Unterlage fest anliegt. Die
mediale Seite beider Füße erhebt sich, wenn keine Plattfüße vorliegen,
Handbuch der Anatomie. II, ii, 3. Og
17
432 FROHSE und M. FRÄNKEL,
als ein Gewölbe, welches rechten und linken Fuß zu einer einheit-
lichen Kuppel mit dorsaler Konvexität verbindet. Eine Abplattung
dieses Gewölbes führt zum Plattfuße, welcher bei doppelseitiger An-
lage sich vollkommen umwandeln kann in eine Konkavität nach unten,
entsprechend beiden Ossa navicularia und einer dorsalen Konvexität,,
welche jedoch nicht an den Füßen selbst vorhanden ist, sondern in
der Luftlinie zwischen ihnen.
A. Haut, Fettpolster und Schleimbeutel. Bei einem
besonderen Präparate setzte sich die dicke Epidermis kontinuierlich
auf die Rückfläche des Calcaneus fort bis zu seinem oberen Drittel,
deckte also noch in etwas die Anheftung der Achillessehne an diesem
Knochen. Für diesen Teil der Fußsohle in weiterem Sinne wäre wohl
der Ausdruck „Fersenkappe" angebracht, zumal das reichliche Fett-
polster die Schutzeinrichtung verstärkt. Wo der Fuß im medialen
Gewölbeteile die Unterlage nicht berührte, war die Epidermis erheb-
lich verdünnt und ebenso das Fettpolster gering. Zwischen Mittelfuß
und Zehen war auf dem Dorsum nur eine seichte Querfurche vor-
handen, aber nur an den dreigliedrigen Zehen, während an der Planta
die Querfurche auch die große Zehe mitumfaßte. Bei Zehenbeugung
berührten die Beeren der Zehen mit Ausnahme der zweiten den
Mittelfuß und Kleinzehenballen, aber nicht den Großzehenballen. Bei
Zehenstreckung (s. Fig. 12) verwandelte sich der tiefe Einschnitt in
eine 1—2 cm breite Querrinne, in welcher durch je eine zarte Quer-
linie die Artic. interphalangea I zu suchen ist mit den angrenzenden
Stücken der Grund- und Mittelphalange.
B. Vergleich der Ballen- und Knöchelgegend (Regia
metatarso- und metacarpop halangea) an Fuß undHand.
Die Gegend zwischen Mittelhand und Fingern einerseits und zwischen
Mittelfuß und Zehen andererseits ist durchaus verschieden angelegt.
An der Hand ist die natürliche Haltung die der Volarflexion, und es
treten dann die Köpfchen der Mittelhandknochen als sogenannte
Knöchel ohne weiteres in Erscheinung, entweder rötlich, wie bei un-
gezwungener Haltung, oder gelblich-weißlich, wie bei angestrengter
Volarflexion, weil dann die Strecksehnen sich scharf gegen die nun-
mehr angespannte Haut anpressen. Ein anderer Zustand ist zu be-
trachten bei fettreichen Händen, gleichviel ob es sich um einen Neu-
geborenen oder einen Erwachsenen beiderlei Geschlechtes handelt;
mag sich auch in der Unterhaut noch so viel Fett angesammelt
haben, über einem Capitulum ist es nie entwickelt, im Gegenteile, bei
forcierter Dorsalflexion findet sich hier ein entsprechendes Grübchen.
Beim Fuße ist die Grundstellung der Grundphalangen eine
Dorsalflexion, eine Haltung, bei welcher die Capitula der Mittelfuß-
knochen überhaupt nicht zu Gesicht kommen können. Die eben bei
der Hand beschriebenen Grübchen kommen zwar auch vor, aber
lange nicht so oft. Erst bei extremer Plantarflexion komm^en die
Capitula metatarsalia als Mittelfußknöchel zur Geltung. Diese ana-
tomische Einrichtung bringt es mit sich, daß an der Hand recht oft
Schleimbeutel an der Dorsalseite der Metacarpophalangealgelenke vor-
kommen, am Fußrücken stellen sie eine enorme Seltenheit vor. Am
Fuße kommen ja andere Gesichtspunkte in Betracht, 1) der normale
Druck durch die Last des Körpers, welcher zu einer Verdickung der
Epidermis und Bildung des Fußsohlenfettkörpers führt, 2) der patho-
logische Druck durch das Schuhwerk. Der Druck von unten läßt die
Aeußere Form.
433
sogenannten Clavi entstehen, welche unter den Sesambeinen der großen
Zehe und dem Köpfchen des 5. Mittelfußknochens gelegen sind
und auch unter dem Calcaneus zu einer nicht scharf abgegrenzten,
Fig. 12. Planta pedis bei Zehenstreckung.
Übermäßigen Verdickung der Epidermis führen ; an den Seitenrändern
kommt die Artic. metatarsophalangea hallucis medial, lateral wiederum
das Capitulum ossis metatarsalis V in Frage ; am Dorsum der Zehen
bilden sich außerordentlich häufig die sogenannten Hühneraugen,
28*
19
434 FROHSE und M. FRÄNKEL,
welche gewöhnlich über der Artic. interphalangea I gelegen sind und
am häufigsten an der 3. und 5. Zehe vorkommen, an der großen
Zehe aber wohl kaum einmal. An dem eben beschriebenen Präparate
fand sich über der Artic. interphalangea I der Mittelzehe ein scharf
abgegrenzter rundlicher Vorsprung ohne Verdickung der Oberhaut,
und nur bestehend aus verdickter Lederhaut und vermehrtem Fett-
gewebe. Der seitliche Druck des Schuhwerkes bedingt außerdem noch
die im Verhältnisse zu den Sehnen enorm großen Schleimbeutel der
M. lumbricales und die ebenfalls sehr ansehnlichen Bursae inter-
metatarsophalangeae, die aber äußerlich nicht zu sehen sind und hier
nur im Zusammenhange Erwähnung finden können.
Corpus adiposum plantae. Der Fußsohlenfettkörper muß
in drei Abschnitte zerlegt werden : 1) den Hauptteil, welcher von der
hinteren unteren Ecke des Calcaneus bis zur queren Fußsohlenfurche
reicht, d. h. bis etwa zur Mitte der Grundphalange (s. Fig. der oberfläch-
lichen Schicht), anders als bei der Hand, an welcher die entsprechende
quere Hohlhandfurche bereits in der Höhe der Artic. metacarpo-
phalaugeae aufhört (vgl. A, Fig. 16, S. 16), 2) den hinteren Fersen-
teil, 3) die Zehenfettkörper. Der erste Abschnitt geht unmittelbar in
den zweiten über, der Uebergang vom ersten in den dritten ist nur bei
der großen Zehe gut verwirklicht, bei der anderen nur unvollkommen.
Nun besitzt der eigentliche Fettkörper durchaus nicht die gleiche Dicke,
ist vielmehr an der medialen Seite in der Höhe des Fußgewölbes recht
dünn ; außerdem zeigt er gegen die Plantaraponeurose hin zwei be-
sondere Längsleisten, welche die beiden Furchen an den Seiten des
M. flexor digitorum brevis ausfüllen und so am Lebenden keine
Grenze zwischen Großzehen-, Mittelfuß- und Kleinzehenballen erkennen
lassen. Bekanntlich teilt sich die Palmar- und Plantaraponeurose in
fünf Zipfel, welche die Beugesehnen umfassen und zwischen sich die
vier fetterfüllten Interdigitalräume entstehen lassen. Diese sind an
der Hand breiter, aber kürzer, am Fuße schmäler, aber länger, ent-
sprechend der größeren Länge der Metatarsalknochen. Ein prinzipieller
Unterschied besteht nicht. Zwar sind an der Hand bei Dorsalüexion
der Finger diese Fettkörper äußerlich meistens mit aller Schärfe zu
erkennen, am Fuße jedoch bei unversehrter Haut nicht. Nach Ent-
fernung der Lederhaut und vorschriftsmäßiger Präparation der Plantar-
aponeurose und anderer Einzelheiten, welche unsere Figur zeigt, ist die
Einrichtung die gleiche. Wir nennen sie Corpora adiposa interdigitalia.
Indessen besteht ein gewaltiger Gegensatz zwischen dem Fett-
gehalte im Bereiche der Phalangen der Finger und Zehen. An der
Hand liegt auf der Beugefläche aller drei Phalangen ein ungefähr
gleichmäßig dickes Fettpolster, während am Fuße Grund- und Mittel-
phalanx fettarm sind, dagegen weist die mit Ausnahme der großen
Zehe verkümmerte Nagelphalanx eine fast hypertrophisch erscheinende
Mächtigkeit auf, wenigstens im Vergleiche zu der sich verjüngenden
schön abgerundeten Fingerbeere, wenn es sich nicht um krankhafte
Prozesse, z. B. die Trommelschlägerflnger der Phthisiker handelt. Der
physiologische Grund ist ohne weiteres einzusehen. Die Finger müssen,
da sie Greiforgane sind, mit allen ihren Gliedern den erfaßten Gegen-
stand mitunter krampfhaft festhalten und erwidern den Druck durch
die natürliche Fettschicht. Am Fuße berühren nur die gesamte Ballen-
gegend und die Kuppen der Zehen den Boden. Grund- und Mittel-
phalangen treten nur ausnahmsweise beim forcierten Zehengange in teil-
Aeußere Form. 435
weise imd auch nur vorübergehende Berührung mit der Unterstützungs-
fläche. Ausnahmen kommen vor; diese sind in diesem Falle die Fuß-
künstler, welche bei fehlenden oder gebrauchsunfähig gewordenen
Händen die Füße zu Greiforganen ausbilden mußten.
Fragen wir uns nun nach den fettarmen oder fettlosen Stellen
an Hand und Fuß, so muß an beiden Stellen das Dorsum als solches
bezeichnet werden. Dagegen zeigen die Palma manus und die Planta
pedis außer fettärmeren Stellen fettreiche. Selbst bei ganz kachektischen
Personen, welche schon lange nicht mehr ihre Füße und schließlich
auch nicht mehr ihre Hände benutzen konnten, sind sie noch gut
darzustellen. Die fettreichen Stellen sind bereits als Corpora adiposa
gewürdigt, die fettarmen bedürfen noch eines Vergleiches. An der
Hand ist der Thenar sehr fettarm, weil die ansehnliche Muskulatur
für den besonders dastehenden, sehr wichtigen Daumen sich auf
einen engen Raum konzentrieren muß. Die Muskulatur vertritt hier
gleichsam die Stelle des Druckpolsters, denn der Kleinfingerballen
ist beim Gesunden annähernd ebenso stark entwickelt, wie der Daumen-
ballen, verdankt aber seine Größe nur dorsal der Muskulatur, volar
dagegen in erster Linie der Fettauhäufung. Hier ist, vom Platysma
und der Gesichtsmuskulatur abgesehen, der einzige Hautmuskel des
menschlichen Körpers vertreten, im M. palmaris brevis. Am Fuße
sucht man vergebens nach einem entsprechenden Muskel. An der
Ferse ist die Schutzeinrichtung durch die fettreiche Fersenkappe ge-
geben, welche eine einzige Einheit für Kleinzehen-, Mittelfuß- und
Großzehenballen bildet. Hierin liegt der springende Unterschied
zwischen Hand und Fuß, da ja der fettreiche Hypothenar in das
wenig fettreiche Gebiet der eigentlichen Vola und schließlich in den
fettarmen Thenar übergeht. Die große Zehe unterscheidet sich in
ihrem Mittelfußteile von dem betreffenden Metacarpalteile durchaus.
Letzterer hat hier keine nennenswerte Fettentwicklung der Haut. An
der Plantarseite der großen Zehe, vom Calcaneus bis zu den Sesam-
beiuen hin haben wir aber zwei enorme Fettpolster, den in den all-
gemeinen Fettkörper der Ferse übergehenden im Bereiche des Calca-
neus, d. h. im Anfangsteile der Fußwurzel, den zweiten plantarwärts
von den Sesambeineu, also am Rande des Os metatarsale I, und nur
das mittlere Stück, welches aber außer dem Beginne des Os meta-
tarsale I noch das entsprechende Os cuneiforme und schließlich das
Os naviculare mit seiner so wichtigen Tuberositas enthält, läßt es
nicht zur Fettansammlung kommen, da bei hohem Gewölbe kein Druck
vorliegt; auch bei pathologischen Veränderungen, wenn z. B. beim
Plattfuße das Os naviculare den Boden berührt, kommt es zu keiner
nennenswerten Verdickung der Epidermis, mit der auch eine ent-
sprechende FettentwickluDg einhergehen würde.
Knochen. Da am Fuße nur in den Artic. talocruralis, meta-
tarsophalangeae und interphalangeae I ausgiebige Bewegungen ge-
macht werden können, lassen sich nur an diesen Stellen zwei Nach-
barknochen gut erkennen. Im übrigen sind wir auf zwei Knochenpunkte
angewiesen, welche allerdings leicht zu erkennen sind und praktisch
die größte Bedeutung haben: die medial gelegene Tuberositas ossis
navicularis für die Aufsuchung des CnoPARTschen Gelenkes, lateial
die Tuberositas ossis metatarsalis V für die LiSFRANCsche Operation.
Wechselnd in seiner Lage ist der Talushals und sein Uebergang in
das Caput tali. Bei Dorsalflexion verschwindet er fast unter der
436 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Malleolengabel, bei Plantarflexion wird noch ein Stück der Troclilea
sichtbar. Eine passive Dehnung der M. extensor hallucis et digitorum
brevis läßt den Knochen deutlicher hervortreten. Recht gut zu sehen
und zu palpieren sind die Grundphalangen. Bei verkümmerten Mittel-
und Nagelphalangen ist es mit Ausnahme an der großen Zehe recht
schwer, zumal hier das Fettgewebe unverhältnismäßig stark entwickelt
ist. Von der Plantarfläche aus kann man kaum einen Knochen sehen.
Die Palpation ergibt mit Ausnahme am Calcaneus nur eine gleich-
mäßige Härte in der Tiefe, welche zum großen Teile auf den Widerstand
der Plantaraponeurose zurückgeführt werden muß. Auf dem Dorsum
kreuzen sich über dem 2.-4. Mittelfußknochen die Sehnen der langen
und kurzen Strecker, so daß ohne weiteres nur das Os metatarsale I
und V der Inspektion und besonders der Palpation zugängig sind.
C. Muskeln. Die Planta im engeren Sinne, soweit sie den
Boden berührt, läßt keinen Einzelmuskel erkennen, erst an den Seiten-
rändern kommt medial der M. abductor hallucis an die Oberfläche,
welcher bei seinen sehr häufigen Krampfzuständen besonders gut ab-
gegrenzt werden kann. Auf der lateralen Seite ist der M. abductor
digiti quinti am besten beim Standbeine zu erkennen, weil er dann
dorsalwärts hervorgetrieben wird. In seltenen Fällen ist man sogar
imstande, an der medialen Seite des Calcaneus den Ursprung des
Caput plantare durch willkürliche Zusammenziehung zu Gesicht zu
bringen (Frohse). Am Dorsum pedis sind bei der Dünne der Haut
oft sämtliche Sehnen und Muskeln zu erkennen, letztere jedenfalls
isoliert elektrisch zu reizen. Der Malleolus medialis wird umfaßt
von den Sehnen der M. tibiales anterior und posterior, welche dem
Os cuneiforme I zustreben und bei ihrer Zusammenziehung eine deut-
liche Grube erzeugen, welche mit vollem Rechte als Tabatiere ana-
tomique du pied bezeichnet werden kann. Am Malleolus lateralis wird
im allgemeinen bloß die Umfassung von hinten her durch die Sehnen
der M. peronaei longus und brevis beschrieben. Da aber auch der
M. peronaeus tertius wie der brevis zu der Basis des 5. Mittelfuß-
knochens hinzieht, kann man von einer Umfassung auch dieses Knöchels
reden. Die eigentlichen Streckmuskeln bilden ein typisches Gitter-
werk, indem der lateral entspringende M. extensor hallucis et digi-
torum brevis mit schrägem Verlaufe sich von der Tiefe aus zu den
axialen langen Sehnen begibt. — Die M. interossei treten im allge-
meinen nicht so deutlich hervor, wie an der Hand, lassen sich aber
durch Uebung ebenfalls willkürlich bei der Kontraktion als Längs-
wülste an die Oberfläche bringen.
Ueber die Venen und Nerven wird im Zusammenhange mit den
anderen Abschnitten des Beines die Rede sein.
Anhang.
Außer Haut, Knochen, Fascien, Bändern und Muskeln kommen
noch andere Gebilde in Frage, welche teilweise das Muskelbild ver-
schleiern, wie z. B. die Lymphdrüsen der Regio subiuguinalis oder
die V. saphena parva in der Rinne der beiden M. gastrocnemii, oder
deutlicher hervortreten lassen, wie es der M. peronaeus superficialis
am Septum intermusculare anterius tut. Wir wollen nacheinander be-
handeln, die Lymphdrüsen, die Hautvenen, Hautnerven und schließlich
die Arterien.
Aeußere Form. 437
Lymphdrüsen. Die ersten regionären Lymphdrüsen des Beines
linden sich in der Kniekehle und können als oberflächliche und tiefe
Drüsen unterschieden werden. Eine inkonstante liegt dicht auf der
Fascie in dem Räume zwischen den N. tibialis und peronaeus, nach
unseren Beobachtungen häufiger dem letzteren genähert. Diese Drüse
ist durchaus der Lymphoglandula cubitalis superficialis (subcutanea) zu
vergleichen, deren Schwellung und Härte auf Lues hinweisen soll,
aber auch ohne diese Erkrankung bei infektiösen Handverletzungen
eintreten kann. Die tiefen Drüsen liegen unter der Fascia lata um
die Vasa poplitea herum oder auf der hinteren Kapselwand und ent-
ziehen sich im Gegensatze zu den oft fühlbaren Lymphoglandulae cu-
bitales profundae vollkommen der Inspektion und Palpation. — In der
Regio subinguinalis bildet die Einmündungsstelle der V. saphena magna
in die V. femoralis, im weiteren Sinne also die Fossa ovalis, die von
der Natur gegebene Einteilungsmarke. Durch eine horizontale Linie
läßt sich eine obere, proximale Gruppe von einer unteren, distalen
sondern. Durch eine annähernd vertikale Linie, welche die Verlaufs-
richtung der V. saphena magna ungefähr zum Nabel verlängert, ist
eine Trennung in die mediale und laterale Gruppe gegeben. Zu
diesen vier Gruppen kommt noch eine zentrale, im Bereiche der Fossa
ovalis hinzu, welche mindestens eine oberflächliche Drüse, in der
Tiefe aber noch die an Zahl und Größe wechselnden, vollkommen
unpalpablen, tiefen Lymphdrüsen enthält. Die Vasa aiferentia und
eft'erentia zu schildern, ist hier nicht unsere Aufgabe. Es genügen
die Hinweise, daß die obere Gruppe der Drüsen mit ihrer Längsachse
parallel dem Lig. inguinale (Pouparti) verläuft, aber niemals in den
Bereich des Abdomen gelaugt, daß die untere Gruppe ihren größten
Durchmesser in der Längsachse des Beines hat, und schließlich, daß
beim Neugeborenen die Drüsen noch rundliche Form haben, während
beim Erwachsenen infolge der so häufigen Erkrankungen sich eine
Umänderung in dem soeben erwähnten Sinne vollzieht, und recht oft
mehrere Drüsen bis zu 5 zu einer scheinbar einheitlichen großen
Drüse sich vereinigen können.
Hautvenen. Der Druck der Blutsäule läßt auf dem Fußrücken
ein weitmaschiges Netz entstehen, das Rete venosum dorsale pedis, aus
welchem sich — jedoch nicht regelmäßig — nahe den Köpfchen der
Ossa metartarsalia ein Arcus entwickeln kann, welcher seinerseits
Abflußmöglichkeiten hat sowohl zur medialen Seite, V. saphena magna
(oa'fTjVTj? = deutlich, klar), wie zur lateralen, V. saphena parva. Beide
Venen verhalten sich mit ihren Hauptästen grundverschieden zu den
Knöcheln. Die V. saphena magna verläuft vor dem Malleolus me-
dialis, die Tibia spitzwinklig überschneidend, zur Innenseite der
Wadenmuskulatur; idie V. saphena parva zieht mit ihrem Hauptaste
hinter dem Malleolus lateralis zur hinteren Mittellinie des Unter-
schenkels, durchbohrt die Fascia cruris gewöhnlich schon in seiner
Mitte, wobei es zur Bildung von besonderen Fascien in der Unter-
baut zu kommen pflegt, welche wir beim Arme als Hautfascien be-
schrieben haben (s. A. S. 247). Daß in Begleitung der V. saphena
magna der N. saphenus (major) und neben der V. saphena parva
proximal der R. communicans tibialis und distal der N. suralis ver-
läuft, muß bereits hier angegeben werden. Die Uuterschenkelvenen
zeichnen sich dadurch aus, daß sie besonders auf der Wadenseite
außerordentlich starke Verbindungen mit den Muskelvenen besitzen.
23
438 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Der Name „Krampfader" gilt aber weniger für diese Anastomosen,
als für die mäanderartigen pathologischen Veränderungen der sub-
kutanen Venen. In der proximalen Hälfte des Unterschenkels ent-
zieht sich wegen der Hautfascie die V. saphena parva der Inspektion
und meistens auch der Palpation. — Am Oberschenkel bettet sich
die V. saphena magna in reichliches Fett ein und entgeht so
häufig der Inspektion. Am Präparate ist jedoch regelmäßig festzu-
stellen, daß erstens eine vordere Inselbildung verwirklicht ist und
zweitens eine Anastomose zwischen ihr und der V. saphena parva
besteht, welche — sprachlich nicht ganz einwandfrei, weil sie das
Blut zum Oberschenkel leitet — den Namen V. femoropoplitea führt
Unterhalb der Leistenbeuge finden wir in der Fossa ovalis den
Zusammenfluß der Hautvenen der unteren Rumpfhälfte. Wenn
irgendwo, wäre hier der Ausdruck „confluens venarum" am Platze.
Am häufigsten sichtbar ist die V. epigastrica superficialis, weiter die
V. saphena magna, welche recht oft in mehrere Teile zerlegt werden
kann, eine V. propria und akzessorische Venen, die auf der lateralen
Seite sich finden können und auf der medialen sich mit der V. femoro-
poplitea decken; den vierten Zug dieses Kreuzes stellen die V. pu-
dendae externae dar, deren Verlauf meistens nur am Präparate er-
kannt werden kann.
Hautnerven. Bei den Nerven müssen wir unterscheiden zwischen
den oberflächlichen, welche rein sensibel, und den tiefen, welche zu-
erst gemischt sind, dann aber sich in motorische und sensible Ele-
mente auflösen. Zwar behauptet T. Cohn^), daß im Bereiche des
Beckens keine Hautnerven palpatorisch zu isolieren sind, jedoch hat
Frohse auf dem Präpariersaale sehr oft bei unversehrter Haut den
N. clunium superior aus dem N. hypogastricus in einer Rille der
Crista iliaca palpiert und genau an dieser Stelle den Studenten vor-
präpariert. Ferner läßt sich mit Leichtigkeit der N. cutaneus femoris
lateralis etwa 2 cm unterhalb der Spina iliaca anterior superior prä-
paratorisch darstellen. Freilich machen die Hautfascien die Palpation
unmöglich und geben den im Becken einheitlichen Nerven am Unter-
schenkel eine Reihe von Austrittsstellen, deren Lage wechselnd ist.
Dieselbe Tatsache gilt übrigens für alle übrigen Hautnerven der
Hüfte, des Ober- und Unterschenkels. Erst beim Fuße findet sich
eine gewisse Gesetzmäßigkeit, wenn auch beim Dorsum ein Schema
zur Anwendung kommen muß.
Der N. cutaneus femoris lateralis kann isoliert erkranken (Mer-
algia), Streichen über dem Hautgebiete des N. spermaticus externus
führt zum Cremasterrefiex, im übrigen sind die Hautnerven des Ober-
schenkels nicht sicher bestimmbar. Erst mit dem R. infrapatellaris,
welcher in der Höhe der Oberschenkelknorren den M. sartorius durch-
setzt, gewinnt das Ende des N. femoralis die Oberfläche und folgt
als N. saphenus der V. saphena magna bis zum Fuße. — Am Unter-
schenkel ist — von dem gemischten N. peronaeus communis abge-
sehen — recht häufig die Durchtrittsstelle des N. peronaeus super-
ficialis am Septum intermusculare anterius zu erkennen. Diese voll-
zieht sich in dem distalen Drittel. Wenn eine einheitliche Austritts-
stelle vorhanden ist, liegt sie an der Grenze zwischen mittlerem und
distalem Drittel ; wenn aber, wie es außerordentlich häufig vorkommt,
1) Methodische Palpation, 2. Teil, Untere Extremität. Berlin, Karger, 1905.
24
Einteilung der Beinmuskeln. 439
dieser Hautnerv sich bereits am Unterschenkel in seine beiden Haiipt-
äste, die N. cutanei dorsales medialis und intermedius, teilt, kann
letzterer bis an den Malleolus lateralis heruntergehen, bevor er die
Fascie durchbohrt. Derartige Varietäten lassen sich bereits am
Lebenden feststellen (Frohse), besonders wenn die Haut des Mo-
delies die nötige Dünne besitzt. Auch die Hautnerven des Dorsum
pedis mit ihren Anastomosen lassen sich in solchen Fällen oft über-
raschend sicher inspektorisch und palpatorisch feststellen.
Wir haben noch einzugehen auf die drei Druckpunkte des N.
ischiadicus. In der Hüftgegend läßt sich der gemeinschaftliche Stamm
etwas lateral von der hinteren Mittellinie dort in der Tiefe finden,
wo der freie Rand des langen Bicepskopfes unter dem M. glutaeus
maximus verschwindet. Der zweite Druckpunkt betrifft den N. pero-
naeus communis und stellt eigentlich eine Linie dar, welche von der
Basis des Capitulum flbulae 3—5 cm proximalwärts zur Kniekehle
emporsteigt, und hierbei dem hinteren Rande des M. biceps femoris
folgt, Uebrigens kann man diesen Strang recht oft durch die Haut
hindurch erkennen, und es sieht so aus, als ob auf der lateralen
Seite zwei Sehnen vorhanden wären, wie es an der medialen durch
die M. gracilis und semitendinosus verwirklicht ist. Der dritte Druck-
punkt liegt daumenbreit unter der Spitze des Malleolus lateralis.
Man kann hier den sogen. N. suralis zusammen mit der nicht isolier-
baren V, saphena parva mit Leichtigkeit über den Calcaneus rollen
lassen. Da sich der N. suralis zusammensetzt aus dem N. cutaneus
surae medialis (communicans tibialis) und dem R. anastomoticus pero-
naeus, kommen hier sensible Teile beider Abschnitte des N. ischia-
dicus zusammen.
Arterien, lieber die Arterien ist nur wenig zu sagen. Die
A. femoralis communis sieht man oft dicht unterhalb des Lig. inguinale
(Pouparti) pulsieren, wo sie auch bei Beinverletzungen gegen die
Eminentia iliopectinea gepreßt werden soll. In der Kniekehle ist
zwar die A. poplitea nicht zu sehen, macht aber bei übergeschlagenen
Beineu ihre Gegenwart dadurch kund, daß die Fußspitze sich mit
dem Pulse isochron hebt und senkt. Die A. tibialis posterior ist mit
der A. radialis, dem Pulse, vergleichbar und mit Leichtigkeit zu sehen
oder doch zu fühlen. Die A. dorsalis pedis ist nur in Ausnahmefällen
festzustellen. Die Zehenarterien machen sich wohl nur bei entzünd-
lichen Prozessen (Panaritium) bemerkbar, wo der Patient genau wie
an der Hand das Puckern fühlt.
II. Einteilung der Beinmuskeln.
Sie sondern sich nach dem Skelete ohne weiteres in 4 natürliche
Gruppen: Hüft-, Oberschenkel-, Unterschenkel- und Fußmuskeln.
Ein normales Bein, an dem kein Muskel fehlt und sich auch kein
überzähliger findet, enthält 57 leicht voneinander zu trennende Muskel-
individuen, von denen 13 auf die Hüfte, li auf den Oberschenkel,
12 auf den Unterschenkel und 21 auf den Fuß entfallen. Wir rechnen
dabei die M. gemelli als 2 besondere Muskeln, fassen aber den M. rectus
femoris mit den M. vasti zusammen, ebenso beide M. gastrocnemii
als einheitlichen Muskel und haben auch den kurzen Bicepskopf und
25
440 FROHSE und M. FRÄNKEL,
den M. peronaeus tertius nicht als selbständigen Muskel beschrieben.
Die Zahl der in den einzelnen Gruppen enthaltenen Muskeln ergibt
für Bein und Arm folgendes:
Hüfte 13 Schulter 6
Oberschenkel 11 Oberarm 4
Unterschenkel 12 Vorderarm 20
Fuß 21 Hand 20
Im Hüftteile überwiegt also die Muskelzahl den Schulterteil um
das Doppelte, im Oberschenkelteile fast um das Dreifache, Fuß und
Hand stehen sich ungefähr gleichwertig gegenüber, und nur am Unter-
schenkel sind beinahe um die Hälfte weniger Muskeln vorhanden, was
sich daraus erklärt, daß am Vorderarme auch die Pronatoren und
Supinatoren gelegen sind. Das Uebergewicht in der Zahl der Hüft-
muskeln ist jedoch nur ein scheinbares, indem am Schultergürtel und
Oberarme noch 9 andere Muskeln angreifen, wie z. B. die M. pectoralis
major, latissimus dorsi, sternocleidomastoideus etc. Der Oberschenkel-
teil muß sehr reich bedacht sein, in erster Linie, weil die Beizieher-
gruppe, die am Oberarme nur durch den M. coracobrachialis vertreten
ist, hier 6 Muskeln enthält. Eine besondere Rolle spielt ferner die
Patte d'oie, deren 2 restierende Muskeln, die M. sartorius und serai-
tendinosus, dem Oberschenkelteile noch 2 weitere Muskeln verschaffen.
Wir haben jedoch beim Arme darauf hingewiesen, daß der M. brachio-
radialis eigentlich als Oberarmmuskel aufzufassen ist. — Das Ueber-
gewicht des Fußes kann ausgeglichen werden, wenn man die M.
extensores hallucis et digitorum brevis als einen einzigen Muskel
auffaßt. Dem Fuße fehlt jedoch ein dem M. palmaris brevis ent-
sprechender Hautmuskel und vor allem der M. opponens hallucis.
Der Lage nach unterscheiden wir oberflächliche und tiefe Mus-
keln, welche wir natürlich nur dem Präparate nach angeben können.
Von den Hüftmuskeln kommen dann in Betracht die M. qua-
dratus lumborum, psoas minor, glutaeus maximus und tensor
fasciae latae (M. glutaeus anterior nobis); am Oberschenkel die
M. sartorius und gracilis, am Unterschenkel die M. tibialis an-
terior und extensor digitorum longus und schließlich am Fuße die
oberflächlichen Muskeln der einzelnen Ballen, welche verwirk-
licht sind an den beiden Seiten durch die M. abductores hallucis
und digiti quinti, in der Mitte durch den M. flexor digitorum brevis.
Jedoch begeben wir uns durch die Aufführung dieses Muskels als
eines vollkommen oberflächlich gelegenen in einen Widerspruch, weil
ja die gespaltene Endsehne sich erst unter die einheitliche Ansatz-
sehne des M. flexor digitorum longus herunterschiebt. Als oberfläch-
lich könnten sonst ja auch die M. rectus femoris, semitendinosus,
peronaeus longus und noch manche andere angesprochen werden.
Wenn man aber an der Betrachtung festhält, daß als oberflächlicher
Muskel nur ein solcher zu bezeichnen ist, welcher seine präparatorisch
freiliegende Fläche nur von Haut oder Aponeurose bedeckt hat,
dürften unsere Angaben zutrefi'en. Demgemäß sind als tiefe Muskeln
zu bezeichnen: die M. glutaeus minimus, gemelli, quadratus femoris,
obturator externus, adductor minimus, popliteus, flexor brevis und der
adductor hallucis.
Tabellarisch angeordnet, ergeben unsere Untersuchungen fol-
gendes :
26
Einteilung der Beinmuskeln.
441
Gesamt-
zahl der
Muskeln
Gewöhnliche Darstellung
Unsere Beschreibung
I. Bein
ober- ..f
vollkom-
men ober-
flächlich
teilweise
ober-
flächlich
voll-
kommen
tief
Hüfte
Oberschenkel
Unterschenkel
Fuß
13
11
12
21
t
4
3
9
5
8
18
4
2
2
3
4 1 5
7 i 2
9 i 1
16 1 2
Sa.
57 1 17 i 40 ! 11 1 36 1 10
II. Arm
50
27
23
7
40
3
Wie viele Muskeln, nach der gewöhnlichen Beschreibung, zu den
oberflächlichen oder tiefen gerechnet werden, ist aus der Tabelle ohne
weiteres zu ersehen ; wir teilen jedoch die tiefe Schicht in zwei Unter-
abteilungen, von denen die erste diejenigen Muskeln enthält, welche
von ihrem tiefen Ursprünge aus allmählich die Oberfläche gewinnen,
und die zweite diejenigen, welche erst nach Durchtrennung der mitt-
leren Schicht darzustellen sind. Letztere hat überall das Ueber-
gewicht, so daß wir uns hier auf die Anführung der vollkommen ober-
flächlichen und tiefen Muskeln beschränken können: An der Hüfte
fassen wir auf als oberflächlich die M. 1) quadratus lumborum, 2) psoas
minor, 3) glutaeus maximus und 4) tensor fasciae latae (M. glutaeus
anterior nobis); als tiefe die M. 1) und 2) gemelli, 3) quadratus
femoris, 4) glutaeus minimus und 5) obturator externus. — Am Ober-
schenkel liegen oberflächlich die M. 1) sartorius und 2) gracilis; in
der Tiefe die M. 1) adductor brevis und 2) minimus. — Am Unter-
schenkel betrachten wir als oberflächlich gelegen die M. 1) tibialis
anterior und 2) extensor digitorum longus + peronaeus tertius; als tiefer
gelegenen nur den M. popliteus. — Am Fuße müssen als oberfläch-
lich bezeichnet werden die M. 1) abductor hallucis, 2) abductor digiti
quinti und vielleicht noch 3) der M. flexor digitorum brevis ; als voll-
kommen tiefe nur die M. 1) flexor brevis und 2) adductor hallucis.
Alle anderen 36 Muskeln gehören, selbst die M. lumbricales und
sämtliche M. interossei, indem sie sich, wenn auch nur in ganz ge-
ringem Maße, am Oberflächenbilde beteiligen, der mittleren Schicht an.
Der Wirkung nach zerfallen die bei den Bewegungen in den
einzelnen Gelenken beteiligten Muskeln in folgende Gruppen :
I. Artic. sacroiliaca 1) M. quadratus lumborum (vielleicht noch
wirksamer die M. obliquus externus und internus abdominis).
II. Artic. coxae 1) Beugung: M. iliopsoas und rectus femoris
(in wirksamster Weise unterstützt durch den M. rectus abdominis).
2) Streckung: M. glutaeus maximus und die Flexorengruppe des Ober-
schenkels, soweit sie vom Tuber ischiadicum entspringt, die ham-strings
der Engländei-. 3) Einwärtsrotatiou : M. tensor fasciae latae (M. glu-
taeus anterior nobis) und die vorderen Bündel des M. glutaeus melius
und minimus, aus denen sich sehr häufig ein intermediärer Muskel, der
M. invertor femoris, d. h. ein besonderer Einwärtsdreher, entwickeln
kann. 4) Auswärtsrotation. Diese wird erzielt, weil es sich um eine
besonders energische Bewegung handelt, durch eine außergewöhnliche
Zahl von Einzelmuskeln; hierzu gehören die hinteren Bündel der
M. glutaei medius und minimus und im ganzen die M. piriformis,
obturator internus cum gemellis, quadratus femoris mit dem unter
27
442 FROHSE und M. FRÄNKEL,
ihm verborgenen M. obturator externus, im Notfalle sogar die oberen
horizontalen Bündel der M. adductor minimus und magnus. 5) Für die
Abduktion kommt in Frage der Tractus iliotibialis mit seinen musku-
lösen Komponenten aus dem ganzen M. tensor fasciae latae (M. glu-
taeus anterior nobis) und den oberen Bündeln des M. glutaeus maximus,
für welche Gebilde wir a. a. 0. S. 371 den Namen M. abductor coxae
tibialis, s. longus vorgeschlagen haben. Für die tiefe Schicht, welche
allerdings aus den mittleren Bündeln zweier Muskeln, der M. glutaei
medius und minimus, besteht, hatten wir die Bezeichnung M. abductor
trochantericus, s. brevis vorgeschlagen. 6) Als Besonderheit für das
Bein ist die aus 6 Einzelmuskeln bestehende Adductorengruppe zu
erwähnen, bei welcher selbst der M. gracilis eine unglaubliche Ad-
duktionswirkung entfalten kann.
III. Artic. genu. 1) Die Streckung ist nur möglich durch den
M. triceps femoris, 2) die Beugung wird im Anfange erzielt medial
durch die Muskeln, welche die Patte d'oie bilden, lateral durch den
langen Bicepskopf. Bei stärkerer Beugung sind mehr in Betracht
zu ziehen der M. semimembranosus und der kurze Bicepskopf.
3) Für die Rotation nach außen ist verantwortlich zu machen lateral
der M. biceps femoris, jedenfalls mit seinen beiden Köpfen, an der
medialen Seite der M. semimembranosus. Wir möchten die Wirkung
der Patte d'oie für die Einwärtsdrehung sehr in Frage stellen.
IV. Artic. talocruralis. 1) Die Dorsalflexion wird erzielt durch den
Synergismus der M. tibialis anterior auf der medialen Seite und des
M. peronaeus tertius oder brevis auf der lateralen Seite, wozu als
Hilfsmuskel des M. extensor digitorum hinzukommen kann. 2) Plantar-
flexion. Diese wird ausschließlich durch die Achillessehne bewirkt;
es ist hier vollkommen gleichgültig, auf die Nebenansätze am Calca-
neus hinzuweisen, welche bald dem M. plantaris, bald dem M. soleus
zur Last gelegt werden, welche sich aber immer auf eine Varietät
eines beider Muskeln zurückführen lassen und ihre einfache Erklärung
durch unsere Befunde am Arme finden dürften.
V. Artic. intertarseae. Die Bewegungen in diesen Gelenken,
welche der Pronation und Supination am Vorderarme entsprechen,
können hier noch nicht besonders berücksichtigt werden.
VI. Artic. metatarsophalangeae und interphalangeae. Hierüber
ist im speziellen Teile nachzusehen. —
Bei den Nerven finden wir keine Vereinigung in einem einheit-
lichen Geflechte wie beim Plexus brachialis, sondern eine Dreiteilung:
vorn den N. femoralis, medial den N. obturatorius und hinten den
N. ischiadicus; die der Pars supraclavicularis entsprechende Nerven-
gruppe ist am Beine sowohl im Plexus lumbalis wie sacralis zu
suchen, umfaßt allerdings nicht im motorischen Teile den Plexus
pudendus und den N. coccygeus, sondern die N. lumbales und von Teilen
des Plexus sacralis die N. glutaei superior und inferior, ferner unbe-
nannte Zweige für die tiefste Hüftmuskulatur. In dieser Weise zerfällt
beim Beine die motorische Versorgung in einen Beckenteil und einen
der freien Extremität *angehörigen. Ersterer liefert die Nerven für die
Beugemuskeln oberhalb des Beckens (M. quadratus lumborum und den
iliopsoas) und die Auswärtsrotatoren oder Strecker unterhalb desselben
(M. glutaei medius, minimus, tensor fasciae latae — N. glutaeus superior ;
M. glutaeus maximus — N. glutaeus inferior, und nicht besonders be-
nannte R. musculares für die M. piriformis, gemelli, obturator internus
und quadratus femoris).
28
M, quadratus lumborum. 443
B. Spezieller Teil.
I. Hüftmuskeln.
Allgemeines.
Wir haben in diesem Abschnitte auch die M. quadratus lumborum,
psoas major und minor mit aufgenommen, obwohl sie teilweise oder
ganz im Bereiche des Bauches gelegen sind.
M. quadratus lumborum.
Synomma: Viereckiger Lenden- oder Bauchmuskel; Carre des courbes.
Allgemeine Beschreibung.
Der viereckige Muskel liegt langgestreckt zwischen dem medialen
Teile der 12. Rippe und der Crista iliaca. Der mediale Ursprung von
den Lendenwirbelquerfortsätzen wird vom M. psoas major bedeckt,
der laterale Rand ist frei. Die vordere Fläche liegt dicht hinter den
Eingeweiden der Bauchhöhle (oben Niere, unten Mesocolon und Darm),
die hintere ist erst nach Wegnahme des ganzen M. sacrospinalis und
des Lig. lumbocostale sichtbar zu machen. Letzteres Band setzt sich
nach unten fort in die sehnigen Ursprungsfasern des M. transversus
abdominis und wird vielfach mit dem tiefen Blatte der Fascia lumbo-
dorsalis zusammengeworfen, obwohl es ebensowenig eine Binde ist,
wie das oberflächliche, welches ja auch eine Aponeurose darstellt für
den Ursprung der M. latissimus dorsi und serratus posterior inferior.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel zerfällt in zwei Schichten, eine vordere mächtigere,
welche von der 12. Rippe und den Querfortsätzen der 4 oberen
Lendenwirbel entspringt und parallelbündlig zu dem Labium mediale
der Crista iliaca und dem Lig. iliolumbale zieht, und eine schwächere
hintere, welche von den Querfortsätzen der unteren Lendenwirbel aus-
geht und lateralwärts zur 12. Rippe emporstrebt, und auch den
Querfortsatz des 1. Lendenwirbels erreichen kann. Diese als
„M. transversalis lumborum" besonders beschriebene Portion ist oft
uui' schwer vom vorderen Abschnitte zu trennen. Besonders zu be-
achten ist die sehnige Ueberbrückung vom Querfortsatze des 1. Lenden-
wirbels zur 12. Rippe hin, welche als Arcus lumbocostalis lateralis
(Halleri) beim Zwerchfelle ausführlich zu beschreiben wäre. Die unter
dieser Arcade verborgenen Bündel können medial noch den 12. Brust-
wirbelquerfortsatz erreichen. Bei der wechselnden Länge der 12. Rippe
kann man nicht angeben, einen wie großen Teil dieses Knochens der
Muskel einnimmt. Der in die Bauchhöhle frei hineinragende laterale
Rand ist wulstig abgerundet. Die Anheftuug am Darmbeine zeigt
eine starke glänzende Sehne, welche durch quere sehnige Züge der
Fascia eudoabdominalis verstärkt wird und an dieser Stelle den nicht
gespannten Muskel in quere wellenförmige Züge zerlegt.
29
444 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Holotopie und Syntopie.
Die Ursprünge und xlnsätze geben auch die Topographie des
oberen, medialen und unteren Randes wieder. Der laterale freie Rand
hat auch in topographischer Beziehung Bedeutung und dient besonders
bei Nierenoperationen und überhaupt retroperitonaealen Eingriffen als
wichtiger Leitstern. Die Facies posterior hat nur anatomische Be-
deutung und ist, wie bereits erwähnt, nur sehr schwer zu erreichen,
da sämtliche Rückenmuskeln und außerdem noch der sehnige Ursprung
des M. transversus abdominis von den Querfortsätzen der Lenden-
wirbel fortgenommen werden müssen. Die größte Bedeutung hat die
Facies anterior. Unmittelbar auf ihr liegen die oberen Nerven des
Plexus lumbalis, nämlich die N. subcostalis, iliohypogastricus, ilio-
inguinalis und cutaneus femoris lateralis, ferner die Nieren. Konstant
ruht ihm der untere Pol auf; zerlegt man nun, dem lateralen freien
Rande des Muskels folgend, die Niere in eine mediale und laterale
Hälfte, so liegt letztere dem M. transversus abdominis, erstere den
M. psoas major und quadratus lumborum auf. Beide Muskeln teilen
sich in wechselnder Weise in den von der Niere bedeckten Abschnitt.
Selbstverständlich sehen wir hier von dem oberen Teile der Niere
ab, welcher oberhalb der 12. Rippe dem Diaphragma anliegt und
etwa die Hälfte ausmacht. In der distalen Hälfte des M. quadratus
lumborum liegen noch im retroperitonaealen Fettgewebe wechselnd
nach Lage und Stärke Gefäße, welche zum Mesocolon ascendens oder
descendens ziehen.
Wirkung.
So verborgen der Muskel ist, hat er doch eine Reihe wichtiger
Aufgaben zu erfüllen: I. Bei fixiertem Becken wirkt er als Beuger
der Lendenwirbelsäule nach der gleichen Seite hin. Die Züge, welche
zur 12. Rippe ziehen, halten diese gegen das Becken fixiert, hemmen
die übermäßige Inspiration passiv und wirken aktiv als Exspiratoren.
Bei doppelseitiger Tätigkeit sorgen sie dafür, daß der Rumpf in der
aufrechten Haltung bleibt und nicht nach der rechten oder linken
Seite schwankt. IL Beim Standbeine entfaltet er eine Hebewirkuug
auf das Becken. Er verdient durchaus den Namen Beckenheber und
ist vollkommen mit den M. scaleni, den Rippenhebern, zu vergleichen,
indem ja auch er von den Querfortsätzen der Lendenwirbelsäule ent-
springt und zum Beckengürtel verläuft, die M. scaleni von den Hals-
wirbelquerfortsätzen mit der Anheftung an den beiden oberen Rippen,
im weiteren Sinne also am Schultergürtel. Allerdings kann er nur
einseitig als Beckenheber wirken.
Innervation.
Obwohl dieser Muskel von der 12. Rippe bis zur Crista iliaca
reicht, zum mindesten also die gesamte Lendenwirbelsäule mit ihren
5 Wirbeln umfaßt, konnten wir mit Eisler nur 4 Nerven fest-
stellen, nämlich je einen oberen und unteren Sehnennerv aus dem
12. Intercostalnerven und dem 3. Lumbalnerven. Der Muskel selbst
erhält nach unseren Befunden nur zwei Nerven aus dem 1. und
2. Lumbalnerven. Wohlgemerkt dürfen aber die Ansäe zu den
proximalen und distalen Nerven des Plexus lumbalis nicht außer acht
30
M, iliopsoas. 445
gelassen werden. Der Bezug- aus dem 5. Lumbalnerven dürfte aus
topographischen Gründen zum mindesten zweifelhaft, wenn nicht un-
möglich sein. Das innere Nervenbild läßt die von Gegenbaur ver-
langte Trennung in eine vordere ventrale und hintere dorsale Portion
erkennen, weil oberflächliche und tiefe Zweige zu unterscheiden sind,
und diese Trennung ist weiter dadurch begründet, daß zwischen beiden
Gebieten keine Anastomosen von uns nachgewiesen werden konnten.
M. iliopsoas.
Synonyma: Lenden-Darmbeinmuskel, Hüftlendenmuskel; Psoas-iliaque,
flechisseur de la cuisse (Thbile).
Allgemeine Beschreibung.
Wie der Name sagt, zerfällt der physiologisch zusammengehörige
Doppelmuskel in zwei anatomische Unterabteilungen: eine, welche
von der Wirbelsäule entspringt und damit noch zum Rumpfe im
engeren Sinne gehört, und eine zweite, welche aus der Fossa iliaca
entspringt und damit vollkommen der unteren Extremität angehört.
Die von der Lendenwirbelsäule entspringende ist die einzige, welche
die untere Extremität noch über die Beckengrenze hinaus mit dem
eigentlichen Rumpfteile verbindet. Es prägt sich hier in schärfster
Weise der Gegensatz zwischen Unter- und Oberextremität aus. Am
Arme greifen die Muskeln, welche den Schultergürtel und den Ober-
arm bewegen, mit ihren Ursprüngen weit auf das Rumpfskelet über,
nämlich der M. sternocleidomastoideus von dem Proc. mastoideus
bis zum M. trapezius, dessen einer Hauptursprung an der Pro-
tuberantia occipitalis externa gelegen ist, dann auf das Lig. nuchae
übergreift und schließlich die ganze Reihe der unteren Halswirbel-
und sämtlicher Brustwirbeldornen in Anspruch nimmt.
Uebrigens ist die Beschreibung des M. trapezius mit den Ursprüngen
von sämtlichen Brustwirbeldornen vollkommen schematisch. Wir haben
Fälle beobachtet, wo er bereits mit dem 10. Brustwirbel beiderseits auf-
hörte, doppelseitig oder häufiger einseitig, und wunderbarerweise war die
linke Seite, welche im allgemeinen doch weniger kräftig angegeben wird,
mit längeren Ursprüngen bedacht, als die rechte.
Die Fortsetzung des M. trapezius nach unten bildet, zunächst
verborgen, der M. latissimus dorsi, der vermittelst der sogenannten
„Fascia" lumbodorsalis weiterhin die Lendenwirbeldornen, die Kreuz-
darmbeingrube und die Crista iliaca und schließlich noch mit drei
oder vier Zacken die entsprechenden unteren Rippen zum Ursprünge
benutzt. Damit sind wir bereits auf die Außenfläche des Brustkorbes
und den ihr aufliegenden M. serratus anterior gelangt. Dieser Muskel
liegt im unteren Teile in seinen Ursprüngen frei unter der Haut, mit
seinen oberen dagegen unter dem M, pectoralis minor und dem M. pec-
toralis major verborgen. Der äußerlich nicht sichtbare M. subclavius
ist als Schlußglied der einheitlichen Kette, welche den ganzen Schulter-
gürtel und damit die obere Extremität umgibt, nicht nur von theo-
retischem Interesse. Wir sehen also, daß die äußere Rumpfform,
soweit sie durch die Muskeln bestimmt wird, mit Ausnahme der
vorderen Bauchwand und der unteren medialen Partie des Rückens
bedingt wird durch Muskeln, welche an der oberen Extremität ihren
31
446 FROHSE und M. ^RÄNKEL,
Ansatz finden. Ganz anders beim Beine. Die Crista iliaca bildet
die scharfe Grenze zwischen Rumpf und unterer Extremität, und auch
vorn, wo anatomisch der M. iliopsoas über die scheinbaren Grenzen
der unteren Extremität proximalwärts hinausreicht, ist, was nicht
allein für die Künstler, sondern auch für die Aerzte Bedeutung hat,
eine scharfe Grenze gezogen, nämlich durch das Lig. inguinale (Pou-
parti), welches jedoch kein Band ist, sondern nur die künstlich heraus-
geschnittene untere Abteilung des M. obliquus externus abdominis.
Wir finden den Muskelbauch aber auch an der freien unteren Ex-
tremität, wo er dann die äußere Abteilung des sogenannten Adduc-
torendreieckes bildet. Wir dürfen diesen nicht außer acht lassen, weil
noch am Oberschenkel ein extramuskulärer Nervenzweig vorhanden
zu sein pflegt, welcher zwar nur den M. iliacus versorgt, aber trotz-
dem bei elektrischer Reizung den ganzen M. iliopsoas zur Wirkung
bringen kann.
Für den M. psoas major haben wir uns die Neunzahl der Ursprünge
zu merken, 4 oberflächliche kommen von den 4 oberen Lenden-
wirbelkörpern, die 5 tiefen von sämtlichen 5 Lendenwirbelquerfort-
sätzen. Der M, iliacus entspringt, was hier besonders betont sein
muß, nicht allein von der Fossa iliaca, d. h. im Innern des Beckens,
sondern auch noch unterhalb der Spina iliaca inferior, d. h. im Be-
reiche des Oberschenkels. Diesen Muskel könnte man M. iliacus minor
nennen, aber auch, wenn man die frühere Bezeichnung M. iliacus in-
ternus für die Hauptportion anerkennt, für diese kleinere M. iliacus
externus wählen. Nicht allein durch die Innervation, sondern auch
durch den Ansatz verdient dieser Kopf eine besondere Beachtung.
Es ist nichts leichter nachzuweisen, als die Tatsache, daß der soge-
nannte Trochanter minor fast ausschließlich von der Endsehne des
M. psoas major zum Ansätze benutzt wird, während der M. iliacus
und besonders die eben erwähnte äußere Portion fast rein muskulös
sich noch weiter nach distal begibt und die Grenze zwischen dem
M. vastus medialis und den Adductoren bildet. Allerdings gehört für
den Studierenden eine große Geduld dazu, diesen Befund schon am
Muskelpräparate, und erst recht am Gefäß- und Nervenpräparate nach-
zuweisen.
Von der größten Wichtigkeit sind jedoch die topographischen
Beziehungen, welche zwischen ihm und dem Plexus lumbalis obwalten.
Wenn wir die Sechszahl als Schema für den Plexus lumbalis an-
nehmen, so haben wir 4 Nerven an der lateralen Seite des M. psoas
major, einen zunächst an der medialen, dann aber an der vorderen Seite,
und einen, den letzten, an der unteren Fläche verborgen. Bereits in
der Bauchhöhle treten heraus die N. iliohypogastricus und ilioingui-
nalis, welche über dem M. quadratus lumborum ihren W^eg nehmen ;
dann folgt, ebenfalls an der lateralen Seite austretend, der N. cuta-
neus femoris lateralis, der jedoch nur mit dem M. iliacus, d. h. dem
großen Becken, in Beziehung tritt, ebenso wie der N. femoralis,
welcher aber häufig erst durch Auseinanderdrängen der M. psoas
major und iliacus sichtbar zu machen ist. Der fünfte, medial ent-
springende Nerv ist der N. genitofemoralis, welcher alsbald über den
M. psoas major hinwegzieht und sich in wechselnder Weise — mit-
unter gar nicht — in seine beiden Endäste teilt. Wenn diese beiden
vorhanden sind, kann man schematisch das so darstellen, daß der
laterale Zweig, den man ohne weiteres nicht als solchen, nämlich
32
M. psoas major. 447
als N. sperraaticus externus ansprechen würde, die medial und oben
gelegeneu Geschlechtsteile versorgt, während der mediale sich
schließlich zum Oberschenkel, d. h. lateral, wendet. Der N. sper-
maticus externus tritt nämlich durch den Leistenkanal hindurch und
soll den M. cremaster versorgen, ist aber auch beim Weibe vorhanden
und dient sogar als Wegweiser bei der ALEXANDER-AoAMSschen
Operation, muß also außer motorischen Fasern noch sensible führen.
Der N. lumboinguinalis tritt nicht durch die Lacuna musculorum hin-
durch, welche die N. femoralis und cutaneus femoralis lateralis be-
herbergt, sondern durch die Lacuna vasorum, gelangt aber meistens
nicht durch die Fossa ovalis, wie sie zumeist präparatorisch dargestellt
wird, an die Oberfläche, sondern durch die sogenannte Fascia cribrosa.
Aus den angeführten Gründen macht die Präparation dieses Nerven
auch für den Geübteren die unglaublichsten Schwierigkeiten, um so
mehr, als er in der Höhe der Fossa ovalis bisweilen scheinbar die
oberflächlichen Leistendrüsen durchbohrt und dann für ein Lymph-
gefäß angesprochen werden kann. Es handelt sich nur um eine Um-
wachsung des ursprünglich frei verlaufenden Nerven durch wuchernde
Einzellymphdrüseu, die zu größeren Knoten verschmelzen. —
lieber die Wirkung sei kurz erwähnt, daß er der Hauptbeuger
zwischen Rumpf und Oberschenkel ist und keine nennenswerte Roll-
wirkung entfaltet, daher ist auch die Bezeichnung Trochanter minor,
d. h. kleiner Roll hügel, ungerechtfertigt. Der entsprechende Knochen-
punkt muß Beugehügel heißen.
M. psoas major.
Synonyma : Lendenmuskel ; Psoas magnus, Pars lumbalis s. lumbaris ;
Lombaire interne, pre-lumbo-trochantinien (Chauss,).
Idiotopie und Skeletopie.
Der ansehnliche Muskelbauch, welcher auch dem Laien unter
dem Namen Filet bekannt ist, entspringt neben der Lendenwirbel-
säule, sowohl von den Körpern, wie von den Querfortsätzen. Die
genaue Präparation läßt aber mit Leichtigkeit den Muskelbauch vom
5. Lendenwirbelkörper beiseite schieben, den er niemals als Ursprung
benutzt. Es stehen also den tiefen 5 Ursprüngen von sämtlichen Lenden-
wirbelquerfortsätzen nur 4 oberflächliche von den entsprechenden oberen
Lendenwirbelkörpern gegenüber. Die Trennung der beiden Schichten
läßt sich zum großen Teile einwandfrei bei der Freilegung der einzelnen
Zweige des Plexus lumbalis erzielen. Um aber die einzelnen neun
Köpfe darzustellen, muß eine künstliche Trennung vorgenommen
werden. Dies liegt bei den Ursprüngen von den Wirbelkörpern
daran, daß sich hier gerade über der Mitte des Knochens eine sehnige
Arkade zwischen zwei Nachbarportionen herüberspannt, welche ihrer-
seits den Vasa lumbalia und den R. communicantes des Truncus sym-
pathicus zum Durchtritte in die Tiefe dient. Besonders aber muß
betont werden, daß auch die Fibrocartilagines intervertebrales, die
Zwischenwirbeischeiben, mit zum Ursprünge dienen, so daß hier
für einen Skeletmuskel außer den sonst verwirklichten Ursprungs-
möglichkeiten vom Knochen, einem Bande, einer Aponeurosis inter-
muscularis oder einer Sehne, einer Membrana interossea, oder inner-
Handbuch der Anatomie. II, ii, 3. 29
33
448
N. subcostalis
(intercostalis
N. iliohypogastricus
N. ilioinguinalis —
N. cut. feraoris latera
M. obturator ext.
Trochanter
minor
M. tensor fasciae lat.
(M. glut. ant. nobis)
Tuber ischiadicum
Linea pectinea
Fig. 13. Tiefe Banchmuskeln, topographisch, Muskel- und Nervenbild.
34
M. psoas major. 449
Beschreibung zu nebenstehender Fig. 13.
Die Abbildung ist so gedacht, daß man den Bauchteil mehr von proximal,
den Oberschen kclteü mehr von distal aus sieht. Trotzdem erscheint die Länge des
M. psoas major nicht allzusehr übertrieben. Dargestellt sind die retroperitonäalen
oder hinteren Bauchmuskeln, welche beim Ursprünge vollkommen in der Tiefe liegen,
in der Höhe der Spina iliaca anterior superior teilweise die Oberfläche erreichen und
sich im Ansätze wieder in die Tiefe wenden zum Trochanter minor. Im genaueren
gewinnt der tiefste Muskel, der M. quadratus lumborum, für den allgemeinen Eindruck
nur eine V^erbindung zwischen dem unteren Rande der 12. Rippe und dem Labium
internum der Crista iliaca des Beckens. Der M. psoas major reicht weiter proximalwärts
empor, sogar bis in die Brusthöhle hinein und gewinnt beim Beckeneingang seine
größte Breite. Seine Anheftung am Trochanter minor liegt in der Tiefe verborgen.
Ueberlagert wird er durch den oft fehlenden M. psoas minor, dessen Anheftung an
der Linea terminalis medialwärts und am Lig. inguinale lateralwärts nicht genug
zu betonen ist, weil nur bei seiner Gegenwart em Ligamentum iliopectineum
verwirklicht ist, während beim Fehlen nur mühsam eine kurze Strecke der Fascia
iliopcetinea künstlich herausgeschnitten werden kann, eine Aufgabe, welche den
Studierenden im Präpariersaale meistens mißlingt. — Der M. iliacus liegt in seinem
Ursprünge der Darmbeinschaufel und damit der hinteren Wand der Bauchhöhle
an, nähert sich aber nach der freien unteren Extremität hin immer mehr der
vorderen Oberfläche und ist sogar dicht unterhalb des Leistenbandes durch die
Inspektion, Palpation und elektrische Reizung zu erreichen. Dann allerdings senkt
er sich schnell in die Tiefe und ist keiner der eben erwähnten Untersuchungs-
methoden zugängig. Die Abbildung zeigt ferner die Plexus lumbalis und sacrauß,
ersteren im verborgenen Teile schwarz gehalten und erst mit den freien Nerven
doppelt konturiert, letzteren vom Foramen sacrale I an in doppelter Konturie-
rung mit seinen Stümpfen.
Das Zwerchfell mußte in seinem Lumbaiteile angegeben werden, ebenso aus
topographischen Gründen die A. iliaca communis mit ihren beiden Endästen;
schließlich noch die drei Bruchpforten für die vorderen Hernien, welche als
Anulus subcutaneus, Lacuna vasorum und N. obturatorius in unserer Figur be-
zeichnet sind.
Die innere Innervation ist angegeben nur für die M. quadratus lumborum,
psoas minor et major und iliacus. Einzelheiten darüber sind bei den entsprechenden
Muskeln nachzusehen.
halb der Geleukhöhle, noch eine siebente von einem Faserknorpel zu
erwähnen ist. Gerade der Ursprung von diesen Bandscheiben läßt
die obertiächliche Schicht vollkommen einheitlich erscheinen. Die tiefe
Lage wird erst deutlich sichtbar, wenn die oberflächliche abgehoben,
oder so weit, wie es nötig ist, entfernt wird. Die 5 Ursprünge von
den Queifortsätzen verlaufen nicht parallel nebeneinander, sondern
decken sich teilweise dachziegelartig. Der Muskelbauch hat seine größte
Breite iu der Höhe des Promontorium, verläuft dann über der Fossa
iliaca, von ihr jedoch durch eine dünne Schicht des M. iliacus ge-
trennt, uud entwickelt die äußerlich sichtbare Eudsehne in der Höhe
der Diameter transversa des Beckens. Mit Bezug auf den Becken-
eingang, die Linea arcuata, ist zu bemerken, daß der Muskelbauch
den Beckeueingang verkleinert, ohne jedoch ein Geburtshindernis ab-
zugeben. Dies liegt jedenfalls daran, daß der Muskel nur außer-
ordentlich wenig Bindegewebe enthält, welches ihm bei den Tieren
einerseits den W^ohlgeschmack verleiht, andererseits die leichte Ver-
schieblichkeit zur Seite erklärt. Beim Gleiten über die Eminenlia
iliopectiuea hat sich in der Tiefe bereits die ganze Endsehue
entfaltet und erzeugt durch ihre Reibung am Knochen einen ent-
sprechend großen Schleimbeutel, die sogenannte Bui sa iliopectiuea, der
piaktisch mit zu den wichtigsten des Körpers gehört. Im Trigonum
iliopectineum besitzt der Muskel fast nur noch Sehnensubstanz und
heftet sich in breiter Fläche an der vorderen Hälfte des Trochanter
minor, unseres „Beugehügels", an. 29*
35
460 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Holotopie und Syntopie.
Die Lagebeziehung zu dem Nerven, d. h. zum Plexus lumbalis,
ist so wichtig, daß wir sie bereits in die allgemeine Beschreibung
gesetzt haben, wo darüber nachzusehen ist.
Die vordere Fläche wird rechts noch von der V. cava inferior
überlagert, während die median gelegene Aorta abdominalis den
linken M. psoas major nicht mehr erreicht. Hart an der medialen
Kante verlaufen innerhalb der Bauchhöhle, d. h. an den Lendenwirbel-
körpern der Grenzstrang des Sympathicus mit seinen Ganglien, deren
Zahl allerdings nur in den seltensten Fällen 4 eri eichen dürfte, wie
die mindestens in Vierzahl vorhandenen R. communicantes, sondern
nach unseren Beobachtungen nur 2 beträgt. Am Rande des kleinen
Beckens kommen die Vasa iliaca commuuia und an der Teilungsstelle
der ersteren in ihre beiden Endäste der Ureter in Betracht. Letzterer
ist freilich, wie die hier nur kurz genannten Vasa spermatica interna,
durch eine Fettschicht, mitunter durch eine deutliche Eingeweidefascie
von dem Muskel getrennt. Dasselbe gilt von der Niere und ihren
Gefäßen. Die mediale Fläche grenzt an die Wirbelkörper und läßt
hier schmale vertikale Lücken zum Durchtritte für die Vasa lum-
balia 1—4 und die R. communicantes des Plexus sympathicus frei.
Die Facies profunda liegt auf den Querfortsätzen und, durch eine
deutliche Fascie getrennt, auf den M. intertransversales laterales.
M. iliacus.
Synonyma: Darmbeinmuskel; M. iliacus internus; Iliaque (intern
iliaco-trochantinien (Chaussier).
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel hat zwei Ursprünge, einen oberen größeren, welcher
dem großen Becken entspricht, dessen ganze Fossa iliaca er ausfüllt^
und einen kleineren, meistens als Varietät beschriebenen, welcher aber
trotzdem als normal aufzufassen ist, unterhalb der Spina iliaca ant. inf.
Er entspringt rein fleischig und ist in der Stärke seines Bauches
durch die Tiefe der Fossa iliaca bedingt. Auch bei muskelkräftigen In-
dividuen ist er bei weitem nicht so dick, wie es äußerlich aussieht, aber
wie man durch entsprechende senkrechte Einschnitte feststellen kann.
Die durchschnittlich größte Dicke beträgt etwa 2 cm. Gefrierschnitte
dürfen nicht zum Vergleiche herangezogen werden, weil bei diesen
nur in den seltensten Fällen und nur an einzelnen Stellen die Muskel-
bündel senkrecht durchtrennt werden. Ein Schräg- oder erst recht
ein Längsschnitt kann eine doppelte oder noch größere Dicke vor-
täuschen. — Der zweite Ursprung umrahmt die Spina iliaca ant. inf.
und die hier entspringende mediale Sehne des M. rectus femoris von
medial und unten her, hängt jedoch kontinuierlich mit der oberen
Hauptmasse zusammen. An muskelkräftigen Individuen läßt sich aber,
wenn man von der Spina iliaca ant, sup. aus eine künstliche Tren-
nung der beiden Portionen vornimmt, ein besonderer, bis 5 cm breiter
Muskel herauspräparieren, dessen Masse nicht hinter der Hälfte der-
jenigen des M, tensor fasciae latae des gleichen Präparates zurück-
steht. — Die mediale Partie geht ohne scharfe Grenze in die tiefste
des M. psoas major über. Der Ausatz findet statt nur zum kleinen
36
M..iliacus. 451
Teile am Trochanter minor, aber im Gegensatze zum sehnigen M.
psoas major rein fleischig; genau in derselben Weise vollzieht sich
die Anheftung der unteren Partie noch weiter herunter zum Ober-
schenkelschafte. Die Länge dieses Ansatzes richtet sich nach der
Breite des Muskelbauches.
Holotopie und Syntopie,
Der Muskel besitzt eine besonders distal gut entwickelte Fascie.
unter welcher sich aber auch reichliches Fett vorfinden kann. In
diesem Räume verlaufen die Eigennerven und -gefäße, außerdem der
N. cutaueus femoris lateralis, und im Spalte zwischen ihm und dem
M. psoas major der N. femoralis. Der N. genitofemoralis liegt be-
reits auf, d. h. nach vorn von der Binde. Der Margo medialis geht
ohne scharfe Grenze in den M. psoas major über; der Margo superior
entspricht der Crista iliaca und lateral von der Spina iliaca ant. inf.
der Sehne des M. rectus femoris. Distal finden wir keinen Rand,
sondern nur eine Spitze, wo beim Ansätze die Facies lateralis in die
medialis übergeht. Die Facies profunda entspricht den Knochen, be-
sonders der Fossa iliaca. Sein Schleimbeutel, die Bursa iliaca sub-
tendinea, kann größer sein als die gesonderte des M. psoas major
(Frohse).
Wirkung.
Der M. iliopsoas beugt den Oberschenkel gegen den RumpH
I. Wenn das Becken fixiert ist, also beim Spielbeine, kann die Vorder-
fläche des Oberschenkels so weit dem Bauche genähert werden, daß
sich die Weichteile berühren. II. Bei fixiertem Oberschenkel, ge-
wöhnlich also beim Standbeine, beugt der Muskel das Becken und
damit den Rumpf gegen den Oberschenkel, und auch hier kann durch
Uebung die Bauchhaut in Berührung mit dem Oberschenkel gebracht
werden. Die meisten Menschen werden dies nur beim Sitzen oder
im Liegen erreichen können; die Ausführung dieser Bewegung in
aufrechter Haltung setzt turnerische oder akrobatische Uebungen vor-
aus. Nennenswerte Nebenwirkungen außer der Beugung können wir
dem Muskel nicht zuerkennen. Der Trochanter minor liegt zwar
hinter der Achse des Femur, aber die Verlaufsrichtung der allein in
Betracht kommenden Endsehne ist durch die Eminentia iliopectinea
einerseits, die Spina iliaca inferior andererseits festgelegt. Die Roll-
wirkung im Sinne der Abduktion kann nur so weit gehen, bis in
größter Ausdehnung der Trochanter minor in der Fossa iliopectinea
gesehen werden kann. Von einer adduzierenden Wirkung kann auch
bei vorhergehender ausgiebigster Abduktion nicht die Rede sein.
Der Darstellung von Duchenne ^) (Seite 276 — 280) können wir
in den Hauptsachen vollkommen beistimmen. Jedoch möchten wir
gegen die Bemerkung, daß der Psoas „nur eine Art Anhang" des
M. iliacus bildet (S. 277, II), so berechtigt sie auch vom elektro-
physiologischen Standpunkte aus sein mag, unsere anatomischen Be-
denken kundgeben.
1) Physiologie der Bewegungen nach elektrischen Versuchen und klinischen
Beobachtungen von G. B. Duchenne. Aus dem Französischen übersetzt von
Dr. C. Wernicke. Cassel und Berlin, Verlag von Theodor Fischer, 1885.
37
452 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Innervation des M. psoas major.
Dieser Muskel sollte nach seinen Ursprüngen theoretisch versorgt
werden vom 12. Brust- bis zum letzten Lendennerven und außer-
dem zerfallen in eine obeiHächliche und tiefe Schicht. Nach Eisler
kommen die entsprechenden Nerven eist hervor aus den Anastomosen
zwischen 2.-5. Lumbalnerven. Augenscheinlich handelt es sich dann
um eine Verschmelzung des 1. Lumbalnerven mit dem 12. Intercostal-
nerven (N. subcostalis) ; denn das unserer Abbildung zugrunde liegende
Präparat ließ bereits aus der Ansa zwischen 1. und 2. Lumbalnerven
Muskelzweige hervorgehen, sowohl nach lateral, d. h. zur Portio
superficialis, wie nach medial, d. h. zur Portio profunda. Die Bezüge
vom 2. — 4. Lumbalnerven sind einwandsfrei, jedoch konnten wir einen
selbständigen Zweig aus dem N. lumbalis V nicht nachweisen. Wir
waren bei unserer Beschreibung des Beines zuuäciist im Zweifel, ob
wir überhaupt den M. quadratus lumborum und die M. psoas major
und minor als Muskelstümpfe zu behandeln hätten, wie es in der
Berliner Anatomie unter Trennung der Fibrocartilago intervertebralis
III — IV gewöhnlich gemacht wird, oder nach der seinerzeit in Jena
(Fürbringer) ausgeführten Methode, bei welcher die Durchtrennung
oberhalb der 12. Kippe gemacht whd, mit anderen Worten, ob die
hinteren Bauchmuskeln zum Rumpfe oder zum Beine gehören. Zweifels-
ohne ist die Jenenser Methode die bessere, weil die genannten Muskeln
bei fixiertem Rumpfe mit dem M. quadratus lumborum das Becken
und damit auch das Bein seitwärts heben, mit dem M. psoas major
den Oberschenkel beugen. Allerdings tritt bei Verlagerung des
Punctum fixum auf die uutere Extremität die entgegengesetzte Wirkung
ein, der M. quadratus lumborum bewegt den Rumpf nach der gleich-
namigen Seite hin, während der M, psoas major den Oberschenkel
dem Bauche, also dem vorderen Rumpfteile nähert bis zur Berührung
der Weichteile. Fragen wir uns nun, ob die Innervation einen Auf-
schluß gibt. Bereits die Bauchmuskeln haben entsprechend dem Ver-
laufe der Rippen und ihrer Verläuge)ung einen ausgesprochen ab-
steigenden Verlauf, und noch mehr gilt dies für die betrefienden
Nerven. Nun hat Eisler dargestellt, daß die Nerven für die M. psoas
major und minor nicht so weit proximal reichen wie die Muskel-
bäuche. Hieraus dürfte sich die Zusammengehörigkeit des M. ilio-
psoas in erster Linie mit dem Beine ergeben, während der proximale
Teil als nach oben hin gewandert erscheint. Beim Menschen hört
allerdings der M. psoas gewöhnlich mit dem Zwerchfelle auf. Bei
verschiedenen Tieren, z. B. Hasen, Lepus timidus, ist er noch zur
Brustwirbelsäule weit emporgeschoben. — Die am meisten distal ge-
legenen Nerven sind recht lang, besonders der mediale, welcher einen
langen Sehnennerven bis zum Trochanter minor hervorgehen läßt.
Innervation des M. iliacus.
Dieser Muskel wird nach Eisler versorgt aus der Ansa zwischen
3. und 4. Lumbalnerven. Wir glauben, daß dies Verhalten das nor-
male ist. Der Hauptzweig liefert von proximal nach distal zunächst
einen Sehnennerven, dann etwa drei motorische Zweige für die Portio
endopelvina und schließlich noch eiuen ganz langen Nerven für die
Portio extrapelvina. Die eistere Verzweigung ist konstaut, die zweite
nicht. Entweder verläuft der Nerv wie in unserer Abbildung in der
38
M. psoas minor. 453
Tiefe, oder sie nimmt, wie Frohse sie in Fi^. 171 des Atlas der
topoofraphischen Anatomie von v. Bardeleben, Häckel und Frohse,
4. Aufl., abgebildet hat, einen oberflächlichen Weg aus dem N. femo-
ralis. Wenn Anastomosen vorhanden sind, sind sie praktisch ohne
Bedeutung.
M. psoas minor.
Synonyma: Kleiner Lendenmuskel; Prelumbo-pubien, petit psoas.
Allgemeine Beschreibung.
Dieser inkonstante Muskel stellt ein verkleinertes Bild des M. psoas
major dar. Mit seinem Ursprünge vom 1. Lenden- und selbst dem
12. Brustwirbel erreicht oder überiagt er sogar den größeren Muskel.
Der spindelförmige Bauch geht jedoch nicht über die Höhe des
2. Lendenwirbels distalwärts. Die je nach der Dicke des Muskel-
bauches verschieden breite Endsehne erreicht niemals die freie untere
Extremität, sondern heftet sich bereits im kleinen Becken an und
zeigt eine breite Verbindung mit dem Lig. inguinale (Pouparti).
Idiotopie und Skeletopie.
Auch wenn der Muskel vorhanden ist, bedingt er keine nennens-
werte Erhöhung des Psoaswulstes. Sein Ursprung schiebt sich unter
den Arcus lumbocostalis medialis herunter, so daß der Ursprung vom
12. Brustwiibel, welcher nicht regelmäßig vorhanden ist, erst durch
Trennung des entsprechenden Zwerchfeilabschuittes zu sehen ist.
Beim Menschen hört der M. iliopsoas mit dem Zwerchfelle auf, beim
Hasen z. B. schiebt sich jedoch der Ursprung weit in die Brustwirbel-
säule proximalwärts. Ein Uebeigreifen auf letztere stellt also für
den Menschen eine Theromorphie dar. Der Muskelbauch selbst ent-
springt der Hauptsache nach vom 1. Lendenwirbelkörper, ist spindel-
förmig und nach unseren Beobachtungen höchstens 6 cm lang. Die
Endsehne ist lang, aber ganz flach, erfährt jedoch in der Nähe des
Ansatzes am Pecten ossis pubis eine bedeutende Veibreiterung, welche
als sogenanntes Lig. iliopectineum die Hauptmasse dieses Bandes
bildet. Wenn der M. psoas minor fehlt, kommt ein Lig. iliopectineum
überhaupt nicht zustande, es muß dann künstlich aus der Fascia iliaca
herausgeschnitten werden. Augenscheinlich ist dieses Band nur aus
theoretischen und praktischen Erwägungen als solches bezeichnet
worden, weil in der Tat eine scharfe, wenn auch nicht ligamentöse
Scheidewand besteht zwischen der Lacuna vasorum und musculorum,
welche einerseits den anatomischen Gebilden und andererseits den
entzündlichen Prozessen ihren Weg vorschreibt. Der Hauptansatz
der Endsehne am Pecten ossis pubis kann dort einen mitunter sehr
deutlichen Stachel erzeugen, welcher nach Waldeyer ^) (S. 119) eventuell
als Hindernis beim Geburtsakte wirken kann.
Holotopie und Syntopie.
Da der Muskel in seinen Grenzen niemals den M. psoas major
überragt, so mögen hier die Bemerkungen genügen, welche wir für
1) Waldeyer, Das Becken, Bonn, Verlag von F. Cohen, 1899.
39
454 FROHSE und M. FRÄNKEL,
den M. psoas major bis zum Erreichen des Lig. inguinale angegeben
haben.
Wirkung.
Diese ist aus dem Grunde interessant, weil wir in ihm auch einen
mittleren Beckenhalter vertreten sehen müssen. Der hintere ist näm-
lich der M. quadratus lumborum und der vordere der M. pjTamidalis.
Letzterer sowohl, wie er selbst können fehlen, so daß sie nicht als
besonders wichtige Muskeln bezeichnet werden können.
Innervation.
Diesen inkonstanten Muskel nach seiner Innervation zu prä-
parieren, hatten wir keine Gelegenheit. Wir haben sie angegeben
(s. Fig. 13) nach dem EiSLERschen Schema, dem zufolge die dünnen
Nerven herauskommen aus den Ansäe zwischen 2., 3. und 4. Lumbal-
nerven. Diese Darstellung ist schwer zu erklären, weil der Muskel-
bauch schon in der Höhe des 1. Lendenwirbels entspringt.
M. glutaeus maximus.
Synonyma : Großer Gesäßmuskel ; Glutaeus magnus (Alb.), M. g. major
aut. ; Grand fessier, sacro-femoral (Chaussibr), ilio-sacro-femoral (Dum.).
AllgemeineBeschreibung.
Die starke ungefähr viereckige Muskelplatte nimmt den größten
Teil der Hüftgegend ein, indem sie schräg von oben - medial nach
unten - lateral verläuft. Die Entwicklung erreicht beim Menschen
durch seineu aufrechten Gang an diesem Muskel den höchsten Grad.
Der Ansatz findet sich mit den oberen Bündeln sonderbarerweise
nicht am Oberschenkelbeine, sondern erst durch den Tractus ilio-
tibialis (Maissiati) am oberen Ende des Schienbeines. Die unteren
Muskelbündel gehen zum Oberschenkelbeine und erzeugen dort die
Tuberositas glutaea, welche sich beim Menschen nur selten zum
Trochanter tertius ausbildet. Bei der Wirkung sind zwei Tatsachen
zu berücksichtigen, ob nämlich das Becken der feste Punkt ist, oder
das Bein. Bei feststehendem Becken wird ein Oberschenkel nach
hinten bewegt. Ist das beim rechten Beine der Fall, so wird es das
Spielbein genannt, während das linke als Standbein bezeichnet wird.
In dieser Streckwirkung kommt er den hinteren Bündeln des M. del-
toideus gleich, dessen hinterer Rand ja die gleiche Richtung des
Muskelbauches aufweist. Die zweite Möglichkeit ist die, daß ein oder
beide Beine festgestellt sind. Dann bewirkt die Zusammenziehung
des oder der M. glutaei maximi eine Aufrichtung des gebeugten
Rumpfes oder die stramme, militärische Haltung des Körpers. Ein
dritter Punkt, der gewöhnlich in den Lehrbüchern nicht angegeben
wird, betrifft den Verschluß des Anus. In der Tat stellen die beiden
M. glutaei wohl den stärksten willkürlichen M. sphincter ani dar.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung wird zweckmäßig A. in eine oberflächliche, ohne
weiteres präparatorisch zutage liegende und B. eine tiefe Schicht zer-
40
M- glutaeus maximua. 455
legt, welche erst nach der Durchtrennung des Gesamtmuskels und
unter Zurückschlagung des medialen Lappens zu Gesicht gebracht
werden kann, und liegt
A. 1) an der Crista iliaca, ungefähr entsprechend dem hinteren
Fünftel; 2) an der Spina iliaca posterior superior; 3) au der Fascia
lumbodorsalis, durch welche er Beziehungen zu den Dornfortsätzen
des Kreuzbeines und mitunter sogar in deutlicher Weise von den
unteren und selbst den 3 unteren Lendenwirbeln gewinnen kann;
4) an der Seitenfläche des Kreuzbeines, selbst bis zum Cornu sacrale
hin; 5) an der Seitenfläche des Steißbeines bis nahe an die Spitze
heran.
B. Als tiefe Ursprünge sind zu erwähnen: 6) von der äußeren
oder hinteren Fläche der Darmbein schaufei nach hinten von der senk-
recht nach unten verlaufenden Linea glutaea posterior; 7) vom Lig.
sacrotuberosum, von welchem ein Teil bereits durch Hochklappen
des unteren Randes des Muskels sichtbar gemacht werden kann;
8) vom Lig. sacroiliacum posterius longum; 9) von einem Sehnen-
bogen, welcher als starke fibröse Platte vom Lig. sacrotuberosum
ausgeht, den M. piriformis überbrückt und am oberen Rande des
Foramen ischiadicum majus sich anheftet und eine nicht unbedeutende
Verengerung dieses Loches bewirkt; 10) als akzessorischen Ursprung
möchten wir anführen den Zusammenhang des oberen Randes mit der
sogenannten Fascia glutaea media, aus welcher sich in wechselnder
Länge und Zahl Muskelbündel loslösen können.
Der Ursprung ist im allgemeinen rein fleischig ; nur beim Ueber-
gange in die Fascia lumbodorsalis und gegen die Spitze des Steiß-
beines hin finden sich deutliche Sehnenbündel, die aber normalerweise
niemals eine solche Mächtigkeit erlangen, daß man von einer Ur-
sprungssehne reden kann. Der Muskelbauch selbst besteht fast aus-
schließlich aus parallel angeordneten, groben Bündeln, die niemals
wieder auch nur in annähernd gleicher Stärke am menschlichen Körper
wiederkehren. Die Endsehne entwickelt sich etwa in Höhe des
Trochanter major und zwar in der tiefen Schicht frühzeitiger, als
oberflächlich, und wendet sich teils zum Tractus iliotibialis, d. h. zum
Schienbeine hin, teils zum Labium laterale der Linea aspera, besonders
zu ihrem oberen Teile, der als Tuberositas glutaea immer verwirklicht ist,
selten sogar zum Trochanter tertius auswächst. Die Grenze zwischen
beiden Teilen gibt sich äußerlich in keiner Weise kund, muß viel-
mehr erst künstlich herauspräpariert werden, worauf wir bei der Be-
schreibung des Tractus iliotibialis zurückzukommen haben werden.
Der obere Teil umfaßt durchschnittlich ungefähr ein Drittel, der untere
zwei Drittel.
Die Fascie ist zwar verhältnismäßig schwach, besonders gegen
den Ursprung hin, schickt aber zwischen die einzelnen Bündel recht
kräftige Septa in die Tiefe. Eine genaue Präparation läßt an der
einheitlichen Platte der Gesamtfascie diese bindegewebigen Scheide-
wände als parallele Längsleisten erscheinen, vergleichbar den aller-
dings eng aneinander gerückten gleichgenannten des Nagelbettes.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel entspricht mit seiner Oberfläche der Haut und Fascie,
in welcher sich die N. clunium superiores (N. iliohypogastricus, R.
456 FROHSE und M. FRÄNKEL,
lateralis der N. lumbales und ein lateraler Endzweig des N. ilio-
inguinalis) verzweigen, ferner die N. clunium medii, welche den
R. posteriores der N. sacrales (et coccygeus) entstammen, und die
N. clunium inferiores aus dem N. cutaneus femoiis posterior. Die
Gefäße führen keine besonderen Namen. Bei der Beschreibung der
einzelnen Ränder dürfte es am einfachsten sein, den Muskel als Viereck
zu beschreiben, mit einem medialen Rande, welcher gleichbedeutend
mit dem Ursprünge wäre, einem lateralen Rande, welcher in den
Ansatz übergeht, einem oberen, welcher sich an den M. glutaeus
medius anschließt, und einem unteien, welcher sich gegen den Ober-
schenkel wendet. Der mediale Rand ist etwas konvex und entspricht
den bei der Idiotopie unter 1 — 5 erwähnten Knochen. Der obere
ist ebenfalls etwas gebogen und eihebt sich allmählich über den
M. glutaeus medius. Hätte der Muskel gleich im Beginne die Dicke,
welche er in der Mitte oder gegen den unteien Rand besitzt, so müßte
er sich äußerlich als sehr starker Wulst durch die Haut hindurch
bemerkbar machen.
Es gibt jedoch noch einen anderen Ausgleich, indem sich hier ein be-
sonderes Corpus adiposum findet, auf welches unter andeien wohl Wal-
DEYER am meisten hingewiesen hat, der sogenannte Weichen-Fettkörper,
dei" sich also auch noch unter die Crista iliaca gegen das Gesäß hin
herunterschiebt. Dieser Tettkörper der Weichen ist besondeis miiclitig
beim W^eibe entwickelt, bei welchem er besonders die schwellende Form
der Hüften bedingt, aber auch beim Wanne haben wir ihn in einer
Stärke bis zu 5 cm gesehen. In ganz typischer Weise hebt er sich bei
guter Entwicklung mit seinen großen , nur wenig Bindegewebe ein-
schließenden Lappen gegen das aus viel kleineren FetttiäubcLen zu-
sammengesetzte Unterhautfettgewebe ab, von dem er außeidem durch
eine Bindegewebsschicht mitunter spaltartig getjennt ist. Wir haben
hier nicht darauf hinzuweisen, in welchei- Weise er den Raum zwischen
dem Wulste des M. sacrospinalis und dem M. latissimus dorsi, also ober-
halb der Crista iliaca ausfüllt, wohl aber müssen wir betonen, daß dieser
Fettkörper ohne Grenze nach unten über diesen Knocheniand hinweg-
reicht und nunmehr in dem von uns zu beschieibenden Teile den Unter-
schied des Wulstes zwischen den M. glutaei maximus und medius aus-
gleicht. Auch bei sehr abgemagerten Personen verfällt dieser Fettköiper
nicht so sehr dem Schwunde wie die Fettträubchen der Unterhaut.
Der laterale Rand ist nicht so scharf ausgesprochen, wie die
anderen, indem eine scharf abgesetzte Endsehne fehlt. Nichtsdesto-
weniger entsteht mit dem Aufhören der Muskelsubstaiiz besonders im
oberen Teile eine Vertiefung, welche den Trochanter niMJor von hinten
her umrahmt, aber auch der obere Rand dieses Höckers kann eine
muskulöse Decke aufweisen, welche auf eine besonders starke p]nt-
wicklung der proximalen Bündel des großen Gesäßmuskels zurückzu-
führen ist. Bei muskelschwachen und abgemagerten Personen tritt
dieser Knochenvorsprung als die größte Erhebung zutage. Nicht so
bei muskelkräftigen, bei welchen der Tiochanter major als flache
rundliche Ei höhung in einem Muskeltale erscheint. Der hinteie (Jrenz-
wall kommt, wie gesagt, durch den Uebergang des Muskelfleisches
in die Sehne zustande, der andere Teil des Ansatzes geht zur Tube-
rositas glutaea. Der untere Rand verläuft ungefähr parallel dem
oberen, schräg von oben- medial nach unten -lateral und hat sehr
42
M. glutaeus maximus. 457
wichtige Lagebeziehungen zu der Fossa ischiorectalis, dem Tuber
ischiadicum und weiterhin dem Oberschenkel. Die schräge Richtung
kann nicht hinreichend genug hervoi gehoben weiden, weil sie nämlich
nicht identisch ist mit der allgemein bekannten queren Gesäßfurche.
Indessen findet sich diese nur beim Standbeine oder dem nach hinten
gewendeten, d. h. gestreckten Beine. Wenn ein Bein nach vorn ge-
wandt, d. h. gebeugt wird, verschwindet die quere Gesäßfurche, und
es macht sich nur der untere schräge Rand des Muskels selbst be-
merkbar. Wir müssen nach einer Erklärung für dieses Phänomen
suchen, welche an geeigneten Präparaten, besonders nach Injektion
mit starker Formalin- oder Alkohollösung zu erbringen ist. Die Fascie
des M. glutaeus maximus erfährt distal von der queren Gesäßfurche
mit einem Male eine ganz bedeutende Verstärkung, so daß sich dieser
kleine untere Teil als zur eigentlichen Fascia lata gehörig erweist.
Luschka (s. Poirier, S. 192) hat diese Bildung als Ligg. ischio-cutanea
bezeichnet. Die Fascia lata hüllt nämlich die Obeischenkelmuskeln
in sehr energischer Weise ein, wenn auch bei den einzelnen Muskel-
gruppen in verschiedener Stärke. Ihre geringe Dicke über der Ad-
ductoiengruppe gibt ja zu den unliebsamen Muskelhernien an dieser
Stelle Veranlassung, und darum muß betont werden, daß sie am
unteren Teile des M. glutaeus maximus recht kräftig entwickelt ist
und topographisch zur hinteren Oberschenkelgegend gehört. Das
Verschwinden der queren Gesäßfurche bei Beugung des Beines findet
eine ungezwungene Erklärung durch die passive Dehnung, welche bei
dieser Haltung nicht allein der M. glutaeus maximus, sondern auch
die am Oberschenkel gelegene Beugegruppe erfährt. — Der Raum
zwischen Steißbein und Tuber ischiadicum wird am Muskelpräparate
Fossa ischiorectalis genannt und ausgefüllt durch Fett. Jm Gegen-
satze zu dem oben beschriebenen Weichen-Fettköi per stellt die Fett-
masse, welche sich in diesen Raum hineinschiebt, nur eine Fortsetzung
des Untei hautfettgewebes dar ohne wesentliche Formunterschiede und
Abgrenzung durch eine besondere Fascie, höchstens daß die einzelnen
Läppchen größere Form annehmen, und das Bindegewebe weniger
dicht ist. Ein eigentlicher, selbständiger Fett k ö r p e r der Fossa ischio-
rectalis besteht nach unserer Aulfassung nicht.
Die Frage, ob der M. glutaeus maximus unter allen Umständen
das Tuber ischiadicum ganz oder teilweise bedeckt, muß je nach der
Stellung, in welcher sich das Bein befindet, eine verschiedene Be-
antwortung erfahren. Wenn die beiden Muskeln mit aller Kraft sich
zusammenziehen, also ihrer Bedeutung als M. sphincteres superficiales
gerecht werden, sind sicher beide Tubera ischiadica von ihnen über-
lagert. In der gewöhnlichen Haltung, in der man ein Bein zu prä-
parieren pflegt, sei es an der ganzen Leiche, oder der losgelösten
unteren Extremität, kann es vorkommen, daß ein kleinerer oder
größerer Teil des Tuber ischiadicum nicht mehr vom Muskelfleische
beJeckt ist. Die dritte Möglichkeit ist die, daß man ein Präparat
beschreibt, welches in der sogenannten Dammhaltung dargestellt ist,
d. h. wenn die gespreizten Beine stark gegen den Rumpf gebeugt
sind, und so sich die Regio perinealis mit den Tubera ischiadica in
aller Klarheit zeigt. Dann können wir allerdings nur zugestehen,
daß die fraglichen Knochenpunkte oft in ganzer Ausdehnung zu er-
kennen sind. Von diesen präparatorischen Gesichtspunkten aus
müssen wir auch die für den Lebenden wichtige Frage erörtern, ob
43
458 FROHSE und M. FRÄNKEL,
beim Sitzen die Tubera ischiadica vom Muskel bedeckt werden oder
nicht. Wenn die Beine übereinander geschlagen sind, können wir
eine größere Ueberlagerung durch die M. glutaei annehmen, als wenn
die Oberschenkel parallel nebeneinander gerade nach vorn gerichtet
sind, oder wenn sie aus diesem oder jenem Grunde gespreizt, d. h.
lateral gewandt sind. Wir müssen bei dieser Tatsache etwas länger
verweilen, weil sich an dieser Stelle zuweilen ein oder mehrere
Schleimbeutel finden. Der eine oberflächlich zwischen Haut und
Muskel, der andere in der Tiefe zwischen dem Tuber ischiadicum und
im Anschlüsse daran vom Lig. sacrotuberosum, die Bursa ischiadica
m. glutaei maximi. Für den in den B. N. A. nicht bezeichneten ersteren
Schleimbeutel, Bursa subcutanea ischiadica, dürfte dieser Name dem Ver-
ständnisse keine Schwierigkeiten bereiten. Beide erfüllen den gleichen
Zweck, die Reibung, sei es zwischen Haut und Knochen, oder Muskel
und Knochen, zu verringern. In einigen Fällen haben wir sowohl
den oberflächlichen wie den tiefen gefunden, in den meisten Fällen
beide vermißt, recht oft nicht einmal durch schlüpfriges Bindegewebe
angedeutet gefunden.
An der Facies profunda müssen drei Abschnitte unterschieden
werden: Ursprung, freie Muskelfläche und Ansatzgebiet. Das Ur-
sprungsgebiet deckt sich mit den oben unter 6—9 angegebenen
Teilen, bedarf also weiter keiner weiteren Besprechung, höchstens,
daß die Sehnenarkade über dem Foramen ischiadicum majus von
verschiedenen Gefäßen durchbohrt wird, von denen ein recht großes
durch Schwalbe mit dem besonderen Namen A. perforans lig. sacro-
tuberosi bedacht ist; auch ein gleichnamiger Nerv nimmt denselben
Weg, Die freie, tiefe Fläche, die Facies profunda, bildet die mächtige
Schutzdecke für die Gebilde, welche aus dem Beckeninnern zur
Beckenrückfläche, zu den äußeren Geschlechtsteilen und vor allem
zur freien Extremität selbst verlaufen. Eine ausführliche Beschreibung
der topographischen Verhältnisse kann jedoch hier noch unterlassen
werden, weil wir sie an anderer Stelle beim M. piriformis ausführ-
licher erörtern wollen und wir so den unnützen Wiederholungen aus
dem Wege gehen können. Nur ein Punkt muß hier beschrieben
werden, nämlich die Versorgung des Muskels durch Gefäße und
Nerven. Trotz der Mächtigkeit des Muskels haben wir nur einen
Nerven, den N. glutaeus inferior, der ungefähr im Zentrum des
Muskelvierecks eintritt, jedoch an dieser Stelle bereits in eine sehr
große Anzahl von einzelnen Nervenzweigen aufgelöst ist; am besten
kann man dies mit den Strahlen eines Fächers vergleichen, dessen Stiel
am M. ischiadicus sitzt, wo dieser unter dem M. piriformis zum Vorschein
kommt. Auch die Hauptgefäße des Muskels treten nahezu an derselben
Stelle zutage, die Vasa glutaea inferiora. Für eine ausgiebige Ver-
sorgung, welche für den Kollateralkreislauf nicht unwichtig ist, sorgt
jedoch im oberen Teile des Muskels ein ansehnlicherZweigder A. glutaea
superior. Frohse hat für die Aeste der A. glutaea in Fig. 163 des
Atlas der topogiaphischen Anatomie folgende Einteilung vorgeschlagen :
1) R. superficialis, der eben erwähnte Zweig für den oberen Teil
des M. glutaeus maximus,
2) R. profundi, von denen der obere, R. profundus superior,
ungefähr entsprechend der Linea glutaea anterior verläuft, während
der andere, der R. profundus inferior, sich ungefähr horizontal zwischen
den M. glutaeus medius und minimus einschiebt.
44
M. glutaeus maximus. 459
An Schleim beuteln sind außer den bereits beschriebenen in der
Gegend des Tuber ischiadicum zwei andere in der Höhe des Trochanter
major vorhanden. Der eine konstante liegt in der Tiefe unterhalb
der Sehne, Bursa trochanterica m. glutaei maximi, und ein inkonstanter
zwischen Sehne oder besser Fascie und Haut, die Bursa trochante-
rica subcutanea.
Die letztere ist ein Berufsschleimbeutel, welcher bei denjenigen
Leuten vorkommt, welche starkem Drucke der Trochanterengegend aus-
gesetzt sind. Nach einer persönlichen Mitteilung von F. Hein, Berlin,
kommt er besonders häutig bei Drehorgelspielern vor, welche ihr
schweres Instrument während des Transportes auf den Trochanter
major aufstützen müssen. Die konstante Bursa trochanterica m. glutaei
maximi ist recht groß, ungefähr von dem Durchmesser eines Drei-
markstückes und liegt unter dem Traktusteile der Sehne. Wir möchten
hier ein sehr einfaches, auch von dem Studierenden mit Leichtigkeit
durchzuführendes Verfahren angeben, welches unseres Wissens noch
wenig gebraucht und im Berliner Anatomischen Institut durch F. Hein
besonders eingeführt ist.
Der zu untersuchende Schleimbeutel wird an einer günstig gelegenen
Stelle in einer Ausdehnung bis zu 1 cm Länge angeschnitten und dann
die Höhle mit Watte ausgestopft, weißer oder noch vorteilhafter schwarzer
oder gelber, deren Färbung man ja selbst nach Bedürfnis erzielen kann.
Das Verfahren ist einfach, billig und reinlich und kann das Präparat
nicht verderben, wie es bei anderen Methoden mit Gips- oder Wachs-
injektionen vorkommt; bei letzterer Methode ist ja eine vorherige An-
wärmung durchaus wünschenswert, die ja immer auf Kosten der Schönheit
des Muskelpräparates vor sich geht. Außerdem kann nach dem Studium
des ausgedehnten Schleimbeutels die Watte ohne jeden Schaden für das
Präparat wieder entfernt werden, und schließlich ist zu beachten, daß die
Ausstopfung mit Watte, auch wenn sie sehr energisch durchgeführt ist,
doch noch einen ziemlichen Grad von Beweglichkeit der deckenden
Schichten erlaubt, während bei den zu festen, unbeweglichen Massen
erstarrenden Injektionsmitteln die Herstellung der ursprünglichen topo-
graphischen Lage oft auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt.
Außerdem finden sich noch zwischen den einzelnen Bündeln der
Ansatzsehne au Zahl und Ausdehnung wechselnde kleinere Schleim-
beutel, welche wir bei den Armmuskeln als intertendiuöse bezeichnet
haben. Ihre Größe dürfte in seltenen Fällen über die einer Haselnuß
hinausgehen. Ob bei der viel schwächeren Ursprungssehne ähnliche
Schleimbeutel vorkommen, halten wir nach Analogie der Befunde am
M. deltoideus für möglich, aber nicht für sehr wahrscheinlich.
Wirkung.
Bei der Wichtigkeit derselben haben wir sie bereits ausführlich
bei der allgemeinen Beschreibung mit in Betracht gezogen. Wir
unterscheiden drei Hauptwirkungen:
I. Wenn ein Bein dem Boden fest aufsteht, das sogenannte Stand-
bein, und das andere Bein als Spielbein nach hinten bewegt wird.
Diese Wirkung wird als Streckung des Beines bezeichnet, analog der
des Oberarmes.
45
460 FROHSE und M. FRÄNKEL,
IL Der Rumpf ist gebeugt, und ein oder beide Beine stützen sich
fest auf eine Unterlage, bilden das Punctum fixum. Dann wiid der
Rumpf gegen das Beiu im Hüftgelenke ge^treckt. Es ist gleichgültig,
in welcher Haltung die Wirbelsäule sich dabei befindet, deren Eigen-
streckung ja durch besondere Muskeln erzielt wird, nämlich die
M. sacrospinalis usw. Wenn der Mensch auf beiden Beinen steht,
wirken selbstverständlich beide M. glutaei maximi als Strecker des
Rumpfes oder, wie wir auch sagen können, um Mißverständnissen
vorzubeugen, Strecker des Beckens. Wenn dagegen nur ein Bein
als Stütze des im Hüftgelenke gebeugten Rumpfes dient, so muß
natürlich der gleichseitige Muskel die Aufgabe der Becke,nseite allein
übernehmen. Wir haben ferner bereits erwähnt, daß dieser Muskel
beim Menschen, vermöge seines aufrechten Ganges wohl die höchste
Entwicklung eri eicht hat, und gerade beim Gehen kommen die
M. glutaei abwechselnd in Tätigkeit, so daß bei der gleichen Arbeits-
leistung kaum eine wesentliche Bevorzugung der rechten oder linken
Seite sich ausbilden dürfte. Uns ist kein Fall bekannt, wo eine auch
künstlerisch sehr wenig schön wirken wüidende Ungleichmäßigkeit
des Gesäßes uns zu Gesicht gekommen wäre.
III. Als dritter, ebenfalls praktisch sehr wichtiger Punkt ist die
Verschlußwirkung der unteren Muskelbündel für die Analöfinung zu
bezeichnen. Wer sich von dieser Wirkung als M. compiessur ani
überzeugen will, kann es, wofern ihm keine Patienten zur Verfügung
stehen, an sich selbst mit Leichtigkeit ausprobieren. Im wesentlichen
dürfte der kräftige Verschluß des Anus dadurch zustande kommen,
daß durch die beiden, sich einander nähernden unteren Wülste der
M. glutaei maximi das Steißbein gegen die Beckenhöhle hineingepreßt,
dadurch fixiert wird, und durch die Feststellung dem M. sphincter ani
exteruus ein ungleich günstigerer Angrifi?punkt gewährt wird, als es
vorher an dem sonst so beweglichen Steilsbeine der Fall sein konnte.
IV. Bei fixiertem Beine kann die Bewegung nicht allein auf das
Steißbein übertragen werden, sondern das Becken im ganzen mit der
Symphyse mehr nach vorn geschoben werden, wie es bei den Be-
wegungen des Begattungsaktes der Fall ist, ein Vorgang, der in seiner
Physiologie noch bei den Auswäitsi ollern verschiedentlich betont
werden muß. Es handelt sich hierbei um eine forcierte Ventral-
bewegung des Beckens, welche man am Skelete nachmachen kann,
wofern dasselbe solche Bewegungen zuläßt. Hierbei muß sich auch
das Becken in beidep Hüftgelenkspfannen um die Oberschenkelköpfe
nach vorn herum bewegen. Beim Begattungsakte bilden aber die
Oberschenkel mit dem entsprechenden Ansätze des M. glutaeus maxi-
mus das Punctum fixum. das Becken und damit der Rumpf mit dem
Penis das Punctum mobile.
V. Am frischen Präparate kann man sich überzeugen, daß man
bei vorheriger starker Auswärtsrotation durch Zug an den unteren
Muskelbündeln die Einwärtsrotation auslösen kann, die man besonders
durch den Zug an den oberen Muskelbündeln wieder in eine Aus-
wärtsrotation umwandeln kann.
VI. Die Bedeutung der oberen Bündel, welche in den Ti actus
iliotibialis übei gehen, soll eist bei der Beschreibung dieser Aponeurose
behandelt werden. Hier sei nur erwähnt, daß der M. glutaeus maximus
auch vermöge dieses Ansatzes in hohem Maße für die Aufrechthaltung
des Menschen beiträgt, viel Muskelarbeit erspart, indem die flächen-
46
M. glutaeus maximus. 461
artige Endsehne wie eine Kappe die Außenseite des Oberschenkels in
ziemlicher Ausdehnung zudeckt und dabei zwei Gelenke überschlägt,
d. h. überbrückt, das Hüft- und das Kniegelenk.
Praktische Bemerkungen.
Vom chirurgischen Standpunkte aus kommt der Muskel bei den
Unterbindungen der A. glutaea superior und inferior in Betracht, bei
deren Auffindung die Muskulatur durchtrennt werden muß ; am besten
natürlich in der Längsrichtung der Muskelbündel, d. h. in einer
schrägen Linie von oben-medial nach unten-lateral, jedoch möchten
wir darauf hinweisen, daß ein Eindringen in das mittlere Drittel im
Zuge der Muskelbündel zwar diese schont, aber durch die Durch-
treunung der motorischen Nerven den nach oben oder unten am
Schnitte gelegenen Teil vielleicht hinterher doch ganz oder teilweise
entarten läßt, je nach dem Grade, wieviel Nerven durchtrennt waren,
und inwieweit durch das nachherige Zusammenwachsen die Restitutio
ad integrum sich vollzog.
Der untere Kand hat außer für den Chirurgen bei der Operation
der Aufsuchung des N. ischiadicus auch für den Kliniker, besonders
den Nervenarzt, Bedeutung, indem darunter, ungefähr in der Mitte,
d. h. lateral vom Tuber ischiadicum, der Druckpunkt für den N. ischi-
adicus gelegen ist, klinisch als einheitlicher Druckpunkt für den N. pero-
naeus sowohl wie für den N. tibialis, während chirurgisch bereits die
Zweiteilung in den schwächeren, mehr oberflächlich und lateral gelegenen
N. peronaeus, und den stärkeren, etwas tiefer und medial gelegenen
N. tibialis gefunden werden kann ; ein Verhalten, das vom anatomischen
Standpunkte aus zu den häufigen Varietäten gerechnet werden muß.
Ein anderer praktischer Gesichtspunkt ist der, daß die Glutäal-
gegend, speziell das Gebiet des M. glutaeus maximus bei Injektions-
kuren gegen Lues Prädilektionsstelle ist. Daß die geringe Schmerz-
haftigkeit der darüberliegenden Haut nicht der Grund sein kann,
geht wohl daraus hervor, daß die Züchtigung der Kinder meistens
genau an derselben Stelle ausgeführt wird. Nach unserer Meinung
dürfte es sich um die Dicke der Weichteile handeln, nicht allein des
Fettes, sondern vor allem des Muskels, welcher beim Einstoßen der
Nadel die letztere nicht so leicht in Berührung mit wichtigen Ge-
bilden, wie größere Gefäße und Nerven, kommen läßt. Am günstigsten
steht in dieser Beziehung die Gegend dicht oberhalb, d. h. proximal-
wärts von der queren Gesäßfurche da, noch vorteilhafter dürfte nach
dem Vorschlage von HaffterI) aus den angeführten Gründen die
Einspritzung in die Extensoren des Unterschenkels sein, weil dort
nicht so leicht größere Gefäße und Nerven getrotten werden.
Fränkel hat mehrmals bei Sublimatinjektionen in die Glutäalgegend,
welche augenscheinlich eine zu große Wirkung in die Tiefe auf die großen
Gefäße und Nerven dieser Gegend ausgeübt haben, tiefe Ohnmächten ein-
treten sehen,
Innervation.
Dieser Muskel nimmt eine absolute Sonderstellung ein, indem es
außerordentlich schwer fällt, am losgelösten Präparate, welches nur
1) Medizinische Klinik, 1906, No. 6. Intramuskuläre Injektionen von Digalen.
Berlin (A. Eulenburg).
47
462
FROHSE und M. FRÄNKEL,
den Muskel selbst von Ursprung? bis Ansatz enthält, die oberflächliche
und tiefe Seite voneinander zu unterscheiden. Dies liegt daran, daß
der Aufbau der Muskelbündel auch in der Tiefe sich parallel gestaltet,
und so kann unser Nervenbild sowohl für einen rechten M. glutaeus
■^ ' \
Corpus adiposum lum-
bale (Waldeyer)
M. latissimus dorsi
Trigonum lumbale
inferius (Petiti)
— M. sacrospinalis
^I obliquus ext. ab-
tlominis
Spina iliaca post . sup .
