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Full text of "Nationalkirchliche Bestrebungen im deutschen Mittelalter"

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Kirchenrechtliche  Abhandlungen. 


Herausgegeben 


Dr.  Ulrich  Stutz, 

o.  ö.  Professor  der  Rechte  an  der  Rheinischen  Friedrich-Wilhelms-Universität 

zu  Bonn. 


61.  Heft: 

Nationalkirchliche  Bestrebungen  im  deutschen  Mittelalter. 

Von 
Dr.  phil.  ALBERT  WERMINGHOFF, 

o.  ö.  Professor  der  Geschichte  an  der  Albertus-Universität  zu  Königsberg  i.  Pr. 


STUTTGART. 

VERLAG   VON    FERDINAND    E  N  K  E. 

1910. 


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Nationalkirchliche  Bestrebungen 


im  deutschen  Hittelalter. 

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Dr.  phil.  ALBERT  WERMINGHOFF, 

o.  ö.  Professor  der  Geschichte  an  <ler  Albertus-Universität  zu  Königsberg  i.  Pr. 


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UBRARY  ST. MARYS  COLLEGE 

STUTTGART.  . 
VERLAG   VON   FERDINAND   E  N  K  E. 
1910. 


Das  Uebersetzungsrecht  für  alle  Sprachen  und  Länder  vorbehalten. 


Druck  der  Union  Deutsche  Verlagsgesellschai't  in  Stuttgart. 


JOHANNES  BAUER 

ZUR  ERINNERUNG  AN  DIE  KÖNIGSBERGER  JAHRE 

1907—1910 


ZUGEEIGNET. 


Vorwort, 


Die  vorliegende  Schrift  ist  erwachsen  aus  einem  Abschnitt 
im  zweiten  Bande  meiner  „Geschichte  der  Kirchenverfassung 
Deutschlands  im  Mittelalter",  dessen  Ausarbeitung  wohl  schon 
vor  längerer  Zeit  begonnen,  dessen  Vollendung  aber  durch 
immer  neue  und  andere  Obliegenheiten  hinausgeschoben  wurde. 
In  ihm  darf  die  Darlegung  der  Versuche,  durch  eine  deutsche 
Nationalkirche  den  engen  Zusammenhang  des  deutschen  Kirchen- 
wesens mit  der  allgemeinen  Kirche  zu  lockern,  nur  einen 
kleinen  Raum  beanspruchen;  hier  aber  war  es  möglich,  alle 
jene  Bestrebungen  eingehender  zu  schildern,  in  erster  Linie 
die  mittelalterlichen,  während  ich  hoffen  möchte,  nicht  allzusehr 
deshalb  getadelt  zu  werden,  dass  ich  auch  die  neuzeitlichen 
Pläne  einer  Nationalkirche  für  die  deutschen  Bekenner  des 
katholischen  Glaubens  in  gedrängtem  Ueberblicke  zu  würdigen 
suchte.  Nur  so  schien  es  möglich,  die  Verflechtung  aller  der 
Umstände  aufzudecken,  die  seit  dem  10.  Jahrhundert  bis  zur 
Gegenwart  den  Bau  einer  deutschen  Nationalkirche  verhindert 
haben.  Wer  dies  Ideal  sich  zu  eigen  gemacht  hat,  muss 
Resignation  zu  üben  verstehen.  Man  mag  ihn  zu  den  Utopisten 
zählen,  wird  es  aber  begreiflich  finden,  dass  er  sich  mühte, 
in  einer  historischen  Darstellung  Rechenschaft  darüber  abzu- 
legen, warum  jenes  Ziel  bisher  nicht  erreicht  wurde  und  kaum 
jemals  wird  erreicht  werden  können. 

Mein  erster  Dank  gilt  dem  Herausgeber  der  „  Kirchen- 
rechtlichen Abhandlungen**,  U.  Stutz,  dafür,  dass  er  in  Hebens- 


VIII  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

würdigster  Weise  meiner  Arbeit  Gastfreundschaft  gewährte, 
und  zu  Dank  auch  haben  die  Herren  H.  U 1  mann- Greifs wald, 
G.  Beckmann -Erlangen,  R.  Holtzmann-Strassburg,  G.  Lei- 
dinger-München,  K.  Lux-Münster  und  J.  Trefftz-Weimar 
mich  verpflichtet,  die  mehrfach  mit  Rat  und  Tat  mich  unter- 
stützten. Wie  früher  hat  E.  Stengel-Marburg  mit  freund- 
schaftlicher Hilfsbereitschaft  mir  zur  Seite  gestanden  und,  wie 
gleichzeitig  U.  Stutz,  sämtliche  Druckbogen  überprüft;  die 
gütige  Mitarbeit  beider  hat  begründeten  Anspruch  auf  die  Dank- 
barkeit auch  der  Leser. 

Dargebracht  sei  die  Schrift  dem  lieben  Freunde,  mit  dem 
ich  manche  hier  ausgeführte  Gedankenreihe  erörtern  konnte. 
In  der  Ferne  mag  die  Widmung  ihn  daran  erinnern,  wie  sehr 
seine  Anregungen  mich  zu   seinem  Schuldner   gemacht  haben. 

Königsberg  i.  Pr.,  16.  März  1910. 

Albert  Werminghoff. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Vorwort VII 

Inhaltsverzeichnis IX 

Literaturverzeichnis XI 

Einleitung 1 

Erster  Abschnitt.     Der  angebliche  Plan  des  Erzbischofs  Aribo 

von  Mainz  (1021-1031) 6 

Zweiter  Abschnitt.  Die  Trierer  Stilübungen  aus  der  Zeit  Fried- 
rich Barbarossas 11 

Dritter  Abschnitt.    Das  Konkordat  Papst  Martins   V.  mit  der 

,, deutschen  Nation"  vom  Jahre  1418  .  .  22 
Vierter  Abschnitt.  Die  Mainzer  Acceptation  vom  Jahre  1430  33 
Fünfter  Abschnitt.  Das  Wiener  Konkordat  vom  Jahre  1448  .  86 
Sechster  Abschnitt.  Nationalkirchliche  Pläne  des  ausgehenden 

Mittelalters 110 

Siebenter  Abschnitt.  Populäre  und  humanistische  Gedanken.  — 
M.  Luther  und  die  evangelischen  Landes- 
kirchen. —  Die  katholische  Kirche  der  Neu- 
zeit und  Pläne  einer  deutschen  National- 
kirche katholischen  Glaubens 134 

Exkurs.     Der  Text  der  Cedula  im  Mainzer  Acceptationsinstrument       162 
Register 175 


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Einleitung. 


Unüberbrückbare  Gegensätze  des  Wesens  verhindern  die 
vollständige  Uebereinstimmung  der  beiden  rechtlich  organi- 
sierten Lebensordnungen  menschlicher  Gesellschaft,  des  Staates 
und  der  Kirche.  Jener  findet  das  ihn  bildende  Prinzip  in  der 
irdischen  Macht,  diese  im  religiösen  Glauben.  Der  Staat  erscheint 
als  die  Zusammenfassung  von  Menschen  zu  bewusster  Betäti- 
gung ihrer  nach  Unabhängigkeit  ringenden  Eigenart  und  Kraft, 
die  Kirche  hingegen  fordert  als  Ziel  die  Vereinigung  aller 
Menschen  zu  gemeinschaftlicher  Anteilnahme  an  den  Ideen, 
die  seit  dem  Auftreten  Christi  dem  supranaturalen  Sehnen  der 
Gläubigen  Genüge  tun  wollen.  Drängt  es  aber  den  einzelnen 
Staat  danach,  in  individueller  Ausprägung  seiner  Machtbetäti- 
gung vom  Nachbarstaate  sich  abzusondern,  so  hat  auf  der 
anderen  Seite  die  verschiedene  Weise  religiöser  Erkenntnis  sich 
in  verschiedenen  Kirchen  verkörpert:  der  grossen  Zahl  natio- 
naler Staaten,  die  im  Laufe  der  Jahrhunderte  auf  einem  für 
den  einzelnen  räumlich  umgrenzten  Gebiete  entstanden  und 
vergingen ,  tritt  eine  erheblich  kleinere  Anzahl  von  Kirchen 
gegenüber,  unter  denen  eine,  die  römisch-katholische,  in  erster 
Linie  beansprucht,  ihre  Lehre  und  Verfassung  über  die  ge- 
samte Erde  ausdehnen  zu  können.  Der  einzelne  Staat  wird 
bestrebt  sein,  für  das  Geltungsbereich  seines  den  irdischen 
Diu  gen  zugekehrten  Willens  die  römisch-katholische  Kirche 
zu  beeinflussen,  um  auch  hierdurch  sein  Machtprinzip  zur 
Geltung  zu  bringen ;  er  wird  sich  mühen,  die  Kirche  von  sich 

Worminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  1 


2  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

abzuschütteln,  sobald  diese,  die  Bebüterin  des  Glaubens ,  eine 
der  Unabhängigkeit  des  Staates  feindliche,  ihrem  eigenen  Prin- 
zip von  Haus  aus  fremde  Herrschaft  über  den  Staat  und  dessen 
Angehörige  erlangt  hat,  eine  Herrschaft,  die,  weil  rechtlich 
organisiert,  wieder  allein  der  staatlichen  Rechtsordnung  ver- 
wandt sein  kann. 

Staat  und  Nation  brauchen  einander  nicht  immer  zu 
decken  —  wie  wären  sonst  Weltreiche  in  Erscheinung  ge- 
treten und  Völker,  die  der  staatlichen  Geschlossenheit  ent- 
behrten? — ,  sie  sind  aber  auch  niemals  einander  aufhebende 
Gegensätze,  eben  weil  die  einzelne  Nation  erst  in  einem  Staate 
die  ihr  zukommende  Rechtsanstalt  zur  Verwirklichung  ihres 
Gesamtwillens,  zur  Entfaltung  ihres  Dranges  nach  Ansehen, 
Macht  und  Einheit  empfängt.  Wesentlich  anders  gestaltet  sich 
das  Verhältnis  der  römisch-katholischen  Kirche  zur  einzelnen 
Nation.  Dort  die  ihren  Trieben  nach  universale  Ordnung  zur 
Wahrung  des  ihr  eigentümlichen  Glaubens,  die  —  dem  Staate 
ähnlich  —  durch  die  Mittel  der  Strafe,  des  Zwanges  und  des 
Gesetzes  sich  selbst  und  ihre  Verfassung  aufrecht  zu  erhalten 
vermag;  hier  die  Gemeinschaft  von  Menschen,  Familien  und 
Stämmen,  die  nach  einer  nur  ihr  zukommenden  Individuali- 
sierung volkstümlicher  Eigenart  in  Sprache  und  Brauch,  in 
Wirtschaft  und  Recht,  kurz  in  materieller  und  intellektueller 
Kultur  verlangt.  Ueber  die  Nationen  spannt  die  Kirche  das 
Dach  ihrer  Glaubens-  und  Lebensregeln,  es  stützend  durch  das 
Gebälk  ihrer  Hierarchie.  Wird  oder  kann  aber  nicht  die  ein- 
zelne Nation  es  als  ihr  Recht  fordern,  dass  die  in  ihr  oder  in 
den  meisten  ihrer  Angehörigen  lebendige  religiöse  Anschauung 
im  Gesamtgefüge  der  Kirche  eine  Stätte  erhalte?  Dass  auch 
sie  selbst  für  sich  einen  Anteil  habe  an  der  Kirche  als  an 
einer  Institution,  deren  Organe,  den  Einzelnationen  entnommen, 
in  den  Dienst  des  kirchlichen  Gesamtkörpers  treten?  Kann, 
mit  anderen  Worten,  die  Kirche  nicht  der  volkstümlichen 
Gestaltung  religiöser  Bedürfnisse  und  religiöser  Eigenart  da- 
durch   entgegenkommen,    dass    sie    Verfassungselemente    zu- 


Einleitung.  3 

lässt,  die  innerhalb  nationaler  Grenzen  wirken  und  gleichwohl 
den  Zusammenhang  mit  der  internationalen  Kirche  nicht  zer- 
stören ? 


Leicht  mag  man  solche  Fragen  aufwerfen;  ihre  Beant- 
wortung wird  um  so  schwerer  sein,  als  sie  allein  auf  histori- 
schem Wege  gegeben  werden  kann. 

„Gehet  hin  und  lehret  alle  Völker  und  taufet  sie,"  so 
hatte  einst  Christus  seinen  Jüngern  anbefohlen,  und  dem  uni- 
versalen Weltreich  der  Römer  entsprach  die  katholische  Kirche, 
derart  dass  nur  der  Untertan  des  irdischen  Imperium  zugleich 
das  Mitgliedschaftsrecht  in  der  ökumenischen  Ekklesia  besass  ; 
man  hätte:  Civis  Romanus,  ergo  fidelis  Christianus,  aber  auch: 
Fidelis  Christianus,  ergo  civis  Romanus  folgern  können ,  ohne 
falscher  Logik  bezichtigt  zu  werden.  Das  Reich  zerfiel,  und 
aus  den  Resten  der  römischen  Bevölkerung  wie  aus  den  ein- 
dringenden Germanen  bildeten  sich  Nationen,  die  erst,  nach- 
dem sie  —  bis  auf  wenige  —  das  Weltreich  Karls  des  Grossen 
(768 — 814)  gemeinsam  durchwandert,  zu  staatlichen  Einheiten 
ausreiften.  Seit  dem  Anfange  des  10.  Jahrhunderts  traten 
Deutschland  und  Frankreich  als  Staaten  nebeneinander. 

Wie  stellte  sich  das  Deutsche  Reich  nördlich  der  Alpen 
zur  Kirche?  Diese  hatte  den  Untergang  des  altrömischen 
Reiches  und  seiner  verkleinerten  Nachbildung  im  fränkischen 
Reiche  überdauert l).  Sie  wurde  zur  Erbin  des  einen  wie  des 
anderen.  Sie  blieb  universal  als  Ecclesia  Romana,  seitdem  der 
Bischof  der  Stadt  Rom  zum  Papst  geworden  war,  seitdem 
diesen  die  Tendenz  erfüllte,  Nachfolger  der  Kaiser  zu  werden 
in  einer  Herrschaft,  die  innerlich  der  eines  Augustus  (f  14 
n.  Chr.)  oder  Karl  entgegengesetzt  war  und  doch  gleich  dieser 
eine  Macht  werden  sollte  über  die  abendländischen  Nationen 
dank  ihrer  Lehre,  dank  ihrer  Verfassung. 


*)  Vgl.  H.  von  Schubert,  Roms  Kampf  um  die  Weltherrschaft. 
Halle  1888. 


4  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Im  10.  Jahrhundert  griff  sodann  das  Königsgeschlecht  der 
deutschen  Ottonen  nach  dem  —  im  Glänze  der  Tradition 
schimmernden  und  doch  trügerischen  —  Schmuck  der  Kaiser- 
krone; die  politische  und  staatliche  Beherrschung  der  Welt, 
in  Wahrheit  des  europäischen  Abendlandes,  durch  die  dem 
deutschen  Volke  innewohnende  Kraft  sollte  ebenfalls  das  Reich 
Roms  auf  Erden  wiederherstellen.  Ueberall  traf  das  römisch  - 
deutsche  Kaisertum  jetzt  den  Einfluss,  die  Lehre,  das  Recht 
der  römisch-katholischen  Kirche.  Es  erwies  sich  als  unmög- 
lich, sie  zu  beherrschen,  um  mit  ihrer  Hilfe  die  eigene  Ober- 
hoheit zu  stützen  und  der  Vormachtstellung  der  Deutschen 
dauernden  Bestand  zu  sichern.  Kaisertum  und  Papsttum,  der 
aus  seinen  nationaldeutschen  Grenzen  herausgewachsene  Staat 
und  die  an  nationale  Schranken  nicht  gebundene  Kirche,  ge- 
rieten in  Kampf,  und  sein  Ergebnis  war  die  Niederlage  des 
Imperium,  der  Sieg  also  des  Sacerdotium  und  demnach  der 
Kirche,  der  freilich  mit  dem  Erwerb  irdischer  Macht  nach  der 
tiefsinnigen  Sage  des  Mittelalters  zugleich  verderbliches  Gift 
eingeflösst  werden  sollte  x).  Die  Zeit  der  grossen  Kirchenver- 
sammlungen des  15.  Jahrhunderts  brachte  noch  keinen  Aus- 
gleich zwischen  allen  nationalstaatlichen  Individuen  auf  der 
einen,  der  Papstkirche  auf  der  anderen  Seite.  Einen  Schritt 
weiter  tat  alsdann  die  deutsche  Reformation,  die  jedoch, 
entsprechend  der  territorialen  Auflösung  des  Reiches  als 
dem  Erbteil  des  Ringens  um  die  Weltherrschaft,  nur  den  An- 
hängern der  neuen  Lehre  Luthers  territoriale  Kirchen  schaffen 
konnte.  Noch  heute  steht  ein  Teil  unserer  Nation,  die  vor 
wenig  mehr  denn  einem  Menschenalter  sich  den  staatlichen 
Neubau  zimmerte,  innerhalb  der  universalen  Kirche,  die  zu 
Trient  (1545—1563)  und  im  römischen  Vatikan  (1869—1870) 
ihren  Glauben  wie  ihre  Verfassung  festgelegt  hat.  Täglich 
empfindet  der  Protestant  den  Gegensatz  ihrer  religiösen  Ueber- 


1)  Vgl.  .T.  von  Döllinger,  Papstfabeln  des  Mittelalters  (2.  Aufl., 
Stuttgart  1890),  S.  112  ff. 


Einleitung.  5 

zeugung  und  zugleich  ihres  kirchlichen  Rechts  gegenüber  denen, 
welche  der  grössere  Teil  seiner  Volksgenossen  als  die  seinigen 
anerkennt  und  behütet.  Alt  und  immer  neu  erscheint  die 
Divergenz  zwischen  dem  nationalen  Staate  und  der  universalen 
Kirche  —  ein  Mittel  des  Fortschritts  und  der  Hemmnis.  In 
stets  wechselnden  Formen  bewegen  sich  die  Bahnen  von  Nation 
und  Kirche,  sich  abstossend  und  berührend,  niemals  einander 
entbehrlich,  nicht  zu  allen  Zeiten  den  Bedürfnissen  der  Nation 
geneigt.  Denn  es  ist  nicht  anders:  dem  Werdegang  unseres 
Volkes  fehlt  seit  dem  10.  Jahrhundert  die  Schule  einer  Kirche, 
die  den  Namen  einer  nationalen  Kirche  dadurch  verdiente, 
dass  ihre  Verbände  auf  deutschem  Boden  zusammengeschlossen 
worden  wären  durch  eine  Organisation,  die  innerhalb  der  all- 
gemeinen Kirche  eine  Sonderstellung  eingenommen  hätte,  ohne 
doch  jede  und  alle  religiösen  und  rechtlichen  Beziehungen  zur 
römisch-katholischen  Kirche  abzubrechen. 

Nur  Ansätze  und  Versuche  zur  Herbeiführung  einer  natio- 
nalen Kirche  Deutschlands  treten  entgegen;  die  mittelalter- 
lichen unter  ihnen  zu  würdigen  soll  das  Ziel  unserer  Dar- 
legungen bilden. 


Erster  Abschnitt. 

Der  angebliche  Plan  des  Erzbischofs  Aribo 
von  Mainz  (1021—1031). 


Der  Sieg  des  Katholizismus  über  den  Arianismus,  nicht 
zuletzt  durch  die  Bekehrung  des  fränkischen  Königs  Chlodo- 
wech  (481 — 511)  herbeigeführt,  war  zugleich  die  Todesstunde 
jener  arianischen  Sonderkirchen,  die  bei  den  Vandalen,  den 
Ost-  und  Westgoten,  endlich  den  Langobarden  sich  erkennen 
lassen  x).  Das  Königtum  der  Merowinger  und  Karolinger  so- 
dann gestaltete  die  Kirche  seines  Volkes  zur  Landes-  und 
Staatskirche  aus,  die  Karl  der  Grosse  (768 — 814)  zur  Reichs- 
kirche erhob,  um  selbst  über  sie  zu  herrschen  und  in  ihr  auch 
dem  Papste  seinen  Willen  aufzunötigen. 

Wesentlich  verschieden  von  ihr  war  die  sogenannte  Otto- 
nische  Verfassungskirche2).  Der  Träger  der  Reichsgewalt  war 
zugleich  der  kirchliche  und  weltliche  Gebieter  der  Erzbischöfe, 
Bischöfe  und  Reichsäbte,  deren  Anstalten  seine  Reichseigen- 
kirchen waren.  Er  fasste  sie  zusammen  mittels  einer  eigentüm- 
lichen Verquickung  staatlicher  und  kirchlicher  Befugnisse, 
öffentlich-rechtlicher  und  patrimonialer  Anschauungen.    Er  sah 

*)  Vgl.  H.  von  Schubert,  Das  älteste  germanische  Christentum 
oder  der  sogen.  „Arianismus".  Tübingen  1909;  dagegen  aber  U.  Stutz, 
Arianismus  und  Germanismus :  Internationale  "Wochenschrift  für  Wissen- 
schaft, Kunst  und  Technik  herausg.  von  P.  Hin  neb  er  g  III  (1909), 
S.  1561  ff.  1615  ff.  1633  ff. 

2)  Zum  Folgenden  vgl.  meinen  Aufsatz  über  die  Kirche  Deutsch- 
lands im  früheren  Mittelalter  und  ihre  Beziehungen  zur  allgemeinen 
Kirche:  Deutsche  Monatsschrift  herausg.  von  0.  Hotz  seh  VI  (1907), 
S.  339  ff.,  dazu  aber  U.  Stutz  a.  a.  O.  S.  1637. 


Angeblicher  Plan  Aribos  von  Mainz.  7 

die  Gesamtheit  seiner  Reichseigenkirchen  die  Grenzen  seines 
Staates  überschreiten.  Er  suchte  das  Papsttum  in  den  Bann- 
kreis seiner  Herrschaft  zu  zwingen  und  vermochte  doch  nicht, 
den  Nachfolger  Petri  einer  mit  der  Kirchenhoheit  des  König- 
tums wetteifernden  Leitungsgewalt  in  und  über  den  einzelnen 
Reichseigenkirchen  zu  entkleiden.  Allerdings,  das  Papsttum 
des  10.  und  des  beginnenden  11.  Jahrhunderts  war  infolge 
der  Verrottung  zahlreicher  seiner  Inhaber  nicht  im  stände,  den 
kirchlichen  Organisationen  auf  deutschem  Boden  jenes  un- 
erträgliche Joch  aufzubürden,  über  das  zu  Ende  des  9.  Jahr- 
hunderts, im  Jahre  895,  die  Synode  zu  Tribur  geklagt  hatte1). 
Die  deutschen  Könige  aber  bis  zur  Mitte  des  11.  Jahrhunderts 
taten  nichts,  um  ihre  Gewalt  über  den  Stuhl  Petri  in  eine 
dauernde  umzuwandeln.  Die  Rechte  des  Königtums  und  des 
Papsttums  wurden  nicht  gegenseitig  abgegrenzt,  zu  einer  Zeit 
da  die  Ideen  Clunys  und  mit  ihnen  die  Rezeption  pseudoisido- 
rischer  Fälschungen  gerade  der  universalen  Kirche  und  ihrem 
Oberhaupt  neue  Kräfte  der  inneren  Gesundung,  der  Verselb- 
ständigung zuführten.  Wie  auf  Karl  den  Grossen  ein  Niko- 
laus I.  (858 — 867)  gefolgt  war,  so  folgte  auf  Otto  den  Grossen 
(936—973)  und  Konrad  IL  (1024—1039)  ein  Gregor  VII. 
(1073 — 1085);  die  universale  Kirche  zerstörte  die  Keime  einer 
nationalen  Kirchenverfassung,  die  in  der  kirchlichen  Herrschaft 


r)  Mon.  Germ.  Capitularia  II,  S.  280  f.  n.  252  c.  30:  In  memoriam  beati 
Petri  apostoli  honoremus  sanctam  Romanam  et  apostolicam  sedem,  ut, 
quae  nobis  sacerdotalis  mater  est  dignitatis,  esse  debeat  magistra  eccle- 
siasticae  rationis.  Quare  servanda  est  cum  mansuetudine  humilitas,  ut, 
licet  vix  ferendum  ab  illa  sancta  sede  inponätur  iugum,  conferamus  et 
pia  devotione  toleremus.  —  Man  möchte  vermuten,  dass  hier  eine  Ent- 
lehnung aus  einer  älteren  Quelle  (etwa  aus  der  Zeit  Nikolaus'  I.,  f  867) 
vorliegt.  Auf  den  Triburer  Kanon  verweist  Enea  Silvio  am  Schluss 
seiner  Arbeit  De  ritu,  situ,  moribus  et  conditione  Grermaniae  descriptio 
vom  Jahre  1457/58  als  Antwort  auf  Klagen  über  die  Uebertretungen 
des  Wiener  Konkordats  von  1448  (Opp.  ed.  Basil.  1571,  p.  1086);  er  fand 
ihn  unter  der  falschen  Ueberschrift :  Item  ex  capitulo  Caroli  imperatoris 
im  Dekret  Gratians  (c.  3  Dist.  19). 


8  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

des  deutschen  Königtums  über  seine  Reichseigenkirchen  — 
nicht  mehr  also  gab  es  wie  in  fränkischer  Zeit  eine  Reichs- 
kirche —  beschlossen  gewesen  waren. 

Diese  kirchliche  Herrschaft  des  deutschen  Königtums  über 
seine  Reichseigenkirchen  war,  solange  sie  bestand,  ein  Band 
ihrer  nationalen  Einigung,  nicht  aber  ein  Mittel  ihrer  Ent- 
fremdung und  Lösung  yon  der  allgemeinen  Kirche.  Derselbe 
deutsche  König  beanspruchte  durch  den  Besitz  der  Kaiserkrone 
und  den  Einfluss  auf  das  Papsttum  die  Herrschaft  über  die 
allgemeine  Kirche;  mit  ihr  also  waren  die  deutschen  Reichs- 
eigenkirchen auf  zweifache  Weise  verbunden.  Diesen  Zustand 
zu  beseitigen,  eine  deutsche  Nationalkirche  zu  schaffen,  die 
möglichst  unabhängig  gewesen  wäre  vom  Kaiser  oder  vom 
Papst,  hätte  eine  so  tiefgreifende  Umwälzung  alles  bestehenden 
Rechtes  bedeutet,  dass  um  sie  herbeizuführen  nicht  nur  eine 
Generation  oder  gar  nur  ein  einzelner  deutscher  Kirchenfürst 
genügt  hätte.  Freilich  hat  man  in  Erzbischof  Aribo  von  Mainz 
(1021—1031)  den  Träger  derartiger  Tendenzen  erblicken  wollen ; 
es  ist  verwiesen  worden  auf  die  Beschlüsse  des  von  ihm  ver- 
anstalteten Provinzialkonzils  zu  Seligenstadt  im  Herbst  1023, 
vor  allem  auf  dessen  16.  und  18.  Kanon.  Jener  verbot,  dass 
jemand  nach  Rom  zöge  ohne  Erlaubnis  des  Bischofs  oder 
seines  Stellvertreters l) ;  dieser  erklärte  es  für  unstatthaft,  dass 
Büsser  vom  Papste  in  Rom  die  Befreiung  der  ihnen  von 
Priestern  auferlegten  Bussen  erwirkten,  vielmehr  sollte  erst 
nach  Leistung  der  Busse  eine  Romreise  erlaubt  sein  und  nur 
mit  Genehmigung  des  Bischofs,  der  zugleich  an  den  Papst 
über  den  Einzelfall  berichten  werde2).    Ohne  Zweifel  darf  die 


!)  Mon.  Germ.  Constitutiones  I,  S.  638  n.  437  c.  16:  Decrevit  sancta 
synodus,  ut  nullus  Romam  eat  nisi  cum  licentia  episcopi  sui  vel  eius 
vicarii. 

2)  Ebd.  c.  18:  Quia  multi  tanta  mentis  suae  falluntur  astutia,  ut 
in  aliquo  capitali  crimine  inculpati  penitentiam  a  suis  sacerdotibus  acci- 
pere  nolunt,  in  hoc  maxime  confisi,  ut  Romam  petentibus  apostolicus 
omnia  dimittat  peccata,  sancto  concilio   visum   est,   ut  talis   indulgentia 


Angeblicher  Plan  Aribos  von  Mainz.  <> 

Hypothese *)  von  Aribos  weit  ausschauendem  Plan  heute  als 
widerlegt  gelten  2).  Sie  überschätzte  die  Bedeutung  einer  Pro- 
vinzialsynode  und  ihrer  Kanones.  Sie  übersah,  dass  die  an- 
gemerkten Satzungen  nichts  anderes  waren  als  ein  Schachzug 
Aribos  gegen  den  Papst,  dem  der  Erzbischof  wegen  der  Behand- 
lung der  Hammersteinschen  Ehescheidungsangelegenheit  Miss- 
trauen entgegenbrachte.  Die  Versammlung  zu  Seligenstadt 
wollte  allein  das  alte  Recht  sichern y).  Nur  die  Suffragane  von 
Mainz  waren  auf  ihr  vertreten ;  sie  gaben  ausdrücklich  zu,  dass 
die  Büsser,  freilich  nach  Leistung  der  Busse  in  der  Heimat, 
an  die  Entscheidung  des  Papstes  appellieren  dürften,  erkannten 
also  den  Stuhl  Petri  als  letzte  und  höchste  Instanz  an.  Wenn 
man  gemeint  hat,  die  Beschlüsse  entsprächen  unmöglich  den 
eigensten  Absichten  des  Kaisers  Heinrich  IL  (1002 — 1024), 
der  sich  nicht  hätte  verhehlen  können,  welche  Gefahr  eines 
tiefen  Bruches  von  der  Seite  Aribos  drohte,  die  Richtung  des 
Mainzer  Erzbischofs,  nur  einige  Schritte  weiter  mit  Glück  ver- 
folgt, hätte  zu  einer  einheitlichen  Gestaltung  der  deutschen 
Kirche  unter  der  Leitung  von  Mainz  mit  Notwendigkeit  führen 
müssen,  nie  endlich  hätte  Rom  der  weiteren  Entwicklung  der 


illis  non  prosit,  sed  prius  iuxta  modum  delicti  penitentiam  a  suis  sacer- 
dotibus  iniunctam  adimpleant  et  tunc,  Romam  ire  si  velint,  ab  episcopo 
proprio  licentiam  et  epistolam  ad  apostolicum  ex  liisdem  rebus  deferen- 
dam  accipiant. 

J)  H.  Bresslau,  Jahrbücher  des  deutschen  Reichs  unter  Hein- 
rich IL  Bd.  III  (Leipzig  1875),  S.  267  ff.  349  ff.;  Jahrbücher  des  deutschen 
Reichs  unter  Konrad  IL  Bd.  II  (Leipzig  1884),  S.  524  ff.  W.  von  Giese- 
brecht,  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit  II  (5.  Aufl.,  Leipzig  1885), 
S.  199  f.  625  f.  M.  Manitius,  Deutsche  Geschichte  unter  den  sächsi- 
schen und  salischen  Kaisern  (Stuttgart  1889),  S.  333  f.  Nicht  zugänglich 
war  mir  die  Schrift  von  J.  Kippenberge r,  Beiträge  zur  Geschichte 
des  Erzbischofs  Aribo  von  Mainz  (1021—1031).    Leipz.  Diss.  1909. 

2)  W.  Der  seh,  Die  Kirchenpolitik  des  Erzbischofs  Aribo  von  Mainz 
1021—1031  (Marburg  1899),  S.  7  ff.  18 ff.  A.  Hauck,  Kirchengeschichte 
Deutschlands  III  (3.  u.  4.  Aufl.,  Leipzig  1906),  S.  534 ff.  R.  Müller, 
Erzbischof  Aribo  von  Mainz  (Leipzig  1881),  S.  21  ff. 

3)  Vgl.  A.  Hauck  a.  a.  O.  III,  S.  536  Anm.  1. 


10  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Mainzer  Bestrebungen  ruhig  zuzuschauen  vermocht,  so  liegt 
hierin  eine  offensichtliche  Verkennung  kirchenrechtlicher  Dinge; 
denn  kein  Wort  jener  Kanones  verrät,  wie  ihre  Urheber  die 
Neuordnung  der  Kirche  Deutschlands  sich  dachten,  ganz  ab- 
gesehen davon  dass  Anlass  und  Inhalt  der  Beschlüsse  einzig 
dem  Gebiet  kirchlicher  Disziplin  angehörten,  nicht  aber  dem 
der  kirchlichen  Verfassung.  Wenn  dann  die  Seligenstadter 
Versammlung  ein  schwerer  Schlag  gegen  das  Papsttum  ge- 
nannt worden  ist,  derart  dass,  sobald  er  verfing,  an  die  Ober- 
hoheit des  römischen  Stuhles  nicht  mehr  zu  denken  gewesen 
und  wenigstens  Deutschland  mit  einer  Nationalkirche  aus  der 
katholischen  Kirche  herausgetreten,  wahrscheinlich  aber  dann 
die  anderen  christlichen  Staaten  und  ihre  Kirchen  dem  Bei- 
spiele Deutschlands  und  seiner  Kirche  gefolgt  wären,  um  in 
Zukunft  nur  nach  ihren  eigenen  Bedürfnissen  sich  zu  richten 
—  so  wird  niemand  sich  entschliessen  können,  solch  kühne 
Ausblicke  in  eine  nur  vorgestellte  Zukunft  zu  den  seinigen  zu 
machen.  Es  bleibt  bei  den  Worten  von  A.  Hauck:  „Der  Ge- 
danke einer  einheitlichen  Gestaltung  der  deutschen  Kirche 
unter  Leitung  von  Mainz  war  im  Jahre  1023  eine  Unmög- 
lichkeit" !). 


0  Ebd.  III,  S.  537. 


Zweiter  Abschnitt. 

Die  Trierer  Stilübungen  aus  der  Zeit  Friedrich 
Barbarossas. 


Im  Jahre  1023  war,  wie  wir  sahen,  der  Gedanke  einer 
deutschen  Nationalkirche  unmöglich.  Er  ward  auch  nicht  ge- 
fasst,  als  in  der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  die  Wogen 
des  Investiturstreites  einherbrausten ,  wenn  nicht  gar  gerade 
damals  das  Gefühl  der  Verbindung  der  Kirchen  auf  deutschem 
Boden  mit  dem  Papsttum  als  der  Verkörperung  der  allgemeinen 
Kirche  noch  gesteigert  wurde.  Wie  anders  sonst  liesse  sich 
erklären,  dass  auf  der  Synode  zu  Worms  im  Jahre  1076  die 
ihrem  König  treuen  Bischöfe  Gregor  VII.  Unterwerfung  und 
Gehorsam  aufsagten,  ihn  fortan  nicht  für  einen  Papst  halten, 
nicht  mehr  Papst  nennen  wollten,  dass  aber  dieselben  Bischöfe 
nicht  an  Lösung  von  der  allgemeinen  Kirche  dachten.  „Ein 
anderer  besteige  den  Thron  des  heiligen  Petrus,  der  nicht  die 
Gewalt  mit  Frömmigkeit  umkleiden,  sondern  die  gesunde  Lehre 
des  heiligen  Petrus  verkünden  soll" x).  Noch  heute  hallt  die 
Wucht  der  Absetzungsworte  gegen  Gregor  VII.  in  uns  wieder: 
„Steige  herab,  steige  herab,  Verdammenswerter  in  aller  Ewig- 
keit" —  die  sie  aussprachen,  hatten  nur  Gregors  Person  im 
Auge.  Ihm  drohten  sie  Absetzung;  denn  sie  meinten,  dass  sie 
selbst  und  bereits  sie  allein  die  allgemeine  Kirche  darstellten. 
Mochte  solche  Rechnung  trügerisch  sein  oder  nicht,  sie  konnte 
nur  die  eines  Episkopats  sein,  der  eine  nationale  Absonderung 


')  Vgl.  Mon.   Germ.   Constitutiones   I,    S.  108  n.  59,   S.  111  n.  62; 
siehe  auch  A.  Hauck  a.  a.  0.  III,  S.  790  ff. 


12  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

nicht  plante,  wohl  aber  sich  für  befugt  hielt,  seinen  Willen 
der  allgemeinen  Kirche  aufzunötigen.  Er  konnte  es,  weil 
seine  Zugehörigkeit  zur  allgemeinen  Kirche  über  jeden  Zweifel 
erhaben  war,  weil  er  nicht  in  nationaler  Selbständigkeit  einem 
Papste  gegenübertrat,  der  nur  noch  Ehrenrechte,  nicht  aber 
auch  Rechte  der  Herrschaft  in  und  über  der  ^Kirche  bean- 
spruchte und  besass.  Dieser  Episkopat  hatte  sehen  müssen, 
wie  ihn  die  Rezeption  der  pseudoisidorischen  Dekretalen  durch 
Rom  mehr  und  mehr  zum  Diener  des  Papsttums  zu  machen 
drohte.  Indem  er  in  seinen  Rechten  eingeengt  wurde,  bahnte 
sich  zugleich  die  schärfere  Konzentration  der  kirchlichen  Ord- 
nungen zu  Händen  des  Nachfolgers  Petri  an. 

Dem  vorläufigen  Frieden  zwischen  Imperium  und  Sacerdo- 
tium  im  Wormser  Konkordat  vom  Jahre  1122  folgten  die  allge- 
meinen, vom  Papst  veranstalteten  Laterankonzilien  (1123,  1139, 
1179  und  1215),  deren  Reihe  die  Etappen  zu  steigender  Be- 
herrschung der  Gesamtkirche   durch   das  Papsttum  darstellt1). 

Wie  das  Rittertum  in  Deutschland,  England  und  Frank- 
reich sich  getragen  sah  von  internationalen  Regeln  für  die 
Lebensführung  seiner  Mitglieder,  so  war  seit  der  Wende  des 
12.  und  13.  Jahrhunderts  der  Klerus  'ein  überall  verwertbares 
Werkzeug  zur  Aufrechterhaltung  der  päpstlichen  Universal- 
monarchie. Kein  staatliches,  geschweige  denn  ein  kirchliches 
Gesetz  knüpfte  die  Inhaberschaft  einer  hohen  oder  niederen 
Pfründe  an  die  landsmannschaftliche  Zugehörigkeit  des  Geist- 
lichen zu  dem  Volke,  in  dem  er  wirken  sollte;  Männer,  die 
der  deutschen  Sprache  nicht  mächtig  waren,  konnten  deutsche 
Bischöfe   und   damit  Reichsfürsten   werden.      Die  Erzbischöfe 


J)  Vgl.  für  das  Wormser  Konkordat  und  die  späteren  Verbriefungen 
von  1209, 1213  und  1216  Mon.  Germ.  Constitutiones  I,  S.  159  ff.  n.  107. 108, 
II,  S.  36  n.  31,  S.  58  n.  46.  47,  S.  68  n.  56.  —  Die  Akten  der  Lateran- 
konzilien finden  sich  bei  Mansi,  Coli,  conciliorum  XXI,  277  ff.  523  ff. 
XXII,  210 ff.  953 ff.;  über  die  Aufnahme  ihrer  Kanones  in  das  Corpus 
iuris  canonici  vgl.  dessen  Ausgabe  durch  E.  Friedberg  I  (Leipzig 
1879),  p.  XXV.  II  (1881),  p.  XI  sq. 


Trierer  Stüübungen  (um  1158).  1# 

waren  an  den  Papst  gebunden  durch  Treueid  und  Pallium,  die 
Bischöfe  ihm  zum  Schwur  des  Gehorsams  verpflichtet.  Die 
Domkapitel  sahen  bei  der  Ausübung  des  wichtigsten  ihnen  zu- 
gewachsenen Rechtes,  bei  dem  der  Bischofswahl,  sich  angewiesen 
auf  die  Gunst  und  die  Entscheidung  der  Kurie.  Die  autonome 
Verwaltung  der  Kirchenprovinzen  wurde  gestört  durch  die 
Vertretergewalt  geldgieriger  Legaten,  die  der  Diözesen  durch- 
brochen durch  zahlreiche  Exemtionen.  Der  oberste  Gerichts- 
hof für  alle  kirchlichen  Streitigkeiten  war  die  römische  Kurie. 
Der  Papst  war  der  letzte  Urheber  des  allgemeinen  kirchlichen 
Rechtes,  zumal  seit  dem  Decretum  Gratiani  aus  der  Mitte  des 
12.  Jahrhunderts  die  Sammlung  päpstlicher  Dekretalen  gefolgt 
war,  wie  sie  Gregor  IX.  (1227 — 1241)  durch  Uebersendung 
an  die  Universitäten  bekannt  machte. 

Unser  Blick  sucht  das  deutsche  Königtum;  wir  fragen, 
ob  es  denn  gar  nichts  tat,  um  diese  Entwicklung  aufzuhalten. 
Daran  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  es  dank  dem  Ausgang 
des  Investiturstreites  eine  wesentliche  Stütze  seiner  Macht  über 
die  Kirchen  auf  deutschem  Boden  verloren  hatte,  die  kirch- 
liche Herrschaft  über  die  Bistümer,  deren  Besetzung  fortan 
durch  kanonische  Wahl  erfolgen  sollte;  nur  die  Einweisung 
des  Gewählten  in  das  Gut  seiner  Kirche,  also  die  weltliche 
Herrschaft  über  den  Besitz  der  Reichskirchen,  blieb  Sache  des 
Königs.  Die  wenig  glückliche  Kirchenpolitik  Lothars  vonSupplin- 
burg  (1125 — 1138)  vermochte  die  vorübergehende  Schwächung 
des  Papsttums  durch  ein  Schisma  nicht  für  sich  auszunutzen1). 
Sein  Nachfolger  Konrad  III.  (1138 — 1152)  war  nichts  weni- 
ger als  befähigt,  dem  Vordringen  des  päpstlichen  Einflusses 
entgegenzutreten;  gerade  für  seine  Regierungszeit  gilt  die 
Beobachtung,  dass  die  Ansprüche  Roms  getragen  waren  von 
jener  mächtigen  kirchlichen  Strömung,  die  seit  der  Wende  des 
11.  und  12.  Jahrhunderts,  trotz  vereinzelter  Gegenwirkungen, 


*)  Vgl.  K.  Hampe,   Deutsche  Kaisergeschiclite    im   Zeitalter   der 
Salier  und  Staufer  (Leipzig  1909),  S.  92  f. 


14  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

noch  immer  ungebrochen  die  Geister  beherrschte x).  Damals 
wurde  wahr,  was  seinem  Stiefbruder,  dem  Bischof  Otto  von 
Freising  (f  1158),  als  Zeichen  der  Zeit  erschien:  „Durch  des 
Reiches  Kräfte  und  die  Gunst  der  Könige  —  daran  zweifelt 
niemand  —  ist  die  Kirche  erhöht  und  reich  geworden;  es 
steht  fest,  dass  sie  nicht  eher  das  Reich  so  sehr  erniedrigen 
konnte,  als  bis  dieses  selbst  durch  seine  Liebe  zum  Priester- 
tum  entnervt  und  seiner  Kräfte  beraubt,  nicht  nur  durch  das 
Schwert  der  Kirche,  das  heisst  das  geistliche,  sondern  auch 
durch  sein  eigenes  weltliches  Schwert  durchbohrt,  vernichtet 
wurde;"  die  Kirche  sah  der  Philosoph  unter  den  frühmittel- 
alterlichen Historikern  zu  einem  grossen  Berge  emporgewachsen, 
von  dem  ein  Stein  sich  losreissen  würde,  um  das  Reich  völlig 
zu  zerstören 2).  Noch  einmal  versuchte  dann  Friedrichs  I. 
hochstrebendes  Königtum  (1152 — 1190)  gegenüber  den  grego- 
rianisch-kirchlichen Ideen  dem  alten  imperatorischen  Recht 
zu  neuem  Leben  zu  verhelfen;  es  musste  scheitern,  da  sein 
Streben  einen  Widerstand  entfesselte,  dessen  Stärke  er  viel- 
leicht anfänglich  unterschätzt  hatte,  den  des  Bündnisses  von 
Papst  und  oberitalienischem  Städtetum 3).  Nicht  als  ob 
Friedrich  I.  die  Herrschaft  des  Papstes  über  die  allgemeine 
Kirche  und  die  kirchlichen  Anstalten  in  Deutschland  be- 
kämpft hätte.  Er  sah  in  Alexander  III.  (1159—1181)  den 
Verkleinerer  des  kaiserlichen  Rechtes,  der  nicht  nur  über  den 
Klerus,  sondern  auch  über  das  Reich   gebieten   wolle4).    Man 

')  Vgl.  K.  Hampe  a.  a.  0.  S.  106  f. 

2)  Vgl.  Otto  von  Freising,  Chronicon  lib.  I  praefatio,  lib.  VII 
praef.  und  VII  c.  16  ed.  R.  Wilmans  (Scriptores  rerum  Germanicarum, 
Hannover  1867),  S.  5.  295  u.  313;  benutzt  würde  die  Uebersetzung  von 
H.  Kohl  (2.  Aufl.,  Leipzig  1894),  S.  XIII,  52  f.  und  75 f. 

3)  Vgl.  K.  Hampe  a.  a.  0.  S.  115  ff.  125  ff.  K.  Jacob:  Die  Reli- 
gion in  Vergangenheit  und  Gegenwart  I  (Tübingen  1909),  S.  2084  f. 

4)  Vgl.  Gerhoh  von  Reichersberg,  Ad  cardinales  (geschrieben 
1167  auf  1 168),  Mon.  Germ.  Libelli  de  lite  III,  S.  408 ;  siehe  auch  A.  H  a  u  c  k 
a.  a.  O.  IV  (Leipzig  1903),  S.  265  ff.  über  die  Bedeutung  des  Würzburger 
Reichstags  vom  Jahre  1165. 


Trierer  Stilübungen  (um  1158).  15 

darf  auch  nicht  glauben,  dass  der  Hohenstaufe  mit  dem  Papste 
rang  um  die  weltliche  Herrschaft  über  die  Reichskirchen. 
Friedrich  behauptete  sie  und  die  deutschen  Bischöfe  standen 
zu  ihm,  weil  die  zunehmende  Bedeutung  ihrer  reichs-  und 
namentlich  landesfürstlichen  Aufgaben  sie  auf  die  Seite  der 
Krone  verwies.  Die  weltlich-politischen  Bestrebungen  Fried- 
richs allein  waren  die  Ursachen  des  Kampfes,  der  entsprechend 
der  durch  sie  geweckten  Gegnerschaft  wie  mit  weltlichen  so 
mit  kirchlichen  Mitteln  geführt  wurde.  Ihm  aber  und  seinem 
Ratgeber  Reinald  von  Dassel  (seit  1159  Erzbischof  von  Köln, 
f  1167)  hat  es  stets  ferngelegen,  im  Streite  wider  Rom  und  den 
Papst  eine  Neugestaltung  der  kirchlichen  Verfassung  Deutsch- 
lands in  den  Kreis  der  Schachzüge  einzubeziehen 1). 

Eben  zur  Zeit  Friedrichs  I.  taucht  nun  zum  ersten  Male, 
nicht  vom  Kaiser  und  seinem  Berater  geschmiedet,  nicht  von 
ihnen  als  Rüstzeug  gegen  das  Papsttum  ausgebeutet,  der  Ge- 
danke einer  deutschen  Nationalkirche  auf.  Er  begegnet  in 
drei  angeblichen  Schreiben  Friedrichs  L,  des  Erzbischofs 
Hillin  von  Trier  (f  1169)  und  des  Papstes  Hadrian  IV. 
(1154 — 1159),  Erzeugnissen  der  Schule  ohne  jegliche  Wirkung 
auf  den  Gang  der  Ereignisse  selbst,  die  gleichwohl  die  Ge- 
dankenwelt des  unbekannten  Verfassers  eigenartig  genug  ent- 
hüllen 2).  Es  sind  nicht  Produkte  der  öffentlichen  Meinung  wie 
die  Flugschriften  in  der  Periode  des  Investiturstreites,  sondern 
solche  der  stillen  Gelehrtenstube,  in  welcher  ein  Schulhalter 
seinen  Zöglingen  das  Thema  „Trennung  der  Kirchen  Deutsch- 
lands von  Rom"  zur  Bearbeitung  gestellt  haben  mochte,  oder  Aus- 
arbeitungen eines  Mannes,  dem  die  Aufrichtung  einer  deutschen 
Nationalkirche  erstrebenswert,  daher  durchführbar  erschien. 

Die  drei  Briefe  sollen  nach  dem  Reichstag  zu  Besan9on 
(Oktober  1157)  bis  zum  März  1158  geschrieben  sein.    Friedrich 


J)  Vgl.  A.  Hauck  a.  a.  0.  IV,  S.  209. 
>    2)  Die  Briefe  sind  herausgegeben  von  W.  Wattenbach:   Archiv 
für  Kunde  österreichischer  Geschichtsquellen  XIV  (Wien  1855),  S.  86  ff. 
88  f.  89  ff. 


1(5  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

beginnt  mit  Darlegungen  darüber,  dass  seine  Gewalt  unmittel- 
bar von  Gott  stamme;  voller  Anmassung  habe  Hadrian  IV. 
das  Regnum  Romanum  als  ein  von  ihm  an  Friedrich  erteiltes 
Lehen  bezeichnet,  in  Viterbo,  der  Kammer  des  Reiches,  und 
nicht  in  Rom  seinen  Sitz  aufgeschlagen  und  den  Kaiser  ex- 
kommuniziert. „Ihr  selbst"  —  Hillin  von  Trier  wird  ange- 
redet —  „habt  sicherlich  gesehen  und  gehört,  wie  uns  die 
Römer  verlachen,  die  uns  die  einfältigen  Deutschen  nennen, 
weil  wir  dem  Gebote  des  Papstes  uns  unterordnen,  obwohl 
der  ganze  Erdkreis  die  Wucht  unserer  Rechten  nicht  zu  er- 
tragen vermöchte.  Ihr  seid  Primas  diesseits  der  Alpen  und 
<las  Herz  des  Reiches.  Eure  berühmte  Metropole  Trier  ist 
ausgezeichnet  durch  den  ungenähten  Rock  Christi.  Sie  befreie 
•das  mystische  Kleid  des  Herrn,  das  ist  die  Kirche,  aus  den 
Händen  jenes  Papstes,  durch  den  es  zerrissen  und  wiederum 
an  die  Aegypter  verkauft  ist.  Ihn,  den  Dieb  und  Räuber, 
werden  wir  ausschalten  und  Euch,  die  Ihr  das  zweite  Rom 
lenkt,  damit  Ihr  Eure  Brüder  stärket,  wenn  jener  abirrt  — 
Petrus  hat  ja  Euch  in  seinem  Stabe,  den  er  von  Gott  selbst 
empfing,  die  Gewalt  verliehen,  dass  Ihr  allein  unter  allen  un- 
mittelbar hinter  Petrus  stündet  wie  er  selbst  hinter  Christus  — , 
Euch  übertragen  wir  auf  Grund  kaiserlicher  Machtvollkommen- 
heit die  Leitung  der  Kirche  an  Petri  Stelle.  Alle  im  Reiche 
diesseits  der  Alpen,  die  in  den  Streit  verwickelt  sind,  sollen 
fortan  nicht  mehr  nach  Viterbo,  dem  neuen  Rom,  sondern  nach 
Trier,  dem  zweiten  Rom,  kommen  und  hier,  wo  nicht  das 
Geldstück  herrscht  wie  im  neuen  Rom  *),  ihre  Prozesse  nach 
Recht  und  Gerechtigkeit  entschieden  sehen.  Euch  hat  Petrus 
seinen  Stab  übergeben,  damit  auf  Euch  die  ganze  Würde 
gleichsam  nach  Erbrecht  übergehe.  Erhebt  Euch  mit  uns 
wider  den,   der   sich  Vikar  Petri   nennt   und  es  nicht  ist,    als 


')  Vgl.  hierzu  die  Passio  domini  pape  secundum  marcam  auri  et 
argenti  bei  W.  Grundlach,  Heldenlieder  der  deutschen  Kaiserzeit  III 
(Innsbruck  1899),  S.  797  ff. 


Trierer  Stilübungen  (um  1158).  17 

der  Erbe  Petri,  und  bewirkt,  dass  Eure  Suffragane,  die  Bischöfe 
von  Metz,  Toul  und  Verdun,  mit  uns  sich  einverstanden  er- 
klären. Ihr  seid  die  Säule  des  Reiches  und  durch  Euch 
sollen  die  anderen  uns  Beistand  leisten  wider  die  Söhne  Be- 
lials"  1).  Soweit  der  erste  Brief,  dem  die  beiden  übrigen  keinen 
neuen  Gedanken  hinzufügen,  der  eine  ein  angebliches  Schreiben 
Hillins  an  den  Papst,  dem  er  den  kaiserlichen,  auch  an  die 
Erzbischöfe  von  Mainz  und  Köln  übersandten  Erlass  mitteilt, 
um    ihn    zur  Versöhnung   mit   dem   Kaiser    zu    stimmen,    der 


*)  Certe  vos  ipsi  vidistis  et  audistis ,  quam  derisui  nos  habuerint 
Romani,  vocantes  nos  stultos  Alamannos,  quod  ad  preceptum  eius  staremus 
subiecti,  quorum  dextras  totus  orbis  ferre  non  posset.  Igitur  quia  vos 
primas  estis  eis  Alpes  et  cor  regni  et  metropolis  illa  vestra,  vestra  inquam 
Treviris  inclita,  que  inconsutili  prepollet  tunica  Domini,  vestro  consilio  et 
auxilio  summam  et  misterialem  tunicam  Domini,  id  est  ecclesiam,  de 
manu  illius  Amorrei,  videlicet  apostolici,  liberate,  a  quo  hueusque  scissa 
et  sorte  divisa  et  in  manus  Egyptiorum  iterum  est  vendita.  Eum  enim, 
qui  non  per  ostium,  sed  aliunde  ascendit  in  ovile  ovium,  für  quippe  est 
et  latro,  nos  in  brachio  regni  et  in  arcu  exten to  eruemus  et  vobis,  qui 
ideo  seeunde  Rome  preestis,  ut,  si  ille  deviaverit,  vos  conversus  confir- 
metis  fratres  vestros,  quod  et  vobis  Petrus  in  baculo  suo  tradidit,  sicut 
ipse  a  Domino  aeeepit,  ut  vos  solus  sitis  inter  omnes  post  Petrum,  sicut 
ipse  post  Christum,  ecclesiam  Dei  regendam  vice  Petri  imperiali  auetori- 
tate  committimus ,  ut  omnes  de  regno  nostro  eis  Alpes  non  Bitervi  ad 
novam  Romam,  sedTreveris  ad  seeundam  Romam  veniant,  qui  in  causa 
sunt,  et  seeundum  iudicium  et  iustitiam,  non  nummo  imperante  sicut 
Rome,  ubi  nummus  et  non  Petrus  regnat  et  imperat,  questiones  suas 
exequantur,  dum  Deus  tantum  sit  in  causa  et  ideo  Deus  merces  operis. 
Nonne  et  hoc  Petrus  factis  ostendit,  dum  vobis  baculum  suum  conscius 
futurorum  tradidit,  quod  adhuc  tota  dignitas  apostolici  in  vos  tantum 
metropolitanum  quasi  hereditario  iure  derivaretur?  Nonne  ideo  adhuc 
apostolicus  sine  baculo  Petri  incedit,  ut  vos  sitis  in  baculo  eius?  Igitur 
heres  Petri  contra  eum,  qui  se  dicit  vicarium  Petri  et  non  est,  nobis- 
cum  insurgite  et  suffraganeos  vestros  Metensem,  Tullensem,  Virdunensem, 
ut  nobis  et  regno  subscribant,  efficite,  et  vos  columpna  regni  pro  regno, 
quod  iam  titubat,  viriliter  state  et  stando,  quis  et  quid  sitis,  ostendite,  ut 
per  vos  ceteri  nobis  fideliter  assistant  et  filiis  Belial  unanimiter,  prout 
Dominus  dederit,  resistant  (Archiv  für  Kunde  Österr.  Geschichtsquellen 
XIV,  S.  88). 

Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  2 


18  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

andere  eine  angebliche  Enzyklika  des  Papstes  an  die  drei 
rheinischen  Erzbischöfe,  angefüllt  von  masslosen  Klagen  gegen 
Friedrich,  von  Erörterungen  über  die  Uebertragung  des  Im- 
perium durch  die  Päpste  an  die  Deutschen,  von  denen  es  ein 
Papst  wiederum  den  Griechen  zurückstellen  könne. 

Lange  schon  sind  diese  Schreiben  als  Stilübungen  er- 
kannt —  ihre  Verwertung  als  echter  Dokumente  durch  J.  Ficker 
hat  Ph.  Jaffe  unwiderleglich  als  unstatthaft  dargetan *)  — ,  es 
geht  jedoch  kaum  an,  sie  nur  harmlose  Stilübungen  zu  nennen 
eines  aufstrebenden,  aber  noch  nicht  ganz  gereiften  Trierer 
Kanzlertalentes,  das  unter  der  Herrschaft  des  trierischen  Dom- 
kirchtums  von  den  wahren  Verhältnissen  der  Welt  ausser- 
halb der  heimischen  Mauern  keine  volle  Kenntnis  besass. 
Gewiss,  den  Verfasser  traf  das  eigenartige  Missgeschick,  dass 
er  Friedrichs  I.  vermeintlichen  Plan  eines  deutschen  Papsttums 
anknüpfte  an  Hillins  Würde  eines  apostolischen  Legaten,  die 
diesem  im  Oktober  1155  von  dem  so  geschmähten  Hadrian 
übertragen  war.  Aber  auf  der  anderen  Seite  spricht  aus  seinen 
Elaboraten  die  Opposition  wider  Rom,  die  Gewissheit,  dass 
nur  ein  deutscher  Primas  oder  Papst  an  der  Spitze  der  kirch- 
lichen Verbände  auf  deutschem  Boden  diesen  die  Kraft  zur 
Selbstbehauptung  gegenüber  dem  werdenden  Monarchen  des 
kirchlichen  Universalreiches  einflössen  würde.  Diese  deutsche 
Papstkirche  würde  zwar  von  demselben  Glauben  erfüllt  sein 
wie  die  römische,  aber  eine  nur  das  Reich  nördlich  der 
Alpen  umspannende  Organisation,  ein  Oberhaupt  in  einer 
deutschen  Stadt  besitzen.  Sie  würde  eine  Schöpfung  des 
Kaisers  als  des  Trägers  auch  der  deutschen  Königskrone  sein, 
die  Schäden  kirchlicher  Verwaltung  beseitigen,  denen  die  des 
römischen  Papstes  in  der  allgemeinen  Kirche  und  folgeweise 
über  den  kirchlichen  Bezirken  Deutschlands  ausgesetzt  war. 
Es    bedarf  keiner  Worte   über    das   Phantastische  des   ganzen 


*)  J.  Ficker,  Reinald  von  Dassel  (Köln  1850),  S.  18  ff.    Ph.  Jaffe 
bei  W.  Wattenbach  a.  a.  0.  XIV,  S.  60  ff. 


Trierer  Stilübungen  (um  1158).  19 

Planes,  über  die  Unmöglichkeit  seiner  Verwirklichung  in  einer 
Zeit,  die  trotz  aller  Rückschläge  im  einzelnen  die  Macht 
des  römischen  Papsttums  in  der  Kirche  und  in  der  Welt  stei- 
gen sah.  Dass  er  erörtert  werden  konnte,  verrät  die  tiefe 
Wirkung  des  neuen  Kampfes  zwischen  Imperium  und  Sacer- 
dotium,  dazu  eine  Anteilnahme,  in  der  die  nationale  Sympathie 
für  den  Herrscher  sich  verband  mit  der  Einsicht,  dass  —  nach 
der  Preisgabe  der  kirchlichen  Herrschaft  des  Königs  über  die 
Reichseigenkirchen  im  Wormser  Konkordat  —  das  Fehlen 
einer  nationalkirchlichen  Organisation  der  romanischen  Uni- 
versaitheokratie  des  Papstes  Tür  und  Tor  öffnete.  Vielleicht 
überschätzen  wir  die  Bedeutung  jener  Schreiben,  die  den  ganzen 
Radikalismus  eines  Utopisten  an  der  Stirn  tragen.  Sie  erhalten 
jedoch  für  ihre  romfeindliche  Stimmung  eine  eigentümliche 
Folie  in  der  Besorgnis  des  Propstes  Gerhoh  von  Reichersberg 
(f  1169)  —  auch  auf  ihn  wie  auf  Bischof  Otto  von  Freising 
war  der  Aufschwung  des  deutschen  Königtums  unter  Friedrich 
Barbarossa  nicht  ohne  Wirkung  geblieben  — ,  es  möchte  bei 
der  Ueberspannung  der  päpstlichen  Gerechtsamen,  dank  der 
drückenden  Last  kurialer  Missbräuche  in  der  Verwaltung  der 
Kirche  ein  ähnlicher  Abfall  vom  Gehorsam  gegen  die  römische 
Kirche  eintreten,  wie  ehedem  schon  die  Griechen  von  ihr  ab- 
trünnig geworden  waren x).  Hier  wie  dort  also  eine  Oppo- 
sition wider  das  Papsttum,  der  auch  eine  Vision  der  hl.  Hilde- 
gard von  Bingen  (f  um  1180)  Ausdruck  gab:  die  Zeit  werde 
kommen,  wo  Völker  und  Fürsten  das  Papsttum,  in  dem  sie 
keinerlei  Religion  mehr  erkennen,  mindern  und  „  andere  Meister 
und  Erzbischöfe  unter  anderem  Namen  in  den  verschiedenen 
Ländern  einsetzen  werden",  „auf  dass  alsdann  jeder  Erzbischof 
oder  andere  geistliche  Meister  seine  Untergebenen  hinlenkt 
zum  geraden  Wege  der  Zucht"  2). 


*)  Vgl.  Grerhohs  Schrift  De  investigatione  Antichristi  I  c.  58  (87), 
Mon.  Germ.  Libelli  de  lite  III,  S.  374. 

2)  Liber  divinorum  operum  III  vis.  X.  c.  25 :  .  .  .  Romanum  impe- 
rium  in  defectum  dispergetur.  Nam  unaquaeque  gens  et  quisquis  populus 


20  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Noch  ein  Moment  sei  hier  bereits  betont.  Der  unbekannte 
Verfasser  der  Trierer  Stilübungen  konnte  die  deutsche  Kirche 
sich  nicht  denken  ohne  sichtbares  Oberhaupt,  dem  er  den 
Titel  Primas  beigelegt  wünschte.  An  einen  solchen  deutschen 
Primat  aber  dachten  auch  seit  dem  Ausgang  des  15.  Jahr- 
hunderts die  Männer,  deren  nationalkirchliche  Pläne  und  Ent- 
würfe noch  darzulegen  sein  werden,  im  Jahre  1495  Hans 
von  Hermansgrün,  der  ein  Patriarchat  ins  Auge  fasste,  im 
Jahre  1510  Jakob  Wimpheling,  wenn  er  in  historischen  Er- 
innerungen der  alten  Privilegien  von  Salzburg  und  Magdeburg 
Erwähnung  tat;  auf  eine  monarchische  Spitze  der  deutschen 
Kirche  hofften  ihre  Zeitgenossen  und,  zu  Beginn  seines  Wirkens, 
selbst  Martin  Luther  in  seiner  Schrift  „An  den  christlichen 
Adel  Deutscher  Nation  von  des  christlichen  Standes  Besserung" 
vom  Jahre  1520.  Zu  Beginn  des  19.  Jahrhunderts  glaubte 
K.  Tb.  von  Dalberg  auf  den  Titel  Primas  Germaniae,  den 
ihm    der   Reichsdeputationshauptschluss   vom   Jahre    1803   ge- 


regem sibi  tunc  constituet,  cui  obediat,  dicens,  quod  latitudo  imperii 
Romani  magis  sibi  oneris  prius  fuerit  quam  honoris.  Sed  postquam  im- 
periale sceptrum  hoc  modo  divisum  fuerit  nee  reparari  poterit,  tunc 
etiam  infula  apostolici  honoris  dividetur.  Quia  enim  nee  prineipes  nee 
reliqui  homines  tarn  spiritalis  quam  saecularis  ordinis  in  apostolico 
nomine  ullam  religionem  tunc  invenient,  dignitatem  nominis  illius  tunc 
imminuent.  Alios  quoque  magistros  et  archiepiscopos  sub  alio  nomine 
in  diversis  regionibus  sibi  praeferent,  ita  ut  etiam  apostolicus  eo  tem- 
pore, dilatatione  honoris  pristinae  dignitatis  attenuatus,  Romain  et  pauca 
illi  adiacentia  loca  vix  etiam  tunc  sub  infula  sua  obtineat.  Haec  autem 
ex  parte  per  bellorum  ineursionem  evenient,  ex  parte  quoque  per  com- 
mune consilium  et  consensum  et  spiritalium  et  saecularium  populorum 
perficientur,  illis  hortantibus,  ut  quisque  saecularis  prineeps  regnura  et 
populum  suum  muniat  et  regat,  ut  quilibet  archiepiscopus  seu  alius 
spiritalis  magister  subditos  suos  ad  rectitudinem  diseiplinae  constringat, 
ne  deineeps  malis  illis  affligantur,  quibus  divino  nutu  prius  afflicti  sunt 
(Migne,  Patrol.  latina  vol.  197,  col.  1026  sq.).  Vgl.  dazu  J.  v.  D Ol- 
li nger,  Kleinere  Schriften,  herausg.  von  F.  H.  Reusch  (Stuttgart  1890), 
S.  503  f.;  über  die  hl.  Hildegard  vgl.  A.  Hauck,  Kirchengeschichte 
Deutschlands  IV,  S.  398  ff . 


Trierer  Stilübungen  (um  1158).  21 

währte,  eine  Stellvertretung  des  Papstes  gründen  zu  können, 
die  ihrem  Inhaber  im  Hinblick  auf  Rom  genügende  Selbständig- 
keit, dazu  auch  die  Ueberordnung  über  die  deutschen  Bischöfe 
gewährleisten  würde.  Die  deutsche  Kirche  katholischen  Glau- 
bens sollte,  so  verlangten  noch  in  den  Jahren  1814  und  1815 
J.  H.  C.  von  Wessenberg,  im  Jahre  1848  J.  Döllinger,  einem 
Primas  untergeben  sein  und  gleichsam  einen  Mikrokosmos  der 
allgemeinen  Kirche  darstellen,  deren  Oberhaupt,  der  Nachfolger 
Petri,  im  Primas  sein  Gegen bild  fände,  damit  dieser  die  Frei- 
heit und  das  eigene  Recht  Deutschlands  vertrete  und  wahre  *). 
Mittelalterliche  Gedankenreihen  waren  es  endlich,  die 
König  Friedrich  Wilhelm  IV.  erfüllten,  als  er  im  Jahre  1840 
seinen  „  Sommernachtstraum "  beschrieb,  die  evangelische  Kirche 
Preussens  neu  zu  gestalten  und  ihren  Bischöfen  dreizehn  Metro- 
politane  mit  Konsistorien  überzuordnen;  „an  Stelle  aber  des 
geistlichen  Ministers  und  Ministerii  treten  der  Fürst-Erzbischof 
von  Magdeburg,  Primas  Germaniae,  und  das  Primatial- Konsi- 
storium oder  Capitel  daselbst"  2). 


')  Erinnert  sei  auch  daran,  dass  im  5.  Jahrhundert  der  Bischof  von 
Arles  einen  Primat  für  sich  und  seine  Kirche  anstrebte,  der  Gallien 
gegenüber  dem  Papste  unabhängig  machen  sollte;  dass  im  9.  Jahr- 
hundert Erzbischof  Hinkmar  von  Reims  (f  882)  die  gleiche  Stellung 
für  sich  und  seine  Kirche  ins  Auge  fasste;  vgl.  meine  Geschichte  der 
Kirchenverfassung  Deutschlands  im  Mittelalter  I  (Hannover  und  Leip- 
zig 1905),  S.  36  ff.  J.  Heller:  Allgemeine  Deutsche  Biographie  XII, 
S.  441.  444.  450. 

2)  Vgl.  den  Brief  des  Königs  an  Bunsen  vom  24.  März  1840  bei 
L.  von  Ranke,  Sämtliche  Werke  XLIX.  L  (Leipzig  1887),  S.  372  ff., 
bes.  S.  383,  dazu  H.  vonTreitschke,  Deutsche  Geschichte  im  19.  Jahr- 
hundert V  (Leipzig  1894),  S.  361  ff. 


Dritter  Abschnitt. 


Das  Konkordat  Papst  Martins  V.  mit  der 
„deutschen  Nation"  vom  Jahre  1418. 


Nicht  allein  im  12.  Jahrhundert  erhoben  sich  Stimmen 
wider  Rom.  Leidenschaftlich  befehdete  im  folgenden  Walter 
von  der  Vogelweide  den  Papst.  Eindrucksvoll  erinnerte  Fried- 
rich IL  (1212 — 1250)  die  Fürsten  seiner  Zeit  an  die  Gemeinsam- 
keit des  Interesses  der  Staaten  gegenüber  den  Uebergriffen 
der  Kurie1).  Erbittert  wurde  im  14.  Jahrhundert  der  Kampf 
geführt  zwischen  Ludwig  dem  Bayern  (1314 — 1347)  und 
Johann  XXII.  (1316 — 1334),  sodass  die  städtischen  Chronisten 
mit  einer  Art  von  Schadenfreude  die  Veröffentlichung  eines  so 
wirksamen  Buches  wie  des  Defensor  pacis  des  Marsilius  von 
Padua  verzeichneten2).  Immer  aber  bleibt  es  merkwürdig,  dass 
selbst  Friedrich  IL  nicht  an  die  Erhebung  eines  kaiserlichen 
Gegenpapstes  dachte,  während  das  Vorgehen  des  Witteis- 
bachers im  Jahre  1328  kaum  mehr  als  den  kläglichen  Versuch 
bedeutete,  jene  längst  verklungenen  Tage  wieder  her  aufzuführen, 
in  denen  ein  Heinrich  IV.  (1056—1106),  Heinrich  V.  (1106 
bis  1125)  und  Friedrich  I.  (1152—1190)  Gegenpäpste  erhoben 
oder  begünstigt  hatten,    nicht   um   eine   neue    Kirche   zu   be- 


*)  Vgl.  F.  Crraefe,  Die  Publizistik  in  der  letzten  Epoche  Kaiser 
Friedrichs  II.  (Heidelberg  1909),  S.  17  ff. 

2)  Vgl.  Chroniken  der  deutschen  Städte  VIII,  S.  70.  473;  siehe 
auch  W.  Theremin,  Beitrag  zur  öffentlichen  Meinung  über  Kirche  und 
Staat  in  der  städtischen  Geschichtschreibung  Deutschlands  von  1349 — 1415. 
Berlin  1909. 


