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ABHANDLUNGEN
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1908.
PHYSIKALISCH-MATHEMATISCHE CLASSE.
ABHANDLUNGEN
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
JAHRGANG 1908.
PHYSIKALISCH-MATHEMATISCHE CLASSE.
MIT Ib TAFELN.
BERLIN 1908.
VERLAG DER KÖNIOUCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
IN COMMISSION BEI OEORO REIMER.
U2o-c nrG.R
( JUL 30 1909
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
Inhalt.
Ofientliche Sitzungen S. vii— viii.
Verzeichnifs der im Jahre 1908 gelesenen Abhandlungen S. viir— xvi.
Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen för 1908 .... S. xvi— xviii.
Statut der Hermann Vogel-Stiftung S. xix— xxiii.
Verzeichnifs der im Jahre 1908 erfolgten besonderen Geldbewilligungen
aus akademischen Mitteln zur Ausfuhrung wissenschaftlicher Un-
ternehmungen S. xxnr— xxviii.
Verzeichnifs der im Jahre 1908 erschienenen im Auftrage oder mit
Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen
Werke S. xxviii— xxxi.
Veränderungen im Personals tande der Akademie im Laufe des Jahres
1908 S. xxxi— XXXIII.
Verzeichnifs der Mitglieder der Akademie am Schlüsse des Jahres 1908
nebst den Verzeichnissen der Inhaber der Uelmholtz- und der
Leibniz-Medaille und der Beamten der Akademie S. xxxiv— xli.
Abhandlungen.
BRANCii: Fossile Flugthiere und Erwerb des Flugvermogens
Abh. I. S. 1-49.
Anhang.
Abhandlungen nicht zur Akademie gehöriger Gelehrter.
L. Jacobsohn: Über die Kerne des menschlichen RQckenmarks. (Mit
9 Tafeln) Abh. I. S. 1-72.
Jahr 1908.
öffentliche Sitzungen.
Sitzung am 23. Januar zur Feier des Geburtsfestes Seiner
Majestät des Kaisers und Königs und des Jahrestages
König Friedrich's EL.
Der an diesem Tage Vorsitzende Secretar Hr. Waldeyer er-
öffnete die Sitzung mit einer auf die Festfeier bezüglichen An-,
spräche. Darauf hielt Hr. Kos er den wissenschaftüchen Festvortrag:
Über eine ungedruckte Ode Friedrichs des Grofsen von 1742 »Sur
les jugements que le public porte sur ceux qui sont charges dans
la soci6te civile du malheureux emploi de politiques«. Alsdann
wurden im Auszuge die Jahresberichte über die wissenschaftlichen
Unternehmungen der Akademie und über die ihr angegliederten
Stiftungen und Institute erstattet, welche im Sitzungsbericht im
Wortlaut abgedruckt sind. Zum Schlufs folgte der Bericht über die
seit dem letzten Friedrichs-Tage (24. Januar 1907) in dem Personal-
stande der Akademie eingetretenen Veränderungen.
Sitzung am 2. Juli zur Feier des Leibnizischen Jahrestages.
Hr. Di eis, als versitzender Secretar, eröflhete die Sitzung mit
einer Ansprache über alte und neue Kämpfe um die Freiheit der
Wissenschaft
vm
Dai'auf hielten die seit dem letzten Leibniz-Tage (4. Juli 1907)
neu eingetretenen Mitglieder, Hr. Heus 1er von der philosophisch-
historischen und Hr. Rubens von der physikalisch-mathematischen
Classe ihre Antrittsreden. Es antworteten die beständigen Secretare,
und zwar Hm. Heusler Hr. Vahlen, Hm. Rubens Hr. Auwers.
Das bereits im Jahre 1904 neu eingetretene Mitglied der phy-
sikalisch-mathematischen Classe Hr. Koch war auch in diesem
Jahre auf einer Reise im Ausland begriffen und konnte der Sitzung
nicht beiwohnen.
Weiter hielten die HH. von Wilamowitz-Moellendorff und
Diels Gedächtnifsreden auf Adolf Kirchhoff und Eduard Zeller.
Schhefsüch erfolgten Mittheilungen betreffend die Akademische Preis-
aufgabe für 1908 aus dem Gebiete der Philosophie, das Preisaus-
schreiben aus dem Cothenius'schen Legat, den Preis aus der Diez-
Stiflung und das Stipendium der Eduard Gerhard-Stiflimg.
Verzeichnifs der im Jahre 1908 gelesenen Abhandlungen.
Physik und Chemie.
Nernst, zur Theorie der galvanischen Polarisation; Anwendung zur
Berechnung der Reizwirkungen elektrischer Ströme. (G. S.
9. Jan.; S. B.)
Fischer und Dr. F. Wrede, über die Bestimmung der Verbrennungs-
wäxme organischer Verbindungen mit Benutzung des Platin-
widerstandsthermometers. (G. S. 9. Jan.; S. B. 30. Jan.)
Rosenthal, Prof. L, Zerlegung hochcompücirter chemischer Ver-
bindungen im schwankenden magnetischen Kraftfeld. Vor-
gelegt von Fischer. (G. S. 9. Jan.; S. B.)
IX
Warburg und Dr. G. Leithäuser, über die Analyse der Stick-
oxyde durch ihre Absorptionsspectra im Ultraroth. (Cl.
6. Febr.; S. B.)
Rubens und Dr. E. Ladenburg, das Reflexionsvermögen des
Wassers. (Cl. 20. Febr.; S. B. 5. März.)
Landolt, Untersuchungen über die fraglichen Änderungen des
Gesammtgewichtes chemisch sich umsetzender Körper. Dritte
Mittheilung. (Cl. 19. März; S. B.)
van't Hoff, Untersuchungen über die Bildung der ocea-
nischen Salzablagerungen (Schlufs.) LIL Der Verband für
die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Kalisalz-
lagerstätten. (Cl. 23. April; S. B.)
Eucken, Dr. A., über den Verlauf der galvanischen Polarisation
durch Condensatorentladung; Anwendung auf die Nerven-
reizung. Vorgelegt von Nemst. (G.S. 30.April; *S.jB. 14. Mai.)
Fischer, Synthese von Polypeptiden. (Cl. 21. Mai; S. B.)
Stark, Prof J., über die Spectra des Sauerstoffs (Doppler-Effect
bei Kanalstrahlen). Vorgelegt von Planck. (Cl. 2LMai; Ä B.)
Stark, Prof J., und W. Steubing, über die spectrale Intensitäts-
vertheilung der Kanalstrahlen in Wasserstoff. Vorgelegt von
Planck. (Cl. 21. Mai; S. B.)
Planck, über die kanonische Zustandsgieichung einatomiger Gase.
Erste Mittheilung. (G. S. 25. Juni; S. B.)
Warburg, über Ozonröhren. (Cl. 9. Juli.)
Rubens und Dr. E. Ladenburg, das Reflexionsvermögen des
Aethylalkohols. (Cl. IT.Dec; S. B.)
Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.
Potonie, Prof. H., über recente allochthone Humusbildungen. Vor-
gelegt von Branca. (Cl. 16. Jan.; S. B.)
h
Branca, fossile Flugthiere und Erwerb des Flugvermögens. (Cl.
16. Jan; Äbh.)
Potonie, Prof. H., eine Classification der Kaustobiolithe. Vorgelegt
von Branca. *(C1. 6. Febr.; S.B.)
Gothan, Dr. W,, zur Entstehung des Gagat«. Vorgelegt von Branca.
(Cl. 20. Febr.; S. B.\
Branca, Nachtrag zur Embryonenfrage bei Ichthyosaurus. (Cl.
2. April; Ä B)
Eberhard, Prof G., über die vsreite Verbreitung des Scandium auf
der Erde. Vorgelegt von Nernst. (CL 23. Juli; S. B.)
Branca, über die Hypothesen zur Erklärung der Mondkratere. (Cl.
22. Oct.)
Ktenas, Dr. K. A., die Überschiebungen in der Pelopönnisos. I.
Der Ithomiberg. Vorgelegt von Branca. (Cl. 22. Oct.; S.B.
5. Nov.)
Tannhäuser, Dr. F., Analysen des Neuroder Gabbrozuges. Vor-
gelegt von Branca. (Cl. 5. Nov.; S. B.)
Botanik und Zoologie.
Engler, pflanzengeographische Gliederung von Africa. (Cl. 23. Juli;
S.B.)
Anatomie und Physiologie, Bacteriologie, Pathologie.
Rubner, das Wachsthumsproblem und die Lebensdauer des
Menschen und einiger Säugethiere vom energetischen Stand-
punkte aus betrachtet. (Cl. 16. Jan.; S.B.)
Schnitze, Prof 0., zur Histogencse des Nervensystems. Vorgelegt
von Waldeyer. (Cl. 6. Febr.; S.B)
Munk, über die Functionen des Kleinhirns. Dritte Mittheilung
(Schlufs). (G. S. 12. März; S. B)
XI
Jacobsohn, Dr. L., über die Kerne des menschlichen Rückenmarks.
Vorgelegt von Waldeyer. (Cl. 19. März; Abh.)
Waldeyer, die Magenstrafse. (Cl. 2. April; iS. B. 4. Juni.)
F. E. Schulze, die Lungen des africanischen Straufses. (G. S.
9. April; S. B.)
0. Hertwig, über die Entstehung überzähliger Extremitäten bei
den Wirbelthieren. (Cl. 18. Juni.)
Ortli, über Resorption körperlicher Elemente im Darm, mit beson-
derer Berücksichtigung der Tuberkelbacillen. (G. S. 30. Juli;
Ä B)
Koch, Entwicklungszustände der Trypanosomen. (Cl. 3. Dec.)
Bickel, Prof. A., Theorie der Magensaftsecretion. Vorgelegt von
Orth. (Cl. 17. Dec; S. B.)
Astronomie, Geographie und Geophysik.
P enck, der Drakensberg und der Quathlambabruch. (G. S. 1 3. Febr. ;
^\ B. 27. Febr.)
Auwers, über den weitem Fortgang seiner Bearbeitung der älteren
Bradley 'sehen Beobachtungen. (Cl. 5. März.)
Helmert, trigonometrische Höhenmessung und Refractionscoeffi-
cienten in der Nähe des Meeresspiegels. (G.S. 14. Mai; S.B.)
Helmert, UnvoUkommenheiten im Gleichgewichtszustande der Erd-
kruste. (Cl. 5. Nov.; S. B.)
Struve, über eine nicht veröffentlichte Abhandlung Bessel's über
die Bewegung des Uranus. (G.S. 10. Dec.)
Mathematik, Mechanik und Technik.
Schottky, über Beziehungen zwischen veränderlichen Gröfsen, die
auf gegebene Gebiete beschränkt sind. Zweite Mittheilung.
(G. S. 30. Jan.; S. B.)
KU
Rasch, E., Bestimmung der kritischen Spannungen in festen Köi-pern.
Vorgelegt von Martens. (Cl 20. Febr.; iS. JB.)
Schwarz, über specielle Tetraeder mit rationalen Kantenlängen
und rationalem Körperinhalt. (Cl. 7. Mai.)
Frobenius, aber Matrizen aus positiven Elementen. (G.S. 14. Mai;
S.B.)
Schur, Dr. L, über die Darstellung der symmetrischen Gruppe
durch lineare homogene Substitutionen. Vorgelegt von Fro-
benius. (G. S. 4. Juni; S. B. 25. Juni.)
Landau, Prof. E., zwei neue Herleitungen für die asymptotische
Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Grenze. Vor-
gelegt von Frobenius. (G.S. 25. Juni; S.B. 16. Juli.)
Landau, Prof E., neuer Beweis der Riemann'schen Primzahlformel.
Vorgelegt von Frobenius. (G.S. 16. Juli; S.B.)
K Otter, Prof F., über die Torsion des Winkeleisens. Vorgelegt
von Müller-Breslau. (G.S. 16.Juh; S.B. 30. Juli.)
Schottky, zur Theorie der Symmetralfunctionen. (CL 23. Juli;
S.B.)
Müller-Breslau, über den Einflufs der steifen Verbindung der
Fahrbahntafel mit den Hauptträgern eiserner Brücken fiir
den Fall der statischen Unbestimmtheit der Hauptträger.
(G.S. 12. Nov.)
Schottky, zur Theorie der Symmetralfunctionen. Zweite Mitthei-
lung. (Cl. 19. Nov.; S.B.)
Korn, Prof A., über Minimalflächen, deren Randcurven wenig von
ebenen Curven abweichen. Vorgelegt von Schwarz. (Cl.
19. Nov.; Äbh. 1909.)
Zimmermann, über die Gleichgewichtsverhältnisse dünnwandiger
Hohlkörper, die unter einem innern Überdruck stehen. (Cl.
17. Dec.)
XIII
Philosophie.
Stumpf, zur Theorie des inductiven Schlusses. (Gl. 16. Jan.)
Geschichte.
Meyer, das erste Auftreten der Arier in der Geschichte. (G. S.
9. Jan.; S. B.)
Lenz, über einen Reformversuch des Ministers von Massow in
Bezug auf die medicinischen Untemchtsanstalten des preufsi-
schen Staates (1802). (G. S. 30. Jan.)
Koser, zur Charakteristik der Politik Ludwig's XIV. (Gl. 20. Febr.)
Kos er, aus der Vorgeschichte der ersten Theilung Polens. (Gl.
D.März; S. B.)
Zimmer, über den Weinhandel Westgalliens nach Wand im 1. bis
7. Jahrhundert. (G. S. 26. März.)
Dressel, über aegyptische Funde altgiiechischer Silbermünzen. (Cl.
2. April.)
Harnack, die angebliche Synode von Antiochia im Jahre 324/5.
(G.S. 14. Mai; S. B.)
Schäfer, der Zug König Lothar's gegen Böhmen im Jahre 1126.
(Cl. 21. Mai.)
Meyer, die Bedeutung der Erschliefsung des alten Orients füi- die
geschichtliche Methode und für die Anfänge der mensch-
lichen Geschichte überhaupt. (G. S. 4. Juni; S. B. 25. Juni.)
Loofs, die chronologischen Angaben des sog. »Vorberichte« zu
den Festbriefen des Athanasius. (Cl. 22. Oct; S.B.)
Schmidt, Prof K., eine Epistola apostolorum in koptischer und
lateinischer Überlieferung. Vorgelegt von Harnack. (Cl. 5. Nov.;
Ä B.)
Hirsch feld, Vermuthungen zur altrömischen Geschichte. (G.S.
26. Nov.)
XIV
Rechts- und Staatswissenschaft.
Brunner, über das Alter des Pactus pro tenore pacis Childeberti
et Chlotharii. (Gl. 19. Nov.)
von Schmoller, Kritik der Untersuchungen der letzten 30 Jahre
über das ältere Gildewesen in Skandinavien, England, Nord-
frankreich, den Niederlanden und Deutschland. (Gl. 1 7. D(*c.)
Allgemeine, deutsche und andere neuere Philologie.
Roethe, über eine Handschrift des Reinaert I auf der Fürstl. Salm-
ReifFerscheidt'schen Schlofsbibliothek zu Dyck. (Gl. 6. Febr.)
Schmidt, drei ungedruckte Dictathefte aus Wieland's Züricher Haus-
lehrerzeit. (G. S. 27. Febr.)
Burdach, Schritt und Sprachbewufstsein im Althochdeutschen.
(Gl. 23. April.)
Pischel, ins Gras beifsen. (G. S. 30. April; S.B.)
Roethe, die Betonung der einsilbigen Worte im älteren deutschen
Versbau. (Gl. 7. Mai.)
W. Schulze, Wortbrechung in den gotischen Handschriften. (Gl.
18. Juni; S.B.)
Brandl, Anfänge der Autobiographie in England. (Gl. 9. Juli; S. B.)
Heusler, die gelehrte Urgeschichte im altisländischen Schriftthum.
(GL 23. Juli; Ahh.)
Seuffert, Prof B., Prolegomena zu einer Wieland -Ausgabe. V.
Vorgelegt von Schmidt. (Gl. 22. Oct.; Äbh.)
Tobler, mon cheri, Anrede an weibhche Pei-son. (G. S. 29. Oct;
S. B.)
Tobler, malgre qu'il en ait. (G. S. 29. Oct.; S.B.)
Zimmer, Beiträge zur Erklärung altirisclier Texte der kirchlichen
und Profanliteratur. 1. II. (Gl. 3. Dec; S.B.)
XV
Classische Philologie.
von Wilamowitz-Moellendorff, Pindar's siebentes nemeisches
Gedicht. (GL 19. März; S. B.)
Well mann, Prof. M., Pseudodemocritea Vaticana. Vorgelegt von
Diels. (GL 18. Juni; S. B.)
Wellmann, Prof.M., Aelius Promotus Var/oiica ^va-uca KaiävrnraBnruQa.
Vorgelegt von Diels. (Q. 23. Juli; S. B.)
Vahlen, über zwei Briefe des Alciphron. (Gl. 22. Oct; S. B.)
Diels, Beiträge zur Zuckungsliteratur des Occidents und Orients. IL
(Gl. 5. Nov.; Ahk)
Diels, die Stele des Mnesitheos. (Gl. 5. Nov.; iS. B.) Nachtrag.
(Gl. IT.Dec; S. B.)
Archaeologie.
Wiegan d, Dr. Th., sechster vorläufiger Bericht über die von den
Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen
Ausgrabungen. Vorgelegt von Kekule von Stradonitz. ((1.
20. Febr.; Abh.)
Kekule von Stradonitz, die Geburt der Helena aus dem Ei.
(Gl. 5. März; S. B. 25. Juni.)
Orientalische Philologie.
Sieg, Dr. E., neue Bruchstücke der Sanskrit-Grammatik aus Chi-
nesisch -Turkistan. Vorgelegt von Pischel. (G. S. 30. Jan.;
S.B. 13. Febr.)
Er man, über eine Sammlung von Hymnen an das Diadem der
Pharaonen. (CA. 6. Febr.)
Beckh, Dr. H., Beiträge zur tibetischen Grammatik, Lexikographie,
Stilistik und Metrik. Vorgelegt von Pischel (G.S. 27. Febr.;
Abh.)
XVI
von Le Coq, A., ein manichäisch-uigurisches Fragment aus Idiqut-
Schahri. Vorgelegt von Müller. (Cl. 19. März; S.B. 2. April.)
Möller, Dr. G., Bericht über die Aufnahme der hieroglyphischen
und hieratischen Felseninschriften im Alabasterbruch von
Hatnub in Mittelaegypten. Vorgelegt von Ennan. (G. S.
4. Juni; Ä B. 25. Juni.)
Erman und Prof. H. Schäfer, der angebliche aegyptische Bericht
über die UmschifFung Africas. (Cl. 9. JuH; S. B. 30. JuU.)
Müller, Uigurica. (G. S. 16.Juü; Äbh.)
Sieg, Dr. E., und Dr. W. Siegling, Tocharisch, die Sprache der
Indoskythen. Vorgelegt von Pischel. (G. S. 16. Juli; S.B.
30. Juli.)
Pischel, die Turfan-Recensionen des Dhammapada. (Cl. 23. Juli;
S.B. 30. Juli.)
Yahuda, Dr. A. S., über die Unechtheit des samaritanischen Josua-
buches. Vorgelegt von Nöldeke und Meyer. (G. S. 30. JuU;
5. B.)
Sachau, über einen Papyrus aus Elephantine. (CL 3. Dcc.)
Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1908.
Akademische Preisaufgabe für 1908 aus dem Gebiete der Philosophie.
Im Jahre 1898 hatte die Akademie für das Jahr 1901 eine
Preisaufgabe gestellt, in welcher eine Darstellung des Systems von
Leibniz gewünscht wurde, und diese Aufgabe, da sie nur eine theil-
weise Lösung gefunden hatte, dann für 1905 erneuert. In diesem
Jahre fand sie keine Bewerbung, und die Akademie schrieb folgende
veränderte Preisaufgabe aus:
XVII
»Es soll untersucht werden, was über die Abhängigkeit der
Metaphysik Leibnizens von seiner Logik mit Sicherheit aus den
vorhandenen gedruckten Quellen sich ergiebt; auf Ungedrucktes
zurückzugehen, wird nicht gefordert.«
Bewerbungsschriften, die bis zum 31. Dezember 1907 erwartet
wurden, sind jedoch nicht eingegangen, und die Akademie hat nun-
mehr von ihrer Befugnifs Gebrauch gemacht, dem Verfasser einer
in das Gebiet der gestellten Preisaufgabe einschlagenden, innerhalb
des Zeitraums 1905. — 1908 veröffentlichten Schrift oder dem Ur-
heber einer in der gleichen Zeit ausgeführten wissensthaftlich her-
vorragenden Arbeit die Preissumme als Ehrengabe zu überweisen.
Sie erkennt den ausgesetzten Betrag von Fünftausend Mark zu
gleichen Teilen den HH. Dr. Willy Kabitz in Breslau und Dr.
Paul Ritter in Berlin für ihre Arbeit an dem kritischen Catalog
der Leibniz-Iiandschrift«n zu, der für die in AngiifF genommene
interakademische Leibniz- Ausgabe hergestellt worden ist.
Preisaasschreihen aus dem Cothenm^ sehen Legat
Die Akademie schreibt folgende Preisaufgabe aus dem Co-
thenius 'sehen Legat aus:
»Der Entwickelungsgang einer oder einiger Ustilagineen soll
möglichst lückenlos verfolgt und dargestellt werden, wobei be-
sonders auf die Überwinterung der Sporen und Mycelien Rücksicht
zu nehmen ist. Wenn irgend möglich, sind der Abhandlung Prae-
parate, welche die Frage entscheiden, beizulegen.«
Der ausgesetzte Preis beträgt zweitausend Mark.
Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer, franzö-
sischer, englischer oder italienischer Sprache abgefafst sein. Schriften,
XVIII
die in störender Weise unleserlich geschrieben sind, können durch
Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewerbung ausgeschlossen
werden.
Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeichnen,
und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich den
Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel äufser-
üch zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Verfassers
nennen oder deutlich ergeben, werden von der Bewerbung aus-
geschlossen. Zurückziehung einer eingelieferten Preisschrift ist nicht
gestattet.
Die Bewerbungsschriften sind bis zum 31.December 1910 im
Bureau der Akademie, Berlin W 35, Potsdamer Strafse 120 einzu-
liefern. Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leibniz-
Sitzung des Jahres 1911.
Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preisbewerbung
eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden
ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von der
Akademie für die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der be-
zeichneten Frist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten
Schriften und Zettel zu vernichten.
Preis ans der Diez-Stiftung.
Der Vorstand der Diez-Stiftung hat beschlossen, den aus der
Stiftung im Jahre 1908 zu vergebenden Preis im Betrage von
1900 Mark Hrn. Jules Gillieron, directeur adjoint an der Ecole
des hautes etudes in Paris, als Verfasser des Atlas linguistique de
la France zuzuerkennen.
XIX
Statut der Hermann Vogel- Stiftung.
Der am 13. August 1907 verstorbene Director des Königlichen
Astrophysikalischen Observatoriums bei Potsdam Hermann Karl
Vogel hat durch sein am 10. August 1907 errichtetes Testament
bestimmt, dafs der nach Abzug der ausgesetzten Erbtheile und be-
sonderen Vermächtnisse übrig bleibende Theil seines Nachlasses in
zwei gleiche Beti*äge getheilt zur EiTichtung zweier Stiftungen ver-
wendet werden solle: einer Stiftung fiir das Astrophysikalische
Observatorium hauptsächlich mit der Bestimmung zur Unterstützung
wissenschaftlicher Reisen der Angestellten und weiter zu Gewährung
von Erziehungsbeihülfen für begabte Söhne von Unterbeamten des
Observatoriums, und einer Stiftung für die Könighche Akademie
der Wissenschaften zur Verleihung von Erinnerungsmedaillen behufs
Auszeichnung hervorragender Leistungen im Gebiete der Astrophysik.
Nachdem die Akademie in ihrer Gesammtsitzung am 31. Oc-
tober 1907 beschlossen hat, die ihr angetragene Stiftung anzu-
nehmen, und nachdem die landesherriiche Genehmigung zur An-
nahme des Vogel' sehen Vermächtnisses unter dem 10. Mai 1908
ihr ertheilt worden ist, hat sie das Stiftungscapital in dem nach
Vorschrift des Testaments für den Todestag des Erblassers be-
rechneten Betrage von 16977.69 Mark übernommen und für die
Stiftung das folgende, unter dem 21. Mai 1908 von dem vor-
geordneten Königlichen Ministerium genehmigte Statut aufgestellt,
dessen §§ 1, 2, 3, 6, 7, 11 Abs. 1 und 13 auf die ausdrückhchen
Bestimmungen des Testaments gegründet sind.
Name und Zweck der Stiftung.
§1.
Die Stiftung flihrt den Namen: »Hermann Vogel-Stiftung
der Königlich Preufsischen Akademie der Wissenschaflen.« Sie wird
durch die Akademie nach allen Richtungen vertreten.
XX
§2.
Der Zweck der Stiftung besteht in der Verleihung von Me-
daillen für Arbeiten im Gebiete der Astrophysik und Spectral-
analyse und für sonstige astronomische Untersuchungen, die mit
den Forschungsmethoden der Astrophysik ausgeführt sind.
§3.
Eine Medaille hi Gold wird alljährlich einem durch hei*vor-
ragende Leistungen solcher Art ausgezeichneten Forscher zuerkannt,
und zwar sollen hierbei Untersuchungen über die Bewegungen
der Sterne in der Gesichtslinie in erster Linie Berücksichtigung
finden.
Eine Medaille in Silber kann, so oft sich Anlafs dazu findet,
einem Mechaniker zuerkannt werden für hervorragende Leistungen
in der Herstellung astrophysikalischer Instrumente.
Stiftungscapital.
§4.
Das Stiftungscapital besteht aus den Werthpapieren, die aus
dem Nachlafs des Stifters an die Akademie gelangt sind, und dem
zur Erfüllung der Hälfte des Nachlafsrestes hinzugefügten Baar-
betrage, in Gesammthöhe, fiir den 13. August 1907 berechnet,
von 16977.69 Mark abzüglich der von der Stiftung zu zahlenden
Reichserbschaflssteuer von 645 Mark, also von 16332.69 Mark,
sowie den nach § 11 und § 12 etwa erfolgenden Anfällen und
sonstigen zufolge ausdrücklicher Willenserklärungen hinzukommen-
den Zuwendungen.
Die Substanz dieses Capitals ist unangi'eifbar. Nicht ausge-
schlossen ist ein Umtausch der an die Akademie gelangten Weith-
papiere gegen andere, mündelsichere Werthe.
XXT
§5.
Mit der Beschränkung der Unangreifbarkeit bildet das Stiftungs-
capital einen Bestandtheil des Vermögens der Akademie und wird
mit diesem verwaltet, nach den hierfiir in den Statuten der Aka-
demie getroffenen Bestimmungen.
Vorschriften für die Herstellung der Medaille.
§6.
Auf der Vorderseite der Medaille erscheint eine aus Wolken
herabschwebende weibliche Figur mit einem Lorbeerkranz in der
Hand. Dieses Bild erhält die Umschrift: Medaille für Astrophysik
gestiftet 1907 von H. C. Vogel.
Den Rand der Rückseite bildet ein breiter Lorbeerkranz: in die
Mitte kommt die Aufschrift: (Name) überreicht von der Königlich
Preufsischen Akademie der Wissenschaften. (Jahreszahl).
§7.
Die goldene Medaille wird in Ducatengold ausgeprägt mit
einem Feingehalt von 175 Gramm.
Die silberne Medaille wird mit gleichen Abmessungen wie die
goldene in Feinsilber hergestellt.
Verleihung der Medaille.
§8.
Die Zuerkennung der Medaille erfolgt durch die physikalisch-
mathematische Classe.
In der ersten Classensitzung des Monats Mai und gleichzeitig
durch Rundschreiben an alle Mitglieder der Classe giebt der Vor-
sitzende Secretar Nachricht von dem verfügbaren Bestände und
fordert zur Einreichung von Vorschlägen für die Verleihung der
XX11
Medaille auf. Solche Vorscliläge müssen bis zur nächsten ordent-
lichen Classensitzung dem Vorsitzenden eingereicht werden und
werden in dieser Sitzung, zu welcher unter Angabe des Zwecks
besonders einzuladen ist, zur Verhandlung gestellt und, wenn nicht
Vertagung aus besonderm Anlafs beschlossen wird, sogleich durch
verdeckte Abstimmung entschieden.
Zur Annahme eines Antrages ist die Mehrheit der anwesenden
ordentHchen und der etwa an der Sitzung theilnehmenden aus-
wärtigen Classenmitglieder erforderlich.
An ordentliche MitgUeder der Akademie kann die Medaille
nicht verUehen werden.
§9.
Mit dem erfolgten Glassenbeschlufs über die Verleihung wird
die verliehene Medaille Eigenthum des Empfängers. Die Verkündung
des Beschlusses erfolgt in der nächsten Leibniz-Sitzung und hier-
auf die Aushändigung.
Der Stiftung obliegende Verpflichtungen.
§10.
Aus den Erträgnissen des Stiftungscapitals werden bestritten:
die Ausgaben für seine Verwaltung, die Kosten der Herstellung
der Medaillenstempel, und die jedesmal bei Verleihung einer Medaille
entstehenden Kosten.
Verwendung von Überschüssen.
§11.
Die nach Leistung der in § 10 bezeichneten Ausgaben ver-
bleibenden Überschüsse der vereinnahmten Zinsen werden ange-
sammelt, bis sie den Betrag der Kosten einer Goldmedaille erreicht
XXIII
haben, und alsdann der Classe zur Verleihung einer zweiten Gold-
medaille an dem nächsten vorgeschriebenen Termin zur Verfügung
gestellt.
Wird eine solche zu diesem Termin nicht beschlossen, so fällt
der angesammelte Betrag in Höhe von 488 Mark als dem Gold-
werth einer Medaille ohne Weiteres an das Stiftungscapital.
§12.
Wenn an einem der vorgeschriebenen Termine eine Verleihung
der Goldmedaille nicht zu Stande kommt, können ebenfalls im
nächstfolgenden Jahre zwei Medaillen verliehen werden.
Geschieht dieses nicht, so fliefst der zum zweiten Mal un-
verwendet gebliebene Betrag des Goldwerths einer Medaille mit
488 Mark dem Stiftungscapital zu.
Übergangs- und allgemeine Bestimmungen.
§13.
Die vorstehenden Bestimmungen treten in ganzem Umfange in
Kraft eret mit dem Ableben der Schwester des Stifters Frau Julie
verw. Professor Dohmke geb. Vogel in Leipzig. Diese bezieht
die von dem Stiftungscapital aufkommenden Zinsen abzüglich der
Verwaltungskosten bis zum Ende des Vierteljahrs, in welchem ihr
Tod erfolgt.
§14.
Änderungen dieses Statuts werden gültig, wenn sie überein-
stimmend von der physikalisch-mathematischen Classe und von der
Gesammtakademie in Sitzungen, zu denen unter Angabe des Zwecks
besonders eingeladen ist, beschlossen und vom vorgeordneten Mi-
nisterium bestätigt worden sind.
XXIV
Verzeichnifs der im Jahre 1908 erfolgten besonderen Greldbe-
willigimgen aus akademischen Mittehi zur Ausfuhrung wissen-
schaftlicher Unternehmungen.
Es wurden im Laufe des Jahres 1908 bewilligt:
2300 Mark dem Mitglied der Akademie Hm. Engler zur Fort-
fuhrung der Herausgabe des »Pflanzenreich«.
6000 » dem Mitglied der Akademie Hm. Kos er zur Foili-
führung der Herausgabe der Politischen CoiTespondenz
Friedrich's des Grofsen.
5000 » dem Mitglied der Akademie Hrn. von Wilamowitz-
Moellendorff zur Fortführung der Sammlung der
giiechischen Inschriften.
3000 » der Deutschen Commission der Akademie zur Fort-
führung ihrer Unternehmungen.
1000 » als Beitrag zu den Kosten einer von dem Cartell der
deutschen Akademien zu veranstaltenden Ausgabe der
gesammelten Schriften Ludwig Boltzmann's.
1000 » zur Fördemng des Unternehmens des Thesauras
linguae Latinae Ober den etatsmäfsigen Beitrag von
5000 Mark hinaus.
1000 » zur Bearbeitung der hieroglyphischen Inschriften der
griechisch-römischen Epoche fiir das Wörterbuch der
aegyptischen Sprache.
500 » zu der von den carteUirten deutschen Akademien unter-
nommenen Herausgabe der mittelalterlichen BibUotheks-
kataloge.
2500 » für das Unternehmen einer Neuausgabe der Septua-
ginta, welche das Cartell der deutschen Akademien
in die Hand genommen hat.
XXV
2500 Mark aus allgemeinen Mitteln der Akademie fiir die inter-
akademische Leibniz- Ausgabe \
1000 » der Interakademischen Centralcommission für Hun-
forschung zur Bearbeitung einer internationalen Nomen-
clatur des Centralnervensystems.
1000 Frcs. dem Institut Marey in Boulogne s. S. gegen Ehiräumung
eines von der Akademie zu vergebenden Arbeitsplatzes
für die Dauer eines Jahres.
10000 Mark dem Mitglied der Akademie Hm. Branca als Zuschuls
zu den Kosten einer nach Deutsch-Ostafrica zu ent-
sendenden Expedition zur Sammlung fossiler Dino-
saurier.
750 » dem Mitglied der Akademie Hm. Schmidt zur Heraus-
gabe einer von Dr. Adalbert Schroeter im Manuscript
hinterlassenen Geschichte der lateinischen Lyrik der
Renaissance.
1000 » dem von dem zweiten Deutschen Kalitage eingesetzten
Comite zur wissenschaftlichen Erforschung der nord-
deutschen Kalisalzlager.
1400 » zum Ankauf der im Nachlafs des verstorbenen Prof.
Dr. 0. Lassar befindlichen Radiumpraeparate.
2500 » Hm. Prof Dr. Richard Abegg in Breslau zur Be-
schaffung von Gallium und zur physikahsch-chemischen
Untersuchung dieses Elements.
4000 » Hrn. Prof Dr. Julius Bauschinger in Berlin zur Be-
rechnung einer achtstelligen Logarithmentafel.
1500 » Hrn. Prof Dr. Erich von Drygalski in München zur
Vollendung des Chinawerkes von Ferdinand von Richt-
hofen.
' Die Kosten dieser Ausgabe werden zum Theil aus dem für die Zwecke
der Internationalen Association der Akademien bestimmten Fonds bestritten.
XXVI
800 Mark Hm. Prof. Dr. Wilhelm Foerster in Berlin zur ab-
schliefsenden Bearbeitung und Veröffentlichung einiger
astronomischen Beobachtungsreihen.
2000 » Hrn. Prof. Dr. Gustav Fritsch in Berlin zur Heraus-
gabe eines Werkes über die Area centralis der mensch-
lichen Netzhaut.
800 » Hm. Dr. Walter Gothan in Berlin zu Untersuchungen
über das Fünfkircliener Steinkohlenlager.
1500 » Hrn. Prof. Dr. 0. Heck er in Potsdam zu Vei*suchen über
Schweremessungen auf hoher See.
2800 » Hm. Prof Dr. Ludwig Holborn in Charlottenburg zur
Bestimmung der specifischen Wärme von Gasen bei
hohem Druck.
1500 » Hm. Privatdocenten Dr. Arrien Johnsen in Königs-
berg zu mineralogischen und geologischen Unter-
suchungen auf der Insel Pantelleria.
500 » Hrn. Dr. Otto Kalischer in Berlin zur Fortsetzung
seiner Untersuchungen über das Hörorgan.
500 » Hrn. Dr. Ludwig Keilhack in Berlin zu einer zoologi-
schen Erforschung der Gebirgsseen der Dauphine-Alpen.
1800 » Hrn. Prof Dr. Ludolf Krehl in Heidelberg zu einem
Stoffwechselversuch bei Diabetes (an Stelle einer vor-
jährigen Bewilligung).
1000 » Hrn. Privatdocenten Dr. Alfred Lohmann in Marburg
zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Neben-
niere.
1000 » Hm. Prof Dr. Wilibald A. Nagel in Berlin zu einer
akustisch-phonetischen Untersuchung.
500 » Hrn. Dr. Oskar Prochnow in Wendisch-Buchholz zu
Temperaturexperimenten mit poikilothermen Thieren
und Pflanzen.
XXVII
500 Mark Hrn. Privatdocenten Dr. Max Rothmann in Berlin für
Versuche zur Erforschung der Function ganzer Grofs-
himhemisphären.
1500 » Hm. Prof Dr. Adolf Schmidt in Potsdam zu Ver-
suchen über magnetische Messungen auf hoher See.
142 » 50 Pf. Hrn. Prof Dr. Johannes Stark in Greifsvvald
zu Untersuchungen über die Lichtemission der Kanal-
strahlen zu den ihm im Vorjahr bewilligten 2000 Mark.
600 » Hrn. Privatdocenten Dr. Felix Tannhäuser in Berlin
zur chemischen Untersuchung der bei Erforschung des
Neuroder Gabbrozuges gefundenen Gesteine.
650 » für Vol.n sect 1 fasc. 1 des Corpus inscriptionum Etrus-
carum.
1500 » der MusikgeschichtHchen Commission zur Herausgabe
der Denkmäler Deutscher Tonkunst behufs biblio-
graphischer Aufnahme der in deutschen Bibliotheken
und Archiven befindlichen Handschriften mittelalter-
licher Musikschriftsteller.
300 » Hrn. Oberlehrer Dr. Fahz in Frankfurt a. M. zu einem
Aufenthalt in Paris behufs CoUationirung des Papyrus
Mimaut Nr. 2391 des Louvre.
1 000 » Hrn. Oberlehrer Dr. Ernst Gerland in Homburg v. d. H.
zur Bearbeitung und Herausgabe eines Corpus notitiarum
episcopatuum ecclesiae orientalis Graecae.
1000 » Hrn. Privatdocenten Lic. theol. Paul Glaue in Giefsen
zu einer Studiem*eise nach Rom zur Fortführung seiner
Arbeiten über die griechischen Evangelien -Vorlese-
bücher.
1000 » Hm. Prof Heinrich Günter in Tübingen zur Druck-
legung eines Werkes »Die Habsburger-Liga 1625 bis
1635«.
xxvni
1800 Mark Hm. Prof. Dr. Oskar Mann in Berlin zur Fortsetzung
seiner Forschungen über Kurdistan und seine Bewohner.
2000 » Demselben zur Drucklegung des Bandes IV, 3, 2 seiner
» Kurdisch-persischen Forschungen « .
500 » Hm. Dr. Georg Möller in Berlin zur Vollendung seiner
Aufnahme der Inschriften von Hatnub.
1000 » Hrn. Prof. Dr. T h e o d o r S ch i e m a n n in Berlin zur Fort-
setzung seiner Studien über die Geschichte Rufslands
unter Kaiser Nicolaus I.
600 » Hm. Prof. Dr. Karl Schmidt in Berlin zur Beaibeitung
und VeröfFentUchung der nubischen Urkunden in kop-
tischer Sprache.
900 » Hrn. Prof. Dr. Siegfried Sudhaus in Kiel zu einem
Aufenthalt in Neapel behufs Vergleichung der dortigen
das Werk flepl fftva-ews des Epikuros enthaltenden Pa-
pyri.
Verzeichnifs der im Jahre 1908 erschienenen im Auftrage
oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder
herausgegebenen Werke.
Das Pflanzenreich. Regni vegetabiUs conspectus. Im Auftrage
der Königl. preufs. Akademie der Wissenschaften hrsg. von
A. Engler. Heft 33—37. Leipzig 1908.
Acta Bomssica. Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im
18. Jahrhundert. Hrsg. von der Königlichen Akademie der
Wissenschaften. Behördenorganisation und allgemeine Staats-
verwaltung. Bd. 4. Hälfte 1.2. — Die einzelnen Gebiete der
Verwaltung. Münzwesen. Münzgeschichtlicher Teil. Bd. 2.
Berlin 1908.
XXIX
Politische CoiTespondenz Friedrich's des Grofsen. Bd. 32. Berlin 1908-
Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften. Hrsg. von
der Königlich Preufsischen Akademie der Wissenschaften.
Bd. 7. Hälfte 2. Berlin 1908.
Ihn Saad. Biographien Muhammeds, seiner Geföhi'ten und der
späteren Träger des Islams bis zum Jahre 230 der Flucht.
Im Auftrage der Königlich Preufsischen Akademie der
Wissenschaften hrsg. von Eduard Sachau. Bd. 4. Tl. 2.
Leiden 1908.
Inscriptiones Graecae consilio et auctoritate Academiae Litterarum
Regiae Borussicae editae. Vol. 9. Inscriptiones Graeciae
septentrionalis voluminibus 7 et 8 non comprehensae. Pars 2.
Inscriptiones Thessaliae ed. Otto Kern. Vol. 12. Inscriptiones
insularum maris Aegaei praeter Delum. Fase. 7. Inscriptiones
Amorgi et insularum vicinarum ed. lulius Delamarre.
Berolini 1908.
Kant's gesammelte Schriften. Hrsg. von der Königlich Preußischen
Akademie der Wissenschaften. Bd. 5. Berlin 1908.
Deutsche Texte des Mittelalters hrsg. von der Königlich Preußi-
schen Akademie der Wissenschaften. Bd. 10. Der sog. St.
Georgener Prediger. Bd. 1 2. Die Meisterlieder des Hans Folz.
Bd. 13. Der Große Alexander. Bd. 14. Die sogenannte Wolf en-
büttler Priamelhandschrift. Berlin 1908.
Thesaurus linguae Latinae editus auctoritate et consilio Academia-
rum quinque Geimanicarum Berohnensis Gottingensis Lip-
siensis Monacensis Vindobonensis. Vol. 3. Fase. 3. Vol. 4.
Fase. 4. 5. Lipsiae 1908.
Corpus medicorum Graecorum auspiciis Academiarum associatarum
ed. Academiae Berolinensis Havniensis Lipsiensis. X 1, 1.
Philumeni de venenatis animaUbus eorumque remediis ca-
pita XXXVn ed. M. Wellmann. Lipsiae et Berolini 1908.
XXX
Ergebnisse der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung. Bd. 3.
Lh 5: Borgert, A. Die Tripyleen Radiolarien. Concharidae.
Lh 6: Schmidt, Wilhelm J. Die Tripyleen Radiolarien.
Castanellidae. Kiel und Leipzig 1907. 08.
Schnitze, Leonhard. Zoologische und anthropologische Ergeb-
nisse einer Forschungsreise im westUchen und zentralen Süd-
afrika ausgeführt in den Jahren 1903 1905. Bd. 1. Jenal908.
(Denkschriften der Medicinisch-Naturwissenschaftlichen Ge-
sellschaft zu Jena. Bd. 13.)
Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahr-
hunderte. Hrsg. von der Kirchenväter-Commission der Königl.
Preufsischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 9, Tl. 2
- Eusebius. Bd. 2, Tl. 2. Leipzig 1908.
M. TuUi Ciceronis Paradoxa Stoicorum, Academicorum reliquiae
cum Lucullo, Timaeus, de natura deorum, de divinatione, de
fato ed. Otto Piasberg. Fase. 1. Lipsiae 1908.
Dahl, Friedrich. Die Lycosiden oder Wolfspinnen Deutschlands.
Halle 1908. (Abli. der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Aka-
demie der Naturforscher. Bd. 88. N. 3.)
Finke, Heinrich. Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen,
italienischen, französischen, spanischen, zur Kirchen- und
Kulturgeschichte aus der diplomatischen KoiTespondenz
JaymeslI. (1291 — 1327). Bd. 1.2. Berlin und Leipzig 1908.
Fischer, Albert. Das deutsche evangelische Kirchenlied des
17. Jahrhunderts. Vollendet und hrsg. von W. Tümpel.
Bd. 4. Gütersloh 1908.
Fritsch, Gustav. Über Bau und Bedeutung der Area centralis
des Menschen. Berlin 1908.
Glagau, Hans. Refonnvei-suche und Sturz des Absolutismus in
Frankreich (1774-1788). München und Berlin 1908.
XXXI
Günter, Heinrich. Die Habsburger-Liga 1625 1635. Berlin 1908.
Keibel, Franz, und Elze, Gurt. Normentafel zur Entwicklungs-
geschichte des Menschen. Jena 1908. (Normentafeln zur
Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere. Heft 8.)
Libanii opera rec. Richardus Foerster. Vol. 4. Lipsiae 1908. (Bi-
bliotheca Script. Graec. et Roman. Teubneriana.)
Loesener, Th. Monographia Aquifoliacearum. Pars 2. Halle 1908.
(Abh. der Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Natur-
forscher. Bd. 89. N. 1.)
Lycophronis Alexandra rec. Eduardus Scheer. Vol. 2. Berolini 1908.
Reiche, Karl. Grundzüge der Pflanzenverbreitung in Chile. Leipzig
1907. (Die Vegetation der Erde. VlII.)
Sachau, Eduard. Syrische Rechtsbücher. Bd. 2. Berlin 1908.
Salomon, Wilhelm. Die Adamellogruppe. Tl. 1. Wien 1908. (Ab-
handlungen der k. k. Geologischen Reichsanstalt. Bd. 2 1 . Heft 1 .)
Seh ein er, J. Untersuchungen über die Solarkonstante und die
Temperatur der Sonnenphotosphäre. Potsdam 1908. (Publi-
kationen des Astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam.
Bd. 18. Stück 3.)
Sc hiemann, Theodor. Geschichte Rufslands unter Kaiser Niko-
laus I. Bd. 2. Berlin 1908.
Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe des
Jahres 1908.
Es wurden gewählt:
zum ordentlichen Mitglied der physikalisch -mathematischen
Classe:
Hr. Theodor Liebisch, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom
S.August 1908;
XXXIl
zum ordentlichen Mitglied der philosophisch-historischen Classe:
Hr. Eduard Seier, bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 24, August
1908;
zu auswärtigen Mitgliedern der philosophisch-historischen Classe:
Hr. Vatroslav von Jagic in ) , . , ,. , t,,. ,.
.^^. I bisher correspondu-ende Mitglie-
^ . ' . xr 1 , 1 . . l der, bestätigt durch K. Cabi-
» Panagiotis Kabbadias m ) , ^.^ o. i
^ - ( netsordre vom 25. beptember
^^^^''' \ 1908-
» Henri Weil in Paris, ] '
zum correspondu*enden Mitgüed der physikalisch -mathemati-
schen Classe:
Sir George Howard Darwin in Cambridge am 25. Juni 1908;
zu correspondirenden Mitgliedern der philosophisch-historischen
Classe:
Hr. Emile Boutroux in Paris am 27, Febraar 1908,
» Percy Gardner in Oxford, 1
» Barclay Vincent Head in London, ( ^^ ^ , ,r./.o
j ^ _. . ^ . ) am 29. October 1908.
» Ldmond rottier m Paris, l
» Robert von Schneider in Wien, )
Das auswärtige Mitglied der philosophisch-historischen Classe
Rochus Frhr. von Liliencron verlegte am 1. September 1908
seinen Wohnsitz von Schleswig nach Beriin und trat gemäfs § 20
der Statuten in die Reihe der Ehrenmitgüeder über, da er mit
Rücksicht auf sein hohes Alter nicht gewünscht hatte, unter die
ordentlichen Mitglieder aufgenommen zu werden.
Gestorben sind:
das ordentliche Mitglied der physikalisch-mathematischen Classe:
Hr. Karl Möbius am 26. April 1908;
XXXIU
die ordentlichen Mitglieder der philosophisch-historischen Classe:
Hr. Adolf Kirchhoff am 27. Februar 1908,
» Eberhard Schrader am 3. Juli 1908,
» Richard Pischel am 26. December 1908;
die auswärtigen Mitglieder der philosophisch-historischen Classe:
Hr. Eduard Zeller in Stuttgart am 19. März 1908,
» Theodor von Sickel in Meran am 21. April 1908,
» Franz Bücheier in Bonn am 3. Mai 1908;
das Ehrenmitglied der Akademie:
Hr. Friedrich Althoff in Steglitz am 20. October 1908;
die correspondirenden Mitglieder der physikalisch-mathemati-
schen Classe:
Hr. Karl von Voit in München am 31. Januar 1908,
» Franz von Leydig in Rothenburg o. d. T. am 13. April 1908,
» Henri Becquerel in Paris am 25. August 1908,
» Eleuthere Mascart in Paris am 26. August 1908,
» Adolf Wüllner in Aachen am 6. October 1908,
» Friedrich Schmidt in St. Petersburg am 21. November 1908,
» Albert Gaudry in Paris am 27. November 1908,
» Wolcott Gibbs in Newport, R. I. am 9. December 1908;
die correspondu'enden Mitglieder der philosophisch -historischen
Classe:
Hr. Victor Baron Rosen in St. Petersburg am 23. Januar 1908,
» Franz Kielhorn in Göttingen am 19. März 1908,
» Karl Theodor von Inama-Sternegg in Innsbruck am 28. No-
vember 1908.
