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Full text of "Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften 17"

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ABHANDLUNGEN 


aus dem 


Gebiete der Naturwissenschaften 


herausgegeben vom 


Naturwissenschaftlichem Verein 


ik Hamburg. 


—— XVII. Band. — 


INHALT: 


Über . ` nismus des Hydrodynamischen Widerstandes. Von Dr. FR. AHLBORN. 


HAMBURG. 
L. FRIEDERICHSEN & Co. 
1902. 


Druck von Grefe A Tiedemann. 


Uber den 


Mechanismus des Hydrodynamischen Widerstandes. 


Von 


Dr. FR. AHLBORN. 
Hamburg-Uhlenhorst. 





415394 


Über den 
Mechanismus des Hydrodynamischen Widerstandes 


von 


Dr. FR. AHLBORN. 


Jeder innerhalb eines beliebigen Mediums bewegte Kôrper erfahrt dabei eine 
Hemmung, durch welche die Bewegung schliesslich zum Stillstand gebracht wird, falls 
kein neuer Antrieb erfolgt. Diese Hemmung bezeichnet man bekanntlich als den Wider- 
stand des Mediums und bestimmt ihn quantitativ durch das Mass der Kraft, die zur 
dauernden Unterhaltung der Bewegung innerhalb des Mittels aufgewandt werden muss. 

Allein so nützlich eine derartige summarische Bestimmung für die Lósung von 
mancherlei praktischen Aufgaben auch sein mag, so genügt sie doch nicht dem wissen- 
schaftlichen Bedürfnis, da sie über die Art und das Wesen des Widerstandes selbst nichts 
aussagt. Ist die Quantitát des Widerstandes einmal experimentell bestimmt, so tritt die 
Frage auf, wozu und in welcher Weise denn nun eigentlich die ermittelte Kraftmenge 
verbraucht wird, oder was sie leistet. 

Beim Fluge des Geschosses und des Vogels durch die Luft, am schwimmenden 
Schiff, am Fisch oder Torpedo, am Drachen, am Segel u. s. w., immer hat man sich 
vorzustellen, dass ein Teil jener Kraft verbraucht wird, um die Bahn für die Bewegung 
frei zu machen, das Medium zu verdrängen, ein anderer Teil, um das Medium wieder in 
die Bahn zurückzuführen, der Rest zur Uberwindung der Reibung an der Oberfliche des 
bewerten V ^--^^rs. Danach können wir unterscheiden: 

Verdrängungs- oder Druckwiderstand, der an allen mehr oder 
wenig vo rn gerichteten Körperflächen zur Geltung kommt; 
3augungs- oder Zugwiderstand an den nach hinten gerichteten Ober- 


fläche ` 
teibungswiderstand, der vorwiegend an den Seitenflächen des be- 
wegte | ; zur Entwicklung gelangt. 
r allgemein angenommenen Theorie der Schiffswiderstánde, welche in 
Engla:.' ` “sS durch die trefflichen Arbeiten von W. FROUDE und R. E. FROUDE 


begründet und ausgeführt worden ist, setzt sich der Widerstand zusammen aus einem 
Hauptanteil, der sich in der Bildung von Wellen áussert, ferner aus der Reibung an der 
Schiffshaut und endlich aus einem nicht náher bestimmbaren »wirbelmachenden« Anteil. 


Dass bei dieser Einteilung abgesehen von der Hautreibung das Hauptgewicht auf die 
sekundären Widerstandsphanomene der Wellen- und Wirbelbildung gelegt wird, und dass 
die Verdrangung und Zurückführung des Mediums in die Bahn für das Zustandekommen 
des Widerstandes scheinbar ohne Belang sind, hat seinen Grund in der historischen Ent- 
wicklung und der mehr theoretischen als experimentellen Grundlage dieses wichtigen 
Zweiges der Widerstandsforschung. Für eine eingehende Darlegung dieser Verhaltnisse 
ist hier nicht der Ort. Es sei daher nur bemerkt, dass der Unterschied im Grunde mehr 
formaler als sachlicher Art ist. Die Wellenbildung ist nur eine Folge der Wasserver- 
drángung und des Rückflusses, und die Wirbelbildung eine Begleiterscheinung oder Form 
des Rückflusses oder der Saugung. 

Was nun die Reibung anbetrifft, so nimmt man bekanntlich an, dass der ein- 
oder untergetauchte Kórper an seiner Oberflache von einer ruhenden, durch Adhásion 
festgehaltenen Flüssigkeitshaut überzogen wird, an deren Aussenseite die Trennung von 
dee bewegten, vorüberfliessenden Flüssigkeit erfolgt. Die Widerstandsarbeit dieser Trennung 
würde somit im Wesentlichen auf eine Überwindung der Kohásion des Mediums hinaus- 
laufen und daher in erster Linie von der Zahigkeit oder Viscositit der Flüssigkeiten 
abhángen. 

. Bei der ungemein leichten Verschiebbarkeit gasfórmiger Molekel würde hiernach 
der Reibungswiderstand in gasfórmigen Medien gegenüber den beiden anderen Arten des 
Widerstandes kaum in Frage kommen. Allein die Abspülbarkeit hydrophiler Farben und 
ahnlicher Dinge beweist anscheinend, dass auch die Flüssigkeitshaut nicht vóllig in Ruhe 
bleibt, sondern mit zunehmender Strómungsgeschwindigkeit mehr und mehr in den Vorgang 
der Trennung hineingezogen wird.!) Der Reibungswiderstand würde somit nicht nur 
Kohásions-, sondern auch Adhasionskrâfte zu überwinden haben und daher auch bei gas- 
fórmigen Medien nicht ganz zu vernachlâssigen sein. 


Übrigens ist der Trennungsvorgang in flüssigen Medien keineswegs immer ein 
einfaches Vorübergleiten zweier mit verschiedener Geschwindigkeit bewegten Oberflächen, 
— wie man aus dem Worte »Reibung« schliessen könnte, — sondern er setzt sich im Gebiet 
der Saugung nicht selten zusammen aus komplizierten, wirbelartig fortschreitenden Be- 
wegungen, die sich innerhalb einer gewissen Entfernung an der Oberfläche des festen 
Kôrpers vollziehen. - 

Die Gesamtwirkung des Reibungswiderstandes zeigt sich drastisch in der Be- 
wegung von Schiffen, deren Böden zur Verringerung der Adhäsion zwischen Wasser und 
Schiffswand für den Rennsport mit aller Sorgfalt geglâttet worden, oder die in den 
Tropen bei langer Fahrt mit stark adhärierenden Algen und Korallen etc. bewachsen sind. 





1) Die von HELMHOLTZ und v. PIOTROWSKI angestellten Versuche über die Reibung von Flüssigkeiten 
(HELMHOLTZ, Wissenschaftl. Abhandl, Bd. I. S. 174) zeigten, »dass die gewöhnlich gemachte Annahme, welche 
durch PoisEUILLE's Versuche bestátigt zu sein schien, wonach die oberflüchlichste Schicht der Flüssigkeit den 
Wänden des Gefässes fest anhaftet, für die wässerigen Flüssigkeiten in Metallgefüssen mit polierter oder ver- 
goldeter Oberfläche, wie sie von uns, um die Unverinderlichkeit der Oberfläche zu sichern, angewendet waren, 
nicht zutrifft, während sie andererseits für Alkohol und Äther auch in solchen Gefässen nahehin zutrifft.« — 


5 


Unsere aus China heimkehrenden Kriegsschiffe hatten bei ihrer Rückkehr fast eine Meile 
Fahrgeschwindigkeit eingebiisst. Die Vergrösserung des Reibungswiderstandes durch 
Rauheit der Oberfläche ist fast immer mit der Bildung von Wirbelbewegungen im Medium 
verbunden. Die Reibung tritt im allgemeinen zurück gegenüber dem Verdrângungs- 
und Saugungswiderstand, zumal bei querstehenden, plattenfórmigen Kórpern. 

Da ein innerhalb des Mediums bewegter Kôrper ein Flüssigkeitsquantum verdrängt, 
dessen prismatisches Volum durch den grössten Querschnitt des Körpers und die 
Geschwindigkeit der Bewegung bestimmt wird, so liegt der Gedanke nahe, in dem auch 
NEWTON befangen war, dass der dadurch bedingte Widerstand eine einfache Funktion 
der Querschnittsflache sei. 

Allein wenn man bedenkt, dass doch ein spitzer Pfeil besser fliegt als ein 
stumpfer von gleichem Querschnitt, ein schlankes Schiff schneller fahrt als ein rechteckiger 
Prahm u. s. w., so bedarf die Abhangigkeit des Widerstandes von der Form des 
bewegten Korpers keiner weiteren Bekraftigung. 

In der Litteratur ist man zwar seit langer Zeit bemiiht gewesen, wenigstens fiir 
den Widerstand ebener, flachenhafter Korper Formeln zu erfinden, die den Widerstand 
abhängig erscheinen lassen von der Grösse der Fläche, von der Natur des Mediums, der 
Bewegungsgeschwindigkeit und einer goniometrischen Funktion des Neigungswinkels, unter 
dem der Strom den Korper trifft; aber da die Gestalt des Korpers nicht allgemein 
mathematisch fassbar ist, so haben auch jene Formeln naturgemáss nur einen beschrankten 
Wert, zumal sie noch dazu nicht unerheblich von einander abweichen. 

Die vorhandenen empirischen Formeln sind immer nur Ausdrücke für den 
Gesamtwiderstand und geben weder über den Betrag der Reibung noch über das Ver- 
háltnis zwischen Verdrângungswiderstand und Saugung irgend welche Auskunft. 


Wo diese Dinge in der theoretischen Begründung dieser Formeln überhaupt 
berührt werden, hilft man sich mit der Annahme, dass bei dünnen Platten ein gewisser 
nicht náher bestimmter Teil des Gesammtwiderstandes auf die Verdrángung, der andere 
auf die Saugung falle; oder man setzt voraus, dass die Saugung, sofern eine solche 
überhaupt stattfände, als Folgewirkung bereits mit-der Verdrängung geleistet werde, und 
dass daher kein Grund vorliege, sich weiter darum zu kümmern. Die Ausfüllung des 
Raumes hinter dem bewegten Korper soll einfach durch den Ausgleich der Spannung 
bewirkt werden, welche durch den Druck der vorderen Kôrperseite gegen das Medium 
in diesem erzeugt wird. 

In der von STOKES *), RANKINE, HELMHOLTZ ®), KIRCHHOFF ®), Lord RAYLEIGH5) u. a. A. 
vertretenen hydrodynamischen Theorie wird dagegen angenommen, dass der Widerstand an 


1) Meldung im Hamb. Correspondenten vom 14. Aug. 1901, Abendausg. 
2 STOKES, Collected Papers, 1847. vol. I. pag. 310. 311. 
8) HELMHOLTZ: Wissenschaftl. Abt, Bd, 1. S. ror u. ff; S. 146 u. ff; 5. 158 u. ff; 1858; 1868; 1873. 
4) RIRCHHOFF: Vorlesungen tiber mathemat. Physik ; 
ferner: CRELLE'S Journal Bd. 70, 1869. 
5) Lord RAYLEIGH: On the Resistance of Fluids. Philos. Mag. 1876. Dez. 





d 

einer dünnen Platte allein durch den Druck des Mediums gegen die Vorderseite hervor- 
gerufen werde, und dass eine Saugung an der Hinterseite überhaupt nicht bestehe. 
Die Flüssigkeit hinter der Platte befinde sich im Verhältnis zur Tafel in Ruhe unter dem 
allgemeinen Drucke, der in grósserer Entfernung in dem nicht von der Platte beeinflussten 
Medium herrsche, sodass von diesem Kielwasser ebensowenig eine Vergrósserung des 
Widerstandes durch Saugung, wie ein schiebender Druck nach vorn ausgehen kónne. 
Der Schwierigkeit, wie ein solcher Zustand der Ruhe in dem sonst kontinuierlich zusammen- 
hängenden Medium in unmittelbarer Nachbarschaft des um die Seitenránder der Platte 
abfliessenden Wassers bestehen kónne, suchte man durch die weitere Annahme zu begegnen, 
dass zwischen dem ruhigen und dem bewegten Teile des Mediums eine Grenz- oder 
Trennungsfläche vorhanden sei, die sich von den Tafelrándern aus nach hinten weit in 
das Medium erstrecke und so die Kontinuitát der Bewegung des Fluidums unterbreche. 
Das Gleiten des bewegten Wassers an dem ruhenden werde durch eine unendlich dünne 
Schicht rotierender Wasserteilchen vermittelt, die HELMHOLTZ'sche Trennungs- oder 


Wirbelflache. 

Lord KELVIN ') vertritt demgegeniiber die Ansicht, dass, wenn das Wasser auch 
nur einen geringen Grad von Viscositát besitze, d. h. einen Widerstand gegen die 
Geschwindigkeit einer Formánderung leiste, und wenn der Rand der Scheibe unendlich 
scharf ware, — vorn an der Grenze zwischen dem Wasser hinter der Scheibe und dem 
daneben von der Vorderseite her abfliessenden Wasser eine Art STOKES'scher Spalte 
oder HELMHOLTZ'scher Wirbelschicht von sehr geringer Dicke auftreten müsse. Vom 
Tafelrande werde eine Reihe von Wirbelringen abgestossen, die, wie sie sich nach hinten 
vom Rande entfernen, dicker werden, sich in wild tumultuarischer Weise aufrollen und den 
Anschein einer unregelmässigen Masse einzelner kreisformiger Wirbelringe hervorrufen. 
Diese Masse folge der Tafel mit immer geringer werdender Geschwindigkeit und gehe 
so, weiter und weiter zurückbleibend, in das vergleichsweise ruhige mittlere Kielwasser 
über. Die Wirbelringe unterscheiden sich aber von den HELMHOLTZ'schen dadurch, dass 
sie nicht unendlich klein und unendlich zahlreich sind, sondern von endlicher Grósse und 
Zahl mit einem wasserfreien »Vakuum« ‘im Innersten. Aber von einer Discontinuitâts- 
fläche, an deren Aussenseite das Wasser die allgemeine Geschwindigkeit v habe, während 
immer hinter der Scheibe »totes Wasser« von der Geschwindigkeit Null sei, kónne 
schlechterdings nicht die Rede sein, das Wasser sei nicht »tot«, sondern im Gegenteil 
sehr lebhaft, es wirbele rings am Rande und bewege sich sehr dicht hinter der Scheibe 
nach aussen mit einer Geschwindigkeit, die anscheinend viel grósser sei als v, aber ohne 
Stetigkeit, im Gegensatz zu der regulären Bewegung, die von der Diskontinuitätstheorie 
behauptet werde. 

Hierzu sei nebenbei bemerkt, dass schon HELMHOLTZ besonders auf den labilen 
Zustand und die Unstetigkeit der Bewegungen in den Discontinuitatsflachen hingewiesen 
hat. — Lord KELVIN schliesst aus der offenbar grósseren Geschwindigkeit (> v) des 


Y Nature, 1894. p. 524 u. f. On the Doctrine of Discontinuity of Fluid Motion. 





dä 


Randstromes, dass der Druck an der Vorderseite geringer sein músse, als der durch 
Lord RAYLEIGH aus den hydrodynamischen Formeln berechnete. Wie weit aber diese 
Verminderung kompensiert oder überkompensiert werde durch den (aus der Wirbelung 
abzuleitenden) Minderdruck oder die Saugung an der Rückseite, das sei mehr, als man 
aus der mathematischen Theorie allein nachweisen kónne, in einem Bewegungsproblem, 
das so kompliciert sei und so weit über die Moglichkeit der mathematischen Berechnung 
hinausgehe; das kónne wohl nur durch das Experiment geschehen. In der That sei durch 
die direkte Messung des Luftdruckes an Scheiben, die mit einer Geschwindigkeit von 88 Fuss an 
einem Rotationsapparat durch die Luft geführt wurden, durch DINES festgestellt worden, 
dass an der Mitte der Vorderseite eine Druckerhóhung von 1,82 i und an der Mitte der 
Rückseite eine Druckverminderung von 0,89 i stattfinde. Es bestehe also hinter der 
Tafelmitte ein »Sogg« (suction), der sehr nahezu gleich der Halfte der Druckvermehrung 
an der Vorderseite sei, während die Diskontinuitätsdoctrin weder einen »Sogg« noch eine Druck- 
vermehruug zulasse, d. h. allein eine gleichfórmige Verteilung des Drucks auf der Vorderseite. 

Bei diesem Stande der Dinge wird man mit Lord KELVIN darin übereinstimmen, 
dass allein durch das Experiment ein Fortschritt in dieser schwierigen und wichtigen 
Frage zu erhoffen ist. 

Man hat das Widerstandsproblem experimentell vielfach so angefasst, dass man 
auf verschiedene Weise den Gesammtdruck gemessen und dann angenommen hat, derselbe 
sei gleichmâssig über die vom Strome getroffene Oberflache verteilt. Daneben waren 
aber bereits durch die vor gerade 100 Jahren veröffentlichten Versuche AVANZINI's That- 
sachen bekannt geworden, die nur durch eine unsymmetrische Verteilung der 
Widerstandskráfte an schrägen Flächen erklárbar sind. 

Die verschiedenen Anláufe zu einer Analyse des Widerstandes hatten das 
Ziel, die Verteilung desselben über die Flächen im einzelnen festzustellen. Wenn sie 
bisher durchaus fragmentarisch geblieben sind, so lag das an der Unzulänglichkeit der 
experimentellen Hülfsmittel und der ausserordentlichen Mühsamkeit der Methode. Man 
bediente sich dabei für Wasser der PITOT'schen Rôhre, für Luft des Differentialmanometers 
beides Instrumente, die wohl für statische, aber nur bedingungsweise für dynamische 
Druckmessungen geeignet sind, weil jeder mehr oder weniger seitlich auf die Rohróffnung 
treffende Strom durch Saugung die Standhóhe der Massflüssigkeit verándert. Der Verlauf 
der Strómungen des Mediums an den manometrisch geprüften Oberflachen ist daher 
bestimmend für die kritische Wertung der Beobachtungsresultate dieser Methode. 

Die bisherige Forschung hat somit die wichtige Aufgabe der analytischen 
Bestimmung der Anordnung und Verteilung der Widerstandskráfte nicht gelóst, und eben- 
sowenig hat sie eine befriedigende Antwort auf die Frage gegeben, wie diese Verteilung 
zu stande kommt und wodurch sie verursacht wird. 

Die organische Natur erzeugt für die Bewegung der Tiere und Pflanzen in flüssigen 
Medien, — Luft wie Wasser, — Hiilfsmaschinen von raffiniertem Bau, ausserordentlicher 
Zweckmássigkeit und bewunderungswürdiger Vollkommenheit. Diese Werkzeuge erfordern 
zu ihrem Verstándnis nicht nur eine genaue anatomische und mechanische Prüfung der 


Teile und ihres Zusammenwirkens, sie verlangen vor allem auch eine móglichst eingehende 
Kenntnis der Wechselwirkung zwischen Maschine und Medium. Langjáhrige Studien über 
die Flug- und Schwimmbewegungen im Tier- und Pflanzenreich brachten den Verfasser 
zu der Einsicht, dass auf diesem Gebiete jeder Fortschritt unseres Erkennens und Ver- 
stehens abhângig sei von der Entwicklung der Widerstandsmechanik. Hier also hatte 
die Arbeit einzusetzen. Es musste versucht werden durch neue experimentelle Methoden 
eine systematische Analyse der Widerstandserscheinungen durchzuführen, die Anordnung 
der Widerstandskrâfte zu ermitteln und die Ursachen und Gesetzmassigkeiten dieser Ordnung 
festzustellen, 

Der leitende Gedanke für das weitere Vorgehen war folgender. Wenn die Kraft, 
die zur Überwindung des Widerstandes nótig ist, dazu dient, das Medium aus der Bahn 
zu verdrángen und hinterher wieder dahin zurückzuführen, so wird man aus der Art der 
Bewegungen, die dadurch innerhalb des Mediums erzeugt werden, auch riickwárts auf die 
Kräfte schliessen können, die diese Bewegungen zu unterhalten haben. 

Wir bezeichnen nun jene Bewegungen des Mediums als »Widerstands- 
strömungen und definieren den Widerstand als die Summe der Kräfte, die 
zur Unterhaltung der Widerstandsströmungen verbraucht werden. 

Da hiernach der Widerstand und die Widerstandsströmungen im Verhältnis von 
Ursache und Wirkung zu einander stehen, so folgt, dass die Kenntnis dieser Ströme für 
die Analyse des Widerstandes von grundlegender Bedeutung ist, und dass daher eine 
genaue Beobachtung und objektive Darstellung der Strömungserscheinungen allen weiteren 
systematischen Untersuchungen voraufzugehen hat. 

Vorweg möchte ich noch besonders auf die schönen Photographien von Luft- 
stromlinien von Dr. L. MACH!) in Wien, sowie auf die verdienstvollen Arbeiten von 
Prof MAREY ?) in Paris und Prof. HELE-SHAW 3) in Liverpool aufmerksam machen, 
durch welche namentlich die Strömungsverhältnisse an der Vorderseite von Widerstands- 
körpern in trefflicher Weise zur Anschauung gebracht sind. 


I. Die Widerstandsstrômungen an der Wasseroberfläche. 


Taucht man einen plattenfórmigen Körper, ein Kartenblatt, ein Stück Blech oder 
ein dünnes Brett in Wasser ein und bewegt es mit der Fláche gegen die Flüssigkeit, so 
fliesst dieselbe beiderseits ausbiegend mit grosser Geschwindigkeit im Bogen um die Ránder 
der Platte in den Raum hinter der Tafel. Dabei entsteht hinter jedem Tafelrande ein 


Ð I. MACH: Sichtbarmachung der Luftstromlinien. Z. f. Luftschiff, 1896. S. 126. 

2) Marry: Verschiedene Berichte über die Photogr. der Strömungen des Wassers und der Luft: 
Compt. rend. tom. 116, 1. Mai 1893; ibid. tom. 131. 1900, p. 160; ibid.: 1. Juli 1901. (Stromlinien durch feine 
Rauchfiden dargestellt.) 

3) HELE-SHAW: Experiments on the Nature of Surface Resistance. Inst. Nav. Arch. 1897. p. 145—153. 
The Nature of Surface Resist of Water and of Stream-Line-Motion, ibid. 1898. p. 21— 46. 
The Distribution of Pressure etc. ibid, 1900. p. 186--197. siehe auch: Compt. rend. Juli 1901. 


- E + 


Wirbel, dessen Achse sich. durch cine trompetenfórmige Vertiefung am Wasserspiegel be- 
merkbar macht. Um die Strómungen deutlich sichtbar zu machen, empfiehlt es sich, 
Bárlappsamen oder andere feine, schwimmende Stoffe auf das Wasser zu streuen. 

Verwendet man dazu feine Ságespáne, so sinken dieselben langsam im Wasser 
unter, und es gelingt leicht, mit den Augen die Strómungen im Innern der Flüssigkeit 
zu verfolgen. Dabei zeigt sich, dass die beiden symmetrischen Wirbel an der Wasser- 
oberfliche nur die Querschnitte oder frei liegenden Endfláchen eines halben Wirbelringes 
sind, der der Platte folgt, so lange sie in Bewegung ist. Taucht man die Platte ganz 
unter Wasser, so entsteht bei der Bewegung hinter der Platte ein geschlossener Wirbel- 
ring, der den bekannten Rauchringen in allen wesentlichen Eigenschaften gleicht. 

Zur objektiven Feststellung der Strómungserscheinungen im Niveau vor 
und hinter den bewegten Tafeln wurde die Photographie angewandt und hierfür der 
folgende Apparat zusammengestellt. (Fig. 1 u. 2). 

Auf zwei kräftigen Bócken steht ein zur Aufnahme der Flüssigkeit dienender 
Kasten k von 2 m Lánge und 0,5 m Breite und Hóhe. Der Kasten ist mit Zinkblech 
ausgeschlagen und innen mit schwarzem Asphaltlack gestrichen. 

In der Hóhe des oberen Randes liegen neben dem Kasten auf festen Holzunter- 
lagen zwei schmiedeeiserne Schienen sısa mit sorgfältig glatt gefeilten Laufflächen. 

Auf den Schienen lâuft genau im Spur ein eiserner Wagen w, dessen vier solide 
Messingráder so glatt abgedreht sind, dass die Bewegung gleichfórmig und ohne Er- 
schütterung erfolgt. Mit der Plattform des Wagens durch feste Schrauben starr verbunden 
ist ein Ausleger a aus festem Holz, der seitwárts über den Wasserkasten hinwegragt und 
an seinem jenseitigen Ende vermittelst eines leichtlaufenden Messingrades r auf eine 
Schiene aus dickem Glasrohr ss gestützt ist. 

An der Unterseite des Auslegers ist der Halter h für die Versuchskórper p 
befestigt. Derselbe ist aus steifem Messingrohr angefertigt, zweimal rechtwinklich gebogen, 
und taucht so tief in die Flüssigkeit ein, dass die an ihm befestigten Versuchskórper etwa 
I cm aus dem Wasser hervorragen. Genau darüber ist an einem auf dem Ausleger an- 
gebrachten starken, eisernen Trager die photographische Kammer c so verstellbar 
angeschraubt, dass sich auf der Mattscheibe bei Lupeneinstellung ein scharfes Bild der 
auf dem Niveau schwimmenden Barlappflôckchen ergiebt. Endlich stehen am Rande des 
Auslegers vorn, rechts und links über dem auftauchenden Versuchskórper zwei Vorrichtungen | 
zur elektrischen Zündung von Magnesiumblitzlicht (Mg + KNO»s) vermittelst durchbrennen- 
den Eisendrahts. Die hierzu nóthigen parallel geschalteten Stromleitungen werden durch 
einen Hebelkontakt kt geschlossen, den der über die Schienen fahrende Wagen automatisch 
zuschiebt, sobald der Ausleger mit der Kamera über der Mitte des Kastens angekommen 
ist. Die doppelte Beleuchtung erwies sich als vorteilhaft, um den sonst entstehenden 
Schatten hinter dem Versuchskórper aufzuhellen. 

Der Antrieb des Wagens geschieht durch einen kleinen Elektromotor m, der zu- 
nächst ein Schwungrad in Bewegung setzt. Der gleichformige Gang wird durch ein- 
geschaltete Widerstánde derart geregelt, dass das Schwungrad jede Umdrehung in zwe! 