Konstanzer  Konkordat  (1418j.  23 

gründen,  sondern  um  dem  Gegner  Abbruch  zu  tun  und  die 
ehemalige  Stellung  des  Kaisertums  über  dem  Papste  mit  frei- 
lich niemals  glücklichem  Erfolge  für  kurze  Zeit  in  Erinne- 
rung zu  bringen.  Zu  allem  noch  eins:  weder  im  13.  noch 
im  14.  Jahrhundert  dachte  man  an  den  Plan  einer  deutschen 
Nationalkirche. 

Die  Gründe  dieser  Erscheinung  lassen  sich  leicht  auf- 
decken1). Das  deutsche  Königtum,  seit  der  Doppelwahl  des 
Unglücksjahres  1198  zum  Wahlkönigtum  geworden,  hatte  an- 
dere Ziele  als  die  Aufrichtung  einer  kirchlichen  Organisation, 
die  der  ohnehin  verwickelten  Reichsverwaltung  neue  Lasten 
aufgebürdet  hätte.  Der  deutsche  Reichsfürstenstand  zerfiel 
zwar  in  eine  weltliche  und  eine  geistliche  Hälfte,  die  Interessen 
von  beiden  aber  waren  weit  mehr  dem  Ausbau  ihrer  Terri- 
torien zugekehrt,  als  dass  sie  eine  Neuordnung  hätten  unter- 
nehmen mögen,  die  vielleicht  gerade  die  geistlichen  Fürsten 
auf  ihre  kirchlichen  Beamtungen  eingeschränkt  hätte,  während 
bislang  durch  die  hierarchische  Würde  ihre  weltliche  Landes- 
herrlichkeit einen  vom  Kirchenrecht  anerkannten  Rückhalt 
empfing.  Die  Verbände  der  erzbischöflichen  Provinzen,  die 
Verwaltungssprengel  der  Diözesen  waren  und  wurden  dauernd 
aufgelockert  durch  Exemtionen  aller  Art;  sie  boten  den  Landes- 
gewalten willkommene  Gelegenheit  zur  Vermehrung  und  Stär- 
kung ihrer  Gerechtsame  mit  Hilfe  kirchlicher  Befugnisse,  die 
wiederum  mit  ihrer  Landeshoheit  unauflöslich  verwuchsen. 
War  es  dem  Papsttum  zu  verdenken,  dass  es  diese  zerfahrenen 
Zustände  zum  eigenen  Vorteil  ausnutzte? 

Seine  Kirche  war  die  „eine,  heilige,  katholische  und  apo- 
stolische". Sie  war  in  sich  einheitlich,  derart  dass  sie  als  ein 
einziges  Herrschaftsgebiet  dem  Eingreifen  der  Kurie  in  Ver- 
fassung und  Verwaltung,  in  Rechtsprechung  und  Gesetzgebung 
sich  darbot.  Allenthalben  war  es  möglich,  Stellen  zu  besetzen, 
kirchliche   Feste    anzuordnen,    Steuern    auszuschreiben,    zivile 


')  Vgl.  zum  Folgenden  Historische  Vierteljahrschrift  1908,  S.  153  ff. 


24  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

und  kriminale  Prozesse  zu  entscheiden.  Der  Widerstand  des 
Klerus  oder  der  Laienschaft  liess  sich  brechen  oder  zum  min- 
desten ertragen,  und  dies  ganze  System  wurde  unterstützt 
durch  ein  Rechtsbuch  voller  Anpassung  an  die  Doktrin  von 
dem  keinem  Richter  unterworfenen  Papsttum  und  seiner  All- 
macht, wurde  getragen  durch  die  Lehre,  dass  es  für  den  ein- 
zelnen Menschen  heilsnotwendig  sei,  dem  Nachfolger  Petri 
Untertan  zu  sein.  Die  allgemeine  Kirche  war,  so  könnte  man 
sagen,  die  Eigenkirche  des  Papstes  geworden,  und  stets  wird 
es  Verwunderung  erregen,  wie  lange  sie  es  blieb,  obwohl  seit 
dem  Jahre  1309  die  „babylonische  Gefangenschaft"  der  Päpste 
in  Avignon  die  politische  Abhängigkeit  der  Kurie  von  Frank- 
reich weit  deutlicher  in  Erscheinung  treten  liess,  als  einst  die 
Herrschaft  der  Ottonen  und  ersten  Salier  den  Stuhl  Petri  dem 
Willen  der  Deutschen  untergeordnet  hatte.  In  allen  diesen 
Zuständen  lag  die  Zurückdrängung  des  die  Kirche  bildenden 
Prinzips,  des  Glaubens,  gegenüber  dem  ihm  Form  gebenden 
Recht;  nur  wenige  Dogmen  sind  im  späteren  Mittelalter  von 
den  Päpsten  verkündigt  worden.  Das  päpstliche  Recht  aber 
wurde  je  länger  je  mehr  übertrieben  zur  Aufsaugung  alles 
lokalen  Rechtes  zu  Gunsten  der  Allgewalt  des  Nachfolgers 
Petri.  Die  päpstliche  Verwaltung  wurde  je  länger  je  mehr  ge- 
handhabt mit  den  weltlichen  Mitteln  des  Zwanges  und  der 
finanziellen  Ausbeutung,  allzu  häufig  aus  Rücksicht  auf  welt- 
liche Interessen  der  Kurie:  ihre  Zentralisation  in  Avignon 
wurde  zur  Ursache  des  tiefen  Falles  im  Zeitalter  des  Schismas 
(1378—1417),  der  Reformkonzilien  von  Pisa  (1409),  Konstanz 
(1414—1418)  und  Basel  (1431—1449).  Noch  fühlte  sich  die 
abendländische  Christenheit  —  trotz  aller  Häresien  und  trotz 
der  Lehren  eines  Wiklif  (f  1384)  und  Huss  (f  1415)  —  als 
eine  Einheit  im  religiösen  Glauben.  Wie  aber  ein  Strom  den 
Damm  zerreisst,  der  ihm  lange  die  Richtung  vorschrieb,  so 
drohte  jetzt  die  Vielgestaltigkeit  nationaler  Wünsche  und  Be- 
schwerden hinsichtlich  der  kirchlichen  Verfassung  und  Ver- 
waltung die  allgemeine  Kirche  aufzulösen  in  eine  Vielzahl  von 


Konstanzer  Konkordat  (1418).  25 

nationalen  Kirchen,  die  geneigt  schien,  dem  Papste  kaum  mehr 
als  Ehrenvorrechte  zu  belassen.  Die  Lehre  von  der  Superiorität 
der  Konzilien  über  den  Papst,  wie  sie  in  Konstanz  am  6.  April 
1415  festgelegt  und  zu  Basel  am  15.  Februar  1432  erneuert 
wurde x) ,  erschütterte  die  Grundlagen  der  bisherigen  Kirchen- 
verfassung, mochten  gleich  bei  weitem  nicht  alle  Konzils- 
beschlüsse so  radikalen  Geist  atmen  wie  jene  Worte  eines 
französischen  Erzbischofs:  „Diesmal  wollen  wir  das  Papst- 
tum den  Händen  der  Italiener  entreissen  oder  es  so  rupfen, 
dass  nichts  mehr  dran  liegt,  wo  es  ist"  2). 

Erst  durch  den  Hinweis  auf  die  im  wesentlichen  überein- 
stimmende Stellungnahme  von  England  und  Frankreich  zum 
kirchlichen  Problem  wird  die  kirchliche  Politik  Deutschlands 
veranschaulicht.  In  England  hatten  seit  den  vierziger  Jahren 
des  14.  Jahrhunderts  König  und  Parlament  der  päpstlichen 
Rechtsprechung,  Gesetzgebung*  und  Besteuerung  Widerstand 
geleistet.  Das  Auftreten  Wiklifs  hatte  sodann  den  Zusammen- 
hang der  englischen  Kirche  mit  Rom  gelockert;  um  die  Wende 
des  14.  und  15.  Jahrhunderts  war  sie  „ein  Teil  des  nationalen 
Staates",  eine  Staatskirche" geworden.  Noch  duldete  sie  gewisse 
päpstliche  Befugnisse,  aber  bezeichnend  genug  klagte  man  im 
Beginne  der  Regierung  Martins  V.  (1417 — 1431)  in  Rom,  dass 
der  Peterspfennig,  dieses  letzte  Zeichen  des  Gehorsams  der 
Engländer  gegen  den  heiligen  Stuhl,  nicht  gezahlt  werde,  und 
dass  es  dem  Papste  nicht  einmal  möglich  sei,  über  jenes  Land 
andere  Nachrichten  zu  erhalten,  als  die  ihm  der  königliche 
Gesandte  in  Rom  zukommen  lasse"3).  In  Frankreich  war 
im  Jahre  1398  die  Neutralität  im  Schisma  der  Päpste  zum 
ersten  Male  verkündet,  im  Jahre  1403  zwar  wieder  aufgehoben, 


')  Konstanz  sessio  V ,  Basel  sessio  II ;  M  a  n  s  i  XXVII ,  590  f. 
XXIX,  23. 

2)  Zitiert  nach  J.Hall  er:  Historische  Zeitschrift  Bd.  103  (1909), 
S.  43  mit  Anm.  2.  Im  allgemeinen  vgl.  zum  ganzen  Abschnitt  K.  Müller, 
Kirchengeschichte  II,  1  (Tübingen  und  Leipzig  1902),  S.  42  ff. 

3)  J.  Hai ler,  Papsttum  und  Kirchenreform  I  f Berlin  1903),  S.  464. 


26  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

im  Jahre  1408  aber  erneut  ausgesprochen  worden.  Am  15.  Mai 
1408  machte  der  König  die  Ordonnanzen  vom  Jahre  1407  be- 
kannt mit  ihrem  Verbot  päpstlicher  Steuern,  mit  der  Wieder- 
herstellung des  Wahlrechtes  der  Kapitel  und  des  Verleihungs- 
rechtes der  Prälaten  als  alter  Freiheiten  der  gallikanischen 
Kirche.  In  Anlehnung  an  das  englische  Vorbild  strebte  auch 
Frankreich  nach  Trennung  seiner  Kirche  vom  Papste.  „Eine 
nationale  Kirche  soll  geschaffen  werden,  unabhängig  vom 
Papste  in  der  Verteilung  ihrer  Aemter  und  Pfründen  und  im 
Genüsse  ihrer  Einkünfte,  mit  ihm  nur  noch  durch  religiöse 
Bande  verbunden;  das  ist  der  Grundgedanke  der  gallikanischen 
Freiheiten"  x). 

Wie  war  die  kirchliche  Politik  Deutschlands?  Es  hiesse 
oft  Gesagtes  wiederholen ,  sollten  die  Ursachen  noch  einmal 
dargelegt  werden,  warum  hier  nicht  wie  in  England  und  Frank- 
reich das  Königtum  die  allenthalben  als  unumgänglich  an- 
erkannte Reform  der  allgemeinen  Kirche  an  Haupt  und  Gliedern 
ausnutzen  konnte  zur  Ausgestaltung  einer  nationalen  Kirche. 
Es  gebrach  ihm  an  Kraft,  die  Nation,  den  Staat  und  die  kirch- 
lichen Anstalten  auf  deutschem  Boden  zusammenzufassen  und 
zusammenzuhalten.  Selbst  wer  aber  der  Oligarchie  der  Reichs- 
stände, vorab  dem  Kurfürstenkollegium,  die  Aufgabe  zuerkennen 
wollte,  bei  einer  Lebensfrage  der  Nation  in  die  Bresche  zu 
treten,  wird  an  zweierlei  zu  erinnern  sein,  einmal  daran,  dass 
unter  den  kurfürstlichen  Königswählern  die  drei  Erzbischöfe 
von  Mainz,  Köln  und  Trier  sich  befanden,  deren  Politik  nie 
ausschliesslich  den  Reichsinteressen  zugekehrt  sein  konnte,  da 
ihre  kirchliche  Würde  vom  Papste  abhing  und  ein  Gegensatz 
zum  Papste  sie  leicht  auch  um  ihr  weltliches  Ansehen  bringen 
mochte;  sodann  daran,  dass  im  Gewölk  der  Reichsstände 
neben  den  Reichsstädten  die  weltlichen  und  geistlichen  Fürsten 
insgesamt  verflochten  waren  in  den  Kreis  ihrer  territorialen 
Machtfragen.    Wohl  nahmen  die  Reichstage  seit  Ausbruch  des 


*)  J.  Haller  a.  a.  0.  I,  S.  291.  303.  370. 


Konstanzer  Konkordat  (1418).  27 

Schismas  sich  der  kirchlichen  Frage  an,  wohl  verhalf  die 
Einberufung  des  Konstanzer  Konzils  durch  König  Sigmund 
(1410 — 1437,  Kaiser  seit  1433)  einem  alten  kaiserlichen  — 
nicht  königlichen  —  Recht  zu  freilich  rasch  vergessener  Auf- 
erstehung, fester  jedoch  als  ü&erall  sonst  war  in  Deutsch- 
land die  Verbindung  mit  Rom,  das  Erbteil  der  Vergangenheit 
und  die  Last  der  Gegenwart.  Wer  hätte  es  unternehmen 
sollen,  die  auseinanderfliessenden  Elemente  des  nationalen  Lebens 
zu  einigen?  Wer  mochte  ihnen  als  Ziel  die  mühsalreiche  Auf- 
gabe aufbürden,  die  kirchlichen  Verbände  auf  deutschem  Boden, 
die  Provinzen  samt  ihren  SufFragandiözesen,  zu  einer  nationalen 
Kirche  zusammenzuschmieden?  Eine  Lösung  des  kirchlichen 
Problems,  die  das  deutsche  Interesse  wahrte  und  sicherstellte, 
war  dank  dem  Gang  der  deutschen  Geschichte  und  bei  der 
Lage  Deutschlands  um  die  Wende  des  14.  und  15.  Jahrhunderts 
unmöglich.  Wohl  war  der  Drang  nach  Bildung  auch  einer 
deutschen  Nationalkirche  vorhanden  —  er  trieb  zu  den  Ver- 
suchen der  Jahre  1418  und  1439  — ,  eine  Erfüllung  ward  ihm 
jedoch  nicht  beschieden  trotz  der  schweren  Krisis,  die  über 
das  Papsttum  und  mit  ihm  über  die  allgemeine  Kirche  herein- 
gebrochen war. 

Der  Versuch  des  Jahres  1418  hat  seinen  Niederschlag 
gefunden  in  dem  Konkordat  des  neugewählten  Papstes 
Martin  V.  (1417 — 1431)  mit  der  „deutschen  Nation"  vom 
15.  April  (2.  Mai)  1418  *).  Ihm  voraufgegangen  waren  die 
Beschlüsse  der  39.  und  40.  Sitzung  des  Konstanzer  Konzils 
vom  9.  und  30.  Oktober  1417  2),  die  Generalreformdekrete  der 
43.  Sitzung  vom  21.  März  1418  in  der  Form  einer  von  Martin  V. 
erlassenen  Urkunde  3).  Sie  enthielten  diejenigen  Reformsatzungen, 
über   die  zwischen   allen   Teilnehmern   der  Versammlung  eine 


')  B.  H übler,   Die   Constanzer   Reformation   und   die  Concordate 
von  1418  (Leipzig  1867),  S.  164  ff.;  über  das  Datum  vgl.  ebd.  S.  59. 

2)  B.  Hübler   a.  a.  0.    S.  118  ff.     H.  von  der  Hardt,   Magnum 
oecumenicum  concilium  Constantiense  IV,  p.  1452  ff. 

3)  B.  Hübler  a.  a.  0.  S.  158  ff. 


28  Werminghoff,  Natioiialkirchliche  Bestrebungen. 

Uebereinstimmung  erzielt  worden  war,  sollten  also  gemeines 
Kirchenrecht  schaffen  und  waren  deshalb  nicht  in  ihrer  Gültig- 
keitsdauer befristet.  Anders  das  Konkordat  mit  der  „deutschen 
Nation".  Es  umfasste  diejenigen  Punkte,  in  denen  zwischen 
dem  Papste  und  allein  der  deutschen  Konzilsnation  eine  Eini- 
gung herbeigeführt  war.  Es  reformierte  nur  den  Teil  der 
kirchlichen  Verfassung  und  Verwaltung,  an  dem  die  deutsche 
Konzilsnation  interessiert  war.  Es  erzeugte  ein  Sonderrecht  für 
die  Kirche  der  Nation  und  sollte  nur  fünf  Jahre  in  Kraft 
bleiben,  nach  deren  Verlauf  „jede  Kirche  und  jede  Person  die 
Freiheit  hat,  ihres  Rechtes  sich  zu  bedienen,  der  vereinbarten 
Punkte  ungeachtet".  Diese  wesentlichen  Unterschiede  zwischen 
den  allgemeinen  Reformdekreten  und  dem  deutschen  Konkordat 
hindern,  in  ihnen  eine  geschlossene,  einheitliche  Rechtsquelle 
zu  erblicken,  in  ihrem  Inhalt-  eine  Ordnung  zu  erkennen,  die 
der  Gesamtheit  der  Beziehungen  zwischen  dem  Papsttum  als 
dem  Oberhaupt  der  allgemeinen  Kirche  und  der  Kirche  der 
„deutschen  Nation"  ein  von  Grund  aus  neues  Aussehen  ge- 
geben hätte.  Gesetze  von  unbefristeter  Gültigkeitsdauer  und 
solche  von  befristeter  Gültigkeitsdauer  sind,  weil  ungleich- 
artig, nicht  geeignet,  auf  sie  eine  in  sich  homogene  Ver- 
fassung aufzubauen;  eine  Organisation,  die  auf  so  von  ein- 
ander abweichende  Normen  sich  stützen  wollte,  wäre  ein 
Unding. 

Weiterhin  aber:  wer  war  denn  jene  „deutsche  Nation", 
mit  der  Martin  V.  das  Konkordat  abschloss?  Sie  war  ein  an- 
erkanntes Organ  des  Konzils  und  deshalb  zur  Vertretung  ihrer 
landsmannschaftlichen  Wünsche  wie  befähigt  so  verpflichtet.  Sie 
war  gleichwohl  keine  Einheit.  Sie  verkörperte  nicht  nur  die  kirch- 
lichen Verbände  auf  dem  Boden  des  Deutschen  Reiches  nörd- 
lich der  Alpen.  Sie  war  eine  Konzilspartei  —  mit  weitergehenden 
Befugnissen  ausgestattet  als  eine  Parlamentspartei  der  Gegen- 
wart —  und  wurde  gebildet  aus  solchen  Mitgliedern,  die  aus  dem 
Deutschen  Reiche,  aus  Polen,  Ungarn,  Dänemark,  Norwegen 
und  Schweden  zum  Konzil  gekommen  waren  und  hier,  sei   es 


Konstanzer  Konkordat  (1418).  29 

kirchliche  Verwaltungssprengel,  sei  es  kirchliche  Anstalten  in 
ihren  Heimatländern  vertraten *).  So  fehlte  der  „deutschen 
Nation"  auf  der  Konstanzer  Kirchenversammlung  die  innere 
nationale  Individualisierung  in  jenem  modernen  Sinne,  dessen 
auch  wir  uns  bisher  stets  bedienten,  um  an  ihn  auch  späterhin 
uns  zu  halten.  Die  der  „deutschen  Nation"  des  Konzils 
zugewandten  Prälaten  und  Geistlichen  aus  dem  Deutschen 
Reiche  waren  mit  den  Polen  u.  s.  w.  zusammengeführt  durch 
gemeinsame  kirchliche  Anliegen  und  Bestrebungen,  nicht  mit 
ihnen  verbunden  durch  die  Organisation  einer  Kirche,  die 
ihre  kirchlichen  Verbände  und  Anstalten  insgesamt  umspannt 
hätte.  Eine  solche  zu  schaffen  lag  nicht  in  der  Absicht  der 
„deutschen  Nation".  Sie  einzuführen,  hinderte  von  vorn- 
herein die  Ungleichheit  der  Normen,  die  in  den  General- 
reformartikeln vom  21.  März  1418  und  im  Konkordat  vom 
15.  April  1418  zu  Tage  getreten  war.  Dieser  alles  entschei- 
denden Tatsache  geschieht  nirgends  Erwähnung.  Der  räum- 
liche Bezirk,  in  welchem  für  fünf  Jahre  das  Konkordat 
gelten  sollte,  wird  nirgends  umschrieben.  Der  für  die 
„deutsche  Nation"  geschaffene  Zustand  erhält  an  keiner  Stelle 
eine  Sicherung  durch  Einrichtung  eines  Organes,  das  dem 
Papsttum  gegenüber  wachen  sollte  über  die  Befolgung  der 
Abmachungen ,  das  befugt  gewesen  wäre ,  nach  Ablauf  jener 
Frist  eine  Erneuerung  oder  Abänderung  des  Konkordats  auf 
dem  Wege  des  Abkommens  mit  dem  Papst  einzuleiten  oder 
zu  bewerkstelligen.  So  schuf  das  Konkordat  vom  Jahre  1418 
nichts  anderes  als  ein  Provisorium  voller  Widersprüche,  dessen 
Vergleich  mit  dem  romanischen  und  englischen  Konkordat2) 
nur  zu  Gunsten  dieser  Festsetzungen  für  zwei  nationale  Kir- 
chen ausfallen  kann. 

Eine   nationale   Kirche   endlich   —    das   Wort    „national" 


*)  Vgl.  Historische  Vierteljahrschrift  1908,  S.  184  ff". 
2)  B.  Hübler  a.   a.  0.   S.  194  ff.   207  ff.;   vgl.   ebd.   S.  218  ff.   die 
Synopsis  der  Konstanzer  Reformation. 


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30  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

in  dem  uns  geläufigen  Sinne  angewandt  —  wird  stets  die 
Neigung  haben,  sieh  an  den  nationalen  Staat  anzulehnen  und 
damit  zur  Landes-  oder  auch  zur  Staatskirche  zu  werden. 
Die  Beispiele  der  englischen  und  französischen  Kirchen  gerade 
zu  Beginn  des  15.  Jahrhunderts  erhärten  diesen  Satz  zur  Ge- 
nüge. An  welchen  Staat  aber  sollte  die  Kirche  der  „deutschen 
Nation"  sich  anlehnen?  Einst,  im  beginnenden  11.  Jahrhundert, 
hatte  der  deutsche  König,  dank  seiner  Herrschaft  über  den 
Erzbischof  von  Hamburg-Bremen,  auch  die  kirchliche  Organi- 
sation in  Dänemark  und  den  skandinavischen  Reichen  beherrscht; 
jetzt  waren  diese  Zeiten  unwiederbringlich  dahin.  Das  deutsche 
Konkordat  befasste  sich  mit  der  Zahl  und  den  Eigenschaften 
der  Kardinäle  wie  ihrer  Ernennung,  mit  den  Provisionen  für 
Kirchen,  Klöster,  Priorate,  Dignitäten  und  Pfründen.  Es  handelte 
von  den  Annaten  und  den  in  Rom  zu  erledigenden  Prozessen, 
von  Kommenden,  von  der  Simonie,  von  der  Exkommunikation 
und  allen  kirchlichen  Zensuren,  denen  eine  Kommunionssperre 
im  weitesten  Sinne  folgte.  Es  regelte  die  Dispensationen.  Es 
befasste  sich  mit  dem  Unterhalt  des  Papstes  und  der  Kardi- 
näle, mit  dem  Ablasswesen.  Allüberall  stellte  es  sich  dar 
als  eine  Vereinbarung  zwischen  nur  kirchlichen  Kontrahenten, 
dem  Papst  und  der  Konzilspartei.  Es  schuf  Normen  ausschliess- 
lich für  innerkirchliche  Angelegenheiten  und  nirgends,  mit 
keinem  Worte  gedachte  es  der  staatlichen  Instanzen,  sei  es 
nun  der  gesamtstaatlichen  wie  beispielsweise  in  Dänemark  und 
Polen,  sei  es  der  territorialstaatlichen  im  Rahmen  des  Deutschen 
Reiches.  Diese  Tatsache  fällt  um  so  mehr  auf,  als  die  Vor- 
schriften über  die  Besetzung  der  Prälaturen,  die  Ermässigung 
der  Annatenschuld ,  die  Reformen  des  kanonischen  Prozesses 
dem  gemeinschaftlichen  Grenzgebiet  angehörten,  auf  dem  Staat 
und  Kirche  gerade  damals  einander  trafen1).  Schon  des- 
halb aber  war  das  Konkordat  unvereinbar  mit  dem  historisch 
entwickelten  Einfluss  der  staatlichen  Gewalten,  den  diese  inner- 


])  Vgl.  B.  Hübler  a.  a.  0.  S.  319  ff. 


Konstanzer  Konkordat  (1418).  31 

halb  ihrer  grösseren  oder  kleineren  Gebiete  auf  das  Leben 
der  Kirche  ausübten.  Es  war  ein  Rückfall  in  Zeiten,  in  denen 
—  nach  freilich  getrübter  Ueberlieferung  —  die  Kirche  allein 
und  aus  ihrer  Macht  wie  Selbständigkeit  heraus  ihr  Recht 
sich  gesetzt,  ihrem  Rechte  auch  Geltung  verschafft  haben 
sollte.  Das  Konkordat  betrachtete  den  Staat  als  für  die  Kirche 
nicht  vorhanden,  eine  Missachtung  der  tatsächlichen  Ver- 
hältnisse, die  seinem  Inhalt,  seinem  Ziele  das  letzte,  vernich- 
tende Urteil  spricht.  Allerdings  fehlt  ein  Beleg  dafür,  dass 
um  eine  seiner  Stipulationen  willen  die  staatlichen  Gewalten 
mit  den  kirchlichen  Organen  uneins  geworden  wären.  Was  aber 
besagt  dies,  erwägt  man,  dass  nach  fünf  Jahren  die  für  die 
Abmachungen  von  1418  gesetzte  Frist  ablief?  Eine  längere 
Gültigkeitsdauer,  etwa  eine  solche  ohne  Beschränkung  wie  die 
des  englischen  und  romanischen  Konkordats,  hätte  ohne  Zweifel 
Streitigkeiten  hervorgerufen;  denn  dass  die  Staaten  auf  ihre 
immerhin  nur  historisch  begründeten  Rechte  stillschweigend 
verzichtet,  folgeweise  jene  Einzelsatzungen  als  für  alle  Zeit 
erlassene  Normen  angesehen  hätten,  ist  kaum  anzunehmen. 
Ueber  eine  solche  Konnivenz  gegenüber  der  Kirche  hätten  sie 
sich  schlüssig  werden  müssen,  sobald  eine  Erneuerung  oder 
auch  Abänderung  des  Konkordats  durch  Wiederaufnahme  der 
Verhandlungen  zwischen  Papst  und  „deutscher  Nation"  er- 
folgt wäre. 

Sie  unterblieb,  nicht  zuletzt  deshalb,  weil  die  „deutsche 
Nation"  ein  zufälliges  Gebilde  der  Konstanzer  Konzilsverfas- 
sung und  Geschäftsordnung  war,  also  der  Dauer  über  das 
Konzil  hinaus  entbehrte.  Diese  „deutsche  Nation"  war  be- 
lastet mit  den  Interessen  auch  ausserdeutscher  Kirchenverbände 
und  Anstalten,  war  kein  Organ  für  den  Willen  ausschliesslich 
der  deutschen  Geistlichkeit,  über  der  kein  Königtum  stand 
wie  in  England  und  Frankreich.  So  war  das  Konstanzer 
Konkordat  vom  Jahre  1418  ein  mit  ungeeigneten  Mitteln 
unternommener  Versuch  zur  Schaffung  einer  nationalen  Kirche. 
So  gut  wie  alles  war  ausser  acht  gelassen,  die  Sicherung  der 


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32  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Zugeständnisse  Roms  für  Deutschland  und  die  Aufrichtung 
einer  Institution,  die  in  berechtigtem  Egoismus  die  ausser- 
deutschen  Elemente  von  sich  abgestossen  hätte.  In  den  Ab- 
machungen von  1418  trafen  Momente  der  allgemein  europäischen 
und  der  deutschen  Entwicklung  zusammen  —  und  auch  im 
Jahre  1439  sollten  jene  über  die  deutschen  Bemühungen  den 
Sieg  davontragen. 


Vierter  Abschnitt. 

Die  Mainzer  Acceptation  vom  Jahre  1439. 


Noch  einmal  schien  während  des  Basler  Konzils  (1431  bis 
1449)  die  Gelegenheit  zum  Aufbau  einer  deutschen  National- 
kirche sich  zu  bieten. 

Die  wechselvolle  Geschichte  der  letzten  Kirchenversamm- 
lung des  15.  Jahrhunderts  darf  als  bekannt  vorausgesetzt 
werden 1).  Seit  ihrem  Beschluss  über  die  Annaten  vom 
9.  Juni  1435  war  sie  mit  dem  Papste  Eugen  IV.  (1431—1447) 
heillos  zerfallen.  Sie  bedrohte  ihn  am  12.  Oktober  1437  mit 
Suspension  und  Absetzung,  die  am  14.  Januar  1438  verkündet 
wurden,  nachdem  Eugen  IV.  am  30.  Dezember  1437  das  Konzil 
nach  Ferrara  verlegt  und  die  Eröffnung  der  neuen  Versamm- 
lung auf  den  8.  Januar  1438  anberaumt  hatte.  Das  Schisma, 
mit  so  viel  Mühsal  vor  zwanzig  Jahren  beseitigt,  erschien 
wiederum  in  gefahrdrohender  Nähe,  und  eben  deshalb  musste 
jetzt  die  Stellungnahme  der  nationalen  Einzelstaaten  zu  dem 
ursprünglich  inner  kirchlichen  Streite  von  ausschlaggebender 
Bedeutung  sein.  Die  Verflechtung  staatlichen  und  kirchlichen 
Wesens  verhinderte,  den  Kampf  zwischen  Rom  und  Basel  ganz 
ausser  acht  zu  lassen.  Zwei  Wege  waren  immerhin  möglich. 
Man  benutzte  entweder  die  Hilfsbedürftigkeit  eines  jeden  der 
Streitenden,  um  der  Unterstützung  sei  es  des  Konzils,   sei  es 


*)  Vgl.  z.  B.  K.  Müller  a.  a.  0.  II,  1,  S.  93  ff.    R.  Wackernagel, 
Geschichte  der  Stadt  Basel  I  (Basel  1907),   S.  476  ff.;   siehe   auch  Mei- 
sters Grundriss  der  Geschichtswissenschaft  II,  6  (Leipzig  1907),  S.  92  ff. 
Wevminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  3 


34  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

des  Papstes  den  Lohn  von  Zugeständnissen  zu  sichern,  oder 
aber  man  trug  kein  Bedenken,  durch  geschicktes  Zugreifen  die 
eigene  Macht  zu  erweitern,  und  überliess  friedlicheren  Zeiten 
die  Entscheidung  darüber,  ob  und  bis  zu  welchem  Grade  die 
Kirche  die  Einbusse  an  Recht  und  Ansehen  würde  hinnehmen 
mögen.  Hier  wie  dort  lockte  der  Zuwachs  an  kirchlichen  Ge- 
rechtsamen, die  nunmehr  auf  die  staatliche  Gewalt  übergehen 
sollten.  Die  grosse  Zeit  der  mittelalterlichen  Papstkirche  ging 
zur  Rüste,  die  der  Renaissance  des  Staates  begann. 

Die  kirchliche  Politik  aller  Einzelstaaten  seit  dem  Jahre  1435 
ist  hier  nicht  zu  erörtern.  Erinnert  sei  nur  an  England, 
das  längst  erreicht  hatte  was  es  brauchte,  daher  im  wesent- 
lichen sich  zurückhielt  und  nur  im  allgemeinen  auf  Eugens  IV. 
Seite  sich  schlagen  konnte,  an  Frankreich  sodann  und  die 
pragmatische  Sanktion  von  Bourges  vom  Jahre  1438,  an  das 
Deutsche  Reich  endlich  und  den  Mainzer  Reichstag  vom 
März  und  April  des  Jahres  1439,  auf  dem  die  Urkunde 
über  die  Annahme  einer  Reihe  von  Dekreten  des  Basler 
Konzils  durch  einen  Gesandten  des  Königs  Albrecht  IL  (1438 
bis  1439)  „mit  lauter  und  vernehmlicher  Stimme  vorgelesen 
wurde". 

Die  Erwähnung  der  pragmatischen  Sanktion  von  Bourges 
und  des  Acceptationsinstrumentes  von  Mainz  legt  nahe,  beide 
Dokumente  nach  Form,  Inhalt  und  Tragweite  miteinander  zu 
vergleichen. 

Die  Urkunde  des  Königs  Karl  VII.  von  Frankreich  (1422 
bis  1461)  vom  7.  Juli  1438  geht  davon  aus  *),  dass  es  Pflicht 
der  königlichen  Gewalt  sei,  die  Kirche  und  ihre  Diener  zu 
schützen,  für  die  Befolgung  der  kirchlichen  Gesetze  hinsichtlich 


])  Ordonnances  des  rois  de  France  de  la  troisieme  race  edd.  Vilevault 
etBrequigny  XIII  (Paris  1782),  p.  267— 291;  ein  Auszug  bei  C.  Mirbt, 
Quellen  zur  Geschichte  des  Papsttums  (2.  Aufl.,  Tübingen  und  Leipzig  1901), 
S.  160  f.  Vgl.  N.  Valois,  Histoire  de  la  pragmatique  sanction  de  Bourges 
sous  Charles  VII  (Paris  1906),  p.  LXXVII  ff.  und  dazu  J.  Haller: 
Historische  Zeitschrift  Bd.  103  (1909),  S.  1  ff.,  bes.  S.  37  ff. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  35 

der  Disziplin  und  des  Glaubens  zu  sorgen.  Nun  habe  in  diesen 
Zeiten  das  allgemeine  Konzil  zu  Basel  zur  Reform  der  Kirche 
an  Haupt  und  Gliedern  bestimmte  Beschlüsse  gefasst,  diese 
dem  König  und  der  Kirche  seines  Landes  unterbreitet  und  ge- 
beten, sie  anzunehmen  und  ihre  Beobachtung  im  Reiche  an- 
zuordnen. Im  Einverständnis  mit  seinem  grossen  Rate  habe 
der  König  die  Erzbischöfe,  Bischöfe,  die  angesehensten  Kapitel, 
Aebte,  Dekane,  Pröpste,  sonstige  Prälaten  und  Geistliche,  dazu 
Doktoren  des  göttlichen  und  weltlichen  Rechtes,  Doktoren  und 
Gelehrte  der  Universitäten  und  andere  Männer  in  Bourges  sich 
versammeln  lassen.  Hier,  wo  er  selbst  den  Vorsitz  geführt 
habe,  umgeben  von  Mitgliedern  seines  Hauses,  von  Magnaten, 
Vornehmen  und  seinen  Räten,  sei  er  von  den  die  Kirche  Frank- 
reichs und  der  Dauphin^  verkörpernden  Prälaten  über  die  Lage 
der  Dinge  unterrichtet  worden.  Man  habe  geklagt  über  den 
Niedergang  des  Gehorsams  gegen  die  kirchlichen  Satzungen, 
über  den  Niedergang  des  kirchlichen  Verfassungslebens  über- 
haupt, und  schuld  daran  seien  vornehmlich  die  Reservationen, 
die  Exspektanzen  und  andere  Belastungen  der  kirchlichen  An- 
stalten und  Personen  im  Reiche.  Kirchengut  und  Kirchen- 
pfründen seien  in  die  Hände  von  Unwürdigen,  von  Ausländern 
gefallen.  Zumal  die  einträglichen  Dignitäten  und  Benefizien 
seien  unbekannten  und  unerprobten  Leuten  übertragen  worden, 
die  der  Residenzpflicht  nicht  genügten  und  bisweilen  nicht  die 
Sprache  der  ihnen  anvertrauten  Bevölkerung  verstünden,  die 
gleich  Soldknechten  nur  ihren  Vorteil  gesucht  hätten.  Alles 
dies  hat  auf  Kultus  und  Seelsorge,  auf  die  Rechte  und  Besitz- 
tümer der  kirchlichen  Anstalten  verhängnisvoll  gewirkt,  nicht 
minder  auf  die  Frömmigkeit  des  Volkes.  Die  Geistlichen 
Frankreichs,  die  durch  Wissen  und  Tugend  ausgezeichnet,  für 
den  König  und  die  Kirche  seines  Reiches  nützlich  sind,  werden 
der  Beschäftigung  mit  göttlichen  und  menschlichen  Wissen- 
schaften entfremdet;  die  Hoffnung  auf  Beförderung  ist  ihnen 
genommen.  Auch  über  die  endlosen  Streitigkeiten  im  Gefolge 
jener  Reservationen  und  Exspektanzen,  so  fährt  der  König  fort, 


36  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

sei  Beschwerde  erhoben  worden,  über  die  Beeinträchtigung  des 
Rechtes  der  Verleiher,  der  ordentlichen  Kollatoren  wie  auch  der 
Patrone.  Der  hierarchische  Stufenbau  der  Kirche  werde  ver- 
wirrt, die  Kirche  Frankreichs  unterdrückt,  Gerechtsame  des 
Königs  und  der  Krone  untergraben,  die  Reichtümer  Frankreichs 
nach  auswärts  verschleudert;  vielleicht  sei  gar  beabsichtigt,  die 
Kräfte  des  Reiches  gegenüber  dem  Ausland  zu  schwächen. 
Alles  zusammen  hat  den  Vertretern  der  französischen  Kirche 
die  Basler  Dekrete  als  heilsam  zur  Besserung  erscheinen  lassen. 
Sie  bitten  um  Annahme  der  einen  ohne  jede  Abänderung,  der 
anderen  mit  bestimmten  Abänderungen  —  man  zweifelt  ja  nicht 
an  der  Gesetzgebungsvollmacht  der  Versammlung,  die  jene 
Dekrete  erliess  *)  — ,  freilich  mit  der  Massgabe,  dass  der  Nutzen, 
die  Lage  und  die  Sitten  in  Frankreich  und  im  Delphinat  berück- 
sichtigt würden.  —  Dieser  ausführlichen  Einleitung  folgt  der 
Text  von  24  Basler  Dekreten,  von  denen  mehrere  teils  kürzere, 
teils  längere  Zusätze  erfahren.  Ihm  angefügt  ist  das  Gesuch, 
die  Dekrete  samt  ihren  Zutaten  anzunehmen  und  für  ihre  Beob- 
achtung im  Parlament  und  in  anderen  Gerichten  des  Reiches 
Sorge  zu  tragen.  Auch  der  Hoffnung  wird  Raum  gegeben, 
dass  die  Modifikationen  beim  Konzil  zugelassen  werden,  wofür 
die  königlichen  Gesandten  namens  des  Königs  und  der  Kirche 
von  Frankreich  eintreten  sollen.  Ueber  alles  soll  eine  prag- 
matische Sanktion  2)  angefertigt  werden.  —  Nochmals  ergreift 
Karl  VII.  selbst  das  Wort.  Nach  reiflicher  Beratung  mit  den 
Angehörigen  seines  Hauses,  mit  den  Mitgliedern  seines  grossen 
Rates  erfüllt  er  die  Bitte  der  Geistlichkeit  Frankreichs.  Er 
erklärt  ihre  Erwägungen  und  Schlüsse  für  angenehm  und  an- 
nehmbar, stimmt  ihnen  zu  und  verkündet  sie  sofort  als  Gesetz 
für  Frankreich  und  die  Dauphine.  Der  Befehl  ihrer  Eintragung 
unter  die  königlichen  Ordonnanzen  und  ihrer  Befolgung  in  allen 


*)  Non  hesitatione  potestatis  et  auctoritatis   condentis   et  promul- 
gantis,  ipsius  scilicet  sacre  Basiliensis  synodi  (p.  270). 
2)  Vgl.  N.  Valois  a.  a.  0.  p.  LXXIX  f. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  37 

Gerichten,  die  Zusicherung  des  Schutzes  an  die  Gehorsamen, 
die  Drohung  der  Strafe  an  die  Ungehorsamen  beenden  das 
Dokument  vom  7.  Juli  1438  *). 

Wie  ganz  anders  das  Mainzer  Acceptationsinstrument  vom 
26.  März  1439!  Seiner  äusseren  Form  nach  stellt  es  sich  dar 
als  ein  notariell  beglaubigter  Akt  mit  der  ganzen  wortreichen 
Weitschweifigkeit  dieser  Urkundenart.  In  Gegenwart  der 
namentlich  aufgezählten  Personen ,  so  heisst  es  darin  -'),  sind 
die  Gesandten  König  Albrechts  II.  erschienen,  ferner  die  Erz- 
bischöfe von  Mainz  und  Köln  sowie  Boten  des  Erzbischofs 
von  Trier,  des  Pfalzgrafen  bei  Rhein,  des  Herzogs  von  Sachsen, 
endlich  der  Erzbischöfe  von  Salzburg  und  Magdeburg.  Sie  alle 
bekunden,  mit  genügender  Vollmacht  ausgerüstet  zu  sein,  und 
lassen  nun  einen  „Zettel"  (papiri  cedula)  über  die  Annahme 
(acceptacio)  von  Beschlüssen  des  heiligen  allgemeinen  Konzils 
zu  Basel  verlesen,  das  noch  versammelt  ist  und  die  allgemeine 
Kirche  vertritt.  Die  cedula3)  beginnt  mit  der  Angabe,  dass 
die  Abgeordneten  des  Königs,  die  anwesenden  und  nur  ver- 
tretenen Kurfürsten    die  Dekrete  der  Kirchenversammlung  an- 


!)  Vgl.  dazu  Karls  VII.  Brief  an  das  Konzil  vom  8.  Juli  1438; 
Valois  a.  a.  0.  p.  87. 

2)  Chr.  Gr.  Koch,  Sanctio  pragmatica  Germanorum  illustrata 
(Argentorati  1789),  p.  94—104;  ebd.  p.  105—171  Wiederholung  des 
Textes  unter  wörtlicher  Wiedergabe  der  in  ihm  nur  allegierten  Dekrete. 
—  St.  A.  Würdtwein,  Subsidia  diplomatica  VII  (Heidelberg  1776), 
p.  330—343  bringt  den  Wortlaut  der  Acceptation,  p.  343—395  den  der 
von  ihr  allegierten  Dekrete;  andere  Drucke  verzeichnet  G.  Voigt,  Enea 
Silvio  de'  Piccolomini  I  (Berlin  1856),  S.  161  Anm.  1.  —  Ueber  den 
Mainzer  Reichstag  (März  und  April  1439)  vgl.  Gr.  Voigt  a.  a.  O.  I, 
S.  161  ff.  W.  Puckert,  Die  kurfürstliche  Neutralität  während  des 
Basler  Konzils  (Leipzig  1858),  S.  85  ff.  A.  Bach  mann:  Archiv  für 
Österreichische  Geschichte  LXXV  (Wien  1889),  S.  49  ff.  V.  von  Kraus, 
Deutsche  Geschichte  im  Ausgange  des  Mittelalters  I  (Stuttgart  und 
Berlin  1905),  S.  39  ff. 

3)  Vgl.  ihren  Wortlaut  im  Exkurs,  der  zugleich  eine  Konkordanz 
mit  dem  entsprechenden  Abschnitt  der  pragmatischen  Sanktion  herzu- 
stellen sucht. 


38  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

nehmen,  unter  Vorbehalt  freilich  von  Erklärungen,  Umgestal- 
tungen und  Einschränkungen,  die,  weil  für  die  deutsche  Nation 
und  für  eines  jeden  Provinz,  Diözese  und  Territorium  erforder- 
lich, noch  angebracht  und  auch  vom  Konzil  zum  Beschluss 
erhoben  werden  sollen  1).  Für  jetzt  sollen  von  der  Annahme 
ausgeschlossen  sein  das  Dekret  über  die  Suspension  des  Papstes 
und  andere,  die  auf  sie  sich  beziehen2).  Man  will  beharren 
bei  den  früheren  Erklärungen  der  deutschen  Nation,  das 
heisst  derjenigen  der  kurfürstlichen  Neutralität  vom  17.  März 
1438 3).  Es  folgt  die  Aufzählung  der  acceptierten  Basler 
Beschlüsse  in  der  Weise,  dass  der  Wortlaut  jedes  einzelnen 
nicht  vollständig  wiederholt  wird,  wie  dies  in  der  pragmati- 
schen Sanktion  von  Bourges  geschehen  war,  sondern  dass 
ihr  Inhalt  nur  angedeutet  ist  durch  eine  kurze  Umschreibung 
und  durch  die  Anfangsworte  des  entsprechenden  Kanon  — , 
ein  Verfahren,  das ,  wie  noch  auszuführen  sein  wird,  an  einer 
wichtigen  Stelle  zur  Unklarheit  verleitet,  im  ganzen  sicherlich 
die  Abschätzung  der  Acceptation  nach  Umfang  und  Tragweite 
alles  andere  eher  denn  erleichtert.  An  vier  Stellen  der  Cedula 
folgen  dem  Hinweis  auf  das  jeweils  angenommene  Basler  Dekret 
Erklärungen  u.  s.  w.,  die  in  Wünschen  an  das  Konzil  um  Gut- 
heissung der  deutschen  Wünsche  gipfeln;  ebensoviele  vom  Kon- 
zil noch  nicht  begonnene  Reformen  werden  von  ihm  am  Schluss 
des  „Zettels"    erbeten.     Nach   seiner  Verlesung,    so   fährt  das 


*)  W.  Puckert  a.  a.  0.  S.  95  unterscheidet  von  diesen  Erklärun- 
gen u.  s.  w.  die  im  weiteren  Verlauf  des  Instruments  noch  einmal  vorbe- 
haltenen Aenderungen:  ohne  Zweifel  zu  Unrecht;  sie  sind  identisch  und 
in  der  Cedula  selbst  als  Zusätze  zu  den  acceptierten  Dekreten  enthalten. 

2)  Vgl.  Basel  1438  Sept.  17  sess.  XXXI.  c.  4,  Mansi  XXIX,  165  ff.; 
s.  auch  J,  von  He  feie,  Konziliengeschichte  VII  (Freiburg  i.  Br.  1874), 
S.  653  f.  661  ff. 

3)  Deutsche  Reichstagsakten  herausg.  von  G.  Beckmann  XIII,  1 
(Gotha  1908),  S.  216  n.  130,  dazu  vgl.  ebd.  S.  230  n.  144,  S.  332  n.  166 
und  die  Einleitung  des  Herausgebers  S.  36  ff.  40  ff.  Nach  A.  Bach- 
mann (a.  a.  O.  LXXV,  S.  21  ff.)  wurde  die  Verkündigung  der  Neu- 
tralität von  ihren  Urhebern  insgemein  „Protestation"  genannt. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  39 

Instrument  fort,  erklärten  die  Gesandten  des  Königs  für  diesen, 
für  ganz  Deutschland  wie  auch  für  alle  geistlichen  und  weltlichen 
Fürsten  und  ihre  Untertanen  ohne  Rücksicht  des  Standes  oder 
der  Würde,  ferner  der  Erzbischof  von  Mainz  für  sich  selbst,  für 
seine  Kirche,  Suffragane  und  seinen  Klerus,  dazu  auch  für  den 
Kurfürsten  von  Brandenburg,  der  Erzbischof  von  Köln  für 
sich  und  seine  Kirche,  die  Boten  der  Erzbischöfe  von  Trier, 
Salzburg  und  Magdeburg  für  ihre  Herren,  deren  Provinzen 
und  Kirchen  die  Annahme  der  vorher  vermerkten  Konzils- 
beschlüsse, auch  hier  nicht  ohne  Wiederholung  des  bereits  in 
die  Cedula  eingeschalteten  Vorbehaltes  l).  Des  weiteren  Hess 
der  Erzbischof  von  Bremen  durch  Stellvertreter  des  von  ihm 
bevollmächtigten,  aber  erkrankten  Bischofs  von  Lübeck  kund- 
geben, dass  er  für  sich  und  seine  Suffragane  jene  Beschlüsse 
genehm  halte.  Ueber  alles  wurden  nach  Bedarf  von  den  darum 
ersuchten  Notaren  Instrumente  aufgenommen,  jedes  von  ihnen 
mit  dem  ganzen  Beiwerk  der  Zeit-  und  Ortsangaben  wie  der 
Zeugenliste,  jedes  von  ihnen  mit  einem  Zusatz  vom  28.  März 
1439  über  die  Erklärung  des  Bischofs  von  Lübeck  als  des 
Vertrauensmannes  seines  Magdeburger  Metropolitans  und  über 
dessen  Billigung  der  Beschlüsse.  Die  Unterschriften  von  drei 
Notaren  schliessen  das  Dokument  ab.  Jeder  von  ihnen  freilich 
bekundet,  dass  er  .es  durch  einen  anderen  habe  niederschreiben 
lassen,  da  er  selbst  durch  andere  Geschäfte  verhindert  worden 
sei;  immerhin  habe  er  es  wenigstens  unterschrieben,  bekannt 
gemacht  und  mit  seinem  Zeichen  versehen.  — 


l)  .  .  .  iuxta  preinserte  cedule  capitulorum  continenciam  et  tenorem 
prefati  sacri  Basiliensis  concilii  decreta  solempniter  acceptarunt  et 
quilibet  eorum  sigillatim  expresse  acceptavit,  salvis  tarnen  in  quibusdam  ex 
eis  modificacionibus,  declaracionibus  et  limitacionibus  ipsis  et  Germanice 
nacioni  et  cuiiibet  eorum  singulariter  in  suis  provinciis,  diocesibus  seu 
territoriis  congruentibus  et  accommodis,  factis  et  fiendis,  suis  loco  et  tem- 
pore oportunis  exprimendis  et  per  sacrum  ßasiliense  concilium,  prout 
sperant,  decretandis  (Koch  S.  100);  vgl.  oben  S.  38  Anm.  1  und  den 
Text  der  Cedula  im  Exkurs. 


40  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Die  ganze  Umständlichkeit,  um  nicht  zu  sagen  Schwer- 
fälligkeit des  deutschen  Verfahrens  gegenüber  dem  franzö- 
sischen springt  so  sehr  in  die  Augen,  dass  Worte  darüber  zu 
verlieren  überflüssig  dünkt. 

In  Bourges  handelte  der  französische  König  in  eigener 
Person,  nach  Anhörung  der  Vertreter  seiner  Kirche  —  ecclesia 
regni  et  Delphinatus  nostrorum,  wie  er  fast  bis  zur  Ermüdung 
des  Lesers  immer  aufs  neue  wiederholt.  Er  sieht  durch  die 
kirchlichen  Uebelstände  sein  Volk  leiden,  die  eingeborene 
Geistlichkeit  geschädigt,  die  Rechte  seiner  Krone  beeinträchtigt, 
den  Ausländern  den  Eintritt  in  französische  Kirchenämter  und 
Pfründen  erschlossen.  Wie  einst  in  den  Tagen  Philipps  IV. 
des  Schönen  (1285 — 1314)  ertönt  die  Klage,  dass  die  Reich- 
tümer Frankreichs  ausser  Landes  gingen,  dass  solches  aber 
nur  den  auswärtigen  Feind  stärker  mache.  Karl  VII.  accep- 
tierte  die  ihm  vorgetragenen  Basler  Beschlüsse  samt  ihren 
Abänderungen,  die  wiederum  in  erster  Linie  auf  die  franzö- 
sischen Verhältnisse  und  Bedürfnisse  Rücksicht  nahmen.  Er 
erhob  sie  zum  Staatsgesetz,  ohne  in  diesem  selbst  nochmals 
einzugehen  auf  die  Hoffnung  seiner  Prälaten,  dass  die  Basler 
Versammlung  die  Umgestaltungen  gutheissen  würde.  Er  tat 
es  ohne  irgendwelche  Andeutung  des  unversöhnbaren  Zwistes 
zwischen  Basel  und  Rom.  Er  stand  über  den  Parteien.  Sein 
Wille  entschied  und  schuf  Gesetz,  quoniam  sie  fieri  volumus 
et  iubemus  per  praesentes  *). 

In  Mainz  handelten  neben  den  beiden  persönlich  er- 
schienenen rheinischen  Erzbischöfen  von  Mainz  und  Köln  die 
Boten  der  übrigen  Kurfürsten  und  Metropoliten,  dazu  die  Boten 
des  abwesenden  Königs  Albrecht  II.  Eine  Schilderung  der 
kirchlichen  Lage  fehlt,  dagegen  findet  sich  an  zwei  Stellen  der 
Vorbehalt,  dass  die  für  erforderlich  gehaltenen  Zusätze  zu  den 
aeeeptierten  Beschlüssen  vor  dem  Konzil  zur  Sprache  gebracht 
werden  sollen,  um  neuen  Verhandlungen   über  ihre  Gültigkeit 


Ordonnances  XIII,  p.  291. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  41 

Tür  und  Tor  zu  öffnen.  Dass  der  Inhalt  des  „Zettels"  Gesetz 
werden  soll,  davon  verlautet  nichts,  da  dies  erst  nach  Billigung 
jener  Zusätze  durch  die  Basler  erwogen  werden  konnte.  Still- 
schweigend wurde  damit  das  Konzil  als  die  Instanz  für  kirchliche 
Gesetzgebung  anerkannt,  treu  aber  ihrer  früheren  Neutralitäts- 
erklärung wollten  die  Deutschen  weder  die  Frage  nach  der  Gültig- 
keit des  Suspensionsdekretes  wider  den  Papst  entscheiden  noch  in 
sie  irgendwie  eingreifen.  In  Bourges  hatte  man  sich  zur  Tat 
entschlossen,  in  Mainz  sich  verständigt  über  den  Vorsatz  zu 
einer  Tat.  Nur  ein  Fortschritt  war  gemacht.  Nicht  mehr 
die  „ deutsche  Nation"  als  Konzilspartei  war  am  Werke  wie 
vor  etwas  mehr  denn  zwanzig  Jahren  in  Konstanz.  Der  Be- 
griff der  deutschen  Nation  war  seither  fester  geworden  und 
räumlich  umgrenzt.  Er  liess  sie  jetzt  erscheinen  als  eine 
staatliche  Einheit,  die  vom  König  und  Kurfürstenkolleg  ver- 
körpert wurde,  als  eine  Einheit  auch  in  kirchlicher  Hinsicht, 
da  in  der  Stadt  am  Rhein  die  sechs  Vorsteher  der  sechs 
Kirchenprovinzen  auf  deutschem  Boden  oder  doch  ihre  Ab- 
geordneten sich  eingefunden  hatten,  der  Erzbistümer  von  Mainz, 
Köln,  Trier,  Magdeburg,  Salzburg  und  Bremen.  Sie  nahmen 
für  sich,  ihre  Kirchen  und  Suffraganbischöfe  die  Basler  De- 
krete an.  Man  ist  geneigt,  in  diesem  ihrem  Auftreten  wenig- 
stens einen  Keim  nationalen  Zusammenschlusses  zum  Zwecke 
einer  Sonderstellung  innerhalb  der  allgemeinen  Kirche  zu  er- 
blicken. 


Hiermit  ist  ein  Problem  angedeutet,  das  nur  gelöst  wer- 
den kann  durch  die  Vergleichung  der  zu  Bourges  und  zu 
Mainz  acceptierten  Satzungen  1). 

An  die   verschiedene  Art  der  Einfügung   der   acceptierten 

!)  Zum  Folgenden  vgl.  den  dritten  Abschnitt  des  Exkurses.  —  Eine 
Synopsis  der  Mainzer  Acceptation  mit  dem  Konkordate  vom  Jahre  1418 
findet  sich  bei  B.  Gebhardt,  Die  Gravamina  der  Deutschen  Nation 
gegen  den  römischen  Hof  (2.  Aufl.,  Breslau  1895),  S.  114  ff.;  vgl.  auch 
G.  Voigt,  Enea  Silvio  I,  S.  164  f. 


42  WerminghofF,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Basler  Dekrete  in  beide  Dokumente  ist  nur  im  Vorübergehen 
noch  einmal  zu  erinnern:  in  Bourges  wiederholte  man  ihren 
ganzen  Wortlaut,  in  Mainz  allegierte  man  ihre  Eingangs- 
worte. Dort  strebte  man  eine  gewisse  Systematik  der  Materien 
an,  hier  folgte  man  der  jeden  inneren  Zusammenhang  des  In- 
halts auflösenden  chronologischen  Reihe  der  Basler  Konzils- 
sitzungen. Die  Sanktion  wurde  in  Mainz  benutzt,  aber  neben 
ihr  noch  ein  Exemplar  der  konziliaren  Satzungen  selbst.  Von 
24  Dekreten  im  Rahmen  der  Sanktion  kehren  22  im  Mainzer 
„Zettel"  wieder,  ein  weiteres  wurde  zu  Mainz  in  seinem  alten 
Umfang  wiederhergestellt  und  nur  eins  wurde  nicht  auch  von 
den  Deutschen  angenommen.  Und  umgekehrt:  von  26  Dekreten 
des  Mainzer  „Zettels"  decken  sich  22  mit  denen  der  Sanktion, 
eins  ist  ihr  gegenüber  erweitert,  drei  endlich  haben  kein  Vor- 
bild in  ihr.  An  beiden  Orten  beliebte  man  zu  einzelnen  Ab- 
schnitten Zusätze ,  deren  Umfang  und  Tragweite  natürlich  ent- 
sprechend ihren  Urhebern  und  den  Ländern,  für  deren  Kirchen 
sie  in  Kraft  treten  sollten,  verschieden  war.  Es  wird  sich 
ergeben,  dass  auch  die  Zusätze  von  Bourges  auf  die  von 
Mainz  von  Einfluss  gewesen  sind. 

Die  weitere  Betrachtung  gestaltet  sich  übersichtlicher,  fasst 
sie  zunächst  das  der  Sanktion  und  der  Acceptation  Gemeinsame 
ins  Auge. 

Gemeinsam  ist  beiden  der  Wunsch  nach  einer  Reform 
der  kirchlichen  Verfassung  und  Verwaltung.  Gefordert  wird 
die  periodische  Wiederkehr  der  allgemeinen  Konzilien  *) ;  be- 
zeichnend tritt  dies  Verlangen  an  die  Spitze  eines  jeden  der 
Dokumente.  In  Bourges  und  in  Mainz  erkennt  man  in  der 
Wiederherstellung  des  Wahlrechtes  von  Kapiteln  und  Kon- 
venten ein  Hauptmittel  der  Besserung 2) ,  zumal  man  wohl 
die  päpstlichen   gratiae   expectativae   abschafft,   päpstliche  Er- 

*)  Bourges  I  =  Mainz  I.  —  Die  zu  den  Buchstaben  B.  und  M.  hin- 
zugefügten Ziffern  entsprechen  den  Abschnitten  in  den  Dokumenten; 
vgl.  den  Exkurs. 

2)  B.  TU.  IV  =  M.  II.  XXI. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  43 

nennungen  aber  nur  für  wenige  Pfründen  an  jeder  Kirche 
zulässt,  die  konziliaren  Satzungen  über  die  Eigenschaften  der 
an  allen  Einzelkirchen  anzustellenden  Geistlichen  und  über  die 
ordnungsgemässe  Kollation  der  Benefizien  insgesamt  wieder- 
holt1). Das  sittliche  Verhalten  der  Kleriker  bleibt  keines- 
wegs unbeachtet 2)  und  ebensowenig  ihr  Auftreten  beim 
Gottesdienst3),  ihr  Schuldenmachen4),  die  Veranstaltung  von 
Kapitelversammlungen  zu  Zeiten  des  Hochamtes5)  oder  von 
Schauspielen  im  Gotteshause •) ,  die  allzuhäufige  Verhängung 
kirchlicher  Zensuren7).  Schon  aus  den  Satzungen  über  die 
Generalkonzilien  und  das  Wahlrecht  der  kirchlichen  Korpora- 
tionen sprach  ein  tiefes  Misstrauen  wider  Rom ,  der  Versuch 
auch  einer  Wiedererweckung  alter  bischöflicher  Befugnisse 
über  den  Diözesanklerus,  die  von  der  Papstgewalt  aufgesogen 
worden  waren.  Für  die  Versammlungen  zu  Bourges  und  zu 
Mainz  waren  daher  die  weiteren  Beschlüsse  der  Basler  will- 
kommen, die  der  Ausdehnung  päpstlicher  Reservationen  über 
den  Kreis  der  im  Corpus  iuris  canonici  aufgeführten  entgegen- 
traten8), die  den  päpstlichen  Schreiben  über  Pfründenverzicht 
oder  Pfründenentziehung  sich  in  den  Weg  stellten  9),  vor  allem 
dem  Unwesen  der  über  Gebühr  und  Not  häufigen  Appellationen 
nach  Rom,  folgeweise  den  Störungen  der  ordentlichen  Rechts- 
pflege in  den  kleineren  Bezirken  der  kirchlichen  Verwaltung 
steuerten  10),  um  hierdurch  den  ruhigen  Pfründenbesitz  der  In- 
haber zu  gewährleisten  ll).   Zudem  machte  man  sich  den  Basler 


»)  B.  VI  =  M.  XXV. 

2)  B.  XXI  =  M.  V. 

3)  B.  XII-XVII  =  M.  XI-XVI. 
*)  B.  XVIII  =  M.  XVII. 

5)  B.  XIX  =  M.  XVIII. 

6)  B.  XX  =  M.  XIX. 

7)  B.  XXII.  XXIII  =  M.  VI.  VII. 

8)  B.  V  =  M.  XXII. 

9)  B.  XXIV  =  M.  XXIII. 

10)  B.  VII.  VIII  =  M.  XXVI.  VIII. 

11)  B.  IX  =  M.  X. 


44  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Annatenbeschluss  zu  eigen *) ;  deutlicher  hätte  die  Ueberein- 
stimmung  mit  dem  Konzil,  der  Gegensatz  zum  Papst  nicht 
gekennzeichnet  werden  können. 

Gleichwohl  wäre  es  kaum  angebracht,  die  weitgehende 
Verwandtschaft  und  Gleichheit  der  französischen  und  der 
deutschen  Urkunde  zum  alleinigen  Massstab  ihrer  Beurteilung 
zu  machen.  Auch  ihre  Verschiedenheiten  verdienen  erwogen 
zu  werden,  und  nicht  allein  die  in  der  Wertung  beider  Dokumente 
durch  ihre  Urheber  beruhenden  —  wir  nannten  die  Sanktion, 
weil  sofort  als  Gesetz  eingeführt,  eine  Tat,  die  Mainzer  Accep- 
tation,  weil  noch  auf  Verhandlungen  mit  dem  Konzil  bedacht, 
den  Vorsatz  einer  Tat2)  — ,  sondern  auch  die  ihres  Inhaltes 
dank  der  nur  je  in  ein  Dokument  aufgenommenen  Dekrete. 

Gleich  hier  setzt  eine  Schwierigkeit  ein.  Es  fällt  auf, 
dass  im  Mainzer  Instrument  ein  wesentlicher  Basler  Kanon 
fehlt,  der  über  die  Superiorität  eines  allgemeinen  Konzils  über 
den  Papst,  wie  er  nach  dem  Vorgang  des  Konstanzer  Konzils 
von  dessen  Nachfolger  am  15.  Februar  1432  erneuert  worden 
war3).  Die  pragmatische  Sanktion  hatte  die  hier  verkündete 
Lehre  sich  zu  eigen  gemacht,  die  Acceptation  hingegen  findet 
nur  die  Worte:  „Wir  nehmen  erstlich  an  das  Dekret,  das  zu 
Konstanz  erlassen  und  zu  Basel  erneuert  wurde,  über  die 
Autorität  und  Gewalt  der  heiligen  allgemeinen  Konzilien  und 
über  die  Zeiten  wie  die  Arten  sie  zu  berufen  und  zu  veran- 
stalten, das  der  ersten  Sitzung  (von  Basel)  angehört  und  mit 
dem  Satze  beginnt:  Häufige  Veranstaltung   von  Konzilien   ge- 


*)  B.  XI  =  M.  IX.  —  Auf  die  Abschnitte  B.  II  und  X,  deren 
letzter  nur  in  Mainz  (XX),  allerdings  in  ursprünglicher  Gestalt,  wieder- 
holt wurde,  ist  alsbald  und  weiter  unten  S.  48  ff.  einzugehen. 

2)  Siehe  oben  S.  41. 

3)  Basel  1432  Febr.  15  sess.  IL  cc.  1—4,  Mansi  XXIX,  21  F.  =  Prag- 
matische Sanktion  II,  Ordonnances  XIII,  p.  271  mit  dem  Zusatz :  Accep- 
tavit  et  acceptat  prout  iacent  iam  dictorum  preletorum  ceterorumque 
virorum  ecclesiasticorum  ipsam  ecclesiam  representantium  congregatio 
sepedicta.    Vgl.  Konstanz   1415  April  6  sess.  V,  Mansi  XXVII,  590  f. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  45 

hört  vorzüglich  zur  Pflege  des  Ackers  des  Herrn  u.  s.  w.  Eben- 
so das  Dekret  der  zwölften  Sitzung  über  die  Wahlen."  Es 
liegt  auf  der  Hand:  die  Entscheidung  darüber,  ob  in  diesen 
Worten  zugleich  ein  Hinweis  auf  die  Beschlüsse  der  zweiten 
Basler  Sitzung  zu  finden  ist,  auch  das  Urteil  über  die  grund- 
sätzliche Stellungnahme  der  Mainzer  Versammlung  zur  schlecht- 
hin die  ganze  Reform  beherrschenden  Anschauung  in  sich 
schliesst,  einer  Anschauung,  von  deren  Gültigkeit  oder  Un- 
gültigkeit die  Befugnis  zur  Annahme  der  Konzilsbeschlüsse  in 
letzter  Linie  abhing. 

Die  Frage  ist  von  Koch  und  Hefele  bejaht  worden 1). 
Das  Dekret  Frequens,  erlassen  in  der  ersten  Basler  Sitzung 
vom  14.  Dezember  1431,  handle  allein  von  der  periodischen 
Wiederkehr  der  allgemeinen  Konzilien,  von  der  Möglichkeit, 
dass  bei  Erledigung  des  Stuhles  Petri  ein  Konzil  selbst  Ort 
und  Zeit  des  nächsten  festlegen  könne,  nicht  eigentlich  „von 
der  Autorität  und  Gewalt  der  heiligen  allgemeinen  Konzilien". 
Folglich  müsse  angenommen  werden,  auch  zu  Mainz  sei  das 
Dekret  Sacrosancta,  erlassen  in  der  zweiten  Basler  Sitzung 
vom  15.  Februar  1432,  acceptiert  worden,  wie  man  es  einst 
in  Konstanz  formuliert,  in  Basel  wiederholt  und  in  Bourges 
sich  zugeeignet  habe.  Diese  Hypothese  will  Klarheit  schaffen, 
wo  vielleicht  eine  Unklarheit  beabsichtigt  war.  In  Mainz 
wünschte  man  die  Gelegenheit  zu  erneuten  Verhandlungen 
selbst  mit  dem  zu  Basel  abgesetzten  Papst  sich  nicht  nehmen 
zu  lassen;  deshalb  acceptierte  man  „für  den  Augenblick" 
nicht  das  Dekret  seiner  Suspension,  erklärte  vielmehr,  an  der 
„ Protestation ",  d.  h.  an  der  Neutralität  vom  17.  März  1438, 
festhalten  zu  wollen  2).  Dass  die  Urkunde  der  Acceptation  auch 
nach  dem  neunten  Jahre  von  Eugens  IV.  Pontifikat  datierte  s), 


*)  Koch,  Sanctio  pragmatica  p.  111.     Hefele  a.  a.  0.  VII,  S.  775. 

2)  Vgl.  oben  S.  38  Anm.  3. 

s)  Anno  . .  .  1439  .  .  .  pontificatus  sanctissimi  in  Christo  patris  et 
domini  nostri,  domini  Eugenii  divina  Providentia  pape  quarti  anno  nono 
(Koch  a.  a.  0.  S.  105  mit  Anm.  a). 


46  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

kann  als  aus  der  Gewohnheit  der  Notare  stammend  nicht 
weiter  in  Betracht  gezogen  werden.  Schliesslich  aber:  die 
Mainzer  erwähnen  nur  die  erste  Sitzung  des  Konzils.  Hätten 
sie  auch  das  Dekret  Sacrosancta  der  zweiten  Sitzung  accep- 
tieren  wollen,  so  wäre  es  unbedingt  erforderlich  gewesen, 
solches  zu  vermerken.  Indem  freilich  die  Hilfe  der  Basler 
erwartet  wird  zur  Bestätigung  der  deutschen  Zusätze,  nicht 
auch  die  des  Papstes,  indem  Basler  Dekrete  angenommen  wer- 
den, nicht  päpstliche  Dekretalen,  erkennen  die  Deutschen  das 
Konzil  als  die  letzte  Quelle  des  kirchlichen  Rechtes  an.  Eine 
Allegierung  also  des  Beschlusses  Sacrosancta  wäre  an  sich  mit 
dem  Geiste  der  Acceptation  vereinbar  gewesen.  Man  unterliess 
sie  aber  aus  dem  Streben  heraus,  durch  sie  nicht  den  Weg 
der  Verhandlungen  mit  dem  Papst  sich  abzuschneiden,  viel- 
leicht auch  aus  einer  Art  von  Gleichgültigkeit,  da  man  darauf 
verweisen  konnte,  dass  ja  eben  die  Lehre  von  der  Superiori- 
tät  eines  Konzils  über  den  Papst  wiederholt  worden  war  in 
jenem  Dekret  der  31.  Basler  Sitzung  vom  24.  Januar  1438, 
das  im  fünfundzwanzigsten  Abschnitt  der  Acceptation  seine 
Stelle  erhielt1).     In  Bourges    erneuerte    man    die  Dekrete   der 


x)  Es  heisst  in  der  Mainzer  Cedula  (XXV) :  Item  decretum  de  colla- 
tionibus  beneficiorum  in  tricesima  prima  sessione  et  incipit :  Placuit  di- 
vine  pietati  cum  aliis  decretis  de  qualificacionibus  et  ordine  promovendorum 
loquentibus.  In  dem  allegierten  Dekret  aber  wird  erklärt:  .  .  .  predis- 
posuit  eadem  divina  pietas  in  sacro  Constanciensi  concilio  synodorum 
universalium  iurisdictionem  ita  declarari,  ut  nulli  relinqueretur  ambigendi 
occasio,  cum  decreto  solempni  diffinitum  extitit  universale  concilium 
habere  auctoritatem  inmediate  a  Christo,  cui  quilibet,  cuiuscumque  status 
et  dignitatis,  eciamsi  papalis  fuerit,  obedire  tenetur  in  his,  que  pertinent 
ad  fidem,  ad  extirpacionem  scismatis  et  reformacionem  ecclesie  Dei  in 
capite  et  in  membris  ac  pertinentibus  ad  ea  (Basel  1438  Jan.  24  sess. 
XXXI  c.  2,  Mansi  XXIX,  161  =  Bourges  VI  p.  275;  vgl.  Konstanz 
1415  April  6  sess.  V,  Mansi  XXVII,  590  f.).  Im  Dekret  Sacrosancta 
hatte  das  Basler  Konzil  erklärt,  quod  ipsa  synodus  in  Spiritu  sancto 
legitime  congregata,  generale  concilium  faciens  et  ecclesiam  militantem 
representans,  potestatem  inmediate  a  Christo  habet,  cui  quilibet,  cuius- 
cumque status  vel  dignitatis,  etiamsi  papalis  existat,  obedire  tenetur  in 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  47 

2.  und  31.  Sitzung,  in  Mainz  nur  die  der  letzterwähnten.  Dort 
wollte  man  Klarheit,  hier  schuf  man  Unklarheit  aus  Erwä- 
gungen heraus,  die  auf  die  Misslichkeit  der  deutschen  Neutra- 
lität schliessen  lassen  *). 

