iV. \ i ■
3, fe'V ' 11 7 'i1 j'l '.'# l'-V* '
/•/•• l"iP i *•'/ j V ■ h 'i • » • 'tA •'• - )• i fl1 • /!i • \ •
^WSKSnflERfil^tt»?
Ä1- ä 'i !p*Ä^WWWw, '-
im
Kirchenrechtliche Abhandlungen.
Herausgegeben
Dr. Ulrich Stutz,
o. ö. Professor der Rechte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität
zu Bonn.
61. Heft:
Nationalkirchliche Bestrebungen im deutschen Mittelalter.
Von
Dr. phil. ALBERT WERMINGHOFF,
o. ö. Professor der Geschichte an der Albertus-Universität zu Königsberg i. Pr.
STUTTGART.
VERLAG VON FERDINAND E N K E.
1910.
,,
Nationalkirchliche Bestrebungen
im deutschen Hittelalter.
\*/^ VON
Dr. phil. ALBERT WERMINGHOFF,
o. ö. Professor der Geschichte an <ler Albertus-Universität zu Königsberg i. Pr.
11090
Q
wmä
UBRARY ST. MARYS COLLEGE
STUTTGART. .
VERLAG VON FERDINAND E N K E.
1910.
Das Uebersetzungsrecht für alle Sprachen und Länder vorbehalten.
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschai't in Stuttgart.
JOHANNES BAUER
ZUR ERINNERUNG AN DIE KÖNIGSBERGER JAHRE
1907—1910
ZUGEEIGNET.
Vorwort,
Die vorliegende Schrift ist erwachsen aus einem Abschnitt
im zweiten Bande meiner „Geschichte der Kirchenverfassung
Deutschlands im Mittelalter", dessen Ausarbeitung wohl schon
vor längerer Zeit begonnen, dessen Vollendung aber durch
immer neue und andere Obliegenheiten hinausgeschoben wurde.
In ihm darf die Darlegung der Versuche, durch eine deutsche
Nationalkirche den engen Zusammenhang des deutschen Kirchen-
wesens mit der allgemeinen Kirche zu lockern, nur einen
kleinen Raum beanspruchen; hier aber war es möglich, alle
jene Bestrebungen eingehender zu schildern, in erster Linie
die mittelalterlichen, während ich hoffen möchte, nicht allzusehr
deshalb getadelt zu werden, dass ich auch die neuzeitlichen
Pläne einer Nationalkirche für die deutschen Bekenner des
katholischen Glaubens in gedrängtem Ueberblicke zu würdigen
suchte. Nur so schien es möglich, die Verflechtung aller der
Umstände aufzudecken, die seit dem 10. Jahrhundert bis zur
Gegenwart den Bau einer deutschen Nationalkirche verhindert
haben. Wer dies Ideal sich zu eigen gemacht hat, muss
Resignation zu üben verstehen. Man mag ihn zu den Utopisten
zählen, wird es aber begreiflich finden, dass er sich mühte,
in einer historischen Darstellung Rechenschaft darüber abzu-
legen, warum jenes Ziel bisher nicht erreicht wurde und kaum
jemals wird erreicht werden können.
Mein erster Dank gilt dem Herausgeber der „ Kirchen-
rechtlichen Abhandlungen**, U. Stutz, dafür, dass er in Hebens-
VIII Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
würdigster Weise meiner Arbeit Gastfreundschaft gewährte,
und zu Dank auch haben die Herren H. U 1 mann- Greifs wald,
G. Beckmann -Erlangen, R. Holtzmann-Strassburg, G. Lei-
dinger-München, K. Lux-Münster und J. Trefftz-Weimar
mich verpflichtet, die mehrfach mit Rat und Tat mich unter-
stützten. Wie früher hat E. Stengel-Marburg mit freund-
schaftlicher Hilfsbereitschaft mir zur Seite gestanden und, wie
gleichzeitig U. Stutz, sämtliche Druckbogen überprüft; die
gütige Mitarbeit beider hat begründeten Anspruch auf die Dank-
barkeit auch der Leser.
Dargebracht sei die Schrift dem lieben Freunde, mit dem
ich manche hier ausgeführte Gedankenreihe erörtern konnte.
In der Ferne mag die Widmung ihn daran erinnern, wie sehr
seine Anregungen mich zu seinem Schuldner gemacht haben.
Königsberg i. Pr., 16. März 1910.
Albert Werminghoff.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vorwort VII
Inhaltsverzeichnis IX
Literaturverzeichnis XI
Einleitung 1
Erster Abschnitt. Der angebliche Plan des Erzbischofs Aribo
von Mainz (1021-1031) 6
Zweiter Abschnitt. Die Trierer Stilübungen aus der Zeit Fried-
rich Barbarossas 11
Dritter Abschnitt. Das Konkordat Papst Martins V. mit der
,, deutschen Nation" vom Jahre 1418 . . 22
Vierter Abschnitt. Die Mainzer Acceptation vom Jahre 1430 33
Fünfter Abschnitt. Das Wiener Konkordat vom Jahre 1448 . 86
Sechster Abschnitt. Nationalkirchliche Pläne des ausgehenden
Mittelalters 110
Siebenter Abschnitt. Populäre und humanistische Gedanken. —
M. Luther und die evangelischen Landes-
kirchen. — Die katholische Kirche der Neu-
zeit und Pläne einer deutschen National-
kirche katholischen Glaubens 134
Exkurs. Der Text der Cedula im Mainzer Acceptationsinstrument 162
Register 175
Literaturverzeichnis.
Aeneae Sylvii Piccolominei Senensis . . . opera. Basileae 1571.
Alt mann, W. und Bernheim, E., Ausgewählte Urkunden zur Ver-
fassuDgsge8chichte Deutschlands im Mittelalter. 4. Aufl. Berlin 1909.
Anrieh, G., Der moderne Ultramontanismus in seiner Entstehung und
Entwicklung. Tübingen 1909.
Archiv für katholisches Kirchenrecht VI. Innsbruck 1861. XIII. Main/
1805. XXI. ebd. 1869.
Bachmann, A., Deutsche Reichsgeschichte unter Friedrich III. und
Max I. Bd. I. Leipzig 1884.
— Die deutschen Könige und die kurfürstliche Neutralität 1438 bis
1447: Archiv für österreichische Geschichte LXXV (Wien 1889),
S. 1 ff.
— Geschichte Böhmens II. Gotha 1905.
Baumgartner, E., Geschichte und Recht des Archidiakonates der
oberrheinischen Bistümer mit Einschluss von Mainz und Würz-
bürg. Stuttgart 1907 (Kirchenrechtl. Abhandl. von U. Stutz,
39. Heft).
Benrath, K., An den christlichen Adel deutscher Nation von des christ-
lichen Standes Besserung von D. Martin Luther. Halle a S. 1884.
Bezold, Fr. von, Geschichte der deutschen Reformation. Berlin 1890.
— Staat und Gesellschaft des Reformationszeitalters: Fr. von Bezold,
E. Gothein, R. Koser, Staat und Gesellschaft der neueren Zeit
bis zur französischen Revolution S. 1 ff. Berlin und Leipzig 1908
(Die Kultur der Gegenwart, herausg. von P. Hinneberg II, 5, 1).
Böcking, E., Ulrichs von Hütten Schriften I. Leipzig 1859. IV. ebd.
1860. V. ebd. 1862.
Bourdon, P., L'abrogation de la Pragmatique et les regles de la chau-
cellerie de Pie II: Melanges d'archeologie et d'histoire (Paris
1908), p. 207 suiv. (mir unzugänglich).
Brackmann, A., Urkundliche Geschichte des Halberstädter Domkapitels
im Mittelalter. Wernigerode 1898.
Brandenburg, E., Martin Luthers Anschauung vom Staate und der
Gesellschaft. Halle a. S. 1901.
Brasse, E.. Die Geschichte des Speierer Nationalkonzils vom Jahre 1524.
Halle a. S. 1890.
Bresslau, H. , Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich II.
Bd. III. Leipzig 1875.
— Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Konrad II. Bd. II.
Leipzig 1884.
Brockhaus, C, Gregor von Heimburg. Leipzig 1861.
XII Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Chroniken, Die, der deutschen Städte vom 14 bis ins 1 6. Jahrhundert VIII :
Die Chroniken der oberrheinischen Städte. Strassburg I. Leipzig
1870.
Corpus iuris canonici ed. E. Friedberg. I. Lipsiae 1879. II. ibid. 1881.
Der seh, W., Die Kirchenpolitik des Erzbischofs Aribo von Mainz 1021
bis 1031. Marburg 1899.
Deutsche Reichstagsakten XIII, 1 herausg. von G. Beckmann. Gotha
1908.
Döllinger, J. von, Kirche und Kirchen, Papsttum und Kirchenstaat.
München 1861.
— Beiträge zur politischen , kirchlichen und Kulturgeschichte der
letzten sechs Jahrhunderte III. Regensburg 1882.
— Ueber die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen. Nörd-
lingen 1888.
— Papstfabeln des Mittelalters. 2. Aufl. Stuttgart 1890.
— Kleinere Schriften, gedruckte und ungedruckte, herausg. von .F. H.
Reusch. Stuttgart 1890.
Drews, P. , Entsprach das Staatskirchentum dem Ideale Luthers?
Tübingen 19ü8 (Ergänzungsheft der Zeitschrift für Theologie und
Kirche, herausg. von W. Herrmann und M. Rade).
Ebers, Gr. J. , Das Devolutionsrecht vornehmlich nach katholischem
Kirchenrecht. Stuttgart 1906 (Kirchenrechtl. Abhandl. von U.Stutz,
Heft 37 und 38).
Endemann, W., Zivilprozessverfahren nach der kanonistischen Lehre:
Zeitschrift für deutschen Zivilprozess, herausg. von M. Schulzen-
stein und F. Vierhaus XV (1891), S. 177 tf.
Endres, F., Die Errichtung der Münchener Nuntiatur und der Nun-
tiaturenstreit bis zum Emser Kongress: Beiträge zur bayerischen
Kirchengeschichte, herausg. von Th. Kolde XIV (1908), S. 197 ff.
261 ff. XV (1909), S. 16 ff.
Ferraris, E. L., Prompta bibliotheca canonica, iuridica, moralis, theo-
logica II. Venetiis 1782.
Ficker, J., Reinald von Dassel, Reichskanzler und Erzbischof von Köln
1156—1167. Köln 1850.
Frantz, A., Das Projekt eines Reichskonkordates und die Wiener Kon-
ferenzen von 1804. Kiel und Leipzig 1892.
Fr eh er (M.)-Struve (B. G.), G-ermanicarum rerum scriptores aliquot
insignes II. Ed. 3. Argentorati 1717.
Friedberg, E., Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchen-
rechts. 6. Aufl. Leipzig 1909.
Friedensburg, W., Der Regensburger Convent von 1524: Historische
Aufsätze dem Andenken an G. Waitz gewidmet (Hannover 1886),
S. 503 ff.
Friedrich, J., Ignaz von Döllinger II. München 1899.
Funk, F. X., Katholisches Christentum und Kirche Westeuropas in der
Neuzeit: Kultur der Gegenwart, herausg. von P. Hin neb er g I, 4
(Berlin und Leipzig 1906), S. 221 ff.
Gärtner, C, Corpus iuris ecclesiastici catholicorum novioris II. Salis-
burgi 1799.
Literaturverzeichnis. XIII
Galante, A., Fontes iuris canonici selecti. Oeniponte 1906.
Gebhardt, B., Die Gravamina der Deutschen Nation gegen den römi-
schen Hof. 2. Aufl. Breslau 1895.
Giesebrecht, W. von, Geschichte der deutschen Kaiserzeit II. 5. Aufl.
Leipzig 1885.
G n a n n , A. , Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Domkapitel von
Basel und Speier. Freiburg i. Br. 1906.
Gothein, E, Politische und religiöse Volksbewegungen vor der Refor-
mation. Breslau 1878.
Gräfe, F., Die Publizistik in der letzten Epoche Kaiser Friedrichs II.
Heidelberg 1909.
Gun dl ach, W., Heldenlieder der deutschen Kaiserzeit III. Innsbruck
1899.
Haller, J., Papsttum und Kirchenreform I. Berlin 1903.
— Die pragmatische Sanktion von Bourges : Historische Zeitschrift CHI
(1909), S. 1 ff.
— Die Kirchenreform auf dem Konzil zu Basel : Korrespondenzblatt
des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine
LVIII (1910), S. 9 ff.
Hampe, K. , Deutsche Kaisergeschichte im Zeitalter der Salier und
Staufer. Leipzig 1909.
Hansen, J., Westfalen und Rheinland im 15. Jahrhundert I. Leipzig
1888 (Publikationen aus den preussischen Staatsarchiven XXXIV).
Hardt, H. von der, Magnum oecumenicum concilium Constantiense IV.
Francofurti et Lipsiae 1700.
Härtung, F., Bertold von Henneberg: Historische Zeitschrift CHI
(1909), S. 527 ff.
Hase, K. von, Die evangelisch-protestantische Kirche des Deutschen
Reichs (1843 und 1852): Gesammelte Werke X (Leipzig 1892),
S. 443 ff.
— Kirchengeschichte. 12. Aufl. Leipzig 1900.
Hauck, A, Kirchengeschichte Deutschlands III. 3. u. 4. Aufl. Leipzig
1906. IV. ebd. 1903.
Hausrath, A., Luthers Leben I. IL Berlin 1904.
Hefele, C. J. von, Conciliengeschichte VII. Freiburg i. Br. 1874.
— u. Hergenröther, Ph., Conciliengeschichte. VIII. Freiburg i. Br.
1887.
Heller, J., Hinkmar von Reims: Allgemeine Deutsche Biographie XII
(Leipzig 1880), S. 438 ff.
Hennig, B., Die Kirchenpolitik der älteren Hohenzollern in der Mark
Brandenburg und die päpstlichen Privilegien des Jahres 1447.
Leipzig 1906.
— E. , Die päpstlichen Zehnten aus Deutschland im Zeitalter des
avignonesischen Papsttums und während des grossen Schismas.
Halle a. S. 1909.
Hermelink, H., Zu Luthers Gedanken über Idealgemeinden und
weltliche Obrigkeit: Zeitschrift für Kirchengeschichte XXXIX
(1908), S. 267 ff.
Hildegardis, S., abbatissa, Liber divinorum operum simplicis hominis:
Patrologia latina ed. J.P.Mi gne CXCVII (Lutetiae Parisiorum
1855), col. 739 sqq.
XIV Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten I.
Berlin 1869. II. ebd. 1878. III. ebd. 1883.
Hübler, B., Zur Revision der Lehre von der rechtlichen Natur der
Concordate: Zeitschrift für Kirchenrecht III (1863), S. 404 ff.
— Die Constanzer Reformation und die Concordate von 1418.
Leipzig 1867.
Hüfner, A., Das Rechtsinstitut der klösterlichen Exemtion in der abend-
ländischen Kirche in seiner Entwicklung bei den männlichen Orden
bis zum Ausgang des Mittelalters : Archiv für katholisches Kirchen-
recht LXXXVII (1907), S. 599 ff.
Hundeshagen, C. B., Die theokratische Staatsgestaltung und ihr Ver-
hältnis zum Wesen der Kirche: Zeitschrift für Kirchenrecht III
(1863), S. 232 ff.
Jacob, K., Deutschland: Die Religion in Geschichte und Gegenwart,
herausg. von F. M. Schiele I (Tübingen 1909), S. 2062 ff.
Jansen, M., Kaiser Maximilian I. München 1905.
Immich, M., Preussens Vermittelung im Nuntiaturenstreit 1787 — 1789:
Forschungen zur Brandenburgischen und Preussischen Geschichte
VIII (1895), S. 143 ff.
Kalkoff, P., Jakob Wimpfeling und die Erhaltung der katholischen
Kirche in Schlettstadt : Zeitschrift für die Geschichte des Ober-
rheins N. F. XII (1897J, S. 577 ff. XIII (1898), S. 84 ff. 264 ff.
— Forschungen zu Luthers römischem Prozess. Rom 1905 (Bibliothek
des Kgl. Preussischen Historischen Instituts in Rom II).
— Die Beziehungen der Hohenzollern zur Kurie: Quellen und Forschun-
gen aus italienischen Archiven und Bibliotheken IX (1906), S. 88 ff.
— W. Capito im Dienste Erzbischof Albrechts von Mainz. Quellen
und Forschungen zu den entscheidenden Jahren der Reformation
1519—1523. Berlin 1907 (Neue Studien zur Geschichte der Theo-
logie und Kirche, herausg. von N. Bonwetsch und R. Seeberg.
Heft 1).
— Aleander gegen Luther. Leipzig und New York 1908.
Käser, K., Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters II. Stutt-
gart und Berlin (im Erscheinen begriffen als Bestandteil der
Bibliothek Deutscher Geschichte).
Kauffungen, K. von, Das Domkapitel von Meissen im Mittelalter.
Meissen 1902.
Kaufmann, G. , Geschichte der deutschen Universitäten II. Stutt-
gart 1896.
Kippenberger, J., Beiträge zur Geschichte des Erzbischofs Aribo
von Mainz (1021—1031). Leipzig 1909 (mir unzugänglich).
K nepp er, J., Jakob Wimpfeling 1450—1528. Freiburg i. Br. 1902
(Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des
deutschen Volkes, herausg. von L. Pastor 111,2—4).
Koch, Chr. G., Sanctio pragmatica Germanorum illustrata. Argentorati
1789.
Köhler, W., Luthers Schrift An den christlichen Adel Deutscher Nation
im Spiegel der Kultur- und Zeitgeschichte. Halle a. S. 1895.
— Deutschland : Die Religion in Geschichte und Gegenwart, herausg.
von F. M. Schiele I (Tübingen 1909), S. 2092 ff.
Literaturverzeichnis. XV
König, L., Pius VII., die Säkularisation und das Reichskonkordat.
Innsbruck 1904.
Kolli, H., Die Chronik des Bischofs Otto von Freising, 6. und T.Buch
2. Aufl. Leipzig 1894 (Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit
XII. Jahrh. 9. Bd.).
Kolde, Th., Luthers Stellung zu Concil und Kirche bis zum Wormser
Reichstag 1521. Gütersloh 187G.
Körte, A., Die Konzilspolitik Karls V. in den Jahren 1534—1543.
Halle a. S. 1905.
Kraus, Viktor von, Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters I.
Stuttgart und Berlin 1905.
Krüger, G., Das Papsttum. Seine Idee und ihre Träger. Tübingen
1907.
Kübel, Altkatholiken : Die Religion in Geschichte und Gegenwart, herausg.
von F. M. Schiele I (Tübingen 1909), S. 407 ff.
Lämmer, FL, Monumenta Vaticana historiam ecclesiasticam saeculi
XVI. illustrantia. Friburgi Brisgoviae 1861.
Lazius, Wolfg., Fragmentum vaticinii cuiusdam ut coniicitur Methodii
episcopi ecclesiae Paterensis et martyris Christi. Vindobonae 1547.
Leuze, O., Das Augsburger Domkapitel im Mittelalter. Augsburg 1909.
Löhr, J., Die Verwaltung des kölnischen Grossarchidiakonates Xanten
am Ausgange des Mittelalters. Stuttgart 1909 (Kirchenrechtl.
Abhandl. von LI. Stutz. Heft 59 und 60).
Luther, Dr. Martin, AVerke VI. Kritische Gesamtausgabe. Weimar 1888.
Lux, C, Constitutionum apostolicarum de generali beneficiorum reser-
vatione ab a. 1265. usque ad a. 1378. emissarum tarn intra quam
extra corpus iuris exstantium collectio et interpretatio. Wratis-
laviae 19C4.
Ülanitius, M., Deutsche Geschichte unter den sächsischen und salischen
Kaisern. Stuttgart 1889.
Mansi, J. D., Sacrorum conciliorum . . . collectio XXL Venetiis 1776.
XXII. ibid. 1778. XXIV. ibid. 1780. XXVII. ibid. 1784. XXIX.
ibid. 1788. XXXII. Parisiis 1902. XLIII. ibid. 1910.
Maurenbrecher, W., Karl V. und die deutschen Protestanten 1545
bis 1555. Düsseldorf 1865.
— Geschichte der katholischen Reformation I. Nördlingen 1880.
Mej er, 0., Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage I. Rostock 1871.
II, 1. ebd. 1872. II, 2. ebd. 1873. III, 2. Freiburg i. Br. 1885.
— Febronius, Weihbischof Joh. Nik. von Hontheim und sein Wider-
ruf. 2. Aufl. Tübingen 1885.
Menzel, K., Diether von Isenburg, Erzbischof von Mainz 1459 — 1463.
Erlangen 1868.
Mergentheim, L., Die Quinquennalfakultäten pro foro externo. Ihre
Entstehung und Einführung in deutschen Bistümern I. Stuttgart
1908 (Kirchenrechtl. Abhandl. von U. Stutz, Heft 52 und 53).
Mirbt, C, Emser Kongress 1786: Realenzyklopädie für protestantische
Theologie und Kirche, herausg. von A. Hauck V (3. Aufl., Leip-
zig 1898), S. 342 ff.
— Konkordate und Cirkumscriptionsbullen: ebenda X (3. Aufl., Leipzig
1901), S. 703 ff.
XVI Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Mirbt, 0.| Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen
Katholizismus. 2. Aufl. Tübingen und Leipzig 1901.
— Der Zusammenschluss der evangelischen Landeskirchen Deutsch-
lands. Marburg 1903.
Monumenta Germaniae historica: Legum sectio II. Capitularia edd.
A. Bor et i us et V. Krause II. Hannoverae 1897. — Legum
sectio III. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum
edd. L. We i 1 a n d et J. S c h w a 1 m I. II. Hannoverae 1893. 1897.
— Libelli de lite imperatorum et pontificum saeculis XI. et XII.
conscripti ed. E. Du em ml er III. Hannoverae 1897.
Müller, A., Das bremische Domkapitel im Mittelalter. Greifswald 1908.
— K., Kirchengeschichte II, 1. Tübingen und Leipzig 1902.
— R., Erzbischof Aribo von Mainz. Leipzig 1881.
Mulert, H, Deutschkatholizismus: Die Religion in Geschichte und
Gegenwart, herausg. von F. M. Schiele I (Tübingen 1909),
S. 2060 ff.
Neue und vollständigere Sammlung der Reichsabschiede I. Frankfurt a. M.
1747.
Ordonnances des rois de France de la troisieme race . . . par M. de
Vilevault et M. de Brequigny XIII. Paris 1782.
Ott, A., Die Abgaben an den Bischof bezw. Archidiakon in der Diözese
Konstanz bis zum 14. Jahrhundert. Freiburg i. Br. 1907.
Ottenthai, E. von, Regulae cancellariae apostolicae. Die päpstlichen
Kanzleiregeln von Johannes XXII. bis Nikolaus V. Innsbruck 1888.
Otto von Freising, Opera I: Chronicon ed. R. Wilmans (Scrip-
tores rerum Germanicarum). Hannoverae 1867.
Pastor, L., Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters.
3. u. 4. Aufl. I. Freiburg i. Br. 1901. II. ebd. 1904. III. ebd. 1899.
Pe Ister, W., Stand und Herkunft der Bischöfe der Kölner Kirchen-
provinz im Mittelalter. Weimar 1909.
Perrone, G., Praelectiones theologicae III. Mediolani 1845.
Perthes, C. Th. , Das deutsche Staatsleben vor der Revolution. Ham-
burg und Gotha 1845.
Philipp de Commynes, Memoires ed. B. de Mandrot II. Paris
1903.
Puckert, W.f Die kurfürstliche Neutralität während des Basler Konzils.
Leipzig 1858.
Ranke, L. von, Sämtliche Werke VI. Leipzig 1867. XLIX. L. ebd.
1887.
Raynaldus, O., Annales ecclesiastici , tom. XVIII. ab a. 1417. usque
ad a. 1458. Coloniae Agrippinae 1693.
Richter, Aem. L., Canones et decreta concilii Tridentini. Lipsiae
1853.
Riegger, J. St. A., Amoenitates litterariae Friburgenses III. Ulmae
1776.
Rosenberg, W., Der Kaiser und die Protestanten in den Jahren 1527
bis 1539. Halle a. S. 1903.
Rossmann, W., Betrachtungen über das Zeitalter der Reformation.
Jena 1858.
Literaturverzeichnis. XVII
Schiele, P.M., Die kirchliche Einigung des evangelischen Deutschland
im 19. Jahrhundert. Tübingen 1908.
Schubert, H. von, Roms Kampf um die Weltherrschaft. Halle a. S. 1888.
— Das älteste germanische Christentum oder der sogen. „Arianis-
nius" der Germanen. Tübingen 1900.
Schulte, A., Zwei Aktenstücke zum Leben des Kardinals Albrecht von
Brandenburg : Studien aus Kunst und Geschichte, Friedrich Schnei-
der zum 70. Geburtstag gewidmet von seinen Freunden und Ver-
ehrern (Freiburg i. Br. 1906), S. 203 ff.
Sehling, E., Geschichte der protestantischen Kirchenverfassung: Grund-
riss der Geschichtswissenschaft, herausg. von A. Meister 11,8.
Leipzig 1907.
Simon, F., Stand und Herkunft der Bischöfe der Mainzer Kirchen-
provinz im Mittelalter. Weimar 1908.
Srbik, H. Ritter von, Die Beziehungen von Staat und Kirche in
Oesterreich während des Mittelalters. Innsbruck 1904.
Strauss, D. Fr., Ulrich von Hütten III. Leipzig 1860.
Stümper, .T. , Die kirchenrechtlichen Ideen des Febronius. Aschaffen-
burg 1908.
Stutz, U. , Kirchenrecht: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft von
F. von Holtzendorff und J. Kohler II (Leipzig und Berlin
1904), S. 809 ff.
— Arianismus und Germanismus: Internationale Wochenschrift für
Wissenschaft, Kunst und Technik, herausg. von P. Hinneberg III
(1909), S. 1561 ff. 1615 ff. 1633 ff.
Tangl, M., Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200 — 1500. Inns-
bruck 1894.
Theremin, W., Beitrag zur öffentlichen Meinung über Kirche und
Staat in der städtischen Geschichtschreibung Deutschlands von
1349-1415. Berlin 1909.
Thomassinus, L., Vetus et nova ecclesiae diseiplina circa beneficia
et beneficiarios II. Venetiis 1766.
Treitschke, H. von, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundertl. 5. Aufl.
Leipzig 1894. V. ebd. 1894.
Troeltsch, E., Protestantisches Christentum und Kirche in der Neu-
zeit: Kultur der Gegenwart, herausg. von P. Hinneberg 1,4
(Leipzig und Berlin 1906), S. 253 ff.
Ulmann, H., Studie über Maximilians I. Plan einer deutschen Kirchen-
reform im Jahre 1510 : Zeitschrift für Kirchengeschichte III (1879),
S. 199 ff.
— Der Traum des Hans von Hermansgrün. Eine politische Denkschrift
aus dem Jahre 1495: Forschungen zur deutschen Geschichte XX
(1880), S. 69 ff.
— Kaiser Maximilian I. Bd. 1. Stuttgart 1884. II. ebd. 1891.
Valois, N., Histoire de la pragmatique sanetion de Bourges sous Char-
les VII. Paris 1906.
Vering, F. IT. , Die Verhandlungen der deutschen Erzbischöfe und Bi-
schöfe zu Würzburg im Oktober und November 1848 : Archiv für
katholisches Kirchenrecht XXI (1869), S. 108 ff. 207 ff.
W e r m i n g h o f f , Nationalkirchliche Bestrebungen. II
XVIII Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
V igen er, F., K. Th. A. M. von Dalberg: Die Religion in Geschichte
und Gegenwart, herausg. von F. M. Schiele I (Tübingen 1909),
S. 1946 ff.
Voigt, G. , Enea Silvio de' Piccolomini als Papst Pius II. und sein
Zeitalter I. Berlin 1856. II. ebd. 1862. III. ebd. 1863.
Wackernngel, R., Geschichte der Stadt Basel I. Basel 1907.
Walch, C. G. F., Monumenta medii aevi I. Gottingae 1757.
Wattenbach, W., Iter Austriacum 1853: Archiv für Kunde öster-
reichischer Geschichtsquellen XIV7 (1855), S. 1 ff.
Weiss, B., Berthold von Henneberg. Freiburg i. Br. 1889.
Weizsäcker, J., Der Versuch eines Nationalkonzils in Speier: Histo-
rische Zeitschrift LXIV (1890), S. 199 ff.
Werminghoff, A., Geschichte der Kirchenverfassung Deutschlands im
Mittelalter I. Hannover und Leipzig 1905.
— Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter: Grund-
riss der Geschichtswissenschaft, herausg. von A. Meister 11,6.
Leipzig 1907.
— Die Kirche Deutschlands im früheren Mittelalter und ihre Be-
ziehungen zur allgemeinen Kirche : Deutsche Monatsschrift, herausg.
von O. Hötzsch VI (1907), S. 339 ff.
— Neuere Arbeiten über das Verhältnis von Staat und Kirche in
Deutschland während des späteren Mittelalters : Historische Viertel-
jahrschrift 1908, S. 153 ff.
Werner, H., Der kirchliche Verfassungskonflikt vom Jahre 1438/39 und
die sogen. Reformation des Kaisers Sigmund: Neues Archiv der
Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde XXXII (1907),
S. 728 ff.
— Die Reformation des Kaisers Sigmund. Berlin 1908.
— Die Geburtsstände in der deutschen Kirche des Mittelalters : Deutsche
Geschichtsblätter, herausg. von A. Tille IX (1908), S. 251 ff.
Wiskowatoff, P. von, Jacob Wimpheling. Berlin 1867.
Wolf, J., Lectiones memorabiles et reconditae. Ed. 2. Francofurti ad
Moenum 1671.
Würdtwein, St. A. , Subsidia diplomatica VI. Heidelbergae 1775.
VII. ibid. 1776. VIII. ibid. 1776.
Zeumer, K., Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichs-
verfassung in Mittelalter und Neuzeit. Leipzig 1904.
Zillich, J., Febronius. Halle a. d. S. 1906 (Hallische Abhandlungen zur
Neueren Geschichte, herausg. von G. Droysen, Heft 44).
Einleitung.
Unüberbrückbare Gegensätze des Wesens verhindern die
vollständige Uebereinstimmung der beiden rechtlich organi-
sierten Lebensordnungen menschlicher Gesellschaft, des Staates
und der Kirche. Jener findet das ihn bildende Prinzip in der
irdischen Macht, diese im religiösen Glauben. Der Staat erscheint
als die Zusammenfassung von Menschen zu bewusster Betäti-
gung ihrer nach Unabhängigkeit ringenden Eigenart und Kraft,
die Kirche hingegen fordert als Ziel die Vereinigung aller
Menschen zu gemeinschaftlicher Anteilnahme an den Ideen,
die seit dem Auftreten Christi dem supranaturalen Sehnen der
Gläubigen Genüge tun wollen. Drängt es aber den einzelnen
Staat danach, in individueller Ausprägung seiner Machtbetäti-
gung vom Nachbarstaate sich abzusondern, so hat auf der
anderen Seite die verschiedene Weise religiöser Erkenntnis sich
in verschiedenen Kirchen verkörpert: der grossen Zahl natio-
naler Staaten, die im Laufe der Jahrhunderte auf einem für
den einzelnen räumlich umgrenzten Gebiete entstanden und
vergingen , tritt eine erheblich kleinere Anzahl von Kirchen
gegenüber, unter denen eine, die römisch-katholische, in erster
Linie beansprucht, ihre Lehre und Verfassung über die ge-
samte Erde ausdehnen zu können. Der einzelne Staat wird
bestrebt sein, für das Geltungsbereich seines den irdischen
Diu gen zugekehrten Willens die römisch-katholische Kirche
zu beeinflussen, um auch hierdurch sein Machtprinzip zur
Geltung zu bringen ; er wird sich mühen, die Kirche von sich
Worminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen. 1
2 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
abzuschütteln, sobald diese, die Bebüterin des Glaubens , eine
der Unabhängigkeit des Staates feindliche, ihrem eigenen Prin-
zip von Haus aus fremde Herrschaft über den Staat und dessen
Angehörige erlangt hat, eine Herrschaft, die, weil rechtlich
organisiert, wieder allein der staatlichen Rechtsordnung ver-
wandt sein kann.
Staat und Nation brauchen einander nicht immer zu
decken — wie wären sonst Weltreiche in Erscheinung ge-
treten und Völker, die der staatlichen Geschlossenheit ent-
behrten? — , sie sind aber auch niemals einander aufhebende
Gegensätze, eben weil die einzelne Nation erst in einem Staate
die ihr zukommende Rechtsanstalt zur Verwirklichung ihres
Gesamtwillens, zur Entfaltung ihres Dranges nach Ansehen,
Macht und Einheit empfängt. Wesentlich anders gestaltet sich
das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zur einzelnen
Nation. Dort die ihren Trieben nach universale Ordnung zur
Wahrung des ihr eigentümlichen Glaubens, die — dem Staate
ähnlich — durch die Mittel der Strafe, des Zwanges und des
Gesetzes sich selbst und ihre Verfassung aufrecht zu erhalten
vermag; hier die Gemeinschaft von Menschen, Familien und
Stämmen, die nach einer nur ihr zukommenden Individuali-
sierung volkstümlicher Eigenart in Sprache und Brauch, in
Wirtschaft und Recht, kurz in materieller und intellektueller
Kultur verlangt. Ueber die Nationen spannt die Kirche das
Dach ihrer Glaubens- und Lebensregeln, es stützend durch das
Gebälk ihrer Hierarchie. Wird oder kann aber nicht die ein-
zelne Nation es als ihr Recht fordern, dass die in ihr oder in
den meisten ihrer Angehörigen lebendige religiöse Anschauung
im Gesamtgefüge der Kirche eine Stätte erhalte? Dass auch
sie selbst für sich einen Anteil habe an der Kirche als an
einer Institution, deren Organe, den Einzelnationen entnommen,
in den Dienst des kirchlichen Gesamtkörpers treten? Kann,
mit anderen Worten, die Kirche nicht der volkstümlichen
Gestaltung religiöser Bedürfnisse und religiöser Eigenart da-
durch entgegenkommen, dass sie Verfassungselemente zu-
Einleitung. 3
lässt, die innerhalb nationaler Grenzen wirken und gleichwohl
den Zusammenhang mit der internationalen Kirche nicht zer-
stören ?
Leicht mag man solche Fragen aufwerfen; ihre Beant-
wortung wird um so schwerer sein, als sie allein auf histori-
schem Wege gegeben werden kann.
„Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie," so
hatte einst Christus seinen Jüngern anbefohlen, und dem uni-
versalen Weltreich der Römer entsprach die katholische Kirche,
derart dass nur der Untertan des irdischen Imperium zugleich
das Mitgliedschaftsrecht in der ökumenischen Ekklesia besass ;
man hätte: Civis Romanus, ergo fidelis Christianus, aber auch:
Fidelis Christianus, ergo civis Romanus folgern können , ohne
falscher Logik bezichtigt zu werden. Das Reich zerfiel, und
aus den Resten der römischen Bevölkerung wie aus den ein-
dringenden Germanen bildeten sich Nationen, die erst, nach-
dem sie — bis auf wenige — das Weltreich Karls des Grossen
(768 — 814) gemeinsam durchwandert, zu staatlichen Einheiten
ausreiften. Seit dem Anfange des 10. Jahrhunderts traten
Deutschland und Frankreich als Staaten nebeneinander.
Wie stellte sich das Deutsche Reich nördlich der Alpen
zur Kirche? Diese hatte den Untergang des altrömischen
Reiches und seiner verkleinerten Nachbildung im fränkischen
Reiche überdauert l). Sie wurde zur Erbin des einen wie des
anderen. Sie blieb universal als Ecclesia Romana, seitdem der
Bischof der Stadt Rom zum Papst geworden war, seitdem
diesen die Tendenz erfüllte, Nachfolger der Kaiser zu werden
in einer Herrschaft, die innerlich der eines Augustus (f 14
n. Chr.) oder Karl entgegengesetzt war und doch gleich dieser
eine Macht werden sollte über die abendländischen Nationen
dank ihrer Lehre, dank ihrer Verfassung.
*) Vgl. H. von Schubert, Roms Kampf um die Weltherrschaft.
Halle 1888.
4 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Im 10. Jahrhundert griff sodann das Königsgeschlecht der
deutschen Ottonen nach dem — im Glänze der Tradition
schimmernden und doch trügerischen — Schmuck der Kaiser-
krone; die politische und staatliche Beherrschung der Welt,
in Wahrheit des europäischen Abendlandes, durch die dem
deutschen Volke innewohnende Kraft sollte ebenfalls das Reich
Roms auf Erden wiederherstellen. Ueberall traf das römisch -
deutsche Kaisertum jetzt den Einfluss, die Lehre, das Recht
der römisch-katholischen Kirche. Es erwies sich als unmög-
lich, sie zu beherrschen, um mit ihrer Hilfe die eigene Ober-
hoheit zu stützen und der Vormachtstellung der Deutschen
dauernden Bestand zu sichern. Kaisertum und Papsttum, der
aus seinen nationaldeutschen Grenzen herausgewachsene Staat
und die an nationale Schranken nicht gebundene Kirche, ge-
rieten in Kampf, und sein Ergebnis war die Niederlage des
Imperium, der Sieg also des Sacerdotium und demnach der
Kirche, der freilich mit dem Erwerb irdischer Macht nach der
tiefsinnigen Sage des Mittelalters zugleich verderbliches Gift
eingeflösst werden sollte x). Die Zeit der grossen Kirchenver-
sammlungen des 15. Jahrhunderts brachte noch keinen Aus-
gleich zwischen allen nationalstaatlichen Individuen auf der
einen, der Papstkirche auf der anderen Seite. Einen Schritt
weiter tat alsdann die deutsche Reformation, die jedoch,
entsprechend der territorialen Auflösung des Reiches als
dem Erbteil des Ringens um die Weltherrschaft, nur den An-
hängern der neuen Lehre Luthers territoriale Kirchen schaffen
konnte. Noch heute steht ein Teil unserer Nation, die vor
wenig mehr denn einem Menschenalter sich den staatlichen
Neubau zimmerte, innerhalb der universalen Kirche, die zu
Trient (1545—1563) und im römischen Vatikan (1869—1870)
ihren Glauben wie ihre Verfassung festgelegt hat. Täglich
empfindet der Protestant den Gegensatz ihrer religiösen Ueber-
1) Vgl. .T. von Döllinger, Papstfabeln des Mittelalters (2. Aufl.,
Stuttgart 1890), S. 112 ff.
Einleitung. 5
zeugung und zugleich ihres kirchlichen Rechts gegenüber denen,
welche der grössere Teil seiner Volksgenossen als die seinigen
anerkennt und behütet. Alt und immer neu erscheint die
Divergenz zwischen dem nationalen Staate und der universalen
Kirche — ein Mittel des Fortschritts und der Hemmnis. In
stets wechselnden Formen bewegen sich die Bahnen von Nation
und Kirche, sich abstossend und berührend, niemals einander
entbehrlich, nicht zu allen Zeiten den Bedürfnissen der Nation
geneigt. Denn es ist nicht anders: dem Werdegang unseres
Volkes fehlt seit dem 10. Jahrhundert die Schule einer Kirche,
die den Namen einer nationalen Kirche dadurch verdiente,
dass ihre Verbände auf deutschem Boden zusammengeschlossen
worden wären durch eine Organisation, die innerhalb der all-
gemeinen Kirche eine Sonderstellung eingenommen hätte, ohne
doch jede und alle religiösen und rechtlichen Beziehungen zur
römisch-katholischen Kirche abzubrechen.
Nur Ansätze und Versuche zur Herbeiführung einer natio-
nalen Kirche Deutschlands treten entgegen; die mittelalter-
lichen unter ihnen zu würdigen soll das Ziel unserer Dar-
legungen bilden.
Erster Abschnitt.
Der angebliche Plan des Erzbischofs Aribo
von Mainz (1021—1031).
Der Sieg des Katholizismus über den Arianismus, nicht
zuletzt durch die Bekehrung des fränkischen Königs Chlodo-
wech (481 — 511) herbeigeführt, war zugleich die Todesstunde
jener arianischen Sonderkirchen, die bei den Vandalen, den
Ost- und Westgoten, endlich den Langobarden sich erkennen
lassen x). Das Königtum der Merowinger und Karolinger so-
dann gestaltete die Kirche seines Volkes zur Landes- und
Staatskirche aus, die Karl der Grosse (768 — 814) zur Reichs-
kirche erhob, um selbst über sie zu herrschen und in ihr auch
dem Papste seinen Willen aufzunötigen.
Wesentlich verschieden von ihr war die sogenannte Otto-
nische Verfassungskirche2). Der Träger der Reichsgewalt war
zugleich der kirchliche und weltliche Gebieter der Erzbischöfe,
Bischöfe und Reichsäbte, deren Anstalten seine Reichseigen-
kirchen waren. Er fasste sie zusammen mittels einer eigentüm-
lichen Verquickung staatlicher und kirchlicher Befugnisse,
öffentlich-rechtlicher und patrimonialer Anschauungen. Er sah
*) Vgl. H. von Schubert, Das älteste germanische Christentum
oder der sogen. „Arianismus". Tübingen 1909; dagegen aber U. Stutz,
Arianismus und Germanismus : Internationale "Wochenschrift für Wissen-
schaft, Kunst und Technik herausg. von P. Hin neb er g III (1909),
S. 1561 ff. 1615 ff. 1633 ff.
2) Zum Folgenden vgl. meinen Aufsatz über die Kirche Deutsch-
lands im früheren Mittelalter und ihre Beziehungen zur allgemeinen
Kirche: Deutsche Monatsschrift herausg. von 0. Hotz seh VI (1907),
S. 339 ff., dazu aber U. Stutz a. a. O. S. 1637.
Angeblicher Plan Aribos von Mainz. 7
die Gesamtheit seiner Reichseigenkirchen die Grenzen seines
Staates überschreiten. Er suchte das Papsttum in den Bann-
kreis seiner Herrschaft zu zwingen und vermochte doch nicht,
den Nachfolger Petri einer mit der Kirchenhoheit des König-
tums wetteifernden Leitungsgewalt in und über den einzelnen
Reichseigenkirchen zu entkleiden. Allerdings, das Papsttum
des 10. und des beginnenden 11. Jahrhunderts war infolge
der Verrottung zahlreicher seiner Inhaber nicht im stände, den
kirchlichen Organisationen auf deutschem Boden jenes un-
erträgliche Joch aufzubürden, über das zu Ende des 9. Jahr-
hunderts, im Jahre 895, die Synode zu Tribur geklagt hatte1).
Die deutschen Könige aber bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts
taten nichts, um ihre Gewalt über den Stuhl Petri in eine
dauernde umzuwandeln. Die Rechte des Königtums und des
Papsttums wurden nicht gegenseitig abgegrenzt, zu einer Zeit
da die Ideen Clunys und mit ihnen die Rezeption pseudoisido-
rischer Fälschungen gerade der universalen Kirche und ihrem
Oberhaupt neue Kräfte der inneren Gesundung, der Verselb-
ständigung zuführten. Wie auf Karl den Grossen ein Niko-
laus I. (858 — 867) gefolgt war, so folgte auf Otto den Grossen
(936—973) und Konrad IL (1024—1039) ein Gregor VII.
(1073 — 1085); die universale Kirche zerstörte die Keime einer
nationalen Kirchenverfassung, die in der kirchlichen Herrschaft
r) Mon. Germ. Capitularia II, S. 280 f. n. 252 c. 30: In memoriam beati
Petri apostoli honoremus sanctam Romanam et apostolicam sedem, ut,
quae nobis sacerdotalis mater est dignitatis, esse debeat magistra eccle-
siasticae rationis. Quare servanda est cum mansuetudine humilitas, ut,
licet vix ferendum ab illa sancta sede inponätur iugum, conferamus et
pia devotione toleremus. — Man möchte vermuten, dass hier eine Ent-
lehnung aus einer älteren Quelle (etwa aus der Zeit Nikolaus' I., f 867)
vorliegt. Auf den Triburer Kanon verweist Enea Silvio am Schluss
seiner Arbeit De ritu, situ, moribus et conditione Grermaniae descriptio
vom Jahre 1457/58 als Antwort auf Klagen über die Uebertretungen
des Wiener Konkordats von 1448 (Opp. ed. Basil. 1571, p. 1086); er fand
ihn unter der falschen Ueberschrift : Item ex capitulo Caroli imperatoris
im Dekret Gratians (c. 3 Dist. 19).
8 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
des deutschen Königtums über seine Reichseigenkirchen —
nicht mehr also gab es wie in fränkischer Zeit eine Reichs-
kirche — beschlossen gewesen waren.
Diese kirchliche Herrschaft des deutschen Königtums über
seine Reichseigenkirchen war, solange sie bestand, ein Band
ihrer nationalen Einigung, nicht aber ein Mittel ihrer Ent-
fremdung und Lösung yon der allgemeinen Kirche. Derselbe
deutsche König beanspruchte durch den Besitz der Kaiserkrone
und den Einfluss auf das Papsttum die Herrschaft über die
allgemeine Kirche; mit ihr also waren die deutschen Reichs-
eigenkirchen auf zweifache Weise verbunden. Diesen Zustand
zu beseitigen, eine deutsche Nationalkirche zu schaffen, die
möglichst unabhängig gewesen wäre vom Kaiser oder vom
Papst, hätte eine so tiefgreifende Umwälzung alles bestehenden
Rechtes bedeutet, dass um sie herbeizuführen nicht nur eine
Generation oder gar nur ein einzelner deutscher Kirchenfürst
genügt hätte. Freilich hat man in Erzbischof Aribo von Mainz
(1021—1031) den Träger derartiger Tendenzen erblicken wollen ;
es ist verwiesen worden auf die Beschlüsse des von ihm ver-
anstalteten Provinzialkonzils zu Seligenstadt im Herbst 1023,
vor allem auf dessen 16. und 18. Kanon. Jener verbot, dass
jemand nach Rom zöge ohne Erlaubnis des Bischofs oder
seines Stellvertreters l) ; dieser erklärte es für unstatthaft, dass
Büsser vom Papste in Rom die Befreiung der ihnen von
Priestern auferlegten Bussen erwirkten, vielmehr sollte erst
nach Leistung der Busse eine Romreise erlaubt sein und nur
mit Genehmigung des Bischofs, der zugleich an den Papst
über den Einzelfall berichten werde2). Ohne Zweifel darf die
!) Mon. Germ. Constitutiones I, S. 638 n. 437 c. 16: Decrevit sancta
synodus, ut nullus Romam eat nisi cum licentia episcopi sui vel eius
vicarii.
2) Ebd. c. 18: Quia multi tanta mentis suae falluntur astutia, ut
in aliquo capitali crimine inculpati penitentiam a suis sacerdotibus acci-
pere nolunt, in hoc maxime confisi, ut Romam petentibus apostolicus
omnia dimittat peccata, sancto concilio visum est, ut talis indulgentia
Angeblicher Plan Aribos von Mainz. <>
Hypothese *) von Aribos weit ausschauendem Plan heute als
widerlegt gelten 2). Sie überschätzte die Bedeutung einer Pro-
vinzialsynode und ihrer Kanones. Sie übersah, dass die an-
gemerkten Satzungen nichts anderes waren als ein Schachzug
Aribos gegen den Papst, dem der Erzbischof wegen der Behand-
lung der Hammersteinschen Ehescheidungsangelegenheit Miss-
trauen entgegenbrachte. Die Versammlung zu Seligenstadt
wollte allein das alte Recht sichern y). Nur die Suffragane von
Mainz waren auf ihr vertreten ; sie gaben ausdrücklich zu, dass
die Büsser, freilich nach Leistung der Busse in der Heimat,
an die Entscheidung des Papstes appellieren dürften, erkannten
also den Stuhl Petri als letzte und höchste Instanz an. Wenn
man gemeint hat, die Beschlüsse entsprächen unmöglich den
eigensten Absichten des Kaisers Heinrich IL (1002 — 1024),
der sich nicht hätte verhehlen können, welche Gefahr eines
tiefen Bruches von der Seite Aribos drohte, die Richtung des
Mainzer Erzbischofs, nur einige Schritte weiter mit Glück ver-
folgt, hätte zu einer einheitlichen Gestaltung der deutschen
Kirche unter der Leitung von Mainz mit Notwendigkeit führen
müssen, nie endlich hätte Rom der weiteren Entwicklung der
illis non prosit, sed prius iuxta modum delicti penitentiam a suis sacer-
dotibus iniunctam adimpleant et tunc, Romam ire si velint, ab episcopo
proprio licentiam et epistolam ad apostolicum ex liisdem rebus deferen-
dam accipiant.
J) H. Bresslau, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Hein-
rich IL Bd. III (Leipzig 1875), S. 267 ff. 349 ff.; Jahrbücher des deutschen
Reichs unter Konrad IL Bd. II (Leipzig 1884), S. 524 ff. W. von Giese-
brecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit II (5. Aufl., Leipzig 1885),
S. 199 f. 625 f. M. Manitius, Deutsche Geschichte unter den sächsi-
schen und salischen Kaisern (Stuttgart 1889), S. 333 f. Nicht zugänglich
war mir die Schrift von J. Kippenberge r, Beiträge zur Geschichte
des Erzbischofs Aribo von Mainz (1021—1031). Leipz. Diss. 1909.
2) W. Der seh, Die Kirchenpolitik des Erzbischofs Aribo von Mainz
1021—1031 (Marburg 1899), S. 7 ff. 18 ff. A. Hauck, Kirchengeschichte
Deutschlands III (3. u. 4. Aufl., Leipzig 1906), S. 534 ff. R. Müller,
Erzbischof Aribo von Mainz (Leipzig 1881), S. 21 ff.
3) Vgl. A. Hauck a. a. O. III, S. 536 Anm. 1.
10 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Mainzer Bestrebungen ruhig zuzuschauen vermocht, so liegt
hierin eine offensichtliche Verkennung kirchenrechtlicher Dinge;
denn kein Wort jener Kanones verrät, wie ihre Urheber die
Neuordnung der Kirche Deutschlands sich dachten, ganz ab-
gesehen davon dass Anlass und Inhalt der Beschlüsse einzig
dem Gebiet kirchlicher Disziplin angehörten, nicht aber dem
der kirchlichen Verfassung. Wenn dann die Seligenstadter
Versammlung ein schwerer Schlag gegen das Papsttum ge-
nannt worden ist, derart dass, sobald er verfing, an die Ober-
hoheit des römischen Stuhles nicht mehr zu denken gewesen
und wenigstens Deutschland mit einer Nationalkirche aus der
katholischen Kirche herausgetreten, wahrscheinlich aber dann
die anderen christlichen Staaten und ihre Kirchen dem Bei-
spiele Deutschlands und seiner Kirche gefolgt wären, um in
Zukunft nur nach ihren eigenen Bedürfnissen sich zu richten
— so wird niemand sich entschliessen können, solch kühne
Ausblicke in eine nur vorgestellte Zukunft zu den seinigen zu
machen. Es bleibt bei den Worten von A. Hauck: „Der Ge-
danke einer einheitlichen Gestaltung der deutschen Kirche
unter Leitung von Mainz war im Jahre 1023 eine Unmög-
lichkeit" !).
0 Ebd. III, S. 537.
Zweiter Abschnitt.
Die Trierer Stilübungen aus der Zeit Friedrich
Barbarossas.
Im Jahre 1023 war, wie wir sahen, der Gedanke einer
deutschen Nationalkirche unmöglich. Er ward auch nicht ge-
fasst, als in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Wogen
des Investiturstreites einherbrausten , wenn nicht gar gerade
damals das Gefühl der Verbindung der Kirchen auf deutschem
Boden mit dem Papsttum als der Verkörperung der allgemeinen
Kirche noch gesteigert wurde. Wie anders sonst liesse sich
erklären, dass auf der Synode zu Worms im Jahre 1076 die
ihrem König treuen Bischöfe Gregor VII. Unterwerfung und
Gehorsam aufsagten, ihn fortan nicht für einen Papst halten,
nicht mehr Papst nennen wollten, dass aber dieselben Bischöfe
nicht an Lösung von der allgemeinen Kirche dachten. „Ein
anderer besteige den Thron des heiligen Petrus, der nicht die
Gewalt mit Frömmigkeit umkleiden, sondern die gesunde Lehre
des heiligen Petrus verkünden soll" x). Noch heute hallt die
Wucht der Absetzungsworte gegen Gregor VII. in uns wieder:
„Steige herab, steige herab, Verdammenswerter in aller Ewig-
keit" — die sie aussprachen, hatten nur Gregors Person im
Auge. Ihm drohten sie Absetzung; denn sie meinten, dass sie
selbst und bereits sie allein die allgemeine Kirche darstellten.
Mochte solche Rechnung trügerisch sein oder nicht, sie konnte
nur die eines Episkopats sein, der eine nationale Absonderung
') Vgl. Mon. Germ. Constitutiones I, S. 108 n. 59, S. 111 n. 62;
siehe auch A. Hauck a. a. 0. III, S. 790 ff.
12 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
nicht plante, wohl aber sich für befugt hielt, seinen Willen
der allgemeinen Kirche aufzunötigen. Er konnte es, weil
seine Zugehörigkeit zur allgemeinen Kirche über jeden Zweifel
erhaben war, weil er nicht in nationaler Selbständigkeit einem
Papste gegenübertrat, der nur noch Ehrenrechte, nicht aber
auch Rechte der Herrschaft in und über der ^Kirche bean-
spruchte und besass. Dieser Episkopat hatte sehen müssen,
wie ihn die Rezeption der pseudoisidorischen Dekretalen durch
Rom mehr und mehr zum Diener des Papsttums zu machen
drohte. Indem er in seinen Rechten eingeengt wurde, bahnte
sich zugleich die schärfere Konzentration der kirchlichen Ord-
nungen zu Händen des Nachfolgers Petri an.
Dem vorläufigen Frieden zwischen Imperium und Sacerdo-
tium im Wormser Konkordat vom Jahre 1122 folgten die allge-
meinen, vom Papst veranstalteten Laterankonzilien (1123, 1139,
1179 und 1215), deren Reihe die Etappen zu steigender Be-
herrschung der Gesamtkirche durch das Papsttum darstellt1).
Wie das Rittertum in Deutschland, England und Frank-
reich sich getragen sah von internationalen Regeln für die
Lebensführung seiner Mitglieder, so war seit der Wende des
12. und 13. Jahrhunderts der Klerus 'ein überall verwertbares
Werkzeug zur Aufrechterhaltung der päpstlichen Universal-
monarchie. Kein staatliches, geschweige denn ein kirchliches
Gesetz knüpfte die Inhaberschaft einer hohen oder niederen
Pfründe an die landsmannschaftliche Zugehörigkeit des Geist-
lichen zu dem Volke, in dem er wirken sollte; Männer, die
der deutschen Sprache nicht mächtig waren, konnten deutsche
Bischöfe und damit Reichsfürsten werden. Die Erzbischöfe
J) Vgl. für das Wormser Konkordat und die späteren Verbriefungen
von 1209, 1213 und 1216 Mon. Germ. Constitutiones I, S. 159 ff. n. 107. 108,
II, S. 36 n. 31, S. 58 n. 46. 47, S. 68 n. 56. — Die Akten der Lateran-
konzilien finden sich bei Mansi, Coli, conciliorum XXI, 277 ff. 523 ff.
XXII, 210 ff. 953 ff.; über die Aufnahme ihrer Kanones in das Corpus
iuris canonici vgl. dessen Ausgabe durch E. Friedberg I (Leipzig
1879), p. XXV. II (1881), p. XI sq.
Trierer Stüübungen (um 1158). 1#
waren an den Papst gebunden durch Treueid und Pallium, die
Bischöfe ihm zum Schwur des Gehorsams verpflichtet. Die
Domkapitel sahen bei der Ausübung des wichtigsten ihnen zu-
gewachsenen Rechtes, bei dem der Bischofswahl, sich angewiesen
auf die Gunst und die Entscheidung der Kurie. Die autonome
Verwaltung der Kirchenprovinzen wurde gestört durch die
Vertretergewalt geldgieriger Legaten, die der Diözesen durch-
brochen durch zahlreiche Exemtionen. Der oberste Gerichts-
hof für alle kirchlichen Streitigkeiten war die römische Kurie.
Der Papst war der letzte Urheber des allgemeinen kirchlichen
Rechtes, zumal seit dem Decretum Gratiani aus der Mitte des
12. Jahrhunderts die Sammlung päpstlicher Dekretalen gefolgt
war, wie sie Gregor IX. (1227 — 1241) durch Uebersendung
an die Universitäten bekannt machte.
Unser Blick sucht das deutsche Königtum; wir fragen,
ob es denn gar nichts tat, um diese Entwicklung aufzuhalten.
Daran kann kein Zweifel sein, dass es dank dem Ausgang
des Investiturstreites eine wesentliche Stütze seiner Macht über
die Kirchen auf deutschem Boden verloren hatte, die kirch-
liche Herrschaft über die Bistümer, deren Besetzung fortan
durch kanonische Wahl erfolgen sollte; nur die Einweisung
des Gewählten in das Gut seiner Kirche, also die weltliche
Herrschaft über den Besitz der Reichskirchen, blieb Sache des
Königs. Die wenig glückliche Kirchenpolitik Lothars vonSupplin-
burg (1125 — 1138) vermochte die vorübergehende Schwächung
des Papsttums durch ein Schisma nicht für sich auszunutzen1).
Sein Nachfolger Konrad III. (1138 — 1152) war nichts weni-
ger als befähigt, dem Vordringen des päpstlichen Einflusses
entgegenzutreten; gerade für seine Regierungszeit gilt die
Beobachtung, dass die Ansprüche Roms getragen waren von
jener mächtigen kirchlichen Strömung, die seit der Wende des
11. und 12. Jahrhunderts, trotz vereinzelter Gegenwirkungen,
*) Vgl. K. Hampe, Deutsche Kaisergeschiclite im Zeitalter der
Salier und Staufer (Leipzig 1909), S. 92 f.