Punctum coxalesiipe-
rius (Waldevkk)
Tractus iliotibialis
(supratrochanteri-
cus nobis)
N. glutaeus inf.
Cornu sacrale
Bursa trochanteric.i
subcutanea
Apex ossis coccygis
- Corpus adiposum
ischiorectale
riiirsa ischiadica sub-
cutanea
Beugemuskeln
Fig. 14. M. glutaeus maximus, topographisch, mit projiziertem Nervenbilde.
48
M. glutaeus maximus. 463
maximus g'elten, zur Oberfläche hin projiziert, wie für einen linken,
dessen Facies profunda dargestellt ist. Hier deckt sich eben beinahe
genau Facies superficialis cum profunda.
Der mächtige Muskel erhält seinen einheitlichen Nerven durch
das Foramen infrapiriforme hindurch. Da aber die Bewegung des
Oberschenkels nach vorn oder hinten den M. piriformis bald kürzer
oder länger erscheinen läßt, ist eine Orientierung nach der hinteren
Mittellinie geboten, also die Entscheidung der Frage, wie weit von
der Mi ttellinie aus und an welcher Stelle der Wirbelsäule der Aus-
tritt des Nerven statthat. Diese liegt im Bereiche des Os coccygis
und kaun deshalb nicht mehr abhängig sein von dem Geschlechie;
denn das weibliche Steißbein dürfte in der Breite sich kaum von
einem männlichen untersciieiden, was ja beim Kreuzbeine oft sehr
augenfällig ist. Es handelt sich also bloß um die Entfernung von
der Mittellinie, welche praktisch wegen der Dicke der Weichteile
(Muskulatur und Fettschicht) ziemlich gleichgültig wird. Eine un-
gefähre Entfernung von 5 cm würde auch bei vorheriger Abduktion
oder p]inwä. tsrotation des Beines die Lage des einheitlichen Stammes
nicht beeintlusseu, denn der durch den Plexus sacralis medial fest-
gehaltene Nerv macht die Bewegungen nur in seinen peripheren Ver-
zweigungen mit. Für die Gefäße gilt zwar ein wechselnder Bezug
aus beiden Vasa glutaea, der Nerv aber ist einheitlich.
Der mehr distale Eintritt läßt hervorgehen: kürzere absteigende,
längere aufsteigende und im mittleren Teile einige quere Zweige.
Die Area nervosa hält sich ungefähr au die (»renze des Ursprunges
und mittleren Drittels und bietet bis zur Einsenkung der extia-
muskuläten Zweige nichts Besonderes. Dasselbe gilt auch für die
intramuskuläre Verzweigung; im mittle) en Drittel finden wir die
typische Plexusbildung, indem fast regelmäßig sich ein oberer Zweig
mit einem unteren verbindet, bald zur medialen Seite hin, bald zur
lateralen, ^^'ir haben ungefähr ein Dutzend derartiger Anastomosen
angegeben. Fast ebenso zahlreich sind die Sehnennerven, welche zum
Ursprünge hin spärlicher und dünner verlaufen als zum Ansätze.
Vergleich zwischen den M. deltoideus und glutaei.
Der M. deltoideus zerfällt in drei Portionen, nach seinen Ur-
sprüngen vom Schultergüitel : in die Portio spinata, acromialis und
clavicularis. Nach der Xervenversorgung haben wir jedoch in scharfer
Weise die hintere Partie, welche kaum \4 der Muskelmasse umfaßt,
zu unterscheiden von dem Reste. Wir haben betont (s. A. S. 30), wie
die Portio spinata anatomisch scharf gesondert ist schon durch die
bindegewebigen Hüllen, eine Trennung, welche auch von den Nerven
mitgemacht wird. Wir haben den N. axillaris zerlegt in einen hinteren
und vorderen Abschnitt. Ersterer versorgt den M. teres minor, liefert
den Hautast und senkt sich schließlich als vollkommen selbständiger
Zweig in die Portio spinata hinein. Wir haben außerdem hervor-
gehoben, daß der M. deltoideus diei verschiedene Wirkungen auszu-
üben imstande ist: mit seinen vorderen Bündeln die Flexion, den
lateralen die Abduktion und den hinteren die Extension. Unwillkür-
lich sucht mau nach einem Vergleiche an der unteren Extremität.
Vom Beckenringe aus entspringen von der Crista iliaca in oberfläch-
licher Schicht nur zwei Muskeln, die M. glutaeus maximus und tensor
Handbuch der Anatomie. II, ii, 3. BO
49
464 FROHSE und M. FRÄNKEL,
fasciae latae, in mittlerer Schicht der M. glutaeus medius und in tiefer
der minimus. Allen genannten Muskeln ist gemeinsam die Ueber-
brückung des Hüftgelenkes, wie es der M. deltoideus beim Schulter-
gelenke allein bewerkstelligt. Vergleichen wir nun Arm und Bein.
Am Arme liegt nur ein Muskel vor, der Deltamuskel mit einem eben-
falls einheitlichen Nerven, dem N. axillaris, der allerdings zerfällt in
eine hintere kleinere Partie und eine einheitliche vordere. Am Beine
sind vier Muskeln vorhanden, welche von zwei Nerven versorgt werden,
nämlich den N. glutaei superior und inferior. Der N, axillaris wird
vielfach auch genannt der N. circumflexus humeri (posterior). Die-
selbe Bezeichnung würde auch für den N. glutaeus superior zutreffen,
auch wenn er nicht den Oberschenkel umfaßt, sondern höher oben
das Hüftbein selbst, und dieser Nerv verteilt sich mit divergierenden
Zweigen zu den M. glutaei medius und minimus und tensor fasciae
latae. Für den am meisten nach hinten gelegenen Muskel, den M. glu-
taeus maximus, kommt der hintere Nerv in Frage, welcher gleichzeitig
mehr distal liegt und als einheitlicher N. glutaeus inferior bekannt ist.
Nach unserer Auffassung muß der M. deltoideus des Beines ge-
trennt werden in einen vordeien Abschnitt, welcher umfaßt die M. ten-
sor fasciae latae, glutaei medius und minimus, die ihrerseits versorgt
werden von dem N. glutaeus superior, und einen hinteren Abschnitt,
den M. glutaeus maximus, welcher vom N. glutaeus inferior aus-
schließlich seine Nerven bekommt.
Der M. deltoideus des Beines zerfällt also durch seine Innervation
in zwei besondere Abschnitte : die Portio spinata ist gleichwertig mit
dem M. glutaeus maximus und erhält ihren besonderen Nerven als
N. glutaeus inferior; die vordere Partie baut sich auf aus den M. glu-
taei medius und minimus und erhält ihren einheitlichen Nerven als
N. glutaeus superior. Daß dieser Nerv auch noch weiter verläuft bis
zum M. tensor fasciae latae, ist funktionell enorm wichtig, findet aber
auch einen theoretischen Anklang durch die Nervenzweige, welche
wir am Arme für den N. axillaris bis zum M. pectoralis major hin
beschrieben haben.
Varietäten.
Bedeutsame Varietäten kommen bei diesem Muskel nicht vor,
es sei denn, daß wir eine Abbildung aus dem alten Henle heran-
ziehen sollen, welche uns viel zu denken gegeben hat, weil dieselbe
Einrichtung auch bei demjenigen Präparate vorhanden war, welches
uns als erste zeichnerische Grundlage für das Muskelbild dienen sollte.
Henle hat hier einen inkonstanten Fall abgebildet, aber gerade hier-
bei unabsichtlich diejenigen Varietäten erklärt, welche den vorderen
Rand des M. glutaeus maximus näher mit dem hinteren Rande des
M. tensor fasciae latae zusammenbringen. Merkel, der Neubearbeiter
des HENLEschen Lehrbuches, hat die alte Figur durch eine neue er-
setzt, und das mit demselben Rechte, mit welchem auch wir eine
Varietät nicht als typisches Bild für einen Muskel nehmen durften.
Ferner hat Waldeyer bei den Vorarbeiten für sein Buch über das
Becken (etwa 1898) Präparate und Zeichnungen durch Frohse an-
fertigen lassen, aus denen hervorging, wie der Ursprung des M. glu-
taeus maximus sich nicht auf den knöchernen Beckenring beschränkt,
sondern noch die unteren Lendenwirbeldornfortsätze erreicht und
50
M. glutaeus medius. 465
sogar von beiden Seiten her die Mittellinie überschreitet. Wir können
das neuerdings in noch ausgesprochenerer Weise bestätigen und ge-
winnen so die Erklärung für die ventrale Beugung der unteren
Lendenwirbel, die nun einmal beim Begattungsakte ausgeführt wird.
M. glutaeus medius.
Synonyma: Mittlerer Gesäßmuskel; M. glutaeus secundus s. M. ilia-
cus ext. (Weber); Moyen fessier, grand ilio-trochanterien (Chaus.), ilio-
trochanterien (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Die gewöhnlich mit einem Dreiecke verglichene Form des Muskels
hat ihre nach oben konvexe Basis an der Crista iliaca, und wendet
ihre Spitze gegen den Trochanter major, welchen sie kappenartig
umfaßt. Bei dem Mißverhältnis zwischen der ausgedehnten Ursprungs-
fläche und dem ziemlich kleinen Ansätze muß eine starke Verjüngung
gegen letzteren statthaben, welche sich durch eine flederförmige
Anordnung der Muskelbündel im hinteren Abschnitte kundgibt. Dieser
liegt nun etwas senkrecht unter der Mitte des Muskelbauches, und
damit ist ohne weiteres die physiologisch so wichtige Verschiedenheit
in der Wirkung der einzelnen Abschnitte erkennbar, welche wir beim
M. deltoideus bereits betont haben, und deren Besprechung theore-
tisch beim M. glutaeus maximus zu erwarten gewesen wäre. Wie
bereits erwähnt, ist der M. glutaeus medius und sein schwächerer
Synergist, der M. glutaeus minimus, in seiner Wirkung mit der mitt-
leren, acromialen Portion des M. deltoideus vergleichbar, der M. glu-
taeus maximus mit der Portio spinata, und der M. tensor fasciae latae
mit der Portio clavicularis. Die Unterbrechung im Fleische der zu-
letzt genannten beiden Muskeln findet jedoch durch die starke Fascie
oder besser Aponeurose, welche den M. glutaeus medius an dieser
oberflächlich, d. h. subkutan gelegenen Stelle bedeckt, ihre befriedi-
gende Erklärung, besonders in dem mittleren Teile, wo das von
Walde YER so scharf hervorgehobene Punctum coxale (superius)
liegt, dem M. glutaeus medius nur zum Ursprünge dient, während
die Hauptmasse dieser Fascie in den Tractus iliotibialis übergeht.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung zerfällt in zwei Abteilungen: I. eine oberflächliche,
welche 1) von der Crista iliaca entspringt, und dabei vollkommen
den Raum zwischen dem hinteren Rande des M. tensor fasciae latae
und dem vorderen des M. glutaeus maximus ausfüllt; 2) von der
sogenannten Fascia glutaea media, welche sich von dem Punctum
coxale (superius) Waldeyeri und seiner Umgebung entwickelt und
über dem Trochanter major als mittlere sehnige Portion des Tractus
iliotibialis beschrieben wird. Die vorderen Bündel entspringen aus
einer trennenden Aponeurose zwischen ihm und dem M. tensor fasciae
latae, für welche wir in Henle (a. a. 0. S. 264) die Bezeichnung
Lig. Suspensorium trochanteris (Günther, Chirurgische Muskellehre,
S. 143) finden. Die hinteren Muskelbündel bilden bei ihrem Ursprünge
einen Sehnen bogen, unter welchem Zweige der Vasa glutaea superiora
ihren Weg nehmen.
30*
51
466 FROHSE und M. FRÄNKEL,
II. Die tiefe Schicht liegt an der Außenfläche der Darmbein-
schaufel und ist meistens in recht scharfer Weise umrahmt durch die
Liueae glutaea anterior und posterior, deren genauere Beschreibung
Aufgabe der Osteologie ist. Dieser Ursprung hat eine mondsichel-
artige Form, nur daß die vordere Spitze schärfer ausgezogen ist als
die hintere. Die Oberfläche des Muskelbauches ist in beinahe der
Hälfte des proximalen Abschnittes mit sehnigen Einlagerungen ver-
sehen und wird erst in der distalen Hälfte frei. Der vordere, schräg
nach hinten ziehende ßand ist nach unten konvex, der hintere zieht
einfach schräg nach unten und vorn. Die Endsehne entwickelt sich
erst in der Nähe des Trochanter major, und nur in der Gegend des
hinteren Randes schiebt sie sich noch einige Zentimeter weit in die
Muskelmasse hinein, soweit es eben am Oberflächenbilde erkannt
werden kann. Die Endsehne ist platt und tindet ihren Ansatz nicht
etwa an der Spitze des Trochanter major, den sie vielmehr in Form
einer nach hinten und medial off"enen Kappe umfaßt, und von dem
sie durch einen oder mehrere Schleimbeutel (Bursae trochanteiicae
m. glutaei medii ant. und post.) getrennt ist, je nachdem, ob ihre tiefe
Fläche eine mehr einheitliche Platte darstellt oder durch einzelne
Sehnenpfeiler zerklüftet ist. In der Tiefe erscheint die Endsehne
schon zeitiger, als an der Oberfläche. Der hintere Rand ist oft sowohl
oben mit dem Fleische des M. piriformis verwebt, wie unten mit
dessen Endsehne, von welcher ihn jedoch ein größerer oder kleinerer
Schleimbeutel trennen kann.
Holotopie und Syntopie.
Die Oberfläche, Facies superficialis, entspricht zum großen Teile
der Haut; voine wird sie jedoch noch etwas vom M. tensor fasciae
latae, lateral, d. h. in der Mitte durch die sehnige Komponente des
Tractus iliotibialis, hinten durch den M. glutaeus maximus überlagert.
Wenn man, wie es in der Berliner Anatomie üblich ist, den mittleien
sehnigen Teil des Tractus iliotibialis vollkommen vom M. glutaeus
medius loslöst und die beiden Ränder scharf absetzt, was am leich-
testen durch Schaben, immer nach proximal und gegen die Oberfläche
hin erreicht wird, so bekommt diese obere Hälfte des Muskels ein
zerhacktes Aussehen. Niemals ist dann die Schönheit am Präparate
zu erzielen, welche im unteren Teile ohne große Schwierigkeit er-
reicht werden kann. Die Ansatzsehne wird von den drei, hier bereits
größtenteils sehnig gewordenen Komponenten des Tractus iliotibialis
und dem Trochanter major durch einen mächtigen Schleimbeutel, die
Bursa trochanteiica m. glutaei maximi getrennt. Der nur dem M.
glutaeus maximus angepaßte Name dürfte wohl im wesentlichen aus
sprachlichen Bequemlichkeitsgründen gewählt sein. Gegenüber seiner
Ansatzsehne findet sich in gleicher Ausdehnung die flächenartige
Urspiungssehne des M. vastus lateralis. Gewöhnlich bereitet dieses
weite Hinaufreichen des letzteren Muskels dem Anfänger eine große
Ueberraschung.
Der vordere Rand ist sehr häufig mit dem M. glutaeus minimus
verschmolzen, so daß man immer gut tut, den M. glutaeus medius
im vorderen Abschnitte nur oberflächlich zu durchtrennnen, und erst
von hinten her das Zurückklappen nach beiden Seiten hin vorzunehmen,
um in der richtigen Schicht zu bleiben, und dann erst den Rest der
52
M. glutaeus «i^ias. ;4<37
vorderen Bündel zu durchschneiden. Präparatorisch sieht es 90 aus,
als ob eine tiefe Tasche zwischen beiden Muskeln vorhanden wäre.
Erleichtert oder auch erschwert kann die Sonderung der beiden
Muskeln durch einen sogenannten M. invertor femoris werden, den
auch wir verschiedene Male beobachtet haben, und der bei vielen Affen
die Regel ist. Der Name M. invertor soll bei der physiologischen
Betrachtung (s. S. 472 [58]) erläutert werden. Wenn man jedoch aus
irgendeinem Grunde die Trennung am vorderen Rande des Muskels
vornehmen will oder muß, so gibt der Nerv für den M. tensor fasciae
latae, welcher ja dem N. glutaeus superior entstammt und von den
Studierenden gewöhnlich überhaupt nicht dargestellt oder nicht ge-
funden wird, einen wichtigen topographischen Anhaltspunkt, weil er
zwischen den M. glutaeus medius und minimus in seiner ganzen
Länge seinen Weg nimmt. Der hintere Rand schließt sich an den M.
piriformis an, der mit ihm im gleichen Niveau gelagert ist, wenigstens
bis zur Ansatzsehne desselben hin. Der proximale Abschnitt ver-
schmilzt dann sogar mit diesem Muskel, besonders dann, wenn der
M. piriformis einen größeren Ursprung an dem oberen Rande der
Incisura ischiadica major an einer von Waldeyer a. a. 0. besonders
bezeichneten Spina besitzt. Ganz hinten und oben kommt für diesen
Muskel noch die Lagebeziehung zur Teilung der Vasa glutaea superiora,
in den R. superficialis und die beiden R. profundi in Betracht, von
denen die letzteren in Gemeinschaft mit dem N. glutaeus superior
dann unter dem M. glutaeus medius ihren Weg nehmen, und ihn, sowie
den M. glutaeus maximus dabei versorgen. Das Haupternährungs-
gefäß für ihn stellt der R. profundus superior dar, welcher hart an
seinem distalen Ursprungsrande, entsprechend der Linea glutaea an-
terior, also bogenförmig verläuft, und auch Knochengefäße liefert,
während der R. profundus inferior das Haupternährungsgefäß für den
M. glutaeus minimus ist, obschon auch dem M. glutaeus medius Zweige
zugehen, besonders im vorderen Abschnitte. Mit dieser Betrachtung
ist auch die Beschreibung der Facies profunda so gut wie erledigt.
Eine Fascia profunda existiert für ihn kauni, und das lockere, mehr
oder weniger fetthaltige Bindegewebe macht die Präparation der in
Frage kommenden Teile ziemlich leicht. Die in der Tiefe der Ansatz-
seime vorhandenen Schleimbeutel, welche wir zum Teil als inter-
teudinöse auffassen müssen, sind bereits als Bursae trochantericae
m. glutaei medii ant. et post. erwähnt.
Wirkung.
Um unnütze Wiederholungen zu vermeiden, betonen wir noch
einmal, daß wir bei den Beinmuskeln prinzipiell an dem Standpunkte
festhalten, daß das Punctum flxum bald am Ursprünge, bald am An-
sätze gelegen sein kann. An allen Muskeln eines Präparates läßt sich
dieser Nachweis führen, aber auch an mehr Muskeln des Lebenden,
als man zunächst erwarten sollte. Wir beschreiben deshalb
bei allen praktisch wichtigen Muskeln, ohne jedesmal
eine längere Einleitung den physiologischen Bemer-
kungen vorzuschicken, in folgender Reihenfolge:
I. Punctum fixum = Ursprung.
IL Punctum fixum = Ansatz.
53
468 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Wir haben daher beim M. glutaeus medius an erster Stelle — I.
zu beschreiben, wenn der Ursprung- das Punctum fixum darstellt, also
das Becken fixiert und das untersuchte Bein das Spielbein darstellt,
und an zweiter Stelle — IL, wenn das untersuchte Bein im Ober-
schenkel fixiert ist, am Lebenden das Standbein darstellt, an welchem
im Hüftgelenke die verschiedenen Diehbeweguugen ausgelöst weiden.
Eine Schwierigkeit in dieser Einteilung könnte sich bloß beim M.
popliteus ergeben, bei welchem wir der Konsequenz halber den proxi-
malen Abschnitt, die verhältnismäßig dünne, im Kniegelenke ver-
schwindende Sehne als Uisprung, den distal am Schienbeine ge-
legenen Muskelbauch als Ansatz bezeichnen.
L Punctum fixum = Ursprung. Der M. glutaeus medius ist
gleich seinem schwächeren Synergisten, dem Minimus, einer der
merkwürdigsten Muskeln, indem seine Bündel nicht allein die Aus-
wärts-, sondern auch die Einwärtsrotation ausführen können.
1) Die vordeien Muskelbündel wirken als Eiuwärtsdreher, be-
sonders kräftig natüilich dann, wenn das Bein vorher auswärts rotiert
war. 2) Die mittleren Muskelbündel wirken als Abductoren, turneiisch
als Beinspreizer bezeichnet, und 3) die hinteren Muskelbündel als
Auswärtsroller, besonders wenn vorher das Bein möglichst einwäits
rotiert war. 4) Wenn der ganze Muskel sich zusammenzieht, und
dabei die Einwartsrotation der vorderen Bündel und die Auswäits-
rotation des hinteren Abschnittes nach dem Paiallelogramm der Kräfte
ausgeglichen wiid, so unterstützen beide die mittlere Eauptportion in
der Wirkung der Abduktion, als Beinspreizer. 4 a) Ist das Becken über-
streckt, so müssen die vorderen Bündel das Bein gegen den Rumpf
beugen. 4b) Ist letztere Stellung in stärkstem Maße erreicht, so müssen
umgekehlt die hinteren Bündel das Bein nach hinten ziehen, d. h.
strecken, also sich als Antagonisten der vorderen Bündel kundgeben.
IL Punctum fixum = Ansatz. Wir wollen hier noch einmal die
Funktionen getienut unter besonderen Zahlen angeben, uns aber
weiterhin auf eine allgemeine Zusammenfassung ohne weitere Unter-
abteilungen beschränken. Wenn also das Oberschenkelbein oder am
Lebenden die Säule des ganzen Beines das Punctum fixum ist, be-
wirken, in derselben Reihenfolge aufgezählt, 5) die vorderen Bündel
die Auswärtsdiehung des Beckens und damit des ganzen Rumpfes,
6) die mittleren Bündel die Seitwäitsneigung des Beckens und des
ganzen Rumpfes zur gleichen Seite hin, so daß der letzteie mit dem
Beine im Hüftgelenke einen nach außen offenen stumpfen Winkel
bildet. 7) Die hinteren Bündel bewirken die Einwärtsdrehung des
Beckens, d. h. auch des Rumpfes, wobei dessen Vorderseite nach der
entgegengesetzten Seite gedreht wird. 8) Wirkt der Muskel im ganzen,
so tritt die unter 6) beschriebene Seitwärtsbiegung des Rumpfes in
erhöhtem Maße ein. 8 a) Bei überstrecktem Rumpfe beugen die vor-
deren Bündel das Becken auch gegen das Bein. 8b) Bei stark ge-
beugtem Becken sind die hinteien Bündel imstande, den Rumpf
wieder aufzurichten.
Beschreibung zu Fig. 15.
Entfernt sind die Fascia lumbodorsalis, die seitlichen Bauchmuskeln und der
M glutaeus maximus, letzterer nur bis auf Ursprung und Ansatz. In dieser Weise
kommen zu Gesicht: die M. sacrospinalis, quadratus lumborum, glutaeus medius,
überhaupt die mittlere Schicht der Muskeln der hinteren Hüftgegend und im un-
mittelbaren Anschlüsse daran die Muskeln auf der Rückseite des Oberschenkels, so-
wohl die Flexoren wie die Adductoren. Um nur eine Farbplatte zu benutzen, haben
54
M. glutaeus medius. 469
w-ir die Schleimbeutel mit einem hellblauen Tone angegeben, im Gegensatze zuden
dunkelblau gehaltenen Ausläufern der schwarzen Nerven, welche ineinander über-
gehen und so die Grenze zwischen dem extra- und intramuskulären Verlaufe dar-
stellen. In breiter unterbrochener Linie ist der proximale Teil des Femur angegeben.
Die Entfernung zwischen Tuber ischiadicum und Trochanter major erscheint
deshalb so groß, weil die Zeichnung bei äußerster Einwärtsdrehung des Präparates
imgefertigt ist, während welcher sämtliche Auswärtsrotatoren vom M. glutaeus medius
Foranieii
suprapiriforme
M. sacrospinalis
M. quadratus lumborum
'^pina iliaca post. sup.
M. glutaeus maxinius
Lig. sacrotuberosum
N. ischia
dicu'
M. adductor
magnuü
l
■ — J M
/ y. 4 M
N. glutaeus superior
Spina iliaca media (nobis)
Tractus iliotibialis
(Maissiati) [pars
supratrochanterica]
M. glutaeus medius
N. glutaeus inferior
(et N. cutaneus
lem. post.)
" - Spina iliaca ant.
sup.
N, pudendus
~ M. piriformis
!M. obturator int.
cum gemellis
N. pro m. tens.
fasciae latae
M. obturator ext.
M. quadratus femoris
i. trocb. m. glut. max.
ischiad. m. glut. max.
Trochanter minor
semimembranosus
. glutaeofemoralis
adductor minimus
M. glutaeus maximus
R. muScularis flexorius
semitendinosus
M. adductor magnus
biceps fsmoris, caput longum
Fig., 15.. Mittlere Bchicht da:. Gesäßg^end,. Muskel- und Nervenbild, topographisch.
55
470 FROHSE und M. FRÄNKEL,
herab bis zum M. quadratus femoris den höchsten Grad der passiven Spannung er-
reicht haben. Die extramuskulären Zweite des M. glutaeus minimus sind in unter-
brochener schwarzer Linie dargestellt, weil sie erst unterhalb des M. glutaeus medius
ihren Weg nehmen.
Der Darmbeinkamm (Crista Uiaca) zeigt in unserer Abbildung außer den be-
reits in den B.N.A. benannten Spinae iliacae ant. und post. superiores noch einen
mittleren Vorsprung, welcher allermeist und sogar am weiblichen Becken deutlicher
hervorspringt als die beiden vorgenannten. Für diesen Knochen vorsprang möchten
wir jetzt den Namen „Spina iliaca media" vorschlagen. Er entspricht nicht dem
Punctum coxale von Waldeyer, sondern dient als idealer Mittelpunkt für den Ur-
sprung des Tractus iliotibialis. Vom physiologischen Standpunkte aus wäre eine
zweite Bezeichnung wünschenswert : die Spina iliaca anterior superior ist ein Tuber
glutaeum anterius mit dem Ursprünge für die M. glutaei medius, minimus und
tensor fasciae latae; der M. sartorius, der zufällig auch an diesem Knochen vor-
sprunge entspringt, hat überhaupt nichts mit der Glutäalgegend zu tun. Dieser
Befund darf uns nicht verwundern, weil beispielsweise vom Tuber ischiadicum nicht
allein Adductoren entspringen, sondern auch die Flexoren, Auswärtsroller, wie die
M. quadratus femoris und gemellus inferior und Muskeln zur Urogenitalgegend
(M. ischiocavernosus, transversus perinei). Die Spina iliaca media ist ausschließhch
bedingt durch distale Züge ; oberflächlich aponeurotisch, verdienen sie den besonderen
Namen Tractus supratrochantericus ; in der Tiefe muskulös, gehen sie über in den
mittleren Teil des M. glutaeus medius. Die Spina üiaca post. sup. wird umrahmt
vom M. glutaeus maximus, welcher die hintere Seite des Gesäßes beherrscht, und
hieraus ergibt sich der physiologische Name Tuber glutaeum posterius.
Nebenbei sei bemerkt, daß dieser Muskel beim Tanzen eine große
Rolle spielt, und vor allem die Anstrengung der Muskeln beiden Seiten
zugute kommt, da ja in schneller Folge bald das rechte, bald das linke
die Rolle des Spielbeines zu übernehmen hat.
Wir haben der physiologischen Bedeutung dieses Muskels eine
so ausführliche Beschreibung gewidmet, weil wir die gleichen Tat-
sachen beim M. glutaeus minimus zu wiederholen hätten, jedoch soll
bei diesem nur auf die hier gegebene Beschreibung verwiesen werden.
Ein großer Teil in der gleichen Wirkung kehrt ja beim Tractus ilio-
tibialis wieder, welcher sehr ähnliche Muskelursprünge aufweist, nur
daß der Ansatz nicht am Trochanter major gelegen, sondern auf den
Unterschenkel verlegt ist.
Innervation.
Vom Foramen suprapiriforme wendet sich der Nerv horizontal
nach vorn und etwas lateral und gibt dabei in ziemlich regelmäßigen
Abständen seine motorischen Zweige für die Muskelbündel ab. Die
innere Innervation ist vergleichbar mit der des M. deltoideus, in dem
wir aufsteigende und absteigende Zweige und die eigentlichen Muskel-
nerven in der Mitte des Muskelbauches verwirklicht finden. Aber es
gibt einen wichtigen Unterschied: die mächtigen Knochen, proximal
das Becken mit der Crista iliaca und distal das Femur mit dem Tro-
chanter major, verlangen ansehnliche Sehnennerven, welche in unserer
Figur (15) zu erkennen sind. Wir weisen besonders auf die Sehnen-
anastomose hin, welche hart am Rande der Crista iliaca zwischen
Spina iliaca ant. sup. und media gelegen ist, ferner auf den distalen
Sehnennerven, welcher die Spitzen des Trochanter major von vorn
und hinten umfaßt. Die Anastomosen sind nicht sehr zahlreich.
Außerdem ist aber zu beachten, daß der N. glutaeus superior nicht
allein die M. glutaei medius und minimus versorgt, sondern auch den
M. tensor fasciae latae. Diese beiden Muskeln sind in ihrer Inner-
vation nur schematisch angegeben. Der hintere Nerv für den M. glu-
56
M. glutaeus minimus. 471
taeus minimus müßte sogar noch unter der Endsehne des M. piriformis
angegeben werden, obwohl sein Muskelbauch nicht zu erkennen ist
Beim Nerven für den M. teusor fasciae laiae mußte eine dreifache
Darstellung eiutieten: der zwischen den M. glutaei medius und minimus
intermuskuläre Teil ist dick schwarz gehallen, eine etwa 2 cm lange
Stiecke ist doppelt konturiert gezeichnet und entspricht dem extra-
muskulären Vei laufe dieses Nerven ; die intramuskuläre Verzweigung
konnte hier nur schematisch mit blauen Linien angegeben werden.
M. glutaeus minimus.
Synonyma: Kleiner Gesäßmuskel; M. glutaeus minor s. glutaeus
tertius; Petit fessier, petit ilio-trochanterien (Chaussikr).
Allgemeine Beschreibung.
Der Muskel stellt gleichsam die verkleinerte Wiederholung des
M. glutaeus medius dar, mit dem er auch die gleiche Wirkung besitzt,
nur ist seine Präparation viel leichter, weil er keinen obertlächliclien
Ursprung von einer Aponeurose hat, die erst künstlich losgelöst
werden muß.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel ist vielleicht einer der schönsten des ganzen mensch-
lichen Körpers durch die Entwicklung des breiten ISehnenspiegels.
Die Gesamtform gleicht einem fast ganz ausgebreiteten Fächer, dessen
freier konvexer Rand der Linea glutaea aut. entspricht, und der je nach
der Farbe des Muskels heller oder dunkler rot geläi bt ist. Die End-
sehne oder der Stiel heftet sich am obeien Rande des Trochanter
major an, ohne jedoch die eigentliche Spitze desselben zu erreichen,
und hat die atlasglänzende Farbe der meisten Sehnen. Was aber
gerade diesem Muskel die hervorragende Schönheit verleiht, ist der
Umstand, daß sie allmählich dünner wird, sich schließlich unmerklich
verliert und präparatorisch sehr leicht darzustellen ist.
Hierdurch kommt ein Farbenspiel zustande, welches an Wechsel
vom gelben bis zum blauen Tone, verbunden mit dem Atlas schimmern
der Sehne, nichts zu wünschen übrig läßt. Das Pliänomen der blauen
Farbe ist allgemein von den Hautvenen her bekannt, bei welchen das
Rot des Blutes durch die weißliche Wand der Ader und die Decken
der Haut in Blau umgewandelt wird. Auch das von einer Fascie
bedeckte Muskelfleisch erscheint ja mehr oder weniger bläulich oder
violett und ist bei chlorotischen Leuten mit fettarmer Haut, oder bei
venösen Stauungen mitunter in aller Deutlichkeit am Lebenden durch-
zuerkennen. Die einfachste Erklärung findet sich aber, wie gesagt, im
Fleische des M. glutaeus minimus im Veieiue mit der dünnen Sehne.
Der vordere Rand ist wie beim M. glutaeus medius nach vorn
und unten konvex, kann aber bei Auswärtsrotation des Beines in eine
einfache schräge Linie verwandelt werden. Der hintere Rand vei läuft
in umgekehrter Richtung schräg von oben-hinten nach unten-voin. Der
Ursprung von der Außenfläche der Darmbeinschaufel vollzieht sich
ausschließlich durch fleischige Bündel und reicht bis zu einer Linie
herunter, welche der Linea glutaea anterior parallel verläuft und
Linea glutaea inferior genannt wird. Gewöhnlich ist sie nicht so deutlich
ausgeprägt wie die Linea glutaea posterior und anterior. Des häufig
472 FROHSE und M. FRÄNKEL,
•vorkommenden Zusammenhanges des vorderen Randes mit dem M. glu-
-taeus medius haben wir bei diesem Muskel in ausführlicher Weise
•gedacht, ebenso der Varietät eines M. invertor femoris, eines mehr
•oder minder selbständigen und starken Zwischenmuskels zwischen
den beiden anderen. Der Name besagt, daß er den Oberschenkel
nach einwärts dreht, welches ja bei fixiertem Becken, also am Spiele
:J)eine seine Aufgabe ist.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel ist fast vollkommen von dem M. glutaeus medius
überlagert, der hintere Abschnitt auch noch durch den M. piriformis.
Erst durch Auseinanderdrängen der beiden deckenden Muskeln ist es
möglich, einen Teil der Muskeloberfläche zu Gesicht zu bekommen
und die ihn versorgenden Vasa et N. glutaea superiora zu erkennen,
welche weiterhin quer über ihn hinwegziehen nnd mit dem Zweige
für den M. tensor fasciae latae ihr Ende finden. Der obere Rand
'entspricht der Linea glutaea anterior und den R. profundi superiores
der Vasa glutaea superiora. Der vordere Rand wird vom M. tensor
fasciae latae bedeckt, so daß nur bei der Erschlaifung des letzteren
der an und für sich mächtige vordere Wulst des mittleren und kleinen
Gesäßmuskels durch die Haut hindurch zur Geltung kommt. Der
hintere Rand überschreitet die Incisura ischiadica major nicht gegen
das Beckeninnere hin. Die tiefe Fläche zerfällt in einen oberen Ab-
schnitt, welcher dem Ursprungsgebiete des Muskels zwischen Linea
:glutaea anterior und inferior entspricht, und einen unteren, welcher die
freie Facies profunda des Muskelbauches darstellt. Nur durch lockeres
fetthaltiges Bindegewebe von der Kapsel des Hüftgelenkes getrennt,
bildet sie die erste unmittelbare Deckschicht für den größten Teil
seiner hinteren Wand. Am Ansätze findet sich häufig ein kleiner
^Schleimbeutel — Bursa trochanterica m. glutaei minirai — eventuell
auch mehrere kleine intertendinöse.
Bisweilen findet sich noch eine besondere bandartige Verbindung
zum Lig. iliofemorale (Bertini).
Wirkung.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß er bei dem
Spielbeine als Abductor femoris, beim Standbeine als Adductor pelvis
i. e. trunci (lateralis) wirkt und im übrigen die gleichen Aufgaben er-
ledigt wie der M. glutaeus medius.
Innervation.
Der diesem Muskel zukommende Nerv stammt aus dem N. glu-
taeus superior und löst sich aus diesem entweder bereits im Bereiche
des B'oramen ischiadicum majus (supiapiriforme) los, oder erst weiter
•distal in der Tiefe des M. glutaeus medius, wie unsere Abbildung
{Fig. 16) zeigt. Wie bei allen Gesäßmuskeln, haben wir auch hier,
^vielleicht in der ausgesprochensten Form, die Anordnung verwirklicht,
daß die Nerven sich möglichst weit proximal zum Punctum fixum
normale verschieben und nicht in der Mitte des Muskels ihren Weg
nehmen. Die Innervation des Muskelbauches bietet wenig Besonder-
heiten. Wir haben zwei Anastomosen und 5 verschiedene Knochen-
58
M, glutaeus minimus.
473
nerven abgebildet, von denen 3 zum Ursprünge an der Linea glutaea
anterior ziehen und 2 sehr lange zum Trochanter major.
Außerdem entwickelt sich ungefähr in der Mitte des Muskels der
Nerv für den M. tensor fasciae latae.
Linea glutaea post.
Spina iliaca post. sup
N. pro m. glut, med.
N. pro m. glut.
N. pro m. tensore
fasciae latae
M. piriformis
N. ischiadicif;
N. pudend
M. gemellus
Bursa m. obturatoris
M. gemell
M. semimembranosus
Bursa m. bicipitis sup.
M. biceps -f- semitend.
M. adductor magnns '
M. quadrat
femoris
Bursae m. piriformis
Bursa m. pectinei
Bursa m. obturatoris
ext. (Recessus post.
artic. coxae nobis)
Trochanter minor
(M. psoas major)
Fig. 16. Tiefe Schicht der Gesaßgegend, Muskel- und Nervenbild, topographisch.
Sämtliche Rückenmuskeln, ferner die M. glutaei maximus, medius, obturator
internus, flexores cruris sind entfernt bis auf die Bänder unter Berücksichtigung
der Muskelursprünge, welche wir für den M. glutaeus maximus mit 7, i, 7, für den
M. glutaeus medius mit 2 angegeben haben. Aus dem M. piriformis ist etwa das
mittlere Drittel herausgeschnitten, damit man die Beziehung zu dem Foramen ischi-
adicum majus und seinen Unterabteilungen, Foramen supra- und infrapiriforme,
erkennen kann. Außerdem mußten die Hchleimbeutel berücksichtigt werden. Die
in den B.N.A. angegebenen Avaren auch an unserem Präparate verwirklicht. Wir
mußten aber noch zwei neue angeben, einen unterhalb der Sehne des M. piriformis,
59
474 FROHSE UQd M. FRÄWKEL,
WO sich dieser an den M. obturator internus anlehnt, und einen zweiten unmittel-
bar unter der Sehne des M. obturator externus. Letzterer hat aber eigentlich nichts
mit der Endsehne zu tun, sondern ist als eine hintere Ausstülpung des Hüftgelenkes
aufzufassen. Wir fanden ihn an mehreren Präparaten mit himbeerartigem Gelee
ausgefüllt, wie es auch bei der B. gastrocnemio-semimembranosa sehr häufig vor-
kommt. Man findet in solchen Fällen in der eigentlichen Gelenkhöhle überhaupt
keine Flüssigkeit, sondern nur die Gelenkschmiere, und diese konzentriert sich ge-
wissermaßen in den jeweiligen Ausbuchtungen, aus denen der Abfluß nur schwer
möglich ist.
Die Incisura ischiadica minor mußte hellblau gefärbt werden, weil an dieser
Stelle einer der wichtigsten Schleimbeutel zu beachten ist, die Bursa m. obturatoris
interni. Am Tuber ischiadicum sind angegeben die Ursprünge der Flexoren und
des M. adductor magnus. Sonderbarerweise schiebt sich der M. semimembranosus
weiter proximal empor als die vereinten Ursprünge des langen Bicepskopfes und
des M. semitendinosus. Zwischen beiden findet sich sogar ein Schleimbeutel, bei
dem man im Zweifel sein muß, ob er dem M. biceps zuzurechnen ist, oder dem
M. semimembranosus. Er wird genannt Bursa m. bicipitis superior. Am unteren
Punkte des Tuber ischiadicum ist in blauer Farbe dargestellt der Ursprung des
M. adductor magnus, obwohl er nicht ausschließlich sehnig entspringt und sein
muskulöser Ursprung durch rote Farbe hätte angegeben werden müssen.
Das Muskelbild zeigt fast den äußersten Grad der Einwärtsrotation, wobei der
Oberschenkelknochen, von der Eückseite aus betrachtet, auswärts rotiert erscheint.
Bei einer solchen Haltung muß der M. glutaeus minimus spiralig um den Trochanter
major sich herumlegen und außerdem der M. quadratus femoris gedehnt werden.
Ganz abgesehen davon, ob er den Namen „quadratus" mit Eeeht führt und für
die Crista intertrochanterica verantwortlich gemacht werden kann, betonen wir, daß
er nur vorübergehend, d. h. während eines bestimmten Kontraktionszustandes, die
Form eines Quadrates annimmt und außerdem mit seiner Hauptmasse über die
Crista intertrochanterica hinwegzieht.
In 'den B.N.A. ist eine Linea pectinea femoris angegeben, welche durch die
Gegenwart eines Schleimbeutels Berechtigung findet. Durch ihn werden getrennt
der Trochanter minor mit der Anheftung des M. psoas major, also die Beugegruppe
von den Adductoren, als deren erster der M. pectineus beschrieben wird.
M. tensor fasciae latae = M. glutaeus anterior nolbis.
Synonyma : Spanner der Schenkelbinde ; Tenseur du fascia lata,
ilio-aponevrosi-femoral (Ciiaussier), muscle de bände large (Winsdow).
Allgemeines.
Der ansehnliche, längliche Muskel entspringt von der Spina iliaca
anterior superior, zieht schräg nach unten und etwas nach hinten
und geht von der Höhe des Trochanter major abwärts in den Tractus
iliotibialis über, in welchem außerdem noch eine mittlere Aponeurose
vom Darmbeine her und die oberen Bündel des M. glutaeus maximus
ausstrahlen, und findet seinen Ansatz nicht an dem außen gelegenen
Knochen, der Fibula, sondern an einer besonderen Rauhigkeit der
Tibia.
Seine Innervation durch den Endzweig des N. glutaeus superior
kennzeichnet ihn als zur Gesäßmuskulatur gehörig, noch mehr aber
seine Wirkung. Wenn er sich allein zusammenzieht, beugt er das
ganze gestreckte Bein im Hüftgelenke und dreht es gleichzeitig nach
vorn, wenn es sich um das Spielbein handelt; beim Standbeine wird
die Wirkung sich in einer Rückwärtsdrehung, d. h. Auswärtsrotation
des Beckens und damit des Rumpfes äußern. Kommen ihm seine
Synergisten in der Abduktion, die anderen M. glutaei, zu Hilfe, so
muß das Bein gespreizt werden. Beim Standbeine äußert sich die
synergistische Tätigkeit durch eine Seitwärtsneigung des Beckens
60
M. tensor fasciae latae. 4SI&
und des Rumpfes nach derselben Seite hin. Wir finden also an
ihm dieselben Wirkungen wieder, welche wir für die vorderen
Bündel der M. glutaei medius und minimus festgestellt haben und
die wir überhaupt vor diesem Muskel durchzulesen bitten, weil sie.
dort in ausführlicher Weise beschrieben worden sind, und weil^
diese Muskeln dem Verständnisse keine so großen Schwierigkeiten
zu bereiten pflegen, wie der M. tensor fasciae latae.
IdiotopieundSkeletopie.
Der verhältnismäßig schmale Ursprung von der Spina iliaca an-
terior superior vollzieht sich nur zum Teile fleischig, überwiegend,
durch eine kurze, aber kräftige Sehne. Der ziemlich platte Muskel-
baucli erreicht schnell seine Breite von 4 — 7 cm und geht in einer
schrägen Linie, welche mit der Richtung der Muskelbündel beinahe
einen rechten Winkel ergibt, in die Eudsehne über, und zwar vom
frochanter major aus nach unten und vornhin. Die Endsehne wird
gewöhnlich nicht besonders aus dem Tractus iliotibialis herausge-
schnitten, dessen vorderen Abschnitt sie darstellt und an dessen
Bildung sie sich je nach der Entwicklung des Muskelbauches in
größerer oder geringerer Breite beteiligt. .'
Eine besondere Besprechung verdient die Fascie. Vielfach dient,
sie geradezu als Musterbeispiel für die Art und Weise, wie ein Muskel;
von seiner Binde eingeschlossen wird.. In der Tat läßt sich der
Muskel aus seinem Fascienbette vollkommen herausheben. Das ober-
flächliche Blatt wird gemeinhin noch zur Fascia lata gerechnet, ist
aber ein Teil der allgemeinen Gliedfascie. Das tiefe Blatt stellt die
besondere Fascie des Muskels selbst dar. Nicht zu vergessen ist ein
plattes Sehnenblatt von nicht gleichmäßiger Stärke, welches noch
unterhalb der tiefen Fascie seinen Weg zur Spina iliaca anterior in-
ferior nimmt und einen rudimentären akzessorischen tiefen Ursprung
des M. tensor fa.sciae latae darstellt, aus dem sich jedoch keine
Muskelbündel entwickeln.
HolotopieundSyntopie.
Die Oberfläche ist nur von Haut und Fascie bedeckt, in der sich
keine nennenswerten Gefäße und Nerven verzweigen. Der vordere
Rand schließt sich oben an den M. sartorius an, dann an den M. rectus
femoris und überlagert schließlich den M. vastus lateralis. Der hintere
Rand grenzt an den M. glutaeus medius und wird ungefähr in der
Mitte von dem Endaste des N. glutaeus superior erreicht. In der
Tiefe verbindet sich dieser Rand mehr oder minder innig mit den
M. glutaei medius und minimus durch eine Aponeurosis intermuscu-
laris, das bei Henle erwähnte Lig. Suspensorium trochanteris Gün-
theri. Die tiefe Fläche deckt nacheinander den M. iliacus, den Ur-
sprung des M. rectus femoris, das Hüftgelenk und den vorderen Teil
des Trochanter major.
Wirkung.
Dieselbe ist ihrer Wichtigkeit wegen bereits im allgemeinen Teil
beschrieben worden.
6i
476 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Tractus iliotibialis i).
Dieser wichtige Zug, welcher das Hüft- und Kniegelenk über-
brückt, wird in den anatomischen Vorlesungen meistens als Maissiat-
^cher Streifen gelehrt. Wie sehr dieser Name eingebürgert ist, geht
daraus hervor, daß der Autor Maissiat auch in den B. N. A in
Klammern angeführt wird. Die neuere Bezeichnung als Tiactus ilio-
tibialis hat zweifelsohne viel mehr für sich, besonders weil Waldeyer
am knöchernen Becken ziemlich am höchsten Punkte der Crista iliaca
einen besonderen dreieckigen Vorsprung als Tuber glutaeum ant. ^)
(oberer Hüftpunktj bezeichnet hat, welcher auffallenderweise beim
weiblichen Geschiechte mindestens ebenso stark, wenn nicht kräftiger
entwickelt ist, als beim männlichen — und außerdem bei abge-
magerten Individuen, deren Muskulatur ebenfalls atrophisch geworden
ist, an Mächtigkeit eher zugenommen hat.
Am Becken besitzt der Tractus iliotibialis drei Komponenten:
eine vordere muskulöse, eine mittlere sehnige und hinten wieder eine
muskulöse.
Die beiden muskulösen Komponenten werden, weil sie eben aus
Fleisch bestehen, nicht einmal von den Studierenden weggeschnitten
und sogar in ihrer Bedeutung erkannt. Die Abgrenzung der sehnigen
Bestandteile stößt auf große Schwierigkeiten, weil sie erst künstlich
gegen die Nachbarschaft abgesetzt werden müssen. Hieraus eigeben
sich verschiedene Gebiäuche, welche an jeder einzelnen anatomischen
Anstalt besondere Methoden zeitigen können, je nachdem, auf welche
Darstellung Wert gelegt wird. So hat beispielsweise Fau^) in seinem
künstlerisch hervorragenden Atlas der äußeren Form nur die musku-
lösen Komponenten berücksichtigt, die mittlere sehnige aber zu ent-
fernen für gut befunden; und auch die medizinischen Atlanten zeigen
große Verschiedenheiten. Hieraus geht aber mit der größten Deut-
lichkeit hervor, daß die Willkür großen Spieliaum hat. Zu unserer
Mitteilung bemerken wir, daß sie entstanden ist durch eine doppelte
Bearbeitung desselben Gegenstandes, welche zeitlich etwa ein Jahr aus-
einanderliegt.
Die erste baut sich auf den Erfahrungen auf, welche Frohse
im Laufe der Jahre bei der Anfertigung der Vorlesungspräparate ge-
wonnen hat, und ist aus der Erinnerung niedergeschiieben, ohne Ver-
gleich mit den eigens dazu angefertigten Präparaten unsererseits und
ohne zeichnerische Festlegung unseier Befunde.
Als jetzt die Zeichnungen für unseren Abschnitt für das Hand-
buch der Anatomie ausgeführt werden mußten, und wir außerdem in
der Zwischenzeit die Fascien bearbeitet hatten, kamen wir zu einer
anderen Anschauung.
A. Die alte Darstellung, welche wir nach unserer damaligen
Niederschrift wiedergeben, deckt sich ungefähr mit der Methode,
welche in der Berliner Anatomie nach den Vorschriften von Waldeyer
betlieben wird. Wir haben an unserer Beschreibung sachlich nichts
geändert.
1) Frohse u. Fränkel, Der Tractus iliotibialis. Archiv für Anat. u. Physiol.,
als Festgabe für Prof. W. Waldeyer, 1910, S. 361.
2) W. Waldeyer, Das Becken, Bonn 1899, S. 17.
3) J. Fau, Anatomie des formes exterieures du corps humain. Atlas, Paris,
Mequignon-Marvis.
62
Tractus iliotibialis. 47T
Um so mehr kommt hierbei der enorme Unterschied zur Geltung,
welcher in unserer neuen Auffassung zutage tritt. Ob wir hiermit
das Problem gelöst haben, kann nur die Zukunft lehren.
Unsere alte Darstellung besagt folgendes: Der M. tensor fasciae
latae bildet die vordere muskulöse Komponente des Tractus iliotibialis,
dieses Sehuenzuges, welcher, wie der Name sagt, das Darmbein mit
dem Schienbeine verbindet und außer dem sogenannten M. teusor
fasciae latae noch einen zweiten Muskelbezug besitzt, die oberen
Bündel des M. glutaeus maximus. Als dritte Komponente werden
diejenigen longitudiualen Sehuenzüge bezeichnet, welche den mitt-
leren Abschnitt des M. glut. med. zudecken. Die hierfür übliche Be-
zeichnung Fascia glutaea media ist falsch, weil diese Apoueurose
bereits in der proximalen Hälfte des Muskels als vollkommen selb-
ständige, längsgefaserte Sehne erscheint und sich über dem Trochanter
major mit den Sehnen der beiden anderen muskulösen Kom-
ponenten verbindet. Die Abgienzung des rein sehnigen Ursprunges
setzt bereits über dem M. glutaeus medius eine künstliche Trennung
voraus. Noch schwieriger gestaltet sich über dem Oberschenkel-
schafte die Sonderung. Wäie man vor die Aufgabe gestellt, an einem
Oberschenkel, an dessen Außenseite weiter nichts zu sehen wäre, als
ein rechteckiges, etwa 20 cm langes und 10 cm breites Feld der frei
präparierten Fascia lata, so dürfte selbst einem erfahrenen Präparator
die Angabe der Grenzen schwierig sein, wo der Tractus iliotibialis
in Wirklichkeit vorn beginnt und hinten aufholt. Leichter wird die
Abgrenzung dieses praktisch so wichtigen Zuges, wenn auch der
untere Abschnitt freiliegt. Sodann läßt sich in der Höhe des Knie-
gelenkspaltes meist der hintere Rand des Tractus iliotibialis in scharfer
Weise abgrenzen, während der Vorderrand wegen der Verbindung
mit der Kniescheibe (Retinaculum patellae laterale) nicht so leicht
zu erkennen ist. Wohl aber läßt sich derselbe dann gut heraussetzen,
wenn man vom vorderen Rande des M. tensor fasciae latae, wo der-
selbe in die Sehne übergeht, in der Längsrichtung der Sehnenfasern
den Schnitt durch die Fascia lata nach unten verlängert. Umgekehrt
muß die Abgrenzung des hinteren Randes immer von unten her, vom
Kniegelenke aus, vorgenommen werden, wenn man sich nicht der
Gefahr des Zufalles aussetzen will. Der Schnitt wird in der Verlängerung
des hinteren Beginnes in der Richtung der Sehnenfasern nach oben
fortgeführt bis hinein in das Fleisch des M. glutaeus maximus. Zu
einer bequemen Darstellung dieser hinteren Komponente des Tractus
iliotibialis empfiehlt es sich, den Schnitt entsprechend der Muskel-
faserung durch die ganze Substanz des Muskels hindurchzuführen.
Man kann dabei erkennen, wieviel von der Muskelmasse des großen
Gesäßmuskels zum Tractus iliotibialis gehört, und wieviel dem An-
sätze am Oberschenkelbeine zukommt. Man darf sich aber nicht an
ein Schema halten, ob ein Drittel, die Hälfte oder vielleicht noch
mehr in den Darmbein-Schienbeinzug übergeht. Ebenso verkehrt
wäre es, von vornherein die Breite des Tractus iliotibialis als fest-
stehend anzusehen. Die Präparation wird in den einzelnen Fällen
grundverschiedene Ergebnisse zeitigen. Im Interesse einer einheit-
lichen Darstellung wäre eine Befolgung der hier gegebenen Vorschläge
für die Allgemeinheit wünschenswert, welche vielleicht bereits an
den verschiedensten Universitäten des In- und Auslandes in ähnlicher
Weise durchgeführt wird: Die Abgrenzung des vorderen Randes soll
63
4^6 FROHSE und M. FRÄNKEL,
stets von oben, der Hüfte aus erfolgen, dort, wo der M. tensor fasciae
latae in seine Endsehne übergeht, genau entsprechend dem vorderen
Rande der Sehnenfasern in ihrer Längsrichtung. Umgekehrt sollte
die hintere Begrenzung immer von unten, in der Höhe des Knie-
gelenkes ausgeführt werden, wo sich die hintere Grenze wohl fast
immer als starker sehniger Rand kundgibt. Die sich hinterher er-
gebende Breite in den einzelnen Abschnitten des Tractus iliotibialis
wird sich dann bei jeder Beschreibung eines Einzelfalles kaum mit
einem anderen vollkommen decken. Wenn man die beiden Ränder
in dieser Weise scharf abgegrenzt hat, so daß man imstande ist, den
Tractus iliotibialis mittels der untergeschobenen Hand oder, was um-
ständlicher ist, eines Instrumentes in die Höhe zu heben, kann man
zu dem zweiten Akte schreiten, der eigentlichen Präparation der in
ihm enthaltenen Sehnenfasern. Bei der theoretischen und auch prak-
tischen Wichtigkeit der Frage, ob hiei- eine Verstärkung der Fascia
lata vorliegt, was der Name M. tensor fasciae latae besagt, oder eine
selbständige Aponeurose, haben wir bereits bei der Fascie der obeien
Extremität auch der Fascia lata gedenken müssen. Die unseres
Wissens noch nicht beschriebene, und seit etwa 12 Jahren von Frohse
bei den Vorlesungspräparaten nicht allein für die Mediziner, sondern
auch für die Künstler gehandhabte Methode besteht darin, daß man
etwa 5 cm oberhalb des Kniegelenkspaltes vorsichtig mit dem Messer
in die Tiefe geht, bis man die Längsschicht erreicht hat. Dann ver-
sucht man mit dem Daumennagel die Querfasern von den Längs-
zügen als einheitliche Lamelle zu sondern. Das wird bei den Prä-
paraten, welche mit WiCKERSHEiMERscher Flüssigkeit injiziert waren,
meist ohne Schwierigkeit vor sich gehen können. W^enn bei der
Konservierung Formalin mitbenutzt wurde, welches den Fascien eine
besondere Zähigkeit verschafft, so ist eine vorherige gründliche Duich-
tränkung mit gewöhnlichem Wasser oft wünschenswert, weil dann die
oberflächliche Schicht zum Quellen gebracht wird. Noch mehr wird
das auf dem Präpariersaale geboten sein, weil die Studierenden recht
oft ihre Präparate nicht mit der nötigen Sorgfalt vor dem Eintrocknen
schützen; und gerade bei Präparaten, welche mit Formalin in Be-
rührung gekommen sind, ist ein nachheriges Aufweichen immer lang-
wierig und umständlich, oft überhaupt unmöglich, je nach dem Grade
der Austrocknung. Wenn man in die richtige Schicht gelangt ist,
wobei vor allem darauf zu achten ist, daß man auch vollkommen bis
zu beiden Rändern vorgedrungen ist, gelingt es, in ungefähr einer
Minute die aponeurotischen Fasern des Tractus iliotibialis bis fast
zur Höhe des Trochanter major in glänzender Weise — glänzend in
des Wortes wahrster Bedeutung — zur Darstellung zu bringen, wie
es nun und nimmer so sauber mit dem Messer hätte geschehen können.
Das ist ja überall so, nicht allein bei den makroskopischen, wie auch
bei den mikroskopischen Präparaten, daß sie um so schöner ausfallen,
je weniger man sie mit Instrumenten zu behandeln oder mißhandeln
braucht. Von der Trochantergegend aus proximal ist die Lage der
Querfasern gewöhnlich untrennbar mit dem Tractus iliotibialis ver-
wachsen. Wenn man diesen Teil der Fascie nicht mehr zur Fascia
lata rechnen will, wie es vielfach mit der Fascie geschieht, welche
den M. glut. max. bedeckt, so müssen wir von einer Fascia glutaea
media reden. Diese ist jedoch recht schwach und darf nach dem
Grundgesetze, welches für die Fascien gilt, daß sie nämlich quer
Tractus iliotibialis. • 479
znr Richtung- der bedeckten Muskeln verlaufen, nicht mit denjenigen
sehnigen Zügen verwechselt werden, welche den M. glut med. in der
Mitte als einheitliche Platte decken und nach den Rändern zu durch
längsverlaufende sehnige Einlagerungen sich kundgeben. Die wirk-
liche Fascie des M. glut. med. ist eine der schwächsten des ganzen
menschlichen Körpers und auch belanglos, weil sie durch darüber ge-
lagerte wahre aponeurotische oder sehnige Bündel ersetzt wird.
Distal gegen den Ansatz hin gelingt die ebenfalls mit dem
Daumennagel ausgeführte Trennung zwischen Quer- und Längszügen
oft nicht einmal bis zum Spalte des Kniegelenkes hin. Eine scharfe
Trennung mit dem Messer gibt dem Präparate meist ein zerhackteres
Aussehen, als es der Fall ist, wenn man die eigentliche Fascie un-
verändert stehen läßt und an der Stelle glatt abschneidet, bis wohin
die Trennung mit dem Daumennagel möglich war. Nur in einem
einzigen Falle gelang es uns, den Tractus iliotibialis in seiner ganzen
Ausdehnung vom Schienbeine über den ganzen Oberschenkel hinweg
bis zum Tuber glutaeum anterius und seitlich bis zum Beginne des
Fleisches der M. tensor fasciae latae und glutaeus maximus in klarer
Weise nach der Daumennagelmethode darzustellen, d. h. die Querzüge
der Fascia lata als einheitliche Lamelle von den aponeurotischen
Längsfasern zu sondern. Aber gerade dieser Fall verpflichtet uns
gewissermaßen, den: Namen M. tensor fasciae latae als unberechtigt
hinzustellen, da ja dieser Muskel mit der Fascia lata überhaupt nichts
zu tun hat, nur daß er, wie auch alle anderen Muskeln, welche und
soweit sie an der Oberfläche des Oberschenkels liegen, von ihr be-
deckt wird.
B. Nach unseren neuesten Untersuchungen sind wir zu folgenden
Ergebnissen gekommen:
Die mittlere sehnige Komponente, welche von der am meisten
lateral gelegenen Stelle der Ciista iliaca entspringt, dem von Wal-
de yer sogenannten Tuber glutaeum anterius, verläuft bei oberfläch-
licher Betrachtung ungefähr senkrecht nach unten und erscheint so
als ideale sehnige Grundlage des gesamten Tractus iliotibialis. In der
Streckstellung des Gesamtbeines verläuft in der Tat die Achse des
.Tractus iliotibialis von diesem Punkte aus senkrecht herunter bis zur
Tibia. Wollen wir jedoch diesem Teile den Ursprung aus dem M.
glutaeus med. zuweisen, so müßten Muskelbündel in ihn ausstrahlen,
zu ihm konvergieren. Jedoch das Gegenteil ist der FaU. Die Bündel
streben von ihm weg, sie divergieren. Vom Trochanter major ab
distalwärts ist der aponeurotische Charakter des Tractus iliotibialis
absolut einwandfrei, mit dem Augenblicke, wo die obersten Muskel-
bündel des M. glut. max. in die freie Endsehne übergehen, und vorn,
jedoch erst unterhalb des Trochanter, die ersten des M. tensor fasciae
latae das gleiche tun. Der Mittelzug zwischen Trochanter major und
Tub. glut. ant. sieht äußerlich wohl wie eine Aponeurose aus, ist aber
funktionell nur eine Fascie. Wir setzen uns dadurch in einen schein-
baren Widerspruch mit der von uns in unserem Buche „Die Muskeln
des menschlichen Armes" ^) gegebenen Darstellung, daß sich nämlich
eine Fascie unter allen Umständen dadurch charakterisiert, daß sie
nahezu quer zur Muskelbündelrichtung orientiert ist. Diese An-
1) P. Frohse und M. Fränkel, Die Muskeln des menschlichen Armes.
Jena, G. Fischer, 1908.
Handbuch der Anatomie. II, ii, 3. Bl
65
480 • FROHSE und M. FRÄNKEL,
schauung findet auch hier keine Ausnahme, denn der M, glut. med.
hat in dem vom Tractus iliotibialis zugedeckten Teile ebenfalls seine
besondere, wenn auch nur sehr dünne Spezialfascie, welche von dem
Tractus selbst durcli lockeres, mehr oder minder fetthaltiges Binde-
gewebe getrennt wird. Es müssen also mechanische Bedingungen
diesen besonderen Zug erzeugen, welche durch Betrachtungen am be-
wegten Präparate oder Lebenden zu verstehen sind. Unschwer läßt
sich erkennen, daß die seimigen Bündel der mittleren Komponente
des Tractus iliotibialis in nach vorn konvexem Bogen über den Tro-
chanter major hinwegziehen und eiuen unteren dreieckigen Teil des
M. glut. max. gegen den Oberschenkel pressen und diesen Muskel-
abschuitt als zum Oberschenkel gehörig erscheinen lassen, eine Tat-
sache, welche äußerlich in der queren Gesäßfurche ihren Ausdruck
findet. Dies kommt besonders beim Standbeine zur Geltung, und
hierdurch wird verhindert, daß der M. glut. maximus mit seiner ganzen
Masse zum Oberschenkel heruutersinkt, während der obere Abschnitt
in der Trochautergegend gegen diesen Knochenpunkt befestigt ge-
halten wird. Er erschlafft bei der Auswäitsrotation und läßt dadurch
dem bei dieser Bewegung tätigen Abschnitte des M. glut. med. will-
kommene Ausdehnungsfreiheit. Aber bei dieser Bewegung spannt sich
ein vorderer Zug an, welcher in der Tiefe des M. tensor fasciae latae
entspringt und als breite aponeurotische Platte zur Ursprungssehne
des M. rectus femoris verläuft und so die Einwärtsroller, d. h. den
M. tensor fasciae latae und den voideren Abschnitt der M. glutaei me-
dius und minimus von den M. vastus lateralis und iliacus trennt.
Wenn überhaupt an einer Stelle von einem Septum intermusculare
zu reden ist, so trifft es für diese aponeurotische Platte zu. Die voll-
kommene Selbständigkeit und die Nachbarschaft mit ganz verschieden
wirkenden Muskeln erfordert aber einen indifterenten Namen, für
welchen wir„T]actuspraetrochantericus" voi schlagen möchten.
Analog diesem wäre für die mittlere Komponente des Tractus ilio-
tibialis die Bezeichnung „Tractus supratrochantericus" ge-
boten.
Genau, wie sich der proximale Teil oberflächlich in drei
Komponenten zerlegen läßt, während die mittlere Partie als einheit-
liche dünne Sehnenplatte erscheint , haben wir auch im distalen
Teile wiederum eine Dreiteilung, die wir kurz zusammenfassen wollen
in folgentle Namen: a) Retinaculum patellae laterale, b) Hauptausatz
an der Tibia, c) hinterer Ansatz am Labium laterale der Linea aspera
femoris unter Bildung eines besonderen Bandes, welches genau gegen-
überliegt der Anheltung des M. adductor nia^nus und so eine be-
sondere Bezeichnung verdient als Ligamentum intermuscuLire
laterale. Zwischen diesem Zuge und dem e gentlichen Epicondjlus
lateralis nehmen die Vasa articularia genu sup. lat. entweder als
Stamm oder mit mehreren Zweigen ihren Verlauf von der Kniekehle
aus zur Vorderseite des Kniegelenkes. Die pioximale Dreiteilung
ist ungezwungener, weil die mittlere sehnige Partie zu beiden Seiten
umiahmt wird von den benachbarten Rändern scharf gesonderter
Muskeln. Die distale Dreiteilung ist dagegen schematisch. Sie ver-
langt die künstliche Heraussetzung der diei zu den einzelnen Knochen-
punkten verlaufenden Sehneuzüge. Aber auch die mittlere Partie ist
durchaus nicht von der Natur scharf gesondert. Sogar die vordere
Grenze muß erst künstlich in der Verlängerung des vorderen Randes
66
Tractus iliotibialis. 481
des M. tensor fasciae latae herausgesetzt werden. Ein hinterer Rand
konnte nach der alten Präparatioiisweise ohne weiteres gescliatten
werden, und es sah so aus, als ob genau dieselbe Einrichtung vor-
handen war. wie am vorderen Rande. Nach unserer neuen Darstellung
ist dies zwar zulässig; jedoch muß man sich dann darüber klar sein,
daß man in dieser Weise die hintere Anheftung des M. glutaeus
maximus an der Linea aspera, die zaite Sehnentasche für den Ur-
sprung des M. vastus lateralis, als selbständigen Teil bestehen läßt.
So dünn die Wände auch sind, dürfen wir unter keinen Umständen
die theoretische und auch praktische Wichtigkeit dieser Einrichtung
verkennen, auch wenn sie bloß den Namen Septum intermuscu-
lare laterale führt.
Wenn wir also den Tractus iliotibialis nach unserer Ansicht de-
finieren wollen, müssen wir sagen: diejenigen Züge, welche bis zum
Schienbeine herunter verlaufen, sind ausschließlich unmittelbaie Fort-
setzungen der M. tensor fasciae latae und glutaeus maximus. Letztere
setzen sich aber noch als aponeurotische Tasche in der ganzen Länge
des Labium laterale der Linea aspera an, rückläufig bis zur Tubero-
sitas glutaea. In Trochanterhöhe weicht der einheitliche Sehnenzug
durch seine beiden muskulösen Komponenten zum vorderen und hin-
teren Endpunkte der Crista iliaca auseinander. In diesen Winkel
strahlen aber vom Tuber glutaeum anterius (Waldeyer) longitudinale
Sehnen hinein. Diese werden gewöhnlich als mittlere, rein sehnige
Komponente aufgefaßt und so auspi äpariert unter Durchtrennung
der seitlichen pinsel- oder fächerartigen Ausstrahlungen. Wir
schlagen für diese Fasern den indifferenten Namen „Tractus supra-
trochantericus" vor. Diesen drei Oberflächenkomponenten ist noch
hinzuzufügen ein tiefes aponeurotisches Blatt zur Spina iliaca ant.
inf., für welches wir den Namen „Tractus praetrochantericus" ange-
wandt haben.
Der mittlere Teil stellt eine breite, dünne Aponeurose dar, welche
künstlich als „JVlAissiATscher Streifen" herausgesetzt wird. Wir be-
merken dazu, daß die hinten übrig bleibende Partie als Ansatz des
M. glutaeus maximus an der Linea aspera aufzufassen ist.
Der distale trichterförmige Ausatz verlangt nach den drei Knochen,
zu denen er hinstrebt, eine künstliche Dreiteilung: a) vorderer
Ansatz als Retinaculum patellae laterale au der Kniescheibe; b) als
lateraler Hauptansatz am oberen Rande der Tibia; c) als hinterer
Ansatz des M. glutaeus maximus an der Linea aspera unter Entwick-
lung eines bandartigen Zuges: Septum und Ligamentum inter-
musculare laterale.
Zweifelsohne kommt dem Tractus iliotibialis eine hervorragende
Bedeutung in der Mechanik des Beines zu. Anatomen, Physiologen.
Chirurgen und Orthopäden werden ihn noch genau zu studieren haben,
bis aus den Beobachtungen der einzelnen Disziplinen sich ein gemein-
schaftliches Resultat ergibt, in welchem Theorie und Praxis nicht von-
einander abweichen.
Nachtrag.
Als unsere Mitteilung bereits druckfertig vorlag, wurden wir von
Herrn Geheimrat Waldeyer auf eine Arbeit über die „schnappende
31*
67
482 FROHSE und M. FRÄNKEL,
oder schnellende Hüfte" aufmerksam gemacht ^). Wir sahen uns darauf-
hin zu einer nochmaligen Präparation veranlaßt und benutzen die Ge-
legenheit, nicht allein zu dieser Arbeit Stellung zu nnhmen, sondern
auch noch weitere eigene Beobachtungen und Anschauungen mitzu-
teilen. Wir kommen dazu noch aus einem anderen Grunde. Zwar
ist 1895 durch die B.N.A. eine einheitliche lateinische Namengebung
für das Gesamtgebiet der makroskopischen Anatomie angestrebt
worden, und zweifelsohne hat diese Arbeit seither reichlichen Segen
gestiftet; aber wohl fast jeder Verfasser eines größeren Werkes fühlte
und fühlt das Bedürfnis, die eigenen Anschauungen und besonders
die Unzulänglichkeit mancher alten Ausdrücke — mit Vorliebe unter
Schaffung neuer Namen — kundzugeben. Bei derMyologie kommt dieser
Wunsch gerade jetzt nicht nur im einzelnen, sondern in größerer
Allgemeinheit zur Geltung, indem sich in Bordeaux in diesem Jahre,
April 1911, eine besondere Gesellschaft gebildet hat, an deren Spitze
anerkannte Fachmänner aus Frankreich, England, Amerika, Italien
und Deutschland stehen, mit dem Zwecke, in lateinischen Ausdrücken
Muskelnamen zu schaffen, welche nicht nur für den Menschen, sondern
auch für alle Säugetiere anwendbar sind. Das Projet de reforme de
la nomenclatiire myologique umfaßt 315 Namen, von denen etwa 20O
zur menschlichen Muskellehre gehören — keine allzu große Zahl, weil
auch die Eingeweidemuskeln für Schlund, Kehlkopf und Damm mit-
angegeben sind. Wir werden in unserem Beitrage für das Handbuch
der Anatomie über die Muskeln des menschlichen Beines ausfühi lieber
hierzu Stellung nehmen, haben jedoch schon jetzt gerade am Tractus
iliotibialis ein selten glückliches Beispiel, unsererseits darzutun, daß
eine Umänderung der Namen in dem angestrebten Sinne wünschens-
wert ist.
Bei unserem Nachtrage haben wir folgende Punkte zu berück-
sichtigen.
1) Kurze geschichtliche Darstellung nach H. Welcher, Reicherts
und Du Bois-Reymonds Archiv 1875. Zueist hat Maissiat in den
Comptes rendus des seances de l'Acad. Paris 1843 auf diesen Streifen
hingewiesen, welcher in lateinischer Bezeichnung Lig. ileo-trochantero-
tibiale zu nennen ist, und ungefähr zu gleicher Zeit hat H. v. Meyer
den Namen „Ligamentum" ileotibiale in seinem Buche „Statik und
Mechanik des menschlichen Körpers" eingefühlt. Den aponeui otischen
Charakter des MAissiATschen Streifens hat 1875 Hermann W^elcker
in Halle erkannt, indem er an Stelle eines Bandes von einem Tractus
redet; er hat aber noch an dem Zusammenhange mit der Fascia lata
festgehalten, wie seine Bezeichnung Tractus ileotibialis fasciae latae
besagt. Diese Beziehung stellen wir aber gerade in Abrede und halten
sogar den Namen M. tensor fasciae latae für vollkommen unberechtigt,
2) Der Tractus cristofemoi alis (F. Schepers). Die praktische Seite
der Frage wurde zuerst von dem Chirurgen Perrin 1855 ebenfalls
in Paris angeregt, aber erst nach vollen 50 Jahren kommen neue
Beobachtungen über die „schnellende und schnappende Hüfte". Zur
Verth schafft 1909 einen besonderen Namen Tractus cristofemoralis,
welcher dann 1910 von F. Schepers in seiner Inauguraldisseitation
ausführlicher beschrieben wird. Wir führen hier wörtlich an, was
Schepers über den Autor Zur Verth erwähnt:
1) F. Schepers, Ueber den Tractus cristofemoralis. Inaug.-Diss. Berlin, 1910.
68
Tractus iliotibialis, 488
„Er — d. h. letzterer — naunte diesen von ihm näher beschrie-
benen besonderen Streifen den Tractus cristofemoralis, und zwar
c r i s 1 0 femoralis, um Verwechselungen mit dem hig. i 1 i o - femorale
vorzubeugen, cristo-femoralis (statt des an sich ebenso richtigen
cristo-tibialis), um darauf hinzuweisen, daß ein Teil des Bandes
sich mit der Sehne des M. glutaeus max. am Femur festsetzt/ —
Ueber die praktische Bedeutung erlauben wir uns kein Urteil; jedoch
müssen wir vom anatoniischen Standpunkte aus unsere schweren Be-
denken äußern. Ein Zug, welcher vom oberen Hüftbeinpunkte, d. h.
von der Orista iliaca ungefälir senkrecht zum Oberschenkel herunter
verläuft, verdient in der Tat den Namen Tractus cristofemoralis. —
Wir würden diese Bezeichnung auch für den Ansatz gelten lassen,
wenn nur eine Anheftung am Femur selbst vorhanden wäre. Dies
müssen wir aber leider verneinen. Der Tractus cristofemoralis hat
nichts mit dem Femur zu tun, zieht im Gegenteil vollkommen ober-
flächlich über den Trochanter major hinweg mit der Richtung auf
das Tuber ischiadicum.
3) Skeletopie der Ursprünge der drei Komponenten des Tractus
iliotibialis.
Die Dreiteilung macht sich auch an besonderen Punkten der
Crista iliaca bemerkbar, vorne an der Spina ant. sup., hinten an der
gleichnamigen post.; zwischen beiden Punkten, jedoch nach vorne
von der Mitte, am Tuber glutaeum anterius von Waldeyer. Mit
Rücksicht auf die Muskeln entspringt vom hinteren Höcker, dem
weiteren Umfange der Spina iliaca post. sup. der M. glutaeus maximus;
vom vorderen Darmbeinstachel aus, außer dem hier zu vernach-
lässigenden M. sartorius, der M. teusor fasciae latae und, noch mehr
nach vorn mit ihren Muskelbäuchen hervortretend, die taschenförmig
verbundenen M. glutaei raedius und rainimus. Die drei letzten Muskeln
gehören funktionell und auch durch ihre Innervation durch den N.
glutaeus superior zusammen als Einwärtsroller des Beines. Der Masse
nach sind die entsprechenden Teile der M. glutaei mächtiger als der
M. tensor fasciae latae, und darum könnte man wohl mit vollem Rechte
die Spina iliaca ant. sup. physiologisch auch als Tuber glutaeum an-
terius bezeichnen, um so mehr als sie auch im Beginne der Linea
glutaea anterior zu finden ist. Leider ist der Name „Tuber glu-
taeum anterius" bereits von Waldeyer für diejenige dreieckige
Knochenstelle angewandt, welche ungefähr senkrecht über dem Tro-
chanter major gelegen ist und gleichsam den Mittelpunkt für den
Ursprung des M. glutaeus medius darstellt.
Nach unserer zwanglosen Darstellung wäre zu unterscheiden:
1. Tuber glutaeum post. gleich Spina iliaca post. sup. mit der
Linea glutaea post. Ursprung des M. glutaeus maximus.
IL Tuber glutaeum medium nobis gleich Tuber glutaeum an-
terius (Waldeyer). Sehniger Haupturspruug des Tractus
iliotibialis und ideeller Mittelpunkt des M. glutaeus medius.
III. Tuber glutaeum ant, gleich Spina iliaca ant. sup. und Be-
ginn der Linea glutaea ant., Ursprungsstelle der Einwärts-
roller, d. h. M. tensor fasciae latae und vordere Bündel der
M. glutaei med. und min.
4) Vorschläge nach dem Projet de reforme de la nomenclature
myologique (J. Chaine).
69
484 FROHÖE und M. FRÄNKEL,
Hiernach wären folgende Namen für alle Säugetiere anwendbar:
Gliitaeus maximus = Glutaeus superficialis,
Glutaeus medius = Glutaeus medius,
Glutaeus minimus = Glutaeus profundus.
Nun gehört aber der M. tensor fasciae latae topographisch, funk-
tionell und durch die Innervation zu der Glutäalmuskulatur. Wir
haben nachgewiesen, daß die Rücksichtnahme auf die Fascia lata un-
berechtigt ist. Er ist der i¥. glutaeus ant. im wahrsten Sinne des
Wortes, ebenso wie der M. glutaeus maximus den Namen M. glutaeus
post. verdient. Die M. glutaei medius und minimus gehören nicht
allein der lateralen Seite an, sondern auch der hinteren und noch
mehr der vorderen. Die beiden ersteren Muskeln bilden die ober-
flächliche Schicht der Gesäßgegend im weiteren Sinne, die beiden
letzteren die tiefe Schicht. Die oberflnchliche Schicht gewinnt durch
den Tractus iliotibialis weit-distalen Ansatz bis zur Tibia hin, die
tiefe Schicht dagegen geht nicht über den Tiochanter major hinweg.
Wir können also die oberflächliche Schicht nennen
M. glutaei superficiales,
müssen dann aber den M. tensor fasciae latae als anterior, den
M. glutaeus maximus als posterior bezeichnen.
Die tiefe Schicht umfaßt gleichzeitig die M. glutaei medius und
profundus; diese Einteilung ist auch physiologisch begiündet. Die
oberflächliche Schicht wirkt durch den Tractus iliotibialis als gemein-
schaftlicher
M. abductor coxae tibiaiis s. longus,
die tiefe Schicht mit dem Ansätze am Troch anter major als gemein-
schaftlicher
M. abductor coxae trochantericus s. brevis.
Der einzige Zwiespalt wäre darin zu suchen, daß die oberfläch-
liche Schicht im M. glutaeus maximus durch den N. glutaeus inferior,
im vorderen Abschnitte durch den N. glutaeus superior versorgt wird.
Wir dürfen hieran keinen Anstoß nehmen; von uns ist bereits mit-
geteilt worden, daß die drei Beuger am Oberarme: M. biceps, brachi-
alis und bracliioradialis ihre Nerven in ganz eigentümlicher Weise
erhalten. Der M. biceps wird ausschließlich vom N, musculocutaneus
versorgt, der M. brachialis bekommt aber noch geringe Bezüge aus
dem N. radialis, und schließlich steht der letzte Beugemuskel, der
M. brachioradialis, wunderbarerweise unter ausschließlicher Botmäßig-
keit des Streckneiven, des N. radialis. — Wir müssen bei dieser Ge-
legenheit der jetzt vorliegenden Beschreibung der Innervation der
Beinmuskeln vorgreifen. Die Adductoiengiuppe wird versorgt im
M. pectiueus durch einen Streckuerven, den N. femoralis; die Haupt-
masse durch den N. obturatorius und der untere Abschnitt des M. ad-
ductor magnus durch den Beugenerven, den N. ischiadicus.
5) Der Tractus cristofemoi alis von Schepers dient nach unserer
Auffassung dazu, den M. glutaeus maximus, welcher ja die Form der
hinteren Hüftgegend, das eigentliche Ge^äß, beherrscht, in seiner Lage
nach oben festzuhalten. Aehnliche Einrichtungen zur Fixierung von
Weichteilen werden an alleu möglichen Stellen des Körpers als Liga-
mente beschrieben, z. B. in der Bauchhöhle ein Lig. duodeno-renale.
70
M. piriformis. 485
Hier haben wir funktionell bedeutsame, wirklich sehiiig'e Ein-
richtungen, deren Hauptbestandteil — ob Ligamentum, Tiactus, Apo-
neurosis oder Teudo — schließlich nur geformtes Bindegewebe ist.
In einem hinterher beobachteten Falle ging das Septum intermuscu-
lare laterale 11 cm oberhalb des Kniegelenkspaltes, gemessen vom oberen
Rande des Meniscus lateralis, in eine 6 cm lange bandartige Sehne über,
welche sich genau gegenüber vom Lig. collaterale fibulare am Epicondylus
lateralis femoris ansetzte. Die Anheftungsstelle wurde überbrückt durch
einen ungefähr 1 cm breiten Verstärkungzug der Kniegelenkskapsel,
welche sich zur tiefen Fläche des Tractus iliotibialis wandte, wo dieser
das Retinaculum patellae laterale abgibt und bloß zwei Lücken für die
Gefäße enthält.
Trotz unseres Nachtrages haben wir an unserer ursprünglichen
Beschreibung nichts zu ändern für nötig gefunden. Die präparatorischen
Aufgaben dürften für alle Zeiten ungefähr die gleichen bleiben ; die
praktischen Nutzanwendungen sind durch die anatomischen Unter-
suchungen von chirurgischer Seite aus durchaus noch nicht geklärt
— und hiermit kommen wir zu unserem früheren Schlußsatze zurück,
daß Theorie und Praxis — möglichst beide gemeinschaftlich — noch
weiter die einzelnen Bestandteile des Tractus iliotibialis in ihrer Be-
deutung klarzustellen haben.
M. piriformis.
Synonyma : Birnenmuskel ; M. primus quadrigeminus, iliacus externus
pyriformis; Pyramidal, sacro-trochanterien (Chauss.), sacro-ili-trochanterien
(Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Der lateinische Ausdruck M. piriformis ist von pirum, die Birne,
abgeleitet, und nicht von pyramis. Er entspringt von der knöchernen
Umgrenzung der Foramina sacralia II— IV. Außerdem aber, worauf
Waldeyer hingewiesen hat, wohl konstant, noch von dem Os ilium.
Der freie Muskelbauch durchsetzt das Foramen ischiadicum majus
und zerlegt es dadurch in das Foramen supra- und infrapiriforme.
Die freie Endsehne heftet sich an der Spitze des Trochanter major an.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung liegt im kleinen Becken verborgen, ist vollkommen
ileischig und umrahmt in ganz eigentümlicher Weise die Foramina
sacralia II — IV. Diese Löcher selbst müssen frei gelassen werden,
um die Wurzeln des N. ischiadicus aufzunehmen. Der mediale Rand
der Foramina muß frei bleiben, weil anderenfalls die Muskelbündel
sie bogenförmig umfassen müßten, was ohne Bildung einer Sehnen-
arkade undenkbar ist. Je nachdem graben sich die einzelnen Nerven
tief in den Muskel hinein und drängen die zwischen ihnen gelegenen
Ursprungsbündel hervor, besonders bei rauskelstarken Individuen. In
anderen Fällen, bei muskelschwachen, läßt sich der Plexus sacralis
unschwer von dem flachen Muskelbauche hochheben. Beim Durch-
tritte durch das Foramen ischiadicum majus bekommt er einen, wohl
normalen, akzessorischen Ursprung vom hinteren Umfange der In-
71
486 FROHSE und M. FRÄNKEL,
cisura ischiadica major,, jedoch nicht vom Os ischii, sondern von dem
Os ilium, welcher, wie Waldeyer besonders betont, eine Spina her-
vorgehen lassen kann, auch dann, wenn keine nennenswerten ür-
spruns^ssehnen vorhanden sind. Je nach der Breite des Foramen
ischiadicum majus ist auch die Stärke des freien Muskelbauches ver-
schieden, welcher mit dem Beginne des Acetabulum bereits seine freie
Endsehne entwickelt und zur Spitze des Trochanter major hinstrebt.
Verschmelzungen derselben nach oben hin mit dem M, glutaeus medius
und nach unten mit dem M. gemellus superior kommen außerordentlich
häufig vor und erschweren dem Anfänger die Isolation.
HolotopieundSyntopie.
Die wohl allgemein anerkannte Zerlegung des Foramen ischiadicum
majus durch ihn in ein Foramen supra- und infrapiriforme, welche
wir Waldeyer zu verdanken haben, gibt wohl zur Genüge auch die
theoretische Bedeutung dieses Muskels kund. Im praktischen Sinne
ist er für die Chirurgen von enormer Wichtigkeit, für die Kliniker
und besonders die Elektrotherapeutiker indessen unzugänglich, weil
ja außer den mächtigen Weichteilen die dicke Schicht des M. glutaeus
maximus ihn bedeckt. Die B'acies superficialis wird vom M. glutaeus
maximus überlagert und den Nervenzweigen, welche die oberen Teile des
letzteren Muskels versorgen, jedoch sich um das Foramen infrapiriforme
herumschlingen. Medial finden wir gar nicht so selten eine ansehn-
liche Arterie, welche der A. glutaea superior entstammt, den mitt-
leren Teil des M. glutaeus maximus versorgt, also die A. glutaea
inferior ergänzen hilft. Waldeyer hat a. a. 0. Fig. 84, S. 447
sogar beschrieben und abgebildet, daß dieses Gefäß eine oberfläch-
liche Schicht des M. piriformis von der tiefen Hauptmasse trennen
kann. Ferner sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß hier ein
breiter Sehnenbogen, eine laterale Abzweigung des Lig. sacrotuberosum
vorhanden ist, welche nicht allein den tiefen Bündeln des M. glutaeus
maximus, sondern auch oberflächlichen des M. piriformis zum Ur-
sprünge dient.
Der obere Rand, welcher eine mehr oder minder abgerundete
Fläche darstellt, bildet die untere Begrenzung des Foramen supra-
piriforme, hier treten durch nach Waldeyer, S. 160:
1) die Arteria glutaea superior,
2) die Venae glutaeae superiores,
3) die Vasa lymphatica glutaea superiora,
4) der N. glutaeus superior.
Der untere umgekehrt und doch gleichartig wie der obere ge-
staltete Rand bildet die obere Begrenzung des Foramen infrapiriforme,
durch welches nach Waldeyer, S. 161, ihren Weg nehmen:
1) der N. pudendus,
2) die A. pudenda interna, zusammen mit
3) der Vena pudenda interna,
4) die A. glutaea inferior, zusammen mit
5) den Venae glutaeae inferiores,
6) der N. glutaeus inferior,
7) der N. cutaneus femoris posterior,
8) der N. ischiadicus.
M. piriformis. 487
Als häufige Varietät kommt es zur Bildung eines Foramen intra-
piriforme bei hoher Teilung des N. ischiadicus in die N. tibialis und
peronaeus. Immer ist es dann der letztere, welcher das Foramen intra-
piriforme durchsetzt.
Eine jedenfalls außerordentlich seltene Varietät beschreiben wir in
dem Folgenden ausführlich :
Linkes Bein einer alten Frau. Der M. piriformis zerfällt in zwei
Portionen, deren dorsale dem eigentlichen Muskel entsprechen könnte,
mit muskulösem Ursprünge vom Kreuzbeine und Endsehne zum Trochanter
major. Ventralwärts jedoch liegt noch ein zweiter Kopf, dessen Ur-
sprungssehne zum Becken geht, während der Muskelbauch in der Nähe
des Trochanter mit der eigentlichen Endsehne verschmilzt.
Der Muskel liefert also ein Foramen intrapiriforme, durch das jedoch
nicht, wie so häufig, der N. peronaeus seinen gesonderten Weg nimmt,
sondern der N. cutanaeus femoris posterior, zusammen mit dem N. glutaeus
inferior, d. h. dem Muskelzweige für den M. glutaeus maximus. Die
beiden Komponenten des N. ischiadicus, die N. tibialis und peronaeus,
lassen sich zwar in der Höhe des Foramen ischiadicum majus vonein-
ander trennen, vereinigen sich jedoch am Oberschenkel zum typischen
N. ischiadicus.
Die Facies profunda ruht zunächst auf den Wurzeln und hinter-
her dem Stamme des N, ischiadicus und wird überkreuzt durch die
Vasa glutaea inferiora, welche sich in wechselnder Höhe vereinigen
zum gemeinschaftlichen „trunc pubo-sciatique", welcher im Deutschen
als Truncus puboischiadicus bezeichnet werden kann, obwohl dieser
gerechtfertigte Name in den B. N. A. noch keine Aufnahme gefunden hat.
Die Ausatzsehne, welche dem Apex lateralis entspricht, entwickelt
sich frühzeitig, d. h. an der ziemlich schmalen Anheftungsstelle am
Trochanter major, und ist als Stiel des Birnenmuskels aufzufassen,
ist aber leider so häufig bald mit der oberen oder unteren Nachbar-
sehne verschmolzen oder von ihnen durch einen Schleimbeutel ge-
trennt. Man kann auch die Facies profunda schematisch in vier
Unterabteilungen zerlegen, welche bei Einwärtsrotation ungefähr die
gleiche Länge aufweisen, also durchschnittlich 4 cm: eine Pars endo-
pelvina, welche dem Ursprünge entspricht, eine Pars ischiadica, durch
welche das Foramen supra- und infrapiriforme entsteht, eine Pars
articularis, welche unmittelbar dem Hüftgelenke aufliegt, und eine
vierte Pars insertionis, in welcher die freie Endsehne sich vom
Schenkelhalse entfernt und der Spitze des Trochanter major zustrebt,
von dem sie mitunter durch einen besonderen Schleimbeutel, B. m.
piriformis, getrennt ist.
Wirkung.
Ueber dieselbe ist bei den Beckenbewegungen, Kapitel Auswärts-
roller, nachzusehen.
Innervation.
Die Nervenzweige entwickeln sich aus dem Plexus sacralis ent-
sprechend dem muskulären Ursprünge. Wir finden einen mittleren
Nerven aus dem N. sacralis II, einen proximalen aus dem N. sacralis I
und einen distalen aus dem N. sacralis III. Diese drei Nerven hängen
73
488 FROHSE und M, FRÄNKEL,
intramuskulär miteinander zusammen. Weil der Muskel innerhalb des
Beckens entspringet, könnte unsere Abbildung-, welche nur den extra-
pelvinen Teil dai stellt, zu der Auffassung führen, daß die Nerven sehr
weit proximal eintreten. Wir sagen infolgedessen nur, daß die Muskel-
bündel ungefähr in der Mitte des Muskelbauches versorgt werden und
die längeren Zweige einen oberen und einen unteren Nerven für die
Endsehne liefern.
M. obturator internus.
Synonyma: Innerer Verstopfmuskel; M. marsupialis (Cowper), bur-
salis (Douglas) ; Obturateur interne, sous-pubio-trochant6rien interne
(Chauss.), intra-pelvio-trochanterien (Dumas),
Allgemeine Beschreibung.
Dieser mächtige Muskel liegt mit seinem Bauche fast ganz im
kleinen Becken verborgen, in welchem er sich um das Foramen ob-
turatum herum anheftet und nur eine kleine obere vordere Oeifnung
frei läßt, den Eingang in den Canalis obturatorius. Dann schlingt er
sich mit seiner in der Tiefe bereits mächtig entwickelten Endsehne
um die Incisura ischiadica minor herum und gewinnt die Rückseite
des Beckens. Hier wird auch die Endsehne allmählich an ihrer prä-
paratorisch freiliegenden Fläche mehr oder weniger vollkommen selb-
ständig, je nachdem eine wie große Masse eines oder beider M. ge-
mein sich an ihr anheftet. Außerdem ist die Innigkeit dieser Ver-
schmelzung sehr verschieden entwickelt und auch ihre Ausdehnung.
Der Ansatz findet statt am hinteren Umfange des Trochanter major,
dicht unterhalb der Spitze. Das charakteristische Kennzeichen ist die
fast rechtwinklige Umknickung beim Uebergange des Muskelbauches
in die freie Endsehne, welche einen der größten Schleimbeutel des
menschlichen Körpers mit sich bringt, die B. m. obturatoris interni.
Außerdem ist die Art der Nervenversorgung interessant, indem dieser
Nerv sich aus dem N. pudendus, also aus den unteren Sacralnerven
entwickelt, während sein Synergist, der M. obturator externus, vom
N. obturatorius, also vom Plexus lumbalis aus versorgt wird, nämlich
den N. lumbales (II und III). Außerdem kommen in Betracht die
physiologischen Wirkungen, welche in erster Linie die Auswärts-
rotation des Oberschenkels bewirken; fernerhin hat er noch eine
große Bedeutung für die Erweiterung des Beckenausganges, sei es
bei der Defäkation, oder noch mehr bei einer Geburt. Ferner muß hier
das ungleiche Verhalten der Nerven zum Muskelbauche bei ihm selbst
und seinen beiden Begleitmuskeln, den M. gemelli sup. und inf. be-
tont werden. Er selbst empfängt seinen Nerven innerhalb (s. auch
Fig. 17), die anderen dagegen außerhalb des Beckens von Seiten-
zweigen des N- pudendus (s. Fig. 16).
Idiotopie und Skeletopie.
Der allermeist fleischige Ursprung entwickelt nur um den Canalis
obturatorius herum sehnige Einlagerungen. Zunächst ist die Muskel-
lage, welche das Foramen obturatum fast im ganzen kleinen Becken
zudeckt: oben unterhalb der Linea terminalis, medial neben der
74
M. obturator internus. 489
Symphyse, unten über dem Tuber ischiadicum mit den beiden Rami ossis
ischii und hinten bis zum Rande beider Incisurae ischiadicae einschließ-
lich der Spina, nur dünn; im Mittelpunkte des Muskelbauches jedoch
erreicht sie eine Mächtigkeit bis zu 2 cm (von der Membrana obtura-
toria entspringen verhältnismäßig sehr wenige Muskelbündel, was ja
in gleicher Weise fom M. obturator exteruus gilt, welcher eben-
falls die Kuochenränder des Foramen obturatum zu seinem Ursprünge
benutzt). Der Muskel gehört zu den verstecktesten des ganzen Körpers
und läßt sich nur unter der größten Mühe sauber darstellen, ohne daß
vorher das Becken durchsägt ist. Gleichwohl ist eine Präparation am
ganzen Becken durchaus geboten, weil nämlich erst dann mit größerer
Deutlichkeit eine ganz eigentümliche Tatsache zutage tritt, welche
sonst leicht übersehen wird. Die präparatorisch freiliegende Fläche
des Gesamtmuskels liegt nämlich nicht in einer Ebene, sondern
bildet einen stumpfen Winkel, dessen Knickuugspunkt ungefähr dem
Ursprünge des M. levator ani entspricht. Der obere Abschnitt wendet
sich in schräger Richtung gegen das Beckeninuere genau in der Ebene
des M. levator ani. Der untere ist ziemlich sagittal gestellt und bildet
die laterale Wand der Fossa ischiorectalis, von welcher allerdings der
Muskelbauch durch eine hier recht derbe Fascie getrennt ist. Uebrigens
kann man diese Tatsache mit Leichtigkeit an einem (Jefrierschnitte
in frontaler Richtung erkennen, wie es bereits im Atlas der topo-
graphischen Anatomie von v. Bardeleben und Häckel abgebildet
war und besonders auch noch textlich in der topographischen Anatomie
von W. Waldeyer, Das Becken (a. a. 0.), hervorgehoben ist.
Holotopie und Sy Utopie.
Im Beckenteile zerfällt die Facies superficialis durch den Arcus
tendineus in eine obere und untere Portion. Erstere enthält den
Canalis obturatorius und wird von dem entsprechenden Teile der Fascia
endopelvina des kleinen Beckens bedeckt. Die untere Portion bildet
die laterale Wand der Fossa ischiorectalis, von der sie aber durch eine
derbe Fascie getrennt ist, welche hier Fascia obturatoria im engeren
Sinne genannt wird und einen besonderen Kanal (Alcock) für die
Vasa und den N. pudendus liefert. Die Facies posterior oder extra-
pelvina besteht fast nur aus der Endsehne, welche zwischen den
M. gemein gelagert ist, von den N. cutaneus femoris posterior und
ischiadicus mit dessen Begleitgefäßen rechtwinklig überkreuzt und vom
M. glutaeus maximus vollkommen bedeckt wird.
Wirkung.
Er gehört mit zu den Auswärtsrotatoren, über deren Wirkung
ausführlichst bei dem M. glutaeus medius gesprochen ist.
Innervation.
Der M. obturator internus ist nach unseren Innervationsbefunden
die ins Becken hineingewanderte mittlere Portion der beiden Zwillings-
muskeln. Genau wie sich die Sehne um die Incisura ischiadica minor
lateralwärts herumschlingt, tut es auch der Nerv, nur in umgekehrter
Weise. Er erscheint mitunter als ein Abkömmling des N. pudendus.
75
490
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Vertebra lumbalis IV ■ —
Seitliche Bauchmuskeln
N. ilioinguinalii
N. genitofemoralis
M. sacrosplnalis
Truncus lumbosacralii
N. obturatorius
\'asa glutaea
superiora
piriformis
i^.i glutaea
i'feriora
Hiatus sacralis
inferior
Truncus ep
gast
obturatorius
Symphysis
Canalis obturatorius
M. obturator internus
V. dorsalis pen
^I . coccygeus
Fibrocartilago inter-
coccygea
Vasa pudenda int.
M. glutaeus maxiraus
Lig. sacrotuberosum
(Proc. falciformis)
Corpus cavernosum penis
J> Y Tvoh. i e
Fig. 17. M. obturator internus, Nervenbild, topographisch (Median schnitt eines
männlichen Beckens mit Gefäßen und Nerven).
Unsere Abbildung war ursprünglich für den Atlas der topographischen Ana-
toriiie von v. Bardeleben, Häckel und Frohse mitbestimmt, wobei dann die
Nerven gelb und die Arterienstümpfe rot hätten dargestellt werden können; da aber
eine Neuauflage zurzeit noch nicht in Aussicht genommen ist, haben wir nur die
Venen mit hellblauem Tone angegeben, da ja die intramuskuläre Nerven Verzweigung
im M. obturator internus bereits die blaue Farbplatte erfordert. Sie hört nicht mit
dem proximalen Beckenrande auf, sondern umfaßt auch noch die Stümpfe der
Bauchmuskeln, so daß gleichzeitig mit den Fascien auch sämtliche Bruchpforten
zeichnerisch dargestellt werden konnten. Unseres Wissens ist noch niemals der
Versuch gemacht worden, die Bruchpforten mit spezieller Rücksicht auf die Fascien
darzustellen, und zwar in der normalen Beckenstellung, welche Walde yer bei
seinen Darstellungen über das Becken möglichst innegehalten haben will, also
eine Beckenneigung von 50—60 °. Es handelt sich um die Fascia endopelvina parie-
76
M. obturator internus. 491
talis, welche im Bauchteile die bekannte Lücke zum Durchtritte für den Samenstrang
oder für das Lig. teres uteri aufi^s'eist, zwischen Bauch und Becken die Eingangs-
pforte für die Hernia femoralis bildet, und schließlich im kleinen Becken Foramina
schafft für die Herniae obturatoria und ischiadica. In normaler Stellung des
Beckens, wenn sich dann der obere Rand der Symphyse in einer Ebene mit der
Verbindungsstelle zwischen 1. Steißbein wirbel und Eest des Os coccygis befindet,
liegen die vier genannten Bruchpforten fast genau in derselben Linie und bilden so,
wenn wir es so ausdrücken wollen, die Ausgangspforten für die endoabdominalen
Brüche, nämlich für die Leisten- und Schenkelbrüche und die Herniae obturatoriae
und ischiadicae. Zeichnerisch läßt sich hiervon kaum eine gute Vorstellung geben.
Hin Präviarat oder ein gutes Modell verschafft im Augenblicke die klare Anschauung,
wie nämlich die Herniae inguinales und femorales durch das Lig. inguinale (Pou-
parti) getrennt werden, die Herniae obturatoriae von den femorales durch die freie
Kante des Os pubis. Diese drei Hernienpforten liegen räumlich so dicht neben-
einander wie die Durchtrittsmöglichkeiten am Foramen ischiadicum; hier findet sich
nämlich eine Bruchpforte von mindestens ebenso beträchtlicher Größe, der einheitliche
Kingaiig in this Foranicn ischiadicum majus, an welchem noch keine Sonderung in ein
Foramen supra- und infrapiriforme darzustellen ist, man müßte denn sämtliche Gefäße
und auch den ganzen N. ischiadicus radikal entfernen. — Alle diese Bruchpforten
hegen proximal von der bekannten, durch Waldeyer aber besonders betonten und
auch bildlich möglichst berücksichtigten Beckenhorizontalen. Hier treten die wahren
Brüche hindurch, welche im allgemeinen nur Darmteile betreffen, während die der Or-
'^anc des Beckens, gleichviel ob Blase oder Uterus mit seinen Adnexen oder Rectum,
wohl besser mit Prolapsus bezeichnet würden, auch wenn sie wirklich einmal den
Hau])tbe8tandteil einer Hernie bilden sollten. Der bewegliche Dünndarm kommt in
erster Linie in Frage und dann erst die leichter verschieblichen Teile des Dickdarmes,
welche über ein langes Mesocolon verfügen, also Caecum mit Processus vermi-
formis rechterseits, linkerseits das Colon sigmoideum, eventuell das Colon pelvinum
(Wai.deyek). Die Tube wird bis zu ihrer Knickungsstelle am oberen Pole des
Ovarium die vorderen Bruchpforten bevorzugen und sekundär die Ampulle mit
dem Eierstocke heranziehen, und umgekehrt die letzteren Gebilde zuerst die hinteren
Bruchpforten erreichen und dann erst die Tube mit sich ziehen : das Rectum vom
:?. Kreuzwirbel an, der nicht gravide Uterus und die ungefüllte Blase liegen distal
von iler eben erwähnten Horizontalen und können im allgemeinen bei krankhafter
Lageveränderung nur die natürlichen Ausführungswege benutzen, welche aber
nicht als Hernien, sondern als Prolapse (Prolapsus uteri und Prolapsus ani) be-
zeichnet zu werden pflegen oder mit dem griechischen Namen xy]Xy], Varicocele,
Kydrocele, Cystocele. Die beiden erstgenannten Veränderungen haben jedoch
nichts mit einem Bruche zu tun, sind auch keine Prolapsus und verdanken
ihren Namen nur der Größenzunahme der betroffenen GebUde, welche einen
hruchartigen Eindruck erwecken. Blase, Uterus und Mastdarm gehen aber in
ausgedehntem Zustande auch ohne krankhafte Veranlassung nicht allein über
die Horizontale hinaus, sondern sogar ins große Becken hinein bis weit nach
oben in die eigentliche Bauchhöhle. Dann können sie selbstverständlich alle an-
gegebenen Bruchpforten als Auswege benutzen, sogar die hier nicht mitabgebildete
Nabelbruchpforte.
In zweiter Linie fällt die Dicke der seitlichen Bauchmuskeln auf. Da sie aber
drei Muskeln enthält, welche seitlich den Bauchinhalt zusammenpressen, kann ihre
mächtige Entfaltung nicht wundernehmen. In gleicher Weise haben wir vorn dicht
neben der Mittellinie zu beachten den M. rectus abdominis mit dem recht oft fehlen-
den M. pyramidalis. Dem vorderen muskulären Abschnitte steht gegenüber der
hintere knöcherne, welcher in erster Linie den Kanal liefert für die aus dem Rücken-
marke hervorgehenden Nerven, in zweiter Linie, d. h. weiter nach hinten die langen
Rückenmuskeln beherbergt. In der Abbildung sind die Gefäße und Nerven in
ilirei- Sy Utopie dargestellt, und außerdem haben wir die Bruchpforten berücksichtigt
und mußten deshalb die Vasa spermatica interna, den Ductus deferens, die V. dor-
salis penis mit dem Corpus cavernosum angeben. Unsere Fig. 17 zeigt also die
Oeffnun^en, welche normalerweise nur für die Gefäße und Nerven bestimmt sind, in
pathologischen Fällen auch als Bruchwege benutzt werden; es handelt sich vorn
um die N. genitofemoralis, ilioinguinalis, des weiteren um den N. obturatorius, bei
welchem man im Zweifel sein kann, ob man ihn nach seinem Ursprünge und Ver-
laufe im großen Becken der hinteren Abteilung zurechnen soll oder nach seiner
Endverbreitung an der vorderen medialen des Kniegelenkes dem vorderen Abschnitte
zuerkennen soll. Der Plexus sacralis bietet weniger Schwierigkeiten, obwohl er im
Truncus lumbosacralis Teile des Plexus lumbalis aufnimmt und im Plexus pudendus
sich erst aus dem letzten Nerven des Rückenmarkes entwickelt. Alle diese Nerven
77
492 FROHSE und M. FRÄNKEL,
sind an der Hüfte und am Oberschenkel auf der Eückseite tätig, mit Ausnahme
des N. pudendus, welcher durch die Versorgung der äußeren Geschlechtsteile weit
nach vorn seinen Weg nimmt (N. dorsalis penis s. clitoridis). Der Plexus sacralis
tritt in unmittelbare Nachbarschaft mit dem M. piriformis. In unserer Abbildung
ist er halb schematisch so dargestellt, daß die Plexuselemente vollkommen frei-
liegen, obwohl man sie mitunter erst aus der Muskelraasse heraussetzen muß.
Die syntopische Darstellung erfährt aber durch das innere Nervenbild des
M. obturator internus eine genaue Berücksichtigung der Neurotopie, welche wir in
diesem Buche mitzubeschreiben haben. Scheinbar hat der Nerv für den M. ob-
turator internus für die elektrische Reizung keine „Möglichkeit", weil er ja sich
ganz in der Tiefe um die Spina ischiadica herumschlingt, gemeinsam mit den Nerven
und Gefäßen für den Damm und die äußeren Genitalien. Wenn aber der Finger
des untersuchenden Arztes imstande ist, per rectum oder per vaginam die Spma
ischiadica zu fühlen, haben wir auch die Möglichkeit vor uns, mit der Elektrode
diesen Knochenpunkt zu erreichen und können dann mit größter Leichtigkeit den
M. obturator internus zur Kontraktion bringen. Wieviel schwerer ist es, die Nerven
für den M. glutaeus maximus zu reizen, über welchen, von der Haut aus gerechnet,
zunächst eine sehr derbe Cutis liegt, weiter ein recht ansehnliches Fettpolster und
schließlich die Dicke der Muskelmasse selbst. Unendlich viel leichter ist es, an
den Nerv für den M. obturator internus zu gelangen ; gleichviel ob man den Weg
durch das Rectum oder die Vagina nimmt, immer liegt nur die Schleimhaut, die
Wand des betreffenden Eingeweides und eine dünne Fettschicht vor.
Beschreibung zu Fig, 18.
Durch den M. piriformis (Pi) wird das Foramen ischiadicum majus zerlegt in
die von Waldeyer sogenannten Foramina suprapiriforme {F. s) und infrapiriforme
(F. i). Das Lig. sacrospinosum (L. s. s) trennt es von dem Foramen ischiadicum
minus {F. i. 7ni), dessen hintere Begrenzung durch das Lig. sacrotuberosum [L. s. t)
gebildet wird.