IO 


Sekunden vollfuhrt. Die Umdrehungen werden durch Anschlagen eines am Radumfange 
befestigten Stiftes 1 gegen eine Metallzunge z scharf markiert. Die Zeit wurde durch den 
Schlag eines auf die volle Sekunde eingestellten Metronoms t angegeben. Sobald der 
Takt des Schwungrades mit dem zweiten Sekundentakte gleichmassig zusammenschlug, 
hatte die Maschine die gewünschte Geschwindigkeit. 


An der Achse des Schwungrades ist nun eine Riemenscheibe ri von genau 0,5 m 
Umfang befestigt. Über diese läuft ein aus starkem Gurt gefertigtes Treibband b zwischen 
den Schienen entlang, über die Plattform des Wagens und von da über drei in den 
Ecken eines Trapezes angebrachte Scheiben rs rs r4 zurück zur Scheibe an der 
Schwungradachse. Da diese bei 0,5 m Umfang in zwei Sekunden eine Umdrehung macht, 
so hat das Treibband eine Geschwindigkeit von 0,25 m sec. Mit dieser Geschwindigkeit, 
die natürlich jederzeit anders geregelt werden kann, bewegt sich auch der Wagen, sobald 
er, durch Loslassen einer kleinen Klemmwalze v, am Treibband festgemacht ist. So 
fáhrt er die photographische Kammer über dem Wasser dahin und, immer in ihrer 
optischen Achse, den eingetauchten Versuchskórper, der die Widerstandsstrómungen im 
Wasser hervorruft und so die Barlappflockchen am Niveau in Bewegung setzt. 


Sobald der Wagen über der Mitte des Wasserbehálters angekommen ist, schliesst er 
den Kontakt, entzündet dadurch das Blitzlicht, und die Aufnahme ist beendet. Die Klemm- 
walze des Wagens stósst im Weiterfahren gegen einen über den Schienen in richtiger 
Hohe angebrachten Zapfen x; sie wird dadurch augenblicklich vom Treibband gelóst und 
der Wagen steht still, während die Maschine im Takt weiterlauft. Nachdem so die Auf. 
nahme automatisch vollzogen, wird der Wagen zurückgeführt, die photographische Platte 
gewechselt, der Versuchskórper im Wasser ausgetauscht oder anders orientiert und die 
Blitzlichtvorrichtung neu beschickt. Bis die Platte entwickelt, ist das Wasser inzwischen 
wieder vollkommen zur Ruhe gekommen, und es kann eine neue Aufnahme stattfinden. 


Aus der Beobachtung der so gewonnenen zahlreichen Photogramme der 
Strómungserscheinungen ergeben sich die folgenden allgemeinen Thatsachen, die als 
Schlüssel zum Verstándnis dieser objektiven Urkunden der Widerstandsmechanik dienen 
kónnen. 

Da die Flüssigkeit ruht, wahrend die photogr. Kammer darüber hin bewegt wird, 
so erscheinen die schwimmenden Bärlappsamen auf den Lichtbildern (Taf. VII—XVI) in 
Form feiner Linien, deren Lánge von der Belichtungsdauer abhángt, und deren Richtung 
den Verlauf der Widerstandsstrómungen in jeder wünschenswerten Scharfe hervortreten 
lásst. Wir bezeichnen diese Linien als Strómungslinien und betrachten die gewonnenen 
photographischen Bilder als das, was sie zu sein scheinen, námlich als Ansichten von der 
Bewegung eines Flüssigkeitsstromes gegen einen ruhenden Körper. Nach dem Prinzip 
der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung ist diese Umkehrung unbedingt statthaft. 
doch sind wir uns wohl bewusst, dass ein natürlicher Fliissigkeits- oder Luftstrom in Folge 
früherer Stórungen seines Laufs selten ein so homogenes Gefüge und eine so gleichfórmige 
Bewegung haben wird, wie es in unsern Strómungsbildern erscheint. 


LI 

Wiirde man eine Aufnahme machen ohne das Wasser durch einen eingetauchten 
Widerstandskórper zu stóren, so miissten jene Linien parallel laufen und alle theoretisch 
von gleicher Lange sein; sie würden daher den Eindruck einer gleichmassig strömenden 
Flüssigkeit hervorrufen. In Wirklichkeit fallen viele Linien lánger aus, da diese optischen 
Spuren leicht übereinandergreifen, wenn die Flóckchen des Bärlappmehles nahe vor- 
einander liegen. Da ferner der chemische Vorgang der Blitzlicht-Explosion allmáhlich 
anschwellend die Masse des Magnesiums ergreift und ebenso abschwellend, nicht plôtzlich, 
zu Ende geht, so beginnen auch die Linien sich allmáhlich auf dem dunkeln Untergrunde 
zu entwickeln, erreichen mit der gróssten Lichtintensitát ihre grósste Schárfe und verlieren 
sich am andern Ende im Dunkel, wie sie daraus entstanden. Am deutlichsten erscheinen 
ihre Enden begrenzt an hart verstárkten Diapositiven und deren Projektionsbildern. 
Solche Bilder eignen sich daher am besten zur Lángenmessung, wenn sie auch naturgemáss 
nicht jeden subjektiven Fehler ausschliessen. 

Hat man einmal im ungestórten Areal des Photogramms, d. h. möglichst weit 
vor dem Versuchskörper, die Länge der Stromlinien bestimmt, so lässt sich daraus zunächst 
die Explosionsdauer des Blitzlichtes oder die Expositionszeit der Aufnahme ermitteln. Man 
braucht dazu nur noch eine Dimension des Versuchskörpers im Photogramm nachzumessen 
und mit der natürlichen Grösse derselben Strecke am Körper selbst zu vergleichen. 

Ist z. B. im Bilde die Stromlinie im ungestörten Felde gleich 3 mm und die Länge 
einer Versuchsplatte gleich 25 mm, die in natura 50 mm lang ist, so folgt, dass auch 
die Stromlinie in natürlicher Grösse doppelt so lang, also 6 mm ist. Da nun der Wagen 
die Versuchsplatte mit einer sekundlichen Geschwindigkeit von 250 mm fortbewegt hat, 
und die Exposition nur so lange dauerte, dass die Bärlappsamen einen scheinbaren Weg 
von 6 mm zurücklegten, so folgt, dass die Explosion und Exposition “/sso oder rund 1/40 
Sekunde gedauert hat. 

Sind dann in dem durch die Widerstandsströme beeinflussten Teile des Photogramms 
die Stromlinien länger oder kürzer, so sind immer ihre Längen die Masse der an 
den verschiedenen Punkten des Widerstandsfeldes herrschenden Strömungs- 
geschwindigkeiten, gemessen im Massstab des Photogramms und bezogen auf die 
Zeit von !/4 Sek. 

Da bei dem gleichförmigen Fortschreiten der Platte in jedem Zeitmoment die 
gleiche Wassermasse durch den Querschnitt des ganzen Bildes geht, so können wir die 
zwischen zwei Stromlinien liegende Wassermenge nach alter Bezeichnung, aber in anderem 
Sinne, als einen Wasserfaden von wechselndem Querschnitt betrachten, in dem sich die 
Flüssigkeit wie in einer ebenso geformten Röhre fortbewegt, sodass auch hier in der 
Zeiteinheit durch jeden Querschnitt dieselbe Wassermenge fliesst, und das 
Produkt aus Querschnitt und Strömungsgeschwindigkeit konstant ist. 

Hieraus folgt, dass die Flüssigkeit zwischen parallelen Strömungslinien 
mit gleichbleibender Geschwindigkeit fliesst, dass die Geschwindigkeit aber 
abnimmt, wenn der Querschnitt oder die Breite des Wasserfadens zunimmt und 
umgekehrt, dass sie zunimmt, wenn der Abstand der Strömungslinien 


geringer wird. Dies Ergebnis steht in vollem Einklang mit den durch die Langen der 
Strömungslinien gegebenen Geschwindigkeitsmassen. 

Aus den so festgestellten Geschwindigkeitsdifferenzen folgt nun aber gemáss dem 
hydrodynamischen Grundgesetz DANIEL BERNOUILLI's, dass in der Flüssigkeit eine Trans- 
formation der Kraft stattindet in der Weise, dass durch die Abnahme der Ge- 
schwindigkeit potentielle Energie in Form von Druckspannung aufge- 
speichert wird, wáhrend die zunehmende Geschwindigkeit der Wasserteilchen 
eine Abnahme des Druckes und Umwandlung in kinetische Energie bedeutet. 

Somit ergeben sich für das Studium der Strómungserscheinungen die folgenden 
Grundregeln: ۱ 

I. Parallele Strómungslinien bedeuten gleichfórmige Geschwindigkeit bei 

unverändertem Druck. 

II. Alle Divergenzen benachbarter Linien bedeuten eine Stauung der Wasser- 
faden, Abnahme der Geschwindigkeit und Zunahme des hydrodynamischen 
Druckes. 

III. Alle Konvergenzen: Zunahme der Geschwindigkeit, Abfluss, Abnahme 
des Druckes. 

IV. Ruhende Flüssigkeit nahe an der Oberflache der Versuchskórper: 

a. vor divergenten Linien an der Vorderseite: Druckmaximum; 
b. hinter konvergenten Linien an der Rückseite: Druckminimum. 

Da bei der Bewegung eines festen Korpers in der Flüssigkeit der Druck zu 
überwinden ist, mit dem das Medium auf die Oberfliche des Kórpers wirkt, so kommen 
für die Beurteilung der Grósse und Verteilung dieses Widerstandsdruckes 
auch nur die an der Körperoberfläche herrschenden Druckverháltnisse des 
Mediums in Frage. Daneben sind die Strómungs- und Druckzustânde in dem benach- 
barten Reaktionsgebiet des Widerstandes von besonderem  wissenschaftlichen Interesse, 
da sie gleichsam die »Entwicklungsgeschichte« des Widerstandes lehren und zeigen, wie 
der Ueberdruck des Verdrängungswiderstandes zu stande kommt, und wie der Minderdruck 
der Saugung wieder beseitigt wird. 

Im folgenden sollen zunächst die Haupttypen der Widerstandserscheinungen an 
flàchenhaften Kórpern behandelt werden. 


A. Der Flüssigkeitsstrom trifft senkrecht auf die Fláchen. 


I. Der Widerstandskórper ist eine 5 cm breite rechteckige Tafel aus Zink- 
blech, die ca. 8 cm tief in die Flüssigkeit eintaucht und vom Strome unter 
a = 90° getroffen wird. 


a. Im vorderen Widerstandsgebiet erfolgt eine symmetrische Teilung des 
Stromes (Fig. 32, 33 etc. Taf. VII). Sie beginnt etwa im doppelten bis dreifachen Ab- 
stande der Tafelbreite, indem die Strómungslinien erst unmerklich, dann immer deutlicher 
nach den Seiten abweichen. Bei den âusseren Wasserfaden, die in der Entfernung von 


sy. 


einer Plattenbreite s-itlich vorüberziehen, ist die Abweichung eine ziemlich gleichformige 
und der Verlauf fast geradlinig. An den inneren Fáden nimmt die Ablenkung um so 
stárker zu, je mehr sie sich der Tafel náhern und je náher sie dem auf die Tafelmitte 
gerichteten Achsenfaden liegen. Kurz vor der Tafel weichen die Stromlinien pinselfórmig aus- 
einander, die äusseren zuerst, mit schwacher Krümmung, die innersten zuletzt, mit starker 
seitlicher Ablenkung. Während nun die äusseren Wasserfäden in der Stauung, welche diese 
Divergenz anzeigt, nur wenig in ihrer strómenden Bewegung verzögert werden, erfahren 
die axialen nahe vor der Tafel eine solche Hemmung, dass hier nicht selten statt der 
Stromlinien die schwimmenden Bärlappflöckchen nahezu in Ruhe erscheinen. Aber von 
einer vóllig ruhenden Flüssigkeit, die im Sinne der VON LOSSL’schen Lufthügeltheorie !) 
der bewegten Platte wie ein zugespitzter Kopf vorgelagert ist, kann nicht die Rede sein, 
denn wie die innersten achsialen Stromfáden unter allmáhlicher Einbusse von Geschwindigkeit 
in diesen kleinen, verhältnismässig ruhigen Wasserkórper einmünden, so entwickeln sich 
aus ihm jederseits neue Fáden, die ihm ebensoviel Flüssigkeit entziehen, als jene herbei- 
führen. Ein eigentliches Stagnieren des Wassers vor einer ebenen Versuchstafel findet 
also nicht statt.. 


Anders liegt die Sache, wenn die Tafel an ihrer Vorderseite eine Konkavitát 
besitzt oder mit einem nach vorn vorstehenden Rande versehen ist (Taf. I. Fig. 36—43 
Taf. VIII u. IX). Der Hohlraum ist dann zum grossen Teil mit einer ruhenden Flüssigkeit 
erfüllt, in die sich die pilzfórmig umbiegenden Wasserfaden wie in ein Polster eindrücken. 
Die Stromlinien erhalten dadurch z. T. eine S-fórmige Gestalt, da sie sich im Bogen seitwárts 
und ein wenig zurück wenden müssen, um die Hóhe des Abflussrandes zu erreichen. In dem 
Masse wie die innersten Fäden z. T. ihre Bewegung einbüssen, indem sie in den ruhenden 
Wasserkórper einmünden, so entwickeln sich nahe am Rande die Wurzeln neuer Abfluss- 
faden, die mit kurzen Stromlinien beginnen, konvergierend zum Rande emporsteigen und 
dann als innerste Fáden der Randstróme scharf über den Rand hinweg nach hinten 
fortfliessen. 


In der Litteratur begegnet man mehrfach der Meinung, dass das Medium vor 
einem breiten Hindernis in wirbelnde Bewegung versetzt werde. Es sei daher hervor- 
gehoben, dass bei keinem, wie immer gestalteten Widerstandskórper an der 
Vorderseite irgend welche Wirbelbildungen zu beobachten sind. Nur an der 
Hinterseite treten Wirbel auf, da nur hier die Bedingung ihrer Entstehung erfüllt ist, 
námlich das Vorhandensein zweier entgegengesetzt gerichteter Stróme. 

Prinzipiell âhnlich wie die axialen Wasserfaden verhalten sich die seitlichen 
Stromteile, die an dem scheinbaren Ruhegebiet keinen Anteil haben. Auch ihre Strómungs- 
linien konvergieren gegen den Rand der Tafel, und zwar um so energischer, je nâher sie 
der Strommitte liegen. 

Verbindet man alle diejenigen Punkte der benachbarten Wasserfäden mit einander, 
welche die grósste Breite derselben bezeichnen (Taf. II Fig. 5), so wird dadurch an jedem 


D v. Lóssr, Die Luftwiderstandsgesetze. Wien 1896. 


14 


l'aden das Stück mit den divergierenden Stromlinien von dem der konvergierenden, das der 
Aufstauchung und des zunehmenden Druckes von dem des Abflusses und des abnehmenden 
Druckes getrennt. Die Scheidungslinie AA beginnt im Mittelpunkte a der Tafel und làuft 
von da nach jeder Seite in Form zweier symmetrischen Kurvenáste, die den Mittelpunkt als 
Scheitel gemeinsam haben. Das ganze vordere Strómungsgebiet wird dadurch in zwei Felder 
geteilt, ein äusseres des steigenden Druckes, das mit seinem Scheitel bis an die Mitte der 
Tafel stósst, — und dahinter rechts und links ein inneres Feld des abnehmenden Druckes. 
Die Spitze des Druck-Zunahmegebiets, also die Tafelmitte, ist der Punkt des 
absoluten Druckmaximums, während in jedem seitlichen Wasserfaden das relative 
Maximum auf dem Kurvenast liegt. Die beiden Kurven scheinen sich asymptotisch nach 
rechts und links einer Linie zu náhern, die die Mittellinie der Bewegung rechtwinklig 
schneidet und als vordere Grenze des ganzen Widerstandsgebiets anzusehen ist. 

Der positive Widerstandsdruck an der Vorderfliche der Versuchstafel selbst fallt 
nach Massgabe der Strómungslinien anfangs kaum merklich vom Maximum nach beiden 
Seiten ab und zeigt erst in der náchsten Náhe des Randes infolge rapider Zunahme der 
Strómungsgeschwindigkeit eine stárkere Abnahme. Wie weit dieselbe reicht, insbesondere 
ob sie auf Null herabgeht, werden die spàter mitzuteilenden Versuche lehren. 


b. Zu beiden Seiten neben dem Tafelrande liegen die Strómungslinien in dichtem 
Bündel nebeneinander und ihre Lange bezeichnet die Grósse der hier herrschenden Strom- 
schnelle. Man sollte nun meinen, dass an dieser Stelle, wo das Hindernis den Strom 
seitlich am weitesten versperrt, die Stromschnelle auch das Maximum der Geschwindigkeit 
erreiche. Allein die Stromlinien zeigen auch fernerhin, indem sie ihren seitwárts und 
nach hinten gerichteten Weg fortsetzen, eine wenn auch schwache lhonvergenz und 
erfahren somit auch noch eine entsprechende Steigerung ihrer Geschwindigkeit. Erst an 
der Stelle b (Fig. 5), wo die ausbiegenden Wasserfáden ihre grósste Entfernung von der 
Stromachse errcicht haben, wo sie im Begriff sind, sich nach innen zu wenden, und die Kon- 
vergenz der Stromlinien allmâhlich in Divergenz übergeht, erst hier haben die Wasserfaden 
das Minimum ihrer Breite und damit die maximale Strömungsgeschwindigkeit erlangt. 
Verfolgt man auf den vorhandenen Photogrammen den innersten Wasserfaden, der aus 
dem Gebiet des Hochdrucks hart über den Seitenrand der Versuchstafel nach hinten 
zieht, so findet man, dass sein Strómungsmaximum und damit auch das Minimum seines 
hydrodynamischen Druckes um eine halbe bis volle Tafelbreite hinter dem Rande der 
Platte liegt und um ein Drittel bis einhalb der Tafelbreite seitwárts hinausgeschoben ist. 
Verbindet man von diesem Punkte aus die Druckminima aller Wasserfaden des Seiten- 
stromes, so erhält man eine seitwárts und nach hinten gebogene Kurve BB (Fig. 5) 
als Gegenstiick der Maximumkurve AA. Zwischen beiden liegt das Gebiet des Abflusses, 
der Verdrängung, das Übergangsfeld vom höchsten zum tiefsten Druck im Widerstands- 
gebiet. Wie aber der Maximumkurve ein Areal der Stauung und des zunehmenden 
Druckes voraufgeht, in welchem er sich vom Nullniveau zum hóchsten Stande erhebt, so 
folgt auch hinter der Minimumlinie ein Gebiet des Rückflusses, worin der Druck von 


" 


seinem tiefsten Stande wieder zum Normalniveau aufsteigt. Dies zeigt sich in der 
beginnenden Divergenz der Stromlinien, die alle von der Minimumlinie ab um so stárker 
gegen die Mittelachse umbiegen, je náher sie dem Innenrande des Seitenstromes liegen. 

Indem nun die Stróme von beiden Seiten her in der Mittellinie bei c gegen 
einander treffen und sich anschmiegend weiterziehen, umschliessen sie einen im Bilde 
eifórmigen Raum dbcb, der in der Náhe seines vorderen Poles von der Rückseite der 
Versuchstafel begrenzt wird. Die Flüssigkeit in diesem Raume, der an der breitesten 
Stelle zwischen den gróssten Ausweichungen der Randstróme bei unseren Versuchs- 
bedingungen nahezu die doppelte Tafeibreite hat, wird von der Tafel nachgeschleppt und 
soll daher als das »Schleppwasser« oder kurz die »Schleppe« bezeichnet werden. 
Ihrer Lage nach entspricht die Schleppe dem bewegungslosen »toten Wasser« der hydro- 
dynamischen Diskontinuitätstheorie oder dem, was man in bewegter Luft als den »Wind- 
schattene oder den »Überwind« bezeichnet, womit dann immer die Vorstellung der 
Windstille verbunden wird. 

Die Photographie zeigt uns nun, dass in Wahrheit eine solche Windstille oder 
»totes Wasser« nicht vorhanden ist. Wie námlich die Randstróme im Maximum ihrer 
Geschwindigkeit an den seitlichen Wassermassen der Schleppe entlang gleiten, reissen sie 
dieselben wie durch Friktionswirkung mit sich fort. Aber die mitgezogene Flüssigkeit 
kann nicht vollstindig mit den Seitenstrómen nach hinten entweichen, da hierdurch hinter 
der Tafel ein Vacuum entstehen würde. Sobald daher durch teilweisen Abfluss des 
Schleppwassers der daselbst entstehende Minderdruck eine gewisse Grósse erlangt hat, 
wirkt derselbe saugend auf das schon in Bewegung gesetzte seitliche Schleppwasser ein und 
zieht es in der Mittellinie umbiegend nach vorn gegen die Rückseite der Tafel. Diese 
neue innere Strómung cd in der Schleppe soll der »Nachlauf« genannt werden. Da seine 
Geschwindigkeit grösser ist als die der bewegten Platte im ruhend gedachten Medium, 
so trifft er in áhnlicher Weise auf die Rückseite der Tafel, wie der Hauptstrom auf die 
Vorderseite, nur ist er, mehr als dieser, seitlichen Schwankungen unterworfen, die im 
Gange des Widerstandsmechanismus unvermeidlich sind. Von den Schwankungen ab- 
gesehen, stósst der Nachlauf gegen die Mitte d der Tafel und erzeugt hier — im Minder- 
druckgebiet — eine Druckerhóhung, eine Art sekundären Maximums, das in der pinsel- 
fórmigen Divergenz der Stromlinien seinen charakteristischen Ausdruck findet. Der Strom 
wird dadurch ein wenig verzógert und. wieder in zwei Aste geteilt, die sich seitwárts 
wenden und auf kreisender Bahn der anziehenden Kraft des Minimums im Seitenstrom 
folgen. So gelangen beide nahe dem Tafelrande in Berührung mit dem Seitenstrom, 
verschmelzen mit ihm und nehmen zugleich seine Geschwindigkeit an. Der Kreislauf 
beginnt von neuem. Die ganze Schleppe ist in drehender Bewegung, die rechte Hälfte 
wirbelt rechts herum, im Sinne des Uhrzeigers, die linke entgegengesetzt; beiden ist der 
Nachlaufstrom gemeinsam, durch den sie wie zwei Schópfráder das Wasser von hinten 
her in den Depressionsraum hinter der Tafel hineinmahlen. 

Da die Wirbel ihren Antrieb vom Seitenstrom erfahren, so haben sie auch das 
Maximum ihrer Geschwindigkeit und das Minimum ihres hydrodynamischen Druckes mit 


16 


ihm gemeinsam bei b. Verlangert man daher die Kurve des Druckminimums im Seiten- 
strome nach innen, so bezeichnet sie auch in den Stromfáden des Wirbels die Lage dieses 
Minimums und endigt in der Wirbelachse als im absoluten Druckminimum des ganzen 
Widerstandssystems. 


Sehr eigenartig gestalten sich die sonstigen Druckverhâltnisse im Schleppwasser, 
wie sie sich aus dem Verlauf der Stromlinien ergeben. Zunächst liegt ein Teilmaximum 
in der Mediane c am hinteren Schleppenende, wo die Seitenstrôme zusammenstossen. 
Von hier ziehen sich die Linien ce des Hochdrucks seitwárts und nach hinten über die 
Stromfâden der Seitenstróme, gehen aber auch nach vorn quer über die breitesten Stellen 
der in elliptischen Bahnen wirbelnden Wasserfaden bis zu den Mittelpunkten u der Wirbel, 
sodass fur die hier rotierenden Wasserteilchen das Maximum des Druckes mit dem 
absoluten Minimum desselben zusammenfallt. Dicht vor dem Druckplateau c am Schlepp- 
ende zeigt die Konvergenz der zusammentreffenden Wirbelfiden, dass der Nachlauf ein 
Druckgefálle gegen die Tafel hat. Da die Aufstauung des Nachlaufs an der Tafelmitte 
verzógernd auf die Bewegung der Wasserfaden beider Wirbel wirkt, so setzt sich das 
Druckmaximum von dieser Stelle aus nach beiden Seiten fort in einer Linie von halbkreis- 
ahnlicher oder elliptischer Form, die wieder in die Wirbelcentren auslâuft, wie die 
Maximallinien im hinteren Schleppengebiet. Die Linien aller Druckmaxima im 
Depressionsgebiet bilden eine Art Schleifenlinie. 


Es ist nun die Frage aufzuwerfen: wie wirkt das so beschaffene System 
der Strómungen auf das Hindernis der ruhend gedachten Versuchstafel, oder 
von welcher Form und Grósse ist im Einzelnen der Kraftaufwand, mit 
welchem die bewegte Tafel diesen ganzen Komplex von Bewegungen inner- 
halb des Mediums hervorruft und unterhált? 


Da die Bewegung der Tafel eine geradlinige ist, so folgt zunáchst, dass auch die 
von jedem Punkte der Oberfliche der Tafel ausgehenden Einzelkráfte ursprünglich in die 
Richtung dieser Bewegung fallen müssen, sowohl die von der Vorderseite entspringenden 
Druckkráfte, als auch die saugenden Zugkráfte der Hinterseite. Die Reibung an den 
Seitenflichen soll hier unberücksichtigt bleiben. Diese Thatsache führt zu der üblichen 
Vorstellung, dass die Elementarkráfte der Oberflachenteilchen durch lauter gleich grosse 
und gleichgerichtete Strecken darstellbar seien, die ihrer ganzen Erstreckung nach in die 
allgemeine Bewegungsrichtung fielen. Man sieht aber, dass die Wirkung eines solchen 
Krâitesystems keine andere sein könnte, als die des Stempels einer Saug- und Druckpumpe, 
der in einem enganschliessenden Cylinder die Wassermasse vor sich herschiebt resp. 
nachzieht. Eine solche Wirkung liegt indessen hier nicht vor, vielmehr beweisen die 
Strómungslinien, dass durch die von der Platte ausgehenden Widerstandskräfte eine 
Stauung und seitliche Ablenkung erzeugt wird. Da nun die Stauung resp. Be- 
schleunigung longitudinal, in der Richtung der Wasserfäden erfolgt, die Ablenkung 
dagegen senkrecht dazu, in transversaler Richtung, so müssen auch die Linien, in denen 
die Druckkrafte wirken, eine mehr oder weniger transversale Stellung zu den Stromlinien 


17 
haben, je nachdem sie eine stárker ablenkende oder stárker hemmende Wirkung auf die 
Wasserfáden ausüben. 