14 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
noch immer ungebrochen die Geister beherrschte x). Damals
wurde wahr, was seinem Stiefbruder, dem Bischof Otto von
Freising (f 1158), als Zeichen der Zeit erschien: „Durch des
Reiches Kräfte und die Gunst der Könige — daran zweifelt
niemand — ist die Kirche erhöht und reich geworden; es
steht fest, dass sie nicht eher das Reich so sehr erniedrigen
konnte, als bis dieses selbst durch seine Liebe zum Priester-
tum entnervt und seiner Kräfte beraubt, nicht nur durch das
Schwert der Kirche, das heisst das geistliche, sondern auch
durch sein eigenes weltliches Schwert durchbohrt, vernichtet
wurde;" die Kirche sah der Philosoph unter den frühmittel-
alterlichen Historikern zu einem grossen Berge emporgewachsen,
von dem ein Stein sich losreissen würde, um das Reich völlig
zu zerstören 2). Noch einmal versuchte dann Friedrichs I.
hochstrebendes Königtum (1152 — 1190) gegenüber den grego-
rianisch-kirchlichen Ideen dem alten imperatorischen Recht
zu neuem Leben zu verhelfen; es musste scheitern, da sein
Streben einen Widerstand entfesselte, dessen Stärke er viel-
leicht anfänglich unterschätzt hatte, den des Bündnisses von
Papst und oberitalienischem Städtetum 3). Nicht als ob
Friedrich I. die Herrschaft des Papstes über die allgemeine
Kirche und die kirchlichen Anstalten in Deutschland be-
kämpft hätte. Er sah in Alexander III. (1159—1181) den
Verkleinerer des kaiserlichen Rechtes, der nicht nur über den
Klerus, sondern auch über das Reich gebieten wolle4). Man
') Vgl. K. Hampe a. a. 0. S. 106 f.
2) Vgl. Otto von Freising, Chronicon lib. I praefatio, lib. VII
praef. und VII c. 16 ed. R. Wilmans (Scriptores rerum Germanicarum,
Hannover 1867), S. 5. 295 u. 313; benutzt würde die Uebersetzung von
H. Kohl (2. Aufl., Leipzig 1894), S. XIII, 52 f. und 75 f.
3) Vgl. K. Hampe a. a. 0. S. 115 ff. 125 ff. K. Jacob: Die Reli-
gion in Vergangenheit und Gegenwart I (Tübingen 1909), S. 2084 f.
4) Vgl. Gerhoh von Reichersberg, Ad cardinales (geschrieben
1167 auf 1 168), Mon. Germ. Libelli de lite III, S. 408 ; siehe auch A. H a u c k
a. a. O. IV (Leipzig 1903), S. 265 ff. über die Bedeutung des Würzburger
Reichstags vom Jahre 1165.
Trierer Stilübungen (um 1158). 15
darf auch nicht glauben, dass der Hohenstaufe mit dem Papste
rang um die weltliche Herrschaft über die Reichskirchen.
Friedrich behauptete sie und die deutschen Bischöfe standen
zu ihm, weil die zunehmende Bedeutung ihrer reichs- und
namentlich landesfürstlichen Aufgaben sie auf die Seite der
Krone verwies. Die weltlich-politischen Bestrebungen Fried-
richs allein waren die Ursachen des Kampfes, der entsprechend
der durch sie geweckten Gegnerschaft wie mit weltlichen so
mit kirchlichen Mitteln geführt wurde. Ihm aber und seinem
Ratgeber Reinald von Dassel (seit 1159 Erzbischof von Köln,
f 1167) hat es stets ferngelegen, im Streite wider Rom und den
Papst eine Neugestaltung der kirchlichen Verfassung Deutsch-
lands in den Kreis der Schachzüge einzubeziehen 1).
Eben zur Zeit Friedrichs I. taucht nun zum ersten Male,
nicht vom Kaiser und seinem Berater geschmiedet, nicht von
ihnen als Rüstzeug gegen das Papsttum ausgebeutet, der Ge-
danke einer deutschen Nationalkirche auf. Er begegnet in
drei angeblichen Schreiben Friedrichs L, des Erzbischofs
Hillin von Trier (f 1169) und des Papstes Hadrian IV.
(1154 — 1159), Erzeugnissen der Schule ohne jegliche Wirkung
auf den Gang der Ereignisse selbst, die gleichwohl die Ge-
dankenwelt des unbekannten Verfassers eigenartig genug ent-
hüllen 2). Es sind nicht Produkte der öffentlichen Meinung wie
die Flugschriften in der Periode des Investiturstreites, sondern
solche der stillen Gelehrtenstube, in welcher ein Schulhalter
seinen Zöglingen das Thema „Trennung der Kirchen Deutsch-
lands von Rom" zur Bearbeitung gestellt haben mochte, oder Aus-
arbeitungen eines Mannes, dem die Aufrichtung einer deutschen
Nationalkirche erstrebenswert, daher durchführbar erschien.
Die drei Briefe sollen nach dem Reichstag zu Besan9on
(Oktober 1157) bis zum März 1158 geschrieben sein. Friedrich
J) Vgl. A. Hauck a. a. 0. IV, S. 209.
> 2) Die Briefe sind herausgegeben von W. Wattenbach: Archiv
für Kunde österreichischer Geschichtsquellen XIV (Wien 1855), S. 86 ff.
88 f. 89 ff.
1(5 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
beginnt mit Darlegungen darüber, dass seine Gewalt unmittel-
bar von Gott stamme; voller Anmassung habe Hadrian IV.
das Regnum Romanum als ein von ihm an Friedrich erteiltes
Lehen bezeichnet, in Viterbo, der Kammer des Reiches, und
nicht in Rom seinen Sitz aufgeschlagen und den Kaiser ex-
kommuniziert. „Ihr selbst" — Hillin von Trier wird ange-
redet — „habt sicherlich gesehen und gehört, wie uns die
Römer verlachen, die uns die einfältigen Deutschen nennen,
weil wir dem Gebote des Papstes uns unterordnen, obwohl
der ganze Erdkreis die Wucht unserer Rechten nicht zu er-
tragen vermöchte. Ihr seid Primas diesseits der Alpen und
<las Herz des Reiches. Eure berühmte Metropole Trier ist
ausgezeichnet durch den ungenähten Rock Christi. Sie befreie
•das mystische Kleid des Herrn, das ist die Kirche, aus den
Händen jenes Papstes, durch den es zerrissen und wiederum
an die Aegypter verkauft ist. Ihn, den Dieb und Räuber,
werden wir ausschalten und Euch, die Ihr das zweite Rom
lenkt, damit Ihr Eure Brüder stärket, wenn jener abirrt —
Petrus hat ja Euch in seinem Stabe, den er von Gott selbst
empfing, die Gewalt verliehen, dass Ihr allein unter allen un-
mittelbar hinter Petrus stündet wie er selbst hinter Christus — ,
Euch übertragen wir auf Grund kaiserlicher Machtvollkommen-
heit die Leitung der Kirche an Petri Stelle. Alle im Reiche
diesseits der Alpen, die in den Streit verwickelt sind, sollen
fortan nicht mehr nach Viterbo, dem neuen Rom, sondern nach
Trier, dem zweiten Rom, kommen und hier, wo nicht das
Geldstück herrscht wie im neuen Rom *), ihre Prozesse nach
Recht und Gerechtigkeit entschieden sehen. Euch hat Petrus
seinen Stab übergeben, damit auf Euch die ganze Würde
gleichsam nach Erbrecht übergehe. Erhebt Euch mit uns
wider den, der sich Vikar Petri nennt und es nicht ist, als
') Vgl. hierzu die Passio domini pape secundum marcam auri et
argenti bei W. Grundlach, Heldenlieder der deutschen Kaiserzeit III
(Innsbruck 1899), S. 797 ff.
Trierer Stilübungen (um 1158). 17
der Erbe Petri, und bewirkt, dass Eure Suffragane, die Bischöfe
von Metz, Toul und Verdun, mit uns sich einverstanden er-
klären. Ihr seid die Säule des Reiches und durch Euch
sollen die anderen uns Beistand leisten wider die Söhne Be-
lials" 1). Soweit der erste Brief, dem die beiden übrigen keinen
neuen Gedanken hinzufügen, der eine ein angebliches Schreiben
Hillins an den Papst, dem er den kaiserlichen, auch an die
Erzbischöfe von Mainz und Köln übersandten Erlass mitteilt,
um ihn zur Versöhnung mit dem Kaiser zu stimmen, der
*) Certe vos ipsi vidistis et audistis , quam derisui nos habuerint
Romani, vocantes nos stultos Alamannos, quod ad preceptum eius staremus
subiecti, quorum dextras totus orbis ferre non posset. Igitur quia vos
primas estis eis Alpes et cor regni et metropolis illa vestra, vestra inquam
Treviris inclita, que inconsutili prepollet tunica Domini, vestro consilio et
auxilio summam et misterialem tunicam Domini, id est ecclesiam, de
manu illius Amorrei, videlicet apostolici, liberate, a quo hueusque scissa
et sorte divisa et in manus Egyptiorum iterum est vendita. Eum enim,
qui non per ostium, sed aliunde ascendit in ovile ovium, für quippe est
et latro, nos in brachio regni et in arcu exten to eruemus et vobis, qui
ideo seeunde Rome preestis, ut, si ille deviaverit, vos conversus confir-
metis fratres vestros, quod et vobis Petrus in baculo suo tradidit, sicut
ipse a Domino aeeepit, ut vos solus sitis inter omnes post Petrum, sicut
ipse post Christum, ecclesiam Dei regendam vice Petri imperiali auetori-
tate committimus , ut omnes de regno nostro eis Alpes non Bitervi ad
novam Romam, sedTreveris ad seeundam Romam veniant, qui in causa
sunt, et seeundum iudicium et iustitiam, non nummo imperante sicut
Rome, ubi nummus et non Petrus regnat et imperat, questiones suas
exequantur, dum Deus tantum sit in causa et ideo Deus merces operis.
Nonne et hoc Petrus factis ostendit, dum vobis baculum suum conscius
futurorum tradidit, quod adhuc tota dignitas apostolici in vos tantum
metropolitanum quasi hereditario iure derivaretur? Nonne ideo adhuc
apostolicus sine baculo Petri incedit, ut vos sitis in baculo eius? Igitur
heres Petri contra eum, qui se dicit vicarium Petri et non est, nobis-
cum insurgite et suffraganeos vestros Metensem, Tullensem, Virdunensem,
ut nobis et regno subscribant, efficite, et vos columpna regni pro regno,
quod iam titubat, viriliter state et stando, quis et quid sitis, ostendite, ut
per vos ceteri nobis fideliter assistant et filiis Belial unanimiter, prout
Dominus dederit, resistant (Archiv für Kunde Österr. Geschichtsquellen
XIV, S. 88).
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen. 2
18 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
andere eine angebliche Enzyklika des Papstes an die drei
rheinischen Erzbischöfe, angefüllt von masslosen Klagen gegen
Friedrich, von Erörterungen über die Uebertragung des Im-
perium durch die Päpste an die Deutschen, von denen es ein
Papst wiederum den Griechen zurückstellen könne.
Lange schon sind diese Schreiben als Stilübungen er-
kannt — ihre Verwertung als echter Dokumente durch J. Ficker
hat Ph. Jaffe unwiderleglich als unstatthaft dargetan *) — , es
geht jedoch kaum an, sie nur harmlose Stilübungen zu nennen
eines aufstrebenden, aber noch nicht ganz gereiften Trierer
Kanzlertalentes, das unter der Herrschaft des trierischen Dom-
kirchtums von den wahren Verhältnissen der Welt ausser-
halb der heimischen Mauern keine volle Kenntnis besass.
Gewiss, den Verfasser traf das eigenartige Missgeschick, dass
er Friedrichs I. vermeintlichen Plan eines deutschen Papsttums
anknüpfte an Hillins Würde eines apostolischen Legaten, die
diesem im Oktober 1155 von dem so geschmähten Hadrian
übertragen war. Aber auf der anderen Seite spricht aus seinen
Elaboraten die Opposition wider Rom, die Gewissheit, dass
nur ein deutscher Primas oder Papst an der Spitze der kirch-
lichen Verbände auf deutschem Boden diesen die Kraft zur
Selbstbehauptung gegenüber dem werdenden Monarchen des
kirchlichen Universalreiches einflössen würde. Diese deutsche
Papstkirche würde zwar von demselben Glauben erfüllt sein
wie die römische, aber eine nur das Reich nördlich der
Alpen umspannende Organisation, ein Oberhaupt in einer
deutschen Stadt besitzen. Sie würde eine Schöpfung des
Kaisers als des Trägers auch der deutschen Königskrone sein,
die Schäden kirchlicher Verwaltung beseitigen, denen die des
römischen Papstes in der allgemeinen Kirche und folgeweise
über den kirchlichen Bezirken Deutschlands ausgesetzt war.
Es bedarf keiner Worte über das Phantastische des ganzen
*) J. Ficker, Reinald von Dassel (Köln 1850), S. 18 ff. Ph. Jaffe
bei W. Wattenbach a. a. 0. XIV, S. 60 ff.
Trierer Stilübungen (um 1158). 19
Planes, über die Unmöglichkeit seiner Verwirklichung in einer
Zeit, die trotz aller Rückschläge im einzelnen die Macht
des römischen Papsttums in der Kirche und in der Welt stei-
gen sah. Dass er erörtert werden konnte, verrät die tiefe
Wirkung des neuen Kampfes zwischen Imperium und Sacer-
dotium, dazu eine Anteilnahme, in der die nationale Sympathie
für den Herrscher sich verband mit der Einsicht, dass — nach
der Preisgabe der kirchlichen Herrschaft des Königs über die
Reichseigenkirchen im Wormser Konkordat — das Fehlen
einer nationalkirchlichen Organisation der romanischen Uni-
versaitheokratie des Papstes Tür und Tor öffnete. Vielleicht
überschätzen wir die Bedeutung jener Schreiben, die den ganzen
Radikalismus eines Utopisten an der Stirn tragen. Sie erhalten
jedoch für ihre romfeindliche Stimmung eine eigentümliche
Folie in der Besorgnis des Propstes Gerhoh von Reichersberg
(f 1169) — auch auf ihn wie auf Bischof Otto von Freising
war der Aufschwung des deutschen Königtums unter Friedrich
Barbarossa nicht ohne Wirkung geblieben — , es möchte bei
der Ueberspannung der päpstlichen Gerechtsamen, dank der
drückenden Last kurialer Missbräuche in der Verwaltung der
Kirche ein ähnlicher Abfall vom Gehorsam gegen die römische
Kirche eintreten, wie ehedem schon die Griechen von ihr ab-
trünnig geworden waren x). Hier wie dort also eine Oppo-
sition wider das Papsttum, der auch eine Vision der hl. Hilde-
gard von Bingen (f um 1180) Ausdruck gab: die Zeit werde
kommen, wo Völker und Fürsten das Papsttum, in dem sie
keinerlei Religion mehr erkennen, mindern und „ andere Meister
und Erzbischöfe unter anderem Namen in den verschiedenen
Ländern einsetzen werden", „auf dass alsdann jeder Erzbischof
oder andere geistliche Meister seine Untergebenen hinlenkt
zum geraden Wege der Zucht" 2).
*) Vgl. Grerhohs Schrift De investigatione Antichristi I c. 58 (87),
Mon. Germ. Libelli de lite III, S. 374.
2) Liber divinorum operum III vis. X. c. 25 : . . . Romanum impe-
rium in defectum dispergetur. Nam unaquaeque gens et quisquis populus
20 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Noch ein Moment sei hier bereits betont. Der unbekannte
Verfasser der Trierer Stilübungen konnte die deutsche Kirche
sich nicht denken ohne sichtbares Oberhaupt, dem er den
Titel Primas beigelegt wünschte. An einen solchen deutschen
Primat aber dachten auch seit dem Ausgang des 15. Jahr-
hunderts die Männer, deren nationalkirchliche Pläne und Ent-
würfe noch darzulegen sein werden, im Jahre 1495 Hans
von Hermansgrün, der ein Patriarchat ins Auge fasste, im
Jahre 1510 Jakob Wimpheling, wenn er in historischen Er-
innerungen der alten Privilegien von Salzburg und Magdeburg
Erwähnung tat; auf eine monarchische Spitze der deutschen
Kirche hofften ihre Zeitgenossen und, zu Beginn seines Wirkens,
selbst Martin Luther in seiner Schrift „An den christlichen
Adel Deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung"
vom Jahre 1520. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts glaubte
K. Tb. von Dalberg auf den Titel Primas Germaniae, den
ihm der Reichsdeputationshauptschluss vom Jahre 1803 ge-
regem sibi tunc constituet, cui obediat, dicens, quod latitudo imperii
Romani magis sibi oneris prius fuerit quam honoris. Sed postquam im-
periale sceptrum hoc modo divisum fuerit nee reparari poterit, tunc
etiam infula apostolici honoris dividetur. Quia enim nee prineipes nee
reliqui homines tarn spiritalis quam saecularis ordinis in apostolico
nomine ullam religionem tunc invenient, dignitatem nominis illius tunc
imminuent. Alios quoque magistros et archiepiscopos sub alio nomine
in diversis regionibus sibi praeferent, ita ut etiam apostolicus eo tem-
pore, dilatatione honoris pristinae dignitatis attenuatus, Romain et pauca
illi adiacentia loca vix etiam tunc sub infula sua obtineat. Haec autem
ex parte per bellorum ineursionem evenient, ex parte quoque per com-
mune consilium et consensum et spiritalium et saecularium populorum
perficientur, illis hortantibus, ut quisque saecularis prineeps regnura et
populum suum muniat et regat, ut quilibet archiepiscopus seu alius
spiritalis magister subditos suos ad rectitudinem diseiplinae constringat,
ne deineeps malis illis affligantur, quibus divino nutu prius afflicti sunt
(Migne, Patrol. latina vol. 197, col. 1026 sq.). Vgl. dazu J. v. D Ol-
li nger, Kleinere Schriften, herausg. von F. H. Reusch (Stuttgart 1890),
S. 503 f.; über die hl. Hildegard vgl. A. Hauck, Kirchengeschichte
Deutschlands IV, S. 398 ff .
Trierer Stilübungen (um 1158). 21
währte, eine Stellvertretung des Papstes gründen zu können,
die ihrem Inhaber im Hinblick auf Rom genügende Selbständig-
keit, dazu auch die Ueberordnung über die deutschen Bischöfe
gewährleisten würde. Die deutsche Kirche katholischen Glau-
bens sollte, so verlangten noch in den Jahren 1814 und 1815
J. H. C. von Wessenberg, im Jahre 1848 J. Döllinger, einem
Primas untergeben sein und gleichsam einen Mikrokosmos der
allgemeinen Kirche darstellen, deren Oberhaupt, der Nachfolger
Petri, im Primas sein Gegen bild fände, damit dieser die Frei-
heit und das eigene Recht Deutschlands vertrete und wahre *).
Mittelalterliche Gedankenreihen waren es endlich, die
König Friedrich Wilhelm IV. erfüllten, als er im Jahre 1840
seinen „ Sommernachtstraum " beschrieb, die evangelische Kirche
Preussens neu zu gestalten und ihren Bischöfen dreizehn Metro-
politane mit Konsistorien überzuordnen; „an Stelle aber des
geistlichen Ministers und Ministerii treten der Fürst-Erzbischof
von Magdeburg, Primas Germaniae, und das Primatial- Konsi-
storium oder Capitel daselbst" 2).
') Erinnert sei auch daran, dass im 5. Jahrhundert der Bischof von
Arles einen Primat für sich und seine Kirche anstrebte, der Gallien
gegenüber dem Papste unabhängig machen sollte; dass im 9. Jahr-
hundert Erzbischof Hinkmar von Reims (f 882) die gleiche Stellung
für sich und seine Kirche ins Auge fasste; vgl. meine Geschichte der
Kirchenverfassung Deutschlands im Mittelalter I (Hannover und Leip-
zig 1905), S. 36 ff. J. Heller: Allgemeine Deutsche Biographie XII,
S. 441. 444. 450.
2) Vgl. den Brief des Königs an Bunsen vom 24. März 1840 bei
L. von Ranke, Sämtliche Werke XLIX. L (Leipzig 1887), S. 372 ff.,
bes. S. 383, dazu H. vonTreitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahr-
hundert V (Leipzig 1894), S. 361 ff.
Dritter Abschnitt.
Das Konkordat Papst Martins V. mit der
„deutschen Nation" vom Jahre 1418.
Nicht allein im 12. Jahrhundert erhoben sich Stimmen
wider Rom. Leidenschaftlich befehdete im folgenden Walter
von der Vogelweide den Papst. Eindrucksvoll erinnerte Fried-
rich IL (1212 — 1250) die Fürsten seiner Zeit an die Gemeinsam-
keit des Interesses der Staaten gegenüber den Uebergriffen
der Kurie1). Erbittert wurde im 14. Jahrhundert der Kampf
geführt zwischen Ludwig dem Bayern (1314 — 1347) und
Johann XXII. (1316 — 1334), sodass die städtischen Chronisten
mit einer Art von Schadenfreude die Veröffentlichung eines so
wirksamen Buches wie des Defensor pacis des Marsilius von
Padua verzeichneten2). Immer aber bleibt es merkwürdig, dass
selbst Friedrich IL nicht an die Erhebung eines kaiserlichen
Gegenpapstes dachte, während das Vorgehen des Witteis-
bachers im Jahre 1328 kaum mehr als den kläglichen Versuch
bedeutete, jene längst verklungenen Tage wieder her aufzuführen,
in denen ein Heinrich IV. (1056—1106), Heinrich V. (1106
bis 1125) und Friedrich I. (1152—1190) Gegenpäpste erhoben
oder begünstigt hatten, nicht um eine neue Kirche zu be-
*) Vgl. F. Crraefe, Die Publizistik in der letzten Epoche Kaiser
Friedrichs II. (Heidelberg 1909), S. 17 ff.
2) Vgl. Chroniken der deutschen Städte VIII, S. 70. 473; siehe
auch W. Theremin, Beitrag zur öffentlichen Meinung über Kirche und
Staat in der städtischen Geschichtschreibung Deutschlands von 1349 — 1415.
Berlin 1909.
Konstanzer Konkordat (1418j. 23
gründen, sondern um dem Gegner Abbruch zu tun und die
ehemalige Stellung des Kaisertums über dem Papste mit frei-
lich niemals glücklichem Erfolge für kurze Zeit in Erinne-
rung zu bringen. Zu allem noch eins: weder im 13. noch
im 14. Jahrhundert dachte man an den Plan einer deutschen
Nationalkirche.
Die Gründe dieser Erscheinung lassen sich leicht auf-
decken1). Das deutsche Königtum, seit der Doppelwahl des
Unglücksjahres 1198 zum Wahlkönigtum geworden, hatte an-
dere Ziele als die Aufrichtung einer kirchlichen Organisation,
die der ohnehin verwickelten Reichsverwaltung neue Lasten
aufgebürdet hätte. Der deutsche Reichsfürstenstand zerfiel
zwar in eine weltliche und eine geistliche Hälfte, die Interessen
von beiden aber waren weit mehr dem Ausbau ihrer Terri-
torien zugekehrt, als dass sie eine Neuordnung hätten unter-
nehmen mögen, die vielleicht gerade die geistlichen Fürsten
auf ihre kirchlichen Beamtungen eingeschränkt hätte, während
bislang durch die hierarchische Würde ihre weltliche Landes-
herrlichkeit einen vom Kirchenrecht anerkannten Rückhalt
empfing. Die Verbände der erzbischöflichen Provinzen, die
Verwaltungssprengel der Diözesen waren und wurden dauernd
aufgelockert durch Exemtionen aller Art; sie boten den Landes-
gewalten willkommene Gelegenheit zur Vermehrung und Stär-
kung ihrer Gerechtsame mit Hilfe kirchlicher Befugnisse, die
wiederum mit ihrer Landeshoheit unauflöslich verwuchsen.
War es dem Papsttum zu verdenken, dass es diese zerfahrenen
Zustände zum eigenen Vorteil ausnutzte?
Seine Kirche war die „eine, heilige, katholische und apo-
stolische". Sie war in sich einheitlich, derart dass sie als ein
einziges Herrschaftsgebiet dem Eingreifen der Kurie in Ver-
fassung und Verwaltung, in Rechtsprechung und Gesetzgebung
sich darbot. Allenthalben war es möglich, Stellen zu besetzen,
kirchliche Feste anzuordnen, Steuern auszuschreiben, zivile
') Vgl. zum Folgenden Historische Vierteljahrschrift 1908, S. 153 ff.
24 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
und kriminale Prozesse zu entscheiden. Der Widerstand des
Klerus oder der Laienschaft liess sich brechen oder zum min-
desten ertragen, und dies ganze System wurde unterstützt
durch ein Rechtsbuch voller Anpassung an die Doktrin von
dem keinem Richter unterworfenen Papsttum und seiner All-
macht, wurde getragen durch die Lehre, dass es für den ein-
zelnen Menschen heilsnotwendig sei, dem Nachfolger Petri
Untertan zu sein. Die allgemeine Kirche war, so könnte man
sagen, die Eigenkirche des Papstes geworden, und stets wird
es Verwunderung erregen, wie lange sie es blieb, obwohl seit
dem Jahre 1309 die „babylonische Gefangenschaft" der Päpste
in Avignon die politische Abhängigkeit der Kurie von Frank-
reich weit deutlicher in Erscheinung treten liess, als einst die
Herrschaft der Ottonen und ersten Salier den Stuhl Petri dem
Willen der Deutschen untergeordnet hatte. In allen diesen
Zuständen lag die Zurückdrängung des die Kirche bildenden
Prinzips, des Glaubens, gegenüber dem ihm Form gebenden
Recht; nur wenige Dogmen sind im späteren Mittelalter von
den Päpsten verkündigt worden. Das päpstliche Recht aber
wurde je länger je mehr übertrieben zur Aufsaugung alles
lokalen Rechtes zu Gunsten der Allgewalt des Nachfolgers
Petri. Die päpstliche Verwaltung wurde je länger je mehr ge-
handhabt mit den weltlichen Mitteln des Zwanges und der
finanziellen Ausbeutung, allzu häufig aus Rücksicht auf welt-
liche Interessen der Kurie: ihre Zentralisation in Avignon
wurde zur Ursache des tiefen Falles im Zeitalter des Schismas
(1378—1417), der Reformkonzilien von Pisa (1409), Konstanz
(1414—1418) und Basel (1431—1449). Noch fühlte sich die
abendländische Christenheit — trotz aller Häresien und trotz
der Lehren eines Wiklif (f 1384) und Huss (f 1415) — als
eine Einheit im religiösen Glauben. Wie aber ein Strom den
Damm zerreisst, der ihm lange die Richtung vorschrieb, so
drohte jetzt die Vielgestaltigkeit nationaler Wünsche und Be-
schwerden hinsichtlich der kirchlichen Verfassung und Ver-
waltung die allgemeine Kirche aufzulösen in eine Vielzahl von
Konstanzer Konkordat (1418). 25
nationalen Kirchen, die geneigt schien, dem Papste kaum mehr
als Ehrenvorrechte zu belassen. Die Lehre von der Superiorität
der Konzilien über den Papst, wie sie in Konstanz am 6. April
1415 festgelegt und zu Basel am 15. Februar 1432 erneuert
wurde x) , erschütterte die Grundlagen der bisherigen Kirchen-
verfassung, mochten gleich bei weitem nicht alle Konzils-
beschlüsse so radikalen Geist atmen wie jene Worte eines
französischen Erzbischofs: „Diesmal wollen wir das Papst-
tum den Händen der Italiener entreissen oder es so rupfen,
dass nichts mehr dran liegt, wo es ist" 2).
Erst durch den Hinweis auf die im wesentlichen überein-
stimmende Stellungnahme von England und Frankreich zum
kirchlichen Problem wird die kirchliche Politik Deutschlands
veranschaulicht. In England hatten seit den vierziger Jahren
des 14. Jahrhunderts König und Parlament der päpstlichen
Rechtsprechung, Gesetzgebung* und Besteuerung Widerstand
geleistet. Das Auftreten Wiklifs hatte sodann den Zusammen-
hang der englischen Kirche mit Rom gelockert; um die Wende
des 14. und 15. Jahrhunderts war sie „ein Teil des nationalen
Staates", eine Staatskirche" geworden. Noch duldete sie gewisse
päpstliche Befugnisse, aber bezeichnend genug klagte man im
Beginne der Regierung Martins V. (1417 — 1431) in Rom, dass
der Peterspfennig, dieses letzte Zeichen des Gehorsams der
Engländer gegen den heiligen Stuhl, nicht gezahlt werde, und
dass es dem Papste nicht einmal möglich sei, über jenes Land
andere Nachrichten zu erhalten, als die ihm der königliche
Gesandte in Rom zukommen lasse"3). In Frankreich war
im Jahre 1398 die Neutralität im Schisma der Päpste zum
ersten Male verkündet, im Jahre 1403 zwar wieder aufgehoben,
') Konstanz sessio V , Basel sessio II ; M a n s i XXVII , 590 f.
XXIX, 23.
2) Zitiert nach J.Hall er: Historische Zeitschrift Bd. 103 (1909),
S. 43 mit Anm. 2. Im allgemeinen vgl. zum ganzen Abschnitt K. Müller,
Kirchengeschichte II, 1 (Tübingen und Leipzig 1902), S. 42 ff.
3) J. Hai ler, Papsttum und Kirchenreform I f Berlin 1903), S. 464.
26 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
im Jahre 1408 aber erneut ausgesprochen worden. Am 15. Mai
1408 machte der König die Ordonnanzen vom Jahre 1407 be-
kannt mit ihrem Verbot päpstlicher Steuern, mit der Wieder-
herstellung des Wahlrechtes der Kapitel und des Verleihungs-
rechtes der Prälaten als alter Freiheiten der gallikanischen
Kirche. In Anlehnung an das englische Vorbild strebte auch
Frankreich nach Trennung seiner Kirche vom Papste. „Eine
nationale Kirche soll geschaffen werden, unabhängig vom
Papste in der Verteilung ihrer Aemter und Pfründen und im
Genüsse ihrer Einkünfte, mit ihm nur noch durch religiöse
Bande verbunden; das ist der Grundgedanke der gallikanischen
Freiheiten" x).
Wie war die kirchliche Politik Deutschlands? Es hiesse
oft Gesagtes wiederholen , sollten die Ursachen noch einmal
dargelegt werden, warum hier nicht wie in England und Frank-
reich das Königtum die allenthalben als unumgänglich an-
erkannte Reform der allgemeinen Kirche an Haupt und Gliedern
ausnutzen konnte zur Ausgestaltung einer nationalen Kirche.
Es gebrach ihm an Kraft, die Nation, den Staat und die kirch-
lichen Anstalten auf deutschem Boden zusammenzufassen und
zusammenzuhalten. Selbst wer aber der Oligarchie der Reichs-
stände, vorab dem Kurfürstenkollegium, die Aufgabe zuerkennen
wollte, bei einer Lebensfrage der Nation in die Bresche zu
treten, wird an zweierlei zu erinnern sein, einmal daran, dass
unter den kurfürstlichen Königswählern die drei Erzbischöfe
von Mainz, Köln und Trier sich befanden, deren Politik nie
ausschliesslich den Reichsinteressen zugekehrt sein konnte, da
ihre kirchliche Würde vom Papste abhing und ein Gegensatz
zum Papste sie leicht auch um ihr weltliches Ansehen bringen
mochte; sodann daran, dass im Gewölk der Reichsstände
neben den Reichsstädten die weltlichen und geistlichen Fürsten
insgesamt verflochten waren in den Kreis ihrer territorialen
Machtfragen. Wohl nahmen die Reichstage seit Ausbruch des
*) J. Haller a. a. 0. I, S. 291. 303. 370.
Konstanzer Konkordat (1418). 27
Schismas sich der kirchlichen Frage an, wohl verhalf die
Einberufung des Konstanzer Konzils durch König Sigmund
(1410 — 1437, Kaiser seit 1433) einem alten kaiserlichen —
nicht königlichen — Recht zu freilich rasch vergessener Auf-
erstehung, fester jedoch als ü&erall sonst war in Deutsch-
land die Verbindung mit Rom, das Erbteil der Vergangenheit
und die Last der Gegenwart. Wer hätte es unternehmen
sollen, die auseinanderfliessenden Elemente des nationalen Lebens
zu einigen? Wer mochte ihnen als Ziel die mühsalreiche Auf-
gabe aufbürden, die kirchlichen Verbände auf deutschem Boden,
die Provinzen samt ihren SufFragandiözesen, zu einer nationalen
Kirche zusammenzuschmieden? Eine Lösung des kirchlichen
Problems, die das deutsche Interesse wahrte und sicherstellte,
war dank dem Gang der deutschen Geschichte und bei der
Lage Deutschlands um die Wende des 14. und 15. Jahrhunderts
unmöglich. Wohl war der Drang nach Bildung auch einer
deutschen Nationalkirche vorhanden — er trieb zu den Ver-
suchen der Jahre 1418 und 1439 — , eine Erfüllung ward ihm
jedoch nicht beschieden trotz der schweren Krisis, die über
das Papsttum und mit ihm über die allgemeine Kirche herein-
gebrochen war.
Der Versuch des Jahres 1418 hat seinen Niederschlag
gefunden in dem Konkordat des neugewählten Papstes
Martin V. (1417 — 1431) mit der „deutschen Nation" vom
15. April (2. Mai) 1418 *). Ihm voraufgegangen waren die
Beschlüsse der 39. und 40. Sitzung des Konstanzer Konzils
vom 9. und 30. Oktober 1417 2), die Generalreformdekrete der
43. Sitzung vom 21. März 1418 in der Form einer von Martin V.
erlassenen Urkunde 3). Sie enthielten diejenigen Reformsatzungen,
über die zwischen allen Teilnehmern der Versammlung eine
') B. H übler, Die Constanzer Reformation und die Concordate
von 1418 (Leipzig 1867), S. 164 ff.; über das Datum vgl. ebd. S. 59.
2) B. Hübler a. a. 0. S. 118 ff. H. von der Hardt, Magnum
oecumenicum concilium Constantiense IV, p. 1452 ff.
3) B. Hübler a. a. 0. S. 158 ff.
28 Werminghoff, Natioiialkirchliche Bestrebungen.
Uebereinstimmung erzielt worden war, sollten also gemeines
Kirchenrecht schaffen und waren deshalb nicht in ihrer Gültig-
keitsdauer befristet. Anders das Konkordat mit der „deutschen
Nation". Es umfasste diejenigen Punkte, in denen zwischen
dem Papste und allein der deutschen Konzilsnation eine Eini-
gung herbeigeführt war. Es reformierte nur den Teil der
kirchlichen Verfassung und Verwaltung, an dem die deutsche
Konzilsnation interessiert war. Es erzeugte ein Sonderrecht für
die Kirche der Nation und sollte nur fünf Jahre in Kraft
bleiben, nach deren Verlauf „jede Kirche und jede Person die
Freiheit hat, ihres Rechtes sich zu bedienen, der vereinbarten
Punkte ungeachtet". Diese wesentlichen Unterschiede zwischen
den allgemeinen Reformdekreten und dem deutschen Konkordat
hindern, in ihnen eine geschlossene, einheitliche Rechtsquelle
zu erblicken, in ihrem Inhalt- eine Ordnung zu erkennen, die
der Gesamtheit der Beziehungen zwischen dem Papsttum als
dem Oberhaupt der allgemeinen Kirche und der Kirche der
„deutschen Nation" ein von Grund aus neues Aussehen ge-
geben hätte. Gesetze von unbefristeter Gültigkeitsdauer und
solche von befristeter Gültigkeitsdauer sind, weil ungleich-
artig, nicht geeignet, auf sie eine in sich homogene Ver-
fassung aufzubauen; eine Organisation, die auf so von ein-
ander abweichende Normen sich stützen wollte, wäre ein
Unding.
Weiterhin aber: wer war denn jene „deutsche Nation",
mit der Martin V. das Konkordat abschloss? Sie war ein an-
erkanntes Organ des Konzils und deshalb zur Vertretung ihrer
landsmannschaftlichen Wünsche wie befähigt so verpflichtet. Sie
war gleichwohl keine Einheit. Sie verkörperte nicht nur die kirch-
lichen Verbände auf dem Boden des Deutschen Reiches nörd-
lich der Alpen. Sie war eine Konzilspartei — mit weitergehenden
Befugnissen ausgestattet als eine Parlamentspartei der Gegen-
wart — und wurde gebildet aus solchen Mitgliedern, die aus dem
Deutschen Reiche, aus Polen, Ungarn, Dänemark, Norwegen
und Schweden zum Konzil gekommen waren und hier, sei es
Konstanzer Konkordat (1418). 29
kirchliche Verwaltungssprengel, sei es kirchliche Anstalten in
ihren Heimatländern vertraten *). So fehlte der „deutschen
Nation" auf der Konstanzer Kirchenversammlung die innere
nationale Individualisierung in jenem modernen Sinne, dessen
auch wir uns bisher stets bedienten, um an ihn auch späterhin
uns zu halten. Die der „deutschen Nation" des Konzils
zugewandten Prälaten und Geistlichen aus dem Deutschen
Reiche waren mit den Polen u. s. w. zusammengeführt durch
gemeinsame kirchliche Anliegen und Bestrebungen, nicht mit
ihnen verbunden durch die Organisation einer Kirche, die
ihre kirchlichen Verbände und Anstalten insgesamt umspannt
hätte. Eine solche zu schaffen lag nicht in der Absicht der
„deutschen Nation". Sie einzuführen, hinderte von vorn-
herein die Ungleichheit der Normen, die in den General-
reformartikeln vom 21. März 1418 und im Konkordat vom
15. April 1418 zu Tage getreten war. Dieser alles entschei-
denden Tatsache geschieht nirgends Erwähnung. Der räum-
liche Bezirk, in welchem für fünf Jahre das Konkordat
gelten sollte, wird nirgends umschrieben. Der für die
„deutsche Nation" geschaffene Zustand erhält an keiner Stelle
eine Sicherung durch Einrichtung eines Organes, das dem
Papsttum gegenüber wachen sollte über die Befolgung der
Abmachungen , das befugt gewesen wäre , nach Ablauf jener
Frist eine Erneuerung oder Abänderung des Konkordats auf
dem Wege des Abkommens mit dem Papst einzuleiten oder
zu bewerkstelligen. So schuf das Konkordat vom Jahre 1418
nichts anderes als ein Provisorium voller Widersprüche, dessen
Vergleich mit dem romanischen und englischen Konkordat2)
nur zu Gunsten dieser Festsetzungen für zwei nationale Kir-
chen ausfallen kann.
Eine nationale Kirche endlich — das Wort „national"
*) Vgl. Historische Vierteljahrschrift 1908, S. 184 ff".
2) B. Hübler a. a. 0. S. 194 ff. 207 ff.; vgl. ebd. S. 218 ff. die
Synopsis der Konstanzer Reformation.
UBRARY ST. MARYS COLLEGE
30 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
in dem uns geläufigen Sinne angewandt — wird stets die
Neigung haben, sieh an den nationalen Staat anzulehnen und
damit zur Landes- oder auch zur Staatskirche zu werden.
Die Beispiele der englischen und französischen Kirchen gerade
zu Beginn des 15. Jahrhunderts erhärten diesen Satz zur Ge-
nüge. An welchen Staat aber sollte die Kirche der „deutschen
Nation" sich anlehnen? Einst, im beginnenden 11. Jahrhundert,
hatte der deutsche König, dank seiner Herrschaft über den
Erzbischof von Hamburg-Bremen, auch die kirchliche Organi-
sation in Dänemark und den skandinavischen Reichen beherrscht;
jetzt waren diese Zeiten unwiederbringlich dahin. Das deutsche
Konkordat befasste sich mit der Zahl und den Eigenschaften
der Kardinäle wie ihrer Ernennung, mit den Provisionen für
Kirchen, Klöster, Priorate, Dignitäten und Pfründen. Es handelte
von den Annaten und den in Rom zu erledigenden Prozessen,
von Kommenden, von der Simonie, von der Exkommunikation
und allen kirchlichen Zensuren, denen eine Kommunionssperre
im weitesten Sinne folgte. Es regelte die Dispensationen. Es
befasste sich mit dem Unterhalt des Papstes und der Kardi-
näle, mit dem Ablasswesen. Allüberall stellte es sich dar
als eine Vereinbarung zwischen nur kirchlichen Kontrahenten,
dem Papst und der Konzilspartei. Es schuf Normen ausschliess-
lich für innerkirchliche Angelegenheiten und nirgends, mit
keinem Worte gedachte es der staatlichen Instanzen, sei es
nun der gesamtstaatlichen wie beispielsweise in Dänemark und
Polen, sei es der territorialstaatlichen im Rahmen des Deutschen
Reiches. Diese Tatsache fällt um so mehr auf, als die Vor-
schriften über die Besetzung der Prälaturen, die Ermässigung
der Annatenschuld , die Reformen des kanonischen Prozesses
dem gemeinschaftlichen Grenzgebiet angehörten, auf dem Staat
und Kirche gerade damals einander trafen1). Schon des-
halb aber war das Konkordat unvereinbar mit dem historisch
entwickelten Einfluss der staatlichen Gewalten, den diese inner-
]) Vgl. B. Hübler a. a. 0. S. 319 ff.
Konstanzer Konkordat (1418). 31
halb ihrer grösseren oder kleineren Gebiete auf das Leben
der Kirche ausübten. Es war ein Rückfall in Zeiten, in denen
— nach freilich getrübter Ueberlieferung — die Kirche allein
und aus ihrer Macht wie Selbständigkeit heraus ihr Recht
sich gesetzt, ihrem Rechte auch Geltung verschafft haben
sollte. Das Konkordat betrachtete den Staat als für die Kirche
nicht vorhanden, eine Missachtung der tatsächlichen Ver-
hältnisse, die seinem Inhalt, seinem Ziele das letzte, vernich-
tende Urteil spricht. Allerdings fehlt ein Beleg dafür, dass
um eine seiner Stipulationen willen die staatlichen Gewalten
mit den kirchlichen Organen uneins geworden wären. Was aber
besagt dies, erwägt man, dass nach fünf Jahren die für die
Abmachungen von 1418 gesetzte Frist ablief? Eine längere
Gültigkeitsdauer, etwa eine solche ohne Beschränkung wie die
des englischen und romanischen Konkordats, hätte ohne Zweifel
Streitigkeiten hervorgerufen; denn dass die Staaten auf ihre
immerhin nur historisch begründeten Rechte stillschweigend
verzichtet, folgeweise jene Einzelsatzungen als für alle Zeit
erlassene Normen angesehen hätten, ist kaum anzunehmen.
Ueber eine solche Konnivenz gegenüber der Kirche hätten sie
sich schlüssig werden müssen, sobald eine Erneuerung oder
auch Abänderung des Konkordats durch Wiederaufnahme der
Verhandlungen zwischen Papst und „deutscher Nation" er-
folgt wäre.
Sie unterblieb, nicht zuletzt deshalb, weil die „deutsche
Nation" ein zufälliges Gebilde der Konstanzer Konzilsverfas-
sung und Geschäftsordnung war, also der Dauer über das
Konzil hinaus entbehrte. Diese „deutsche Nation" war be-
lastet mit den Interessen auch ausserdeutscher Kirchenverbände
und Anstalten, war kein Organ für den Willen ausschliesslich
der deutschen Geistlichkeit, über der kein Königtum stand
wie in England und Frankreich. So war das Konstanzer
Konkordat vom Jahre 1418 ein mit ungeeigneten Mitteln
unternommener Versuch zur Schaffung einer nationalen Kirche.
So gut wie alles war ausser acht gelassen, die Sicherung der
LIBRARY ST. MARYS COLLEGE
32 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Zugeständnisse Roms für Deutschland und die Aufrichtung
einer Institution, die in berechtigtem Egoismus die ausser-
deutschen Elemente von sich abgestossen hätte. In den Ab-
machungen von 1418 trafen Momente der allgemein europäischen
und der deutschen Entwicklung zusammen — und auch im
Jahre 1439 sollten jene über die deutschen Bemühungen den
Sieg davontragen.
Vierter Abschnitt.
Die Mainzer Acceptation vom Jahre 1439.
Noch einmal schien während des Basler Konzils (1431 bis
1449) die Gelegenheit zum Aufbau einer deutschen National-
kirche sich zu bieten.
Die wechselvolle Geschichte der letzten Kirchenversamm-
lung des 15. Jahrhunderts darf als bekannt vorausgesetzt
werden 1). Seit ihrem Beschluss über die Annaten vom
9. Juni 1435 war sie mit dem Papste Eugen IV. (1431—1447)
heillos zerfallen. Sie bedrohte ihn am 12. Oktober 1437 mit
Suspension und Absetzung, die am 14. Januar 1438 verkündet
wurden, nachdem Eugen IV. am 30. Dezember 1437 das Konzil
nach Ferrara verlegt und die Eröffnung der neuen Versamm-
lung auf den 8. Januar 1438 anberaumt hatte. Das Schisma,
mit so viel Mühsal vor zwanzig Jahren beseitigt, erschien
wiederum in gefahrdrohender Nähe, und eben deshalb musste
jetzt die Stellungnahme der nationalen Einzelstaaten zu dem
ursprünglich inner kirchlichen Streite von ausschlaggebender
Bedeutung sein. Die Verflechtung staatlichen und kirchlichen
Wesens verhinderte, den Kampf zwischen Rom und Basel ganz
ausser acht zu lassen. Zwei Wege waren immerhin möglich.
Man benutzte entweder die Hilfsbedürftigkeit eines jeden der
Streitenden, um der Unterstützung sei es des Konzils, sei es
*) Vgl. z. B. K. Müller a. a. 0. II, 1, S. 93 ff. R. Wackernagel,
Geschichte der Stadt Basel I (Basel 1907), S. 476 ff.; siehe auch Mei-
sters Grundriss der Geschichtswissenschaft II, 6 (Leipzig 1907), S. 92 ff.
Wevminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen. 3
34 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
des Papstes den Lohn von Zugeständnissen zu sichern, oder
aber man trug kein Bedenken, durch geschicktes Zugreifen die
eigene Macht zu erweitern, und überliess friedlicheren Zeiten
die Entscheidung darüber, ob und bis zu welchem Grade die
Kirche die Einbusse an Recht und Ansehen würde hinnehmen
mögen. Hier wie dort lockte der Zuwachs an kirchlichen Ge-
rechtsamen, die nunmehr auf die staatliche Gewalt übergehen
sollten. Die grosse Zeit der mittelalterlichen Papstkirche ging
zur Rüste, die der Renaissance des Staates begann.
Die kirchliche Politik aller Einzelstaaten seit dem Jahre 1435
ist hier nicht zu erörtern. Erinnert sei nur an England,
das längst erreicht hatte was es brauchte, daher im wesent-
lichen sich zurückhielt und nur im allgemeinen auf Eugens IV.
Seite sich schlagen konnte, an Frankreich sodann und die
pragmatische Sanktion von Bourges vom Jahre 1438, an das
Deutsche Reich endlich und den Mainzer Reichstag vom
März und April des Jahres 1439, auf dem die Urkunde
über die Annahme einer Reihe von Dekreten des Basler
Konzils durch einen Gesandten des Königs Albrecht IL (1438
bis 1439) „mit lauter und vernehmlicher Stimme vorgelesen
wurde".
Die Erwähnung der pragmatischen Sanktion von Bourges
und des Acceptationsinstrumentes von Mainz legt nahe, beide
Dokumente nach Form, Inhalt und Tragweite miteinander zu
vergleichen.
Die Urkunde des Königs Karl VII. von Frankreich (1422
bis 1461) vom 7. Juli 1438 geht davon aus *), dass es Pflicht
der königlichen Gewalt sei, die Kirche und ihre Diener zu
schützen, für die Befolgung der kirchlichen Gesetze hinsichtlich
]) Ordonnances des rois de France de la troisieme race edd. Vilevault
etBrequigny XIII (Paris 1782), p. 267— 291; ein Auszug bei C. Mirbt,
Quellen zur Geschichte des Papsttums (2. Aufl., Tübingen und Leipzig 1901),
S. 160 f. Vgl. N. Valois, Histoire de la pragmatique sanction de Bourges
sous Charles VII (Paris 1906), p. LXXVII ff. und dazu J. Haller:
Historische Zeitschrift Bd. 103 (1909), S. 1 ff., bes. S. 37 ff.
Mainzer Acceptation von 1439. 35
der Disziplin und des Glaubens zu sorgen. Nun habe in diesen
Zeiten das allgemeine Konzil zu Basel zur Reform der Kirche
an Haupt und Gliedern bestimmte Beschlüsse gefasst, diese
dem König und der Kirche seines Landes unterbreitet und ge-
beten, sie anzunehmen und ihre Beobachtung im Reiche an-
zuordnen. Im Einverständnis mit seinem grossen Rate habe
der König die Erzbischöfe, Bischöfe, die angesehensten Kapitel,
Aebte, Dekane, Pröpste, sonstige Prälaten und Geistliche, dazu
Doktoren des göttlichen und weltlichen Rechtes, Doktoren und
Gelehrte der Universitäten und andere Männer in Bourges sich
versammeln lassen. Hier, wo er selbst den Vorsitz geführt
habe, umgeben von Mitgliedern seines Hauses, von Magnaten,
Vornehmen und seinen Räten, sei er von den die Kirche Frank-
reichs und der Dauphin^ verkörpernden Prälaten über die Lage
der Dinge unterrichtet worden. Man habe geklagt über den
Niedergang des Gehorsams gegen die kirchlichen Satzungen,
über den Niedergang des kirchlichen Verfassungslebens über-
haupt, und schuld daran seien vornehmlich die Reservationen,
die Exspektanzen und andere Belastungen der kirchlichen An-
stalten und Personen im Reiche. Kirchengut und Kirchen-
pfründen seien in die Hände von Unwürdigen, von Ausländern
gefallen. Zumal die einträglichen Dignitäten und Benefizien
seien unbekannten und unerprobten Leuten übertragen worden,
die der Residenzpflicht nicht genügten und bisweilen nicht die
Sprache der ihnen anvertrauten Bevölkerung verstünden, die
gleich Soldknechten nur ihren Vorteil gesucht hätten. Alles
dies hat auf Kultus und Seelsorge, auf die Rechte und Besitz-
tümer der kirchlichen Anstalten verhängnisvoll gewirkt, nicht
minder auf die Frömmigkeit des Volkes. Die Geistlichen
Frankreichs, die durch Wissen und Tugend ausgezeichnet, für
den König und die Kirche seines Reiches nützlich sind, werden
der Beschäftigung mit göttlichen und menschlichen Wissen-
schaften entfremdet; die Hoffnung auf Beförderung ist ihnen
genommen. Auch über die endlosen Streitigkeiten im Gefolge
jener Reservationen und Exspektanzen, so fährt der König fort,
36 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
sei Beschwerde erhoben worden, über die Beeinträchtigung des
Rechtes der Verleiher, der ordentlichen Kollatoren wie auch der
Patrone. Der hierarchische Stufenbau der Kirche werde ver-
wirrt, die Kirche Frankreichs unterdrückt, Gerechtsame des
Königs und der Krone untergraben, die Reichtümer Frankreichs
nach auswärts verschleudert; vielleicht sei gar beabsichtigt, die
Kräfte des Reiches gegenüber dem Ausland zu schwächen.
Alles zusammen hat den Vertretern der französischen Kirche
die Basler Dekrete als heilsam zur Besserung erscheinen lassen.
Sie bitten um Annahme der einen ohne jede Abänderung, der
anderen mit bestimmten Abänderungen — man zweifelt ja nicht
an der Gesetzgebungsvollmacht der Versammlung, die jene
Dekrete erliess *) — , freilich mit der Massgabe, dass der Nutzen,
die Lage und die Sitten in Frankreich und im Delphinat berück-
sichtigt würden. — Dieser ausführlichen Einleitung folgt der
Text von 24 Basler Dekreten, von denen mehrere teils kürzere,
teils längere Zusätze erfahren. Ihm angefügt ist das Gesuch,
die Dekrete samt ihren Zutaten anzunehmen und für ihre Beob-
achtung im Parlament und in anderen Gerichten des Reiches
Sorge zu tragen. Auch der Hoffnung wird Raum gegeben,
dass die Modifikationen beim Konzil zugelassen werden, wofür
die königlichen Gesandten namens des Königs und der Kirche
von Frankreich eintreten sollen. Ueber alles soll eine prag-
matische Sanktion 2) angefertigt werden. — Nochmals ergreift
Karl VII. selbst das Wort. Nach reiflicher Beratung mit den
Angehörigen seines Hauses, mit den Mitgliedern seines grossen
Rates erfüllt er die Bitte der Geistlichkeit Frankreichs. Er
erklärt ihre Erwägungen und Schlüsse für angenehm und an-
nehmbar, stimmt ihnen zu und verkündet sie sofort als Gesetz
für Frankreich und die Dauphine. Der Befehl ihrer Eintragung
unter die königlichen Ordonnanzen und ihrer Befolgung in allen
*) Non hesitatione potestatis et auctoritatis condentis et promul-
gantis, ipsius scilicet sacre Basiliensis synodi (p. 270).
2) Vgl. N. Valois a. a. 0. p. LXXIX f.
Mainzer Acceptation von 1439. 37
Gerichten, die Zusicherung des Schutzes an die Gehorsamen,
die Drohung der Strafe an die Ungehorsamen beenden das
Dokument vom 7. Juli 1438 *).
Wie ganz anders das Mainzer Acceptationsinstrument vom
26. März 1439! Seiner äusseren Form nach stellt es sich dar
als ein notariell beglaubigter Akt mit der ganzen wortreichen
Weitschweifigkeit dieser Urkundenart. In Gegenwart der
namentlich aufgezählten Personen , so heisst es darin -'), sind
die Gesandten König Albrechts II. erschienen, ferner die Erz-
bischöfe von Mainz und Köln sowie Boten des Erzbischofs
von Trier, des Pfalzgrafen bei Rhein, des Herzogs von Sachsen,
endlich der Erzbischöfe von Salzburg und Magdeburg. Sie alle
bekunden, mit genügender Vollmacht ausgerüstet zu sein, und
lassen nun einen „Zettel" (papiri cedula) über die Annahme
(acceptacio) von Beschlüssen des heiligen allgemeinen Konzils
zu Basel verlesen, das noch versammelt ist und die allgemeine
Kirche vertritt. Die cedula3) beginnt mit der Angabe, dass
die Abgeordneten des Königs, die anwesenden und nur ver-
tretenen Kurfürsten die Dekrete der Kirchenversammlung an-
!) Vgl. dazu Karls VII. Brief an das Konzil vom 8. Juli 1438;
Valois a. a. 0. p. 87.
2) Chr. Gr. Koch, Sanctio pragmatica Germanorum illustrata
(Argentorati 1789), p. 94—104; ebd. p. 105—171 Wiederholung des
Textes unter wörtlicher Wiedergabe der in ihm nur allegierten Dekrete.
— St. A. Würdtwein, Subsidia diplomatica VII (Heidelberg 1776),
p. 330—343 bringt den Wortlaut der Acceptation, p. 343—395 den der
von ihr allegierten Dekrete; andere Drucke verzeichnet G. Voigt, Enea
Silvio de' Piccolomini I (Berlin 1856), S. 161 Anm. 1. — Ueber den
Mainzer Reichstag (März und April 1439) vgl. Gr. Voigt a. a. O. I,
S. 161 ff. W. Puckert, Die kurfürstliche Neutralität während des
Basler Konzils (Leipzig 1858), S. 85 ff. A. Bach mann: Archiv für
Österreichische Geschichte LXXV (Wien 1889), S. 49 ff. V. von Kraus,
Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters I (Stuttgart und
Berlin 1905), S. 39 ff.
3) Vgl. ihren Wortlaut im Exkurs, der zugleich eine Konkordanz
mit dem entsprechenden Abschnitt der pragmatischen Sanktion herzu-
stellen sucht.
38 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
nehmen, unter Vorbehalt freilich von Erklärungen, Umgestal-
tungen und Einschränkungen, die, weil für die deutsche Nation
und für eines jeden Provinz, Diözese und Territorium erforder-
lich, noch angebracht und auch vom Konzil zum Beschluss
erhoben werden sollen 1). Für jetzt sollen von der Annahme
ausgeschlossen sein das Dekret über die Suspension des Papstes
und andere, die auf sie sich beziehen2). Man will beharren
bei den früheren Erklärungen der deutschen Nation, das
heisst derjenigen der kurfürstlichen Neutralität vom 17. März
1438 3). Es folgt die Aufzählung der acceptierten Basler
Beschlüsse in der Weise, dass der Wortlaut jedes einzelnen
nicht vollständig wiederholt wird, wie dies in der pragmati-
schen Sanktion von Bourges geschehen war, sondern dass
ihr Inhalt nur angedeutet ist durch eine kurze Umschreibung
und durch die Anfangsworte des entsprechenden Kanon — ,
ein Verfahren, das , wie noch auszuführen sein wird, an einer
wichtigen Stelle zur Unklarheit verleitet, im ganzen sicherlich
die Abschätzung der Acceptation nach Umfang und Tragweite
alles andere eher denn erleichtert. An vier Stellen der Cedula
folgen dem Hinweis auf das jeweils angenommene Basler Dekret
Erklärungen u. s. w., die in Wünschen an das Konzil um Gut-
heissung der deutschen Wünsche gipfeln; ebensoviele vom Kon-
zil noch nicht begonnene Reformen werden von ihm am Schluss
des „Zettels" erbeten. Nach seiner Verlesung, so fährt das
*) W. Puckert a. a. 0. S. 95 unterscheidet von diesen Erklärun-
gen u. s. w. die im weiteren Verlauf des Instruments noch einmal vorbe-
haltenen Aenderungen: ohne Zweifel zu Unrecht; sie sind identisch und
in der Cedula selbst als Zusätze zu den acceptierten Dekreten enthalten.
2) Vgl. Basel 1438 Sept. 17 sess. XXXI. c. 4, Mansi XXIX, 165 ff.;
s. auch J, von He feie, Konziliengeschichte VII (Freiburg i. Br. 1874),
S. 653 f. 661 ff.
3) Deutsche Reichstagsakten herausg. von G. Beckmann XIII, 1
(Gotha 1908), S. 216 n. 130, dazu vgl. ebd. S. 230 n. 144, S. 332 n. 166
und die Einleitung des Herausgebers S. 36 ff. 40 ff. Nach A. Bach-
mann (a. a. O. LXXV, S. 21 ff.) wurde die Verkündigung der Neu-
tralität von ihren Urhebern insgemein „Protestation" genannt.