Vorn ist zunächst der Ursprungsteil des M. rectus femoris {M. r. f) dargestellt,
um verständlich zu machen, wie er vermöge seines Verlaufes bis zum Becken hin
imstande ist, bei fixiertem Unterschenkel das Becken und damit den Rumpf nach
vorn zu beugen. Hinter der Symphyse liegt die Membrana obturatoria [M.obt),
an deren oberem Teile die Beckenöffnung des Canalis obturatorius {Co) zu sehen
ist. Die hinten gelegenen Foramina supra- und infrapiriforme und die vorn be-
findliche Beckenöffnung des Canalis obturatorius stellen die Bruchpforten dar für
die Hernien im Bereiche des kleinen Beckens. Das Foramen suprapiriforme kann,
wie in der Abbildung, durch einen von Waldeyer genauer beschriebenen Vorsprung
des M piriformis nicht allein von der Innenfläche des Kreuzbeines, sondern auch
von dem oberen Rande der Incisura ischiadica major, d. h. vom Os ilium eine be-
deutende Einschränkung erfahren. Vernachlässigt sind absichtlich die Sacralnerven
mit ihren Foramina, sowie die aus dem Duralsäcke austretenden Nerven, weil es uns
ausschließlich darauf ankam, Lage und Form der Bruchpforten zu zeigen. Sämt-
liche ßruchpforten liegen proximal von der Horizontallinie; wenn distal von ihr
Prolapse vorkommen, handelt es sich nicht mehr um Hernien, sondern um Vorfälle
der Blase, der Scheide, sogar des Uterus, und hinten des Rectum. — ^
Allermeist wird dieser wichtige Nerv auf dem Präpariersaale weg-
geschnitten. Dicht unterhalb der Spina ischiadica senkt er sich, aber
erst innerhalb des kleinen Beckens, oder besser an der Seite der
Fossa ischiorectalis, in seinen Muskel hinein und liefert dann sehr
viele feine Nervenzweige, welche nur wenige Anastomosen miteinander
eingehen. Unsere Abbildung (Fig. 17) zeigt, daß die Nerven die
Mitte des Muskels nicht erreichen, von den Sehnennerven abgesehen,
welche zur Incisura ischiadica major, zum Canalis obturatorius und
zum unteren Rande der Symphyse verlaufen. In Wirklichkeit müssen
wir aber das Muskellleisch noch lateralwärts verlängert denken gegen
den Trochanter major hin, und dann ist das Nervenbild durchaus
typisch, indem es sich ungefähr in der Mitte des Muskels am reich-
lichsten entwickelt zeigt.
78
M. obturator internus.
493
tfr^"^'
s.d.
M.obt
Kr.ß
\
"'=^S;^^**^^'
Dr. . h'rohse.
Vis. 18. Medianschnitt des männlichen Beckens in normaler Haltung, Foramina
(Bnichpforten) des kleinen Beckens, Ursprung der M. piriformis und rectus
femoris.
Durch eine mit H bezeichnete Horizontallinie ist eine Verbindung angegeben
zAvischen dem oberen Eande der Symphyse und der Fibrocartilago intercoccygea
am unteren Rande des 1. Steißwirbels. Das Ende des Duralsackes (S.d.) liegt im
Bereiche des 2. Sacralwirbels. Pr bedeutet Promontorixun.
79
494 FROHSE und M. FRÄNKEL,
M. gemelli.
Synonyma: Zwillingsmuskeln (der Hüfte); Secundus et tertius
quadrigemini (Riol.), marsupium carneum (Colomb., Spig.) m, gemini,
marsupiales externi; Jnmeaux, petits jumeaux, ischio- trochanteriens
(Chauss.), ischio-spini-trochanteriens (Dumas).
Allgemeine Beschreibung.
Die Muskeln stellen die Satelliten des M. obturator internus dar,
dessen Sehne sie proximal und distal mit ihrem Fleische umgeben.
Idiotopie und Skeletopie.
Der M. gemellus superior entspringt von der Spina ischiadica, der
M. gemellus inferior vom Tuber ischiadicum mit fleischigen Bündeln,
und lassen sich mitunter überhaupt nicht von der Sehne des M. ob-
turator internus trennen. Der Schleimbeutel, welcher unter dieser
Endsehne gelegen ist, ist allerdings unter allen Umständen vorhanden,
und man kann von ihm aus die Sonderung der drei Einzelteile vor-
nehmen; man darf sich nur nicht wundern, wenn nach der Isolierung
der Sehne des M. obturator internus die beiden M. gemelli ein tiefes
Muskelbett schaffen, welches als einheitliche tiefe Schicht die Sehne
des M. obturator internus umgibt. Dann ist überhaupt keine Tren-
nung zwischen M. superior und inferior möglich, und sie bilden dann
den gemeinschaftlichen extrapelvinen Ursprung des M. obturator in-
ternus.
Holotopie und Syntopie.
Der M. gemellus superior kann den M. piriformis nicht erreichen,
weil die aus dem Foramen infrapiriforme tretenden Gebilde dazwischen-
liegen. Nur die Endsehne, welche aber bereits mit dem M. obturator
internus verschmolzen ist, verbindet sich oft mit der Sehne des M.
piriformis.
Der M. gemellus inferior schließt sich an den M. quadratus fe-
moris an. Die Facies superficialis wird in der Mitte von den Ge-
bilden des Foramen infiapiriforme gekreuzt; medial empfängt sie ihre
eigenen Nerven, lateral bleibt sie frei. Die Facies profunda bedeckt
medial das Os ischii und den Nerven für den M. quadratus femoris,
lateral das Hüftgelenk.
Wirkung.
Sie gehören zu den Auswärtsrollern.
Innervation.
Der Muskelbauch des M. obturator internus liegt in der Innen-
fläche des Beckens. Darum muß auch der Nerv in das kleine Becken
hineinziehen und durch das Foramen ischiadicum minus hindurch-
treten. Außerdem liefert er noch Zweige in der Höhe des Tuber
ischiadicum, wo sich extrapelvin die M. gemelli superior und inferior
befestigen. Die beiden letzteren Muskeln verlangen besondere Nerven.
Theoretisch wären anzunehmen ein oberer und ein unterer, welche
in die entsprechenden Muskeln eintreten. Der Muskelbefund lehrt,
daß in der Tiefe des M. obturator internus ein inniger muskulärer
80
M. quadratus femoris, 495
Zusammenhang bestehen kann ; die Nervenversorgung kann aber, wie
in unserer Abbildung (Fig. 16), das Gegenteil kundgeben. Zwar ist
aucli hier ein doppelter Nerv vorhanden, ein proximaler für den M.
gemellus superior und ein distaler für den M. gemellus inferior, nichts-
destoweniger aber versorgt der proximale Nerv zu einem kleinen
Teile auch den distalen Muskel.
M. quadratus femoris.
Synonyma: Viereckiger Schenkelmuskel; Quartua quadrigeminus ;
Carre crural, ischio-trochanterien (Chauss.), tubero - ischio - trochant6rien
(Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Dieser Muskel entspricht seinem Namen, indem er wie eine vier-
seitige Muskelmasse das Tuber ischiadicum mit der Crista intertrochan-
terica femoris posterior verbindet. Bei der Einwärtsrotation des Beines
erscheint er am Präparate länglich-rechteckig, bei der Auswärtsrotation
dürfte er am Lebenden die Gestalt eines Quadrates oder sogar eines
Rechteckes annehmen, dessen Längsseite von oben nach unten verläuft.
Ursprungs- und Ansatzbedingungen sind die denkbar günstigsten, der
Muskel besitzt fast gar keine Sehnensubstanz und stellt in dieser Be-
ziehung einen guten Vergleich zum M. pronator quadratus dar, dem
er in seiner äußeren Gestalt außerordentlich nahekommt.
Idiotopie und Skeletopie.
Der breite Ursprung liegt an der Außenseite des Tuber ischia-
dicum, dessen ganze Breite er vom Acetubulum an bis fast zum freien
unteren Rande dieses Knochens einnimmt. Der dicke Muskelbauch
zieht dann quer nach lateral hinter dem Schenkelhalse, von welchem
er nur durch den M. obturator externus und die Gelenkkapsel ge-
trennt ist, und heftet sich größtenteils fleischig ungefähr in der Ver-
längerung der Tuberositas glutaea bis zur Spitze des Trochanter major
an. Wir sagen absichtlich nicht an der Crista intertrochanterica, weil
diese Leiste, wenn überhaupt, nur einem geringen Teile des Muskels
zur Anheftung dient.
Wir suchen dann nach einem Grunde für diese Crista, welche schon
deshalb keinem Muskelansatze ihr Dasein verdanken kann, weil sie be-
reits beim Neugeborenen gut entwickelt ist. Hier ist der Vergleich mit
der Linea intertrochanterica geboten. Diese entspricht ja nicht dem
hier sich vollziehenden Ursprünge einiger Teile der M. vasti, sondern
ausschließlich der Anheftung des mächtigsten Bandes des menschlichen
Körpers, des Lig, iliofemorale (Bertini) — ähnlich ist es mit der Crista
intertrochanterica, welche die beiden mächtigsten Apophysen des mensch-
lichen Körpers miteinander verbindet. Nun stelle man sich vor, daß diese
beiden so ansehnlichen Höcker, welche wir bereits bei den Muskeln des
menschlichen Armes (a. a. 0. S. 66), im Vergleiche mit den entsprechenden
Punkten des Humerus, herangezogen und als Beuge- und Rollhügel be-
zeichnet haben, unvermittelt, d. h. scharf abgesetzt an der Grenze
zwischen Hals und Schaft des Femur sich entwickelten, so würden die
entsprechenden gewaltigen Massen der Beuge- und Rollmuskeln leicht
zu einer Lösung der Apophysen führen können. Die Crista intertro-
Handbuch der Anatomie. II, li, 3. 32
8i
496 FROHSE und M. FRÄNKEL,
chanterica stellt deshalb nach unserer Auffassung einen praktisch hoch-
bedeutsamen, schrägen Strebepfeiler dar, zum Schutze sowohl des Tro-
chanter major wie des minor.
Mitunter macht es den Eindruck, als ob der Muskel aus zwei
Schichten besteht, besonders im proximalen Abschnitte. Dann liegt
es aber immer daran, daß in der oberflächlichen Schicht dünne Sehnen-
fasern eingewebt sind, welche bei der Präparation nur sehr schwer
in einheitlicher Schicht bis zum Knochen zu verfolgen sind, um so mehr,
als sich darunter lockeres Bindegewebe oder bei fettreichen Personen
Fettgewebe entwickelt, oder es zur Bildung eines besonderen Schleim-
beutels kommt. Die Erklärung hierfür läßt sich in leichter Weise
geben, weil diese Stelle des Muskels durch die Tätigkeit des viel
stärkeren M. glutaeus maximus immer wieder gereizt wird, und er
als der schwächere teilweise zum Schwunde gebracht wird.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel beteiligt sich in keiner Weise am Oberflächenbilde.
Von der Hautseite aus betrachtet, liegt über ihm außer der meist an-
sehnlichen Fettschicht der M. glutaeus maximus. Bekannt ist außerdem
seine Ueberkreuzung durch den N. ischiadicus mit dessen Begleit-
gefäßen. Der obere Rand schließt sich an den M. gemellus inferior
an, der untere berührt den M. adductor minimus. In diesem Spalte
treten die Endzweige der Vasa circumflexa femoris medialia auf die
Rückseite des Oberschenkels noch zum unteren Teile der hinteren
Hüftmuskeln. Die tiefe Fläche deckt im proximalen Teile den Muskel-
bauch und die Endsehne des M. obturator externus zu. Man muß
durch Emporklappen des oberen Teiles, am besten bei Rückwärts-
rotation des Oberschenkels, den Muskel entspannen, um diese prä-
paratorisch so schwer darzustellende Gegend gründlich säubern zu
können. Noch wichtiger vielleicht ist die präparatorische Freilegung
des unteren Randes, weil in dem Spalte zwischen ihm und dem M.
adductor minimus der Trochanter minor gelegen ist, an dem die
glänzende Sehne des M. psoas major in ihrer charakteristischen, fast
rechtwinkeligen Umknickung mehrere Zentimeter weit verfolgt werden,
kann.
Wirkung.
I. Beim Spielbeine ist eine starke Auswärtsrotation des Beines zu
beachten,
IL Bei einem Standbeine tritt eine Rumpfdrehung nach der
entgegengesetzten Seite ein.
Wenn beide Beine fixiert sind, wird der untere Teil des Beckens
im ganzen nach vorn geschoben und dadurch der Rumpf nach hinten
gebeugt.
Gefäße und Nerven.
Die Gefäße sind unbenannte Zweige der Vasa glutaea inferiora,
circumflexa femoris medialia und auch der obturatoria.
Der Nerv stammt aus dem N. ischiadicus und verläuft als ein-
heitlicher Zweig hart am Knochen zu seinem Muskel. Hierbei
liegt er unter den beiden M. gemelli und selbstverständlich auch der
Sehne des im Beckeninnern versorgten M. obturator internus, und
82
M. obturator externus. 497
tritt auch in den M. quadratus femoris von der Facies profunda aus
ein. Diese versteckte Lage bringt es mit sich, daß er auf dem Prä-
pariersaale höchst selten zur Darstellung gebracht wird.
Innervation.
Der Muskelnerv kommt ganz versteckt aus dem Foramen infra-
piriforme heraus und ist erst eigentlich dann zu erkennen, wenn der
N. ischiadicus vollkommen durchtrennt ist. Die zweite Schwierigkeit
beruht darauf, daß er erst in der Tiefe unter dem M. obturator in-
ternus cum gemellis zu finden ist, hart am Knochen und sogar ein-
gebettet in eine Furche etwas lateral vom Tuber ischiadicum. So
schwer der Anfangsteil des Nerven zu finden ist, so leicht gestaltet
sich andererseits seine Darstellung im Verhältnisse zum Muskel. Wir
finden an ihm die typische Verzweigung zu den Muskelbündeln selbst
ungefähr in der Mitte der Muskelmasse verwirklicht, aber außerdem
die sogenannten Sehnennerven, welche in Wirklichkeit höhere Auf-
gaben zu vollführen haben, nämlich die benachbarten Knochen und
andere Einrichtungen des Körpers mit Nerven zu versorgen. So
konnten wir einen oberen lateralen Zweig zum Trochanter major nach-
weisen, drei mediale zu der Gegend des Tuber ischiadicum, und einen
unteren lateralen, welcher sich gabelte, um proximal die Crista inter-
trochanterica zu erreichen und distal den Trochanter minor. Aus
diesem Grunde müssen wir den motorischen Nerven noch die be-
sonderen Beziehungen zu den Knochen, Gelenken, Gefäßen usw. zu-
erkennen. Wir finden sie an jedem Muskel verwirklicht, aber nirgends
so leicht auszupräparieren, wie gerade am M. quadratus femoris.
M. obturator externus.
Synonyma: Aeußerer Verstopfmuskel; Obturateur externe, sous-
pubio-trochanterien ext. (Chauss.), extra-pelvio-pubi-trochanterien (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Trotz seiner bedeutenden Größe ist dieser Muskel von Ursprung
bis Ansatz der versteckteste aller Körpermuskeln, zu dessen aus-
giebiger Freilegung sämtliche Nachbar- und Beckenmuskeln durch-
trennt werden müssen, die uns bei der Holotopie und Syntopie noch
ausführlich zu beschäftigen haben. Er entspringt an der vorderen,
der Außenfläche des Foramen obturatum, wendet sich dann hinter
den Schenkelhals und heftet sich in der Fossa trochanterica an.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung findet nur zum geringsten Teile an den Rändern
des Foramen obturatum und der dasselbe verschließenden Membrana
obturatoria statt, greift vielmehr ausgiebig auf die Knochenumrahmung
über, deren lateralen Rand er indessen frei läßt. Recht oft ist der
Ursprung nicht einheitlich, sondern läßt ein oberes Bündel erkennen,
welches seinen guten anatomischen Grund liat, weil nämlich hier be-
reits recht oft eine frühe Teilung des N. obturatorius in seine beiden
Hauptendäste statthat. Entweder verläuft der ungeteilte N. ob-
32*
83
498 FROHSE und M. FRÄNKEL,
turatorius mit den Gefäßen oberhalb des Gesamtmuskels, oder der
R. anterior zieht gemeinschaftlich mit den Gefäßen zu d^en versorgten
Gebilden, und der R. posterior durchsetzt den Muskel, von dem er
einen oberen kleinen Bauch absondert^). Den R. post. möchten wir
jedoch nach unserer neuen Beschreibung als R. medius oder inter-
medius bezeichnet wissen. Die Ursprünge sind fleischig, zeichnen
sich aber dadurch aus, daß sich hart an der Membrana obturatoria
Fett entwickeln kann, bei dessen größerer Anhäufung Waldeyer in
derselben Figur von „Corpora adiposa" spricht. Von dem breiten
Ursprünge aus verschmälert sich der Muskelbauch beträchtlich und
hat, wenn er sich frei entwickelt hat und von hinten her um das
Hüftgelenk herumschliugt, nur ein Viertel der ursprünglichen Breite.
Die Endsehne ist stärker, als die des M. obturator internus, weist
aber eine gewisse Aehnlichkeit mit diesem und den M. gemelli auf,
indem die unteren und die oberen Muskelbündel sich bis in die Nähe
des Ansatzes in entsprechender Weise an die Endsehne anheften.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies anterior mußte bereits bei der Idiotopie und Skele-
topie betrachtet werden, wo beschiieben ist, daß der R. posterior des
N. obturatorius ein besonderes Aestchen abzweigen kann. Wir zerlegen
diese Fläche zweckmäßig in zwei Unterabschnitte: eine mediale, die
eben beschriebene Beckenhälfte, und eine laterale, welche Hüftgelenk
und Femur umfaßt. Der Articulatio coxae ist die Endsehne innig
angeschmiegt und verläuft dabei am unteren Umfange der Zona or-
bicularis (Weberi), welche an dieser Stelle schwach sein kann, weil
ja die starke Sehne die Verstärkung der Gelenkkapsel in ungleich
stärkerer Weise besorgt, um so mehr, als kein Schleimbeutel sie von
ihr trennt. Wir haben hier dieselbe Einrichtung wie beim Schulter-
gelenke, wo ja auch die Sehnen der Rollmuskeln die eigentliche Wand
der Gelenkkapsel bilden und nur an bestimmten, hier nicht zu wieder-
holenden Stellen Schleimbeutel entwickeln.
Der obere Rand ist bereits beschrieben, ebenso die Beziehungen
zur Membrana obturatoria, d. h. die Facies profunda. Beim Ueber-
gange beider ineinander haben wir die Eintrittsstelle der Hauptgefäße
und vor allen Dingen des Nerven, welcher aus dem N. obturatorius
stammt, also aus dem Plexus lumbalis, und nicht, wie beim N. ob-
turator internus, aus dem Plexus pudendus oder dem Kaudalteile
des Plexus sacralis.
Zur Freilegung des Muskels sind von vorn her zu durchschneiden
oder noch besser loszulösen sämtliche Muskeln der Addiictorengruppe
und ebenfalls der im Adductorendreiecke miteingeschlossene Endteil
des M. iliopsoas, von hinten her außer dem M. glutaeus maximus
der M. quadratus femoris, an der hinteren und lateralen Grenze die
zum Unterschenkel ziehenden Beuger.
Wirkung.
Dieselbe ist bei den Auswärtsrollern beschrieben.
1) S. auch Waldeyer, Fig. 19 a. a. 0. S. 36.
84
M. obturator extemus. 499
Bursa des M. obturator extemus.
Eiu Schleimbeutel von 2 cm Länge und 1 cm Breite befindet
sich auf der Hüftgelenkskapsel genau entsprechend dem Halse des
Femur, tritt jedenfalls in keine r)eziehung zum Tuber ischiadicuni.
Von diesem Kuochenpunkte ziehen sogar besondere Bänder extra-
kapsulär zur Kapsel des Hüftgelenkes, und zwischen den einzelnen
Streifen verlaufen besondere Gefäße.
Bei tleu allermeisten Figuren dieses Abschnittes des Handbuches haben wir
uns nach der von Waldeyer vorgeschlagenen Einteilung, jedes Organ nach Idio-
ropio, Skeletopie, Holotopie und Syntopie zu betrachten, gerichtet. So mußte gerade
das Muskelbild des M. obturator externus sich zu der dankenswertesten Aufgabe
gestalten, die von Waldeyer angeregten Fragen in ihrer Zweckmäßigkeit darzutun,
in der Tat läßt sich dieser Muskel ohne jeden Zwang auf derselben Abbildung
idio-, skele-, holo- und syntopisch betrachten, wir müssen sogar noch weitergehen,
indem wir uns jedesmal* nach der Nerven- untl Gefäßversorgung richten müssen.
Für diese beiden Fragen sind besondere Namen zu schaffen, und wir möchten vor-
schlagen: Neurotopie und Angiotopie. Diese beiden Ausdrücke haben wir, einem
inneren Zwange gehorchend, unbewußt bereits bei der Beschreibung der Armmuskeln
angewandt, letzteren speziell bei den Fascien. Bei der Bearbeitung unseres jetzigen
Themas haben wir beiden Fragen unsere ganze Aufmerksamkeit gewidmet und im
Texte sowohl den neurologischen wie den angiologischen Fragen uns gerecht zu
werden bemüht. Es war in diesem Falle unmöglich, auch die Gefäße im BUde
anzubringen, wohl aber haben wir die neurologische Seite vom anatomischen und
klinischen Standpunkt« aus darzustellen uns angelegen sein lassen. Wir wissen
fanz genau, daß ein gewisser Widerspruch sich erheben kann zwischen anatomischer
Irfahrung und praktischer Verwertbarkeit. In unserem Falle verdient die Innervation
des M. obtiirator externus nur theoretische, wissenschaftliche Bedeutung, weil man
kaum imstande ist, am Lebenden sowohl den extra- wie den intramuskulären Teil
elektrisch zu reizen, und so kommen wir zu einer einfacheren Auffassung der
Neurotopie. Im anatomischen Sinne ist jeder Nervenzweig motorischer Herkunft
für den versorgten Äluskel von Bedeutung. Die praktische Frage liegt aber anders,
wo er überhaupt durch den elektrischen Strom zu erreichen ist. Wir müssen dem-
gemäß unterscheiden zwischen dem anatomischen Nervenbilde und der praktisch
eiTeichbaren Keizungsstelle des Muskels. Wer sich über die Lage eines Muskels
klar ist, weiß auch, daß beinahe an jeder Stelle desselben die elektrische Keizung
möglich ist. Wir müssen aber den klinischen Erfahrungen folgen und nur die-
jenigen Stellen betonen, welche ohne Präparation, d. h. ana Lebenden, die günstigsten
Anlegungsstellen für die Elektroden bilden.
Die Angiotopie ist bei den Beinmuskeln von ganz untergeordneter Bedeutung.
Die untere Extremität zerfällt in Hüft-, Überschenkel-, Unterschenkel- und Fuß-
muskulatur. Die vier genannten Abschnitte bilden jeder für sich ein besonderes
Gefäßgebiet, über deren Grenzen man nicht ungestraft hinausgehen darf, besonders
bei Unterbindungen am Lebenden. So reich wie ein einzelner Muskel auch mit
Gefäßen bedacht ist, immer und immer wieder gehört er zu einer der vier ({ruppen.
Die Gefäßdarstellung haben ^nr nicht bildlich berücksichtigt, weU es zu weit geführt
haben würde, wohl aber mußten wir die motorischen Nerven in ihrem extra- und
intramuskulären Verlaufe ausführlich darstellen, weil ja ein Muskel nichts ohne
seinen Nerven anfangen kann und, vom praktischen Standpunkte aus geredet, die
l'ebcipflaiizung von oder in einen gelähmten ]Muskel keinen Erfolg zu erzielen
vermag.
Beschreibung zu Fig.|19.
Die Figur zeigt den M. obturator externus im Muskel- und Nervenbilde,
letzteres, weil die entsprechenden Zweige sich von vorn her präparieren lassen.
Dagegen ist der M. quadratns femoris nur im Muskelbilde dargestellt, weil seine
Nerven sich von hinten her aus dem Plexus sacralis und nicht aus dem Plexus
lumbalis loslösen. Ferner haben wir die vordere Partie des Hüftgelenkes mit {\cm
Uebergange zum Bauche und Oberschenkel in topographischer Weise berücksichtigt.
In erster Linie kommen die Bruchpforten in Betracht: Dem Präparate entsprechend,
zeigt die Abbildung den äußeren Leistenring am meisten medial gelegen, den
Schenkelkanal mehr lateral und den Kanal für die Hernia obtnratoria in der Mitte
zwischen beiden vorgenannten. Als Grenze zwischen Hernia inguinalis und femoralis
85
500
FROHSE und M. FRANKEL,
M. obturator extemus.
öOl
spannt sich an das Lig. inguinale (Pouparti). Als scharfer Knochenteil strebt uns
entgegen der Ranius superior (horizontalis) ossis pubis, welcher Schenkelhernie und
einen Bruch in den Canalis obturatorius hinein voneinander trennt.
Des weiteren zeigt die Abbildung die Ursprünge der Adductorengruppe, welche,
wie Waldeyer sagt, in drei Kreisen aufzufassen sind, einem oberflächlichen, welcher
4 Muskeln umfaßt, die M. pectineus, adductor longus, gracilis und adductor magnus.
In mittlerer Schicht finden wir nur 2 Muskeln, die M. adductor brevis und minimus.
Es wäre nun sehr leicht, ein Schema aufzustellen, indem man unter dem M. ad-
ductor longus auch den M. adductor brevis zu erwarten hätte, und ebenso unter
dem M. adductor magnus den M. adductor minimus. Dies wäre verkehrt. Nach
unseren Erfahrungen liegt der M. adductor brevis hauptsächlich unter dem M. gra-
cilis verborgen, und nicht unter dem Ursprünge des M. adductor longus, und auch
der M. adductor minimus liegt nicht in seiner größten Ausdehnung unter dem
M. adductor magnus, sondern ebenfalls im Bereiche des M. gracilis.
Man soll ein Schema in Ehren halten, wenn es den praktischen Bedürfnissen
genügt, und hier ist der Platz dazu. Schematisch mögen wir uns merken, daß
unter dem langen Adductor ein kurzer seinen Sitz hat, und unter dem großen der
kleinste aufzusuchen ist, und erst ganz in der Tiefe der dritte Muskel der drei
Adductorenkreise erscheint in Gestalt des einheitlichen M. obturator externus. In
welcher Weise sich dies am Einzelpräparate gestaltet, ist sehr schwer zu sagen und
muß den Einzelbeobachtungen überlassen bleiben. Wir wollen kein Schema und
können zurzeit auch noch nicht beurteilen, ob unsere bildliche Darstellung den
nun einmal üblichen schematischen Darstellungen gerecht wird.
Das Foramen obturatum wird in seiner medialen Hälfte eingenommen durch
die Adductorengruppe; wir müssen aber auch des lateralen Abschlusses gedenken,
welcher durch den M. quadratus femoris verwirklicht ist. Dieser Muskel hat die
gleiche Wirkung wie der M. obturator externus, welcher nach der deskriptiven
Anatomie bei den Adductoren aufgezählt wird, obwohl er ein Auswärtsrotator im
hervorragendsten Sinne ist.
Wir müssen ferner bei unserer Figur auf die Nerven hinweisen, welche die
Adductorengruppe versorgen. Der Hauptnerv heißt N. obturatorius und zerfäUt
nach den B.N. A. in den R. anterior und den R. posterior. Diese Darstellung ist
schematisch. Der in größter Beckenweite drehrunde Nerv zerfällt schon vor dem
Eintritt in den Canahs obturatorius in drei und nicht zwei gesonderte Nerven,
nämlich: 1. einen oberflächlichen Ast, den R. anterior, welcher unter dem oberen
Schambeinaste am proximalen Rande des M. obturator externus herauskommt und
seinerseits mit drei Muskelzweigen die M. adductor longus, gracilis und adductor
brevis versorgt, aber auch außerdem noch den klinisch so wichtigen Hautnerven
(RoMBERGsches Kniephänomen, Hernia obturatoria) für die Innenfläche der Knie-
gelenksgegend liefert; 2. einen mittleren, R. posterior, für den nach unserer Auf-
fassung die Bezeichnung R. intermedius angebracht wäre; gewöhnlich spaltet sich
am Austritte an die Oberfläche des M. obturator externus ein etwa 1 cm breites
Bündel ab; er versorgt die M. adductor minimus und magnus, letzteren aber nur
im proximalen Abschnitte; 3. einen hinteren Zweig, der ausschließlich für den
M. obturator externus bestimmt ist, R. posterior (nobis).
In dieser Weise läßt sich die Innervation am einfachsten aus folgender Tabelle
ersehen :
Muskeln
Nerven
Hauptbezüge (und Neben-
bezüge-Varietät) aus den
Zweigen des N. obturatorius
M. pectineus
N. femoralis
(R. ant.)
R. ant.
M. adductor longus
N. obturatorius
M. graciUs
N. obturatorius
R. ant.
M. adductor magnus
N. obturatorius + N.
ischiadicus
R. intermedius nobis
M. adductor brevis
N. obturatorius
R. ant.
M. adductor minimus
N. obturatorius
R. intermedius nobis
M. obturator externus
N. obturatorius
R. post. nobis
Die laterale Hälfte der Figur umfaßt das Hüftgelenk von vorn. Der Zusammen-
hang mit dem Bauche, Abdomen, oder besser gesa^, mit der Wirbelsäule, wird ge-
liefert durch den M. iliopsoas, welcher gemeinschaftlich mit dem N. femoralis die
Lacuna musculorum durchsetzt, in der Höhe des Lig. inguinale quer durchtrennt
ist unter Resektion desjenigen Teiles, welcher den Scnenkelkopf überlagert. Hier
87
502 FBOHSE und M. FRÄNKEL,
liegt die B. iliopectinea, welche gewöhnlich bis zur Mitte des Sehenkelhalses distal
herunterreicht und recht oft — wir können nicht sagen, ob normal, d. h. in mehr
als 50 Proz. der Fälle — mit der Höhle des Hüftgelenkes zusammenhängt. Die
entsprechende Stelle liegt über der größten vorderen Krümmung des Schenkelkopfes,
und unter allen Umständen sehen wir hier bei den Beugungen des Femur bereits
den Knorpel durchschimmern, auch wenn es noch zu keinem Durchbruche der
Gelenkkapsel gekommen ist.
Die Grenze gegen die Adductoren wird durch eine scharfe fascielle Leiste
kundgetan, welche regelmäßig vorhanden ist und den femoralen Teil des fälschlich
so genannten Ligamentum iliopectineum darstellt. Letzteres ist ja nur eine
fascielle Trennung zwischen Lacuna musculorum und vasorum, aber nur im Bereiche
des Lig. inguinale. In der Beckenhöhle grenzt es ab die Baucheingeweide gegen
die tiefe Muskulatur (M. iliopsoas), im Oberschenkel teile bildet es die Trennungs-
fläche zwischen den vorderen Flexoren und der Adductorengruppe. Die Flexoren
werden gebildet durch den M. iliopsoas, bei welchem wir durchaus drei Teile unter-
scheiden müssen: a) der M. psoas major setzt rein sehnig an am Trochanter
minor, b) der M. iliacus geht fleischig herunter, distalwärts etwas hinaus über
die Linea intertrochanterica. Dieser Muskel soll nur aus der Fossa iliaca des
Hüftbeins entspringen, d. h. innerhalb des großen Beckens, woraus der Name ent-
standen ist M. iliacus internus, aber c) müssen wir betonen, daß auch eine Ober-
schenkelportion dieses Muskels vorhanden ist, welche sich in der Tiefe um den
Ursprung des M. rectus femoris, um die Spina iliaca anterior inferior herumschmiegt.
Diese Portion haben wir besonders abgebildet, weil sie den idealen Flexor des Hüft-
felenkes selbst darstellt und beinahe genau die proximale Ursprungsstelle der Gelenk-
apsel mit der distalen durch einen ansehnlichen Muskelzug überbrückt, dessen
Wirkung nur als Flexion bezeichnet werden kann. Gehen wir noch einen Schritt
weiter und ziehen in der Eichtung, welche durch unseren M. iliacus externus vor-
geschrieben ist, an den vorliegenden Sehnenstümpfen, so würde ein Zug am
ürsprungsteile des M. rectus femoris eine energische Beugewirkung des Beckens und
damit des Eumpfrudimentes auslösen. Ein Zug an der Endsehne des M. iliopsoas
beugt mit aller Kraft den Oberschenkel gegen den Bauch bis zur Berührung der Weich-
teile, am anatomischen Präparate unglaublich ausgiebiger, als wie es beim Lebenden
beiderlei Geschlechts häufig durch den Panniculus adiposus eingeschränkt wird.
Die Trochanterengegend zeigt halb schematisch die dort vorkommenden Schleim-
beutel ; alle drei M. glutaei besitzen mindestens einen subtendinösen. Der M. glutaeus
maximus wartet aber noch mit einem subkutanen Schleimbeutel auf, welcher jedoch
seine Gegenwart nicht der Muskelmasse verdankt, sondern der Sehne, welche hier
bereits als Tractus iliotibialis selbständig über den Trochanter major ihren Weg
nimmt und in unserer Abbildung deshalb kurzweg als Tractus iliotibialis be-
zeichnet ist.
Zum Schlüsse sei noch der N. glutaeus superior erwähnt, welcher ungefähr
in der Höhe der Spina iliaca ant. inf. zwischen den M. glutaei medius und minimus
an die Oberfläche kommt, um den M. tensor fasciae latae zu versorgen.
Obwohl es sich hier nur um die Betrachtung der Vorderseite handelt, haben
wir auch mit punktierten Linien die Insertionsstellen der M. obturator externus
und quadratus femoris angegeben, von denen ersterer die Fossa intertrochanterica
aufsucht. Der M. quadratus femoris hat, wie im Texte nachzusehen ist (s. S. 495 [81]),.
seine besondere Ansatzlinie unabhängig von der Crista intertrochanterica.
II. Oberschenkelmuskeln.
Allgemeines.
Der Oberschenkel zeigt nicht die mehr oder minder rundliche
Form des Oberarmes, sondern ist an fettarmen Individuen eigen-
tümlich vierkantig zusammengedrückt. Die vier Flächen verdanken
verschiedenen Muskelgruppen oder Teilen derselben ihre Entstehung.
Die vordere Fläche enthält die Hauptmasse des M. tiiceps femoris,
proximal auch noch folgende Muskeln: lateral den M. sartorius, me-
dial den M. iliopsoas. Beide können jedoch nur zur Hüftgegend ge-
rechnet werden, so daß für den eigentlichen Oberschenkel im vorderen
Teile nur der M. quadriceps femoris in Frage kommt. Das Be-
M. sartorius. 503
stimmende für die Facies lateralis ist der gleichnamige M. vastus.
dei- jedoch nicht unmittelbar unter der Haut liegt, sondern unter dem
mächtigen Tractus iliotibialis, also unter Abkömmlingen der lateralen
Hüftmuskeln verborgen ist. Dieser Zug ist so mächtig, daß er nicht
allein die Oberfläche des M. vastus lateralis in eine Aponeurose um-
wandelt, sondern auch, wie es vor allem bei militärischen üebungen
(Stillgestanden!) der Fall ist, die ganze Außenfläche des Oberschenkels
sagittal abflaciit. Die hintere Fläche wird in oberflächlicher Schicht
von den Flexoren eiogenommen, die mediale von der sogenannten
Adductorengruppe. In den beiden mittleren Vierteln des Ober-
schenkels sind alle genannten Muskeln keiner besonderen Selbstän-
digkeit fähig, sich klar unter der Haut zu zeigen, weil sie durch die
Fascia lata zentralwärts gegen den verhältnismäßig dünnen Ober-
schenkelschaft gedrückt werden. Erst im distalen Viertel des Ober-
schenkels können die Muskeln und Sehnen freier unter der Haut
spielen. Erstens, weil die Fascie dünner wird, zweitens der Knochen
sich aus dem Schafte zu den dreimal so dicken Condylen verbreitert,
und drittens die Muskeln zum größten Teile bereits in ihre Sehnen
übergehen oder bereits übergegangen sind. Die Beschreibung dieses
Abschnittes läßt sich aber nur im Zusammenhange mit dem Unter-
schenkel erledigen, weil dessen Muskeln in die des Oberschenkels
hineingreifen. Wir haben deshalb ein ausführliches Kapitel über die
äußere Form des Knies (s. S. 421 [7]) gegeben, welches sich natüilich
nicht auf die Vorderseite beschränken darf, sondern auch die seitlichen
und die hinteren Abschnitte mitumfassen muß.
M. sartorius.
Synonyma: Schneidermuskel, längster Sehnenmuskel; M. sutorius
(Riglan), M. fascialis, M. longus; Couturier (Cbuveilhibr), il6o-pr6tibial
(Chauss.), ilio-creti-tibial (Dum.), satellite de la femorale (Poiriek, S. 214).
Allgemeine Beschreibung.
Der M. sartorius ist einer der merkwürdigsten Muskeln des
menschlichen Körpers, durch seine auftallende Länge und den spira-
ligen Verlauf um die mediale Seite des Oberschenkels herum. Auch
in chirurgischen Fragen spielt er eine wichtige Rolle, als Leitstern
bei Unterbindungen usw. Er entspringt von der Spina iliaca ant. sup.
und setzt als oberster der drei Muskeln, welche den anatomischen
Oänsefuß, Pes anserinus, Patte d'oie, bilden, etwas nach hinten und
medial von der Tuborositas tibiae an diesen Knochen an. Je nach
der Länge des Oberschenkels kann der Muskelbauch eine Länge von
50 cm und darüber erreichen. Dies würde eine Verkürzung bei
stärkster Kontraktion um 25 cm betragen. Da jedoch die einzelnen
mikroskopischen Muskelfasern bei weitem nicht die Länge der makro-
skopischen Bündel erreichen, vollzieht sich die Wirkung des Muskels
in bescheidenen Grenzen. Vielen Menschen ist es überhaupt nicht
möglich, bei Emporheben des leicht gebeugten Beines nach vorn-innen
und über die Mittellinie hinaus, den Muskel als Strang hervortreten
zu lassen, und kaum jemals fühlt sich der Muskel so hart au, wie es
z. B. bei dem M. biceps oder dem M. interosseus dorsalis I der Fall
sein kann.
89
504 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Idiotopie und Skeletopie.
Der recht schmale Ursprung von der Spina iliaca ant. sup. voll-
zieht sich im wesentlichen muskulös; jedenfalls sind die Sehnenfasem
sehr kurz, können jedoch durch Verbindung mit den M. tensor fasciae
latae, glutaei medius und miuimus eine Aponeurosis intermuscularis
darstellen. Sehr schnell gewinnt der Muskelbauch seine größte Breite,
die er fast unverändert bis zum Uebergauge in die Endsehne bei-
behält. Diese Breite ist außerordentlich verschieden; bei alten oder
abgemagerten Leuten beträgt sie manchmal kaum 2 cm, andererseits
haben wir breite beobachtet, welche fast 10 cm erreichten, besonders
dann, wenn, wie in dem extremsten Falle, der Muskel in seiner ganzen
Länge duich einen etwa 1 cm breiten Spalt vollkommen voneinander
getiennt war. Die Ansatzsehne ist breit und kann sich vollkommen
unabhängig von den Sehnen der M. gracilis und semitendinosus an-
setzen und überläßt dann diesen ausschließlich die Bildung der Patte
d'oie. Charakteristisch für den Muskel ist, wie erwähnt, der spiralige
Verlauf um den Oberschenkel heium. Im oberen Viertel des Ober-
schenkels können wir in klarer Weise einen lateralen und medialen
Rand unterscheiden, und eine vordere und hintere Fläche. In den
distalen drei Vierteln wird der laterale Rand allmählich zum vorderen,
der mediale zum hinteren. Die Flächen kehren sich dann nach me-
dial und lateral. An der Innenseite des Knies angelaugt, umgreift
er den medialen Condylus von hinten her, und die Endsehne biegt in
ziemlich scharfem Bogen nach vorn um, so daß wir hier die Um-
wandlung der vorderen Kante in eine obere, proximale, der hinteren
in eine untere, distale haben.
Auch der Querschnitt ist in den einzelnen Abschnitten ein ganz
verschiedener, je nach den räumlichen Bedingungen. Dort, wo er
dem M. extensor einerseits, den Adductoren andererseits aufgelagert
ist und die Vasa femoralia deckt, erscheint der Querschnitt ungefähr
dreiseitig; dort, wo er über den M. vastus medialis hinwegzieht, flacht
er sich immer mehr und mehr ab.
Die Endsehne entwickelt sich zunächst auf der Facies profunda,
sobald sie in Berührung mit dem medialen Oberschenkelknorren
kommt, sehr bald und in ziemlich gleichmäßiger Linie auch an der
Oberfläche. Beim Verlaufe über die Tibia und das Lig. coUaterale
tibiale findet sich regelmäßig ein Schleimbeutel, welcher mitunter
selbständig ist — Bursa m. sartorii propria — , jedoch gewöhnlich
mit der großen Bursa anserina zusammenhängt.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel entspricht mit seiner Oberfläche der Fascia lata und
Haut. Trotz seiner großen Länge ist er einer der wenigen Muskeln,
welche in ganzer Ausdehnung am Oberflächenbilde des Körpers teil-
nehmen. Er bildet die wichtige Grenze einerseits zwischen dem
medialen oberen Oberschenkeldreiecke, welches die Adductoren sowie
den Ansatz des M. iliopsoas beherbergt, und andererseits dem Ex-
tensorendreiecke, welches von dem M. triceps femoris ausgefüllt wird.
Wenn wir den Vorschlag machen sollten, eine Einteilung der Vorder-
seite des Oberschenkels zu geben, wie sie sich bei einer Betrachtung
von vorn darstellt, oder, wie sie sich in den Abbildungen kundgibt^
welche das plastische Bild auf eine ebene Fläche projizieren, so wäre
M. sartorius. 505
vielleicht folgende Einteilung berechtigt, für welche wir besondere
Namen vorschlagen möchten:
1) Trigonum adductorium.
2) Regio sartoria, weil ja dieser Muskel, wie oben gesagt, eine
so große Länge und auch Breite aufweisen kann, wie sie von anderen
Regiones corporis humani überhaupt nicht erreicht wird.
3) Trigonum exteusorium.
Das Trigonum adductorium würde seine Basis haben: proximal
mit dem Lig. inguinale (Pouparti) ; die Spitze liegt dort, wo der nun-
mehr hintere Kaud des M. sartorius den M. gracilis überkreuzt. Beide
Muskeln bilden mit ihren einander zugekehrten Rändern die Seiten
dieses Dreieckes.
Die Regio sartoria liegt zunächst an der Vorderseite des Ober-
schenkels, weiterhin geht sie mehr auf die mediale Fläche über.
Das Trigonum extensorium hat seine Basis distal. Dieselbe ent-
spricht einer künstlich gezogenen Linie, welche mit der Spalte des
Kniegelenkes zusammenfällt, oder auch quer durch den unteren Rand
der Patella gezogen werden kann. Die Spitze liegt an der Spina
iliaca ant. sup., dort, wo die auseinanderweichenden Bäuche der M.
sartorius und tensor fasciae latae das Oberschenkelgrübchen, Fossette
fem orale, bilden. Die einander zugekehrten Ränder der beiden ge-
nannten Muskeln bezw. der vordere Rand des Tractus iliotibialis
bilden die Seiten des Dreieckes.
Der M. sartorius bildet in unserem Trigonum adductorium zu-
nächst die laterale Begrenzung des Tiigonum subinguinale s. ilio-
pectineum, dann des ScARPAschen Dreieckes, und schließlich die mus-
kulöse Decke des HuNTERschen Kanales, Begriffe, die in das Gebiet
der topographischen Anatomie gehören.
Charakteristisch für diesen Muskel, der in normalen Fällen in
seinem Innern überhaupt keinerlei sichtbare Sehnensubstanz aufweist,
ist es, daß er von einer Reihe von sensiblen Nerven, welche ihm
keinen motorischen oder sensiblen Zweig abzugeben brauchen, durch-
bohrt wird. Vergleiche mit anderen Skeletmuskeln — wir schließen
absichtlich die Hautmuskeln: Gesichtsmuskeln, Platysma und M. pal-
maris brevis aus — lassen sich an den Extremitäten wenigstens nicht
ziehen. Es handelt sich um R. cutanei anteriores des N. femoralis
und einen besonders starken Zweig des N. saphenus, welcher durch
die besondere Bezeichnung als N. infrapatellaris seine Wichtigkeit
kundgibt. Da der N. saphenus zwischen dem M. sartorius einerseits,
den M. gracilis und semitendinosus andererseits zum Vorschein kommt,
kann die Patte d'oie nicht einheitlich sein, muß vielmehr hier eine
Lücke aufweisen, welche sogar zu einer vollkommenen Absonderung
der Endsehne des M. sartorius und des unter dieser gelegenen
Schleimbeutels führen kann.
Wirkung.
I. Trotz seiner Länge ist seine Wirkung nur beschränkt, weil die
Länge der makroskopischen Muskelbündel kaum zu einem Drittel von
den mikroskopischen Muskelprimitivbündeln erreicht wird. Bis jetzt
ist es nicht gelungen, ein Muskelprimitivbündel eine größere Strecke
als 16 cm zu isolieren. Die Kontraktion ist am leichtesten zu sehen,
wenn das etwas gebeugte Bein nach vom und hinten gehoben wird.
91
506 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Wenn man dann die Einwärtsrotation des Beines ausführt, tritt keine
weitere Kontraktion des Muskelbauches ein, im Gegenteile, eine Er-
schlaffung. Der Grund liegt darin, daß der Muskel räumlich be-
hindert ist, bei der Beugung des Unterschenkels sich noch weiter
in seinem Fascienbette zusammenzuziehen.
Die Hauptwirkung, welche Duchenne (a. a. 0. S. 311) diesem Muskel
als Spanner des vorderen und medialen Teiles der Fascia lata zuschreibt,
können wir unter keinen Umständen als richtig unterschreiben. Anderen-
falls müßten wir beispielsweise den M, biceps brachii als Spanner des
vorderen Teiles der Oberarmbinde, und überhaupt jeden Muskel, der am
Oberflächenbilde des Körpers teilnimmt, in diesem Teile als besonderen
Spanner der in Betracht kommenden Fascie auffassen. Der M, sartorius
macht eben seine Kontraktion wie jeder andere Muskel dadurch geltend,
daß er sich gegen die Oberfläche verschiebt, und bei der Länge des
parallelfaserigen Muskelbauches und der Muskelprimitivbündel sowie der
geringen Stärke der Fascia lata , welche ihn kanalartig einscheidet,
kann es nicht wundernehmen, daß er besonders bei muskelkräftigen
Menschen mit schwachem Panniculus adiposus seine Kontraktion auch
äußerlich kundgibt.
II. Wenn der Muskel sein Punctum fixum am Unterschenkel hat,
äußert sich seine Zusammenziehung am Standbeine in einer Aufrichtung
des im Hüftgelenke überstreckten Rumpfes und weiterhin in einer
Beugung desselben nach der entgegengesetzten Seite unter gleich-
zeitiger geringer Rotation derselben nach außen und hinten.
Innervation,
Gerade bei diesem Muskel, der nach den jetzigen Anschauungen
sich aus mindestens drei aneinander anschließenden mikroskopischen
Einzelmuskeln zusammensetzen muß, wäre es theoretisch denkbar,
daß auch mindestens drei verschiedene Nervenzweige gesondert in
ihn einträten. Die oben geschilderte Einrichtung der sensiblen Nerven,
welche ihn durchbohren, könnte bei nachlässiger Präparation diese
Anschauung unterstützen. An diesem Beispiele läßt sich besonders
schön die absolute Notwendigkeit der von uns gestellten und unserer-
seits durchgeführten Forderung nachweisen, daß man nämlich die
Auffaserung mit peinlichster Genauigkeit befolgen muß und niemals
weit genug darin gehen kann. Unsere Befunde, deren einer bereits
1898 von Frohse abgebildet ist, lehrten uns, daß nur ein motorischer
Nerv in den Muskel hineintritt, und zwar gewöhnlich schon im ersten,
proximalen Fünftel. An keiner anderen Stelle ist es so leicht, die
Verzweigung der Nerven von der Ursprungssehne bis zur Ansatzsehne
zu verfolgen. Man braucht ja als Objekt sich nicht gerade einen
breiten M. sartorius zu wählen, im Gegenteile, die schmalen M. sartorii
kleiner Personen erfordern kaum ein Zehntel der sonst zur Bearbeitung
nötigen Zeit und geben trotzdem topographisch genau das gleiche
Nervenbild.
Nervenbild.
Das hier abgebildete Präparat besaß eine Muskellänge von 50 cm.
Die Zeichnung ist in natürlicher Größe angefertigt, die Dicke der
Nerven dabei übertrieben, so daß sie in der Verkleinerung, wie sie
92
M. triceps femoris (nobis).
507
Fig. 20. M. sartorius, Nervenbild, systematisch.
durch das Buchformat gegeben ist, sich ungefähr in
natürlicher Stärke darstellt. Das obere Drittel be-
kommt bereits ganz proximal seine Nerven, welche
je eine extra- und intramuskuläre Ansa aufweisen.
Das mittlere Drittel zeigt noch extramuskuläre Zweige,
bei denen jedoch keine nennenswerten Anastomosen
dargestellt sind, dagegen finden wir im distalen Drittel
nur intramuskuläre Zweige, welche mehrere Anasto-
mosen sowohl im Anfang wie beim Uebergang in die
Endsehne aufweisen. Je zwei Sehnennerven, teils
extra-, teils intramuskulär, ließen sich mit Leichtigkeit
für Ursprung und Ausatz präparieren. Wer sich der
Mühe unterzieht, die hier gegebene Abbildung mit der
bereits 1898 von Frohse ^ gegebenen zu vergleichen,
wird überrascht sein, wie übereinstimmend die Nerven-
verzweigung besonders mit Rücksicht auf die Anasto-
mosen nach Zahl und Lage ist. Wie an dieser Stelle
bereits betont, ist die Muskelarchitektur so charakte-
ristisch, daß auch die Nerven für jeden einzelnen
Muskel im großen und kleinen sich typisch verhalten
müssen.
M. triceps femoris (iiol)is).
Synonj^ma : Dreiköpfiger Schenkelstrecker ; M. ex-
tensor curis, quadriceps femoris ; Quadriceps femoral.
w
<\ »
Allgemeine Beschreibung.
Bei einer Untersuchung am Lebenden bestehen
die am Oberschenkel gelegenen Strecker nur aus drei
Köpfen, einem oberflächlichen, dem M. rectus femoris,
und zwei tiefen seitlichen, dem inneren und äußeren
Kopfe. Hieraus erklärt sich der für die Anatomie
am Lebenden, besonders für Künstler gewählte Aus-
druck „dreiköpfiger Schenkelstrecker". Die Anatomen
haben, ob mit gutem Rechte, wagen wir noch nicht zu
entscheiden, unter, d. h. hinter dem M. rectus femoris
noch einen besonderen M. vastus intermedius unter-
schieden, so daß ein vierköpfiger Muskel, der M. quadri-
ceps, entsteht. Wären aber die Anatomen konsequent
geblieben, so hätten sie auch den in den B.N.A. als
besonderen Muskel angegebenen M. articularis genu
nicht außer acht lassen dürfen und ihn als fünften Kopf
bezeichnen müssen. Die Benennung als M. triceps ist
aus dem Grunde beachtenswert, weil sie dann auch
übereinstimmt mit dem M. triceps brachii, welcher in
ein Caput longum = M. rectus femoris, und ein Caput
1) lieber die Verzweigung der Nerven zu und in den
menschlichen Muskeln, Anatom. Anz., Bd. XIV, 1898, No. 13
8. 330. Fig. 8.
93
508 FROHSE und M. FRÄNKEL,
mediale und laterale zerfällt, welche sich mit den entsprechenden
Köpfen des M. triceps femoris decken würden. Das Caput laterale
und mediale entspringen von den entsprechenden Labia der Linea
aspera, und es läßt sich in der Tat ein besonderer mittlerer Kopf
künstlich darstellen, der dadurch gekennzeichnet ist, daß er rein
fleischig die proximalen drei Viertel des Oberschenkelschaftes in dessen
vorderem Umfange zum Ursprünge benutzt und nur au der Linea
intertrochanterica mit beiden Nachbarmuskeln zusammenhängt, sonst
aber zu beiden Seiten durch einen 1 — 2 cm vollkommen muskelfreien
Zwischenraum von ihnen getrennt ist. — Den M: articularis genu,
welcher mitunter nicht isoliert, aber auch in viele Bündel zerlegt
werden kann, als besonderen Muskel aufzufassen, möge dem einzelnen
überlassen bleiben.
Die M. vasti stellen die größte Muskelmasse des Körpers dar
und umrahmen den ganzen Schaft des Femur und lassen nur die
Linea aspera zur Anheftung für den M. glutaeus maximus, die Adduc-
toren und den Ursprung des Caput breve m. bicipitis frei.
Für die äußere Form kommen nur der ganze Muskelbauch
des M. rectus femoris, etwa die Hälfte des M. medialis und —
wenn wir den vom Tractus iliotibialis bedeckten Teil abrechnen,
obwohl er die Form dieser Gegend kaum, umgestaltet — ein
noch viel kleinerer Teil des M. vastus lateralis in Betracht und
bedecken nur wenig mehr als die vordere Schenkelgegend, ge-
nauer des Extensorendreieckes. Anatomisch dagegen wird der
ganze Oberschenkelschaft, wie Waldeyer sagt, schalenartig von den
Vasti umgeben.
Die Sonderung des sogenannten M. vastus intermedius läßt sich
einwandsfrei und außerdem fast im Augenblicke nur nach der von
Waldeyer für seine Demonstrationen vorgeschriebenen Weise aus-
führen. Man versuche nicht, vom proximalen Teile aus in einen Spalt
einzudringen, auch wenn er durch Gefäße und Nerven vorgezeigt er-
scheint, man trenne vielmehr vom Kniegelenke aus die M. vasti, indem
man über der Mitte jedes Muskelbauches einen Schnitt, welcher un-
gefähr den freien seitlichen Rändern des Knochens entspricht, sofort
durch die ganze Dicke des Muskelbauches bis auf 'das Femur führt
und nun von distal nach proximal die Muskelbündel seitlich abdrängt.
Dann erkennt man, daß die Seitenfläche des Femur keinen nennens-
werten Muskelursprung aufweist, vielmehr die Muskelplatten „schalen-
artig" nach hinten zu der entsprechenden Kante der Linea aspera
sich begeben und dort sehnige Anheftung finden. Was in der Mitte
übrig bleibt, aber nur dies, ist der vollkommen fleischig von der
Vorderfläche des Femur entspringende sogenannte M. vastus inter-
medius, dem sich je nachdem in der Tiefe kein, ein oder mehrere
M. articulares genu anschließen.
M. rectus femoris.
Synonyma: Gerader Schenkelmuskel ; Nonus tibiam moventium
(ViJSALE) , nonus tibiae musculus (Colombus), rectus gracilis (Riolan),
extendentium tibiam secundus, rectus (Simkgel), rectus femoris (Cowper,
Soemmekring), rectus (Douglas) , rectus cruris (Albinus) ; Droit anterieur,
droit anterieur crural (Bichat), ilio-rotulien (Chaussier, Dumas).
94
M. rectus femoris. 609
Allgemeine Beschreibung.
Der Muskel bildet die oberflächliche Schicht des sogenannten Ex-
tensorendreieckes, dessen tiefe Lage durch die M. vasti eingenommen
wird. Er entspringt mit zwei Sehnen von dem Acetabulum und der
Spina iliaca anterior inferior, dicht unterhalb welcher bereits die Ver-
einigung beider eintritt. Der spindelförmige Muskelbauch geht etwa
8 cm oberhalb der Patella in die starke Endsehne über.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung vom Acetabulum ist etwa 2 cm breit und läßt sich
nur künstlich von der Gelenkkapsel lospräparieren. Vor der Ver-
einigung mit der zweiten von der Spina iliaca anterior inferior her-
kommenden schwächeren Ursprungssehne ist eine eigentümlich spiralige
Drehung unverkennbar. Die freie Ursprungssehne ist von der Spina
aus gemessen etwa 4 cm lang und geht an der vorderen Fläche noch
auf das Doppelte äußerlich auf den Muskel über ^). Dieser selbst ist
spindelförmig, bei einem mittelkräftigen Individuum in der Mitte
etwa (3 cm breit und verjüngt sich nach nach unten zu der Endsehne,
deren Form und Stärke mit der Ursprungssehne übereinstimmt.
Jedoch besitzt sie noch ein tiefes aponeurotisches Blatt, welches auf
der Sehnenfläche des M. vastus „intermedius" gleitet und bis 20 cm
lang ist. Der losgelöste Muskel macht durch diesen hellglänzenden
Sehnenspiegel durchaus den Eindruck eines Fisches, z. B. eines
Herings. Henle hat den Muskelaufbau aufgefasert und eine dies-
bezügliche Abbildung (S. 155, Fig. 3) gegeben, nach welcher der
Muskel in eine vordere laterale und eine hintere mediale Partie
zerlegbar ist. Es sei hier vorweggenommen, daß dieser Befund für
die Nervenverzweigung, welche sich genau nach der Einrichtung der
Muskelbündel richtet, von der allergrößten Bedeutung ist, und wir
teilen durchaus die Ansicht dieses Meisters der Anatomie. Leider
ist diese Abbildung nicht in die Neubearbeitung durch Merkel '*)
übergegangen. — Der Muskelbauch selbst ist doppelt gefiedert, in-
dessen kommen auch mehrere Fiederungen vor, indem nämlich die
Muskelbündel von den Seiten der Urspruugssehne sich peripherwärts
wenden und die Seitenränder der tiefen Endsehne gewinnen. An
einem gut fixierten Präparate kann man sehen, daß die tiefe Fläche
dem M. vastus „intermedius" nicht glatt aufliegt, sondern in ihn ein-
gebettet ist, so daß das Muskelfleisch der M. vasti medialis und late-
ralis ganz allmählich in das Niveau des M, rectus übergeht.
Holotopie und Syntopie.
Der eigentliche Ursprung liegt ganz in der Tiefe verborgen, dient
aber als wichtiger Wegweiser bei der Freilegung des Hüftgelenkes
von vorn her. Der Ursprung vom Acetabulum wird vom M. glu-
taeus minimus bedeckt, der von der Spina iliaca anterior inferior
durch die M. sartorius und tensor fasciae latae. Wenn diese beiden
1) PoiRiER, S. 216, gibt noch besondere Namen an: „tendon direct" und
„r6fl6clii«.
2) Merkel-Henle, Grundriß der Anatomie des Menschen, 4. Aufl., Atlas,
Braunschweig, Friedrich Vieweg, 1901.
95
510 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Muskeln auseinanderweichen, kommt die Ursprungssehne unter die
Fascie. Dieser Punkt ist mitunter am Lebenden außerordentlich
deutlich zu erkennen und wird von den französischen Autoren als
Fossette femorale (Oberschenkelgrübchen) bezeichnet. Im übrigen
liegt der Muskelbauch und die Endsehne vollkommen frei unter
der Fascia lata. In der deckenden Haut verlaufen außer den N.
cutanei femoris anteriores keine nennenswerten Gebilde, wenigstens
keine solchen, die in den B. N. A. besonders aufgeführt sind. Die
beiden abgestumpften Seitenränder schmiegen sich an die M. vasti
medialis und lateralis an, oder besser in sie hinein. Die Facies pro-
funda deckt den sogenannten M. vastus intermedius. Die obere Spitze
zerfällt durch den Doppelursprung in zwei Unterabteilungen, die
untere wendet sich gegen die Patella, welche sie indessen nicht
mehr als selbständige Sehne erreicht.
An Gefäßen haben wir nur die Ueberkreuzung des Ursprunges
durch die Vasa circumfiexa femoris lateralia zu bemerken. Die
eigenen Gefäße und Nerven treten in der proximalen Hälfte, im
wesentlichen an der medialen Kante, zum Teil auch an der hinteren
Fläche ein.
Wirkung.
I. Beim Spielbeine wirkt der Muskel als Strecker des Unter-
schenkels; II. beim Standbeine haben wir zwei verschiedene Stel-
lungen zu berücksichtigen: 1) bei gestrecktem Kniegelenke beugt er
das Becken und damit den Rumpf gegen den Oberschenkel ; 2) wenn
nur Fuß und Unterschenkel fixiert sind, wie es beim Sitzen der Fall
ist, unterstützt er die anderen Teile des M. triceps, welche natürlich
nichts mit der Rumpfbeuge zu tun haben, bei der Aufrichtung des
Körpers in die Streckstellung.
Uebrigens erwähnt Duchenne a. a. 0., S. 300, No. 362: „Es
gibt jedoch Umstände, unter denen der Rectus femoris mit Nutzen
bei der Beugung des Oberschenkels mitwirken kann, so wenn bei
Flexionsstellung des Unterschenkels — wodurch der Muskel in einen
genügenden Grad der Verlängerung versetzt wird — der Oberschenkel
mit Kraft gegen das Becken oder dieses gegen den Oberschenkel ge-
beugt werden soll, wie z. B. wenn man in sitzender Stellung einen
gewichtigen Körper, der auf dem Oberschenkel aufliegt, erheben,
oder wenn man dabei den eigenen, ohne Stütze zurückgelehnten
Körper nach vorn, zurückhalten will."
Nervenbild, systematisch.
Der einheitliche Nerv tritt mit etwa 5 Einzelzweigen in der
proximalen Hälfte ein, und zwar von der medialen Seite, teilweise
auch von der Facies profunda. Der erste Nerv ist der proximale
Sehnennerv, der zweite versorgt die laterale Partie des Muskels und
entwickelt nur einen distalen Sehnennerven, welcher jedoch zur Facies
profunda umbiegen muß, an der sich die blattartige Endsehne schon
proximal von der Mitte entwickelt. Die drei folgenden Zweige sind
für die mediale Partie des Muskels bestimmt und entwickeln eben-
falls zwei Nerven für die Endsehne. Es ist uns nicht gelungen,
stärkere Anastomosen zwischen den lateralen und medialen Zweigen
nachzuweisen, aber gerade hierdurch geben wir einen Beweis für die
96
M. rectus femorit
511
Richtigkeit der Anschauung von Henle, dessen Abbildung i) S. 155,
Fig. 3, in klarer Weise zeigt, wie man den Muskelbauch präpara-
torisch in eine vordere und hintere Partie
zerlegen und dies durch einen eingeführten
Glasstab leicht veranschaulichen kann. An-
dererseits möchten wir darauf hinweisen,
daß die laterale Partie von den proximalen,
die mediale von den distalen Zweigen ver-
sorgt wird, und vielleicht gibt dieser Be-
fund eine Deutung, in welcher Weise die
einzelnen Rückenmarkssegmente sich in
dem Muskel verzweigen, daß nämlich pio-
ximal der 2. und distal der 3. und auch
4. Lumbainerv ihren Weg nehmen.
Im Atlas der topographischen Ana-
tomie von V. Bardeleben, Häckel und
Frohse ist bereits die Innervation der
Rückenmarkssegmente durch drei verschie-
dene Farben angegeben worden, jedoch
müssen wir nach unseren neuen Nerven-
befunden eine andere Darstellungsweise
für wünschenswert halten. Die drei Farben
Orange, Gelb und Grün, dürfen nicht von
oben-lateral, nach unten-medial verlaufen,
sondern gerade umgekehrt.
Endsehne.
Ungefähr 8 cm proximal vom oberen
Rande der Patella wird die Sehne des M.
rectus rein sehnig und ist etwa halb so
stark wie die Achillessehne. Ihre Breite
beträgt hier ungefähr 1 cm und wandelt
sich dann in eine Aponeurose um, welche
nicht allein die Patella umfaßt, deren Basis
beim Manne auf 3,8 cm, beim Weibe nur
auf 3,2 cm zu schätzen ist, sondern noch
eine Verbreiterung nach medial und lateral
aufweist. Die mediale hat einen 6 cm
langen Ansatz an der Tibia, gerechnet von
der Tuberositas bis zum medialen Rande
der Kniescheibe. Der laterale Zug ist be-
deutend schmäler und verschmilzt mit der
unteren Portion des M, vastus lateralis und
findet einen scharf abgegrenzten 1,5 cm
breiten Ansatz an dem Tubercule (Gerdy),
welches von Duval fälschlich für den
Ursprung des M. tibialis anterior in An-
spruch genommen wird.
1) Henle, Grundriß der Anatomie des Men-
schen, Atlas, ßraunschwcig 1883.
Handbuch der Anatomie. II, II, 3.
97
V\
Fig. 21
Kervenbild, systematisch.
33
512 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Wir müssen auf Grund unseres hier beschriebenen Befundes
sagen, daß der M. rectus femoris auch im Ansätze eine enorme selb-
ständige Verbreiterung der Endsehne aufweist, sich nicht einmal auf
die Basis der Kniescheibe beschränkt, sondern auch beiderseits longi-
tudinale Züge entwickelt, welche den Namen Retinacula patellae
longitudinalia verdienen. Au unserem Präparate waren die typischen
Retinacula patellae weder lateral noch medial entwickelt. Der Tractus
iliotibialis zog ausschließlich herunter zu dem bekannten Punkte der
Tibia; an der medialen Seite war keine nennenswerte Verbindung des
M. vastus medialis mit der Patella in oberflächlicher Schicht zu er-
kennen. Allerdings ließ sich durch Druck auf den isolierten Bauch
des M. vastus medialis mit Leichtigkeit der Zug auf die Patella
medianwärts auslösen bis zur Tuberositas tibiae hin. Auf der late-
ralen Seite mußten wir das Retinaculum patellae laterale als fehlend
feststellen, ein Ersatz dafür war durch die besondere Anheftung des
M. vastus lateralis an dem Tubercule von Gerdy geschaffen.
M. Tastus lateralis.
Synonyma: Aeußerer Schenkelstrecker; Vastus externus; Vaste ex-
terne.
Allgemeine Beschreibung.
Dieser Muskel muß an erster Stelle bei den M. vasti beschrieben
werden, nicht allein deshalb, weil er die größte Masse an Muskel-
fleisch besitzt, sondern auch, weil sein Ursprung am meisten proximal-
wärts reicht bis zum Trochanter major, während der M. vastus
medialis sich erst distal vom Trochanter minor entwickelt. Er um-
schält die laterale Fläche des Femur und geht im unteren Viertel
des Oberschenkels in die gemeinschaftliche Tricepssehne über.
Idiotopie und Skeletopie.
Wenn überhaupt ein Muskel in seinem Ursprünge dem Knochen
seine Erhöhungen und Vertiefungen verschafi't, so ist es bei ihm der
Fall. Man kann in scharfer Weise an jedem Oberschenkelknochen
ablesen, wo der Muskel bei Lebzeiten seinen Ursprung genommen
haben muß. Er entspringt genau vis ä vis vom M. giutaeus medius
und trennt so den Trochanter major in eine obere hintere und eine
untere vordere Fläche. Oberflächlich rein sehnig, wegen des Schleim-
beutels des M. giutaeus maximus und des Tractus iliotibialis, weist
er in der Tiefe rein fleischige Ursprünge auf. Auch im Bereiche des
Schenkelschaftes findet sich die gleiche Einrichtung, oberflächliche
Sehnenursprünge und tiefe muskulöse. Die Ursprungssehne muß sich
zu einer Aponeurose ausbreiten, weil an der Außenseite des Ober-
schenkels über den Muskel der Tractus iliotibialis hinwegzieht.
Theoretisch wäre es denkbar, daß auch mit dem vorderen Rande
dieses sehnigen Streifens sich sofort die Muskelmasse als freier A\'ulst
entfaltet. Dem ist aber nicht so. Vermöge der schiefen Richtung
der Muskelbündel verschwindet bei der Kontraktion noch ein Teil des
Muskelbauches unter dem Tractus iliotibialis. Der Uebergang in die
Muskulatur vollzieht sich jedoch nicht in einer scharfen Linie, sondern
weist eigentümliche distal sehende Zacken auf, welche ohne scharfe
98
M. vastus lateralis. 513
Grenze, sich immer mehr verschmälernd, dünner als papierdick sich
auf den Muskelbauch begeben. Im distalen Drittel des Oberschenkels
findet sich eine besondere Einrichtuug, welche unseres Wissens nach
noch nicht genügend hervorgehoben ist. Es handelt sich um eine
Bildung, welche durchaus mit dem Ansätze des M. adductor magnus
am Epicondylus medialis femoris verglichen werden kann, das Ende
des Septum intermusculare laterale, welches den Vasa articularia
geuu superiora lateralia einen willkommenen Schutz bietet, und das
wir beim Tractus iliotibialis als den distalen Ansatz des M. glutaeus
maximus an der Linea aspera besonders betont haben. Der Muskel-
bauch ist außerordentlich stark, mitunter in zwei Lagen zertrennbar
und geht von oben-lateral schräg nach vorn-unten und medial und
heftet sich in langer Linie zunächst an die Sehne des sogenannten
M. vastus intermedius und bildet dann mit derjenigen der M. rectus
femoris und vastus medialis die gemeinschaftliche Endsehne. Uebrigens
kommt hier noch ein besonderer dreieckiger Sehnenspiegel in Frage,
welcher bereits durch die Haut hindurch zu erkennen ist.
HolotopieundS 3' Utopie.
Am M. vastus lateralis unterscheidet man zweckmäßig nur
eine Facies superficialis und eine Facies profunda. Die erstere findet
sich sowohl an der Vorder- wie der lateralen und auch der hinteren
Seite des Oberschenkels. Die tiefe Fläche deckt den lateralen Teil
des M. vastus medialis, welcher sich unter seinen vorderen Rand
herunterschiebt und dann weiter den Oberschenkelschaft umfaßt.
Vorn wird der Muskel zugedeckt durch den M. tensor fasciae latae.
Dann liegt sie frei unter der Fascie bis zur Höhe des Kniegelenkes,
wo die vordere Ausstrahlung des Tractus iliotibialis ein besonderes
Retiuaculum patellae superficiale schafft. Der laterale Abschnitt wird
von den drei Komponenten des Tractus in der Höhe des Trochanter
major zugedeckt und im hinteren Umfange desselben von dem M. glu-
taeus maximus durch einen ansehnlichen Schleimbeutel, die B. tro-
chanterica m. glutaei maxirai getrennt. Im weiteren Verlaufe nach
distal findet sich nur lockeres, fetthaltiges Bindegewebe, in welchem
keine nennenswerten Blutgefäße ihren Weg nehmen, so daß die Finger-
kuppe oder ein Skalpellstiel die Trennung des Tractus von dem
Muskel selbst vornehmen kann, am Lebenden viel leichter, als bei der
konservierten Leiche, an welcher die fixierende Flüssigkeit wohl kaum
ohne Härtung dieses oder jenes Gebildes einwirken dürfte. Die Facies
posterior entspricht in ganzer Ausdehnung dem Septum intermusculare
laterale, welches ihn in scharfer Weise von dem Caput breve des
M. biceps femoris trennt. Nur hart am Knochen, an der Linea aspera,
finden sich Sehuenarkaden, welche den Vasa perforantia zum Durch-
tritte dienen. Bei der Abzweigung dieser Gefäße aus den Vasa pro-
funda femoris von vorn her hat die Unterscheidung in drei Zweige
eiue gewisse Berechtigung. Während der Durchsetzung der Adduc-
toren jedoch sondern sich viel Seitenzweige ab, welche beim Eintritte
in den M. vastus lateralis das Schema der Dreiteilung nicht mehr
zulassen, sich vielmehr im Einzelfalle verschieden verhalten. Wir
konnten am arteriellen Injektionspräparate bis zehn einzelne kleine
oder größere Zweige für den M. vastus lateralis nachweisen. Die
Eintrittsstelle der Gefäße und Nerven liegt in der proximalen Hälfte
33*
99
514 FROHSE und M. FRÄNKEL,
an der vorderen und medialen Seite. Poirier will nun S. 219 den
Verlauf der Hauptgefäße und Nerven für die muskuläre Sonderung
des Caput laterale und intermedium verantwortlich machen. Dem ist
entgegenzuhalten, daß ein Gefäß oder Nerv nur dann an der Grenze
zwischen zwei Nachbarmuskeln seinen Weg nimmt, wenn es sich um
eine wirkliche Durchbohrung handelt (vgl. den M. triceps brachii, wo
der N. radialis und die Vasa profunda brachii zwar die Trennung in
drei Köpfe vornehmen, von denen jeder einzelne aber etwa in
der Mitte seines Muskelbauches seine Zweige erhält). Wir können
beim M. vastus lateralis von einer Durchbohrung durch die Gefäße
reden, weil ja der hintere Abschnitt von rückläufigen Vasa perforantia
versorgt wird, und was die Nerven anlangt, so sind diese ausschließ-
lich auf den Muskel beschränkt und weisen keinerlei Verbindung nach
hinten zum N. ischiadicus auf und umgekehrt. Allerdings verläuft
eine mächtige Arterie, der absteigende Ast der A. circumflexa femoris
lateralis, welche Waldeyer als A. musculo-articularis bezeichnet, dicht
unter der Oberfläche des Muskels bis herunter zum Kniegelenke und
stellt jedenfalls die untere Hauptarterie dar. Wollte man diese für die
Zerlegung des M. vastus lateralis verantwortlich machen, so würde man
jedenfalls den größten individuellen Schwankungen begegnen.
M. vastus medialis,
Synonyma: Innerer Schenkelstrecker; Vastus internus; Vaste interne.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel entspringt viel weiter distalwärts, als der M. vastus
lateralis, erst unterhalb der Linea intertrochanterica mit einer scharfen
Spitze und erreicht in der Höhe des proximalen Randes der Patella
die größte Breite, welche man dann als Basis bezeichnen kann. Die
Muskelbündel entspringen zunächst sehnig, ausschließlich vom Labium
mediale der Linea aspera femoris, von der Mitte des Oberschenkels
an jedoch doppelt, nicht allein vom Knochen selbst, sondern noch von
einer oberflächlichen fibrösen Brücke, welche ihn zunächst mit der
Ansatzsehne des M. adductor longus und dann der des M. adductor
magnus in breite Verbindung setzt; diese ist in Rauber-Kopsch i),
S. 363, Fig. 309 als Lamina vastoadductoria bezeichnet. Diese Ein-
richtung wird als JössELScher Kanal beschrieben, bei dem wir zweck-
mäßig noch eine besondere obere Oeffuung, den Hiatus superior und
die untere, den Hiatus inferior unterscheiden. Ersterer kann über-
haupt keinen anatomischen Schwierigkeiten begegnen, weil hier regel-
mäßig und in typischer Weise die in Frage kommenden wichtigen
Gebilde ihren Weg nehmen. Oberflächlich, als chirurgischer Leitstern
dient der ausschließlich sensible N. saphenus (major), welcher die
Vasa femoralia in ganz spitzem Winkel überkreuzt. Beim Hiatus
superior ist die Lagebeziehung folgende : oberflächlich der Nerv, dicht
darunter die Arterie und im Hintergründe die Vene oder, wie es
K. V. Bardeleben haben will, mindestens zwei Begleitvenen.
Innerhalb des Canalis adductorius verlassen verschiedene Gebilde den
Kanal, teils in typischer Weise, teils atypisch. Unter allen Umständen
tritt der N. saphenus (major), begleitet von den Vasa (articularia) genu
1) Eauber, Lehrbuch der Anatomie des Menschen, herausgeg. von Kopsch,
Abt. 3, 8. Aufl., Leipzig, Thieme, 1909.
M. vastus medialis. 515
supreraa, zur medialen Seite des Kniegelenkes und des Unterschenkels.
Für den Hautast des N. obturatorius wird normalerweise, aber nicht
immer, eine besondere Lücke geschaifen, durch welche die Nerven
für die Innenseite des Kniegelenkes, soweit die Haut dieser Gegend
nicht durch die vorderen Hautnerven versorgt wird, ihren Weg nehmen.
Wir müssen hier vom anatomischen Standpunkte aus behaupten, daß
die mediale Kniegelenksgegend überhaupt nicht vom N. obturatorius
versorgt zu werden braucht. Man sucht deshalb recht oft vergebens
nach einer Lücke für den Durchtritt des Hautastes des N. obtura-
torius. Im mittleren Abschnitte des Adductorenkanales kommen
enorm starke Gefäße unter allen Umständen zur Geltung, welche ge-
wöhnlich nicht beachtet werden, weil sie nicht so leicht präparatorisch
darzustellen sind. Trotzdem liegen in der Tiefe des Adductoren-
kanales diese wichtigen Gefäße, welche, kurz gesagt, die Grenze
zwischen Adductoren und den Nachbarmuskeln im muskulösen Sinne
versorgen, aber noch viel mehr zur Knochenernährung beitragen.
Das untere Ende des Muskelbauches bleibt am weitesten distal
von sämtlichen Teilen des M. triceps fleischig und kann sogar den
oberen Rand der Patella nach unten überschreiten.
Holotopie und Syntopie.
Der M. vastus medialis hat ebenfalls eine Facies superficialis mit
medialer vorderer und auch lateraler Fläche, welch letztere vom
M. vastus lateralis zugedeckt wird, jedoch erreichen die seitlichen
Bündel beide Labia der Linea aspera und bilden so auch die hintere
Fläche. Die Facies anterior wird im Bereiche des HuNTERschen Kanals
vom M. sartorius zugedeckt. Die distale Hälfte bildet der Canalis ad-
ductorius von Jössel. An der Grenze von Facies anterior und medialis
verläuft der ansehnliche Muskelnerv, an der Innenfläche der N. saphenus
selbst und die Vasa femoralia, deren topographische Beziehungen am
einfachsten aus unserer Abbildung (22) ersehen werden können. Die
Facies posterior stellt proximal die aponeurotische Ursprungssehne dar,
bildet jedoch unterhalb des Hiatus adductorius inferior noch eine an-
sehnliche Muskelmasse, welche die Vasa poplitea nicht in unmittelbare
Berührung mit dem knöchernen Planum popliteum kommen läßt.
Tricepssehne (teiidon rotulien) und PateUa.
Wir haben den M. quadriceps nur als dreiköpfig beschrieben auf
Grund unserer muskulären und hinterher der Nervenbefunde. Wir
müssen es jetzt auch noch tun unter Berücksichtigung der Anhef-
tungen an der Patella. Nun setzt der M. rectus femoris, welcher
allein die oberflächliche Schicht bildet, nicht an der eigentlichen Basis
der Patella an, sondern in einer horizontalen Linie, welche beide
Seitenecken miteinander verbindet, zieht dann über die Vorderfläche
hinweg und erzeugt in ihrem mittleren Drittel eigentümliche Riefen,
welche den Längsleisten des Nagelbettes zu vergleichen sind, hier
aber unmittelbar mit dem Perioste zusammenhängen. Außerdem
finden sich die eben beschriebenen seitlichen Züge, welche am Knochen
keine besonderen Marken bedingen.
Die Basis muß aber auch von oben betrachtet werden, weil
sie nicht eine einfache Linie darstellt, sondern ein besonderes
flaches Dreieck für sich, dessen Basis entspricht der vorderen
516 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fläche der Patella, die Spitze dem Beginne der Linea erainens von
W. Krause (Skelett der oberen und unteren Extremität, Handb. d.
Anatomie, Jena, G. Fischer. 1909, s. S. 43); der laterale Schenkel
ist größer als der mediale, jedoch verhalten sich die Ansätze der M.
vasti gerade umgekehrt. Zwar bilden sie bei oberflächlicher Betrach-
tung eine wie überknorpelt aussehende einheitliche Schicht, zerfallen
aber in einen kleineren lateralen, nach unten abfallenden Abschnitt
und einen größeren medialen, welcher vom medialen Eckpunkte aus-
geht, die ganze Höhe und Breite unseres Trigonum patellae superius,
sowie noch etwa Vs lateral einnimmt.
Wir bemerken hierzu, daß diese Beschreibung nach den Patellae eines
etwa 30-jährigen weiblichen Skeletes gewonnen ist, welches allerdings
fast sämtliche Knochenmarken deutlicher zeigt, als es bei den gewöhnlich
zur Betrachtung herangezogenen männlichen Skeleten der Fall ist.
An der lateralen Kante der Patella in unmittelbarem Anschlüsse
an die P'acette für den M. vastus lateralis finden wir eine durch-
schnittlich 2 mm breite einheitliche Furche. Für den vorderen Rand
machen wir verantwortlich die proximale Anheftung des Tractus ilio-
tibialis, welche wir unterscheiden werden (s. S. 517 [103]) von dem
Retinaculum patellae laterale profundum. Letzteres entsteht aus dem
M. vastus lateralis, meistens selbständig, oder auch unter Bildung von
Zwischenbrücken.
An der medialen Seite der Patella finden wir eine durch die
Foramina nutricia unterbrochene Leiste für das durch den M. vastus
medialis geschaffene Retinaculum patellae mediale.
Der Apex patellae vereint alle drei Teile des M. triceps femoris
zu einem distal ausgezogenen, pyramidenförmigen Vorsprunge, welcher
an seiner Basis von der Facies articularis durch eine etwa 0,5 cm
breite horizontale Bläche getrennt ist. Diese ist in der Medianlinie
am breitesten und läuft proximalwärts zu beiden Seiten scharf aus,
so daß das Gesamtbild des Abschnittes zwischen Gelenkkapsel und
Ansatzsehne des M. triceps halbmondförmig aussieht. Von diesem
Vergleiche, welcher anatomischem Gebrauche nach sehr häufig gezogen
wird, kann man sich in einwandsfreier Weise überzeugen bei der Be-
trachtung von distal und hinten her, aber auch die Vergleiche von
medial und lateral her halten einigermaßen den der Incisurae semi-
lunares der Vorderarmknochen stand.
Die proximalen Hörner können nur der dünnen Gelenkkapsel
Anheftung verschaffen; die Breite des Halbmondes gibt der Befestigung
des Fettkörpers genügend Platz.
Nun haben wir auch an anderen Stellen schon darauf hingewiesen
und werden es auch noch hinterher betonen (s. S. 538 [124]), daß Mus-
keln, welche mit kräftiger Sehne entspringen oder anheften an den
entsprechenden Knochenstellen, eine ganz glatte Oberfläche erzeugen,
welche am Skelete wie mit Gelenkknorpel überzogen gewesen aussieht
Gerade am Kniegelenke machen sich auch die Lig. cruciata sowohl
im Ursprünge wie Ansätze und auch die Menisci an dem entsprechenden
Knochen bemerkbar und sogar ein Schleimbeutel, wie die Bursa m. po-
plitei, kann eine Abschleifung dos Knorpels bis auf den Knochen be-
dingen. Wenn es sich hier nur um passive Einrichtungen handelt,
können wir es noch mehr von den direkt durch die Sehnen kräftiger
Muskeln bestimmten Ansatzpunkten behaupten.
M. vastus medialis. 517
An der Patella sind die entsprechenden Flächen verwirklicht
durch den breiten und langen Ansatz des M. vastus medialis an
unserem Trigouum patelhie superius, am lateralen Winkel durch den
M. vastus lateralis und in seiner Fortsetzung auf den lateralen Rand
durch die beiden lietinacula patellae lateralia (superficiale = Tractus
iliotibialis und profundum = M. vastus lateralis) und an der Basis
durch den Ursprung des Lig. patellae, welcher im Ansätze etwas proximal,
aber im Anschlüsse an die Tuberositas tibiae nochmals eine einheit-
liche, wenn auch trapezartig in die Länge gezogene Fläche am Schien-
beine erzeugt.
G. Joachimsthal hat nach Gruber (lieber Struktur, Lage und
Anomalien der Kniescheibe, Arch. f. Anat., Physiol. Abt.. 1902, S. 359)
bei einem 21-jährigen Manne eine Absprengung des lateralen oberen
Randes in etwa 1,3 cm Länge und je 0,7 cm Breite und Dicke be-
schrieben. Die Größe dieses bei der Maceration als selbständig vor-
gefundenen Knochenstückes deckt sich durchaus mit dem von uns
beschriebenen Ansätze des M. vastus lateralis.
Schlußbetrachtung.
Unsere Auffassung des M. extensor cruris als M. triceps femoris
findet also die Hauptbestätigung durch das Verhalten der Endsehne
an der Patella. Die oberflächliche Schicht in Gestalt des M. rectus
femoris nimmt die Yorderfläche der Kniescheibe ein, der M. vastus
lateralis die obere äußere Ecke mit distaler Verlängerung zur late-
ralen Kante und schließlich der M, vastus medialis die ganze obere
Fläche der Basis bis zur lateralen Seite hin. Schließlich vereinigen
sich alle drei Komponenten am Apex patellae. Dem M. rectus femoris
stehen durch seinen laugen, verhältnismäßig schmalen Ursprung am
Becken und seine lange Endsehne, welche sich weit proximal von
der Patella selbständig entfaltet, ausgiebige Bewegungen zwischen
Unterschenkel und Becken zu; die M. vasti verfügen über keine
gesonderten Sehneu, sondern nur über aponeurotische Einrich-
tungen und verbinden außerdem nur den Unterschenkel mit dem
Oberschenkel. Hieraus erklärt sich die verschiedene Wirkung der
oberflächlichen und tiefen Schicht des IM. triceps femoris.
Innervation der M. vasti.
Auch das Nervenbild liefert den Beweis, daß man nur zwei M. vasti
unterscheiden darf, den lateralen Kopf, welcher einen einheitlichen
Nervenzweig bekommt und einen medialen, dessen Nerven sich viel-
geteilt in die mediale, vordere und laterale Fläche des entsprechenden
Muskelbauclies einsenken. Das Caput laterale erhält aus dem gemein-
schaftlichen Stamme einen oberen Nerven, welcher etwas weniger als
die proximale Hälfte der Muskelmasse versorgt und die aufsteigenden
Sehnennerven bis zum Trochanter major und der Linea aspera liefert.
Anastomosen sind zwei dargestellt, eine proximale unter den eigenen
feineren Zweigen, und eine untere, welche mit dem distalen Haupt-
zweige sich verbindet. Dieser liefert ansehnliche motorische Nerven,
aber auch einen starken Zweig, welcher die Oberfläche der Endsehne
gewinnt und zum Außenrande der Patella ausläuft.
103
518
M. rectus femoris
N. femoralis
Lig. iliopectineum
N. obturatorius
Lig. lacunare
(GiMBERNATi)
M. adductor longus
M. obturator externus
Lig. iliofemorale
(Bertini)
Trochanter major
M. quadratus femoris
M. adductor minimus
M. pectineus
Trochanter minor
M. adductor brevis
N. saphenus
Hautast des N. obtura-
torius
M. adductor magnus
M. adductor longus
M. gracilis
Adductorenkanal
M. vastus lateralis
N. saphenus (major)
M. vastus medialis
M. rectus femoris
Tractus iliotibialis
Bursa praepatellaris
M. tibialis
Bursa subcutanea tuberositatis
Fig. 22. Vorderseite des rechten Oberschenkels, M. vasti, adductor brevis und
gracilis, Nervenbild, systematisch.
M. vastus medialis. ßl'S
Aus dem M. rectus femoris ist der größte Teil herausgeschnitten und der
doppelte Ursprung von der Spina iliaca ant. inf. und dem oberen Eande des
Aretabuhun lateral wärts umgeschlagen, die Ansatzsehne medialwärts ver-
lagert. Der M. vastus lateralis ist nach außen zurückgeklappt, damit seine Nerven
möglichst ausgiebig zur Greltung kommen, und besonders der von uns so bezeichnete
S nie US spirali.s femoris auch im Muskelbilde zu erkennen ist, eine Einne,
welche wir mit dem Sulcus spiralis n. radialis vergleichen können. Der in schwarz
punktierter Linie angegebene Oberschenkelknochen wird allseitig imirahmt von dem
M. vastus medialis, dessen ßezeichnungsstrich drei Unterabteilungen aufweist, welche
auf die Portio medialis, anterior und lateralis gerichtet sind.
Der mächtige N. femoralis teilt sich in der Höhe des Hüftgelenkes in zwei
Zweige, einen ausschließlich motorischen für den M. vastus lateralis und einen
gemischten Nerven, welcher den M. vastus medialis versorgt und als Hautnerv,
N. saphenus, zur medialen Seite des Unterschenkels zieht. Obwohl es sich hier
um einen Hautnerven handelt, mußte er mit Kücksicht auf die muskvdäxe Ein-
richtung des Oanalis adductorius mit angegeben werden. Er tritt nämlich gemein-
schaftlich mit den hier nicht abgebildeten Vasa femoralia superficialia unter den
Hiatus superior s. proximalis des Adductorenkanales, welcher nach Eauber-Kopsch
in seiner vorderen Wand als Lamina vasto-adductoria bezeichnet wird, obwohl sie
in umgekehrter Richtung vom M. adductor magnus zum M. vastus medialis zieht.
Der Nerv tritt bereits an der Innenseite wieder an die Oberfläche, während die
Gefäße nach hinten zur Kniekehle verlaufen. Neben diesen drei, wohl auch von
jedem Studierenden darzustellenden GebUden findet sich noch ein viertes, welches
nach den Erfahrungen von Frohse sich normalerweise folgendermaßen darstellt:
ein medialer Zweig des N. saphenus verbindet sich im distalen Drittel des M. ad-
ductor longus mit dem Hautzweige des N. obturatorius, tritt in den Adductoren-
kanal ein, um ihn sehr bald wieder zu verlassen. Er gewinnt dann die Nachbar-
schaft der V. saphena magna bereits proximal vom Kniegelenke, während dies
N'erhalten beim N. saphenus erst am Unterschenkel der Fall ist, nämUch am
unteren oder distalen Eande des M. sartorius. Die alten Bezeichnungen N. saphenus
major und minor lassen sich vielleicht auf diese Tatsache zurückführen. Niemals
hat wohl die Lage des N. saphenus (major) zu Mißverständnissen führen können,
wohl aber die Dai-stellung des N. saphenus minor. Nach unserer Auffassung setzt
er sich zusammen aus einer Anastomose zmschen einem Seitenzweige des N. saphenus
oder noch weiter proximal des N. femoralis selbst ^ wodurch dann der Name
X. cutaneus femoris medialis gerechtfertigt erscheint ^ imd dem Hautzweige des
N. obturatorius. Diese anatomische Betrachtung ist aus klinischen Gründen ge-
boten wegen des EoMHERGschen Kniephänomens, welches darauf beruht, daß bei
Druck auf den N. obturatorius im kleinen Becken, besonders bei Hernien, sich
eine Schmerzempfindung an der medialen Seite des Kniegelenkes äußert, und aus-
schließlich aus diesem Grunde haben mr in unserer AbbUdung diesen Hautast des
\. obturatorius und seine Verbindung mit dem N. femoralis vom Beckeninnern bis
zum Kniegelenke dargestellt.
Ferner ist die Adductorengruppe berücksichtigt. Der M. pectineus ist bis auf
den Ansatz entfernt ; aus dem M. adductor longus ist nur das mittlere Hauptstück
herausgeschnitten. So kommt die ganze Verzweigung des N. obturatorius zur
Geltung, der E. anterior mit den Aesten für die M. gracilis, adductor longus und
brevis und dem Hautzweige und der E. posterior, welcher eine kleine Portion des
M. obturator externus absondert, d. h. ihn durchsetzt und sieh hier noch nicht in
die Zweige für die M. adductor minimus und magnus sondert. Außerdem ist bei
einer derartigen Präparation noch der dritte Hauptnerv des Beines, der N. ischiadicus,
\()n vorn her mit demjenigen Zweige zu erkennen, welcher den M. quadratus
femoris versorgt.
Am Kniegelenke ist nur eine B. pfaepatellaris angegeben, bei der allerdings
die Bezeichnung schwer zu geben ist, ob es sich um eine subcutanea oder eine
subfaseialis handelt, oder ob vielleicht eine Vereinigung beider Schleimbeutel ein-
getreten war. Zum Schlüsse sei noch darauf aufmerksam gemacht, wie der N.
femoralis die Lacuna musculorum durchsetzt, der N. obturatorius in der Tiefe der
Lacuna vasorum zu sehen ist und erst am unteren Eande des Eamus superior ossig
pubis den Canalis obturatorius verläßt. —
Beim M. vastus medialis sind im wesentlichen drei Zweige zu unter-
scheiden, ein lateraler, vorderer und medialer. Der laterale liefert
einen langen Sehnenuerven, welcher sich oberflächlich in den Spalt
105
520 FROHSE und M. FRANKE L,
zwischen M. vastus lateralis und medialis eindrängt und woM als
Hauptnerv für die sehnige Anheftung beider Muskeln an der Linea
aspera aufzufassen ist. Die Zusammengehörigkeit mit dem vorderen
Abschnitte des Muskels gibt sich durch zwei Anastomosen kund, welche
zwischen den M. vasti lateralis und medialis nicht bestehen. Der
distale Zweig zieht weit herunter bis ins untere Drittel des Ober-
schenkels und versorgt mit vielen Aesten ziemlich regelmäßig die
einzelnen Muskelbündel. Der mittlere oder vordere Zweig geht, wie
bereits erwähnt, zwei Anastomosen mit dem lateralen Aste ein, aber
noch zwei weitere mit den Zweigen des medialen Astes, welche sämt-
lich intramuskulär verlaufen und sich demgemäß erst aus Muskel-
zweigen entwickeln können. Ein sehr langer Sehnennerv zieht, ohne
weitere Muskelzweige abzugeben, von der Mitte des Oberschenkels
bis zur Patella herunter. Am medialen Aste haben wir zu unter-
scheiden die Zweige, welche proximal vom Adductorenkanal in den
Muskel eintreten und diejenigen, welche es erst in seinem Bereiche
tun. Die ersteren liefern die beiden Anastomosen zum vorderen
Aste, die letzteren noch eine eigene Anastomose im distalen Drittel
des Oberschenkels. Ein ansehnlicher Sehnenzweig versorgt die Grenze
gegen den M. adductor magnus.
Zu der feineren Innervation müssen wir bemerken, daß unsere Ab-
bildung nur halbschematisch ist. Die in natürlicher Größe angefertigte
Originalzeichnung hätte wohl erlaubt, mehr als das Doppelte an feineren
Nerven entsprechend dem Präparate anzugeben. Die Verkleinerung unter
die Hälfte auf ungefähr Ys zwang uns, die Nerven bedeutend dicker
darzustellen, als sie in der Natur sind, damit sie im Buche ungefähr in
derjenigen Stärke erscheinen, wie es das Präparat am Erwachsenen zeigt.
Bursa infrapatellaris.
Wie der Fettkörper des Kniegelenkes zwei mächtige Zotten, die
sogenannten Plicae alares, in die Gelenkhöhle hineinschickt, so sendet
er auch einen unteren keilartigen Vorsprung in die Bursa infra-
patellaris, obwohl diese nicht mit dem Gelenke zusammenhängt. Eine
ähnliche Einrichtung, eine Fettzotte im Innern eines Schleimbeutels,
findet sich noch an der Bursa calcanea.
Adductorengruppe.
Allgemeine Beschreibung.
Die 7 Muskeln der Adductorengruppe werden am einfachsten
nach Waldeyer „in drei Kreisen" beschrieben. 4 Muskeln gehören
zur oberflächlichen Gruppe, 2 zur mittleren, die dritte besteht nur aus
einem einzigen Muskel, dem M. obturator externus. Die oberfläch-
liche Schicht umfaßt in der Reihenfolge, die gewöhnlich gegeben wird,
1) den M. pectineus, 2) den M. adductor longus, 3) M. gracilis, 4) M.
adductor magnus. Die mittlere Schicht enthält den M. adductor brevis
und den M. adductor minimus. Für den Anfänger bietet das Ver-
ständnis der Topographie der beiden letztgenannten Muskeln Schwierig-
keiten. Mnemotechnisch kann man es sich aber daran merken, daß
dem Longus in der Tiefe ein Brevis und dem Magnus ein Minimus
entspricht.
io6
Adductorengruppe. 521
Unverständlicli ist uns die Inkonsequenz der B.N.A., indem dort
dem M. glutaeus maximua entsprechend, dem ja ein Minimus gegenüber-
steht, nicht auch Adductor maximus als Bezeichnung gewählt ist. Daß
übrigens der M. adductor longus gar nicht der längste der eigentlichen
M. adductores ist, muß bei dieser Gelegenheit auch erwähnt werden.
Bei der Gruppe der Adductoren werden auch der M. obturator
externus und der M. gracilis aufgeführt, von denen der erstere genau
die entgegengesetzte Wirkung entfaltet, nämlich die Auswärtsrotation.
Der M. gracilis kann zwar auch adduzierend wirken, wenn der Unter-
schenkel gestreckt gehalten wird, bei frei beweglichem Unterschenkel
dagegen dürfte nur der Unterschenkel gebeugt und etwas einwärts
rotiert werden. Unter Adduktion gemeinhin versteht man die Wirkung
derjenigen Muskeln, welche als M. adductores an der ganzen inneren
Kante der Linea aspera bis zum Epicondylus medialis ihren Ansatz
haben. Mit der adduzierenden Wirkung ist jedoch eine einwärts- oder
auswärts rotierende Nebenwirkung zu beachten, je nachdem sich der
Oberschenkel in extremer Auswärts- oder Einwärtsrotation befindet.
Die Beugewirkung wird noch besonders beschrieben werden.
Die Zusammengehörigkeit der aus so verschiedenen Muskeln be-
stehenden Gruppe zu einer einzigen findet außer durch die Topographie
noch ihre wichtigste Begründung durch die Nervenversorgung. Der
Hauptnerv ist der N. obturatorius. Wenn der vordere Ast auch nicht
den M. pectineus allein versorgt und ihn nach unseren Befunden
mitunter gar nicht erreicht, und außerdem der M. adductor magnus
normalerweise Nebenzweige aus dem N. ischiadicus eihält, so stehen
doch die anderen 5 Muskeln vollkommen unter der Herrschaft dieses
Nerven. In schematischer Weise läßt sich die Art der Verzweigung
in folgender Weise schildern : Der erste für den M. obturator externus
löst sich aus dem Stamme bereits vor seinem Eintritte in den Canalis
obturatorius ab und kommt auf der zum Oberschenkel gewandten
Seite gar nicht an die Oberfläche.
Der Hauptteil geht entweder ungeteilt über den oberen Rand
des M. obturator externus hinweg, oder läßt durch eine frühzeitige
Teilung in einen vorderen und hinteren Ast ein oberes Bündel des
M. obturator externus als ziemlich gesonderten Bauch abzweigen.
Im weiteren Verlaufe umfassen der vordere und der hintere Ast des
N. obturatorius den M. adductor brevis. Diejenigen Muskeln, welche
vor dem eben genannten liegen, werden von dem vorderen Aste ver-
sorgt, die hinter ihm befindlichen von dem R. posterior; also: R.
anterior — M. adductor longus, gracilis und adductor brevis — R.
posterior — M. adductor minimus und die Hauptmasse des M. adductor
maximus.
Der M. pectineus kann Nebenbezüge vom R. anterior erhalten.
Gefäßversorgung.
Die Gefäße stammen im wesentlichen aus den Vasa profunda
femoris und den recht oft nur Seitenzweige dieser Gefäße darstellenden
Vasa circumfiexa femoris medialia, nur in verschwindendem Maße aus
den Vasa obturatoria. Je weiter distal ein Muskel herunlerreicht,
um so mehr kommen auch R. musculares aus den Vasa femoralia
selbst und sogar den Vasa poplitea in Betracht. Daß die A. obtura-
toria gelegentlich imstande ist, den Kollateralkreislauf in der wirk-
Ö22 FROHSE und M. FRÄNKEL,
samsten Weise herbeizuführen, ist bekannt, obwohl bei normalem
Kreislaufe die arterielle Anastomose zwischen A. obturatoria und A.
circumflexa femoris medialis auch bei gut injizierten Präparaten zu
fehlen scheint, jedenfalls nur außerordentlich schwer ohne besondere
Absicht darzustellen ist. Um so mehr muß es wundernehmen, daß
regelmäßig eine starke Vene hier entwickelt ist, welche bereits in
Waldeyer, „Das Becken", abgebildet ist. Sie läßt sich unschwer
bis zum Canalis obturatorius verfolgen. Diese nach Lage und Größe
konstante ansehnliche Vene, der gegenüber die arterielle Anastomose
wie ein Vas vasorum erscheint, hat zweifelsohne für den venösen
Kreislauf die alleigrößte Bedeutung. Injektionen, welche Frohse an
den Leichen hochschwangerer Frauen als technischer Berater von
Stabsarzt Kownatzki vornahm, bestätigen diese Tatsache.
M. pectiiieus.
Synonyma: Kammmuskel; Pectinalis; Pectine, sous-pubio-femoral
(Chauss.), pubio-femoral (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Der Name besagt, daß er vom Pecten ossis pubis seinen Ursprung
nimmt, welches an der Grenze zwischen großem und kleinem Becken
zu suchen ist. Er wird mit zur Adductorengruppe gerechnet, wozu
er topographisch gehört. Physiologisch entspricht er nur in be-
dingter, seiner Innervation nach gewöhnlich in gar keiner Weise
dieser Muskelgruppe. Sein Ansatz wird an der Linea pectinea ange-
geben, einer Leiste, welche nur der Geübte und auch nur am ein-
wandsfreien Knochen mit Sicherheit zeigen kann. Nach unseren Be-
obachtungen wird er nicht vom N. obturatorius versorgt, sondern
vom N. femoralis. Als physiologische Nebenwirkung ist die Beugung
des Rumpfes gegen den Oberschenkel zu betonen, welche er zu-
sammen mit den M. iliopsoas und rectus femoris vollzieht, welche ja
auch ihre Zweige aus dem Plexus lumbalis beziehen, soweit derselbe
in der Bauchhöhle und dem großen Becken gelagert ist, im Gegen-
satze zum N. obturatorius, welcher das kleine Becken durchsetzt.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel entspringt vollkommen fleischig vom Pecten ossis
pubis, der vorderen schärfen Kante der Linea arcuata, von der
Emiuentia iliopectinea bis zum Tuberculum pubicum. Von der Bauch-
höhle aus erscheint er durch eine außerordentlich starke Binde be-
deckt, deren Mächtigkeit sich nach der Endsehne des M. psoas minor
richtet. Vom Oberschenkel aus kann man jedoch die Muskelbüudel
mit Leichtigkeit von dieser Binde stumpf oder scharf loslösen und
den Nachweis des reinen muskulären Ursprunges führen. Mit der
Höhe des Lig. inguinale (Pouparti) hören die Ursprungsbündel auf.
Der Muskelbauch bildet eine breite, parallelfaserige Platte, welche an
der Spitze des Trochanter minor in eine ganz glatte Endsehne über-
geht, diesen Knochenvorsprung umrahmt und parallel und etwa 1 cm
distal von seinem unteren Rande eine meist nur undeutliche Leiste
hervorgehen läßt, die Linea pectinea, welche man schematisch als
proximalen und medialen Ausläufer der Linea aspera auffassen kann;
M. pectineus. 523
Holotopie und Syntopie.
Wir müssen einen kleineren Becken- und größeren Oberschenkel-
abschnitt unterscheiden. Der erstere, von einer derben Fascie, selbst
einer Aponeurose bedeckt, bildet den Boden der Lacuna vasorum.
Wir müssen hier dieselbe Tatsache betonen, wie bei der A. radialis.
Wenn wir au der bekannten Stelle den Puls fühlen, drücken wir die
Arterie nicht gegen den Radius, sondern gegen den ihm aufgelagerten
M. Pronator quadratus. In ähnlicher Weise wird hier bei manueller
provisorischer Blutstillung die A. femoralis oder auch iliaca externa
nicht gegen die Emiuentia ileopectiuea gedrückt, auch nicht gegen
den Raums superior ossis pubis, sondern gegen die Fascie und den
M. pectineus. Die Grenze zwischen Becken- und Oberschenkelteil
bildet das Lig. inguinale (Pouparti). — Die Facies superficialis wird
hier zunächst wieder durch die düuner werdende Fascie bedeckt. Im
Hautteile sind hier gelegen die V. saphena magna, eventuell mit einer
V. accessoria medialis, die Vasa pudenda externa, die Lymphoglandulae
subiuguiuales superficiales, die an und für sich nicht von so großer
Bedeutung wären, wenn bei ihrer Vereiteruug oder operativen Eut-
ternung nicht auch die mächtigen medialen Lymphgefäße der unteren
Rumpfhälfte in Mitleidenschaft gezogen würden. Der Margo superior
wird hart am Trochanter minor überkreuzt durch die Vasa circum-
flexa femoris medialia, welche in Wirklichkeit nichts weiter darstellen,
als das schönste Beispiel von nicht benannten Vasa perforautia femoris
suprema, genau wie die Vasa poplitea nur die Vasa perforantia femoris
infima sind. Der Margo inferior bildet mit dem oberen Kopfe des
M. adductor brevis die Durchtrittslücke für die Vasa perforantia
prima. Die Facies profunda s. posterior ruht auf den M. obturator
externus und adductor brevis und besitzt in der Höhe des Trochanter
minor einen Schleimbeutel, die Bursa m. pectinei. Eine derbe Fascie
trennt ihn von den eigentlichen Adductoren. Wir haben bereits beim
M. brach ioradialis (s. A. S. 251) gesagt, daß auch bei diesem Muskel
eine derbe bindegewebige Scheidewand gegen die M. extensores carpi
radiales besteht. Demgemäß muß der topographisch zu der Brachio-
radialgruppe geiiörende und auch von dem Strecknerven, dem N.
radialis ausschließlich versorgte Muskel physiologisch zu den Beugern
gerechnet werden. Genau dasselbe ist beim M. pectineus der Fall.
Eine deiartig scharfe, fascielle Abgrenzung finden wir bei den Ad-
ductoren nicht, welche vielmehr durch lockeres Bindegewehe von-
einander getrennt werden. Hier erleichtert auch die Innervation das
Verständnis ungemein. So sonderbar es klingen mag. werden doch
die Beugemuskeln zwischen Ober- und Unterschenkel hauptsächlich
von dem N. femoralis, dem Strecknerven am Oberschenkel versorgt,
der M. iliopsoas durch hohe Zweige, welche sich aus dem Bauch-
und Beckenteile des N. femoralis loslösen, der M. rectus femoris
durch einen Oberschenkelzweig und in gleicher Weise auch der M.
pectineus durch einen medialen Ast, welcher deshalb so schwer dar-
zustellen ist, weil er unterhalb der Vasa femoralia communia seinen
Weg nimmt.
Wirkung.
I. Beim Spielbeine wirkt er zunächst als Auswärtsrotator, dann
als Beuger und schließlich als Beizieher des Oberschenkels gegen das
Becken.
109
524 FROHSE und M. FRÄNKEL,
• II. Beim Standbeine sind die rotierenden Bewegungen bedeutend
geringer und die Beugung das Hauptsächliche. Eine gewisse Neigung
lateralwärts, d. h. zur selben Seite hin, ist aber nicht außer acht zu
lassen.
Innervation.
Sein Nerv stammt aus dem N, femoralis; eine Versorgung auch
durch den N, obturatorius, oder sogar ausschließlich halten wir für
eine seltene Varietät.
M. addiictor longus.
Synonyma: Langer Bei- oder Zuzieher; Adductor pectinealis; Adduc-
teur moyen, premier adducteur (sup.), pubio-femoral (Chauss.).