XXXIV
Verzeiclmirs der Mitglieder der Akademie am Schlüsse des
Jahres 1908
nebst den Verzeichnissen der Inhaber der Helmholtz- und der Leibniz-Medaille
und der Beamten der Akademie.
L Beständige Secretare.
Gewihli TOD der ^'^^'ßtSlti^'''^*"
Hr. Auwers phy8.-math. Classe 1878 April 10.
- Valden phil.-bist. - 1893 April 5.
- Diels phil.-hist. - 1895 Nov. 27.
- Wcddeyer phys.-math. - 1896 Jan. 20.
II. Ordentliche Mitglieder.
Physikaliseh-mathenutiMhe CImm PhUMophiseh-hbtoriaehe CUmc ^**%dlttti™g'''*'''°
Hr. ArÜiur Auwers 1866 Aug. 18.
Hr. Johannes Vahlen 1874 Dec. 16.
- Alexander Conze .... 1877 April 23.
- Simon Schwendener 1879 Juli 13.
- Hermann Munk 1880 März 10.
- Adolf Tobler 1881 Aug. 15.
- Hermann Diels 1881 Aug. 15.
- Hans LandoÜ 1881 Aug. 15.
- Wilhelm Waldeyer 1884 Febr. 18.
- Heinrich Brunner .... 1884 April 9.
- Franz EUlwrd Schulze 1884 Juni 21.
- OUo Hirschfeld 1885 März 9.
- Eduard Sachau 1887 Jan. 24.
- Gustav von Schmolle- . . . 1887 Jan. 24.
- Wühelm DiUhey 1887 Jan. 24.
- Adolf Engler 1890 Jan. 29.
- Adolf Harnack 1890 Febr. 10.
- Hermann Amandus Schwarz 1892 Dec. 19.
- Georg Frobenius 1893 Jan. 14.
- Emü Fischer 1893 Febr. 6.
- Oskar Hertwig 1893 April 17.
XXXV
PhystkalLMh-miUhciiuitiMhe Qmm PhiloMphiaeh-bistoruehe ClasM ^^"BeToU^un^^^^''^"
Hr. Mu? Planck 1894 Juni 11.
Hr. Kctrl Stumpf 1895 Febr. 18.
. Erich Schmidt 1895 Febr. 18.
. Adolf Erman 1895 Febr. 18.
- EmU Warburg 1895 Aug. 13.
- Jakob Heinrich van't Hoff 1896 Febr. 26.
- Bein/iold Koser 1896 Juli 12.
- Max Lenz 1896 Dec. 14.
- Theodor Wil/iehn Evgehnaim 1898 Febr. 14.
- Revnliard KekulevofiStradonitz 1898 Juni 9.
- Ulrich von WUamowitz-
MoeUendorff 1899 Aug. 2.
- WiUielm Branca 1899 Dec. 18.
- Bobeft Hehnert 1900 Jan. 31.
- Heinrich Müller -Breslau 1901 Jan. 14.
- Heinrich Zimmer .... 1902 Jan. 13.
- Heinrich Dressel .... 1902 Mai 9.
- Konrad Burdach .... 1902 Mai 9.
- Friedrich Scliottky 1903 Jan. 5.
- Gwtoo RoeÜie 1903 Jan. 5.
- Dietrich Schäfer 1903 Aug. 4.
- Eduard Meyer 1903 Aug. 4.
- Will^hn Schulze .... 1903 Nov. 16.
. Alois Brandt 1904 April 3.
- Robert Koch 1904 Juni 1.
- Hermann Struoe 1904 Aug. 29.
- Hermann Zimmermann 1904 Aug. 29.
- Adolf Martens 1904 Aug. 29.
- Walther Kernst 1905 Nov. 24.
- Max Bubner 1906 Dec. 2.
. Johannes Orth 1906 Dec. 2.
. Albrecht Penck 1906 Dec. 2.
. Friedrich Müller .... 1906 Dec. 24.
- Andreas Heusler .... 1907 Aug. 8.
- Heinrich Rubens 1907 Aug. 8.
- llieodfyr Liebisch 1908 Aug. 3.
- Eduard Seier 1908 Aug. 24.
XXXVI
III. Auswärtige Mitglieder.
Physikaliseh-mathenuttiaehe Claase PhOosophueh-historiMhe ClMse '^^^^^BiuLtim*'**''*"
Hr. Tri€odorNöldekemStTa,[Bh}iTg 1900 März 5.
- Friedrich Imhoof- Blumer in
Winterthur 1900 März 5.
- PasqucUe ViUari in Florenz . 1900 März 5.
Hr. m/Ä^/w //i«oj/ in Münster i.W 1900 März 5.
- Eduard Suess in Wien 1900 März 5.
- Eduard Pßüger in Bonn 1900 März 5.
- Leopold Delisle in Favis . . 1902 Nov. 16.
Sir Joseph DcUton Hooker in Sun-
ningdale 1904 Mai 29.
Hr. Giovanni Virginia Schiaparelli in
Mailand 1904 Oct. 17.
- Adolf von Baeyer in München 1905 Aug. 12.
- Vatroslav von Jagi6 in Wien 1908 Sept. 25.
- PanagiotisKabbadiasmk^tn 1908 Sept. 25.
- Henri Weü in Paris ... 1908 Sept. 25.
IV. Ehrenmiteliedev. ^ ..,...,
o ÜAtuoi der KAniglicben
Bestitigung
^^^^^^^■"'^ ^■^^'^■^^■^
Karl of Crawford and Balcarres in Haigh Hall, Wigan .... 1883 Juli 30.
Hr. Max Lehmann in Göttingen 1887 Jan. 24.
- Friedrich Kohkausch in ^Krh\xrg 1895 Aug. 13.
Hugo Graf von und zu Lerclienfeld in Berlin 1900 März 5.
Hr. Richard Schöne in Berlin 1900 März 5.
Frau Eü^e Wentzel geb. Heckmann in Berlin 1900 März 5.
Hr. Konrad von Siudt in Berlin 1900 März 17.
- Andrew Dickson White in Ithaca, N. Y 1900 Dec. 12.
Rochus Frhr. von Lüiencron in Berlin 1901 Jan. 14.
XXXVII
V. Con-espondirende Mitglieder.
Physikalisch -mathematische Classe.
Dfttum der Walil
Hr. Alesander Agtusiz in Cambridge, Mass 1895 Juli 18.
- Ernst Wilhelm Benecke in Strafsburg 1900 Febr. 8.
- Eduard van Beneden in Lütticb 1887 Nov. 3.
- Oskar Brefeld in Charlottenburg 1899 Jan. 19.
- Heinrich Bruns in Leipzig 1906 Jan. 11.
. Otto Bütschii in Heidelberg 1897 März 11.
- Stanislao Cannizzaro in Rom 1888 Dec. 6.
- Karl Chun in Leipzig 1900 Jan. 18.
- Gaston Darboux in Paris 1897 Febr. 11.
Sir George Howard Darwin in Cambridge 1908 Juni 25.
Hr. Ridiord Dedekind in Braunschweig 1880 März 11.
- NOs Christofer Duner in Uppsala 1900 Febr. 22.
- Ernst Eiders in Göttingen 1897 Jan. 21.
- Rudolf Fütig in Strafsburg 1896 Oct. 29.
- Max Fürbringer in Heidelberg 1900 Febr. 22.
Sir Archibald Geikie in Haslemere, Surrey 1889 Febr. 21.
- DaM Gilt in London 1890 Juni 5.
Hr. Paul Gordan in Erlangen 1900 Febr. 22.
- Karl Graebe in Frankfurt a. M 1907 Juni 13.
- Ludwig von Graff in Graz 1900 Febr. 8.
- GotÜieh Haherlandt in Graz 1899 Juni 8.
- Jxdius Hann in Wien 1889 Febr. 21.
- Victor Hensen in Kiel 1898 Febr. 24.
- Richard Hertwig in München 1898 April 28.
Sir William Huggins in London 1895 Dec. 12.
Hr. Adolf von Koenen in Göttingen 1904 Mai 5.
- Leo Koenigsberger in Heidelberg 1893 Mai 4.
- Henri Le Chatelier in Paris 1905 Dec. 14.
- Michel Liüy in Paris 1898 Juli 28.
- Gabriel Lippmann in Paris 1900 Febr. 22.
XXXVllI
Datum der Wahl
Hr. Hendrik Antoon Lorentz in Leiden 1905 Mai 4.
- Hubert Ludrvig in Bonn 1898 Juli 14.
- Franz Mertens m yf\tn 1900 Febr. 22.
- Henrik Mohn in Christiania 1900 Febr. 22.
. Alfred Gabriel NcUhorst in Stockholm 1900 Febr. 8.
- Karl Neuinann in Leipzig 1093 Mai 4.
- Georg von Netiinayej' in Neustadt a. d. Haardt 1896 Febr. 27.
- Simon Newcomb in Washington 1883 Juni 7.
- Max Noether in Erlangen 1896 Jan. 30.
- Wilhelm Ostwald in Grofs-Bothen, Kgr. Sachsen 1905 Jan. 12.
- WiUielm Pfeffer in Leipzig 1889 Dec. 19.
- Emile Picard in Paris 1898 Febr. 24.
- Edward Charles Pickenng in Cambridge, Mass 1906 Jan. 11.
- Henri Poincari in Paris 1896 Jan. 30.
- Georg Qtdncke in Heidelberg 1879 März 13.
- Ludwig Badlkofer in München 1900 Febr. 8.
Sir William Ramsay in London 1896 Oct. 29.
Lord Rayleigh in Witham, Essex 1896 Oct. 29.
Hr. Fiiedrich von Recklinghausen in Strafsburg 1885 Febr. 26.
- Gustaf Reizius in Stockhohn 1893 Juni 1.
- WiUielm Konrad Röntgen in München 1896 März 12.
- Heinrich Rosenbusch in Heidelberg 1887 Oct. 20.
- Georg Ossian Scws in Christiania 1898 Febr. 24.
- Hugo von Seeliger in München 1906 Jan. 11.
Hermann Graf zu Sohns- Laubach in Strafsburg 1899 Juni 8.
Hr. Johann Wilhelm Spengel in Giefsen 1900 Jan. 18.
- Eduard Strasburger in Bonn 1889 Dec. 19.
- Johannes Strüver in Rom 1900 Febr. 8.
- Jtdius Thomsen in Kopenhagen 1900 Febr. 8.
- August Toepler in Dresden 1879 März 13.
- Melchior Treub in Buitenzorg 1900 Febr. 8.
- Gustav von Tschertnak in Wien 1881 März 3.
Sir WUliam Turner in Edinburg 1898 März 10.
Hr. Woldemar Voigt in Göttiugen 1900 März 8.
- Johannes Diderik van der Waals in Amsterdam 1900 Febr. 22.
- Quo Wallach in Göttingen 1907 Juni 13.
- Eugenius Wcanning in Kopenhagen 1899 Jan. 19.
- Heinrich Weber in Strafsburg 1896 Jan. 30.
- August Weismann in Freiburg i. B 1897 März 11.
- Julius Wiesner in Wien 1899 Juni 8.
- Ferdinand Zirkel in Leipzig 1887 Oct. 20.
XXXIX
Philosophisch-historische Classe. Dstum der Wahl
Hr. Wil/tehn AlUwardi in Greifawald 1888 Febr. 2.
- Karl von Amira in München 1900 Jan. 18.
- Ernst Immanuel Bekker in Heidelberg 1897 Juli 29.
- Friedrich von Bezold in Bonn 1907 Febr. 14.
. Eugen Bormann in Wien 1902 Juli 24.
. Emile Bouiroux in Paris 1908 Febr. 27.
- Jmnes Henry Breasted in Chicago. 1907 Juni 13.
- Ingram Bywaiei* in London 1887 Nov. 17.
- Reni Cagnat in Paris 1904 Nov. 3.
. Arthur Chuquet in Villemoinble (Seine) 1907 Febr. 14.
- Louis Duchesne in Rom 1893 Juli 20.
- Benno Erdmann in Bonn 1903 Jan. 15.
- Julius Euting in Strafsburg 1907 Juni 13.
- Paul Foucart in Paris 1884 Juli 17.
. Ludwig Friedländer in Strafsburg 1900 Jan. 18.
- Perey Gardner in Oxford 1908 Oct. 29.
- ITieodor Gomperz in Wien 1893 Oct. 19.
. Francis Llewellyn GriffiHi in Oxford 1900 Jan. 18.
. G^utao Gröber in Strafsburg 1900 Jan. 18.
- Ignazio Gnidi in Rom 1904 Dec. 15.
- Georgios N. Haizidakis in Athen 1900 Jan. 18.
- Albert Hauck in Leipzig 1900 Jan. 18.
- Bemard HaussoulUer in Paris 1907 Mai 2.
- Barclay Vincent Head in London 1908 Oct. 29.
- Johan Ludvig Heiberg in Kopenhagen 1896 März 12.
- Karl Theodor von Heigel in München 1904 Nov. 3.
- Max Heime in Leipzig 1900 Jan. 18.
- Aiüoine Hiron de ViUefosse in Paris 1893 Febr. 2.
- Lhn Heuzey in Paris 1900 Jan. 18.
- Edvard Holm in Kopenhagen 1904 Nov. 3.
- riUophUe HmnoUe in Paris 1887 Nov. 17.
- Christian Hülsen in Rom 1907 Mai 2.
- William James in Cambridge, Mass 1900 Jan. 18.
- ^rfo^ J«/tc/i«- in Marburg 1906 Nov. 1.
- Karl Jtisti in Bonn 1893 Nov. 30.
- Frederic George Kenyon in London 1900 Jan. 18.
- Geo9'g Friedrich Knapp in Strafsburg 1893 Dec. 14.
- Basil Lntyschew in St. Petersburg 1891 Juni 4.
- Friedrich Leo in Göttingen 1906 Nov. 1.
- August Leskien in Leipzig 1900 Jan. 18.
XL
Datum der Wahl
Hr. Emile Levasseur in Paris 1900 Jan. 18.
- Friedrich Loofs in HaUe a. S 1904 Nov. 3.
- Giacomo Lumbraso in Viareggio 1874 Nov. 12.
- Arnold Luschin von Ebengreut/i in Graz 1904 Juli 21.
- John Pentland Malvaffy in Dublin 1900 Jan. 18.
- Gaston Maspero in Paris 1897 Juli 15.
- Wühelm Meyer-Lübke in Wien 1905 Juli 6.
- Adolf Midiaelis in Strafsburg 1888 Juni 21.
- Ludwig Mitteis in Leipzig 1905 Febr. 16.
- Gabriel Monod in Versailles 1907 Febr. 14.
- Benedictus Niese in Halle a. S 1905 Febr. 16.
- Heinrich Nissen in Bonn 1900 Jan. 18.
- Georges Perrot in Paris 1884 Juli 17.
- Edmond Pottier in Paris 1908 Oct. 29.
- WiUielm Radioff in St. Petersbui^ 1895 Jan. 10.
- Moriz Ritter in Bonn 1907 Febr. 14.
- Karl Robert in Halle a. S 1907 Mai 2.
- Robert von Schneider in Wien 1908 Oct. 29.
- Anton E. Scjiönbach in Graz 1906 Juli 5.
- Richard Schroeder in Heidelberg 1900 Jan. 18.
- Emil Schürer in Göttingen 1893 Juli 20.
- Eduard Schwartz in Göttingen 1907 Mai 2.
- Emile Senart in Paris 1900 Jan. 18.
- Eduard Sievers in Leipzig 1900 Jan. 18.
- Henry Sweet in Oxford 1901 Juni 6.
Sir Edward Maunde T/iompson in London 1895 Mai 2.
Hr. Vilhelm Tliomsen in Kopenhagen 1900 Jan. 18.
- Girolamo Vitelli in Florenz 1897 Juli 15.
- Julius Well/iousen in Göttingen 1900 Jan. 18.
- Wilhelm Wilmanns in Bonn 1906 Juli 5.
- Ludvig Wimmer in Kopenhagen 1891 Juni 4.
- Wil/ielm Windelband in Heidelberg 1903 Febr. 5.
- Wilhebn Wundt in Leipzig 1900 Jan. 18.
XTJ
Inhaber der Helmholtz- Medaille.
Hr. Santiago Ramöii y Cajal in Madrid (1904).
- Emil Fischer in Berlin (1908).
Verstorbene Inhaber.
Hr. Emil du Bois-Reymimd in Berlin (1892—96).
- Karl Weierstra/s in Berlin (1892—97).
- Bobert Bunsen in Heidelberg (1892—99).
Lord Kelvin in Netherhall, Largs (1892—1907).
Hr. Budol/Virchow in Berlin (1898-1902).
Sir George Gabriel Stokes in Cambridge (1900—03).
Hr. Henri Becquerel in Paris (1906—08).
Inhaber der Leibniz- Medaille.
a. Der Medaille in Gold.
Hr. James Simon in Berlin (1907).
b. Der Medaille in Silber.
Hr. Karl Alexander von Martins in Berlin (1907).
- A. F. Lindemann in Sidmouth, England (1907).
Beamte der Akademie.
Bibliothekar und Archivar: Dr. Köhnke.
Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau^ Prof. — Dr. Bistenpart^ Prof. (beurlaubt). —
Dr. HarmSj Prof. — Dr. Czeschka Edler von Maehrenthal^ Prof. — Dr. von Fritze, —
Dr. Karl Schmidt, Prof. — Dr. Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof.
Archivar und Bibliothekar der Deutschen Commission: Dr. Behrend,
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens.
Von
H"- W. BRANCA.
Phg$.-matA. Glaste. 1908. Abh. I.
Gelesen in der Gesamtsitzung am 7. Juli 1904.
Zum Druck eingereicht am 16. Januar 1908, ausgegeben am 9. März 1908.
Wer fftr die Tierwelt ein Wort prägen wollte, gleichwertig dem alten
fftr Menschen gemünzten: Navigaxe necesse est, vivere non necesse, der
brauchte nur das navigare zu verwandeln in ein volare ; denn wenn Zahlen
überhaupt Beweiskraft innewohnt, dann beweist die gewaltige Anzahl
fliegender Tierarten die sehr große Wichtigkeit, welche das Flugvermögen
f&r die Tierwelt besitzt. In seiner Abhandlung über die Erwerbung des
Flugvermögens bei Wirbeltieren hat Döderlein gezeigt \ daß nicht weniger
als 62 Prozent aller Tierarten das Flugvermögen erworben haben. Eine über-
raschend große Zahl. Aber so überzeugend die Sprache auch ist, die
diese Zahl zu uns spricht, sie verrät doch noch nicht alles; denn man
müßte eigentlich hierbei von den im Wasser lebenden Tieren, da ja von
ihnen kein einziges zu fliegen vermag, gänzlich absehen^. Wenn man
daher nur die Landtiere in Betracht zieht, so steigt för letztere der Pro-
zentsatz derer, die das Flugvermögen besitzen, nach Döderlein sogar
auf 75 Prozent.
Diese Zahl möchte nun vollends übertrieben erscheinen, da unser
Auge doch so zahlreichen Lebewesen begegnet, die kein Flugvermögen
* Zoologische Jahrbücher Bd. 14, 1900, S. 49 — 61.
' Auch die sogenannten -fliegenden« Fische besitzen ja kein Flugvermogen ; denn sie
können, wie Mobius zeigte, ihre großen Flossen nicht als Flügel, sondern nur als Fall-
schirm benutzen. Ganz neuerdings hat O. Abel (Fossile Flugfische, Jahrbuch der k. k.
Geolog. Reichsanstalt, Wien 1906. Bd. 56, S. i — 88, 3 Tafeln, 13 Textfiguren) in seiner
schonen Arbeit über die fossilen Flugfische, die verschiedenen darüber gemachten Beob-
achtungen kritisch besprechend, den Vorschlag gemacht, den Namen Flugfische in Fallschirm-
fische umzuwandeln. Dos würde sich dann sehr schon mit den Fallschirmtieren des Landes
decken. Außerdem aber besitzen diese Fallschirmfische, ebenso wie die anderen Fische, im
Wasser doch auch noch ein Flugvermögen ebenso wie die auf dem Lande lebenden Flug-
tiere; nur daß es sich in einem anderen Medium betätigt. Siehe S. 2 — 4.
4 B R A N C A :
besitzen, und sie erklärt sich nur dadurch, daß von den ungefähr 420 000
Tierarten, welche Döderlein als zur Zeit bekannt nach Möbius an-
nimmt, nicht weniger als 280000 den Insekten angehören, die ja
zum größten Teil zu fliegen vermögen. Dazu gesellen sich dann etwa
1 3 000 Vögel, 600 Fledermäuse und eine uns unbekannte Zahl ausgestor-
bener Flugsaurier, von denen vielleicht 60 Arten bisher namhaft gemacht
worden sind.
Es ergibt sich somit auch hier ein Beleg fftr die bekannte Tatsache,
daß statistische Zahlen leicht irrige Vorstellungen erwecken können.
Wohl kommen auf je vier Landtierformen nicht weniger als drei, die
fliegen können. Aber dieser fast ungeheuerlich hoch klingende Prozent-
satz fliegender Tiere wird wesentlich nur durch das große Übergewicht
der Zahl der Insektenarten über die der anderen Tiere bedingt. Müssen
wir daraus folgern, daß die Insekten ihre so auffallende Überzahl wesent-
lich dem Umstände verdanken, daß sie durch den Erwerb des Flugver-
mögens so sehr viel günstiger im Kampfe ums Dasein gestellt waren? Oder
sind es wesentlich doch andere Gründe gewesen, die dieses so außer-
ordentliche, jedes Maß übersteigende Anschwellen der Zahl der Insekten
bedingten? Denn man kann sich doch nicht verhehlen, daß der gewaltige
Vorteil, den ein einzelnes Tier vor allen anderen erlangt, wenn es des
Fliigvermögens teilhaftig wird, in demselben Maße wieder sich verringert,
in welchem zahllose andere Tiere ebenfalls das Flugvermögen erringen.
Die Möglichkeit, sich den Feinden durch die Flucht in die Luft hinein
zu entziehen und die Vorteile, die fiir Ernährung und Fortpflanzung sich
ergeben — sie verringern sich ja in demselben Maße, in dem auch die
Feinde und die Mitbewerber um Ernährung und Fortpflanzung sich in
die Luft zu erheben vermögen.
Ich sagte oben, den im Wasser lebenden Tieren fehle ausnahmslos
das Flug vermögen. Das klingt eigentlich selbstverständlich; denn wie
sollte ein Tier, das nur durch Kiemen zu atmen vermag, und in dieser
Lage sind doch fast ausnahmslos die Wassertiere, längere Zeit in der
Luft zubringen und dabei noch heftig mit den Muskeln arbeiten können,
ohne zu ersticken. Selbst im Besitze von Flügeln würde es also von
diesen doch keinen Gebrauch machen können; auch dann wohl nicht,
wenn seine Kiemen dem Zwecke, längere Zeit außerhalb des Wassers
aushalten zu können, sich angepaßt haben. Derartiges findet sich be-
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 5
kanntlich bei Wassertieren; so unter den dekapoden Krebsen bei den
Anomnren, bei denen der hintere Teil der Kiemenhöhle Luft aufnimmt
und als Lunge funktioniert, wenn der Kiebs an das Land geht; Birgus
soll auf solche Weise sogar Palmenbäume erklettern können. Indes ist
eine derartige Kieme doch nur zu langsamer Bewegung, also Atmung in
der Luft angepaßt, kaum aber zu so stürmischer Bewegung bezüglich
Atmung in der Luft, wie das zum Fliegen nötig wäre.
Indessen jene so selbstverständlich klingende Aussage, daß die im
Wasser lebenden Tiere des Flugvermögens ausnahmslos entbehren, ist
doch nur bedingt richtig; denn sie ist nur selbstverständlich, gilt nur
so lange, als wir das Fliegen definieren als die Fähigkeit eines Tieres,
sich in die Luft zu erheben. Bei dieser Definition wird aber, wie mir
scheint ungerechtfertigterweise, alleiniges Gewicht gelegt auf die eine
Seite der Sache: auf das, was die Natur hierbei leistete, indem sie, die
Schwere überwindend, dem Körper die Fähigkeit verlieh, sich in die Luft
erheben zu können: Eine Leistimg, so staunenswert, so großartig, daß
sie nur noch durch eines übertroffen wird, die Ausbildung des mensch-
lichen Denkvermögens.
Die andere Seite der Sache dagegen und wie mir scheint die Haupt-
seite, weil sie das enthält, was fiir das Tier das hierbei Wichtige ist,
findet in jener Definition gar keine Berücksichtigung. Ich meine die
Befreiung des Tieres von den Fesseln, mit denen es an die Erdrinde
gefesselt ist: Fesseln, die für seine Ernährung, seine Abwehr der
Feinde und seine Fortpflanzung schwerwiegende Hindemisse darbieten
können.
Setzen wir daher dieses für das Tier Wichtigere in die Definition
ein, erklären wir also das Fliegen ftir die Fähigkeit eines Tieres, sich
von diesen Banden freimachen imd sich erheben zu können in dasjenige
Medium, in welchem es atmet — so zeigt sich sofort, daß wir fiir die
im Wasser lebenden Tiere genau denselben Gegensatz haben, zwischen
denen, welche an den Boden gekettet sind und denen, welche zu fliegen
vermögen. Nur daß wir hier das Fliegen heute als Schwimmen be-
zeichnen.
Und ganz wie bei den landlebenden Tieren die verschiedensten Grade
der Flugflihigkeit bestehen, so besitzen auch die wasserlebenden Tiere
die verschiedensten Grade der Flugfahigkeit in solchem Sinne.
6 Branca:
Es verlohnte sich wohl der Mühe, nun auch fiir die im Wasser
lebenden Tiere ^ den Prozentsatz derer zu bestimmen, welche in solchem
Sinne die FlugfShigkeit erworben haben. So sind Fliegen und Schwimmen
mit Bezug auf die Höhe der Leistung der Natur zwei sehr verschieden-
wertige Dinge. Mit Bezug auf das aber, was sie dem Tiere geben, sind
sie ganz dasselbe; und nur dadurch, daß wir heute zwei verschiedene
Worte dafar besitzen, wird es bedingt, daß man das imwillkürlich vergißt.
Früher war dem nicht so, denn firüher machte unsere Sprache gar
keinen Unterschied zwischen beiden Tätigkeiten. Der Liebenswürdigkeit
meines verehrten Herrn Kollegen Wilhelm Schulze verdanke ich hier-
über die folgenden Angaben: »Noch heute sagt man im Slowenischen
riba pluje, der Fisch schwimmt, und ptic pluje, der Vogel fliegt; fiir
beide Tätigkeiten hat also die slowenische Sprache noch heute nur einen
einzigen Ausdruck, und die demselben zugrunde liegende Wurzel pleu
heißt sonst schwimmen. In einer erweiterten Form erscheint sie als
litauisch plaukiü, ich schwimme; dazu stimmt fast ganz genau unser
Fliegen (in ältester Form flingan), das also ursprünglich auch schwimmen
bedeutet, aber diese seine ursprüngliche Bedeutimg seit alters eingebüßt
hat und im Germanischen nur noch von der Bewegung durch die Luft
gebraucht wird«.
Zwei diametral entgegengesetzte Wege^ sind es, auf welchen die Land-
tiere ihre Flugfthigkeit erworben haben; den einen gingen die Wirbel-
tiere, den anderen die Insekten.
Bei den Wirbeltieren wurde die vordere Extremität zum Flügel lun-
gewandelt. Schon ohne weiteres geht aus diesen Worten hervor, daß
^ Die Zahl der bisher bekannten Fische, 12000 Arten, erreicht nicht ganz die Zahl
der Vogel, die sich auf 13 000 belauft. Diejenige der Reptilien beträgt etwa 8 300, die der
Amphibien 1300, und von diesen ist ja nur ein kleinerer Teil mehr oder weniger wasser-
lebend. Die etwa 3000 Echinodermen rechnen ganz, die 8000 Würmer wieder nur zum
Teil zu den Bewohnern des Wassers. Den größten Prozentsatz aber liefern die Mollusken,
deren 50000 Arten zum größten Teil im Wasser leben. Dazu kommen dann noch die
niedersten Tiere, deren Artenzahl um so schwerer festzustellen ist, in je tiefere Stufen man
hinabsteigt.
' Wenn hier und später von »demselben Wege« (bzw. von »verschiedenen Wegen«), auf
dem die Flugfahigkeit erreicht wurde, die Rede ist, so soll damit selbstverständlich keinerlei
Verwandtschaft der Tiergruppen angedeutet werden, sondern nur die von der Natur befolgte
Art und Weise des Vorgehens, gewissermaßen die Methode.
Fossile Flugüere und Erwerb des Flugvermögens. 7
hier dem Gewinne des Flugvennögens ein Verlust zweier Füße, d. h. der
vollen Hälfte aller, gegenüberstand. Welch ein überaus harter Verlust!
Wai* zunächst doch mit ihm sogar noch viel mehr als die Hälfte des Geh-
vermögens verloren. Das geht am besten aus den folgenden schematischen
Zeichnungen hervor, in welchen Fig. i ein vierfößiges Tier vor Erwerb
Ftg.l. Ftg.2.
des Flugvermögens, Fig. 2 nach Erwerb desselben und mit seitlich an-
gelegten Flügelknochen darstellt.
Wenn wir einmal eine plötzliche Umwandlung aus dem einen in den
anderen Zustand uns vorstellen wollen, so ergibt sich, daß das Tier nun
seiner bisherigen Fähigkeit zu gehen, laufen oder springen zimächst nicht
bloß halb, sondern sogar fast vollständig beraubt werden würde, indem
es entweder gänzlich auf ein Gehen verzichten müßte oder doch nur
höchst unbehilflich, seine Flügelextremität als Gehwerkzeug benutzend, auf
allen Vieren sich fortbewegen könnte; wie letzteres auch heute noch, wenn
auch zum Teil recht geschickt, die Fledermäuse tun.
Indessen die der Schonimg bedürftigen Flügel, deren Flughaut be-
züglich Federn durch das Gestrüpp des Waldes, die Härte der Felsen,
den Sand und Schlamm des Bodens leicht Schaden nehmen können, durften
in ausgedehntem Maße nicht dauernd als Gehwerkzeuge benutzt werden;
sie mußten daher soweit wie möglich gänzlich befreit werden von solchem
Dienste, das Tier mußte auf zwei Beine gestellt werden.
Das konnte zunächst bei horizontal bleibender Körperachse, also unter
Beibehaltung der bisherigen Körperstellung des Vierfiißlers, nur ermöglicht
werden dadurch, daß die Hinterextremität vom hinteren Ende des Tieres
mehr nach der Mitte desselben zugeschoben wurde:
Entweder indem nur die Gelenkungsstelle des Oberschenkels im
Becken weiter nach vom rückte;
Oder indem außerdem noch der Oberschenkel selbst, anstatt seiner
ursprünglich mehr vertikalen eine mehr oder weniger horizontale Stellung
8 Branc A :
annahm, so daß auf solche Weise der Unterschenkel es war, der den Körper
weiter zur Mitte hin unterstützte, wie das Fig. 3 andeutet.
Fig. 3.
Oder endlich, indem umgekehrt der Rumpf es war, der seine ur-
sprünglich horizontale, dem früheren Vierfüßler eigne Lage aufgab und eine
mehr aufrechte Richtung annahm, wie Fig. 4 schematisch anzeigt imd z. B.
beim Pinguin, Kranich, Marabu usw. der Fall ist.
So steht also bei den Wirbeltieren dem Gewinne des Flug-
vermögens ein überaus harter Verlust gegenüber.
Von entgegengesetzter Richtung her, mit verlustloser Methode, haben
die Insekten das Flugvermögen erlangt. Aus bedeutimgslosen, wenigstens
fiir das Gehen bedeutungslosen Rückenplatten wurden hier die Flügel ge-
schaffen. Aber nicht nur das, es bildeten sich auf solche Weise auch
meistens nicht nur 2, sondern sogar 4 Flügel. Eine Zahl, die bei den
Wirbeltieren fast unmöglich sein würde, da letztere, wenn außer der Vor-
der- auch noch die Hinterextremität sich in Flügel verwandeln würde,
fast jeder Gehfahigkeit beraubt werden müßten.
Es ist also, gerade umgekehrt wie bei Wirbeltieren, bei In-
sekten der Erwerb der Flugfähigkeit ein vollkommen reiner Ge-
Fossile FlugHere und Erwerb des Ftugoerrnögens,
9
winn gewesen, dem keinerlei Verlust der Gehfähigkeit gegen-
überstand.
Wir müssen somit den Weg, welchen die Insekten bei Er-
werb ihrer Flugfähigkeit gingen, d.h. also die Methode, welche
die Natur hier befolgte, als die im Prinzip vollkommenste an-
erkennen, da sie dem Tiere nicht nur den vollen Gebrauch aller
seiner bisherigen Bewegungs-
Fig,4. Organe beließ, sondern auch
diesen noch außerdem 4 neue
hinzufügte.
Völlig fremd stehen sich diese
beiden Wege, auf denen einerseits
die Insekten, anderseits die Wirbel-
tiere das Flugvermögen erwarben,
gegenüber; und nirgends hat die
Natur eine Brücke geschlagen, die
von dem einem Wege hinüberfiihrte
zu dem anderen. Weder hat sie
bei Insekten Formen geschaffen, bei
denen 2 bezüglich 4 Beine in Flügel
umgewandelt worden wären, noch
hat sie unter Wirbeltieren solche
geschaffen, bei denen, unter gänz-
licher Schonmig der Extremitäten,
Flügel auf dem Rücken entstanden
wären.
Warum nicht? Offenbar
weil sie das erstere, obwohl
sie es gekonnt hätte — man gestatte einmal den Ausdruck — ,
nicht gewollt hat; und weil sie das zweite, auch wenn sie ge-
wollt, wohl nicht gekonnt hätte.
Gewiß hätte sie bei Insekten ohne weiteres Formen werden lassen
können, bei denen ein Teil der Extremitäten zu Flügeln spezialisiert wäre.
Ja, es muß sogar in hohem Maße auffallen, daß die Natur das nicht getan
hat; denn gerade bei Arthropoden sind die Beine in so verschiedenartig-
ster Weise ausgebildet, zu Geh-, Lauf-, Springbeinen, zu Grab-, Schwimm-,
H^.'tnath. Glosse. 1908. Ahh. I. 2
10 Branca:
Raubbeinen, zu Freß Werkzeugen usw. spezialisiert, daß man erstaunt sich
fragen muß, wai'um denn die Natur nicht auch, wie bei den Wirbeltieren,
die Extremitäten zu Flugbeinen spezialisierte. An einem Unvermögen der
Natur hat das also sicher nicht gelegen.
Man wird nicht etwa einwerfen können, ontogenetische Gründe sprächen
dafür, daß die Insekten von fußlosen Arten abstammten, es sei daher eine
Umwandlung der früher noch gar nicht vorhanden gewesenen Beine in
Flügel überhaupt unmöglich gewesen. Abgesehen davon, daß die Palä-
ontologie bisher keinerlei Beweise fiir jene ontogenetische Auffassung bringt
— was freilich bei der Lückenhaftigkeit paläontologischer Überlieferung
durchaus nicht als Gegenbeweis gelten darf — , so entstehen ja die Flügel
bei den Insekten nicht, wie bei den Wirbeltieren, schon im embryonalen
Zustande, sondern erst sehr viel später. Erst nachdem die Metamorphose
vollendet ist, beim geschlechtsreif en, fertigen, mit seinen Beinen versehenen
Insekte, bilden sich die Flügel.
Man darf daher gewiß annehmen, daß dem auch in früheren Zeiten
so gewesen sein wird, daß also bei Insekten die Beine zur eventuellen
Umwandlung in Flügel auch damals der Natur zur Verfögung gestanden
haben, aber von ihr eben nicht benutzt worden sind.
Doch wie verhält sich das bei den Wirbeltieren? Warum ist bei
diesen keinem einzigen die Wohltat zuteil geworden, unter völliger Scho-
nung der Extremitäten in den Besitz von Flügeln zu gelangen? Die ent-
sprechende Antwort dürfte lauten: Weil die Natur hier (fast) nicht
konnte, selbst wenn sie gewollt hätte.
Der Mensch' freilich, in seiner künstlerischen Phantasie, hat das getan,
indem er Idealgestalten wie Pegasus, den geflügelten Löwen von St. Marcus,
die Engel, Psyche, Amor, als halbe Insekten darstellte, d. h. mit Flügeln
auf dem Rücken, aber mit Säugetierleib. Unbewußt hat so der Künstler
das, was oben als das im Prinzip Vollkommenste bei dem Streben nach
Flugfähigkeit bezeichnet wurde, auch für Säuger in Anwendung gebracht;
doch verftihr er hierbei nicht konsequent.
Um die Rückenflügel in rasche Bewegung setzen und den schweren
Leib damit heben zu können, würde es auch gewaltiger Muskebnassen
bedürfen, welche zwischen den Flügeln, also auf dem Rücken, sich be-
finden müßten. Diese Muskeln wiederum müßten ihren Ansatz finden an
einem entsprechend hohen, durch die Domfortsätze fest verwachsener
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 11
Rückenwirbel gebildeten Kamme, welcher der Crista Sterni der Vögel
entspräche. Derartiges zu schaffen, würde auch durchaus innerhalb des
Bereiches der Möglichkeit för die Natur gelegen haben.
Das zeigt sich einmal in dem Sakralabschnitte der Wirbelsäule, wo
doch die Verwachsung zweier oder mehrerer Wirbel die gewöhnlichste
Erscheinung ist.
Das zeigt sich, noch weiter gehend, bei Panzertieren, wo bei Panochthus
sogar fast alle Wirbel verwachsen sind; denn wenn hier auch die Wirbel-
köi-per verschwanden, so bilden doch ihre oberen Bögen eine das Rücken-
mark schließende feste Röhre, auf welcher die Domfortsätze zu einer
entsprechend langen Crista verschmolzen sind.
Das zeigt sich endlich und vor allem einmal bei Vögeln, bei
denen die Domfortsätze der Rückenwirbel oft zu einem Kamm verwachsen
sind; und zweitens zeigt es sich bei geologisch jüngsten Vertretern der
Flugsaurier in der Kreidezeit. Hier, bei Omithocheiridae^ finden sich eben-
falls mehrere Wirbel in der Gegend des Schultergürtels fest verwachsen
und ihre Domfortsätze zu einer Crista verschmolzen, an welcher übrigens
auffallenderweise die Scapula gelenkte. Hier haben wir also auf dem Rücken
fliegender Wirbeltiere eine Skelettbildung, deren Wirkung derjenigen des
Stemum und seiner Crista bei Flugvögeln gleichkommen konnte.
Es ist mithin ersichtlich, daß die Natur durchaus imstande
gewesen wäre, diese eine der beiden Bedingungen zu erfüllen,
welche die conditio für den Gebrauch derartiger Rückenflügel
bei Wirbeltieren, wie die künstlerische Phantasie sie schuf,
bilden mußten.
Ganz anders, sehr viel schwieriger steht es dagegen mit der Er-
fuUimg der zweiten Bedingung zur Entstehung von Rückenflügeln bei
Wirbeltieren unter Schonung der vorderen Extremität; denn auf dem
Rücken von Wirbeltieren fehlt ja anscheinend jedes den Rückenplatten
der Insekten entsprechende Gebilde, das sich zu Flügeln hätte entwickeln
können, fehlen alle Knochen, die zu Stützen der Rückenflügelhaut hätten
werden können.
Allerdings sehen wir bei Proboscidiem, daß es der Natur doch
möglich gewesen ist, bei Säugetieren eine Extremität zu schaffen, ohne
jeden dieselbe stützenden, inneren Knochen. Aber diese fiinfle, unpaare
Extremität, der Rüssel, vermag doch nur als Greiforgan' zu dienen und
12
Branca:
würde jeder Beanspruchung als Bewegungsorgan gegenüber versagen.
Vollends aber würde es der Natur unmöglich sein, eine als Flugorgan
dienende Extremität zu schaffen, ohne innere Stützen derselben.
Die Möglichkeit erscheint aber doch nicht völlig ausgeschlossen, daß
die Natur stützende Knochen für Rückenflügel bei Wirbeltieren hätte be-
schaffen können. Unter den Eidechsen nämlich besitzt die Gattung Draco
eine Hautduplikatur an den Seiten des Rumpfes zwischen Vorder- und
Hinterextremität, welche das Tier beim Abspringen von erkletterten
Punkten als Fallschirm benutzt. Sie wird durch fiinf bis sechs abnorm
verlängerte Rippen gestützt, wie das Fig. 5 zeigt.
Fig, 5.
Diese Rippen sind beweglich, denn sie können mit der Haut wie
ein Fächer zusammengelegt werden. Es leuchtet ein, daß hier ein
Weg, und zwar, wie mir scheint, der einzig denkbare, ersicht-
lich wird, auf welchem die Natur bei Wirbeltieren vielleicht
zur Entwicklung von Rückenflügeln unter Schonung der Vorder-
extremität hätte gelangen können. Aber auch das nur unter so
erschwerenden Umständen, daß es verständlich wird, wenn wir sehen.
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 13
daß die Natur diesen Weg zwar betrat, aber nicht bis zum Ziele ver-
folgte. Unter diesen »erschwerenden Umständen« verstehe ich weniger
die Notwendigkeit, daß die Rippen noch hätten verlängert werden müssen,
um eine genügende Größe der Flughaut zu ermöglichen ; denn eine solche
Verlängerung der Rippen würde sich bei dem Gebrauch der Flügel gewiß
leicht herausgebildet haben; das beweisen uns die Flugsaurier und die
Fledermäuse, bei denen die Länge des bzw. der Flugfingerknochen be-
deutend variiert.
Viel mehr gilt das »Erschwerende« von der Notwendigkeit, bei einem
Gebrauch als Flugorgan diese Flughaut, und damit die sich stützenden
Rippen, ganz von dem Rumpfe loszulösen. Die Flughaut läuft jetzt nur
als ein Saum an den Seiten des Rumpfes dahin, ist daher auch nur
durch die distalen Hälften der Rippen gestützt, während die proximale
Hälfte der letzteren im Rumpf steckt und diesen stützt. Wenn sich nun
hieraus ein brauchbarer, großer Flügel hätte entwickeln sollen, so würde
die Hautduplikatur sich schließlich bereits an und längs der Wirbelsäule
von dem Rumpf getrennt haben müssen, so daß sie jederseits der Wirbel-
säule in Form eines breiten Hautlappens über dem Rumpf und diesen weit
überragend gelegen hätte. Auch das wäre indessen noch ganz im Bereich
der Möglichkeit gewesen, wie uns die Bildung wenn auch kleinerer Haut-
lappen an anderen Stellen des Körpers, z.B. am Kopfe des Chamäleons, beweist.
Von Interrsse ist übrigens die Anschauung — aber nicht der Be-
weis — Willistons, daß bei Nyctosaurus, also einem pteranodonten
Flugsaurier, die hinteren Rippen, welche dünn und fast gerade sind, nicht
die Bauchhöhle umschlossen, sondern wie bei Draco seitwärts gerichtet
waren, um das Patagium zu stützen \
Das Schwierigste aber würde fiir die Natur darin gelegen haben, daß
eine so vergrößerte Flughaut nun auch die Rippen schon von der Wirbel-
säule an zu ihrer Stütze notwendig gebraucht hätte. Die Rippen müßten
daher bereits nahe ihrer Gelenkungsstelle an den Wirbeln den Rumpf ver-
lassen haben und in die Hautduplikatur eingetreten sein. Damit aber
würde der schwere Rumpf des Wirbeltieres der Stütze und Festigkeit,
welche die Rippen ihm verleihen, und welcher ganz besonders der Rumpf
eines Wirbeltieres beim Fliegen bedarf, beraubt worden sein.
' Geological Magazine 1904, S. 59.
14 Branca:
In diesen Verhältnissen und Schwierigkeiten mag es begründet sein,
daß die Natur diesen einzig möglichen Weg, auf welchem för Wirbeltiere
das Ideal der Flugf ahigkeit : Bildung von Rückenflügeln unter völliger Scho-
nung aller Extremitäten, erreichbar sein könnte, zwar betreten konnte, in-
dem sie Draco entstehen ließ; daß sie aber gezwungen war, auf halbem
Wege, ohne das Endziel zu erreichen, stehenzubleiben.
So scheint die im Prinzip höchste Methode der Erwerbung
von Flugfähigkeit nur bei den Insekten möglich, bei den durch
ein inneres Skelett beschwerten Wirbeltieren aber unmöglich
zu sein.
Auch innerhalb der Wirbeltiere ist der Weg*, auf welchem sie das
Flugvermögen erwarben, anscheinend ein zweifacher gewesen. Den einen
gingen die Hautflieger, d. h. Fledermäuse und Flugsaurier, den anderen die
Federflieger, die Vögel.
Bei Fledermäusen und ausgestorbenen Flugsauriem hat die Natur die
Flugfähigkeit mit genau demselben Mittel erreicht, auf dem gewisse Wir-
beltiere wie Krokodile, Frösche, Schwinmivögel usw. ihre Schwimmfähig-
keit erlangten bezüglich dieselbe doch verstärkten. Wie bei diesen schwim-
menden Tieren zwischen den Zehen eine Hautduplikatur, bestehend aus
der dorsalen und ventralen Haut, sich entwickelte, genau ebenso bildete
sich bei jenen fliegenden die Flughaut zwischen den Zehen bezüglich Fin-
gern. Die Sache, die Methode, ist also ganz dieselbe und der Unterschied
liegt lediglich in dem Medium, in dem sie sich bewegen. Mit Hilfe dieser
Hautduplikatur schwimmen die einen in der Luft, die anderen in bzw. auf
dem Wasser. (Siehe S. 6.)
Aus der Verschiedenheit des Mediums mußte sich aber auch
eine Verschiedenheit der Schnelligkeit ergeben, mit welcher das
Ziel von beiden Gruppen mittels der gleichen Methode erreicht
wurde. Das Schwimmvermögen mußte ein viel fi-üher leichter Erreich-
bares sein, weil in dem dichten Medium des Wassers bereits eine kleine
Flächenentwicklung der Hautduplikatur genügte, um das Tier kräftig vor-
wärts zu rudern. In dem so dünnen Medium der Luft dagegen mußte erst
eine fast imgeheuerliche Flächenentwicklung dieser Hautduplikatur erreicht
werden, bevor das Tier mit ihrer Hilfe durch die Luft rudern und sich
Vgl. Anmerkung a auf S. 6.
Fossile FliAgiiere und Erwerb des FlugvermÖgens,
15
gleichzeitig in dieser schwebend erhalten konnte. Entsprechend dieser ge-
waltigen Flächenentwicklung der Haut mußten natürlich auch die diese
stützenden Fingerglieder bis zur Monstrosität verlängert werden.
Am stärksten springt diese Übereinstimmung des Mittels bei Haut-
schwimmern und Hautfliegem in die Augen, wenn wir von letzteren die
F%g. 6.
Fledermäuse betrachten. Abgesehen von dem kurzbleibenden bekrallten
Damnen*, verlängerten sich hier alle vier übrigen Finger bis zum p]xzeß,
aber in der Weise, daß nicht so sehr ihre Phalangen, als vielmehr ihre
Metacarpalia gewaltig lang wurden. Zudem spreizten auch die Finger bis
zur Handwurzel auseinander, so daß die Flughaut, das Chiropatagium,
bis an die Handwurzel hin sich zwischen ihnen ausdehnte.
^ Eine Kralle findet sich übrigens bei frugivoren Fledermftusen auch noch am zweiten
Finger, obgleich dieser in den Dienst der Flughaut mit hineingezogen ist.
16 Branca:
Hier, bei Fledermäusen, haben wir also den Schwimmfuß ins Große
übersetzt, auf die Hand übertragen und als Flugorgan benutzt, wobei
freilich die Bewegungen, die mit diesem Organe ausgefilhrt wurden, andere
sein mußten als die des Schwimrafußes bei den genannten Tieren.
Zugleich mit den Metacarpalien wurde dann aber auch noch der
Unterarm verschieden stark verlängert, und das Brustbein erwarb eine Grista
zum Ansätze der erforderlichen starken Muskeln; die Flughaut wuchs ins
Ungeheuerliche.
Eine noch so gewaltige Entwicklung der Handflughaut allein konnte
ja bei weitem noch nicht genügen, um das Tier durch das dünne Medium
der Luft zu rudern und zu tragen. Es bedurfte dazu einer Verbreiterung
des Chiropatagiums durch das, zwischen kleinem Finger und Rumpf sich
ausdehnende Plagiopatagium. Dazu trat, zwischen Hals und Handwurzel
und über Ober- und Unterarm sich erstreckend, das Propatagium; und
zwischen Beinen und Schwanz bildete sich das in seiner- Größenaus-
dehnung sehr wechselnde Uropatagium.