Aus diesen Erwágungen ergiebt sich ein System von Kraftlinien, wie es in 
Fig. 6 dargestellt ist. Die von der vorderen Fláche der Versuchstafel entspringenden 
Drucklinien erscheinen als parabelähnliche Kurven, die um so mehr nach der Seite 
gerichtet sind, je náher ihr Ausgangspunkt dem Tafelrande liegt. Nur die innerste 
Drucklinie geht von der Tafelmitte geradlinig nach vorn in der allgemeinen Bewegungs- 
richtung, und ihre Wirkung ist eine reine Hemmung oder Stauung. In dem Masse, wie 
die seitwárts benachbarten Drucklinien mehr und mehr in die transversale Richtung 
übergehen, nimmt die hemmende Wirkung ab mit dem Cosinus des Winkels, den die 
Drucklinie mit der Stromrichtung bildet, und gleichzeitig steigt die ablenkende Wirkung 
mit dem Sinus dieses Winkels. Die äusserste, in der Nähe des Randes der Tafel ent- 
springende Drucklinie fg (Fig. 5) schneidet alle Wasserfáden in normaler Richtung, sie 
wirkt daher auch nur ablenkend. Die Schnittpunkte dieser Kraftlinie mit den Strómungs- 
linien sind zugleich geometrische Wendepunkte in der Krümmung der letzteren, denn die 
gegen die Mittellinie konvexe Bahn der Wasserfäden geht hier über in die konkave, ihre 
ausweichende Bewegung in die einbiegende, das Feld der Verdrángung in das des Rück- 
flusses in den Raum hinter der Tafel. 

Zieht man von den Rándern der Tafel aus ein orthogonales Trajektorium durch 
die Kraftlinien, so bezeichnet dasselbe die Lage der vorderen Stau- oder Bugwelle Wi 
(Fig. 5 u. 6), welche bei gleichfórmiger Geschwindigkeit stationär der Platte voraufgeht, 
ohne merklichen Einfluss auf den Gang der vorüberziehenden Stromfáden. 


Wie das Maximum des Druckes mitten vor der Tafel, so liegt das absolute 
Minimum in der Rotationsachse des Wirbelringes. Es besteht somit ein stationáres 
Gefálle zwischen beiden Orten; aber da der Abfluss nicht auf dem kürzesten Wege zum 
Minimum erfolgen kann, sondern auf gekrümmter Bahn um die Tafelránder verlaufen 
muss, so entsteht die Rotation der Schleppe und mit ihr die centrifugalen Kráíte, welche 
das seitliche Hervortreten des Wirbelringes über die Ránder der Tafel erzeugen. Der 
von vorn her erhóhte Druck der Seitenstróme halt einerseits diesen Centifugalkraften 
centripetal das Gleichgewicht, andererseits entlad er sich in Form tangentialer Beschleu- 
nigung der Wasserfáden. Beide Wirkungen lassen sich jederseits durch ein System 
cyklonaler Kraftlinien ausdrücken, die den thatsáchlich vorhandenen Bewegungen angepasst 
sind und rechts und links die entgegengesetzt gerichtete Strómung der Wirbeláste 
wiederspiegelt. : 

Obgleich hiernach diese Kräfte thatsáchlich nur von Druckkraften des umgebenden 
Mediums herrühren, lassen sie sich doch als centripetale, von den Wirbelachsen aus- 
gehende Zugkrafte auffassen, durch welche das Minimum eine saugende Wirkung auf das 
umgebende Medium ausübt. 

Damit erhalten wir aber zum ersten Male eine bestimmte Vorstellung von jenen 
nicht selten verhángnisvollen Widerstandserscheinungen, die den Seeleuten unter dem 


3 


18 


Namen des »Soges« (suction) geläufig sind. Wir werden daher in Zukunft diese Kräfte 
kurz als »Soggkrafte« und die sie darstellenden Linien als »Sogglinien« bezeichnen. 

Da die abfliessende Bewegung der Wasserfaden bereits vor der Tafel an der 
Linie der Druckmaxima AA (Fig. 5) beginnt, so dürfen wir auch den Wirkungsbereich 
der Sogglinien nach vorn hin als durch jene Linie AA begrenzt betrachten. Wie bei 
den Drucklinien wachst die positiv oder negativ beschleunigende Wirkung der Soggkrâfte 
mit dem Cosinus des Winkels, den ihre Richtungen mit den Stromlinien bilden, und ihre 
ablenkende Wirkung mit dem sin. Daher müssen auch die Sogglinien nach vorn hin um 
so kleineren Winkel mit den Stromlinien bilden, je stárker deren durch den Grad der 
Konvergenz ausgedrückte Beschleunigung ist, und um so gróssere, je mehr sie in 
centripetaler Richtung wirken. ۱ 

Den centripetalen Komponenten der Soggkráfte stehen die durch die Wirbelung 
bedingten centrifugalen Krafte gegenüber, die, wie jene, von den Rotationsachsen der 
Wirbel soweit seitwärts reichen, wie der Einfluss des ganzen Widerstandsphanomens. Die 
centrifugalen Krafte sind es vor allem, welche die eigenartige Verteilung des Fliissigkeits- 
druckes in der Schleppe hervorrufen, sie sind es, die das stationire Minimum des Druckes 
in den Wirbelachsen bewirken, sie sind es auch, die den Druck in den peripherischen 
Wirbelteilen in einer solchen Hohe erhalten, dass thatsächlich cine Kontinuität zwischen 
den Seitenstrómen und der Schleppe besteht, an Stelle der von der hydrodynamischen 
Theorie geforderten Trennungsflachen. 

Denken wir uns hinter einer im Wasser normal fortbewegten Tafel (Fig. 7 Taf. III) 
durch die Achse des hier vorhandenen Wirbelhalbringes eine vertikale Ebene gelegt, so 
schneidet dieselbe die Oberflache der Flüssigkeit in einer Linie von der Form a-b. Sie 
hat ihre tiefsten Punkte in den Mitten der trichterformig vertieften freien Enden des 
Wirbels und steigt seitlich ohne Sprung bis zur Hohe des Niveaus im Seitenstrom, 
während sie in dem mittleren Verbindungsstück diese Hóhe nicht ganz erreicht. Legen wir 
die schneidende Ebene in den Raum zwischen der Wirbelachse und der Tafel, so zeigt die 
Oberflichenlinie die Gestalt cd der Figur, die im wesentlichen auch die Form des 
Niveaus an der Rückseite der Tafel selbst wiedergiebt. Da unter den herrschenden 
stationáren Verhaltnissen die Niveauhóhe, d. h. die Ordinaten jener Kurven, die Grósse 
des vorhandenen Druckes bezeichnen, so sieht man leicht aus der Figur, wie infolge der 
Centrifugalwirkung der Druck im vorderen Teil der Schleppe um so grósser wird, je 
weiter die wirbelnden Wasserteilchen von der Wirbelmitte entfernt sind und je grósser 
ihre durch die Friktion des Randstromes erzeugte tangentiale Geschwindigkeit ist. Soweit 
das Wasser der Schleppe an der Tafel unter dem allgemeinen Nullniveau zurückbleibt, 
befindet es sich unter einem Minderdruck, der jederseits unweit der Ránder der Tafel 
seinen tiefsten Stand hat. Da nun der Widerstand allein durch den an der Tafel 
herrschenden Druck bestimmt ist, so folgt, dass an den ebenbezeichneten Stellen auch 
der stárkste negative oder saugende Widerstand von der bewegten Tafel überwunden 
werden muss, wie es die im letzten Teil dieser Untersuchungen des náheren mitzuteilenden 
experimentellen Thatsachen zur Anschauung bringen werden. 


19 
Zieht man von dem hinteren Druckplateau c aus eine Linie rechtwinklig über 
die nach hinten gerichteten Sogglinien, so bezeichnet diese Kurve die Lage der stationáren 
Sogg- oder Heckwelle Ws (Fig. 5 u. 6). Wie es scheint, fállt sie mit der Hochdruck- 
linie ce zusammen. 


B. Widerstand an reckteckigen Tafeln, die unter spitzen Winkeln 
vom Strome getroffen werden. 


Steht die Versuchstafel schrág zur Stromrichtung (Fig. 44—49. Taf. X u. XI), so 
verlaufen alle Widerstandsstrômungen unsymmetrisch. Die Wassermasse vor der Tafel 
teilt sich auch hier wieder in die beiden Seitenstróme, die um die Ránder seitwárts ab- 
fliessen; aber die Stromhálfte, die um den voraufgehenden »Oberrand« fliessen soll, ist 
anscheinend meist etwas kleiner, als der Unterrandstrom. Die Grenzlinie zwischen beiden, 
die in einiger Entfernung vor der Tafel noch ungefáhr die gerade Richtung auf die Mitte 
der Tafel hatte, wendet sich, jemehr sie sich der Tafel náhert, im flachen Bogen nach 
der Seite des vorangehenden Randes und trifft schliesslich. unter rechtem Winkel auf die 
Tafel in einem zwischen der Mitte und diesem Rande gelegenen Punkte. Dieser Punkt 
bezeichnet die Stelle des absoluten Druckmaximums, und die Trennungslinie ist der Ort 
des Gleichgewichts der transversalen hydrodynamischen Druckkrafte beider entstehenden 
Seitenstróme. 

Die Strómungslinien auf den Photogrammen lassen klar hervortreten, dass der um 
den Oberrand fliessende Seitenstrom, den wir kurz den »Oberstrom« nennen wollen, 
früher und energischer aufgestaut und dann wieder stárker beschleunigt wird, als sein 
Gegenstück, der »Unterstrom«. Zieht man vom Punkte des Druckmaximums an der 
Tafel nach beiden Seiten die Kurven AA (Fig. 8) durch die Stellen der gróssten Breite 
oder Aufstauung der Stromfáden, so bezeichnen dieselben zugleich die Lage der Druck- 
maxima im vorderen &tromgebiet. Die Kurve ist ähnlich der entsprechenden Linie an 
der normal stehenden Tafel, liegt mit beiden Ästen schräg zur Hauptrichtung des Stromes 
und scheint sich asymptotisch einer Linie zu nâhern, welche schrág zum Strome ge- 
richtet ist. 

Die Asymmetrie der Strómungen im vorderen Widerstandsgebiete wird auch auf 
die Flüssigkeit hinter der Tafel übertragen. Wie in der Normalstellung, so hat auch die 
schráge Tafel hinter sich eine begrenzte Wassermasse, die als Schleppe der Bewegung 
der Tafel folgt. Auch hier ist die Schleppe beiderseits in entgegengesetzt drehender 
Wirbelbewegung, aber die beiden Wirbel sind von sehr verschiedenem Querschnitt; der 
Oberrandwirbel ist bedeutend grósser, als der des Unterrandes. Da die tangentiale Ge- 
schwindigkeit an der Berührungsstelle beider Wirbel im Nachlauf dieselbe ist, so muss die 
Rotationsgeschwindigkeit beider Wirbel im umgekehrten Verhàltnis der Radien stehen. 
Der grosse Wirbel vollendet also eine Umdrehung langsamer, als der kleine. Die Ver- 
bindungslinie der Mittelpunkte beider Wirbel steht augenscheinlich um so schrâger zur 


3* 


20 

Hauptrichtung der Bewegung, je kleiner der Ncigungswinkel ist, doch ist ihre Lage bei 
grossen Neigungswinkeln stárkeren Schwankungen ausgesetzt als bei kleinen. Der um 
den unteren Tafelrand kommende Seitenstrom wendet sich mit einem grossen Bündel 
sciner inneren Stromfâden um den angrenzenden kleinen Randwirbel und tritt so in den 
Nachlauf ein. Dieser trifft nun wegen des geringen Umfanges des genannten Wirbels 
nicht mehr die Mitte der Tafel, sondern die dem Unterrande benachbarte Halfte derselben. 
Die Depression hinter der Tafel wird dadurch an dieser Stelle leichter aufgefüllt als an 
der anderen Halfte; der Ort des gróssten Minderdruckes muss daher an der dem 
Oberrand benachbarten Tafelhälfte liegen. 


Die vom Unterrandstrom stammenden Fáden des Nachlaufs gelangen auf S-fórmigen 
Bogen grósstenteils in den Bereich des grossen Oberrandwirbels, umwinden denselben an 
der Aussenseite und verschmelzen so mit ihm und dem Oberstrome. So kommen sie 
schliesslich in das hinter dem Wirbel liegende Ausgleichsgebiet, wo sie sich in einer nach 
der Seite des Unterrandes abweichenden, asymmetrischen Verschmelzungslinie beider 
Randstróme wieder mit dem Rest des Unterstromes vereinigen. In der Lücke hinter den 
beiden Wirbeln und vor der Vereinigungsstelle der Seitenstróme liegt am Ende der 
Schleppe ein nicht selten strómungsfreies, plateauartiges Gebiet relativ hohen Druckes, 
das nach Lage und Bedeutung dem sekundären Druckmaximum c der Normaltafel ent- 
spricht. Auch das andere relative Druckmaximum d des Minderdruckgebietes ist vor- 
handen; es liegt hinter der Tafel beim kleinen Wirbel an der Stelle, wo die Nachlauf- 
strömung sich gabelt. Es ist Eemerkenswert, dass dieses Maximum an der Rückseite der 
Tafel ungefahr ebensoweit gegen den Unterrand verschoben ist, wie das Hauptmaximum 
der Vorderseite gegen den Oberrand (s. Seite 25). 


Wie bei der Normaltafel, so ist auch fur schragstehende Platten die Frage nach 
der Form und Grösse der Kräfte zu beantworten, welche die Bewegungen des 
vorhandenen Systems der Strómungen unterhalten. 


Diese Krafte sind, wie man sieht, an der Vorderseite der Tafel Druckkrafte, die 
eine aufstauende, verzógernde und ablenkende Wirkung auf die herankommenden Wasser- 
fáden ausüben. Die Wirkung ist neben der auf das Druckmaximum gerichteten Strom- 
teilungslinie am stärksten und vorwiegend eine stauende, seitlich ist sie mehr ablenkend 
und wird am Rande der Tafel, namentlich am Unterrande, minimal. Demgemáss müssen 
die Kraftlinien des Verdrangungswiderstandes annáhernd die Form der gestrichelten Kurven 
haben, die in Fig. 8 von der Vorderseite der Tafel ausgehend gezeichnet sind. Die 
Linien erfahren danach von ihrer Ursprungsstelle ab eine Ablenkung aus der Hauptstrom- 
richtung nach der Seite; die Ablenkung ist um so stárker, je schwicher die in ihnen 
wirkenden Krafte sind, und sie erreicht das Maximum in der vollen Transversalstellung 
der vom Tafelrande entspringenden Kraftlinien. 


Eine noch weiter gehende Ablenkung und Krümmung der Kraftlinien über die 
transversale Lage hinaus nach hinten zu ist mechanisch nicht vorstellbar, da dann eine 
ursprünglich nach vorn gerichtete Kraft eine nach hinten gehende Komponente haben 


21 
müsste, was keinen Sinn hat. Hieraus folgt zugleich, dass auch die Beschleunigung, 
welche die Wasserfaden schon vor der Tafel, aber hinter der Linie der maximalen 
Stauung erfahren, nicht direkt von den Druckkräften des Verdrängungswiderstandes her- 
rühren kann, sondern von saugenden Zugkraften, die wir uns, wie bei der Normaltafel 
(s. Seite 17), von den Wirbelcentren aus wirkend denken. 

Von beiden Seiten her greifen dieselben um die Ránder der Tafel herum in das 
Überdruckgebiet und konvergieren gegen die vordere Stromteilungslinie. An ihren centralen 
Enden stehen diese Kraftlinien radial zu den wirbelnden Wasserfäden, die sie als Centri- 
petalkráfte in dieser Bewegung unterhalten; soweit sie aber an ihren peripherischen Enden 
in die tangentiale Richtung der Stromfáden umbiegen, wirken sie im vorderen Gebiet 
beschleunigend und nach hinten verzógernd auf die Widerstandsstróme. So vollzieht sich 
auch hier sowohl der Abfluss des Wassers vor der Tafel, wie der Rückfluss in den Raum 
dahinter unter dem Einfluss der in den Sogglinien wirkenden Wirbelkráfte. Diese Kräfte 
sind in unserm Falle keine ursprünglichen, von der bewegten Tafel ausgehenden Arbeits- 
kráfte, sondern Reaktionskrafte. Die kinetische Energie, mit welcher die bewegte Tafel 
vorn auf das Wasser drückt, wird in der Form der Stauung als potentielle Energie auf 
das Medium übertragen, und diese ist es, die sich in den Richtungen der Sogglinien entlädt 
und die Arbeit der Wirbelbewegung verrichtet. | 

Allein dies gilt im vollen Umfange nur von den äusseren Soggkräften, deren 
Bereich von Anfang bis zu Ende im freien Medium liegt. Die inneren Soggkräfte, 
welche von der Rückseite der Tafel begrenzt werden, wirken nicht nur regelnd auf die 
Wirbelung im Schleppwasser, sondern üben durch dasselbe auch einen Zug auf die Tafel 
selbst aus, die sie dadurch in ihrer Bewegung hemmen; sie sind die für die Bewegung 
allein in Frage kommenden negativen oder saugenden Widerstandskrafte und werden als 
solche direkt von der kinetischen Energie der Tafel selbst bestritten. Fast die ganze 
Rückseite der Tafel steht unter dem Einfluss der inneren Sogglinien des grossen Ober- 
randwirbels; vom Unterrandwirbel erreichen nur wenige dieser Linien die Tafel. Da die 
Linien unter verschiedenen Winkeln auf die Tafel treffen, die saugende Widerstands- 
wirkung aber normal zur Tafelfliche erfolgt, so hängt dieselbe wesentlich vom Sinus des 
Winkels ab, den die Linien mit der Tafel bilden. Es ist auch anzunehmen, dass die 
Wirkung um so stärker ist, je kürzer die Kraftlinien desselben Wirbels sind. Hieraus 
ergiebt sich, dass der saugende Widerstand an der Rückseite der oberen Tafel- 
halfte seinen gróssten Betrag haben wird, während am Unterrande, wo die 
Kraftlinien mehr tangential zur Tafel gerichtet sind, auch nur eine minimale Widerstands- 
saugung stattfinden kann; ein Resultat, was durch die späteren Untersuchungen vollauf 
bestátigt wird. 

Anderungen des Neigungswinkels (Fig. 44—49, Taf. X u. XI) bewirken zwar 
keine prinzipiellen Umgestaltungen im Gange der Widerstandsstrómungen, wohl aber 
charakteristische Verschiebungen der Stromteilungslinie und des Druckmaximums an der 
Vorderseite der Tafel, sowie Anderungen in der Lage und Grôsse der Wirbel an der 
Rückseite. 


22 

Ist der Winkel nur wenig von 90% verschieden, so hat die Trennungslinie, 
d. i. die Linie, welche im Hochdruckgebiet die beiden seitlichen Stróme 
median von einander abgrenzt, bereits eine unsymmetrische Lage neben der Mittel- 
linie des Hauptstromes, sodass der Oberrandstrom etwas schmaler ist, als der des Unter- 
randes. Bei 65° Neigung der Tafel erfolgt die Teilung annähernd im Verhältnis von 2: 3, 
schreitet aber in diesem Sinne mit abnehmendem Neigungswinkel nicht fort, sondern ist 
bei 45? nicht wesentlich anders und bei 20? wieder nahezu wie 1: I, sodass, wie in der 
Normalstellung, die eine Halfte des Hauptstromes um den Oberrand, die andere um den 
Unterrand abfliesst. 

Wie die Trennungslinie, so erfahrt auch das Druckmaximum, der Treffpunkt, 
in welchem jene Linie rechtwinklig auf die Tafel stósst, eine ungleichfórmige Verschiebung, 
wenn der Neigungswinkel verändert wird. Die Richtung dieser Verschiebung bleibt immer 
dieselbe, d. h. der Punkt rückt um so weiter vom Mittelpunkte der Tafel gegen den 
oberen Rand, je kleiner der Neigungswinkel wird. Aber die Anderung ist eine weit 
gróssere wenn die Neigungswinkel zwischen 9o? und 45? liegen, als wenn es sich um 
kleinere Winkel handelt. | 

Um diese Abhängigkeit mit grösstmöglicher Genauigkeit darzustellen, habe ich 
eine grosse Zahl photographischer Aufnahmen von Widerstandsstrômungen an ebenen 
Platten hergestellt, die unter Neigungswinkeln von 109 bis 909 zum Strome gestellt waren, 
und auf den so erhaltenen Photogrammen mit Sorgfalt die Abstânde des Stromteilungs- 
punktes vom oberen Rande der Tafel bestimmt. Mit Hiilfe dieser Masse ist die Kurve III 
(Fig. 12, Taf. IV) erzielt, welche die Lage jenes Punktes für jede beliebige Neigung der 
Tafel AB von 09 bis 90% angiebt. Denkt man sich die Tafel um den Unterrand A ge- 
dreht, sodass sie aus der Lage o? nach und nach in die Stellung von 90° Neigung 
gegen den durch den Pfeil bezeichneten Strom übergeht, so bezeichnet der Schnitt der 
Kurve 111 mit der Tafel für jeden Neigungswinkel den Punkt der Stromteilung oder des 
Druckmaximums, wenn die Tafel A B die Lánge von 200 mm hat. Für andere Tafel. 
lángen ist hiernach der Punkt leicht durch Reduktion zu bestimmen, sofern die Strómungen 
an Platten von anderen Dimensionen einen geometrisch ähnlichen Verlauf haben, als an 
den Tafeln von 50 mm Lange, welche bei den Versuchen benutzt wurden. 

Um über diese wichtige Frage eine Entscheidung herbeizuführen, war es nötig, 
einige Kontrollversuche in grósseren Verhaltnissen anzustellen. 

Da aber meine materiellen Hiilfsmittel die Anstellung derartiger Versuche nicht 
gestatteten, so habe ich mich für den vorliegenden Zweck mit der für die Voraus- 
bestimmung von Schiffswiderstanden vom Norddeutschen Lloyd in Bremerhaven 
errichteten Versuchsstation in Verbindung gesetzt. Der Vorstand dieses vorzüglich ein- 
gerichteten wissenschaftlich-technischen Instituts, Herr Ingenieur JOH. SCHUTTE, ist mir 
in der liebenswürdigsten Weise entgegengekommen und hat mir nicht nur bereitwillig die 
Anstellung einiger Versuche gestattet, sondern auch die dazu erforderlichen Einrichtungen 
beschafft und persónlich die Durchführung der Versuche mit allen ihm zu Gebote stehen- 
den Hülfsmitteln gefördert und geleitet. Es ist mir eine Freude, Herrn Ingenieur SCHÜTTE 


23 
für das grosse, in so wirksamer und erfolgreicher Weise bethatigte wissenschaftliche 
Interesse meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. 

An dem dort vorhandenen, elektrisch beweglichen Wagen mit den verschiedenen 
Registriervorrichtungen zur Bestimmung der Widerstände an Schiffsmodellen wurden zwei 
starke 7 m lange eichene Balken als Ausleger nach vorn befestigt und daran vermittelst 
zweier kráftiger schmiedeeiserner Arme eine 5 mm dicke Stahlplatte von 1 m* derart fest 
aufgehängt, dass sie zur Hälfte in das ruhende Wasser eintauchte. Senkrecht über der 
Tafel wurde auf einem obelisken-fórmigen Geriist die photographische Kammer auf- 
gestellt, sodass auf den Bildern die Tafel, genau von oben gesehen, als gerade Linie er- 
scheinen musste. Um Stromlinien zu erhalten, wurde die 6 m breite Oberfläche des 
Wassers im grossen Versuchstank mit »Confetti« bestreut, kleinen kreisrunden, ausgestanzten 
Papierpláttchen von ca. 5 mm Durchmesser, die im Wasser nicht untersinken. Die Auf- 
nahmen wurden am Tage bei automatisch entzündetem Magnesium-Blitzlicht gemacht. 

Sobald der Wagen in Gang gesetzt wurde, war es von grossem Interesse, zu 
sehen, dass die Bewegungen des Wassers prinzipiell und in allen wesentlichen Punkten 
— bis auf einen — genau so verliefen, wie bei meinen im Kleinen angestellten Versuchen 
mit Platten, deren Tauchtiefe nur gleich der Hälfte der Breite war. Die einzige 
wesentliche, sichtbare Abweichung bestand darin, dass die durch Stauung erzeugten 
Niveauunterschiede vor und hinter der Platte, an der grossen Tafel verhältnismässig 
geringer waren, als an den kleinen Platten der Hamburger Versuche. Ueber die Be- 
deutung dieser Erscheinung wird weiter unten in dem Abschnitt über Stauversuche die 
Rede sein. 

Da die experimentellen Schwierigkeiten bei den Versuchen im Grossen sehr er- 
heblich sind, so haben wir uns auf einige Aufnahmen mit der Plattenstellung rechtwinklig 
zur Bewegungsrichtung und unter einem spitzen Winkel beschránken müssen. Herr 
SCHÜTTE hatte die Güte, die photographischen Platten nachher entwickeln zu lassen und 
mir die Kopien von den sechs gelungenen Aufnahmen im Format 18/24 freundlichst zur 
Verfügung zu stellen. 

Die Geschwindigkeit, mit welcher die Platte durch das Wasser bewegt wurde, 
varierte von 0,46 bis 1,40 m. Da das photogr. Objektiv ca. 3 m von der Oberfläche 
des Wassers entfernt war, so erscheinen die Stromlinien zwar von geringerer Lánge als 
bei den Aufnahmen in kleineren Verhältnissen, lassen jedoch, wie die verkleinerte Repro- 
duktion (Fig. 50 Taf. XI) zeigt, über den Verlauf der Bewegung keinen Zweifel. 

Zur Kontrolle unserer empirischen, kardioiden-ähnlichen Kurve, welche die Lage 
des Stromteilungspunktes an der Vorderseite ebener Tafeln von verschiedenen Neigungs- 
winkeln angiebt, eignete sich besonders die eine der beiden Aufnahmen mit schräger 
Plattenstellung (Fig. 50). Diese Tafel hat in der Photographie eine Breite von 75 mm in 
der Wasserlinie. Der Stromteilungspunkt hat eine Entfernung von 13 mm vom voran- 
gehenden Plattenrande. Berechnet man diese Strecke für den Massstab, in welchem die 
genannte Kurve gezeichnet ist, d. h. für eine Plattenbreite von 200 mm, so erhält man 
die Zahl 34,66, und die Kurve ergiebt dafür einen Neigungswinkel der Platte von gut 


24 
56°. Die direkte Messung des Winkels am Versuchsorte hatte dagegen, wie ich später 
sah, 56°30’ ergeben. Die Übereinstimmung ist eine sehr gute, denn die Kurve verlangt 
für den letzteren Winkel einen Randabstand des Teilungspunktes von 13,1 mm, statt 
der gemessenen 13,0 mm, eine Differenz, die gánzlich verschwindet, wenn man bedenkt, 
dass die Stelle der Stromteilung ja kein fester mathematischer Punkt ist, sondern naherungs- 
wcise bestimmt werden muss. 