Allgemeine Beschreibung.
Der langgestreckte dreieckige Muskel entspringt etwas unterhalb
des Tuberculum pubicum und findet seinen Ansatz in den mittleren
zwei Vierteln des Oberschenkels an der medialen Kante der Linea
aspera. Sein Name ist nicht allzu glücklich gewählt, weil der M. ad-
ductor magnus gleichzeitig der längere ist.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung zeichnet sich durch eine auffallend starke Sehne
aus, welche medial allerdings noch Muskelbündel zum Knochen ge-
langen läßt, äußerlich bis 9 cm sichtbar, intramuskulär aber bis zu
11 cm zu verfolgen ist. Die Endsehne, an welcher sich die Muskel-
bündel parallelfaserig ansetzen, ist sehr dünn bei einer Länge von
6 cm und einer Breite von fast 10 cm. Wir verstehen unter letzterer
die Anheftung an der Linea aspera; die Länge kann nur im Durch-
schnitte angegeben werden.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel ist topographisch einer der wichtigsten Beinmuskeln.
Sein lateraler Rand bildet ja die mediale Begrenzung des Trigouum
iliopectineum und des ScARPASchen Dreieckes und wird schließlich
noch etwas von den Vasa femoralia überlagert. Die Facies super-
ficialis entspricht bis zur Ueberkreuzung durch den M. sartorius der
Haut. Die Eodsehne beteiligt sich noch an der Bildung des Joessel-
schen Kanals, welcher dadurch zustande kommt, daß ein Teil der
Sehnenplatte sich auf die Ursprungssehne des M. vastus medialis
überschlägt, ohne sich an der Linea aspera anzusetzen. Es handelt
sich also, wie auch beim M. adductor magnus, um eine teilweise
Trennung der Endsehne, eine Gabelung, welche sonst in der aus-
gesprochensten Weise im oberen Abschnitte des M. obliquus internus
abdominis bei der Umfassung des geraden Bauchmuskels zur Be-
obachtung kommt. Hier wird durch einen Muskel eingescheidet im
Canalis adductorius Joesseli der N. saphenus und die Vasa femoralia.
Der hintere Rand schließt sich zum größeren Teile an den M. gracilis,
zum kleineren an den M. adductor magnus an. Beachtenswert ist,
daß um den hinteren Rand herum der Hautast des N. obturatorius
sich herumschlingt, um sich meistens auch in den Adductorenkanal
mit hineinzubegeben. Die Facies profunda deckt die M. adductor
M. adductor longus. — M. gracilis.
525
brevis und magnus und den auf ersterem gelegenen vorderen Ast des
N. obturatorius, in der Nähe der Endsehne die letzten Aeste der
A. profunda femoris, A. perforans tertia (quarta). Die chirurgische
A-ufsuchuiig des N. ob- >-;^-^
turatorius oder einer
Heruia obturatoria geht
recht gut auf folgendem
Wege: Bei der parallel
der immer deutlich
fühlbaren Ursprungs-
sehne des M. adductor
longus geführten Haut-
inzision kommt man im
Verlaufe des Schnittes auf
einen weißlichen Strei-
fen, welcher dem Mus-
keliuterstitium zwischen
den M. adductor longus
und pectineus entspricht.
Nach Spaltung der Fas-
cie in dieser ßichtungs-
linie wird schon bei
geringem Medial wärts-
ziehen des M. adductor
longus der vordere Ast
des N. obturatorius sicht-
bar. Seine drei End-
zweige, Muskelnerv für
den M. adductor longus,
Hautnerv und Muskel-
zweig für den M. gracilis,
vereinigen sich in deut-
licher VVeise zu einem
gemeinschaftlichen
Stamme, in dessen Ver-
längerung gegen das
Becken hin die Aus-
trittsstelle einer Hernia
obturatoria zu suchen
wäre. Der Nerv ver-
schwindet proximal vom
oberen Rande des M.
obturator externus im
Canalis obturatorius.
Innervation s.
S. 533 (119).
Fig. 23. M. adductor longus, NervenbUd,
systematisch.
M. gracilis.
Synonyma: Schlanker Muskel; Gracilis internus ; Droit interne, sous-
pubio-pretibial (Chauss.), sous-pubio-cretitibial (Dum.).
526 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Allgemeine Beschreibung.
Der Muskel entspringt mit breiter, papierdünner Schale von dem
unteren Teile der Symphyse bis zum M. adductor magnus. Der platte
Muskelbauch wird im distalen Drittel des Oberschenkels schon sehnig.
Die Endsehne bildet die mittlere Komponente der Patte d'oie.
Idiotopie und Skeletopie.
Der aus Bequemlichkeitsgründen bezeichnete Ursprung einfach
von der ganzen Symphyse bedarf einer erheblichen Einschränkung.
Der untere, distale Rand dieser faserkuorpeligen Verbindung beider
Hüftbeine stellt den Mittelpunkt dar, von welchem aus ebensoweit
nach oben und vorn, wie nach hinten und unten die Urspruugssehne
reicht. Die Breite dieser Sehneuplatte schwankt zwischen 3 und 6 cm.
Der Muskelbauch entwickelt sich ganz flach aus der Ursprungssehne,
3—5 cm von dem Becken entfernt. Bis zur Mitte des Muskelbauches
bewahrt er noch immer die schlanke rechteckige Form, dann aber
tritt eine distale Verjüngung ein. Die Länge der Endsehne beträgt
ungefähr 15 cm. Der Ansatz findet im sogenannten Gänsefuße statt,
den wir besonders beschreiben.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht am Oberschenkel der Haut,
am Unterschenkel wird sie mehr oder weniger von der Sehne des
M. sartorius bedeckt. Der Margo anterior schmiegt sich zunächst an
den M. adductor longus, dann an den magnus und schließlich den
M. sartorius an. Der Margo posterior hat Beziehungen zu den M. ad-
ductor magnus und semimembrauosus. Die Facies profunda deckt
die bereits genannten Adductoren zu, von welchen sie jedoch durch
den R. anterior des N. obturatorius getrennt ist. Wir haben uns
vergeblich bemüht, den Hautzweig des N. obturatorius durch das
Muskelfleisch hindurchtreten zu sehen und halten deshalb an unserer
Auffassung fest, daß dieser Hautnerv nicht beim M. gracilis zu suchen
ist, sondern am hinteren Rande des M. adductor longus.
Wirkung.
Er gehört funktionell, topographisch und durch die Innervation
zu den Adductoren. Die Anheftung am Unterschenkel verschafft ihm
außerdem Beugewirkung auf diesen. Die Adduktion des Beines läßt
sich bei gestrecktem Unterschenkel sowohl aktiv, durch den Willen
wie passiv elektrisch erzielen. Für die Einwärtsrotation des Unter-
schenkels kommt er nicht in Frage, weil diese erst nach starker
Beugung möglich, und dann bereits seine Kraft erschöpft ist. Die
Einwärtsrotation des Unterschenkels kommt fast ausschließlich dem
M. semimembrauosus zu.
Innervation s. Fig. 22 S. 518 (104).
M. adductor magnus.
Synonyma: Großer Bei- oder Zuzieher; Caput tertium tricipitis,
Grand adducteur , troisieme addueteur , grand adducteixr prof., ischio-
femoral (Chauss.). '
M, adductor magnus. 627
Allgemeine Beschreibung.
Der mächtige dreiseitige Muskelbauch entspringt mit ziemlich
breiter Fläche vom Tuber ischiadicum, verläuft mit seinen proximal
gelegenen Bündeln fast horizontal, mit seinen medialen fast vertikal.
Der Ansatz ist ein doppelter, teilweise an der Linea aspera, teilweise
am Epicondylus medialis femoris. Der erstere besitzt nur schwache
und kuize Sehneneinlagerungen, während der letztere eine starke
rundliche Endsehne besitzt.
Idiotopie und Skeletopie,
Der Ursprung vom Tuber ischiadicum ist überwiegend fleischig
und nimmt deshalb eine größere Knochenfläche in Anspruch, als der
M. adductor longus. Unsere Messungen ergaben eine Länge von
etwa 4 cm. Der Muskelbauch beginnt mit einem scharfen proximalen
Rande, während der mediale die größte Dicke des Muskels besitzt.
Dicht am Ursprünge nimmt der etwa zu 90 Proz. in der Tiefe ver-
borgene Muskel auch am Oberflächenbilde teil, mit einem Dreiecke,
dessen Basis am Tuber ischiadicum liegt, und dessen Seitenränder
vorn vom M. gracilis uiid hinten vom M. semitendinosus gebildet
werden. Die Breite beträgt etwa 4 cm, die Höhe etwa 16 cm. Der
Muskelbauch ist trotz der dreieckigen Hauptform nahezu parallel-
bündelig gebaut. Der Ansatz an der Linea aspera, welcher vom Be-
ginne der Tuberositas glutaea bis zum Ende des Adductorenkanales
reicht, stellt keine einheitliche Platte dar, sie ist im Gegenteil aus
einzelnen Sehnenarkaden zusammengesetzt, unter welchen in wech-
selnder Zahl und Stärke die R. perforantes ihren Weg nehmen. Für
gewöhnlich werden ihrer nur drei mit besonderem Namen angegeben.
Diese Zahl dürfte aber, wenn man auch die feinen Zweige genau
berücksichtigt, bedeutend zu klein sein. Der Ansatz am Epicondylus
medialis selbst ist rein sehnig. Die freie Sehne besitzt eine Länge
von 2—4 cm und setzt sich vorn unmittelbar in die vordere sehnige
Wand des Adductorenkanales fort. Am hinteren Rande schieben sich
die Muskelbündel in wechselnder Weise distalwärts, woraus sich die
Verschiedenheit der Länge der freien Endsehne ohne weiteres erklärt.
Holotopie und Syntopie.
Die Oberfläche des Muskels, die Facies superficialis, weist drei
verschiedene Plächen auf, eine mediale, welche am Oberflächenbilde
des Beines teilnimmt, eine voidere, welche den anderen M. adductores
entspricht, und eine hintere, auf oder besser in welcher die Beuge-
gruppe eingelagert ist.
Der Ursprung entspricht dem Tuber ischiadicum, der Margo
superior dem M. adductor minimus, der laterale dem Caput breve
des M. biceps, der mediale zunächst der Haut und Fascie, dann dem
M. gracilis und schließlich noch dem M. sartorius. Sämtliche 3 am
Oberschenkel gelegene Hauptnerven gewinnen zu ihm Beziehungen.
Ein sensibler Zweig des N. femoralis, der N. saphenus major, liegt
zunächst unter der Endsehne, durchbohrt sie dann zusammen mit den
Vasa genu suprema und gewinnt unter Ueberkreuzung der Sehne die
mediale Seite des Knies. Der N. obturatorius schickt seinen R. inter-
medius an seiner Vorderfläche entlang und versorgt den hier gelegenen
Handbuch der Anatomie. II, ii, 3. 34
528 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Muskelabschnitt. Der N, ischiadicus liegt unmittelbar der Facies
posterior auf und sendet, was in vielen Büchern und Atlanten noch
nicht hinreichend betont wird, einen oder mehrere Nerven zum Muskel-
bauche, welche aus dem für den M. semimembranosus bestimmten
Zweige des N. ischiadicus sich loslösen. Die besonders benannten
Gefäße verlaufen unweit der Anheftung an der Linea aspera: vorn
die Vasa femoralia während ihres Durch trittes durch den Adductoren-
kanal, hinten an wechselnder Stelle die Vasa perforantia aus den
Vasa profunda femoris.
Wirkung s. S. 529 (115); Innervation s. S. 532 (118).
M. adductor Ibreris.
Synonyma: Kurzer Bei- oder Zuzieher; Caput profundum tricipitis;
Petit adducteur, deuxieme adducteur, petit adducteur prof., sous-pubio-
femoral (Chauss.).
Allgemeine Beschreibung.
Der unter dem M. adductor longus gelegene Muskel ist fast regel-
mäßig doppelbäuchig. Die trennende Spalte wird durch eine A. per-
forans bedingt. Wichtiger jedoch ist die Tatsache, daß er von den
beiden Hauptzweigen des N. obturatorius umfaßt wird.
Idiotopie und Skeletopie.
Fast rein fleischig entspringt er unter dem M. adductor longus
oben und medial vom Foramen obturatum, d. h. vom mittleren Teile
des Os pubis. Der dreieckige, durch den Druck der Nachbarmuskeln
abgeplattete Muskelbauch begibt sich mit zwei untereinander gelegenen,
aber durch einen Sehnenbogen verbundenen, platten Endsehnen zum
oberen Drittel des Labium mediale der Linea aspera.
HolotopieundSyntopie.
Da der Ursprung und Ansatz sich nicht anders als skeletopisch
beschreiben lassen, verzichten wir in Zukunft auf die entsprechende
holotopische und syntopische Darstellung, es .sei denn, daß Gründe
zu einer besonderen Besprechung vorliegen.
Vielleicht empfiehlt es sich, die Bezeichnungen medial und lateral
für die freien Ränder der Adductoren gänzlich fallen zu lassen, weil sie
auch für den Ursprung oder Ansatz Verwendung finden müssen, und
auch die Ausdrücke „oben" und „unten" sind nicht überall angebracht,
dagegen wären die indifferenten Bezeichnungen „proximal" und „distal"
immer anwendbar.
Der laterale und gleichzeitig obere oder auch proximale Band
ist unter dem M. pectineus verborgen, der mediale und gleichzeitig
untere oder auch distale unter dem M. adductor longus. Auf der
Facies anterior verläuft der R. anterior des N. obturatorius, ferner
eine für den venösen Kollateralkreislauf wichtige Verbindung zwischen
den Venae circumflexae femoris mediales und der V. obturatoria. Die
entsprechende arterielle Anastomose ist in normalen Fällen außerordent-
lich schwach und dürfte ohne Injektion nur für einen Geübten dar-
M. adductor minimns. 529
stellbar sein. Auf der Facies posterior verläuft an wichtigen Gebilden
nur der mittlere Ast des N. obturatorius.
Wirkung s. S. 529 (115); Innervation s. S. 532 (118).
M. adductor minimiis.
83'nonyma: Kleinster Beizieher; Adductor femoris minimus von
Günther, adductor quartus von DiEMEKimocK, caput superius s. ex-
ternum (!) von Theit.b; Premier faisceau du grand adducteur (Poirieu).
Allgemeine Beschreibung.
Dieser Muskel wird nicht allgemein anerkannt, obwohl er nach
unseren Befunden niemals fehlt. Zu seiner Piäparatiou muß jedoch
eine bestimmte Methode angewandt werden. Der obere, proximale
Rand des M. adductor magnus dürfte in seinem lateralen Teile ohne
weiteres zu erkennen sein. Verfolgt man nun die vordere, prä-
paratorisch hintere Fläche des Muskels unter Loslösung der Spezial-
fascie, so kommt man alimählich zu einer nicht ganz leichten Tren-
nung der beiden in Betracht kommenden Muskelbäuche. Die Sonderung
\on dem M. adductor brevis ist mit Leichtigkeit auszuführen.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel stellt die in der Tiefe verborgene Portion des M. ad-
ductor magnus dar und entspringt fleischig von dem Os ischii, greift
aber noch über die Synostosis ischiopubica nach oben empor, wobei
er sich unter den platten M. adductor brevis herunterschieben kann.
Der dreieckige Muskelbauch ist von vorn nach hinten abgeplattet und
lindet seine Anheftung am meisten proximalwärts, am oberen Ende
der Linea aspera. Der Ansatz ist wie bei allen Adductoren über-
wiegend fleischig, bei ihm wohl am meisten ; er umfaßt das proximale
Drittel des Oberschenkelknochens, vom Trochanter minor aus gerechnet.
Holotopie und Syntopie.
Der verhältnismäßig kleine Muskel ist fast vollkommen zwischen
denM. adductor brevis und magnus verborgen, so daß nur ein kleiner
Bezirk an der Rückseite des Oberschenkels ohne weiteres zu erkeunen
ist, nämlich der zwischen dem unteren, distalen Rande des M. qua-
dratus und dem oberen, proximalen des M. adductor magnus. üeber
diesen Teil zieht selbstverständlich der N. ischiadicus liiuweg. Am
oberen, proximalen Rande verlaufen die Vasa circumflexa femoris
medialia, an der vorderen Fläche der R. intermedius des N. obtura-
torius, welcher ihn auch versorgt.
Wirkung s. unten; Innervation s. S. 532 (118).
I
Wirkung der Adductoren.
Bei der Adductorengruppe muß unterschieden werden zwischen
den Muskeln, die am Oberschenkelbeine ansetzen, und dem einen
Muskel, welcher den Unterschenkel erreicht, dem M. gracilis, der
34*
- 115.
530
N. ischiadicus
N. obturatorius
Spina ischiadica -^
Membrana obturatoria -}lf
Bursa m. obturatoris i
M. quadratus femoris
Bursa ischiadica m. glut
maxim
Vasn perforantia I
N. pro m
Trochanter major
M. obturator externus
M. iliopsoas
V. circumflexa femoris
mediaiis
Tuberositas glutaea
]V[. adductor minir
Vasa perforantia III
liatiis inferior spurius canalis adductorii
Hiatus inferior verus canalis adductorii
N. tibialis
Condylus mediaiis
Condylus lateralis
Fig. 24. M. adductor magnus und minimus, Muskel- und Nervenbild, topographisch.
M. adductor minimus. 531
Beschreibung zu Fig. 24.
Die Abbildung zeigt den auswärts rotierten Oberschenkelknochen und den Ur-
sprung der beiden Muskeln vom Os ischii, möglichst weit auseinandergedrängt, um
den Nerven ausgiebig zur Anschauung zu bringen. Es war hierbei ein zeich-
nerischer Kunstgriff notwendig, um in einem Bilde die Nerven Versorgung des
M. adductor niagnus durch einen vorderen Zweig aus dem N. obturatorius und
einen hinteren Zweig aus dem N. ischiadicus darzustellen, ferner um die Innerva-
tion des M. adductor minimus auch aus rückläufigen Zweigen für den M. adductor
magnus nachzuweisen. Die Abbildung ist von der Vorderseite gewonnen, und
darum mußte der so freiliegende N. obturatorius doppelt konturiert gehalten werden.
Der in der Tiefe verborgene Ast, ein Seitenzweig des für den M. semimembranosus
bestimmten Zweiges aus dem N. ischiadicus, mußte in seinem ungeteilten Verlaufe
zwar doppelt konturiert, aber gestrichelt gezeichnet werden.
Der M. adductor minimus ist seiner Innervation nach kein vollkommen selb-
ständiger Muskel, weil seine distalen Muskelbündel auch noch von Zweigen für
den M. adductor magnus versorgt werden, aber auch aus dem Grunde, weil der
mächtige Öehnennerv, welcher an den Grenzen der beiden Muskeln sich findet, aus
einer Anastomose hervorgeht, welche beiden Nerven entstammt und sich bis zum
distalen Ende des Adductorenschlitzes erstreckt. Die Nervenversorgung des M. ad-
ductor minimus läßt sich ohne weiteres aus der Figur ablesen und gibt zu keinen
besonderen Bemerkungen Veranlassung. Ganz anders verhält sich dagegen der
M. adductor magnus, dessen proximale Partie von vorn durch das motorische
Ende des N. obturatorius versorgt wird, während der distale und gleichzeitig mediale
Abschnitt vom N. ischiadicus seinen Nerven bekommt. Nach vielen Mühen ist es
uns gelungen, mehrere Anastomosen zwischen den beiden Nerven nachzuweisen.
Wir glauben aus unseren Befunden behaupten zu können, daß der proximale Ab-
schnitt vom Plexus lumbalis aus innerviert wird, der distale dagegen vom Plexus
sacralis. Al)er auch diese Annahme kann nichts Unerklärliches enthalten, weil ja
der Plexus lumbalis mit dem 4. Lumbalnerven sein Ende findet und bereits in
diesem Segmente übergeht in den N. ischiadicus. — Einzelheiten mögen aus der Figur
ersehen werden. —
tiinktionell zu den M. sartorius und semitendinosus, im Ansätze auch
topographisch gehört. Die Muskeln entspringen in der ganzen Höhe
des Scham- und Sitzbeines, vom Tuberculum pubicum (M. adductor
longus) bis zum Tuber ischiadicum (M. adductor magnus), das ist eine
Länge von etwa 10 cm. Der Ansatz geht von der Höhe des unteren
Randes des Trochanter minor bis zum Epicondylus medialis, das ist
eine Länge von etwa 30 cm. Im allgemeinen verlaufen die Muskel-
bündel schräg von vorn nach hinten und umfassen die mediale,
hintere Fläche des Femur bis zur Linea aspera. Hieraus würde sich
ergeben, daß die Muskeln auch eine erhebliche Wirkung auf die
Flexion und Auswärtsrotation äußern müssen. Jedoch wird letztere
durch die frühzeitige Verbindung mit dem M. vastus medialis einge-
schränkt und besonders durch die Einrichtung des Adductorenkanales,
welche die Wirkung auf die ganze mediale Seite des Oberschenkels
überträgt. Die flektierende Wirkung kommt wohl nur für die M. pec-
tineus und adductor longus in Betracht, welche bei der Adduktion am
Präparate noch straft" passiv gedehnt erscheinen, vielleicht auch noch
der M. adductor brevis; dies wäre die Beugewirkung nach vorn hin.
Wir gehen hier von der bekannten Einrichtung beim M. biceps brachii
aus, welcher ja bei gestrecktem Vorderarme straft' erscheint und dann
gut zu präparieren ist, obwohl er dann sich im Zustande der Untätig-
keit befindet. Beugt man dann den Vorderarm, so legt sich einmal
das Muskelfleisch in Falten, und der Gesamtmuskel läßt sich wie eine
tote Masse nach allen Richtungen hin verschieben, obwohl am Lebenden
gerade dann der Zustand der Tätigkeit verwirklicht ist. Wenn also
die M. pectineus und adductor longus wählend der Adduktion noch
straft' erscheinen, müssen sie noch weiter auf den Oberschenkel wirken
117
532 FR.OHSE und M. FRÄNKEL,
können, und zwar im Sinne der Flexion, Die M. adductor minimus
und magnus, welche sich bei der Adduktion in Falten leg-en, haben
ihre Kraft vollkommen erschöpft. Die einfache Knochenbetrachtung
erleichtert uns diese Vorstellung. Bei der Adduktion steht das Tuber
ischiadicum ungefähr senkrecht über dem Epicondylus medialis, bei
der Abduktion entfernt sich letzterer Punkt sehr weit nach lateral,
während der obere Teil des Femur einen viel geringeren Ausschlag
macht und die dort anheftenden Muskeln weniger gedehnt werden.
Wenn wir es kurz ausdrücken wollen, kommt die Hauptaufgabe
der Adduktion dem Abschnitte der Adductoren zu, welche vom Os
ischii entspringen, während derjenige Teil, welcher vom Os pubis ent-
springt, auch flektierende und auswärts rotierende Wirkungen erzielt.
Die nach hinten flektierende Wirkung des M. adductor magnus,
welche durch die longitudinalen, am Epicondylus medialis ansetzenden
Bündel erreicht wird, ist im nächsten Abschnitte erörtert.
Innervation der vier Adductoren.
Von diesen bekommt einer, der M. adductor magnus, 2 Nerven,
einen proximalen Zweig vom N. obturatorius und einen distalen, und
zwar aus dem Aste, welcher für den M. semimembranosus bestimmt
ist, die M. adductor longus, brevis und minimus nur einen Zweig.
Die M. adductor longus und brevis stehen unter der Botmäßigkeit
des R. anterior, der Zweig für den M. minimus ist ein kleinerer Ast
des für den M. adductor magnus bestimmten Zweiges des R. posterior
(intermedius nobis).
Nun läßt unsere Fig. 24 deutlich erkennen, wie eine scharfe
Sonderung vorhanden ist zwischen derjenigen Portion, welche an der
Linea aspera ansetzt und wie die anderen Adductoren vom N. obtura-
torius versorgt wird, und derjenigen, welche am Epicondylus medi-
alis anheftet und ihren Zweig aus einem Beugemuskeluerven, nämlich
für den M. semimembranosus bezieht. Hierin spricht sich eine
wunderbare Uebereinstimmung mit der physiologischen Wirkung aus.
Die an der Linea aspera anheftenden Muskeln haben eine horizontale
Verlaufsrichtung, welche sich distalwärts in eine schräge umwandelt,
aber auch am untersten Punkte noch nicht longitudinal erscheint.
Dagegen weist der mediale Zug eine durchaus longitudinale Richtung
auf, und darum kann er auch nicht mehr als Adductor wirken, son-
dern nur als Flexor. Daher auch die Sonderung in den Beuge- und
den Beizieherabschnitt. Nun läßt die Innervation erkennen, daß die
distalen Bündel, die noch an der Linea aspera anheften, auch von
dem N. ischiadicus aus versorgt werden, daß sie also vermöge ihrer
zu schrägen Richtung nur wenig mit der Adduktion zu tun haben
können. Es ist hier augenscheinlich ein Grenzgebiet vorhanden, wie
wir aus der Anastomose ersehen können, die den N. ischiadicus mit
dem N. obturatorius verbindet, und deren Darstellung uns große
Mühe gemacht hat. Eine weitere natürliche Trennung ergibt sich
daraus, daß die Portio adductoria, wie wir sie nennen können, von
der Facies anterior versorgt wird, die Portio flexoria von der Facies
posterior. Darum sind bei beiden Portionen die Eintrittsstellen ober-
flächlich, obwohl die einen vorn, die anderen hinten gelegen sind.
Im übrigen bietet die innere Verzweigung keine Besonderheiten. Zu
erwähnen sind bloß die drei Sehnennerven der Ursprungssehne, die
drei zur Linea aspera und der eine zur medialen Endsehne.
Il8
M« semitendinosus. 533
Die M. adductor longus und brevis werden durch den R. anterior
des N. obturatorius voneinander geschieden, so daß der erstere von
der Facies profunda aus versorgt werden muß, der letztere von der
Facies superficialis. Ueber das innere Nervenbild des M. adductor
longus ist nicht viel zu sagen. In vielen Interstitien treten eine
Reihe von extramuskulären Zweigen ein und versorgen successive
die einzelnen Muskelbündel. Ein einheitlicher Sehnennerv zieht zur
seil malen Ursprungssehne, zwei zur breiten Endsehne, von denen der
proximale noch dazu dreigeteilt ist. Außerdem sind zwei Anasto-
mosen angegeben.
Der M. adductor brevis wird von der Facies superficialis aus
versorgt. Die beideu Hauptzweige teilen sich dichotomisch und treten
nacheinander in ziemlich regelmäßigen Abständen in die Interstitien.
Die Ursprungssehne bekommt einen einheitlichen Sehnennerven, die
Ansatzsehne wegen ihrer Breite einen dreigeteilten.
Das Nervenbild des M. adductor minimus stellt das verkleinerte
Abbild des M. brevis dar, weshalb wir auf eine bildliche Darstellung
verzichtet haben, nur eines ist zu bedenken, man kann den lege
artis freigelegten Muskel sowohl von der Vorder- wie von der Rück-
seite her erblicken, von hinten her betrachtet wäre der Eintritt von
der Facies profunda aus, von vorne her von der Facies superficialis.
Darum empfiehlt es sich, in diesem Falle von einem Eintritt von der
Facies anterior aus zu reden.
M. semitendinosus.
Synonyma : Halbsehniger Muskel ; M. semi-nervosus ; Demi-tendineux,
ischio-prötibial (Chauss.), ischio-cretitibial (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Dieser Muskel besteht eigentlich aus zwei vollkommen vonein-
ander getrennten Bäuchen, welche auch der Innervation nach als
selbständige Teile aufzufassen sind ; obwohl die Zwischensehne nur als
eine papierdünne Platte sich kundgibt, können wir doch ihre periphere
Linie mit Leichtigkeit an dem freigelegten Muskel feststellen.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel entspringt vom Tuber ischiadicum, gemeinschaftlich
mit dem Caput longum des M. biceps, mit dem er durch eine 8 bis
12 cm lange Zwischensehne verbunden ist. Der obere Muskelbauch
stellt ungefähr die Hälfte des Gesamtmuskels dar. Die bereits er-
wähnte sehr dünne Sehnenplatte verläuft in derselben Richtung wie
der untere Rand des M. glutaeus maximus, d. h. von oben-medial
nach unten-lateral. Im distalen Drittel des Oberschenkels wird die
Endsehne frei und findet ihren Ansatz an derjenigen Stelle, welche
wir bei der Beschreibung des Pes anserinus, der Patte d'oie, zu-
sammenfassen.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht zuerst dem M. glutaeus maxi-
mus, weiterhin der Fascie und Haut; die Facies medialis zunächst
dem M. adductor maximus, dann dem M. gracilis, die lateralis dem
119
534 FROHSE und M. FRÄNKEL,
M. biceps femoris. Die interessanteste Fläche ist die Facies pro-
funda; dieselbe bettet sich nämlich in den M. semimembranosus
hinein. Nimmt man an einem einigermaßen gut erhaltenen oder
fixierten Präparate den M. semitendinosus fort oder drängt ihn zur
Seite, so sieht man ohne weiteres das Bett, welches sich Muskel und
Sehne schaffen. Zu besonders benannten Nerven und Gefäßen hat
der Muskel keine erwähnenswerten Beziehungen, jedoch müssen wir
betonen, daß er zwei besondere Zweige aus dem N. ischiadicus er-
hält, welche beide Bäuche versorgen. Der proximale verläßt bereits
in der Höhe des Tuber ischiadicum den gleichnamigen Nerven, der
distale Zweig entwickelt sich meist selbständig weiter unten.
Wirkung s. S. 543 (129) und Innervation s. S. 541 (127).
M. Ibiceps femoris.
Synonyma : Zweiköpfiger Muskel des Oberschenkels, zweiköpfiger
Beuger; Biceps fibularis, flexor cruris externus, flexor cruris fibularis
(M. N. A. = Nom. anat. Marseilliana) ; Biceps femoral, ischio - femoro-
peronien (Chauss.),
a) Caput longum; Langer Kopf; Long chef, longue tete, longue^
portion ischiatique.
b) Caput breve; Kurzer Kopf; Courte portion, chef femoral.
Allgemeine Beschreibung.
Mit seinem langen Kopfe entspricht er der Rückseite des Ober-
schenkels und entspringt gemeinschaftlich mit dem M. semitendinosus
vom Tuber ischiadicum. Das Caput breve kommt nicht mehr vom
Becken, sondern erst vom Femur, distalwärts von der Tuberositas
glutaea vom Labium laterale der Linea aspera. Es ist der einzige
Muskel, welcher sich zur Außenseite des Unterschenkels wendet und
nicht allein am Capitulum flbulae anheftet, sondern auch an der Tibia ;
gerade diese Insertion verschafft ihm die kräftige Auswärtsrotation
des Unterschenkels bei gebeugtem Knie, der wir bei der speziellen
Beschreibung des Muskels selbst und der Bewegungen im Kniegelenke
im allgemeinen verschiedentlich gedacht und zu gedenken haben.
Idiotopie und Skeletopie
Der Ursprung des Caput longum vom Tuber ischiadicum ist
überwiegend sehnig, im Gegensatze zu demjenigen des M. semitendi-
nosus, mit welchem er distalwärts auf eine Strecke von 8 — 12 cm
untrennbar verschmolzen ist. Der mächtige Muskelbauch schickt seine
parallelen Bündel lateralwärts und entwickelt erst im distalen Drittel
des Oberschenkels eine oberflächliche Sehnenplatte, welche in der
Höhe des Kniegelenkspaltes sich zu einer rundlichen Endsehue ver-
dickt. Das Caput breve entspringt überwiegend fleischig, soweit
es nicht Sehnenbogen für den Durchtritt der Vasa perforantia auf-
weist. Auch der Ansatz an der gemeinschaftlichen Endsehne besitzt
keine längeren sehnigen Abschnitte.
Der gemeinschaftliche Ansatz findet statt 1) an dem Capitulum
fibulae, 2) am oberen Rande des Epicondylus lateralis tibiae, dicht
proximal von der Artic. tibiofibularis, 3) an der Fascia cruris.
M. semitendinosus. 535-
ad 1. Die Spitze, der Apex capituli fibulae, dient zunächst dem
Retinaculum m. poplitei und dann erst dem Lig. collaterale fibulare zur
Anheftung, so daß der Ansatzpunkt des M. biceps noch weiter distal zu
suchen ist.
ad 2. Das Lig. collaterale fibulare wird von der Tiefe aus auch
noch von der Endsehne umfaßt. Den besten Beweis hierfür liefert der
konstante Schleimbeutel, welcher das Band in einer Ausdehnung von 2
bis 4 cm umfaßt.
ad 3. Die Verbindung mit der Fascia cruris, welche von Poirier
(s. S. 234) ausdrücklich betont wird, stellt ein Analogen mit dem medial
gelegenen Pes anserinus dar. Diese Einrichtung bedeutet einen wirk-
samen Schutz des N. peronaeus communis.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis zerfällt iu einen hinteren und lateralen
Abschnitt, welche durch das Caput longuni einerseits, das Caput breve
und die gemeinschaftliche Endsehne andererseits gebildet werden.
Die Facies posterior wird von Fascie und Haut durch den N. cutaneus
femoris posterior getrennt. Die Facies lateralis wendet sich gegen
den M. vastus lateralis, von welchem sie durch das Septum inter-
musculare laterale geschieden wird. Die Facies medialis hängt im
proximalen Viertel des Oberschenkels untrennbar mit dem Ursprünge
des M. semitendinosus zusammen, dessen freiem Rande sie sich im
mittleren Drittel anschmiegt. Im distalen Drittel des Oberschenkels
gewinnt jedoch der M. semimembranosus allmählich die Oberfläche
und bildet dann die Nachbarschaft, bis schließlich an der proximalen
Spitze der Kniekehle die beiden Muskeln sich voneinander trennen,
um sich der eine zur Tibia, der andere zur Fibula zu begeben. Die
Facies profunda wird von den Adductoren durch den N. ischiadicus
und eine ganze Anzahl von Gefäßen getrennt, welche nicht allein
Endzweige der Vasa hypogastrica sind, sondern auch den Vasa iliaca
externa durch die Vasa perforantia bis hinunter zu den Vasa poplitea
entstammen. Besonders benannt ist die A. comitans, der distale End-
zweig der A. glutaea inferior. Dann tritt auch der distale, ab-
steigende Endzweig der A. circumflexa femoris medialis in wechselnde
Beziehung zu diesem Muskel und schließlich die R. perforantes der
Vasa femoris profunda. Auch von den Vasa poplitea aus werden
häufig ansehnliche Zweige geliefert, welche ihn von dem M. vastus
lateralis trennen.
Besonderer Wert ist auf diejenige Stelle zu legen, wo der N.
ischiadicus der internen und chirurgischen Behandlung am bequemsten
zugängig ist. Am distalen Rande des M. glutaeus maximus und dem
lateralen des langen Bicepskopfes findet sich nämlich der Druck-
punkt für den Stamm des M. ischiadicus. Dieser geht also eine
bemerkenswerte, ganz spitzwinklige Unterki'euzung des M. biceps
femoris ein, indem sein Stamm zunächst an der lateralen Seite und
dann unter ihm gelagert ist. Wenn der Nerv den distalen Rand des
Muskels erreicht, teilt er sich gewöhnlich in den N. peronaeus, welcher
unter dem Schutze des Muskelbauches, der Sehne und besonders der
Ausstrahlung zur Fascia cruris seinen Weg zum Unterschenkel nimmt.
Der N. tibialis hat aber in normalen Fällen, d. h. wenn keine hohe
Teilung des N. ischiadicus vorliegt, nichts mit dem M. biceps zu tun.
536 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Wirkung-. (iDiiervation s. Fig. 24.)
I. Bei fixiertem Becken wirkt er als kräftiger Beuger des Unter-
schenkels. Wenn die rechtwinklige Beugung im Kniegelenke erreicht
ist, entfaltet sich jedoch die Nebenwirkung als Auswärtsdreher. Bei
dieser Stellung tritt besonders der von uns beschriebene Nebenansatz
an der Tibia in Tätigkeit. Wie man sich an jedem Muskelpräparate
überzeugen kann, verläuft in der Streckstellung- der Ansatz am Capi-
tulum flbulae parallel zum Femur, der Ansatz an der Tibia biegt
fast im rechten WMnkel nach vorn um. — Bei der Beugestellung des
Kniees ist es gerade umgekehrt. Die Anheftung an der Tibia liegt
in derselben Richtung wie die Achse des Oberschenkels und ist an-
gespannt; zur Fibula geht die Sehne senkrecht nach unten herab.
Wir können diese Tatsache vielleicht in folgende Worte kleiden: die
Insertion an der Fibula bewirkt vor allem die Beugebewegung, die
an der Tibia die Rotation nach außen.
IL Bei fixiertem Unterschenkel wirkt er durch den kurzen Biceps-
kopf auf den Oberschenkel als Beuger im Kniegelenke, wie es der
Fall ist, wenn man sich z. B. auf einem oder beiden Füßen stehend
auf einen Stuhl niederlassen will. Ungleich stärker wirkt die Kraft
auf das Becken, wenn das Knie gestreckt und der Rumpf im Hüft-
gelenke möglichst weit gebeugt ist. Dann richten die am Tuber
ischiadicum anheftenden langen Muskeln den Rumpf im Becken auf
und entlasten so den M. glutaeus maximus in der wirksamsten Weise.
Besondere Varietät.
Der Ansatz des Muskels war mit seinen vorderen Sehnenfasern nicht
allein bis zur Tibia verfolgbar, sondern ließ noch in aller Klarheit bis
14 cm lange Fasern in einheitlicher Schicht auf die sogenannte Fascia
cruris anterior übergehen. Die Rückseite der Unterschenkelfascie war
bereits entfernt, so daß die Ausdehnung der hinteren sogenannten fas-
ciellen Insertion sich nicht mehr feststellen ließ. Das Septum intermus-
culare mediale stellte nur eine zarte Lamelle dar, w^elche innig mit der
Ansatzsehne des M. adductor magnus zusammenhing. Dieser Ansatz war
2 cm breit, fächerartig sich auflösend in eine vordere sehnige und hintere
muskulöse Abteilung. Letztere hing untrennbar mit dem Ursprünge des
medialen Kopfes des M. gastrocnemius und der hinteren medialen Wand
der Kniegelenkskapsel zusammen. Auch am vorderen Umfange des Epi-
condylus medialis war ein besonderer bandartiger Zug vorhanden, welcher
mit zwei Schenkeln auf den M. vastus medialis überging, an der am
meisten distal gelegenen Uebergangsstelle des Muskelfleisches in die End-
sehne, welche hier ein breites Retinaculum patellae mediale entwickelte.
M. semimembraiiosiis.
Synonyma: Halbhäutiger Muskel ; Flexor cruris tibialis; Demi-mem-
braneux, demi-aponevrotique (Bichat), ischio-poplite-tibial (Chauss., Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Der in seinem Ursprünge vom Tuber ischiadicum vollkommen
versteckt gelegene Muskel bildet die tiefe Lage der langen Beuger
am Oberschenkel. Der Ursprung ist rein sehnig und durchaus ver-
M. semimembranosus. 537
gleichbar mit einer scharf geschliffenen Säbelklinge, deren Rücken
medial gewandt ist, während die scharfe blattartige Kaute lateralwärts
schaut. Der mächtige Muskelbauch erlangt seine größte Dicke im
zweiten und dritten Viertel des Oberschenkels. Er ist es vor allem,
welcher die mediale obere Begrenzung der Kuiekehle bildet, und
nicht der M. semitendinosus, welcher mit seinem Muskelbauche und
vor allem seiner Endsehne sich in den M. semimembranosus, sowohl
in den sehnigen Ursprung wie in den Muskelbauch hineinbettet.
Noch auffälliger als beim Menschen ist diese Einrichtung z. B. beim
Kaninchen verwirklicht, wo der M. semimembranosus sogar von dem
M. semitendinosus durchbohrt wird, und noch charakteristischer ist der
Unterschied in der Earbe der Muskelsubstanz. Der M. semimembranosus
besitzt nämlich das hellrote Fleisch, welches für die Kaninchen, Lepus
cuniculus, und ebenso für die Haushühner (Puter) bekannt ist, während
der M. semitendinosus das dunkelrote Fleisch besitzt, welches bei dem
nahen Verwandten des Kaninchens, dem Hasen, Lepus timidus, sich
vorfindet. Physiologisch ist ja der Unterschied zwischen dem hellen
und dunklen Fleische in der Weise festgestellt, daß die hellfleischigen
Muskeln eine plötzliche Arbeit mit größter Schnelligkeit verrichten können,
während die dunkelfleischigen zwar langsam, aber mit um so größerem
Nachdrucke arbeiten, und in diesem Falle vereint sich besonders durch
die Durchbohrung des hellfleischigen Muskels durch die Sehne des dunkel-
fleischigen Schnelligkeit und Kraft, welche das Kaninchenbein vor denen
anderer Tiere auszeichnen.
Der Ansatz des Muskels ist vielleicht der verwickeltste des ganzen
menschlichen Körpers, indem die Endsehne eigentlich für sich allein
einen gänzlich gesonderten tiefen Gänsefuß, Pes anserinus profundus
cruris, Patte d'oie profonde, bildet, von dem bekannten „oberfläch-
lichen" getrennt durch das Lig. collaterale tibiale. Der Hauptansatz
liegt dicht unterhalb des Condylus medialis tibiae; ein zweiter rück-
läufig nach oben und lateral in die Kniegelenkskapsel ausstrahlender
Zug wird als Lig. popliteum obliquum bezeichnet; ein dritter, meist
nicht besonders angeführter Zug bildet eine außerordentliche Ver-
stärkung der Fascie des M. popliteus. Außerdem besitzt die Endsehne
noch mehr oder minder ausgedehnte Verschmelzungen mit der hinteren
Wand der Kniegelenkskapsel, welche auch uns zu keiner besonderen
Bezeichnung Veranlassung geben.
In bezug auf seine Wirkung wird dieser Muskel für gewöhnlich
unterschätzt. Er ist ein vollkommen gleichwertiger Synergist mit den
drei Muskeln, welche mit ihren Sehnen den muskulösen Pes anse-
rinus bilden, Synergist im Sinne der Beugung des Unterschenkels
uegeu den Oberschenkel auch mit dem M. biceps femoris, dagegen
Antagonist mit dem letzteren, wenn es sich um die Rotation des ge-
beugten Unterschenkels handelt. Der M. semimembranosus besorgt
fast allein die Einwärtsrotation, wofern keine gewaltsame Anstren-
gung in Frage kommt, während die Auswärtsrotation durch die
beiden Köpfe des M. biceps besorgt wird. — Die eben geschil-
derten Ansätze der Endsehne an anderen Teilen des Kniegelenk-
apparates erzielen noch viele andere Gesichtspunkte, welche sich
jedoch nicht bei der allgemeinen Beschreibung ausführen lassen (siehe
Abschnitt Wirkung),
123
S38 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung vom Tuber ischiadicum ist breitsehnig und erzeugt
ebenso wie die Ursprungssehne des Caput longum m. bicipitis femoris
eine charakteristische glatte Knochenstelle in Gestalt einer komma-
artigen Fläche, deren rauhe Kante, der Strich des Kommas, jedoch
nach oben gekehrt ist. Ein derartiger Vergleich findet sich ja auch
beim M. deltoideus, welcher mit einem umgekehrten Delta gewisse
Aehnlichkeit besitzt.
Frohsb hat in einem Falle Becken und Beine eines kleinen, ca.
40-jährigen Mannes untersuchen können, bei welchem das eine Bein im
Oberschenkel amputiert war, und dabei stellte sich die Tatsache heraus,
daß auf der gesunden Seite die Ursprungsfläche der Beugemuskeln voll-
kommen glatt war, während auf der anderen Seite, wo der Oberschenkel
etwas oberhalb der Mitte amputiert war, diese Urspriingsfläche ganz
sonderbare warzenähnliche Rauhigkeiten aufwies. Also ist der glatte
Ursprung oder Ansatz am Knochen, wie es auch an anderen Stellen be-
tont ist, ein Charakteristikum für normales Verhalten. Die Mchttätigkeit
der durch die Amputation geschädigten Beuger der kranken Seite ließ
ohne Zweifel die Knochensubstanz wuchern, was auf der anderen Seite
nicht eintreten konnte.
Jedenfalls lehrt die Abbildung (Fig. 16), daß der Ursprung vom
Tuber ischiadicum weiter rumpfwärts hinaufragt, als der Beginn der
entsprechenden Stelle der oberflächlichen Beuger des Oberschenkels.
Erklärlich wird diese Tatsache nur durch die Gegenwart eines Schleim-
beutels, welcher, wenn auch nicht vollständig, die Ursprünge trennt.
Die im Ursprünge ungefähr 2 cm breite, lateral 3 mm dicke und
medial zugeschärfte Sehne verbreitert sich medialwärts schnell, nimmt
aber die ersten Muskelbündel erst im zweiten Viertel des Ober-
schenkels auf in einer schrägen Linie, deren oberer Anfangspunkt
lateral liegt, während das Ende sich medial unten befindet. Auch
hier haben wir die trichterartige Form der Ursprungssehne zu be-
achten. Es muß hier gleich vorweggenommen werden, daß die End-
sehne sich genau auf der gegenüberliegenden Seite entwickelt, vor
allem also medial. Von der lateral gelegenen Ursprungssehne ziehen
nun die Muskelbündel als solche durchweg parallel zur medial ge-
legenen Ansatzsehne ; obwohl der gesamte Muskel in der Längsrichtung
des Oberschenkels verläuft, d. h. parallel zum Oberschenkelknochen,
hat die Faserung der einzelnen Muskelbündel nicht dieselbe Richtung,
sondern kreuzt die erste Achse unter einem spitzen Winkel. Der
Muskelbauch ist sehr dick, besonders beim Uebergange in die End-
sehne, und so kann es nicht wundernehmen, daß die zugehörigen
Nerven und Gefäße nicht auf eine einzelne Stelle beschränkt sind.
Bei der Größe der in Betracht kommenden Gebilde sind die ent-
sprechenden Lücken recht groß und machen den Muskel zu einem
schwer auszupräparierenden. Wie bereits in der allgemeinen Be-
schreibung erwähnt ist, hat der Muskel einen dreifachen Ansatz:
1) dicht unterhalb des Condylus medialis tibiae, 2) in der hinteren
Kapselwand des Kniegelenkes als Lig. popliteum obliquum, 3) in der
Fascie des M. popliteus.
Wenn der Unterschenkel gestreckt ist, verläuft der Hauptansatz
in einem proximalwärts konkaven Bogen um die mediale Fläche der
Tibia unter dem Lig. collaterale tibiae herum und tritt sogar unter
124
M. semimembranosus. 539
diesem Bande als Wulst hervor. Um die Reibung zu verringern,
rindet sich zwischen Sehne und Band ein Schleimbeutel, für welchen
wir den Namen B. subligamentosa m. semimembrauosi vorschlagen
möchten. Diese Ansatzstelle wird ja mit Rücksicht auf den Band-
apparat des Kniegelenkes auf dem Präpariersaale und auch sonst
kaum jemals ausgiebig freigelegt. Wenn der Unterschenkel dagegen
-ebeugt ist, gleicht sich die knickartige Umbiegung der Endsehne
vollkommen aus, sie verläuft dann in derselben Richtung wie Ur-
sprungssehne und Muskelbauch und kann nun ihrerseits in der gün-
stigsten Weise die zweite Wirkung auslösen, nachdem sie bereits an
der Beugung des Unterschenkels mitgeholfen hat, nämlich seine Ein-
wärtsrotation. Bei dieser Stellung wird die hintere Wand der Knie-
gelenkskapsel schlaff und legt sich in Falten; in zweckmäßiger
Weise unterstützt das Lig. popliteum obliquum, welches dann auch
nicht mehr rückläufig, sondern quer, selbst gerade als unmittel-
bare Verlängerung der Endsehne verläuft, als sogenannter Kapsel-
schützer, damit sie nicht eingeklemmt wird. Die Bedeutung der Aus-
strahlung der Endsehne des Muskels in die Fascie des M. popliteus
liegt vielleicht darin, daß sie bei der Kontraktion dieses Synergisten
den Muskelbauch gegen das Schienbein festpreßt und sich nicht in
unliebsamer Weise gegen die Gefäße und Nerven des Kniekehle vor-
wölben läßt. Bei der Beugung des Unterschenkels dagegen lüftet
gewissermaßen der Zug des M. semimembranosus die Loge, in welcher
der M. popliteus eingebettet ist.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel beteiligt sich nur in untergeordneter Weise am Ober-
flächenbilde des Oberschenkels und der Kniekehle. An einem topo-
graphisch sorgfältig dargestellten oder nachgebildeten Präparate sieht
man, wie der M. semimembranosus mit zwei Teilen seines Muskel-
bauches nur von Haut und Fascie bedeckt ist, welche geschieden
werden durch die lange Endsehne des M. semitendinosus, der sich
proximal auch noch mit seinem Muskelbauche in eine entsprechende
Grube des M. semimembranosus oder seiner Ursprungssehne hinein-
legt. Die hintere, distalwärts konvexe Fläche bildet die obere mediale
Begrenzung der Kniekehle; die mediale liegt an der Innenseite des
Oberschenkels mehr proximalwärts, ist langgestreckt und nimmt das
Feld ein zwischen: M. adductor magnus (Basis) und M. gracilis und
M. semitendinosus (Seitenränder des Dreieckes). Im übrigen liegt der
Hauptteil des Muskelbaucjies und die Ursprungssehne unter der ober-
flächlichen Schicht der Beugemuskelu am Oberschenkel verborgen.
Daß jedoch am Präparate die Ursprungssehne auch ohne Beiseite-
drängung der oberflächlichen Schicht sichtbar gemacht werden kann,
ist oben beschrieben und durch eine Abbildung (s. Fig. 16) erläutert.
Die allgemeine Bezieiiung zur Rückseite des Oberschenkels mußte
bereits beim M. semitendinosus beschrieben werden und erübrigt
sich hier.
Die Facies profunda, in Wirklichkeit die Vorderfläche des Muskels,
ruht auf dem M. adductor magnus, der Ursprungsteil deckt noch den
M. quadratus femoris, die Endsehne kommt in breite Berührung mit
dem Caput mediale des M. gastrocnemius. Die laterale Fläche wendet
sich gegen das Caput breve des M. biceps femoris, soweit sie nicht
125
540
N. peroiiaeus comin.
Origo propria
m. semimembranosi
Origo communis (m. semitendinosus
— Caput longum m. bicipitis)
Aponeurosis i n t c r muscularis
Septum tendineum i n tramusculare ;
m. semitendinosi /
1 M. biceps, caput
longum
2 M. semimembranosus
3 M. biceps, caput
breve
4 M. semitendinosus
Fig. 25. Flexorengruppe am Oberschenkel, Nervenbild, systematisch.
M. semimembranosus. 541
Die vier Muskelbäuche sind auseinandergelegt und so gelagert, daß auch noch
topographische Beziehungen gewahrt sind. Das Nervenbild ist von der Facies pro-
funda aller 4 Muskeln dargestellt, wobei natürlich die tiefe Schicht, der kurze
Bicepskopf und der M. semimembranosus vollkommen zur Seite gerollt werden
mußten. Die langen Beuger beziehen ihre Nerven aus dem N. tibialis, der kurze,
das Caput breve m. bicipitis aus dem N. peronaeus. Für jeden einzelnen Muskel
ist nach dem architektonischen Aufbau der Muskelbündel die Art des Eintrittes der
Nerven gleichsam vorgeschrieben. Für den M. semimembranosus haben wir einen
langen Nerven, der sich bei der Dicke des Muskels nicht mit einem marginalen
Eintritte des Nerven begnügen kann, sondern sowohl auf der Vorder-, Innen- wie
Rückfläche in verschiedenen Muskelinterstitien die etwa 7 extramuskulären Fasern
aufnimmt. Besonders zu betonen sind die Sehnennerven, bei denen im proximalen
Drittel ein einheitlicher Zweig für die Ursprungssehne hervorgeht, während sich
im distalen Drittel des Muskels mehrere Zweige zur Endsehne entwickeln. Die
Eintrittsstellen des Nerven sind auf eine Länge von 14 cm verteilt, ein Befund,
welcher fast genau auch bei dem M. semitendinosus und dem Caput longum m.
bicipitis wiederkehrt.
Der M. semitendinosus wird ja von uns als zweibäuchiger Muskel beschrieben,
wie es vor allen Dingen auch durch die Innervation bestätigt wird. Der obere
Bauch bezieht seinen Nerven bereits in der Höhe des Tuber ischiadicum, während
der distale erst mit der Mitte des Oberschenkels seinen Eintritt gewinnt. Ver-
bindungen zwischen beiden Nerven konnten wir nicht nachweisen, obwohl die
Einzelnerven einige, wenn auch nicht zahlreiche Anastomosen aufwiesen. Beide
Nerven haben die gleichen Eintrittsarten, nämlich von der Facies profunda aus und
hegeben sich in den Muskel hinein nur in zwei Nervenlinien, welche ein Muskel-
bündel von etwa 1 cm umfassen.
Der M. biceps empfängt für sein Caput longum einen einheitlichen Nerven-
zweig, der fast ausschließlich in einem einzigen Muskelinterstitium mit etwa 7 Zweigen
eintritt und hier auch seinen ansehnlichen Ast für die Endsehne entwickelt.
Der kurze Bicepskopf wird von einem besonderen Zweige des N. peronaeus
versorgt, welcher ziemlich proximal aufhört, extramuskulär zu sein und die marginale,
mediale Kante des Muskels umfaßt, ungefähr in derselben Weise, wie \nr es auch
beim M. flexor poUicis longus beschrieben haben. Einige intramuskuläre Verbin-
dungen zwischen dem vorderen und hinteren Zweige sind vorhanden. —
von dessen Caput longum zugedeckt wird. Die mediale Fläche stellt
iu der ürsprungssehne nur einen dünnen Saum dar, welcher sich
gegen die Kniekehle hin zu dem bereits beschriebenen unter der
Haut und Fascie gelegenen Wulste verbreitert. Gedacht ist schon
des Schleimbeutels im proximalen Teile am Tuber ischiadicum zwischen
oberflächlicher und tiefer Beugeschicht, ferner der B. subligamentosa
nobis, wo sich die Endsehne unter das Lig. collaterale tibiale herunter-
schiebt. Hier werden noch andere Schleimbeutel, die B. m,
gastrocnemii medialis und die B. m. semimembranosi, beschrieben.
Wenn dieser Schleimbeutel zwischen beiden Muskeln gelegen ist, wie
es wohl der Regel entsprechen dürfte, dann müßte man von einer
B. gastrocnemio-semimembranosa reden. Dieser Schleimbeutel kann
schon bei jugendlichen Personen eine sehr große Ausdehnung ge-
winnen, besonders dann, wenn er mit dem Kniegelenke in Verbindung
steht.
Ein derartiger an einem 15-jährigen Mädchen, welches augenscheinlich
sehr zu häuslichen Arbeiten auf dem Lande herangezogen war, beobachteter
Fall bestimmte v. Bardelehen und Frohse zu einer Untersuchung über
die Häufigkeit einer Verbindung zwischen Gelenkhöhle und diesem Schleim-
beutel. Sie war auch an 8 Vergleichspräparaten nicht verwirklicht.
Gefäße und Nerven.
Der lange einheitliche Nerv kommt bereits dicht unterhalb des
Tuber ischiadicum aus dem gleichnamigen Nerven heraus und senkt
127
542 FROHSE und M. FRÄNKEL,
sich in mehreren Interstitiell in die laterale Fläche des Muskels ein.
Der letzte Nervenzweig erreicht mit seinem extramuskulären Verlaufe
sogar das distale Drittel des Oberschenkels. An die Eintrittsstellen
der Nerven halten sich auch die Gefäße, welche jedoch bei der Länge
des Muskelbauches verschiedenen Quellen entstammen. Es handelt
sich um Seitenzweige der verschiedenen Rami perforantes der A.
profunda femoris, welche untereinander vielfach in Verbindung stehen
können, und so der Muskelsubstanz eine ausgiebige Blutzufuhr
schaffen. Auch die vorderen Aeste der A. femoralis, gleichviel, ob
sie aus der A. femoralis selbst, der A. circumflexa medialis oder der
A. profunda femoris entstanden, können sich in ausgiebiger Weise
nach Durchsetzung der Adductorengruppe an der Blutversorgung des
M. semimembranosus beteiligen. Gewöhnlich vergessen wird die
Blutversorgung des distalen, überhaupt am mächtigsten entwickelten
Teiles des Muskelbauches. Die entsprechenden Gefäße führen nicht
mehr zu den Vasa femoralia, sondern höchstens zu den Vasa genu
suprema, vor allen Dingen aber zu den Vasa poplitea, sei es zu
deren Hauptstämmen oder einem sogenannten Gelenkzweige. Aber
gerade hier haben die Aeste für Muskeln noch Endzweige für die
Hautgebilde, und man darf vom praktischen Standpunkte niemals
vergessen, daß die Begleitvenen der oft unbedeutenden Hautarterien
den wichtigen venösen Kollateralkreislauf oft in unglaublicher Weise
unterstützen, ohne daß man vom anatomischen Standpunkte aus eine
Varicenbildung nachweisen kann, welche man bei der enormen Weite
der Begleitvenen hätte voraussetzen können.
Wir bitten die Fachgenossen bei den Präparationen etwaige
Nebenzweige zu beachten, welche von dem starken Nervenaste für
den M. semimembranosus sich abzweigen, um sich teilweise zum M.
adductor magnus in seinem Fleische, oder als Gelenknerv zur hinteren
Wand der Kniegelenkskapsel zu begeben. Könnte vielleicht hier die
in England gebräuchliche Methode Eingang finden, ein Preisausschreiben
für die Landesuniversitäten zu machen, in welcher Weise, wie oft bei
den beiden Geschlechtern diese Nervenzweige verwirklicht sind?
Pes anserinus (Patte d'oie).
Wie wir an der Außenseite des Oberschenkels einen aus 3 Kom-
ponenten zusammengesetzten Zug, den Tractus iliotibialis, beschrieben
haben, können wir es auch an der medialen Seite machen. Die 3 Kom-
ponenten sind muskulös und bestehen aus dem M. sartorius, welcher
von der Spina iliaca ant. sup., also vom Os ilium entspringt, dem
M. gracilis, welcher die Symphyse oder das Os pubis zum Ursprünge
benutzt und dem M. semitendinosus, welcher den tiefsten Punkt des
Beckens, das Tuber ischiadicum zur Origo hat. Diese drei Knochen-
punkte, welche gleichzeitig die drei Bestandteile des Hüftbeines in
sich fassen, liegen räumlich weit voneinander entfernt, der erste vorn,
der zweite medial und der dritte hinten. Ebenso ergibt die Inner-
vation überraschende Aufschlüsse, indem der vordere Muskel, der
M. sartorius vom N. femoralis, der mittlere oder mediale, M. gracilis vom
N. obturatorius und der hintere, der M. semitendinosus vom N. ischi-
adicus oder genauer vom N. tibialis versorgt wird. Trotz dieser ver-
128
Unterschenkel. 54S
schiedenen Lage und Innervation beteiligen sich die 3 genannten
Muskeln an derselben Wirkung der Flexion des Unterschenkels gegen
den Oberschenkel, deren besondere Aufgabe als Hochheber (M. sar-
torius), Einwärtsbeweger (M. gracilis) und Rückwärtsbeweger (M.
semitendinosus) wir hier nicht weiter ausführen wollen. Es handelt
sich ja jetzt nur um die Frage, wie der gemeinschaftliche Ansatz, die
Patte d'oie zustande kommt. Der M. sartorius muß eine Sonder-
stellung einnehmen, weil seine Ansatzsehne sehr flach ist und in ihrer
Breite nur wenig von der des Muskelbauches abweicht; außerdem
wird sie von den beiden anderen Komponenten unter allen Umständen
getrennt durch den N. saphenus (major). So kann unter der breiten
Endsehne sich ein besonderer Schleimbeutel entwickeln, die Bursa m.
sartorii propria, welche dann natürlich nicht mit der Bursa anserina
kommuniziert, jedoch mit ihr zusammenhängen kann. Dann ist auch
die schwimmhautartige distale Verbreiterung zum Unterschenkel nicht
verwirklicht. — Die Endsehnen der M. gracilis und semitendinosus
lassen die gleiche, jedoch von der des M. sartorius grundverschiedene
Einrichtung erkennen, indem ein scharfer proximaler Rand vorhanden
ist, dann die Hauptendsehne zur Geltung kommt und schließlich an
ihrem distalen Rande sich die sogenannte Schwimmhaut zur Fascia
cruris fortsetzt. Hierbei findet sie ihren Ansatz nicht allein an der
hinteren medialen Kante der Tibia, sondern auch in der Unterschenkel-
fascie und gibt so ein breites Retinaculum für den so mächtigen
medialen Gastrocnemiuskopf. Der Vergleich mit einem „Pes anserinus"
trifft also nicht zu. Bei einem solchen müßten vorhanden sein 3 Haupt-
strahlen, welche durch zwei aponeurotische Verbindungen untereinander
zusammenhängen müßten. Es sind jedoch nur zwei Hauptstrahlen
vorhanden in Gestalt der Endsehnen der M. gracilis und semitendi-
nosus. Die sogenannten Schwimmhäute sind unter allen Umständen
bei den beiden letztgenannten Sehnen verwirklicht, können jedoch auch
beim M. sartorius vorhanden sein. Aber diese sehnigen Ausstrahlungen
verbinden nicht, wie am Fuße der Gans die benachbarten Haupt-
strahlen, sondern decken sich dachziegelartig.
Die konstante Bursa anserina liefert den Beweis für die absolute
Notwendigkeit dieser Muskeln. Durch die Reibung der Sehnen gegen
das Lig. collaterale tibiale wird ein enorm großer, wenn auch flacher
Schleimbeutel geschaffen, dessen Glattwandigkeit jedem Untersucher
sofort auffällt. Es sind keine Nebeneinrichtungen vorhanden, wie
etwa bei der Bursa desM. obturator internus oder der Bursa iliopectinea,
welche ja in Unterabteilungen zerlegt werden können.
III. Unterschenkel.
Allgemeines.
Als knöcherne Grundlage sind am Unterschenkel zwei Knochen
parallel nebeneinander gefügt, medial und mehr nach vorn das Schien-
bein, die Tibia, lateral und mehr in der Tiefe das Wadenbein, die
Fibula. Während am Oberschenkel nur ein Knochen vorhanden ist,
welcher allseitig bis auf die distale Epiphyse von starken Muskelmassen
umgeben ist, liegt am Unterschenkel das Schienbein mit einer großen
Fläche, nämlich der Facies anterior medialis frei unter der Haut und
Handbuch der Anatomie. II, ii, 3. 35
129
544 FROHSE und M. FRÄNKEL,
der durch das Periost ersetzten Fascie. Mögen auch dünne Sehnen
und Bänder an dieser oder jener Stelle auf das Schienbein über-
greifen, jedenfalls wird nichts an der Tatsache geändert, daß die eben
beschriebene Fläche der Tibia in ausgiebiger Weise der Palpation
zugängig ist.
Es gibt sowohl am Vorderarme wie am Unterschenkel 3 Muskel-
gruppen, die Beuger, Strecker und die lateralen Muskeln, welche
beim Arme Brachioradialgruppe, beim Beine Wadenbeinmuskeln genannt
werden. Der prinzipielle Unterschied liegt aber darin, daß 1) am Vorder-
arme nur eine hintere Kante an der Ulna vorhanden ist, welche als
Muskelgrenze dient, während am Unterschenkel die Crista anterior tibiae
sich unmittelbar in eine breite muskelfreie Fläche, die Facies medialis
nach hinten fortsetzt; 2) in der anatomischen Haltung des Vorder-
armes in Supinationsstellung, bei der die Beuger vorn und die Strecker
hinten liegen, während am Unterschenkel das Gegenteil der Fall ist.
Ein dritter wichtiger Unterschied besteht darin, daß am Vorder-
arme eine gleichmäßige Verjüngung dieses Teiles zum Handgelenke
eintritt, während beim Unterschenkel zwar vorn und lateral die gleiche
Einrichtung verwirklicht ist, hinten dagegen die oberflächliche Schicht
der Beuger als Wade beim Menschen meistens als eine starke, scharf
abgegrenzte Muskelmasse in die Augen fällt. Beim Weibe ist sie
manchmal, besonders im Vergleiche zu der starken Entwicklung des
Oberschenkels und der Hüfte unglaublich schwach. Als Rasseneigen-
tümlichkeit sei erwähnt, daß die Neger und Inder auch beim männ-
lichen Geschlechte dünne Waden aufweisen, obwohl sie stundenlange
Dauerläufe ohne sonderliche Ermündung ausführen können, was für
den Europäer im gleichen Falle nicht zutrifft (Franke l).
M. tibialis anterior.
Synonyma : Vorderer Schienenmuskel ; Tibius, M. tibiaeus anticus,
M. hippicus, M. catenae; Jambier anterieur, tibio-sus-tarsien (Chauss.),
tibio-sus-metatarsien (Dum,).
Allgemeine Beschreibung.
Der spindelförmige Muskelbauch nimmt die äußere vordere Fläche
des Schienbeines ein, zu welchem Knochen er in viel innigerer Be-
ziehung steht, als der M. tibialis posterior, welcher erst im distalen
Drittel des UntersQhenkels sich breit an das Schienbein anschmiegt.
Seine starke Sehne, welche in eine lange Schleimscheide eingeschlossen
ist, geht, in zwei Zipfel gespalten, zu dem Os cuneiforme I und dem
Os metatarsale I, wobei zu beachten ist, daß der Ansatz sich ziem-
lich weit plantarwärts erstreckt. Er ist ein wirklicher Dorsalbeuger
des Fußes und hebt gleichzeitig den medialen Fußrand, eine Bewegung,
welche praktisch als Supination bezeichnet wird.
Idiotopie und Skeletopie.
Wie bei allen anderen Unterschenkelmuskeln, mit Ausnahme der
beiden Köpfe des M. gastrocnemius, des M. plantaris und desM. popliteus,
bildet der Spalt des Kniegelenkes die unverrückbare Grenze, welche
niemals proximalwärts überschritten wird. Er reicht jedoch noch etwas
über die Tuberositas tibiae hinaus bis zu einem Knochenpunkte, welcher
13©
M. tibialis anterior. 546
in den deutschen Lehrbüchern nur wenig Beachtung findet und von
DüVAL^) fälschlich als Vorsprung des vorderen Schienbeinmuskels
bezeichnet wurde. Dieser Punkt verdankt seine Entstehung der Zug-
wirkung des Tractus ilio tibialis. Dann geht der Ursprung vom Schien-
beine bis zur Grenze des mittleren und distalen Drittels mit eigen-
tümlich lamellenartig gebauten Bündeln, welche teilweise die Mem-
brana interossea cruris erreichen. Die Verbindung zum M. extensor
digitorum longus durch die Fascia cruris ist eine sehr innige, und
es fällt besonders bei der Unterbindung der A. tibialis anterior im
oberen Drittel oft sehr schwer, von dem Hautschnitte aus in das
richtige Interstitium einzudringen, besonders wenn der Operierende
sich nicht klar macht, daß der Muskelrand sehr stark nach lateral
konvex sein kann, und der Muskelbauch au dieser Stelle seine größte
Breite besitzt, worauf wir beim M. extensor digitorum communis noch
einzugehen haben werden. Die Endsehne wird bereits im distalen
Drittel des Unterschenkels sichtbar; vollkommen frei jedoch erst
etwas proximal vom medialen Knöchel, wo sie nicht mehr an der
Außenseite der Tibia, sondern an ihrer Vorderseite gelegen ist. Hier
wird sie durch eine Verdickung der Fascia cruris gegen den Knochen
gehalten, eine Bildung, welche man erst künstlich je nach Belieben
in einer Breite von % — 5 cm heraussetzen muß, welche aber nichts-
destoweniger den besonderen Namen Lig. transversum cruris führt.
Dann tritt sie durch ein besonderes Fach des Lig. cruciatum cruris
hindurch, welches seinerseits jedoch zum größten Teile dem Fuße
angehört, kreuzt dabei das Collum tali, die mediale Fläche des Os
naviculare, bettet sich dann in eine Rinne des Os cuueiforme I ein
und findet den Ansatz an dem distalen Ende dieses Knochens und
einen zweiten an der Basis des Os metatarsale I. Diese Ausätze
lassen sich in voller Ausdehnung von der medialen Seite aus er-
kennen, nur ganz wenig von qben her, bedeutend besser von der
plantaren Seite. Dieses Uebergreifen nach der Fußsohle unterstützt
selbstverständlich die supiniörende Wirkung, das Hochheben des me-
dialen Fußrandes, außerordentlich.
Gerade an der unteren Extremität machen sich die Ursprünge
oder Ansätze von Sehnen in charakteristischer Weise geltend, wie
wir es bei der oberen Extremität eigentlich nur am Tubeiculum
majus, minus und der Tuberositas radii kennen gelernt haben in
Gestalt von glatten Flächen, die noch ebener sein können als die des
Knorpels beraubten Gelenkenden. Wir haben dieser Tatsache be-
sonders beim Tuber ischiadicum Rechnung tragen müssen und finden
es in vielen Fällen beim Ansätze des M. tibialis anterior wieder, ein
ziemlich glattes Höckerchen an der Basis des L Mittelfußknochens, und
eine größere flache Facette am 1. Keilbein.
Die präparatorische Darstellung bietet im proximalen Drittel er-
hebliche Schwierigkeiten, weil dort die Urspruugsaponeurose sehr
stark entwickelt, dagegen die Fascia cruris kaum darstellbar ist.
Hier hilft nur ein gleichmäßig geführter Scheerenschnitt zu einem
sauberen Präparate. Die am meisten distal gelegenen Bündel weiden
dabei allermeist mit ihrem dünnen, sehnigen Ursprünge zum Opfer
fallen müssen. Wir haben den Unterschied zwischen Aponeurose und
Fascie beim Arme und auch verschiedentlich beim Beine — s. Ab-
schnitte : Fascien und Tractus iliotibialis — ausführlich besprochen.
1) M. DuvAL, Grundriß der Anatoinie für Künstler, Stuttgart 1890, S. 103.
35*
546
FROHSE und M. FRÄNKEL,
N. peronacus coinm.
TractusiliotibiaÜ!
M. biceps fomoris (Capitulii
fibulao)
Hiatus peronaealis profundus
Foramen membr, inter-
osseae sup.
Membrana interossea cruris
N. peronaeus superfic.
N. peronaeus profundus
M. peronaeus brevis
M. ext. hall, long,
M. tibialis ant
N. peron. prof,
Foramen membr. intcrosscae inf,
Planum supramalleolare (nobis)
Malleolus lateralii
Fig. 26. Extensorengruppe und M. peronaeus brevis am Unterschenkel,
Muskel- und Nervenbild.
M. tibialis anterior. 547
Holotopie und Syntopie.
Au geeigueteu Modellen sieht man das Muskelspiel in klarer
Weise, indem der Muskelbauch sich über die Vorderkante des Schien-
beines hervorwölbt, und bei dünner Haut sich der Unterschied zwischen
dem dunkel gefärbten Muskel und dem helleren Knochen kundgibt.
Auch die Mächtigkeit des Muskels läßt sich mitunter in klarer Weise
erkennen. Er gehört nämlich zu den wenigen Muskeln des Körpers,
welche in ihrer ganzen Ausdehnung nur von Fascie und Haut be-
deckt werden. In der Höhe des sogenannten Lig. transversum cruris
zeichnet sich bei Dorsalflexion des Fußes und Supination die Sehne
mit aller Deutlichkeit ab, noch mehr im Bereiche des Lig. cruciatum
cruris, und erst in der Höhe des Os cuneiforme I wird sie durch den
medialen unteren Schenkel dieses Bandes gegen den Knochen fest-
gehalten. Wir werden diese Einrichtung beim Lig. cruciatum cruris
ausführlich besprechen und verweisen auf die entsprechenden Be-
merkungen.
Die mediale Fläche des Muskels entspricht dem Schienbeine, die
laterale im proximalen Drittel ausschließlich dem M. extensor digi-
torum communis, im mittleren und distalen auch dem M. extensor
hallucis longus, dessen Sehne am Fuße ausschließlich als entfernter
Nachbar in Frage kommt. Individuell verschieden ist die Ueber-
lagerung durch den M. abductor hallucis, der jedoch künstlich so
weit zur Fußsohle heruntergebracht werden kann, daß der ganze
Verlauf der Sehne zu überblicken ist. Die tiefe Bläche entspricht
dem Schienbeine und dem medialen Teile der Membrana interossea
cruris, am Fuße dem Talus, dem Os naviculare und dem Os cunei-
forme I. Eine lange Sehnenscheide von etwa 9 cm Länge ermög-
licht die Gleitbewegungen über dem Sprunggelenke. Eine kurze in-
konstante findet sich über dem Os cuneiforme I, wo sich die End-
sehne in eine tiefe Rinne des Os cuneiforme I einbettet. In dieser
Weise gewinnt der M. tibialis anterior auch eine Anheftung an der
Planta pedis und wird so seiner Aufgabe gerecht, den Innenrand des
Fußes ausgiebigst nach oben zu heben.
Eine ganz besondere Rolle spielt der laterale Rand des Muskels
für die Aufsuchung der A. tibialis anterior, besonders im oberen
Drittel, im unteren kommt ja nur die Sehne in Frage, lieber die
Schleimscheide — es können auch akzessorische vorkommen — ist
im besonderen Kapitel „Sehnenscheiden des Fußes" nachzusehen.
Wirkung.
I. Beim Spielbeine hat der Muskel die Aufgabe, den Fuß dorsal-
wärts zu beugen unter gleichzeitiger Hebung des medialen Fuß-
randes: Supination. Zu einer reinen Dorsalflexion muß erst seine
Wirkung durch einen Pronator ausgeglichen werden, was gewöhnlich
durch den M. peronaeus tertius oder, wenn dieser, wie es bei den
Füßen von Frohse der Fall ist, fehlt, durch den M. peronaeus brevis
unter eventueller Unterstützung durch den M. peronaeus longus ge-
schieht.
II. Beim Standbeine vollführt der Muskel eine Beugung des
Unterschenkels gegen den Fußrücken,
Es ist eine eigentümliche Tatsache, daß wir eine länger dauernde
Verlegung des Punctum fixum auf den Fuß, wie es beim Schlittschuh-
133
548 FROJJSE und M. FRÄNKEL,
laufen der Fall ist, zuerst in sehr schmerzhafter Weise empfinden, wifr
jeder Freund dieses Sportes am Anfange an sich empfunden haben
wird, ebenso beim Radfahren, Schneeschuhlaufen und Wettgehen.
Innervation.
Es müssen für diesen Muskel zahlreiche Gelenk-, ^^eriost- und
Knochennerven vo:'. mdeu sein. Die obersten Zweige liefern untere
Nerven für das Kniegelenk. Die distalen versorgen die Membrana
interossea und, wie wir dargestellt haben, die Unterschenkelgegend
bis zur Artic. talocruralis. Die Muskelnerveu selbst können in drei
Gruppen zerlegt werden, eine obere, mittlere und untere, welche
ungefähr im Mittelpunkte des zugehörigen Drittels eintreten und in
auf- und absteigende Zweige zerfallen. Zwischen den 3 einzelnen
Nerven findet sich ein Austausch von Nervenfasern, welche in unserer
Abbildung (Fig. 26) durch blaue Punkte gekennzeichnet sind. Die
mächtige Sehne erfordert auch 3 besondere Sehnennerven, welche
wir sowohl am vorderen, wie im mittleren und hinteren Aste nach-
weisen konnten.
M. extensor digitorum longus und peronaeiis tertius.
Synonyma: Langer Zehenstrecker ; Cnemo-dactyleus; Extenseur com-
mun des orteils, peroneo-sus-phalangettien (Chauss.), peroneo-tibi-sus-
phalangettien (Dum.) ; und : Dritter Wadenbeinmuskel ; Peronaeus tertius,
pars extensoris longi, quintus tendo extensoris longi; Peronier anterieur,
petit peroneo-sus-metatarsien (Chauss., Dum.),
Allgemeine Beschreibung.
Der fast ausschließlich fleischig von der Tibia, Fibula, Membrana
interossea cruris und Septum intermusculare anterius entspringende
Muskel reicht mit seinem Bauche von der Höhe der Tuberositas
tibiae bis zum Sprunggelenke. Bei Plantarflexion des Gesamtfußes
tritt sogar sein unteres Anhängsel, der M. peronaeus tertius muskulös
auf die Fußwurzel herab. Der Ansatz ist viergeteilt in der soge-
nannten Dorsalaponeurose der dreigliedrigen Zehen.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung von der Tibia liegt zwischen der lateralen An-
heftung des M. tibialis anterior und dem vorderen Umfange des
Capitulum fibulae, von welchem aus sich distal der Ursprung auf den
Schaft dieses Knochens fortsetzt bis zu ihrem letzten Viertel, größten-
teils jedoch nicht direkt, sondern erst durch Vermittelung des Septum
intermusculare laterale anterius, welches ihn von den M. peronaei
longus und brevis trennt. Die Bezeichnung „Septum" würde wohl
besser durch den Namen „Aponeurosis iutermuscularis" ersetzt. Die
einheitliche tiefe Ursprungslinie erfährt aber eine charakteristische
Unterbrechung durch einen an der Wurzel des Capitulum fibulae
beginnenden Sehnenbogen, welcher sich wie eine lange Brücke über
den N. peronaeus profundus mit seinen unbedeutenden Begleitgefäßen
ausspannt. Der Ursprung von der Membrana interossea kann nur
proximal stattfinden, etwa in ihrem oberen Viertel, weil die beiden
mittleren durch den M. extensor hallucis longus in Anspruch ge-
134
M. extensor digitorum longus und peronaeus tertius. 549
nommen werden. Der Muskelbauch besteht aus parallelfaserigen
Bündeln, welche, wie man sagt, gefiedert sind und gegen eine sich
bereits hoch oben an der Facies superficialis entwickelnde Sehne kon-
vergieren. Diese ist mitunter weit gegen die anderen gesondert und
geht zur 2. Zehe, wodurch ihr auch, wie dem Zeigefinger, eine be-
sonders bevorzugte Stellung gegenüber den jmf'eren Zehen verschafft
wird. Die Sehnen für die 3. bis 5. Zehe werasii erst allmählich im
distalen Viertel des Unterschenkels oberflächlich, und, wie bereits
gesagt, der letzte Abschnitt, der mitunter fehlende M. peronaeus tertius,
erst in der Höhe der Fußwurzel. Die über dem Sprunggelenke ge-
legene Sehnenscheide findet hinterher ihre gesonderte Besprechung.
Die Sehnen für die Zehen sind hier bereits stark abgeplattet und
wenden sich lateralwärts divergierend zu ihnen hin.
Der M. peronaeus tertius ist, vom M. palmaris longus abgesehen,
wohl der wechselvollste Muskel des menschlichen Körpers, einesteils
kann er nicht allein vollkommen fehlen, andererseits überhaupt nicht
vom M. extensor digitorum longus sich entwickeln, sondern teilweise
oder ganz aus dem M. peronaeus brevis. Der Muskelbauch ist mit-
unter untrennbar mit dem M. extensor digitorum verschmolzen und
wird auch in dieser Region von absteigenden Nerven versorgt,
andererseits haben wir einen Fall beobachtet, wo er vollkommen ge-
sondert einen rückläufigen Eigeuzweig erhielt, der in der Höhe der
Malleolenbasis aus dem N. peronaeus profundus entsprang. Die nor-
male Anheftung findet nicht allein an der Basis des 5., sondern auch
des 4. Os metatarsale statt, in Y-förmiger Teilung an der Grenze
beider Knochen. Recht häufig findet sich sogar eine Nebensehne,
welche die Fascia interossea dorsalis pedis lateral verstärkt und sich
bis zur Artic. metatarsophalangea quinta verfolgen läßt. Unabhängig
oder auch gleichzeitig kann sich aber auch aus dem M. peronaeus
brevis eine schwache Nebensehne loslösen, welche an der lateralen
Seite des Fußrückens im Schutze des lateralen unteren Zipfels des
Lig. cruciatuni sich ebenfalls bis zu dem eben genannten Gelenke
verfolgen läßt. Der Einzelfall bestimmt die Beschreibung dieses
physiologisch meist wenig bedeutsamen Muskels.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis des Gesamtmuskels liegt unter der Haut
und Fascie und wird nur im distalen Drittel von wichtigeren Ge-
bilden überkreuzt, nämlich dem oder den beiden Endästen des N.
peronaeus superficialis. Die Facies lateralis ist senkrecht gestellt
und entspricht dem Septura (Aponeurosis) intermusculare anterius.
Beim Uebergange in die Facies profunda findet sich im proximalen
Viertel der Sehnenbogen für den N. peronaeus profundus. Im übrigen
entspricht sie der Fibula und der Membrana interossea. Die Facies
medialis ist die wichtigste, weil sie chirurgisch zur Aufsuchung der
A. tibialis ant. benutzt wird. Hierbei ist zu bemerken, daß der Spalt
zwischen diesem Muskel und seinem Nachbar, dem M. tibialis ant.,
durchaus nicht senkrecht von oben nach unten geht, sondern gemäß
der ausgesprocheneu Spindelform des letzteren eine Delle oder Aus-
kehlung in der Mitte des M. extensor digitorum longus erzielen muß.
Betrachtet man das Gesamtbild der Oberfläche, so hat der Vergleich
mit einer plankonkaven Linse nichts Sonderbares. Die plane Seite
135
550
FROHSE und M. FRÄNKEL,
liegt lateral, die konkave medial. Der proximale Ursprung von der
Tibia entspricht der oberen queren Fläche der Linse, das in der
N. pcronaeus communis
Hiatus peronaealii
N. peronacus prof
R. musculares pro
peronaeo longo
Septum intermuscula
ant,
M. ext. dig.
Hiatus peronaealis superficialis
cum nervo
Tendo m. peronaei longi
M. peronaeus brovis
M. peronaeus tertius
Fig. 27. M. peronaeus longus und extensor digitorum longus + peronaeus tertius,
Muskel- und Nerven bild.
[36
M. extensor hallucis longus. 551
Köhe des Sprunggelenkes gelegene Ende des Muskelbauches der
unteren.
Wirkung.
I. Bei freischwebendem Fuße wirkt der Muskel als Zehenstrecker
für die Grundphalanx, mit dem M. peronaeus tertius auch als Dorsal-
beuger des Gesamtfußes unter gleichzeitiger Abduktion.
II, Bei feststehendem Fuße nähert er die Vorderfläche des Unter-
schenkels zum Fußrücken; siehe auch das besondere zusammen-
fassende Kapitel über Fußbewegungen.
Innervation.
Das Innervationsbild ist ein langgestrecktes, jedoch beschränken
sich die extramuskulären Zweige auf die proximale Hälfte. Kurze
Aeste versorgen den Ursprung, ein lang herabsteigender Zweig ist
für den unteren Hauptteil bestimmt. Wir finden als besondere Ein-
richtung einen vorderen Sehnennerven und einen hinteren, welcher
auch zur Membrana interossea sich wendet. Aus diesen beiden Zweigen
entwickeln sich aber Anastomosen zum Mittelzweige, welchem die
Hauptaufgabe der Muskelinnervation obliegt.
31. extensor hallucis longus.
Synon3^ina: Langer Großzehenstrecker; Extenseur propre du gros
orteil, peroneo-sus-phalangettien (Chauss.), peroneo-susphalanginien (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Der spindelförmige Muskel entspringt vom zweiten Viertel des
Unterschenkels bis in das vierte hinein und schickt seine Sehne durch
ein besonderes Fach unter dem Lig. cruciatum pedis nach medial zur
Nagelphalange der großen Zehe.
Idiotopie und Skeletopie.
Er stellt das verkleinerte, in die Tiefe gerückte Bild des M. ex-
tensor digitorum longus dar, mit dem er jedoch parallel verläuft, im
Gegensatze zu den entsprechenden Muskeln des Daumens und der
dreigliederigen Finger. A\'ir müssen nach dem Grunde suchen und
finden ihn durch die Anordnung der Knochen. Die beiden Uuter-
schenkelknochen liegen unter allen Umständen bei sämtlichen Be-
wegungen des Fußes parallel nebeneinander. Am Arme dagegen ist
der M. extensor pollicis longus den ausgiebigsten Lageveränderungen
bei der Pro- und Supination ausgesetzt und unterkreuzt, da diese
Bewegungen sich bereits zwischen den Vorderarmknochen vollziehen,
den M. extensor digitorum communis.
Der Ursprung betrifft 1) den distalen Abschnitt der Fibula in
den angegebenen Grenzen, 2) das Septum intermusculare anterius und
3) die Membrana interossea cruris. Die Endsehne erreicht erst un-
gefähr in der Mitte der Fußwurzel die Oberfläche. Die Muskelbündel
konvergieren gegen die bereits in der Mitte des Unterschenkels ober-
flächlich werdende Endsehne, welche noch bis zum Sprunggelenke die
letzten parallelen Bündel aufnimmt, hier noch drehrund ist und erst
bei der Reibung über die Artic. talonavicularis sich abplattet. Der
137
552 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Ansatz läßt sich als sich immer mehr verbreiternde Aponeurose bis
zur Nagelphalanx verfolgen ; Nebensehnen über dem Os metatarsale I
sowohl lateral, wie vor allen Dingen zur medialen Seite der Artic.
metatarsophalangea kommen außerordentlich häufig vor.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel stellt die tiefe Schicht der Extensoren dar, von deren
oberflächlicher Lage er wie durch eine Kappe umschlossen wird,
lateral durch den M. extensor digitorum longus, medial durch den
M. tibialis ant. Zwischen letzterem und ihm liegen hart auf der Mem-
brana interossea cruris die langen vorderen Abschnitte der Vasa
tibialia ant. und des N. peronaeus profundus. Die Beziehungen der
Endsehne werden im Bereiche des Sprunggelenkes bei den Sehnen-
scheiden erörtert, im Endteile geben sie zu keiner besonderen Be-
schreibung- Veranlassung, es müßten sonst die Hautveneu und -nerven,
oder in der Tiefe die Gelenke ausführlich berücksichtigt werden.
Wirkung.
Bei freischwebendem Fuße streckt er nicht allein die Grund-
phalanx, sondern vor allem die Nagelphalanx, im Gegensatze zu den
dreiglied erigen Zehen, bei welchen diese Wirkung durch den M. ex-
tensor digitorum brevis und nicht, wie an der Hand, durch die M.
interossei ausgelöst wird. Bei fixiertem Fuße beugt er die Vorder-
fläche des Unterschenkels gegen den Fußrücken. Bei Geübteren,
z. B. bei Berufstänzerinnen, hat er die wichtige Aufgabe, die Wir-
kung derjenigen Muskeln zu regeln, welche die Aufrichtung, d. h. das
Balancieren auf nur einer großen Zehe ermöglichen. Dies wird er-
reicht durch sämtliche Muskeln, welche an der medialen Seite der
Beugeseite des Fußes anheften, sowohl an den Phalangen, am Os
metatarsale I, cuneiforme I, naviculare und Calcaneus. Der zusammen-
fassende Name „Beuger" wäre hier nicht angebracht, weil hier noch
andere Muskeln, wie die M. peronaei, in Frage kommen. Diesen
Muskeln wirkt der M. extensor hallucis longus, wenn auch nicht aus-
schließlich, so doch sehr energisch entgegen.
Innervation.
Dieser Muskel hat eine freie Endsehne, welche mit ihrer medialen
Kante sich genau gegenüber dem Ursprünge von der Fibula zur
Tibia wendet. Die Muskelbündel laufen also teils von der Oberfläche
aus, teils von der Tiefe zur Endsehne. Die Nerven sind darum auch
doppelt verwirklicht in Gestalt eines oberflächlichen und eines tiefen
Zweiges, welchen sich noch ein dritter, sogenannter Sehnennerv zu-
gesellt. Der Hauptnerv ist der hintere, welcher ungefähr Vr, der
Muskelmasse versorgt. Der oberflächliche vordere Nerv liefert nur
ganz wenige Muskelzweige; jedoch darf er nicht außer acht gelassen
werden, weil er nicht allein im proximalen Teile, sondern auch im
mittleren und distalen mehrfache Anastomosen mit dem hinteren
Aste eingeht.
M. peronaei.
Synonyma: Wadenbeinmuskeln, Außengruppe des Unterschenkels;.
Region externe.
138
M. peronaeus longus. 553-
AllgemeineBeschreibung-.
Die Bezeichnung dieser Muskeln ist gut, weil der Ursprung und
der ganze Verlauf im Bereiche des Unterschenkels an der Außen-
und schließlich der Hinterfläche des Wadenbeines gelegen ist; aber
ein kleiner Ursprung des M. peronaeus longus von der Tibia ist nicht
zu vernachlässigen. In scharfer Weise sind sie abgegrenzt gegen
die Nachbargruppen, vorn die Extensoren, hinten die Flexoren. Hier
ergibt sich ein Unterschied zwischen Vorderarm und Unterschenkel,
indem am letzteren zwei deutliche Septa intermuscularia vorhanden
sind, welche an der Außenseite des Vorderarmes nicht in einfacher
Weise dargestellt werden können. Die M. peronaei longus und
brevis begeben sich beide zum Außenrande des Fußes, der kurze zu
dem lateralen Rande, der lange diesen zunächst umfassend und dann
in der Fußsohle selbst zur medialen Seite des Fußes, zum 1. Mittel-
fußknochen. Die Hauptwirkung beider Muskeln ist die gleiche, den
äußeren Fußrand zu heben, eine Bewegung, welche als Pronation be-
zeichnet wird, jedoch kommt dem M. peronaeus longus eine zweite
Aufgabe zu, da er durch seine starke Sehne das Fußgewölbe im
lateralen Teile emporhebt und in dieser Beziehung ein Synergist des
M. tibialis posterior genannt werden kann. Die Muskeln werden ver-
sorgt vom R. superficialis n. peronaei. Wichtig ist die Durchbohrungs-
stelle des M. peronaeus longus etwa daumenbreit unterhalb des Capi-
tulum fibulae, weil bei Ischias mit Leichtigkeit hier die Druck-
empfindlichkeit festgestellt werden kann, aber auch beim Gesunden
läßt sich der Nerv mitunter recht gut um das Capitulum fibulae
herumrollen und antwortet mit dem Schmerzgefühle im peripheren
Gebiete, d. h. dem Hauptteile des Fußrückens.
M. peronaeus longus.
Synonyma : Langer Wadenbeinmuskel ; Peronaeus posticus, s. primus
tibulaeua longus; Long peronier lateral, peroneo-sous-tarsien (Chauss.)^
tibio-peroneo-tarsien (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Dieselbe ist bereits durch die allgemeine Beschreibung beider
M. peronaei erledigt.
Idiotopie und Skeletopie.
Er stellt die äußere Schicht der Wadenbeinmuskeln dar, ent-
springt jedoch mit einem kleineren Beziike noch von der Tibia. Der
Muskelbauch ist doppelt gefiedert, jedoch beginnt das distale Ende
nicht in der gleichen Höhe, vorn weniger weit proximal, als hinten.
Die freie Endsehne erscheint bereits an der Grenze des proximalen
und mittleren Drittels des Unteischenkels. In seinem distalen Drittel
wird sie vollkommen frei und bettet sich in den M. peronaeus brevis
hinein, wobei sie gleichzeitig den entsprechenden Teil der Oberfläche
des letzteren Muskels sehnig umwandelt. Zunächst findet sich noch
keine Sehnenscheide, sondern nur lockeres Bindegewebe, welches
allerdings bei Entzündungen [s. Küttner^)] in Mitleidenschaft ge-
1) Zur Kenntnis der normalen Sehnenscheidenanatomie und der Tendo-
\ aginitis crepitans, Centralbl. f. Chirurgie, 1907, No. 31, 8. 100—103, Selbstbericht.
139
554 FROHSE und M. FRANKE L,
zogen werden kann. In der Höhe des Malleolus lateralis liegt die
Endsehne in einer gemeinschaftlichen Scheide mit dem M. peronaeus
brevis, demgemäß festgehalten durch ein gemeinschaftliches Reti-
naculum peronaeorum superius gegen das Wadenbein. An der Fuß-
wurzel tritt allmählich der gesonderte Verlauf der Sehnen beider M.
peronaei ein. Es findet sich an der Außenseite des Calcaneus ein
individuell verschieden stark ausgeprägter Knochenvorsprung, Pro-
cessus trochlearis; dicht darunter begibt sich die Sehne zur Fuß-
sohle. Für gewöhnlich wird der Ansatz beschrieben als ausschließ-
liche Anheftung an der Basis des 1. Mittelfußknochens, an der Tube-
rositas ossis metatarsalis I, hier müssen wir jedoch einschalten, daß
normal auch noch eine Anheftung am Os cuneiforme 1 stattfindet,
auf deren praktische Bedeutung für die LiSFRANCsche Operation der
Berliner Chirurg A. v. Bardeleben immer hingewiesen hatte. Ferner
findet sich außerordentlich oft eine distale Sehnenkonjugation mit dem
M. interosseus dorsalis I.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht nur der Haut und Fascie ;
nennenswerte Gefäße oder Nerven finden sich nicht. Der Margo
anterior ist von der Extensorengruppe abgegrenzt durch ein ziem-
lich einheitliches Septum intermusculare ant., jedoch ist eine proxi-
male Lücke zu betonen für den Durchtritt des N. peronaeus pro-
fundus, etwa 5 cm distal von der Spitze des Capitulum fibulae. — Beim
N. peronaeus superficialis kann man im Zweifel sein, ob man die
Durchbohrungsstelle zur Extensoren- oder Peronäalgruppe rechnen
soll. Sie liegt, wenn sie nicht doppelt verwirklicht ist, an der Grenze
des mittleren und distalen Drittels und muß auch nach unserer Auf-
fassung zur Wadenbeingruppe gerechnet werden , weil sie keinen
Zweig zu den Extensoren schickt. Der hintere Rand ist von den
Flexoren durch das Septum intermusculare posterius getrennt, besitzt
aber dicht distal vom Capitulum fibulae eine besondere Lücke, durch
welche der N. peronaeus communis seinen Weg nimmt. Der obere
Rand geht von der Fibula herüber zur Tibia und stellt einen etwa
2 cm breiten Ursprung dar. Der Ansatz liefert eigentlich nur eine
Spitze, welche am 1. Mittelfußknochen gelegen ist, und zwar an seiner
Plantarseite. Die Facies profunda deckt vom mittleren Unterschenkel-
drittel an den M. peronaeus brevis. Die Lagebeziehungen an der Fuß-
sohle erledigen wir dort. —
Der N. peronaeus communis sondert sich sehr oft schon im
Bereiche des Beckens aus dem N. ischiadicus und erzeugt, falls er den
M. piriformis durchbohrt, ein Foramen i n t r a piriforme. Der weitere
Verlauf am Oberschenkel gibt ihm nur Veranlassung, dem kurzen
Kopfe des M. biceps femoris motorische Elemente zuzuführen. Erst
mit der Kniekehle und besonders dem Capitulum fibulae gewinnt
dieser Nerv Beziehungen zu Unterschenkel und Fuß.
Im oberen Abschnitte der Kniekehle teilt sich normalerweise der
N. ischiadicus in seine beiden Komponenten, den stärkeren N. tibialis
und den schwächeren N. peronaeus communis. Aber wenn auch das
scheinbar nicht der Fall ist, ist man doch imstande, im Augenblicke
die stumpfe Trennung bis zum Foramen ischiadicum durchzuführen.
T- Der N. peronaeus communis hält sich an das Wadenbein und umfaßt
140
M. peronaeus brevis. 555
diesen Knochen an der lateralen und vorderen Fläche, Etwas distal
vom Capituluni fibulae vollzieht sich die Sonderung in die R. super-
ficialis und profundus. Der R. superficialis durchbohrt zunächst den
Ursprung- des M. peronaeus longus, versorgt die M. peronaei longus
und brevis und liefert außerdem den wichtigsten Hautnerv für den
Fußrücken, den N. peronaeus superficialis.
Der R. profundus versorgt die Streci^gruppe, d. h. die M. tibialis
anterior, extensor digitorum longus und extensor hallucis longus, am
Fuße die kurzen Strecker und mit sensiblen Zweigen das Spatium
interosseum I; um zu den genannten Muskeln zu gelangen, muß er
eine Durchbohrung durchmachen, welche gewöhnlich als dem M. ex-
tensor digitorum longus zugehörig beschrieben wird. Wir müssen jedoch
unsere eigenen Erfahrungen mitteilen. Dieser in der Tat vorhandene
Sehnenbogen gehört nicht allein der oberflächlichen Schicht an, sondern
ebensosehr der tiefen und stellt einen proximalen Ursprung der
M. peronaeus brevis und extensor hallucis longus dar, welche so ihren
Ursprung vom Wadenbeine bis zur Tibia emporschieben.
Innervation.
Der Nerv für den doppelt gefiederten M. peronaeus longus liegt
am meisten oberflächlich in der Bahn des N. peronaeus communis
und deckt sogar, wie unsere Abbildung (Fig. 27) zeigt, den N. pero-
naeus profundus teilweise zu. Unmittelbar nach dem Eintritte in den
Hiatus peronaealis communis teilt er sich in 3 Zweige, einen hinteren,
mittleren und vorderen. Dei- hintere Zweig bleibt etwa 4 cm extra-
muskulär, der mittlere 2 und der vordere 6 cm. Indessen handelt
es sich um keine absolute Trennung der Nervenbahnen. Es kommen
nämlich bereits hoch oben am Ursprünge Anastomosen vor, welche
das innere Nerveubild vollkommen verändern können. Die Anasto-
mosen ändern jedoch nichts an dem Aufbau des Muskels selbst,
welcher in drei Komponenten zerfallen muß, nämlich in eine hintere
schräge Fiederung und eine vordere mit umgekehrter Richtung und
schließlich in eine dritte, welche sich keilartig vom Ursprünge aus
herunterbegibt bis zum Beginne der Endsehne. Der Ursprung, welcher
teilweise au der Fibula liegt, teilweise noch an der Tibia, erzeugt
einen besonderen Sehnenbogeu, unter welchem der N. peronaeus
communis verschwindet. Für diesen praktisch wichtigen Punkt, welcher
als zweiter Druckpunkt für die Ischias am unteren hinteren Umfange
des Capitulum fibulae bekannt ist, müssen wir einen besonderen Kanal
unterscheiden, dessen oberer Eingang von uns als Hiatus peronaealis
communis beschrieben und abgebildet ist.
Die innere Innervation zeigt nur wenige Anastomosen zwischen
den Hauptästen in sich und dem mittleren Zweige, welcher haupt-
sächlich als Sehnennerv aufzufassen ist.
M. peronaeus brevis.
Synonyma: Kurzer Wadenbeinmuskel; Peronaeus anticus, s. secun-
dus, s. semi-tibulaeus ; Court peronier lateral, grand peroneo-sus-metatarsien
(Chauss., DtJM.).
Allgemeine Beschreibung s. oben.
141
556 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Idiotopie und Skeletopie.
Er entspringt in der gemeinschaftlichen Loge der Wadenbein-
muskeln in wechselnder Höhe, je nachdem, wie weit der M. peronaeus
longus sich distalwärts erstreckt. Für gewöhnlich wird als Beginn
der Anfang des mittleren Drittels des Unterschenkels angegeben. Das
Ende läßt sich bis in die Nähe des Malleolus lateralis verfolgen.
Außerdem entspringt er von den beiden Septa intermuscularia, welche
ihn von den benachbarten Beugern und Streckern trennen. Die End-
sehne geht zur Tuberositas ossis metatarsalis V, an dessen äußerstem
Punkte sich jedoch der proximale Zipfel des M. abductor digiti quiuti
ansetzen kann, aber regelmäßig ein starker Zug der Plantarapo-
neurose anheftet.
Holotopie und Syntopie.
Der Muskel kann selbstverständlich erst die Oberfläche erreichen
mit dem Ende des M. peronaeus longus, d. h. er wird voin früher
sichtbar als hinten. In der Höhe des äußeren Knöchels legt sich die
nunmehr vollkommen frei gewordene Endsehne scharf in den ent-
sprechenden Sulcus malleolaris hinein. Dann aber ändert sich die
Lage der Sehnen der beiden Wadenbeinmuskeln, indem die bis dahin
tiefere des M. peronaeus brevis die Oberfläche gewinnt, sich am Außen-
rande des Fußes anheftet, während die Sehne des langen Muskels zur
Tiefe hin verschwindet. Die kurze Sehne verläuft dorsal vom Pro-
cessus trochlearis und hat hier eine besondere Schleimscheide, welche
sich als vorderer Abschnitt der gemeinschaftlichen Peronäalscheide
bis in die Nähe der Tuberositas ossis metatarsalis V fortsetzt. Be-
sonderheiten sind bei den Sehnenscheiden angegeben.
Innervation.
Der M. peronaeus brevis bekommt seine Nerven ausschließlich
von der Facies superficialis. Der einheitliche Stamm teilt sich kurz
nach dem Beginne des Muskels in zwei Zweige. Der hintere ist der
stärkere und versorgt mehr als die Hälfte der Muskelmasse. Der
vordere Ast ist schwächer, hängt aber durch mehrfache Anastomosen
mit dem vorderen Zweige zusammen; ein Austausch von motorischen
Fasern zur Innervierung der Muskelbündel selbst erscheint uns wahr-
scheinlich.
Wirkung.
Die Wirkung beider Muskeln beginnt erst etwas distal vom Mal-
leolus lateralis. Der M. peronaeus brevis, welcher schräg nach unten
lateral zieht, nähert also den 5. Mittelfußknochen der Spitze des
äußeren Knöchels, und zwar mit großer Kraft, weil der ansehnliche
Muskelbauch nur mit einer kurzen Sehne verbunden ist.
Der M. peronaeus longus hat dieselbe Wirkung und äußert sie
in noch kräftigerer Weise, indem er durch die Anheftung am ersten
Metatarsalknochen die Innenseite des Fußes nach unten zieht und so
den Außenrand des Fußes hebt. W^enn dieser fixiert ist, wirken beide
Muskeln gemeinschaftlich und richten den Unterschenkel gegen die
Fußsohle auf, indem sie die Fibula und damit den ganzen Unter-
schenkel dem hinteren Teile des Calcaneus nähern.
142
M. gastrocnemius. 557
M. gastrocnemius.
Synonyma: Zwillingsmuskel der Wade, Wadenbauchmuskel ; M, ge-
melli surae (B.); Jumeaux, gastrocnemiens, bi-femoro-calcaniens.
Allgemeine Beschreibung.
Dieser mächtige Muskel mit seinen beiden Bäuchen, welche als
Caput mediale und laterale unterschieden werden, entspricht in seinem
Baue einigermaßen dem deutschen Namen, jedoch ist der innere Kopf
normalerweise der stärkere, reicht sowohl proximal weiter am Ober-
schenkel zum Epicondylus medialis herauf, wie auch mit dem Ansätze
an der Achillesseline gegen den Fuß. Die Wölbung der Wade, deren
oberflächliche Schicht er bildet, verdankt ihre nach Alter, Geschlecht
und Rasse sehr verschiedene Entwicklung im wesentlichen dem M. so-
leus, der jedoch meistens als Trabant der Zwillingsmuskeln aufgefaßt
wird. Die Zusammengehörigkeit der drei Muskelbäuche gibt sich
durch die Vereinigung in dem gemeinschaftlichen Tendo calcaneus,
der Achillessehne, kund, welche nicht am oberen hinteren Ende des
Calcaneus ansetzt, sondern etwas unterhalb der Mitte der Rückseite
dieses Knochens, wo die in Sprunggelenkhöhe verhältnismäßig schmale,
aber sehr starke Sehne wiederum ihre beträchtlichste Verbreiterung
unter gleichzeitiger Abplattung erfährt. Im proximalen Abschnitte
dieser Fläche findet sich regelmäßig am Knochen eine glatte Stelle,
hervorgerufen durch die B. calcanea, deren Verletzung und Entzündung
beim Pfeilschusse des Paris auf den Achilles zum Tode des letzteren
geführt haben kann. Aus dieser durch die Sage überlieferten An-
schauung erklärt sich wohl die Scheu der Chirurgen vor der
LiSTERschen Aera, den Spitzfuß, Pes equinus, durch offene Tenotomie
zu behandeln. — Der Wichtigkeit halber* sei hier auf die Wirkung
besonders hingewiesen, welche gerade der M. gastrocnemius ausübt,
je nachdem der Ursprung am Femur oder der Ansatz am Calcaneus
das Punctum fixum oder mobile ist, ob also nach unserer bei allen
praktisch wichtigen Muskeln durchgeführten Darstellung ein Standbein
oder Spielbein vorliegt ; bei letzterem, einer Stellung, welche auch im
Sitzen gegeben ist, zieht der M. gastrocnemius den Fuß mit der Sohlen-
fläche nach hinten hin. Diese Bewegung wird von dem Laien vielfach als
Fußstreckung bezeichnet ; dabei kämen wir dann zu dem unangenehmen
Widerspruche, daß der M. gastrocnemius, ein Muskel der Beuge-
seite, den Fuß strecken würde. Und in gleicher Weise würde die
umgekehrte Bewegung, Näherung des Fußrückens gegen die Vorder-
seite des Unterschenkels, welche von den Laien als Fußbeugung be-
zeichnet wird, zu Mißverständnissen führen können. Diese Bewegung:
wird ausgelöst durch die gemeinschaftliche Zusammenziehung des
M. tibialis anterior auf der medialen Seite und der M. peronaei auf der
lateralen Seite, also durch die Streck- und Wadenbeinmuskeln. In-
wieweit auf der lateralen Seite die M. peronaeus tertius, brevis oder
sogar longus in Tätigkeit treten, interessiert uns an dieser Stelle nicht.
— Jedenfalls gehen wir sämtlichen Schwierigkeiten aus dem Wege,
wenn wir von der Grundstellung ausgehen, wenn Fuß- und Unter-
schenkel einen rechten Winkel miteinander bilden. Eine Neigung des
Fußrückens gegen die Vorderfläche des Unterschenkels kann unter
allen Umständen als Dorsalflexion oder P'ußrückenbeugung be-
143
558 FROHSE und M. FRÄNKEL,
zeichnet werden, eine Näherung der FuiJsohle gegen die Rückseite
des Unterschenkels als Plantarflexion oder Fußsohlenbeugung.