Gegenüber  dem  Kern  der  pragmatischen  Sanktion  weist 
sodann  der  „Zettel"  der  Mainzer  Acceptation  an  vier  Stellen 
Basler  Dekrete  auf,  die  dort,  sei  es  ganz  sei  es  teilweise, 
fehlen.  Es  sind  die  Abschnitte  III  de  conciliis  synodalibus 
et  provincialibus  observandis,  IV  de  Judeis  et  neophidis,  XX 
de  numero  et  qualitate  cardinalium,  endlich  XXIV  de  com- 
munione  sacramenti  eukaristie.  Es  geht  nicht  an,  hier  von 
einem  Zufall  zu  sprechen;  die  Gründe  aber  für  die  Aufnahme 
gerade  dieser  Kanones  lassen  sich  nur  vermuten. 

Die  Anführung  von  Abschnitt  III  de  conciliis  synodalibus 
et  provincialibus  observandis  ist  vielleicht  darauf  zurückzu- 
führen, dass  die  Acceptation  nicht  zuletzt  ein  Werk  von  Erz- 
bischöfen und  Bischöfen  war.  Jene  mochten  wünschen,  dass, 
bei  der  Zurückdrängung  der  päpstlichen  Gewalt,  ihre  eigenen 
Metropolitanbefugnisse  über  die  Suffragane  wieder  gesteigert 
würden.  Wie  sehr  doch  waren  sie  im  Laufe  der  Zeit  eben 
durch  die  päpstliche  Verwaltung  und  die  kurialen  Exemtions- 
privilegien geschmälert  worden !  Ihnen  lag  die  Forderung 
nahe,    dass    die    Bedeutung    der    Provinzialkonzilien    gehoben 

his,  que  pertinent  ad  fidem  et  extirpationem  dicti  scismatis  et  ad  gene- 
ralem  reformationem  ecclesie  Dei  in  capite  et  in  membris  (Basel  1432 
Febr.  15  sess.  II  c.  3,  Mansi  XXIX,  21  =  Bourges  II  p.  271).  —  Die 
Methode,  nur  die  Anfangsworte  der  acceptierten  Dekrete  zu  wiederholen, 
nicht  den  ganzen  Wortlaut,  diente  in  Mainz  zur  Verschleierung  des 
Sachverhaltes.  Sie  war  um  so  bedenklicher,  als  dadurch  Zweifel  ent- 
stehen konnten  über  die  Gültigkeitsdauer  von  Basler  Bestimmungen,  die 
das  Konzil  selbst  nur  als  vorübergehende  hingestellt  hatte;  vgl.  Ab- 
schnitt XXVI  mit  Bourges  VII  und  dem  Zusatz  6  zur  Sanktion  p.  282, 
der  auf  die  Gefahr  allzu  langer  Dauer  des  Konzils  aufmerksam  ge- 
macht hatte. 

*)  In  der  Ausgabe  von  Koch  a.  a.  0.  sind  daher  die  Seiten  111 
bis  113  zu  Unrecht  mit  dem  vollen  Wortlaut  der  Dekrete  der  2.  Basler 
Sitzung  angefüllt. 


48  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

würde.  Sie  konnten  dann  auch  die  Wiederbelebung  der  Diö- 
zesansynoden  in  Kauf  nehmen,  ohne  für  ihre  Stellung  in  und 
über  der  Provinz  besorgt  sein  zu  müssen.  Den  Bischöfen 
andererseits  brauchte  die  Einfügung  dieses  reformatorischen 
Dekrets  nicht  unwillkommen  zu  sein.  Es  erneute  ihre  Ab- 
hängigkeit von  den  Metropoliten,  die  sie  gegen  die  vom  Papste 
eingetauscht  hätten,  Hess  sie  aber  in  einer  erhöhten  Gewalt 
über  den  Diözesanklerus  einen  gewissen  Ersatz  finden,  in 
einer  Gewalt  also,  die  der  auch  ihnen  durch  päpstliche  Ueber- 
griffe  entfremdeten  Geistlichkeit  wiederum  den  Zaum  bischöf- 
licher Rechte  auferlegte  x). 

Ungewiss  bleibt  ferner,  warum  man  gerade  zu  Mainz  in 
Abschnitt  IV  die  Basler  Satzung  über  die  Juden  und  Neo- 
phyten  wiederholte 2),  und  des  weiteren  vermag  man  allenfalls 
nur  zu  vermuten,  aus  welchem  Anlass  der  Mainzer  Abschnitt  XX 
de  numero  et  qualitate  cardinalium  abweicht  vom  zehnten  Ab- 
schnitt der  pragmatischen  Sanktion.  Von  vornherein  ist  abzu- 
lehnen, dass  der  Mainzer  „Zettel"  bei  seiner  weitgehenden 
Abhängigkeit  von  der  Sanktion  hier  nicht  mehr  habe  bringen 
wollen  als  diese.  In  solchem  Falle  hätte  man  in  Mainz  nicht 
nur  die  Eingangsworte  des  Basler  Dekrets,  sondern  auch  die 
letzten  Worte  des  allein  als  gültig  angesehenen  Teildekrets 
wiederholen  müssen.  Beliebte  man  in  Mainz  aber  nur  die  An- 
führung der  ein  Dekret  einleitenden  Worte,  so  deutete  man 
damit  auf  die  Annahme  des  ganzen  Dekrets  hin;  nur  unter 
dieser  Voraussetzung  lässt  sich  die  Mainzer  Urkunde  überhaupt 


l)  Ueber  die  Gründe,  warum  dieses  Dekret  nicht  auch  in  Bourges 
acceptiert  wurde,  vgl.  W.  Puckert,  Neutralität  S.  93  f.,  wonach  dem 
König  die  Provinzial-  und  Diözesansynoden  als  ein  Mittel  erschienen 
wären,  das  Reich  kirchlich  zu  spalten,  und  er  Bedenken  getragen  hätte, 
sie  unmittelbar  dem  Universalkonzil  zu  unterstellen;  ebenso  V.  vonKraus 
a.  a.  0.  I,  S.  42  f.  N.  Valois  a.  a.  0.  p.  LXXXIII  verweist  auf  die  Ge- 
schichte der  15.  Basler  Sitzung. 

8)W.  Puckert  a.  a.  0.  S.  93  bezeichnet  das  Dekret  als  einen 
Eingriff  in  die  Ordnung  der  Pariser  Universität,  deshalb  fehle  es  in  der 
Sanktion  von  Bourges. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  49 

prüfen,  und  überall  sonst,  in  zweiundzwanzig  Abschnitten, 
decken  sich  die  Basler  Satzungen,  ihr  in  Bourges  wieder- 
kehrender und  in  Mainz  angedeuteter  Wortlaut,  —  nur  hier 
gehen  die  Sanktion  und  die  Acceptation  auseinander.  Mit 
Hefele  *)  sind  wir  der  Meinung,  dass  im  Druck  der  pragmati- 
schen Sanktion  der  übernommene  Teil  des  Dekrets  die  Sätze 
umspannt :  Cum  summo  pontifici  —  robore  inviolabiliter  perman- 
suro  2).  Zwar  folgen  noch  die  Worte:  Facto  vero  scrutinio  ac 
publicato  maiorem  partem  cardinalium  per  subscriptionem  col- 
legialiter  consensisse,  desuper  et  apostolice  littere  in  subscrip- 
tione  cardinalium  conficiantur,  salvo  quod  videtur  nimis  rigo- 
rosum  contra  nepotes  Romanorum  pontificum,  si  alias  sint 
bene  meriti  prout  et  alii;  allein  der  Satz:  Facto  vero  —  sub- 
scriptione  cardinalium  conficiantur  begegnet  unmittelbar  vor- 
her im  Schluss  des  acceptierten  Teildekrets :  Cum  summo  ponti- 
fici —  robore  inviolabiliter  permansuro  3).  Er  entbehrt  hier  des 
den  Sinn  störenden  Fehlers  und  wurde  lediglich  aus  Versehen 
noch  einmal  wiederholt.  Nur  die  Worte:  salvo  —  alii  sind  dem- 
nach als  ein  Zusatz  der  Versammlung  von  Bourges  anzusehen. 
Aus  allem  folgt:  in  Bourges  und  in  Mainz  acceptierte  man 
den  Basler  Beschluss  über  die  Zahl  der  Kardinäle,  in  deren 
aus  vierundzwanzig  Mitgliedern  bestehendem  Kollegium  keine 
Nation  mehr  als  ein  Drittel  Angehörige  haben  dürfe,  über  ihre 
wissenschaftliche  Ausbildung  und  Graduierung,  über  die  geringe 
Zahl  von  Fürstensöhnen  unter  den  Kardinälen  und  den  Aus- 
schluss päpstlicher  Nepoten,  über  die  Hinzuwahl  von  besonders 
heiligen  Männern  und  Griechen,  über  den  Ausschluss  der  Kar- 

»)  Hefele  a.a.O.  VII,  S.  768  f. 

2)  Ordonnances  XIII,  p.  283. 

3)  Es  heisst  hier :  Non  fiat  cardinalium  electio  solum  per  auricularia 
vota,  sed  illi  solum  assumi  poterunt,  in  quos  facto  vero  scrutinio 
ac  publicato  maiorem  partem  cardinalium  per  subscriptionem  manus 
proprie  constiterit  collegialiter  consensisse,  desuper  etiam  apostolice 
littere  cum  subscriptione  cardinalium  conficiantur,  decreto  huius  sacri 
concilii  in  quarta  sessione  solenniter  publicato,  quod  incipit :  Item.  Cum 
multiplicatio  cardinalium  etc.  (Basel  1432  Juni  20  sess.  IV  c.  6,  Mansi 

Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  4 


LIBRARY  ST. MARYS  COLLEGE 


50  "Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

dinalskreation  per  vota  auricularia  x),  über  die  Kardinalswahl 
durch  Skrutinien  und  die  schriftliche  Zustimmung  der  Majori- 
tät des  Kollegiums,  endlich  über  die  Gültigkeit  des  Basler 
Dekrets  vom  20.  Juni  1482.  In  Mainz  jedoch  ging  man  weiter. 
Recipiert  wurden  überdies  die  Bestimmungen  über  den  Eid 
der  Kardinäle,  über  die  Verwendung  ihrer  Einkünfte  aus  den 
Titelkirchen  und  deren  Visitation,  über  die  allgemeinen  Pflichten 
der  Kardinalbischöfe,  -presbyter  und  -diakone.  Die  Kardinäle 
sollten  einen  nachlässigen  Papst  tadeln  und  ihm  drohen  dürfen, 
sich  an  ein  Konzil  wenden  zu  wollen,  wie  auch  der  Papst  sie 
ermahnen  könne.  Sie  sollten  u.  a.  ihre  Obliegenheiten  unent- 
geltlich erfüllen,  unparteiisch  sein,  ihre  Verwandten  nicht  allzu- 
sehr begünstigen,  gleich  dem  Papste  übertriebenen  Luxus 
meiden,  unwichtigere  Angelegenheiten  der  Rota  überlassen.  Für 
den  Empfang  des  Ringes  endlich  sollte  nach  dem  Tode  des  Kar- 
dinals nicht  ein  Teil  seiner  Habe  beschlagnahmt  werden.  Wir 
bekennen,  einen  Grund  für  die  Auslassung  dieses  letzteren 
Teiles  in  der  Sanktion,  für  seine  Herübernahme  in  die  Accep- 
tation  nicht  angeben  zu  können.  In  Frankreich  und  Deutsch- 
land bestand  ein  Interesse  daran,  dass  im  Kardinalkolleg  keine 
Nation  vor  der  anderen  durch  mehr  Kardinäle  bevorzugt  sei, 
dass  den  päpstlichen  Nepoten  der  Kardinalat  verschlossen 
wurde,  wenngleich  diese  letztere  Frage  in  Bourges  weniger 
ernst  genommen  worden  zu  sein  scheint.  Warum  begnügte 
man  sich  in  Mainz  nicht  mit  dem,  was  den  französischen  Prä- 
laten ausreichte?  Man  griff  dadurch  ein  in  die  disziplinaren 
Befugnisse  des  Papstes  gegenüber  den  Kardinälen,  die  man  in 
Bourges  nicht  berührte.  Das  Verhalten  der  Kardinäle  gegen- 
über ihren  Titelkirchen  tastete  kein  eigentliches  Interesse  der 
deutschen  Nation  an;  weshalb  wollte  man  es  festlegen  gleich 
allen  übrigen  Konzilssatzungen  hinsichtlich  der  sonstigen  kar- 


XXIX,   34)    in    suo   robore    inviolabiliter    permansuro.    Facto   vero 
(Ordonnances  XIII,  p.  283). 

')  Vgl.  P.  Hinschius,  Kirchenrecht  I  (Berlin  1869),  S.  340. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  51 

dinalizischen  Pflichten?  Gedachte  man  beim  Papst  Eindruck 
zu  machen,  wenn  man,  wie  einst  das  Konzil  es  getan  und 
wofür  es  von  Eugen  IV.  getadelt  worden  war l) ,  den  Kardi- 
nälen erlaubte,  einen  pflichtvergessenen  Nachfolger  Petri  mit 
Anbringung  des  Falles  bei  einem  Generalkonzil  zu  schrecken? 
Fragen  ohne  Antwort,  zumal  eine  solche,  soweit  wir  sehen, 
auch  nicht  an  Erfahrungen  der  Jahre  1438  oder  1439  an- 
knüpfen kann. 

Es  bleibt  endlich  Abschnitt  XXIV  de  communione  sacra- 
menti  eukaristie  als  Bestandteil  allein  des  Mainzer  „Zettels".  Das 
acceptierte  Basler  Dekret  vom  26.  Dezember  1437  schloss  das 
Abendmahl  in  beiderlei  Gestalt  nicht  aus,  wenn  es  gleich  das 
Abendmahl  unter  einer  Gestalt  als  Gesetz  festzuhalten  befahl;  es 
war  der  letzte  Kanon  gewesen  in  der  hussitischen  Angelegenheit 
und  wenige  Tage  nach  dem  Tode  Kaiser  Sigmunds  (f  9.  De- 
zember 1437)  verkündet  worden.  Ohne  Zweifel  nahm  man  es 
jetzt  auf  Anregung  des  neuen  Königs  von  Böhmen  an,  der 
zugleich  deutscher  König  war,  eben  Albrechts  IL,  um  nicht 
die  Wiederherstellung  des  kirchlichen  Friedens  in  Böhmen 
zu  gefährden  und  um  nicht  den  Zündstoff  auf  staatlichem 
Gebiet  durch  solchen  auf  religiösem  zu  vermehren.  Das  Dekret 
war  dehnbar  genug;  es  tat  überdies  der  Wirksamkeit  des  Ad- 
ministrators der  Prager  .Kirche  und  des  vom  Konzil  für  Böh- 
men bestellten  Legaten,  Philiberts  von  Coutances,  keinen  Ab- 
bruch, eines  Mannes,  der  dank  seiner  Unparteilichkeit,  seiner 
sorgsamen  Rücksicht  auf  die  Kompaktaten  von  Prag  und  Iglau 
aus  den  Jahren  1433  und  1436  auch  bei  den  Utraquisten 
Vertrauen  genoss  und  so  dem  kirchlichen  Frieden  diente  2).  Ihn 
hatte  Albrecht  unbedingt  nötig.  Das  Basler  Dekret  berührte  ein 
für  den  böhmischen  König  und  damit  für  Deutschland  bestehendes 
Interesse.     Hätte   es   in  der   Mainzer   Acceptation   gefehlt,    so 

1)  Hefele  a.  a.  0.  VII,  S.  632  Anm.  2  verweist  auf  das  Schreiben 
Eugens  IV.  an  alle  Fürsten  bei  Ray nal du s,  Annales  ecclesiastici  1436  n.5. 

2)  Vgl.  A.  Bachmann,  Geschichte  Böhmens  II  (Gotha  1905), 
S.  339  ff.  367.  372  f. 


52  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

hätte  seine  Unterdrückung  vielleicht  den  Verdacht  verstärkt 
wider  den  König,  der  lange  Zeit  ein  unbeugsamer  Gegner  des 
böhmischen  Bekenntnisses  gewesen  war  und  auch  nach  Antritt 
der  Erbschaft  seines  Schwiegervaters  Sigmund  noch  dafür  galt; 
sie  hätte  die  Schar  seiner  Gegner  in  dem  aufgewühlten  Lande 
vermehrt,  nachdem  er  mit  ihrem  Beschützer,  dem  König  von 
Polen,  einen  Waffenstillstand  eingegangen  war.  Deutschland 
hatte  die  Hussitengefahr  zur  Genüge  kennen  gelernt,  Frank- 
reich war  nicht  von  ihr  bedroht:  das  Mehr  der  Mainzer 
Acceptation  gegenüber  der  Sanktion  von  Bourges  veranschaulicht 
den  Gegensatz  beider  Länder. 


Wichtiger  noch  sind  die  Verschiedenheiten  zwischen  den 
Urkunden  von  1438  und  1439,  die  sich  aus  dem  Vergleich 
der  Zusätze  zu  den  hier  wie  dort  acceptierten  Basler  Dekreten 
ergeben. 

Wir  beginnen  mit  den  Zusätzen  zur  pragmatischen  Sanktion l). 

Ohne  grosse  Bedeutung  sind  für  die  hier  obliegende  Be- 
trachtung die  Nachträge  zu  den  Abschnitten  II  de  potestate  et 
auctoritate  concilii  Basiliensis 2) ,  X  de  numero  et  qualitate 
cardinalium 3).  Einschneidender  schon  ist  die  Wahrung  des 
französischen  Brauchs  bei  Rezitation  der  kanonischen  Tag- 
zeiten an  Kathedral-  und  Kollegiatkirchen  am  Schluss  des  Ab- 
schnittes XII  de  celebratione  divini  officii  4).     Am  wichtigsten 


*)  Ueber  sie  vgl.  im  allgemeinen  N.  Valois  a.  a.  0.  p.  LXXXIV  ff. 

2)  Acceptavit  et  acceptat,  prout  iacent,  iam  dictorum  prelatorum 
ceterorumque  virorum  ecclesiasticorum  ipsam  ecclesiam  representantium 
congregatio  sepedicta  (p.  271).  Der  Abschnitt  fehlt  in  der  Mainzer  Urkunde. 

3)  Salvo  quod  videtur  nimis  rigorosum  contra  nepotes  Romanorum 
pontificum,  si  alias  sint  bene  meriti,  prout  et  alii  (p.  283);  vgl.  oben 
S.  49  f.  Der  entsprechende  —  allerdings  noch  weiter  an  das  Basler 
Vorbild  sich  anlehnende  —  Abschnitt  XX  der  Mainzer  Acceptation  ent- 
behrt der  Zusätze. 

4)  Salvis  tarnen  laudabilibus  consuetudinibus,  statutis  ac  observantiis 
specialibus  ecclesiarum  singularum  Regni  et  Delphinatus  (p.  286).  Der 
entsprechende  Abschnitt  XI  der  Mainzer  Urkunde  hat  keine  Zusätze. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  53 

endlich  sind  die  Nachträge  zu  den  Abschnitten  IV  de  electione 
cassanda x) ,  VI  de  collatione  beneficiorum 2) ,  VII  de  causis 
appellationum 3),  XI  de  annatis4)  und  nach  Abschnitt  XXIV 
de  sublatione  Clementine  Litteris  die  Bemerkungen  zur  ganzen 
Zusammenstellung  der  Basler  Beschlüsse  innerhalb  der  Sank- 
tion 5). 

Der  Nachtrag  zu  Abschnitt  IV  de  electione  cassanda  gliedert 
sich  in  zwei  Teile.  Ihr  erster  befasst  sich  mit  der  Weihe 
oder  Einsegnung  der  vom  Papst  Konfirmierten,  mit  der  Pflicht 
des  Papstes,  solche  Männer  regelmässig  an  ihre  unmittelbaren 
Oberen  zu  verweisen,  mit  ihrem  Eide  zu  Händen  ihrer  Oberen 
und  der  Bestrafung  derer,  die  ausserhalb  der  Kurie  sich  von 
einem  anderen  als  ihrem  Oberen  weihen  lassen.  Der  zweite 
Teil  gilt  den  vom  König  oder  von  Fürsten  eingelegten  Bitten 
um  Benefizien  für  verdiente  Männer,  die  zugleich  das  Wohl 
des  Reiches  ins  Auge  fassten G). 

Der  Nachtrag  zu  Abschnitt  VI  de  collatione  beneficiorum 
enthält  insgesamt  13  Modifikationen,  deren  Inhalt  stichwort- 
artig angemerkt  sei:  1.  befristete  Gültigkeit  der  päpstlichen 
Exspektativgratien ,  über  die  bereits  die  processus  apostolici 
vollzogen  seien;  2.  Bestrafung  solcher,  die  sich  solche  Ex- 
spektanzen  verschaffen;  3.  Ungültigkeit  der  vom  Papst  oder 
seinen  Legaten  erteilten  collationes  per  praeventionem ;  4.  Be- 
vorrechtung  der  Universitätsangehörigen  bei  dem  für  Graduierte 


a)  S.  274.  Hier  wie  im  folgenden  ist  bei  dem  Umfang  der  Zusätze 
deren  Wortlaut  nicht  wiederholt.  Der  Mainzer  Abschnitt  XXI  ist  ohne 
Zusätze. 

2)  S.  278—280;  über  die  Mainzer  Zusätze  zu  Abschnitt  XXV 
s.  unten. 

3)  S.  281  —  282.  Die  Mainzer  Zusätze  zu  Abschnitt  XXVI  sind  solche 
zu  allen  Basler  Dekreten,  s.  unten. 

4)  S.  284 — 285 ;  über  den  Mainzer  Zusatz  zu  Abschnitt  IX  s.  unten. 

5)  S.  290.  Der  Mainzer  Abschnitt  XXIII  ist  ohne  Zusätze ;  über 
den  Schluss  der  Mainzer  Acceptation  mit  vier  Wünschen  nach  Reforma- 
tion s.  unten. 

6)  Vgl.  Hefele  a.  a.  0.  VII,  S.  766.  N.  Valois  a.  a.  0.  p.  LXXXIV. 


54  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

vorbehaltenen  Drittel  der  Pfründen;  5.  Nennung  solcher 
Pfründenempfänger  durch  die  Universitäten  bei  Patron  und 
Kollator;  6.  Angabe  ihrer  Grade  und  bereits  erworbener 
Benefizien;  7.  Innehaltung  eines  Turnus  bei  Vergebung  der- 
artiger Benefizien  durch  die  Ordinarien;  8.  Erschwerung  der 
Verleihung  von  akademischen  Graden ;  9.  Zahl  der  vom  Papst 
zu  verleihenden  Benefizien  und  Erstreckung  ihres  Verleihungs- 
rechtes auch  auf  den  gegenwärtigen  Papst,  Anzeigepflicht  des 
Papstes,  dessen  Mandate  das  wahre  Datum  aufzuweisen 
haben;  10.  Einräumung  des  Verleihungsrechtes  von  weiteren 
französischen  Pfründen  allein  an  den  gegenwärtigen  Papst  als 
Geschenk  und  ohne  Präjudiz;  11.  Ausschluss  der  exactio  vacan- 
tiarum  und  anderer  Belastungen;  12.  ausdrückliche  Einschrän- 
kung der  dem  Papst  gewährten  Gerechtsame  auf  Eugens  IV. 
Lebenszeit  und  Wahrung  der  Freiheiten  und  Rechte  der  galli- 
kanischen  Kirche;  13.  Nichteinmischung  des  Papstes  in  die 
Bestellung  von  Kanonikern  an  Kirchen  mit  bestimmter  Kano- 
niker- und  Pfründenzahl l). 

Der  Nachtrag  zu  Abschnitt  VII  de  causis  appellationum 
zerfällt  in  7  Einzelbestimmungen:  1.  Festlegung  der  von  den 
ordentlichen  Richtern  zu  entscheidenden  kirchlichen  Ange- 
legenheiten im  Falle  eines  Aufenthaltes  der  Curie  citra  montes; 
2.  Aufhebung  der  bereits  vor  Gregors  XI.  Tod  (f  1378)  be- 
stehenden Exemtionen,  die  das  Konstanzer  Konzil  noch  auf- 
recht erhalten  hatte2);  3.  Billigung  des  Grundsatzes,  dass  an 
niemanden  mit  Ueberspringung  des  mittleren  Richters  appel- 
liert werden  dürfe,  dass  bei  Appellationen  an  den  Papst  dieser 
die  Sache  an  unverdächtige  Richter  in  partibus  überweisen 
solle;  4.  Gutheissung  des  Satzes,  dass  vor  definitiver  Sentenz 
nicht  appelliert  werden  solle ;  5.  die  Zahl  und  die  Eigenschaft 
der  apostolischen  und  kurialen  Beamten,  die  nach  dem  Wort- 
laut des  Basler  Dekrets  in  dieses  nicht  einbegriffen  waren,  soll 


')  Vgl.  He  feie  a.  a.  0.  VII,  S.  766  f. 
2)  Vgl.  ebd.  VII,  S.  350. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  55 

umschrieben  werden;  6.  Warnung  vor  allzuviel  Prozessen  bei 
einem  Konzil,  das  durch  sie  in  die  Länge  gezogen  werde,  die 
Autorität  des  apostolischen  Stuhles  und  anderer  Prälaten  ver- 
nichte, Könige  und  Fürsten  gegen  allgemeine  Kirchenversamm- 
lungen aufstachle1):  7.  Ueber Weisung  aller  Prozesse,  die  ihrer 
Natur  und  den  Kanones  gemäss  nicht  bei  der  Kurie  oder 
einem  Generalkonzil  verhandelt  werden  dürfen,  an  die  ordent- 
lichen Richter,  si  in  eis  nondum  est  lis  contestata  vel  quasi 
contestata,  puta  porrecto  iam  libello  et  cognito  de  meritis 
cause  seu  etiam  iam  incepto  cognosci  de  eisdem  2). 

Der  Nachtrag  zu  Abschnitt  XI  de  annatis  schliesst  im  ganzen 
9  Einzelsatzungen  in  sich  ein:  1.  Entschädigung  des  Papstes, 
der  Kardinäle  und  der  Kurialen  für  den  Ausfall  der  An- 
naten  u.  s.  w.  durch  Einräumung  eines  Fünftels  der  Taxe,  die 
durch  den  König  und  die  kirchlichen  Anstalten  Frankreichs 
sowie  des  Delphinats  ertragen  wurde  zu  Beginn  des  Kon- 
stanzer Konzils;  2.  bei  Pfründen,  für  die  sich  keine  Taxe 
findet,  soll  der  fünfte  Teil  einer  Summe  entrichtet  werden, 
die  dem  Zehnfachen  ihres  Zehntertrags  entspricht,  sobald  nur 
diese  Summe  den  Betrag  von  10  Pfd.  erreicht;  3.  diese  Unter- 
stützung soll  ein  Gnadengeschenk  sein  für  die  Lebenszeit  des 
gegenwärtigen  Papstes  und  den  Freiheiten  der  •  gallikanischen 
Kirche  nicht  präjudizieren ;  4.  sie  soll  nur  die  von  kirchlicher 
Seite  vergebenen  Pfründen  treffen,  nicht  die,  deren  Patronat, 
Präsentation  u.  s.  w.  dem  König  iure  regaliae  vel  alias  oder 
einem  anderen  iure  laico  zusteht;  5.  Zahlung  jenes  fünften 
Teils  in  bestimmter  Münze  und  in  zwei  Raten ;  6.  Erledigung 
der  Prozesse  gegen  die  Zahlungspflichtigen  vor  den  ordent- 
lichen Richtern  innerhalb  der  Diözesen,  gegen  Exemte  vor 
ihren  Oberen  bezw.  den  Diözesanbischöfen ;  7.  wird  eine  Kirche, 
Abtei  oder  Pfründe  innerhalb  eines  Jahres  zwei  oder  mehrere 
Male  erledigt,    so   ist  jenes  Fünftel   doch   nur   einmal  zu  ent- 

1)  Siehe  oben  S.  46  Anm.  1. 

2)  Vgl.  W.  Endemann:  Zeitschrift  für  deutschen  Zivilprozess  XV 
<1891.i,  S.  228  ff. 


56  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

richten;  8.  Verbot  der  Vakanzengelder,  Palliengebühren  und 
servitia  minuta  für  die  Kurie,  Zulassung  einer  kleinen,  vom  Basler 
Konzil  selbst  angesetzten  Belohnung  für  die  kurialen  Skrip- 
turen, derart  dass  ein  Uebertreten  dieses  Gebots  für  die  Kurie 
den  Verlust  der  Entschädigung,  für  den  Providierten  den  Ver- 
lust seiner  Pfründe  nach  sich  ziehen  soll;  9.  Notwendigkeit 
konziliarer  Erlasse  gegen  alle,  die  gegen  die  voraufgehenden 
Dekrete  Verstössen. 

Nur  eine  ins  einzelne  gehende  Untersuchung  könnte  die 
Tragweite  aller  dieser  Einzelzusätze  für  die  Verfassungs-  und 
Verwaltungsgeschichte  der  französischen  Kirche  im  15.  Jahr- 
hundert zu  umschreiben  sich  unterfangen.  Hier  kommt  es  allein 
auf  eine  allgemeine  Würdigung  ihrer  Form  und  ihres  Inhalts 
an.  Jedenfalls  waren  die  meisten  Modifikationen  durch  juristische 
Klarheit  und  Schärfe  ausgezeichnet.  Ihre  Verfasser  waren 
alles  andere  denn  Sklaven  des  Basler  Konzils.  Sie  waren 
Franzosen,  denen  daran  lag,  die  Selbständigkeit  ihrer  Kirche 
gegenüber  dem  Papsttum  deutlich  zum*  Ausdruck  zu  bringen, 
die  Rechte  ihres  Königtums  an  den  kirchlichen  Stellen  und 
bei  ihrer  Besetzung  aufrecht  zu  erhalten,  endlich  dem  Papste 
Eugen  IV.  eine  solche  Entschädigung  einzuräumen,  die  jede 
Wiederkehr  der  früheren  Bedrückungen  verhinderte  und  zu- 
gleich sein  Einleben  in  die  neuen  Verhältnisse  erleichterte  1). 
Noch  erwarten  diese  französischen  Prälaten  die  Bestätigung 
ihrer  Nachträge  vom  Basler  Konzil,  bei  dem  die  Gesandten 
des  Königs  dafür  eintreten  sollen.  Zugleich  aber  bitten  sie 
ihren  König,  dass  auch  er  die  Dekrete  annehme,  für  ihre  Be- 
obachtung in  den  Gerichten  wie  für  Bestrafung  der  Ueber- 
treter  sorge,  endlich  über  alles  eine  pragmatica  sanctio  erlasse  2). 
Karl  VII.  erfüllte  ihr  Gesuch.  Durch  seine  Urkunde  wurden 
alle  acceptierten  Basler  Dekrete  und  ihre  Nachträge  sofort 
und    unmittelbar  in  Frankreich  Gesetz,    nicht    erst  auf  Grund 


')  Vgl.  K.  Müller  a.  a.  0.  II,  1,  S.  103. 
2)  Vgl.  die  Zusätze  p.  290. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  57 

der  vom  Konzil  erbetenen  und  durch  das  Konzil  erteilten  Be- 
stätigung der  Zusätze,  die  im  letzten  Grunde  nichts  mehr  war 
als  eine  Form,  da  auch  ohne  sie  der  königliche  Wille  das  ent- 
scheidende Rechtsgebot  erlassen  hatte  *). 

Wie  hingegen  steht  es  mit  den  Zusätzen  zu  den  Basler 
Beschlüssen  in  der  Mainzer  Acceptation? 

Sie  finden  sich  an  fünf  Stellen,  nämlich  zu  Abschnitt  II 
de  electionibus,  IX  de  annatis,  XXII  de  reservationibus,  XXV  de 
collationibus  beneficiorum  und  endlich  am  Schluss  des  „Zettels" 
als  Anhang  zur  Gesamtheit   der  angenommenen    Beschlüsse2). 

Der  Nachtrag  zu  Abschnitt  II  de  electionibus  gliedert  sich 
in  fünf  Teile3).  In  ihrem  ersten  und  zweiten  wird  das 
Konzil  zu  Basel  um  eine  Erklärung  darüber  ersucht,  dass  die 
Wahlen  von  Bischöfen  und  Aebten  nach  der  im  Synodal- 
dekret vorgeschriebenen  Form  erfolgen  sollten,  dass  bei  den 
niederen  Dignitäten  der  dort  vorgesehene  Eid  genüge.  Es 
sollte  also  sein  Verbot  der  Einmischung  geistlicher  und  welt- 
licher Personen,  der  Könige,  Fürsten  und  Gemeinschaften  in 
die  Besetzung  kirchlicher  Stellen  durch  Briefe,  Bitten, 
Drohungen  und  anderes  mehr  entweder  umgestalten  oder  ganz 
fallen  lassen.  Eigentümlich  genug  vermied  man  in  Mainz 
eine    so    klare    Umschreibung   dieses   Wunsches,    nachdem    in 


*)  Vgl.  den  Brief  Karls  VII.  an  das  Konzil  vom  8.  Juli  1438. 
N.  Valois  a.  a.  0.  p.  87  und  ebd.  p.  XCI.  XCIV. 

2)  Abschnitt  II  entspricht  dem  Abschnitt  III  der  pragmatischen 
Sanktion  (hier  ohne  Zusätze) ;  Mainz  IX  =  Bourges  XI  (über  die  Zusätze 
hierzu  s.  oben  S.  55  f.) ;  Mainz  XXII  =  Bourges  V  (hier  ohne  Zusätze) ; 
Mainz  XXV  =  Bourges  VI  (über  die  Zusätze  hierzu  siehe  oben  S.  53  f.). 
Die  letzten  Mainzer  Zusätze  zu  allen  Dekreten  stehen  für  sich  gleich 
denen  am  Schluss  der  Sanktion  (vgl.  oben  S.  56).  —  Ohne  Zusätze  sind 
die  Abschnitte  Mainz  XX  (vgl.  Bourges  X  samt  Zusatz,  oben  S.  52 
Anm.  3),  Mainz  XI  (=  Bourges  XII  samt  Zusatz,  oben  S.  52  Anm.  4), 
wahrend  in  Mainz  der  Abschnitt  II  (samt  Zusatz,  oben  S.  52  Anm.  2) 
der  Sanktion  nicht  wiederholt  wurde. 

3)  Der  lateinische  Wortlaut  der  Zusätze  ergibt  sich  aus  dem  Ab- 
druck der  Mainzer  cedula  im  Exkurs. 


UBBÄRY  ST- MARYS  COLLEGE 


58  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Bourges  im  Nachtrag  zu  Abschnitt  IV  ausdrücklich  gesagt 
worden  war1),  die  Versammlung  halte  es  nicht  für  tadelns- 
wert, wenn  der  König  und  die  Fürsten  bisweilen  sich  für 
verdienstliche  und  nützliche  Männer  durch  gütliche  Bitten2) 
verwenden  wollten,  sobald  nur  Drohungen  und  Gewaltsamkeiten 
fernblieben.  —  Diese  Unterlassung  ist  um  so  auffallender,  als 
man  im  dritten  Teile  des  Mainzer  Zusatzes  zum  Abschnitt  II 
de  electionibus  sich  an  den  der  pragmatischen  Sanktion  zum  Ab- 
schnitt IV  de  electione  cassanda  anlehnte  3).  Hier  wie  dort  wurde 


*)•'•«  nee  credit  ipsa  congregatio  Bituricensis  fore  reprehensibile, 
si  rex  et  prineipes  regni  sui,  cessantibus  tarnen  omnibus  comminationi- 
bus  et  quibuslibet  violentiis,  aliquando  utantur  preeibus  benignis  atque 
benivolis  et  pro  personis  bene  meritis  et  zelantibus  bonum  rei  publice  et 
regni  Delphinatus  (p.  274);  8.  oben  S.  53. 

2)  Vgl.  P.  Hinschius,  Kirchenrecht  II  (Berlin  1878),  S.  641. 

3)  Es  heisst  in  Mainz  Abschnitt  II  Zusatz  3:  Ceterum  statuere 
dignetur  sacrum  concilium,  quod  promovendus  per  papam  secandum  quan- 
dam  clausulam  huius  decreti,  que  ineipit:  Nisi  ex  magna  etc.,  remittatur 
consecrandus  aut  benedicendus  ad  suum  superiorem  inmediatum,  nisi 
forsan  talis  promovendus  fuerit  presens  in  Romana  curia,  quo  casu 
nichilominus  remittatur,  ut  huiusmodi  suo  inmediato  superiori  prestet 
debitum  iuramentum.  Es  heisst  im  Zusatz  zur  pragmatischen  Sanktion  IV 
(dieser  Abschnitt  entspricht  Mainz  XXI):  Censuit  tarnen  praefata  con- 
gregatio, quod  summus  pontifex  habeat  remittere  unumquemque  per  ipsum 
aut  ipsius  autoritate,  ut  premittitur,  promovendum  ad  suum  immedia- 
tum  superiorem  pro  munere  consecrationis  aut  benedictionis  ab  eo  vel 
eius  autoritate  consequendo ,  nisi  dictus  promotus  sit  presens  in  curia 
et  velit  ibi  consecrari.  Et  nihilominus  consecratos  aut  benedictos  in  curia 
Romana  remittat  ad  eorum  immediate  superiores,  prestituros  eis  aut, 
ipsis  absentibus,  eorum  vicariis  debite  obedientie  iuramentum.  Quodsi 
quis  presumat  reeipere  munus  consecrationis  vel  benedictionis  extra  curiam, 
etiam  in  vim  euiuseunque  commissionis  apostolice,  ab  alio  quam  a  suo 
immediato  superiore  vel  eius  autoritate,  ineurrat  penam  centum  aureorum, 
mediatim  applicandorum  ordinario  et  fabrice  ecclesie  ordinarii,  cessante 
omni  dispensacione  qualicunque  in  contrarium.  Item  nee  credit  .  .  . 
(p.  274;  die  Fortsetzung  oben  in  Anm.  1).  —  W.  Puckert  (Neutralität 
S.  92  Anm.  2)  macht  auf  eine  eigenartige  Ungenauigkeit  in  der  Sanktion 
und  der  Mainzer  Acceptation  aufmerksam.  Das  aeeeptierte  Basler  Dekret 
gestattete  dem  Papste  Eingriffe  in  die  Wahlfreiheit  ex  magna,  rationabili 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  59 

verlangt,  dass  der  vom  Papst  Promovierte  zum  Empfang  der 
Weihe  oder  Benediktion  an  seinen  unmittelbaren  Oberen  zu- 
rückgesandt werde,  er  müsste  denn  gerade  an  der  Kurie 
weilen;  dass  auch  der  vom  Papst  Geweihte  oder  Gesegnete 
seinem  unmittelbaren  Oberen  den  pflichtmässigen  Eid  des  Ge- 
horsams leiste.  In  Mainz  aber  kleidete  man  diese  Forderung 
in  die  Bitte  an  das  Konzil  um  ihre  Bestätigung,  unterdrückte 
ferner  die  Strafansetzung  der  Sanktion,  die  jedem  Uebertreter 
eine  hohe  Geldsumme  zu  Gunsten  des  Ordinarius  und  seiner 
Kirchenfabrik  auferlegt  wissen  wollte.  —  Selbständig  wieder- 
um ist  der  vierte  Teil,  des  Inhaltes,  dass  die  Bestätigung 
der  Wahlen  erfolgen  solle  durch  den  unmittelbaren  Oberen, 
dem  das  Recht  dazu  eigne;  verweigere  oder  verschiebe  dieser 
ohne  vernünftigen  Grund  die  Ausübung  seiner  Befugnis,  so 
sollte  der  mittelbare  Obere  angegangen  werden.  Allerdings 
wurde  hier  beinahe  nur  wiederholt,  was  bereits  im  acceptierten 
Dekret  ausgesprochen  war,  nämlich  dass  der  zur  Bestätigung 
seiner  Wahl  Berechtigte  sie  auch  vornehmen  müsse,  nur  dass 
in  Mainz  schärfer  der  unmittelbare  und  der  mittelbare  Vor- 
gesetzte eines  Gewählten  auseinander  gehalten  wurden,  dass 
man  jenen  verpflichtete,  diesem  nur  im  Notfall  eine  Befugnis 
einräumte.  Fürchtete  man  aber  nicht,  auf  solchem  Wege 
wiederum  den  Papst  sich  einmischen  zu  sehen ,  der  —  die 
Annahme  des  Vorschlags  durch  das  Konzil  uud  seine  Anerken- 


et  evidenti  causa  (Bourges  III  =  Mainz  II).  Ein  zweites  acceptiertes 
Basler  Dekret  legte  dem  Papst  auf,  nach  der  Ungültigkeitserklärung 
einer  Wahl  diese  von  neuem  durch  das  Kapitel  vornehmen  zu  lassen 
(Bourges  IV  —  Mainz  XXI).  Eben  hierdurch  aber  wurde  die  Klausel 
ex  magna,  rationabili  et  evidenti  causa  beseitigt,  und  trotzdem  sprach 
die  Sanktion  (im  Zusatz  zu  IV)  von  dem  per  ipsum  (d.  h.  den  Papst) 
aut  ipsius  autoritate,  ut  premittitur,  promovendus,  die  Acceptation  im 
Zusatz  3  zu  Abschnitt  II  von  dem  promovendus  per  papam.  Mit  anderen 
Worten :  die  dem  Papst  gewährte  Spezialreservation  (Bourges  III,  Mainz  II 
verglichen  mit  Zusatz  zu  Bourges  IV  und  Zusatz  3  zu  Mainz  II)  wurde 
in  dem  anderen  acceptierten  Dekret  (Bourges  IV,  Mainz  XXI)  auf- 
gehoben. 


60  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

nung  durch  die  Kurie  vorausgesetzt  —  immer  leicht  gebeten 
werden  konnte,  die  Wahl  z.  B.  eines  Bischofs  zu  bestätigen, 
nachdem  der  Erzbischof  ihre  Konfirmation  unterlassen,  auf 
Grund  irgend  eines  päpstlichen  Winkes  oder  Verbotes  sie  nicht 
vollzogen  hatte?  Einer  laxen  Praxis  konnten  damit  Tür  und 
Tor  sich  öffnen,  zumal  ihr  keinerlei  Strafandrohung  in  den  Weg 
trat,  wie  sie  im  Nachtrag  zu  Abschnitt  IV  de  electione  cassanda 
der  Sanktion  sich  fand»  —  Der  fünfte  Teil,  auch  er  nur  eine 
Bitte  ans  Konzil,  verlangt  Aufrechterhaltung  gerade  des  Dekrets 
bezüglich  der  Wahlen,  selbst  für  den  Fall,  dass  die  von  den 
Baslern  dem  Papste  zugedachte  Entschädigung  nicht  verwirk- 
licht werde.  Die  letzten  Worte  knüpfen  an  den  Schluss  des 
Dekrets  an.  In  ihm  war  erklärt,  das  Konzil  werde  noch  vor 
seiner  Auflösung  dem  Papste  eine  passende  Erleichterung  aus- 
mitteln  für  die  Lasten,  die  er  für  die  allgemeine  Kirche,  den 
Unterhalt  der  Kardinäle  und  seine  Beamten  zu  tragen  habe; 
würde  solches  nicht  gelingen,  so  sei  nicht  beabsichtigt,  in 
irgend  welchem  Punkte  der  römischen  und  der  allgemeinen 
Kirche  oder  sonstwem  präjudizierlich  zu  sein.  Dieser  Beschluss 
war  am  13.  Juli  1433  gefasst  worden,  seitdem  aber  der  Kampf 
zwischen  Papst  und  Konzil  entbrannt.  Am  24.  Januar  1438 
war  der  Papst  suspendiert,  von  ihm  dagegen  zu  Ferrara  am 
10.  Februar  1438  die  Basler  Versammlung  aufs  neue  exkom- 
muniziert worden.  Die  Mainzer  fürchteten  für  eines  der  wich- 
tigsten Reformdekrete,  für  die  Wiederherstellung  des  Wahl- 
rechtes von  Kapiteln  und  Konventen.  Sie  wollten  es  sichern, 
indem  sie  um  Aufhebung  einer  Klausel  nachsuchten ,  die  der 
unmittelbaren  Gültigkeit  des  Dekrets  Hindernisse  bereitete. 
Sie  wollten  sich  an  das  Basler  Konzil  wenden,  —  verletzte 
man  aber  nicht  hierdurch  wie  anderwärts  die  Neutralität 
zwischen  Rom  und  Basel  vom  17.  März  1438,  obwohl  man 
wiederholt  und  mit  Emphase  erklärte,  an  ihr  festhalten  zu 
wollen? 

Der  Nachtrag  zu  Abschnitt  IX  de  annatis  ist  im  Vergleiche 
mit  dem  zum  Abschnitt  XI  der  pragmatischen  Sanktion  sehr  dürftig 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  61 

ausgefallen.  Er  fordert  eine  Erklärung  des  Konzils  in  dem 
Sinne,  dass  die  Abschaffung  jeglicher  Art  von  Zahlungen 
bei  Bestätigung  einer  Wahl  bis  herab  zur  Investitur  mit  kirch- 
lichen Pfründen  und  Aemtern  die  gewohnheitsmässigen  Abgaben 
eines  neu  aufgenommenen  Benefiziaten  an  die  Kirchenfabrik 
oder  für  den  Kirchenschmuck  auch  in  Zukunft  nicht  unmög- 
lich mache,  sofern  nur  diese  Abgaben  für  gottesdienstliche 
Zwecke,  nicht  zum  privaten  Vorteil  einzelner  Personen  ver- 
wandt würden.  Man  wird  in  diesem  Verlangen  den  Versuch 
einer  Sicherstellung  erblicken,  auf  die  seitens  der  Erzbischöfe 
und  Bischöfe  um  so  mehr  Gewicht  gelegt  wurde,  als  sie  selbst 
durch  das  konziliare  Verbot  der  Annaten  u.  s.  w.  vom  9.  Juni 
1435  getroffen  waren.  Bereits  am  25.  März  1439,  also  am 
Tage  vor  Bekanntgabe  der  Mainzer  Acceptation,  hatte  der 
Erzbischof  von  Mainz  erklärt,  dass  durch  den  Annaten- 
beschluss  des  Konzils  seinen  Rechten  innerhalb  der  Mainzer 
Kirchenprovinz  kein  Abbruch  geschehen  dürfe1).     Jetzt  wurde 


*)  Die  Erklärung  des  Erzbischofs  Dietrich  von  Mainz  bekundet, 
quod  ex  antiqua  hactenus  observata  consuetudine  .  .  .  pro  necessitate  et 
opportunitate  rerum  expediendarum  ecclesie  Maguntinensis  bone  memorie 
predecessores  nostri  et  nos  de  certis  beneficiis  pro  tempore  in  nostra  dyocesi 
vaeantibus,  non  tarnen  pro  seu  in  confirmatione  electionum,  admissione 
postulationum,  presentationum  provisione,  collatione,  dispositione,  electione, 
postulatione  etiam  a  laicis  factis,  institutione,  installatione  seu  investitura 
huiusmodi  beneficiorum  fructus  biennales  post  huiusmodi  collationes  seu 
dispositiones  et,  postquam  collecti  fuerint,  huiusmodi  fructus  recipi  et  exigi 
consueverunt ,  reservata  tarnen  decenti  portione  reddituum  pro  ipsorum 
beneficiorum  possessoribus,  quodque  pariformiter  ex  simili  observata  con- 
suetudine in  certis  nostre  provincie  dyocesibus  per  ordinarios  loci  seu 
prelatos  et  eorum  predecessores  etiam  in  certis  dignitatibus  et  beneficiis 
pro  tempore  vaeantibus  fructus  annales  seu  unius  anni,  postquam  collecti 
fuerint,  de  eisdem  dignitatibus  seu  beneficiis,  non  tarnen  pro  seu  in  con- 
firmatione electionum,  admissione  postulationum,  presentationum  presen- 
tatione  (provisione?),  collatione,  dispositione,  electione,  postulatione, 
presentatione  etiam  a  laicis  factis,  institutione,  installatione  seu  investi- 
tura huiusmodi  dignitatum  seu  beneficiorum,  sed  verius  loco  quartarum, 
deeimarum  ex  antiquo  iure  ordinariis  et  prelatis  eisdem  debitarum  exigi 


Q2  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

diese  Rechtsverwahrung  seitens  eines  Metropoliten  verallge- 
meinert oder,  seien  wir  vorsichtiger,  jedenfalls  sollte  der  Be- 
seitigung oder  Minderung  herkömmlicher  Zahlungen  seitens 
der  neu  Benefizierten  vorgebeugt  werden.  Allerdings  war  die 
einschränkende  Bemerkung,  dass  derartige  Leistungen  statthaft 
bleiben  sollten,  wenn  sie  zum  Besten  der  Kirchenfabrik  oder  des 
Gottesdienstes  erfolgten1),  kaum  weniger  als  eine  Verschleierung 

et  recipi  similiter  consueverunt,  reservata  tarnen  etiam  decenti  fructuum 
portione  pro  dignitatum  seu  beneficiorum  huiusmodi  possessoribus,  sintque 
alique  ecclesie  et  beneficia  in  diocesibus  prefatis,  ex  quibus  dicti  ordinarii 
sive  prelati  quartam  decimarum  hodiernis  temporibus  singulis  annis 
recipiunt,  sed  tempore  vacationis  earundem  fructus  annales  ab  eisdem 
minime  extorquere  solent,  ex  quibus  luculenter  apparet,  quod  fructus 
annales  prefati  loco  quartarum  decimarum  in  aliis  beneficiis,  ubi  hodie 
huiusmodi  quarte  singulis  annis  non  solvuntur,  successerunt.  Cum  igitur 
de  mente  sacri  concilii  fuisse  non  credimus  neque  per  quempiam  creden- 
dum  sit  per  prefatum  decretum  de  annatis  dictum  concilium  antiqua  iura 
ecclesiis  et  ordinariis  seu  prelatis  debita  aufferre  .  .  .  voluisse  .  .  .,  prote- 
stamur  expresse  nostro  et  ordinariorum  ac  aliorum  prelatorum  diocesis  et 
totius  provincie  nostrarum  nominibus  .  .  . ,  quod  per  quamcumque  accep- 
tationem  prefati  decreti  de  annatis  etiam  simpliciter  ut  iacet  per  nos 
aut  nobis  subiectos  factam  vel  fiendam  non  intendimus  aliquo  modo  a 
receptione  et  exactione  prefatorum  biennalium  et  annalium  fructuum  ut 
prefertur  solvendorum  recedere,  sed  antiquis  iuribus  et  consuetudinibus 
nostris  litteris  ut  predicitur  firmiter  innerere  (St.  A.  Würdtwein,  Sub- 
sidia  diplomatica,  VI,  Heidelbergae  1775,  p.  3 — 5).  W.  Puckert,  Neu- 
tralität S.  90  Anm.  2  ist  geneigt  zu  vermuten,  dass  Erzbischof  Dietrich 
von  Mainz  (•{•  1459)  zu  jenen  Prälaten  gehörte,  die  —  nach  Ausweis 
der  Bulle  Eugens  IV.  d.  d.  1447  Febr.  5;  Koch  a.  a.  0.  S.  184  —  er- 
klärten ex  eisdem  decretis  gravatos  se  fore. 

*)  Ich  finde  solche  Abgaben  bei  den  Domkapiteln;  vgl.  P.  Hin- 
schius,  Kirchenrecht  II,  S.  69  Anm.  4.  A.  Brackmann,  Urkundliche 
Geschichte  des  Halberstädter  Domkapitels  im  Mittelalter  (Wernige- 
rode 1898),  S.  26  Anm.  3.  A.  Gnann,  Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte 
der  Domkapitel  von  Basel  und  Speier  (Freiburg  i.  Br.  1906),  S.  10. 
K.  v.  Brunn  gen.  v.  Kauffungen,  Das  Domkapitel  von  Meissen  im 
Mittelalter  (Meissen  1902),  S.  30.  A.  Leuze,  Das  Augsburger  Domkapitel 
im  Mittelalter  (Augsburg  1909),  S.  32  Anm.  1.  A.  Müller,  Das  bremische 
Domkapitel  im  Mittelalter  (Greifswald  1908),  S.  20  f.  Ueber  Abgaben 
an   den  Bischof  bezw.  die  Archidiakone  vgl.  A.  Ott,   Die  Abgaben   an 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  63 

der  zu  solchem  Wunsche  führenden  Motive.  Der  Beschluss  des 
Konzils  traf  auch  die  kirchlichen  Einzelanstalten ;  sie  wollte 
man  schützen.  Dass  er  die  finanzielle  Position  der  allgemeinen 
Kirchenverwaltung  durch  Papst  und  Kurie  erschütterte,  nahm 
man  dafür  ruhig  in  Kauf.  In  Mainz  also  war  man  ungerechter 
als  in  Bourges,  wo  in  klarer  Erkenntnis  der  Tendenz  und 
der  Tragweite  des  Annatendekrets  für  den  Papst  wenigstens 
eine  Entschädigung  ins  Auge  gefasst  wurde.  Die  Mainzer 
Acceptation  verrät  mit  keinem  Worte  die  Einsicht,  dass  ohne 
eine  solche  Entschädigung  kein  Papst  in  die  Aufhebung  der 
Annaten  willigen  würde.  Vielleicht  ist  aus  dem  erwähnten 
Protest  des  Mainzer  Erzbischofs  auf  Unstimmigkeiten  im 
Schosse  der  Mainzer  Versammlung  zu  schliessen,  die  sich  er- 
geben mochten,  als  sie  darüber  beriet,  ob  das  Basler  Annaten- 
dekret  angenommen  werden  sollte  oder  nicht.  Auch  Be- 
sprechungen über  eine  Entschädigung  des  Papstes  werden  statt- 
gefunden haben;  sollte  man,  die  pragmatische  Sanktion  mit 
ihren  Zusätzen  vor  Augen,  ohne  weiteres  über  sie  zum  nächsten 
Punkt  der  Tagesordnung  übergegangen  sein? 

Jedenfalls  lässt  das  Aktenmaterial  des  Mainzer  Reichs- 
tags erkennen,  dass  tatsächlich  über  die  Entschädigungsfrage 
verhandelt  wurde.  Ueberliefert  ist  eine  Aufzeichnung  mit 
Vorschlägen  der  kurfürstlichen  Gesandten  über  die  Ent- 
schädigung, die  den  Papst  und  die  ordinarii  inferiores  über 
den  Ausfall    der    Annaten  u.  s.  w.    trösten    sollte *).     Gemessen 


den  Bischof  bezw.  Archidiakon  in  der  Diözese  Konstanz  bis  zum  14.  Jahr- 
hundert (Freiburg  i.  Br.  1907),  S.  28.  E.  Baum  gar  tn  er,  Geschichte 
und  Recht  des  Archidiakonates  der  oberrheinischen  Bistümer  mit  Ein- 
schluss  von  Mainz  und  Würzburg  (Stuttgart  1907),  S.  209.  J.  Löhr, 
Die  Verwaltung  des  kölnischen  Grossarchidiakonates  Xanten  am  Aus- 
gang des  Mittelalters  (Stuttgart  1909),  S.  182. 

>)  St.  A.  Würdtwein  a.  a.  0.  VIII  (Heidelbergae  1776),  p.  74—76. 
Eine  berichtigende  Kollation  eines  Textabschnittes,  dessen  Fehlerhaftig- 
keit bereits  A.  Bachmann  (Archiv  für  österreichische  Geschichte  LXXV, 
S.  60  Anm.  4)  tadelte,  verdanke  ich  der  hilfsbereiten  Gefälligkeit  von 
Herrn  Professor  Dr.  G.  Beckmann  in  Erlangen. 


(J4  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

an  den  Zusätzen  zu  Abschnitt  XI  de  annatis  der  pragmati- 
schen Sanktion  mit  ihren  klaren  Bestimmungen  *)  erscheinen 
die  deutschen  Vorschläge  umständlicher.  Auch  sie  wollten 
die  Freiheiten  der  Kirchen  deutscher  Nation  wahren;  auch 
sie  sprachen  von  einem  modus  gratuite  subvencionis2);  auch 
sie  wollten  die  Abgaben  befristet  wissen  bis  zur  Zeit  eines 
künftigen  Konzils,  das  nach  dem  Basler  Dekret  Frequens 
veranstaltet  werden  würde3),  nicht  auf  die  Lebenszeit  des 
gegenwärtigen  Papstes.  Bis  dahin  sollten  die  Metropolitan- 
und  Kathedralkirchen  wie  auch  die  exemten  Abteien  den 
vierten  Teil  der  Taxe  entrichten,  die  man  bisher  zur  Zeit 
ihrer  Erledigung  während  eines  Jahres  vom  Tage  ihres  fried- 
lichen Besitzes  ab  an  die  apostolische  Kammer  abgeführt 
habe4),  alle  übrigen  kirchlichen  Stellen  aber,  deren  jährliche 
Einkünfte  die  Summe  von  vier  Mark  Silbers  überstiegen,  den 
zehnten  Teil  ihres  Einkommens,  falls  ihre  Erledigung  auf 
anderem  Wege  als  durch  Verzicht  oder  Tausch  eingetreten  sei, 
und  falls  sie  nicht  im  selben  Jahre  schon  einmal  jene  Abgabe 


')  Siehe  oben  S.  53  f. 

2)  Es  heisst  in  den  Vorschlägen:  per  modum  gratuite  subven- 
cionis et  non  alias,  sine  preiudicio  tarnen  libertatum  ecclesiarum  Ger- 
manice nationis  et  duntaxat  ad  tempus  futuri  concilii  secundum  for- 
mam  supradicti  decreti  Frequens  celebrandi  (S.  74).  In  Bourges  war 
bestimmt  worden,  quod  huiusmodi  subventio  (d.  h.  die  des  Fünftels) 
conceditur  per  modum  solius  doni  gratuiti  et  non  alias  et  sine  pre- 
iudicio libertatum  ecclesie  Grallicane  et  dumtaxat  huius  moderni  pape 
vita  durante  (p.  284).  Die  Benutzung  der  Sanktion  durch  die  Vorschläge 
ist  evident. 

3)  Es  wurde  in  Mainz  acceptiert  in  Abschnitt  I  der  Cedula. 

4)  S.  74 :  In  hoc  finaliter  resedimus,  quod  de  cetero  per  modum  — 
celebrandi  (s.  oben  Anm.  2)  singule  ecclesie  metropolitane,  cathedrales  et 
abbatie  monasteriorum  exemptorum  quartam  partem  antique  taxe  ab  olim 
camere  apostolice  solvi  solite  tempore  vacationis  infra  annum  a  die 
pacifice  sessionis  (possessionis?)  adepte,  prout  inferius  vacacio  exprimitur, 
solvere  teneantur  colligenda,  expendenda  per  collectorem  in  partibus, 
ut  infra  sequitur,  deputandum.  Sed  alie  dignitates  quecunque  .  .  .  (siehe 
S.  65  Anm.  1). 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  65 

entrichtet  hätten  1).  Ferner  sollte  der  Wert  der  jährlichen  Ein- 
künfte in  den  einzelnen  Diözesen  durch  eigens  berufene  Per- 
sonen nach  den  allgemeinen  Verhältnissen  abgeschätzt,  die 
Abgaben  dann  an  einen  oder  mehrere  Sammler  abgeführt 
werden,  deren  Pflicht  zur  Rechnungsablegung  besonders  betont 
wird.  Die  eine  Hälfte  aller  Eingänge  kommt  in  jedem  Jahre 
der  apostolischen  Kammer  zu  gute  und  dient  zum  Unterhalt 
des  Papstes,  der  Kardinäle  und  der  übrigen  kurialen  Beamten. 
Die  andere  Hälfte  aber  ist  den  Metropolitanen ,  Bischöfen, 
Priestern,  Archidiakonen  und  sonstigen  Prälaten,  die  durch  das 
Annatendekret  belästigt  sind,  auszuhändigen,  derart  dass  die 
Verteilung  proporcionaliter  secundum  ratam  gravaminis  er- 
folge. Bleibt  ein  Rest,  so  soll  er  verwandt  werden  zum  Vor- 
teil der  Diözese,  aus  der  das  Geld  eingegangen  ist,  und  das 
gleiche  soll  geschehen  mit  der  zurückgezahlten  Abgabenhälfte 


')  Es  heisst  in  den  Vorschlägen :  .  .  .  alie  dignitates  quecunque, 
eciam  abbaciales  in  conventualibus  seu  maiores  in  cathedralibus  post 
pontificales  aut  principales  in  collegiatis  ecclesiis  necnon  officia  et  bene- 
ficia  ecclesiastica  quecunque,  quorum  fructus  etc.  quattuor  marcas  argenti 
excedunt,  similiter  tempore  vacacionis  earundem,  dum  tarnen  huiusmodi 
vacacio  alias  quam  per  simplicem  resignacionem  aut  ex  causa  permu- 
tacionis  fiat  (s.  unten  S.  66  Anm.  2)  et  dummodo  eodem  anno  racione 
alterius  vacacionis  non  solvitur,  decimam  partem  omnium  fructuum  etc. 
secundum  communem  estimacionem  earundem  racionabiliter  in  singulis 
diocesibus  taxandam,  cottidianis  distribucionibus  exceptis.  infra  annum, 
prout  in  superiori  casu  (d.  h.  bei  den  Metropolitankirchen  u.  s.  w.,  s.  S.  64 
Anm.  4)  dicitur,  solvere  teneantur  collectori  aut  collectoribus,  per  dyoce- 
sanum  loci ,  capitulum  cathedralis  ecclesie  ac  clerum  civitatis  iuxta 
consuetudinem  cuiuslibet  civitatis  in  talibus  et  consimilibus  convocandum 
in  partibus  deputandum  vel  deputandos,  qui  eciam  singulis  annis  eis- 
dem  de  collectis  legalem  computum  et  racionem  reddere  teneantur 
(S.  74  f.).  Auch  der  Ausschluss  zweimaliger  Besteuerung  innerhalb  des- 
selben Jahres  stammt  aus  der  pragmatischen  Sanktion :  Quodsi  ecclesia, 
monasterium  vel  beneficium  .  .  .  contingat  anno  eodem  bis  vel  pluries 
vacare,  quod  una  quinta  pars  semel  tantum  solvatur  .  .  .;  si  vero  ante 
collectionem,  perceptionem  vel  acquisitionem  contigerit  vacatio,  successor 
in  dicto  beneficio  teneatur  ad  integram  solutionem  dicte  quinte  partis 
_(S.  285). 

Werrainghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  5 


t)6  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

in   solchen  Bistümern,   in   denen   eine    Schädigung   nicht   ein- 
getreten ist1). 

Man  sieht:  auch  in  Mainz  ward  die  Härte  des  Annaten- 
beschlusses  gefühlt.  Während  aber  die  Sanktion  allein  daran 
dachte,  den  Papst  zu  entschädigen  und  den  Belastungen  der 
Einzelkirchen  vorzubeugen,  planten  die  deutschen  Vorschläge 
ein  Doppeltes,  einmal  Entschädigung  des  Papstes  und  der 
übrigen  kirchlichen  Instanzen,  ferner  Festlegung  eines  Ver- 
fahrens, das  ermöglichen  sollte,  wenigstens  die  Hälfte  der  er- 
hobenen Abgaben  den  deutschen  Kirchen  zufliessen  zu  lassen, 
kurz  eine  Besteuerung  der  Geistlichkeit,  deren  Erträge  wie 
dieser  selbst  so  auch  dem  Papste  zu  gute  kämen.  Eben  die 
Teilung  der  Intraden  deutet  freilich  auf  die  Schwierigkeiten 
hin,  die  man  beseitigen  wollte.  Sie  setzte  eine  Verwaltung 
der  Steuerergebnisse  voraus,  die  unparteiisch  ihr  Amt  versah. 
Sie  hoffte  auf  Diözesen,  in  der  niemand  sich  beschwert  fühlen 
würde.  Der  Steuersatz  der  deutschen  Vorschläge  für  Metro- 
politan- und  Kathedralkirchen  und  exemte  Abteien  war  höher 
als  der  des  Taxfünftels  in  der  pragmatischen  Sanktion.  Während 
diese  von  den  niederen  Pfründen  nur  solche  traf,  deren  Ertrag 
höchstens  zehn  Pfund  Silber  betrug,  während  sie  bestimmte 
Gruppen  von  Pfründen  als  gänzlich  abgabenfrei  bezeichnete 2), 

*)  Horum  autem  collectorum  medietas  per  prefatum  (collectorem) 
singulis  annis  camere  apostolice  pro  sustentacione  Romani  pontificis, 
dominorum  cardinalium  aliorumque  officialium  curie  Romane  legatis 
exsolvatur.  De  vero  medietate  eorundem  in  illis  diocesibus,  ubi  metro- 
politanus  vel  diocesanus  loci  aut  inferiores  ordinarii,  puta  presbiteri, 
archidaconi  aut  alii  prelati  per  prefatum  decretum  (seil,  de  annatis) 
fuerint  gravati  sive  lesi,  proporcionaliter  seeundum  ratam  gravaminis 
per  eundem  collectorem  eis  provideatur.  Et  si  quid  supererit,  hoc  fideliter 
per  ipsum  collectorem  reservetur  pro  communibus  illius  diocesani ,  cleri 
et  status  ecclesiastici  negoeiis  ac  publicis  utilitatibus  exponendis.  Et 
idem  fiat  de  tota  medietate  in  illis  diocesibus,  ubi  huiusmodi  lesionem 
vel  gravamen  fieri  non  contingat  (S.  75  f.).  Die  Anmerkungen  S.  64,  4, 
S.  65,  1  und  S.  66,  1  ergeben  den  Gesamtinhalt  der  Vorschläge. 

2)  Quod  dieta  quinta  pars  locum  suum  etiam  obtinebit  per  quem- 
cumque,  ubicumque,  in  curia  vel  extra,  et  quaeunque  auetoritate  ecclesia- 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  67 

sollten  nach  den  deutschen  Vorschlägen  auch  solche  besteuert 
werden,  deren  Jahreseinkünfte  auf  vier  Mark  Silber  sich  be- 
liefen; von  ausdrücklich  ausgenommenen  Pfründen  war  mit 
keinem  Worte  die  Rede.  Die  deutsche  Proposition  endlich 
erwartete  für  die  Teilung,  an  die  in  Bourges  niemand  dachte, 
die  Gutheissung  von  Papst  und  Konzil;  kein  Wunder,  dass 
sie  vom  Gang  der  Ereignisse  selbst  überholt  war,  als  man 
sie  zu  Basel  in  späte  Behandlung  nahm l).  Nicht  erst  so 
spät  zeigte  sich  ihre  Undurchführbarkeit.  Die  Tatsache,  dass 
ihrer  in  der  Mainzer  Acceptation  mit  keinem  Worte  Erwäh- 
nung geschieht,  dient  zum  Beweise,  dass  sie  von  den  Ur- 
hebern des  „Zettels"  selbst  als  unbefriedigend,  als  der  An- 
nahme unwert  angesehen  worden  war.  Der  dritte  Zusatz  zum 
Abschnitt  II  de  electionibus  hatte  den  Fall  ins  Auge  gefasst, 
dass  die  vom  Konzil  geplante  Entschädigung  nicht  zu  stände 
käme2);  man  mochte  sich  sagen,  dass  die  Vorschläge  der  kur- 
fürstlichen Räte  in  sich  eine  Utopie  wären,  und  daraus  die 
Berechtigung  ableiten,  beim  Abschnitt  IX  de  annatis  nur  die 
eigenen  Interessen  sicherzustellen.  Auch  hierin  überliess  man 
den  französischen  Prälaten  das  Verdienst  der  Umsicht,  des 
Wollens  und  des  Handelns. 

Der  Nachtrag   zu  Abschnitt  XXII  de  reservationibus  um- 
fasst  zwei  Forderungen  an  das  Konzil.  Die  erste  verlangt  Er- 


stica  de  ipsis  ecclesiis,  monasteriis  vel  beneficiis  quomodolibet,  preter- 
quam  ex  causa  permutationis  aut  resignacionis  pure  et  simplicis,  ut 
prefertur,  disponatur  (s.  oben  S.  65  Anm.  1) ;  exceptis  beneficiis,  quorum 
ius  patronatus,  presentacio,  collacio,  institutio  vel  provisio  ad  regem  iure 
regalie  vel  alias  aut  alium  quemcumque  vel  alios  iure  laico  spectat  et 
pertinet,  de  quibus  nihil  prorsus  solvetur  (S.  284);  s.  oben  S.  55. 

1)  Vgl.  A.  Bachmann  a.  a.  0.  LXXV,  S.  61. 

2)  Die  Einleitung  der  Vorschläge  (Würdtwein  a.  a.  0.  VIII, 
S.  74)  knüpft  an  die  letzten  Worte  des  Dekrets  de  electionibus  (in  der 
Mainzer  Acceptation  Abschnitt  II)  an,  und  darum  hätte  die  Aufzeich- 
nung schon  oben  S.  60  f.  besprochen  werden  müssen.  Ihr  innerer  Zu- 
sammenhang aber  mit  dem  Annatendekret  rechtfertigt  ihre  Wertung  erst 
an  dieser  Stelle. 