Wenn diese erfreuliche Uebereinstimmung beweist, dass unsere kardioidenähnliche 
Kurve der wahre Ausdruck ist für die Lage des Druckmaximums an der Vorderseite 
ebener Tafeln, so ist dies Ergebnis um so bemerkenswerter, als dadurch die einander 
widersprechenden álteren Anschauungen eine Berichtigung erfahren. 

So hat Lord RAYLEIGH unter den Voraussetzungen der hydrodynamischen 
Gleichungen eine Formel für die Lage des Druckmaximums abgeleitet, wonach der 
Abstand desselben vom vorderen Tafelrande bei den verschiedenen Neigungswinkeln « ist: 
2 (1 —2 cos « + cos? a) + a-sin « 

m 4 + a-sin o. i 

Diese Formel ergiebt in unserer Darstellungsweise die Kurve I von Fig. 12 Taf IV. 
Wie man sieht, sind die Polarkoordinaten dieser Kurve durchweg zu gross, zumal bei 
mittleren und kleineren Neigungswinkeln, und es wiirde sich z. B. nach den Messungen an 
der zuletzt besprochenen Aufnahme in Bremerhaven ein Neigungswinkel von 61% ergeben, 
statt 56° 30’. Damit ist nachgewiesen, dass die theoretische Formel Lord RAYLEIGH's 
für den Widerstand des natürlichen Wassers keine volle Gültigkeit hat. 

Auf áhnlicher Grundlage beruht eine neuerdings für den gleichen Zweck auf- 
gestellte Formel von Prof. LAMB, die sich in einer der Arbeiten von Prof. HELE-SHAW 
(Inst. Nav. Arch. 1898. p. 31) vorfindet. Prof. LAMB benutzte die schónen Photogramme 
(cfr. Fig. 51) der Stromlinien, welche HELE-SHAW ”) von Flüssigkeiten erhielt, die sich 
zwischen eng nebeneinander stehenden Platten kontinuierlich um Hindernisse bewegen, und 
stellte für den Abstand d des Stromteilungspunktes vom Flachenmittelpunkte die Formel 

d — a. cos e 
auf, wo a die halbe Plattenbreite ist, Diese Formel würde nach der Bezeichnungsweise 
von Lord RAYLEIGII als Abstand vom Oberrande die Form 
a (1— cos «) 
annehmen, und die Polarkoordinaten der zugehórigen Kurve wáren 
0—a + a-cos «=a (I + cos a), 


cC. 
oder auch, da I + cos  — 2 cos? a ist, 


a 
0—2a cos? — 





D HELE-SHAW liess zwischen zwei Glasplatten von !/ao resp. Leo inch, also wenig mehr als 0,5 mm 
Abstand eine diinne Wasserschicht fliessen, in der er durch cine sinnreiche Vorrichtung farbige, parallele Strom- 
fåden erzeugte. Bei gewissen, nicht zu grossen Geschwindigkeiten bewegte sich diese Flüssigkeitsschicht ohne 
Wirbelbildung kontinuierlich um eingeschaltete Hindernisse, und es ergaben sich Strómungsbilder wie Fig. 51 Taf. XI, 


die ich als ein Beispiel dieser eigenartigen Bewegungen den schónen Untersuchungen. HELE-SHAW's entlehnc, 





25 





Dies ist aber die bekannte Formel der Kardioide oder Herzkurve, d. h. jener 
Epicykloide, welche ein Punkt des Umfanges eines Kreises vom Radius ` beschreibt, der 


auf einem andern Kreise von gleichem Radius in der Ebene rollt. 


Ich habe diese Kurve in die Figur 12 eingetragen und mit II bezeichnet. Sie 
nimmt darin die tiefste Stellung ein, schmiegt sich bei kleinen Neigungswinkeln unserer 
Kurve III an, weicht aber dafür bei mittleren und grossen Winkeln weiter ab als die 
Kurve (I) Lord RAYLEIGH's. Die vorhin für die Kontrollmessungen verwendete Platte 
aus den Bremerhavener Versuchen würde nach dieser Kurve eine Neigung von 50% gehabt 
haben; statt 56?30', wodurch denn die Ungenauigkeit der eleganten Formel Prof. LAMB's 
erwiesen ist. Übrigens stimmen auch die vom Prof. HELE-SHAW publizierten Abbildungen 
von Stromlinien an schrägen Tafeln und tafelàhnlichen cylindrischen Körpern von flach- 
elliptischem Querschnitt trotz der einschränkenden experimentellen Bedingungen gut mit 
unserer Kurve III überein. 

… Wenn somit die Strömungen an der Vorderseite der ebenen Tafeln mit der 
Anderung des Neigungswinkels eine sehr regelmássige Veründerung erfahren, so muss 
dagegen hervorgehoben werden, dass die Bewegungen an der Rückseite einen mehr 
labilen Charakter haben und auf geringfügige und zufállige Anderungen mit weitgehenden 
Schwankungen antworten. Aber wie regellos diese Bewegungen auf den ersten Blick 
erscheinen mógen: das allgemeine Prinzip der Rotation des Schleppwassers in einem 
Wirbelring bleibt immer gewahrt; und wenn man eine gróssere Reihe von Strómungs- 
bildern überblickt, so erweisen sich auch die abweichendsten Bewegungserscheinungen 
schliesslich doch als Schwankungen um eine mittlere typische Form der Wirbelbildung, 
deren Abhángigkeit von dem Neigungswinkel © unverkennbar ist. Bei « = 90° verlauft 
diese mittlere Wirbelung symmetrisch; bei allen spitzen Winkeln liegt eine ausgepragte 
Unsymmetrie vor in dem Sinne, dass mit kleiner werdendem Neigungswinkel der Unter- 
randwirbel kleiner wird, während sich der Oberrandwirbel, allmählich schmaler werdend, 
zunehmend über die ganze Hinterseite der Tafel ausdehnt und schliesslich den Unterrand- 
wirbel gánzlich in das nachfolgende Kielwasser verdrángt. 


Wie die Verschiebung des Stromteilungspunktes an der Vorderseite, so vollzieht 
sich auch die Verdrángung des Unterrandwirbels bei grossen Neigungswinkeln schneller 
als bei kleinen; damit geht auch eine entsprechende Verschiebung des Nachlaufs Hand 
in Hand, der zwischen beiden Wirbelquerschnitten nach vorn fliesst. Danach liegt es 
a priori nahe, zuzusehen, ob nicht der Punkt, wo dieser Strom die Rückseite der Tafel 
trifft und sich teilt, bei seiner Verschiebung mit kleiner werdendem Neigungswinkel der- 
selben Gesetzmässigkeit folgt, wie der Stromteilungspunkt im Hochdruckgebiet. Diese 
Vermutung hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, zumal auch bei den von HELE- 
SHAW untersuchten und abgebildeten »kontinuierlichen« Strómungen die um beide Ránder 
der Tafel herumkriechenden Randstróme — unter Vermeidung wirbelnden Schleppwassers — 
sich in einem Punkte der Rückseite treffen, der sich in genau derselben Weise dem 
Unterrande náhert, wie der Stromteilungspunkt der Vorderseite dem Oberrande. 


4 


26 

Auf Grund der uns vorliegenden Photogramme kónnen wir jedoch eine solche 
Übereinstimmung nur als annáhernd existierend bezeichnen, denn der betreffende Punkt 
an der Rückseite ist bei unseren, durch das Experiment nicht eingeengten Strómungen 
nicht entfernt so scharf ausgeprägt, wie in den Versuchen von HELE-SHAW. Die labilen 
Schwankungen des Nachlaufs erreichen gerade in diesem Punkte ihre gróssten Ausschlage, 
und wenn bei mittleren Neigungswinkeln der ganze obere Wirbelast auf S-fórmigem 
Bogen mit vom Unterrandstrom eingehüllt wird, so trifft überhaupt nur der letztgenannte 
Strom mehr tangential gegen den Rücken der Tafel, und es findet somit auch keine 
Trennung des gemeinsamen Nachlaufs an der Tafel statt. Dennoch ist nicht zu ver- 
kennen, dass die kreisfórmigen Stromfaden, welche den Unterrandwirbel bilden, oft an 
ciner Stelle gegen die Hinterseite der Tafel treffen, die jenem Punkte annáhernd entspricht, 
oder dass daselbst eine nahezu stagnante Wassermasse vorhanden ist, die die Stelle des 
relativen Druckmaximums hinter der Tafel einnimmt. Wenn wir aber annehmen, dass 
die Verschiebung des Stromteilungspunktes an der Rückseite derselben Gesetzmassigkeit 
unterworfen ist wie an der Vorderseite, so ist die Lage dieses Punktes durch die Kurve 
Illa Fig. 12 ebenso bestimmt, wie die des Druckmaximums durch die Kurve III. Wir 
erhalten IIIa dadurch, dass wir die Polarkoordinaten von III statt von A nach B in 
umgekehrter Richtung auf den von A ausgehenden Strahlen abtragen. Die Kurve IIa 
ist ein entsprechend konstruierter Kardioidenbogen der LAMB'schen Formel. Um die 
schwankende Lage des Stromteilungspunktes hinter der Tafel zu demonstrieren, verweise 
ich auf die Photogramme Fig. 44—48. 

Die Schwankungen im Gange der Strómungen des Schleppwassers sind 
sehr auffallig und machen es verstándlich, dass man diesen ganzen Bewegungskomplex 
bisher einfach als turbulent und regellos, unentwirrbar bezeichnet hat. Schon in der 
Normalstellung der Tafel ist eine nahezu vollkommene Symmetrie der Wirbelung wohl 
kaum in einzelnen Momenten vorhanden. Die Photogramme zeigen stets irgend welche, 
zuweilen recht auffällige Unregelmissigkeiten. Bald ist der eine, bald der andere Wirbelast 
stárker entwickelt, mehr gerundet oder in die Lánge gezogen; bald schliessen sie sich 
dichter an die Tafel an, bald bleiben sie etwas zurück und lassen ein relativ ruhiges, 
zeitweilig fast stagnantes Schleppwasser hinter der Tafel. Dementsprechend ist auch der 
Nachlauf schwankend in der Richtung und Geschwindigkeit seiner Bewegung. Auf 
photographischen Platten, die bei der Aufnahme zweimal kurz hintereinander belichtet 
wurden, sieht man daher meist zwei recht verschiedene Strómungsbilder und erkennt, wie 
schnell die Schwankungen sich vollziehen. 

Bei Platten, die unter Neigungswinkeln von 45% bis oof zum Strome stehen, 
sind die Schwankungen der Bewegungsvorgánge in der Schleppe oft noch grósser, als 
hinter den normal getroffenen Platten; auch hier mannigfache Zerrungen und Dehnungen, 
Vergrösserungen und Abschwachungen, Zerteilungen und Trennungen der Wirbel. Ist 
dann der Oberrandwirbel einmal stark in die Lànge gezogen, so wird er wohl von innen 
her durch Zweige des Nachlaufs durchbrochen, sodass in seinem Innern eine Kette 
sekundarer Wirbel entstehen, die wie eine Reihe hintereinanderliegender Rollen von dem 


ہی 


gemeinsamen Band der äusseren Ringfäden zusammengehalten und getrieben werden. Da 
der letzte dieser Teilwirbel immer der grósste ist, so kann dadurch der Eindruck des 
Gesamtbildes auf den ersten Blick ein recht komplizierter werden, bis man sich durch 
Aufsuchen des gemeinsamen Nachlaufs überzeugt, dass das Prinzip der Widerstands- 
strómung dadurch nicht geándert ist. 

Bei Neigungswinkeln unter 45° werden mit der Verschmälerung des Schlepp- 
wassers die in demselben stattfindenden Schwankungen mehr und mehr beschränkt, wenn 
auch keineswegs aufgehoben. Ist der Drachenwinkel ca. 209, so zeigen die Photo- 
gramme das folgende Strómungsbild. Dicht am oberen Tafelrande, wo die Trennungs- 
linie der beiden Seitenstróme die Lage des Druckmaximums bezeichnet, beginnt der 
Unterrandstrom über die ganze vordere Fláche der Tafel hinweg abzufliessen, während 
sich der schárfer abgelenkte Oberrandstrom im flachen Bogen von der Rückseite der Tafel 
abwendet, bis er neben der unteren Tafelhálfte einen Abstand von etwa einem Drittel der 
Tafelbreite erlangt hat. Hinter dem unteren Tafelrande konvergiert der Unterrandstrom 
gegen den vom Oberrande, und beide umschliessen so den vorn wie hinten spitz zulaufenden 
Raum des Schleppwassers. Fast der ganze Raum wird von dem Vorderrandwirbel erfüllt, 
der seitlich abgeplattet und eingeengt und nicht selten nach vorn in kleine Sekundärwirbel 
gespalten, in seinem hinteren, schnell rotierenden Umfange meist noch über den Unterrand 
hinausragt. — Der Unterrandwirbel erscheint nur noch in Gestalt einiger winziger, 
konzentrischer Kreise in der Verlängerung der Tafel. Der Nachlauf wird fast ausschliesslich 
vom Vorderrandstrome gebildet und trifft nur noch auf das unterste Viertel des Tafelrückens. 

Je mehr der Neigungswinkel verkleinert wird, desto weiter entfernt sich der immer 
kleiner werdende Unterrandwirbel von der Tafel, bis er endlich bei ganz kleinen Winkeln 
nur noch vorüdergehend in Gestalt einiger kleiner halbkreisfórmiger Fáden sichtbar wird 
oder in Form einer geringfügigen Störung zwischen den zusammenfliessenden inneren 
Fäden der beiden Randströme im Kielwasser verschwindet. 

Man könnte die Frage aufwerfen, ob nicht in den schwankenden Bewegungen der 
Schleppe die Ursachen jener berüchtigten launenhaften » Tiicken« des Widerstandes zu suchen 
sind, von denen alle diejenigen zu erzählen wissen, die sich, wie LILIENTHAL, mit der 
praktischen Lösung des Flugproblems befasst haben. Sicherlich mögen die labilen Ver- 
hältnisse jener Strömungen auch mit Schwankungen in der Verteilung des negativen 
Widerstandsdruckes verbunden sein, aber diese sind offenbar immer nur von unter- 
geordneter Bedeutung, und die »Launen des Windes« sind thatsächlich nur Wirkungen der 
unregelmässigen Pulsationen und Stösse, mit denen das Medium auf das Hindernis trifft. 

Die interessante Frage nach der Ursache des schwankenden Charakters der 
Rotationsbewegungen in der Schleppe soll hier nur kurz berührt werden. HELMHOLTZ 
macht an einer Stelle (Wissenschaftl. Abth. S. 108) die Bemerkung, dass die Existenz 
eines Geschwindigkeitspotentials die Existenz von Rotationsbewegungen der Wasserteilchen 
ausschliesst. Danach würde das Fehlen eines Geschwindigkeitspotentials auch eine 
wesentliche Bedingung für das Auftreten der Wirbelung sein. Schon EULER habe darauf 
hingewiesen, dass es Flüssigkeitsbewegungen ohne Geschwindigkeitspotential giebt, wie 


4* 


28 

z. B. die Drehung einer Flüssigkeit um eine Achse mit gleicher Geschwindigkeit alle: 
Teilchen. In solcher Bewegung befinden sich die geradlinigen oder ringförmigen, unendlich 
dünnen Wirbelfáden, welche nach HELMHOLTZ der Trennungsfläche oder Wirbelflache 
zwischen dem ruhenden Wasser hinter der Tafel und dem daran vorüberfliessenden Wasser 
anliegen. Wenn nun auch nach Ausweis der Photographien eine solche Trennungsflache 
nicht vorhanden ist, vielmehr in Folge der Friktion zwischen Schleppwasser und Seiten- 
strom die angenommene Diskontinuitát der Bewegung ausgelóscht ist, so liegt doch in 
der Rotationsachse unserer Wirbeláste anscheinend ein Wirbelring im Sinne v. HELMHOLTZ' 
vor, und man kónnte daher vielleicht auf die Bewegung dieses Wirbelringes beziehen, 
was der berühmte Physiker über die Bewegung der aus unendlich feinen Wirbeln bestehend 
gedachten Wirbel- oder Trennungsflachen sagt: »wie Versuch und Theorie übereinstimmend 
erkennen lassen, zeichnen sie sich durch einen auffallend hohen Grad von Veränderlichkeit 
bei den unbedeutendsten Störungen aus, sodass sie sich Körpern, die im labilen Gleich- 
gewicht befindlich sind, einigermassen áhnlich verhalten.« Allein, es bleibt zu beachten, 
dass unser Wirbelring nicht die gleiche Rotationsgeschwindigkeit aller seiner Teilchen hat, 
denn die ringfórmigen Bahnen der rotierenden Teilchen (Fig. 5) sind meist excentrisch so 
angeordnet, dass die Rotationsachse náher dem Seitenstrome als dem Nachlaufe liegt. 
Die Rotationsgeschwindigkeit ist also an der Aussenseite des nachschleppenden Wirbels 
grosser als an der Innenseite, und man sieht an dem nicht parallelen Verlauf der rotierenden 
Stromlinien die Stellen, wo vorn die Geschwindigkeit zunimmt und hinten wieder abnimmt. 
Die Bewegung des Wirbelringes in der Schleppe ist somit doch von anderer Art, als dic 
Wirbelbewegungen der hydrodynamischen Theorie, die nur da auftreten kónnen, wo kein 
Geschwindigkeitspotential vorliegt. — 

Die Entstehung einer gut wirbelnden Schleppe ist wesentlich von der 
Tauchtiefe der Versuchstafel abhängig. Taucht man die Platte nur wenig tief ein, so tritt 
bei einer gewissen Geschwindigkeit des Stromes das Wasser von der Rückseite der Tafel 
vóllig zurück (Fig. 9 Taf. III), da der ganze Raum vom Unterrandstrome leer gesogen 
wird. Wo aber in geringer Entfernung hinter der Platte der Unterstrom wieder emporquillt, 
und die Seitenstróme einander entgegenfliessen, bildet sich eine aufbrodelnde, der Tafel 
nachlaufende, breit zungenfórmige Welle, deren nach vorn überstürzender Rand vom 
Unterstrom wieder erfasst und von neuem hochgehoben wird. So ist es anfangs eine 
kleine Wassermasse (Fig. 9 B), die unter dem Einflusse des Unterstromes stationár einen 
weiten, walzenförmigen Hohlraum umwickelt und umkreist, während der Unterstrom selbst 
vorbei- und weiterfliesst. Dieser Hohlraum mündet beiderseits frei mit trompetenfórmiger 
Offnung in den buchtigen Winkel W zwischen dem Seitenstrome und dem Grunde der 
zungenfórmigen Welle des Nachlaufs; es ist der Anfang des halben Wirbelringes der Schleppe. 
Taucht man nun die Tafel allmáhlich ticfer ein (Fig. 10.), so werden immer gróssere Wasser- 
massen in die wirbelnde Bewegung hineingezogen und hinter der Tafel festgehalten. Die 
Zunge des Nachlaufs náhert sich mehr und mehr der Tafel, indem sie sich gleichzeitig 
seitwârts verbreitert. In dem Moment, wo sie bei noch tieferem Eintauchen den Seiten- 


29 





strom berührt (Fig. 11), werden die bis dahin nach vorn offenen seitlichen Buchten mit 
den Mündungen der Wirbelróhre abgeschnürt, der Nachlauf erreicht die Mitte der Platten- 
rückseite, und wir haben das typische Bild des beiderseits wirbelnden Schleppwassers 
unserer Photogramme, dessen eigenartige Bewegung ringsum durch die Friktion der 
vorüberziehenden Randstróme unterhalten wird. 


II. Die Widerstandsstrómungen im Innern des flüssigen Mediums. 


Als ich im Juni 1900 die ersten Photogramme der Widerstandsstrómungen im 
Naturwissenschaftlichen Verein zu Hamburg als Projektionsbilder vorzeigte, wurde mit 
Recht die Frage gestellt, ob denn die Strómungserscheinungen an der Oberflache mit 
denen im Innern der Flüssigkeit übereinstimmten, und ob erstere nicht wesentlich durch 
die Oberflichenspannung beeinflusst würden. Darauf war zu antworten, dass die Spannung 
in der Wasserhaut ja durch die aufgestreuten Bärlappsamen wie durch jeden anderen 
Staub aufgehoben wird, und dass man an suspendierten Kórperchen den unmittelbaren 
Zusammenhang der Strömungen unter Wasser mit denen der Oberfläche direkt mit den 
Augen verfolgen kónne, endlich, dass die sichtbaren trichterfórmigen Vertiefungen der zu 
Tage tretenden Wirbelachsen dafür den Beweis liefern, dass die Wirbelstróme am gleichen 
Orte auch im Innern des Wassers vorhanden sind. Immerhin war es wünschenswert, den 
Strómungslauf im Innern der Flüssigkeit in ebenso objektiver Weise festzustellen, wie es 
an der Oberfliche durch die Momentphotographie geschehen war. Für diesen Zweck 
wurden die folgenden Abánderungen des Apparats ausgeführt. 

Zunächst erhielt der Wasserbehälter (Fig. 4 Taf. II) in der Mitte der beiden 
Lângswânde und im Boden je ein Fenster (fi, fs u. fs) aus mittelstarkem, geschliffenem 
Spiegelglas. Das Bodenfenster war im Innern, wie auch unter dem Kasten, durch eine 
verstellbare Blende (bi u. bs) bis auf einen 2 cm breiten mittleren Streifen abgeblendet, 
und das eine Seitenfenster durch einen Holzschieber s verschliessbar gemacht. Die 
photographische Kammer k wurde mit ihrem Tráger derart am Wagen w befestigt, dass 
sie in der Hóhe des anderen Seitenfensters ausserhalb vor dem Wasserbehálter vorbei- 
gefahren werden konnte. Bei dieser Bewegung musste der Wagen wiederum den elek- 
trischen Kontakt c zur Entzündung des Blitzpulvergemisches schliessen, in dem Moment, 
wo die Kamera vor der Mitte des Seitenfensters angekommen war. Zur Aufnahme des 
Pulvers diente eine Metallrinne r, die auf dem Fussboden genau unter dem Lichtspalt des 
Bodenfensters aufgestellt wurde. Die Entzündung geschah durch Abschmelzen eines feinen 
Eisendrahts im elektrischen Strom, Das Licht fiel dann durch den Spalt im Bodenfenster 
nach oben und beleuchtete eine vertikale Wasserschicht von der Dicke des Lichtspalts. 
Genau über dem Spalt wurde auf dem Niveau eine schmale, unten offene Rinne h von 
der Lange des ganzen Wasserbehalters angebracht, die ein wenig in das Wasser ein- 
tauchte. Diese Rinne wurde kurz vor jeder Aufnahme mit einer geeigneten Menge 
gesiebter Sägespäne aus Eichenholz beschickt, welche die Eigenschaft haben, sehr langsam 


30 
im Wasser niederzusinken. Ihre Fallgeschwindigkeit im Wasser betrug nur 29/o von der 
Geschwindigkeit der scheinbaren Strómung, die durch die Bewegung der photographischen 
Kamera und der Versuchstafel erzeugt wird; auf den Photogrammen konnte daher die 
sinkende Bewegung überhaupt nicht in die Erscheinung treten. Da die Holzpartikel bei 
ruhigem Wasser genau in der zu beleuchtenden Schicht schwebten, auf welche die Kammer 
eingestellt war, so mussten sie auch, im Moment des »Abblitzense intensiv belichtet, die 
gewünschte optische Wirkung auf die photographische Platte ausüben. Die Versuchstafel 
war durch ihren Halter t so am Ausleger a des Wagens befestigt, dass sie sich mit ihrem 
mittleren Querschnitt in der beleuchteten photographischen Ebene bewegte, während ihre 
Längsrichtung so gut wie möglich in die photographische Achse eingestellt war, damit 
auf dem Photogramm nur das freie Profil der Taíel als dunkle Linic erschien. Als 
Versuchstafeln wurden 1 mm dicke Glasscheiben von 15 cm Lánge verwendet, bei 5 cm 
Breite. Wie bei den Aufnahmen der Öberflächenströmungen wurde die Bewegung des 
Wagens durch einen Elektromotor bewirkt. Sobald dieser dem Treibband (Fig. 1 b) die 
durch Metronom geregelte gewünschte Geschwindigkeit erteilt hatte, wurden die Sägespäne 
vermittelst einer passenden, dünnen Holzleiste, auf der sie vorher gleichmássig verteilt 
waren, in die Rinne gekippt, und sobald die ersten Teilchen bis zur halben Wassertiefe 
gesunken waren, das Klemmrádchen v des Wagens eingelegt und so die Verbindung des 
Wagens mit dem Treibband hergestellt. In dem Augenblick, wo die Kamera vor der 
Mitte des Fensters angelangt ist, schliesst der Wagen den Kontakt neben der Schiene, 
das Blitzlicht entzündet sich, und die Aufnahme ist erfolgt. 

Es war vorauszusehen, dass die Photographie der Strómungen im Wasser mit 
Schwierigkeiten verbunden sein würde, wegen der Absorption des Lichtes durch die Glas- 
platten und die Wasserschichten, und weil nur die Strahlen auf die photographische Platte 
gelangen, die von den Sägespänchen genau unter rechtem Winkel seitwärts reflektiert 
werden. Als daher die ersten Aufnahmen nur wenig befriedigende Bilder lieferten, lag 
es nahe, die Wirkung durch Anwendung grósserer Mengen des Blitzpulvergemisches zu 
steigern. Allein trotz langen Bemühens blieben die Ergebnisse ziemlich dieselben. 