Bildet dagegen der Fuß das Punctum fixum, so tritt eine ganz
andere Aufgabe zutage. Man kann sich hiervon am besten eine Vor-
stellung machen, wenn man bei fest aufstehenden beiden Füßen und
verschränkten Armen sich auf einen Stuhl niederlassen will. Dann
ist der M. gastrocnemius der wichtigste Muskel, welcher in keine
Beziehung zu den Unterschenkelknochen tritt, sondern unmittelbar
Fuß und Oberschenkel miteinander verbindet, diese Teile also bei
seiner Zusammenziehung einander nähert. Daß dem M. plantaris —
wenigstens beim Menschen, bei dem er häufig verkümmert ist oder
gänzlich fehlt — keine besondere Rolle zukommt, dürfte ohne weiteres
verständlich sein. Anders verhält es sich dagegen mit dem M. popli-
teus, der zwar nur kurz ist, aber vermöge seiner günstigen Ur-
sprungs- und Ansatzbedingungen als ein trefflicher Synergist des
M. gastrocnemius in bezug auf diese Tätigkeit aufzufassen ist. Ob-
wohl örtlich der Vergleich nicht zutrifft, läßt sich ein solcher doch
mit den M. biceps brachii und brachialis ziehen, bei denen ja auch
der M. biceps, vergleichbar dem M. gastrocnemius, einen zweigelenkigen
Muskel darstellt, welcher zwei Gelenke überbrückt — hier Schulter-
und Ellenbogengelenk, dort Knie- und Sprunggelenk — während so-
wohl die M. brachialis, wie popliteus nur je ein Gelenk zu überbrücken
haben — hier Ellbogengelenk, dort Kniegelenk. — Als dritter
Beugemuskel des Oberschenkels gegen den Unterschenkel kommt in
Betracht der kurze Bicepskopf. Auch der Masse nach sind so die
Flexoren imstande, dem M. extensor triceps das Gleichgewicht zu
halten, wenn dieser bei feststehenden Füßen eines sitzenden Menschen
die antagonistische Wirkung auszulösen hat, den vorher gebeugten
Oberschenkel gegen den Unterschenkel zu strecken, wie es beim
Aufrichten der Beine ohne Unterstützung durch die Armmusku-
latur der Fall ist. Bei aufgestütztem einen oder sogar beiden
Armen wird ein Hauptteil der Aufrichtung des Körpers durch die
Arm-Rumpfmuskulatur ausgelöst. Krücken, Stöcke oder Schirme
stellen selbstverständlich auch nur eine Entlastung der M. tricipites
femoris dar.
IdiotopieundSkeletopie.
Er entspringt teils sehnig, teils muskulös vom Epicondylus
medialis femoris. Der sehnige Ursprung wird gewöhnlich zu beiden
Seiten von Muskelbündeln überragt. In der Höhe des Kniegelenk-
spaltes erfährt die mediale Seite eine Reibung durch die Insertions-
sehne des M. semimembranosus, wodurch drei wichtige Erscheinungen
ausgelöst werden: 1) die Muskulatur wird hier zum Schwunde ge-
bracht, 2) in räumlicher Anpassung tritt eine lateral konvexe Aus-
biegung des Bauches ein, und 3) entwickelt sich ein Schleimbeutel,
die Bursa gastrocnemio-semimembranosa.
Daß dieser Schleimbeutel normalerweise kaum jemals mit der Knie-
gelenkshöhle zusammenhängt, ist nach 10 in Gegenwart von K. v. Barde-
leben gemachten Präparaten von Frohse bereits 1904 im Atlas der
topographischen Anatomie von v. Bardeleben, Häckbl und rROHSS
beschrieben worden.
144 •
M. gastrocnemius. 559
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis umfaßt beinahe die ganze Oberfläche des
Muskels und verschwindet nur in der Kniekehle zum Ursprünge von
den beiden Epicondyli. Der mediale Kopf legt sich au den M. semi-
inembranosus heran und erzeugt durch die Reibung gegen dessen
Kudselme die B. gastrocnemio-semimembranosa, welche mit der Höhle
des Kniegelenkes kommunizieren kann. Das Caput laterale ver-
x-hwindet unter dem M. biceps femoris, und es braucht an dieser
Stelle sich kein Schleimbeutel zu entwickeln. Ein solcher würde auch
den X. peronaeus communis in Mitleidenschaft ziehen. Die Facies
medialis sowohl, wie die lateralis liegt unterhalb der Kniekehle voll-
kommen frei unter Fascie und Haut. Bei der Facies superficialis ist
noch nachzutragen, daß diese aus einem muskulösen und tendinösen
Abschnitte besteht. Der muskulöse hört ungefähr in der Mitte des
Unterschenkels auf, nicht in einer horizontalen Linie, sondern in einer
-chrägen, welche den äußeren Kopf weiter oben und den inneren
weiter unten endigen läßt.
Die Facies profunda deckt den unteren Teil der Kniekehle zu
und besonders die Hinterfläche des M. soleus, welcher am Unter-
schenkel an beiden Seiten des M. gastrocnemius die Oberfläche ge-
winnt. In lockeres Bindegewebe eingebettet findet man oft den M.
l)lantaris, welcher vom Epicondylus lateralis zur medialen Seite des
Calcaneus zieht, also nicht senkrecht verläuft, sondern schräg die
Achse des Unterschenkels kreuzt. Der obere Rand ist geteilt, weil
er sich zu beiden Epicondyli femoris wendet, der untere Rand oder
die Spitze ist einheitlich, weil sie sich gemeinschaftlich an der hinteren
Fläche des Calcaneus anheftet.
Im oberen Drittel des Unterschenkels haben wir als Charakte-
ristikum den prachtvoll glänzenden Sehnenspiegel, welcher die mittleren
zwei Viertel des Muskels einuimmt und erst an den freien Rändern,
d. h. nach medial, unten und lateral, freie Muskelbündel von ungefähr
3—5 cm Länge hervorgehen läßt, welche so recht die Muskelmasse
darstellen. Die Einpflanzung in die Achillessehne geschieht in einem
scharfen Knicke, so daß an geeigneten Modellen der Uebergang des
Muskelbauches in die Achillessehne mit aller Deutlichkeit durch die
Haut hindurch eikannt werden kann. Der obere Rand bildet die
untere Begrenzung der Kniekehlenraute, entzieht sich jedoch der
äußeren Betrachtung. Auch der mediale Rand ist in der proximalen
Hälfte recht undeutlich, weil nämlich hier die eigentliche Patte d'oie,
der anatomische Gänsefuß, sich in strafter Weise mit der Fascia cruris
verbindet. Erst die distale Hälfte des Muskelbauches kann sich durch
die Haut hindurch kundgeben. Recht deutlich ist aber häufig das
distale Ende des Gesamtbauches und schiebt sich zungenartig auf den
breiten Beginn der Achillessehne hinüber. Der laterale Rand, welcher
mit dem äußeren Zwillingsmuskel zunächst zusammenzustoßen scheint,
entzieht sich der genauen Kenntnisnahme durch die Haut hindurch,
weil in der Rinne zwischen diesen beiden Köpfen die V. saphena
parva in Begleitung des N. communicans tibialis ihren Weg nimmt.
Die Facies profunda des Muskels ist im wesentlichen sehnig ; proximal
hängt sie mit der hinteren Wand der Kniegelenkskapsel eng zu-
sammen, wird jedoch mitunter durch einen Schleimbeutel von dem
Gelenke getrennt. Distal vom Kniegelenksspalte bekommt der
Handbuch der Anatomie. II, u, 3. 36
560
FROIISE und M. FRÄNKEL,
N. pro capite laterali
Fig. 28. M. gastroenemius dexter, Nervenbild der Facies profundf
146
M, plantaris. 561
Beschreibung zu Fig. 28.
Das Präparat ist in der Weise abgebildet, daß durch einen Längsschnitt über
der Mitte der beiden Sehnenspiegel die Muskelbündel auseinandergedrängt sind, um
eine leichtere Uebersichtlichkeit des sonst zu sehr gedrängten Nervenbildes zu ge-
winnen. Der extramuskuläre Verlauf, d. h. die Eintrittsstelle der Nerven, liegt
bereits ganz proximal im oberen Fünftel. Schematisch sind es 3 Zweige, von
denen der obere den proximalen Sehnennerven liefert und außerdem noch das
proximale Drittel des Miiskels zum größten Teile versorgt. Der mittlere Zweig ist
der stärkste, weil ja in diesem Drittel die Hauptmasse der Muskelsubstanz vor-
handen ist. Der dritte untere Zweig versorgt die ganze mediale Partie des Muskel-
bauches. — Aber es muß betont werden, daß keinerlei Anastomosen zwschen den
Nerven für den lateralen und den medialen Kopf von uns nachzuweisen waren.
Das distale Drittel wird hauptsächlich vom mittleren Aste aus versorgt. Es wäre
möglich, daß die zahlreichen Anastomosen auch dem oberen und unteren Zweige
eine größere Beteiligung bis zur Endsehne herunter geben könnten. —
Muskelbauch eine ausgiebige Bewegungsfreiheit durch die Gegenwart
eines sehr lockeren Bindegewebes, welches ihn von dem M. soleus
trennt. Auch praktisch darf diese Tatsache nicht außer acht gelassen
werden, da es nur aus diesem Grunde möglich ist, in den Operations-
kursen beim Aufsuchen der A. tibialis posterior im oberen Drittel
den Muskelbauch so ausgiebig zur Seite zu schieben.
Wirkung.
I. Der zweigelenkige Muskel beugt bei frei beweglichem Fuße die
Fußsohle gegen die Rückseite des Unterschenkels, bis beide fast in
eine Linie zusammenfallen (Spitzfußstellung).
II. Wenn der Fuß das Punctum fixum darstellt, muß der Ober-
schenkel gebeugt werden. Diese Bewegung führen wir im gewöhn-
lichen Leben aus, wenn wir uns auf einen Stuhl setzen wollen.
Turnerisch wird die Bewegung als tiefe Kniebeuge bezeichnet.
M. plantaris.
Synonyma: Fußsohlenmuskel ; Extensor tarsi minor; M. plantaire
grele, petit f^moro-calcanien (Chauss., Dum.)
Allgemeine Beschreibung.
Der inkonstante Muskel entspringt an der Rückseite des Epi-
condylus lateralis femoris und" reicht mit seinem oberen Ende weiter
proximal, als der M. gastrocnemius lateralis, geht jedoch über die
Höhe des M. gastrocnemius medialis nach oben hin nicht hinaus. Bei
seiner Gegenwart bestimmt also er die untere laterale Begrenzung der
muskulösen Kniekehlenraute, welche medial durch den entsprechenden
Zwillingsmuskel gebildet wird. Weiterhin schiebt er sich jedoch unter
den M. gastrocnemius lateralis herunter und entwickelt bereits im
Beginne des Unterschenkels oder schon in Kniegelenkshöhe die abge-
plattete Endsehne. Sie nimmt ihren Weg schräg nach unten und
innen zwischen den M. gastrocnemius und soleus, verschmilzt im
distalen Drittel des Unterschenkels entweder mit der Achillessehne
oder, was wir als das Normale bezeichnen müssen, heftet sich ge-
sondert vor der Bursa calcanea am Fersenbeine an und bildet so
eine Verstärkung der vorderen Wand dieses Schleimbeutels.
36*
147
562 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Wir müssen bei dieser Sehne ein eigentümliches Verhalten be-
tonen. Zieht man nämlich mit zwei Pinzetten oder auch mit den
Fingernägeln die beiden Ränder der Sehne auseinander, so ist man
imstande, beispielsweise eine Sehne von 3 mm Breite in eine 2—3 cm
breite, bindegewebige rautenförmige Platte zu verwandeln. Durch
Zug am oberen und am unteren Ende kann man die Sehne wieder
in ihren früheren Zustand zurückbringen. Man sieht ihr nicht einmal
an, wie sehr sie vorher auseinandergebreitet war, und kann dies be-
liebig oft wiederholen. Hierdurch wird der Beweis geliefert, daß eine
Sehne in transversaler Richtung dieser großen Dehnung fähig ist,
während in longitudinaler keine makroskopisch erkennbare Verlänge-
rung eintritt. Die Nutzanwendung für mikroskopische Zwecke wird
regelmäßig in der Berliner Anatomie bei der Darstellung der Sehnen-
flügelzellen gezogen, indem eine entsprechend vorbereitete Sehne des
Rattenschwanzes zwischen zwei Objektträgern breitgequetscht wird.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskel entspringt rein fleischig vom Epicondylus lateralis
femoris. Je nach seiner Mächtigkeit ist die Breite und Länge des
Ursprungsfeldes verschieden. Proximalwärts geht er nicht über die
Höhe des M. gastrocnemius medialis hinaus, distalwärts dagegen kann
er bis zum Anfange der Tibia reichen, entspringt dann selbstverständ-
lich nicht mehr vom Knochen, sondern von der Gelenkkapsel. Beide
Ursprünge können auch voneinander getrennt sein. Recht oft fehlt
der Muskel. Der Muskelbauch ist sehr verschieden : bis 3 cm breit
und 3 — 7 cm lang, reicht jedoch nicht über den Punkt distalwärts,
wo sich die beiden M. gastrocnemii vereinigen, also der Muskelbauch
zwischen deren tiefe Sehnen und die oberflächliche des M. soleus
gerückt wird. Eine freie Beweglichkeit der Sehne ist durch sehr
lockeres fetthaltiges Bindegewebe gewährleistet. Wir müssen den M.
plantaris durchaus mit dem M. palmaris longus vergleichen, welcher
seinerseits ebenfalls fehlen, einen oberen, mittleren oder unteren, sogar
mehrere Muskelbäuche aufweisen kann, oberflächliche sowohl, wie tiefe.
Derartige Verschiedenheiten kommen jedoch beim M. plantaris nicht
in demselben Maße vor. Entweder fehlt er, oder wir finden nur den
proximalen oder den distalen Bauch verwirklicht. In dem Zwischen-
räume zwischen den M. gastrocnemii und soleus kommt es aus
mechanischen Gründen niemals zur Bildung eines Muskelbauches.
Ein Venter distalis kann erst am freien Rande des M. gastrocnemius
medialis entstehen und wird dann gewöhnlich als akzessorischer Kopf
des M. soleus beschrieben. Wir sind jedoch der Meinung, daß es
sich dann um einen distal heruntergewanderten M. plantaris handelt,
auch wenn er sich aus der Facies profunda s. anterior des M. soleus
loslöst. Wir verweisen hier auf unseren Befund des tiefen Ursprunges
des M. palmaris vom Radius und der Ulna her, anstatt vom Humerus
(s. A. S. 118). Obwohl es sich dann um eine Varietät handelt, kann
der Muskel aus räumlichen Gründen das Mehrfache derjenigen Größe
erreichen, welche er in der Kniekehle zu entwickeln vermag. — Der
Ansatz liegt an der oberen medialen Fläche des Fersenbeines beim
Uebergange in die hintere und ist eventuell durch eine Rauhigkeit
gekennzeichnet, welche die glatte Fläche der Bursa calcauea gegen
die rein periostale dieses Knochens von vorn begrenzt.
148
M. plantaris. 563
Holotopie und Syntopie.
Er bildet die untere laterale Begrenzung der muskulösen Knie-
kehle, überkreuzt gewöhnlich sämtliche Zweige der Vasa poplitea
und des N. tibialis. Wir haben jedoch Fälle beobachtet, wo die
Nerven für den M. soleus dorsalwärts von der Sehne ihren Weg
nahmen. Nach diesem Nervenbefunde kann man im Zweifel sein, ob
man den M. plantaris zu den M. gastrocnemii, d. h, der oberfläch-
lichen Schicht des M. quadriceps surae rechnen soll, oder zum M.
soleus, d. h. der tiefen. Die Bedeutung des getrennten Ansatzes der
Endsehne von der sogenannten Achillessehne liegt darin, daß er auf
den konstant vorhandenen Schleimbeutel einwirken kann.
Wirkung.
Bei seiner geringen Masse kommen im wesentlichen theoretische
Erörterungen in Betracht. I. Bei fixiertem Oberschenkel unterstützt
er den M. triceps surae in der Plantarflexion des Fußes und drängt
gleichzeitig den Inhalt der Bursa calcanea nach hinten hin und hierin
dürfte wohl seine Hauptaufgabe bestehen. II. Bei fixiertem Fuße
wirkt er mit als Beuger des Oberschenkels gegen den Unterschenkel
und unterstützt dabei die M. gastrocnemii und popliteus (s. diese)
und muß naturgemäß, wenn er seinen Ursprung von der Kniegelenks-
kapsel nimmt, diese nach hinten zurückbringen und dem Inhalte der
Gelenkhöhle, besonders dem hinteren Kreuzbande aktiv einen be-
quemen Raum zur Ausdehnung gestatten.
Innervation.
Der Nerv tritt bereits im Bereiche des Oberschenkels in der
Höhe des Condylus lateralis in den Muskel hinein, nicht in demselben
Interstitium, sondern in einigen benachbarten. Dieser Befund braucht
aber nicht als typisch zu gelten, weil der Muskel selbst nicht als
typisch anzusehen ist. Nichtsdestoweniger müssen wir ihn als wichtiges
Beweismoment für den feineren Aufbau des M. soleus heranziehen.
Nicht einmal, sondern mehrere Male haben wir folgende Inner-
vierung des M. soleus feststellen können : Die oberflächlichen Nerven
ziehen haut- und kniekehlenwärts vom M. plantaris zu den Muskel-
bündeln, während die tiefsten Bündel des M. soleus einen besonderen
Nerven empfangen, welcher erst unter dem M. plantaris seinen Weg
in die Tiefe nimmt. Wir freuen uns, hier eventuell den anatomischen
Aufschluß für eine von chirurgischer Seite aus angeregte Frage geben
zu können. Bereits vor 1900 haben v. Bergmann- Rochs bei der oberen
Unterbindung der A. tibialis posterior betont, daß man innerhalb des
M. soleus eine besondere sehnige Lamelle vorfindet, welche erst durch-
trennt werden muß, um die tiefe Muskellage zu Gesicht zu bringen,
welche ihrerseits wieder die tiefen Gebilde deckt. Zweifelsohne hat
hier die praktische Erfahrung der theoretischen Untersuchung den
Weg vorgeschrieben, und wir stehen nicht an, zu behaupten, daß im
M. soleus 2 Muskeln vereinigt sind, welche ihre muskulotendinöse
Trennung durch die von v. Bergmann zuerst beschriebene Innen-
sehne besitzen, wofür wir auch noch die Uebereinstimmung mit den
Nerven liefern können. Hierfür ist aber die Gegenwart des M. plantaris
«rforderlich. Wenn dieser Muskel vorhanden war, konnten wir seine
149
664 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Umfassung durch den motorischen Nerven für den M. soleus nach-
weisen: einen einheitlichen Nerven für die oberflächliche Schicht und
einen ebenfalls ungeteilten für die tiefe Lage, genau im Sinne der
V. BERGMANNSchen Muskeldarstellung. Hieraus würden sich außer-
ordentlich wichtige theoretische Fragen ergeben, zu welcher Schicht
dieM. plantaris und soleus überhaupt gehören. Wir sind überzeugt davon,
daß der M. soleus präparatorisch aus einer oberflächlichen und tiefen
Schicht besteht, wie auch der Nervenbefund beweist, wagen aber noch nicht
zu entscheiden, ob der größere hintere Abschnitt zu den M. gastrocnemii zu
rechnen und der tiefe kleinere zu einem besonderen Muskel verwirklicht
ist, welcher gegebenenfalls für den fehlenden M. plantaris einzutreten
hat. Jedenfalls ist eine Nachprüfung darüber geboten, in welcher Weise
der M. soleus innerviert wird. Wir wissen, daß er entsprechend dem
Aufbau seiner Muskelbündel unter allen Umständen zwei getrennte
Nerven bekommen muß, auch wenn der M. plantaris fehlt. Sache der
Fachgenossen ist es nun, festzustellen, wie oft und in welcher Weise
der M. plantaris den besonderen Verlauf der motorischen Zweige be-
stimmt. Mit einem solchen Nachweise würde man auch dem leider
so häufig fehlenden M. plantaris eine theoretisch enorm wichtige Stelle
zuweisen können, ob er zur oberflächlichen oder zur tiefen Schicht
der Kniekehle gehört, oder überhaupt eine Sonderstellung einnimmt,
als ein besonderer, allerdings verkümmerter Muskel des Oberschenkels
mit Wirkung auf die Fußsohle. Diese theoretische Erörterung ist
gerade für uns am Platze, weil wir auch dem M. glutaeus maximus
in seinen rudimentären Ansätzen an der Linea aspera eine so aus-
führliche Betrachtung gewidmet haben.
Besondere Varietät.
Der M. plantaris hatte als proximale Abzweigung des 4 cm langen
Ursprungskopfes eine 3 mm breite flache Sehne zur hinteren Wand der
Kniegelenkskapsel, wo sie unmittelbar mit dem Lig. popliteum obliquum
zusammenhing ; sowohl durch Zug am M. semimembranosus, wie an dem
M. plantaris ließ sich der anatomische Zusammenhang nachweisen, gewisser-
maßen also ein Caput accessorium popliteum des M. semimembranosus.
M. soleus.
Synonyma: Schollenmuskel; Gastrocnemius internus; Soleaire, tibio-
calcanien (Chauss.), tibio-peroneo-calcanien (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Wenn irgendwo ein ohne weiteres in die Augen springender Ver-
gleich mit einem anderen Muskel angebracht ist, so ist es hier der
Fall, nämlich zwischen ihm und dem M. brachialis. Wir haben bei
diesem eine frontale platte Fläche zu unterscheiden, welche vom M.
biceps zugedeckt wird, was beim M. soleus der M. gastrocnemius be-
sorgt. An beiden Stellen kommt der tiefe Muskel sowohl an der
medialen wie der lateralen Seite zum Vorscheine und nimmt mit
seinem axialen Hauptabschnitte nicht au dem Oberflächenbilde Anteil.
Außerdem reicht in beiden Fällen das distale Ende der Muskelbäuche
weiter gegen Hand und Fuß, als dasjenige der oberflächlichen Schicht.
— Auch in anderer Beziehung ist der Vergleich berechtigt. Die M.
gastrocnemii stellen einen zweigelenkigen Muskel dar, welcher Knie
150
M. soleus. 565
und oberes Sprunggelenk überbrückt, während der M. soleus (M.
brachialis) nur ein Gelenk kreuzt, die Artic. talocruralis (Artic. cu-
biti). Die Trennung beider Schichten wird am Oberarme durch den
N. musculocutaneus bewirkt, am Unterschenkel — allerdings nicht
immer durch den M. plantaris — unter allen Umständen aber durch
lockeres Bindegewebe, welches den Namen einer Fascie nicht ver-
dient, am Uuterschenkel sogar recht fettreich ist. Wir müssen bei
der Beschreibung der Wirkung auf diesen Punkt besonders zurück-
kommen, weil hier ein Unterschied zwischen Unterschenkel und Ober-
arm vorliegt. An letzterem sind die Endsehnen vollkommen von-
einander getrennt, am Uuterschenkel sind sie jedoch in der Achilles-
sehne vereint. Von Wichtigkeit ist anatomisch der Arcus tendineus,
welcher die beiden Ursprünge von Fibula und Tibia miteinander
verbindet und den Vasa tibialia posteriora und dem N. tibialis zum
Durchtritte dient; chirurgisch die frontale Sehnenplatte, welche die
hinteren longitudinal verlaufenden Muskelbündel von den tiefen hori-
zontal gerichteten trennt. (Unterbindung der A. tibialis posterior im
oberen Drittel.)
Idiotopie und Skeletopie.
Die proximale Ursprungslinie ist gegeben durch die Linea Popli-
tea (obliqua), d. h. sie verläuft schräg von proximal-lateral nach distal-
medial. oder mit anderen Worten: der laterale Abschnitt reicht bis
zum Capitulum fibulae empor, während der Ursprung von der Tibia
bereits an der Grenze des proximalen und zweiten Viertels des Unter-
schenkels sein Ende findet. Zwischen den beiden genannten Knochen
spannt sich ja die Membrana interossea cruris aus, welche proximal
eiu Loch für den Durchtritt der Vasa tibialia anteriora besitzt. Aber
auch die Nerven und Gefäße, welche die Rück- oder Beugeseite des
Unterschenkels und der P'ußsohle versorgen, bedürfen einer be-
sonderen Durchtrittsstelle, welche sich zwischen der muskulösen Ver-
bindung beider Knochenursprünge befindet. Es wird hier allermeist
von einem Arcus tendineus (m. solei) gesprochen, nach unseren
Befunden ist jedoch die äußerlich sichtbare sehnige Portion fast gleich
Null und die Umrahmung einfach muskulös. — Der Muskelbauch be-
sitzt au der präparatorisch freiliegenden Fläche, der Facies dorsalis,
eine breite, aber ganz zarte Sehnenplatte, welche augenscheinlich
erzielt ist durch die Reibung gegen die M. gastrocnemii. Der Ur-
sprung von der Tibia entspricht den mittleren zwei Vierteln dieses
Knochens am Margo medialis. Derjenige von der Fibula ist be-
deutend größer und umfaßt vom Capitulum abwärts gerechnet etwa
zwei Drittel des Wadenbeines. Die Muskelbündel konvergieren gegen
die Facies profunda der Endsehne. Die äußere Fläche stellt eine
lange, schmale Spindel dar, die innere eine kurze, breitere mit distaler
Abrundung.
Wie bereits in der allgemeinen Beschreibung erwähnt, besitzt
der Muskel auch noch eine tiefe Schicht, welche nicht aus longitu-
dinalen oder schrägen, sondern aus horizontalen Bündeln besteht.
Die Ansatzsehne übertriift beim Beginne diejenige der M. gastro-
cnemii bedeutend an Breite und ist an dieser Stelle noch leicht von
ihnen zu trennen. Erst mit dem Aufhören der Muskelsubstanz kommt
der gemeinschaftliche Tendo calcaneus, die Achillessehne, zur freien
Entfaltung. Diese beginnt zunächst verschmälert in der Höhe der
566 FROHSE und M, FRÄNKEL,
Artic. talocruralis, dann verbreitert sie sich, um die ganze Breite der
Facies posterior des Calcaneus einzunehmen. Es fragt sich nun, an
welcher Stelle die Sehne sich anheftet. An jedem Knochenpräparate
erkennt man an der Rückseite mit aller Deutlichkeit eine proximale
glatte Fläche, welche von einem distalen, leicht zackigen Knochen-
saurae begrenzt wird. Die glatte Fläche zerfällt jedoch in zwei Unter-
abteilungen, eine keilartige, proximale und eine ungefähr rechteckige,
distale. Die letztere entspricht der Anheftung der Sehne, die erstere
der B. calcanea, d. h. nur ihrem hinteren Abschnitte, weil sie sich
auch noch in unmittelbarem Anschlüsse auf die obere Fläche des
Calcaneus fortsetzt.
Die Facies superficialis ist durch lockeres Bindegewebe getrennt
von der oberflächlichen Schicht der Wadenmuskulatur. Die Sehne
des M. plantaris, welche ja fehlen kann, spielt topographisch keine
nennenswerte Rolle. Dagegen deckt der M. gastrocnemius die beiden
proximalen Drittel der Rückseite vollkommen zu und tritt nur im
distalen Drittel zu beiden Seiten der keilartigen Sehne unter Haut
und Fascie. Medial und lateral haben wir ein ansehnliches Stück
des Muskelbauches subkutan gelagert, lateral am Wadenbeine in
dessen oberen zwei Dritteln, medial am Schienbeine in dessen mitt-
lerem Drittel. Die Facies profunda deckt zunächst die tiefen Gefäße
und Nerven der Beugeseite und ferner die Beugemuskeln : M. flexor
digitorum longus, tibialis posterior und flexor hallucis longus. Der
mediale Rand entspricht der inneren Kante der Tibia, der laterale
der Fibula, zuerst unmittelbar ihrem Capitulum, dann jedoch dem
Schafte und dem Septum intermusculare laterale (posterius).
Holotopie und Syntopie.
Die größten Flächen des M. soleus sind in der Tiefe verborgen,
und nur schmale Säume kommen medial und lateral unter Fascie
und Haut zum Vorscheine ; darum dürfte es sich empfehlen, an diesem
Muskel eine Facies posterior, anterior, medialis und lateralis, sowie
den proximalen Rand und die distale Spitze zu unterscheiden.
Die Facies medialis kommt distal von der Patte d'oie mit einer
keilartigen Spitze zum Vorscheine und geht in eine spindelförmige
Fläche über, deren untere Spitze im distalen Viertel des Unter-
schenkels an der freien Kante der Achillessehne endigt.
Die Facies lateralis ist ebenfalls spindelförmig, jedoch reicht die
proximale Spitze bis zum Capitulum fibulae, die distale liegt etwas
weiter proximal als die entsprechende mediale.
Die Facies posterior wird in ihrem muskulösen Teile vollkommen
vom M. gastrocnemius zugedeckt, allerdings schiebt sich meistens die
dünne Endsehne des M. plantaris etwas schräg von lateral nach
medial dazwischen. Dagegen ist die breite Basis der Achillessehne
etwas ausgedehnter, als es die sehnige Ausstrahlung beider Zwillings-
muskeln erfordert.
Die Facies anterior ist die Deckschicht für die tiefen Beuge-
muskeln, sowie die Gefäße und Nerven, wird aber von ihnen getrennt
durch die Fascia profunda cruris. — Der proximale Rand bildet den
Arcus tendineus zum Durchtritte für die Vasa tibialia posteriora und
den N. tibialis. Er verläuft schräg, entsprechend der Anheftung des
M. popliteus an der Tibia. — Die untere Spitze ist keine selbständige
152
M. soleus. 5f>7
Bildung, sondern verschmilzt mit den Endsehnen der M. gastrocnemii
zum Tendo calcaneus (Achillis). Die Anheftung an der hinteren
Fläche des Calcaneus muß also auch als Spitze für den M. soleus
gelten.
Innervation.
Der Nerv zerfällt in zwei Teile, einen vorderen für diejenige
Portion, welche durch v. Bergmann sich als wichtig für die Unter-
bindung der A. tibialis posterior kennzeichnet, und einen hinteren,
welcher die massige, präparatorisch freiliegende Portio posterior ver-
sorgt. Der laterale, fibulare Muskelurspruug geht weit nach oben
proximal, während der tibiale distal verschoben ist. Beide Ursprünge
von den Unterschenkelkuochen sind jedoch nicht getrennt, im Gegen-
teile verbunden durch eine bogenförmige Linie, welche bezeichnet
wird als Arcus tendineus m. solei. Wir haben in unserer Fig. 2!)
nicht die hintere Seite, die Facies superticialis, dargestellt, welche
nur obertlächliche sehnige Ausbreitung zeigen würde, sondern die
Facies profunda, welche regelmäßig einen horizontal verlaufenden
Muskel aufweist, die Portio profunda des M. soleus. (ienau, wie wir
unter der Haut zwischen den beiden M. gastrocnemii eine mediale
Sehne finden, ist es auch hier der Fall. Die Aluskelbündel der tiefen
Portion verlaufen proximal gegen den Arcus tendineus hin, dann
ungefähr horizontal zu der medialen und lateralen Seite, wo sie etwa
2 cm von den Seitenilächen entfernt ihr Ende finden. Diese tiefe
Portion des M. soleus besitzt praktisch die größte Bedeutung für die
Aufsuchung der A. tibialis posterior und auch der gewöhnlich nicht
im Operationskurse zur Unterbindung gelangenden A. peronaea.
Wenn man bei einer solchen Gelegenheit den M. soleus durch-
schneidet, kommt mau nämlich nach Durchtrennung der oberfläch-
lichen Schicht zunächst auf ein Sehnenblatt und dann auf eine dünne
Lage von Muskulatur, welche aus den Bündeln unserer Portio pro-
funda besteht. A\'ir haben sie niemals fehlen gesehen. — Der Name
„soleus", „schollenförmiger" Muskel ist für die Gesamtform gewählt,
erfährt aber hier noch seine besondere Berechtigung, weil in der
Tiefe eine im wesentlichen transversale dünne Muskellage vorhanden
ist, welche mit den Gräten dieses Fisches verglichen werden kann.
Die Muskelbündel dieser tiefen Portion verlaufen von den Seiten des
Unterschenkels zur Achse hin, während die longitudinale Haupt-
masse des Muskels von beiden Seiten her, proximal getrennt, sich
distal vereinigt.
Der Muskel setzt sich in dieser Weise aus zwei vollkommen
selbständigen Teilen zusammen, welche auch durch die Innervation
getrennt sind, denn es empfängt die eben beschriebene Portio pro-
funda einen Nerven, welcher sie alsbald in die fibulare und tibiale Por-
tion teilt. Im Gegensatze hierzu verlaufen die Nerven für den dor-
salen Abschnitt des M. soleus weiter proximal. Sie entstammen
einem gemeinschaftlichen Nerven, welcher sich in drei besondere
Zweige sondert; dem medialen Aste sitzen zwei VATER-PAciNische
Körpercheu auf. Von Sehnennerven ist zu erkennen der rückläufige
Zweig zum Capitulum fibulae. Von Anastomosen sind sieben ange-
geben; im proximalen Drittel des Muskels drei, im mittleren eben-
falls drei und im distalen eine. Die Nerven für die Endsehne sind
auf beiden Seiten scharf ausgeprägt — s. Fig. 29.
153
568
R. post.
Caput fibulare
— — K . laterales
Raphe mediana i^
et R. intermedius
Portio
profunda
Raphe intramuscu-
aris lateralis
R. tcndincus medi
R. tcndineus lateralis
Fig. 29. M. soleus sinister, Nervenbild der Facies profunda.
M. popliteus. 569
Anhang.
Der Wadenkrampf beruht nach der gewöhnlichen Darstellung auf
einer Kontraktion des M. gastrocnemius. Wir müssen dagegen be-
haupten, daß es sich in vielen Fällen um eine solche des M. soleus
handelt und besonders unserer Portio profunda, welche die Wade von beiden
Seiten zusammenzieht und auf den Fuß vielleicht gar keinen Einfluß hat.
Wirkung s. beim Abschnitt „Fußbewegungen",
Besondere Varietät.
Bei einem etwa 40-jährigeu Manne fand sich ein besonderer
M. plantaris, welcher ausschließlich von der Facies profunda des
M. soleus entsprang, ohne die Unterschenkelknochen zu erreichen,
ein intermediärer Doppelmuskel, lateral mit 4 cm, medial mit 2 cm
langen Bündeln, welche sich nach 8 cm langem Verlaufe zu einer
dünnen medianen Endsehne vereinigten und erst in der Nähe des
Calcaneus sich mit der Achillessehne verbanden.
Wir schließen aus diesem Befunde, daß der M. plantaris, welcher
nurmalerweise am lateralen Oberschenkelknorren entspringt, durch
den Arcus tendineus m. solei in die Tiefe des Unterschenkeis herunter-
gewandert ist und hier als Ursprung benutzen kann: — wie im ge-
schilderten Falle entweder die Facies profunda des M. soleus unter
Bevorzugung der lateralen Seite — oder unter Anheftung nur an dem
medialen Knochen, der Tibia. Nach unserer Meinung stellen also die
als M. solei accessorii sonst beschriebenen Varietäten nur einen vom
Oberschenkel durch den Arcus tendineus auf den Unterschenkel, und
zwar auf die Tibia durchgewanderten M. plantaris dar, obwohl auch
in solchen Fällen der normale Kniekehlenbauch gleichzeitig verwirk-
licht sein kann.
M. popliteus.
Synonyma : Kniekehlenmuskel ; Subpopliteus, M. in poplite occultus,
oblique movens tibiam; Muscle poplite, panetier (Winslow), femoro-po-
plite-tibial (Chauss., Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
An diesem Muskel lernen wir die gleiche Beziehung einer Sehne
zum Gelenke kennen, wie es beim Caput longum des M. biceps bracliii
der Fall war, daß sie nämlich in breiter Fläche, wenn auch nicht
vollständig, von der Synovialis umhüllt wird. Die distale Grenze des
Muskels läßt sich unter allen Umständen als scharfe Leiste an der
Tibia erkennen und führte früher den Namen Linea obliqua, jetzt
einfach Linea poplitea. Der proximale Teil des Muskels am Ober-
schenkel ist rein sehnig, der distale an der Tibia rein muskulös.
Hierdurch kommen wir zu einem unangenehmen Widerspruche, weil
wir nicht recht wissen, ob die proximale Sehne als Ansatz, oder der
distale Bauch als Ursprung aufzufassen ist. Die Innervation läßt es
allerdings als wahrscheinlich gelten, daß der Ursprung an der Tibia
zu suchen ist, und die Sehne sich zum Oberschenkel wendet, weil
der Nerv nicht proximal eintritt, sondein den ganzen Muskel über-
kreuzt und erst distal seinen Eintritt gewinnt. Wir haben jedoch,
155
570 FROHSE und M. FRÄNKEL,
wie bisher, so auch hinterher immer den Unterschied des Stand- und
Spielbeines betont und halten demgemäß auch an der Beschreibung-
fest, daß der proximale Teil als Ursprung, der distale als Ansatz
aufzufassen ist — im übrigen s. den Abschnitt über die Wiikung.
Idiotopie und Skeletopie.
Die starke Ursprungssehne entwickelt sich aus einer deutlichen
Grube zwischen dem nicht überknorpelten Epicondylus und dem
Rande des überknorpelten Condylus lateralis femoris, liegt also proxi-
mal und lateral extrakapsulär, distal und medial intrakapsulär. Die
äußere Partie ist mit der Gelenkkapsel verschmolzen, hängt jedoch
nicht mit dem Lig. collaterale fibulare zusammen; jedenfalls lassen
sich beide Teile ohne große Mühe voneinander sondern. In der Höhe
des Kniegelenkspaltes wendet sich die Ursprungssehne von lateral
nach hinten und medial und wird hier durch zwei Retinacula nach
oben gegen die Kniegelenkskapsel, nach unten gegen das Wadenbein
festgehalten. Das proximale bildet den lateralen Bestandteil des Lig.
arcuatum, das distale geht zum Capitulum fibulae und wird einfach
als Retinaculum popliteum bezeichnet. Nun erst wird der Muskelbauch
frei und verbreitert sich schnell zu einem dreieckigen Bauche, dessen
distale Grenze durch die Linea poplitea unverrückbar festgelegt ist.
Aber auch noch über diesem eigentlichen Muskelteile liegt eine derbe
Binde, welche sogar als dritte Ausstrahlung der Endsehne des M. semi-
membranosus aufzufassen ist. Aus diesen Gründen ist die Präparation
des M. popliteus allein vom systematischen Standpunkte schon eine
der schwierigsten Aufjgaben. — Die proximalen Muskelbündel verlaufen
ziemlich horizontal, die distalen und gleichzeitig- medialen fast senk-
recht zur Sehne hin.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis bildet zum größten Teil den Boden der
Kniekehle und liegt hierbei in einer frontalen Ebene. Der sehnige,
kleinere Teil wendet sich lateralwärts und ist in die Kniegelenkskapsel
eingebettet. Ueber die Mitte des Muskelbauches ziehen senkrecht die
Vasa Poplitea herunter und teilen sich in der Regel am distalen Rande
des Muskels in die Vasa tibialia anteriora und posteriora. Als Varietät
(von Frohse viermal beobachtet) nehmen die Vasa tibialia anteriora
bereits proximal ihren gesonderten Weg zur Vorderseite des Unter-
schenkels. Weiterhin wird der Muskel zugedeckt durch die ober-
flächliche Schicht der Muskulatur der Wade, lateral durch den M. plan-
taris und, wenn dieser fehlt, ohne weiteres durch das Caput laterale
des M. gastrocnemius, medial durch die dritte Ausstrahlung des M. semi-
membranosus und das Caput mediale m. gastrocnemii. Selbstverständ-
lich kommen der distal von der Linea poplitea entspringende M. soleus
und die tiefe Schicht der Beugemuskeln des Unterschenkels nur als
distale Nachbarn des M. popliteus in Frage. Die Facies profunda deckt
das durch die Linea poplitea begrenzte Dreieck des proximalen Teiles
der Tibia zu; mit seiner Sehne gleitet sie zunächst über eine glatte
Fläche der Rückseite der Tibia, welche unmittelbar mit der über-
knorpelten Oberfläche des medialen Condylus zusammenhängt und
hier einen Schleimbeutel erzeugt, die Bursa poplitea, welche regel-
mäßig mit der Kniegelenkshöhle zusammenhängt und daher auch vom
156
M. popliteup.
571
■Nf. ailJuctor raagnii
"NT. iT.istrocnemi
medial
Bursa m. poplitei (Rccessus
inlerior artic. genu)
M. et N. popliteus
M. semimembranosus
Lig. cruciatum anterius
A. tibialis anterior
Fasri.i poplitea (Dritter Ansatz des
M. semimembranosus)
Foramen nutricium tibiae
M. plantaris
Os sesamoideum m. gastro-
inemii lateralis
Condylus lateralis
Tendo ni. poplitei
Meniscus lateralis
Bursa inferior
m. bicipitis
femoris
Lig. collaterale
fibularo
N. peronaens communis
Membrana interossea cruris
Fig. 30. M. popliteus, >vti \Lnl)il(l iiud Umgebung.
572 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Beschreibung zu Fig. i^ 30.
Der anatomische Gänsefuß, die Patte d'oie, ist vollkommen entfernt, wenigstens
der oberflächliche, welcher aus den M. gracilis, sartorius und semitendinosus besteht ;
dagegen erhalten das Endstück des Sl. semimembranosus, welcher für sich allein
einen Pes anserinus profundus bildet, indem er 1) mit der Hauptsehne dicht unter-
halb des Margo infraglenoidalis medialis anheftet, von dem Lig. coUaterale tibiale
durch einen besonderen Schleimbeutel, die B. m. semimembranosi, getrennt; bei
der Strecksteilung des Kniegelenkes verläuft diese Hauptsehne in scharfem Bogen
beinahe rechtwinklig nach vorn herum, während bei der Beugestellung diese Knickung
vollkommen ausgeglichen wird, wie es besonders bei der Einwärtsrotation erforderlich
ist ; 2) finden wir eine rückläufige Sehne, das sogenannte Lig. popliteum obliquum,
rückläufig aber nur bei Streckstellung — bei der Beugung (bei tätigem Muskel) hori-
zontal, selbst distalwärts verlaufend. Dieses Band ist aus der Kniegelenkskapsel
herausgeschnitten, obwohl es sich bei erhaltener hinterer Kapselwand bis zum Epi-
condylus lateralis verfolgen läßt. Der dritte Ansatz wird gewöhnlich als Fascia m.
poplitei aufgefaßt.
Zwischen beiden hellblau gehaltenen Condyli femoris sind in der Tiefe die
beiden Lig. cruciata dargestellt. Der Condylus lateralis wird proximal überlagert
von dem extrakapsulär gelegenen M. plantaris, während der M. gastroenemius late-
ralis durch sein Sesambein die Gelenkhöhle erreichen kann. Unter allen Umständen
hängt aber die mehr distal gelegene Sehne des M. popliteus mit dem Gelenkspalte
zusammen und bildet außerdem durch seinen Schleimbeutel den Rccessus inferior
des Kniegelenkes. Bei diesem kommt als Varietät die Kommunikation oder richtiger
der Durchbruch in die Artic. tibiofibularis vor. Die Ursprungssehne des M. po-
pliteus Avird proximal gegen die Gelenkkapsel festgehalten durch das Lig. pojiliteum
arcuatum, welches, wie in unserer Figur, doppelt sein kann und sich bis zum Epi-
condylus medialis verfolgen läßt. Nicht durchtrennt ist das Eetinaculum m. pop-
htei, welches den Apex capituli fibulae erreicht. Mit der Gelenkhöhle hängt niemals
zusammen die B. m. bicipitis femoris, dessen Endsehne das Lig. collaterale fibulare
umfaßt und nicht allein an der Fibula, sondern auch an der Tibia ansetzt. Letztere
Anheftung verläuft bei gestrecktem Beine genau wie die des M. semimembranosus
im scharfen Bogen nach vorn herum, im Zustande der Beugung parallel zur Achse
des Oberschenkels.
Der Nerv für den M. popliteus tritt normalerweise erst ganz distal ein und
erreicht die Muskelbündel von der Facies profunda aus. Die intramuskuläre
Verzweigung gibt zu keiner besonderen Bemerkung Veranlassung. —
chirurgischen Standpunkte recht wohl den Namen Recessus inferior
articulationis genu verdient. Der rein sehnige Ursprung ragt zu mehr
als seiner Hälfte frei in die Gelenkhöhle hinein.
Wirkung.
I. Bei fixiertem Oberschenkel beugt er den Unterschenkel und
erteilt ihm nach vollzogener Beugung eine Rotation nach innen.
II. Bei fixiertem Fuße und Unterschenkel unterstützt er die
M. gastrocnemii in der energischsten Weise bei der Beugung des
Oberschenkels zum Unterschenkel, eine Bewegung, welche beispiels-
weise dann ausgeführt wird, wenn wir uns auf einen Stuhl nieder-
setzen wollen. Seine Wichtigkeit liegt darin, daß er nicht, wie die
M. gastrocnemii (und der M. plantaris) den Calcaneus, d. h. den Fuß,
sondern die Tibia, d. h. den Unterschenkel mit dem Oberschenkel
in Verbindung setzt. — In der gleichen Lage befindet sich übrigens
auch das Caput breve des M. biceps.
Innervation.
Sonderbarerweise tritt der Nerv nicht am proximalen Rande,
sondern erst rückläufig am distalen zum Muskel. Alsbald teilt er ihn
in eine oberflächliche und eine tiefe Schicht. Für erstere liefert er
158
M. flexor digitorum longus, 573
außer den Muskelästen zwei Sehnennerven, von denen der proximale
auch noch zur Kniegelenkskapsel Beziehung gewinnt, während die
distalen Ausläufer als Sehnenendnerven bei der Anheftung an die
Tibia in Frage kommen. Der zweite Ast versorgt wiederum mit
sogenannten auf- und absteigenden Nervenzweigen außer der Mus-
kulatur auch noch Gelenke und Knochen, in diesem Falle die Artic.
tibiofibularis und die Tibia als solche.
M. flexor digitorum ioiigus.
Sj^nonyma : Langer Zehenbeuger ; Flexor profundus perforans, Caput
tibiale des M. flexor digitorum communis; Long fl^chisseur commun des
orteils, tibio-phalangettien commun (Ciiauss., Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Der M. flexor digitorum longus entspringt von der Tibia, distal
von der Linea poplitea bis zur distalen Epiphyse. Seine Sehne wird
in dieser Höhe frei und zieht hinter dem Malleolus medialis in die
Fußsohle, wendet sich schräg lateralwärts und teilt sich in 4 Zipfel,
welche die 4 dreigliedrigen Zehen versorgen. Der Verlauf von
medial nach lateral bedingt es, daß der Muskel die beiden anderen
der tiefen Beugegruppe kreuzen muß. Die eiste Kreuzung liegt im
distalen Drittel des Unterschenkels und betrifft die Sehne des M. tibi-
alis posterior, die zweite mit der Sehne des M. flexor hallucis longus
in der Fußsohle in der Höhe der Tuberositas ossis navicularis. Beide
Male liegt der M. flexor digitorum hautwärts, die spitzwinklig über-
kreuzten Sehnen knochenwärts. Von der Sehne des M. tibialis posterior
ist er durch die Schleimscheiden beider Sehnen getrennt, mit der des
M. flexor hallucis longus dagegen durch eine sehnige Konjugation
verbunden. Ziehen wir nun einen Vergleich mit dem entsprechenden
Muskel des Armes, so ergibt sich, daß der kürzere M. flexor
digitorum profundus des Armes dem langen M. flexor digitorum
longus pedis, und der bedeutend kürzere M. flexor digitorum brevis
der Zehen dem sehr langen M. flexor digitorum sublimis der
Finger entspricht. Letzterer hat also seinen Ursprung auf den Fuß
verlegt, während er am Arme nicht allein von den Vorderarmknochen,
sondern sogar in der Hauptmasse vom Humerus entspringt. Der
M. flexor digitorum profundus entspringt ausschließlich von den Vorder-
armknochen, der gleichwertige M. flexor longus der Zehen zwar auch
vom Unterschenkel, aber auch durch das Caput plantare von der Fuß-
sohle. Die Sehnenkonjugation mit dem M. flexor hallucis longus,
welche man an jedem Präparate mit Leichtigkeit feststellen kann,
weist darauf hin, daß der Ursprung des letzteren Muskels von der
Fibula für die Bewegungen mitherangezogen werden muß. Umgekehrt
löst ein Zug an der Sehne des M. flexor hallucis longus die Mit-
bewegung mindestens der 2. Zehe, selbst bis zur 5. aus. Man wäre des-
halb wohl berechtigt, die beiden M. flexor digitorum und hallucis longus
als einheitlichen M. flexor commuuis digitorum longus aufzufassen
und dann die drei Köpfe als Caput tibiale, Caput fibulare und plan-
tare zu beschreiben. — Für die Innervation ist ebenfalls der Vergleich
mit dem Arme heranzuziehen. Der M. flexor digitorum profundus
wird schematisch zu ^U vom N. ulnaris versorgt, für den 3. bis
ö. Finger, also zu Vi vom N. medianus für den Zeigefinger. Nun
159
574 FROHSE und M. FRÄNKEL,
ist am Unterschenkel der N. tibialis, welcher den vereinten N. ulnaris
und medianus entspricht, bis zum Calcaneus noch ungeteilt. Wir
sind infolgedessen nicht imstande, zu sagen, wie viele der Nerven-
fasern für die am Unterschenkel gelegenen Muskelbäuche dem
N. plantaris medialis (N. medianus) und wie viele dem N. plantaris
lateralis (N. ulnaris) entstammen. In der Fußsohle dagegen läßt
sich mit Leichtigkeit der Nachweis führen, daß das Caput plantare vom
N. plantaris lateralis (N. ulnaris) versorgt wird. Einen schwachen
Zweig aus dem N. plantaris medialis, welcher theoretisch durchaus
denkbar ist, haben wir bisher nicht nachweisen können. Der dem
M. flexor digitorum sublimis entsprechende M. flexor digitorum brevis
wird von dem homologen Nerven, dem N. plantaris medialis (N. me-
dianus), versorgt.
Idiotopie und Skeletopie.
Distal von der Linea poplitea entwickeln sich zuerst ganz flach
die Fleischbündel und begeben sich parallelfaserig zu der lateral
entstehenden Endsehne. Obwohl der Muskel 4 Zehen zu versorgen
hat, ist seine Masse nicht einmal halb so stark, wie die des M. flexor
hallucis longus. Auch der Zuwachs des Caput plantare stellt noch
nicht den hinreichenden Ausgleich dar. Hierzu ist erst die bereits
erwähnte Sehnenkonjugation mit dem M. flexor hallucis longus in der
Fußsohle notwendig, so daß schließlich ungefähr dieselbe Muskelmasse
auf die große Zehe einerseits, die dreigliedrigen Zehen andererseits
entfällt. Bei der Ueberkreuzung des M. tibialis posterior findet sich
außerordentlich häufig eine besondere Arkade, welche zwar nur wenigen
dünnen Muskelbündeln zum Ursprünge dient, aber großes theoretisches
Interesse besitzt, weil sie den ursprünglichen Zusammenhang mit dem
Caput plantare mitunter sehr klar herbeiführt.
Die weitere Beschreibung s. bei dem Kapitel „Fußsohle".
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht proximal dem M. soleus, distal
der Fascia cruris und dem Lig. laciniatum. Der mediale Kand ist
zugeschärft, der laterale stellt eine breite Fläche dar, welche sich zu-
nächst eng an den M. tibialis posterior legt, dann über ihn in einer
fibrösen Arkade herüberzieht. Hier liegen auch die Vasa tibialia
posteriora. Die Facies profunda entspricht zunächst der Tibia, wird
dann aber von ihr durch den M. tibialis posterior abgedrängt und
gewinnt erst oberhalb des Malleolus tibialis, aber mehr lateral, eine
minimale ürsprungsstelle.
Wirkung.
I. Der Muskel beugt bei fixiertem Unterschenkel die 5. bis 2. Zehe,
kann aber auch durch die Sehnenkonjugation mit dem M. flexor hal-
lucis longus auf die große Zehe wirken.
IL Bei fixierten Zehen, wie z. B. beim Gehen oder noch mehr
beim Tanzen, wirkt der Muskel als Aufrichter des Unterschenkels
und damit des ganzen Körpers. Vielleicht kommt hierbei die Kon-
jugation am meisten der großen Zehe zugute, indem diese durch den
M. flexor digitorum longus auch den Ursprung von dem stärkeren
Unterschenkelknochen, der Tibia, gewinnt.
Innervation s. Fig. 31 S. 164.
M. tibialis posterior. 575
M. tibialis posterior.
Synonyma: Hinterer Schienbeinmuskel ; M. tibiaeus s. tibicus posti-
cus, nauticus; Jambier posterieur, tibio-sous-tarsien (Chauss.), tibio-tarsien
(Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Der Muskelbauch liegt nicht, wie derjenige des anterior, un-
mittelbar dem Schienbeine an, sondern wird von ihm durch den M.
üexor digitorum lougus getrennt; jedoch schiebt sich die Endsehne
unter den letzteren herunter und erzeugt hinter dem Malleolus medi-
alis eine entsprechende Rinne. Der Ansatz hat zunächst statt an der
Tuberositas ossis navicularis, greift aber mit drei besonderen Zipfeln
auf die Keilbeine über.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung beginnt unmittelbar am distalen Rande des M.
popliteus mit einer hohlkehlenartigen Einsenkung, welche durch den
Durchtritt der Vasa tibialia anteriora nach vorn bedingt ist. Der
Hauptbauch entwickelt sich jedoch nicht allein von der Tibia, wie
sein Name vermuten lassen könnte, sondern im wesentlichen von der
hinteren Fläche der Membrana interossea cruris und greift außerdem
noch auf die Facies posterior der Fibula hinüber. Die Muskel-
ursprünge reichen bis ins distale Viertel des Unterschenkels hin. Die
freie Endsehne begibt sich dann unter den M. flexor digitorum longus,
welcher recht oft einen Sehnenbogen über sie hinwegschickt und An-
heftung an der Membrana interossea, selbst an der Fibula finden kann.
In solchen Fällen findet sich regelmäßig eine zarte Muskelplatte,
welche die Gegend des Sulcus malleolaris einnimmt. Dann wird die
Endsehne erst unweit des Talocruralgelenkes frei, während sie sonst
schon weiter proximalwärts zu erkennen ist. In eine Schleimscheide
eingeschlossen, zieht sie bis zur Tuberositas ossis navicularis, einer
Rauhigkeit, welche durch sie bedingt wird und bei klinischen Unter-
suchungen und bei Operationen die allergrößte Rolle spielt. Die An-
sätze an den drei Keilbeinen können als besondere Bänder aufge-
faßt werden, weil der mittlere Teil der Fußsohlenfläche des Os navi-
culare nur von einer ganz dünnen Sehne bedeckt wird, welche einen
verhältnismäßig geringen Bruchteil der Masse der Hauptend sehne
besitzt. Diese gewöhnliche deutsche Darstellung findet ihre Erweite-
rung durch die von Poirier (s. S. 264) gegebene Abbildung, indem
der laterale Teil der Endsehne mit schrägen distalen Zügen das Os
metatarsale IV erreicht (tendon metatarsien), mit horizontalen oder
transversalen sich mit dem Lig. calcaneocuboideum plantare verbindet
(tendon ligamenteux), oder mit einem starken, breiten rückläufigen
Zug das Sustentaculum tali des Calcaneus (tendon recurrentj erreicht.
Wir können uns nur der Auffassung dieses Autors anschließen.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis bietet dem N. tibialis und der Abgangs-
stelle der A. peronaea die Gleitfläche, während die Decke durch die
Facies profunda des M. soleus gegeben wird. Der Margo superior
bildet, wie bereits erwähnt, eine Hohlrinne für die Vasa tibialia an-
teriora. Der Margo medialis schließt sich an den M. flexor digitorum^
Handbuch der Anatomie. II, ii, 3. 37
Ö76 FROHSE und M. FRÄNKEL,
der lateralis au den M. flexor hallucis longus an. Der Margo inferior
verjüngt sich entsprechend der Breite der Endsehne am Os navi-
culare. Die Facies profunda deckt vor allem die Membrana inter-
ossea cruris, nimmt jedoch auch die beiden Unterschenkelknochen
hart an den Cristae interosseae in Besitz. In der Höhe der Artic.
talocalcaneonavicularis findet sich das Ende der Schleimscheide. Das
Pfannenband des CnoPARTSchen Gelenkes, das Lig. calcaneonaviculare
plantare trennt sie von der Gelenkhöhle. Die topographischen Be-
ziehungen der Sehuenzipfel zu den drei Keilbeinen ergibt für unsere
Zwecke nichts Erwähnenswertes.
Wirkung,
Er bewegt bei fixiertem Unterschenkel den Innenrand des Fußes
medialwärts unter gleichzeitiger Plautarflexion. Bei fixiertem Fuße
nähert er den Unterschenkel der Fußsohle und hilft dabei zur
Streckung des ganzen Beines, welche z. B. beim Zehengange eintritt.
Im übrigen, was seine Synergisten und Antagonisten anbelangt, ver-
weisen wir auf das zusammenfassende Kapitel über die „Fuß-
bewegungen".
Innervation s. Beschreibung zu Fig. 31, S. 579 (165).
M. flexor liallucis loiij^iis.
Synonyma: Langer Großzehenbeuger; Caput fibulare des M. flexor
hallucis communis; Long flechisseur projjre du gros orteil, peroneo-sous-
phalangettien du pouce (Chauss.), peroneo-phalanginien du gros orteil
(Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Man könnte annehmen, daß der an der großen Zehe, also medial
sich ansetzende Muskel auch am medialen Unterschenkelknochen, der
Tibia entspringt. Er kommt aber von der Fibula her und sendet
seinen dicken Muskelbauch medialwärts. Die Endsehne wird erst
dicht proximal vom medialen Knöchel frei, erzeugt eine immer schärfer
ausgeprägte Furche an der Tibia, dem Talus und dem Calcaneus
(Sustentaculum tali), verbindet sich in der Höhe der Tuberositas
ossis navicularis mit dem M. flexor digitorum longus, findet dann
zwischen den beiden Sesambeinen der großen Zehe eine sehr ge-
sicherte Lage und heftet sich schließlich an der Basis der Nagel-
phalanx an. Von besonderer Bedeutung ist seine Wirkung, die wir
aber auf die spezielle Beschreibung verschieben müssen.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung von der Fibula beginnt mit dem mittleren Drittel
des Unterschenkels und reicht bis zur Hälfte des distalen. Hier
nehmen die Muskelbündel den Raum zwischen Crista lateralis und
medialis ein und lassen das Foramen nutricium frei. Ferner ent-
springen die Muskelbündel vom Septum (Aponeurosis) intermusculare
posterius, welches sie von den M. peronaei longus und brevis trennt,
oder richtiger mit ihnen verbindet. Trotz des beschränkten Ur-
sprunges wird der Bauch, welcher sich aus schrägen parallelen
162
M. flexor lialliicis longn?!. 577
liüiidelii zusammensetzt, außerordentlicli stark und geht dicht proxi-
mal von der distalen Epiphyse nicht allmälilich. sondern, wie es in
gleicher Weise beim M. semimembranosus beschrieben ist, in scharfer
Rundung in die freie Endsehne über, welche dicht über den Knochen
hinwegzieht. Der Eindruck an der Tibia, lateral vom Sulcus malleo-
laris medialis, ist nur seicht, bedeutend schärfer schon der Einschnitt
am hinteren Kande des Talus. Der laterale Höcker führt den Namen
des l^rocessus posterior oder des Os trigonum (v. Bardeleben), wenn
er sich nicht mit dem Körper vereinigt. Der mediale hat, obwohl er
meistens massiger ist, keinen besonderen Namen. Am ausgesprochen-
sten ist der Eindruck am Calcanaeus, unter dessen Sustentaculum
(tali) die Sehne gerade nach vorn zieht. Der Endteil der Sehne wird
bei dem Kapitel „Fußsohle" behandelt. Jedoch muß der Vollständig-
keit halber noch die Sehnenkonjugation mit dem M. Üexor digitorum
longus in der Höhe der Tuberositas ossis navicularis kurz erwähnt
werden.
Holotopieund Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht dem M. soleus und der Achilles-
sehne, kann jedoch auch äußerlich sichtbar gemacht werden, wenn
mau beim Sitzen ein gebeugtes Bein mit der Außenfläche auf die
Kniegegend der anderen Seite legt und die große Zehe beugt. Die
Facies lateralis entspricht dem Septum intermusculare posterius, also
auch den Wadenbeinmuskeln, die Facies medialis dem M. tibialis
posterior, die Facies profunda der Fibula und vor allen Dingen der
A. peronaea, welche bereits am Skelete durch das Foramen nutricium
ihre Gegenwart kundgibt und überhaupt unterschätzt wird, weil sie
recht oft Ersatzgefäß für die A. tibialis anterior und selbst die
posterior wird. Für gewöhnlich handelt es sich bloß um Anasto-
mosen, welche als R. perforans und communicans bezeichnet werden.
Wirk ung.
I. Er beugt bei fixiertem Unterschenkel das Nagelglied der großen
Zehe. IL Wenn der Ansatzpunkt, d. h. die Nagelphalanx, fixiert
ist, so ist er der einzige Muskel, welcher überhaupt imstande ist, die
Aufrichtung des ganzen Körpers auf der Nagelphalange auszuführen
oder einzuleiten. Die allermeisten Menschen vermögen aber nicht,
diese Bewegung auszuführen, welche bei den Ballettänzerinnen schein-
bar ohne Mühe, jedoch erst nach langjährigen Uebungen erreicht
werden kann.
Innervation s. Beschreibung zu Fig. 31, S. 579 (165).
Beschreibung zu Fig. 31.
Der rntcrsclienkcl ist sowohl im Knie- wie im Fußgelenke ausgelöst und
sämtliche Muskeln, Seliiien, Bäiuler und (Jet'iiße entfernt, mit Ausnahme der soge-
nannten tiefen lieugegnippe. Erhalten ist der N. tibialis mit den motorischen
Zweigen für die entsprechenden Muskeln. Diese sind, um auch das Nervenbild zur
Anscliauung zu bringen, medial mit dem M. flexor digitorum longus. lateral mit
dem M. flexor hallucis longus zur Seite getlrängt. Beide Muskeln überlagern so das
Mittelstück der Diaphy.se beider Unterschenkelknochen, welches sie am Lebenden
nicht überschreiten. Üiese Darstellung war geboten aus zwei ({runden:
Erstens für die Muskelbeschreibung, weil eine besondere Sehnenarkade, welche
wir als Tendo interosseus cruris m. flexoris digitorum long! bezeichnen, vom ])ro-
ximalen Ende tler Fibula (auch von der Tibiaj herunterzieht bis zum distalen Ende
37*
163
578
M. popliteus
Origo tibialis m. solei \~n
R. pro m. flexore halkicis long(
R. pro m. flexore digitonim
M. tibialis posterior
Sulcus nialleolaris
medial is
M. flexor dig. long.
Tendo interosseus
!\rcus tendineus inferior
Sulcus matleolaris lateralis
Aponeurosis plantaris. Ö79
der Tibia, ein Sehnenbogen, welcher dem M. flexor digitorum angehört und ihn in un-
mittelbare Nachbarschaft bringt mit dem M. flexor hallucis longus. Noch höheres
Interesse gewinnt diese Arkade dadurch, daß sie den M. tibiahs posterior in die
tiefste Schicht der Eückseite des Unterschenkels hineindrängt. In dieser Weise
dürfen wir nicht sagen, daß die 3 tiefen ßeugemuskeln in ein und derselben Ebene
liegen. Auch der Ansatz am Fuße gibt ja genau dasselbe kund, indem der M. tibi-
alis posterior gleichsam isoliert am Tarsus ansetzt, während die beiden anderen
Sehnen sich weit von ihm getrennt erst an den Zehen anheften.
Zweitens für den Verlauf der Nerven — wir finden den Zweig für den M.
tibialis posterior fast gemeinschaftlich mit dem für den M. popliteus, weit proximal
entspringend, die Zweige für die Zehenbeuger erst weiter distal, und zwar in ge-
meinschaftlicher Höhe.
Die feinere Nervenversorgung ist im extramuskulären Teile bei den Haupt-
ästen doppelt konturiert gehalten, bei den feineren Zweigen schwarz und genau
nach dem Präparate eingetragen. Die blau gehaltene intramuskuläre Verzweigung
ist schematisiert. Wir haben davon Abstand genommen, unsere Untersuchungen
darüber genau bildlich darzustellen, weil das Muskelbild darunter gelitten hätte.
iV. Fußmuskeln.
Allgemeiues.
Die Eig'eiimuskeln des Fußrückens werden durch den M. extensor
digitorum brevis und den medialen Teil desselben, den M. extensor
hallucis brevis, gebildet, von denen ersterer äußerlich in den aller-
meisten Fällen zur Geltung kommen dürfte. — Die willkürliche Heraus-
pressung der 4 M. interossei dorsales pedis erfordert beim Ge-
sunden große Uebung. Die M. interossei plantares können in keiner
Weise willkürlich und auch nicht bei der elektrischen Reizung zu-
tage treten.
Auch die Muskulatur der Fußsohle ist wegen der dicken Apo-
neurosis plantaris nur schwer der Untersuchung zugängig, mit Aus-
nahme der Seitenränder, in welchen die M. abductores hallucis und
digiti V gelegen sind. Diese Muskeln tragen das Fußgewölbe von
unten her und geben ihm einen sichereren aktiven Halt, als wie es
die passiven Bänder vermögen. Viel wiclitiger vielleicht als die
eigentlichen Muskeln der Fußsohle sind diejenigen, welche ihren
Muskelbauch am Unterschenkel besitzen, wie die M. peronaeus longus
und tibialis posterior, welche bereits im Bereiche des Tarsus und
Metatarsus ansetzen, wie auch die M. flexor hallucis und digitorum
longus, welche erst an den Phalangen ihr Ende finden.
Die Bewegungsmöglichkeit der Zehen ist also auch beim Er-
wachsenen noch eine ganz erhebliche, auch bei unversehrter Haut.
Bei Neugeborenen lassen sich die Zehen ungleich weiter auseinander-
drängen und sehen sogar, wenn die Haut entfernt ist, so aus, wie ein
ausgebreiteter Froschvorderfuß.
Aponeurosis plantaris.
Synonyma: Aponövroses plantaires.
Allgemeine Beschreibung.
Diese sehnige Bildung läßt sich tatsächlich mit der gleichnamigen
des Handtellers vergleichen. Allerdings findet sich, beim Menschen
wenigstens, kein Zusammenhang mit dem in Frage kommenden M.
165
580 FROHSE und M. FRÄNKEL,
plantaris, welcher am Vorderarme als M. palmaris longus vorhanden
ist, aber auch fehlen kann. Bei Raubtieren entspringt jedoch die
Plantaraponeurose aus dem unglaublich starken M. plantaris, bei
welchen er die Rückfläche des Fersenbeines umgreift, au dieser Stelle
einen ansehnlichen Schleimbeutel entwickelt und sich unmittelbar in
die Plantaraponeurose fortsetzt.
Spezielle Beschreibung.
Die Aponeurose entspringt vom Processus medialis des Calcaneus
und der proximalwärts konkaven Leiste der Unterfläche dieses
Knochens, ohne jedoch den Processus lateralis zu erreichen. Sie um-
hüllt die Facies superficialis des M. flexor digitorum brevis und teilt
sich mit vier Zipfeln in besondere Scheiden für die Endsehnen dieses
Muskels, welche gleichzeitig noch die Endsehne des M. flexor digi-
torum longus umfassen. Ein besonderer Kanal wird für die Endsehne
des M. flexor hallucis longus geschaffen und schließlich sind noch die
seitlichen Ausstrahlungen zum Groß- und Kleinzehenballen zu be-
tonen, welche aber niemals einheitlich aponeurotischen Charakter be-
sitzen, sondern sehnige strangförmige Verbindungen darstellen zwischen
ihr und den entsprechenden Ballenfascien. Zahlreiche Lücken liegen
vor zum Durchtritte für die Gefäße und Nerven. Außerdem finden sich
in den Spatia interossea vier große spindelförmige Räume, welche
von Fett erfüllt sind und proximal den Austritt der Nerven, distal
denjenigen der Arterien enthalten. Hierin besteht ein prinzipieller
Unterschied zwischen Hand und Fuß, obwohl die queren Verstärkungs-
züge sich ungefähr in derselben Höhe befinden, die Fibrae trans-
versae über dem Beginne der Artic. metatarsophalangeae, das Lig.
natatorium subkutan unter den Commissurae digitales plantares, den
Schwimmhäuten der Fußsohle. An der Hand ist also der Interdigital-
raum wirklich auf die Finger beschränkt, am Fuße dagegen findet
sich eine erhebliche intermetatarsale Verlängerung. Unendlich viel
klarer als an der Hand ist die Abgrenzung der einzelnen Logen für
die Beugesehnen. Im Präpariersaale wird gewöhnlich die kutane An-
heftung vollkommen entfernt, wobei meistens sofort die Sehnenscheide
eröffnet wird, und dann mit einem scharfen Scherenschnitte die seit-
lichen Verstärkungszüge abgegrenzt werden. Diese beginnen etwas
distal von der Mitte der Metatarsalknochen, gehen spitzwinklig oder
Y-förmig um die Seiten der Beugesehnen herum und vereinigen sich
am proximalen Ende der Capitula ossium metatarsalium zu einer
breiten aponeurotischen Platte, welche nur künstlich von den Lig.
transversa capitulorum getrennt werden kann. Bald ist der mediale
Zipfel stärker entwickelt, bald der laterale, bald beide gleich stark.
Die proximale Grenze läßt sich meistens unschwer gegen die M.
lumbricales absetzen, deren Spezialfascie hierbei durchtrennt wird.
Die distale Abgrenzung ist nicht so leicht möglich und wird am
besten mit der Schere gemacht, ohne dabei die Zusammengehörigkeit
mit den Lig. capitulorum transversa zu zerstören. In den Inter-
digitalräumen findet sich eine Verschmelzung der benachbarten Seiten-
zipfel, welche noch einen besonderen Kanal umgibt, der den A. digi-
tales communes zum Durchtritte dient. Die stets wohlausgebildeten
Fascienlticken liegen in der Höhe der Fibrae transversae und nach
unseren Beobachtungen immer an der Großzehenseite eines Spatium
i66
Aponeurosis plantaris. 581
interosseum. Die Zehengefäße der Fußsohle würden bei oberfläch-
lichem Verlaufe, wie es bei den Fingerarterien normal verwirklicht
ist, einem zu großen Drucke beim Stehen und Gehen ausgesetzt sein
und gelangen deshalb erst ungefähr in Knöchelhöhe aus der schützenden
Tiefe an die Oberfläche.
Die Fibrae transversae beschränken sich eigentlich auf einen
bogenförmigen Zug, welcher die Spatia interossea I und IV mitein-
ander verbindet. Mittelfuß- und Großzehenballen sind miteinander
von der Tuberositas ossis navicularis an durch oberflächliche Züge in
Verbindung und halten die iuterdigitalen Fettkörper in der Tiefe zu-
rück. Außerordentlich deutlich kommt dieses Corpus adiposum
zwischen kleiner und 4. Zehe zur Geltung.
Die Cutis wird nicht allein an den Seitenrändern des Fußes gegen
die Plantaraponeurose durch sehnige Züge festgehalten, sondern auch
an den drei Ballen in Gestalt von spitzen Stacheln oder Riefen, welche
die saubere Präparation der longitudinalen Züge unglaublich erschwert.
Am Großzehenballen liegt dieser Vorsprung im Bereiche des Tuber
calcanei, am Mittelfußballen 2 cm, am Kleinzehenballen 4 cm distal
von diesem.
Muskelgruppen der Palma und Planta
Beide werden in eine mittlere Partie und zwei seitliche zerlegt:
einerseits in Handteller im engeren Sinne, Thenar und Hypothenar,
andererseits in Mittelfuß-, Groß- und Kleinzehenballen. An der Hand
sind die Muskeln und Sehnen mit geringen Ausnahmen (Caput trans-
versum des M. adductor pollicis) auf ihre Ballen beschränkt, obwohl
beim Ursprünge, d. h. im Bereiche des Lig. carpi transversum in der
Tat die Sehnen von der Daumen- zur Kleinfingerseite und umgekehrt
ausstrahlen. Am Fuße finden wir den Großzehenballen dem dei' Hand
einigermaßen analog gebaut. In oberflächlicher Schicht liegt der M.
abductor hallucis, welcher aber niemals die Kleinzehenseite erreicht,
in mittlerer Schicht der M. flexor hallucis brevis und der M. adductor
hallucis, der topographisch ausschließlich mit Ausnahme der kurzen
Endsehne zum Mittelfußballen gehört, mit dem Caput transversum
sogar den Kleinzehenballen erreicht und zwar normalerweise. Im
Mittelfußballen liegt ein besonderer Muskel, welcher der Hand an
dieser Stelle nicht zukommt, der M. flexor digitorum brevis, außerdem
wie an der Hand der tiefe oder lange Beuger und die M. lumbricales
und ganz in der Tiefe die M. interossei. Der Kleinzehenballen ent-
hält die entsprechende Muskulatur, welche aber sowohl im Lisfranc-
schen Gelenke noch den Mittelfußballen erreicht, wie auch am Cal-
caneus, an welchem Knochen sich der proximale Abschnitt des M.
abductor digiti quinti herumschlingt und die mediale Seite gewinnt.
Wir haben uns also zu merken, daß man ohne jede präparatorische
Künstelei 5 Muskeln oder Sehnen in allen 3 Fußballen finden kann:
1) den M. flexor digitorum longus, 2) sein bisher noch nicht erwähntes
Caput plantare, welches ja das Lig. plantare longum umrahmt, 3) den
Ursprung des M. abductor digiti quinti, 4) die Endsehne des M.
peronaeus longus, welche in der Tiefe der Fußsohle vom Kleinzehen-
ballen bis zum Mittelfußknochen der großen Zehe sich begibt, also
in allen 3 Ballen zu finden ist, und 5. das Caput transversum des
M. adductor haUucis.
167
m
682
Lig. natatorium (Braunk)
Corpus adiposum
intcrdigitale IV
Tendines flexor
,A. metatersalis
plant. II
Fasciculi transversi
— M. flex. hall. long.
Vaginae tendinum
digitales pedis
M. lumbricales I— IV
N. digit. plant, comm.
N. digit. plant, proprii
M. flexor brevis digit. pedis
Rami calcanei
laterales
Aponeurosis plantaris
-^ R. calcanei mediales et Tuber
lalcaneum
Fig. 32. Aponeurosis plantaris, topographisch.
Aponeurosis plantaris, 583
Beschreibung zu Fig. 32.
Die Zclienhaut ist unverletzt gelassen, aber an ihrem (Jnindteile ein besonderes
Band, das Lig. natatorium (Braune), dargestellt. Die Beugcsehneii. Tendines t'lexorii,
bewegen sich in besonderen Scheiden; zwischen zwei Scheiden ist jedesmal ein Fett-
körper verwirklicht, welcher in unserer Figiir nur als Corijus adiposum interdigitale IV
bezeichnet ist, sich nicht auf den freien Raum beschränkt, sondern sich auch unter
die Fasciculi transversi herunterbegibt. So erscheint er als spindelförmiger Körper,
vollkommen analog den entsprechenden interdigitalen Fettkörpern der Hand. Genau
in der Tiefe der Fasciculi transversi liegen die Artic. metatarso])halangeae.
Im proximalen Teile ist die Aponeurosis plantaris dargestellt. Der mittlere Ab-
schnitt ist der Hauptteil und läßt sich künstlich in 5 Unterabteilungen zerlegen, für
jede Zehe unter Spaltung und Heraussetzen desjenigen Teiles, welcher die Beuge-
sehnen von der Fußsohlenseite aus umfaßt. In den Spalten zwischen den getrennten
Sehnentächern kommen proximal die N. digitales communes an die Oberfläche, erst
weiter distal die gleichnamigen Arterien. Ganz proximal sehen wir das Fersen-
bein umgriffen durch die R. calcanei laterales et mediales, erstere aus dem N. suralis
stammend, letztere aus dem N. tibialis herkommend.
Der Nerv für die M. flexor digitorum brevis und abductor hallucis wird aus
einem gemeinschaftlichen Stamme geliefert, welcher sich aus dem hautwärts ge-
richteten Abschnitte des N. plantaris medialis loslöst. In klarer Weise ist das Um-
greifen der tibialen, medialen Fläche des M. abductor hallucis zu erkennen, wodurch
dieser letztere Nerv eine vollkommene Uebereinstimmung mit dem R. muscularis
n. mediani für den Daumenballen erzielt. Wir glaubten bei unserer Darstellung
besonders auf die Beziehungen zur Hand zurückgreifen zu müssen, weil gewöhnlich
in schematischer Weise der Fuß mit Rücksicht auf die Hand dargestellt wird, be-
sonders l)ei der Beschreibung der motorischen Nerven; trotz dler scheinbaren
Uebereinstimmung muß sich jedoch nach dem ganzen Bau der Planta pedis die
Innervation der in Betracht kommenden Muskeln, deren es am Fuße sogar noch
eine größere Zahl gibt, als an der Hand, ganz anders verhalten. Wir können den
Fuß nicht gleichsam als Anhangsgebilde der Hand beschreiben. Ohne weiteres
ergibt sich der Unterschied zwischen Hand und Fuß aus der von der Knochenlehre
her bekannten Tatsache, daß an der Hand ungefähr '/o des Carpus den beiden
Hcilicn der Handwurzelknochen entspricht, während am Fuße die Grenze zwischen
Tatsus und distalem Fußreste in der Mitte der Fußsohle sich befindet: also ein
liitcrschied von *l„ und Vr ^^^ Fußmuskeln haben deshalb ganz andere Ur-
sprungs- und Ansatzbedingungen als die Handmuskeln, zerfallen in verschiedene
Interabteilungen, besondere Bäuche, welche natürlich in verschiedener Weise mit
motorischen Nerven versorgt sein müssen. —
Wie bereits beim M. abductor poUicis brevis erwähnt, beschreibt dessen
motorischer Nerv eine oft außerordentlich scharf ausgesprochene Umbiegung gegen
die Muskelmasse des Thenar, und in gleicher Weise biegt sich der Nerv für den
.M. abductor hallucis um die mediale Fläche des Großzehenballens herum. Die
motorischen Nerven für die beiden Köpfe des M. flexor hallucis brevis lösen sich
erst distal von dem Os naviculare aus dem inneren Zweige des N. plantaris medialis
ab und treten mit feinen Aesten in die betreffenden Muskeln ein. Ungefähr in der
Mitte des medialen Teiles der Fußsohle findet sich eine ansehnliche Anastomose
/wischen den Hauptzvveigen der hier gelegenen Nerven. Ob diese den Austausch
zwischen motorischen oder sensiblen Nervenfasern vermittelt oder beide Leistungen
vereint, wagen wir nicht zu entscheiden. —
Der M. flexor digitorum brevis zerfällt in eine oberflächliche, der Aponeurosis
plantaris aiigeschmiegte Schicht, welche sich zur 2. bis 4. Zehe begibt, und einen
durcii eine deutliche Fascie geschiedenen Bauch für die kleine Zehe. Wichtiger
jcflocli ist die Innervation. Der M. flexor brevis, welcher am Vorderarme dem
M. flexor digitorum sublimis entspricht, wird nämlich in diesem Falle in der ober-
tliicblichen Lage, welche der radialen Seite des Vorderarmes entspricht, vom N.
plantaris medialis (N. medianus) versorgt, während der tiefe Bauch für die 5. Zehe
\on einem besonderen Zweige des N. plantaris lateralis (N. ulnaris) versorgt wird.
Ks freut uns, durch diesen Fall feststellen zu können, daß die Beugenerven, sei es
am Vorderarme und Hand oder am Unterschenkel und Fuße — N. medianus und
ulnaris einerseits, N. tibialis mit der Teilung in die N. plantares medialis und
lateralis andererseits — dieselben Beziehungen verwirklichen, nämlich die Beuge-
muskeln gemeinschaftlich zu versorgen, obwohl es sich hier um den oberfläch-
lichen Muskel handelt (in der Figur nicht abgebildet).
584 FROHSE und M. FRÄNKEL,
M. flexor dijiitorum breris.
Synonyma : Kurzer Zehenbeuger ; Flexor sublimis, perforatus, pe-
dilus internus s. pternodactyleus ; Court flechisseur plantaire, calcaneo-
sous-phalanginien (Chauss.), calcaneo-phalanginien (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Der spindelförmige Muskel bildet die oberflächliche Schicht und
gleichzeitig den Hauptbestandteil des Mittelfußballens. Er entspringt
vom Tuber calcanei und teilt sich in 4 Endsehnen, welche sich ge-
spalten an den Mittelphalangen der 2. bis 5. Zehe anheften.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung liegt im mittleren Teile des unteren Umfanges des
Tuber calcanei und ist innig mit der Aponeurosis plantaris ver-
schmolzen. Die Masse ist außerordentlich klein, denn sonst müßte
ein ähnlicher Vorspruug vorhanden sein, wie er durch die M. abduc-
tores hallucis und digiti quinti erzeugt ist. Die Verschmelzung mit
der Plantaraponeurose reicht bis zur Höhe der Tuberositas ossis
navicularis. Erst hier wird der Muskelbaiich frei, hat jedoch noch
einen oberflächlichen Sehnenspiegel und teilt sich sehr schnell in vier
Einzelbäuche, von denen drei ansehnlich sind, der für die 5. Zehe
sehr klein ist und selbst fehlen kann. Letzteres ist viel häufiger in
der Natur, als auf dem Präpariersaale der Fall, weil die fadendünne
Sehne sich ganz aus der Tiefe entwickelt und mitunter nur einen
kaum nennenswerten Muskelbauch besitzt. Bei der Präparation muß
darum in erster Linie auf die Sehne geachtet werden, weil sie sehr
leicht zusammen mit der Plantaraponeurose durchtrennt werden kann.
Die Sehnen werden in besondere Fächer der sich teilenden Plantar-
aponeurose eingeschlossen, und hier ist gerade das Umgekehrte
der Fall, wie bei der Palmaraponeurose. Die Beugesehnen der
Finger haben eine verhältnismäßig starke Decke und normalerweise
nur schwache Seitenzüge, welche die Sehne umfassen und sich
in der Tiefe nur wenig vereinigen. Bei den Beugesehnen der
Zehen ist die Deckschicht ziemlich dünn, jedenfalls nicht so stark,
wie die Seitenzüge und ihre Verbindung in der Tiefe. Der
Grund dafür liegt in der kolossalen Belastung, welcher die Fußsohle
beim Gehen und Stehen ausgesetzt ist. Die Beugesehnen würden
seitlich hin und her verschoben werden, wenn nicht die Plantar-
aponeurose für sie besondere feste Kanäle schüfe. Selbstverständlich
sind die Sehnen zusammen mit denen des langen Beugers in einer
Schleimscheide eingeschlossen. Der Verlauf über den Phalangen ist
der gleiche wie an den Fingern, d. h. über der Mitte der Grund-
phalange tritt die Bifurkation ein, über der Artic. interphalangea I die
Umbiegung zur Seite und die teilweise Kreuzung im Chiasma; zu
beiden Seiten der Mitte der zweiten Phalange findet sich der ge-
trennte Ansatz. Die Kleinheit der Sehne für die 5. Zehe, die ja
auch fehlen kann, läßt sehr häufig keine Teilung mehr zu. Wir
lassen es dahingestellt, ob es sich um ein sekundäres Ver-
schwinden eines Teiles durch Druck handelt, oder ob ein primärer
Zustand vorliegt.
170
M. quadratus plantae. 585
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entpricht der Plantaraponeurose , die
Facies medialis dem Großzehenballeu, die Facies lateralis dem Klein-
zehenballen. Die Facies profunda deckt zunächst den N. und die
Vasa plantaria lateralia, dann das Caput plantare, die Sehne des M.
flexor digitorum longus in ihrem Stammteile und ihren Verzweigungen.
Wirkung.
I. Bei freischwebendem Fuße beugt der Muskel die 2. bis 5. Zehe
in der Mittelphalange. Aeußerlich wird man bei der Kleinheit der
Zehenphalangen kaum den Unterschied zwischen seiner Wirkung und
der des M. flexor digitorum longus nachweisen können, was bei den
Fingern möglich ist. wenn man die JMittelphalanx durch den Druck
der anderen Hand gestreckt erhält und den M. flexor digitorum pro-
fundus seine Einwirkung auf die Nagelphalanx ausüben läßt. II. Bei
fixierten Zehen ist der Muskel ein Antagonist des M. flexor digitorum
longus in seinem Caput tibiale, ein Synergist in seinem Caput plan-
tare. Beide letzteren haben die Aufgabe, die Ferse dem Boden zu
nähern, und können niemals eine Wirkung auf den Unterschenkel
äußern, welche dem Caput tibiale zukommt, das bei der Aufrichtung
des Körpers beim Zehenstande mitwirkt. Außerdem sorgen die
beiden genannten Muskeln für die Erhaltung der sagittalen Wölbung
des Fußes.
Innervation s. S. 583 (169).
M. quadratus plantae.
Synonyma: Viereckiger Muskel der Fußsohle, Pußsohlenkopf des
langen Zehenbeugers; Caro quadrata (Sylvii), accessorius m. perforantis,
Caput plantare; Accessoire du v long flechisseur commun des orteils, chair
carree de Sylvius.
Allgemeine Beschreibung.
Er stellt den auf die Fußsohle heruntergewanderten Teil des M,
flexor digitorum longus dar und hat seine wichtige Aufgabe darin,
den schrägen Zug der Sehnen für die 5. und 4. Zehe in einen longi-
tudinalen umzuwandeln.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung umfaßt mit zwei Zipfeln das Lig. calcaneocuboideum
plantare, von dem er einen dreieckigen Abschnitt von etwa 1,5 cm
Länge frei läßt. Der laterale Zipfel ist kürzer und horizontal gestellt,
der mediale bedeutend länger und biegt allmählich aus der horizon-
talen in die sagittale Richtung um und schmiegt sich eng an die
Innenfläche des Calcaneus an, dessen hinteren Rand er fast erreicht.
Hieraus ergibt sich die überraschende Tatsache, daß man diesen
Muskel, der wohl allermeist fast vollkommen in der Fußsohle ver-
steckt vermutet wird, ohne Durchschneidung oder Beiseitedrängen
eines Muskels präparieren und selbst beim Lebenden in seiner Wirkung
beobachten kann (P'rohse). Er geht weiter proximal als der M. ab-
171
586 FROHSE und M. FRÄNKEL,
ductor hallucis und nähert sich dadurch dem distalen Ende des M.
flexor digitorum longus in der willkommensten Weise. Bei extremer
Plantarflexion lassen sich die beiden Muskeln, die ursprünglich doch
zusammengehörten, bis auf 3 cm nähern. Der vereinte Muskelbauch
ist abgeplattet und besitzt eine Breite von 2 — 4 cm. Der Ansatz
findet nicht in einer queren Linie statt, sondern in einer schrägen,
welche durch den Verlauf der Sehne des M. flexor digitorum longus
von medial-hinten nach lateral-vorn bedingt ist. Gleichwohl sind die
lateralen Bündel ungefähr gleich lang, wie die medialen, weil ja dieser
Ursprung weiter proximal reicht. Die Gesaratform des Muskels ist
einem Rhombus mit zwei proximalen Zipfeln vergleichbar, einem
lateralen spitzen und einem medialen abgerundeten.
Holotopie und SjMitopie.
Die Facies superficialis wird von dem N. und den Vasa plantaria
lateralia schräg überkreuzt und von dem M. flexor digitorum brevis
bedeckt. Die Facies medialis und lateralis stellen die gegen den
Groß- und Kleinzehenballen gewandten Ränder dar. Die Facies pro-
funda entspricht dem Lig. calcaneocuboideum plantare, welches außer-
dem noch von dem Margo proximalis umfaßt wird. Der Margo distaiis
stellt die Anheftung an der Sehne des Caput tibiale dar. Der Nerv
tritt von der Facies superficialis ein und stammt aus dem N. plantaris
lateralis.
Wirkung.
I. Er unterstützt das Caput tibiale im allgemeinen und gleicht
besonders durch die lateralen Zipfel die schräge Richtung der Sehnen
aus, welche sich zu den lateralen Zehen begeben, am meisten also
für die 5. Zehe, dann für die 4. und selbst noch für die 3. IL Bei
fixierten Zehen trägt er mit zur Erhaltung des Fußgewölbes in longi-
tudinaler Richtung bei, indem er die Ferse dem Fußboden nähert.
M, lumlbricales.
Synonyma : Spulwurm- oder Regenwurmmuskeln ; Lombricaux, planti-
sous-phalangiens (Chaüss.), planti-tendi-phalangiens (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Die 4 M. lumbricales entspringen von der sich in vier Zipfel
teilenden gemeinschaftlichen Sehne des M. flexor digitorum longus:
der erste vom medialen Rande, also parallelbündlig und einköpfig;
der zweite bis vierte in dem Winkel zweier Nachbarsehnen, also ge-
fiedert und doppelköpfig. Der Druck des Schuhwerkes läßt häufig
die lateralen Spulwurmmuskeln zugrunde gehen, aber stets bleibt die
Sehne präparierbar. Ferner entwickelt der Druck auch ohne Schuh-
werk ansehnliche Schleimbeutel in der Höhe der Artic. metartarso-
phalangeae, welche normalerweise nichts mit der Gelenkhöhle zu tun
haben. Hierin besteht ein Gegensatz zur Hand, an welcher die M.
lumbricales keine Schleimbeutel zu entwickeln pflegen.
Idiotopie und Skeletopie.
An einem nicht mißhandelten Fuße sind die M. lumbricales fast
ebenso stark wie an der Hand. Die Länge nimmt von medial nach
172
M. abductor haWvcis. 587
lateral ab und wird bedingt durch den schrägen Verlauf der Sehne
des M. liexor digitorum longus, von dessen Teilsehnen die M. lumbri-
cales entspringen. Sie liegen an der medialen, tibialen Seite der
Sehnen und treten nicht mit hinein in den osteofibrösen Kanal der
beiden Beugesehnen, wenden sich vielmehr gegen den fetterfüllten
Interdigitalraum , in welchem die N. et Vasa digitalia comraunia
mit ihren gabeligeu Teilungen gelegen sind, von denen sie aber durch
eine besondere, wenn auch dünne Binde getrennt werden. In der
Höhe der Capitula der Mittelfußkuochen entwickelt sich die sagittal
gestellte Endsehne, welche, wie bereits erwähnt, von einem Schleim-
beutel umgeben zu sein pflegt und nicht, wie an der Hand den Haupt-
ansatz an der Dorsalaponeurose findet, sondern recht oft schon an
der medialen Seite der Basis der Grundphalangen endigt.
Holotopie und Syntopie.
Es genüge, hier nochmals darauf hinzuweisen, daß die Muskeln
mit dem mittleren Teile ihres Bauches in eine besondere Fascie ein-
gescheidet sind und an der Endsehne einen Schleimbeutel haben.
Wirkung.
Sie beugen die Grundphalanx und adduzieren sie gleichzeitig
gegen die große Zehe. Eine Streckwirkung auf die Mittel- und Nagel-
phalanx kann ihnen nur dann zugeteilt werden, wenn sie an der
Dorsalaponeurose besonderen Ansatz haben.
Innervation s. Beschreibung zu Fig. 33 S. 593 (179).
M. abductor hallucis.
Synonyma : Abzieher der großen Zehe ; Pollicem abducens ; Muscle
abducteur du gros orteil, calcaneo-sous - phalangien du premier orteil
(Chauss.), calcaneo-phalangien du pouce (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Der pyramidenartig gestaltete Muskel hat seine Basis an der
hinteren medialen Seite des Fußes, seine Spitze an der freien Seite
der Grundphalange der großen Zehe. Er bildet die äußerlich sichtbare
Schicht des Großzehenballens und macht sich vielleicht noch mehr
als die Wadenmuskulatur durch Krampfzustände bemerkbar. Sein
Ursprung bildet die wichtige Brücke, unter welcher die tiefen Beuge-
sehnen und die Endäste des N. tibialis und der Vasa tibialia post.
ihren Weg zur Tiefe der Fußsohle nehmen.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung entspricht knöchern dem Processus medialis tuberis
calcanei, außerdem muß aber eines Sehuenbogens gedacht werden,
welcher distal konvex bis zur Höhe des Malleolus medialis künstlich
aus der Fascia pedis herausgesetzt werden kann. Akzessorische Ur-
sprünge kommen durch die Verbindung der Aponeurosis plantaris mit
dem Großzehenballen zustande, für welchen Henle einen besonderen
Namen „Pars medialis" vorgeschlagen hat, und greifen sogar auf die
tiefen Bänder der Fußsohle über. Wir wagen nicht zu entscheiden,
173
588 FROHSE und M. FRXnKEL,
ob außer dem Calcaneus noch ein anderer Knochen einwandsfreien
Ursprung für ausschließlich dem M. abductor hallucis zukommende
Ursprungssehnen liefert, und möchten diese Bemerkung gleich auf
andere Fußmuskeln, z. B. die M. flexor brevis und adductor hallucis,
ausgedehnt wissen. Die akzessorischen Muskelbündel entspringen
eben teils von der Fascie, teils von den Gelenkbändern. Auf Grund
unserer Befunde über die Innervation möchten wir den Muskel in
eine oberflächliche und tiefe Schicht zerlegt wissen. Erstere beschränkt
sich auf die proximale Hälfte des Fußes und wird dann umrahmt von
den Muskelbündeln der tiefen Portion, welche sich an die Facies
profunda der bereits in der Höhe des Os cuneiforme I äußerlich
sichtbaren Endsehne anheften, welche die Breite der Basis der Grund-
phalange medial einnimmt.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht der Fascie und Haut ; als Ver-
stärkung der Binde muß der distale, mediale Schenkel des Lig. cru-
ciatum aufgefaßt, und als subkutane Gebilde ferner die V. saphena
magna und der N. saphenus (major) und noch mehr der mediale
Zweig des N. peronaeus superficialis erwähnt werden. Die Facies
inferior und superior stellen die zugeschärften Ränder dar, in welchen
der Muskelbauch der Aponeurosis plantaris und der Fascia dorsalis
pedis gegenübertritt. Von beiden Gebilden läßt er sich ohne jede
präparatorische Schwierigkeit isolieren. Die Facies profunda, welche
wir gleichzeitig mit dem proximalen und distalen Ende beschreiben
wollen, ergibt die wichtigsten Beziehungen zur Fußsohle selbst. Der
proximale, zugeschärfte Rand stellt einen distalwärts konvexen Bogen
dar, welcher den Processus medialis tuberis calcanei mit der hinteren
Ecke des Malleolus medialis verbindet. Unter diesem Bogen nehmen
sämtliche tiefen Beugemuskeln, Fußsohlennerven und Gefäße ihren
Weg, außerdem tritt noch das Caput plantare des M. flexor digitorum
longus an die Oberfläche. Ueber die einzelnen Fächer ist bei der be-
sonderen Abhandlung über die Fußsohle nachzusehen. Zum großen
Teile ergibt sich hierdurch auch die Topographie der Facies profunda
zu den Weichteilen sowohl, wie den Knochen. Der an der medialen
Seite gelegene Muskel muß selbstverständlich den sogenannten Talus-
strahl zudecken, d. h. den Talus und die Ossa naviculare, cuneiforme I
und metatarsale I, sowie die entsprechenden Gelenke. Die Weichteile
besonders aufzuführen verbietet uns der geringe Raum unserer nicht
für topographische Einzelbeschreibung bestimmten Darstellung.
Schleimbeutel des M. abductor hallucis.
Wir finden einen unter der Endsehne zwischen ihr und der Ge-
lenkkapsel, eine wirkliche B, subabductoria profunda, welche durch
die Reibung gegen das Köpfchen des 1. Mittelfußknochens entsteht.
Ein zweiter inkonstanter Schleimbeutel kann sich hautwärts, d. h.
medial von der Endsehne entwickeln. Dieser ist durch den Druck
des Schuhwerkes bedingt und braucht sich nicht auf die Breite der
Endsehne zu beschränken. Da aber die ziemlich breite Sehne im
wesentlichen die mediale Seite des Großzehenballens einnimmt, könnte
man sie wohl als B. abductoria subcutanea bezeichnen, oder auch als
B. subcutanea capituli ossis metatarsalis I. Der kürzere Name
174
M. flexor hallucis brevis. 589
B. metatarsophalangea I, welcher in Fig. 196 des Atlas der topo-
graphischen Anatomie von v. Bardeleben, Häckel und Frohse
nach unseren Untersuchungen gewählt ist, dürfte in der Mehrzahl
der Fälle die Grundphalanx nicht erreichen, sich vielmehr gewöhnlich
auf die hervorragende Stelle des Mittelfußköpfchens beschränken.
Wirkung.
I. Wie bereits erwähnt, wird der Muskel außerordentlich häufig
von Krampfzuständen betroffen, welche gewöhnlich dann eintreten,
wenn der vorher erhitzte Fuß der kühleren Luft ausgesetzt wird.
Dann sieht man in klarer Weise die Wirkung auf die freie große
Zehe, welche sich sehr kräftig von den dreigliedrigen Zehen entfernt.
II. Bei fixierter Zehe äußert sich die Wirkung in einer Fest-
stellung des medialen Fußgewölbes, welche durch die fascielle Ver-
bindung mit dem Dorsum eine ansehnliche Unterstützung erfährt.
Innervation.
Der einheitliche Nerv tritt 4 cm distal vom vorderen Umfange
des Tuber calcanei aus dem N. plantaris medialis heraus und liegt
etwa 1 cm subfasciell und teilt sich extramuskulär in 3 Hauptzweige,
von denen zwei für die Tiefe, einer, der mittlere, für die oberflächliche
Schicht bestimmt ist. Letzterer ist bedeutend schwächer, als die tiefe
Portion. Das Nervenbild ist außerordentlich zierlich, bäumchenartig
und zeigt verschiedene intramuskuläre Anastomosen. Wir zweifeln
nicht daran, daß Verbindungen mit den Nerven der tiefen Portion
dargestellt werden können, weil ja die scharfe anatomische Sonderung
nur künstlich bewirkt werden kann. — Bei der tiefen Portion ist ein
rückläufiger und ein distaler Zweig zu unterscheiden, von denen beiden
auch Sehnennerven geliefert werden. Schematisch läßt es sich so
ausdrücken, daß diejenigen Muskelbündel, welche fußsohlenwärts von
der oberflächlichen Schicht liegen, vom proximalen Zweige und die
Muskelbündel, welche oberhalb, d. h. fußrückenwärts von dieser Schicht
gelagert sind, vom distalen Zweige versorgt werden. Hier kommen
verschiedene intramuskuläre Anastomosen vor.
M. flexor halliicis brevis,
Synonyma: Kurzer Beuger der großen Zehe; Flexor brevis pollicis
pedis; Court flechisseur du gros orteil, interosseux, tarso-sous-phalangien
du premier orteil (Chauss,), tarso-phalangien du pouce (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Dieser Muskel fordert ohne weiteres zu einem Vergleiche mit
dem gleichnamigen der Hand auf. Nach unserer Beschreibung (s. A.
S. 203) zerfällt der kurze Daumenbeuger in ein Caput superficiale und
profundum, welche getrennten Ursprung haben, aber gemeinschaftlich
am lateralen Sesambeine sich anheften. Ganz anders ist es beim
Fuße. Der Muskel ist ebenfalls doppelköpfig. Beide Köpfe liegen
aber in der gleichen Ebene und müssen deshalb als Caput mediale
und laterale unterschieden werden. Der größte Unterschied liegt
jedoch darin, daß der Ursprung von der Fußwurzel einheitlich ist,
der Ansatz an beiden Sesambeinen statthat. Infolgedessen gleitet
175
590 FROHSE und M. FRÄNKEL,
an der Hand die Sehne des M. flexor pollicis longus in der Ursprungs-
gabel des M. brevis, während am Fuße die lange Sehne in die End-
gabel des kurzen Muskels sich einbettet. An Hand und Fuß findet
sich selbstverständlich an den entsprechenden Stellen eine Sehnen-
scheide. Die Innervation ist die gleiche. Das Caput superficiale an
der Hand wird vom N. medianus versorgt, wie das Caput mediale
am Fuße vom N. plantaris medialis, das Caput profundum der Hand
vom N. ulnaris, das Caput laterale des Fußes vom N. plantaris late-
ralis. Jedoch muß betont werden, daß sowohl an der Hand, wie am
Fuße eine konstante motorische Anastomose vorhanden ist, welche
Bezugsmöglichkeiten für die beiden Köpfe aus beiden Nerven erlaubt.
An der unteren Extremität spricht sich ja die Zusammengehörigkeit
der beiden Beugeuerven, der N, plantares medialis und lateralis, ohne
weiteres dadurch aus, daß die Teilung erst in Sprunggelenkshöhe ein-
tritt, während am Arme diese Sonderung bereits unter der Clavicula
im Plexus brachialis statthat. Wir lassen es dahingestellt, in welchem
Umfange sich die entsprechenden Nerven an der Versorgung der
beiden Köpfe beteiligen, und wie sie sich ergänzen können.
IdiotopieundSkeletopie.
Der Ursprung ist außerordentlich verwickelt. Als Knochen kommt,
so sonderbar es scheinen mag, der Calcaneus in Betracht, wo sich
die laterale Seite des Lig. calcaneocuboideum plantare longum ent-
wickelt. Außerdem gewinnt der Ursprung die innigsten Beziehungen
zur Plantaraponeurose an der Grenze zwischen Mittel- und Groß-
zehenballen. Außerdem schlingt er sich um die Facies profunda des
M. abductor hallucis herum und erreicht so die Grenze zwischen
Dorsum und Planta. So kommt er in Verbindung: oberflächlich mit
dem unteren medialen Zipfel des Lig. cruciatum und in der Tiefe mit
den Ossa cuneiforme I und naviculare und den benachbarten Gelenken.
In der Höhe der Artic. cuneonaviculares entwickelt sich auffallend
schnell der Muskelbauch, um sich sofort in zwei Köpfe zu sondern,
deren scharfe Abgrenzung erst mit dem Messer vollständig durch-
geführt werden kann. Der mediale Kopf verschmilzt mit dem M. ab-
ductor, der laterale mit dem M. adductor hallucis. Die Sonderung
läßt sich nur künstlich erreichen. Der Ansatz findet an den beiden
Sesambeinen statt, und da diese durch die Gelenkkapsel mit der
Grundphalange zusammenhängen, auch an den Seitenrändern ihrer
Basis. Der Doppelansatz an beiden Ossa sesamoidea ist eben bei
weitem nicht so scharf gesondert, wie es sich am knöchernen Präparate
kundgibt. Beide Sesambeine werden nämlich durch ein außerordent-
lich kräftiges Band zusammengehalten, unser Lig. intersesamoideum,
welches beide Endsehnen beinahe einheitlich erscheinen läßt; funktionell
gehören sie sicherlich zusammen, denn die operative Entfernung des
medialen Sesambeines zieht auch eine schwere Verlagerung des
lateralen mit sich und bringt besonders die Sehne des M. flexor
hallucis longus aus ihrer normalen Lage heraus.
Einen Zusammenhang mit der Dorsalaponeurose konnten wir
ebensowenig nachweisen, wie an der Hand. Vielleicht ist ein Befund
von Bedeutung, den wir hier angeben : Wir haben nach querer Durch-
trennung in der Mitte des M. abductor hallucis die distale Hälfte
gegen die Zehenspitze zurückpräpariert und kamen dann in der Höhe
176
M. adductor hallucis. 591
des 1. Mittelfußköpfchens auf einen ansehnlichen Schleimbeutel, welcher
sich scharf von der Endsehne des Caput mediale des M. flexor abhob,
d. h. der Abzieher ging viel weiter auf die Grundphalanx und die
Dorsalaponeurose über, während der Beuger sich auf das mediale
Sesambein und die Gelenkkapsel beschränkte.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht im wesentlichen der Sehne des
M, flexor hallucis longus, für welche die beiden Köpfe gleichsam ein
Bett bilden. Die Facies medialis wird durch den M. abductor hallucis
zum größten Teile zugedeckt und umrahmt nur die mediale Endsehne.
Die Facies lateralis wendet sich gegen das Caput obliquum des M. ad-
ductor hallucis, mit dem sie — ebenso wie die Facies medialis mit
dem M. abductor hallucis — sehr eng verschmolzen ist. Die Facies pro-
funda liegt mit dem Muskelbauche dem 1. Mittelfußknochen auf, mit
den Ursprungsgebilden der medialen Hälfte der Fußwurzelgelenke.
Wirkung.
I. Bei freischwebendem Fuße beugt er die Grundphalanx der
großen Zehe. IL Bei fixierten Zehen nähert er das Fersenbein der großen
Zehe und gibt außerdem der medialen Seite des Fußes eine muskulöse
Stütze zur Aufrechterhaltung des Fußgewölbes in sagittaler Richtung.
Eine besondere Bedeutung spielt er bei den Personen, welche durch
Uebung oder Beruf imstande sind, die ganze Körperlast auf beiden
oder sogar nur einer großen Zehe zu balanzieren (s. Kapitel „Fuß-
bewegung").
Innervation s. Beschreibung zu Fig. 33 S. 593 (179).
M. adductor hallucis.
Synonyma: Anzieher der großen Zehe; Muscle adducteur du gros
orteil.
Allgemeine Beschreibung.
Der doppelköpfige Muskel ist ungleich einfacher gebaut, als der
gleichnamige der Hand. Das Caput obliquum, welches von den Fuß-
wurzelknochen entspringt, ist durch einen breiten Spalt von dem
Caput transversum getrennt, welches erst am distalen Ende der Mittel-
fußknochen seinen Ursprung nimmt. Demgemäß trennt die ansehn-
liche Länge der Diaphyse des 3. Mittelfußknochens beide Köpfe von-
einander, während an der Hand nur an der Basis des Os meta-
carpale III ein schmaler Schlitz für die Gefäße und Nerven vor-
handen ist. — Die an der Hand in so leichter Weise durchzuführende
Sonderung des Caput obliquum in eine Portio superficialis und pro-
funda läßt sich auch am P'uße machen, sie ist sogar außerordentlich
scharf durch die Endsehne des M. peronaeus longus ausgesprochen.
Sämtliche Muskelbündel und Sehnen, welche proximal von dieser
starken Sehne gelagert sind, müssen als Portio superficialis, sämtliche
Teile — es handelt sich meist um fleischige Ursprünge, welche distal
von ihr Knochenursprung haben — müssen als Pars profunda aufgefaßt
werden. Diese liegen am Os cuneiforme III, II und I, gewinnen aber
keine Beziehung mehr zu den entsprechenden Metatarsalknochen.
Handbuch d«r Anatomie. II, ii, 3. 38
m
A. digitales plantares
propnae
Insertionsstelle der Seh;
Distales Ende der digi-
talen Sehnenscheide des
M. flexor hallucis longus
Lig. vaginale proprium
digiti II
Lig. obliqiuim mediali
hallucis
A. digitales plantares
communes
N. articularis metatarso-
phalangeus hallucis
Proximales Ende der digi-
talen Sehnenscheide
R. digifalis medialis
hallucis proprius
A. plantaris medialis
Durchtrennter M. flexor
digitorum brevis
Distales Ende der tar
salen Sehnenscheide des / j
M. flexor hallucis longus r-
Distales Ende der tar-
salen Sehnenscheide des
M. flex. digitorum longus
N. plantaris medialis
M. ab(Juctor hallucis
Processus medial
tuberis calcanei
1
Distales Ende der digitale
Sehnenscheide der IV. Z^
N. digitalis proprius
N. digital!
IS communis
Bifurcatio
plantaris pro digito III
Proximales Ende der digital
Sehnenscheide der IV. Ze
M lumbriralis III mit i
motorischer Anastomose \
zum R. profundus '
Sensible Anastomose zwisch
den N. plantares lateralis
und medialis
N. articularis metatarso- i
phalangeus V
Muskeln des Kleinzehen-
ballens
R. profundus (musrnlaris) 1
n. plantaris lateralis et
Vasa plantaria lateralia
N. digitalis lateralis
proprius digiti V
Tendo m. flexoris
digitorum longi
Caput plantare (Ca
drata) cum nervo
M. abductor digiti V, pari
proximalis, cum nervo ;
lateralis
tuberis calcanei
Fig. 33. Fußsohle, II. Schicht, 7,. nat. Gr.