UBRARY  ST. MARYS  COLLEGE 


(58  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

neuerung  des  gemeinen  Rechtsgrundsatzes,  dass  der  Papst  die 
ihm  reservierten  Pfründen  —  die  im  Corpus  iuris  canonici  ent- 
haltenen Reservationen  waren  ihm  auch  für  die  Zukunft  zu- 
gestanden worden  *)  —  binnen  Monatsfrist  nach  ihrer  Erledi- 
gung vergeben  solle,  andernfalls  sie  durch  die  Ordinarien  zu 
vergeben  seien.  Die  zweite  erbittet  eine  Bestimmung  darüber, 
dass  die  vom  Papst  Providierten  binnen  vier  Monaten  ihren 
Oberen  von  der  erfolgten  Provision  Nachricht  zu  geben  hätten, 
wollten  sie  nicht  ihr  Anrecht  auf  die  Pfründe  verlieren.  Wir 
haben  es  mit  Wünschen  der  Mainzer  Versammlung  zu  tun, 
für  die  sich  in  der  pragmatischen  Sanktion  kein  Vorbild  findet. 
Ihre  Absicht  ist  durchsichtig  genug,  da  ihr  erster  die  Hand- 
habung des  päpstlichen  Reservationsrechtes  durch  dessen  zeit- 
liche Begrenzung  auf  die  Zeit  nur  eines  Monats  noch  weiter 
einschränken  und  den  Ordinarien  im  Falle  der  Verletzung  dieser 
Vorschrift  das  Recht  der  Verleihung  selbst  reservierter  Pfründen 
wiederherstellen  will,  da  sodann  der  zweite  den  Providierten 
an  seine  Abhängigkeit  von  seinem  Oberen  zu  erinnern  unter- 
nimmt. Papst  und  Provisus  erscheinen  nicht  mit  gleichem 
Mass  gemessen.  Jener  kann  nur  binnen  eines  Monats  seine 
Befugnis  ausüben,  dieser  hingegen  darf  bis  zu  vier  Monaten 
mit  der  Anzeige  an  seinen  Vorgesetzten  warten.  Es  wird  sich 
ergeben,  dass  auch  der  erste  Zusatz  zu  Abschnitt  XXV  de 
collationibus  beneficiorum  von  Uebelwollen  wider  die  päpst- 
lichen Verleihungen  getragen  ist.  Lehrreicher  ist  jedenfalls 
das  Verhältnis  beider  Zusätze  zu  Bestimmungen  im  Corpus 
iuris   canonici,    zumal   gerade   die  hierin    enthaltenen  Reserva- 


J)  Basel  1436  März  25  sess.  XXIII  c  6  (Mansi  XXIX,  120): 
.  .  .  ipsas  omnes  (reservationes)  tarn  generales  quam  speciales  sive  parti- 
culares  .  .  .  sive  per  extravagantes  Ad  regimen  (=  c.  13  de  praeb.  in 
Extr.  coram.  III,  2)  et  Execrabilis  (=  c.  an.  de  praeb.  in  Extr.  Joann. 
XXII.  tit.  3  und  c.  4  de  praeb.  in  Extr.  comm.  III,  2)  sive  per  regulas 
cancellarie  aut  alias  apostolicas  constituciones  inductas  hec  sancta 
synodus  abolet,  statuens,  ut  de  cetero  nequaquam  fiant,  reservacionibus  in 
corpore  iuris  expresse  clausis.  Zu  den  letzten  Worten  vgl.  P.  Hinschius, 
Kirchenrecht  III,  S.  123  Anm.  10,  S.  124  f.  138. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  (i<) 

tionen  vom  Konzil  und  der  Acceptation  ausdrücklich  dem 
Papste  eingeräumt  worden  waren.  Der  erste  knüpfte  ver- 
mutlich an  eine  Bestimmung  im  Dekret  Gratians  an,  die 
daran  erinnerte,  dass  die  animarum  cura  et  pecuniarum 
ecclesiasticarum  dispensatio  in  episcopi  iudicio  verbleiben  solle, 
die  ferner  der  widerrechtlichen  Verfügung  über  Seelsorge 
und  Pfründen  durch  Archidiakone,  Archipresbyter ,  Pröpste 
oder  Dekane  Einhalt  gebot l).  Er  wollte  die  bischöfliche 
Freiheit  bei  Besetzung  der  Diözesanpfründen,  also  gemeines 
Recht  erneuern,  folgeweise  die  päpstlichen  Reservationen  jüngeren 
Ursprungs  nicht  anerkennen,  wenn  der  Papst  innerhalb  eines 
Monats  nicht  von  seiner  Befugnis  Gebrauch  machte.  Vielleicht 
auch  erinnerte  man  sich  an  einen  Beschluss  des  Konzils  von 
Lyon  im  Jahre  1274,  der  zur  Verhütung  langandauernder 
Vakanzen  dem  ordentlichen  Verleihungsberechtigten  die  Aus- 
übung seines  Besetzungsrechtes  für  den  Fall  gestattete,  dass 
die  päpstliche  Kollation  nicht  innerhalb  eines  Monats  nach  der 
Vakanz  erfolgt  sei 2).  In  Mainz  also  wollte  man  eine  Konzils- 
satzung erneuert  wissen,  die  durch  ihre  Aufnahme  in  den 
Liber  sextus  gemeines  Recht  geworden  war,  die  zugleich 
zeitlich  den  von  der  Basler  Versammlung  bereits  beseitigten 
Konstitutionen  Execrabilis  Johanns  XXII.  vom  Jahre  1317  und 
Ad    regiraen  Benedikts    XII.    vom    Jahre    1335    voraufging3). 


])  Vgl.  c.  11  C.  XVI  qu.  7,  dazu  cc.  3  und  6  X  de  institutionibus  3,  7; 
ich  verdanke  Herrn  Professor  D.  K.  Lux  in  Münster  i.  W.  den  Hinweis 
auf  diese  Stellen. 

-')  c.  3  in  VIto  de  praebendis  3,  4  (Lyon  1274  c.  21):  ...  ut  ii, 
ad  quos  .  .  .  beneficiorum  et  dignitatum  spectat  collatio,  statuto  non 
obstante  praedicto  (=  Clemens  IV.  v.  J.  1265,  c.  2  in  VIto  de  praeben- 
dis 3,  4),  demum  post  mensem  a  die,  quo  dignitates  seu  beneficia  ipsa 
vacaverint,  numerandum  ea  conferre  valeant.  P.  Hinschius  a.  a.  0.  III, 
S.  124.  C.  Lux,  Constitution  um  apostolicarum  de  generali  beneficiorum 
reservatione  ab  a.  1265.  usque  ad  a.  1378.  emissarum  tarn  intra  quam 
extra  corpus  iuris  exstantium  collectio  et  interpretatio  (AVratislaviae  1904), 
p.  11  sqq. 

•)  Vgl.  S.  68  Anm.  1. 


70  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Man  wird  schliessen,  dass  diese  Rückkehr  zum  Recht  des 
ausgehenden  13.  Jahrhunderts  alle  die  Auswüchse  der  Reser- 
vationspraxis unmöglich  machen  sollte,  die  nur  durch  die 
Extravaganten  und  Kanzleiregeln  sich  eingeschlichen  hatten1). 
Im  Grunde  genommen  war  also  der  erste  Mainzer  Zusatz  zum 
Basler  Dekret  nichts  mehr  als  eine  Bekundung  der  prinzi- 
piellen Uebereinstimmung  mit  der  Basler  Versammlung.  Er 
enthielt  nicht  so  sehr  Neues,  als  er  vielmehr  den  Basler  Kanon 
ergänzte.  —  Anders  der  zweite  Zusatz.  Soweit  wir  sehen, 
lässt  sich  für  das  Verlangen,  der  vom  Papst  Providierte  solle 
binnen  vier  Monaten  seinem  Oberen  von  der  Provision  Kunde 
geben ,  im  anderen  Falle  aber  das  Anrecht .  auf  die  Pfründe 
verlieren,  im  Corpus  iuris  canonici  und  ebensowenig  in  seinen 
Anhängen  keine  Stelle  namhaft  machen,  an  die  vielleicht  die 
Mainzer  Versammlung  anknüpfte,  sei  es  gleich  um  gegen  sie 
Einspruch  zu  erheben.  Der  hier  eingerückte  Wunsch  sollte, 
wenn  anders  das  Konzil  ihn  erfüllte,  erst  gemeines  Kirchen- 
recht für  Deutschland  schaffen.  Von  neuem  also  wenden  sich 
in  diesem  Anliegen  die  Mainzer  an  das  Konzil  als  an  die 
höchste  kirchliche  Instanz  zum  Erlass  kirchlicher  Gesetze. 
Wiederum  erwarten  sie  von  ihm  einen  Beschluss,  der  dem 
päpstlichen  Recht  Schranken  ziehen  soll.  Dass  ihn  ein  Papst 
sicherlich  nicht  leicht  angenommen  oder  bestätigt  hätte,  daran 
dachte  man  kaum ,  wenn  überhaupt  die  letzten  Folgerungen 
des  angeblich  neutralen,  in  Wahrheit  parteiischen  Vorgehens 
in  Erwägung  gezogen  wurden2). 


*)  Vgl.  P.  Hinschius  a.  a.  0.  III,  S.  130  ft.  140  ff. 

-)  Nur  zur  Vergleichung,  nicht  zur  Interpretation  kommt  in  Be- 
tracht die  Ausführung  von  P.  Hinschius  a.  a.  0.  III,  S.  155  Anm.  4 
über  die  im  Wiener  Konkordat  von  1448  (s.  die  Stelle  bei  Hinschius 
S.  139  Anm.  1)  vorgesehene  Beschränkung:  Wenn  ein  in  den  päpstlichen 
Monaten  zu  Providierender  sich  nicht  innerhalb  dreier  Monate  nach  der 
bekanntgewordenen  Vakanz  am  Orte  des  Benefiziums  gemeldet  hat,  soll 
die  ordentliche  Besetzung  eintreten;  vgl.  dazu  Koch,  Sanctio  pragmatica 
S.  229  Anm.  65. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  71 

Der  Nachtrag  zu  Abschnitt  XXV  de  collationibus  bene- 
ficiorum  gliedert  sich  in  drei  Teile.  Ihr  erster  verlangt,  dass 
durch  Annahme  des  Basler  Dekrets  den  niederen  Ordinarien 
nicht  die  vom  Laterankonzil  zugestandene  Frist  genommen 
werde,  d.  h.  es  sollte  jene  Bestimmung  des  dritten  Lateran- 
konzils vom  Jahre  1179  erneuert  werden,  nach  der  eine  er- 
ledigte Pfründe  binnen  sechs  Monaten  durch  den  Bischof  zu 
besetzen  war,  sein  Recht  aber  im  anderen  Falle  an  das  Dom- 
kapitel devolvierte;  nach  der  fernerhin  der  Bischof  einzutreten 
hatte,  wenn  das  zur  Verleihung  der  Pfründe  befugte  Dom- 
kapitel sich  als  säumig  erwies;  die  endlich  bei  Säumnis  von  Bi- 
schof und  Domkapitel  den  Erzbischof  befähigte,  über  die  Pfründe 
zu  verfügen  1).  Mit  Recht  ist  diese  Forderung  eine  revolutio- 
näre genannt  worden.  Sie  griff  zurück  auf  die  Praxis  in  der 
Handhabung  des  Devolutionsrechtes  einer  längst  vergangenen 
Zeit;  bis  zu  Ende  gedacht  schaltete  sie  das  Eingreifen  des 
Papstes  in  Fällen  säumiger  Besetzung  von  kirchlichen  Pfründen 
so  gut  wie  aus,  da  dann  „auch  bei  unkanonischen  Wahlen 
und  Wahlen  Unmündiger  die  Devolution  nicht  an  den  Papst, 
sondern  an  den  Metropoliten  als  superior  proximus  einzutreten 
hatte"  2).  Klar  ist  andererseits,  dass,  verglichen  mit  dem  ersten 
Nachtrag  zu  Abschnitt  XXII,  dieser  zu  Abschnitt  XXV  auch 
noch  in  einer  zweiten  Hinsicht  den  Papst  beeinträchtigte.    Dort 


J)  Vgl.  c.  2  X  de  eoncessione  praebendae  3,  8  (Alexander  III.  1179): 
Cum  .  .  .  praebendas  ecclesiasticas  seu  quaelibet  officia  in  aliqua  ecclesia 
vacare  contigerit  . . .,  non  diu  maneant  in  suspenso,  sed  infra  sex  menses 
personis,  quae  digne  administrare  valeant,  conferantur.  Si  autem  epi- 
scopus,  ubi  ad  eum  spectat,  conferre  distulerit,  per  capitulum  ordinetur. 
Quod  si  ad  capitulum  pertinuerit  et  infra  praescriptum  terminum  hoc 
non  fecerit,  episcopus  secundum  Deum  hoc  cum  religiosorum  virorum 
consilio  exsequatur.  Vel  si  omnes  forte  neglexerint,  metropolitanus  de 
ipsis  secundum  Deum  absque  illorum  contradictione  disponat.  Zum  Fol- 
genden vgl.  ausser  cc.  2 — 5  X  de  supplenda  negligentia  sacerdotum  1,  9 
auch  G.J.Ebers,  Das  Devolutionsrecht  vornehmlich  nach  katholischem 
Kirchenrecht  (Stuttgart  1906),  bes.  S.  172  ff.  330  ff.  348  ff.  364. 

2)  Ebers  a.  a.  0.  S.  232. 


72  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

wurde  dem  Papst  die  Frist  nur  eines  Monats  für  die  Besetzung 
einer  ihm  reservierten  Pfründe  eingeräumt,  den  Ordinarien 
sodann  die  Befugnis  der  Pfründkollation  zuerkannt,  wenn 
diese  kurze  Frist  ungenutzt  verstrich.  Hier  aber  wurde  die 
Frist  für  die  Neubesetzung  von  erledigten  Pfründen  durch 
deutsche  Kollatoren  auf  ein  halbes  Jahr  bemessen,  und  erst  nach 
Ablauf  dieser  Zeit  sollte  die  Devolution  in  Kraft  treten.  — 
Unmittelbar  im  Zusammenhang  mit  dem  ersten  Zusatz  zu 
Abschnitt  XXV  steht  der  zweite,  quod  ante  ipsius  (seil, 
temporis  Lateranensis  concilii)  lapsum  non  habeat  locum  pre- 
vencio.  Das  Basler  Dekret  hatte  erklärt,  es  wolle  unter  der 
Bedingung,  dass  sein  Beschluss  über  die  Aufhebung  päpst- 
licher Reservationen  gültig  bleibe,  nicht  solche  päpstliche  Ver- 
leihungen hindern,  die  der  Papst  vollziehe,  ehe  der  zuständige 
Kollator  das  Benefizium  vergeben  habe 1).  Dieser  Beschluss 
war  zu  Bourges 2)  und  zu  Mainz  3)  aeeeptiert  worden,  mit  Recht 
aber  hatte  die  pragmatische  Sanktion  im  dritten  Zusatz  zu 
Abschnitt  VI  de  collatione  beneficiorum 4)  bemerkt:  Cum 
collatores  et  patroni  ecclesiastici  habeant  beneficio  sacri  Latera- 
nensis concilii  certum  tempus  ad  presentandum  et  conferendum 
respective,  quod  debent  instare  regii  oratores  apud  sacrum  con- 
cilium  generale,  ut  provideat  circa  suum  decretum  de  collatio- 
nibus  in  hoc  scilicet,  quod  decretum  illud  videtur  ipsi  Latera- 
nensi  concilio  velle  derogare,  ita  quod  velit  ipsum  sacrum  con- 
cilium  decernere,  quod  preventiones  etiam  apostolice  sedis  vel 
legatorum  eiusdem,  facte  in  contrarium,  non  valeant,  quo 
magis  ipsis   collatoribus   et  patronis  suum  ius,    cessante  culpa 

*)  Basel  1438  Jan.  24  sess.  XXXI  c.  2:  Neque  etiam  collaciones 
per  prevencionem  fiendas  intendit  impedire,  decreto  nostro  de  reser- 
vacionibus  quoad  cetera  et  aliis  decretis  huius  sanete  synodi  in  suo  robore 
duraturis  (Mansi  XXIX,  162). 

2)  Bourges  Abschnitt  V  de  reservationibus  (S.  274  ohne  Zusatz). 

3)  Mainz  Abschnitt  XXII  mit  den  beiden  oben  S.  67  ff.  besprochenen 
Zusätzen. 

*)  Dieser  entspricht  dem  Abschnitt  XXV  der  Mainzer  Acceptation; 
s.  auch  oben  S.  57  Anm.  2. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  73 

eorum,  sicut  iusticia  suadet,  servetur  illesum  r).  Erst  durch 
Heranziehung  der  französischen  Modifikation  empfangt  die 
deutsche  ihre  Erläuterung.  In  Frankreich  war  der  Wider- 
spruch zwischen  der  Forderung  auf  Rückkehr  zur  Praxis  des 
12.  Jahrhunderts  hinsichtlich  der  Devolutionen  und  dem  Satze 
des  Basler  Dekrets  zuerst  erkannt  worden.  Ganz  folge- 
richtig war  der  Wunsch  nach  Verwerfung  der  päpstlichen  Be- 
setzungen per  prevencionem.  In  Mainz  drückte  man  sich 
weniger  deutlich  aus.  Vor  Ablauf  der  im  lateranensischen 
Kanon  festgelegten  Frist  sollte  keine  päpstliche  prevencio  er- 
folgen. War  eine  Pfründbesetzung  durch  den  Papst  aber 
noch  eine  prevencio,  wenn  sie  nach  Ablauf  der  den  deutschen 
Kollatoren  vorbehaltenen  Frist  von  einem  halben  Jahr  erfolgte? 
Im  strengen  Wortsinne  nicht  mehr,  sondern  ein  Eingriff  in 
das  den  Oberen  anheimgefallene  Recht,  eine  Konkurrenz  mit 
diesem  Rechte;  der  Ausdruck  prevencio  also  war  im  letzten 
Grunde  unstatthaft.  Was  aber  diese  Forderung  verboten  wissen 
wollte,  was  sie  anstrebte  gegenüber  der  kurialen  Praxis  bei 
Besetzung  erledigter  Aemter  und  Pfründen,  war  kein  Geheim- 
nis. Sie  verlangte  eine  Stärkung  der  bischöflichen  Gewalt  an 
den  Benefizien,  eine  Minderung  der  päpstlichen,  die  jene  in  den 
Hintergrund  gedrängt,  wenn  nicht  gar  gänzlich  ausgeschaltet 
hatte.  —  Der  dritte  und  letzte  Teil  des  Nachtrags  zu  Ab- 
schnitt XXV  verlangte  vom  Papste,  bei  den  ihm  noch  zustehenden 
Gratien  den  Deutschen  vor  dem  Nichtdeutschen  zu  bevorzugen, 
vornehmlich  bei  einer  Pfarrkirche.  Die  Veranlassung  des  Wun- 
sches ist  klar,  die  Besetzung  deutscher  Benefizien  mit  Auslän- 
dern, die  bereits  für  Frankreich  die  Einleitung  der  pragmati- 
schen Sanktion  mit  bezeichnenden  Worten  gegeisselt  hatte 2),  der 
durch  konziliare  Billigung  des  Mainzer  Vorschlags  nun  auch 
für  Deutschland  ein  Riegel  vorgeschoben  werden  sollte.  Indem 
man  freilich  sein    Augenmerk    in   erster  Linie   auf  die  Pfarr- 

J)  S.  278. 

2)  S.  269  f.;  s.  oben  S.  35. 


74  "Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

kirchen  richtete,  dachte  man  an  die  Bedürfnisse  der  prakti- 
schen Seelsorge  in  Stadt  und  Land,  —  hätte  es  aber  nicht 
nahe  gelegen,  diese  Forderung  auch  auf  andere  kirchliche 
Beamtungen,  hohe  und  niedere,  auszudehnen?  In  der  prag- 
matischen Sanktion  begegnet  kein  genau  entsprechendes 
Verlangen.  Werden  aber  die  Worte  ihrer  Einleitung,  dass 
Kirchen  und  Benefizien  solchen  Ausländern  zu  teil  würden, 
die  nicht  einmal  die  Sprache  des  Volkes  verstünden1),  mit 
ihren  Aufstellungen  hinsichtlich  der  Verleihung  von  Pfründen 
an  solche  Männer  verbunden,  die  auf  französischen  Universitäten 
einen  Grad  erlangt  hatten 2) ,  so  ergibt  sich ,  dass  auch  sie 
von  demselben  Wunsche  nach  einem  dem  französischen  Volke 
entstammenden  niederen  Klerus  erfüllt  war  wie  die  Mainzer 
Acceptation  nach  einem  niederen  Klerus  deutscher  Herkunft  für 
Deutschland.  Man  wird  dieser  ausgesprochen  nationalen  For- 
derung nicht  die  Berechtigung  aberkennen,  mag  es  gleich 
dahingestellt  bleiben,  ob  für  Deutschland  schon  ältere  Zeug- 
nisse sich  finden,  die  auf  das  Indigenat  der  hier  tätigen  Geist- 
lichen als  Voraussetzung  ihrer  Amtsführung  schliessen  lassen 3). 
Genug,  man  bewegte  sich  hier  in  einer  Richtung,  die  der 
tatsächlichen  Entwicklung  zu  nationaler  Sonderung  entsprach. 


1)  S.  269 :  .  .  .  dignitates  ac  beneficia  notabiliora  et  opulentiora 
personis  conferuntur  incognitis  et  non  probatis,  que  in  eisdem  beneficiis 
non  resident,  sicque  vultus  sibi  commissi  gregis  non  agnoscunt,  linguam 
aliquando  non  intelligunt ;  .  .  .  clerici  nostrorum  regni  et  Delphinatus  .  .  . 
studia  deserunt  propter  promocionis  congrue  spem  eisdem  ablatam. 

2)  S.  278  (im  Zusatz  6  zu  Abschnitt  VI  de  collatione  beneficiorum): 
Quod  .  .  .  poterunt  universitates  .  .  .  nominare  certum  numerum  suorum 
graduatorum ;  vgl.  auch  S.  274  (im  Zusatz  2  zu  Abschnitt  IV  de  elec- 
tione  cassanda) :  .  .  .  rex  et  principes  regni  .  .  .  aliquando  utantur  pre- 
cibus  benignis  atque  benivolis  et  pro  personis  benemeritis  et  zelantibus 
bonum  reipublice  et  regni  Delphinatus. 

3)  L.  Thomassinus,  Vetus  et  nova  ecclesiae  disciplina  pars  II. 
üb.  I.  c.  103  (Venetiis  1766,  p.  214  ff.)  kennt  nur  ausserdeutsche  Zeug- 
nisse aus  früheren  Perioden;  s.  auch  P.  Hinschius,  Kirchenrecht  II, 
S.  503.  —  Vgl.  unten  S.  78  f.  über  den  letzten  Zusatz  zur  Acceptation. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  75 

Den  Beschluss  bilde  die  Würdigung  der  vier  letzten  Zusätze 
zur  Gesamtheit  der  acceptierten  Basler  Dekrete.  Sie  erwarten 
vom  Konzil  noch  weitere  Reformen  zur  Tilgung  solcher  Miss- 
stände, deren  Beseitigung  noch  nicht  in  Angriff  genommen 
sei.  Ihre  Einbringung  wird,  zum  Teil  wenigstens,  gerecht- 
fertigt durch  nationale  Interessen,  verrät  aber  aufs  neue  den 
geheimen  Abfall  von  der  Neutralität  im  Streite  zwischen 
Papst  und  Konzil,  da  sie  die  Hilfe  der  Kirchen  Versammlung 
in  Anspruch  nimmt  und  damit  ihre  Befähigung  zur  kirchlichen 
Gesetzgebung  anerkennt.  Der  erste  Zusatz  verlangt  die  Er- 
laubnis zur  Eheschliessung  von  Personen,  die  im  vierten  Grade 
der  Konsanguinität  oder  Affinität  mit  einander  verwandt  sind. 
Er  will  sie  nicht  in  Rom  Dispens  sich  holen  sehen,  sondern  — 
dieser  Gedanke  freilich  ist  unterdrückt  —  in  der  Heimat  bei 
den  deutschen  Bischöfen  l).  Auch  hier  begegnet  der  Rückschlag 
wider  die  allzu  grosse  Ausdehnung  der  päpstlichen  Befugnisse, 
der  Versuch  einer  Stärkung  der  bischöflichen  Gewalt  auf 
deutschem  Boden  über  die  Angehörigen  der  einzelnen  Diö- 
zesen. Die  Praxis  des  Dispensationsrechtes  in  Rom  wird  als 
leichtfertig  getadelt,  die  der  deutschen  Bischöfe  stillschwei- 
gend als  mehr  den  Vorschriften  des  Corpus  iuris  canonici 
entsprechend  unterstellt.  Jedenfalls  liegt  in  der  Beibehaltung 
des  vierten  Grades  von  Blutsverwandtschaft  und  Schwäger- 
schaft als  eines  nur  durch  Dispens  zu  beseitigenden  Ehe- 
hindernisses ein  Anschluss  an  eine  Satzung  des  Laterankonzils 
vom  Jahre  1215 2),  während  noch  das  Decretum  Gratiani, 
unter   Reception    einer  Bestimmung    von   Papst    Alexander  II. 

')  W.  Puckert,  Neutralität  S.  95  Anm.  1  verweist  überdies  auf 
einen  handschriftlich  überlieferten  Entwurf  (Dresdener  Archiv,  Religions- 
sachen A  fol.  150—153)  aus  dem  Jahre  1439,  der  Dispensfakultäten  in 
Bezug  auf  das  Ehehindernis  der  Verwandtschaft  auch  für  die  Bischöfe 
fordert,  während  ein  anderer  Entwurf  vom  Jahre  1444  (ebd.  fol.  258) 
sie  nur  für  die  Erzbischöfe  im  Bereiche  ihrer  Provinzen  verlangt,  frei- 
lich mit  der  Randbemerkung:  et  quilibet  episcopus  exemtus  per  suam 
diocesim. 

2)  Vgl.  c.  8  X  de  consanguinitate  et  affinitate  4,  14. 


76  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

(1061  — 1073)  aus  dem  Jahre  1065,  Ehen  von  Personen  ver- 
boten hatte,  die  bis  zum  siebenten  Grade  mit  einander  verwandt 
waren1).  —  Der  zweite  Zusatz  verrät,  wie  schon  oben  bei 
Abschnitt  III  de  conciliis  synodalibus  et  provincialibus 8)  und 
bei  dem  Zusatz  zu  Abschnitt  IX  de  annatis3)  angedeutet  wurde, 
als  Urheber  der  Acceptation  und  damit  auch  ihrer  Nachträge 
in  erster  Linie  die  Erzbischöfe  und  Bischöfe.  Er  tadelt  die 
Folgen  der  päpstlichen  Exemtionen,  der  Durchbrechungen  also 
der  ordentlichen  Gewalt  über  Provinzen,  Diözesen,  die  in  ihnen 
bestehenden  kirchlichen  Einzelanstalten,  Kapitel  und  Konvente 
aller  Art.  Er  findet,  dass  die  Privilegierung  dieser  Exemten  all- 
zu häufig  erfolge  und  viele  Missstände  zeitige.  Er  fordert  Er- 
neuerung jenes  Kanon  des  ersten  allgemeinen  Konzils  von  Lyon 
.im  Jahre  1245,  der  die  Entscheidung  von  Anklagen  wider  Exemte 
den  Ordinarien  anheimgegeben  hatte  4).  Auch  hier  demnach  eine 
Reaktion  wider  das  päpstliche  Kirchenrecht  der  avignonesischen 
Periode,  ein  Streben  nach  Wiederherstellung  des  Kirchen- 
rechts des  13.  Jahrhunderts,  und  es  verdient  Erwähnung,  dass 
rund  110  Jahre  nach  der  Mainzer  Acceptation  das  Konzil 
von  Trient  in  seiner  siebenten  Sitzung  vom  3.  März  1547  den 
im  Jahre  1439  angeführten  Beschluss  vom  Jahre  1245  wieder- 
holte und  erneuerte5).  —  Aehnliches  gilt  vom  dritten  Zusatz, 
der  eine  Einschränkung  der  Konservatorien  und  ihre  Her- 
stellung nach  der  Form  des  gemeinen  Rechtes  fordert.    Ueber 


*)  Vgl.  c.  2  C.  35  qu.  5;  siehe  im  allgemeinen  E.  Friedberg, 
Lehrbuch  des  katholischen  und  evangelischen  Kirchenrechts  (6.  Aufl.. 
Leipzig  1909),  §  145  und  146. 

2)  Vgl.  oben  S.  47. 

3)  Vgl.  oben  S.  61. 

4j  Vgl.  c.  1  in  VIto  de  privilegiis  5,  7.  Ueber  die  Frage  der  Exem- 
tionen auf  dem  Konstanzer  Konzil  vgl.  B.  Hübler,  Constanzer  Refor- 
mation S.  93  f.  232  ff.  und  über  das  Basler  Konzil  A.  Hüfner:  Archiv 
für  katholisches  Kirchenrecht  LXXXVII  (1907),  S.  614  ff. 

5)  Concilium  Tridentinum  1547  März  3  sess.  VII  de  reforma- 
tione  c.  14  ed.  Richter  p.  55. 


Mainzer  Acceptation  von  148$.  77 

die  Aufgaben  der  Konservatoren  1),  ihre  Amtsführung  und  die 
zu  ihr  allein  geeigneten  Persönlichkeiten  hatten  das  Konzil  von 
Lyon  im  Jahre  1245,  die  Päpste  Alexander  IV.  (1254—1201) 
und  Bonifaz  VIII.  (1294 — 1303)  eine  Reihe  von  Bestimmungen 
erlassen,  die  insgesamt  in  den  Liber  sextus  decretalium  auf- 
genommen worden  waren  *).  Unter  ihnen  fand  sich  die  Vor- 
schrift, dass  es  den  Konservatoren  verboten  sein  sollte,  jeman- 
den vor  sich  zu  laden,  der  länger  als  einen  Tag  reisen  müsse, 
um  der  Ladung  zu  entsprechen3).  Gerade  sie  aber  war  durch 
die  Kanzleiregeln  Johanns  XXII.  (1316 — 1334),  Benedikts  XIII. 
(1394—1417,  f  1424)  und  Eugens  IV.  (1431—1447)  dahin 
abgeändert  worden,  dass  die  Konservatoren  auch  solche  sollten 
belangen  können,  die  bis  zu  zwei  Tagereisen  von  ihrem  Sitze 
wohnten  4).  Kein  Zweifel,  dass  die  Mainzer  Versammlung  die  Ab- 
schaffung dieser  lästigen  Ausweitung  der  Befugnisse  der  Konser- 
vatoren wünschte.    Den  deutschen  Erzbischöfen  und  Bischöfen 


')  Vgl.  E.  L.  Ferraris,  Prompta  bibliotheca  II  (Venetiis  1782)^ 
p.  531,  wo  nach  der  Glosse  zu  c.  1  in  VIto  de  officio  et  potestate 
iudicis  delegati  1,  14  (s.  nächste  Anmerkung)  erwähnt  ist,  dass:  conser- 
vatores  potissimum  dantur  regularibus  ad  tuendum  eorum  personas,  bona 
et  iura,  sub  quibus  eorundem  continentur  privilegia,  exemtiones  et  im- 
munitates. 

2)  Vgl.  c.  1  in  VIto  de  officio  et  potestate  iudicis  delegati  1,  14 
(Lyon  1245),  c.  2  in  VIto  de  off.  et  pot.  iud.  del.  1,  14  (Alexander  IV.), 
cc.  o— 15  in  VIto  de  off.  et  pot.  iud.  del.  1,  14  (Bonifaz  VIII.). 

8)  Vgl.  c.  15  in  VIto  de  off.  et  pot.  iud.  del.  1,  14:  Conservatores  . .  . 
extra  civitates  seu  dioeceses,  in  quibus  fuerint  deputati,  contra  quos- 
cunque  procedere  aut  aliquos  ultra  unam  diaetam  a  fine  dioecesuni 
eorundem  trahere  non  praesumant. 

4)  Vgl.  die  Kanzleiregel  Johanns  XXII.  c.  14 :  Item  in  conservatoriis 
praelatorum  ponatur,  quod  conservatores  possint  ad  se  vocare  iniuriantes 
per  duas  dietas  dumtaxat  (E.  von  Ottenthai,  Die  päpstlichen  Kanzlei- 
regeln, Innsbruck  1888,  S.  4).  Die  Kanzleiregel  Benedikts  XIII.  c.  99 
(ebd.  S.  138)  bestimmt,  quod  aliquis  vigore  conservatorie  huiusmodi 
ultra  duas  dietas  extra  suam  civitatem  vel  diocesim  non  trahatur,  die- 
jenige Eugens  IV.  c.  87  (S.  250) :  in  litteris  (d.  h.  in  conservatoriis)  po- 
natur, quod  conservatores  possint  vocare  iniuriatores  ad  duas  dietas; 
siehe  auch  ebd.    S.  21   c.  31  (Urban  V.),   S.  181  c.  44  (Johann  XXIII.), 


78  Werminghoff,  Nationalkirchliche  BestrebuDgen. 

konnte  eine  Einrichtung  nicht  genehm  sein,  die  in  erster  Linie 
exemten  Geistlichen  und  Kirchen  zu  gute  kam,  die  schon  im  Jahre 
1287  vom  Würzburger  Konzil  bekämpft  worden  war x).  —  Endlich 
der  vierte  Zusatz  mit  dem  Versuch,  die  Erteilung  von  Weihen 
am  Sitze  der  Kurie  an  unwürdige  Ausländer  und  Fremdlinge 
einzuschränken,  an  solche  Männer  also,  die,  gestützt  auf  ihre 
Weihen,  die  Uebertragung  von  Kirchenämtern  in  Deutschland 
für  sich  forderten.  Er  erweitert  den  Zusatz  zu  Abschnitt  XXV 
de  collationibus  beneficiorum,  der  päpstliche  Gratien  im  Hinblick 
auf  deutsche  Pfarrkirchen  zunächst  Geistlichen  deutscher  Abstam- 
mung zugebilligt  wissen  wollte  2).  Die  Tendenz  der  Erweiterung 
ist  leicht  erkennbar.  Sie  will  einmal  einen  Klerus  deutscher 
Herkunft  schaffen,  sodann  die  Gerechtsame  der  Bischöfe  aufs 
neue  beleben,  die  durch  die  absoluten  Ordinationen  von  Kleri- 
kern an  der  Kurie  stark  beeinträchtigt  waren.  Möglich  ist, 
dass  auch  hier  eine  Erneuerung  von  Satzungen  geplant  war,  wie 
sie  Clemens  IV.  (1265-1268)  und  Bonifaz  VIII.  (1294—1303) 
hinsichtlich  der  Voraussetzungen  für  Erteilung  der  Weihen 
erlassen  hatten3).  Jedenfalls  würde  dann,  gleichwie  in  den 
früheren  Zusätzen  am  Schluss  der  Acceptation  so  auch  im 
letzten,  eine  Rückkehr  sich  finden  zum  Recht  des  Corpus  iuris 
canonici    einschliesslich    des    Liber    sextus    decretalium,    eine 


S.  200  c.  65  (Martin  V.),  S.  287  c.  96  (Nikolaus  V.).  Formeln  für  Kon- 
servatorien, die  beide  die  Bestimmung  Bonifaz'  VIII.  (s.  S.  77  Anm.  3) 
ausdrücklich  aufheben,  finden  sich  bei  M.  Tangl,  Die  päpstlichen  Kanzlei- 
ordnungen von  1200—1500  (Innsbruck  1894),  S.  321  ff.  n.  129  und  130. 
Siehe  auch  B.  Hennig,  Die  Kirchenpolitik  der  älteren  Hohenzollern 
in  der  Mark  Brandenburg  und  die  päpstlichen  Privilegien  des  Jahres 
1447  (Leipzig  1906),  S.  162  f. 

1)  Würzburger  Konzil  1287  c.  39;  Mansi  XXIV,  865  (mit  sehr 
verderbtem  Text).  —  Ueber  die  conservatores  iurium  et  privilegiorum 
der  Universitäten  vgl.  Gr.  Kaufmann,  Geschichte  der  deutschen  Uni- 
versitäten II  (Stuttgart  1896),  S.  104  f. 

2)  Siehe  oben  S.  73  f. 

3)  Vgl.  c.  1  in  VI*o  de  temporibus  ordinationis  1,  9  (Clemens  IV.) 
und  c.  3  eod.  (Bonifaz  VIII.),  dazu  P.  Hinschius,  Kirchenrecht  I,  S.  87. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  79 

Polemik  wider  das  päpstliche  Kirchenrecht  des  14.  Jahrhunderts, 
das  Verlangen  demnach,  die  allzu  weit  gespannten  Forderungen 
namentlich  des  avignonesischen  Papsttums  auf  ein  gebührendes 
Mass  zurückzubringen.  Klare  historische  Einsicht  in  die  Be- 
deutung gerade  des  14.  Jahrhunderts  für  die  Ausgestaltung 
der  papalen  Allgewalt  wird  man  bei  den  in  Mainz  Versam- 
melten nicht  vermuten  dürfen.  Immerhin  lag  in  ihren  Forde- 
rungen eine  gesunde  Reaktion  wider  eine  Entwicklung,  die 
freilich  nicht  auf  dem  hier  eingeschlagenen  Wege  wieder  aus 
der  Welt  geschafft  werden  konnte. 

Ueberschaut  man  die  deutschen  Zusätze  im  ganzen,  so 
fällt  mehrfach  der  Mangel  an  Klarheit  auf,  bei  allen  das  Fehlen 
von  Kraft  und  Nachdruck.  Sie  standen  insgesamt  unter  dem 
Banne  einer  Kirchenpolitik,  die  des  unverrückbar  aufgestellten 
Zieles  entbehrte.  Die  Nachträge  sollten  vom  Basler  Konzil 
gutgeheissen  werden,  ihre  Urheber  neigten  damit  auf  die  Seite 
der  Kirchenversammlung.  Da  sie  aber  die  Neutralität  zwischen 
Rom  und  Basel  nicht  verletzen  wollten,  schauten  sie  zur  selben 
Zeit  nach  dem  Papste  Eugen  IV.  aus,  noch  immer  von  der 
Hoffnung  erfüllt,  ihm  eine  Entschädigung  auszumitteln  und  auf 
solche  Weise  ihn  vielleicht  zu  bestimmen,  dass  auch  er  die  Basler 
Dekrete  und  ihre  Ergänzungen  bestätige.  Ein  Dilemma,  all- 
zu grosser  Behutsamkeit  entspringend,  das  in  Frankreich  ver- 
mieden worden  war  durch  den  Entschluss  und  die  Tat  des 
Königs,  die  Denkschrift  seiner  Geistlichen  samt  den  Nachträgen 
unmittelbar  zum  Gesetz  für  seine  Kirche  zu  erheben,  obwohl 
auch  er  die  Mahnung  las,  dass  die  Versammlung  zu  Bourges 
eine  Billigung  ihrer  Zutaten  durch  das  Konzil  erwarte.  Ent- 
schluss und  Tat  waren  der  Mainzer  Versammlung  versagt. 
Der  König  war  nicht  anwesend,  und  ihn,  das  Konzil  und  den 
Papst  vor  eine  vollendete  Tatsache  zu  stellen,  d.  h.  die  accep- 
tierten  Dekrete  samt  den  Modifikationen  sofort  als  Reichsgesetz 
zu  verkünden,  war  deshalb  unmöglich.  Gleichwohl  scheint  der 
Wunsch  bestanden  zu  haben,  es  nicht  allein  bei  der  Erklärung 
der  Acceptation  bewenden  zu  lassen.     In  ihr  lag   die  Absicht 


80  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

weiterer  Verhandlungen  mit  dem  Konzil;  dass  aber  diese  in 
die  Wege  geleitet  werden  sollten,  verrät  der  Entwurf  einer 
Urkunde,  in  der  Albrecht  IL,  die  Kurfürsten,  Erzbischöfe, 
Bischöfe  und  Prälaten  bei  den  Baslern  vorstellig  werden,  die 
Mainzer  Acceptation  als  Ganzes  anzuerkennen  und  ihre  Beob- 
achtung anzuordnen x).  Seiner  Entstehungszeit  nach  gehört 
der  Entwurf,  während  die  früher  besprochenen  Vorschläge  über 
die  Entschädigung  des  Papstes  noch  im  März  1439  entstanden 
zu  sein  scheinen 2) ,  dem  Ausgang  des  Mainzer  Reichstages 
(April  1439)  an.  Wer  ihn  anfertigte,  bleibt  unbekannt;  jeden- 
falls lag  ihm  die  pragmatische  Sanktion  Karls  VII.  vor,  aus 
deren  Einleitung  er  mehr  denn  einen  Satz  entnahm3).  Ob 
freilich  Albrecht  den  Entwurf  vollzog,  d.  h.  ob  er  die  Mainzer 
Acceptation  guthiess  und  sie  dem  Konzil  unterbreitete,  ist 
leider  nicht  überliefert.  „Jedenfalls  ist  es  geschehen,"  meint 
A.  Bachmann4),  und  es  ist  kein  Grund  vorhanden,  diese  Ver- 
mutung zu  bestreiten. 

')  St.  A.  "Würdtwein,  Subsidia  diplomatica  VIII  (Heidel- 
bergae  1776),  p.  1 — 5,  ohne  Wiederholung  aber  der  angenommenen 
Konzilsdekrete  durch  den  Herausgeber  des  Dokuments. 

2)  Siehe  oben  S.  63  ff. 

3)  Eine  ausführliche  Vergleichung  beider  Dokumente  erübrigt  sich 
an  dieser  Stelle;  auf  die  Uebereinstimmung  hat  bereits  "W.  Puckert 
a.  a.  0.  S.  92  Anm.  1  hingewiesen. 

4)  A.  Bachmann:  Archiv  für  österreichische  Geschichte  LXXV, 
S.  60  f.  nach  Besprechung  des  Entwurfs  und  der  bereits  oben  S.  63  ff. 
erwähnten  Vorschläge  für  die  Entschädigung  des  Papstes:  „Es  ist  un- 
bekannt, wann  und  unter  welchen  Umständen  König  Albrecht  die  accep- 
tation* gutgeheissen  hat.  Jedenfalls  ist  es  geschehen.  Vor  das  Konzil 
aber,  wohin  sie  der  Aenderungen  und  Zusätze  wegen  gelangen  musste, 
kam  sie  jetzt  mit  des  Königs  Unterschrift  keineswegs;  ebensowenig  die 
Beschlüsse,  den  Ersatz  für  die  Annatengelder  betreffend.  Beide  sind 
denn  auch  spät  zu  Basel  in  Verhandlung  genommen  worden";  vgl.  den 
Auszug  aus  der  Instruktion  Friedrichs  III.  vom  Jahre  1440  für  den 
Mainzer  Reichstag  (Februar  1441)  ebd.  S.  79.  Bachmanns  "Worte 
wenden  sich  gegen  W.  Puckert  a.  a.  0.  S.  97  mit  Anm.  1,  dass  der 
römische  König  keineswegs,  was  in  seiner  Abwesenheit  begonnen  worden, 
durch  Gutheissung  vollendet  habe. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  81 

Eine  andere  Frage  ist,  wann  das  Konzil  sich  der  deutschen 
Anliegen  annahm.  Sein  Geschichtschreiber  Johann  von  Sego- 
via  berichtet,  dass  es  den  Basler  Abgesandten  auf  dem  Mainzer 
Reichstag  nicht  gelungen  sei,  auch  nur  eine  Abschrift  der 
Acceptationsurkunde  zu  erhalten,  dass  aber  die  Bischöfe  von 
Passau  und  Lübeck  ihnen  die  Dringlichkeit  der  von  der  Synode 
zu  erbittenden  Beschlüsse  ans  Herz  gelegt  hätten  l).  Wie  lange 
noch  ward  trotzdem  gezögert,  das  Konzil  wirklich  um  Bestäti- 
gung des  Dokuments  von  1439  anzugehen!  Erst  im  März  1446, 
nach  der  Absetzung  der  Erzbischöfe  von  Köln  und  Trier  durch 
den  Papst  (24.  Januar  1446),  beschlossen  die  zu  Frankfurt 
versammelten  Kurfürsten,  zunächst  solle  Eugen  IV.  um  An- 
erkennung der  Mainzer  Acceptation  samt  ihren  Zusätzen  ge- 
beten werden.  Verweigere  er  sie,  so  sei  dem  Konzil  die 
gleiche  Bitte  zu  unterbreiten,  derart  dass  es  nach  ihrer  Erfül- 
lung anerkannt  werde,  dass  es  freilich  auch  sich  selbst  an  einen 
von  den  Kurfürsten  bestimmten  Ort  verlegen  müsse2).  Die 
weiteren  Klauseln,  ohne  die  ein  deutsches  Aktenstück  jener 
Tage  nicht  zu  denken  ist,  bedürfen  hier  nicht  der  Anführung. 
Den  Boten  nach  Basel  wurden  zugleich  Entwürfe  mitgegeben, 
deren  einer  die  konziliare  Bestätigung  der  kurfürstlichen  Pro- 
positionen enthielt,  das  heisst  die  Billigung  der  Mainzer  Zu- 
sätze von  1439  mit  Ausnahme  der  vier  letzten,  im  Jahre  1439 
noch  geforderten  Reformen 3).     Langwierige  und  erregte  Ver- 


x)  Vgl.  den  Abdruck  der  entscheidenden  Stellen  bei  Koch,  Sanctio 
pragmatica  S.  267.  271. 

2)  Hierzu  wie  zum  Folgenden  vgl.  u.  a.  W.  Puckert,  Neutralität 
S.  252  ff.    A.  Bachmann  a.  a.  0.  LXXV,  S.  169  ff. 

3)  Der  Entwurf  der  Konzilsbulle  findet  sich  bei  St.  A.  Würdt- 
wein,  Subsidia  VIII,  p.  107  —  117;  darin  ist  eingeschaltet  (S.  109—112) 
ein  zweiter  für  die  Bestätigung  der  Mainzer  Acceptation  und  ihrer  Zu- 
sätze. Wir  zählten  deren  früher  (vgl.  S.  57  ff.)  im  ganzen  15.  Der 
Entwurf  wiederholt  von  ihnen  die  ersten  elf,  d.  h.  die  Zusätze  zu  den 
Abschnitten  II  (aus  sessio  Basil.  XII),  IX  (aus  sess.  XXI).  XXII  (aus 
sess.  XXIII)   und  XXV   (aus  sess.  XXXI).     Nicht   wiederholt   sind    die 

W  e  r  m  i  n  g  h  o  i  f ,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  6 


82  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

handlungen  in  Rom  waren  die  Folge  und  brachten  nur  neuen 
Aufschub *).  Von  Basel  überbrachte  wohl  eine  Gesandtschaft 
des  Konzils  dem  Frankfurter  Reichstag  (September  und  Oktober 
1446)  die  Erfüllung  aller  Forderungen  des  Frühjahres.  Noch 
hoffte  sie  auf  die  Oboedienz  des  Reiches,  das  vom  Papst  für 
immer  sich  abkehren  würde  — ,  aber  ihr  Warten  und  Werben 
war  vergeblich.  Dem  Geschick  des  königlichen  Geheim- 
schreibers Enea  Silvio  gelang  es,  eine  Formel  zu  finden,  die 
den  Kurfürstenbund  sprengte,  das  Konzil  ausschaltete  und 
Eugens  IV.  Nachgiebigkeit  nicht  allzusehr  belastete.  Nun  waren 
weitere  Verhandlungen  mit  Basel  nicht  mehr  nötig,  die  mit 
dem  Papste  um  den  endgültigen  Anschluss  des  Reiches  an  Rom 


vier  letzten  Zusätze  mit  den  Wünschen  weiterer  konziliarer  Reformen.  An 
ihre  Stelle  ist  folgender  Passus  getreten,  der  sich  unmittelbar  an  den  letzten 
Zusatz  11  zu  Abschnitt  XXV  bezüglich  der  päpstlichen  Gratien  und  der  Be- 
vorzugung von  Deutschen  zumal  für  deutsche  Pfarrkirchen  (s.  oben  S.  73  f.) 
anschliesst:  Verum  quia  in  multis  ecclesiis  dicte  nacionis  statutum  in- 
venitur  vel  extat  consuetudo,  quod  inibi  duntaxat  illustres  aut  alias  certo 
geniture  modo  qualificate  persone  recipiuntur,  noluerunt  per  acceptationem 
dictorum  decretorum  illi  consuetudini  vel  statuto  quoquomodo  praeiudi- 
cari,  nisi  in  quantum  inter  personas  premisso  modo  geniture  qualificatas 
persone  graduate  et  iuxta  formam  ipsius  decreti  qualificate  reperiantur, 
inter  quas  decretum  ipsum  in  ecclesiis  huiusmodi  tantummodo  servetur 
(Würdtwein  a.  a.  0.  VIII,  S.  111).  Ueber  den  Adel  als  Vorbedin- 
gung für  den  Eintritt  in  Domkapitel  oder  Klöster  vgl.  meine  Literatur- 
angaben in  Meisters  Grundriss  der  Geschichtswissenschaft  II,  G 
(Leipzig  1907),  S.  52  f.  und  S.  64  Anm.  1,  die  aber  dank  neuerer  Ar- 
beiten namentlich  aus  der  Schule  von  A.  Schulte  mancher  Ergänzung 
bedürfen,  z.  B.  durch  W.  Pelster,  Stand  und  Herkunft  der  Bischöfe 
der  Kölner  Kirchenprovinz  im  Mittelalter.  Weimar  1909.  F.  Simon 
Stand  und  Herkunft  der  Bischöfe  der  Mainzer  Kirchenprovinz  im  Mittel- 
alter. Weimar  1908.  H.  Werner:  Deutsche  Geschichtsblätter  IX  (1908), 
S.  251  ff.  —  Das  Mittelstück  des  Entwurfs  ist  von  Koch,  Sanctio  prag- 
matica  S.  171  ff.  als  eine  im  Jahre  1439  vollzogene  Urkunde  des  Konzils 
abgedruckt;  W.  Puckert,  Neutralität  S.  98  Anm.  1  tadelt  dies  Ver- 
fahren mit  gutem  Recht. 

*)  Vgl.  auch  C.  Brockhaus,  Gregor  von  Heimburg  (Leipzig  1881) 
S.  62  ff. 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  83 

konnten  jetzt  ihren  Lauf  nehmen  — ,  dem  Frankfurter  Tage 
folgten  die  Fürstenkonkordate  von  1447,  das  Wiener  Kon- 
kordat von   1448. 


Ein  weiter ,  vielleicht  allzuweiter  Weg  ist  zurückgelegt. 
Er  ergab,  dass  der  Inhalt  des  Mainzer  Acceptationsinstruments 
auf  lange  Strecken  abhängig  ist  von  dem  der  pragmatischen 
Sanktion,  dass  man  aber  auch  in  Mainz  Rücksicht  zu  nehmen 
verstand  auf  deutsche  Bedürfnisse.  Für  beide  Dokumente 
boten  die  Beschlüsse  des  Basler  Konzils  den  Rohstoff  dar,  und 
hieraus  folgt  von  selbst,  dass  wohl  eine  Reformation  angestrebt 
wurde  im  Sinne  der  letzten  allgemeinen  Kirchenversammlung 
des  15.  Jahrhunderts,  nicht  aber,  weder  für  Frankreich  noch 
für  Deutschland,  ein  kirchlicher  Neubau.  Hindert  diese  Tat- 
sache, in  den  Urkunden  der  Jahre  1438  und  1439  Verfas- 
sungsurkunden für  eine  französische  oder  deutsche  Kirche  zu 
erblicken,  so  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  die  Trag- 
weite der  pragmatischen  Sanktion  eine  ganz  andere  war  als 
die  der  Mainzer  Acceptation.  Jene  wies,  weil  alsbald  vom 
König  als  ein  für  seine  Kirche  gültiges  Gesetz  verkündet,  dem 
in  Frankreich  gültigen  Kirchenrecht  neue  Bahnen,  neue  Ziele, 
die  der  hier  aufgerichteten  Kirche  vor  dem  Papste  Schutz  ge- 
währen, dem  König  aber  sie  zur  Verfügung  stellen  sollte. 
Diese  Kirche  Frankreichs  trug  hinfort  das  Gepräge  einer  natio- 
nalen Kirche  oder,  weil  der  König  ihr  Grundgesetz  erlassen 
hatte,  dessen  Einzelbestandteile  von  Haus  aus  Reformdekrete 
einer  kirchlichen  Instanz  waren,  diese  Kirche  Frankreichs  näherte 
sich  einer  Staatskirche,  deren  äussere  Ordnungen  der  Wille 
des  Herrschers  bestimmte  *). 

Nicht  so  die  Mainzer  Acceptation.  Die  verfassungsmässigen 


])  Vgl.  J.  Ha  11  er:  Korrespondenzblatt  des  Gesaratvereins  der  deut- 
schen Geschichts-  und  Altertumsvereine  LVIII  (1910),  S.  22.  24.  Der  Vor- 
trag H  a  1 1  e  r  s  (ebd.  S.  9  ff.  abgedruckt)  ging  mir  erst  während  der 
Korrektur  zu,  so  dass  ich  nur  in  einer  nachträglich  eingefügten  Anmer- 
kung auf  ihn  verweisen  kann. 


84  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Organe  des  deutschen  Reiches,  der  König  und  die  Kurfürsten, 
hatten  sich  in  ihr  vereinigt  mit  den  Vertretern  der  Metropolitan- 
verbände  auf  deutschem  Boden.  Auch  sie  waren  willens  ge- 
wesen, die  Ergebnisse  der  Basler  Reform,  die  Gesamtheit  der 
acceptierten  Dekrete  nebst  den  eigenen  Zutaten  zum  Gesetz 
zu  erheben,  zugleich  aber  war  man  bedacht,  für  den  ersten 
Schritt,  eben  die  Annahme  der  Dekrete,  und  für  die  Rück- 
sichtnahme auf  deutsche  Interessen  in  den  Nachträgen  gleich- 
sam noch  einmal  Indemnität  zu  erbitten,  und  zwar  vom  Konzil, 
dem  man  zuneigte,  obwohl  man  die  früher  übernommene 
Verpflichtung  zur  Neutralität  zwischen  Rom  und  Basel  noch 
immer  als  bindend  anerkannte  und  aufs  neue  durch  sie  sich 
gebunden  erachtete.  Es  ist  darum,  mag  es  gleich  häufig  ge- 
schehen sein,  nicht  richtig,  die  Mainzer  Urkunde  die  pragmatische 
Sanktion  der  Deutschen  zu  nennen.  Dazu  fehlte  ihr  der  Wille, 
dazu  die  Kraft.  Sie  war  nur  ein  Versuch  zu  nationaler  Aus- 
gestaltung der  kirchlichen  Verfassung  auf  deutschem  Boden, 
ein  Versuch  im  gefährlichen  Augenblick,  weil  er  gemacht 
wurde  zu  einer  Zeit,  da,  je  länger  der  Zwist  zwischen  Papst 
und  Konzil  dauerte,  er  um  so  mehr  sich  verschärfte,  bis  er  in 
der  Wahl  des  Gegenpapstes  Felix  V.  am  5.  November  1439 
zu  einem  neuen  Schisma  führte.  Es  frommt  nicht  dem  Staate 
eine  neue  Verfassung  zu  geben  unter  Umständen,  die  ihn,  ob- 
gleich wider  Willen,  in  einen  auswärtigen  Krieg  zu  verwickeln 
drohen.  Auch  die  Reform  der  kirchlichen  Verfassung  in  einem 
Lande  kann,  wenn  anders  sie  fruchtbringend  sein  will,  nicht 
in  Angriff  genommen  werden,  wenn  der  entscheidende  Wille 
der  berufenen  Organe  fehlt.  In  Frankreich  war  die  Reform  ge- 
lungen, während  die  Grundvesten  der  gesamtkirchlichen  Organi- 
sation, die  bislang  in  das  Dasein  ihres  französischen  Anteils  be- 
stimmend eingegriffen  hatte,  ins  Wanken  geraten  waren.  In 
Deutschland  mit  seinem  Wirrsal  territorialer  und  partikularer 
Tendenzen  fehlte  die  wollende,  die  schaffende  Persönlichkeit. 
Seine  kirchliche  Reform  musste  Stückwerk  bleiben,  ja  nur  ein 
frommer    Wunsch,    sobald    sie    hineingezogen    wurde    in    den 


Mainzer  Acceptation  von  1439.  85 

Strudel   der  Kämpfe   zwischen   König   und    Kurfürsten,   Kurie 
und  Konzil *). 

*)  H.  Werner  hat  in  seiner  Ausgabe  der  Reformation  des  Kaisers 
Sigmund  (Berlin  1908)  dargetan,  wie  stark  diese  Schrift  von  der  Mainzer 
Acceptation  abhängig  ist  (vgl.  dazu  seinen  Aufsatz  im  Neuen  Archiv 
XXXH,  1907,  S.  742  ff.).  Ich  vermeide,  auch  sie  in  den  Kreis  der  Be- 
trachtungen einzubeziehen,  um  nicht  den  schon  allzu  ausgedehnten  Auf- 
satz noch  weiter  zu  spinnen.  Gebe  ich  auch  Werners  These  bezüglich 
der  Abhängigkeit  jenes  Traktats  von  der  Mainzer  Urkunde  zu,  so  mache 
ich  mir  doch  nicht  jedes  Urteil  über  diese  selbst  zu  eigen,  ohne  freilich 
hier  in  eine  Einzelpolemik  eintreten  zu  wollen.  —  W.  Köhler  ist 
dem  Verhältnis  von  Luthers  Schrift  An  den  christlichen  Adel  deutscher 
Nation  zu  den  Basler  Reformbeschlüssen  nachgegangen,  hat  es  aber  ab- 
gelehnt, die  Beziehungen  zwischen  Luther  und  der  Mainzer  Acceptation 
darzulegen,  da  diese  im  wesentlichen  Basler  Dekrete  übernommen  habe 
(Luthers  Schrift  An  den  christlichen  Adel  deutscher  Nation  im  Spiegel 
der  Kultur-  und  Zeitgeschichte,  Halle  1895,  S.  138  ff.  145  Anm.  1).  Für 
Luther  boten  die  ersten  15  Konzilssitzungen  keinen  Stoff,  die  Acceptation 
hat  die  16.  Sitzung  (12.  Februar  1434)  nicht  berücksichtigt,  wohl  aber 
die  20.  in  den  Abschnitten  V — VIII  (über  ihre  Verwertung  durch  Luther 
vgl.  Köhler  a.  a.  0.  S.  141  f.),  die  21.  in  den  Abschnitten  IX— XIX 
(vgl.  ebd.  S.  142  f.),  die  23.  in  den  Abschnitten  XX— XXIII  (vgl.  ebd. 
S.  143);  die  30.  Sitzung  ist  nur  in  der  Acceptation  (Abschnitt  XXIV), 
nicht  aber  von  Luther  berücksichtigt,  die  31.  in  den  Abschnitten  XXV 
und  XXVI  der  Acceptation  (über  Luther  vgl.  Köhler  S.  143  f.).  Die 
Forderungen  der  beiden  ersten  Zusätze  zu  Abschnitt  XXVI  der  Accep- 
tation betreffend  Ehehindernisse  und  Exemtionen  (s.  oben  S.  75  f.)  finden 
sich  auch  bei  Luther  (vgl.  die  Weimarer  Ausgabe  seiner  Werke  VI,  S.  442  f. 
429),  ohne  dass  er  sie  unmittelbar  aus  der  Acceptation  entlehnt  zu  haben 
brauchte,  da  er  mit  seinem  Verlangen  „nur  einem  allgemeinen  Bedürfnis 
entgegenkam"  (Köhler  a.a.O.  S.  145).  Ueber  Luther  und  die  prag- 
matische Sanktion  vgl.  ebd.  S.  144.  Beide  stützen  sich  auf  Basler 
Dekrete,  daher  ihre  Berührungspunkte,  doch  finden  sich  keine  Beziehungen 
Luthers  zu  den  Zusätzen  in  der  Sanktion.  Luther  kannte  aber  jedenfalls 
die  französische  Urkunde ,  da  er  wiederholt  die  Abwehr  päpstlicher 
Uebergriffe  in  Frankreich  rühmt  (Weimarer  Ausgabe  VI,   S.  417.  433). 


Fünfter  Abschnitt. 

Das  Wiener  Konkordat  vom  Jahre  1448. 


Feierlich  war  am  26.  März  1439  zu  Mainz  die  Acceptation 
der  Basler  Dekrete  verkündet  worden1).  König  Albrecht  IT. 
starb  am  27.  Oktober  1439  und  zu  seinem  Nachfolger  wurde 
am  2.  Februar  1440  Friedrich  III.  gewählt.  In  Basel  ward 
am  5.  November  1439  der  Herzog  Amadeus  von  Savoyen  zum 
Gegenpapst  erhoben,  und  etwas  mehr  denn  sieben  Jahre  wogte 
der  Kampf  zwischen  beiden  Päpsten  um  die  Oboedienz  des 
neutralen  Deutschen  Reiches.  Erst  am  7.  Februar  1447  konnte 
Eugen  IV.  die  Erklärung  entgegennehmen,  dass  die  deutsche 
Nation  durch  die  Leistung  der  Oboedienz  seitens  ihres  Königs 
wiederum  in  das  römische,  papale  Kirchentum  eingetreten  sei. 
Am  17.  Februar  1448  besiegelte  Friedrich  III.  das  Wiener 
Konkordat,  das  Eugens  IV.  Nachfolger  -Nikolaus  V.  von  sich 
aus  am  19.  März  1448  verkündete. 

Mit  diesen  kurzen  Sätzen  soll  eine  Periode  von  neun  Jahren 
gekennzeichnet  werden,  die  durch  das  immer  weitere  Zurück- 
treten der  nationalkirchlichen  Gedanken  des  Jahres  1439  ihr 
Gepräge  erhält.  So  schwach  diese  gleich  entwickelt  sein 
mochten,  jedenfalls  erfolgte  noch  im  Laufe  des  Jahres  1439 
die  entscheidende  Wendung.  Nach  Eugens  IV.  Absetzung 
durch  das  Konzil  am  25.  Juni  1439  wäre  es  an  der  Zeit  ge- 


J)  Zum  Folgenden  vgl.  besonders  Gr.  Voigt,  Enea  Silvio  I,  S.  247  ff'. 
W.  Puckert,  Neutralität  S.  109  ff.  Hefele,  Konziliengeschichte  VII, 
S.  777  ff.  A.  Bachmaun  a.  a.  0.  LXXV,  S.  68  ff.  V.  von  Kraus, 
Deutsche  Geschichte  im  Ausgange  des  Mittelalters  I,  S.  82  ff.  177  ff. 


Wiener  Konkordat  von  1448.  87 

wesen,  dem  Ausbau  der  angenommenen  Dekrete  durch  ihre 
Einführung  als  Reichsgesetz  alle  Kräfte  zu  widmen;  dafür  aber 
ward  die  Ausgestaltung  der  Neutralität  in  die  Wege  geleitet 
und,  in  ihrem  Gefolge,  die  Stärkung  des  territorialkirchlichen 
Regiments,  das  aus  dem  Streite  zwischen  Papst  und  Konzil 
neue  Kräfte  zu  gewinnen  sich  bemühte  und  das  eben  des- 
halb die  Fürsorge  für  das  gesamtdeutsche  Kirchenwesen  aus- 
schloss. 

Als  Zeugnis  dieses  Abfalls  vom  Ziele  der  Acceptation  wird 
ein  Entwurf  anzusehen  sein,  der  dem  Aktenmaterial  des  Frank- 
furter Reichstags  vom  November  1439  angehört1).  Er  stellt 
jegliche  Verletzung  der  Neutralität  unter  die  strengen  Strafen 
des  Vermögensverlustes  und  der  Landesverweisung.  Da  nicht 
nur  die  allgemeine  Kirche,  sondern  auch  andere  Kirchen  — 
man  beachte  den  Gegensatz  —  durch  jenen  Kampf  schwer 
gelitten  hätten,  so  würden  König  und  Kurfürsten  hinfort 
keinerlei  Prozesse,  Mandate,  Satzungen  und  Dekrete  in  ihren 
Ländern  und  Herrschaften  mehr  annehmen;  den  Zuwider- 
handelnden sollte  Strafe  treffen.  Dafür  würden  geistliche 
und  weltliche  Konsistorien  einzurichten  sein,  die  jedem  Bitt- 
steller sein  Recht  zu  teil  werden  Hessen.  Auf  dass  endlich  nie- 
mand die  Urheber  solcher  Ordnungen  für  des  Hauptes  ent- 
behrend halte,  gleichsam  als  wollten  sie  jeder  übergeordneten 
Autorität  sich  entziehen,  wird  erklärt,  eine  Verweigerung  der 
Oboedienz  gegenüber  dem  Konzil  oder  dem  Papste  sei  nicht 
beabsichtigt.  Man  wolle  neutral  bleiben,  bis  durch  ein  anderes 
heiliges  allgemeines  Konzil  oder  nach  dem  Rat  von  Gelehrten 
wie  Doktoren  und  der  Fürsten  des  heiligen  römischen  Reiches 
ein  Beschluss  darüber  gefasst  wäre,  was  zu  tun,  wem  Gehor- 
sam zu  leisten  sei2). 


a)  St.  A.  Würdtwein,  Subsidia  VIII,  p.  86—91 ;  vgl.  dazu  A.  Bach- 
mann a.  a.  0.  LXXV,  S.  64  ff.  H.  R.  von  Srbik,  Die  Beziehungen 
von  Staat  und  Kirche  in  Oesterreich  während  des  Mittelalters  (Inns- 
bruck 1904),  S.  11. 

2)  Experientia    nos    diuturna    edocuit    statum    non    solum    univer- 


gg  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Die  Bedeutung  dieses  Entwurfes,  den  der  Erzbischof  von 
Köln  für  das  Gebiet  seiner  Kirche  verkündete1),  für  die  Ge- 
schichte der  landeskirchlichen  Bestrebungen  liegt  auf  der  Hand. 
Leider  lässt  er  die  Frage  unbeantwortet,  ob  jene  consistoria  spiri- 
tualia  in  den  geistlichen,  die  consistoria  secularia  in  den  welt- 
lichen Territorien  eingeführt  werden  sollten,  oder  ob  Zusammen- 
setzung und  Zuständigkeit  einer  jeden  Art  von  Konsistorien  je 
nach  den  ihrer  Judikatur  unterworfenen  Angelegenheiten,  hier 
der  geistlichen,  dort  der  weltlichen,  sich  zu  richten  habe2). 
Jedenfalls  konnte  ihre  Bildung  nur  vorübergehend  sein,  gerade 
sie  aber  machte  die  Einsetzung  eines  Organes  für  alle  Landes- 


salis, sed  et  aliarum  ecclesiarum  confundere  graviter  .  .  .  Nolumus 
tarnen  ...  ea,  que  pro  utraque  parte  prius  rite  facta,  data  aut  concessa 
fuerint,  in  aliquo  ledere,  sed  illa  in  omni  suo  robore  cum  effectu  durare 
et  firmiter  observare.  Et  sie  nostra  tarn  spiritualia  quam  secularia 
ordinabimus  consistoria,  ut  unieuique  petenti,  quomodolibet  cessante 
impedimento,  iusticia  ministretur.  Ut  autem  pia  et  sincera  omni  menti 
clareat  intencio  nee  quisquam  nos  ut  aeephalos  (s.  unten  S.  89  Anm.  3)  videre 
aut  sine  superiori  auetoritate  stare  velle  sinistre  forsan  suspicetur,  dici- 
mus,  .  .  .  quod  .  .  .  non  intendimus  neque  volumus  ab  obediencia  sacri 
concilii  aut  sanete  sedis  apostolice  quomodolibet  recedere,  sed  .  .  .  animos 
nostros  suspensos  tenere,  donec  per  aliud  sacrum  generale  aut  ycumeni- 
cum  concilium  aut  alias  de  consilio  literatorum  et  doctorum  nostrorum 
sacrique  Romani  imperii  optimatum  quid  agendum,  cui  pocius  obedien- 
dum  sit,  conclusum  fuerit  seu  determinatum  (Würdtwein  a.  a.  0.  VIII, 
S.  90  f.). 

!)  Vgl.  die  Urkunde  des  Erzbischofs  von  Köln  d.  d.  1439  Nov.  28 
bei  J.  Hansen,  Westfalen  und  Rheinland  im  15.  Jahrhundert  I  (Publi- 
kationen aus  den  K.  Preussischen  Staatsarchiven  XXXIV.  Leipzig  1888), 
S.  31  ff.  n.  24. 

2)  Für  die  letztere  Alternative  entscheidet  sich  die  Uebersetzung 
von  A.  Bachmann  a.  a.  0.  LXXV,  S.  65.  Für  die  erste  spricht,  dass 
der  Erzbischof  von  Köln  (s.  vorige  Anm.)  den  Entwurf  bekannt  machte 
super  modo  in  terris  et  dicionibus  nostris  tenendo  quoad  obedienciam, 
quam  utraque  parcium  (Papst  und  Konzil)  .  .  .  a  nobis  et  subditis  nostris 
conatur  exigere  (J.  Hansen  a.  a.  0.  I,  S.  32),  nicht  also  handelt  als 
Erzbischof  der  Kölner  Erzdiözese,  geschweige  denn  als  Metropolitan  der 
Kölner  Kirchenprovinz,  sondern  als  Landesherr  des  Gebietes  der  Kölner 
Kirche;  vgl.  dazu  Historische  Vierteljahrschrift  1908,  S.  179  Anm.  1, 


Wiener  Konkordat  von  1448.  89 

kirchen  —  nur  der  Kürze  halber  sei  dieser  für  das  15.  Jahr- 
hundert noch  unstatthafte  Ausdruck  erlaubt1)  —  unmöglich, 
wenn  nicht  überflüssig.  Dass  den  Urhebern  des  Entwurfes  eine 
Empfindung  davon  vorschwebte ,  zeigt  die  Besorgnis  vor  dem 
Argwohn,  dass  die,  welche  ihn  annähmen,  ohne  Haupt  erscheinen 
möchten,  als  wollten  sie  jeder  höheren  Autorität  sich  entziehen. 
Solcher  Verdacht  hätte  in  der  Bildung  einer  Instanz  für  die 
gesamtdeutschen  Kirchendinge  eine  Stütze  gefunden;  dieser 
Ausweg  aber  liess  sich  nur  dann  einschlagen,  wenn  den  Kur- 
fürsten die  Auflösung  des  alten  Verfassungsbaues  der  Kirche, 
die  gänzliche  Lossagung  von  ihm  vor  Augen  stand  2).  Ein  so 
weites  Ziel  war  nicht  geplant;  denn  erspriesslicher  dünkte  die 
Kräftigung  der  Landeskirchen,  die  Abkehr  also  vom  Grund- 
gedanken der  Acceptation  um  der  Neutralität  willen  und  für 
die  Dauer  ihres  Bestehens.  Nicht  mit  Unrecht  meinte  später 
Enea  Silvio  von  der  Zeit  nach  1439:  „Germanien  hüllte  sich 
in  eine  Art  von  Neutralität,  indem  es  lange  von  keiner  Partei 
Mandate  entgegennahm.  Es  machte  das  Regiment  seiner  Bischöfe 
zu  einer  monströsen  Kirche  und  liess  die  deutsche  Nation 
selbst  des  Hauptes  entbehren"  3),  und  des  Zeitgenossen  Urteil 
ist  auch  das  von  A.  Bachmann:  „Weil  man  auf  falschem  Wege 
war,  falsch  insofern,  als  die  Führer  der  Bewegung  das  Ende, 
dem  sie  zusteuerten,  nicht  kannten  und  nicht  wollten,  und 
auch  deshalb  aussichtslos,  weil  die  Zeit  nicht  reif  dazu  war, 
eine  Reformation,  die  zugleich  eine  Revolution  war,  zu  fassen 
und  zu  ertragen,  blieb  der  Schaden,    der  den  Deutschen  jetzt 


!)  Vgl.  H.  R.  von  Srbik  a.  a.  0.  S.  16  f.  Historische  Vierteljahr- 
schrift 1908,  S.  175. 