Noch mangelhafter fielen die Versuche aus, das Licht durch das gegenüberliegende 
Seitenfester in horizontaler Richtung durch das Wasser in die Kamera gelangen zu lassen. 
Es blieb also nur übrig, immer wieder zu versuchen, durch Verbesserung der ersten 
Methode günstigere Erfolge zu erzielen. Hierbei stellte sich endlich heraus, dass die Un- 
deutlichkeit der zuerst erhaltenen Photogramme nur durch einen leicht zu beseitigenden 
Nebenumstand verursacht worden war. Zufállig zeigte sich beim Reinigen des durch Mg O 
bestáubten unteren Fensters, dass der grósste Teil des vom Blitzlicht herrührenden weissen 
Oxydes nicht auf dem Fenster, sondern daneben unter dem Boden des Wasserbehälters 
abgelagert war, obgleich die Explosionsrinne sorgfaltig mittelst Ablotens unter das Fenster 
gestellt war. Der Explosionsschuss war also nicht, wie erwartet, senkrecht nach oben, 
sondern immer schrág nach der von der Kamera abgewandten Seite gerichtet gewesen, 
sodass dann natürlich immer nur ein kleiner Teil des Lichtes durch den Spalt in das 
Wasser gelangt war. Die Ursache dieser fatalen Erscheinung, die sich solange der Be- 


e 


obachtung entzogen hatte, lag in dem Umstande, dass der Raum unter dem Wasserkasten 
nach der Seite der Kamera hin durch eine Holzwand abgeschlossen war, um das Licht 
abzublenden. Durch den einseitigen Widerstand der Wand waren die Explosionsgase 
immer in der angegebenen Weise abgelenkt worden. Als daher der Explosionsraum auch 
auf der anderen Lângsseite durch eine Wand abgeschlossen wurde, drang auch das Licht 
in reichlicher Menge durch den Spalt senkrecht nach oben in die Flüssigkeit, und von 
da ab zeigten denn auch die Photogramme alle Einzelheiten des Strómungsbildes in voll- 
auf befriedigender Klarheit und Scharfe. 

Dass die Bilder im oberen Teil dunkler erscheinen, als unten, hat seinen Grund 
in der Absorption des Lichtes durch das Wasser und die darin schwimmenden Säge- 
spánchen. Strómungslinien, die sich kreuzen, erkláren sich durch die Dicke der belichteten 
Wasserschicht und die dadurch bedingte optische Tiefenwirkung; sie kónnen natürlich in 
Oberflächenbildern nicht auftreten und sind bei genügender Vergrösserung leicht zu 
entwirren. 

Das wichtige Ergebnis dieser experimentellen Untersuchungen ist die Feststellung 
der Thatsache, dass die Widerstandsstrómungen im Wasser prinzipiell mit 
denen an der Oberfläche übereinstimmen. (Fig. 3, 4, Taf. VII, und 4, 9, Taf XI.) 


Sowohl die Stauung und Teilung des Stromes vor der Tafel, wie die Bildung und 
Bewegung der Seitenstróme, die Wirbelung, der Nachlauf in der Schleppe — alles ent- 
spricht unter Wasser so vollkommen den homologen Erscheinungen am Niveau, dass es 
als durchaus statthaft zu bezeichnen ist, den Verlauf der Widerstandsstróme innerhalb des 
Mediums durch die an der Oberfliche erhaltenen, leichter herzustellenden Momentbilder 
zu ermitteln, und die Unterwasserbilder nur soweit es zur Kontrolle wünschenswert erscheint 
in Anwendung zu bringen. 


Geben uns die Photogramme auch nur flachenhafte Durchschnittsansichten der 
Widerstandsstrómungen, so ist es nunmehr doch móglich, aus diesen Profilen die 
Gesamtheit der Strómungen kórperlich zu rekonstruieren. 

Am leichtesten gelingt dies für eine normal vom Strome getroffene kreis- 
fórmige Scheibe. Man braucht sich nur die Abbildung (Fig. 5, Taf. II) um die mediane 
Strómungsachse rotierend zu denken. Der Strom teilt sich über der Mitte der Vorder- 
seite und fliesst symmetrisch nach allen Seiten hin über den Rand der Scheibe ab. 
Ebenso gleichfórmig umfliessen die Wasserfáden den eifórmigen Kôrper des Schlepp- 
wassers, um sich dahinter wieder zusammenzuschliessen. Die beiden Wirbel in der Schleppe 
sind nur die Querschnitte eines geschlossenen Wirbelringes, der hinter der Tafel rotiert 
und das Wasser des Nachlaufes gegen die hintere Tafelmitte mahlt. 

Dementsprechend muss dann auch der positive Widerstandsdruck an der 
Vorderseite der Scheibe in der Mitte am gróssten sein und nach dem Rande erst 
langsam, zuletzt stark abnehmen. Der negative oder saugende Druck der Hinterseite 
wird dagegen auf der Tafelmitte weniger stark sein als in der Náhe des Randes. 


32 

An die kreisfórmigen Scheiben schliessen sich die regelmässigen vieleckigen 
mit grosser Seitenzahl an, deren Widerstandsstrómungen von denen der Kreisscheibe nicht 
wesentlich verschieden sein kónnen. 

Auch die quadratische Scheibe steht in ihren Symmetrieverháltnissen der 
kreisfórmigen nicht fern. Der Hauptstrom fliesst auch hier in Form einer Glocke um die 
Schleppe und setzt dieselbe in wirbelnde Bewegung, wobei wahrscheinlich, in Folge der 
grósseren Sperrung, die Schleppe eine etwas gróssere Breite erhált, als bei einer inhalts- 
gleichen Kreisscheibe. Der Einfluss der Wirbelung an der Rückseite ergiebt ein inneres 
kreisformiges Gebiet der Auffüllung des Minderdrucks und ein ringfórmiges, umschliessendes 
der stárksten Saugung mit zunehmendem Druck gegen die Ránder. Da anzunehmen ist, 
dass auch hier das ganze Schleppwasser an der Wirbelung teilnimmt, so muss in Folge 
des stárkeren zentrifugalen Schwunges der hinter den Ecken herumziehenden Wasserteile 
der daselbst herrschende Druck ein hóherer, die Saugung eine geringere sein, als über 
den Seitenmitten. 

An der Vorderseite ergiebt sich aus dem Gange des Stromlaufs ein kreisfórmiges, 
zentrales Druckplateau mit ziemlich gleichmässiger Verteilung des Druckes über die Fläche 
und schneller Druckabnahme am Rande. Wegen des leichteren Abflusses muss der 
Druck über den vorspringenden Ecken der Tafel eine weitergehende Abnahme erfahren. 


Die rechteckige Tafel. Die Strómungen an einer rechteckigen Tafel lassen 
sich auf folgende einfache Weise kombinatorisch aus denen an einer quadratischen ableiten. 
Wir denken uns das Quadrat (Fig. 13 ^ Taf. V) in der Mediane durchschnitten und in den 
Spalt ein sehr schmales Fláchenstück a b (Taf. II) eingeschaltet. Das Quadrat ist dadurch 
zu einem Rechteck geworden. Da die Strómungs- und Druckverhaltnisse auf den Quadrat- 
hálften symmetrisch sind und sich das Gleichgewicht halten, so kónnen die Wasserfáden 
auf dem Schaltstückchen keine andere Richtung einschlagen wie der Faden, der vor der 
Trennung die mediane Stellung einnahm, d. h. sie müssen von der Mitte cc aus gleich- 
falls symmetrisch auf dem kürzesten Wege nach a und b abfliessen. Ist aber die Abfluss- 
gelegenheit und die Stromrichtung der neuen Faden die gleiche, wie bei den ursprüng- 
lichen Medianfaden des Ouadrats, so müssen auch die Stromgeschwindigkeiten und 
Druckverhaltnisse dieselben sein. Dies alles behált, wie leicht zu sehen, seine volle 
Giltigkeit, wenn wir das Schaltstück wachsen lassen oder beliebig gross nehmen: immer 
sind Richtung, Geschwindigkeit und Druck der eingeschalteten Stromfaden dieselben, wie 
in den Medialfâden einer quadratischen Fläche Wir erhalten somit die Vorstellung einer 
plateauartigen Verteilung des positiven Widerstandsdruckes über der Vorderseite einer 
rechteckigen Tafel (Fig. 13, Taf. III. Die hóchste Erhebung cc dieses Plateaus e'f', 
das Druckmaximum, liegt der Lânge nach über der Mitte ef der Tafel und bleibt bis auf 
halbe Plattenbreite von der Mitte der schmalen Seite des Rechtecks entfernt Das 
Minimum des positiven Druckes liegt, wie bei der Quadratscheibe, an den Ecken des 
Rechtecks. 


33 _ 


An der Rückseite gestalten sich die Strómungen nach Massgabe der Vorderseite. 
Durch die Einfügung des Schaltstückes wird der Wirbel des Quadrats in der Längs- 
richtung des Rechtecks gedehnt und nimmt zwischen den Querschnitten des Druckmaximums 
cc die Gestalt zweier Friktionswalzen an, die an den Enden durch ein bogenfórmiges 
Ringwirbelstück verbunden sind. Dadurch wird auch der Nachlauf in die Breite gezogen, 
sodass er, gegenüber dem Maximum cc der Vorderseite, eine entsprechende Auffüllung 
der Druckdepression bewirkt. Das Minimum des saugenden Widerstandes muss daher 
ausserhalb der Linie liegen, in welcher der Wirbelring theoretisch die Tafel berührt. Am 
Rande ist die saugende Wirkung am schwächsten hinter den Ecken, relativ am stárksten 
seitlich, gegenüber der Linie des Druckmaximums. 





Unter den dreieckigen Tafeln schliesst sich die gleichseitige Form hinsichtlich 
ihrer Widerstandsverháltnisse naturgemáss an die quadratische an. Es ist anzunehmen, 
dass auch hier ein zentrales Druckplateau an der Vorderseite entsteht und dass der Rand. 
druck in der Seitenmitte relativ grósser ist als an den Ecken. An der Rückseite bewirkt 
der Wirbel, wie beim Quadrat, eine zentrale Auffüllung des Minderdruckes und Ab- 
saugung in der Randnáhe. Der ungleichen Centrifugalwirkung entsprechend muss die 
Absaugung und somit auch der Minderdruck an der Mitte der Dreiecksseiten grósser sein 
als an den Ecken. Da der Zentralabstand der Ecken des Dreiecks grósser ist als der 
eines inhaltsgleichen Quadrats, so wird dadurch die Breite des glockenfórmigen Rand- 
stromes vergróssert werden, und sonach auch der Gesamtwiderstand des Dreiecks den des 
Quadrats um einen gewissen Betrag übertreffen, wie dieser letztere wieder etwas grösser 
sein wird, als der einer kreisfórmigen Flàche. Diese Ableitungen stimmen, wie ich sehe, 
im Prinzip mit den Widerstandsmessungen v. LOESSL's überein, die für die drei Grund- 
formen des Kreises, des Quadrats und des gleichseitigen Dreiecks das Wider- 
standsverháltnis = 0,83 : 0,86 :0,90 ergeben haben. 

Bei unregelmässigen Dreiecken, Trapezen und ähnlichen Formen nähert 
sich das Strómungsbild um so mehr dem an einer rechteckigen Tafel, je grósser das 
Verháltnis der Lánge zur Breite ist. Da der Abfluss immer auf kürzestem Wege nach 
der Seite des geringsten Widerstandes, d. h. nach dem Flächenrande, erfolgt, und all- 
gemein die Fláchenpunkte einen um so grósseren positiven Widerstand erfahren, je weiter 
sie vom Rande entfernt liegen, so ist die Lage des absoluten Maximums immer durch 
den Mittelpunkt des gróssten eingeschriebenen Kreises einer Flache bestimmt. Von hier 
verlaufen die Scheidelinien der Stróme nach den Ecken der Dreiecke, uad der Druck 
sinkt an den Ecken um so tiefer, je kleiner deren Winkel sind. Am Rande liegen die 
Stellen des relativ hóchsten Druckes in den Berührungspunkten des eingeschriebenen 
Kreises. Für Trapeze und Trapezoide lassen sich analoge Betrachtungen betreffs der 
'Druck- und Stromverteilung anstellen. 

Nach Analogie des Vorangegangenen ist anzunehmen, dass an der Rückseite 
dieser Tafeln die Randdrucke denen der Vorderseite entsprechen, und dass der Nach- 
lauf immer eine mit der Breite der Tafel zunehmende Aufhóhung des centralen Minder- 
druckes bewirkt. 5 


A4 


Schiele Stellung. Wird eine rechteckige, um eine Lángsseite gedrehte Fläche 
unter spitzem Winkel der Strómung entgegengestellt, so wandert, wie die photographischen 
Stromprofile zeigten, das Maximum in gesetzmassiger Weise gegen den voranstehenden 
Oberrand, und es fragt sich nun, ob dasselbe dabei die Ausdehnung cc (Fig. 14, Taf. Vj 
beibehált, die es in der Normalstellung hat, oder ob cine Anderung in der Erstreckung 
des Gebiets maximalen Druckes anzunehmen ist. 

Ich bin nun der Meinung, dass eine solche Anderung in der That mit abnehmen- 
dem Neigungswinkel statthat, und dass die Wasserscheidelinie c' c', die das Maximum 
bestimmt, in demselben Masse sich seitwárts ausdehnt, wie sie sich dem Vorderrande 
nahert. Je kleiner nàmlich der Winkel ist, unter dem ein Wasserstrahl gegen eine Ebene 
trifft, um so geringer ist auch die seitliche Ausbreitung, die er auf der Fláche erfáhrt, 
um so mehr strómen die Fáden geradlinig in der Einfallsebene dem unteren Rande zu. 
Da die Fâden eine geringere Ablenkung erleiden, als bei grósserem Winkel, so ist auch 
der Druck geringer, der an der Ablenkungsstelle herrscht, und somit auch die Neigung zu 
seitlichem Ausweichen. Wenn aber in der Nahe des Seitenrandes die Zahl der Faden, 
die bei geringem Druck seitwárts abgelenkt werden, nur eine kleine ist, so kann auch die 
dadurch bedingte Druckentlastung nicht weiter reichen, als diese Ablenkung. Man wird 
somit annehmen dürfen, dass die Hochdrucklinie c c auch bei kleinen Neigungswinkeln 
sich ebensoweit gegen die seitlichen Tafelränder erstreckt, wie sie vom Oberrande ent- 
fernt ist. 

Von der Hochdrucklinie aus muss der Druck über der Vorderfliche der geneigten 
Tafel nach allen Seiten allmáhlich abnehmen. Am Tafelrande müssen die Druckhóhen der 
dem Maximum benachbarten Oberkante grósser sein, als die an dem abgewandten Unter- 
rande, und der Druck an den Seitenrándern muss seine grósste Hohe in der Verlängerung 
der Hochdrucklinie haben. Wegen des leichteren Abflusses muss ferner der Druck an 
den Ecken der Tafel kleiner sein, als an den mehr gegen die Mitten der Randlinien gelegenen 
Punkten; und an den Ecken des Unterrandes muss der positive Widerstandsdruck seine 
absolut kleinsten Betráge haben. 

Die gesamten über die Ránder der Tafel abfliessenden Wassermassen umgeben 
hinter derselben wiederum einen ringsum abgeschlossenen glockenfórmigen Raum, dessen 
Làngsschnitt durch die Photogramme gegeben und der durch das Schleppwasser erfüllt 
ist. War die Glocke bei senkrechtem Auftreffen des Stromes symmetrisch geformt, sodass 
sie allseits mit ihren Wolbungen über die Ránder der Tafel hinaustrat, so zieht sie sich 
bei schriger Tafelstellung um so mehr hinter den Oberrand zurück, als der Neigungs- 
winkel abnimmt, um dafür mit dem Schwanz der Schleppe um so mehr hinter dem 
Unterrande hervorzusehen, wenn man von vorn in der Richtung des Hauptstromes auf 
die Tafel blickt. Die Wirbelung im Schleppwasser vollzieht sich nach wie vor in einem 
Ring, aber der Ringbogen des Oberrandes erfüllt den ganzen Raum der Glocke neben 
resp. hinter der Tafel, wahrend der Bogen am Unterrande klein und unbedeutend im 
Schwanz der Schleppe wirbelt. Seitlich wendet sich der grosse Wirbelarm im Bogen 
nach hinten und geht so in den kleinen Wirbel am Unterrande der Tafel über, sodass 


35 
immer ein geschlossener Wirbelring vorhanden ist, der je nach dem Verhältnis der Lange 
und Breite der Tafel mehr oder weniger elliptisch zusammengedrückt erscheint. Je lánger 
der in der Bewegung voraufgehende obere Tafelrand ist, desto lánger ist natürlich auch 
der zugehörige Bogen des grossen Wirbels, während bei vorangehendem schmalen Tafel- 
rande auch dieser Teil des Wirbelringes nur eine geringe Erstreckung hat. 

Stellen wir uns den so beschaffenen Ring plastisch vor als einen Kórper, welcher 
der Rückseite der Tafel derart aufgelegt ist, wie es die Profile der Photogramme zeigen, 
so berührt derselbe die Tafel in einer Linie, welche für die weitere Diskussion nicht ohne 
Bedeutung ist. Lag diese Linie bei Fláchen in der Normalstellung symmetrisch zu den 
Umgrenzungslinien der Tafel in Form eines Kreises oder einer ellipsenahnlichen Kurve 
(bei Rechtecken), so erfáhrt sie bei geneigten Tafeln eine mit abnehmendem Neigungs- 
winkel fortschreitende Verschiebung gegen den unteren, hinteren Flachenrand. Wie 
bereits bei der Besprechung der photographischen Strómungsprofile gezeigt wurde, geht 
diese Verschiebung annáhernd Hand in Hand mit der Verschiebung des Druckmaximums 
gegen den Vorderrand, aber sie vollzieht sich nicht mit derselben Regelmässigkeit, wie 
die letztere, da die Wirbel selbst innerhalb gewisser Grenzen nicht unerheblichen 
Schwankungen unterliegen. Die Form der Wirbel ist ja selbst eine so wechselnde, dass 
es meist nicht möglich ist, die Lage der Wirbelachse genauer anzugeben, die ja doch im 
náchsten Moment schon eine andere geworden ist. Immerhin zeigen die Photogramme, 
dass bei den meisten Neigungswinkeln der Wirbelring die Tafel überhaupt nur mit dem 
grossen vorderen Bogen rr (Fig. 14, II) berührt, und dass der Bogen des kleinen Wirbels 
grosstenteils jenseits des Unterrandes liegt. 

Da nun die Nachlaufstrômung fortwahrend die Flüssigkeit durch den Innenraum 
des Wirbelringes gegen das von der Berührungslinie begrenzte Flächenstück des Tafel- 
rückens treibt, so muss dadurch eine Auffüllung oder Verringerung des Minderdruckes 
bewirkt werden, während ausserhalb der Berührungslinie die Fäden des Ringes die 
Flüssigkeit von der Tafel fortführen und somit in diesen Gebieten eine Absaugung und 
Vertiefung der Depression verursachen. 

Im Auffüllungsgebiet muss ferner das Maximum des Druckes, womit der Nachlauf 
auf die Rückseite der Tafel wirkt, an derjenigen Stelle liegen, wo dieser Strom sich an 
der Tafelfläche teilt, um nach unten und oben zu den beiden Wirbelästen abzubiegen. 
Da diese Trennungslinie bei den meisten Neigungswinkeln am unteren Tafelrande liegt, 
oder sogar dahinter, so muss der von unten nach oben an der Rückseite emporsteigende 
Nachlauf in der Richtung seiner Bewegung auch ein Stromgefälle haben, d. h. der Druck 
muss im Auffüllungsgebiet nach oben hin gegen die Berührungslinie des Wirbelbogens 
geringer werden. Ausserhalb dieser Linie, im Absaugungsgebiet, muss die Druckabnahme 
schneller fortschreiten in dem Masse, wie sich die mehr oder weniger kreisförmigen 
Wasserfäden des grossen Wirbels von der Tafel abwenden. Da nun auch der obere 
Randstrom absaugend auf das Depressionsareal wirkt, so müsste der tiefste Minderdruck 
unmittelbar hinter dem oberen Tafelrande liegen. Es läge dann in der Flüssigkeit ein 
tiefes Minimum hart neben einem unter Hochdruck stehenden Strome. Ein solch schroffer 


5* 


36 

Gegensatz kann aber im Fluidum nicht bestchen, da durch den Einfluss der Centralkrafte der 
Wirbelbewegung die Druckdifferenz ausgeglichen und ein sprungfreier Uebergang ver- 
mittelt wird. In Folge dieser Uebergangsbildung hat der Druck in unmittelbarer Nàhe 
des Randes eine steigende Tendenz. Das Minimum liegt also in geringer Entfernung 
vom oberen Tafelrande. Ein àhnlicher Uebergang von Minderdruck zum Hochdruck muss 
aus dem angegebenen Grunde offenbar auch an den Seitenrándern der Tafel vorliegen. 
Somit wird die Lage des absoluten Minimums des Widerstandsdruckes theoretisch durch 
eine Strecke d d bestimmt (Fig. 14, II), die parallel und nahe dem Oberrande der recht- 
eckigen Fláche verláuft, und deren Endpunkte in geringer Entfernung vom Seitenrande 
liegen. Von dieser Strecke nimmt die Depression allseitig ab, und zwar anscheinend 
etwas schneller gegen die Ränder und die Beriihrungslinie rr des Wirbels, als von 
dieser Linie ab bis zum unterm Tafelrande Nach Analogie der normal vom Strome 
getroffenen Tafeln muss auch hier der saugende Widerstand an den Ecken geringer sein 
als an den geraden Ràndern, und am geringsten an den unteren Tafelecken. 





Anderung der Dimensionen der rechteckigen Tafel. Wenn es auch nicht 
statthaft ist, die auf Grund des vorliegenden photographischen Materials. gewonnenen 
Einblicke in die Natur des Widerstandes ohne weiteres zu verallgemeinern und auf 
áhnliche Tafelformen von anderen Dimensionen zu übertragen, so sind wir nunmehr doch 
in der Lage, die Änderungen der Widerstandsverhältnisse näher zu verfolgen, die eintreten, 
wenn die am oberen oder unteren Rande gemessene Lánge der Tafel variiert wird. 

Zunächst fragen wir: Was wird eintreten, wenn die Tafel um eine 
beliebige Strecke a verlángert wird? — 

Wenn wir uns aus didaktischen Gründen wieder vorstellen, die Verlángerung sei 
auf die Weise bewirkt, dass die Tafel in der Mitte durchschnitten und dann ein Spaltstück 
von der Lânge a eingefügt sei, so bleiben die Strómungsverhàltnisse über den beiden 
Halften unverandert, und an dem Spaltstück müssen sie sich ebenso gestalten, wie sie 
vorher in der mittleren Tafelregion waren und nunmehr auch noch an dem benachbarten 
Areal der beiden Randstücke sind. Es wird also an der Vorderseite nur die Linie c c 
des Hochdruckmaximums und an der Hinterseite der Wirbel die Berührungslinie und die 
Linie d d des Maximums um die Strecke a verlängert Eine weitere oder andersartige 
Anderung, wie etwa eine Deformation der genannten Linien, kann offenbar aus dem 
Grunde nicht eintreten, weil die Abflussverhältnisse über dem Spaltstiick genau die 
gleichen sind wie vorher über dem mittleren Fláchenstick. Wir erhalten auch photo- 
graphisch immer wesentlich dieselben Strômungsprofile über der Tafelmitte wie seitwárts 
davon, mit Ausschluss des dem Seitenrande benachbarten Flachenteils, weil hier die 
Abflussbedingungen andere sind. Würde man das Spaltstück allein dem Strome aus- 
setzen, so würde der Gesammtwiderstand, den es erfáhrt, geringer sein, als wenn es im 
Verbande der Tafel steht, da an seinen dann freien Seitenrándern Druckverluste auf- 
treten müssen, die an der eingeschalteten Fláche ausgeschlossen sind. Kónnte man den 
Gesamtwiderstand des eingeschalteten Stückes für sich messen, so würde sich ebenso 


23M 


ergeben, dass er verhältnismässig grösser ist, als an den Hälften der ursprünglichen Tafel, 
da diese eben Randverluste hat und jenes nicht. 

Hieraus ergiebt sich nun für die messende Widerstandsbestimmung die Aufgabe, 
den absoluten Betrag des seitlichen Randverlustes zu ermitteln. Man hátte den Gesamt- 
widerstand von drei gleich breiten Tafeln zu messen, einer solchen von der Lànge a, einer 
zweiten von der Lange b und einer dritten von der Lange a + b. Es müsste sich zeigen, 
dass der Widerstand der dritten Tafel grósser ist als die Summe der Widerstánde von 
den ersten beiden, und die Differenz würde dem verdoppelten Randverlust bei getrennten 
Tafeln zuzuschreiben sein. Dabei wäre dann vielleicht auch die Frage zu diskutieren, ob 
und wieweit die Reibung der Flüssigkeit an den Ràndern der Tafel für die Gestaltung 
des Widerstandes von Bedeutung ist. 

Dass der Gesamtwiderstand auf langen und schmalen rechteckigen Fláchen relativ 
grósser ist als auf kiirzeren und entsprechend breiteren, wird durch die Messungen 
VON LOESSL's bestátigt, welcher fand, dass sich die Widerstünde zweier inhaltsgleichen 
reckteckigen Fláchen wie 92:94 verhielten, wenn das Verháltnis der Lánge zur Breite 
bei der ersten Tafel wie 2: und bei der zweiten wie 4:1 war. 

Denkt man sich umgekehrt eine schräg gestellte rechteckige Widerstandstafel in 
ähnlicher Weise verkürzt, wie es oben für die Verlängerung angenommen wurde, so 
ergiebt sich, dass dadurch dem Gesamtwiderstande in stárkerem Grade Abbruch geschieht, 
als es dem Verhâltnis des verminderten Flicheninhalts entspricht, weil die Verkiirzung 
gleichbedeutend ist mit der Ausschaltung eines mittleren Flächenstücks, das ohne seitlichen 
Randverlust vom Widerstandsdrucke maximal beansprucht ist. Bei weiterer Verkürzung 
der Tafel erhält dieselbe quadratische Form, oder ihr Vorderrand wird kleiner als der 
Seitenrand. Wir verstehen nach dem Vorangegangenen die längst bekannte Thatsache, 
dass solche flächenhaften Körper bei schrägen Neigungswinkeln immer einen geringeren 
Widerstand erfahren, als Rechtecke, die mit der langen Seite quer zum Hauptstrome 
stehen. Ebenso ist jetzt ohne weiteres einzusehen, warum die Vergrösserung einer 
schrägen Tafel einen ganz verschiedenen Widerstandseffekt hat, wenn sie das eine Mal 
durch Verbreiterung, das andere Mal durch Verlängerung geschieht. Die Verbreiterung 
in der Richtung der geneigten Seitenränder vergrössert die Tafel an der Seite, wo sie den 
geringsten Widerstand erfährt, und ändert das Verhältnis der Länge zur Tafelbreite im 
Sinne einer relativen Abschwächung des Widerstandes. Die Verlängernng in der Richtung 
des Vorderrandes ist dagegen einer Verlängerung des maximalen Widerstandsgebietes 
gleichbedeutend und daher für die Erzeugung eines grösseren Widerstandes vorteilhafter, 
als die Verbreiterung der Tafel. So sind auch dreieckige Segel, die ihre lange Seite 
dem Winde zukehren, unter dem Namen der Fock-, Klüver-, Flieger- und Huari-Segel 
vielfach im Gebrauch und bekannt wegen ihrer guten Wirkung beim Aufkreuzen gegen 
den Wind, wo die breiten Vor'mwindsegel, auch bei stärkerem Abfallen des Kurses, 
weniger Vorteile gewähren. Schliesslich sei auch noch auf die lange und schmale Form 
der Flügel und isolierten Schwungfedern hingewiesen, die die Natur den Vögeln als 
bestes Werkzeug zur Ausnutzung des Widerstandes für kleine Neigungswinkel verliehen hat. 


rt e pmm 


Analyse des Widerstandes 


durch 


Stauversuche. 