Mainzer Acceptation von 1439. 39
Instrument fort, erklärten die Gesandten des Königs für diesen,
für ganz Deutschland wie auch für alle geistlichen und weltlichen
Fürsten und ihre Untertanen ohne Rücksicht des Standes oder
der Würde, ferner der Erzbischof von Mainz für sich selbst, für
seine Kirche, Suffragane und seinen Klerus, dazu auch für den
Kurfürsten von Brandenburg, der Erzbischof von Köln für
sich und seine Kirche, die Boten der Erzbischöfe von Trier,
Salzburg und Magdeburg für ihre Herren, deren Provinzen
und Kirchen die Annahme der vorher vermerkten Konzils-
beschlüsse, auch hier nicht ohne Wiederholung des bereits in
die Cedula eingeschalteten Vorbehaltes l). Des weiteren Hess
der Erzbischof von Bremen durch Stellvertreter des von ihm
bevollmächtigten, aber erkrankten Bischofs von Lübeck kund-
geben, dass er für sich und seine Suffragane jene Beschlüsse
genehm halte. Ueber alles wurden nach Bedarf von den darum
ersuchten Notaren Instrumente aufgenommen, jedes von ihnen
mit dem ganzen Beiwerk der Zeit- und Ortsangaben wie der
Zeugenliste, jedes von ihnen mit einem Zusatz vom 28. März
1439 über die Erklärung des Bischofs von Lübeck als des
Vertrauensmannes seines Magdeburger Metropolitans und über
dessen Billigung der Beschlüsse. Die Unterschriften von drei
Notaren schliessen das Dokument ab. Jeder von ihnen freilich
bekundet, dass er .es durch einen anderen habe niederschreiben
lassen, da er selbst durch andere Geschäfte verhindert worden
sei; immerhin habe er es wenigstens unterschrieben, bekannt
gemacht und mit seinem Zeichen versehen. —
l) . . . iuxta preinserte cedule capitulorum continenciam et tenorem
prefati sacri Basiliensis concilii decreta solempniter acceptarunt et
quilibet eorum sigillatim expresse acceptavit, salvis tarnen in quibusdam ex
eis modificacionibus, declaracionibus et limitacionibus ipsis et Germanice
nacioni et cuiiibet eorum singulariter in suis provinciis, diocesibus seu
territoriis congruentibus et accommodis, factis et fiendis, suis loco et tem-
pore oportunis exprimendis et per sacrum ßasiliense concilium, prout
sperant, decretandis (Koch S. 100); vgl. oben S. 38 Anm. 1 und den
Text der Cedula im Exkurs.
40 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Die ganze Umständlichkeit, um nicht zu sagen Schwer-
fälligkeit des deutschen Verfahrens gegenüber dem franzö-
sischen springt so sehr in die Augen, dass Worte darüber zu
verlieren überflüssig dünkt.
In Bourges handelte der französische König in eigener
Person, nach Anhörung der Vertreter seiner Kirche — ecclesia
regni et Delphinatus nostrorum, wie er fast bis zur Ermüdung
des Lesers immer aufs neue wiederholt. Er sieht durch die
kirchlichen Uebelstände sein Volk leiden, die eingeborene
Geistlichkeit geschädigt, die Rechte seiner Krone beeinträchtigt,
den Ausländern den Eintritt in französische Kirchenämter und
Pfründen erschlossen. Wie einst in den Tagen Philipps IV.
des Schönen (1285 — 1314) ertönt die Klage, dass die Reich-
tümer Frankreichs ausser Landes gingen, dass solches aber
nur den auswärtigen Feind stärker mache. Karl VII. accep-
tierte die ihm vorgetragenen Basler Beschlüsse samt ihren
Abänderungen, die wiederum in erster Linie auf die franzö-
sischen Verhältnisse und Bedürfnisse Rücksicht nahmen. Er
erhob sie zum Staatsgesetz, ohne in diesem selbst nochmals
einzugehen auf die Hoffnung seiner Prälaten, dass die Basler
Versammlung die Umgestaltungen gutheissen würde. Er tat
es ohne irgendwelche Andeutung des unversöhnbaren Zwistes
zwischen Basel und Rom. Er stand über den Parteien. Sein
Wille entschied und schuf Gesetz, quoniam sie fieri volumus
et iubemus per praesentes *).
In Mainz handelten neben den beiden persönlich er-
schienenen rheinischen Erzbischöfen von Mainz und Köln die
Boten der übrigen Kurfürsten und Metropoliten, dazu die Boten
des abwesenden Königs Albrecht II. Eine Schilderung der
kirchlichen Lage fehlt, dagegen findet sich an zwei Stellen der
Vorbehalt, dass die für erforderlich gehaltenen Zusätze zu den
aeeeptierten Beschlüssen vor dem Konzil zur Sprache gebracht
werden sollen, um neuen Verhandlungen über ihre Gültigkeit
Ordonnances XIII, p. 291.
Mainzer Acceptation von 1439. 41
Tür und Tor zu öffnen. Dass der Inhalt des „Zettels" Gesetz
werden soll, davon verlautet nichts, da dies erst nach Billigung
jener Zusätze durch die Basler erwogen werden konnte. Still-
schweigend wurde damit das Konzil als die Instanz für kirchliche
Gesetzgebung anerkannt, treu aber ihrer früheren Neutralitäts-
erklärung wollten die Deutschen weder die Frage nach der Gültig-
keit des Suspensionsdekretes wider den Papst entscheiden noch in
sie irgendwie eingreifen. In Bourges hatte man sich zur Tat
entschlossen, in Mainz sich verständigt über den Vorsatz zu
einer Tat. Nur ein Fortschritt war gemacht. Nicht mehr
die „ deutsche Nation" als Konzilspartei war am Werke wie
vor etwas mehr denn zwanzig Jahren in Konstanz. Der Be-
griff der deutschen Nation war seither fester geworden und
räumlich umgrenzt. Er liess sie jetzt erscheinen als eine
staatliche Einheit, die vom König und Kurfürstenkolleg ver-
körpert wurde, als eine Einheit auch in kirchlicher Hinsicht,
da in der Stadt am Rhein die sechs Vorsteher der sechs
Kirchenprovinzen auf deutschem Boden oder doch ihre Ab-
geordneten sich eingefunden hatten, der Erzbistümer von Mainz,
Köln, Trier, Magdeburg, Salzburg und Bremen. Sie nahmen
für sich, ihre Kirchen und Suffraganbischöfe die Basler De-
krete an. Man ist geneigt, in diesem ihrem Auftreten wenig-
stens einen Keim nationalen Zusammenschlusses zum Zwecke
einer Sonderstellung innerhalb der allgemeinen Kirche zu er-
blicken.
Hiermit ist ein Problem angedeutet, das nur gelöst wer-
den kann durch die Vergleichung der zu Bourges und zu
Mainz acceptierten Satzungen 1).
An die verschiedene Art der Einfügung der acceptierten
!) Zum Folgenden vgl. den dritten Abschnitt des Exkurses. — Eine
Synopsis der Mainzer Acceptation mit dem Konkordate vom Jahre 1418
findet sich bei B. Gebhardt, Die Gravamina der Deutschen Nation
gegen den römischen Hof (2. Aufl., Breslau 1895), S. 114 ff.; vgl. auch
G. Voigt, Enea Silvio I, S. 164 f.
42 WerminghofF, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Basler Dekrete in beide Dokumente ist nur im Vorübergehen
noch einmal zu erinnern: in Bourges wiederholte man ihren
ganzen Wortlaut, in Mainz allegierte man ihre Eingangs-
worte. Dort strebte man eine gewisse Systematik der Materien
an, hier folgte man der jeden inneren Zusammenhang des In-
halts auflösenden chronologischen Reihe der Basler Konzils-
sitzungen. Die Sanktion wurde in Mainz benutzt, aber neben
ihr noch ein Exemplar der konziliaren Satzungen selbst. Von
24 Dekreten im Rahmen der Sanktion kehren 22 im Mainzer
„Zettel" wieder, ein weiteres wurde zu Mainz in seinem alten
Umfang wiederhergestellt und nur eins wurde nicht auch von
den Deutschen angenommen. Und umgekehrt: von 26 Dekreten
des Mainzer „Zettels" decken sich 22 mit denen der Sanktion,
eins ist ihr gegenüber erweitert, drei endlich haben kein Vor-
bild in ihr. An beiden Orten beliebte man zu einzelnen Ab-
schnitten Zusätze , deren Umfang und Tragweite natürlich ent-
sprechend ihren Urhebern und den Ländern, für deren Kirchen
sie in Kraft treten sollten, verschieden war. Es wird sich
ergeben, dass auch die Zusätze von Bourges auf die von
Mainz von Einfluss gewesen sind.
Die weitere Betrachtung gestaltet sich übersichtlicher, fasst
sie zunächst das der Sanktion und der Acceptation Gemeinsame
ins Auge.
Gemeinsam ist beiden der Wunsch nach einer Reform
der kirchlichen Verfassung und Verwaltung. Gefordert wird
die periodische Wiederkehr der allgemeinen Konzilien *) ; be-
zeichnend tritt dies Verlangen an die Spitze eines jeden der
Dokumente. In Bourges und in Mainz erkennt man in der
Wiederherstellung des Wahlrechtes von Kapiteln und Kon-
venten ein Hauptmittel der Besserung 2) , zumal man wohl
die päpstlichen gratiae expectativae abschafft, päpstliche Er-
*) Bourges I = Mainz I. — Die zu den Buchstaben B. und M. hin-
zugefügten Ziffern entsprechen den Abschnitten in den Dokumenten;
vgl. den Exkurs.
2) B. TU. IV = M. II. XXI.
Mainzer Acceptation von 1439. 43
nennungen aber nur für wenige Pfründen an jeder Kirche
zulässt, die konziliaren Satzungen über die Eigenschaften der
an allen Einzelkirchen anzustellenden Geistlichen und über die
ordnungsgemässe Kollation der Benefizien insgesamt wieder-
holt1). Das sittliche Verhalten der Kleriker bleibt keines-
wegs unbeachtet 2) und ebensowenig ihr Auftreten beim
Gottesdienst3), ihr Schuldenmachen4), die Veranstaltung von
Kapitelversammlungen zu Zeiten des Hochamtes5) oder von
Schauspielen im Gotteshause •) , die allzuhäufige Verhängung
kirchlicher Zensuren7). Schon aus den Satzungen über die
Generalkonzilien und das Wahlrecht der kirchlichen Korpora-
tionen sprach ein tiefes Misstrauen wider Rom , der Versuch
auch einer Wiedererweckung alter bischöflicher Befugnisse
über den Diözesanklerus, die von der Papstgewalt aufgesogen
worden waren. Für die Versammlungen zu Bourges und zu
Mainz waren daher die weiteren Beschlüsse der Basler will-
kommen, die der Ausdehnung päpstlicher Reservationen über
den Kreis der im Corpus iuris canonici aufgeführten entgegen-
traten8), die den päpstlichen Schreiben über Pfründenverzicht
oder Pfründenentziehung sich in den Weg stellten 9), vor allem
dem Unwesen der über Gebühr und Not häufigen Appellationen
nach Rom, folgeweise den Störungen der ordentlichen Rechts-
pflege in den kleineren Bezirken der kirchlichen Verwaltung
steuerten 10), um hierdurch den ruhigen Pfründenbesitz der In-
haber zu gewährleisten ll). Zudem machte man sich den Basler
») B. VI = M. XXV.
2) B. XXI = M. V.
3) B. XII-XVII = M. XI-XVI.
*) B. XVIII = M. XVII.
5) B. XIX = M. XVIII.
6) B. XX = M. XIX.
7) B. XXII. XXIII = M. VI. VII.
8) B. V = M. XXII.
9) B. XXIV = M. XXIII.
10) B. VII. VIII = M. XXVI. VIII.
11) B. IX = M. X.
44 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Annatenbeschluss zu eigen *) ; deutlicher hätte die Ueberein-
stimmung mit dem Konzil, der Gegensatz zum Papst nicht
gekennzeichnet werden können.
Gleichwohl wäre es kaum angebracht, die weitgehende
Verwandtschaft und Gleichheit der französischen und der
deutschen Urkunde zum alleinigen Massstab ihrer Beurteilung
zu machen. Auch ihre Verschiedenheiten verdienen erwogen
zu werden, und nicht allein die in der Wertung beider Dokumente
durch ihre Urheber beruhenden — wir nannten die Sanktion,
weil sofort als Gesetz eingeführt, eine Tat, die Mainzer Accep-
tation, weil noch auf Verhandlungen mit dem Konzil bedacht,
den Vorsatz einer Tat2) — , sondern auch die ihres Inhaltes
dank der nur je in ein Dokument aufgenommenen Dekrete.
Gleich hier setzt eine Schwierigkeit ein. Es fällt auf,
dass im Mainzer Instrument ein wesentlicher Basler Kanon
fehlt, der über die Superiorität eines allgemeinen Konzils über
den Papst, wie er nach dem Vorgang des Konstanzer Konzils
von dessen Nachfolger am 15. Februar 1432 erneuert worden
war3). Die pragmatische Sanktion hatte die hier verkündete
Lehre sich zu eigen gemacht, die Acceptation hingegen findet
nur die Worte: „Wir nehmen erstlich an das Dekret, das zu
Konstanz erlassen und zu Basel erneuert wurde, über die
Autorität und Gewalt der heiligen allgemeinen Konzilien und
über die Zeiten wie die Arten sie zu berufen und zu veran-
stalten, das der ersten Sitzung (von Basel) angehört und mit
dem Satze beginnt: Häufige Veranstaltung von Konzilien ge-
*) B. XI = M. IX. — Auf die Abschnitte B. II und X, deren
letzter nur in Mainz (XX), allerdings in ursprünglicher Gestalt, wieder-
holt wurde, ist alsbald und weiter unten S. 48 ff. einzugehen.
2) Siehe oben S. 41.
3) Basel 1432 Febr. 15 sess. IL cc. 1—4, Mansi XXIX, 21 F. = Prag-
matische Sanktion II, Ordonnances XIII, p. 271 mit dem Zusatz : Accep-
tavit et acceptat prout iacent iam dictorum preletorum ceterorumque
virorum ecclesiasticorum ipsam ecclesiam representantium congregatio
sepedicta. Vgl. Konstanz 1415 April 6 sess. V, Mansi XXVII, 590 f.
Mainzer Acceptation von 1439. 45
hört vorzüglich zur Pflege des Ackers des Herrn u. s. w. Eben-
so das Dekret der zwölften Sitzung über die Wahlen." Es
liegt auf der Hand: die Entscheidung darüber, ob in diesen
Worten zugleich ein Hinweis auf die Beschlüsse der zweiten
Basler Sitzung zu finden ist, auch das Urteil über die grund-
sätzliche Stellungnahme der Mainzer Versammlung zur schlecht-
hin die ganze Reform beherrschenden Anschauung in sich
schliesst, einer Anschauung, von deren Gültigkeit oder Un-
gültigkeit die Befugnis zur Annahme der Konzilsbeschlüsse in
letzter Linie abhing.
Die Frage ist von Koch und Hefele bejaht worden 1).
Das Dekret Frequens, erlassen in der ersten Basler Sitzung
vom 14. Dezember 1431, handle allein von der periodischen
Wiederkehr der allgemeinen Konzilien, von der Möglichkeit,
dass bei Erledigung des Stuhles Petri ein Konzil selbst Ort
und Zeit des nächsten festlegen könne, nicht eigentlich „von
der Autorität und Gewalt der heiligen allgemeinen Konzilien".
Folglich müsse angenommen werden, auch zu Mainz sei das
Dekret Sacrosancta, erlassen in der zweiten Basler Sitzung
vom 15. Februar 1432, acceptiert worden, wie man es einst
in Konstanz formuliert, in Basel wiederholt und in Bourges
sich zugeeignet habe. Diese Hypothese will Klarheit schaffen,
wo vielleicht eine Unklarheit beabsichtigt war. In Mainz
wünschte man die Gelegenheit zu erneuten Verhandlungen
selbst mit dem zu Basel abgesetzten Papst sich nicht nehmen
zu lassen; deshalb acceptierte man „für den Augenblick"
nicht das Dekret seiner Suspension, erklärte vielmehr, an der
„ Protestation ", d. h. an der Neutralität vom 17. März 1438,
festhalten zu wollen 2). Dass die Urkunde der Acceptation auch
nach dem neunten Jahre von Eugens IV. Pontifikat datierte s),
*) Koch, Sanctio pragmatica p. 111. Hefele a. a. 0. VII, S. 775.
2) Vgl. oben S. 38 Anm. 3.
s) Anno . . . 1439 . . . pontificatus sanctissimi in Christo patris et
domini nostri, domini Eugenii divina Providentia pape quarti anno nono
(Koch a. a. 0. S. 105 mit Anm. a).
46 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
kann als aus der Gewohnheit der Notare stammend nicht
weiter in Betracht gezogen werden. Schliesslich aber: die
Mainzer erwähnen nur die erste Sitzung des Konzils. Hätten
sie auch das Dekret Sacrosancta der zweiten Sitzung accep-
tieren wollen, so wäre es unbedingt erforderlich gewesen,
solches zu vermerken. Indem freilich die Hilfe der Basler
erwartet wird zur Bestätigung der deutschen Zusätze, nicht
auch die des Papstes, indem Basler Dekrete angenommen wer-
den, nicht päpstliche Dekretalen, erkennen die Deutschen das
Konzil als die letzte Quelle des kirchlichen Rechtes an. Eine
Allegierung also des Beschlusses Sacrosancta wäre an sich mit
dem Geiste der Acceptation vereinbar gewesen. Man unterliess
sie aber aus dem Streben heraus, durch sie nicht den Weg
der Verhandlungen mit dem Papst sich abzuschneiden, viel-
leicht auch aus einer Art von Gleichgültigkeit, da man darauf
verweisen konnte, dass ja eben die Lehre von der Superiori-
tät eines Konzils über den Papst wiederholt worden war in
jenem Dekret der 31. Basler Sitzung vom 24. Januar 1438,
das im fünfundzwanzigsten Abschnitt der Acceptation seine
Stelle erhielt1). In Bourges erneuerte man die Dekrete der
x) Es heisst in der Mainzer Cedula (XXV) : Item decretum de colla-
tionibus beneficiorum in tricesima prima sessione et incipit : Placuit di-
vine pietati cum aliis decretis de qualificacionibus et ordine promovendorum
loquentibus. In dem allegierten Dekret aber wird erklärt: . . . predis-
posuit eadem divina pietas in sacro Constanciensi concilio synodorum
universalium iurisdictionem ita declarari, ut nulli relinqueretur ambigendi
occasio, cum decreto solempni diffinitum extitit universale concilium
habere auctoritatem inmediate a Christo, cui quilibet, cuiuscumque status
et dignitatis, eciamsi papalis fuerit, obedire tenetur in his, que pertinent
ad fidem, ad extirpacionem scismatis et reformacionem ecclesie Dei in
capite et in membris ac pertinentibus ad ea (Basel 1438 Jan. 24 sess.
XXXI c. 2, Mansi XXIX, 161 = Bourges VI p. 275; vgl. Konstanz
1415 April 6 sess. V, Mansi XXVII, 590 f.). Im Dekret Sacrosancta
hatte das Basler Konzil erklärt, quod ipsa synodus in Spiritu sancto
legitime congregata, generale concilium faciens et ecclesiam militantem
representans, potestatem inmediate a Christo habet, cui quilibet, cuius-
cumque status vel dignitatis, etiamsi papalis existat, obedire tenetur in
Mainzer Acceptation von 1439. 47
2. und 31. Sitzung, in Mainz nur die der letzterwähnten. Dort
wollte man Klarheit, hier schuf man Unklarheit aus Erwä-
gungen heraus, die auf die Misslichkeit der deutschen Neutra-
lität schliessen lassen *).
Gegenüber dem Kern der pragmatischen Sanktion weist
sodann der „Zettel" der Mainzer Acceptation an vier Stellen
Basler Dekrete auf, die dort, sei es ganz sei es teilweise,
fehlen. Es sind die Abschnitte III de conciliis synodalibus
et provincialibus observandis, IV de Judeis et neophidis, XX
de numero et qualitate cardinalium, endlich XXIV de com-
munione sacramenti eukaristie. Es geht nicht an, hier von
einem Zufall zu sprechen; die Gründe aber für die Aufnahme
gerade dieser Kanones lassen sich nur vermuten.
Die Anführung von Abschnitt III de conciliis synodalibus
et provincialibus observandis ist vielleicht darauf zurückzu-
führen, dass die Acceptation nicht zuletzt ein Werk von Erz-
bischöfen und Bischöfen war. Jene mochten wünschen, dass,
bei der Zurückdrängung der päpstlichen Gewalt, ihre eigenen
Metropolitanbefugnisse über die Suffragane wieder gesteigert
würden. Wie sehr doch waren sie im Laufe der Zeit eben
durch die päpstliche Verwaltung und die kurialen Exemtions-
privilegien geschmälert worden ! Ihnen lag die Forderung
nahe, dass die Bedeutung der Provinzialkonzilien gehoben
his, que pertinent ad fidem et extirpationem dicti scismatis et ad gene-
ralem reformationem ecclesie Dei in capite et in membris (Basel 1432
Febr. 15 sess. II c. 3, Mansi XXIX, 21 = Bourges II p. 271). — Die
Methode, nur die Anfangsworte der acceptierten Dekrete zu wiederholen,
nicht den ganzen Wortlaut, diente in Mainz zur Verschleierung des
Sachverhaltes. Sie war um so bedenklicher, als dadurch Zweifel ent-
stehen konnten über die Gültigkeitsdauer von Basler Bestimmungen, die
das Konzil selbst nur als vorübergehende hingestellt hatte; vgl. Ab-
schnitt XXVI mit Bourges VII und dem Zusatz 6 zur Sanktion p. 282,
der auf die Gefahr allzu langer Dauer des Konzils aufmerksam ge-
macht hatte.
*) In der Ausgabe von Koch a. a. 0. sind daher die Seiten 111
bis 113 zu Unrecht mit dem vollen Wortlaut der Dekrete der 2. Basler
Sitzung angefüllt.
48 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
würde. Sie konnten dann auch die Wiederbelebung der Diö-
zesansynoden in Kauf nehmen, ohne für ihre Stellung in und
über der Provinz besorgt sein zu müssen. Den Bischöfen
andererseits brauchte die Einfügung dieses reformatorischen
Dekrets nicht unwillkommen zu sein. Es erneute ihre Ab-
hängigkeit von den Metropoliten, die sie gegen die vom Papste
eingetauscht hätten, Hess sie aber in einer erhöhten Gewalt
über den Diözesanklerus einen gewissen Ersatz finden, in
einer Gewalt also, die der auch ihnen durch päpstliche Ueber-
griffe entfremdeten Geistlichkeit wiederum den Zaum bischöf-
licher Rechte auferlegte x).
Ungewiss bleibt ferner, warum man gerade zu Mainz in
Abschnitt IV die Basler Satzung über die Juden und Neo-
phyten wiederholte 2), und des weiteren vermag man allenfalls
nur zu vermuten, aus welchem Anlass der Mainzer Abschnitt XX
de numero et qualitate cardinalium abweicht vom zehnten Ab-
schnitt der pragmatischen Sanktion. Von vornherein ist abzu-
lehnen, dass der Mainzer „Zettel" bei seiner weitgehenden
Abhängigkeit von der Sanktion hier nicht mehr habe bringen
wollen als diese. In solchem Falle hätte man in Mainz nicht
nur die Eingangsworte des Basler Dekrets, sondern auch die
letzten Worte des allein als gültig angesehenen Teildekrets
wiederholen müssen. Beliebte man in Mainz aber nur die An-
führung der ein Dekret einleitenden Worte, so deutete man
damit auf die Annahme des ganzen Dekrets hin; nur unter
dieser Voraussetzung lässt sich die Mainzer Urkunde überhaupt
l) Ueber die Gründe, warum dieses Dekret nicht auch in Bourges
acceptiert wurde, vgl. W. Puckert, Neutralität S. 93 f., wonach dem
König die Provinzial- und Diözesansynoden als ein Mittel erschienen
wären, das Reich kirchlich zu spalten, und er Bedenken getragen hätte,
sie unmittelbar dem Universalkonzil zu unterstellen; ebenso V. vonKraus
a. a. 0. I, S. 42 f. N. Valois a. a. 0. p. LXXXIII verweist auf die Ge-
schichte der 15. Basler Sitzung.
8)W. Puckert a. a. 0. S. 93 bezeichnet das Dekret als einen
Eingriff in die Ordnung der Pariser Universität, deshalb fehle es in der
Sanktion von Bourges.
Mainzer Acceptation von 1439. 49
prüfen, und überall sonst, in zweiundzwanzig Abschnitten,
decken sich die Basler Satzungen, ihr in Bourges wieder-
kehrender und in Mainz angedeuteter Wortlaut, — nur hier
gehen die Sanktion und die Acceptation auseinander. Mit
Hefele *) sind wir der Meinung, dass im Druck der pragmati-
schen Sanktion der übernommene Teil des Dekrets die Sätze
umspannt : Cum summo pontifici — robore inviolabiliter perman-
suro 2). Zwar folgen noch die Worte: Facto vero scrutinio ac
publicato maiorem partem cardinalium per subscriptionem col-
legialiter consensisse, desuper et apostolice littere in subscrip-
tione cardinalium conficiantur, salvo quod videtur nimis rigo-
rosum contra nepotes Romanorum pontificum, si alias sint
bene meriti prout et alii; allein der Satz: Facto vero — sub-
scriptione cardinalium conficiantur begegnet unmittelbar vor-
her im Schluss des acceptierten Teildekrets : Cum summo ponti-
fici — robore inviolabiliter permansuro 3). Er entbehrt hier des
den Sinn störenden Fehlers und wurde lediglich aus Versehen
noch einmal wiederholt. Nur die Worte: salvo — alii sind dem-
nach als ein Zusatz der Versammlung von Bourges anzusehen.
Aus allem folgt: in Bourges und in Mainz acceptierte man
den Basler Beschluss über die Zahl der Kardinäle, in deren
aus vierundzwanzig Mitgliedern bestehendem Kollegium keine
Nation mehr als ein Drittel Angehörige haben dürfe, über ihre
wissenschaftliche Ausbildung und Graduierung, über die geringe
Zahl von Fürstensöhnen unter den Kardinälen und den Aus-
schluss päpstlicher Nepoten, über die Hinzuwahl von besonders
heiligen Männern und Griechen, über den Ausschluss der Kar-
») Hefele a.a.O. VII, S. 768 f.
2) Ordonnances XIII, p. 283.
3) Es heisst hier : Non fiat cardinalium electio solum per auricularia
vota, sed illi solum assumi poterunt, in quos facto vero scrutinio
ac publicato maiorem partem cardinalium per subscriptionem manus
proprie constiterit collegialiter consensisse, desuper etiam apostolice
littere cum subscriptione cardinalium conficiantur, decreto huius sacri
concilii in quarta sessione solenniter publicato, quod incipit : Item. Cum
multiplicatio cardinalium etc. (Basel 1432 Juni 20 sess. IV c. 6, Mansi
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen. 4
LIBRARY ST. MARYS COLLEGE
50 "Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
dinalskreation per vota auricularia x), über die Kardinalswahl
durch Skrutinien und die schriftliche Zustimmung der Majori-
tät des Kollegiums, endlich über die Gültigkeit des Basler
Dekrets vom 20. Juni 1482. In Mainz jedoch ging man weiter.
Recipiert wurden überdies die Bestimmungen über den Eid
der Kardinäle, über die Verwendung ihrer Einkünfte aus den
Titelkirchen und deren Visitation, über die allgemeinen Pflichten
der Kardinalbischöfe, -presbyter und -diakone. Die Kardinäle
sollten einen nachlässigen Papst tadeln und ihm drohen dürfen,
sich an ein Konzil wenden zu wollen, wie auch der Papst sie
ermahnen könne. Sie sollten u. a. ihre Obliegenheiten unent-
geltlich erfüllen, unparteiisch sein, ihre Verwandten nicht allzu-
sehr begünstigen, gleich dem Papste übertriebenen Luxus
meiden, unwichtigere Angelegenheiten der Rota überlassen. Für
den Empfang des Ringes endlich sollte nach dem Tode des Kar-
dinals nicht ein Teil seiner Habe beschlagnahmt werden. Wir
bekennen, einen Grund für die Auslassung dieses letzteren
Teiles in der Sanktion, für seine Herübernahme in die Accep-
tation nicht angeben zu können. In Frankreich und Deutsch-
land bestand ein Interesse daran, dass im Kardinalkolleg keine
Nation vor der anderen durch mehr Kardinäle bevorzugt sei,
dass den päpstlichen Nepoten der Kardinalat verschlossen
wurde, wenngleich diese letztere Frage in Bourges weniger
ernst genommen worden zu sein scheint. Warum begnügte
man sich in Mainz nicht mit dem, was den französischen Prä-
laten ausreichte? Man griff dadurch ein in die disziplinaren
Befugnisse des Papstes gegenüber den Kardinälen, die man in
Bourges nicht berührte. Das Verhalten der Kardinäle gegen-
über ihren Titelkirchen tastete kein eigentliches Interesse der
deutschen Nation an; weshalb wollte man es festlegen gleich
allen übrigen Konzilssatzungen hinsichtlich der sonstigen kar-
XXIX, 34) in suo robore inviolabiliter permansuro. Facto vero
(Ordonnances XIII, p. 283).
') Vgl. P. Hinschius, Kirchenrecht I (Berlin 1869), S. 340.
Mainzer Acceptation von 1439. 51
dinalizischen Pflichten? Gedachte man beim Papst Eindruck
zu machen, wenn man, wie einst das Konzil es getan und
wofür es von Eugen IV. getadelt worden war l) , den Kardi-
nälen erlaubte, einen pflichtvergessenen Nachfolger Petri mit
Anbringung des Falles bei einem Generalkonzil zu schrecken?
Fragen ohne Antwort, zumal eine solche, soweit wir sehen,
auch nicht an Erfahrungen der Jahre 1438 oder 1439 an-
knüpfen kann.
Es bleibt endlich Abschnitt XXIV de communione sacra-
menti eukaristie als Bestandteil allein des Mainzer „Zettels". Das
acceptierte Basler Dekret vom 26. Dezember 1437 schloss das
Abendmahl in beiderlei Gestalt nicht aus, wenn es gleich das
Abendmahl unter einer Gestalt als Gesetz festzuhalten befahl; es
war der letzte Kanon gewesen in der hussitischen Angelegenheit
und wenige Tage nach dem Tode Kaiser Sigmunds (f 9. De-
zember 1437) verkündet worden. Ohne Zweifel nahm man es
jetzt auf Anregung des neuen Königs von Böhmen an, der
zugleich deutscher König war, eben Albrechts IL, um nicht
die Wiederherstellung des kirchlichen Friedens in Böhmen
zu gefährden und um nicht den Zündstoff auf staatlichem
Gebiet durch solchen auf religiösem zu vermehren. Das Dekret
war dehnbar genug; es tat überdies der Wirksamkeit des Ad-
ministrators der Prager .Kirche und des vom Konzil für Böh-
men bestellten Legaten, Philiberts von Coutances, keinen Ab-
bruch, eines Mannes, der dank seiner Unparteilichkeit, seiner
sorgsamen Rücksicht auf die Kompaktaten von Prag und Iglau
aus den Jahren 1433 und 1436 auch bei den Utraquisten
Vertrauen genoss und so dem kirchlichen Frieden diente 2). Ihn
hatte Albrecht unbedingt nötig. Das Basler Dekret berührte ein
für den böhmischen König und damit für Deutschland bestehendes
Interesse. Hätte es in der Mainzer Acceptation gefehlt, so
1) Hefele a. a. 0. VII, S. 632 Anm. 2 verweist auf das Schreiben
Eugens IV. an alle Fürsten bei Ray nal du s, Annales ecclesiastici 1436 n.5.
2) Vgl. A. Bachmann, Geschichte Böhmens II (Gotha 1905),
S. 339 ff. 367. 372 f.
52 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
hätte seine Unterdrückung vielleicht den Verdacht verstärkt
wider den König, der lange Zeit ein unbeugsamer Gegner des
böhmischen Bekenntnisses gewesen war und auch nach Antritt
der Erbschaft seines Schwiegervaters Sigmund noch dafür galt;
sie hätte die Schar seiner Gegner in dem aufgewühlten Lande
vermehrt, nachdem er mit ihrem Beschützer, dem König von
Polen, einen Waffenstillstand eingegangen war. Deutschland
hatte die Hussitengefahr zur Genüge kennen gelernt, Frank-
reich war nicht von ihr bedroht: das Mehr der Mainzer
Acceptation gegenüber der Sanktion von Bourges veranschaulicht
den Gegensatz beider Länder.
Wichtiger noch sind die Verschiedenheiten zwischen den
Urkunden von 1438 und 1439, die sich aus dem Vergleich
der Zusätze zu den hier wie dort acceptierten Basler Dekreten
ergeben.
Wir beginnen mit den Zusätzen zur pragmatischen Sanktion l).
Ohne grosse Bedeutung sind für die hier obliegende Be-
trachtung die Nachträge zu den Abschnitten II de potestate et
auctoritate concilii Basiliensis 2) , X de numero et qualitate
cardinalium 3). Einschneidender schon ist die Wahrung des
französischen Brauchs bei Rezitation der kanonischen Tag-
zeiten an Kathedral- und Kollegiatkirchen am Schluss des Ab-
schnittes XII de celebratione divini officii 4). Am wichtigsten
*) Ueber sie vgl. im allgemeinen N. Valois a. a. 0. p. LXXXIV ff.
2) Acceptavit et acceptat, prout iacent, iam dictorum prelatorum
ceterorumque virorum ecclesiasticorum ipsam ecclesiam representantium
congregatio sepedicta (p. 271). Der Abschnitt fehlt in der Mainzer Urkunde.
3) Salvo quod videtur nimis rigorosum contra nepotes Romanorum
pontificum, si alias sint bene meriti, prout et alii (p. 283); vgl. oben
S. 49 f. Der entsprechende — allerdings noch weiter an das Basler
Vorbild sich anlehnende — Abschnitt XX der Mainzer Acceptation ent-
behrt der Zusätze.
4) Salvis tarnen laudabilibus consuetudinibus, statutis ac observantiis
specialibus ecclesiarum singularum Regni et Delphinatus (p. 286). Der
entsprechende Abschnitt XI der Mainzer Urkunde hat keine Zusätze.
Mainzer Acceptation von 1439. 53
endlich sind die Nachträge zu den Abschnitten IV de electione
cassanda x) , VI de collatione beneficiorum 2) , VII de causis
appellationum 3), XI de annatis4) und nach Abschnitt XXIV
de sublatione Clementine Litteris die Bemerkungen zur ganzen
Zusammenstellung der Basler Beschlüsse innerhalb der Sank-
tion 5).
Der Nachtrag zu Abschnitt IV de electione cassanda gliedert
sich in zwei Teile. Ihr erster befasst sich mit der Weihe
oder Einsegnung der vom Papst Konfirmierten, mit der Pflicht
des Papstes, solche Männer regelmässig an ihre unmittelbaren
Oberen zu verweisen, mit ihrem Eide zu Händen ihrer Oberen
und der Bestrafung derer, die ausserhalb der Kurie sich von
einem anderen als ihrem Oberen weihen lassen. Der zweite
Teil gilt den vom König oder von Fürsten eingelegten Bitten
um Benefizien für verdiente Männer, die zugleich das Wohl
des Reiches ins Auge fassten G).
Der Nachtrag zu Abschnitt VI de collatione beneficiorum
enthält insgesamt 13 Modifikationen, deren Inhalt stichwort-
artig angemerkt sei: 1. befristete Gültigkeit der päpstlichen
Exspektativgratien , über die bereits die processus apostolici
vollzogen seien; 2. Bestrafung solcher, die sich solche Ex-
spektanzen verschaffen; 3. Ungültigkeit der vom Papst oder
seinen Legaten erteilten collationes per praeventionem ; 4. Be-
vorrechtung der Universitätsangehörigen bei dem für Graduierte
a) S. 274. Hier wie im folgenden ist bei dem Umfang der Zusätze
deren Wortlaut nicht wiederholt. Der Mainzer Abschnitt XXI ist ohne
Zusätze.
2) S. 278—280; über die Mainzer Zusätze zu Abschnitt XXV
s. unten.
3) S. 281 — 282. Die Mainzer Zusätze zu Abschnitt XXVI sind solche
zu allen Basler Dekreten, s. unten.
4) S. 284 — 285 ; über den Mainzer Zusatz zu Abschnitt IX s. unten.
5) S. 290. Der Mainzer Abschnitt XXIII ist ohne Zusätze ; über
den Schluss der Mainzer Acceptation mit vier Wünschen nach Reforma-
tion s. unten.
6) Vgl. Hefele a. a. 0. VII, S. 766. N. Valois a. a. 0. p. LXXXIV.
54 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
vorbehaltenen Drittel der Pfründen; 5. Nennung solcher
Pfründenempfänger durch die Universitäten bei Patron und
Kollator; 6. Angabe ihrer Grade und bereits erworbener
Benefizien; 7. Innehaltung eines Turnus bei Vergebung der-
artiger Benefizien durch die Ordinarien; 8. Erschwerung der
Verleihung von akademischen Graden ; 9. Zahl der vom Papst
zu verleihenden Benefizien und Erstreckung ihres Verleihungs-
rechtes auch auf den gegenwärtigen Papst, Anzeigepflicht des
Papstes, dessen Mandate das wahre Datum aufzuweisen
haben; 10. Einräumung des Verleihungsrechtes von weiteren
französischen Pfründen allein an den gegenwärtigen Papst als
Geschenk und ohne Präjudiz; 11. Ausschluss der exactio vacan-
tiarum und anderer Belastungen; 12. ausdrückliche Einschrän-
kung der dem Papst gewährten Gerechtsame auf Eugens IV.
Lebenszeit und Wahrung der Freiheiten und Rechte der galli-
kanischen Kirche; 13. Nichteinmischung des Papstes in die
Bestellung von Kanonikern an Kirchen mit bestimmter Kano-
niker- und Pfründenzahl l).
Der Nachtrag zu Abschnitt VII de causis appellationum
zerfällt in 7 Einzelbestimmungen: 1. Festlegung der von den
ordentlichen Richtern zu entscheidenden kirchlichen Ange-
legenheiten im Falle eines Aufenthaltes der Curie citra montes;
2. Aufhebung der bereits vor Gregors XI. Tod (f 1378) be-
stehenden Exemtionen, die das Konstanzer Konzil noch auf-
recht erhalten hatte2); 3. Billigung des Grundsatzes, dass an
niemanden mit Ueberspringung des mittleren Richters appel-
liert werden dürfe, dass bei Appellationen an den Papst dieser
die Sache an unverdächtige Richter in partibus überweisen
solle; 4. Gutheissung des Satzes, dass vor definitiver Sentenz
nicht appelliert werden solle ; 5. die Zahl und die Eigenschaft
der apostolischen und kurialen Beamten, die nach dem Wort-
laut des Basler Dekrets in dieses nicht einbegriffen waren, soll
') Vgl. He feie a. a. 0. VII, S. 766 f.
2) Vgl. ebd. VII, S. 350.
Mainzer Acceptation von 1439. 55
umschrieben werden; 6. Warnung vor allzuviel Prozessen bei
einem Konzil, das durch sie in die Länge gezogen werde, die
Autorität des apostolischen Stuhles und anderer Prälaten ver-
nichte, Könige und Fürsten gegen allgemeine Kirchenversamm-
lungen aufstachle1): 7. Ueber Weisung aller Prozesse, die ihrer
Natur und den Kanones gemäss nicht bei der Kurie oder
einem Generalkonzil verhandelt werden dürfen, an die ordent-
lichen Richter, si in eis nondum est lis contestata vel quasi
contestata, puta porrecto iam libello et cognito de meritis
cause seu etiam iam incepto cognosci de eisdem 2).
Der Nachtrag zu Abschnitt XI de annatis schliesst im ganzen
9 Einzelsatzungen in sich ein: 1. Entschädigung des Papstes,
der Kardinäle und der Kurialen für den Ausfall der An-
naten u. s. w. durch Einräumung eines Fünftels der Taxe, die
durch den König und die kirchlichen Anstalten Frankreichs
sowie des Delphinats ertragen wurde zu Beginn des Kon-
stanzer Konzils; 2. bei Pfründen, für die sich keine Taxe
findet, soll der fünfte Teil einer Summe entrichtet werden,
die dem Zehnfachen ihres Zehntertrags entspricht, sobald nur
diese Summe den Betrag von 10 Pfd. erreicht; 3. diese Unter-
stützung soll ein Gnadengeschenk sein für die Lebenszeit des
gegenwärtigen Papstes und den Freiheiten der • gallikanischen
Kirche nicht präjudizieren ; 4. sie soll nur die von kirchlicher
Seite vergebenen Pfründen treffen, nicht die, deren Patronat,
Präsentation u. s. w. dem König iure regaliae vel alias oder
einem anderen iure laico zusteht; 5. Zahlung jenes fünften
Teils in bestimmter Münze und in zwei Raten ; 6. Erledigung
der Prozesse gegen die Zahlungspflichtigen vor den ordent-
lichen Richtern innerhalb der Diözesen, gegen Exemte vor
ihren Oberen bezw. den Diözesanbischöfen ; 7. wird eine Kirche,
Abtei oder Pfründe innerhalb eines Jahres zwei oder mehrere
Male erledigt, so ist jenes Fünftel doch nur einmal zu ent-
1) Siehe oben S. 46 Anm. 1.
2) Vgl. W. Endemann: Zeitschrift für deutschen Zivilprozess XV
<1891.i, S. 228 ff.
56 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
richten; 8. Verbot der Vakanzengelder, Palliengebühren und
servitia minuta für die Kurie, Zulassung einer kleinen, vom Basler
Konzil selbst angesetzten Belohnung für die kurialen Skrip-
turen, derart dass ein Uebertreten dieses Gebots für die Kurie
den Verlust der Entschädigung, für den Providierten den Ver-
lust seiner Pfründe nach sich ziehen soll; 9. Notwendigkeit
konziliarer Erlasse gegen alle, die gegen die voraufgehenden
Dekrete Verstössen.
Nur eine ins einzelne gehende Untersuchung könnte die
Tragweite aller dieser Einzelzusätze für die Verfassungs- und
Verwaltungsgeschichte der französischen Kirche im 15. Jahr-
hundert zu umschreiben sich unterfangen. Hier kommt es allein
auf eine allgemeine Würdigung ihrer Form und ihres Inhalts
an. Jedenfalls waren die meisten Modifikationen durch juristische
Klarheit und Schärfe ausgezeichnet. Ihre Verfasser waren
alles andere denn Sklaven des Basler Konzils. Sie waren
Franzosen, denen daran lag, die Selbständigkeit ihrer Kirche
gegenüber dem Papsttum deutlich zum* Ausdruck zu bringen,
die Rechte ihres Königtums an den kirchlichen Stellen und
bei ihrer Besetzung aufrecht zu erhalten, endlich dem Papste
Eugen IV. eine solche Entschädigung einzuräumen, die jede
Wiederkehr der früheren Bedrückungen verhinderte und zu-
gleich sein Einleben in die neuen Verhältnisse erleichterte 1).
Noch erwarten diese französischen Prälaten die Bestätigung
ihrer Nachträge vom Basler Konzil, bei dem die Gesandten
des Königs dafür eintreten sollen. Zugleich aber bitten sie
ihren König, dass auch er die Dekrete annehme, für ihre Be-
obachtung in den Gerichten wie für Bestrafung der Ueber-
treter sorge, endlich über alles eine pragmatica sanctio erlasse 2).
Karl VII. erfüllte ihr Gesuch. Durch seine Urkunde wurden
alle acceptierten Basler Dekrete und ihre Nachträge sofort
und unmittelbar in Frankreich Gesetz, nicht erst auf Grund
') Vgl. K. Müller a. a. 0. II, 1, S. 103.
2) Vgl. die Zusätze p. 290.
Mainzer Acceptation von 1439. 57
der vom Konzil erbetenen und durch das Konzil erteilten Be-
stätigung der Zusätze, die im letzten Grunde nichts mehr war
als eine Form, da auch ohne sie der königliche Wille das ent-
scheidende Rechtsgebot erlassen hatte *).
Wie hingegen steht es mit den Zusätzen zu den Basler
Beschlüssen in der Mainzer Acceptation?
Sie finden sich an fünf Stellen, nämlich zu Abschnitt II
de electionibus, IX de annatis, XXII de reservationibus, XXV de
collationibus beneficiorum und endlich am Schluss des „Zettels"
als Anhang zur Gesamtheit der angenommenen Beschlüsse2).
Der Nachtrag zu Abschnitt II de electionibus gliedert sich
in fünf Teile3). In ihrem ersten und zweiten wird das
Konzil zu Basel um eine Erklärung darüber ersucht, dass die
Wahlen von Bischöfen und Aebten nach der im Synodal-
dekret vorgeschriebenen Form erfolgen sollten, dass bei den
niederen Dignitäten der dort vorgesehene Eid genüge. Es
sollte also sein Verbot der Einmischung geistlicher und welt-
licher Personen, der Könige, Fürsten und Gemeinschaften in
die Besetzung kirchlicher Stellen durch Briefe, Bitten,
Drohungen und anderes mehr entweder umgestalten oder ganz
fallen lassen. Eigentümlich genug vermied man in Mainz
eine so klare Umschreibung dieses Wunsches, nachdem in
*) Vgl. den Brief Karls VII. an das Konzil vom 8. Juli 1438.
N. Valois a. a. 0. p. 87 und ebd. p. XCI. XCIV.
2) Abschnitt II entspricht dem Abschnitt III der pragmatischen
Sanktion (hier ohne Zusätze) ; Mainz IX = Bourges XI (über die Zusätze
hierzu s. oben S. 55 f.) ; Mainz XXII = Bourges V (hier ohne Zusätze) ;
Mainz XXV = Bourges VI (über die Zusätze hierzu siehe oben S. 53 f.).
Die letzten Mainzer Zusätze zu allen Dekreten stehen für sich gleich
denen am Schluss der Sanktion (vgl. oben S. 56). — Ohne Zusätze sind
die Abschnitte Mainz XX (vgl. Bourges X samt Zusatz, oben S. 52
Anm. 3), Mainz XI (= Bourges XII samt Zusatz, oben S. 52 Anm. 4),
wahrend in Mainz der Abschnitt II (samt Zusatz, oben S. 52 Anm. 2)
der Sanktion nicht wiederholt wurde.
3) Der lateinische Wortlaut der Zusätze ergibt sich aus dem Ab-
druck der Mainzer cedula im Exkurs.
UBBÄRY ST- MARYS COLLEGE
58 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Bourges im Nachtrag zu Abschnitt IV ausdrücklich gesagt
worden war1), die Versammlung halte es nicht für tadelns-
wert, wenn der König und die Fürsten bisweilen sich für
verdienstliche und nützliche Männer durch gütliche Bitten2)
verwenden wollten, sobald nur Drohungen und Gewaltsamkeiten
fernblieben. — Diese Unterlassung ist um so auffallender, als
man im dritten Teile des Mainzer Zusatzes zum Abschnitt II
de electionibus sich an den der pragmatischen Sanktion zum Ab-
schnitt IV de electione cassanda anlehnte 3). Hier wie dort wurde
*)•'•« nee credit ipsa congregatio Bituricensis fore reprehensibile,
si rex et prineipes regni sui, cessantibus tarnen omnibus comminationi-
bus et quibuslibet violentiis, aliquando utantur preeibus benignis atque
benivolis et pro personis bene meritis et zelantibus bonum rei publice et
regni Delphinatus (p. 274); 8. oben S. 53.
2) Vgl. P. Hinschius, Kirchenrecht II (Berlin 1878), S. 641.
3) Es heisst in Mainz Abschnitt II Zusatz 3: Ceterum statuere
dignetur sacrum concilium, quod promovendus per papam secandum quan-
dam clausulam huius decreti, que ineipit: Nisi ex magna etc., remittatur
consecrandus aut benedicendus ad suum superiorem inmediatum, nisi
forsan talis promovendus fuerit presens in Romana curia, quo casu
nichilominus remittatur, ut huiusmodi suo inmediato superiori prestet
debitum iuramentum. Es heisst im Zusatz zur pragmatischen Sanktion IV
(dieser Abschnitt entspricht Mainz XXI): Censuit tarnen praefata con-
gregatio, quod summus pontifex habeat remittere unumquemque per ipsum
aut ipsius autoritate, ut premittitur, promovendum ad suum immedia-
tum superiorem pro munere consecrationis aut benedictionis ab eo vel
eius autoritate consequendo , nisi dictus promotus sit presens in curia
et velit ibi consecrari. Et nihilominus consecratos aut benedictos in curia
Romana remittat ad eorum immediate superiores, prestituros eis aut,
ipsis absentibus, eorum vicariis debite obedientie iuramentum. Quodsi
quis presumat reeipere munus consecrationis vel benedictionis extra curiam,
etiam in vim euiuseunque commissionis apostolice, ab alio quam a suo
immediato superiore vel eius autoritate, ineurrat penam centum aureorum,
mediatim applicandorum ordinario et fabrice ecclesie ordinarii, cessante
omni dispensacione qualicunque in contrarium. Item nee credit . . .
(p. 274; die Fortsetzung oben in Anm. 1). — W. Puckert (Neutralität
S. 92 Anm. 2) macht auf eine eigenartige Ungenauigkeit in der Sanktion
und der Mainzer Acceptation aufmerksam. Das aeeeptierte Basler Dekret
gestattete dem Papste Eingriffe in die Wahlfreiheit ex magna, rationabili
Mainzer Acceptation von 1439. 59
verlangt, dass der vom Papst Promovierte zum Empfang der
Weihe oder Benediktion an seinen unmittelbaren Oberen zu-
rückgesandt werde, er müsste denn gerade an der Kurie
weilen; dass auch der vom Papst Geweihte oder Gesegnete
seinem unmittelbaren Oberen den pflichtmässigen Eid des Ge-
horsams leiste. In Mainz aber kleidete man diese Forderung
in die Bitte an das Konzil um ihre Bestätigung, unterdrückte
ferner die Strafansetzung der Sanktion, die jedem Uebertreter
eine hohe Geldsumme zu Gunsten des Ordinarius und seiner
Kirchenfabrik auferlegt wissen wollte. — Selbständig wieder-
um ist der vierte Teil, des Inhaltes, dass die Bestätigung
der Wahlen erfolgen solle durch den unmittelbaren Oberen,
dem das Recht dazu eigne; verweigere oder verschiebe dieser
ohne vernünftigen Grund die Ausübung seiner Befugnis, so
sollte der mittelbare Obere angegangen werden. Allerdings
wurde hier beinahe nur wiederholt, was bereits im acceptierten
Dekret ausgesprochen war, nämlich dass der zur Bestätigung
seiner Wahl Berechtigte sie auch vornehmen müsse, nur dass
in Mainz schärfer der unmittelbare und der mittelbare Vor-
gesetzte eines Gewählten auseinander gehalten wurden, dass
man jenen verpflichtete, diesem nur im Notfall eine Befugnis
einräumte. Fürchtete man aber nicht, auf solchem Wege
wiederum den Papst sich einmischen zu sehen , der — die
Annahme des Vorschlags durch das Konzil uud seine Anerken-
et evidenti causa (Bourges III = Mainz II). Ein zweites acceptiertes
Basler Dekret legte dem Papst auf, nach der Ungültigkeitserklärung
einer Wahl diese von neuem durch das Kapitel vornehmen zu lassen
(Bourges IV — Mainz XXI). Eben hierdurch aber wurde die Klausel
ex magna, rationabili et evidenti causa beseitigt, und trotzdem sprach
die Sanktion (im Zusatz zu IV) von dem per ipsum (d. h. den Papst)
aut ipsius autoritate, ut premittitur, promovendus, die Acceptation im
Zusatz 3 zu Abschnitt II von dem promovendus per papam. Mit anderen
Worten : die dem Papst gewährte Spezialreservation (Bourges III, Mainz II
verglichen mit Zusatz zu Bourges IV und Zusatz 3 zu Mainz II) wurde
in dem anderen acceptierten Dekret (Bourges IV, Mainz XXI) auf-
gehoben.
60 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
nung durch die Kurie vorausgesetzt — immer leicht gebeten
werden konnte, die Wahl z. B. eines Bischofs zu bestätigen,
nachdem der Erzbischof ihre Konfirmation unterlassen, auf
Grund irgend eines päpstlichen Winkes oder Verbotes sie nicht
vollzogen hatte? Einer laxen Praxis konnten damit Tür und
Tor sich öffnen, zumal ihr keinerlei Strafandrohung in den Weg
trat, wie sie im Nachtrag zu Abschnitt IV de electione cassanda
der Sanktion sich fand» — Der fünfte Teil, auch er nur eine
Bitte ans Konzil, verlangt Aufrechterhaltung gerade des Dekrets
bezüglich der Wahlen, selbst für den Fall, dass die von den
Baslern dem Papste zugedachte Entschädigung nicht verwirk-
licht werde. Die letzten Worte knüpfen an den Schluss des
Dekrets an. In ihm war erklärt, das Konzil werde noch vor
seiner Auflösung dem Papste eine passende Erleichterung aus-
mitteln für die Lasten, die er für die allgemeine Kirche, den
Unterhalt der Kardinäle und seine Beamten zu tragen habe;
würde solches nicht gelingen, so sei nicht beabsichtigt, in
irgend welchem Punkte der römischen und der allgemeinen
Kirche oder sonstwem präjudizierlich zu sein. Dieser Beschluss
war am 13. Juli 1433 gefasst worden, seitdem aber der Kampf
zwischen Papst und Konzil entbrannt. Am 24. Januar 1438
war der Papst suspendiert, von ihm dagegen zu Ferrara am
10. Februar 1438 die Basler Versammlung aufs neue exkom-
muniziert worden. Die Mainzer fürchteten für eines der wich-
tigsten Reformdekrete, für die Wiederherstellung des Wahl-
rechtes von Kapiteln und Konventen. Sie wollten es sichern,
indem sie um Aufhebung einer Klausel nachsuchten , die der
unmittelbaren Gültigkeit des Dekrets Hindernisse bereitete.
Sie wollten sich an das Basler Konzil wenden, — verletzte
man aber nicht hierdurch wie anderwärts die Neutralität
zwischen Rom und Basel vom 17. März 1438, obwohl man
wiederholt und mit Emphase erklärte, an ihr festhalten zu
wollen?
Der Nachtrag zu Abschnitt IX de annatis ist im Vergleiche
mit dem zum Abschnitt XI der pragmatischen Sanktion sehr dürftig
Mainzer Acceptation von 1439. 61
ausgefallen. Er fordert eine Erklärung des Konzils in dem
Sinne, dass die Abschaffung jeglicher Art von Zahlungen
bei Bestätigung einer Wahl bis herab zur Investitur mit kirch-
lichen Pfründen und Aemtern die gewohnheitsmässigen Abgaben
eines neu aufgenommenen Benefiziaten an die Kirchenfabrik
oder für den Kirchenschmuck auch in Zukunft nicht unmög-
lich mache, sofern nur diese Abgaben für gottesdienstliche
Zwecke, nicht zum privaten Vorteil einzelner Personen ver-
wandt würden. Man wird in diesem Verlangen den Versuch
einer Sicherstellung erblicken, auf die seitens der Erzbischöfe
und Bischöfe um so mehr Gewicht gelegt wurde, als sie selbst
durch das konziliare Verbot der Annaten u. s. w. vom 9. Juni
1435 getroffen waren. Bereits am 25. März 1439, also am
Tage vor Bekanntgabe der Mainzer Acceptation, hatte der
Erzbischof von Mainz erklärt, dass durch den Annaten-
beschluss des Konzils seinen Rechten innerhalb der Mainzer
Kirchenprovinz kein Abbruch geschehen dürfe1). Jetzt wurde
*) Die Erklärung des Erzbischofs Dietrich von Mainz bekundet,
quod ex antiqua hactenus observata consuetudine . . . pro necessitate et
opportunitate rerum expediendarum ecclesie Maguntinensis bone memorie
predecessores nostri et nos de certis beneficiis pro tempore in nostra dyocesi
vaeantibus, non tarnen pro seu in confirmatione electionum, admissione
postulationum, presentationum provisione, collatione, dispositione, electione,
postulatione etiam a laicis factis, institutione, installatione seu investitura
huiusmodi beneficiorum fructus biennales post huiusmodi collationes seu
dispositiones et, postquam collecti fuerint, huiusmodi fructus recipi et exigi
consueverunt , reservata tarnen decenti portione reddituum pro ipsorum
beneficiorum possessoribus, quodque pariformiter ex simili observata con-
suetudine in certis nostre provincie dyocesibus per ordinarios loci seu
prelatos et eorum predecessores etiam in certis dignitatibus et beneficiis
pro tempore vaeantibus fructus annales seu unius anni, postquam collecti
fuerint, de eisdem dignitatibus seu beneficiis, non tarnen pro seu in con-
firmatione electionum, admissione postulationum, presentationum presen-
tatione (provisione?), collatione, dispositione, electione, postulatione,
presentatione etiam a laicis factis, institutione, installatione seu investi-
tura huiusmodi dignitatum seu beneficiorum, sed verius loco quartarum,
deeimarum ex antiquo iure ordinariis et prelatis eisdem debitarum exigi
Q2 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
diese Rechtsverwahrung seitens eines Metropoliten verallge-
meinert oder, seien wir vorsichtiger, jedenfalls sollte der Be-
seitigung oder Minderung herkömmlicher Zahlungen seitens
der neu Benefizierten vorgebeugt werden. Allerdings war die
einschränkende Bemerkung, dass derartige Leistungen statthaft
bleiben sollten, wenn sie zum Besten der Kirchenfabrik oder des
Gottesdienstes erfolgten1), kaum weniger als eine Verschleierung
et recipi similiter consueverunt, reservata tarnen etiam decenti fructuum
portione pro dignitatum seu beneficiorum huiusmodi possessoribus, sintque
alique ecclesie et beneficia in diocesibus prefatis, ex quibus dicti ordinarii
sive prelati quartam decimarum hodiernis temporibus singulis annis
recipiunt, sed tempore vacationis earundem fructus annales ab eisdem
minime extorquere solent, ex quibus luculenter apparet, quod fructus
annales prefati loco quartarum decimarum in aliis beneficiis, ubi hodie
huiusmodi quarte singulis annis non solvuntur, successerunt. Cum igitur
de mente sacri concilii fuisse non credimus neque per quempiam creden-
dum sit per prefatum decretum de annatis dictum concilium antiqua iura
ecclesiis et ordinariis seu prelatis debita aufferre . . . voluisse . . ., prote-
stamur expresse nostro et ordinariorum ac aliorum prelatorum diocesis et
totius provincie nostrarum nominibus . . . , quod per quamcumque accep-
tationem prefati decreti de annatis etiam simpliciter ut iacet per nos
aut nobis subiectos factam vel fiendam non intendimus aliquo modo a
receptione et exactione prefatorum biennalium et annalium fructuum ut
prefertur solvendorum recedere, sed antiquis iuribus et consuetudinibus
nostris litteris ut predicitur firmiter innerere (St. A. Würdtwein, Sub-
sidia diplomatica, VI, Heidelbergae 1775, p. 3 — 5). W. Puckert, Neu-
tralität S. 90 Anm. 2 ist geneigt zu vermuten, dass Erzbischof Dietrich
von Mainz (•{• 1459) zu jenen Prälaten gehörte, die — nach Ausweis
der Bulle Eugens IV. d. d. 1447 Febr. 5; Koch a. a. 0. S. 184 — er-
klärten ex eisdem decretis gravatos se fore.
*) Ich finde solche Abgaben bei den Domkapiteln; vgl. P. Hin-
schius, Kirchenrecht II, S. 69 Anm. 4. A. Brackmann, Urkundliche
Geschichte des Halberstädter Domkapitels im Mittelalter (Wernige-
rode 1898), S. 26 Anm. 3. A. Gnann, Beiträge zur Verfassungsgeschichte
der Domkapitel von Basel und Speier (Freiburg i. Br. 1906), S. 10.