Anders bei den Flugsauriern. Hier war die Ähnlichkeit mit einem
vergrößerten Schwimmfuße, die bei Fledermäusen so deutlich in die Augen
springt, stark verzerrt. Fig. 7 zeigt einen JiMmphx>rhymhu^ und einen Ptero-
dactylus, bei denen die Länge der Flugknochen im richtigen Verhältnisse
gezeichnet ist. Pro- und Uropatagium sind nur vermutet, nicht erwiesen.
Im Gegensatze zu den Fledermäusen blieb der größte Teil der Hand
unvergrößert. Der Daumen ging ganz verloren, nur sein Metacarpale blieb
anscheinend erhalten und ward zum Spannknochen des Propatagiums. Der
2., 3. und 4. Finger aber, mit starken Krallen versehen, blieben unver-
ändert, unvergrößert. Lediglich der 5. Finger' mit seinen 4 Phalangen
vergrößerte sich ins Ungemessene hinein und bildete, indem die 4 Phalangen
* Ob der FlugfiDger der Pterosaurier wirklich, wie Williston jetzt wieder will
(Geological Magazine. 1904. S. 59), nicht den 5., sondern den 4. Finger darstellt, wird sich
auf Grund der Phalangenzahl desselben und der anderen Finger nicht endgültig entscheiden
lassen. Sollte es der Fall sein, so wQrde es fUr obige Betrachtung ohne Belang sein; es
hieße dann 4. anstatt 5. Finger.
Ebenso ist es hierfür auch belanglos, ob der • Spannknochen« dem Daumen angehört
oder eine selbständige Verknöcherung bildet; die Frage des Vorhandenseins eines Propatagiums
wird dadurch weder im bejahenden noch im verneinenden Sinne definitiv gelöst. Aber sehr
wahrscheinlich ist es doch wohl, daß der lOiochen einen Zweck hatte und dieser deutet
dann auf ein Propatagium hin.
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 17
ziemlich fest miteinander verbunden wurden, gleichsam eine riesige Schiffs-
rahe, an welcher, gleich einem dreieckigen, sogenannten lateinischen Segel,
die Flughaut befestigt war.
Die Hauptgelenkungsstelle dieser Flughand lag auch nicht, wie bei
den Fledermäusen, in der Handwurzel, sondern zwischen i . Phalange und
dem Metacarpale des Flugfingers. Zu dem Zwecke besaß das Metacarpale
Fig. 7.
distal eine tief ausgefurchte Rolle, an welcher die i. Phalange gelenkte;
und diese Phalange trug umgekehrt an ihrem proximalen Ende einen
Fortsatz, der in eine entsprechende Vertiefung des distalen Metacarpale
hineinpaßte, ähnlich wie das Olecranon der Ulna in die Fossa Olecrani
des distalen Humerus faßt, um so ein Umkippen des Flugfingers nach
oben zu verhindern.
Auch die Haltung der Hand während des Fliegens war bei Flug-
sauriem eine völlig andere als bei Fledermäusen. Zwar die Schlagbewegung
aus dem Schultergelenk mit dem ganzen, ziemlich steifen Arme aus-
geführt, mußte notwendigerweise bei allen Hautfliegem dieselbe wie bei
Phfs.-math. Classe. 1908. Abh. I. 3
18 Branca:
den Federfliegem sein, nämlich eine unter der Brust zusammenschlagende.
Wenn wir des besseren Vergleiches halber von der in drei Akte geteilten
menschlichen Schwimmbewegung ausgehen, bei der unter i das Gleiten
der horizontal gestellten Hand über das Wasser, bezuglich in demselben,
verstanden wird, unter 2 das senkrechte Hinabdrücken und schließliche
Zusammenschlagen der Hände unter der Brust, unter 3 das Vorstoßen der
Hände bzw. Arme — so entspricht die oben erwähnte Schlagbewegung
beim Fliegen ganz der hier unter 2 bezeichneten, mit der wir unseren
Körper im Wasser heben.
Aber die Handstellimg ist bei allen drei Gruppen eine verschiedene.
Wir halten beim Schwimmen die Hand mit gestreckten Fingern gerade-
aus gerichtet, so daß ihre Längsachse mit der des Armes zusammenfallt.
Die Flugsaurier hielten beim Fliegen die Hand ähnlich wie wir beim
Schwimmen. Aber da der 2., 3. und 4. Finger mit dem Fluggeschäfte hier
nichts zu tun hatten, so waren sie vermutlich leicht gekrümmt; die Über-
einstimmung in der Haltung der Hand bezieht sich daher nur auf den
Kleinen, den Flugfinger, der in seiner riesigen Länge ungefähr die Ver-
längerung des Unterarmes bildete; nur ungefähr, da er vermutlich etwas
nach aufwärts gerichtet war.
Ganz anders ist dagegen die Handstellung bei den Fledermäusen.
Hier ist die Hand nicht in der Verlängerung des Unterarmes gestreckt,
sondern nach unten gebogen dergestalt, daß der kleine Finger ungefähr
einen Rechten mit der Längsachse des Unterarms bildet: eine Stellung,
welche wii' nur mit einigem Zwange anzmiehmen vermögen und welche
die Flugsaurier wohl gar nicht annehmen konnten. Der kleine Finger
hat also bei Fledermäusen gegenüber den Flugsaurieren eine um mehr
als 90 Grad voneinander geschiedene Stellung. Auch darin zeigt sich ein
Unterschied, daß bei den Fledermäusen die Metacarpalia es ganz besonders
sind, welche sich an der Verlängerung der Flughand beteiligen, wogegen
bei den Flugsaurieren das Metacarpale des 5. Fingers bei dem größten
Teile derselben kurz bleibt und nur bei einem kleinen Teile sich gleich-
falls verlängert.
Ein schließlicher sehr wichtiger Unterschied zwischen beiden Gruppen
von Hautfliegern besteht darin, daß die Fledermäuse keine hohlen Knochen
besitzen, so daß die Last des zu hebenden Körpers hier also eine etwas
größere bleibt. Bei den Flugsauriern dagegen sind, ganz wie bei den
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 19
Vögeln, die Knochen meistenteils hohl; ja bei den gewaltigsten Formen,
denen der Kreidezeit, war ihre Wandung zum Teil bis fast zur Papier-
dünne reduziert.
Da nur ein einziger Flugfinger vorhanden war, so ging bei den Flug-
sauriem das Chiropatagium ohne Grenze in das Plagiopatagium über. Be-
kanntlich ist dasselbe nur in seltenen Fällen im Abdruck erhalten; das
Berliner Museum hcit neuerdings eins dieser seltenen Exemplare aus dem
lithographischen Schiefer erworben. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
werden wir aber auch, wie bei Fledermäusen, das Vorhandensein eines
Propatagiums annehmen dürfen, wenngleich ein Abdruck desselben auf-
fallenderweise bisher noch unbekannt ist; denn das Pteroideum, der Spann-
knochen, welcher bei einer großen Zahl von Flugsauriem gefunden wurde,
kann wohl nur die eine Bedeutung gehabt haben, ein vorhandenes Pro-
patagiüm zu stützen. Vorsicht ist indessen hierin immer noch geboten.
Ob dagegen auch ein Uropatagium bei den Flugsauriem vorhanden
war, entzieht sich bisher ganz einem sicheren Urteil. Bei den lang-
schwänzigen Rhamphorhynchiden müßte das Uropatagium entweder nur
den oberen Teil des Schwanzes umfaßt haben, oder aber sich in Form
eines inmier schmaler und schmaler werdenden Hautsaiunes bis an die
Schwanzspitze erstreckt haben. Nie aber hat man bisher auch nur eine
Spur eines Abdrucks des Uropatagiums bemerkt; obgleich doch der, durch
die verkalkte Scheide steife, überaus lange Schwanz so vollkommen bei
vielen Exemplaren erhalten ist, daß man auch hier erwarten müßte, den
Abdruck eines Hautsaumes am Schwänze einmal zu finden, wenn er
überhaupt vorhanden gewesen wäre. Das, was Marsh als Schwanzsegel
bei Rhamphorhynchus phyllurus (Fig. 7) uns kennen gelehrt hat, kann man
jedenfalls nicht als Uropatagium bezeichnen, denn seine Fläche steht
senkrecht zur Fläche des Patagiums, nicht aber parallel mit letzterer, wie
das bei einem echten Uropatagium der Fall sein müßte. Mit Sicherheit
geht diese senkrechte Stellung des Schwanzsegels bei Rh. phyllurus aus
seinen, wenn auch nur knorpligen Stützen hervor, welche oberen imd
unteren Domfortsätzen, mindestens ihrer Lage nach, entsprechen. Nur um
es überhaupt sichtbar zu machen, muß man, fälschlich, dieses » Schwanz-
segel« so zeichnen, als ob es mit dem Uropatagium in einer Ebene liege.
Es könnte ohne weiteres recht zweifelhaft erscheinen, daß ein einziger,
so bis zum Exzeß verlängerter Flugfinger, zumal da seine Knochen hohl
3*
20 Branca:
waren, fest genug, also praktisch gewesen wäre, um hohen Anforderungen
an FlugfShigkeit zu entsprechen. Wir stehen indessen vor der Tatsache,
daß die Flugsaurier mindestens von der oberen Trias an durch Jura und
Kreidezeit hindurch bestanden und sich sogar in der letzteren zu Riesen-
gestalten entwickelt haben, deren Flügelspannweite bis auf 26 Fuß ange-
geben wird. Mithin muß doch wohl diese Art des Flugmechanismus,
mindestens ziemlich praktisch gewesen sein. Für hohe Flugfähigkeit sogar
scheint sodann der weitere Umstand zu sprechen, daß ihre Flughaut
lang, schmal, spitz zulaufend war, also eine Form hatte, wie sie die guten
Flieger heute unter Vögeln wie unter Fledermäusen, selbst Schmetterlingen,
besitzen. Endlich könnte auch die hohle Beschaffenheit ihrer Knochen
eher dafür als dagegen sprechen, daß die Flugsaurier, zum Teil wenigstens,
ein bedeutenderes Flugvennögen besessen haben.
Trotz alledem aber will ein solcher Schluß doch nicht als ganz ge-
sichert erscheinen. Die Fledermäuse, obgleich wenigstens zum Teil ziemlich
gute Flieger, haben dennoch keine hohlen Knochen; imd lungekehrt, unter
den Vögeln geht das Erscheinen der Pneumatizität der Knochen nicht
imbedingt mit guter Flugfähigkeit Hand in Hand, da diese auch mit
durch die Körpergröße bedingt wird. Die Dinosaurier endlich, die gar nicht
fliegen können, besitzen trotzdem hohle Knochen. Dieses Merkmal ist
also wohl nicht entscheidend.
Maßgebend jedenfalls dürfte för die Beurteilung dieser Frage aber
auch der Umstand sein, daß das Stemum der Flugsaurier zwar einen
langen, nach oben gerichteten Fortsatz besaß, an welchen sich zweifels-
ohne die Flugmuskeln anhefteten ; daß aber selbst bei den größten Formen
eine eigentliche Crista Stemi, wie sie die Flugvögel und selbst die Fleder-
mäuse, wenn auch in geringerem Maße, besitzen, durchaus fehlte. Daraus
geht doch mit zwingender Notwendigkeit zunächst soviel hervor, daß die
Muskelmasse, welche sich an diesen Fortsatz des Stemums bei Flugsauriem
heftete, unmöglich eine relativ ebenso riesige gewesen sein kann, wie
die, welche sich an die Crista Stemi bei gleichgroßen guten Fliegern
unter den Vögeln ansetzt. Wenn man mit Recht den Flugvogel
einen fliegenden Muskel nennen konnte, den Flugsauriern würde
sicher eine solche Bezeichnung nicht zuteil werden dürfen. Mit
der geringen Masse der Flugmuskeln aber muß, ceteris pai'ibus, ganz not-
wendig auch das Flugvermögen ein geringeres gewesen sein.
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 21
Davon ganz unabhängig wird selbstverständlich bei den Flugsauriern
das Flugvermögen auch mit der Körpergröße ein verschiedengradiges ge-
wesen sein, da diese zwischen den winzigen Dimensionen eines Sperlings
und den riesigen der Kreideformen schwankte, welche unsere gewaltigsten
heutigen Vögel an Größe noch übertreffen.
Ganz verschwunden erscheint die Ähnlichkeit zwischen Flug- und
Schwimmhand, bezüglich Schwimmfuß, bei den Vögeln. Bei diesen fehlen
der 4. und 5. Finger überhaupt gänzlich, und der Daumen ist zu einem
Stummel reduziert; die Flughand wird mithin wesentlich nur durch die
distal verwachsenen 2. und 3. Finger gebildet. Aber auch an diesen sind,
wie bei Fledermäusen, die Phalangen klein, die Metacarpalia dagegen ver-
größert. Auch ist, wie bei Fledermäusen und Flugsauriem, der Unterarm
gegenüber dem Oberarme beträchtlich verlängert: eine Übereinstimmung, die
immerhin hervorzuheben ist, weil sie offenbar fiir das Flugvermögen einen
Vorteil darbietet. Während so schon das Knochengenlst gewisse Unter-
schiede der Federflieger gegenüber den Hautfliegern zeigt, besteht ein noch
augenfälligerer Unterschied darin, daß die Funktion der Flughaut hier
ausgeübt wird durch Federn. Das scheint laut dafiir zu «sprechen, daß der
Weg, den die Federflieger beim Erwerbe ihres Flugvermögens gingen, ein
ganz anderer gewesen ist als derjenige, den die Hautflieger zurücklegten.
Und doch könnte das vielleicht nur scheinbar sein; denn wenn wir das
Federkleid entfernen, so zeigt sich, wie jedes gerupfte Huhn erkennen
läßt, bei den Vögeln eine dem Propatagium gleichende Hautduplikatur, sogar
in ähnlich starker Entwicklung wie bei den Hautfliegern, und unterhalb
des Oberarmes ist gleichfalls, wenigstens die Andeutung einer dem Pla-
giopatagium gleichenden Hautduplikatur deutlich erkennbar.
Es fragt sich daher, ob bei den Vögeln diese Hautfalten bedeutungslos,
oder ob sie nur die letzten Reste eines, bei den Vorfahren der Vögel vor-
handen gewiesenen wirklichen, aber weit ausgedehnteren Patagiums sind.
Sollte dem so sein, dann würde der Unterschied zwischen dem Wege oder
Mittel, welche bei Hautfliegern und den, welche bei Federfliegern zum Er-
werbe des Flugvermögens führten, nur ein scheinbarer sein. Die auffallende
Beflederung, welche für die Federflieger ein so völlig anderes Aussehen
bedingt als fiii' die Hautflieger, sänke dann zu einem in Wirklichkeit neben-
sächlichen, erst später entstandenen Unterscheidungsmerkmale herab. Die
Federflieger hätten dann ebenfalls begonnen als Hautflieger; anstatt der
22
Branca :
Ftff.8.
Haai'e aber hätten sich auf ihrer Haut allmählich Federn ausgebildet, und
damit wäre die nun unnütz gewordene Hautduplikatur bis auf kleine Reste
allmälilich reduziert worden.
Eine solche Entstehung von Federn wird vielleicht einleuchtender durch
die Betrachtung der absonderlichen Gestalten, welche die Haare der Fledermäuse
besitzen (Fig. 8)\ Wesentlich ist zwar nur der eigentliche Körper derselben
behaart, aber auch ihre Flughaut trägt, besonders in der Nähe des Körpers,
am Uropatagium auch bisweilen bis zur Mitte hin, Haare. Diese Haare nun
sind bei Fledermäusen ganz eigenartig gestaltet:
schuppig, wie mit Widerhaken besetzt, wie
aus ineinandersteckenden Tüten gebildet, deren
Ränder jedoch ebenfalls weit abstehen; am auf-
fallendsten bei Phyllorhina, wo sie Schacht-
halmen mit quirlfbrmigen, abstehenden Ästen
gleichen. Zwar sind das nur mikroskopisch sicht-
bai*e Verhältnisse ; aber Größe ist etwas Relatives
und wenn schon Haare solche an Federn er-
innernde Gestalten annehmen können, so leuchtet
es um so leichter ein, daß anstatt der Haare
bzw. Schuppen überhaupt Federn sich bilden
\ \W/ ^'M I \ ^^f^ konnten. Die Ursache einer solchen Bildung ist
\V m V/j S^ freilich damit nicht erklärt; aber angesichts jener
V 'II \//i ^*' an Federn erinnernden Gestaltung von Haaren
bei Fledermäusen entsteht die Frage, ob es nicht
bedeutungsvoll ist, daß gerade bei fliegenden Tieren sich eine so eigen-
artige Gestaltung der Haare herausgebildet hat; ob also eine solche Ge-
staltung der Haare etwa mit dem Fliegen in irgendeinem Zusammenhange
stehen könnte, so daß dann auch die Entstehung von Federn durch das
Fliegen sich erklären könnte.
Umgekehrt wieder wird diese Vorstellung vervollständigt durch die
Betrachtung der langen, ganz dünnen, völlig wie Haare mit aufgespaltener
Spitze aussehenden Fadenfedem, die man ebenfalls leicht an jedem ge-
rupften Huhn beobachten kann.
* Fig. 8 ist entnommen aus C. Koch, Das Wesentliche der Chiropteren. Jahrb. d. Ver-
eins f. Naturk. im Herzogt. Nassau, 1865, Taf. II.
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 23
Wären nun in solcher Weise die Vögel wirklich ursprüngliche Haut-
flieger, so würde es nur zwei prinzipiell verschiedene Mittel oder Wege
geben, durch die oder auf denen die Natur Flugvermögen erworben hätte':
die der Insekten und die der Wirbeltiere. Irgendwelche sicheren An-
haltspunkte dafür, daß die Vögel als Hautflieger begonnen haben
könnten, liefern indessen weder die Paläontologie noch die On-
tologie der heutigen Vögel. Wenn aber die allgemeine Annahme
richtig sein sollte, daß die fliegenden Tiere aus Fallschirmtieren
sich entwickelt haben, dann müßten ja notwendig auch die
Federflieger als Hautflieger begonnen haben. Wer alle Flieger auf
Fallschirmtiere zurückführt, der sagt damit, daß auch die Federflieger sol-
cher Entstehung sind.
Eine Beweiskraft wohnt indessen einem solchen auf die allgemeine
Annahme sich gründenden Schlüsse keineswegs bei; und wenn oben ge-
sagt wurde, daß selbst jedes Huhn die Spuren von patagiumähnlichen
Hautfalten deutlich erkennen lasse, so muß man ebenso geltend machen,
daß auch der Mensch Spuren einer solchen Hautduplikatur zwischen den
Fingern und unter den Armen besitzt, ohne daß man diese doch mit einer
ehemaligen Flughaut in Beziehung bringen würde.
Trotz der Verschiedenartigkeit dieser beiden von der Natur befolgten
Methoden zeigen übrigens die Flügel dieser Hautflieger und die der In-
sekten doch auch Übereinstimmendes: ganz nämlich wie bei den Haut-
fliegem die Flughaut aus einer dorsalen und einer ventralen Hautfläche
gebildet ward — denn zweifellos mußte bei den ausgestorbenen Flug-
sauriem doch ebenfalls eine Hautduplikatur vorhanden gewesen sein —
und noch wird, so besteht auch der Flügel der Insekten aus einer oberen
und einer unteren Hautfläche, die am Rande ringsum verwachsen; wenn
auch mit dem Unterschiede, daß diese Häute bei Insekten zum Teil mehr
oder weniger verhärten, indem sie chitinisieren.
Auch eines Stützgerüstes bedürfen diese Flügel der Insekten natürlich
ebenso wie die der Hautflieger; nur daß dieses hier und dort aus sehr
verschiedenartigem Materiale besteht. Bei den Wirbeltieren konnte die
Natur die bereits vorhandenen Hand- und Armknochen, nur verlängert,
dazu verwenden. Bei den Insekten war sie gezwungen, ein Stützgerüst
aus starken, liohlen Chitinrippen erst zu bilden, indem sie, ähnlich den
Rippen der Blätter, auf langgestreckten, sich oft verzweigenden Linien eine
24 Branca:
stärkere Chitinisierung der Flughaut bewirkte; wobei dann diese Rippen
gleichzeitig noch anderen Zwecken, zur Aufnahme von Blutflüssigkeit,
Nerven und Tracheen dienstbar würden.
Die Insekten gehören also eigentlich gleichfalls zu den
Hautfliegern; und so ergibt sich, daß wir zwei Gruppen der
letzteren unterscheiden müssen:
Hautflieger der Wirbeltiere, deren Stützgerüst aus Knochen,
aus der bereits vorhanden gewesenen, nur umgewandelten Vor-
derextremität besteht. Das sind Flugsaurier und Fledermäuse;
Hautflieger der Wirbellosen, deren Stützgerüst aus zu die-
sem Zwecke erst sich bildenden Chitinadern besteht; hier ent-
steht aber die Flughaut in Form von seitlichen Fortsätzen der
Rückenplatten. Das sind die Insekten.
Sollten nun gar — was freilich ganz in der Luft schwebt
— auch die Federflieger ursprünglich Hautflieger gewesen sein,
bei denen die Flughaut durch die in ihr wachsenden Federn
nur mehr und mehr verdrängt wurde, dann würde sich er-
geben, daß die Natur bei Landtieren ein Flugvermögen über-
haupt nur, wenigstens ursprünglich, durch Bildung einer Flug-
haut hätte hervorrufen können. Mit anderen Worten: es gäbe
dann eigentlich überhaupt nur Hautflieger. Und nur darin sei die
Natur verschiedene Wege gewandelt, daß erstens der Ursprung der Flughaut,
zweitens und vor allem aber derjenige ihres Stützgerüstes und damit der
so überaus folgenschwere Eingriff in die Gehorgane, bei Landwirbeltieren
und Insekten diametral verschiedenartig gewesen wären ; und daß endlich
bei Vögeln die Funktion der Haut durch Hautgebilde übernommen wurde.
Andernfalls hätte die Natur gleich von Anfang an zwei verschiedene
Methoden, wenn ich einmal so sagen darf, befolgt: die eine bei Haut-,
die andere bei Federfliegem.
Viel mannigfacher jedenfalls sind die Mittel, mit denen bei Wasser-
tieren das »Fliegen« in bzw. auf dem Wasser erlangt wurde. Zunächst
ebenfalls durch Bildung einer Haut zwischen den Zehen, wie z. B. bei
Schwimmvögeln, Krokodilen usw. Auch die Flossen der Fische bestehen
ja aus einer Haut, deren Stützorgane durch gegliederte Strahlen oder feste
Stacheln gebildet werden; indessen die Fortbewegung der Fische wird
doch wesentlich nicht durch die paarigen Flossen, sondern durch ein ganz
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 25
anderes Mittel, schlängelnde Bewegungen des hinteren Teiles der Wirbel-
säule und damit auch der Schwanzflosse, bewirkt.
Ganz anderer Art ist das Mittel, welches unter den Muscheln die
Gattung Pecten anwendet, indem sie durch Auf- und Zuklappen der Schalen,
und zwar mit dem Schloßrande bzw. den Ohren nach hinten, dem ünter-
rande nach vom* schwimmt. Andere Mollusken, Cephalopoden, schwimmen
durch ein absolut anderes Mittel, indem sie stoßweise Wasser aus ihrem
Mantelraume durch ihren Trichterfuß hindurchdrücken. Wieder andere
Mollusken, Pteropoden, schwimmen, indem sie mittels zweier am Kopfe
stehender muskulöser, flugeiförmiger Flossen schlagende Bewegungen aus*
fuhren. Da diese Flossen als ein paariger Fuß aufzufassen sind, so
schwimmen sie also eigentlich mit Hilfe ihres Fußes. Ganz ebenso
schwimmen andere Schnecken, wie AncUlaria und 0/it?a, mit Hilfe ihres
einteiligen Fußes, der aber hier nicht am Kopfe steht; abermals andre
Mollusken, die Heteropoden, schwimmen zwar ebenfalls mit Hilfe ihres
Fußes, mehr aber doch mit der ihres ganzen Körpers, indem sie, den
Rucken nach unten, den Bauch nach oben, den ganzen Körper hin und
her schlagen.
Zahlreiche im Wasser lebende Wirbellose schwimmen, oft freilich nur
im Larvenzustande, indem sie mit ihren Flimmerhaaren rasche, flimmernde
Bewegungen ausfuhren. Unter den Ascidien vermögen einige zu schwimmen,
indem sie (Appendikularien) mit ihrem peitschenförmigen Ruderschwanze
schlängelnde Bewegungen ausftihren.
So zeigt bereits eine oberflächliche Betrachtung, daß die Art und
Weise des »Fliegens im Wasser« (S. 6) eine viel verschiedenartigere ist
als die des Fliegens in der Luft.
Demgemäß gibt es auch die verschiedensten Vollkommenheitsgrade
dieser Fortbewegungsfthigkeit im Wasser. Diese kann schließlich herab-
sinken bis zu dem denkbar tiefsten Grade dieser Fähigkeit; denn gegen-
über jenen aktiven Schwimmern gibt es bei den wirbellosen Wassertieren
auch zahlreiche solche, die nur passiv schwimmen. Diese sind zwar nicht
an den Boden gefesselt, treiben aber nur mehr oder weniger willenlos
auf oder in dem Meere schwimmend dahin. Das ist ein so niedriges Stadium
der »Flugfähigkeit im Wasser«, wie es bei der Flugfähigkeit in der Luft
* Compt. rend. T. 143 1906 S. 611.
nya.-math, Glosse. 1908. Abh. L 4
26 B R A N c A :
überhaupt nicht möglich ist, weil das spezifische Gewicht der Luft dazu
ein zu geringes ist; denn das Schweben der Vögel, welclies diesem (dau-
ernden) Stadium im Wasser vergleichbar wäre, ist doch nur ein vorüber-
gehendes Moment.
Wenn wir nun die Frage aufwerfen, welcher der geschilderten Wege
zur Erlangung des Flugvermö^ens von der Natur zuerst beschritten
wui'de, so ist diese Frage an der Hand der paläontologischen Erfunde
scheinbar leicht zu beantworten. Sie stößt indessen auf die große
Schwierigkeit, daß wir nicht sicher wissen, ob die wirkliche Reihenfolge,
in welcher die Flugfahigkeit der verschiedenen Tiergruppen nacheinander
entstanden ist, ohne weiteres übereinstimmt mit der uns bis jetzt be-
kannten geologischen Altersfolge der fliegenden Tiere; denn jeder neue
Fund kann ja diese Altersfolge xmistoßen. Es läßt sich daher alles
darüber zu Sagende nur als »anscheinend« sagen.
Stützen wir uns also, wie ja nicht anders möglich, auf das, was bis-
herige Funde uns lehren, so zeigt sich, daß von der Natur an-
scheinend zuerst der Weg beschritten wurde, welchen ich als
den im Prinzip vollkommensten bezeichnet habe, weil hier das
Flugvermögen erworben wurde, ohne daß die Geh- bzw. Greifwerkzeuge in
Zahl und damit in Bewegungsfähigkeit eine Einbuße erlitten (S. 9). Das ist
der Fall bei den Insekten. Schon im Devon S besonders aber im Karbon
finden wir eine große Mannigfaltigkeit geflügelter Insekten, welche bereits
in ganz derselben Weise, wie die heute lebenden, ihre Flügel entwickelt
zeigen.
Anscheinend erst sehr viel später, zur Zeit der oberen Trias,
sehen wir die Natur jenen anderen Weg zur Erlangung des Flug-
vermögens beschreiten, auf welchem die Tiere diese neue Gabe
so teuer erkaufen mußten, durch den Verlust der Hälfte ihrer Geh-
bzw. Greif Werkzeuge und damit viel mehr als der Hälfte ihrer Gehfähig-
keit. In der genannten Zeit treten uns bekanntlich zuerst die Hautflieger,
und zwar zunächst in Gestalt der Flugsaurier, entgegen; erst sehr viel
später dann, mit Beginn des Tertiär, in Gestalt der Fledermäuse. Sollte
freilich Matschie Recht haben", wenn er den als Mikrolestes bezeichneten
* Die vermeintliclie PalaeoblatHna aus dem Silur ist kein Insekt, sondern die Wange
eines asaphiden Trilobiten. Agnus in Coinpt. rend. 1904, S.398.
' Sitzungsbericlite der Gesellschaft naturforschender Freunde. Berlin 1899, S. 30.
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 27
Zahn aus dem Rät nicht als den eines Beuteltieres, sondern als den
einer Fledermaus bestimmt wissen will, dann würden allerdings die
Fledermäuse zu genau der gleichen Zeit mit den anderen Haut-
fliegern, den Flugsauriern, vor unserem Auge erschienen sein.
Es scheint indessen gewagt, diesen Zahn, trotz seiner allerdings un-
leugbaren Ähnlichkeit mit dem einer Megachiroptere, als einen Fledermaus-
zahn zu erklären. £inmal deswegen, weil wir Zähne desselben allgemeinen
multituberkulaten Typus bei Trüylodon Südafrikas noch in ihrem Schädel
sitzend finden, welcher jedenfalls nicht derjenige einer Fledermaus ge-
wesen ist; von Seeley wird er sogar als einem Reptil zugehörig be-
trachtet. (Freilich läßt sich gegen einen solchen Einwurf geltend machen,
daß bei Trüylodon drei Höckerreihen vorhanden sind, bei Mikrolestes nur
zwei, und daß auch die Höcker bei ersterem gleichmäßiger und regel-
mäßiger sind als bei letzterem, wo das eigentlich Höcker- oder Zitzenfbr-
mige keineswegs so stark ausgebildet ist.) Zweitens deswegen, weil die
bisher bekannten fossilen Fledermäuse sämtlich nur zu den Mikrochiro-
pteren gehören. Somit würde Mikrolestes überhaupt der einzige Vertreter
der fossilen Makrochiropteren sein (was zwar nicht unmöglich, aber imnxer-
hin auffällig wäre). Drittens endlich (was zwar auch nicht unmöglich, aber
noch verdächtiger erschiene), weil dann diese älteste Chiroptere in der Trias-
zeit ganz vereinzelt gegenüber allen anderen, so viel später erst auftretenden,
tertiären stehen würde. Es liegt indessen auf der Hand, daß bei der durch
die geringe Größe der Fledermäuse mindestens mitbedingten Seltenheit ihrer
fossilen Reste alle Schlüsse bezüglich ihres ersten Auftretens mit besonders
großer Vorsicht zu betrachten sind.
Die Federflieger tauchen vor unserem Auge zuerst bekanntlich am
Ende der Jurazeit auf. Sollten sie also wirklich aus Hautfliegern her^
vorgegangen sein, dann würde ihr gegenüber den Hautfliegern späteres
Aufboten ohne weiteres verständlich, weil notwendig erscheinen.
Von höchster Bedeutung wäre die weitere Frage nach dem Vor-
handensein fossiler Formen, die man als Übergangsformen aus nichtfliegen-
den Tieren in fliegende deuten könnte. Soweit unsere bisherige Kenntnis
reicht, wird man diese Frage kaum bejahen können.
In devoner und karboner Zeit erscheinen, soviel wir bis jetzt wissen,
die Insekten sofort als vollkommen fertige, geflügelte Wesen. Zwar treten,
ganz wie es heute unter ihnen noch Apterogenea gibt, so auch schon in
28 Branca:
karboner Zeit solche noch von Uranfang her flügellose Insekten neben
den geflügelten uns entgegen. Anstatt daß jedoch, wie man fordern
müßte, die Apterogenea in jenen alten Zeiten gegenüber den geflügelten
Formen noch stark in der Mehrzahl gewesen sein müßten, erscheinen sie,
soviel wir zu sehen vermögen, gerade umgekehrt, gegenüber den ge-
flügelten in relativ noch geringerer Zahl als heute, als vollständiges Unikum.
Bisher also ist bei den fossilen paläozoischen Insekten weder ein
Übergang von beflügelten zu unbeflügelten noch eine firüher stärkere
Verbreitung der Apterogenea zu erkennen. Leicht könnte man freilich von
den Apterogenea geltend machen, daß sie wegen zu großer Weichheit
ihrer Körper nicht hätten versteinern bezüglich sich im Abdruck erhalten
können. Es handelt sich indessen hier nur um das, was tatsächlich heute
bekannt ist, nicht um das, was sein könnte.
Ganz ebenso wie die Insekten, so erscheinen, soweit bisherige Kenntnis
reicht, auch die Flugsaurier sofort in vollkommen typischer Ausbildung.
Hier würde man jenen Einwurf, daß ihr Körper anfangs zu weich gewesen
sei, um zu versteinern, sicher nicht machen können; und trotzdem kennen
wir keinen Übergang.
Genaues über die Gestalt 4er ältesten Flugsaurier, die in der oberen
Triaszeit lebten, wissen wir nicht. Es sind uns nur einige Bruchstücke
von Knochen des Flugfingers bisher bekamit geworden. Immerhin aber
bieten diese Reste, so geringfiigig sie sind, doch den Beweis dafür, daß
diese triassischen Formen bereit4s echte Hautflieger, völlig gleich oder doch
sehr ähnlich denen des Lias gewesen sind ; denn gerade der für diese Formen
wichtigste aller Knochen, der Flugfinger, ist es ja, der hier erhalten ist.
In der Liaszeit haben wir bereits ganze Skelette, imd diese zeigen
bereits durchaus den fertigen Typus des Flugsauriers. Es fehlt also auch
hier bisher jede Kenntnis von Übergangsformen.
Wie verhalten sich nun die Vögel in dieser Hinsicht? Archaeopteryx
wird von Dam es als echter Vogel erklärt, der zwar noch mit gewissen
Merkmalen der Reptilien versehen sei, wie wir sie aber im Jugendzu»
Stande heutiger Vögel noch haben. Derartige Dinge werden indessen
stets verschiedener Deutung fähig sein. Von einem Vogel, der im er-
wachsenen Zustand noch gewisse Merkmale der Reptilien zeigt, welche
heutigen Vögeln im erwachsenen Zustande durchaus fehlen, wird man auf
der anderen Seite auch sagen dürfen, daß er eine Übergangsform sei.
i
Fossile Flugiiere und Erwerb des Flugvermögem. 29
Ich möchte also definieren: Archaeopteryx ist zwar schon voll
und ganz ein Federflieger, aber durchaus nicht voll und ganz
ein echter Vogel. Als absoluten Federflieger wird man alles ansehen
müssen, was, im Gegensatz zu den Hautfliegem, mittels seiner Federn
fliegt; gleichviel, ob es schon ein richtiger Vogel oder noch ein mit
Federn versehenes reptilShnliches Wesen ist. Als absoluten Vogel aber
möchte ich Archaeopteryx nicht erklftren, weil sie den Typus des heutigen
Vogels doch noch nicht erreicht hat. Archaeopteryx ist, wenn man einmal
heutige Flugvögel als Vollblut bezeichnen will, doch sicher kein ganzes
Vollblut, sondern etwa ein — ich will sagen — Neunzehntelblut. Der
Vergleich mit aus Kreuzung hervorgegangenen Produkten hinkt natürlich,
aber er ist dennoch bezeichnend, um den Grad de^ beiderseitigen Anteiles
auszudrücken, der bei dem Worte »Bindeglied« nicht mit ausgedrückt wird.
Archaeopteryx ist ganz unverkennbar eine der bisher äußerst spärlich
gesfiten Übergangsformen zwischen zwei gioßen Abteilungen des Tierreiches.
So sehr es aber auch notwendig erscheint, auf diesem Gebiete alles aus-
zumärzen, was nicht absolut sicher und beweisend ist, sondern nur in der
Phantasie und dem Wunsche des betreffenden Forschers begründet liegt,
ebensosehr ist es doch auf der andern Seite berechtigt, das als Binde-
glied gelten zu lassen, was auf den Namen eines solchen vollen Anspruch
hat. Nur muß man sich hierbei das oben Gesagte vergegenwärtigen, daß
man bei dem Worte »Bindeglied« st<»ts geneigt ist, sich ein »Halbblut«
vorzustellen, also eine gerade in der Mitte zwischen zwei Gruppen stehende
Tierform. Davon kann hier keine Rede sein; Archaeopteryx ist ungefähr
schon ein Neunzehntelblut-Vogel.
Es handelt sich indessen im vorliegenden Falle gar nicht um die
Frage, ob Archaeopteryx als Übergangsfomi aus Reptilie in Vogel oder als
absoluter Vogel zu betrachten sei, sondern um die ganz andere, ob Archaeo-
pteryx eine Ubergangsform aus einem unbeflügelten oder aus einem haut-
fliegenden Wesen in einen Federflieger darstelle. Beides ist, glaube ich,
zu verneinen. Ganz sicher zu verneinen das letztere; denn die fossile
Form ist ein absoluter Federflieger, ohne jede erkennbare größere Spur
von Flughaut, als die heute lebenden Vögel sie haben. Aber auch das
erstere scheint mir zu verneinen. Die Flügel sind zwar nicht groß,
namentlich nicht spitz auslaufend wie heute bei guten Fliegern, also noch
nicht so hochgradig spezialisiert.. Wir haben jedoch auch bei heutigen
30 Branca:
Vögeln noch ähnlich stumpfe kurze Flügel; und niemand wird sie deshalb
für solche Übergangsformen ansehen wollen.
Also ArcJiaeopteryx ist zwar ein Bindeglied aus Reptil in Vogel, aber
keineswegs auch ein Bindeglied aus einem imbeflügelten oder aus einem
hautfliegenden Wesen in ein beflügeltes. Wir kennen also bei Vögeln bisher
eine solche Ubergangsform nicht.
Über die fossilen Fledermäuse wissen wir am wenigsten. Zwar
kennen wir sie seit ältester Tertiärzeit; indessen sind ihre Reste wegen
der Zartheit der Knochen so unvollständig erhalten, daß ein Urteil in
dieser Beziehung sehr schwierig ist. Immerhin aber kann man auch hier
nur sagen, daß wir bisher keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein
von Übergängen aus ungeflügelten in beflügelte Fledermäuse besitzen.
Es sind uns also weder bei Insekten noch bei Flug-
sauriern, Vögeln und Fledermäusen bisher keinerlei An-
deutungen eines Vorhandenseins von fossilen Übergangsformen
aus noch ungeflögelt gewesenen in schon geflügelt gewordene
Tierformen bekannt. Trotzdem wird man sich immerhin fragen dürfen^
wie wir uns überhaupt solche Übergangsformen vorzustellen haben und
an welchen Merkmalen wir eventuell das Vorhandensein solcher fossilen
Übergangsformen erkennen könnten.
Bei den Insekten dürften wir sie wohl zu suchen haben in Formen
mit 4 noch ganz kleinen und noch gleichen Flügeln in ausgewachsenem
Zustande. Für die Wirbeltiere dürfte die allgemeine Annahme, wie Döderlein
sie auch zum Ausdruck bringt, dahin gehen, daß wir diese Übergangs-
formen zu suchen hätten in der Form von Fallschirm tieren. Also in
jener, heute zwar kleinen, aber vielgestaltigen Gruppe von Tieren, die
wie die Hautflieger eine aus dorsaler und ventraler Haut gebildete, nur
sehr viel weniger ausgedehnte Hautduplikatur besitzen, welche sie nicht
zum Fliegen, sondern nur als Fallschirm beim Abspringen, also zum
Abwärtsschweben, benutzen können. Ein Aufwäi'tsschweben ist ihnen
dagegen unmöglich; in die Höhe müssen sie zuvor mit Hilfe ihrer Füße
bzw. Krallen klettern.
Noch heute haben wir einen Vogel, Opisihocomus hoaziey welcher,
wenn auch nur im jugendlichen Zustande, seine an der Flughand befind-
lichen Krallen zum Klettern benutzt — wie Döderlein in seiner eingangs
erwähnten Arbeit hervorhebt, ein Zeugnis dafür, daß die Vorfahren der
Fossile Flugtiere und Erwerb des FlugüermÖg&ns. 31
Vögel ursprünglich solcher Krallen zum Emporklettem allgemein bedurften,
als sie noch niclit emporfliegen konnten. Der älteste Vogel, Archaeopteryx,
mit seiner bekrallten Flughand, bestätigt solclie Auffassung. Aber auch
recht viele andere der heute lebenden Vögel, namentlich Raubvögel und
Strauße, tragen noch heute am Daumen der Flägelhand eine Kralle, wenn-
gleich sie, wie ich freundlicher Mitteilung des Hrn. Kollegen Reich enow
entnehmen darf, den Gebrauch derselben zum Klettern auch in der Jugend
nie mehr üben. Trotzdem liegt auch darin mindestens doch ein Zeugnis
daför, daß auch bei den Vorfahren unserer heutigen Federflieger die Hand
bckrallt gewesen ist.
Wenn nun alle Flieger von Fallschirmtieren ihren Ursprung nahmen,
so würde es von höchstem Interesse sein, das Vorhandensein von Fall-
schirmen an fossilen Tieren erkennen zu können. Das einfachste Mittel,
Erkennen des Fallschirmes selbst, versagt ja leider, da Hautduplikaturen
nicht erhaltungsfähig sind.
Selbst nur im Abdruck kennt man die große Flughaut bei Flug-
sauriem nur ganz ausnahmsweise aus dem Solnhofener Schiefer. Wir
werden daher kaum erwarten können, den Abdruck einer solchen, zumal
doch kleineren Fallschirmhaut im Gesteine finden zu können. Trotzdem
aber würde sich an fossilen Tieren das ehemalige Vorhandensein irgend-
welcher Hautduplikaturen verraten können, wenn letztere durch Knochen
gestützt oder etwa mit knöchernen Schuppen bedeckt gewesen wäi'e.
Wir wollen daher zunächst die heute mit Hautduplikaturen ver-
sehenen Tiere, gleichviel zu welchem Zwecke sie diese Haut verwenden,
daraufhin betrachten, inwieweit hier knöcherne Stützen oder ein Schuppen-
besatz der Hautduplikatur Oberhaupt vorhanden sind. Für mannigfache
Unterstützung, auch an Material wie bezüglich der Literatur, bin ich hierin
Hm. Prof. Dr. Tornier zu lebhaftem Danke verpflichtet.
Unter den Amphibien treffen wir Schwimmhäute bei Fröschen; Rann
hat bekanntlich nur zwischen den Zehen, also nur an der Hinterextremität,
eine Schwimmhaut, die freilich bei XenopiLS, der infolgedessen pfeilschnell
schwimmen kann, eine relativ gewaltige Größe erlangt. Für die vor-
liegende Betrachtung wichtiger ist indessen eine andere Froschgattung,
Rhacophorus, von welcher etwa 40 Arten unterschieden sindS die alle
^ The Cambridge Natural History. Ainphibia and Reptiles. London b. Macmiilan 1901.
32 Branca:
durch Haftscheiben an der Spitze der Zehen und Finger sowie durch
eine nicht nur zwischen den Zehen, sondern auch zwischen den Fingern
ausgebreitete Schwimmhaut gekennzeichnet sind, Sie dehnt sich zwischen
den Phalangen imd Metapodien aus. Bei den meisten Arten von Rfiacch
phorus reicht sie nur bis zur Hälfte des Fußes bezüglich der Hand; nur
bei wenigen erstreckt sie sich ganz bis vom an die Haftscheibe heran.
Diese wenigen Arten sind nun auch noch dadurch ausgezeichnet, daß das
Hand- und Fußskelett relativ stark verlängert ist und daß die auf solche
Weise noch mehr vergrößerte Hautduplikatur nicht als Schwimmhaut,
sondern als Fallschirm benutzt werden soll, da die Tiere auf Bäumen
leben. Außerdem treten aber bei einer Anzahl von R/uicophorus-ATten
auch noch an anderen Stellen des Körpers Hautlappen auf: an der Ferse,
an der Hinterseite des Unterarmes, am Ellbogengelenk, über dem After usw.
Diese sind freilich von so geringer Ausdehnung, daß man sich von irgend-
einer Bedeutung derselben keine Vorstellimg machen kann. Sie beweisen
nur, wie bei Fledermäusen, daß, wenn einmal eine auffallende Neigung zur
Bildung von Hautduplikaturen vorhanden ist, diese keineswegs immer auf
die Hände bzw. Füße beschränkt bleibt.
Größe und Wirkimg dieser Fallschirmhaut bei Rhacophortis sind übrigens,
wie Gadow zeigte, außerordentlich übertrieben worden. Die Angabe von
Wallace und danach von Brehm, daß Rhacophortis pardalis bei einer
Länge des Tieres von 6,5 cm eine Flächenausdehnimg der Fallschirmhaut
von 78 qcm besitze, ist um ^ zu groß; denn sie beträgt nur 18,8 qcm.
Die auf die Aussage eines Chinesen gestützten Angaben bei Wallace, der
Chinese habe den Frosch von einem hohen Baume hinabschwebend
gesehen, ist nach Gadow daher wohl sehr zu modifizieren; denn die
Fläche der Haut erscheint dazu als eine zu kleine.
An einem Skelette von Rhacophortis Reinwardti und an zwei Spiritus-
exemplaren erhielt ich fiir die längste Zehe des Hinter- und Vorderfußes
einschließlich des Metatarsale und Metacarpale die folgenden Maße:
Länge
Hinterfuß Vorderfuß des Rumpfes
i.'^ÄÄ. Reinwardti., 19,0 mm (Phal. 11 mm, Mt. 8,0 mm) 10,0 mm (Phal. 6,0 mm, Mt. 4,0 mm) 33,0 min
2. Rh. ReintDardti . , 25,5 •• ( • 14 ■ , » 11,5 •• ) 18,0 •( - 10,0 « , » 8,0 - ) 42,0 •
3. Rh. maximus ... 40,0 - ( » 23 » , • 17,0 » ) 25,0 • ( ■ 13,0 » , « 12,0 - ) 71,0 •
Bei
4. Rana hexadacfyh 31,$ • ( » 19 » , • 12,5 • ) 13,5 • ( - 7»o • » " ^»3 • ) 22,5 .
5. Rana t€mpararia]sSiO - ( ■ 22 » , - 13,0 « ) 14,3 • ( » 8,5 • , • 5,8 • ) 23,0 -
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 33
Verhältnis vom Fuß zur Rumpfl&nge
I. Hinterfuß 0,58:1 Vorderfuß 0,30:1
a. » 0,60:1 • 0,43:1
3- - 0,56:1 . 0,34:1
4. - 1,40:1 " 0,60:1
5. - 1,52:1 • 0,62:1
Man sieht, daß Rana relativ längere Zehen besitzt als Rhacophorus,
zwar nicht am Hinter- aber am Vorderfiiß. Das ist gerade umgekehrt wie
man erwarten sollte. Indessen ist das f&r die vorliegende Frage ganz neben-
sächlich. Für diese ist nur dies Ergebnis von Wichtigkeit, daß man bei
Auffinden einer fossilen Froschform nicht etwa aus einer relativ großen Länge
der Hand- und Fußknochen auf das ehemalige Vorhandensein eines Fall-
schirmes mit Sicherheit schließen dürfte. Die Ausdehnung der Haut,
nicht aber der Knochen, ist eben maßgebend ; denn erstere kann entweder
die ganzen Hand- bzw. Fußknochen umspannen, bis an deren Spitze sich
erstrecken, oder sie kann viel weniger ausgedehnt sein. Aber selbst das
ist nicht allein maßgebend; denn eine andere Froscbform, Xenopus^ besitzt
vielleidit eine relativ noch größere Haut zwischen den Zehen als Rhaco-
phorus xmd benutzt sie doch nur als Schwimmhaut. Das Wesentliche
also för RJwjcophorus liegt darin, daß er zwischen den Zehen und Fingern
eine Haut hat und diese nie zum Schwimmen, sondern nur als Fall-
schirm benutzt.
Während wir von lebenden Amphibien nur diesen einen Vertreter
eines Fallschirm tieres kennen, gibt es imter den lebenden Reptilien mehrere,
die mit einer als Fallschirm versehenen Haut ausgerüstet sind. Es ist
aber bemerkenswert, daß sie bei den Reptilien fast nirgends in solcher
Weise wie bei Rhacophorus zwischen den Zehen auftreten; und wo das,
wie bei Fhtychozoim^ dennoch der Fall ist, da geschieht es in sehr
viel geringerem Grade.
Unter den Eidechsen gibt es mehrere mit Hautduplikaturen versehene
Formen. Doch nur eine Gattung benutzt sie als Fallschirm, die zu den
Baumagamen (Iguanidae) gehörige Gattung Draco. Die anderen verwenden
sie teils als Schreckmittel ftlr ihre Feinde, teils als Haftorgan beim Klettern.
Draco taeniopterus besitzt, abgesehen von einem kleinen, als Fallschirm
bedeutungslosen dreieckigen Hautlappen zu beiden Seiten des Halses, der
hinter dem Kopfe beginnt und zum Oberarm sich hinzieht, eine flügel-
artige große Hautfalte, die sich an beiden Seiten des Rumpfes zwischen
Fhys.-math. Glosse. 1908. Abh, L 5
34 Branca:
Vorder- und Hinterextremität ausdehnt; in der Weise jedoch, daß der Arm
gar nicht, das Bein nur mit dem obersten Teil des Oberschenkels in die
Falte eingezogen wird. Beide Extremitäten ragen also frei aus dem Rumpfe
hervor.