Die Photographie der Widerstandsstrómungen hat uns in den Stand gesetzt, den 
ganzen Komplex der Bewegungen zu übcrsehen, welche ein fester, widerstandleistender 
flichenhafter Kórper in dem Medium hervorruft. Aus dem Verlauf der Strómungslinien 
war es móglich, im einzelnen zu verfolgen, wie die Geschwindigkeit dieser Bewegungen 
an den verschiedenen Stellen des Widerstandsgebietes wechselt, und welcher Art überall 
die Verteilung des hydrodynamischen Druckes ist, der das ganze System der Widerstands- 
strómungen beherrscht und unterhalt. Wir konnten die Maxima und Minima dieses 
Druckes erkennen und der Lage nach bestimmen, die Wege bezeichnen, auf denen das 
Medium fortstrómend den vorhandenen Druckdifferenzen folgt, und schliesslich erhielten 
wir aus alledem eine klare, mechanisch begründete Vorstellung über die Anordnung und 
Grósse des Druckes, der an der Oberflache des Versuchskórpers allein als eigentlicher 
Widerstandsdruck in Frage kommt. 

Nur über einen wichtigen Punkt geben uns die Photogramme keine befriedigende 
Auskunft, nàmlich über die absoluten Masse des Widerstandsdruckes, der an den ver- 
schiedenen Stellen der Versuchstafel herrscht. Alle Gróssenangaben dieser Art blieben 
durchaus relativ, denn es fehlt uns der Schlüssel und der Massstab, um aus den Doku- 
menten der Photographie die absoluten Betráge der Widerstandsgróssen abzulesen und 
zu messen. 

Die nun mitzuteilenden Versuche sind dazu bestimmt, diesem Mangel abzuhelfen 
und zugleich als Kontrolle aller jener Angaben zu dienen, die wir über die Qualitát des 
Widerstandes auf Grund der photographischen Dokumente zu machen in der Lage waren. 
Der leitende Gedanke, der auf diese Versuche führte, war folgender. 

Wenn es richtig ist, dass die Ursache des Widerstandes in den positiven und 
negativen Druckkräften liegt, mit denen das Medium auf die Oberfläche des festen Körpers 
einwirkt, so müssen sich diese Kräfte auch sichtbar durch eine Hebung resp. Senkung 
des Niveaus bemerklich machen, wenn der Korper, eine beliebige Versuchstafel, bis zu 
einer gewissen Tiefe in die Flüssigkeit eintaucht und dann fortbewegt wird. So lange 
die Tafel in Ruhe ist, steht die Flüssigkeit allein unter dem Einfluss der Schwere und 


39 


daher vor und hinter der Tafel gleich hoch im Niveau. Sobald aber die Bewegung 
beginnt, wirken auch die Widerstandskráfte in der Flüssigkeit, und ihr stationárer Druck 
muss, im Widerspiel gegen die allein noch in Frage kommende Schwerkraft, eine Hebung 
resp. Senkung der freien Wasseroberfläche bedingen, die ein genauer Ausdruck für die 
Grósse eben jener Kráfte ist. Denn wenn z. B. das ursprüngliche Niveau an einer Stelle 
um I cm gehoben ist, so folgt daraus, dass an dieser Stelle in der Flüssigkeit ein Druck 
herrschen muss, der einer Wassersáule von 1 cm Hohe das Gleichgewicht halt. 

Da der Widerstandsdruck an den verschiedenen Stellen der Tafeloberfläche ein 
ungleicher ist, so muss dies auch in einer entsprechenden Formung der Wasseroberflache 
vor und hinter der Tafel zum Ausdruck kommen. Der Hochdruck an der Vorderseite 
muss eine konforme Hebung oder Aufstauung des Wasserspiegels über das Ruheniveau 
zur Folge haben, und der Minderdruck an der Rückseite eine ebensolche Depression 
unter die ursprüngliche Wasserhóhe. Dem Druckmaximum muss ein höchster, dem 
Minimum ein tiefster Wasserstand entsprechen, und dazwischen müssen alle Übergänge 
vorhanden sein. Wenn die Druckverhältnisse solange unverändert fortbestehen wie die 
Bewegung bei gleichbleibender Geschwindigkeit anhált, so müssen auch die zugeordneten 
Formen des Niveaus ebensolange stationár fortexistieren, und wenn es gelingt, dieselben 
zu registrieren, so sind sie als Masse des Druckes für die quantitative Analyse des Wider- 
standes von grundlegender Bedeutung. 

Die objektive Darstellung der Gestalt des Wasserspiegels wird nun in der denkbar 
einfachsten Weise dadurch bewirkt, dass die Flüssigkeit sich selber an der Oberfliche der 
Tafel abbildet, indem sie dieselbe bis zur jeweiligen Niveaulinie benetzt. Man braucht 
dazu weiter nichts als ein Gefáss mit Wasser und ein Stück Kartonpapier oder braune 
Pappe von zwei bis drei Finger Breite. Die Pappe hat den Vorzug, dass sie eine intensive 
Dunkelfärbung erfährt, soweit sie vom Wasser benetzt wird, während das Kartonpapier 
erst bei schráger Beleuchtung die Grenze zwischen der benetzten und nicht benetzten 
Flache erkennen lásst. Taucht man ein solches Stück Pappe senkrecht in das Wasser, 
so wird es auf beiden Seiten bis zu gleicher Hóhe angefeuchtet und gefürbt, und man 
wird nachher nicht erkennen kónnen, bis zu welcher Tiefe das Niveau an der Rückseite 
während der nachfolgenden Bewegung gesunken war. Dieser Übelstand ist dadurch zu 
vermeiden, dass man die Tafel wahrend der Fortbewegung eintaucht und wieder 
emporhebt. Die Bewegungen lassen sich für den Zweck einer ersten Orientierung sehr 
leicht mit der freien Hand ausführen, solange es nicht auf die Innehaltung eines bestimmten 
Neigungswinkels und einer bestimmten Geschwindigkeit ankommt. 

Schon die primitivsten Versuche dieser Art bestätigen in überraschender Weise 
die Richtigkeit des Prinzips, dass die Verschiedenheiten des Widerstandsdruckes 
an der Tafel ihren vollkommenen Ausdruck finden in der Gestalt des hydro- 
dynamischen Niveaus, das sich an der Vorder- und Rückseite der Tafel 
abbildet. Die Linie dieses Niveaus erscheint vorn in Form einer sehr flachen, nach 
oben konvexen Kurve ss (Fig. 15 Taf. V) die sich, je nach der angewandten Geschwindigkeit, 
mehr oder weniger hoch über die leicht zu ergánzende Linie des statischen Nullniveaus 


40 


erhebt: sie soll als positive Staulinie bezeichnet werden. An der Rückseite zeigt sich 
bei normaler Bewegung der Tafel, eine negative Staulinie oder Depressionskurve d d 
von der Form einer Lemniskate, mit einer mittleren Erhebung nach oben und zwei seit- 
lichen Ausbuchtungen nach unten. War die Bewegung schräg zur Ebene der Tafel, so 
hat die positive Staulinie (Fig. 16) ihre hóchste Erhebung beim vorderen Tafelrande, und 
die negative Kurve besitzt eine tiefe Depression nach der Seite des Vorderrandes und 
eine Erhebung gegen den Hinterrand. 

Da die Linien beim Trocknen der Tafeln wieder verschwinden oder doch undeutlich 
werden, so empfiehlt es sich, dieselben mit einem scharfen Bleistift sofort nach der 
Erzeugung nachzuziehen. Ferner ist es angebracht, eine der beiden Linien nach der 
entgegengesetzten Seite der Tafel durchzuzeichnen. Fügt man dann noch die horizontale 
Nullinie hinzu, so bedeuten die in jedem beliebigen Punkte derselben errichteten Ordinaten 
der oberen Staulinie den in diesem Punkte herrschenden positiven Widerstandsdruck, 
wáhrend die der unteren, negativen Kurve die Masse für den zugehórigen saugenden 
Widerstand liefern. Jede Ánderung oder Verbiegung der Tafel, jede Verschiedenheit in 
der Geschwindigkeit der Bewegung oder des Neigungswinkels liefert abweichende Kurven, 
die alle die verànderten Druckverhaltnisse in subtilster Weise wiederspiegeln. Da es 
nicht moglich ist, bei freihändigen Versuchen derartige Differenzen zu vermeiden, so 
müssen für systematische Untersuchungen natürlich exaktere Methoden in Anwendung 
gebracht werden. Aber auch die einfacheren Versuche genügen vollauf, um jeden, der 
sie wiederholt, davon zu überzeugen, dass wir in ihnen ein unschätzbares Mittel 
haben, die Ergebnisse der photographischen Widerstandsanalyse zu kon- 
trollieren, zu bestátigen und zu erweitern. 

Vervollstándigung des Apparats. Da in dem Nachzeichnen der Staulinien 
ein subjektives Moment liegt, durch das, zumal bei schnellem Abtrocknen der Kartontafeln, 
móglicherweise eine unbeabsichtigte Anderung der Originale eintreten kann, so ist es die 
Frage, auf welche Weise man am besten die ursprünglichen Staukurven in haltbarer Form 
erhált. Ich habe zu diesem Zwecke das Wasser mit Fuchsin oder Methylenblau gefarbt 
und dabei weissen Karton, oder Blechplatten angewandt, die mit weissem Schreibpapier 
glatt überklebt waren. Die farbige Flüssigkeit zeichnet sich dann mit so grosser Scharfe 
und Klarheit auf dem weissen Grunde ab, dass ein Nachzeichnen überflüssig wird, und 
man erhált die Originale als unveránderliche, dauernde Dokumente des Widerstandsdruckes. 
Die Kartontafeln haben vor den Blechtafeln den Vorzug, dass sich die Kurven leicht 
durch Durchstechen mit einer feinen Nadel auf die Gegenseite übertragen lassen; die 
Blechtafeln, dass sie sich weniger leicht verbiegen. Man kann das Papier von den Blech. 
tafeln wieder ablösen und hat dann die Kurven der Vorder- und Rückseite nebeneinander. 
Die Kartonplatten lassen sich übrigens vor dem Verbiegen dadurch schützen, dass man 
sic bis zum Versuch in einer festen Presse hält und beim Versuch selbst jede Biegung 
vermeidet. 

Fiir die weiteren Untersuchungen musste ein Apparat geschaffen werden, der mit 
einer variablen, messbaren Geschwindigkeit die Versuchstafeln horizontal so durch das 


41 


Wasser führt, dass sie wáhrend dieser Bewegung automatisch eingetaucht und nach einiger 
Zeit wieder herausgehoben werden. Die erste Bedingung war in dem für die photo- 
graphischen Versuche verwendeten Apparate bereits erfüllt. Es musste also nur noch 
eine Einrichtung hinzukommen, durch welche die Tafeln, unter beliebigen Winkeln eingestellt, 
gehoben und gesenkt werden konnten. Zu diesem Zweck wurden die Schienen der Lánge 
nach über den Kasten. gelegt, und die weiteren Vorkehrungen am Wagen selbst angebracht. 
Ein aus zwei mit einander verbundenen Stahlstáben bestehendes Gestell a a (Fig. 3 Taf. I) 
bewegt sich in sauber gearbeiteten Metallführungen cc und trágt oben einen Ouerstab, 
an dessen freien Enden zwei kleine leicht bewegliche Ràdchen r angebracht sind. Diese 
Râdchen laufen auf zwei besondeten Schienen ss, die oberhalb der Wagenschienen 
in geeigneter Höhe durch Säulen getragen werden. Dieselben senken sich in einer 
schiefen Ebene, sind dann eine Strecke lang unterbrochen und beginnen wieder mit einer 
ansteigenden schiefen Ebene. Durch diese Einrichtung wird die gewünschte Hebung und 
Senkung der Tafel erreicht, denn wie die Rádchen über die schiefen Ebenen hinab und 
wieder herauffahren, so senken und heben sie auch das Gestell an dessen unterem Ende 
ein mit Gradeinteilung versehenen Halter die Tafel trágt. Da die Tafel durch eine 
Klemmfeder am Halter befestigt ist, so lásst sie sich leicht austauschen und durch 
Drehung des Halters auf den gewünschten Neigungswinkel einstellen. Ist dies geschehen, 
so ist, wenn die Maschine die richtige Geschwindigkeit erlangt hat, weiter nichts zu thun, 
als dass der Wagen, wie bei den photographischen Aufnahmen, durch Loslassen der Klemm- 
walze am Treibband befestigt wird. Die Fortbewegung, das Eintauchen und Heben der 
Tafel, sowie das Lósen und Anhalten des Wagens geht automatisch von statten. Der 
Wagen wird zurückgeführt, die Tafel gewechselt, und eine neue Aufnahme kann beginnen, 
sobald man sich durch den Augenschein überzeugt hat, dass die Flüssigkeit wieder in 
Ruhe ist. | 

Auf zwei Punkte ist bei der Anstellung der Versuche besonders zu achten: 
I) dass die Tafeln tief genug in die Flüssigkeit eintauchen, und 2) dass sie 
lange genug eintauchen und nicht zu früh wieder hochgezogen werden. Da 
nämlich die Druckverhaltnisse und damit auch die Stauungen von dem Gange der 
Widerstandsstrómungen abhängen, so muss auch alles, was die Entwicklung und den 
Verlauf dieser Stróme beeinflusst, eine Einwirkung auf die Stauungen ausüben.  Taucht 
man daher die Platte so flach ein, dass sie nur in geringer Hóhe (— weniger als halbe 
Plattenbreite —) benetzt wird, so ist der Wirbel an ihrer Rückseite unvollstândig, der 
Nachlauf schafft nicht genug Wasser hinter die Tafel, und es müssen sich hóhere hydro- 
dynamische Niveaudifferenzen ergeben, als an der tiefer eingetauchten oder ganz unter- 
getauchten Tafel, wo die »Wirbelmühle« vollständig entwickelt ist. 

Ganz ähnlich steht die Sache, wenn man die Tafel zwar tief genug eintaucht, sie 
aber so schnell wieder heraushebt, dass die Trágheit des Schleppwassers noch nicht ganz 
überwunden und die Wirbelbildung noch nicht vollendet ist. Es ergeben sich dann viel 
bedeutendere Druckunterschiede wie spáter bei gleicher Geschwindigkeit, und zwar durch 
Zurückweichen des Wassers an der Rückseite und ganz besonders hinter den Rándern 


6 


42 

an den Stellen der Druckminima. Wir werden auf diesen wichtigen Erscheinungskomplex, 
der die ungeheure Tragkraft der sog. »unbeeinflussten Luftsäulen«, die Wucht der 
Windstösse und die grosse Wirkung des Kieles am bewegten Schiff erklärt, — bei späterer 
Gelegenheit zurückzukommen haben. Hier sollen vorerst nur die einfacheren Widerstands- 
erscheinungen erörtert werden. 

Betrachten wir zunächst das Bild der Stauung an einer 5 cm breiten, überklebten 
Zinkblechtafel, die bei ca. 25 cm Geschwindigkeit etwa 4 cm tief eingetaucht war und 
vom Strome unter rechtem Winkel getroffen wurde, so sehen wir an der Vorderseite eine 
flach konvexe Staulinie (Fig. ı5), die in der Mitte höher liegt als am Rande. Die 
Kurve hat von der Mitte ab nach beiden Seiten ein Gefälle, doch ist dasselbe im mittleren 
Drittel der Tafelbreite sehr gering. Erst in einem Abstande von 5 mm vom Rande 
beginnt die Linie stärker abzufallen, bis sie endlich am Rande selbst steil nach unten 
biegt. An der seitlichen Abschnittsfliche der Blechtafel — an Kartonplatten ist dies noch 
deutlicher zu sehen — fällt die farbige Grenzlinie gegen die hintere Fläche ab und zwar 
nahezu ebensoweit unter die Linie des statischen Niveaus, wie sie vorn am Rande 
darüber erschien. 

An der Rückseite bildet die Depressionslinie die schon erwähnte lemniskaten- 
artige Figur. Ihre beiden Minima liegen etwa 5 bis 6 mm vom Rande; ihr Maximum in 
der Mitte der Tafel reicht bis sehr nahe an die statische Nulllinie und erfüllt mit ganz 
geringem Seitengefälle wiederum etwa das mittlere Drittel der Tafelbreite. So zeigen 
uns die Kurven als autographische Darstellungen des vor und hinter der 
Tafel herrschenden Druckes eine vollkommene Übereinstimmung mit den 
durch die Diskussion der photographischen Strömungsbilder gewonnenen 
Anschauungen von der Verteilung der Widerstandskräfte. 

Die Lage des Maximums in der Mitte der Vorderseite deckt sich mit der Stelle, 
wo die mittleren Strömungslinien auf die Tafel treffen, und die Wasserfäden die stärkste 
Verzögerung erleiden. Die anfangs sehr langsame, erst am Rande stärker werdende 
Abnahme des Überdrucks konnten wir bereits aus dem Grade der Konvergenz der 
abfliessenden Stromlinien erkennen Die Auffüllung des mittleren Minderdruckgebiets 
— hinter der Tafel — durch den Nachlaufstrom tritt mit grosser Deutlichkeit in der 
mittleren Erhebung der negativen Staulinie hervor, ebenso die seitliche Lage der beiden 
Minima und ihr Übergang in den höheren Druck der Randströme. 

Sehr auffällig ist, dass der Nachlauf den Minderdruck so hoch — fast an die 
Nulllinie — auffüllt, sodass der danach übrigbleibende Teil des letzteren schätzungsweise 
nur etwa !/s bis 1⁄4 des gesamten Widerstandsdruckes ausmacht. Es ist jedoch zu 
bedenken, dass die Staulinien vorn wie hinten immer nur den höchsten Wasserstand 
anzeigen, der bei den unvermeidlichen Schwankungen des Widerstandes erreicht wird. 
Es wáre also immerhin denkbar, dass die Nulllinie náher der positiven Kurve liegen 
würde, wenn nur die niedrigsten Wasserstánde aufgezeichnet würden, oder wenn man den 
mittleren Stand graphisch ermittelt hätte Übrigens ist die Frage, wie gross der Anteil 
der Saugung an dem gesamten Widerstande ist, von ziemlich nebensachlicher Bedeutung, 


43 _ 


da es thatsåchlich nur auf den in jedem Punkte der Tafel vorhandenen Gesamtdruck 
ankommt, der durch die Summe der Ordinaten gemessen wird; und diese Summe ist von 
der Lage der Abscissenlinie des Nullniveaus unabhängig. 


Staulinien bei schráger Tafelstellung. 


Stellt man dieselbe Tafel unter sonst unveránderten Bedingungen dem Strome 
unter einem Winkel von 45? entgegen, so erhált man ein vollkommen unsymmetrisches 
Bild der Staukurven (Fig. 16 u. 19). Die vordere Linie hat ihre hóchste Erhebung etwa 
5 mm vom vorangehenden Tafelrande, in einem Punkte, der mit dem durch die Photo- 
graphie festgestellten Treffpunkte der vorderen Stromteilungslinie zusammenfállt. Wie 
nun der Hauptstrom von diesem Punkte aus nach beiden Seiten gegen die Ránder fliesst, 
so zeigt auch die Staulinie nach beiden Seiten ein allmählich gegen die Ränder zunehmendes 
Druckgefalle. Auf dem kurzen, gegen den Vorderrand ziehenden Ast der Kurve nimmt 
der durch die Ordinaten derselben gemessene Druck schneller ab, als auf dem langen 
Aste, dessen seitliche Abdachung unter einem mittleren Winkel von ca. 59 erfolgt. Am 
hinteren Tafelrande ist der Abstand der Kurve vom Nullniveau noch etwa zwei Fünftel 
von der Ordinate am vorderen Rande. 

Wird nun schon durch diese Form der positiven Druckkurve das Überwiegen des 
Widerstandes auf der in der Bewegung vorangehenden, dem Vorderrande benachbarten 
Tafelhálfte dokumentiert, so tritt dies Verhalten noch entschiedener an der negativen 
Drucklinie der Rückseite zu Tage; ja man kann sagen, dass die seit nunmehr 100 Jahren 
bekannten AVANZINI'schen Phánomene der Verschiebung des sog. Widerstandspunktes jetzt 
erst ihre volle Erklârung finden durch die eigenartigen Strômungs- und Druckverhaltnisse 
im Gebiet des saugenden Widerstandes. Bei allen spitzen Neigungswinkeln liegt das 
Maximum des negativen Widerstandes oder das absolute Minimum des hydrodynamischen 
Widerstandsdruckes auf der dem vorangehenden Rande benachbarten Tafelhálfte, wahrend 
auf der nachfolgenden Halfte die Drucklinie mehr und mehr emporsteigt und bis an die 
Nulllinie oder selbst darüber hinaus fortschreitet (Fig 19 II). 

Schneidet man die positive Staufláche, d. h. das Flächenstück zwischen dem 
Nullniveau und der Staukurve, aus Karton aus und bestimmt durch Ausbalanzieren den 
Schwerpunkt, so erhált man damit die Lage des Angriffspunktes der Resultante des 
positiven Widerstandsdruckes + (Fig. 20 Taf. V) an der Nulllinie. Ebenso ergiebt sich 
an der negativen Staufläche oder Depressionsfliche der entsprechende Angriffspunkt des 
saugenden Widerstandes —r. Letzterer liegt immer näher nach dem Vorderrande der 
Fläche, als der Angriffspunkt der Druckresultante. Nimmt man endlich beide Flächen- 
stücke zusammen, so zeigt sich nach Bestimmung des gemeinsamen Schwerpunktes, dass 
der Angriffspunkt der Resultante R des ganzen positiven und negativen Widerstandes 
auf der voraufgehenden, vorderen Flächenhälfte liegt und in gesetzmässiger Weise 
(AVANZINI) mit abnehmendem Neigungswinkel gegen den vorderen Fláchenrand verschoben 
wird. Will man die mittlere Intensitát der elementaren Widerstandskrâfte ermitteln, so 


6* 


_44 


hat man nur durch Abwagen der ausgeschnittenen Flächenstücke oder durch das Polar. 
planimeter die Flacheninhalte der Stau- und Depressionsflachen zu bestimmen und dieselben 
einzeln oder in Summa durch die Flächenbreite zu dividieren. 

Wie die Strômungen im Minderdruckgebiet, so wechseln auch die Formen der 
negativen Staulinie in sehr empfindlicher Weise mit dem Neigungswinkel, der Geschwindig- 
keit des Hauptstromes und vor allem noch mit der Richtung des Eintauchens der Tafel. 
Erfolgt das Eintauchen nicht in genau vertikaler Richtung, so wird auch die Form und 
Lage der Staulinien sofort von der Norm abweichen, und. die absoluten Masse der 
Ordinaten zeigen dann so auffallige Differenzen, dass der ziffermássige Vergleich der 
durch verschiedene Aufnahmen gewonnenen Staubilder sehr erschwert wird. Die 
charakteristische Hauptform der negativen Kurve wird jedoch von diesen 
Differenzen nicht wesentlich berührt. 

Für genaue quantitative Messungen, die im Interesse der Sache dringend zu 
wünschen sind, reichen meine Apparate nicht ganz aus, da die Führung des Wagens und 
des Mechanismus zum Einsenken der Tafeln etwas zu leicht gearbeitet ist, und gewisse 
Durchbiegungen nicht ausgeschlossen sind, da mir ferner auch gegenwärtig kein durchaus 
gleichfórmiger (Akkumulatoren-) Strom für den Antrieb zur Verfügung steht. Es wäre 
auch notwendig, dass die Apparate, der sonst unvermeidlichen Erschütterungen wegen, 
in einem besonderen erschütterungsfreien Raume dauernd aufgestellt würden. Mir steht 
dazu nur ein vielbenutztes Sammlungszimmer im Oberstock des Realgymnasiums des 
Johanneums zu Hamburg zur Verfügung, in welchem ich die Apparate immer nur für 
kurze Zeit — meist nur in den Ferien — aufbauen kann, um sie nachher wieder abzu- 
brechen und in einem wenig geeigneten Bodenraume aufzubewahren. 

Bei der Bedeutung, welche derartige Untersuchungen für das ganze, bisher 
so dunkle Gebiet der Widerstandsmechanik zweifellos haben, ist es ein unabweisbarcs 
wissenschaftliches Erfordernis, dass die quantitativen Versuche baldigst und mit allen 
Hülfsmittelfi der Feintechnik ausgeführt werden; steht doch zu hoffen, dass wir durch die 
mitgeteilten Methoden nicht nur über die Widerstandserscheinungen an ebenen und ge 
wôlbten Drachen. und Segelflachen unterrichtet werden, sondern auch über den Widerstand 
an andersgestalteten Kórpern, Projektilen, Schiffsrümpfen u. s. w. die bisher fehlenden 
experimentellen Grundlagen gewinnen werden, und dass es schliesslich einmal gelingen 
wird, die für jeden praktischen Zweck winschenswerte Kôrperform für maximalen resp. 
minimalen Widerstand im Voraus experimentell zu bestimmen. 

Wie die Photogramme der Strómungen immer nur die Vorgánge in der Focal 
ebene darstellen, so geben auch die Staukurven nur den Druck an, der über den Punkten 
des jeweiligen statischen Niveaus herrscht, und es fragt sich daher, wie sich die Druck- 
verháltnisse über den tiefer eingetauchten oder untergetauchten Arealen 
gestalten. . 

Da die Druckkrafte 0 abhängig sind von dem Verlauf der Widerstands 
strômungen, so folgt, dass jene Kräfte auch überall dort wesentlich von gleicher Grösse 
und Anordnung sein müssen, wo die Stróme von gleicher Art sind wie am Niveau. 


45 


Durch die Photographie der Strôme an vôllig untergetauchten Platten hatte sich aber die 
prinzipielle Übereinstimmung der Strómungen unter Wasser mit denen am Niveau bei 
eingetauchten Platten ergeben. Nach den Vorstellungen, die wir aus jenen Photogrammen 
über den gesamten Strómungsverlauf weiter oben entwickelt hab>n, sind wir nunmehr 
dank der Staukurven in der Lage, ein nahezu vollstándiges Bild der Verteilung des 
Widerstandsdruckes an der ganzen untergetauchten Tafel zu entwerfen. 