2)  A.  Bachmann  a.  a.  0.  LXXV,  S.  66. 

3)  Enea  Silvio,  De  ritu,  situ,  moribus  et  condicione  Germaniae  de- 
scriptio  (Basler  Ausgabe  seiner  "Werke  1571,  p.  1040):  Germania  neutrali- 
tatem  quandam  induit  diuque  postea  nullius  partis  mandata  suscipiens 
suorum  episcoporum  regimen  monstriferam  ecclesiam  ipsamque  nationem 
acephalam  (s.  oben  S.  87  Anm.  2)  reddidit.  Multi  post  haec  in  Germania 
conventus  habiti  sunt. 


90  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

aus  der  Nichtdur chführung  der  kurfürstlichen  Absichten  er- 
wuchs, kaum  nennenswert.  Aber  geradezu  unermesslich  war 
der  Nachteil,  den  die  Nation  und  die  ganze  Kirche  andererseits 
erlitten,  indem  die  Deutschen,  statt  die  Reformdekrete  von 
Basel  für  sich  zu  erwerben  und  sie  gegen  das  zuletzt  sieg- 
reiche Papsttum  zu  sichern ,  ihrer  jahrelangen  unfruchtbaren 
Neutralität  nachgingen,  deren  Beseitigung  hinterher  nicht  etwa 
Rom,  sondern  Deutschland  mit  seiner  Verzichtleistung  eben 
auf  das  Wesentliche  der  bisherigen  Reformen  aufs  teuerste 
bezahlte"1)- 

Es  würde  zu  weit  führen,  die  allmähliche  Preisgabe  der 
auf  dem  Mainzer  und  Frankfurter  Reichstag  eingenommenen 
Stellungen,  dort  einer  mehr  nationalkirchlichen,  hier  einer 
ausgesprochen  landeskirchlichen,  bis  in  ihre  Einzelheiten  hin- 
ein zu  verfolgen.  „ Viele  Versammlungen  wurden  in  Deutsch- 
land abgehalten"  2),  diese  Worte  unseres  Gewährsmannes 
Enea  Silvio  genügen  um  so  mehr,  als  die  Untersuchungen 
namentlich  von  A.  Bachmann  die  Ereignisse  selbst  Schritt  für 
Schritt  begleitet  haben.  Reichs-  und  Kurfürstentage,  Ver- 
handlungen und  Umtriebe  folgten  einander  im  bunten  Wechsel 
ihrer  Bedingtheit  durch  die  staatliche  und  kirchliche  Lage  des 
Augenblicks,  und  sieben  Jahre  hindurch  rangen  der  König  und 
das  Kurfürstenkolleg  um  den  schliesslich  so  geringen  Ertrag 
des  WTiener  Konkordats.  Sie  mochten  aufatmen,  als  Papst 
Nikolaus  V.  (1447 — 1455)  es  bestätigt  hatte3),  ohne  hinter- 
drein das  Salvatorium  seines  Vorgängers  Eugen  IV.  vom 
5.  Februar  1447  zu  wiederholen,  jene  Urkunde,  kraft  der  alle 
seine  Zugeständnisse  widerrufen  wurden,  sollten  sie  irgendwie 
der  Lehre  der  heiligen  Väter,  den  Privilegien  und  der  Macht- 
vollkommenheit   des   apostolischen   Stuhles  Abbruch  tun4). 


[)  A.  Bachmann  a.  a.  0.  LXXV,  S.  66. 

2)  Vgl.  oben  S.  89  Anm.  3. 

3)  Koch,  Sanctio  pragmatica  S.  235  ff. 

4)  Vgl.  den  Auszug  bei  Koch  a.a.O.   S.  29  Anm.  t   (vollständig: 
Neue    und    vollständigere    Sammlung     der    Reichsabschiede    I,    Frank- 


Wiener  Konkordat  von  1448.  Ol 

Die  Ursachen  dieses  Verlaufs  werden  in  verschiedenen 
Momenten  zu  suchen  sein.  Einmal  in  der  Stellungnahme  zum 
Streit  zwischen  dem  römischen  Papst  und  der  Kirchenver- 
sammlung überhaupt.  Von  vorneherein  war  es  unklug  ge- 
wesen, die  Rolle  des  neutralen  Zuschauers  zu  wählen,  ohne 
sie  dann  bis  zu  ihrem  Ende  durchzuführen.  Sie  bewirkte,  dass 
von  beiden  Seiten  das  Deutsche  Reich  umworben  wurde,  dass 
es  sich  nicht  über  die  Parteien  erhob,  sondern  sich  dem 
Wechselspiel  der  Angebote,  Drohungen  und  Kampfesmittel 
anheimgegeben  sah.  Wie  wenig  nahm  Eugen  IV.  Rücksicht 
auf  die  deutsche  Neutralität,  als  er  im  Jahre  1446  die  ihm  wider- 
strebenden Erzbischöfe  und  Kurfürsten  von  Köln  und  Trier 
entsetzte.  Wie  mühselig  waren  dann  die  Verhandlungen  bis 
zu  ihrer  Wiederherstellung,  ganz  abgesehen  davon,  dass  eine 
auf  ihre  Prärogative  bedachte  Reichsgewalt  ganz  anders  den 
päpstlichen  Eingriff  in  das  Recht  des  Kurfürstenkollegs  hätte 
abwehren  müssen.  Von  nicht  zu  unterschätzender  Wirkung 
war  ferner  der  Wechsel  im  Königtum,  der  einem  wenig  tat- 
kräftigen Fürsten  den  entscheidenden  Einfluss  auf  die  Dinge 
einräumte ,  war  die  Vielköpfigkeit  des  Kurfürstenkollegs ,  in 
dem  zu  den  Gegensätzen  der  Personen,  des  Klerus  und  der 
Laienwelt  die  der  territorialen  Wünsche  traten,  war  die  ganze 
Schwerfälligkeit  der  einander  in  Unfruchtbarkeit  sich  ab- 
lösenden Reichstage  und  Versammlungen.  Dem  Reiche  gegen- 
über stand  ein  Papsttum,  das  sich  gleich  blieb  in  der  Ver- 
werfung des   Basler   Konzils,    das  nur  das  eine  Ziel  verfolgte, 


fürt  a.  M.  1747,  S.  178):  .  .  .  protestamur,  quod  per  quaecunque  a  nobis 
dictis  regi,  archiepiscopo,  marchioni,  praelatis,  principibus  ac  nationi 
responsa  et  respondenda,  concessa  et  concedenda  non  intendimus  in 
aliquo  derqgare  doctrinae  sanctorum  patrum  aut  praefatae  sedis  privi- 
legiis  et  auctoritati,  habentes  pro  non  responsis  et  non  concessis,  quae- 
cumque  talia  a  nobis  contigerit  emanare.  Siehe  auch  die  Urkunde 
Nikolaus' V.  vom  28.  März  1447  (Koch  a.  a.  0.  S.  197  ff.),  die  Rede 
des  Enea  Silvio  (ebd.  S.  340)  und  He  feie,  Konziliengeschichte  VII, 
S.  835.  837. 


92  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

die  alte  Position  über  der  gesamten  Kirche  und  damit  dem 
Kirchenwesen  in  deutschen  Landen  wiederzugewinnen.  Es 
ward  bedient  von  geschäftsgewandten  Unterhändlern,  die 
gleichsam  ahnten,  welcher  Partei  der  Sieg  schliesslich  zufallen 
würde,  die  in  die  Divergenzen  königlicher  und  kurfürstlicher 
Bestrebungen  nur  allzu  genaue  Einblicke  getan  hatten.  Dies 
Papsttum  trug  kein  Bedenken,  die  Stimmen  der  in  Deutsch- 
land ausschlaggebenden  Fürsten  zu  gewinnen  durch  Zuge- 
ständnisse an  ihre  territoriale  und  partikularistische  Macht 
gegenüber  der  kirchlichen  Verfassung  und  Verwaltung  im 
Umkreis  der  landesherrlichen  Einzelgebiete 1).  Es  war  in- 
folgedessen um  so  weniger  fähig  oder  nur  auch  gewillt,  dem 
Kirchenwesen  der  Nation  Einräumungen  zu  machen,  als  es 
durch  seinen  Bund  mit  dem  Fürstentum  den  Episkopat  für 
seinen  Reformeifer  strafte  und  zugleich  die  Ansätze  landes- 
kirchlicher Bildungen  förderte.  Alles  zusammen  und  jedes  für 
sich,  es  wirkte  in  derselben  Richtung.  Es  verhinderte  eine 
Ausgestaltung  des  von  Haus  aus  schwachen  Versuches  einer 
deutschen  Nationalkirche,  der  in  der  Mainzer  Acceptation  unter- 
nommen worden  war. 

Nicht  als  ob  diese  sofort  nach  ihrer  Verkündigung  ver- 
gessen worden  sei.  So  wenig  bedeutete  sie  weder  dem  deut- 
schen Könige  noch  ihren  Urhebern,  und  wiederholt  wird  in 
den  Jahren  1440 — 1447  an  sie  erinnert2),  so  in  einem  Gut- 
achten der  Erfurter  Universität  vom  Sommer  1440,  in  Fried- 
richs III.  Instruktion  für  seine  Gesandten  zum  Mainzer  Reichs- 
tag im  Februar  1441,  im  Entwurf  eines  königlichen  Patents 
vom  Jahre  1444,  das  entsprechend  den  Wünschen  der  Kur- 
fürsten im  ganzen  Reiche  die  Mainzer  Urkunde  als  rechts- 
kräftig bekannt  machen  wollte,  wobei  freilich  einem  Fried- 
rich III.    die   Willenskraft   eines   Karl   VII.   zugetraut   wurde. 

*)  Vgl.  Historische  Viert eljahrschrift  1908,  S.  163  f.  174  und  nament- 
lich die  bereits  zitierten  Arbeiten  von  B.  Hennig  und  H.  R.  v.  Srbik. 

2)  Zum  Folgenden  vgl.  A.  Bachmann  a.  a.  0.  LXXV,  S.  82.  .79. 
169.  195. 


Wiener  Konkordat  von  1448.  93 

Noch  in  der  kurfürstlichen  Vereinigung  vom  21.  März  144G 
ward  beschlossen,  Eugen  IV.  als  rechtmässiges  Oberhaupt  der 
Kirche  anzuerkennen,  sollte  er  nicht  nur  ein  neues  Konzil 
einberufen,  sondern  auch  die  Dekrete  von  Konstanz  und  Basel 
annehmen  samt  jenen  Aenderungen,  die  in  der  Mainzer  Accep- 
tation  sich  fanden;  im  anderen  Falle  werde  man  das  Basler  Konzil 
angehen  und,  sollte  es  den  Wunsch  der  Kurfürsten  erfüllen, 
zu  seiner  Oboedienz  sich  bekennen  x).  Je  grösser  freilich  der 
zeitliche  Abstand  von  jener  Versammlung  des  Jahres  1439  wurde, 
desto  weniger  eindrucksvoll  waren  die  Berufungen  auf  seine  Be- 
schlüsse, denen  letzthin  nur  noch  die  für  gesetzgeberische  Mass- 
nahmen wenig  empfehlenswerte  Eigenschaft  verblieb,  „schätz- 
bares Material"  zu  weiteren  Verhandlungen  zu  sein.  Noch  kurz 
vor  seinem  Tode  (23.  Februar  1447)  belohnte  Eugen  IV.  die  Oboe- 
dienzleistung  Friedrichs  IIL  und  der  meisten  Kurfürsten  mit 
der  Zusage,  ein  Konzil  in  eine  deutsche  Stadt  zu  berufen,  das 
Konzil  von  Konstanz,  das  Dekret  Frequens  et  alia  eius  decreta 
wie  auch  die  übrigen  Synoden,  welche  die  streitbare  Kirche 
darstellten,  anzuerkennen  2).  Am  gleichen  Tage,  am  5.  Februar 
1447,  verkündete  er  in  einer  zweiten  Bulle:  „Hinsichtlich 
anderer  von  König  Albrecht  ruhmreichen  Angedenkens  an- 
genommener Dekrete,  durch  welche  viele  Beschwerden  der 
deutschen  Nation  gehoben  sein  sollen,  sind  wir  zufrieden  und 
beschliessen  wir,  dass  alles,  was  kraft  dieser  Dekrete  und 
der  ihnen  beigefügten  Modifikationen  von  denen,  die  sie  an- 
genommen haben,  und  ihren  Anhängern  bis  jetzt  irgendwo 
geschehen  ist,  samt  allen  Folgen  gültig  und  unverletzlich 
bleibe  und  nie  annulliert  oder  widerrufen  werden  kann."  Der 
Papst  stellte  zugleich  die  Entsendung  eines  Legaten  in  Aus- 
sicht, „da  einige  deutsche  Prälaten  klagten,  dass  sie  durch 
jene  Dekrete  beschwert  worden  seien,   und  da  durch  sie  dem 


*)  S.  auch  oben  S.  81  f. 

2)  Bulle  ,Ad  ea  ex  debito*  von  1447  Februar  5;  Koch,  Sanctio  prag- 
matica  S.  181  f. 


94  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

in  seinen  Rechten  schwer  geschädigten  apostolischen  Stuhl  ein 
Ersatz  versprochen  ist"  *).  Er  gestattete  endlich  die  Anwendung 
jeuer  Dekrete  und  ihrer  Umänderungen,  bis  durch  den  Legaten 
ein  Konkordat  abgeschlossen  oder  durch  das  einzuberufende 
Konzil  andere  Verfügungen  getroffen  seien  2).  Noch  im  Jahre 
1447  also  betrachtete  Eugen  IV.  die  Frage  nach  der  Gültig- 
keit der  Mainzer  Acceptation  als  eine  offene:  weder  verwarf 
noch  auch  bestätigte  er  sie;  alles  gab  er  der  Geschicklichkeit 
seines  Unterhändlers  anheim.  Ein  Jahr  später  enthielt  endlich 
das  Wiener  Konkordat3)  noch  weit  weniger  Zugeständnisse, 
als  Eugen  IV.  eingeräumt  hatte.  An  sie  erinnerte  im  Ab- 
kommen nur  der  eine  Satz4):  „In  anderen  Punkten,  die  durch 
Papst  Eugen  IV.  seligen  Angedenkens  der  deutschen  Nation 
bis  zur  Zeit  eines  zukünftigen  Konzils  erlaubt,  gewährt,  nach- 
gelassen und  beschlossen  wie  auch  durch  den  Papst  Nikolaus  V. 
bestätigt  sind  5),  wird  diesmal  nichts  geändert ,   soweit  sie  der 


*)  Vgl.  oben  S.  61  Anm.  1. 

2)  Bulle  ,Ad  tranquillitatem*  von  1447  Februar  5;  Koch  a.a.O. 
S.  183  ff.  —  Ebendort  S.  186  f.  und  S.  188  ff.  zwei  weitere  Bullen  vom  5.  und 
7.  Februar  1447  (,Ad  ea  quae'  und  ,Inter  cetera  desideria'),  alle  vier  (s.  S.  93 
Anm.  2)  insgesamt  die  neuerdings  sogenannten  Fürstenkonkordate. 

3)  K.  Zeumer,  Quellensammlung  zur  Geschichte  der  deutschen 
Reichsverfassung  in  Mittelalter  und  Neuzeit  (Leipzig  1904),  S.  221  ff. 
(im  folgenden  stets  benutzt).  Die  älteren  Drucke  verzeichnet  G.  Voigt, 
Enea  Silvio  I,  S.  418  Anm.  1;  dazu  kommen  u.  a.  die  bei  W.  Altmann 
und  E.  Bernheim,  Ausgewählte  Urkunden  zur  Verfassungsgeschichte 
Deutschlands  im  Mittelalter  (4.  Aufl.,  Berlin  1909),  S.  144  ff.  C.  Mirbt, 
Quellen  zur  Geschichte  des  Papsttums  (2.  Aufl.,  Tübingen  und  Leipzig  1901), 
S.  165  ff.  A.  Galante,  Fontes  iuris  canonici  selecti  (Oeniponte  1906), 
p.  209  ff. 

4)  In  aliis  autem,  que  per  felicis  recordacionis  dominum  Eugenium 
papam  quartum  pro  natione  prefata  usque  ad  tempus  futuri  generalis 
concilii  permissa,  concessa,  indulta  atque  decreta  et  per  memoratum 
sanctissimum  dominum  nostrum  papam  Nicolaum  confirmata  fuere,  in 
quantum  illa  concordie  presenti  non  obviant,  ista  vice  nihil  extitit 
inmutatum  (Zeumer  S.  223). 

6)  Vgl-  die  Bulle  Nikolaus'  V.  1447  März  28 ;  K  o  c  h  a.  a.  O. 
S.  197  ff. 


Wiener  Konkordat  von  1448.  95 

gegenwärtigen  Einigung  nicht  widersprechen."  Damit  waren 
Eugens  IV.  Urkunden  vom  Jahre  1447  als  eine  das  Konkordat 
ergänzende  Gewährung  des  römischen  Stuhls  bezeichnet,  jedoch 
nur  in  den  allgemeinsten  Ausdrücken.  Der  Name  des  Basler 
Konzils  war  verschwiegen,  jede  Erwähnung  der  Mainzer  Accep- 
tation  wie  ihrer  Nachträge  vermieden.  Das  rechtliche  Verhält- 
nis zwischen  dem  Papst  und  der  deutschen  Nation  sollte  zurück- 
gebracht werden  auf  den  Stand  vor  und  während  des  Kon- 
stanzer Konzils,  das  in  seinen  Beschlüssen  sich  nicht  so  weit 
vorgewagt  hatte  wie  das  zu  Basel.  Vereinbart  zu  einer  Zeit, 
als  das  Papsttum  bereits  durch  Zugeständnisse  an  die  Territorial- 
fürsten die  Ansätze  deutscher  Landeskirchen  auf  deutschem 
Boden  gefördert  hatte,  machte  das  Konkordat  eine  einheitliche 
deutsche  Nationalkirche  unmöglich. 

Dieser  letzte  Satz  scheint  ein  Widerspruch  zu  dem  früheren 
zu  sein,  dass  in  Frankreich  durch  die  pragmatische  Sanktion  von 
Bourges  der  Kirche  des  Landes  das  Gepräge  einer  nationalen 
Kirche  zu  teil  geworden  sei *).  Warum  soll  dem  Konkordat  von 
1448  nicht  derselbe  Wert  für  das  deutsche  kirchliche  Wesen  zu- 
erkannt werden  können?  Unsere  Antwort  hat  davon  auszu- 
gehen, dass  die  pragmatische  Sanktion  von  der  königlichen 
Gewalt  der  Kirche  ihres  Landes  als  Gesetz  auferlegt  war,  nach- 
dem stillschweigend  die  päpstliche  Gewalt,  die  Vertreterin  der 
gesamtkirchlichen  Organisation,  von  jeder  Mitwirkung  an  solchem 
legislatorischen  Akt  ausgeschlossen  war.  Als  Rechtsgrund  des 
Wiener  Konkordats  hingegen  konnte  nach  der  noch  im  15.  Jahr- 
hundert herrschenden  Theorie  von  der  Superiorität  der  Kirche 
über  den  Staat  nur  die  päpstliche  Privilegierung  zu  Gunsten 
des  Staates  angesehen  werden,  eine  widerrufliche  Verleihung 
demnach,  während  der  Staat  an  die  von  ihm  übernommenen, 
aber  eigentlich  ihm  schon  ohnedies  obliegenden  Verpflichtungen 
gebunden    blieb 2).      Dazu    kam ,    Karls   VII.    von    Frankreich 


*)  Vgl.  oben  S.  83. 

»)  Vgl.  B.  Hübler:  Zeitschrift  für  Kirchenrecht  III  (1863)  S.  410  flf. 


90  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Wille  allein  hatte  rechtserzeugende  Kraft,  mochte  er  gleich  vor 
seiner  Verkündung  bestimmt  sein  durch  den  Rat  derer,  die  „seine 
Kirche"  vertraten,  mochte  der  Inhalt  seines  Willenaktes  beruhen 
auf  konziliaren  Satzungen  und  deren  Ergänzungen.  In  Deutsch- 
land dagegen  handelte  Friedrich  III.  wohl  im  Namen  der 
deutschen  Nation,  unter  Zustimmung  der  meisten  geistlichen 
und  weltlichen  Reichsfürsten,  in  formeller  Bindung  also  an  den 
Willen  von  Reichsständen.  Jeder  dieser  Reichsstände  forderte 
für  sich  einen  Anteil  an  der  Gesetzgebung,  sobald  sie  im  all- 
gemeinen Interesse  des  die  reichsständischen  Gebiete  um- 
schliessenden  Reichskörpers  Gehorsam  heischte  für  ihre  Ord- 
nungen auch  innerhalb  der  Territorien,  über  die  ihre  Inhaber 
wohl  die  Landesherrlichkeit,  nicht  aber  die  souveräne  Hoheits- 
gewalt beanspruchen  durften.  In  Frankreich  wurde  die  Sank- 
tion sofort  Gesetz  und,  nachdem  sie  am  7.  Juli  1438  besiegelt 
war,  schon  wenig  mehr  denn  ein  Jahr  später,  am  13.  Juli 
1439,  zu  Paris  im  Parlament  verlesen  und  verkündet1).  In 
Deutschland  war  man,  der  ganzen  Reichsverfassung  entspre- 
chend, vorsichtiger  und  darum  auch  langsamer.  Es  wurde 
unterlassen,  das  Konkordat  einem  allgemeinen  Reichstag  zur 
Genehmigung  vorzulegen.  Mit  den  einzelnen  Fürsten  und 
Reichsständen  wurde  darüber  verhandelt,  die  es  dann  gegen 
mehr  oder  weniger  wichtige  Zugeständnisse  billigten2).  Als 
erster  trat  ihm  im  April  1448  der  Erzbischof  von  Salzburg  bei, 
im  November  1476  als  letzter  der  Bischof  von  Strassburg, 
beinahe  ein  Menschenalter  später,  nachdem  zu  Wien  der  Friede 
zwischen  Rom  und  der  deutschen  Nation  hergestellt  war.  Die 
ganze    Zähigkeit    des    deutschen    Partikularismus    kann    nicht 


und  U.  Stutz:  Enzyklopädie  der  Rechtswissenschaft  II  (6.  Aufl. 
herausgeg.  von  J.  Kohler,  Leipzig  und  Berlin  1904),  S.  907. 

')  Ordonnances  des  rois  de  France  XIII,  S.  291- 

■)  Hierfür  wie  für  das  Folgende  vgl.  Koch  a.  a.  0.  S.  42  ff. 
P.  Hinschius,  Kirchenrecht  III,  S.  139  f.  L.  Pastor,  Geschichte  der 
Päpste  seit  dem  Ausgang  des  Mittelalters  I  (3.  und  4.  Aufl.,  Frei- 
burg i.  Br.  1901),  S.  382  Anm.  2. 


Wiener  Konkordat  von  1448.  97 

besser  veranschaulicht  werden  als  durch  diese  Zahlen,  nur 
dass  aus  ihnen  zugleich  die  Unzufriedenheit  mit  Abmachungen 
spricht,  die  den  Wünschen  nach  wirklicher  Reform  so  wenig 
Erfüllung  gebracht  hatten. 

Eine  gedrängte  Analyse  des  Konkordats  mag  das  ungün- 
stige Urteil  rechtfertigen. 

Es  zerfällt  in  acht  Abschnitte,  von  denen  der  siebente 
über  die  bereits  durch  Eugen  IV.  bestätigten  Punkte  früher 
erwähnt  wurde1)  und  der  achte  keiner  näheren  Erläuterung 
bedarf.  Er  handelt  über  die  Aushändigung  beglaubigter  Ab- 
schriften durch  die  Metropoliten  an  alle,  die  darum  nachsuchen, 
über  deren  Rechtskraft  und  über  die  gleiche  Bedeutung  der 
Bezeichnungen  Alamania  und  Germanica  natio,  wenn  die  erst- 
erwähnte im  Konkordat  oder  bei  Anfertigung  der  Abschriften 
propter  competentiorem  descriptionem  angewandt  würde2). 

Der  erste  Abschnitt  über  die  dem  Papste  wieder  einge- 
räumten Pfründvergebungen  wird  durch  den  Satz  eingeleitet: 
Sanctissimus  dominus  noster  Nicolaus  papa  quintus  super  pro- 
visione  ecclesiarum  benefitiorumque  utetur  reservationibus  iuris 
scripti 3)   et    constitutionibus   ,Execrabilis' 4)  et  ,  Ad  regimen'  6) 


')  Vgl.  oben  S.  94  Anm.  4. 

2)  Hefele  a.  a.  0.  VII,  S.  846  glaubt,  den  Satz  dahin  verstehen 
zu  sollen:  „Als  Erläuterung  wurde  beigefügt,  dass  unter  Alemannia  (im 
Text  der  Konkordate)  ganz  Deutschland  (nicht  bloss  Schwaben)  gemeint 
sei,"  ebenso  Koch  a.a.O.  S.  234  Anm.  86.  Nach  Zeumer  S.  224 
lautet  der  Text:  Per  hoc  autem,  quod  in  concordatis  huiusmodi  sive 
quibusvis  aiiis  eorum  occasione  conficiendis  litteris  propter  competentiorem 
descriptionem  Alamania  specialis  appellatur  natio,  ipsa  censeri  non 
debet  a  Germanica  natione  distincta  seu  quomodolibet  separata.  In  der 
Einleitung  (S.  221)  ist  die  Rede  von  der  natio  Alamanica. 

3)  Vgl.  cc.  2  und  34  in  VI*o  de  praebendis  3,  4;  vgl.  auch  oben 
S.  67  ff. 

4)  c  un.  de  praeb.  in  Extr.  Joann.  XXII.  tit.  3  =  c.  4  de  praeb. 
in  Extr.  comm.  III,  2  (von  Johann  XXII.  aus  dem  Jahre  1317);  vgl. 
oben  S.  68  Anm.  1. 

5)  c.  13  de  praeb.  in  Extr.  comm.  III,  2  (von  Benedikt  XII.  aus 
dem  Jahre  1335),   auch   bei   C.  Lux,  Constitutionum   apostolicarum   de 

Wermingho  f  f,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  7 


98  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

modificatis  ut  sequitur."  Entlehnt  ist  diese  Wendung  —  nur 
der  Papstname  war  geändert  —  aus  dem  Konkordat  Mar- 
tins V.  (1417 — 1431)  mit  der  „deutschen  Nation"  vom  Jahre 
1418,  und  aus  derselben  Quelle  *)  stammt  auch  der  Wortlaut 
der  sich  anschliessenden  Bulle  Benedikts  XII.  (1334 — 1342) 
,Ad  regimen'  vom  Jahre  1335.  Erst  zum  Schluss  findet  sich 
eine  sachliche  Abweichung.  In  Konstanz  waren,  gemäss  der 
befristeten  Dauer  der  dort  getroffenen  Einigung,  die  Reserva- 
tionen dem  Papste  auf  fünf  Jahre  zugebilligt  worden,  ausser- 
dem war  dort  die  Klausel  ,Non  obstantibus' 2)  u.  s.  w.  nicht 
vergessen.  In  Wien  fiel  beides  hinweg,  da  man  sich  auf  alle 
Zeiten  vertrug  und  deshalb  der  Klausel  nicht  mehr  bedurfte. 
Neun  Jahre  zuvor,  in  Mainz,  hatte  die  Acceptation  in  ihrem 
Abschnitt  XXII  de  reservationibus  gerade  die  Konstitutionen 
,ExecrabihV  und  ,Ad  regimen'  als  fortan  ungültig  be- 
zeichnet3). 

Auch  der  zweite  Abschnitt  der  Wiener  Urkunde  ent- 
stammt dem  Konstanzer  Konkordat  vom  Jahre  1418  4),  nur  zu 
Anfang  ist  eine  Aenderung  vorgenommen.  In  Konstanz  war 
vorgesehen  worden,  dass  in  den  Kathedralkirchen  wie  auch  in 
den  Klöstern,  soweit  diese  dem  apostolischen  Stuhl  unmittelbar 
untergeben  seien,  kanonische  Wahlen  vorgenommen  werden 
sollten.  In  Wien  erweiterte  man  diese  Bestimmung.  Kanonische 
Wahlen  sollten  erfolgen  wie  in  den  Metropolitan-,  so  in  den 
Kathedralkirchen,  auch  wenn  diese  dem  hl.  Stuhl  nicht  un- 
mittelbar unterstellt   seien,    endlich   in  allen   dem  Papste   un- 


generali  beneficiorum  reservatione  .  .  .  collectio  et  interpretatio  p.  54  sqq. ; 
vgl.  oben  S.  68  Anm.  1. 

*)  B.  Hübler,  Constanzer  Reformation  S.  167—175. 

2)  Non  obstantibus  quibuscunque  constitutionibus  a  praedecessoribus 
nostris  Romanis  pontificibus  editis,  quatenus  obsistere  possent  superius 
enarratis  articulis  vel  alicui  seu  aliquibus  eorum,  dicto  quinquennio  du- 
rante  (Hübler  a.  a.  0.  S.  175).  Vgl.  P.  Hinschius,  Kirchenrecht  III, 
S.  819  f. 

3)  Siehe  oben  S.  69. 

4)  Hübler  a.  a.  0.  S.  175—176. 


Wiener  Konkordat  von  1448.  99 

mittelbar  unterworfenen  Klöstern.  Bezeichnend  genug  bewegt 
sich  in  dieser  einzigen  seiner  Vorschriften  das  Konkordat  in 
einer  Bahn,  die  zu  Mainz  in  der  Acceptation  Abschnitt  II  de 
electionibus  durch  Annahme  des  Basler  Dekrets  vom  13.  Juli 
1433  (sess.  XII.)  eingeschlagen  war,  dadurch  dass  man  für 
Metropolitan-,  Kathedral-  und  Kollegiatkirchen ,  Klöster  und 
Elektivdignitäten  die  Wahl  als  Grundlage  ihrer  Besetzung  fest- 
legte. In  allem  übrigen  aber  blieb  der  Text  des  Konkordats 
dem  des  Konstanzer  gleich,  auch  in  der  Anführung  der  Kon- 
stitution Nikolaus'  III.  (1277 — 1280)  ,Cupientesl  vom  Jahre 
1278  über  die  Fristen  nach  einer  Wahl,  binnen  deren  der 
Gewählte  nach  Rom  reisen  und  sein  Gesuch  um  Bestätigung 
beim  Papste  einzureichen  hatte,  wenn  er  verhindern  wollte, 
dass  sein  Recht  durch  die  päpstliche  Provision  aufgehoben 
würde  *). 

Während  sodann  auch  der  dritte  Abschnitt  des  Konkordats 
nur  einen  entsprechenden  Paragraphen  seines  um  dreissig  Jahre 
älteren  Vorbildes  wiederholt2),  sind  die  noch  übrigen  in  ihrer 
Gestaltung  selbständig,  mögen  immerhin  ihre  Normen  an  frühere 
Beispiele  und  Verhandlungen  anknüpfen.  Der  vierte  bringt  ein- 
gehende Vorschriften  über  die  Besetzungen  von  Dignitäten  und 
Benefizien,  namentlich  von  ersten  Dignitäten  an  den  Stiftern. 
Würden  sie  in  den  Monaten  Februar,  April,  Juni,  August,  Oktober 
oder  Dezember  erledigt  werden,  so  sollten  die  bisherigen  Ver- 
leihungsberechtigten sie  besetzen;  würden  sie  in  den  übrigen 
Monaten  des  Jahres  —  also  Januar,  März,  Mai,  Juli,  September 
und  November  als  in  den  sogenannten  päpstlichen  Monaten  — 
frei,  so  sollten  sie  vom  Papste  verliehen  werden,  und  die  Provi- 


*)  c.  16  in  VIt(>  de  electione  1,  6.  —  Ueber  die  Klausel  ,Nisi  ex 
causa  rationabili'  u.  s.  w.  vgl.  Koch  a.  a.  0.  S.  221  Anm.  44  und  dazu 
den  Text  der  Basler  Dekrete,  die  in  der  Mainzer  Acceptation  Abschnitt  II 
de  electionibus  und  XXI  de  electione  cassanda  allegiert  waren,  wie 
auch  den  2.  Zusatz  zur  Mainzer  Acceptation  Abschnitt  II  de  electionibus 
(ebd.  S.  114.  119  und  150);  s.  oben  S.  58  Anm.  2. 

2)  Hübler  a.  a.  0.  S.  176. 


100  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

dierten  binnen  drei  Monaten  am  Sitze  der  Pfründe  erscheinen, 
sonst  habe  jeder  regelmässige  Verleihungsberechtigte  die  Be- 
fugnis der  Besetzung1).  Auch  im  Konstanzer  Konkordat  war 
der  Grundsatz  der  Alternative  (medietas  beneficiorum),  der  aus 
der  französischen  Gesetzgebung  des  beginnenden  15.  Jahrhunderts 
zu  stammen  scheint,  zur  Anwendung  gelangt2).  Es  hatte  die 
höheren  Benefizien  dem  Verleihungsrecht  der  Kapitel  belassen 
und  des  weiteren  bestimmt,  dass  über  die  eine  Hälfte  des  Restes 
an  Benefizien  der  Papst,  über  die  andere  Hälfte  der  Verleihungs- 
berechtigte verfügen  sollte,  derart  dass  nach  päpstlicher  Pro- 
vision für  eine  Pfründe  die  dann  freiwerdende  Pfründe  durch 
den  Ordinarius  u.  s.  w.  besetzt  würde.  Das  Wiener  Konkordat 
hält,  wie  gesagt,  am  Grundsatz  der  Alternative  fest,  nur  dass 
es  nicht  einen  Wechsel  in  der  Verleihung  zweier  hintereinander 
ledig  werdenden  Pfründen  festlegt,  sondern  einen  Wechsel 
in  der  Verleihung  der  Pfründen  je  nach  den  Monaten ,  in 
denen  sie  erledigt  werden.  In  Konstanz  und  in  Wien  wird  die 
Pfründverleihung  also  geteilt  zwischen  dem  Papste  und  den 
regelmässigen  Instanzen  der  kirchlichen  Einzelanstalten  auf 
deutschem  Boden.  Umständlich  war  das  eine  Verfahren  wie 
das  andere,  das  Wiener  jedenfalls  auf  ein  rein  äusserliches 
Moment  aufgebaut,  dadurch  dass  es  die  Pfründbesetzung  dem 
blinden  Zufall  überliess.  Auch  hier  aber  bemerkt  man  einen 
Rückschritt  gegen  die  Mainzer  Acceptation,  die  vornehmlich  in 
ihrem  Abschnitt  XXV  de  collationibus  beneficiorum,  gestützt  auf 
die  Beschlüsse  des  Basler  Konzils  vom  24.  Januar  1438,  gerade 
die  Besetzung  der  kirchlichen  Benefizien  mit  allen  Vorsichts- 
massregeln umgeben  hatte3).  In  Wien  fielen  sie  fort;  das 
Konkordat  teilte  die  Herrschaft  über  die  kirchlichen  Aemter 
zwischen  Papst  und  deutschen  Kirchenoberen,  und  die  Kurie 
war  entschlossen,  alsbald  die  ihr  verbleibende  Herrschaft  anzu- 
treten, nachdem  sie  einmal  in  die  „Dyarchie"  über  die  kirch- 

*)  Vgl.  oben  S.  70  Anm.  2. 

2)  Vgl.  Hübler  a.  a.  0.  S.  176  f.  226  f.  und  199  mit  Anm.  13. 

3)  Vgl.  oben  S.  71  ff. 


Wiener  Konkordat  von  1448.  101 

liehen  Pfründen  gewilligt  hatte.  Ein  deutliches  Anzeichen 
dafür  ist  einmal  die  Bestimmung  über  die  Publikation  gerade 
dieses  Abschnittes,  sodann  die  Angabe,  der  apostolische  Stuhl 
werde  vom  1.  Juni  1448  ab  an  die  ordinatio  collationis  bene- 
ficiorum  non  reservatorum  per  alternos  menses  sich  halten.  Die 
Abmachung  sollte  dauernd  in  Kraft  bleiben,  würde  nicht  auf 
einem  künftigen  Konzil  mit  Zustimmung  der  Nation  eine  andere 
Regelung  getroffen  werden 1).  Man  weiss ,  dass  kein  Konzil 
mehr  mit  dieser  Frage  sich  zu  beschäftigen  brauchte. 

Dieselbe  Schlusswendung  mit  dem  Hinweis  auf  ein  künf- 
tiges Konzil  fasst  den  fünften  und  sechsten  Abschnitt  des 
Konkordats  zu  einer  Einheit  zusammen.  Beide  enthalten  Vor- 
schriften über  die  Zahlung  der  Annaten,  dass  heisst  über  die 
Fortdauer  der  finanziellen  Belastung  von  Einzelkirchen  und 
Einzelpfründen  zum  Vorteil  der  apostolischen  Kammer.  Bei 
Kathedralkirchen  und  Mannsklöstern  sollen  fortan  nach  ihrer 
Besetzung  durch  den  Papst  an  Stelle  der  fruetus  primi  anni  die 
in  den  Taxbüchern  als  servitia  communia  bezeichneten  Sum- 
men gezahlt  werden.  Angekündigt  werden  Ermässigung  der 
Taxe  bei  ungerecht  hoher  Veranlagung,  Entsendung  päpstlicher 
Kommissare  zum  Zwecke  der  neuen  Einschätzung,  weiterhin  Ver- 
teilung der  Abgabenlast  auf  zwei  Jahre  und  der  Verzicht  auf 
wiederholte  Besteuerung  in  demselben  Jahre,  derart  dass  auch 
die  Schuld  nicht  auf  den  providierten  Nachfolger  übergehen 
darf2).     Bei   allen   übrigen   Dignitäten   u.  s.  w.   sind,    vergibt 


J)  .  .  .  nisi  in  futuro  concilio  de  consensu  nationis  aliter  fuerit  or- 
dinatum  (S.  223) ;  vgl.  dazu  die  Bemerkung  der  Emser  Punktation  von 
1786  Art.  23  bei  C.  Gärtner,  Corpus  iuris  ecclesiastici  catholicorum 
novioris  II  (Salisburgi  1799),  p.  363. 

2)  Im  5.  Abschnitt  heisst  es :  Taxe  autem  predicte  pro  media  parte 
infra  annum  a  die  habite  possessionis  paeifice  totius  vel  maioris  partis 
solvantur  et  pro  media  parte  alia  infra  sequentem  annum.  Et  si  infra 
annum  bis  vel  pluries  vaeaverit,  semel  tantum  solvetur;  nee  debitum 
huiusmodi  in  successorem  in  ecclesia  vel  monasterio  transeat  (S.  223); 
im  6.  Abschnitt:  .  .  .  solvantur  annate  seu  medii  fruetus  iuxta  taxam 
solitam  a  tempore  possessionis  infra    annum;   et  debitum   huiusmodi    in 


102  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

sie  der  Papst,  die  Annaten  oder  mittleren  Früchte  auf  Grund 
der  üblichen  Taxe  innerhalb  eines  Jahres  nach  der  Besitz- 
ergreifung zu  entrichten,  auch  hier  aber  soll  die  Schuld  den 
Nachfolger  nicht  binden.  Frei  bleiben  alle  Pfründen,  über  die 
der  Papst  durch  Exspektanzen  bestimmt,  und  die  Gesamtheit 
solcher,  deren  Einzelwert  den  Betrag  von  24  Kammergulden 
nicht  übersteigt.  Damit  hielt  eine  Observanz  ihren  Einzug, 
gegen  die  das  Mainzer  Instrument  im  Abschnitt  IX  de  annatis 
Einspruch  erhoben  hatte x).  Nun  rächte  es  sich,  dass  über  die 
Entschädigung  des  Papstes  für  den  ihm  durch  den  Basler 
Annatenbeschluss  gewordenen  Ausfall  an  Einnahmen  keine 
Einigung  erzielt,  kein  fester  Standpunkt  für  jede  weitere  Ver- 
handlung gewonnen  worden  war  2).  Allerdings,  schon  im  Jahre 
1439  hatten  die  kurfürstlichen  Räte  kein  besseres  Auskunfts- 
mittel vorzuschlagen  gewusst  als  die  Zahlung  des  herkömm- 
lichen Taxviertels  bei  Erledigung  von  Metropolitan-  und  Kathe- 
dralkirchen wie  exemten  Klöstern  3),  —  jetzt  kehrten  die  alten 
servitia  communia  wieder,  freilich  mit  der  vertröstenden  Zu- 
sage einer  neuen  und  gerechten  Taxierung.  Im  Jahre  1439 
war  in  Aussicht  genommen  worden ,  nur  solche  Pfründen  zu 
besteuern,  deren  Jahresertrag  4  Mark  Silber  überstiege;  im 
Jahre  1448  aber  wurde  festgesetzt,  dass  nur  die  Pfründen  im 
Werte  von  24  Kammergulden  freibleiben  sollten.  Setzt  man 
den  Wert  einer  Mark  Silbers  auf  rund  20  Mark  heutigen  Geldes 
an4),    den  des  Kammerguldens  auf  rund  llk  Mark5),    so  er- 


successorem  in  beneficio  non  transeat  .  .  .  curratque  hec  observantia  dein- 
ceps,  nisi  eam  similiter  in  futuro  concilio  de  consensu  nationis  inmutari 
contingat  (S.  223). 

J)  Vgl.  oben  S.  44. 

2)  Vgl.  oben  S.  60  ff. 

3)  Vgl.  oben  S.  64  Anm.  4,  S.  65,  1  und  S.  66,  1  den  Text  dieser 
Vorschläge. 

4)  Vgl.  E.  Hennig,  Die  päpstlichen  Zehnten  aus  Deutschland  im 
Zeitalter  des  avignonesischen  Papsttums  und  während  des  grossen  Schis- 
mas (Halle  a.  S.  1909),  S.  20. 

5)  Vgl.  Hübler  a.  a.  O.  S.  183  Anm.  69. 


Wiener  Konkordat  von  1448.  103 

gibt  sich:  die  Vorschläge  von  1439  planten  eine  viel  weiter- 
gehende Befreiung  als  die  Abmachungen  von  1448,  dort  eine 
Besteuerung  nach  dem  Jahresertrag,  hier  eine  solche  nach  dem 
Wert  der  Pfründe.  Nur  darin  machten  sich  Annäherungen 
an  die  Vorschläge  vom  Jahre  1439,  vornehmlich  aber  auch 
an  einen  Zusatz  der  pragmatischen  Sanktion  zu  Abschnitt  XI 
de  annatis  *)  bemerkbar,  dass  erstens  bei  den  hohen  Kirchen- 
ämtern wiederholte  Erledigung  binnen  eines  Jahres  nur  einmalige 
Zahlung  der  servitia  communia  nach  sich  ziehen  sollte,  dass 
zweitens  bei  ihnen  eine  Verteilung  der  Steuer  auf  zwei  Jahre 
statthaft  sei,  dass  drittens  bei  ihnen  und  bei  den  annata  seu 
medii  fructus  der  Dignitäten  u.  s.  w.  die  Schuld  nicht  auch 
den  Nachfolger  des  Providierten  binde.  So  sehr  im  einzelnen 
die  drei  Dokumente  voneinander  abweichen,  jedenfalls  verdient 
es  Hervorhebung,  dass  im  Jahre  1448  das  Wiener  Konkordat 
in  jenen  drei  Modalitäten  der  Zahlungsart  übernahm  was  seit 
dem  Jahre  1438  in  Frankreich  Rechtens  war.  Soll  man  dar- 
aus folgern,  dass  den  Urhebern  des  Konkordats  gleich  den 
Urhebern  der  Mainzer  Acceptation  ein  Exemplar  der  pragmati- 
schen Sanktion  vorlag?  Eine  müssige  Frage,  vielleicht;  ihre 
Bejahung  aber  Hesse  vermuten,  dass  die  Kurie  sich  mit  einer 
der  wesentlichsten  Vorschriften  der  Sanktion  abgefunden  hatte, 
wenn    sie   mit   ihren   Satzungen  über    die  Art   der   Zahlungen 


!)  Mit  den  oben  S.  65  Anm.  1  gedruckten  Stellen  vgl.  den  Zusatz  zu 
Abschnitt  IX  de  annatis  in  der  pragmatischen  Sanktion :  . .  .  una  medietas 
dicte  quinte  partis  solvatur  eidem  (collectori)  infra  annum  a  tempore 
possessionis  pacifice  et  alia  medietas  infra  annum  proxime  subsequen- 
tem.  .  .  .  Quodsi  ecclesia,  monasterium  vel  beneficium  .  .  .  contingat  anno 
eodem  bis  vel  pluries  vacare,  quod  una  quinta  pars  semel  tantum  sol- 
vatur, videlicet  quod,  si  post  fructus  collectos  seu  perceptos  aut  acqui- 
sitos  contigerit  vacatio,  ad  solutionem  prime  medietatis  quinte  partis 
predicte  bona  ultimi  possessoris  teneantur  et  eius  successor  in  ecclesia  vel 
beneficio  ad  aliam  medietatem  taxe  predicte  infra  primum  annum  pacifice 
sue  prime  possessionis  teneatur.  Si  vero  ante  collectionem,  perceptionem 
vel  acquisitionem  contigerit  vacatio,  successor  in  dicto  beneficio  teneatur 
ad  integram  solutionem  dicte  quinte  partis  (Ordonnances  XIII,  p.  285). 


104  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

jetzt    gegenüber    der     deutschen    Nation     sich     einverstanden 
erklärte. 

Wie  dem  immer  sei,  die  Dürftigkeit  des  Wiener  Konkor- 
dats gegenüber  dem  Konstanzer  vom  Jahre  1418  und  der  Mainzer 
Acceptation  vom  Jahre  1439  liegt  zu  Tage1);  es  ist  nicht  mehr 
nötig,  alle  drei  Urkunden  untereinander  und  gar  mit  der  prag- 
matischen Sanktion  vom  Jahre  1438  zu  vergleichen.  Der  Inhalt 
der  Abmachungen  von  1448  lässt  sich  dahin  zusammenfassen, 
dass  sie  einzig  und  allein  über  die  Besetzung  kirchlicher  Stellen, 
über  die  Abgabenpflicht  bei  Erledigung  und  Neubesetzung 
kirchlicher  Aemter  Normen  erliessen;  alles  andere  war  mit 
beredtem  Stillschweigen  übergangen.  „Die  deutschen  Kirchen 
waren  um  das  Basler  Erbe  betrogen" ,  dies  Urteil  von 
K.  Müller  trifft  die  Wahrheit2).  Wir  suchten  darzutun,  dass 
eben  dies  Wiener  Konkordat  im  letzten  Grunde  auf  einer  päpst- 
lichen Privilegierung  beruhte.  Wir  sahen,  dass  für  die  Unzahl 
kirchlicher  Aemter  und  Pfründen  auf  deutschem  Boden  zwar 
wortreiche,  eben  deshalb  aber  dehnbare  Bestimmungen  verein- 
bart wurden.  Es  war,  als  bewegte  sich  das  kirchliche  Leben 
allein  zwischen  den  beiden  Fragen,  wer  die  Stellen  zu  besetzen, 
wie  sie  der  Papst  zu  besteuern  hätte.  Die  Normen  des  Wiener 
Konkordats  hoben  hinsichtlich  dieser  beiden  Fragen  allein  die 
kirchlichen  Anstalten,  Aemter  und  Pfründen  auf  deutschem 
Boden  heraus  vor  denen  in  anderen  Ländern.  Sie  verquickten 
sich  hinsichtlich  anderer  Fragen  des  kirchlichen  Lebens,  z.  B. 
hinsichtlich  der  kirchlichen  Gerichtsbarkeit  und  Disziplin  über 
Geistliche  und  Mönche,  mit  denen  jener  päpstlichen  Privilegien 

*)  Deutlicher  noch  wird  sie  durch  die  Synopsis  der  drei  Akten- 
stücke bei  B.  Gebhardt,  Die  gravamina  der  Deutschen  Nation  gegen 
den  römischen  Hof  (2.  Aufl.,  Breslau  1895),  S.  114  ff.  Das  Konkordat 
von  1448  stützt  sich  mehrfach  auf  das  —  freilich  weitergehende  und 
umfangreichere  —  vom  Jahre  1418;  zwischen  ihm  und  der  Acceptation 
von  1439  ergibt  sich  nur  eine,  nicht  einmal  völlige  Uebereinstimmung, 
nämlich  in  Abschnitt  II  (S.  222)  vgl.  mit  Mainz  1439  Abschnitt  II  de 
electionibus  aus  der  12.  Session  des  Basler  Konzils,  s.  oben  S.  99. 

2)  K.  Müller,  Kirchen  geschickte  11,1  S.  106. 


Wiener  Konkordat  von  1448.  105 

an  die  Territorialfürsten,  ohne  dem  Einbruch  gewohnheitsrecht- 
licher oder  usurpatorischer  Neubildungen  vorzubeugen.  Alles 
zusammen  hinderte  und  hintertrieb  die  Schöpfung,  die  allein 
den  deutschen  Kirchen  das  Einleben  in  die  neuen  Zustände, 
das  Beharren  in  ihnen  ermöglicht  hätte,  die  Schöpfung  eines 
Organs,  das  die  Befolgung  des  neuen  konkordatmässigen  oder 
durch  Privileg  erzeugten  kirchlichen  Rechtes  gewährleistet  und 
überwacht  hätte,  etwa  eines  Konzils  deutscher  Erzbischöfe  und 
Bischöfe,  das  in  regelmässigen  Zeitabständen,  gleichwie  es 
das  Dekret  Frequens  für  die  allgemeinen  Konzilien  gefordert 
hatte,  zusammengetreten  wäre,  um  die  Sonderart  des  deut- 
schen kirchlichen  Rechtes  und  Brauches  gegenüber  dem  Terri- 
torialfürstentum,  gegenüber  der  römischen  Kurie  zu  erhalten. 
Nirgends  war  im  Wiener  Konkordat  der  räumliche  Umfang 
der  deutschen  Nation  umschrieben.  Nirgends  war  angegeben, 
welche  Metropolitanprovinzen  und  welche  Diözesen  zu  ihr  ge- 
hörten. Der  Begriff  „Deutsche  Nation"  für  den  nördlich  der 
Alpen  gelegenen  Teil  des  heiligen  römischen  Reiches  war  neu  *). 
Wo  standen  die  Grenzpfähle  sei  es  für  ihre  weltlichen,  sei  es 
für  ihre  kirchlichen  Verwaltungsbezirke?  Das  Wiener  Kon- 
kordat Hess  den  König  als  Vertreter  der  deutschen  Nation 
handeln.  Es  verschwieg,  dass  der  Papst  gerade  seinen  landes- 
kirchlichen Tendenzen  in  den  österreichischen  Erblanden  ent- 
gegengekommen war,  um  ihn  überhaupt  zum  Abschluss  des 
Vertrags  zu  bewegen 2).  Von  solchem  König  liess  sich  am 
wenigsten  erwarten,  dass  er  ein  Garant  werde  der  wenigen 
Rechte,  die  den  Kirchen  in  Deutschland  auf  Grund  seiner  Ab- 
machungen verblieben  3). 

In  ein  so  kümmerliches  Rinnsal  mündet  die  nationalkirch- 
liche Bewegung  aus,  die,  trotz  aller  Missgriffe  und  Einschrän- 


*)  Vgl.  oben  S.  41  und  S.  97  Anm.  2. 

2)  Vgl.  H.  R.  von  Srbik,  Die  Beziehungen  von  Staat  und  Kirche 
in  Oesterreich,  bes.  S.  34  f. 

3)  Ueber  Luther  und  das  Wiener  Konkordat  vgl.  W.  Köhler,  Luthers 
Schrift  an  den  christlichen  Adel  Deutscher  Nation  S.  145  f. 


106  "Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

kungen,  im  Jahre  1418  und  1439  am  Werke  gewesen  war. 
Noch  einmal  siegte  das  Papsttum,  wenngleich  es  die  terri- 
torialen Gewalten  stärken  musste,  um  sich  selbst  zu  be- 
haupten 1),  und  wie  über  die  Doktrin  von  der  Superiorität  des 
allgemeinen  Konzils  über  den  Nachfolger  Petri,  so  setzte  es 
sich  hinweg  über  die  Bestimmungen  des  Konkordats  von 
Wien,  seines  Privilegs  an  die  deutsche  Nation.  Im  Jahre  1457 
aber  schrieb  der  kurmainzische  Kanzler  Martin  Mayr  an  Enea 
Silvio:  „Meinem  Herrn  werden  viele  Klagen  hinterbracht  über 
den  römischen  Papst,  der  weder  die  Beschlüsse  des  Konstanzer 
und  des  Basler  Konzils  beobachtet  noch  sich  gebunden  glaubt 
an  die  Vereinbarungen  seines  Vorgängers,  vielmehr  unsere 
Nation  zu  verachten  und  völlig  auszuschöpfen  scheint.  Be- 
kannt ist  ja,  wie  allenthalben  die  Wahlen  der  Prälaten  ver- 
worfen, Pfründen  und  Aemter  ohne  Unterschied  den  Kardinälen 
und  Protonotaren  vorbehalten  werden;  Du  selbst  hast  auf 
Grund  einer  ungewöhnlichen  Formel  Pfründen  in  drei  Provinzen 
deutschen  Namens  erhalten.  Exspektanzen  sonder  Zahl  werden 
bewilligt,  Annaten  oder  mittlere  Früchte  ohne  Zeitaufschub 
eingetrieben  und,  wie  öffentlich  bekannt,  mehr  als  geschuldet 
werden.  Die  Leitung  von  Kirchen  wird  nicht  dem  verdienten 
Manne,  sondern  dem  mehr  bietenden  anvertraut;  zum  Zusammen- 
scharren von  Geld  werden  täglich  neue  Indulgenzen  bewilligt  und 
ohne  Befragung  unserer  Prälaten  Zehnten  um  der  Türken  willen 
anbefohlen.  Prozesse,  die  hier  zu  Lande  verhandelt  und  erledigt 
werden  sollten,  zieht  man  unterschiedslos  vor  den  apostolischen 
Richterstuhl.  Tausend  Listen  werden  ersonnen,  um  voll  Scharf- 
sinn von  uns  als  Barbaren  Geld  zu  erpressen.  Darum  ist  auch 
unsere  einst  so  berühmte  Nation,  die  mit  ihrem  Mut  und  Blut 
das  römische  Reich  erwarb  und  Herrin  wie  Königin  der  Welt 
war,  arm  und  zur  tributpflichtigen  Magd  geworden;  in  ihrem 
Unheil  klagt  sie  seit  vielen  Jahren  schon  über  ihr  bitteres  Los. 
Nun  jedoch  sind   unsere  Häupter   gleichsam   aus  dem  Schlafe 


!)  Vgl.  auch  Historische  Vierteljahrschrift  1908,  S.  157  f. 


Wiener  Konkordat  von  1448.  107 

erwacht  und  beginnen  auf  Mittel  zu  sinnen,  diesem  Unheil  zu 
steuern.  Sie  haben  beschlossen ,  das  Joch  abzuschütteln  und 
wieder  der  alten  Freiheit  sich  anzunehmen.  Der  Verlust  aber 
der  Römischen  Kurie  wird  nicht  gering  sein,  wenn  die  deut- 
schen Fürsten  ausführen  was  sie  vorhaben"  ]).  Gewiss,  über- 
treibende Worte,  niedergeschrieben  im  Augenblick  der  Span- 
nung, aber  dennoch  geben  sie  ein  Stimmungsbild  der  kirch- 
lichen Lage  Deutschlands.  Enea  Silvio  versuchte  die  Klagen 
als  allzu  heftig  vorgetragen  zurückzuweisen,  die  Verarmung 
Deutschlands  zu  bestreiten;  nie  sei  es  so  reich  gewesen  wie 
jetzt,  so  dass  Ariovist,    würde   er  auferstehen,  sein  Vaterland 


y)  Basler  Ausgabe  der  Werke  des  Enea  Silvio  vom  Jahre  1571, 
S.  1035 :  Domino  meo  archiepiscopo  (Moguntinensi)  frequentes  afferun- 
tur  de  Romano  pontifice  querelae,  qui  neque  Constantiensis  neque  Basi- 
liensis  decreta  concilii  custodit  neque  se  pactionibus  antecessoris  sui 
(Nicolai  V.)  teneri  arbitratur  nationemque  nostram  contemnere  et  prorsus 
exhaurire  videtur.  Constat  enim  electiones  praelatorum  passim  reici, 
beneficia  dignitatesque  cuiusvis  qualitatis  et  cardinalibus  et  prothono- 
tariis  reservari;  et  tu  quidem  ad  tres  provincias  Theutonici  nominis  sub 
ea  formula  reservationem  impetrasti,  quae  hactenus  insolita  est  et  in- 
audita.  Expectativae  enim  gratiae  sine  numero  conceduntur.  Annatae 
sive  medii  fructus  absque  ulla  dilatione  temporis  exiguntur  et  plus  etiam, 
quam  debeatur,  extorqueri  palam  est.  Ecclesiarum  regimina  non  magis 
merenti,  sed  plus  offerenti  committuntur.  Ad  corradendas  pecunias  novae 
indulgentiae  in  dies  conceduntur.  Decimarum  exactiones  inconsultis  prae- 
latis  nostris  Turcorum  causa  fieri  iubentur.  Causae,  quae  tractandae 
terminandaeque  in  partibus  fuerant,  ad  apostolicum  tribunal  indistincte 
trahuntur.  Excogitantur  mille  modi,  quibus  Romana  sedes  aurum  ex 
nobis  tanquam  ex  barbaris  subtili  extrahat  ingenio.  Ob  quas  res  natio 
nostra  quandam  inclyta,  quae  sua  virtute  suoque  sanguine  Romanum 
Imperium  coemit  fuitque  mundi  domina  ac  regina,  nunc  ad  inopiam 
redacta,  ancilla  et  tributaria  facta  est  et,  in  squalore  iacens,  suam  for- 
tunam,  suam  pauperiem  multos  iam  annos  moeret.  Nunc  vero  quasi  ex 
somno  excitati  optimates  nostri,  quibus  remediis  huic  calamitati  obviam 
pergant,  cogitare  coeperunt  iugumque  prorsus  excutere  et  se  in  pristinam 
vendicare  libertatem  decreverunt:  erit  haec  non  parva  iactura  Romanae 
curiae,  si  quod  cogitant  Romani  principes  efFecerint.  Vgl.  Gr.  Voigt 
;i.  a.  0.  II,  S.  217  ff.  232  ff.  B.  Oebhardt,  Die  gravamina  der  Deutschen 
Nation 2  S.  32  f. 


108  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

nicht  wiedererkennen  würde ;  und  er  schloss  mit  den  zynischen 
Sätzen:  „Wer  hat  Euch  solche  Veränderung  geschaffen  wenn 
nicht  die  christliche  Religion  ?  Sie  verscheuchte  von  Euch  die 
Barbarei,  sodass  bereits  die  Griechen  als  Barbaren,  Ihr  aber 
als  wahre  Römer  bezeichnet  werden  müsst.  Wollt  Ihr  der 
Wahrheit  die  Ehre  geben,  so  gesteht  zu,  dass  Euch  Rom  und 
der  apostolische  Stuhl  die  heilbringende  Religion  schenkten,  da- 
durch dass  sie  zu  Euch  Prediger  sandten,  Euch  lehrten  den  Götzen- 
dienst zu  verlassen  und  den  wahren  Gott  anzubeten.  Das  ist 
mehr  denn  Gold  und  Silber;  Ihr  empfinget  mehr  als  Ihr  nun 
zurückerstattet"  *).  Papst  Calixtus  III.  (1455 — 1458)  endlich 
schrieb  an  Kaiser  Friedrich  III. :  „Obwohl  die  Machtvollkom- 
menheit des  apostolischen  Stuhls  gänzlich  frei  ist  und  von 
keinerlei  vertragsmässigen  Banden  eingeengt  werden  darf,  sind 
wir  doch  aus  reiner  Güte,  aus  Eifer  für  den  Frieden,  aus  Liebe 
zu  Dir  und  Deiner  Nation  willens,  dass  die  Konkordate  ihren 
Platz  behaupten.  Wir  werden  nicht  dulden,  dass  man  sie  ver- 
letze, —   solange  wir  den  römischen  Stuhl  innehaben"  2).     Er 


*)  Im  Briefe  n.  369  (p.  836—839  der  Basler  Ausgabe  1571),  p.  838: 
Quodsi  resurgeret  aliquis  illorum  Theutonum,  qui  tempore  .Tulii  Caesaris 
vixit,  Germaniam  peragraret,  ut  Ariovistus,  profecto  diceret  non  esse 
eam  terram,  quam  olim  viderat  negaretque  suam  esse  patriam,  cum 
vinearum  et  arborum  fructiferarum  consitiones,  vestitus  huiusmodi,  urbani- 
tatem  civium,  splendorem  urbium  tantamque  nitidam  politiam  apud  vos 
contueretur.  Verum  hanc  mutationem  quis  fecit  in  vobis  nisi  religio 
Christi?  Cultus  quippe  Christianae  religionis  a  vobis  barbariem  omnem 
expulit  atque  ita  expolivit,  ut  iam  Graeci  ipsi  barbari,  vos  autem  recti 
Latini  appellari  mereamini.  Cultum  autem  salutiferae  religionis,  si 
verum  fateri  vultis,  Roma  vobis  et  apostolica  sedes  dedit,  quae  praedi- 
catores  ad  vos  mittens  idolorum  relinquere  cultum  et  verum  Deum  colere 
docuit.  Plus  est  hoc,  Martine,  quam  aurum  et  argentum;  plus  est  quod 
accepistis  quam  quod  datis,  itaque  decet  vos  accepti  beneficii  memores 
esse,  quod  quidem  tantum  est,  ut  nullo  possit  thesauro  compensari. 
Vgl.  die  ähnlichen  Ausführungen  des  Enea  Silvio  in  seiner  Schrift 
De  ritu,  situ,  moribus  et  conditione  Germaniae  descriptio;  Basler  Aus- 
gabe 1571,  p.  1035—1086,  bes.  p.  1064, 

2)  Im  Briefe  n.  371   (p.  840-843  der  Basler  Ausgabe  1571),  p.  841 


Wiener  Konkordat  von  1448.  109 

sprach  damit  nur  aus ,  dass  im  Wiener  Konkordat  ein  päpst- 
liches Privileg  zu  erblicken  sei.  In  seinen  Worten  lag  das 
Geständnis,  dass  die  Einzelbestimmungen  widerrufen  werden 
könnten,  weil  sie  der  Allgewalt  Roms  ungehörige  Schranken 
zögen,  lag  das  Urteil  über  eine  Abmachung,  die  in  sich  un- 
wahr war,  weil  sie  der  einen  Partei  nur  Pflichten  aufbürdete, 
der  anderen  nur  Rechte  zugestand. 


(der  Brief  ist  von  Enea  Silvio  verfasst) :  .  .  .  non  e9t  intentioni(s)  nostrae 
aut  ordinariorum  mensibus  derogare  aut  concordatis  ipsis  contravenire. 
Quinimo  quamvis  liberrima  sit  apostolicae  sedis  autoritas  nullisque  de- 
bebat  pactionum  vinculis  coerceri,  ex  mera  tarnen  liberalitate  nostra, 
ex  zelo,  quem  gerimus  ad  pacem,  ex  charitate,  qua  te  tuamque  nationein 
prosequimur ,  concordatis  ipsis  locum  esse  voluimus  nee  patiemur  ea 
temere  violari,  dum  Romanae  sedis  gubernacula  retinebimus.  Vgl.  dazu 
B.  Hübler:  Zeitschrift  für  Kirchenrecht  III  (1863),  S.  411  Anm.  24. 


Sechster  Abschnitt. 

Nationalkirchliehe  Pläne  des  ausgehenden 
Mittelalters. 


Das  Wiener  Konkordat  und  die  Ueberwindung  der  konziliaren 
Reformbestrebungen  durch  den  Bund  des  Papsttums  mit  Fried- 
rich III.  und  dem  Territorialfürstentum  beginnen  die  letzte 
Periode  in  der  Geschichte  der  mittelalterlichen  Kirchenverfas- 
sung Deutschlands.  Nicht  dass  neue  Schöpfungen  sie  erfüllten, 
sondern  dadurch  wird  sie  gekennzeichnet,  dass  eben  die  Ver- 
einbarung des  Jahres  1448  je  länger  je  mehr  als  eine  bequeme 
Handhabe  sich  erwies,  um  wiederum  das  Kirchenwesen  in 
Deutschland  der  stets  anspruchsvolleren  Herrschaft  der  römi- 
schen Kurie  auszuliefern.  Weit  entfernt,  Besserung  zu  bringen, 
wurde  sie  benutzt  und  missbraucht,  hier  beobachtet  dort  ver- 
letzt, und  immer  vernehmlicher  erscholl  der  Ruf  nach  einer 
Rückkehr  zu  den  Ideen  und  Beschlüssen  von  Konstanz  und 
Basel,  die  gleichsam  das  Allheilmittel  zu  sein  schienen  für  die 
—  teilweise  doch  von  den  Deutschen  selbst  verschuldeten  — 
Gebrechen  der  kirchlichen  Verwaltung  und  Organisation.  Mit 
ihm  verbanden  sich,  noch  vor  dem  Auftreten  Luthers,  zu 
wiederholten  Malen  neue  Erwägungen  darüber,  wie  eine 
deutsche  Kirche  zu  erspriesslichem  Leben  geweckt  werden 
könnte,  die  ausgestattet  wäre  mit  grösserer  Freiheit  von  Rom 
und  nicht  zuletzt  mit  der  Fähigkeit,  die  finanzielle  Ausbeutung 
der  deutschen  Geistlichkeit  durch  Rom  abzuwehren  oder  doch 
zu  mindern. 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  Hl 

Aus  der  grossen  Zahl  von  Refornivorschlägen  sind  hier 
nur  diejenigen  herauszuheben,  denen  als  Ziel  die  deutsche 
Nationalkirche  gesetzt  ist. 

Eine  Geschichte  des  Gedankens,  durch  ein  deutsches 
Nationalkonzil  dem  Verderben  der  Kirche  zu  steuern ,  wäre 
eine  lohnende  Aufgabe.  Soweit  erkennbar,  tauchte  er  schon 
vor  Abschluss  des  Wiener  Konkordats,  zum  ersten  Male  im 
Jahre  1445  auf,  ohne  dass,  wenigstens  im  15.  Jahrhundert, 
an  ihn  nationalkirchliche  Pläne  mit  der  Aussicht  auf  ihre 
Durchführbarkeit  hätten  geknüpft  werden  können.  Es  fehlte 
einmal  die  Entscheidung  über  den  Kreis  der  Einzuberufen- 
den. Im  Jahre  1445  wenigstens  war  er  nicht  auf  Ange- 
hörige der  deutschen  Nation  beschränkt,  weil  damals  auch 
davon  die  Rede  war,  dass  die  Königreiche  von  Ungarn, 
Dänemark,  England  und  Schottland  die  ,gemeyn  versamlung 
der  Germanischen  kirchen  oder  ein  concilium  nationale' 
beschicken  möchten1).  Es  fehlte  sodann  die  Voraussetzung 
der  Periodizität  solcher  Nationalkonzilien,  wie  sie  etwa  das 
Dekret  ,Frequens'  von  Konstanz  (9.  Oktober  1417)  und  Basel 
(14.  Dezember  1431)  für  die  allgemeinen  Kirchenversamm- 
lungen festgelegt  hatte,  damit  also  von  vornherein  die  Mög- 
lichkeit, die  Nationalkonzilien  zu  regelmässig  wiederkehrenden 
Tagungen  für  die  Gesamtheit  der  auf  ihnen  vertretenen  deut- 
schen Kirchenanstalten  auszubauen 2).  Mehrfach  endlich  schwankte 


*)  Vgl.  den  Beschluss  der  Kurfürsten  vom  Jahre  1445,  Ranke, 
Werke  VI,  S.  7,  dazu  A.  Bach  mann  a.  a.  0.  LXXV,  S.  156  f.  Historische 
Vierteljahrschrift  1908,  S.  163  Anm.  1  und  oben  S.  28  f.  über  die  „deutsche 
Nation"  im  Konstanzer  Konkordat  von  1418.  —  Zweifelhaft  bleibt,  ob  der 
Gedanke  an  ein  Nationalkonzil  schon  Friedrichs  III.  Vorschlägen  vom  Spät- 
jahr 1444  zu  Grunde  liegt;  vgl.  A.  Bachmann  a.a.O.  LXXV,  S.  231  n.  14. 

2)  Den  Irrtum  von  E.  Gothein  (Politische  und  religiöse  Volks- 
bewegungen vor  der  Reformation,  Breslau  1878,  S.  111  mit  Anm.  24), 
Erzbischof  Berthold  von  Mainz  (f  1504)  habe  den  Plan  zu  einem  deut- 
schen Nationalkonzil  gefasst,  hat  B.  Weiss,  Berthold  von  Henneberg 
(Freiburg  i.  Br.  1889),  S.  23  Anm.  2  widerlegt-,  vgl.  auch  ,T.  Härtung: 
Historische  Zeitschrift  Bd.  103  (1909),  S.  534  ff.  —  Irrtümlich  auch  lässt 


\\2  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

man,  ob  sie  einberufen  werden  sollten  allein,  das  heisst  nur 
für  Deutschland,  oder  ob  sie  tagen  sollten  zur  selben  Zeit  wie 
ein  Universalkonzil1).  Noch  bis  ins  16.  Jahrhundert  hinein, 
ja  selbst  noch  im  18.  und  19.  ist  die  Frage  eines  deutschen 
Nationalkonzils  Gegenstand  der  Erörterungen  gewesen  2) ;  nie 
ist  sie  über  diese  hinausgekommen3). 


J.  von  Döllinger  (Kleinere  Schriften,  herausgeg.  von  F.  H.  Reusch, 
Stuttgart  1890,  S.  228)  den  Regensburger  Konvent  vom  Jahre  1524  ein 
alle  drei  Jahre  wiederkehrendes  deutsches  Nationalkonzil  in  Aussicht 
nehmen,  während  in  Wahrheit  es  sich  um  Provinzialkonzilien  handelte; 
vgl.  W.  Friedensburg:  Historische  Aufsätze  dem  Andenken  an 
G.  Waitz  gewidmet  (Hannover  1886),  S.  529  mit  Mansi  XXXII, 
1090   c.  26. 

1)  Der  anonyme  Verfasser  einer  im  Jahre  1451  aufgezeichneten 
Beschwerdeschrift  (C.  Gr.  F.  Walch,  Monimenta  medii  aevi  I,  Gottingae 
1757,  p.  103—110;  vgl.  dazu  B.  Gebhardt,  Gravamina2  S.  4  ff.)  forderte: 
Opus  esset,  ut  fieret  unum  concilitim  generale  et  nationale  pro  nostra 
natione  Alemannica  .  .  . ,  et  revera  non  solum  opus  est,  ut  fiat  concilium 
nationale,  verum  etiam  generale,  quia,  si  sola  natio  Almanica  reformatur 
et  aliae  nationes  manerent  in  ritu  et  observantiis  earum,  fieret  quodam- 
modo  schisma  vel  divisio  (Walch  a.  a.  O.  I,  p.  104  sq.). 