Dieser großen Hautfalte wird bekanntlich eine besondere Eigenart da-
durch verliehen, daß sie durch 5 bis 6 abnorm verlängerte Rippen getragen
wird, welche aus dem Rimipfe in die Hautduplikatur hineingehen (vgl.
Fig. 5). Bei einem ziemlich kleinen der mir vorliegenden Exemplare, als
Draco taeniopterus bezeichnet, beträgt die Länge der mittleren dieser 6 Rippen
34 mm, während der Rumpf, vom Halse bis hinter das Sacrum, die Länge von
49 mm besitzt. Bei einem anderen, etwas größeren Skelette von Draco
volans beträgt diese Rippenlänge 43,5 mm, bei einer Rumpf länge von
52 mm; sie ist somit absolut wie relativ größer als bei dem ersteren, da
sie in demselben Verhältnisse wie bei diesem nur 37 mm messen dürfte.
Vergleichen wir diese Maße mit denen von RluicopJiorus^ so ergibt sich
ein Längenverhältnis der den Fallschirm tragenden längsten Knochen (Rippe
bzw. Hand- oder Fußknochen) zu der des Rumpfes bei:
Draco taeniopterus 0,69 : i
Draco volans 0,83 : i
ÄÄflrcopÄon^ Vorderfuß 0,30—43 : i
» Hinterfuß 0,56 — 60 : i
Notgedrungenerweise mußten hier ungleichwertige Knochen miteinander ver-
glichen werden, bei Draco die Rippen, bei den anderen die Fingerknochen.
Immerhin läßt sich doch wenigstens erkennen, um wieviel relativ größer
der die Fallschirmhaut tragende Knochen, somit auch die Haut selbst, bei
Draco als bei Rhacopliorus sind und wie gewaltig viel größer der Apparat
aber noch werden müßte, um zimi Fluge dienen zu können.
Diese 5 — 6 langen Rippen von Draco^ deren vorderste hinter der
Scapula beginnt, setzen sich in derselben Weise imd ebenso einköpflg an
die Diapophysen der Wirbel an, wie die hinter ihnen folgenden, kürzer
und immer kürzer werdenden Rippen, welche nun nicht mehr aus dem
Rumpfe in die Hautduplikatur hineinreichen. Man wird daher die großen
Rippen nicht wohl als falsche bezeichnen dürfen, wie wohl geschehen.
Bei Draco fimhriatvs Kühl zähle ich nur 5 solcher langen Rippen, und
diese tragen auch nur den vorderen größeren Teil der Fallschirmhaut, wo-
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 35
gegen der hintere, kleinere, rippenfrei, also stützenlos ist. Auch noch in
anderer Beziehung unterscheiden sich diese langen Rippen bei beiden Arten.
Bei Draco taeniopterus ziehen sie in gerader Richtung bis zum Außenrande
der Hautduplikatur hin und endigen dort, so daß der Außenrand der Haut
zwischen ihnen ohne Stütze (s. Fig. 5) bleibt. Bei Draco ßmbriatus da-
gegen biegen die vorderste Rippe, am Außenrande angelangt, die 4 hinteren
Rippen aber schon in einiger Entfernung von dem Außenrande knieförmig
nach hinten um und bilden dadurch eine fortlaufende Stütze, welche den
ganzen Außenrand trägt. Draco hat zwar die Fähigkeit und Gewohn-
heit, diese flügelähnlichen Organe fächerartig zu entfalten und wieder
zusammenzufalten; aber er vermag sie nicht zum Fluge auf und ab zu
bewegend
An diesen langen Rippen würde nun das ehemalige Vorhandensein
einer Fallschirmhaut bei fossilen Formen sicher zu erweisen sein. Ks sind
indessen zwar von anderen Baumagamen, speziell von Iguana oder doch
von verwandten Vorläufern derselben, Fossilreste gefimden ; von Draco je-
doch scheint bisher noch nichts bekannt geworden zu sem.
Auch andere Eidechsen besitzen Hautduplikaturen, benutzen dieselben
jedoch zu ganz anderen Zwecken. Eigentlich kommen diese Formen daher
hier, wo es sich um Fliegen und Schweben handelt, nicht in Betracht.
Trotzdem haben sie ein Interesse für diese Frage, weil es Tiere mit dieser
eigentümlichen Neigung zur Bildung von Hautduplikaturen sind und weil,
unter Umständen, eine Hautduplikatur auch einmal verschiedenen Zwecken
gleichzeitig dienen könnte. So findet sich eine solche bei Chlamydosaurus,
wo sie in Gestalt einer riesigen Halskrause, die, wie bei Draco der Fall-
schirm, entfaltet und wieder zusammengefaltet werden kann, den Kopf
umgibt'. Es fehlt aber bei Chlamydosaurus jede knöcherne oder knorp-
Uge, oder nur auch bindegewebige Stütze derselben. Ihre Entfaltung und
Aufrichtung erfolgt, wie Tornier feststellte, nur durch Aufblasen^. Ganz
dasselbe gilt von der Aufrichtung der am Kopfe befindlichen Hautdupli-
katur bei CJuzmaeleon. Beiden Tieren gilt dieselbe als Abschreckungsmittel
den Feinden gegenüber.
^ G a d o w , Amphibia and Reptiles. The Cambridge Natural History. London 1 901 , S. 5 1 6.
' Gadow, Amphibia and Reptiles 1901, S. 523.
^ G. Tornier, Bau und Betätigung der Kopflappen und Halsluftsäcke bei Chamäleon.
Zoologische Jahrbücher Bd. ai, 1904, HeA i.
5*
36 Branca:
Wenn nun auch hier eine Anwendung der Hautduplikatur als Fallschirm
nicht vorliegt, so wäre es doch immerhin von Interesse, zu wissen, ob
auch in früheren Zeiten schon solche Abschreckfalten gebildet worden
sind. Das könnte in der Tat der Fall gewesen sein, da Reste der Gattung
Chlamydosaurus in Australien, wo sie heute lebt, auch fossil gefimden
worden sind. Indessen handelt es sich hier nur um pleistozäne Schichten.
Sehr viel älter, dem Eozän von Wyoming entstammend, sind Reste eines
Chamäleoniden, die jedoch nur in einem Unterkieferfragmente bestehen.
Angesichts aber des hohen Alters dieses Restes dürfte es doch wohl un-
zulässig sein, bei dieser Form bereits das Vorhandensein einer solchen
Abschreckfalte als gesichert annehmen zu wollen; derartiges könnte sehr
wohl erst späterer Erwerb sein.
Bei anderen Eidechsen wieder dient die Hautfalte als Haftmittel. Das
ist der Fall bei Ptychozoon homalocephalumy einer Gattimg der Geckonen.
Hier verläuft längs beider Seiten des Körpers eine Hautduplikatur, die
wie der Rumpf mit Schuppen bedeckt ist. Am Kopf, wo sie nur klein
ist, und am Schwänze, an dessen ganzer Längserstreckung sie in zahlreiche
Lappen zerschnitten ist, muß sie als Fallschirm gegenstandslos sein. Nur
am Rumpfe zwischen Vorder- und Hinterextremität, die jedoch völlig
freibleiben, gewinnt sie, ähnlich wie bei DracOy als bogenförmiger Haut-
lappen eine größere Ausdehnung. Selbst an der breitesten Stelle aber
beträgt ihre Breite nur 64 Prozent von der ihres Rumpfes, nämlich 9 mm
gegenüber der Rumpf breite von 1 4 mm an dem von mir gemessenen
Spiritusexemplare. Eine ebenfalls mit Schuppen bedeckte Hautduplikatur
findet sich an den Beinen. Ober- und Unterarm sind an der Vorder-
wie Hinterseite von derselben begleitet. Ober- und Unterschenkel da-
gegen tragen sie nur an ihrer Hinterseite ; an der Vorderseite ist nur der
Unterschenkel vom Knie abwärts mit ihr besetzt. Auch zwischen den
Zehen der Vorder- und Hinterextremitäten breitet sich hier eine Haut aus.
Zum Teil sind diese Hautfalten von Ptychozoon überhaupt so klein,
daß sie als Fallschirm bedeutungslos sein würden; zum Teil aber lassen
sie sich, auch wenn sie, wie die Rumpffalte, größer sind, infolge ihres
bogenförmigen Umrisses und des Fehlens von Stützknochen nicht straff
anspannen. Als Fallschirm könnten diese Hautduplikaturen hier also doch
wohl keine nennenswerte Verwendung finden, wenngleich das vermutet
worden ist. Auch Gadow sagt sehr vorsichtig von Ptychozoon: »Es heißt,
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 37
daß diese Hautlappen als Fallschirm dienen.« Tornier ist indessen
durch Beobachtung der Tiere zu der Überzeugung gefilhrt worden, daß
diese Haut mittels seitlicher Bewegungen des Tieres als Saugapparat dient,
mit welchem dieses sich festheftet. Dasselbe gilt nach Tornier von der
am Schwänze von Uroplates auftretenden Hautduplikatur. Auch Döderlein
sagt (8. I, Anm. i), daß keinerlei Beobachtungen vorliegen, die hier einen
Gebrauch als Fallschirm, den man vielleicht vermuten könnte, bestätigt.
Sogar von einigen Schlangen, die in Bomeo auf Bäumen leben (zwei
Arten von Chrysopelaea^ eine Art von Dendrophis), sollen die Eingeborenen
behaupten, daß sie »fliegen« könnten; und Shelford berichtete auch in
einem Vortrage vor der zoologischen Gesellschaft in London über Versuche,
die er mit einer Chrysopelaea darüber angestellt habe. Diese Schlangen
sollen die Fähigkeit haben, die auf dem Bauch gelegenen großen Schuppen
vermittels ihrer Muskeln nach einwärts zu ziehen, so daß auf dem ganzen
Verlaufe des Bauchs eine Längsrinne entsteht. Wenn sich die Schlange
von einem Baum herabfallen lasse, mache sie sich steif wie ein Stab,
bilde so einen Hohlraum, imd dieser wirke nun als Fallschirm verlang-
samend auf den Fall; ganz wie ein der Länge nach aufgeschnittener
Bambusstab langsamer falle als ein gleicher, der unaufgeschnitten sei'.
Es scheint, daß von allen oben aufgefahrten Formen bisher keine
fossilen Vertreter gefunden sind. Bei Absehen von Draco nämlich be-
sitzen alle diese Eidechsen keine knöchernen Stützen ihrer Hautfalten, die
sich fossil erhalten und damit das ehemalige Vorhandensein solcher Haut-
falten anzeigen könnten. Trotzdem aber würde dasselbe bei fossilen
Formen sich noch durch ein andres Merkmal verraten können: wenn
nämlich diese Falten mit gegenügend harten Schuppen besetzt gewesen
wären. Derartiges scheint indessen gleichfalls bisher nicht bekannt ge-
worden zu sein.
Auch bei Säugern finden sich bekanntlich solche Hautduplikaturen,
die als Fallschirme benutzt werden. Unter diesen besitzen die Flug-
beutler, Petaurus und Acrobates^ keinerlei Stützbildungen in der Haut-
duplikatur. Ihr etwaiges Vorhandensein in früheren Zeiten kann sich
daher durch nichts verraten, wenngleich in pleistozänen Schichten
^ Ich kann nähere Angaben nicht machen, da ich das Obige einem Zeitungsberichte
ohne nähere Angaben entnehme.
38 Branca:
Australiens Flugbeutler in mehreren Gattungen gefunden worden sind.
Bei dem Flugmaki, Galeopühecus^ findet sich unter allen Säugern die größte
Fallschirmhaut, die sich sogar zwischen den Fingern bis zu den Krallen
ausdehnt. Trotz dieser gewaltigen Ausdehnung des Fallschirms wird
dieser aber weder durch einen Knochen noch durch einen Knorpel gestützt,
sondern nur durch eine dickere, quer verlaufende Hautfalte. Also auch
hier keine Möglichkeit der Erkennung im fossilen Zustand. Wohl aber
sind, ähnlich wie bei den Rhacophorus, hier die Zehen etwas verlängert,
so daß sich an diesem Merkmal das Vorhandensein einer Fallschirmhaut
bei fossilen Vertretern dieser Familie vielleicht erweisen lassen könnte.
Man kennt indessen bisher wohl keine fossilen hierher gehörigen Formen.
Eine andere Gnippe mit Fallschirmhaut versehener Säuger steht in
dieser Beziehung günstiger da, weil sie zur Stütze der Haut sogenannte
Si)annknochen besitzt; ganz ähnlich, wie zu diesem Zwecke die Flugsaurier
einen von der Hand ausgehenden Knochen und die Fledermäuse einen
vom Fuße am Hacken ausgehenden Sporn haben. Es sind das zu den
Nagern gehörige Formen, Flugbilche und Flughömchen. Die beiden
Gattungen der Flugbilche, Anomalurus imd IdiuruSy sind mit einer solchen
vom Unterarm ausgehenden, aber nur knorpligen Stütze versehen. In-
folge ihrer knorpligen Beschaffenheit ist sie leider nicht versteinerungsfahig.
Auch kennt man mit Sicherheit noch keine fossilen Reste dieser Gattungen.
Nur die Flughömchen, Pteromys und Sciuropterus, haben, wie die
Flugsaurier, eine von der Handwurzel abgehende, knöcherne Stütze ihres
Fallschirmes, welche das ehemalige Vorhandensein eines solchen bei
fossilen Formen verraten könnte*. Fossile Sciuriden sind auch wohl-
bekannt seit dem Obereozän; auch die Gattung Sciurus selbst hat bereits
in dieser Zeit bestanden. Aber bisher dürfte ein solcher Spannknochen
fossil noch nicht gefunden oder, falls gefunden, doch noch nicht als solcher
erkannt worden sein.
Aus alledem geht nun das Folgende hervor:
Die mit einer als Fallschirm benutzten Hautduplikatur ver-
sehenen Tiere sind heute, gegenüber der riesigen Zahl der
anderen Tiere, verschwindend selten; aus früheren Zeiten aber
* Auch unser Eiclihornchen hat, namentlich in seiner Jugend gut erkennbar, eine
Hautduplikatur zwischen Ellenbogen und Knie, die jedoch durch keinen Knochen ge-
stützt wird.
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 39
hat sich das Vorhandensein von Fallschirmen noch durch keine
einzige paläontologische Tatsache beweisen lassen, weder durch Auffindung
eine« Abdruckes der Haut, noch einer Knochenstütze, nocth eines Sc.huppen-
besatzes derselben; also weder durch Auffindung irgendeiner nachweislich
mit Fallschirmhaut versehen gewesenen fossilen Tierform, noch durch Auf-
finden einer mit einer erst sehr kleinen Flughaut versehen gewesenen, fossilen
Übergangsform aus dem Fallschirm in das Flughautstadium. Das kann natür-
lich in der Lückenhaftigkeit der paläontologischen Überlieferung seinen Grund
haben; indessen soll hier ja nur festgestellt werden, was wir zur Zeit kennen.
Bemerkenswert erscheint immerhin die Tatsache, daß heute
bei den mit einer Fallschirm-, Abschreck- oder Hafthaut ver-
sehenen Tieren diese Haut zwar am Rumpfe oder am Halse
oder an den Armen und Beinen sich ausdehnt; daß sie aber an
den Zehen und vor allem an den Fingern, also da, wo die Flug-
haut vor allem vorhanden sein muß, entweder, und fast immer,
überhaupt ganz fehlt, oder doch eine ganz geringe Ausdehnung
besitzt. Wesentlich nur R/uzcophorus verhält sich abweichend, indem er
an den Zehen und auch Fingern eine größere solche Haut trägt. Ebenso
finden sich bei Propithecus^ einer kleinen Lemurenform, neben einer kleinen
Hautfalte an den Armen, alle Finger mit Ausnahme des Daumens bis zur
zweiten Phalanx hin durch eine Hautduplikatur verbunden. Auch Galeopühecus,
der bald zu Prosimiem, bald zu Chiropteren gestellt wird, hat zwischen
den Fingern bis zu den Krallen hin eine Flughaut. Aber obgleich er
unter den Säugern das größte Patagium besitzt, seine Finger, und da-
mit das Chiropotagium, sind doch so klein geblieben, daß ein derartiger
Typus unmöglich als Vorfahr irgendeines Flugsauriers oder irgendeines
anderen Flughautfliegers angesehen werden könnte.
Überhaupt läßt sich ganz allgemein aussagen:
Formen, die nicht verlängerte Finger- bzw. Hand- oder
auch Unterarmknochen besessen haben, können nicht in der
Ahnenreihe von Flughautfliegern stehen. Folglich kann aus
Formen, wie sie die heute lebenden Fallschirmtiere darstellen,
kein Flughautflieger sich entwickelt haben. Höchstens am Vor-
anfange der letzteren könnten solche kurzgefingerten Formen gestanden
haben; aber das entzieht sich völlig unserer Erkenntnis; und das, worauf
es uns hier ankommt, sind Übergangs-, keine Voranfangsformen.
40 B R A N C A :
Dagegen würde ein fossiles Tier mit stark verlängerten Handknochen
und ebenso mit verlängertem Arm, besonders Unterarmknochen, gleich-
viel, ob man den Abdruck einer Flughaut fSnde oder nicht, der Ahnen-
schaft von Flughautfliegem verdächtig sein können.
Etwas anders liegt in dieser Beziehung die Frage hinsichtlich der
Ahnen der Vögel. Hier ist wesentlich nur der Arm verlängert; wogegen
zwei Finger, wenn auch relativ lang, doch keineswegs eine so abnorme
Verlängerung aufweisen, wie das bei Flughautfliegem der Fall ist.
Wenn auf solche Weise die bisher bekannten fossilen Formen keinerlei
Anhaltspunkte zur Entscheidung der Frage geben, welches die Ahnen der
fliegenden Tiere waren, so gewährt leider auch die Ontogenie uns darüber
keinen Aufschluß.
Unter solchen Umständen wird man die Frage aufwerfen dürfen, ob
der erste Anstoß zur Bildung einer Flughaut vielleicht auch (ich sage
»auch«, nicht »allein«) durch eine Schwimmhaut gegeben sein könnte;
mit anderen Worten, ob nicht, wenn auch nicht alle, so doch ein Teil
der Flieger, in letzter Linie aus Tieren hervorgegangen sein könnte, die
ursprünglich, dauernd oder zeitweise, wasserlebend waren. So befremdend
das klingen mag, die folgende Betrachtung läßt erkennen, warum man
eine solche Frage wenigstens aufwerfen dürfte.
Man stelle sich Rhacaphorus (S. 32) vor, einen Frosch, der seine
zwischen den Zehen des Fußes imd der Hand befindliche Hautduplikatur
nur als Fallschirm benutzt, weil er auf Bäumen lebt. Wenn man nun
einen Rhacophorus in das Wasser werfen würde, was würde er tun? Ich
meine, er würde seine Fallschirmhaut als Schwimmhaut benutzen; vor-
ausgesetzt natürlich, daß die Gelenke solcher Art wären, daß sie eine
Schwimmbewegimg gestatten würden; und warum sollte das nicht sein.
Wenn man aber weiter fragt, wodurch Rhacophorus wohl diese seine
Hautduplikatur erstmals erworben haben mag, so will es doch gar nicht
imwahrscheinlich dünken, daß er, wie andere Frösche, sie urspränglich
wenigstens in ihren Anfängen, als Schwimmhaut erworben habe; und daß
er dann, im Gegensatze zu anderen Fröschen, sie später als Fallschirm
benutzt und weiter vergrößert habe, als er selbst einem vorübergehenden
Wasserleben gänzlich entsagte.
Wenn nämlich überhaupt Schwimmhäute und Flughäute
dadurch entstanden sind, daß die betreffenden Tiere ent-
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens, 41
sprechende schlagende und stoßende Bewegungen gegen Weisser
oder Luft gemacht und damit einen Reiz auf ihre zur Bildung
von Duplikaturen überhaupt neigende Haut ausgeübt haben,
dann ist aus einer Anzahl von Gründen einzusehen, daß sich
auf solchem Wege viel leichter und schneller eine Schwimm-
haut als eine Flughaut bilden konnte.
1 . Einmal nämlich besteht ein schwerwiegender Unterschied zwischen
der Ausübung der Schwimmfähigkeit und derjenigen der FlugfÄhigkeit
darin, daß die Tiere beim Schwimmen von dem vorherigen Besitze einer
Hautfalte bis zu gewissem Grade unabhängig sind, beim Fliegen jedoch
in absolutester Abhängigkeit von einer solchen stehen:
Zahlreiche Tiere schwimmen auch bereits ohne Schwimmhaut. Sie
machen dabei die entsprechenden Bewegungen ; es wird ein Reiz auf ihre
Haut an den betreffenden Stellen ausgeübt; und wenn nun ihre Haut zur
Bildung von Falten überhaupt neigt, so entstehen diese und vergrößern
sich. Das ist ein Vorgang, der ungemein einleuchtend ist.
Demgegenüber kann aber kein einziges Tier fliegen, ohne schon vor-
her eine Flughaut (bzw. Federn) besessen zu haben. Es wird daher niemals
auch nur den Gedanken fassen können, entsprechende Flugbewegungen zu
jnachen, bevor es eine solche Haut überhaupt auf irgendeine andere Weise
erworben hat. Nur also wenn es bereits eine größere Hautfalte an ge-
eigneter Stelle besitzt, wird es Flugbewegungen machen und sie damit ver-
größern können.
2. Das Wasser ist ein ungemein viel dichteres Medium als die Luft.
Das Wasser wird folglich einen viel stärkeren Reiz auf eine zur Bildung
von Hautfalten überhaupt neigende Haut ausüben müssen als die Luft. Es
wird daher auch eine Schwimmhaut viel leichter entstehen können als
eine Fallschirmhaut.
3. Dieses Moment wird noch verstärkt durch ein weiteres. Eine Fall-
schirmhaut wird von einem auf Bäumen lebenden Tiere in der Zeiteinheit,
sagen wir an jedem Tage, offenbar ganz unvergleichlich viel seltener be-
nutzt als eine Schwimmhaut von einem im Wasser lebenden Tiere. Letzteres
kann keine einzige Vorwärtsbewegung im Wasser machen, ohne diese Haut
zu reizen und damit an deren Vergrößerung zu arbeiten. Ersteres aber
kann zahllose Bewegungen auf Bäumen machen, ohne die Haut zu reizen;
und nur dann, wenn es einmal abspringt, wird eine Reizung erfolgen
Phy8.^maih. Gasse. 1908. Abh, L 6
42 Branca:
bzw. an der Vergrößerung der Haut gewirkt werden. Es muß also auch
aus diesem Grunde eine Schwimmhaut viel schneller, leichter entstehen
können als eine Fallschirmhaut.
Vielleicht erklärt es sich aus diesen drei Gründen, warum wir heute
so viel mehr Tiere mit Schwimmhaut als mit Fallschirmhaut haben. Ob
das firüher anders, umgekehrt sich verhalten haben soll?
4. Ein viertes Moment liegt darin, daß, um als Flughaut benutzbar
zu sein, eine Hautfalte vor allem an den Fingern (und Armen) ausgebildet
sein muß. Wenn wir nun alle heutigen mit Fallschirm versehenen Tiere
daraufhin mustern, so ergibt sich (S. 33, 39), daß sie gerade an den Fingern
fast ausnahmslos keine Hautfalte besitzen. Fast die einzige Ausnahme
bildet aber Rhacophorus^ d. i. gerade jener Frosch, von dem man doch
glauben könnte, daß er, wie andere Frösche, seine Hautfalte ui-sprünglich
als Schwimmhaut erworben hätte.
So könnte man auf den Gedanken kommen, daß Tiere, die nicht an
den Fingern oder die nicht auch an den Fingern eine Hautfalte schon
vorher erworben hatten, von der Umwandlung in Hautflieger, wenn auch
nicht geradezu ausgeschlossen waren, daß aber doch fiir sie eine solche
Umwandlung viel umständlicher, viel schwerer war als föi' solche, die
schon an den Fingern eine Hautfalte erworben hatten.
Es ergibt sich also aus Obigem, daß die Bedingungen zur Erwerbung
einer Schwimmhaut wesentlich günstiger liegen als zur Erwerbung einer
Fallschirmhaut. Dazu gesellt sich der weitere Umstand, daß die mit
Schwimmhaut versehenen Tiere ja keineswegs notwendig an das Wasser
gekettet sein müssen, sondern vielfach auch auf dem Lande leben können,
auf dem mm ihre Schwimmhaut sofort als Fallschirm Dienste leisten kann
und muß, sobald die Tiere von irgendeiner Erhöhung einmal abspringen.
Ich will aber damit nicht gesagt haben, aus einer Schwimmhaut * könne
sich sofort eine Flughaut entwickelt haben ; sondern, aus der Schwimm-
haut könne, unter Umständen, erst eine Fall schirm haut entstanden sein
^ Pseudoschwimmh&ute können, wie G. Tornier den experimentellen Nachweis fuiirte
(Sitzungsber. der Ges. naturf. Freunde, Berlin, Jahrgang 1904, S. 168), als ontogenetische
Hemmungsbildungen zwischen den Fingern oder Zehen, oder auch zwischen Ober- und Unter-
schenkel dann entstehen, wenn diese Korperteile während der Ontogenese am normalen In-
dielänge- oder Auseinanderwachsen gehindert werden. FQr die erstmalige Entstehung echter
Schwimmhäute aber wird man eine solche abnorme Bildungsweise schwerlich anuehmen können.
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 43
und aus dieser dann eine Flughaut. Mit anderen Worten : Flughaut mag
zwar, wie allgemein angenommen wird, aus Fallschirmhaut entstanden sein.
Aber nicht etwa jedes Fallschirmtier war an sich berufen, Flughauttier zu
werden, sondern wesentlich nur solche Fallschirmtiere, welche gerade an
den Fingern eine Hautfalte besaßen. Eine solche aber erwirbt sich aus
verschiedenen oben dargelegten Gründen viel leichter durch Schwimmen
als durch Abspringen. Folglich dürfte die Frage nicht ganz unberechtigt
sein, ob nicht auch (nicht allein) aus Schwimmhäuten Flughäute hervor-
gegangen sein könnten.
Das Vorhandensein von Krallen an der Flughand noch heutiger Flieger
könnte nicht als gegenteiliger Grund geltend gemacht werden, da Tiere
mit Schwimmhaut ebensowohl Krallen besitzen konnten wie Tiere mit Fall-
schirmhaut.
Wenn wir die fliegenden Wirbeltiere in ihrer zeitlichen Entwicklung
betrachten, so tritt uns der auffallende Umstand entgegen, daß bei den
beiden (soviel ims bekannt ist) ältesten Gruppen derselben, Vögeln und
Flugsauriem, schließlich Zahnlosigkeit eingetreten ist. Von den Vögeln gilt
das durchaus; von den Flugsauriern allerdings nur zum Teil insofern, als
Pteranodon und Nyctodactylus in der Kreidezeit das Gebiß verloren hatten.
Aber man wird doch vielleicht nicht mit Unrecht vermutend folgern
dürfen : die Vögel, weil sie sehr viel länger, bis auf heutige Zeit, gelebt
haben, konnten es deswegen allmählich bis zur allgemeinen Zahnlosigkeit
bringen. Die Flugsaurier dagegen, weil sie schon in der jünge-
ren Kreidezeit ausstarben, haben die Zahnlosigkeit nur erst in
der Pteranodontengruppe erreicht. Wenn sie aber so lange wie
die Vögel gelebt hätten, so würden sie gleich diesen wohl eben-
falls allgemeine Zahnlosigkeit erlangt haben.
Die (soviel uns bekannt ist) jüngst entstandene Gruppe der fliegenden
Wirbeltiere, die Fledermäuse, haben dagegen das zahnlose Stadium nicht
erlangt. Im Hinblick auf das Verhalten jener beiden älteren Gruppen
wird man aber vielleicht die Vermutung äußern können:
Die Fledermäuse haben das zahnlose Stadium bisher noch nicht er-
langt, würden es aber in späterer Zeit ebenfalls erreichen. Allerdings
zeigt sich gegenwartig noch nicht der geringste Anlauf dazu, so daß es
hier, in viel höherem Maße als bei den Flugsauriem, lediglich Spekulation
sein wird, sich in einem solchen Zukunftsbilde ergehen zu wollen.
44 B B A N C A :
Jedenfalls aber muß man es auffallend finden, daß die beiden anderen
von vierfößigen bezahnten Reptilien abstammenden Gruppen der Flugtiere,
Vögel und Flugsaurier, in übereinstimmender Weise, wenn auch mit mehr
oder weniger Erfolg, der Zahnlosigkeit verfielen, imd man wird die Frage
aufwerfen dürfen, ob diese Erscheinung etwa eine gemeinsame Ursache
gehabt, eine Folge des Fliegens gewesen sein könnte.
Vergleichen wir Flieger und Nichtflieger miteinander, so zeigen sich
in ihren äußeren Lebensbedingungen wie in anderer Beziehung vier Unter-
schiede :
Die Flugtiere leben, mindestens solange sie fliegen, unter einem
geringeren Luftdruck als die an die Erdoberfläche gefesselten Tiere; das
gilt in höherem Grade von denen, die sich zu bedeutenden Höhen er-
heben und auch in diesen horsten; in geringerem von denen, die sich zu
keiner nennenswerten Höhe beim Fliegen erheben.
Ein zweiter, wenigstens för viele Flieger geltender Unterschied ist
der, daß die Flugtiere sich schneller als andere Tiere fortbewegen.
Die Flugtiere müssen femer ein relativ weit größeres Maß von Arbeit
leisten, um sich fortzubewegen, als die nichtfliegenden Tiere; denn sie
müssen, die Schwere überwindend, ihren Körper durch die Lüfte tragen.
Als viertes ergibt sich, daß bei Vögeln und Flugsauriem das Skelett
relativ leichter ist als bei Nichtfliegem, daß also die Tendenz zur Erleichte-
rung des Skeletts bei ihnen vorhanden ist bzw. war.
Es erscheint indessen vergeblich, eins oder mehrere dieser Momente
in ursächliche Beziehung zur Entstehung von Zahnlosigkeit im allgemeinen
zu bringen. Das Vorhandensein noch anderer zahnlos gewordener Tier-
gruppen, Schildkröten, gewisser Ichthyosauren (Baptanodon), zahnloser Eden-
taia, zahnloser Wale, ^viderspricht dem.
Durch Einwirkung geringeren Luftdrucks kann Zahnlosigkeit nicht
bedingt werden; denn jene anderen zahnlosen Tiere sind einem solchen
nicht ausgesetzt. Ja, die Wale sind sogar, solange sie tauchen, umge-
kehrt einem verstärkten Luftdruck unterworfen.
Die große Schnelligkeit der Bewegung kann ebenfalls nicht auf
Zahnlosigkeit hinwirken; denn die Edentata bewegen sich, gerade umge-
kehrt, durchaus langsam und die Schildkröten sogar extrem langsam.
Eher ließe sich scheinbar ein Zusammenhang zwischen der gewaltigen
Arbeit, welche ein Flieger zu leisten hat, und der Zahnlosigkeit, oder
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 45
weitergehend, und dem geringen Gewichte des Skeletts bei Vögeln und
Flugsauriem denken; denn wenn die Nahrung ganz wesentlich för die
gewaltige Arbeitsleistung und f&r Aufbau und Unterhaltung der relativ
ungeheuerlich großen Flugmuskeln verwendet werden muß, dann wird
für den Aufbau und die Erhaltung des Skeletts nur ein weniger großer
Teil der Nahrung, so könnte man folgern wollen, zur Verfögung bleiben.
Indessen, das Skelett bedarf vorwiegend der Kalksalze, also ganz
anderer Teile der Nahi-ung, als wesentlich für Muskeln und Arbeitsleistung
gebraucht werden. Diese beiden Dinge schließen sich folglich nicht aus,
sondern ergänzen sich vielmehr; jene Folgerung könnte daher gleichfalls
nicht als stichhaltig anerkannt werden.
Aber es läßt sich doch nicht verkennen, daß für das fliegende Tier,
im Gegensatze zu den nichtlliegenden, die Notwendigkeit vorliegt, das Ge-
wicht des Skelettes möglichst zu erleichtem. Das ist bekanntlich bei
Vögeln wie bei Flugsauriem durch Herausbildung dünner, markloser Knochen
erfolgt; und namentlich bei den zahnlosen Flugsauriem, den Pteranodonta^
ist das bis zum Exzeß gesteigert gewesen. Völlig im Rahmen dieser
Tendenz einer Gewichtserleichterung läge es nun, wenn dabei
auch die schweren Zähne der Flugtiere verloren gehen würden.
So sehr einleuchtend eine solche Folgerung aber auch ist, bzw.
zu sein scheint, man könnte sie doch unmöglich als allgemeine
Ursache der Entstehung von Zahnlosigkeit ansehen; denn
bei Schildkröten ist das Gebiß verschwunden, obgleich gerade umge-
kehrt die Tendenz auf eine immer stärker werdende Schwere und Ver-
dickung des ganzen Skelettes hinauslief;
bei den zahnlosen unter den Ichthyosauren und Edentaten und Walen
ist das Gebiß geschwunden, während das Skelett gegenüber demjenigen
anderer Formen ihrer Verwandtschaft weder eine Tendenz zur Verdickung
noch eine solche zur Verdünnung erkennen läßt.
Aus alledem geht für den Verlust des Gebisses hervor:
Der Verlust des Gebisses kann Hand in Hand gehen, hier mit Leben
unter geringerem Luftdrucke, aber bei sehr schneller Bewegung oder bei
gewaltiger Arbeitsleistung, dort mit Leben unter gewöhnlichem oder gar
stärkerem (Wale) Luftdrucke, aber bei sehr langsamer Bewegung oder ge-
ringster Arbeitsleistung (Schildkröten). Er kann Hand in Hand gehen,
hier mit einem Leichterwerden, dort mit einem Schwererwerden, da mit
46 B R A N C A :
einem Unverändertbleiben des Gewichtes des übrigen Skelettes. Er kann
mithin weder die ausschließliche notwendige Folge des einen oder des
anderen aller dieser Momente sein, sondern muß durch andere Ursachen
bedingt worden sein, die vielleicht und anscheinend bei den verschiedenen
zahnlos gewordenen Gruppen ganz verschiedenartige waren.
Es steht femer die Tatsache fest, daß der Verlust des Gebisses von
einem gewissen Vorteile doch nur für die fliegenden Tiere sein konnte,
insofern, alS dadurch ihr Gewicht etwas erleichtert wurde. Für die anderen
Tiere war dagegen der Verlust des Gebisses, solange die Nahrung dieselbe
blieb, nur ein Nachteil.
Hier wie dort aber mußte der Verlust der Zähne erst wieder gutge-
macht werden, entweder dadurch, daß die Verdauungskräfte um denselben
Betrag zunahmen, um welchen die Tiere durch den Verlust des Gebisses
geschädigt worden waren, oder dadurch, daß die Tiere sich zu einer ganz
anderen, leichter zu bewältigenden und zu verdauenden Nahrang veran-
laßt sahen.
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 47
Inhalt.
Großer Prozentsatz fliegender Tiere S. 3; wesentlich durch die große Zahl der In-
sekten bedingt S. 4. Den im Wasser lebenden Tieren fehlt das Flugvermogen nur so lange,
als wir bei der Definition des Begriffes •Fliegen« nur Rücksicht nehmen auf das, was die
Natur hierbei leistete S. 5; sobald wir aber auf das, was ftir das Tier hierbei das Wichtige
istt RQcksicht nehmen, haben auch sehr viele Wassertiere das Flugvermögen S. 5; Fliegen
und Schwimmen sind also für das, was sie dem Tiere geben, ganz dasselbe; firriherer Sprach-
gebrauch kannte auch für beides nur das eine Wort Schwimmen S. 6.
Zwei entgegengesetzte Wege, auf denen die Landtiere das Flugvermogen erwarben
S. 6; bei Wirbeltieren ward die Vorderextremität zum Fiugorgan. Es stand diesem Ge-
winne also ein schwerer Verlust an Gehvermögen gegenüber S. 7; bei Insekten wurden
RQckenplatten zum Flugorgan; hier war es also ein verlustloser, reiner Gewinn; folglich
ist der Weg, den die Insekten bei Erwerb des Flugvermögeos beschritten, der im Prinzip
voUkommenste S. 9.
Keine verbindende Brücke führt von einem dieser Wege zum anderen hinüber S. 9.
Es ist sehr auffallend, daß bei Insekten nicht auch Beine zu Flugorganen wurden, da hier
die Beine doch so vielgestaltige Spezialisierung zeigen; möglich wäre das der Natur sicher
gewesen S. 9. Bei Wirbeltieren aber wäre es der Natur fast unmöglich gewesen, Rücken-
fiügel unter Schonung der Vorderextremität zu erzeugen, wie der Mensch in seiner künst-
lerischen Phantasie das getan hat S. 10; die notwendige Ausbildung einer starken Crista für
den Muskelansatz auf dem Rücken wäre zwar leicht möglich gewesen S. 1 1 ; dagegen felilen
auf dem Rücken die notwendigen Stützorgane der Flügel; nur Draco unter den Eidechsen
zeigt den einzig möglichen Weg zur Erlangung solcher Stützorgane, mittels der Rippen
S. 13; damit wäre jedoch die Brust dieser ihr notwendigen Stützorgane beraubt und zum
Fluge unfähig geworden S. 13.
Auch innerhalb der Wirbeltiere war der Weg zur Erlangung des Flugvermögens an-
scheinend ein zweifacher: Hautflieger und Federflieger S. 14. Bei Hautfliegem war das
Mittel ganz dasselbe wie bei gewissen auf oder im Wasser schwimmenden Tieren, Bildung
einer Hautduplikatur S. 14; die viel größere Dichte des Wassei*s gegenüber der der Luft
brachte es aber mit sich, daß das Schwimm vermögen hierbei viel schneller erreichbar
werden mußte als das Flugvermögen S. 14. Bei Fiedermäusen ist die Ähnlichkeit des Fiug-
organs mit einem Schwimmfuße größer, bei Flugsauriern verschwindet sie S. 15; andere
Haltung der Hand bei beiden S. 17; weitere Unterschiede S. 18. Der Grad des Fiug-
vermögens bei Flugsauriern S. ao ; das Fehlen einer Crista Sterni spriclit notwendig für das
48 B R A N c A :
Fehlen so starker Brustmuskeln, wie sie die Fiugvogel haben S. 20. Flugorgan der Vogel
S. 21; waren sie uraprünglich im Besitze eines größeren Patagiums als heute? S. 21. Ent-
stehung von Federn wird angesichts der aufTallenden Gestalt der Fledermaushaare leicht
verstandlich S. 22. Sollten nun die Federflieger aus Hautfliegern ui*sprQnglich hervor-
gegangen sein, so würde es nur zwei prinzipiell verschiedene Wege geben, auf denen Flug-
vermögen erlangt wurde, den der Insekten und den der Wirbeltiere S. 23. Wer aber der
allgemeinen Annahme beipflichtet, daß die Flieger aus Fallschirmschwebern hervorgegangen
sind, sagt damit, daß auch die Federflieger aus Hautfliegern entstanden sind.
Ganz wie bei Hautfliegern besteht auch bei Insekten der Flügel aus einer oberen und
einer unteren Hautfläche; nur das Stützgerüst ist ein anderes S. 23; die Insekten sind also
ebenfalls Hautflieger S. 24.
Mannigfacher jedenfalls sind die Mittel, durch die bei Wassertieren das Fliegen im
Wasser erlangt wurde S. 24. Es gibt aber auch hier die verschiedensten Grade der Voll-
kommenheit desselben.
Die Frage, welcher der erwähnten Wege zur Erlangung des Flugvermögens zuerst
beschritten worden ist, stößt auf große Schwierigkeiten S. 26. Stützen wir uns indessen auf
das, was bisherige Erfunde lehren, so zeigt sich, daß zuerst der Weg beschritten wurde,
welcher der im Prinzip vollkommenste war: Flugvermögen ohne Schädigung der Gehwerk-
zeuge, schon im Devon, Insekten S. 26. Erst zur Zeit der oberen Trias wird der im Prinzip
unvollkommenere Weg beschritten: Flugvermögen unter Vernichtung der halben Gehwerk-
zeuge, Wirbeltiere S. 26; zuerst bei Flugsauriern, erst später bei Fledermäusen, falls
Mikrolestßs nicht etwa eine Megachiroptere war, was indessen nicht wahrscheinlich S. 27.
Federflieger S. 27.
Die Frage, ob Ubei^angsformen aus nichtfliegenden Tieren in fliegende bisher bekannt
sind, ist zu verneinen S. 27. Apterogenea der Insekten schon im Karbon anscheinend ebenso
selten wie heute S. 28; Flugfinger der Flugsaurier in der oberen Trias und im Lias schon
völlig wie in späterer Zeit vorhanden; Archofiopteryx ebenfalls schon völliger Federflieger,
aber nicht völliger Vogel S. 29; Fledermäuse zu mangelhaft erhalten S. 30.
Die Frage, wie wir uns solche Übergangsformen vorzustellen hätten S. 30; Fallschirm-
scliweber; die Möglichkeit, fossile Fallschirme erkennen zu können, hängt davon ab, ob diese
knöcherne Stützorgane hatten oder nicht. RhacophoruSf relative Länge von Hand und Fuß
S. 32. DracOf relative Länge der Rippen S. 32. Chlamydosaurus S. 35. Ptyehozoon und Uro-
plates nach Tornier keine Fallschirmschweber. Chryst^laea, PeUmrus und AerolMtes ohne
Stützbildungen S. 37, Oaleopithecus ebenfalls S. 38. Anomalurus und Idiurus haben nur eine
knorpelige Stütze S. 38. Lediglich Pieramys und Scktrqpterus besitzen knöcherne Stützen,
an denen man im fossilen Zustande das Vorhandensein einer Fallschirmhaut erkennen könnte
S. 38. Es ergibt sich: Heute ist die Zahl der mit Fallschirm versehenen Tierarten eine
kleine, und aus früherer Zeit kennt man bisher gar keine solchen Formen S. 38. Auch die
Ontologie der heutigen Flieger ergibt bisher keine Beweise dafür, daß die Flieger aus Fall-
schirmtieren sich entwickelt haben. Bei den mit Fallschirm versehenen Tieren fehlt diese
Haut fast stets da, wo die Flugtiere sie vor allem haben müssen, an den Fingern S. 39.
Es entsteht die Frage, ob nicht der erste Anstoß zur Bildung einer Flughaut auch
(nicht allein) durch eine Schwimmhaut gegeben sein könnte S. 40. Kein Tier kann auf
den Gedanken kommen, Flugbewegungen zu machen, ohne bereits eine Flughaut zu haben;
wohl aber kann ein Tier Schwimmbewegungen machen, ohne eine Schwimmhaut zu haben
S. 41. Wasser ist auch ein viel dichteres Medium ab Luft, übt daher viel stärkeren Reiz
Fossile Flugtiere und Erwerb des Flugvermögens. 49
aus auf die Haut 8. 41. Solche Bewegungen werden auch im Wasser viel h&ufiger gemacht
als in der Luft. Fallschirmhftute fehlen auch meist gerade da, wo Flugliäute am allerersten
vorhanden sein mOssen, an den Fingern bzw. Zehen, fast nur Rhacqphoms hat solche 8. 4a.
Bemerkenswert ist die Erscheinung, daß von den fliegenden Tieren die Vögel ganz,
die Flugsaurier in jüngsten Formen zahnlos geworden sind. Man konnte daher an-
nehmen, daß alle Flogsaurier schließlich zahnlos geworden sein wOrden, wenn sie lange
genug gelebt h&tten, und daß die Flederm&use in Zukunft zahnlos werden würden 8. 43.
Die Ergründung der Ursache dieser Zahnlosigkeit bei Fliegern ist sehr erschwert, weil
andere Tiere, obgleich unter entgegengesetzten Bedingungen lebend, dennoch ebenfalls zahn-
los wurden 8. 44.
Phys.-maih. Classe. 1908. Abh. L
ANHANG.
ABHANDLUNGEN NICHT ZUR AKADEMIE GEHÖRIGER
GELEHRTER.
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks.
Von
L. JACOBSOHN.
Fhys.-maih, Glosse, 1908, Anhang, Abh, I.
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks.
Von
L. JACOBSOHN.
F^s.-math. Glaste, 1908.' Anhang. Ahh. I.
Vorgelegt von Hrn. Waldeyer in der Sitzung der phys.-math. Classe am 19. März 1908.
Zum Druck verordnet am 26. Mäi*z 1908, ausgegeben am 21. Mai 1908.
JLfie Kerne des mensclilichen Rückenmarks, d. h. die (Jruppenbildungen der
in der grauen Substanz gelegenen Nervenzellen, sind schon vielfach Gegen-
stand eingehendster Untersuchung gewesen. Von Stilling, der zuerst
(1842, 1843 und 1859) eine genaue Beschreibung der Rückenmarkskerne
gegeben hat, bis auf die allerneuste Zeit, sind sie entweder im ganzen oder
in ihren einzelnen Abteilungen durchforscht worden. Allgemeine Übersichten
über die gesamten Kerngruppen verdanken wir besonders B. Stilling,
Lockart Clarke und W. Waldeyer. Wälirend die ersten beiden Forscher
nach den zur Zeit möglichen Untersuchungsmethoden uns vornehmlich eine
exakte Darstellung der durch ihre Größe oder durch ihre geschlossene An-
ordnung auffallenden Nervenzellen geben konnten, uns besonders mit den
Gruppenbildungen der multipolaren Vorderhornzellen, ferner der Dorsalkeme
und der Zellen des Seitenhorns bekannt machten, hat W. Waldeyer mit
Hilfe verbessei-ter Technik uns auch die Anordnung der mittleren und
kleineren Nervenzellen im Zwischenteil der grauen Substanz und im Hinter-
hom erschlossen. Die Arbeit dieses Autors über »Das Gorillarückenmark«,
Abhandlungen der K. Preuß. Akad. d. Wissensch. 1888, ist in ihi-er um-
fassenden Art grundlegend gewesen för alle späteren Forschungen auf
diesem Gebiete und hat ungemein befruchtend auf die Physiologie und
Pathologie des Rückenmarks gewirkt. Nach der Arbeit von Waldeyer
ist bis heute keine weitere so genereller Art erschienen. Die folgenden
Autoren haben sich dann bemüht, mit Hilfe no§h besserer Methoden ein-
zelne Kerngruppen des Hals-, Brust- und Lendenmarks noch genauer, sei es
in ihren Konfigurationen oder in ihren Grenzen oder schließlich in bezug
auf ihren Zellcharakter zu bestimmen. Dabei wandte sich das Interesse vor-
nehmlich den großzelligen Gruppen, vor allem den motorische Funktion
ausübenden großen Vorderhornzellen zu, deren Bestimmung auch fiii* die
L. Jacobsohn:
Figi-
Lokalisation pathologischer Prozesse im Rückenmark immer größere Be-
deutung gewann. Es seien hier die Forscher (Koelliker, Schroeder,
van der Kolk, Gerlach, Henle, Schwalbe, Beisso, Laura von älteren
Autoren, und van Gehuchten und seine Schüler, Marinesco, Sano,
Müller, Ziehen, Onuf, Bruce u. a. von jüngeren Autoren) genannt. Die
letzte ausgezeichnete Arbeit von Bruce über den Intermediolateraltrakt
stammt erst aus ganz jüngster Zeit; sie ging mir zu, als meine Unter-
suchungsergebnisse schon festgestellt waren.
Bei der Wichtigkeit, welche in neuster Zeit die Ausdehnung und An-
ordnung der Kemgruppen für ihre fiinktionelle Bewertung und fiir die Lo-
kalisation pathologischer Prozesse im Rückenmark gewonnen hat, erschien
es mir angebracht, in ähnlicher Weise, wie es vor 60 — 70 Jahren Stilling
und Clarke und vor 20 Jahren Waldeyer getan hatten, nochmals eine all-
gemeine Durchsicht der Nervenzellen des Rückenmarks auf Grund einer
vollkommenen, mit dem Nißl sehen Verfahren gefärbten Schnittserie durch
dasselbe vorzunehmen. Für die Herstellung dieser Serie bin ich einem
meiner Schüler, Hm. Dr. Kalinowski, zu
sehr großem Danke verpflichtet.
Ein frisches Rückenmark eines erwachse-
nen Mannes wurde zuerst in einem großen Zy-
linderglase 1 2 Stunden lang in 96 prozentigem
Alkohol gehärtet. Darauf wurde dies vorge-
härtete Rückenmark in seine einzelnen Seg-
mente zerteilt. Die Segmente wurden so be-
stimmt, daß die Länge jedes einzelnen dem
Ausbreitungsbezirk der jedem Segment zuge-
hörigen Wurzel entsprach, soweit diese Aus-
breitung an der Oberfläche des Rückenmarks
mit bloßem Auge festgestellt werden konnte
(Fig. i). Die einzelnen Segmente wurden dann
weiter in kleinere Stücke geteilt und nach
2 4 stündiger Härtung in 96 prozentigem Alkohol
in Paraffin eingebettet. Von sämtlichen Paraffin-
blöcken wurden fortlaufend Schnitte von 10 bis 20 // Dicke angefertigt,
so daß also das ganze Rückenmark in eine kontinuierliche Schnittserie
zerlegt wurde. Diese Schnitte wurden mit Toluidinblau gefärbt und nach
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 5
Einlegung in Kanadabalsam einer genauen mikroskopischen Untersuchung
unterzogen.