Denken wir uns die Tafel AB (Fig. 17, Taf. V) in der Normalstellung zum 
Strome mit der schmalen Seite etwa bis zum Niveau D D eingetaucht, so sind die er- 
haltenen Staukurven immer dieselben, gleichviel, welche Lage die Linie D D zwischen 
den beiden Punkten C und C hat, denn in diesem Raume sind auch, wie oben (s. S. 32) 
gezeigt, die Strómungen jedes Niveaus konstant. 

Da nun die Intensitát des Widerstandsdruckes in jedem Punkte der Niveaulinie 
D D durch die zugehórigen Ordinaten der beiden Staulinien bestimmt ist und die Linie 
D D durch jeden beliebigen Punkt von C C gelegt werden kann, so ist auch die Inten- 
sitát des positiven wie negativen hydrodynamischen Druckes in jedem be- 
liebigen Punkte des Fláchenstiickes F F bekannt. 

Zur graphischen kórperlichen Darstellung des gesamten Widerstandes über der 
Fláche FF bedarf es nur noch eines Schrittes. Man hat sich nur zu vergegenwartigen, 
dass der hydrodynamische Druck, der die Stauungen an der Tafel erzeugt und durch 
sie gemessen wird, als Widerstandsdruck in der Richtung senkrecht zur Tafel 
wirkt. Um ihn aber in dieser richtigen Ordnung zu konstruieren, hat man nur nótig, 
das von den beiden Staukurven begrenzte Flächenstück, dass wir kurz als die Staufláche 
bezeichnen wollen, um die Linie DD als Achse um einen Winkel von oof zu drehen. 
Verschiebt man darauf die so aufgerichtete Staufläche als Profil parallel auf der Linie C C 
entlang, so beschreiben die beiden Staukurven über der Fláche FF einen Kôrper, der 
das getreue Modell des Widerstandes ist, den dies Fláchenstiick erfáhrt. 

Ein solches Modell lässt sich vermittelst des Stauflachenprofils leicht in Thon 
oder Paraffin ausführen. Um es auch für die Flachenstiicken C EF am Ende der Tafel 
näherungsweise zu vervollständigen, hat man zu beachten, dass der Druck über E und F 
gleich gross ist und dass er von E und F aus gegen die Ecken der Tafel abnimmt. Man 
dreht daher das Halbprofil über C F um eine in C senkrecht stehende Achse im Halb- 
kreis herum, und hat dann nur noch die Ecken durch Verlángerung der bis zum Rande 
des Halbkreises vorhandenen Oberflache auszufüllen. Sollte dabei in den áussersten 
Ecken ein Fehler unterlaufen, da wir ja den absoluten Betrag des Druckes an den Ecken 
nicht durch die Staulinien messen kónnen, so hat derselbe angesichts der natürlichen 
Schwankungen des Widerstandes im bewegten Medium keine allzu grosse Bedeutung und 
kann füglich wohl vernachlâssigt werden. 

Mit der Herstellung des Widerstandsreliefs sind wir am Ziel unserer experimentellen 
Untersuchungen angelangt, denn das Relief giebt mit den Ordinaten der krummen Fláchen 
die Intensitát des positiven und negativen Druckes für jeden beliebigen Punkt der Tafel 
an und stellt den Widerstand an einem beliebigen Flàchenstück derselben, wie über der 


5 A 


ganzen Tafel in allen irgendwie wünschenswerten Einzelheiten und mit allen seinen Eigen- 
schaften dar. 

Da die Ordinaten der Staulinien ihrer Entstehung nach die Hóhen der Wasser- 
säulen sind, welche in jedem Punkte des Nullniveaus dem hydrodynamischen Widerstands- 
drucke das Gleichgewicht halten, so ist auch im Gesammtrelief die Intensitát des Druckes 
durch die Ordinaten in Hóhen von Wassersáulen ausgedrückt, die auf der vorderen 
Seite der Tafel lasten, resp. an der Hinterseite als Zugkráfte wirken, beide im gleichen 
Sinne und in der Richtung des Widerstandes. Kônnte man daher über der horizontal 
gestellten Tafel aus flüssigem Wasser einen Kôrper formen, der dieselbe Gestalt und 
Grósse hátte, wie das Widerstandsmodell, so würde derselbe auf jeden Punkt der Tafel 
statisch durch sein Gewicht in derselben Weise wirken, wie der hydrodynamische Wider- 
standsdruck, den die Tafel bei ihrer Bewegung im Wasser erfuhr. Das Gewicht eines 
solchen Wasserkórpers würde gleich dem Gesammtwiderstande sein, und die durch seinen 
Schwerpunkt gehende Vertikale würde auf der Tafel den Angriffspunkt der Resultante 
des Widerstandes bezeichnen. Ist das Modell des Widerstandes aus Paraffin hergestellt, 
so lásst sich leicht der Schwerpunkt und das Volum empirisch bestimmen. Das Volum 
in Kubikcentimetern ist dann gleich dem Gewicht eines gleich grossen Kórpers Wasser 
in Grammen, also gleich dem Gesamtwiderstande. Durch die Lage des Schwerpunktes 
würde auch hier die des Widerstandspunktes oder des Angriffspunktes der Resultante des 
Widerstandes bestimmt sein. 

Auf Grund des vorliegenden Materials habe ich eine Anzahl von Widerstands- 
modellen für rechteckige, quadratische und kreisfórmige Scheiben zunáchst aus Thon her- 
gestellt uud auf der vorjáhrigen Naturforscher-Versammlung zu Hamburg vorgelegt. Die 
Fig. 70 und 71 Taf. XVI zeigen die Modelle für kreisfórmige und quadratische Scheiben 
von 5 cm Breite und bei einer Strómungsgeschwindigkeit von 0,25 m sec. Die konvexen, 
helleren Kurven stellen in beiden Fällen den Druck gegen die Vorderseite dar, während 
die in der Mitte vertieften, dunkleren Modelle den negativen Druck oder Sogg an der 
Rückseite der Platten veranschaulichen. Die Herstellung weiterer Modelle für die theoretisch 
und praktisch in Frage kommenden flächenhaften Körper, wie Drachenflächen, Flügel und 
Schiffssegel für verschiedene Neigungswinkel und Geschwindigkeiten, ist in Aussicht genommen. 

Neben den Modellen behalten jedoch die Stauflachen ihren hohen Wert für die 
weitere vergleichende Betrachtung, da sie als Profile der kórperlich dargestellten Individuen 
des Widerstandes zugleich deren wesentlichen Charakter enthüllen. Für kleine Neigungs- 
winkel und Flächen von langrechteckiger Form genügen die Stauflachen in den meisten 
Fàllen vollkommen zur Darstellung des Widerstandes, da sie die Verhàltnisse über dem 
weitgrössten Teile der Tafel zur Anschauung bringen und die geringeren Widerstands- 
betráge an den schmalen, seitlichen Enden derselben den gesamten Widerstand nicht 
entscheidend beeinflussen. 

Wie ungemein wertvoll die Dienste sind, welche uns die Stauflachen für weitere 
vergleichende Untersuchungen zu leisten berufen sind, mógen die folgenden kurzen An- 
gaben zeigen. 


Al 


Stellen wir eine 5 cm breite Platte und eine solche von 10 cm in der Normal- 
stellung (« == 90°) in denselben Strom, so zeigt die Staufläche der schmäleren Platte 
durchschnittlich etwas geringere Stauhöhen (Abstände der Staukurven), als die breitere 
(Fig. 18 Taf. I. und II), was mit den aerodynamischen Messungen LANGLEY’s qualitativ 
im Einklang steht; und da die Depressionslinie sich bei breiteren Tafeln mehr der Linie 
des Nullniveaus nähert, als bei schmalen Platten, so ist auch der Anteil der Saugung 
am Gesammtwiderstande bei den ersten relativ geringer als bei den letzteren. Werden 
dagegen dieselben Tafeln unter spitzen Winkeln dem Strome entgegengestellt, so 
veranschaulichen die Stauflächen (Fig. 19 Taf. I und II) die Überlegenheit der schmäleren 
Tafeln gegenüber den breiteren, von welchen in diesem Falle ein volles Drittel, das dem 
hinteren Rande benachbart ist, überhaupt keinen nennenswerten Widerstand zu leisten hat. 

Es eröffnet sich damit ein ausgedehntes Gebiet für weitere vergleichende Unter- 
suchungen, die uns Aufklärung zu geben versprechen über den ursächlichen Zusammenhang 
der zahlreichen, oft widersprechenden hydrodynamischen und aerodynamischen Thatsachen, 
die durch die Untersuchungen eines AVANZINI, HAGEN, KUMMER, Lord RAYLEIGII, 
LANGLEY, v. LOESSL und anderer im Laufe des letzten Jahrhunderts bekannt geworden sind. 

Da die Stauflächen neben den Strömungsphotogrammen die wichtigsten, ent- 
scheidenden Dokumente des Widerstandes sind, so wird es sich zunächst darum handeln, 
mit Hülfe technisch vollkommener Apparate eine möglichst umfangreiche Sammlung 
derselben für alle theoretisch oder praktisch in Frage kommenden Fälle herzustellen und 
in systematischer Ordnung in einem Archiv zu vereinigen. In diesem Archiv hätten 
auch die zugehörigen photochronographischen Aufnahmen der Widerstandsströmungen, 
sowie die Widerstandsmodelle Aufnahme zu finden. Mit einem so geordneten Material von 
Dokumenten und experimentellen Hülfsmitteln wären alle auf dem Gebiete der Wider- 
standsmechanik auftretenden Fragen wissenschaftlich zu beantworten; im besonderen die 
wichtige Frage nach der gesetzmässigen Abhängigkeit der Widerstandsgrössen von der 
Form, Stellung und Grösse der Flächen, sowie der Fragenkomplex, der von den 
AVANZINIschen Versuchen seinen Ursprung nimmt und der auf die Ermittelung des 
Gesetzes von der Lage und Verschiebung des Widerstandspunktes unter wechselnden 
Bedingungen hinzielt. 

Alle bis jetzt vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen über den hydro- 
und aerodynamischen Widerstand bescháftigen sich, mit verschwindenden Ausnahmen, allein 
mit ebenen Tafeln, da es ausser der dynamometrischen Messung des Gesammtwiderstandes 
kein Mittel gab, die Eigenschaften desselben an gewôlbten Flächen zu ermitteln. Was 
wir bisher über die Bedeutung der gewölbten Flächen für den Widerstand wissen, beschränkt 
sich der Hauptsache nach auf die Erfahrungen der Seeleute, dass die bauschigen Segel 
vor dem Winde einen guten Zugeffekt geben. LILIENTHAL ist meines Wissens der 
einzige, der den Winddruck an gewólbten Fláchen direkt gemessen hat. Seine Flug- 
apparate waren mit gewölbten Tragflächen ausgestattet, aber er machte die Beobachtung, 
dass die Stabilität durch die Wölbungen stark beeinflusst werde, und verringerte daher 
mehr und mehr den Grad der Flächenkrümmung. Es ist noch heute meine auch an 


48 


anderer Stelle ') ausgesprochene Meinung, dass dieser kühne Bahnbrecher auf dem Gebiete 
des dynamischen Kunstfluges sein Leben nicht in so beklagenswerter Weise verloren hatte, 
wenn ihm der wahre Einfluss der Flächenkrümmung auf die Gestaltung des Widerstandes 
bekannt gewesen wáre. 

Steht eine gewôlbte Fläche mit der Höhlung dem Strom des flüssigen Mediums 
gerade entgegen, so ist wohl, wie die Drehung des ROBINSON'schen Schalenkreuzes der 
Anemometer zu beweisen scheint, der Widerstand grósser, als bei entgegengesetzter 
Flächenstellung, allein bei freischwebenden Flugapparaten steht diesem Vorteil der ent- 
schiedene Nachteil gegenüber, dass bei den unvermeidlichen Schwankungen des Systems 
und des Stromes der negative Widerstand an der Rückseite von den Rándern her positive 
Werte bekommt, dass der Wind die Oberseite trifft und der Absturz möglich oder 
unvermeidlich wird. Durch Anwendung ebener oder noch besser unterseits konvexer 
Flächen kann man eine vorteilhaftere, ja absolute Stabilität erzielen. Jedenfalls ist die 
Kenntnis des Widerstandes an gewôlbten Flachen für die Flugtechnik von grósstem Interesse. 

O. LILIENTHAL hatte die Hypothese aufgestellt, dass die Wólbung des Vogel- 
flügels die Ursache des erstaunlichen Schwebevermögens so mancher dieser Tiere sei. Er 
glaubte auf Grund seiner Versuche den gewolbten Tragflachen für Neigungswinkel bis 
zu 60? nicht nur einen grósseren hebenden Luftwiderstand zuschreiben zu müssen als 
ebenen Tafeln, sondern führte auch durch eine eigenartige Zerlegung der Kräfte des 
Náheren aus, dass an solchen Flächen eine vorwartstreibende Komponente des Widerstandes 
auftrete. Zur weiteren Stütze dieser Ansicht berichtete L. von seiner Beobachtung, dass 
ein Drachen bei starkem Winde über den Zenith hinaus gegen den Wind angeflogen sei, 
was doch nicht móglich sei, wenn nicht eine vortreibende Kraft vorhanden wáre. 

An der Richtigkeit dieser letzteren Beobachtung ist nicht zu zweifeln, da sie 
auch von anderer Seite, namentlich von Herrn Prof. K0PPEN bei den meteorologischen 
Drachenexperimenten der Seewarte, gemacht worden ist. Allein es ist nicht zulássig, die 
Ursache dieser seltenen Erscheinung in der Form der Drachenflachen zu suchen, da diese 
konstant ist, und somit auch das Vorschweben die Regel und nicht die Ausnahme sein 
müsste. Die Ursache des Phinomens muss also ausserhalb des Drachens in den unregel 
massigen Bewegungen des Windes liegen und kann hóchstens durch die Form der 
Drachenflachen und die Art der Belastung, die Schwerpunktslage, mchr oder weniger 
begünstigt werden. Offenbar handelt es sich, sobald der Drachen den Zenith überschreitet, 
um gewöhnlichen freien Schwebeflug mit sinkender Tendenz, der mit jeder beliebigen 
Drachenform erzielt werden kann, sobald der Fadenzug in der Richtung der Schwerkraft 
erfolgt, oder einfach durch entsprechende, richtig angebrachte Belastung ersetzt wird. Das 
Nahere wird man aus meiner Arbeit über den Schwebflug und die Fallbewegung in der 
Luft (Bd. XV dieser Abhandlungen) entnehmen kônnen. Daselbst habe ich auch die 
Unrichtigkeit der Kraftzerlegung dargethan, durch welche LILIENTHAL den gewölbten 
Fláchen eine vortreibende Komponente herausbrachte. 


Ð Stabilität der Flugapparate. Bd. XV dieser Abhandl. 


sue 


Das Phänomen des vorschwebenden Drachens ist neuerdings auch von dem 
australischen Erfinder des nach ihm benannten HARGRAVE-Drachens zur Begriindung 
einer mit der LILIENTHAL'schen identischen Flughypothese verwendet worden. Auch nach 
HARGRAVE !) liegt das Geheimnis des Segelfluges in den gewôlbten Flugflachen, die nicht 
nur einen den ebenen Fláchen überlegenen Antrieb nach oben zu stande kommen lassen, 
sondern auch einen Zug des Windes nach vorn bedingen sollen. 


Wenn wir den obigen Ausführungen noch hinzufügen, dass gerade die besten 
Segelvógel, wie der Albatros, auffallend ebene Flügel besitzen, und dass auch bei den 
Ruderflüglern die starken Hóhlungen der Flügel beim Tiefschlag ausgeglichen, teils sogar 
in Folge von Durchbiegung in Konvexitáten verwandelt werden 7, wenn wir endlich an die 
elementare Segelvorschrift erinnern, dass beim Aufkreuzen gegen den Wind unter kleinen 
Segelwinkeln, wie sie doch beim Segelfluge auch in Anwendung kommen, unbedingt 
straffe, móglichst ebene Segel erforderlich sind, — so kónnten wir diesen Gegenstand als 
erledigt betrachten. Allein HARGRAVE hat — in anderer Weise als LILIENTHAL — seine 
Ansicht noch durch einige nicht uninteressante hydrodynamische Versuche zu stützen 
gesucht, die mich veranlassen, anschliessend den Einfluss der Flächenkrümmung 
auf die Form des Widerstandes weiter zu verfolgen. 


HARGRAVE tauchte in ein kleines Wassergefäss einen gewölbten Aluminium- 
flügel, der um seinen Vorderrand drehbar war, streute Oker auf das Wasser und setzte 
die Flüssigkeit vermittelst eines Blasebalges in Strómung. Dabei stellte sich der Flügel 
aus jeder beliebigen Anfangslage immer so ein, dass die Sehne des Wölbungsbogens 
einen nach hinten offenen Winkel von 30 ? zur Hauptstromrichtung 
bildete, und es zeigte sich in der Hóhlung ein Wirbel, dessen 
Strómung an der Seite des Flügels nach vorn gerichtet war. 
HARGRAVE zieht daraus den Schluss, dass der bei A gegen die 
Höhlung gerichtete Druck an dem entfernteren Areale des Flügels 
grösser sein müsse, als der bei B in der Nähe des verdickten 
Vorderrandes; und die vorwârts gerichtete Wirbelstrómung müsse, indem sie gegen die 
gestráubten Federn an der Unterseite des Flügels treffe, einen Antrieb nach vorn auslósen, 
durch den das Rátsel des Segelfluges gelóst werde. 





Was zunächst den Verlauf der Widerstandsstrómungen an derartigen Flächen 
anbetrifft, wie sie HARGRAVE in Anlehnung an gewisse Formen von Vogelflügeln für 
seine Versuche gebrauchte, so bestätigen meine Photogramme (Fig. 52— 59 Taf. XII u. XIII) 
durchaus die Richtigkeit der Beobachtungen HARGRAVE's, soweit sie sich auf die hohle 
Seite der Flügel beziehen. Während bei einem Supinationswinkel von 40? (Fig. 52) an 
der dem Strome zugewandten hohlen Seite der Tafel nur die charakteristischen 


DL HARGRAVE: The Possibility of Soaring. Journal of the Royal Soc. of N. S. Wales 1897. p. 205—213. 


2) Über die in der Fluglitteratur sonst wenig beachteten Deformationen der Flüchenwólbungen vergleiche 
man den Abschnitt in des Verfassers »Mechanik des Vogelfluges« Bd. XIV dieser Abhandlungen. 


7 


50 

Stauungserscheinungen der Stromfáden auftreten, zcigte sich bereits bei 30? und 259 
(Fig. 53) eine typische Wirbelung als Ausdruck einer hier stattfindenden Saugung. Auch 
die folgende Figur 54, bei 20% Neigung, lásst den Wirbel deutlich erkennen, obgleich 
hier die Wölbung etwas flacher gewählt ist, und somit das ganze Phänomen in engeren 
Grenzen verlauft. Wie nun in den folgenden Bildern der Neigungswinkel auf o? (Fig. 55) 
sinkt und dann die negativen Werte der Pronationswinkel von 109, 239, 30% und 40? 
(Fig. 56--59) erreicht, dehnt sich die Wirbelung mehr und mehr nach hinten aus, und 
man sieht in dem letzten Bilde den Querschnitt eines mächtigen Wirbelringes, der seinen 
Nachlaufstrom schräg von unten her gegen das äusserste Ende der Tafel sendet. 

An der konvexen Seite der Tafel liegt bei grossen positiven Neigungswinkeln 
(Fig. 52 ff.) eine Schleppe von der Form eines stark unsymmetrischen Wirbelringes, dessen 
Vorderrandast den ganzen Raum hinter der Tafel erfüllt, wahrend sein Gegenstück, 
gegen den Unterrandstrom gepresst, in eine Reihe sekundârer Wirbelchen aufgelost ist, 
und die Mitte des Nachlaufs gegen den unteren Tafelrand stósst. Mit abnehmendem 
Neigungswinkel. schrumpfen diese Wirbel mehr und mehr zusammen, wie gleichzeitig die 
an der hohlen Tafelseite zunehmend sich entwickeln. 

Durch den Verlauf der Strómungen erklárt sich nach den früher mitgeteilten 
Regeln die Anordnung des hydrodynamischen Druckes, wie er durch die Staukurven 
dargestellt wird. Die Fig. 22—28 Taf. VI geben die Staulinien für dieselben Neigungs- 
winkel der gekrümmten Flächen, für welche die photographischen Aufnahmen der Strom- 
linien gelten. Man ist somit in der Lage, das Strómungsbild mit den Stauerscheinungen 
zu vergleichen und den innigen Zusammenhang zwischen Strómung und Druck zu verfolgen. 

Die Staulinien an den hohlen Seiten der Flügel sind stárker ausgezogen, als die 
von der konvexen Seite. Das Stauwasser an der Hohlseite ist durch Wasserschraffen 
markiert, das der Gegenseite ist punktiert. 

Bei einem Supinationswinkel von 40% (Fig. 22) zeigt sich bereits ein auffallender 
Unterschied gegenüber den ebenen Platten. Während bei diesen letzteren beide Stau- 
kurven in der Náhe des Vorderrandes ihren hóchsten Stand erreichen (Fig. 20), liegt bei 
der gewölbten Fläche das Druckmaximum über der zweiten Hälfte der Tafel, nicht weit 
vom Hinterrande, und an der Rückseite fehlt die so charakteristische Ausbuchtung der 
Depressionslinie, die bei ebenen Tafeln immer über der vorderen Tafelhalfte liegt. Die 
Wôlbung der Fläche hat also eine ausgesprochene Verschiebung des Gesamt- 
widerstandes gegen den hinteren Rand zur Folge. 

Bei 30? Neigung zeigt sich an der konvexen Rückseite eine fast symmetrische 
Depressionslinie mit randwárts ansteigenden Schenkeln. In der Hohlung fállt die positive 
Staukurve von einem nahe dem Hinterrande liegenden Maximum gleichfórmig gegen den 
Vorderrand ab, hat aber hier eine leichte Depression, sodass die zwischen beiden Kurven 
liegende Stauflache dort eine auffällige Verschmälerung erfährt. Mit weiter abnehmendem 
Neigungswinkel wird diese Depression grósser und grósser, und bald liegt ein Teil jener 
Kurve tiefer als die Staulinie an der Rückseite. Die Platte hat nunmehr beim Vorder- 
rande Überdruck an der Rückseite. Die Staulinien haben die Form einer unsymmetrischen 


a 


Schleifenlinie angenommen und umschliessen nun zwei durch einen druckfreien Indifferenz- 
punkt getrennte Stauflächen. Die kleinere, vordere Fläche ist das Mass des von hinten 
her gegen die Höhlung gerichieten Druckes, die grössere stellt den nach hinten ge- 
richteten Widerstandsdruck dar. 

Bei 0° Neigung, wo die ebene Fläche überhaupt keinen Seitendruck erfährt, 
finden wir an der gewölbten Tafel (Fig. 25) noch beide entgegengesetzt wirkenden 
Widerstandsareale vor. Die horizontalen Richtungen ihrer Resultanten sind durch die 
kleinen Pfeile am Querschnitt der Platte angegeben, im Staubild durch nach unten resp. 
oben gehende Pfeilchen angedeutet. 

Werden die Neigungswinkel negativ, so nimmt das Widerstandsareal am Vorder- 
rande mehr und mehr zu, während das am Hinterrande kleiner wird und endlich, je nach 
.dem Grade der Krümmung, verschwindet. 

Das Resultat dieser Untersuchung ist sonach, dass an gewölbten 
Flächen bei kleineren positiven und negativen Neigungswinkeln zwei ent- 
gegengesetzt wirkende Widerstandsklomplexe auftreten, welche die Tafeln 
um eine Längsachse so zu drehen streben, dass sich der Vorderrand in der 
Richtung gegen die Höhlung, der Hinterrand nach der Seite der Konvexität 
bewegt. | 

Ist nun, wie bei den Versuchen HARGRAVE's, eine gewölbte Tafel an einem 
Längsrande drehbar befestigt, so wird dieser natürlich in einem Flüssigkeitsstrome zum 
Vorderrande und die beiden Gruppen der Widerstandskräfte wirken nun wie añ einem 
einarmigen Hebel in entgegengesetzter Richtung auf den Apparat. Da der Hebelarm der 
dem Vorderrande benachbarten Widerstände kleiner ist, als der vom freien Tafelrande, 
so ist klar, dass zwischen diesen Kräften erst dann das Gleichgewicht herrschen kann, 
wenn diejenigen des kürzeren Hebelarmes entsprechend grösser sind als die am langen 
Hebel wirkenden. Bis dahin folgt die Tafel einer Drehung im Sinne der letztgenannten 
Kräfte. Diese Drehung hat aber, wie unsere Staukurven lehren, die Wirkung, dass sie 
eben diese Kräfte selbst vermindert und die Gegenkräfte wachsen lässt, bis bei einer 
ganz bestimmten Neigung die Gleichgewichtslage erreicht ist. Und bei HARGRAVE's 
Versuchen war dies eben bei dem Neigungswinkel von — 30° der Fall. Dass diese 
automatische Einstellung der Trägheit der Massen wegen nicht ohne Schwankungen 
erfolgen kann, sei nebenbei erwähnt. 

Soweit man daher diese merkwürdigen Erscheinungen benutzt hat, um damit die 
Meinung zu begründen, dass die gewölbten Platten besonders geeignet seien, den 
horizontalen Luftwiderstand in Auftrieb zu transformieren, — hat man sich in einem 
nunmehr klar zu Tage liegenden Irrtum befunden. Dem grösseren Auftrieb am hinteren 
Areal steht ein Abtrieb am vorderen Teil der Platte gegenüber. Beide erzeugen an einem 
Flügel ein Drehungsmoment, das für die Unterhaltung der Flugbewegung nicht nur 
überflüssig, sondern schädlich ist, da es im günstigsten Fall eine unnötige Spannung im 
Material hervorruft und bei ungünstiger Lage des Systemschwerpunktes verhängnisvolle 
Störungen des Gleichgewichts veranlassen kann. — 


7" 


Re 


Seitdem man nach dem Vorgehen des Blue-Hill- Observatorium den Drachen 
in den Dienst der Meteorologie gestellt hat, ist man bemüht gewesen, den zuerst in 
Amerika benutzten HARGRAVE'schen Kastendrachen durch zweckmässige Anordnung der 
tragenden und steuernden Flächen in seiner Tragfähigkeit und Stabilität möglichst zu 
vervollkommnen. So ist es Herrn Prof. W. KOPPEN an der Deutschen Seewarte 
gelungen, durch einfaches Verschieben der oberen Tragflachen eine Drachenform zu 
erzielen, die dem HARGRAVE bedeutend an Tragkraft und Steigkraft (steigt bei weit 
geringerer Windstárke) überlegen ist. Diese Uberlegenheit hat natürlich ihren Grund in 
der besseren Ausnutzung des Luftstromes; aber wie dies zusammenhängt, darüber fehlte 
jede sichere Aufklárung, weil man nicht wusste, wie der Luftstrom zwischen den über 
cinander stehenden Fláchen verláuft und wie der Widerstand dadurch beeinflusst wird. 