2)  So  z.  B.  in  den  Jahren  1524,  1526,  1530,  1538;  vgl.  J.  Weiz- 
säcker: Historische  Zeitschrift  LXIV  (1890),  S.  199  ff.  E.  Brasse, 
Die  Geschichte  des  Speierer  Nationalkonzils  vom  Jahre  1524.  Halle  a.  S. 
1890.  F.  von  Bezold,  Geschichte  der  deutschen  Reformation  (Berlin 
1890),  S.  440.  578.  616.  K.  Müller,  Kirchengeschichte  II,  1  S.  301.  338. 
370.  407.  Die  Arbeit  von  A.  Körte  (Die  Konzilspolitik  Karls  V.  in 
den  Jahren  1534 — 1543.  Halle  a.  S.  1905)  befasst  sich  mit  den  Plänen 
eines  allgemeinen  Konzils;  siehe  auch  W.  Rosenberg,  Der  Kaiser  und 
die  Protestanten  in  den  Jahren  1537—1539.  Halle  a.  S.  1903.  W.  Mauren- 
brecher, Karl  V.  und  die  deutschen  Protestanten  1545 — 1555.  Düssel- 
dorf 1865  und  im  allgemeinen  J.  von  Döllinger,  Ueber  die  Wieder- 
vereinigung der  christlichen  Kirchen  (Nördlingen  1888),  S.  57  ff. ;  Kleinere 
Schriften  S.  229  ff.  —  Ein  deutsches  Nationalkonzil  forderte  auch  die 
Emser  Punktation  vom  Jahre  1786  (vgl.  C.  Gärtner,  Corpus  iuris 
ecclesiastici  catholicorum  novioris  II,  Salisburgi  1799,  p.  363)  und  der 
deutsche  Episkopat  im  Jahre  1848  (vgl.  P.  Hinschius,  Kirchenrecht  III, 
S.  581.  J.  von  Döllinger,  Kleinere  Schriften  S.  63  ff.). 

3)  Der  spätere  Papst  Julius  III.  (1550 — 1555)  erklärte  im  Jahre  1547 
auf  dem  Konzil  zu  Trient,   dass  Konzilien  mehrerer  Metropoliten,  quae 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  H3 

Ein  zweiter  Plan  war  alsdann,  die  Beschwerden  der  deut- 
schen Nation  wider  die  Kurie  durch  Wiederauffrischung  der 
Konstanzer  und  Basler  Dekrete  in  einer  Art  pragmatischer 
Sanktion  der  Deutschen  zusammenzufassen l).  Gern  möchte 
man  ihm  ein  günstigeres  Urteil,  eine  Prognose  auf  Durch- 
führbarkeit zubilligen.  Von  Anbeginn  an  jedoch  stand  er 
unter  unheilverheissendem  Stern.  Er  war  aufgestellt  nicht 
aus  uneigennützigem  Interesse  für  die  Allgemeinheit  und  sollte 
auch  nicht  für  sich  allein  in  Angriff  genommen  werden.  Dank 
der  Tätigkeit  des  Mainzer  Erzbischofs  Dietrich  von  Erbach 
(f  1459)  hatte  er  erstmals  auf  dem  Frankfurter  Kurfürstentag 
im  Jahre  1456  festere  Formen  gefunden.  Er  wurde  niedergelegt 
in  jenen  sogenannten  Avisamenten 2),  die  sich  wiederum  als 
eine  Verschmelzung  von  Konstanzer  und  Basler  Dekreten  mit 
dem  Wiener  Konkordat  ergeben  haben.  Er  erinnerte  an  die 
Mainzer  Acceptation  von  1439,  die,  irrtümlich  oder  irreführend, 
noch  als   rechtsgültig  bezeichnet  wurde 3),    und   die  Sammlung 

nationalia  vocant,  semper  perniciosa  gewesen  seien;  s.  P.  Hinschius 
a.  a.  0.  III,  S.  582  Anm.  1  und  die  dortigen  Angaben.  Im  Jahre  1864  be- 
zeichnete der  Syllabus  Pius'  IX.  als  Irrlehre  den  Satz:  Nationalis  concilii 
definitio  nullam  aliam  admittit  disputationem,  civilisque  administratio  rem 
ad  hosce  terminos  exigere  potest  (C.  M  i  r  b  t ,  Quellen  zur  Geschichte  des 
Papsttums  2  S.  368,  36).  —  Ueber  die  älteren,  d.  h.  dem  15.  Jahrhundert 
voraufliegenden  National-  und  Reichskonzilien  seit  der  fränkischen  Zeit 
vgl.  P.  Hinschius  a.  a.  0.  III,  S.  539  ff. 

1)  Zum  Folgenden  vgl.  G.  Voigt,  Enea  Silvio  II,  S.  204  ff. 
III,  S.  209  ff.  C.  Brockhaus,  Gregor  von  Heimburg  (Leipzig  1861), 
S.  221  ff.  K.  Menzel,  Diether  von  Isenburg,  Erzbischof  von  Mainz 
1459 — 1463.  Erlangen  1868.  A.  Bachmann,  Deutsche  Reichsgeschichte 
unter  Friedrich  III.  und  Max  I.  (Leipzig  1884),  I,  S.  160  ff.  V.  von  Kraus, 
Deutsche  Geschichte  im  Ausgange  des  Mittelalters  I,  S.  308  ff.  352  ff.  380  ff. 
J.  Hefele- J.  Hergenröther,  Konziliengeschichte  VIII  (Freiburg  i.  Br. 
1887),  S.  85  ff.  L.  Pastor,  Geschichte  der  Päpste  seit  dem  Ausgang 
des  Mittelalters  I  (3.  und  4.  Aufl.,  Freiburg  i.  Br.  1901),  S.  709  ff.  II 
(1904),  S.  124  ff. 

2)  W.  Rossmann,  Betrachtungen  über  das  Zeitalter  der  Refor- 
mation (Jena  1858),  S.  405  ff. 

3)  Im  2.  Teil   der  Avisamente,   der  sogenannten  Appellatio,   wird 
W  e  r  in  i  n  g  h  o  f  f ,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 


LIBRARY  ST. MARYS  COLLEGE 


114  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

der  Dokumente  schloss  mit  einem  Bündnis  der  Teilnehmer 
jener  Tagung,  deren  Anhängerschar  vermehrt  werden  sollte, 
mit  der  Berufung  auf  ein  Nationalkonzil  oder  eine  andere 
Versammlung  zum  Erlass  etwa  notwendiger  Abänderungen  *). 
Auf  der  anderen  Seite  Hessen  die  vielgeschäftigen  Machina- 
tionen der  Kurie  darüber  keinen  Zweifel,  dass  sie  nicht  willens 
sei,  ihre  im  Jahre  1448  gewonnene  Macht,  den  seither  ein- 
gerissenen Missbrauch  der  Macht  preiszugeben.  In  ausführ- 
lichen Darlegungen  suchte  der  seiner  grösseren  Zukunft  sichere 
Kardinal  Enea  Silvio  den  mainzischen  Kanzler  Martin  Mayr 
zu  überzeugen,  das  Vorhaben  einer  pragmatischen  Sanktion 
sei  verderblich  an  sich  und  um  der  Art  willen,  in  der  es  zu 
erbitten  und  zu  beschützen  sei2).  Ueberdies  trat  trotz  aller 
Zusammenkünfte  zu  Tage,  dass  die  Parteigruppierung  im  Kur- 
fürstenkolleg der  kirchlichen  Reform  keinerlei  Aussicht  auf 
dauernde  und  nachdrückliche  oder  gar  vorbehaltlose  Unter- 
stützung gewähren  würde,  ganz  abgesehen  selbst  von  den 
territorialen  Gegensätzen  zwischen  Witteisbach  und  Branden- 
burg, von  der  Zerklüftung  unter  den  Königswählern,  unter 
denen   gerade   damals    das  Verlangen   nach   einem   Ersatz  für 


u.  a.  ausgeführt,  die  Basler  Dekrete  seien  expost  auctoritate  apostolica 
ac  ex  certa  sciencia  et  de  potestatis  plenitudine  confirmata  et  approbata 
ac  eciam  in  vim  pragmatice  sanccionis  per  dive  memorie  Albertum  tunc 
Romanorum  regem  ac  reverendissimos  et  illustrissimos  tunc  Romani 
imperii  principes  electores  ac  prelatos  aliosque  principes,  comites,  barones, 
satrapas,  proceres  ac  subditos  pociores  Germanice  nacionis,  sacro  concilio 
huiusmodi  tunc  eciam  durante,  acceptata  et  postremo  demum  tarn  pro 
utilitate  rei  publice  quam  bono  nacionis  huiusmodi  inviolabüiter  ac  irre- 
fragabiliter  sub  censuris  in  illis  aliisque  acerrimis  penis  in  constitucionibus 
ac  ordinacionibus  processibusque  desuper  emissis  contentis  innovata,  repetita 
et  acceptata,  prout  in  documentis  legitimis  desuper  confectis  .  .  .  plenius 
continetur  et  habetur  (Rossmann  a.  a.  0.  S.  413). 

*)  Alles  Nähere  bei  B.  Gebhardt,  Gravamina2  S.  19  ff. 

2)  Vgl.  Enea  Silvio,  De  ritu  etc.  Germaniae  (Opp.  ed.  Basil.  1571, 
p.  1085) :  Pragmaticae  sanctionis  inventionem  pernitiosam  esse  com- 
prehendas  et  in  se  ipsa  et  in  modo,  quo  vel  petenda  dicitur  vel  tuenda. 
G.  Voigt  a.  a.  0.  II,  S.  235  ff. 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  H5 

Kaiser  Friedrich  III.  sich  erhob.  Schon  im  Jahre  1458  war 
der  Bund  von  Anhängern  der  kirchlichen  Reform  gesprengt, 
und  kein  besseres  Los  wartete  der  gleichwohl  noch  fortgesetzten 
Bemühungen  des  neugewählten  Mainzer  Erzbischofs  Diether 
von  Isenburg  (f  1482),  als  er  im  Jahre  1461  wie  ein  allge- 
meines Konzil  auf  deutschem  Boden  so  wiederum  eine  prag- 
matische Sanktion  für  die  deutsche,  auf  solchem  Wege  selb- 
ständiger zu  stellende  Geistlichkeit  ins  Auge  fasste 1).  Der 
enge  Anschluss  des  Markgrafen  Albrecht  Achilles  (f  1486)  an 
den  Kaiser,  Friedrichs  III.  enge  Verbindung  mit  dem  neuen 
Papste  Pius  IL  (1458 — 1464),  der  im  Jahre  zuvor  jedwede 
Berufung  an  ein  Universalkonzil  als  nichtig  bezeichnet  hatte 2), 
die  Absetzung  Diethers  von  Mainz  und  die  Provision  Adolfs 
von  Nassau  für  das  erledigte  Erzstift  und  Kurfürstentum,  der 
Kampf  beider  Rivalen  und  schliesslich  der  Verzicht  des  Isen- 
burgers  im  Jahre  1463  —  alles  liess  die  an  das  Ziel  der 
Kirchenreform  und  einer  Nationalkirche  gewandte  Arbeit  zu 
schänden  werden.  Das  Wort  des  Papstes,  es  sei  schwer,  den 
päpstlichen  Stuhl  und  das  römische  Reich  mitsammen  umzu- 
werfen 3),  hatte  sich  erfüllt.  Der  Ruf  nach  der  Kirchenreform 
musste  erfolglos  bleiben,  sobald  und  weil  er  sich  verquickt 
hatte  mit  dem  nicht  minder  dringlichen  nach  der  Reform  des 
Reiches,  wie  heftige  Klagen  auch  in  den  immer  wiederkehren- 
den Gravamina  ertönten4). 

Merkwürdig  genug  nun,   dass  trotz  aller  Schwierigkeiten, 


»)  Vgl.  u.  a.  K.  Menzel  a.  a.  0.  S.  118  ff. 

2)  C.   Mirbt,  Quellen  zur  Geschichte  des  Papsttums2  S.  169  f. 

3)  In  einem  Briefe  vom  7.  März  1461;  G.  Voigt  a.  a.  0.  III, 
S.  252. 

4)  Den  Bündnissen  des  Klerus  aus  verschiedenen  Diözesen,  z.  B.  vom 
Jahre  1473  und  1487  (vgl.  B.  Gebhardt,  Gravamina2  S.  62  f.  J.  Här- 
tung: Historische  Zeitschrift  Bd.  103,  1909,  S.  535)  liegt  wohl  der  Ge- 
danke einer  Defensive  gegen  Rom  zu  Grunde,  nicht  aber  der  an  Aufbau 
einer  selbständigen  Kirche  Deutschlands;  über  ein  ähnliches  Bündnis 
aus  dem  Jahre  1372  vgl.  E.  Hennig,  Die  päpstlichen  Zehnten  aus 
Deutschland  S.  37  f. 


116  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

die  sich  dem  Gedanken  einer  deutschen  Nationalkirche  ent- 
gegenstellten, dieser  nach  wie  vor  die  Geister  beschäftigte. 
Einst,  im  Zeitalter  Friedrichs  I.,  hatte  er  seiner  ideal  aufge- 
bauten Kirche  eine  einheitliche  Spitze  gegeben.  Dann ,  im 
Zeitalter  der  Reformkonzilien,  war,  wenn  anders  unsere  Deutung 
des  Mainzer  Instruments  richtig  ist,  die  Wagschale  gesunken 
zu  Gunsten  einer  oligarchischen  Leitung  der  deutschen  Kirche 
durch  die  Erzbischöfe  und  Bischöfe,  zumal  nachdem  die  Steige- 
rung der  papalen  Monarchie  in  der  allgemeinen  Kirche  alle 
Schäden  des  absolutistischen,  zentralisierenden  Systems  hatte 
offenbar  werden  lassen.  Jetzt  aber,  da  die  Versuche  gescheitert 
waren,  eine  bischöfliche  Samtherrschaft  über  die  deutsche  Kirche 
ins  Leben  zu  rufen  —  denn  in  diesem  Verlangen  gipfelten  die 
Rufe  nach  einem  deutschen  Nationalkonzil  nicht  minder  als 
die  nach  einer  deutschen  pragmatischen  Sanktion  — ,  jetzt 
tauchten  aufs  neue  Utopien  auf,  die  für  das  deutsche  Kirchen- 
tum  einen  Patriarchen,  einen  Legatus  natus  et  perpetuus  oder 
einen  Primas  wünschten.  Ein  literarischer  Zusammenhang  zwi- 
schen ihnen  und  dem  Entwurf  der  Trierer  Stilübungen  des  12.  Jahr- 
hunderts ist  weder  vorhanden  noch  anzunehmen.  Eher  wird  zu 
vermuten  sein,  dass  die  Vorbilder  der  französischen  und  der 
englischen  Nationalkirche  von  Einfluss  waren,  dort  die  Würde 
des  Kardinals  Georg  d'Amboise  (f  1510),  hier  die  des  Kardinals 
Thomas  Wolsey  (f  1530),  deren  Amt  als  päpstlicher  legati  a 
latere  das  Ziel  ehrgeiziger  deutscher  Kirchenfürsten  sein  konnte. 
Eins  ist  sicher:  wenn  man  seit  der  Wende  des  15.  und  16.  Jahr- 
hunderts auch  für  Deutschland  wiederum  eine  kirchliche 
Monarchie  forderte,  von  wem  immer  ihr  Träger  sein  Recht 
ableitete,  so  offenbarte  sich  hierin  zugleich  die  Einsicht,  dass 
nur  sie  im  stände  sein  möchte,  seinem  deutschen  Anteil  inner- 
halb der  monarchisch  gelenkten  allgemeinen  Kirche  Rückhalt, 
Festigkeit  zu  verleihen.  Dem  universalen  Papst  sollte  ein 
deutscher  Patriarch  oder  wie  sonst  er  genannt  wurde  ent- 
sprechen. Nicht  Vielherrschaft,  sondern  Einherrschaft  sollte  das 
Kennzeichen  auch  der  deutschen  Kirche  sein.     Nur  sie  schien 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  117 

die  innere  Geschlossenheit  des  Verfassungsneubaues  zu  ver- 
bürgen, den  man  erhoffte,  um  die  Hoffnung  darauf  noch  den 
späteren  Jahrhunderten  zu  übermachen.  Auf  diese  innere  Ein- 
heit verwies  die  Geschichte,  die  Folgerichtigkeit  des  katho- 
lischen Glaubens;  die  Furcht  vor  einer  Spaltung  des  reli- 
giösen Glaubens  der  Nation,  die  das  Emporstreben  des  Hussi- 
tismus  erlebt  hatte,  war  wohl  verbreitet,  hatte  aber  nicht 
bislang  noch  stets  das  Bekenntnis  zur  einen,  heiligen,  katho- 
lischen Kirche  sich  der  häretischen  Gegner  und  Abtrünnigen 
siegreich  erwehrt? 

Unsere  Würdigung  dieser  neuen  und  in  gewissem  Sinne 
alten  Pläne  räumt  den  zeitlichen  Vortritt  einem  Publizisten 
ein,  Hans  von  Hermansgrün,  einem  Sachsen  im  Dienste  zunächst 
des  Kurfürsten  Friedrich  des  Weisen  (f  1525),  dann  des  Erz- 
bischofs Ernst  von  Magdeburg  (f  1513);  bis  zum  Jahre  1518 
ist  er  als  in  der  Nähe  von  Zwickau  lebend  nachweisbar  *).  Erfüllt 
von  nationalem  Sinn  beim  Herannahen  der  von  Frankreich  her 
dem  Reiche  drohenden  Gefahr,  hat  er,  unmittelbar  vor  dem 
grossen  Wormser  Reichstag  des  Jahres  1495,  dem  er  als  Ge- 
sandter seines  Herrn,  des  Erzbischofs  von  Magdeburg,  bei- 
wohnte, jene  reichspatriotische  Phantasie  veröffentlicht,  die  zu- 
erst von  H.  Ulmann  herausgegeben  wurde  2). 

Hans  von  Hermansgrün  sieht  sich  in  einem  Traume  als 
Teilnehmer  eines  stattlichen  Reichskonvents  zu  Magdeburg. 
Er  hört  Kaiser  Friedrich  IL  in  eindringlicher  Rede  sich  kehren 
wider  das  Bündnis  des  Papstes  Alexander  VI.  (1492 — 1503) 
und  des  Königs  Karl  VIII.  von  Frankreich  (1483—1498) 
vom  15.  Januar  1495 3).     Dem  Sprecher  knüpfen  sich  düstere 

')  Vgl.  H.  Ulmann:  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XX 
(1880),  S.  69  ff. 

2)  A.  a.  0.  XX,  S.  78  ff. ;  dann  von  J.  von  Dö  Hing  er,  Beiträge 
zur  politischen,  kirchlichen  und  Kulturgeschichte  der  sechs  letzten  Jahr- 
hunderte III  (Regensburg  und  Wien  1882),  S.  91  ff. 

3)  Vgl.  H.  Ulmann,  Kaiser  Maximilian  I.  (Stuttgart  1884)  I,  S.  268. 
L.  Pastor,  Geschichte  der  Päpste  III  (3.  u.  4.  Aufl.,  Freiburg  i.  Br.  1899), 
S.  348  f.    M.  Jansen,  Kaiser  Maximilian  I.  (München  1905),  S.  4.4. 


Hg  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Ahnungen  an  dies  Abkommen ;  er  fordert  deshalb  die  deutschen 
Fürsten  auf  zum  Kampfe  und  gibt  die  Mittel  an,  mit  denen 
der  Streit  erfolgreich  begonnen  und  fortgesetzt  werden  möge. 
„Es  könnte",  so  meint  er,  „der  Fall  eintreten,  und  viele  Ver- 
dachtsgründe sind  dafür  vorhanden,  dass  der  Papst,  sei  es  aus 
Furcht  sei  es  dank  ihm  erwiesener  Wohltat,  die  Partei  des 
Franzosen  ergreift,  ihm  auf  irgendwelche  Weise  oder  unter 
irgendeinem  Vorwand  die  Kaiserkrone  gibt *)  und  mit  seiner 
Autorität  die  Krönung  des  Franzosen  bestätigt.  Wenn  Ihr 
dies  klar  erkennt,  so  sehet  zu,  ob  ihm  nicht,  um  solcher 
Bosheit  willen,  auf  Zeit  die  Oboedienz  aufzusagen  ist,  ob  Ihr 
nicht  an  Stelle  des  Papstes  Euch  einen  Patriarchen  setzen 
wollt.  In  diesem  Fall  aber  ist  die  Geistlichkeit  im  ganzen 
Reich  mit  Gewalt  dahin  zu  drängen,  dass  sie  nicht  länger  den 
Papst  verehre,  als  die  Umstände  und  der  Nutzen  des  Reiches 
es  erfordern,  dass  sie  nicht  unter  dem  trügerischen  Schein  des 
Gehorsams  und  der  Ehrfurcht  danach  trachte,  von  den  Lasten 
des  Krieges  fern  zu  bleiben.  Auch  dafür  ist  Sorge  zu  tragen, 
dass  nicht  Rechtsausleger,  Rechtsverdreher  und  Deklamatoren 
der  Kirchen  das  Volk  aufreizen  zu  Neuerungen.  Kommt  es 
jedoch  soweit,  so  schickt  Gesandte  an  die  Könige  von  Ungarn, 
Böhmen,  Polen  und  Dacien.  Lasst  sie  Klage  führen  über  die 
Unbill,  die  Ihr,  die  deutsche  Nation  und  das  Reich,  von  den 
Franzosen  oder  vom  Papste  oder  auch  von  beiden  erleidet :  Ihr 
würdet  dafür  bald  Genugthuung  fordern  auf  einem  grossen 
Konzil,  darauf  aber  Friede,  Bündnis,  Freundschaft  und  Hilfe 
für  den  türkischen,  sodann  für  den  französischen  Krieg  auf  die 
Dauer  von  drei  Jahren  oder  mehr  verlangen,  je  nachdem  es 
Euch  passend  dünkt,  alles  zu  dem  Zwecke,  dass  nicht  der  Papst, 
wenn  er  durch  Excomunikationen  Euch  zu  schaden  sucht,  die 
Barbaren  gegen  Euch  aufzuhetzen  und  aufzustacheln  vermag"  2). 

*)  Ueber  die  angeblichen  Kaiserpläne  Karls  VIII.  von  Frankreich 
vgl.  die  Bemerkung  von  Philipp  de  Comniynes,  Memoires  VII  c.  19 
herausgeg.  von  B.  de  Mandrot,  Paris  1903,  vol.  II,  p.  215. 

2)  Contingere  posset   (ut  sunt  multe   suspitiones)   papam  vel  metu 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  H9 

Deutlich  tritt  zu  Tage:  der  Publizist  am  Ausgange  des 
15.  Jahrhunderts  sieht  die  kirchliche  Frage  als  der  politischen 
untergeordnet  an.  Der  Papst  als  weltlicher  Fürst  hat  sich 
verbündet  mit  Frankreich.  Um  solchen  Bund  zu  befehden, 
dünken  ihm  die  weltlichen  Mittel  leicht  ausführbar  ,  ebenso 
aber  die  kirchlichen  Repressalien,  wie  man  seine  Vorschläge 
nennen  möchte.  Er  fordert  Kündigung  der  Oboedienz.  Er 
vermag  jedoch  noch  nicht  die  deutsche  Kirche  ohne  ein  sicht- 
bares Oberhaupt  sich  vorzustellen.  An  ihre  Spitze  trete  ein 
Patriarch,  nicht  vielleicht  für  alle  Zukunft,  sondern  wohl  bis 
zu  dem  Augenblick ,  da  der  Papst,  gedrängt  durch  den  Ab- 
fall von  Deutschland,  auf  sein  Bündnis  mit  Frankreich  Ver- 
zicht geleistet  habe.  Die  Einsetzung  des  Patriarchen  aber 
soll  den  Fürsten  überlassen  sein  und  ihnen  zugleich  die  Sorge, 
dass  der  Klerus  in  Deutschland  dem  alten  Papst  nicht  ge- 
horche, dem  Reiche  vielmehr  steure  zum  Kampf  wider  Papst 
und  Frankreich,  dass  Agitationen  verhindert  werden  gegen  die 


vel  benefitio  devinctum  Gallorum  partem  fovere,  imperialem  coronam 
quocunque  pacto,  titulo  vel  collusione  ei  dare  et  aliquando  coronationem 
auctoritate  sua  corroborare.  Si  hoc  clare  perspitietis ,  videte,  ne  ob 
iniquitatem  facti  obedientia  ad  tempus  e  medio  tollenda  atque  in  locuni 
pape  patriarcha  vobis  constituendus  erit.  Sed  hoc  casu  omnis  status 
ecclesiasticus  per  totum  imperium  summopere  coercendus  erit,  ne  aut 
plus  quam  tempus  et  utilitas  imperii  exigat  papam  venerentur  aut  sub 
vana  spetie  obedientie  et  venerationis  querant  et  moliantur  ab  oneribus 
belli  immunes  fore.  Cavendum  etiam,  ne  predicatores  legis  aut  qui- 
cunque  rabuli  et  declamatores  ecclesiarum  plebem  et  populum  rudern 
ad  res  novandas  incitent.  Et  ob  eam  rem  et  in  eo  casu  ad  reges  Ungarie, 
Bohemie,  Polonie  et  Datie  legatos  censeo  mittendos,  questum  de  iniuriis 
sive  a  Gallis  sive  a  papa  sive  ab  utrisque  vobis  nationique  Germanorum 
et  imperio  vestro  illatis,  pro  quibus  coram  magno  generali  concilio  brevi 
sitis  satisfactionem  petituri,  subinde  pacem,  fedus  et  amicitiam  auxiliaquo 
primo  Thurcensis,  deinde  Gallici  belli  in  triennium  aut  ultra,  sicut  opor- 
tunum  visum  fuerit,  petentes  roborari,  in  eum  finem,  ne,  si  papa  ex- 
communicacionibus  multa  in  vos  intent8re  presumeret,  simplicitatem 
barbarorum  in  vos  irritare  et  commovere  posset  (Forschungen  zur  deut- 
schen Geschichte  XX,  S.  87). 


120  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

neue  Ordnung  der  Dinge.  Nur  im  allgemeinsten  Umriss  wird 
das  Bild  der  deutschen  Kirche  unter  dem  Patriarchen  mehr 
angedeutet  als  gezeichnet.  Sie  erscheint  als  ein  Werkzeug  der 
fürstlichen  Politik,  deren  Träger  ihren  Leiter  zu  seinem  Amte 
berufen.  Die  neue  Kirche  soll  den  Fürsten  untergeben  sein, 
nicht  dem  Kaiser,  den  unser  Publizist  mit  wenig  günstigem 
Urteil  bedenkt1),  ein  Spiegelbild  deutscher  Zustände,  die 
seit  langem  den  Unsegen  des  territorialen  Partikularismus  für 
die  Allgemeinheit  kannten,  während  sein  Segen  nur  kleineren 
Kreisen  zu  gute  kam.  Es  wäre  müssig,  sich  die  deutsche 
Kirche  unter  der  Aegide  des  Fürstenstandes  auszudenken. 
Hatten  nicht  seine  Mitglieder  selbst  durch  die  Ansätze  landes- 
kirchlicher Bildungen  dazu  beigetragen,  das  deutsche  Kirchen- 
wesen zu  zersplittern  und  seine  Widerstandskraft  gegen  die 
Spitze  der  allgemeinen  Kirche  zu  vermindern? 

Auch  das  letzte  mittelalterliche  Projekt,  dessen  Wertung 
uns  noch  obliegt,  war  veranlasst  durch  die  politischen  Um- 
triebe des  Augenblicks 2).  Papst  Julius  11.(1503 — 1513)  hatte 
von  der  Liga,  die  im  Jahre  1508  mit  Kaiser  Maximilian  I. 
(1493—1519)  und  König  Ludwig  XII.  von  Frankreich  (1498 
bis  1515)  wider  Venedig  vereinbart  war,  sich  getrennt  und  zu 
Beginn  des  Jahres  1510  eben  mit  der  Lagunenstadt  in  ein 
Bündnis  sich  eingelassen.  Es  kehrte  seine  Spitze  gegen  Lud- 
wig XII.  und  war  zugleich  ein  Schachzug  gegen  den  Kaiser. 
Dieser  sollte  zum  Anschluss  an  den  Papst  getrieben  werden, 
während  er  doch  vorab  wenig  geneigt  war,  so  rasch  wie  der 
Rovere  auf  dem  Stuhle  Petri  seine  Politik  gegen  Venedig  mit 
Frankreich  in  eine  solche  mit  Julius  II.  und  Venedig  gegen 
Ludwig  XII.  zu  vertauschen. 

Ludwig  XII.  wurde  im  September  1510   durch   ein   fran- 

1)  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XX,  S.  85  und  91. 

2)  Zum  Folgenden  vgl.  für  die  politischen  Ereignisse  H.  Ulmann, 
Kaiser  Maximilian  I.  (Stuttgart  1891),  Bd.  II,  S.  407  ff.  L.  Pastor, 
Geschichte  der  Päpste  seit  dem  Ausgange  des  Mittelalters  III  (3.  und 
4.  Aufl.,  Freiburg  i.  Br.  1899),  S.  645  ff. 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  121 

zösisches  Nationalkonzil  zu  Tours *)  in  seinem  Vorhaben  ge- 
waltsamen Widerstandes  gegen  Julius  IL  bestärkt.  Würde  der 
Papst  nicht  in  die  Beendigung  des  Krieges  willigen,  so  sollte 
er  zum  mindesten  einen  Statthalter  einsetzen  mit  Vollmachten 
für  das  Seelenheil  der  Untertanen  des  französischen  König- 
reiches 2).  Für  die  Zeit  also  des  Krieges  zwischen  König  und 
Papst  sollte  eine  Instanz  geschaffen  werden,  die  angegangen 
werden  könnte,  solange  der  Papst,  um  des  Krieges  willen,  nur 
mit  Mühe  den  Gläubigen  erreichbar  wäre.  Man  forderte  eine 
Art  Unterpapst,  eine  Art  von  päpstlichem  Dezernenten  für  die 
dem  Papste  als  solchem  zustehenden  hirtenamtlichen  Befug- 
nisse, eine  Beschränkung  dieses  procureur  des  ämes  nur  auf 
Frankreich.  Deutlicher  hätte  das  Dilemma  der  Lage  nicht  ge- 
kennzeichnet werden  können. 

Anders  Maximilian  I.  Es  mag  unentschieden  bleiben,  ob  er  im 
Anschluss  an  Frankreich  wirklich  „den  verfluchten  Priester  Papst" 
zu  reformieren  gedachte.  Jedenfalls  geht  unter  seinem  Namen 
ein  eigenartiges  Projekt,  von  dem  eine  Reihe  von  Dokumenten 
aus    dem  September   und   November    1510  Kunde   gibt3).     Es 


')  Vgl.  darüber  Hefele-Hergenröther,  Konziliengeschichte 
VIII,  S.  432  ff. 

2)  Qu'il  voeulle  commetre  en  France  ung  procureur  ayant  puissance 
de  pouvoir  au  salut  des  ames  des  subjects  de  royaume  de  France;  ange- 
führt von  H.  Ulmann:  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  III  (1879), 
S.  200. 

8)  Vgl.  H.  Ulmann  a.  a.  0.  III,  S.  199  ff.;  Kaiser  Maximilian  I. 
Bd.  II,  S.  414  ff.  W.  Maurenbrecher,  Geschichte  der  katholischen 
Reformation  I  (Nördlingen  1880),  S.  99.  385.  B.  Gebhardt,  Grava- 
mina 2  S.  77.  F.  von  Bezold,  Geschichte  der  deutschen  Reformation 
S.  87.  L.Pastor,  Geschichte  der  Päpste  III,  S.  670  ff.  W.Köhler, 
Luthers  Schrift  an  den  christlichen  Adel  Deutscher  Nation  S.  152  ff. 
.1.  Knepper,  Jakob  Wimpfeling  1450—1528  (Erläuterungen  und  Ergän- 
zungen zu  Janssens  Geschichte  des  deutschen  Volkes,  herausg.  von 
L.  Pastor  III,  2-4.  Freiburg  i.  Br.  1902),  S.  244.  252  ff.  365  f.  P.  Kal- 
koff: Zeitschrift  für  die  Geschichte  des  Oberrheins  N.  F.  XII  (1897), 
S.597f.  XIII  (1898),  S.  86  ff.  Veraltet  ist  P.  von  Wiskowatoff,  Jakob 
Wimpheling  (Berlin  1867),  S.  177  ff. 


122  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

wird  sich  empfehlen,  zunächst  die  bisherigen  Würdigungen 
zusammenzufassen,  um  schliesslich  des  persönlichen  Einschlags 
zu  gedenken,  den  der  Plan,  ohne  dadurch  seine  Bedeutung  im 
Kreise  ähnlicher  Entwürfe  zu  verlieren,  in  so  fern  besitzt,  als  er 
bedingt  erscheint  durch  den  Ehrgeiz  der  kaiserlichen  Kanzlers 
Matthäus  Lang,  des  damaligen  Bischofs  von  Gurk,  späteren 
Kardinaldiakons  von  S.  Angelo  in  Pescheria  und  Erzbischofs 
von  Salzburg  (f  1540). 

Am  18.  September  1510  entsandte  Maximilian  seinen 
Sekretär  Jacob  Spiegel  an  den  bekannten  Humanisten  Jacob 
Wimpheling  (f  1528).  Vom  kaiserlichen  Boten  sollte  dieser 
ein  Exemplar  der  pragmatischen  Sanktion  für  Frankreich  — 
also  der  von  Bourges  aus  dem  Jahre  1438  —  erhalten,  weiter- 
hin mündliche  Aufträge  des  Kaisers  entgegennehmen,  für  die 
Maximilian  die  Unterstützung  durch  Wimpheling  erwarte *). 
Das  gleiche  Datum  des  18.  September  1510  weist  das  Be- 
glaubigungsschreiben für  Jacob  Spiegel  auf.  Erwähnt  wird 
darin  der  Wunsch  des  Kaisers,  zum  Besten  des  römischen 
Reiches  und  der  deutschen  Nation  gewisse  Bestimmungen  zu 
treffen,  auf  dass  Deutschland  nicht  wie  bisher  an  Rom  sein 
Geld  und  seine  Kräfte  verschwende,  sondern  in  alter  Freiheit 
nach  heilsamen  Regeln  lebe.  Wimpheling  solle  sich  darüber 
äussern,  wie  die  Schliche  der  Kurtisanen  beseitigt  und  die 
Annaten  abgestellt  werden  könnten,  endlich  über  den  Ge- 
danken des  Kaisers,  einen  natus  et  perpetuus  legatus  in  Ger- 
mania einzusetzen,  bei  dem  in  Deutschland  selbst  alle  kirch- 
lichen Klagen  und  Prozesse  anzubringen  wären,  nach  welchem 
Recht  seine  Bestellung  möglich  sei,  welche  Befugnisse  jenem 
Legaten  zustehen  würden,  welche  Vorteile  Deutschland  von  ihm 
zu  gewärtigen  habe.  Denn  besser  würden  die  Dinge  stehen, 
sobald  die  Streitfragen  in  Deutschland  selbst  behandelt  würden ; 


*)  Freher-Struve,  Germanicarum  rerum  scriptores  aliquot  insignes 
II  (Argen torati  1717),  p.  684  =  M.  Riegger,  Amoenitates  litterariae 
Friburgenses  III  (Ulmae  1776),  p.  483.  488. 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  [23 

sie  würden  hier  rascher  erledigt  und  die  aufzuwendenden  Geld- 
summen blieben  in  der  Heimat l). 

Wimphelings  Antwortschreiben  vom  1.  November  1510  2) 
begleitete  ein  umfangreiches  Gutachten,  das  wiederum  aus  drei 
Einzelteilen  sich  zusammensetzte.  Der  erste3)  gibt  einen 
Auszug  zunächst  aus  dem  Vorwort  der  pragmatischen  Sanktion, 
dessen  Schilderungen  auch  auf  Deutschland  zuträfen,  und  als- 
dann aus  ihrem  Texte,  derart  freilich  dass  nur  fünf  seiner 
Abschnitte  von  Wimpheling  der  kürzenden  Wiederholung  wert 
befunden  wurden  4).  Er  mochte  glauben,  dass  sie  zumeist  ge- 
eignet seien,  der  Ueberbelastung  deutscher  Kirchen  vorzu- 
beugen, würden  sie  auch  in  Deutschland  erneuert.  Der  zweite 
Teil  ist  reicher  gegliedert.  Ihn  eröffnet  ein  kurzes  Zitat  aus 
der  Geschichte  der  Päpste  von  Piatina 5).  Daran  schliesst  sich 
eine  Abhandlung  „Ueber  die  Handlungen  und  die  Schliche 
einiger  Kurtisanen",  vielleicht  schon  vor  der  kaiserlichen  An- 


')  Seitdem  H.  Ulmann  (Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  III, 
S.  204  f.)  einen  Auszug  daraus  mitgeteilt  hatte,  ist  die  ganze  Instruktion 
von  J.  Knepper,  Wimpfeling  S.  365  f.  n.  XXIII  veröffentlicht  worden. 
Es  heisst  darin  gegen  den  Schluss  (S.  366) :  Praeterea  referet  (d.  h.  Jakob 
Spiegel)  ei  (d.  h.  Wimpheling)  nos  cogitasse  de  instituendo  nato  et  per- 
petuo  in  Germania  legato,  ad  quem  in  ipsa  Germania  querele  et  causae 
ecclesiasticae  devolverentur,  et  ideo  quaerat  ex  eo,  quo  iure  potissimum 
ille  institui  possit  quidve  ei  de  iure  debeatur.  Et  exinde  et  honor  et 
commodum  totius  Germanicae  nationis  resultet :  melius  etenim  induce- 
mus,  ut  causae  in  patriis  nostris  ventilentur,  quia  celerius  expedientur 
et  ipse  impensae  remanebunt  in  patriis.  Eine  Vergleichung  dieser  Stelle 
und  der  Antwort  Wimphelings  (s.  unten  S.  126  Anm.  1)  verdanke  ich  der  Hilfe 
meines  Freundes  Dr.  J.  Trefftz,  Direktors  des  Weimarer  Staatsarchivs. 

2)  Freher-Struve,  Scriptores  II,  p.  685  sq.;  Riegger  a.  a.  0. 
III,  p.  488—491. 

•)  Riegger  a.  a.  0.  III,  p.  492-498. 

,J)  Exzerpiert  sind  —  nach  unserer  oben  S.  42  ff.  durchgeführten 
Zählung  —  die  Abschnitte  IV  de  electione  cassanda  (=  Mainzer  Accep- 
tation  XXI),  V  de  reservationibus  (=  Mainz  XXII),  VI  de  collatione 
beneficiorum  (=  Mainz  XXV),  X  de  numero  cardinalium  (vgl.  Mainz  XX), 
XI  de  annatis  (=  Mainz  IX). 

5)  Riegger  a.  a.  0.  III,  p.  499. 


124  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

frage  niedergeschrieben,  jedenfalls  eine  überaus  scharfe  Ver- 
urteilung jenes  Treibens,  um  dessen  Abstellung  der  Papst  an- 
gegangen werden  möge1).  Es  folgen  „Die  zehn  Beschwerden 
der  deutschen  Nation"2),  deren  Wortlaut  sich  darstellt  als 
eine  Ueberarbeitung  des  früher  angezogenen  Briefes  aus  dem 
Jahre  1457,  in  dem  der  mainzische  Kanzler  Martin  Mayr 
gegenüber  Enea  Silvio  seinem  Ingrimm  wider  die  Kurie  Luft 
gemacht  hatte3).  Ihnen  angefügt  ist  zunächst  ein  Remedium 
contra  gravamina  nationis  Germaniae4):  dem  Papst  solle  man 
vorstellen,  dass  die  Last  der  Gebühren  für  die  Bestätigung 
von  Erzbischöfen  und  Bischöfen  nachgerade  unerträglich  sei; 
ihm  müsse  eine  Minderung  seiner  Anforderungen  um  so  eher 
nahegelegt  werden,  als  ein  Abfall  drohe  gleich  dem  der  Böhmen, 
zumal  da  Kaiser,  Fürsten  und  nicht  zuletzt  das  Volk  selbst 
für  den  Bau  von  Kirchen,  Hospitälern  und  Anstalten  zum 
Besten  der  Fremden  oder  Kranken  des  Geldes  bedürften.  Ein 
eigenes  Remedium  pro  civitatibus  imperii  et  animarum  salute  5) 
weiterhin  fordert  den  Kaiser  auf,  vom  Papste  mehrere  Ver- 
fügungen zu  erwirken,  die  eine,  dass  in  keiner  Reichsstadt 
zwei  Pfründen  in  einer  Hand  vereinigt  werden  dürften,  die 
andere,  dass  in  jeder  Kollegiatkirche  zum  mindesten  zwei 
Pfründen  vorhanden  seien,  die  nicht  zu  den  Gratien  gehören 
und  vielmehr  mit  zwei  Theologen  oder  einem  Theologen  und 
einem  Kanonisten  besetzt  werden  sollen ,  die  dritte ,  dass  die 
Klöster  und  Stiftskirchen,  denen  Pfarrkirchen  inkorporiert 
sind ,  an  deren  Geistliche  Abgaben  entrichten ,   um  diese  Kle- 

J)  Ebd.  III,  p.  499— 514  (p.  514  sq.  Zusatz  von  J.Spiegel,  der 
im  Jahre  1520  Wimphelings  Gutachten,  aber  ohne  seine  Antwort  betr. 
des  legatus  natus  et  perpetuus,  s.  unten  S.  126  Anm.  1,  herausgab);  vgl. 
P.  K  al  k  o  f  f :  Zeitschrift  für  die  Geschichte  des  Oberrheins  N.  F.  XIII,  8. 86  ff. 

2)  Freher-Struve,  Scriptores  II,  p.  667;  Riegger  a.  a.  0.  III, 
p.  519  sq.;  Gebhardt,  Gravamina2  S.  83  f. 

3)  Vgl.  oben  S.  106  f. 

4)  Freher-Struve  a.  a.  0.  II,  p.  678  sq.;  Riegger  a.  a.  0.  III. 
p.  520—523. 

5)  Freher-Struve  II,  p.  679;  Riegger  III,  p.  523  sq. 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  125 

riker  sich  dem  Studium  der  Philosophie,  der  heiligen  Schrift 
und  des  kanonischen  Rechtes  widmen  zu  lassen.  Nach  allem 
Voraufgehenden  enttäuschen  die  Avisamenta  ad  Caesaream 
maiestatem  l)  schon  durch  ihren  ersten  Satz.  Frankreich  hat 
seine  pragmatische  Sanktion,  deren  es  sich  bedient  bei  Ver- 
leihung der  Benefizien,  das  römische  Reich  hingegen  seine 
Concordata  principum,  und  dafür  zu  sorgen,  dass  niemand  sie 
verletze,  ist  Aufgabe  des  Kaisers.  Wimpheling  findet,  dass 
die  Päpste  selten  sie  übertreten  haben  und  die  Auditoren  der 
Rota  nach  ihnen  urteilten.  Sollte  ein  Kurtisan  sie  missachten, 
so  sei  er  daran  zu  erinnern,  dass  selbst  Türken  und  Juden 
Verträge  zu  beachten  pflegten,  und  nach  einer  Verwarnung 
würde  er  nicht  in  einer  deutschen  Stadt  wohnen  wollen.  Der 
Kaiser  könne  überdies  in  Frankreich  und  bei  der  Pariser 
Universität  Erkundigungen  einziehen,  welche  Rechte  dort  dem 
Papst  bei  Pfründenverleihungen  zugebilligt  seien,  und  dann 
ähnliche  Massnahmen  für  Deutschland  treffen,  doch  nur  im 
Einverständnis  mit  den  geistlichen  Kurfürsten.  Diese  würden 
vor  päpstlichen  Zensuren  sich  fürchten ,  das  Volk  aber  werde 
ein  Interdikt  nicht  lange  ertragen ;  auch  die  Bettelmönche 
könnten  gegen  ihn  predigen,  der  Papst  sogar  die  Neuwahl 
eines  deutschen  Königs  anberaumen,  die  Untertanen  vom  Ge- 
horsam entbinden  und  die  Nachbarn  zu  Einfällen  in  seine 
Erblande  anstacheln  u.  s.  w.  Kurz,  Maximilian  solle  mit  Fleiss 
darauf  bedacht  sein,  allen  solchen  Ränken  des  Papstes  ent- 
gegenzutreten. Noch  einmal  zählt  endlich  die  Conclusio  et 
pia  exhortatio  ad  Caesaream  maiestatem  alle  Beschwerden  auf, 
durch  deren  Beseitigung  Maximilian  sich  den  Ruhm  und  den 
Namen  eines  liberator  Germaniae  verdienen  werde  *).  Mit 
dem  Neid  des  Humanisten  blickt  Wimpheling  auf  die  an 
gebildeten  Geistlichen  so  reiche  Nachbarnation  im  Westen. 
Tüchtige  und  gebildete  Geistliche  erhofft  er  auch  für  sein  Volk, 


J)  Freher-Struve  II,  p.  679  sq  ;  Ri egger  III,  p.  524—526. 
2)  Freher-Struve  II,  p.  680  sq.;  Riegger  IIL  p.  526. 


126  WerminghofF,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

sobald  nur  ihnen  die  Pfründen  zu  teil  werden,  sobald  nur 
Deutschland  von  dem  finanziellen  Druck  der  Kurie  befreit  ist. 
Erst  der  dritte  und  letzte  Teil  seines  Gutachtens  geht  auf 
die  Frage  hinsichtlich  des  natus  legatus  et  perpetuus  ein l). 
Ueber  den  legatus  natus  et  primas  seu  patriarcha,  meint  der 
Verfasser,  möge  man  sich  Rats  erholen  bei  rechtskundigen 
Leuten.  Er  habe  wohl  gehört,  dass  der  Erzbischof  von  Salz- 
burg legatus  natus  Germaniae,  der  von  Magdeburg  primas  seu 
patriarcha  sei;  aber  er  fürchte,  der  Papst  würde  ihre  Be- 
fugnisse für  verjährt  ansprechen,  da  ein  Privileg  durch  den 
Nichtgebrauch  hinfällig  werde 2).  Er  erinnere  sich,  auf  dem 
grossen  Reichstag  zu  Worms  die  prächtige  Rede  eines  adligen 
Doktors  gelesen  zu  haben,  der  als  zum  Hofhalt  der  Herzoge 
von  Sachsen  gehörig  bezeichnet  worden  sei  und  Hermann 
Grien  heisse;  ein  Exemplar  davon  werde  wohl  noch  bei  einem 
Vikar  der  Speyerer  Kirche  zu  finden  sein. 

Das  Urteil  über  Wimphelings  Denkschrift  hat  bereits 
H.  Ulmann  gesprochen.  Soviel  ist  sicher:  mochte  dem  Kaiser 
gleich  mit  jener  taciteischen  Wendung  vom  liberator  Ger- 
maniae   der   Ruhm  eines  Arminius   in  Aussicht   gestellt   wer- 


x)  De  legato  nato  et  primate  seu  patriarcha  consulantur  iurium 
periti.  Licet  olim  audierim  archiepiscopum  Saltzburgensem  esse  lega- 
tum  natum  Germaniae  et  archiepiscopum  Magdeburgensem  esse  pri- 
matem  seu  patriarcham,  timeo  autem  summum  pontificem  contra  nos 
prescripsisse,  quia  Privilegium  per  non  usum  perditur.  Incidit  mihi,  quod 
in  glorioso  quondam  conventu  principum  in  Wormatia  legi  de  hac  materia 
elegantem  orationem  cuiusdam  doctoris  et  nobilis,  quem  dicebant  esse 
de  familia  ducum  Saxoniae  et  ons  (sicher  ist  zu  lesen :  dominus)  Henricus 
de  Rinow  dicebat  mihi  nomen  aut  cognomen  suum  esse  Hermannus 
Grien ;  credo  hodie  eius  orationis  exemplar  inveniri  posse  apud  quendam 
vicarium  summae  ecclesiae  Spirensis  Georgium  Reyser  de  Amberga. 
Dieses  in  der  Ausgabe  Spiegels  (s.  oben  S.  124  Anm.  1)  fehlende  Stück 
teilte  zuerst  H.  Ulmann  (Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  III,  S.  208  f.) 
mit;  es  ist  wiederholt  bei  W.Köhler,  Luthers  Schrift  An  den  christ- 
lichen Adel  Deutscher  Nation  S.  163. 

2)  Vgl.  hierzu  P.  Hinschius,  Kirchenrecht  III,  S.  822  f. 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  J27 

den  *),  mit  dem  ganzen  Gutachten  konnte  ihm  nicht  entfernt 
gedient  sein.  Weder  fesselte  es  ihn  an  seinen  Plan,  noch  gab 
es  Fingerzeige  dafür,  wie  er  vielleicht  in  die  Wege  geleitet 
oder  gar  ausgeführt  werden  könnte.  Dazu  war  der  Auszug 
aus  der  pragmatischen  Sanktion  nicht  geeignet,  ebenso  nicht 
die  Umgestaltung  jenes  Briefes  aus  dem  Jahre  1457  noch 
endlich  die  historischen  und  literarischen  Reminiszenzen  des 
Schlusses.  Auf  die  veralteten  Rechte  des  Salzburgers  oder 
des  Magdeburgers  war  es  dem  Fragesteller  jedenfalls  nicht 
angekommen,  sondern  auf  neue  und  lebendige  Rechte  eines 
ständigen  Legaten  für  Deutschland,  die  erörtert  werden  sollten 
gleich  der  Art  seiner  Einsetzung  durch  den  Kaiser  2)  und  gleich 
ihren  Vorteilen  für  Deutschland.  Er  hatte  an  eine  Instanz  ge- 
dacht, die,  anders  als  der  von  Frankreich  auf  Zeit  geforderte 
procureur  des  ämes,  gerade  die  jurisdiktioneilen,  gerichts- 
herrlichen Befugnisse  des  Papstes  erhalte  und  handhabe;  die 
zugleich  dauernd  tätig  sei,  um  der  kurialen  Rechtsprechung  in 
Prozessen  um  kirchliche  Angelegenheiten  Abbruch  zu  tun  oder 
vielmehr  sie  gänzlich  auszuschalten.  Er  hatte  dem  Papst  für 
Deutschland  die  Ausübung  seiner  lehramtlichen  Gewalt  nicht 
schmälern  wollen,  wie  dies  der  französische  procureur  des 
ämes  tun  sollte.  Er  wollte  einen  Stellvertreter  des  Papstes 
für  Deutschland  allein  im  Hinblick  auf  kirchliche  Judikatur, 
nicht  auch  auf  alle  übrigen  in  der  päpstlichen  Vollgewalt  be- 
schlossenen Obliegenheiten  des  Nachfolgers  Petri.  Selbst  in 
der  Beschränkung  aber  des  Zieles  stellte  sich  dieses  dar  als 
ein  Mittel,  um  die  kirchliche  Abhängigkeit  Deutschlands  von 
Rom  zu  lockern;  dass  es  nicht  erreicht  werden  konnte  durch 
die   Befolgung   von   Wimphelings   Ratschlägen,    war   deutlich. 


*)  Vgl.  die  Annalen  des  Tacitus  lib.  II  c.  88. 

2)  Dass  dieser  Legat  ein  geborener  Deutscher  sein  sollte,  lässt  sich 
aus  Maximilians  Worten  (vgl.  oben  S.  123  Anm.  1)  kaum  entnehmen; 
immerhin  folgert  es  K.  Käser,  Deutsche  Geschichte  am  Ausgange  des 
Mittelalters  II  (Bibliothek  deutscher  Geschichte;  im  Erscheinen  begriffen), 
S.  120. 


UBRARY  ST. MARYS  CÖLL&E 


128  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Was  sollten  Nachforschungen  nützen,  die  den  Fragenden  letzt- 
hin auf  die  uns  bereits  bekannte  Schrift x),  auf  jenen  „Traum" 
des  Hans  von  Hermansgrün  aufmerksam  machten? 

Man  könnte  hieraus  folgern,  dass  Wimpheling  die  Ab- 
sichten seines  Auftraggebers  nicht  durchschaut  hätte.  Von 
Hermansgrün  war  ein  Patriarchat  von  der  Fürsten  Gnaden 
für  längere  oder  kürzere  Zeit,  in  der  kaiserlichen  Instruktion 
aber  eine  ständige  Einrichtung  ins  Auge  gefasst  worden. 
Jedenfalls  übersah  oder  unterschlug  Wimpheling  das  alles 
entscheidende  Wort  perpetuus.  Von  Haus  aus  liegt  im  Wesen 
des  legatus  natus,  dass  seine,  des  päpstlichen  Bevollmächtigten, 
Legation  ständig  an  einen  bestimmten  Bischofssitz  geknüpft 
ist  *).  Die  Hinzufügung  des  Wortes  perpetuus  zu  legatus 
natus  könnte  also  leicht  als  überflüssig,  weil  eine  Tautologie 
enthaltend,  angesehen  werden.  Gerade  aber  hierdurch,  dass 
es  im  Schreiben  der  kaiserlichen  Kanzlei  nicht  unterdrückt 
war,  Hess  sich  erkennen,  dass  mehr  beabsichtigt  sei  als  die 
ständige  Verbindung  der  Legation  mit  einem  bestimmten  Bi- 
schofssitz. Der  legatus  natus  et  perpetuus  sollte,  wenn  anders 
wir  recht  verstehen,  der  Träger  eines  Amtes  sein,  dem  ein 
für  allemal  ein  fester  Standort,  ein  für  allemal  eine  päpstliche 
Bevollmächtigung  überwiesen  wäre.  Sein  Amt  sollte  ein 
lebenslängliches  für  seinen  ersten  Träger  und  auch  seine 
Nachfolger  sein,  also  organisch  sich  in  den  Rahmen  der 
Kirchenverfassung  einfügen,  während  die  legati  nati  nur  zu 
den  nicht  ständigen  Gehilfen  des  Papstes  gehörten.  Seine 
Befugnisse  sollten,  waren  sie  einmal  vom  Papst  aus  dessen 
Machtfülle  abgezweigt  und  dadurch  nicht  nach  ihrem  Ursprung, 
wohl  aber  in  ihrer  Handhabung  verselbständigt,  in  Zukunft 
niemals  mehr  der  Erneuerung,  der  Neubegründung  durch  den 
Papst  bedürfen,  weder  beim  Tode  des  Legaten  noch  beim 
Tode  irgend  eines  Papstes.     Vom  Standpunkt  der  historischen 


>)  S.  oben  S.  117  ff. 

2)  Vgl.  P.  Hinschius  a.  a.  0.  I,  S.  518. 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  129 

Betrachtung  aus  hatte  Wimpheling  gewiss  recht,  wenn  er  auf 
die  Erzbischöfe  von  Salzburg  und  von  Magdeburg  anspielte;  jene 
nannten  sich  legati  nati  oder  geborene  Legaten  des  römischen 
Stuhles  und  Primaten  von  Deutschland,  diese  legten  sich 
ebenfalls  den  Namen  Primas  Germaniae  bei 1).  Auch  hatte 
Wimpheling  recht,  gerade  sie  zu  nennen,  weil  in  der  Tat  die 
Geschichte  der  legati  nati  mit  der  Primatialwürde  in  Verbin- 
dung steht2).  Eine  Belehrung  hierüber  jedoch  war  nicht  ein- 
gefordert worden,  sondern  ein  Aufschluss  über  die  Befugnisse 
einer  Neuschöpfung,  die  an  altes  Recht  sich  anlehnen  sollte, 
um  aus  diesem  Grunde  leichter  ins  Leben  gerufen  zu  werden. 
So  scheint  nach  allem  das  Elaborat  des  Humanisten,  der  sich 
von  der  Wertung  der  Rechtsfrage  zurückzog,  verfehlt  zu  sein, 
weil  es  den  Wesenskern  der  Anfrage  nicht  traf,  weiterhin 
unklug,  weil  es  im  Augenblick  der  Spannung  zwischen  Papst 
und  Kaiser  diesen  zu  Verhandlungen  mit  Julius  IL  aufforderte, 
ohne  der  Möglichkeit  zu  gedenken,  dass  Maximilian  mit 
Ludwig  XII.  gemeinsam  gegen  den  Papst  vorgehen  könnte, 
mit  jenem  König,  der  noch  an  der  pragmatischen  Sanktion 
festhielt3).     Das  Gutachten  scheint  naiv  zu  sein,    weil  es   be- 


J)  Vgl.  P.  Hinschius  a.  a.  0.  I,  S.  610  f.  H.  Ulmann  a.  a.  0. 
III,  S.  209  Anm.  2. 

2)  Vgl.  P.  Hinschius  a.  a.  0.  I,  S.  518.  607  ff.  und  S.  625  f. 
über  die  bei  den  einzelnen  Primaten  verschiedenen  jurisdiktioneilen  Be- 
fugnisse. 

3)  Karl  VII.  (1422—1461)  hatte  die  Sanktion  von  1438  aufrecht 
erhalten,  Ludwig  XI.  (1461 — 1483)  sie  gemäss  einem  als  Dauphin  an 
Papst  Pius  II.  (1458—1464)  gegebenen  Versprechen  1461  aufgehoben, 
1464  aber  durch  ein  königliches  Edikt  ihre  Grundsätze  im  allgemeinen 
wiederhergestellt.  Ludwig  XII.  (1498—1515)  führte  sie  1499  wieder 
ein.  Sein  Nachfolger  Franz  I.  (1515—1547)  hob  sie  1516  beim  Friedens- 
schluss  mit  Papst  Leo  X.  (1513—1521)  endgültig  auf  und  ersetzte  sie 
durch  ein  Konkordat;  vgl.  K.  Müller,  Kirchengeschichte  II,  1  S.  109. 
132.  144.  J.  Haller:  Historische  Zeitschrift  Bd.  103  (1909),  S.  17  ff. 
Nicht  zugänglich  war  mir  der  Aufsatz  von  B  o  u  r  d  o  n ,  L'abrogation  de  la 
Pragmatique  et  les  regles  de  la  chancellerie  de  Pie  II :  Melanges  d'archeo- 
logie  et  d'histoire  (Paris  1908),  p.  207  suiv. 

Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  0 


130  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

hauptete,  die  Concordata  principum  —  Wimpheling,  der  sie  im 
Jahre  1513  erstmals  herausgab,  versteht  darunter  das  Wiener 
Konkordat  von  1448  l)  —  seien  nie  vom  Papst  übertreten  worden, 
endlich  mehr  als  kindlich,  weil  es  hoffte,  die  wahrlich  nicht  mit 
mildem  Urteil  bedachten  Kurtisanen  könnten  durch  Warnungen 
allein  in  ihre  Schranken  gewiesen  werden.  Sollte  sich  Maxi- 
milian derart  in  der  Wahl  des  Gutachters  vergriffen  haben? 
Noch  H.  Ulmann  fand  in  Wimphelings  Schrift  „nichts 
als  sorgliche  Bedenklichkeit  und  keine  Spur  des  freien  Geistes, 
aus  dem  allein  grosse  Entschlüsse  geboren  werden"  2).  Eben 
hier  aber  setzen  die  Arbeiten  von  P.  Kalkoff  ein,  die  der  Be- 
urteilung sämtlicher,  oben  angezogener  Dokumente  neue  Wege 
gewiesen  haben3).  Nach  ihnen  ist  es  fraglich,  ob  in  Wahr- 
heit Maximilian  selbst  im  Jahre  1510  Urheber  des  Schrei- 
bens an  Wimpheling,  folgeweise  auch  von  dessen  Schrift  ge- 
wesen ist.  Sein  Unterhändler,  Jakob  Spiegel,  der  Neffe 
Wimphelings,  war  nicht  der  Uebermittler  einer  kaiserlichen 
Gedankenreihe,  sondern  das  Werkzeug  seines  nächsten  Vor- 
gesetzten,  des   ehrgeizigen  Kanzlers    und  Bischofs   von  Gurk, 


*)  Ueber  diese  Bedeutung  der  Bezeichnung  concordata  principum  vgl. 
D.  Fr.  S trau ss,  Ulrich  von  Hütten  III  (Leipzig  1860),  S.  131  Anm.  1, 
S.  143  f.  G.  Voigt,  Enea  Silvio  I,  S.  418  Anm.  1.  K.  Zeum er,  Quellen- 
sammlung S.  253  Anm.  1.  —  Neueren  Ursprungs  ist  die  Bezeichnung  für 
die  Urkunden  Eugens  IV.  vom  Jahre  1447;  s.  oben  S.  94  Anm.  2. 

2)  H.  Ulmann:  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  III,  S.  209. 

3)  Vgl.  P.  Kalk  off,  Forschungen  zu  Luthers  römischem  Prozess 
(Bibliothek  des  Königl.  Preussischen  Historischen  Instituts  in  Rom  II. 
Rom  1905),  S.  102  ff. ;  Quellen  und  Forschungen  aus  italienischen  Archiven 
und  Bibliotheken  herausg.  vom  Königl.  Preussischen  Historischen  Institut 
in  Rom  IX  (1906),  S.  88  ff.;  W.  Capito  im  Dienste  Erzbischof  Albrechts 
von  Mainz  (Berlin  1907),  bes.  S.  117  ff.  123  ff.;  Aleander  und  Luther 
(Leipzig  und  New  York  1908),  S.  114  ff.  A.  Schulte,  Zwei  Aktenstücke 
zum  Leben  des  Kardinals  Albrecht  von  Brandenburg:  Studien  aus  Kunst 
und  Geschichte  Friedrich  Schneider  zum  70.  Geburtstag  gewidmet  von  seinen 
Freunden  und  Verehrern  (Freiburg  i.  Br.  1906),  S.  203  ff.  L.  Mergent- 
heim, Die  Quinquennalfakultäten  pro  foro  externo  I  (Stuttgart  1908), 
S.  149  ff.  152  Anm.  1. 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max1  1.  [gl 

Matthäus  Lang.  Was  dieser  für  sich  erstrebte,  die  Stellung 
eines  Kardinallegaten  mit  ausgedehnten  Vollmachten,  sollte 
der  elsässische  Humanist,  scheinbar  von  ihm  unabhängig,  dem 
Kaiser  als  eine  erstrebenswerte  Neuerung  darlegen.  Sein  Gut- 
achten sollte  eine  Kampagne  des  Ministers  Matthäus  Lang 
eröffnen,  um  auf  dem  Umweg  über  den  Kaiser  und  unter 
Ausbeutung  von  dessen  leichter  Empfänglichkeit  für  das 
Schmieden  von  Plänen  „von  der  zögernden  Kurie  zu  un- 
zähligen anderen  Ehren  und  nutzbaren  Rechten  auch  noch  dies 
Kostbarste  zu  erpressen*1).  Geschickt  war  die  Zeit  gewählt, 
die  des  französischen  Schismas.  Geschickt  auch  war  der  Kaiser 
in  das  Unternehmen  hineingezogen,  da  nur  durch  ihn  die 
„Beweggründe  einer  nationalen  Kirchenpolitik  gegenüber  der 
Ausbeutung  Deutschlands  durch  die  römischen  Kurtisanen"  in 
den  Vordergrund  gerückt  werden  konnten.  Wimphelings 
Gutachten  war  also  eine  bestellte,  keine  selbständige  Arbeit, 
für  deren  Gedankengang  und  Anordnung  ihr  Verfasser  münd- 
liche Weisungen  erhalten  haben  mochte.  Sie  verschleierte  die 
Pläne  des  Matthäus  Lang,  um  sie  gleichwohl  „auf  journalisti- 
schen Umwegen"   einzuleiten. 

Man  sieht  leicht,  wie  diese  Wertung  die  des  ganzen 
Planes  beeinflusst.  Nicht  mehr  auf  Maximilian  kann  er  zurück- 
geführt werden,  sondern  auf  Matthäus  Lang  und  dessen 
skrupellosen  Ehrgeiz.  Verliert  er  hierdurch  an  Bedeutung? 
Gewiss,  er  entkleidet  die  Kirchenpolitik  des  Kaisers  im  Jahre 
1510  ihres  nationalen  Nimbus2),  lehrt  das  Projekt  eines 
legatus  natus  et  perpetuus  erkennen  als  zuerst  entworfen  und 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  gefördert  von  einem  Empor- 
kömmling3).     In    diesem    Entwürfe    aber    war    zugleich    ein 


*)  P.  Kalkoff,  Forschungen  zu  Luthers  römischem  Prozess  S.  102; 
hieraus  auch  die  beiden  folgenden  Zitate. 

2)  Nach  den  Worten  von  A.  Schulte  a.  a.  0.  S.  212. 

3)  Anspielung  auf  das  angebliche  kaiserliche  Edikt  bei  Freher- 
Struve,  Scriptores  II,  p.  683  (vgl.  damit  oben  S.  124  Anm.  2  und  4).  H.  Ul- 
mann (Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  III,  S.215)  widerlegt  die  Annahme, 


132  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Programm  enthalten,  das  den  Keim  wenigstens  einer  Ver- 
selbständigung des  deutschen  Kirchenwesens  in  sich  schloss, 
zunächst  in  der  kirchlichen  Rechtsprechung,  die  der  erste 
legatus  natus  et  perpetuus  an  sich  gezogen  haben  würde.  In 
ihm  lag  nicht  das  Begehren,  die  deutsche  Kirche  auf  eigenes 
Recht  zu  gründen  —  denn  noch  sollte  die  Würde  ihres  neuen 
Oberhauptes  von  Rom  erbeten  und  verliehen  werden  — ,  wohl 
aber  die  Vorstellung,  dass  es  zu  einer  Grenzberichtigung  mit 
dem  Papsttum,  folgeweise  zu  einer  Vereinigung  der  Kirchen 
in  Deutschland  unter  einer  monarchischen  Spitze  kommen 
könnte.  Beides  sollte  dem  persönlichen  Vorteil  des  Bischofs 
von  Gurk  dienen.  Gesetzt,  sein  Streben  hätte  sich  erfüllt, 
wäre  dann  das  Ziel,  das  seine  Winkelzüge  mehr  vermuten 
Hessen  als  offen  darlegten,  erreicht  worden,  das  einer  deut- 
schen Nationalkirche?  Bis  zu  einem  gewissen  Grade  wird 
diese  Frage  zu  bejahen  sein,  vergessen  wir  jedoch  nicht  als- 
bald hinzuzufügen,  dass  die  deutsche  Nationalkirche  unter 
Matthäus  Lang  nicht  der  entsprochen  hätte,  um  derentwillen 
bessere  als  er  sich  gemüht,  die  tüchtigere  Männer  als  er  ins 
Auge  gefasst  hatten.  Diese  Kirche  hätte  nicht  leisten  können 
was  so  viele  von  ihr  erwarteten,  nicht  sich  aufbauen  können 
auf  jener  Sittlichkeit,  die  auch  dem  kirchenpolitischen  End- 
zweck eignen  muss,  wenn  anders  er  erreicht  werden  und 
dauernden  Besitz  eines  Volkes  begründen  will. 

Wir  haben  nicht  mit  „Wenn"  und  „Aber"  zu  rechnen,  — 
kein  Schade  wahrlich,  dass  dies  letzte  der  mittelalterlichen 
Projekte  scheiterte,  nicht  allein  um  des  Widerstrebens  der 
Kurie  willen,  sondern  auch  deshalb,  weil  Matthäus  Lang  in 
einem  nicht  minder  ehrgeizigen  Kirchenfürsten,  dem  Erzbischof 
von  Magdeburg  und  Mainz,  zugleich  Bischof  von  Halberstadt, 
Albrecht  von  Brandenburg  (f  1545),  einen  Nebenbuhler  erhielt, 

der  Entwurf  stamme  aus  der  kaiserlichen  Kanzlei  und  sieht  in  Wimphe- 
ling  den  Urheber.  J.  Knepper  (Wimpfeling  S.  267  Anm.  3)  und  P.  Kal- 
koff (Zeitschrift  für  die  Geschichte  des  Oberrheins  N.  F.  XIII,  S.  87) 
suchen  ihn  in  Jacob  Spiegel. 


Pläne  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  und  Max'  I.  133 

auf  den  Maximilian  I. ,  um  der  Kaiserwahl  seines  Enkels  willen, 
„den  alten  Plan  des  permanenten  deutschen  Legaten  a  latere 
übergehen  Hess"  x).  Es  erübrigt  sich,  auf  die  Einzelheiten  der 
zu  einem  gordischen  Knoten  sich  verwirrenden  Fäden  von 
Forderungen  und  Begehren,  Verhandlungen  und  geheimen  Ab- 
machungen einzugehen;  sie  fielen  mit  jenen  Ereignissen  zu- 
sammen, die  eine  schwierigere  Aufgabe  zur  Lösung  stellten, 
die  der  Auseinandersetzung  mit  Martin  Luther  und  seinem 
Angriff  auf  die  alte  Kirche,   ihre  Lehre  und  ihre  Verfassung. 


*)  A.  Schulte  a.  a.  0.  S.  213.  —  Ob  es  mit  dem  Fehlschlag  Längs 
zusammenhängt,  dass  im  Jahre  1520  der  letzte  Teil  des  Gutachtens  von 
Wimpheling  (vgl.  oben  S.  124  Anm.  1,  S.  126  Anm.  1)  nicht  durch  Jacob 

Spiegel  veröffentlicht  wurde? 


Siebenter  Abschnitt. 

Populäre  und  humanistische  Gedanken.  — 
M.  Luther  und  die  evangelischen  Landeskirchen.  — 
Die  katholische  Kirche  der  Neuzeit  und  Pläne 
einer  deutschen  Nationalkirche  kath.  Glaubens. 