Fußsohle, II. und III. Schicht. 593
Beschreibung zu Fig. B3.
Die von uns für den Atlas der topographischen Anatomie von v. Bardeleben,
Häckel und Froh8E (4. Auflage) angefertigte und jetzt erst hier übernommene
Fig. 195 zeigt die mittlere Schicht der Futisohle. Vollkommen entfernt ist die
Aponeurosis plantaris und zur Seite geklappt der proximale Teil des M. flexor digi-
torum brevis, dessen distales Endstück von der Hautseite aus umfaßt wird diu-ch
die N. digitales plantares, bei denen besonders auf die sensible Anastomose zu
achten ist. Der Nerv für den M. flexor digitorum brevis entwickelt sich aus dem
X. plantaris medialis, sehr weit proximal zum Unterschenkel hin. Er ist ja gleich-
l>e(leutend mit dem motorischen Zweige des N. medianus für den M. flexor digi-
torum sublimis. Etwas lateral von ihm ist der Nerv für das Caput plantare zu
sehen. Da dieses einen Nebenteil des M. flexor digitorum longus darstellt, und zwar
den lateralen, müssen wir die Versorgung aus dem N. plantaris lateralis als Eegel
hinstellen, obwohl, wie allgemein bekannt, der entsprechende Muskel des Armes,
der M. flexor digitorum profundus, eine Doppelinnervation aufweist, sowohl aus
dem N. ulnaris wie aus dem N. medianus. In dieser Abbildung geht der Nerv
indifferent hervor aus der Teilungsstelle der N. plantares medialis und lateralis.
Zwar zerfällt das Caput plantare in eine Portio lateralis und medialis, wie es auch
beim M. flexor digitorum profundus manus der Fall ist. Wir konnten aber noch
nicht den Nachweis erbringen, daß er doppelt innerviert wird, wie der homologe
Muskel des Vorderarmes, bei dem ja Finger 3 — 5 dem N. ulnaris und der Zeige-
finger dem N. medianus angehören. Ferner sind die Nerven für die M. lumbri-
cales dargestellt, von denen die beiden ersten ausschließlich unter der Botmäßigkeit
des N. plantaris medialis stehen, der dritte auch vom N. plantaris lateralis aus ver-
sorgt werden kann, wobei dann eine motorische Anastomose zustande kommt, wie
es auch bereits in dieser Figur für den Großzehenballen zu sehen ist. Der Nerv für
den M. lumbricalis IV konnte nicht "abgebildet werden, weil er regelmäßig von
seiner Facies profunda aus versorgt wrd. Die Abbildung zeigt in mittlerer Höhe
des Metatarsus drei Anastomosen, eine sensible und zwei motorische, welche an der
Hand genau in derselben Weise verwirklicht imd auch von uns beschrieben und
teilweise abgebildet sind (s. A. Fig. 78, S. 228).
Die Sehnenscheiden sind in roter Farbe angegeben für die große Zehe; diese
verläuft im tarsalen Teile sowohl wie im digitalen vollkommen einheitlich, weist
aber im Bereiche des Os naviculare eine vollkommene Sonderung auf. Dasselbe
gilt in noch höherem Grade für die Sehnenscheide des M. flexor digitorum longus,
welche proximal einheitlich ist, distal sich in 4 Unterabteilimgen zerlegt für die
2. bis 5. Zehe. Diejenige für die 5. Zehe ist die längste, erreicht aber glücklicher-
weise niemals die tarsale, während an der Hand sich normalerweise eine Ver-
bindung zwischen der digitalen und carpalen Sehnenscheide am 5. Finger vor-
findet. So sind die digitalen Phlegmonen des Fußes auf die entsprechenden Sehnen-
fächer beschränkt uncl können erst nach Infiltration des Bindegewebes in der Tiefe
der Fußsohle die tarsalen oder cruralen erreichen. In solchen Fällen ist allerdings
die Gefahr für das Leben eine sehr große. Während man an Hand und Vorderarm
bei der oberflächlichen Lage der Teile imstande ist, wegen der. leichten Operations-
wege günstige Abflußbedingungen zu schaffen, ist es am Fuße bei den tiefen Phleg-
monen unendlich schwer, uud in dieser Weise gehen viele Kranke an Sepsis zu-
grunde, auch dann, wenn als letzter Ausweg eine Amputation im Bereiche des
Beines ausgeführt wurde.
Die Abbildung zeigt ferner die A. plantares, die medialis als langgestreckten
dünnen Stamm, die lateralis als starkes bogenförmiges Gefäß, welches nur zur freien
Kleinzehenseite einen oberflächlichen Ast hervorgehen läßt, sonst aber die A. digi-
tales communes von der Tiefe aus zu den Spatia interossea I — IV entsendet. So-
wohl die Arterien väe die begleitenden Venen sind zu dünn gehalten, besonders
letztere. Sie sind in Wirklichkeit vielleicht doppelt so stark, und so erklärt sich
wohl einerseits die Erschwerung der Blutstill uug bei operativer Aufsuchung, anderer-
seits die leichtere Ausbreitungsmöglichkeit einer Entzündung.
Das Fettpolster ist im ganzen Bereiche der Ferse sehr stark, ebenso an den
Zehenkuppen ; dann ist die Mächtigkeit an der Kleinzehenseite bedeutend größer
als die der Innenseite, welche in der Mitte des medialen Randes überhaupt gleich
Null sein kann.
Beschreibung zu Fig. 'M.
Unsere beiden Figuren (33 u. 34) von den tieferen Schichten der Fußsohle sind
hervorgegangen aus einem Mangel in der 3. Auflage des Atlas der topographischen
Anatomie von v. Bardeleben, Häckel und Frohse, welche bereits in der
38*
179
594
Distales Ende der digitalen i_|i
Sehnenscheidr '
Sehne des M. flexor
digitorum longus
A. digitalis medialis
propria hallucis
Bursa subcutanea
metatarsophalangea
Bursa subabductona
hallucis
Ossa sesamoidea
M. adductor hallucis, \
Caput obliquum, resectum
M. flexor hallucis brevis
Anastomose zwischen der
A. plantaris lateralis und
dorsalis pedis
Motorische Anastomose
zwischen den N. plantares
medialis und lateralis
M. adductor hallucis,
Caput obliquum
A. plantaris medial
Distales Ende der tarsalen
Sehnenscheide des M. flexor
hallucis longus
M. abductor hallucis
M. tibialis posterior mit
Sehnenscheide
Distales Ende der tarsalen Sehnen-
scheide des M. flexor digitorum longus
Caput plantare (Caro quadrata)
M. abductor hall
Processus medialis tuberis calcanei
Tuber calcaneum
1
M flexor digitorum longus
V ncula tendinum
M. flexor digitorum brav
A. digitales plantares
coramunes
Capitulum ossis meta-
tarsalis III
Lig. capitulorum trans-'
versum t
Bursa subcutanea meta-
tarsophalangea V
M. adductor, caput trani
versum
N. articularis metatarsöJ
phalangeus V '
Arcus plantaris
Bursa subabductoria
digiti V
R. profundus (musculari
n. plantaris lateralisi
M. abductor digiti V, ;j
resectus \
' Tarsale Sehnenscheide des
M. peronaeus longus
Malleolare Sehnenscheide des
M. peronaeus longus
:M. abductor digiti V
A. plantaris lateralis
N. motoricus pro m. ab-
ductore digiti V
Processus lateralis tuberis
calca:
Fig. 34. Fußsohle, 111. Schicht, 7,„ nat. Gr.
Fußsohle, IV. Schicht. 595
ersten Axiflage vorhanden sind, als Frohse noch nicht Mitarbeiter war. Die ent-
sprechenden Präparate sind von Fränkel angefertigt, von Frohse gezeichnet.
Wir überließen aie Abbildungen zur vorzeitigen Veröffentlichung im Atlas.
Die Abbildung zeigt die motorischen Aeste der N. plantares medialis und late-
rahs mit Ausnahme desjenigen für den M. flexor digitorum brevis, welcher bereits
in der Fig. :i3 mit seinem Eintritte dargestellt und nier nixr als kurzer unbezeich-
neter Stumpf vorhanden ist. Ferner haben wir unserer Meinung Ausdruck gegeben,
daß das Caput plantare vom N. plantaris lateralis versorgt wird. Außerdem ist
noch deutlicher zu erkennen der motorische Ast für den M. abductor digiti quinti,
welcher hart am vorderen Rande des Processus medialis tuberis calcanei seinen
Weg latcralwärts nimmt. Aus drei Muskeln, den M. abductor hallucis, abductor
digiti quinti und adductor hallucis sind fleischige Teile entfernt; aus dem M. ab-
ductor hallucis, um seinen Nerven sowie die Sehnenscheiden der M. tibialis posterior,
flexor hallucis longus und digitorum longus zeigen zu können, aus dem M. abductor
digiti quinti, damit sein Schleimbeutel und die tarsale und malleolare Sehnenscheide
des M. peronaeus longus sichtbar werden kann, aus dem Caput obUquum des M. ad-
ductor hallucis, um die motorische Anastomose zwischen den N. plantares lateralis
und medialis, sowie den Arcus plantaris zur Anschauung zu bringen.
Im Bereiche der Zehen ist nur die digitale Sehnenscheide der großen Zehe
rosa angegeben, umrahmt von den orange gehaltenen Ossa sesamoidea, während
die Sehnenscheiden der dreigliedrigen Zehen vollkommen entfernt sind. Bei der
2. Zehe liegen die beiden Beugesehnen in situ, bei der 3. ist die lange Sehne
emporgehoben, so daß die rosa angegebenen Vincula tendinum zu sehen sind. An
der 4. Zehe ist die tiefe Sehne an der Nagelphalange abgeschnitten. Man sieht
so das Chiasma tendinum, welches richtiger als Cniasma tendinis bezeichnet
würde, da es sich ja nur um die Kreuzung emer einzigen, der oberflächlichen Sehne
handelt, welche aus der Bifurkation hervorgeht.
Allerdings ist an den Zehen dies Chiasma sehr häufig rudimentär vorhanden.
An unserem Präparate stellt es an der 4. Zehe nur eine Verbindung vom
medialen zum lateralen Zipfel dar, während an der 5. Zehe überhaupt keine
Verbindung vorhanden ist. Diese Sehne kann auch einseitig entwickelt sein, sogar
vollständig fehlen. — Bei allen Zehen haben wir die Gelenkhöhlen eröffnet und in
hellblauer Farbe den überknorpelten Teil der Epiphysen gekennzeichnet, um so die
Länge der einzelnen Phalangen mit ihren Lagebeziehungen zu den Sehnen schnell
verständlich zu machen.
Schließlich sind noch die Schleimbeutel an den Seitenrändern des Fußes hell-
blau angegeben. Während an der Kleinzehenseite sich nur eine Bursa subcutanea
metatarsophalangea präparieren ließ, waren avif der Großzehenseite deren zwei vor-
handen, eine Bursa subcutanea metatarsophalangea I und eine Bursa subab-
ductoria hallucis, welche nicht mit der Gelenkhöhle zusammenhing. In dieser
Weise wies die Endsehne des M. abductor hallucis in der Höhe der Artic. meta-
tarsophalangea I zwei selbständige Schleimbeutel auf, einen oberflächlichen haut-
wärts von der Sehne und einen tiefen, gelenkwärts gelegenen.
Außer den rein motorischen Nerven für KleinzehenbaUen, M. interossei, Groß-
zehenballen und der hier gelegenen motorischen Anastomose haben ^vir auch die
Nerven für die Kapseln der Artic. metatarsophalangeae berücksichtigt. Sie verlaufen
ziemlich in der Achse der Mittelfußknochen und stammen für die große Zehe aus
dem N. plantaris medialis, für die dreigliedrigen aus dem N. lateralis.
Beschreibung zu Fig. 35.
Die Figur zeigt nach Entfernung der Plantaraponeurose, Beugesehnen, Nerven
und Venen, nur die vom Calcaneus entspringenden und zum Hallux hinziehenden
Muskeln ; außerdem sind jedoch die Schleimbeutel der Tarsalgegend hellrot und die
wichtigsten Arterien der Plantargegend dunkelrot angegeben. Im besonderen ist
hinzuweisen auf die sechs Fächer, welche unter dem brückenartigen Ursprünge des
M. abductor hallucis angelegt sind für folgende Teile (s. Fig. 35) :
Fach (I) — N. et Vasa plantaria medialia.
(Ili — N. et Vasa plantaria lateralia.
(UI) — Sehnenscheide des M. tibialis posterior.
(FV) — Sehnenscheide des M. flexor digitorum pedis longus.
M
Sehnenscheide des M. flexor hallucis longus.
Portio medialis des Caput plantare.
Die drei für die Sehnen bestimmten Oeff nungen halten sich nach medial und vorn zu
denjenigen Knochen, welche die unmittelbare Fortsetzung des Unterschenkels zum
Talusstrahle bilden : zur Tibia ausschließüch der M. tibialis posterior ; zu Tibia und
i8i
596
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Lig. capitul. transv,
A. plant, dig. comm,
A. digit. plant, lat. dig. V
[. interosseus dors. IV
M. interosseus plant. III
M. opponens dig. V
Arcus plant.
Ä ^
M. abd. dig. V — fP* m
subabd. dig. V ♦■
B. subcuboidea
Tendo m. perou.
longi
Caput plantare
Lig. plant, longum
M. abd. dig. V
Fascia calcanea medialis
des Caput plantare (VI)
Calcaneus
!
Ossa sesamoidea
Caput transv. m. add. t
hallucis '■■
Caput obliquum in. add.
hallucis
Caput laterale ra. flex. "-■
hall. brev. t
Caput mediale m. flex. ^
hall. brev. }
Arcus plantaris i
Tendo m. peronaei longi ^
]
Tendo m. tib, ant. 1
Tendo m. tib. post.
(Os cuneiforme I)
Lig. plant. long.
Tub. ossis navic, pedis
Tendo m. tib. post. (III)
Sulcus pro m. flex. dig.
comm. longo (IV)
Sulcus pro m. flex. hall,
longo (V)
A. plant, medialis (I)
A. plant, lateralis (II)
'' M. abductor hallucis
S
Fig. 35. Fußsohle, IV. Schicht, nat. Gr. J^
182
Vertex retinacul
Lig. acc. plant. III
(Lig. intertendinosum
nietatarseum nobis)
B. intermetatarso-
phalangea III
M. inteross. plant. I
M. inteross. dors. III
M. inteross. plant. II
M. inteross. dors. IV
M. inteross. plant. III
M. oppon. dig. V
Tuberos. oss. metat.V
Pars lateralis
aponeur. plant.
Lig. calcaneO'
motatarsale (nobis) ;
M. peron. brevis
Tendo Über m
Vagina crurotarsalis
m. peron. longi
Lig. calcaneocuboid. plant.
Lig, plant, longura
Proc. lateralis tuberis calcanei
597
Artic. metatarso-
phalangea dig. II
ncisura in
tersesamoidea
M. interosseus dorsalis I
M. interosseus dorsalis II
Pais profunda m. adduct.
hallucis
Tendo access. m. inteross.
dors. I
Vagina plantaris
m. peron. long.
M. tibialis ant. c. bursa
access.
Os cuneiforme I
Tendo ad os cuneif. II
Tendo ad os cuneif. III
Tuberositas oss. iiavic. et
Bursa subtendinea •
Tendo reflexus m. tibialis ant.
Sulcus m. flexor dig.
longi (pedis)
M. tibialis post. (Sonde
Rec. prof. der Sehnen-
scheide)
Sulcus m. flexoris hallucis longi
Sustentaculum tali
Fig. 36. Fußsohle; V. Schicht, nat. Gr.
5SS PROHSE und M. FRÄNKEL,
Talus der M. flexor digitorum longus ; zu Tibia, Talus und Calcaneus (Sustentaculum
tali) der M. flexor hallucis longus. Die drei anderen Oeffnungen betreffen die
mediale Fläche des Calcaneus, welche durch den medialen Kopf des Caput plan-
tare überlagert wird. Eine deutliche Fascie trennt und verbindet diesen gleich-
zeitig mit der ausgesprochen sehnigen Scheidewand, welche den N. und den Vasa
plantaria medialia und lateralia den gesonderten Weg zur Fußsohle vorschreibt.
Von der Planta aus lassen sich die einzelnen Fächer ungleich deutlicher darstellen,
allerdings erst nach Durchschneidung des M. abductor hallucis und scharfer Herum-
klappung des Ursprunges dieses Muskels. Obwohl die Entfernung nur eine sehr
kurze ist, haben sich doch schon die Sehnen, Muskeln und Gefäße erheblich von-
einander getrennt.
Am Kleinzehenballen sind berücksichtigt die hellroten Sehnenschleimbeutel.
Allerdings ist die von uns als Bursa subabductoria digiti quinti dargestellte seröse
Höhle hervorgerufen durch den lateralen Zug der Aponeurosis plantaris, welche
anheftet an der eigentlichen Tuberositas ossis metatarsaUs V. Erst weiter medial
liegt der eigentliche Muskelschleimbeutel, für welchen wir den indifferenten Namen
„Bursa subcuboidea lateralis" vorschlagen. Noch weiter medial liegt die Sehne des
M. peronaeus longus, welche in derselben Höhe des Tarsus eine Unterbrechung der
Sehnenscheide aufweist und in dieser Art in einen proximalen Abschnitt zerfällt,
für welchen wir in Fig. 36 den Namen Vagina crurotarsalis gegeben haben, und
einen distalen mit der Bezeichnung Vagina plantaris.
Beschreibung zu Fig. 36.
Für unsere Abbildung war nötig die Entfernung sämtlicher am Calcaneus
entspringenden und an der großen Zehe anheftenden Muskeln einschließlich der
beiden etwa bohnengroßen Ossa sesamoidea hallucis. Proximal vom Capitulum
findet man, wie bei den dreigUedrigen Zehen, eine gleichgestaltete Incisur ; dagegen
ist die plantare Seite des Capitulum ossis metatarsalis I am Knochen durch eine
axiale Crista ausgezeichnet, welche durch Hinzufügung beider Sesambeine sich fast
in ein Capitulum umwandelt. Jedenfalls wird durch das von uns so bezeichnete
Lig. intersesamoideum die vollkommene Uebereinstimmung mit den dreigliedrigen
Zehen nachgewiesen, und der M. flexor hallucis brevis als gleichwertig mit den
M. interossei pedis hingestellt. Ferner sind die Artic. metatarsophalangeae eröffnet
und zwar aus dem besonderen Grunde, in dieser Weise die queren sehnigen Ver-
bindungen zu kennzeichnen, welche nach unserer Meinung fälschlich als Lig.
capitulorum transversum bezeichnet werden. Nach unserer Auffassung sind es
vielmehr sehnige Verbindungen der M. interossei jeder einzelnen Zehe (auch der
großen), welche die Beugewirkung gemeinschaftlich an dieser Stelle auslösen.
— Die an der Hand als Fasciculi transversi beschriebenen sehnigen Züge sind am
Fuße in anderer Weise verwirklicht. Wir finden ihren Gipfelpunkt, welcher von
uns als Vertex retinaculi interossei bezeichnet ist, in der knöchernen Achse des
Fußes, d. h. in der 2. Zehe, von welcher aus nach lateral sich ein langer schräger
Zug bis zum freien Eande der 5. Zehe erstreckt, während der mediale sich nach
ganz kurzem Verlaufe nicht anheftet am freien Eande der großen Zehe, sondern
im ersten Zwischenknochenraume dicht proximal vom lateralen Sesambeine.
Von Schleimbeuteln und Sehnenscheiden sind gezeichnet die der drei tiefen
Beugemuskeln am Unterschenkel, ferner die Doppelscheide des M. peronaeus longus,
der akzessorische Schleimbeutel des M. tibialis anterior und schließlich die Bursae
intermetatarsophal angeae.
In den B.N.A. werden Lig. tarsometatarsea plantaria aufgeführt. Nach unserer
Meinung ist diese Bildung an der 5. Zehe eine besondere laterale Anheftung des
M. peronaeus longus, nicht an der medialen Seite des Fußes, sondern bereits
ganz weit lateral, am medialen Eande der Basis des 5. Mittelfußknochens.
Der M. adductor hallucis verfügt genau wie der entsprechende M. adductor
poUicis über eine tiefe Portion, welche vom 3. und 2. Mittelfußknochen entspringt.
Außerdem ist aber noch eine normale, wenn auch dünne, scharf abgesetzte Sehne
vorhanden, welche ihn mit dem M. interosseus dorsalis 1 verbindet. Gerade diese
Sehne ist es, welche auf den M. interosseus volar is I manus hinweist, den soge-
nannten CuNNiNGHAMschen Flexor oder Adductor. —
Eine ähnliche Einrichtung ist an der Hand zu beobachten. Die
trennende Sehne zwischen Pars superficialis und profunda ist die des
M. flexor carpi radialis, welche sich geteilt an der Basis des 2., 3.
oder sogar des 4. Mittelhandknochens ansetzt, es also der Pars pro-
184
Caput obliquum, 599
funda nicht erlaubt, zu dem distalen Handwurzelknochen in Beziehung
2u treten. Andererseits haben wir zu beachten, daß unser M. inter-
osseus volaris 1 durchaus nicht immer vom Os metacarpale I ent-
springt, sondern schon von der Art. carpometacarpea pollicis oder
selbst dem Os multangulum majus. Nichtsdestoweniger haben wir
auch in solchen Fällen für diesen gut gesonderten Kopf den Namen
M. interosseus volaris I festgehalten. Was aber der Hand recht ist,
ist auch dem Fuße billig. Wenn der mediale Teil der Pars profunda
vom Os cuneiforme I entspringt, müssen wir diesen Abschnitt auch
als M. interosseus plantaris I bezeichnen und dann ist die vollständige
Analogie mit der Hand hergestellt, mit der einzigen Ausnahme, daß
der M. interosseus plantaris II nicht von der medialen Seite des
2. Mittelfußknochens entspringt und zur gleichen Seite der ent-
sprechenden Grundphalangen geht, sondern von der lateralen Seite
des 3. Mittelfußknochens zur entsprechenden Seitenfläche der Grund-
phalange. Uebrigens erwähnt Poirier (s. S. 283), daß bereits Henle
«inen M. interosseus plantaris im ersten Zwischenknochenraume auf-
gestellt hat, den er allerdings von der Basis des Os metatarsale II
entspringen läßt. Dies wäre aber nur der mittlere Abschnitt unserer
Portio profunda. — Das Caput transversum ist in der Richtung von
proximal nach distal bei weitem nicht so stark entwickelt, wie an der
Hand, indem es nicht einmal die Mitte der Diaphysen des Metatarsus
erreicht. Dagegen ist es nach lateral, d. h. gegen die kleine Zehe
hin, viel weiter ausgebreitet. Was wir an der Hand als Varietät be-
zeichnen mußten, nämlich das Uebergreifen auf den 4. oder gar
5. Mittelhandknochen, muß als Norm für den Fuß bezeichnet werden.
Caput obliquum.
Synonyma : Schräger Kopf des Beiziehers ; Interosseus ad indicem
pertingens; Metatarso-sous-phalangien du premier orteil (Chauss.), tarso-
m^tatarsi-phalangien du pouce (Dum.).
Idiotopie und Skeletopie.
Der einzige für die Pars superficialis unter allen Umständen dar-
stellbare Knochenursprung liegt 1 — 2 cm proximal von der Artic.
«alcaneocuboidea und stellt die oberflächliche Schicht des Lig. plan-
tare longum dar. Wie bereits beim M. flexor hallucis brevis erwähnt
ist und hinterher noch bei der Muskulatur des Kleinzehenballens zu
betonen sein wird, haben wir an dieser Stelle den Hauptknochen-
ursprung der mittleren Plantarschicht. Wir müssen hier die Fußsohle
entgegengesetzt zu unserer früheren Beschreibung und Teilung in
Großzehen-, Mittelfuß- und Kleinzehenballen durch eine zweite er-
gänzen, welche von der Fußsohlenhaut gegen die Fußknochen gezählt
wird. Die oberflächliche Schicht umfaßt die M. abductor hallucis,
flexor brevis digitorum und den M. abductor digiti V, welche zu-
sammen mit der Aponeurosis plantaris den unteren hinteren Umfang
des Fersenbeines mit seinen beiden Processus zum Ursprünge benutzen.
Die zweite Schicht enthält das Caput plantare des M. flexor digitorum
longus, dessen Sehne und die des M. flexor hallucis longus. Auch
die M. lumbricales gehören hierher. Ob man die Endsehne des M.
tibialis posterior zu dieser oder der dritten Schicht rechnen soll, kann
185
600 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Zweifel erwecken. Letztere Anschauung würde dem M. peronaeus
longus zu Liebe entstanden sein und hat aus diesem Grunde viel für
sich. Die Muskeln der dritten Schicht sind die M. flexor brevis und
adductor hallucis mit seinem Caput obliquum und transversum, also
seiner oberflächlichen Schicht, nicht aber mit seiner Portio profunda,
welche distal von der Peronäussehne liegt und damit zur vierten und
tiefsten Schicht gehört. Zu dieser sind außerdem zu rechnen sämt-
liche M. interossei und der Kleinzehenballen mit Ausnahme seines
M. abductor. Die Muskeln aller Schichten treten ganz oder zum Teile
in Beziehung zum Calcaneus, die der dritten und vierten indirekt,
entweder durch das Lig. calcaneocuboideum plantare, oder durch die
Wand der Sehnenscheide des M. peronaeus longus.
Caput transversum.
Synonyma: Querer Kopf des Beiziehers; Transversus pedis; Muscle
adducteur transverse du gros orteil, metatarso-sous-phalangien transversal
du premier orteil (Chauss.), metatarso-phalangien du pouce (Dum.).
Idiotopie und Skeletopie.
Der Muskelbauch hat keinen direkten Knochenursprung und ge-
winnt ihn erst durch die Verbindung mit den Fascien, Gelenkkapseln
und ihren Verstärkungsbändern, nicht etwa im Bereiche der Capitula
ossium metatarsalium II — V, sondern proximal, d. h. im Bereiche
ihrer Diaphyse. Der Ursprung vom 3. und 4. Mittelfußknochen ist
konstant, derjenige vom 2. und 5. bietet mitunter, wenn er überhaupt
vorhanden ist, präparatorische Schwierigkeit. Der Muskelbauch selbst
wird in der Mitte etwa 1 cm breit, erreicht also bei weitem nicht
die Breite des gleichnamigen Kopfes an der Hand. Der proximale
Rand ist in gleicher Richtung konvex, der distale nahezu quer. Wir
können die Abbildung von Rauber-Kopsch (Fig. 815) nicht als Norm
hinstellen, daß sich der quere Kopf unter den schrägen herunter-
schiebt, müssen vielmehr betonen, daß sich die zwar sehr kurze End-
sehne äußerlich sichtbar an die des schrägen Kopfes anheftet, sie
sogar von beiden Seiten umgreifen kann.
HolotopieundSy Utopie.
Die Facies superficialis wird von den Beugesehnen und -muskeln
einschließlich der M. lumbricales sowie den oberflächlichen Zweigen
des N. und der Vasa plantaria medialia bedeckt. Die Facies medialis
lehnt sich an das Caput laterale des M. flexor hallucis brevis an und
ist von ihm nur künstlich trennbar. Die Facies lateralis bildet ein
spitzwinkliges Dreieck, dessen Spitze künstlich bis zum Os sesamoi-
deum laterale verfolgt werden kann, und dessen Basis der Musku-
latur des Kleinzehenballens entspricht. Im lateralen, proximalen Winkel
liegt die wichtige Eintrittsstelle für den im wesentlichen motorischen
R. profundus des N. plantaris lateralis, sowie der gleichnamigen Ar-
terie, welche den Arcus plantaris bildet. Dieses Dreieck muß im
Gegensatze zu den kleinen Schlitzen an der Hand sehr groß sein,
weil sich die Gefäße für die Zehen erst ganz aus der Tiefe entwickeln,
während sie an der Hand aus dem Arcus superficialis entspringen.
Uebrigens kommen sowohl an der Hand, wie beim Fuße an den ver-
i86
M. abductor digiti quinti. 601
schiedensten Stellen Varietäten vor, welche es ermöglichen, daß das
arterielle Blut bald einen oberflächlichen, bald einen tiefen Weg nimmt.
Unsere gewöhnlichen Injektionspräparate lassen nur selten die Be-
obachtung eines italienischen Autors deutlich werden, daß genau wie
an der Hand, auch am Fuße ein Arcus plantaris superficialis und
profundus unterschieden werden kann. — Die Facies profunda deckt
zunächst die tiefen Gefäße und Nerven, ferner die M. interossei an
der Basis durch das Caput obliquum, proximal von den Capitula durch
das Lig. capitulorum transversum.
Wirkung.
Physiologisch hat der Muskel, entsprechend seinen beiden Köpfen,
zwei verschiedene Aufgaben zu erfüllen; durch das Caput obliquum,
welclies ungefähr in der Achse des Fußes verläuft, unterstützt er die
Beugung der Grundphalange. Das Caput transversum hat vermöge
seiner queren Verlaufsrichtung nicht allein die Wirkung, die große
Zehe nach außen gegen den Kleinzehenballen zu wenden, sondern
auch den der großen Zehe fehlenden M. oppouens hallucis zu er-
gänzen. Wir finden auch wirklich mitunter bei sonstiger Atrophie
der Fußmuskulatur diesen Kopf einigermaßen erhalten.
Der M. adductor hallucis hat, weil er mit dem lateralen Kopfe
des M. flexor brevis verschmolzen ist, mit diesem Bauche auch flek-
tierende Funktion. Er wirkt mit den lateralen Bündeln des Caput
obliquum als Adductor, in stärkerer Weise freilich das Caput trans-
versum, dem aber außerdem noch die Aufgabe zukommt, das Fuß-
gewölbe übei' der Ballengegend durch eine muskulöse Grundlage
gegen Abplattung in transversaler Richtung zu schützen. Das Caput
obliquum gewährt — mit dem M. flexor brevis hallucis zusammen —
Schutz gegen die Abplattung in longitudinaler, sagittaler Richtung.
Innervation s. Beschreibung zu Fig. 34 S. 595 (181).
M. abduetor dijyiti quinti.
Synonyma: Abzieher der kleinen Zehe; Abducteur du petit orteil,
calcaneo-sous-phalangien du petit orteil (Chauss.), calcaneo-phalangien du
petit doigt (Dt^m.).
Allgemeine Beschreibung.
Dieser Muskel ist nach unserer Erfahrung der am meisten
wechselnde des menschlichen Körpers infolge seines außerordentlich
verschiedenen Ansatzes an der Basis des 5. Mittelfußknochens. Wir
können noch keine allgemeingültige Beschreibung geben und führen
deshalb 3 Befunde von willkürlich gewählten Präparaten au, welche
wir erst nach Anfertigung der Zeichnungen nochmals bearbeitet haben.
Die Figuren (34, 35) zeigen zwei der geschilderten Möglichkeiten.
Die nach unserer Meinung richtigste Beschreibung hat Poirier
S. 279 gegeben.
Idiotopie und Skeletopie.
Allen 3 Fällen gemeinsam war der Ursprung von der unteren
Fläche des Calcaneus in einer einheitlichen, mehr oder weniger wel-
ligen Linie, welche den Processus lateralis mit dem medialis ver-
187
602 FROHSE und M. FRÄNKEL,
bindet. — Im allgemeinen macht sich ein Muskelursprung durch eine
Rauhigkeit bemerkbar. Hier jedoch finden wir teilweise einen
Knochenvorsprung, nämlich den Processus lateralis tuberis calcanei^
teilweise eine unbenannte Furche, welche den eigentlichen Fersenteil
von der Hauptmasse des Calcaneuskörpers absetzt. Unser, des weiteren
ausführlich besprochenes „Lig. calcaneometatarsale" (laterale) entspringt
Jedoch nicht, wie man annehmen könnte, vom Processus lateralis,
sondern in der Mitte zwischen den beiden Processus als lateraler,
scharf getrennter Zug der Plantaraponeurose ; welche besonders im
Ansätze ohne jede Kunst zu isolieren ist, und einen fibrösen Strang,
welcher zwei Knochen miteinander verbindet, müssen wir als „Liga-
ment" bezeichnen. Es ist in der Fig. 36 dargestellt und gemein-
schaftlich mit dem M. abductor digiti quinti bezeichnet. Ferner ist
konstant die Anheftung an der lateralen Seite der Grundphalange
der 5. Zehe. Im einzelnen verhielten sich unsere 3 Präparate fol-
gendermaßen :
Fall I. Rechter muskelschwacher Frauenfuß. Das Lig. calcaneo-
metatarsale ist scharf abgesetzt und durch eine oberflächliche breite
Ausstrahlung der Plantaraponeurose vollkommen überlagert. Der
Muskelbauch entspringt einheitlich, auch mit Ursprüngen von der
tiefen Fläche der Plantaraponeurose und der sehr starken Aponeu-
rosis intermuscularis zwischen Kleinzehen- und Mittelfußballen. An
der unteren Fläche der Tuberositas ossis metatarsalis V findet sich
eine kleinhaselnußgroße Bursa subabductoria, welche in diesem Falle
genau der Rauhigkeit entsprach (s. Fig. 34) proximal, sich aber auch
(s. Fig. 35) distal verwirklicht finden kann. Es ist also in diesem Falle
keinerlei Anheftung von Muskelbündeln am Mittelfußknochen vor-
handen. Nach Wood soll diese Anheftung in der Hälfte der Fälle
vorkommen, nach Macalister nur in 25 Proz.
Fall IL Rechter, starker Männerfuß. Die oberflächliche Lage
der Plantaraponeurose über dem Lig. calcaneometatarsale ist nur sehr
schwach entwickelt. Der M. abductor selbst ist doppelschichtig; die
oberflächliche Lage entspringt nur von der Plantaraponeurose und
der Aponeurosis intermuscularis lateralis und ist bedeutend schwächer,
als der tiefe Abschnitt, welcher ganz breit vom vorderen Umfange
des Tuber calcanei entspringt und mit starker, medial gespaltener
Sehne sich an der Spitze der Tuberositas ossis metatarsalis V an-
heftet, vollkommen unabhängig von dem fast ebenso starken Lig. cal-
caneometatarsale. Der Schleimbeutel liegt etwas distal von der Tube-
rositas.
Fall III. Linker, mittelkräftiger Männerfuß. Die Plantarapo-
neurose liefert in oberflächlicher Schicht eine sehr starke, 1,5 cm
breite Sehnenplatte, welche sich nicht allein an der Rauhigkeit des
5. Mittelfußknochens anheftet, sondern noch die ganze laterale Seite
desselben einnimmt. Der laterale Rand ist verdickt, wie der Rücken
einer Säbelklinge, aber nicht als besonderes Ligamentum herauszu-
setzen. Dafür ist aber ein lateraler Strang entwickelt, welcher an
einer besonderen Rauhigkeit unterhalb der Trochlea des ('alcaueus
entspringt und so die Sehne des M. peronaeus longus von dem Muskel-
fleische des M. abductor digiti quinti trennt. Dieser selbst ist doppel-
schichtig, und zwar in beiden Portionen gleichwertig. Die oberfläch-
liche lange Schicht nimmt die ganze Breite des Tuber calcanei und
besonders den Processus lateralis in Anspruch. Die tiefe, kurze
i
M. abductor digiti quinti. 603
Portion entspringt muskulös aus der oben beschriebenen Furche und
liefert eine 2 cm lange, vollkommen selbständige Sehne, welche nicht
an der Basis des 5. Mittelfußknochens ansetzt, sondern im Anfangs-
teile des Corpus und außerdem sich noch unmittelbar in den M. opponens
fortsetzt. Der Schleimbeutel liegt etwas medial von der Tuberositas.
Da wir in allen 3 Fällen das Lig. calcaneometatarsale laterale
gefunden haben, sogar in Doppelschichtung bei gleichem Ursprünge
und Ansätze, oder auch in Verdoppelung bei verschiedenem Ursprünge
und gleichem Ausatze, müssen ihm wichtige Aufgaben obliegen. Nach
unserer Auffassung ist es das Hemmungsband, welches der über-
mäßigen Dorsalflexion durch den M. peronaeus brevis und auch den
tertius das Gegengewicht hält. Darum entspringt es auch nicht an
der lateralen Kante, sondern greift auf die plantare Seite über, auf
die Mitte des Tuber calcanei.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies lateralis liegt unter der Haut und Plantaraponeurose,
unter letzterer regelmäßig im Bereiche des Tarsus, selten in dem des
Metatarsalknochens. In der Haut verlaufen der N. cutaneus dorsi
pedis lateralis und die Wurzeln der V. saphena parva. Auch die
Facies inferior wird von der Plantaraponeurose verdeckt; der Marge
medialis grenzt an die Aponeurosis intermuscularis zwischen Klein-
zehen- und Mittelfußballen. Die Facies superior wendet sich gegen
die Tiefe der Fußsohle und kommt dabei in ziemlich nahe Berührung
mit dem Calcaneus, wird aber vom Os cuboideum durch die Wand
der Sehnenscheide des M. peronaeus longus getrennt. In wechselnder
Höhe der Tuberositas ossis metatarsalis V findet sich ein konstanter,
etwa kleinhaselnußgroßer Schleimbeutel, gleichviel, ob nur der Ansatz
an der lateralen Seite der Grundphalange der 5. Zehe verwirklicht
ist oder noch ein akzessorischer Ansatz an der Rauhigkeit oder der
Basis des 5. Mittelfußknochens. Die Basis oder die Facies proximalis
ist in oberflächlicher Schicht aponeurotisch, in tiefer muskulös. Die
Doppelschichtung kann bis zum Ansätze, dem Apex distalis, verwirk-
licht sein, und wir finden dann entweder nur den konstanten Ansatz
an der Grundphalange, oder noch den akzessorischen an der Basis des
Mittelfußknochens.
Wirkung.
Die lange Portion entspricht in ihrer Wirkung durchaus ihrem
Namen, indem sie die freie Zehe von der Fußachse entfernt. Der
akzessorische Ansatz an der Rauhigkeit des 5. Metatarsalknochens ruft
eine Wirkung auf den ganzen lateralen Fußrand hervor. Diejenigen
Bündel, welche vom Processus lateralis tuberis calcanei longitudinal
verlaufen, haben mehr die Aufgabe der Flexion, die vom medialen
Processus entspringenden können vermöge ihrer schrägen Verlaufs-
richtung auch die Adduktion unterstützen. Die Hauptaufgabe dürfte
aber darin zu suchen sein, daß ein Gegengewicht gegen eine über-
mäßige Wirkung der M. peronaei brevis und tertius geschaffen ist,
welches passiv durch das konstante Lig. calcaneometatarsale (laterale)
erzielt wird, aber außerdem aktiv in noch schärferer Form durch
einen ansehnlichen akzessorischen Muskel sich verwirklicht finden kann.
Innervation s. Fig. 34.
189
^1
3 Ö^
HüOo
Mediale Seite des Fußes. 605
Beschreibung zu Fig. 37.
Der Hautteil zeigt am Dorsum pedis eine sich vom riiterschenkel her ver-
jüngende Anhäufung des Panniculus adiposus, welche wicdcrkclut in der Höhe de*
Os naviculare an der Planta pedis und auch auf der Kückseite des Unterschenkels
am oberen Rande des Calcaneus. Durch Fettanhäufung ist gekennzeichnet der
ganze hintere und untere Umfang des Calcaneus, die Gegend unter dem medialen
Sesambeine und schließlich die Nagelbeere der großen Zehe.
In der Tiefe der Haut verläuft ganz proximal die V. saphena magna mit dem
liinter ihr gelegenen N. saphenus (major). Am Fersenbeine finden wir den N.
calcaneus medialis, welcher aus dem N. tibialis stammt, mit einem hinteren Zweige
die Rückseite des Fersenbeines versorgt und mit einem zweiten besonderen die
l'nterfläche. Am Calcaneus haben neuerdings die Schleimbeutel eine ungeahnte
praktische Bedeutung gewonnen. Unter allen Umständen ist vorhanden die Bursa
tt'iuliiiis calcanei (AchiTlis), welche sich zwischen Sehne und Knochen findet, aber
normalerweise, d. h. wenn der M. plantaris nicht fehlt, von dessen Endsehne breit
umfaßt Avird. Ferner müssen wir als sehr häufig vorkommend bezeichnen die Bursa
subcutanea supracalcanea, einen Schleimbeutel, welcher nur durch den Druck der
Fersen kappe des Schuhes hervorgerufen sein kann. Im Bereiche des festen Teiles
des Schuhes finden wir schützendes Fettgewebe, im weichen Teile, d. h. entsprechend
dem Oberleder, ist es nicht entwickelt. Die Fersenkappe ist in ihrem Fettpolster
natürlich durch den Druck großen Veränderungen gegen den Knochen, die untere
Fläche des Calcaneus ausgesetzt. Wir finden deshalb beinahe regelmäßig einen
Sohleimbeutel, die Bursa subcutanea calcanea. oder zum mindesten schlüpfriges
Bindegewebe immittelbar hautwärts von der Aponeurosis plantaris. — Ein anderer
Schleimbeutel liegt dem inneren Knöchel auf; wir müssen diese Bursa subcutanea
inalleoli medialis als Varietät bezeichnen, Aveil sie nach unseren Beobachtungen
nicht in ,30 Proz. der Fälle vorkommt. — Als normal möchten wir die Bursa sub-
cutanea metatarsophalangea I bezeichnen, welche sich in der Höhe des ent-
sprechenden Gelenkspaltes findet.
Die Sehnenscheiden sind in abwechselnder Farbe angegeben ; hellblau für die
M. tibiales anterior et posterior, welche den Malleolus medialis umfassen und so
eine Tabatiere anatomique du pied schaffen. Diese Einrichtung ist auch am Lebenden
bei Einwärtsdrehung des Fußes oft zu sehen. An der Sehnenscheide des M. tibialis-
posterior fällt auf, daß das distale Ende nicht ringförmig verläuft, sondern einen
Fortsatz knochenwärts entsendet; am M. tibialis anterior finden wir eine ringförmige
Al)grenzung zwischen Hauptteil der Sehnenscheide und am Ansätze; letztere ist
allerdings nicht normal und wird bezeichnet als Bursa subtendinea m. tibialis
anterioris. Mit rosa ist angegeben die Sehnenscheide des M. flexor digitorum longus,
welche ungefähr in derselben Höhe wie die der M. tibialis posterior und flexor
hallucis longus hinter dem Malleolus medialis beginnt. Zum größten Teile ist durch
die Gefäße und Xerven die hellblau gehaltene Sehnenscheide des M. flexor hallucis
longus bedeckt.
Die Teilung und Lagerung der A. und N. plantares lateralis und medialis ist
ohne weiteres zu erkennen. — Die Fascia cruris ist im allgemeinen einheitlich, liefert
aber auf der Beugeseite ein tiefes Blatt, welches die Grenze bUdet zwischen
Achillessehne und tiefer Schicht. Die Trennung wird noch deutlicher durch ein
Fettpolster in der Höhe des Malleolus medialis. Hier verstärkt sich auch die Fascie
zum sogenannten Lig. laciniatum. Beim Eintritte in die Fußsohle verlaufen sämt-
liche tiefen Gebilde unter einem künstlich herauszuschneidenden Sehnenbogen,
welcher den Ursprung des M. abductor hallucis vom Fersenbeine mit dem Malleolus
medialis verbindet.
Der M. abductor hallucis ist in seiner feineren Innervation dargestellt, der
extramuskuläre Teil gelb, der intramuskuläre blau. Genau, wie Avir an der Hand
eine kurze Strecke des Nerven für den M. abductor pollicis extramuskulär verlaufen
sehen, ist es auch beim Fuße der Fall, nur, daß hier der Nerv schräg nach vorn
verläuft, im Zwischenräume des Großzehen- und Mittelfußballens, während er an
der Hand sich rückläufig um das Lig. carpi transversum seinen Weg sucht.
Natürlich kann er nicht um ein Lig. iSantare transversum seinen Weg nehmen,
-itndern nur an der Grenze zwischen Großzehen- und Mittelfußballen an die Ober-
t lache gelangen.
Schließlich sind noch die Knochen des Fußskeletes in unterbrochener Linie
augegeben und an der medialen Seite der Fußwurzel mit I—IV bezeichnet.
Mit einer schwarzen horizontalen Linie haben wir die Unterstützungspunkte
für die mediale Fußseite angegeben. Diese weist drei Fettpolster auf im Bereiche
des Calcaneus, des medialen Sesambeines und der Großzehenbeere. Eine große
Wölbung zwischen Ferse und Sesambein verwirklicht den hohen Spann, bei dessem
191
606 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fehlen es zur Bildung eines Plattfußes kommt. Der hohle Eaum zwischen Grund-
linie und plantaren Weiehteilen im Bereiche der großen Zehe liegt in der Höhe
zwischen den beiden Phalangen. Er wird bei der Beugung enorm verkleinert, bei
der Streckung vollkommen ausgeglichen.
M. flexor digiti quiiiti brevis.
Synonj^ma: Kurzer Beuger der kleinen Zehe; Court flechisseur du
petit orteil, interosseux, tarso-sous-phalangien du petit orteil (Chauss.),
metatarso-phalangien du petit doigt (Dum.),
Allgemeine Beschreibung.
Dieser an der Hand oft fehlende oder rudimentäre Muskel ist am
Fuße immer gut entwickelt.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung hängt mit dem M. abductor digiti quinti und dem
Lig. plantare longum zusammen. Der schmale, platte Bauch muß oft
erst künstlich von dem M. interosseus plantaris III und dem M. op-
ponens gesondert werden. Die Endsehne heftet an der Basis der Grund-
phalange an und nimmt einen großen Teil der Beugeseite über dem
Capitulum des Mittelfußknochens ein.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis und lateralis wird vom M. abductor zu-
gedeckt, medial grenzt er an den M. interosseus plantaris III. Die
Facies profunda deckt den M. opponens zu, wofern dieser nicht bei
mächtiger Entwicklung teilweise sein lateraler Nachbar wird.
Wirkung der M. abductor digiti V und flexor brevis.
Die Muskeln entsprechen in ihrer Wirkung ihrem Namen.
M. opponens digiti quinti.
Synonyma: Gegenübersteller der kleinen Zehe; Opposant du petit
orteil.
Allgemeine Beschreibung.
Im Gegensatze zur Hand, an welcher sowohl der kleine Finger,
wie der Daumen einen kräftigen M. opponens besitzen, finden wir am
Fuße nur einen schwachen Gegenübersteller für die kleine Zehe ver-
wirklicht, dessen Darstellung auf dem Präpariersaale den allergrößten
Schwierigkeiten begegnet. Man muß sich nur nach dem Grundsatze
richten, daß allein diejenigen Muskelbündel, welche am Os metatar-
sale V proximal von der Gelenkkapsel sich in der ganzen Breite des
Corpus ossis metatarsalis V ansetzen — aber auch nicht mehr — dem
M. opponens zuzurechnen sind. Unter allen Umständen muß also die
präparatorische Trennung vom distalen Ende des 5. Mittelfußknochens
aus geführt werden, und dann gelingt auch die Sonderung des Muskels
von seinem Nachbar, dem M. flexor brevis digiti quinti. Die Trennung
muß mit dem Messer ausgeführt, darf aber nicht zu weit proximal
erstrebt werden, weil es sonst vorkommen kann, daß der Ursprung
in der Luft schwebt. Der Ursprung vom Knochen ist genau wie an
192
M. interossei pedis. • 607
den anderen kurzen Muskeln der kleinen Zehe nicht mit Sicherheit
anzugeben und nur durch undeutliche Sehnenzüge verwirklicht, welche
in der Tiefe mit dem Lig. calcaneocuboideum plantare, oder besser
der Deckschicht für die Sehne des M. peronaeus longus, oder mehr
hautwärts mit der Aponeurosis intermuscularis lateralis und sogar
unmittelbar mit der tiefen, an der Basis des Os metatarsale I an-
heftenden Sehne des M. abductor digiti quinti zusammenhängen.
Idiotopie und Skeletopie.
Dieselbe ist bereits bei der allgemeinen Beschreibung erledigt.
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis zerfällt in 3 Abschnitte: 1) die dorsale
liegt unter der Haut und der Fascia dorsalis pedis; 2) die mediale
unter dem M. abductor digiti quinti, proximal unter dessen Muskel-
bauche, distal unter der freien Endsehne, jedoch besteht die Facies
profunda des letzteren Muskels aus einer derben Sehne, welche auch
an der übergiitteuen Fläche des M. opponens einen Sehnenspiegel
erzeugt. Einen Schleimbeutel haben wir jedoch an dieser Stelle nicht
nachweisen können. 3) Die plantare Fläche wird am freien Klein-
zehenrande durch den M. flexor brevis digiti V zugedeckt.
Wirkung.
Der kleine Muskel kann nur eine untergeordnete Bedeutung haben
im Sinne der Opposition gegen die große Zehe, muß dieselbe aber
entfalten können, da der 5. Mittelfußknochen die größte Beweglichkeit
unter sämtlichen Ossa metatarsalia besitzt, während an der Hand der
Kleinfinger in dieser Beziehung erst die zweite Stelle einnimmt hinter
dem Os raetacarpale 1 des Daumens, welcher sich im Sattelgelenke
der Artic. carpometacarpea pollicis der größten Beweglichkeit erfreut.
Innervation: N. plantaris lateralis.
M. interossei pedis.
Synonyma: Zwischenknochenmuskeln; Interosseux metatarso-pha-
langiens lat. (Chauss.), metatarso-lateri-phalangiens (Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Die M. interossei pedis zerfallen in vier dorsales und drei plan-
tares. An der Hand unterscheidet die Mehrzahl der Autoren und wir
vier dorsales und vier volares. Bei den dorsales herrscht also Ueber-
einstimmung, bei den plantares und den volares sind die Meinungen
geteilt.
Die Muskeln gruppieren sich um die längste Zehe, die 2., während
an der Hand der Mittelfinger der längste und darum auch ihre Achse
durch diesen zu legen ist. An der Hand ordnen sich also die Muskeln
um den Mittelfinger als Achse herum an, am Fuße um die zweite
Zehe. Wir haben jedoch bei den Varietäten einen Fall beschrieben
(s. A. S. 239), wo auch an der Hand die Achse durch den Zeigefinger
geht, vollkommen entsprechend der Einrichtung am Fuße, aber nie-
mals ist unseres Wissens beobachtet, daß die M. interossei pedis sich
nach der Achse der 3. Zehe richteten.
Handbuch der Anatomie. II, u, 3. 39
608
FROHSE und M. FRANKEL,
Riirsae interphalangeac
dorsales I
Bursa metatarso-
phalangea subcutanea V
M. intcrossei dorsalis
Tendo accessorius 1
(M. ext. dig. V longus)
Tendo accessorius II
(M. peronaeus tertius
cum bursa)
Bursa subabductoria
(digiti quinti)
M. ext. digit. brev.
Tendo accessorius III
(M. peronaeus brev.)
I.ig. cruciatum
M. peronaeus brevis
Bursa subcutanea
malleoli lateralis
Bursa calcanea (Achillis)
I
M. ext. hall. long.
Bursa metatarso-
phalangea dorsalis I
Bursa metatarso-
phalangea medialis I
Bursae intermetatarso-
phalangeae
Tendo accessorius
(medialis)
Spatium interosseum I ä
Bursa tarsometatarsea .et
Retinaculum dorsale
(proximale)
M. ext. hall. brev.
A. tibialis ant. (pediaeas)
Ganglioforme Anschwel-
lung des N. peron. prof.
M. ext. hall. long.
— :M. ext. dig. "^
'mg pedis j
M. peronaeus long.
Fig. 38. Dorsum pedis, tiefe Schiclit. Muskeln, Nerven und Schleimbeutel.
M. interossei dorsales. 609
Beschreibung zu Fig. 38.
Von Muskeln ist entfernt fast der ganze Fußrückenteil des M. extensor digi-
torum longus mit Ausnahme der für die 5. Zehe bestimmten Sehne und des M. pero-
iiaeus tertius. Mit hellblauer Farbe sind die Sehleimbeutel angegeben, sowohl die
sahkutanen wie die subtendinösen und intermuskulären. Dunkelblau gehalten ist
die intramuskuläre Verzweigung der M. extensor hallucis et digitorum brevis, an
(Icicn schwarz dargestelltem extramuskulären Verlaufe sich gerade unter dem Lig.
ciuciatuin ])e(lis, in Wirklichkeit in der Höhe des Talusköpfchens eine spindelförmige
Anschwellung (Pseudoganglion) des N. peronaeus profundus findet, hervorgerufen
durch den Druck des Bandes gegen den Knochen bei der Beugung und Streckung
des Fußes. — Während an der Hand der Daumen bereits im Bereiche des Hand-
gelenkes eine sehr große Bewegungsfreiheit besitzt, welche sich durch die Tabatifere
kundgibt, werden die Strecksehnen der großen Zehe noch im Beginne des Meta-
tarsalknochens durch ein besonderes Band gegen das Fußgewölbe festgehalten,
welches sich sogar in schwächerer Form über der Art. metatarsophalangea 1 wieder-
holen kann. Der Grund liegt darin, daß das Os metatarsale der großen Zehe nicht
von der Fußachse abduziert werden kann, wie es an der Hand für den Daumen in
ausgiebiger Weise der Fall ist und auch am Fuße von den Affen ausgeführt werden
kann. Darum hat ja auch Linne die Affen als Vier händer den zweihändigen
Menschen gegenübergestellt. Ferner sind von den subkutanen Schleimbeuteln oar-
ucstcUt die über dem Malleolus medialis, den Art. metatarsophalangeae I und V
und den interphalangeae I; von den subtendinösen die Bursae calcanea (Achillis),
sulv,il)ductoria digiti quinti, die inkonstanten der M. peronaeus tertius und extensor
hallucis brevis und weiter distal die des M. extensor hallucis longus; von den inter-
muskulären die Bursae intermetatarsophalangeae. —
Die vier M. interossei dorsales entspringen zweiköpfig, also ge-
fiedert, von den benachbarten Rändern der Spatia intermetatarsalia,
erscheinen aber auch an der Planta als parallelbündliger Längswulst
neben und zwischen den M. interossei plantares, genau wie an der
Hand. Die M. interossei plantares I — III entspringen von den me-
dialen (tibialen) Rändern der Ossa metatarsalia III— V.
M. interossei dorsales.
Synonyma : Obere oder äußere Zwischenmuskeln des Fußes ; M. inter-
ossei superiores s. externi; Interosseux dorsaux.
IdiotopieundSkeletopie.
Sie werden wie an der Hand als doppeltgefiedert beschrieben,
indem sie zwei Köpfe von den Rändern des entsprechenden Spatium
interosseum beziehen. An der Hand sind diese ungefähr gleich-
wertig, am Fuße aber ganz verschieden gebaut. Die Hand erfährt
durch den Druck des Handschuhes niemals einen derartigen und so
lange andauernden seitlichen Druck, wie der Fuß durch das Schuh-
werk. An muskelkräftigen Füßen haben wir folgendes gefunden : die
2. Zehe mit ihren M. interossei dorsales I und II besitzt ungefähr
die gleiche Stärke beider Muskeln im ganzen wie im einzelnen. Der
M. interosseus dorsalis I zeigt in seinem medialen Kopfe ein Ueber-
greifen auf das Os cuneiforme I, geht aber nicht wesentlich auf die
Diaphyse hinüber; der laterale Kopf, welcher mit dem medialen einen
Sehnenbogen für den Durchtritt der A. dorsalis pedis schafft, gewinnt
nicht einmal die Basis des 2. Mittelfußknochens, beschränkt sich viel-
mehr auf die proximale Hälfte der Diaphyse. Als tiefen Kopf müssen
wir den nach unserer Ansicht normalen distalen Zipfel der Endsehne
des M. peronaeus longus auffassen, welcher nur von der Planta her
39*
195
610 FROHSE und M. FRÄNKEL,
und außerdem meist unter großen präparatorischen Sehwierigkeiten
nachzuweisen ist.
Der M. interosseus dorsalis II hat seinen medialen Ursprung
von der proximalen Hälfte der Diaphyse des 2. Mittelfußknochens,
seinen lateralen an der Basis des dritten und kann auch auf
die Fußwurzel übergreifen. Die Lücke zwischen beiden Köpfen
ist bedeutend kleiner, als die beim M. interosseus dorsalis I, weil
hier eine viel schwächere A. perforans ihren Weg zur Fußsohle nimmt.
Der M. interosseus dorsalis III kann zusammen mit dem M. inter-
osseus dorsalis IV abgehandelt werden. Die laterale Portion ist mehr-
fach stärker, als die mediale, und so mögen verschiedene Autoren zu
der Auffassung gekommen sein, daß auch die M. interossei dorsales
einköpfig entspringen. Unserer Meinung nach haben die lateralen
Ursprünge die wichtige Aufgabe, den Zehen, wenn sie vom Drucke
des Schuhwerkes befreit sind, möglichst ihre natürliche Stellung
wieder zu verschaifen. — Beide Muskeln gewinnen an der Plantarseite
noch Beziehungen zur Fußwurzel, indem sie in den lateralen Zipfel
des Lig. plantare longum übergehen, also die Sehne des M. peronaeus
longus samt ihrer Sehnenscheide zudecken.
Beschreibung zu Fig. 39 und 40.
Das Lig. transversum eruris ist ein Kunstprodukt. Man stellt es dar, indem
man einen 2 — 5 cm breiten, queren Streifen aus der Fascia eruris dicht oberhalb
der Malleoli absetzt. Dieses Band umhüllt dann sämtliche 3 Muskeln der Extcn-
sorengruppe. — Das Lig. cruciatum eruris würde besser als Lig. cruciatum pedis
bezeichnet, weil es zum größeren Teile dem Fuße angehört, außerdem ist es ge-
wöhnlich nicht vier-, sondern dreigeteilt. Nach unserer Auffassung wäre also der
Name Lig. tripartitum pedis bereclitigter als der offizielle Lig. cruciatum eruris.
Dieses Band ist von der allergrößten Wichtigkeit für die Bewegungen der Muskeln
der Extensorengruppe und verschafft den Sehnen charakteristische Wege. Wir müssen
die oberflächliche Schicht, welche mit Leichtigkeit zu verstehen ist, von der tiefen
trennen, welche klar erst nach teilweiser oder gänzlicher Beseitigung der oberfläch-
lichen zu erkennen ist, oder auch durch Eröffnung der Schleimscheiden sichtbar
gemacht werden kann. Der Knotenpunkt, um diesen Ausdruck zu gebrauchen,
liegt für beide Schichten über dem Collum tali. Die beiden medialen Zipfel sind
immer vorhanden, lateral ist der untere konstant, der obere entweder überhaupt
nicht darstellbar oder ein Kunstprodukt. Der obere, mediale, Zipfel geht nun
nicht zur Spitze des Malleolus medialis, sondern weiter proximal zur vorderen Kante
der Tibia, wo er den Anschluß an das Lig. transversum eruris gewinnt, zerfällt
jedoch in zwei Abteilungen, welche die Sehne des M. tibialis anterior umfassen.
Die oberflächliche Söhicht muß dünn sein, damit diese Sehne frei spielen kann,
die tiefe Schicht dagegen sehr fest, damit die M. extensor hallucis longus wie auch
der digitorum longus und schließlich auch die Gefäße und Nerven gegen die
Tiefe festgehalten werden. Der untere mediale Zipfel preßt die Sehne des M. tibi-
alis anterior gegen die Rinne am Os cuneiforme I, findet aber keinen Knochen-
ansatz, sondern strahlt in die Fascie aus, welche den M. abductor hallucis bedeckt.
Er hält außerdem die Sehne des M. extensor hallucis longus gegen das Os navi-
culare fest. Der laterale Zipfel ist breit und verdünnt sich nach vorn, deckt den
Ursprung des M. extensor digitorum brevis vollkommen zu und strahlt schließlich
in das Eetinaculum inferius der M. peronaei aus. Er gewinnt knöchernen Ansatz
an der lateralen Fläche des Calcaneus und läßt sich proximal bis in den Anfang
des Sinus tarsi verfolgen. Die tiefen Züge bilden besondere Scheidewände für die
Strecksehnen und halten die Sehnen schleuderartig gegen das Sprunggelenk fest.
Gewöhnlich findet sich ein laterales Fach für den M. extensor digitorum longus
und ein mediales für den M. extensor hallucis longus. Die Gefäße werden schließ-
lich auch noch durch eine besondere Scheide von der letzteren Sehne getrennt.
Der obere laterale Zipfel fehlt gewöhnlich, kann aber oft künstlich heraus-
gesetzt werden als ein etwa 1 cm breiter Streifen, welcher sich vom „Knotenpunkte"
aus zur vorderen Ecke des Malleolus lateralis, nicht etwa zur Spitze, herausprä-
parieren läßt und die Vasa malleolaria lateralia gegen die Artic. talocruralis andrückt.
196
Lig. cruciatum pedis.
611
Diese Lagebeziehiing gewinnt bei einer wichtigen Varietät praktische Bedeutung,
wenn nämlich die A. tmiulis ant. nicht ihren gewöhnUchen senkrechten Weg nimmt,
sondern über dem Sprunggelenke einen lateral konvexen Bogen beschreibt, oder sogar
durch den R. perforans der A. peronaea ersetzt wird.
197
612 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht der Fascia interossea dorsalis
pedis und zeigt im Beginne der Spatia interossea je eine Lücke,
deren Größe sich nach der Stärke der Vasa perforantia richtet. Da
die A. dorsalis pedis auch als A. perforans prima aufzufassen ist,
muß hier die Lücke meist groß sein. An der Hand finden wir häufig
die Arterie für das Spatium interosseum II und selbst III stärker
entwickelt, als den R. dorsalis I der A. radialis. Das gleiche kann
auch beim Fuße verwirklicht sein, weil in den Spatia interossea IV
und V die A. perforans manchmal kaum zu erkennen ist. Die Seiten-
ränder entsprechen den Wänden der Spatia interossea in dem ange-
gebenen Umfange, überlassen jedoch zum größten Teile die medialen
Ränder den M. interossei plantares, welche im IL bis IV. Zwischen-
knochenraume gelegen sind. Die Facies profunda s. plantaris ent-
spricht zunächst der Fascia interossea plantaris und dann den Ge-
bilden der mittleren Schicht der Fußsohle. Diese im einzelnen an-
zuführen, ist weder hier, noch beim Fußrücken angebracht.
Schleimbeute L
Diese finden sich in der Höhe der Artic. metatarsophalangeae
als senkrechte Spalträume, deren Größe sich nach der Malträtierung
des Fußes durch das Schuhwerk richtet. An wohlgebildeten Füßen,
welche gleichzeitig kräftige Muskeln aufwiesen, konnten wir sie mit-
unter nicht nachweisen und ihre mögliche Entwicklung nur durch das
lockere Bindegewebe ahnen.
M. interossei plantares.
Synonyma : Untere oder innere Zwischenmuskeln des Fußes ; M. inter-
ossei plantares inferiores s. interni ; Interosseux plantaires.
Idiotopie und Skeletopie.
Sie entspringen an dem entsprechenden Mittelfußknochen, und
zwar an der der Fußachse zugewandten Fläche. Man könnte in
Versuchung kommen, einen M. plantaris I anzunehmen, welcher sich
aus demjenigen Zipfel des M. peronaeus longus entwickelt, welcher
in den M. interosiseus dorsalis I ausstrahlt. Es handelt sich aber
nicht um einen besonderen Muskel, sondern nur um eine Sehnen-
konjugation, welche gerade am Fuße auch an anderen Stellen ver-
wirklicht ist. Der M. interosseus plantaris I, welcher die Adduktion
der 3. Zehe auslöst, greift nicht auf den Tarsus über. Die in den
Spatia intermetatarsalia III und IV gelegenen Muskeln gewinnen
jedoch außer dem Metatarsalursprunge Beziehungen zum Tarsus,
indem sie sich über die Sehnenscheide des M. peronaeus longus in
den lateralen Zipfel des Lig. plantare longum unschwer verfolgen
lassen. Ein Zug an diesen Muskeln oder an dem Bande läßt die
Zusammengehörigkeit ohne weiteres erkennen. Poirier (s. S. 282)
betont mit Recht, daß die M. interossei plantares eigentlich keine
Zwischenknochenmuskeln sind, sondern ausschließlich der Planta an-
gehören, indem sie vornehmlich von der Basis eines Mittelfußknochens
entspringen und am Körper nur die proximale Hälfte der vorspringen-
den plantaren Leiste als Ursprung benutzen.
198
M. interqssei plantares. 613
Holotopie und Syntopie.
Die Muskeln sind zwischen je einem M. interosseus dorsalis und
Os metatarsale eingebettet und erscheinen nur an der Planta. Auch
hier treten sie an Größe im allgemeinen hinter den benachbarten
M. interossei dorsales zurück. Dies ist ein scheinbarer Widerspruch,
welcher an der Hand weniger ausgeprägt ist, am Fuße aber eine
ungezwungene Erklärung findet durch die wichtige Aufgabe, welche
die M. interossei dorsales als Abductoren bei der Befreiung des
Fußes vom Schuhwerke auch ohne unseren Willen ausführen. Rein
topographisch kommen nur die Vasa profunda der lateralen Fuß-
sohlengefäße und der gleichnamige motorische Nerv in Frage. Prak-
tisch wäre, wenn es überhaupt möglich ist, nur auf den motorischen
Nerven Rücksicht zu nehmen.
Wirkung.
Die M. interossei beteiligen sich so gut wie gar nicht an der
Dorsalaponeurose der Zehen, welche fast ausschließlich von den
beiden Extensorensehnen geliefert wird. Es ist ganz verkehrt, in
dieser Beziehung Finger und Zehen miteinander zu vergleichen. An
den letzteren kann man mit der größten Leichtigkeit drei Zipfel der
Extensorensehne verfolgen, ohne durch die M. interossei und lumbri-
cales gestört zu werden. Die Einrichtung an der Hand muß bei den
Armmuskeln nachgesehen werden. Da also am Fuße die Beziehung
zu der Dorsalaponeurose nur untergeordnete Bedeutung hat, muß
auch die Wirkung auf die Mittel- und Nagelphalangen meistens voll-
kommen ausfallen. —
I. Die Muskeln wirken als energische Beuger der Grundphalange,
können aber die Spreizbewegung, d. h. die Abduktion oder Adduktion,
nur in der Ausdehnung äußern, welche bei unbeschuhtem Fuße über-
haupt noch möglich ist, weil ja übermäßiger Druck des Schuhwerkes
gerade diese Muskeln zuerst zur Atrophie bringt.
II. Bei fixierten Zehen nähern sie den Mittelfuß den Phalangen
oder wenigstens der Unterstützungsfläche und bewirken dadurch eine
Abflachung des Fußgewölbes, während an der Mittelschicht und
der oberflächlichen von uns eine Unterstützung und Erhöhung des
Fußgewölbes beschrieben worden ist.
An einem ungewöhnlich kräftigen Männerfuße fand sich zwischen
den M. interossei plantaris II und dorsalis IV ein scharf begrenzter, bis
Y2 cm breiter besonderer Muskel, welcher die ganze Länge der Dia-
physe des Os metatarsale IV bis zum Capitulum mit fleischigem Ansätze
einnahm. Da er sich an der lateralen Seite anheftete, kann er nicht
als M. opponens digiti IV bezeichnet werden , sondern als Contra-
opponens, oder als M. abductor proprius ossis metatarsalis IV. Bei der
eigentümlichen Gelenkeinrichtung, welche den 4, Mittelfußknochen in
die gleiche Gelenkhöhle mit dem 5. und dem Os cuboideum einschließt,
ist dieser Muskel leicht zu verstehen und gewährt auch dem 4. Mittel-
fußknochen die Annäherung an den Boden. Beim Stehen und Gehen
wird ja in erster Linie der laterale Fußrand als Unterstützungsfläche
benutzt.
199
614 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Anhang:
Unsere Präparationsmethode mit praktischer Nutzanwendung.
Die M. interossei pedis sind bezüglich ihrer Anheftung und
Wirkung in keinerlei Weise mit denen der Hand zu vergleichen, ob-
wohl sie vielfach in den Lehrbüchern, auch in Vorlesungen, jedenfalls
aber von den Studierenden zusammen einfach mit dem Vermerke
erledigt werden, daß sie vollkommen gleichen Ansatz und damit auch
dieselbe Wirkung hätten. Diesem Schema müssen wir auf das ent-
schiedenste entgegentreten, und können auch unsere Aulfassung sowohl
präparatorisch, wie durch die elektrische Reizung beweisen, deren
Nachprüfung voraussichtlich keine wesentlichen anderen Ergebnisse
haben wird. In erster Linie muß das Lig. capitulorum transversum
vollkommen durchtrennt werden, zu schonen ist unter allen Umständen
der mächtige quere Verstärkungszug über dem Köpfchen der Mittel-
fußknochen, welcher in den B.N.A. nicht bei der Muskellehre, sondern
bei der Syndesmologie als Lig. accessorium volare bezeichnet wird.
Hier liegt ein Widerspruch vor, weil nämlich in durchaus richtiger
Weise das Lig. carpi transversum manus bei der Myologie zu finden
ist. Dieses Lig. accessorium volare läßt sich ohne große Kunst derart
herausschneiden, daß sowohl proximal wie distal ein, wenn auch
kleines Stück des überknorpelten Capitulum der Mittelfußknochen zu
erkennen ist. Die Breite dieses Bandes ist sehr ansehnlich, bei der
2. Zehe 1,3, bei der kleinen 1 cm lang. Wir legen jedoch auf die
absoluten Maße keinen besonderen Wert, weil wir uns nach der je-
weiligen Länge der plantaren Fläche der Capitula richten müssen.
Wenn die Achse des Mittelfußknochens die Verlängerung der Grund-
phalangen bildet, also eine Mittelstellung zwischen Dorsal- und Plantar-
flexion der Zehen eingenommen wird, so ist die Länge des eigent-
lichen Capitulum identisch mit der des Bandes. Die proximalen
Höcker des Capitulum sind nur noch von der Gelenkkapsel bedeckt
und liegen, da dasselbe bei unserer Präparationsweise entfernt wird,
frei zutage. Die Bandscheibe wird nun gegen die Planta hinbewegt,
durch die Anheftung der entsprechenden M. interossei — an der großen
Zehe durch den M. flexor brevis hallucis, an der kleinen Zehe durch
den M. interosseus plantaris III, vor allem aber durch den M. flexor
brevis digiti quinti. Selbstverständlich muß auch eine distale Be-
festigung vorhanden sein. Dieselbe zieht teils direkt zur Basis der
Grundphalange, teils indirekt an beiden Seiten als Endausstrahlung
der M. interossei. Wir sagen absichtlich „Endausstrahlung", v^^eil an
den Zehen kaum etwas von der an der Hand so klaren Dorsalapo-
neurose zu erkennen ist. Die Bedeutung des Bandes läßt sich ohne
weiteres nachweisen. Die breite plantare Fläche des Capitulum ist
Gleitfläche bei der Flexion; die proximalen, überknorpelten Vorsprünge
lassen sich mit Sesambeinen vergleichen, welche in das Innere des
Gelenkes hineingewandert und dort mit dem Capitulum verschmolzen
sind. An der Hand haben wir außer den konstanten Sesambeinen
des Daumens, welche bei der großen Zehe in gleicher Weise wieder-
kehren, noch inkonstante, am kleinen, Zeige- und am Ringfinger.
Diese Sesambeine hängen aber mit der Gelenkkapsel zusammen und
sind jedenfalls nicht mit dem Mittelhandknochen verbunden, am Fuße
haben wir an den dreigliedrigen Zehen noch niemals ein derartiges
Sesambein beobachtet und wissen auch nicht, ob es vielleicht in der
M. extensor brevis digitorum et hallucis. 615
Literatur beschrieben worden ist. Funktionell übernehmen ja die
Höcker des Capitulum die entsprechende Rolle. Man kann sich ohne
weiteres ein Bild über die Wirkung der M. interossei verschaffen,
wenn man bewußt oder unbewußt den präparatorischen Kunstgriff
anwendet, einen Muskel möglichst straff gespannt vor das Messer zu
bekommen. Am meisten bekannt ist diese Tatsache beim M. biceps
brachii, welcher am vorteilhaftesten in Streckstellung des Armes prä-
pariert wird. Würde man ihn an der Leiche in Beugestellung zu
präparieren versuchen, so würde die Arbeit eine sehr schwere sein.
Dasselbe gilt für die M. deltoideus, glutaeus maximus und überhaupt
sämtliche Skeletmuskelu. Für die Präparatiou ist es das Bequemste,
wenn die Muskeln gespannt werden. Wenn dies in dem höchsten
Maße der Fall ist, kann man im umgekehrten Sinne die Wirkung
ablesen. Um auf die M. interossei zurückzukommen, sehen wir —
wohl bemerkt, unter Einhaltung unserer Präparationsmethode — daß
bei extremer Dorsalflexion der Zehen, welche wir dann bis zu einem
rechten Winkel ausführen können, sämtliche M. interossei und die
gleich wirkenden Muskeln der großen und kleinen Zehe passiv extrem
gedehnt sind. Auf den Lebenden übertragen heißt es, die Muskeln
müssen als außerordentlich kräftige Beuger der Grundphalangen wirken.
Bewegt man eine Zehe im abduzierenden oder adduzierenden Sinne,
so wird jedesmal der gegenüberliegende Muskel passiv gedehnt. Um
ein Beispiel herauszugreifen, sei die 3. Zehe gewählt. Bei der Ad-
duktion wird der M. interosseus dorsalis III passiv gespannt und
gleitet dann von seinem plantaren Höcker zur Innenseite, bei der
Adduktion gegen die kleine Zehe hin spannt sich der M. interosseus
plantaris I passiv an und schiebt sich über den meist kleineren
Höcker des Mittel fußknochens gegen seine Achse hin. Bei der Plantar-
flexiou der Zehen werden natürlich die M. interossei dorsales passiv
gedehnt, da aber der Muskelbauch bei dieser Bewegung keine nennens-
werten Formveränderungen am Präparate hervorruft, können und
müssen wir diesem Muskelbauche eine erhebliche physiologische Wir-
kung für die Dorsalflexion absprechen.
M. extensor brevis digitorum et hallucis.
Synonyma: Kurzer Zehenstrecker ; Pedilus, pediaeus; Court extenseur
des orteils, pedieux, calcaneo-sus-phalangettien comm. (Chauss., Dum.).
Allgemeine Beschreibung.
Der Muskel ist konstant und bietet damit einen entschiedenen
Gegensatz zu dem nur als Varietät vorhandenen M. extensor digitorum
manus brevis, welcher, auch wenn er vorkommt, niemals sämtliche
Finger versorgt, sich vielmehr allermeist auf den Zeige- oder Mittel-
finger beschränkt. Ein anderer sehr wichtiger Unterschied besteht
darin, daß der M. extensor brevis digitorum pedis, oder, wie wir ihn
der Kürze wegen bezeichnen können, der M. pediaeus, im Gegensatze
zum „M. maniaeus" ausschließlich von der Fußwurzel, vom vorderen
Rande des Calcaneus entspringt, während der M. maniaeus vom
Radius, d. h. vom Vorderarme herkommt. Allerdings haben wir auch
beschrieben, daß die M. interossei dorsales manus mitunter Ursprünge
von den Ossa carpalia beziehen und wir diese als vom R. profui^dus
^16 F&OHSE und M. FRANKEL,
D. radialis Versorgt wissen wollten, wodurch sie ja als Streckmuskeln
gekennzeichnet wären im Gegensatze zu den M. interossei, welche
nach unserer Auffassung ausschließlich vom R. profundus ii. ulriaris,
dem medialen Beugenerven, versorgt werdeu. Der M. extensor brevis
poUicis besteht als selbständiger Muskel mit seinem Ursprünge vom
Vorderarme, bedarf also keines Zuwachses vom M. maniaeus aus,
ebensowenig der Kleinfinger, welcher außer seinem eigenen Muskel
regelmäßige Verbindungen mit dem M. extensor digitorum communis
aufweist. Bei der gleichen Zehe liegen die Bedingungen ganz anders.
Frohse hat bei sämtlichen Füßen, die er selbst präpariert oder ge-
sehen hat, nur ein einziges Mal eine besondere Sehne für die kleine
Zehe sich aus dem M. pediaeus entwickeln sehen, in einem Falle, wo
gleichzeitig der M. peronaeus tertius fehlte, und ist der Auffassung,
daß gerade die Anheftung dieser Sehne auch am 4. Mittelfußknochen
für das Fehlen der Sehne für die kleine Zehe verantwortlich zu machen
ist, aber nicht ausschließlich; denn an seinen beiden eigenen Füßen
fehlt der M. peronaeus tertius vollkommen, und trotzdem beziehen
die kleinen Zehen keine Sehne aus dem M. pediaeus. Wir haben
beim M. peronaeus brevis beschrieben, daß dieser den M. peronaeus
tertius und den Kleinzehenteil des M. pediaeus ersetzen kann. Die
Reibung zwischen dem M. pediaeus und dem Ansätze des M. peronaeus
tertius ist so stark, daß es au dieser Stelle zur Bildung von schlüpf-
rigem Bindegewebe, sogar von einem Schleimbeutel kommen kann. —
Die Zusammengehörigkeit sämtlicher Zehen gibt sich durch den ge-
meinschaftlichen Ursprung des M. pediaeus vom Calcaneus kund, aus
dem man erst künstlich die mächtige Portion für die große Zehe
sondern muß. Die Muskelbäuche gehen mit dem Beginne des Mittel-
fußes in Sehnen über, welche schräg von hinten-lateral nach vorn-
medial verlaufen, also die von medial und hinten strahlenartig nach
vorn ziehenden Sehnen der M. extensor hallucis und digitorum longus
spitzwinklig unterkreuzen müssen und so ein Gitterwerk bilden,
welches an fettarmen Füßen deutlich durch die Haut erkannt werden
kann. Zwar enthält der Fußrücken niemals erhebliche Mengen von
Fett, aber die Hautvenen und -nerven und die besonders sich hier
stauende Lymphe erschweren es zuweilen, die noch unter der Fascie
verborgenen Sehnen deutlich zu erkennen. Außerdem haben die
meisten Menschen, welche einengendes Schuhwerk tragen, nicht gelernt,
die Muskelbäuche willkürlich in Tätigkeit zu setzen und aktiv die
Sehnen zur Anspannung zu bringen.
Idiotopie und Skeletopie.
Der Ursprung liegt unmittelbar hinter der Kapsel der Artic.
calcaneocuboidea an einer scharf begrenzten und beschränkten Stelle,
weil dicht dahinter bereits der Sinus tarsi beginnt. Medial entspringt
der Großzehenbauch, lateral der gemeinschaftliche Bauch für die 2.
bis 4. Zehe. Der erstere ist ungefähr bis zur Basis des Os meta-
tarsale I fleischig, doppelt gefiedert, weil sich die Endsehne proximal
in die Facies superficialis des Muskels hineinschiebt. Der Bauch für
die dreigliedrigen Zehen teilt sich an der Basis der Ossa metatar-
salia III und IV in die 3 Endsehnen für die 2. bis 4. Zehe, welche
abgeplattet bis zur Basis der Grundphalange verlaufen und dort nur
künstlich von den Gelenkkapseln, der langen Extensorsehne und der
sogenannten Dorsalaponeurose getrennt werden können.
M. extensor brevis digitorum et hallucis. 617
Holotopie und Syntopie.
Die Facies superficialis entspricht den Sehnen des M. extensor
digitorum longus und dem M. peronaeus tertius in den Zwischen-
räumen der Fascie des Fußrückens. Wenn der M. peronaeus tertius
fehlt, liegt der Bauch des M. extensor digitorum brevis in großer
Ausdehnung frei unter Haut und Fascie zutage. Bei geringer Fett-
entvvicklung kann man direkt den Muskelbauch als solchen durch seine
Farbe gegen die Nachbargebilde abgrenzen, ähnlich wie bei Anämi-
schen auch au anderen Stellen des Körpers der Unterschied zwischen
dem allerdings bläulich erscheinenden Muskeifleiche und der Sehne
gesehen werden kann. Die Bildhauer besonders haben diesen Muskel
fast immer übertrieben dargestellt, wenn sie seine Bedeutung auch
für die äußere Form erkannt hatten. — Die Facies lateralis und medi-
alis bilden die entsprechenden zugeschärften und abgerundeten Ränder;
die Facies posterior entspricht dem Ursprünge, die Facies anterior
den Ansätzen. Die Facies profunda deckt den Hauptteil der Articu-
lationes tarseae, tarsometatarseae und metatarsophalangeae, vor allem
aber das Rete arteriosum dorsi pedis. In erster Linie ist die A. dor-
salis pedis zu erwähnen, welche spitzwinklig vom M. extensor hallucis
brevis überkreuzt wird. d. h. im proximalen Teile liegt das Gefäß
mit den Nerven an der medialen Seite des Muskelbauches, im Bereiche
des Metatarsus finden wir diese Gebilde an der lateralen Seite der
Endsehne. Die unter dem M. extensor digitorum brevis verlaufenden
Arterien nach Name und Lage anzuführen, würde zu weit gehen. Zu
beachten ist aber, daß der Nerv für den M. pediaeus weit proximal
ebenfalls an der Facies profunda eintritt, viele Gelenknerven abgibt
und sich genau wie der R. profundus n. radialis mitunter bis zu einem
oder mehreren Knöchelgelenken verfolgen läßt.
Wirkung.
L Der Muskel streckt bei fixiertem Calcaneus die Grundphalangen
der 1. bis 4. Zehe und erteilt ihnen gleichzeitig, je weiter sie medial
liegen, auch eine Wendung nach lateral, welche erst durch den gleich-
zeitigen Zug der M. extensor hallucis und digitorum longus ausge-
glichen wird, so daß derselbe in der Achse der einzelnen Zehen im
wesentlichen zur Geltung kommt. IL Bei fixierten Zehen hebt der
Muskel den Calcaneus und damit den Unterschenkel und weiterhin
den ganzen Körper nach vorn.
Aponeurosis dorsalis digitorum pedis.
An Hand und Fuß bestehen bezüglich der Dorsalaponeurose
enorme Unterschiede. In den anatomischen Lehrbüchern und Atlanten
wird meistens gesagt — wir verzichten hierbei auf die Aufführung
der Autoren — daß die Dorsalaponeurose der Zehen mit derjenigen
der Hand zu vergleichen sei. An der Hand ist ein M. extensor pol-
licis brevis verwirklicht, welcher am Fuße nicht fehlen darf und sich
darstellt als mediale Sehne des M. extensor hallucis longus und mit
der Artic. metatarsophalangea I endigt. Die Streckung der Nagel-
phalange der großen Zehe wird natürlich besorgt durch den M. extensor
hallucis longus, au dessen Kleinzehenseite sich unter die Hauptsehne
noch hinunterschiebt der M. extensor hallucis brevis.
203
«18
FROHSE uad M. FRÄNKEL,
An der großen Zehe besteht keine eigentliche Dorsalaponeurose.
Die genannten 3 Sehnen finden ihren sicheren Knochenansatz : 1) durch
den akzessorischen Sehnenzipfel des M. extensor hallucis longus an
der Artic. metatarsophalangea I; 2) durch die lange Endsehne des
M. extensor hallucis longus an der Basis der Nagelphalange ; 3) durch
den M. extensor hallucis brevis, welcher in der Knöchelgegend sich unter
die Sehne des M. extensor hallucis longus herunterschiebt, durch
schlüpfriges Bindegewebe, oder durch einen Schleimbeutel von ihm
getrennt ist und sich breit an der Grundphalange anheftet.
2. Zehe. Die Dorsalaponeurose der 2. Zehe ist nicht vorhanden,
jedoch wird ein schwacher Zug nach der Kleinzehenseite ausschließ-
lich ausgelöst durch den M. extensor digitorum brevis.
3. Zehe. Hier ist eine schwache Dorsalaponeurose auf der
medialen Seite vorhanden. Auf der Kleinzehenseite war die Präpa-
ration unmöglich.
4. Zehe. Auf der Großzehenseite Andeutung einer Dorsalapo-
neurose.
5. Zehe. Die Dorsalaponeurose ist nicht vorhanden. Von der
Dorsalseite des Fußes ziehen eine Reihe von Sehnen zur kleinen Zehe,
jedoch nicht in konstanter Weise. Unserem Präparate entsprechend
Männerfuß von etwa 40 Jahren.
Zehen
n.
III.
IV.
Mediale starke
Nebensehne des
M. extensor hal-
lucis longus zur
Artic. metatarso-
phalangea; dar-
über mediale
Dorsalaponeur-
ose. Die laterale
fehlt. M. exten-
sor hallucis bre-
vis heftet an in
der Mitte der
Artic. metatarso-
phalangea, ohne
sich mit der des
M. longus zu ver-
einigen. Der M.
extensor hallucis
brevis legt sich
allmählich
unter die Sehne
des M. hallucis
longus.
Die Dorsal-
aponeurose ist
auf der Groß-
zehenseite ent-
wickelt und geht
hervor aus dem
M. interosseus
dorsaUs I. An
der fibularen
Seite kommt nur
der M. extensor
digitorum brevis
in Betracht, wel-
cher mit einem
besonderen late-
ralen Sehnen-
zuge sich mit der
Plantarseite ver-
bindet.
Es ist hier eine Diese zeigt auf 1 Die kleine Zehe
schwache Dor-ider Großzehen- [zeigt in der aus-
alaponeurose Iseite die Andeu-| gesprochensten
auf der medialen tung einer Dor-
Seite festzu- salaponeurose,
stellen. Auf der
Kleinzehenseite
war die Präpa-
ration unmög-
lich.
auf der Klein-
zehenseite nicht.
Weise den M.
extensor digito-
rum longus V,
außerdem aber
die drei Hilfs-
möglichkeiten,
welche der klei-
nen Zehe ihre
Selbständigkeit
erhalten, nämlich gleichzeitig die drei Ersatz-
sehnen :
1) die Hilfssehne aus dem M. extensor digi-
torum longus, welche in unserer Abbildung, der
Natur entsprechend, die erste Stelle einnehmen
muß; s. Fig. 38 S. 194.
2) die akzessorische Sehne aus dem M. peronaeus
tertius und
3) die Nebensehne aus dem M. peronaeus brevis.
Diese 3 Sehnen vereinigen sich dorsalwärts von
dem Capitulum des 5. Mittelfußknochens zu einer
einheitlichen Sehne, welche die Aufgaben eines
M. extensor digitorum brevis vollkommen erfüllt.
Vielleicht hat die kleine Zehe eine noch wichtigere
Aufgabe für Stehen und Gehen, als die große
Zehe, indem sie in ganzer Ausdehnung als Unter-
stützungspunkt des ganzen lateralen Fußrandes
aufzufassen ist, während die Großzehenseite —
vom Plattfuße abgesehen — nur Unterstützungs-
punkte gewinnen kann durch ihre Sesambeine
und die untere Fläche des Calcaneus. —
304
Fasciae coxae 619
konnten wir 4 besondere Sehnen angeben: 1) die konstante aus dem
M. extensor digitorum longus, 2) eine laterale Nebensehne aus dem
eben genannten Muskel, 3) eine akzessorische Sehne aus dem M. pero-
naeus tertius und 4) eine außerordentlich häufig vorkommende Neben-
sehne aus dem M. peronaeus brevis. Welche von diesen Variationen
in dem einzelnen Falle verwirklicht ist, läßt sich nur durch den ent-
sprechenden Befund entscheiden (s. Tabelle auf S. 618 [204]).
C. Anhang.
!. Fascien.
Allgemeine Beschreibung.
Die Fascie der unteren Extremität ist an den einzelnen Ab-
schnitten ganz verschieden gebaut. Einen besonderen Namen führt
die des Oberschenkels, welche als die breite Binde, Fascia lata, all-
gemein bekannt ist. Diese besondere Hervorhebung besteht jedoch
zu Unrecht. Die Fascia cruris ist ungleich stärker. Der an der
Fascia lata lateral so mächtige Tractus iliotibialis ist überhaupt keine
Binde, sondern die Endsehne einer kompliziert gebauten Muskelein-
richtuug, worüber im speziellen Teile nachzusehen ist. Am stärksten
ist die Fascie der gewöhnlichen Beschreibung nach in der Aponeu-
rosis plantaris verwirklicht. Aber auch über diese hinweg ziehen
quere Fasern, welche die eigentliche Fascie darstellen. Der Fuß-
rücken besitzt eine verhältnismäßig sehr kräftige Binde. An letzter
Stelle wird hier erst die Fascie der Hüftmuskeln erwähnt. Dieselbe
zerfällt über den M. psoas minor, major und quadratus lumborum in
eine Pars endoabdomiualis, über dem M. iliacus und dem mittleren
Abschnitte des M. psoas major (und der Sehne des M. psoas minor)
in eine Pars endopelvina des großen Beckens, über dem M. piri-
formis und dem oberen größeren Teile des M. obturator internus in
eine Pars endopelvina des kleinen Beckens, mit dem unteren
Teile des letzteren Muskels gehört sie der Fossa ischiorectalis an.
Ohne scharfe Grenzen geht diese in die Binde des M. glutaeus maxi-
mus über. An dieser muß wiederum ein kleinerer unterer Teil,
welcher distal von der queren Gefäßfurche liegt, von dem Hauptteile
unterschieden werden. Gegen den Darmbeinkamm hin bedeckt die
Fascia glutaea die M, glutaeus medius und tensor fasciae latae. Als
Grenze gegen den Oberschenkel hatten wir die quere Verlängerung
der queren Gefäßfurche sowohl nach der medialen, wie der lateralen
Seite angesehen. Damit fällt auch noch der obere Teil der Fascia
lata und vor allem die Fossa ovalis mit in den Bereich der Fascie
der gesamten Hüftgegeud.
Spezielle Beschreibung.
Fasciae coxae.
Die Fascie der Hüftmuskeln wird über dem M. quadratus
lumborum und dem Bauchteile der M. psoas minor und major als
Fascia endoabdomiualis parietalis bezeichnet, stellt nur verdichtetes
205
620 FROHSE und M. FRANKEL,
Bindegewebe dar und beginnt dort mit dem Arcus lumbocostalis
medialis (Halleri), hängt also mit der Fascie des Zwerchfelles zu-
sammen. Auch beim Beginne des großen Beckens wird die Binde,
welche nunmehr auch den Ursprung des M. iliacus umfaßt, nicht
nennenswert stärker; erst in der Höhe der Spina iliaca anterior
superior wird sie dicker, besonders dann, wenn eine starke Endsehne
des M. psoas minor vorhanden ist. Gleichwohl wird in der Höhe der
Eminentia iliopectinea ein Zug besonders herausgeschnitten und als
Ligamentum iliopectineum beschrieben. Dieses ist aber nur ein
Kunstprodukt, und man kann es dem Studenten in keiner Weise ver-
argen, wenn er die Grenze zwischen den Lacunae vasorum und muscu-
lorum nicht darstellen kann, besonders, wenn er ein Bein von einer
sezierten Leiche zur Bearbeitung erhält, an welchem sowohl durch
die Sektion im pathologischen Institute, wie auch noch durch die In-
jektion in der Anatomie die klare Darstellung oft unmöglich wird.
Das „Ligamentum" iliopectineum erfährt gegen das Lig. inguinale
(Pouparti) eine Verdoppelung, weil an dieser Stelle die Vasa circum-
flexa ilium profunda dem Darmbeinkamme zustreben. Zwischen Lig.
inguinale und Fascia iliopectinea findet sich ein querovaler Raum,
dessen Längsdurchmesser an unserem männlichen Präparate 5 cm groß
war. Im allgemeinen soll ja diese Entfernung beim Weibe bedeutend
größer sein. Diese Stelle wird als Apertura interna des Schenkel-
kanales beschrieben, Waldeyer hat vollkommen recht, wenn er hier
von einem Schenkeltrichter redet, weil normalerweise kein Kanal
vorhanden ist. Die Wände dieses Schenkeltrichters werden nicht von
der Fascia transversalis gebildet, weil der M. transversus abdominis
niemals mit seinen Ursprüngen vom Bauche aus auf den Oberschenkel
übergreift. Man kann also nur von einer bindegewebigen Fortsetzung
der Muskelfascie zur Fossa ovalis hin sprechen. Die hintere Wand
ist die Verlängerung des Lig. iliopectineum, welches von dieser Stelle
an seinen ausschließlich richtigen Namen Fascia iliopectinea hat.
Diese beiden großen Flächen gehen ziemlich scharf ineinander über,
lateral in Gestalt eines spitzen Winkels, medial abgerundet durch das
früher als Lig. Gimbernati bezeichnete Band. Die B.N.A. haben für
dasselbe den Namen Lig. lacunare vorgeschrieben — in der Tat eine
sehr gute Bezeichnung, wofern man sich nur gegenwärtig hält, daß
dieses Band die Lacuna vasorum verengern hilft. Die Becken-
öifnung des Schenkeltrichters kann also mit einer Mandel verglichen
werden, deren Spitze lateral liegt an der Vereinigungsstelle der so-
genannten Lig. inguinale und iliopectineum. Nach unserer Auffassung'
ist ja ersteres nur das Ende der Aponeurose des M. abdominis ex-
ternus, letzteres ein nicht immer deutlicher Verstärkungszug der
Fascia iliopectinea. Die Spitze des Trichters wendet sich ungefähr
zum Mittelpunkte der Fossa ovalis, hier ist die anatomisch unver-
rückbare Grenze durch die Einmündungen der Hautvenen in die Vena
femoralis festgelegt.
Im kleinen Becken liegt an der hinteren Seite der M. piriformis,
dessen Fascie kaum als einheitliche Lamelle darzustellen ist. Ganz
anders verhält es sich beim M. obturator internus, dessen Fascie eine
der bemerkenswertesten des menschlichen Körpers ist. Sie zerfällt
in zwei Abschnitte, einen Beckenteil und einen zweiten, welcher der
Fossa ischiorectalis angehört. Die Grenze zwischen beiden Abschnitten
wird durch den Arcus tendineus des M. levator ani gebildet. Im
206
Fasciae coxae. 621
Beckenteile findet sicli in der Mitte zwischen der Symphyse und Artic.
sacroiliaca etwa 2 cm unterhalb des Pecten ossis pubis in der Höhe
der Eminentia iliopectinea eine Unterbrechung des oberen Bandes
des M. obturator internus und seiner Fascie, die Beckenöifnung des
Oanalis obturatorius. Etwa 2 cm lang und 1,5 cm breit, ist sie ge-
räumiger, als wie es der Durchtritt des N. und der Vasa obturatoria
erfordert. Normalerweise findet sich hier ein Fettkörper, welcher in
pathologischen Fällen bei einer Hernia obturatoria durch das Perito-
näura zunächst ausgebuchtet wird (Infundibulum obturatorium), welches
wie die verschiedenen anderen Recessus der Bauch- und Beckenhöhle
auch Eingeweide aufnehmen kann, vorübergehend oder dauernd, so
daß auch hier die Möglichkeit einer Hernia incarcerata gegeben ist,
gleichviel, ob es sich um Netz, I>armschlingen, Blase oder Adnex-
organe des Uterus handelt.
Am Arcus tendineus teilt sich die Fascie, scheinbar gabelig, in
Wirklichkeit aber dreigeteilt, weil mit der Entwickelung des Fleisches
der M. levator ani eine fascielle Bekleidung der Becken- sowohl wie
der Damm-Seite erhalten muß. Aus diesem Grunde ist auch die Binde
über dem caudalen Teile, gegen das Steißbein hin, d. h. des M. ob-
turator internus zunächst sehr dünn, erfährt aber eine bedeutende
Verstärkung gegen das Tuber ischiadicum hin, indem sie sich dort
an den sehr starken Processus falciformis des Lig. sacrotuberosum
anheftet. Dieses bildet seinerseits wieder die Anheftungsstelle für
einen fasciellen Kanal, in welchem der N. und die Vasa pudenda
interna im Schutze der lateralen Seite der Fossa ischiorectalis ihren
Weg nehmen. Dem englischen Autor zu Liebe hat Waldeyer für
diese Verdoppelung der Fascie des M. obturator internus für den
deutschen Sprachgebrauch den Namen „ALCOCKscher Kanal" em-
pfohlen. — Die Fascie über dem M. glutaeus maximus bildet ebenso,
wie die über dem M. deltoideus, eine einheitliche Schicht von ge-
formtem Bindegewebe mit sehnigen Verstärkungszügen. Wenn beide
niclit in einem Atem mit den Fasciae brachii und lata femoris ge-
nannt werden, so liegt das ausschließlich an den präparatorischen
Schwierigkeiten. Die Binde ist natürlich senkrecht zur Richtung der
Muskelbündel orientiert. Und da diese parallel verlaufen und sehr
grobbündlig sind, ist man imstande, die Scheidewände, welche die
Binde in die Tiefe schickt, im Zusammenhange mit der oberflächlichen
Fascie zu erhalten. Es ist beinahe unmöglich, ein sauberes Ober-
flächenbild der Binde des M. glutaeus maximus zu bekommen. Läßt
mau jedoch auf derselben eine Fettschicht stehen oder erhält auch
die Cutis mit, dann kann man mit Leichtigkeit den ganzen Muskel
so freilegen, wie es nur auf dem Präpariersaale gewünscht werden
kann, und bekommt neben dem klaren Muskelpräparate noch das
negative Bild der Fascia superficialis und der Septa zwischen den
einzelnen Muskelbündeln, welche als feine, parallele Längsleisten sich
aus der allgemeinen Fläche loslösen. Hierauf beruht die Tatsache,
daß die Gesäßhaut sich nicht gegen den M. glutaeus maximus ver-
schieben kann, ebensowenig, wie es beim M. deltoideus der Fall ist.
Dagegen können sich beispielsweise die Beuger am Oberarme und
Schenkel unabhängig von Haut und Fascie unter letzteren hin- und
herschieben, verkürzen und verdicken. Die Haut über den M. glu-
taeus maximus und deltoideus gestattet noch eine Verschiebung gegen
die Fascie und den mit letzterem durch die Septa intermuscularia zu-
207
622 FROHSE und M. FRÄNKEL,
sammeiiliängenden Muskel, vollzieht sich also innerhalb derTela
subcutanea mit ihrem Panniculus adiposus. Die Haut über Ober-
arm und Oberschenkel bildet hingegen eine Einheit mit der Fascia
superficialis. Die Muskeln verschieben sich also hier in ausgiebiger
Weise subfasciell. Noch ein anderer Punkt spielt hier eine Rolle :
Beim Menschen finden wir subkutanes Fett, welches individuell und
regionär außerordentlich verschieden stark entwickelt ist und außer-
dem an demselben Körper je nach dem Alter oder in Krank-
heitszuständen wechselt. Das Fett zwischen den Muskeln, das
intramuskuläre, ist ebenfalls nur minimal und kommt so gut wie
gar nicht vor, nur an einigen Stellen als supramuskuläres dicht
unter dem Perimysium externum, z. B. am M. semimembranosus.
Hierdurch gewinnen die menschlichen Muskeln eine große Selb-
ständigkeit ihrer Bewegung und zeichnen sich dadurch z. B. vor
denen des Mastschweines aus, an welchem intramuskuläres Fett
direkt erzielt werden soll, oder des Hammels, dessen intramusku-
läres Fett als Talg bekannt ist.
In der Höhe der queren Gesäßfurohe oder, auf das Skelet über-
tragen, des unteren Umfanges des Tuber ischiadicum, tritt eine er-
hebliche Verstärkung der Binde ein, welche von diesem Punkte an
der Fascia lata zugerechnet zu werden pflegt und auch kann. Die
Grenze zwischen Oberschenkel und Hüfte macht sich nämlich nur
beim Standbeine bemerkbar. Dann scheint der M. ghitaeus maximus
in der Höhe des Sitzknorrens oder der queren Gesäßfurche aufzu-
hören. Beim Spielbeine erschlafft die Fascia lata und läßt den freien
distalen Rand des M. glutaeus maximus wie am Präparate durch die
Haut hindurch hervortreten.
Die eigentliche Fascie über dem distalen Teile des M. glutaeus
medius ist minimal dünn und niemals als einheitliche Lamelle dar-
stellbar. Was in den Lehrbüchern als Fascie bezeichnet wird, ist ein
besonderer schräger Zug, die sogenannte mittlere sehnige Komponente
des Tractus iliotibialis, unser Tractus supratrochantericus. Die Fascie
über dem M. tensor fasciae latae stellt eine einheitliche Lamelle dar,
welche sich von einem mittleren Längsschnitte aus bequem nach vorn
und hinten zurückpräparieren läßt. Als Besonderheit sei erwähnt,
daß nach unseren Beobachtungen ein schwacher Muskel gewöhnlich
eine sehr starke Fascie besitzt, ein kräftiger dagegen nur eine ganz
zarte. — Die tiefen Fascien der Gesäßgegend lassen sich an einem
Präparate, welches nicht mit Formalin künstlich vorbereitet ist, wohl
kaum als einheitliche Bindegewebsplatten darstellen. Sie sind außer-
ordentlich zart und durch eingelagertes Fettgewebe noch mehr ver-
dünnt. Auf Querschnitten lassen sich allerdings die Muskeln durch
Binden voneinander abgrenzen. Bei derartigen Präparaten ist aber
immer zu bedenken, daß die Binden der Nachbarmuskeln einschließ-
lich der eingelagerten Teile (Fett, Nerven, Gefäße, Schleimibeutel
usw.) mit herangezogen werden müssen. Die M. glutaeus medius und
piriformis, also die mittlere Schicht des Gesäßes, besitzen jedenfalls
die dünnste Fascie. — Einige Berechtigung hätte es, die tiefste
Schicht als mit einer Fascie versehen darzustellen. Dieselbe erstreckt
sich dann von dem M. glutaeus minimus über den M. obturator cum
gemellis bis zum M. quadratus femoris, an dessen unterem Rande
sie sich gabelt, um die Beuger und Adductoren von hinten her zu
umfassen.
Fascien der einzelnen Gruppen. 023^
Fascia fomoris s. lata.
Die Binde des Oberschenkels, die Fascia lata, ist viel schwächer,,
als ihr Ruf, wofern man nur die transversalen Elemente berücksichtigt
und die longitudinalen als aponeurotische Züge auffaßt. Die präpara-
torische Möglichkeit ist überall gegeben. Wo die Läugszüge fehlen
und außerdem die queren wenig entwickelt sind, wie über der Ad-
ductorengruppe, läßt sich nur mit der größten Mühe die Fascia lata
klar darstellen. Die präparatorischen Schwieiigkeiten sind enorm und
führen oft zur Erzeugung von Lücken, welche in der Praxis als
Reiterhernien nur zu oft zur Beobachtung kommen. Der stärkste
Teil der P ascie liegt im unteren Drittel des Oberschenkels ; an dieser
Stelle ist von Poirier sogar ein besonderer Streifen herausgeschnitten
und abgebildet worden, welchen er auf S. 219 als „bandelette arci-
forme" beschreibt. \A'ir halten diesen Zug in dieser Form für ein
Kunstprodukt, geben jedoch gern zu, daß hier die Fascia lata auf die
Form des M. triceps einwirkt, indem er dem Heruntersinken der Ge-
samtmasse des M. triceps entgegenwirkt und nur etwa im distalen
Fünftel die Erschlaffung des Muskels und damit das Heruntersinken
der Kniescheibe erlaubt. Fast ebenso stark ist die Binde der Rück-
seite, wo sie die wichtige Aufgabe hat, die Beuger in der Tiefe zu-
rückzuhalten. Die Außenseite, welche gewöhnlich als die stärkste
Stelle der Fascia lata beschrieben wird, enthält verhältnismäßig
wenige transversale Züge über den longitudinalen des Tractus ilio-
tibialis. Wir können hier nicht noch einmal auf die Beschreibung dieses
Streifens mit Rücksicht auf die Fascie zurückkommen (s. S. 476 [62]);
jedoch auch auf der Beugeseite finden sich longitudinale Fasern in
sehr dünner, aber einheitlicher Platte, welche von der Mitte des M.
glutaeus maximus ausgehen und sich bis zur Außenseite des Knie-
gelenkes begeben. Nach unserer Meinung handelt es sich hier um
ein Rudiment, eine Theromorphie, welche daran erinnert, daß bei
sehr vielen Tieren der M. glutaeus maximus bis zum Unterschenkel
herunterreicht und dabei seinen platten Bauch nicht mit der Höhe
der Tuberositas giutaea (Trochanter tertius) aufhören läßt. Von den
Septa intermuscularia ist eigentlich nur eins erwähnenswert, das late-
rale, welches die Streckmuskeln an der Außenseite von den Beuge-
muskeln in scharfer Weise trennt, fast einheitlicher erscheint aber
der Ansatz des M. glutaeus maximus am ganzen lateralen Labium
der Linea aspera von der Tuberositas giutaea an bis zum Beginne
der Kniekehle. Die Strecker werden von den Adductoren in der
proximalen Hälfte durch die Vasa profunda femoris und ihre R. per-
forantes getrennt, in der distalen dagegen durch die vordere \^'and
des Adductorenkanales miteinander verbunden. Zwischen Beugern
und Adductoren findet sich keine fascielle Grenze, welche als Septum
intermusculare auch nur annähernd bezeichnet werden könnte. Die
Trennung wird hauptsächlich durch den N. ischiadicus, seine beiden
Endäste und Begleitgefäße bedingt.
Fascioii (lor eiiizcliion (xruppeii.
A. Extensoren.
Zwischen den einzelnen Köpfen des M. triceps findet sich keine
besondere Binde, sicherlich nicht zwischen den M. vasti ; ob man dem
Handbuch der Anatomie. II, ii, 3. 40
209
624 FROHSE und M. FRÄNKEL,
fetthaltigen Bindegewebe, welches dieses von dem M. rectus femoiis
trennt und gleichzeitig mit ihm vereinigt, den Namen einer Binde
zuerkennen will, ist jedem anheimgestellt.
B. Plexoren.
Auch bei diesen findet sich zwischen den einzelnen Köpfen nur
lockeres Bindegewebe.
C. Adductoren.
Bei dieser Gruppe müssen wir beachten, ob ein Muskel sich zum
Unterschenkel begibt, am Schafte des Oberschenkels seinen Ansatz
gewinnt, oder sich am Trochanter major anheftet. Der verschiedene
Ansatz bedingt auch die entsprechenden Fascienbildungen. Zum
Unterschenkel zieht der M. gracilis, welchem deshalb auch eine Fascia
profunda zukommt, welche ihn von den eigentlichen, mit dem gleichen
Namen bedachten M. adductores trennt. Hierzu gehören die M. ad-
ductores longus, magnus, brevis und minimus. Eine besondere
trennende Fascie könnte wohl nur beim longus zu Recht bestehen.