Durch die Photographie der Widerstandsstrómungen und mit Hülfe der Stauflâchen 
sind wir jetzt in der Lage, auch auf diesem ebenso interessanten wie wichtigen Gebiete 
praktisch wissenschaftlichen Forschens Klarheit zu verbreiten. Um dies erkennen zu lassen, 
füge ich die Fig. 60 Taf. XIV hinzu, welche den Verlauf der Widerstandsstrómungen 
an zwei übereinander stehenden Fláchen photographisch darstellen. Mit Hilfe der weiter 
oben angegebenen Regeln ist es leicht, zu sehen, wie der Widerstand an beiden Platten 
angeordnet ist, und wie beide sich gegenseitig beeinflussen. Wie gross dieser Einfluss 
ist, zeigt der Vergleich der Stauflächen (Fig. 21 Taf. V), welche mit einem ähnlichen etwas 
engeren Plattenpaare aufgenommen sind. Nur an der Vorderseite der unteren Tafel AB sind 
die Strómungen und Widerstandsgróssen unbeeinflusst. An der Hinterseite wird die hebende 
Wirkung des Minderdrucks dadurch verringert, dass die obere Tafel den Strom in den 
Raum zwischen beiden scharf ablenkt und dadurch die Auffüllung des Minderdruckes 
erleichtert. Die obere Tafel DC hat unterwarts nur am vorangehenden Rande Überdruck; 
nach dem Unterrande zu wendet sich der Strom sichtbar von der Tafel ab, indem er durch 
das Minimum der unteren Platte angesogen wird. Dadurch erhält die zweite Tafel an 
ihrer Vorderseite Minderdruck, das Niveau sinkt unter die Nulllinie, wo eigentlich, bei 
freier Lage derselben, Überdruck herrschen müsste. An der Rückseite aber führt der 
Unterrandwirbel der oberen Tafel in Folge des Empordrängens des Unterrandstromes der 
unteren Platte durch den Nachlauf solche Wassermassen nach vorn, dass hier, im Gebiet 
normaler Saugung, sogar ein Überdruck resultiert, der zusammen mit dem Minderdruck 
an der Vorderseite die obere Platte steiler zu stellen strebt, was als Drachenwirkung höchst 
nachteilig wäre, 

Die Platten stehen beide unter grösserem Neigungswinkel zum Strome, als es bei 
den Drachen die Regel ist, wo, wie mir Herr Prof. KÖPPEN mitteilt, die Winkel im 
Durchschnitt 20—22? sind; aber soviel ist aus dem photographischen Bilde doch zu sehen, 
dass die mangelhafte Drachenwirkung der oberen Platte ihren Grund in der Anordnung 
beider Tafeln hat, und dass dem Übelstande dadurch abgeholfen werden kann, dass z. B. 
die obere Tafel in ihrer Richtung weiter nach oben verlegt wird. 

In Fig. 64 Taf. XV sehen wir die Strömungen an zwei dementsprechend 
angeordneten, schwach gewölbten Drachenflächen von 23° Neigung. Die obere Tafel ist 


53 


soweit nach vorn verschoben, dass sie vertikal über der unteren steht. Das Strómungsbild 
ist aber dennoch ein auffállig verschiedenes an beiden Platten, denn die im übrigen 
ahnliche Wirbelung ist hinter der oberen Platte weit umfangreicher als an der unteren, 

Um diese Differenz auszugleichen, wurde die untere Fláche auf 40? Neigung 
gestellt. Die Fig. 65 zeigt, dass nnter dieser Bedingung an beiden Platten nach Form 
und Umfang annâhernd übereinstimmende Wirbelungen auftreten. 

In áhnlicher Weise giebt Fig. 66 die Strómungen an dreiflichigen Drachen bei 
gleichen Neigungswinkeln, und Fig 67, wenn die untere Fläche auf 40? Neigung, die 
Mittelfliche aber in die Richtung des Stromes eingestellt ist. Die Zwischenplatte ist 
in diesem Falle als Steuerfläche gedacht, um die Steilstellung der unteren Platte im Winde 
zu erzwingen. 

Untersucht man diese Flächenkombinationen mit Stauversuchen, so ergiebt sich 
für die zweiflâchige Anordnung die Thatsache, dass beide Platten bei gleicher Neigung 
auch nahezu denselben Widerstand erfahren (Fig. 29 Taf. VI) obwohl die obere eine 
erheblich gróssere Wirbelschleppe nachzieht; und dass umgekehrt die untere Platte auch 
einen entsprechend grósseren Widerstand hat, wenn ihr Neigungswinkel vergróssert und 
dadurch die Wirbelung auf denselben Umfang gebracht wurde wie bei der oberen Platte 
(Fig. 30). Man kann also bei benachbarten Flächenkombinationen nicht ohne weiteres 
aus dem Umfang der Stórungen hinter den einzelnen Platten auf die Grósse der geleisteten 
Widerstandsarbeit schliessen, für welche erst die Stauflichen einen Massstab liefern. 

Da die Vorgánge und Wirkungen an Drachenflichen im Prinzip dieselben sind 
wie an Schiffssegeln, so folgt, dass unsere Untersuchungsmethoden auch geeignet sind, 
für die Theorie der Schiffssegel neue Unterlagen zu schaffen. Ich gehe nicht so weit, 
anzunehmen, dass es sobald gelingen werde, neue Segelsysteme zu konstruieren, welche 
den vielen vorhandenen auf alle Falle überlegen wären, aber wir besitzen doch jetzt die 
Hülfsmittel, durch welche wir eine vorhandene oder projektierte Segelordnung wissen- 
schaftlich auf ihre Wirksamkeit bei den verschiedenen Segelwinkeln prüfen kónnen, und 
sind also nicht mehr allein auf das nicht weiter erklárte Ergebnis der praktischen Probe 
angewiesen. Wir wissen jetzt, warum die breiten Segel so kräftig : vorm Winde« ziehen 
und warum die schmalen die besten »Amwindsegel« sind. Es ist lângst bekannt, dass 
von zwei hintereinander stehenden Amwindsegeln das hintere einen mangelhaften Zug 
leistet, wenn die Lücke zwischen beiden nicht ausgiebig genug ist. Man giebt dafür auch 
die richtige Erklärung, dags der Wind vom ersten Segel dann nicht leicht genug abfliessen 
kann. Unsere Photogramme (z. B. Fig. 61 Taf. XIV) lehren uns, dass ein Teil des am 
ersten Segel bereits abgelenkten Windes über die zu enge Spalte hinweg unter kleinem 
Neigungswinkel auf das zweite Segel trifft und dadurch dessen Wirkung herabsetzen muss, 
indem er es zu einem weniger wirksamen Anhang am Hinterrande des ersteren macht. Die 
Staubilder bestätigen diesen Bestand (Fig. 31). So wird es auch möglich sein, für andere 
nicht genügend aufgeklärte Segelphänomene die Begründung auf experimentellem Wege 
zu ermitteln. Hier möge noch Fig. 62 Taf. XIV eingeschaltet sein, in welcher der Strom 
die beiden Platten von Fig. 61 senkrecht trifft. 


54 


Auch für die Prüfung der Schiffswiderstände sowie für die Beantwortung der 
Frage nach der besten Form des Schiffsrumpfes, welche bei gegebener Fahrgeschwindig- 
keit ein Minimum des Widerstandes erfährt, bieten unsere Untersuchungsmethoden neue 
analytische Hülfsmittel, die um so wertvoller sind, als auch auf diesem überaus wichtigen 
Gebiete des Schiffsbaues noch manche wichtige Fragen der Entscheidung auf experi- 
menteller Grundlage harren. Man hat sich bisher darauf beschränken müssen, nach der von 
dem englischen Gelehrten W. FROUDE angegebenen Methode die Gesamtwiderstände der 
Schiffsmodelle zu messen. Danach ist man in der Lage, die Anzahl der Pferdekräfte anzu- 
geben, welche von der Maschine des nach dem Modell gebauten Dampfers geleistet werden 
' müssen, um dem Fahrzeuge die verlangte Geschwindigkeit zu erteilen. Die auffälligen 
Unterschiede der Widerstandsgrösse an verschieden gestalteten Schiffskörpern hat man mit 
vollem Recht auf die von denselben im Wasser hervorgerufenen Strömungen und Stauungen 
resp. Depressionen zurückzuführen gesucht. Es wird sich nun darum handeln, das ganze 
System der Strömungen in der Umgebung des Schiffsmodells sowohl am Niveau, wie 
unter Wasser photographisch festzulegen. Mit Hilfe der mitgeteilten Regeln wird man 
aus den Stromlinien Schlüsse über die Verteilung der Druckkräfte machen können, die 
den Widerstand bedingen. Die Stauungen der Bug- und Heckwelle liefern dafür weitere 
Anhaltspunkte, wie die Staukurven für die flächenhaften Körper. Es scheinen mir 
keine unüberwindlichen Schwierigkeiten vorzuliegen, wenigstens für kleinere Schiffsmodelle 
das System des Widerstandes durch Strómungsphotogramme, Stauflachen und Druck- 
relief zu ermitteln. Bei grósseren tritt allerdings die Schwierigkeit der Photographie der 
Strómungen unter Wasser in den Vordergrund, weil es mit den vorhandenen Mitteln nicht 
möglich ist, grössere Wassermassen in einer für die Momentphotographie hinreichenden 
Weise zu durchleuchten. Man wird sich in solchem Falle der Hauptsache nach auf das 
Studium der Strómungen und Stauungen am Wasserspiegel beschránken und die Strómungen 
unter Wasser nach Massgabe kleinerer Modelle naherungsweise ergänzen müssen. Von 
eingetauchten prismatischen Kórpern, deren Profile den Wasserlinien von Schiffen ent. 
sprechen, liegen bereits zahlreiche Strómungsphotogramme vor, die spateren Mitteilungen 
vorbehalten bleiben. 

Neben den eingetauchten Schiffskórpern wird man endlich auch die untergetauchten 
Fahrzeuge, Torpedos — man vergleiche die Fig. oo für einfache (0,25), Fig. 71 für 
die doppelte Geschwindigkeit (0,5 m sec.) — und andere im flüssigen Medium bewegten 
Kôrper in den Kreis der Untersuchungen zu ziehen haben. Dieser Gruppe von Aufgaben 
würden sich dann die Widerstandserscheinungen der Projektile anschliessen, die durch 
die photographischen Aufnahmen von Prof. E. MACH und P. SALCHER, Dr. L. MACH 
u. a. in so genialer Weise zur Anschauung gebracht wurden. Unsere Fig. 63 zeigt die 
Strömungen des Wassers um einen prismatischen Körper vom Profil eines alten Zünd- 
nadelgeschosses. 

In den vorstehenden Ausführungen ist immer stillschweigend die Annahme ge- 
macht, dass die Widerstandserscheinungen im Wasser auch auf das Medium Luft über- 
tragbar seien, Diese Annahme ist aber keineswegs selbstverstándlich, denn wenn man 


auch die hydrodynamischen Gesetze allgemein als auf die Aerodynamik anwendbar hin- 
stellt, so bleibt doch immer der Unterschied bestehen, dass die Luft elastisch und 
zusammendrückbar ist und das Wasser nicht, oder doch nur in sehr geringem Grade. 
Man könnte also vermuten, dass die Strömungen in der Luft doch vielleicht merklich 
anders verliefen, als im Wasser. Sollte nicht etwa der aerodynamische Überdruck durch 
Kompression und Verdichtung der betreffenden Luftteilchen zu einer elastischen Spannung 
und Aufspeicherung führen, wodurch das Strómungsbild vor dem Hindernis im Ganzen 
verkürzt würde, während im Minderdruckgebiet aus analogem Grunde eine Dehnung der 
Stromerscheinungen resultierte? — Ganz gewiss finden solche aus der Natur des Mediums 
theoretisch zu erschliessende Kompressionen statt, aber sie sind in den bei weitem meisten 
Fillen, namentlich wo es sich um die natürlichen Luftstróme handelt, von so geringer 
Grösse, dass sie füglich vernachlässigt werden müssen. Auch die stärksten Orkane, die 
mit 40—70 m sec. Geschwindigkeit auf feststehende Gegenstánde treffen, rufen daselbst 
keine merkliche Steigerung der allgemeinen atmosphärischen Luftspannung hervor. Nach 
v. LOESSL würde ein Luftstrom von 100 m sec. Geschwindigkeit erst eine Erhóhung des 
Atmosphârendruckes um (3 fie bewirken, wenn vor dem festen Körper eine stagnante 
Flüssigkeitsmasse, ein Stauhügel existierte. Nur bei Geschossen mit Geschwindigkeiten 
von mehreren 100 m würden sich erhebliche Luftspannungen von 2—3 Atmosphären 
bilden müssen, was dann einer Kompression auf die Halfte des Volums und darunter 
entspráche. Diese Berechnungen setzen voraus, dass der ganze Widerstand nur positiver 
oder Verdrângungwiderstand ist und ausschliesslich an der Vorderseite geleistet wird. 
Da nun ein nicht unerheblicher Teil desselben auf die Saugung kommt, so ist die Spannung 
vorn noch geringer, und es treten auch an der Rückseite entsprechende Verdünnungen auf. 
Die Grósse und Erstreckung dieser Druckverminderung hángt wesentlich davon ab, wie 
die Luft wieder in den Geschosskanal einstrómt. 

Das dies im Prinzip ebenso erfolgt, wie bei unsern mit vergleichsweise minimaler 
Geschwindigkeit ausgeführten hydrodynamischen Versuchen, ist a priori nicht unwahr- 
scheinlich. Die schónen Photogramme fliegender Geschosse, welche von Herrn Dr. 
Lupw. MACH hergestellt und in den Wiener Sitzungsberichten mitgeteilt wurden, be- 
státigen dies durchaus. Herr Dr. MACH hatte die Freundlichkeit, mir die Originale dieser 
Aufnahmen zur Verfügung zu stellen. Man sieht, das; der ganze cylindrische Raum der 
Schleppe hinter dem Geschoss von einem Wirbelsystem erfüllt ist, das mit dem hydro- 
dynamischen Wirbelring des Depressionsgebiets in allen wesentlichen Punkten überein- 
stimmt. Diese Wirbelung war auch bereits auf den ersten Photogrammen fliegender 
Geschosse zu erkennen, die Herr Prof. E. MACH in Gemeinschaft mit SALCHER gewonnen 
hatte und die s. Z so viel Aufsehen erregten. 

Sehen wir nun von dem Widerstande der Geschosse ab, so gilt von allen anderen 
Bewegungen geringerer Geschwindigkeit, dass die Zusammendrückbarkeit der Luft keinen 
nennenswerten Einfluss auf den Gang der Widerstandsstrómungen im unbegrenzten Raume 
ausüben kann. Da im übrigen die Luft wie das Wasser ein leicht bewegliches, flüssiges 
Medium ist, so ist die Annahme begründet, dass die Widerstandserscheinungen in beiden 


56 
von áhnlicher, prinzipiell gleicher Art sein werden. Diese Annahme wird in trefflicher 
Weise bestátigt durch eine Anzahl von kleinen Photogrammreproduktionen, die einer 
methodischen Arbeit von Dr. L. MACH »Ueber die Sichtbarmachung der Luftstromlinien« 
(Z. f. Luftschifffahrt 1896. S. 129) beigegeben sind. i 

Herr Dr. MACH erzeugte in einem Rohr von 18<25 cm Querschnitt vermittelst 
einer Turbine einen Luftstrom, den er durch eine Heizvorrichtung optisch differenziert 
hatte. In diesen Strom schaltete er feste Hindernisse von verschiedenen Querschnitts- 
formen ein und photographierte die Stromlinien bei durchfallendem Magnesiumlicht nach 
der Schlierenmethode. 

Die achtzehn kleinen Photogramme lassen keinen Zweifel an der 
kompleten Homologie der Widerstandströmungen in Wasser und Luft. 

Man wird zwar bemerken, dass die Luftstromlinien und -Fäden ein krauseres, 
mehr strähniges Aussehen haben, und dass namentlich die Wirbelbildungen hinter den 
Körpern überhaupt nicht, oder nur schwach angedeutet sind, aber diese Mängel haben 
offenbar ihren Grund in der Methode. Die zur Erzeugung der Schlieren notwendige 
ungleichmässige Erwärmung der Luft, sowie die fliessende Bewegung in einem engen Kanal 
bringen natürlich eine gewisse Unruhe in den Strom, die bei unserer Anordnung des hydro- 
dynamischen Versuchs ausgeschlossen ist. Dass aber die Wirbelung nur undeutlich zu 
sehen ist, liegt daran, dass eben durch die Wirbelung die ursprünglichen thermischen und 
optischen Differenzen der Luftteilchen sehr schnell verwischt werden. 

Letzteres gilt auch bezüglich der von Prof. MAREY in Paris ausgeführten vor- 
trefflichen Versuche, die Luftstromlinien durch feine Rauchfäden sichtbar zu machen und 
photographisch zu fixieren Die sehr hübschen Photogramme dieses berühmten Gelehrten 
zeigen ebenfalls an der Vorderseite der Tafeln die typischen Verhältnisse der Widerstands- 
ströme des Wassers, lassen aber, wegen der Auslöschung der Rauchfäden durch die 
Wirbelung die wichtigen Verhältnisse an der Rückseite im Unklaren. Wie die Aufnahmen 
von Dr. L. MACH, so zeigen auch die von Prof. MAREY wesentlich dieselbe Teilung des 
Stromes vor dem Hindernis wie unsere hydrodynamischen Bilder, dieselbe Verschiebung 
des Stromteilungspunktes an der Tafel bei schräger Stellung, dieselbe Bildung der Rand- 
ströme und, soweit das Gesichtsfeld reicht, dieselben Formen des Schleppenumfanges. 
Nimmt man hinzu, dass die Wirbelung thatsächlich vorhanden ist, da sie von L. MACH 
beobachtet und früher durch E. MacH und P. SALCHER photographisch festgestellt wurde, 
so bedarf es keines weiteren Beweises, dass die Widerstandsströmungen in der 
Luft prinzipiell mit denen des Wassers übereinstimmen. 

Man kann übrigens den Ringwirbel in der Luft unmittelbar beobachten, besonders 
bei Schneetreiben und am Staub hinter fahrenden Eisenbahnwagen. Steht man bei 
trockenem Wetter auf dem Hinterperron einer auf staubiger Landstrasse fahrenden Strassen- 
bahn, so sieht man, wie der innere Wirbelstrom als Nachlauf den Staub nach vorn oft 
bis in das Innere des offenen Wagens treibt und wie rechts und links durch die drehende 
Bewegung der Luft die Kleider der hier stehenden Personen in ganz bestimmter Weise 
mit Staub bedeckt werden, je nach der Stellung, die sie im Wirbel einnehmen. 


57 


Wir diirfen daher in Zukunft, wie geschehen, die hydrodynamischen 
Befunde mit vollem Recht auch auf aerodynamische Fragen anwenden. 

. Nur ein Punkt bedarf noch der Erwáhnung: wie findet man den Massstab für 
die Übertragung und Verwendung der hydrodynamischen Widerstandsreliefs in solche für 
den Luftwiderstand? — Da sich bei den meisten praktischen Versuchen in ausgedehnten 
Flüssigkeitsmassen derjenige Widerstand überwiegend geltend macht, welcher von den 
Beschleunigungen der Flüssigkeit herrührt (HELMHOLTZ), und da bei nicht sehr grossen 
Geschwindigkeiten die Zusammendrückbarkeit der Luft nicht in Frage kommt, so sind 
bei gleicher Geschwindigkeit die Widerstánde des Wassers und der Luft den specifischen 
Massen oder Dichtigkeiten proportional zu setzen und stehen somit annähernd im Ver- 
háltnis von 750:1. Das Relief des Widerstandes im Wasser ist danach zugleich für den 
Luftwiderstand gültig mit der Massgabe, dass die Ordinaten 750-fach überhóht sind. 


— —Ó———— — _۔‎ 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


9— 11. 


12. 


13 u. 14. 
15 u. 16. 
17. 
18 I u. II. 
19 I u. II, 
20. 


2I. 


58 


Tafelerklårung. 





Tafel I. 


Seitenansicht des Apparats zur Photographic der Strömungen an eingetauchten Körpem. 
Nâheres im Text S. 9. 

Derselbe Apparat im Querschnitt. 

Apparat für Stauversuche, Näheres s. S. 41. 


Tafel II. 


Apparat zur Photographie der Widerstandsstrómungen an untergetauchten Körpern. Nåh, S. 29. 
System der Widerstandsstrómungen an einer ebenen Tafel in der Normalstellung 

AaA Kurve der vorderen Druckmaxima, 

Bu Minimumkurve, 

ecud schleifenfórmige Linie der hinteren Druckmaxima. 

Wa Bugwelle; Ws Heck- oder »Soggwelle« 
Dasselbe mit eingezeichneten Kraftlinien, Die von der Vorderseite der Tafel ausgehenden positiven 
Kraftlinien sind ausgezogen; die von den Wirbelachsen ausgchenden Sogglinien sind punktiert 
gezeichnet. 


Tafel III. 


Querprofile durch die Wirbel der Schleppe. 
System der Widerstandsstrómungen und Kraftlinien an einer unter 45% gegen den Strom geneigten 
ebenen Tafel. Bezeichnungen wie bei Fig. 5. 
Entwicklung des Wirbels im Schleppwasser bei zunehmendem Eintauchen der Tafel. 
A Ansicht von oben, B im senkrechten Längsschnitt. 


Tafel IV. 


Die Strahlen in dem Quadranten bezeichnen die Neigung einer 20 cm breiten Tafel AB gegen die 
durch den Pfeil bestimmte Hauptstromrichtung. Die Kurven geben für jeden Neigungswinkel der 
Tafel die Lage des Druckmaximums an der vorderen Tafelfliche an. 
Kurve I nach der Formel von Lord RAYLEIGH; 
II eine Cykloide, nach der Formel von Prof. LAMn; 
III empirische Kurve nach den photographischen Aufnahmen des Verfassers. II a und 
IIIa entsprechen der Lage der Druckmaxima an der Rückseite. 


Tafel V. 


Verteilung des Widerstandes über die Tafeln. cfr. Text. 
Staukurven einer normal und schrâg vom Strome getroffenen 5 cm breiten Platte. 
Querprofil des Druckreliefs. 
Stauflichen an normal stehenden Tafeln von einfacher und doppelter Breite. 
Ebenso unter 45? Neigung. 
Staufliche an einer schrigen Tafel mit Maximum und Minimum des Widerstandsdruckes. 
—r Resultante des Soggs, +r des positiven Druckes, R Resultante des Gesamtwiderstandes, 
Staufliche von zwei benachbarten Platten; ähnlich Fig. 6o Taf. XIV. 


Fig. 


Fig. 


I-A 


Fig. 


Fig. 


ہہ 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


22— 28. 


30. 
31. 


32 u. 33. 


34. 
35. 


36. 
37- 


38 u. 39. 


40. 
41. 
42. 
43- 


44— 48. 


49. 
50. 


51. 


52—59. 


60. 
61. 
62. 
63. 


64. 
65. 


59 _ 





Tafel VI. 


Stauflichen an gewölbten Platten bei verschiedener Ncigung, entsprechend den Strómungsphoto- 
grammen Fig. 52— 59 Taf. XII und XIII, 

Stauflichen an den beiden Drachenflächen der Fig. 64 Taf. XV. 

Desgleichen zu Fig. 65. 

Desgleichen zu Fig. 6r. 


Tafel VII. 


Widerstandsstrômungen an senkrecht eingetauchten ebenen Tafeln in der Normalstellung zum 
Strome (Oberfláchenstróme). 

Desgleichen an untergetauchter Glastafel (Strömungen im Innern der Flüssigkeit). 

Strómungen an einem rechteckigen, eingetauchten Kasten. 


Tafel VIII. 


Strómungen an einer Platte mit umgebogenen Rándern; die konvexe Seite geht vorauf. 
Dieselbe Platte mit der hohlen Seite vorauf, 
Platte keilfórmig gebogen. 


Tafel IX. 


Platte ogival gebogen, Hóhlung vorauf. 
Platte rinnenfórmig gehóhlt. 
Doppelrinne. 

S-fórmig gebogene Platte. 


Tafel X und XI. 


Strómungen an ebenen Tafeln unter wachsenden Neigungswinkeln (Oberflichenaufnahmen). 
Strómungen im Innern des Wassers. 

Strómungen an einer I qm grossen Stahlplatte, aufgenommen in der Modellschleppversuchsstation 
des Norddeutschen Lloyd zu Bremerhaven. 

Kontinuierliche Strómung nach den Aufnahmen von Prof. HELE-SHAW, entlehnt aus den Transact. 
Inst. Nav, Arch. 1898, 


Tafel XII und XIII. 


Strömungen an flügelähnlich gewölbten Platten unter verschiedener Neigung. cfr. Fig. 22—328, 


Tafel XIV. 


Doppeldrachen unter 55? Neigung (hierzu Stauflächen Fig. 21). 

Zwei schrâge Tafeln in derselben Richtung hinter einander (hierzu Staubild Fig. 31.) 
Dieselben Tafeln normal zum Strome. 

Strómungen an dem Profil eines Ztindnadelgeschosses. 


Tafel XV. 


Doppeldrachen mit flach gewólbten Flächen bei gleicher Neigung von 23?. cfr. Fig. 29. 
Dasselbe, jedoch die untere Fláche unter 409, 


66 u. 67. Wie Fig. 64 und 65, aber mit eingeschalteter Mittelfliche im Strome. 


68 u. 69. 
70 u. 71. 


Tafel XVI. 


Torpedoprofil mit einfacher und doppelter (0,5 m) Geschwindigkeit. 
Modelle des positiven und negativen Widerstandes an kreisfórmigen und quadrat. Platten (s. S. 46). 


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