Das  Mittelalter  —  noch  hat  niemand  eine  bessere  Be- 
zeichnung vorzuschlagen  vermocht  —  liegt  hinter  uns  und 
mit  ihm  seine  Gedanken  und  Ansätze  zum  grossen  Werke 
einer  deutschen  Nationalkirche.  Im  12.  Jahrhundert  waren 
sie  erstmals  umschrieben  worden,  dann  hatte  die  Periode  der 
Reformkonzilien  sich  ihnen  genähert,  und  endlich,  um  die 
Wende  des  15.  und  16.  Jahrhunderts,  erwiesen  sich  ein  Publi- 
zist und  unter  dem  Deckmantel  des  kaiserlichen  Namens  der 
Bischof  von  Gurk  als  ihnen  geneigt.  Sie  waren  damit  noch 
nicht  Allgemeingut  des  ganzen  Volkes  geworden,  nicht  zufällig 
aber  begegnen  sie  nun  auch  in  solchen  Lebenskreisen,  die  bis- 
lang nicht  zu  Worte  gekommen  waren.  Sie  wurden  zum  Be- 
standteil jener  Strömungen,  die  das  Hervorbrechen  des  populären 
Nation algefühls  ankündeten  und  vorbereiten  halfen.  Einst, 
im  Zeitalter  der  Ottonen,  war  der  Erwerb  der  römischen  Kaiser- 
krone durch  den  Sachsenkönig  das  erste  Anzeichen  gewesen 
für  das  innere  Erstarken  gerade  der  Deutschen  zu  einem 
Staate.  Jetzt  lehrte  der  Ruf  nach  Befreiung  von  Rom,  dass 
die  Nation  begann,  ihrer  selbst  sich  bewusst  und  mündig 
zu  werden.  Noch  galt  das  römische  Kaisertum  als  Erbgut 
der  Nation,  das  römische  Papsttum  hingegen  und  seine  Kurie 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  135 

sollten  abgeschüttelt  werden.  Noch  ahnte  man  nicht,  dass 
Imperium  und  Sacerdotium  auch  künftig  auf  einander  an- 
gewiesen seien,  dass  beide  das  gleiche  Mass  der  Schuld  an 
den  Zuständen  der  Gegenwart  belaste.  Dürftig  genug  war  die 
Einsicht  in  die  Natur  des  Staates,  seine  Lage  und  Bedürfnisse ; 
immer  noch  war  die  Religion  die  Macht,  die  vornehmlich  das 
Gemüt  des  einzelnen  erfüllte.  Härter  und  drückender  al- 
Schäden  des  Reiches  empfand  man  deshalb  die  eines  Kirchen - 
tums,  das  dank  seiner  Verwaltung  nicht  mehr  den  Ansprüchen 
nach  gesteigerter,  verinnerlichter  Betätigung  des  Glaubens  und 
frommer  Werke  Genüge  tat,  dem  es  an  der  Kraft  gebracb, 
der  Erregung  weiter  Kreise  über  seinen  Verfall  vorzubeugen 
oder  auch  nur  ihrer  Herr  zu  werden. 

Begreiflich,  dass  der  Gedanke  einer  selbständigen  deutschen 
Nationalkirche  jetzt  häufiger  nachweisbar  ist  als  vordem  — 
gewann  er  an  Nachdruck,  so  konnte  freilich  das  Bild  der 
Kirche,  die  aufgerichtet  werden  sollte,  an  Klarheit  der  Um- 
risslinien verlieren  — ,  dass  er  nun  auch  an  Stellen  auftauchte, 
die  untereinander  kaum  geistige  Fühlung  besassen.  Einmal 
nämlich  tritt  er  in  den  weitverbreiteten  Weissagungen  ent- 
gegen, Erzeugnissen  der  populären  Literatur,  die  gerade  an 
den  kleinen  Mann  im  Volke  sich  wandten,  um  ihn  zu  schrecken 
und  zu  erregen,  um  seine  Erwartungen  zu  steigern  und  da- 
durch wiederum  seine  Stimmungen  den  Nachlebenden  zu  ent- 
hüllen 1).  Die  Visionen  der  hl.  Hildegard  von  Bingen,  die  vor 
Zeiten  den  Zerfall  der  Kirche  geschaut  hatte,  waren  nicht  ver- 
gessen 2).  Nun  las  man  dazu  neue  Mären  von  jenem  römischen 
Kaiser,  der  nicht  allein  Frankreich  zerstören,  sondern  auch 
ein  deutsches  Patriarchat  zu  Mainz  gründen  und  diesem  auf 
einem  Konzil  zu  Aachen  das  „ Recht  der  ganzen  deutschen 
Kirche",  d.  h.  doch  wohl  ihre  Oberleitung,  übertragen   werde. 


')  Zum  Folgenden  vgl.  J.  von  Dö Hing  er,  Kleinere  Schriften 
S.  533  ff.,  bes.  S.  546  f.  555  (nach  ihm  auch  die  folgenden  Verweise). 
F.  von  Bezold,    Geschichte  der  deutschen  Reformation  S.  180. 

2)  Vgl.  oben  S.  19  Anm.  2. 


136  "YVerminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Dann  würden  die  deutschen  Länder  und  Völker  hoch  erhoben 
und  geehrt  werden.  Sie  würden  leben  mit  ihrem  neuen  Hirten, 
vielleicht  also  unter  dem  zum  Papst  zu  erhebenden  Patriarchen 
von  Mainz,  und  mit  ihrem  Kaiser  den  allerletzten  Kreuzzug 
unternehmen  *).  Oder  man  las  die  Prophezeiung,  die  im  Jahre 
1409  ein  Priester  in  Amberg,  Johann  Wünschelburg,  von  der 
Kanzel  herab  verkündet  haben  sollte:  „Die  Deutschen  werden 
einen  Kaiser  wählen  aus  dem  Rheinland.  Der  wird  zu 
Aachen  ein  weltliches  Konzil  veranstalten,  einen  Patriarchen 
in  Mainz  einsetzen,  der  zum  Papst  gekrönt  werden  wird.  Der 
gewählte  Kaiser  wird  seinen  Gegner"  —  den  Kaiser  vom 
Süden,  wie  er  kurz  zuvor  genannt  wird  —  „angreifen  und 
töten.  Um  Rom  wird  man  sich  hinfort  nicht  kümmern,  den 
apostolischen  Stuhl  unterdrücken.  Alles  geistliche  Wesen 
wird  von  Mainz  ausgehen.  Man  wird  die  Kirche  ihres  Be- 
sitzes berauben  und  die  Priester  töten"  2).    Auch  die  Phantasie 


x)  Aus  der  Prophezeiung  des  angeblich  um  das  Jahr  1390  lebenden 
Gamaleon  kommt  hier  folgende  Stelle  in  Betracht :  .  .  .  proferet  vexillum 
suum  Romanorum  Caesar  de  campo  liliorum  et  Romam  expugnabit  et 
capiet  regem  de  campo  Gambalza  et  interficiet  dominos  ac  tyrannos 
dignitatesque  Romani  imperii  et  omnino  eiiciet,  quod  in  posterum  illius 
regni  nulla  praeterquam  Germani  imperii  mentio  futura  sit.  Exurgent 
autem  multae  haereses  et  offensiones  per  totam  orbis  divisionem  et  omnia 
feuda  a  Germanico  Caesare  conferentur  et  clerus  ad  nascentis  ecclesiae 
paupertatem  ac  simplicitatem  concedente  Deo  redigetur.  Et  sicut  Roma, 
ita  Germanicae  regiones  deglubent.  Et  cum  multa  de  patriarcha  Mogun- 
tino  eo  tempore  futuro  locutus  fuisset  (seil.  Gamaleon),  cui  totius  Germa- 
nicae ecclesiae  ius  conferatur  in  concilio  Aquisgrani  celebrando,  tandem 
subiieit:  Et  sub  isto  Caesare  Germanicae  regiones  ac  nationes  exalta- 
buntur  ac  honorabuntur  et  Judaei  in  omnibus  terris  affligentur,  postea 
Germani  Christiane  vivent  cum  novo  futuro  pastore  et  erit  tum  magna 
et  ultima  in  terram  sanetam  expeditio ;  WolfgangLazius,  Fragmentuni 
vaticinii  cuiusdam  ut  coniieitur  Methodii  episcopi  ecclesie  Paterensis  et 
martyris  Christi,  Vindobonae  1547,  fol.  Hij  verso.  Leider  hat,  wie  schon 
Döllinger  a.  a.  0.  S.  547  bemerkt,  der  Herausgeber  die  Prophetie  ge- 
kürzt und  gerade  an  der  uns  interessierenden  Stelle. 

2)  J.  "Wolf,  Lectiones  memorabiles  et  reconditae  I  (Francofurti 
ad  Moenum  1671),  p.  615  (Döllinger  a.  a.  0.  S.  553  Anm.  3  zitiert  die 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  137 

ist  zollfrei,  nur  dass  auch  sie  eine  Macht  darstellt,  geeignet, 
die  öffentliche  Meinung  zu  beeinflussen  gleich  jenen  „Traume" 
des  Hans  von  Hermansgrün,  der  im  Jahre  1405  auf  ein 
deutsches  Patriarchat  von  der  Fürsten  Gnaden  hingewiesen 
hatte  1). 

Klarere  Vorstellungen,  erwachsen  aus  dem  Ingrimm  über 
den  Druck  der  Gegenwart  und  auf  greifbare  Gestaltung  einer 
besseren  Organisation  gerichtet,  erfüllten  Ulrich  von  Hütten 
(t  1523),  der  ihnen  durch  Schrift  und  Wort  Nachhaltig- 
keit und  Verbreitung  zu  sichern  wusste.  Wie  im  Jahre  1518, 
dem  des  Augsburger  Reichstags,  ein  Flugblatt  den  deutschen 
Fürsten  zugerufen  hatte,  der  deutschen  Freiheit  zu  gedenken, 
nicht  tributpflichtig  zu  werden  und  keine  Zehnten  nach  Rom 
zu  zahlen2),  so  predigte  im  Jahre  1520  der  Dialog  des  frän- 
kischen Ritters  „Von  der  römischen  Dreifaltigkeit"  mit  genialer 
Bosheit  und  Treffsicherheit  die  Verderbnis  der  kirchlichen  Ver- 
waltung, dank  der  immer  je  drei  Missstände  zusammen  ihren 
Sitz  in  Rom  an  der  Kurie  aufgeschlagen  hätten  und  von  dort 
nach  Deutschland  drängen.  In  patriotischem  Zorn  fordert  der 
eine  Sprecher,  Ernhold,  dass  alle  Deutschen  in  Eintracht 
und  mit  würdigem  Ernst  das  römische  Joch  abwürfen,  um 
der  angestammten  Freiheit  sich  wieder  anzunehmen,  dass  man 


Ausgabe  v.  J.  1600,  I,  p.  728):  Armatus  vir  est  imperator,  qui  veniet 
a  meridie,  qui  incipiet  malum  ecclesiae  et  malum  habebit  ortum.  Ille 
a  papa  coronabitur  et  maiorem  Italiam  sibi  subiugabit  et  auferet  pote- 
statem  a  Teutonicis.  Et  hi  Teutonici  eligent  sibi  imperatorem  de 
Alemannia  alba,  id  est  Rheno,  et  ille  faciet  in  Aquisgrano  concilium 
seculare  et  ponet  patriarcham  in  Moguntiam,  qui  coronabitur  in  papam. 
Et  imperator  electus  invadet  alium  imperatorem  et  occidet  eum  et 
Roma  non  curabitur  et  sedes  apostolica  cooperietur.  Et  omnis  spiri- 
tualitas  exibit  a  Moguntia  et  possessionem  auferent  ab  ecclesia  et  occi- 
dentur  sacerdotes  etc. 

J)  S.  oben  S.  118  ff. 

2)  Ueber  die  Oratio  dissuasoria  (gedr.  u.  a.  bei  E.  Bock  in  g,  Ulrichs 
von  Hütten  Schriften  V,  Leipzig  1862,  S.  168  ff.)  vgl.  B.  Gebhardt, 
Gravamina  2  S.  95  ff. 


138  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

selbst  das  Haupt  aller  Römlinge  beseitigte.  Hütten  hingegen, 
sein  Widerpart,  ist  zwar  einverstanden  mit  der  Forderung  auf 
Befreiung,  noch  aber  tritt  er  für  ein  sichtbares  Haupt  der 
Kirche  ein;  es  sei  heilbar,  möchte  gleich  die  notwendige  Kur 
recht  schmerzhaft  sein.  Als  Ernhold  zum  zweiten  Male  darauf 
besteht,  das  kranke  Haupt  zu  beseitigen,  da  antwortet  Hütten, 
vielleicht  in  bitterer  Ironie,  den  Papst  dürfe  man  nicht  ent- 
fernen, aus  welchem  Grunde  es  die  Welt  auch  tun  möchte, 
und  zwar  um  der  Dekrete  und  des  geistlichen  Rechtes  willen, 
mit  denen  es  leicht  sei,  jede  Anfechtung,  selbst  ein  Konzil, 
zurückzuschlagen  *).  Ein  Brief  sodann  aus  demselben  Jahre  1520 
lässt  einen  weiteren  Blick  tun  in  Huttens  Gedankenwelt.  Er 
berichtet  vom  Besuche  des  streitbaren  Ritters  in  Köln,  dazu 
von  Fragen,  die  er  seinen  Freunden  vorgelegt  habe:  „Was 
haben  wir  denn  Teil  an  den  Römern  oder  was  ist  unser 
Erbe  am  römischen  Bischof?  Gibt  es  nicht  in  Deutschland 
Primaten  und  Bischöfe,  sodass  wir  nur  zu  unserer  Unehre  dem 
römischen  Bischof  im  Fusskuss  uns  unterwerfen?  Deutschland 
verlasse  Rom;  es  kehre  zurück  zu  seinen  Primaten,  Bischöfen 
und  Hirten" 2).    Hütten  verlangte  demnach  ebenfalls  eine  Ver- 


J)  Der  Dialog  findet  sich  bei  E.  Böcking,  Ulrichs  von  Hütten 
Schriften  IV  (Leipzig  1860),  S.  145  ff.;  hier  genügt  ein  Verweis  auf  seine 
Uebersetzung  durch  D.  Fr.  Strauss,  Ulrich  von  Hütten  III  (Leipzig 
1860),  S.  135  f.  156.  173.  177;  s.  ebd.  S.  103  f.  122.  152  ff.  182  ff.,  während 
die  übrigen  Dialoge,  weil  zum  Teil  nach  Luthers  Schrift  veröffentlicht, 
hier  nicht  mehr  in  Betracht  kommen.  —  Ueber  den  Dialog  Huttens  und 
das  Verhältnis  von  Luthers  Schrift  x4n  den  christlichen  Adel  deutscher 
Nation  zu  ihm  vgl.  W.  Köhler,  Luthers  Schrift  An  den  christlichen 
Adel  Deutscher  Nation  S.  286  ff.  303  ff. 

2)  Vgl.  den  Brief  des  Agrippa  von  Nettesheim  vom  16.  Juni  1520, 
in  dem  es  heisst :  Fuit  hie  (d.  h.  in  Köln)  apud  nos  Huttenus  cum  aliquot 
Lutheranae  factionis  asseclis,  qui  nunc  in  curtesanos  ut  vocant  Romanos- 
que  legatos  calamum  stringunt,  ipsi  etiam  Romano  pontifici  infensi  magnas 
seditiones,  ni  Deus  provideat,  concitaturi,  dum  singulos  Germaniae  prin- 
cipes  et  potentatus  magnis  persuasionibus  adhortantur,  ut  excutiant 
Romanum  iugum,  quemadmodum  populus  Israel  olim  excussit  iugum 
domus  David  recesseruntque   decem  tribus  Israel  domo  David   usque   in 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit. 

selbständigung  des  deutschen  Kirchen wesens;  Primaten  und 
Bischöfe  sollten  seine  Häupter  sein.  Hatte  nicht  auch  Jacob 
Wimpheling  in  seinem  Gutachten  vom  Jahre  1510  an  die  deut- 
schen Primaten  erinnert?  Dem  elsässischen  Gelehrten  allerdings 
war  die  Freudigkeit  zu  einem  kirchlichen  Neubau  unbekannt1); 
er  lebte  in  historischen  Erinnerungen,  während  Huttens  Worte 
beflügelt  wurden  durch  die  Energie,  die  sich  das  Ziel  gesetzt 
hatte.  Schon  wussten  einige  Fürsten  und  Städte  um  solche 
Pläne;  sie  erfuhren  aufs  neue  von  ihnen  durch  Luthers 
Schrift  „An  den  christlichen  Adel  Deutscher  Nation  von  des 
christlichen  Standes  Besserung". 

Es  bleibe  dahingestellt,  ob  Luther  durch  seinen  Freund 
Georg  Spalatin,  in  dessen  Nachlass  das  Gutachten  Wimphe^- 
lings  überliefert  ist2),  von  diesem  Kunde  erhielt3),  nicht  minder, 
bis  zu  welchem  Grade  er  von  Hütten  beeinflusst  war.  Ebenso 
möglich  ist  doch,  dass  er  Gedanken  Aufnahme  gewährte,  an 
denen    ein    geistiges    Eigentum    deshalb    nicht    bestand,    weil 


diem  hane  dicentes:  ,Quae  est  pars  nostra  in  David  vel  quae  haereditas 
in  filio  Israel?  Vade  in  tabernacula  tua,  Israel'  (3.  Reg.  12,  16).  Sic 
et  isti  clamant:  ,Quäe  est  pars  nostra  inter  Romanos  aut  quae  haere- 
ditas nostra  in  episcopo  Romano?  Numquid  non  sunt  primates  et  epi- 
scopi  in  Germania,  ut  usque  ad  pedum  oscula  indigne  subiiciamus  nos 
episcopo  Romano  ?  Relinquat  Romanos  Germania  et  revertatur  et  iam 
revertetur  et  convertatur  ad  primates  et  episcopos  et  pastores  suos.' 
Vides,  quorsum  ista  tendunt  et  iam  principes  aliquot  et  res  publicae  istis 
aures  praebent.  Quid  Caesaris  valitura  sit  autoritas  nescio;  ego  certe 
contemplatus  hominem  totum  Saturnium  nihil  in  illo  bonae  spei  reposi- 
tum  habeo;  ipsa,  quae  sequuntur,  tempora  docebunt,  qualem  nobis  elegi- 
mus  Caesarem;  E.  Böcking,  Ulrichs  von  Hütten  Schriften  I  (Leipzig 
1859),  S.  359  f.  n.  175;  Th.  Kolde,  Luthers  Stellung  zu  Konzil  und 
Kirche  bis  zum  Wormser  Reichstag  1521  (Gütersloh  1876),  S.  75  Anm.  2; 
W.  Köhler  a.  a.  0.  S.  165. 
')  S.  oben  S.  130. 

2)  Vgl.  H.  Ulmann:  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  III,  S.  218. 

3)  So  vermutet  K.  Benrath  in  seiner  Bearbeitung  von  Luthers 
Schrift  An  den  christlichen  Adel  u.  s.  w.  (Halle  1884),  S.  98  Anm.  45; 
vgl.  aber  auch  P.  Kalk  off,  Aleander  gegen  Luther  S.  116  Anm.  2. 


140  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

sie  die  von  kirchenpolitisch  bewegten  Kreisen  waren,  deren 
mündliche  Erörterungen  des  Eindrucks  auf  Luther  nicht  ent- 
behrten l).  Wie  immer  man  sich  entscheiden  mag,  wichtiger  ist 
die  Tatsache:  auch  Luther  glaubte  fürs  erste  an  die  Möglich- 
keit einer  deutschen  Nationalkirche.  Auch  hierin  machte  er  sich 
zum  Sprecher  für  die  Wünsche  seines  Volkes  und  die  Meinungen 
seiner  Zeitgenossen,  freilich  um  sie  selbst  erst  mit  seinem 
eigenen  Geist  zu  beleben  und  zu  erfüllen.  „Man  möchte 
gönnen,"  schrieb  er2),  „dass  Sachen,  die  da  Lehen  oder 
Pfründen  betreffen,  vor  Bischöfen,  Erzbischöfen,  Primaten  ver- 
handelt werden.  Darum,  wo  es  sein  möchte,  zu  scheiden 
Hader  und  Kriege,  cfass  der  Primat  in  Germanien  ein  gemein 
Konsistorium  hielte  mit  Auditoren,  Kanzlern,  die,  wie  zu  Rom, 
signaturas  gratiae  und  iustitiae  regierten  3),  zu  welchem  durch 
Appellation  die  Sachen  in  deutschen  Landen  würden  ordentlich 
gebracht  und  getrieben;  welche  man  nicht,  wie  zu  Rom,  mit 
freiwilligen  Gaben  und  Geschenken  besolden  müsste  .  .  .  Aber 
diese  könnte  man  besolden  von  den  Annaten  oder  sonst  einen 
Weg  erdenken,  wie  denn  wohl  mögen  Solche,  die  hoch- 
verständiger und  in  den  Sachen  besser  erfahren,  denn  ich 
bin.  Ich  will  nur  angeregt  und  Ursache  zum  Denken  gegeben 
haben  denen,  die  da  vermögen  und  geneigt  sind,  deutscher 
Nation  zu  helfen,  wiederum  Christen  und  frei  zu  werden 
nach  dem  elenden,  heidnischen  und  unchristlichen  Regiment 
des  Papstes." 


*)  Vgl.  W.  Köhler  a.  a.  0.  S.  165  ff.,  bes.  S.  167. 

2)  Weimarer  Ausgabe  VI,  S.  430  f. ,  hier  wiedergegeben  nach  der 
Bearbeitung  von  K.  Benrath  a.  a.  0.  S.  33  f.;  vgl.  dazu  H.  Hermelink: 
Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  XXIX  (1908),  S.  283.  P.  Drews,  Ent- 
sprach das  Staatskirchentum  dem  Ideale  Luthers?  (Ergänzungsheft  der 
Zeitschrift  für  Theologie  und  Kirche  1908),  S.  25. 

3)  Man  möchte  damit  eine  Aeusserung  Luthers  verbinden,  die  in 
Erinnerung  an  seine  Reise  nach  Rom  getan  ist:  „Nichts  ist  da  zu  loben 
denn  das  Consistorium  und  Curia  Rotä,  da  die  Händel  und  Gerichts- 
sachen fein  regelmässig  gehört,  erkannt,  gerichtet  und  geörtert  werden" ; 
angeführt  von  A.  Hausrath,  Luthers  Leben  I  (Berlin  1904),  S.  85. 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  141 

Luthers  Schrift  vom  Jahre  1520,  der  die  angeführten 
Sätze  entnommen  sind,  war  sein  Weckruf  an  die  weltliche 
christliche  Obrigkeit  in  deutschen  Landen,  der  Reform  der 
Kirche  sich  anzunehmen,  deren  Leitung  sie  bisher  nicht 
hatte  durchführen  können.  Vor  dem  Auge  des  Reformators 
steht  klar  die  unabweisliche  Notwendigkeit  der  Besserung. 
Mit  hinreissender,  packender  Gewalt  umschreibt  er  die  Mittel, 
durch  die  sie  in  die  Wege  geleitet,  die  Stellen,  an  denen 
sie  begonnen  werden  soll.  Nebensächlicher  dünken  ihm  die 
Ordnungen  des  Neubaues,  der  die  alte  und  verderbte  Kirche 
ersetze.  Noch  sollen  auch  fürderhin  der  Primas  —  vielleicht 
dachte  er  hierbei  wie  Hans  von  Hermansgrün  im  Jahre  1495 
an  den  Erzbischof  von  Magdeburg1)  — ,  sollen  die  Erzbischöfe 
und  Bischöfe  ihres  Amtes  walten.  Noch  finden  selbst  die  an 
Zahl  freilich  verminderten  Kardinäle,  die  verkleinerte  Kurie 
und  endlich  sogar  der  Papst  Gnade.  „Doch  dass  er  nicht  klage, 
er  werde  seiner  Herrschaft  beraubt,"  heisst  es  kurz  vor  den 
obigen  Worten2),  „sollte  verordnet  werden,  dass,  wo  die  Pri- 
maten oder  Erzbischöfe  nicht  möchten  eine  Sache  ausrichten  oder 
unter  ihnen  sich  ein  Hader  erhöbe,  dass  alsdann  derselbe  dem 
Papst  würde  vorgetragen,  und  nicht  eine  jegliche  kleine  Sache, 
wie  vor  Zeiten  geschah  und  das  hochberühmte  Konzil  zu  Nicäa 


1)  Vgl.  oben  S.  117. 

2)  Weimarer  Ausgabe  VI,  S.  428  f.  (Benrath  S.  32);  andere  Stellen 
über  den  Papst  verzeichnet  P.  Drews  a.  a.  0.  S.  27  Anm.  1,  z.  B.  Wei- 
marer Ausgabe  VI,  S.  415 :  Nu  solt  sein  ampt  nichts  anders  sein,  dan 
teglich  weynen  vnnd  beten  für  die  Christenheit  vnd  ein  exempel  aller 
demut  furtragen ;  S.  433 :  Es  gepurt  nit  dem  Bapst ,  sich  zurheben  vbir 
weltliche  gewalt,  den  allein  in  geistlichen  ampten,  als  do  sein  predigen 
vnnd  absoluieren;  S.  434:  Wie  solt  bestan  bey  einem  keysserthum  zu 
regieren,  predigen,  beten,  studiern  vnnd  der  armen  wartenn,  wilch  ampt 
auffs  aller  eyentlichst  dem  Bapst  zustehen.  Zu  Luthers  Ansicht  über  das 
Amt  des  Papstes  vgl.  Huttens  Gespräch  „Der  Warner"  (I)  in  der  Ueber- 
setzung  von  D.  Fr.  Strauss,  Ulrich  von  Hütten  III,  S.  272  ff.  276  ff. ^ — 
Nicht  zu  behandeln  ist  hier  die  Stellung,  die  Luther  dem  Konzil  zu- 
gebilligt wissen  wollte;  vgl.  darüber  W.  Köhler  a.  a.  0.  S.  315  ff. 


142  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

gesetzt  hat;  was  aber  ohne  den  Papst  kann  ausgerichtet  werden, 
dass  seine  Heiligkeit  nicht  mit  solchen  geringen  Sachen  be- 
schwert werde,  sondern  ihres  Gebetes  und  Studierens  und  Sorgens 
für  die  ganze  Christenheit,  wie  er  sich  rühmet,  warten  möge", — 
ein  Papsttum  göttlichen  Rechtes  freilich  konnte  Luther  seit 
der  Leipziger  Disputation  vom  Jahre  1519  nicht  mehr  aner- 
kennen *).  Es  wäre  falsch ,  in  Luthers  Ausführungen  das 
System  für  das  Verfassungsrecht  einer  neuen  Kirche  suchen 
zu  wollen.  Nicht  auf  das  Recht  der  Kirche  kam  es  ihm  an, 
sondern  auf  den  Glauben,  der  alle  ihre  Mitglieder  erfüllen, 
ihre  Tätigkeit  adeln  und  heiligen  soll.  Er  sah,  dass  die  Kirche, 
der  auch  er  gedient  hatte,  abgefallen  war  von  dem  Prinzip, 
das  ihr  Daseinsberechtigung  gewährte,  vom  christlichen  Glauben, 
dass  sie  einseitig  beschäftigt  war  mit  der  Ausgestaltung  ihres 
Rechtes  und  seiner  Aeusserungsformen ,  der  Verfassung  und 
Verwaltung.  Dieser  Kirche,  die  auf  ihr  Recht  sich  stützte, 
stellte  er  seine  Kirche  als  auf  den  Glauben  begründet  gegen- 
über; er  allein  sollte  ihr  Wesen  und  ihre  Wirksamkeit  aus- 
machen. Dieser  Glaube,  wie  Luther  ihn  lehrte,  bedurfte  nicht 
mehr  der  Vermittlung  durch  eine  Hierarchie,  nicht  der  Normen 
für  die  sichtbare  Kirche.  Unmittelbar  sollte  jeder  Christ, 
wes  Berufes  oder  Standes  immer  er  wäre,  im  Glauben  und 
durch  ihn  mit  Gott  verbunden  sein.  Keine  Mittelspersonen  auf 
Grund  besonderer  Vollmacht  sollten  mehr  zwischen  das  Ge- 
schöpf und  den  Schöpfer  treten.  Alle  Christen  sind  zugleich 
Priester.  Sie  in  ihrer  Gesamtheit  bilden  die  unsichtbare 
Kirche,  in  der  allein  das  mit  allen  geistlichen  Rechten  aus- 
gestattete Amt  des  Pfarrers  in  jeder  Gemeinde  unentbehrlich 
scheint2). 

Luthers  Lehre,  deren  weitere  Ausgestaltung  hier  nicht  zu 
verfolgen  ist,  traf  den  Wesenskern  der  katholischen  Kirche 
als  einer  Sakramentskirche,    als  einer  rechtlich  umschriebenen 


J)  Vgl.  A.  Hausrath,  Luthers  Leben  I,  S.  292.  301  ff.  317  ff.  348  ff. 
2)  Vgl.  P.  Drews  a.  a.  0.  S.  25  ff. 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  143 

Organisation.  Sie  hatte  den  Klerus  vom  Laienstand  gesondert 
und  über  ihn  erhoben,  die  einzelnen  Stufen  des  Klerus  nach 
Befugnissen  und  Pflichten  in  Beziehung  gesetzt  zu  ihrem  Ober- 
haupt, das  Christus  selbst  für  sie  angeordnet  haben  sollte. 
Diese  in  ihrem  Klerus  sichtbare  Kirche  hatte  sich  gegenüber 
dem  Staate  verselbständigt,  ihn  überflügelt  und  zu  ihrem  Diener 
gemacht.  Nun  wandte  sich  Luther  eben  an  den  Staat  und  sein 
Gewalten,  an  die  Ritter,  die  niederen  und  hohen  Fürsten  im 
Keiche  und  den  Kaiser 1).  Dieser  Adel  —  Luther  nannte  ihn 
den  christlichen,  weil  er  bei  ihm  die  rechte  christliche  Gesinnung 
voraussetzte2)  —  sollte  ihm  helfen  bei  dem  grossen  Werke;, 
war  er  doch  ausgestattet  mit  kirchlichen  und  kirchenh  oh  ert- 
lichen Gerechtsamen,  sah  er  sich  doch  allenthalben  eingeengt 
durch  die  allgemeine  Kirche,  die  dank  ihrer  Einwurzelung  in 
das  weltliche  Getriebe  vom  rechten  Glauben  abgewichen  war. 
Auch  hier  also  ein  Gegensatz  zwischen  Luther  und  der  Papst- 
kirche, die  jedem  Eingriff  des  Staates  in  ihre  Betätigung  wider- 
strebte, ohne  ihrerseits  die  Grenzlinie  zwischen  geistlichem  und 
weltlichem  Wesen  innezuhalten.  Luther  setzte  seine  Hoffnung  auf 
das  Kaisertum,  über  das  der  Papst  keine  Gewalt  habe3),  und 
auf  dessen  Inhaber,  der  unter  dem  Druck  der  Erregung  des  deut- 
schen Volkes  beim  Wahlgange  den  französischen  Nebenbuhler 
aus  dem  Felde  geschlagen  hatte,  —  und  seine  Hoffnung  wurde 
zu  Schanden,  musste  es  werden.  Karls  V.  Weltstellung  be- 
ruhte auf  der  Uebereinstimmung  mit  der  katholischen  Kirche. 
Für  ihn  war  Deutschland  nur  eines  der  Länder,  die  seine 
Universalmonarchie  umspannte.  Er  konnte  nicht  deutscher 
Kaiser  sein,  da  er  sonst  auf  die  Niederlande,  Italien  und 
Spanien  hätte  verzichten  müssen.  Sein  Platz  als  des  römischen 
Kaisers  war  neben  dem  des  römischen  Papstes.  Im  Jahre  1531 
schrieb    der    päpstliche    Nuntius   Aleander   nach   Rom:    „Gott 


1)  Vgl.  K.  Müller,  Kirchengeschichte  II,  S.  244  Anm.  2. 

2)  Vgl.  P.  Drews  a.a.O.  S.  19  ff. 

3)  Vgl.  Weimarer  Ausgabe  VJ,  S.  405  f.  433  f.  (B  e  n  r  a  t  h  S.  4  f.  37  f.). 


144  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

sei  Dank,  dass  er  uns  einen  so  katholischen  Fürsten  gegeben 
hat;  wenn  wir  in  diesen  Zeiten  einen  Friedrich  Barbarossa, 
einen  Ludwig  den  Bayern  oder  einen  Heinrich  IV.  zum  Kaiser 
gehabt  hätten,  so  würden  wir  von  der  Christenheit",  d.  h.  von 
der  katholischen  Kirche  in  Deutschland,  „nur  wenig  mehr 
übrig  haben"  1).  Wie  oft  auch  Karl  V.  und  die  Nachfolger 
Petri  im  Zusammenprall  der  politischen  Interessen  sich  be- 
fehdeten, wie  oft  die  kirchenpolitischen  Ziele  des  Habsburgers 
denen  des  Mediceers  Clemens  VII.  (1523—1534)  oder  des 
Farnese  Paul  III.  (1534 — 1549)  nicht  entsprachen:  schliess- 
lich war  es  der  Vogt  der  katholischen  Kirche,  der  Kaiser, 
der  den  Abfall  der  ganzen  Nation  von  ihr  und  ihrem  Papst- 
tum verhinderte,  jener  Nation,  von  der  gegen  Ende  seines 
Lebens  etwa  neun  Zehntel  zur  neuen  Lehre  sich  bekannten2). 
Damit  war  zugleich  das  Schicksal  der  Lehre  Luthers  be- 
siegelt. Verkündet  mit  dem  Schwung  eines  Idealismus,  der 
die  Welt  und  ihr  Recht  überwunden  hatte,  bedurfte  auch  sie 
gleichwohl  einer  Schirmvogtei ,  des  Schutzes  durch  die  Welt, 
wenn  sie  bestehen  und  dauernder  Besitz  der  Nation  verbleiben 
sollte.  Das  Geheimnis  der  Religion,  im  letzten  Grunde  ein  höchst- 
persönliches, bedarf,  um  nicht  dem  Spiel  der  individuell  ver- 
schieden gestalteten  Gedanken  einzelner  Menschen  anheimzu- 
fallen, der  schützenden  Dogmen,  einer  Gemeinde  von  Be- 
kennern  und  damit  wiederum  eines  Rechtes,  das  mit  seinen 
Normen  den  Glauben  umhegt  und  in  einer  kirchlichen  Ver- 
fassung eben  für  seine  Anhänger  zu  Tage  tritt.  Luther  hatte 
die   Christenheit  im   Auge    gehabt,   als    er    seinen   Ruf   nach 


*)  H.  Lämmer,  Jdonumenta  Vaticana  historiam  ecclesiasticam 
saeculi  XVI.  illustrantia  (Freiburg  i.  Br.  1861),  p.  87  n.  65  d.  d.  1531 
Nov.  19. 

2)  Vgl.  die  Aeusserung  des  venezianischen  Gesandten  Badoero  aus 
dem  Jahre  1557  —  von  den  Deutschen  seien  sieben  Zehntel  lutherisch, 
zwei  Zehntel  reformiert  oder  wiedertäuferisch,  das  letzte  Zehntel  katho- 
lisch —  bei  J.  von  Döllinger,  Ueber  die  Wiedervereinigung  der 
christlichen  Kirchen  S.  62  f. 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  145 

Reform  in  die  Welt  hinaussandte  —  auch  in  ihm  lebte  der 
universalistische  Gedanke  des  Mittelalters  fort1)  — ,  er  hatte 
dabei  zunächst  an  sein  Volk  als  an  einen  Mikrokosmus  der 
Christenheit  gedacht.  Nun,  da  sein  Evangelium  „Verstössen 
war  vom  Papst,  geächtet  vom  Kaiser,  missbraucht  vom  Adel, 
geschändet  von  den  Bauern ,  fand  es  Schutz  bei  den  Fürsten 
der  Heimat"2),  bei  jener  Macht  also,  die  emporgekommen 
war  im  Ringen  mit  dem  universalen  Kaisertum,  die  ihre  kirch- 
lichen Befugnisse  erweitert  und  gesichert  hatte  durch  den 
Bund  mit  dem  Papsttum  wider  den  reformbegeisterten  Epi- 
skopat des  15.  Jahrhunderts,  bei  der  partikularen  Fürstengewalt 
der  Landesherren,  die  neben  den  Vertretern  der  Reichsritter- 
schaft und  den  Reichsstädten  zum  neuen  Glauben  sich  bekannt 
hatten.  Ein  Notbehelf  des  Reformators,  dessen  Ideal  auf  Ge- 
meinden wahrhaftiger  Gläubigen  gerichtet  war,  nicht  auf  ein 
landesherrliches  Kirchenregiment3),  —  aber  allein  dieser  An- 
schluss  gewährte  die  Bürgschaften,  die  von  den  anderen  Macht- 
kreisen des  staatlichen  und  kirchlichen  Lebens  nicht  über- 
nommen werden  konnten  oder  nicht  übernommen  worden 
waren.  Mit  Recht  hat  Fr.  von  Bezold  gefragt4):  »Wohin 
sonst  hätte  sich  der  Reformator  wenden  sollen  als  an  jene 
Gewalten,    bei  welchen  allein    die   Neigung   und   zugleich   die 


*)  Vgl.  E.  Tröltsch:  Kultur  der  Gegenwart  I,  4,  herausg.  von 
P.  Hinneberg  (Berlin  und  Leipzig  1906),  S.  264;  s.  auch  W.  Köhler: 
Die  Religion  in  Geschichte  und  Gegenwart  I,  herausg.  von  F.  M.  Schiel  e 
(Tübingen  1909),  S.  2092  ff. 

2)  A.  Hausrath,  Luthers  Leben  II  (Berlin  1904),  S.  105;  vgl. 
auch  Fr.  von  Bezold,  Staat  und  Gesellschaft  des  Reformationszeit- 
alters S.  66  ff.  (Kultur  der  Gegenwart  II,  5,  1,  herausg.  von  P.  Hinne- 
berg, Berlin  und  Leipzig  1908). 

3)  Vgl.  P.  Drews  a.a.O.  S.  73  ff.  E.Brandenburg,  Martin 
Luthers  Anschauung  vom  Staate  und  der  Gesellschaft  (Halle  1901), 
S.  23  ff.,  aber  auch  H.  Hermelink:  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte 
XXIX  (1908),  S.  267  ff. 

4)  Geschichte  der  deutschen  Reformation  S.  562;  vgl.  auch  C.  B. 
Hundeshagen:  Zeitschrift  für  Kirchenrecht  III  (1863),  S.  246  ff. 

Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  1 0 


146  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Macht  zu  einem  augenblicklichen  Schutz  seines  Werkes ,  die 
Sache  Gottes  zu  finden  war?"  Damit  war  ein  Ausweg  be- 
schritten, dessen  Nachwirkungen  noch  in  unseren  Tagen  sichtbar 
sind.  Die  Wurzeln  der  landesherrlichen  Kirchen  reichen  hin- 
auf bis  ins  Mittelalter.  Sie  selbst  traten  zu  Tage  und  wurden 
Schöpfungen  des  Rechtes,  seit  im  16.  Jahrhundert  die  Landes- 
herren den  Glauben  ihrer  Untertanen  bestimmten.  Ihr  Dasein 
widerstrebt  an  sich  der  Bildung  einer  deutschen  Nationalkirche 
evangelischen  Glaubens,  gerade  aber  um  der  Vereinigung 
willen,  die  in  ihnen  für  Staat  und  Kirche  geschaffen  ist,  er- 
weisen sich  diese  Landeskirchen  als  notwendig  und  erspriess- 
lich.  Nur  ein  unhistorischer  Radikalismus  wird,  um  vermeint- 
licher Vorteile  willen,  die  Lösung  dieses  Bandes  zwischen  Staat 
und  Kirche  fordern.  Es  ist  unserem  Volke  eine  Vorbedingung 
des  konfessionellen  Friedens.  Dieses  Band  zerreissen  hiesse  den 
alten  und  stets  neuen  Bestrebungen  der  römisch-katholischen 
Kirche  nach  Alleinherrschaft  ihres  Glaubens  und  ihres  Rechtes, 
folgeweise  auch  ihrer  Verfassung  die  Möglichkeit  gewähren 
zu  aggressiver  Ausbreitung  und  Verwirklichung.  Das  Neben- 
einanderbestehen der  evangelischen  Landeskirchen  auf  dem 
Boden  des  Deutschen  Reiches  —  man  zählt  ihrer  siebenund- 
dreissig  —  ist  ein  Notbehelf  und  er  verschuldet  eine  starke 
Zersplitterung  des  Rechtes.  Gleichwie  aber  schon  in  den  Jahr- 
hunderten der  Reformation  und  des  Dreissigjährigen  Krieges 
regten  sich  im  19.  Jahrhundert,  regen  sich  in  der  Gegenwart 
mannigfach  geartete  Tendenzen,  um  die  rechtlich  getrennten 
Organisationen  zur  Wahrung  der  gemeinsamen  evangelisch- 
kirchlichen Interessen  einander  zu  nähern.  Sie  haben  durch 
Begründung  des  Deutschen  Evangelischen  Kirchenausschusses 
am  13.  Juni  1903  ein  erstes  Ziel  erreicht *).  — 


*)  Vgl.  J.  von  Döllinger,  Kirche  und  Kirchen,  Papsttum  und 
Kirchenstaat  (München  1861),  S.  9  ff.  252  ff. ;  lieber  die  Wiedervereinigung 
der  christlichen  Kirchen  S.  64 ff.  72 ff.  K.  von  Hase,  Gesammelte  Werke  X 
(Leipzig  1892),  S.  496  ff.  648  ff.  C.  Mirbt,  Der  Zusammenschluss  der 
evangelischen   Landeskirchen   Deutschlands.    Marburg   1903.     U.  Stutz 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  14  7 

Andere  Beobachtungen  drängen  sich  auf,  überschaut  man 
die  Geschichte  der  römisch-katholischen  Kirche  seit  dem  10.  Jahr- 
hundert1). Auch  sie  wurde  im  Zeitalter  Karls  V.  und  des 
Ignatius  von  Loyala  reformiert.  Auch  sie  erfuhr  an  sich  selbst 
die  unwiderstehliche  Wirkung  eines  Mannes,  der  von  ihr  mit 
den  Waffen  ihres  Rechtes  und  ihrer  Disziplin,  nicht  mit  denen 
ihrer  Lehre  bekämpft  worden  war  2).  Mag  es  immer  wieder 
in  Abrede  gestellt  werden,  es  bleibt  doch  wahr:  Luther  er- 
schütterte das  Gefüge  der  katholischen  Kirche  heftiger  als 
einst  die  Reformkonzilien.    Er  und  sein  Werk  weckten  in  ihr 


a.a.O.  II,  S.  901.  E.  Sehling:  Grundriss  der  Geschichtswissenschaft 
von  A.  Meister  II,  8  (Leipzig  1907),  S.  49  ff.  F.  M.  Schiele,  Die 
kirchliche  Einigung  des  evangelischen  Deutschland.    Tübingen  1908. 

»)  Vgl.  U.  Stutz  a.  a.  0.  II,  S.  863  ff. 

2)  J.  von  Dö  Hing  er  (Wiedervereinigung  der  christlichen  Kirchen 
S.  57  f.)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  nach  Leos  X.  Bulle  vom  15.  Juni 
1520  (0.  Mirbt,  Quellen  zur  Geschichte  des  Papsttums2  S.  183  ff.),  die 
sich  nur  gegen.  Luthers  früheste  Aeusserungen  richtete,  in  den  Jahren 
1520 — 1563  keine  einzige  lehrhafte  Bulle  erlassen  wurde,  die  darüber 
unterrichtet  hätte,  was  der  päpstliche  Stuhl  über  die  wichtigsten 
religiösen  Fragen  zu  glauben  gebiete.  Ebenso  zu  eigen  machen 
möchten  wir  uns  seine  weiteren  Ausführungen  S.  58  f. :  „Die  Deutschen 
hatten  zwar  immer  noch  eine  politische  Einheit,  das  Reich  mit  dem 
Kaisertum  und  dem  Reichtage;  sie  hatten  auch  Bischöfe  und  Diözesen, 
aber  es  fehlte  jede  höhere,  organische  Gestaltung  und  Zusammenfassung, 
es  fehlte,  mit  einem  Worte,  eine  deutsch-nationale  Kirche;  seit  Jahr- 
hunderten war  kein  deutsches  Konzil  mehr  gehalten  worden,  war  nichts 
geschehen ,  um  auch  nur  den  ärgsten  Missbräuchen ,  den  schreiendsten 
Entstellungen  abzuhelfen.  In  der  Tat  war  auch  ein  solches  Konzil  nicht 
wohl  möglich;  es  ist  eine  beredte  Tatsache,  dass  in  der  ganzen  vierzig- 
jährigen Zeit  des  Reformationskampfes  der  deutsche  Episkopat  oder 
auch  nur  eine  grössere  Zahl  von  Bischöfen  keinen  einzigen  Versuch  ge- 
macht hat,  auf  einer  Synode  sich  über  die  religiöse  Lage  Deutschlands, 
über  gemeinschaftliche  Schritte  zu  beraten.  Es  gibt  in  der  ganzen  Kir- 
chengeschichte kaum  ein  Seitenstück  zu  dieser  Tatsache;  aber  sie  erklärt 
sich  daraus,  dass  sich  die  Bischöfe  ihrer  völligen  Ohnmacht  bewusst 
waren.  Denn  seit  der  Zerrüttung  des  ganzen  organischen  Gefüges  der 
Kirche  durch  die  Päpste  glich  die  deutsche  Kirche  einem  hilf-  und 
regungslos,  mit  gebundenen  Gliedern,  am  Boden  liegenden  Riesen." 


148  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

die  Kräfte  zu  innerer  Erneuerung.  Die  Ordnungen  des  Tri- 
dentiner  Konzils  (1545 — 1563)  waren  nicht  nur  eine  Reaktion 
wider  den  Protestantismus,  sondern  zugleich  eine  Restauration 
des  Katholizismus,  der  zur  selben  Zeit  mit  dem  spanischen  Re- 
formgeist des  Jesuitismus  sich  durchsetzte.  Dadurch  befestigte 
die  Kirche  ihre  Stellung  in  der  Welt  aufs  neue  und  mit  ihr 
die  des  Papsttums,  bis  die  letzte  allgemeine  Kirchenversamm- 
lung im  Vatikan  (1870)  den  Schlussstein  einfügte  in  den  ragen- 
den Dom  der  sichtbaren  Kirche.  Ihr  Oberhaupt  ist  tatsäch- 
lich gelöst  von  den  Fesseln  des  Kirchenstaates,  der  es  immer 
wieder  in  die  Wirrsal  der  Machtverschiebungen  irdischer  Natur 
verstrickte.  Dafür  aber  eignet  die  schlechthin  absolute  Eigen- 
schaft der  Unfehlbarkeit  seinen  Entscheidungen,  soweit  sie  auf 
Glauben  und  Sitten  sich  erstrecken  und  sofern  sie  unter  Ver- 
fluchung der  Andersmeinenden  der  ganzen  Kirche  gelten 1). 
Der  Papst  ist  der  Inbegriff  der  Kirche  geworden,  seit  seine 
Lehre  die  der  Kirche  ist. 

Wie  vor  Zeiten  beansprucht  die  römisch-katholische  Kirche 
die  Oekumenizität  wie  ihrer  Dogmen  so  der  sie  tragenden 
Ordnungen.  Sie  weiss,  dass  alle  Versuche  der  Vergangenheit 
scheiterten,  in  Deutschland  eine  nationale  Kirche  zu  schaffen, 
sobald  sie  nicht  wie  die  Lockerung  der  verfassungsmässigen 
Verbindung  mit  Rom  so  auch  die  Trennung  von  seinem  Glauben 
anstrebten.  Mit  anderen  Worten,  den  mittelalterlichen  An- 
sätzen, die  wir  nach  ihren  verschiedenartigen  Ausprägungen 
zu  werten  suchten,  wurde  nicht  jenes  Wachstum  zu  teil,  das 
den  evangelischen  Landeskirchen  durch  den  Anschluss  ihrer 
Inhaber  an  den  neuen  Glauben  Kräfte  des  Bestehens  und  der 
Ausweitung  gewährte.  Der  Zeitgenosse  Friedrich  Barbarossas, 
die  Männer  von  1418  und  1439,  die  von  1495  und  1510,  sie 
alle  kannten  nur  einen  religiösen  Glauben,  den  der  allgemeinen 
Kirche,  und  dachten  nicht  daran,  ihn  fallen  zu  lassen,  so  sehr 
auch    ihre    Achtung    vor    der  Verwaltung  der    Kirche    durch 


*)  G.  Krüger,  Das  Papsttum  (Tübingen  1907),  S.  148, 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  14«.i 

Papst  und  Kurie  geschwunden  war.  Sie  alle  blieben  katho- 
lische Christen,  treu  der  Auffassung  von  der  katholischen 
Kirche  als  einer  sichtbaren  Anstalt  *),  deren  Regierung  der 
hierarchia  iurisdictionis,  d.  h.  dem  Papste,  den  Bischöfen  und 
den  zwischen  beide  eingeschobenen  Mittelgliedern,  den  Patri- 
archen, Primaten  und  Erzbischöfen,  obliegt.  Bei  ihnen  allen 
trat  die  Rücksichtnahme  nur  auf  die  Gegensätze  innerhalb  der 
Hierarchie  entgegen,  im  letzten  Grunde  also  eine  episkopa- 
listische  Tendenz  gegenüber  dem  papalen  System.  Ihnen  allen 
fehlte  der  Widerhall  ihrer  Entwürfe  in  der  Laien  weit,  die 
seit  langem  an  die  Leitung  durch  den  Klerus  gewohnt  war 
und  nach  katholischer  Anschauung  aus  ihr  nicht  entlassen 
werden  durfte,  solange  man  nur  eine  Reform,  nicht  aber  eine 
Revolution,  eine  Umkehr  oder  Verschiebung  des  Verhältnisses 
zwischen  dem  weltlichen  und  dem  geistlichen  Stand  innerhalb 
der  Kirche  herbeizuführen  beabsichtigte 2).  Die  Reichsgewalt 
endlich  versagte  nicht  allein  im  Jahre  1448  ihre  Mitwirkung 
und  Unterstützung.  Wir  begreifen,  dass  die  mittelalterlichen 
Pläne  einer  deutschen  Nationalkirche  katholischen  Glaubens  zu 
nichte  werden  mussten. 

Immerhin  darf  ein  rascher  Ueberblick  daran  erinnern,  dass 
auch  nach  dem  Konzil  von  Trient  es  an  Versuchen,  eine  deutsche 
Kirche   katholischen  Glaubens  zu   schaffen,    keineswegs  fehlte. 

In  Deutschland  war  —  bis  hinein  in  die  Zeiten  der  Säku- 
larisationen des  beginnenden  19.  Jahrhunderts  —  die  Bevölke- 
rung weit  weniger  konfessionell  gemischt  als  vergleichsweise 
in  der  Gegenwart,  die  der  geistlichen  Gebiete  demnach  über- 
wiegend  dem    katholischen  Glauben    zugewandt.     Der    reichs- 


\)  Vgl.  U.  Stutz  a.  a.  0.  II,  S.  881. 

2)  Im  Gegensatz  hierzu  denke  man  an  Luther  und  den  evangeli- 
schen Kirchenbegriff.  „Vom  deutschen  Volk  war  nie  die  Rede,  bis  es 
unter  Luther  seine  Stimme  erhob,"  urteilte  D ah  1  mann  (vgl.  F.  von 
Bezold,  Geschichte  der  deutschen  Reformation  S.  243,  dazu  S.  312  ff. 
351  ff.);  über  den  evangelischen  Kirchenbegriff'  vgl.  E.  Sehling  a.  a.  O. 
S.  2  ff.    U.  Stutz  a.a.O.  II,  S.  957. 


150  Werminghoff,  Nationalkircliliche  Bestrebungen. 

ständische  Episkopat  fand  noch  immer  eine  Stütze  am  Wiener 
Kaiserhofe,  mit  ihm  der  katholische  Adel,  die  beide  den  Kern 
der  habsburgischen  Partei  im  Reiche  bildeten 1).  Dazu  kam, 
dass  die  geistigen  Strömungen  zumal  des  18.  Jahrhunderts 
einen  aufgeklärten  Katholizismus  erzeugten,  der  die  Glaubens- 
gegensätze gegenüber  den  Protestanten  minder  schroff  hervor- 
kehrte. Der  religiösen  Kämpfe  müde,  hoffte  man  hier  und 
dort,  nicht  allein  dank  der  Erfolge  der  Jesuiten  und  ihrer 
Propaganda,  dass  auch  die  Evangelischen  noch  einmal  in  den 
Schoss  der  einst  verlassenen  Kirche  zurückkehren  würden. 
Man  sah  das  Papsttum  mehr  und  mehr  seines  politischen  Ein- 
flusses entkleidet2);  vielleicht  war  von  ihm  kein  allzu  hart- 
näckiger Widerstand  zu  besorgen,  wenn  man  sich  anschickte, 
eine  Einigung  und  Verselbständigung  des  deutschen  Kirchen- 
tums  in  die  Wege  zu  leiten.  Gewiss  utopische  Ideen,  utopisch 
dank  der  Unterschätzung  der  Schwierigkeiten  und  vornehmlich 
um  der  Ueberschätzung  der  zu  Gebote  stehenden  Kräfte  willen, 
aber  sie  zeigten  aufs  neue,  dass  auch  in  den  Kirchenfürsten 
des  17.  und  18.  Jahrhunderts  der  alte  Episkopalismus  fort- 
lebte. Er  hatte  besiegt,  nicht  ausgerottet  werden  können. 
Empfing  er  nicht  überdies  von  Frankreich  her,  zumal  seit  der 
Erklärung  des  gallikanischen  Klerus  3)  vom  Jahre  1682,  ständig 
neue  Nahrung? 

Bereits  im  Jahre  1673  hatte  eine  Beschwerdeschrift  der 
drei  geistlichen  Kurfürsten  das  Wiederaufleben  der  Missstim- 
mung über  die  Kurie,  über  alte  und  neue  Schäden  ihrer  Ver- 
waltung  erkennen   lassen 4),    vorläufig    aber    blieb    alles   beim 

*)  Vgl.  C.  Th.  Perthes,  Das  deutsche  Staatsleben  vor  der  Revo- 
lution (Hamburg  und  Gotha  1845),  S.  102  ff.  0.  Mejer,  Zur  Geschichte 
der  römisch-deutschen  Frage  I  (Rostock  1871),  S.  9  ff.  62  ff. 

2)  Vgl.  G.  Krüger,  Papsttum  S.  118  ff. 

3)  C.  Mirbt,  Quellen  zur  Geschichte  des  Papsttums2  S.  300  f.; 
vgl.  auch  H.  von  Schubert,  Roms  Kampf  um  die  "Weltherrschaft 
S.  108  ff. 

4)  Vgl.  den  Auszug  bei  C.  Gärtner,  Corpus  iuris  ecclesiastici 
catholicorum  novioris  II,  p.  322  ff. 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  151 

alten.  Nicht  ganz  ein  Jahrhundert  später,  in  der  Periode  jenes 
staatskirchlichen  Systems,  dem  Kaiser  Joseph  IL  (1765 — 1790) 
den  Namen  gab  und  in  seinen  Erblanden  auch  Erfolge  sicherte 
näher  gesagt  im  Jahre  1763,  weckte  der  Trierer  Weihbischof 
Johannes  Nikolaus  von  Hontheim  unter  dem  Namen  Justinus 
Febronius  „das  Rechtsgefühl  der  Unabhängigkeit  von  Rom"  l). 
Indem  er  die  Verfassung  der  Kirche  wiederhergestellt  wissen 
wollte,  wie  sie  vor  der  Rezeption  der  pseudoisidorischen  Fäl- 
schungen gewesen  war,  bestritt  er  das  Recht  ihrer  monarchi- 
schen Leitung  durch  den  Papst.  Er  forderte  die  katholischen 
Fürsten,  an  ihrer  Spitze  den  Kaiser,  auf,  „die  in  ihre«  Arme 
sich  stürzende  Kirche"  wider  den  Missbrauch  des  Primats  zu 
verteidigen.  Er  verlangte,  dass  sie,  selbst  wider  den  Willen 
des  apostolischen  Stuhles,  allgemeine  und  nationale  Konzilien 
einberiefen,  endlich  als  des  letzten  Mittels  für  Kampf  und  Er- 
folg der  Gehorsamsverweigerung  gegenüber  der  Kurie  in  den 
von  dieser  angemassten  Dingen  sich  bedienten.  Die  nachhaltige 
Wirkung  der  an  sich  unselbständigen  Nachweisungen  Hont- 
heims  ist  bekannt.  Im  Jahre  1769  arbeiteten  Bevollmächtigte 
der  drei  rheinischen  Erzbischöfe  eine  für  den  Kaiser  bestimmte 
Denkschrift  aus;  sie  enthielt  die  Bitte,  dass  unter  seiner  Ob- 
hut „die  Freiheit  der  deutschen  Kirche  hergestellt  werde 
und  die  ersten  Kirchen  dieser  Nation  sich  keiner  geringeren 
Freiheit  zu  erfreuen  haben  als  die  Kirchen  anderer  Nationen", 
dass  die  kirchlichen  Dinge  „nach  dem  Bedürfnis  der  deut- 
schen Gegenwart  in  Staat  und  Kirche  eingerichtet  werden4*  2). 


')  K.  von  Hase,  Kirchengeschichte  (12.  Aufl.,  Leipzig  1900),  S.  488. 
Ueber  Febronius  und  sein  "Werk  (De  statu  ecclesiae  et  legitima  potestate 
Romani  pontificis.  Liber  singularis  ad  reuniendos  dissidentes  in  religione 
Christiana  corapositus)  vgl.  0.  Mejer,  Zur  Geschichte  der  römisch- 
deutschen Frage  I,  S.  18  ff.;  Febronius,  Weihbischof  Joh.  Nik.  von  Hont- 
heim und  sein  Widerruf.  2.  Aufl.,  Tübingen  1885.  J.  Zillich,  Febro- 
nius. Halle  1906.  F.  Stümper,  Die  kirchenrechtlichen  Ideen  des 
Febronius.    AschafFenburg  1908. 

2)  Die  Koblenzer  Artikel  vom  13.  Dezember  1769  finden  sich  unter 


152  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Erregt  durch  den  sogenannten  Nuntiaturenstreit,  vereinigten  sich 
dann  am  25.  August  1786  die  vier  —  seit  der  Reformation  allein 
übrigen  —  Erzbischöfe  von  Mainz,  Trier,  Köln  und  Salzburg 
zur  Emser  Punktation  über  „das  Kleinod  der  kirchlichen 
Nationalfreiheit" *).  Ihre  Artikel  boten  gegenüber  den  von  1769 
wenig  Neues,  nur  dass  deutlicher  die  Abschaffung  der  Nuntia- 
turen und  der  vom  Papst  den  Bischöfen  erteilten  Quinquennal- 
fakultäten  ins  Auge  gefasst  war.  Ohne  dem  Papst  den  Primat  in 
der  ganzen  Kirche  zu  bestreiten,  traten  sie  ein  für  die  Bischöfe 
und  ihr  Recht  zu  eigener  Ausübung  der  ihnen  unmittelbar  von 
Gott  verliehenen  Gewalt,  deren  Einschränkungen  durch  Rom 
hinwegfallen  sollten.  Sie  wünschten  unter  anderem,  dass  der 
bisherige  Eid  der  Bischöfe  zu  Händen  des  Papstes  abgeschafft 
würde,  da  sie  darin  schwören  mussten  „was  ihnen  in  Betracht 
ihrer  Verbindung  mit  dem  Reiche  zu  halten  unmöglich  ist". 
Das  Amt  der  Erzbischöfe  und  Bischöfe  wird  unter  den  Schutz 
des  Kaisers  gestellt,  der  als  „allerhöchstes  Reichsoberhaupt " 
binnen  zwei  Jahren  die  Veranstaltung  eines  deutschen  National- 
konzils herbeiführen  soll 2).  Zwar  trat  Joseph  II.  diesen  Pro- 
positionen bei,  nochmals  aber  erwies  es  sich,  dass  der  Ansage 
der  Fehde  wider  Rom  nicht  die  Fehde  selbst  folgen  sollte, 
dass  sie  eine  Drohung  bleiben  würde,    nicht  das  Zeichen  zum 

anderem  bei  C.  Gärtner  a.  a.  0.  II,  p.  330  ff.  Vgl.  0.  Mejer,  Zur 
Geschichte  der  römisch-deutschen  Frage  I,  S.  35  ff. 

*)  Das  Zitat  ist  einem  Briefe  des  Erzbischofs  von  Mainz  vom 
21.  Juni  1788  entlehnt;  0.  Mejer  a.  a.  0.  I,  S.  119.  —  Der  Text  der 
Emser  Punktation  findet  sich  unter  anderem  bei  C.  Gärtner  a.  a.  0. 
II,  p.  347  ff.,  im  Auszug  bei  C.  Mirbt,  Quellen  zur  Geschichte  des 
Papsttums2  S.  326  ff.  Im  allgemeinen  vgl.  0.  Mejer,  Zur  Geschichte 
der  römisch- deutschen  Frage  I,  S.  96  ff.  C.  Mirbt:  Realenzyklopädie 
für  protestantische  Theologie  und  Kirche  V  (3.  Aufl.,  Leipzig  1898), 
S.  342  ff.  M.  Immich:  Forschungen  zur  brandenburgischen  und  preussi- 
schen  Geschichte  VIII  (1895),  S.  143  ff.  L.  Mergentheim,  Die  Quin- 
quennalfakultäten  pro  foro  externo  I,  S.  29  ff.  F.  Endres:  Beiträge  zur 
bayerischen  Kirchengeschichte  XIV  (1908),  S.  197  ff.  261  ff.  XV  (1909), 
S.  16  ff. 

2)  Vgl.  oben  S.  112  Anm.  2. 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  1.    | 

Angriff  sei.  Den  Erzbischöfen  gebrach  es  an  der  Unter- 
stützung durch  ihre  Suffragane,  die  eine  Verstärkung  der 
Metropolitangewalt  befürchteten,  ähnlich  wie  im  Frankenreiche 
des  9.  Jahrhunderts  die  pseudoisidorischen  Dekretalen  zum 
Schutz  der  westfränkischen  Bischöfe  wider  die  Vormacht  der 
Metropoliten  den  fernen  Papst  herbeigerufen  hatten.  Während 
Bayern  zum  Papste  hielt,  um  die  Einmischung  auswärtiger 
Erzbischöfe  in  sein  Land  fernzuhalten,  betrieb  Preussen,  um 
des  deutschen  Fürstenbundes  vom  Jahre  1785  gegen  Oester- 
reich  nicht  verlustig  zu  gehen,  bei  der  Kurie  die  Wahl  Karls 
von  Dalberg  zum  Koadjutor  von  Mainz.  Von  diesem  wurde 
erwartet,  dass  er  am  Fürstenbund  festhalten,  freilich  auch 
die  Einser  Punktation  preisgeben  würde,  sobald  er  Nachfolger 
des  Mainzer  Kurfürsten  geworden  sei  (1787).  Das  Wichtigste 
aber  war  doch:  die  Kraft  der  Erzbischöfe  erlahmte  um  so 
rascher,  als  der  Ausbruch  der  französischen  Revolution  den 
Zusammenschluss  der  alten  Gewalten  zur  Pflicht  machte  und 
jedes  Beispiel  von  Auflehnung  wider  die  rechtmässige  Obrigkeit, 
von  Missachtung  gegen  den  durch  die  Dauer  selbst  geheiligten 
Besitzstand  vermieden  werden  musste 1).  Die  römische  Kurie 
aber  hatte  ohne  Schwanken  ihren  Standpunkt  gewahrt,  keine 
Rechte  preisgegeben  und  eben  darum  in  ihrer  Macht  sich  be- 
hauptet. 

Auch  für  die  neuere  Geschichte  der  katholischen  Kirche 
gilt  die  Wahrnehmung,  dass  ihre  Perioden  unter  dem  Druck 
grosser,  allgemeiner  Bewegungen  einander  ablösen.  Das  Zeit- 
alter der  Revolution  und  Napoleons  I.  beseitigte  das  „stiftische 
Deutschland",  die  geistlichen  Territorien  als  die  Ueberbleibsei 
der  mittelalterlichen  Vergangenheit,  zerstörte  die  kirchlichen 
Zusammenhänge  der  Provinzen  und  Diözesen.  Wer  wollte  ent- 
scheiden, ob  in  diesem  Wandel  aller  Dinge  das  altersschwache 


*)  Vgl.  den  Auszug  aus  der  Verordnung  des  Trierer  Erzbischofs 
vom  20.  Februar  1790  bei  0.  Mejer  a.  a.  0.  I,  S.  127;  ebd.  I,  S.  130  ft". 
über  die  Verhandlungen  bezüglich  der  Wahlkapitulation  von  1790. 


154  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Reich  grössere  Veränderungen  in  seiner  Zusammensetzung  und 
Verfassung  erfuhr  oder  das  Kirchenwesen  in  Deutschland  dank 
der  Auflösung  seiner  Organisation?  U.  Stutz  hat  einmal  seine 
Zustände  zu  Beginn  des  19.  Jahrhunderts  verglichen  mit  denen 
des  fränkischen  Kirchentums  in  der  Zeit  Karl  Martells  (f  741)1); 
fügen  wir  aber  sogleich  hinzu,  dass  der  Restauration  der 
katholischen  Kirche  in  Deutschland,  der  Neuaufrichtung  der 
päpstlichen  Herrschaft  Momente  zu  gute  kamen,  die  zunächst 
vielmehr  als  gefährlich  erschienen  waren.  Ihr  diente  die  Be- 
seitigung der  geistlichen  Territorien;  denn  fortan  sah  der 
deutsche  Klerus  allein  auf  Rom  sich  angewiesen ;  die  deutschen 
Bischöfe  fanden  keinen  Rückhalt  mehr  an  ihrer  reichsfürst- 
lichen Würde,  an  ihren  Familienverbindungen'  mit  dem  hohen 
Reichsadel,  an  den  ehemaligen  Stützen  also  ihres  Dranges 
nach  Selbständigkeit  und  Freiheit2).  Erwogen  wurde  zwar 
ein  Reichskonkordat,  das  die  neuen  Zustände  berücksichtigen 
sollte.  Als  aber  Kaiser  Franz  IL  am  6.  August  1806  auf 
die  Krone  verzichtet  hatte,  sah  man  in  Rom  von  einer 
Schwierigkeit  sich  befreit:  das  Reich  war  zu  Grunde  gegangen, 
ein  Titel  beseitigt,  auf  den  gestützt  sein  Träger  für  das 
deutsche  Kirchentum  mit  der  Kurie  hätte  verhandeln  können  3). 
Während   aller   Veränderungen    hatte  Karl  Theodor   von  Dal- 


*)  U.  Stutz:  Enzyklopädie  der  Rechtswissenschaft  II,  S.  875.  — 
Nach  F.  X.  Funk  (Kultur  der  Gegenwart  I,  4,  herausg.  von  P.  Hinne- 
berg, Berlin  und  Leipzig  1906,  S.  237)  ist  der  Verlust  der  katholischen 
Kirche  auf  beiden  Ufern  des  Rheins  auf  1719  Quadratmeilen  mit 
3162576  Bewohnern  und  —  ohne  die  Klöster  —  auf  21026000  Gulden 
berechnet  worden. 

")  Vgl.  H.  von  Treitschke,  Deutsche  Geschichte  im  19.  Jahrhun- 
dert I  (5.  Aufl.,  Leipzig  1894),  S.  188.  G.  Anrieh,  Der  moderne  Ultra- 
montanismus in  seiner  Entstehung  und  Entwicklung  (Tübingen  1909), 
S.  14. 

3)  Vgl.  O.  Mejer,  Zur  Geschichte  der  römisch-deutschen  Frage  I, 
8.  201  ff.  233.  A.  Frantz,  Das  Projekt  eines  Reichskonkordats  und  die 
Wiener  Konferenzen  von  1804.  Kiel  und  Leipzig  1892.  L.König,  Pius  VII., 
die  Säkularisation  und  das  Reichskonkordat.    Innsbruck  1904. 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  155 

berg,  seit  dem  Jahre  1787  Koadjutor,  seit  1802  Erzbischof' 
von  Mainz  wie  auch  seit  1799  Bischof  von  Konstanz  (f  1817), 
sich  mit  mancherlei  Hoffnungen  erfüllt.  Im  Reichsdeputatinns- 
hauptschluss  vom  Jahre  1803  war  der  erzbischöfliche  Stuhl 
von  Mainz  auf  die  Domkirche  zu  Regensburg  übertragen,  seinem 
Inhaber  die  Würden  eines  Kurfürsten,  Reichserzkanzlers,  Metro- 
politanerz bischofs  und  Primas  von  Deutschland  zuerkannt  wor- 
den. Aus  der  Hand  Napoleons  L,  des  Protektors  des  Rhein- 
bundes, erwartete  Dalberg  für  sich  selbst  die  Stellung  eines 
Primaten  für  die  Landeskirchen  der  Rheinbundsstaaten.  Nach- 
dem auch  für  sie  ein  dem  französischen  ähnliches  Konkordat 
vereinbart  wäre,  wollte  er  über  ihnen  allen  stehen,  um  so  für 
die  deutsche  Kirche  einen  nationalen  Mittelpunkt  zu  schaffen, 
der  freilich  dem  der  universalen  Kirche  untergeordnet  bliebe; 
noch  im  Jahre  1812  dachte  er  sich  gar  als  künftigen  deutschen 
Patriarchen  *).  Die  schwankende  Persönlichkeit  Dalbergs,  der 
Wunsch  der  Rheinbundsfürsten,  ihre  Bischöfe  unmittelbar  dem 
Papste  zu  unterwerfen,  um  ihre  landesherrlichen  Gerechtsame 
soweit  als  möglich  zu  sichern,  die  sich  überstürzende  Hast  der 
Zerstörung  und  Neubildung  auf  deutschem  Boden ,  alles  zu- 
sammen gestattete  keine  Neugestaltung  der  deutschen  katholi- 
schen Kirche  im  Umkreis  der  Machtsphäre  Napoleons.  Bald 
darauf  schien  sich  auf  dem  Wiener  Kongress  die  Gelegenheit 
zu  bieten,  das  katholische  Kirchenwesen  innerhalb  des  neu- 
umschriebenen Gebietes  des  Deutschen  Bundes  zur  Einheit  zu- 
sammenzufassen. Noch  einmal  tauchten  in  der  Folge  alte 
Pläne  auf.  Beeinflusst  von  Dalberg  forderte  sein  Konstanzer 
Generalvikar  J.  H.  C.  von  Wessenberg  (f  1860)  eine  „gute 
Kircheneinrichtung  in  Deutschland".  Sie  sollte  dem  Episkopat 
gegen  die  ungebührlichen  Ansprüche  und  Anmassungen  der 
römischen  Kurie    wirksamen  Schutz  gewähren  und,  nach  Ab- 


')  Vgl.  0.  Mejer,  Zur  Geschichte  der  römisch-deutschen  Frage  I, 
S.  205  ff.  312.  332  ff.  364  ff.  III,  2  (Freiburg  i.  Br.  1885),  S.  421  f. 
F.  Vi  gen  er:  Die  Religion  in  Geschichte  und  Gegenwart  I  (Tübingen 
1909),  S.  1946  ff 


156  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

schluss  eines  Bundeskonkordats,  durch  einen  deutschen  Primas 
geleitet  werden,  zumal  ohne  diesen  die  deutsche  National- 
kirche nicht  diesen  Namen  verdiene  noch  auch  einem  Angriff 
auf  ihre  Verfassung  und  Rechte  zu  widerstehen  vermöchte, 
ginge  nun  er  aus  von  Staatsbehörden  oder  den  römischen 
Kurialisten 1).  Wessenbergs  patriotische  Phantasien  konnten 
den  Sieg  des  papalen  Systems  nicht  aufhalten.  Der  Zug  der 
Zeit  nach  Frieden  und  Legitimität,  der  erstarkende  Konfessio- 
nalismus, die  Romantik  mit  ihrer  am  Idealbild  des  Mittel- 
alters sich  erhebenden  Begeisterung  für  die  Kirche  als  der 
Bewahrerin  der  Wahrheit,  der  Grundlage  religiöser  Kultur 
—  sie  insgesamt  leisteten  erwünschten  Vorschub.  Alle  in  den 
ersten  Jahrzehnten  des  neuen  Jahrhunderts  vereinbarten  Kon- 
kordate2), alle  von  den  Päpsten  erlassenen  Zirkumskriptions- 
bullen  beruhten  darauf,  dass  sie  die  Fortdauer  der  päpst- 
lichen Herrschaft  in  und  über  der  Kirche  sicherstellten,  dass 
andererseits  nur  die  einzelnen  Staaten,  nicht  der  deutsche 
Bund  als  solcher  oder  gar  eine  Vertretung  des  deutschen 
Klerus  mit  Rom  paktierten.  Die  römische  Kurie  und  das  Papst- 
tum retteten  ihre  Kirche,  ihre  Macht  über  die  kirchlichen 
Organisationen  auf  deutschem  Boden  dadurch,  dass  sie  mit  den 
Staatsregierungen  sich  verbanden ,  wie  sie  einst  im  15.  Jahr- 
hundert sich  mit  dem  deutschen  Territorialfürstentum  ver- 
einigt hatten.  Beide  Male  wurde  eine  deutsche  Nationalkirche 
katholischen  Glaubens  unmöglich  gemacht,  das  erste  Mal 
durch  den  Kampf  gegen  den  reform  eifrigen  deutschen  Epi- 
skopat,   das    zweite    Mal    um    des    Friedens    willen,    den    die 


*)  Vgl.  ausser  den  Schriften  Wessenbergs  (Die  deutsche  Kirche.  Ein 
Vorschlag  zu  ihrer  neuen  Begründung  und  Einrichtung,  1815;  Betrach- 
tungen über  die  Verhältnisse  der  katholischen  Kirche  im  Umfang  des 
deutschen  Bundes,  1818)  vornehmlich  0.  Mejer,  Zur  Geschichte  der 
römisch-deutschen  Frage  I,  S.  455  ff.  II,  1  (Rostock  1872),  S.  24  ff.  39  ff. 
46.  49.  79  ff.    II,  2  (Rostock  1873),  S.  46  ff.  77  f. 