Die vorläufigen Resultate dieser Untersuchung sind folgende ^
L Nnclei motorii comn ventralis.
Unter diesem Namen sind die großen multipolaren Zellen des Vorder-
homs zusammengefaßt. Ihre Beziehung zur quergestreiften Muskulatur
steht außer jedem Zweifel.
C. i . Man kann zwei Hauptabteilungen der großen Zellen des Vorder-
homs unterscheiden. Die eine erföUt in größerer oder geringerer Zahl die
vordere dreieckig zugespitzte Kuppe des Vorderhorns. Sie erstreckt sich zu-
weilen am medialen Rande des Hornes bis zur Pyramidenkreuzungsstelle. Sie
zeigt ein recht wechselndes Aussehen in der Zahl und Lagerung der Zellen.
Die zweite Hauptabteilung nimmt in einer Anzahl von Schnitten die laterale
Ecke des durch 3en kreuzenden Pyramidenfaserzug abgetrennten Vorder-
horns ein, in der Mehrzahl der Schnitte aber ist sie auf die seitlich zer-
klüftete graue Substanz des Homs verteilt, und einzelne Zellen dieser Ab-
teilung können sehr weit in die ventrale und dorsale Partie des Seiten-
stranges hinaus verlagert sein. Diese großen Zellen des Processus reticularis
nehmen im distalen Bereich von C. i beträchtlich an Zahl ab.
C. 2. Die Gruppierung der großen Zellen wechselt ungemein oft. In
der Mehrzahl der Schnitte sind sie unregelmäßig in der ventralen Kuppe
des Vorderhorns verteilt. In einer immerhin nicht unbeträchtlichen Zahl
von Schnitten sind sie in zwei Gruppen, je eine in der medialen und in
der lateralen Zone der Vorderhomkuppe, angesammelt, wobei die An-
sammlung in der medialen noch häufiger ist, als in der lateralen. Man
kann also in vielen Schnitten von einer medio-ventralen und einer
latero-ventralen Gruppe sprechen. Vereinzelte große Zellen findet man
hier und da teils in der Mitte des Vorderhorns, teils am medio-dorsalen
Winkel desselben eventuell inmitten der Fasern der vorderen weißen Kom-
missur. Ebenso trifft man einzelne Zellen in der dorso-lateralen Auszackung
des Vorderhorns und in dem angrenzenden Processus reticularis (Reste der
großen lateralen Kemgruppe von C. i).
* Man vergleiche hierzu die Figuren auf den Tafeln 1 — IX. Die Bezeichnungen C. i,
D. I, L. I, S. I, Cocc. bedürfen wohl keiner weiteren Erklärung.
6 L. Jacobsohn:
C. 3. Die motorischen Zellen sind in einer gi-oßen Anzahl von
Schnitten in zwei Gruppen, eine medio-ventrale und eine latero-ven-
trale, geordnet; bald ist die mediale, bald die laterale deutlicher ausge-
prägt. Namentlich im distalen Abschnitt von C. 3 überwiegt die mediale.
In den übrigen Schnitten wechselt die Lagerung der Zellen recht oft. Neben
einer regellosen Verteilung findet man folgende Variationen: die Hauptmasse
der Zellen liegt in der sagittalen Mittellinie des Homes, während an den
Randpartien nur einzelne gelagert sind, so daß man an solchen Schnitten
von einer zentralen Gruppe sprechen könnte. Die zentrale Gruppe erstreckt
sich entweder durch das ganze Vorderhorn, oder sie liegt mehr im ven-
tralen oder mehr im dorsalen Teil des Horns. Mitunter lagern sich die
übrigen großen Zellen kranzförmig um diese zentrale Gruppe herum. Immer
aber kann man auf folgenden Schnitten konstatieren, daß von* dieser zen-
tralen Gruppe Zellen bald zur lateralen, bald zur medialen Ginippe herüber-
führen. Bemerkenswert ist ferner, daß man viele Schnitte findet, in denen
sich die Zellen beider Gruppen weiter nach dorsal zu verschoben haben,
als es in C. 2 der Fall war. Mitunter sammeln sich diese dorsal geschobenen
Zellen auch schon zu Gruppen zusammen; alsdann hat man die ersten
Anfiinge einer medio-dorsalen und einer latero-dorsalen Gruppe vor
sich. Wie in C. 2 laufen einzelne Zellen der medio-dorsalen Abteilung bis
in die weiße Kommissur.
C. 4. Die medio-ventrale Gruppe der großen Vorderhomzellen er-
hält einen derartigen Umfang, daß alle anderen Gruppen ihr gegenüber
bei weitem zurücktreten. In einzelnen Präparaten ist auch eine kleine
medio-dorsale Gruppe ausgeprägt, deren Zellen sich mitunter reihenartig
bis in die weiße Kommissur hinschieben. Die laterale Zellgruppe tritt in
den proximalen zwei Dritteln des vierten Halssegments an Umfang zurück.
Oft finden sich nur einzelne am lateralen Vorderhornrande liegende Zellen.
Das Gruppenbild ändert sich erst im distalen Abschnitt von C. 4. Hier
nimmt die laterale Gruppe an Umfang zu und hat häufig die ganze late-
rale Zone des Vorderhorns besetzt, öfters ist sie in zwei Abteilungen,
eine ventrale und eine dorsale, gespalten, von denen nach und nach die
dorsale das Übergewicht erhält. Daß die Zahl der großen Vorderhomzellen,
wie in allen Halssegmenten, so auch in C. 4 mannigfachen Schwankimgen
unterliegt, daß Zerspaltungen in noch kleinere Gruppen vorkommen, daß
die Zellen in einzelnen Schnitten auch wie regellos zerstreut liegen, daß
Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks, 7
in wenigen Schnitten kaum eine einzelne große Zelle zu sehen ist, bedarf
keiner besonderen Erwähnung. Perikomuale große Zellen des Vorderhorns
waren in C. 4 nicht zu sehen.
C. 5. Die großen Zellen sind zunächst in zwei Hauptgruppen ge-
ordnet, eine mediale und eine laterale. Die mediale Gruppe ist in auf-
fallendem Gegensatz zu C. 4 sehr klein. Die Zellen dieser Gruppe liegen
gewöhnlich vereinzelt am ganzen medialen Rande des Vorderhorns. Die
laterale Gruppe ist dagegen in C. 5 stark angewachsen. Sie nimmt den
ganzen in den Seitenstrang stark vorspringenden Teil des Vorderhorns ein.
In einzelnen Schnitten bildet sie eine ziemlich geschlossene Gruppe, in der
Mehrzahl ist sie in verschiedene Abteilungen getrennt. Und zwar kann
man hier durchweg drei Abteilungen unterscheiden, eine ventrale, eine
mittlere (intermediäre) und eine dorsale. Die ventrale ist die kleinste ;
sie teilt sich nicht weiter und liegt in dem stumpfen Winkel, mit welchem
der ventrale Rand des Vorderhorns zur seitlichen Ausbuchtung desselben
umbiegt. Die mittlere (intermediäre) Abteilung zerfällt in zwei kleinere
Gruppen, eine am lateralen Rande gelegene und eine mehr im Innern des
Homs befindliche (zentrale). Die dorsale Abteilung, die längste von
den drei lateralen, zieht von der seitlichen Spitze des Horns ziemlich quer
ins Innere desselben; sie zerßUlt in zwei, mitunter sogar in drei kleinere
Gruppen, eine äußere (mittlere) und innere. Indem nun die mittlere der drei
großen Abteilungen des lateralen Zellkomplexes (also die intermediäre) bald
sich mehr der ventralen, bald mehr der dorsalen nähert, indem auch die
einzelnen Abteilungen bald mehr verschmelzen, oder sich mehr spalten, bald
eine ganze oder eine Unterabteilimg fehlt bzw. größer oder kleiner aus-
geprägt ist, entstehen natürlich die allerverschiedensten Kombinationen in
der Gruppierung. Immer aber wiederholt sich doch nach einigen Schwan-
kungen das Bild der drei Abteilungen der lateralen Gruppe, und in vielen
Schnitten treten auch deutlich die erwähnten Unterabteilungen hervor.
C. 6, Diese gegebene Grundeinteilung des lateralen Zellkomplexes tritt
hier noch deutlicher hervor. Die intermediäre Abteilung ist auch äußerlich
durch eine leichte Vorwölbung des Vorderhomrandes markiert. Diese Ab-
teilung hat hier eine mehr quere Verlaufsrichtung, so daß sie der dorsalen
fast parallel ins Innere des Homs sich hinein erstreckt. Wie in C. 5 zer-
fallen die intermediäre wie die dorsale Abteilung in zwei Unterabteilimgen,
von denen die innere der intermediären im distalen Abschnitt von C. 6 sehr
8 L. Jagobsohn:
groß wird und ziemlich im Mittelpunkt des ganzen Vorderhoms gelegen
ist. Sie darf deshalb mit Recht als zentrale bezeichnet werden. Wah-
rend der laterale Zellkomplex sich in C. 6 vergrößert hat, ist die mediale
Gruppe ganz auflfallig klein, mitunter nur durch i — 2 Zellen repräsentiert,
oder durch wenige Zellen vertreten, die am medialen Rand entlang laufen.
Zuweilen sind vereinzelte Zellen am ventralen Rand des Vorderhoms ent-
lang gelagert.
C. 7. Hier tritt von den drei Abteilungen des lateralen Zellkomplexes
die intermediäre noch deutlicher hervor, weil sich hier die kleine Vorwölbung
des in C. 6 abschüssigen seitlichen Vorderhomrandes, die ihre Lage äußerlich
markierte, zu einem starken Wulste ausgewölbt hat. In diesem Wulste,
welcher nunmehr in C. 7 die ventro-laterale Ecke des Vorderhoms ausmacht,
liegt die äußere Unterabteilung dieser intermediären Zellgruppe, während
die innere, zentrale Unterabteilung wieder ihre Lage ziemlich im Zentrum
des ganzen lateralen Zellkomplexes bzw. des ganzen Vorderhoms hat. Diese
zentrale Unterabteilung ist in C. 7 so konstant und so mächtig, daß sie der
ganzen Zellkonfiguration das typische Gepräge verleiht. Die Lage der ven-
tralen der drei Hauptabteilungen des lateralen Zellkomplexes ist nur schein-
bar durch die seitliche Auswölbung des Vorderhoms nach vom verändert.
Sie liegt allerdings infolge der seitlichen Auswölbung nicht mehr am ventro-
lateralen Winkel des Vorderhoms, in Wirklichkeit ist sie aber an der gleichen
Stelle geblieben. Dieser Umstand ist für die Deutung der drei Abteilungen
von großer Wichtigkeit. Die latero-dorsale Abteilung ist an Umfang in
C. 7 etwas zurückgegangen, ihre beiden Unterabteilungen, äußere und innere,
sind aber meistens gut erkennbar. Die mediale Gruppe ist auch in C. 7
ungewöhnlich klein.
C.8. Die Form des Vorderhoms im proximalen Teil von C. 8 gleicht
auffallend derjenigen von C. 5. Ebenso gleichen auch die Zellgruppen des
lateralen Komplexes denen von C. 5, nur daß sie in C. 8 einfacher gestaltet
sind. Sowohl die intermediäre wie die dorsale Abteilung zeigen hier kaum
mehr Unterabteilungen. Die mediale Zellgruppe ist auch in C. 8 sehr schwach
vertreten. Im distalen Teil von C. 8 rücken nun durch die rundliche
Abstumpfung des seitlichen Vorderhornwinkels die drei Abteilimgen immer
näher aneinander imd sind ofl zu zwei, mitunter sogar zu einer lateralen
Gesamtgruppe verschmolzen. In vielen Schnitten jedoch kann man auch hier
noch ganz gut die drei Abteilungen des lateralen Zellkomplexes erkennen.
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 9
D. ]. Das letztere gilt auch noch von einzelnen Schnitten von D. i,
obwohl natürlich die Reduzierung und Verschmelzung immer stärker wird.
In D. 1 wird die mediale Gruppe wieder stärker, sie nimmt hier den sich
zu einer Kuppe verbreiternden vorderen medialen Winkel ein.
In D. 2 sieht man noch innen vom Seitenhorn die letzten Reste des
lateralen Zellkomplexes in Form von zerstreut liegenden ganz kleinen
Zellgruppen. Die mediale Zellgruppe ist in D. i und D. 2 wieder stärker
geworden.
Die Gruppierung der motorischen großen multipolaren Zellen des Hals-
markes und des angrenzenden obersten Dorsalmarks gestaltet sich also
folgendermaßen :
In der Halsanschwellung von C. 5 bis C. 7 kann man deutlich folgende
Gruppen unterscheiden (Taf. IX Fig. C. 7).
1. Eine mediale Gruppe, Nucleus motorias medialis.
Sie liegt am medialen Rande des Vorderhorns und erstreckt sich nicht
selten von der medio-ventralen Spitze des Horns bis zur vorderen Kom-
missur. Im allgemeinen ist die Gruppe klein. In der Mehrzahl der Schnitte
ist sie nur durch wenige Zellen, die in der vorderen Spitze liegen, ver-
treten; vereinzelte Zellen finden sich oftmals am ganzen medialen Rande
und können bis in die weiße Kommissur hineingelagert sein ; diese Zellen
sind dann gewöhnlich etwas langgestreckt und spitzen sich mit einem
langen Fortsatz aus, der in die Kommissur verschieden weit hineinläuft.
In wenigen Schnitten sind einige dieser Zellen im Vorderhornanteil der
weißen Konunissur zu einer kleinen Gruppe vereinigt. In solchen Präpa-
raten kann man an der medialen Gruppe zwei Abteilimgen unterscheiden:
a) eine medio-ventrale Gruppe, Nucleus motorius medio-
ventralis;
b) eine medio-dorsale Gruppe, Nucleus motorius medio-
dorsalis.
2. Eine laterale Gruppe, Nucleus motorius lateralis.
Dieser laterale Zellkomplex ist sehr groß ; er nimmt die ganze laterale
Zone des Vorderhorns ein. Er wird nach innen zu ungefähr durch eine
sagittale Linie begrenzt, welche die Fortsetzung des äußeren Hinterhom-
Fhys.-math. Glosse. 1908. Anhang. Abh. L 2
10 L. J A C O B S O 11 N :
randes bildet, während nach außen der gewölbte laterale Rand des Vorder-
horns ihn umschließt.
Der laterale Zellkomplex sondert sich zunächst in drei Al)teilungen:
a) Eine kleine latero-ventrale Abteilung, Nucleus motorius
latero-ventralis.
Sie liegt in der stumpfen ventralen seitlichen Ecke des Vorderhorns
bzw. in denjenigen Segmenten, in welchen sich das Vorderhorn latero-
ventral noch weiter auswölbt, in einem zackigen Vorsprunge, der zwischen
der ebengenannten Auswölbung und der medio-ventralen Vorderhornspitze
gelegen ist. Sie ist nicht selten mit der unter c aufgefiihrten Abteilung
zum Teil oder ganz verschmolzen.
b) Eine größere latero-dorsale Abteilung, Nucleus motorius
latero-dorsalis.
Sie erstreckt sich vom latero-dorsalen Winkel des Vorderhorns in
ziemlich querer Richtung ins Innere desselben, nicht ganz bis zu dem
Winkel, mit welchem der hintere Vorderhornrand in den äußeren Rand des
Hinterhoms umbiegt.
c) Eine größere intermediäre Abteilung, Nucleus motorius
latero-intermedius.
Sie liegt zwischen a und b und erstreckt sich in etwas schräger
Richtung ins Innere des Vorderhorns, so daß sie hier öfters mit der
inneren Partie von b zusammenstößt.
Während nun die Abteilung a wegen der Kleinheit an sich keine
weiteren Unterabteilungen mehr erkennen läßt, sind an b und c je zwei
solcher (mitunter sogar drei) zu erkennen, und zwar je eine äußere und
eine innere. Demnach sondert sich der Nucleus motorius latero-intermedius
in einen
ä) Nucleus motorius latero-intermedius externus,
ß) Nucleus motorius latero-intermedius internus, seu Nu-
cleus motorius centralis.
Und der Nucleus motorius latero-dorsalis spaltet sich zumeist in einen
a) Nucleus motorius latero-dorsalis externus,
ß) Nucleus motorius latero-dorsalis internus.
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 11
Während nun die großen motorischen Zellen in der Halsanschwellung
sich in diesen eben angeführten Gruppen lagern, verändert bzw. vereinfacht
sich die Gruppierung der Zellen sowohl nach aufwärts im oberen Zervikal-
mark als auch nach abwärts im unteren Zervikal- und im oberen Dorsalmark.
Nach oben zu Taf. I schwindet zunächst die intermediäre Gruppe des
lateralen Zellkomplexes, so daß man dann entweder nur zwei laterale
Gruppen, eine latero-ventrale und eine latero-dorsale, unterscheiden kann;
oder aber auch diese beiden Gruppen verschmelzen zu einer einzigen, die
alsdann die ganze laterale Zone des Vorderhorns einnimmt. In C. i ist
<liese Gruppe zum großen Teil auf den Processus reticularis versprengt.
Die mediale Abteilung ist in der Zervikalanschwellung spärlich, in
C. 4 und im distalen Teil von C. 3 aber gut entwickelt. Zuweilen zieht sie
sich am ganzen medialen Rande bis zur Kommissur entlang bzw. auch
noch in letztere hinein. In seltenen Fällen ist sie gleichfalls in eine ventrale
und eine dorsale Unterabteilung gespalten.
Nach unten zu von der Halsanschwellung, also im distalen Gebiet von
C. 8, in D. I und in D. 2 Taf. III rucken die drei Abteilungen des lateralen
Zellkomplexes einander näher und verschmelzen oftmals miteinander. Die
letzten Reste des lateralen Zellkomplexes sind bis ziemlich zum Ende von
D. 2 zu erfolgen, wo allerdings nur einzelne Zellen etwas medial vom Seiten-
homkem angetroffen werden. Die mediale Gruppe, welche in der Hals-
anschweUung sehr klein war, nimmt in D. i und in D. 2 an Umfang zu.
Besonders soll hervorgehoben werden, daß sich weiter ins Dorsalmark
nur die mediale Gruppe fortsetzt.
Eine Gruppierung der motorischen, großen, multipolaren Zellen des
Dorsalmarks von D. 3 bis D. 12 ist kaum durchföhrbar. In der Mehr-
zahl der Schnitte findet man überhaupt so wenige Zellen, daß schon deshalb
eine Gruppenbildung unmöglich ist. In denjenigen Schnitten, in welchen
die Zellen reichlicher sind, und das sind die oberen Segmente bis D. 4
und die unteren Segmente von D. 10 bis D. 1 1, findet man in dauerndem
Wechsel folgende Variationen: entweder die Zellen sind regellos zerstreut,
oder sie liegen alle bzw. zum überwiegenden Teil in der Kuppe des Vorder-
homes. Diese Variation ist wohl die häufigste. Oder die Zellen liegen
am medialen Rande entlang bis zur vorderen Kommissur, oder sowohl am
medialen wie lateralen Rande des Vorderhorns. In seltenen Fällen kann
es vorkommen, daß sie hier am medialen und lateralen Rande sich je in
2*
12 L. Jacobsohn:
zwei Abteilungen spalten; dann könnte man also von einer medio-ventralen,
medio - dorsalen, latero - ventralen und latero - dorsalen Gruppe sprechen,
doch müßte man sich bewußt bleiben, daß die beiden lateralen im Dor-
salmark nur zufällige Abspaltungen der medialen sind. Schließlich ist
zu erwähnen, daß sie in zwei Gruppen geteilt sein können, von denen
eine ganz in der Kuppe des Vorderhoms, die andere mehr im Grunde
desselben gelegen ist. Mitunter findet sich, besonders in den tieferen Dor-
salsegmenten, daß von der medialen Giiippe die eine oder andere Zelle
aus dem Vorderhorn in den Vorderstrang heraustritt und ventral von der
weißen Kommissur gelagert ist. In D. 1 1 und D. 1 2 ist die mediale Gruppe
stark und konstant; sie zieht sich oft am ganzen medialen Rande herunter.
Die laterale Gruppe liegt zwischen der ventralen Spitze des Vorderhoms
und dem im Seitenhorn befindlichen Nucleus sympathicus thoracalis. Sie
zieht sich öfters an dem abschüssigen lateralen Vorderhomrande hin und
verschmilzt vielfach mit der medialen zu einer ziemlich großen Gruppe,
die in der etwas krummschnabelartig geformten ventralen Kuppe gelegen ist.
L. l bildet das Übergangssegment zwischen der Gruppenlosigkeit des
Dorsalmarks und der wiederum deutlichen Gruppierung der motorischen
Zellen des Lumbosakrabnarks. Die großen multipolaren Zellen föllen entr
weder die ganze nach latero-dorsal abfallende Randzone aus und sind im
Verlauf dieser Zone in mehrere recht kleine Giiippen gespalten, oder sie
liegen mehr in der Kuppe des Vorderhoms, oder lagern am medialen Rande
desselben, oder schließlich sie sind im ganzen Vorderhorn zerstreut. Im
unteren Abschnitt von L. i , in welchem das Vorderhorn wieder zwei ven-
trale Winkel zeigt, treten zunächst wieder zwei Gruppen auf, eine mediale
und eine laterale. Beide liegen am medio-ventralen bzw. latero-ventralen
Winkel und ziehen sich von dort mehr oder weniger am medialen bzw.
lateralen Rande entlang. Außerdem sind zwischen ihnen, gewöhnlich auch
mehr am ventralen Rande, einzelne Zellen gelegen, die sich zuweilen zu
einer kleinen in der Mitte des ventralen Randes liegenden Gruppe zu-
sammenschließen können. Die am medialen Rande des Vorderhoms gele-
gene Gruppe ist in L. i noch die stärkere ; sie teilt sich oft in eine medio-
ventrale und medio-dorsale Unterabteilung. Letztere zeigt in L. i die Be-
sonderheit, daß sie entweder ganz oder mit einzelnen Zellen in den an-
liegenden Vorderstrang ausgetreten ist. Von diesen Zellen zeigen viele eine
Art Bipolarität, indem ein oder zwei lange Fortsätze in der Richtung zur
Über die Kerne des menscMichen Rückenmarks. 13
vorderen Kommissur verlaufen, während ein oder zwei gegenständige dem
Vorderhorn zugewendet sind. Liegt diese medio-dorsale Gruppe sehr tief
am Grunde des medialen Randes, so kommen die Fortsätze direkt in den
Verlauf der Fasern der Commissura alba zu liegen.
L. 2. Die mediale Gruppe vermindert sich besonders im distalen
Abschnitt. Die laterale Gruppe tritt deutlich hervor; sie liegt in der
nach ventral und lateral ausgewölbten lateralen Zone des Vorderhoms;
sie wechselt in ihrer Ausdehnung und Gestalt und auch im Gehalt ihrer
Zellen recht oft. Mitunter hat sie Ei- oder Bohnenform, mit der Kon-
kavität nach innen gerichtet. Im distalen Abschnitt von L. 2 ist sie oft
in eine ventrale und eine dorsale Untergruppe geteilt; sie kann aber
auch mehrfach in kleinere Kerngruppen gespalten sein. Die Zellen dieser
lateralen Gruppe fallen durch ihre Größe auf. Im Zwischenraum zwischen
der medialen und lateralen Gruppe liegen eine Anzahl lockerer Zellen, die
si«*,h auch auf einer kleineren Zahl von Schnitten zu einer Gruppe vereinigen
können. Diese Gruppe liegt dann entweder am ventralen Rande oder etwas
mehr im Innern des Vorderhoms. Die Zellen dieser Gruppe sind oft von
kleinerer Gestalt. Im ganzen aber ist die letztgenannte Gruppe recht un-
beständig.
L. 3. Die großen multipolaren Zellen des Vorderhoms bilden zwei
Abteilungen, eine mediale und eine laterale. Die mediale ist sehr klein
geworden und wird zuweilen nur durch i — 2 Zellen in der medio-ventralen
Ecke repräsentiert ; ist sie stärker, so verhält sie sich sehr ähnlich wie in
L. 2. Auch hier überschreiten nicht selten Zellen den medialen Rand und
treten in den Vorderstrang aus. Die laterale Abteilung ist sehr stark an-
gewachsen und enthält zumeist sehr große Zellen. Sie nimmt die ganze
laterale Auswölbung des Vorderhoms ein. Dieser laterale Zellkomplex teilt
sich nach und nach in verschiedene Untergruppen. Zunächst erkennt man
oft, daß sich eine ventrale, kuppelartige Abteilung von einer dorsalen,
breiteren Abteilung trennt. Diese dorsale Abteilung spaltet sich wiederum
in eine äußere und eine innere Untergruppe. Letztere liegt in der Mittel-
linie des Vorderhoms, ist aber, weil der ganze laterale Zellkomplex eine
mondsichelartige Krümmung zeigt, dem ventralen Vorderhomrande stark
genäliert. Trotzdem kann sie wohl mit Recht als die zentrale Gruppe
bezeichnet werden. Diese drei eben genannten Gruppen, die latero-ven-
trale, die äußere latero-dorsale und die innere latero-dorsale, bilden
14 L. Jacobsohn:
von jetzt ab gleichsam den Grundstock des ganzen lateralen Zellkomplexes.
Diese Gruppen, besonders die latero-ventrale mit der äußeren latero-dor-
salen, verschmelzen oftmals miteinander zu einer mächtigen Gruppe, die
fast am ganzen lateralen ausgewölbten Rande des Vorderhoms entlang reicht.
Ebenso sind oft die äußere latero-dorsale und die innere latero-dorsale zu
einer Gruppe verschmolzen. Die Starke der einzelnen drei Abteilungen
kann auf den Schnitten sehr wechseln, je nachdem sich das eine Mal Zellen,
die der einen Abteilung zugehören, mehr einer andern nähern und dann
mit dieser eine Gruppe bilden, d?is andere Mal das Umgekehrte eintritt.
Die drei Abteilimgen können sich auch noch weiter spalten.
Außer diesen größeren, ziemlich beständigen Abteilungen des lateralen
Zellkomplexes kann man in L. 3 noch gelegentlich zwei kleinere Zellgruppen
wahrnehmen. Von diesen liegt die eine hinter der äußeren latero-dorsalen
Abteilung nahe an der Stelle, wo der Seitenrand des Vorderhorns zum Hinter-
hornwinkel einbiegt. Diese Gruppe ist klein und unbeständig, sie enthalt
kaum mehr als drei Zellen, und in einzelnen Schnitten kann man erkennen,
daß sie mit der dorsalen Abteilung in Verbindimg steht. Will man sie
besonders bezeichnen, so ist es vielleicht zweckmäßig, sie als die retro-
dorsale Gruppe des lateralen Zellkomplexes anzufahren. Die andere Gruppe
liegt am ventralen Rande des Vorderhoms in einer kleinen Auszackung,
ungefähr an der Grenze zwischen dem inneren und mittleren Drittel dieses
Randes, mitunter ein bißchen mehr lateral. Auch diese Gruppe ist sehr
klein, besteht auch nur aus i — 4 Zellen und ist unbeständig. Sie enthält
außerdem gewöhnlich kleinere Zellen als der laterale Zellkomplex. Da sich
am ventralen Rande noch weiter einzelne zerstreute Zellen finden, und die
eben genannte Gruppe zu unbeständig ist, so sehe ich von einer Benennung
derselben ab.
L. 4. Die mediale Gruppe verhält sich wie in L. 3. Im ganzen ist
sie schwach entwickelt. Die laterale Gruppe ist sehr stark. Mit der buckel-
fbrmigen Ausbuchtung des dorso-lateralen Abschnittes des Vorderhorns in
den Seitenstrang ist zunächst eine etwas kleinere ventrale Zellenabteilung
von einer größeren dorsalen schärfer getrennt als vorher. Die dorsale Ab-
teilung zieht sich von dieser Ausbuchtung weit ins Innere des Homs hinein,
wobei das innere Ende dieser Abteilung dem ventralen Rande näher liegt
als das äußere. Dieses äußere fiillt die buckelförmige seitliche Auswölbung
dos Vorderhorns aus, das innere liegt im Zentrum des Vorderhorns. Schlagen
TU)er die Kerne des menschlicJien Rmkerunarks. 15
sich nun viele Zellen der dorsalen Abteilung mehr zur ventralen, so schwillt
diese mehr an, die andere m^hr ab, und umgekehrt. Die dorsale Abteilung
kann sich einmal in zwei oder drei Untergruppen teilen, die nebeneinander
in ziemlich querer Richtung liegen und verschieden stark sind ; sie kann sich
aber außerdem noch in querer Richtung spalten, so daß sie dann aus vier
kleineren Gruppen besteht. Es kann femer die retrodorsale Gruppe sich
mit der dorsalen vereinigen, und umgekehrt kann von der dorsalen Ab-
teilung (besonders der äußeren Gruppe) ein Teil der Zellen zur retrodor-
salen hinwandern, so daß letztere dann stärker ist als gewöhnlich. Es findet
eine fortdauernde Veränderung der Gruppenbildung statt, die aufgestellten
Grundabteilungen kehren aber konstant wieder. Auch die in L. 3 angefahrte
kleine Gruppe in einer kleinen Auszackung des ventralen Randes sieht man
in L. 4 in einzelnen Schnitten ziemlich deutlich.
L. 5. Im proximalen Abschnitt ist die latero-ventrale Gruppe gut
ausgeprägt; sie liegt im latero-ventralen Vorsprung des Vorderhoms und
ist von der dorsalen mehr entfernt. Die äußere lÄtero-dorsale Gruppe ist
stark ; sie ist hier mit der retro-dorsalen verschmolzen, und beide fallen den
seitlichen Buckel des Vorderhoms aus; dieser Buckel ist jetzt von dem
latero-ventralen Vorsprung durch einen größeren Zwischenraum getrennt.
Die innere oder zentrale Gruppe liegt ungefähr an gleicher Stelle wie in
L. 4, nur erscheint sie kleiner. Die äußere latero-dorsale Gruppe ist viel-
fach wieder in zwei kleinere Gruppen gespalten. Ist letzteres der Fall, so
besteht der ganze laterale Zellkomplex aus vier Gruppen, die einen nach
dem Seitenstrang zu offenen, ziemlich rechten Winkel bilden. Die zentrale
Gruppe verändert sich vielfach, bald ist sie von der latero-ventralen, bald
von der latero-dorsalen absorbiert, so daß nur zwei große laterale Gruppen
bestehen; bald ist sie umgekehrt in zwei isoliert liegende kleinere Gruppen
gespalten, so daß dann ein Komplex von fünf Gruppen vorliegt.
Im distalen Abschnitt ist die mediale Zellgruppe so gut wie nicht vor-
handen; nur ganz vereinzelt trifft man hier und da wenige große Zellen am
medialen Rande, die bis in die vordere Kommissur laufen. Der laterale
Zellkomplex ist noch in ziemlich voller Stärke vorhanden, zeigt aber nicht
so viel Zerspaltungen wie in L. 4 und L. 3. Entweder sämtliche Zellen sind
in zwei große Gruppen geordnet, von denen die eine im latero-ventralen,
die andere im latero-dorsalen Buckel des Vorderhoms liegt, oder es sind
drei Gruppen, eine latero-ventrale, eine latero-dorsale und eine zentrale,
16 L. Jacobsohn:
vorhanden. In wenigen Präparaten kommt auch eine Spaltung in vier
Gruppen, in zwei periplierische und zwei innere, vor.
S. 1. Eine mediale Gruppe ist ebensowenig vertreten wie in L. 5.
Die laterale Gesamtgruppe ist schon etwas kleiner. Sie besteht in recht
vielen Schnitten aus drei, oft ziemlich gleich großen Abteilungen. Diese
Abteihmgen aber bilden keinen so starken Winkel mehr, sondern lagern
sich allmählich in einer etwas schrägen Linie, indem die zentrale Gruppe
etwas mehr an die Peripherie gerückt ist. Vielfach liegen die drei j\btei-
lungen so dicht zusammen, daß sie einen großen gemeinsamen Zellzug
bilden. Mitunter sind nur eine große halbkreisförmige ventrale und eine
eiförmige dorsale Abteilung zu sehen. Letztere kann wiedermn nach dorsal
zu eine kleine Gruppe abspalten, die Ähnlichkeit mit der in L. 3 genannten
retrodorsalen hat.
S. 2. Der laterale Zellkomplex ist in S. 2 bedeutend kleiner geworden.
In den proximalen Schnitten besteht er noch aus drei Abteilungen ; die Zellen
gruppieren sich oft so; daß die mittlere zentrale die größte von den dreien
ist. Weiter nach abwärts verschwindet die latero-ventrale Gruppe und es
setzen sich an ihre Stelle Zellgruppen des sympathischen Systems (s. weiter
unten). Es sind dann nur zwei motorische Abteilungen zu sehen, die
in ihrem Zellengehalt wechseln. In den letzten Schnitten von S. 2 ist der
laterale ZeUkomplex besonders verkleinert und in einzelne ganz kleine
Gruppen zersplittert. Die mediale Gruppe fehlt fast vollkommen im proxi-
malen Gebiet von S. 2, im distalen Bezirk aber ist sie stark ausgebildet.
Sie liegt gewöhnlich, in der medialen vorderen Ecke des Vorderhoms.
Auf einer kleinen Anzahl von Schnitten ist außerdem eine neue Gruppe
zwischen der lateralen und medialen ziemlich am ventralen Rande zu
sehen. Diese Gruppe würde der Zwischengruppe entsprechen, die sehr klein
und sehr unbeständig in den oberen Lumbaisegmenten vorhanden war;
hier ist sie viel stärker, aber nur auf wenigen Schnitten vorhanden. Sehr
auffallend aber sind im distalen Gebiet viele Gruppen von etwas kleinerer
Gestalt als die multipolaren großen Zellen, die in kleinen Haufen am ganzen
medialen und ventralen Rande des Vorderhoms entlang liegen, bis in den
Bezirk der latero-ventralen Gruppe der motorischen Zellen hineinreichen
und letztere verdrängen. Sie liegen dicht zusammengedrängt und haben
große Ähnlichkeit mit den Zellen des Nucleus sympathicus sacralis (s.
weiter unten).
Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 17
S. 3. Im proximalen und im kaudalen Teil ist eine mediale Gruppe
gut ausgebildet. Sie liegt direkt in der medio-ventralen Ecke des Vorder-
homs. Der laterale Zellkomplex hat sich wiederum vermindert. Er bietet
sich entweder in zwei Gruppen dar, einer kleineren ventralen und einer
größeren dorsalen, oder er ist in kleinere Gruppen zerspalten, die in regel-
mäßigen Abständen am konvexen lateralen Rande entlang lagern. Im
distalsten Teil von S. 3 sind nur noch so wenige große Zellen im latero-
dorsalen Gebiet, daß man von einer Gruppe schlecht sprechen kann,
es folgen schon recht viele Schnitte, wo in der ganzen lateralen Zone
nicht eine einzige große motorische Zelle zu sehen ist. Die in S. 3 vor-
handenen motorischen Zellen sind außerordentlich groß; es sind wahre
Riesenzellen.
S. 4. Man trifft nur noch sehr selten eine große multipolare Zelle
im lateralen Gebiet des Vorderhoms. Der laterale Zellkomplex hat an der
Grenze zwischen S. 3 und S. 4 sein Ende erreicht. Dagegen ist in S. 4
eine mediale Gruppe, die der vorderen Kommissur dicht anliegt, sehr präg-
nant ausgeprägt und erscheint ziemlich konstant auf den Schnitten. Sie
besteht aus 3 — 6 großen nahe beieinander liegenden multipolaren Zellen.
Sie ist die kaudalste Gruppe der motorischen Zellsäulen des RückeA-
marks.
S, 5. Man trifft hin und wieder im Vorderhom eine große multi-
polare Zelle, ebenso war auch noch im Coccygealmark hin und wieder eine
große Zelle zu sehen.
Die Gruppierung der motorischen großen multipolaren Zellen des
Lumbosakralmarks gestaltet sich also folgendermaßen (vgl. Taf. IX).
In der Lumbalansch wellung von L. 3 bis S. i kann man folgende
Gruppen imterscheiden :
I Eine mediale Gruppe, Nucleus motorius medialis.
Sie ist in L. 3 und L. 4 schwach entwickelt, sie ist in L. 5 und S. 1 so
gut wie nicht vorhanden. Wo sie auftritt, besteht sie aus wenigen Zellen,
die entweder in der medio-ventralen Ecke des Vorderhorns oder am medialen
Rande desselben liegen. In L. 5 imd S. i und noch weiter abwärts liegen
Gruppen von Nervenzellen in ihrem Bereich, die leicht för Zellen der me-
dialen Gruppe gehalten werden können, aber nicht zu letzterer gehören
(s. weiter unten).
Phj/s.-math. Classe. 1908. Anhang. Abh. I. 3
18 L. Jacobsohn:'
2. Eine laterale Gruppe, Nucleus motorius lateralis.
Dieser laterale Zellkomplex ist außerordentlich groß. Er nimmt fast
die äußeren zwei Drittel des gesamten Vorderhorns ein und bildet in
seiner Gesamtheit einen nach lateral offenen Winkel. Man kann an ihm drei
größere konstante und zwei kleinere unbeständige Gruppen unterscheiden.
a) Eine latero-ventrale Gruppe, Nucleus motorius latero-ventralis.
Sie ist hügelförmig oder mehr kreisförmig und nimmt die latero-
ventrale Vorwölbung des Vorderhorns ein.
b) Eine latero-dorsale Gruppe, Nucleus motorius latero-dorsalis.
Sie ist von ovaler oder auch kreisförmiger Gestalt und liegt in der
lateralen Vorwölbung des Vorderliorns, sie ist im Mittel die größte von allen.
c) Eine innere oder zentrale Gruppe, Nucleus motorius (latero)
internus s. centralis.
Sie liegt zwischen a und b ungefähr im Zentrum des Vorderhorns,
bald etwas mehr ventralwärts, bald (besonders in den unteren Segmenten)
etwas mehr dorsalwärts.
Diejenigen Zellen dieser drei Gruppen, welche der nächstgelegenen
benachbart liegen, können nun sich vielfach der Nachbargruppe nähern
oder sich mehr von ihr entfernen; nähern sie sich der Nachbargruppe, so
wird letztere größer, erstere kleiner. Dadurch entstehen sehr häufige Va-
riationen im Größenverhältnis der einzelnen aufgeführten Hauptgruppen.
Die einzelnen Hauptgruppen können aber auch femer sich mehrfach spalten ;
dadurch entstehen eine Anzahl von kleineren Gruppen. In der Sagittal-
richtung spaltet sich gewöhnlich nur immer die eine oder die andere; so
kommt z. B. das Gruppenbild zustande, daß zwei äußere, peripherische
Abteilungen und zwei innere, zentrale Abteilungen entstehen*. Spalten
sie sich aber in querer, transversaler Richtung, so entsteht ein außerordent-
lich vielgestaltiges Gnippenbild, welches fiinf und noch mehr Unterabteilun-
^ Will man sie besonders benennen, so kann man die eine als äußere zentrale oder
Nucleus motorius dorso-centralis und die andere als innere zentrale oder Nucleus
motorius ventro-centralis benennen.
über die Kerne des menscMicJien Rmkenmarks. 19
gen enthalt. Das Bild wechselt beinahe auf jedem Schnitt. Es kommt sehr
oft vor, daß die eine oder die andere Abteilung ganz zu verschwinden
scheint, um dann nach wenigen folgenden Schnitten wieder zu erscheinen.
Die beiden recht unbeständigen Gruppen sind:
d) Eine ventrale Gruppe, Nucleus motorius ventralis.
Diese Gruppe ist in L. 3 und L. 4 in einem kleinen Vorsprunge am
ventralen Rande des Vorderhorns gelegen. Sie besteht aus höchstens vier
Zellen, die gewöhnlich etwas kleiner sind als die Zellen der großen seit-
lichen Nachbargruppen. Sie ist, wie gesagt, nur in vereinzelten Schnitten
vorhanden und enthalt vielfach nur i — 2 Zellen. Im unteren Lenden- und
oberen Sakralmark ist sie nicht zu sehen. Nur in S. 2 war auf wenigen
Schnitten ein Homologon dieser Gruppe zu beobachten Da aber auch
sonst am ventralen Vorderhomrande vereinzelte große Zellen vorkommen,
so ist es überhaupt zweifelhaft, ob man diese ganz kleine und unbestän-
dige Ansammlung in L. 3 und L. 4 als besondere Gruppe betrachten soll.
e) Eine retrodorsale Gruppe, Nucleus motorius retrodorsalis.
Diese Gruppe liegt dorsal von der großen latero-dorsalen Abteilung
fast dicht am Rande, mit welchem das Vorderhorn in das Hinterhom
übergeht. Sie ist auch ziemlich klein und bildet wahrscheinlich nur eine
kleine Abspaltung von der großen latero-dorsalen Abteilung, mit der sie
im unteren Lendenmark und im Sakralmark oft verschmolzen ist.
Die Veränderungen, welche nun nach aufwärts imd nach abwärts mit
diesen Gruppen der motorischen Zellen vor sich gehen, sind folgende:
Nach aufwärts nimmt die mediale Gruppe an Umfang zu, sie ist im
proximalen Teil von L. 2 und in L. i von ansehnlicher Größe. Sie ist dann
zuweilen auch wieder in eine ventrale und eine dorsale Untergruppe ge-
teilt, so daß man alsdann von einem Nucleus motorius medio-ven-
tralis und einem Nucleus motorius medio-dorsalis sprechen kann.
In den oberen Lumbaisegmenten hat die mediale Gruppe die Eigentüm-
lichkeit, daß sie mit einzelnen oder mit einem größeren Teil ihrer Zellen
bis weit in den Vorderstrang heraustritt.
Der laterale Zellkomplex bildet im proximalen Teil von L. 3 einen
nach vorn imd innen offenen Winkel und hat in L. 2 eine mondsichel-
3*
20 L. Jacobsohn:
förmige oder bohnenartige Gestalt, wobei die konvexe Fläche dem konvexen
Seitenrande des Vorderhoms und die konkave Fläche nach medio-ventral
gerichtet ist. Es lassen sich hier in L. 2 nur eine latero-ventrale und eine
latero-dorsale Abteilung erkennen. Oftmals sind auch diese beiden zu einem
einzigen großen Kern verschmolzen. L. i bildet das Übergangsgebiet vom
Dorsal- zum Lumbahnark ; liier ist nur eine verhältnismäßig kleine laterale
Gruppe zu sehen, die sich am ganzen abschüssigen Seitenrande des Vorder-
homs gewöhnlich in Form von kleineren Gruppen bis zum Nucleus sym-
pathicus comu lateralis hinzieht.
Nach abwärts ist die mediale Gruppe bis S. 2 dist. auch so gut wie
nicht vorhanden. Im distalen Gebiet von S. 2 und in S. 3 ist sie wieder
gut ausgeprägt und liegt in der medio-ventralen Ecke des Vorderhoms. bi
S. 4 ist diese medio-ventrale Gruppe dann wieder verschwunden, und es tritt
hier eine neue, ungemein prägnante medio-dorsale Gruppe dicht an der
vorderen Kommissur auf, die in S. 4 recht beständig sich hält. Sie besteht
aus 5 — 6 großen multipolaren Zellen. Sie ist die kaudaist gelegene
Gruppe der motorischen Kerne des Rückenmarks.
Der laterale Zellkomplex verändert sich abwärts in der Weise, daß
die drei (bzw. vier) Zellgruppen nach und nach aus der Winkelstellung
mehr in eine schräge ventro-dorsale Linie racken gemäß der Veränderung,
welche der seitliche Rand des Vorderhoms eingeht. Die Gmppen nehmen
ferner an Zahl der Zellen ab. In S. 3 ist die latero-ventrale Gruppe ge-
geschwunden und es bestehen entweder eine größere oder zwei kleinere
Zellgruppen, oder der restierende laterale Zellkomplex ist in noch kleinere
Gruppen gespalten, die am lateralen Rande des Vorderhoms entlang liegen.
Am längsten erhält sich die latero-dorsale Gruppe; sie schwindet am Über-
gang von S. 3 zu S. 4. In S. 4 und S. 5 trifft man noch hier und da einmal
eine vereinzelte Zelle vom Typus der großen motorischen.
Nach dieser im vorstehenden gegebenen Gruppeneinteilung der großen,
polygonalen motorischen Zellen des Vorderhoms sollen hier noch folgende
Fragen einer kurzen Besprechung unterzogen werden:
1. Ist das ganze Rückenmark durchgehends von einer medialen
und einer lateralen Zellsäule durchzogen?
2. Wie verhalten sich die Gruppen des Zervikalmarks bzw. der
oberen Anschwellung des Rückenmarks zu denjenigen des Lumbo-
sakralmarks bzw. der unteren Anschwellung?
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 21
3. Wie verhalten sich die Zellen dieser Zellsäulen hinsichtlich ihrer
Größe in den drei Hauptabschnitten des Rückenmarks?
Was die erste Frage anbetrifft, so kann man sie bezüglich der medialen
Zellsäule mit ja beantworten. Wenn sowohl einzelne Schnitte wie ganze Ab-
schnitte getroffen werden, wo man kaum eine oder nur recht wenige Zellen
der medialen Gruppe wahrnehmen kann, so sind die Zwischenräume ver-
hältnismäßig kurz, und sie werden schließlich doch immer durch vereinzelt
gelagerte Zellen überbrückt. Das Bild der Anordnung der Zellen nach Art
eines Rosenkranzes hat eine gewisse Berechtigung, wenngleich man hinzu-
fugen muß, daß die einzelnen Abschnitte des Rosenkranzes sowohl bezüglich
ilirer Ausdehnung im Längen- wie im Breitendurchmesser außerordentlich
verschieden sind, und daß die Verschmälerung durchaus nicht immer mit
dem Anfang bzw. Ende eines Segmentes zusammenfällt, sondern außer-
ordentlich viel öfter wechselt. Stark ist die mediale Gruppe im oberen
Halsmark, vornehmlich im distalen Gebiet von C. 3 und im proximalen
von C. 4. Dann ist die Gruppe bis D. i recht schwach. In D. i und D. 2
ist sie wieder voluminös, in den übrigen Dorsalsegmenten von recht
schwankendem Umfange, in D. 12, L.. i und L. 2 ist die Gruppe recht er-
heblich, wieder dann in L. 3 und L. 4 schwach und in L. 5 und S. i ist sie
so gut wie nicht vorhanden; in S. 2 und S. 3 wird sie wieder stärker; nach
unten zu schließt sie mit der medio-dorsalen prägnanten Abteilung in S. 4 ab.
Bezüglich der lateralen Zellsäule ist die erste Frage meiner Ansicht
nach zu verneinen. Diese Zellsäule besteht aus zwei Abschnitten, die durch
einen langen Zwischenraum getrennt sind. Der erste, obere Abschnitt ist
der laterale Zellkomplex des Zervikal- und oberen Brustmarks, der zweite,
untere Abschnitt ist der laterale Zellkomplex des Lumbosakralmarks.
Zwischen beiden liegt der lange Dorsalteil des Rückenmarks, der keine
laterale Zellgruppe im gleichen Sinne hat. Der laterale Zellkomplex des
Zervikalmarks erstreckt sich von C. i bis D. 2. Hier hört er vollkommen
auf, und es setzt sich weiter nach unten zu nur die mediale Zellsäule fort.
Wenn diese letztere in einzelnen Segmenten auch in eine mediale und eine
laterale Abteilung getrennt erscheint, so ist letztere nur eine kleine weitere
Abspaltung der ganzen medialen Säule, wie sie in Regionen, wo ein großer
lateraler Zellkomplex existiert, auch öfters vorkommt; sie ist aber keines-
wegs identisch mit diesem lateralen Zellkomplexe. Gegen diese Auffassung
spricht auch keineswegs der Umstand, daß sich an der Grenze zwischen
22 L. Jacobsohn:
Dorsal- und Lumbaimark gleichsam kleine Übergangsgruppen zwischen
diesen beiden großen Zellsäulen finden. Wie im oberen Teil an der Grenze
zwischen Hals- und Dorsalmark die laterale Säule weit von der medialen
abrückt und dann im oberen Brustmark aufhört, während die mediale sich
fortsetzt, so ist es auch am unteren Ende (vgl. C. 8 dist. und D. i , femer
S. 3 und S. 4). Auch hier schiebt sich die laterale immer mehr seitlich
von der medialen ab und hört früher auf, während die mediale sich nocli
weiter fortsetzt. P^benso wie die Extremitäten besondere Anhängsel des
Rumpfes darstellen, so bilden auch die beiden lateralen Zellsäulen beson-
dere Anhängsel an der medialen Stammsäule, die sich durch das ganze
Rückenmark fortsetzt.