K. v. Brunn gen. v. Kauffungen, Das Domkapitel von Meissen im
Mittelalter (Meissen 1902), S. 30. A. Leuze, Das Augsburger Domkapitel
im Mittelalter (Augsburg 1909), S. 32 Anm. 1. A. Müller, Das bremische
Domkapitel im Mittelalter (Greifswald 1908), S. 20 f. Ueber Abgaben
an den Bischof bezw. die Archidiakone vgl. A. Ott, Die Abgaben an
Mainzer Acceptation von 1439. 63
der zu solchem Wunsche führenden Motive. Der Beschluss des
Konzils traf auch die kirchlichen Einzelanstalten ; sie wollte
man schützen. Dass er die finanzielle Position der allgemeinen
Kirchenverwaltung durch Papst und Kurie erschütterte, nahm
man dafür ruhig in Kauf. In Mainz also war man ungerechter
als in Bourges, wo in klarer Erkenntnis der Tendenz und
der Tragweite des Annatendekrets für den Papst wenigstens
eine Entschädigung ins Auge gefasst wurde. Die Mainzer
Acceptation verrät mit keinem Worte die Einsicht, dass ohne
eine solche Entschädigung kein Papst in die Aufhebung der
Annaten willigen würde. Vielleicht ist aus dem erwähnten
Protest des Mainzer Erzbischofs auf Unstimmigkeiten im
Schosse der Mainzer Versammlung zu schliessen, die sich er-
geben mochten, als sie darüber beriet, ob das Basler Annaten-
dekret angenommen werden sollte oder nicht. Auch Be-
sprechungen über eine Entschädigung des Papstes werden statt-
gefunden haben; sollte man, die pragmatische Sanktion mit
ihren Zusätzen vor Augen, ohne weiteres über sie zum nächsten
Punkt der Tagesordnung übergegangen sein?
Jedenfalls lässt das Aktenmaterial des Mainzer Reichs-
tags erkennen, dass tatsächlich über die Entschädigungsfrage
verhandelt wurde. Ueberliefert ist eine Aufzeichnung mit
Vorschlägen der kurfürstlichen Gesandten über die Ent-
schädigung, die den Papst und die ordinarii inferiores über
den Ausfall der Annaten u. s. w. trösten sollte *). Gemessen
den Bischof bezw. Archidiakon in der Diözese Konstanz bis zum 14. Jahr-
hundert (Freiburg i. Br. 1907), S. 28. E. Baum gar tn er, Geschichte
und Recht des Archidiakonates der oberrheinischen Bistümer mit Ein-
schluss von Mainz und Würzburg (Stuttgart 1907), S. 209. J. Löhr,
Die Verwaltung des kölnischen Grossarchidiakonates Xanten am Aus-
gang des Mittelalters (Stuttgart 1909), S. 182.
>) St. A. Würdtwein a. a. 0. VIII (Heidelbergae 1776), p. 74—76.
Eine berichtigende Kollation eines Textabschnittes, dessen Fehlerhaftig-
keit bereits A. Bachmann (Archiv für österreichische Geschichte LXXV,
S. 60 Anm. 4) tadelte, verdanke ich der hilfsbereiten Gefälligkeit von
Herrn Professor Dr. G. Beckmann in Erlangen.
(J4 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
an den Zusätzen zu Abschnitt XI de annatis der pragmati-
schen Sanktion mit ihren klaren Bestimmungen *) erscheinen
die deutschen Vorschläge umständlicher. Auch sie wollten
die Freiheiten der Kirchen deutscher Nation wahren; auch
sie sprachen von einem modus gratuite subvencionis2); auch
sie wollten die Abgaben befristet wissen bis zur Zeit eines
künftigen Konzils, das nach dem Basler Dekret Frequens
veranstaltet werden würde3), nicht auf die Lebenszeit des
gegenwärtigen Papstes. Bis dahin sollten die Metropolitan-
und Kathedralkirchen wie auch die exemten Abteien den
vierten Teil der Taxe entrichten, die man bisher zur Zeit
ihrer Erledigung während eines Jahres vom Tage ihres fried-
lichen Besitzes ab an die apostolische Kammer abgeführt
habe4), alle übrigen kirchlichen Stellen aber, deren jährliche
Einkünfte die Summe von vier Mark Silbers überstiegen, den
zehnten Teil ihres Einkommens, falls ihre Erledigung auf
anderem Wege als durch Verzicht oder Tausch eingetreten sei,
und falls sie nicht im selben Jahre schon einmal jene Abgabe
') Siehe oben S. 53 f.
2) Es heisst in den Vorschlägen: per modum gratuite subven-
cionis et non alias, sine preiudicio tarnen libertatum ecclesiarum Ger-
manice nationis et duntaxat ad tempus futuri concilii secundum for-
mam supradicti decreti Frequens celebrandi (S. 74). In Bourges war
bestimmt worden, quod huiusmodi subventio (d. h. die des Fünftels)
conceditur per modum solius doni gratuiti et non alias et sine pre-
iudicio libertatum ecclesie Grallicane et dumtaxat huius moderni pape
vita durante (p. 284). Die Benutzung der Sanktion durch die Vorschläge
ist evident.
3) Es wurde in Mainz acceptiert in Abschnitt I der Cedula.
4) S. 74 : In hoc finaliter resedimus, quod de cetero per modum —
celebrandi (s. oben Anm. 2) singule ecclesie metropolitane, cathedrales et
abbatie monasteriorum exemptorum quartam partem antique taxe ab olim
camere apostolice solvi solite tempore vacationis infra annum a die
pacifice sessionis (possessionis?) adepte, prout inferius vacacio exprimitur,
solvere teneantur colligenda, expendenda per collectorem in partibus,
ut infra sequitur, deputandum. Sed alie dignitates quecunque . . . (siehe
S. 65 Anm. 1).
Mainzer Acceptation von 1439. 65
entrichtet hätten 1). Ferner sollte der Wert der jährlichen Ein-
künfte in den einzelnen Diözesen durch eigens berufene Per-
sonen nach den allgemeinen Verhältnissen abgeschätzt, die
Abgaben dann an einen oder mehrere Sammler abgeführt
werden, deren Pflicht zur Rechnungsablegung besonders betont
wird. Die eine Hälfte aller Eingänge kommt in jedem Jahre
der apostolischen Kammer zu gute und dient zum Unterhalt
des Papstes, der Kardinäle und der übrigen kurialen Beamten.
Die andere Hälfte aber ist den Metropolitanen , Bischöfen,
Priestern, Archidiakonen und sonstigen Prälaten, die durch das
Annatendekret belästigt sind, auszuhändigen, derart dass die
Verteilung proporcionaliter secundum ratam gravaminis er-
folge. Bleibt ein Rest, so soll er verwandt werden zum Vor-
teil der Diözese, aus der das Geld eingegangen ist, und das
gleiche soll geschehen mit der zurückgezahlten Abgabenhälfte
') Es heisst in den Vorschlägen : . . . alie dignitates quecunque,
eciam abbaciales in conventualibus seu maiores in cathedralibus post
pontificales aut principales in collegiatis ecclesiis necnon officia et bene-
ficia ecclesiastica quecunque, quorum fructus etc. quattuor marcas argenti
excedunt, similiter tempore vacacionis earundem, dum tarnen huiusmodi
vacacio alias quam per simplicem resignacionem aut ex causa permu-
tacionis fiat (s. unten S. 66 Anm. 2) et dummodo eodem anno racione
alterius vacacionis non solvitur, decimam partem omnium fructuum etc.
secundum communem estimacionem earundem racionabiliter in singulis
diocesibus taxandam, cottidianis distribucionibus exceptis. infra annum,
prout in superiori casu (d. h. bei den Metropolitankirchen u. s. w., s. S. 64
Anm. 4) dicitur, solvere teneantur collectori aut collectoribus, per dyoce-
sanum loci , capitulum cathedralis ecclesie ac clerum civitatis iuxta
consuetudinem cuiuslibet civitatis in talibus et consimilibus convocandum
in partibus deputandum vel deputandos, qui eciam singulis annis eis-
dem de collectis legalem computum et racionem reddere teneantur
(S. 74 f.). Auch der Ausschluss zweimaliger Besteuerung innerhalb des-
selben Jahres stammt aus der pragmatischen Sanktion : Quodsi ecclesia,
monasterium vel beneficium . . . contingat anno eodem bis vel pluries
vacare, quod una quinta pars semel tantum solvatur . . .; si vero ante
collectionem, perceptionem vel acquisitionem contigerit vacatio, successor
in dicto beneficio teneatur ad integram solutionem dicte quinte partis
_(S. 285).
Werrainghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen. 5
t)6 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
in solchen Bistümern, in denen eine Schädigung nicht ein-
getreten ist1).
Man sieht: auch in Mainz ward die Härte des Annaten-
beschlusses gefühlt. Während aber die Sanktion allein daran
dachte, den Papst zu entschädigen und den Belastungen der
Einzelkirchen vorzubeugen, planten die deutschen Vorschläge
ein Doppeltes, einmal Entschädigung des Papstes und der
übrigen kirchlichen Instanzen, ferner Festlegung eines Ver-
fahrens, das ermöglichen sollte, wenigstens die Hälfte der er-
hobenen Abgaben den deutschen Kirchen zufliessen zu lassen,
kurz eine Besteuerung der Geistlichkeit, deren Erträge wie
dieser selbst so auch dem Papste zu gute kämen. Eben die
Teilung der Intraden deutet freilich auf die Schwierigkeiten
hin, die man beseitigen wollte. Sie setzte eine Verwaltung
der Steuerergebnisse voraus, die unparteiisch ihr Amt versah.
Sie hoffte auf Diözesen, in der niemand sich beschwert fühlen
würde. Der Steuersatz der deutschen Vorschläge für Metro-
politan- und Kathedralkirchen und exemte Abteien war höher
als der des Taxfünftels in der pragmatischen Sanktion. Während
diese von den niederen Pfründen nur solche traf, deren Ertrag
höchstens zehn Pfund Silber betrug, während sie bestimmte
Gruppen von Pfründen als gänzlich abgabenfrei bezeichnete 2),
*) Horum autem collectorum medietas per prefatum (collectorem)
singulis annis camere apostolice pro sustentacione Romani pontificis,
dominorum cardinalium aliorumque officialium curie Romane legatis
exsolvatur. De vero medietate eorundem in illis diocesibus, ubi metro-
politanus vel diocesanus loci aut inferiores ordinarii, puta presbiteri,
archidaconi aut alii prelati per prefatum decretum (seil, de annatis)
fuerint gravati sive lesi, proporcionaliter seeundum ratam gravaminis
per eundem collectorem eis provideatur. Et si quid supererit, hoc fideliter
per ipsum collectorem reservetur pro communibus illius diocesani , cleri
et status ecclesiastici negoeiis ac publicis utilitatibus exponendis. Et
idem fiat de tota medietate in illis diocesibus, ubi huiusmodi lesionem
vel gravamen fieri non contingat (S. 75 f.). Die Anmerkungen S. 64, 4,
S. 65, 1 und S. 66, 1 ergeben den Gesamtinhalt der Vorschläge.
2) Quod dieta quinta pars locum suum etiam obtinebit per quem-
cumque, ubicumque, in curia vel extra, et quaeunque auetoritate ecclesia-
Mainzer Acceptation von 1439. 67
sollten nach den deutschen Vorschlägen auch solche besteuert
werden, deren Jahreseinkünfte auf vier Mark Silber sich be-
liefen; von ausdrücklich ausgenommenen Pfründen war mit
keinem Worte die Rede. Die deutsche Proposition endlich
erwartete für die Teilung, an die in Bourges niemand dachte,
die Gutheissung von Papst und Konzil; kein Wunder, dass
sie vom Gang der Ereignisse selbst überholt war, als man
sie zu Basel in späte Behandlung nahm l). Nicht erst so
spät zeigte sich ihre Undurchführbarkeit. Die Tatsache, dass
ihrer in der Mainzer Acceptation mit keinem Worte Erwäh-
nung geschieht, dient zum Beweise, dass sie von den Ur-
hebern des „Zettels" selbst als unbefriedigend, als der An-
nahme unwert angesehen worden war. Der dritte Zusatz zum
Abschnitt II de electionibus hatte den Fall ins Auge gefasst,
dass die vom Konzil geplante Entschädigung nicht zu stände
käme2); man mochte sich sagen, dass die Vorschläge der kur-
fürstlichen Räte in sich eine Utopie wären, und daraus die
Berechtigung ableiten, beim Abschnitt IX de annatis nur die
eigenen Interessen sicherzustellen. Auch hierin überliess man
den französischen Prälaten das Verdienst der Umsicht, des
Wollens und des Handelns.
Der Nachtrag zu Abschnitt XXII de reservationibus um-
fasst zwei Forderungen an das Konzil. Die erste verlangt Er-
stica de ipsis ecclesiis, monasteriis vel beneficiis quomodolibet, preter-
quam ex causa permutationis aut resignacionis pure et simplicis, ut
prefertur, disponatur (s. oben S. 65 Anm. 1) ; exceptis beneficiis, quorum
ius patronatus, presentacio, collacio, institutio vel provisio ad regem iure
regalie vel alias aut alium quemcumque vel alios iure laico spectat et
pertinet, de quibus nihil prorsus solvetur (S. 284); s. oben S. 55.
1) Vgl. A. Bachmann a. a. 0. LXXV, S. 61.
2) Die Einleitung der Vorschläge (Würdtwein a. a. 0. VIII,
S. 74) knüpft an die letzten Worte des Dekrets de electionibus (in der
Mainzer Acceptation Abschnitt II) an, und darum hätte die Aufzeich-
nung schon oben S. 60 f. besprochen werden müssen. Ihr innerer Zu-
sammenhang aber mit dem Annatendekret rechtfertigt ihre Wertung erst
an dieser Stelle.
UBRARY ST. MARYS COLLEGE
(58 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
neuerung des gemeinen Rechtsgrundsatzes, dass der Papst die
ihm reservierten Pfründen — die im Corpus iuris canonici ent-
haltenen Reservationen waren ihm auch für die Zukunft zu-
gestanden worden *) — binnen Monatsfrist nach ihrer Erledi-
gung vergeben solle, andernfalls sie durch die Ordinarien zu
vergeben seien. Die zweite erbittet eine Bestimmung darüber,
dass die vom Papst Providierten binnen vier Monaten ihren
Oberen von der erfolgten Provision Nachricht zu geben hätten,
wollten sie nicht ihr Anrecht auf die Pfründe verlieren. Wir
haben es mit Wünschen der Mainzer Versammlung zu tun,
für die sich in der pragmatischen Sanktion kein Vorbild findet.
Ihre Absicht ist durchsichtig genug, da ihr erster die Hand-
habung des päpstlichen Reservationsrechtes durch dessen zeit-
liche Begrenzung auf die Zeit nur eines Monats noch weiter
einschränken und den Ordinarien im Falle der Verletzung dieser
Vorschrift das Recht der Verleihung selbst reservierter Pfründen
wiederherstellen will, da sodann der zweite den Providierten
an seine Abhängigkeit von seinem Oberen zu erinnern unter-
nimmt. Papst und Provisus erscheinen nicht mit gleichem
Mass gemessen. Jener kann nur binnen eines Monats seine
Befugnis ausüben, dieser hingegen darf bis zu vier Monaten
mit der Anzeige an seinen Vorgesetzten warten. Es wird sich
ergeben, dass auch der erste Zusatz zu Abschnitt XXV de
collationibus beneficiorum von Uebelwollen wider die päpst-
lichen Verleihungen getragen ist. Lehrreicher ist jedenfalls
das Verhältnis beider Zusätze zu Bestimmungen im Corpus
iuris canonici, zumal gerade die hierin enthaltenen Reserva-
J) Basel 1436 März 25 sess. XXIII c 6 (Mansi XXIX, 120):
. . . ipsas omnes (reservationes) tarn generales quam speciales sive parti-
culares . . . sive per extravagantes Ad regimen (= c. 13 de praeb. in
Extr. coram. III, 2) et Execrabilis (= c. an. de praeb. in Extr. Joann.
XXII. tit. 3 und c. 4 de praeb. in Extr. comm. III, 2) sive per regulas
cancellarie aut alias apostolicas constituciones inductas hec sancta
synodus abolet, statuens, ut de cetero nequaquam fiant, reservacionibus in
corpore iuris expresse clausis. Zu den letzten Worten vgl. P. Hinschius,
Kirchenrecht III, S. 123 Anm. 10, S. 124 f. 138.
Mainzer Acceptation von 1439. (i<)
tionen vom Konzil und der Acceptation ausdrücklich dem
Papste eingeräumt worden waren. Der erste knüpfte ver-
mutlich an eine Bestimmung im Dekret Gratians an, die
daran erinnerte, dass die animarum cura et pecuniarum
ecclesiasticarum dispensatio in episcopi iudicio verbleiben solle,
die ferner der widerrechtlichen Verfügung über Seelsorge
und Pfründen durch Archidiakone, Archipresbyter , Pröpste
oder Dekane Einhalt gebot l). Er wollte die bischöfliche
Freiheit bei Besetzung der Diözesanpfründen, also gemeines
Recht erneuern, folgeweise die päpstlichen Reservationen jüngeren
Ursprungs nicht anerkennen, wenn der Papst innerhalb eines
Monats nicht von seiner Befugnis Gebrauch machte. Vielleicht
auch erinnerte man sich an einen Beschluss des Konzils von
Lyon im Jahre 1274, der zur Verhütung langandauernder
Vakanzen dem ordentlichen Verleihungsberechtigten die Aus-
übung seines Besetzungsrechtes für den Fall gestattete, dass
die päpstliche Kollation nicht innerhalb eines Monats nach der
Vakanz erfolgt sei 2). In Mainz also wollte man eine Konzils-
satzung erneuert wissen, die durch ihre Aufnahme in den
Liber sextus gemeines Recht geworden war, die zugleich
zeitlich den von der Basler Versammlung bereits beseitigten
Konstitutionen Execrabilis Johanns XXII. vom Jahre 1317 und
Ad regiraen Benedikts XII. vom Jahre 1335 voraufging3).
]) Vgl. c. 11 C. XVI qu. 7, dazu cc. 3 und 6 X de institutionibus 3, 7;
ich verdanke Herrn Professor D. K. Lux in Münster i. W. den Hinweis
auf diese Stellen.
-') c. 3 in VIto de praebendis 3, 4 (Lyon 1274 c. 21): ... ut ii,
ad quos . . . beneficiorum et dignitatum spectat collatio, statuto non
obstante praedicto (= Clemens IV. v. J. 1265, c. 2 in VIto de praeben-
dis 3, 4), demum post mensem a die, quo dignitates seu beneficia ipsa
vacaverint, numerandum ea conferre valeant. P. Hinschius a. a. 0. III,
S. 124. C. Lux, Constitution um apostolicarum de generali beneficiorum
reservatione ab a. 1265. usque ad a. 1378. emissarum tarn intra quam
extra corpus iuris exstantium collectio et interpretatio (AVratislaviae 1904),
p. 11 sqq.
•) Vgl. S. 68 Anm. 1.
70 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Man wird schliessen, dass diese Rückkehr zum Recht des
ausgehenden 13. Jahrhunderts alle die Auswüchse der Reser-
vationspraxis unmöglich machen sollte, die nur durch die
Extravaganten und Kanzleiregeln sich eingeschlichen hatten1).
Im Grunde genommen war also der erste Mainzer Zusatz zum
Basler Dekret nichts mehr als eine Bekundung der prinzi-
piellen Uebereinstimmung mit der Basler Versammlung. Er
enthielt nicht so sehr Neues, als er vielmehr den Basler Kanon
ergänzte. — Anders der zweite Zusatz. Soweit wir sehen,
lässt sich für das Verlangen, der vom Papst Providierte solle
binnen vier Monaten seinem Oberen von der Provision Kunde
geben , im anderen Falle aber das Anrecht . auf die Pfründe
verlieren, im Corpus iuris canonici und ebensowenig in seinen
Anhängen keine Stelle namhaft machen, an die vielleicht die
Mainzer Versammlung anknüpfte, sei es gleich um gegen sie
Einspruch zu erheben. Der hier eingerückte Wunsch sollte,
wenn anders das Konzil ihn erfüllte, erst gemeines Kirchen-
recht für Deutschland schaffen. Von neuem also wenden sich
in diesem Anliegen die Mainzer an das Konzil als an die
höchste kirchliche Instanz zum Erlass kirchlicher Gesetze.
Wiederum erwarten sie von ihm einen Beschluss, der dem
päpstlichen Recht Schranken ziehen soll. Dass ihn ein Papst
sicherlich nicht leicht angenommen oder bestätigt hätte, daran
dachte man kaum , wenn überhaupt die letzten Folgerungen
des angeblich neutralen, in Wahrheit parteiischen Vorgehens
in Erwägung gezogen wurden2).
*) Vgl. P. Hinschius a. a. 0. III, S. 130 ft. 140 ff.
-) Nur zur Vergleichung, nicht zur Interpretation kommt in Be-
tracht die Ausführung von P. Hinschius a. a. 0. III, S. 155 Anm. 4
über die im Wiener Konkordat von 1448 (s. die Stelle bei Hinschius
S. 139 Anm. 1) vorgesehene Beschränkung: Wenn ein in den päpstlichen
Monaten zu Providierender sich nicht innerhalb dreier Monate nach der
bekanntgewordenen Vakanz am Orte des Benefiziums gemeldet hat, soll
die ordentliche Besetzung eintreten; vgl. dazu Koch, Sanctio pragmatica
S. 229 Anm. 65.
Mainzer Acceptation von 1439. 71
Der Nachtrag zu Abschnitt XXV de collationibus bene-
ficiorum gliedert sich in drei Teile. Ihr erster verlangt, dass
durch Annahme des Basler Dekrets den niederen Ordinarien
nicht die vom Laterankonzil zugestandene Frist genommen
werde, d. h. es sollte jene Bestimmung des dritten Lateran-
konzils vom Jahre 1179 erneuert werden, nach der eine er-
ledigte Pfründe binnen sechs Monaten durch den Bischof zu
besetzen war, sein Recht aber im anderen Falle an das Dom-
kapitel devolvierte; nach der fernerhin der Bischof einzutreten
hatte, wenn das zur Verleihung der Pfründe befugte Dom-
kapitel sich als säumig erwies; die endlich bei Säumnis von Bi-
schof und Domkapitel den Erzbischof befähigte, über die Pfründe
zu verfügen 1). Mit Recht ist diese Forderung eine revolutio-
näre genannt worden. Sie griff zurück auf die Praxis in der
Handhabung des Devolutionsrechtes einer längst vergangenen
Zeit; bis zu Ende gedacht schaltete sie das Eingreifen des
Papstes in Fällen säumiger Besetzung von kirchlichen Pfründen
so gut wie aus, da dann „auch bei unkanonischen Wahlen
und Wahlen Unmündiger die Devolution nicht an den Papst,
sondern an den Metropoliten als superior proximus einzutreten
hatte" 2). Klar ist andererseits, dass, verglichen mit dem ersten
Nachtrag zu Abschnitt XXII, dieser zu Abschnitt XXV auch
noch in einer zweiten Hinsicht den Papst beeinträchtigte. Dort
J) Vgl. c. 2 X de eoncessione praebendae 3, 8 (Alexander III. 1179):
Cum . . . praebendas ecclesiasticas seu quaelibet officia in aliqua ecclesia
vacare contigerit . . ., non diu maneant in suspenso, sed infra sex menses
personis, quae digne administrare valeant, conferantur. Si autem epi-
scopus, ubi ad eum spectat, conferre distulerit, per capitulum ordinetur.
Quod si ad capitulum pertinuerit et infra praescriptum terminum hoc
non fecerit, episcopus secundum Deum hoc cum religiosorum virorum
consilio exsequatur. Vel si omnes forte neglexerint, metropolitanus de
ipsis secundum Deum absque illorum contradictione disponat. Zum Fol-
genden vgl. ausser cc. 2 — 5 X de supplenda negligentia sacerdotum 1, 9
auch G.J.Ebers, Das Devolutionsrecht vornehmlich nach katholischem
Kirchenrecht (Stuttgart 1906), bes. S. 172 ff. 330 ff. 348 ff. 364.
2) Ebers a. a. 0. S. 232.
72 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
wurde dem Papst die Frist nur eines Monats für die Besetzung
einer ihm reservierten Pfründe eingeräumt, den Ordinarien
sodann die Befugnis der Pfründkollation zuerkannt, wenn
diese kurze Frist ungenutzt verstrich. Hier aber wurde die
Frist für die Neubesetzung von erledigten Pfründen durch
deutsche Kollatoren auf ein halbes Jahr bemessen, und erst nach
Ablauf dieser Zeit sollte die Devolution in Kraft treten. —
Unmittelbar im Zusammenhang mit dem ersten Zusatz zu
Abschnitt XXV steht der zweite, quod ante ipsius (seil,
temporis Lateranensis concilii) lapsum non habeat locum pre-
vencio. Das Basler Dekret hatte erklärt, es wolle unter der
Bedingung, dass sein Beschluss über die Aufhebung päpst-
licher Reservationen gültig bleibe, nicht solche päpstliche Ver-
leihungen hindern, die der Papst vollziehe, ehe der zuständige
Kollator das Benefizium vergeben habe 1). Dieser Beschluss
war zu Bourges 2) und zu Mainz 3) aeeeptiert worden, mit Recht
aber hatte die pragmatische Sanktion im dritten Zusatz zu
Abschnitt VI de collatione beneficiorum 4) bemerkt: Cum
collatores et patroni ecclesiastici habeant beneficio sacri Latera-
nensis concilii certum tempus ad presentandum et conferendum
respective, quod debent instare regii oratores apud sacrum con-
cilium generale, ut provideat circa suum decretum de collatio-
nibus in hoc scilicet, quod decretum illud videtur ipsi Latera-
nensi concilio velle derogare, ita quod velit ipsum sacrum con-
cilium decernere, quod preventiones etiam apostolice sedis vel
legatorum eiusdem, facte in contrarium, non valeant, quo
magis ipsis collatoribus et patronis suum ius, cessante culpa
*) Basel 1438 Jan. 24 sess. XXXI c. 2: Neque etiam collaciones
per prevencionem fiendas intendit impedire, decreto nostro de reser-
vacionibus quoad cetera et aliis decretis huius sanete synodi in suo robore
duraturis (Mansi XXIX, 162).
2) Bourges Abschnitt V de reservationibus (S. 274 ohne Zusatz).
3) Mainz Abschnitt XXII mit den beiden oben S. 67 ff. besprochenen
Zusätzen.
*) Dieser entspricht dem Abschnitt XXV der Mainzer Acceptation;
s. auch oben S. 57 Anm. 2.
Mainzer Acceptation von 1439. 73
eorum, sicut iusticia suadet, servetur illesum r). Erst durch
Heranziehung der französischen Modifikation empfangt die
deutsche ihre Erläuterung. In Frankreich war der Wider-
spruch zwischen der Forderung auf Rückkehr zur Praxis des
12. Jahrhunderts hinsichtlich der Devolutionen und dem Satze
des Basler Dekrets zuerst erkannt worden. Ganz folge-
richtig war der Wunsch nach Verwerfung der päpstlichen Be-
setzungen per prevencionem. In Mainz drückte man sich
weniger deutlich aus. Vor Ablauf der im lateranensischen
Kanon festgelegten Frist sollte keine päpstliche prevencio er-
folgen. War eine Pfründbesetzung durch den Papst aber
noch eine prevencio, wenn sie nach Ablauf der den deutschen
Kollatoren vorbehaltenen Frist von einem halben Jahr erfolgte?
Im strengen Wortsinne nicht mehr, sondern ein Eingriff in
das den Oberen anheimgefallene Recht, eine Konkurrenz mit
diesem Rechte; der Ausdruck prevencio also war im letzten
Grunde unstatthaft. Was aber diese Forderung verboten wissen
wollte, was sie anstrebte gegenüber der kurialen Praxis bei
Besetzung erledigter Aemter und Pfründen, war kein Geheim-
nis. Sie verlangte eine Stärkung der bischöflichen Gewalt an
den Benefizien, eine Minderung der päpstlichen, die jene in den
Hintergrund gedrängt, wenn nicht gar gänzlich ausgeschaltet
hatte. — Der dritte und letzte Teil des Nachtrags zu Ab-
schnitt XXV verlangte vom Papste, bei den ihm noch zustehenden
Gratien den Deutschen vor dem Nichtdeutschen zu bevorzugen,
vornehmlich bei einer Pfarrkirche. Die Veranlassung des Wun-
sches ist klar, die Besetzung deutscher Benefizien mit Auslän-
dern, die bereits für Frankreich die Einleitung der pragmati-
schen Sanktion mit bezeichnenden Worten gegeisselt hatte 2), der
durch konziliare Billigung des Mainzer Vorschlags nun auch
für Deutschland ein Riegel vorgeschoben werden sollte. Indem
man freilich sein Augenmerk in erster Linie auf die Pfarr-
J) S. 278.
2) S. 269 f.; s. oben S. 35.
74 "Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
kirchen richtete, dachte man an die Bedürfnisse der prakti-
schen Seelsorge in Stadt und Land, — hätte es aber nicht
nahe gelegen, diese Forderung auch auf andere kirchliche
Beamtungen, hohe und niedere, auszudehnen? In der prag-
matischen Sanktion begegnet kein genau entsprechendes
Verlangen. Werden aber die Worte ihrer Einleitung, dass
Kirchen und Benefizien solchen Ausländern zu teil würden,
die nicht einmal die Sprache des Volkes verstünden1), mit
ihren Aufstellungen hinsichtlich der Verleihung von Pfründen
an solche Männer verbunden, die auf französischen Universitäten
einen Grad erlangt hatten 2) , so ergibt sich , dass auch sie
von demselben Wunsche nach einem dem französischen Volke
entstammenden niederen Klerus erfüllt war wie die Mainzer
Acceptation nach einem niederen Klerus deutscher Herkunft für
Deutschland. Man wird dieser ausgesprochen nationalen For-
derung nicht die Berechtigung aberkennen, mag es gleich
dahingestellt bleiben, ob für Deutschland schon ältere Zeug-
nisse sich finden, die auf das Indigenat der hier tätigen Geist-
lichen als Voraussetzung ihrer Amtsführung schliessen lassen 3).
Genug, man bewegte sich hier in einer Richtung, die der
tatsächlichen Entwicklung zu nationaler Sonderung entsprach.
1) S. 269 : . . . dignitates ac beneficia notabiliora et opulentiora
personis conferuntur incognitis et non probatis, que in eisdem beneficiis
non resident, sicque vultus sibi commissi gregis non agnoscunt, linguam
aliquando non intelligunt ; . . . clerici nostrorum regni et Delphinatus . . .
studia deserunt propter promocionis congrue spem eisdem ablatam.
2) S. 278 (im Zusatz 6 zu Abschnitt VI de collatione beneficiorum):
Quod . . . poterunt universitates . . . nominare certum numerum suorum
graduatorum ; vgl. auch S. 274 (im Zusatz 2 zu Abschnitt IV de elec-
tione cassanda) : . . . rex et principes regni . . . aliquando utantur pre-
cibus benignis atque benivolis et pro personis benemeritis et zelantibus
bonum reipublice et regni Delphinatus.
3) L. Thomassinus, Vetus et nova ecclesiae disciplina pars II.
üb. I. c. 103 (Venetiis 1766, p. 214 ff.) kennt nur ausserdeutsche Zeug-
nisse aus früheren Perioden; s. auch P. Hinschius, Kirchenrecht II,
S. 503. — Vgl. unten S. 78 f. über den letzten Zusatz zur Acceptation.
Mainzer Acceptation von 1439. 75
Den Beschluss bilde die Würdigung der vier letzten Zusätze
zur Gesamtheit der acceptierten Basler Dekrete. Sie erwarten
vom Konzil noch weitere Reformen zur Tilgung solcher Miss-
stände, deren Beseitigung noch nicht in Angriff genommen
sei. Ihre Einbringung wird, zum Teil wenigstens, gerecht-
fertigt durch nationale Interessen, verrät aber aufs neue den
geheimen Abfall von der Neutralität im Streite zwischen
Papst und Konzil, da sie die Hilfe der Kirchen Versammlung
in Anspruch nimmt und damit ihre Befähigung zur kirchlichen
Gesetzgebung anerkennt. Der erste Zusatz verlangt die Er-
laubnis zur Eheschliessung von Personen, die im vierten Grade
der Konsanguinität oder Affinität mit einander verwandt sind.
Er will sie nicht in Rom Dispens sich holen sehen, sondern —
dieser Gedanke freilich ist unterdrückt — in der Heimat bei
den deutschen Bischöfen l). Auch hier begegnet der Rückschlag
wider die allzu grosse Ausdehnung der päpstlichen Befugnisse,
der Versuch einer Stärkung der bischöflichen Gewalt auf
deutschem Boden über die Angehörigen der einzelnen Diö-
zesen. Die Praxis des Dispensationsrechtes in Rom wird als
leichtfertig getadelt, die der deutschen Bischöfe stillschwei-
gend als mehr den Vorschriften des Corpus iuris canonici
entsprechend unterstellt. Jedenfalls liegt in der Beibehaltung
des vierten Grades von Blutsverwandtschaft und Schwäger-
schaft als eines nur durch Dispens zu beseitigenden Ehe-
hindernisses ein Anschluss an eine Satzung des Laterankonzils
vom Jahre 1215 2), während noch das Decretum Gratiani,
unter Reception einer Bestimmung von Papst Alexander II.
') W. Puckert, Neutralität S. 95 Anm. 1 verweist überdies auf
einen handschriftlich überlieferten Entwurf (Dresdener Archiv, Religions-
sachen A fol. 150—153) aus dem Jahre 1439, der Dispensfakultäten in
Bezug auf das Ehehindernis der Verwandtschaft auch für die Bischöfe
fordert, während ein anderer Entwurf vom Jahre 1444 (ebd. fol. 258)
sie nur für die Erzbischöfe im Bereiche ihrer Provinzen verlangt, frei-
lich mit der Randbemerkung: et quilibet episcopus exemtus per suam
diocesim.
2) Vgl. c. 8 X de consanguinitate et affinitate 4, 14.
76 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
(1061 — 1073) aus dem Jahre 1065, Ehen von Personen ver-
boten hatte, die bis zum siebenten Grade mit einander verwandt
waren1). — Der zweite Zusatz verrät, wie schon oben bei
Abschnitt III de conciliis synodalibus et provincialibus 8) und
bei dem Zusatz zu Abschnitt IX de annatis3) angedeutet wurde,
als Urheber der Acceptation und damit auch ihrer Nachträge
in erster Linie die Erzbischöfe und Bischöfe. Er tadelt die
Folgen der päpstlichen Exemtionen, der Durchbrechungen also
der ordentlichen Gewalt über Provinzen, Diözesen, die in ihnen
bestehenden kirchlichen Einzelanstalten, Kapitel und Konvente
aller Art. Er findet, dass die Privilegierung dieser Exemten all-
zu häufig erfolge und viele Missstände zeitige. Er fordert Er-
neuerung jenes Kanon des ersten allgemeinen Konzils von Lyon
.im Jahre 1245, der die Entscheidung von Anklagen wider Exemte
den Ordinarien anheimgegeben hatte 4). Auch hier demnach eine
Reaktion wider das päpstliche Kirchenrecht der avignonesischen
Periode, ein Streben nach Wiederherstellung des Kirchen-
rechts des 13. Jahrhunderts, und es verdient Erwähnung, dass
rund 110 Jahre nach der Mainzer Acceptation das Konzil
von Trient in seiner siebenten Sitzung vom 3. März 1547 den
im Jahre 1439 angeführten Beschluss vom Jahre 1245 wieder-
holte und erneuerte5). — Aehnliches gilt vom dritten Zusatz,
der eine Einschränkung der Konservatorien und ihre Her-
stellung nach der Form des gemeinen Rechtes fordert. Ueber
*) Vgl. c. 2 C. 35 qu. 5; siehe im allgemeinen E. Friedberg,
Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts (6. Aufl..
Leipzig 1909), § 145 und 146.
2) Vgl. oben S. 47.
3) Vgl. oben S. 61.
4j Vgl. c. 1 in VIto de privilegiis 5, 7. Ueber die Frage der Exem-
tionen auf dem Konstanzer Konzil vgl. B. Hübler, Constanzer Refor-
mation S. 93 f. 232 ff. und über das Basler Konzil A. Hüfner: Archiv
für katholisches Kirchenrecht LXXXVII (1907), S. 614 ff.
5) Concilium Tridentinum 1547 März 3 sess. VII de reforma-
tione c. 14 ed. Richter p. 55.
Mainzer Acceptation von 148$. 77
die Aufgaben der Konservatoren 1), ihre Amtsführung und die
zu ihr allein geeigneten Persönlichkeiten hatten das Konzil von
Lyon im Jahre 1245, die Päpste Alexander IV. (1254—1201)
und Bonifaz VIII. (1294 — 1303) eine Reihe von Bestimmungen
erlassen, die insgesamt in den Liber sextus decretalium auf-
genommen worden waren *). Unter ihnen fand sich die Vor-
schrift, dass es den Konservatoren verboten sein sollte, jeman-
den vor sich zu laden, der länger als einen Tag reisen müsse,
um der Ladung zu entsprechen3). Gerade sie aber war durch
die Kanzleiregeln Johanns XXII. (1316 — 1334), Benedikts XIII.
(1394—1417, f 1424) und Eugens IV. (1431—1447) dahin
abgeändert worden, dass die Konservatoren auch solche sollten
belangen können, die bis zu zwei Tagereisen von ihrem Sitze
wohnten 4). Kein Zweifel, dass die Mainzer Versammlung die Ab-
schaffung dieser lästigen Ausweitung der Befugnisse der Konser-
vatoren wünschte. Den deutschen Erzbischöfen und Bischöfen
') Vgl. E. L. Ferraris, Prompta bibliotheca II (Venetiis 1782)^
p. 531, wo nach der Glosse zu c. 1 in VIto de officio et potestate
iudicis delegati 1, 14 (s. nächste Anmerkung) erwähnt ist, dass: conser-
vatores potissimum dantur regularibus ad tuendum eorum personas, bona
et iura, sub quibus eorundem continentur privilegia, exemtiones et im-
munitates.
2) Vgl. c. 1 in VIto de officio et potestate iudicis delegati 1, 14
(Lyon 1245), c. 2 in VIto de off. et pot. iud. del. 1, 14 (Alexander IV.),
cc. o— 15 in VIto de off. et pot. iud. del. 1, 14 (Bonifaz VIII.).
8) Vgl. c. 15 in VIto de off. et pot. iud. del. 1, 14: Conservatores . . .
extra civitates seu dioeceses, in quibus fuerint deputati, contra quos-
cunque procedere aut aliquos ultra unam diaetam a fine dioecesuni
eorundem trahere non praesumant.
4) Vgl. die Kanzleiregel Johanns XXII. c. 14 : Item in conservatoriis
praelatorum ponatur, quod conservatores possint ad se vocare iniuriantes
per duas dietas dumtaxat (E. von Ottenthai, Die päpstlichen Kanzlei-
regeln, Innsbruck 1888, S. 4). Die Kanzleiregel Benedikts XIII. c. 99
(ebd. S. 138) bestimmt, quod aliquis vigore conservatorie huiusmodi
ultra duas dietas extra suam civitatem vel diocesim non trahatur, die-
jenige Eugens IV. c. 87 (S. 250) : in litteris (d. h. in conservatoriis) po-
natur, quod conservatores possint vocare iniuriatores ad duas dietas;
siehe auch ebd. S. 21 c. 31 (Urban V.), S. 181 c. 44 (Johann XXIII.),
78 Werminghoff, Nationalkirchliche BestrebuDgen.
konnte eine Einrichtung nicht genehm sein, die in erster Linie
exemten Geistlichen und Kirchen zu gute kam, die schon im Jahre
1287 vom Würzburger Konzil bekämpft worden war x). — Endlich
der vierte Zusatz mit dem Versuch, die Erteilung von Weihen
am Sitze der Kurie an unwürdige Ausländer und Fremdlinge
einzuschränken, an solche Männer also, die, gestützt auf ihre
Weihen, die Uebertragung von Kirchenämtern in Deutschland
für sich forderten. Er erweitert den Zusatz zu Abschnitt XXV
de collationibus beneficiorum, der päpstliche Gratien im Hinblick
auf deutsche Pfarrkirchen zunächst Geistlichen deutscher Abstam-
mung zugebilligt wissen wollte 2). Die Tendenz der Erweiterung
ist leicht erkennbar. Sie will einmal einen Klerus deutscher
Herkunft schaffen, sodann die Gerechtsame der Bischöfe aufs
neue beleben, die durch die absoluten Ordinationen von Kleri-
kern an der Kurie stark beeinträchtigt waren. Möglich ist,
dass auch hier eine Erneuerung von Satzungen geplant war, wie
sie Clemens IV. (1265-1268) und Bonifaz VIII. (1294—1303)
hinsichtlich der Voraussetzungen für Erteilung der Weihen
erlassen hatten3). Jedenfalls würde dann, gleichwie in den
früheren Zusätzen am Schluss der Acceptation so auch im
letzten, eine Rückkehr sich finden zum Recht des Corpus iuris
canonici einschliesslich des Liber sextus decretalium, eine
S. 200 c. 65 (Martin V.), S. 287 c. 96 (Nikolaus V.). Formeln für Kon-
servatorien, die beide die Bestimmung Bonifaz' VIII. (s. S. 77 Anm. 3)
ausdrücklich aufheben, finden sich bei M. Tangl, Die päpstlichen Kanzlei-
ordnungen von 1200—1500 (Innsbruck 1894), S. 321 ff. n. 129 und 130.
Siehe auch B. Hennig, Die Kirchenpolitik der älteren Hohenzollern
in der Mark Brandenburg und die päpstlichen Privilegien des Jahres
1447 (Leipzig 1906), S. 162 f.
1) Würzburger Konzil 1287 c. 39; Mansi XXIV, 865 (mit sehr
verderbtem Text). — Ueber die conservatores iurium et privilegiorum
der Universitäten vgl. Gr. Kaufmann, Geschichte der deutschen Uni-
versitäten II (Stuttgart 1896), S. 104 f.
2) Siehe oben S. 73 f.
3) Vgl. c. 1 in VI*o de temporibus ordinationis 1, 9 (Clemens IV.)
und c. 3 eod. (Bonifaz VIII.), dazu P. Hinschius, Kirchenrecht I, S. 87.
Mainzer Acceptation von 1439. 79
Polemik wider das päpstliche Kirchenrecht des 14. Jahrhunderts,
das Verlangen demnach, die allzu weit gespannten Forderungen
namentlich des avignonesischen Papsttums auf ein gebührendes
Mass zurückzubringen. Klare historische Einsicht in die Be-
deutung gerade des 14. Jahrhunderts für die Ausgestaltung
der papalen Allgewalt wird man bei den in Mainz Versam-
melten nicht vermuten dürfen. Immerhin lag in ihren Forde-
rungen eine gesunde Reaktion wider eine Entwicklung, die
freilich nicht auf dem hier eingeschlagenen Wege wieder aus
der Welt geschafft werden konnte.
Ueberschaut man die deutschen Zusätze im ganzen, so
fällt mehrfach der Mangel an Klarheit auf, bei allen das Fehlen
von Kraft und Nachdruck. Sie standen insgesamt unter dem
Banne einer Kirchenpolitik, die des unverrückbar aufgestellten
Zieles entbehrte. Die Nachträge sollten vom Basler Konzil
gutgeheissen werden, ihre Urheber neigten damit auf die Seite
der Kirchenversammlung. Da sie aber die Neutralität zwischen
Rom und Basel nicht verletzen wollten, schauten sie zur selben
Zeit nach dem Papste Eugen IV. aus, noch immer von der
Hoffnung erfüllt, ihm eine Entschädigung auszumitteln und auf
solche Weise ihn vielleicht zu bestimmen, dass auch er die Basler
Dekrete und ihre Ergänzungen bestätige. Ein Dilemma, all-
zu grosser Behutsamkeit entspringend, das in Frankreich ver-
mieden worden war durch den Entschluss und die Tat des
Königs, die Denkschrift seiner Geistlichen samt den Nachträgen
unmittelbar zum Gesetz für seine Kirche zu erheben, obwohl
auch er die Mahnung las, dass die Versammlung zu Bourges
eine Billigung ihrer Zutaten durch das Konzil erwarte. Ent-
schluss und Tat waren der Mainzer Versammlung versagt.
Der König war nicht anwesend, und ihn, das Konzil und den
Papst vor eine vollendete Tatsache zu stellen, d. h. die accep-
tierten Dekrete samt den Modifikationen sofort als Reichsgesetz
zu verkünden, war deshalb unmöglich. Gleichwohl scheint der
Wunsch bestanden zu haben, es nicht allein bei der Erklärung
der Acceptation bewenden zu lassen. In ihr lag die Absicht
80 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
weiterer Verhandlungen mit dem Konzil; dass aber diese in
die Wege geleitet werden sollten, verrät der Entwurf einer
Urkunde, in der Albrecht IL, die Kurfürsten, Erzbischöfe,
Bischöfe und Prälaten bei den Baslern vorstellig werden, die
Mainzer Acceptation als Ganzes anzuerkennen und ihre Beob-
achtung anzuordnen x). Seiner Entstehungszeit nach gehört
der Entwurf, während die früher besprochenen Vorschläge über
die Entschädigung des Papstes noch im März 1439 entstanden
zu sein scheinen 2) , dem Ausgang des Mainzer Reichstages
(April 1439) an. Wer ihn anfertigte, bleibt unbekannt; jeden-
falls lag ihm die pragmatische Sanktion Karls VII. vor, aus
deren Einleitung er mehr denn einen Satz entnahm3). Ob
freilich Albrecht den Entwurf vollzog, d. h. ob er die Mainzer
Acceptation guthiess und sie dem Konzil unterbreitete, ist
leider nicht überliefert. „Jedenfalls ist es geschehen," meint
A. Bachmann4), und es ist kein Grund vorhanden, diese Ver-
mutung zu bestreiten.
') St. A. "Würdtwein, Subsidia diplomatica VIII (Heidel-
bergae 1776), p. 1 — 5, ohne Wiederholung aber der angenommenen
Konzilsdekrete durch den Herausgeber des Dokuments.
2) Siehe oben S. 63 ff.
3) Eine ausführliche Vergleichung beider Dokumente erübrigt sich
an dieser Stelle; auf die Uebereinstimmung hat bereits "W. Puckert
a. a. 0. S. 92 Anm. 1 hingewiesen.
4) A. Bachmann: Archiv für österreichische Geschichte LXXV,
S. 60 f. nach Besprechung des Entwurfs und der bereits oben S. 63 ff.
erwähnten Vorschläge für die Entschädigung des Papstes: „Es ist un-
bekannt, wann und unter welchen Umständen König Albrecht die accep-
tation* gutgeheissen hat. Jedenfalls ist es geschehen. Vor das Konzil
aber, wohin sie der Aenderungen und Zusätze wegen gelangen musste,
kam sie jetzt mit des Königs Unterschrift keineswegs; ebensowenig die
Beschlüsse, den Ersatz für die Annatengelder betreffend. Beide sind
denn auch spät zu Basel in Verhandlung genommen worden"; vgl. den
Auszug aus der Instruktion Friedrichs III. vom Jahre 1440 für den
Mainzer Reichstag (Februar 1441) ebd. S. 79. Bachmanns "Worte
wenden sich gegen W. Puckert a. a. 0. S. 97 mit Anm. 1, dass der
römische König keineswegs, was in seiner Abwesenheit begonnen worden,
durch Gutheissung vollendet habe.
Mainzer Acceptation von 1439. 81
Eine andere Frage ist, wann das Konzil sich der deutschen
Anliegen annahm. Sein Geschichtschreiber Johann von Sego-
via berichtet, dass es den Basler Abgesandten auf dem Mainzer
Reichstag nicht gelungen sei, auch nur eine Abschrift der
Acceptationsurkunde zu erhalten, dass aber die Bischöfe von
Passau und Lübeck ihnen die Dringlichkeit der von der Synode
zu erbittenden Beschlüsse ans Herz gelegt hätten l). Wie lange
noch ward trotzdem gezögert, das Konzil wirklich um Bestäti-
gung des Dokuments von 1439 anzugehen! Erst im März 1446,
nach der Absetzung der Erzbischöfe von Köln und Trier durch
den Papst (24. Januar 1446), beschlossen die zu Frankfurt
versammelten Kurfürsten, zunächst solle Eugen IV. um An-
erkennung der Mainzer Acceptation samt ihren Zusätzen ge-
beten werden. Verweigere er sie, so sei dem Konzil die
gleiche Bitte zu unterbreiten, derart dass es nach ihrer Erfül-
lung anerkannt werde, dass es freilich auch sich selbst an einen
von den Kurfürsten bestimmten Ort verlegen müsse2). Die
weiteren Klauseln, ohne die ein deutsches Aktenstück jener
Tage nicht zu denken ist, bedürfen hier nicht der Anführung.
Den Boten nach Basel wurden zugleich Entwürfe mitgegeben,
deren einer die konziliare Bestätigung der kurfürstlichen Pro-
positionen enthielt, das heisst die Billigung der Mainzer Zu-
sätze von 1439 mit Ausnahme der vier letzten, im Jahre 1439
noch geforderten Reformen 3). Langwierige und erregte Ver-
x) Vgl. den Abdruck der entscheidenden Stellen bei Koch, Sanctio
pragmatica S. 267. 271.
2) Hierzu wie zum Folgenden vgl. u. a. W. Puckert, Neutralität
S. 252 ff. A. Bachmann a. a. 0. LXXV, S. 169 ff.
3) Der Entwurf der Konzilsbulle findet sich bei St. A. Würdt-
wein, Subsidia VIII, p. 107 — 117; darin ist eingeschaltet (S. 109—112)
ein zweiter für die Bestätigung der Mainzer Acceptation und ihrer Zu-
sätze. Wir zählten deren früher (vgl. S. 57 ff.) im ganzen 15. Der
Entwurf wiederholt von ihnen die ersten elf, d. h. die Zusätze zu den
Abschnitten II (aus sessio Basil. XII), IX (aus sess. XXI). XXII (aus
sess. XXIII) und XXV (aus sess. XXXI). Nicht wiederholt sind die
W e r m i n g h o i f , Nationalkirchliche Bestrebungen. 6
82 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
handlungen in Rom waren die Folge und brachten nur neuen
Aufschub *). Von Basel überbrachte wohl eine Gesandtschaft
des Konzils dem Frankfurter Reichstag (September und Oktober
1446) die Erfüllung aller Forderungen des Frühjahres. Noch
hoffte sie auf die Oboedienz des Reiches, das vom Papst für
immer sich abkehren würde — , aber ihr Warten und Werben
war vergeblich. Dem Geschick des königlichen Geheim-
schreibers Enea Silvio gelang es, eine Formel zu finden, die
den Kurfürstenbund sprengte, das Konzil ausschaltete und
Eugens IV. Nachgiebigkeit nicht allzusehr belastete. Nun waren
weitere Verhandlungen mit Basel nicht mehr nötig, die mit
dem Papste um den endgültigen Anschluss des Reiches an Rom
vier letzten Zusätze mit den Wünschen weiterer konziliarer Reformen. An
ihre Stelle ist folgender Passus getreten, der sich unmittelbar an den letzten
Zusatz 11 zu Abschnitt XXV bezüglich der päpstlichen Gratien und der Be-
vorzugung von Deutschen zumal für deutsche Pfarrkirchen (s. oben S. 73 f.)
anschliesst: Verum quia in multis ecclesiis dicte nacionis statutum in-
venitur vel extat consuetudo, quod inibi duntaxat illustres aut alias certo
geniture modo qualificate persone recipiuntur, noluerunt per acceptationem
dictorum decretorum illi consuetudini vel statuto quoquomodo praeiudi-
cari, nisi in quantum inter personas premisso modo geniture qualificatas
persone graduate et iuxta formam ipsius decreti qualificate reperiantur,
inter quas decretum ipsum in ecclesiis huiusmodi tantummodo servetur
(Würdtwein a. a. 0. VIII, S. 111). Ueber den Adel als Vorbedin-
gung für den Eintritt in Domkapitel oder Klöster vgl. meine Literatur-
angaben in Meisters Grundriss der Geschichtswissenschaft II, G
(Leipzig 1907), S. 52 f. und S. 64 Anm. 1, die aber dank neuerer Ar-
beiten namentlich aus der Schule von A. Schulte mancher Ergänzung
bedürfen, z. B. durch W. Pelster, Stand und Herkunft der Bischöfe
der Kölner Kirchenprovinz im Mittelalter. Weimar 1909. F. Simon
Stand und Herkunft der Bischöfe der Mainzer Kirchenprovinz im Mittel-
alter. Weimar 1908. H. Werner: Deutsche Geschichtsblätter IX (1908),
S. 251 ff. — Das Mittelstück des Entwurfs ist von Koch, Sanctio prag-
matica S. 171 ff. als eine im Jahre 1439 vollzogene Urkunde des Konzils
abgedruckt; W. Puckert, Neutralität S. 98 Anm. 1 tadelt dies Ver-
fahren mit gutem Recht.
*) Vgl. auch C. Brockhaus, Gregor von Heimburg (Leipzig 1881)
S. 62 ff.
Mainzer Acceptation von 1439. 83
konnten jetzt ihren Lauf nehmen — , dem Frankfurter Tage
folgten die Fürstenkonkordate von 1447, das Wiener Kon-
kordat von 1448.
Ein weiter , vielleicht allzuweiter Weg ist zurückgelegt.
Er ergab, dass der Inhalt des Mainzer Acceptationsinstruments
auf lange Strecken abhängig ist von dem der pragmatischen
Sanktion, dass man aber auch in Mainz Rücksicht zu nehmen
verstand auf deutsche Bedürfnisse. Für beide Dokumente
boten die Beschlüsse des Basler Konzils den Rohstoff dar, und
hieraus folgt von selbst, dass wohl eine Reformation angestrebt
wurde im Sinne der letzten allgemeinen Kirchenversammlung
des 15. Jahrhunderts, nicht aber, weder für Frankreich noch
für Deutschland, ein kirchlicher Neubau. Hindert diese Tat-
sache, in den Urkunden der Jahre 1438 und 1439 Verfas-
sungsurkunden für eine französische oder deutsche Kirche zu
erblicken, so darf nicht vergessen werden, dass die Trag-
weite der pragmatischen Sanktion eine ganz andere war als
die der Mainzer Acceptation. Jene wies, weil alsbald vom
König als ein für seine Kirche gültiges Gesetz verkündet, dem
in Frankreich gültigen Kirchenrecht neue Bahnen, neue Ziele,
die der hier aufgerichteten Kirche vor dem Papste Schutz ge-
währen, dem König aber sie zur Verfügung stellen sollte.
Diese Kirche Frankreichs trug hinfort das Gepräge einer natio-
nalen Kirche oder, weil der König ihr Grundgesetz erlassen
hatte, dessen Einzelbestandteile von Haus aus Reformdekrete
einer kirchlichen Instanz waren, diese Kirche Frankreichs näherte
sich einer Staatskirche, deren äussere Ordnungen der Wille
des Herrschers bestimmte *).
Nicht so die Mainzer Acceptation. Die verfassungsmässigen
]) Vgl. J. Ha 11 er: Korrespondenzblatt des Gesaratvereins der deut-
schen Geschichts- und Altertumsvereine LVIII (1910), S. 22. 24. Der Vor-
trag H a 1 1 e r s (ebd. S. 9 ff. abgedruckt) ging mir erst während der
Korrektur zu, so dass ich nur in einer nachträglich eingefügten Anmer-
kung auf ihn verweisen kann.
84 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Organe des deutschen Reiches, der König und die Kurfürsten,
hatten sich in ihr vereinigt mit den Vertretern der Metropolitan-
verbände auf deutschem Boden. Auch sie waren willens ge-
wesen, die Ergebnisse der Basler Reform, die Gesamtheit der
acceptierten Dekrete nebst den eigenen Zutaten zum Gesetz
zu erheben, zugleich aber war man bedacht, für den ersten
Schritt, eben die Annahme der Dekrete, und für die Rück-
sichtnahme auf deutsche Interessen in den Nachträgen gleich-
sam noch einmal Indemnität zu erbitten, und zwar vom Konzil,
dem man zuneigte, obwohl man die früher übernommene
Verpflichtung zur Neutralität zwischen Rom und Basel noch
immer als bindend anerkannte und aufs neue durch sie sich
gebunden erachtete. Es ist darum, mag es gleich häufig ge-
schehen sein, nicht richtig, die Mainzer Urkunde die pragmatische
Sanktion der Deutschen zu nennen. Dazu fehlte ihr der Wille,
dazu die Kraft. Sie war nur ein Versuch zu nationaler Aus-
gestaltung der kirchlichen Verfassung auf deutschem Boden,
ein Versuch im gefährlichen Augenblick, weil er gemacht
wurde zu einer Zeit, da, je länger der Zwist zwischen Papst
und Konzil dauerte, er um so mehr sich verschärfte, bis er in
der Wahl des Gegenpapstes Felix V. am 5. November 1439
zu einem neuen Schisma führte. Es frommt nicht dem Staate
eine neue Verfassung zu geben unter Umständen, die ihn, ob-
gleich wider Willen, in einen auswärtigen Krieg zu verwickeln
drohen. Auch die Reform der kirchlichen Verfassung in einem
Lande kann, wenn anders sie fruchtbringend sein will, nicht
in Angriff genommen werden, wenn der entscheidende Wille
der berufenen Organe fehlt. In Frankreich war die Reform ge-
lungen, während die Grundvesten der gesamtkirchlichen Organi-
sation, die bislang in das Dasein ihres französischen Anteils be-
stimmend eingegriffen hatte, ins Wanken geraten waren. In
Deutschland mit seinem Wirrsal territorialer und partikularer
Tendenzen fehlte die wollende, die schaffende Persönlichkeit.
Seine kirchliche Reform musste Stückwerk bleiben, ja nur ein
frommer Wunsch, sobald sie hineingezogen wurde in den
Mainzer Acceptation von 1439. 85
Strudel der Kämpfe zwischen König und Kurfürsten, Kurie
und Konzil *).