Dagegen nimmt der am Trochanter major ansetzende M. obturatör
externus topographisch und funktionell und schließlich auch durch die
Art der Innervation eine Sonderstellung ein, welche ihm noch eine
besondere Binde verschaftt.
Noch nicht erwähnt sind bisher die: 1) M. tensor fasciae latae,
2) sartorius und 3) pectineus.
1) M. tensor fasciae latae. Die oberflächliche Fascie ist
einheitlich, die tiefe Platte ist teils fasciell, teils aponeurotisch.
2) Der M. sartorius ist von einer deutlichen Fascie umrahmt:
man redet gewöhnlich von einer Gabelung der Fascia lata um diesen
Muskel herum.
3) Der M. pectineus bildet mit seiner Fascia superficialis den
Boden der Fossa iliopectinea, mit seiner Fascia profunda wendet er
sich gegen den M. obturatör externus, ohne sich mit der Binde dieses
Muskels zu vereinigen. Gerade diese Abgrenzung gegen die Adduc-
torengruppe läßt auch die Innervation durch den N. femoralis als
Norm erscheinen. In dieser Weise gewinnt der N. femoralis auch
fasciell die wichtigsten Beziehungen zu Muskeln, welche nichts mit der
Streckung zu tun haben. Die auch dem Studenten geläufige Haupt-
aufgabe besteht in der Versorgung des M. triceps, durch den M.
iliopsoas hat er Einfluß auf die Beugung zwischen Oberschenkel und
Becken, ebenso wie durch den M. pectineus, dem aber gleichzeitig
eine abduzierende Wirkung nicht abgesprochen werden kann. Durch
den M. sartorius gewinnt der N. femoralis Beziehungen zur Innen-
seite des Unterschenkels, den er in gebeugtem Zustande sowohl, wie
im gestreckten über die Mittellinie hinaus und damit nach der ent-
gegengesetzten lateralen Seite bewegt.
Fascia cruris.
Diese ist nur da als selbständige Lamelle darstellbar, wo die
unter ihr gelegenen Muskeln mit ihrem Fleische die Oberfläche er-
reichen. Hierbei muß die Vorderseite, welche auch die Wadenbein-
muskeln umfaßt, von der Rück- oder der Beugeseite unterschieden
werden. Da nämlich die ersteren den Kniegelenksspalt proximalwärts
Fascia cruris. 625
nicht überschreiten, wandelt sich ihr Ursprung- oberflächlich in Apo-
neurose um, welche mit der Fascie verschmolzen erscheint. Die
Beugemuskulatur hat in oberflächlicher Schicht den Ursprung von
beiden Epicondyli femoris, hat also in der Kniebeuge ausgedehnte Be-
wegungsfreiheit, welche es nicht zu einer Verschmelzung der Fasciae
Poplitea und cruris mit den beiden Sehnenspiegeln kommen läßt. Es
kommt noch ein Punkt hinzu, welcher bei deu deutschen Autoren
vernachlässigt wird, von Poirier aber ziemlich ausführlich berück-
sichtigt ist. Der Pes anserinus, die Patte d'oie, wird ja auch von uns
als in die Fascia cruris auslaufend dargestellt, weniger die ent-
sprechende Ausstrahlung des M. biceps. Trotzdem ist der Zusammen-
hang unverkennbar und physiologisch von Belang, weil so die Beuge-
wirkung sich nicht allein auf deu proximalen Teil des Unterschenkels
beschränkt, sondern noch weit bis über die Mitte der Wade hinaus
nach unten greift. Der Ansatz des Pes anserinus weit nach vorn hin,
dicht hinter und unter der Tuberositas tibiae unterliegt keinem
Zweifel. Der Ansatz des M. biceps ist weniger bekannt, muß aber
bereits bei der Fascia cruris erwähnt werden, indem schon die ober-
flächliche Schicht einen Pes anserinus bildet mit drei Strahlen. Der
vordere geht in Streckstellung, bogenförmig umbiegend, zur oberen
lateralen Ecke der Tuberositas tibiae, der mittlere strahlt zu den
Streck- und Wadenbeinmuskeln aus, der hintere zur Rückseite der
Fascia cruris und bildet die praktisch außerordentlich wichtige Decke
für den N. peronaeus communis.
Weiter ist Rücksicht zu nehmen auf die sogenannten besonderen
Hautfascien, welche hier die V. saphena parva gemeinschaftlich mit
dem N. suralis und außerdem deu N. peronaeus superficialis betreff'en.
Nach der gewöhnlichen Beschreibung durchbohrt letzterer Nerv an
der Grenze des mittleren und distalen Drittels des Unterschenkels
die Fascie. Dies kann so auspräpariert werden, trifft aber nicht zu,
wenn man ausschließlich das subkutane Gewebe entfernt. Dann ge-
langt der Nerv oder seine beiden bereits geteilten Zweige erst be-
deutend weiter fußwärts an die Oberfläche, mit dem unteren eventuell
erst in der Höhe des äußeren Knöchels. Die V. saphena parva
ist in normalen Fällen höchstens bis zur Mitte des Unterschenkels
durch die Haut hindurch durch ihre bläuliche Farbe zu erkennen
und senkt sich dann unter die Hautfascie in die Tiefe. Wenn
sonst in dieser Gegend subkutane Venen erscheinen, handelt es
sich immer um Krampfadern, welche nicht mit ihr verwechselt
werden dürfen.
Ferner haben wir einen hinteren Fasciennerv des Unterschenkels
beobachtet: Die Durchbohrungsstelle der Fascia cruris durch den N.
suralis liegt 25 cm proximal von der Fußsohle, also im mittleren Drittel
des Unterschenkels; nach 5 cm langem extrafasciellen Verlaufe sondert
sich ein Zweig von der Dicke eines sehr starken Zwirnfadens und
tritt wieder durch einen besonderen Kanal in der Fascie in die Tiefe
zurück, versorgt dabei die hintere Fascie des Unterschenkels und
läßt sich mit Leichtigkeit bis zur Höhe des äußeren Knöchels nach
unten verfolgen. Es gehen etwa 10 Seitenzweige subfasciell hervor,
an denen winzige Corpuscula lamellosa (VATER-PACiNische Körper-
chen) gelegen sind. Wir haben also hier die wichtige Tatsache zu
verzeichnen, daß ein Nerv, welcher bereits die Fascie durchbohrt hat,
wieder in die Tiefe sich zurückbegeben kann ; einen zweiten derartigen
40*
211
M. extensor iligitotum communis M. tibi.ili« n"t'-i
A. tibiahs >interior
N. peronaeus profundus
A. tibialis posterior
y\. popiit
A.rcus tendineus "
m. solei
M
M. gastro
cnemius, caput
laterale
W
t— N-
Ramus anasto-
moticus pero-
naeus (R. com-
A
municans fibu-
laris)
M.
soleus
^'%
N. cutaneus surae mcdialis
. (R. communicans tibialis)
V. saphena parva
Fascia cruris
M. plantaris
muscularis tt
rampfader) *
gastrocnemius, Caput medial^
i.
Fig. 41. Querschnitt des rechten Unterschenkels, Grenze des oberen Drittels.
M. extensor hallucis longus N. peronaeus profundus
Vasa tibialia anteriora
N. peronaeus siipcrfioi.ilis
M. extensor digitorum communis h/Pnt^^/'
Recessus der Articul. talocrurali
Fibula
M. peronaeus longus
M. peronaeus brevis
A. peronaea
N. suralis und V. saphena parva
\I tibialis anterior
X. saphenus (major)
V saphena magna
fibia
M tibialis posterior
M flexor digitorum longus
Vasa tibi.ilia posteriora
N. tibialis
M. flexor hallucis longus Tendo calcaneus (Achiliis)
Fig. 42. Querschnitt des rechten Unterschenkels, nahe dem Fußgelenke.
Fascia cruris. 627
Beschreibung zu Fig. 41 und 42.
Fig. 41 zeigt, daß im vorderen Teile die Fascie auch Ursprungsaponeurose
für die Streck- und Wadenbeinmuskeln ist; hinten ist außer der Gliedfascie, die
für die V. saphena parva noch einen besonderen Kanal (Hautfaseie) abspaltet, die
Spezialfascie der Muskeln dargestellt. Weiter oben verbindet sich auch die Fascie
auf der Beugeseite mit Muskelansätzen, lateral mit der Ausstrahlung der Sehne
des M. biceps femoris, medial mit der sehnigen Verbreiterung des M. sartorius,
gracilis, semitendinosus (sogen. Gänsefuß).
Der Umfang des Unterschenkels nimmt von der Mitte an in dem Maße ab,
wie die massigen Muskeln in Sehnen übergehen, so daß nahe dem Fußgelenke fast
nur noch Sehnen neben den Knochen herlaufen.
Im subkutanen Fette des Unterschenkels ist besonders hervorzuheben die
V. saphena magna an der Innenseite, die parva an der Hinterfläche. Die Fascie,
eine Fortsetzung der Fascia lata, ist nur vorn durch die vordere Schienbeinfläche
unterbrochen, mit deren Periost sie innig verbunden ist. Von vorn-außen sendet
sie ein Septum in die Tiefe zur Fibula, das die M. peronaei von den Extensoren
trennt. Ein tiefes Blatt geht von der hinteren Tibiakante quer unter den M. soleus
und gastrocnemius hinweg zur Außenfläche der Fascie, die genannten Muskeln
von den tiefer gelegenen Flexoren scharf scheidend. Sehr stark ist dieses Blatt
oberhalb der Ferse, woselbst es den Flexoren nicht gestattet, sich von den Unter-
schenkelknochen zu entfernen, während die Achillessehne auf dem Wege zum
Fersenhöcker sich mehr und mehr abhebt ; der dadurch entstehende Zwischenraum
wird durch reichliches Fett ausgefüllt.
Von der Tibia ist die mediale Fläche in ganzer Ausdehnung der Betastung
zugänglich, da sie nur von Haut und dem spärlichen subkutanen Fette bedeckt
wird. Die beiden anderen Flächen des im allgemeinen dreikantigen Schaftes sind
von Muskelmassen bedeckt. Von der Fibula liegt das Köpfchen und der unterste
Teil des Schaftes über dem äußeren Knöchel dicht unter der Haut, während sie
im übrigen von Muskeln umgeben ist. Ihre V^erbindung mit der Tibia ist eine
sehr feste. Das obere Tibiofibulargelenk gestattet sehr geringe Bewegung ; es kann
mit der Bursa m. poplitei und auf diesem Wege mit dem Kniegelenke kommuni-
zieren. Im weiteren V^erlaufe ist die sehr starke Membrana interossea zwischen
beiden Knochen ausgespannt; im unteren Drittel nähern sich beide Knochen
mehr und mehr; sie sind durch straffe Bandmassen so fest verbunden, daß sie
nahe dem Fußgelenke fast als ein Knochen betrachtet werden können. Das
untere Tibiofibulargelenk ist kein selbständiges, sondern nur eine Ausbuchtung des
Spnmggelenkes, s. Fig. 42.
Von den bei der Amputation im oberen Drittel in erster Linie zu unter-
bindenden Gefäßen liegt die A. tibialis anterior der Vorderfläche der Membrana
interossea cruris unmittelbar auf, die A. tibialis posterior findet man auf der Hinter-
fläche des M. tibialis posterior leicht inmitten des großen Gefäß-Nervenpaketes,
lateral die A. peronaea. —
Fall haben wir während der Drucklegung auf dem Präpariersaale
darstellen können.
Die Muskulatur der Wade ist in der Tiefe scharf abgesetzt durch
die Lamiua profunda der Fascia cruris, proximal gegen den M. popli-
teus, distal gegen die tiefen Beugemuskeln. Es muß allerdings eine
ansehnliche Oeönung vorhanden sein zum Durchtritte für den moto-
rischen Nerven des M. popliteus, sowie für die zum Unterschenkel
und E'uß weiter distal verlaufenden Zweige der Vasa poplitea und des
noch vereinten N. tibialis, welche gemeinsam die eben genannte Fascie
durchbohren. Im weiteren Verlaufe durchsetzen die Vasa tibialia an-
teriora die Membrana interossea cruris proximal, in Malleolen-
höhe hart am Knochen die verbindenden Gefäße zur Rückseite. Die
Fascia profunda cruris, welche sich hier zum Lig. laciniatum verdickt,
hält ja sämtliche tiefen Gebilde gegen die Unterschenkelknochen fest!
Dieses läßt sich künstlich als eine nach Belieben 1,5—3 cm breite
halbringförmige Platte der Fascia cruris profunda herausschneiden,
welche beide Malleolen miteinander verbindet, medial die tiefen
213
628 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Beugemuskeln und die Vasa tibialia posteriora, sowie den N. tibialis
umfaßt, lateral die M, peronaei longus und brevis. An der distalen
Grenze des Lig. laciniatum läßt sich medial eine künstliche Lücke
schaffen zwischen ihm und dem Ursprünge des M. abductor hallucis,
eine Präparationsmethode, welche ihre anatomische Berechtigung da-
durch findet, daß der N. und die Vasa calcanea medialia an dieser
Stelle die Fascie durchbohren. Oberhalb des Lig. laciniatum liegt
der N. tibialis lateral von den Gefäßen. Unterhalb desselben teilt
sich der Nerv bereits in die N. plantares medialis und lateralis,
während die Teilung der Gefäße erst am proximalen Rande des M.
abductor hallucis einsetzt.
Im Gegensatze dazu haben wir beschrieben, wie dicht unterhalb
des Arcus tendineus m. solei der N. tibialis auf der Teilungsstelle
der Gabel der A. tibialis posterior gelegen ist, wo sie die A. peronaea
abgibt.
Die vordere Fascie des Unterschenkels zerlegt sich nach der
Extensoren- und Wadenbeingruppe durch die Septa intermuscularia
anterius und posterius (fibulare) in die entsprechenden besonderen
Räume ; für die Einzelmuskeln läßt sich keine anatomische Trennung
durchführen.
Fasciae pcdis.
Am Fuße haben wir Dorsum und Planta zu unterscheiden: das
Dorsum erstreckt sich bis zur Artic. talocruralis ; hier ist wirklich
eine ansehnliche Fascia dorsalis vorhanden, welche hautwärts die
N. subcutane!, das Rete venosum und die Dicke der Haut umfassen,
knochenwärts zuerst auf den Muskeln und Sehnen, in mittlerer Schicht
auf den Arterien und den distal strebenden Nerven liegt und in tiefer
Schicht die Gelenke und Knochen erreicht.
Die Binde der Fußsohle ist gegeben durch die Aponeurosis
plantaris.
Logen am Olberscheiikel (Angiotopie und Neurotopie).
Allgemeine Beschi-eibung.
Die bindegewebigen Scheidewände haben die allergrößte prak-
tische Bedeutung. Sie geben uns Aufschluß über die Eintrittsstelle
der Vasa propria eines Muskels, wofür wir den Namen „Angiotopie"
gebrauchen können, und den längeren oder kürzeren Abschnitt des
extramuskulären Verlaufes eines motorischen Nerven, was für die
Elektrotherapie von Wichtigkeit ist und von uns zur „Neurotopie"
gerechnet wird. Die einzelnen Muskeln des Beines besitzen nur
wenige Logen, für welche eine besondere Beschreibung notwendig
ist. Die Reihenfolge der Logen richtet sich nicht nach den Ge-
sichtspunkten der systematischen Myologie, sondern nach topo-
graphischen, wie sie durch ein und dasselbe Präparat geboten
sind. Man kann erst in die Tiefe gehen, nachdem man sämtliche
Muskeln der Oberfläche, welcher Gruppe und Schicht sie auch an-
gehören, entfernt hat.
Unsere Darstellung richtet sich nach einem besonders genau
durchgearbeiteten Falle, muß also gewisse Varietäten aufweisen, welche
aber nicht gerade erheblich waren.
214
Losen am Oberschenkel. 629
Spezielle Beschreibung.
1. Loge des M. sartorius.
Durch einen Längsschnitt wird die Fascie über der Mitte der
Oberfläche gespalten und nach beiden Seiten zurückgeklappt. Sie
erfährt vorn nur eine einzige Unterbrechung durch einen Hautnerveu,
welcher etwas distal von der Fossa ovalis ein kleines mediales Bündel
des Muskels abzweigt. Nicht einmal der N. infrapatellaris durchsetzt,
was wir als normal bezeichnen müssen, den Muskelbauch. In der
Mitte ist die Fascie erheblich dünner, als am Ursprünge und Ansätze.
Dies ist mechanisch von großer Bedeutung, weil sonst der 58 cm lange
Muskel eine zu große Bewegungsfreiheit an beiden letzteren Stellen
hätte. Das tiefe Blatt der Fascie ist bedeutend dünner und zeigt an
der medialen Seite eine Reihe von Löchern, deren wichtigstes, weil
es dem motorischen Nerven zum Durchtritte dient, bereits 10 cm distal
von der Spina iliaca ant. sup., oder auf die Fossa ovalis übertragen,
in der mittleren Höhe derselben gelagert ist. Bis zum Adductoren-
kanale finden sich in ziemlich regelmäßigen Abständen noch etwa
5 Gefäßlöcher. Weiterhin senken sich die Gefäße von der Facies
profunda in den Muskel hinein.
2. Loge des M. tensor fasciae latae.
Der bis 22 cm lange und an seinem Ansätze 8 cm breite, fächer-
förmige Muskel hat eine derbe oberflächliche Fascie und eine schwächere
tiefe. Die oberflächliche ist platt, die tiefe dagegen winklig gebogen.
An dieser scharfen Kante finden sich die Löcher für den Nerven und
die Gefäße. Beide Gebilde sind voneinander getrennt. Der von hinten
her eintretende Endast des N. glutaeus superior durchbohrt die Fascie
5 cm unterhalb der Spina iliaca ant. sup. Die zu den Vasa circum-
flexa femoris lateralia gehörenden Gefäße treten erst 7—9 cm unter-
halb dieses Knochenpunktes zum Muskel. Beim Nerven ist außerdem
zu beachten, daß die Durchbohrungsstelle der Fascie um etwa 1 cm
weiter distal gelegen ist, als der Punkt, wo er zwischen den M. glutaei
medius und minimus zum Vorscheine kommt, außerdem, daß er noch
einen ansehnlichen Sehnenzweig für den Tractus iliotibialis liefert und
sich ohne jede Schwierigkeit bis zur Vereinigungsstelle des hinteren
Randes des M. tensor fasciae latae mit dem aus dem M. glutaeus
medius hervorgehenden mittleren sehnigen Teile des Darmbeinschien-
beinzuges verfolgen läßt.
3. Loge des M. gracilis.
Sie ist außerordentlich einfach. An der Oberfläche und in der
Tiefe ungefähr gleich stark, zeigt sie an der Facies profunda vier
Oefi'nungeu, drei für die Gefäße und eine für den Muskelnerven. Die
letztere, wichtigste liegt 10 cm distal vom Tuberculum pubicum. Die
Gefäßöitnungen liegen 7, 12 und 26 cm von diesem Kuochenpunkte
entfernt: der obere, dünnste Zweig versorgt den Ursprung, der mittlere,
stärkste zieht sehr bald mit dem Nerven zusammen zur Hauptmasse
des Muskelbauches, dessen veijüngtes Endstück vom unteren Aste
mit Blut versorgt wird.
630 F.ROHSE und M. FRÄNKEL,
4. Loge des M. adductor longus.
Die oberflächliche Fascie bildet eine einheitliche Lage, die Facies
profunda ist nur im Ursprungsviertel einigermaßen deutlich, allenfalls
noch im dritten Viertel, wo sein Muskelfleisch von dem des M. ad-
ductor magnus getrennt ist. Das zweite Viertel dient zum Eintritte
der eigenen Nerven und Gefäße ; gegen den M. adductor brevis auch
noch zur Passage für die Gefäße der mehr medial gelegenen Weich-
teile. Die Gefäße treten hauptsächlich zentral ein, d. h. am Margo
lateralis; der Nerv von der Facies profunda bereits 6 cm distal vom
Tuberculum pubicum oder am Cornu inferius des Margo falciformis
der Fossa ovalis. Im Ansatzteile verschmilzt der Muskel mit den
M. adductores brevis und magnus. Mit dem Messer läßt sich mit mehr
oder weniger Glück die scharfe Trennung bis zur Linea aspera femoris
durchführen. Von einer trennenden Fascie kann aber hier nicht die
Rede sein. Am freien distalen Rande des Muskels verläuft nur ein
einziges wichtiges Gebilde, nämlich der Hautast des N. obturatorius.
welcher noch unter der Spezialfascie verborgen ist, und dessen wir
beim Adductorenkanale und RoMBERGschen Kniephänomen ausführ-
lich gedacht haben.
5. Loge des M. pectineus.
Der Muskelbauch läßt sich mit Leichtigkeit sauber aus seiner
Loge herauspräparieren, obwohl ihre Begrenzung nur an der vorderen
Kante deutlich fasciell ist, im übrigen nur lockeres Bindegewebe mit
reichlicher Fetteinlagerung darstellt. Die Hauptgefäße und der Haupt-
nerv kommen aus dem Trigonum iliopectineum heraus und senken
sich 4 — 5 cm distal vom Tuberculum pubicum nahe dem hinteren
Rande des Muskels in seine vordere laterale Fläche ein. Akzessorische
Gefäße kommen vor, sowohl an der lateralen, wie an der medialen
Seite. An letzterer findet sich bisweilen auch ein akzessorischer Zweig
aus dem N. obturatorius. Ueber die vordere Kante des Muskels ver-
laufen jedoch suprafasciell die Vasa pudenda externa, an der hinteren
die Vasa circumflexa femoris medialia, bei denen man im Zweifel sein
kann, ob sie teilweise von einer Fascie bedeckt sind, durch welche sie
jedenfalls sehr deutlich hindurchschimmern, um so mehr, als die Haupt-
ernährungsgefäße ihnen entstammen.
6. Loge des M. adductor brevis.
Die Facies superficialis ist deutlich fasciell, auch noch am medialen
Rande mit der abgerundeten Umschlagsstelle der Facies profunda,
lateral dagegen vielfach durch die Gefäße und Nerven durchlöchert.
Der longitudinal herabsteigende Nerv tritt 5 — 7 cm distal vom Tuber-
culum pubicum in mehreren Muskelinterstitien ein. Von Gefäßen
haben wir ein proximales dünnes für den Ursprung, ein mittleres nach
Größe und Lage für die Hauptmasse des Muskelbauches und ein sehr
starkes distales, welches zwar nicht für den Muskel selbst bestimmt
ist, aber doch seine Endsehne durchbohrt und den Muskel selbst
doppelbäuchig erscheinen läßt. Bei dieser Teilung wird er durch den
motorischen Hauptzweig unterstützt. — Die Facies profunda ist im Ur-
sprungsteile deutlich fasciell gegen die M. obturator externus und
2l6
Logen am Oberschenkel. 631
adductor minimus abgegrenzt. Im mittleren Drittel kann man nur
von lockerem Bindegewebe reden, das nicht einmal fettreich ist. Im
distalen Drittel tritt eine Verschmelzung mit den benachbarten Ad-
ductorensehnen ein.
7. Loge des M. semitendinosus und Caput longum des M. biceps.
Diese beiden Muskeln, welche die oberflächliche Schicht der
Beuger am Oberschenkel bilden, müssen ihrer Gefäß- und Nerven-
versorgung nach in eine einheitliche Fascie eingeschlossen sein. Der
Beweis für die anatomische Richtigkeit liegt in dem gemeinschaftlichen
Ursprünge vom Tuber ischiadicum, dessen Länge auch bei schonungs-
loser präparatorischer Darstellung nicht unter 8 cm herunterzugehen
pflegt. Es flnden sich hier 3 Nerven, welche sich schon in der
Höhe des Tuber ischiadicum aus dem gleichnamigen Nerven loslösen.
Die beiden Zweige für den M. semitendinosus treten für den proxi-
malen Bauch 2 cm, für den distalen 14 cm distal vom Tuber ischia-
dicum, für das Caput longum des M. biceps 12 cm distal zu den
Muskeln. Die Gefäße erreichen dieselben mit ihren Hauptästen in
der gleichen Höhe, lösen sich aber erst weiter distal aus den ver-
schiedenen R. perforantes heraus. Wenn man die beiden oberfläch-
lichen Muskeln aus ihrer Fascie herausschält, sie sofort so sauber
präpariert, wie es von den Studierenden verlangt wird, unter sorg-
fältiger Entfernung des Perimysium externum in einheitlicher Schicht,
so bleibt der M. semimembranosus und das Caput breve des M. biceps
durch eine ansehnliche Fascienschicht in der Tiefe verborgen, und
sogar der N. ischiadicus wird gegen die Adductoren durch eine 13inde-
gewebssclieide zurückgehalten. Die Nerven für die beiden letzt-
genannten Muskeln entwickeln sich nämlich nicht bereits in der Höhe
des Tuber ischiadicum, sondern erst an der Grenze des proximalen
und zweiten Viertels des Oberschenkels, oder sogar noch weiter distal.
Wie wir in der Muskelbeschreibung betont haben, haben die Beuge-
muskeln am Oberschenkel nicht allein die Aufgabe zu flektieren,
sondern auch nach vollzogener Halbbeugung die Rotation zu bewerk-
stelligen. Der M. semitendinosus und das Caput longum des M. biceps
stellen am Tuber ischiadicum den Flexor communis dar, dessen Wir-
kung sich am Unterschenkel auf Tibia und Fibula gemeinschaftlich
erstreckt. Die tiefe Schicht, welche den M. semimembranosus und
das Caput breve des M. biceps umfaßt, hat selbstverständlich auch
energische Beugewirkung, vollführt aber in erster Linie die Rotations-
bewegungen. Die Innervation unterstützt diese Anschauung. Der
vom N. tibialis versorgte M. semimembranosus bewirkt die Rotation
des Unterschenkels nach innen, d. h. tibial-, der von einem besonderen
Zweige des N. peronaeus communis innervierte kurze Bicepskopf löst
die Rotation nach außen, flbularwärts aus.
8 Loge des M. semimembranosus.
Diese ist bis auf den lateralen Rand und das proximale Viertel
der Facies profunda des Muskelbauches außerordentlich schaif fasciell
begrenzt. Der ansehnliche Muskel verlangt auch recht starke Gefäße,
läßt aber erst an der Grenze des proximalen und mittleren Drittels
des Oberschenkels 13 cm unterhalb des Tuber ischiadicum die ersten
217
632 FROHSE und M. FRÄNKEL,
zum Muskel treten. lu ziemlich regelmäßigen Abständen folgen noch
etwa 5 weitere, welche sich bis zum Kniegelenksspalte aus dem
regionären Gefäße entwickeln. Hierbei kommt in Betracht, 1) wenn
auch nicht konstant, die A. comitans n. ischiadici, 2) die 3 oder 4
R. perforantes der A. profunda femoris, 3) die A. poplitea beim Hiatus
inferior des Canalis adductorius, 4) die A. poplitea mit besonderen
Zweigen öder Seitenästen aus der A. genu superior medialis. Der
Nerv durchbohrt etwa 15 cm distal vom Tuber ischiadicum den
lateralen Rand der Loge, reicht aber mit seinen letzten Zweigen
noch 18 cm weiter distal, so daß sich der letzte motorische Zweig
erst 30 cm, d. h. im distalen Drittel des Oberschenkels in den Muskel-
bauch hineinbegibt.
9. Loge des M. iliopsoas.
Diese Loge bereitet präparatorisch gewisse Schwierigkeiten, weil
man sich scheut, die Gefäße und Nerven zu durchtrennen. Wenn
man jedoch den ganzen Muskel oberflächlich freilegt und mitleidslos
die Adern entfernt, sind wir auch berechtigt, von einer Loge des
M- iliopsoas zu reden. Dieser Muskel zerfällt in 2 Abschnitte: 1) in
die allgemein anerkannte Portio lumboiliaca, welche ihren Ansatz am
Trochanter minor findet, außerdem müssen wir aber 2) einen ansehn-
lichen Muskelbauch, welcher an Gewicht dem des M. coracobrachialis,
aber in der Muskelbündellänge dem des M. biceps brachii gleichkommen
kann, als Portio femoralis oder iliaca externa unterscheiden. Dieser
Muskel ist konstant und umfaßt die Ursprungssehne des M. rectus
femoris von unten her und setzt niemals am Trochanter minor an,
sondern erst weiter distal an der Linea aspera femoris. Der bis zum
Trochanter minor reichende Bauch des M. iliopsoas besitzt nur eine
Länge von 11 cm ; unserem akzessorischen Kopfe kommt eine Länge
von mindestens 15 cm zu.
In der Höhe des Lig. inguinale (Pouparti) ist der M. iliopsoas
etwa 10 cm breit. Nach der gewöhnlichen Beschreibung beschränkt
sich dieser Muskel auf die Bauchhöhle und das große Becken. Wir
haben jedoch niemals einen anderen Fall beobachtet, wo er nicht auch
auf die Spina iliaca ant. inf. übergriff. Letzterer Abschnitt führt
den alten, wohlberechtigten Namen M. iliacus externus und stellt die
außerhalb des Beckens gelegene Portio distalis des Darmbeinmuskels
dar. Der Pars superficialis entsprechen die lateralen Aeste der Vasa
femoralia, medial ihre Stämme selbst, lateral ist eine, wenn auch
undeutliche Abgrenzung gegen die Extensoren vorhanden. Am wich-
tigsten ist die Facies profunda. Diese lagert auf der vorderen Partie
des Hüftgelenkes und kann mit demselben kommunizieren. Nach
unseren Beobachtungen glauben wir, daß unter normalen Zuständen
dieser unter dem M. psoas major gelegene konstante Schleimbeutel
nicht mit der Hüftgelenkshöhle kommuniziert. Allerdings ist an der
Reibungsstelle etwas medial von der Eminentia iliopectinea die Wand
außerordentlich dünn und kann bei einer Durchtrennung des Muskels
zu einer sofortigen Eröffnung der Gelenkhöhle Veranlassung geben.
10. Loge des M. rectus femoris.
Auch dieser Muskel hat seine besondere Loge mit oberflächlicher
dicker Partie, welche zur Fascia lata gehört, und tiefer, welche nur
2l8
Länge und Lage der Sehnenscheiden. 633
als fascielle Grenze gegen den Oberschenkelteil des M. exten sor cruris
triceps aufzufassen ist. Die Gefäße verteilen sich nach der Masse
des Muskelbauches auf verschiedene Höhen.
11. Loge der M. adductores minimus und magnus.
Peripher, d. h. in der medialen Hälfte scharf fasciell begrenzt, ist
sie im zentralen Teile sowohl an der vorderen, wie der hinteren Fläche
infolge des Eintrittes der zahlreichen Gefäße und Nerven vielfach
durchlöchert. Auf der Facies anterior kommen in Betracht: der
E. posterior des N. obturatorius, dessen Zweig für den M. adductor
minimus sich 7 cm unterhalb, und dessen Zweig für den magnus
sich 9 — 15 cm distal vom Tuberculum pubicum in die Muskeln hinein-
senkt. Ein langer Sehnenzweig läßt sich sogar 25 cm lang verfolgen
und gewinnt hierbei auch Anschluß an die Endsehne der M. adductores
brevis und longus. Auf der Facies dorsalis oder posterior haben wir
die Eintrittsstelle des motorischen Nerven, welcher aus dem N. tibialis
stammt, und gleichzeitig den M. semimembranosus versorgt. Die
einzelnen Zweige umfassen eine Länge von 13 — 33 cm. Der proximale
Ast versorgt rückläufig den medialen Ursprung, der mittlere die
Hauptmasse der Pars posterior, der distale ist als Sehnennerv auf-
zufassen und erstreckt sich als Gelenknerv bis zum unteren Drittel hin.
12. Loge der Wadenmuskulatur.
Der üblichen Darstellung können wir folgen. Die Rückseite des
Unterschenkels zerfällt in eine oberflächliche Schicht, welche die Wade
erzeugt, und eine tiefe, welche sich zum Fuße wendet. Der mediale
Kopf des M. gastrocnemius gewinnt mitunter Beziehungen zur Knie-
gelenkshöhle. V. Bardeleben und Frohse haben 1898 dies unter-
sucht und an etwa 8 eigens dazu angefertigten Präparaten festgestellt,
daß keine Kommunikation mit dem Kniegelenke vorhanden war. Auch
unsere Untersuchungen ergaben nur einmal den Zusammenhang mit
der Kniegelenkshöhle.
In der Glutäalgegend , am Unterschenkel und Fuße gibt es
keine besonderen Logen, welche nach unserer ausführlichen Be-
schreibung der Fascien noch einmal anzuführen wären. Die Be-
schreibung der Logen ist ja nach einem Formalinpräparate gemacht
worden, an welchem das Bindegewebe gehärtet war, die der Fascien
nach einem frischen.
II. Sehnenscheiden und Schleimbeutel des Fußes.
A. Läii^(' und Lay:c der Seliiieiiselieideii.
Synonyma: Vaginae tendinum pedis; Organes sereux annexes aux
tendons du pied et des doigts.
Allgemeine Beschreibung.
Genau wie an der Hand unterscheiden wir zwischen denjenigen
Sehnenscheiden, welche ungefähr in der Mitte des Sprunggelenkes,
219
684 FROHSE und M. FRÄNKEL,
der Artic. talocruralis, ihren Sitz haben, und denjenigen, welche sich
erst im Bereiche der Zehen verwirklicht finden. In der Höhe des
TalocruralgeJenkes kommen in Betracht die Streck-, Beuge- und in
erster Linie die wenn auch hier an letzter Stelle erwähnte Sehne
des M. peronaeus longus. Mit Ausnahme des letztgenannten Muskels
haben sämtliche anderen Sehnen nur einen gemeinschaftlichen Zu-
sammenhang zwischen der cruraleu und tarsalen Portion. Dagegen
besteht bei der Endsehne des M. peronaeus longus normalerweise
eine Doppeleinrichtung, welche in der Höhe der Tuberositas ossis
cuboidei den cruralen Teil von dem ansehnlichen plantaren scheidet.
Die digitalen Sehnenscheiden verbinden sich im Gegensatze zu den
entsprechenden der Hand weder an der großen noch an der kleinen
Zehe mit dem distalen Ende der tarsalen. Außerdem kommt es auch
an der Planta pedis niemals zur Entwicklung eines Saccus tarsalis^
welcher an der Hand leider so häufig in pathologischen Fällen die
Daumensehnenscheide mit der des kleinen Fingers (V.-Phlegmone) in
Verbindung setzt. Dagegen ist man berechtigt, am Dorsum pedis,
genau wie an der Hand von einem Saccus dorsalis zu sprechen,
wenn man nämlich die Sehnenscheide des M. extensor digitorum com-
munis manus mit der des M. extensor digitorum pedis longus ver-
gleicht. Dies ist an beiden Stellen eine einheitliche Sehnenscheide
mit proximalem und distalen Recessus, welche für die Länge der
Abschnitte für die einzelnen Zehen von Bedeutung sind und einen
Unterschied beim Erwachsenen (s. A. S. 293) von 5—6,5 cm für die
Hand, für den Fuß von 5,3—6,3 ergeben. Diese scheinbare Ueber-
einstimmung trilft leider nicht für die Plantarseite zu, indem am
Fuße der crurale Abschnitt bedeutend stärker entwickelt ist, dagegen
der tarsale sich nach unseren Beobachtungen niemals über den Tarsus
hinaus (nicht einmal über die Metatarsalknochen) gegen die Zehen
erstreckt. An der Hand ist aber gerade das Uebergreifen bis zum
vollkommenen Zusammenhange mit der Vagina tendinis oder der
Erweiterung zum Sehnenscheidensacke zu betonen. Die Länge des
Unterschenkelteiles ist verhältnismäßig groß.
Spezielle Beschreibung.
Die Länge der einzelnen Sehnenscheiden beträgt bei den M. tibi-
alis anterior 8,9 ; extensor digitorum longus 6, für die einzelnen Sehnen
zwischen 5,3 und 6,3 schwankend ; extensor hallucis longus 6,5 ; pero-
naeus longus:
a) crurotarsale Sehnenscheide 10,5, wovon 2 auf den proximalen
selbständigen Teil (Recessus superior), 3,5 auf die gemeinschaftliche
Sehnenscheide und 5 auf den distalen selbständigen Recessus ent-
fallen ;
b) die plantare Sehnenscheide hat eine Länge von 3,5 cm; sie
kann mit der crurotarsalen zusammenhängen, was von uns jedoch
nur in einem Falle beobachtet ist; die Gesamtlänge der Scheide des
M. peronaeus brevis von 7,5 zerfällt in einen proximalen selbständigen
Abschnitt von 1, den gemeinschaftlichen Abschnitt von 3,5 und den
distalen selbständigen von 3 cm, wobei zu bemerken ist, daß das
Ende knochenwärts länger ist, als auf der der Haut zugewandten
Seite. Die Kommunikation zwischen den Sehnenscheiden beider M.
peronaei hat eine Länge von 3,5 cm und findet ihr Ende genau an der
Inhalt der Sehnenscheiden. 635
Spitze des Malleolus lateralis, von welchem Punkte aus man mit
Leichtigkeit ihren Beginn feststellen kann. Bei dem M. tibialis
posterior beträgt die Länge 7—8, auch hier ist der untere Abschluß
der Sehnenscheide auf der Kuochenseite weiter herabreichend als auf
der Hautseite; bei dem M. flexor digitorum longus 8 — 9 und beim
M. flexor hallucis longus 9—10.
Bei den digitalen Sehnenscheiden haben wir 4 Einzelfälle tabel-
larisch zusammengestellt mit Rücksicht auf die Gesamtlänge und die
Entfernung von der Zehenspitze.
Länge der Sehnenscheiden.
I
II
ni
IV V
all
l 1
7,5
6
5,2
4,3 4,8
^
2
8
6
5,5
4,3 5,2
»
3
8
6
6,2
5,3 5
4
7
8,5
7,5
5,5 4,5
Entfernung
von den Zehenspitzen.
I
II
III
IV V
"al
1 1
3
1,3
1,4
1,4 1,8
^
2
2,5
2
1,8
1,3 1,8
»
3
3
1,3
1,4
1,4 1,8
4
3
1,3
1,3
1,3 1,8
Mau sieht hieraus, daß die Länge der Sehnenscheiden von der
großen Zehe zur kleinen Zehe hin immer geringer wird, daß aber
trotzdem kein großer Unterschied in den Einzellängen besteht, indem
die große Zehe mit etwa 8 cm der kleinen Zehe mit etwa 5 cm
gegenübersteht. Das proximale Ende der Sehnenscheiden liegt un-
gefähr in gleicher Höhe und zwar etwa am Ende der Diaphysen der
Ossa metatarsalia, jedoch nicht in der Linie der Artic. metatarso-
phalangeae. Die distale Entfernung richtet sich nach der Länge der
einzelnen Zehen. So muß die Sehneuscheide für die große Zehe sehr
lang ausfallen, weil sie sogar die 2. Zehe an Länge häufig übertrifit,
im Gegensatze zur Hand, an welcher der Daumen in der Höhe der
Artic. interphalangea I des Zeigefingers aufhört. Die Länge der
dreigliedrigen Zehen nimmt von der Achse des Fußes, d. h. der 2. Zehe
an in mehr schräger Richtung ab, als an der Hand.
Die Entfernung des Endes der Sehnenscheide von der jeweiligen
Zehenspitze ist für die große Zehe möglicherweise mit etwa 3 cm,
für die dreigliedrigen Zehen mit durchschnittlich 1,5 cm verwirklicht ;
außerdem hat noch die am meisten Verletzungen ausgesetzte kleine
Zehe den Vorzug, daß die Entfernung ihrer Scheide von der
Zehenspitze mit 1,8 cm Länge den ungefähren Durchschnitt erzielt.
Die in Fall 4 aufgeführte besondere Länge der Sehnenscheide für
die 2. bis 4. Zehe erklärt sich wohl durch die Anlage eines Platt-
fußes und die große Gesamtlänge des Fußes.
1$. Inhalt der Sehiiciischeideii.
a) Vincula tendinum.
Die beim Arme gegebene Einleitung über die Vincula tendinum
trifi't auch für das Bein in vollkommener Uebereinstimmug zu, indem
die zweigliedrige große Zehe den dreigliedrigen übrigen gegenüber-
steht. — Sie verfügt im plantaren Bereiche der Artic. metatarso-
636
FROHSE und M. FRÄNKEL,
phalangea über ein breites Vinculum mediaDum quadrangulare, welciiem
sich distal noch Vincula flliformia, fettlos oder fetthaltig, anschließen
können. Bereits in der Mitte der Grundphalange entwickelt sich das
proximal konkave Vinculum trianguläre.
An den dreigliedrigen Zehen II^V finden wir im Bereiche der
Artic. metatarsophalangea normalerweise verwirklicht ein axiales Vin-
culum membranaceum, welchem sich distal noch Vincula flliformia
sowohl nach der medialen, wie auch der lateralen Seite anschließen
und sogar zu einer Durchbohrung führen können — Vinculum perforans.
Normalerweise wird dieser feine Strang kein Fett enthalten; findet
sich aber letzteres, so müssen wir von einem Vinculum perforans
adiposum reden, welches nach unserer Tabelle gerade an den Zehen
II— IV verwirklicht ist, aber nicht an den Rändern des Fußes,
an der großen und kleinen Zehe vorkommt. An der Artic. inter-
phalangea I sehen wir ein Vinculum profuudum proprium in Ge-
stalt einer dreieckigen Membrana universalis, welche an die
Existenz der tiefen, durchbohrenden Sehne des M. flexor digitorum
longus gebunden ist.
Im Gegensatze zur Hand hat die von Camper für die Finger-
beugesehnen beschriebene Einrichtung für die Zehenbeuger keine
Gültigkeit. Eine wirkliche Kreuzung ist jedenfalls außerordentlich
selten, ein medialer Verbindungszug findet sich nach unseren Beobach-
tungen für die 2. und 3. Zehe, ein lateraler für die 4. und 5.
V. = Vinculum
Große Zehe
2. Zehe 3. Zehe
I I n |iii I I II |iii I I II |iii
4. Zehe
II III
5. Zehe
I I II lin:
Artic. metatarsophalangea.
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
_
2 Gefäße
3 Gefäße
+
+
+
+{2)
—
-1-
—
—
+
—
—
+
—
—
+
+
+
—
—
+
+
+
—
^
+
—
+
—
—
—
—
+
+
+
+
+
+ (2)
+
+
—
—
—
—
—
+
+
+
+
+
+ C^)
+
+
—
—
V. membranosum
V. filiforme mediale
V. filiforme laterale
V. perforans
V. perforans adiposum
V. profundum proprium
Membrana universalis
Chiasma totale
Conjugatio medialis
Conjugatio lateralis
Bemerkungen: Bei der großen Zehe schwankt die Breite zwischen 0,7 und 0,9 cm. Esj
findet sich ein axialer Verdickungszug, welcher das Lig. intersesamoideum mit der Achse der;
Großzehenphalange verbindet. \
Artie. interphalangea I
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
—
—
+ L
+
+
+
+
-f-
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
—
—
—
+
+
+
+
+
+
+
—
—
—
_,
—
■
—
~"
—
—
+
• —
—
+
+ ^
b) Mesotendinea.
Bei sämtlichen Muskeln der Extensorengruppe war ein Meso-
tendineum profundum totale vorhanden, welches sich lateralwärts
wandte. Beide M. peronaei zeigen ebenfalls ein Mesotendineum totale
membranaceum, welches die am meisten geschützte Stelle aufsuchte in
Verbindung mit den medial gelegenen Fascien oder Perioststellen.
am Unterschenkel den M. flexor hallucis longus im Bereiche des
Sprunggelenkes an der hinteren unteren Sehnenscheidenwand. Nur eine
Beinmuskeln. 637
Sehne hatte einen vollkommen freien Verlauf ohne Mesotendineum,
die des M. peronaeus brevis distal vom Malleolus lateralis. Im ganzen
Umfange des Malleolus medialis und darüber hinaus, nämlich in einer
Länge von 3 cm hatte die Sehne des M. tibialis posterior vollkommene
Bewegungsfreiheit. Wir müssen also ein Vinculum proximale und
-distale linden, in deren freien Rändern starke Gefäße ihren Weg zur
Sehne nehmen. In einem Falle war bereits mit bloßem Auge sichtbar,
wie zwischen beiden Strängen eine blutführende Anastomose an der
Obertiäche der Sehne zutage trat. Der M. flexor digitorum longus
hatte ein Vinculum membranaceum totale, dessen Anheftung im cruralen
Teile lateralwärts gerichtet war, im Fußsohlenteile sich mit der ver-
änderten Richtung der Sehne mehr medialwärts wandte. Bei dem
M. flexor iiallucis longus beschränkte sich das Mesotendineum auf ein
Vinculum trianguläre proximale, ein etwas breiteres Trianguläre distale
und läßt einen Zwischenraum von 3,4 cm frei, in welchem nichts
weiter verlief, als ein ansehnlicher Gefäßstrang ohne sichtbare Fett-
ansammlung. Von diesem gingen nur einige Spinnfaden dicke Züge
zum proximalen Sehnenteile, welche ebenfalls, makroskopisch bereits
erkennbar, Blut enthielten.
III. Beinmuskeln nach der gewöhnlichen Gruppierung,
mit Rücksicht auf ihre Muskelbündellänge
(mit Tabellen).
Die 15 Muskeln, welche kurz als Hüft- und tiefe Bauchmuskeln
zusammengefaßt werden können, schwanken in der Muskelbündellänge
zwischen 17,6 für den M. glutaeus maximus und 3,1 für den M. ob-
turator internus. Die Strecker (M. glutaeus maximus) haben eine
Durchschuittslänge von 14,6, die Beuger (M. iliopsoas) von 10, der
Beckenheber (M. quadratus lumborum) von 7,8; die Auswärtsroller
schwanken zwischen 7,7 (M. glutaeus medius) und 3,1 (M. obturator
internus); die Einwärtsroller sind hier nur durch den M. tensor fasciae
latae gesondert mit 8,4 vertreten, obwohl die vorderen Bündel der
M. glutaei medius mit 7,7 und minimus mit 4 nicht außer acht zu
lassen sind — zwar sind die M. gemelli nach ihrer Gesamtform gleich
lang, aber die Muskelbündellänge ist bei ersteren wegen des lieder-
förmigen Aufbaues 4,3, während letztere nur aus parallelen Bündeln
mit 6 cm bestehen. Die Unterschiede in der Länge der Einzelmuskeln
betragen bei den langen Muskeln ungefähr die Hälfte, z. B. M. psoas
major 14,5 — 7, bei den kurzen Muskeln ungefähr Vs, z. B. M. geraellus
inferior 5 — 3,5, können aber auch bis auf V4 zurückgehen, wie beim
M. obturator externus 5—4.
Am Oberschenkel sind die größten Unterschiede verwirklicht,
indem der M. sartorius mit 52,7 und der M. rectus femoris mit 6,3
Durchschnitt vertreten ist und sich die Grenzen sogar für das Maximum
auf 55 (M. sartorius) und für das Minimum auf 5 (M. vastus lateralis)
verschieben. Die Streckgruppe weist Unterschiede für den Durch-
schnitt zwischen 9,8 und 6,2 auf, welche sich jedoch für Maximum
und Minimum verändern auf 14 und 5. Bei den Adductoren mit
ausgeschaltetem M. gracilis steht der M. adductor raagnus mit
17,2 im Durchschnitte gegenüber dem M. adductor minimus mit
223
638 FROHSE und M. FRANKEL,
9,6; das Maximum für ersteren beträgt 19,5, das Minimum für letz-
teren 7 cm.
Eine Sonderstellung nimmt die Patte d'oie ein. Im M. sartorius
erreicht sie eine Durchschnittslänge von 52,7, im M. gracilis von 25,1,
im M. semitendinosus, wenn wir die beiden Beuger als eine Einheit
auffassen, von 19,9; jedoch kommen durch seine Zwischensehne un-
glaubliche Unterschiede in der Muskelbündellänge des Pes anserinus
cruris zustande. Der M. sartorius hat ja als Maximum 55, während
der obere, proximale Bauch des M. semitendinosus im Minimum nur über
8 cm verfügt. Als Beuger bleiben so nur übrig die M. biceps femoris
und semimembranosus, welche ja auch für die Rotationsbewegungen
in Frage kommen. Scheinbar ist ersterer mit 11.2 Gesamtdurchschnitt
letzterem mit 8 bei weitem überlegen; aber es ist zu bedenken, daß
die patte d'oie mit ihren langbündeligen Muskeln ihn in der Einwärts-
rotation unterstützt. Trotz der Länge der Unterschenkelknochen haben
die hier gelegenen Muskeln nur eine geringe Muskelbündellänge, indem
der M. extensor digitorum longus mit 7,7 dem M. tibialis posterior
mit 2,4 Durchschnitt gegenübersteht; das Maximum ist verwirklicht
in den M. tibialis anterior und extensor hallucis longus mit 8,5,
das Minimum im M. popliteus mit 1,5 — der sogenannte M. quadriceps
surae weist Unterschiede auf von 6 für den M. gastrocnemius lateralis
und 3,4 für den M. soleus, welche sich erhöhen für das Maximum auf
7 und verringern für das Minimum auf 2,5 bei denselben Muskeln.
Die M. tibiales anterior und posterior zeigen eine unglaubliche Differenz
mit 7,2 gegen 2,4, also das Dreifache; das Maximum ist für ersteren
sogar 8,5, das Minimum bei letzterem 1,6. Dasselbe Verhältnis kehrt
wieder bei den M. extensor und flexor digitorum longus, welche mit 7,7
und 2,6 wie 3 : 1 dastehen. Anders aber ist es bei den M. extensor
und flexor hallucis longus, bei denen der Strecker allerdings ebenso
stark ist, wie der lange Zehenbeuger, während letzterer längere Muskel-
bündel aufweist, nämlich 7,5 gegen 4,3 oder nur 43 Proz. Unterschied.
In den besonderen Muskeln des Fußes, welche der Hand nicht
zukommen, besteht bei dem Caput plantare mit 2,6 und dem M. ex-
tensor hallucis brevis mit 2,7 beinahe Uebereinstimmung, aber im
M. extensor digitorum brevis mit nur 1,1 wird die Uebermacht der
Extensoren gebrochen.
Die anderen Fußmuskeln, welche denen der Hand entsprechen,
besitzen nur eine ganz geringe Muskelbündellänge. An erster Stelle
steht der M. lumbricalis I mit 2,1, an letzter der M. interosseus plan-
taris III mit 0,7 Durchschnitt. Nur der Vollständigkeit halber sei
erwähnt das Maximum mit 2,5, welches bei den beiden Abductoren
verwirklicht ist, und das Minimum mit 0,3 beim M. interosseus plan-
taris IIL Dieser Muskel war aber atrophisch.
Bei einem Vergleiche mit den entsprechenden Handmuskeln (s. A.
S. 322) sieht man, daß trotz der größeren Länge des Fußes sämtliche
Muskeln, besonders die M. interossei manus, eine bedeutend größere
Muskelbündellänge haben, als die M. interossei pedis, z. B. die beiden
M. abductores digiti quinti mit 3,9 und 2, oder die beiden M. interossei
dorsales I mit 3 für die Hand und 1,3 für den Fuß.
Beim Oberschenkel muß die Patte d'oie ausgeschaltet werden^
welche wir als mediale Deckschicht der eigentlichen Oberschenkel-
muskeln auffassen, wie es ja für die laterale Seite schon lange für
den Tractus iliotibialis (Maissiati) gilt, und dann haben die Beuger
224
Beinmuskeln. 639
eine Muskelbündellänge am Arme von 14,5 (Caput breve m. bicipitis)
und 7,8 (M. brachialis) am Beine von 12,3 (Caput longum m. bicipitis)
und 8 (M. semimembranosus), für die Strecker am Arme von 9,2
(Caput longum m. tricipitis) und 3,5 (M. anconaeus), am Beine von
9,8 (M. vastus medialis) und 6,2 (M. rectus femoris). Wenn wir aber
den M. anconaeus aus topographischen Gründen den Vorderarmmuskeln
zurechnen, dann erreicht auch der mediale Kopf des M. triceps brachii
die ansehnliche Durchschnittslänge von 7,8, welche dem Minimum von
6,2 am Beine bei weitem überlegen ist. — Die 4 M. adductores
femoris haben eine Durchschnittslänge von 12 cm, denen der gleich-
wertige M. coracobrachialis mit nur 7,4 gegenübersteht. Wenn also
Beuger und Strecker am Oberarme und Oberschenkel nahezu gleiche
Muskelbüudellänge aufweisen, ist bei den Adductoren die Uebermacht
beim Beine unverkennbar, aber dadurch zu erklären, daß das Fleisch
des M. coracobrachialis bereits in der Mitte des Humerus aufhört, am
Beine jedoch der M. adductor magnus fleischig bis zum Epicondylus
medialis herunterzieht.
Schulter- und Hüftmuskeln lassen sich vielleicht in folgender
Weise vergleichen : 1) Abductoren, a) oberflächliche Schicht, M. delto-
ideus 9,3 — M. glutaeus maximus 14,6 + M. tensor fasciae latae (Tractus
iliotibialis) 8,4 ; b) tiefe Schicht, M. supraspinatus 6,6 — M. glutaeus
medius 7,7, minimus 4 : 2) Auswärtsroller, M. infraspinatus 8,7, M. teres
minor 6,4 — M. glutaei medius 7,7, minimus 4, M. piriformis 3,9, M. ob-
turator internus 3,1. M. gemellus superior 4,3, M. gemellus inferior 3,9,
M. obturator externus 4,3 und M. quadratus femoris 6. 3) Einwärts-
roller, M. subscapularis 6,4, M. teres major 10,8 (M. latissimus dorsi ?)
— M. tensor fasciae latae 8,4, M. glutaei medius 7,7 und minimus 4.
Bei den Rollmuskeln besteht ein entschiedenes Uebergewicht für den
Arm, bei den Abductoren hält sich die tiefe Schicht die Wage, in der
oberflächlichen ist das Bein bevorzugt.
Weshalb sind nun diese Unterschiede zwischen Arm und Bein
vorhanden? Die Bewegungen des Armes verlangen Schnelligkeit,
also lange Muskelbündel, die des Beines Kraft und Ausdauer; hierfür
genügen aber kurze Muskelbündel.
Die Unterabteilungen der Tabelle B umfassen in der 1. Gruppe
die 3 Muskeln der Patte d'oie mit 52 — 19,9 Länge. Die 2. Gruppe
reicht, vom Becken aus sämtliche Hüft-, Ober- und Unterschenkel-
muskeln umfassend, bis auf den Fuß herunter, bei dem der M. extensor
hallucis brevis und das Caput plantare noch vor 3 Unterschenkel -
muskeln stehen ; das Maximum dieser Gruppe ist 17,2, das Minimum
2,4. Eine Gesetzmäßigkeit in der Reihenfolge für die einzelnen Ab-
stände besteht nicht. Jedoch findet sich eine scharfe Grenze zwischen
den Muskeln der 3. Gruppe, welche mit Ausnahme des Caput plantare
und des M. extensor hallucis brevis ausschließlich dem Fuße an-
gehören, und denen der 2. Gruppe. Der kurze Großzehenstrecker
verfügt über eine bei weitem größere Muskelbündellänge, 2,7, als sein
Nachbar, der M. extensor digitorum brevis mit 1,5 und kann so als
besonderer Muskel aufgefaßt werden, vielleicht vergleichbar mit dem
M. extensor pollicis brevis. — Die eigentlichen Fußmuskeln haben
eine Muskelbündellänge von 2,1—0,7, sind also recht schwach bedacht.
Die M. abductores hallucis et digiti quinti haben trotz ihres langen
Verlaufes vom Tuber calcanei bis zu den Artic. metatarsophalangeae
nur über eine Muskelbündellänge von 2 cm zu verfügen.
Handbuch der Anatomie. II, n, 3. 41
225
640
A. Beinmuskeln
FROHSE und M. FRÄNKEL,
in unserer gewöhnlichen Reihenfolge mit Angabe
der Muskelbündellänge.
NO.
Muskelname
Durch-
schnitt
Maximum
Minimum
Zahl der
Messungen
1
M. quadratus lumborum
7,8
11,0 '
5,0
10
2
M. psoas minor
4,5
5,8
4,0
9
•5
M. psoas major
10,0
14,5
7,0
^ 20
4
M. iliacus
10,0
13,5
7,0.
45
5
M. glutaeus maximus, portio femoralis
17,6
2:5,0
14,0
29
6
M. glutaeus maximus, portio cruralis
11,5
14,5
7,5
21
7
M. glutaeus medius
7,7^
10,5
5,0
48
8
M. glutaeus minimus
4,0
4,5
3,0
31
9
M. tensor fasciae latae
■ 8,4
9,5
7,5
15
10
M. piriformis
3,9
5,0
3,0
9
11
M. obturator internus
3,1
3,5
3,0
7 ■
12
M gemellus superior
4,3
5,5
3,5
15
13
M. gemellus inferior
3,9
5,0
3,5
9
14
M. quadratus femoris
M. obturator externus
6,0
6,5
4,5
.10
15
4,3
5,0
4,0
23
16
M. sartorius
52,7
55,0
50,0
6
17
M. rectus femoris
6,2
7,5
5,5
37
18
M. vastus lateralis
9,1
11,5
5,0
31
19
M. vastus medialis
9,8
14,0
5,5
35
20
M. pectineus
12,2
14,0
.10,0
19
21
M. adductor longus
11,4
13,0
10,0
17
22
M. gracilis
25,1
32,0
20,5
11
23
M. adductor magnus
17,2
19,5
14,0
28
24
M. adductor brevis
9,8
11,5
9,5
14
25
M. adductor minimus
9,6
13,5
7,0
17
26
M. semitendinosus, venter superior
9,7
12,0
8,0
14
27
M. semitendinosus, venter inferior
10,2
12,0
9,0
16
28
M. biceps, caput longum
12,3
14,0
11,5
17
29
M. biceps, caput breve
M. semimembranosus
10.1
11,5
9,0
25
30
8,0
10,0
7,0
19
81
M. tibialis anterior
7,2
8,5
5,5
20
32
M. extensor digitorum longus
M. extensor hallucis longus
7,7
8,0
6,0
15
33
7,5
8,5
7,0
11
34
M. peronaeus longus
5,0
6,0
3,5
27
35
M. peronaeus brevis
2,9
4,2
1,8
23
36
M. gastrocnemius medialis
4,2
5,5
3,0
66
37
M. gastrocnemius lateralis
6,0
7,0
5,0
45
38
M. soleus
3,4
5,0
2,5
68
39
M. plantaris
4,3
5,0
3,8
6
40
M. poplitevis
M. flexor digitorum longus
2,5
3,2
1,5
15
41
2,6
3,0
2,1
18
42
M. tibialis posterior
2,4
3,5
1,6
18
43 1 M. flexor hallucis longus
4,3
•'^'5 ,._
3,0
23
44
M. extensor hallucis brevis
2.7
'■>.0
~ 2,3
11
45
M. extensor digitorum brevis
K.')
2.7)
0,8
23
46
Caput plantare
2,6
3,5
22
11
47
M. flexor digitorum brevis
M. lumbricalis I
1,3
2,0
ois
21
48
2,1
2,3
1,8
5
49
M. lumbricalis II
4,1
1,3
0,9
4
50
M. lumbricalis III
1,0
1,2
0,9
3
51
M. lumbricalis IV
1,5
2,0
1,1
4
52 M. abductor hallucis
2,0
2,5
1,5
7
53
M. flexor hallucis brevis
1,6
2,0
1,0
14
54
M. adductor hallucis
1,2
1,8
0,6
12
55
M. abductor digiti V
2,0
2,5. -
1,0
19
56
M. flexor digiti V brevis
1,2
1,5
1,0
8
57
M. opponens digiti V
M. interosseus dorsalis I
1,5
1,8
1,2
8
58
1,3
1,8
1,0
10
59
M. interosseus dorsalis II
1,1
1,5
1,0
10
60
M. interosseus dorsalis III
1,2
1,5
1,0
14
61
M. interosseus dorsalis IV
1,2
\ 1,7
1,0
15
62
M. interosseus plantaris I
0,9
, 1,0
0,7
7
63
M. interosseus plantaris II
1,1
1,5
1,0
10
64 M. interosseus plantaris III
0,7
1,0
0,3
9
Beinmuskeln.
641
ß. Beinmuskeln in der Gruppierung nach ihrer Muskelbündellänge.
No.
Muskelname
Durchschnitt
M. sartorius
M. gracUis
M. semitendinosus
venter superior
venter inferior
44
45
46
47
48
49 I
50 '
51 I
52 '
53 I
54 I
55 I
56 I
57
58
59
60
61
62
M. adductor magnus
M. glutaeus maximus
portio femoralis
portio cruralis
M. biceps, caput longum
M. pectineus
M. adductor longus
M. biceps, caput breve
psoas major
iliacus
M. vastus medialis
M. adductor brevis
M. adductor minimus
M. vastus lateralis
M. tensor fasciae latae
M. semimembranosus
M. quadratus lumborum
M. glutaeus medius
M. extensor tligitorum longus
M. extensor hallucis longus
M. tibialis anterior
M. rectus femoris
M. quadratus femoris
M. gastrocnemius lateralis
M. peronaeus longus
M. psoas minor
M. gemellus superior
M. obturator externus
M. plantaris
M. flexor haUucis longus
M. gastrocnemius medialis
M. glutaeus minimus
M. piriformis
M. gemellus inferior
M. soleus
M. obturator internus
M. peronaeus brevis
M. extensor hallucis brevis
M. flexor digitorum longus
Caput plantare
M. popliteus
M. tibialis posterior
M. lumbricalis I
M. abductor hallucis
M. abductor digiti V
M. flexor hallucis brevis
M. lumbricalis IV
M. opponens digiti V
M. extensor digitorum brevis
M. interosseus dorsalis I
M. flexor digitorum brevis
M. adductor hallucis
M. flexor digiti V brevis
M. interosseus dorsalis III
M. interosseus dorsalis IV
M. lumbricalis II
M, interosseus dorsalis II
M. interosseus plantaris II
M. lumbricalis III
M. interosseus plantaris I
M. interosseus plantaris III
25,1
19,9
9,7
10,2
17,2
14,6
17,6
11,5
12,3
12,2
11,4
10,1
10,0
10,0
9,8
9,1
8,4
8,0
7,8
7,7-
7,7
7,5
7,2
6,2
6,0
6,0
5,0
4,5
4,3
4,3
4,3
4,3
4,2
4,0
3,9
3,9
3,4
3,1
2,9
2,7
2,6
2,6
2,5
2,4
2,1
2,0
2,0
1,6
1,5
1,5
1,5
1,3
1,3
1,2
1,2
1,2
1,2
1,1
1,1
1,1
1,0
0,9
0.7
642 FROHSE und M. FRÄNKEL,
lY. Gewichte der Beinmuskeln.
Mit Tabellen.
An erster Stelle steht der M. quadriceps femoris, den wir ja als
Triceps bezeichnet wissen möchten, mit 1200 g- beim Weibe und
1870 g- beim Manne. Mit einem enormen Abstände kommt mit etwa
500 g erst der folgende Muskel, der M. glutaeus maximus. Diese
Tatsache gibt zu denken. Der M. triceps brauchte sein außerordent-
liches Gewicht nicht, wenn er nur die Aufgabe hätte, den beweglichen
Unterschenkel gegen den Oberschenkel zu strecken. Seine Haupt-
aufgabe beruht darin, den sitzenden Körper aufzurichten, d. h. den
Oberschenkel gegen den Unterschenkel zu strecken, wobei er keinen
Synergisten aufzuweisen hat. Man ist imstande, dies auf einem Fuße
zu bewerkstelligen. — Der M. glutaeus maximus zeigte bei unseren
beiden Präparaten fast das gleiche Gewicht, wie es auch bei den M.
biceps, tibialis posterior und verschiedenen kleinen Fußmuskeln der
P'all war. Nur in seltenen Fällen war beim weiblichen Beine das
Gewicht größer, als beim Manne, z. B. beim M. glutaeus maximus,
ferner beim M. piriformis, M. quadratus femoris, M. liexor digiti
quinti brevis. Erhebliche Unterschiede zeigen sich bei den M. triceps
1200—1870, iliopsoas 260—475, glutaeus minimus 90—186, tensor
fasciae latae 50—115, semitendinosus 100—200, soleus 290 — 400 g.
Wenn man nun die Gesamtmasse der Muskulatur der Glutäalgruppe
einschließlich des M. tensor fasciae latae (M. glutaeus anterior nobis)
zusammenrechnet, kommen wir beim Weibe auf 900 g, beim Manne
auf 1151. So geht bei der Frau das Ueberge wicht des M. glutaeus
maximus wiederum verloren. Ein Muskel tritt eben ergänzend für
den anderen ein. Der bei beiden Fällen gleichschwere M. biceps hat
für die Auswärtsrotation des Unterschenkels keinen Synergisten, und
so läßt sich vielleicht die Erklärung finden, warum er gleichschwer
war; wenn man aber die Gesamtmasse der Beuger am Oberschenkel
zusammenrechnet, ergibt sich für das weibliche Präparat ein Gewicht
von 595 g, beim männlichen von 825. Dem einheitlichen Schenkel-
strecker, welcher nur am Oberschenkel Muskelsubstanz besitzt und
am Unterschenkel als Ligamentum patellae bezeichnet wird, stehen
die Beuger gegenüber, welche mit ihren Bäuchen sowohl auf Ober-
wie Unterschenkel verteilt sind; I. erstere beugen den Unterschenkel
des Spielbeines, II. letztere, welche auch den M. popliteus und das
Caput breve des M. biceps umfassen, den Oberschenkel des Stand-
beines. Die Gewichte ergeben:
für den M. triceps 1200-1870 g,
für die Beuger am Oberschenkel, d. h. die M. biceps, semitendi-
nosus und semimembranosus 595—825 g,
für die Beuger am Unterschenkel, d. h. die M. gastrocnemius,
plantaris, soleus und popliteus 579—815 g.
Das Gesamtgewicht beider Beugegruppen beträgt also 1174 bzw.
1640 g. Wir können daraus sehen, daß bei beiden Präparaten eine
ziemlich genaue Uebereinstimmung zwischen den Gewichten des
Streckers und der Beuger besteht, letztere sich auch außerdem noch
untereinander das Gleichgewicht halten. Die Unterschiede betragen
nur 18—10 g. Vielleicht ist die Difterenz durch die Präparation ent-
228
Gewichte der Beinmuskeln.
643
Beinmuskeln nach der Reihenfolge ihrer Gewichte.
No.
Beim weiblichen Beine
Muskelname
weib-
männ-
männ-
lich
lich
lich
1200
1870
1870
530
525
525
335
400
475
305
305
400
290
400
400
265
370
370
260
475
325
230
325
320
190
320
305
110
157
200
100
200
186
95
164
164
90
122
157
90
168
122
75
78
115
70
88
103
65
103
100
60
92
92
55
85
88
50
115
85
47
80
82
45
82
80
78
45
74
74
42
100
40
70
70
36
32
54
32
35
43
26
15
35
25
54
32
20
30
30
19
43
28
18
20
26
15
26
25
15
16
23
13
23
23
12
23
20
12
28
16
12
13
15
7
10
15
6
15
14
6
14
13
6
25
10
5
8
10
5
2,5
8
5
5
6
5
10
5,5
4
6
5
3
5,5
3,7
1
3,7
2,7
1
2,7
2,5
1
2
2,5
1
1,5
2
0
2,5
1,5
0
1
1
Beim männlichen Beine
Muskelname
No
1 M.
2 M.
3 ,M.
4 M.
5 M.
6 M.
7 M.
8 ' M.
9 M.
10 M.
11 M.
14 M.
15 M.
16 M.
17 ,M.
18 M.
1 9 M.
20 M.
•21 M.
•>2 M.
•23 ' M.
24 • M.
25 M.
26 M.
27 M.
28 M.
29 M.
30 M.
:!1 M.
:;2 M.
:■.:•. M.
; i M.
■,:> M.
.ili M.
37 M.
38 M.
39 M.
40 M.
41 M.
12 M.
V.\ M.
44 M.
45 M.
46 M.
47 IM.
48 !m.
19 'M,
-|0 M.
.1 M.
-2 i M.
:>■■'. M.
. 1 M.
triceps
glutaeus maximus
adductor magnus
biceps femoris
soleus
gastrocnemius
iliopsoas
glutaeus medius
semimembranosus
sartorius
semitendinosus
adductor longus
tibialis anterior
glutaeus minimus
tibialis posterior
peronaeus longus
adductor brevis
gracilis
adductor minimus
tensor fasciae latae
flexor haUucis longus
pectineus
extensor digitorum long,
-f- peronaeus tertius
obturatur internus
obturator extern us
piriformis
peronaeus brevis
quadratus femoris
quadratus lumborum
extensor hallucis longus
flexor digitorum longus
poplitcus
abductor hallucis
atlductor hallucis
abductor digiti quinti
quadratus plantae
flexor digitorum brevis
flexor liallucis l^revis
extensor digitorum brevis
gemellus superior
gemellus inferior
plantaris
extensor hallucis brevis
opponens digiti qjuinti
flexor digiti quinti brevis
interosseus dorsaUs IV
interossous dorsalis I
interosseus dorsalis III
interosseus plantaris II
interosseus plantaris III
lumbricalis I
lumbricalis IV
lumbricalis III
lumbricalis 11
tnceps
glutaeus maximus
üiopsoas
adductor magnus
soleus
gastrocnemius
glutaeus medius
semimembranosus
biceps femoris
semitendinosus
glutaeus minimus
adductor longus
sartorius
tibiaUs anterior
tensor fasciae latae
adductor brevis
obturator internus
gracUis
peronaeus longus
adductor minimus
pectineus
flexor hallucis longus
tibialis posterior
extensor digitorum long.
-f peronaeus tertius
obturator externus
quadratus lumborum
flexor digitorum longus
peronaeus brevis
piriformis
extensor hallucis longus
flexor digitorum brevis
abductor hallucis
plantaris
quadratus plantae
abductor digiti quinti
popliteus
adductor hallucis
quadratus femoris
gemellus superior
gemellus inferior
flexor hallucis brevis
extensor digitorum brevis
interosseus dorsalis IV
extensor hallucis bre\as
interosseus dorsalis I
interosseus dorsalis III
flexor digiti quinti l)re\'is
interosseus plantaris II
interosseus plantaris III
opponens digiti quinti
lumbricalis III
lumbricalis I
lumbricalis lA"
lumbricalis II
Standen. Jedenfalls muß für praktische Zwecke die gleichmäßige
Trennung in eine proximale und distale Hälfte hervorgehoben werden.
Für die Strecker und Beuger der Zehen ergeben sich noch bessere
Üebereinstimmungen, Die entsprechenden Gewichte betragen:
229
644
für die Strecker, d. h. die M. extensor hallucis longus, extensor
digitorum longus, extensor digitorum brevis und extensor
hallucis brevis 77—122 g,
für die Beuger, d. h. die M. flexor hallucis longus, flexor digi-
torum longus, Caput plantare und M. flexor digitorum brevis
35-159 g.
Wir sehen daraus, daß bei der weiblichen Leiche ein Gleich-
gewicht zwischen Beugern und Streckern bestanden haben muß,
während bei dem Manne die Strecker hinter den Beugern etwas zu-
rückblieben. Dies läßt sich dadurch erklären, daß ein Plattfuß vor-
handen war, welcher den M. tibialis posterior verkümmern ließ (75
und 78 g) und eine stärkere Entwicklung der Beugemuskeln erforderte.
Für die Dorsal- und Plantarflexion des Fußes finden wir folgende
Ergebnisse, wenn wir als Extensoren die M. tibialis anterior und ex-
tensor digitorum longus et peronaeus tertius bezeichnen und als
Flexoren die M. gastrocnemius und plantaris auffassen :
Strecker 135—196 g,
Beuger 271—395 g.
Vergleicht man die Zahlen miteinander, so sieht man eine Ge-
setzmäßigkeit, wie sie nicht schöner gedacht werden kann ; der Unter-
schied erfährt bei der Verdoppelung nur eine Erhöhung um 1 bei dem
weiblichen Präparate (135—271), beim männlichen nur um 3 (196
bis 395).
Die Extensoren brauchen nicht so stark zu sein, wie die Flexoren,
weil sie nur passive Bewegungen ausführen, um den ziemlich leichten
Fuß dem Unterschenkel zu nähern und die Flexoren nach ihrer Tätig-
keit wieder ins Gleichgewicht zurückzubringen.
V. Varietäten.
Einleitung.
Wir haben darauf verzichtet, jedem einzelnen Muskel als Nach-
trag die Varietäten beizufügen mit Ausnahme derjenigen Fälle, welche
zur Erklärung der normalen Einrichtungen wesentlich beitragen..
Hierzu dienten uns besonders die in der Berliner Anatomie beob-
achteten Muskelvarietäten — im Texte mit V. B. (Varietates Beroli-
nenses) bezeichnet. — Im übrigen haben wir dieselben nach folgenden
Gesichtspunkten angeordnet :
I. Nach Fehlen oder Verkümmerung.
II. Nach Verdoppelung oder Doppelschichtung.
III. Nach Vergrößerung des Ursprunges und Ansatzes.
IV. Nach Muskel- und Sehnenkonjugationen.
V. Nach überzähligen Muskeln, welche wir noch in 3 Unterabschnitte
gesondert haben:
a) in sogenannte M. tensores fasciae, welche für Oberschenkel,
Unterschenkel und Fuß besonders beschrieben sind,
b) in Sehnen, welche innerhalb der Sehnenscheiden an einem
bestimmten Punkte ihrer Wand ihren Ansatz finden, und
c) Anhang.
VI. Als besondere, überaus seltene Varietäten haben wir diejenigen
Fälle aufgeführt, welche sich nicht in eine der vorigen Gruppen
einordnen ließen.
230
Varietäten. 645
Spezieller Teil.
I. Fehleu oder Verkümmerung:
A. Ohne pathologische Veräuderuugen :
a) Häufig fehlen die M. plantaris, geraelli, quadratus feraoris,
flexor digiti quiuti brevis;
b) seltener die M. sartorius, pectineus, peronaeus tertius;
c) Ausnahmefälle: M. popliteus, soleus, extensor digitorum et
hallucis brevis, opponens digiti quinti, flexor digitorum brevis, Ur-
spruug des M. rectus femoris vom Acetabulum.
B. Sicher durch pathologische Veränderungen bedingt:
a) M. semimembranosus, tensor fascie latae, M. biceps caput
breve, Caput laterale des M. gastrocnemius, vordere Bündel der M.
glutaei medius und minimus, oberer Abschnitt des M. glutaeus maximus,
M. piriformis, M. semitendinosus. Der Gruud für diese überwiegend
bei weiblichen Leichen gefundene Verkümmerung, welche sieh wohl
nur auf Lähmungen zurückführen dürfte, betrifft den Druck auf den
Truncus lumbosacralis während des Geburtsaktes.
b) Für den Unterschenkel hat die Atrophie des lateralen Gastro-
cnemiuskopfes wohl die gleiche Bedingung, wie diejenige der am Ober-
schenkel gelegenen Muskeln, wie auch die des M. soleus. Denn alle
diese Muskeln werden versorgt vor allem durch die N. lumbales IV
und V, vom Truncus lumbosacralis aus, welcher beim Gebärakte der
besonderen Druckgefahr ausgesetzt ist. Dieselbe Gefährdung können
wir nicht für den M. tibialis posterior annehmen, dessen Schwächung
bis zur" Atrophie Berufsstörungen angehört (Plattfuß der Bäcker und
anderer Berufsarten, die zum mehrstündigen Stehen Veranlassung
geben).
In den V.B. (54) Fehlen des M. semimembranosus beiderseitig
bei einer weiblichen Leiche, (221) Fehlen des M. semimembranosus
rechts, links als ganz dünner Strang vom Tuber ischiadicum bis zum
Unterschenkel; Ansatz mit 2 feinen Sehnen in der Patte d'oie und
der zweiten im Muskelbauche des M. gastrocnemius.
c) Am Fuße entstehen eine Anzahl von Varietäten durch den
Druck des Schuhwerkes, welche in erster Linie die M. lumbricales
und das Caput transversum des M. adductor hallucis betreft'en. Die
M. interossei sind in vielen Fällen fast atrophisch, im einzelnen oder
auch im ganzen.
IL Verdoppelungen sind beobachtet bei den M. gemellus superior,
sartorius, dem Ursprünge des M. rectus femoris von der Spina iliaca
anterior inferior, M. adductor longus, brevis und magnus. Beim M.
adductor brevis dürfte die Verdoppelung normal sein, beim M. ad-
ductor magnus stellt sie eine Sonderung in eine Portio flexoria und
adductoria dar. Auch der M. semimembranosus kann in ganzer Länge
verdoppelt sein. Eine Verdoppelung des M. tibialis anterior kommt
in seinem seimigen Teile vor. Bei den M. soleus und tibialis posterior
kann sie im muskulären Teile vorhanden sein; bei den M. lumbricales
ist sie im muskulären Teile und im sehnigen Ansätze verwirklicht.
Die Doppelschichtung betriift nur Muskeln von großer Dicke und
ist nach unserer Auffassung bedingt durch den intramuskulären Ver-
lauf der Nerven und der Hauptgefäße, wenn diese b3im Eintritte eine
Area nervovasculosa bilden und sind beschrieben bei den M. glutaei
maximus und medius, obturator internus, vasti medialis und lateralis,
231
646
sogar beim M. pectineus, nach unseren Beobachtungen jedoch nur bei
Doppelinnervation durch die N. femoralis und obturatorius und schließ-
lich bei dem M, gastrocnemius.
III. Vergrößerung des Ursprunges oder Ansatzes. Diese kann
in sämtlichen Regionen eintreten und betrifft hauptsächlich die er-
höhte Ausdehnung des Ursprunges, welcher sich auf Knochen, Bänder
und Gelenkkapseln unter Bildung von knöchernen Sesambeinen oder
faserknorpeligen Verdickungen erstrecken kann. So kann :
1) der M. piriformis vom 1. bis 5. Kreuzwirbel und sogar bis
zum Os coccygis entspringen.
2) Der M. gemellus superior kann in der Hüftgelenkskapsel an-
setzen,
3) der M. pectineus vom Hüftgelenke herkommen oder am
Trochanter minor besonders anheften. Der M. glutaeus minimus be-
sitzt (V.B. 379) eine besondere untere Portion,
4a) das Caput longum des M. biceps femoris vom Os sacrum,
coccygis, Tuber ischiadicum, Lig. sacrotuberosum, M. glutaeus maximus
entspringen und
4b) das Caput breve von der Fascia lata, Linea aspera medialis,
Epicondylus lateralis, M. adductor magnus, M. vastus lateralis und
selbst vom Lig. sacrotuberosum (Spuler, s. S. 164, Rauber-Kopsch,
wo die Originalabbildung mitangegeben ist).
5) Der M. sartorius kann am Lig. patellae ansetzen.
6) Der M. semitendinosus entspringt getrennt vom langen Biceps-
kopfe am Tuber ischiadicum; vom Os coccygis, ischii, Linea aspera,
Lig. sacrotuberosum.
In den V.B. (1) findet sich eine Vergrößerung des Ursprunges
des medialen Kopfes des M. gastrocnemius, 4 cm oberhalb von dem
normalen Ursprünge und setzt sich in der Mitte der beiden vereinigten
Gastrocnemiusköpfe an.
7) Die Varietäten des M. plantaris haben wir in einem besonderen
Abschnitte bei Vc aufgeführt.
8) Der M. tibialis anterior hat Verbindungen entweder lateral-
oder medialwärts zur Artic. metatarsophalangea. In den V.B. (320)
wird eine sehnig-muskulöse Konjugation zwischen ihm und dem M.
exten sor longus digiti II von 4 cm Länge und 3 — 4 mm Breite be-
schrieben, und bereits eine Ziffer später (321) ein ebenfalls lateraler
Ansatz an der Basis des 3. Metatarsalknochens der Artic metatarso-
phalangea II und des M. extensor hallucis brevis in der Höhe der
Artic. metatarsophalangea I.
9) Der M. extensor digitorum longus kann ansetzen an einer
benachbarten Zehe, einem Os metatarsale, einer Sehne des M. extensor
brevis oder an anderen Stellen des Fußrückens. In den V.B. (419)
finden wir folgenden Fall angegeben : sämtliche Sehnen des M. extensor
digitorum longus mit Ausnahme der für die 3. Zehe hatten über-
zählige Ansätze an allen Artic. metatarsophalangeae, teilweise unter
Bildung selbständiger Sehnen, so daß an Stelle der für gewöhnlich
vorhandenen b deren 11 vorkamen. Hierdurch wurde der Beweis
einer auch beim Menschen vorkommenden allgemeinen Sehnenplatte
des Dorsum pedis geliefert. Unter No. 427 wird eine Doppelteilung
desselben Muskels in eine mediale Hälfte für die 2. und 3. Zehe und
eine laterale für die 4. und 5. beschrieben.
232
Varietäten. 647
10) Die Sehne des M. extensor hallucis entsendet selten ein
Bündel zum Os metatarsale I.
11) Der M. peronaeus tertius sendet eine Nebensehne zur 5. Zehe,
zur Basis des Os metatarsale IV und anderen benachbarten Stellen.
In den V.B. (387) finden wir eine doppelte Sehne des M. peronaeus
tertius; 2,5 cm proximal vom Fußgelenke zweigt sich vom tibialen
Rande der Hauptsehne ein dünner schmaler Sehnenfaden ab, welcher
nach einem 8 cm langen Verlaufe über dem Rücken des Mittelfußes
in zwei Zipfel sich teilt, der 1,5 cm lange tibiale geht zur Sehne des
M. extensor longus digiti quinti, der fibulare 5,5 cm lange an die
Basis der 5. Eudphalange.
12) Der M. tibialis posterior kann ansetzen am 2., 3. oder 4. Os
metatarsale und am Os cuboideum und auch am M. flexor brevis hal-
lucis. Außerdem halten wir die von Poirier gegebene Abbildung
(Fig. 180, S. 264) für richtig, welcher ein tendon ligamenteux angibt
zur Artic. calcaneocuboidea und ein „tendon recurrent" zur plantaren
Fläche des Sustentaculum tali.
13) Der M. flexor hallucis longus schickt zuweilen eine stärkere
Sehne zur 2. Zehe als Ersatz für die fehlende des M. flexor digitorum
longus. Ueberhaupt betreffen die Varietäten nur den extravaginalen
Ansatz an der Sehne des M. flexor digitorum longus und des Caput
plantare, oder den intravaginaleu am Sustentaculum tali ; auf letzteren
haben wir bei Vb zurückzukommen.
14) In den V.B. (49) finden wir einen M. flexor brevis digiti
quinti accessorius vom Lig. talonaviculare, also vom Schlüsselbande
des ÜHOPARTscheu Gelenkes schräg unter den tiefen Beugesehnen
zur 5. Zehe hin; mithin die äußerste Möglichkeit an der Versorgung
der lateralen, Kleinzehen- von der medialen, Großzehenseite aus.
Ferner unter No. 112 einen akzessorischen Kopf, welcher selbständig
mit dünner Sehne vom Fersenbeinhöcker entspringt.
15) Der M. abductor hallucis entsendet häufig einen Sehnenstreifen
zur 2. Zehe, nicht allein zur medialen, sondern auch zur lateralen Seite.
16) Der M. flexor hallucis brevis entspringt häufig aus der Sehnen-
scheide des M. tibialis posterior.
17) Das Caput plantare kann bis zum Unterschenkel heranreichen
und hierbei von beiden Knochen, sowohl der Tibia, wie mit Vorliebe
der Fibula entspringen, letztere auch nicht erreichend, wenn sich der
Ursprung auf die Fascia cruris profunda beschränkt.
18) Nach den V.B. (64) entspringt der M. lumbricalis IV auch
aus dem M. interosseus dorsalis IV.
19) Die als Varietät beschriebene Anheftung des M. abductor
hallucis an der 2. Zehe führen wir zurück auf eine nicht ausreichende
Präparation des entsprechenden tiefen Zuges der Plantaraponeurose.
20) Der M. adductor hallucis kann mit seinem Caput obliquum
eine Sehne zur 2. Zehe schicken, aber auch am Os metatarsale I an-
setzen. W. Krause hat die Bezeichnung dieses Muskels mit vollem
Rechte als nicht gleichbedeutend mit einem M. opponens bezeichnet.
Es würde sich in diesem B^alle um einen M. plantaris I mit der An-
heftung an dem Os metatarsale II handeln.
Das Caput transversum kann sich ebenfalls in abnormer Weise
an der medialen Seite der 2. Zehe ansetzen (V.B. 195). Unsere
neurologischen Untersuchungen lassen diese Varietäten vollkommen
zu, indem der motorische Anteil des N. plantaris medialis am Grenz-
233
648 FROHSE und M. FRÄNKEL,
bezirke des Großzehenballens, soweit er dem medialen Fußrande iu
Gestalt des Caput mediale des M. flexor hallucis brevis angehört,
ansehnliche Anastomosen zu den lateralen Muskeln zuschickt, d. h.
zum Caput laterale des M. flexor hallucis brevis und dem Gesamten
M. adductor hallucis, obwohl dessen distale Partie, das Caput trans-
versum, nur selten hierbei in Frage kommt,
21) Der M. abductor digiti quinti ist von uns in ausführlicher
Weise nach 3 Präparaten beschrieben worden. Varietäten dieses
wechselvollen Muskels sind sonderbarerweise nur wenige angegeben.
22) Au der Selbständigkeit des M. opponens halten wir trotz der
gegenteiligen Auffassung von H. Virchov^^ als normaler Einrichtung
fest.
IV. Muskel- und Sehnenkonjugationen:
1) In der Rinne, welche normalerweise die Lagerstätte für den
N. femoralis bildet, kann häufig nach den V.B. eine Muskelkonjugation
zwischen den M. iliacus und psoas major bestehen, welclie eine plexus-
artige Auflösung des N. femoralis bedingt und die sensiblen Elemente,
nämlich den N. cutaneus femoris lateralis, einen stellvertretenden N.
lumboinguinalis und auch die N. cutanei femoris anteriores gesondert
zu ihrem Hautbezirke am Oberschenkel treten läßt, während der
eigentliche N. femoralis durchaus typisch verläuft.
2) Die N. glutaei medius und minimus sind normalerweise vorn
miteinander taschenartig verbunden.
3) Die Sehne des M. piriformis kann mit der der M. gemellus
superior oder obturator internus zusammenhängen.
4) Der M. quadratus femoris kann untrennbar mit den M. ge-
mellus inferior und adductor minimus verschmolzen sein oder
5) der M. pectineus mit den M. obturator externus oder adductor
longus. Es handelt sich in solchen Fällen nur um sehnige Konju-
gationen, welche einem stumpfen Messer Widerstand entgegensetzen,
auf dem Präpariersaale deshalb häufig beschrieben werden, sich aber
sonst als fast normale Befunde darstellen.
6) Ebenso stößt die von Waldeyer geforderte Sonderung des
M. adductor magnus vom minimus auf technische Schwierigkeiten ;
indessen hat auch > Poirier (s. S. 228) bereits die Selbständigkeit
des M. adductor minimus betont, welche präparatorisch am leichtesten
von der Rückseite nachgewiesen werden kann. Er nennt ihn aller-
dings in der Muskel beschreibung „faisceau superieur du grand ad-
ducteur" (Fig. 160).
7) Das Caput longum m. bicipitis (V.B. 465) hängt mit dem M.
semitendinosus durch eine 2 Querfinger breite Muskelkonjugation
zusammen, welche aus der Tiefe des M. biceps entspringt und sich
medialwärts zur Ansatzsehne des M. semitendinosus wendet.
8) Der M. adductor magnus kann:
a) mit dem M, semimembranosus bereits am Tuber ischiadicum
zusammenhängen.
b) Ein 15 cm langer und 1,5 cm breiter Muskelbauch (V.B. 258)
setzt mit doppelten Köpfen unterhalb des Adductorenschlitzes im Be-
ginne der Endsehne des M. semimembranosus an.
c) In dem Falle V.B. (303) entspringt ein akzessorischer Kopf
des M. semimembranosus von der Fascie des M. adductor magnus
und vereinigt sich in der Mitte des Oberschenkels mit dem Haupt-
bauche zu einem Vs so starken Muskel, wie an dem anderen Beine,
234
Varietäten. 649
Wir legen auf diese Varietäten den allergrößten Wert, weil durch sie
der Beweis erbracht wird, daß unsere neurologischen Unter-
suchungen, welche den normalen Zusammenhang der unteren
Portion des M. adductor magnus mit dem gesamten M. semimembra-
nosus nachweisen, auch durch Muskelvarietäten ihre einwand-
freie Bestätigung finden.
d) Auch das Caput breve des M. biceps V.B. (71) kann durch
ein dünnes Bündel dicht hinter den Vasa poplitea mit dem M. ad-
ductor magnus zusammenhängen. Hierdurch wird in noch schlagen-
derer W^eise der Beweis geführt, daß als tiefe Beugeschicht am Ober-
schenkel der M. semimembranosus, das Caput breve des M. biceps
und die Portio longitudinalis des M. adductor magnus aufzufassen sind.
9) Der M. extensor digitorum longus kann, wie bereits erwähnt,
mit 11 Sehnen die Zehengegend versorgen und so dem Handrücken-
bilde entsprechen.
10) In den V.B. (173) finden wir den Ersatz für die fehlende
Sehne des M. flexor digitorum longus der 2. Zehe und des M. flexor
digitorum brevis für die 3. Zehe aus einer Sehnenkonjugation mit
dem M. flexor hallucis longus angegeben.
V. Ueberzählige Muskeln.
a) M. tensores fasciae.
1) Daß der M. tensor fasciae latae seinen Namen vollkommen
zu Unrecht führt, hoffen wir in unserer Beschreibung (s. S. 60) nach-
gewiesen zu haben.
2) Der M. gracilis sendet zuweilen im distalen Drittel des Ober-
schenkels einige Sehnenfasern zur Fascia lata.
3) Der M. semimembranosus kann ebenfalls mit einem Muskel
sich in die Fascia cruris fortsetzen — M. tensor fasciae cruralis.
4) In ähnlicher Weise fassen wir den Fall 188 der V.B. auf,
in welchem bei einer Verdoppelung des M. sartorius das laterale
fingerdicke Bündel bereits in der Höhe des Epicondylus medialis
endete.
5) Der M. biceps sandte im gleichen Falle auch ein Bündel zur
Fascia cruris.
6) Der mediale Kopf des M. gastrocnemius liefert einen Tensor
fasciae cruris (V.B. 468).
7) M. tensor fasciae plantaris — sehr selten — entspringt unter
dem Ursprünge des M. soleus, inseriert am Lig. laciniatum oder am
€aput plantare oder geht in die Aponeurosis plantaris über (W. Krause).
Wir haben diesen Muskel hier mit angegeben, weil er einen beson-
deren Namen erhalten hat, sind aber der Auffassung, daß es sich um
einen cruralen M. plantaris handelt.
8) Der M. tibialis anterior gibt zuweilen einen Sehnen- oder
Muskelzug zum Lig. cruciatum — M. tensor fasciae dorsalis pedis.
9) Verdoppelung des M. plantaris, welcher mit akzessorischer
dünner Sehne sich in der Fascia cruris etwa in der Mitte der Tibia
anheftet (V.B. 242).
b) Tendines intravaginales.
1) Ein M. peronaeus quartus entspringt vom lateralen Condylus
der Tibia zwischen dem eigentlichen M. peronaeus longus und dem
M. extensor digitorum longus. Der Bauch ist zur Hälfte muskulös
und setzt sich mit einer schmalen Sehne iutravaginal an der
235
650 FROHSE und M. FRÄNKEL,
TrocMea des Calcaneus an (V.B. 211). Aehiiliche Fälle sind auch
von uns beobachtet worden.
2) Ein M. tensor vaginae mucosae des M, flexor hallucis longus
mit der Anheftung an der unteren Leiste der Rinne des Sustentaculum
tali wird bei V.B. 172 beschrieben.
c) Anhang. Varietäten des M. plantaris.
Diese sind die häufigsten an der unteren Extremität und so in
die Augen fallend, daß sie nicht einmal vom Anfänger übersehen
werden können. Der akzessorische Kopf liegt gewöhnlichlich am
Unterschenkel auf der vorderen, präparatorisch tiefen Seite des M.
soleus und wird aus diesem Grunde auch als eine Verdoppelung
dieses Muskels aufgefaßt. Nach Raube r-Kopsch handelt es sich
hauptsächlich um einen Ursprung von der Fibula und dem Ansätze im
Bindegewebe in der Mitte des Unterschenkels, an der Bursa tendiuis
calcanei, an der Aponeurosis plantaris, am Lig. laciniatum. Diese
Varietäten werden in den Fällen der V.B. ausführlicher dargestellt:
1) Ursprung hauptsächlich von der Tibia (198). Hier wird ein
akzessorischer Kopf des M. soleus beschrieben, welcher von der Tibia
entspringt, aber die Fibula nicht erreicht, sondern durch ein Sehnen -
band mit dem M. soleus zusammenhängt.
2) Ursprung von der i^poneurosis des M. soleus (393). Bei nor-
malem M. quadriceps surae löst sich 10 cm oberhalb des Calcaneus
aus der vorderen Aponeurose des M. soleus ein fingerbreites Sehnen-
blatt ab, welches alsbald in einen überdaumendicken. 9 cm langen
Muskel übergeht.
3) Ursprung von der Fascia cruris (V.B. 505). Der akzessorische
Muskel entspringt von der Fascia cruris und entwickelt einen klein-
fingerlangen und -dicken Muskelbauch mit der Anheftung an der
medialen Seite des Calcaneus, unabhängig von der Achillessehne.
4) Ursprung von Tibia und Fibula (454). Es entspringt außer
dem normal entwickelten Muskel an beiden Unterschenkelknochen
noch ein zweiter Muskel ; der tibiale Kopf 5 fingerbreit, der flbulare
Kopf 3 fingerbreit distal vom Kniegelenke. Beide Köpfe vereinigen
sich zu einer Sehne von der Dicke eines normalen M. peronaeus
tertius und heften> sich selbständig an der vorderen Wand des
Achillessehnenschleimbeutels an, wo sonst der normale M. plantaris
ansetzt, der aber hier mit der Achillessehne verschmolzen war.
5) Im Falle 70 wird der doppelte Ursprung des M. plantaris nicht
angegeben, aber der doppelte Ansatz : medial zur Achillessehne, lateral-
wärts zum Lig. laciniatum erwähnt.
6) Ueber einen sehr wichtigen eigenen Fall ist beim M. soleus
nachzusehen, wo wir zusammenfassend die Varietäten des M. plan-
taris kritisch besprochen haben.
d) M. glutaeus quartus s. scansorius = vordere Bündel des M.
glutaeus minimus, von uns als M. invertor beschrieben.
e) M. peronaeus quartus (nach Rauber-Kopsch selten) entspringt
an der hinteren Fläche der Fibula zwischen den M. peronaeus brevis
und flexor hallucis longus und setzt an der lateralen Fläche des Calr
caneus oder am Cuboideum an, oder verbindet sich mit der Sehne
des M. extensor digitorum longus, welche zur 5. Zehe zieht.
f) M. flexor hallucis intermedius (V.B. 466). Dieser Muskel ent-
springt bereits am Unterschenkel in der Höhe des Lig. laciniatum,
andererseits von der Facies profunda des M. abductor hallucis, vom
236
Varietäten. 651
Calcaneus mit zwei besonderen Muskelbäuchen von Lumbricalstärke,
welche mit dünnen Sehnen vollkommen selbständig die Sesambeine
erreichen und so einen intermediären Doppelmuskel darstellen, welcher
mit dem doppelten Ansätze der M. lumbricales an zwei benachbarten
Digiti verglichen werden kann, während hier der doppelte Ansatz
dieselbe Zehe, nämlich die große betrifft. Diese Varietät könnte auch
zu der Aufstellung eines vierköpfigen M. flexor hallucis führen, wie
es Flemming (s. A. S. 204) für den homologen Daumenmuskel ge-
macht hat.
g) Als M. gastrocnemius tertius werden überzählige Bündel be-
zeichnet, welche vom Planum popliteum femoris, vom Labium mediale
der Linea aspera, von den Scheiden der Vasa poplitea und vom N.
ischiadicus (Rauber-Kopsch) (d. h. wohl vom N. tibialis) entspringen.
h) Ein M. peronaeus parvus entspringt zwischen den normalen
Wadenbeinmuskeln an der Fibula, und heftet an der kleinen Zehe
zusammen mit der Sehne des M. extensor longus an — bei der Mehr-
zahl der Affen normal (s. Henle-Merkel, 4. Aufl., S. 250).
i) Ein M. iuterosseus volaris IV, der in diesem Falle den Namen
eines Primus verdienen würde, kann vom Os cuneiforme I entspringen
und an der Kleinzehenseite der großen Zehe anheften.
k) M. extensor hallucis intermedius (V.B. 485); derselbe entspringt
von der Fibula und der Membrana interossea, distal von dem nor-
malen langen Großzehenstrecker, geht als starke Sehne durch die
gemeinschaftliche Scheide zum Fußrücken und verwächst bereits in
der Höhe der Artic. cuneometatarsalis I mit dem kurzen Großzehen-
strecker.
VI. Besondere Varietäten.
Der M. sartorius kann in der Mitte sehnige Inscriptionen auf-
weisen.
Die Ansatzsehne des M. rectus femoris läuft zuweilen in einem
durch die M. vasti gebildeten Kanäle.
Der M. vastus medialis reicht mit einigen Bündeln bis zur Tube-
rositas tibiae.
Das ScARPAsche Dreieck ist infolge einer geringen Ausbildung
des proximalen Teiles des M. vastus medialis so tief, daß man eine
Faust hineinlegen kann (V.B. 389).
Die sehnige Inscription des M. semitendinosus ist sehr wechselnd,
sie geht nicht durch die ganze Dicke des Muskelbauches durch, oder
ist auch doppelt vorhanden.
Ein von Spuler (1901) beschriebener akzessorischer Muskel
kommt an der hinteren Fläche des Oberschenkels vor; er entspringt
nach der in Rauber-Kopsch reproduzierten Abbildung (Fig. 148,
S. 169, 8. Aufl.) von der tiefen Fläche des Lig. sacrotuberosum, hat
in der Höhe des Trochanter major eine sehnige Verbindung mit dem
Femur und inseriert am Caput breve des M. biceps an seiner Ver-
einigungsstelle mit dem Caput longum.
Ein Sesam b ein im medialen Kopfe des M. gastrocnemius ist
selten, dagegen soll es im lateralen in 21 Proz. der Fälle vorkommen,
in der Sehne des M. popliteus ist es nur ein einziges Mal beschrieben
worden. Vielleicht erklärt sich diese Varietät dadurch, daß er zu-
sammen mit dem M. plantaris gemeinschaftlich vom Epicondylus late-
ralis femoris oder vom Sesambeine im lateralen Kopfe des M. gastro-
cnemius entspringen kann. Einen Sesam knorpel enthält nach
237
652 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Ledouble sehr häufig der M. tibialis posterior am Ansätze am Os
uaviculare. Der oft vorkommende Faserknorpel in der Sehne des
M. peronaeus longus, wo diese über die Tuberositas ossis cuboidei
gleitet, kann in seltenen Fällea sich in ein Sesam b ein umwandeln.
Der M. peronaeotibialis (Fürst) soll dem M. pronator quad-
ratus des Vorderarmes homodynam sein. Er entspringt vom Capi-
tulum fibulae und inseriert an der Linea poplitea der Tibia.
Der M. soleus weist in den V.B. (478) drei isolierte Zacken von
0,5 — 1 cm Breite distal von der einheitlichen Muskelmasse auf, welche
in Intervallen von 1 — 2 cm von der Fibula eutspiingen. Wir legen
auf diesen Befund besonderen Wert, da sich dadurch in einfacher
Weise die von uns ohne Kenntnis dieser Varietät gegebene Darstel-
lung erklären läßt, daß für die distalen Bündel des M. soleus kein
«inheitlicher longitudinaler Nerv vorhanden sein kann, sondern mehrere
schräge und selbst horizontale, welche erst an den Rändern der
Achillessehne die Zuckung des Muskels hervorrufen, obwohl sie schon
weiter medial in der hinteren Medianlinie des Unterschenkels aus
dem Hauptnerven sich loslösen.
VI. Neurologische Bemerkungen.
A. Scj^mentbezüge.
Beschreibung zu Fig. 43 ^).
Bei der unteren Extremität liegen bezüglich der Segmentverteilung
die Verhältnisse ungleich verwickelter als bei der oberen und sind so-
wohl bei den motorischen wie auch den sensiblen Nerven für den
Menschen noch nicht genügend festgestellt.
Die hier gegebene Beschreibung hält sich an die Abbildung,
welche auch den Zweck verfolgt, den äußeren Formen das Muskelbild
gegenüberzustellen.
Die natürliche Einteilung ergibt als (dorsale) N. extensorii den
N. femoralis und N. peronaeus, als (ventrale) N, flexorii den N. ob-
turatorius und N. tibialis. Dazu kommen noch die Sonderzweige für
die Muskeln des Bbckengürtels, welche erst bei der nächsten Figur
im Zusammenhange beschrieben werden, gleichzeitig mit den N. flexorii,
während hier nur die N. extensorii berücksichtigt sind.
Der N. femoralis entspricht nicht dem N. radialis, sondern
etwa dem N. musculocutaneus ; er zerfällt in den R. pro m. iliaco,
den R. terminalis anterior (gemischt), der den M. sartorius und M.
pectineus versorgt, und den R. terminalis posterior (ebenfalls gemischt),
der die Zweige für den ganzen M. triceps liefert.
Die Segmentbezüge der Muskeln sind : M. pectineus 2, 3, M. sar-
torius 2, 3, M. rectus femoris 2, 3, 4, M. vastus medialis 2, 3, (4),
M. vastus intermedius (2), 3, 4, (M. subfemoralis 3, 4), M. vastus
lateralis 3, 4.
Die sensible Projektion umfaßt im N. terminalis anterior die
R. cutanei femoris anteriores und den Zweig zum N. saphenus minor
(im wesentlichen also die Oberschenkelzweige), im N. terminalis po-
sterior den N. saphenus major (also hauptsächlich den Unterschenkel-
1) Uebernommen aus dem Atlas der topographischen Anatomie von v. Barde-
leben, Häckel und Frohse.
238
Neurologische Bemerkungen. 653
zweig). Am Oberschenkel zerfällt das Hautgebiet ohne scharfe Grenze
in 2 und 3, am Unterschenkel findet sich 3 und hauptsächlich 4.
Der N. cutaneus femoris lateralis (nach Rüge ein um-
gewandelter R. lateralis der Lumbalnerven) enthält 1, 2, 3. Sein
hinterer Ast kann ein R. trochantericus sein, der vordere Ast ent-
wickelt bisweilen den N. lumboinguinalis (der in seinen medialen
Zweigen auch ventrale Elemente enthält). Unbeständig wie dieser
Nerv sind auch seine Bezüge aus 1, 2 und selbst 3.
Ueber den noch wenig erforschten N. peronaeus sei folgendes
angegeben. Motorischer Anteil : Caput breve m. bicipitis femoris (4),
5, I, (II); M. peronaeus longus (4), 5, I; M. peronaeus brevis 5, I;
M. peronaeus tertius 4, 5, I; M. extensor digitorum longus 4, 5, I;
M. extensor hallucis longus (4), 5, I; M. tibialis anterior 4, 5, (I);
M. extensor digitorum brevis 4, 5, I ; M. extensor hallucis brevis 4, 5, 1.
Sensible Projektion: An der Außenseite des Unterschenkels von
vorn-oben nach hinten-unten 5, I, II ; am Fuße (für den N. peronaeus
superficialis und profundus) ebenfalls 5, I, IL Das ganze Dorsum
des Fußes enthält nach Paterson an der Innenseite 3, 4, eigentliches
Dorsum 4, 5, I, Außenseite I, IL
Beschreibung zu Fig. 44.
Auf der Rückseite der unteren Extremität sind die Verhältnisse
noch verwickelter als auf der Vorderseite, weil für die Haut noch
die dorsalen Elemente des Plexus sacralis hinzukommen, bei der
Gesäßmuskulatur noch eine Trennung in die ventrale und dorsale
Gruppe nötig ist.
Zur Flexionsgruppe gehören der M. obturator internus cum
gemellis und der M. quadratus femoris, zur Extensionsgruppe
vorn die Psoasgruppe, hinten die drei M. glutaei, M. tensor fasciae
latae und piriformis. Mit den Segmentbezügen zusammengestellt :
M. obturator internus 5, 1, II, (III), M, gemellus superior 5, 1, II, (III),
M. gemellus inferior 4, 5, I. M. quadratus femoris 4, 5, 1 ; der M. ge-
mellus inferior schließt sich also dem M. quadratus femoris an, der
M. gemellus superior dem M. obturator internus.
Zu der Extensorengruppe gehören M. psoas minor und major 1,
2, 3, (4), und M. iliacus 2, 3, 4. Bei der eigentlichen Hüftmuskulatur
hat der M. glutaeus maximus 4, 5, I, II, die M. glutaeus medius und
minimus 4, 5, I, der M. tensor fasciae latae 4, 5, der M. quadratus
lumborum, portio iliaca, 1, 2, 3, (4).
Der motorische Teil des N. tibialis umfaßt die Oberschenkel-,
Unterschenkel- und Fußmuskelgruppe. M. biceps femoris, caput
longum, 4, 5, I (nach Bolk I, II), M. semitendinosus und semimem-
branosus 4, 5, I, M. adductor magnus, portio condyloidea, (3), 4, (5).
Für die oberflächliche Schicht der Waden muskulatur einschließlich
des M. popliteus wird meist 4, 5, I, (II) angegeben, für die tiefe
Schicht der Beugemuskeln 5, I, (II).
Die Endäste des N. tibialis enthalten in ihrem motorischen Teile
5, 1, II, der N. plantaris medialis mehr 5, I, der laterale mehr I, II.
Die motorischen Fasern des N. obturatorius (2,3,4) ergeben
im einzelnen M. obturator externus 3, 4, M. adductor magnus und
minimus (2), 3, 4, M. adductor brevis 2, 3, 4, M. adductor longus 2, 3,
M. pectineus (ausnahmsweise) 2, 3, M. gracilis 2, 3, (4).
239
654
M. obliquus ex-
temus abdominis
N. lurabalis I
N. lumbalis II
N. lumbalis III
N. lumbalis IV
N. lurabalis V
N. sacralis I
M. llexor
digitorum longus
Lig. transversum
cruris
Lig. cruciatum
cruris (pedis)
~S-5,v.-<c^.- . ., , -_^. n-. Fnl.Si: Fee.
Fig. 43. Innervierung der Haut und der Muskeln der unteren Extremität nach
den Rückenmarksegmenten. Vorderseite.