Was die zweite Frage anbetrifft, so ist eine Ähnlichkeit beider me-
dialen Gruppen im Zervikal- und Lumbosakralmark insofern vorhanden, als
beide Male in der Höhe der Hauptanschwellung des Rückenmarks die me-
diale Gruppe recht schwach ausgebildet ist, während sie darüber und dar-
unter an Größe recht erheblich zunimmt. Eine Homologie der einzelnen
Abteilungen der lateralen Zellkomplexe ließe sich nur dann aufstellen, wenn
man annähme, daß die kleine unbeständige ventrale Gruppe des Lenden-
marks ein Homologon der kleinen, aber ziemlich beständigen latero-ven-
tralen Gruppe des Zervikalmarks wäre. Dann wiirden diese beiden Zell-
komplexe sich entsprechen. Es würde alsdann die latero-intermediäre des
Zervikalmarks homolog der latero-ventralen des Lumbosakralmarks sein.
Beide stülpen die laterale Vorderhornecke mächtig aus, und die latero-dor-
sale Abteilung des Zervikalmarks entspräche der latero-dorsalen und zen-
tralen des Lumbosakralmarks, da ja diese zentrale eine Abspaltimg der
großen latero-dorsalen darstellt. Indessen so vei'fiihrerisch es ist, diese
Homologie aufzustellen, so sind die Gruppenbildungen des Lumbosakral-
marks doch nicht so durchsichtig wie diejenigen des Zervikalmarks, weil
die Gruppen im ersteren zu stark zusammengeschoben sind. Außerdem,
wie erwähnt, ist die von mir als ventrale bezeichnete Zellgruppe zu winzig.
Aber vielleicht dürfte eine Untersuchung einmal von Affen und zweitens
von niederen Tieren darüber Aufschluß geben.
Was die dritte Frage anbetrifft, so findet man im allgemeinen in der
medialen Gruppe im Durchschnitt etwas kleinere Elemente als in der late-
ralen. Dies tritt im Lumbosakralmark besondei*s deutlich hervor. In den
drei Hauptabschnitten des Rückenmarks verhalten sich die Zellen so, daß
TImt die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 23
die Zellen des Halsmarks diejenigen des Dorsalmarks an Größe übertreffen,
und daß diejenigen des Zervikalmarks wiederum bei weitem von den Zellen
des Lumbosakralmarks an Größe übertroffen werden. Im letzteren finden
sich wahre Riesenzellen. Jede motorische Zelle innerviert wahrscheinlich
eine ganze Anzahl von Muskelfasern, was ja aus dem Vergleich der Anzahl
beider mit Sicherheit hervorgeht. Je größer nun eine Nervenzelle, um so
mehr Muskelfasern wird sie innervieren. Daraus folgt, daß die motorische
Zelle des Lumbosakralmarks ein größeres Innervationsgebiet darstellt als die
motorische Zelle des Zervikalmarks und diese letztere wieder ein größeres
als die Zelle des Dorsalmarks.
Literatur^ Die motorischen großen multipolaren Zellen der Vorder-
hömer sind von den Autoren am eingehendsten untersucht worden. Dies
erklärt sich aus dem Umstände, daß ihre Funktion am frühesten erkannt und
einheitlich gedeutet wurde, und daß diese Zellen wegen ihrer Größe selbst
den früheren einfachen Untersuchungsmethoden recht gut zugänglich waren.
Der erste, welcher diese Zellengruppen des motorischen Gebiets genau
beschrieben und geradezu mustergültig abgebildet hat, war B. Stilling^.
Er unterscheidet im oberen Halsmark (C. 3) i. die vordere oder innere
Gruppe, 2. die hintere oder äußere Gruppe. Die erstere entspricht
nach seinen beigegebenen Abbildungen der medio-ventralen, die letztere
der lateralen Gruppe. In den folgenden Halssegmenten bezeichnet er bald
die medio-ventrale, bald die latero-ventrale (letztere ganz oder zum Teil)
als vordere, innere Gruppe, in anderen Halssegmenten nimmt er auch die
latero-ventrale und latero-intermediäre Gruppe als vordere, während er die
mediale (wahrscheinlich, weil sie zu klein und nicht recht sichtbar war)
gar nicht beachtet. Im ganzen aber ist es geradezu* staunenswert, wie
genau er bei der einfachen, ihm damals zu Gebote stehenden Methode die
Nervenzellengruppen in den Zeichnungen dargestellt hat, so daß man die
von mir aufgestellten Abteilungen, fast ebenso, wie sie vorher beschrieben
sind, wiedererkennt. In der unteren Halfle der Lendenanschwellung unter-
scheidet er I. die vordere Gruppe; sie liegt in der am meisten nach vom
' Es sind hier wie in den übrigen Abschnitten nur die wichtigen Arbeiten berück-
sichtigt worden; die Literatur Ober die Zellgruppen des Rückenmarks habe ich erst durch-
gesehen, nachdem die eigenen Untersuchungen abgeschlossen waren. Es geschah dies, um
bei den Untersuchungen ganz unbeeinflußt zu sein.
' B. Stilling, Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarks. Kassel 1859.
24 L. Jacobsohn:
und außen vorspringenden Masse, 2. die hintere oder hintere äußere Gruppe;
sie liegt an dem hinteren Teil der seitlichen Grenze des grauen Vorderhorns,
3. die innere oder mittlere Gruppe; sie liegt im Zentrum des grauen Vorder-
horns, 4. hintere innere Gruppe; sie liegt am hinteren Teil der inneren
Grenze des grauen Vorderhorns, unfern der Commissura anterior. Stilling
beschreibt ferner fast vollkommen richtig die Veränderungen, welche diese
einzebxen Gruppen im Lumbosakralmark eingehen und erwähnt im dritten
Sakralsegment eine kleine Gruppe großer Nervenzellen am vorderen Ende
des Innenrandes des Vorderhorns. Es ist wohl möglich, daß Stilling die
mediale Gruppe hier gesehen hat, welche in S. 4 und auch schon etwas
im distalen Gebiet von S. 3 hervortritt und welche, wie aus meinen Unter-
suchungen hervorgeht, die kaudaist gelegene des ganzen Rückenmarks ist.
Außer diesen Gruppen erwähnt der Autor, daß zerstreute große Zellen am
medialen Rande des Vorderhorns sämtlicher Segmente vorausgesetzt wer-
den müssen, wenn solche auch nicht in den Zeichnungen wiedergegeben
worden sind. Schließlich fiihrt er an, daß zerstreute große Zellen überall
im Vorderhorn zu finden sind, und daß die Gruppen großer Nervenzellen
am Ende von S. 4 vollkommen aufhören, was mit meinen Befiinden voll-
kommen übereinstinmit.
Beisso' nimmt im Vorderhorn des Halsmarks vier Gruppen an, i . innere
Gruppe, 2. äußere Gruppe; diese zerfallt wieder in a) eine vordere, b) eine
hintere; und 3. eine besondere Gruppe, die zwischen der inneren und der
vorderen äußern liegt. Diese Einteilung würde mit der von mir gegebenen
vollkommen übereinstimmen.
Die zweite, genauere Beschreibung derVorderhomzellen, wie der Zellen
des Rückenmarks überhaupt, befindet sich in der bedeutsamen Arbeit von
W. Waldeyer^
Waldeyer unterscheidet von großen multipolaren Zellen im Vorder-
horn I. eine mediale vordere Gruppe, 2. eine mediale hintere Gruppe,
3. eine laterale vordere Gruppe und 4. eine laterale hintere Gruppe. Die
medialen Gruppen sind gering bevölkert; die hintere mediale ist noch spär-
licher als die vordere, sie besteht aus kleineren Zellen. Die laterale vor-
dere Gruppe geht nach Ansicht dieses Autors durch die ganze Länge des
^ B e i s s o , Del midolio spinale. Genova 1873. (Zitiert nach Waldeyer).
' W. Waldeyer, Über das GorillarQckenniark. Sitzungsber. der Berl. Akad. d. Wiss. 1 888.
TJl)€r die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 25
Rückenmarks. Im unteren Halsmark nimmt sie genau die laterale obere
Ecke des Vorderhoms ein und bleibt hier auch im oberen Dorsalmark. Die
laterale hintere Gruppe ist die stärkste, im mittleren Dorsalmark ist sie
von der vorigen nicht zu trennen. Im unteren Halsmark zeigte sich an
vielen Schnitten eine besondere kleine Gruppe (in den Figuren mit a be-
zeichnet), welche an dem . sehr breiten vorderen Rande des Vorderhorns
die Mitte einnimmt und hier einen kleinen Vorsprung bedingt. (Diese Gruppe
entspricht meiner latero-ventralen.) Waldeyer erwähnt femer, daß die
laterale vordere Gruppe häufig in zwei Untergruppen zerfallt, von denen
die eine mehr medial und hinten, die andere mehr lateral und vom ge-
legen ist. (Diese Untergruppen entsprechen genau dem von mir angege-
benen Nucleus latero-intermedius extemus und internus.) Die mediale Unter-
gruppe ist nach Waldeyer gewöhnlich die größere. Die laterale hintere
Gruppe erscheint dem Autor am seltensten abgeteilt; hin und wieder traf
er auch wieder eine weitere Zerlegung mit verschiedener Anordnung. Für
die tieferen Halssegmente wäre dann das Zunehmen der lateralen vorderen
und lateralen hinteren Gruppe charakteristisch ; beide Gruppen seien oft nicht
scharf getrennt, die hintere laterale Gruppe hätte zuweilen 3 — 4 Unter-
gruppen. Im ganzen also stimmt die Einteilung der Zervikalgruppen nach
Waldeyer vollkommen mit der von mir gegebenen überein. Der Haupt-
unterschied ist der, daß Waldeyer die kleine Gruppe im Vorsprung des
ventralen Vorderhomrandes als eine besondere für sich betrachtet, während
sie nach meinen Untersuchungen die Fortsetzung der latero-ventralen Gruppe
der oberen Zervikalsegmente ist.
Für das untere Lumbaimark ßihrt Waldeyer an, daß die lateralen
Zellen drei Gruppen zeigen, eine vordere periphere, eine vordere zentrale
und eine hintere. Die ersten beiden entsprechen der vorderen lateralen
Gruppe. Im Sakralmark unterscheidet der Autor noch eine mediale vor-
dere und eine mediale hintere Gruppe; die lateralen Gruppen lägen auch
hier in 3 Gruppen, eine vordere, mittlere und hintere. Die größte sei
die vordere, die hintere wäre klein und sei nur von der mittleren ab-
getrennt. In S. 4 sah Waldeyer eine mediale vordere Gruppe und die
laterale Grappe und in S. 5 und im Coccygealmark unterschied er Medial-
und Lateralzellen des Vorderhoms. Waldeyer schließt sich der An-
schauung Schwalbes (Neurologie 1881) an, daß die Gruppen im Rucken-
mark segmentale Anordnung aufweisen.
Phys,-fmth, Claase. 1908. Anhang. Äbh. L 4
26 L. .1 A c o B s o n N :
Von neueren Autoren gibt Ziehen in seiner »Anatomie des Rucken-
marks und Gehirns, Jena 1899« eine allgemeine, etwas ausfiihrliche Be-
schreibung der Vorderhornzellen. Er sagt: Die Verteilung und Anord-
nung der Ganglienzellen im Querschnitte scheint auf vielen Schnitten keiner-
lei Regelmäßigkeit zu zeigen, auf anderen lassen sich hingegen sehr gut
vier Hauptgruppen, eine ventro-mediale, ventro-laterale, dorso-mediale und
dorso-laterale erkennen, welche den vier Ecken des Vorderhorns entsprechen.
Von den aufgefiihrten Gruppen ist die dorso-laterale gewöhnlich die mäch-
tigste oder wenigstens ebenso mächtig wie die ventro-laterale. Die ein-
zelnen Gruppen werden dann in ihrem Verlaufe durch das ganze Rücken-
mark etwas näher beschrieben. Aus der Beschreibung geht hervor, daß
auch dieser Autor (wie wohl überhaupt die Mehrzahl der Autoren, Bruce
ausgenommen) der Ansicht ist, daß die laterale Zellgruppe durch das ganze
Rückenmark durchgeht, während ich eine gegenteilige Ansicht vertrete, die
ich vorher (S. 21) begründet habe. Hervorzuheben ist femer, daß auch
Ziehen im unteren Halsmark zwischen der ventro-medialen und der ventro-
lateralen Gruppe am ventralen Rande des Vorderhorns eine kleine, besonders
scharf abgegrenzte intermediäre Zellgruppe gefunden hat. Das ist dieselbe
Gruppe, die schon Stilling abgebildet, die von Beisso vielleicht zuerst
direkt beschrieben wurde, und die auch Waldeyer besonders hervorhebt.
Während aber Waldeyer den Vorsprung, in welchem diese kleine Gruppe
liegt, mit dem von Obersteiner in seiner »Anleitung beim Studium des
Baues der nervösen Zentralorgane 4. Aull. 1901 « S. 258 abgebildeten richtig
identifiziert, meint Ziehen, daß dieser Vorsprung und die darin liegende
Zellgruppe mit dem von Obersteiner angegebenen Vorsprunge nichts zu
tun hätte. Dieser letztere Vorsprung sei die vordere laterale Ecke des
Vorderhorns. Meine Untersuchungen haben erwiesen, daß der in Frage
kommende kleine Vorsprung am ventralen Vorderhomrande die Fortsetzung
der lateralen Vorderhomecke bildet. Der in C. 4, C. 5 und C. 6 nach hinten
abschüssige Teil des lateralen Vorderhomrandes wölbt sich in C. 7 nach
ventro-lateral buckelfbrmig aus. Dieser Buckel nimmt alsdann die laterale
Ecke des Vorderhorns ein, während die frühere seitliche Ecke des Vorder-
horns dadurch in die Mitte des Vorderrandes zu liegen kommt und sich
in dieser vorspringenden Zacke erhält. Die Gruppe von Zellen, die in
dieser Zacke liegt, entspricht demgemäß vollkommen der latero-ventralen
Gruppe der oberen Zervikalsegmente, woraus sich dann die von mir ge-
Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 27
gebene Einteilung des lateralen Zellkomplexes als die rationellste ergibt.
Diese Einteilung ist vor mir vielleicht schon von Beisso angedeutet worden.
Will man die zerstreuten großen Zellen des Vorderhoms als besondere
Klasse anfuhren, wofür Ziehen besonders eintritt, so ist dagegen nichts
einzuwenden, man müßte dann aber ebenso besondere abgesprengte Gruppen
nach der weißen Substanz anfuhren. Ich halte dies aber nicht für ratsam,
weil dies eine zu große Zersplitterung ergeben würde. In der Mehrzahl
der Fälle liegen die zerstreuten Zellen in der Nachbarschaft oder im Be-
reich der einen oder anderen Gruppe, und auch die in die weiße Substanz
abgesprengten Zellen oder Zellgruppen lassen sich ohne Schwierigkeit den
bekannten Gruppen vollkommen einordnen. Für letztere will ich noch-
mals gegenüber anderen Ansichten hervorhel)en, daß man sie stets auf
ausgezogenen kleinen Strichen oder kleinen Inseln von grauer Substanz
liegen sieht.
Aus neuerer Zeit sind dann noch drei bedeutsame Arbeiten von
Van Gebuchten und de Neef *, von B. Onuf* und von Alexander
Bruce^ anzuföhren.
Van Gebuchten und de Neef haben die Zellgruppen des Lumbo-
sakralmarks bei einem dreijährigen Kinde auf einer Schnittserie sehr ein-
gehend untersucht und erhielten folgende Resultate: Im ganzen ersten
und im zweiten Lumbaisegment fanden sie zwei kleine Gruppen, eine
antero-inteme und eine antero-externe. Letztere sei die Fortsetzung ana-
loger Gruppen des Dorsalmarks. (Meine gegenteilige Ansicht habe ich
vorher näher begründet.) Vom dritten Lumbaisegment an vennehrt sich
die Zahl der Zellen ziemlich schnell, und (diese Vermehrung reicht bis
zum ersten Sakralsegment, um dann wieder abzunehmen und fast voll-
kommen im oberen Teil des vierten Sakralsegmentes zu verschwinden. Der
Abschnitt des Rückenmarks zwischen dem dritten Lumbaisegment und dem
vierten Sakralsegment enthalt alle Zellen für die Muskeln der miteren
Extremität. Im dritten Lumbaisegment erscheinen zwei neue Gruppen,
' Van Gebuchten und de Neef, Les noyaux moteurs de la moelle lombo-sacree.
Le Nevraxe Vol. i. 1900.
* B. Onuf, Notes on tlie arrangement and function of tlie cell groups in the sacral
region of the spinal cord Journ. of nerv, and ment. dis. Vol. XXVI, p. 498. V^gl. Jahres-
bericht f. Neurol. und Psych., Bd. III, S. 138.
* Alexander Bruce, A topographical atlas of the spinal cord. Edinhurg,
Williams & Nurgate 1901.
4*
28 L. Jacobsohn:
eine antero-laterale und eine zentrale. Die Gruppen nehmen an Volumen
in L. 4 zu, um am oberen Rande von L. 5 zu verschwinden. In diesem
Niveau erscheinen drei neue ZeUkolonnen, eine antero-externe, eine postero-
laterale und eine dritte, welche mit dem kaudalen Teil der früheren zen-
tralen wieder eine zentrale Gruppe bildet. Im ganzen fiinften Lumbai-
segment findet man nur die drei eben genannten Gruppen; die gleichen
Gruppen sind in S. i vorhanden. Am Anfang des zweiten Sakralsegmentes
tritt eine neue Zellsäule, hinter und nach außen von der postero-lateralen
Säule auf, das ist der post-postero-laterale Kern von Onuf (s. weiter unten),
welchen die Autoren als sekundäre postero-laterale Gruppe bezeichnen. Im
unteren Teil von S. 2 verschwinden die antero-laterale und zentrale Abteilung
und zu gleicher Zeit entfalten sich stärker die postero-laterale und post-
postero-laterale Gruppe. In S. 3 triflFt man nur die beiden letztgenannten
Gruppen. Die postero-laterale Gruppe verschwindet in der Mitte von S. 3,
während die post-postero-laterale bis Anfang von S. 4 zu verfolgen ist. Die
Autoren haben auch versucht, die Länge, Dicke und Lagerung dieser Zell-
gruppen in einem Schema darzustellen. Die antero-externe, die postero-
laterale und die post-postero-laterale sind gut abgegrenzte Gruppen, die
anderen nicht. Eine ähnliche Zellgruppierung soll sich nach Ansicht von
Van Gebuchten (Anatomie du Systeme nerveux, Louvain, 1906) in der
Halsanschwellung von G.4 — D. i finden.
Die konstanten Gruppen, latero-ventrale, latero-dorsale und zentrale,
konnten Van Gebuchten und de Neef auch feststellen; die übrigen
sind nach Ansicht der Autoren nicht konstant, genau so, wie ich es vor-
her gesagt habe. Bei dieser Sachlage ist es mir eigentlich unverständlich,
wie es den Autoren möglich gewesen ist, das Verschwinden der einen
bzw. anderen Zellsäule festzustellen. Verfolgt man nämlich die Kerne auf
hintereinander folgenden Schnitten, so hört bald hier und bald dort ein-
mal eine Gruppe auf, um aber bald wieder zu erscheinen; man könnte
also mindestens 20 Zellsäulen aufstellen, wenn man sich nach diesem Phä-
nomen richtete. Ich halte es deshalb für unmöglich, einzelne bestimmte
Zellsäulen der Längsrichtung nach abzugrenzen. Dieser Zellkomplex ist viel-
mehr vergleichbar einem Wabenbau mit recht ungleichen Zwischenräumen;
aber so groß oder klein der Zwischenraum ist, immer besteht ein kontinuier-
licher Übergang der einen Zellgruppe zur anderen, und wenn er auch an dieser
oder jener Stelle gelockert oder aufgehoben erscheint, so ist das nur eine
über die Kerne des menschlichen Rilckenmarks. 29
Täuschung durch den Schnitt, der eben gerade einen Zwischenraum getroffen
hat; nach mehreren Schnitten weiter ist der Zusammenhang zwischen zwei
benachbarten Kernen wieder vorhanden.
Die Arbeit von Onuf ist mir leider im Original nicht zugänglich ge-
wesen. Der Autor gibt (nach dem Referat im Jahresbericht für Neurologie
und Psychiatrie) eine Anschauung von dem Wandel in der Ausbildung der
Zellgruppen der Vorderhörner von L. i — S. 5 beim Menschen. Vordere
und hintere mediale Gruppe treten von L. 2 (hintere Gruppe) bzw. L. 4
sehr schwach auf, um im Bereich von S. 3 (bzw. S. 2 und S. 3) mittel-
stark vertreten zu sein und dann zu verschwinden. Die antero-laterale
Gruppe nimmt von L. 2 — S. 1 stark zu, um dann schnell abzunehmen;
von S. 2 an ist sie verschwunden; die post-laterale Gruppe, welche in
L. I noch deutlich ist, zeigt sich dann bis L. 4 kaum angedeutet(?), um
in L. 5, S. I und im proximalen Teil von S. 2 sehr stark, im distalen Teil
von S. 2 sehr schwach und von da ab gar nicht mehr aufzutreten. An die
Stelle der letzteren Gruppe erhebt sich eine solche, welche (zuerst hinter
ihr gelegen, also post-postlateral) in S. i auftritt und sich bis zum di-
stalen Teil von S. 3 erstreckt. Die lateralen Zellgruppen des Vorderhoms
(antero-post- und post-postlatcrale) nimmt der Autor mit van Gebuchten
und de Bück (Contribution ä l'etude des localisations des noyaux dans la
moelle lombo-sacree, Revue neurol. 1898) sowie Sano (Les localisations
motrices dans la möelle lombo-sacroe, Journ. de Neurol. et d'Hypnol. 1897,
Nr. 13) lur die Beherrschung der Beinmuskeln in Anspruch, die antero-
mediale Gruppe im Anschluß an Kaiser (Die Funktionen der Ganglien-
zellen des Halsmarkes, Haag 1891) für die Rumpfmuskeln, die postero-
mediale fiir die Perinealmuskeln und die Sphinkteren.
A. Bruce sagt über die Vorderhomzellengruppen des menschlichen
Rückenmarks, die er auch in seinem schönen Atlas naturgetreu abbildet,
folgendes: Die mediale Gruppe ist durch das ganze Rückenmark ver-
treten, mit Ausnahme von L. 5, S. i und oberer Hälfte von S. 2. Die
Zellen versorgen die Muskeln des Rumpfes. Die ant^ro-mediale Gruppe
erreicht ihr Maximum in C. 4 und C. 5. Bruce unterscheidet hier noch
eine etwas äußere und nach hinten gelegene kleine Gruppe, welche das
spinale Zentrum des Phrenikus darstellen soll. (Nach Untersuchungen
von Kohnstamm, Zur Anatomie und Physiologie des Phrenikuskems, Fort-
schritte der Medizin 1898, Nr. 7, und von Sano, Nucleus diaphragmae.
30 L. Jacobsohn:
Etüde sur rorigine reelle du nerf diaphragmatique, Joum. med. de Bru-
xelles 1898, Nr. 42 scheint die Kerngruppe doch mehr dem von mir be-
nannten Nucleus latero-intermedius internus zu entsprechen). Am distalen
Ende von C. 8 schwillt die mediale Gruppe wieder an, um durch das
ganze Dorsalmark zu gehen. In L. i — L. 3 liegen wenige Zellen in einem
kleinen antero-lateralen Winkel, welche der Autor zur medialen Gruppe
rechnet, oder die er als eine spezielle Gruppe rechnet, welche keine Be-
ziehung zur antero-lateralen Gruppe hat. Die mediale Gruppe erscheint
dann wieder im distalen Teil von S. 2 und ,setzt sich bis S. 4 fort, wo
sie auf dem Schnitt durch etwa 1 o Zellen von beträchtlicher Größe re-
präsentiert wird. Die laterale Gruppe teilt Bruce im Halsmark in
eine antero-laterale und eine postero-laterale. In G. 7 und C. 8 soll noch
dazu eine post-postero-laterale kommen. Diese letzterei soll besonders stark
in D. I sein. Die laterale Zellsäule ist nicht vertreten im Dorsalmark,
eine Anschauung, die auch ich vorher, S. 2 1 , begründet habe. Im Lumbo-
sakralmark findet man eine antero-laterale und eine postero-laterale Gruppe
bis zum unteren Ende von S. 2 bzw. S. 3. Von L. 2 bis zu S. 2 (prox.)
ist außerdem eine zentrale Gruppe vorhanden, welche nach innen von den
beiden vorigen liegt. In S. 1 , S. 2 und S. 3 fand der Autor noch eine
schmale Gruppe hinter der postero-lateralen, welche der post-postero-late-
ralen von Onuf entsprechen soll. Bezuglich der Veränderung, welche mit
der lateralen Ecke des Vorderhoms im Halsmark vor sich geht, sagt der
Autor folgendes: »Within the sixth segment a remarkable change, at first
sight diflßcult to Interpret, takes place in the position and size of the
antero-lateral group. The antero-lateral angle and with it, its correspond-
ing group of cells, become displaced in an inward direction. The
number of cells within the group diminishes rapidly and at the same
time, between it and the postero-lateral group a new collection of cells
appears. This group is the cause of the projection seen between the
antero-lateral and postero-lateral angles.« Aus dem Gesagten entnehme
ich, daß Bruce über das Entstehen des vorderen seitlichen Vorsprungs
des Vorderhorns in C. 7 derselben Ansicht ist wie ich, und daß auch er
meint, daß die vorher (proximal) im lateralen vorderen Winkel gelegene
Zellgruppe nach einwärts geschoben wird und dabei gleichzeitig an Vo-
lumen abnimmt. Nur irrt der Autor, wenn er sagt, daß dann erst die
neue (intennediäre) Gruppe auftritt. Diese war auch schon vorher da,
fjber die Kerne des menschlicfien Rückenmarks. 31
nur tritt sie jetzt stärker hervor. Bruce meint, daß Hals- und Lumbo-
sakralmark in der Zellgruppierung des lateralen Zellkomplexes eine große
Ähnlichkeit zeigen; auch Bruce ist der Ansicht, daß die Zellen der Lumbo-
sakralregion größer sind als diejenigen des Dorsalmarkes, und die des letz-
teren kleiner als die Zellen des Zervikalmarkes. Die Bestimmung und Ab-
grenzung der motorischen Gruppen bei Bruce hat viel Übereinstimmendes
mit der meinigen. Nur über das Aufhören von einzelnen Gruppen und
das Auftreten von neuen bin ich etwas anderer Ansicht als er und die
vorher genannten Autoren. Die verschiedene Ansicht kann darin ihren
Grund haben, daß die Autoren keine vollständige Serie zur VerfÄgung
hatten, was bei Bruce ja sicher zutrifft, da er nur jeden zehnten Schnitt
untersucht hat. Indessen es ist auch möglich, daß Varietäten vorkommen.
Das untere Ende der motorischen Kemsäulen geben die Autoren ver-
schieden an. Einzelne konnten die Kerne bis zur unteren Grenze von L. 4,
andere nur bis L. 3 verfolgen. Wahrscheinlich hängt die Differenz von
der mangelhaften Bestimmimg der Segmente ab.
Daß die motorischen Zellen des Lumbosakralmarks diejenigen des Zer-
vikahnarks an Größe übertreffen, ist bei Tieren schon von einer Anzahl
von Autoren beobachtet worden, so in neuster Zeit wieder vonWarnke.
(Über Beziehungen zwischen Extremitätenentwicklung und anatomischen
Formverhältnissen im Rückenmark. Vgl. Anatomische Untersuchungen über
das Rückenmark. Joum. f. Psychol. u. Neurol. Bd. III, S. 257) und von
Schmidt (ebenda Bd. IX, Heft 1/2).
2. Nuclei sympathici medullae spinalis.
Mit diesem Namen werden eigenartige Zellformationen bezeichnet, welche
nach den bisherigen Untersuchungen im Seitenhom bzw. in der inter-
mediären Zone zwischen Vorder- und Hinterhom gelegen sind. Diese Zell-
formationen sind von B. Stilling als » Seitenhorngruppe « , von L. Clarke
als »Intermediolateraltrakt«, vonWaldeyer als »Seitenhornzellen«
benannt worden.
Ebenso wie die großen multipolaren Vorderhomzellen zweckmäßig als
Nuclei motorii bezeichnet werden, um mit dem Namen gleich auf ihre
Funktion hinzuweisen, so ist es auch wohl angebracht, obige Zellformationen
als Nuclei sympathici zu benennen, da ihre Beziehungen zum pe-
32 L. Jaoobsohn:
ripherischen sympathischen System durch die Arbeiten von Gaskel, Sh er-
rington, Langley, Onuf und Collins, Herring, mir, Bruce und
Pirie u. a. wohl zweifellos feststehen. Es gibt im menschlichen Rücken-
mark nach meinen Untersuchungen drei solcher Zellformationen:
a) Nucleus sympathicus lateralis superior s. thoracalis, s.
cornu lateralis,
b) Nucleus sympathicus lateralis inferior s. sacralis,
c) Nucleus sympathicus medialis inferior s. lumbo-sacralis.
Die obere laterale Kemsäule des sympathischen Systems (a) erstreckt
sich von C. 8 bis zum oberen Abschnitt von L. 3, die untere, laterale Kem-
säule (b) von S. 2 bis ins Coccygealmark und die dritte mediale untere
Kernsäule (c) von L. 4 bis gleichfalls ins Coccygealmark; b und c ver-
schmelzen im untersten Rückenmarksabschnitt zu einem gemeinsamen Areal.
Obwohl sich schon aus der Aufstellung dieser Abteilungen ergibt, daß
ich solche Zellformationen im übrigen Rückenmark nicht gesehen habe, so
sei doch noch einmal hervorgehoben, daß im ganzen Halsmark mit Aus-
nahme von C. 8 deutliche Gruppen solcher Zellen sympathischer Art nicht
zu konstatieren waren. Ob vereinzelte derartige Zellen im übrigen Rücken-
mark vorkommen, dies zu entscheiden, ist auf Grund des angewandten
Färbungsverfahrens nicht möglich, obwohl der Beschauer von einzelnen
Zellen hier und da den Eindruck gewinnt, sie könnten den sympathischen
homolog sein. Erwähnt muß aber werden, daß auch noch in tieferen
Lumbaisegmenten an der seitlichen Grenze zwischen Vorder- und Hinter-
hom in vereinzelten Schnitten kleine Gruppen von Zellen zu beobachten
sind, die den sympathischen mindestens sehr ähnlich sehen.
a) Nucleus sympathicus lateralis superior s. cornu lateralis.
DerNucleus sympathicus lateralis superior medullae spinalis
beginnt im distalen Abschnitt von C. 8. Er ist in diesem Segment nur
auf einzelnen Schnitten in seiner hervorstechenden Art ausgeprägt; sehr
viel besser tritt er in D. i hervor, wo er auch ziemlich konstant auf den
Schnitten erscheint. Schon im distalen Abschnitt von C. 8 und noch mehr
in D. I ist die laterale Peripherie des Vorderhoms verschmälert und nach
außen stark konvex abgerundet. In dieser Abrundung liegt der laterale
Komplex der großen motorischen Nervenzellen. In den proximalen Schnitten
von D. I ebenso wie in C. 8 liegt der Nucleus sympathicus am dorsalen
über die Kerne des menschlic/ien Rückenmarks. 33
Rande der abgerundeten seitlichen Vorderhomecke; von hier aus wandert
der Kern, wenn man ihn weiter distalwärts in D. i verfolgt, an Größe zu-
nehmend, direkt nach der stumpfen seitlichen Vorderhomecke zu und hält
diese Ecke besetzt. Er liegt hier stets dicht nach außen von den moto-
rischen Zellen der lateralen Uruppe, wobei er auch mitunter diese stumpfe
seitliche Vorderhomecke bogenartig umfaßt. In den kaudalen Schnitten
von D. I spitzt sich die laterale Ecke des Vorderhoms scharf zu, und als-
dann liegt der Kern direkt in dieser Spitze.
Der Kern ist so charakteristisch, daß er sofort aus allen anderen Zellen
und Zellkernen heraus zu erkennen ist. Charakteristisch sind seine Lage,
die Art und Größe seiner Zellen und vor allem auch der Umstand, daß
diese Zellen dicht gedrängt in einem oder in mehreren Haufen zusammen-
liegen.
D. 1. Die Zellen des Nucleus sympathicus sind ungefähr halb so
groß wie die daneben liegenden des lateralen Zellkomplexes des Vorder-
homs. Sie sind polygonal, aber mit ganz abgestutzt aussehenden Fortsätzen,
so daß sie bei schwächerer Vergrößerung rundlich oder ovoid erscheinen ; bei
solcher Vergrößerung sehen sie auch fast vollkommen homogen, ja vielfach
glasig aus. Der Nucleus sympathicus als ganze Zellformation hat große Ähn-
lichkeit mit dem dorsalen Vaguskem der MeduUa oblongata. Im allge-
meinen ist die Gruppe in den proximalen Schnitten von D. i verhältnis-
mäßig klein (5 bis 1 5 Zellen), in der Mitte von D. i und in den kaudalen
Schnitten dieses Segmentes kann sie bis auf 30 Zellen anwachsen. Die
Zellen erscheinen rundlich, eckig, oval und polygonal, sie besitzen einen
großen, hellen Kern und ein deutliches Kemkörperchen. Der Zelleib ent-
hält um den Kern am Rande einen Saum von kleinen Nißlschen Schollen.
Hier und da scheinen auch einzelne Zellen etwas gelbes Pigment zu besitzen.
D. 2. Der Nucleus sympathicus ist ziemlich konstant, in den auf-
einanderfolgenden Schnitten ziemlich regelmäßig an- und abschwellend. Er
liegt überwiegend in der Spitze des Seitenhoms. Vergleicht man letzteres
mit dem Ursprung des Achsenzylinders aus einer Nervenzelle, so trifft man
im breiten basalen Teil des Ursprungskegels hin und wieder eine dichte An-
sammlung ganz kleiner Zellen von rundlicher, eventuell kleinkeulenförmiger
Gestalt. Es ist sehr verlockend, auch diese Zellen zur Seitenhomgruppe zu
zählen. Indessen ist dies mehr als zweifelhaft. Einmal haben diese kleinen
Elemente nicht das charakteristische Aussehen wie die Zellen der Seitenhom-
Phys.-math. Glosse. IDOS, Anhang. Abh. L 5
34 L. J AcoBSü II N :
spitze, zweitens sammeln sie sich selten zu dichten Haufen an, was die
Formation des Sympathicus meistens tut, und schließlich, wenn man den
auf solche Ansammlung folgenden Schnitt untersucht, findet man sie nicht
mehr. Ich bin deshalb nicht geneigt, diese kleinen Elemente zur gleichen
Formation des Nucleus sympathicus zu rechnen. Charakteristisch sind nur
die etwas größeren Elemente, die in D 2 fast ausschließlich in der ausge-
zogenen Spitze des Seitenhoms liegen. Allerdings kann es vorkommen,
daß diese ausgezogene Spitze auf einzelnen Schnitten wie abgetrennt vom
Seitenhorn liegt und man dann zwei Abteilungen des Kerns, die eine auf
der abgetrennten Spitze und die andre auf dem Festlande des Seitenhorns,
beobachtet. Diese größeren Elemente des Kerns, welche för ihn charak-
teristisch sind, erscheinen nun auf den Schnitten noch verschieden groß.
Das liegt aber wohl mehr in der verschiedenen Art, wie sie vom Schnitt
getroffen sind, ob mehr in der Längsachse, dann erscheinen sie spindel-
oder keulenförmig, oder in Kaulquappenform, oder mitten in der Quer-
achse, dann sind sie mehr rundlich bzw. abgestutzt u. dgl. mehr. Die
Zellen liegen oft kettenförmig nebeneinander. In einzelnen Schnitten machen
sie einen ziemlich umfangreichen Zellkomplex aus.
D.S. Der Nucleus sympathicus ist im ganzen wie vorher; in
einer nicht geringen Anzahl von Schnitten ist er recht groß (30 — 40 Zellen
enthaltend). Durch strahlige Aufsplitterung der Spitze des Seitenhorns ist
er gleichfalls oft in seinen äußeren Teil strahlenartig aufgesplittert. Er
nimmt hier in D. 2 auch mehrfach einen Teil der Basis des kegelförmigen
Seitenhoms ein und zieht sich etwas zum Winkel nach dem Hinterhom
hin. Die Zellen liegen wie Mosaiksteine sehr dicht zusammen, oder ziehen
sich in einer Reihe am dorsalen Rande des Seitenhoms hin. An einer
Anzahl von Präparaten macht es den Eindruck, als ob der Nucleus sym-
pathicus auch noch ziemlich weit nach innen in den sogenannten Confluens
substantiae gi*iseae (Zwischenteil der grauen Substanz) aussprülit.
D. 4. Der Nucleus sympathicus teilt sich zuweilen in drei Gruppen;
die eine derselben liegt an der Spitze des Seitenhoms ; sie ist die konstanteste.
Die zweite liegt am dorsalen Rande des Seitenhoms nahe am Winkel
zwischen Vorder- und Hinterhorn; diese Gruppe wird recht oft getroflfen
und hat die EigenschaiTt, daß sie sich nach innen etwas zuspitzt, wie wenn
sie auf die vordere Kommissur zulaufen wollte. Beide Gruppen sind vielfach
dui'ch einen am dorsalen Rande des Seitenhoms laufenden Zellzug gleicher
tJJ)er die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 35
Art verbunden ; die dritte Gruppe, die sehr selten isoliert wahrgenommen
wird, ist eine Abspaltung von Zellen des (xesamtkems am ventralen Rande
des Seitenhonis. In der Gruppe der Seitenhomspitze selbst liegen einzelne
Zellen, die besonders groß erscheinen, und die den Zellen des Kerns der
oberen Trigeminuswurzel sehr ähnlich sehen. Zu erwähnen wäre noch,
daß einzelne Zellen des Nucleus sympathieus auch dorsal in den Processus
reticularis ausstrahlen. Verbinden sich alle Abteilungen zu einem Komplex,
so ist die Zellgruppe von recht ansehnlichem Umfange. Recht zahlreich
sind hier in D. 4 auch Zellen gleicher Art, die in den Confluens substantiae
griseae ausstrahlen.
D. 5 lind D. 6. Der Nucleus sympathieus ist in vielen Schnitten
gut ausgeprägt. Am konstantesten sind immer die Zellen in der Spitze
des Seitenhorns selbst. Viele aussprOhende im Confluens comuum.
D. 7 lind I). 8. Der Nucleus sympathieus ist im ganzen etwas
reichlicher als in D. 6. Er zeigt auch einen ziemlich regelmäßigen Turnus
in der Art, daß die Gruppe an- und abschwillt. Ist die Gruppe gut aus-
geprägt, so zieht sie sich bis zum Winkel nach dem Hinterhom hin, ent-
weder kontinuierlich oder auf diesem Wege in zwei, mitunter sogar in drei
kleinere Untergruppen zerfallend. Auch in diesen kleineren Gruppen liegen
die Zellen dicht gedi-ängt zusammen, aber man begegnet auch Schnitten,
wo sie ein wenig lockerer gelagert sind.' Besonders zu betonen ist, daß
in solchen Schnitten, in welchen die charakteristischen Zellen dieser Gruppe
fehlen, das Seitenhorn und die angrenzende Partie des Hinterhoms von
vielen kleinen Elementen angefüllt ist, die nicht die Charaktere der Zellen
des sympathischen Kerns an sich tragen. In anderen Schnitten können
diese kleineren Elemente, die recht vielgestaltig sind, sich unter die
typischen sympathischen Zellen einmischen, so daß dann die Abgrenzung
der letzteren gewisse Schwierigkeiten bietet.
D. 9 lind D. 10. Der Nucleus sympathieus ist oft gut abgegrenzt.
Die größeren Elemente des Kerns findet man mehr in der Spitze des Kerns,
sie fehlen freilich auch nicht in den übrigen Teilen desselben. Die kleineren
Elemente andersartiger Natur ergießen sich oft mückenschwarmartig vom
Winkel des Seiten- und Hinterhoms in den Confluens comuum, in den
Processus reticularis und in das Seitenhorn hinein und sind besonders
dann zahlreich, wenn der Nucleus sympathieus stellenweise unterbrochen
ist und nur wenige Zellen enthält.
5*
36 L. Jacobsohn:
D. 10. Nucleus sympathicus mitunter in 2 — 3 kleinere Gruppen
geteilt, die sich bis zum Seitenhinterhomwinkel entlang ziehen.
D. 11. Der Nucleus sympathicus nimmt an Umfang zu; besonders
der zu dem vielfach genannten Winkel gehende Zug ist breiter als in den
früheren Segmenten.
D. 12. Der Nucleus sympathicus erreicht in diesem Segment seine
Hauptst&rke. Er hat auch hier seinen Hauptstützpunkt in der Spitze des
Seitenhoms. Von hier aus erstreckt er sich einmal etwas ventral am lateralen
Rande zum Vorderhom zu, hauptsächlich aber breitet er sich in der Richtung
nach dem Seitenhinterhomwinkel zu aus. Die Zellen erscheinen an der
Spitze des Homes etwas größer. Während diese Zellen an der Spitze
vielfach wie nmdliche oder längliche Bläschen aussehen, bieten die anderen
meist eine lang hingestreckte Form dar, wobei sie bald keulenförmig, spitz
dreieckig, aber dabei fast fortsatzlos, oder lanzettförmig, oder spermatozoen-
förmig, oder kaulquappenartig gestaltet sind. Man sieht oft zwei scheinbar
getrennte Abteilungen des Kerns, eine an der Spitze des Seitenhoms und
eine nahe am Seitenhinterhomwinkel; indessen kann man sich meist auf
folgenden Schnitten überzeugen, daß beide Abteilungen miteinander zu-
sammenhängen. Ich halte diesen Umstand zur Deutung gegenüber anderen
Zellansammlungen in der Nähe der genannten Winkel fiir sehr wichtig.
Während sonst die am dorsalen Rande des Seitenhoms sich hinziehende
Zellschicht des Nucleus sympathicus recht schmal ist, wird sie hier in
D. 12 oftmals recht breit. Die Zellen derjenigen Abteilung des Kerns,
welche nahe dem Seitenhinterhomwinkel liegt, sind oft mit ihrer Längs-
achse senkrecht zum Seitenhomrande gerichtet, und indem sie sich nach
dem Innern der grauen Substanz zusammenballen, sieht es oft so aus,
als wollten sie auf die weiße Kommissur lossteuern.
L. 1. Im proximalen Gebiet von L. i ist der Nucleus sympathicus
ungefähr so gestaltet und ziemlich so stark entwickelt wie in D. 12. Mit-
unter hat er im ganzen eine mondsichelartige Gestalt, indem er sich ins
Innere des Homes vorwölbt; im distalen Teil von L. i nimmt er an Um-
fang erheblich ab.
L. 2. Der Nucleus sympathicus zeigt nur noch spärliche Reste.
Diese Reste liegen an dem eingebuchteten Rande zwischen Vorder- und
Hinterhom etwas ventro-lateral von dem verkleinerten Nucleus magno-
cellularis basalis (Clarkeschen Säule).
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 37
L. 3. Auf wenigen Schnitten hat es den Anschein, als ob noch eine
ganz kleine Gruppe an der gleichen Stelle wie in L. 2 zu sehen ist.
Fasse ich das Gesagte über den Nucleus superior zusammen, so ergibt
sich folgendes:
Der Nucleus sympathicus lateralis superior s. cornu lateralis
erstreckt sich vom distalen Teil von C. 8 bis zum proximalen Teil von L. 3.
Kr ist einer der prägnantesten Zellkerne des Rückenmarks. Trotz seiner her-
vorstechenden Eigenart ist seine Abgrenzung gegen die ihn umgebenden Zell-
formationen oftmals keine ganze leichte. Sie läßt sich nur ermöglichen,
wenn man Markfaserpräparate des Rückenmarks, die nach Weigert-Pal
gefärbt sind, mit Zellpräparaten nach der Nißlschen Färbung mitein-
ander vergleicht \ Die Formation des Nucleus sympathicus hebt sich
auf solchen Markfaserpräparaten, allerdings nur auf solchen, die von
etwas dunkler Färbung sind, durch einen besonders hellen Farbenton
heraus. Sie gleicht dadurcli ungemein dem Aussehen der Substantia ge-
latinosa Rolando. Diese gelatinös hellaussehende Substanz des Nucleus
sympathicus beginnt sich in C. 8 am dorsalen Rande der hinteren Vorder-
homecke als ein schmaler Streifen herumzulegen und sj)littert sich nach
der weißen Substanz leicht netzförmig auf. Verfolgt man nun die Segmente
nach abwärts, so bildet diese gelatinöse Substanz nach Verschwinden des
lateralen Zellkomplexes der großen multipolaren Vorderhornzellen die Seiten-
homspitze. Sie ist dabei vollkommen netzartig aufgesplittert; bald besteht
sie aus zwei kleinen Inseln, von denen die eine der hinteren Vorderhorn-
ecke anliegt, während die andere von letzterer durch retikulierte graue
Balken ein wenig getrennt als abgesprengte Seitenhornspitze im Seiten-
strang liegt und sich oft fadenartig nach lateral auszieht. Im weiteren
Verlauf nimmt die helle gelatinöse Substanz nicht nur die Spitze des Seiten-
homs ein, sondern sie zieht sich von der Spitze als ein schmaler heller
Saum bis zum Winkel nach dem Hinterhorn hin, wobei sie auch retikulär
in den angrenzenden Seitenstrang sich auszackt.
Ebenso, wie nun die Zellgruppe des Nucleus sympathicus an- und ab-
schwillt und regelmäßige vollständige Unterbrechungen erföhrt, so ist es
auch vollkommen mit dieser gelatinösen Substanz. Diese Substanz muß
* Auch für diesen Vergleich stand mir eine vollkommene Serie von nach Weigert-
Pal gefärbten Querschnitten durch das menschhche Rückenmark zur Verfügung.
38 L. Jacobsohn:
als die Trägerin der Zellen des Nucleus sympathicus angesehen werden.
Sie ist bald gering, bald in ausgiebigem Maße vertreten, bald schließlich
ist nichts von ihr zu sehen. Es ergibt sich daraus, daß derjenige Teil
der grauen Substanz, welcher schlechtweg als Seitenhom bezeichnet wird,
von verschiedenem Bau und verschiedener Herkunft sei/i muß. Die Au-
toren sind über diesen Punkt geteilter Meinung. Die einen vertreten die
Ansicht, daß das Seitenhorn die Fortsetzung der hinteren seitlichen Ecke
des Vorderhorns ist; die anderen glauben, daß das Seitenhorn damit nichts
zu tun hat, sondern nur eine Bildung des Processus reticularis darstellt.
Die Wahrheit liegt meiner Auffassung nach in der Mitte, insofern beide
in Frage kommenden Bestandteile das Seitenhorn bilden. Die vorhin er-
wähnte gelatinös aussehende Substanz als Trägerin des Nucleus sym-
pathicus legt sich stukkaturartig an die hintere laterale Ecke des Vorder-
horns an und bildet mit letzterer zusammen das Seitenhorn. Diese beiden
Bildungen ergänzen sich immer gegenseitig, d. h. dort, wo die Formation
des Nucleus sympathicus und damit auch die gelatinöse Substanz stark
ausgebildet ist, tritt der Anteil des Vorderhorns sehr zuriick und das
Seitenhom erscheint allein von dieser Substanz gebildet zu sein; im um-
gekehrten Falle, dort, wo diese Substanz nicht vorhanden ist, schiebt sich
die ursprüngliche hintere laterale Vorderhornecke so stark in den Seiten-
strang vor und zackt sich aus, daß dann das Seitenhom ziemlich allein
von dieser Ecke gebildet wird. Zwischen diesen beiden Extremen finden
sich nun die verschiedensten Zwischenstufen. Da mm die eine Substanz
der andern nahe anliegt bzw. sogar in sie eingreift, so tun es natürlich
auch die in jeder von beiden liegenden verschiedenartigen Zellformationen.
An der gleichen Stelle, wo vielleicht vorher typische Zellen des Nucleus
sympathicus gelegen haben, liegen auf anderen Schnitten Zellen der late-
ralen Vorderhornecke. Diese letzteren sind in D. 2 , wie wir gesehen
haben, noch ganz vereinzelt große Zellen des lateralen Zellkomplexes,
dann aber sind es kleinere Elemente der sogenannten Zwischenschicht.
Dies hielt ich för notwendig zum Verständnis der ganzen Formation
des Nucleus sympathicus cornu lateralis vorauszuschicken.