*) H. Werner hat in seiner Ausgabe der Reformation des Kaisers
Sigmund (Berlin 1908) dargetan, wie stark diese Schrift von der Mainzer
Acceptation abhängig ist (vgl. dazu seinen Aufsatz im Neuen Archiv
XXXH, 1907, S. 742 ff.). Ich vermeide, auch sie in den Kreis der Be-
trachtungen einzubeziehen, um nicht den schon allzu ausgedehnten Auf-
satz noch weiter zu spinnen. Gebe ich auch Werners These bezüglich
der Abhängigkeit jenes Traktats von der Mainzer Urkunde zu, so mache
ich mir doch nicht jedes Urteil über diese selbst zu eigen, ohne freilich
hier in eine Einzelpolemik eintreten zu wollen. — W. Köhler ist
dem Verhältnis von Luthers Schrift An den christlichen Adel deutscher
Nation zu den Basler Reformbeschlüssen nachgegangen, hat es aber ab-
gelehnt, die Beziehungen zwischen Luther und der Mainzer Acceptation
darzulegen, da diese im wesentlichen Basler Dekrete übernommen habe
(Luthers Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation im Spiegel
der Kultur- und Zeitgeschichte, Halle 1895, S. 138 ff. 145 Anm. 1). Für
Luther boten die ersten 15 Konzilssitzungen keinen Stoff, die Acceptation
hat die 16. Sitzung (12. Februar 1434) nicht berücksichtigt, wohl aber
die 20. in den Abschnitten V — VIII (über ihre Verwertung durch Luther
vgl. Köhler a. a. 0. S. 141 f.), die 21. in den Abschnitten IX— XIX
(vgl. ebd. S. 142 f.), die 23. in den Abschnitten XX— XXIII (vgl. ebd.
S. 143); die 30. Sitzung ist nur in der Acceptation (Abschnitt XXIV),
nicht aber von Luther berücksichtigt, die 31. in den Abschnitten XXV
und XXVI der Acceptation (über Luther vgl. Köhler S. 143 f.). Die
Forderungen der beiden ersten Zusätze zu Abschnitt XXVI der Accep-
tation betreffend Ehehindernisse und Exemtionen (s. oben S. 75 f.) finden
sich auch bei Luther (vgl. die Weimarer Ausgabe seiner Werke VI, S. 442 f.
429), ohne dass er sie unmittelbar aus der Acceptation entlehnt zu haben
brauchte, da er mit seinem Verlangen „nur einem allgemeinen Bedürfnis
entgegenkam" (Köhler a.a.O. S. 145). Ueber Luther und die prag-
matische Sanktion vgl. ebd. S. 144. Beide stützen sich auf Basler
Dekrete, daher ihre Berührungspunkte, doch finden sich keine Beziehungen
Luthers zu den Zusätzen in der Sanktion. Luther kannte aber jedenfalls
die französische Urkunde , da er wiederholt die Abwehr päpstlicher
Uebergriffe in Frankreich rühmt (Weimarer Ausgabe VI, S. 417. 433).
Fünfter Abschnitt.
Das Wiener Konkordat vom Jahre 1448.
Feierlich war am 26. März 1439 zu Mainz die Acceptation
der Basler Dekrete verkündet worden1). König Albrecht IT.
starb am 27. Oktober 1439 und zu seinem Nachfolger wurde
am 2. Februar 1440 Friedrich III. gewählt. In Basel ward
am 5. November 1439 der Herzog Amadeus von Savoyen zum
Gegenpapst erhoben, und etwas mehr denn sieben Jahre wogte
der Kampf zwischen beiden Päpsten um die Oboedienz des
neutralen Deutschen Reiches. Erst am 7. Februar 1447 konnte
Eugen IV. die Erklärung entgegennehmen, dass die deutsche
Nation durch die Leistung der Oboedienz seitens ihres Königs
wiederum in das römische, papale Kirchentum eingetreten sei.
Am 17. Februar 1448 besiegelte Friedrich III. das Wiener
Konkordat, das Eugens IV. Nachfolger -Nikolaus V. von sich
aus am 19. März 1448 verkündete.
Mit diesen kurzen Sätzen soll eine Periode von neun Jahren
gekennzeichnet werden, die durch das immer weitere Zurück-
treten der nationalkirchlichen Gedanken des Jahres 1439 ihr
Gepräge erhält. So schwach diese gleich entwickelt sein
mochten, jedenfalls erfolgte noch im Laufe des Jahres 1439
die entscheidende Wendung. Nach Eugens IV. Absetzung
durch das Konzil am 25. Juni 1439 wäre es an der Zeit ge-
J) Zum Folgenden vgl. besonders Gr. Voigt, Enea Silvio I, S. 247 ff'.
W. Puckert, Neutralität S. 109 ff. Hefele, Konziliengeschichte VII,
S. 777 ff. A. Bachmaun a. a. 0. LXXV, S. 68 ff. V. von Kraus,
Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters I, S. 82 ff. 177 ff.
Wiener Konkordat von 1448. 87
wesen, dem Ausbau der angenommenen Dekrete durch ihre
Einführung als Reichsgesetz alle Kräfte zu widmen; dafür aber
ward die Ausgestaltung der Neutralität in die Wege geleitet
und, in ihrem Gefolge, die Stärkung des territorialkirchlichen
Regiments, das aus dem Streite zwischen Papst und Konzil
neue Kräfte zu gewinnen sich bemühte und das eben des-
halb die Fürsorge für das gesamtdeutsche Kirchenwesen aus-
schloss.
Als Zeugnis dieses Abfalls vom Ziele der Acceptation wird
ein Entwurf anzusehen sein, der dem Aktenmaterial des Frank-
furter Reichstags vom November 1439 angehört1). Er stellt
jegliche Verletzung der Neutralität unter die strengen Strafen
des Vermögensverlustes und der Landesverweisung. Da nicht
nur die allgemeine Kirche, sondern auch andere Kirchen —
man beachte den Gegensatz — durch jenen Kampf schwer
gelitten hätten, so würden König und Kurfürsten hinfort
keinerlei Prozesse, Mandate, Satzungen und Dekrete in ihren
Ländern und Herrschaften mehr annehmen; den Zuwider-
handelnden sollte Strafe treffen. Dafür würden geistliche
und weltliche Konsistorien einzurichten sein, die jedem Bitt-
steller sein Recht zu teil werden Hessen. Auf dass endlich nie-
mand die Urheber solcher Ordnungen für des Hauptes ent-
behrend halte, gleichsam als wollten sie jeder übergeordneten
Autorität sich entziehen, wird erklärt, eine Verweigerung der
Oboedienz gegenüber dem Konzil oder dem Papste sei nicht
beabsichtigt. Man wolle neutral bleiben, bis durch ein anderes
heiliges allgemeines Konzil oder nach dem Rat von Gelehrten
wie Doktoren und der Fürsten des heiligen römischen Reiches
ein Beschluss darüber gefasst wäre, was zu tun, wem Gehor-
sam zu leisten sei2).
a) St. A. Würdtwein, Subsidia VIII, p. 86—91 ; vgl. dazu A. Bach-
mann a. a. 0. LXXV, S. 64 ff. H. R. von Srbik, Die Beziehungen
von Staat und Kirche in Oesterreich während des Mittelalters (Inns-
bruck 1904), S. 11.
2) Experientia nos diuturna edocuit statum non solum univer-
gg Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Die Bedeutung dieses Entwurfes, den der Erzbischof von
Köln für das Gebiet seiner Kirche verkündete1), für die Ge-
schichte der landeskirchlichen Bestrebungen liegt auf der Hand.
Leider lässt er die Frage unbeantwortet, ob jene consistoria spiri-
tualia in den geistlichen, die consistoria secularia in den welt-
lichen Territorien eingeführt werden sollten, oder ob Zusammen-
setzung und Zuständigkeit einer jeden Art von Konsistorien je
nach den ihrer Judikatur unterworfenen Angelegenheiten, hier
der geistlichen, dort der weltlichen, sich zu richten habe2).
Jedenfalls konnte ihre Bildung nur vorübergehend sein, gerade
sie aber machte die Einsetzung eines Organes für alle Landes-
salis, sed et aliarum ecclesiarum confundere graviter . . . Nolumus
tarnen ... ea, que pro utraque parte prius rite facta, data aut concessa
fuerint, in aliquo ledere, sed illa in omni suo robore cum effectu durare
et firmiter observare. Et sie nostra tarn spiritualia quam secularia
ordinabimus consistoria, ut unieuique petenti, quomodolibet cessante
impedimento, iusticia ministretur. Ut autem pia et sincera omni menti
clareat intencio nee quisquam nos ut aeephalos (s. unten S. 89 Anm. 3) videre
aut sine superiori auetoritate stare velle sinistre forsan suspicetur, dici-
mus, . . . quod . . . non intendimus neque volumus ab obediencia sacri
concilii aut sanete sedis apostolice quomodolibet recedere, sed . . . animos
nostros suspensos tenere, donec per aliud sacrum generale aut ycumeni-
cum concilium aut alias de consilio literatorum et doctorum nostrorum
sacrique Romani imperii optimatum quid agendum, cui pocius obedien-
dum sit, conclusum fuerit seu determinatum (Würdtwein a. a. 0. VIII,
S. 90 f.).
!) Vgl. die Urkunde des Erzbischofs von Köln d. d. 1439 Nov. 28
bei J. Hansen, Westfalen und Rheinland im 15. Jahrhundert I (Publi-
kationen aus den K. Preussischen Staatsarchiven XXXIV. Leipzig 1888),
S. 31 ff. n. 24.
2) Für die letztere Alternative entscheidet sich die Uebersetzung
von A. Bachmann a. a. 0. LXXV, S. 65. Für die erste spricht, dass
der Erzbischof von Köln (s. vorige Anm.) den Entwurf bekannt machte
super modo in terris et dicionibus nostris tenendo quoad obedienciam,
quam utraque parcium (Papst und Konzil) . . . a nobis et subditis nostris
conatur exigere (J. Hansen a. a. 0. I, S. 32), nicht also handelt als
Erzbischof der Kölner Erzdiözese, geschweige denn als Metropolitan der
Kölner Kirchenprovinz, sondern als Landesherr des Gebietes der Kölner
Kirche; vgl. dazu Historische Vierteljahrschrift 1908, S. 179 Anm. 1,
Wiener Konkordat von 1448. 89
kirchen — nur der Kürze halber sei dieser für das 15. Jahr-
hundert noch unstatthafte Ausdruck erlaubt1) — unmöglich,
wenn nicht überflüssig. Dass den Urhebern des Entwurfes eine
Empfindung davon vorschwebte , zeigt die Besorgnis vor dem
Argwohn, dass die, welche ihn annähmen, ohne Haupt erscheinen
möchten, als wollten sie jeder höheren Autorität sich entziehen.
Solcher Verdacht hätte in der Bildung einer Instanz für die
gesamtdeutschen Kirchendinge eine Stütze gefunden; dieser
Ausweg aber liess sich nur dann einschlagen, wenn den Kur-
fürsten die Auflösung des alten Verfassungsbaues der Kirche,
die gänzliche Lossagung von ihm vor Augen stand 2). Ein so
weites Ziel war nicht geplant; denn erspriesslicher dünkte die
Kräftigung der Landeskirchen, die Abkehr also vom Grund-
gedanken der Acceptation um der Neutralität willen und für
die Dauer ihres Bestehens. Nicht mit Unrecht meinte später
Enea Silvio von der Zeit nach 1439: „Germanien hüllte sich
in eine Art von Neutralität, indem es lange von keiner Partei
Mandate entgegennahm. Es machte das Regiment seiner Bischöfe
zu einer monströsen Kirche und liess die deutsche Nation
selbst des Hauptes entbehren" 3), und des Zeitgenossen Urteil
ist auch das von A. Bachmann: „Weil man auf falschem Wege
war, falsch insofern, als die Führer der Bewegung das Ende,
dem sie zusteuerten, nicht kannten und nicht wollten, und
auch deshalb aussichtslos, weil die Zeit nicht reif dazu war,
eine Reformation, die zugleich eine Revolution war, zu fassen
und zu ertragen, blieb der Schaden, der den Deutschen jetzt
!) Vgl. H. R. von Srbik a. a. 0. S. 16 f. Historische Vierteljahr-
schrift 1908, S. 175.
2) A. Bachmann a. a. 0. LXXV, S. 66.
3) Enea Silvio, De ritu, situ, moribus et condicione Germaniae de-
scriptio (Basler Ausgabe seiner "Werke 1571, p. 1040): Germania neutrali-
tatem quandam induit diuque postea nullius partis mandata suscipiens
suorum episcoporum regimen monstriferam ecclesiam ipsamque nationem
acephalam (s. oben S. 87 Anm. 2) reddidit. Multi post haec in Germania
conventus habiti sunt.
90 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
aus der Nichtdur chführung der kurfürstlichen Absichten er-
wuchs, kaum nennenswert. Aber geradezu unermesslich war
der Nachteil, den die Nation und die ganze Kirche andererseits
erlitten, indem die Deutschen, statt die Reformdekrete von
Basel für sich zu erwerben und sie gegen das zuletzt sieg-
reiche Papsttum zu sichern , ihrer jahrelangen unfruchtbaren
Neutralität nachgingen, deren Beseitigung hinterher nicht etwa
Rom, sondern Deutschland mit seiner Verzichtleistung eben
auf das Wesentliche der bisherigen Reformen aufs teuerste
bezahlte"1)-
Es würde zu weit führen, die allmähliche Preisgabe der
auf dem Mainzer und Frankfurter Reichstag eingenommenen
Stellungen, dort einer mehr nationalkirchlichen, hier einer
ausgesprochen landeskirchlichen, bis in ihre Einzelheiten hin-
ein zu verfolgen. „ Viele Versammlungen wurden in Deutsch-
land abgehalten" 2), diese Worte unseres Gewährsmannes
Enea Silvio genügen um so mehr, als die Untersuchungen
namentlich von A. Bachmann die Ereignisse selbst Schritt für
Schritt begleitet haben. Reichs- und Kurfürstentage, Ver-
handlungen und Umtriebe folgten einander im bunten Wechsel
ihrer Bedingtheit durch die staatliche und kirchliche Lage des
Augenblicks, und sieben Jahre hindurch rangen der König und
das Kurfürstenkolleg um den schliesslich so geringen Ertrag
des WTiener Konkordats. Sie mochten aufatmen, als Papst
Nikolaus V. (1447 — 1455) es bestätigt hatte3), ohne hinter-
drein das Salvatorium seines Vorgängers Eugen IV. vom
5. Februar 1447 zu wiederholen, jene Urkunde, kraft der alle
seine Zugeständnisse widerrufen wurden, sollten sie irgendwie
der Lehre der heiligen Väter, den Privilegien und der Macht-
vollkommenheit des apostolischen Stuhles Abbruch tun4).
[) A. Bachmann a. a. 0. LXXV, S. 66.
2) Vgl. oben S. 89 Anm. 3.
3) Koch, Sanctio pragmatica S. 235 ff.
4) Vgl. den Auszug bei Koch a.a.O. S. 29 Anm. t (vollständig:
Neue und vollständigere Sammlung der Reichsabschiede I, Frank-
Wiener Konkordat von 1448. Ol
Die Ursachen dieses Verlaufs werden in verschiedenen
Momenten zu suchen sein. Einmal in der Stellungnahme zum
Streit zwischen dem römischen Papst und der Kirchenver-
sammlung überhaupt. Von vorneherein war es unklug ge-
wesen, die Rolle des neutralen Zuschauers zu wählen, ohne
sie dann bis zu ihrem Ende durchzuführen. Sie bewirkte, dass
von beiden Seiten das Deutsche Reich umworben wurde, dass
es sich nicht über die Parteien erhob, sondern sich dem
Wechselspiel der Angebote, Drohungen und Kampfesmittel
anheimgegeben sah. Wie wenig nahm Eugen IV. Rücksicht
auf die deutsche Neutralität, als er im Jahre 1446 die ihm wider-
strebenden Erzbischöfe und Kurfürsten von Köln und Trier
entsetzte. Wie mühselig waren dann die Verhandlungen bis
zu ihrer Wiederherstellung, ganz abgesehen davon, dass eine
auf ihre Prärogative bedachte Reichsgewalt ganz anders den
päpstlichen Eingriff in das Recht des Kurfürstenkollegs hätte
abwehren müssen. Von nicht zu unterschätzender Wirkung
war ferner der Wechsel im Königtum, der einem wenig tat-
kräftigen Fürsten den entscheidenden Einfluss auf die Dinge
einräumte , war die Vielköpfigkeit des Kurfürstenkollegs , in
dem zu den Gegensätzen der Personen, des Klerus und der
Laienwelt die der territorialen Wünsche traten, war die ganze
Schwerfälligkeit der einander in Unfruchtbarkeit sich ab-
lösenden Reichstage und Versammlungen. Dem Reiche gegen-
über stand ein Papsttum, das sich gleich blieb in der Ver-
werfung des Basler Konzils, das nur das eine Ziel verfolgte,
fürt a. M. 1747, S. 178): . . . protestamur, quod per quaecunque a nobis
dictis regi, archiepiscopo, marchioni, praelatis, principibus ac nationi
responsa et respondenda, concessa et concedenda non intendimus in
aliquo derqgare doctrinae sanctorum patrum aut praefatae sedis privi-
legiis et auctoritati, habentes pro non responsis et non concessis, quae-
cumque talia a nobis contigerit emanare. Siehe auch die Urkunde
Nikolaus' V. vom 28. März 1447 (Koch a. a. 0. S. 197 ff.), die Rede
des Enea Silvio (ebd. S. 340) und He feie, Konziliengeschichte VII,
S. 835. 837.
92 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
die alte Position über der gesamten Kirche und damit dem
Kirchenwesen in deutschen Landen wiederzugewinnen. Es
ward bedient von geschäftsgewandten Unterhändlern, die
gleichsam ahnten, welcher Partei der Sieg schliesslich zufallen
würde, die in die Divergenzen königlicher und kurfürstlicher
Bestrebungen nur allzu genaue Einblicke getan hatten. Dies
Papsttum trug kein Bedenken, die Stimmen der in Deutsch-
land ausschlaggebenden Fürsten zu gewinnen durch Zuge-
ständnisse an ihre territoriale und partikularistische Macht
gegenüber der kirchlichen Verfassung und Verwaltung im
Umkreis der landesherrlichen Einzelgebiete 1). Es war in-
folgedessen um so weniger fähig oder nur auch gewillt, dem
Kirchenwesen der Nation Einräumungen zu machen, als es
durch seinen Bund mit dem Fürstentum den Episkopat für
seinen Reformeifer strafte und zugleich die Ansätze landes-
kirchlicher Bildungen förderte. Alles zusammen und jedes für
sich, es wirkte in derselben Richtung. Es verhinderte eine
Ausgestaltung des von Haus aus schwachen Versuches einer
deutschen Nationalkirche, der in der Mainzer Acceptation unter-
nommen worden war.
Nicht als ob diese sofort nach ihrer Verkündigung ver-
gessen worden sei. So wenig bedeutete sie weder dem deut-
schen Könige noch ihren Urhebern, und wiederholt wird in
den Jahren 1440 — 1447 an sie erinnert2), so in einem Gut-
achten der Erfurter Universität vom Sommer 1440, in Fried-
richs III. Instruktion für seine Gesandten zum Mainzer Reichs-
tag im Februar 1441, im Entwurf eines königlichen Patents
vom Jahre 1444, das entsprechend den Wünschen der Kur-
fürsten im ganzen Reiche die Mainzer Urkunde als rechts-
kräftig bekannt machen wollte, wobei freilich einem Fried-
rich III. die Willenskraft eines Karl VII. zugetraut wurde.
*) Vgl. Historische Viert eljahrschrift 1908, S. 163 f. 174 und nament-
lich die bereits zitierten Arbeiten von B. Hennig und H. R. v. Srbik.
2) Zum Folgenden vgl. A. Bachmann a. a. 0. LXXV, S. 82. .79.
169. 195.
Wiener Konkordat von 1448. 93
Noch in der kurfürstlichen Vereinigung vom 21. März 144G
ward beschlossen, Eugen IV. als rechtmässiges Oberhaupt der
Kirche anzuerkennen, sollte er nicht nur ein neues Konzil
einberufen, sondern auch die Dekrete von Konstanz und Basel
annehmen samt jenen Aenderungen, die in der Mainzer Accep-
tation sich fanden; im anderen Falle werde man das Basler Konzil
angehen und, sollte es den Wunsch der Kurfürsten erfüllen,
zu seiner Oboedienz sich bekennen x). Je grösser freilich der
zeitliche Abstand von jener Versammlung des Jahres 1439 wurde,
desto weniger eindrucksvoll waren die Berufungen auf seine Be-
schlüsse, denen letzthin nur noch die für gesetzgeberische Mass-
nahmen wenig empfehlenswerte Eigenschaft verblieb, „schätz-
bares Material" zu weiteren Verhandlungen zu sein. Noch kurz
vor seinem Tode (23. Februar 1447) belohnte Eugen IV. die Oboe-
dienzleistung Friedrichs IIL und der meisten Kurfürsten mit
der Zusage, ein Konzil in eine deutsche Stadt zu berufen, das
Konzil von Konstanz, das Dekret Frequens et alia eius decreta
wie auch die übrigen Synoden, welche die streitbare Kirche
darstellten, anzuerkennen 2). Am gleichen Tage, am 5. Februar
1447, verkündete er in einer zweiten Bulle: „Hinsichtlich
anderer von König Albrecht ruhmreichen Angedenkens an-
genommener Dekrete, durch welche viele Beschwerden der
deutschen Nation gehoben sein sollen, sind wir zufrieden und
beschliessen wir, dass alles, was kraft dieser Dekrete und
der ihnen beigefügten Modifikationen von denen, die sie an-
genommen haben, und ihren Anhängern bis jetzt irgendwo
geschehen ist, samt allen Folgen gültig und unverletzlich
bleibe und nie annulliert oder widerrufen werden kann." Der
Papst stellte zugleich die Entsendung eines Legaten in Aus-
sicht, „da einige deutsche Prälaten klagten, dass sie durch
jene Dekrete beschwert worden seien, und da durch sie dem
*) S. auch oben S. 81 f.
2) Bulle ,Ad ea ex debito* von 1447 Februar 5; Koch, Sanctio prag-
matica S. 181 f.
94 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
in seinen Rechten schwer geschädigten apostolischen Stuhl ein
Ersatz versprochen ist" *). Er gestattete endlich die Anwendung
jeuer Dekrete und ihrer Umänderungen, bis durch den Legaten
ein Konkordat abgeschlossen oder durch das einzuberufende
Konzil andere Verfügungen getroffen seien 2). Noch im Jahre
1447 also betrachtete Eugen IV. die Frage nach der Gültig-
keit der Mainzer Acceptation als eine offene: weder verwarf
noch auch bestätigte er sie; alles gab er der Geschicklichkeit
seines Unterhändlers anheim. Ein Jahr später enthielt endlich
das Wiener Konkordat3) noch weit weniger Zugeständnisse,
als Eugen IV. eingeräumt hatte. An sie erinnerte im Ab-
kommen nur der eine Satz4): „In anderen Punkten, die durch
Papst Eugen IV. seligen Angedenkens der deutschen Nation
bis zur Zeit eines zukünftigen Konzils erlaubt, gewährt, nach-
gelassen und beschlossen wie auch durch den Papst Nikolaus V.
bestätigt sind 5), wird diesmal nichts geändert , soweit sie der
*) Vgl. oben S. 61 Anm. 1.
2) Bulle ,Ad tranquillitatem* von 1447 Februar 5; Koch a.a.O.
S. 183 ff. — Ebendort S. 186 f. und S. 188 ff. zwei weitere Bullen vom 5. und
7. Februar 1447 (,Ad ea quae' und ,Inter cetera desideria'), alle vier (s. S. 93
Anm. 2) insgesamt die neuerdings sogenannten Fürstenkonkordate.
3) K. Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der deutschen
Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit (Leipzig 1904), S. 221 ff.
(im folgenden stets benutzt). Die älteren Drucke verzeichnet G. Voigt,
Enea Silvio I, S. 418 Anm. 1; dazu kommen u. a. die bei W. Altmann
und E. Bernheim, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte
Deutschlands im Mittelalter (4. Aufl., Berlin 1909), S. 144 ff. C. Mirbt,
Quellen zur Geschichte des Papsttums (2. Aufl., Tübingen und Leipzig 1901),
S. 165 ff. A. Galante, Fontes iuris canonici selecti (Oeniponte 1906),
p. 209 ff.
4) In aliis autem, que per felicis recordacionis dominum Eugenium
papam quartum pro natione prefata usque ad tempus futuri generalis
concilii permissa, concessa, indulta atque decreta et per memoratum
sanctissimum dominum nostrum papam Nicolaum confirmata fuere, in
quantum illa concordie presenti non obviant, ista vice nihil extitit
inmutatum (Zeumer S. 223).
6) Vgl- die Bulle Nikolaus' V. 1447 März 28 ; K o c h a. a. O.
S. 197 ff.
Wiener Konkordat von 1448. 95
gegenwärtigen Einigung nicht widersprechen." Damit waren
Eugens IV. Urkunden vom Jahre 1447 als eine das Konkordat
ergänzende Gewährung des römischen Stuhls bezeichnet, jedoch
nur in den allgemeinsten Ausdrücken. Der Name des Basler
Konzils war verschwiegen, jede Erwähnung der Mainzer Accep-
tation wie ihrer Nachträge vermieden. Das rechtliche Verhält-
nis zwischen dem Papst und der deutschen Nation sollte zurück-
gebracht werden auf den Stand vor und während des Kon-
stanzer Konzils, das in seinen Beschlüssen sich nicht so weit
vorgewagt hatte wie das zu Basel. Vereinbart zu einer Zeit,
als das Papsttum bereits durch Zugeständnisse an die Territorial-
fürsten die Ansätze deutscher Landeskirchen auf deutschem
Boden gefördert hatte, machte das Konkordat eine einheitliche
deutsche Nationalkirche unmöglich.
Dieser letzte Satz scheint ein Widerspruch zu dem früheren
zu sein, dass in Frankreich durch die pragmatische Sanktion von
Bourges der Kirche des Landes das Gepräge einer nationalen
Kirche zu teil geworden sei *). Warum soll dem Konkordat von
1448 nicht derselbe Wert für das deutsche kirchliche Wesen zu-
erkannt werden können? Unsere Antwort hat davon auszu-
gehen, dass die pragmatische Sanktion von der königlichen
Gewalt der Kirche ihres Landes als Gesetz auferlegt war, nach-
dem stillschweigend die päpstliche Gewalt, die Vertreterin der
gesamtkirchlichen Organisation, von jeder Mitwirkung an solchem
legislatorischen Akt ausgeschlossen war. Als Rechtsgrund des
Wiener Konkordats hingegen konnte nach der noch im 15. Jahr-
hundert herrschenden Theorie von der Superiorität der Kirche
über den Staat nur die päpstliche Privilegierung zu Gunsten
des Staates angesehen werden, eine widerrufliche Verleihung
demnach, während der Staat an die von ihm übernommenen,
aber eigentlich ihm schon ohnedies obliegenden Verpflichtungen
gebunden blieb 2). Dazu kam , Karls VII. von Frankreich
*) Vgl. oben S. 83.
») Vgl. B. Hübler: Zeitschrift für Kirchenrecht III (1863) S. 410 flf.
90 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Wille allein hatte rechtserzeugende Kraft, mochte er gleich vor
seiner Verkündung bestimmt sein durch den Rat derer, die „seine
Kirche" vertraten, mochte der Inhalt seines Willenaktes beruhen
auf konziliaren Satzungen und deren Ergänzungen. In Deutsch-
land dagegen handelte Friedrich III. wohl im Namen der
deutschen Nation, unter Zustimmung der meisten geistlichen
und weltlichen Reichsfürsten, in formeller Bindung also an den
Willen von Reichsständen. Jeder dieser Reichsstände forderte
für sich einen Anteil an der Gesetzgebung, sobald sie im all-
gemeinen Interesse des die reichsständischen Gebiete um-
schliessenden Reichskörpers Gehorsam heischte für ihre Ord-
nungen auch innerhalb der Territorien, über die ihre Inhaber
wohl die Landesherrlichkeit, nicht aber die souveräne Hoheits-
gewalt beanspruchen durften. In Frankreich wurde die Sank-
tion sofort Gesetz und, nachdem sie am 7. Juli 1438 besiegelt
war, schon wenig mehr denn ein Jahr später, am 13. Juli
1439, zu Paris im Parlament verlesen und verkündet1). In
Deutschland war man, der ganzen Reichsverfassung entspre-
chend, vorsichtiger und darum auch langsamer. Es wurde
unterlassen, das Konkordat einem allgemeinen Reichstag zur
Genehmigung vorzulegen. Mit den einzelnen Fürsten und
Reichsständen wurde darüber verhandelt, die es dann gegen
mehr oder weniger wichtige Zugeständnisse billigten2). Als
erster trat ihm im April 1448 der Erzbischof von Salzburg bei,
im November 1476 als letzter der Bischof von Strassburg,
beinahe ein Menschenalter später, nachdem zu Wien der Friede
zwischen Rom und der deutschen Nation hergestellt war. Die
ganze Zähigkeit des deutschen Partikularismus kann nicht
und U. Stutz: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft II (6. Aufl.
herausgeg. von J. Kohler, Leipzig und Berlin 1904), S. 907.
') Ordonnances des rois de France XIII, S. 291-
■) Hierfür wie für das Folgende vgl. Koch a. a. 0. S. 42 ff.
P. Hinschius, Kirchenrecht III, S. 139 f. L. Pastor, Geschichte der
Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters I (3. und 4. Aufl., Frei-
burg i. Br. 1901), S. 382 Anm. 2.
Wiener Konkordat von 1448. 97
besser veranschaulicht werden als durch diese Zahlen, nur
dass aus ihnen zugleich die Unzufriedenheit mit Abmachungen
spricht, die den Wünschen nach wirklicher Reform so wenig
Erfüllung gebracht hatten.
Eine gedrängte Analyse des Konkordats mag das ungün-
stige Urteil rechtfertigen.
Es zerfällt in acht Abschnitte, von denen der siebente
über die bereits durch Eugen IV. bestätigten Punkte früher
erwähnt wurde1) und der achte keiner näheren Erläuterung
bedarf. Er handelt über die Aushändigung beglaubigter Ab-
schriften durch die Metropoliten an alle, die darum nachsuchen,
über deren Rechtskraft und über die gleiche Bedeutung der
Bezeichnungen Alamania und Germanica natio, wenn die erst-
erwähnte im Konkordat oder bei Anfertigung der Abschriften
propter competentiorem descriptionem angewandt würde2).
Der erste Abschnitt über die dem Papste wieder einge-
räumten Pfründvergebungen wird durch den Satz eingeleitet:
Sanctissimus dominus noster Nicolaus papa quintus super pro-
visione ecclesiarum benefitiorumque utetur reservationibus iuris
scripti 3) et constitutionibus ,Execrabilis' 4) et , Ad regimen' 6)
') Vgl. oben S. 94 Anm. 4.
2) Hefele a. a. 0. VII, S. 846 glaubt, den Satz dahin verstehen
zu sollen: „Als Erläuterung wurde beigefügt, dass unter Alemannia (im
Text der Konkordate) ganz Deutschland (nicht bloss Schwaben) gemeint
sei," ebenso Koch a.a.O. S. 234 Anm. 86. Nach Zeumer S. 224
lautet der Text: Per hoc autem, quod in concordatis huiusmodi sive
quibusvis aiiis eorum occasione conficiendis litteris propter competentiorem
descriptionem Alamania specialis appellatur natio, ipsa censeri non
debet a Germanica natione distincta seu quomodolibet separata. In der
Einleitung (S. 221) ist die Rede von der natio Alamanica.
3) Vgl. cc. 2 und 34 in VI*o de praebendis 3, 4; vgl. auch oben
S. 67 ff.
4) c un. de praeb. in Extr. Joann. XXII. tit. 3 = c. 4 de praeb.
in Extr. comm. III, 2 (von Johann XXII. aus dem Jahre 1317); vgl.
oben S. 68 Anm. 1.
5) c. 13 de praeb. in Extr. comm. III, 2 (von Benedikt XII. aus
dem Jahre 1335), auch bei C. Lux, Constitutionum apostolicarum de
Wermingho f f, Nationalkirchliche Bestrebungen. 7
98 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
modificatis ut sequitur." Entlehnt ist diese Wendung — nur
der Papstname war geändert — aus dem Konkordat Mar-
tins V. (1417 — 1431) mit der „deutschen Nation" vom Jahre
1418, und aus derselben Quelle *) stammt auch der Wortlaut
der sich anschliessenden Bulle Benedikts XII. (1334 — 1342)
,Ad regimen' vom Jahre 1335. Erst zum Schluss findet sich
eine sachliche Abweichung. In Konstanz waren, gemäss der
befristeten Dauer der dort getroffenen Einigung, die Reserva-
tionen dem Papste auf fünf Jahre zugebilligt worden, ausser-
dem war dort die Klausel ,Non obstantibus' 2) u. s. w. nicht
vergessen. In Wien fiel beides hinweg, da man sich auf alle
Zeiten vertrug und deshalb der Klausel nicht mehr bedurfte.
Neun Jahre zuvor, in Mainz, hatte die Acceptation in ihrem
Abschnitt XXII de reservationibus gerade die Konstitutionen
,ExecrabihV und ,Ad regimen' als fortan ungültig be-
zeichnet3).
Auch der zweite Abschnitt der Wiener Urkunde ent-
stammt dem Konstanzer Konkordat vom Jahre 1418 4), nur zu
Anfang ist eine Aenderung vorgenommen. In Konstanz war
vorgesehen worden, dass in den Kathedralkirchen wie auch in
den Klöstern, soweit diese dem apostolischen Stuhl unmittelbar
untergeben seien, kanonische Wahlen vorgenommen werden
sollten. In Wien erweiterte man diese Bestimmung. Kanonische
Wahlen sollten erfolgen wie in den Metropolitan-, so in den
Kathedralkirchen, auch wenn diese dem hl. Stuhl nicht un-
mittelbar unterstellt seien, endlich in allen dem Papste un-
generali beneficiorum reservatione . . . collectio et interpretatio p. 54 sqq. ;
vgl. oben S. 68 Anm. 1.
*) B. Hübler, Constanzer Reformation S. 167—175.
2) Non obstantibus quibuscunque constitutionibus a praedecessoribus
nostris Romanis pontificibus editis, quatenus obsistere possent superius
enarratis articulis vel alicui seu aliquibus eorum, dicto quinquennio du-
rante (Hübler a. a. 0. S. 175). Vgl. P. Hinschius, Kirchenrecht III,
S. 819 f.
3) Siehe oben S. 69.
4) Hübler a. a. 0. S. 175—176.
Wiener Konkordat von 1448. 99
mittelbar unterworfenen Klöstern. Bezeichnend genug bewegt
sich in dieser einzigen seiner Vorschriften das Konkordat in
einer Bahn, die zu Mainz in der Acceptation Abschnitt II de
electionibus durch Annahme des Basler Dekrets vom 13. Juli
1433 (sess. XII.) eingeschlagen war, dadurch dass man für
Metropolitan-, Kathedral- und Kollegiatkirchen , Klöster und
Elektivdignitäten die Wahl als Grundlage ihrer Besetzung fest-
legte. In allem übrigen aber blieb der Text des Konkordats
dem des Konstanzer gleich, auch in der Anführung der Kon-
stitution Nikolaus' III. (1277 — 1280) ,Cupientesl vom Jahre
1278 über die Fristen nach einer Wahl, binnen deren der
Gewählte nach Rom reisen und sein Gesuch um Bestätigung
beim Papste einzureichen hatte, wenn er verhindern wollte,
dass sein Recht durch die päpstliche Provision aufgehoben
würde *).
Während sodann auch der dritte Abschnitt des Konkordats
nur einen entsprechenden Paragraphen seines um dreissig Jahre
älteren Vorbildes wiederholt2), sind die noch übrigen in ihrer
Gestaltung selbständig, mögen immerhin ihre Normen an frühere
Beispiele und Verhandlungen anknüpfen. Der vierte bringt ein-
gehende Vorschriften über die Besetzungen von Dignitäten und
Benefizien, namentlich von ersten Dignitäten an den Stiftern.
Würden sie in den Monaten Februar, April, Juni, August, Oktober
oder Dezember erledigt werden, so sollten die bisherigen Ver-
leihungsberechtigten sie besetzen; würden sie in den übrigen
Monaten des Jahres — also Januar, März, Mai, Juli, September
und November als in den sogenannten päpstlichen Monaten —
frei, so sollten sie vom Papste verliehen werden, und die Provi-
*) c. 16 in VIt(> de electione 1, 6. — Ueber die Klausel ,Nisi ex
causa rationabili' u. s. w. vgl. Koch a. a. 0. S. 221 Anm. 44 und dazu
den Text der Basler Dekrete, die in der Mainzer Acceptation Abschnitt II
de electionibus und XXI de electione cassanda allegiert waren, wie
auch den 2. Zusatz zur Mainzer Acceptation Abschnitt II de electionibus
(ebd. S. 114. 119 und 150); s. oben S. 58 Anm. 2.
2) Hübler a. a. 0. S. 176.
100 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
dierten binnen drei Monaten am Sitze der Pfründe erscheinen,
sonst habe jeder regelmässige Verleihungsberechtigte die Be-
fugnis der Besetzung1). Auch im Konstanzer Konkordat war
der Grundsatz der Alternative (medietas beneficiorum), der aus
der französischen Gesetzgebung des beginnenden 15. Jahrhunderts
zu stammen scheint, zur Anwendung gelangt2). Es hatte die
höheren Benefizien dem Verleihungsrecht der Kapitel belassen
und des weiteren bestimmt, dass über die eine Hälfte des Restes
an Benefizien der Papst, über die andere Hälfte der Verleihungs-
berechtigte verfügen sollte, derart dass nach päpstlicher Pro-
vision für eine Pfründe die dann freiwerdende Pfründe durch
den Ordinarius u. s. w. besetzt würde. Das Wiener Konkordat
hält, wie gesagt, am Grundsatz der Alternative fest, nur dass
es nicht einen Wechsel in der Verleihung zweier hintereinander
ledig werdenden Pfründen festlegt, sondern einen Wechsel
in der Verleihung der Pfründen je nach den Monaten , in
denen sie erledigt werden. In Konstanz und in Wien wird die
Pfründverleihung also geteilt zwischen dem Papste und den
regelmässigen Instanzen der kirchlichen Einzelanstalten auf
deutschem Boden. Umständlich war das eine Verfahren wie
das andere, das Wiener jedenfalls auf ein rein äusserliches
Moment aufgebaut, dadurch dass es die Pfründbesetzung dem
blinden Zufall überliess. Auch hier aber bemerkt man einen
Rückschritt gegen die Mainzer Acceptation, die vornehmlich in
ihrem Abschnitt XXV de collationibus beneficiorum, gestützt auf
die Beschlüsse des Basler Konzils vom 24. Januar 1438, gerade
die Besetzung der kirchlichen Benefizien mit allen Vorsichts-
massregeln umgeben hatte3). In Wien fielen sie fort; das
Konkordat teilte die Herrschaft über die kirchlichen Aemter
zwischen Papst und deutschen Kirchenoberen, und die Kurie
war entschlossen, alsbald die ihr verbleibende Herrschaft anzu-
treten, nachdem sie einmal in die „Dyarchie" über die kirch-
*) Vgl. oben S. 70 Anm. 2.
2) Vgl. Hübler a. a. 0. S. 176 f. 226 f. und 199 mit Anm. 13.
3) Vgl. oben S. 71 ff.
Wiener Konkordat von 1448. 101
liehen Pfründen gewilligt hatte. Ein deutliches Anzeichen
dafür ist einmal die Bestimmung über die Publikation gerade
dieses Abschnittes, sodann die Angabe, der apostolische Stuhl
werde vom 1. Juni 1448 ab an die ordinatio collationis bene-
ficiorum non reservatorum per alternos menses sich halten. Die
Abmachung sollte dauernd in Kraft bleiben, würde nicht auf
einem künftigen Konzil mit Zustimmung der Nation eine andere
Regelung getroffen werden 1). Man weiss , dass kein Konzil
mehr mit dieser Frage sich zu beschäftigen brauchte.
Dieselbe Schlusswendung mit dem Hinweis auf ein künf-
tiges Konzil fasst den fünften und sechsten Abschnitt des
Konkordats zu einer Einheit zusammen. Beide enthalten Vor-
schriften über die Zahlung der Annaten, dass heisst über die
Fortdauer der finanziellen Belastung von Einzelkirchen und
Einzelpfründen zum Vorteil der apostolischen Kammer. Bei
Kathedralkirchen und Mannsklöstern sollen fortan nach ihrer
Besetzung durch den Papst an Stelle der fruetus primi anni die
in den Taxbüchern als servitia communia bezeichneten Sum-
men gezahlt werden. Angekündigt werden Ermässigung der
Taxe bei ungerecht hoher Veranlagung, Entsendung päpstlicher
Kommissare zum Zwecke der neuen Einschätzung, weiterhin Ver-
teilung der Abgabenlast auf zwei Jahre und der Verzicht auf
wiederholte Besteuerung in demselben Jahre, derart dass auch
die Schuld nicht auf den providierten Nachfolger übergehen
darf2). Bei allen übrigen Dignitäten u. s. w. sind, vergibt
J) . . . nisi in futuro concilio de consensu nationis aliter fuerit or-
dinatum (S. 223) ; vgl. dazu die Bemerkung der Emser Punktation von
1786 Art. 23 bei C. Gärtner, Corpus iuris ecclesiastici catholicorum
novioris II (Salisburgi 1799), p. 363.
2) Im 5. Abschnitt heisst es : Taxe autem predicte pro media parte
infra annum a die habite possessionis paeifice totius vel maioris partis
solvantur et pro media parte alia infra sequentem annum. Et si infra
annum bis vel pluries vaeaverit, semel tantum solvetur; nee debitum
huiusmodi in successorem in ecclesia vel monasterio transeat (S. 223);
im 6. Abschnitt: . . . solvantur annate seu medii fruetus iuxta taxam
solitam a tempore possessionis infra annum; et debitum huiusmodi in
102 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
sie der Papst, die Annaten oder mittleren Früchte auf Grund
der üblichen Taxe innerhalb eines Jahres nach der Besitz-
ergreifung zu entrichten, auch hier aber soll die Schuld den
Nachfolger nicht binden. Frei bleiben alle Pfründen, über die
der Papst durch Exspektanzen bestimmt, und die Gesamtheit
solcher, deren Einzelwert den Betrag von 24 Kammergulden
nicht übersteigt. Damit hielt eine Observanz ihren Einzug,
gegen die das Mainzer Instrument im Abschnitt IX de annatis
Einspruch erhoben hatte x). Nun rächte es sich, dass über die
Entschädigung des Papstes für den ihm durch den Basler
Annatenbeschluss gewordenen Ausfall an Einnahmen keine
Einigung erzielt, kein fester Standpunkt für jede weitere Ver-
handlung gewonnen worden war 2). Allerdings, schon im Jahre
1439 hatten die kurfürstlichen Räte kein besseres Auskunfts-
mittel vorzuschlagen gewusst als die Zahlung des herkömm-
lichen Taxviertels bei Erledigung von Metropolitan- und Kathe-
dralkirchen wie exemten Klöstern 3), — jetzt kehrten die alten
servitia communia wieder, freilich mit der vertröstenden Zu-
sage einer neuen und gerechten Taxierung. Im Jahre 1439
war in Aussicht genommen worden , nur solche Pfründen zu
besteuern, deren Jahresertrag 4 Mark Silber überstiege; im
Jahre 1448 aber wurde festgesetzt, dass nur die Pfründen im
Werte von 24 Kammergulden freibleiben sollten. Setzt man
den Wert einer Mark Silbers auf rund 20 Mark heutigen Geldes
an4), den des Kammerguldens auf rund llk Mark5), so er-
successorem in beneficio non transeat . . . curratque hec observantia dein-
ceps, nisi eam similiter in futuro concilio de consensu nationis inmutari
contingat (S. 223).
J) Vgl. oben S. 44.
2) Vgl. oben S. 60 ff.
3) Vgl. oben S. 64 Anm. 4, S. 65, 1 und S. 66, 1 den Text dieser
Vorschläge.
4) Vgl. E. Hennig, Die päpstlichen Zehnten aus Deutschland im
Zeitalter des avignonesischen Papsttums und während des grossen Schis-
mas (Halle a. S. 1909), S. 20.
5) Vgl. Hübler a. a. O. S. 183 Anm. 69.
Wiener Konkordat von 1448. 103
gibt sich: die Vorschläge von 1439 planten eine viel weiter-
gehende Befreiung als die Abmachungen von 1448, dort eine
Besteuerung nach dem Jahresertrag, hier eine solche nach dem
Wert der Pfründe. Nur darin machten sich Annäherungen
an die Vorschläge vom Jahre 1439, vornehmlich aber auch
an einen Zusatz der pragmatischen Sanktion zu Abschnitt XI
de annatis *) bemerkbar, dass erstens bei den hohen Kirchen-
ämtern wiederholte Erledigung binnen eines Jahres nur einmalige
Zahlung der servitia communia nach sich ziehen sollte, dass
zweitens bei ihnen eine Verteilung der Steuer auf zwei Jahre
statthaft sei, dass drittens bei ihnen und bei den annata seu
medii fructus der Dignitäten u. s. w. die Schuld nicht auch
den Nachfolger des Providierten binde. So sehr im einzelnen
die drei Dokumente voneinander abweichen, jedenfalls verdient
es Hervorhebung, dass im Jahre 1448 das Wiener Konkordat
in jenen drei Modalitäten der Zahlungsart übernahm was seit
dem Jahre 1438 in Frankreich Rechtens war. Soll man dar-
aus folgern, dass den Urhebern des Konkordats gleich den
Urhebern der Mainzer Acceptation ein Exemplar der pragmati-
schen Sanktion vorlag? Eine müssige Frage, vielleicht; ihre
Bejahung aber Hesse vermuten, dass die Kurie sich mit einer
der wesentlichsten Vorschriften der Sanktion abgefunden hatte,
wenn sie mit ihren Satzungen über die Art der Zahlungen
!) Mit den oben S. 65 Anm. 1 gedruckten Stellen vgl. den Zusatz zu
Abschnitt IX de annatis in der pragmatischen Sanktion : . . . una medietas
dicte quinte partis solvatur eidem (collectori) infra annum a tempore
possessionis pacifice et alia medietas infra annum proxime subsequen-
tem. . . . Quodsi ecclesia, monasterium vel beneficium . . . contingat anno
eodem bis vel pluries vacare, quod una quinta pars semel tantum sol-
vatur, videlicet quod, si post fructus collectos seu perceptos aut acqui-
sitos contigerit vacatio, ad solutionem prime medietatis quinte partis
predicte bona ultimi possessoris teneantur et eius successor in ecclesia vel
beneficio ad aliam medietatem taxe predicte infra primum annum pacifice
sue prime possessionis teneatur. Si vero ante collectionem, perceptionem
vel acquisitionem contigerit vacatio, successor in dicto beneficio teneatur
ad integram solutionem dicte quinte partis (Ordonnances XIII, p. 285).
104 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
jetzt gegenüber der deutschen Nation sich einverstanden
erklärte.
Wie dem immer sei, die Dürftigkeit des Wiener Konkor-
dats gegenüber dem Konstanzer vom Jahre 1418 und der Mainzer
Acceptation vom Jahre 1439 liegt zu Tage1); es ist nicht mehr
nötig, alle drei Urkunden untereinander und gar mit der prag-
matischen Sanktion vom Jahre 1438 zu vergleichen. Der Inhalt
der Abmachungen von 1448 lässt sich dahin zusammenfassen,
dass sie einzig und allein über die Besetzung kirchlicher Stellen,
über die Abgabenpflicht bei Erledigung und Neubesetzung
kirchlicher Aemter Normen erliessen; alles andere war mit
beredtem Stillschweigen übergangen. „Die deutschen Kirchen
waren um das Basler Erbe betrogen" , dies Urteil von
K. Müller trifft die Wahrheit2). Wir suchten darzutun, dass
eben dies Wiener Konkordat im letzten Grunde auf einer päpst-
lichen Privilegierung beruhte. Wir sahen, dass für die Unzahl
kirchlicher Aemter und Pfründen auf deutschem Boden zwar
wortreiche, eben deshalb aber dehnbare Bestimmungen verein-
bart wurden. Es war, als bewegte sich das kirchliche Leben
allein zwischen den beiden Fragen, wer die Stellen zu besetzen,
wie sie der Papst zu besteuern hätte. Die Normen des Wiener
Konkordats hoben hinsichtlich dieser beiden Fragen allein die
kirchlichen Anstalten, Aemter und Pfründen auf deutschem
Boden heraus vor denen in anderen Ländern. Sie verquickten
sich hinsichtlich anderer Fragen des kirchlichen Lebens, z. B.
hinsichtlich der kirchlichen Gerichtsbarkeit und Disziplin über
Geistliche und Mönche, mit denen jener päpstlichen Privilegien
*) Deutlicher noch wird sie durch die Synopsis der drei Akten-
stücke bei B. Gebhardt, Die gravamina der Deutschen Nation gegen
den römischen Hof (2. Aufl., Breslau 1895), S. 114 ff. Das Konkordat
von 1448 stützt sich mehrfach auf das — freilich weitergehende und
umfangreichere — vom Jahre 1418; zwischen ihm und der Acceptation
von 1439 ergibt sich nur eine, nicht einmal völlige Uebereinstimmung,
nämlich in Abschnitt II (S. 222) vgl. mit Mainz 1439 Abschnitt II de
electionibus aus der 12. Session des Basler Konzils, s. oben S. 99.
2) K. Müller, Kirchen geschickte 11,1 S. 106.
Wiener Konkordat von 1448. 105
an die Territorialfürsten, ohne dem Einbruch gewohnheitsrecht-
licher oder usurpatorischer Neubildungen vorzubeugen. Alles
zusammen hinderte und hintertrieb die Schöpfung, die allein
den deutschen Kirchen das Einleben in die neuen Zustände,
das Beharren in ihnen ermöglicht hätte, die Schöpfung eines
Organs, das die Befolgung des neuen konkordatmässigen oder
durch Privileg erzeugten kirchlichen Rechtes gewährleistet und
überwacht hätte, etwa eines Konzils deutscher Erzbischöfe und
Bischöfe, das in regelmässigen Zeitabständen, gleichwie es
das Dekret Frequens für die allgemeinen Konzilien gefordert
hatte, zusammengetreten wäre, um die Sonderart des deut-
schen kirchlichen Rechtes und Brauches gegenüber dem Terri-
torialfürstentum, gegenüber der römischen Kurie zu erhalten.
Nirgends war im Wiener Konkordat der räumliche Umfang
der deutschen Nation umschrieben. Nirgends war angegeben,
welche Metropolitanprovinzen und welche Diözesen zu ihr ge-
hörten. Der Begriff „Deutsche Nation" für den nördlich der
Alpen gelegenen Teil des heiligen römischen Reiches war neu *).
Wo standen die Grenzpfähle sei es für ihre weltlichen, sei es
für ihre kirchlichen Verwaltungsbezirke? Das Wiener Kon-
kordat Hess den König als Vertreter der deutschen Nation
handeln. Es verschwieg, dass der Papst gerade seinen landes-
kirchlichen Tendenzen in den österreichischen Erblanden ent-
gegengekommen war, um ihn überhaupt zum Abschluss des
Vertrags zu bewegen 2). Von solchem König liess sich am
wenigsten erwarten, dass er ein Garant werde der wenigen
Rechte, die den Kirchen in Deutschland auf Grund seiner Ab-
machungen verblieben 3).
In ein so kümmerliches Rinnsal mündet die nationalkirch-
liche Bewegung aus, die, trotz aller Missgriffe und Einschrän-
*) Vgl. oben S. 41 und S. 97 Anm. 2.
2) Vgl. H. R. von Srbik, Die Beziehungen von Staat und Kirche
in Oesterreich, bes. S. 34 f.
3) Ueber Luther und das Wiener Konkordat vgl. W. Köhler, Luthers
Schrift an den christlichen Adel Deutscher Nation S. 145 f.
106 "Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
kungen, im Jahre 1418 und 1439 am Werke gewesen war.
Noch einmal siegte das Papsttum, wenngleich es die terri-
torialen Gewalten stärken musste, um sich selbst zu be-
haupten 1), und wie über die Doktrin von der Superiorität des
allgemeinen Konzils über den Nachfolger Petri, so setzte es
sich hinweg über die Bestimmungen des Konkordats von
Wien, seines Privilegs an die deutsche Nation. Im Jahre 1457
aber schrieb der kurmainzische Kanzler Martin Mayr an Enea
Silvio: „Meinem Herrn werden viele Klagen hinterbracht über
den römischen Papst, der weder die Beschlüsse des Konstanzer
und des Basler Konzils beobachtet noch sich gebunden glaubt
an die Vereinbarungen seines Vorgängers, vielmehr unsere
Nation zu verachten und völlig auszuschöpfen scheint. Be-
kannt ist ja, wie allenthalben die Wahlen der Prälaten ver-
worfen, Pfründen und Aemter ohne Unterschied den Kardinälen
und Protonotaren vorbehalten werden; Du selbst hast auf
Grund einer ungewöhnlichen Formel Pfründen in drei Provinzen
deutschen Namens erhalten. Exspektanzen sonder Zahl werden
bewilligt, Annaten oder mittlere Früchte ohne Zeitaufschub
eingetrieben und, wie öffentlich bekannt, mehr als geschuldet
werden. Die Leitung von Kirchen wird nicht dem verdienten
Manne, sondern dem mehr bietenden anvertraut; zum Zusammen-
scharren von Geld werden täglich neue Indulgenzen bewilligt und
ohne Befragung unserer Prälaten Zehnten um der Türken willen
anbefohlen. Prozesse, die hier zu Lande verhandelt und erledigt
werden sollten, zieht man unterschiedslos vor den apostolischen
Richterstuhl. Tausend Listen werden ersonnen, um voll Scharf-
sinn von uns als Barbaren Geld zu erpressen. Darum ist auch
unsere einst so berühmte Nation, die mit ihrem Mut und Blut
das römische Reich erwarb und Herrin wie Königin der Welt
war, arm und zur tributpflichtigen Magd geworden; in ihrem
Unheil klagt sie seit vielen Jahren schon über ihr bitteres Los.
Nun jedoch sind unsere Häupter gleichsam aus dem Schlafe
!) Vgl. auch Historische Vierteljahrschrift 1908, S. 157 f.
Wiener Konkordat von 1448. 107
erwacht und beginnen auf Mittel zu sinnen, diesem Unheil zu
steuern. Sie haben beschlossen , das Joch abzuschütteln und
wieder der alten Freiheit sich anzunehmen. Der Verlust aber
der Römischen Kurie wird nicht gering sein, wenn die deut-
schen Fürsten ausführen was sie vorhaben" ]). Gewiss, über-
treibende Worte, niedergeschrieben im Augenblick der Span-
nung, aber dennoch geben sie ein Stimmungsbild der kirch-
lichen Lage Deutschlands. Enea Silvio versuchte die Klagen
als allzu heftig vorgetragen zurückzuweisen, die Verarmung
Deutschlands zu bestreiten; nie sei es so reich gewesen wie
jetzt, so dass Ariovist, würde er auferstehen, sein Vaterland
y) Basler Ausgabe der Werke des Enea Silvio vom Jahre 1571,
S. 1035 : Domino meo archiepiscopo (Moguntinensi) frequentes afferun-
tur de Romano pontifice querelae, qui neque Constantiensis neque Basi-
liensis decreta concilii custodit neque se pactionibus antecessoris sui
(Nicolai V.) teneri arbitratur nationemque nostram contemnere et prorsus
exhaurire videtur. Constat enim electiones praelatorum passim reici,
beneficia dignitatesque cuiusvis qualitatis et cardinalibus et prothono-
tariis reservari; et tu quidem ad tres provincias Theutonici nominis sub
ea formula reservationem impetrasti, quae hactenus insolita est et in-
audita. Expectativae enim gratiae sine numero conceduntur. Annatae
sive medii fructus absque ulla dilatione temporis exiguntur et plus etiam,
quam debeatur, extorqueri palam est. Ecclesiarum regimina non magis
merenti, sed plus offerenti committuntur. Ad corradendas pecunias novae
indulgentiae in dies conceduntur. Decimarum exactiones inconsultis prae-
latis nostris Turcorum causa fieri iubentur. Causae, quae tractandae
terminandaeque in partibus fuerant, ad apostolicum tribunal indistincte
trahuntur. Excogitantur mille modi, quibus Romana sedes aurum ex
nobis tanquam ex barbaris subtili extrahat ingenio. Ob quas res natio
nostra quandam inclyta, quae sua virtute suoque sanguine Romanum
Imperium coemit fuitque mundi domina ac regina, nunc ad inopiam
redacta, ancilla et tributaria facta est et, in squalore iacens, suam for-
tunam, suam pauperiem multos iam annos moeret. Nunc vero quasi ex
somno excitati optimates nostri, quibus remediis huic calamitati obviam
pergant, cogitare coeperunt iugumque prorsus excutere et se in pristinam
vendicare libertatem decreverunt: erit haec non parva iactura Romanae
curiae, si quod cogitant Romani principes efFecerint. Vgl. Gr. Voigt
;i. a. 0. II, S. 217 ff. 232 ff. B. Oebhardt, Die gravamina der Deutschen
Nation 2 S. 32 f.
108 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
nicht wiedererkennen würde ; und er schloss mit den zynischen
Sätzen: „Wer hat Euch solche Veränderung geschaffen wenn
nicht die christliche Religion ? Sie verscheuchte von Euch die
Barbarei, sodass bereits die Griechen als Barbaren, Ihr aber
als wahre Römer bezeichnet werden müsst. Wollt Ihr der
Wahrheit die Ehre geben, so gesteht zu, dass Euch Rom und
der apostolische Stuhl die heilbringende Religion schenkten, da-
durch dass sie zu Euch Prediger sandten, Euch lehrten den Götzen-
dienst zu verlassen und den wahren Gott anzubeten. Das ist
mehr denn Gold und Silber; Ihr empfinget mehr als Ihr nun
zurückerstattet" *). Papst Calixtus III. (1455 — 1458) endlich
schrieb an Kaiser Friedrich III. : „Obwohl die Machtvollkom-
menheit des apostolischen Stuhls gänzlich frei ist und von
keinerlei vertragsmässigen Banden eingeengt werden darf, sind
wir doch aus reiner Güte, aus Eifer für den Frieden, aus Liebe
zu Dir und Deiner Nation willens, dass die Konkordate ihren
Platz behaupten. Wir werden nicht dulden, dass man sie ver-
letze, — solange wir den römischen Stuhl innehaben" 2). Er
*) Im Briefe n. 369 (p. 836—839 der Basler Ausgabe 1571), p. 838:
Quodsi resurgeret aliquis illorum Theutonum, qui tempore .Tulii Caesaris
vixit, Germaniam peragraret, ut Ariovistus, profecto diceret non esse
eam terram, quam olim viderat negaretque suam esse patriam, cum
vinearum et arborum fructiferarum consitiones, vestitus huiusmodi, urbani-
tatem civium, splendorem urbium tantamque nitidam politiam apud vos
contueretur. Verum hanc mutationem quis fecit in vobis nisi religio
Christi? Cultus quippe Christianae religionis a vobis barbariem omnem
expulit atque ita expolivit, ut iam Graeci ipsi barbari, vos autem recti
Latini appellari mereamini. Cultum autem salutiferae religionis, si
verum fateri vultis, Roma vobis et apostolica sedes dedit, quae praedi-
catores ad vos mittens idolorum relinquere cultum et verum Deum colere
docuit. Plus est hoc, Martine, quam aurum et argentum; plus est quod
accepistis quam quod datis, itaque decet vos accepti beneficii memores
esse, quod quidem tantum est, ut nullo possit thesauro compensari.