2)  Vgl.  C.  Mirbt:  Realenzyklopädie  für  protestantische  Theologie 
und  Kirche  X  (3.  Aufl.,  Leipzig  1901),  S.  711  ff. 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.  157 

Staaten    für    ihre   Untertanen,    die    Kirche    für    ihren   Bestand 
nötig  hatte. 

Eigenartig  genug  kamen  dieser  neuaufgerichteten  Herr- 
schaft des  Papstes  über  seine  Kirche  und  ihren  Anteil  auf 
deutschem  Boden  die  Bestrebungen  zu  gute,  die  im  Jahre  der 
deutschen  Revolution  den  deutschen  Episkopat  erfüllten.  Ihr 
Ziel  war  grössere  Freiheit  der  katholischen  Kirche  gegenüber 
den  staatlichen  Regierungen.  Als  ein  Mittel  hierfür  erschien 
ein  deutsches  Nationalkonzil  geeignet *),  als  eine  Voraussetzung 
für  ein  solches  eine  deutsche  katholische  Nationalkirche  mit 
einem  Primas  an  ihrer  Spitze.  Man  dachte  nicht  an  eine 
Feindschaft  wider  Rom,  an  eine  Abkehr  vom  Nachfolger 
Petri;  der  Episkopalismus  war  gebrochen,  die  Zeiten  des  Ultra- 
montanismus zogen  herauf.  Freilich,  noch  erwehrte  man  sich 
dieser  neuen  Strömung,  niemand  vielleicht  mit  lebhafterer 
Wärme  und  mit  eindringlicherer  Betonung  gerade  der  nationalen 
Eigentümlichkeiten  als  J.  Döllinger ,  damals  der  anerkannte 
Berater  der  deutschen  Bischöfe.  Aus  seiner  Feder  stammten 
mehrere  Gutachten,  die  insgesamt  für  die  deutsche  National- 
kirche katholischen  Glaubens  einen  Primas  forderten,  die  neben 
ihm  Diözesan-,  Provinzial-  und  Nationalsynoden  eingerichtet 
wünschten2).  Er  wollte  nicht  an  den  Namen  einer  deutschen 
Nationalkirche  schismatisierende  Erinnerungen  geknüpft  sehen, 
um  derentwillen  die  gallikanische  Kirche  dem  apostolischen  Stuhl 
entfremdet  worden  sei.  „Der  nationalkirchliche  Charakter  be- 
stände darin,  dass  eine  organisch  geordnete  Verfassung  der  deut- 
schen Kirche  eingeführt,  d.  h.  ein  Primas  wieder  anerkannt  würde, 
und  ein  bleibender,  geordneter  Verkehr,  ein  gemeinschaftliches 

J)  Vgl.  P.  Hin  seh  i  us,  Kirchenrecht  III,  S.  581.  Vgl.  oben  S.  112 
Anm.  2. 

2)  Vgl.  J.  von  Döllinger,  Kleinere  Schriften  S.  53  ff.  die  Gut- 
achten für  die  Konferenz  deutscher  Bischöfe  zu  Würzburg  im  Oktober 
und  November  1848 ,  bes.  S.  59  ff.  über  Nationalkirche  und  National- 
synoden, S.  66  ff.  über  deutsche  Nationalkirche;  s.  auch  F.  H.  Vering: 
Archiv  für  katholisches  Kirchenrecht  XXI  (1869),  S.  108  ff.  207  ff.  M  a  nai 
XLIII,  59  ff. 


158  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Benehmen,  und  in  besonders  wichtigen  Fällen  ein  gemeinschaft- 
liches Handeln  und  Auftreten  durch  die  stete  und  regelmässige 
Verbindung  der  Bischöfe  unter  einander  sich  bildete,  und  dass 
dieser  Teil  der  katholischen  Kirche,  auf  einer  Nationalsynode 
vollständig  vertreten,  für  alle  deutschen  Kirchen  bindende  Be- 
schlüsse fasste.  Die  so  geordnete,  einheitliche  deutsche  Kirche 
würde,  weit  entfernt  die  Einwirkung  des  apostolischen  Stuhles 
auf  die  deutschen  kirchlichen  Zustände  zu  schwächen  oder  zu 
beschränken,  dieselbe  vielmehr  erleichtern,  in  eine  engere, 
festere  und  regelmässigere  Verbindung  mit  dem  allgemeinen 
Centrum  unitatis  treten,  als  dies  bei  dem  gegenwärtigen  Zu- 
stande der  Zersplitterung  und  Vereinzelung  geschehen  kann"  *). 
Noch  im  Jahre  1850  trat  Döllinger  für  seine  Ideen  ein.  „Bei 
aller  Einheit  der  katholischen  Kirche,  der  katholischen  Lehre 
und  Disziplin",  meinte  er2),  „wird  sich  gleichwohl  in  jeder 
der  grossen  Nationen  das  katholische  Leben,  die  katholische 
Anschauung,  die  Bewegung  des  Volkes  in  der  Kirche  eigen- 
tümlich gestalten."  „Wir  Deutschen",  rief  er  aus,  „wollen  als 
Mitglieder  der  katholischen  Kirche  nicht  aufhören,  Deutsche 
zu  sein,  sondern  Deutsche  im  wahrsten  und  vollsten  Sinne 
des  Wortes  bleiben  und  auch  kein  Jota  unserer  nationalen 
Eigentümlichkeit,  soweit  sie  gut  und  rechtmässig  ist  und 
mit  dem  Geiste  der  katholischen  Kirche  im  Einklang  steht, 
aufgeben."     Er    erinnerte    an  jene  Zeiten,    da   die  Kaiser  aus 


!)  Ebenda  S.  67  f. ;  die  folgenden  Ausführungen  (S.  68  f.)  enthalten 
freilich  auch  Bemerkungen  wie  die,  dass  der  katholische  Teil  der  Nation 
der  eigentliche  Träger  der  Nationalität  sei,  weil  er  mit  der  Vergangenheit 
im  Zusammenhange  stehe ;  wenn  es  dem  Protestantismus  gelänge  sich 
zu  einer  förmlichen  Nationalkirche  in  Deutschland  zu  gestalten,  würde 
dies  für  die  Katholiken  gefährlich  werden ;  die  Hauptschwierigkeit  gegen 
die  katholische  Kirche,  die  Unterjochung  durch  die  Bureaukratie ,  sei 
beseitigt  (ebenso  S.  65;  s.  auch  S.  98  ff.).  Vgl.  J.  Friedrich,  J.  von 
Döllinger  II  (München  1899),  S.  423  ff.  447  ff. 

2)  In  einer  Rede  in  der  Versammlung  des  katholischen  Vereins  zu 
Linz  am  26.  September  1850  (Kleinere  Schriften  S.  105  ff.) ,  S.  107  f. 
109.  106. 


Ausblick  auf  die  neuere  Zeit.   Schlussbetrachtung.  159 

sächsischem  und  fränkischem  Geschlecht  die  deutsche  Kirche 
national  geeinigt  hätten;  noch  hoffte  er,  dass  eine  solche  auch 
in  der  Gegenwart  erstünde,  die  der  allgemeinen  katholischen 
Kirche  nicht  widerstreben  würde. 

Nicht  ohne  Bewegung  wird  auch  der  Protestant  die  Gut- 
achten Döllingers  und  seine  Rede  vom  Jahre  1850  lesen;  er 
weiss,  die  Entwicklung  des  Papsttums  und  der  katholischen 
Kirche  ist  über  sie  hinweggeschritten,  ohne  von  den  Tendenzen 
des  Deutsch-  und  Altkatholizismus  allzu  erhebliche  Einbusse  zu 
erfahren  1).  Im  Gegenteil,  im  Jahre  1864  verwarf  der  Syllabus 
Pius'  IX.  als  eine  Irrlehre  den  Satz:  „Es  können  National- 
kirchen errichtet  werden,  welche  der  Autorität  des  Papstes 
entzogen  und  von  ihr  völlig  getrennt  sind"  2).  Die  Macht  des 
Papstes  wurde  zur  höchsten  Höhe  gesteigert  durch  den  Be- 
schluss  des  vatikanischen  Konzils  vom  18.  Juli  1870,  der  den 
Primat  des  Nachfolgers  Petri,  seine  Vollgewalt  in  und  über 
der  allgemeinen  Kirche  als  die  des  universalen  Bischofs,  seine 
Unfehlbarkeit  als  des  Lehrers  der  Welt  in  den  Fragen  des 
Glaubens  und  der  Sitte  zum  Dogma  erhob.  Der  neuumschrie- 
bene Glaube  ist  der  eines  grossen  Teiles  unserer  Volksgenossen, 
und  diesen  umspannt,  wie  früher  die  ganze  Nation  von  ihr 
umfasst  wurde,  die  katholische  Kirche:  ihr  Privileg  aber,  die 
einzige  Kirche  zu  sein,  ist  durch  die  Reformation  für  alle  Zeit 
aufgehoben.  

Der  Blick  auf  die  kirchliche  Lage  der  Gegenwart  erinnert 
noch  einmal  an  den  Ausgangspunkt  aller  unserer  Betrachtungen. 


')  Vgl.  Mulert:  Die  Religion  in  Geschichte  und  Gegenwart  I 
(Tübingen  1909),  S.  2060  ff.    Kübel:  ebd.  I,  S.  407  ff. 

2)  Institui  possunt  nationales  ecclesiae  ab  auctoritate  Romani  pon- 
tificis  subductae  planeque  divisae  (C.  Mirbt,  Quellen  zur  Geschichte 
des  römischen  Papsttums2  S.  368,  37);  vgl.  die  Uebersetzung  im  Archiv 
für  katholisches  Kirchenrecht  XIII  (1867),  S.  317  mit  den  Allokutionen 
Pius'  IX.  vom  17.  Dezember  1860  und  18.  März  1861,  ebd.  VI  (1860) 
S.  321  ff.  330 ff.,  ferner  J.  Perrone,  Praelectiones  theologicae  III  (Medio- 
lani  1845),  p.  50  §  705.  —  S.  auch  oben  S.  112  Anm.  8. 


160  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Wir  fragten ,  ob  nicht  die  katholische  Kirche  der  volks- 
tümlichen Gestaltung  religiöser  Bedürfnisse  und  religiöser 
Eigenart  dadurch  entgegenkommen  könne,  dass  sie  Verfassungs- 
elemente zuliesse,  die  innerhalb  nationaler  Grenzen  wirken  und 
gleichwohl  den  Zusammenhang  mit  der  internationalen  Kirche 
nicht  zerstören  möchten. 

Unsere  Untersuchungen  geben  die  Antwort,  dass  eine 
solche  deutsche  Nationalkirche  katholischen  Glaubens  wohl 
mehrfach  angestrebt  wurde,  aber  bisher  zur  Tatsache  weder 
geworden  ist  noch  werden  konnte.  Ist  hierdurch  aber  unsere 
erste  Frage  nicht  als  unrichtig,  als  unstatthaft  dargetan?  Ist 
nicht  das  Wort  „  Nationalkirche "  ein  Widerspruch  in  sich,  da 
das  Prinzip  der  Kirche,  der  Glauben,  ein  Gemeingut  nicht 
nur  der  Angehörigen  einer  einzigen  Nation  ist,  da  infolge- 
dessen die  Hüterin  dieses  Glaubens,  die  als  Anstalt  organi- 
sierte römisch-katholische  Kirche,  sich  erfüllen  muss  mit 
internationalen  Zielen  und  Aufgaben,  während  die  Nation  sich 
gerade  abzusondern  trachtet  von  anderen  ihresgleichen? 

Nicht  wir  prägten  die  Bezeichnung  „Nationalkirche",  und 
längst  ist  sie  aufgenommen  in  unseren  Sprachschatz.  Im  Verlauf 
des  Mittelalters  gab  es  Perioden,  in  denen  man  von  einer 
englischen  Nationalkirche  oder  französischen  Nationalkirche 
sprechen  darf,  weil  während  der  Herrschaft  des  katholischen 
Glaubens  jene  Kirchen  bestanden  als  Organisationen  des  einen 
wie  des  anderen  Volkes,  freilich  in  Anlehnung  an  die  Staats- 
gewalten, die  ebenfalls  sich  nationale  Beschränkungen  auf- 
erlegten um  ihrer  Völker  willen;  in  der  gallikanischen  Kirche 
sah  Febronius  das  typische  Beispiel  einer  selbständig  organi- 
sierten Nationalkirche  *).  Die  Geschichte  des  deutschen  Volkes 
ward  staatlich  bedingt  durch  das  römische  Kaisertum,  durch 
die  Umformungen  der  Reichsgewalt,  durch  das  Vordringen  der 
landesfürstlichen  Oligarchie;   sie  ward   kirchlich  bedingt  durch 


*)  Vgl.   J.  Zillich,  Febronius   S.  81  f.    F.  Stümper,   Kirchen- 
rechtliche Ideen  des  Febronius  S.  126  ff. 


SchluööbetrachtuiiL:.  161 

die  Unterordnung  der  einst  vom  König  beherrschten  Reichs- 
eigenkirchen unter  Rom,  durch  die  vergeblichen  Anstrengun- 
gen der  Reformkonzilien  im  15.  Jahrhundert,  durch  das  Auf- 
treten Luthers.  Die  Geschichte  hat  der  deutschen  Nation  eine 
nationale  Kirche  versagt.  Spaltung  der  Bekenntnisse,  Spaltung 
der  kirchlichen  Organisationen  auf  dem  Boden  des  Deutschen 
Reiches  kennzeichnen  die  Gegenwart.  Nicht  flache  Toleranz 
heisst  sie  ertragen,  sondern  die  Erkenntnis  ihrer  geschicht- 
lichen Notwendigkeit. 


Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen.  1 1 


Exkurs. 


Der  Text  der  Cedula  im  Mainzer  Acceptationsinstrument. 

(Zu  Seite  37  ff.) 

Unser  Exkurs  zerfällt  in  drei,  einander  ergänzende  Teile. 
Der  erste  bringt  den  Wortlaut  der  in  das  Mainzer  Acceptations- 
instrument vom  26.  März  1439  eingeschalteten  cedula.  Er 
wiederholt  die  Ausgabe  von  Koch,  Sanctio  pragmatica  Ger- 
manorum  S.  95 — 99  und  vermerkt  bei  jedem  einzelnen  accep- 
tierten  Dekret  die  entsprechende  Sitzung  des  Basler  Konzils 
samt  den  Druckstellen  der  Kanones  in  Mansis  Collectio  con- 
ciliorum  XXIX,  dazu  bei  Koch  a.  a.  0.  S.  109 — 165,  da  dieser 
in  dem  genannten  Werke  (S.  105 — 171)  noch  einmal  die  ganze 
Acceptationsurkunde  unter  Einfügung  des  vollen  Wortlauts  der 
in  der  cedula  allegierten  Basler  Dekrete  wiederholt  hat,  derart 
dass  sich  der  von  ihm  erweiterte  Wortlaut  der  cedula  S.  108 
bis  166  findet.  Der  zweite  Teil  gibt  eine  Konkordanz  der 
Mainzer  Acceptation  mit  dem  entsprechenden  Abschnitt  der 
pragmatischen  Sanktion,  dessen  Druck  in  den  Ordonnances  des 
rois  de  France  XIII,  p.  267  —  291  benutzt  wurde.  Der  dritte 
Teil  des  Exkurses  endlich  gibt  eine  Uebersicht  über  die  in 
Bourges  1438  und  Mainz  1439  angenommenen  Dekrete  und 
vergleicht  beide  Dokumente  im  ganzen. 

1. 

Nos  oratores  Romani  regii,  principes  electores  hie  pre- 
sentes  aliorumque  electorum  sacri  imperii  et  Almanie  metro- 
politanorum   absentium   oratores   decreta   sacri  Basiliensis  con- 


.trz .... 


Exkurs.  1(3;; 

cilii  acceptamus  cum  omni  honore,  reverentia  et  devotione. 
qua  decet,  salvis  l)  tarnen  in  quibusdam  ex  eis  deelarationi- 
bus  2),  modificationibus  ac :i)  limitacionibus  nostre  4)  Germanica 
nacioni  ac  cuilibet  nostrum  l)  singulariter  in  suis  provinciis. 
dyocesibus  seu  territoriis  congruentibus  et  accommodis,  factis 
et  fiendis,  suis  loco  et  tempore  oportunis  exprimendis  ac  ') 
per  sacrum  concilium  decretandis5),  decretum  tarnen  suspen- 
sionis6)  sanctissimi  domini  nostri  pape  et  aliorum,  que  illam 
suspensionem  concernunt  vel  quomodolibet  respiciunt,  pro  pre- 
senti  non  acceptamus,  sed  et  circa  illud  et  alia  certa  dicti  sacri 
concilii  decreta  stare  volumus  in  prioribus  nostris  et  nacionis 
nostre  Germanice  protestacionibus  pridem  factis  7)  nee  ab  illis 
recedere,  donec  aliter  duxerimus  deliberandum ;  de  quo  so- 
lempniter  protestamur. 

Et  primo  (I)  8)  decretum  per  sacrum  Constanciense  con- 
cilium factum  et  per  sacrum  Basiliense  concilium  renovatum  de 
auetoritate  et  potestate  sacrorum  generalium  conciliorum  tem- 
poribusque  et  modis  eadem  convocandi  et  celebrandi,  quod  est 
prime  sessionis  et  ineipit:  Frequens  generalium  conciliorum 
celebratio  agri  dominici  preeipua  eultura  est  etc.9). 


')  Der  Vorbehalt:  Salvis— decretandis  begegnet  im  weiteren  Verlauf 
des  Acceptationsinstruments  noch  einmal  (Koch  S.  100  bezw.  S.  167); 
im  folgenden  sind  die  Varianten  vermerkt. 


2)  modificacionibus,  declaracionibus  (S.  100). 


3)  et  (S.  100). 

4)  nostre— nostrum]  ipsis  et  Germanice  nacioni  et  cuilibet  eorum  (S.  100). 

5)  ac— decretandis]  et  per  dictum  sacrum  Basiliense  concilium  prout 
sperant  decretandis  (S.  100). 

6)  Vgl.  oben  S.  38  Anm.  2. 

7)  Vgl.  oben  S.  38  Anm.  3. 

R)  Die  römischen  Ziffern  sollen  die  aeeeptierten  Beschlüsse  von  den 
mit  arabischen  Ziffern  durchlaufend  gezählten  deutschen  Zusätzen  unter- 
scheiden. 

9)  Basel  1431  Dez.  14  sess.  I  c.  3,  Mansi  XXIX,  5  f.  Koch  S.  109  f.; 
vgl.  Konstanz  1417  Okt.  9  sess.  XXXIX,  Mansi  XXVII,  1159.  Bei 
Koch  S.  111—113  folgt  der  Wortlaut  des  Basler  Dekrets  1432  Febr.  15 
sess.  II  cc.  1—4,  zu  Unrecht,  wie  oben  S.  44  ff.  dargetan  wurde. 


BIRRARY  ST.  MARY  S  COLLEGE 


1(54  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

Item  (II)  decretum  de  electionibus  duodecime  sessionis, 
quod  incipit :  Sicut  in  construenda  domo  precipua  est  archi- 
tectoris  cura  etc. *). 

Sed  quia  lex  sie  clare  condi  non  potest,  quin  aliquam  possit 
reeipere  dubitacionem,  petimus,  quatenus  sacrum  concilium  de- 
clarare  dignetur,  (1)  quod  electiones  pontificum  et  abbatum  fiant 
serrata  forma  in  hoc  decreto  tradita;  (2)  quodque  in  ceteris  infe- 
rioribus  dignitatibus  electivis  quibuscumque  sufficiat  modus  et 
forma  iuramenti  in  eodem  decreto  expressi 2).  Ceterum  statuere 
dignetur  sacrum  concilium,  (3)  quod  promovendus  per  papam  seeun- 
dum  quandam  clausulam  huius  decreti,  que  incipit:  Nisi  ex 
magna  etc.3),  remittatur  consecrandus  aut  benedicendus  ad  suum 
superiorem  inmediatum,  nisi  forsan  talis  promovendus  fuerit  pre- 
sens  in  Romana  curia,  quo  casu  nichilominus  remittatur,  ut 
huiusmodi  suo  inmediato  superiori  prestet  debitum  iuramentum ; 
(4)  quodque  eciam  confirmacio  electionum  fiat  per  inmediatum 
superiorem,  ad  quem  spectat  ius  confirmandi,  et,  si  ipse  sine 
causa  rationabili  confirmare  distulerit  seu  recusaverit,  mediatus 
superior  desuper  adiri  poterit;  insuper  (5)  quod  eciam,  si  con- 
tingat  provisionem  per  sacrum  concilium  domino  pape  non  fieri, 
nichilominus  electiones  seeundum  formam  huius  decreti  et  supra 
declaratam  valeant  fieri  et  robur  obtineant  neque  propterea, 
quod  sibi  per  sacrum  concilium  provisum  non  fuerit,  quovis  modo 
valeant  impediri. 

Item  (III)  decretum  deeime  quinte  sessionis  de  con- 
ciliis  synodalibus  et  provincialibus  observandis,  quod  incipit: 
Pridem  hec  saneta  synodus  quoddam  etc.  *), 

Item  (IV)  decretum  deeime  none  sessionis  de  Judeis  et 


*)  Basel   1433  Juli  13   sess.  XII,   Mansi  XXIX,   61-64.    Koch 
S.  113—118;  S.  119  f.  die  Zusätze. 

2)  Mansi  XXIX,  62.    Koch  S.  113. 

3)  Mansi  XXIX,  62.    Koch  S.  114. 

*)  Basel  1433  Nov.  26   sess.  XV,   Mansi  XXIX,    74—77.    Koch 
S.  120—127. 


Exkurs.  1 1 ; :, 

neophidis,  quod  incipit:  Salvatoris  nostri  Jhesu  Christi  sequens 
vestigia  etc. *). 

Item  orania  saluberrima  decreta  v  i  c  e  s  i  m  e  sessionis,  quorum 
(V)  primum  disponit  de  publicis  concubinariis  et  incipit:  Qui- 
cumque  clericus  cuiuscumque  etc.2);  (VI)  secundum  de  modo 
communicandi  hiis,  qui  dicuntur  excommunicati ,  suspensi  vel 
interdicti,  et  incipit:  Ad  vitanda  scandala  etc.3);  (VII)  tercium 
de  modo  et  forma  ponendi  interdictum  in  loco  et  divina  resu- 
mendi  et  incipit:  Quoniam  ex  indiscreta  etc.4);  (VIII)  quartum 
de  modo  appellandi  vel  non  appellandi  ante  sententiam  et  inci- 
pit: Ut  lites  cicius  terminentur 5). 

Similiter  omnia  decreta  vicesime  prime  sessionis,  quorum 
(IX)  primum  tollit  annatas0);  circa  hoc  tarnen  dignetur  sacrum 
concilium  declarare,  (6)  quod  non  intendit  per  hoc  decretum 
prohibere,  quin  licite  exigatur  et  solvatur,  si  quid  tempore 
receptionis  beneficiati  solitum  sit  solvi  fabrice  vel  pro  orna- 
mentis  ecclesie  vel  simili  casu,  ad  usum  tarnen  divini  cultus  et 
non  ad  privatum  commodum  personarum  convertendum.  (X)  Se- 
cundum decretum  vicesime  prime  sessionis  disponit  de  pacificis 
possessoribus  non  molestandis  et  incipit:  Quicumque  non  vio- 
lentus  7).  (XI)  Tertium  docet,  quomodo  divinum  officium  sit  in 
ecclesia  celebrandum,  et  incipit:  Si  quis  principem  seculi 8). 
(XII)   Quartum    ostendit,    quo   tempore    debet   quisque    esse   in 


')  Basel  1434  Sept.  7  sess.  XIX  c.  5,  Mansi  XXIX,  98  f.    Koch 
S.  127-129. 

2)  Basel  1435  Jan.  22  sess.  XX  c.  1,  Mansi  XXIX,  101  f.   Koch 
S.  129—132. 

3)  Ebd.  c.  2,  M.  XXIX,  103.    K.  S.  132. 

4)  Ebd.  c.  3,  M.  XXIX,  103.    K.  S.  133. 

5)  Ebd.  c.  4,  M.  XXIX,  103.    K.  S.  134. 

c)  Basel  1435  Juni  9  sess.  XXI  c.  1,  Mansi  XXIX,  104.     Koch 
S.  134  f.;  S.  135  der  Zusatz. 

7)  Ebd.  c.  2,  M.  XXIX,  105.    K.  S.  136. 

8)  Ebd.  c.  3,  M.  XXIX,  105.  108  (die  Seitenzahlen  bei  Mansi  sind 
verdruckt).   K.  S.  137  f. 


166  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

choro,  et  incipifc:  Qui  in  matutinis  l).  (XIII)  Quintum,  qualiter 
extra  chorum  höre  canonice  sunt  dicende,  et  incipit:  Quoscum- 
que  eciam2).  (XIV)  Sextum  de  hiis,  qui  tempore  divinorum 
vagantur  per  ecclesiam,  et  incipit:  Quicumque  in  ecclesia 3). 
(XV)  Septimum,  quod  tabula  pendeat  in  choro,  et  incipit: 
Ut  cuncta  in  domo  Dei  Ordinate  etc. 4).  (XVI)  Octavum, 
quod  in  missa  compleatur  Credo  et  quod  non  basse  legatur 
missa,  et  incipit:  Abusum  aliquarum  ecclesiarum5).  (XVII)Nonum 
de  pingnorantibus  cultum  divinum  et  incipit:  Abusum  eciam 
illum  cultui  divino  etc.0).  (XVIII)  Decimum  de  capitulis  tempore 
misse  non  tenendis  et  incipit:  Prohibet  hec  sancta  synodus  7). 
(XIX)  Undecimum  de  spectaculis  in  ecclesia  non  faciendis  et 
incipit:  Turpem  eciam  illum  etc. 8). 

Similiter  (XX)  decretum  de  numero  et  qualitate  cardinalium, 
de  quo  in  vicesima  tercia  sessione,  et  incipit:  Cum  summo 
pontifici9).  Item  (XXI)  decretum  eiusdem  vicesime  tercie  ses- 
sionis  de  electione  cassanda,  ex  qua  turbari  posset  ecclesia,  et 
incipit:  Licet  dudum  hec  sancta  synodus  10).  Item  (XXII)  decre- 
tum eiusdem  sessionis,  per  quod  reservaciones  tolluntur,  et 
incipit:  Et  quia  multiplices  ir).  Circa  hoc  tarnen  dignetur  sa- 
crum  concilium  ius  commune  renovare,  (7)  quod  papa  huius- 
modi  beneficia  in  dicto  decreto  sibi  reservata  conferat  infra 
spacium  unius  mensis,  alioquin  ordinarii  conferre  valeant, 
(8)    quodque    provisi    a   papa   infra   quatuor    menses   ordinariis 


J)  Ebd.  c.  4,  M.  XXIX,  108.    K.  S.  138  f. 
2)  Ebd.  c.  5,  M.  XXIX,  108.  107.   K.  S.  139. 
- 3)  Ebd.  c.  6,  M.  XXIX,  107.    K.  S.  140. 

4)  Ebd.  c.  7,  M.  XXIX,  107.    K.  S.  140  f. 

5)  Ebd.  c.  8,  M.  XXIX,  107.    K.  S.  141. 

6)  Ebd.  c.  9,  M.  XXIX,  107  f.  K.  S.  141  f. 

7)  Ebd.  c.  10,  M.  XXIX,  108.    K.  S.  142. 

s)  Ebd.  c.  11,  M.  XXIX,  103.    K.  S.  142  f. 

9j  Basel  1436  März  25  sess.  XXIII  c  4,  Mansi  XXIX,  116-119. 
Koch  S.  143—150. 

10)  Ebd.  c.  5,  M.  XXIX,  120.    K.  S.  150  f. 

")  Ebd.  c.  6,  M.  XXIX,  120.    K.  S.  151  f.;  S.  152  die  Zusätze. 


Exkurs.  167 

suam  provisionem  sub  pena  amissionis  iuris  insinuare  debeant. 
Item  (XXIII)  decretum  eiusdera  sessionis  tollens  Clenseu- 
tinam:  Literis  de  probacione  *)  et  incipit:  Licet  in  aposto- 
licis  2). 

Insuper  (XXIV)  decretum  tricesime  sessionis  de  com- 
munione  sacramenti  eukaristie  et  incipit:  Ut  lucidius  videatur 
pro  declaracione  etc. 8). 

Item  (XXV)  decretum  de collationibus  beneficiorum  in  trice- 
sima  prima  sessione  et  incipit:  Placuit  divine  pietati,  cum  alii> 
decretis  de  qualificacionibus  et  ordine  promovendorum  loquenti- 
bus  *).  Supplicatur  tarnen  sacro  concilio,  ut  declarare  dignetur, 
(9)  quod  vigore  horum  decretorum  non  intendit  tollere  inferiori- 
bus  ordinariis  tempus  Lateran ensis  concilii 5),  (10)  quodque  ante 
ipsius  lapsum  non  habeat  locum  prevencio,  ceterum  (11)  quod 
in  nacione  nostra  in  graciis,  quas  dominus  papa  adhuc  facere 
habet,  preferatur  Theutonicus  non  Theutonico  in  ecclesia 
Theutonicali  presertim  parrochiali.  Similiter  (XXVI)  ultimum 
decretum  tricesime  prime  sessionis  disponens  de  causis  et  de 
appellacionibus,  quod  incipit:  Ecclesiastice  solicitudinis  Stu- 
dium etc.6). 

Ceterum  decreta,  que  simpliciter  sunt  acceptanda,  sim- 
pliciter  acceptamus,  alia  cum  suis  modificacionibus  et  decla- 
racionibus,  sub  spe  quod  per  sacrum  concilium  approbentur 
et  decretentur,  acceptamus  sie  modificata  et  declarata.  Verum 
quia   sunt   nonnulla   in    quibusdam   nostre   Germanice   nacionis 


J)  C.  un.  in  Clem.  de  probationibus  2,  7. 

2)  Ebd.  c.  7,  M.  XXIX,  121.   K.  S.  152. 

3)  Basel  1437  Dez.  23  sess.  XXX,  Mansi  XXIX,  158  f.  Koch 
S.  153  f. 

4)  Basel  1438  Jan.  24  sess.  XXXI  cc.  2.  3,  Mansi  XXIX,  161 
bis  165.    Koch  S.  154—162;  S.  162  die  Zusätze. 

5)  Vgl.  c.  2  X  de  concessione  praebendae  3,  8  (Alexan- 
der III.  1179),  siehe  auch  cc.  2—5  X  de  supplenda  negligentia  praela- 
torum  1,  9. 

6)  Basel  1438  Jan.  24  sess.  XXXI  c.  1,  Mansi  XXIX,  159  f.  Koch 
S.  162—165;  S.  166  die  Zusätze. 


168  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

ecclesiis  statuta  et  consuetudines ,  abusus  et  diversa  alia  in- 
commoda  non  ex  caritate,  sed  ambicione,  avaricia  et  cupiditate, 
omniuni  malorum  radicibus,  introducta,  que  per  decreta  sacri 
Basiliensis  concilii  nondum  sunt  reformata,  inter  alia  videlicet 
(12)  quod  gravantur  nostre  nacionis  fideles  in  quarto  consanguini- 
tatis  vel  affinitatis  gradu  coniuncti,  matrimonium  contrahere  vo- 
lentes,  dum  ad  hoc  dispensandum,  ubi  leviter  dispensatur,  sedem 
apostolicam  consulere  sunt  astricti;  (13)  multa  denique  ex- 
horbitantia  per  exemptos  commissa  transiunt  inpunita  in  grave 
scandalum  multorum,  eo  quod  contra  disposicionem  capituli: 
Volentes  de  privileg.  lib.  sexto  *)  per  sedem  apostolicam  cottidie 
privilegia  eis  conceduntur;  (14)  conservatorie  eciam  per  sedem 
apostolicam  nimis  multiplicantur  et  ad  loca  distancia  contra 
formam  iuris  communis  passim  conceduntur;  (15)  in  curia 
Romana  frequenter  extraneis  et  advenis  indignis  ordines  sacri 
conferuntur,  —  super  quibus  dignetur  sacrum  concilium  Pro- 
videre  2). 


Die  erste  hier  nachfolgende  Tabelle  versucht  eine  Kon- 
kordanz des  Mainzer  Acceptationsinstruments  mit  dem  ent- 
sprechenden Teil  der  pragmatischen  Sanktion.  Die  erste  und 
zweite  Kolumne  verweisen  auf  die  Mainzer  Urkunde,  die  dritte 
auf  den  Kern  der  Sanktion  (Ordonnances  des  rois  de  France 
XIII,  p.  270 — 290),  die  vierte  gibt  die  entsprechende  Sitzung 
des  Basler  Konzils  bei  Mansi,  Concilia  XXIX  wieder. 


1)  c.  1  in  VIto  de  privilegiis  5,  7  (Innocentius  IV.  1245). 

2)  Nicht  wiederholt  also  ist  der   äussere  Rahmen  der  cedula   bei 
Koch  S.  93—95  und  99-104  (=  S.  105—107  und  S.  166—171). 


Exkurs. 


109 


Mainz 


II 

in 

IV 

v 
vi 

VII 
VIII 

IX 
X 


Inhalt 


Bourges 


Basel 


Decretum  per  sacrum  Con- 
stanciense  concilium  fac- 
tum et  per  sacrum  Basi- 
liense  concilium  renova- 
tum  de  auctoritate  et 
potestate  sacrorum  gene- 
ralium  conciliorum  tem- 
poribusque  eadem  convo- 
candi  et  celebrandi,  quod 
est  prime  sessionis  et  inci- 
pit :  Frequens  generalium 
conciliorum  celebratio 
agri  dominici  precipua 
cultura  est 

De  electionibus 
Zusätze  1  —  5 

De  conciliis  synodalibus  et 
provincialibus  observan 
dis 

De  .Tudeis  et  neophidis 


De  publicis  concubinariis 


De  modo  communicandi  hiis, 
qui  dicuntur  excommuni- 
cati,  suspensi  vel  inter- 
dicti 

De  modo  et  forma  ponendi 
interdictum  in  loco  et 
divina  resumendi 

De  modo  appellandi  vel  non 
appellandi  ante  senten- 
tiam 

De  annatis 
Zusatz  6 

De  pacificis  possessoribus 
non  molestandis 


I,  p.  270  f. 


III,  p.  271—273 


XXI,  p.  288  f. 

XXII,  p.  289 

XXIII,  p.  289 
VIII,  p.  282 


XI,  p.  283  f. 
9  Zusätze  p.  284  f. 

IX,  p.  282  f. 


143lDez.14  8ess.Ic3; 
Mansi  XXIX,  col. 
5  f. 


1433Julil3sess.  XII; 
col.  61—64 

1433Nov.26sess.XV; 
col.  74—77 


1434  Sept.  7  sess.  XIX 
c.  5;  col.  98  f. 

1435  Jan.  22  sess.  XX 
c.  1 ;  col.  101  f. 

Ebd.  c.  2;  col.  103 


Ebd.  c.  3;  col.  103 


Ebd.  c.  4;  col  103 


1435  Juni  9  sess.  XXI 
c.  1;  col.  104 

Ebd.  c.  2;  col.  105 


170 


Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 


Mainz 


Inhalt 


Bourges 


Basel 


XI 
XII 
XIII 
XIV 

XV 
XVI 

XVII 

XVIII 

XIX 

XX 

XXI 
XXII 
XXIII 
XXIV 

XXV 

XXVI 


Quomodo  divinum  officium 
sit  in  ecclesia  celebrandum 

Quo  tempore  debet  quisque 
esse  in  choro 

Qualiter  extra  chorum  höre 
canonice  sunt  dicende 

De  hiis,  qui  tempore  divi- 
norum  vagantur  per  eccle- 
siam 

Quod  tabula  pendeat  in 
choro 

Quod  in  missa  compleatur 
Credo  et  quod  non  basse 
legatur  missa 

De  pingnorantibus  cultum 
divinum 

De  capitulis  tempore  misse 
non  tenendis 

De  spectaculis  in  ecclesia 
non  faciendis 

De  numero  et  qualitate  Car- 
din alium 


De  electione  cassanda,ex  qua 
turbari  posset  ecclesia 

De  reservationibus 
Zusätze  7  und  8 

De  Clementina :  Literis 

De  communione  sacramenti 
eukaristie 

De  collationibus  beneficio- 
rum 
Zusätze  9 — 11 

De  causis  et  de  appellacio- 
nibus 
Zusätze  12 — 15 


XII,  p.  285  f. 
Zusatz  p.  286 

XIII,  p.  286 

XIV,  p.  286 

XV,  p.  286  f. 

XVI,  p.  287 

XVII,  p.  287 

XVIII,  p.  287 

XIX,  p.  287 

XX,  p.  287  f. 

X,  p.  283   (unter 
Verkürzung  des 
ursprünglichen 
Dekrets) 
Zusatz  p.  283 

IV,  p.  274 

2  Zusätze  p.274 

V,  p.  274 

XXIV,    p.  289 

Zusatz  p.  290 


VI,  p.  275-278 
13  Zusätze  p.  278 

bis  280 

VII,  p.  280  f. 

7  Zusätze  p.  281  f. 


Ebd.c.3;  col.  105.108 
Ebd.  c.  4;  col.  108 
Ebd.c.5;  col.  108.  107 
Ebd.  c.  6-,  col.  107 

Ebd.  c.  7;  col.  107 
Ebd.  c.  8;  col.  107 

Ebd.  9;  col.  107  f. 

Ebd.  c.  10;  col.  108 

Ebd.  c.  11;  col.  108 

1436  März  25  sess. 
XXIII  c  4;  col.  116 
bis  119 

Ebd.  c.  5;  col.  120 

Ebd.  c.  6;  col.  120 

Ebd.  c.  7;  col.  121 

1437Dez.23sess.XXX: 
col.  158  f. 

1438.Tan.24sess.XXXI 
cc.  2. 3;  col.  161-165 

Ebd.  c.  1 ;  col.  159  f. 


Exkurs. 


171 


Es  dürfte  sich 
die  der  Reihenfolge 
Sanktion  Rechnung 
künde   vergleicht, 
hier    auf   den  Kern 
France  XIII,  p.  270 
die  vierte   gibt   die 
bei  Mansi,  Concilia 


empfehlen,  eine  zweite  Tabelle  anzufügen, 

der  Basler  Dekrete  in  der  pragmatischen 
trägt  und  sie  mit  der  in  der  Mainzer  Ur- 
Die   erste   und   zweite  Kolumne   verweisen 

der  Sanktion  (Ordonnances  des  rois  de 
—290),  die  dritte  auf  die  Mainzer  Cedula: 

entsprechende  Sitzung   des  Basler  Konzils 

XXIX  wieder. 


Bourges 

Inhalt 

Mainz 

Basel 

I,  p.  270  f. 

De    celebratione     concilio- 
rum 

I 

1431  Dez.  14  sess. 

I  c.  3-,  Mansi 

XXIX,  col.  5  f. 

II.  p.  271 

De  potestate  et  auctoritate 
conciliorum 
Zusatz  p.  271 

— 

1432  Febr.  15 

sess.  II  cc.  1 — 4: 

col.  21  f. 

III,  p .271-273 

De  electionibus 

II 

Zusätze  1 — 5 

1433  Juli  13 

sess.  XII;  col.  <;1 

bis  64 

IV.  p.  274 

De  electione  cassanda,  ex 
qua  turbari  posset  eccle- 
sia 
2  Zusätze  p.  274 

XXI 

1436  März  25 

sess.  XXIII  c.  5; 

col.  120 

V,  p.  274 

De  reservationibus 

XXII 

Zusätze  7  u.  8 

Ebd.  c.  6;  col.  120 

VI,  p.  275-280 

De  collationibus  beneficio- 
rum 
13  Zusätze  p.  278—280 

XXV 

Zusätze  9—11 

1438  Jan.  24  sess. 

XXXI  c.  2.  3; 

col.  161-165 

VIT,  p.  280  f. 

De  causis  et  de  appellacio- 
nibus 
7  Zusätze  p.  281  f. 

XXVI 

Zusätzel2-15 

Ebd.c.l;col.l59f. 

VIII,  p.  282 

De  modo  appellandi  vel  non 
appellandi  ante    senten- 
tiam 

VIII 

1435  Jan.  22  sess. 
XX  c.  4;  col.  103 

IX,  p.  282  f. 

De   pacificis    possessoribus 
non  molestandis 

X 

1435  Juni  9 

sess.  XXI  c.  2; 

col.  105 

172 


Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 


Bourges 


Inhalt 


Mainz 


Basel 


X,  p.  283 

XI,  p.  283  f. 

XII,  p.  285  f. 

XIII,  p.  286 

XIV,  p.  286 

XV,  p.  286 

XVI,  p.  287 

XVII,  p.  287 

XVIII,  p.  287 

XIX,  p.  287 

XX,  p.  287  f. 

XXI,  p.  288  f. 

XXII,  p.  289 


De  numero  et  qualitate  car- 
dinaliura  (das  Basler  De- 
kret kürzend) 
Zusatz  p.  283 


De  annatis 

9  Zusätze  p.  284  f. 

Quomodo  divinum  officium 
sit  in  ecclesia  celebran 
dum 
Zusatz  p.  286 

Quo  tempore  debet  quisque 
esse  in  choro 

Qualiter  extra  chorum  höre 
canonice  sunt  dicende 

De  hiis,  qui  tempore  divi- 
norum  vaganturper  eccle- 
siam 

Quod  tabula  pendeat  in 
choro 

Quod  in  missa  compleatur 
Credo  et  quod  non  basse 
legatur  missa 

De  pingnorantibus  cultum 
divinum 

De  capitulis  tempore  misse 
non  tenendis 

De  spectaculis  in  ecclesia 
non  faciendis 

De  publicis  concubinariis 


De  modo  communicandi  hiis, 
qui  dicuntur  excommuni- 
cati,  suspensi  vel  inter- 
dicti 


XX  (unter  Er- 
gänzung des 

ursprüng- 
lichen Wort- 
lauts) 

IX 

Zusatz  6 

XI 


XII 


1436  März  25 

sess.  XXIII  c.  4: 

col.  116  f.  (116 

bis  119) 


1435  Juni  9  sess. 
XXIc.l;col.  104 

Ebd.  c.  3;  col.  105. 

108 


Ebd.  c.  4;  col.  108 


XIII 

Ebd.  c.  5;  col.  108 
107 

XIV 

Ebd.  c.  6;  col.  107 

XV 

Ebd.  c.7;  col.  107 

XVI 

Ebd.  c.  8;  col.  107 

XVII 

Ebd.c.9;col.l07f. 

XVIII 

Ebd.c.l0;col.l08 

XIX 

Ebd.c.ll;col.l08 

V 

1435  Jan.  22  sess 
XXc.l;col.l01f. 

VI 

Ebd.c.2;  col.  103 

Exkurs. 


17:; 


Bourges 

Inhalt 

Mainz 

Basel 

XX III,  p.  289 

XXIV,  p.  289  f. 

De  modo  et  forma  ponendi 
interdictum  in  loco  et  di- 
vina  resumendi 

De  Clementina:  Literis 
Zusatz  p.  290 

VII 
XXIII 

Ebd.c.3;  col.103 

sess.  XXIII  c.  7; 
col.  121 

3. 

Für  die  pragmatische  Sanktion  ergibt  sich  also:  sie  über- 
nahm 24  Basler  Dekrete,  von  ihnen  sind  22  in  das  Mainzer 
Instrument  übergegangen,  eins  (Bourges  X)  wurde  in  Mainz 
in  seinem  ursprünglichen  Umfang  angenommen,  eins  (Bour- 
ges II  de  potestate  et  auctoritate  concilii  p.  271  mit  Zusatz 
=  Basel  1432  Febr.  15  sess.  II  cc.  1—4,  Mansi  XXIX,  21  f.) 
wurde  in  Mainz  nicht  wiederholt.  In  Bourges  strebte  man 
nach  Möglichkeit  eine  systematische  Anordnung  der  Dekrete 
nach  ihrem  Inhalt  an;  benutzt  wurden  dazu  die  Canones  der 
sessio  I  (I),  II  (II),  XII  (III),  XX  (VIII.  XXI— XXIII),  XXI 
(IX.  XI— XX),  XXIII  (IV.  V.  X.  XXIV)  und  XXXI  (VI.  VII) 
des  Basler  Konzils,  derart  dass  die  hier  zu  den  Sitzungs- 
ziffern in  Klammern  gefügten  Ziffern  die  Abschnitte  der  prag- 
matischen Sanktion  wiedergeben.  Zusätze  wurden  beliebt  zu 
den  Abschnitten  II  (aus  sess.  II),  IV  (sess.  XXIII),  VI  und 
VII  (sess.  XXXI),  X  (sess.  XXIII),  XI  und  XII  (sess.  XXI) 
und  XXIV  (sess.  XXIII). 

Für  die  Mainzer  Acceptation  ergibt  sich:  sie  übernahm 
26  Basler  Dekrete,  von  ihnen  finden  sich  22  auch  in  der  prag- 
matischen Sanktion,  eins  (Mainz  XX)  wurde  acceptiert  in  seinem 
ursprünglichen  Umfang,  drei  (Mainz  III.  IV.  XXIV)  haben  in 
der  Sanktion  keine  Parallele,  die  ihrerseits  eins  (Bourges  II) 
acceptierte,  ohne  dafür  in  Mainz  Nachahmung  zu  finden.  In 
Mainz  benutzte  man  also  die  pragmatische  Sanktion,  neben  ihr 


174  Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 

aber  ein  Exemplar  der  Basler  Dekrete,  das  diese  nach  der 
Reihenfolge  der  Sitzungen  anordnete.  Die  Canones  sind  auf- 
gezählt nach  der  Reihenfolge  der  Sitzungen  des  Konzils:  aus 
sess.  I  entlehnte  man  Abschnitt  I,  aus  sess.  XII  Abschnitt  II, 
aus  sess.  XV  Abschnitt  III,  aus  sess.  XIX  Abschnitt  IV,  aus 
sess.  XX  die  Abschnitte  V — VIII,  aus  sess.  XXI  die  Abschnitte 
IX— XIX,  aus  sess.  XXIII  die  Abschnitte  XX-XXIII,  aus 
sess.  XXX  Abschnitt  XXIV  und  endlich  aus  sess.  XXXI  die 
Abschnitte  XXV  und  XXVI.  Zusätze  finden  sich  im  Mainzer 
Instrument  zu  den  Abschnitten  II  (aus  sess.  XII),  IX  (sess.  XXI), 
XXII  (sess.  XXIII),  XXV  und  XXVI  (sess.  XXXI). 


Register, 


A. 

Abgaben  der  Benefiziaten  an  die 
Kirchenfabrik,  für  den  Kirchen- 
schmuck 61  ff. 

Ablasswesen  30. 

Acceptation,  Mainzer  (1439)  33  ff. 
84.  92  ff.  98  ff.  113.  116.  148. 
162  ff. 

Adel  als  Vorbedingung  für  kirch- 
liche Aemter  81  3 ;  der  deutsche 
A.  in  der  Auffassung  Luthers 
143. 

Adolf  von  Nassau,  Erzbischof  von 
Mainz  (f  1475)  115. 

Alaraania  97. 

Albrecht  IL,  deutscher  König  (1438 
bis  1439)  34  ff.  51  f.  79  f.  84.  86. 
93. 

Albrecht  Achilles,  Kurfürst  von 
Brandenburg  (f  1486)  115. 

Albrecht  von  Brandenburg,  Erz- 
bischof von  Magdeburg  und  Mainz, 
Bischof  von  Halberstadt  (f  1545) 
132  f. 

Aleander,  päpstl.  Nuntius  (t  1542) 
143. 

Alexander  II.,  Papst  (1061—1073) 

Alexander  III.,  Papst  (1159—1181) 

14  f. 
Alexander  IV.,  Papst  (1254—1261) 

77. 
Alexander  VI.,  Papst  (1492-1503) 

117  ff. 
Alternative  in   der  Besetzung  von 

Pfründen  99  ff. 
Altkatholizismus  159. 


Annaten   30.  44.  53  f.  60  ff'.  100  ff. 

106.  122.  140. 
Appellationen  nach  Rom  43.  54  f. 
Arianismus  6. 
Aribo,  Erzbischof  von  Mainz  (1021 

bis  1031)  8  ff. 
Artikel  von  Koblenz  (1769)  151. 


B. 


Basler  Konzil  s.  Konzil  zu  Basel. 
Beamten,  kuriale  54.  65. 
Benedikt  XII.,  Papst   (1334—1342) 

69.  98. 
Benedikt  XIII.,  Papst  (1394—1417, 

t  1424)  77. 
Berthold  von  Henneberg,  Erzbischof 

von  Mainz  (f  1504)  111  2. 
Beschwerden  der  deutschen  Nation 

93.  113.  115.  124  f. 
Bitten  des  Königs  oder  der  Fürsten 

um  Benefizien  53.  57  f. 
Böhmen  51  f.  118.  124. 
Bonifaz  VIII.,  Papst  (1294-1303)  77  f. 
Bourges  s.  Sanktion,  pragmatische, 

von  Bourges. 
Brandenburg,  Kurfürst  von  39. 
Bündnisse  des  Klerus  aus  verschie- 
denen Diözesen  115  4. 
Bundeskonkordat  156. 
Bussbefreiungen,  päpstliche  8. 


Calixtus    III.,    Papst    (1455-1458) 
108. 


176 


Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 


Chlodowech,  fränkischer  König  (481 

bis  511)  6. 
Clemens  IV..  Papst  (1265—1268)  78. 
Clemens  VII.,   Papst  (1523-1534) 

144. 
Cluniacensische  Ideen  7. 
collationes  per  preventionem  53.  73. 
communio     sacramenti     eukaristie 

51  f. 
concordata  principum  s.  Konkordat 

von  Wien  (1448). 
consistoria  spiritualia,  secularia  87  f. 


I). 

Dacien  108. 

Dänemark  28.  30.  111. 

Dalberg,  K.  Th.  von,  Erzbischof  von 

Mainz  (Regensburg),  Bischof  von 

Konstanz  (f  1817)  20.  153  ff. 
Decretum  Gratiani  13.  69.  75  f. 
Dekretalen,  päpstliche  13. 
Deutsche  Nation  28  ff.  41.  96.  97  2. 

105  f.  108. 111. 118.  122.  134.  144. 

151. 
Deutscher  Bund  (1815-1866)  155  f. 
Deutscher    Evangelischer    Kirchen- 

ausschuss  146. 
Deutschkatholizismus  159. 
Devolutionsrecht  71. 
Diether  von   Isenburg,   Erzbischof 

von  Mainz  (f   1482)  115. 
Dietrich  von  Erbach,  Erzbischof  von 

Mainz  (f  1459)  61  \  113. 
Diözesansynoden  47  f.  157. 
Dispensationen  30. 
Dispense    bei   Konsanguinität    und 

Affinität     der    Eheschliessenden 

75.  f. 
Disputation  zu  Leipzig  (1519)  142. 
Döllinger,  J.  von  (f  1890)  21.  157  ff. 


E. 


Eid  der  Bischöfe  152. 

Emser  Kongress   s.  Punktation  des 

Emser  Kongresses. 
Enea  Silvio  de'  Piccolomini,  zuletzt 

Papst  Pius  IL  (1458—1464)    7  l. 

89  f.  106  f.  114  f.  124.  127.  129  3. 


England  15.  25.  30  f.  34.  111. 
Entschädigungsfrage     des    Papstes 

53  f.  60.  63  ff.  80. 
Episkopalismus  149  f.  157. 
Erfurter  Universität  92. 
Ernst  von  Sachsen,  Erzbischof  von 

Magdeburg  (f  1513)  117. 
Eugen  IV,  Papst  (1431—1447)  33  ff. 

45.  51.  56.  77.  79.  81  f.  86.  90  f. 

93  ff.  97. 
exactio  vacantiarum  54.  56. 
Exemtionen  13.   23.  54  f.  76. 
Exkommunikationen  30- 
Exspektanzen ,    päpstliche    42.    53. 

102.  106. 
Extravaganten  70. 


F. 


Febronius  s.  Hontheim. 

Felix  V.,  Gegenpapst  (1439—1449) 

84,  86. 
Frankreich  25  f.  30  f.  34  ff.  83  f. 
Franz  I,  König  von  Frankreich  (1515 

bis  1547)  129  3.  143. 
Franz  IL,    deutscher   Kaiser   (1792 

bis  1806,  f  1835)  154. 
Freiheit,  bischöfliche  69. 
Freiheiten  der  deutschen  Nation  64; 

der  gallikanischen  Kirche  26.  54, 

vgl.  150.  160. 
Friedrich    L,    Kaiser    (1152—1190) 

14  ff.  22.  116.  144.  148. 
Friedrich  IL,    Kaiser   (1212-1250) 

22.  117  f. 
Friedrich  III.,   Kaiser  (1440—1493) 

86.  91  ff.  96.  105.  108.  110.   115. 
Friedrich  der  Weise,  Kurfürst  von 

Sachsen  (f  1525)  117. 
Friedrich  Wilhelm  IV.,  König  von 

Preussen  (1840—1861)  21. 
fructus  primi  anni  100. 
fructus  medii  102  f.  106. 
Fürstenbund,  deutscher  153. 
Fürstenkonkordate    (1447)  83.  93  2. 

94  2.  95. 


0. 


Gallikanischer  Klerus,  Erklärung  des 
gall.  Klerus  (1682)  150. 


Register. 


177 


Gegenpäpste  im  11.,  12.  Jahrhundert 
und  im  Zeitalter  Ludwigs  des 
Bayern  22  f. 

Geistliche  Gebiete  in  Deutschland 
15.  149.  153  f. 

Georg  d'Amboise,  Kardinal  (f  1510) 
116. 

Gerhoh  von  Reichersberg  (t  1169)  19. 

Germanica  natio  97. 

Gottesdienstordnung  43.  52. 

Grade,  akademische  54. 

Gratien,  päpstliche  73. 

gravamina  nationis  Germanicae  s. 
Beschwerden  der  deutschen  Na- 
tion. 

Gregor  VII.,  Papst  (1073-1085)  7. 
11. 

Gregor  IX.,  Papst  (1227—1241)  13. 

Gregor  XL,  Papst  (1370-1378)  54. 


H. 

Hadrian  IV.,  Papst  (1154—1159) 
15  ff. 

Hamburg-Bremen,  Erzbischof  von 
30.  39.  41. 

Hammersteinsche  Ehescheidungsan- 
gelegenheit 9. 

Heinrich  IL,  Kaiser  (1002—1024)  9. 

Heinrich  IV..  Kaiser  (1056—1106) 
11.  22.  144. 

Heinrich  V.,  Kaiser  (1106-1125)  22. 

Hermann  Grien  — Hans  von  Hermans- 
grün. 

Hermansgrün,  Hans  von  20.  117  ff. 
126.  128.  134.  137.  141.  148. 

Herrschaft,  weltliche  und  kirchliche, 
über  die  deutschen  Reichseigen- 
kirchen 8  ff. ;  weltliche,  über  den 
Besitz  der  Reichskirchen  13. 

hierarchia  iurisdictionis  149. 

Hildegard  von  Bingen  (t  um  1180) 
19.  135. 

Hillin,  Erzbischof  von  Trier  (f  1169) 
15  f. 

Hontheim,  Johannes  Nikolaus  von, 
Weihbischof  von  Trier  (Febronius) 
151.  160. 

Humanistische  Gedanken  über  eine 
deutsche  Nationalkirche  137  ff. 

Huss,  Johannes  (f  1415)  24. 

Hussiten,  Hussitismus  51  f.  117. 

Werminghoff,  Nationalkirchliche 


Jesuitismus  148.  150. 

Iglauer   Kompaktaten   s.   Kompak- 

taten  von  Prag  und  Iglau. 
Ignatius  von  Loyola  (t  1556)  147. 
Investiturstreit  1 1  f. 
Johann   XXII,  Papst  (1316—1324) 

22.  69.  77. 
Joseph    IL,  '  Kaiser     (1765-1790) 

151  f. 
Juden  48. 
Julius  IL,  Papst  (1503—1513)  120  f. 

124.  126  f.  129. 
Julius' IIL,  Papst  (1550—1555)  112  2. 
ius  regaliae  53. 


Kammergulden  102. 
Kanzleiregeln,  päpstliche  70.  77. 
Kapitelversammlungen  43. 
Kardinäle,    Kardinalkollegium    30. 

48  ff.  52.  65.  141. 
Karl  V.,  Kaiser  (1519—1556,  1 1558) 

133.  143  f.  147. 
Karl  Martell  (f  741)  154. 
Karl   der  Grosse   (768—814)   3.  6  f. 
Karl    VII.,    König  von   Frankreich 

(1422—1461)   34  ff.   79  f.  83.  92. 

95.  129  3. 
Karl   VIII.,    König  von  Frankreich 

(1483—1498)  117  ff. 
Köln,  Erzbischof  von  17.  37.  39.  41. 

81.  88.  91.  150  ff. 
Kollation   der  Benefizien  43.   53  f. 

68  ff.  71  f. 
Kommenden  30. 
Kompaktaten  von  Prag  (1433)  und 

Iglau  (1436)  51. 
Kongress  von  Wien  (1814  und  1815) 

155. 
Konkordat:  Worraser  K.  (1122)  12. 

19;    Konstanzer  K.   (1418)  28  ff. 

411.  98  ff.  148;  Wiener  K.  (1448) 

83.  86  ff.  94  ff.  97  ff.  108  ff.  113. 

125. 1301  (concordata  principum). 

148  f. ;  französisches,  englisches  K. 

(1418)  28.  31;  französisches  (1801) 

155;  Konkordate  im  beginnenden 

19.  Jahrhundert  156. 
Konrad  IL,  Kaiser  (1024—1039)  7. 
Bestrebungen.  12 


178 


Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 


Konrad  III.,  deutscher  König  (1138 
bis  1152)  13  f. 

Konservatoren  77  f. 

Konservatorien  76  ff. 

Konsistorium  des  Primats  in  Ger- 
manien 140. 

Konstanzer  Konkordat  s.  Konkordat. 

Konstanzer  Konzil  s.  Konzil  zu  Kon- 
stanz. 

Konzil:  zu  Aachen,  prophezeites 
135  f.;  von  Basel  (1431—1449) 
24  f.  33  ff.  86  ff.  93.  95.  99  f.  104. 
106.  111.  113.  116.  134.  147. 
161  ff;  von  Ferrara  (1438  ff.)  33. 
60;  von  Konstanz  (1414—1418) 
24  ff.  44  f.  53  f.  93.  95.  106.  111. 
113.  116.  134.  147.  161 ;  im  La- 
teran (1123)  12.  (1139)  12.  (1179) 
12.  71.  (1215)  12.  75;  von  Lyon 
(1245)  76  f.  (1274)  69;  von  Nicäa 
(325)  141;  von  Pisa  (1409)  24; 
von  Seligenstadt  (1023)  8  ff. ;  von 
Tours  (1510)  121;  von  Tribur 
(895)  7;  von  Trient  (1545—1563) 
4.  76.  148  f. ;  im  Vatikan  (1869 
und  1870)  4. 148.  159;  von  Worms 
(1076)  11;  von  Würzburg  (1287) 
78. 

Konzilien,  allgemeine:  ihre  Periodi- 
zität 42.  44  ff. ;  ihre  Superiorität 
über  den  Papst  25.  44  ff.  95  f. 

Kurfürstentag  zu  Frankfurt  (1456) 
113  f. 

Kurfürstenvereinigung  von  1446  93. 

Kurtisanen  122  ff.  130  f. 


L. 

Landeskirchen,     Ansätze     von    23. 

87  ff.  95.  120. 
Landeskirchen,   evangelische  145  f. 
Langobarden  6. 
legatus  natus  128  f. 
legatus    natus    et    perpetuus    116. 

122  f.  126  ff.  131  f. 
Leo  X.,  Papst  (1513—1521)  1293. 
Lothar    von    Supplinburg,     Kaiser 

(1125-1137)  13. 
Ludwig  der  Bayer,  Kaiser  (1314  bis 

1347)  22.  144. 
Ludwig  XL,  König  von  Frankreich 

(1461-1483)  1293. 


Ludwig  XII.,  König  von  Frankreich 
(1498-1515)  120  f.  1293. 

Lübeck,  Bischof  von  39.  81. 

Luther  20.  85  *.  105  \  110.  133. 
139  ff.  144  ff.  147.  161. 


M. 

Magdeburg,  Erzbischof  von  37.  39. 
41 ,  als  primas  seu  patriarcha 
126  f.  129.  141. 

Mainz,  Erzbischof  von  17.  37.  39. 
41.  106.  150  ff. 

Mainzer  Acceptation  s.  Acceptation. 

Marsilius  von  Padua,  Defensor  pacis 
22. 

Martin' V.,  Papst  (1417—1431)  25. 
27  ff.  98. 

Martin  Mayr,  kurmainzischer  Kanz- 
ler 106.  114.  124.  127. 

Matthäus  Lang,  kaiserlicher  Kanz- 
ler, Bischof  von  Gurk,  Kardinal- 
diakon von  S.  Angelo  in  Peschiera 
und  Erzbischof  von  Salzburg 
(t  1540)  122.  130  ff.  134.  148. 

Maximilian  L,  Kaiser  (1493—1519) 
120  ff.  124  ff.  129  ff.  133  f. 

medietas  beneficiorum  100. 

Monate,  päpstliche  99. 


Napoleon  I.  (f  1821)  153  ff. 

Nationalkonzil  Ulf.  114.  116.  151f. 
157  f. 

Neophyten  48. 

Neutralität,  französische  25  f.;  kur- 
fürstliche, von  1438  38  ff.  79. 
87  ff. 

Niederlande  143. 

Nikolaus  L,  Papst  (858—867)  7. 

Nikolaus  III.,  Papst  (1277—1280)  99. 

Nikolaus  V.,  Papst  (1447—1455)  86. 
90.  94.  97. 

Norwegen  28. 

Nuntiaturenstreit  152. 


0. 


Ostgoten  6. 

Otto  der  Grosse  (936—973)  4. 


7. 


Register. 


179 


Otto,  Bischof  von  Freising  [f  1158) 

14. 
Ottonische   Verfassungskirche   6  ff. 


P. 


Palliengebühren  56. 

Passau,  Bischof  von  81. 

Patriarch,  Patriarchat,  Pläne  für 
ein  deutsches  116.  118  ff.  126. 
128.  135  ff.  155. 

Paul   III.,   Papst  (1534-1549)  144. 

Pfalzgraf  bei  Rhein  37. 

Pfarrer,  Amt  der  Pfarrer,  bei  Luther 
142. 

Pfarrkirchen,  deutsche,  durch  Deut- 
sche zu  besetzen  73  f. 

Pfründenbesitz,  ruhiger  43. 

Philibert  von  Coutances,  Admini- 
strator der  Prager  Kirche  51. 

Philipp  IV.,  der  Schöne,  König  von 
Frankreich  (1285— 1314)  40. 

Pius   II.,   Papst  s.  Enea  Silvio. 

Pius  IX.,  Papst  (1846-1878)  112 2. 
159. 

Polen  28.  118. 

Populäre  Gedanken  über  eine  deut- 
sche Nationalkirche  135  f. 

Prager  Kompaktaten  s.  Kompaktaten 
von  Prag  und  Iglau. 

pragmatica  sanctio  56 ;  s.  Sanktion, 
pragmatische,  von  Bourges. 

Primas,  Primat,  Pläne  für  einen 
deutschen  16  ff.  116.  126.  129. 
138  ff.  141.  151  f.  156  f. 

Processus  apostolici  53. 

procureur  des  ämes  121.  127. 

Protestation  s.  Neutralität,  kurfürst- 
liche von  1438. 

Provinzialkonzilien  47  f.  157. 

Provisionen,  päpstliche  30.  68  ff. 
99  ff. 

Prozesse,  kirchliche  16.  30.  54  f. 
122  f.  132;  bei  einem  Konzil  55. 

Pseudoisidorische  Dekretalen  7.  12. 
151.  153. 

Punktation  des  Emser  Kongresses 
(1786)  101 l.  1122.  152. 

Quinquennalfakultäten  152. 


R. 

Reformation  des   Kaisers  Sigmund 

85'. 
regnum  Romanum  16. 
Reichsdeputationshauptschluss 

(1803)  20  f.   155. 
Reichseigenkirchen  7  f.  161. 
Reichskirche,  fränkische  6. 
Reichskonkordat  154. 
Reichstag:  zu  Augsburg  (1518)  137; 

zu  Bensangon  (1157)  15;  zu  Frank- 
furt (1439)   87  f.   90.  (1446)  82; 

zu    Mainz   (1439)    33  ff.    86.    90. 

(1441)  92;  zu  Worms  (1495)  117. 

126;  zu  Würzburg  (1165)  14  4. 
Reinald  von  Dassel,  Erzbischof  von 

Köln  (f  1167)  15. 
Reisen  nach  Rom  8. 
Reservationen,  päpstliche  43.  67  ff. 

72  f.  97  f.  106. 
Revolution,    deutsche    (1848)    157; 

französische  153. 
Rheinbund  155. 


Sachsen,  Herzog  von  37. 

Säkularisationen  in  Deutschland  149. 
154. 

Salzburg,  Erzbischof  von  37.  39. 
41.  96.  152,  als  legatus  natus 
Germaniae  126  f.  129. 

Sanktion,  pragmatische :  von  Bourges 
(1438)  34  ff.  95  f.  103  f.  122  f. 
125.  127.  129.  168  ff.;  Plan  für 
eine  deutsche  113  ff.  116,  vgl.  84. 

Schauspiele  in  der  Kirche  43. 

Schottland  111. 

Schreiben,  päpstliche,  über  Pfrün- 
denverzicht und  Pfründenent- 
ziehung 43. 

Schuldenmachen  der  Geistlichen  43. 

Schweden  28. 

servitia  communia  100.  102  f. 

servitia  minuta  56. 

Sigmund,  Kaiser  (1410—1437)  27. 
51  f. 

signatura  gratiae,  iustitiae  140. 

Simonie  30. 

Skriptoren,  kuriale  56. 

Spalatin,  Georg,  sächsischer  Hof- 
prediger (f  1545)  139. 


180 


Werminghoff,  Nationalkirchliche  Bestrebungen. 


Spiegel,  Jacob,  kaiserlicher  Sekretär 

122.  130. 
Strassburg,  Bischof  von  96. 
Syllabus  von  1864  1122.  159. 

T. 

tempus   concilii    Lateranensis   71  f. 
Thomas  Wolsey,  Kardinal  (f  1530) 

116. 
Tours,  Erzbischof  von  25. 
Tridentiner    Konzil    s.   Konzil     zu 

Trient. 
Trier,   Erzbischof  von  39.   41.  81. 

91.    150  ff. 
Trierer  Stilübungen  (um  1158)  15  ff. 

116.  134. 
Türkenzehnten  106. 

u. 

Ulrich  von  Hütten  (f  1523)  137  ff. 
Ultramontanismus  157. 
Unfehlbarkeit  des  Papstes  148.  159. 
Ungarn  28.  111.  118. 
üniversitätsangehörige  und  ihre  Be- 
vorrechtung bei   Pfründen   53  f. 


Vandalen  6. 

Vatikanisches   Konzil   s.  Konzil  im 

Vatikan. 
Venedig  120. 
Verhalten,  sittliches,   der  Kleriker 

43. 


Versammlung  der  deutschen  Bischöfe 
zu  Würzburg  (1848)  157. 

Viterbo  16. 

Vorschläge,  deutsche,  aus  dem  Jahre 
1439  betr.  Entschädigung  des 
Papstes  63  ff. 

w. 

Wahlen,  kirchliche  13.  42.  57  ff. 
60.  98  f.  106. 

Walther  von  der  Vogelweide  22. 

Weihe  der  vom  Papst  Konfirmier- 
ten 53.  59;  Weihen  von  Aus- 
ländern und  Fremdlingen  78. 

Wessenberg,  J.  H.  C.  von  (f  1861) 
21.  155  f. 

Westgoten  6. 

Wiener  Konkordat  s.  Konkordat  von 
Wien. 

Wiklif,  Johannes  (f  1384)  24  f. 

Wimpheling,  Jacob,  Humanist 
(f  1528)  122  ff.  126  ff.  130  ff. 
139.  148. 

Wormser  Konkordat  8.  Konkordat 
von  Worms. 

Wünschelburg,  Johann,  Priester  in 
Amberg  136. 


Zehnten  106. 

Zensuren,  kirchliche  30.  43.  125. 

Zirkumskriptionsbullen     aus     dem 

Beginn      des      19.    Jahrhunderts 

156. 


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274.3 

W494 

Werminghoff,  Albert 


110908 


274.3 
W494 

Werminghoff,  Albert 

Nationalkirchliche  Bestrebungen 

IM  DEUTSCHEN  MITTELALTER 


•I  II 


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