Die Zellen des Nucleus sympathicus cornu lateralis trifft man
am konstantesten und in ihrer am meisten charakteristischen Gestalt in
der Spitze des Seitenhoms. Hier sieht man in der Mehrzahl der Schnitte
einige oder eine ganze Anzahl von dicht zusammengedrängt liegenden
^
lU)er die Kerne des ?nenschlic/ien Riirkemiuirki. 39
Zellen. Diese Zellen sind ungefähr halb so groß wie die motorischen
Zellen des Vorderhoms; in einzelnen Exemplaren kommen sie aber auch
letzteren an Größe ziemlich nahe, andererseits begegnet man vielen Zellen,
die eine kleinere Gestalt haben. In ihrer äußeren Form ist die Mehrzahl
der in der Seitenhornspitze gelegenen Zellen abgerundet oder oval, viel-
fach auch von bazillenartiger Gestalt. Ist letzteres der Fall, so liegen sie
nicht regellos in dichten Haufen zusammen, sondern reihen sich oftmals
streptokokkenartig aneinander. In den oberen Dorsalsegmenten besonders,
aber auch gelegentlich in den unteren, sprühen sie von der Seitenhorn-
spitze radienartig in die benachbarte weiße Substanz aus, wobei dann
auch immer die Substantia gelatinosa des Seitenhoms so strahlen- oder
netzartig aufgesplittert ist. Wenige Zellen dieser Art können dadurch
eine ziemliche Strecke nach auswärts von der Seitenhornspitze hinlagern.
Nach innen zu drängen sie sich gewöhnlich an beiden Rändern des Seiten-
homs hin, und zwar am ventralen Rand nicht so weit wie am dorsalen.
Bei stärkerer Ansammlung der Zellen fließen die Zellen der beiden Rand-
zonen zusammen und bilden dann eine dreieckige Gruppe von ziemlich
beträchtlichem Umfang, welche auch den ganzen etwas weiteren Ursprungs-
kegel des Seitenhoms einnehmen kann. Am dorsalen Rande des Seiten-
homs ziehen sie sich bis nahe zum Winkel des Hinterhoms hin ; in einigen
Schnitten erreichen sie diesen Winkel selbst und können ihn vielleicht
auch noch ein wenig überschreiten. Doch muß man in diesem Gebiet
besonders vorsichtig in der Beurteilung der Zellformationen sein, weil
gerade dieser Winkel eine Stelle ist, an der die verschiedensten Zellarten
aufeinanderstoßen. Auf dem Wege zum genannten Winkel hin haben die
2iellen des Nucleus sympathicus häufig eine mehr langgestreckte Form.
Diese langgestreckte und dabei natürlich verschmälerte Form läßt sie hier
vielfach kleiner erscheinen. Ob diese kleinere Form allein durch die
veränderte Verlaufs- und Schnittrichtung bedingt ist, oder ob es Zellen
vom gleichen Typus in kleinerer Form * gibt, will ich mit Sicherheit nicht
entscheiden. Indessen ist das letztere nicht unwahrscheinlich, da es ja
imter allen Zellformen größere und kleinere Typen gibt. Ob sie aber
wie in der Spitze rundlich oder oval sind oder, wie in der Randzone,
langgestreckt, und hier dann schmal oval, lanzettförmig, keulenförmig,
spitzdreieckig, spermatozoen- oder kaulquappenartig, oder bipolar, wie
eine Note auf der Linie usw., immer haben sie das Charakteristische, daß
40 L. Jacobsohn :
sie bei schwaclier Vergrößerung wie fortsatzlos erscheinen. Daran und
an der weiteren Struktur erkennt man auch die wenigen dieser Zellen,
die sich vereinzelt oder in kleinen Haufen auf den angrenzenden Zacken
des Processus reticularis oder in entgegengesetzter Richtung mehr nach
innen in der grauen Substanz von dem geschlossenen Zuge der Randzone
absondern. Die Zellen haben ferner das Charakteristische, daß sie bei
schwächerer Vergrößerung wie homogen und glasig erscheinen. Viele
von ihnen in der Spitze des Seitenhorns sehen geradezu wie Schollen
aus, als ob sie ihren Inhalt verloren hätten. Diese Zellen zeigen dann
große Ähnlichkeit mit den Zellen der oberen Trigeminuswurzel. Aber
auch die anderen Zellen zeigen einen mehr gleichmäßigen Farbenton.
Bei stärkerer Vergrößerung sieht man in ihnen einen großen hellen Kern,
der den Hauptteil der Zelle ausfüllt, und rings um diesen Kern einen
ganz schmalen Saum von Chromatinsubstanz. Bei dieser starken Ver-
größerung erkennt man auch, daß die Mehrzahl der Zellen multipolar ist.
Der am dorsalen Rande hinziehende Zellzug des Nucleus sympathicus
spaltet sich recht häufig in einen Teil, der an der Spitze des Seitenhorns
gelagert ist, und in einen anderen Teil, der dicht vor dem Winkel zum
Hinterhom liegt. Die erste Abteilung in der Spitze nenne ich die Pars
apicalis Nuclei sympathici superioris und die andere Abteilung
die Pars praeangularis Nuclei sympathici superioris. Diese
beiden Abteilungen hängen aber durch ZellbrOcken zusammen. In einer
Anzahl von Schnitten können sich auch mehrere klemere Gruppen bilden,
die am dorsalen Rande des Seitenhorns entlang lagern. Die Zellen der
präangularen Abteilung machen oft den Eindruck, als ob sie sich vor
dem Winkel zum Hinterhom gleichsam anstauen und nun durch das An-
einandergedrängtsein sich quer mit der Längsachse stellen, sich dabei
mehr ins Innere der grauen Substanz vorschieben, als ob sie langsam in
der Richtung zur vorderen Kommissur lossteuern wollten. In einzelnen
Präparaten hatte ich den Eindruck, als ob vereinzelte Zellen dieser Gruppe
noch etwas am äußeren Rande des Hinterhorns laufen. Die ganze Zell-
säule des Nucleus sympathicus zeigt nun ein fast regelmäßiges An- und
Abschwellen ; nach manchem Abschwellen (nicht immer) kommt auch eine
vollständige Unterbrechung der Zellsäule, aber letztere nur auf eine ver-
hältnismäßig ganz kurze Strecke. Diese An- und Abschwellungen wieder-
holen sich mehrfach in jedem der in Betracht kommenden Rückenmarks-
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 41
Segmente. Die stärksten Ansammlungen des Kerns fand icli im oberen
Dorsalmark (etwa dritten bis fünften Dorsalsegment) und am Übergang
zwischen Dorsalmark und Lendenmark (D. 1 1 — L. i). Besonders in D. 12
ist die Ansammlung der Zellen des Kerns eine außerordentlich große.
Von einer Zählung der Zellen wurde Abstand genommen, weil meiner
Ansicht nach dabei zu große Fehler unterlaufen. In einem Schnitt, in
welchem die Zellen sehr reichlich vertreten sind, dürften sie die Zahl 50
bis 60 nicht überschreiten.
b) Nueleus sympathicns lateralis inferior s. sacralis.
Der Nueleus sympathicus lateralis inferior s. sacralis beginnt
im distalen Abschnitte des zweiten Sakralsegmentes. Hier hat sich der ge-
samte laterale Zellkomplex der großen multipolaren motorischen Vorderhom-
zellen schon erheblich vermindert. Indessen ist die latero-dorsale Gruppe
noch leidlich gut ausgebildet und wölbt die hintere laterale Ecke des Vorder-
homs noch sichtlich in den Seitenstrang heraus. Ebenso nun, wie im
distalen Abschnitt von C. 8 sich die Gruppe des Nueleus sympathicus
superior direkt dem Nueleus motorius latero-dorsalis hinten anlegt, so ge-
schieht es auch hier mit den Zellen des Nueleus sympathicus inferior, nur
mit dem Unterschiede, daß hier die Zellen dem motorischen großzelligen
Kern von hinten und innen anliegen. Während sie im oberen Abschnitt
erst in D. i und noch mehr in D. 2 nach dem Winkel zum Hinterhom
wandern, liegen sie hier also gleich demselben ziemlich nahe an. Die
Zellen dieses unteren Kerns bilden im distalen Teil von S. 2 zunächst eine
kleine Gruppe. Sie haben wieder das Charakteristische, daß sie dicht ge-
drängt aneinander liegen. Die Zellen sind auch hier, ebenso wie am oberen
Kern, an ihrer Lage am Winkel ziun Hinterhorn, an ihrem Dichtzusammen-
gelagertsein, und drittens an ihrem Aussehen deutlich zu erkennen. Die
Zellen sollen deshalb ihrem Aussehen nach nicht weiter beschrieben werden.
Es sei nur hervorgehoben, daß die Zellsäule im proximalen Abschnitt, also
in S. 2 etwas kleiner erscheinende Zellen, im ganzen übrigen Abschnitt,
S. 3 — S. 5, etwas größer erscheinende Zellen enthält. Vielleicht darf auch
hervorgehoben werden, daß unter den größeren Zellen die polygonale Form
mit kurzen Fortsätzen und die Keulenform vorherrscht.
Der Nueleus sympathicus inferior nimmt nun in S. 3 allmählich an
Größe zu, erreicht sein Maximum im unteren Abschnitt von S. 3 und im
Phys.-maih, Glosse. I90S. Anhang. Abh. L 6
42 L. Jacobsohn:
oberen Abschnitt von S. 4, um dann im distalen Teil von S. 4 wieder sehr
klein zu werden. In S. 5 wurde nur in vereinzelten Schnitten noch eine
kleine Gruppe von etwa drei bis vier Zellen an der charakteristischen
Stelle beobachtet.
Wie der Nucleus sympathicus superior keine kontinuierliche Zellsäule
bildet, sondern einmal an- und abschwillt und auch kurze Unterbrechungen
erfährt, so ist es auch mit dem Nucleus sympathicus inferior, nur daß
bei letzterem die An- und Absch wellungen schneller aufeinander folgen.
Auch der Nucleus sjonpathicus inferior scheint, wie der superior, sofort
in die Augen zu springen, da man in den vorhin bezeichneten Sakral-
segmenten eine stattliche Ansammlung von Zellen im Winkel zwischen
Vorderhorn und Hinterhorn gewahrt. Indessen, man würde einen großen
Fehler machen, wenn man alle die dort liegenden Zellen fär solche des
Nucleus sympathicus hielte. Ist schon in den übrigen Rückenmarksseg-
menten der laterale Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn gleichsam
der Sammelpunkt sehr verschiedenartig gestalteter Nervenzellen, so ist
dies hier im Sakralmark noch besonders der Fall. Es liegen hier kleinere,
mittelgroße, größere und ganz gi-oße Zellen. Die beiden letzten Arten
nehmen besonders den Blick des Beobachters gefangen. Ein Teil der etwas
größeren Zellen liegt dicht gedrängt in einem einzelnen oder in mehreren
Haufen zusammen, andere Zellen von ungefähr gleicher Größe und die
ganz großen liegen locker geordnet. Die lockern Zellen kommen gleich-
sam in einem Zuge vom Processus reticularis des Hinterhoms her, strömen
am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn in die intermediäre Zone
ein, wobei sie vielfach die Haufen der dicht gedrängt liegenden Zellen
überfluten. Diese Haufen dicht gedrängt liegender Zellen sind es, welche
den Nucleus sympathicus inferior zusammensetzen, während die lockeren
vom Processus reticularis herströmenden Zellen meistens anderer Herkunft
sind. Da beide Zellarten sich aber überlagern, so ist es oft notwendig,
in dieser Gegend die Zellhaufen des Nucleus sympathicus aus dem Ge-
wirr der anderen gleichsam herauszuschälen.
Wenn man nun den Nucleus sympathicus inferior von S. 2 ab-
wärts verfolgt, so findet man auch bei ihm, ähnlich wie bei dem oberen
Kern, zwei Abteilungen. Die eine Abteilung liegt mehr außen am Rande
der grauen Substanz, die andere mehr im Innern der grauen Substanz. Man
kann sie deshalb als Nucleus sympathicus sacralis externus und
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 43
internus bezeichnen. Beide Abteilungen gehen natürlich wiederholt in-
einander über. Die äußere Abteilung liegt direkt am Winkel zwischen
Vorder- und Hinterhom und zieht sich auch hier mit einem kurzen Schenkel
am dorsalen Vorderhornrande und, wenigstens im Sakralgebiet, am äußeren
Hinterhornrande hin. Hier ragt sie auch teilweise in den Processus reti-
cularis hinein. Die innere Abteilung liegt ungefähr in der Mitte zwischen
dem vielfach genannten Winkel und der vorderen Kommissur. Diese innere
Abteilung ist in ihrer Stärke sehr wechselnd, bald sehr klein, bald wiederum
recht ansehnlich und dann von ziemlich kreisförmiger Konfiguration. In
einzelnen Schnitten kann man auch Spaltungen des Kerns in noch meh-
rere kleinere Abteilungen sehen. Sind 'alle Abteilungen verschmolzen und
der Kern gut ausgeprägt, wie es auf Schnitten am unteren Ende von S. 3
und im oberen Teil von S. 4 zu sehen ist, so bildet der Nucleus sym-
pathicus sacralis entweder ein großes Dreieck, dessen Basis auf den beiden
Schenkeln des Winkels zwischen Vorder- und Hinterhom ruht, und dessen
Spitze weit im Innern der grauen Substanz der weißen Kommissur zu-
gerichtet ist, oder aber der Kern zieht sich etwas schmaler, bandartig vom
genannten Winkel in das Innere der grauen Substanz hinein. Im proxi-
malen Teil von S. 4, wo die laterale Zone des Vorderhoms von den großen
motorischen Zellen frei geworden ist, bereitet sich die Verschmelzung
dieses Nucleus sympathicus lateralis inferior mit dem Nucleus sympathicus
medialis inferior zu einer Gesamtfoimation vor. Darüber s. weiter unten.
0) Nucleus sympathicus medialis inferior seu lombo-sacralis.
Dieser mächtige Kern als solcher fiel mir gleich bei der ersten Durch-
sicht meiner Serie auf, aber seine Identität mit dem sympathischen Kern-
gebiet wurde erst bei der zweiten Durchsicht erkannt.
Dieser Kern bzw. diese Zellsäule beginnt in L. 4 deutlich hervorzu-
treten und reicht von hier abwärts bis ins Steißmark. Im unteren Sakral-
mark und im Steißmark ist er mit dem Nucleus sympathicus lateralis in-
ferior zu einem mächtigen gemeinsamen Gebiet verschmolzen.
In L. 4 treten am medialen Rande von der Kommissurgegend bis zum
medio-ventralen Winkel kleinere Gruppen oder einzelne Zellen auf, die
denjenigen der übrigen sympathischen Kerne außerordentlich ähnlich sehen.
Es kann wohl von einer näheren Beschreibung der Zellformen abgesehen
werden, da ich schon vorher Gesagtes nur wiederholen könnte.
44 L. J A c o B s o H N :
In L. 5 setzt sich diese Zellformation fort, ist aber noch weit stärker
als in L. 4. Auch hier wieder die gleichen Zellformen und Haufenbildungen
wie in den anderen sympathischen Kemgebieten des Rückenmarks.
In S. 1 erscheint der Kern etwas kleiner; meistens bietet er sich
in Ansammlungen von kleinen Haufen der charakteristischen Zellen dar.
Hier wie in den früheren Segmenten wechselt seine Größe in den auf-
einanderfolgenden Schnitten recht oft; es kommen auch vollkommene
Unterbrechungen vor.
In S. 2 ist der Nucleus sympathicus medialis inferior wieder etwas
stärker. Es finden sich hier einzelne Gruppen am medialen wie ventralen
Rande des Vorderhoms und ebenso auch etwas lockere Haufen. Am di-
stalen Ende von S. 2 treten reichlich kleine Haufen auf, die wie ein Kranz
am ganzen medialen und ventralen Vorderhomrande gelagert sind. Sie
schließen sich am ventralen Rande dem latero-ventralen motorischen Kern
dicht an, eventuell, da er hier im Verschwinden ist, setzen sie sicli an dessen
Stelle. Außer den in kleinen Haufen gelagerten Zellen sind hier auch
viele etwas lockerer liegende vorhanden.
In S. 3 ist der Nucleus sympathicus medialis inferior in vielen
einzelnen Gi-uppen am medialen und ventralen Rande vorhanden. Diese
Gruppen dehnen sich mit dem Verschwinden der motorischen Kemgruppen
am ventralen Rande immer weiter nach lateral aus, und in wenigen
Schnitten hatte es schon hier den Anschein, als ob schließlich der mediale
sympathische Kemzug mit dem lateralen vorher beschriebenen zusammen-
fließt. Die Zellen des Kerns sind vielleicht ein wenig größer als die-
jenigen der analogen Formation im Dorsalmark; sie sind rundlich oder ab-
gestutzt polygonal oder keulenföi-mig. Sie liegen in vielen kleinen Gruppen
zusammen. Von diesen ist besonders eine am ventralen Vorderhomrande
zwischen dem medialen und lateralen motorischen Zellkomplex wegen ihrer
Größe recht bemerkenswert. Auch viele etwas lockere Zellen vom Typus
der sympathischen liegen im ganzen Bereich.
In S. 4 sind kleinere und stärkere Gruppen des Nucleus sympathicus
medialis inferior am ganzen peripherischen Saum des Vorderhoms gelagert
und gehen ohne Unterbrechung am Winkel zwischen Vorder- und Hinter-
hom in den Nucleus sympathicus lateralis inferior über. Die Zellen liegen
in Haufen oder lockerer. In dieser lockeren Lagerung sind sie nunmehr
über das ganze Vorderhomareal ausgebreitet. Nur die. direkte Gegend der
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 45
vordem Kommissur ist frei von ihnen. In S. 4 ist meiner Ansicht nach
das ganze Gebiet des Vorderhoms und der Zwischenzone der grauen Sub-
stanz, mit Ausnahme von vorderer und hinterer Kommissur, und femer
die Grenzzone des Hinterhorns zum Seitenstrang ein zentrales Gebiet des
Sympathicus.
In S. 5 vermindern sich die Gruppen und auch die einzelnen zum
sympathischen System gehörenden Zellen ganz erheblich. Am lateralen
Rande des Vorderhoms und am Winkel zum Hinterhorn trifft man kleinere
Gruppen noch am konstantesten. Diejenige am bezeichneten Winkel geht
noch bis ins Coccygealtnark, vielleicht auch noch einzelne lockere Zellen
der ursprünglich medialen Abteilung.
Ich habe dieser Beschreibung nichts weiter hinzuzufügen, als daß diese
Gruppen bzw. lockeren Zellen des Nucleus sympathicus medialis inferior
sich in den höheren Segmenten gleichsam zwischen andere in der gleichen
Zone liegende motorische Kerne und kleinere Zellen zwischendrängen, so
daß ein etwas buntes Bild entsteht, dessen Entzifferung zunächst nicht ganz
leicht ist. Hat man sich aber erst einmal von der Identität dieser hier
gelegenen sympathischen Zellen und Gruppen überzeugt, dann fällt die
weitere Verfolgung derselben nicht schwer. Ebenso wie die Grundsubstanz
des Nucleus sympathicus comu lateralis auf Pal-Weigert-Präparaten ein
der Substantia gelatinosa Rolando ähnliches Aussehen zeigt, so tut es auch
die Grundsubstanz der untern Kerne; besonders an dem unteren lateralen
Kern tritt dies sehr deutlich hervor, während es bei dem medialen nur
an denjenigen Stellen am medio-ventralen Rande zu sehen ist, wo sich viele
Zellen zu einem größeren dichten Haufen zusammengelagert haben.
Literatur. Auch die Nuclei sympathici sind schon Gegenstand viel-
facher Untersuchung gewesen; allerdings hauptsächlich wurde die ent-
sprechende Z^Uformation des Seitenhorns erforscht; der Nucleus sympathicus
lateralis inferior wird nur von wenigen Autoren mit dem Sympathicus in
Beziehung gebracht, den Nucleus medialis inferior scheint vor mir noch
keiner als solchen erkannt zu haben. Zuerst finden sich die Zellgruppen
des Seitenhorns als besondere Gruppen bei Stilling (a. a. 0.) und bei
Lockhart Clarke' hervorgehoben. Stilling sagt: Vom achten Zervikal-
* J. Lock hart Clarke, Further Researches on the Grey Substance of the Spinal
cord. Philoso])h. Transactions of the Royal Society of London. Vol. 14Q. 1859.
46 L. Jacobsohn:
Segment bestehe hier eine neue Gruppe von Nervenzellen an der hinteren
seitlichen Grenze des Vorderhoms. Diese Gruppe vergrößere sich in D. i
und vermindere sich von D. 5 abwärts. In D. 1 2 seien kaum noch Spuren
vom Seitenhorn zu sehen.
L. Clark e hatte schon 1851 diese Zellsäule in der Mitte zwischen
Vorder- und Hinterhom beo])achtet. Diese Zellsäule wurde von ihm 1859
als »Intermedio-Lateral tract« bezeichnet. Clarke erwähnt das trans-
parente Aussehen dieser Zellsäule und ihre Ähnlicheit mit der Substantia
gelatinosa des Hinterhoms. Er fand die Gruppe vom oberen Lendenmark
bis zum untern Zervikalmark und ferner auch im oberen Zervikalmark, wo
wieder ein Seitenhorn auftrete, und von liier aufwärts bis zur Medulla
oblongata. Die Zellen des Kerns beschreibt er als spindelförmig, bim-
förmig oder dreieckig. Im oberen Dorsalmark sei der Intermedial tract stärker
als im unteren.
Eine sehr eingehende Beschreibung dieser Zellsäule hat dann Wal-
deyer (a. a. 0.) gegeben. Er sagt: Das Eigentümliche dieser Zellen liegt
sowohl in ihrer Gestalt wie auch in ihrer Anordnung. Dieselben erscheinen
nämlich vielfach nicht so körperlich wie die übrigen Ganglienzellen, son-
dern wie bandartig abgeplattet und nach zwei entgegengesetzten Rich-
tungen vorzugsweise entwickelt, welches ihnen eine annähernd spindel-
förmige Gestalt verleiht. Bezüglich ihrer Anordnung sagt Waldeyer, daß
sie gewöhnlich dicht zusammengedrängt liegen. Selbst wenn keine größere
Zahl dieser Zellen vorhanden ist, liegen sie häufig zu zweien, dreien oder
vieren nahe beisammen ; zwischen diesen einzelnen kleinen Gruppen können
dann allerdings gi'ößere Zwischenräume vorhanden sein. Jedenfalls bilden
diese Zellen stets eine besondere Formation im Rückenmark. Waldeyer
ist der Ansicht, daß diese Zellen im ganzen Rückenmark vertreten sind,
am zahlreichsten allerdings im Brustmark. Im Halsmark und im Lenden-
mark fanden sie sich in demjenigen Abschnitt der grauen Substanz, welcher
dem Processus reticularis als Basis dient, und im Processus reticularis selbst.
Sherrington (Journ. of Physiol. 1892) hält es für sehr unsicher, ob
die Zellen des Processus reticularis mit den Zellen des Tractus intermedio-
lateralis identisch sind. Er fand diesen Trakt vom achten Zervikalsegment
bis zum dritten Lumbaisegment.
Ainsle Hollis hatte schon 1883 (Journ. of Anat. and Physiol.) die
Anordnung der Zellen des Intermedio-Lateral tract in kleinen Haufen be-
Vber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 47
obachtet und hatte im mittleren Dorsalmark zwei nebeneinander liegende
Gruppen festgestellt.
Die Arbeit von A. Bruce \ die mir zuging, als meine Untersuchungen
schon beendet waren, stellt wohl die ausfiihrlichste Arbeit dar, die bisher
über den Intennedio-Latend tract von Clarke erschienen ist. Bruce meint,
daß der Intennedio-Lateral tract in drei Abschnitten des Rückenmarks vor-
kommt, I. in der oberen Zervikalregion, oberhalb von C. 4, 2. im unteren
Halsmark, im Dorsalmark und im oberen Lendenmark und 3. in der unteren
Sakralregion. Der Autor gibt in seiner Arbeit nur eine Beschreibung des
"imter 2 genannten Abschnitts. Die Zellen dieser Abteilung liegen beson-
ders an zwei Stellen: a) im eigentlichen Seitenhom oder, wo ein Seiten-
horn nicht ausgebildet ist, an analogen Stellen, und b) am Rande der
grauen Substanz, welche unmittelbar an die Formatio reticularis angrenzt,
und in den Balken dieser Formation selbst. Diese beiden Abteilungen be-
zeichnet er als »apikale und retikuläre Zellen«. Die retikuläi*en Zellen
beginnen etwas weiter kaudalwärts als die apikalen. Beide Abteilungen
sind aber nicht ständig getrennt, sondern gehen wiederholentlich ineinander
über. Bruce ist der Ansicht, daß das Seitenhorn nicht aus dem seitlichen
Teil des Vorderhoms entsteht, sondern daß es eine neue, selbständige For-
mation bildet. Die Zellen des Intennedio-Lateral ti'act sollen bezüglich
ihrer Größe zwischen 1 2 fi und 60 fi schwanken. Die Zahl der Zellen
einer Seite beträgt nach Zählungen des Autors über 88500. Die Zellen
liegen in Gruppen und Haufen, die beiderseits nicht symmetrisch angeordnet
sind. Die Zellen sollen vielfach hinsichtlich ihrer Zahl und Form variieren.
Bruce glaubt, daß die Gruppenbildungen für jedes Segment charakteristisch
wären. Die Gruppen hätten eine segmentale Anordnung, sie schwellen
langsam an und ab; diese Anordnung entspreche wahrscheinlich ihrer
Funktion.
Erwähnt darf vielleicht noch werden, daß Langley (The Autonomie
Nervous System. Brain 1903) außer dem Mittelhim- und Bulbäranteil noch
einen thorakalen und einen sakralen Ursprungsbezirk der sympatliisclien
Nervenfasern annimmt. Der erstere umfaßt das erste Thorakal- bis dritte
Lumbalsegment, der letztere das zweite bis vierte Sakralsegment.
^ Alexander Bruce, Distribution of the cells in the Intermedio-Lateral tract of the
Spinal cord. Transactions of the Royal Society of Edinburgh. 1906.
48 L. J A c o B s o H N :
Was den Sakralteil des sympathischen Systems anbetrifft, so
ist wohl W aide y er (a.a.O.) der erste gewesen, welcher in dem großen
Zellkomplex, der hier an der Grenze zwischen Vorder- und Hinterborn
gelegen ist, eine ziemlich zahlreich bevölkerte Gruppe sah, die er, aller-
dings mit Vorbehalt, als homolog den Seitenhomzellen bezeichnet. Von
neueren Autoren scheint nur Onuf (a. a. 0.) den Zellcharakter der Sakral-
region differenziert zu haben. In dem Referat über seine Arbeit heißt es:
Vom zweiten Sakralsegment abwärts treten zwischen Vorder- und Hiiiter-
horn viele Zellen auf, welche nicht den Charakter der Vorderhomzellen
zeigen, teils zerstreut, teils in drei Gruppen, und zwar einer zentralen
sowie je einer dorsalen und ventralen lateralen, welche als Repräsentanten
der Zellen des (hier nicht als Seitenhorn auftretenden) Tractus intermedio-
lateralis betrachtet werden. Auch von anderen Autoren, z. B. R. S. Müller,
ist dieser Zellkomplex im Sakralmark eingehend beschrieben worden, aber
eine Deutung desselben nach ihrem Zellcharakter finde ich sonst nicht,
Über den Nucleus sympathicus medialis inferior s. lumbo-sacralis finde ich
in der Literatur nichts Bestimmtes ausgesagt; nur Onuf erwähnt in S. 2
und S. 3 eine Zellgruppe X am ventralen Vorderhornrande, deren Zellen
zwar auch multipolar sind, aber von'* kleinerer Gestalt und dichterer
Lagerung (vgl. hierzu S. 55—57)-
3. Nuclei magnocellnlares comu posterioris.
Unter diesem Namen fasse ich diejenigen Zellgruppen oder vereinzelten
Zellen des Hinterhoms zusammen, die sich durch eine ansehnliche Größe und
dunklere Färbung gegenüber der Mehrzahl der Hinterhornzellen herausheben.
Die Zellen der Nuclei magnocellnlares haben nicht alle die gleiche
Größe; es kommen sogar recht erhebliche Unterschiede darin vor, aber sie
haben das Gemeinsame, daß sie sich durch ihre Größe aus der Umgebung
scharf abheben und dadurch auffallen.
Diese Nuclei magnocellnlares teile ich nach der Region des Hinter-
homs, in welcher sie liegen, ein in:
a) Nucleus magnocellularis basalis s. spino-cerebellaris,
b) Nucleus magnocellularis centralis,
\ XT 1 n 1 1 • T i 8^) apicalis.
c) Nucleus magnocellularis pericornualis { ' ^
( b) reticularis.
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 49
a) Nucleus magnocellularis basalis s. spino-cerebellaris.
Dieser Kern umfaßt diejenige Zellgruppe an der Basis des Hinter-
liorns, welche von Stilling als Dorsalkern und nach Clarke als Zell-
gruppe der Clarkeschen Säule bekannt ist. Der Name Nucleus (magno-
cellularis) spino-cerebellaris entspricht der Bezeichnung des Fasersystems,
welches von diesen Zellen zum Kleinhirn fuhrt, welche Fasern zuerst Laura
beim Kalbe gesehen hat (zit. nach Waldeyer). Dieser Keiii beginnt in
C. 8 konstant zu werden. Er bildet dann im ganzen Dorsalmark und im
oberen Lendenmark, man kann sagen, die bestbegrenzte und konstanteste
großzellige Zellgruppe ; er ist am Übergang zwischen Hals- und Brustmark
sehr klein, nimmt dann in den folgenden Segmenten allmählich etwas an
Umfang zu, erreicht in D. 1 2 seinen größten Umfang, ist auch noch in L. i
recht stattlich, nimmt dann aber in L. 2 beträchtlich an Zahl der Zellen ab,
so daß er in diesem Segment oftmals ein Nest von 2 bis 3 Zellen darstellt.
Er zeigt auch in L. 3, wenn auch häufig nur aus i — 2 Zellen bestehend,
eine gewisse Konstanz, um sich dann nach kaudal zu allmählich zu ver-
lieren.
Da er sich in den ebengenannten Rückenmarkssegmenten so scharf
hervorhebt, und zwar durch die Art und Größe seiner Zellen, durch seine
scharfe Umgrenzung und durch seine ständige Lage im medialen Gebiet
der Hinterhombasis bzw. angrenzenden Gebiet des Confluens comuum, so
sei hier von einer eingehenden Schilderung abgesehen und auf die Figuren
C. 8 — L. 3 verwiesen. Nur einzelne Besonderheiten möchte ich herausheben.
Die Zellen des Kerns, welche auf dem Querschnitt in der Mehrzahl
eine traubenfbrmige Gestalt haben, zeigen eine etwas homogenere Struktur,
verglichen mit den großen multipolaren Zellen des Vorderhoms, denen sie
an Größe recht oft, besonders in den kaudaleren Abschnitten des Rücken-
marks, ziemlich nahe kommen. Die Zellen sind sehr pigmentreich; sie
liegen gewöhnlich in einer gut xmigrenzten kreisförmigen oder ovoiden
Gruppe zusammen, doch kommen Abspaltungen kleinerer Abteilungen nach
vom und besonders nach hinten zu vor. Diese Abspaltungen sind im
unteren Dorsal- und oberen Lendenmark häufiger. Dort, wo der Kern
klein ist, liegt er fast in der Mitte der Hinterhombasis, bald ein wenig
mehr ventral, bald etwas weiter dorsal zu. In denjenigen Segmenten, in
welchen der Kern beträchtlich groß ist, liegt er dem seitlichen Teil der
Pht/s.-math. Classe. 19m, Anhang. Abh. L 7
50 L. Jacobsohn:
Hinterstrangskuppe direkt an und wölbt den medialen Rand des Hinter-
homs in diese Kuppe aus. In einer Anzahl von Schnitten von D. 1 2 und
L. I war ein Teil der Zellen dieses Kerns aus der grauen Substanz in den
Hinterstrang ausgetreten. Dieser ausgetretene Teil lag entweder als ein
kleiner Kern dem Stammteil dicht an (D. 12), oder aber es wai'en vereinzelte
Zellen eine beträchtliche Strecke in den Hinterstrang ausgelaufen (L. i ). Immer
aber lagen diese Zellen nicht einfach frei in der weißen Substanz, sondern,
wie es in L. i angedeutet ist, auf, wenn auch noch so schmalen, Streifen
grauer Substanz. Die Zellen des Kerns liegen wie in einem Neste. Dies
rührt daher, daß die Gliakerne in seinem Bezirk außerordentlich zahlreich
sind, während rings um ihn eine schmale, an Gliakernen arme Zone herum-
liegt. Oftmals wird er an seiner dorsalen Hälfte von ganz kleinen strich-
artigen Zellen wie eingekreist. Der Umfang des Kerns kann auf den ein-
zelnen Schnitten, besonders in den oberen Dorsalsegmenten, recht schwankend
sein ; mitunter ist er im oberen Teil eines Segmentes klein, während er im
unteren anschwillt. In den Regionen von C. 8 bis L. i kommen nie größere
Unterbrechungen vor. Während er im ersten Dorsalsegment eine kleine
Gi-uppe von 3 bis 4 Zellen bildet, ist er in der Mitte des Brustmarks schon
zu einer solchen von 10 bis 1 5 angewachsen, und in D. 12, wo er am stärksten
ist, enthält er 20 Zellen und mehr. Er ist häufig von kleinen Zellen jim-
geben, die ihn oft wie Satelliten umkreisen. Die Größe der Zellen des
Kerns nimmt nach kaudal an Umfang erheblich zu.
Ich möchte dann noch ein paar Worte über das Vorkommen des Kerns
im Zervikal- und Lumbosakralmark hinzufiigen. In der Mehrzahl der Zer-
vikalsegmente findet man gelegentlich auf einzelnen Schnitten in der Basis
des Hinterhoms oder ein wenig weiter ventral eine oder zwei Zellen, welche
in ihrer Größe und Form den Zellen des genannten Kerns gleichen. In
G.3 scheint er etwas konstanter zu sein. Ich sage mit Absicht »scheint«;
denn die Zellgruppe, welche hier ungefähr in der genannten Gegend liegt,
tritt durch zwei Zelltypen hervor. Der eine Typus wird von Zellen mittlerer
Größe gebildet, und diese Zellen haben eine rundliche ballonartige Gestalt;
sie waren auch schon zeitweilig in dieser Gegend von C. i und C. 2 zu sehen
und gleichen den Zellen der Hinterstrangskerne, nur daß sie vielleicht ein
wenig größer sind. Sie finden sich hier in C. 3 öfters in der Zahl von
2 bis 4. Außer diesen Zellen enthält die genannte Gruppe in C. 3 recht oft
einzelne Zellen, welche an Größe und Form den multipolaren Zellen des
Tiber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 51
Vorderhoms nahekommen. Es ist nun recht schwer, zu entscheiden, ob
der eine oder andere Typus demjenigen des Kerns in den unteren Rücken-
markssegmenten entspricht; ich möchte mich eher för die zuletzt genannten
Zellen entscheiden. Von L. 4 ab verliert der Kern seine Konstanz. Schon
in der obem Lumbairegion liatten sich öfters einzelne Zellen bis in den
Hals des Hinterhorns abgesi)littert. Jetzt trifl't man die vereinzelten Zellen
mehrfach in dieser Gegend. Sie vermengen sich hier mit anderen großen
Zellen, die in den unteren Rückenmarkssegmenten recht zahlreich im Zentrum
des Hinterhorns liegen. Aus diesem Grunde ist es unmöglich, die untere
Grenze der Kemsäule genau anzugeben.
Der eben beschriebene Nucleus magnocellularis basalis cornu
posterioris, s. Nucleus spino-cerebellaris ist zuerst von B. Stilling
(a.a.O.) eingehend beschrieben worden. Er bezeichnete ihn seiner Lage wegen
als Dorsalkern. Er konnte ihn vom oberen Halsmark (C. 3, Zervikalkem)
bis zum dritten Lumbaisegment (Lumbaikern) verfolgen. Stilling erwähnt
auch seine fortschreitende Vergrößerung nach unten bis zum elften Dorsal-
segment, wo er ihn auffallend entwickelt fand. Er läßt ihn in L. 3 enden.
L. Glarke sagt in seiner ausführlichen Mitteilung (1859), daß die
innere oder mediane Hälft^e des Cervix cornu posterioris von einer deut-
lichen Längssäule von Zellen besetzt sei» welche in der Dorsalregion nahezu
zylindrisch oder oval ist. Diese Säule hatte er schon früher als »Posterior
vesicular columns« bezeichnet. Die Zellen dieser Kerngruppe beschreibt
er als oval oder birnförmig, spindel- oder sternförmig; sie differieren sehr
in ihrer Größe. Im Längsschnitt erscheinen sie fast alle spindelförmig.
Oben soll diese Säule in der Mitte der Halsanschwellung verschwinden,
in 0. 3 aber eine ähnliche Formation erscheinen, die bis C. i zu verfolgen
ist. Im Lendenmark sei die Säule nicht mehr so scharf umschrieben.
Schroeder van der Kolk^ erwähnt diese Zellgnippe auch, er glaubt,
daß sie in Verbindung mit der hinteren Kommissur steht.
Auch Fr. Mott^ hat die Clarkeschen Säulen genau beschrieben und
die des Menschen mit denen beim Hunde und bei Cebus verglichen.
^ Schroeder van der Kolk, Bau und Funktionen der Medulla spinalis und oblon-
gata und nächste Ursache und rationelle Behandlung der Epilepsie. Aus dem Holländischen
übersetzt von Fr. W. Th eile, Braunschweig 1859.
* Fred er ich Mott, Microscopical exainination of Clarke's colnmn in man, the
monkey and the dog. The Journ. of Anat. and Pliysiology. Vol. 22, 1888.
52 L. Ja cobsohn:
Waldeyer (a.a.O.) bemerkt, daß die Stillingschen Zellen nur im-
Dorsal- und oberen Lendenmark eine größere Gruppe bilden, daß sie aber in der
ganzen Länge des Rückenmarks vertreten wären. Im oberen Halsmark sähe
man fast auf jedem Querschnitt i — 3 dieser Zellen, im untersten Lenden-
mark und im oberen Sakralmark wären sie wieder vereinzelt. Im mittleren
und unteren Sakralmark bilden sie wieder einen größeren, gut abgegrenzten
Kern, der sich bis zum Steißnervengebiete erhält. Unter den Zellen des
Kerns wären viele multipolare.
Die weitere Forschung hat sich weniger mit der Gruppenbildung dieser
Zellen als mit dem Verlauf der mit diesen Zellen in Verbindung stehen-
den Fasern (Hinterwurzelfasern, Kleinhirnseitenstrangbahn) beschäftigt, wobei
natürlich auch die Kerngruppe selbst noch eingehende Beschreibung fand.
b) Nucleus magnocellularis centralis comu posterioris.
Die Zellen, welche ich in dieser Abteilung zusammenfasse, sind in
allen Kückenmarkssegmenten zu sehen. Sie liegen in demjenigen Teil des
Hinterhorns, welcher sich zwischen Basis und Substantia gelatinosa be-
findet, also im sogenannten Cervix und Caput comu posterioris. Die Zellen
sind entweder von etwas mehr als mittlerer Größe und dann sehr oft
spindelftJrmig und mit der Längsachse sagittal gestellt, oder sie erreichen
die Größe der multipolaren Vorderhornzellen und zeigen dann auch eine
breitere Form mit vielen Fortsätzen. Beide Arten sind in Nißl sehen
Präparaten tiefblau gefärbt und heben sich scharf aus der Umgebung ab.
Während sie im Halsmark wechselnd in der Zahl sind, ohne gerade zahl-
reich zu sein, und im Dorsalmark recht spärlich sind, nehmen sie im
Lumbosakralmark erheblich an Zahl zu, so daß sie hier einen wirklichen
Kern bilden.
Im Zervikalmark liegen sie entweder reihenfBrmig in sagittaler
Richtung im Zentralgebiet des Hinterhorns, oder aber sie bilden mitunter
eine Art Perlenkette nahe am inneren Rande der Substantia gelatinosa.
Im Dorsal mark zeigen sie ein ähnliches Verhalten. Dabei sind sie
bald mehr dem lateralen, bald mehr dem medialen Rande des Hinterhorns
genähert. Im unteren Dorsalmark und im oberen Lendenmark spalten sich,
wie vorher erwähnt wurde, zuweilen einzelne Zellen vom Nucleus magno-
cellularis basalis ab und verlieren sich etwas im Cervix. Dasselbe trifft
zu in noch weiter kaudalen Segmenten, wo ein geschlossener Nucleus spino-
Tiber die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 53
cerbellaris nicht mehr vorhanden ist. Gewöhnlich gelingt es doch, beide
Zellarten voneinander zu trennen, indem diejenigen der basalen Abteilungen
mehr traubenförmige Gestalt haben, auch etwas homogener im Innern aus-
sehen, während die Zellen der zentralen Abteilung spindelförmig von lang-
gestreckter schmaler Form oder stark i)olygonal sind. Ich glaube deshall)
aucli niclit, daß die zentrale Abteilung nur eine Fortsetzung der l)asalen
ist, sondern daß sie eine selbständige Gruppe darstellt.
Diese zentrale Abteilung nimmt nun vom oberen Lenden mark an Zalil
der Zellen beträchtlich zu und bildet hier einen wirklichen Kern. Natürlicli
wecliselt die Zahl der Zellen auf den einzelnen Schnitten fortdauernd. Man
trifft Schnitte, wo man eventuell gai* keine solche Zelle wahrnehmen kaim,
und anderseits solclie, wo 5 — 6 große Zellen in dieser Gegend liegen.
Im oberen und mittleren Sakralmark wird diese Grupi)e noch
größer und umfaßt mit der Verbreiterung und Vergrößerung des (üaput
cornu posterioris auch ein größeres Gebiet.
Im unteren Sakral mark ist die Zahl der Zellen wieder geringer,
um weiter abwärts nur durch einzelne Zellen repräsentiert zu werden.
Zu welchem Fasersystem diese bellen Bezieliungen haben, ist zur Zeit
noch unbekannt.
Diese großen Zellen des Zentralteils des Hinterhorns sind von ver-
schiedenen Autoren, Stilling, Schroeder van der Kolk, (Uarke,
Koelliker (Handbuch der Gewebelehre), Waldeycr, Ziehen u.a. gesehen
und erwähnt worden. Speziell erwälmt Waldeyer im Sakralmark eine
hinter den Stillingschen Kernen gelegene Grupj^e von großen und blassen
Zellen. Ziehen sagt bezüglich dieser Zellen: »Die größten Zellen des
Hinterhomkoi)fes schließen sich unmittelbar an die laterale Zellgrui)pe des
Zwischenteils an und lassen sich, spärlicher werdend, bis an den hinter-
sten Rand des Hinterhomkopfes verfolgen.«
c) Nucleus magnocellularis pericomualis.
Um diese Zellschicht zu verstehen, ist es vielleicht angebracht, ebenso
wie es bei Beschreibung des Nucleus sympathicus cornu lateralis geschah,
zuerst Präparate, die nach Weigert- Pal gefärbt siqd, zu betrachten. Auf
solchen Schnitten sieht man, daß der dorsale Teil des Hinterhorns, welcher
zwischen Cervix und der Lissauer-Waldeyerschen Randzone gelegen
ist, aus drei Abschnitten l)esteht, von denen der immer weiter dorsal be-
54 L. Jacobsohn:
findliche den ventral vor ihm liegenden bogenförmig umgibt. Bedarf es
bei der Substantia gelatinosa Rolando nur eines Blickes, um zu sehen,
daß sie den Kern des Hinterhorns schalenartig einfaßt, so kann man dies
Verhalten bei der sogenannten Hinterhornspitze gegenüber der Substantia
gelatinosa erst bei schärferem Zusehen erkennen. Noch verhältnismäßig
leicht ist dies im unteren Teil des Rückenmarks zu sehen. Hier existiert
keine eigentliche Hinterhornspitze, sondern die dorsalste Zone des kolbig
verdickten Hinterhorns legt sich als schmaler Saum halbkreisförmig um
die Substantia gelatinosa herum. Im Hals- und oberen Lendenmark und
noch mehr im Dorsalmark ziehen sich die drei eben genannten Abteilungen
des Hinterhorns nach dorsal stark aus, wobei natürlich die äußerste Schicht
die stärkste Zuspitzung erfahren muß. Indessen erkennt man eben bei
genauerer Betrachtung dieser Spitze, daß sie beim Ansatz an die Substantia
gelatinosa sich gabelartig teilt und mit diesen beiden, wenn auch recht
schmalen Gabeln die Rolandosche Substanz einfaßt. Diese beiden Schenkel
der Gabel sind im Zervikalmark und im Lendenmark etwas breiter als im
Dorsalmark und gewinnen im Sakralmark ihre Hauptstärke, insofern dort
die Spitze durch die Abrundung de* Hinterhorns sich nivelliert und die
sonst in der Spitze gelegene Substanz gleichsam in die beiden Schenkel
der Gabel überfließt. Zu erwähnen ist dann noch, daß der äußere Schenkel
der Gabel sich im Processus reticularis des llinterhorns verliert.
Diese äußerste Schicht nun, welche um die Substantia gelatinosa Ro-
lando herum liegt und lateral in den Processus reticularis übergeht, ist der
Träger von einzelnen verschieden großen Nervenzellen. Es sind also nicht
diejenigen Zellen dieser Schicht gemeint, die sich als Absprengungen der
Substantia gelatinosa finden, sondern es liegen Elemente in dieser Schicht,
die durch ihre Form und Größe und auch durch ihre Besonderheit, daß sie
vielfach vereinzelt reihenartig liegen, hervortreten. Waldeyer nannte sie sehr
zutreffend »Marginalzellen«. Die hier liegenden Zellen sind von zwei-
facher Größe, entweder sie haben die Größe der sogenannten Mittelzellen,
oder es sind recht bedeutende Elemente, die in einzelnen Fällen den großen
multipolaren Zellen recht nahe kommen können. Zwischen diesen beiden For-
men existieren natürlich Übergänge. Vielfach sind sie bipolar langgestreckt,
wobei sie sich oft besonders im unteren Teil des Rückenmarks der Peripherie
der Substantia gelatinosa anschmiegen. Während sich nun diese Zellen in
den beiden Schenkeln der Gabel, besonders dem inneren, vereinzelt finden
über die Kerne des vienschlichen Riickemnarks. 55
(mit Ausnahme des unteren Sakralgebiets), sind sie oftmals in der Spitze
oder in dem der Spitze analogen Teil des peripherischen Hinterhornsamns
zu einer kleinen Gruppe vereinigt. Diese letztere Gruppe kann man daher
als Spitzengruppe Nucleus magnocellularis apicalis cornu poste-
rioris bezeichnen. Sie tritt, je weiter man die Segmente des Rücken-
marks abwärts verfolgt, um so deutlicher hervor. Sie ist im Lumbaimark
recht markant, es finden sich hier Ansammlungen von größeren Zellen in
der Zahl von 4 bis 8, die außerdem durch ihre dunkle Farbe auf dem
hellen Untergrunde sich plastisch herausheben und oft dicht zusammen-
liegen. Aber auch in solchen Präparaten sind die Zellen nicht ganz auf
die llinterhornspitze beschränkt, sondern verlieren sich einzeln in den
beiden Schenkeln der Außenschicht, vornehmlich in dem äußeren Schenkel,
wo sie dann von analogen Zellen der Substantia reticularis des Hinter-
horns nicht zu trennen sind. Mehrfach findet man auch, daß die Spitze
des Hinterhoms von solchen Zellen vollkommen frei ist, und daß sie nur im
Außenschenkel bzw. in der Substantia reticularis des Hinterhoms liegen.
In solchen Fällen kann man von einem Nucleus magnocellularis
reticularis cornu posterioris sprechen. In der Mehrzahl der Fälle
kommen sie aber in beiden Schenkeln oder bald in einem, bald in dem ande-
ren vor, weshalb die Bezeichnung »pericomualis« wohl mehr angebracht ist.