Vgl. die ähnlichen Ausführungen des Enea Silvio in seiner Schrift
De ritu, situ, moribus et conditione Germaniae descriptio; Basler Aus-
gabe 1571, p. 1035—1086, bes. p. 1064,
2) Im Briefe n. 371 (p. 840-843 der Basler Ausgabe 1571), p. 841
Wiener Konkordat von 1448. 109
sprach damit nur aus , dass im Wiener Konkordat ein päpst-
liches Privileg zu erblicken sei. In seinen Worten lag das
Geständnis, dass die Einzelbestimmungen widerrufen werden
könnten, weil sie der Allgewalt Roms ungehörige Schranken
zögen, lag das Urteil über eine Abmachung, die in sich un-
wahr war, weil sie der einen Partei nur Pflichten aufbürdete,
der anderen nur Rechte zugestand.
(der Brief ist von Enea Silvio verfasst) : . . . non e9t intentioni(s) nostrae
aut ordinariorum mensibus derogare aut concordatis ipsis contravenire.
Quinimo quamvis liberrima sit apostolicae sedis autoritas nullisque de-
bebat pactionum vinculis coerceri, ex mera tarnen liberalitate nostra,
ex zelo, quem gerimus ad pacem, ex charitate, qua te tuamque nationein
prosequimur , concordatis ipsis locum esse voluimus nee patiemur ea
temere violari, dum Romanae sedis gubernacula retinebimus. Vgl. dazu
B. Hübler: Zeitschrift für Kirchenrecht III (1863), S. 411 Anm. 24.
Sechster Abschnitt.
Nationalkirchliehe Pläne des ausgehenden
Mittelalters.
Das Wiener Konkordat und die Ueberwindung der konziliaren
Reformbestrebungen durch den Bund des Papsttums mit Fried-
rich III. und dem Territorialfürstentum beginnen die letzte
Periode in der Geschichte der mittelalterlichen Kirchenverfas-
sung Deutschlands. Nicht dass neue Schöpfungen sie erfüllten,
sondern dadurch wird sie gekennzeichnet, dass eben die Ver-
einbarung des Jahres 1448 je länger je mehr als eine bequeme
Handhabe sich erwies, um wiederum das Kirchenwesen in
Deutschland der stets anspruchsvolleren Herrschaft der römi-
schen Kurie auszuliefern. Weit entfernt, Besserung zu bringen,
wurde sie benutzt und missbraucht, hier beobachtet dort ver-
letzt, und immer vernehmlicher erscholl der Ruf nach einer
Rückkehr zu den Ideen und Beschlüssen von Konstanz und
Basel, die gleichsam das Allheilmittel zu sein schienen für die
— teilweise doch von den Deutschen selbst verschuldeten —
Gebrechen der kirchlichen Verwaltung und Organisation. Mit
ihm verbanden sich, noch vor dem Auftreten Luthers, zu
wiederholten Malen neue Erwägungen darüber, wie eine
deutsche Kirche zu erspriesslichem Leben geweckt werden
könnte, die ausgestattet wäre mit grösserer Freiheit von Rom
und nicht zuletzt mit der Fähigkeit, die finanzielle Ausbeutung
der deutschen Geistlichkeit durch Rom abzuwehren oder doch
zu mindern.
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. Hl
Aus der grossen Zahl von Refornivorschlägen sind hier
nur diejenigen herauszuheben, denen als Ziel die deutsche
Nationalkirche gesetzt ist.
Eine Geschichte des Gedankens, durch ein deutsches
Nationalkonzil dem Verderben der Kirche zu steuern , wäre
eine lohnende Aufgabe. Soweit erkennbar, tauchte er schon
vor Abschluss des Wiener Konkordats, zum ersten Male im
Jahre 1445 auf, ohne dass, wenigstens im 15. Jahrhundert,
an ihn nationalkirchliche Pläne mit der Aussicht auf ihre
Durchführbarkeit hätten geknüpft werden können. Es fehlte
einmal die Entscheidung über den Kreis der Einzuberufen-
den. Im Jahre 1445 wenigstens war er nicht auf Ange-
hörige der deutschen Nation beschränkt, weil damals auch
davon die Rede war, dass die Königreiche von Ungarn,
Dänemark, England und Schottland die ,gemeyn versamlung
der Germanischen kirchen oder ein concilium nationale'
beschicken möchten1). Es fehlte sodann die Voraussetzung
der Periodizität solcher Nationalkonzilien, wie sie etwa das
Dekret ,Frequens' von Konstanz (9. Oktober 1417) und Basel
(14. Dezember 1431) für die allgemeinen Kirchenversamm-
lungen festgelegt hatte, damit also von vornherein die Mög-
lichkeit, die Nationalkonzilien zu regelmässig wiederkehrenden
Tagungen für die Gesamtheit der auf ihnen vertretenen deut-
schen Kirchenanstalten auszubauen 2). Mehrfach endlich schwankte
*) Vgl. den Beschluss der Kurfürsten vom Jahre 1445, Ranke,
Werke VI, S. 7, dazu A. Bach mann a. a. 0. LXXV, S. 156 f. Historische
Vierteljahrschrift 1908, S. 163 Anm. 1 und oben S. 28 f. über die „deutsche
Nation" im Konstanzer Konkordat von 1418. — Zweifelhaft bleibt, ob der
Gedanke an ein Nationalkonzil schon Friedrichs III. Vorschlägen vom Spät-
jahr 1444 zu Grunde liegt; vgl. A. Bachmann a.a.O. LXXV, S. 231 n. 14.
2) Den Irrtum von E. Gothein (Politische und religiöse Volks-
bewegungen vor der Reformation, Breslau 1878, S. 111 mit Anm. 24),
Erzbischof Berthold von Mainz (f 1504) habe den Plan zu einem deut-
schen Nationalkonzil gefasst, hat B. Weiss, Berthold von Henneberg
(Freiburg i. Br. 1889), S. 23 Anm. 2 widerlegt-, vgl. auch ,T. Härtung:
Historische Zeitschrift Bd. 103 (1909), S. 534 ff. — Irrtümlich auch lässt
\\2 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
man, ob sie einberufen werden sollten allein, das heisst nur
für Deutschland, oder ob sie tagen sollten zur selben Zeit wie
ein Universalkonzil1). Noch bis ins 16. Jahrhundert hinein,
ja selbst noch im 18. und 19. ist die Frage eines deutschen
Nationalkonzils Gegenstand der Erörterungen gewesen 2) ; nie
ist sie über diese hinausgekommen3).
J. von Döllinger (Kleinere Schriften, herausgeg. von F. H. Reusch,
Stuttgart 1890, S. 228) den Regensburger Konvent vom Jahre 1524 ein
alle drei Jahre wiederkehrendes deutsches Nationalkonzil in Aussicht
nehmen, während in Wahrheit es sich um Provinzialkonzilien handelte;
vgl. W. Friedensburg: Historische Aufsätze dem Andenken an
G. Waitz gewidmet (Hannover 1886), S. 529 mit Mansi XXXII,
1090 c. 26.
1) Der anonyme Verfasser einer im Jahre 1451 aufgezeichneten
Beschwerdeschrift (C. Gr. F. Walch, Monimenta medii aevi I, Gottingae
1757, p. 103—110; vgl. dazu B. Gebhardt, Gravamina2 S. 4 ff.) forderte:
Opus esset, ut fieret unum concilitim generale et nationale pro nostra
natione Alemannica . . . , et revera non solum opus est, ut fiat concilium
nationale, verum etiam generale, quia, si sola natio Almanica reformatur
et aliae nationes manerent in ritu et observantiis earum, fieret quodam-
modo schisma vel divisio (Walch a. a. O. I, p. 104 sq.).
2) So z. B. in den Jahren 1524, 1526, 1530, 1538; vgl. J. Weiz-
säcker: Historische Zeitschrift LXIV (1890), S. 199 ff. E. Brasse,
Die Geschichte des Speierer Nationalkonzils vom Jahre 1524. Halle a. S.
1890. F. von Bezold, Geschichte der deutschen Reformation (Berlin
1890), S. 440. 578. 616. K. Müller, Kirchengeschichte II, 1 S. 301. 338.
370. 407. Die Arbeit von A. Körte (Die Konzilspolitik Karls V. in
den Jahren 1534 — 1543. Halle a. S. 1905) befasst sich mit den Plänen
eines allgemeinen Konzils; siehe auch W. Rosenberg, Der Kaiser und
die Protestanten in den Jahren 1537—1539. Halle a. S. 1903. W. Mauren-
brecher, Karl V. und die deutschen Protestanten 1545 — 1555. Düssel-
dorf 1865 und im allgemeinen J. von Döllinger, Ueber die Wieder-
vereinigung der christlichen Kirchen (Nördlingen 1888), S. 57 ff. ; Kleinere
Schriften S. 229 ff. — Ein deutsches Nationalkonzil forderte auch die
Emser Punktation vom Jahre 1786 (vgl. C. Gärtner, Corpus iuris
ecclesiastici catholicorum novioris II, Salisburgi 1799, p. 363) und der
deutsche Episkopat im Jahre 1848 (vgl. P. Hinschius, Kirchenrecht III,
S. 581. J. von Döllinger, Kleinere Schriften S. 63 ff.).
3) Der spätere Papst Julius III. (1550 — 1555) erklärte im Jahre 1547
auf dem Konzil zu Trient, dass Konzilien mehrerer Metropoliten, quae
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. H3
Ein zweiter Plan war alsdann, die Beschwerden der deut-
schen Nation wider die Kurie durch Wiederauffrischung der
Konstanzer und Basler Dekrete in einer Art pragmatischer
Sanktion der Deutschen zusammenzufassen l). Gern möchte
man ihm ein günstigeres Urteil, eine Prognose auf Durch-
führbarkeit zubilligen. Von Anbeginn an jedoch stand er
unter unheilverheissendem Stern. Er war aufgestellt nicht
aus uneigennützigem Interesse für die Allgemeinheit und sollte
auch nicht für sich allein in Angriff genommen werden. Dank
der Tätigkeit des Mainzer Erzbischofs Dietrich von Erbach
(f 1459) hatte er erstmals auf dem Frankfurter Kurfürstentag
im Jahre 1456 festere Formen gefunden. Er wurde niedergelegt
in jenen sogenannten Avisamenten 2), die sich wiederum als
eine Verschmelzung von Konstanzer und Basler Dekreten mit
dem Wiener Konkordat ergeben haben. Er erinnerte an die
Mainzer Acceptation von 1439, die, irrtümlich oder irreführend,
noch als rechtsgültig bezeichnet wurde 3), und die Sammlung
nationalia vocant, semper perniciosa gewesen seien; s. P. Hinschius
a. a. 0. III, S. 582 Anm. 1 und die dortigen Angaben. Im Jahre 1864 be-
zeichnete der Syllabus Pius' IX. als Irrlehre den Satz: Nationalis concilii
definitio nullam aliam admittit disputationem, civilisque administratio rem
ad hosce terminos exigere potest (C. M i r b t , Quellen zur Geschichte des
Papsttums 2 S. 368, 36). — Ueber die älteren, d. h. dem 15. Jahrhundert
voraufliegenden National- und Reichskonzilien seit der fränkischen Zeit
vgl. P. Hinschius a. a. 0. III, S. 539 ff.
1) Zum Folgenden vgl. G. Voigt, Enea Silvio II, S. 204 ff.
III, S. 209 ff. C. Brockhaus, Gregor von Heimburg (Leipzig 1861),
S. 221 ff. K. Menzel, Diether von Isenburg, Erzbischof von Mainz
1459 — 1463. Erlangen 1868. A. Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte
unter Friedrich III. und Max I. (Leipzig 1884), I, S. 160 ff. V. von Kraus,
Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters I, S. 308 ff. 352 ff. 380 ff.
J. Hefele- J. Hergenröther, Konziliengeschichte VIII (Freiburg i. Br.
1887), S. 85 ff. L. Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang
des Mittelalters I (3. und 4. Aufl., Freiburg i. Br. 1901), S. 709 ff. II
(1904), S. 124 ff.
2) W. Rossmann, Betrachtungen über das Zeitalter der Refor-
mation (Jena 1858), S. 405 ff.
3) Im 2. Teil der Avisamente, der sogenannten Appellatio, wird
W e r in i n g h o f f , Nationalkirchliche Bestrebungen.
LIBRARY ST. MARYS COLLEGE
114 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
der Dokumente schloss mit einem Bündnis der Teilnehmer
jener Tagung, deren Anhängerschar vermehrt werden sollte,
mit der Berufung auf ein Nationalkonzil oder eine andere
Versammlung zum Erlass etwa notwendiger Abänderungen *).
Auf der anderen Seite Hessen die vielgeschäftigen Machina-
tionen der Kurie darüber keinen Zweifel, dass sie nicht willens
sei, ihre im Jahre 1448 gewonnene Macht, den seither ein-
gerissenen Missbrauch der Macht preiszugeben. In ausführ-
lichen Darlegungen suchte der seiner grösseren Zukunft sichere
Kardinal Enea Silvio den mainzischen Kanzler Martin Mayr
zu überzeugen, das Vorhaben einer pragmatischen Sanktion
sei verderblich an sich und um der Art willen, in der es zu
erbitten und zu beschützen sei2). Ueberdies trat trotz aller
Zusammenkünfte zu Tage, dass die Parteigruppierung im Kur-
fürstenkolleg der kirchlichen Reform keinerlei Aussicht auf
dauernde und nachdrückliche oder gar vorbehaltlose Unter-
stützung gewähren würde, ganz abgesehen selbst von den
territorialen Gegensätzen zwischen Witteisbach und Branden-
burg, von der Zerklüftung unter den Königswählern, unter
denen gerade damals das Verlangen nach einem Ersatz für
u. a. ausgeführt, die Basler Dekrete seien expost auctoritate apostolica
ac ex certa sciencia et de potestatis plenitudine confirmata et approbata
ac eciam in vim pragmatice sanccionis per dive memorie Albertum tunc
Romanorum regem ac reverendissimos et illustrissimos tunc Romani
imperii principes electores ac prelatos aliosque principes, comites, barones,
satrapas, proceres ac subditos pociores Germanice nacionis, sacro concilio
huiusmodi tunc eciam durante, acceptata et postremo demum tarn pro
utilitate rei publice quam bono nacionis huiusmodi inviolabüiter ac irre-
fragabiliter sub censuris in illis aliisque acerrimis penis in constitucionibus
ac ordinacionibus processibusque desuper emissis contentis innovata, repetita
et acceptata, prout in documentis legitimis desuper confectis . . . plenius
continetur et habetur (Rossmann a. a. 0. S. 413).
*) Alles Nähere bei B. Gebhardt, Gravamina2 S. 19 ff.
2) Vgl. Enea Silvio, De ritu etc. Germaniae (Opp. ed. Basil. 1571,
p. 1085) : Pragmaticae sanctionis inventionem pernitiosam esse com-
prehendas et in se ipsa et in modo, quo vel petenda dicitur vel tuenda.
G. Voigt a. a. 0. II, S. 235 ff.
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. H5
Kaiser Friedrich III. sich erhob. Schon im Jahre 1458 war
der Bund von Anhängern der kirchlichen Reform gesprengt,
und kein besseres Los wartete der gleichwohl noch fortgesetzten
Bemühungen des neugewählten Mainzer Erzbischofs Diether
von Isenburg (f 1482), als er im Jahre 1461 wie ein allge-
meines Konzil auf deutschem Boden so wiederum eine prag-
matische Sanktion für die deutsche, auf solchem Wege selb-
ständiger zu stellende Geistlichkeit ins Auge fasste 1). Der
enge Anschluss des Markgrafen Albrecht Achilles (f 1486) an
den Kaiser, Friedrichs III. enge Verbindung mit dem neuen
Papste Pius IL (1458 — 1464), der im Jahre zuvor jedwede
Berufung an ein Universalkonzil als nichtig bezeichnet hatte 2),
die Absetzung Diethers von Mainz und die Provision Adolfs
von Nassau für das erledigte Erzstift und Kurfürstentum, der
Kampf beider Rivalen und schliesslich der Verzicht des Isen-
burgers im Jahre 1463 — alles liess die an das Ziel der
Kirchenreform und einer Nationalkirche gewandte Arbeit zu
schänden werden. Das Wort des Papstes, es sei schwer, den
päpstlichen Stuhl und das römische Reich mitsammen umzu-
werfen 3), hatte sich erfüllt. Der Ruf nach der Kirchenreform
musste erfolglos bleiben, sobald und weil er sich verquickt
hatte mit dem nicht minder dringlichen nach der Reform des
Reiches, wie heftige Klagen auch in den immer wiederkehren-
den Gravamina ertönten4).
Merkwürdig genug nun, dass trotz aller Schwierigkeiten,
») Vgl. u. a. K. Menzel a. a. 0. S. 118 ff.
2) C. Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums2 S. 169 f.
3) In einem Briefe vom 7. März 1461; G. Voigt a. a. 0. III,
S. 252.
4) Den Bündnissen des Klerus aus verschiedenen Diözesen, z. B. vom
Jahre 1473 und 1487 (vgl. B. Gebhardt, Gravamina2 S. 62 f. J. Här-
tung: Historische Zeitschrift Bd. 103, 1909, S. 535) liegt wohl der Ge-
danke einer Defensive gegen Rom zu Grunde, nicht aber der an Aufbau
einer selbständigen Kirche Deutschlands; über ein ähnliches Bündnis
aus dem Jahre 1372 vgl. E. Hennig, Die päpstlichen Zehnten aus
Deutschland S. 37 f.
116 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
die sich dem Gedanken einer deutschen Nationalkirche ent-
gegenstellten, dieser nach wie vor die Geister beschäftigte.
Einst, im Zeitalter Friedrichs I., hatte er seiner ideal aufge-
bauten Kirche eine einheitliche Spitze gegeben. Dann , im
Zeitalter der Reformkonzilien, war, wenn anders unsere Deutung
des Mainzer Instruments richtig ist, die Wagschale gesunken
zu Gunsten einer oligarchischen Leitung der deutschen Kirche
durch die Erzbischöfe und Bischöfe, zumal nachdem die Steige-
rung der papalen Monarchie in der allgemeinen Kirche alle
Schäden des absolutistischen, zentralisierenden Systems hatte
offenbar werden lassen. Jetzt aber, da die Versuche gescheitert
waren, eine bischöfliche Samtherrschaft über die deutsche Kirche
ins Leben zu rufen — denn in diesem Verlangen gipfelten die
Rufe nach einem deutschen Nationalkonzil nicht minder als
die nach einer deutschen pragmatischen Sanktion — , jetzt
tauchten aufs neue Utopien auf, die für das deutsche Kirchen-
tum einen Patriarchen, einen Legatus natus et perpetuus oder
einen Primas wünschten. Ein literarischer Zusammenhang zwi-
schen ihnen und dem Entwurf der Trierer Stilübungen des 12. Jahr-
hunderts ist weder vorhanden noch anzunehmen. Eher wird zu
vermuten sein, dass die Vorbilder der französischen und der
englischen Nationalkirche von Einfluss waren, dort die Würde
des Kardinals Georg d'Amboise (f 1510), hier die des Kardinals
Thomas Wolsey (f 1530), deren Amt als päpstlicher legati a
latere das Ziel ehrgeiziger deutscher Kirchenfürsten sein konnte.
Eins ist sicher: wenn man seit der Wende des 15. und 16. Jahr-
hunderts auch für Deutschland wiederum eine kirchliche
Monarchie forderte, von wem immer ihr Träger sein Recht
ableitete, so offenbarte sich hierin zugleich die Einsicht, dass
nur sie im stände sein möchte, seinem deutschen Anteil inner-
halb der monarchisch gelenkten allgemeinen Kirche Rückhalt,
Festigkeit zu verleihen. Dem universalen Papst sollte ein
deutscher Patriarch oder wie sonst er genannt wurde ent-
sprechen. Nicht Vielherrschaft, sondern Einherrschaft sollte das
Kennzeichen auch der deutschen Kirche sein. Nur sie schien
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. 117
die innere Geschlossenheit des Verfassungsneubaues zu ver-
bürgen, den man erhoffte, um die Hoffnung darauf noch den
späteren Jahrhunderten zu übermachen. Auf diese innere Ein-
heit verwies die Geschichte, die Folgerichtigkeit des katho-
lischen Glaubens; die Furcht vor einer Spaltung des reli-
giösen Glaubens der Nation, die das Emporstreben des Hussi-
tismus erlebt hatte, war wohl verbreitet, hatte aber nicht
bislang noch stets das Bekenntnis zur einen, heiligen, katho-
lischen Kirche sich der häretischen Gegner und Abtrünnigen
siegreich erwehrt?
Unsere Würdigung dieser neuen und in gewissem Sinne
alten Pläne räumt den zeitlichen Vortritt einem Publizisten
ein, Hans von Hermansgrün, einem Sachsen im Dienste zunächst
des Kurfürsten Friedrich des Weisen (f 1525), dann des Erz-
bischofs Ernst von Magdeburg (f 1513); bis zum Jahre 1518
ist er als in der Nähe von Zwickau lebend nachweisbar *). Erfüllt
von nationalem Sinn beim Herannahen der von Frankreich her
dem Reiche drohenden Gefahr, hat er, unmittelbar vor dem
grossen Wormser Reichstag des Jahres 1495, dem er als Ge-
sandter seines Herrn, des Erzbischofs von Magdeburg, bei-
wohnte, jene reichspatriotische Phantasie veröffentlicht, die zu-
erst von H. Ulmann herausgegeben wurde 2).
Hans von Hermansgrün sieht sich in einem Traume als
Teilnehmer eines stattlichen Reichskonvents zu Magdeburg.
Er hört Kaiser Friedrich IL in eindringlicher Rede sich kehren
wider das Bündnis des Papstes Alexander VI. (1492 — 1503)
und des Königs Karl VIII. von Frankreich (1483—1498)
vom 15. Januar 1495 3). Dem Sprecher knüpfen sich düstere
') Vgl. H. Ulmann: Forschungen zur deutschen Geschichte XX
(1880), S. 69 ff.
2) A. a. 0. XX, S. 78 ff. ; dann von J. von Dö Hing er, Beiträge
zur politischen, kirchlichen und Kulturgeschichte der sechs letzten Jahr-
hunderte III (Regensburg und Wien 1882), S. 91 ff.
3) Vgl. H. Ulmann, Kaiser Maximilian I. (Stuttgart 1884) I, S. 268.
L. Pastor, Geschichte der Päpste III (3. u. 4. Aufl., Freiburg i. Br. 1899),
S. 348 f. M. Jansen, Kaiser Maximilian I. (München 1905), S. 4.4.
Hg Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Ahnungen an dies Abkommen ; er fordert deshalb die deutschen
Fürsten auf zum Kampfe und gibt die Mittel an, mit denen
der Streit erfolgreich begonnen und fortgesetzt werden möge.
„Es könnte", so meint er, „der Fall eintreten, und viele Ver-
dachtsgründe sind dafür vorhanden, dass der Papst, sei es aus
Furcht sei es dank ihm erwiesener Wohltat, die Partei des
Franzosen ergreift, ihm auf irgendwelche Weise oder unter
irgendeinem Vorwand die Kaiserkrone gibt *) und mit seiner
Autorität die Krönung des Franzosen bestätigt. Wenn Ihr
dies klar erkennt, so sehet zu, ob ihm nicht, um solcher
Bosheit willen, auf Zeit die Oboedienz aufzusagen ist, ob Ihr
nicht an Stelle des Papstes Euch einen Patriarchen setzen
wollt. In diesem Fall aber ist die Geistlichkeit im ganzen
Reich mit Gewalt dahin zu drängen, dass sie nicht länger den
Papst verehre, als die Umstände und der Nutzen des Reiches
es erfordern, dass sie nicht unter dem trügerischen Schein des
Gehorsams und der Ehrfurcht danach trachte, von den Lasten
des Krieges fern zu bleiben. Auch dafür ist Sorge zu tragen,
dass nicht Rechtsausleger, Rechtsverdreher und Deklamatoren
der Kirchen das Volk aufreizen zu Neuerungen. Kommt es
jedoch soweit, so schickt Gesandte an die Könige von Ungarn,
Böhmen, Polen und Dacien. Lasst sie Klage führen über die
Unbill, die Ihr, die deutsche Nation und das Reich, von den
Franzosen oder vom Papste oder auch von beiden erleidet : Ihr
würdet dafür bald Genugthuung fordern auf einem grossen
Konzil, darauf aber Friede, Bündnis, Freundschaft und Hilfe
für den türkischen, sodann für den französischen Krieg auf die
Dauer von drei Jahren oder mehr verlangen, je nachdem es
Euch passend dünkt, alles zu dem Zwecke, dass nicht der Papst,
wenn er durch Excomunikationen Euch zu schaden sucht, die
Barbaren gegen Euch aufzuhetzen und aufzustacheln vermag" 2).
*) Ueber die angeblichen Kaiserpläne Karls VIII. von Frankreich
vgl. die Bemerkung von Philipp de Comniynes, Memoires VII c. 19
herausgeg. von B. de Mandrot, Paris 1903, vol. II, p. 215.
2) Contingere posset (ut sunt multe suspitiones) papam vel metu
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. H9
Deutlich tritt zu Tage: der Publizist am Ausgange des
15. Jahrhunderts sieht die kirchliche Frage als der politischen
untergeordnet an. Der Papst als weltlicher Fürst hat sich
verbündet mit Frankreich. Um solchen Bund zu befehden,
dünken ihm die weltlichen Mittel leicht ausführbar , ebenso
aber die kirchlichen Repressalien, wie man seine Vorschläge
nennen möchte. Er fordert Kündigung der Oboedienz. Er
vermag jedoch noch nicht die deutsche Kirche ohne ein sicht-
bares Oberhaupt sich vorzustellen. An ihre Spitze trete ein
Patriarch, nicht vielleicht für alle Zukunft, sondern wohl bis
zu dem Augenblick , da der Papst, gedrängt durch den Ab-
fall von Deutschland, auf sein Bündnis mit Frankreich Ver-
zicht geleistet habe. Die Einsetzung des Patriarchen aber
soll den Fürsten überlassen sein und ihnen zugleich die Sorge,
dass der Klerus in Deutschland dem alten Papst nicht ge-
horche, dem Reiche vielmehr steure zum Kampf wider Papst
und Frankreich, dass Agitationen verhindert werden gegen die
vel benefitio devinctum Gallorum partem fovere, imperialem coronam
quocunque pacto, titulo vel collusione ei dare et aliquando coronationem
auctoritate sua corroborare. Si hoc clare perspitietis , videte, ne ob
iniquitatem facti obedientia ad tempus e medio tollenda atque in locuni
pape patriarcha vobis constituendus erit. Sed hoc casu omnis status
ecclesiasticus per totum imperium summopere coercendus erit, ne aut
plus quam tempus et utilitas imperii exigat papam venerentur aut sub
vana spetie obedientie et venerationis querant et moliantur ab oneribus
belli immunes fore. Cavendum etiam, ne predicatores legis aut qui-
cunque rabuli et declamatores ecclesiarum plebem et populum rudern
ad res novandas incitent. Et ob eam rem et in eo casu ad reges Ungarie,
Bohemie, Polonie et Datie legatos censeo mittendos, questum de iniuriis
sive a Gallis sive a papa sive ab utrisque vobis nationique Germanorum
et imperio vestro illatis, pro quibus coram magno generali concilio brevi
sitis satisfactionem petituri, subinde pacem, fedus et amicitiam auxiliaquo
primo Thurcensis, deinde Gallici belli in triennium aut ultra, sicut opor-
tunum visum fuerit, petentes roborari, in eum finem, ne, si papa ex-
communicacionibus multa in vos intent8re presumeret, simplicitatem
barbarorum in vos irritare et commovere posset (Forschungen zur deut-
schen Geschichte XX, S. 87).
120 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
neue Ordnung der Dinge. Nur im allgemeinsten Umriss wird
das Bild der deutschen Kirche unter dem Patriarchen mehr
angedeutet als gezeichnet. Sie erscheint als ein Werkzeug der
fürstlichen Politik, deren Träger ihren Leiter zu seinem Amte
berufen. Die neue Kirche soll den Fürsten untergeben sein,
nicht dem Kaiser, den unser Publizist mit wenig günstigem
Urteil bedenkt1), ein Spiegelbild deutscher Zustände, die
seit langem den Unsegen des territorialen Partikularismus für
die Allgemeinheit kannten, während sein Segen nur kleineren
Kreisen zu gute kam. Es wäre müssig, sich die deutsche
Kirche unter der Aegide des Fürstenstandes auszudenken.
Hatten nicht seine Mitglieder selbst durch die Ansätze landes-
kirchlicher Bildungen dazu beigetragen, das deutsche Kirchen-
wesen zu zersplittern und seine Widerstandskraft gegen die
Spitze der allgemeinen Kirche zu vermindern?
Auch das letzte mittelalterliche Projekt, dessen Wertung
uns noch obliegt, war veranlasst durch die politischen Um-
triebe des Augenblicks 2). Papst Julius 11.(1503 — 1513) hatte
von der Liga, die im Jahre 1508 mit Kaiser Maximilian I.
(1493—1519) und König Ludwig XII. von Frankreich (1498
bis 1515) wider Venedig vereinbart war, sich getrennt und zu
Beginn des Jahres 1510 eben mit der Lagunenstadt in ein
Bündnis sich eingelassen. Es kehrte seine Spitze gegen Lud-
wig XII. und war zugleich ein Schachzug gegen den Kaiser.
Dieser sollte zum Anschluss an den Papst getrieben werden,
während er doch vorab wenig geneigt war, so rasch wie der
Rovere auf dem Stuhle Petri seine Politik gegen Venedig mit
Frankreich in eine solche mit Julius II. und Venedig gegen
Ludwig XII. zu vertauschen.
Ludwig XII. wurde im September 1510 durch ein fran-
1) Forschungen zur deutschen Geschichte XX, S. 85 und 91.
2) Zum Folgenden vgl. für die politischen Ereignisse H. Ulmann,
Kaiser Maximilian I. (Stuttgart 1891), Bd. II, S. 407 ff. L. Pastor,
Geschichte der Päpste seit dem Ausgange des Mittelalters III (3. und
4. Aufl., Freiburg i. Br. 1899), S. 645 ff.
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. 121
zösisches Nationalkonzil zu Tours *) in seinem Vorhaben ge-
waltsamen Widerstandes gegen Julius IL bestärkt. Würde der
Papst nicht in die Beendigung des Krieges willigen, so sollte
er zum mindesten einen Statthalter einsetzen mit Vollmachten
für das Seelenheil der Untertanen des französischen König-
reiches 2). Für die Zeit also des Krieges zwischen König und
Papst sollte eine Instanz geschaffen werden, die angegangen
werden könnte, solange der Papst, um des Krieges willen, nur
mit Mühe den Gläubigen erreichbar wäre. Man forderte eine
Art Unterpapst, eine Art von päpstlichem Dezernenten für die
dem Papste als solchem zustehenden hirtenamtlichen Befug-
nisse, eine Beschränkung dieses procureur des ämes nur auf
Frankreich. Deutlicher hätte das Dilemma der Lage nicht ge-
kennzeichnet werden können.
Anders Maximilian I. Es mag unentschieden bleiben, ob er im
Anschluss an Frankreich wirklich „den verfluchten Priester Papst"
zu reformieren gedachte. Jedenfalls geht unter seinem Namen
ein eigenartiges Projekt, von dem eine Reihe von Dokumenten
aus dem September und November 1510 Kunde gibt3). Es
') Vgl. darüber Hefele-Hergenröther, Konziliengeschichte
VIII, S. 432 ff.
2) Qu'il voeulle commetre en France ung procureur ayant puissance
de pouvoir au salut des ames des subjects de royaume de France; ange-
führt von H. Ulmann: Zeitschrift für Kirchengeschichte III (1879),
S. 200.
8) Vgl. H. Ulmann a. a. 0. III, S. 199 ff.; Kaiser Maximilian I.
Bd. II, S. 414 ff. W. Maurenbrecher, Geschichte der katholischen
Reformation I (Nördlingen 1880), S. 99. 385. B. Gebhardt, Grava-
mina 2 S. 77. F. von Bezold, Geschichte der deutschen Reformation
S. 87. L.Pastor, Geschichte der Päpste III, S. 670 ff. W.Köhler,
Luthers Schrift an den christlichen Adel Deutscher Nation S. 152 ff.
.1. Knepper, Jakob Wimpfeling 1450—1528 (Erläuterungen und Ergän-
zungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes, herausg. von
L. Pastor III, 2-4. Freiburg i. Br. 1902), S. 244. 252 ff. 365 f. P. Kal-
koff: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins N. F. XII (1897),
S.597f. XIII (1898), S. 86 ff. Veraltet ist P. von Wiskowatoff, Jakob
Wimpheling (Berlin 1867), S. 177 ff.
122 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
wird sich empfehlen, zunächst die bisherigen Würdigungen
zusammenzufassen, um schliesslich des persönlichen Einschlags
zu gedenken, den der Plan, ohne dadurch seine Bedeutung im
Kreise ähnlicher Entwürfe zu verlieren, in so fern besitzt, als er
bedingt erscheint durch den Ehrgeiz der kaiserlichen Kanzlers
Matthäus Lang, des damaligen Bischofs von Gurk, späteren
Kardinaldiakons von S. Angelo in Pescheria und Erzbischofs
von Salzburg (f 1540).
Am 18. September 1510 entsandte Maximilian seinen
Sekretär Jacob Spiegel an den bekannten Humanisten Jacob
Wimpheling (f 1528). Vom kaiserlichen Boten sollte dieser
ein Exemplar der pragmatischen Sanktion für Frankreich —
also der von Bourges aus dem Jahre 1438 — erhalten, weiter-
hin mündliche Aufträge des Kaisers entgegennehmen, für die
Maximilian die Unterstützung durch Wimpheling erwarte *).
Das gleiche Datum des 18. September 1510 weist das Be-
glaubigungsschreiben für Jacob Spiegel auf. Erwähnt wird
darin der Wunsch des Kaisers, zum Besten des römischen
Reiches und der deutschen Nation gewisse Bestimmungen zu
treffen, auf dass Deutschland nicht wie bisher an Rom sein
Geld und seine Kräfte verschwende, sondern in alter Freiheit
nach heilsamen Regeln lebe. Wimpheling solle sich darüber
äussern, wie die Schliche der Kurtisanen beseitigt und die
Annaten abgestellt werden könnten, endlich über den Ge-
danken des Kaisers, einen natus et perpetuus legatus in Ger-
mania einzusetzen, bei dem in Deutschland selbst alle kirch-
lichen Klagen und Prozesse anzubringen wären, nach welchem
Recht seine Bestellung möglich sei, welche Befugnisse jenem
Legaten zustehen würden, welche Vorteile Deutschland von ihm
zu gewärtigen habe. Denn besser würden die Dinge stehen,
sobald die Streitfragen in Deutschland selbst behandelt würden ;
*) Freher-Struve, Germanicarum rerum scriptores aliquot insignes
II (Argen torati 1717), p. 684 = M. Riegger, Amoenitates litterariae
Friburgenses III (Ulmae 1776), p. 483. 488.
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. [23
sie würden hier rascher erledigt und die aufzuwendenden Geld-
summen blieben in der Heimat l).
Wimphelings Antwortschreiben vom 1. November 1510 2)
begleitete ein umfangreiches Gutachten, das wiederum aus drei
Einzelteilen sich zusammensetzte. Der erste3) gibt einen
Auszug zunächst aus dem Vorwort der pragmatischen Sanktion,
dessen Schilderungen auch auf Deutschland zuträfen, und als-
dann aus ihrem Texte, derart freilich dass nur fünf seiner
Abschnitte von Wimpheling der kürzenden Wiederholung wert
befunden wurden 4). Er mochte glauben, dass sie zumeist ge-
eignet seien, der Ueberbelastung deutscher Kirchen vorzu-
beugen, würden sie auch in Deutschland erneuert. Der zweite
Teil ist reicher gegliedert. Ihn eröffnet ein kurzes Zitat aus
der Geschichte der Päpste von Piatina 5). Daran schliesst sich
eine Abhandlung „Ueber die Handlungen und die Schliche
einiger Kurtisanen", vielleicht schon vor der kaiserlichen An-
') Seitdem H. Ulmann (Zeitschrift für Kirchengeschichte III,
S. 204 f.) einen Auszug daraus mitgeteilt hatte, ist die ganze Instruktion
von J. Knepper, Wimpfeling S. 365 f. n. XXIII veröffentlicht worden.
Es heisst darin gegen den Schluss (S. 366) : Praeterea referet (d. h. Jakob
Spiegel) ei (d. h. Wimpheling) nos cogitasse de instituendo nato et per-
petuo in Germania legato, ad quem in ipsa Germania querele et causae
ecclesiasticae devolverentur, et ideo quaerat ex eo, quo iure potissimum
ille institui possit quidve ei de iure debeatur. Et exinde et honor et
commodum totius Germanicae nationis resultet : melius etenim induce-
mus, ut causae in patriis nostris ventilentur, quia celerius expedientur
et ipse impensae remanebunt in patriis. Eine Vergleichung dieser Stelle
und der Antwort Wimphelings (s. unten S. 126 Anm. 1) verdanke ich der Hilfe
meines Freundes Dr. J. Trefftz, Direktors des Weimarer Staatsarchivs.
2) Freher-Struve, Scriptores II, p. 685 sq.; Riegger a. a. 0.
III, p. 488—491.
•) Riegger a. a. 0. III, p. 492-498.
,J) Exzerpiert sind — nach unserer oben S. 42 ff. durchgeführten
Zählung — die Abschnitte IV de electione cassanda (= Mainzer Accep-
tation XXI), V de reservationibus (= Mainz XXII), VI de collatione
beneficiorum (= Mainz XXV), X de numero cardinalium (vgl. Mainz XX),
XI de annatis (= Mainz IX).
5) Riegger a. a. 0. III, p. 499.
124 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
frage niedergeschrieben, jedenfalls eine überaus scharfe Ver-
urteilung jenes Treibens, um dessen Abstellung der Papst an-
gegangen werden möge1). Es folgen „Die zehn Beschwerden
der deutschen Nation"2), deren Wortlaut sich darstellt als
eine Ueberarbeitung des früher angezogenen Briefes aus dem
Jahre 1457, in dem der mainzische Kanzler Martin Mayr
gegenüber Enea Silvio seinem Ingrimm wider die Kurie Luft
gemacht hatte3). Ihnen angefügt ist zunächst ein Remedium
contra gravamina nationis Germaniae4): dem Papst solle man
vorstellen, dass die Last der Gebühren für die Bestätigung
von Erzbischöfen und Bischöfen nachgerade unerträglich sei;
ihm müsse eine Minderung seiner Anforderungen um so eher
nahegelegt werden, als ein Abfall drohe gleich dem der Böhmen,
zumal da Kaiser, Fürsten und nicht zuletzt das Volk selbst
für den Bau von Kirchen, Hospitälern und Anstalten zum
Besten der Fremden oder Kranken des Geldes bedürften. Ein
eigenes Remedium pro civitatibus imperii et animarum salute 5)
weiterhin fordert den Kaiser auf, vom Papste mehrere Ver-
fügungen zu erwirken, die eine, dass in keiner Reichsstadt
zwei Pfründen in einer Hand vereinigt werden dürften, die
andere, dass in jeder Kollegiatkirche zum mindesten zwei
Pfründen vorhanden seien, die nicht zu den Gratien gehören
und vielmehr mit zwei Theologen oder einem Theologen und
einem Kanonisten besetzt werden sollen , die dritte , dass die
Klöster und Stiftskirchen, denen Pfarrkirchen inkorporiert
sind , an deren Geistliche Abgaben entrichten , um diese Kle-
J) Ebd. III, p. 499— 514 (p. 514 sq. Zusatz von J.Spiegel, der
im Jahre 1520 Wimphelings Gutachten, aber ohne seine Antwort betr.
des legatus natus et perpetuus, s. unten S. 126 Anm. 1, herausgab); vgl.
P. K al k o f f : Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins N. F. XIII, 8. 86 ff.
2) Freher-Struve, Scriptores II, p. 667; Riegger a. a. 0. III,
p. 519 sq.; Gebhardt, Gravamina2 S. 83 f.
3) Vgl. oben S. 106 f.
4) Freher-Struve a. a. 0. II, p. 678 sq.; Riegger a. a. 0. III.
p. 520—523.
5) Freher-Struve II, p. 679; Riegger III, p. 523 sq.
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. 125
riker sich dem Studium der Philosophie, der heiligen Schrift
und des kanonischen Rechtes widmen zu lassen. Nach allem
Voraufgehenden enttäuschen die Avisamenta ad Caesaream
maiestatem l) schon durch ihren ersten Satz. Frankreich hat
seine pragmatische Sanktion, deren es sich bedient bei Ver-
leihung der Benefizien, das römische Reich hingegen seine
Concordata principum, und dafür zu sorgen, dass niemand sie
verletze, ist Aufgabe des Kaisers. Wimpheling findet, dass
die Päpste selten sie übertreten haben und die Auditoren der
Rota nach ihnen urteilten. Sollte ein Kurtisan sie missachten,
so sei er daran zu erinnern, dass selbst Türken und Juden
Verträge zu beachten pflegten, und nach einer Verwarnung
würde er nicht in einer deutschen Stadt wohnen wollen. Der
Kaiser könne überdies in Frankreich und bei der Pariser
Universität Erkundigungen einziehen, welche Rechte dort dem
Papst bei Pfründenverleihungen zugebilligt seien, und dann
ähnliche Massnahmen für Deutschland treffen, doch nur im
Einverständnis mit den geistlichen Kurfürsten. Diese würden
vor päpstlichen Zensuren sich fürchten , das Volk aber werde
ein Interdikt nicht lange ertragen ; auch die Bettelmönche
könnten gegen ihn predigen, der Papst sogar die Neuwahl
eines deutschen Königs anberaumen, die Untertanen vom Ge-
horsam entbinden und die Nachbarn zu Einfällen in seine
Erblande anstacheln u. s. w. Kurz, Maximilian solle mit Fleiss
darauf bedacht sein, allen solchen Ränken des Papstes ent-
gegenzutreten. Noch einmal zählt endlich die Conclusio et
pia exhortatio ad Caesaream maiestatem alle Beschwerden auf,
durch deren Beseitigung Maximilian sich den Ruhm und den
Namen eines liberator Germaniae verdienen werde *). Mit
dem Neid des Humanisten blickt Wimpheling auf die an
gebildeten Geistlichen so reiche Nachbarnation im Westen.
Tüchtige und gebildete Geistliche erhofft er auch für sein Volk,
J) Freher-Struve II, p. 679 sq ; Ri egger III, p. 524—526.
2) Freher-Struve II, p. 680 sq.; Riegger IIL p. 526.
126 WerminghofF, Nationalkirchliche Bestrebungen.
sobald nur ihnen die Pfründen zu teil werden, sobald nur
Deutschland von dem finanziellen Druck der Kurie befreit ist.
Erst der dritte und letzte Teil seines Gutachtens geht auf
die Frage hinsichtlich des natus legatus et perpetuus ein l).
Ueber den legatus natus et primas seu patriarcha, meint der
Verfasser, möge man sich Rats erholen bei rechtskundigen
Leuten. Er habe wohl gehört, dass der Erzbischof von Salz-
burg legatus natus Germaniae, der von Magdeburg primas seu
patriarcha sei; aber er fürchte, der Papst würde ihre Be-
fugnisse für verjährt ansprechen, da ein Privileg durch den
Nichtgebrauch hinfällig werde 2). Er erinnere sich, auf dem
grossen Reichstag zu Worms die prächtige Rede eines adligen
Doktors gelesen zu haben, der als zum Hofhalt der Herzoge
von Sachsen gehörig bezeichnet worden sei und Hermann
Grien heisse; ein Exemplar davon werde wohl noch bei einem
Vikar der Speyerer Kirche zu finden sein.
Das Urteil über Wimphelings Denkschrift hat bereits
H. Ulmann gesprochen. Soviel ist sicher: mochte dem Kaiser
gleich mit jener taciteischen Wendung vom liberator Ger-
maniae der Ruhm eines Arminius in Aussicht gestellt wer-
x) De legato nato et primate seu patriarcha consulantur iurium
periti. Licet olim audierim archiepiscopum Saltzburgensem esse lega-
tum natum Germaniae et archiepiscopum Magdeburgensem esse pri-
matem seu patriarcham, timeo autem summum pontificem contra nos
prescripsisse, quia Privilegium per non usum perditur. Incidit mihi, quod
in glorioso quondam conventu principum in Wormatia legi de hac materia
elegantem orationem cuiusdam doctoris et nobilis, quem dicebant esse
de familia ducum Saxoniae et ons (sicher ist zu lesen : dominus) Henricus
de Rinow dicebat mihi nomen aut cognomen suum esse Hermannus
Grien ; credo hodie eius orationis exemplar inveniri posse apud quendam
vicarium summae ecclesiae Spirensis Georgium Reyser de Amberga.
Dieses in der Ausgabe Spiegels (s. oben S. 124 Anm. 1) fehlende Stück
teilte zuerst H. Ulmann (Zeitschrift für Kirchengeschichte III, S. 208 f.)
mit; es ist wiederholt bei W.Köhler, Luthers Schrift An den christ-
lichen Adel Deutscher Nation S. 163.
2) Vgl. hierzu P. Hinschius, Kirchenrecht III, S. 822 f.
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. J27
den *), mit dem ganzen Gutachten konnte ihm nicht entfernt
gedient sein. Weder fesselte es ihn an seinen Plan, noch gab
es Fingerzeige dafür, wie er vielleicht in die Wege geleitet
oder gar ausgeführt werden könnte. Dazu war der Auszug
aus der pragmatischen Sanktion nicht geeignet, ebenso nicht
die Umgestaltung jenes Briefes aus dem Jahre 1457 noch
endlich die historischen und literarischen Reminiszenzen des
Schlusses. Auf die veralteten Rechte des Salzburgers oder
des Magdeburgers war es dem Fragesteller jedenfalls nicht
angekommen, sondern auf neue und lebendige Rechte eines
ständigen Legaten für Deutschland, die erörtert werden sollten
gleich der Art seiner Einsetzung durch den Kaiser 2) und gleich
ihren Vorteilen für Deutschland. Er hatte an eine Instanz ge-
dacht, die, anders als der von Frankreich auf Zeit geforderte
procureur des ämes, gerade die jurisdiktioneilen, gerichts-
herrlichen Befugnisse des Papstes erhalte und handhabe; die
zugleich dauernd tätig sei, um der kurialen Rechtsprechung in
Prozessen um kirchliche Angelegenheiten Abbruch zu tun oder
vielmehr sie gänzlich auszuschalten. Er hatte dem Papst für
Deutschland die Ausübung seiner lehramtlichen Gewalt nicht
schmälern wollen, wie dies der französische procureur des
ämes tun sollte. Er wollte einen Stellvertreter des Papstes
für Deutschland allein im Hinblick auf kirchliche Judikatur,
nicht auch auf alle übrigen in der päpstlichen Vollgewalt be-
schlossenen Obliegenheiten des Nachfolgers Petri. Selbst in
der Beschränkung aber des Zieles stellte sich dieses dar als
ein Mittel, um die kirchliche Abhängigkeit Deutschlands von
Rom zu lockern; dass es nicht erreicht werden konnte durch
die Befolgung von Wimphelings Ratschlägen, war deutlich.
*) Vgl. die Annalen des Tacitus lib. II c. 88.
2) Dass dieser Legat ein geborener Deutscher sein sollte, lässt sich
aus Maximilians Worten (vgl. oben S. 123 Anm. 1) kaum entnehmen;
immerhin folgert es K. Käser, Deutsche Geschichte am Ausgange des
Mittelalters II (Bibliothek deutscher Geschichte; im Erscheinen begriffen),
S. 120.
UBRARY ST. MARYS CÖLL&E
128 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Was sollten Nachforschungen nützen, die den Fragenden letzt-
hin auf die uns bereits bekannte Schrift x), auf jenen „Traum"
des Hans von Hermansgrün aufmerksam machten?
Man könnte hieraus folgern, dass Wimpheling die Ab-
sichten seines Auftraggebers nicht durchschaut hätte. Von
Hermansgrün war ein Patriarchat von der Fürsten Gnaden
für längere oder kürzere Zeit, in der kaiserlichen Instruktion
aber eine ständige Einrichtung ins Auge gefasst worden.
Jedenfalls übersah oder unterschlug Wimpheling das alles
entscheidende Wort perpetuus. Von Haus aus liegt im Wesen
des legatus natus, dass seine, des päpstlichen Bevollmächtigten,
Legation ständig an einen bestimmten Bischofssitz geknüpft
ist *). Die Hinzufügung des Wortes perpetuus zu legatus
natus könnte also leicht als überflüssig, weil eine Tautologie
enthaltend, angesehen werden. Gerade aber hierdurch, dass
es im Schreiben der kaiserlichen Kanzlei nicht unterdrückt
war, Hess sich erkennen, dass mehr beabsichtigt sei als die
ständige Verbindung der Legation mit einem bestimmten Bi-
schofssitz. Der legatus natus et perpetuus sollte, wenn anders
wir recht verstehen, der Träger eines Amtes sein, dem ein
für allemal ein fester Standort, ein für allemal eine päpstliche
Bevollmächtigung überwiesen wäre. Sein Amt sollte ein
lebenslängliches für seinen ersten Träger und auch seine
Nachfolger sein, also organisch sich in den Rahmen der
Kirchenverfassung einfügen, während die legati nati nur zu
den nicht ständigen Gehilfen des Papstes gehörten. Seine
Befugnisse sollten, waren sie einmal vom Papst aus dessen
Machtfülle abgezweigt und dadurch nicht nach ihrem Ursprung,
wohl aber in ihrer Handhabung verselbständigt, in Zukunft
niemals mehr der Erneuerung, der Neubegründung durch den
Papst bedürfen, weder beim Tode des Legaten noch beim
Tode irgend eines Papstes. Vom Standpunkt der historischen
>) S. oben S. 117 ff.
2) Vgl. P. Hinschius a. a. 0. I, S. 518.
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. 129
Betrachtung aus hatte Wimpheling gewiss recht, wenn er auf
die Erzbischöfe von Salzburg und von Magdeburg anspielte; jene
nannten sich legati nati oder geborene Legaten des römischen
Stuhles und Primaten von Deutschland, diese legten sich
ebenfalls den Namen Primas Germaniae bei 1). Auch hatte
Wimpheling recht, gerade sie zu nennen, weil in der Tat die
Geschichte der legati nati mit der Primatialwürde in Verbin-
dung steht2). Eine Belehrung hierüber jedoch war nicht ein-
gefordert worden, sondern ein Aufschluss über die Befugnisse
einer Neuschöpfung, die an altes Recht sich anlehnen sollte,
um aus diesem Grunde leichter ins Leben gerufen zu werden.
So scheint nach allem das Elaborat des Humanisten, der sich
von der Wertung der Rechtsfrage zurückzog, verfehlt zu sein,
weil es den Wesenskern der Anfrage nicht traf, weiterhin
unklug, weil es im Augenblick der Spannung zwischen Papst
und Kaiser diesen zu Verhandlungen mit Julius IL aufforderte,
ohne der Möglichkeit zu gedenken, dass Maximilian mit
Ludwig XII. gemeinsam gegen den Papst vorgehen könnte,
mit jenem König, der noch an der pragmatischen Sanktion
festhielt3). Das Gutachten scheint naiv zu sein, weil es be-
J) Vgl. P. Hinschius a. a. 0. I, S. 610 f. H. Ulmann a. a. 0.
III, S. 209 Anm. 2.
2) Vgl. P. Hinschius a. a. 0. I, S. 518. 607 ff. und S. 625 f.
über die bei den einzelnen Primaten verschiedenen jurisdiktioneilen Be-
fugnisse.
3) Karl VII. (1422—1461) hatte die Sanktion von 1438 aufrecht
erhalten, Ludwig XI. (1461 — 1483) sie gemäss einem als Dauphin an
Papst Pius II. (1458—1464) gegebenen Versprechen 1461 aufgehoben,
1464 aber durch ein königliches Edikt ihre Grundsätze im allgemeinen
wiederhergestellt. Ludwig XII. (1498—1515) führte sie 1499 wieder
ein. Sein Nachfolger Franz I. (1515—1547) hob sie 1516 beim Friedens-
schluss mit Papst Leo X. (1513—1521) endgültig auf und ersetzte sie
durch ein Konkordat; vgl. K. Müller, Kirchengeschichte II, 1 S. 109.
132. 144. J. Haller: Historische Zeitschrift Bd. 103 (1909), S. 17 ff.
Nicht zugänglich war mir der Aufsatz von B o u r d o n , L'abrogation de la
Pragmatique et les regles de la chancellerie de Pie II : Melanges d'archeo-
logie et d'histoire (Paris 1908), p. 207 suiv.
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen. 0
130 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
hauptete, die Concordata principum — Wimpheling, der sie im
Jahre 1513 erstmals herausgab, versteht darunter das Wiener
Konkordat von 1448 l) — seien nie vom Papst übertreten worden,
endlich mehr als kindlich, weil es hoffte, die wahrlich nicht mit
mildem Urteil bedachten Kurtisanen könnten durch Warnungen
allein in ihre Schranken gewiesen werden. Sollte sich Maxi-
milian derart in der Wahl des Gutachters vergriffen haben?
Noch H. Ulmann fand in Wimphelings Schrift „nichts
als sorgliche Bedenklichkeit und keine Spur des freien Geistes,
aus dem allein grosse Entschlüsse geboren werden" 2). Eben
hier aber setzen die Arbeiten von P. Kalkoff ein, die der Be-
urteilung sämtlicher, oben angezogener Dokumente neue Wege
gewiesen haben3). Nach ihnen ist es fraglich, ob in Wahr-
heit Maximilian selbst im Jahre 1510 Urheber des Schrei-
bens an Wimpheling, folgeweise auch von dessen Schrift ge-
wesen ist. Sein Unterhändler, Jakob Spiegel, der Neffe
Wimphelings, war nicht der Uebermittler einer kaiserlichen
Gedankenreihe, sondern das Werkzeug seines nächsten Vor-
gesetzten, des ehrgeizigen Kanzlers und Bischofs von Gurk,
*) Ueber diese Bedeutung der Bezeichnung concordata principum vgl.
D. Fr. S trau ss, Ulrich von Hütten III (Leipzig 1860), S. 131 Anm. 1,
S. 143 f. G. Voigt, Enea Silvio I, S. 418 Anm. 1. K. Zeum er, Quellen-
sammlung S. 253 Anm. 1. — Neueren Ursprungs ist die Bezeichnung für
die Urkunden Eugens IV. vom Jahre 1447; s. oben S. 94 Anm. 2.
2) H. Ulmann: Zeitschrift für Kirchengeschichte III, S. 209.
3) Vgl. P. Kalk off, Forschungen zu Luthers römischem Prozess
(Bibliothek des Königl. Preussischen Historischen Instituts in Rom II.
Rom 1905), S. 102 ff. ; Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven
und Bibliotheken herausg. vom Königl. Preussischen Historischen Institut
in Rom IX (1906), S. 88 ff.; W. Capito im Dienste Erzbischof Albrechts
von Mainz (Berlin 1907), bes. S. 117 ff. 123 ff.; Aleander und Luther
(Leipzig und New York 1908), S. 114 ff. A. Schulte, Zwei Aktenstücke
zum Leben des Kardinals Albrecht von Brandenburg: Studien aus Kunst
und Geschichte Friedrich Schneider zum 70. Geburtstag gewidmet von seinen
Freunden und Verehrern (Freiburg i. Br. 1906), S. 203 ff. L. Mergent-
heim, Die Quinquennalfakultäten pro foro externo I (Stuttgart 1908),
S. 149 ff. 152 Anm. 1.
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max1 1. [gl
Matthäus Lang. Was dieser für sich erstrebte, die Stellung
eines Kardinallegaten mit ausgedehnten Vollmachten, sollte
der elsässische Humanist, scheinbar von ihm unabhängig, dem
Kaiser als eine erstrebenswerte Neuerung darlegen. Sein Gut-
achten sollte eine Kampagne des Ministers Matthäus Lang
eröffnen, um auf dem Umweg über den Kaiser und unter
Ausbeutung von dessen leichter Empfänglichkeit für das
Schmieden von Plänen „von der zögernden Kurie zu un-
zähligen anderen Ehren und nutzbaren Rechten auch noch dies
Kostbarste zu erpressen*1). Geschickt war die Zeit gewählt,
die des französischen Schismas. Geschickt auch war der Kaiser
in das Unternehmen hineingezogen, da nur durch ihn die
„Beweggründe einer nationalen Kirchenpolitik gegenüber der
Ausbeutung Deutschlands durch die römischen Kurtisanen" in
den Vordergrund gerückt werden konnten. Wimphelings
Gutachten war also eine bestellte, keine selbständige Arbeit,
für deren Gedankengang und Anordnung ihr Verfasser münd-
liche Weisungen erhalten haben mochte. Sie verschleierte die
Pläne des Matthäus Lang, um sie gleichwohl „auf journalisti-
schen Umwegen" einzuleiten.
Man sieht leicht, wie diese Wertung die des ganzen
Planes beeinflusst. Nicht mehr auf Maximilian kann er zurück-
geführt werden, sondern auf Matthäus Lang und dessen
skrupellosen Ehrgeiz. Verliert er hierdurch an Bedeutung?
Gewiss, er entkleidet die Kirchenpolitik des Kaisers im Jahre
1510 ihres nationalen Nimbus2), lehrt das Projekt eines
legatus natus et perpetuus erkennen als zuerst entworfen und
bis zu einem gewissen Grade gefördert von einem Empor-
kömmling3). In diesem Entwürfe aber war zugleich ein
*) P. Kalkoff, Forschungen zu Luthers römischem Prozess S. 102;
hieraus auch die beiden folgenden Zitate.
2) Nach den Worten von A. Schulte a. a. 0. S. 212.