240
M. latissimus dorsi
M. obliquus extemus
abdominis
M. glutaeus medius
M. glutaeus maximus
M. vastus lateral!
M. adductor mag^n
M. semitendinosus
M. biceps femoris,
Caput longum
M. semimembranosus
655
M. gastrocnemius,
Caput laterale
M. gastrocnemius
Caput mediale
\. lumbalis I
N. sacralis 111,
r. ventralis
N. sacralis III,
r. dorsalis
N. lumbalis II
N. sacralis IV
N. sacralis V +
N. coccygeus
N. sacralis I
N. sacralis II
N. lumbalis II
N. sacralis III
N. lumbalis III
N. lumbalis IV
N. lumbalis V
N. sacralis II
Fig. 44. Innervierung der Haut und der Muskeln der unteren Extremität nach
den Rückenmarksegmenten. Rückseite.
Handbuch der Anatomie. II, ii, 8. 24 1 42
656 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Die sensible Projektion ergibt für den N. cutaneus femoris
posterior I, II, III, für den N. tibialis am Unterschenkel I, 11, auch
für die Fortsetzung- des N. suralis als N. cutaneus dorsalis lateralis.
An der Fußsohle haben wir im sensiblen Teile des N. plantaris
medialis 5, I, nach dem lateralen Fußrande zu im N. plantaris
lateralis I, II.
Die Eauptzweige des N. obturatorius enthalten ebenso wie
der motorische Teil 2, 3, 4.
An der Rückseite des Kreuzbeines sind die R. dorsales der
N. sacrales und des N. coccygeus zu nennen. Sie sind zusammen-
fassend mit den Farben für II und III dargestellt, obwohl namentlich
die medialen Zweige der untersten Rückenmarksnerven sich ebenfalls
in den unteren Partien des Gelb verzweigen. Genauer hätten sie
also auch grün und blau, für den N. coccygeus sogar rot (als ersten
und meist einzigen Nerven eines neuen Rückenmarksabschnittes) au-
gegeben werden müssen. Aber auch beim ventralen Hautteile dieser
Nerven ist das Rot der Uebersicht halber weggelassen, im Blau des
fünften Sacralnerven enthalten gedacht.
An der Außenseite der Hüfte kommt noch der N. iliohypogastricus
in Betracht, über der Fascie des M. glutaeus medius (Schwalbe).
B. Durchbohrung der Beinmuskeln durch die Nerven.
Auch an der unteren Extremität entstehen die verschiedenen
Köpfe der betreffenden Muskeln oder ihre Teilung in Einzelmuskeln
vor allem durch den Durchtritt der jeweiligen Nerven und betreffen
nicht, wie am Arme, nur die freie Extremität, sondern auch die am
Becken gelegenen Muskeln, für welche am Schultergürtel kein Ver-
gleich zu ziehen ist. So wird am Beine die Zahl der durchbohrten
Muskeln vermehrt. Im einzelnen zählen wir auf:
1) Am M. iliopsoas finden sich bisweilen in der Fossa iliaca
Absprengungen eines oder mehrerer Bündel des M. iliacus durch
frühzeitige Teilung des N. femoralis unter Loslösung sensibler
Zweige, welche für die Vorderfläche des Oberschenkels bestimmt sind,
sowohl zur lateralen Seite hin (N. cutaneus femoris lateralis), wie zur
vorderen (N. lumboinguinalis) und auch zur medialen (N. saphenus
minor). Solche Befunde, welche recht oft vorkommen, werden als
Varietäten beschrieben.
2) Der M. piriformis wird häufig durch den N. peronaeus durch-
bohrt, wobei dann ein Foramen i n t r a piriforme (nobis) zustande
kommt.
3) Die M. glutaei medius und minimus schließen sich mit ihren
vorderen Bündeln unter Bildung einer hinten gelegenen Tasche so
eng aneinander an, daß man wohl normalerweise von einer Durch-
bohrung des für den M. tensor fasciae latae (M. glutaeus anterior
nobis) bestimmten Endzweiges des N. glutaeus superior reden kann.
4) Der M. sartorius wird regelmäßig von sensiblen Zweigen
des N. femoralis durchbohrt. Zahl, Ort und Dicke der R. perforantes
ist fast bei jedem Präparate anders verwirklicht,
5) Der M. obturator externus erfährt normalerweise eine Ab-
sprengung eines proximalen Bündels durch den Durchtritt des R. po-
sterior des N. obturatorius (R. intermedius nobis). Jedoch haben wir
242
Neurologische BemerkuDgen.
657
niemals beobachtet, daß der M. gracilis durch den Hautast des N. ob-
turatorius durchbohrt wird.
6) M. triceps feraoris. Wenn wir beim N. radialis von einer
Durchbohrung des M. triceps brachii gesprochen haben, welche den
Sulcus spiralis am Humerus hervorruft, müssen wir es auch am Femur
tun. — Trennender Nerv ist der mächtige motorische Ast des N. fe-
moralis für den M. vastus lateralis, welcher ihn von dem M. vastus
medialis trennt. Wir haben für diese wichtige Einrichtung in unserer
Fig. 22 den Namen Sulcus spiralis femoris vorgeschlagen.
7) M. soleus. Wir haben am Arme (A. S. 388) beschrieben, daß
der M. llexor digitorum sublimis durch den N. medianus durchbohrt
wird; infolgedessen muß man auch den Arcus tendineus m. solei als
Durchbohrungsstelle des N. tibialis auffassen.
8) M. peronaeus longus. Dieser wird dicht unterhalb des Capi-
tulum fibulae durch den N. peronaeus communis durchsetzt.
9) Der M. extensor digitorum longus liefert eine besondere Sehnen-
arkade zum Schutze des N. peronaeus profundus.
10) M. adductor hallucis. Während an der Hand das entsprechende
Caput transversum und obliquum sich eng aneinander schmiegen, weichen
am F'uße die gleichnamigen Köpfe weit auseinander. Man muß also
bei der oberen Extremität unbedingt von einer Durchbohrung des
M. adductor pollicis durch den R. profundus n. ulnaris reden, bei der
unteren sieht es am Präparate nicht so aus.
Am Arme ist die Durchbohrung des M. coracobrachialis durch
den N. musculocutaneus als normal aufzufassen, wodurch der einheit-
liche Muskel in zwei Teile zerfällt. Am Beine wird die aus 4 Ad-
ductoren bestehende Gruppe ebenfalls in zwei x4.bschnitte zerlegt, indem
der M. adductor brevis durch die R. anterior und posterior (inter-
medius nobis) umfaßt wird. Durch den vorderen Ast werden versorgt
die M. adductores longus und brevis, durch den hinteren der minimus
und magnus.
Der M. opponens digiti quinti kann bei seiner geringen Größe
und seiner ausschließlich lateralen Lage nicht mehr durch den bereits
vorher medial wandernden R. profundus n. plantaris lateralis durch-
bohrt werden.
No.
Nerv
Muskel
Gegend oder Höhe
N. femoralis
N. peronaeus
N. glutaeus superior
N. cutanei femoris
N. obturatorius
N. femoralis (R. motoricus
lateralis)
N. tibialis
N. peronaeus communis
N. peronaeus profundus
M. piriformis
M. glutaei medius und
minimus
M. sartorius
M. obturator externus
M. vasti
M. soleus
M. peronaeus longus
M. extensor digitorum
longus
Fossa üiaea
Foramen i n t r a piriforme
nobis
Spina iliaca anterior in-
ferior
Regio anterior femoris
Canalis obturatorius
Sulcus spiralis femoris
nobis
Arcus tendinosus
Capitulum fibulae
Tuberositas tibiae
C. Die doppelt innervierten Beinmuskeln.
In Frage kommen: A. normalerweise:
1) Der M. adductor magnus mit dem N. obturatorius für die
42*
243
658 FROHSE und M. FRÄNKEL,
proximale adduzierende Hälfte und die distale flektierende. Die Nerven
können miteinander zusammenhängen.
2) Der M. flexor hallucis infolge der motorischen Anastomose
zwischen den N. plantares medialis und lateralis.
B. Als inkonstant ist aufzufassen:
3) Der M. pectineus in seiner Versorgung auch durch den N. ob-
turatorius.
4) Der M. lumbricalis pedis III kann, wie an der Hand, durch
eine Anastomose zwischen den N. plantares medialis und lateralis
durchbohrt werden.
5) Beim M. quadratus plantae konnten wir keine Doppelinner-
vation feststellen und mußten ihn unter die Botmäßigkeit des N. plan-
taris lateralis (N. ulnaris) stellen, obwohl wir bereits betont haben
(s. S. 583 [169]), daß auch der mediale Kopf vom medialen Zweige
(N. medianus) versorgt werden könnte.
D. Elektrotherapeiitisclie Bemerkimgen.
A. Einleitung.
Bei den Armmuskeln waren wir gezwungen, teilweise gegen die
Schilderung von T. Cohn ^) Stellung zu nehmen. Beim Bein ist es
glücklicherweise nicht nötig, weil dieser Autor in der 3. Auflage
sämtlichen von uns gemachten Vorschlägen gerecht geworden ist. Als
Nachprüfung haben wir Juni 1912 nochmals gemeinschaftlich die
Reizungspunkte einwandsfrei an den von uns präparatorisch festge-
stellten Punkten oder Linien bestätigt gefunden. Das DucHENNEsche
Werk haben wir selbstverständlich auch durchgearbeitet, verzichten
jedoch darauf, ihn in diesem Abschnitte besonders zu zitieren. Es
sei uns gestattet, das wichtigste Ergebnis dieser elektrischen Unter-
suchungen bereits in der Einleitung hervorzuheben, indem nämlich
die Faradisierung und Galvanisierung des M. extensor digitorum brevis
die Streckung der Mittel- und Nagelphalangen auslöste, die Reizung
der M. interossei dorsales in erster Linie die Beugung der Grund-
phalangen und Abd^uktion von der Achse weg ohne Einwirkung auf
die Streckung der Mittel- und Nagelphalangen.
B. Spezielle Beschreibung.
1) M. quadratus lumborum. Er entzieht sich der elektrischen
Reizung.
2) M. iliopsoas. Dieser Muskel ist auch in seinem Schenkelteile
mit Leichtigkeit der elektrischen Reizung zugängig. Entweder beugt
er das Spielbein oder vom Standbeine aus tritt eine Beugung des
Rumpfes ein. Zum Erreichen letzterer Bewegung gehören aber starke
Ströme, welche sich durch die Nachbarschaft des gemischten N. femo-
ralis außerordentlich schmerzhaft gestalten und die Bewegung ge-
zwungen erscheinen lassen.
2a) Der M. psoas minor ist elektrisch nicht reizbar.
3) M. glutaeus maximus. Der einheitliche Nerv tritt etwa 3 Quer-
finger breit lateralwärts von der hinteren Mittellinie in Gestalt eines
breiten Fächers zu den Muskelbündeln, so daß man nicht einzelne
1) Leitfaden der Elektrodiagnostik und Elektrotherapie, Berlin, S. Karger, 1906.
244
Neurologische Bemerkungen. 659
Punkte unterscheiden kann. Außerdem triift die Reizung nur die
Muskelbündel, den so tief gelegenen Nervenstamm kann man wegen
der Dicke der Haut und des mächtigen Fettpolsters und besonders
des massigen Muskels selbst nicht erreichen.
4) und 5) M. glutaei medius und minimus. Theoretisch müßte
ersterer dort am besten zu reizen sein, wo er oben und vorn vom
M. glutaeus maximus die Oberfläche gewinnt. Hier liegt jedoch der
Weichenfettkörper. Die günstigste Reizungsstelle liegt genau an der
lateralen Kante des Beckens in der Mitte zwischen Crista iliaca und
Spitze des Trochanter major. Schwächere Ströme erreichen nur die
Muskelbündel. Geht man mit stärkeren Strömen in die Tiefe ein,
so lassen sich von hier aus auch die M. glutaeus minimus und teusor
fasciae latae mitreizen.
6) M. teusor fasciae latae. Bei diesem Muskel kann Nerven- und
Muskelreizuug unterschieden werden. Der von Cohn angegebene
Punkt entspricht der Eintrittsstelle des einheitlichen Nerven, unsere
lange Linie der intramuskulären Verzweigung. Praktisch wird auch
hier die muskuläre Reizung bevorzugt.
7 — 11) Die M. piriformis, obturator internus, gemelli, quadratus
femoris und obturator extern us sind von der Haut aus nicht zu er-
reichen, vielleicht gelingt es per rectum oder vaginam bei den inneren
Beckenmuskeln, nämlich die M. piriformis und obturator internus.
Die M. gemelli und quadratus femoris sind vielleicht doch der elek-
trischen Reizung zugängig, weil die digitale Behandlung der Ischias
die aus dem N. ischiadicus stammenden Nerven im Plexus sacralis
erreicht.
12) M. sartorius. Der von Cohn angegebene Reizpunkt deckt
sich ungefähr mit dem Ende der extramuskulären Verzweigungen des
einheitlichen Nerven, welche nach unseren Untersuchungen 3 cm
distal von der Spina iliaca anterior superior beginnen und erst 24 cm
unterhalb derselben im wesentlichen aufhören. Der Reizpunkt von
Cohn ist also muskulär, unsere Reizungslinie nervös.
13) M. rectus femoris. Auch bei diesem Muskel dürfen wir keinen
Punkt annehmen, weil unsere Untersuchungen das Eintreten der extra-
muskulären Nerven in Interstitien von 8 — 20 cm Entfernung von der
Spina iliaca anterior superior nachgewiesen haben.
14) M. vasti. a) M. vastus lateralis. Für diesen gibt es nach
Cohn einen gemeinschaftlichen Reizpunkt am lateralen Rande des
M. rectus femoris ungefähr in Trochanterhöhe, wo der M. tensor fasciae
latae in seine Endsehne übergeht. Dieses ist der nervöse Reizuugs-
punkt, jedoch lassen sich die Zuckungen weit besser im muskulösen
Teile, d. h. im mittleren Drittel des Oberschenkels, auslösen, wo nach
Cohn zwei besondere Punkte zu erwähnen sind, welche nach unseren
Untersuchungen aber durch eine lange Linie zu verbinden sind,
b) M. vastus medialis. Obwohl dieser Muskel bis zum Trochanter
minor emporsteigt, macht er sich äußerlich erst im distalen Drittel
des Oberschenkels bemerkbar, und so finden wir den Reizungspunkt
von Cohn in dieser muskulären Partie. Die. Nerven jedoch treten
viel weiter proximal zu den Muskelbündeln in einer Entfernung von
12 — 40 cm, gerechnet von der Spina iliaca anterior superior aus. Es
handelt sich also auch hier nicht um einen Reizungspunkt, sondern
um eine Nervenlinie, von welcher aus man an beliebiger Stelle die
Zuckungen hervorrufen kann.
245
M. adductor longus
M. gracilis
M. rectus femoris
M. adductor longus
M. extensor dig. comm. longus
M. gastrocnemius,
Caput mediale
M. peronaeus longus
M. tibialis anterior
M. peronaeus b
M. extensor hallucis
M. extensor'dig. brevis
M. extensor hallucis brevis
Fig. 45. Reizungspunkte der Beinmuskeln und -nerven, Vorderseite
nach ToBY Cohn.
M. adductor magnus
M. semitendinosiis
M. semimembranosus
M. gastrocnemius
N. tibialis
M. glutaeus medius
M. glutaeus maximus
M. biceps
peronaeus commuais
M. soleus
M. flexor dig. longus
M. flexor hallucis longus
;pig. 46. ßeizungspunkte der Beinrauskeln und -nerven, Rückseite,
nach ToBY Cohn.
662
M. tensor fasciae latae ■•■
Allgemeiner Reizpunkt des
M. triceps femoris
M. rectus femoris
M. iliopsoas
■ N. femoralis
M. sartorius
M. pectineus
M. adductor longus
M. vastus lateralis
M. gracilis
M. adductor magnus
M. vastus medialis
M. peronaeus longus
M. extensor digitorum longus
M. gastrocnemius medialis
M. tibialis anterior
extensor hallucis longus
M. soleus, portio tibialis
M. flexor digitorum longus
M. extensor digitorum
et hallucis longus
M. abductoi digiti V
M. interossei
M. abductor hallucis
er ^
Fig. 47. Reizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach eigenen Unter-
suchungen, auf die Haut projiziert, Vorderseite.
15) M. pectineus.
Dieser Muskel wird
vom N. femoralis aus
versorgt. Sein Ver-
lauf erst hinter den
Vasa femoralia macht
ihn der Reizung un-
zugängig. CoHN hat
ihn in seiner Abbil-
dung angegeben, uns
aber bei der Unter-
suchung erklärt, daß
er ihn elektrisch nicht
reizen kann.
16) M. adductor
longus. Er dürfte etwa
in der Mitte seines
durch die Haut hin-
durch erkennbaren
Bauches elektrisch zu
reizen sein.
17) M. gracilis.
Der lange schlanke
M. gracilis hat seine
extramuskulären En-
digungen in einer Ent-
fernung von 8 — 16 cm
von der Symphyse, im
wesentlichen also im
proximalen Drittel des
Oberschenkels. Den
Nervenpunkt von
CoHN müssen wir also
hier durch eine Linie
ergänzen.
18) M. adductor
magnus. So groß
dieser Muskel auch
ist, hat er nur geringe
Beziehungen zurOber-
fläche. Ein schmaler
proximaler Keil er-
scheint zwischen den
M. gracilis und semi-
tendinosus subfasciell.
Der Hauptteil bleibt
unter dem Beuger ver-
borgen und erst mit
der Ansatzsehne am
Epicondylus medialis
ist man imstande, die
Endsehne des Muskels
nachzuweisen, welche
M. tensor fasciae ..
latae
M. psoas minor
psoas major
668
M, rectus femoris
Pes anserinus
(Patte d'oie)
M. gastro-
cnemius, caput
mediale
Lig. transversum
ciiiris
M. abductor
hallucis
'ront /y^thje yec.
Fig. 48. Bein von vom, Muskelbild.
664
N. pro M. tensore fasciae
latae
N. ischiadicus
M. biceps, caput longfus
M. vastus lateralis
. semimembranosus
M. biceps, caput breve
Processus communis
M. gastrocnemius lateralis
■> M. soleus, portio fibularis
Fig. 49. Reizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach eigenen Unter-
suchungen, auf die Haut projiziert, Eückseite.
I
von vorn her die JoBERTsche
Grube umrahmt.
19) und 20) M. adductor
brevis und rainiraus. Sind
schon am Präparate vollkommen
versteckt, also auch nicht iso-
liert elektrisch zu reizen.
21) M. semitendinosus.
Dieser Muskel ist eigentlich
ein Doppelmuskel, indem eine
blechartige Zwischensehne ihn
in eine proximale und distale
Hälfte zerlegt. Diese Tatsache
ist auch am Lebenden unver-
kennbar. Die untere Grenz-
linie des M. glutaeus maximus
ist unweigerlich festzustellen,
von oben-medial nach unten-
lateral und handbreit unter ihr
erscheint am Lebenden sehr oft
eine Furche, welche die Teilung
des M. semitendinosus in zwei
besondere Bäuche kundgibt.
Wir müssen also annehmen
und finden auch an diesem
Muskel zwei gesonderte Rei-
zungspunkte, einen proximalen,
dicht [unterhalb des Sulcus
glutaeus transversus, und einen
distalen am Beginne des mitt-
leren Drittels des Oberschenkels.
22) M. biceps, caput longum.
Der Nerv tritt etwas distal von
der queren Gesäßfurche bereits
in den Muskelbauch hinein.
23) M. biceps, caput breve.
Dieser Muskel verdient eine
ausführliche Besprechung, denn
sein einheitlicher Nerv ent-
stammt nicht mehr dem N.
ischiadicus, sondern dem bereits
mehr oder weniger gesonderten
N. peronaeus communis. Wir
haben also hier einen am Ober-
schenkel gelegenen Beuger des
Unterschenkels vor uns, welcher
vom N. peronaeus aus versorgt
wird und in dieser Weise die
Auswärtsbewegung des Fußes
unterstützen hilft. Dem langen
Kopfe des M. biceps dürfte in
erster Linie die Flexionsbewe-
gung zwischen Unterschenkel
M. obliquus
^Ittft^ ezternus ab-
i^^H^ dominis
1^
H
^^^^ Spina iliaca post.
3^k
Kv
?
Hy^^B... M. glutaeus
■
^K.j£^^H.- Apex ossis coc-
L..j]R.-. M. adductor
%Wm
^^1 M. biceps, Caput
J^B longum
;
^H[ M. semitendi-
"I^T" nosus, tendo
^^B intermedius
JW— M. gracilis
■
H
E M. semimembranosus
M. plantaris
M. gastrocnemius, caput
mediale
M. gastrocnemius, caput
laterale
M. peronaei
Lig. laciniatum
Fig. 50.
7r^.
Bein von hinten, Muskelbild.
666
N. obturatorias
M. obturator int. und
N. pudendus
M. glutaeus maximus
und N. ischiadicus
Fig. 51. Reizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach eigenen Unter-
suchungen, auf die Haut projiziert, Innenseite bei Streckung.
M.rectusfemoris
M. extensor hallt:
M. flexor digitcram iongus
Lig. cruciatum pedis
M. abductor hallucis
Fig. 52. Bein von innen bei Streckstellung, Muskelbüd.
M. extcnsor digitorum brevis
M. tensor fasciae latae
M. rectus femoris
M. extcnsor digitorum longus
Fig. 53 ßeizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach eigenen Unter-
suchungen, auf die Haut projiziert, Außenseite.
M. latissimus dorsi
M. glutaeus maximus
M. obliquus externus
abdominis
M. tensor fasciae latae
M. rectus femoris
M. vastus lateralis
Retinaculum patellae laterale
M. gastrocnemius, caput
laterale
M. soleus, portio fibularis —
M. peronaeus longus
M. tibialis anterior
M. cxtensor digitorura longus
Lig. transversum cruris
Lig. cruciatura pedis
M. extensor digitorum brevis
M. abductor digiti quinti
Fig. 54, Bein von außen, Muskelbild.
670
FROHSE und M. FRÄNKEL,
und Rumpf oder bei wechselndem Punctum fixum die Aufrichtung des
Rumpfes gegen das Standbein zukommen ; die Rotationsbewegung bei
gebeugtem Kniegelenke steht mindestens gleichwertig unter der Bot-
mäßigkeit des Caput breve. — Cohn hat es für gut befunden, für
das Caput breve einen unteren Reizungspunkt anzugeben, wir hin-
gegen müssen betonen, daß eine etwa 10 cm lange Reizungslinie
vorhanden ist, welche am Spielbeine bei Unterschenkelbeugung zur
Auslösung der Beuge- und Rotationsbewegungen nach außen führt.
M. pectineus N. femoralis
M. rectus femm
M. gracilis
M. adductor
magnus
M. semi-
membranosus
N. tibialis,
Teilungsstelle
M. abductor
hallt]
FiS- 55. Eeizungslinien der Beinmuskeln und -nerven nach eigenen Unter-
suchungen, auf die Haut projiziert, Innenseite bei Beugung.
Bei fixiertem Unterschenkel unterstützt er die M. gastrocnemius und
popliteus bei der Beugung des Oberschenkels.
24) M. semimembranosus. Dieser Muskel gleicht dem M. adductor
magnus, weil er ein proximales Feld zur Oberfläche entsendet und
auch ein distales, welches die mediale obere Begrenzung der Knie-
kehle bildet. So ist auch der präparatorische Nachweis von uns ge-
liefert worden, daß dieser Muskel mindestens zwei Reizungspunkte
haben muß, einen proximalen medialen und einen distalen hinteren.
Der Nervenstamm selbst ist elektrisch nicht erreichbar.
25) M. tibialis anterior. Seine Reizungsstelle liegt nach Cohn
2,3 cm distal vom Capitulum fibulae und stellt denjenigen Punkt dar.
256
Neurologische Bemerkungen.
671
wo die extramuskuläre Verzweigung in die intramuskuläre übergeht.
Nach unseren Untersuchungen liegt die erstere aber in einem Zwischen-
räume von 2—12 cm. Hier wäre die extramuskuläre Verzweigung zu
erreichen, welche sich jedoch wegen der hart an der Membrana inter-
ossea cruris verlaufenden Nerven praktisch nicht durchführen läßt;
es handelt sich nur um die muskuläre Reizung, welche bis ins distale
Drittel des Unterschenkels ausgeführt werden kann.
26) M. extensor digitorum longus. Da dieser Muskel nur einen
geringen Oberflächenteil des Unterschenkels für sich in Anspruch
M. obliquus ext. abdoc
M. iliopsoas ^
M. pectineus '^n^
M. rectus femoris "'•» ^
M. adductor
longus
M. gracilis
M. adductor
magnus
M. semi-
mcmbranosus
M. tibialis posterior
- M. abductor hallucis
/WAr«- ^f
'^'•Mt rr»M.T*^
Fig. 56. Bein von innen bei Beugestellung, Muskelbild.
nimmt und außerdem die Nerven von der Facies profunda eintreten,
ist eine elektrische Reizung außerordentlich schwer, nach den Angaben
von CoHN oft unmöglich. Gleichwohl sind wir auf Grund unserer
anatomischen Untersuchungen berechtigt, die extramuskuläre Ver-
zweigung in einer Richtungslinie von 6—18 cm distal vom Capitulum
fibulae anzugeben.
27) M. extensor hallucis longus. Die in der Tiefe gelegene extra-
muskuläre Eintrittsstelle des doppelt geteilten Nerven macht eine
elektrische Reizung dieser Stelle unmöglich; erst wenn dieser Muskel
proximal von der Artic. talocruralis die Oberfläche zwischen den
Handbuch der Anatomie. II, ii, 3. 48
672 ,FROHSE und M. FRÄNKEL,
Sehnen der M. tibialis anterior und extensor digitorum longus gewinnt^
ist man imstande, den muskulären Abschnitt elektrodiagnostisch zu,
finden.
28) M. peronaeus longus. Dieser Muskel ist doppelt gefiedert
mit einer vorderen kürzeren Abteilung- und einer hinteren längeren.
Der anatomische Aufbau des Muskels verlangt also mindestens zwei
Nerven, zwei Reizungspunkte, vorn und hinten, zu denen jedoch noch
ein mittlerer indifferenter hinzukommt und für die Endsehue bestimmt
ist. Das gleiche Verhalten konnten wir für den M. gastrocnemius
und den M. soleus nachweisen, bei letzterem sogar mit verschiedenen
Nervenzweigen.
29) M. peronaeus brevis. Er entzieht sich im extramuskulären
Teile seiner Nervenverzweigung der isolierten elektrischen Reizungv
kann aber muskulär sowohl an der Vorder- wie an der Rückseite der
Sehne des M. peronaeus longus gereizt werden, d. h. von der Mitte
des Unterschenkels bis in die Nähe des Malleolus lateralis und
selbst über diesen Punkt hinüber zum Fuße hin. wenn Varietäten
vorliegen.
30) M. gastrocnemius. In der 2. Auflage von Cohn ist für die
beiden Zwillingsköpfe des M. gastrocnemius nur je ein Reizungspunkt
angegeben an der Grenze zwischen Sehne und pioximaler Muskulatur.
In der 3. Auflage finden sich bereits zwei Nervenreizungspunkte für
jeden einzelnen Muskel ; unsere eigenen anatomischen Untersuchungen
liefern aber den Nachweis (s. Fig. 28), daß mindestens 3 Nerven für
jeden Kopf vorhanden sein müssen, ein lateraler, ein medialer und
ein intermediärer.
31) M. plantaris. Dieser sehr oft fehlende Muskel spielt bei
seiner geringen Mächtigkeit und seiner versteckten Lage praktisch
keine Rolle.
32) M. soleus. Dieser dagegen ist in ausgiebiger Weise der
elektrischen Untersuchung zugängig, besonders an der lateralen Seite.
Hier reicht er bis zum Capitulum fibulae empor, geht aber auch
distalwärts bis ins untere Drittel des Unterschenkels herunter. Die
Muskelnerven treten' an beiden Seiten des Unterschenkels nicht aus
gemeinschaftlichen Nervenstämmen hervor, sind vielmehr erst in ziem-
lich regelmäßigen Abständen knochenwärts von der Achillessehne zu
reizen, im Bereiche dieser Endsehne.
33) M. popliteus. Dieser Muskel bezieht seine Nerven rückläufig
vom N. tibialis und kann isoliert nicht gereizt werden.
34) M. flexor digitorum longus. Er ist neben dem medialen Rande
der Achillessehne, distal vom M. soleus zu reizen.
35) M. tibialis posterior. Dieser Muskel dürfte bei der tiefen-
Lage seines Muskelbauches der elektrischen Reizung unzugängig sein..
Wenn es trotzdem gelingt, seine Bewegung, die Hebung des medialen
Fußrandes auszulösen, dann dürfte es sich um die Reizung der Sehnen-
nerven handeln, welche rückläufig auch den Muskelbauch zur Kon-
traktion bringen.
36) M. flexor hallucis longus. Die elektrische Reizung dieses
Muskels kann an der lateralen, fibularen Seite des distalen Drittels-
258
Neurologische Bemerkungen. 67 S
des Unterschenkels vorgenommen werden, wird jedoch besser erzielt,
wenn ein Druck von lateralwärts den distalen Muskelwulst auf der
medialen Seite zum Vorschein kommen läßt, und zwar uach vorn
von der Achillessehne.
37) M. fiexor dig-itorum brevis. Er wird vom N. plantaris medialis
versorgt und ist vergleichbar mit dem auf die Fußsohle herunter-
gewanderten M. flexor digitorum sublimis manus. Die geringe Ent-
fernung vom Tuber calcanei bis zu den Mittelphalangen verlangt eine
Konzentration des Nervenbildes, welches am Vorderarme sich über
die gesamte Vorderfläche ausdehnt, an der Fußsohle jedoch auf
einen distal-medialen Abschnitt beschränkt.
38) M. quadratus plantae. Dieser Muskel zerfällt in eine mediale
und laterale Portion, welche am Fersenbeine das Lig. plantare commune
umfassen. Den medialen Zipfel willkürlich zu bewegen, ist Frohse
imstande, und so den Nachweis zu führen, daß mit dem proximalen
Rande dieses Muskels auch die Fußsohle beginnt oder aufhört.
39) M. lumbricales. Sie können relativ oder absolut kräftiger
entwickelt sein, als an der Hand. Aber auch in solchen Fällen kommt
im wesentlichen nur die Annäherung an die große Zehe in Frage,
also die Adduktiousbewegung. Eine Streckwirknng auf die Mittel-
und Nagelphalanx ließ sich weder am Präparate, noch am Lebenden
nachweisen.
40) M. abductor hallucis. Da dieser Muskel so häufig zu Kranipf-
anfällen Veranlassung gibt und außerdem mit Leichtigkeit unter der
Haut festgestellt werden kann beim Uebergange des dicken Epithels
der Planta iü das dünne des Dorsum pedis, ist mau imstande, den
Muskelbauch bis zur Endsehne ziemlich deutlich am Lebenden zu
erkennen. Der motorische Nerv läßt mit aller Klarheit das Nerven-
bild am Thenar wiedererkennen. Ein kurzer extramuskulärer Zweig
umfaßt ihn von der Facies superficialis aus und verzweigt sich dann
mehrfach anastomosierend im Innern des Muskels.
41) M. flexor brevis hallucis. Dieser doppelköpfig angelegte
Muskel hat zwei gesonderte Nerven, nämlich einen medialen aus dem
N. plantaris medialis und einen lateralen aus dem gleichnamigen
N. plantaris lateralis. Zwischen beiden besteht jedoch mindestens
eine Anastomose, häufig sogar zwei oder drei. Bei fixiertem Fersen-
beine oder festgestellter Fußwurzel kann nur eine Plantarflexiou der
Grundphalange der großen Zehe eintreten, wie es auch die elektrische
Reizung kundgibt.
42) M. adductor hallucis. Dieser Muskel ist praktisch von dei-
größten Bedeutung, indem er mit seinem Caput transversum die aktive
quere Spannung des Fußgewölbes erhält und mit seinem proximalen
Teile, dem Caput obliquum, den medialen Teil des Fußgewölbes in
longitudinaler Richtung sichern hilft. Leider ist dieser Muskel weder
der Inspektion noch der Palpation und schließlich der isolierten elek-
trischen Reizung zugängig.
43) M. abductor digiti quinti. Bei diesem Muskel haben wir be-
schrieben, daß der Ansatz an der Rauhigkeit des 5. Mittelfußknochens
fehlen kann, vielmehr der ganze Muskel sich ausschließlich zu der Basis
43*
259
674 FROHSE und M. FRÄNKEL,
der Grundphalange des Digitus V begibt. In der günstigsten Weise
gelangen hier Inspektion, Palpation und elektrische Reizung zu
ihrem Rechte, indem sowohl von der Planta pedis, wie vom late-
ralen Fußrande und schließlich auch vom. Dorsum pedis aus
die entsprechenden Untersuchungen mit Leichtigkeit geführt werden
können.
44) M. flexor digiti quinti brevis. Der Reizungspunkt liegt etwas
distal von der Tuberositas ossis metatarsalis V und gehört nicht dem
N. plantaris lateralis profundus au, sondern bereits dem R. super-
ficialis, genau wie es an der Hand verwirklicht ist.
45) M. opponens digiti quinti. Auch dieser Muskel steht unter
der Botmäßigkeit eines oberflächlichen Zweiges des R. plan-
taris lateralis.
46) M. interossei. Diese sind mit ihren 4 Dorsalmuskeln sehr
leicht zu untersuchen unter Beiseitedrängen der langen und kurzen
Strecksehnen der Zehen, wie es auch bei der elektrischen Reizung
ohne weiteres ausgeführt werden kann. Besonders der M. extensor
hallucis brevis und der M. extensor digitorum brevis reagieren auf
das prompteste und lösen die unglaublich starke Extension der Mittel-
und Nagelphalangen aus. Im Gegensatze hierzu ergibt die elektrische
Reizung der M. interossei dorsales eine Abduktion von der Fußachse,
welche in die 2. Zehe verlegt werden muß, und eine Beugung in den
Artic. metatarsophalangeae. — Die M. interossei plantares entziehen
sich der elektrischen Reizung.
47) und 48) M. extensor hallucis brevis und M. extensor digitorum
brevis. Der einheitliche Nerv geht über der Mitte des Sprunggelenkes
hervor aus dem N. peronaeus profundus und teilt sich in einen
schwächeren Endast für den M. extensor hallucis brevis und in einen
bei weitem stärkeren lateralen Zweig, welcher die kurzen Streckmuskeln
für die 2. — 4. Zehe versorgt, sich aber nicht auf diese beschränkt,
sondern auch noch Sehnennerven für die dorsale Seite der Fuß-,
Mittelfuß- und Zehengelenke hervorgehen läßt.
VII. Physiologische Bemerkungen.
A. Leiideiiwirbelsäulen- und Beckenbeweguiigen.
I. Wenn der obere Teil des Rumpfes das Punctum fixum bildet
oder nur ein Bein als Hilfe benutzt wird, ergeben sich für die
Bewegungen der Lenden Wirbelsäule und des Beckens folgende Tat-
sachen :
1) Die Beugung kann bei freischwebenden Beinen nur erzielt
werden durch den M. rectus abdominis (und auch durch den M. psoas
minor), selbst durch die seitlichen Bauchmuskeln.
2) Die Abduktion wird durch die gleichseitigen M. psoas major,
quadratus lumborum und außerdem durch die beiden M. obliqui ab-
dominis hervorgerufen.
'S) Die Extension kann nur durch den M. sacrospinalis erzielt
werden.
260
Physiologische Bemerkungen. 675
II. Wenn beide Beine fixiert sind, wirkt:
1) bei der Beugung in erster Linie der M. psoas major, als Hilfs-
muskel der M. rectus abdominis.
2) Die Abduktion kann nur die Lendenwirbelsäule betreffen und
wird durch die gleichseitigen M. psoas major, quadratus lumborum
und außerdem durch beide schrägen Bauchmuskeln vollzogen.
3) Die Extension wird ausgeführt durch die M. sacrospinales,
welche unterstützt werden durch die am Tuber ischiadicum entspringen-
den Beuger (hamstrings).
B. Hüftbewe^ungen.
I. Bei fixiertem Rumpfe, wobei im Liegen beide Beine Spiel-
beine sein können, oder beim Stehen ein Bein als Standbein mit zur
Hilfe herangezogen werden muß, kommen folgende Bewegungen in
Betracht :
1) Flexion — M. psoas major (minor), iliacus mit seinen beiden
Portionen, rectus femoris (pectineus, adductor longus).
2) Extension — M. glutaeus maximus, flexores longi (portio flexoria
des M. adductor magnus).
3) Abduktion — Tractus iliotibialis und M. glutaei medius und
minimus.
4) Adduktion — Adductorengruppe mit Ausnahme des M. obturator
externus.
5) Einwärtsrotation — M, tensor fasciae latae und vordere Bündel
der M. glutaei medius und minimus.
6) Auswärtsrotation — hintere Bündel der M. glutaei medius und
minimus, piriformis, obturator internus cum gemellis, obturator ex-
ternus, quadratus femoris und selbst die Adductoren bis zum Beginne
der Linea aspera.
IL Wenn beide Füße als Puncta fixa dienen, sind auch beide
Oberschenkelknochen und das Becken festgestellt, und es sind dann
normalerweise nur die Beugung und Streckung im Hüftgelenke möglich.
Anders verhält es sich, wenn nur ein Fuß fixiert ist und Unter- und
Oberschenkel gleichsam eine Säule bilden, da ist das Kapital durch den
Trochauter (major) verwirklicht, welches jedoch rückläufig unter Bil-
dung der Tuberositas glutaea auf die Linea aspera übergreift. Wenn
das Punctum fixum sich am Unter- oder Oberschenkel befindet, er-
gibt sich trotzdem kein nennenswerter Unterschied in den eben
aufgeführten 6 Bewegungen, so daß sich eine nochmalige Aufzählung
erübrigen dürfte.
C. Kiiiebeweguiigen.
I. Wenn das Punctum fixum am Oberschenkel oder auch am
Rumpfe liegt, sind folgende Bewegungen möglich:
1) Extension — M. triceps femoris.
2) Flexion — M. sartorius, gracilis, semitendinosus, semimembra-
nosus und biceps femoris.
3) Auswärtsrotation — M. biceps.
36(
676 FROHSE und M. FRÄNKEL,
4) Einwärtsrotation — M. semiraembranosus. (M. sartorius, gracilis
und semiteudinosus, d. h. die Komponenten der Patte d'oie.)
II. Wenn das Punctum fixum am Unterschenkel und Fuße liegt,
treten folgende Muskeln in Tätigkeit:
1) Extension — M. triceps femoris.
2) Flexion — M. gastrocnemius (plantaris), popliteus und das Caput
breve des M. biceps femoris. Es fallen also bei fixiertem Unterschenkel
die oben unter 3) und 4) erwähnten Rotatoren vollkommen weg.
D. Fußbeweguiigeii.
Obwohl bereits bei jedem einzelnen Unterschenkelmuskel, welcher
sich am Fuße anheftet, die spezielle Physiologie mit Rücksicht auf
Stand- und Spielbein oder Punctum fixum und mobile besprochen ist,
läßt sich eine nochmalige zusammenfassende Besprechung nicht ver-
meiden, welche auch die Bedeutung der einzelnen Fußgelenke gleich-
zeitig in Erwägung zieht.
I. Die Plantar flexion des Fußes wird erzielt durch den
M. quadriceps surae, dessen Ursprünge teils am Oberschenkel liegen,
durch die beiden Köpfe des M. gastrocnemius und den M. plantaris,
teils am Unterschenkel durch den M. soleus. Der Ansatz an der
hinteren Fläche des Calcaneus, dieses in der Fußachse gelegenen
Knochens, ermöglicht diesen Muskeln die ausschließliche Plantarflexion
des Fußes bei fixiertem Unterschenkel oder Oberschenkel, eine Stellung,
die wir beim ganzen Beine als Spielbein bezeichnen. II. Bei fixiertem
Fuße, wenn eine oder beide Fußsohlen fest dem Boden oder einer
Unterlage aufruhen, das Punctum fixum sich also distal befindet, dann
bewirkt der M. soleus eine Beugung des Unterschenkels plantarwärts ;
gemeinhin wird jedoch hauptsächlich der M. gastrocnemius, unterstützt
durch den M. plantaris, in Frage kommen, welche den Oberschenkel
gegen den Fuß und den mit diesem eine Einheit bildenden Unter-
schenkel beugen. Diese ganz einfache Bewegung vollzieht sich dann,
wenn wir uns bei nur einem oder beiden feststehenden Füßen auf
einen Stuhl setzen wollen.
Die einfache Dorsalflexion des Fußes, ohne gleichzeitige Hebung
des inneren oder äußeren Fußrandes, welche als Pronation oder
Supination bezeichnet wird, kann nicht durch einen einzelnen Muskel
ausgeführt werden, weil die Grundbedingungen für einen solchen
fehlen. Der Muskelbauch müßte nämlich in der Achse des Unter-
schenkels auf der vorderen Seite gelegen sein, die Sehne in der Achse
der Dorsalseite des Fußes. Dies sind Bedingungen, welche bei dem
M. quadriceps surae anatomisch vollkommen erfüllt sind. Die aber
dorsal in Betracht kommenden Muskeln sind medial der M. tibialis an-
terior, lateral der M. peronaeus tertius. Der Ansatz dieser beiden
Muskeln am medialen Rande und in der Nähe des lateralen erfordert
es, daß beide gemeinschaftlich bei der Dorsalflexion des Fußes in Tätig-
keit treten, damit nach dem Parallelogramm der Kräfte die supinierende
und pronierende Wirkung aufgehoben wird. Wenn der M. peronaeus
tertius fehlt, der wie die M. peronaei longus und brevis die Pronation
erzielt, so müssen diese Muskeln eingreifen, um die Supinationswirkung
262
Physiologische Bemerkungen. 677
des M. tibialis anterior aufzuheben. (Gleichviel, ob sich die Zehen in
Beuge-, mittlerer oder Streckstellung befinden, können aucii die Sehnen
des ungefähr in der Achse des Unterschenkels und Fußrückens ge-
legenen M. extensor digitorum longus für die Dorsalflexion des Fußes
gegen den Unterschenkel mitherangezogen werden, wofern die Zehen
fixiert, vornehmlich also durch die Flexoren in Beugestellung gehalten
werden. Diese Betrachtungen gelten für die Stellungen, in denen
der Unterschenkel das Punctum fixum bildet. — Ist dagegen der Fuß,
sei es im ganzen oder bloß in den Zehen, das Punctum fixum, so
äußern die drei Muskeln der Extensorengruppe eine ganz andere
Wirkung; sie beugen bei gemeinschaftlicher Zusammenziehung die
Vorderseite des Unterschenkels gegen den Fußrücken. Diese Be-
wegung läßt sich ebenfalls sowohl bei der Fixation nur eines Fußes,
wie bei derjenigen beider ausführen, wenn man in dieser Stellung
die Vorderseite des Unterschenkels dem Boden nähern will. Selbst-
verständlich lassen sich ohne Uebung diese Bewegungen leichter aus-
führen, wenn beide Füße Puncta fixa sind, als wenn nur der rechte
oder linke als Stützpunkt benutzt wird. Bei fixierter ganzer Fußsohle
fallen natürlich die Pronations- und Supinationsbewegungen der ent-
sprechenden Muskeln weg, weil sich dann die Bewegung ausschließlich
im Talocrural dem oberen Sprunggelenke — vollzieht, welches wir
als eines der schönsten Schamiergelenke mit der kräftigsten seitlichen
Knochen- und Bandhemmung auffassen. — Sind dagegen nur die
Zehen festgestellt und die Fußwurzelgelenke mit dem Ansätze der
M. tibialis anterior und peronaeus tertius frei, dann können diese
Muskeln noch Seitwärtsbewegungen ausführen, der erste im Sinne der
Einwärtsdrehung des Unterschenkels, der zweite im Sinne der Aus-
wärtsdrehung. Auch der M. extensor digitorum longus kann gerade
dann die allergünstigste. Wirkung als Beuger zwischen Unterschenkel
und Fuß in der Achse desselben entfalten. Die Seitwärtsbewegung
der Pronation und Supioation kann sich dann im CnoPARTschen und
unteren Sprunggelenke vollziehen.
Die Supination des Fußes, die Hebung seines medialen Randes,
wird in kräftigster Weise ausgelöst, wenn die beiden M. tibiales zu-
sammenwirken, obschon jeder Muskel für sich dazu vollauf imstande
ist. Bei der gemeinschaftlichen Wirkung hebt sich jedoch das Moment
der Dorsalflexion, welches dem M. tibialis anterior zukommt, gegen
dasjenige der Plautarflexion durch den M. tibialis posterior auf, und
die Supinationsbewegung kommt mit doppelter Kraft zur Geltung.
Auf die eigentümliche Gestaltung der inneren Knöchelgegend, welche
durchaus mit einer Tabatiere anatomique du pied verglichen werden
kann, haben wir bereits bei der speziellen Beschreibung der Muskeln
hingewiesen. — Wenn andererseits der Fuß das Punctum fixum dai-
stellt, so können bei feststehender ganzer Fußsohle beide Muskeln
ihre Supinationswirkung nicht entfalten. Der M. tibialis anterior wirkt
dann als Beuger der Vorderseite des Unterschenkels gegen den Fuß-
rücken, der M. tibialis posterior umgekehrt als Beuger des Unter-
schenkels gegen die Fußsohle oder die Unterlage. Sind dagegen nur
die Zehen fixiert und die Fußsohle freischwebend, so können ein oder
in stärkerer Weise beide vereint wirkenden Muskeln die Innenseite
des Unterschenkels gegen die mediale Seite des Fußes neigen, d. h.
nur scheinbar, denn die Bewegung vollzieht sich nicht zwischen Unter-
263
678 FROHSE und M. FRÄNKEL,
Schenkel und Fuß, sondern im unteren Spruuggelenke und dem Cho-
PARTschen.
Die Pronation des Fußes, die Hebung- des Außen- oder Klein-
zehenrandes, wird durch die drei M. peronaei erzielt, welche als longus,
brevis und tertius unterschieden werden. Die drei Muskeln vergegen-
wärtigen in der glücklichsten Weise das Prinzip einer äußerst günstigen
Wirkung auf die Außenseite des Fußes : der M. peronaeus longus um-
faßt die Fußsohle von unten her; der M. peronaeus brevis gewinnt
gerade am lateralen Rande seinen Ansatz, und der M. peronaeus
tertius, welcher jedoch sehr schwach sein oder selbst fehlen kann,
begibt sich vom Dorsum her zur lateralen Seite des Fußskeletes
beim Uebergange der Fußwurzel in die Mittelfußgegend. Da drei
Muskeln zur Ausführung der Pronation mit verschiedenem Ursprünge
und Ansätze vorhanden sind, läßt es sich nicht umgehen, jeden Muskel
besonders zu beschreiben, obwohl sie in der einen Wirkung, nämlich
der Hebung des lateralen Fußrandes, die gleiche Tätigkeit entfalten.
— Wir beginnen mit dem M. peronaeus tertius, welcher nichts weiter
darstellt als eine lateral und gleichzeitig distal gelegene Abzweigung
des M. extensor digitorum pedis longus. Der Muskelbauch erstreckt
sich bei Plantarflexion des Fußes bis 2 cm distalwärts über den Be-
ginn der Artic. talocruralis hinaus. Bei fixiertem Unterschenkel geht
der Muskelbauch proximalwärts zum Unterschenkel zurück, und die
Sehne gibt sich je nach ihrer Stärke unter der Haut als dünnerer
oder dickerer Strang kund. Da die Sehne fehlen kann, findet sich in
solchen Fällen am Beginne des Fußrückens lateral eine große sehnen-
freie Stelle, in welcher dann der M. extensor digitorum brevis frei
seine Tätigkeit entfalten kann. Bei fixierter ganzer Fußsohle wirkt
der Muskel als Beuger des Unterschenkels gegen den Fuß im Sinne
der Dorsalflexion. Wenn nur die Zehen den Stützpunkt bilden, beugt
er den Unterschenkel, überhaupt den ganzen Rumpf zur Außenseite
des betreffenden Fußes. Der sich regelmäßig findende Ansatz an der
Basis nicht allein des 5., sondern auch des 4, Mittelfußknochens er-
möglicht es diesem Muskel, eine außerordentlich kräftige Wirkung zu
entfalten. Der M. peronaeus brevis verläuft vom Sulcus malleoli
lateralis aus zum Os. metatarsale V. Physiologisch kommt bloß die
Entfernung von der Spitze des Malleolus lateralis bis zur Tuberositas
ossis metatarsalis V in Betracht. Jede Wirkung kann nur eine Nähe-
rung dieser beiden Knochenpunkte herbeiführen. Es wird bei der
Zusammenziehung des Muskels der äußere Fußrand gehoben, und
gleichzeitig die Fußsohle gegen die Rückseite des Unterschenkels
gebeugt.
Beim M. peronaeus longus kommen ganz andere Gesichtspunkte
in Frage. Der eigentliche Muskelbauch scheidet physiologisch für die
Mechanik vollkommen aus, ebenso der Verlauf der Sehne am Sulcus
malleoli lateralis; die vollkommen von Muskelsubstanz freie Sehne
kann erst von der Trochlea an der Außenseite des Calcaneus aus auf
den 1. Mittelfuß knochen wirken; außerdem muß noch eine gewisse
Umknickung beschrieben werden, welche sich bei der Einbettung der
Sehne in die bekannte Furche des Os cuboideum vorfindet. Man
könnte sogar so weit gehen, daß man den proximalen Angriffspunkt
erst auf das Os cuboideum verlegt, so daß der Muskel überhaupt erst
in der Höhe der Tuberositas ossis metatarsalis V in ungefähr frontaler
264
Physiologische Bemerkungen. 679
Richtung von außen nach innen oder umgekehrt seine volle Wirkung
entfalten kann. Wir dürfen niemals verkennen, daß sich die Endsehne
des M. peronaeus longus nicht allein auf die Tuberositas ossis meta-
tarsalis V beschränkt, sondern noch weiter proximal gelegene An-
heftungen am Os cuneiforrae 1 und sogar in die Endsehne des M. tibi-
alis posterior besitzt. Frohse hat diese Tatsachen bereits während
seiner Studienzeit ca. 1892 von dem Chirurgen Adolf v. Bardeleben
in seinem Operationskursus vorgetragen bekommen und kann den
Befund durch seine und unsere Nachprüfungen vollauf bestätigen.
In der Tat spielt auch die Anheftung des M. peronaeus longus an
der Fußwurzel selbst die allergrößte Rolle, wenn man die Lisfranc-
sche Operation auszuführen genötigt ist. Bei der Entfernung sämt-
licher Metatarsalknochen fallen nämlich fort: der halbe Ansatz des
M. tibialis anterior, der ganze Ansatz der M. peronaeus brevis und
tertius, der Hauptteil des M. peronaeus longus; vollkommen erhalten
bleibt der Ansatz des M. tibialis posterior. Die Supinationsbewegung
des Fußes ist also vollkommen erhalten, da nur der vordere, zudem
schwächere Teil des M. tibialis anterior in Wegfall kommt. Die Pro-
nationsbewegung des Fußes würde durch den Wegfall der M. peronaei
tertius, brevis und des Hauptteiles des M. peronaeus longus nicht
möglich sein, wenn nicht der letztere Muskel diese proximalen Neben-
ansätze hätte, und doch ist gerade zur Erzielung eines tragfähigen
Stumpfes es unter allen Umständen erwünscht, daß der Fußsohlenrest
in der natürlichen Haltung bleibt, d. h. weder in Pronation noch in
Supination steht, sondern einfach senkrecht zur Schenkelsäule. Der
proximale Ansatz des M. peronaeus longus an der Fußwurzel selbst
muß unter allen Umständen ausgleichend wirken auf die supinierende
Wirkung der bei dieser Operation fast gar nicht in Mitleidenschaft
gezogenen M. tibiales.
E. Zehellbewegungen.
Diese als solche lassen sich sehr leicht beschreiben. Die all-
gemeine Zehenstreckung, besser ihre Dorsalflexion wird durch die
gemeinschaftliche Wirkung der M. extensores hallucis et digitorum,
longus und brevis bewirkt, jedoch nur in den Grundphalangen. Die
Extension der Mittel- und Nagelphalanx wird am Lebenden oder
einem unter gleichen Bedingungen stehenden Präparate nicht durch
die M. interossei und lumbricales ausgelöst, sondern durch die M. ex-
tensores hallucis et digitorum brevis.
I. Die Flexion vollzieht sich für die Grund phalanx unter dem Ein-
flüsse der M. interossei und lumbricales, für die Mittelphalanx unter dem-
jenigen des M. flexor digitorum brevis, für die Nagelphalanx unter
demjenigen des M. flexor digitorum longus. In bezug auf Einzelheiten
können wir auf die Beschreibung bei den einzelnen Muskeln verweisen.
In diesen Fällen stellt der Fuß distal von der Ferse bis zu den
Köpfchen der Mittelfußknochen das Punctum fixum dar. Hier liegen
ja auch die drei Unterstützungspunkte des Fußgewölbes. Ein ge-
eignetes Modell ist imstande, bei ausreichend weitem Schuhwerke
durch letzteres hindurch den Nachweis zu führen, daß die Zehen im
Grunde nichts mit der Unterstützung des Fußes zu tun haben und
deshalb ohne eingreifende Schädigung vom Chirurgen entfernt werden
265
680 FROHSE und M. FRÄNKEL,
köuaen. Diese Frage betrifft jedoch nur das Gehen. II. Wenn die
Zehen das Punctum fixum darstellen, ist allerdings das Fehlen der-
selben im höchsten Grade hinderlich für das Stehen auf der jeweiligen
Fußsohle, für das sogenannte Wippen. Wir müssen hierbei in schärfster
Weise die große und die 4 anderen Zehen voneinander unterscheiden
und getrennt beschreiben. Die große Zehe vereint in ihren Phalangen,
ihren Mittelfußknochen und der sich daran anschließenden Reihe der
Fußwurzelknochen eine fast unglaublich große Muskelmasse von
Beugern der Fußsohle, des Unterschenkels und selbst des Ober-
schenkels. An der Nagelphalange setzt der mächtige M, flexor hallucis
longus an, der außerdem noch durch eine Sehnenkonjugation mit dem
M. flexor digitorum longus verbunden ist. Zu beiden Seiten der Basis
der Grundphalauge haben wir medial den mächtigen M. abductor
hallucis und den medialen Zipfel des M, flexor brevis hallucis. An
der lateralen Kante haben wir den lateralen Zipfel des eben genannten
Muskels und den mächtigen M. adductor hallucis. Daß die beiden
Sesambeine mit den starken bandartigen Zügen, welche sie zusammen-
halten, die Zusammenwirkung beider Muskelgruppen kräftig unter-
stützen, dürfte klar sein. An der Basis des 1. Mittelfußknochens
finden sogar die beiden mächtigsten Muskeln des Unterschenkels,
welche sich bis zur Fußsohle begeben, ihre Anheftung. Von vorn her,
und sich nach medial und plantar wendend, der vordere Zipfel des
M. tibialis anterior ; von außen erreicht genau gegenüber der M. pero-
naeus longus mit seinem Hauptansatze die laterale Seite des Knochens,
an dem er eine besonders benannte Rauhigkeit, die Tuberositas ossis
metatarsalis I, erzeugt. An der Fußwurzel haben wir zunächst das
Os cuneiforme I zu betrachten, an dem sich distal noch je ein Zipfel
der beiden eben genannten Muskeln anheftet, außerdem jedoch noch
proximal der Zipfel des M. tibialis posterior, welcher sich von der
Tuberositas ossis navicularis zum 1. Keilbeine begibt. Ersterer Knochen-
punkt gestattet dem M. tibialis posterior, seine ganze Kraft auf die
große Zehe zu entwickeln. Der Talus scheidet als Knochen mit
Muskelansätzen vollkommen aus, jedoch erreicht die Wirkung der für
die Großzehenseite bestimmten Sehnen, welche am Skelete dem so-
genannten Talusstrahle entsprechen, mit dem Sprungbeine noch nicht
ihr Ende. Im Gegenteile muß man das Sustentaculum tali, welches
dem Calcaneus angehört, physiologisch noch in den Talusstrahl
mithineinziehen, weil in dessen unterer Furche die Sehne des M. flexor
hallucis longus gleitet. Auch der Talus gewinnt durch seine ent-
sprechende Furche unmittelbare Beziehung zur Sehne dieses Muskels.
Vom theoretischen Standpunkte aus kann auch der mediale Zipfel
des M. quadratus plantae noch für die große Zehe mitherangezogen
werden; praktisch kann dieser kleine Muskel nur eine ganz unter-
geordnete Rolle spielen.
Vergegenwärtigen wir uns nun den Ursprung der eben genannten
Sehnen von den Knochen: Der M. flexor hallucis longus entspringt
von dem lateral gelegenen Knochen des Unterschenkels, der Fibula.
Die Sehnenkonjugation dieses Muskels mit dem M. flexor digitorum
pedis longus verschafft ihm bei ausschließlich fixierter großer Zehe
auch noch einen Angriffspunkt an dem medialen Knochen, der Tibia
Die M. flexor brevis und abductor hallucis ergeben den Zusammenhang
zwischen Grundphalanx der großen Zehe und dem distalen Teile der
266
Physiologische Bemerkungen, 681
Fußwurzel, durch das Caput transversum des letzteren Muskels sogar
bis zu den Metatarsalknochen der 3.-5. Zehe. Der proximale
Teil wird mit der Grundphalange der großen Zehe direkt verbunden
durch den M. abductor hallucis, indirekt, d. h. durch Vermittelung
des M. liexor digitorum longus auch durch den medialen Zipfel des
M, quadratus plantae.
Der Ursprung derjenigen Muskeln, welche den Zusammenhang
zwischen den Knochen des Unterschenkels mit denjenigen der Groß-
zehenseite herstellen, braucht hier nicht noch einmal ausführlich er-
örtert zu werden. Es handelt sich um die M. tibiales anterior, po-
sterior und peronaeus longus, jedoch muß im Zusammenhange hervor-
gehoben werden, daß der M. tibialis anterior an der Vorder- oder
Extensorenseite des Unterschenkels in seiner Achse entspringt, fast
ausschließlich von der Tibia; der M. tibialis posterior in der hinteren
Achse des Unterschenkels sowohl von der Tibia wie von der Membrana
interossea cruris und auch, was hervorgehoben werden muß, von der
Fibula; der M. peronaeus longus von der Fibula, aber auch, was
andererseits verschiedentlich nicht genügend betont ist, herauf bis zur
Tibia, wohlgemerkt nur im ganz proximal gelegenen Teile. Wir können
demgemäß sagen, daß alle vier Seiten der Unterschenkelknochen mit
Ausnahme der Facies medialis tibiae vollauf mit Muskeln bedacht sind,
welche die Einwirkung auf die große Zehe gestatten. Ohne weiteres
dürfte dies verständlich sein für den Ursprung der M. tibialis anterior,
posterior und peronaeus longus, welche in der bekannten und außerdem
eben noch wiederholten Weise die Vorder-, Rück- und Außenseite des
Unterschenkels in Anspruch nehmen. Indessen auch seine mediale
Seite kommt nicht zu kurz weg, indem der M. flexor digitorum longus
muskulöse Ursprünge vom inneren Rande der Tibia hat. Außerdem
ist aber die spiralige Drehung der Endsehnen der M, tibialis anterior
und posterior zu beachten, welche sowohl bei Synergismus, wie Ant-
agonismus die mediale Seite des Unterschenkels gegen den Fuß
nach ihrer ausführlich beschriebenen Einzel- oder Gesamtwirkung
neigen können.
Diese theoretische Erörterung ist uns zur Pflicht geworden, um
die Tatsache zu erklären, wie ein Mensch — in der hervorragendsten
Weise kann es von einer geschulten Ballettänzerin erreicht werden —
imstande ist, die ganze Körperlast ausschließlich auf der Großzehen-
spitze zu balancieren. Bei einer solchen Stellung wirken die gemeinhin
als Flexor en bezeichneten Muskeln des Unterschenkels und Fußes
als Aufrichter des ganzen Beines. Der M. tibialis posterior und der
M. peronaeus longus, in die entsprechenden Sulci der beiden Malleolen
eingebettet, vollführen dann im Talocruralgelenke die Plantarflexion
des Unterschenkels gegen den Fuß, erzielen also die sogenannte Spitz-
fußstellung. In glücklichster Weise ist durch zwei einander gegen-
überliegende Muskeln sowohl die Tibia, wie die Fibula zur Wirkung
mitherangezogen. Daß auch der M. flexor digitorum longus durch
die Sehnenkonjugation auf die Tibia wirken kann, sei nebensächlich
erwähnt. Interessant ist die Tatsache, daß der bei weitem schwächere
Knochen des Unterschenkels, die Fibula, durch den Ursprung des
M. flexor hallucis longus von ihr einen ungeahnten Zuwachs erhält.
Es ist die Tatsache, und am allermeisten bei der Fractura patellae,
bekannt, daß der Knochen eher reißt als die Sehne und der dazu-
267
682 FROHSE und ^. FRÄNKEL, Neurologische Bemerkungen.
gehörige Muskel. Wenn wir dementsprechend die knöcherne und die
muskulöse Komponente für Tibia und Fibula vergleichsweise betrachten
wollten, so stellt sich für die letztere ein überraschend günstiges Er-
nebnis heraus. Die M. flexor hallucis longus, tibialis posterior, pero-
naeus longus geben schon bei der Plantarfiexion des Fußes von der
Großzehenseite aus für die Fibula eine so große osteomuskuläre Masse^
welche sich getrost der medialen Seite, d. h. der Tibia mit der ihr
anliegenden Muskelmasse vergleichen kann.
Die Muskeln, welche am Ende der Fußsohle ihren Ursprung haben,
sind der M. abductor hallucis und der mediale Zipfel des M. quadratus
plantae. In ihrer Wirkung sind sie Synergisten der distalen Muskeln,
der M. flexor hallucis brevis und adductor hallucis. Sie geben bei
gemeinschaftlicher Zusammenziehung der Fußsohle, von dem proximalen
Ende der Zehen aus gerechnet, einen festen Halt bei der Hebung des
Fußes, bei Einzel Wirkung natürlich nur im Sinne der jeweiligen
Funktion. Der M. flexor hallucis longus tritt in seiner extremsten
Wirkung (unter Zuhilfenahme des medialen Teiles des M. flexor digi-
torum pedis longus) erst dann in Tätigkeit, wenn nur die Nagel-
phalanx der großen Zehe als Punctum fixum dient.
268
Namen- und Sachregister.
Abkürzungen: A = Arm, B = Bein, n.
nobis.
Albinus A 204, 205, 233.
Alcock B 75, 207.
Alexander-Adam B 33.
Arnold A 219.
Abduktion A 67.
Abgesprengte Portion des M, brachialis
A 153.
Acetabulum B 94.
Achillessehne B 17.
Achse des Fußes i? 221.
— der Hand A 232.
Achselgrube A 3.
höhle A 5.
— -rinne A ö n.
spalt A S n.
— -wulst Ahn.
Acromion A 47, 362.
Adductorendreieck B 6.
gruppe B 106.
— -kreise B 87, 106.
Adduktion des Daumens A 193.
Ai cr^pitant de la jambe A 300.
Anastomosen des N. ischiadicus B 118.
medianus A 141.
ulnaris A 207.
Anconaeus A 1.
Angiotopie B 85, 214 n.
Anguli scapulae ^ 39, 243.
Am scalptor A 60.
Anulus inguinalis subcutaneus B 35.
Apertura interna des öchenkelkanales
B 206.
Aponeurosi8(e8) bicipitalis ^71.
— digitalis A 258.
— dorsalis digitorum pedis B 203.
— infraspinata A 55.
— intermusculares A 55, 169, 173, 179,
240, 251, B 134 n.
— palmaris A 115, 217, 256.
— plantaris B 165.
Appendix epiploica A 295.
Arcus fibrosus poUicis et indicis A 264 n.
— lumbocostales (Halleri) B 29, 39, 206.
— plantaris B 186.
— tendineus m. solei B 151, 214.
Arcus volaris profundus A 209.
superficialis A 220, 260.
Armmuskeln, Einteilung A 25.
Arteria(ae) (en) axillaris A 82.
— brachialis A 75, 87, 252.
— carpeae A 23, 231.
— circumflexa femoris medialis B 108,
121.
— coUateralis ulnaris inferior A 252.
— comitans n. ischiadici B 121, 218.
— cubitalis A 76.
— digitales communes B 179.
— dorsalis pedis B 25, 195, 198.
— fühlbare B 25.
— glutaea superior B 44, 47.
— interossea dorsalis A 150, 167, 253.
recurrens A 167, 249, 254.
volaris A 197, 256.
— mediana A 255.
— musculoarticularis B 100.
— obturatoria B 107.
— perforans prima B 198.
lig. sacrotuberosi B 44.
— peronaea B 163, 197.
— plantares B 179.
— princeps pollicis A 208.
— profunda femoris B 111, 128.
— radiaüs A 105, 111, 195, 200, 255.
— recurrens radialis A 162, 251.
— — ulnaris post. A 250.
— tibialis ant. B 133, 197.
post. B 25, 147.
— ulnaris A 118, 255.
Articulatio{ones) acromioclavicularis A
359.
— calcaneocuboidea B 185.
— carpometacarpeae A 190, 208, 263.
— coxae B 27, 84.
— cubiti A 25.
— genu B 28.
— mtercarpea A 190.
— interphalangeae B 28.
— intertarseae B 28.
— metacarpophalangeae A 191,217, 221.
— metatarsophalangeae A 259, B 28, 175.
— radiocarpea A 149, 190, 257, 287.
269
684
FROHSE und M. FRANKEL,
Articulatio(nes) radiohumeralis Ä 166.
— radioulnaris (distalis) A 148, 249.
— sacroiliaca B 27.
— talocruralis B 28, 152.
— talonavicularis B 137.
— tibiofibularis B 120, 158.
V. Bardeleben, A. B 140, 265.
V. Bardeleben, K. A VII, VIII, XII, 10,
27, 102, 269, 386, B lOl, 127, 163.
Bell A 25.
V. Bergmann A VII, 21, 120, B 149, 153.
Bernhardt A 409.
Bischoff A 205.
Bolk A XI, 31, 386, B 241.
Borchardt A XII.
Bourgery A 238, 289.
Bouvier A 235.
Boyer A 235.
Brauer A 300.
Braune A 10.
Braus A VIII.
Brooks A 205, 215, 216, 227.
Brown A 238.
Brücke B 1.
Ballen- und Knöchelgegend B 18.
Bandelette arcifornae B 209.
Basis scapulae A 359.
Beckenhaltung, normale B 78.
— -heber B 30.
horizontale B 77.
Beginn der volaren Sehnenscheiden A 266.
Beinmuskeln, Einteilung B 25.
Berufsschleimbeutel B 45.
Beugehügel ^ 65, B 33 n.
sehnen A 278, ^221.
Biceps ^ 70.
Bleilähmung A 407.
Brachioradialgruppe A 151.
Bruchpforten des kleinen Beckens B 78.
Brustbein ^ 239.
Bursa(ae) accessoriae palmae A 268.
— anserina B 90, 129.
■ — bicipitalis A 364.
— bicipitoradialis A 372.
— calcanea B 106, 143, 147.
— coracoacromialis A 32.
— gastrocnemio-semimembranosa B 127,
144.
— iliaca subtendinea B 37.
— iliopectinea B 37, 38.
— infrapatellaris B 106.
— intermediae palmae A 270.
— intermetatarsophalangeae B 20, 184.
— intertendinosae B 45.
— ischiadica m. glutaei maximi B 44.
— musculi abductoris pollicis longi A 188.
anconaei A 101.
bicipitis femoris B 60.
coracobrachialis A 42, 81.
extensoris carpi radialis brevis A
162, 297.
longus A 160, 297.
digitorum communis A 297.
pollicis longi A 297.
Bursa(ae) musculi flexoris carpi radialis
A 273.
gastrocnemii medialis B 127.
interosseorum dorsalium A 232.
latissimi dorsi A 366.
obturatoris externi B 85.
interni B 60, 74.
pectinei B 109.
piriformis B 59.
poplitei B 102.
sartorii propria B 90, 129.
semimembranosi B 127.
supinatoris A 167, 370.
teretis majoris A 62, 365.
— praepatellaris B 105.
— subabductoria carpalis A 188, 296 n.
digiti quinti B 184 n.
hallucis 5 181 w.
profunda B 174 n.
radialis A 155, 252, 295 n.
— subacromialis A 31, 41, 48, 243, 362.
— subcoracoidea A 42, 363 n.
— subcuboidea lateralis B 184 n.
— subcutanea(ae) abductoria B 174 n.
calcanea ^191.
capituli ulnae A 248, 285 n.
ischiadica B 44.
malleoli medialis B 191.
metatarsophalangea B 181.
olecrani A 248.
supracalcanea B 191 n.
trochanterica B 45.
ulnaris dorsalis A 248 n.
— subdeltoidea ^31, 362.
— subfascialis capituli ulnae A 285 n.
— subligamentosa m. semimembranosi
B 125 n.
— subtendinea m. tibialis anterioris jB 191.
— tendinis calcanei B 191.
— trochanterica m. glutaei maximi B 45.
medii ant., post. B 52.
minimi B 50.
Camper A 278, B 222.
Chaussier A 50, 238.
Chudzinski A 132, 238.
Cloquet A 238.
Cohn, T. A X, 7, 15, 116, 381, 390, 402,
406, 407, 414, B 2, 24, 244.
Columbus A 234.
Cruveilhier A 204, 205, 206, 235, 238.
Cunningham A 37, 58, 205, 210, 21 1
216, 227, 316, 356, 379, B 184.
Canalis adductorius B 101.
— cubitalis n. ulnaris A 122 w.
— obturatorius B 74, 207.
— supinatorius A 164, 169, 255 n.
— ulnaris A 121 n.
Capitulum(a) fibulae B 120, 134.
— humeri A 166.
— ossium metatarsalium B 186.
— radii A 251, 375.
— ulnae A 248, 287.
Cavum axillare A 7.
— popliteum B 12.
270
Namen- und Sachregister.
685
Chiasma tendinum Camperi A 129, 278,
B 170, 181.
Chiromantie A 8, 21.
Chopartsches Gelenk ^21, 162.
Chorda obliqua radii A 89.
Clavi B 19.
Clavicula A 239, 357.
Collum scapulae A AI.
Colon pelvinum B 77.
Condylus lateralis femoris B 12.
— medialis tibiae B 123.
Confluens venarum B 24 n.
Cornu sacrale £ 41.
Corpus(ora) adiposum coxae B S n.
hypothenaris profundum A 217 n.
interdigitalia B 20, 169 n.
plantae B 20 w.
subscapulare A 244 n.
— — suprascapulare A 47, 244 w.
Corpuscula lamellosa ^ 193.
Costae scapulae .1 39, 363.
Cremasterreflex B 24.
Crista anterior tibiae B 130.
— iliaca A 239, B 49.
— iuterossea A 374.
— intertrochanterica B 60, 81.
— supinatoria ulnae A 374.
— tuberculi majoris A 364.
minoris A 59, 81, 364.
Cul de sac A 268.
Cunninghamscher Adductor .1 210, 379,
B 184.
Cutis plantae B 167.
Deetjen A VIII.
Duchenne ^ IX, 34, 35, 48, 52, 60, 76,
95, 97, 101, 112, 141, 145, 163, 174,
175, 184, 189. 190, 192, 195, 199, 201,
2(y>, 210, 233, 234, 235, 236, 286, B 37,
92, 96, 244.
Dumas A 50, 127.
Dupuytren A 259.
Dursy A 157.
Duval, M. A 48, 103, 191, B 97, 131.
Duvernoy A 205.
Daumenballen A 199.
Dauraennagelmethode A 242, B 65.
Diameter transversa B 35.
Digitale Behandlung der Ischias B 245.
Digitalphlegmone des Fußes B 179.
Doppelschichtung der Muskeln B 231.
Doppelt innervierte Arramuskeln A 389.
Beinmuskeln B 243.
Dornfortsätze A 239.
Dorsalaponeurose A 176.
— des Daumens A 286.
— der Finger A 285.
— des Fußes B 176.
Dorsale Sehnenscheiden A 284.
Dorsalflexion des Fußes ^143, 262.
— der Hand A 1&3.
Dreieckige Muskellücke A 42.
Dreiköpfiger Schenkelstrecker B 93.
DruckpunKte des N. ischiadicus B 25, 191.
Dupuytrensche Kontraktur A 259.
Durchbohrung(en) der Armmuskeln durch
die Nerven A 98, 305, 307, 308, 310,
316, 388.
— der Beinmuskeln durch die Nerven
B 242.
Eisler B 30, 38, 40.
Etzold A 215.
Elektrotherapeutische Bemerkungen A 390,
B 244, 284.
Ellenbeuge A 76.
Ellenbogengelenk A 364.
Eminentia carpi ulnaris A 20.
— iliopectinea B 37.
Epicondylu8(i) femoris B 107.
— humeri A 99, 102, 159, 221, 246, 368.
— tibiae B 120.
Erbsenbein A 200.
Extension A 68.
Extensorendreieck B 6, 90.
Fallopia A 233, 234, 235.
Fau B 62.
Flemming A 203, 204, 205, 215, B 237.
Flower A 238.
Fränkel A VII, VIII, 122, 259, 390, 405,
406, B 47, 62, 65, 130, 181.
Frohse A VII, VIII, XII, 16, 37, 56, 59,
71, 79, 87, 95, 122, 140, 143, 145, 191,
217, 218, 241, 242, 258, 262, 269, 381,
386, 390, 391, 392, 393, 404, 405, 406,
409. 412, B 2, 24, 25, 39, 50, 62, 65,
92, 108, 127, 156, 171.
Fromont A 215, 237, 238.
Fürbringer ^ XII, ^ 38.
Fürst B 240.
Faisceau supörieur du grand adducteur
B 234.
Fascia(ae) antebrachii .1 76, 200.
— brachii A 242.
— coxae B 205.
— cribrosa B 33.
— cruris B 120, 152, 210.
— deltoidea A 243.
— endoabdominalis B 29, 205.
— endopelvina B 76. 205.
— glutaea media B 41, 56.
— hypothenaris A 261.
— iliopectinea B 206.
— infraspinata A 31, 56, 243.
— intermuscularis A 248.
— interosseae A 257, B 198.
— lata A 241, Ä 43, 61, 209.
— lumbodorsalis B 29.
— manus A 256, 263.
— pedis B 214.
— scapularis A 242.
— subscapularis A 244.
— supraspinata A 46, 244.
— thenans A 260.
Fasciculus (i) longitudinalie radialis A
176 n.
ulnaris A 194, 249.
— praetendinosi A 258.
271
686
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Fascien der oberen Extremität A 239.
— der Oberschenkelmuskeln B 209.
— der unteren Extremität B 205.
Faust A 24.
Fehlen der Muskeln B 231.
Femur A 240.
Fersenkappe B 18.
Fibrae perforantes A 286.
— transversae B 166, 260.
Fibrocartilagines intervertebrales B 33.
Fibula B 121.
Flankenfettkörper B 1.
Flexor-Supinator (ßiceps) A 76 n.
Fleischige Finger A 377.
Foramen infrapiriforme B 49, 71, 72.
— intrapiriforme B 73, 242 n.
— ischiadicum majus B 72.
minus B 80.
— obturatum B 74, 83.
— suprapiriforrae B 56, 71, 72.
Fossa iliaca B 31.
— infraclavicularis A 23, 358.
— infraspinata A 51, 362.
— ischiorectalis B 3, 43, 75.
— ovalis B 23, 206.
— subscapularis A 39, 41.
— supraclavicularis A 23, 358.
— supraspinata A 47, 359.
— trochanterica B 83.
Fossette fömorale B 7, 91, 96.
Fovea patellaris B 8.
Funda pedis B 16.
Fuß B 17.
beugung B 143.
muskeln B 165,
sohlenfettkörper B 18, 20.
— -Streckung B 143.
Galen ^ 175, 233, 235.
Gegenbaur A 205, 206, 215, B 31.
Gerdy B 97.
Gosselin ^ 268.
Gruber A 100, 101, 117, 162, 163, B 103.
Günther A 221, £ 51.
Galea aponeurotica A 286.
Geburtsakt B 231.
Gelehrtenmuskel ^ 62.
Gelenknerven des R. profundus n. radialis
A 185, 389.
Gesäßfurche, quere B 43.
— -gegend B 2.
— -kerbe B 1,
Gitterwerk der Sehnen des Dorsum pedis
^202.
Glutäalinjektion B 41.
Gothischer Spitzbogen A 134.
Grube am Epicondylus lateralis humeri
A 370.
Grübchen der Lendengegend B 18.
Häckel A XII, 10, 269, 386.
Haffter B 47.
Hauet A 117.
Hailette A 214.
Hartmann A 299.
Hauff, H. A 25.
Hein A 39, 46, 145, B 45.
Heitzmann A 204, 356.
Henle A VIII, 76, 81, 86, 117, 122, 156,
157, 164, 200, 201, 204, 205, 206, 210,
214, 225, 226, 227, 246, 262, 279, 285,
289, 293, B 50, 51, 95, 97, 173, 185.
Hepburn A 205.
Hexner A 22.
Hildebrandt A VIII.
Hochstraten A 22
Hoffa B 12.
HoUstein A 246.
Hyrtl A 8, 10, 23, 148, 204.
Hamstrings B 27.
Hamulus ossis hamati A 208, 222.
Handbewegungen A 190.
— -furchen A 16, 258.
linien A 21.
muskeln A 198.
— -teller A 21.
Wurzel A 197.
Hautfascie A 247.
— -muskel A 261.
venen B 23.
Hernien B 77.
Hiatus peronaeales B 141.
— radialis profundus A 310.
— sacralis B 1.
— semilunaris fasciae brachialis A 246.
Hohlhandfächer A 261.
furche B 20.
— -tunnel ^ 129, 260.
Hüftbewegungen B 26.
Hüfte B 1.
Hüftmuskeln £ 29.
Hühneraugen B 19.
Humerus A 240, 364.
Hunterscher Kanal B 91, 101.
Hygrom A 275.
Hyperextension der Grundphalangen A
236.
Hypothenar A 216, -B 21.
Jacob A 289.
Jarjavay ^ 235.
Joachimsthal B 103.
Joessel ^122.
Juvara A 258.
Incisura(ae) B 53, 74.
— scapulae A 42, 364.
— ulnaris radii A 375.
Infundibulum obturatorium B 207.
Inhalt der Sehnenscheiden B 221.
Injektionskuren £ 47.
Innervation des Daumenballens A 215.
Interdigitalräume A 283, ^ 20, 166.
Intertendinöser Schleimbeutel A 363.
Intramuskuläre Sehnen A 300.
Jobertsche Grube B 251.
Ischias 5 139.
272
Namen- und Sachregister.
687
Kanavel A 283.
Kasper A 215.
KeUy A 238.
Kollmann A 10, 22.
Kopsch A 143, 169, B 100, 186, 236, 237.
Krause, W. A 161, 204, 205, B 102, 234,
235.
Küttner A 283, 299, 300, B 139.
Kleinfingerballen A 216.
Klimmziehen A 108.
Kniebewegungen B 261.
— -gegend B 7.
kehle A 5, 7.
— -kehlenspalt ^ 7, £ 13.
kehlen müst A 7.
Knochen des Armes mit Muskelansätzen
A 356.
Knochenleisten der Finger A 378.
Knotenpunkt B 196.
Kommunikation von Sehnenscheiden A
268, 290.
Krampf B 173.
Krampfader jB 24.
Kreuzraute ^1.
Langer A VIII, 59, 173, 183.
Leboucq A 210.
Ledouble A X, 227, 238, B 240.
Legueu A 258.
Lejars ^ 216.
I.uschka B 43.
Labia lineae asperae B 209.
Lacertus fibrosus m. bicipitis A 71, 72,
76, 80, 105.
tricipitis A 91, 100, 183, 247 n.
Lacuna musculorum, vasorum B 35, 87.
Lamina vastoadductoria B 101.
Langerscher Muskel A 59.
Languettes inter-, pr^tendineuses A 258.
Länge und Lage der Sehnenscheiden
B 219.
Leistenring B 85.
Lendenraute B 1.
Wirbelsäulen- und Becken bewegungen
B 260,
Ligament— um(a) accessorium volare 5200.
— anulare radii A 166.
— anularia et cruciata digitorum A 241.
— arcuatum B 156.
— calcaneocuboideum plantare B 171.
— calcaneometatarsale (laterale) B 188 n.
— capitulorum transversa A 227, 259,
262, B 184.
— carpi dorsale A 157, 179, 183, 263, 284.
radiatum A 206.
transversum A 208, 209, 217, 260.
volare commune A 122, 285.
— coUaterale ^231.
fibulare B 13, 121.
laterale A 165.
mediale A 121.
tibiale B 13, 123.
— coracuacromiale A 341.
— coracohumerale A 75.
Handbuch der Anatomie. II, n, 3.
Ligament— um(a) cruciatum(a) A 272, B
102, 158.
cruris B 16, 131.
pedis A 241, B 196.
— fundiforme -B 16.
— Gimbernati B 206.
— hamometacarpeum A 124.
— iliofemorale (ßertini) B 58.
— iliopectineum B 35, 39, 88, 205.
— iliotibiale B 68.
— ilio-trochantero-tibiale B 68.
— inguinale (Pouparti) A 239, B 23, 32,
206.
— intermuscularia A 161, 173, 176, 249,
251, 253, B 66.
— intersesamoideum B 176 n.
— intrametacarpalia A 286.
— ischiocutanea B 43.
— laciniatum 5 17, 160, 191, 213.
— lacunare B 206.
— mucosa A 278.
— natatorium (Braune) A 10, 259, B 169.
— nuchae B 31.
— obliqua A 272.
— palmae transversum superficiale A
259 n.
— patellae B 12.
— pisohamatum A 118, 123, 219.
— pisometacarpeum A 118, 123, 308.
— plantare longum B 167, 198.
— popliteum obliquum B 124.
— raaiatum A 210.
— sacrotuberosum B 41, 207.
— suspenseur de l'aisselle A 5.
— Suspensorium trochanteris B 51.
— tarsometatarsea plantaria B 184.
— teres uteri B 78,
— transversum articulare A 272.
cruris A 241, 299, B 131, 196.
scapulae A 42, 244, 359.
— tripartitum pedis B 196 n.
— vaginalia J 272, 274.
— ypsiloforme A 275,
Limbus glenoidalis A 74.
Linea(ae) arcuata B 108.
— aspera B 67, 94.
— axialis manus A 10 n,
— cephalica A 10, 21.
— eminens B 101.
— glutaea anterior B 52.
inferior B 57.
posterior B 52.
— hepatica A 10, 21.
— mensalis A 10, 258.
— musculares scapulae A 39, 42, 363.
— nuchae superior A 239.
— pectinea femoris B 60.
— Poplitea (obliqua) B 151.
— supinatoria radii A 371.
— vitalis A 10, 21, 258.
Lisfrancsche Operation B 21, 140.
Logen am Oberschenkel B 214.
— am Vorderarme A 248.
— der Waden rauskulatur B 219.
Lumbricalkanäle A 285.
44
275
688
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Lymphoglandula cubitalis superficialja
B 23.
Macalister A 38, 50, 117, 143, 162, 163,
205, 221, 227, 238, B 188.
Macdonald A 238.
Maissiat A 67, 241, 242, B 62, 68.
Meckel A 204, 205.
Mendel A VIII.
Merkel A 238, B 50, 95.
Meyer A 21.
Michaelis B 1.
Morel A 191.
Maissiatscher Streifen ^ 67, J? 62.
Malleolus medialis B 159.
Manus A 23.
Marginaler Eintritt des Nerven A 156.
Margo interosseus A 187.
— vertebralis scapulae A 359.
Maus A 199.
Membrana interossea antebrachii A 146,
186, 191, 240, 248.
cruris B 15, 131.
— obturatoria B 83.
Meralgia B 24.
Mesotendineum A 278, 287.
Metadesmitis crepitans A 300.
Mittelachse des Fußes A 231.
— der Hand ^231.
Monticuli A 258.
Motorische Anastomose der N. plantares
B 176.
Muskelbündellänge A 317, B 223.
— -gewichte A 325, 5 228.
primitivbündel B 91.
— und Sehnenkonjugationen B 234.
länge A 300.
Muscülus(i) abductor carpi A 186 n.
coxae tibialis s. longus B 28, 70 n.
trochantericus s. brevis B 28,
70 n.
digastricus A 216.
digiti quinti (manus) A 219.
(pedis) B 187.
hallucis B 173.
pollicis brevis A 199.
propriuso8si8metatarsalisIV£199,
mtermedius A 190, 200, 219 n
longus A 186.
— adductor brevis B 114.
hallucis B 177.
humeri A 80.
longus B 110.
magnus B 112.
minimus B 115.
pollicis A 209.
— anconaeus (quartus) A 99.
— ani scalptor A 60.
— articularis genu B 94.
— biceps brachii A 70.
femoris B 120.
— brachialis A 83.
-— brachioradialis A 152, J5 26.
— cleidomastoideus A 359.
— coracobiceps A 72, 80.
Musculu8(i) coracobrachialis A 80, 5 26t
minor A 83.
— cremaster B 33.
— deltoideus A 27.
— digastrique Macalister A 117.
dorso-epitrochlearis ^ 99.
— extensor carpi radialis longus A 157.
brevis A 161.
ulnaris A 183.
digiti quinti proprius A 179.
— — digitorum brevis (pedis) B 201.
communis A 176.
longus s. peronaeus tertius B 134.
hallucis brevis B 201.-
intermedius B 237.
hallucis longus B 137.
indicis proprius A 196.
intermedius pollicis et indicis A
264 n.
— — pollicis brevis A 191.
longus A 194.
— flexor carpi radialis A 110.
ulnaris A 118.
cruris fibularis B 120.
digastricus indicis A 132.
digiti quinti (manus) brevis A 222.
(pedis) — B 192.
digitorum brevis B 170.
longus B 159.
profundus A 133.
subHmis A 127.
hallucis brevis B 175.
intermedius B 236.
— longus B 162.
pollicis brevis A 203.
longus A 144.
— gastrocnemius B 143.
tertius ^ 237.
— gemelli B 80.
— glutaeus anterior B 26, 60.
maximus B 40.
medius B 51.
minimus B 57.
profundus B 70.
— — superficialis B 70.
— gracilis £ 111.
— iliacus B 36.
— — externus B 32 n.
minor £ 32.
hopsoas A 65, ^ 31.
nfraspinatus A 50.
ntermetacarpalis 1 A 239.
nterossei (manus) ^ 225.
dorsales A 230.
volares A 226.
(pedis) B 193.
dorsales B 195.
plantares ^ 198.
— intertransversales laterales B 36.
— invertor femoris B 27, 53, 58.
— latissimus dorsi A 363, 365.
— levator ani B 75.
scapulae A 359, 362.
— lumbricales (manus) A 138.
(pedis) B 172.
— maniaeus B 201.
274
Namen- und Sachregister.
Musculus(i) obturator externus B 83.
internus B 74.
— omohyoideus A 359.
— opponens digiti quinti (manus) A 223.
(pedis) B 192.
poUicis A 207.
— palinaris brevis A 25, 217, B 21.
— — longus A 115.
— pectineus B 108.
— pectoralis major A 66, 71, 357.
— pediaeus B 201.
— perforatus Casseri A 82.
— peronaeotibialis B 38, 240.
— peronaeus brevis B 141.
longus B 139.
parvus B 237.
tertius B 202.
— — quartus B 236.
— piriformis B 71.
— plantaris B 147.
— popliteus B 155.
— Pronator quadratus A 147.
teres A 104.
— psoas major B 33.
minor B 37.
— pyramidalis B 40.
— quadratus femoris B 81.
lumborum B 29, 38.
plantae B 171.
— radialis internus brevis A 147.
— rectus femoris B 94.
— rhomboidei A 360.
— sacrospinalis B 29, 42.
— sartorius A 1, Ä 89.
— scaieni B 30.
— scansorius B 236.
— semimembranosus B 122.
— semitendinosus B 119.
— serratus anterior A 359.
— soleus B 150.
— sphincter ani B 40.
— sternohyoideus A 357.
— subclavius A 357, B 31.
— subscapularis A 39.
minor yl 41, 45, 58, 303.
— supinator A 164.
brevis ^167.
longus A 152.
verus A 157.
— supraspinatus A 46.
— tensor fasciae cruralis B 235.
— — — dorsalis pedis B 235.
et cutis foveae axillaris A 45.
latae A 241, B 60.
ligamenti anularis radii A 169.
— teres major A 58.
minor A 54.
— tibialis anterior B 130.
posterior if 161.
— trans versus lumborum B 29.
manus A 214.
— trapezius A 29, 47, 358, B 31.
— triceps brachii A 89.
femoris B 93 n.
— vastus intermedius B 93.
lateralis B 98.
! Musculus(i) vastus medialis B 100.
j — ypsiloformis A 196 n.
1 Nasse ^ 259.
Neelsen A 48.
Nietzky ^ 22.
Nervenreizungspunkte A 411.
Segmente A 385, 5 240.
Nervus(i) accessorius spinaiis A 386.
— axillaris A 36, 51, 55, 63, 386, B 49.
— calcanei laterales et mediales B 169, 214.
— clunium B 24, 42.
— coccygeus B 242.
— communicans tibialis B 25, 145.
— cutaneu8(i) antebrachii 4 75, 104, 246.
dorsalis B 25.
— — dorsi pedis lateralis B 189.
femoris A 56, B 24, 30, 42, 73, 96,
105, 12], 239.
supraacromiales A 31.
supraclaviculares A 31.
surae B 25.
— ulnares A 260.
— digitalis communis B 173.
— femoralis B 105, 108, 238.
— genitofemoralis B 37.
— glutaeus inferior B 40, 50.
Buperior B 49, 215.
— iliohypogastricus B 30, 41, 242.
— ilioinguinalis B 30, 42.
— infrapatellaris B 91, 215.
— interosseus (antebrachii) dorsalis A 156.
volaris A 135, 146, 197, 255.
— ischiadicus B 73, 74, 82.
, Druckpunkt B 47.
— lumbales B 38.
— lumboinguinalis B 241.
— medianus A 26, 57, 75, 82, 104, 134.
— musculocutaneus A 26, 70, 80, 85, 88.
— obturatorius 481, 305,^74,83, 107,241.
— peronaeus communis B 47, 121, 127,
140, 211.
profundus A 56, B 135, 140.
superficialis B 135, 174.
— plantares B 160, 169.
— pudendus B 74.
— radialis A 26, 57, 70, 72, 76, 87, 88, 97.
— sacrales B 73, 242.
— saphenus B 23, 101.
— spermaticus externus B 24
— subcostalis B 30, 38.
— subscapulares A 26, 60.
— suprascapularis A 26, 48, 51, 56, 243.
— suralis B 23, 25, 169, 211.
— thoracales ^31.
anteriores A 35, 37, 57, 386.
— thoraco-dorsalis A 60.
— tibialis B 47, 128, 152, 241.
— ulnaris A 26, 120, 122, 131, 135, 209.
Neurologische Bemerkungen A 385, B 238.
Neurotopie £ 85 n.
Oberarmmuskeln Ä 70.
Oberschenkel B %.
— -dreieck B 90.
44*
«75
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Oberschenkelgrübchen B 7, 96.
muskeln B 88.
Olecranou A 118, 306, 374.
Opposition A 201.
Orthopnoe A 60.
08(sa) antebrachii mit Muskelansätzen
A 370.
— capitatum A 197, 210.
— coccygis B 49.
— cuneiforme B 130, 140, 174.
— ischii B 118.
— lunatum A 197.
— manus mit Muskelansätzen A 375.
— metacarpalia A 169, 180, 186, 211, 225.
— metatarsalia B 130, 131.
— multangulum majus A 187, 375.
minus A 206.
— naviculare A 200.
— pisiforme A 118, 123, 219.
— pubis B 78, 114, 118.
— sesamoidea A 220, 315.
— trigonum B 163.
Osteofibröser Fingerkanal A 265.
Ovarium B 78.
Pansch A 20.
Paterson B 241.
Pauzat A 300.
Petrin B 68.
Poirier A VIII, 5, 38, 50, 52, 101, 155,
162, 163, 165, 183, 187, 188, 204, 210,
237, 256, 258, 268, 270, 285, 289, 297,
318, 356, B 43, 95, 100, 121, 185, 187,
198, 209, 234.
Palmaraponeurose A 256.
Panaritien A 266, B 25.
Pars medialis des M. abductor hallucis
B 173.
— profunda des M. adductor hallucis B
177 n und pollicis A 210 n.
Patella B 8, 97, 101.
Patte d'oie B 28, 90.
Pecten ossis pubis B 39, 108.
Perimysitis crepitans A 30Ö.
Perimysium externum A 240.
Peronäalscheide B 142.
Pes anserinus B 13, 89, 128.
profundus B 123 n.
— equinus B 143.
Phlegmone des Daumens A 270, 296.
— der radialen Streckseite A 296.
Plantaraponeurose A 257.
Plantarflexion des Fußes B 144, 262.
Planum supramalleolare B 14.
Plattfuß B 18, 192.
Plexus -bildung B 234.
— brachialis A 26, 53, 82, B 28.
— intramusculares A 42.
— lumbalis B 30, 48.
— sacralis B 28, 49, 71.
Plica(ae) alares B 106.
— semilunaris A 299.
Portio acromialis des M. deltoideus A 29.
— iliaca externa des M. iliopsoas B 218.
— profunda des M. soleus B 153.
Portio spinata des M. deltoideus A 51.
Processus coracoideus A 42.
— falciformis B 204.
— mastoideus B 31.
— medialis tuberis calcanei B 174.
— styloideus (radii et ulnae) A 102, 187,
370.
ossis metacarpalis III A 292,
— supracondyloideus A 109, 247, 369.
— trochlearis calcanei B 140.
Prolapsus B 77.
Pronation A 70, 102, B 139, 264.
Pseudoganglion des N. axillaris A 56.
peronaeus profundus B 195 n.
Puls A 153.
Punctum coxale (superius) B 51.
Quain A 205.
Querschnitte des Armes bei Pro- und
Supination A 20.
Rauber A 169.
ßeichardt A 144.
Eochs A 21, 120.
Eosthorn A 299.
Rüge B 241.
Radiales Sesambein A 203.
Radialisschlaflähmung ^ 407.
Radialpuls A 148.
Radius A 127.
Ramu8(i) anastomoticus (n. ischiadici)
c. n. obturatorio i? 118 n.
peronaeus B 25.
(n. ulnaris) c. n. mediano A 141,
142 n.
profundus (n. ulnaris) c. n. mediano
A ?07 n.
— ant., post. n. obturatorii B 84, 87, 114.
— articularis n. profundi radialis A 185,
389.
— calcanei laterales et mediales B 169,
214.
— coUateralis n. mediani A 88.
ulnaris A 98.
— communicans tibialis B 23, 25.
— cutaneus(i) antebrachii dorsalis A 168.
lateralis A 87.
axillaris ^31.
supraacromiales ^31.
supraclaviculares A 31.
— digitales propra manus A 215.
— dorsalis manus n. ulnaris A 183.
— interosseus volaris A 146, 148.
— marginalis scapulae A 62.
— muscularis n. mediani A 201, 207.
— perforantes B 34.
— profundus n. radialis A 155, 165, 167,
173 193.
n. ulnaris A 207, 211, 227.
— superficialis n. radialis A 105, 153,
166, 187, 251.
n. ulnaris A 218.
— volaris communis manus A 149.
Rascetta ^ 8, 21.
m
276
J
Namen- und Sachregister.
691
Becessus inferior articularis genu B 158.
— intertendinosus A 268 n.
— praetendinosus A 267 n.
— retrotendinosus .1 267 n.
— sacciformis A 166, 375.
— subscapularis ,1 41, 75.
Regio^nes) brachii .-1 3.
— femoris B 3.
— üiopectinea B 7.
— sartoria 5 6, 91.
— subinguinalis B 2, 7..
— trochanterica B 2.
ßeiterhernien B 209.
lleizungsstelle(n) der Muskeln A 116, 13Ü,
135, 168, 182, 193, 197, 391-408,
B 244—260.
ßesectio humeri A 35, 87.
Rete arteriosum dorsi pedls B 203.
— carpi dorsale A 256.
volare A 253.
— venosum dorsale pedis B 23.
Iletinaculum(a) digiti quinti proprium
A 285 n.
— m. peronaeorum B 140, 196.
poplitei B 121.
— patellae B 63, 98.
— popliteum B 156.
ßicntungslinie für die Aufsuchung der
A. ulnaris A 118.
Rollhügel A 65, B 3 n.
Rombergsches Kniephänoraen B 87.
Rotation .1 68.
Rotator humeri posticus A 52.
Sabatier ,1 233, 235.
Sappev .1 204, 262.
Schepers B 68.
Schwalbe A 317, 318, 319, B 44, 242.
Seemann .1 299.
Sömmerring A 204, 205, 235.
Spalteholz .-1 356.
Stratz B 1.
Saccus carpalis medialis s. ulnaris A 267.
— dorsalis pedis B 220 n.
SacraldreiecK B 1.
Samenstrang B 78.
Scapula A 46, 61.
— mit Muskelansätzen A 359.
Scarpasches Dreieck B 7, 91, 237.
Schamberg B 1.
Scheiden- und Schleimbeutel der Streck-
sehnen A 287, B 220.
Sehen kelhernie B 87.
kanal B 85.
trichter B 206.
Schienbein .1 242.
Schlaflähmung des N. radialis A 407.
Schleimbeutel der Hand A 264.
— im Muskelursprunge A 35.
Schnappende oder schnellende Hüfte B 68.
Schnupftabaksdose, anatomische A 188,
192, B 22, 191.
Schulterfettkörper A 47.
— -gelenk A 25, 67.
gewölbe A 47.
; Schultergürtel A 47.
— -höhe A 47.
1 kämm A 47 n.
i muskeln A 27.
i Schwalbesches Gesetz A 317.
; Schwimmbänder A 227, 257.
i Schwimmhaut A 259.
i Segmentbestimmung A XI, 53.
I — -bezüge .1 385, B 238.
1 Sehnenarkade des M. flexor carpi radialis
I A 251.
I Sehnenbogen A 81, 220, 222, 224, B 134
— -konjugation A 222.
' flügelzellen B 148.
— -nerven des M. deltoideus .1 38.
, pf eiler A 301.
— -scheiden des Fußes B 219.
, der Hand A 39, 264, 290—294.
Spiegel m. tricipitis brachii A 95.
— -trichter A 161.
Septa intermuscularia A 60, 85, 94, 246,
B 15, 24, 67, 99, 134, 214.
Sesambein A 199, B 175, 199, 237.
I — -knorpel B 237.
j Singularly invariable muscie A 50.
! Sinus tarsi B 202.
Spatia interossea A 195, 226.
Spielbein B 54.
Spina(ae) iliacae B 36, 55, 69, 89.
— ischiadica B 80.
— scapulae .4 239, 359.
j Spitzfußstellung B 147.
I Spreizbewegungen der Zehen grundpha-
i langen B 199.
I Spulerscher Muskel B 232.
i Standbein B 54.
I Steißbein B 1.
I — -spitze A 239.
! Streckhöcker ^1 65.
Sulcus(i) bicipitalis lat., medialis A 5,
72, 75.
— biconvexus A 21 n.
— cutaneus intercarpalis .1 10 n.
radiocarpalis A 10 n.
transversus A 21 w.
— deltoideopectoralis A 31.
— glutaeus transversus B 2, 251.
— intertubercularis A 75, 81, 364.
— malleolaris B 161.
— natatorii A 16.
— spiralis n. radialis .1 93, 155, 364, 369.
femoris B 105, 243 n.
Supination A 25, 71, 102.
— des Fußes B 131, 263.
Sustentaculum tali B 162.
Sympathicus B 36.
Symphyse A 239, B 75.
Synostosis ischiopubica 5 115.
Theile A 100.
Tabati^re anatomiiiue .1 188, 192.
du pied B 22, 191 n.
Tabellen: Digitale Sehnenscheiden B 221.
— Dorsale Sehnenscheiden der Hand
A 298.
377
692
FROHSE und M. FRÄNKEL,
Tabellen: Muskelbündellänge A 311,
B 226.
— Muskelgewichte A 330, B 229.
— Verstärkungsbänder der volaren Seh-
nenscheiden A 275.
— Vincula tendinum A 282, B 222.
Talusstrahl B 266.
Teilungsstelle des N. ischiadicus i? 121.
Tendo bifurcatus A 264 n.
T- interosseus cruris m. flexoris digitoruni
longi B 163.
Tendon direct B 95.
— ligamenteux B 161.
— metatarsien 7? 161.
— r^current B 161.
— r^flöchi B 95.
Tendovaginitis crepitans A 299.
Thenar A 10, 199, B 21.
Theromorphie B 39.
Tibia A 240, B 121.
Tibiofibulargelenk B 213.
Tiefe Beugeschicht am Oberschenkel 5235.
— Phlegmonen B 248.
Tischlinie ^ 10.
Tractus cristoferaoralis B 68.
— iliotibialis A 241, JS 52, 62.
— praetrochantericus B 66 n.
— supratrochantericus B 2, 66 w.
Tricepssehne 5 101.
Trigonum adductorium B 91.
— basale scapulae A 29, 359 n.
— extensorium B 91.
— iliopectineum B 35, 110.
— infraclaviculare A 359.
— patellae superius B 102 w.
— supraclaviculare A 359.
Trochanter major B 51, 81.
— proprius B 3.
— tertius B 40, 209.
Trochoginglymus B 7.
Trommelschlägerfinger B 20.
Truncus puboischiadicus B 73.
— sympathicus B 33.
Tuba uterina -B 78.
Tuber calcaneum B 180.
— glutaeum ant., post. B 56, 69.
medium B 69 n.
— ischiadicum 5 43, 80.
Tubercule de Gerdy B 97.
— postöro-interne A 183.
Tuberculum infraglenoidale A 93, 363.
— majus humeri A 47.
— minus — A 41.
— pubicum A 239, £ 1, 117.
— supraglenoidale A 74.
Tuberositas deltoidea A 30, 75, 80, 93,
364.
— glutaea A 68, B 40. 42, 81.
— humeri A 305.
— ossis metatarsalis I B 140.
V 5 21, 65.
multanguli majoris A 206.
navicularis A 217, B 21, 161.
— pronatoria radii A 105, 307.
— radii A 165, 304.
— Spinae scapulae A 30, 359.
Tuberositas tibiae £ 89, 134.
— ulnae A 84, 135, 371.
Tub^rositö interne et sup^rieure de la
premifere phalange du pouce A 210.
Tunnel der Hohlhand A 2i67.
Ueberbein A 163.
Ueberzählige Muskeln A 79, 83, 117, 126,
160, 169, B 225.
Ulna, exzentrische Lage A 240.
— muskelfreies Feld A 374.
Unterbindung der A. peronaea B 153.
radialis im oberen Drittel 4 251.
tibialis anterior B 131, 135.
posterior B 151.
Unterschenkel B 14, 129.
Ureter B 36.
ürsprungsaponeurosen A 24:1.
Vesal A 234.
Vierordt A 325.
\^irchow, H. B 234.
Vogt A 215.
Vagina(ae) accessoria metacarpalis A 292.
— crurotarsalis B 184 n.
— dorsales A 287.
— mucosa intertubercularis A 75.
— osteofibrosae digitales volares A 270.
- plantaris B 184 n.
— tendinis m. flexoris pollicis longi A 266.
— tendinum m. flexorum communium
A 266.
Varicocele B 78.
Varietät(en) A 380, 5 230.
— der Handmuskeln A 237.
— des M. abductor digiti V A 385.
biceps brachii A 38.
— flexor carpi radialis und pro-
nator quadratus A 381.
palmaris longus A 118.
plantaris B 236.
Vas (vasa) afferentia B 23.
— articularia genu suprema B 101, 128.
— circumflexa femoris lateralia B 96.
medialia B 82.
— — humeri anteriora ^81.
posteriora A 36.
scapulae A 244, 364, 369.
— collateralia ulnaria superiora A 94.
— deltoidea A 36.
— deltoideo-pectoralia A 31.
— digitalia communia B 143.
— femoralia 5 107.
— glutaea B 49.
inferiora B 44. 82.
— interossea volaria A 135, 254.
— lumbalia B 36.
— malleolaria lateralia B 196.
— perforantia B 99.
— plantaria lateralia B 171.
— Poplitea £107.
— profunda brachii A 94.
femoris B 114, 121.
— radialia A 104.
— recurrentia radialia A 87.
278
Namen- und Sachregister.
693
Vas recurrentia ulnaria poeteriora A 121.
— thoracicoacromialia A 31.
— transversa scapulae A 243, 364.
— ulnaria A 104, 127.
Vater-Pacinische Körperchen A 49, 146,
220, 229.
Vena(ae) basilica A 75, 104.
— Cava inferior B 36.
— cephalica A 76, 87.
— epigastrica superficiaUs B 24.
— feraoropoplitea B 24.
— mediana cubiti A 104.
— obturatoria B 114.
— pudendae ext. B 24.
— saphena magna B 23, 109, 174.
parva B 17, 145, 211.
Venusberg B 1.
Verdoppelung der Muskehi Ä 231.
Vergrößerung des Ursprunges oder An-
satzes B 232.
Verstärkungsbänder der volaren Sehnen-
scheiden A 272, B 178.
Vertex retinaculi interossei B 184 n.
Viereckige Muskellücke A 42, 244.
Vierge de toute insertion A 165.
Vincula accessoria A 278.
— filiformia A 294, B 222.
— intertendinea A 291.
— perforantia A 278.
— tendinum A 278, B 221.
— Vera A 278.
Volare Schwimmhäute A 257, 266.
Volarflexion der Hand A 189.
Vorderarmphl^mone A 127, 248, 254.
Waldeyer A VIII, X, XII, 134, 371,
B VIII, 1, 39, 42, 50, 51, 53, 62, 71,
72, 75, 78, 84, 85, 87, 94, 100, 106,
108, 206, 234.
Weiß A 299.
Weitbrecht A 278.
Welcker B 68.
Wernicke A IX, B 37.
Wichmann A XI, 386.
Winslow A 235.
Wolf A 138.
Wood A 219, 221, 227, 238, B 188.
Wade B 130.
Wadenbeinmuskeln B 130.
— -krampf B 155.
Wand der Sehnenscheiden A 265.
Weichenfettkörper 5 1, 42.
Ziehen A 386.
Zur Verth 5 68.
Zehen bewegungen B 265.
— gang B 162.
Zoll vi 24.
Zona orbicularis (Weberi) B 84.
Zwerchsackhygrom A 267.
Zwischenmuskelbänder A 242.
Druckfehlerbei'ichtigung.
Fig. 30, p. 157 (rechts 3. Bezeichnung v. u.) statt N. peronaeus communi — is.
Fig. 47, p. 662 (links 3. Bezeichnung v. u.) statt M. extensor digitorum et hallucis
longus — brevis.
Fig. 49, p. 664 (rechts 7. Bezeichnung v. o.) statt N. processus communis
—peronaeus.
^'f"^
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 4208
QM
23
B25
Bd. 2
Abt. 2
T.2-3
Btologic«J
k Mcdkal
Bardeleben, Karl Heinrich von
Handbuch der Anatomie des
Menschen
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