Besonders im Sakralteii ist dies der Fall, wo wie erwähnt, keine
eigentliche Hinterhomspitze existiert, sondern eine gleichmäßig schmale
Außenschicht. Hatten diese Zellen schon im Lumbaiteil zugenommen, so ist
das noch in stärkerem Maße im Sakralmark der Fall, wo man sie nicht
selten in der Zahl von 6 — 10 antreflfen kann. Zunächst in S. i über-
wiegen noch die Zellen des ursprünglichen Spitzenteils gegenüber den-
jenigen der äußeren retikulären Randzone des Hinterhoms, dann aber von
S. 2 — S. 4 ist das Verhältnis umgekehrt.
Hier in S. 2 — S. 4 liegen in dieser Randzone ungemein viele Zellen
von stattlicher Größe, die polygonale, aber meist etwas in sagittaler Rich-
tung gestreckte Form haben, die außerordentlich dunkel gefärbt sind und
die sich von dieser Außenschicht des Hinterhoms nach dem Winkel zum
Vorderhom ergießen. Diese ganze Zellformation bildet hier einen spitzen
Keü, dessen schmale Basis dem genannten Winkel aufliegt. An diesem
Winkel stößt nun die genannte Zellformation mit dem vorher geschilderten
Nucleus sympathicus lateralis inferior s. sacralis zusammen und überflutet
5G L. Jacobsoiin:
ihn in der Weise, daß sich ihre Zellen auch ins Innere der grauen Sub-
stanz hinein ergießen. Beide Zellarten imponieren zunächst als ein ge-
meinsamer Kern. Indessen die Zellen der retikulären Schicht des Hinter-
horns zeichnen sich vielfach durch besondere Größe, durch ihre oft langen
Fortsätze vor den Zellen des sympathischen Kerns aus, so daß ich sie
beide nicht fiir gleich halte, wenn ich auch glaube, daß sie wahrscheinlich
in naher Beziehung zueinander stehen. Schließlich sei noch erwähnt, daß
der vorher beschriebene großzellige Zentralkem des Hinterhorns mit
seinen Zellen oftmals so nahe an die laterale Außenschicht des Horns
herankommt, daß ein fließender Übergang zwischen ihm und den Zellen
der retikulären Substanz eintreten kann.
Diese eben geschilderten Zellen der Außenschicht des Hinterhorns
sind wohl zuerst von Wald ey er (a.a.O.) eingehend beschrieben worden,
der ihnen, wie erwähnt, den Namen »Marginalzellen« beilegte. Wenn
ich einen anderen Namen gewählt habe, so geschah es nur, weil mir die
Zusammenfassung sämtlicher großen Zellen des Hinterhorns unter einem ge-
meinsamen Namen und die Einteilung derselben nach bestimmten Regionen
zweckmäßiger erschien. Daß zwischen den Zellen dieser Regionen auch ge-
legentlich durch einzelne Zellen gleichsam Übergänge vermittelt werden,
bedarf keiner besonderen Erwähnung.
Auch die früheren Autoren haben schon große Zellen in den ein-
zelnen Teilen des Hinterhorns gesehen, besonders im Sakralteil, wo sie
vielleicht am auffälligsten sind.
Der erste, der den »Sakralkem«, d. h. die am Winkel zwischen
Vorder- und Hinterhom gelegene große Zellansammlung gesehen und
seine Stelle in den Abbildungen deutlich markiert hat, war wohl wiederum
Stilling (a.a.O.). Die Stelle, welche dieser ausgezeichnete Forscher in
S. 3 angibt, ferner die Beschreibung, daß sie nach hinten und innen von
den großen multipolaren Zellen des Vorderhorns gelegen ist, läßt wohl
keine andere Deutung zu.
Clarke (a. a. 0.) erwähnt in S. 2 einen Kern, den er zunächst als das
unterste Ende seiner Posterior vesicular columns gehalten hat, den er
aber dann mit Stilling als einen besonderen Kern hält. Unterhalb von
S. 2 soll er verschwinden; er glaubt, daß dieser Kern in Verbindung mit
den vorderen Wurzeln stehe. Clarke erwähnt auch noch das Vorkommen
von großen Zellen in der Außenschicht des Hinterhorns.
über die Kerne des rnenschlic/ben Rmkemnarks. 57
Waldeyer hat dann (a. a. 0.) in dem großen seitlichen Zellkomplex
des Sakralmarks einzelne Abteilungen unterschieden. Er beschreibt fol-
gende Abteilungen dieser Zellmasse am Winkel zwischen Vorder- und
Hinterhorn : i . Eine ziemlich zahlreich bevölkerte Gruppe in der Gegend
der Einbiegung zwischen Vorder- und Hinterhorn, welche W. mit Vorbe-
halt fiir homolog den Seitenhomzellen hält (vgl. S. 48). 2. Eine dem S tili in g-
schen Dorsalkern entsprechende starke Zellengruppe, welche schon in S. 3
auftritt. Die Ganglienkörper hier gleichen nach Ansicht von W. in ihrer
umgrenzten Gruppierung und in ihrer mehr rundlichen Form durchaus
den Stillingschen Zellen, sind aber durchschnittlich etwas kleiner.
3. Eine neue nicht ohne weiteres an früher beschriebene anschließende
Zellengruppe unmittelbar nach hinten und lateralwärts von dem Stilling-
schen Herde. Die Zellen dieser Gruppe sind größer als die des Stilling-
schen Herdes, jedoch blaß mit sehr fein granuliertem Protoplasma und
fiihren auffallend große runde Kerne. Vor und hinter dieser Gruppe
liegen einzelne größere Zellen von gewöhnliclier polykloner Form. Aus
dieser Beschreibung geht hervor, daß der Autor einzelne Kerne am Winkel
zwischen Vorder- und Hinterhorn und in nächster Umgebung der grauen
Substanz gesehen hat, die er fiir selbständig hielt, die aber, wie man auf
einer Schnittserie erkennt, zusammenfließen zu der großen hier am Winkel
befindlichen Zellenansammlung.
Als letzter, der eine ausföhrliche Beschreibung des seitlichen Zell-
komplexes des Sakralmarks gegeben hat, sei R. L. Müller^ angeföhrt.
Er erwähnt, daß an der Übergangsstelle zwischen Vorderhorn und Hinter-
horn neue Gruppen von Ganglienzellen auftreten. Diese Zellen sind multi-
polar und relativ groß, erreichen aber doch nicht den Umfang der moto-
rischen Zellen. Im oberen Teil des Conus meduUaris stehen die Zellen
nicht so dicht wie im unteren ; besonders zahlreich sind die Zellen dort,
wo diese intermediäre Zone an die Seitenstränge angrenzt, aber auch
entlang dem lateralen Rande des Hinterhorns sind noch Ganglienzellen
angeordnet, ebenso auch am medialen. In diesem das Vorder- vom
Hinterhorn trennenden Kranz von Zellen stehen die Ganglienzellen hier
imd dort zu dichteren Gruppen zusammengedrängt. Diese Zellen reichen
bis 2um untersten Teil des Konus herab.
' R. L. Müller, Untersuchungen über die Anatomie und Pathologie des untersten
Rückeuaiarksabschnittes. Deutsche Zeitschrift lur Nervenheilkunde. Bd. XIV. 1899.
Phys.-math. Classe. W08. Anhang. AbL L 8
58 L. J A c o B s o H N :
4. Nucleus sensibilis proprius.
Unter den hervorstechenden Zellformationen des Hinterhorns ist
endlich noch diejenige der Substantia gelatinosa des Hinterhorns zu er-
wähnen. Dieselbe ist die konstanteste Zellsäule des ganzen Rückenmarks ;
sie geht in vollkommen kontinuierlichem Laufe durch das ganze Rücken-
mark hindurch, setzt sich aufwärts in den Kern der absteigenden
Trigeminuswurzel fort und endigt in dem sensiblen Kern des genannten
Himnerven selbst. Ihre wechselnde Form und Größe ist auf den Zeich-
nungen der einzelnen Rückenmarkssegmente dargestellt. Sie ist im Dorsal-
mark schlank, schwillt im Hals- und Lumbaimark an und erreicht im
ersten Halssegment und im Sakralmark ihre größte Ausdehnung. Er-
wälmenswert ist, daß sich im Sakralmark ein kleiner Bezirk ihres äußeren
Schenkels an seinem ventralen Ende etwas abspaltet und dadurch häufig
den Eindruck eines besonderen Kernes macht. Von den Zellen dieser
Zellsäule sind kleine polygonale, zai*t gefärbte, ferner vereinzelte größere
polygonale und kleine rundliche, tiefdunkel gefärbte zu erwähnen.
Letztere sind für diese Substanz charakteristisch. Sie sind von Waldeyer
als Gierkesche Zellen bezeichnet worden nach dem Autor, der sie zu-
erst beschrieben hat^ Da diese Zellsäule auf jedem Schnitt plastisch
hervortritt und gut abgrenzbar ist, so erübrigt sich eine weitere Be-
schreibung und es sollen nur ein paar Worte zur Begründung der gewähl-
ten Bezeichnung »Nucleus sensibilis proprius« hinzugefugt werden.
Von den Fasern der hinteren Wurzeln tragen nur ein Teil den sensiblen
Reiz zu solchen Elementen des Rückenmarks, von denen er weiter durch
höhergelegene Stationen bis zur Hirnrinde gelangt. Diese ganze Bahn ist
die eigentliche sensible, und diejenigen Kerne, welche in diese Bahn bis
zur Rinde eingeschaltet sind, können als eigentliche sensible Kerne be-
zeichnet werden. Diesen Kern bildet meiner Ansicht nach im Rückenmark
allein die Substantia gelatinosa. Die anderen Fasern der hinteren Wurzeln
führen den sensiblen Reiz auf Zellelemente des Rückenmarks der ver-
schiedensten Form, Größe, Lagerung usw., die dann mit sensibler Leitung
im eigentlichen Sinne nichts mehr zu tun haben, sondern nur der Aus-
* H. Gierke, Die StiUzsubstanz des Zentralnervensystems Teil II. Arch. f. mikro-
skop. Anatomie Bd. 26, S. 144.
über die Kerne des menschlichen Rückenmarks. 59
lösung der verschiedenartigsten Reflexerseh einungen dienen. Daß die Sub-
stantia gelatinosa diejenigen Zellelemcnte trägt, die den sensiblen Reiz zur
Rinde weiterleiten, scheint mir einmal daraus hervorzugehen, daß die analoge
Substanz, welche die absteigende Quintuswurzel begleitet, fast nur aus
diesen Elementen besteht, ebenso der sensible Kern der in den Pons ein-
strahlenden sensiblen Trigeminuswurzel selbst, und daß schließlich auch
die Kerne der Gollschen und Burdach sehen Stränge, von denen die
Schleifenbahn zur Hirnrinde läuft, sehr ähnliche Elemente, wie es die
Gierk eschen Zellen sind, enthält. Aus diesen Gründen habe ich diese
Zellformation als Nucleus sensibilis proprius medullae spinalis
bezeichnet.
5. Tractus cellularum.
Während nun bei Durchsicht einer solchen vollständigen Schnittserie
durch das menschliche Rückenmark die Feststellung der im vorstehenden
geschilderten Zellgruppen keine allzu großen Schwierigkeiten darbietet,
so ist bei den übrigen Zellen von mittlerer und kleiner Gestalt, und das
ist bei weitem die Mehrzahl, eine einigennaßen befriedigende Einteilung
auf Grund der uns zur Zeit zur Verfügung stehenden Methoden nicht
möglich. Auch die N iß Ische Methode bringt hier noch nicht die wünschens-
werte Klarheit. Es liegt das daran, <laß diese Zellen von wechselnder
Gestalt und Form keine Gruppen bilden, sondern regellos über die ganze
graue Substanz zerstreut erscheinen. Und wenn auch auf diesem oder jenem
Schnitt ein Gruppenbild dieser Zellen zu entstehen scheint, so ist es auf
dem nächsten schon wieder anders, so daß das Bild der Lagerung dieser
Zellen dauernd wechselt. Trotzdem läßt sich meiner Meinung nach eine
gewisse, wenn auch, wie ich gern zugestehen will, unvollkommene Ein-
teilung dieser Zellen geben. Diese Zellen machen nämlich auf vielen,
ziemlich regelmäßig wiederkehrenden Schnitten den Eindruck, als ob sie
sich wie in einer leidlich umgrenzten Marschkolonne in einer bestimmten
Richtung und auf einer gegebenen Landstraße fortbewegten. In solcher
Kolonne haben dann auch gewöhnlich die Zellen eine ähnliche Gestalt und
Größe. Durch solche regelmäßig wiederkehrende Bilder veranlaßt, möchte
ich die übrigen Zellen von mittlerer und kleinerer Gestalt, soweit sie nicht
schon im vorhergehenden gruppiert sind, in Zellzüge, Tractus cellularum,
einteilen. Obwohl ich gern zugebe, daß es besser ist, den Namen » tractus «
60 L. Ja COBSOHN :
fiir Faserzüge zu reservieren, so empfehle ich doch, bis auf weiteres diesen
Namen zu gebrauchen, da er den auf den Schnitten dem Beschauer ent-
gegentretenden Bildern am ehesten gerecht zu werden scheint.
Von solchen Zellzügen kann man im Rückenmark des Menschen drei
unterscheiden (vgl. Taf. IX) :
a) Tractus cellularum medio-ventralis,
b) Tractus cellularum medio-dorsalis,
c) Tractus cellularum intercornualis lateralis.
Diese drei Züge treffen an der Übergangsstelle des Vorder- und Hinter-
horns zusammen und vermischen sich hier mehr oder weniger. Diesen
Zusammenfluß der Zellelemente in diesem Teil möchte ich als den Con-
fluens substantiae griseae bezeichnen.
a) Tractus cellularum medio-ventralis.
Dieser Zug von Zellen liegt in der medialen Kandzone des Vorderhorns.
Er läuft dem medialen Vorderhornrande parallel und erstreckt sich von
der medio-ventralen Ecke des Horns bis zur vorderen Kommissur. Er
bildet oft ein spitzdreieckiges Areal, das mit der Basis dem ventralen
Rande des Vorderhorns und mit der Spitze der vorderen Kommissur zu-
gewandt ist. Dort, wo die medialen Gruppen des Vorderhorns gut aus-
gebildet sind, tritt er an Umfang zurück, ebenso ist er spärlich un ganzen
Dorsalmark. Sonst kann er zeitweilig recht beträchtlich sein. Er erreicht
seine Hauptstärke im Lumbosakralmark, hier kann er sich auch noch weit
am ventralen Rande des Vorderhorns entlang ziehen; an die vordere Kom-
missur angelangt, verschmälert er sich oft und biegt in die Kommissur
ein, in welcher er sich mit einzelnen stäbchenförmigen, oft recht lang-
gestreckten Zellen verliert. Die Mehrzahl der Zellen, die im ventralen
Gebiet der Kommissurgegend (also der weißen und dem angrenzenden Teil
der grauen) liegen, gehören entweder diesem Zuge an, oder es sind weit
in die weiße Kommissur vorgeschobene große multipolare Zellen der media-
len motorischen Zellgruppen. Nach lateral zu sprüht dieser Zellzug oft
etwas ins Zentrum des Vorderhorns oder in den Confluens substantiae
griseae aus. Er setzt sich von den drei genannten Zellzügen am wenigsten
scharf ab, am besten noch im unteren Gebiet des Rückenmarks. Vom
fünften Lendensegment abwärts wird er vielfach von Zellen des sym-
pathischen Systems gebildet (s. weiter oben). Die Zellen des Tractus medio-
über die Kerne des menscMichen Rückenmarks. 61
ventralis sind verschiedenartig gestaltet. In der Mehrzahl sind sie von
mittlerer Größe, vielfach von schlanker, gestreckter Form mit der Längsachse
der Kommissur zugerichtet. Wahrscheinlich schicken die Zellen dieses Zuges
zum über wiegenden Teil Fortsätze in die vordere Kommissur. An manchen
Stellen sind den Zellen von etwas hellerem Farbenton locker liegende, dunkel
aussehende Elemente beigemischt. * Am stärksten tritt das im Gebiet des
Nucleus sympathicus medialis inferior hervor.
b) Tractus cellularum medio-dorsalis«
Dieser Zellzug ist wohl räumlich der kleinste von den dreien; in-
dessen, da er vorwiegend kleine Elemente enthält, muß man in der
Schätzung vorsichtig sein. Er wird nur im Lumbosakralmark beträchtlich.
Er zieht sich vom medialen Schenkel der Substantia gelatinosa am medialen
Rande des Hinterhorns entlang und endet hinter dem Zentralkanal. Er
wird im unteren Rückenmarksabschnitt besonders breit. In allen Gegenden,
wo ein deutlicher Nucleus spiiio-cerebellaris ausgebildet ist, wird er durch
letzteren in zwei Teile gespalten, in einen dorsalen, der im medialen Ab-
schnitt des Hinterhornhalses liegt, und in einen ventralen, der etwas ventral
bzw. medial vom genannten Kern sich befindet. Im Hinterhom bildet er
oft nur einen ganz schmalen, am medialen Rande befindlichen Saum, nur
im Lumbosakralmark wird er, wie schon gesagt, erheblich breiter und ist
von Zellen reich bevölkert. Er besteht zum überwiegenden Teil aus kleinen
polygonalen oder rundlichen Zellen. Dort, wo diese Zellen den Nucleus
spino-cerebellaris treffen, platten sie sich häufig stäbchenartig ab und um-
kreisen den genannten Kern. Ausdrücklich sei erwähnt, daß sich in diesen
Zug auch zeitweilig Zellen von mittlerer Größe mischen, aber das, was
dem Zellzuge den Charakter gibt, besonders gegenüber dem gleich zu be-
schreibenden lateralen Zellzuge, das ist die Vielheit der in ihm gelegenen
kleineren Zellelemente. Von diesem Zellzuge geht am Confluens substantiae
griseae auch ein Teil in der Richtung zur vorderen Kommissur bzw. ver-
mischt sich mit dem vorher beschriebenen medio-ventralen Zellzuge.
c) Tractus cellularum intercomualis lateralis.
Dieser Zellzug ist der mächtigste von den dreien und der prägnan-
teste. J]r entspringt gleichsam vom ventralen Endpunkt des äußeren
Schenkels der Substantia gelatinosa, hält alsdann gewöhnlich die äußeren
62 L. J A c o B s o n N :
zwei Drittel des Hinterhoms und die ganze Fomiatio reticularis besetzt
und strahlt am Winkel zwischen Hinter- und Vorderhom in letzteres hin-
ein. Hierbei gabelt er sich oft in dreifacher Art. Der eine Schenkel der
Gabel zieht am lateralen Rande des Vorderhorns entlang, der andere er-
gießt sich direkt ins Zentrum des Vorderhorns, und der dritte strebt in
der Richtung zur vorderen Kommissur.
Was diesem Zellzuge gegenüber dem vorigen das Charakteristische
gibt, das sind die Mittelzellen von etwas größerer Form, die vielfach recht
dunkel geförbt sind und in der Mehrzalil spindelförmige oder spitz drei-
eckige Gestalt haben. Am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhoni bil-
det dieser Zug oftmals einen Sammelpunkt, wo die Zellen sich mehr an-
häufen. Diese Anhäufung hat gewöhnlich die Gestalt eines Dreiecks mit
nach innen (zur Kommissur) gerichteter Spitze. Man trifft, wie gesagt,
diese Ansammlung hier recht oft und ist eventuell geneigt, sie als einen be-
sonderen dreieckigen Kern anzusprechen; indessen, da sich doch zu viele
Variationen finden und das Bild dieser Ansammlung zu schnell wechselt,
so habe ich davon abgesehen. Erwähnenswert ist, daß dicht vor dem
genannten Winkel bzw. noch in seinem Bereich im Dorsalmark die prä-
angulare Gruppe des Nucleus sympathicus cornu lateralis liegt, und daß
leicht Verwechselungen dieser beiden Zellansammlungen vorkommen können.
Indessen die Zellen des interkomualen Zellzuges sind lockerer gelagert
und auch von vielgestaltiger Form und Struktur, verglichen mit den Zellan-
sammlungen des Nucleus sympathicu§. In diesen Zellzug sind auch diejenigen
Zellen mit eingerechnet, die sich am ganzen Processus reticularis des lateralen
Vorderhomrandes und besonders auch des Hinterhomrandes entlang lagern
(die des sympathischen Systems natürlich ausgenommen). Ausdrücklicli sei
auch hier erwähnt, daß dieser Zug nicht ausschließlich größere Mittelzellen
enthält, sondern auch zahlreiche kleinere Elemente, ja daß mitunter ein regel-
mäßiger Turnus sich vollzieht, indem auf einer Reihe von folgenden Schnitten
der Zug vorwiegend aus kleineren Zellelementen besteht, und dann auf den
weiterfolgenden aus vorwiegend etwas größeren Elementen.
In C. 1 tritt außerordentlich deutlich der interkornuale Zug heraus.
Er teilt sich hier durch die Abspaltung der grauen retikulären Substanz in
zwei Züge. Der eine geht in ganz lockerer Art durch den peripherischen
Teil der Formatio reticularis vom Hinterhoni zur seitlichen Ecke des Vorder-
horns, der andere zieht sich am äußeren Rande der den Zentralkanal bergen-
über die Kerne des menschlicJien Rmkenmarks. 63
den grauen Substanz entlang. Beide Zuge vereinigen sich im Vorderhom,
wodurch letzteres stark mit Mittelzellen angefüllt ist. Der medio-dorsale
Zellzug ist hier gering, er liegt hauptsächlich zwischen Zentralkanal und
den hier beginnenden Hinterstrangskemen. Der medio-ventrale Zug ist
nur auf einer Anzahl von Schnitten ausgeprägt, er spitzt sich keilförmig
nach der vorderen Kommissur zu.
In C.2 sind die Verhältnisse bezuglich dieser Zellzüge ähnlich den-
jenigen von C. I . Am hervorstechendsten ist der interkornuale Zug. Medial
von ihm tritt oftmals zur Seite des Zentralkanals eine Ansammlung von
runden und birnförmigen homogenen Zellen auf, die an die sympathischen
Elemente erinnern, aber nicht sicher mit diesen identifiziert werden können.
Der medio-ventrale Zug enthält stellenweise größere und dunkle Elemente.
Der medio-dorsale Zug ist sehr schmal.
In C. 3 ist der interkornuale Zug sehi' mächtig, er erfiiUt den Haupt-
teil des Vorderhorns und der Zwischenzone. In dieser Zone lagern oft-
mals reichliche Zellen von rundlicher Form und homogenem Aussehen.
Auch der medio-dorsale Zug tritt in einzelnen Präparaten in Keilform her-
vor. Der medio-ventrale Zug ist nicht gut abgegrenzt.
In C. 4 bestehen ähnliche Verhältnisse wie in C. 3 ; der interkornuale
Zug wölbt sich am Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn so stark ins
Innere des Confluens substantiae griseae hinein, daß er der vorderen Kom-
missur sehr nahe kommt. Der medio-ventrale Zug ist wegen der guten
Entwickelung der medialen motorischen Zellgruppe etwas spärlich.
In C. 5 ist der interkornuale Zug aus dem Vorderhom wegen des
Anschwellens des lateralen motorischen Zellkomplexes stai-k herausgedrängt.
Er zieht sich jetzt am lateralen Hinterhornrande und am dorsalen Vorder-
homrande entlang und schiebt sich am Winkel zwischen beiden Rändern
kegelartig ins Innere der grauen Substanz hinein. Dadurch daß dieser
Zug nicht so tief ins Vorderhom hineingeht, tritt auch etwas besser der
medio-ventrale Zug heraus. Der medio-dorsale Zug ist schmal wie vorher.
In C. 6 und C 7 sind die Züge einigermaßen deutlich ; der inter-
kornuale ist nicht so stark wie vorher, er greift aber stärker auf den Pro-
cessus reticularis über.
In C. 8 ist besonders im distalen Gebiet der interkornuale Zug merk-
lich verringert, dagegen der medio-ventrale verstärkt, letzterer zieht oft-
mals noch etwas an der ventralen Zone des Vorderhorns entlang.
64 L. Jacobsohn:
In D. 1 sind die Züge stellenweise recht gut ausgeprägt, andererseits
aber begegnet man vielen Schnitten, wo namentlich der interkornuale Zug
recht schwach ist. Dieser teilt sich am Winkel zwischen Vorder- und
Hinterhorn oft gabelförmig. Ein Schenkel der Gabel umkreist den Rest
des lateralen motorischen Zellkomplexes, während der andere nach der
vorderen Kommissur strebt.
In D. 2 und D. 3 hat der Tractus intercornualis lateralis seine ge-
wöhnliche Gestalt; die Zellen des Zuges liegen recht locker. Es beginnt
hier die Schwierigkeit, Zellen dieses Zuges vom Kern des Nucleus sym-
pathicus comu lateralis immer scharf zu trennen. Der medio-dorsale Zug
ist sehr schmal, er liegt medial vom Nucleus spino-cerebellaris. Eine deut-
liche Abgrenzung des medio-ventralen Zuges ist nicht möglich.
In D. 4 und D. 5 ist der interkornuale Zug gewöhnlich klein, in man-
chen Schnitten erscheint er stärker. Häufig sammeln sich Elemente dieses
Zuges etwas dorso-lateral vom Nucleus spino-cerebellaris im Oervix cornu
posterioris etwas an, ebenso im Confluens substantiae griseae nach innen
vom Seitenhom. Viele der hier locker liegenden Elemente sind sehr stark
gefilrbt, oft abgerundet und von homogenem Aussehen, so daß es wahr-
scheinlicher ist, daß es weiter im Innern der grauen Substanz liegende
Elemente des Nucleus sympathicus cornu lateralis sind. Dieselbe Erschei-
nung war auch schon in D. 3 zu beobachten.
In D. 6 und D. 7 ist der interkornuale Zug schwach ausgeprägt und
wie auch in den höheren Segmenten vom medio-ventralen nicht scharf ge-
trennt. Beide bilden der Hauptsache nach einen lockeren Zellkomplex im
Zwischenteil der grauen Substanz oder im Vorderhorn. Der medio-dorsale
Zug besteht der Hauptsache nach in einer Ansammlung kleiner Zellen im
medialen Cervixgebiet dicht dorsal vom Nucleus spino-cerebellaris. Hin
und wieder liegen auch kleine Zellen zwischen dem genannten Kern und
dem Zentralkanal.
Von D. 7 bis D. 12 ist der interkornuale Zellzug stellenweise gut zu
sehen, im allgemeinen aber, besonders bei starker Ausbildung des Nucleus
sympathicus comu lateralis, schwach ausgeprägt. Sind Nucleus sympathi-
cus und Nucleus spino-cerebellaris sehr groß, so schnüren sie den Zug am
Übergang zwischen Vorder- und Hinterhorn ein, und man kann alsdaim
eine größere Ansammlung dieses Zellzuges im Vorderhorn und eine kleinere
dorsal vom Winkel zwischen Vorder- und Hinterhorn finden. Letztere ist
über die Kerne des nienschlicJien Rückenmarks. 65
oft nicht leicht vom Nucleus sympathicus zu trennen. Der medio-ventrale
Zug tritt wenig heraus und grenzt sich selten vom lateralen Zuge scharf
ab. Der medio-dorsale ist schmal und gering wie zuvor.
Von L. 1 beginnen die drei Züge schärfer herauszutreten und sich
besser abzugrenzen.
In L. 2 ist der Tractus intercornualis lateralis ausgezeichnet deutlich ;
gewöhnlich besteht er aus Mittelzellen mittlerer Größe, zuweilen auch aus
etwas größeren. Sehr oft teilt er sich am vielgenannten Winkel zum
Vorderhorn in drei Schenkel. Der eine derselben zieht am äußeren Rande
des Vorderhorns entlang und umkreist die dort liegenden großen moto-
rischen Zellen; der andere Schenkel des Zellzuges strahlt in die Mitte des
Vorderhomes hinein und mischt sich hier vielfach zwischen die großen
Zellen, und der dritte Schenkel geht zur vorderen Kommissur hinüber.
Die Zellen sehen wie schmale Pfeile aus. Auch der medio-dorsale Zug ist
sehr typisch, er liegt dem Kuppenteil der Hinterstränge dicht an. Der
interkomuale und der medio-dorsale Zug sind mitunter durch wenige Zellen
des Nucleus spino-cerebellaris getrennt. Der Tractus medio-ventralis ist
nur zeitweilig gut abgegrenzt.
In L. 3 sind der interkomuale und medio-dorsale Zug ausgezeich-
net zu sehen, auch der medio-ventrale ist stärker und setzt sich schär-
fer ab.
In L. 4, wo die Züge ebenfalls vorzüglich ausgebildet sind, zieht sich
der medio-ventrale Zug auch noch am ventralen Vorderhomrande entlang
bis in die Nähe des lateralen motorischen Zellkomplexes. Hier sind in
diesem Zuge Zellen in Haufen eingelagert, die dem Nucleus sympathicus
medialis angehören.
Von L. 5 bis S. 4 sind alle drei Züge gut ausgeprägt und von an-
sehnlicher Breite. In den medio-ventralen ist schon von L. 4, in den in-
terkomualen von S. 2 der entsprechende Nucleus sympathicus eingelagert
(s. das Nähere darüber vorher). Der medio-dorsale Zug besteht zum über-
wiegenden Teil aus Zellen der hinteren Kommissur.
Von S. 4 an werden die Züge kleiner und verschmelzen miteinander.
In diesen eben beschriebenen Zügen sind alle Zellen zusammengefaßt,
die von den Autoren als Mittelzellen, kleine ZeUen, Strangzellen, Zellen
der Formatio reticularis, Zellen der vorderen und hinteren Kommissur be-
schrieben worden sind.
Phys.-math. Glosse. 1908. Anhang. Abh. I. 9
66 L. J A c o B s o II N :
Am Schluß möchte ich noch erwähnen, daß es auf mich den p]in-
druck machte, als ob ziemlich alle Zellarten, bis auf die kleinen polygo-
nalen Zellen und diejenigen des Nucleus sensibilis proprius im Lumbo-
sakralmark eine etwas größere Gestalt haben als im übrigen Rückenmark.
Fasse ich die Resultate dieser Arbeit zusammen, so ergibt sich folgendes :
1. Die in der grauen Substanz des Rückenmarks liegenden Nerven-
zellen lassen sich zum Teil in Gruppen ordnen, zum anderen Teil ist dies
nicht möglich.
2. Die Gruppierung wird bestimmt einmal durch die Lagerung an
einer bestimmten, ziemlich begrenzten Stelle der grauen Substanz und zwei-
tens durch den Zellcharakter (Größe, äußere Gestalt und innere Struktur
der Nervenzellen).
3. Bestimmt abgrenzbare Gruppen der grauen Substanz kann man
folgende unterscheiden:
a) Nuclei motorii,
b) Nuclei sympathici,
c) Nuclei magnocellulares cornu posterioris,
d) Nucleus sensibilis proprius.
4. Die nicht in Gruppen zu ordnenden Nervenzellen gehören dem
mittleren und kleinen Zelltypus an und liegen fast über die ganze graue
Substanz ausgestreut, sie ordnen sich nur unvollkommen in Zellzüge
Tractus cellularum.
5. Die Nuclei motorii bestehen aus einer medialen und einer la-
teralen Zellsäule. Die erstere geht durch das ganze Rückenmark, die
letztere hat im Dorsalmark eine Unterbrechung.
Die mediale Zellsäule ist in C. 3 und C. 4, in C. 8 — D. 3, in
D. II — L. 2 und in S. 3— S. 4 von ansehnlicher Breite, in den anderen
Segmenten wechselt sie fortdauernd in ihrem Zellgehalt, in der Mitte der
Halsanschwellung ist sie spärlich, in L. 5 und S. i so gut wie fehlend.
Sie endigt tiefer als die laterale Zellsäule in S. 4. Zellen dieser Säule
verlieren sich vielfach in der vorderen Kommissur.
Die laterale Zellsäule besteht aus zwei Abschnitten, einem oberen,
zerviko-dorsalen, und einem unteren, lumbosakralen. Beide bestehen aus
drei Hauptabteilungen, die sich noch in weitere Unterabteilungen sondern,
über die Kerne des memchlichen Rückenmarks, 67
die aber andrerseits auch fließend ineinander übergehen (s. S. 9 und
S. 18). Die zervikodorsale reicht von C. i bis D. 2, die lumbosakrale von
L.i bis S. 3.
In manchen Segmenten überschreiten Zellen dieser Säulen die graue
Substanz und lagern sich weit in die weiße Substanz ein; so besonders
in C. I, in D. 12, L. i und L. 2.
Die Zellen liegen, trotzdem sie sich in Grui)pen ordnen, doch immer
etwas locker. Sie unterscheiden sich in ihrer Größe ungemein nach der
Region des Ruckenmarks, in welcher sie liegen. Diejenigen des Dorsal-
marks sind in der Mehrzahl die kleinsten, diejenigen des Halsmarks sind
im ganzen etwas größer, und diejenigen des Lumbosakralmarks sind über-
wiegend sehr große; fast kann man sie Riesenzellen nennen.
6. Von Nuclei sympathici kann man eine laterale und eine me-
diale Zellsäule unterscheiden.
Die laterale besteht aus zwei Abteilungen, einer oberen, im Seiten-
horn des Dorsalmarks oder im analogen Gebiet des oberen Lendenmarks
gelegenen, Nu cleus sympathicus lateralis superior s. cornu late-
ralis, und einer unteren, im Sakralmark an der seitlichen Grenze zwischen
Vorder- und Hinterhorn lagernden, Nucleus sympathicus lateralis
inferior s. sacralis.
Die mediale,
Nucleus sympathicus medialis lumbo-sacralis,
liegt an der medialen und ventralen Randzone des Vorderhorns des Lumbo-
sakralmarks.
Die obere laterale Zellsäule der Nuclei sympathici erstreckt sich
von C. 8 bis L. 3 (vielleicht lagern kleinere, ganz vereinzelte Gruppen noch
weiter kaudal). Sie zeigt oft zwei Zellhaufen, eine pars apicalis (an
der Spitze des Seitenhorns) und eine pars praeangularis (am Winkel
zum Hinterhorn). Beide Abteilungen gehen aber am dorsalen Rand des
Seitenhorns ineinander über. In einzelnen Rückenmarkssegmenten ist die
Säule besonders stark, so in den oberen Brustsegmenten. Am volumi-
nösesten erscheint sie in D. 12. Sie zeigt fortdauernde An- imd Abschwel-
lungen und auch regelmäßige Unterbrechungen.
Die untere laterale Zellsäule der Nuclei sympathici erstreckt sich
von S. 2 (distal) bis ins Coccygealmai'k. Sie liegt am seitlichen Winkel
68 L. J A C O B S O H N :
zwischen Vorder- und Hinterhorn und ragt tief in die graue Subst-anz hinein.
Oft zeigt sie auch mehrere Gruppen, oft ist sie geschlossen. In S. 3
(distal) und in S. 4 hat sie ihren größten Umfang.
Die mediale Zellsäule der Nuclei sympathici erstreckt sich von
L. 4 bis ins Coccygealmark, sie liegt zunächst am medialen Rande des
Voixlerhoms, geht dann von S. 2 an weiter auf den ventralen Rand über
und überzieht in zahlreichen kleineren und größeren Haufen den me-
dialen und ventralen Rand dann immer weiter, bis sie sich in S. 3 voll-
kommen mit der unteren lateralen Zellsäule vereinigt. Beide bilden in
S. 4 dann ein gemeinsames Areal, welches fast das ganze Vorderhom und
die Zwischenzone einnimmt.
Die Zellen in den drei Formationen des sympathischen Systems haben
drei charakteristische Zeichen; sie liegen fast stets in kleineren und stär-
keren Haufen dicht gedrängt beisammen, sie erscheinen als rundliche oder
keulenförmige Zellen, oder als polygonale mit abgestutzten Fortsätzen ; sie
haben vielfach ein homogenes Aussehen und sind ziemlich dunkel gefärbt.
7. Die Nuclei magnocellulares cornu posterioris bestehen aus
Zellen, die sich durch ihre Größe von den übrigen Zellen des Hinterhoms
herausheben; sie lagern sich in drei Gruppen:
a) Nucleus magnocellularis basalis s. spino-cerebellaris,
b) Nucleus magnocellularis centralis,
c) Nucleus magnocellularis pericornualis.
a) Der Nucleus magnocellularis basalis ist Stillings Dorsal-
kern bzw. Clarke's vesicular columns.
Er ist von C. 8 bis L. 2 gut ausgeprägt, nimmt von C. 8 an nach
unten an Umfang zu und erreicht seine größte Ausdehnung in D. 12.
Eaudal von L. 2 verliert er sich in einzelnen Zellen, die oft etwas weiter
dorsal gelagert sind. Im Halsmark sind abwechselnd einzelne homologe
Zellen in den Schnitten anzutreffen. Der Kern hat kaum Unterbrechungen,
sondern bildet von C. 8 bis Anfang L. 3 eine kontinuierliche Zellsäule. In
einzelnen Segmenten, D. 12 — L. 2, treten Zellen des Kerns in kleinen
Gruppen aus seinem Bereich in den Hinterstrang aus. Vielfach kommen
die Zellen des Kerns den motorischen an Größe ziemlich nahe. Sie ent-
halten viel Pigment.
b) Der Nucleus magnocellularis centralis liegt hauptsächlich
im Kern des Hinterhoms. Er ist in einzelnen Zellen im ganzen Rücken-
Über die Kerne des menschlichen Rückenmarks, 69
mark durchgehend vertreten, hierbei im HaLsmark deutlicher als im Dorsal-
mark. Als eigentlicher Kern aber entwickelt er sich erst im Lumbaimark
und erreicht seine Höhe im Sakralmark. Er besteht aus ganz gi'oßen
(den motorischen an Größe gleichkommenden) Zellen und aus etwas klei-
neren Zellen. Letztere haben mehr spindelförmige Gestalt und sind gewöhn-
lich mit der Längsachse sagittal gestellt.
c) Nucleus magnocellularis pericornualis. Diese Kerngi-uppe ist
identisch mit den Marginalzellen des Hinterhorns von Waldey er. Sie liegen
gewöhnlich vereinzelt in der Außenschicht des Hinterhorns. Im Halsmark
sammeln sie sich mitunter an der Hinterhomspitze an (pars apicalis),
noch mehr geschieht das im Lumbosakralmark, wo sie eine stattliche Zahl
von Zellen bilden können, die auch reichlich in der retikulierten äußeren
Grenzschicht des Hinterhorns liegen (pars reticularis); letztere Zellschicht
ist im Sakralmark besonders stark ausgebildet.
8. Nucleus sensibilis proprius. Darunter ist die Zellsäule der
Substantia gelatinosa verstanden, die nach meiner Ansicht eine Station
der eigentlichen, bis zur Hirnrinde fahrenden sensiblen Bahn darstellt.
9. Die Zellen von mittlerer und kleiner Gestalt, die nicht in Gruppen
zu ordnen sind, trenne ich in Zellzüge, tractus cellularum, weil sie
oft auf den Schnitten wie in einem Zuge nach einer bestimmten Richtung
sich zu bewegen scheinen. Ich unterscheide drei solcher Zellzüge:
a) Tractus cellularum medio-ventralis,
b) Tractus cellularum medio-dorsalis,
c) Tractus cellularum intercornualis lateralis.
Diese drei Züge sind am besten im Lumbosakralmark ausgeprägt und
grenzen sich hier ziemlich beständig recht scharf voneinander ab. Der dritte
Zug (c) ist fast überall, besonders auch im Zervikahnark, gut herauszuer-
kennen; die anderen sind im Zervikal- und Dorsalmark nur zeitweilig zu
erkennen.
Der Tractus cellularum medio-ventralis liegt am medialen Rande
des Vorderhorns und reicht von der medio-ventralen Ecke bis in die vor-
dere Kommissur. Im unteren Lenden- und im Sakralmark liegt in seinem
Bereich der Nucleus sympathicus medialis, s. lumbo-sacralis. Er besteht
aus kleineren, aber auch recht vielen mittleren Zellen, zeitweilig von an-
sehnliclier Größe und dunkler Färbung. Einzelne Zellen dieses Tractus
70 L. Ja cobsohn:
liegen direkt im Faserareal der vorderen Kommissur: er ist häufig nach
dem Innern des Vorderhoms schlecht abgegrenzt.
Der Tractus cellularum medio-dorsalis zeigt sich dadurch aus,
daß er überwiegend kleine Zellen enthält, die etwas dichter gelagert sind.
Kr zieht sich ventral vom Nucleus sensibilis proprius (Substantia gelatinosa)
am medialen Rande des Hinterhoms hin bis in die graue Kommissur
hinein; er liegt also der Kuppe der Hinterstränge dicht an. Er ist meistens
recht schmal, nur im Lenden- und noch mehr im Sakralmark von an-
sehnlicher Breite.
Der Tractus cellularum intercornualis lateralis ist ein Zellzug,
der sich vom Nucleus sensibilis proprius (Substantia gelatinosa) am Außen-
rande des Hinterhorns und am Processus reticularis bis zum Winkel am
Vorderhorn hinzieht und sich hier in das Vorderhorn ergießt. Dies tut
er von hier aus mit drei Schenkeln; der eine geht am latero-dorsalen
Rande nach außen weiter und umspült die liier gelegenen motorischen
Zellen, der andere ergießt sich mitten ins Vorderhorn hinein und mengt
sich liier vielfach zwischen die großen Zellen, und der dritte strebt in
schräger Richtung nach der vorderen Kommissur. Dieser Zellzug zeichnet
sich namentlich gegenüber dem vorigen dadurch aus, daß er vorwiegend
aus locker liegenden, etwas größeren und langgestreckten Zellen besteht.
lo. Sämtliche Zellarteii, mit Ausnahme der ganz kleinen Zellen und
der Zellen des Nucleus sensibilis proprius (Substantia gelatinosa), nehmen
im Lumbosakralmark etwas größere Gestalt an als im Zervikodorsalmark.
über die Kerne des menschlicJien Rückenmarks, 71
Nachtrag zur Literatur.
Nach Drucklegung vorsteheuder Untersuchungsresultate gelangte ich noch in den Be-
sitz einer Arbeit von S. Irimesco und C. Parhon: Recherches sur la localisation spinale
des muscles du perin^e et du rectum. Journ. de NeuroL et d'Hypnol. 1905, Nr. 4. Da in
dieser Arbeit noch wichtige Angaben über die sympathischen Kerne des Sakralgebietes und
entsprechende Literaturangaben enthalten sind, so seien diese hier nachti-Sglich noch kurz,
referiert. Irimesco und Parhon erwähnen, daß der sakrale Teil des Tractus intermedio-
lateralis beim Menschen im untei*en Abschnitt von S. 3 beginnt und sich bis S. 5 fortsetzt.
Er Hegt am lateralen Rande der grauen Substanz zwischen Vorder- und Hinterhorn und hat
eine größere äußere und eine kleine innere Abteilung, die miteinander konfluieren. Die
innere Abteilung hat etwas größere Zellen. Die äußere Gruppe sei identisch der Zellsäule
des Seitenhorns. Außerdem fanden die Autoren noch in S. 2 hinter und etwas nach innen
von der Gruppe X von Onuf eine ähnlich gestaltete Gruppe, die aber etwas größere Zellen
besitzt als die Onuf sehe. Die Zellen dieser hinteren Gruppe halten sie für motorische, ob-
wohl sie kleiner sind als diejenigen der eigentlichen motorischen Gruppen. Nach den Lite-
raturangaben der eben zitierten Arbeit ist der sakrale Teil des Tractus intermedio-lateralis
auch schon von de Bück: Localisation meduUaire de l'innervation motrioe du perin^e et
du rectum. Annales de la Soc. sciont de Bruxelles T. XXIII und von Sano: Les localisa-
tions des fonctions motrices de la moelle epini^re. Bruxelles 1898 und XIV. Congr^ des
Neurologistes, &c. 1904, beschrieben worden. De Bück konstatierte außerdem in S. 3 bis
8.5 noch unregelmäßig gelagerte Gruppen, welche kleine Zellen enthalten. Marin es co
gibt in seiner bedeutsamen Arbeit: Recherches sur les localisations motrices spinales. La
Semaine mMicale 1904, S. 229, einen Längsschnitt vom ersten und zweiten Sakralsegment
des Hundes (entsprechend S. 3 und S. 4 beim Menschen) wieder. Auf diesem Schnitte ist
die Zellsäule X von Onuf dargestellt, die ihrem Zellcharakter und ihrem dichten Gefuge
nach vollkommen den Zellgruppen des sympathischen Systems des Ruckenmarks entspricht.
Nach außen von dieser Zellsäule fand der Autor noch zahlreiche Nester von kleineren Zellen.
Schließlich sei hier noch die Arbeit von L. Blumenau und £. Nieiso n, Neurol.
Zentralbl. 1905, Nr. 12, angeführt, in welcher Abbildungen der Abteilungen des lateralen mo-
torischen Zellkomplexes des Halsmarkes enthalten sind, die mit den von mir gegebenen fast
vollkommen übereinstimmen.
72 L. Jacob söhn: Über die Kerne des menschlicfien Rückenmarks.
Erklärung der Figuren auf den Tafeln.
Die Figuren C. i — Cocc. auf den Tafeln I — IX stellen je ein Prototyp
für den Zellcliarakter jedes Rückenniarkseginents dar. Von der ganzen Schnitt-
reihe jedes Segments wurden zunächst die hervorstechendsten Typen ausgewählt
und genau abgezeichnet. Aus diesen letzteren wurde alsdann leicht schematisch
eine Figur zusammengestellt, die nun den Grundcharakter der Zellformationen des
betreffenden Segments wiedergibt.
Die vier Figuren auf Tafel IX sind Wiederholungen von C. 7, D. 7, L. 5
und S. 4. Auf diesen vier Figuren sind die einzelnen Zellgruppen bezeichnet
worden, die man im menschlichen Rückenmark unterscheiden kann.
Die Figuren geben den Umfang der grauen Substanz in den einzelnen Rücken-
markssegmenten nur ungefähr wieder, da die Umrisse der grauen Substanz je
nach dem mikroskopischen Bilde frei aus der Hand gezeichnet sind.
K. Prmß. Äkad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Fhys.'fnath. Äbh. 1908.
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C.I
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L. Jacobsobn: Über die Kerne des menschlieben Rückenmarks.
Taf. L
K. Fmß. Akad. d, Wissensch.
Anhang z. d, Fhys.^math» Äbh. 1908.
L. Jaoobsobn: Über die Kerne des mensohlioben Rückenmarks«
Taf.n.
K. Ptmß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d, Fhys.-math, Ahh. 1908.
C. 8 distal
D. 2
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L Jacob söhn: Über die Kerne des mensohliohen Rückenmarks.
Taf. m.
K. Brmß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z, d, Fhys.'math. Abk. 1908,
L. Jacob söhn: Über die Kerne des mensohliohen Rückenmarks.
Taf . IV.
K. Breuß. Akad. d. Wissensch,
Anhang z, d. Phys.'fnath. Äbh. 1908.
:co5»
L Jaoobsohn: Über die Kerne des mensohlichen Rückenniarks.
Taf. V.
K. Breu/3. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Fhya.-math. Ahh, 1908.
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L. Jacobsohn: Ober die Kerne des menschlieben Rflokenmarks.
Taf. VI.
K. Prmß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z, d. Fkys.-math. Äbh. 1908.
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L. Jaoobsohn: Ober die Kerne des mensohliclien Rückenmarks.
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AT. Brmß. Äkad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Fhya.-maih, Abh. 1908.
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L Jaoobsohn: Über die Kerne des mensohlichen Rückenmarks.
Taf . vni.
K. Freuß, Akad, d. Wissensch.
Anhang z. d, F%ys,-math. Abh, 1908.
Nndeits magnoceUaUuris perioonraali
Nuclens magnocellalaris
centralis
^-7
^^Nnclens •enaibilis
proprius
Nucleoa magnocellularia perioomiulii
Nadeus magnoceUulartt
centnUis
■* '- •^^t^'^NuclÄua aenaibiiia
proprius
Tractua ceUulamm
medio-doraalii
Nudeua magnooeUiilaria
baaalia
Tractua cellnlanim
medio-doraalia
Nudfioa magnocellularia
baaalia
Nudeua moCoriua
medio-doraalia
Tractua cellularuni
niedio-ventralia
Nudeua raotorina — W:* ^
medio-ventralia ^
Tractua cellularuin
iiiterconmaiis lateralis
Nudeua motorius latero-
dorsalis internus
* * J ^ * I Nu deua motorius latero
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intercomualia
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^^ - • # ^ y/ ^ comu lateralis
•• A--',"'
Tractua cellularum^-^.^ j^
medio-ventralia
Nudeua niotonua-
Nudeua niotortua
lalero-intermedius exteniiM
Nudeus motoriua
C. 7 latero- ventral ia
Nudeus motoriua latero-intennediua
^, . ,. . , .. internus s. centralia
Nudeua magnooellulana pericomualia
D. 7
Tractua cellularum/ ^
medio-doraalia
Nudeua
magnocellularia
basalia
Tractua
cellularum
medio-ventralia
Nudeua avmpathicua/ W^ t
medialia Ij/C*^
8. lumbo-aacralia
Nudeua aenaibiiia propriua
Tractua cellularum
intercomualia
latenJia Nudeua niagnocellula
centralia
Tractua cellularum
medio-doraalia
Nudeua
motoriua retro-
doraalia ™--— .^
magnocellularia
baaalia
Nudeua
Nudeua motoriua
medio-ventralia
Nudeus motorius
latero-iiiternus
s. centralia
Nudeua motoriua
latero-doraalia
Nudeus motorius latero-ventralis
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lagnocellularis
perioomualis
Nudeua
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lateralia inferior
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L Jacobsohn: Über die Kerne des menschlichen Rflckenmarks.
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