3) Anspielung auf das angebliche kaiserliche Edikt bei Freher-
Struve, Scriptores II, p. 683 (vgl. damit oben S. 124 Anm. 2 und 4). H. Ul-
mann (Zeitschrift für Kirchengeschichte III, S.215) widerlegt die Annahme,
132 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Programm enthalten, das den Keim wenigstens einer Ver-
selbständigung des deutschen Kirchenwesens in sich schloss,
zunächst in der kirchlichen Rechtsprechung, die der erste
legatus natus et perpetuus an sich gezogen haben würde. In
ihm lag nicht das Begehren, die deutsche Kirche auf eigenes
Recht zu gründen — denn noch sollte die Würde ihres neuen
Oberhauptes von Rom erbeten und verliehen werden — , wohl
aber die Vorstellung, dass es zu einer Grenzberichtigung mit
dem Papsttum, folgeweise zu einer Vereinigung der Kirchen
in Deutschland unter einer monarchischen Spitze kommen
könnte. Beides sollte dem persönlichen Vorteil des Bischofs
von Gurk dienen. Gesetzt, sein Streben hätte sich erfüllt,
wäre dann das Ziel, das seine Winkelzüge mehr vermuten
Hessen als offen darlegten, erreicht worden, das einer deut-
schen Nationalkirche? Bis zu einem gewissen Grade wird
diese Frage zu bejahen sein, vergessen wir jedoch nicht als-
bald hinzuzufügen, dass die deutsche Nationalkirche unter
Matthäus Lang nicht der entsprochen hätte, um derentwillen
bessere als er sich gemüht, die tüchtigere Männer als er ins
Auge gefasst hatten. Diese Kirche hätte nicht leisten können
was so viele von ihr erwarteten, nicht sich aufbauen können
auf jener Sittlichkeit, die auch dem kirchenpolitischen End-
zweck eignen muss, wenn anders er erreicht werden und
dauernden Besitz eines Volkes begründen will.
Wir haben nicht mit „Wenn" und „Aber" zu rechnen, —
kein Schade wahrlich, dass dies letzte der mittelalterlichen
Projekte scheiterte, nicht allein um des Widerstrebens der
Kurie willen, sondern auch deshalb, weil Matthäus Lang in
einem nicht minder ehrgeizigen Kirchenfürsten, dem Erzbischof
von Magdeburg und Mainz, zugleich Bischof von Halberstadt,
Albrecht von Brandenburg (f 1545), einen Nebenbuhler erhielt,
der Entwurf stamme aus der kaiserlichen Kanzlei und sieht in Wimphe-
ling den Urheber. J. Knepper (Wimpfeling S. 267 Anm. 3) und P. Kal-
koff (Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins N. F. XIII, S. 87)
suchen ihn in Jacob Spiegel.
Pläne aus der Zeit Friedrichs III. und Max' I. 133
auf den Maximilian I. , um der Kaiserwahl seines Enkels willen,
„den alten Plan des permanenten deutschen Legaten a latere
übergehen Hess" x). Es erübrigt sich, auf die Einzelheiten der
zu einem gordischen Knoten sich verwirrenden Fäden von
Forderungen und Begehren, Verhandlungen und geheimen Ab-
machungen einzugehen; sie fielen mit jenen Ereignissen zu-
sammen, die eine schwierigere Aufgabe zur Lösung stellten,
die der Auseinandersetzung mit Martin Luther und seinem
Angriff auf die alte Kirche, ihre Lehre und ihre Verfassung.
*) A. Schulte a. a. 0. S. 213. — Ob es mit dem Fehlschlag Längs
zusammenhängt, dass im Jahre 1520 der letzte Teil des Gutachtens von
Wimpheling (vgl. oben S. 124 Anm. 1, S. 126 Anm. 1) nicht durch Jacob
Spiegel veröffentlicht wurde?
Siebenter Abschnitt.
Populäre und humanistische Gedanken. —
M. Luther und die evangelischen Landeskirchen. —
Die katholische Kirche der Neuzeit und Pläne
einer deutschen Nationalkirche kath. Glaubens.
Das Mittelalter — noch hat niemand eine bessere Be-
zeichnung vorzuschlagen vermocht — liegt hinter uns und
mit ihm seine Gedanken und Ansätze zum grossen Werke
einer deutschen Nationalkirche. Im 12. Jahrhundert waren
sie erstmals umschrieben worden, dann hatte die Periode der
Reformkonzilien sich ihnen genähert, und endlich, um die
Wende des 15. und 16. Jahrhunderts, erwiesen sich ein Publi-
zist und unter dem Deckmantel des kaiserlichen Namens der
Bischof von Gurk als ihnen geneigt. Sie waren damit noch
nicht Allgemeingut des ganzen Volkes geworden, nicht zufällig
aber begegnen sie nun auch in solchen Lebenskreisen, die bis-
lang nicht zu Worte gekommen waren. Sie wurden zum Be-
standteil jener Strömungen, die das Hervorbrechen des populären
Nation algefühls ankündeten und vorbereiten halfen. Einst,
im Zeitalter der Ottonen, war der Erwerb der römischen Kaiser-
krone durch den Sachsenkönig das erste Anzeichen gewesen
für das innere Erstarken gerade der Deutschen zu einem
Staate. Jetzt lehrte der Ruf nach Befreiung von Rom, dass
die Nation begann, ihrer selbst sich bewusst und mündig
zu werden. Noch galt das römische Kaisertum als Erbgut
der Nation, das römische Papsttum hingegen und seine Kurie
Ausblick auf die neuere Zeit. 135
sollten abgeschüttelt werden. Noch ahnte man nicht, dass
Imperium und Sacerdotium auch künftig auf einander an-
gewiesen seien, dass beide das gleiche Mass der Schuld an
den Zuständen der Gegenwart belaste. Dürftig genug war die
Einsicht in die Natur des Staates, seine Lage und Bedürfnisse ;
immer noch war die Religion die Macht, die vornehmlich das
Gemüt des einzelnen erfüllte. Härter und drückender al-
Schäden des Reiches empfand man deshalb die eines Kirchen -
tums, das dank seiner Verwaltung nicht mehr den Ansprüchen
nach gesteigerter, verinnerlichter Betätigung des Glaubens und
frommer Werke Genüge tat, dem es an der Kraft gebracb,
der Erregung weiter Kreise über seinen Verfall vorzubeugen
oder auch nur ihrer Herr zu werden.
Begreiflich, dass der Gedanke einer selbständigen deutschen
Nationalkirche jetzt häufiger nachweisbar ist als vordem —
gewann er an Nachdruck, so konnte freilich das Bild der
Kirche, die aufgerichtet werden sollte, an Klarheit der Um-
risslinien verlieren — , dass er nun auch an Stellen auftauchte,
die untereinander kaum geistige Fühlung besassen. Einmal
nämlich tritt er in den weitverbreiteten Weissagungen ent-
gegen, Erzeugnissen der populären Literatur, die gerade an
den kleinen Mann im Volke sich wandten, um ihn zu schrecken
und zu erregen, um seine Erwartungen zu steigern und da-
durch wiederum seine Stimmungen den Nachlebenden zu ent-
hüllen 1). Die Visionen der hl. Hildegard von Bingen, die vor
Zeiten den Zerfall der Kirche geschaut hatte, waren nicht ver-
gessen 2). Nun las man dazu neue Mären von jenem römischen
Kaiser, der nicht allein Frankreich zerstören, sondern auch
ein deutsches Patriarchat zu Mainz gründen und diesem auf
einem Konzil zu Aachen das „ Recht der ganzen deutschen
Kirche", d. h. doch wohl ihre Oberleitung, übertragen werde.
') Zum Folgenden vgl. J. von Dö Hing er, Kleinere Schriften
S. 533 ff., bes. S. 546 f. 555 (nach ihm auch die folgenden Verweise).
F. von Bezold, Geschichte der deutschen Reformation S. 180.
2) Vgl. oben S. 19 Anm. 2.
136 "YVerminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Dann würden die deutschen Länder und Völker hoch erhoben
und geehrt werden. Sie würden leben mit ihrem neuen Hirten,
vielleicht also unter dem zum Papst zu erhebenden Patriarchen
von Mainz, und mit ihrem Kaiser den allerletzten Kreuzzug
unternehmen *). Oder man las die Prophezeiung, die im Jahre
1409 ein Priester in Amberg, Johann Wünschelburg, von der
Kanzel herab verkündet haben sollte: „Die Deutschen werden
einen Kaiser wählen aus dem Rheinland. Der wird zu
Aachen ein weltliches Konzil veranstalten, einen Patriarchen
in Mainz einsetzen, der zum Papst gekrönt werden wird. Der
gewählte Kaiser wird seinen Gegner" — den Kaiser vom
Süden, wie er kurz zuvor genannt wird — „angreifen und
töten. Um Rom wird man sich hinfort nicht kümmern, den
apostolischen Stuhl unterdrücken. Alles geistliche Wesen
wird von Mainz ausgehen. Man wird die Kirche ihres Be-
sitzes berauben und die Priester töten" 2). Auch die Phantasie
x) Aus der Prophezeiung des angeblich um das Jahr 1390 lebenden
Gamaleon kommt hier folgende Stelle in Betracht : . . . proferet vexillum
suum Romanorum Caesar de campo liliorum et Romam expugnabit et
capiet regem de campo Gambalza et interficiet dominos ac tyrannos
dignitatesque Romani imperii et omnino eiiciet, quod in posterum illius
regni nulla praeterquam Germani imperii mentio futura sit. Exurgent
autem multae haereses et offensiones per totam orbis divisionem et omnia
feuda a Germanico Caesare conferentur et clerus ad nascentis ecclesiae
paupertatem ac simplicitatem concedente Deo redigetur. Et sicut Roma,
ita Germanicae regiones deglubent. Et cum multa de patriarcha Mogun-
tino eo tempore futuro locutus fuisset (seil. Gamaleon), cui totius Germa-
nicae ecclesiae ius conferatur in concilio Aquisgrani celebrando, tandem
subiieit: Et sub isto Caesare Germanicae regiones ac nationes exalta-
buntur ac honorabuntur et Judaei in omnibus terris affligentur, postea
Germani Christiane vivent cum novo futuro pastore et erit tum magna
et ultima in terram sanetam expeditio ; WolfgangLazius, Fragmentuni
vaticinii cuiusdam ut coniieitur Methodii episcopi ecclesie Paterensis et
martyris Christi, Vindobonae 1547, fol. Hij verso. Leider hat, wie schon
Döllinger a. a. 0. S. 547 bemerkt, der Herausgeber die Prophetie ge-
kürzt und gerade an der uns interessierenden Stelle.
2) J. "Wolf, Lectiones memorabiles et reconditae I (Francofurti
ad Moenum 1671), p. 615 (Döllinger a. a. 0. S. 553 Anm. 3 zitiert die
Ausblick auf die neuere Zeit. 137
ist zollfrei, nur dass auch sie eine Macht darstellt, geeignet,
die öffentliche Meinung zu beeinflussen gleich jenen „Traume"
des Hans von Hermansgrün, der im Jahre 1405 auf ein
deutsches Patriarchat von der Fürsten Gnaden hingewiesen
hatte 1).
Klarere Vorstellungen, erwachsen aus dem Ingrimm über
den Druck der Gegenwart und auf greifbare Gestaltung einer
besseren Organisation gerichtet, erfüllten Ulrich von Hütten
(t 1523), der ihnen durch Schrift und Wort Nachhaltig-
keit und Verbreitung zu sichern wusste. Wie im Jahre 1518,
dem des Augsburger Reichstags, ein Flugblatt den deutschen
Fürsten zugerufen hatte, der deutschen Freiheit zu gedenken,
nicht tributpflichtig zu werden und keine Zehnten nach Rom
zu zahlen2), so predigte im Jahre 1520 der Dialog des frän-
kischen Ritters „Von der römischen Dreifaltigkeit" mit genialer
Bosheit und Treffsicherheit die Verderbnis der kirchlichen Ver-
waltung, dank der immer je drei Missstände zusammen ihren
Sitz in Rom an der Kurie aufgeschlagen hätten und von dort
nach Deutschland drängen. In patriotischem Zorn fordert der
eine Sprecher, Ernhold, dass alle Deutschen in Eintracht
und mit würdigem Ernst das römische Joch abwürfen, um
der angestammten Freiheit sich wieder anzunehmen, dass man
Ausgabe v. J. 1600, I, p. 728): Armatus vir est imperator, qui veniet
a meridie, qui incipiet malum ecclesiae et malum habebit ortum. Ille
a papa coronabitur et maiorem Italiam sibi subiugabit et auferet pote-
statem a Teutonicis. Et hi Teutonici eligent sibi imperatorem de
Alemannia alba, id est Rheno, et ille faciet in Aquisgrano concilium
seculare et ponet patriarcham in Moguntiam, qui coronabitur in papam.
Et imperator electus invadet alium imperatorem et occidet eum et
Roma non curabitur et sedes apostolica cooperietur. Et omnis spiri-
tualitas exibit a Moguntia et possessionem auferent ab ecclesia et occi-
dentur sacerdotes etc.
J) S. oben S. 118 ff.
2) Ueber die Oratio dissuasoria (gedr. u. a. bei E. Bock in g, Ulrichs
von Hütten Schriften V, Leipzig 1862, S. 168 ff.) vgl. B. Gebhardt,
Gravamina 2 S. 95 ff.
138 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
selbst das Haupt aller Römlinge beseitigte. Hütten hingegen,
sein Widerpart, ist zwar einverstanden mit der Forderung auf
Befreiung, noch aber tritt er für ein sichtbares Haupt der
Kirche ein; es sei heilbar, möchte gleich die notwendige Kur
recht schmerzhaft sein. Als Ernhold zum zweiten Male darauf
besteht, das kranke Haupt zu beseitigen, da antwortet Hütten,
vielleicht in bitterer Ironie, den Papst dürfe man nicht ent-
fernen, aus welchem Grunde es die Welt auch tun möchte,
und zwar um der Dekrete und des geistlichen Rechtes willen,
mit denen es leicht sei, jede Anfechtung, selbst ein Konzil,
zurückzuschlagen *). Ein Brief sodann aus demselben Jahre 1520
lässt einen weiteren Blick tun in Huttens Gedankenwelt. Er
berichtet vom Besuche des streitbaren Ritters in Köln, dazu
von Fragen, die er seinen Freunden vorgelegt habe: „Was
haben wir denn Teil an den Römern oder was ist unser
Erbe am römischen Bischof? Gibt es nicht in Deutschland
Primaten und Bischöfe, sodass wir nur zu unserer Unehre dem
römischen Bischof im Fusskuss uns unterwerfen? Deutschland
verlasse Rom; es kehre zurück zu seinen Primaten, Bischöfen
und Hirten" 2). Hütten verlangte demnach ebenfalls eine Ver-
J) Der Dialog findet sich bei E. Böcking, Ulrichs von Hütten
Schriften IV (Leipzig 1860), S. 145 ff.; hier genügt ein Verweis auf seine
Uebersetzung durch D. Fr. Strauss, Ulrich von Hütten III (Leipzig
1860), S. 135 f. 156. 173. 177; s. ebd. S. 103 f. 122. 152 ff. 182 ff., während
die übrigen Dialoge, weil zum Teil nach Luthers Schrift veröffentlicht,
hier nicht mehr in Betracht kommen. — Ueber den Dialog Huttens und
das Verhältnis von Luthers Schrift x4n den christlichen Adel deutscher
Nation zu ihm vgl. W. Köhler, Luthers Schrift An den christlichen
Adel Deutscher Nation S. 286 ff. 303 ff.
2) Vgl. den Brief des Agrippa von Nettesheim vom 16. Juni 1520,
in dem es heisst : Fuit hie (d. h. in Köln) apud nos Huttenus cum aliquot
Lutheranae factionis asseclis, qui nunc in curtesanos ut vocant Romanos-
que legatos calamum stringunt, ipsi etiam Romano pontifici infensi magnas
seditiones, ni Deus provideat, concitaturi, dum singulos Germaniae prin-
cipes et potentatus magnis persuasionibus adhortantur, ut excutiant
Romanum iugum, quemadmodum populus Israel olim excussit iugum
domus David recesseruntque decem tribus Israel domo David usque in
Ausblick auf die neuere Zeit.
selbständigung des deutschen Kirchen wesens; Primaten und
Bischöfe sollten seine Häupter sein. Hatte nicht auch Jacob
Wimpheling in seinem Gutachten vom Jahre 1510 an die deut-
schen Primaten erinnert? Dem elsässischen Gelehrten allerdings
war die Freudigkeit zu einem kirchlichen Neubau unbekannt1);
er lebte in historischen Erinnerungen, während Huttens Worte
beflügelt wurden durch die Energie, die sich das Ziel gesetzt
hatte. Schon wussten einige Fürsten und Städte um solche
Pläne; sie erfuhren aufs neue von ihnen durch Luthers
Schrift „An den christlichen Adel Deutscher Nation von des
christlichen Standes Besserung".
Es bleibe dahingestellt, ob Luther durch seinen Freund
Georg Spalatin, in dessen Nachlass das Gutachten Wimphe^-
lings überliefert ist2), von diesem Kunde erhielt3), nicht minder,
bis zu welchem Grade er von Hütten beeinflusst war. Ebenso
möglich ist doch, dass er Gedanken Aufnahme gewährte, an
denen ein geistiges Eigentum deshalb nicht bestand, weil
diem hane dicentes: ,Quae est pars nostra in David vel quae haereditas
in filio Israel? Vade in tabernacula tua, Israel' (3. Reg. 12, 16). Sic
et isti clamant: ,Quäe est pars nostra inter Romanos aut quae haere-
ditas nostra in episcopo Romano? Numquid non sunt primates et epi-
scopi in Germania, ut usque ad pedum oscula indigne subiiciamus nos
episcopo Romano ? Relinquat Romanos Germania et revertatur et iam
revertetur et convertatur ad primates et episcopos et pastores suos.'
Vides, quorsum ista tendunt et iam principes aliquot et res publicae istis
aures praebent. Quid Caesaris valitura sit autoritas nescio; ego certe
contemplatus hominem totum Saturnium nihil in illo bonae spei reposi-
tum habeo; ipsa, quae sequuntur, tempora docebunt, qualem nobis elegi-
mus Caesarem; E. Böcking, Ulrichs von Hütten Schriften I (Leipzig
1859), S. 359 f. n. 175; Th. Kolde, Luthers Stellung zu Konzil und
Kirche bis zum Wormser Reichstag 1521 (Gütersloh 1876), S. 75 Anm. 2;
W. Köhler a. a. 0. S. 165.
') S. oben S. 130.
2) Vgl. H. Ulmann: Zeitschrift für Kirchengeschichte III, S. 218.
3) So vermutet K. Benrath in seiner Bearbeitung von Luthers
Schrift An den christlichen Adel u. s. w. (Halle 1884), S. 98 Anm. 45;
vgl. aber auch P. Kalk off, Aleander gegen Luther S. 116 Anm. 2.
140 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
sie die von kirchenpolitisch bewegten Kreisen waren, deren
mündliche Erörterungen des Eindrucks auf Luther nicht ent-
behrten l). Wie immer man sich entscheiden mag, wichtiger ist
die Tatsache: auch Luther glaubte fürs erste an die Möglich-
keit einer deutschen Nationalkirche. Auch hierin machte er sich
zum Sprecher für die Wünsche seines Volkes und die Meinungen
seiner Zeitgenossen, freilich um sie selbst erst mit seinem
eigenen Geist zu beleben und zu erfüllen. „Man möchte
gönnen," schrieb er2), „dass Sachen, die da Lehen oder
Pfründen betreffen, vor Bischöfen, Erzbischöfen, Primaten ver-
handelt werden. Darum, wo es sein möchte, zu scheiden
Hader und Kriege, cfass der Primat in Germanien ein gemein
Konsistorium hielte mit Auditoren, Kanzlern, die, wie zu Rom,
signaturas gratiae und iustitiae regierten 3), zu welchem durch
Appellation die Sachen in deutschen Landen würden ordentlich
gebracht und getrieben; welche man nicht, wie zu Rom, mit
freiwilligen Gaben und Geschenken besolden müsste . . . Aber
diese könnte man besolden von den Annaten oder sonst einen
Weg erdenken, wie denn wohl mögen Solche, die hoch-
verständiger und in den Sachen besser erfahren, denn ich
bin. Ich will nur angeregt und Ursache zum Denken gegeben
haben denen, die da vermögen und geneigt sind, deutscher
Nation zu helfen, wiederum Christen und frei zu werden
nach dem elenden, heidnischen und unchristlichen Regiment
des Papstes."
*) Vgl. W. Köhler a. a. 0. S. 165 ff., bes. S. 167.
2) Weimarer Ausgabe VI, S. 430 f. , hier wiedergegeben nach der
Bearbeitung von K. Benrath a. a. 0. S. 33 f.; vgl. dazu H. Hermelink:
Zeitschrift für Kirchengeschichte XXIX (1908), S. 283. P. Drews, Ent-
sprach das Staatskirchentum dem Ideale Luthers? (Ergänzungsheft der
Zeitschrift für Theologie und Kirche 1908), S. 25.
3) Man möchte damit eine Aeusserung Luthers verbinden, die in
Erinnerung an seine Reise nach Rom getan ist: „Nichts ist da zu loben
denn das Consistorium und Curia Rotä, da die Händel und Gerichts-
sachen fein regelmässig gehört, erkannt, gerichtet und geörtert werden" ;
angeführt von A. Hausrath, Luthers Leben I (Berlin 1904), S. 85.
Ausblick auf die neuere Zeit. 141
Luthers Schrift vom Jahre 1520, der die angeführten
Sätze entnommen sind, war sein Weckruf an die weltliche
christliche Obrigkeit in deutschen Landen, der Reform der
Kirche sich anzunehmen, deren Leitung sie bisher nicht
hatte durchführen können. Vor dem Auge des Reformators
steht klar die unabweisliche Notwendigkeit der Besserung.
Mit hinreissender, packender Gewalt umschreibt er die Mittel,
durch die sie in die Wege geleitet, die Stellen, an denen
sie begonnen werden soll. Nebensächlicher dünken ihm die
Ordnungen des Neubaues, der die alte und verderbte Kirche
ersetze. Noch sollen auch fürderhin der Primas — vielleicht
dachte er hierbei wie Hans von Hermansgrün im Jahre 1495
an den Erzbischof von Magdeburg1) — , sollen die Erzbischöfe
und Bischöfe ihres Amtes walten. Noch finden selbst die an
Zahl freilich verminderten Kardinäle, die verkleinerte Kurie
und endlich sogar der Papst Gnade. „Doch dass er nicht klage,
er werde seiner Herrschaft beraubt," heisst es kurz vor den
obigen Worten2), „sollte verordnet werden, dass, wo die Pri-
maten oder Erzbischöfe nicht möchten eine Sache ausrichten oder
unter ihnen sich ein Hader erhöbe, dass alsdann derselbe dem
Papst würde vorgetragen, und nicht eine jegliche kleine Sache,
wie vor Zeiten geschah und das hochberühmte Konzil zu Nicäa
1) Vgl. oben S. 117.
2) Weimarer Ausgabe VI, S. 428 f. (Benrath S. 32); andere Stellen
über den Papst verzeichnet P. Drews a. a. 0. S. 27 Anm. 1, z. B. Wei-
marer Ausgabe VI, S. 415 : Nu solt sein ampt nichts anders sein, dan
teglich weynen vnnd beten für die Christenheit vnd ein exempel aller
demut furtragen ; S. 433 : Es gepurt nit dem Bapst , sich zurheben vbir
weltliche gewalt, den allein in geistlichen ampten, als do sein predigen
vnnd absoluieren; S. 434: Wie solt bestan bey einem keysserthum zu
regieren, predigen, beten, studiern vnnd der armen wartenn, wilch ampt
auffs aller eyentlichst dem Bapst zustehen. Zu Luthers Ansicht über das
Amt des Papstes vgl. Huttens Gespräch „Der Warner" (I) in der Ueber-
setzung von D. Fr. Strauss, Ulrich von Hütten III, S. 272 ff. 276 ff. ^ —
Nicht zu behandeln ist hier die Stellung, die Luther dem Konzil zu-
gebilligt wissen wollte; vgl. darüber W. Köhler a. a. 0. S. 315 ff.
142 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
gesetzt hat; was aber ohne den Papst kann ausgerichtet werden,
dass seine Heiligkeit nicht mit solchen geringen Sachen be-
schwert werde, sondern ihres Gebetes und Studierens und Sorgens
für die ganze Christenheit, wie er sich rühmet, warten möge", —
ein Papsttum göttlichen Rechtes freilich konnte Luther seit
der Leipziger Disputation vom Jahre 1519 nicht mehr aner-
kennen *). Es wäre falsch , in Luthers Ausführungen das
System für das Verfassungsrecht einer neuen Kirche suchen
zu wollen. Nicht auf das Recht der Kirche kam es ihm an,
sondern auf den Glauben, der alle ihre Mitglieder erfüllen,
ihre Tätigkeit adeln und heiligen soll. Er sah, dass die Kirche,
der auch er gedient hatte, abgefallen war von dem Prinzip,
das ihr Daseinsberechtigung gewährte, vom christlichen Glauben,
dass sie einseitig beschäftigt war mit der Ausgestaltung ihres
Rechtes und seiner Aeusserungsformen , der Verfassung und
Verwaltung. Dieser Kirche, die auf ihr Recht sich stützte,
stellte er seine Kirche als auf den Glauben begründet gegen-
über; er allein sollte ihr Wesen und ihre Wirksamkeit aus-
machen. Dieser Glaube, wie Luther ihn lehrte, bedurfte nicht
mehr der Vermittlung durch eine Hierarchie, nicht der Normen
für die sichtbare Kirche. Unmittelbar sollte jeder Christ,
wes Berufes oder Standes immer er wäre, im Glauben und
durch ihn mit Gott verbunden sein. Keine Mittelspersonen auf
Grund besonderer Vollmacht sollten mehr zwischen das Ge-
schöpf und den Schöpfer treten. Alle Christen sind zugleich
Priester. Sie in ihrer Gesamtheit bilden die unsichtbare
Kirche, in der allein das mit allen geistlichen Rechten aus-
gestattete Amt des Pfarrers in jeder Gemeinde unentbehrlich
scheint2).
Luthers Lehre, deren weitere Ausgestaltung hier nicht zu
verfolgen ist, traf den Wesenskern der katholischen Kirche
als einer Sakramentskirche, als einer rechtlich umschriebenen
J) Vgl. A. Hausrath, Luthers Leben I, S. 292. 301 ff. 317 ff. 348 ff.
2) Vgl. P. Drews a. a. 0. S. 25 ff.
Ausblick auf die neuere Zeit. 143
Organisation. Sie hatte den Klerus vom Laienstand gesondert
und über ihn erhoben, die einzelnen Stufen des Klerus nach
Befugnissen und Pflichten in Beziehung gesetzt zu ihrem Ober-
haupt, das Christus selbst für sie angeordnet haben sollte.
Diese in ihrem Klerus sichtbare Kirche hatte sich gegenüber
dem Staate verselbständigt, ihn überflügelt und zu ihrem Diener
gemacht. Nun wandte sich Luther eben an den Staat und sein
Gewalten, an die Ritter, die niederen und hohen Fürsten im
Keiche und den Kaiser 1). Dieser Adel — Luther nannte ihn
den christlichen, weil er bei ihm die rechte christliche Gesinnung
voraussetzte2) — sollte ihm helfen bei dem grossen Werke;,
war er doch ausgestattet mit kirchlichen und kirchenh oh ert-
lichen Gerechtsamen, sah er sich doch allenthalben eingeengt
durch die allgemeine Kirche, die dank ihrer Einwurzelung in
das weltliche Getriebe vom rechten Glauben abgewichen war.
Auch hier also ein Gegensatz zwischen Luther und der Papst-
kirche, die jedem Eingriff des Staates in ihre Betätigung wider-
strebte, ohne ihrerseits die Grenzlinie zwischen geistlichem und
weltlichem Wesen innezuhalten. Luther setzte seine Hoffnung auf
das Kaisertum, über das der Papst keine Gewalt habe3), und
auf dessen Inhaber, der unter dem Druck der Erregung des deut-
schen Volkes beim Wahlgange den französischen Nebenbuhler
aus dem Felde geschlagen hatte, — und seine Hoffnung wurde
zu Schanden, musste es werden. Karls V. Weltstellung be-
ruhte auf der Uebereinstimmung mit der katholischen Kirche.
Für ihn war Deutschland nur eines der Länder, die seine
Universalmonarchie umspannte. Er konnte nicht deutscher
Kaiser sein, da er sonst auf die Niederlande, Italien und
Spanien hätte verzichten müssen. Sein Platz als des römischen
Kaisers war neben dem des römischen Papstes. Im Jahre 1531
schrieb der päpstliche Nuntius Aleander nach Rom: „Gott
1) Vgl. K. Müller, Kirchengeschichte II, S. 244 Anm. 2.
2) Vgl. P. Drews a.a.O. S. 19 ff.
3) Vgl. Weimarer Ausgabe VJ, S. 405 f. 433 f. (B e n r a t h S. 4 f. 37 f.).
144 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
sei Dank, dass er uns einen so katholischen Fürsten gegeben
hat; wenn wir in diesen Zeiten einen Friedrich Barbarossa,
einen Ludwig den Bayern oder einen Heinrich IV. zum Kaiser
gehabt hätten, so würden wir von der Christenheit", d. h. von
der katholischen Kirche in Deutschland, „nur wenig mehr
übrig haben" 1). Wie oft auch Karl V. und die Nachfolger
Petri im Zusammenprall der politischen Interessen sich be-
fehdeten, wie oft die kirchenpolitischen Ziele des Habsburgers
denen des Mediceers Clemens VII. (1523—1534) oder des
Farnese Paul III. (1534 — 1549) nicht entsprachen: schliess-
lich war es der Vogt der katholischen Kirche, der Kaiser,
der den Abfall der ganzen Nation von ihr und ihrem Papst-
tum verhinderte, jener Nation, von der gegen Ende seines
Lebens etwa neun Zehntel zur neuen Lehre sich bekannten2).
Damit war zugleich das Schicksal der Lehre Luthers be-
siegelt. Verkündet mit dem Schwung eines Idealismus, der
die Welt und ihr Recht überwunden hatte, bedurfte auch sie
gleichwohl einer Schirmvogtei , des Schutzes durch die Welt,
wenn sie bestehen und dauernder Besitz der Nation verbleiben
sollte. Das Geheimnis der Religion, im letzten Grunde ein höchst-
persönliches, bedarf, um nicht dem Spiel der individuell ver-
schieden gestalteten Gedanken einzelner Menschen anheimzu-
fallen, der schützenden Dogmen, einer Gemeinde von Be-
kennern und damit wiederum eines Rechtes, das mit seinen
Normen den Glauben umhegt und in einer kirchlichen Ver-
fassung eben für seine Anhänger zu Tage tritt. Luther hatte
die Christenheit im Auge gehabt, als er seinen Ruf nach
*) H. Lämmer, Jdonumenta Vaticana historiam ecclesiasticam
saeculi XVI. illustrantia (Freiburg i. Br. 1861), p. 87 n. 65 d. d. 1531
Nov. 19.
2) Vgl. die Aeusserung des venezianischen Gesandten Badoero aus
dem Jahre 1557 — von den Deutschen seien sieben Zehntel lutherisch,
zwei Zehntel reformiert oder wiedertäuferisch, das letzte Zehntel katho-
lisch — bei J. von Döllinger, Ueber die Wiedervereinigung der
christlichen Kirchen S. 62 f.
Ausblick auf die neuere Zeit. 145
Reform in die Welt hinaussandte — auch in ihm lebte der
universalistische Gedanke des Mittelalters fort1) — , er hatte
dabei zunächst an sein Volk als an einen Mikrokosmus der
Christenheit gedacht. Nun, da sein Evangelium „Verstössen
war vom Papst, geächtet vom Kaiser, missbraucht vom Adel,
geschändet von den Bauern , fand es Schutz bei den Fürsten
der Heimat"2), bei jener Macht also, die emporgekommen
war im Ringen mit dem universalen Kaisertum, die ihre kirch-
lichen Befugnisse erweitert und gesichert hatte durch den
Bund mit dem Papsttum wider den reformbegeisterten Epi-
skopat des 15. Jahrhunderts, bei der partikularen Fürstengewalt
der Landesherren, die neben den Vertretern der Reichsritter-
schaft und den Reichsstädten zum neuen Glauben sich bekannt
hatten. Ein Notbehelf des Reformators, dessen Ideal auf Ge-
meinden wahrhaftiger Gläubigen gerichtet war, nicht auf ein
landesherrliches Kirchenregiment3), — aber allein dieser An-
schluss gewährte die Bürgschaften, die von den anderen Macht-
kreisen des staatlichen und kirchlichen Lebens nicht über-
nommen werden konnten oder nicht übernommen worden
waren. Mit Recht hat Fr. von Bezold gefragt4): »Wohin
sonst hätte sich der Reformator wenden sollen als an jene
Gewalten, bei welchen allein die Neigung und zugleich die
*) Vgl. E. Tröltsch: Kultur der Gegenwart I, 4, herausg. von
P. Hinneberg (Berlin und Leipzig 1906), S. 264; s. auch W. Köhler:
Die Religion in Geschichte und Gegenwart I, herausg. von F. M. Schiel e
(Tübingen 1909), S. 2092 ff.
2) A. Hausrath, Luthers Leben II (Berlin 1904), S. 105; vgl.
auch Fr. von Bezold, Staat und Gesellschaft des Reformationszeit-
alters S. 66 ff. (Kultur der Gegenwart II, 5, 1, herausg. von P. Hinne-
berg, Berlin und Leipzig 1908).
3) Vgl. P. Drews a.a.O. S. 73 ff. E.Brandenburg, Martin
Luthers Anschauung vom Staate und der Gesellschaft (Halle 1901),
S. 23 ff., aber auch H. Hermelink: Zeitschrift für Kirchengeschichte
XXIX (1908), S. 267 ff.
4) Geschichte der deutschen Reformation S. 562; vgl. auch C. B.
Hundeshagen: Zeitschrift für Kirchenrecht III (1863), S. 246 ff.
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen. 1 0
146 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Macht zu einem augenblicklichen Schutz seines Werkes , die
Sache Gottes zu finden war?" Damit war ein Ausweg be-
schritten, dessen Nachwirkungen noch in unseren Tagen sichtbar
sind. Die Wurzeln der landesherrlichen Kirchen reichen hin-
auf bis ins Mittelalter. Sie selbst traten zu Tage und wurden
Schöpfungen des Rechtes, seit im 16. Jahrhundert die Landes-
herren den Glauben ihrer Untertanen bestimmten. Ihr Dasein
widerstrebt an sich der Bildung einer deutschen Nationalkirche
evangelischen Glaubens, gerade aber um der Vereinigung
willen, die in ihnen für Staat und Kirche geschaffen ist, er-
weisen sich diese Landeskirchen als notwendig und erspriess-
lich. Nur ein unhistorischer Radikalismus wird, um vermeint-
licher Vorteile willen, die Lösung dieses Bandes zwischen Staat
und Kirche fordern. Es ist unserem Volke eine Vorbedingung
des konfessionellen Friedens. Dieses Band zerreissen hiesse den
alten und stets neuen Bestrebungen der römisch-katholischen
Kirche nach Alleinherrschaft ihres Glaubens und ihres Rechtes,
folgeweise auch ihrer Verfassung die Möglichkeit gewähren
zu aggressiver Ausbreitung und Verwirklichung. Das Neben-
einanderbestehen der evangelischen Landeskirchen auf dem
Boden des Deutschen Reiches — man zählt ihrer siebenund-
dreissig — ist ein Notbehelf und er verschuldet eine starke
Zersplitterung des Rechtes. Gleichwie aber schon in den Jahr-
hunderten der Reformation und des Dreissigjährigen Krieges
regten sich im 19. Jahrhundert, regen sich in der Gegenwart
mannigfach geartete Tendenzen, um die rechtlich getrennten
Organisationen zur Wahrung der gemeinsamen evangelisch-
kirchlichen Interessen einander zu nähern. Sie haben durch
Begründung des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses
am 13. Juni 1903 ein erstes Ziel erreicht *). —
*) Vgl. J. von Döllinger, Kirche und Kirchen, Papsttum und
Kirchenstaat (München 1861), S. 9 ff. 252 ff. ; lieber die Wiedervereinigung
der christlichen Kirchen S. 64 ff. 72 ff. K. von Hase, Gesammelte Werke X
(Leipzig 1892), S. 496 ff. 648 ff. C. Mirbt, Der Zusammenschluss der
evangelischen Landeskirchen Deutschlands. Marburg 1903. U. Stutz
Ausblick auf die neuere Zeit. 14 7
Andere Beobachtungen drängen sich auf, überschaut man
die Geschichte der römisch-katholischen Kirche seit dem 10. Jahr-
hundert1). Auch sie wurde im Zeitalter Karls V. und des
Ignatius von Loyala reformiert. Auch sie erfuhr an sich selbst
die unwiderstehliche Wirkung eines Mannes, der von ihr mit
den Waffen ihres Rechtes und ihrer Disziplin, nicht mit denen
ihrer Lehre bekämpft worden war 2). Mag es immer wieder
in Abrede gestellt werden, es bleibt doch wahr: Luther er-
schütterte das Gefüge der katholischen Kirche heftiger als
einst die Reformkonzilien. Er und sein Werk weckten in ihr
a.a.O. II, S. 901. E. Sehling: Grundriss der Geschichtswissenschaft
von A. Meister II, 8 (Leipzig 1907), S. 49 ff. F. M. Schiele, Die
kirchliche Einigung des evangelischen Deutschland. Tübingen 1908.
») Vgl. U. Stutz a. a. 0. II, S. 863 ff.
2) J. von Dö Hing er (Wiedervereinigung der christlichen Kirchen
S. 57 f.) macht darauf aufmerksam, dass nach Leos X. Bulle vom 15. Juni
1520 (0. Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums2 S. 183 ff.), die
sich nur gegen. Luthers früheste Aeusserungen richtete, in den Jahren
1520 — 1563 keine einzige lehrhafte Bulle erlassen wurde, die darüber
unterrichtet hätte, was der päpstliche Stuhl über die wichtigsten
religiösen Fragen zu glauben gebiete. Ebenso zu eigen machen
möchten wir uns seine weiteren Ausführungen S. 58 f. : „Die Deutschen
hatten zwar immer noch eine politische Einheit, das Reich mit dem
Kaisertum und dem Reichtage; sie hatten auch Bischöfe und Diözesen,
aber es fehlte jede höhere, organische Gestaltung und Zusammenfassung,
es fehlte, mit einem Worte, eine deutsch-nationale Kirche; seit Jahr-
hunderten war kein deutsches Konzil mehr gehalten worden, war nichts
geschehen , um auch nur den ärgsten Missbräuchen , den schreiendsten
Entstellungen abzuhelfen. In der Tat war auch ein solches Konzil nicht
wohl möglich; es ist eine beredte Tatsache, dass in der ganzen vierzig-
jährigen Zeit des Reformationskampfes der deutsche Episkopat oder
auch nur eine grössere Zahl von Bischöfen keinen einzigen Versuch ge-
macht hat, auf einer Synode sich über die religiöse Lage Deutschlands,
über gemeinschaftliche Schritte zu beraten. Es gibt in der ganzen Kir-
chengeschichte kaum ein Seitenstück zu dieser Tatsache; aber sie erklärt
sich daraus, dass sich die Bischöfe ihrer völligen Ohnmacht bewusst
waren. Denn seit der Zerrüttung des ganzen organischen Gefüges der
Kirche durch die Päpste glich die deutsche Kirche einem hilf- und
regungslos, mit gebundenen Gliedern, am Boden liegenden Riesen."
148 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
die Kräfte zu innerer Erneuerung. Die Ordnungen des Tri-
dentiner Konzils (1545 — 1563) waren nicht nur eine Reaktion
wider den Protestantismus, sondern zugleich eine Restauration
des Katholizismus, der zur selben Zeit mit dem spanischen Re-
formgeist des Jesuitismus sich durchsetzte. Dadurch befestigte
die Kirche ihre Stellung in der Welt aufs neue und mit ihr
die des Papsttums, bis die letzte allgemeine Kirchenversamm-
lung im Vatikan (1870) den Schlussstein einfügte in den ragen-
den Dom der sichtbaren Kirche. Ihr Oberhaupt ist tatsäch-
lich gelöst von den Fesseln des Kirchenstaates, der es immer
wieder in die Wirrsal der Machtverschiebungen irdischer Natur
verstrickte. Dafür aber eignet die schlechthin absolute Eigen-
schaft der Unfehlbarkeit seinen Entscheidungen, soweit sie auf
Glauben und Sitten sich erstrecken und sofern sie unter Ver-
fluchung der Andersmeinenden der ganzen Kirche gelten 1).
Der Papst ist der Inbegriff der Kirche geworden, seit seine
Lehre die der Kirche ist.
Wie vor Zeiten beansprucht die römisch-katholische Kirche
die Oekumenizität wie ihrer Dogmen so der sie tragenden
Ordnungen. Sie weiss, dass alle Versuche der Vergangenheit
scheiterten, in Deutschland eine nationale Kirche zu schaffen,
sobald sie nicht wie die Lockerung der verfassungsmässigen
Verbindung mit Rom so auch die Trennung von seinem Glauben
anstrebten. Mit anderen Worten, den mittelalterlichen An-
sätzen, die wir nach ihren verschiedenartigen Ausprägungen
zu werten suchten, wurde nicht jenes Wachstum zu teil, das
den evangelischen Landeskirchen durch den Anschluss ihrer
Inhaber an den neuen Glauben Kräfte des Bestehens und der
Ausweitung gewährte. Der Zeitgenosse Friedrich Barbarossas,
die Männer von 1418 und 1439, die von 1495 und 1510, sie
alle kannten nur einen religiösen Glauben, den der allgemeinen
Kirche, und dachten nicht daran, ihn fallen zu lassen, so sehr
auch ihre Achtung vor der Verwaltung der Kirche durch
*) G. Krüger, Das Papsttum (Tübingen 1907), S. 148,
Ausblick auf die neuere Zeit. 14«.i
Papst und Kurie geschwunden war. Sie alle blieben katho-
lische Christen, treu der Auffassung von der katholischen
Kirche als einer sichtbaren Anstalt *), deren Regierung der
hierarchia iurisdictionis, d. h. dem Papste, den Bischöfen und
den zwischen beide eingeschobenen Mittelgliedern, den Patri-
archen, Primaten und Erzbischöfen, obliegt. Bei ihnen allen
trat die Rücksichtnahme nur auf die Gegensätze innerhalb der
Hierarchie entgegen, im letzten Grunde also eine episkopa-
listische Tendenz gegenüber dem papalen System. Ihnen allen
fehlte der Widerhall ihrer Entwürfe in der Laien weit, die
seit langem an die Leitung durch den Klerus gewohnt war
und nach katholischer Anschauung aus ihr nicht entlassen
werden durfte, solange man nur eine Reform, nicht aber eine
Revolution, eine Umkehr oder Verschiebung des Verhältnisses
zwischen dem weltlichen und dem geistlichen Stand innerhalb
der Kirche herbeizuführen beabsichtigte 2). Die Reichsgewalt
endlich versagte nicht allein im Jahre 1448 ihre Mitwirkung
und Unterstützung. Wir begreifen, dass die mittelalterlichen
Pläne einer deutschen Nationalkirche katholischen Glaubens zu
nichte werden mussten.
Immerhin darf ein rascher Ueberblick daran erinnern, dass
auch nach dem Konzil von Trient es an Versuchen, eine deutsche
Kirche katholischen Glaubens zu schaffen, keineswegs fehlte.
In Deutschland war — bis hinein in die Zeiten der Säku-
larisationen des beginnenden 19. Jahrhunderts — die Bevölke-
rung weit weniger konfessionell gemischt als vergleichsweise
in der Gegenwart, die der geistlichen Gebiete demnach über-
wiegend dem katholischen Glauben zugewandt. Der reichs-
\) Vgl. U. Stutz a. a. 0. II, S. 881.
2) Im Gegensatz hierzu denke man an Luther und den evangeli-
schen Kirchenbegriff. „Vom deutschen Volk war nie die Rede, bis es
unter Luther seine Stimme erhob," urteilte D ah 1 mann (vgl. F. von
Bezold, Geschichte der deutschen Reformation S. 243, dazu S. 312 ff.
351 ff.); über den evangelischen Kirchenbegriff' vgl. E. Sehling a. a. O.
S. 2 ff. U. Stutz a.a.O. II, S. 957.
150 Werminghoff, Nationalkircliliche Bestrebungen.
ständische Episkopat fand noch immer eine Stütze am Wiener
Kaiserhofe, mit ihm der katholische Adel, die beide den Kern
der habsburgischen Partei im Reiche bildeten 1). Dazu kam,
dass die geistigen Strömungen zumal des 18. Jahrhunderts
einen aufgeklärten Katholizismus erzeugten, der die Glaubens-
gegensätze gegenüber den Protestanten minder schroff hervor-
kehrte. Der religiösen Kämpfe müde, hoffte man hier und
dort, nicht allein dank der Erfolge der Jesuiten und ihrer
Propaganda, dass auch die Evangelischen noch einmal in den
Schoss der einst verlassenen Kirche zurückkehren würden.
Man sah das Papsttum mehr und mehr seines politischen Ein-
flusses entkleidet2); vielleicht war von ihm kein allzu hart-
näckiger Widerstand zu besorgen, wenn man sich anschickte,
eine Einigung und Verselbständigung des deutschen Kirchen-
tums in die Wege zu leiten. Gewiss utopische Ideen, utopisch
dank der Unterschätzung der Schwierigkeiten und vornehmlich
um der Ueberschätzung der zu Gebote stehenden Kräfte willen,
aber sie zeigten aufs neue, dass auch in den Kirchenfürsten
des 17. und 18. Jahrhunderts der alte Episkopalismus fort-
lebte. Er hatte besiegt, nicht ausgerottet werden können.
Empfing er nicht überdies von Frankreich her, zumal seit der
Erklärung des gallikanischen Klerus 3) vom Jahre 1682, ständig
neue Nahrung?
Bereits im Jahre 1673 hatte eine Beschwerdeschrift der
drei geistlichen Kurfürsten das Wiederaufleben der Missstim-
mung über die Kurie, über alte und neue Schäden ihrer Ver-
waltung erkennen lassen 4), vorläufig aber blieb alles beim
*) Vgl. C. Th. Perthes, Das deutsche Staatsleben vor der Revo-
lution (Hamburg und Gotha 1845), S. 102 ff. 0. Mejer, Zur Geschichte
der römisch-deutschen Frage I (Rostock 1871), S. 9 ff. 62 ff.
2) Vgl. G. Krüger, Papsttum S. 118 ff.
3) C. Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums2 S. 300 f.;
vgl. auch H. von Schubert, Roms Kampf um die "Weltherrschaft
S. 108 ff.
4) Vgl. den Auszug bei C. Gärtner, Corpus iuris ecclesiastici
catholicorum novioris II, p. 322 ff.
Ausblick auf die neuere Zeit. 151
alten. Nicht ganz ein Jahrhundert später, in der Periode jenes
staatskirchlichen Systems, dem Kaiser Joseph IL (1765 — 1790)
den Namen gab und in seinen Erblanden auch Erfolge sicherte
näher gesagt im Jahre 1763, weckte der Trierer Weihbischof
Johannes Nikolaus von Hontheim unter dem Namen Justinus
Febronius „das Rechtsgefühl der Unabhängigkeit von Rom" l).
Indem er die Verfassung der Kirche wiederhergestellt wissen
wollte, wie sie vor der Rezeption der pseudoisidorischen Fäl-
schungen gewesen war, bestritt er das Recht ihrer monarchi-
schen Leitung durch den Papst. Er forderte die katholischen
Fürsten, an ihrer Spitze den Kaiser, auf, „die in ihre« Arme
sich stürzende Kirche" wider den Missbrauch des Primats zu
verteidigen. Er verlangte, dass sie, selbst wider den Willen
des apostolischen Stuhles, allgemeine und nationale Konzilien
einberiefen, endlich als des letzten Mittels für Kampf und Er-
folg der Gehorsamsverweigerung gegenüber der Kurie in den
von dieser angemassten Dingen sich bedienten. Die nachhaltige
Wirkung der an sich unselbständigen Nachweisungen Hont-
heims ist bekannt. Im Jahre 1769 arbeiteten Bevollmächtigte
der drei rheinischen Erzbischöfe eine für den Kaiser bestimmte
Denkschrift aus; sie enthielt die Bitte, dass unter seiner Ob-
hut „die Freiheit der deutschen Kirche hergestellt werde
und die ersten Kirchen dieser Nation sich keiner geringeren
Freiheit zu erfreuen haben als die Kirchen anderer Nationen",
dass die kirchlichen Dinge „nach dem Bedürfnis der deut-
schen Gegenwart in Staat und Kirche eingerichtet werden4* 2).
') K. von Hase, Kirchengeschichte (12. Aufl., Leipzig 1900), S. 488.
Ueber Febronius und sein "Werk (De statu ecclesiae et legitima potestate
Romani pontificis. Liber singularis ad reuniendos dissidentes in religione
Christiana corapositus) vgl. 0. Mejer, Zur Geschichte der römisch-
deutschen Frage I, S. 18 ff.; Febronius, Weihbischof Joh. Nik. von Hont-
heim und sein Widerruf. 2. Aufl., Tübingen 1885. J. Zillich, Febro-
nius. Halle 1906. F. Stümper, Die kirchenrechtlichen Ideen des
Febronius. AschafFenburg 1908.
2) Die Koblenzer Artikel vom 13. Dezember 1769 finden sich unter
152 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Erregt durch den sogenannten Nuntiaturenstreit, vereinigten sich
dann am 25. August 1786 die vier — seit der Reformation allein
übrigen — Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln und Salzburg
zur Emser Punktation über „das Kleinod der kirchlichen
Nationalfreiheit" *). Ihre Artikel boten gegenüber den von 1769
wenig Neues, nur dass deutlicher die Abschaffung der Nuntia-
turen und der vom Papst den Bischöfen erteilten Quinquennal-
fakultäten ins Auge gefasst war. Ohne dem Papst den Primat in
der ganzen Kirche zu bestreiten, traten sie ein für die Bischöfe
und ihr Recht zu eigener Ausübung der ihnen unmittelbar von
Gott verliehenen Gewalt, deren Einschränkungen durch Rom
hinwegfallen sollten. Sie wünschten unter anderem, dass der
bisherige Eid der Bischöfe zu Händen des Papstes abgeschafft
würde, da sie darin schwören mussten „was ihnen in Betracht
ihrer Verbindung mit dem Reiche zu halten unmöglich ist".
Das Amt der Erzbischöfe und Bischöfe wird unter den Schutz
des Kaisers gestellt, der als „allerhöchstes Reichsoberhaupt "
binnen zwei Jahren die Veranstaltung eines deutschen National-
konzils herbeiführen soll 2). Zwar trat Joseph II. diesen Pro-
positionen bei, nochmals aber erwies es sich, dass der Ansage
der Fehde wider Rom nicht die Fehde selbst folgen sollte,
dass sie eine Drohung bleiben würde, nicht das Zeichen zum
anderem bei C. Gärtner a. a. 0. II, p. 330 ff. Vgl. 0. Mejer, Zur
Geschichte der römisch-deutschen Frage I, S. 35 ff.
*) Das Zitat ist einem Briefe des Erzbischofs von Mainz vom
21. Juni 1788 entlehnt; 0. Mejer a. a. 0. I, S. 119. — Der Text der
Emser Punktation findet sich unter anderem bei C. Gärtner a. a. 0.
II, p. 347 ff., im Auszug bei C. Mirbt, Quellen zur Geschichte des
Papsttums2 S. 326 ff. Im allgemeinen vgl. 0. Mejer, Zur Geschichte
der römisch- deutschen Frage I, S. 96 ff. C. Mirbt: Realenzyklopädie
für protestantische Theologie und Kirche V (3. Aufl., Leipzig 1898),
S. 342 ff. M. Immich: Forschungen zur brandenburgischen und preussi-
schen Geschichte VIII (1895), S. 143 ff. L. Mergentheim, Die Quin-
quennalfakultäten pro foro externo I, S. 29 ff. F. Endres: Beiträge zur
bayerischen Kirchengeschichte XIV (1908), S. 197 ff. 261 ff. XV (1909),
S. 16 ff.
2) Vgl. oben S. 112 Anm. 2.
Ausblick auf die neuere Zeit. 1. |
Angriff sei. Den Erzbischöfen gebrach es an der Unter-
stützung durch ihre Suffragane, die eine Verstärkung der
Metropolitangewalt befürchteten, ähnlich wie im Frankenreiche
des 9. Jahrhunderts die pseudoisidorischen Dekretalen zum
Schutz der westfränkischen Bischöfe wider die Vormacht der
Metropoliten den fernen Papst herbeigerufen hatten. Während
Bayern zum Papste hielt, um die Einmischung auswärtiger
Erzbischöfe in sein Land fernzuhalten, betrieb Preussen, um
des deutschen Fürstenbundes vom Jahre 1785 gegen Oester-
reich nicht verlustig zu gehen, bei der Kurie die Wahl Karls
von Dalberg zum Koadjutor von Mainz. Von diesem wurde
erwartet, dass er am Fürstenbund festhalten, freilich auch
die Einser Punktation preisgeben würde, sobald er Nachfolger
des Mainzer Kurfürsten geworden sei (1787). Das Wichtigste
aber war doch: die Kraft der Erzbischöfe erlahmte um so
rascher, als der Ausbruch der französischen Revolution den
Zusammenschluss der alten Gewalten zur Pflicht machte und
jedes Beispiel von Auflehnung wider die rechtmässige Obrigkeit,
von Missachtung gegen den durch die Dauer selbst geheiligten
Besitzstand vermieden werden musste 1). Die römische Kurie
aber hatte ohne Schwanken ihren Standpunkt gewahrt, keine
Rechte preisgegeben und eben darum in ihrer Macht sich be-
hauptet.
Auch für die neuere Geschichte der katholischen Kirche
gilt die Wahrnehmung, dass ihre Perioden unter dem Druck
grosser, allgemeiner Bewegungen einander ablösen. Das Zeit-
alter der Revolution und Napoleons I. beseitigte das „stiftische
Deutschland", die geistlichen Territorien als die Ueberbleibsei
der mittelalterlichen Vergangenheit, zerstörte die kirchlichen
Zusammenhänge der Provinzen und Diözesen. Wer wollte ent-
scheiden, ob in diesem Wandel aller Dinge das altersschwache
*) Vgl. den Auszug aus der Verordnung des Trierer Erzbischofs
vom 20. Februar 1790 bei 0. Mejer a. a. 0. I, S. 127; ebd. I, S. 130 ft".
über die Verhandlungen bezüglich der Wahlkapitulation von 1790.
154 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Reich grössere Veränderungen in seiner Zusammensetzung und
Verfassung erfuhr oder das Kirchenwesen in Deutschland dank
der Auflösung seiner Organisation? U. Stutz hat einmal seine
Zustände zu Beginn des 19. Jahrhunderts verglichen mit denen
des fränkischen Kirchentums in der Zeit Karl Martells (f 741)1);
fügen wir aber sogleich hinzu, dass der Restauration der
katholischen Kirche in Deutschland, der Neuaufrichtung der
päpstlichen Herrschaft Momente zu gute kamen, die zunächst
vielmehr als gefährlich erschienen waren. Ihr diente die Be-
seitigung der geistlichen Territorien; denn fortan sah der
deutsche Klerus allein auf Rom sich angewiesen ; die deutschen
Bischöfe fanden keinen Rückhalt mehr an ihrer reichsfürst-
lichen Würde, an ihren Familienverbindungen' mit dem hohen
Reichsadel, an den ehemaligen Stützen also ihres Dranges
nach Selbständigkeit und Freiheit2). Erwogen wurde zwar
ein Reichskonkordat, das die neuen Zustände berücksichtigen
sollte. Als aber Kaiser Franz IL am 6. August 1806 auf
die Krone verzichtet hatte, sah man in Rom von einer
Schwierigkeit sich befreit: das Reich war zu Grunde gegangen,
ein Titel beseitigt, auf den gestützt sein Träger für das
deutsche Kirchentum mit der Kurie hätte verhandeln können 3).
Während aller Veränderungen hatte Karl Theodor von Dal-
*) U. Stutz: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft II, S. 875. —
Nach F. X. Funk (Kultur der Gegenwart I, 4, herausg. von P. Hinne-
berg, Berlin und Leipzig 1906, S. 237) ist der Verlust der katholischen
Kirche auf beiden Ufern des Rheins auf 1719 Quadratmeilen mit
3162576 Bewohnern und — ohne die Klöster — auf 21026000 Gulden
berechnet worden.
") Vgl. H. von Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhun-
dert I (5. Aufl., Leipzig 1894), S. 188. G. Anrieh, Der moderne Ultra-
montanismus in seiner Entstehung und Entwicklung (Tübingen 1909),
S. 14.
3) Vgl. O. Mejer, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage I,
8. 201 ff. 233. A. Frantz, Das Projekt eines Reichskonkordats und die
Wiener Konferenzen von 1804. Kiel und Leipzig 1892. L.König, Pius VII.,
die Säkularisation und das Reichskonkordat. Innsbruck 1904.
Ausblick auf die neuere Zeit. 155
berg, seit dem Jahre 1787 Koadjutor, seit 1802 Erzbischof'
von Mainz wie auch seit 1799 Bischof von Konstanz (f 1817),
sich mit mancherlei Hoffnungen erfüllt. Im Reichsdeputatinns-
hauptschluss vom Jahre 1803 war der erzbischöfliche Stuhl
von Mainz auf die Domkirche zu Regensburg übertragen, seinem
Inhaber die Würden eines Kurfürsten, Reichserzkanzlers, Metro-
politanerz bischofs und Primas von Deutschland zuerkannt wor-
den. Aus der Hand Napoleons L, des Protektors des Rhein-
bundes, erwartete Dalberg für sich selbst die Stellung eines
Primaten für die Landeskirchen der Rheinbundsstaaten. Nach-
dem auch für sie ein dem französischen ähnliches Konkordat
vereinbart wäre, wollte er über ihnen allen stehen, um so für
die deutsche Kirche einen nationalen Mittelpunkt zu schaffen,
der freilich dem der universalen Kirche untergeordnet bliebe;
noch im Jahre 1812 dachte er sich gar als künftigen deutschen
Patriarchen *). Die schwankende Persönlichkeit Dalbergs, der
Wunsch der Rheinbundsfürsten, ihre Bischöfe unmittelbar dem
Papste zu unterwerfen, um ihre landesherrlichen Gerechtsame
soweit als möglich zu sichern, die sich überstürzende Hast der
Zerstörung und Neubildung auf deutschem Boden , alles zu-
sammen gestattete keine Neugestaltung der deutschen katholi-
schen Kirche im Umkreis der Machtsphäre Napoleons. Bald
darauf schien sich auf dem Wiener Kongress die Gelegenheit
zu bieten, das katholische Kirchenwesen innerhalb des neu-
umschriebenen Gebietes des Deutschen Bundes zur Einheit zu-
sammenzufassen. Noch einmal tauchten in der Folge alte
Pläne auf. Beeinflusst von Dalberg forderte sein Konstanzer
Generalvikar J. H. C. von Wessenberg (f 1860) eine „gute
Kircheneinrichtung in Deutschland". Sie sollte dem Episkopat
gegen die ungebührlichen Ansprüche und Anmassungen der
römischen Kurie wirksamen Schutz gewähren und, nach Ab-
') Vgl. 0. Mejer, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage I,
S. 205 ff. 312. 332 ff. 364 ff. III, 2 (Freiburg i. Br. 1885), S. 421 f.
F. Vi gen er: Die Religion in Geschichte und Gegenwart I (Tübingen
1909), S. 1946 ff
156 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
schluss eines Bundeskonkordats, durch einen deutschen Primas
geleitet werden, zumal ohne diesen die deutsche National-
kirche nicht diesen Namen verdiene noch auch einem Angriff
auf ihre Verfassung und Rechte zu widerstehen vermöchte,
ginge nun er aus von Staatsbehörden oder den römischen
Kurialisten 1). Wessenbergs patriotische Phantasien konnten
den Sieg des papalen Systems nicht aufhalten. Der Zug der
Zeit nach Frieden und Legitimität, der erstarkende Konfessio-
nalismus, die Romantik mit ihrer am Idealbild des Mittel-
alters sich erhebenden Begeisterung für die Kirche als der
Bewahrerin der Wahrheit, der Grundlage religiöser Kultur
— sie insgesamt leisteten erwünschten Vorschub. Alle in den
ersten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts vereinbarten Kon-
kordate2), alle von den Päpsten erlassenen Zirkumskriptions-
bullen beruhten darauf, dass sie die Fortdauer der päpst-
lichen Herrschaft in und über der Kirche sicherstellten, dass
andererseits nur die einzelnen Staaten, nicht der deutsche
Bund als solcher oder gar eine Vertretung des deutschen
Klerus mit Rom paktierten. Die römische Kurie und das Papst-
tum retteten ihre Kirche, ihre Macht über die kirchlichen
Organisationen auf deutschem Boden dadurch, dass sie mit den
Staatsregierungen sich verbanden , wie sie einst im 15. Jahr-
hundert sich mit dem deutschen Territorialfürstentum ver-
einigt hatten. Beide Male wurde eine deutsche Nationalkirche
katholischen Glaubens unmöglich gemacht, das erste Mal
durch den Kampf gegen den reform eifrigen deutschen Epi-
skopat, das zweite Mal um des Friedens willen, den die
*) Vgl. ausser den Schriften Wessenbergs (Die deutsche Kirche. Ein
Vorschlag zu ihrer neuen Begründung und Einrichtung, 1815; Betrach-
tungen über die Verhältnisse der katholischen Kirche im Umfang des
deutschen Bundes, 1818) vornehmlich 0. Mejer, Zur Geschichte der
römisch-deutschen Frage I, S. 455 ff. II, 1 (Rostock 1872), S. 24 ff. 39 ff.
46. 49. 79 ff. II, 2 (Rostock 1873), S. 46 ff. 77 f.
2) Vgl. C. Mirbt: Realenzyklopädie für protestantische Theologie
und Kirche X (3. Aufl., Leipzig 1901), S. 711 ff.
Ausblick auf die neuere Zeit. 157
Staaten für ihre Untertanen, die Kirche für ihren Bestand
nötig hatte.
Eigenartig genug kamen dieser neuaufgerichteten Herr-
schaft des Papstes über seine Kirche und ihren Anteil auf
deutschem Boden die Bestrebungen zu gute, die im Jahre der
deutschen Revolution den deutschen Episkopat erfüllten. Ihr
Ziel war grössere Freiheit der katholischen Kirche gegenüber
den staatlichen Regierungen. Als ein Mittel hierfür erschien
ein deutsches Nationalkonzil geeignet *), als eine Voraussetzung
für ein solches eine deutsche katholische Nationalkirche mit
einem Primas an ihrer Spitze. Man dachte nicht an eine
Feindschaft wider Rom, an eine Abkehr vom Nachfolger
Petri; der Episkopalismus war gebrochen, die Zeiten des Ultra-
montanismus zogen herauf. Freilich, noch erwehrte man sich
dieser neuen Strömung, niemand vielleicht mit lebhafterer
Wärme und mit eindringlicherer Betonung gerade der nationalen
Eigentümlichkeiten als J. Döllinger , damals der anerkannte
Berater der deutschen Bischöfe. Aus seiner Feder stammten
mehrere Gutachten, die insgesamt für die deutsche National-
kirche katholischen Glaubens einen Primas forderten, die neben
ihm Diözesan-, Provinzial- und Nationalsynoden eingerichtet
wünschten2). Er wollte nicht an den Namen einer deutschen
Nationalkirche schismatisierende Erinnerungen geknüpft sehen,
um derentwillen die gallikanische Kirche dem apostolischen Stuhl
entfremdet worden sei. „Der nationalkirchliche Charakter be-
stände darin, dass eine organisch geordnete Verfassung der deut-
schen Kirche eingeführt, d. h. ein Primas wieder anerkannt würde,
und ein bleibender, geordneter Verkehr, ein gemeinschaftliches
J) Vgl. P. Hin seh i us, Kirchenrecht III, S. 581. Vgl. oben S. 112
Anm. 2.
2) Vgl. J. von Döllinger, Kleinere Schriften S. 53 ff. die Gut-
achten für die Konferenz deutscher Bischöfe zu Würzburg im Oktober
und November 1848 , bes. S. 59 ff. über Nationalkirche und National-
synoden, S. 66 ff. über deutsche Nationalkirche; s. auch F. H. Vering:
Archiv für katholisches Kirchenrecht XXI (1869), S. 108 ff. 207 ff. M a nai
XLIII, 59 ff.
158 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Benehmen, und in besonders wichtigen Fällen ein gemeinschaft-
liches Handeln und Auftreten durch die stete und regelmässige
Verbindung der Bischöfe unter einander sich bildete, und dass
dieser Teil der katholischen Kirche, auf einer Nationalsynode
vollständig vertreten, für alle deutschen Kirchen bindende Be-
schlüsse fasste. Die so geordnete, einheitliche deutsche Kirche
würde, weit entfernt die Einwirkung des apostolischen Stuhles
auf die deutschen kirchlichen Zustände zu schwächen oder zu
beschränken, dieselbe vielmehr erleichtern, in eine engere,
festere und regelmässigere Verbindung mit dem allgemeinen
Centrum unitatis treten, als dies bei dem gegenwärtigen Zu-
stande der Zersplitterung und Vereinzelung geschehen kann" *).
Noch im Jahre 1850 trat Döllinger für seine Ideen ein. „Bei
aller Einheit der katholischen Kirche, der katholischen Lehre
und Disziplin", meinte er2), „wird sich gleichwohl in jeder
der grossen Nationen das katholische Leben, die katholische
Anschauung, die Bewegung des Volkes in der Kirche eigen-
tümlich gestalten." „Wir Deutschen", rief er aus, „wollen als
Mitglieder der katholischen Kirche nicht aufhören, Deutsche
zu sein, sondern Deutsche im wahrsten und vollsten Sinne
des Wortes bleiben und auch kein Jota unserer nationalen
Eigentümlichkeit, soweit sie gut und rechtmässig ist und
mit dem Geiste der katholischen Kirche im Einklang steht,
aufgeben." Er erinnerte an jene Zeiten, da die Kaiser aus
!) Ebenda S. 67 f. ; die folgenden Ausführungen (S. 68 f.) enthalten
freilich auch Bemerkungen wie die, dass der katholische Teil der Nation
der eigentliche Träger der Nationalität sei, weil er mit der Vergangenheit
im Zusammenhange stehe ; wenn es dem Protestantismus gelänge sich
zu einer förmlichen Nationalkirche in Deutschland zu gestalten, würde
dies für die Katholiken gefährlich werden ; die Hauptschwierigkeit gegen
die katholische Kirche, die Unterjochung durch die Bureaukratie , sei
beseitigt (ebenso S. 65; s. auch S. 98 ff.). Vgl. J. Friedrich, J. von
Döllinger II (München 1899), S. 423 ff. 447 ff.
2) In einer Rede in der Versammlung des katholischen Vereins zu
Linz am 26. September 1850 (Kleinere Schriften S. 105 ff.) , S. 107 f.
109. 106.
Ausblick auf die neuere Zeit. Schlussbetrachtung. 159
sächsischem und fränkischem Geschlecht die deutsche Kirche
national geeinigt hätten; noch hoffte er, dass eine solche auch
in der Gegenwart erstünde, die der allgemeinen katholischen
Kirche nicht widerstreben würde.
Nicht ohne Bewegung wird auch der Protestant die Gut-
achten Döllingers und seine Rede vom Jahre 1850 lesen; er
weiss, die Entwicklung des Papsttums und der katholischen
Kirche ist über sie hinweggeschritten, ohne von den Tendenzen
des Deutsch- und Altkatholizismus allzu erhebliche Einbusse zu
erfahren 1). Im Gegenteil, im Jahre 1864 verwarf der Syllabus
Pius' IX. als eine Irrlehre den Satz: „Es können National-
kirchen errichtet werden, welche der Autorität des Papstes
entzogen und von ihr völlig getrennt sind" 2). Die Macht des
Papstes wurde zur höchsten Höhe gesteigert durch den Be-
schluss des vatikanischen Konzils vom 18. Juli 1870, der den
Primat des Nachfolgers Petri, seine Vollgewalt in und über
der allgemeinen Kirche als die des universalen Bischofs, seine
Unfehlbarkeit als des Lehrers der Welt in den Fragen des
Glaubens und der Sitte zum Dogma erhob. Der neuumschrie-
bene Glaube ist der eines grossen Teiles unserer Volksgenossen,
und diesen umspannt, wie früher die ganze Nation von ihr
umfasst wurde, die katholische Kirche: ihr Privileg aber, die
einzige Kirche zu sein, ist durch die Reformation für alle Zeit
aufgehoben.
Der Blick auf die kirchliche Lage der Gegenwart erinnert
noch einmal an den Ausgangspunkt aller unserer Betrachtungen.
') Vgl. Mulert: Die Religion in Geschichte und Gegenwart I
(Tübingen 1909), S. 2060 ff. Kübel: ebd. I, S. 407 ff.
2) Institui possunt nationales ecclesiae ab auctoritate Romani pon-
tificis subductae planeque divisae (C. Mirbt, Quellen zur Geschichte
des römischen Papsttums2 S. 368, 37); vgl. die Uebersetzung im Archiv
für katholisches Kirchenrecht XIII (1867), S. 317 mit den Allokutionen
Pius' IX. vom 17. Dezember 1860 und 18. März 1861, ebd. VI (1860)
S. 321 ff. 330 ff., ferner J. Perrone, Praelectiones theologicae III (Medio-
lani 1845), p. 50 § 705. — S. auch oben S. 112 Anm. 8.
160 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Wir fragten , ob nicht die katholische Kirche der volks-
tümlichen Gestaltung religiöser Bedürfnisse und religiöser
Eigenart dadurch entgegenkommen könne, dass sie Verfassungs-
elemente zuliesse, die innerhalb nationaler Grenzen wirken und
gleichwohl den Zusammenhang mit der internationalen Kirche
nicht zerstören möchten.
Unsere Untersuchungen geben die Antwort, dass eine
solche deutsche Nationalkirche katholischen Glaubens wohl
mehrfach angestrebt wurde, aber bisher zur Tatsache weder
geworden ist noch werden konnte. Ist hierdurch aber unsere
erste Frage nicht als unrichtig, als unstatthaft dargetan? Ist
nicht das Wort „ Nationalkirche " ein Widerspruch in sich, da
das Prinzip der Kirche, der Glauben, ein Gemeingut nicht
nur der Angehörigen einer einzigen Nation ist, da infolge-
dessen die Hüterin dieses Glaubens, die als Anstalt organi-
sierte römisch-katholische Kirche, sich erfüllen muss mit
internationalen Zielen und Aufgaben, während die Nation sich
gerade abzusondern trachtet von anderen ihresgleichen?
Nicht wir prägten die Bezeichnung „Nationalkirche", und
längst ist sie aufgenommen in unseren Sprachschatz. Im Verlauf
des Mittelalters gab es Perioden, in denen man von einer
englischen Nationalkirche oder französischen Nationalkirche
sprechen darf, weil während der Herrschaft des katholischen
Glaubens jene Kirchen bestanden als Organisationen des einen
wie des anderen Volkes, freilich in Anlehnung an die Staats-
gewalten, die ebenfalls sich nationale Beschränkungen auf-
erlegten um ihrer Völker willen; in der gallikanischen Kirche
sah Febronius das typische Beispiel einer selbständig organi-
sierten Nationalkirche *). Die Geschichte des deutschen Volkes
ward staatlich bedingt durch das römische Kaisertum, durch
die Umformungen der Reichsgewalt, durch das Vordringen der
landesfürstlichen Oligarchie; sie ward kirchlich bedingt durch
*) Vgl. J. Zillich, Febronius S. 81 f. F. Stümper, Kirchen-
rechtliche Ideen des Febronius S. 126 ff.
SchluööbetrachtuiiL:. 161
die Unterordnung der einst vom König beherrschten Reichs-
eigenkirchen unter Rom, durch die vergeblichen Anstrengun-
gen der Reformkonzilien im 15. Jahrhundert, durch das Auf-
treten Luthers. Die Geschichte hat der deutschen Nation eine
nationale Kirche versagt. Spaltung der Bekenntnisse, Spaltung
der kirchlichen Organisationen auf dem Boden des Deutschen
Reiches kennzeichnen die Gegenwart. Nicht flache Toleranz
heisst sie ertragen, sondern die Erkenntnis ihrer geschicht-
lichen Notwendigkeit.
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen. 1 1
Exkurs.
Der Text der Cedula im Mainzer Acceptationsinstrument.
(Zu Seite 37 ff.)
Unser Exkurs zerfällt in drei, einander ergänzende Teile.
Der erste bringt den Wortlaut der in das Mainzer Acceptations-
instrument vom 26. März 1439 eingeschalteten cedula. Er
wiederholt die Ausgabe von Koch, Sanctio pragmatica Ger-
manorum S. 95 — 99 und vermerkt bei jedem einzelnen accep-
tierten Dekret die entsprechende Sitzung des Basler Konzils
samt den Druckstellen der Kanones in Mansis Collectio con-
ciliorum XXIX, dazu bei Koch a. a. 0. S. 109 — 165, da dieser
in dem genannten Werke (S. 105 — 171) noch einmal die ganze
Acceptationsurkunde unter Einfügung des vollen Wortlauts der
in der cedula allegierten Basler Dekrete wiederholt hat, derart
dass sich der von ihm erweiterte Wortlaut der cedula S. 108
bis 166 findet. Der zweite Teil gibt eine Konkordanz der
Mainzer Acceptation mit dem entsprechenden Abschnitt der
pragmatischen Sanktion, dessen Druck in den Ordonnances des
rois de France XIII, p. 267 — 291 benutzt wurde. Der dritte
Teil des Exkurses endlich gibt eine Uebersicht über die in
Bourges 1438 und Mainz 1439 angenommenen Dekrete und
vergleicht beide Dokumente im ganzen.
1.
Nos oratores Romani regii, principes electores hie pre-
sentes aliorumque electorum sacri imperii et Almanie metro-
politanorum absentium oratores decreta sacri Basiliensis con-
.trz ....
Exkurs. 1(3;;
cilii acceptamus cum omni honore, reverentia et devotione.
qua decet, salvis l) tarnen in quibusdam ex eis deelarationi-
bus 2), modificationibus ac :i) limitacionibus nostre 4) Germanica
nacioni ac cuilibet nostrum l) singulariter in suis provinciis.
dyocesibus seu territoriis congruentibus et accommodis, factis
et fiendis, suis loco et tempore oportunis exprimendis ac ')
per sacrum concilium decretandis5), decretum tarnen suspen-
sionis6) sanctissimi domini nostri pape et aliorum, que illam
suspensionem concernunt vel quomodolibet respiciunt, pro pre-
senti non acceptamus, sed et circa illud et alia certa dicti sacri
concilii decreta stare volumus in prioribus nostris et nacionis
nostre Germanice protestacionibus pridem factis 7) nee ab illis
recedere, donec aliter duxerimus deliberandum ; de quo so-
lempniter protestamur.
Et primo (I) 8) decretum per sacrum Constanciense con-
cilium factum et per sacrum Basiliense concilium renovatum de
auetoritate et potestate sacrorum generalium conciliorum tem-
poribusque et modis eadem convocandi et celebrandi, quod est
prime sessionis et ineipit: Frequens generalium conciliorum
celebratio agri dominici preeipua eultura est etc.9).
') Der Vorbehalt: Salvis— decretandis begegnet im weiteren Verlauf
des Acceptationsinstruments noch einmal (Koch S. 100 bezw. S. 167);
im folgenden sind die Varianten vermerkt.
2) modificacionibus, declaracionibus (S. 100).
3) et (S. 100).
4) nostre— nostrum] ipsis et Germanice nacioni et cuilibet eorum (S. 100).
5) ac— decretandis] et per dictum sacrum Basiliense concilium prout
sperant decretandis (S. 100).
6) Vgl. oben S. 38 Anm. 2.
7) Vgl. oben S. 38 Anm. 3.
R) Die römischen Ziffern sollen die aeeeptierten Beschlüsse von den
mit arabischen Ziffern durchlaufend gezählten deutschen Zusätzen unter-
scheiden.
9) Basel 1431 Dez. 14 sess. I c. 3, Mansi XXIX, 5 f. Koch S. 109 f.;
vgl. Konstanz 1417 Okt. 9 sess. XXXIX, Mansi XXVII, 1159. Bei
Koch S. 111—113 folgt der Wortlaut des Basler Dekrets 1432 Febr. 15
sess. II cc. 1—4, zu Unrecht, wie oben S. 44 ff. dargetan wurde.
BIRRARY ST. MARY S COLLEGE
1(54 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Item (II) decretum de electionibus duodecime sessionis,
quod incipit : Sicut in construenda domo precipua est archi-
tectoris cura etc. *).
Sed quia lex sie clare condi non potest, quin aliquam possit
reeipere dubitacionem, petimus, quatenus sacrum concilium de-
clarare dignetur, (1) quod electiones pontificum et abbatum fiant
serrata forma in hoc decreto tradita; (2) quodque in ceteris infe-
rioribus dignitatibus electivis quibuscumque sufficiat modus et
forma iuramenti in eodem decreto expressi 2). Ceterum statuere
dignetur sacrum concilium, (3) quod promovendus per papam seeun-
dum quandam clausulam huius decreti, que incipit: Nisi ex
magna etc.3), remittatur consecrandus aut benedicendus ad suum
superiorem inmediatum, nisi forsan talis promovendus fuerit pre-
sens in Romana curia, quo casu nichilominus remittatur, ut
huiusmodi suo inmediato superiori prestet debitum iuramentum ;
(4) quodque eciam confirmacio electionum fiat per inmediatum
superiorem, ad quem spectat ius confirmandi, et, si ipse sine
causa rationabili confirmare distulerit seu recusaverit, mediatus
superior desuper adiri poterit; insuper (5) quod eciam, si con-
tingat provisionem per sacrum concilium domino pape non fieri,
nichilominus electiones seeundum formam huius decreti et supra
declaratam valeant fieri et robur obtineant neque propterea,
quod sibi per sacrum concilium provisum non fuerit, quovis modo
valeant impediri.
Item (III) decretum deeime quinte sessionis de con-
ciliis synodalibus et provincialibus observandis, quod incipit:
Pridem hec saneta synodus quoddam etc. *),
Item (IV) decretum deeime none sessionis de Judeis et
*) Basel 1433 Juli 13 sess. XII, Mansi XXIX, 61-64. Koch
S. 113—118; S. 119 f. die Zusätze.
2) Mansi XXIX, 62. Koch S. 113.
3) Mansi XXIX, 62. Koch S. 114.
*) Basel 1433 Nov. 26 sess. XV, Mansi XXIX, 74—77. Koch
S. 120—127.
Exkurs. 1 1 ; :,
neophidis, quod incipit: Salvatoris nostri Jhesu Christi sequens
vestigia etc. *).
Item orania saluberrima decreta v i c e s i m e sessionis, quorum
(V) primum disponit de publicis concubinariis et incipit: Qui-
cumque clericus cuiuscumque etc.2); (VI) secundum de modo
communicandi hiis, qui dicuntur excommunicati , suspensi vel
interdicti, et incipit: Ad vitanda scandala etc.3); (VII) tercium
de modo et forma ponendi interdictum in loco et divina resu-
mendi et incipit: Quoniam ex indiscreta etc.4); (VIII) quartum
de modo appellandi vel non appellandi ante sententiam et inci-
pit: Ut lites cicius terminentur 5).
Similiter omnia decreta vicesime prime sessionis, quorum
(IX) primum tollit annatas0); circa hoc tarnen dignetur sacrum
concilium declarare, (6) quod non intendit per hoc decretum
prohibere, quin licite exigatur et solvatur, si quid tempore
receptionis beneficiati solitum sit solvi fabrice vel pro orna-
mentis ecclesie vel simili casu, ad usum tarnen divini cultus et
non ad privatum commodum personarum convertendum. (X) Se-
cundum decretum vicesime prime sessionis disponit de pacificis
possessoribus non molestandis et incipit: Quicumque non vio-
lentus 7). (XI) Tertium docet, quomodo divinum officium sit in
ecclesia celebrandum, et incipit: Si quis principem seculi 8).
(XII) Quartum ostendit, quo tempore debet quisque esse in
') Basel 1434 Sept. 7 sess. XIX c. 5, Mansi XXIX, 98 f. Koch
S. 127-129.
2) Basel 1435 Jan. 22 sess. XX c. 1, Mansi XXIX, 101 f. Koch
S. 129—132.
3) Ebd. c. 2, M. XXIX, 103. K. S. 132.
4) Ebd. c. 3, M. XXIX, 103. K. S. 133.
5) Ebd. c. 4, M. XXIX, 103. K. S. 134.
c) Basel 1435 Juni 9 sess. XXI c. 1, Mansi XXIX, 104. Koch
S. 134 f.; S. 135 der Zusatz.
7) Ebd. c. 2, M. XXIX, 105. K. S. 136.
8) Ebd. c. 3, M. XXIX, 105. 108 (die Seitenzahlen bei Mansi sind
verdruckt). K. S. 137 f.
166 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
choro, et incipifc: Qui in matutinis l). (XIII) Quintum, qualiter
extra chorum höre canonice sunt dicende, et incipit: Quoscum-
que eciam2). (XIV) Sextum de hiis, qui tempore divinorum
vagantur per ecclesiam, et incipit: Quicumque in ecclesia 3).
(XV) Septimum, quod tabula pendeat in choro, et incipit:
Ut cuncta in domo Dei Ordinate etc. 4). (XVI) Octavum,
quod in missa compleatur Credo et quod non basse legatur
missa, et incipit: Abusum aliquarum ecclesiarum5). (XVII)Nonum
de pingnorantibus cultum divinum et incipit: Abusum eciam
illum cultui divino etc.0). (XVIII) Decimum de capitulis tempore
misse non tenendis et incipit: Prohibet hec sancta synodus 7).
(XIX) Undecimum de spectaculis in ecclesia non faciendis et
incipit: Turpem eciam illum etc. 8).
Similiter (XX) decretum de numero et qualitate cardinalium,
de quo in vicesima tercia sessione, et incipit: Cum summo
pontifici9). Item (XXI) decretum eiusdem vicesime tercie ses-
sionis de electione cassanda, ex qua turbari posset ecclesia, et
incipit: Licet dudum hec sancta synodus 10). Item (XXII) decre-
tum eiusdem sessionis, per quod reservaciones tolluntur, et
incipit: Et quia multiplices ir). Circa hoc tarnen dignetur sa-
crum concilium ius commune renovare, (7) quod papa huius-
modi beneficia in dicto decreto sibi reservata conferat infra
spacium unius mensis, alioquin ordinarii conferre valeant,
(8) quodque provisi a papa infra quatuor menses ordinariis
J) Ebd. c. 4, M. XXIX, 108. K. S. 138 f.
2) Ebd. c. 5, M. XXIX, 108. 107. K. S. 139.
- 3) Ebd. c. 6, M. XXIX, 107. K. S. 140.
4) Ebd. c. 7, M. XXIX, 107. K. S. 140 f.
5) Ebd. c. 8, M. XXIX, 107. K. S. 141.
6) Ebd. c. 9, M. XXIX, 107 f. K. S. 141 f.
7) Ebd. c. 10, M. XXIX, 108. K. S. 142.
s) Ebd. c. 11, M. XXIX, 103. K. S. 142 f.
9j Basel 1436 März 25 sess. XXIII c 4, Mansi XXIX, 116-119.
Koch S. 143—150.
10) Ebd. c. 5, M. XXIX, 120. K. S. 150 f.
") Ebd. c. 6, M. XXIX, 120. K. S. 151 f.; S. 152 die Zusätze.
Exkurs. 167
suam provisionem sub pena amissionis iuris insinuare debeant.
Item (XXIII) decretum eiusdera sessionis tollens Clenseu-
tinam: Literis de probacione *) et incipit: Licet in aposto-
licis 2).
Insuper (XXIV) decretum tricesime sessionis de com-
munione sacramenti eukaristie et incipit: Ut lucidius videatur
pro declaracione etc. 8).
Item (XXV) decretum de collationibus beneficiorum in trice-
sima prima sessione et incipit: Placuit divine pietati, cum alii>
decretis de qualificacionibus et ordine promovendorum loquenti-
bus *). Supplicatur tarnen sacro concilio, ut declarare dignetur,
(9) quod vigore horum decretorum non intendit tollere inferiori-
bus ordinariis tempus Lateran ensis concilii 5), (10) quodque ante
ipsius lapsum non habeat locum prevencio, ceterum (11) quod
in nacione nostra in graciis, quas dominus papa adhuc facere
habet, preferatur Theutonicus non Theutonico in ecclesia
Theutonicali presertim parrochiali. Similiter (XXVI) ultimum
decretum tricesime prime sessionis disponens de causis et de
appellacionibus, quod incipit: Ecclesiastice solicitudinis Stu-
dium etc.6).
Ceterum decreta, que simpliciter sunt acceptanda, sim-
pliciter acceptamus, alia cum suis modificacionibus et decla-
racionibus, sub spe quod per sacrum concilium approbentur
et decretentur, acceptamus sie modificata et declarata. Verum
quia sunt nonnulla in quibusdam nostre Germanice nacionis
J) C. un. in Clem. de probationibus 2, 7.
2) Ebd. c. 7, M. XXIX, 121. K. S. 152.
3) Basel 1437 Dez. 23 sess. XXX, Mansi XXIX, 158 f. Koch
S. 153 f.
4) Basel 1438 Jan. 24 sess. XXXI cc. 2. 3, Mansi XXIX, 161
bis 165. Koch S. 154—162; S. 162 die Zusätze.
5) Vgl. c. 2 X de concessione praebendae 3, 8 (Alexan-
der III. 1179), siehe auch cc. 2—5 X de supplenda negligentia praela-
torum 1, 9.
6) Basel 1438 Jan. 24 sess. XXXI c. 1, Mansi XXIX, 159 f. Koch
S. 162—165; S. 166 die Zusätze.
168 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
ecclesiis statuta et consuetudines , abusus et diversa alia in-
commoda non ex caritate, sed ambicione, avaricia et cupiditate,
omniuni malorum radicibus, introducta, que per decreta sacri
Basiliensis concilii nondum sunt reformata, inter alia videlicet
(12) quod gravantur nostre nacionis fideles in quarto consanguini-
tatis vel affinitatis gradu coniuncti, matrimonium contrahere vo-
lentes, dum ad hoc dispensandum, ubi leviter dispensatur, sedem
apostolicam consulere sunt astricti; (13) multa denique ex-
horbitantia per exemptos commissa transiunt inpunita in grave
scandalum multorum, eo quod contra disposicionem capituli:
Volentes de privileg. lib. sexto *) per sedem apostolicam cottidie
privilegia eis conceduntur; (14) conservatorie eciam per sedem
apostolicam nimis multiplicantur et ad loca distancia contra
formam iuris communis passim conceduntur; (15) in curia
Romana frequenter extraneis et advenis indignis ordines sacri
conferuntur, — super quibus dignetur sacrum concilium Pro-
videre 2).
Die erste hier nachfolgende Tabelle versucht eine Kon-
kordanz des Mainzer Acceptationsinstruments mit dem ent-
sprechenden Teil der pragmatischen Sanktion. Die erste und
zweite Kolumne verweisen auf die Mainzer Urkunde, die dritte
auf den Kern der Sanktion (Ordonnances des rois de France
XIII, p. 270 — 290), die vierte gibt die entsprechende Sitzung
des Basler Konzils bei Mansi, Concilia XXIX wieder.
1) c. 1 in VIto de privilegiis 5, 7 (Innocentius IV. 1245).
2) Nicht wiederholt also ist der äussere Rahmen der cedula bei
Koch S. 93—95 und 99-104 (= S. 105—107 und S. 166—171).
Exkurs.
109
Mainz
II
in
IV
v
vi
VII
VIII
IX
X
Inhalt
Bourges
Basel
Decretum per sacrum Con-
stanciense concilium fac-
tum et per sacrum Basi-
liense concilium renova-
tum de auctoritate et
potestate sacrorum gene-
ralium conciliorum tem-
poribusque eadem convo-
candi et celebrandi, quod
est prime sessionis et inci-
pit : Frequens generalium
conciliorum celebratio
agri dominici precipua
cultura est
De electionibus
Zusätze 1 — 5
De conciliis synodalibus et
provincialibus observan
dis
De .Tudeis et neophidis
De publicis concubinariis
De modo communicandi hiis,
qui dicuntur excommuni-
cati, suspensi vel inter-
dicti
De modo et forma ponendi
interdictum in loco et
divina resumendi
De modo appellandi vel non
appellandi ante senten-
tiam
De annatis
Zusatz 6
De pacificis possessoribus
non molestandis
I, p. 270 f.
III, p. 271—273
XXI, p. 288 f.
XXII, p. 289
XXIII, p. 289
VIII, p. 282
XI, p. 283 f.
9 Zusätze p. 284 f.
IX, p. 282 f.
143lDez.14 8ess.Ic3;
Mansi XXIX, col.
5 f.
1433Julil3sess. XII;
col. 61—64
1433Nov.26sess.XV;
col. 74—77
1434 Sept. 7 sess. XIX
c. 5; col. 98 f.
1435 Jan. 22 sess. XX
c. 1 ; col. 101 f.
Ebd. c. 2; col. 103
Ebd. c. 3; col. 103
Ebd. c. 4; col 103
1435 Juni 9 sess. XXI
c. 1; col. 104
Ebd. c. 2; col. 105
170
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Mainz
Inhalt
Bourges
Basel
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
XXI
XXII
XXIII
XXIV
XXV
XXVI
Quomodo divinum officium
sit in ecclesia celebrandum
Quo tempore debet quisque
esse in choro
Qualiter extra chorum höre
canonice sunt dicende
De hiis, qui tempore divi-
norum vagantur per eccle-
siam
Quod tabula pendeat in
choro
Quod in missa compleatur
Credo et quod non basse
legatur missa
De pingnorantibus cultum
divinum
De capitulis tempore misse
non tenendis
De spectaculis in ecclesia
non faciendis
De numero et qualitate Car-
din alium
De electione cassanda,ex qua
turbari posset ecclesia
De reservationibus
Zusätze 7 und 8
De Clementina : Literis
De communione sacramenti
eukaristie
De collationibus beneficio-
rum
Zusätze 9 — 11
De causis et de appellacio-
nibus
Zusätze 12 — 15
XII, p. 285 f.
Zusatz p. 286
XIII, p. 286
XIV, p. 286
XV, p. 286 f.
XVI, p. 287
XVII, p. 287
XVIII, p. 287
XIX, p. 287
XX, p. 287 f.
X, p. 283 (unter
Verkürzung des
ursprünglichen
Dekrets)
Zusatz p. 283
IV, p. 274
2 Zusätze p.274
V, p. 274
XXIV, p. 289
Zusatz p. 290
VI, p. 275-278
13 Zusätze p. 278
bis 280
VII, p. 280 f.
7 Zusätze p. 281 f.
Ebd.c.3; col. 105.108
Ebd. c. 4; col. 108
Ebd.c.5; col. 108. 107
Ebd. c. 6-, col. 107
Ebd. c. 7; col. 107
Ebd. c. 8; col. 107
Ebd. 9; col. 107 f.
Ebd. c. 10; col. 108
Ebd. c. 11; col. 108
1436 März 25 sess.
XXIII c 4; col. 116
bis 119
Ebd. c. 5; col. 120
Ebd. c. 6; col. 120
Ebd. c. 7; col. 121
1437Dez.23sess.XXX:
col. 158 f.
1438.Tan.24sess.XXXI
cc. 2. 3; col. 161-165
Ebd. c. 1 ; col. 159 f.
Exkurs.
171
Es dürfte sich
die der Reihenfolge
Sanktion Rechnung
künde vergleicht,
hier auf den Kern
France XIII, p. 270
die vierte gibt die
bei Mansi, Concilia
empfehlen, eine zweite Tabelle anzufügen,
der Basler Dekrete in der pragmatischen
trägt und sie mit der in der Mainzer Ur-
Die erste und zweite Kolumne verweisen
der Sanktion (Ordonnances des rois de
—290), die dritte auf die Mainzer Cedula:
entsprechende Sitzung des Basler Konzils
XXIX wieder.
Bourges
Inhalt
Mainz
Basel
I, p. 270 f.
De celebratione concilio-
rum
I
1431 Dez. 14 sess.
I c. 3-, Mansi
XXIX, col. 5 f.
II. p. 271
De potestate et auctoritate
conciliorum
Zusatz p. 271
—
1432 Febr. 15
sess. II cc. 1 — 4:
col. 21 f.
III, p .271-273
De electionibus
II
Zusätze 1 — 5
1433 Juli 13
sess. XII; col. <;1
bis 64
IV. p. 274
De electione cassanda, ex
qua turbari posset eccle-
sia
2 Zusätze p. 274
XXI
1436 März 25
sess. XXIII c. 5;
col. 120
V, p. 274
De reservationibus
XXII
Zusätze 7 u. 8
Ebd. c. 6; col. 120
VI, p. 275-280
De collationibus beneficio-
rum
13 Zusätze p. 278—280
XXV
Zusätze 9—11
1438 Jan. 24 sess.
XXXI c. 2. 3;
col. 161-165
VIT, p. 280 f.
De causis et de appellacio-
nibus
7 Zusätze p. 281 f.
XXVI
Zusätzel2-15
Ebd.c.l;col.l59f.
VIII, p. 282
De modo appellandi vel non
appellandi ante senten-
tiam
VIII
1435 Jan. 22 sess.
XX c. 4; col. 103
IX, p. 282 f.
De pacificis possessoribus
non molestandis
X
1435 Juni 9
sess. XXI c. 2;
col. 105
172
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Bourges
Inhalt
Mainz
Basel
X, p. 283
XI, p. 283 f.
XII, p. 285 f.
XIII, p. 286
XIV, p. 286
XV, p. 286
XVI, p. 287
XVII, p. 287
XVIII, p. 287
XIX, p. 287
XX, p. 287 f.
XXI, p. 288 f.
XXII, p. 289
De numero et qualitate car-
dinaliura (das Basler De-
kret kürzend)
Zusatz p. 283
De annatis
9 Zusätze p. 284 f.
Quomodo divinum officium
sit in ecclesia celebran
dum
Zusatz p. 286
Quo tempore debet quisque
esse in choro
Qualiter extra chorum höre
canonice sunt dicende
De hiis, qui tempore divi-
norum vaganturper eccle-
siam
Quod tabula pendeat in
choro
Quod in missa compleatur
Credo et quod non basse
legatur missa
De pingnorantibus cultum
divinum
De capitulis tempore misse
non tenendis
De spectaculis in ecclesia
non faciendis
De publicis concubinariis
De modo communicandi hiis,
qui dicuntur excommuni-
cati, suspensi vel inter-
dicti
XX (unter Er-
gänzung des
ursprüng-
lichen Wort-
lauts)
IX
Zusatz 6
XI
XII
1436 März 25
sess. XXIII c. 4:
col. 116 f. (116
bis 119)
1435 Juni 9 sess.
XXIc.l;col. 104
Ebd. c. 3; col. 105.
108
Ebd. c. 4; col. 108
XIII
Ebd. c. 5; col. 108
107
XIV
Ebd. c. 6; col. 107
XV
Ebd. c.7; col. 107
XVI
Ebd. c. 8; col. 107
XVII
Ebd.c.9;col.l07f.
XVIII
Ebd.c.l0;col.l08
XIX
Ebd.c.ll;col.l08
V
1435 Jan. 22 sess
XXc.l;col.l01f.
VI
Ebd.c.2; col. 103
Exkurs.
17:;
Bourges
Inhalt
Mainz
Basel
XX III, p. 289
XXIV, p. 289 f.
De modo et forma ponendi
interdictum in loco et di-
vina resumendi
De Clementina: Literis
Zusatz p. 290
VII
XXIII
Ebd.c.3; col.103
sess. XXIII c. 7;
col. 121
3.
Für die pragmatische Sanktion ergibt sich also: sie über-
nahm 24 Basler Dekrete, von ihnen sind 22 in das Mainzer
Instrument übergegangen, eins (Bourges X) wurde in Mainz
in seinem ursprünglichen Umfang angenommen, eins (Bour-
ges II de potestate et auctoritate concilii p. 271 mit Zusatz
= Basel 1432 Febr. 15 sess. II cc. 1—4, Mansi XXIX, 21 f.)
wurde in Mainz nicht wiederholt. In Bourges strebte man
nach Möglichkeit eine systematische Anordnung der Dekrete
nach ihrem Inhalt an; benutzt wurden dazu die Canones der
sessio I (I), II (II), XII (III), XX (VIII. XXI— XXIII), XXI
(IX. XI— XX), XXIII (IV. V. X. XXIV) und XXXI (VI. VII)
des Basler Konzils, derart dass die hier zu den Sitzungs-
ziffern in Klammern gefügten Ziffern die Abschnitte der prag-
matischen Sanktion wiedergeben. Zusätze wurden beliebt zu
den Abschnitten II (aus sess. II), IV (sess. XXIII), VI und
VII (sess. XXXI), X (sess. XXIII), XI und XII (sess. XXI)
und XXIV (sess. XXIII).
Für die Mainzer Acceptation ergibt sich: sie übernahm
26 Basler Dekrete, von ihnen finden sich 22 auch in der prag-
matischen Sanktion, eins (Mainz XX) wurde acceptiert in seinem
ursprünglichen Umfang, drei (Mainz III. IV. XXIV) haben in
der Sanktion keine Parallele, die ihrerseits eins (Bourges II)
acceptierte, ohne dafür in Mainz Nachahmung zu finden. In
Mainz benutzte man also die pragmatische Sanktion, neben ihr
174 Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
aber ein Exemplar der Basler Dekrete, das diese nach der
Reihenfolge der Sitzungen anordnete. Die Canones sind auf-
gezählt nach der Reihenfolge der Sitzungen des Konzils: aus
sess. I entlehnte man Abschnitt I, aus sess. XII Abschnitt II,
aus sess. XV Abschnitt III, aus sess. XIX Abschnitt IV, aus
sess. XX die Abschnitte V — VIII, aus sess. XXI die Abschnitte
IX— XIX, aus sess. XXIII die Abschnitte XX-XXIII, aus
sess. XXX Abschnitt XXIV und endlich aus sess. XXXI die
Abschnitte XXV und XXVI. Zusätze finden sich im Mainzer
Instrument zu den Abschnitten II (aus sess. XII), IX (sess. XXI),
XXII (sess. XXIII), XXV und XXVI (sess. XXXI).
Register,
A.
Abgaben der Benefiziaten an die
Kirchenfabrik, für den Kirchen-
schmuck 61 ff.
Ablasswesen 30.
Acceptation, Mainzer (1439) 33 ff.
84. 92 ff. 98 ff. 113. 116. 148.
162 ff.
Adel als Vorbedingung für kirch-
liche Aemter 81 3 ; der deutsche
A. in der Auffassung Luthers
143.
Adolf von Nassau, Erzbischof von
Mainz (f 1475) 115.
Alaraania 97.
Albrecht IL, deutscher König (1438
bis 1439) 34 ff. 51 f. 79 f. 84. 86.
93.
Albrecht Achilles, Kurfürst von
Brandenburg (f 1486) 115.
Albrecht von Brandenburg, Erz-
bischof von Magdeburg und Mainz,
Bischof von Halberstadt (f 1545)
132 f.
Aleander, päpstl. Nuntius (t 1542)
143.
Alexander II., Papst (1061—1073)
Alexander III., Papst (1159—1181)
14 f.
Alexander IV., Papst (1254—1261)
77.
Alexander VI., Papst (1492-1503)
117 ff.
Alternative in der Besetzung von
Pfründen 99 ff.
Altkatholizismus 159.
Annaten 30. 44. 53 f. 60 ff'. 100 ff.
106. 122. 140.
Appellationen nach Rom 43. 54 f.
Arianismus 6.
Aribo, Erzbischof von Mainz (1021
bis 1031) 8 ff.
Artikel von Koblenz (1769) 151.
B.
Basler Konzil s. Konzil zu Basel.
Beamten, kuriale 54. 65.
Benedikt XII., Papst (1334—1342)
69. 98.
Benedikt XIII., Papst (1394—1417,
t 1424) 77.
Berthold von Henneberg, Erzbischof
von Mainz (f 1504) 111 2.
Beschwerden der deutschen Nation
93. 113. 115. 124 f.
Bitten des Königs oder der Fürsten
um Benefizien 53. 57 f.
Böhmen 51 f. 118. 124.
Bonifaz VIII., Papst (1294-1303) 77 f.
Bourges s. Sanktion, pragmatische,
von Bourges.
Brandenburg, Kurfürst von 39.
Bündnisse des Klerus aus verschie-
denen Diözesen 115 4.
Bundeskonkordat 156.
Bussbefreiungen, päpstliche 8.
Calixtus III., Papst (1455-1458)
108.
176
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Chlodowech, fränkischer König (481
bis 511) 6.
Clemens IV.. Papst (1265—1268) 78.
Clemens VII., Papst (1523-1534)
144.
Cluniacensische Ideen 7.
collationes per preventionem 53. 73.
communio sacramenti eukaristie
51 f.
concordata principum s. Konkordat
von Wien (1448).
consistoria spiritualia, secularia 87 f.
I).
Dacien 108.
Dänemark 28. 30. 111.
Dalberg, K. Th. von, Erzbischof von
Mainz (Regensburg), Bischof von
Konstanz (f 1817) 20. 153 ff.
Decretum Gratiani 13. 69. 75 f.
Dekretalen, päpstliche 13.
Deutsche Nation 28 ff. 41. 96. 97 2.
105 f. 108. 111. 118. 122. 134. 144.
151.
Deutscher Bund (1815-1866) 155 f.
Deutscher Evangelischer Kirchen-
ausschuss 146.
Deutschkatholizismus 159.
Devolutionsrecht 71.
Diether von Isenburg, Erzbischof
von Mainz (f 1482) 115.
Dietrich von Erbach, Erzbischof von
Mainz (f 1459) 61 \ 113.
Diözesansynoden 47 f. 157.
Dispensationen 30.
Dispense bei Konsanguinität und
Affinität der Eheschliessenden
75. f.
Disputation zu Leipzig (1519) 142.
Döllinger, J. von (f 1890) 21. 157 ff.
E.
Eid der Bischöfe 152.
Emser Kongress s. Punktation des
Emser Kongresses.
Enea Silvio de' Piccolomini, zuletzt
Papst Pius IL (1458—1464) 7 l.
89 f. 106 f. 114 f. 124. 127. 129 3.
England 15. 25. 30 f. 34. 111.
Entschädigungsfrage des Papstes
53 f. 60. 63 ff. 80.
Episkopalismus 149 f. 157.
Erfurter Universität 92.
Ernst von Sachsen, Erzbischof von
Magdeburg (f 1513) 117.
Eugen IV, Papst (1431—1447) 33 ff.
45. 51. 56. 77. 79. 81 f. 86. 90 f.
93 ff. 97.
exactio vacantiarum 54. 56.
Exemtionen 13. 23. 54 f. 76.
Exkommunikationen 30-
Exspektanzen , päpstliche 42. 53.
102. 106.
Extravaganten 70.
F.
Febronius s. Hontheim.
Felix V., Gegenpapst (1439—1449)
84, 86.
Frankreich 25 f. 30 f. 34 ff. 83 f.
Franz I, König von Frankreich (1515
bis 1547) 129 3. 143.
Franz IL, deutscher Kaiser (1792
bis 1806, f 1835) 154.
Freiheit, bischöfliche 69.
Freiheiten der deutschen Nation 64;
der gallikanischen Kirche 26. 54,
vgl. 150. 160.
Friedrich L, Kaiser (1152—1190)
14 ff. 22. 116. 144. 148.
Friedrich IL, Kaiser (1212-1250)
22. 117 f.
Friedrich III., Kaiser (1440—1493)
86. 91 ff. 96. 105. 108. 110. 115.
Friedrich der Weise, Kurfürst von
Sachsen (f 1525) 117.
Friedrich Wilhelm IV., König von
Preussen (1840—1861) 21.
fructus primi anni 100.
fructus medii 102 f. 106.
Fürstenbund, deutscher 153.
Fürstenkonkordate (1447) 83. 93 2.
94 2. 95.
0.
Gallikanischer Klerus, Erklärung des
gall. Klerus (1682) 150.
Register.
177
Gegenpäpste im 11., 12. Jahrhundert
und im Zeitalter Ludwigs des
Bayern 22 f.
Geistliche Gebiete in Deutschland
15. 149. 153 f.
Georg d'Amboise, Kardinal (f 1510)
116.
Gerhoh von Reichersberg (t 1169) 19.
Germanica natio 97.
Gottesdienstordnung 43. 52.
Grade, akademische 54.
Gratien, päpstliche 73.
gravamina nationis Germanicae s.
Beschwerden der deutschen Na-
tion.
Gregor VII., Papst (1073-1085) 7.
11.
Gregor IX., Papst (1227—1241) 13.
Gregor XL, Papst (1370-1378) 54.
H.
Hadrian IV., Papst (1154—1159)
15 ff.
Hamburg-Bremen, Erzbischof von
30. 39. 41.
Hammersteinsche Ehescheidungsan-
gelegenheit 9.
Heinrich IL, Kaiser (1002—1024) 9.
Heinrich IV.. Kaiser (1056—1106)
11. 22. 144.
Heinrich V., Kaiser (1106-1125) 22.
Hermann Grien — Hans von Hermans-
grün.
Hermansgrün, Hans von 20. 117 ff.
126. 128. 134. 137. 141. 148.
Herrschaft, weltliche und kirchliche,
über die deutschen Reichseigen-
kirchen 8 ff. ; weltliche, über den
Besitz der Reichskirchen 13.
hierarchia iurisdictionis 149.
Hildegard von Bingen (t um 1180)
19. 135.
Hillin, Erzbischof von Trier (f 1169)
15 f.
Hontheim, Johannes Nikolaus von,
Weihbischof von Trier (Febronius)
151. 160.
Humanistische Gedanken über eine
deutsche Nationalkirche 137 ff.
Huss, Johannes (f 1415) 24.
Hussiten, Hussitismus 51 f. 117.
Werminghoff, Nationalkirchliche
Jesuitismus 148. 150.
Iglauer Kompaktaten s. Kompak-
taten von Prag und Iglau.
Ignatius von Loyola (t 1556) 147.
Investiturstreit 1 1 f.
Johann XXII, Papst (1316—1324)
22. 69. 77.
Joseph IL, ' Kaiser (1765-1790)
151 f.
Juden 48.
Julius IL, Papst (1503—1513) 120 f.
124. 126 f. 129.
Julius' IIL, Papst (1550—1555) 112 2.
ius regaliae 53.
Kammergulden 102.
Kanzleiregeln, päpstliche 70. 77.
Kapitelversammlungen 43.
Kardinäle, Kardinalkollegium 30.
48 ff. 52. 65. 141.
Karl V., Kaiser (1519—1556, 1 1558)
133. 143 f. 147.
Karl Martell (f 741) 154.
Karl der Grosse (768—814) 3. 6 f.
Karl VII., König von Frankreich
(1422—1461) 34 ff. 79 f. 83. 92.
95. 129 3.
Karl VIII., König von Frankreich
(1483—1498) 117 ff.
Köln, Erzbischof von 17. 37. 39. 41.
81. 88. 91. 150 ff.
Kollation der Benefizien 43. 53 f.
68 ff. 71 f.
Kommenden 30.
Kompaktaten von Prag (1433) und
Iglau (1436) 51.
Kongress von Wien (1814 und 1815)
155.
Konkordat: Worraser K. (1122) 12.
19; Konstanzer K. (1418) 28 ff.
411. 98 ff. 148; Wiener K. (1448)
83. 86 ff. 94 ff. 97 ff. 108 ff. 113.
125. 1301 (concordata principum).
148 f. ; französisches, englisches K.
(1418) 28. 31; französisches (1801)
155; Konkordate im beginnenden
19. Jahrhundert 156.
Konrad IL, Kaiser (1024—1039) 7.
Bestrebungen. 12
178
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Konrad III., deutscher König (1138
bis 1152) 13 f.
Konservatoren 77 f.
Konservatorien 76 ff.
Konsistorium des Primats in Ger-
manien 140.
Konstanzer Konkordat s. Konkordat.
Konstanzer Konzil s. Konzil zu Kon-
stanz.
Konzil: zu Aachen, prophezeites
135 f.; von Basel (1431—1449)
24 f. 33 ff. 86 ff. 93. 95. 99 f. 104.
106. 111. 113. 116. 134. 147.
161 ff; von Ferrara (1438 ff.) 33.
60; von Konstanz (1414—1418)
24 ff. 44 f. 53 f. 93. 95. 106. 111.
113. 116. 134. 147. 161 ; im La-
teran (1123) 12. (1139) 12. (1179)
12. 71. (1215) 12. 75; von Lyon
(1245) 76 f. (1274) 69; von Nicäa
(325) 141; von Pisa (1409) 24;
von Seligenstadt (1023) 8 ff. ; von
Tours (1510) 121; von Tribur
(895) 7; von Trient (1545—1563)
4. 76. 148 f. ; im Vatikan (1869
und 1870) 4. 148. 159; von Worms
(1076) 11; von Würzburg (1287)
78.
Konzilien, allgemeine: ihre Periodi-
zität 42. 44 ff. ; ihre Superiorität
über den Papst 25. 44 ff. 95 f.
Kurfürstentag zu Frankfurt (1456)
113 f.
Kurfürstenvereinigung von 1446 93.
Kurtisanen 122 ff. 130 f.
L.
Landeskirchen, Ansätze von 23.
87 ff. 95. 120.
Landeskirchen, evangelische 145 f.
Langobarden 6.
legatus natus 128 f.
legatus natus et perpetuus 116.
122 f. 126 ff. 131 f.
Leo X., Papst (1513—1521) 1293.
Lothar von Supplinburg, Kaiser
(1125-1137) 13.
Ludwig der Bayer, Kaiser (1314 bis
1347) 22. 144.
Ludwig XL, König von Frankreich
(1461-1483) 1293.
Ludwig XII., König von Frankreich
(1498-1515) 120 f. 1293.
Lübeck, Bischof von 39. 81.
Luther 20. 85 *. 105 \ 110. 133.
139 ff. 144 ff. 147. 161.
M.
Magdeburg, Erzbischof von 37. 39.
41 , als primas seu patriarcha
126 f. 129. 141.
Mainz, Erzbischof von 17. 37. 39.
41. 106. 150 ff.
Mainzer Acceptation s. Acceptation.
Marsilius von Padua, Defensor pacis
22.
Martin' V., Papst (1417—1431) 25.
27 ff. 98.
Martin Mayr, kurmainzischer Kanz-
ler 106. 114. 124. 127.
Matthäus Lang, kaiserlicher Kanz-
ler, Bischof von Gurk, Kardinal-
diakon von S. Angelo in Peschiera
und Erzbischof von Salzburg
(t 1540) 122. 130 ff. 134. 148.
Maximilian L, Kaiser (1493—1519)
120 ff. 124 ff. 129 ff. 133 f.
medietas beneficiorum 100.
Monate, päpstliche 99.
Napoleon I. (f 1821) 153 ff.
Nationalkonzil Ulf. 114. 116. 151f.
157 f.
Neophyten 48.
Neutralität, französische 25 f.; kur-
fürstliche, von 1438 38 ff. 79.
87 ff.
Niederlande 143.
Nikolaus L, Papst (858—867) 7.
Nikolaus III., Papst (1277—1280) 99.
Nikolaus V., Papst (1447—1455) 86.
90. 94. 97.
Norwegen 28.
Nuntiaturenstreit 152.
0.
Ostgoten 6.
Otto der Grosse (936—973) 4.
7.
Register.
179
Otto, Bischof von Freising [f 1158)
14.
Ottonische Verfassungskirche 6 ff.
P.
Palliengebühren 56.
Passau, Bischof von 81.
Patriarch, Patriarchat, Pläne für
ein deutsches 116. 118 ff. 126.
128. 135 ff. 155.
Paul III., Papst (1534-1549) 144.
Pfalzgraf bei Rhein 37.
Pfarrer, Amt der Pfarrer, bei Luther
142.
Pfarrkirchen, deutsche, durch Deut-
sche zu besetzen 73 f.
Pfründenbesitz, ruhiger 43.
Philibert von Coutances, Admini-
strator der Prager Kirche 51.
Philipp IV., der Schöne, König von
Frankreich (1285— 1314) 40.
Pius II., Papst s. Enea Silvio.
Pius IX., Papst (1846-1878) 112 2.
159.
Polen 28. 118.
Populäre Gedanken über eine deut-
sche Nationalkirche 135 f.
Prager Kompaktaten s. Kompaktaten
von Prag und Iglau.
pragmatica sanctio 56 ; s. Sanktion,
pragmatische, von Bourges.
Primas, Primat, Pläne für einen
deutschen 16 ff. 116. 126. 129.
138 ff. 141. 151 f. 156 f.
Processus apostolici 53.
procureur des ämes 121. 127.
Protestation s. Neutralität, kurfürst-
liche von 1438.
Provinzialkonzilien 47 f. 157.
Provisionen, päpstliche 30. 68 ff.
99 ff.
Prozesse, kirchliche 16. 30. 54 f.
122 f. 132; bei einem Konzil 55.
Pseudoisidorische Dekretalen 7. 12.
151. 153.
Punktation des Emser Kongresses
(1786) 101 l. 1122. 152.
Quinquennalfakultäten 152.
R.
Reformation des Kaisers Sigmund
85'.
regnum Romanum 16.
Reichsdeputationshauptschluss
(1803) 20 f. 155.
Reichseigenkirchen 7 f. 161.
Reichskirche, fränkische 6.
Reichskonkordat 154.
Reichstag: zu Augsburg (1518) 137;
zu Bensangon (1157) 15; zu Frank-
furt (1439) 87 f. 90. (1446) 82;
zu Mainz (1439) 33 ff. 86. 90.
(1441) 92; zu Worms (1495) 117.
126; zu Würzburg (1165) 14 4.
Reinald von Dassel, Erzbischof von
Köln (f 1167) 15.
Reisen nach Rom 8.
Reservationen, päpstliche 43. 67 ff.
72 f. 97 f. 106.
Revolution, deutsche (1848) 157;
französische 153.
Rheinbund 155.
Sachsen, Herzog von 37.
Säkularisationen in Deutschland 149.
154.
Salzburg, Erzbischof von 37. 39.
41. 96. 152, als legatus natus
Germaniae 126 f. 129.
Sanktion, pragmatische : von Bourges
(1438) 34 ff. 95 f. 103 f. 122 f.
125. 127. 129. 168 ff.; Plan für
eine deutsche 113 ff. 116, vgl. 84.
Schauspiele in der Kirche 43.
Schottland 111.
Schreiben, päpstliche, über Pfrün-
denverzicht und Pfründenent-
ziehung 43.
Schuldenmachen der Geistlichen 43.
Schweden 28.
servitia communia 100. 102 f.
servitia minuta 56.
Sigmund, Kaiser (1410—1437) 27.
51 f.
signatura gratiae, iustitiae 140.
Simonie 30.
Skriptoren, kuriale 56.
Spalatin, Georg, sächsischer Hof-
prediger (f 1545) 139.
180
Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen.
Spiegel, Jacob, kaiserlicher Sekretär
122. 130.
Strassburg, Bischof von 96.
Syllabus von 1864 1122. 159.
T.
tempus concilii Lateranensis 71 f.
Thomas Wolsey, Kardinal (f 1530)
116.
Tours, Erzbischof von 25.
Tridentiner Konzil s. Konzil zu
Trient.
Trier, Erzbischof von 39. 41. 81.
91. 150 ff.
Trierer Stilübungen (um 1158) 15 ff.
116. 134.
Türkenzehnten 106.
u.
Ulrich von Hütten (f 1523) 137 ff.
Ultramontanismus 157.
Unfehlbarkeit des Papstes 148. 159.
Ungarn 28. 111. 118.
üniversitätsangehörige und ihre Be-
vorrechtung bei Pfründen 53 f.
Vandalen 6.
Vatikanisches Konzil s. Konzil im
Vatikan.
Venedig 120.
Verhalten, sittliches, der Kleriker
43.
Versammlung der deutschen Bischöfe
zu Würzburg (1848) 157.
Viterbo 16.
Vorschläge, deutsche, aus dem Jahre
1439 betr. Entschädigung des
Papstes 63 ff.
w.
Wahlen, kirchliche 13. 42. 57 ff.
60. 98 f. 106.
Walther von der Vogelweide 22.
Weihe der vom Papst Konfirmier-
ten 53. 59; Weihen von Aus-
ländern und Fremdlingen 78.
Wessenberg, J. H. C. von (f 1861)
21. 155 f.
Westgoten 6.
Wiener Konkordat s. Konkordat von
Wien.
Wiklif, Johannes (f 1384) 24 f.
Wimpheling, Jacob, Humanist
(f 1528) 122 ff. 126 ff. 130 ff.
139. 148.
Wormser Konkordat 8. Konkordat
von Worms.
Wünschelburg, Johann, Priester in
Amberg 136.
Zehnten 106.
Zensuren, kirchliche 30. 43. 125.
Zirkumskriptionsbullen aus dem
Beginn des 19. Jahrhunderts
156.
1» fl ' fflntä ,» oft < V • 83 Ü ':i » ■ , .- '
IM! W ' Ä
V-.'U1 'VI .liW'i.'.K >i
■ jiii
tli-W*
7i-ü
%vM\v 274.3 110908 ta!
274.3
W494
Werminghoff, Albert
110908
274.3
W494
Werminghoff, Albert
Nationalkirchliche Bestrebungen
IM DEUTSCHEN MITTELALTER
•I II
1 II